nenne ger na r hin hr x PPHSS U RRIITUU ER ELDER u IP Se ET, ER Rn nn me a —— we a ee EEE EI DE ENT # —— av Un F NT — Te — —— BD “ zu — AH FEIFE f I | \ & —J in —— —— NEIN —- ! Pr n — 7 2 | * er 74 / 4 / 118 / hl A — — v K} UN AUT, — RAAB DRAN ER 6 ER 22 '@ BE AA vn... DR. ARM LER AR — a New York IUE. E. Stechert & Co. Alfred Hafner GUSTAV BUDINSKY Buchhandlung u. Antiquariat GRAZ Reitschulrasse 10. Nalerische Botanik. Eriter Band. ° II XTUBIoE ouosraol vpx "EL 931908 ori UF + var mb m male 2920 ourdg cyO U0A IeraaA :I12dıer] will er 4 — Maleriſche Botanik. | Schilderungen aus dem Leben der Gewädfe. # mn Dopuläre Vorteäge | über phyfiologiihe und angewandte Pflanzenfunde von Hermann Wagner. u *742 8 BB BN Erſter Band. MAit 140 in ven Text gevruckten Abbildungen, mebreren Tonbildern und einem Titelbilde. ee 4 mE _ ———— > * —— Leipzig. Verlag von Otto Spamer. 1861. Vorwort, V Das Pflanzenreich bildet ein wichtiges Glied im Geſammtleben unſers Planeten; es ſpielt auch eine intereſſante Rolle in der Geſchichte der geiſtigen Entwickelung des Menſchengeſchlechts. Es wirkt als Faktor nicht nur bedeutungsreich auf das materielle Wohl— ergehen der meiſten Völker, es tritt an uns heran, wenn wir uns die Ur— ſachen vorführen, welche bei der Geſittung, bei der Pflege des Gemüthslebens thätig waren. Lange Zeiträume hindurch faßte der Menſch die grüne, blumendurchwirkte Decke, welche die Mutter Erde umhüllt, geringſchätzig genug auf; außer dem Landmann, dem Obſtzüchter und Gärtner waren es nur Aerzte und Quack— ſalber, die den ſtillen Kindern des Waldes und der Flur Aufmerkſamkeit ſchenkten. Der Aberglaube, der ſeine unheimlichen Bilder ja ſtets um ſo phantaſtiſcher zeichnet, je ſchwächer das Licht der Wiſſenſchaft ein Gebiet er— leuchtet, bevölkerte auch die friedliche Pflanzenwelt mit Dämonen, welche den ſchroffſten Gegenſatz bildeten zu den poetiſchen Figuren, zu denen die Dicht— kunſt Bäume und Blumen ſinnig umſchuf. Aus dem Schooße tauſendjähriger Finſterniß wand ſich endlich die ernſtere Wiſſenſchaft der Pflanzenkunde los, anfänglich zwar noch Aſchenbrödel— dienſte bei ihrer älteren Schweſter, der Heilkunde, verrichtend, unter treuer Pflege aber bald erwachſend zur Selbſtändigkeit. Die beſchreibende, ſyſtema— tiſche Botanik bildete die Grundlage, auf welcher ſpäter Phyſiologie, Pflanzen— geographie u. f. mw. fortbauten. Der Borwurf der Trodenheit, welder von voreingenommener Seite dem botanischen Studium entgegengehalten wurde, verſchwand im demſelben Grade, als die Auffafjungsweife eine vieljeitigere ward, welde man den Gewächſen und ihrem Leben zu Theil werben lie. Um fo erfichtliher und mächtiger wirfte die Pflanzenwelt ihverfeits auch wiederum auf das Fortjchrittsleben dev Gegenwart ein. VI Borwort. Daſſelbe Gewächs, das von der Mythe mit Zauberfräften ausgeftattet und zum Götteridol verflärt war, bot fpäter der firengen Forſchung ein wich— tige Objekt, zeigte nachmals eben fo dem ftrebenden Technifer, wie dem Phi- Iojophen und dem begeifterten Dichter vielfältige Seiten, die ehevdem Niemand geahnt. Diefe Mancyfaltigfeit in der Auffaſſungsweiſe fteigert fid) von Tag zu Tag, je mehr die einzelnen Disciplinen der dorſchan jelbft täglich wei— ter ſchreiten. In den nachſtehenden Vorträgen ſucht der Verfaſſer in möglichſt abge— rundeten Bildern den Bau und das Leben der Gewächſe zu ſchildern, gleichzeitig aber auch die vielfachen Berührungen hervorzuheben, die zwiſchen den Pflanzen und den übrigen Naturreichen ftattfinden, vorzugsweiſe aber die oben berührten vieljeitigen Beziehungen zu verfolgen, welche in der Gegen- wart die Pflanze und den: Herrn ber Erbe verfnüpft, der fie auch geiftig zu beherrichen jtrebt. Der Verfaſſer hofft hierdurdy nicht nur dem Lejer Anregung und Unter- haltung, fondern auch manchem Leer vielleiht einen wohlgeordneten Stoff zuc Belehrung zu bieten. Er jelbft verdankt der friedlichen Beihäftigung mit dem Reich der Gewädhfe, welcher er den größten Theil feines Lebens widmete, die vielfältigften. reinften Genüffe, und erlaubt fi), Denjenigen, wel- her beabfichtigt eingehender fi mit der Kenntniß der Pflanzen zu beſchäfti⸗ gen, aufmerkſam zu machen auf die verſchiedenen anderweitigen botaniſchen Schriften, die er als „Führer“ mit Herbarien verſehen Verlag von A. Hel- mid, ſowie Velhagen & Klaſing, Bielefeld) veröffentlicht hat. Die reiche Ausſtattung durch ſchön ausgeführte Holzſchnitte und Ton— druckbilder, womit die Verlagshandlung die vorliegenden Bände zierte, dürfte denſelben wol die Bezeichnung als „maleriſch“ geſtatten. Leipzig, im Sommer 1860. Der Verfaſſer. Maleriſche Botanik. Inhalt des erften Bandes, Aus der Jugendzeit. EEE HEHE I. Die heiligen Bäume. Paradieſesbäume. — Eiche. — Miftel. — Linde. — Delbaum, — Lorbeer. — Cypreſſe. — Dattelpalme. — Lotusblume. — Somapflanze. — Heilige Feige. — Wanzabaum. — Rimi. — Kigelia. — Baobab. — Drachenbaum. — Theeftrauch. — Feenbaum. — Sonnen= baum auf Japan. — Kofa. — Kofvs. — PVohutucana. . „2.2... 22cm eneenerennee nenn IH. Aus der Gefhichte der Pflanzenkunde. (Ein furzer Abriß.) - Griechifche Wurzelgräber und Philofophen. — Ariftoteles. — Theophraftos. — Die Aleran- , driner. — Die Römer. — Landwirthichaftliche Botanik. — Dioskorides. — Plinius. — Das Chriſtenthum. — Die Indier und Araber. — Die Deutfchen im Mittelalter. — Bock und Fuchs. — Erwachen der Wiffenfchaft. — Artenfenntnig. — Syſteme. — Linne. — Phyſiologie und Sentranhle, — ig vorweltiichen Bilanzen. Jon sn dm en en see ne II. Das Leben der Wurzeln. Anficht des Ariftoteles. — Der Erdboden. — Unorganifche-und organifche Beftandtheile deſſelben. — Borrathöftoffe. — Keimen. — Die Wurzel. — Eine junge Eiche. — Haupt- und Nebenwurzeln. — Thauwurzeln. — Wurzeln ver Monokotylen. — Die Wurzelhaube. — Wur- zelbaare. — Innerer Bau. — Thätigkeit ver Wurzel. — Pflanzenfeindſchaft. — Bodenerfchöpfung. — Berfchienenheit des Wurzelwachsthums. — Wurzel und Oberftof. — Gorgonenhaupt. — Wurzeltiefe. — Gifte für Wurzeln. — Wurzelverfchmelzungen. — Wurzelfchmaroger. — Wur- ee Nyznan a nn 12 na N 2 IV. Die £uftwurzeln. Wurzelfäulen. — Wurzelbreter. — Geiba. — Flügelwurzelbaum. — Sonneratie. — Eiben cypreſſe. — Trompetenbaum. Schößlinge und Sproffen. — Wurzelbäume. — Pandanus. — Hornpalme. — Zamorapalme, — Banianenfeige. — Kanarifcher Lorbeer. — Leinwürger. — Epheu. — Mörderichlinger. — Miftel. — Loranthus. — Luftblumen. . . . . . . . ......... 4. V. Die nahrungliefernden Anollen. Kartoffelbau. — Einführung der Kartoffel. — Anatomie und Entſtehung der Knollen. — Geor— ginenfnolle. — Die Kartoffelfrantheit. — Andere eßbare Wurzeln und Knollen. — Manivf. — To- pinambur. — Batate. — Arrowsroot. — Yam. — Naron. — Kalo. — Enfeht. — Sarannha... VI. $Srühlingskräuter, Alpenblumen und Lilien, (Ein Blif auf die Wurzelftöfe und Zwiebeln.) Ein botanifcher Frühlingsausflug. — Wurzelftöde. — Perennirende Kräuter. — Polar- flora. — Gebirgs- und Alpenflora. — Die Zwiebeln. — Verbreitung ver Zwiebelgewächle. — Lilienwiefen des Kaplandes. — Die Orchisfnollen. — Saleö 17 59 VIII Inhalt des erſten Bandes. VI. Die Pflanzenzelle und die Sellenpflanzen. (Ein Blick ins Mikroſkop.) Seite Algenformen unjerer Süßwaſſer. — Einzellige Pflanzen. — Diatomeen. — Fadenalgen. — Armleuchter. — Meeresalgen. — Zellenformen. — Die Bilanzenzelle und ihr Inhalt. — 3ellenhaut. — Verdickungsſchichten. — Zellenfern. Vermehrung der Zellen. — Tochterzellen. — Freie Zellen- bifpung. — Zellenpflanzen in Bergwerfen. — Schneealgen. — Flechten. — Mooſe. — Pilze, 123 - VII. Der Pflanzen Stamm und Mark. Der Pflanzenftengel. — Knoten und Glieder. — Stengelfpise. — Anatomie des Stengels. — Mark. — Gefäße. — Cambium. — Sago. — Sagopalme. — Gumutipalme. — Ghilta- palme. — Zapfenpalme. — Ambak. — Hohle Stengel. — Rohrpalme. — Armleuchterbaum. Sr Iufiriimente. — Iurivari. a SORTCHERe N TER. 2. a [ — 143 IX. Saumriefen und Baumgreife. en: — Der Holzitoff. — Splint. — Iahresringe. — Marfftrahlen. — Bau des Holzes. — Form des Stammes. — Angejchwollene Stämme. — Auswüchfe. — Drehung des Holzes. — Auffteigen des Saftes. — Lebenspauer ver Holzgewächfe. — Alte Eichen, Linden, Buchen, Tannen, Eiben. — Rofenbäume. — Drangenbaum. — Dlive, Afazie, Blatane, — Corbeer, Drachenbaum, Baobab. — Mammuthsbaum. — Zamang. — Taxodium. — Wadhs- palme, — Eukalyptns. ri na ARE u 161 X. Das Nuthholz. Speziftiches Gewicht der Nußhölzer. — Feftigfeit. — Dauerhaftigkeit, — Holzhandel, Flößen. — Europäifche Nußhölzer. — Koblftengel. — Buchsbaum. — Amerifanijche Nughölzer. — Ka— nadische Wälder. — Cypreſſenſümpfe. — Mahagonibandel. — Tropenhölzer. — Pupunhaholz. — Alercewälder. — Gevern des Libanon. — Tekholz, — Andere aſiatiſche Nutzhölzer. — Eben— hölzer. — Gifenhölzer. — Palmyra. — Nutzhölzer der Südſee-Inſeln, Afrikas und Neuhollands. 185 XI Des Holzes Untergang. Die Zerjtörung des Holzes durch die Atmofphäre, das Waſſer. — Vermehrung der Wider⸗ ſtandsfähigkeit. — Elaſtizität. — Verwerfen. — Der Hausſchwamm. — Die Holzkäfer. — Ter⸗ miten. — Bohrwurm. — Unverbrennliches Holz. — Brennholz. — Heizkraft. — Sundmittel. — Feuerſchwamm. — Holzmangel. — Manſchinellbaum. — Kohlenbrennen — Vermodern Steinfoyfe: — Berfieinerte, Hölzer. . .. u. unten een an a * 209 XH. Dornen und Stadeln. Aefte und Zweige. — Verkümmern derfelben. — Dornen. — Bertheilung der Dornen- gewächfe auf der Erde. — Dornen Europa's. — Maquis. — Akazien Afrikas. — Eupborbien. — NAfiatifche Dornen. — Neubolländifche Scrubs. — Dornen Amerika's. — Kaftus. — Mez- quito's. — Dornige Balmen.. ....2...... a en 223 Die hierzu gehörigen Tonbilder find in nachftehender Weiſe einzuheften: PBirgils. Orab Bei Patent... nee ee Te ee Titelbild Siryhnasbaum niit Drhideens -- rad. al ee RE > Seite 78 Sur We Drlzgtwähie a en —— — Mahaägg VE RE — AR * Aus der Jugendzeit. e ) Statt einer Einleitung. \ | „Den blutgen Lorbeer geb’ ich hin mit Freuden Fürs erſte Veilchen, das der März uns bringt, Das duftge Pfand der neu verjüngten Erde.“ Schiller (im Wallenſtein.) ⸗ er nach Liebe und Frieden Verlangende, dem der Kampf mit den IT feindlichen Mächten des Lebens eine rauhe, bittere Borke ums Herz zur legen droht, dem die fehneidend Falte Zugluft des gefhäftlihen Treibens und der Gleichklang der Alltäglichfeit die zartern Triebe des Gemüths ſchon in der Knospe gefährden und die Blüten poetifher Negungen im Ertfalten tödten, verfeßt fi) gern in der Erinnerung zurüd in den ſüßen Frühlings- ) traum der Kinderjahre, in das vofige, golddurchwirkte Morgenroth der frühen ) Jugend, das Alles, felbft das Einfachfte verflärte und die Welt ringsum * mit lächelnden Engelsgeftalten und freundlihen Blumenaugen bevölferte. | In der Kinderwelt, der das raft- und ruhelofe Sagen des jpätern ‘ Lebens noch fern liegt, deren Horizont faum über den engen Kreis der Fa— milie und nächſten Nachbarn hinausgeht, fpielen die Gegenftände der Natur, S insbefondere auch die friedlichen Geftalten der Pflanzen eine bevorzugte Rolle. Beſonders glüdlih find in diefer Beziehung jene Kleinen, die nicht „eingefeilt in der Straßen fürdterlihe Enge” ihre Tage verbringen müſſen, ſondern denen in ländlicher Freiheit Zutritt zu Feld und Wald, Wiefe und Flur verftattet ift. = Nicht lange danach, nachdem fich die letzten Ueberbleibjel ver Gevatter- sfträußchen verloren, welche im Intereſſe des jungen Weltbürgers als erfte Dpfer der Pflanzenwelt fielen, treten im unvermeidlichen Dualismus zwei Wagner, Mal. Botanif. I. Br. 1 > Aus der Gejtalten des Gewähsreihs im Geiftesleben der Kinderwelt in den Vorder— grund: der lichtſtrahlende Weihnachtsbaum mit feiner jeltenen Erfheinung als glüdbringendes gutes Princip und die zur Ruthe verjchlungenen Zweige ‚der Birfe, die ihre permanente Sisung hinter den Spiegel halten! | Bald greift der angehende Staatsbürger beobachtend und jelbftthätig in ° den Haushalt der Natur ein. Nachdem der Chriftbaum geplündert ift, müſſen die legten Zweige dejjelben, von bunten Bändern ummunden, zu Faſtnacht dienen um befreundete Erwachſene durch gelindes Peitſchen an freundliche Spenden zu erinnern. Im nordweftlihen Deutjchland vertreten die ftachligen Zweige des Fuebuſches (Stehpalme) die Stelle ver Fichte. Mit dem erſten Frühlingslüftchen beginnen die Ercurfionen nach Veilchen, Scneeglödhen, Leberblümhen und Primeln. Der Balmfonntag erfordert unıbmweisbar das Schneiden der Balmenzweige, d. h. der mit DBlüten- füschen bejetten Sprofien der Sahlmeide, im Aheingau des Buchsbaums, nad) denen ja, der findlihen Anfhauung zu Folge, jener Sonntag feinen Namen erhielt. Die im eriten Safte ftehenden Weidenruthben werden von ben Knaben zu Pfeifen und Scalmeten der verjchiedenften Gonftruction umge- ihaffen und jo das von Nachtigallen und Fröſchen begonnene Frühlingsconcert vervollftändigt, während die Mädchen die eriten Kuhblumen opfern, um aus den hohlen Stielen derjelben Ketten zu fabriciren. Berftohlen, damit nicht ein Korjtbeamter den Miffethäter ertappe, jchleiht der lüfterne Bub in ven Dirfenwald, um die fprofiende Birfe durch Abzapfen für alles Uebel zu ftrafen, das fie ihm ehedem zugefügt. Der mit Gefahr erbeutete wäſſrige Saft dünft ihm ein Neftar, dem unter der Sonne nidts gleiht, höchſtens wetteifert mit ihm der Blütenhonig der Taubnefiel oder der Kleeblumen, welhe der Sommer bringt. - Es entwidelt fih in der Kinderwelt ein förmliches induftrielles Treiben in Bezug auf Berwerthung der vegetabilifhden Shäße der Heimat. Dieſe Induſtrie hat ihren Jahresfreislauf, ihre Geſchichte, ihre Künftler, Herven und Märtyrer, jo wie ihre durch das Herfommen geheiligten Gebräuche. An die Weidenflöten ſchließen fich die Pfeifen aus Strohhalmen, die jummenden Schilfitengel und ſchwirrenden Grasblätter, zwiſchen Holzftüdchen geflemmt. Je nad) der Laune des Künftlers oder dem Bedürfniß der Ge- genwart wird die Hafelgerte, dieſes gefürchtete Scepter des Pädagogen, mit dem in der Neuzeit nur der Rohrſtock rivalifirt, jest zum Peitfchenftiel, dann zum Säbel, jest zum Stedenpferd, dann wieder zum beerenbehangenen Sprentel, der dem mwandernden Kothfehlden droht. Der vom Marfe befreite Hollun- derzweig wird zur Büchfe, die Nübe liefert geeignete Kugeln. Der Zweig biegt fid) zum Bogen für die modernen Amoretten, und Pfeile mit Schaften aus Schilfrohr und Spisen von Hollunderholz ſchwirren geflügelt, aber wenig verderblich nah den Spaten. Das weiche leichte Mark des Hollunders ge- ftaltet fih zu Wippermännden und Stehaufchen. Sugendzeit. 3 Die gaftronomifhen Studien, weldhe mit dem Ausſaugen des Blü- tenneftars begannen, werden eifrigft mit Erdbeeren, Heidelbeeren, Brombeeren und Himbeeren fortgejett, des unerſchöpflichen Kapitels der zahlloſen Obſt— jorten nicht zu gedenken. In Crmangelung von Beſſerem greift die Lüfterne Schaar aud wol nad den Früchten des Weißdorn, nad) denen der Hage- butte oder nad) den gefrorenen Sclehen. Zwiſchenein bieten die fchleimigen Samen der Käjemalven und die faftigen Blätter des Sauerflee und des Ampfers geeignete Abwechjelung, bis endlid die Nüffe des Haſelſtrauches und der Bude den Schluß machen und nur noch jenjeitS des erjten Schnee’ die tröftende Ausficht auf die Zuderfterne und Kofinenmänner der Weihnadts- zeit übrig bleiben und den Cyklus ſchließen. Die friegerifhe Thatenluſt, welche mit Feldmuſik im Wonnemond begann, gipfelt fi mit dem Steigen der Sonne bis zum ftoifshen Heroismus und nichtsnutzen Schabernad. Die Beriernelfe ftraft den Unvorfichtigen für jeine botaniſche Unwifjenheit durd einen Sti in die Nafe, der ſchwarze und gelbe Blütenftaub der Tulpen und Lilien färbt das Riechorgan des noch nicht gewißigten Sarmlofen zu allgemeinem homerifchen Gelächter. Ernſter macht fih ſchon die Brennnefjel bemerklich, die den erfahrenen Helden, der fie fed und fräftig anfaßt, verjchont und nur dem Zaghaften Schmerzen bringt, gegen weldye aber die Arzneifunde der Kinderwelt fofort Rath weiß und friihe Erde als unfehlbare und — mohlfeile Medizin vorſchlägt. Würdig eines wunden— verachtenden Normannen oder eines der Marter jpottenden Irokeſen, peitjcht fi) der Kühnfte der Kühnen die Zunge mit den ſcharfen Blättern des Fleb- rigen Yabfrautes blutig, ohne nur die Miene zu ändern, denn dieſe Glanz- probe des ſtoiſchen Heroismus iſt völlig jchmerzlos. Einer der Erfahreniten unter den angehenden Kräuterfennern hält einem anfommenden Grünhorn den Stengel des Täfchelfvautes entgegen und fordert ihn auf, eine der Fruchtkapſeln abzureigen. Der ſchadenfroheſte Chorgefang begrüßt jpottend den Neuling als „Taſchendieb“, wenn er dem boshaften An- finnen willfahrtet. Noch ehrenrührigerer Hohn, den Begriffen des Corpsgeiftes nad), trifft aber den Ueberlifteten, wenn er ſich verleiten ließ, die ſtinkende Mauerraute zu pflüden oder das Blatt des Wegerich zu zerreißen. Wird die harmloje Mädchenwelt niht durch ven Uebermuth ver Knaben gejtört und werden nicht gelegentlich durch mohlgezielte Bombenwürfe mit Klettenföpfen die blonden Locken noch fraufer gemacht, — ſo treten hier an die Stelle des Schlachtenrufs und des Kampfes der verſchiedenen Doctrinen friepfertigere Beihäftigungen. Es werden Kränze aus Vergißmeinnicht ge- wunden, andere aus Moos oder weißgrauen Kennthierflechten, unverwelfliche Sträuße entitehen aus Schilfrispen, Tedergras und goldfarbenen „Sieben— jahresblumen“ (Immortellen). Im Frühjahre beginnt der Liebliche Zeitvertreib mit einen Handel von Dotterblumen, bei dem Stecknadeln die Zahlmittel ab- geben, und erreicht zum Johannisfeſte feinen Glanzpunkt in den vielgeftaltigen Gemwinden aus himmelblauen Kornblumen, vofenrothen Raden und feurigem 1 * 4 Aus der Jugendzeit. Klatihmohn. Die Blüte des legtern, in einigen Gegenden des wejtlichen Deutſchlands als „Fallblume“ gefürchtet, metamorphofirt ſich zu prachtvoll ge- Heideten Püppchen, für welde die Aehren des Zittergrafes und die Früchte der Hainfimfe, das fogenannte „Haſenbrod“, geeignete Feſtgerichte abgeben. Binjenhalme liefern Flechtmaterial zu einfahen Körbchen, das zuſammen— hängende Mark deſſelben Gewächſes bietet einen höchſt zarten Stoff-zu allerlei Spielwerf, und die Blätter der Rothbuche und Pappeln, mit ihren umgebogenen Stielen zufammengeftedt, formen fi leicht zu Guirlanden. Jene, bei denen die Anlage zur berechnenden Hausfrau den Sinn für den prahlenden Schmud überwiegt, greifen jammelnd nad) dem duftigen Walp- meifter oder den Kräutern der Neunftärfe (weiße Taubnefjel, Kuhblume, Bi- bernell, Sauerampfer, Geisfuß, Körbel, Spinat, brauner Kohl und Porro), diefem in Nordweſtdeutſchland unvermeidlihen Frühlingsgemüfe, winden aud wol aus den blütenbehangenen zähen Zweigen des Pfriemfrautes oder der Heide kleine Beſen oder bringen dem gefiederten gelben Liebling im Bauer daheim einen materiellen Gruß „aus der Natur‘ mit, beftehend in Sternfraut oder Fruchtitengeln des Wegerich. It über dem Forſcherauge bei ſolchem botanischen Ausfluge die gejetliche Zeit der Rückkehr überfchritten worden, jo bietet die Pflanzenwelt willfährig Drafel, um das nahende Geſchick zu vwerfünden. Große oder kleine Gänfe- blumen werden gezupft: „Schläge, Schelte, gute Worte!“ das letzte fallende Strahlenblümcden giebt die unfehlbare Entſcheidung. Allgemeine Freude erregt ein vierblättriges Kleeblatt. Mitunter dienen aud einige Morcheln, ein Händ— hen Kamillenblüten der Mutter gegenüber als Bejänftigungsmittel und in der jüngftvergangenen Zeit, in der die Pfeife noch nicht durch die Cigarre verdrängt war, bot ein Büſchel Halme der Molinie oder des Reithgraſes eine geeignete Opfergabe, um ven aufſteigenden gerechten Zorn des Vaters zu Stillen. . i Je öfter aber der Blütenfchnee des Frühlings und Die gelben Blätter des Herbftes das Haupt der Heranwachſenden umgaufeln, je mehr tritt die ftille Pflanzenwelt gewöhnlich zurüd und geräth in Bergefienheit. Sie birgt fih) in das magische Helldunfel der Traummelt und verſchwindet glei den verzauberten Schäten, welde die Zwerge und Elfen, Rieſen und Draden der Märchen bewachen und zu denen nur in geweihten Stunden demjenigen der Zutritt verftattet ift, der fich den reinen Sinn und das ſchuldloſe Herz der Kindheit bewahrt. Der heranwachſenden Jungfrau tritt die Myrte in den Vordergrund, dem zum Manne veifenden Yüngling der Eihenfranz, aud wol die Birke, welche vom neugezinmerten eignen Haufe winft. anchem ‚bleibt ſogar nur noch der grüne Bufh am Bier- oder Weinhaus die einzige Erinnerung an die botanifhen Studien „aus der Jugendzeit“. Die heiligen Bäume. Paradiefesbäume. — Eihe, — Miftel. — Linde. — Delbaum. — Lorbeer. — Cypreſſe. — Dattelpalme. — Lotusblume. — Somapflanze. — Heilige Feige, — Wanzabaum. — Kimi. — Kigelia. — Baobab. — Dradenbaum. — Theeſtrauch. — Feenbaum. — Sonnenbaum auf Japan. — Koka. — Kofos. — Pohutucana, „Jener 2orbeer wand ſich einft um Hülfe, Eine Dryas lebt' in jenem Baum.’ Schiller, Jie der einzelne Menſch, jo hat auch jedes Volk feine Kindheit und ICH) Sugendzeit. Im unmittelbaren Berfehr mit der Natur treten ihm dann die gewaltigen Kräfte des Himmels und der Erde, die nußgenbringenden oder unheildrohenden Gejtalten der Thier- und Pflanzenwelt nahe, weden Staunen, Hoffnung und Furcht und verwandeln fi ſchließlich zu Perſonen, zu Symbolen der Götter, zu bevorzugten Lieblingen und vermittelnden Helfern der lettern, ja fie werden zu Gottheiten jelbft. | In der Mitte des Paradiefes, diefes von Flüſſen durchſtrömten Frucht- gartens, ftanden zwei geheiligte Bäume: der Baum des Lebens und jener 6 Die heiligen verbotene Baum der Erfenntniß. In den Mythen und Götterfagen aller Bolfsftämme der indogermanifhen Raſſe treten Pflanzengeftalten auf, melde der Glaube geheiligt hat. Unſre Altvordern weihten dem Wodan die Eiche, auf der Brüde nad Walhalla ragte die Efhe empor, mit immergrimen Eiben waren die Straßen von Ajaburg bepflanzt, Fro ſchützte die wogende goldene Saat, Hertha half fie bewahren, Bertha, Wodans Gemahlin, pflegte ven Flachs und bezeichnete die heilfamen Kräuter. Das Chriftenthum fällte zwar die. heiligen Bäume, unter denen man blutige Opfer gejpendet, aber aus den abgehauenen Stümpfen trieben Jahr aus Jahr ein grünende Loden empor und noch jest, nad mehr als tauſendjährigem Wechſel der Zeiten, finden wir in unſrer Heimat zahlreihe Gebräuche, die jener mythiſchen Zeit, jenem Kindesalter unſers Volkes entftammen. Noch prangt die immergrüne Fichte, das Sinnbild der nie verlöſchenden Yebensfraft, zur Zeit der fürzeften Tage in jedem deutſchen Haufe und vie freundlihe Birke fhmüdt Stadt und Dorf zu Pfingiten als Zeichen ver Frühlingsfeier. Wie fih die Eicheln, die man den Toden mit in Die Gruft gab, noch bis zum heutigen Tage erhalten haben, ſo herrſcht auch in manchen Gegenden Deutjchlands, an der Sieg und Lahn, in England und Frankreich noch jest der Gebrauch, zur Weihnachtszeit ven Eihenblod an- - zuzünden, und den übrigbleibenden Reſt ſorgſam bis zum nächſten Jahre zu bewahren. Die Hafel war dem Thor, dem gewaltigen Donnerer, geweiht. Haſelnüſſe hielten jene Sfelette in den Händen, die man in geöffneten Gräbern in Pommern und Franfen fand — und die Hafelgerte, gabelig gewachſen, fpielt noch jett hie und. da ihre Rolle als Wünjcelruthe. Die Priefter der alten Gallier weihten Eihenhaine zum Götter- dienft. Eine beſondere Beahuntg ward der Miftel (wahriheinlih auch dem Ioranthus) zu Theil, die, väthjelhaft in ihrem Wahsthum, abmei- hend von den übrigen Gewäcjen, fi die Kronen der Bäume als Wohn- fig erfor. Ihre ungemwöhnlihe Art Tief aud ungewöhnliche Kräfte, zau- berifche Beziehungen vermuthen. Im Anfang des Januars ftieg der Druide auf den heiligen Baum, jchnitt mit goldener Sichel die heilige Pflanze und die Untenftehenven fingen die Herabfallende mit einem weißen Tuche auf, damit fie nicht die gemeine Erde berühre. Noch jest hängt man in England den Miftelzweig zur Weihnachtszeit in dem mit immergrünen Stehpalmen gefhmücdten Haufe auf, und der oben angeveutete Gebraud, Befreundete am Kindleintag mit Ruthen zu peitfchen, erſcheint als ein fort- grünender Sproß jener Sitte: ſich durd Berühren mit dem heiligen Miftel- zweig vor Zauberei, böfen Geiftern und Krankheit zu fichern. Der den ſlawiſchen VBölferfchaften war die Linde mit ihrem zarten wei— hen Yaub und ihren ſüßduftenden Blüten ver Liebesgöttin Krafopani gehei- ligt. Derfelbe Baum, welder anfänglich die Götterzeihen in feinen Schat— ten aufnahm, gab nahmals fein Holz her, um Heiligenbilder daraus zu for- men, weshalb Lindenholz ligenum sacrum (das heilige Holz) genannt ward. Bäume. 7 Das älteſte Marienbild am Nonnenberge in Salzburg ift aus demjelben ge- fertigt, und der Bolfsglaube behauptet in manden Gegenden Deutjchlands noch jest, daß der Blitz nie in eine Linde ſchlage, und daß Lindenbaſt ein ſicheres Schutzmittel gegen Zauberer jei. Unter geheiligten Linden tagte man beim offnen Geriht und nod gegenwärtig treibt die Behmlinde bei Dortmund ihre Sprofien und mahnt an alte Tage und vergangne Zeiten. Alljährlich blühen zu Johanni die bunt- farbigen Kränze noch fort und fort auf als liebliche Symbole des blumenumwundenen Jahresrades, des Ab— zeichens von Wodan, — und in Märchen und — ZEN u Sagen wird nod vom ” z böfen Geift, in ven ſich ſchließlich der alte deutſche Gott verwan— delte, auf dem Kreuz— weg demjenigen Un— ſichtbarkeit verleihender Farnſamen gereicht, — welcher in der heili— gen Adventszeit nicht betete. — Gleich einer Ber- ⸗ körperung der vergan— genen Kindheit des Volkes mit ſeiner poe— tiſchen Naturanfchau- ung erſchließt ſich noch jest in den Sagen des — = Harzes jene wunder— Die Vehmlinde zu Dortmund. bar ſchöne Zauber- blume in der heiligen Nacht, die dem Glüdlihen, der fie findet, ven Weg zu unermeßlichen Schäten anzeigt. Den Bölfern des nördlichen Europa’s trat die Natur vorwiegend in vauher Geftalt, mit Regenfturm, Schneewirbel und Winterfroft entgegen, für- derte deshalb verhältnigmäßig weniger ein ftillfriedlihes Zufammenleben mit blühenden Blumen und jchattenfpenvenden Fruchtbäumen, als fie thatkräftiges Handeln und eigenes Eingreifen erheifchte. Viel begünftigter war in dieſer Beziehung das finnige Volk ver alten Hellenen. Baum und Strauch er- 8 Die heiligen hielt bei ihnen Leben und eine poetifche Geſchichte. Nach Empedokles' Lehre fand eine, bald vor- bald rüdmwärtsjchreitende Verwandlung der Stoffe ftatt, welche eine unendliche Stufenleiter bildete von der grünenden Pflanze an bis zu den „langathmigen” Göttern, deren Dafein auch durd die großen Erd— epodhen begrenzt wurde. Zeus ſchützte die Eiche, Athene (Minerva) den Delbaum, Apollo den Lorbeer, Demeter (Ceres) ſpendete das nährende— Getreide und Bahus den Wein, fo wie er aud die Blumen bejchütste und feinen Sig in dem Blumenlande von Phyllis, am rofenreihen Gebirge Pangäon und in den Rofengärten des Königs Midas nahm. Myrte, Roſe und Zorbeer erhielten Yeben; die erftere war der Aphrodite (Benus) geweiht, denn in einem Myrtenſtrauche hatte die lieblihe Göttin Schuß gefunden, als fie dem Schaume des Meeres entjtiegen. Die Bäume wurden von Dryaden bewohnt. Narzifjus, Hyazinthus und Adonis wurden in duftende Pradhtblü- ten verwandelt und der gaftfreie Philemon in einer Eiche verewigt, welche jeine zum Tempel erhobene Hütte befchattete, weil fie den Götterwater beher- bergt. Selbſt Proferpina betheiligte fi) bei der Pflege der Blumen, während die zarten Kinder der Flur bei den Römern der holven Flora anvertraut waren. Mit den Zweigen des wilden Delbaums (Oleaster) befränzte man bei den olympiſchen Spielen den Sieger, in Athen ſchmückte man ihn mit dem Kranz vom Delbaum der Athene. Auch die römischen Ritter befränzten ſich mit Delzweigen. Zu Nemea in Achaja wurden die Sieger mit Sellerie (Apium) geſchmückt, obſchon jonft diefe Pflanze als Sinnbild der Trauer, der Krankheit und des Todes galt. Die höchſte aller Ehren war aber die Grasfrone. Gehen wir weiter nad Oſten, jo finden wir bei ven Perjern, den Anbetern des Feuers, die zum Himmel anftrebende Cypreſſe als heiligen Baum, ein Symbol der hochauffteigenden, nie verlöfchenden Flamme. Gie Ihmücdte die Hallen der Tempel und die Gräber der Herrfcher. Seit den älteſten Zeiten war fie das Symbol der Trauer. Chpreffen von mehrern hundert Jahren zieren die Mezars, vie Yeichenäder der Türken. Schon die Sheiterhaufen, auf denen die Alten ihre Toden verbrannten, wurden aus Spreffenholz gebaut. Als Aeneas den Mifenus begraben wollte, weinten bie Trojaner, baueten einen ungeheuren Sceiterhaufen, Pyra, aus Kienhol, und gejpaltenem Eichenholz, belegten deſſen Seiten mit dunfelbelaubten Zweigen, ftellten vor denjelben als Zeichen der Trauer Cyprefjen, die man im Latei- niſchen Cupressus feralis nannte, und ſchmückten fie mit glänzenden Waffen. Nachdem dann die Leiche mit Gewürzen gejfalbt und mit Purpurgemanden bededt war, ward die Bahre angezündet und mit dem Leichnam verbrannt. Dem Araber ift die ſchlanke Dattel das Ein und Alles. Er betrachtet fie deshalb faft ebenbirtig, als ein Glied der Familie. As Allah den Men- Ihen jhuf, blieb etwas von dem Thon, dem heiligen Urftoff, zurüd, aus welchem er fein Ebenbild furmte, daraus bildete er die Dattel, die Ernähre- rin des Hülfebedürftigen. Dattelhaine, welhe Allah gepflanzt, finden fid) noch jeßt in einzelnen Wadis Arabiend. Datteln grünen neben dem Grabe Bäume, 9 Cypreſſen auf einem Begräbnißplatz des Orients. des Propheten und feiner Lieblingstochte. Palmenwälder veranlaßten die Hirtenftämme zur Gründung feſter Wohnfige. In dem hohen Binnenlande Arabiens, der Landſchaft Nedſchd, der Heimat der Wahabiten, finden fich gegenwärtig noch viele Brunnen, die bis zu 20—25 Fuß Tiefe mit Steinen ausgelegt jind, neben ihnen umfangreiche Ruinen von fteinernen Gebäuden. Die Sage jchreibt deren Entftehung einem urweltlihen Stamme, den Beni- Tammur, d. h. Palmenſöhnen, zu. In den Palmenhainen jenes Gebie- tes jammelten fi die in der Wüſte zerjtreuten Nomaden, „deren ganzes Leben Flut iſt“, und gründeten fefte Stätten. Die Palme, El, vd. 5. 10 Die heiligen die Starke, ward zum Städtegründer und Stadtkönig. Den Mittelpunft bildete ein Palmengarten, in dem der zur Bewäſſerung dienende Brun- nen oder Teih nie fehlte. ine ausgezeichnete Palme, wahrſcheinlich eine wilde, duch Menſchenhand unentweihete, war der eigentlihe Gottes- baum. Ein einfadher Stein dabei bildete den Tiſch, wo dem Gott die Dpfergabe dargebracht wurde. Seine Gegenwart gibt der Palmengeift durch Bewegungen fund. Wenn der Hauch Gottes leiſe ſich aufmacht, rauſchen die Zweige, heben und fenfen fi, wiegen fi bin und wieder und ertheilen Drafel. Der Kundige, der Priefter, zugleich Herrſcher der Niederlafjung, verftand es fie zu deuten. Weisfagende Frauen und gottbegeifterte Propheten ihlofien fih auch dem Palmendienft an. In Nedſchran ftand außerhalb der Stadt ein folder Götterbaum. An einem beftimmten Tage wallfahrtete man zu ihm, ſchmückte ihn mit reichgefticten Teppichen, hielt Prozejfionen, ver— richtete Gebete und veranftaltete ein allgemeines Felt, denn dann ſprach die Gottheit ver Palme zum Volke. Ein ſolches Drafel war aud in Kadeſch, jenem Orte, wo die Gemeinde Iſraels lange Zeit hindurch den Mittelpunft ihres Sites hatte. Aus dem Palmenfultus entwidelte ſich die theofratifche Verfafjung. Der Hain Mamre war ein Balmenhain, in welchem der Bun- desgott Abrahams wohnte. Auch Betel war eine ſolche Stätte Am Sinai befand ftch ein heiliger Palmenwald, in welchem, auf einem Lager von Dattel- blättern ruhend, ein Priefter und eine Priefterin fortwährend wohnten. Sm fünften Jahre verfammelten fich bei vemfelben die ummohnenden Araber und ichlachteten Hefatomben von Kameelen zu dem Freudenfeſte, dag man gemein- ihaftlic) beging. In einem feurigen Buſch erſchien Gott felbft am Sinat dem Mofe; der Schwiegervater des lettern war Priefter. Nach der Anficht Einiger war jener Bufc die rothblühende heilige Brombeere des Sinai, Andere ver- muthen dagegen einen heiligen Palmenhain in demjelben, da das Dattelhol; als ſchwer verbrennlich zugleih Symbol der Wiverftandsfähigfeit gegen die zerftörenden Gewalten, Sinnbild der Unfterblicyfeit und Ewigfeit war. Bon Arabien aus, wo der Balmendienft feinen urfprünglichen Sit hatte, wo die Dattel, die einzige ernährende Kraft, auch als einziger Gott daſtand, jo wie fi) von jenen Ländern aus ftet8 der Glaube an einen einzigen ihaffenden Geift verbreitete, vom Süden jener Halbinjel aus, wanderte der Kultus der Dattel nad) den benachbarten Yandern, obſchon er dabei genöthigt war ſich zu afflimatifiren und dadurd) zum Dualismus und zur Bielgötterei ausartete. Nimrod, der gewaltige Jäger vor dem Herrn, war muthmaßlic ein Eindringling im Gebiet des Euphrat und Tigris, der aus dem füdlichen Arabien fommend, in der neuen Heimat den Valmendienft einführt. Noch jeßt zeigt man in Hadhramaut in Südarabien fein Kiefengrab und ehrt es. Babyloniſche Bilderwerfe deuten vielfadh auf die Verſchmelzung des Palmen- dienftes mit den einheimischen Anſchauungen des jinnlichen Bolfes hin. Die Borftellungen Palme, Sonnengott und Zeit verfhwammen in einander und erfetten ſich gegenfeitig im vielfältiger Weife. Dem Bel oder Bal — Ein Dattelhain. feierte man Fefte, ähnlich enen, die man dem Götterbaum veranftaltete. Selbft das Yaubhüttenfeft der Iſraeliten ift mit feinen Palmenzweigen noch ein Nach— Hang aus jener Urzeit. In Aegypten ward die Dattel zum Zeichen für den Wechſel des Jahres. Die einzelnen Fiederblättchen ihres Wedels deuteten die Monden und Tage an, ja felbft ver Sonnenvogel Phönix war eigentlich) nur eine veränderte Auffaffung des langlebigen Sonnenbaumes, den man mit dem— jelben Namen bezeichnete. Nach Ovids Erzählungen hat der Phönix fein Keft auf einer Palme oder auf einer Eiche, dem Götterbaume der Griechen. Das Drafel zu Ammon, das fih in einem Palmenhaine am Sonnengquell befand, trug fih auf den heiligen Eichenhain zu Dodona in Hellas über. Diefes letztgenannte Drafel des Pelasgiſchen Zeus, das ältefte in Griechen- 12 Die heiligen (and, war ein Baumorakfel. Auch der Baum am Sköäiſchen Thore von Troja, ver hohe Baum des Aegisihwingers Kronion, war ein Drafelbaum, auf dem jih Apollo und Athene niederließen. Seinen Gipfelpunft erhält das kindliche Zufammenleben zwiſchen Volk und Pflanze im üppigen Indien, deſſen Geſänge taufend Blumen durd)- duften. Auf den Blättern des heiligen Lotus wiegte fih Schiwa, als die große Flut Alles verſchlang. Lotusblumen zieren in Gemälden die Wände der Tempel, fie frönen hier wie in Aegypten die Knäufe der Säulen. Die heilige Somapflanze (eine Asflepiadee), durch ihren reihen Milchſaft ein Abbild der allernährenden Kuh, ward den Göttern als tägliche Gabe ge- opfert. Die wichtigſte Stelle in der indischen heiligen Gewächskunde nimmt aber die riefige Feige ein, der Fo-Baum, deſſen Aeſte Wurzeln zur Erve jenden, die fih, fomwie fie den Grund erreichen, zu neuen Stämmen geftalten. Ein unübertrefflihes Abbild der nie raftenden, ewigichaffenden Kraft im der Natur! Einen folhen heiligen Baum verlegen, erfcheint als Verbrechen, — den Platz unter ihm reinigen, ift dagegen eins her verdienftlichiten Werke, das in einem fünftigen Leben reichlich belohnt wird. Gelbft bei den dhriftia- nifirten Bewohnern Geylons hat fid) die Scheu vor dem Fo-Baum bis zu dem Grade erhalten, daß fie felten unter einem folchen hinweggehen, ohne den Hut abzunehmen und zu grüßen: „Mit deiner Erlaubniß, o Herr! Bei den rohen Negervölkern des Inneren Afrifa’s ift der Baumdienft faſt durchgängig Gebrauch. Die öftlihen: Galla ſchmücken vie Aeſte des heiligen Wanzabaums (Cordia abessinica) mit den blutigen Siegeszeichen der Schladt. Der Baum des Todes bezeichnet in Sinder die fchauer- (he Stelle, an welcher die Hinrichtungen ftattfinden. Naben und Geier thronen auf jeinem Gipfel, den Play unter ihm darf Niemand fegen als nur der Henferr. Die Marghi haben im Walde geheiligte Bäume, durch einen Graben ringsum von den übrigen abgefondert und bei den Tangala und den nad Weiten hin wohnenden Stämmen ift der Kimi (Bombax guineensis) der heilige Baum, an Geſtalt ein Abbild der vrien- taliſchen Cypreſſe. Unter einer Gruppe von Nimibäumen baut man dem Dodo eine heilige Hütte, in ver ein Pfahl vom Holz der Kigelie auf drei Zweigen die Thongefäße mit den Opfergaben trägt, das oberfte mit Bier, das zweite mit Mehlbrei und das dritte mit dem Blut und den Köpfen ber geichlachteten Hühner. Im der Mitte der Dörfer ift eine Stange aus dem Holz der Kigelie der Fetiſch, der vielleicht als Abbild des Baumes felbit dient. Die Berehrung ver Kigelie fcheint ſich durch Das ganze Innere Afrifa’s hindurchzuziehen. Am blauen Nil wählen die dort wohnenden Neger gerade diefen Baum zu ihren religiöfen Feſten, mitunter auch die Boswellia serrata. Unter alten Bäumen diefer Art verrichten fie in mondhellen Nächten ihre Andacht. Sie verfammeln fi) am Vorabend, die Frauen bringen Krüge mit Merifa (Bier aus Sorghum). Sobald der Mond fich zeigt, bilden die Männer einen Kreis unter dem älteften Baume und fangen an zu tanzen, indem fie Baume. > — — — — * DL HG 77 AN SILKE je Fo-Baum. I l yet } Der F 14 Die heiligen abwechjelnd fingen und große Paufen jchlagen, während die Weiber fie mit dem langjam beraufchenden Getränk verjehen. Erſt ſpät gegen Morgen hört das Felt auf. Auch in den Dörfern diefer Stämme ftehen vor den Häufern der angefehenften Häuptlinge große Holzftangen von beiden Bäumen, die ſich einer bejondern Verehrung erfreuen. Während der Fefte, die ſich allmenat- lid) wiederholen, werden die Bäume mit dem Negerbier auch getränft, indem man am Stamme in jeder Nacht mehrere Krüge davon ausjchüttet. Im wejtlihen Afrika ift der Baobab (Adansonia) durch jeine unge- wöhnlibe Größe zu göttlihem Anfehn gelang. So wird z. B. nod jest der alte Baobab bei Yoal unweit der Gambia-Mündung von den Eingebo- venen weit und breit verehrt und gefürdtet. Es herrſcht unter, den lestern allgemein der Aberglaube, daß, wenn Jemand irgend etwas von der bemeg- lihen Habe jeines Feindes in den Aeſten der Adanſonie aufhänge und eine fräftige Verwünſchung dazu ausſpreche, der Unglüdliche dahinſchwinde und jein Yeben in furzer Zeit verlöfche. Auf den Kanarifhen Injeln und Tene- riffa ward der uralte Drahenbaum (Dracaena Draco) von den Ureinwoh— nern, den Guanchen, göttlich werehrt, bis ſchließlich chriſtliche Priefter einen Heiligenaltar in jener Höhlung aufrichteten. In jenen Ländern, in denen die Ungunft der PVerhältniffe es nicht ge- ftattet, daß die Pflanzenwelt fid) bis zur erhabenen, ehrfurdhtgebietenden Ge— jtalt des Baumes entfalte, wird jelbft ein Straud Gegenftand der befondern Beahtung und zum Träger myſteriöſer Vorftellungen. Kein Tatar durch— reitet die große Gobi, ohne an dem geheiligten einfamen Strauche, der gleid)- zeitig zur Wegmarfe dient, einige Haare vom Schweif feines Pferdes zu binden. Im nüchternen China tritt jenes kindlich-naive Zufammenleben zwijchen Menſch und Gewächs weniger deutlich hervor; jehr wenige Pflanzen finden ihres Wohlgeruchs wegen beim Gottesdienfte Verwendung, wie das duftende Bafılifum Nur dem Theeftraud ſchreibt die Sage den unvergleich- lichen Urfprung aus den abgejchnittenen Augenlivern eines Heiligen zu, da der Tranf aus den Theeblättern fchlafvertreibende Eigenjchaften befitt. Inniger Iheint das Verſchmelzen der religiöfen Vorftellungen und Gebräuche mit der Pflanzenwelt bei der Urbevölferung China’s, den Miaotje ftattgefunden zu haben. Ein Stamm derjelben, die Kaon-long, richtet nod) jegt an einem ſchönen Frühlingstage den „ Feenbaum“ auf, um welchen fic die heirathsfähigen Burjche und Mädchen verfammeln, um Tänze und Singipiele aufzuführen und chlief- ih Berlobungen zu halten. Bei einem andern Stamme jenes Bolfes ift ein Grasbündel mit Fahnen an die Stelle des Baumes getreten. | Dei den Ureinwohnern Japans jpielte der Baumdienft eine wichtige Knolle. Der Sonnenbaum Hinofi (Retinispora obtusa) war der erhabe- nen Sonnengöttin geweiht und noch gegenwärtig hat er ſich ſowol bei den Ainos als auch bei den Japaneſen auf Nippon, die dem Buddhaismus hul- digen, in zahlreichen Spuren erhalten. Die Ainos ſchmücken bei ihrem Omia— Feſt, das fie im Herbſt feiern, in der geheiligten Hütte und außerhalb derſel— Bäume. 15 Sapanifche heilige Tanne. ben den Inao, d. h. den heiligen Baum, auf. Sie bedienen ſich auf Krafto und Jeſſo dazu Aefte aus Weidenholz, an deren Oberende ein oder zwet ftrah- lenförmig geftaltete Büſchel von Holzipähnen befeftigt find. Die Yapaner nehmen beim Kamidienſte ftatt der Holzipähne Papierſchnitzel. Viele Nach— Hänge haben ſich bejonders beim Neujahrsfefte der Japaner erhalten, an welchem man gern der einfachen Sitten der Urahnen gevenft. Man errichtet eine Iuftige Halle von fehr einfacher Bauart, aus Bambusftangen, Matten- wänden und einem Strohdach bejtehend. Auf legterem ftedt ein grüner Na- delholzzweig des Sonnenbaums von Nippon (Thuja hinoki) over von der japanifhen Cypreſſe (Cupressus japonica), vor dem ingange der Hütte find zwei grüne Tannen errichtet. Wen fiele dabei nicht unfer deutfcher Weihnachtsbaum ein, der aud) bei uns das neue Jahr begrüßen hilft ? Die neuern japaniſchen Tempel jelbit find von wahren Luftgärtchen um— geben und bieten zur Blütezeit einen bezaubernden Anblidl. Ringsum ftehen gefülltblumige Kirſchen, Aprifofen, Azaleen und Fufiblumen. Der andächtige Pilger ftaunt den Stamm eines uralten Sonnenbaumes (Tanne) an, der nod) neben dem Buddhatempel grünt, und welchen der heilige Ten-tichin eigen: händig gepflanzt haben joll, oder er naht voll Ehrfurcht einem Bambusſtrauch, welcher angeblich aus der Angelruthe eines Kami entjprofien ift. Auch in den übrigen Feftnamen der Japaneſen klingt die Beachtung des Naturlebens und der Pflanzenwelt auffallend nad. Sp feiert man das Pfirfichblütenfeft, das Kalmus— feit und das Goldblumenfeft als VBolfsfefte und kleinere Fefte in engeren Kreifen, 16 Die heiligen Bäume. wie das „Darbringen der frifchen Gemüſe“, das „Beſchauen der Fuſiblumen“, das Felt der „Kräuterleſe“ und das Felt der „gelbwerdenden Ahornblätter”. Den Jagdvölkern Amerifa’s trat die Thierwelt in den Vordergrund, die Gewächſe fpielen nur die Nebenperfonen. Trotzdem erflären einzelne Stämme die Entftehung des Menſchengeſchlechts aus Bäumen und jchreiben dem Baumeifter Specht einen nicht unwichtigen Antheil der Arbeit dabei zu. Dem Sagenhelven Hiamwatha erjcheinen im Negenbogen die Geiſter der Blumen von Feld und Wald, die im Himmel wieder erblühen, nachdem fie auf Erden geitorben. Das hohe Binfenfraut am Flußufer ift jogar das Ein- zige, vor dem jener Held fich fürchtet. Maisfolben und goldene Nahbildungen derjelben opferte man im alten Merifo und die Priefter im Reiche der Inka naheten dem Sonnentempel nie anders als mit dem Kofa-Biffen im Munde und Kofablättern in den Händen, ein Gebraud, der fih im Nachklang noch bei den Bergleuten der Cordilleren erhalten hat, indem fie durch Beftrei- hen der Feljen mit dem Koka-Biſſen die verborgenen Schäte zu heben hoffen. Auf den Südſee-Inſeln war die Kofospalme lange Zeiten hin- durch „Tabu“, d. 5. ein Heiligthum. Der Genuß der Frucht war aus- ſchließlich den Männern gejtattet. Auf die Bedeutung der beraufchenden Ava (Piper methystica) fommen wir nadhmals zurüd, wenn wir der Arzneige- wächſe und Beraufhungsmittel ausführlicher gedenken. Schlieglih erwähnen wir noch eines Baums auf Neu-Geeland, der mit den religiöfen Borftellungen ver Inſulaner innig verwachſen ift und ein Beifpiel bietet: zu welchen düfteren Bildern die Phantafie eines Naturvolfes jelbft die freundlichen Pflanzengeftalten umzujchaffen vermag. An der Süd— füfle der Inſel erftredt fich jehs Meilen weit eine öde Stelle, von heftiger Brandung bejpült und vom Meere aus völlig unzugänglid. Hier, wo hohe Klippen ſich aufthürmen und jäh nach dem Waffer abjtürzen, iſt für die Neu— feeländer das Ende der Welt. Auch von der Landſeite her ift ver Weg dorthin höchſt beſchwerlich. Dort auf Keinga, der höchſten ver Klippen, fteht Pohu— tucana, der Baum des Todes, und neigt ſich mit feinen Zweigen über ven Schlund. Dorthin eilen die Seelen der Geftorbenen und ftürzen jih von den Zweigen des Baumes hinab in das Jenſeits, aus dem feine Rückkehr ver- ftattet-ijt. Inter den Arthieben eines zweiten Bonifacius find aber neuerdings die meiften Zweige des Baumes gefallen und vielleicht jptelt in naher Zukunft der heilige Baum der Neufeeländer nur noch in den Erzählungen und Liedern der Dichter eine ähnlihe Rolle, wie folhes mit den heiligen Pflanzen Eu— ropa's der Fall if. Das Chriftenthum auf der einen Seite und die Wiſſen— ihaft und die Kultur auf der andern zerftören zwar jene Unmittelbarfeit im Zufammenleben zwijhen Menſch und Gewächs, aber fie läutern auch jene Borftellungen gleichzeitig von ihren Screden und verflären die Bilder der Kindheit dur) den Zauber ver Dichtkunft, der Jedem noch heutzutage feine Gaben ſpendet, wenn ihn nad dem Trank des Nepenthes verlanget! (Ein kurzer Abrif.) Griechiſche Wurzelgräber und Philoſophen. — Ariſto— teles. — Theophraſtos. — Die Alexandriner. — Die Römer, — Landwirthſchaftliche Botanik. — Dioskorides. ——— Plinius. — Das Chriſtenthum. — Die Indier und Araber. — Die Deutſchen im Mittelalter. — Bock und Fuchs. — Erwachen der Wiſſenſchaft. — Artenkenntniß. — Syſteme. — Linné. — Phyſiologie und Geographie. — Die vorweltlichen Pflanzen. — Die Botanik der Gegenwart. „Leben gab ihr die Fabel, die Schule Hat fie entſeelet; Schaffenbes Leben aufs neu giebt die Vernunft ihr zurüd.” Schiller, EN ch dem „bergefreudigen Wild richtete jedes Urvolk zunächſt an das ſaftreiche Kraut und die lieblich ſchauende Frucht die prüfende Frage: „Iſt's gut zu eſſen und wie bekommt es?“ Jene erſten botaniſchen Studien, welche Eva und Adam bei dem verhängnißvollen Baume begonnen und welche ihr Erſtgeborener Kain als Ackersmann fortgeſetzt hatte, erweiterten ſich all- mälig und umfaßten bei jedem Volk eine beſchränkte Zahl von Gewächſen, die man als genießbar entweder fammelte over pflegte. Die Götter felbft, jo erzählen die Mythen der meiften Völker, waren die Schulmeijter dabei. Sehr bald ſchloß ſich an die Kenntniß der Nährpflanzen auch die Beihäf- tigung mit Arzneien und Giften. Manches Opfer, vielleiht mancher Todesfall, mochte die Bekanntſchaft mit jenen gefährlichen Beltandtheilen der heimifhen Flora herbeigeführt haben. Das Giftfraut hatte ſich furchtbar unvergeßlich gemacht! Die quälende Krankheit jpornte an, nad lindernden Säften zu ſpähen. Bei jedem Volke findet man ein Rudiment medizinischer Wagner, Mal. Botanif. I. Bd. 2 18 | Aus der Gefchichte Kenntnifje, eine Anzahl fogenannter Hausmittel, die mehr oder minder glüd- lid) der Natur abgelaufht find. Die Kenntniß jener Gewächſe beichränfte fih auf die Einprägung der Gefammtgeftalt, auf einzelne Merkmale und oft genug aud) auf bejtimmte engbegrenzte Orte des Borfommens. Sie wererbte fih vom Pater auf den Sohn, von der Mutter zur Tochter. Die Kunde von den arzneiliden Kräutern war meiltens auf gewiſſe Familien bejchränft, fie ward, da fie reihen Gewinn abwarf, zum Familiengeheimnif. Die Wurzelgräber (Rhizotomen) im alten Hellas verhüllten deshalb ihr Treiben in ſchlauer Weife mit Spufgejhichten, erdichteten Gefahren und Abenteuern, ähnlich wie fpäter die Punier die Wege ihrer nad Reichthümern ausziehenden Schiffe zu verheimlichen ftrebten. Sie fuchten lüfterne Neulinge von dem gefährlichen Geſchäfte des Botanifirens abzuſchrecken und den Preis ihrer Errungenſchaften zu fteigern. Manche Kräuter durften, jo erzählten die Wurzelgräber, nur in der Nacht, andere furz vor dem Aufgang der Sonne, wieder andere an beftimmten Tagen des Jahres gegraben werden. Bei dem einen Gewächs mußte man höchſt vorſichtig achten auf die Richtung des Windes, auf den Specht, die Weihe und den Adler, die mit ſcharfen Schnäbeln dem Pflan- zenfammler Gefahr drohten. Zugleich fuchten dann aud die Händler mit Arzneiftoffen durch allerlei Tajchenfpieler- und Gauflerftüdhen das Staunen der gläubigen Menge zu erregen, nahmen auf öffentlihem Markte jcheinbar große Mafjen ftarfwirfender Medikamente ein und fuchten durch ihre Gift- feftigfeit den Ruf ihrer außerorventlihen Macht und geheimen Wiſſenſchaft zu begründen. | Alle jene Kenntnifje, welche fih nur von Mund zu Mund fortpflanzten, blieben auf einen engen Umfang beſchränkt. Cine Erweiterung des Wiſſens ward erſt ermöglicht dur Erfindung der Schrift. Die Mofaifhen Bücher (1500 v. Chr.) nennen gegen 70 Gewächſe, theils Nuspflanzen, theils jolche, welche durch ihre Schönheit auffielen. In den Geſängen des Homer find 63 genannt, ohne daß dadurch ausgeſchloſſen iſt, daß im Munde des Volks noch viele andere Kräuter, Bäume und Sträucher bereits Namen trugen. Die erften Schriften der Griehen, welche Gewächſe befonders behandelten, find landwirthſchaftlichen Inhalts, Androtion, Androfthenes, Kleivemos werden als Verfaſſer genannt, und eines ift unter dem erborgten Namen des Demo- fritos verfaßt. Flora, die liebliche, duftende Göttin, diente lange Jahrhun— derte hindurch als nievere, veradhtete Magd dem Bauer, dem Arzt und dem Charlatan. Nur jelten würdigte fie ein poetiſch geftimmter Sohn des Apollon eines freundlichen Wortes, die Perle im Schmutze ahnenp! Kein anderes Volk geht in der alten Zeit, foweit uns befannt ift, in feiner Beachtung der Pflanzenwelt über den rein praftiihen Standpunkt hin- aus als die Griehen. Erflärten auch einige ihrer philofophiihen Schulen die Geftalten der Natur für trügerifh, für nicht geeignet zu Gegenftänden des reinen Denkens, jo beachteten andere dagegen fie wieder um jo mehr, und gaben auch der Erfahrung und Beobachtung ihr Net. Bei Keinem tritt der Pflanzenkunde. 19 die Berfchmelzung zwifchen philofophifhen Denten und klarer Kenntniß der vorhandenen Dinge fo ſchön und harmoniſch zu Tage, als bei Ariftoteles, dem Altvater der Naturwiffenfchaft überhaupt. Unter den ſchattigen Platanen Athens wandelte der Stagirite mit feinen zahlreihen Schülern und Lehrte: wie die Pflanze ihren Mund, Nahrung fuchend, in die Tiefe verjenfe, wie Zweige und Aeſte als Leib fid) emporftredten und Abbilver feien der Cier und Yunge erzeugenden Leiber der Thiere. „Eier auch legen die Bäume, die ftämmigen, erjt die Olive!“ hatte ſchon Empedofles verkündet. Innig jeien beide Gefchlehter in jenem Gewächſe vereint, ähnlich wie bei den Au— ftern am Meeresgrund, nur in der Außern Geftalt ließen fid) die einen, bie zartern, reichliher fruchttragenden als Weiblein betrachten, die dichterbeblätterten, rauhern als Männchen. Dazu jei das eine Gewächs warm, Das andere falt, dies feucht, jenes troden, dies alles aber in verſchiedenen Graden. Darauf gründe jih dann ihre heilende oder ſchädliche Wirkung. Leider gingen des Ariftoteles zwei Bücher „von den Pflanzen‘ verloren, aber die Ausſprüche, welche ſich in feinen anderen Werfen zerftreut finden, ſowie beſonders die Schriften, welche fein Schüler Theophraftos in feinem Geift und als Erbe jeiner Manufcripte und Bibliothek ver- faßte, zeigen deutlich, wie mächtig das Ringen diefes erhabenen Geiftes war: das Weſen ver Pflanze und der in ihr wirkenden Seele zu faſſen. / Zweierlei bezeichnete er jhon treffend als Zwed I der Ernährung bei den Gewächſen, einmal, daß fie wadhfen, zum andern, daß fie Samen erzeugen. Den britten Punkt, die fortfchreitende Verwandlung der Drgane, die Metamorphofe, ſprach erft 2000 Jahre fpäter Har und ſcharf der Altmeifter Goethe aus. Während der Kämpfe, die nad) dem Tode Alexander's des Großen die alte Welt durchtobten, fanden die Schäße der Wifjenfhaft im Mufeum zu Alerandrien eine Zufludht. Ptolemäos Tief um hohe Summen die Werfe der alten Meifter fammeln, veizte aber dadurch zahlreiche Induſtrielle zur Sabrifation medizinischer und anderer Schriften, deren Anſehn ihre Ver— faffer um jo mehr zu fteigern glaubten, je älter und geheimnißvoller der Ver- fafier war, dem fie diefelben zufchrieben.. Es famen Werfe des Pythago- ras, Demofritos und des Orpheus zu Tage, an melde jene Männer bei Lebzeiten niemals gedacht. Eine befonvere Prüfungscommiffion ward des— halb in Alerandrien nöthig, die ein Berzeihniß (Kanon) der ächten Werke anfertigte und über die neueinfommenden entſchied. Man fehritt in dem langen Zeitraum von Theophraftos bis zum Tode des Kaifer Auguftus 2* Ariſtoteles. 20 Aus der Geſchichte nicht weiter in der genauern Erforfhung der natürlichen Dinge, verwandte ftatt veffen den größten Fleiß auf die grammatifalifhe Prüfung des Vor— handenen, neigte ſich dagegen außerordentlich zu allem, was als Wunper- bares, Magifhes, Zauberifches Staunen erregte, jo daß man ſchließlich unter phyfifalifchen oder natürlichen Mitteln ſolche verftand, die man als „übernatürlihe, magiſche“ hätte bezeichnen follen. Für eine rein philofophiihe Auffaffung der Natur, welde eine bejon- dere Tiefe des Geiftes vorausfette, hatten die thatfräftigen Römer feinen Sinn; die Schriften der griehifchen Weifen blieben deshalb zunächſt auf fie . ohne Wirkung. Cbenfo wollten fie anfänglich nichts wiffen von den grie— hifhen Aerzten. Bei ihrer einfadhen Lebensweiſe bedurften jie jelten ſolcher Hülfe, und im fohlimmften Falle, wenn die Hausmittel und Beſchwörungen nicht fruchten wollten, befreite man fi durch ehrenvollen ſelbſtgewählten Tod von der unerträgliden Qual. Jene Aerzte erfchienen dem Cato als eine tückiſche Schaar von Verſchworenen, welche beſchloſſen: alle Barbaren, d. h. Nichtgriehen durd ihre. Pulver und Tränke zu tödten. Hatten ja doch die Kömer nähere Bekanntſchaft gemacht mit dem halbwahnfinnigen König von Pergamos, Attalus, der eigenhändig in feinem Garten die Giftfräuter baute, Nießwurz, Eifenhut u. a. und die Wirkungen derjelben an Verbrechern, zur Abwechſelung aud) an jeinen Freunden erprobte. Hatten fie ja doc) die ge- heimen Archive des füniglihen Giftmiſchers Mithridates, Eupator von Pontus, mit dem Schwerte des Siegers geöffnet und neben den todbringenden Phiolen auch die Pergamente gefunden, auf denen jener erzählte, daß ex feinen eigenen Sohn durch Gifttranf befeitigt. Am eheſten noch faßten Die Römer die Landwirthſchaft ins Auge, und Cato, fowie Barro legten ihre Erfahrungen darin fhriftlih nieder, Virgil beſang fie in gefeierten Berfen. In Cato's Schriften werden 125 Pflanzen genannt, vorwiegend Nutzgewächſe, Barro nennt 107, darunter 42, welche fein Vorgänger nicht anführt, und von den 164 Gewächsnamen im PVirgil find 78 neu. Alle drei Schriftfteller führen zufammen 245 Pflanzenarten an, während 300 Jahre früher Theophraftos der Grieche bereit8 450 genannt. Einen feinen Beitrag zur Botanik der Römer lieferte nody der Arditeft Vitruvius durch nähere Angabe der Bauhölzer und derjenigen Pflanzen, die ſich zu Farbftoffen eignen. Die erwachende Genußſucht der mächtig gewordenen Römer beförderte in hohem Grade die Treibgärtnerei, Einen vorzügliden Ruhm in Diefer Kunft erwarben ſich die Bewohner Kiliciens in Kleinafien, von denen eine Anzahl nah Italien übergefievelt. Kaiſer Tiberius aß faft das ganze Yahr hindurch friihe Melonen und von dem Spargel Ravenna's wogen drei Sproſſen ein Pfund. Die Abneigung gegen die fremden Aerzte erhielt einen gewal— tigen Umfhwung, als Kaifer Auguftus von dem Arzt Antonius Mufa durch eine dejperate Kaltwafferfur von eimer fchweren Krankheit befreit ward. In feiner Freude bewilligte der Kaifer allen Aerzten das -Bürgerredyt und Freiheit von Steuern, und führte dadurch eine ſolche Ueberſchwemmung Noms der Pflanzenfunde, 21 mit Heilfünftlern herbei, daß man fich genöthigt fah, bald angemeſſene Beſchrän— fungen jener Privilegien eintreten zu laſſen. Einer ſuchte den andern durch die Menge der Medikamente, durd Zahl der wirkenden Mittel und durch die Abjonderlichfeit derjelben zu überbieten. Andromachos lieferte endlich als Uni- verfalmedizin gegen alle irdifchen Uebel den Theriaf, deſſen öffentlihe An- fertigung fi bis zum Jahr 1787 erhielt, und Xenokrates ſchildert jogar die mediziniihen Wirfungen des menſchlichen Gehirns und anderer viel efel- hafterer Dinge fo eingehend, als habe er fie an fich jelbft erprobt. Da jchuf Galenus, ein Yicht in der barbarifhen Finfterniß, der Medizin neue Bahn, und Diosforides verfaßte eine Arzneimittellehre, in welcher er gegen 500 Gewächſe in einer Weiſe beſchrieb, welche bis dahin noch nie verfucdt ward und die man „Jahrhunderte lang als unübertrefflihes Mufter pries. Was Linne den jpäteren Zeiten, das war Dioskorides den Alten, die untrüglichfte Autorität, Außer jenen Gewächſen, welche als jogenannte einfahe Mittel für den Arzt, oder die als Nährpflanzen, Objtarten und Kranzpflanzen für den Landmann und Gärtner Intereſſe boten, tauchten einzelne Nadrichten von Erzeugniffen ferner Länder auf, von denen die Geographen beriten. So hatten Agathardhides, Strabon und König Juba I, von Mauretanien theil8 nach eigener Anſchauung, theils nad) Erzählungen von Kaufleuten be- richtet von Gewürzen, farbeliefernden Hölzern und mancherlei wunderbarem Gewächs, das in den Ländern an den Ufern des Nothen Meeres gedieh, welches man damals bis zu dem Geftade Indiens und Ceylons ausvehnte. Was irgend der Beachtung in den vielerlei Schriften würdig erſchien, faßte der unendlich fleißige Plinius Secundus der ältere in feinem encyflopädifchen Werke zufammen. Obgleid er felbft niemal® Gewächſe gefammelt, ja ſchon einen einfachen Spaziergang als unnütze Zeitverſchwendung tadelte, verdanft man ihm doc die Kenntniß von Vielem, das ohne ihn ſpurlos verſchwunden jein würde. Und da er bei feinen Notizen ſelbſt des Abergläubifchen, Wun- derbaren und Zauberreihen in ausgedehnter Weiſe gedenkt, obſchon gegen dafjelbe eifernd, jo fand fich die geheimnißdurſtige Nachwelt von feinen Büchern gefeflelt. Außer dem Nifolaos Damasfenos, defjen zwei Bücher „von den Pflanzen” man lange für die beiden vermißten des Ariftoteles hielt, hatte fein einziger Schriftfteller jener Zeit die Pflanzen an und für fi einer Beratung für würdig gehalten. Nur den wirfliden oder eingebildeten Nugen, den fie dem vermeintlihen Heren der Schöpfung, dem Menfhen, gewährten, hatte man im Auge behalten. Meinte doch Einer, da jedes Ge— wähs zu etwas für den Menſchen gut fein müffe, jo ſchienen eine Anzahl Kräuter wenigftens beftimmt zu fein, „um darauf zu treten“. Bei dem graufigen Wuft von Zauberformeln, Beſchwörungen und magi- ſcher Zuthat, die fih Jahrhunderte lang wie Schutt um die Heilmittel und . am die Beichäftigung mit den Pflanzen gehäuft, durfte es nicht Wunder 22 Aus der Geichichte nehmen, daß die Väter der hriftlihen Kirche aud in demfelben Grabe gegen die Pflege der Naturmifjenfchaft eiferten, als ihre eigene Macht und ihr Anfehn im Staate fich fteigerte. „Die Herrfchaft des Teufels ift die Mutter der Poeten und Philoſophen!“ ſchalt deshalb Chryjoftomos, und nur der Reiz des Verbotes und des Geheimniffes war es, welcher manches ver alten magifchen Bücher mit zahlreichen erdichteten Pflanzenbefchreibungen bie und da in einem Kloſter erhielt und einen Mönch Iodte, verftohlener MWeife von den verbotenen Früchten zu naſchen. Schauen wir der Berglei- hung wegen nad) den Wunderländern des fernen Dftens, — dort jah es noch leerer und trübjeliger aus! | Trotz der UWeberfülle der Natur oder vielleiht gerade wegen des er- prüdenden Reichthums der Formen kamen die Indier nie über das Anftau- nen des Erfchaffenen, über das Verehren der Fleifchwerdungen des Ewigen hin- aus, nie zur wiffenfhaftlihen Prüfung, Zerglieverung und faßlichen Beſchrei— bung der Dinge. Ihr älteftes medizinifhes Werk, die Majurveda des Susruta, obſchon faum früher als im 11. oder 12. Jahrhundert n. Chr. verfaßt, fnüpft an Brahma, den Allvollbringer, ſelbſt an. Der Alles wir- fende Gott verfaßte auch das erſte Werf über Arzneifunft. Das mythiſche Bub Brahmaſidhanta war nah der Sage in hundert mal taufend Sloko's (d. i. Doppelverfen) verfaßt. Von einem Gott vererbte e8 auf den andern, und in dem Moment, wo die Götter ihr Werk ven Sterblichen über: gaben, da wo bei andern Völkern erſt die Gefchichte beginnt, jchließt fie in Indien. Ebenſo ftreng ſchloß man fi) ab gegen alle Einflüffe des Aus- landes, und wenn ja irgend ein Geiltesfunfe vom Welten her fi bis zu den Hainen des Indus und der heiligen Ganga verirrte, wußten ihn die Braminen fofort umzufchmelzen und mit den zahllofen Geftalten ihrer Mytho— Iogie fo zu verfnüpfen, daß er als etwas längft Dagemejenes und Bekanntes in dem Meere der alten Formen wirfungslos unterging. Eine reine Unmög- lichkeit ift es, aus den 6— 700 Pflanzenarten, welche die Yajurveda mit Namen aufführen, auch nur eine zu erkennen. Erfolgreicher war die Geiftesftrömung, die über Syrien, wo die Ge— lehrfamfeit der Neftorianer eine Zeitlang blühte, nah Perjien ftattfand. In Gondifhapur und nahmals in Nuſchirwan gedieh freudig die Pflege der Arzneifunde und ward vorzüglicd folgenveid durch ihre nachmalige Einwirkung auf das geiftige Leben der Araber und deren Gelehrte. Ba- bylon jelbft, das alte, erzeugte ein vielbeſprochenes Werk von der „naba— thäiſchen Landwirthſchaft“, vielleiht im 1. Sahrhundert v. Chr., das jelbft no in den Brucftüden, die wir davon fennen, gegen 200 Pflanzen in ziemlich guten Beſchreibungen enthält. Aftrologie und Magie find hier mit vernünftigen, praftifhen Rathſchlägen innig verſchmolzen. Das geiftige Licht der Wiſſenſchaft, das im Abendlande erlojch, glimmte bei den gottbegeifterten Arabern weiter. Die wichtigften Schriften ver alten Griechen wurden ins Arabiſche übertragen. Die Hochſchulen im Oſten und der Pflanzenfunde. 23 die Afademien im aufblühenden Spanien unter mauriſcher Herrſchaft wurden der Sit einer umfaffenden Gelehrfamfeit. Es hatte zwar der Koran fid ſchroff dem anderweitigen Wiſſen entgegengeftellt, jo daß die Sage von der Berbrennung der alerandrinifchen Bibliothef meldet, Muhamed hatte jedoch jelbft einem feiner Freunde einen Ungläubigen, der Arzt war, empfohlen, und was der Prophet gethan, ahmten die folgenden Herricher nach als geheiligte Sitte. Der Arzt war geheiligt und in feinem Gefolge befand fi) die Bo— tanif, wenn auch als Ajchenbrödel. Bald begnügten fid) die thätigen Araber nit mit den Uebertragungen ausländifcher Werke, fie fchufen Eigenes und Neues. Erhoben fie fih aud nicht zum philofophifhen Durchdringen der Ge— ftalten, fo bauten fie doc die Heilmittellehre weiter aus und legten hierbei eine Genauigfeit und Schönheit in der Beichreibung der Gewächſe zu Tage, die bis dahin noch nirgends verfuht ward. Höhe und Richtung des Stengels, ob derjelbe rund jei, ob fantig, glatt oder behaart, die Stellung und Rich— tung der Blätter, deren Form, Größe und Theilung, die Geftalt, Färbung und Stellung der Blüte, ja felbjt der Kelch verfelben und die fich bildende Frucht find aufs befte beſchrieben, ſo daß z. B. aus den Schilderungen, welche Mohammad Algafafi, ver Corbovaner (Ende des 14. Jahrh.), giebt, ein Kenner der ſüdſpaniſchen und nordafrifanishen Flora ziemlich jedes Gewächs wieder aufzufinden vermöchte. Faſt ebenfo ſchön find die Beichreibungen, welhe Iſhak Ben Amran Abu Hanifadt (aus Dainur im perfifchen Iran) und Ibn Al- Abba lieferten, Diejenigen Heilmittel, die in ber Sammlung des Diosforides fehlten, fügte Ibn Golgol hinzu, und an weitbringendem Auf überftrahlte fie alle Al-Hufjein Abu Ali ben Abd— allah Ibn Sina, gewöhnlid unter dem Namen Avicenna gepriefen, In feinem „Kanun“ handelt der legtere von den Thieren und Pflanzen, jowie in einem Anhange „von den herzftärfenden Mitteln“. Sobald die nomadifirenden Araber ven Werth feiter Wohnfite und des Landbaues erfannten, berüdfichtigten fie auch die über Landwirthſchaft vor- handenen Bücher um fo mehr, als es ihnen bei ihrer ausſchließlichen Pflege der Dattel in ihrer Heimat an eigenen ausgedehnten Erfahrungen auf dieſem Gebiet fehlte. Einen vorzüglihen Zuwachs erhielten bie botanifhen Kennt- niffe der Araber durch ihre zahlreichen und weitgehenden Reifen. Von Haus aus mwanderluftig, wurden fie durd ihre faufmännifhen Unternehmungen zu Zügen nad fernen Gegenden veranlaßt, und wer irgend vermögend tar, bem machte die Religion eine Wallfahrt nad) der heiligen Stadt zur Gewiſſenspflicht. In den übrigen Theilen des abendländifhen Kaiferreihs war nad dem Zerfall des letztern jelbft das Nachtlichtchen der Gelehrſamkeit vollends ver- löſcht, das bis dahin mit trübem Schein nod) geleuchtet hatte. Hier und da jaß in feiner Zelle noch ein jchlaftrunfener Mönch und fehrieb auf Befehl jeines geftrengen Abtes Schriften der Alten ab. Nur die Kenntniß der la— teiniſchen Sprache zog ſich als ein Band durch alle jene Länder hindurch, die anfänglich durch Waffengewalt der Römer, nachmals durch die Lehre der 24 Aus ber Geſchichte katholiſchen Kirche verknüpft waren, und verſprach einſt ein Mittel zum geiſtigen Austauſch unter den Völkern der verſchiedenen Zungen zu werden. Blos in Irland ſchien e8 etwas weniger finfter zu fein. Wie meit aber die ausſchließliche Zellengelehrjfamfeit der Mönche, das Schwören auf das geichriebene Wort, die Geifter bringen fonnte, davon liefert Beda, der gelehrtefte Mann feiner Zeit (672— 735), ein Beifpiel, indem er, auf eine falſch verftandene Stelle der Bibel ſich ftügend, naiv behauptete: „im Früh— linge feimten nit nur die Kräuter, ſondern um dieſelbe Zeit trügen aud) die Obftbäume ihre Frucht.“ Karl der Große war fein Freund von Xerzten und verlangte einen jolhen jelbit dann nicht, als er in feinem Alter viel vom Fieber zu leiden hatte und Hinfend ward. Den Pflanzen fchenkte er in jo weit Aufmerffam- feit, als er in einem Verzeichniß gegen 100 Gewächſe vorſchrieb, die auf jeinen Domänen gebaut werden follten und unter denen außer Obft, Getreide und Gemüſe aud eine Anzahl Küchengewürze, ſowie einige Heilpflanzen ge- nannt find, die wahrſcheinlich ſchon von Alters her als Hausmittel in Ge— brauch waren. Die geheime Gilde der Aerzte zu Salerno, die Phyſik der gelehrten Aebtifjin Hildegard zu Bingen, fowie die Tieblihen Ge— Dichte des Walafrievdus Strabus find kaum nennensmwerthe vereinzelte Funken in der taufendjährigen Nacht. Abergläubiihe Kräuterweiber, Hirten, ſpekulative Scharfrichter und marftichreierifche Theriafhändler waren die Träger der Botanik, hie und da gefellte fi ihnen auch wol ein Mönch zu, wenn fid) derjelbe nicht mit Handauflegen, Weihwaffer oder Salböl als Mittel gegen die Krankheit begnügte. Da begann ein neues Zeitalter mit der Er- findung ver Buchdruckerkunſt. Man verſuchte fid) zuerft in der Vervielfältigung der Alten. Die Schrif- ten des Theophraſtos, Diosforides, Plinius u. A. erſchienen gedruckt, theils in ihren urjprüngliden Sprachen, theil8 überfegt oder erflärt. Jeder neue Abzug, der die Prefie verließ, ward zum Sendboten, der hinauszog, um ber Wiſſenſchaft, ver Betrachtung dev Natur neue Freunde zu werben. Je größer die Zahl derjenigen ward, welche Interefje an der Natur gewannen, je mehr verjuchten fi allmälig aud auf eigenen Füßen. Zunädft ging man von der Porausfegung aus: die Gewächſe ver Hei- mat wären biejelben, welche auch in Griechenland und Italien wuchſen, und bemühte ſich deshalb, die von den Alten bejchriebenen Pflanzen daheim wieder aufzufinden und die ihnen zugefchriebenen heilfamen Wirkungen zu erkennen. Die erjten jener Werfe über Pflanzen, 3. B. das in Augsburg 1475 erſchie— nene „Buch der Natur“ und das 1484 zu Mainz veröffentlichte, das den Titel „Herbarius” führte, waren mit Holzfhnitten verſehen, das erftgenannte enthielt 176. Dieje Abbildungen waren in höchſt roher Weile ausgeführt . und in der Art colorirt, wie die jogenannten Briefmaler die Spielkarten zu malen pflegen, Die Bilder follten auch feineswegs belehrend fein. Zeichner, Holzſchneider und Maler hatten ihrem Geſchmack und ihrer Phantafie freien der Pflanzenkunde. Ä 25 Lauf gelafjen, fie folten nur dem Lefer dienen zur „Augenweide“. Aehnlich war auch der in Frankfurt erjchienene, oft aufgelegte Optus sanitatis des Sohann von Caub. Der Tert in den genannten Büchern war aus ven Alten zufammengetragen. Die erfte Driginalarbeit lieferte Otto Brunfels (geft. 1534), ein Karthäuſermögch, der erft Schulmeifter zu Straßburg, dann hochgeachteter Arzt in Bern war. Sein zweibändiges Werf „Herbarum vivae icones‘ (1530) enthielt Originalabhandlungen von ihm jelbit, jowie von einer Anzahl thätiger Männer, die gleichzeitig mit ihm ihre Aufmerf- famfeit ven Pflanzen zumwendeten, 3. B. von Hermann Graf von Newenaar in Köln, Joachim Schiller, Arzt in Bafel, Hieronymus Braunfchmweig, Chi- rurg in Straßburg, Bernhard Fuchs, damals in Ansbach, Hieronymus Bod, Profeffor in Zweibrüden. Der legtgenannte Gelehrte, Hieronymus Bod, der fich ſelbſt gewöhnlich „Tragus“ zu unterzeichnen pflegte, war ein durchaus flarer Kopf, der einen heftigen Feldzug gegen den Theriaf und alle ihm ähnlihen, aus Hunderterlei zufammengefegten Medikamente begann. Er be- ftrebte ſich ernftlih, die Gewächſe feiner Umgebung fennen zu lernen, und verfhmähte es nicht, bei Henfern, Schäfern, fogenanten klugen Weibern u. dgl. herumzuhorchen, um die Eigenfchaften der einzelnen Pflanzen zu erforjchen. Freili war er von dem taufendjährigen Aberglauben, in dem er aufge wachſen, nicht gänzlich frei und erzählte unter anderm, daß die Heilfraft des Diptam von den Hirfchen verrathen worden fei, die jenes Kraut aufjuchten, um ſich durch dasfelbe die eingefchofjenen Pfeile ausziehen zu lafjen, ja er behauptete jogar jelbft gejehen zu haben, daß die Schlangen das Pfennig- kraut (Lyſimachie) aufſuchten, um ſich zu heilen. Die in feinem Werfe ent- haltenen 567 Abbildungen von Pflanzen waren duch den Zeichner David Kandel in Straßburg ausgeführt worden. Noch kämpfte Bock mit dem Beftreben, feine einheimiihen Pflanzen ven Beihreibungen des Dioskorides anzupafjen, ja er änderte die jeinigen, nad) der Natur entworfenen, zu Gunften der alten Autorität, durdy den Glauben an die ©leichheit der deutſchen Flora mit der griechiſchen bewogen. Sein Zeitgenofje Bernhard Fuchs, der 30 Jahre hinburd Lehrer in Tü- bingen war, war ver erfte, welcher ahnte, jedes Land habe feine ihm eigentbümlihen Gewächſe, aljo würden aud die deutſchen andere jein als die griehifhen. Er flagte bitter darüber, daß unter hundert Werzten faum ein einziger vorhanden, der wenigftens einige Pflanzen fenne, erklärte, dag mandhe der einheimischen Kräuter viel werthooller wären als viele Me- dDifamente, die man um theuren Preis aus der Ferne beziehe, und gab ſchließ— lich als höchſt wichtige Grundlage der deutſchen Botanik ein Werf mit 515 Abbildungen in Folio heraus, zu deren fauberer und möglichft naturgetreuer Herftelung er die beiten Kräfte jener Zeit an Zeichnern und Holzſchneidern aufgeboten hatte. Er legte, im Gegenfat zu den früheren Bilvderbüchern, das Hauptgewicht auf die Zeichnungen und behauptete: Abbildungen jeien viel wichtiger als die Beichreibungen, da man aus denfelben die Gewächſe viel 26 Aus der Geſchichte beſſer und leichter erfennen fünne. Für gute Beichreibungen bahnte er aber dadurch ebenfalls ven Weg, daß er eine verftändige Wahl der befchreibenden Ausprüde (Terminologie) traf, welche er in einem Anhange feines Werkes in alphabetifher Ordnung erklärte. Hierdurh war auch der Anfang gemadıt, die Kenntniß der Gewächſe über die ausſchließlich arzneilihen zu erweitern, und der erfte Schritt gethan zur Gründung der Pflanzenfunde als jelbftändige Wifjenfchaft. Gleich einer erfreulihen Saat, die im Frühling nad kaltem, langem Winter herrlich emporjprießt, tauchten in unſerm Vaterlande in der letzten Hälfte des 16. Jahrhunderts zahlreiche ftrebfame Männer empor, welche die Lehren der Bahnbrecher begierig ergriffen und frifh und fröhlih das angefangene Gebäude meiterführten. Es fann unſere Abſicht micht fein, alle Botanifer aufzuführen, die von jett an erftanden, nur einige der wichtigften mahen wir namhaft. So jammelten Pflanzen in Deutſch— land die beiden Cordus, Vater und Sohn, der Erftere ein Hefje, anfangs Schullehrer, dann Profefjor in Erfurt und Marburg, endlid Arzt in Bremen (geft. 1535), der andere geboren in Erfurt (1515) und leider ſchon in feinem 29. Jahre (1544) zu Rom geftorben. Eifrige Sammler waren ferner Kon rad Gesner (1516—1565), aus Zürich gebürtig, fowie Joachim Came— varius, Arzt in Nürnberg (1534— 1598), und Jakob Theodor von Bergzabern, gewöhnlih TZabernämontanus genannt, ein Schüler bes Hieronymus Bock, Leibarzt des Biſchofs von Speier und fpäter des Kur— fürften Johann Kafimir von der Pfalz (geit. 1590). Der Funke, der in Deutihland entglommen, zündete aud in den benachbarten Staaten, und bald metteiferten Holländer und Franzoſen mit unfern Landsleuten. Bon den erftern thaten fi vorzüglih hervor Rembert Dodoens oder Dodonäus (1517—1586), faiferliher Leibarzt, dann Profeffor in Leiden; Matthias de ’Dbel oder Lobelius, geboren 1538 zu Ryſſel in Flan- dern, geftorben 1616 zu Highgate bei London, als Hofbotanifer des Königs Safob I. Sie übertraf nody weit Charles ve l'Ecluſe over Karl Elu- fius, geboren im Jahre 1526 in der Grafſchaft Artois, die früher zu Bel- gien gehörte. Trotz feiner füperlihen Gebrechen und der Leiden, welche ihn quälten, durchreiſte der eifrige Forfcher einen großen Theil von Europa, al- lenthalben fpähend nad neuen Gewächſen, und ward der fenntnifreichite Bo— tanifer feiner Zeit, der eine größere Zahl neuer Pflanzen abbildete und durd) Beſchreibung befannt machte, als je einer zuvor. In Franfreich thaten fich unter Andern hervor Sean Ruelle oder Ruellius (1474— 1537), aus Soiſſon gebürtig und als Leibarzt des Königs und Domherr wohnhaft in Paris. Was die verjchiedenen Forſcher Neues entvedt, trug Jacques Da- lehamp mit vielem Fleiße zu einem jehr umfangreichen Werke zujfammen. Auh Engländer und Italiener nahmen an dem Streben nad umfafjen- der Kenntniß der Gewächſe mit Theil. Unter den erftern ward der Geiftliche William Turner berühmt, ber fi als Flüchtling längere Zeit in Deutjd- der Pflanzenfunde. 27 land aufgehalten und die Bekanntſchaft deutſcher Forſcher gemacht hatte. Nach der Rückkehr in fein Vaterland veröffentlihte er ein großes Pflanzenmerf in lerifographifcher Form. Don den Italienern thaten Antonio Mufa Braſſavola (gef. 1555), der die reichfte Pflanzenfammlung jeiner Zeit bejaß, und Bartolomeo Maranta viel für das Studium der Gewächſe. Mit ihnen metteiferten Luigi Anguillarta aus Kom und der Neapoli- taner Colonna oder Columna. Lebterer war. der erfte, der einem bo- tanifchen Werfe Kupferftihe beigab. Auf der pyrenätfhen Halbinjel war Bernardo Gienfuegos der einzige, der felbjtändig jammelte und unter- ſuchte, die übrigen feiner Landsleute, weldhe die Pflanzen beachteten, begnüg- ten ſich noch mit den Verſuchen, den Diosforides zu erklären. War auch die Hauptthätigfeit der Forſcher dieſes Zeitraums, wie natür- Gh, auf die Gewächſe des heimatlihen Erdtheils gerichtet, jo ward die Kenntnig der auswärtigen Flora doch auch durd eine Anzahl aufmerf- jame Keifende vermehrt, Nach dem Morgenlande wallfahrteten Melchior Wieland, ein Preuße, Leonhard Rauwolf, ein Augsburger, und Pierre Bellon, ein Franzofe; Aegypten ward beſucht vom Benetianer Profper Alpinus Die neue Welt war entvedt und mancherlei Nachrichten von der üppigen Fülle, melde die Pflanzenwelt in den tropifchen Ländern ber weitlihen Halbfugel enthalte, drangen herüber, beſonders durch die Mitthei- (ungen des Gonzalo Dviedo de Valdes (1525), Nicolao Monardeg, Profeſſor in Sevilla (1580), den Arzt Franzisfo Hernandez und Andere, Auh Pflanzengärten legte man jest an, zunächſt zwar, um Arzneige- wächſe zu ziehen, dann aber, um überhaupt die Kenntniß ausländischer Pflan- zen zu fördern. Die eriten verjelben entftanden in Italien. Schon Plinius erzählt von einem foldhen, der zu feiner Zeit durch einen Privatmann ge= pflanzt war. „Uns, jagt er, „bot die Sammlung des Antonius Caftor, der höchſten Autorität in der Kenntniß der Heilmittel zu unferer Zeit, ©e- fegenheit dar, die arzneilihen Pflanzen mit jehr wenigen Ausnahmen durch die Anſchauung kennen zu lernen, indem wir fie betrachteten in dem Gärtlein, worin er, der mehr als hundertjährige, niemals franf gewejene und nicht einmal an Gedächtniß und Lebhaftigfeit durch das Alter geſchwächte Greis die meiften derfelben erzog.‘ Gegen Ende des 16. Jahrhunderts entftanden jolhe horti mediei aud in der Schweiz und darnach in Deutjchland, wo— jelbft der des Joachim Camerarius in Nürnberg der berühmtefte war. Auch in den Niederlanden, in Franfreih und England legte man dergleichen an. Während des 16. und eines großen Theil vom 17. Jahrhundert war Auffinden neuer Pflanzen die Lofung der Botaniker. Wer je felbit es erfahren hat, welch hoher Reiz im Streben nad neuer Erfenntniß liegt, ganz abgejehen von der etwaigen ſonſtigen Wichtigkeit der Erfenntniß. jelbft, der wird es verjtehen, wie zahlreihe Männer die ganze Kraft ihres Wirfens darauf richteten, möglichft viele neue Pflanzenarten zu entdecken. Wer die meiften fannte, war nad) damaliger Anficht der größte Botanifer, Die 28 Aus der Gefchichte Duantität war no der einzige Maßſtab, den man anlegte. Es entftanden eine große Anzahl Werke, melde die Gewächſe beftimmter bejchränfterer oder ausgedehnterer Gebiete befchrieben, jogenannte Floren, fo eine für die Um— gegend von Altdorf und Gießen durch Ludwig Jungermann (1615), von Ingolftadt duch Philipp und Albert Menzel, für Preußen dur Löſel (1654), für KRoftof von Yauremberg, für Skandinavien von Georg Suiren, für Dänemark von Simon Paulli, für Island, Dänemarf und Norwegen von Peter Kylling, für Spisbergen von Friedrih Mar- tens, für Schweden von Olaus Bromelius. In England arbeiteten ämſig Robert Morifon (1620—1680, John Kay, Leonhard Plufnet und Jakob Petiver, in Franfreih Pierre Richer de Bellevalle, Gründer des botanischen Gartens zu Montpellier (1558 — 1630), Philipp Eornu- tus, Jacques Barrelier und Pierre Magnol; in Italien Antonio Donati, Ambrofinio Giacomo Zanoni und Paolo Boccone. Mächtiges Material ſammelten die Pflanzenforſcher, welche außereuro— päiſche Länder durchſuchten. So wurden die Gewächſe Oſtindiens vorzüg— lich beſchrieben von Henrick van Schnede tot Drakenſteen (1635—1691), einem Holländer, Rumphius, einem Deutſchen, Burmann und Kämpfer. Letzterer durchzog die ganze füpöftlihe Hälfte Afiens bis Japan. Ueber Aegypten brachte Wesling, über Madagasfar Etienne de Flacourt, über Auftralien Guillaume Dampier Mittheilungen, über Brafilien Wil- helm Piſo, Georg Marcgraf und ver Graf Morig von Naſſau, über Weftindien endlich Hans Sloane, ein Irländer. Höchſt lebhaft fühlten bereits die meiften Forſcher das Bedürfniß, mit einander in Berbindung zu treten, um durch gemeinjchaftlihe Arbeiten dem vorge- ftedten Ziel: „alle Pflanzen der Erde fennen zu lernen‘, näher rüden zu fönnen. Aus jenen Streben, das fid) aud) in den andern Zweigen der Natur- wilienfchaften geltend machte, entjtanden die naturwijfenfhaftlihen Ber- eine und Afademien in Kom, London, Paris und Deutihland (Schweinfurt). Das gefammelte Material wuchs zu Gebirgen, die Pflanzenarten zählten bereit3 nad) Taufenden, wie vormals nad Hunderten, die Schwierigfeit, dieſe Fülle zu überwältigen, wuchs noch vorzüglich dadurch, daß viele Pflanzen, die in mehreren Ländern zugleich wachen, von den verjchiedenen Forſchern unter verſchiedenen Namen bejchrieben wurden. Es entitand das Bedürfniß, diefe rohe Mafje gefammelten Willens zu fihten und — zu ordnen, Große Sammelwerfe entftanden durch unendlich fleifige Männer, wie Die beiden Brüder Jean und Caspar Bauhin, Henri Cherler, Chabre, Cäſalpinus u. A. Eine wahre Herfulesarbeit hatte vorzüglih Caspar Bauhin ausgeführt, indem er alle Pflanzenbefhreibungen von Theophraftos an verglid und die verfchiedenen Namen zufammenftellte, die jih auf ein und dasfelbe Gewächs bezogen. Bon dem bereits genannten Cäſalpinus (Andrea Ceſalpini) an, ver (1519— 1603) in Piſa lebte, trat eine neue Periode in der Pflanzenfunde der Pflanzenfunde. 29 ein. Man beftrebte fi), Ordnung in das Chaos zu bringen, um es zu beherrſchen, und verfuchte die Aufitellung von Pflanzen-Syftemen. Ehe— dem waren die Gewächſe nad ihren medizinischen Eigenſchaften zufammen- geftellt worden, oder man hatte fie nach alphabetifher Ordnung aufgezählt, wenn man fi) nicht mit der uralten Eintheilung in Bäume, Sträuder, Kräuter u, f. w. begnügte; jest machte man Borfchläge: fie nad) der Beichaffenheit der Frühte (Robert Morifon, Kay, Knaut, Hermann), den Zahlenverhält- niffen und Formen der Blumen (Nivinus, Ludwig), Blattformen und andern mehr oder weniger wichtigen Merkmalen zu Elafjificiren. Man verjuchte den Begriff von Pfanzenart jhärfer zu faffen, mehrere Arten zu Gattungen zu vereinigen und diefe wieder nad bejtimmmten Gefichtspunften als Ord— nungen, Yamilien, Klaſſen, Reihe u. ſ. w. zufammenzuftellen. Er— hebliches war hierin geleiftet worden durch Joachim Jung in Hamburg (geft. 1657) und bejonders durch Joſeph Pitton Tourefort (1681 — 1708). Das von letterem vorgeſchlagene Syſtem ward lange Fahre hin- durch vorzugsweiſe in Frankreich benutzt, bis endlich mit dem Schweden Karl von Linne ein neuer Zeitabjchnitt in der Botanif begann. Linne war der Sohn eines wenig bemittelten Yandpfarrer8 und ward 1707 zu Roshült in Smoland geboren. Schon jein Vater war ein großer Freund von Gewächſen und verwendete feine freie Zeit am liebften auf Blumen- und Obſt— baumzudht, in dem Sohne aber ward die Neigung, fid) mit der Natur zu be- Ihäftigen, zur ausjchlieglich herrſchenden Leidenſchaft. Er genügte deshalb ven ftreng philojophifhen Anforderungen ſei— ner Lehrer fehr unzureichend, der Vater ‚gab die Hoffnung ſchon auf, daß er das bereits angefangene theologiſche Studium werde vollenden fünnen, und gab ihn in feinem Verdruß zu einem Schuhmader in die Lehre. War aber der Burfche bereits den lateinischen Büchern des Lehrſaals am liebſten ent- flohen, um in Feld und Wald ſuchend und ſammelnd, jpähend und beobach— tend herumzilaufen, jo behagte e8 ihm auf dem profaifhen Dreifuß unter der Herrſchaft des Knieriemens noch viel weniger. Ein finniger Hausfreund, der Arzt. Johann Rothmann zu Werid, fand endlich den richtigen Schlitfjel zum: Verſtändniß des anfcheinend nichtsnußigen Jungen und durch feine Ver— mittelung ward Karl feiner ledernen Beſchäftigung entzogen, wieder zur Schule gejendet, auf der er ſich jest mehr an ein geordnetes Studium gewöhnte, und fonnte in feinem 21. Jahre die Univerfität zu Lund, nachmals die in Upfala bejuchen, 30 Aus der Geſchichte Durd die ausgezeichneten Kenntniſſe, die er fich bisher geſammelt hatte, erregte er die öffentliche Aufmerkfamfeit bereits in dem Grade, daß ihn die ſchwediſche Akademie der Wiſſenſchaften beauftragte, das wenig befannte Lapp— land botanifch zu erforſchen. Als einzelner Wanderer durchzog er die unwirth- lichen Gegenven jenes ſchwachbevölkerten Gebiets, die Unbill der Witterung, die Beſchwerden des Wegs und die mangelhafte Befriedigung der unabmeis- barften Bedürfniffe über dem Auffinden neuer Gewächſe vergeffend, zu denen aud die nach ihm genannte niedliche Linnaea, ein im Moofe verftedt wach— jendes, duftendes Kräutchen mit goldfarbiger Glodenblume, gehörte. Binnen ſechs Monaten (Mai bis November 1732) vollendete er die Reiſe und machte noch während vesjelben Jahres einen Theil feiner Erforfhungen befannt. Einige Jahre verwendete Linne feiner eigenen Weiterbildung wegen auf Reifen durch Holland, Franfreih und England. In erjterem Lande führte er zwei Sahre lang die Auffiht über den reihen Cliffort'ſchen Garten in Harte- camp. Nah der Küdfehr in fein Vaterland mußte er ſich zwar noch eine Zeitlang als Schiffshirurg nothdürftig behelfen, ward aber bald danad zum „töniglihen Botaniker“ und zum Präfiventen der Stodholmer Akademie der Wiffenichaften ernannt. Zwei Jahre darauf ward er Profeffor ver Medizin und Anatomie in Upfala und 1742 übernahm er dafelbft den Lehrftuhl für Botanif und die Aufſicht über den botanischen Garten. In diefer Wirkfam- keit blieb er 36 „Jahre lang bis 1778 zu feinem Tode. Hier in Upfala jammelte er zahlreihe Schüler um fi, die er für das eingehendere Studium des Gewächsreichs begeifterte, Won hier aus wandelte er, wie ein zweiter Ariftoteles, nicht nur unter den Baumgängen der Stadt, fondern durch Feld und Wald, an ihren natürlichen Standorten die Pflanzen auffuchend, ihren wahren Namen nad jorgfältiger Betrachtung beftimmend und geiftoolle Blide in das Leben der Gewächſe feinen Schülern eröffnend. Nicht felten wurden dergleichen botanische Ausgänge zu wahren Feſt- und Triumphzügen, von denen die unblutigen Eroberer mit reicher Beute, mit fliegenden Fahnen und Elingendem Spiel zurüdfehrten. Linne war der erfte, welcher die Bedeutung der Blüte ver Pflanzen, die Wichtigkeit der Befruchtungswerkzeuge in ihrer vollen Größe er- faßte und dieſe Erfenntnig in ihrer ganzen Tragweite anzuwenden verftand. Darin überragte er weit alle feine Vorgänger, von denen einige bereits mehr oder minder richtige Borftellungen von der Befruchtung der Pflanzen befaßen. Er wendete die genaue Kenntnig der Pflanzentheile zunächſt an, um mit möglichſter Schärfe feftzuftellen, mas eine Pflanzenart, was nur Gpielart und Abart fei; nach dem Bau der Blüte und Frucht faßte er dann die ver- wandten Arten zu Gattungen zufammen, und nachdem er fi in flarer, bün— diger Weife über die Kegeln ausgefprochen, die bei der Benennung eines Gewächſes feitgehalten werden müßten, gab er jeder Pflanze einen doppelten Namen, einen, meiſt griechifchen, der ihre Gattung bezeichnete, und einen lateiniſchen, welcher fie al Art von den Oattungsverwandten unterſchied. der Pflanzenkunde. 31 Schon hierdurch zog er von den Objekten der Forſchung den trüben Schleier hinweg, der bisher noch über venfelben geruht. Es liegt ein bejonderer Reiz in dem Namen, gar Mancher fühlt fich bereits in feinem Streben beruhigt, wenn er den Namen für den Gegenftand feiner Luſt gefunden hat und ihn nun befennen darf. Ein zweiter wichtiger Schritt, den Linne in der Förderung der Pflanzen- funde that, war die Aufftellung feines Syſtems. E83 war dasjelbe zwar auch nur ein künſtliches, das, wie alle vergleihen, an unvermeidlichen Gebrechen leiden mußte; aber was demfelben ven Sieg über alle andern verjchaffte, war der glüdliche Takt, mit welchem inne gerade die wichtigften Organe gemählt hatte, um danach die Eintheilung der Pflanzen durchzuführen. Es gewährte einen bequemen Schlüffel zum Beftimmen des Unbefannten und hatte für Alles, was neu aufgefunden ward, jhon ein Plätchen bereit. Das Wichtigfte aber in Linne's Wirken lag darin, daß er nicht, wie mander der Alten, fein Gebäude als ein bereit8 vollendetes hinftellte, nicht als einen Abſchluß bezeichnete, der Stillftand gebot, fondern im Gegentheil in begeifternder Weife zum Ausbau des begonnenen Tempels aufforderte, Gleich Apofteln zogen feine Schüler nad allen Himmelsgegenden hinaus, Der Meifter hatte ihre Augen geöffnet, ihnen fichere Regeln und gebahnte Wege zum Weiterforfchen gegeben, und im Laufe der Zeit ward ein Yand nad) dem andern geiftig erobert, von den eisumftarrten Küften des Polarmeers bis zu den ſonnedurchglühten Geftaden Indiens, von den Inſeln des ftillen Deeans bis zu den Wildniſſen Brafiliene, Goethe konnte mit Recht jagen: „In der Fülle wohnet die Klarheit!” Ye mehr man fid) dem Endziele des Sammelns: alle Gewächſe der Erde kennen zu lernen, näherte, je mehr näherte man fi) auch der Exrfenntnig des natürlihen Syſtems, das allem Geſchaffenen zu Grunde liegt und deſſen Aufftellung bereits früher Adanfon, fpäter die beiven Juſſien, Decandolle, Robert Bromn u. A. verſuchten. Linné waren etwa 6000 blühende Pflanzen bekannt, gegen 100,000 mögen gegenwärtig in den verfchiedenen Werfen bejchrieben jein! Die meiften Gewächſe der Erde fennt man, jährlid) wird die Zahl der noch nicht befannten geringer, jährlich wird e8 weniger leicht, wirklich neue Arten zu treffen. Alle jene zahlreichen Expeditionen, welche neuerdings die Länder des Polarfreijes durchforſchten, haben nicht eine einzige neue Pflanzenart aufgefunden. - Die Sammlungen, welche Keifende aus den Wildniſſen von Mexiko und Eentral- Amerika mitbrachten, enthielten noch vor 10 Jahren gewöhnlid im Durd)- ihnitt 10 Prozent neue Arten, gegenwärtig liefern die eifrigften Sammler faum noch 5 Prozent Novitäten. Einzelne Familien, 3. B. die Farne, find jo wohl befannt, daß es als ein halbes Wunder gilt, wenn hie oder da noch ein neues Farnfraut aufgefunden wird. Die Orchideen wurden lange Zeit hindurch als eine unerfhöpfliche Fundgrube angefehen, Reichenbach und Lindley haben aber in den nenejten Zeiten in diefer Familie jo aufgeräumt, 32 Aus der Geſchichte daß auch hier ein Abſchluß nicht mehr fern ſein mag. Es fehlt uns an Kaum, alle vie zahlreichen Forſcher hier aufzuführen, welche entweder eine genaue Kenntniß aller Gewächſe eines beftimmten Bezirkes exftrebten, oder die ſich ausfchlieflid dem Studium einer einzelnen Familie des Gewächs— reiches widmeten. Durh die Erfindung des Mikroſkops und bejonders durch feine allgemeinere Benutzung, fowie durch die gleichzeitige Zuhülfenahme ver Chemie eröffnete ſich der Botanif ein neue® Gebiet. Die Bergrößerungs- gläfer waren zwar bereits im Anfange des 17. Jahrhunderts von dem Hol- länder Drebbel erfunden worden, und wurden nit lange danach zum Mi- froffop zufammengefegt, allein der Benutung diefes Inftruments beim Unter- ſuchen der Naturkörper ftellten ſich manderlei Schwierigfeiten entgegen, bie theil8 in der herrfchenden Richtung der wiſſenſchaftlichen Forſchung, theils fogar in religiöfen Anfchauungsmweifen begründet lagen. Robert Hoofe hatte bereits 1660 feine mifcojfopifhen Unterfuchungen über ven Bau der Gewächſe veröffentlicht, Nehemiah Grew, Marcello Malpighi und Anton van Leeumwenhoef waren auf der begonnenen Bahn rüftig fort- gejhritten, als durch die abfprechenden öffentlihen Urtheile Sharaglia’s in Bologna und Fontenelle's in Paris allgemeines Mißtrauen gegen mifro- ffopiihe Forſchungen erzeugt ward. „Man könne durch jenes Inſtrument eben Alles jehen, was man zu fehen wünſche!“ jagte man, ein Vortheil er- wüchje aljo für die Wiffenfhaft daraus nicht, fondern nur unnützer Zwiefpalt. Erft im gegenwärtigen Jahrhundert, nachdem die neugeborene, aber bald zur Kiefin erwachſene Chemie hülfreihe Hand bot, warb die mifroffopifche Unter- fuhung von vielen tüchtigen Korfchern wieder aufgenommen und in zweifacher Weiſe verfolgt. Das Mikroffop erfhloß in der Heimat eine neue Welt, die bis dahin dev Kenntniß entrüdt war. Die fleinen, dem bloßen Auge nicht erkennbaren Gewächſe entfalteten ihren Keihthum an Formen. Wir erinnern nur bei- ſpielsweiſe an den außerorventlihen Umfang, den feit wenigen Jahren die Kenntnig der Laubmoofe durch Karl Müller in Halle, diejenige der Leber- mooſe durch Gottſche in Hamburg, Hampe in Blankenburg, der Flechten durd) Körber, der Pilze durd Fries, der Algen durch Küsing, Agardh und zahlreiche Andere erhalten hat. Die überrafhenden Lebenserjcheinungen und der Bau der Pflanze, die in ihr ftattfindenden Veränderungen, ihr ftilles, verborgenes Wirken und Treiben wurden für die Pflanzen- Phyfiologen Gegenftände ver eingehendften Studien. Das Leben der Pflanze, das Ariftoteles ver- gebens philofophifch zu faſſen ſuchte, das Goethe mit dem Blide des Sehers ahnte, erſchloß fih von Tag zu Tag mehr dem prüfenden Auge, und wenn wir aud, noch weit entfernt find, der Räthſel letztes gelöft zu jehen, jo erjcheint uns doch gegenwärtig das Reich der Gewächſe in ganz anderer Beleuchtung, als es den Alten in Hellas, als es ben Vätern der Botanik im Mittelalter erſchien. der Pflanzenfunde. 33 Die gefteigerte Ausbeutung der Kohlenbergwerfe, jomwie überhaupt das Streben, die Schäge der Erde aufzufchließen und fid) über den Bau der feften Rinde unfers Planeten zu unterrichten, führte zur Geologie und lenkte den Blid auf die Geftalten der untergegangenen Pflanzengeſchlechter früherer Erdperioden. Die gewaltigen Herbarien, welche die Natur jelbft in den Kohlenfchiefern, im Bernftein, in den TIhonflögen und Sandfteinen nieder- gelegt hat, entrollen dem Forſcher die Geſchichte ver Pflanzenwelt, die zwar, wie fo viele Disciplinen der Botanik, bei ihrem jugendlichen Alter ihre Endaufgabe noch nicht erreicht, aber doch des Intereſſanten und Wichtigen ſchon fo viel zu Tage gefördert hat. Bonffingault, Göppert, Stern— berg, Unger u. v. N. find Namen, an welche ſich die zahlreichiten Er- rungenſchaften in diefem Gebiete fnüpfen. Iſt es auch zur Zeit nod) nit möglih, den Gang der Fäden rt; in dem „„Webermeifterftüd‘ ver Pflanzenwelt einzeln zu verfolgen, jo ergiebt fi) doch bereits als Gewißheit, daß wir die geogra— phiſche Bertheilung der Gewächſe, die Frage über Entftehung von neuen Spielarten, Arten und Sattungen nicht früher zu löfen vermögen, bevor nicht alle Reſte vorweltliher Pflanzen gründlich ſtudirt und ein klarer Einblid in die Geſchichte der Pflanzenwelt vorhanden ift. Durd die außerordentliche Ausdehnung, welche die Arten- bejhreibung erlangt hat, ift die Kenntniß des Pflanzenfleives unjers Planeten ganz bedeutend fortgefhritten. In gleicher Weiſe dehnte fid) die Befanntihaft mit dem in- nern Bau der Gewächſe, die Anatomie und Phyfiologie, aus. Mit Hülfe beider, jowie mit Zuratheziehung der organijhen Chemie und der oft mifroffopifch fleinen, aber höchſt wichtigen Pflanzen und Pflanzentheile, die man früher nicht beachten fonnte, enthüllt fid) mehr und mehr der Grund— gedanfe, auf welchem die Pflanzenwelt als ein Ganzes bafirt; man kommt der Erfenntniß des natürliden Syſtems in demfelben Grade näher, als man in den einzelnen Disciplinen der Wiſſenſchaft jelbft fortichreite. So fonnte der Altmeijter der Naturwiſſenſchaft, Alerander von Humboldt, die Pflanzen in ganz anderer Weiſe auffafien, als dies früher möglich war. Er fonnte, wenn aud) nur andeutungsmweife, die Stellung bezeichnen, welche fie als Kinder der Erde und Sonne im Leben des Planeten einnehmen. Wagner, Mal. Botanif,. I. BD. 5 — Alexander von Humboldt. 34 Aus der Gefchichte der Pflanzenfunde. Die Abhängigkeit der Gewächſe von den Bodenverhältniffen, von der manchfachen Bertheilung der Wärme innerhalb des Jahres, von der Ent- fernung vom Aequator, der Erhebung über den Spiegel des Meeres, ver Beihaftenheit ver Luft und den Beleuchtungsverhältniffen, diefe und zahlreiche andere Momente wurden von ihm bei feinem Entwurfe einer Pflanzen- geographie berüdfichtigt. Sehr eng daran ſchloſſen fi die Fragen, melde fih auf die Bertheilung der Arten, Gattungen und Familien der Gewächſe auf der Erde richteten und welche diejenigen Gewächsformen bejonders be— rücfichtigten, die als landſchaftliche Elemente, den Charakter eines Gebietes bezeichnend, fich geltend machen. Eine Beachtung der Bertheilung der Pflanzenformen führt nothwendigerweife auf Unterfuchungen darüber, ob die Arten eines Landes legtern urfprünglid) angehörig oder ob fie einge- wandert find. Die Berbreitung der Gewächſe durch die Luft» und Wafferftrömungen, durch die Thierwelt und ſchließlich in großartigfter Weife duch den Menſchen führen wiederum auf die Bertheilung verjelben während früherer Erdepochen, auf Entjtehung von Spielarten und Arten, auf deren Untergang und Alter. Die Wirfungen, welche umgekehrt ihrerſeits die ftille - friedlihe Welt ver Pflanzen auf Sitte und Anfchauungsweife der Bölfer ausübten, gehen mit dem Verhalten des Menfchen gegen fie Hand in Hand. Wenn wir auch weit entfernt find, jene Ueberſchwenglichkeiten zu verthei- digen, in denen fid) bei fentimentaler Stimmung der Freund der Pflanzenwelt möglichenfalls verlieren kann, jo verfolgen wir andererfeit8 doch mit Vorliebe alle jene Beziehungen, welche zwifchen ven Gewächſen und dem Geelenleben des Menjchen beftehen, und bezeichnen deshalb die Beihäftigung mit dem jtillen Keiche der Pflanzen als ein wichtiges Moment der Bolfsbildung, wie ja die Naturwiſſenſchaften überhaupt zum beveutungsreihen fulturgefchichtlichen Element geworden find. Die umfafjendere Beihäftigung mit dem Tieblichen Reich der Gewächſe enthält ein wichtiges Ferment zur Bildung des nad) flarer Erkenntniß dürſtenden Verftandes, aber außer dem pofitiven Willen, außer den praftifchen vielfachen VBortheilen, die fie gewährt, bietet fie auch — wie faum ein zweiter Zweig des Wiſſens — eine Fülle friedenſpendender, be- ruhigender Elemente. Blumen durchduften mit taufend Blüten nicht blos die Sprachen des Drients, fie ſchlingen fid) auch beveutungsichwer und fruchterzeu- gend um die Säulen, auf denen das ernftere Geiftesleben des Nordens ruht. Mögen mir meine Freunde erlauben, daß ich ihnen in Nachfolgendem- einige Bilder aus dem Leben der Pflanze entwerfe, bei denen Liebe zu den befcheidenen Geftalten des frievlihen Reichs den Griffel führte. Sie werben mir deshalb verzeihen, wenn ic), abweichend won ftrengwiffenjchaftlicher Tendenz der einzelnen Disciplinen Manches verfchmelze und zum Kolorit der Gemälde. verwebe, was ein Lehrbuch ſcharf fondern würde. Aud manches Forſchers werden wir in den nachfolgenden Abfchnitten noch gedenken, den wir in vorftehendem kurzen Abriß ver Geſchichte ver Botanik nicht fpezieller berührten. Das Leben der Wurzeln. Anficht des Ariftoteles. — Der Erdboden. — Unorganifche und organiiche Beftand- theile dejjelben. — Borrathsftoffe. — Keimen. — Die Wurzel. — Eine junge Eiche, — Haupt- und Nebenwurzeln. Thauwurzeln. — Wurzeln der Monofotylen. — Die Wurzelhaube. — Wurzelhaare. — Innerer Bau. — Thätigfeit der Wurzel. — Pflanzenfeindſchaft. — Bodenerſchöpfung. — Berjchiedenheit des Wurzelwachsthums. — Wurzel und Oberſtock. — Gorgonenhaupt. — Wurzeltiefe. — Gifte für Wur— zeln. — Wurzelverſchmelzungen. — Wurzelſchmarotzer. Wurzelfreſſer. „Die Wurzeln, als die Vertreter des Mundes, find das «Dbere» bei der Pflanze, die Zweige, Blätter, Blüten und Früchte das «Untere»! Aristoteles, Anſern Lieblingen, den Pflanzen, zu Gefallen, legen wir die Furcht por der Unterwelt ein wenig beifeite und fahren wohlgemuth hinab in die Tiefe, ins Reicy der Önomen und Zwerge, um das unterirbifche Yeben und Treiben der Gewächſe zu belaufchen. Für uns Herren der Erde ift die Dberfläche unjers Planeten die verhängnißgvolle Grenze zwifhen Sein und Nichtſein, für die Pflanzen ift fie nur der Gürtel, der ihre Lenden umſchlingt. Ihren Mund und folglic ihr beſſeres Theil haben fie, nach der Anficht des weifen Ariftoteles, in der Tiefe verborgen und ftreden ironiſch nur ihre hintere Hälfte ver Sonne und den Kindern des Lichts entgegen, die fih an den Anhängjeln und Abfällen verjelben ergößen. Ein Freund des Symbolifchen möchte freilich gar zu gerne in dem zwei— fahen Wachsthum der Pflanzen ein tieffinniges Gleichniß erbliden für jene 3* 36 Das Leben der Wurzeln, polarifhen Gegenſätze, die im Geifte des Menfchen fid) regen. Die empor- ftrebenden Stämme und Zweige vertreten ihm das Trachten nah Licht und flarer Erfenntnig, — das Treiben der Wurzeln, ihr Drang nad) der Tiefe find ihm ein herrliches Spiegelbild für die Luft am Geheimniß, für die Sehnjuht nad) den Myſterien und für das Dümmerleben des eigenen Ge— müths. Wir möchten dagegen die Sade etwas anders beleuchten. Wir be- grüßen das Leben der Gewächſe unter der Erde gerade ald die jolidere Seite ihres Dafeind. Die gewöhnlid) geringſchätzig betrachteten Wurzeln find die jtillen unverdroffenen Arbeiter im Pflanzenftaate, deren ämfigem Ringen und Schaffen erft alles Uebrige das Gedeihen verdankt. Was fie drunten er- werben, das haben fie ficher, jenes droben in der Luft ift ſchwankend, heute grün, morgen roth oder gelb, heute friſch, morgen verwelft und zerfallen. Ein Befuh, den wir diefer untern, beſſeren Hälfte der Pflanzen ab- ftatten, ift ähnlich einem Rundgang durch die Arbeitfäle einer Fabrikſtadt. Wir begegnen den anfommenden Rohſtoffen, jehen, aus wie vielen Himmels— gegenden und welcher Herren Ländern das Alles zufammenftrömt, um bier fid) zu vereinigen. Dann verfolgen wir jpähenden Auges mit wachſender Luft, wie fi) ein Theil zum andern fügt und ſchließlich alle jene Hevrlichkeiten ſich bilden, die Herz und Seele erfreuen. | Bevor wir aber das Treiben der Gewächſe jelbjt dort unten uäher ins Auge faffen, ift es erforderlih, den Boden zu prüfen, in dem fie gedeihen. Der Boden ift Baumaterial und Arbeiter zugleich, ift Bedingung und Zwed, Anfang und Ende, Es ift ein gar wunderliches Ding, jo eine Art voll Adererde, nicht etwa blos wegen des „Memento mori!“ das fie jedem zuruft, jondern aud) wegen ihrer eignen Geſchichte — und feine Fleine Arbeit wäre es, alle die Möglichkeiten aufzuzählen, venen fie ihr Entftehen verdanken fann. Als hätte fie den Erfindern des Theriaf, jenes aus hunderterlei Medizinen zufammen- gebrauten Univerfalheilmittels, zum Borbild gedient, fo ift fie aus zahllojen Subftanzen zuſammengeſetzt, eine wahre Univerjalipeije für Alles, was grünet und Blüten treibt unter der Sonne, Und welche zahllofen Mächte haben ji bei ihrer Bereitung betheiligt! Der Gott Pluto, der gewaltige Herrjcher der Unterwelt, mußte ihr zu Gefallen in grauer Vorzeit die Granitberge, Gneisfelfen und Quarze emportreiben, fein Better Bulfan mußte feine Bafalt- und Trachytauswürfe veranftalten, feine Bomben, Schladen und Yaven fpielen laſſen, und der unfterbliche Neptun, der vielgeftaltige, mußte feine Heerſcharen Sahrtaufende hindurch zur Arbeit ſchicken; zu diefem mußten der Sonnengott und die Geifter der Lüfte unendliche Zeiten hindurch ſchaffen und wirken, — damit von all dem Treiben der langathmigen Götter jchließlich gerade jo viel übrig bliebe, wie von dem Wirken mandes Helden unter den Menjchen- findern — eine Hand voll Erde! An den ftarren, unfruchtbaren Zaden der fahlen Urgebirge, an ven Ihroffen „Selfennajen“ arbeiten der Froft mit fprengenden Feilen, der Regen Die Adererde. 37 mit nagenden Tropfen und jchlieglid) Sonne und Luft mit mildem Kofen, fie fönnen nicht widerftehen, ihre Dberfläche verwittert und zerbrödelt. Die Gief- bäche reißen mit Donnergepolter die Blöde zum Thale hinunter, reiben und wesen fie kleiner, bis endlich ein fandiger Gruß nur noch übrig bleibt. Die verwitternden Quarzfelfen, Granit und ihre Verwandten lieferten Kieſelſand; Labrador und Ghypsfeljen die Kalfförnchen; die Ihonfchiefer gaben Thontheil- hen, Zalf und Kalf; die Porphyre und Bafalte jpendeten Eifen und Man— gan; der Dolomit Talk; die Schwefelfiefe Mlaun, und Gypſe Schwefelfäure. Zahllofe Bruchſtückchen von Gejteinen der verfchiedenften Art halten winzige Mengen anderer Stoffe in Bereitfchaft, die no darauf warten, aus ihrem gegenwärtigen DBerbande entlaffen zu werden, um in Körpern von Pflanzen und Thieren eine Wanderung zu höhern Lebensformen durchzumachen. So bergen die meiften Broden, die von vulfanifhen Gefteinen, von Bafalt, Tra- chyt und andern ftammen, die wichtige Phosphorfäure, der Flußſpath bietet Fluor, das Kochjalz das Chlor, Eifenerz das Jod. Die Feldfpathe, Kalk fteine und Mergel find Hauptquellen der Kali» und Natronfalze. Nicht jede Adererde enthält die aufgezählten Stoffe alle in gleich veichliher Menge, allein die meiften der lettern fehlen in feiner. Kalktheile, Kieſelkörnchen und dabei ein Gehalt an Kaliverbindungen und phosphorfauren Salzen find unter ihnen diejenigen, welche für das Yeben der Gewächſe die wichtigfte Rolle zu über- nehmen haben.. Nicht wenige der andern beforgen Nebenämtchen dabei, helfen jenen die pafjenden Formen gewinnen und fpielen die Kuppler. Außer diefer ſoliden Grundlage von unorganiſchen Stoffen enthält vie Adererde aber gleich einer Univerfalrumpelfammer zahllofe Kleinigkeiten, die jeit Urzeiten im Haushalt der lebendigen Wefen abfielen. Schon beim Kei— men der Pflanzen werfen die Samen ihre Schalen beifeite, furz darauf fol- gen die untern Blätter, die Knospenſchuppen, Blütenblätter und Fruchthüllen. Der Herbit wirft im en sros-Gejhäft den ganzen PBlunder von Laub, dür- ren Zweigen, einjährigen Kräutern und Gräfern zufammen und räumt all- jährlic, einmal gründlich auf. Im Thierreich ergeht's nicht viel beſſer. Wür— den wir mikroſkopiſch die Beitandtheile ver Walderde durchmuſtern, wir fünnten gar mancherlei Entdeckungen machen! Hier find einige abgelegte Spinnen beine, dort Flügel von Müden, die ihren Sommertanz beendigt, dann wieder fommen Schuppen von Schmetterlingen, einige Raupenhäute, die von. ihren Eigenthümern ausgezogen wurden, weil fie zu eng waren, Puppenhüllen, aus welhen die Inſaſſen entichlüpften, Vogelfevern und Haare von Hochwild ihliegen den Neihen. Es könnte fi) auch wohl hie und da. ein Knochen— jplitterchen finden, — denn wo wäre in unjerm fruchtbaren Vaterlande eine Handbreit Erde, die nicht irgend einmal mit Menſchenblut gedüngt fein könnte! Die meiften organijchen Weberbleibfel verlieren in furzer Zeit ihre urfprünglihe Form, werden braun und geftaltlos und bilden den frucht baren Humus, in Gemeinfhaft mit den mineralifchen Stoffen den trefflichiten Boden. Die Borzüge, welche folder Boden befist, beſchränken fid) nicht blos 38 Das Leben der Wurzeln. darauf, daß er in feinen Beftandtheilen felbft ven Gewächſen die Nahrung bietet, deren fie nothwendig bedürfen, fie beftehen aud) darin, daß er die Fähigkeit befigt, die atmoſphäriſche Yuft und die in ihr enthaltene gasfür- mige Feuchtigkeit aufzufaugen und zu verdichten. Würde bei einer Mufterung, welche wir tiber die organifchen Reſte des Humus anftellten, der Grund und Boden uns ald eine Yeihenfchicht an- muthen, auf der wir unbegreiflicyerweife unbefünmert und wohlgemuth dahin: wandeln, — fo erfcheint er dagegen, wenn wir bei den chemiſchen Bor- gängen, die in ihm ftattfinden, verweilen, als eine Werfftätte des nie raften- den Lebens. Man rühmt e8 an den großartigen induftriellen Etabfifje- ments der Neuzeit als befonderen Vorzug, wenn fie es verftehen, die Neben- produkte und Abfälle möglichſt hoch zu werwerthen, — hier im Haushalt der Natur geht nichts verloren, hier wird Alles verwendet! Fette Thonerde, die man ausgetrodnet hatte, fog binnen 24 Stunden aus der atmofphärifchen Luft, je nachdem fie mehr oder weniger mit Sand vermengt war, 2U, bis 4 Prozent Wafferdampf ein, feiner Kalfftaub benahm fich ihr gleich, gepulverter Gyp8 und Quarzſand zeigten faum eine Spur, Humus dagegen hatte fein Gewicht um volle 10 Prozent vermehrt. Auch die Erde athmet ein gleich einem Rieſenthier; fie nimmt beide Bejtandtheile der Luft, den Sauerftoff und Stidftoff, in ihre Poren auf. Der erftere, der Gauer- ftoff, diefer AllermeltSfreund und Jedermanns Feind, fnüpft baldigſt Befannt- Ihaften an; bier hilft er aus dem Humus Kohlenſäure bilden, daneben Humus- ſäure und andere, dort verfchmilzt er mit dem Eifen zu Eifenoryd, mit dem Schwefel zu Schwefelfäure. Vielfach wird bei diefem Arbeiten, Zerjtören und Neufchaffen des unermüdlichen Gefellen ver Wafferftoff frei und verbindet ſich mit den Sticftoff zu Ammoniak, den das Wafjer begierig verſchluckt und als wid)- tige Speife ven Wurzeln und Pflanzen bietet. In neugegrabenen Schadhten der Bergwerfe machte man oft genug die Erfahrung, wie fchnell die ein- gedrungene Luft ihres Sauerftoffs durch die bloßgelegten Gefteine beraubt wurde, Sie ward ungeeignet zum Athmen. Wird bei befonders tiefem Um— ftürzen: des Bodens die Erde aus Schichten, die weit nad) unten lagerten, an die Oberfläche gebracht, jo zeigen fie anfänglich bei weitem die Fruchtbar- feit nicht, die man von ihnen erwarten möchte. Sie bedürfen erft einer ge- wiffen Zeit, um durch Aufnehmen des Sauerftoffs aus der Yuft die nöthigen hemifchen Vorgänge einzuleiten. In demfelben Grade, wie einer der vorhin genannten unorganiſchen Be- ftandtheile im Boden vorherrſchend wird, verliert der leßtere auch an Güte. Erlangt der Thon die Oberhand, fo wird der Boden falt und ſchwer. eine Dberfläche zieht Thau und Negen jchnell an und bemeift dann eine erjtaun- liche Anhänglichfeitt an Alles, was über ihn dahin zu wandeln verfucht. Egoiftifch behält er dagegen das Wafjer für fid) umd verwehrt ihm in die Tiefe zu dringen. Verſucht danach die Sonne an ihm ihre Macht, jo verftei- nert er faft und zieht fic) trogig zufammen, daß er mit tiefen Spalten zerreißt. Aderboden, Samen. Keim. 39 Das ſchroffe Gegenbild dazu liefert der Kiefelfand, viefer Schöpfer der Wüften und Heiden. Höchſt empfünglid für jeden fallenden Tropfen giebt er das faum erhaltene Gefchenf eines glüdlichen Augenblicks eben jo jchnell an den Nachbar und forgt für fehleunigften Umfag des Gutes; — faum ift daher die ſegnende Wolfe worbei, jo liegt er aud) wieder troden und dürr, Für ihn giebt e8 weder VBergangen- heit noch fruchtverheißende Zufunft, nur die beſchränk— tejte Gegenwart ift ihm vergönnt. Je mehr fi) die entgegengefesten Naturen der Erden zu einem Ganzen vereinen, je harmonijcher Thon, Sand, Kalt und fonftige Mineralien fid) mifchen, organifhe Maſſen die Mengung lodernd durchdringen und Waſſer und Luft den Zutritt ver- jtatten, defto mehr fteigt die Güte des Bodens, deſto mehr wird er geeignet, für die unmündige Pflanzen- welt die ſüße Rolle der Mutter zu fpielen, Dem Erdboden, diefem Antiquitätenfabinet, die— jer Naturalienfanmlung aus allen drei Weichen, ver- trauen die meiften Gewächſe ihre Kinder, die Samen, zur Pflege an. Samen find Gewächſe auf der Wan- | derſchaft, deshalb auch gerüftet mit allerlei Neifegeräth. Den unvermeivlihen Koffer fpielt die Samenſchale, mehr oder minder gepanzert. Im Innern iſt auf- geftapelt die Mitgift fürs Yeben, vorräthiger Nah— vungsftoff, den das elterlihe Gewächs dem jungen Pflänzchen mitgab in gebrängtejter Form. Stärfe- \ mehl und Del fpielen bier die Wolle beveutungs- ihwerer Wechſel, zahlbar im nächſten Frühling. Die- ſer Borrath erfüllt entweder den ganzen Raum im Samen, ohne eine beftimmte beſondere Geftalt zu be- jigen, und heißt dann Sameneiweiß, oder er iſt in Form von Blättern aufgeftapelt, die von den Bo— tanifern al8 Samenlappen bezeichnet werden. Die Hauptfahe im Samenforn bleibt aber auf alle Fälle der Keimling, die Pflanze in Kleinfter Geftalt, aber bereit als Individuum vollftändig mit dem Noth- wenbdigften verjehen, um exiftenzfähig zu fein. Ein Stengeltheil mit den jüngiten Anfängen ver erjten Blätter und ein Wurzelende laſſen ſich genau unter- ſcheiden. Da, mo beide ſich berühren, ftehen jie in Eine feimende Eiche mit Haupt— wurzel. a. Die Eichel im Längs— jchnitt, an ihrem untern Ende das Keimpflänzchen mit dem erften Anfang der Wurzel. Verbindung mit den Vorrathsſtoffen, welche die frühefte Ernährung beforgen. Schon von den erften Lebensregungen an gehen die Gewächſe in ihren Eigenthümlichkeiten abweichend auseinander. Vielen Samen genügt e8, wenn 40 Das Leben der Wurzeln. fie beduinenhaft die Oberfläche der Erde zum Lager und vielleicht einige Blät- ter als Mantel zur Dede haben; andere verlangen mehr Schuß und keimen nicht früher, als bis fie durd ein günftiges Gefchie in die erforderliche Tiefe befördert wurden. Wenn dann zur Zeit der großen Schneefchmelze Dichter und Nadıtigallen die Frühlingslieder anftimmen, wird’8 auch in der Erde leben— dig. Die Keimlinge etabliren ihr eignes Geſchäft, die Vorrathsftoffe werden mit Hülfe des Waſſers, welches die Kolle des Wechslers übernimmt, in die geeigneten gangbaren Formen umgeſetzt, die Schale öffnet fid und das erite, was bei den meiften Samen zum Vorſchein kommt, ift die Wurzel, Sie verdient es deshalb, daß wir bei unjerer Wanderung durd die Pflanzenwelt auch bei ihr zunächſt verweilen. Unfere Waldbäume, Sträucher und Kräuter, die ver Mehrzahl nad) in den Samen zwei Samenlappen enthalten, fertigen zunächſt vorherrſchend einen Artifel, die Hauptwurzel, die bei vielen unausgejegt nach der Tiefe ftrebt. Es läßt ſich nicht läugnen, daß durd eine ſolche beworzugte Pfahl- wurzel dem Ganzen ein höchſt joliver Halt verliehen wird, der ihm Wider— ftandsfähigfeit genug giebt, Sturm und Wetter zu trogen. Unfere Eiche, das Symbol deutſcher Gründlichfeit und Kraft, desgleichen vie Edeltanne, bohren ihre Hauptwurzel tief in ven Grund, fie haben jo Teicht feinen Fall zu befürchten, und der Sturm reift fie nur nieder, wenn der Mitteltrieb faulig geworben oder die Nachbarn im Sturze zerfchmetternd fie nachreißen. Trifft die vordringende Spige der Hauptwurzel auf ein unüberwindliches Hindernig, wird fie von gefräßigen Würmern zernagt oder von einem wüh- ferifhen Maulwurf zerbiffen, jo wendet das Gewächs feine Hauptarbeit dem nächft ftehenden Wurzelaft zu, dem die Berhältniffe günftiger find. Er über- nimmt die Rolle der Herrfcherin und Hauptftüte. Im Ganzen halten fid) die Wurzeln nicht fteiftreu an ein vorgefettes Schema, an ein worher fertiges Syſtem, ſondern ſchmiegen fi mit wunderbarem Geſchick den PVerhältnifjen an. Verwehrt ein Felsblock das Weiterwachſen, ſo ſpannen ſie ſich über ihn aus, bis eine geeignete Kluft günſtigern Spielraum gewährt. Viele andere unſerer Bäume, z. B. die Pappeln, Fichten und Birken, huldigen nur im Anfange dem Prinzip der ausſchließlichen Gründlichkeit. Schon nad) wenigen Jahren des Wachsthums haben die Nebenzweige der Wurzel den Haupttrieb im Wachsthum überholt. Sie ftreden ſich mehr in die Breite, ja nicht wenige lagern als Thaumurzeln dicht an der Grenze von Tag und Nacht und nehmen halb und halb mit Theil an den Ereignifjen der Dberwelt. Freilich find fie dann aud dem Wechfel viel leichter unter- worfen, der droben herrſcht. Fährt ein ungewöhnlich heftiger Wind über das ?and, fo deden genug Fichten und Bappeln den Boden, verzweifelnd die los— geriffenen Wurzeln gen Himmel ftredend. Ganz abmweihend von den Hauptvertretern unferer heimijchen Flora, den mit einer Hauptwurzel feimenden zweifamlappigen Pflanzen, nehmen fi bie Palmen, diefe Kinder des Orients, deren Keim nur einen Samenlappen ent- Hauptwurzel und Nebenwurzeln. 41 hält. Sie treiben gleichzeitig nach mehreren Seiten hin Wurzeltriebe; feiner derfelben Fann Anfprüche auf Bevorzugung mahen, fie alle find Neben- wurzeln. Liegen unfere Eichen an einem mächtigen Haupttaue fider vor Anker, fo halten fich die gefchmeidigen Palmen mit ihren zahlreichen Strängen darum nicht minder feft. Dazu kommt, daß die hochſtämmigen Arten, die Kokos, Wahspalme und andere diefen Wurzelfhopf in anſehnlicher Tiefe des Bodens, mitunter bei 5 Fuß unter der Oberfläche entwideln. Wird die Spitse eines folhen Wurzelftranges verketzt, jo treibt derſelbe feinen Nebenaft als Erſatz, ein folder wird von dem Centrum bes Ganzen, dem unterften Ende des Stammes, entfendet. Die Zwiebeln der Hhazinthen, die ever als Topfblumen fennt, gewähren ein treffliches Beijpiel diefer Art von Bemwurzelung. Der mitt- lere Theil der unteren Zwiebelfläche ift frei, rings— um entjpringen dagegen zahlreiche Faſern, dünner und ftärfer, je nad) dem Alter. Auch die ®e- treidearten verfahren nad vemfelben Prinzip. Bei einigen derjelben ift zwar im Keim die An- deutung einer Hauptwurzel vorhanden, faum öffnet ih aber die Schale, jo ftirbt auch diefer Trieb ab. Die Pflanze läßt fi) jedoch durch das Miflingen ihres Erftlingsverfuhs nicht ſchrecken und erzeugt ftatt defjelben zwei oder mehrere, denen bald zahl- veichere folgen. (Siehe die nebenftehende junge Maispflanze.) So haben aud wirklich Botanifer den Bor: ſchlag gemacht, alle blütentragenden Gewächſe nach der Art ihrer Bemwurzelung in zwei Hauptgruppen } zu theilen: ſolche, weldhe eine Hauptwurzel befiten, | und jolhe, die ausſchließlich Nebenwurzeln haben. Im Ganzen entfpricht diefe Trennung den beiden Abtheilungen der Einfamblättrigen (Monofotylen) N und Zmweifamblättrigen (Difotylen), doc läßt fie Zunge Maispflanze mit Neben- fid) feinesmegs fiher und ſcharf durchführen. wurzeln. Wie bereits angebeutet, werden die erften Ausgaben, welche Das junge Gewächs zu machen hat, von den Vorräthen beftritten, die e8 zu dieſem Be— huf von der Mutterpflanze erhalten hat und die im Sameneiweiß oder in den Samenlappen aufgejpeihert lagen. Je nad der Menge derſelben und je nad) der Rolle, welche die Samenlappen felbft bei der fortjchreitenden Ent- widelung der Pflanze fpielen, vermag die Wurzel fürzere oder längere Zeit aus diefer Duelle fi zu erholen oder ift auf eignen Erwerb angewiejen. Die Anforderung zu letterm fteigert ſich in demſelben Grade als der Ober- ftof des Gewächſes ftärfere Ausgaben macht. 42 Das Leben der Wurzeln. Der Berlauf ift hierbei bei den verſchiedenen Gewächſen aud) von ver- ſchiedener Art. Die Eichel behält ihr Kapital, verſchloſſen in der ficheren Samenfhale, im Schoß der Erde verborgen. Bon hier aus ſtrömt der er- nährende Zug ſowol nad) oben zum Stengel mit feinen DBlatterftlingen, als auch nad unten zur Wurzel. Bei den Buchen, Birken und Erlen ftreifen die Samenlappen aber bald die bergende Hülle ab, durchbrechen das deckende Land und erheben fid) lichtdurftig nad) oben. Hier hält die Entwidelung des Stengels mit dem Wachsthum der Wurzel ziemlich gleichen Schritt, während (eßtere bei zahlreichen andern im Anfange vworeilt. Im Lichte färben fid) die Samenlappen bald grün und fpielen, auf ihrer Unterfeite mit Spaltöffnungen verjehen, die Rolle der Blätter, indem fie atmoſphäriſche Nahrung einfaugen. Die feimenden Nadelhölzer halten zwifchen beiden die Mitte. Anfänglich find bei ihnen die zu mehreren vorhandenen Samenlappen nod) ‚in der Schale verborgen und verhalten fih dann wie jene der Eiche, jpäter erheben fie ſich, ftreifen die Samenſchale ab und gleichen in ihrer Ihätigfeit jenen der Buchen und Erlen. Bei den Palmen und Gräfern verbleibt der nur einzeln vorhandene Samenlappen im Korne verſchloſſen und übernimmt e8, dem wachſenden Pflänzhen aus dem Samen: eiweiß Nahrung zuzuführen, joweit die Vorräthe reichen. Er ftirbt ab und verfchrumpft, ſobald er jein Amt erfüllt hat. Was ein Häkchen werden will, krümmt ſich bei Zeiten, jagt das Sprüdhwort, und was eine Wurzel werben will, iſt Schon im Keim zu erfennen. Ein prophetifches Ahnen iheint beim Entftehen unjerer Sprache gemaltet zu haben, als fie die Wurzel als weiblichen Geſchlechts bezeichnete, da fich diefelbe Schon von ihrer früheften Jugend an unter der Eine junge Tanne, a.Das Samenforn im Sängsfnitt, etwas „Haube—“ befindet. Es iſt dies eine Eigenthümlichkeit, welche vergrößert; es zeigt gegenwärtig als der ſicherſte Unterſchied zwiſchen Stengel das im Sameneiweiß und Wurzel betrachtet wird, den aber erſt die jüngſten mi— liegende Keimpflänz- kroſkopiſchen Forſchungen verrathen haben. Man ſcheidet chen. deshalb neuerdings eine reiche Anzahl Pflanzengebilde als Stengeltheile, Knospen u. ſ. w. aus, die man ehedem als Wurzeln betrach— tete. Die bedeutungsſchwere Wurzelhaube befindet ſich an der äußerſten Spitze jeder Wurzel, ſei dieſe nun Haupt- oder Nebenwurzel, alt oder jung. Sie beſteht aus mehreren Zellenlagen, von denen die vorderſten in demſelben Grade abſterben und abgeſtoßen werden, wie ſich die hinterſten wieder erſetzen. Das Wachsthum der Wurzel findet, wie dasjenige des Stengels, am leb— hafteften an der Spite ftatt; beim Stengel ift diefer Vegetationspunft frei, wenn ihn nicht etwa die feitlich fid) emporwölbenden jungen Blätter verhüllen, bei der Wurzel wird er durd die erwähnte Haube bedeckt. Ob diefe Haube als Helm und Schild den unermüdlichen Minirern Schuß verleiht bei ihrem fortwährenden Weiterbohren durchs Erdreich, ob fie bei der Aufnahme ver Wurzelhaube, Haare und innerer Bau. 43 Nahrung eine bejondere Rolle zu ſpielen hat, vielleiht die Gaſe verdichtet, die Flüſſigkeiten läutert, auswählt und miſcht, außerdem vielleicht auch Kohlen- ſäure aushaucht und hierdurd) zerfegend anf die zunächſt liegenden Erventheil- ‚hen einwirft, das Alles iſt noch ein Räthſel. Auffallen muß es, daß, fobald man eine Wurzel behutjam dem Boden entnimmt, an allen Wurzelendchen fleine Exdentheilhen anhängen. Wird die Spitze der Wurzel verlegt und zerftört, fo erſetzt ſie nicht wieder an derſelben Stelle. Dei jungen Wurzeln ift die Oberhaut noch zart und lebensfriſch, häufig trägt fie einen dichten Beſatz feiner, wafjerheller Haare. Nur bei bejonderer Borfiht gelingt es, eine Eichenwurzel jo aus dem Boden zu ziehen, daß die Härchen an ihr erhalten bleiben. Am eheſten glückt ed, wenn man etwas Erde daran läßt und lettere behut- jam im Waffer abjpült. An ver Luft ſchrumpfen die Wurzelhaare in furzer Zeit zufammen; jo lange fie aber WE nod) lebensthätig find, zeigt ihr flüffiger Inhalt wunder Eine Wurzelſpitze mit den bare Kreisftrömungen und Bewegungen. Die Yebensdauer Wurzelfaaren, am untern diefer zarten Gebilde ift auf wenige Tage befchränft. So- Ende der Wurzelhaube. wie fi) die Oberhaut, auf der fie ftehen, verhärtet, fter- ben fie ab; neue entftehen an der jungen weiter wachſen— den Spitze. Nicht bei allen Gewächſen find die Wurzel- haare in gleiher Menge vorhanden; bei einigen fcheint die zarte Oberhaut der jugendlichen Wurzeln ihre Ber- richtungen zu übernehmen. Der innere Bau der Wurzel hat mit dem inneren Dau des Stengeld große Aehnlichkeit. Durchſichtig feine Querſchnitte und Längsſchnitte, mit dem Nafiermefjer aus— geführt und unter dem Mifroffop betrachtet, geben dar— über hinreihenden Aufſchluß. Die Mitte wird von einem mäßig ftarfen Marke aus loderm Zellgemebe erfüllt. Um das letztere liegen die langgeftredten Gefäße, welche bei / höherem Alter der Wurzel verholzen. Bei manchen Ge— Wurzelpaube einer Tan- wächjen find nur eine bejtimmte befchränfte Anzahl der- nenwurzel im Längs— jelben vorhanden, im Ganzen zeigen fie daffelbe Verhalten ſchnitt; vergrößert. wie im Stamme. Bei den zweifamblättrigen Pflanzen bilden fie gefchloffene Holzringe, diejenigen der einfamblättrigen ftehen zerftreut. Außerdem werden die Gefäße von einer lebenskräftigen Zellgewebsihicht umhüllt, die fähig ift nad) innen einen neuen Gefähring, nad) augen eine Nindenfchicht zu bilden. Dies gilt natürlich nur für die Wurzeln der zweifamblättrigen Pflanzen, da jene der einfamblättrigen ebenjo wenig Jahresringe bilden wie ihre Stämme. An Altern Wurzeltheilen wird die Rinde in ähnlicher Weife erzeugt wie am Stamme und feinen Zweigen. Bei ver Dirfe erhält fie diefelbe lederig zähe, bei der Kiefer die gleiche ſchuppige, bei der Eiche die borkig rauhe Beſchaffen— 44 Das Leben der Wurzeln. heit. Iſt die Oberhaut der Wurzel einmal erhärtet, von Korkzellen bevedt, fo hört der Verkehr zwifchen ihrem Innern und der umgebenden Erde voll- ftändig auf. Nur die jüngften zarten Wurzeltheile und ganz vorzüglich bie vorhin befchriebene Wurzelſpitze find thätig und vermitteln die Aufnahme ver Nahrung. Die Wurzeln find aljo feineswegs etwa hohle Köhren, in denen, wie in den gläfernen fogenannten Haarröhrchen der phyſikaliſchen Kabinette, bie Flüffigfeit des Bodens emporftiege, durch die Wände der Röhren angezogen; es ift auch eine Vergleihung mit dem Aderſyſtem der Thiere nicht anmwend- bar. An den Stellen ver Wurzeln, die mit dem Boden in. thätigem Verkehr ftehen, befinden ſich nur ringsum gefhloffene Zellen. Daß es gerade bie Spiten der Wurzeln find, weldhe das Aufnehmen der Nahrung beforgen, er- belt fchon daraus, daß eine ins Waſſer geftellte Pflanze vertrodnet, ſobald ihre Wurzeljpigen über die Flüffigfeit herausſchauen. Bon ihrem wichtigften Wirken und Treiben verrathen die Wurzeln mie Enge Gejhäftsleute nicht leicht etwas, vieles ift dabei noch Geheimniß, einiges aber war man do fo glücklich ihnen abzulaufhen. Man machte nämlich) die Entdeckung, daß zwei Flüſſigkeiten von verſchiedenem Gewicht und ver- ſchiedener Dichtigfeit, die dur eine Haut von einander geſchieden find, letz— tere durchdringen. Beſonders zeigt die fpezifiich ſchwerere Flüſſigkeit hierbei das lebhafte Beftreben, die leichtere, weniger dichte aufzunehmen. Diejes mit dem Namen Enposmofe bezeichnete Einfaugen der leichtern Flüfjigfeit hat man nun als einen Erflärungsverfucd auf die Thätigfeit ver Wurzeln angewendet. Die Zellen des Markes und der die Gefäße umgebenden Bil- dungsſchicht enthalten anfehnlice Mengen von Gummilöfung und ftärfehaltiger, desgleihen fticjtoffreiher, dem thierifhen Eiweiß etwas ähnlicher (Protein) Flüffigfeit, die fpecififch viel ſchwerer ift als die Waſſertheilchen mit ihrem geringen Salzgehalte, welche fi) in der umgebenden Erde befinden. Wäh- vend des Winters, wenn die Wurzelfpisen in ähnlicher Weife ruhen, wie proben die Zweige, find die Zellen theilmeife jogar mit Yuft gefüllt, die übrige Flüſſigkeit Scheint deshalb noch gehaltreiher an aufgelöften Subftanzen zu fein. Die Gefäße find gänzlich von Luft erfüllt und bleiben dies auch im Sommer. Eine geraume Zeit früher, bevor die Knospen am Stamme droben ſchwellen und der Oberſtock der Pflanze eine Lebensregung zeigt, beginnen die Wurzeln ihr Werk. Die eintretende Wärme und das unentbehrlihe Waller medt fie, die Luftblafen in den Zellen verfchwinden bald, jede Zelle macht die Forde— rung nad minder dichter Flüffigfeit an ihre Nachbarin geltend, und fo ent- fteht ein allgemeines Verlangen, das ſich an den Wurzelfpigen allein ftillen fann, da ringsum die erftorbene Rinde den Verkehr mit der Außenwelt ab- ſchließt. Es entfteht ein Saftftrom in den Wurzeln entlang nad dem Stamme hinauf bis zu den Zweigen, der ſich fteigert, fo wie die Blätter bei ihrer Entfaltung und ihrem Wahsthum, die Blüten und Früchte größere Mengen von Waſſer aushauchen und anfehnlichere Ouantitäten Nahrung für fid) Thätigfeit der Wurzeln. Endosmofe. 45 brauchen. Die Zellenhäutchen der einjaugenden Wurzeljpigen find ebenfalls nicht zu überfehen. Sie lafjen gewiffe Stoffe wol von außen nad innen eintreten, nicht aber von innen nad) außen. Eine Gummilöfung nimmt durd) ein Häuthen aus Pflanzenfubftanzg wol Wafjer ein, läßt aber fein Gummi an das umgebende Waſſer austreten. Das Zellenhäutchen fcheint gleichzeitig das Amt eines Thorwächters und Steuereintreiberd zu verwalten. Die Wurzeln vermögen nur flüffige oder etwa Luftförmige Speife zu genießen. Tropfbar flüffiges Wafjer wird ihnen aber nur in den jeltenern Fällen geboten, etwa unmittelbar nad) einem Regen oder wenn fie im Waſſer felbft wachſen. In den meiften Fällen ift die Erde, von welcher fie ihre Nahrung entnehmen jollen, eben nur feucht. Sie hat, wie wir erwähnten, ihren Wafjergehalt erft der Atmofphäre abgerungen und hält ihn mit einer gewiflen Kraft feſt. Das Berlangen der Wurzelfpigen muß natürlic weit kräftiger fein, als jene Fähigkeit der Humus- und Erventheilden, die Feud)- tigfeit fejtzuhalten. Zwiſchen den Wurzeln und der chemiſchen Beſchaffenheit des Bodens beſteht eine auffallende Beziehung, die nach den Arten der Pflan— zen verſchieden iſt. Gewiſſe Familien, z. B. die Schmetterlingsblümler Elee, Bohnen) und Rüben, bevorzugen den Kalk, andere bedürfen den Kieſel, wie— der andere vorwiegend Kaliſalze. Von den verſchiedenen mineraliſchen Be— ſtandtheilen, die im Boden vorhanden ſind, wählen ſich zehnerlei nebeneinan- der wachſende Pflanzen die Stoffe und beſonders die Quantitäten verſchieden. Fehlt ein beſtimmter Stoff im Boden gänzlich, den das Gewächs bedarf, ſo kränkelt es oder geht gar ein. Iſt an einer Stelle gar keine Kieſelerde vor— handen, oder würden die nöthigen Stoffe fehlen, welche ſelbige verflüſſigen können, ſo wird Schachtelhalm ebenſo wenig gedeihen können wie Getreide. Obſchon die Hauptthätigkeit auf Seiten der Wurzelzellen zu ſuchen iſt, ſo mag andererſeits der Boden mit ſeinen Beſtandtheilen doch nicht völlig theil— nahmlos ſich verhalten. Wie die Erde als Weltkörper nicht blos von der Sonne angezogen wird, ſondern ihrerſeits auch das Hauptgeſtirn wieder an— zieht, jo üben die Salze des Bodens und ihre Löſungen muthmaßlich auch eine Einwirkung auf die mit ihnen in Berührung tretenden Wurzelenden aus, Wir ftehen hier an einer Werfitatt, in welcher eine aufßerordentlih große Menge der Eleinften Arbeiter thätig find und gleichzeitig Die verjchiedenften Berrichtungen vollführen. Es ift ein Theil vom großen „Webermeiſterſtück“, indem hundert Fäden mit einem Schlag fich regen. Einen intereffanten Fall davon, wie fid die Wurzel der zufagenden Nah— rung innig anfchließt, und ihr in ihrer Vertheilung folgt, lieferte unlängft eine Staude Luzernklee. Die tiefgehende Wurzel der Pflanze war hier in anjehnllicher Tiefe auf einen morſchen Schädel gejtoßen. ‚Der phosphorfaure Kalk vefjelben hatte der falfliebenden Pflanze jo zugejagt, daß fie in den— jelben eingedrungen war und eine außergewöhnlihde Menge ſaugender Wur- zelm entwidelt hatte. Schließlich erfüllte ein dichter Wurzelfilz alle Theile, die vordem aus Knochen gebildet waren. Der phosphorfaure Kalf war auf- 46 Das Leben der Wurzel, gefaugt und der Schädel hatte zwar ganz feine Form und Geftalt heibehal- ten, beftand aber ausſchließlich aus Wurzelfilz. Da die Wurzelfpige ununterbroden weiter wächſt, jo fommt fie aud) mit jeder neuen Zellenbildung und Berlängerung mit neuen Erventheilen in Berührung und nimmt von diefen — nicht alles, was fie enthalten, wol aber diejenigen mineralifchen Löfungen auf, welche fie ihrer Eigenthümlichkeit nad bedarf. Es fünnen deshalb wol mehrere Pflanzen ihre Wurzeln ver- Ihlingen, die abweichende Anforderungen an den Boden ftellen, nicht aber zwei, die dafjelbe Bedürfniß haben. Die kräftiger faugende wird der ſchwä— hern die Nahrung wegnehmen, letere wird fränfeln und eingehen. Es war jeit Alters eine befannte Erfcheinung, daß, wenn Difteln im Haferfeld auf- treten, ringsum der Hafer abftirbt; das Gleiche verurfahen Wolfsmilch und Sfabiofen im Flachs, Berufskraut und Lolch im Weizen, der große Alant unter den gelben Möhren. Man verjuchte ſich ehedem die Thatſache dadurch zu erklären, daß man annahm, die Unfräuter fonderten gewiffe Stoffe aus, aljo eine Art Pflanzenfoth, welche ven edlern Kulturgewächſen zumider jeien und ihr Abfterben gleich Giften bewirkten. Sie fterben, wie man gegen- wärtig erfannt hat, nicht wegen eines vorhandenen Stoffes, jondern wegen des Fehlens jener Nahrungsmittel, an welche ihr Beftehen gebunden ift, vie ihnen aber durch die übrigen Gewächſe weggenommen wurden. Hierauf be- ruhte aud die Erfahrung, daß Kulturpflanzen, die mehrere Jahre hinter einander auf denfelben Felvern gebaut wurden, ſchließlich nicht mehr gedeihen wollten. Der Boden war erfhöpft und man fuchte ihn ehedem dadurch zu fräftigen, daß man ihn abwechſelnd brach (umgebrocdhen) liegen ließ, ohne ihn zu bebauen. Die Unfräuter, die fid während dem auf ihm anfiedelten, waren ſolche Gewächſe, die einen andern Beftandtheil des Bodens bevor- zugten, als jener, auf den die Kulturpflanze angewiefen war. Die atmo- iphärifche Luft mit ihrem Feuchtigfeitsgehalt und ihrer Kohlenfäure, mit ihrem Sauerſtoff und Stidftoff, gewann Zeit, auf den geloderten Boden zu wirken, bie in ihm ruhenden weitern Beftandtheile in die geeigneten Formen über- zuleiten und jo das Feld in den Stand zu fegen, nad) ein paar Jahren die— jelben Kräuter und Getreivearten wieder zu fpeifen. Gegenwärtig läßt man, auf die Erfenntnig des wahren Sachverhalts geftügt, den erſchöpften Boden nicht mehr unbebaut Liegen, man wecjelt nur mit den Gewächſen, mit denen man ihn beftellt, und erreicht jo für das Land daſſelbe Kefultat, für das Einfommen aber ein bei weiten befjeres. In den Waldungen tritt die Erſchöpfung des Bodens nicht jo leicht ein, ba hier durch die abfallenden Blätter und die verweſenden einjährigen Kräu- ter der Erde jährlich ein großer Theil der entnommenen mineralifhen Stoffe wieder zurücdgegeben und dazu die für die weitere Aufſchließung des Bodens jo wichtigen Humusbeftanntheile fortwährend vermehrt werben. Der forg- ſame Forftmann, dem es um das Gedeihen feiner Waldung Ernſt ift, mag es deshalb nicht dulden, daß der Landmann ihm Laub und Moos vom Wald— Sahresringe. ‚Stellung der Nebenwurzeln. 47 boden hinwegholt, und Gemeindewaldungen, in denen folches geftattet ift, find durchſchnittlich in ſchlechterer Verfaſſung als geſchützte Privatforfte. Die Wurzeln unſerer Bäume und Sträucher (nicht jene der Palmen und ihrer Verwandten) bilden jährlich einen neuen Holzring aus luftführen— den Gefäßen, ganz ähnlich wie dies Stamm und Zweige derſelben Gewächſe auch thun. Das Wurzelholz iſt aber meiſtentheils lockerer, ſeine Jahresringe ſind gewöhnlich weiter als jene im Stamme. Die im Frühjahr erzeugten lockerern Theile des Ringes ſind vorwiegend entwickelt. Da die Gefäße und Zellen der Wurzel meiſtens einen anſehnlichen Durchmeſſer beſitzen, ſo zeigen ſie bei manchen Gewächſen auch abweichende Eigenthümlichkeiten. So beſitzen ſie bei den Wurzeln der Fichten doppelte Reihen jener Tüpfel, durch welche ſich die Holzzellen der Nadelhölzer fo eigenthümlich auszeichnen. Das Stamm: holz der Fichte zeigt nur eine einfache Tüpfelreihe, doppelte dagegen hat das Holz der auf der ſüdlichen Halbfugel wachjenden Araufarien. Die meiften DBraunfohlenlager unfers Baterlandes zeigen Holzzellen mit doppelten Tüpfeln und man hat deshalb die Braunfohlenlager als Ueberreſte von Araufarien- waldungen bezeichnet. Es wäre aber nicht unmöglich, daß vielleicht manches Stüd Braunkohle aus dem Wurzelftod einer Fichte beftünde. Der Kenner wird freilich fiher die Zellen des Araufarienholges von fichtenem Wurzelholz zu unterſcheiden wifjen. Die Zahl der Gefäße in den Wurzeln ift nad) den Pflanzenarten ab- weichend. Sie wird befonders dadurd wichtig, daß die Nebenwurzeln ftets in den Gefäßen ihren Urjprung nehmen. An der Stelle, wo fi) eine Neben- wurzel zu bilden beginnt, vermehren fi die Zellen feitlih in auffallender Weife, die umhüllende Rinde wird zur Geite gefchoben, Gefäße entftehen, welche die Nebenmwurzel mit den Gefäßen der Hauptwurzel in Verbindung jegen, und ſchon ehe das junge Würzelchen die Wurzelrinde durchbrochen hat, ift es mit der charakteriftiichen Wurzelhaube verjehen. Dei den Wurzeln der Weißtanne find zwei gleichlaufende Gefäßbündel vorhanden, die Nebenwurzeln treten deshalb auch in zwei Keihen auf und erinnern dadurd auffallend an die zweizeilige Blattftellung vefjelben Baumes. Die Wurzel der Wallnuß hat vier Gefäßbündel; ihre Nebenwurzeln ftehen darum aud in vier gejonderten Reihen. Stets entjpringen Nebenmwurzeln nur in der jüngften Bildungsichicht und deren Gefäßen, und bei einem Längs- ſchnitt durdy eine ältere Wurzel laffen ſich die Nebenwurzeln von verſchiede— nem Alter aud bis zu verſchieden tiefgelegenen, aljo verſchieden alten Holz: ringen verfolgen. Außer den genannten Gewächſen, bei denen die Neben- wurzeln in 2 oder in 4 Zeilen ftehen, giebt es noc andere, bei denen fie 3=, 6= und mehrzeilig geordnet find. Die Linien, in denen die Wurzeln ftehen, bleiben im Dickenwachsſthum zurüdf, daher wird die runde Wurzel bei 4 Zei- len viereckig, z. B. die von der Wiefenraute (Thalictrum), Wo die Neben- wurzeln 2 Zeilen bilden, entftehen 2 Furchen; fo bei dem Erdrauch (Fu- maria) und der Brennneffel (Urtica dioica). Die Wurzel fieht im Durd- 48 Das Leben der Wurzeln. ihnitt dann Sförmig aus. Es kommt vor, daß fid) die Ränder ber beiden ſich verbidenden Hälften über den beiden Furchen berühren und jo zwei Ka— näle entftehen; ja dieſe Ränder fünnen ganz verwachſen, es bildet ſich ringsum wieder neues Holz und neue Rinde, und die Kefte der beiden Kanäle zeigen fi im Querſchnitt als zwei brauue Punkte; ſo bei den Tannen. Einige Wurzeln haben der Länge nach Löcher beim Erdrauch, Eiſenhut und beſon— ders beim Gartenmohn. Die Zahl der Wurzelreihen ſchwankt nicht ſelten innerhalb derſelben Pflanzenfamilie; ſo haben von den Schmetterlingsblümlern die Wolfsbohnen (Lupinus) und Schotenklee-Arten (Lotus) gewöhnlich 2 Zei- len, die eigentlichen Kleearten, Linfen, Widen, Platterbjen haben 3, die Arten der Bohne (Phaseolus), des Tragant, der Juderbje (Dolichos), jene von Dalea, Tetragonolobus und andere zeigen dagegen A Neihen. Die Zahl 4 ſchein hierbei die Grundzahl zu bilden und durch Unterdrückung von einer oder von zwei Reihen die andern Zahlenverhältniſſe zu entſtehen. Die Fähigkeit, Nebenwurzeln an ältern Wurzeltheilen erzeugen zu können, iſt bei den verſchiedenen Gewächſen auch eine verſchiedene. Die Tanne ver— mag aus ziemlich alten Wurzeln neue Zweige zu entſenden, die Kiefer kann dies, wahrſcheinlich durch die beſondere Beſchaffenheit ihrer Rinde veranlaßt, nur an ihren jüngern Enden thun. Dem Forſtmann iſt dieſes abweichende Verhalten ſeiner Pfleglinge von Wichtigkeit, da ſich danach die Behandlung der Wurzeln beim Verpflanzen richtet. Letzteres darf überhaupt nur während der Ruhe der Wurzeln geſchehen, wenn nicht dem Baum Gefahr drohen foll. Sowie die Thätigfeit der Wurzeln im Frühling zeitiger erwacht als die Entfaltung der oberirdifhen Theile, jo ſchlummert fie im Herbft auch erſt geraume Zeit jpäter ein. Zwiſchen brunten und droben, zwiſchen dem Leben der Wurzeln und dem- jenigen der Krone finden überhaupt die innigſten Beziehungen ftatt. Treffen die Wurzeln Erdihichten, die ihnen wenig Nahrung bieten, fo wird aud) während dem die Entwidelung der Krone gehindert; finden fie bei ihrem Weiterdringen reichlichere Speife, jo erholt ſich die legtere ſofort zuſehends. Es geht Dies jogar fo weit, daß eine ungleihe Entwidelung der Xefte eintritt, jowie eine bejtimmte Seite der Wurzeln nur fümmerli Nahrung findet. Berpflanzt der Obftzüchter einen Baum, fo bejchneidet er aud) ftetS die Krone, um burd) eine verringerte Entfaltung des Oberſtocks das Gleichgewicht zwifchen ben zwei Wahsthumsthätigfeiten des Baumes wieder herzuftellen, das beim Ausgraben durch Wurzelverlegungen geftört ward. Die Chinefen und Japaner führen in ihrer abenteuerlichen Zwerggärtnerei die Erzeugung von Bäumen im Duo- dezformat beſonders dadurch herbei, daß fie der Wurzelentwidelung alle mög- lichen Hinderniffe in ven Weg legen. Sie befchränfen ihr den Raum und geben ihr jo geringe Nahrung, daß fie fortwährend ſich zwifchen Leben und Sterben befindet. In Folge defjen nimmt auch die Krone jene winzigen For— men an, welde dem baroden Gejhmade ver bezopften Nation zufagt. Welche Anftrengungen die Wurzeln bei einem auf die geringe Erdenmenge in einem Wurzeltiefe. Gifte für Wurzeln. 49 Blumentopfe befchränften Gewächſe mahen, um jede Spur von Nahrung aufzufudhen, fann man an jedem zum Umfesen herausgenommenen Roſen— und Möyrtenftödhen wahrnehmen. in alter Botanifer der Vorzeit führte bei Beihreibung der Mannstreue als bejondere Merkmwürdigfeit an: „Wenn du dieſes Gewächs in einen Topf pflanzeft, e8 eine längere Zeit wachjen läßt und dann herausnimmft, fo wirft du ein — Öorgonenhaupt finden.‘ Dergleihen Gorgonenhäupter bildet jede unferer ausdanerden Topfpflanzen. Es ift auffallend, bis zu welhen Tiefen ſelbſt fcheinbar kleinere Gewächſe, die aber mehrere Jahre lang ausdauern, ihre Wurzeln treiben, um neue Nahrung zu finden, wenn felbige in der Nähe verbraudt ift. So fenfen ſich die Wurzeln des Thymian (Thymus Serpyllum) 6—8 Fuß tief und die Hauhechel (Omonis repens) hat im Sandboden 14 Fuß lange Wurzeln. Der Wiefen-Silau (Sılaus pratensis) erzeugt fie ebenfalls von bedeutender Fänge. Eine Bappel, welche vielleicht am Abhange eines Hügels fteht, treibt ihre TIhaumurzeln 50 Fuß weit ebenjo gut am Hügel hinauf ald hinab. Liegt in der Nähe eines Baumes ein Düngerhaufen, fo fteigen die Wurzeln aus dem Grunde empor und in leßtern hinein. Durch Auflodern des Bodens, durch reichlihe Düngung, Beleitigung der beeinträchtigenden Unfräuter, jo wie durch mehrmaliges Anhäufeln der Erde befördert der Landmann und der Gärtner die Entwidelung mander Wurzeln in ganz befonderem Grade. Die Möhren, Rüben und Kunfeln mit ihren außerordentlich ftarfen, Zuder und Stärfemehl enthaltenden Wurzeln, die hier ausſchließlich Pfahlmurzeln bilden, bieten naheliegende Beijpiele dar. Auf der andern Seite vermag man aber aud die Wurzel zu zwingen, Stoffe aufzufaugen, melde ihr geradezu jchäpdlic find und auf das ganze Gewächs als Gifte wirken. Stärke Salzfoole wird von den Wurzeln aufgenommen und die meiften Pflanzen, die nicht eigentliche jogenannte Salzpflanzen find, gehen dadurd zu Grunde. In einem befannten Badeorte begannen die Nuß— bäume der Pflanzung zu kränkeln und gingen ein, weil man in ihrer Nähe täglich Soole auf Fäſſer gefüllt hatte und dabei gewöhnlich etwas verjchüttet worden war. Eines Tages hatte man Soole in größerer Menge nad) einem Graben geleitet, deſſen Seiten mit Weiden bejtanden waren. Nach wenig Tagen zeigten die Blätter der Bäume Ausjhervungen von Kochſalz und Die zählebigen Bäume ftarben ab. Man hat deshalb Salzſoole als Mittel vor- geihlagen, das Unkraut in den Gartenwegen zu vernichten, würde freilich) dabei Gefahr laufen, aud die naheftehenden Gartenpflanzen zu tödten. Selbft jolhe Pflanzen, die Freunde von einem jalzhaltigen Boden find, gehen ein, wenn ihnen des Guten zu viel geboten wird. So gedeiht befanntlic, die Dattelpalme in dem falzhaltigen Boden der Wüfte ganz vortrefflih und wird dadurd zur Wohlthäterin zahlveiher Völkerſchaften. Als aber im An— fange der vierziger Jahre diefes Jahrhunderts in der Umgegend von Mur— ſuk, Hauptftadt der Dafe Feſſan, ein fiebentägiger Regen fiel, ein für jene regenarme Gegend höchft feltenes Ereigniß, ftarben 12,000 Stüd hochſtämmiger Wagner, Mal, Botanik, I. Bd. 4 50 Das Yeben der Wurzeln. Dattelpalmen ab. Die Regenwafjer hatten das Salz im Boden aufgelöjt und den Wurzeln der Bäume im Uebermaß zugeführt. Sp wie der prunfende Hofitaat der Pflanze, die Blatt- und Blüten- tragende Krone, nicht beftehen kann, ohne die ftille, unfcheinbare Arbeit der Wurzeln im Grunde, fo ift für die unterivdifchen Gejellen der Oberftod des Gewächſes ebenſo nothwendig, die Wurzeln bedürfen ebenfo unabweisbar jener Kahrung, welche die Blätter aus der Atmofphäre aufnehmen, wie lettere die materielle Speife nicht entbehren fönnen, die ihnen die Wurzeln bringen. Wird der Stamm eines Baumes abgehauen, ja werden alle feine blattbilden- den Zweige gefappt und die Neubildung vderfelben gehindert, jo ftirbt auch die Wurzel ab. Da führt und nun aber der Förſter in den Tannenwald und zeigt uns eine jonderbare Erſcheinung, die wie eine Ausnahme von die— jev Regel ausfieht. Zwiſchen den fehnurgeraden herrlihen Stämmen der Weißtannen und Fichten ſchaut aus dem dichten Moospolfter der Stumpf eines abgehauenen Baumes hervor, den feine Rinde als einen Ueberreſt einer Tanne bezeichnet. Zu unferer Belehrung hat unfer Freund den Stumpf der Yänge nad) auseinander ſägen und eine Hälfte dejjelben hinwegnehmen lafjen. Der Anblid des blosgelegten Stamminnern gibt uns zugleich den beften Blid in die Geſchichte defjelben. Nachdem der Stamm unter der Säge und den Arthieben dahinfanf, ftarb der Stumpf nicht, wie ſonſt gewöhnlich der Fall. Er lebte ohne Haupt weiter, Jährlich entftanden um den Stod neue Holz- ihichten, die ſich wellenförmig über einander legten, bis fie die Höhe des abgehauenen Stumpfes erreichten. Auf letterem vereiniaten fie fih ſchließlich und bildeten allmälig einen rundlichen, fopffürmigen Knollen, der in feiner Form Aehnlichfeit mit dem Stumpfe eines abgelöften Gliedes zeigt. Zuglei mit dem Räthſel giebt uns der Forftmann aber auch den Schlüſſel zur Löſung deſſelben. Die Arbeiter haben mit Schaufel und Haue die Wurzeln des Unfterblichen blosgelegt und nun jehen wir deutlich, wie die Saugarme der Tanne ſich mit den Wurzeln der benahbarten Tanne nicht nur verflodhten haben, jondern innig mit derjelben verwachfen find. Die Ver— wachſung bat an einigen Stellen fid) nur auf die faftführenden Rindenſchichten bejhränft, an andern dagegen find die beiderſeitigen Holzförper mit einander verſchmolzen. Der abgehauene Stod fpielt alfo in Wirklichkeit diefelbe Rolle, welche die"graufige Sage ven ſogenannten Bampyren zufchrieb, die nad ihrem Tode bei nächtliher Weile aus ihren Gräbern fteigen, um fi von dem Blut ihrer nächſten Verwandten zu nähren. Die Ernährung des Baumftodes ift für den pflegenden Nachbar ohne allen Nachtheil; er lebt von dem Almofen, das von des Reichen Tifche fällt, eine fümmerliche Eriftenz und könnte viel eher ein rührendes Bild treuer Freundſchaft abgeben, die felbft nach dem Tode nicht erliſcht. ine folhe Ernährung beſchränkt ſich nicht ausſchließlich auf Bäume derjelben Art, fie wird aud durch nahe Verwandte ermöglicht. Stümpfe von Tannen’ werden mitunter verpflegt durch Wurzelverbindungen mit Fichten, Stöde von Fichten fünnen dur‘ Tannen erhalten werden, Berihmelzung der Wurzeln. Wurzelſchmarotzer. 51 Diejelbe Erfcheinung zeigen Lärchen und Meerftrandsfiefern (Pinus maritima). Das Verwachſen und Verſchmelzen der Wurzeln findet in allen vicht beftan- denen Nadelwaldungen ſtatt. Der Wald fteht nicht blos in der poetiſchen Auffaſſung des Dichters, nicht nur in der Perfonifizirung des Märchens als ein Ganzes da, die Wurzeln maden ihn. mehr oder weniger in Wirklichfeit dazu. Doc zeigt fi die Innigkeit des Zufammenlebens, das Arbeiten des Einen für das Andere, nad der Art der Bäume im Grade verfchieden. Ob— gleich die Wurzeln in Kiefernforften ſich ebenfo oft mit einander verbinden, jo theilen die überlebenden Bäume egeiftiich doch dem gefallenen Genofjen feine helfende Gabe mit. Die Siefernftimpfe wachſen nicht weiter, wenn ihre Krone dahinfanf. Die gefhilderte Verſchmelzung der Wurzeln muthet uns an wie eine Verbindung der Helden des Waldes zu Schuß und Truß, mie eine Arbeiter- vereinigung, — nicht zur Arbeitseinftelung, jondern zur Verſorgung ver Kranfen und Berunglüdien. Früher haben wir aber bereits darauf aufmerf- jam gemacht, welcher Nachtheil einem Gewächs daraus entiteht, wenn die Wurzeln eines andern ihm zu nahe ftehen, die gleihe Nahrung erfordern... Die Concurrenz ift jedoch das einzige Uebel nit, das dem Leben ver Pflanzen unter der Erde droht: ein zweite Plage ift ver Raub. Das Unkraut, das dem nutbaren Kraut die Nahrung wegnimmt, vauft der Landmann aus; gegen das Diebsgefindel, das unter der Erde fein ver- derblihes Weſen treibt, vermag er feine Pfleglinge nicht jo leicht zu ſchützen. Eine Anzahl mikroſkopiſch kleiner Pilze find es, welche jene verderbenbringende Rolle jpielen und deren Anmefenheit man gewöhnlicd nicht früher bemerft, als bis fie ihr Werk vollbracht haben. Der Wurzelbrandpilz überzieht die Pfahlmurzeln der Möhren und des Luzern als hellvothe, dunfelvothe oder violette Filzſchicht und bewirkt ihr Zufammenfhrumpfen oder Faulen. Der Nübentödter (Helminthosporium rhizoctonum), der in Schleſien ſchon arge Verwüftungen anrichtete, fiedelt ih am untern Ente der Möhrenwurzeln an. Zunächſt zeigt er fi) nur als unjheinbare, einzelne, erhabene Punkte von dunfler Färbung, allmälig meh- ven ſich jedoch diejelben und werden zu braunrothen, dann zu purpurfarbenen oder dunfelvioletten Flecken, die, fi raſch ausbreitend, die Wurzel überziehen und — verzehren. An der Yuft verändert fi) die bunte Färbung des Schma= voßerpilzes bald in Weiß. Der filjige Ueberzug, den er darftellt, zeigt fich bei hinreichender Vergrößerung zuſammengeſetzt aus vielfach gebogenen, wenig veräftelten Fäden, die langgegliedert und von ungleiher Stärke find. An einzelnen Stellen verwideln fich diefelben zu dichten Knäueln und bilden in denjelben die Sporen, jene verhängnißvollen Zellen, durch welche fi der Pilz von Jahr zu Fahr erhält und von einer Pflanze zur andern überträgt. In Südeuropa fpielt der Wurzeltödter (Rhizoctonia) an den Wurzeln des Luzern und auf den Safranfeldern diefelbe ſchlimme Rolle. Mögen aud) mande der an den Wurzeln mwuchernden Pilze vielleicht erſt dann eintreten, 4* 52 Das Leben der Wurzeln. wenn die Nährpflanze bereitS angefangen hat zu fränfeln, jo befördern fie jel6ft in diefem Falle das Verderben um fo ſchneller, und oft genug fönnen jelbjt ihre eifrigen PVertheidiger fie niht von dem Verdachte reinigen, das Uebel erſt herbeigeführt zu haben. Die Pilze find die einzigen Gewächſe nicht, die unter der Erde ein räu— berifches Leben führen; es nehmen auch andere Pflanzen an dem fauberen Geſchäfte Theil, denen man es für den erften Anblid wirflid nicht an- merfen jollte. Der Naturfreund Iuftwandelt am ſchönen Sommermorgen durch die Ge— treideflur und ergößt fih an den gelben und rothen Blüten des Klapper- topfs, Wachtelweizens und Augentroftes, die ſich wie Perlen unter den thau- funfelnden grünen Teppich der Saaten mifchen. Ein Blid unter die Erde verwiſcht die Poefie, die hier vielleicht eine traute Vereinigung des Schönen mit dem Nüßlichen erbliden möchte. Jene drei Feloblumen und noch mehrere andere, die gemeinfchaftlih zu der natürlihen Familie ver Braunwurzgewächſe (Serophularineen) gehören, find Wurzelfhmaroger, die fih als Diebs- gefindel unter dem Getreide eingeniftet. Ihre Samen feimen zwar jelbjtändig im Boden und treiben eine Wurzel, der Klappertopf ſucht aber mit derſelben fofort die Wurzeln einer Gerjtenpflanze oder eines ähnlichen Graſes zu er- reihen. Seine Wurzelfajern umſchlingen fie, treiben an den Berührungs- ftellen zellige Anfhwellungen und jcheinen die Fähigkeit zu beſitzen, durch bloßes zärtliches Anſchmiegen jene ihres Nahrungsfaftes .zu berauben. Sie ipielen hier dieſelbe Role wie am Meeresftrande der Fiſchadler und die Kaubmöve, die den harmlofern ſchwächern filchenden Vögeln die Beute abjagen, melde jene ſich mühevoll erwarben. Die junge Gerftenpflanze, die einen Klappertopf als Koftgänger zu ernähren hat, geht ein und vorzüglid auf Thonboden follen ganze Gerftenernten auf diefe Weife durch die ſchlimmen Säfte verloren gehen. Findet der junge Klappertopf in früher Jugend fein Gewächs in feiner Nähe, das fich feiner annimmt, fo ftirbt er als zollhohes Pflänzhen hülflos ab. Der Augentroft (Euphrasia Odontites) madt ftärfere Anftvengungen, um fid) zu retten, und treibt mitunter Wurzeläfte von Fuß— länge, bi8 fie die Wurzeln einer Koggenpflanze erreichen. Eigenthümlich iſt es hierbei, wie diefe Schmaroger eng an eine beftimmte Pflanzenfamilie, mitunter jogar an eine einzige Art in ihrem Beſtehen gefnüpft find. Die genannten Scrophularineen ſchmiegen ſich an die Gräfer an, die ebenfalls zu ihnen ge- hörige Alectra brasiliensis zehrt von den Wurzeln des Zuderrohre und von den mancherlei Sommermwurzarten (Orobanchen) hat gemwöhnlidy jede ihr be- jonderes Nährgewächs; die eine gedeiht an den Wurzeln des Labfrautes, eine andere an den Wurzeln des Epheu, wieder andere Verwandte (Gerardia flava) an Eichen, Haſelnuß und andern. Die berüchtigfte Sommerwurzart ift der Hanfmwürger (Orobanche ramosa), der, wenn er in großer Maſſe auftritt, dem Yandmann das Hanffeld vermüftet. Wurzelihmaroger. 53 Der Hanfwürger und feine Gattungsverwandten find ein wenig bejier als die oben beſchriebenen Zerftörer der Getreivefelder. Sie begnügen fich damit, eine Zeit lang bei andern Pflanzen in die Koft zu gehen, forgen aber im höhern Alter für fih felbft. Das Keimpflänzdhen der Sommerwurz ſchmiegt fi der Wurzel ihres Beſchützers an und verjhmilzt mit ihm aufs innigfte. Rinde verbindet fi mit Rinde, Mark mit Marf und die Gefäße mit den Gefäßen. Der Nahrungsfaft kommt dem jungen Schmaroger in vollftem Maße zu gute. Es entftehen Stengelfnoepen, welche Blütenjchafte, mit bleihen Schuppen beſetzt, emportreiben; gleichzeitig bilden ſich aber aud) Büfhel von Nebenwurzeln, welche fpäterhin die Nahrung aus der Erde auf- nehmen und fo die erwachjene Pflanze er— halten. ft die Nährpflanze kräftig genug, haben ſich nur wenige Gäfte gleichzeitig bei ihr eingeniftet, jo erträgt fie die vermehrten Ausgaben ver Haushaltung, im andern Falle geht fie ein. Um dem Ueberhandnehmen der Drobanden in den Kleefeldern Einhalt zu thun, ſchlägt man wor, nicht unter 8 bis 9 Jahren auf demſelben Acer daſſelbe Futter: fraut wieder zu bauen, damit bei ausgeruhtem Boden die Pflanzen deſto Fräftiger werben und den Schmaroger überwinden. ı Die Schuppenwurz (Lathraea), die im eriten Frühling unter dem Yaub am Boden der Buchenwaldungen als fleifchrothe Blüten- trauben hervorſchaut, verhält ſich Ähnlich, wie die oben genannten. In ihren erſten Ent- wieelungsftufen entnimmt fie ihren Unterhalt aus den Wurzeln der Hafeliträucher, Buchen 1W., ſpäter gedeiht ſie durch eigene Ar- Eine Sommerwurz auf ihrer Nährpflanze beit. Auch der Fichtenſpargel (Monotropa) Gomuedepfite). und das Theſium treiben es in verwandter Art in unfern Wäldern, Im Gebiet des Mittelmeeres, im Lande der edeln Rinaldini und afrifa= nifhen mwegelagernden Wüftlinge, haben jene zudringlichen Pflanzengäfte ein eleganteres, prahlerifches Aeußere. Im erften Frühjahr ſproſſen dort aus den Wurzelftöden ver Ciftusröshen der ſcharlachrothe Cytinus (Cytinus Hypoeistis) und die ebenfo lebhaft gefärbte Hundruthe hervor und in andern Gegenden heißer Zonen machen fid noch viele Verwandte der leßtgenannten Wurzelihmaroger, den beiden Yamilien der Cytineen und Balanophoren angehörig, in gleicher Weile bemerflihd. Der Kolbenfhmaroger (Balano- phora) lebt von der Wurzel der Feige, am Kap der guten Hoffnung nährt fi die Hydnora von der giftgefüllten Wolfsmild und im tropiſchen Amerika 54 Das Leben der Wurzeln. [hauen aus den Humusſchichten ver feuchten Wälder die fpannenlangen ° purpurnen Schafte der Helosis hervor, an ihrer Spite den wallnußgroßen, fahlpurpurnen Kolben mit den feinen Blumen tragend. Die größte Blüte im eigentlihen Sinne des Wortes erreicht jedoch diefes Räuberweſen im Pflanzenreid auf den Sunda-Inſeln, in jenen Gebieten, wo noch vor Kurzem das Kopfabjchneiden zur Ehrenſache gehörte. Dort hat faft jede der größern Infeln ihre befondere Art ver Raffleſiaceen, dieſe Hänptlinge unter den Wurzelfhmarogern, und mande Art mag noch unbe- Ichrieben in den ausgedehnten Waldungen fid) entwideln, Dr. Joſeph Arnold war es, der jene Kiefenihmaroger zuerft auf- fand. Er begleitete als Naturforfher Sir Stanford Raffles, Gouver- neur der Niederlaffungen der Dftindifchen Compagnie, auf einer Keife durch Sumatra und ftarb hierbei am Fieber, das er fid durch den langen Auf- enthalt in den feuchtheißen Waldungen zugezogen, als ein Opfer feines Fleißes und wifjenfchaftlichen Eifers. Arnold ſchrieb über feinen Fund an Robert Brown von Pulo Lebban am Mannaftrom, zwei Tagereifen lanteinwärts von der Stadt Manna auf Sumatra: „Ich freue mid), Ihnen melden zır fönnen, daß id hier das größte Wunder der Pflanzenwelt entdeckt habe. Ich war zufällig einige Schritte von der Gefellfchaft abgekommen, als ein ma- fayifcher Diener mit dem Ausdrud des Erftaunens im Auge auf mid) zu- gerannt fam und rief: «Komm mit, Herr, fomm mit! ine Blume, fehr groß! ſehr Schön! fehr wundervoll!» — Ich ging ſogleich mit ihm hundert Schritte etwa in das Didicht, wo er mir unter dem Geſträuch nahe am Boden eine wirklich erftaunenswerthe Blume zeigte. Die Blume faß auf eimer Ihlanfen, faum über zwei Singer diden, horizontalen Wurzel. Ich löſle fie nit dem Parang meines Malayen los und trug fie in unfer Zelt. As id) fie zuerſt erblicte, fummte ein Schwarn von Fliegen über der Deffnung des Nectariums, wahrjcheinlid un feine Eier in deſſen Subftanz niederzulegen. Die Blume hatte ganz den Geruh des in Fäulniß übergehenden Rind— fleifches.” (Siehe das Anfangsbild des Abichnittes.) Die Raffleſia ſchmarotzt auf den Wurzeln von Eiffus-Arten, jenen Reben- gewächjen, welche die Wälder der Sunda-Inſeln gleich mächtigen Tauen durd)- ziehen und zu undurchdringlichen Dickichten verftriden. Sobald die winzig Heinen Samen der Niefenblume auf die Wurzeln der Nährpflanze gelangen und hier zu feimen anfangen, beginnen letstere, durch den Gaft gereizt, rings um denjelben ein mwucherndes Zellgewebe empor zu wölben, zu deſſen Bildung die Markftrahlen das meifte beizutragen ſcheinen. Die junge Kafflefia wird zunächft won ihrer Ernährerin vollftändig eingefchloffen, erhält alfo außer der Koft auch noch Yogis. Hat ſich fo endlich die Knospe zur Blüte hinlänglich vorbereitet, jo durchbricht der Gaft feine Hülle und entfaltet fi raſch. Wohl war Arnoldi’s Erſtaunen gerechtfertigt, und nicht ohne Grund erzählt er aus- drücklich, daß er die Blume in fein Zelt getragen habe! ine folde Blume zu tragen ift eine fürmliche Arbeit, denn fie hat einen Umfang von 9, einen Wurzeltödter. 55 Durchmeſſer von 3 Fuß und ein Gewicht von 10 Pfund. Dabei ift fie ziegelvoth gefärbt und mit weißen Warzen befett. In unferer bisherigen Schilderung der Wurzelfhmaroger haben wir ven durd engere Rückſichten beftinmten Gefichtspunft feftgehalten, won welchem aus der Yandwirth, Gärtner und Forftmann diefelben betrachten. Sie er- ſchienen danad als räuberiſche Gewächſe, die fich verderbli an die wehr- (ofen Nährpflanzen anheften. Sie traten auf als düftere Spiegelbilder von Habjuht, Tyrannei und Mord, als dunfle vorahnende Schatten aus dem Leben der Menfchen. Stellen wir uns aber auf rein naturwiſſenſchaftlichen Standpunkt, jo verfhwindet auch der düſtere Firniß, den das Gemälde er- halten hatte. Die Serophulaceen, Orobanchen, Cytineen und Kafflefien find ebenfo berechtigt zum Dafein, ebenfo ihrer jelbft wegen da, wie jene Pflan— zen, die fie ernähren. Sie vervollftändigen ebenjo die Formenreihe dev Wefen mit ihren oft fonderbaren Oeftalten wie jene. Und wenn felbft eine Nähr— pflanze durch ihren Gaft zu Grunde geht und abftirbt, um diefen zu erhalten, jo ift fie, der Gefühlsvermögen und Empfindung fehlt, nicht ſchlimmer daran, als hätte fie fi) verbraudyt, um eigene Samen oder Schößlinge zu treiben, oder als wäre fie gefallen, um den nagenden Hunger der fpeifebedürftigen Thierwelt zu ftilen ! Und gewiß, viel Fräftiger als alle Wurzelſchmarotzer greift die Thier- welt unter ver Erde ins Veben der Pflanzen ein. Das Reich der Wurzeln ift aud) das Reich der Würmer, das jenen an Geftalt und bleiher Färbung ähnelt. Unter dem Namen Würmer pflegt man gewöhnlidy gar vielerlei Ge- thier zufammenzufaffen; won eigentlihen Würmern haben wir nicht viele Arten, das Uebrige find meift Zugendformen von Inſekten, fogenannte Lar— ven. Der befannte fehlanfe Burſche, der Kegenwurm, ift einer der wenigen ächten Würmer, die in den unterivdifhen Wiefen und Waldungen ihr Wefen treiben, und er findet noch dazu mehrfach Schutsredner, welche behaupten, ex begnüge ſich damit, als Miniaturbild der ‚berühmten Schlange” Gartenerde zu verjpeifen und als Zugemüfe faulende Blätter auf feinen Tifh zu bringen, Trotzdem fcheint aber fein Treiben für die Wurzeln der Gewächſe feinen jonderlihen Segen zu bringen. SKelleraffeln und Milben machen fih nur in geringerm Grade unangenehm, indem fie junge feimende Pflänzchen und deren Würzelchen benagen. Zudem greifen fie vorzugsmweife diejenigen an, welche Dürftiger und fpärliher von Wuchs find und ohnedem auch umkommen mür- den. Mäßig ift auch noch der Nachtheil, den die Larven des Berbogen- rüßler8 (Ceutorhynchus) und des Mauszahnrüßlers (Bario), zweier Rüſſel— fäfer, bringen. Beide ſchaden befonders dem Kaps; die erjtere bewohnt erbfengroße Anfhwellungen, die dur fie an den Wurzeln entjtanden find, die zweite überwintert in den Wurzeln, bis zu melden fie fi im Stengel entlang hindurch gefrefien hat, wie die Wanderer ins Schlaraffenland. Schlim— er ſchon arbeiten die Larven ihres Stammverwandten, des gefurchten Did- maulrüßlerd (Curculio sulcatus). Sie verzehren die Wurzeln der Primeln 56 Das Leben der Wurzeln, und Steinbrehgewächje und werden dadurd oft genug dem Gärtner unange- nehm. Außer diefen arbeitet aber im dunkeln Grunde eine unerſättlich ge- fräßige Schaar, die dem Landmann um fo ficherer Verderben Kringt, als er ihr Dajein gewöhnlich nicht früher merkt, als bis das zerftörende Werf bereit8 vollbradht ift. Die Maden der Kohlfliege (Musca brassica) zerfrefjen das „Innere der Kohlwurzeln und veranlafjen die verwundeten zum Yaulen; der Tauſendfuß (Julus guttatulus) arbeitet tiefe Höhlungen in Rüben, Möh- ren und andern fleiihigen Wurzeln, in denen er ſich häuslich nieverläßt. Die die Larve des Weidenbohrers, eines graugefärbten Nachtjehmetterlings, und die Raupe des Hopfenmwurzeljpinners (Bombyx humuli) zernagen felbft holzige si Wurzeln. Yettere vernichtet nicht jelten ganze Hopfen- pflanzungen, befonderg wenn fie als 3 — Ajährige Stau- den beftehen. Auf den Saat- feldern tritt in manden Jahren der fogenannte Drahtwurm, die Yarve des Saat-Schnellfäfers (Elater segetis) gleich einer Peſt auf und vermag, A—5 = INS, Jahre hindurd) fortfrefjend, 2 ehe fie fi) zu ihrer letzten NN ⸗— Verwandelung einpuppt, _\%a » III Me =. ige ae durch 4 4. a ER EN =. frefien der Wurzeln zu SER F vernichten. Der Haupt- | mann der ganzen unter Sirdiſchen, mwurzelverzehren- “= ; den Sippfchaft ift aber der 5 Engerling, der allbefannte Der Maikäfer im Jugendkleide (Engerling). Maifaifer im Jugendkleide. Das Maikäferweibchen läßt ſich die Mühe nicht verdrießen, 4—8 Zoll tiefe Löcher in den Boden zu graben, um in jedem derjelben gegen 20 — 30 Eiern ein fiheres Unterfommen zu verfhaffen. Nah A—6 Wochen jchlüpft die junge Drut ſchon aus und hält ſich anfänglich ſchüchtern als zartes Gewürm beifammen. Almälig wählt ihnen mit dem Leibe aud) der Hunger und der Muth und 3— 4 Jahre lang wühlen die weißen widerlihen Geftalten nad) allen Seiten ſich zer- ftreuend weiter und verzehren von Wurzeln, was ihnen vorfommt. In ihrer Gier jollen fie ſchon Stützpfähle neben jungen Baumftämmen zerbiffen haben, fiher ift .e8 wenigftens, daß fie felbft vor daumdicken Fichtenwurzeln nicht zurückſchrecken. Dem verderblichen Treiben viefer unterirdifchen Freſſer zu fteuern ift wenig erfolgreich, und ſelbſt ver Bannfluch, den 1479 das geiftfiche MWurzelntödter, 57 Gericht in Laufanne über die Engerlinge ausſprach, nachdem es dieſelben in einem fürmlihen Monitorio vor feinen Stuhl citiret hatte, erwies fih ala machtlos. Nicht jelten Ffränfelt ein junger Obftbaum; der Yandwirth ver- muthet die Urſache in ungünftiger Witterung, ungeeignetem Boden und man- hem andern, — nimmt er ihn aber aus der Erde, fiehe, jo hängen Enger- linge wie Trauben an den Wurzeln. Hat er einige Metzen vderjelben ab- gelejen und den Baum wieder gepflanzt, fo erholt er fich zufehends won Stund an. Die Maulwurfsgrille, Spismaus und der Maulwurf üben zwar jcharfe polizeiliche Aufficht über Die verborgenen Säfte; indem fie denfelben aber nad)- jpüren, beißen jie jelbft vielfach die Wurzeln -entzwei oder Iodern um andere das Erdreich jo, daß diefelben abjterben. Die Maulmurfsgrille, der joge- nannte Reitwurm, ift noch dazu ſtark im Verdacht, feine Fleiſchkoſt durch eine gleihe Quantität Wurzeln zu verjegen. Bielerlei Gewürm lebt nod im Wald, im Sumpf, im Waller und im Feld von den Wurzeln der Pflanzen, deſſen Aufzählung wir hier unterlaffen, Kaum eines derjelben gewährt uns befonderes Interefje, kaum eines bietet dem Menſchen einen Bortheil, denn felbft die vothfärbende Schildlaus, welche an den Wurzeln des ausdauernden Knäuel (Scleranthus) fid) anſiedelt, und die man früher als „polniſche Hermes’ zum Färben jammelte, wird nicht mehr benußt, da man bequemern und befjern Erſatz für fie hat. Intereſſant dürfte ed vielleicht noch fein, darauf aufmerffam zu machen, daß auch jener herrlich) ftrahlende Yeuchtfäfer der Tropen, ein Berwandter des Springfäfers, als Larve Wurzelkoft genießt und befonders in den Juderrohrpflanzen fich aufhält. Bon den Säugethieren find es vorzüglich Arten der Nager, die. als Wurzelgraber ſich in das Leben der Gewächſe unter der Erde einmifhen, Ver- wandte unſerer Mäufe, Neitmäufe, Waffer- und Landratten graben ftärfe- mehlhaltigen Wurzeln nad) und manche derjelben Legen jogar Sammlungen davon an. So baut die Wurzelmaus in Kamtſchatka ſich fürmliche kleine Schober aus Wurzeln als einen Speifevorrath für den Winter, und der Tu— cutuco, die Kammratte der Thierforfher, thut in den Ländern der Maghel- lansftraße am entgegengefegten Ende der Welt ein Gleiches. Es gehört in Kamſchatka zu den lobenswerthen Eigenfhaften der jungen Frauen und Mäd— hen, wenn fie bejonderes Geſchick darin befigen, jene verborgenen Speiſe— fammern auszufpüren und durd die Plünderung verjelben die Keichthümer der Kühe zu vermehren. An den Grenzen der afrikaniſchen Wüften und in den aſiatiſchen Steppen, in denen während eines großen Theiles vom Jahre die Pflanzenwelt auf ihr unterirdiſches Dafein beſchränkt ift, gehen ihr die manderlei Sorten von Springmäufen unermüdlid nad), In Süpdafrifa und Nordamerifa thun die Arten der Gattung Blindmoll daffelbe; fie bevorzugen jm letztern Yande befonders die Wurzeln des fnolligen Kälberfropfs. Auch das zierliche Chin- hilla, deſſen Pelzwerf heutzutage jo beliebt ift, gräbt im wärmern Amerifa eifrig nah Wurzeln, mit ihm der viel erwähnte fogenannte Prairiehund, das Viscacho. Aguti's und Paka's fuchen zu demjelben Zweck die Zuderrohr- 58 Das Leben der Wurzeln. pflanzungen beim, Wie der Eber ehedem in den Eichenhainen Germaniens den feuchten Boden pflügte und Möhren, Paftinafen und andere Wurzelwerk verfpeifte, jo treibt es noch jetst in großartigerm Maßſtabe im Innern Afrifa’s fein Better, der Elephant. Mit den gewaltigen Stoßzähnen reißt er Iuft- wandelnd den Boden auf, daß es ausfieht, als fer es ein Aderfeld, und für- dert ſchmackhafte Wurzeln zu Tage. Dr. Barth erzählt, daß auch die Ein- gebornen jenes Erdtheils ihm nicht felten ins Handwerk gerathen und gern einer Wurzel nachgraben, welche fie Katafirri nennen, die ungefähr von der Größe und Geftalt eines Kettigs, ſehr angenehm von Geſchmack und zugleid) nährend iſt. Die Neger des Sudans achten bei ihren Wanderungen ſorgſam auf die dünnen Halmfpischen, durd welche ſich die Anweſenſeit der Katafırri verräth, und verjtehen es, durch einige geſchickte Handgriffe diefelben in wenig Augenbliden ans Licht zu fördern, obſchon fie ziemlidy tief ftedt. Am Kap find die Paviane vorzugsweife auf dergleichen unterirdiihe Schätze angewieſen und ihr mächtiges Gebiß, fowie ihre bedeutende Muskelkraft kommt ihnen dabet jehr gut zu ftatten. Die Hottentotten und Buſchmenſchen ahmen ihnen mit vielem Glüf nad, wenn fie auch nicht wie ihre wierhändigen Lehrmeifter die Wurzel mit den Zähnen fafjen und durch einen Purzelbaum aus den harten Boden ziehen. Wir unterlaffen es jedoch hier weiter Darauf einzugehen, weldyer- let Wurzeln die verſchiedenen Völker des Erdballs zu ihrem Nug und From— men in Beſchlag nehmen, dieſe als Speife, jene als Medizin, die einen als Färbemittel, die andern zu Räucherwerk. Wir verfparen dies pafjender zu einem andern Bild, das wir aus dem Yeben der Pflanzen zu entwerfen ge- denfen, und machen jchlieklih nur nochmals darauf aufmerffam, wie vorzugs— weife die Wurzeln mit ihrem verborgenen, geräufchlofen Treiben es find, welche die mineralifchen Stoffe des Bodens in jene organifchen Formen über- führen, die allein dem Reiche der Thiere und dem Herrn der Schöpfung ge- nießbar und verdaulich find, jo daß alſo unfere eigene Eriftenz mittelbar und unmittelbar bafirt ift auf das Leben der Pflanzen unter der Erbe. IV. Die Luftwurzeln. Wurzelſäulen. — Wurzelbreter. — Ceiba. — Flügelwurzelbaum. — Sonneratie. — Eibenchpreffe. — Trompetenbaum. Schößlinge und Sprofjfen. — Wurzelbäume. — Bandanıs. — Hornpalme. — Zamorapalme. — Baniauenfeige. — Kanarijher Lor— beer, — Leinwürger. — Ephen, — Mörderſchlinger. — Miftel, — Lorauthus. — Luftblumen. „Mit verändertem Reiz ftellet die Regel ſich Her. Ewig zerftört, es erzeugt fich ewig die drehende Schöpfung, Und ein ftilles Gejet Ienft der Berwandlungen Spiel, „- Schiller. ' Nie Säugethiere find vorzugsweife zu einem Leben auf dem feiten Erd— CF boden eingerichtet; die Natur liebt e8 aber, einzelne Formenreihen der— felben auch andern Elementen anzupaffen, und läßt in den Organen, die ur- ſprünglich für den Aufenthalt an der Oberfläche des Landes berechnet waren, die nöthigen Veränderungen eintreten. Geehunde und Rieſenwale durch— ſchwimmen mit Floffenfüßen ven Dcean, mit Händen und Wickelſchwanz er- heben ſich die Affen auf die Kronen der Bäume über das irdiſche Getümmel, 60 Die Luftwurzeln. und die Fledermäufe fiihren fchließglih, mit dünner Flughaut zwiſchen ven langen Fingern, den fühnen Sprung in die Luft aus, um mit den Bügeln zu wetteifern, Die Pflanzen jcheinen ver Mehrzahl nad) zu einem Leben zwiſchen Him- mel und Erde bejtimmt, mit halbem Leibe fejtgemauert in den Boden, mit der andern Hälfte die Zweigarme fehnend nad) Yuft, Wolfen und Sonne aus- ftredend. Aber auch bei den Gewächſen ſcheint die Natur Verſuche zu maden, einzelne Gejchledhter von jenem Urtypus fo weit zu entfernen, als es ver vegetabilifche Charakter überhaupt zuläßt. Die Sumpfpflanzen fteigen tiefer und tiefer in das naffe Element hinab. Bei vielen Waſſergewächſen ſchauen nur nod die Blätter, bei andern gar nur die Blüten eine Zeitlang aus den Fluten hervor, bis endlich bei noch andern die Gewäfjer über dem Haupte zufammenfchlagen. ine nicht geringe Menge gebeihen auf dem Grunde von Teihen und Flüffen, zahlreihere auf Untiefen des Meeres. Nach der andern Seite hin ſcheint der weit ſchwierigere Verfucd gemacht worden zu jein, die Pflanzen aus der ſchützenden Erde empor ind Reich der Yüfte zu ziehen. Die einen laffen den Grund ihrer Wurzeln verjuchsweife von den Winden um- jpielen, andere ftreden ſich höher, als wollten fie gleich) muthwilligen Knaben es unternehmen, auf Stelzen den Himmel zu erobern, nod andere hängen völlig frei in der Luft, diefe wie Genien, jene wie arme Sünder. Angethan mit Peter Schlemihl's berühmten Siebenmeilenftiefeln, die eigentlic) gegenwärtig im Zeitalter der Dampfwagen und Stereoffopen nichts Außerordentlihes mehr find, unternehmen wir einen botanischen Ausgang, um die zulett angedeuteten Verſuche des Pflanzenreih8 etwas näher anzujchauen, die Verſuche ſich von der Erde loszureißen und ind Luftmeer zu fteigen. Unfere erſte Partie geht mit Schiller’s Räubern „nad den böhmiſchen Wäldern“, Auf vem Böhmer Gebirge findet der Freund der Wildniß noch Urzuftände mitten im fultivirten deutſchen Vaterlande. Im Brandwald am St. Thomas-Gebirge bei Unter-Muldau ftehen noh Tannen und Fichten, an denen die Stirme eines halben Jahrtauſends machtlos vorüberfauften, welche die Huffitenfhaaren, Schweden- und Franzojenheere vorbeiziehen jahen, ohne fid in ihrem Waldfrieden ftören zu lafien. Stämme von mehr als 4 Ellen im Durchmefjer ragen zu Höhen von 150—200 Fuß empor und grei- fen mit den harzduftenden Kronen in die worbeieilenden Wolfen. In dem geheimnißathmenden Halbdunkel zwifhen ihren Stämmen, wo nod) die Gno— men der mittelalterlihen Märchen ihr Wefen treiben, ftehen wir vor einer überrafhenden, fremdartigen Erjheinung. Eine mächtige Tanne ift am ihren unteren Theile in mehrere Aefte gejpalten; fie ruht auf dieſen wie ein rie- figer Thorthurm auf den Pfeilern des Eingangs. Wir fünnen ohne anzu- ftoßen unter dem Baume binweggehen und uns deutlich vorftellen, mie es den Berggeiftern zu Muthe ift, die ihre permanente Sigung in den Wurzel- geflehten der Tiefe halten. Bis 8 Fuß hoch öffnet fid) die lebendige Pforte aus Tannenwurzeln, Der Baum jcheint aus der Tiefe emporgeftiegen, als Säulenwurzeln. 61 würde e8 ihm zu eng im dunkeln Grund, als ftrede er ſich hinauf nad) dem Licht, das ihm die benachbarten Kiefen misgünftig ſchmälern. Muſtern wir, auf den tiefen Moospolftern weiter fchreitend, die Umgebung, fo finden wir leicht des Geheimnifjes Löfung. Nicht weit davon treffen wir einen Rieſen— ftamm, der, morſch vom Alter, fernfaul und von Würmern zerfreflen, zu- jammenbrad. Sein Wurzelftod mit einem Stammftüd von 5 Ellen Höhe blieb noch im Boden und auf dem legtern, deſſen größter Theil im Innern fih ſchon in fruchtbare Walderde verwandelte, ſproßt eine ganze Schaar junger Tannen empor, gleih einer jungen, lebensfräftigen Nation auf den Trüm— mern eines untergegangenen, verrotteten Gejchlehts. Es ift fein Stodaus- Ihlag, der etwa aus dem Bildungsringe des Stammes hervorgetrieben, die Tannen pflegen überhaupt feine Stodjproffen zu bilden, es find jene Bäum— hen aus aufgefallenen Santenförnern entjprofien. Wir fehen, wie fie ihre Wurzeln an allen Seiten des Stodes herunterfenfen, bis fie fchlieglich ven Boden erreihen. Ein Kampf wird unter den jugendlichen Elementen ent- ftehen, die ſchwächern Sprößlinge werden durch die ftärfern herabgedrängt, fie werben zulett ftürzen und umfommen. Die triebfräftigfte Tanne wird endlich den Thron des gefallenen Altvordern ausfchließlich behaupten, deſſen Enfel und Urenkel jie vielleiht ift. Gleich Säulen ragen ihre Wurzelftügen ringsum herab, gewinnen von Jahr zu Jahr an Umfang und Fetigfeit, und wenn nad längerer Zeit der faulende Stamm, auf vem fie ihr Neid an- fänglidy gründeten, völlig aufgelöft ift, als Staub am Boden zerftreut, von Ameiſen verfhleppt oder von Drofjeln zum Neftbau verwendet, fo fteht die neue Herrſcherin in Iuftiger Höhe Fräftig und ftarf genug, um fich zu halten, troß des wunderbaren Gemaches in ihrem Grunde, in dem das Reh bequeme Zufludt findet beim Schneefturm. — Auch die Waldungen im Grunewalvder Thal bei Rheinerz und jene des Karlsthaler Forftreviers bei Warmbrunn im Riefengebirge zeigen gleiche Erjcheinungen und Verwandtes findet fich faft allenthalben in Fleinern Anfängen da, wo höhere Baumftöde im Boden ver- wejen und vor den ftörenden Eingriffen des Menſchen geſchützt find. Bei ver ebengefchilderten Erfcheinung waren die Wurzeln eigentlic, ebenjo gut Erdgeborene wie ihre anderweitigen Genoffen. Ihre Beförderung war ohne ihr eigenes Zuthun geſchehen und nur ihrer Abftammung als Hod- geborene und dem Umftande, daß etwas faul wurde im Staate unter ihnen, hatten fie e8 zu verdanfen, daß fie als Kinder des Lichts erfchienen. Gie waren unfreiwillig an die Luft gejegt. In den nördlichen fumpfigen Waldun— gen der ſkandinaviſchen Halbinjel haben in ähnlicher Weije die Nadelholzbäume ihren Sit auf den grabähnlihen Hügeln aufgefchlagen, die durch Riedgras— arten über den Schlammgrund erhoben worden find. In Ländern der heißen Zone, in denen fi) das Pflanzenleben in marfirteren Zügen ausfpricht, wie die Leidenſchaften des dunfelfarbigen Menſchen, zeigen aud haufig die Wur- zeln der Bäume ein deutlicher ausgeiprodyenes Streben, aus der Tiefe herauf- zufteigen und ſich am Genuſſe der Dberwelt zu betheiligen. 62 Die Luftwurzeln. Wir Iuftwandeln nad den Infeln der Südſee, auf denen die Robin- jonaden der Neuzeit fpielen, vielleicht nad) einer der Karolinen, und fpazieren am. Ufer entlang, — foweit e8 der fumpfige Boden erlaubt. Geftatten es die Schlingreben, machen wir aud einen Abftecher in ven Schatten des Wal- des zur Seite. Ein mädtiger Brodbaum fteht vor uns, von feines Men- ihen Hand gepflegt. Er verfündigt uns, daß wir in den paradieſiſchen Ge- filden weilen, in denen das Brod auf den Bäumen wächſt, und der Grund feines Stammes zeigt gleichzeitig, daß es hier fogar den Wurzeln der Ge- wächſe verjtattet ift, ji ohne Unkoſten ver Beleuchtung zu erfreuen. Kings am Grunde des Baumes treten die oberen Anfänge der Wurzeln als folofjale Wandpfeiler hervor, zwiſchen fid Zellen freilaffend, für Einſiedler oder glüd- liche Liebende, die dem Getümmel der großen neidiſchen Welt entflohen. Ein Geräuſch macht uns neugierig, nad) der Rückſeite des Baumes zu jehen. Dort arbeitet ein induftriebeflifjener Eingeborener, im einfachen Koftüme unfers Stammvaters, mit feinem Beile ein großes cirfelrundes Stüd aus einer jol- hen freiftehenden Wurzelmand heraus. „Was foll daraus werden, Freund?“ geben wir ihm durch Pantomimen zu verftehen. „Ein Wagenrad!” Iautet die Antwort. Ein Loch in der Mitte des Wurzelbretes geftattet der Achſe den nöthigen Durchgang. Da die verjhiedenen Theile eines ſolchen Natur- brete8 aber eine höchſt ungleiche Feftigfeit haben, jo jchreitet beim Gebraud) die Abnugung freilich aud in höchſt ungleicher Weife vor und das Fahren in einem Wagen mit jolhen gewachſenen Urrädern ertheilt dem idyllifhen Rei— jenden einige Püffe und Kippenftöße mehr, als ſelbſt die ältefte Landpoſtkutſche auf ungepflaftertem Boden. i .. Das Hervortreten der oberen Wurzeltheile ift bei den meiften Stämmen in feuchten Waldungen der Tropen bemerflih. Wie der Fuß der Säulen oder mie Strebepfeiler eines Thurmes bilden fie das Untergeftell, auf dem fi) die Bäume erheben. Bei einigen, 3. B. bei der brafilianifhen Ceiba, dem Wollenbaum, ftellen fie ähnliche Gemächer dar, wie wir dergleichen im Tannenwalde betradteten, nur daß diefelben durdy Hebung der Wurzeln, durch ein fortgejegtes Wahsthum nad) oben und ein hierdurch bewirktes Emporſchieben des Stammendes entftanden find. In den Walvdungen Suri- nams fällt dem Fremden vorzüglich ein zu der Familie der Bombaceen ge- höriger Baum, der Bebe oder Wutost auf, um defjen Grund fich pfeiler- fürmige Auswüchſe, fogenannte „Sporen“, bis auf 12—15 Fuß Höhe erheben. An ver Baſis hat ein folder Baunı oft mehr al8 12 Fuß im Durchmeffer, während er in jener Höhe nicht mehr als 6 Zoll Dide hat und ſich dann noch bi8 über SO Fuß hoch erhebt. Einige hochſtämmige Palmen feinen umgekehrt das Stammende bei fortfchreitendem Wahsthum tiefer in den Boden zu jenfen, um ſich in Ermangelung einer haltenden Pfahlwurzel größere Feitig- feit im Stande zu verfchaffen. Die Stelle, an welder ſich der Schepf ftrang- fürmiger Nebenwurzeln bei ihnen befindet, ift nicht felten 3—5 Fuß unter der Oberflädye des Bodens. Spnneratie und Flügelwurzelbaum. 64 Die Luftwurzeln. Muftern wir aber das Ufer unferer glüdlihen Inſel im Karolinen- Archipel weiter. Ein Kleiner Fluß, der den Filchlieferanten der Inſulaner abgiebt und gleichzeitig eine Hauptverfehrsftrake für Fußwanderer bildet, er- gießt fi ins Meer. Unweit feines Ausfluffes erhebt fid aus dem unlängjt geborenen Boden ein ftattliher Flügelwurzelbaum (Balanopteris). Sein Stamm ift dicht mit herabhängenden Yarnfräutern behangen, die in friichem, hellen Grün leuchten, auf ven geneigten Aeſten breiten ſich Büſche von Vogel- neftfarn (Asplenium nidus avis), Troddeln aus fammtenen Yaubmoojen hängen herab und das graugrüne Laub ift ftellenweife dicht von zarten Jungermannien überfponnen, denen die feuchte Seeluft hinreihende Nahrung gewährt. Das Intereffantefte ift uns aber der Grund des Stammes. In Mannshöhe be- ginnend ziehen ſich in ziemlich regelmäßigen Abftänden eine reihe Menge Wurzelflügel herab, winden ſich als jenfrecht ftehende dünne Wände fchlangen- artig hin und her, verzweigen und theilen ſich vielfach, vereinigen ſich wieder und ftellen jo in weiten Umfreife um ven Baum ein Yabyrinth eigenthün- Iiher Art dar. Jene Wände beftehen aus einer zähen Holzmafje und find von glatter, graubrauner Rinde bededt. Schlagen wir an biejelben, jo ertönt ein weithin hörbarer dumpfer Schall, als hätten wir auf einer Paufe muficirt. Un den Wanderer ftellen vergleichen zu Tage tretende Wurzelgebilve frei- lid die unabweisbare Forderung, Turner oder Seiltänzerfünfte zu entwideln. Nicht viel befjer verhält fih in dieſer Beziehung der Nachbar des Ylügel- wurzelbaums, die Sonneratie (Sonneratia). Ihr Wurzelgefleht frieht in diden Strängen flach über den loderen Grund, treibt aber an ven Verzwei— gungen rings umher fußhohe Auswüchſe empor, die fegelfürmig wie Aus- rufungszeihen dem botanifivenden Fremden Aufmerffamfeit gebieten. Noch, umerflärt ift e8, welche Rolle diefe Wurzelverzierungen im Leben des Baumes fpielen, doch find fie nicht ohne Beifpiel im Pflanzenreih. Die Eiben- cypreſſe (Taxodium distichum) im wärmern Amerifa ahmt es ihm nad). Auch fie erzeugt an den freiliegenden Wurzeln, die weit über den Sumpf- boden hin friehen, in Entfernungen von einigen Zollen höderartige Erhöhun- gen bis einen halben Fuß hoch, innen gleicherweife aus Holzmaſſe beftehenv. Vielleicht daß durd den Einfluß von Luft und Licht die Nebenwurzeln eine jolhe Veränderung erleiden, da fid) jene Gebilde nur an der nad) oben frei liegenden Seite der Wurzeln erzeugen. ine Umbildung der Nebenwurzeln, welche, wenn auch entfernter, an jene Kegel erinnert, findet ſich bei unferer einheimifhen Schwarzerle. Schon bei ziemlich jungen Pflanzen derjelben ent- ftehen an den Wurzeln knollenförmige Auswüchſe von Erbfengröße. An ältern Bäumen erlangen viefelben holzige Beihaffenheit und den Umfang einer Wal- nuß oder eines Apfels und hängen mitunter in fürmlihen Trauben neben einander. Cine anatomifhe Zerglieverung zeigt, daß fih die Spike einer urfprünglid einfachen Nebenwurzel wiederholt gabelig theilte und jo ihr Wahsthum nicht in die Länge fortjegte, ſondern kugelig nad allen Seiten hin verbreitete. Wurzelihöglinge. Senfer. 65 Höher hinauf! ijt die Parole; verfolgen wir weiter das Hinauffteigen der Wurzeln aus Naht zum Licht. Die Theile der Pflanzen find feine durchaus ausfchlieglihen Naturen. Die Wurzeln find nicht jo excluſiv Wur- zeln, daß fie nicht gelegentlid Zweigfnospen erzeugten, aus denen fi ein junges Stämmden als Schöfling und Wurzelfproffe entwidelte. Die Enden der Wurzeln mit ihrer eigenthümlichen Haube werden zwar nicht zu Stengelfpigen, wol aber erzeugen fic) Zweigfnospen an den Seiten der Wur- zeln. Beſonders thun fie dies dann, wenn ihnen durch einen Drud, durch eine Verlegung von außen eine fpezielle Veranlafjung dazu gegeben murbe. Pappeln werden fogar durch jene Wurzelſchößlinge läftig, die ſich als ein junges Geſchlecht linfs und rechts neben der Landſtraße auf den Fruchtfeldern entwideln. Der Trompetenbaum (Cecropia) treibt in furzer Zeit aus jedem Wurzelendchen, das die Pflanzer beim Urbarmachen des Yandes im Boden zurüdgelafjen hatten, einen neuen Stamm. Statt des einen abgehauenen Stodes jhießen in den Baummollenbeeten ein halbes Hundert läftiger Gäſte empor, gleich den Gliedern einer verwundeten Hydra. Selbſt die Birke, die fi) gewöhnlich) nicht zur Stodfproffenbildung neigt, erzeugt dergleihen, wenn etwa am Waldwege ihre Wurzeln durch Wagenräder bloßgelegt und verlegt find. Auf jene Fähigkeit der Wurzeln, Stengel- und a. &. Laubknospen entwideln zu fönnen, gründen fid) aud die Erzählungen —— von Bäumen, welche ⸗ man umgekehrt, d. h. - — — ee mit der Krone in die my > Erde und mit den Wur- — —— — See ae zeln in der Luft pflanzte. Das Erzeugen von Senkern beim Weinſtock. Das Gelingen eines ſolchen fühnen Erperiments fett aber woraus, daß der Stamm und fein Zubehör ebenjo wenig ftarrfüpfig und eigenfinnig nur Stamm- verwandtes erzeugen wollen. Faſt alle Theile des Oberſtockes find fähig, Wurzeln zu entwideln, die in verſchiedenen Formen, je nad) der Yebensmeife des ganzen Gewächſes, fich bilden. Auf die Fähigfeit der Zweige, Wurzeln zu ſchlagen, ſobald fie mit Erde bevedt werden, gründet der Gärtner, Obftzüchter und Forftmann zahlreiche Bermehrungsmeifen feiner Lieblinge. Die obenftehende Abbildung zeigt uns zwei Weinreben vom Winzer in die Erde gebeugt und dort feitgehalten, vie an den bevedten Stellen Wurzeln treiben. Nachdem letzteres hinlänglich ge- Ihehen, werden fie vom Hauptftode getrennt und als felbftändige Stöde weiter verpflanzt. Weiden- und Pappelzweige treiben, wenn man fie abge- Ihnitten, ohne viel Umftand im feuchten Grunde freudig neue Wurzeln. Eine Hauptwurzel im Sinne der Wiſſenſchaft entfteht dabei zwar nicht, die um fo zahlreiheren Nebenwurzeln jorgen aber genugſam für der neuen Pflanze Er- Wagner, Mal. Botanif. I. Br. 5 66 Die Luftwurzeln. nährung. Bielfady haben vie Botanifer darüber hin und wider geftritten, ob - ein ſolcher abgetrennter Zweig als eine neue Pflanze oder aud nad) feiner Abtrennung nur als ein Theil des Mutterſtammes zu betrachten jet. Die Frage erhielt dadurch eine gewiſſe Wichtigkeit, weil fid) an fie die zweite Frage fnüpfte: auf wie lange Zeit wol Stedlinge durd dergleichen zu erhalten jeien. Wenn man jeden Zweig felbft am Stod als eine VBerjüngung der urſprüng— lichen Pflanze anfieht, jo ſcheint der unbegrenzten Erhaltung theoretiſch nichts im Wege zu ftehen. Einer Sage zufolge jollen alle zahllofen Trauerweiden Europa’8 von einem einzigen Zweig abftamımen, der aus Afien fam; das Gleiche mag mit den italienischen Pappeln der Fall fein, welde als Chaufjee- bäume eine fo auffallende Rolle geſpielt. Biele Pflanzen vertragen es nicht, wenn ihre Zweige auf einmal vom Stamme getrennt werden, fie bedürfen erſt nod eine zeitlang Unterſtützung vom Mutterſtock. Der Gärtner ſchneidet deshalb den Nelfenzweig zur Hälfte durd und .bededt die Wunde mit Erde, wenn er ihn zum Anwurzeln veran- laſſen will; er thut ein Gleiches mit dem Zweige des Obſtbaumes, der Winzer verfährt auf die ähnliche Art mit dem Weinftof. Der Forjtmann biegt im Buſchwald die Zweige der Buchen zu Boden und betedt fie mit Erde. Sie werden allmälig zu felbftändigen Büſchen und füllen die Blößen des Bejtandes. Erobeeren und zahlreiche andere frautartige Gewächſe, weldye niederliegenve Zweige treiben, überziehen auf diefe Weife oft weite Flächen. Selbſt vie Nadelhölzer, die fid) gewöhnlid, fehr ungern zur Bildung von Nebenwurzeln an den oberirdifchen Theilen entjchliegen, bequemen fid) dazu, wenn die äußern Berhältniffe hierzu fid) befonders günftig geftalten. So haben ſich z. B. auf dem later Schneeberge und auf dem hohen Kamm des Kiefengebirges auf moorigen Gründen einzelne Fichten zwiſchen dem Knieholz erhalten, vie bei fehr nievderem Wuchſe bis zum Boden herab weitgreifende Aeſte gebildet. Die unterften Zweige find gewöhnlid von Moos und Flechten bededt, deren fort- währende Feuchtigfeit diefelben veranlaft hat Wurzeln zu treiben. Rings um den Mutterftanım find durch die nun emportreibenden Zweige neue Stämme entjtanden, deren Zufammenhang gewöhnlid) nod) nachweisbar ift. Im Eulen- gebirge traf man eine umgejtürzte Weißtanne, die nicht nur von jedem Aſt— quirl einen in die Erde gelangten Alt zur Wurzel umgebildet hatte, ſondern auch außerdem aus der ganzen der feuchten Erde zugefehrten Seite des Haupt- jtammes fleinere Wurzeln getrieben hatte. Die Zweige der entgegengejesten Seite waren zu eben fo viel Stämmen geworden. | Nach diefer land- und forftwirthichaftlihen Rundſchau in der Heimat fehren wir zu unferer Wanderung am Meeresftrande der Tropenzone zurüd. Aber wappnen wir diesmal unfere Seele mit Muth; denn wie in der Ge- ihichte des Menſchengeſchlechts diejenigen “Perioden, welche die Bölfer aus einer Form ihres Dafeins, aus einer politifchen Verfaſſung in die andere, von einer herrſchenden Neligion in eine neue hinüberführen, vorzugsweiſe veih an Schreden und düſtern Scenen find, fo bergen aud die Uebergangs- » Die Wurzelbäume. 67 formen in der Natur ihre Schauer und unheimlichen Geftalten. Der Menſch ift fein Kind des düſtern Uebergangs, er ift als letzter Sohn der Schöpfung ein Sohn der entjchiedenen That, und nur der Durft nad neuer Erkenntniß ver- mag ihn zu einem Befuc nach jenen Grabftätten der Schöpfung zır treiben, in denen die Luftwurzeln, diefe Mittelgeftalten zwifchen Unter und Oberwelt, als Hauptfaftor die Landſchaft decoriven! Bewaffnet befteigen wir ein flaches Boot und rudern vom Meere aus in die Mündung eines größeren Fluſſes. Täglich rollen die Fluten des Dceans zweimal ftromauf und ftauen die Waſſer des Stromes, fo daß fie weithin die flachen Ufer überfhwenmen, zweimal ziehen jie fi) täglich zurüd und bieten der glühenden Sonne ein mooriges weites Gebiet — um fieberbringende Miasmen zu entwideln. Was die Meeres- wogen ernährten, ließen fie auf dem Trocknen zurüd, — es ift tem Tode verfallen! Was im Süßwaffer des Fluffes ſich des Dafeins erfreute, — es ſtirbt, vom Strudel in die Salzflut geriffen. Yeichen bezeichnen die Grenze zwiſchen der Herrjchaft der füßen Gewäſſer und dem Reiche Neptun’s, Leichen ven Thieren und Leichen von Pflanzen. Der ſchwammige Boden ift trügerifch, er trägt nicht die Schwere des Menſchen, er bietet ven Wanderer nichts als ein unergründliches Grab! Hier in dieſem Mittelreihe zwiſchen Feſtland und Meer, zwiſchen falzigen und ſüßen Gewäſſern herrſchen die Wurzelgewächle und zu ihnen gejellen ſich die widerlichen Amphibien, diefe Baftarde zwifchen Landthier und Fiſch! Die Wurzelbäume (Rhizophora Mangle) ſäumen weithin das Ufer des Stromes. Ein weithinfriehendes Geflecht zahllofer Wurzeln ftreden fie theil- weife ind Sumpfland, theilweife ins Waffe. Der Stamm der Bäume bleibt niedrig. Zunächſt über dem untern Wurzelgeftell, das fih an den tiefern TIheilen des Stammes ausfpreizt, breiten fid) die Aeſte und vertheilen ſich quirlförmig in Ffleinere Zweige, die büfjchelfürmiges Yaub an den Spiten tragen. Bon ihnen fenfen fi jchlanf wie Seile LYuftwurzeln herab. Cie find mit derfelben Rinde befleidvet wie die Zweige felbft und ähneln gedred)- jelten Pfeifenröhren. Nie zeigen fie Auswüchſe oder unregelmäßige Krünı- mungen. Sie jenfen fid) in ven ſchlammigen Grund, die Schwere der wan- fenden Krone zu tragen. Wie drunten die Wurzeln, jo verfledhten ſich droben die Zweige und der Manglewald bildet ein engverwebtes Ganzes, fühig, den widerftrebenden Gewalten in diefen ungünftigen Verhältnifjen zu trogen. Aehn- (id) der Ahizophora, dem eigentlihen Wurzelbaum, benehmen ſich die Bruigie- rien und Aoicennien, die Salzbäume. Zur Flutzeit fteigen die Waſſer hoch an den Stämmen hinauf, branden an den oberen Aeſten und braufen nicht jelten fogar über die Kronen dahin. Hier vermag fein Vogel jein Neft zu bauen und feine Jungen zu pflegen. Folgt dann die Ebbe, jo Liegen felbit die Wurzeln des Grundes zum größern Theile bloß. Befiteft du die Geſchick— lichkeit des rothen Indianers, vermagft du, geichmeidig dich zwifchen den trie- fenden Zweigen hindurchzuminden, ift dein Fuß fiher, nie die jchlüpfrige Wurzel, die am Grunde hervorragt, zu verfehlen,, nie auf ihr auszugleiten, — 5% 65 Die Luftwurzeln. wohl, dann, aber auch nur dann, magjt du während der Stunden des tiefen Wafferftandes eine Fußpartie in den Wurzelmald wagen. An den Wurzelge- flechten jiehft du zahllofe Auftern hängen, lebendige Früchte an Baummurzeln. Krabben und Krebſe ſchmauſen von abgeftorbenen Fiſchen oder von den Leichnamen, die der Strom aus dem Innern des Yandes herabführte. Sei vorfichtig und Ihärfe deinen Blid im trügenven Halbdunfel! Die mächtige Wurzel vor dir, auf welche du eben deinen Fuß jegen willft, regt fih! Es ift ein Alligator, eine ſcheußliche Fußangel! Du haft ihn in feiner Ruhe geftört, er öffnet gähnend den furdtbaren Rachen gleich dem Lindwurm der Sage. Nur der ſichere Büchſenſchuß ſcheucht ihn zurüd, jchredt aber zugleich zahllofes Waffer- geflügel auf, das jchreiend, kreiſchend und pfeifend als wilde Jagd durd den Wurzelwald fährt. Hände und Gefiht find dir bereitS von den Stichen zahl- loſer Musfitos angejhwollen und blutig. In andern Gegenden des tropiſchen Amerifa werden die Sümpfe überjtridt von dem Wurzelgefleht des bereits erwähnten Trompetenbaums (Cecropia peltata). Tauſende des fehr gif- tigen Tonfin (Dieffenbachia seguina) beleben das dunfelfaffeebraune Waſſer zwiſchen den Wurzeln, und fleine Palmenarten ftreden zahllofe Stadeln dem Fuße des Nahenden entgegen. Genugſam haft du den Wurzelwald fennen gelernt, es gelüftet dic nicht, auch noch feine Fieber an dir ſelbſt zu ftudiren. Tiefaufathmend befteigen wir das ſchwankende Boot, das die fteigenden Waffer von Neuem heben, und fteuern zu jenem lieblihen Eiland, das, aus weißen Korallenflippen gebildet, zwar für das größere Schiff unnahbar ift, dem Wanderer im fleinen Fahrzeug aber idyllifch freundlih winft. Auf dem poröfen, zerflüfteten Geftein, das durch ven feuchten Seewind vermitterte, gedeihen Bandangs (Pandanus. odoratissima), die ung ebenfalls ein Bei- jpiel üppiger Yuftwurzelentwidelung bieten, ohne den düſtern Charafter der Mangrovewaldungen damit zu verbinden. Aus dem jäulenförmigen Stamm, der in feinem ganzen Anjehn feine Verwandtichaft mit den Palmen verräth, ragen wie Arme eined Wegweiſers einige wenige Aeſte und tragen an ihrer Spite je einen einzelnen Schopf großer, harter, ftachelfantiger Blätter. Duftende Blüten und fugelige Früchte, welche durch freundlid grüne und goldgelbe Färbung, jowie durd wohlſchmeckende Samen ſich angenehm maden, verjöhnen mit dem Steifen und Sonderbaren, welches Das ganze Gewächs in feinem Aeußern befist. Am meiften wunderlid) erfcheint das Fußgeftell. Die Wurzeln entjpringen am unteren Ende des Stammes, bei ihrem Wahsthum heben fie den leßtern über den Fußboden bis zu ziemlicher Höhe empor, wäh- vend fie jelbft wiederum durch ihre Nebenwurzeln empor geſchoben werden. So ſcheint der ganze Baum auf Stelzen zu laufen und fennzeichnet land- ſchaftlich gewiſſe Infelgruppen des ftillen Oceans, einzelne Küftengebiete des aſiatiſchen Feſtlandes, ſowie die Infeln des äquatorialen Afrifa’s in fcharf ausgefprochener Weife. Unſer Freund, der Geolog, der uns auf unfrer Wan- derung begleitet, erzählt uns, wie die Erde in ihren Iugendjahren, in ver Zeit der fogenannten Jurabildungen, diefe fperrbeinigen Pandangmwaldungen Hornpalme. Zamorapalme. 69 eine weit größere Ausdehnung gehabt, ja daß jelbft unſer geliebtes Europa in feinem damaligen Pflanzenfleid vielfady Proben davon beſeſſen. So fünnten wir, wenn wir ung nicht fürdhteten, unjre Schlüffe zu fühn gleich Luftwurzeln zu machen, fogar von einer Exrdperiode der Luft- und Stelzenwurzeln reden. Auch die Könige der Pflanzenwelt, die majeftätiichen Palmen zeigen in einzelnen ihrer Arten jenes Streben, durd; Verlängerung ihrer Wurzelpfeiler nad) oben ihrer Yänge noch einige Ellen zuzufegen. Eins der auffallenpften Beifpiele zeigt in diefer Hinfiht die Hornpalme Benezuela’8 (Iriartea altis- sima, Palma de cado). Sobald fie ald junges Pflänzhen ihre Stamm- wurzeln gebildet und einige noch unentwidelte Blätter getrieben, jendet fie aus jedem Abfaze, der am Stämmden durd die abfallenden Blätter ent- ftanden ift, eine Luftwurzel aus, die fid) in fchiefer Richtung zur Erde fenft. Im Boden angefommen, erzeugt jede verjelben einen Büchel Faſerwurzeln und gewährt auf dieſe Weife der ganzen Pflanze eine, feite Stütze. Dieje Luftwurzelbildung dauert das ganze Yebensalter der Palme hindurd fort, erftreckt fich jedoch nicht über die ganze Höhe des Stammes, fondern endet in der Stammhöhe von 12—15 Fuß, jo daß dann der höher anjteigende Palmbaum frei ſich in die Lüfte erhebt und nur bis zu ver angegebenen Höhe von den in einem Umfange von etwa 25 Fuß ftehenden armdiden, cylindrifhen, mit weißen Warzen in Yängsreihen bejegten Yuftwurzeln geftügt wird, die bei dem zunehmenden Alter der Palme nicht mehr vereinzelt, ſon— dern ringsum in Menge aus jedem Stammabfage entjpringen. Die in frühern Fahren gebildeten Luftwurzeln jterben meiſt ab und nur die ver letten Jahre, die den Stamm dachförmig umgeben, find der Palme eine fihere Stütze; wird diefe durchgehauen, jo zieht dies den Sturz der Palme unfehlbar nad) ſich, die ihrer gewichtigen Blätterfrone halber ſich nicht mehr länger halten kann. Einige Berwandte der Hornpalme find mit ganz ähnlichen Luftwurzeln verfehen und werden gleichzeitig dadurch interefjant, daß fie durch die legtern auch dem Menſchen einen Dienft erweifen und zwar einen jehr jonderbareın. Eine Reifegefellihaft, welche die Yandenge von Panama forfchend durd)- zieht, ift. ven ganzen heißen Tag hindurch im kleinen, mit Palmenblättern überdachten Boote auf einem Fluſſe entlang gefahren, den man in Erman- gelung einer beſſern Straße benugte. In der Dämmerftunde maht man an einem jandigen Borfprunge Halt und die Diener beeilen ſich, ein erquickendes Nachteſſen herzurichten. Bald lodert ein Iuftiges Feuer, der Topf mit Waſſer und Reis beginnt fein liebliches Lied zu fingen, die hübfchefte Arie für einen bungrigen Magen: — da bringen die gejhäftigen Geifter aus ihren Borräthen Kokosnüſſe hervor und gemeinjchaftlid” mit ihnen merfwärdige Cylinder, die . große Aehnlicyfeit mit den Rollen in den Spieluhren und Drehorgeln haben. Dieje mit Kleinen Stadeln völlig überſäeten Walzen dienen dazu, die Kofos- ferne in einen Brei zu verwandeln, den man dem Keis zufegt, und find nichte anders als die Luftwurzeln ver Zamorapalme (Iriartea exorrhiza) oder einer ihrer nahen Verwandten (I. ventricosa), Auch bei diefer Palmenart 70 Die Luftwurzeln. entſpringen die lebendigen Stützen in gleicher Weiſe immer höher aus dem Stamm, wie letzterer ſelbſt in feinem Wachsthum weiter fortſchreitet. Je nachdem ſich neue entwickeln, ſterben die älteren ab. So ſieht man nicht ſelten einen hohen Stamm dieſer Art nur von drei oder vier Wurzeln geſtützt, jo daß ein Menfc aufredt unter diefen hingehen fann und dabei einen 70 Fuß hohen Baum über feinem Kopfe hat. Jene vegetabiliſchen Neibeifen find auch im ganzen Gebiete des Amazonenftromes im Gebraud und haben vor. gemöhn- lihen eijernen Reiben in dem feuchtheißen Klima nod den großen Bortheil, daß fie nicht voften. In bejcheidenerm Maße zeigen in mwärmern Gegenden Bäume aus jehr verfchiedenen Yamilien die Fähigkeit, Yuftwurzeln zu bilden. So treibt ver fanarifhe Yorbeer (Laurus canariensis) Wurzelgebilde aus jeinen älteren Aeſten hervor, welche fleiſchig, vielfady verzweigt find und einem Hirfehgeweih ähneln. Im Sommer vertrodnen diefelben und im Herbſt er- jegen fie fi) wieder. Alte Stämme find oftmals von unten bis oben mit ihnen behängt. Site wurden ehedem für Schmarogerpilze gehalten, zeigen fid) aber anatomiſch genau als Theile des Lorbeers. Sie entftehen im Saftringe des Stammes, durchbrechen die Rinde, befigen ein weites, von einem Gefäß— bündelfranz umfchloffenes Mark, und ihre Rinde enthält wie jene des Yorbeers ein wohlriechendes Del. Gewöhnlich werden fie A—5 Zoll lang, fühlen ſich Ihwammig an und jehen hellbraun aus. Beim Bertrodnen ſchrumpfen fie zufammen und fallen ab. Das großartigfte Beifpiel von Yuftwurzelbildung liefert der ſchon früher (S. 12) berührte Banianenfeigenbaum des heißen Dftindiens. Alle Kei- ſenden, welche die riefigen Feljentempel von Elephanta und Karli bejucen, ergehen ſich in Schilderungen der eigenthümlichen Waldungen, welche ein ein- ziger Baum zu bilden im Stande ift. Bon den Zweigen herab fenfen fid) wie Gardinen üppige Büfchel von Wurzeln, die das eigenthümliche Vermögen haben, mit einander zu verjchmelzen, fobald fie in Berührung gerathen. Ebenſo leicht jpalten und trennen fie fid) weiterhin wieder und bilden fo die wunderlichften Figuren, bis fie den feuchten Boden erreihen und hier unterir- diſche Wurzeln ausjenden. Bon den Wurzeln des Mangle- Baumes weidyen fie darin ab, daß fie fi, jobald fie den Grund erreicht haben, in Stämme verwandeln, d. h. Zweige mit Blättern treiben, welche erftern dieſelbe Luft— wurzelbildung wiederholen. Schon zu Alerander’s des Großen Zeiten ward einer jener Riefenbäume dadurch berühmt, daß er einem ganzen Heere Schatten gewährt hatte. Hunderte von ftärfern und Taufende von dünnern Säulen tragen das Laubdach, deſſen Aefte und Zweige ebenfo in dichtem Zufammen- hange ftehen wie drunten die Wurzeln im Boden. Den Wohnungen, neben denen der Indier den heiligen Baum mit Vorliebe anpflanzt, wird derfelbe , aber nicht jelten verderblid. Wenige Jahre währt es, fo haben die Luft— wurzeln die Hütte umſtrickt und beeugen fie fo, daß ihre Bewohner gezwungen find, fie zu räumen, da man fid ſcheut, das Sinnbild der ewigzeugenden Schöpferkraft zu verlegen. Selbſt in die Spalten ſteinerner Gebäude treibt 7 UT TER il h) IR = ELF Ei — N Eine Palmprapalme von einer Banianenfeige umſchlungen. 72 Die Luftwurzeln. die Daniane ihre Wurzelfeile ein und zwängt als vegetabiliiher Mauerbrecher die Werkftüden auseinander. Als Commodore Perry mit feinem Geſchwader an den Pinfiu-Infeln hielt, machten einige feiner Yeute einen Ausflug nad) den Ruinen einer alten Stadt. Sie fanden die Thore derjelben verfchlofjen, allein ein Feigenbaum, welcher auf der Stadtmauer gewachſen war, hatte feine Wurzeln an beiden Seiten gleid) Leitern bi8 zum Boden hinabgefenft und ge- ftattete einen bequemen Zugang zum Innern. Bei dieſem außerordentlich kräftigen Wurzelwachsthum der Baniane tritt mitunter ein Freundſchaftsbündniß zwiſchen ihr und der vielbeſungenen Palmyra (Borassus) ein, das dem Dichter ein würdiges Bild von Zärt— lichkeit liefert. In den breiten Blattſcheiden der Palmenwedel ſammelt ſich der Thau und der Regen und hält ſich meiſtens den ganzen Tag lang. Zu— gleich dient die majeſtätiſche Krone vielen Vögeln als Lieblingsſitz, vorzüglich zur Nachtzeit. Es fehlt alſo eben jo wenig an Guano wie an herzugetragenen Pflanzenfamen. Die Kerne anderer Gewächſe, denen eine foldhe Erhöhung zu Theil wird, feimen vwielleiht auch, aber fie fterben bald ab, die Samen der Bantianenfeige dagegen ftreden ihre Wurzeln aus dem Wipfel der Balmyra niederwärts und erreichen glücklich die Erde, wenn dieſelbe nicht zu weit ent- fernt ift, jo daß die überirdifche Nahrung und das, was die feuchte Luft den hängenden Wurzeln bietet, ausreicht. Ber ihrem fchnellen Wachsthum holt die Feige bald nach, was die Nährerin ver ihr voraus hatte und umſchlingt mit Wurzeln und neugebilveten Zweigen die Palme, ohne ihr irgend zu ſchaden. Es ift befannt, daß das gepriefene Indien außer feinen philofophirenden Brahminen, welche in ftiller Betrachtung unter dem wurzelreichen Feigenbaum die erichaffende Urkraft verehren, auch fanatiihe Keligionsfeften befigt, melde der Göttin der Vernichtung dadurd) zu dienen vwermeinen, daß fie fih an harmloſe Wanderer unter allerlei unverfänglihen Masken anjchliegen, um den- jelben bei paſſender Gelegenheit die tödtliche Schlinge über den Kopf zu werfen, fie nady allen Kegeln ihrer ſcheußlichen Kunft zu erdroſſeln und zu berauben. Auch hierzu bietet das Wurzelfyftem entfprechende Seitenftüde won verfchie- denen Gravden. Um Beifpiele davon aufzufinden, brauchen wir nicht gar weit zu gehen. Mit jehr migmuthiger Miene begleitet uns der ſchleſiſche oder weitfäliihe Flahsbauer zu feinem Leinfeld und zeigt uns hier feine vernich— tete Hoffnung. Der Leinwürger (Flachsſeide, Cuscuta epilinum), in Griechen— land unter dem fchmeichelhaften Namen „Muttergotteshaare“ befannt, hat wie ein Filzwerk aus fleifchröthlichen nadeldünnen Faden das ganze Grundftüd überzogen, Stengel nah Stengel umfponnen und völlig verdorben. Die Keimpflanze des Flachswürgers Liegt im Samenkorn fpiralig zufammengerollt. Beim Keimen dringt das lange, etwas verbicdte Wurzelende in den Boden und zieht für die allererfte Zeit aus diefem feinen Unterhalt. Das Stengel: ende ſucht aber fofort nach einer andern Pflanze. Manche Arten der Yladhs- jeive ſchließen fi, wie gewiſſe bereitS erwähnte Wurzelfhmaroger, ganz ſpeziellen Gewächsarten an, andere find weniger wähleriih. Das dünne Flachsſeide. Epheu. 713 Stengelende zeigt nur eine Spur von jhuppenartigen Blattanſätzen, die ſich nie zu eigentlichen Blättern entwideln. Es windet ſich wie eine lebendige Schlange um fein Opfer herum, ein Glasſtab oder ein Stab aus todtem Holz wird nie von ihm umfchlungen. An der Berührungsfläche dringen warzenähnliche Saugwurzeln hervor und üben eine unheimlich zerſtörende Gewalt auf die erfaßte Pflanze aus. Die Zellen ihrer Oberhaut werden ausgeſaugt, und ſinken, ihres Inhalts beraubt, vertrocknend zuſammen. Die Saugwurzeln des Schmarotzers dringen tiefer und bei allen Zellenſchichten, die ſie berühren, wiederholt ſich daſſelbe. Nur Holzzellen widerſtehen dem Andrang. Die Nährpflanze wird ihres Saftes beraubt, der ſchlimme Gaſt wächſt auf ihre Koſten übermäßig. Seine Wurzel iſt längſt abgeſtorben, er hat in Abſätzen Köpfchen aus weißlichröthlichen Blüten gebildet, welche die Größe eines Schrotkorns erreichen. Da er gar keine Blätter bildet, ſo zieht er auch aus der Luft keine Nahrung, ſondern ausſchließlich aus dem erfaßten Gewächs und wenn letzteres unter der vernichtenden Gewalt der Saugwur— zeln erlegen iſt, hat der Räuber bereits den Stengel einer zweiten und dritten Pflanze in der Nachbarſchaft gefaßt und ausgeſaugt. Wie der Landmann den Leinwürger, ſo fürchtet der Gärtner in ſeinem Ge— wächshauſe die warzige Flachsſeide (Cuscuta verru- | lm cosa). Urjprünglid in warmen Himmelsftrichen ein⸗ ng gr heimisch, ward dieſer — Gaſt durch einen un⸗ ders in den Warmhäuſern fein verberbliches Belen. Er ift noch zählebiger und gieriger als fein Namens— verwandter, widelt fich felbjt an Holzſtäben empor und ergreift jede Pflanze, die irgend eine faftige Dberhaut hat. Nur in Gewächſe mit trodner Bor- ZINN fenrinde vermag er nicht einzubringen. Es kommen Szugwurzein einer Flassfeibe, ver- genugjam Fälle vor, daß er wie die Schlange in größert. A. Längsſchnitt durch ein der Fabel ſich in ſich ſelber verbeißt, d. h. in ſeine Stengelſtück der Flachsſeide. B. eigenen Ranken ſeine Saugwurzeln einſchlägt. Reißt er Dr ⸗ ne der Gärtner die derderblichen Guirlanden von feinen Rährpflanze. aa. bie Saugwurzeln Pfleglingen ab und es bleibt irgendwo ein winziges Stüdchen mit feinen Saugmwurzeln hängen, jo währt es nicht lange und die tödtlihen Schlingen jpinnen fih jhon wieder um ihre Opfer. Noch eine andere Art verfelben Gattung, die wohlriehende Flachsſeide (Cuscuta suaveolens) hat von Amerika aus ihre Wanderung begonnen und fi im Berlauf des legten Jahrzehnts über den größten Theil Europa’s verbreitet. Weniger nachtheilig wird ber allgemeine Liebling, der Epheu, den Gewächſen, an denen er fidy fefthält. Er hat als redlicher Arbeiter feine vorihriftmäßigen Wurzeln im Boden und zur Aufnahme der Luftnahrung hinlänglich zahlreiche und große Blätter. Die vielen Haftwurzeln, welche an feinem Stengel entlang hervorſproſſen und die in- ihrem inneren Bau den gewöhnlihen Wurzeln entjprechen, bilden 14 Die Yuftwurzeln. zwar aud da, wo fie Höhlungen treffen, Anfchwellungen und faugnapfähn- liche Verdidungen, allein fie dringen mit denjelben nicht in das faftführende . Zellgewebe anderer Pflanzen jtörend ein und berauben jene nicht ihres Eigen- thums. Cie halten fid) mit denfelben ebenjo gern an Steinen und Mauer- werk feft wie an der abgeftorbenen Borfe alternder Baume und begnügen fic hei letsterer wahrjcheinlicd mit den Produften beginnender Zerfegung. Etwas tragen die Haftwurzeln zur Ernährung des Ephen allerdings bei, denn ein abgejchnittenev Zweig ohne dergleichen ftirbt wiel früher ab als ein folder, der fi) nody mit ihnen fejthält. Ein großartiges Seitenftüd zum Leinwürger bieten dagegen manche Feigen- arten des tropiſchen Amerifa’s, vorzüglich jene, die als ver Mörderſchlinger (Fieus matador) verrufen ıft. Im feuchten Grunde ftrebt fie anfänglid als jelbjtändiges Stämmchen empor, bald aber ſucht fie einen andern Baumſtamm als Stüte zu erreihen. An dieſen fchmiegt fi) der Feigenſtamm innig an und fendet in Abſätzen Seitenwurzeln aus, weldye paarweife den Stamm um- Ipannen und an der entgegengejetten Seite wieder zufammentreffen. Hier, wo fie fich berühren, verwachſen fie mit einander und bilden jo verderbliche Ringe, durch weldhe fie ihren ftügenden Freund langjam zu Tode jhnüren, indem fie fein ferneres Wachsthum erprüden. An die eben gejdhilderte Reihe von Gewächſen, welche —— im Grunde des Bodens wachſen und erſt allmälig mit Hülfe ihrer Wurzeln emporſteigen, theils mit letzteren ſich an ihren lebendigen Stützen nur haltend, theils ſelbige ausſaugend, an dieſe ſchließen ſich jene zahlreichen Gewächſe an, welche niemals die Erde berühren, die droben im Reiche der Luft keimen, droben ihre Wurzeln ausbreiten, bis ſie dort einſt welkend zerfallen. Es ſind die beiden Abtheilungen der ächten und unächten Baumſchmarotzer. Unſere nächſte Heimat bietet uns nur ein Beiſpiel eines ächten Baum— ſchmarotzers in der ſchon früher genannten Miſtel (viscum), die eben wegen ihres außergewöhnlichen Wachsthums ſchon in alten Zeiten angeſtaunt ward. Die weißen Beeren dieſer ſonderbaren Pflanze haben ihre Samenkerne in einem zähen, klebrigen Saft eingebettet, der wegen dieſer Eigenſchaften zur Herſtellung von Vogelleim benutzt wird. Mehrere Vogelarten gehen den Beeren mit beſonderer Vorliebe nach und eine Droſſel hat von dieſer Lieblingsſpeiſe ihren Namen erhalten. Durch die Vögel werden die Samenkerne auf die Zweige der Bäume getragen. Theils mögen ſie unverdaut von denſelben wieder ausgeſchieden werden, theils vielleicht auch am Schnabel hängen geblieben und beim Putzen deſſelben abgeſtrichen worden ſein. Am Keimpflänzchen der Miſtel iſt keine Spur einer Wurzel zu bemerken. Das unterſte Ende deſſelben ragt etwas am Kerne hervor und iſt etwas ſcheibenförmig ange— ſchwollen. Beim Keimen verlängert es ſich und heftet ſich vielleicht durch Ausſcheidung eines Klebſtoffes, den man bei den Saugwurzeln der Flachsſeide auch vermuthet, an die Rinde des Zweiges an. Die noch farbloſen und dünnhäutigen Samenlappen ſind während dem im Sameneiweiß noch einge— Miſtel. | 75 bettet, ſaugen vafjelhe auf und führen e8 dem wachjenden Theile als Nahrung zu. Jetzt bildet fih im Mittelpunfte der Saugfcheibe die Wurzel und dringt in die Rinde und in das junge Zellengewebe des Zweiges ein. Sie benimmt ſich hierbei ganz auf dieſelbe Weife, welche wir beim Yeinwürger ſchilderten. An ihrer Spiße trägt fie eine Art Wurzelhaube, zertheilt fi bald in zahlreiche Arme, die fih nad allen Seiten hin ausbreiten, worzugsweife in der Yängs- richtung des Zweiges wacjen, mitunter ſogar mehr als fußlang fi dort ausdehnen. Auc die Miftelmurzel vermag das Holz nit zu durchdringen, Die Mifter. jobald jelbiges einmal gebildet. Sie bleibt theil® unter der Ninde, wenn and) der Nährzweig fi in den folgenden Jahren durd Bildung neuer Holz- lagen verdidt. So lange die lettern aber nod) in jugendlich zartem Zuftande befindlicy find, fendet fie eigenthümliche Senfer in viefelben feilfürmig hinein, die weder Wurzelrinde noch Haube zeigen und am cheften mit Gefäßbünvdeln verglichen werden fünnten. Jedes Jahr wiederholt fich derjelbe Vorgang; die am tiefften in den Zweig gedrungenen Genfer find die älteften, die für- zejten die jüngften. Ein Tieferwachſen der einmal entftandenen Eenfer ift wegen der Berholzung der Jahresringe nicht möglich, in jeder Wachsthums— 76 Die Luftwurzeln. periode jendet die Wurzel neue aus. Hat fi die Miftel an der Unterfeite des Aftes angeheftet, jo wachſen ihre Senfer doch ſenkrecht in ven letztern, alſo im Berhältnig zum Erdboden nad) oben, ohne ſich durch die Schwerkraft ftören zu laſſen. Gedeiht der Miftelbufc äußerlich nur fümmerlid), wird er vielleicht gar abgehauen, jo treiben ftatt feiner aus den horizontalen Wurzelausläufern ganze Keihen junger Stamm- und Blätterfchofje hervor und ftatt des einen vernichteten Feindes find Schaaren neuer entſtanden. Nur ein Abfterben oder Entfernen des Aftes kann ihn befeitigen. Da die Miftel Blätter trägt, fo nimmt fie aud Luftnahrung auf und führt diefelbe ihren Wurzeltheilen zu. Durh das Diderwerden ihrer Wurzeln und Senfer verdidt ſich die Stelle des Altes, in welcher dieſelben wuchern, gleichzeitig vermehrt aber auch die Nährpflanze hier ihre Thätigfeit und die fnotige Anſchwellung wird größer, je länger die Einwirfung dauert. Solde Bäume, an denen jih Mifteln in überreiher Menge anfiedeln, erfahren deshalb ein trauriges Schidfal, und für Obſtbäume, deren Nuten auf eimer möglichſt ungeftörten Ausbildung und Thätigfeit der vn; und Zweige beruht, wird der Schmaroger in ungleic | höherem Grade gefährlich als für Waldbäume, deren Hauptwerth im Stanıme liegt. Die Miftel ift an feine Baumart ausjchliep- lic) gebunden, fie gedeiht ebenjo auf den Gipfeln der Tannen und Kiefern, wie auf Ahorn, Pap- pel, Birfe und Apfelbaum. Auf Buche und Eiche ZZ ZEIG S — — N } Be) ZN) tot fie jeltener vor und die auf der leßtern wacjenden waren es befanntlih, die von ben Druiden als Wundermittel feierlichjt abgefchnitten Die Miftelwurzeln im Nährzweig; wurden. Auf den Aeſten der ſüdeuropäiſchen EIER. Eichen jiedelt fi die ftammverwandte Riemen— blume (Loranthus) vorzugsweiſe an und fällt durch ihre Shöngefärbten, anſehn— lihen Arten aud mehr in die Augen als die unanfehnlic blühende Miftel. Sie wird von Manden für die Miftel der Druiden gehalten. Mehrere Loranthus— arten, die in reicher Auswahl alle Yander der warmen Zonen bewohnen, werben hierdurch zu wirflihen Ziergewächfen, deren Ueberfiedelung in unfere Gewächs— häufer nur nody mit den Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt hat, welche die Pflege ihrer Nährpflanzen erfordert. Kine auſtraliſche Art derfelben, an welder ein Scharlachvogel jein Neft aufgehangen hat, führen wir beifpiels- weife in der nebenftehenvden Abbildung vor. Die Loranthusarten, welche fid) mit Blüten vom brennendften Roth und leuchtendften Gelb und mitunter bis 3 Zoll Länge behängen, follen übrigens in den Zweig ihres Nährbaumes feine Wurzeln ſchlagen, fondern ſich genau wie eine Knospe an demſelben befeftigen. Ihre Einwirkung ift aber deswegen nicht weniger nachtheilig für ihren Träger, und die Aefte werden durch fie zu Mifbildungen veranlaft, die mitunter wimbderliche Formen annehmen. So wuchern in Guatemala zwei Yoranthusarten auf den Zweigen des Flafchenbaumes (Crescentia) und Kiemenblume, 77 der Cocopflaume und bringen die Spigen derjelben gewöhnlich zum Abfterben. Sobald fie anfangen ihre Nahrung aus dem Zweige zu ziehen, ſchwillt Die Anheftungsftele bedeutend an, das Marf wird ausgejogen, die Holzringe entwideln ſich unvegelmäßig. Iſt der Zweig durd) Entziehung feiner Säfte abgeftorben, fo erfolgt aud bald darauf der Tod jeines Mörders. Die großen Loranthusbüſche ha- BER. ben verblüht und ihre Sa- —— men gereift. Ihre Fäulniß— erfolgt bei dem Klima ihrer Heimat ziemlich raſch, ſie fallen ab und laſſen das verbildete Zweigende zurück, welches nicht ſelten das An— ſehen eines korinthiſchen Ka— pitäls beſitzt. So intereſſant aber die Miſtelbüſche auch ſind, vor— züglich wenn ſie mit ihrem immergrünen Laube zur— Winterzeit den entblätterten Wald ſchmücken und die hungrigen Vögel um ſich verſammeln, ſo prächtig die Loranthusarten mit ihrem prahlenden Blumenſchmuck erſcheinen, ſo haben ſie doch ſtets einen ſtarken Bei— geſchmack nach Räuberei und unedlem Ausſaugerunweſen. Einen ſchönern behaglichern Genuß, der frei von all dieſen ſtörenden Nebenvor— ſtellungen iſt, gewähren da— gegen die ſogenannten un— ächten Paraſiten, zu denen felpflanze hat nur die | Eigenthümlichkeit, viele Ein Theil des unterirdiſchen Kartoffelſtengels mit Zweigen, Knollen und jener Seitenzweige in Nebenwurzeln. a. Eine junge Knolle vergrößert; b. ein Knospe (Auge) ei genthümlicher Weiſe derſelben, ſtärker vergrößert. umzubilden. Sie ver— dickt den Stengeltheil derſelben und füllt das reichentwickelte lockere Zellgewebe, aus dem es beſteht, mit Nahrungsftoff, vorzüglich mit Stärkemehl. Dies find die befannten Knollen der Pflanze. An ihrem Grunde fieht man, fo lange fie noch jung, etwa fo groß wie ein Stecknadelkopf oder eine Erbſe find, noch das Blättchen, in deſſen Achjel fie fich erzeugten. Figur a. auf oben- ftehender Abbildung zeigt die darunter befindliche Kleine Knolle mit ihrem Blätthen an der Anheftungsftelle etwas vergrößert. Die junge Knolle ent- hält venfelben Schraubengang der Blättchen, wie ihn der Stengelzweig zeigt, nur in Folge der Zufammendrängung des Arentheils genähert. Bald fallen Das Innere der Kartoffel. 85 aud) an ihr die Blättchen ab und nur die neuen Seitenknospen bleiben noch übrig, welche in den Blattwinfeln entftanden. Unter jedem diefer jogenannten Augen deutet nod) eine Narbe die Stelle an, wo das Blättchen ſaß. Figur b. zeigt ein Auge der Knolle etwas vergrößert und der Länge nach durchſchnitten. Es läßt fich deutlich als Knospe erfennen, enthält in ver Mitte die winzige Spite des fünftigen Stengel$ und an den Seiten derfelben bereits ein Paar Ihuppenartige Blattgebilde. Die junge Knospe wird bei ihrem fünftigen Wachstum ihre nächſte Nahrung aus dem Inhalt der Knolle entnehmen, bis fie ihren Stengel verlängert und hinreihend Nebenwurzeln getrieben hat, welche im Stande find, für ihr weiteres Fortlommen zu forgen. Die ganze Abbildung, melde auf vorhergehender Seite beigefügt, zeigt ung alfo feine Hauptwurzel der Kartoffel, — eine ſolche im Sinne der Wiſſenſchaft würden wir überhaupt nur an einer aus dem Samen erzogenen Pflanze finden fünnen, — wir haben einen unterirdi- ſchen Stengel vor uns, deſ— jen Blätthen abgejtorben oder zu klein find, um in der Zeichnung dargeſtellt werden zu fünnen. Bon den Stellen, an denen fie fich befanden, jehen wir zweier— lei Organe entwidelt, aus den obern Blattwinfeln näm— lich unterirdifche Aeſte mit ihren verdickten, fugelig um— gebilveten Zweigen, d. h. ven Kartoffeln. Wir fünnen Zellgewebe im Innern einer Kartoffel. (Nah Dr. M. Willkomm.) auf der Zeichnung fait alle | Stufen ihrer Ausbildung verfolgen. Unterhalb der Aefte entjpringen die Neben- wurzeln, welche in Gemeinjchaft mit den grünen Theilen des Oberftods die Nahrung jenen unterirdiihen Magazinen zuführen. Wir thun jest einen Blid ins Innere der Kartoffel und fertigen ung mit dem Kafiermeffer einige möglichft zarte, durchſichtige Schnitten an, die wir mit einem Pinfelhen und etwas Waſſer auf ein Glasſtückchen übertragen umd unter das Mifroffop bringen. Das Ganze zeigt und ein Bild, als hätten wir ein Stüdchen Spigengrund vor uns; durd Schnitte nad) ver- ſchiedenen Richtungen hin, zum Theil auch ſchon durch verjchiedene Eimftellung des Glaſes, mittelft welcher wir den Berlauf der Zellmände verfolgen, über- zeugen wir uns, daß wir ein Zellgewebe vor uns haben, das in etwas Aehnlichfeit mit den Zellen des Bienenftodes befitt, nur daß es nicht ganz 86 Die nahrımnaliefernden Knollen. die Negelmäßigfeit des Lettern zeigt. Die einzelnen Zellen ftellen aud nicht jechsfeitige Säulen dar, wie die Wachskämmerchen der Bienen, jondern Polyeder. Die äußere Schale ver Kartoffel befteht aus Zellen von ähnlicher, nur mehr plattenförmiger Bildung, die Wände verfelben find derber und gelb- bräunlih von Farbe. Ihr Innerfs iſt lufterfüllt. Der zarte Zellſtoff, aus dem fie anfänglich gebildet waren, hat ſich in fefteren Korfjtoff umgewandelt und diefe Umänderung erjtredt ſich auf je mehr Zellenſchichten, je dickhäutiger die Rartoffelforte ift. Iſt die Knolle noch jung, vielleiht nur 2 Linien im Durchmeſſer, jo befitt ihre Schale einzeln ftehende Spaltöffnungen (Stomata), durch welche ein Austaufc von Yuftnahrung vermittelt wird. Diefelben find von je 2 Zellen umfchloffen, die faft halbfreisfürnig geftaltet find. Bet wei- term Wahsthum der Kartoffelfnolle fängt eine ftarfe Zellvermehrung Dicht unter der Spaltöffnung an, wodurd dieſe über die Oberhaut erhöht wird; endlich werben ihre beiden Zellen weit von einander entfernt. Dieſe Wuche— rung des Zellgemebes unter der Spaltöffnung geht in feuchtem Boden be- jonders ftarf von Statten; die Knolle erfcheint dur fie dann mit weißen, glanzlofen Erhabenheiten von der Größe eines Mohnferns auf ihrer Außen- jeite verfehen. Aeußert nun der Ader durch chemische Berbindungen, die er entweder von Natur enthält oder durch Düngung empfangen hat, einen zer- jeßenden und zerftörenden Einfluß auf diefe Zellgemeb8-Wucherungen, welche forfartiger Natur find, fo treten fie in noch erhöhterem Mafftabe ein; auch freffen Inſekten hier die Knolle am eheften an. Später bildet fi Darunter eine wirflihe Korkſchicht. Auf der erwachſenen Knolle bieten fie dann die Erjheinung dar, welche man Poden oder Schorf genannt hat. Die Zellen im ‚Innern der Kartoffel zeigen ducchfichtige, farblofe Wände. Sie find von Saft erfüllt, in dem Stärfeförner von anfehnlicher Größe ſchwimmen. Je weiter nad) der Mitte der Knolle, je dichter find die Zellen mit diefen Körn- hen ausgeftopft. Bei ftarfer Vergrößerung zeigen vie letztern, daß fie aus einzelnen Schichten beftehen, die ſich aus der Zellenflüffigfeit allmälig aus- Ichieden und um einen winzig Fleinen Kern legten. Betupfen wir jett das Schnitten mit etwas Jodtinktur, fo farben ſich die Stärfeförner blau und heben ſich dadurch noch mehr von den Linien der Zellenwände ab. Zugleich jondert fi) aber aus dem Zellſafte ein Stoff in Form fehr feiner gelber Körner aus, deſſen Borhandenfein wir vorher nicht ahnten. Es ift Dies Eiweißſtoff, deshalb jo genannt, weil er eine ähnliche chemische Zufammen- jegung befist wie das thierifhe Eiweiß. Beim Kochen gerinnt er ebenfo wie das leßtere und ift wegen feines Stidjtoffgehalts fir die Ernährung vorzüg- lich von Wichtigkeit. | Durch Zerreiben auf einem Keibeifen fünnen wir ſchon auf mechanischen Wege die meiften Stärkekörnchen der Kartoffel aus ihren Zellen befreien, indem wir die lestern zerreißen. Schütten wir zu dem Gereibſel Waffer, rühren e8 um und gießen es dann durch ein feines Haarfieb, welches bie Chemiſche Zuſammenſetzung der Kartoffel. Georgine. 87 Zellenmaſſen zurückhält, ſo erhalten wir eine milchige Flüſſigkeit, die ſich ab— klärt, ſobald wir ſie ruhig ſtehen laſſen. Die Stärkekörner haben ſich als feinkörnige Maſſe auf den Boden geſetzt; die darüberſtehende Flüſſigkeit be— ſteht aus dem Waſſer und dem Zellſaft der Kartoffel; erhitzen wir ſie bis zum Sieden, ſo gerinnt der darin aufgelöſte Eiweißſtoff und ſchlägt ſich flockig nieder. Es iſt uns außerdem aufgefallen, daß jenes Waſſer einen fatalen kratzenden und widerlichen Geſchmack angenommen hatte, der uns auch die rohen Kartoffeln zuwider macht. Es rührt derſelbe von dem darin ent— haltenen Solanin her, einer Subſtanz, die, in größern Mengen genofjen, als Gift wirft und bei Thieren einen beſonders ſchädlichen Einfluß auf Die hinteren Glieder zu erfennen giebt. Unter Umftänden fann die Kartoffel da— durch zur Arznei werden, freilich zu einer ſolchen, die fidy unangenehm ein- nimmt. Der Polarfahrer Dr. Kane erzählt uns, daß feine jforbutfranfen Matrojen, die fih meder vor den Eisbären, den Eskimos, noch vor den Gefahren des Polar— winters gefürchtet, fich doch jehr gefträubt hätten, rohe Kartoffeln zu verfpeifen, obſchon er ihnen durch fein eignes DBeifpiel ihre heilfamen Wirkun— gen gezeigt. Mehr als in ven Knollen findet ſich das Solanin in den jungen Sprofien, auch ent- halten unausgebildete Knollen reichlihere Mengen davon als ältere. Durch das Kochen entfernen wir Die unangenehme Beigabe, Stärfe und Eiweiß bleibt in den Knollen zurüd. Reibt man. die Stärfe in einem Adhatmörjer, vielleiht noch mit Beimengung von etwas Sand, jo Löft fie ſich jelbft in faltem Waſſer auf. Für gewöhnlich bleibt fie in letzterem ungelöft und quillt erft auf, fobald wir fochendes Waffer anwenden. Hier- bei zerjprengt fie die einfchliegenden Zellenmände er und die Knolle zerfällt in eine mehlige Mafle. Knollen der Georgine (Dahlia Ein anhaltender Froſt zeriprengt die Zellen ep, der Rartoffelfnollen ebenfalls, der Zellfaft miſcht fi) und wird zugleich durch äußere Einflüffe verändert, er beginnt bald in Fäulniß überzugehen. Die Stärfeförner befigen aber eine größere Widerſtandsfähigkeit und find felbft in erfrorenen Knollen noch gut erhalten, deshalb laſſen fich legtere noch gut zur Stärfegewinnung verwerthen. Es finden fih an zahlreihen andern Pflanzen ebenfalls Knollen— bildungen, die mehr oder weniger einen ähnlichen Bau und eine verwandte Entjtehungsweife zeigen wie die Kartoffel. Bei der vielgezogenen Georgine bildet fi) der Theil zwifchen den Keimblättern und dem erften Nebenwurzel- paar zur Knolle um. Auffallend find die Veränderungen, welche die Kultur in der Kar— 88 Die nahrınaliefernden Knollen. toffelfnolle hervorgerufen bat. Die Knolle der wildwachſenden Pflanze joll bisig und bitter fein. Noch vor 20 Jahren unterſchied man ſcharf zwei Gruppen von KRartoffelforten: Speifefartoffeln von angenehmem Geſchmack und fogenannte Futterfartoffeln, die fi wegen ihres unangenehmen Geruchs und widerlihen Gejhmads nur zur Viehmäftung verwerthen ließen. SHeut- zutage find die legten fait ganz verſchwunden. Ebenſo hielt man früher alle Kartoffeln, die vor dem September der Erde entnommen wurden, für unge- fund, gegenwärtig hat man bis zur fogenannten Sehswocdenfartoffel eine Menge Mittelforten, die in viel Fürzever Zeit ihre Wachsthumsperiode voll- enden. Frühreifende Kartoffeln hat man vorzüglich dadurch zu erzeugen ge- ſucht, daß man Knollen während des Winters möglihft jorgfam ſchützte, fie vor dem Froft verwahrte und fie nicht zu dicht aufeinander ſchichtete, damit fie niht durch Exhiten zu feimen begannen. Dann feste man fie bei geeig- neter Temperatur einer anhaltenden Einwirkung von Liht und Luft aus, und nachdem man fie jo gehörig geftärft, übergab man fie dem gut zubereiteten Boden. Seit Algerien der Gemiüfegarten für Paris geworden ift, ſpeiſt man in legterer Stadt fhon im März neben dem herrlichiten Spargel, jungen Erbſen und Erdbeeren auch junge Kartoffeln. Ein Feld mit Kartoffeln bebaut Liefert einer größeren Menge Menjchen und Thieren Nahrung, als wenn dafjelbe mit Hülfenfrüchten bejüet wäre, wenn fchon der chemiſche Beitand ihrer Stoffe bedeutend an Güte hinter letzt— genannten zurüdjteht. Dieſe Erfahrung beförderte ſchließlich den Anbau der Knollen in manchen Gegenden in unverhältnißnäßiger Weile und mußte bei einem Unfall, dem ja diefe Pflanze wie alles Irdiſche aud) ausgeſetzt ift, wiederum ebenſo nachtheilig auf die Bolfswohlfahrt wirken, wie ehedem die ausſchließliche Kultur einer Getreiveart. Kaum war dies in einem andern Lande in ftärferm Grade der Fall als auf Irland. Als deshalb im Jahre 1739 ein ftarfer Nachtfroſt die gefammte Kartoffelernte vernichtete, jtellte ſich auch fofort eine Hungersnoth ein, welche wie gewöhnlid ein Heer von Kranf- heiten in ihrem Gefolge führte. Seit jener Zeit war felten ein Yahr von Kranfheitserfheinungen der Kartoffel frei, die fid) einmal mehr als ſchwarze Fäule, ein andermal als trodene Fäule, fogenannter „Unfegen‘, bemerklich machten. Die Krankheit der Kartoffel blieb aber nicht auf die grüne Inſel beihränft, fie trat, wie die Cholera, ihre Weltreife an und verwüſtete die Ernten Europa’8 und Amerifa’s. 1840 und 1841 beeinträdhtigte Die trodene Fäule einen großen Theil des Ertrags in Deutfchland. Die nafje Fäule, welche fi ſchon 1843 in Amerifa in ausgevehnterm Grade bemerklich ge- macht hatte, brach 1845 in Europa in wahrhaft jchredenerregender Weiſe aus und ergriff mindeſtens neun Zehntel der Kartoffelpflanzungen, indem ſie wenigftens ein Drittel, oft die Hälfte des Ertrags, mitunter jogar den ganzen zerftörte. Noch furchtbarer ward das Uebel, da fi im einzelnen Jahren nod) ſchlechte Ernten des Getreides dazu gefellten und die Krankheit der Kartoffel von Jahr zu Jahr wieverfehrte. Die ftatiftifchen Tabellen berichten, daß Kartöffelfrantheit. Kartoffelſchimmel. 89 1842 in Irland in Folge der Kartoffellranfheit 187 Menſchen buchitäblich Hungers geftorben find, troß aller Hülfe, die man dem unglüdlichen Lande zu bringen verfuhte. 1845 fteigerten fid) die Todesfälle in Folge von Nah- rungsmangel auf 516, 1846 auf 2041, 1847 auf 6058, und in den beiven Sahren 1848 und 1849 auf 9395. 1850 nahmen fie raſch ab und betru- gen 1851 nur 652. In dem Jahrzehnt von 1842 — 1851 ftarben in Ir— land 71,770 Berfonen durd Hunger. Dabei find noch gar nicht jene viel zahlveihern Opfer in Rechnung gebracht, deren durch unzureichende Nahrung geſchwächter Körper an zahllofen Fiebern und an Dysenterie erlag, die der Hungersnothb auf dem Fuße folgten. Die Krankheit des Knollengewächſes griff in der folgenfchwerften Weife tief ins Leben der Völker ein. ie ver- anlaßte und beförderte den Strom der Auswanderung nad) dem fernen Welten in ausgebehnteftem Maße, brach in England dem Freihandel Bahn und vief auf dem Spefjart, in dem obern Erzgebirge, in DOberfchlefien und in ähn— lichen, jtets von Armuth gedrückten Gegenden Deutſchlands eine Hungerpeſt hervor, die durch die Verwilderung, welche ſie in der zur Verzweiflung ge— brachten Bevölkerung erzeugte, der Schrecken größten, einen Bauernkrieg, zu erzeugen drohte. Die Wirkungen, welche die Kartoffelkrankheit auf die Wohl— fahrt, Entwickelung und Verbreitung ganzer Völker ausübte, ſind ſtärker als jene, die mancher blutige Krieg hervorrief. Zu natürlich war es daher, wenn die Kartoffelkrankheit zu den Tagesfragen gehörte, wenn fid) die tüchtigften Forſcher mit der Erklärung diefer jchredenerregenden Erſcheinung befhäftigten und wiſſenſchaftliche Ver— “eine durch Preife anfpornten, die Schlüffel zur Löſung des Räthſels und Mit- tel zur Beſeitigung des Uebels zu finden. Die Anfichten waren, wie voraugzufehen, jehr getheilt. Ausſchließlich im Boden oder in den Witterungsverhältniffen die Urſachen zu finden, erſchien ſchon deshalb unftatthaft, da die Krankheit in den verfchiedenften Bodenarten und Klimaten, felbft auf den fonnenhellen fanarifchen Infeln, in ziemlich glei- her Stärke auftrat. Schon früh war man darauf aufmerfjam geworden, daß ſowol an dem Kraut, welches ſchwarze Flecken zeigte, als auch an dem franfen Knollen ſich Schimmelpilze zeigten. Die einen Forſcher erklärten dieſe für die Erzeuger der Krankheit, andere bezeichneten fie nur als die mehr zu- fälligen Begleiter verfelben. Sowie fi) die Haififche um das finfende Schiff fammeln, die Geier und Schmeißfliegen das faulende Fleiſch umſchwärmen, jo ſiedeln ſich die Pilze aud) am der Kartoffel erjt dann an, wenn fie bereits frank geworben und in der Zerſetzung ‚begriffen ift. Die Mehrzahl hat ſich gegenwärtig aber doch dahin geneigt, in den Pilzbildungen einen tiefer grei- fenden Antheil zu vermuthen. Als Häuptftörenfried bezeichnet man ven Kar— toffelſchimmel (Peronospora trifurcata). Seine feinen Yortpflanzungs- zellen, die Bilziporen, überwintern im Ader und gelangen während des Som- merd wahrſcheinlich durch jogenannte Zufälligfeiten, durch Wind, Ameifen, andere Infeften u. ſ. w. auf die Blätter der Pflanze. Hier gemährt ihnen 90 Die nahrungliefernden Knollen. vorzüglich die Unterfeite derſelben wegen ihrer rauhen Behaarung und wegen der zahlreichen Spaltöffnungen, von denen auf einem Duadratzoll gegen 1800 befindlich find, einen geeigneten Plat zum Weiterentwideln. Die feimenven Sporen dringen, mit rafhem Wachsthum fadenförmige Schläuche entwickelnd, durch die Spaltöffnungen in das Innere der Blätter ein. Das Zellgemebe des lettern wird ausgefogen und finft verfchrumpfend zufammen, währen die Pilzfäden auf ihrer verderblichen Bahn meiter eilen. Sie verzweigen ſich a. Der Rartoffelfrautfhimmel (Peronospora trifurcata) aus dem Zellgewebe eines Rartoffelblattes ber- vorbrechend. b. Kartoffelfnollenfhimmel (Fusidium Solani). — Aus M. Willtomm’s „Mikroſtkop“, 2. Aufl. und fenden bald danach bereit® Seitenzweige durch die Spaltöffnungen hin- aus, melde an ihren Epiten neue Kortpflanzungszellen tragen, die im Kleinen die Geftalt der Citrone nahahmen. Letztere fallen bald ab, werben vom Winde weiter getrieben oder gelangen auf die Erde und durch Regenwaſſer, Inſekten u. f. w. bis zu den Knollen. Auf Ietteren wachſen fie von Neuem aus und zwar am leichteften an ſolchen Arten, die ihnen durch eine zarte Schale am bequemften zugänglich find. In den veränderten Berhältnifjen Kartoffelpilze. 91 nehmen aber die Fäden, die aus ihnen entſtehen, auch eine andere Geſtalt an und erzeugen in den Knollen jenes Fadengeflecht, das man ehedem als be— ſondere Pilzart unter dem Namen Oidium violaceum betrachtet hatte. Am üppigſten gedeihen ſie in ſolchen Kartoffelzellen, die weniger Stärkemehl ent— halten und reicher an Zellſaft ſind. Sie führen eine Zerſetzung derſelben her— bei. Ob die beiden andern Pilzformen, die man als Kartoffelpilz (Fusi- dium Solani) und als weißen Knollenſchimmel (Spicaria Solani) beſchrieben a. Oidium violaceum, in den Zellen einer Kartoffelknolle wuchernd. Einzelne Stärfeförner find noch un— verändert, andere find von den Pilzfäden durchſetzt. b. Weißer Knollenſchimmel (Spicaria Solani). — Aus M, Willlomm’s „Mikroſkop“, 2. Aufl. hat, ‚exit an den Knollen eintreten, wenn diefelben in Fäulniß übergegangen, oder ob fie beide vielleicht auch nur befondere Formen des erftgenannten Zer- ftörerd find, ift zur Zeit noch nicht entſchieden. Je feuchter der Boden, je vegenreiher der Sommer, deſto günftiger ift er der Entwidelung der genann- ten Verderber, defto ftärfer wird aud die Krankheit auftreten. Mehrere Bertreter der entgegengefegten Anficht, welche die Pilze nur als fpäter hinzugefommene Gäfte betrachten und die Krankheit in der geftörten 92 Die nahrımgliefernden Knollen. Entwickelung der Kartoffel ſelbſt ſuchen, befürdteten ſchließlich, das Gewächs ſei durch die Kultur ſo ausgeartet, daß es ſeinem gänzlichen Ausſterben ent— gegengehe. Sie betrachteten die Knolle nur als einen Theil der alten, vor— ſährigen Pflanze und meinten, als ſolcher ſei ſeine Lebensdauer von vorn herein auf eine gewiſſe Reihe von Jahren beſchränkt. Es ſei nöthig, durch Samen eine Erneuerung herbeizuführen, und dies um ſo mehr, als wahr— ſcheinlich auch die gegenwärtig vorhandenen Sorten durch die Kultur in einen krankhaften Zuſtand gebracht worden ſeien, der demjenigen der Treibhaus— pflanzen ähnele, und ihre Widerſtandsfähigkeit gegen äußere Einflüſſe bedeu— tend geſchwächt habe. Sie beſchäftigten ſich deshalb mit der Frage: ob es nicht gerathener erſcheine, die Kultur der Kartoffel gänzlich aufzugeben und ſich nach einem Erſatz für ſie umzuſehen. Auch aus Rückſichten auf den Nahrungsgehalt der Kartoffelknollen ſei dies faſt wünſchenswerth. Dieſelben enthielten in ihrem Stärkemehl 10 — 12mal mehr Stoffe, welche ſogenannte Fettbildner ſeien, als fie fleiſcherzeugenden Eiweißſtoff beſüßen. Das Blut enthalte aber umgekehrt 35mal ſo viel Eiweiß als Fettſtoffe. Die Kartoffel führe mithin kaum den funfzehnten Theil der Menge des Eiweißes, das im Blute regelmäßig vorhanden iſt, ſei deshalb zu einer naturgemäßen Ernäh— rung nur unzureichend. Immerhin bot aber eine Knollenfrucht, welche auf einem kleinen Bodenraum eine möglichſt große Menge Speiſe, wenn auch von geringerer Güte, erzeugte, zu viele Vortheile, als daß man ſo ſchnell auf ſie verzichtet hätee. Man ſah ſich deshalb nach einem paſſenden Erſatz um und faßte bei dieſer Gelegenheit diejenigen Knollengewächſe ins Auge, welche bereits in andern Gegenden kultivirt werden. So machte man Verſuche, eine meldenähnliche Pflanze, von den Bota— nikern Ullucus tuberosus genannt, zu bauen, welche auf den tropiſchen Kor— dilleren ſeit lange zur Speiſe benutzt wurde. Die kartoffelähnlichen Knollen derſelben, die ein wichtiges Nahrungsmittel in ihrer Heimat ausmachen, zeig— ten ſich aber bei uns weder an Größe, noch an Mehlreichthum und Wohl- geſchmack der Kartoffel gleich. Dazu fiel ihre Reife ſo ſpät in den Herbſt, daß ein ſicherer Erfolg ſehr zweifelhaft wurde. Mehr verſprach man ſich von der ſogenannten Baſtard-Zuckerkartoffel, die Klotzſch dadurch erzeugt hatte, daß er Blütenſtaub der Kartoffelblume (Solanum tuberosum) auf die Narbe einer amerifaniihen Kartoffelart (Solanum utile) übertrug. Die Knollen, welche fie weniger an Ausläufern zerftreut, fondern dicht am Stamme bildete, waren von angenehm faftanienartigem Gefhmad, mehlreich, von Lieb- lichem Aroma und konnten felbft einige Grade Kälte unbefchadet ertragen. Ob fie freilich von dem Pilze verfchont bleiben würden, wenn dieſer doch die Beranlaffung der Epidemie fei, war eine andere Frage. Es erſchien dies um fo weniger wahrfcheinlich, als gleichzeitig mit der Kartoffelkrankheit die Ueber- bandnahme des Schimmelpilzes (Perosoma) auf andern Nachtſchatten— gewächfen, zu denen befanntlicd die Kartoffel gehört, beobachtet worden mar. Sp mar dies bei Paris mit den fogenannten Tomaten oder Liebesäpfeln Erjat der Kartoffel. Berbreitung der Knollengewächſe. 93 (Solanum etuberosum, Lycopersicum) der Fall, deren Früchte man in der franzöfifchen Küche in ausgedehntefter Weife benust. Ganze Saatgärten ver- ‚ felben gingen durd) den auf Blättern und Stengeln wuchernden Pilz zu Grunde. Borzüglih war man im wärmern Frankreich thätig, Erſatzpflanzen für die Kartoffel zu verfuchen. Die Boussingaultia baselloides, ebenfalls ein Melvdengewähs wie der oben genannte Ullucus, das ſchon längft von den Bewohnern des peruaniſchen Hochlandes fultivirt ward, ferner zwei Hülfen- früchtler (Leguminofen): Apios tuberosus und Psoralea esculenta, beide aus Nordamerika ftammend, lieferten feine beſſern Kejultate. Wir machen hierbei darauf aufmerkſam, daß bei ſehr vielen Gewächſen diefer Familie die Neigung zur Knollenbildung vorhanden ift. Bei einem Ueberblid über die fnollentragenden Gewächſe der Erde finden wir diefelben über alle Kontinente zerjtreut, vorwiegend aber in Amerifa. Wenn man die eßbaren Zwiebeln mit dazu zählt, kann man gegen 100 ver- jelben anführen. Sie gehören den verfjchiedenften natürlihen Familien an, borzugsmeife den Solaneen, Aroideen, Cuphorbiaceen, Divscoreen, Con— voloulaceen, Leguminoſen, Eruciferen, Araliaceen, Umbelliferen, Campanula- ceen, Irideen, Viliaceen, Smilaceen und Farnen. Die meiften von ihnen enthalten außer dem nahrunggebenden Stärfemehl einen mehr oder mwentger Iharfen, giftigen Stoff, der ſich aber gewöhnlich durch Kochen und Köften entfernen läßt. Die Inollentragenden Gewächſe, die urfprünglich bei ung ein- heimiſch find, 3. B. die fnollige Walverbje, ein Kälberfropf, die große Fett: benne, der Perchenfporn u. a. haben theils zu wenig und zu fleine Knollen, theil8 find die legtern von zu unangenehmen Geſchmack, jo daß fie uns feinen Bortheil gewähren. Vom Rapunzel (Phyteuma), der Kapunzelglode (Cam- panula Ranunculus und Cervicaria) find die Wurzeln ebenfalls nur von untergeorbneter Bedeutung. Südeuropa hat zwei Doldengewächſe: die Knollen— dolde (Bunium denudatum) und die Erpdfajtanie (Carum bulbocastanum), die ihrer Knollen wegen als Gemüfe angebaut werden. Auch Bunium feru- laefolium, die Topana der Türfen, ebenfalls ein Dolvdengewädhs, wird auf Kandia und Cypern zu gleihem Zwede verwendet. Die Zuderwurzel (Sium Sisarum) giebt hier ein angenehmes Gemüfe. Unter vem Namen Schwarz wurzel wurden feit Langem mehrere Arten der Sforzonen fultivirt und verzehrt. Schon bei den alten Römern war die Wurzel der gemeinen Macerone (Smyr- nium olusatrum), fowie deren Verwandten, der durchwachſenblättrigen Mace- rone (Sm. perfoliatum), als Gemüſe in Gebraudy und ward durch Kochen von dem ftarf bittern und gewürzhaften Gejchmade etwas befreit, den fie im frifchen Zuftande bejitt. Die gemeine Moluffe (Moluccella laevıs), eine La— biate, wird im Drient auch wegen ihrer gewürzhaften, melifjenartigen Wurzel geliebt. In Südfrankreich kultivirt man zu demfelben Zwede die Stacheldolde (Echinophora spinosa) und in England hat man neuerdings aud) den Sumpf- ziehft (Stachys palustris), angebaut, um feine verdidten Wurzeltriebe zu ver— ſpeiſen. In Griechenland ift auch die Knolle der perfiihen Erdſcheibe (Cy- 94 Die nahrımgliefernden Knollen. clamen persicum) im Gebraud). In der Umgegend von Garepta werben die Knollen von Chaerophyllum Prescottii und die fehr langen Wurzeln von Eriosynaphe longifolia, welche aromatiſch und ſehr wohlſchmeckend find, von den Bewohnern begierig aufgefucht und zur Speiſe verwendet. In Nordamerika genießt man die fleinen Knollen eines Knöterich (Poly- gonum viviparum), die, beſonders mit Mildy zu einem Brei verarbeitet, leid- lich ſchmecken jollen. Ebenfo find die fleifhigen Wurzeln von mehreren Nadıt- ferzen-Arten (Oenothera biennis, grandiflora, muricata) gebräuchlich. Die Wurzel der Knollwide (Glyeine Apios), die man in Pennſylvanien, Ka— rolina und Birginien trifft, befigt einen angenehmen, artiichofenähnlichen Geſchmack. Außer den ſchon oben genannten beſitzt das wärmere Amerika mehrere Arten, die in dem —— jener Länder eine wichtige Rolle ſpielen. In Bra— ſilien tritt die Caſſava oder der Ma— niof (Manihot utilissima) in den Vor— dergrumd und giebt uns gleichzeitig ein Beiſpiel, in welcher Weije es die Natur den Bewohnern heißer Klimate leicht macht, für ihren Unterhalt zu jorgen. Allen Europäern, melde die heißen Ge— biete der neuen Welt beſuchen, erregt es Derwunderung, wenn fie jehen, welche feine Stüden Kulturland in der Um- gebung der Hütten ausreichend find, die Bepürfnifje einer Haushaltung zu be— friedigen. Eine hervorragende Stelle in dieſen Gärten nehmen die Manioffträuche ein, die mehr als mannshoch empor- ſchießen. Man jenft fie als Feine Sted- / linge in ven Boden und nad) 8—9 Mo— Zweige der Maniot (Manihot utilissima). naten find fie zur Ernte reif. Der ganze Oberſtock mit zahlreichen Aeſten und lang- geftielten 3—Tlappigen Blättern und wenig anfehnlichen Blütentrauben, ftrott von weißem Giftfaft und deutet ſchon hierdurch auf feine Verwandtſchaft mit den Wolfsmilchpflanzen (Euphorbiaceen) hin. Auch der große Wurzel- fnollen, der bis 30 Pfund jhwer wird, und im weldem ber Werth des Gewächies liegt, ift gifterfüllt, wird aber dem Vieh ſchon gentegbar, wenn er eine zeitlang in der Sonne gelegen hat. Der Indianer fannte diefen im Boden verborgenen Schaß feines Landes längft, ehe Europäer ihn heimſuchten. Er zerkleinerte die Wurzel und prefte das Gereibfel in der Blütenfcheive einer Palme aus. Der austräufelnde Saft diente ihm als ſchnelltödtendes Pfeilgift. Durch Röften am Feuer verflüch— tigten fi) die legten Spuren des ſchädlichen Stoffes und zwiſchen heißen Der Maniof. Die Batate. 95 Steinen jtellt die Indianerin aus dem Satmehl ein Brod dar, das mohl- Ihmedend und gefund ift. In Brafilien haben die eingemanderten Europäer den Anbau des Maniof in großem Maßftabe fortgefegt. Eine Unzahl klei— nerer oder größerer Handmühlen, fowie folhe, die durch Waſſer oder Vieh getrieben werden, find beſchäftigt, die Wurzel zu zerfleinern, und auf großen Darröfen bejeitigt man die Schärfe vollends, welche durch die Preſſe nicht ſchon weggeſchafft ward. Brod jtellt man bier jeltener dar, jondern bietet bei Tiih die Caſſava in Form eines groben Mehls, das den Neuling un- willfürlih an Sägejpähne erinnert. Man jest fie in den größern Städten und bejjern Haushaltungen in hübſch ladirten Körbchen auf den Tiſch und jeder Gaſt langt fih mit dem Löffel feinen Bedarf daraus zu, den er ftatt des Brodes der Speije zufügt. Stellt man durch Ausjchlemmen das Stärfe- mehl des Maniof vein von dem Faſergewebe dar, jo nennt man ed Man- Dioeca, während man die gewöhnliche Form als Tapiocca bezeichnet, Um eine Familie mit Maniof zu ernähren, ift ein 6mal Fleineres Stüd Land nöthig, als wenn man dieſelbe durch Weizenbau erhalten wollte, Zwiſchen den Maniofgefträuchen der brafilianifchen oder merifanischen Pflanzung jhlingt die Batate oder Camote (Batäatas edulis) ihre langen Kanfen hin und bildet mit ihren fehöngeformten Blättern und den großen Zrichterblüten eine dichte Dede über dem Boden. Die leßtern find immer rojenroth, außen weiß, und laffen das Gewächs fofort als eine nahe Ver— wandte unferer Winden erfennen. Eine Spielart der Batate ranft mit ihren Stengeln an Gefträuchen und Mauern empor, während eine andere ſich mehr an der Erde hält. Wie bei dem Mantof ift es aud bei der Batate die angefhwollene Wurzel, welche den Mehlvorrath enthält. Wir faffen in die— jem Ueberblid alle jene Gewächſe zufammen, deren unterirdiſche Theile in der Nationalöfonomie als Brodlieferanten herportreten, ohne fie ftreng danad) zu jondern, ob dieje Borrathsmagazine achte Knollen, mehlreihe Wurzeln oder ftärfehaltige unterirdiſche Stammftöde find. Die Batate wächſt noch jchneller als der Maniof und macht ſchon nad) 3 bis A Monaten die Einfammlung der Knollen möglid. Da in jenen Klimaten fein Froſt Halt gebietet, jo iſt es möglih, auf demfelben Grundftüd im Yaufe eines Jahres bis 3 mal abzu- ernten, Site begnügt fi) ferner nicht blos damit, an ihrer urſprünglichen Wurzel Knollen, jo groß wie 2 bis 4 Fäufte, zu erzeugen, jondern ſenkt von den Knoten des auf der Erde fortkriehenden Stengeld neue Nebenwur- zeln in den Grund, die ebenfalls zur Knollenbildung Veranlafjung geben, Bon den zahlreihen Spielarten, die man aus ihr erzogen hat, find bejon- ders zwei als die beiten im Kuf, die eine mit weißem, die andere mit gelbem Fleiſche. Die Außenfläche der Knollen ift wie bei der Kartoffel hellbraun oder röthlic gefärbt, was, wie bei leßterer, von der Färbung des Zelljaftes unter der dünnen Korkſchicht abhängig if. Durchſchnitten hat die Bataten- fnolle ganz das Anjehen einer Kartoffel und zeigt Marf und Rinde, Die Gefäßbündel, welche das an Stärfemehl und Zuder reihe Gewebe durch— 96 Die nahrungliefernden Knolen. ziehen, enthalten jedoch auch einige Milchſaftgefäße, aus denen beim Durch— ſchneiden ein weißer Saft austritt. In ihrer Heimat gedeiht fie auch noch in anſehnlicher Erhebung über den Meeresjpiegel bis zu 8000 Fuß recht gut und ıft vorzüglich für die Sklaven mancher Diftrifte während des ganzen Jahres ausſchließliche Speife. Geröftet, gekocht oder gebraten ſchmecken die Knollen ſüßlich, faft wie erfrorene Kartoffeln. In vielen ſpaniſchen Befigungen bil- den fie mit Kartoffeln-, Kohl-, Erbjen- und Kürbisarten zufammengefocht, neben verſchiedenen Fleiſcharten, einen Hauptbeftanntheil des unter dem Namen Olla potrida befannten Nationalgerihts, das jeden Mittag nad der Suppe auf dem Tiſche erſcheint. In Europa hat fi) die Batate nur in den Yandern am Mittelmeer mit Bortheil kultiviren laſſen und ift auch felbft dort nie in dem Umfange gebaut ‚ worden, wie die Kartoffel. PB Durch die Kartoffelnoth angeregt, hat A , man neuerdings aud) wieder ernftlicher auf S=® ein anderes Knollengewächs Brafiliens — aufmerkſam gemacht, das man bisher nur einzeln anbaute, da man unſer Klima für zu kalt hielt. Wir meinen die fnollige Sonnenroſe (Helianthus tuberosus), die als Erdäpfel oder Topinambur befannter fein dürfte. Daß fie bisher jo wenig günftige Kejultate geliefert, möchte zum Theil auch in der ungeeigneten Behand- [ungsweife gelegen haben. Die Stengel der Pflanze werden 6 bis 10 Fuß hoch, dabei bis armsdick, fommen aber fat nie dahin, bei uns ihren Samen zu reifen. Ihre Fortpflanzung geſchieht deshalb durch Knollen, die man, wie bei der Kartoffel, in gut bearbeitetem, tiefgrundigen Boden etwa 2%, Fuß von einander entfernt >>> legt. Im November kann man das — Mrellwiirz, nahrhafte Laub als Biehfutter abneh- ; men und es jelbft, wenn es erfroren ift, nod mit Bortheil für die Schafe benugen. Die abgehauenen Stengel geben gutes Yenerungsmaterial, die Knollen aber kann man unbeforgt während des Winters im Boden laffen. Sie nehmen währenddem um das Bierfadhe ihres Gehaltes zu und zeigen fih im Frühjahr wohlerhalten. Ihr Einfanmeln erfolgt erft Ende März bis Mitte April. Die Hodhländer Südamerika's, alfo die Heimat der Kartoffel, Fünnte man füglic als das Reich der nahrungliefernden Knollengewächſe bezeichnen. In Mexiko baut man die Inollige Commeline (Commelina tuberosa), eine Die Pfeilwurz. 97 Derwandte jenes ſchön blau blühenden Gewächſes, das wir in unfern Gärten als Zierblume pflegen. Ihre mehlreihen Knollen dienen vorzugsweiie als Gemüje. In größerm Umfange wird bei Santa Fe di Bogota, die Ara— cacha (Aracacha esculenta) fultivirt. Sie ift unfern Möhren und Balti- nafen und den ſüdeuropäiſchen Knollendolden im Blüten- und Fruchtbau ver- wandt und ihre Knollen geben ein Kraftmehl, eine Art Arrow-Root. Das achte Stärfemehl dieſes Namens ift ebenfalls ſüdamerikaniſchen Urſprungs und wird aus einigen Pfeilmurzarten (Maranta arundinacea, indica) ge- wonnen. Es find dies Staudengewächſe, die der Commeline nahejtehen und lilienähnliche, ſchöngeformte Blätter tragen. Aud bei ihnen hat der dide fnollige Wurzelſtock neben S jeinem Stärfereichthum ei- nen jcharfen Saft, den man ehedem als Heilmittel bei Verwundungen durch vergiftete Pfeile anwendete und der durch dieſen Ge— brauch dem Gewächs ſeine Benennung verſchafft hat. Durch Auswäſſern beſeitigt man ihn leicht und gewinnt dabei jenes geſchätzte Mehl, das als leichtverdauliche, ſtärkende Koſt für Kranke und Geneſende vielfach in Gebrauch iſt. Es unter— ſcheidet ſich von der ge— wöhnlichen Stärke hierbei dadurch, daß es in heißem Waſſer oder in Fleiſchbrühe > feinen Rleifter bildet wie Maranta-Arrow-root, mikroſtkopiſch vergrößert. jene, ſondern nur einen gleichförmigen Schleim giebt. Von Braſilien und Weſtindien aus hat man die Pfeilwurz auch nach der Oſthälfte der Erde verpflanzt und kultivirt ſie vielfach in Oſtindien und auf den Sunda-Inſeln. Eine Verwandte der bekannten Kapuzinerkreſſe, Tropaeolum tubero- sum, liefert im Peru efbare Knollen, Arten von Sauerflee- (Oxalis tetra- phylla und esculenta) geben dergleihen in Merifo und eine andere Art der- jelben Gattung (Oxalis enneaphylla) verjorgt ſogar noch die Falflands-Infeln in bejcheivener Weiſe mit wohljchmedenden Knollen. Obſchon Afien die Heimat zahlreicher Getreivearten ift und vorzüglich der Reis neben den mehlhaltigen Früchten der Bananen die vorzüglicfte Brodpflanze bildet, jo ift es an Knollengewächſen doch nicht ganz leer aus— Wagner, Mal, Botanik, I. Bo. i 7 4 —— — 98 Die nahrungliefernden Knollen. gegangen. Es find dieſelben befonders im wärmern Süden vorhanden und werden neben den aus Amerifa eingeführten Arten noch jest kultivirt. Die erfte Stelle nimmt hierbei die Igname oder Yamwurzel (Dioscorea alata. fiehe das Anfangsbild des Abjhnittes S. 79) ein, die man meiſtens im ben. Sandihaften am Fuße ver Gebirge fultivirt. Eine Yampflanzung erfordert in tiefgrundigem Boden ebenfo geringe Arbeit wie eine Bataten= Plantage, mit der fie auch im Aeußern mancherlei Aehnlichkeiten befigt. Ein Stüdchen der Knolle, an dem ſich ein Knospenauge befindet, das in die Erbe gelegt wird, treibt bald einen mwindenden Stengel hervor, der fih mit raſchem Wachsthum an benahbarten Gefträuhen und Bäumen hinaufſchlingt. Auch die hübſchen herzförmigen Blätter erinnern an die Batate und unfere Win- den, der Blütenbau weift dagegen das Gewächs als eine Verwandte der Lilien und Maiblumen aus. Nach 4 bis 5 Monaten ift die Wurzel hin— veichend ausgebildet und zur Ernte geeignet. Sie erreicht mitunter eine er- ftaunlihe Größe und übertrifft in diefer Beziehung alle andern Kulturpflanzen. Diefe Königin der Knollen wird nicht felten 30 — 40 Pfund ſchwer. Auf der landwirthſchaftlichen Ausftellung in Paris zeigte man eine Yamwurzel von Dioscorea gigantea aus Weftindien, die 38 Zoll lang war, und eine aus Brafilien von 95 Zoll Länge und 29 Zoll Umfang, die ein Gewicht von 154 Pfund hatte. Bon verfelben Pflanze hatte man neun Knollen ge- erntet und zwei derſelben hatten faft die angegebene riefige Größe. Die Stammpflanze diefer Riefenwurzel wächſt an den Ufern der Flüffe und Sümpfe in der Provinz Rio Janeiro wild. Eine andere Verwandte hat man auf Neuſeeland getroffen. Zu Verſuchen behufs der Afflimatifivung hat man in Franfreih Knollen von Ignamen verwendet, die man aus ben‘ gemäßigt- warmen Theilen Afiens entnommen. So fendete unlängft der franzöſiſche Generalkonſul Montigny aus China der franzöfifchen Akklimatiſationsgeſellſchaft 153 Pitres von der japanifchen Igname (Dioscorea japonica), und die mit derfelben angeftellten Verſuche follen zu günftigen Kefultaten geführt haben. Freilih madt der Bau des Gewächſes bedeutende Arbeit, denn die Wurzel- ſtücke müffen, um gut zu gedeihen, gegen drei Fuß tief guten lodern Boden finden. Flachgelegte Knollen treiben bedeutend jpäter an als tiefliegende. Die mehrfach erwähnten jcharfgiftigen Säfte, welche ven Mehlreihthum der Knollen begleiten, find bei den Yammurzeln in hohem Grade vorhanden. Sie find höchft bitter und fo äßend, daß fie ſchon an Händen und Gefidht ein heftiges Brennen hervorrufen, laſſen fi aber auch durch Auswaſchen, Kochen und Röſten vollftändig und leicht entfernen. Die zu derfelben Familie gehörigen Arten der Gattung Schmerwurz (Tamus) haben eine untergeorbnetere Bedeu— tung. In Südeuropa, Südengland u. |. w. fpeift man die jungen Sproſſen der gemeinen Schmerwurz (T. communis) als Spargel, verwendet aber ven bittern Wurzelftod nicht; auf Madeira wird ver lettere Theil von Tamus edulis genoffen. J gi In China, wo die Überdichte Bevölkerung den Landmann zwingt, wo Lotusfultur in China. Aaron. 99 möglich jede Handbreit Boden zu benugen, müſſen ſogar die Sümpfe ver flachen Gebiete dienen, um Nahrung zu liefern. Im fie verjenft man die Wurzelftöce und Samen der gepriefenen Lotusblume (Nelumbium specio- sum), deren große faftglänzende Blätter und vofarothe Prachtblumen vie büftern Moräfte zu Gärten umfchaffen. Zwiſchen ihnen ſchwimmen die leben— digen Inſeln der Waffernüffe (Trapa) umd zur Exntezeit entwidelt ſich hier ein interefjantes Leben und Ä Treiben. In eigenthüm- lichen Heinen Kähnen fchifft man in die trübe Flut und zieht die dicken fleifchigen Seerofenſtöcke aus dem \ Schlammgrunde herauf. N Durch Köften werden fie genießbar, wenn fie auch dem europäiihen Gaumen nicht gerade ſonderlich be— hagen. Eine Anzahl Knollen- gewächſe des ſüdlichen Aſiens ſind auch über die Inſeln des Großen Oceans verbreitet und ſpielen hier neben der Kokospalme und dem Brodbaum eine wich— tige Rolle. Auf den Sandwichinſeln bildet die Kalo (Taro)-Knolle der Colocasia esculenta die Hauptſpeiſe der Kanaken. Durch Aufdämmen der aus den Gebirgen kommenden kleinen Bäche ſtellt der In— ſulaner in den Thälern weite künſtliche Sumpf— felder dar, in welche er Stücken Kalowurzel ein— ſenkt. Das Gewächs iſt ein naher Verwandter unſers Aaronſtabes (Arum maculatum), deſſen unterirdiſcher knollenähnlicher Stammtheil (nicht Wurzel) ebenfalls neben einem ſcharfbrennenden Giftſtoffe Stärkemehl enthält. In ein— zelnen Fällen hat man auch bei uns die Aaronknollen gegraben, zerrieben und durch Ausſchlemmen ein genießbares Satzmehl erhalten. Die Mühe ver Herftellung wird aber nicht durch den dürftigen Gewinn entſprechend belohnt. 7* N h \\ X > Sefledter Yaron (Arum maculatum). 100 Die nahrungliefernden Knollen, Die Kolokaſien-Arten warmer Klimate erreichen dagegen rieſige Ausdehnungen. Die Blattſtiele treten armslang aus dem feuchten Grunde hervor und die herzpfeilförmigen Blätter breiten ſich ſo üppig aus, daß ein Menſch unter ihnen ebenſo bequem Platz findet, wie unter denjenigen unſers Aaron ein Froſch. Die ſonderbare Blütentute mit ihren Kolben ſchaut wunderlich zwiſchen den Laubmaſſen empor, bei einigen Sorten ſenkrecht ſtehend, bei andern herab— geneigt. Dieſen rieſigen Formen des Oberſtocks entſpricht auch der Knollen— theil im Grunde. Will der Kanafe den rohen Fiſch, welcher fein ſtehendes Gericht bildet, mit vegetabiliſcher Koſt begleiten, ſo wandelt er nach ſeiner Kalo-Pflanzung, entreißt mit geringer Mühe eine der mächtigen, aber ſaftig lockern Stauden dem ſchlammigen Grunde, erleichtert ſich die Laſt durch Be— ſeitigung der meiſten größern Blätter und tritt mit der Knolle den Rückweg an. Dann fcharrt er fie, eingefchlagen in einige ihrer eigenen Blätter, in die fnifternde Glut und die gehäufelten Kohlen und röftet fie, bis fie zerjpringt und eine Fülle von weißem duftenden Mehl hervortreten laßt. Eine Riefen- fürbisjfchale bildet den Univerjalbadtrog. In derjelben arbeitet man das Mehl und zugegofjenes Wafjer mit einer hölzernen Keule zu einem zähen Teige zu— jammen, der viel Aehnlichfeit von gutem Buchbinderkleifter befitt. Hat der— jelbe einige Tage geftanden und durd beginnende Gährung jenen gelinden jäuerlihen Geſchmack erhalten, ven der Kanake als Hauptmerfmal feiner Güte bezeichnet, jo it dig Mahlzeit fertig. Die Hausgenofjen fauern im Kreiſe, der Hausherr fährt mit dem ganzen Arm in ven Teig im Kürbis, rührt ihn nochmals um und eröffnet mit dem erften Biffen das Mahl. Die übrigen Familienglieder langen fi mit den Fingern der Reihe nad) zu und jpeijen dazwiſchen den Fiſch, ven die linfe Hand hält. i Wie von allen Kulturgewädhfen hat man aud von dem Kalo eine reiche Anzahl Spielarten erhalten, die ſich ebenjo in der Form und Farbe der Blätter, als in der Beichaffenheit der Knollen von einander unterſcheiden. ine Sorte mit bläuliher Knolle gilt als die befte; mit ihr muß auf den Sandwidinjeln aud) der Tribut entrichtet werden, Auf den an Kulturgewächſen fehr reichen Fidſchi-Inſeln ift ver Kalo (Dalo, Arum esculentum) ebenfalls die Hauptipeife. In 10—12 Monaten wird der Wurzelfnollen reif und hat dann 1—4 Pfund, mitunter aber jogar bis 12 Pfund Gewicht. Der Boden wird für den Anbau durch Einäfcherung des Geſtrüpps gefäubert und mit einem Pfahl aus Mans groveholz gelodert. Sind durch wiederholte Stöße die Arbeiter 18 Zoll tief gelangt umd ift der Boden tüchtig umgewühlt, jo folgen Buben, welde vie Erdklöße zwilchen den Händen zerreiben und in das aufgehäufelte Pulver die Stedlinge einfenfen. In andern warmen Gegenden, 3. B. auf Madeira, pflegt man andere Arten verjelben Gattung, auf der genannten Inſel die Inhame (Colocasia antiquorum). Diejelbe gedeiht an allen ven Stellen vor- trefflich, welche Ueberflug an Waffer befigen, deshalb in der Nähe der Waſſer— leitungen und Bergftröme, und ihre ftarfen Blattftiele erreihen an ſolchen Orten. die Höhe von 8—10 Fuß. Die Blätter find faftiggrün, ſchildförmig Inhame. Pia. Japaniſche Knollengewächie. 101 und ſchön geadert und haben mehr als eine Klafter im Durchmeffer. Die 3—4 Fuß lange Blütentute ift gelb. Die Knollen werden im Januar md Februar gegraben. Sie find dann 6—12 Zoll lang und von den Scheiden der abgeftorbenen Blätter bededt. In jeder Blattſcheide entjtehen, im feuch- ten Grunde eingefenft, gleichzeitig mehrere Knollen; jede einzelne Pflanze giebt deshalb eine reihlicye Ausbeute. An dem Haupttrieb läßt man einige junge, noch nicht entfaltete Blätter und ftedt ihn wieder in den Grund, wo er bald weiter wächſt. Vom- Februar bis April fieht man in Funchal überall vie gefochten zolllangen Scheiben der Inhame feilgeboten und Diefe dienen dann vorzugsmweife der Armern Klaffe als Nahrung. Die ſämmtlichen üppig wach— jenden Aroideen jcheinen durch die Einwirkung ihrer Fräftigen Wurzeln der Fäulniß der Sümpfe erfolgreich entgegen zu wirfen, in denen fie gedeihen, und fo aud) in diefer Weile das Wohl des Landes zur fördern. Auf den Sandwichinfeln baut man in ziemlicher Menge auch nod) die Tacca pinnatifida, von den Eingeborenen Pia genannt. Diefelbe hat einen ftarfen Wurzelknollen, der reich an Arrow-root ift. Zu ihrem Anbau wählt man vorzugsweile trodnere Stellen. Die friſche Wurzel ift außerordentlich bitter und ungenteßbar, das aus ihr gewonnene Kraftmehl ift aber dem beiten weftindifchen gleich und wird theil® an Ort und Stelle zur Speife, zum Stärfen des Yeinenzeugs u. ſ. w. benußt, theils als Handelsartifel ausgeführt. Im Jahre 1845 wurden nicht weniger als 43,600 Pfund verigifft. In Japan, deſſen Yandwirthichaft völlig den Charakter einer ſorgſamen Gartenfultur angenommen hat, jpielt zwar der Reis als Nahrungspflanze die wichtigfte Rolle, und nad) ihm folgen an Wichtigkeit die mancherlei Boh- nenarten, — man hat aber den Anbau von Knollengewächſen und nahrhaften Wurzeln feineswegs vernachläſſigt. In tiefgrundigem, gut gewäfferten und gedüngten Boden pflegt der Japaner die bereit3 genannte Batate (Batatas edulis), fowie große Wamwurzeln (Dioscorea sativa und D. japonica), aufßer- dem aber auch die vielblättrige Zehrwurz (Dracontium polyphyllum), eine Derwandte des Kalo und Aaron, fo wie das eßbare Caladium (Caladium esculentum). Aus dem gewonnenen Satmehl verfteht er eine Menge an- genehme Gelees und Brühen, jowie Brod- und Kuchenforten herzuftellen. Der Aino der Gebirge verwendet auch den eßbaren Wurzelftod einer Aralie (Aralia edulis), die unjerm Epheu verwandt ift. ine befondere Pflege er— fahren in Japan die Kettige; fie erreichen hier eine anfehnliche Größe und werben meijtens eingejalzen verjpeift. Da man fie, um fie etwas zu trod- nen, zunächft an den Xeften der Bäume in der Nähe der Wohnungen auf- hängt, jo war bet ven holländifhen Matrojen die Anficht entftanden: daß in diefem Lande die Kettige auf den Bäumen wüchſen. Die Kartoffel hat fi bis jegt Feiner jonderlihen Aufnahme zur erfreuen gehabt. Man baut nur wenige bei Nagafafı für die Fremden und hat aud nur mit Spätfartoffeln ein Reſultat erreicht und noch dazu ein jchlechtes, In Afrika tritt ſogar ein Grasgewächs als Knollenlieferant auf, das 102 Die nahrungliefernden Knollen. eßbare Cyperngras (Cyperus esculentus), deſſen fleine mehlveihe Knollen, die zu 100— 150 an einem Stode vorfommen, auch in Südeuropa gedeihen und von hier aus als fogenannte Erdmandeln als Erſatz für den Kaffee an- geboten werden. In dem wenig befannten Innern des heißen Erotheils, auf den in ber Gegenwart vorzüglich die Augen der Geographen gerichtet find und der dem Botaniker vielleicht nody manches Neue verbirgt, ijt ebenfalls ein anfehnliches Gewächs vorhanden, das in feinem Wurzelftod ernährendes Mehl birgt und für die Völker jener Gebiete höchſt wichtig wird. Es ift die Enfeht-Pflanze (Musa Ensete Gml.), eine Verwandte der befannten Banane. Schon Bruce gedenkt ihrer bei feiner Reiſe (1768— 73). Nachdem er ihren ganzen Wuchs mit der Banane als ähnlich verglichen, jagt er: „Die Früchte des Enfeht find nicht eßbar, fie find von weicher Gubjtanz, wäfjerig und ähneln in Farbe und Confiltenz einer faulen Aprikoſe.“ Dagegen gibt er an, daß die Gallas mancher Landſchaften fich faſt ausſchließlich von dem Mehl des Stodes ernähren. Das Innere Afrika's enthält ausgedehnte Hochebenen mit äußerſt ſchwachem Gefälle, außerdem oft genug noch von Hügelzügen und Bergketten umſäumt. Auf dieſen bilden ſich durch die außerordentlich großen Waſſer— maſſen, welche aus der Luft herabſtürzen, weithingehende Sümpfe, die einen Getreidebau unmöglich machen. Dort iſt die Heimat der Enſeht. In weni— gen Jahren (eine im Gewächshauſe von Kew bei London gezogene blühte im 5. Jahre) ſchießen die jaftigen Schafte hoch auf, bilden einen 10 Fuß hohen Stamm und entwideln an diefem Blätter, die mit den Blattftielen 20 Fuß Länge mefjen und 3 Fuß breit find. Große Pflanzungen davon finden fih in Maitiha und Goutſo, doch ift die Enjeht- Pflanze in Gemeinſchaft mit dem Kaffeeftraud) von den wandernden Gallas aud nad) Abefiynien ge- bradıt worden und gedeiht bei Gondar (124,° nördl. Br,) vortrefflih. Die große Wurzel dient als Gemüſe und jchmedt, wenn fie gut gekocht ift, ähn— lich wie gute Kartoffeln. Auch das weihe Mark des Stengel wird zumeilen gegefjen und Bruce vergleicht feinen Geſchmack mit friſchem, guten, aber nicht ganz durchgebackenen Weizenbrope. Die Knollen der Erdordideen, deren Bau wir fpäter betrachten werden, enthalten vielleicht unter allen Knollengewächjen verhältnigmäßig die größte Menge Nahrungsftoff im kleinſten Raume zufammengevrängt. Da fie ſich aber ſehr ſchwierig kultiviren laffen, jo muß man fi darauf be- Ihränfen, die wildwachſenden einzufammeln, und diefe find nit eben zu häufig vorhanden, In Europa ift ihre Benugung deshalb auch nur auf des Apothefers Küche befchränft geblieben und felbft hierbei muß der Pharmazeut wohl achten, daß ihm der Kräuterfammler nicht gefährliche Stellvertreter ein- Ihmuggelt. Der hohe Preis, den die Salep-Knollen haben, ift ver- führerifch genug. Bon den ächten runden Knollen, wie ſolche Orchis morio und mascula liefern, wird am Rhein das Pfund mit 1 Fl. 45 Fr. bezahlt und jelbjt von dem weniger geſchätzten, zertheilten, fogenannten Händchen— Salep. Knollengewächſe in Kamtihatfa und Mittelafien. 103 Salep, wie ihn Orchis latifolia, maculata, Gymnadenıa conopsea u, a, lie- fern, nod mit 30 Fr. In Tranffurt a. M. werden jährlid circa 5 — 6000 Pfund runder und 7—S000 Pfund Händchen-Salep in den Handel gebracht, die meiftens von der Umgebung des VBogelberges ftammen. Ein gewiſſer Elei- ner Ort dafelbft nimmt jährlid) einige Taufend Gulden für Salep ein und zahlt mehrere Samilien, welde fi einen Theil des Jahres hindurd) aus- ihlieglih mit dem Graben und Zubereiten der Knollen bejchäftigen. Sie haben hierbei lange jhmale, etwas gebogene Hafen zum Ausheben der Wur- zeln, ſchaffen dieſelben in Säcken nach Hauſe, waſchen ſie ab, ertödten durch Brühen mit kochendem Waſſer vie zähe Yebensfraft derjelben und reihen fie an Faden zum Trocknen auf. In den legten Jahren brachten dergleichen Salep - Sammler aus einer Stadt am Fuß des Rhöngebirges ziemliche Mengen von den fehr giftigen Herbitzeitlofen- Zwiebeln zum Berfauf, die fie duch allerlei Kunftgriffe dem Achten Salep möglichſt ähnlich zu machen ge- ſucht hatten. Dieſe würden freilih den armen Genejenden und ſchwächlichen Kindern, denen der Arzt Salep ftatt des Arrow-root als Stärfungsmittel veroronet, jhlimm genug befommen fein. In Griechenlaud und Kleinaſien graben die zahlreichen Kräuterſammler ebenfalls den Orchisknollen eifrig nad. In Macedonien find Hunderte damit beihäftigt. Sie verfaufen viefelben vorzugsweife nach den größern türkiſchen Städten und hier bereiten eigene Salep-Händler, ein Gelee daraus, das fie Ihon Morgens früh um A Uhr feil bieten, indem fie dur die Straßen „Heiße Salep“ ausfhreien. Der nahrhafte Trank vertritt bei der arbeiten- den Klafje zum großen Theil die Stelle des Kaffees. Kamtſchatka, dem die Claytonia tuberosa, eine Verwandte des Mauer- pfeffers (Craffulacee), eßbare Knollen liefert, hat außerdem noch zwei Yilien- gewächſe, er in diefer Beziehung interefjant find. Die eine derſelben ähnelt jehr unferm Türkenbund (Lilium Martagon), hat aber glänzende, ſchön orangengelbe Blumen, Sie trägt unter der Erde eine Zwiebel, welche ge- kocht ein weiches, ſchmackhaftes Gemüſe abgiebt. Wichtiger als fie ift die Sarannah (Fritillaria Sarannah), deren purpurihwarze Blumen man auf ven Raſenplätzen häufig bemerkt. Sie erzeugt an ihren Wurzeln, wie einen Kranz, zahlreihe Knollen von der Größe der Maisförner, die gefocht einen lieblihen Gefhmad haben. Sie halten die Mitte zwifchen Kaſtanien und Kartoffeln, find mehliger als die erftern und etwas feſter als die legtern und vertreten vielfach noch jet die Stelle des Brodes. Das mittlere Afien (enft bei der dürftigen Begetation der großen Steppen im Innern die Auf- merfjamfeit der Völker felbft auf weniger angenehm jchmedende Wurzeln. Die Stöde der Sumpfbinfe (Seirpus lacustris), des ſchwimmenden Laichkrautes (Potamogeton natans) müffen mit aushelfen. In der Noth kocht der Kal- müde die Wurzeln des Calligonum 'Pallasia, eines blattlofen Steppenſtrauches (Polygoneae), und genießt die gummiartige Brühe. Ebenſo verzehrt er Die Knollen des Wollkrauts (Phlomis tuberosa), die Wurzeln des Kälberfropfs 104 Die nahrungliefernden Knollen. (Chaerophyllum Prescottii), der wohlriehenden Becherglocke (Adenophora lilifolia) und der Glocke (Campanula Cervicaria), j Schließlich gedenken wir noch eines Farn, deſſen Wurzelftod wegen ſeines Mehlgehalts Verwendung findet. Es iſt dies der weitverbreitete Adlerfarn (Pteris aquilina), den man in den nördlichen Theilen Europa's und Sibiriens, häufiger noch in Neuſeeland zu dieſem Zwecke benutzt. Der Farn des letztern Landes wird zwar als eine andere Art (Pteris esculenta) betrachtet, ſcheint aber wenig oder gar nicht von unſerm einheimiſchen abzu— weichen. Der Wurzelſtock deſſelben enthält außer Stärkemehl einen widerlich ſchmeckenden Pflanzenſchleim; zerkleinert man ihn auf dem Reibeiſen und läßt dabei die beiden braunen Gefäßbündel zurück, welche ihn durchziehen, wäſſert dann den Brei wiederholt aus, jo erhält man ein Satmehl, das dem Caſ— favamehl durchaus nichts nachgiebt. Wir haben in diefem Ueberblick die werfchiedenen unterirdiſchen Pflanzen- theile: Knollen, Wurzeln, unterivdifhe Stengel und Zwiebeln nit ſcharf von einander gejchieven, da bei mehreren verjelben die Unterfuchungen über ihren eigentlihen Charafter noch fehlen: Wir ftellten fie unferer Kartoffel von rein egoiſtiſchem Gefichtspunfte in Bezug auf ihre Fähigkeit, den Hunger des Menjhen zu ftillen oder die Tafelfreuden zu mehren, zur Geite und freuen uns um fo mehr, daß ber Unfegen, welcher auf der Kultur der Knollen zu ruhen ſchien, in der letten Zeit wieder verſchwunden ift. Statt des: hohl- augigen Hungers figen vollwangige Kinder um den Tiſch des Landmanns und deflamiren in ämſiger Praris des gemüthlichen Hebel’ Kartoffellied. mn 8 = % % = = F n De — — —— — — ER Die Batate (Batatus edulis). E ry — Box Srühlingskräuter, Alpenblumen und Filien, (Ein Blick auf die Durzelftöcke und Dmiebeln.) Ein botaniſcher Frühlingsausflug- — Wurzelitöde. — Perennirende Kräuter. — Rolar- flora. — Gebirgs- und Alpenflora. — Die Zwiebeln, — Berbreitung der Zwiebel- gewächſe. — Lilienwieſen des Kaplandes. Die Orchisknollen. „Sehet die Lilien auf dem Felde an, wie ſie wachſen!“ Matth. 6, 26. SD 8 ift nicht unwichtig, unter welchen äußern Verhältniffen man die erften DI) Berfuhe, ſich mit dem Studium der Gewächſe zu befaffen, angeftellt hat. Etwas anderes ift es, ob man im dumpfigen Zimmer feine Bemühungen damit beginnt, die wichtigen Definitionen von Wurzel, Stengel, Blatt und Blüte dem Gedächtniß einzuprägen, wie fie ein wifjenfchaftlihes Werk gibt, die unvermeidlihen Ausdrucksweiſen einer ausgebildeten Kunftjpradhe mit ihren zahlreichen Synonymen, ihrem Fir uud Wider dem Gedächtniß einzuverleiben und nebenbei etwa die eine oder andere Pflanze auf dem Tische zu betrachten. Das Gewächs, feinem natürlichen Standort entrifjen, ift im Sterben begriffen, und wenn es aud nicht zur Herbarien-Mumie geworden ift, wird doch ein jolder Anfang felten ganz frei von dem Gefühl der Trodenheit bleiben. Etwas anders ift e8 wiederum, wenn der Jünger, den nad Belfannt- Ihaft mit den ſchönen Kindern Flora's verlangt, an der Hand des erfahrenen Meifters den Ringmauern der Stadt enteilt und die Erfehnten in ihren natür- lichen Berhältnifien, an ihrem urfprünglichen Standort in Feld, Aue und Wald aufſucht. Es ift ein ähnlicher Unterſchied zwifchen beiden Art und Weijen 106 Frühlingskräuter, Alpenblumen und Lilien. als: von den Gebräuchen einer Hochzeit leſen und — ſelbſteigen eine ſolche erleben! Keine Jahreszeit iſt zu einem ſolchen Herz und Geiſt gleichzeitig er— quickenden Anfang geeigneter, als der Frühling. Das Erwachen der Ge— wähle, das Aufftehen der ganzen Natur aus dem langen Schlummer geht mit dem Regen im eigenen Geifte Hand in Hand. Der geiftige Menſch findet unbewußt und bewußt um fich herum fo zahllofe verwandte Momente, er fühlt fi) als Glied des wonnigen Ganzen unwiderſtehlich fortgerifien und gewinnt einen Genuß, der ſich weniger gut ſchildern als erleben läßt. „Der Stengel der Pflanze iſt derjenige Theil, durch welchen ſie ſich meiſtens nach oben verlängert, der an ſeiner Spitze fortwächſt und an der letztern nicht wie die Wurzel eine Haube zu ſeiner Bedeckung trägt, dagegen unterhalb dieſes Vegetationspunktes Blätter entwickelt!“ Das haben wir da— heim zu öfterm geleſen und ſind ziemlich ruhig dabei geblieben. Aber hier ſtehen wir im ſonnigen Waldthal, „wo alle Knospen ſprangen“, da fühlen wir den innigen Kuß der Sonne, der die ſchlafenden Dornröschen weckt; die laue feuchte Luft, welche die Schlummernden ruft, umſpielt auch uns; mit den letzten dürren Blättern, die vom Buſche zu Boden taumeln, ſinken auch die trüben Erinnerungen, welche an unſerm Gemüth noch haften, in die Vergangenheit und unſere Hoffnungen erwachen wie die emportreibenden Stengel. Dort aus dem braunen Laube im feuchten Grunde hebt und ſtreckt ſich ein Heer ſproſſender Schafte. Das Frühlingsweiß (Leucojum vernum) bohrt ſich hinauf zum ambroſiſchen Licht, ſchiebt die läſtige Decke, welche im Winter dem Nordwind wehrte, zur Seite, durchſticht hier ſogar ein wider— ſpenſtiges Erlenblatt in der Mitte und nimmt es als Siegesbanner mit ſich empor. Daneben hat eines der Blümchen ſogar ein leeres Schneckengehäuſe als Helm auf dem Haupte und mehr als Zollhoch emporgehoben. Unter den Haſelbüſchen leuchten die gelben Augen des Goldſterns (Gagea lutea), am ſonnigen Abhang ſtrahlen golden die blütenbedeckten Polſter des Fingerkrautes (Potentilla verna) und bie purpurnen Glocken der Kühchenſchelle (Pulsatilla vulgaris). Das lieblihe Blau der Yeberblümchen (Hepatica nobilis) wechſelt mit den wogenden Beeten weiß- oder gelbblühender Anemonen (Anemona nemorosa, ranunculoides), den duftgefüllten Beilhen und aromatischen Pri- meln. Wir wollen Did) aber, lieber Lefer, nicht langweilen mit einem langen Kegifter unferer Frühlingsflor; gehe hinaus, pflüde Div felbft im Wonne- mond ein lieblihes Sträußchen, Finf, Lerche und Drofjel werden Dich mit ihren Liedern begleiten! Nicht lange währt diefe Pracht, die Sonne fteigt höher, ihr Strahl wird ftechender, heißer, die Wärme des Bodens fteigert fih. Die Blumen des Frühlings finfen dahin, mande fterben ab, ohne oberhalb des Bodens eine Spur zu hinterlaffen, pie Gewächſe des Sommers überwuchern die Erft- geborenen. Die Natur ſuchte eine größtmöglichfte Manchfaltigfeit ihrer Formen, einen üppigen Reichthum ihrer Pracht nicht nur dadurch zu erreichen, daß Wurzelftöde. 107 fie den verſchiedenen Pflanzengefchlechtern abweichende Bodenverhältnifje be- ftimmte, die einen ins Wafler tauchte, andre hinauf auf den dürren Feljen verwies, diefen Kalfboden zum Lebensbedürfnig machte, jenen zähen Thon- boden oder Ioderen Sand, — fie fteigerte jene Mandhfaltigfeit in hohem Grade nody dadurch, daß fie den Gewäcjen auch verfchiedene Zeiten ihrer Entwidelung anwies und danach dem ganzen Bau und der Lebensweiſe der- jelben abweichende Einrichtungen zu Theil werden ließ. Noch ift der Schnee nicht gänzlid) von den Fluren verſchwunden, in den Hohlwegen und an den Schattenfeiten der Waldgehänge vertheidigen feine legten Poften noch hartnädig die Nachhut, das eifige Wafjer rinnt nod) von den Rändern der Wege und fehon brechen allenthalben Blütenaugen her- vor, umfummt von Frühlingsfliegen, umgaufelt von gelben und bunten Fal— tern! In welcher Weife richtete es die Natur ein, daß dieſe Erftlinge der Flora ſchon in diefer Zeit in fo vollendeter Ausbildung auftreten fonnten, daß fie ſchon die ganze Pracht ihrer großen Blumen zu entjalten vermögen, während andere Gewächſe noch mühjam die erjten Stengelgliever zu formen beginnen, noch andere eben erjt feimen? Ein Verſuch, diefe Frage zu löfen, führt und wieder auf das Leben ver Gewächſe unter der Erde, Wir jehen für diesmal ab von jenen kleinen Pflänzchen, die in geflü- gelter Schnelle ihren Kreislauf vom Keimen bis zum Samentragen vollenden und fi) deshalb auch unter den Kindern des Frühlings befinden, ebenjo be- achten wir nicht die Sträucher und Bäume, deren Blüten fid) zeitig entfalten, jondern verweilen nur bei den Frühlingspflanzen mit mehrjährigem un- terivdifhen Wurzelftod, den perennivenden Kräutern. Wir werden hier- bei auf Formen ftoßen, die ung an die Knollen der Pflanzen erinnern, dies— mal aber mehr die Bedeutung im Auge behalten, welche jene unterirdiſchen Gebilde für das Leben der Gewächſe ſelbſt haben. Die Wiſſenſchaft verlangt ihre Opfer und felbft eine Erfenntniß des Lebens der Pflanzen muß mit dem Tode erfauft werben, wenigjtens mit dem Tode einiger Blumen. Wir graben dort eine der ſchönen Pulfatillen, hier eine Anemone, jowie einen fproffenden Stengel der vielblütigen Maiblume (Convallaria multiflora), fowie ein Büſchchen des Frühlingsfingerfrautes aus und fegen uns am fonnenwarmen Orte auf einen umblühten Steinblod nieder, zur näheren Betrachtung unſrer Eroberung. Bei der vielblütigen Maiblume ift ein langer daumdider, unter- irdiſcher Stod vorhanden, deſſen helle Färbung dem Gewächs den Namen „Weißwurz“ verſchaffte. Er lag wagrecht im lodern Waldboden und fein Ausgraben war feineswegs jo ſchwierig, wie ehedem die alten Zauberbüder ſchilderten. Wir haben nämlid in der Weißwurz die vielberühmte Spring- wurzel vor und, vor deren Macht fich die Siegel Salomonis von den ver- borgenen Schägen löſten und deren Auffinden nur dem gelehrten Bogel Spedt zugetraut wurde, — der fi aber in Wirklichkeit nicht um fie fümmert. Prüfen wir diefen Zauberftab zunächft nach der vorhin gegebenen Erklärung, 108 Frühlfingsfräuter, Alpenblumen und Lilien, jo ergtebt fih bald, daß er gar feine Wurzel, fondern ein unterirdijcher Stengel ift, der in vemfelben Grade am Altern Ende abftirbt, wie er am pordern weiter wächſt. Eine Knospe an der nad oben gerichteten Seite hat den Blütenftengel mit feinen fehönen Blattreihen und hängenden Blumen- glöckchen (er ift auf unferer Abbildung bei a weggejchnitten) entwidelt. In derjelben Zeit aber, wo ſich dieſer entfaltete und wir in ihm vielleicht bie einzige Thätigfeit der Pflanze vermutheten, hat leßterer auch eine neue unter- irdiſche Knospe (b) angelegt und die meiften ihrer Organe jo weit vorbe- reitet, daß es im nächſten Frühjahr blos einer Ausdehnung der letztern bedarf, a um in ihrer Vollendung | dazuftehen. Die in regel- mäßigen Abjtänden am unterirdiſchen Stode be- — ___J 5 findlihen Narben (ce ec) IF zeigen die Stellen, an denen in früheren Fahren ſich Blütenzweige bildeten. — Ganz ähnlich zeigt es ſich Der unterirdiſche Stengel (Rhizom) der vielblütigen Maiblume. Her pen Anemonen. Was man früher gewohnt war als eine walzenförmige wagrechte Wurzel zu bezeichnen, ergiebt ſich bei genauerer Betrachtung als unterivdifher Stamm, der fih von Jahr zu Jahr ver- längert. Anftatt wie die Stämme der Bäume jährlich ein neues Stück ins Luftreich emporzutreiben und hier neue Mn Aefte mit Blättern und Blüten zu entwidelr, ſchieben fich I. die Stämme diefer ausdauernden Kräuter mühſam wagredt ER im Boden weiter und fenden jährlid nur einzelne DBlatt- SON. und DBlütenzweige hinauf in die Oberwelt, die man leicht- Hin für die ganze Pflanze anzunehmen geneigt if. Auch die unterirdifhen Stengel wachſen wie die emporftrebenden an ihrer Spite, aud fie tragen Blätter. Letztere, die jo- Wurzelſtock und unterir- genannten Niederblätter, find aber gewöhnlich als diſche Knospe des Tri- Schuppen von verſchiedener Beichaffenheit gebildet. So —* ee wie die Blätter des oberirdiihen Stengel in ihren Win- Hae® SEHSBATER-ı Ye Knospen erzeugen, welche, mit Schuppen umgürtet, bei den Bäumen bis zum nächſten Frühjahr ausharren, fo legen aud) die unter- irdifhen Stämme in den Achſeln ihrer Schuppenblätter Knospen zu den emporftrebenden Zweigen des nächſten Jahres an, umhüllen dieſelben mit ſchützenden Hüllen, bei den einen von troden häutiger, bei den andern von jaftiger Beichaffenheit. Die Gewähfe ſuchen fih gegen den Winter, den Feind des vegetabili- ihen Lebens, auf verſchiedene Weife zu vertheidigen. In Form von Samen widerftehen fie ihm ebenfo erfolgreich wie in der Geftalt von Knospen. Jene Selbftihut gegen den Winter, Ruhen der Knospen, 109 tragen zugleich das Gewächs nad) einem entfernteren Drte, lettere erhalten e8 an der einmal eroberten Stelle, oder rüden wenigſtens nur jehr allmälig weiter. Die Knospen jelbft ſchützen fich bei ven höheren Holzgewächſen durch trockne, die Wärme ſchlecht leitende Schuppen, die oft mit Harzen durchdrungen oder in ein dichtes Haarkleid gehüllt find, jene der Kräuter verbergen ſich im jhüsenden Schooße der Erde. Die diden Stammftüden fpeichern zugleih eine ausreihende Menge von vorräthigem Nahrungsftoff auf. Gewöhnlich bejteht derjelbe in Stärfemehl, das mehr oder weniger mit Eiweiß und andern Stoffen gemiſcht ift. In jolhen gedrängten Formen vermögen die von den Wurzeln und Blättern in der legtverfloffenen Yebensperiode eingefammelten Borräthe alle Unbilven der ungünftigen Jahreszeit zu überdauern, ohne ſich zu zerjegen. Tritt dann die nöthige Wärme und hinreichendes Wafler ein, jo löfen fie fi durdy den erwachenden Lebensprozeß auf, verwandeln ſich viel- fach und geben reichlihe8 Baumaterial für die neuen Organe, die ihrerfeits eben jo raſch einerjeits neue Vorräthe fammeln, andererjeits auf die Anlage neuer Knospen hinmwirfen. Die Blätter und Blüten der Frühjahrsfräuter haben fich alfo bereit im vergangenen Jahre innerhalb der Knospendecken gebildet. Zu legtern wurden bei jolhen Pflanzen, welche Nebenblätter zu erzeugen pflegen, vorzugsweife die fegtern mit umgebilvet. Bei ſolchen Gewächſen, denen diefe Organe fehlen, veränderte ein Kreis eigentliher Blätter jeine gewöhnliche Geftalt und über- nahm das ſchützende Wächteramt. Innerhalb der Schuppen liegen die Laub- blätter und die Dlütentriebe bis auf einen gewiſſen Grad der Ausbildung fertig, dann tritt ein Ruhen der Knospen ein. Das junge Pflanzen ſinkt in Schlummer und vermag jeine Fähigkeit, aus diefem Scheintode zu erwachen, oft mehrere Jahre lang zu erhalten. Es bietet deshalb der junge Sproß in der Knospe viele Vergleihungspunfte mit dem Keimpflänzchen im Samenforn. Ein Hauptunterjchied liegt in der Entjtehung beider, ein zweiter in den Theilen, die fie bergen. Die Samenfnospe fest das Hinzutreten eines befruchtenden Elementes voraus, das duch den Pollen geboten wird, die Zweigfnospe be- darf nur des ernährenden Gewebes der Mutterpflanze. Das Keimpflänzchen enthält hinreichende Borrathsftoffe in fi, außerdem ein Würzelhen, um ſelb— jtändig weiter wachen zu fünnen, — die Knospe ift an den Ort gebannt, auf dem fie ſich gebildet und nur erft in ihren fpätern Entwidelungsftufen ermag fie mitunter Nebenwurzeln zu treiben, während fie. in den meijten Fällen von dem Mutterftamm abhängig bleibt. Die Puljatille, das Fingerfraut, die Primeln, Steinbredharten und andere ihnen ähnliche ausdauernde Frühlingsfräuter, die feinen wagerechtlie- genden unterirdiichen Stengel befigen, haben in ihrem Wachsthum trogdem viel Aehnliches mit den eben betradıteten. Sie find es, welchen man ehedem vielföpfige Wurzeln zujhrieb und bei denen man jegt von mehrjährigen Aftigen unterivdiihen Stengeln ſpricht. Letztere laſſen ihre Glieder ſehr kurz, geben ihnen dagegen eine nicht unbedeutende Stärke, welche fie geeignet macht, Nah— 110 Früpfingsträuter, Apenblumen und Lilien. rungsvorräthe aufzunehmen. Die Blätter bleiben dann natürlich dicht zu— fammengedrängt und bilden Kojetten. Lestere werden um jo dichter und geichloffener, als häufig die Blattſtiele ſich auch nur mäßig entwideln, anverer- ſeits die Blattjubftanz ſelbſt fleiſchiger, die Blattform gebrungener wird. Nur jene Stengelgliever, welche fi zu Blütenaren ausbilden, erhalten an— fehnlichere Längenverhältniffe. Sie find entweder mit einer Blattjpirale ver- jehen oder entbehren verjelben und wurden dann in der ältern Kunſtſprache als Schafte bezeichnet. Dieſe längeren Sproſſen bilden aber keine Laub— knospen; ſie ſterben ab, ſobald die * Samen gereift ſind; viele von ihnen erreichen unter ungünſtigen äußern Ver— hältniſſen dieſes Ziel nicht und erliegen ſchon früher. Die geſchloſſene Phalanx der kurzen Stengelglieder, halb oder I —44 N mehr im Boden eingejenft, widerjteht SARA 7 \ dem anftürmenden Feinde aber erfolg- Nu er MW | reich, wenn die voreilenden Poſten längſt dahin janfen. In dem Schutze ihrer dichtſtehenden Blätter bereiteten die neu— ’ angelegten Knospen die Vegetation des nächſten Jahres ungeftört vor. Sp vollenden im fchnellen Wachs— thum die Frühlingsfräuter binnen weni gen Wochen im Yahre ihren ganzen Lebenschklus, vom Entwideln der vor- jährigen Knospen bis zum Anlegen und Berwahren der neuen und verharren während der übrigen Zeit vuhend im Sclummerzuftande. Haben wir die großblütigen, lebhaft gefärbten Kinder des Lenzes bei unfern Ausgängen lieb gewonnen und wünjden wir etwa nod) länger in ihrer Geſellſchaft zu weilen, als uns dies auf den Fluren unſerer Heimat geftattet ift, jo fünnen wir fi in einer zweifachen Richtung begleiten. Sowie die Sonne mit ihrem jenf- rechten Strahl den Aequator überfehritten und ung vom Süden den Thau- wind und die lauen Regen gefendet, wedte bei ung der Frühling feine Erft- linge. In verfelben Weife wie die Himmelsfönigin bei uns höher fteigt, erobert ihr Sohn, der Lenz, nad Norden hin neue Gebiete. Würden wir “auf eine Reife nad; Norden mit ihr gleihen Schritt halten, jo fünnten wir dem Erwachen ver Frühlingsflor ununterbrohen folgen, wie es gleich einem ihimmernden lebendigen Regenbogen über die Novohälfte dev Erde verläuft, N [' - x k ) — Sn — :-< E% J Die gemeine Kühchenſchelle (Pulsatilla vulgaris), 3 Bolarflora. 111 Zwiſchen den Felſentrümmern und den Eismaffen ver Polarwelt verflingen die letzten darbentöne des Yieblichen Gemäldes, die entjeglihe Winternacht lichtet fi zwar in der Polarzone ſchon Ende Februar durch die beginnende Dämmerung, im März tritt auch hier zur Zeit der Nachtgleichen die Sonne über den Horizont und, durch Luftfpiegelung gehoben, meiftens nod) früher, — aber ihre büfterrothe Scheibe zieht ohne Strahlen am nebeligen Horizont entlang. Die grimmtige Kälte fteigert ſich ſogar, ftatt zu verfchwinden. Erſt im Juni gewinnt fie einige Macht über den Rieſen Winter. Seine Schnee— decke ſchmilzt etwas zuſammen und hie und UNE ! da zeigen fich in geſchütztern Thälern entblößte Stellen. Alles Leben jenes troftlofen Ge— bietes flüchtet fih unter die Erde oder ins Meer. Die bevorzugten Vögel ziehen nad) Süden ans offene Wafjer, die Nennthiere und Moſchusochſen wandern nad) etwas mil- dern Breiten, diejenigen organischen Weſen aber, welche gezwungen find, zu bleiben, vergraben fih in die Tiefe. Mäufe und Füchſe wühlen fih Höhlen und felbft der Menſch führt während des längeren Theiles im „Jahre ein unterivdifches Leben. Die Pflanzenwelt, vie gleich dem büßenden Pro- metheus an den Boden geſchmiedet ift, kann die lange Winternacht nur überdauern, in— dem fie fih im Schooße der allernährenden Mutter Erde verbirgt. Kein Baum, ja ſelbſt Fein Strauch vermag es, eine ſolche Scneelaft zu tragen, wie fie der arktiſche Winter aufbürdet. Kein Gewädhs vermag hier überhaupt zu bejtehen, das zur Vollen— dung feines Jahrescyklus mehr als einige Wochen bedarf. Der Eskimo, welcher, froh des wieder leuchtenden, wärmenden Himmels- lichtes, aus feiner höhlenartigen Wohnung herz Die Wieſen-Kühchenſchelle (Pulsatilla vorkriecht, begrüßt eine blühende Pflanzen- pratensis). dee, die unferer Flora im erften Frühling in hohem Grade ähnelt. Viel- fach find e8 fogar diefelben Gattungen, meift diefelben Familien, welche ihre Vertreter an den Pol wie zu unſerer Frühjahrsflor gefendet haben. inige Kreuzblümlein und Verwandte des Fingerfrauts, Hahnenfußarten und Stein= bredgewächje bilden den Hauptbeſtand. Es find faum über 100 Pflanzen- arten, welche die arktiſche gefammte Flora darftellen, alle Gewächſe, die N 7 * — 4 i 4 Kur. Su Ih —9— KV v . 4 1 a 4 . \ fr 7 N All 3J. N 11 „u . Hr 9 I De \ % j — SEE gleichzeitig binnen faum mehr ald 17, Monat die Wohlthat des Tichtes ge- - niegen, um dann wieder lebendig begraben zu werben. * 112 Frühlingsfräuter, Alpenblumen und Lilien. Der Froft zeriprengt zwar die Feljen, die Gletſcher jchieben gleich Rieſen— feilen Splitter und Geröll vor fid) her. Getrümmer und Schutt deden Schluchten und Ufer, ja nicht unbedeutende Maſſen treten jährlid auf treibenden Eis- Ihollen ihre Weltreife nad) Süden an, Nachfolger jener zahllojen Srrblöde, die in frühern Erdepochen den nordeuropäiſchen Diluvialebenen zumanbderten, Humus ift aber nur in wenigen Spuren vorhanden. Der däniſche Gouver— neur von Grönland hat mit großer Mühe einige Händchen voll Gartenerde in Uperniwif zufammengebradt und zieht hier als Außerordentlichfeit in den Leiftungen der Gärtnerfunft unter dem Schuge von Glasfenftern etwas Krefje und einige Radieschen. Flechten und Laubmooſe drängen fi in ven günftigern Lagen zwiſchen den Klippen zu dichten Raſen zufammen und bilden die Wiege für die vollfommneren Pflanzen. Hier friehen die dünnen Zweige einiger Weidenarten, die Frautartig Kein geworden find, bier bergen ſich Die unter- irdifchen Stöde des gelbblühenden Gletihermohn, des jchmwefelfarbenen und Sletiher-Hahnenfußes, die dürftigen Hungerblümchen, Steinbredarten (Saxi- fraga oppositifolia, caespitosa, petiolaria, cernua) drängen ihre Volfter dicht zufammen, einen gleichen Wuchs zeigt die Silberwurz (Dryas integrifolia) und das haarige Läufefraut. Als befannte Geftalt begrüßen wir den Löwenzahn (Taraxacum officinale var. nana), freilich zur Zwergform verfümmert, der ung als Kettenblume in den Kinderjahren jhon das Erwachen des Frühlings ver- fündigte. Don den rafenbildenden Nelkengewächſen find die ftengelloje Silene (Silene acaulis), einige zwerghafte Yichtnelfen (Lychnis apetala, triflora), ſo— wie ein Hornfraut vorhanden. In dem Anfangsbilde diefes Abſchnittes ftellten wir einige Polarpflanzen mit ausdauernden Stöden zufammen. Fig. 1 ift die weitverbreitete Naufchbeere (Empetrum nigrum); 2. der Polar - Beifuß (Artemisia polaris); 3. die adytblättrige Silberwurz (Dryas octopetala); 4. der raſenbildende Steinbrech (Saxifraga caespitosa); 5. Alpen » Bergißmeinnicht (Myosotis alpestris); 6. einblütiges Wintergrün (Pyrola uniflora); 7. das viel- erwähnte Löffelfraut (Cochlearia officinalis). Auch einige Gräfer (Poa laxa, Agrostis algida, paradoxa, Alopecurus alpinus) und Halbgräfer (Eriophorum polystachyon) theilen die bejchriebene Lebensweiſe. Höchſt unfiher ift es, daß ihre in Eile entfalteten Blüten ven Blumenftaub zeitigen oder die feim- fähigen Samen zur Reife bringen; oft tödtet fie ein jäher Froft, häufiger noch überrafcht fie der hereinbrechende Sturm und Schneefall des neuen Win- tere. In demfelben Grade als die Erhaltung der Pflanzendede durch den Samen an Unfiherheit zunimmt, ift das Vermögen, fih durch unterirdiſche Knospen, die an den in der Erde verborgenen verholzten Stengeln ſich er- zeugten, vorwiegend geworden. Leicht ift e8 möglih, daß manche jener aus- dauernden Kräuter zu den älteften Gewächſen der Erde gehören und viele der berühmteften Baumgreife an Zahl der Jahre übertreffen. Die bürftige Flora des Polarfreifes nährt felbft von ihrem Ueberſchuß nod einige Thiere und bejonders find e8 wiederum die Fräftig ausgebildeten verborgenen Sten- geljtüde, an welche fi) das Beftehen genügjamer Wurzelmäufe knüpft, vie Alpenflora. 113 ihrerjeitS wieder dem Polarfuchs und dem Polarfauz zur Beute dienen. Dem fleijchwerzehrenden Esfimo aber, und mehr noch dem fforbutkranfen Schiffer, deſſen Fahrzeug feitgefroren zwiſchen ven Schollen fteden blieb, erſcheinen die an Kleeſalz reihen Ampferjtauden (Rumex digynus) und das vielgenannte Löffelkraut (Cochlearia officinalis, fenestrata) als wahres Yabfal und herr= (ichfte Gabe des arktiſchen Pflanzenveichs. Die perennirenden Kräuter unjers Frühlings lächeln uns mit ihren großen Blumen an wie die freundlichen Augen von Kindern, deren fröhliches Gedeihen eine ſchöne Zukunft verſpricht. Die bunte Dede der Flur wird von Tag zu Tag reicher geſchmückt, und ſchon fünden Erdbeeren den fpätern Fruchtſegen des Sommers und Herbftes an. Diefelben Gewächſe ericheinen dagegen am Nordpol gleich einem franfen Knäblein, dem der Tod aus dem großen Auge jpriht. Ihnen folgt feine Flora des Sommers, nur das Srftarren des Winters. Angenehmer als ſolche Polarfahrt ift Die zweite Art und Weife, in welcher wir die jährlihe Wanderung der Frühlingspflanzen begleiten fünnen. Sie führt und vom Thal und von den Auen der Niederung zum Hochge— birge hinauf. Wenn an den Ufern der freundlichen Elbe bereit8 die blü- henden Roſen und die erften Kirfhen den Sommer und den höchſten Stand der Sonne verkünden, fpiegeln fi in ihren Quellbächen auf den Rieſenge— birge noch die erſten Blüten des Lenzes. Schneefleden leuchten dem Sudeten— wanderer ſchon aus weiter Ferne entgegen und er eilt aus dem Reich des heißen Sommers vergnügt den legten Nachzüglern des verflofjenen Winters zu, da er gewiß ift, dicht neben denſelben ‚die erquidende Mailuft und die Pracht der Blumenbeete in Rübezahl's Garten zu treffen. Aehnlich wie bet der Wanderung nad den nordifhen Breiten bleiben ihm auch bei dem An— fteigen auf das Gebirg zuerft die Laubhölzer zurüd, ernjter Nadelwald nimmt ihn auf. Allgemach verfhwindet auch Fichte und Tanne und nur das Knie— holzgeſtrüpp und einzelne Weidenbüfche begleiten ihn. Diefelben Naufchbeeren (Empetrum nigrum) und Andromeden, die in Grönland grünen, trifft er aud hier auf den ſumpfigen Hochwieſen, dann aber begrüßt ihn die Pracht der Kräuter mit perennirenden verborgenen Stöden. Das goldfarbene Finger— fraut (Potentilla aurea) überwuchert ganze Flächen, neben den Wollgräfern (Eriophorum vaginatum, alpinum) niden die Nehren der Seggen (Carex sparsiflora, atrata, rigida etc.), dieſelben Gräfer, die an der Baffıinsbai niedere Raſen bilden (Poa laxa, Alopecurus, Agrostis) ſproſſen aud) hier zwifchen den Gefteintrümmern hervor, dazu fommen aber zu Taufenden wo- gend die herrlichen Anemonen, der Teufeldbart (Anemone alpina) und das narziffenblütige Windröschen (Anemone nareissiflora). Bezaubernd ſchön miſchen fi zahllofe Alpen-Vergißmeinnicht (Myosotis alpestre) mit großen tiefblauen Blumen, die dickblättrige Roſenwurz (Rodiola rosea), der Brandlattid) (Homogyna alpina) und purpurne Läuſekräuter (Pedicularis sudetica). An den Felfengefimfen der Schluchten entlang ziehen ſich purpurne Streifen des Wagner, Mal. Botanif. I. Bd. 8 114 srühlingsfräuter, Alpenblumen und Yılten. « Zwergprimel® (Primula minima) hin. Die feurige Siverfie leuchtet golden neben Habichtsfräutern und dem giftigen Germer. Wir würden ermüden, wenn wir fortfahren wollten, alle die Herrlichfeiten aufzuzählen, welche ver Berageift aus feinem Schatze uns bietet. Etwas anderes ift immer eine ge- drudte Speifefarte geiftigen Genuffes, wieder etwas andres die Freude jelbft, welche die Natur an ihrer veichgededten Tafel jpendet. Hier iſt der Ein- druck der Frühlingsflor mitten im Sommer von ganz anderer Wirfung als am Geftade des Nordpol. Wenige Stunden brachten uns aus der jommer- lichen Landſchaft herauf ins Gärtchen des Lenzes, die weiten Gefilde mit den wogenden grünen Saaten Liegen zu unfern Füßen, wenige Stunden vermögen ung wieder zu ihnen zu bringen. Wir feiern das Felt des Wiederſehens, nachdem uns der Sommer von sven Geliebten getrennt hatte. ern tft jebe beängftigende Furcht, denn wenn auch im Hochgebirg fich Feine eigentliche Sommerflora als Fortjeßung an die -[chnellverfchwindende Pracht der Kräuter anſchließt, je Liegt dieſelbe doch in ſolcher Herrlichkeit Dicht dabei ausge— breitet, daß wir in dieſem Nebeneinander nur ein überraſchendes Mittel erfennen, durch weldes die Natur uns Genüfje, die im Tiefland durch Mo— nate getrennt bleiben, hier ung gleichzeitig bietet. Diefer überrafhende Eindrud fteigert fi) no), fobald wir unfern Aus— flug nad) den Gletſchern der Alpen fortfegen. Eine furze Fahrt von einem Tage bringt uns ja bis zum Fuß des Hochgebirges, und unterrichtete Führer begleiten uns in den Hochthälern hinauf bis zu jenen verborgenen Heilig— thümern der Schneewelt, in denen der Frühling mit feinem Blütenfranz ſelbſt dann nocd eine Zuflucht findet, wenn auf ven Feldern des Tieflanves bie Senje zur Ernte erklingt. ‚Jene Höhen über 10,000 Fuß erinnern mit ihrer Scenerie, ihren Wit- terungsverhältnifien und ihrem organiichen Leben vielfach an die Felsgeſtade des nördlichen Grönlands oder Spitsbergens während des furzen Sommers. Auch hier ftarrt der fahle Steinfanm neben dem weiten Firnfeld, in ver Thalmulde fenft fid) der Gletſcher herab und ſchiebt Maffen von Schutt vor ih her. Die Sonne erjdeint nicht als die blendende ftrahlenfprühende Herricherin, fie wärmt nur wenig und fteht matt, fraftlos und mondlicht— artig am ſchwarzblauen Himmel. Während drunten in den warmen Thälern die faftige Frucht des Obſtbaums und die Trauben im heißen Sonnenfchein reifen und der Wanderer fi den Schweiß von der Stirn trodnet, brechen hier droben in den abgefchloffenen Geflüften der Hochalpenwelt furchtbare Stürme los, vom Alpenbewohner als Guren bezeichnet. Zwifchen Firm, Sletjher und felfiger Trümmerwüfte ringt eine Pflanzenwelt mühjam mit den feindlihen Mächten um ihre Eriftenz, die mitunter fogar bis auf die Arten mit jenen Polarpflanzen übereinftimmt. Auch die Zahl der Pflanzen- ſpezies iſt ziemlich diefelbe, 105 find diefer Hochregion eigenthümlich, alle durch ausdauernde unterirdiſche Stöde und in der Erde verborgene Knospen jenen Grönländern und unſern Frühjahrserftlingen gleih. Hat ein ſtarker a Schlummern und Erwachen der Alpenkräuter. 115 Winter die Schneevede über den’ Kräuterrafen ungewöhnlich hoch aufgehäuft, tritt der erwärmende Frühling nur mäßig wirfend ein, fo vermag mancher Sommer hindurch der Sonne Strahl e8 nicht, die eifigen Kerferbanden von den Lebendigbegrabenen zu löfen. Der Sargvedel bleibt geſchloſſen, der neue Winter reiht dem verfloffenen mit Froft und Schneegeftüber die Han. Mehrere Male hat vielleicht das Jahr feinen Kreislauf vollendet, die Kräuter Ihlummern noch immer. Da endlich bricht ein ungewöhnlich zeitiger und warmer Sommer den verderblihen Bann, die eherne Dede zerihmilzt und ftürzt in ſchäumenden Gießbächen hinab in die Auen des Tieflandes, der Erd— boden kommt zum Vorſchein, aber feine Kinder jcheinen ertödtet. Die Blätter find abgeftorben und welf, viele verjelben verweft. Ste gleichen den bleichen Gebeinen einer geöffneten BE Gruft. Allein in den ſchein— bar Todten ſchlummert nod) Leben, die verborgenen Knos— pen haben jelbjt einen mehr- jährigen Winter, eine mehr= | jährige Nacht überbauert, Bom milden Strahl der Sonne gewärmt, getränft von der Gletſchermilch, vegt fi) in ihnen ver Lebens— trieb, fie fchieben die um- hüllenden . Dedblätter zur X Seite; die vor Jahren an- gelegten Blättchen, der vor Jahren im Kleinen vorbe- reitete Blütentrieb drängt fich hervor zum erquidenden Licht und nad) wenig Wochen hat ſich ein lieblihes Blu: menbeet zwiſchen der Fels— wüfte und der Schneewelt entfaltet. Srantartige Gletſcherweiden überſpinnen mit friechenden Zweigen weite Streden, der Gletſcher-Hahnenfuß (Ranunculus glacialis) öffnet fein weißes Blütenauge neben ven fenrigen Raſen ver ftengel- (ofen Silene. Das Alpenveilhen (Cyclamen europaeum) haucht feinen lieb— lihen Duft aus. Mannsſchild (Androsace pennina) und breitblättriges Horn— fraut (Cerastium latifolium), die gelbe Siverfie (Siversia montana) mit ihöngeformten Blättern, Aurifel und Zwergprimel wetteifern mit Stlberwurz, Enzianen und Fleinen Kreuzblümlern. Kaum verfteigt fich die Herde des Senners bis zur Diefer oberften Grenze des Pflanzenwuchſes, die eine unfichere Ausbeute, dagegen um fo mehr Ge— fahren bietet, aber den wurzelliebenden Murmelthier, der genügjamen Gemſe 8* 7 Das Alpenveilchen. Erdbrod. (Cyclamen europaeum.) 116 Frühlingskräuter, Alpenblumen und Lilien, Ä und dem einfiedlerifchen Steinbodf gewährt jelbft diefe verborgene Pflanzen- welt eine würzige Koft und aud) die Feine Welt der Inſekten knüpft in einigen eigenthümlichen Arten ihre Eriftenz an diefe lebenszähen Kräuter, Auch auf ver Hocdalp bieten die ausdauernden Kräuter dem Wanderer eine geiftige Erquickung. Er, der vorher die üppigen Thäler der Niederung mit ihren jegenfchweren Garben durchſchritten, durd die Objthaine und ſchat— tigen Forfte gewandelt und fid) mühfam bis zu jener oberjten Grenze des organischen Lebens hinauf gearbeitet hat, fieht erfreut, wie felbft hier, wo von fern nur der Sitz des ewigen Schnees zu fein ſchien, die Pflanzenwelt fiegreih den Kampf führt. Die ſchönblühenden Alpengewächje mit ihrer eigenthümlichen Organifation und ihrem Fräftigen Lebenstrieb werden ihm ein liebliches Abbild jener gedrückten geiftigen Naturen, deren Streben fid) ununterbrochen äußere Schwierigkeiten entgegenftellen, die aber trotzdem nicht zagen und die, wenn ihnen dann nad) langjährigem Kampfe ein günftiger Mo- ment winft, die Knospen, die fie in der Tiefe des Gemüthes gepflegt, zu herrlichen Blüten entfalten, Nach diefen Ausflügen, auf denen wir Die perennivenden Kräuter bei dem alljährlichen Fortfchreiten ihrer Entfaltung verfolgten, kehren wir zum Wald— thal der Heimat zurüd, das wir im erften Erwachen des Frühlings bejuchten. Eine zweite Gruppe Gewächſe fiel uns bei jenem Ausgange auf, die wir bisher nicht näher beachtet. Das Frühlingsweiß und der Goldſtern erfreuten uns auf der Flur und im Bush und in den Gärten der Stadt, an allen Fenſtern der Straßen grüßen uns ftrahlende Blumen der Tulpen, Hyazinthen, Schneeglöckchen, Narziffen, Amaryllen, Meerzwiebeln, ver Kaiferfrone und des verſchiedenfarbigen Krokus. Alle dieſe jchnellaufjproffenden Blumen gehören der großen Abtheilung des Gewächsreihes an, die man, weil ihr Keim- pflänzchen nur ein Blatt enthält, Einfamblättrige (Monofotyledonen) zu nennen pflegt. Alle Genannten find durch eine Eigenthümlichfeit ihres Baues zu diefem vafchen Entmwideln befähigt, welche mit den worhin betrachteten unter- irdiſchen Knospen viel Berwandtes hat, dabei aber aud) einige Abweichungen zeigt. Es find Gewächfe, die Zwiebeln tragen und ſich aus dieſen Gebilden entwideln. Auch die Zwiebeln pflegte man früher gleih den Knollen und unterirdiichen Stämmen, als Wurzeln zu betrachten. Der Berfolg ihrer Entjtehung, fowie ein Einblid in ihren Bau erweift fie gleicherweife als Stammtheile mit Knospen. Aus dem feimenden Samen der Lılte bricht zunächſt auch ein Wurzelende hervor und dringt in die Erde, gleichzeitig dehnt fi) aber auch das junge Stengelſtückchen mit abwärts und bildet bald darauf an der Stelle, wo die Wurzel mit ihm zufammenftößt, eine Anfchwellung, eine Zwiebel, während der obere Theil der Keimpflanze nody mit dem ernährenden Eiweiß des Sa— menforns zufammenhängt. Der Stengel des jungen Gewächſes mit feiner lebensfräftigen Spitze ift in jener Zwiebelanfchwellung werborgen, die An- ihwellung jelbit durd) das erfte Blatt entjtanden, das er erzeugte und das Zwiebeltragende Gewächſe. 117 mit feinem obern Theil noch ins Samenforn reicht und die Nahrungszufuhr vermittelt. Ein Längsdurchſchnitt durch die Zwiebel belehrt ficher dariiber und zeigt den Grund des äußerſten Blattes, das rings herumgeht, fleifchig- geſchwollen. Ein zweites Blatt folgt nach innen, in ähnlicher Weife gerolft, und von ihm umfchloffen birgt fid) der Stengelanfang als winzige Spike. Auch bei denjenigen Zwiebelgebilden, die man als einfache, feſte anſah, findet derfelbe Bau ftatt, nur daß bei ihnen die darftellenden Theile ſich inniger aneinander fehmiegen und hei flüchtiger Betrachtung als ein einfacher Körper erfcheinen. Bei vielen der vorhin geſchilderten unterivdiihen Stöde entwidelt fich der Stengel im Schooße der Erde vorherrfhend in die Länge und be- handelt feine Blattgebilde höchſt ftiefmütterlih. Er fpeichert die Nahrung in fich jelbft auf und läßt den Schuppen nur dann eine etwas veichlichere Pflege zu Theil werden, wenn fie die Knospen umhüllen. So jchlängeln fid) die Ausläufer des Ackerſchachtelhalms und des Quedenweizens weithin als dünne Faden im Grunde des Aderlandes, dem Yandmann zur Plage, und ftrafen jene Forſcher eines Irrthums, welde die Dauer des Pflanzenindivivuums, das durch Abfenfer fortgepflanzt it, auf eine gewiſſe Anzahl von Fahren beſchränkt glauben, die dem normalen Alter ver Mutter: pflanze entjprechend ſei. Die Zwiebelgewächſe verfolgen bie entgegengefettte Art und Weife des Wachsthums. Die Glieder des Stengels bleiben aufßeror- _ ventlich kurz, dehnen fich dagegen . häufig in die Breite und bilden jo Scheiben, deren Grenzen aber nur durch die Anfügung der Blätter iveell nachweisbar find. Die Blätter jelbft werden übermäßig bevor- zugt. Das äußerſte derjelben, bei manchen Zwiebeln auch wol mehrere, fterben bei fortjchreitendem Wahsthum mitunter ab und dienen als trodene Häute zur ſchützenden Hülle. In manchen Fällen zerfchligen fie jogar faſerig oder negartig. Die nad) innen zu liegenden Blätter jchwellen‘ aber worzugs- weiſe didfleifhig auf und fpeichern eine anjehnlihe Menge von Stärfemehl an, zu dem fich, je nach den Pflanzenarten, bier ein beifiger, zu Thränen veizender Saft, ein jchwefelhaltiges Del, ein Gummifchleim, dort fogar ein tödtliches Gift gefelt. Es ift ja befannt, dag die Buſchmenſchen des Kap— landes ihre Pfeilfpigen mit dem Giftfaft einer Zwiebel beftreihen und auch die Indianer Südamerika's das furdtbare Waſſy-Gift aus einem ſolchen Pflanzentheil varftellen jollen. Sind ja doc ſchon die Zwiebeln der Tulpen, des Schneeglödchens, der Lilien und Kaiferfronen ungenießbar und bredjenerre- gend und jene der Herbitzeitlofen noch ſchlimmer. Längsſchnitt. 118 Frühlingskräuter, Alpenblumen und Lilien. Die Zwiebel ift eine unterirdiſche Knospe, ihre Schuppen und Schalen, je nad) den Pflanzenarten von verjchiedener Geftalt, find die ihrer Umgebung und ihrer Beſtimmung angepaßten Dlätter, weißlih, gelb oder bräunlid von Farbe, wie die meiften Gebilde der Erde. Der Stengeltrieb in ihrer Mitte ruht, bis ihn die günftigen Außern Verhältniſſe zum weitern Entwideln ver- anlſſaen. it diefer fein Auferftehungstag gefommen, jo führen ihm die Zwiebelfchuppen üppige Nahrung zu. Dei nicht wenigen .eilen hierbei die Blüten den Dlattorganen in der Entwidelung voraus, fo bei dem beliebten RR, den Amaryllisarten u. a.; als eine nod) auffallendere Erſcheinung F entwickelt die giftige Herbſtzeitloſe (Colchicum autumnale) kurz vor dem Eintritt des Winters ihre Blüten, um erft im nächſten Früh— jahr darauf Blätter und Frucht— fapfeln nachfolgen zu laſſen. Bei | der Entwidelung des Oberftodes welken die Zwiebeljhuppen zufam- , men und opfern fi zum Wohle des. gefammten Haushaltes. Wie andere Blätter erzeugen fie aber aud) aus ihren Blattachjeln neue Knospengebilde, die entweder als Laubiproffen nad) oben treiben oder in den meijten Fällen wiederum die Form von Zwiebeln erhalten, Interefjant ift e8, die Anftren- gungen zu verfolgen, welde Das Gewächs in feinem unterirdiſchen Treiben hierbei madt. Ein dicht— gedrängter Haufen von Zwiebeln hat vielleicht bei dem Schneeglöd- hen bereits Befig vom Grund und Boden genommen. Bon oben führen aber die grünen Blattge- Die Herbftzeitlofe (Colchicum autumnale), gebilve, aus der Erde die zahl- reihen Nebenwurzeln üppige Nahrung zu, die in Knospenform aufgejpeichert werden joll, um in künftigen Jahren das Blumenfleid der Erde zu ſchmücken. Die Anlage zur jungen Knospe ijt in der Blattachjel bereits gemadıt, es fehlt aber an Kaum zur weiteren Ausbildung, — Siehe, da preßt und zwängt fid) die jugendliche Zwiebelknospe zwifchen den Nachbarzwiebeln hindurd und drängt ſich fingerslang, bis fie, Raum genug findet. Der Theil, welder ihr Nah— rung vom Mutterftod zuführt, wird fadenartig dünn, und erft Das äußere Ende erhält Zwiebelgeftalt. Auch die Laubknospen mancher Zwiebelgewächfe, Pr; Sleihe Wirkungen von Kälte und Site. 119 in den Achſeln der grünen Blätter droben am Stengel entjpringend, nehmen nicht jelten die völlige Zwiebelforn an, wie ja aud) bei einer tartoffelpflanze, bet welcher man unausgejegt die Bildung unterivdifher Knollen vernichtete, die oberirdifchen Zweige fleine Knollen erzeugen. Bei einigen Laucharten ver- wandeln fich fogar die Blütentheile, anftatt Samen mit Keimpflanzen zu zei- tigen, in Iebensfähige winzige Zwiebeln. Als jeltene Ausnahme zeigt aud) ein zweifamblättriges Gewäds, die Zahnwurz (Dentaria bulbifera) die Son- verbarfeit, in ihren Blatt- achſeln Zwiebeln hervorzu- bringen. Wie die vorhin betradhte- ten unterirdiſchen Knospen, jo erfcheinen auch die in der Erde verborgenen Zwiebeln als Organe, durch welde die Gewächſe befähigt find, lange ungünftige Zeiträume Ihlummernd und unbejchadet zu überdauern und dann in fürzefter Frift eine fchnelle Entfaltung der längjt vorbe- reiteten grünenden Blätter und ftrahlenden Blüten zu er- möglichen. Es ift nit der an den Polen und auf den Alpen- jpigen reſidirende Rieſe Win- ter allein, der mit eifiger Keule und mit erdrüdendem Schneewurf die Zweige ber Gewächſe zerichmettert, — länge — alühenten Finlen Japaniſche Lilien. (Pradtlilie, Lilium speciosum, Tinte; herz— de Dimmelsfönigin janfen bfättrige Lilie, Lilium eordifolium, in der Mitte; ſchwielentra⸗ um heißen Süden auch die gende Lilie, Lilium callosum, rechts.) Kinder der Niobe zu Tode getroffen. Sobald der ſengende Sonnenſtrahl von der Flur jegliches Waſſer hinwegſaugt, iſt die Wirkung auf das Pflanzenreich eine ähnliche, als hätte die Winterkälte daſſelbe in Eis verwandelt. Die vorhin genannten Zwiebel— gewächſe: Narziſſe und Hyazinthe leiten uns ſchon durch ihre Namen nach den Ufern des Mittelländiſchen Meeres, an denen fie nebſt der Scylla ihre Heimat haben. Zulpen und Krofus gedeihen in Kleinafien und das Wort des Herrn weiſt und auf die prächtige chaledoniſche Lilie hin, welche auf den Küftenebenen Kanaan's ſchöner geſchmückt erſcheint als Salome in aller feiner 120 Frühlingsfräuter, Alpenblumen und Lilien. Herrlichkeit. In großer Auswahl und reid an Individuen derjelben Art find auch die füdlichen Steppen des ruſſiſchen Reichs mit Zwiebelgewächſen begabt. Auch das wärmere öftliche Aſien beſitzt nicht wenige, mitunter ſehr ſchönblü— hende Zwiebelgewäche. Umftehende Abbildung führt ung drei Arten derfelben vor, welde die Inſeln des japanifhen Reiches bewohnen und von denen be- fonders die Prachtlilie (Lilium speciosum) eine vorzügliche Zierde unferer Gewähshäufer geworden ift. Die üppigſte Entfaltung dieſer Pflanzenform dürfte aber im Süden Afrika's zu finden fein. Die innern Theile jenes heißen Gebiets, nad) denen man von der Kapftadt aus von Terraffe zu Ter- raſſe hinauffteigt, bilden viele Tagereifen weite, flache, nad innen zu nur wenig gejenfte Ebenen, von denen die einen aus rothem zähen Thonboden, die andern aus Sandgrund beftehen. Das ganze Kapland leidet an Negen- mangel. Jahre vergehen mitunter, bevor ein einziger durchdringender Wol- fenguß den Grund erweicht. Der Boden dörrt zufammen zur Badfteinhärte, reißt in tiefen Klüften auf, über welde die Springbodheerde mit jchenen Sprüngen hinwegfest, da hier nicht felten die giftige Buffadder lauert. Die erhitzten unteren Puftfchichten zaubern in Trugbildern den halbverfhmachteten Keifenden das Bild der fpiegelnden See vor, die in gleicher Weife ihn flieht, wie er vermeint, ſich ihr zur nähern. Alles, was einft auf den weiten Flächen an Gewächſen grünte, zerfiel in Staub, und Sandhofen ziehen wirbelnd gleich ſchreckenden Wüftengeiftern über die Einöde, Die Antilopen, Gnu's und Quagga's find nad) den entferntern Gegenden gewandert, in denen etwas dürftiges Grün ihren Hunger und Durft ftilt und jelbft der genügjfame Strauß hat ſich den bebautern Diftriften genähert. Das ganze Gebiet gleicht einem weiten Grabe, in dem die Nefte von Tauſenden ſchlummern. Eine große Menge Knollengewächſe liegen im Scheintod tief im Boden ver- graben. Gurkengewächſe und andre Familien, melde in andern Klimaten feine Spur von Inollenbildungen zeigen, legen hier unter veränderten äußern Verhält- niffen unterivdifch ihre Vorrathsbehälter an und haben ihre Knospen an den— jelben geborgen. Sie find in gleihem Schlafe verjunfen wie die unterivdifchen Knospen der Polar- nnd Hocdgebirgspflanzen, welchen die Kälte ein jchnelles Erwachen verwehrt. Die Thierwelt bietet eine verwandte Erfcheinung. Schlangen und Krokodile erftarren in dem ausdörrenden Schlamme der Sumpfladhen durch die Trodenheit zu einem gleichen Sclafzuftand, wie im Norden die Winterſchläfer durch den Froft. Auch der Menſch ahmt in gewiffer Beziehung den allgemeinen Gebrauch nad. Die Bewohner der Kalahari-Wüfte legen fi) im Boden Waffervorräthe au, die fie in Straußeneiern gejammelt. Sie haben dieſelben mittelft Saugrohren feuchten Stellen de8 Bodens mühenoli abgerungen und in ihnen befteht ihr Reichthum in gleicher Weife, wie das wichtigste Beſitzthum der Polarvölfer die Fleifch- und Fettvorräthe find. Im fteinharten Thonboden Liegen Millionen von Zwiebeln eingemauert. Kaum würde eine andere Pflanze vem Drud zu wiverftehen vermögen, welchen der erhärtende Boden auf fie ausübt, ebenfo wenig jener Gewalt, mit welcher der Ziwiebelfluren am Kap. 121 dürre Grund faugend auf fie wirkt. Die Zwiebeln leiſten mit ihren elafti- ihen Schalen erfolgreichen Widerftand. Der Gehalt an Salzen und Gummi: ihleim, den fie in fid) bergen, hält eine ziemliche Menge Feuchtigkeit hart- nädig feſt. Die Anziehungskraft, welche diefe chemiſchen Miſchungen auf das Waſſer ausüben, ift ftärfer als die Verwandtſchaft des dürren Bodens zum nafjen Element, ftärfer felbft als die Macht, mit der die Hite das Waffer zum Verdampfen mahnt. Das dürre Stengelipitschen, das als dunf- ler Punkt am Boden nod) fichtbar ift, verräth dem Pavian, der die Klüfte der benachbarten Sandfteinzüge bewohnt, jowie dem Hungernden Betſchuanen, dem die Noth die Sinne gefhärft hat, daß hier im Boden ein Schatz ver- borgen ift, für den legtern werthvoller als Gold. Freilich) gehören die enor- men Musfelfräfte des ftämmigen Hundsaffen und die Ausdauer des Wiüften- bewohners dazu, jene Schäße zu heben. In Neuholland, das in feinem Innern ebenfalls auf den ausdörrenden Flächen zahlreiche Zwiebeln verbirgt, nimmt jogar ein Bogel, ein fehöngefiederter Kakadu, an dieſer Schaßgräberarbeit Theil und arbeitet mit feinem auffallend ftarfem Schnabel die Zwiebeln her- vor. Wie die Wurzelmäufe des Nordens und die Murmelthiere der Alpen den mehlreihen unterivdifhen Stengeln und Knospen nachgehen, jo graben hier in den heißen Ebenen, in der Karu des Kaplandes, wie in den Wüften- thälern Nordafrifa’s und in den Steppen Afiens die Springmäufe den Zwie— bein nach und wiſſen fie mit ſcharfem Spürvermögen in ihren Verſtecken zu finden. Ihre eifenfeften Nagezähne arbeiten ſich einen Weg jelbft durch ſchwächere Platten von Sandftein. Auch die neue Welt hat an Ähnlichen Lokalen neben verwandten Zwiebelgewächſen auch TIhierformen, deren Beftehen an diefe verborgene Speife geknüpft ift. Wie durch ein Wunder wird aber die ganze Landſchaft veredelt, ſobald der wolfenbededte Himmel feinen Segen herabftrömt. Ein mehrtägiger Guß hat ven Staub der Karufläche gelöfcht, ift in den Grund gedrungen, hat bie harte Schichte erweicht und den fchlafenden Pflanzen einen Auferftehungsgruß von dem Himmel gebradt. Die Zwiebeln, die vielleicht feit vier oder fünf Jahren regungslos lagen, erwachen. Sie faugen die langentbehrte Wohlthat begierig ein. Ihre Vorrathsftoffe verflüfjigen fid) und dringen zum Stengel. Dieſer beginnt ſich zu ſtrecken, durchbohrt faftig die Schollen feines Grabes und ftrebt hinauf zum Licht. Wenige Tage nur, — und allenthalben ſchauen neugierig die Spiten hervor. Neben dem büfterrothen Grund verbreitet fich ein grünlicher Schimmer, noch einige Tage und das Gefilde ift ein einziges duftiges Blumenbeet. Die Amaryllis hat ihre dunkelpurpurnen großen Blu- men entfaltet, Geiforrhizen und Ixien, Lachenalien, Moräen und hundert andere ſchöne Verwandte der Lilie und Narziffe haben zwiſchen dem freund- lihen Grün faftiger Blätter einen lebendigen Regenbogen auf die Erbe ge- zaubert. Gleichzeitig haben aud die Knollengewächſe ihre Ranken entmidelt und überfpinnen die fahlen Stellen des Bodens mit einem lieblihen Teppich. Den lebenerwedenden Wolken find die Herden des Wildes gefolgt. Oiraffen 122 Frühlingskräuter, Alpenblumen und Lilien, und Zebra’s, Clennantilopen und Kudu's, der Bleßbock, die Kuhantilope und der bunte Bock und alle die andern zahlveihen Antilopenarten des jüdlichen Afrika eilen zur blumenreihen Weide und ſchwelgen im Genufje des Augen- blids. Der fröhliche Lebensmuth macht ſich Luft in ausgelafjenen Sprüngen und übermüthigen Kämpfen. Das große Wechſelſpiel alles Lebens, Lieben und Hafjen, Ningen und Kämpfen, fid) Nahen und Meiden entfaltet fi in üppigfter Weife, denn aud der Leopard und die Hyäne find ihrer wandern- den Speife gefolgt und droben jchwebt der Geier. Wo die Natur ihre Schäße entfaltet, nahet der Menſch. Der Boer treibt feine Herden zur futterreichen Flur und richtet ſich hier zeitweilig häuslich ein. Auch der Buſchmann naht, lüftern nad) Raub, und nicht jelten mischt fih Blut in das Grün des Gefildes. Den zwiebeltragenden Liliengewächſen unferer Frühlingsflur find die zierlichen Knabenkräuter, die allgemein beliebten Orchideen, nahe verwandt. Der Verwendung, welche der Menſch von ihren mehlveihen Knollen mad, haben wir früher (©. 102) gedacht; jetzt verweilen wir einen Moment bei der . Betrachtung ihres Baues. Kaum hat der Blütenftengel der Orchis mit fei- nen jcheidenförmig gerollten Blättern ſich zu ftreden begonnen, jo ſchwillt der Grund des zweiten Blattes, von unten gezählt, bereits an. Es bildet fid) in der Achfel deijelben eine Knospe. Der Stengeltheil der lestern verbidt ih) dur fortwährende Aufnahme neuer Nahrungsoorräthe, die er in ge- drängtefter Form auffpeichert. Er durchbricht als Knolle die Blattjcheide und erreicht außerhalb verjelben feine Vollendung. Das untere Ende der Orchi— deenfnolle verräth durch Zellenbildungen, welche ver Wurzelhaube gleichen, mit ver Wurzel einige Aehnlichkeit. Bei manchen Arten (Orchis Morio, mascula) bleibt e8 einfach, bei mehreren andern theilt e8 fich in mehrere Zweige (Orchis maculata; latifolia). Das obere Ende trägt die Anfänge neuer Blattgebilde und das lebensfräftige Spitsschen eines neuen Stengels. Auch bei den Orchi— deenfnollen verlängert ſich nicht felten der Theil, durch melden fie mit der Mutterpflanze zufammenhing zu einem ftrangähnlichen Gebilde, wie wir ſol— hes aud bei Bildung junger Zwiebeln antrafen. Wie die Orchideen der Iropenwälder ihre Wurzeln droben auf den Aeſten der Bäume entwideln, je bauen mehrere ihrer Geſchlechter eben daſelbſt auch nollenähnliche Gebilde, aus denen die Blätter und DBlütenähren hervorbrechen. „Jene Knollen find entweder grün gefärbt oder von braunen, abgejtorbenen Schuppenblättern umhüllt und dienen den genannten vollendetern Theilen des Gewächſes als Schuß in frühejter Jugend und während feiner raſchen Entfaltung als Speife- lieferant, übernehmen alfo im Reiche der Luft ganz dafjelbe Amt, das Knol— len und Zwiebeln und ftärfemehlhaltige Stengelftöde anderwärt® unter ber Erde verwalten. VI. Die Pflanzenzelle und die Zellenpflanzen. (Ein Blik ins NMikrofkop.) Algenformen unjerer Süßwaſſer. — Einzellige Pflanzen. — Diatomeen, — Faden- algen. — Armleuchter. — Meeresalgen. — Zellenformen. — Die Pflanzenzelle und ihr Inhalt. — Zellenhaut. — Berdidungsihichten. — Zellenfern. Vermehrung der Zellen. — Tochterzellen. — Freie Zellenbildung. — Zellenpflanzen in Bergmerfen. — Schneealgen. — Flechten. Mooſe. — Pilze. „Das Leben befteht aus zahllojen Kleinigkeiten,“ } Varel ungern läßt ſich der ftrebende Menſchengeiſt ein Halt! zurufen, AIungern gefteht er die Grenze ein, die feinem Weiterforſchen gefetst ift und verjucht mit unabläffigem Bemühen fie zu erweitern, Grenzen jest dem Menſchen die Zeit und der Naum. Die Gejhichte der Pflanzenwelt in früheren Erdepochen iſt zum Theil, die erfte Entjtehung der Geſchlechter noch gänzlih in Dunfel gehüllt. Ob andere Geftirne auch verwandte Geſchöpfe tragen? ob auf ihnen aud) Wälder grünen, Blumen blühen und Früchte für Hungrige reifen? find unlösbare Fragen. Aber auf 124 Die Pflanzenzelle und die Zellenpflanzen, der Erde felbft find räumliche Grenzen geftedt, nicht nur durch Meere und Gebirge, Wüften und Sümpfe weite Streden ferner Kontinente ummauert, — aud in der nächſten Nähe durch Kleinheit der Naturförner deren Erfennt- niß erſchwert und dem unbewaffneten Auge unmöglid) gemacht. Die Erfindung des Mifroffopes mußte deshalb in der Kenntnif der Pflanzen einen ebenfo tiefgreifenden Einfluß ausüben, wie das den Him- mel eröffnende Teleffop in der Aftronomie. Das Schwerzuerfennende hat aber gleichzeitig auch einen magiſchen Keiz. Die Welt ver Heinern Gewächſe, das Arbeiten der winzigen Theile im In— nern. größerer Pflanzen, das fi) bis dahin der klaren Erfenntniß entzogen hatte, war von einem geheimnißreihen Schleier verhüllt, von einem Halb— dunfel beveft, in dem das Ahnen und Wünfhen, das Vhilofophiren und Phantafiren reihe Nahrung fand. Je enger der Kreis der Erkenntniß bis dahin war, defto unmittelbarer erſchien das Eingreifen einer höheren Macht, defto näher die Gottheit. Das Wegreißen des Schleiers vom Geheimniß ihien eine Profanifirung des Heiligthums, ein Bertreiben der ſchützenden Dä— monen, deren Bilder das Gemüthsleben bevölferten. Es fand ſich deshalb gleichzeitig auf der einen Seite eine Abneigung gegen den Gebraud) der Fojt- baren Hülfe, welche das finnreiche Bergrößerungsglas bot, und nur nad) mancherlei Kämpfen nad Außen und Innen entſchloß fi die Forſchung den Zauberftab zu benugen, un den Eingang in den verjchloffenen Tempel zu öffnen. Abſichtlich haben wir unfere Freunde nicht zuerft mit einem Blick ins Mikroffop unterhalten, wie es die ftrenge Wiffenfhaft wol gefordert. Wir haben bei unfern bisherigen Spaziergängen Wurzeln gegraben und gelegent- id Blumen gepflüdt, wie es der Yuftwandelnde thut, und nur nebenbei das vergrößernde Inftrument zu Hülfe genommen. Wir glauben jetst aber unfere Lefer nicht zurüczufchreden, wenn wir verfuchen, ihnen ein Bild vom Yeben der Kleinften Gewädhfe und von dem Bau der Hleinften Theile der Pflanze, der Zellen, zu entwerfen. „sn einem fühlen Grunde, da geht ein Mühlenrad.“ Seit Jahren hat es feinen Kreislauf vollführt, Waflerperlen gefprüht und vielleicht gelegentlic, einem PBoeten, der des ſüßen Müßiggangs pflegte, ein Abbild der vollenden Melt mit ihren vergehenden und neu entjtehenden Gefchlechtern gedünkt. Daß es, gleich der wandelnden, vollenden Erde auf feiner Oberfläche aud) Tebendige Weſen trägt und ernährt, daß aud auf ihm Haffen und Lieben, Sterben und Geborenwerden, lieben und Nahen fich finden, hat vielleicht noch Kei— ner beachtet. Der weißbeitäubte Mühlburfche eriheint und laßt das Schutzbret herab, damit fid) droben im Teiche die Waſſer wiederum fammeln. Er ermeilt uns ohne fein Wiffen einen Dienft. Wir treten herzu — die hervorftehenden Steine geftatten e8 — und muftern das triefende Holzwerf. Mancherlei Schleimhäute und unanfehnliche Flocken beveden es, die einen ſchwärzlich, die andern braun oder grün, noch andere gelblih, An den Gefteinen des Baches fluten jpahn- Einzellige Algen. 125 grüne Fäden. Wir nehmen Proben von Allem und verwahren jede verjelben in beſondern Papieren. Durch die Ausbeute gelodt, folgen wir dem Laufe des Wafjers, nehmen von den Steinen in feinem Bett, von den Stengeln des Wafjermerf und ven Blättern des Vergißmeinnicht, die jeine klaren Wellen umfpülen, noch man- cherlei ähnliche ſchleimige, anſcheinend geſtaltloſe Gebilde. Wir gelangen auf einen ſumpfigen Wieſenfleck. Man hat hier eine Anzahl Gruben angelegt, die von dem Bache aus bewäſſert werden und zur Zeit der Flachsernte dienen, die Stengel des Lein zum Röſten aufzunehmen. Grüne Schleimmaſſen ſchwim men blaſenwerfend auf der Oberfläche der Tümpel, gelblichbraune Schaum— häufchen treiben daneben. Wir überwinden unſere Scheu, die wir anfänglich gegen die ſchlüpfrigen, räthſelhaften Gebilde haben und entnehmen von Allem Proben, was uns hier im Königreiche der Fröſche irgend durch Färbung von jenen Gebilden als abweichend erſcheint. Voll Erwartung eilen wir nach Hauſe, denn im Freien mit dem Mi— kroſkop ſofort Unterſuchungen anſtellen zu wollen, iſt nicht gut thunlich. Ein Tröpfchen von dem grünlichen Schaum bringen wir auf einem Glasplättchen zuerft unter das Mifroffop und ſehen die ſcheinbar geftaltlofe Schleimmafje noch ſchöner in zierlihe Geftalten zerlegt, als das Teleffop dem Aftronomen die bleihen Nebelflede zergliedert. Wir haben Körperchen vor ung, die in Form einem Halbmond ähneln, immer mit einem grünen Wleden geziert. Andere gleichen einem gezackten Kreuz, andere einen Quadrat, jene wieder einem Stäbchen, noch andere einem einfachen oder einem zufanımengefegten Kügelhen. Wir haben Pflanzenformen der einfachjten Art vor uns, ein- zellige Algen mit weichen, zarten Häutchen, der Abtheilung der Desmidien angehörig. Würden wir fie über die Flamme des Lichts bringen, fo würden fie ebenjo verfohlen und verbrennen, wie andere zarte Pflanzentheile, Bei ihnen ift grün die vorherrfchende Färbung, jedoch kommen aud) intereffante Ausnahmen vor. Die Sage vom Blutregen, die früher jo Manden Ihredte, entftand durch eine dieſer Hleinften Pflanzen, das Kegenblutforn, Dei trodener Witterung liegen feine dortpflanzungszellen zufammengefchrumpft und unbemerkt in der Höhlung des Felſens oder in dem eingetrodneten Schlamm der verfiechten Lache; bei eintretendem warmen Regen werden diefelben aber zu neuem Leben gewedt und vermehren fich mit außerorventlicher Schnelligkeit. Als zahllofe blutrothe Punkte ſchwimmen fie in der Waſſerpfütze und geben dieſer das blutfarbige Anſehen. Auch im Meere treten verwandte winzige Pflanzengebilde auf, die das Wafjer mitunter auf weite Streden hin in allen Schattirungen des Roth färben. Eine Probe von dem gelblichbraunen Schaum, den wir gefammelt, zeigt ein ähnliches Schaufpiel. Aud in ihm erkennen wir winzige Pflänzchen, vor- herrihend von mathematifhen Formen, Einige find regelmäßig vieredig wie Kartenblätter, andere nannte man nad) ihrer Geſtalt Ellenftäbchen, wieder andere ähneln. feinen Nadeln. Biele find keilförmig und fiten in Büjcheln 126 Die Pflanzenzelle und die Zelfenpflanzen. beiſammen. Was fie von den der vorigen Gruppe unterſcheidet, iſt ihr Ge— halt an Kieſelerde, der ſich bei einem Verbrennungsverſuche deutlich erkennen läßt. Man kann ſie auf einem Glimmerblättchen in der Flamme glühen, ſo viel man will, nur die gelblichen Maſſen in ihrem Innern, aus organi— ſchen Subſtanzen beſtehend, verſchwinden. Die äußere Zellenhülle, welche die Form beſtimmt, bleibt unverändert. Sie ähnelt dem durchſichtigen Glas. Dieſe zweite Gruppe wird wegen dieſer Eigenthümlichkeit als kieſelſchalige Diatomeen bezeichnet. Die beiden folgenden Abbildungen zeigen uns einige diefev Diatoneenformen in mifroffopifcher Vergrößerung. Auf der Abbildung Kieſelſchalige Diatomeen aus dem Kiefelguhr von Strafford, ftark vergrößert. Imfs (©. 126) fehen wir in dem Siefelguhr von Strafford in der größten, in ber Mitte liegenden Form eine Pinnularia nobilis, neben ihr Bruchftüden von derjelben Art, theils vom Schiffſtäbchen (Navicula). Die übers Kreuz liegenden pilzähnlichen Körper zur Linken gehören der Gattung Amphidiscus an. Die Abbildung rechts (©. 127) giebt eine Probe des Bergmehls von Ebsdorf, ebenfalls ſtark vergrößert. Die Stäbchen, welche hier als leiter- förmige Körper erſcheinen, gehören dem Ellenftäbchen (Synedra acuta) an, die ſchiffchenförmigen, gefriimmten und mit Querftrichen gezeichneten Dagegen per Pinnularia inaequalis. Die große runde Scheibe ift Gallionella varians. — Obſchon mande Formen dieſer Heinften Pflanzengebilde eine außerordentlich Kiejelfhalige Diatomeen. ’ 127 weite Verbreitung über die Erpoberfläche haben, jo find doch andere wiederum beftimmten engern Ländergebieten eigenthümlich und gerade diefe haben mit- unter wichtige Aufſchlüſſe über beftimmte Seiten im Leben unfers Planeten geliefert, welche bi3 dahin dunfel geblieben waren. So ift 3. B. erſt in ven legtvergangenen Yahren durch einige Proben von Staub und Schlamm, welche unfer unglüdliher Landsmann E. Vogel vom Tſad-See nad) Europa fandte, feftgeftellt worden, daß der Paſſatſtaub, welcher an der Weftfüfte Afrifa’s das iz U mE U 5 Ra! re — —— LS WR nn, jI1 IE an IN \ —8 2 N S o TER > NN © RR 77 N N = Q > N N N oO DL, V —X J C Sr N © ’ = N > N EN S = RT IS Tl U Sau S N SI N RT N S\ ai = \ Yr N N } & N \ > I: TON N v l= N I N N 4 J Ir > \ } Kiefelichalige Diatonteen aus dem Bergmehl von Ebsdorf, ftark vergrößert. jogenannte Dunfelmeer hervorruft, nicht im Innern diefes Erdtheils feinen Urfprung haben kann, fondern von Südamerika aus zugeführt wird. Die überjendeten Proben enthielten Formen von Diatomeen und fiefelfchaligen Infuſorien, welche fid) im Paſſatſtaube nicht vorfinden. Wir geben auf Seite 128 und 129 bildlihe Darftellungen von einigen derſelben. Die meiften diefer Heinen Pflänzchen vermehren ſich durch Theilung. Ihrer andern Yortpflanzungsweifen werden wir fpäter eingehender gedenken. Bei manchen Arten bleiben die nenentftandenen Weſen mit den Altern mehr oder weniger innig im Zufammenhange. Einige der viererigen hängen fid) mit 128 Die Pflanzenzelle und die Zellenpflanzen. den Eden aneinander und bilden auf diefe Weife Ianghinflutende Ketten, vie dem bloßen Auge im Waffer freilich nur wie ein Faden aus Staubtheildyen von der Dide eines Spinnfadens erſcheinen. Die Pflänzchen des Bruchbänd— hens bleiben mit einer ganzen Seite verbunden und bilden ein Ganzes von Bandform. Noch interefjantere Gebilde erzeugen jene feilfürmigen, fobald fie im Zufammenhange bleiben. Ein jaftbraunes Scleimhäufhen, das wir von einem Steine im Bade abhoben und von dem wir ein wenig unter das Mi- froffop bringen, zeigt herrliche freisrunde Scheiben, zierlichen Glastellern mit gelblichen, zarten Zeichnungen ähnlich. Durch die ftrahlenförmigen Linien, vie vom Rande nad) dem Mit- telpunfte ziehen, geben fie deutlih ihre Zuſammen— jegung zu erfennen und eine etwas unfanfte De- rührung laßt fie in dieſe Elemente zerfallen. Die größern grünen Mafjen, von denen wir Proben unterſuchen und die jhon dem unbemwaffneten Auge fadenähnliche Gebilde zeig- ten, läßt das Mikroſkop deutlih al® Fadenalgen erfennen. Die dunfelgrü- nen Vaucherien, auf dem Grunde des Waſſers an- fänglich dichte ſammtene Polſter von zäher Beſchaf— fenheit bildend, ſpäter auf Kieſelſchalige Diatomeen und Infuforien ans dem Schlamme des der Oberfläche als ſchwim— U | mende Inſeln treibend, Iaf- jen nur einfache hohle Schläude erfennen, deren Inneres eine loje, für- nige, grüne Maſſe enthält. Nach den Spiten zu verzweigt fid) der Schlauch mehrfach, die Aeſte werden aber durch feine Scheivewand von dem Hanpt- arme getrennt. Die haarähnlihen Faden der Conferven und Zygnena-Arten zeigen deutliche Zwilchenwände. Da die umjfchliegende Haut glashell durd)- fihtig ft, geftatten fie einen Einblid in ihr Inneres. Jede Abtheilung des Fadens ift eine fogenannte Zelle. In der äußerſten Zelle an der Spite des Fadens entjteht eine Duerjcheidewand und bildet aus der einen Zelle zwei, dieſe ftreden fi) und verlängern dadurd den Fäden. Im Innern dieſer Flei- nen Cylinder nimmt eine fhöngrüne, bei andern goldgelbe, bei nody andern rothe oder bräunliche körnige Maſſe verſchiedene Geftalten an. Sie erfüllt entweder die Zellen gleichförmig oder ballt fich zu rundlichen Mafjen. Yetstere ZN — 0 OHR Fadenalgen. 129 liegen entweder in jeder Zelle einzeln oder ſind je zwei zuſammengekuppelt. In andern Arten zeigen ſie Strahlen und ähneln kleinen Sternen. Höchſt überraſchend ſind aber beſonders die Ablagerungen in den Zellen der Gat— tung Schraubenfafer (Spirogyra) (fiehe Abbild. ©. 130); hier bilten jie perlihnurförmige Fäden, die in vegelmäßigfter Scraubenwindung die Zellen durchziehen. Je nad) den Arten der Gewächſe find fie zu mehr oder weniger, ftetS aber in gleichbedeutenden Zahlen vorhanden. Ber näherer Durhmufterung diefer Fadenalgen erfreut und ein neuer befremdender Anblid. Wir haben eine Probe von dem Raſen eines Joch— fadens (Zygnema) auf ver Glasplatte, als ſchau— mig aufgeblähte Malie flottirte er auf einem jener Waffertimpel der Wiefe. ‚Jeder Faden zeigt eine Zellenreihe und in jeder Zelle den zuſammenge— ballten Chlorophyllinhalt. Einige Fäden haben an mehreren Zellen Geiten- zweige getrieben und dieſe wagerecht abjtehenden fur- zen Aeſte haben vie glet- hen Aeſte des Nachbar— fadens mit ihren Spiten berührt, find hier ver- ihmolzen, indem ſich ihre trennenden Häute aufge- löſt haben und bilden auf dieſe Weiſe ein leiterähn— Kieſelſchalige Diatomeen und Infuſorien aus dem Staube bei liches Gebilde, oder wenn Kuka, im Innern Afrika's. mehrere Fäden ſich bei dieſer Vereinigung betheiligen, ein Netz. Noch wun— derbarer erſcheint uns das Wahsthum und der Bau einer andern Algenform unferer Gewäſſer, des Wafferneges, bei dem vie langgeftredten Zellen fi) in Form eines loſen Majchengewebes erzeugen und mit den Enden zu- ſammenhängend ſich ausbreiten, während die Maſchenräume leer bleiben. Jene hautartigen Weberzüge, die das Mühlrad und das nafje Mauerwerk befleiven, find ebenfalls aus Zellenfäden gebildet, die wattenähnlich ineinander gefilzt ericheinen. Genug, alle verſchiedenen Algenformen, von denen wir ſchon in unferer Heimat Hunderte auffinden könnten, find aus Zellen gebildet. Ent- weder befteht das ganze Gewächs aus einer einzigen Zelle, vie bei manden ziemlich groß, bei Caulerpa fogar einen Fuß lang werden fann, oder Die Zellen ordnen fi zu Fäden und ausgebreiteten Lagern aneinander. Wagner, Mal. Botanif. I, Bd. g 130 Die Pflanzenzelle und die Zellenpflanzen. Bauen wir uns nad vielfältigen mikroſkopiſchen Beobachtungen dieje vielfahen Algenfornen zu einem landfhaftlihen Gemälde auf, jo erhalten wir aus einer jener Sumpfpfügen, die dem bloßen Auge eher Widerliches als Schönes zu bieten jcheinen, ein Bild eigenthümlider Art. Arm— leuchter (Chara) bilden die Rie— ſenſtämme dieſes Urwaldes. In den langgeſtreckten Zellen ihrer durchſichtigen Stengel ſehen wir den Saftſtrom emporſteigen und ihn in jeder Zelle im Kreislauf ſich drehen. Aus den orangefarbe— nen, zierlichen Sugelgebilvden, die in den Achſeln der wirtelbildenden Aeſte ftehen, brechen winzige Fa— denzellen hervor, die ſich bewegen. Die Vaucherien, die Conferven, Kreuzfaden, Myronema-Arten und jonftigen Geſchlechter der Faden— algen bilden das Bufchwerf. Ihre glashellen, in regelmäßige Ab- ſchnitte getheilten Cylinder gewäh- ven mit den gewundenen Chloro- phyllbändern, fternförmigen, fugel- artigen und fonftigen Gebilden einen bezaubernden Anblid. Der rojenfranzartige Froſchlaichfa— den und die wunderſchöne, freu- diggrüne Draparnaldie, deren Zellenſtämmchen wie zarte Flaum— federn zertheilt find, fluten dazwi- ſchen. Blaugrüne Teihblüten- haufen, blutrothe Urfügelden, hellblaue oder jhwärzlide Os— cillarien vervollftändigen das Farbenſpiel und an den Aeſten der Fadenalgen, von einer ſchwim— menden Inſel der Fadenfloden Verbundene Fäben der Schraubenfafer (Spirogyra quinina). zur andern, ziehen ſich gleich Guir- landen aus gejchliffenen Kryftallen, gleich den Glasgehängen eines Prachtkronleuchters die mathematiſch regel- mäßigen Bänder der Diatomeen. Nod, andere Arten der leßtgenannten einzelligen Kiefelalgen ſchieben ſich ruckweiſe hin und her und werben zu eben Bewohner mikroſkopiſcher Wälder. Meeralgen. | 131 jo vielen Fragezeigen, die uns auffordern zu entfcheiden, ob wir fie zu den Thieren oder zu den DBegetabilten vechnen follen. Es ift bei foldhen Kleinen Gebilden nicht leicht, als Papft mit fühnem Federſtrich die Grenzlinie in die— jer neuentdedten Welt zu ziehen und nur eine fortgefeßte Beobachtung ver winzigen Wejen, die ihre ganze Entwidelungsgefhihte aufflärt, vermag e8, fie mit größerer Wahrfcheinlichkeit in das eine oder das andere Neid) zu verweilen. Wir werden jpäter bei ven Bewegungserſcheinungen im Gewächs— reiche länger verweilen und dort aud auf dieſe kleinen Algenformen zurück— fonmen. In diefen mikroſkopiſchen Wäldern lebt eine ebenfalls mikroſkopiſche Thier— welt. Monaden ſchwärmen gleich Bogelfchaaren zu Taufenden um die ſchwim— menden Scaumfloden. Maiblumenthierhen fisen auf dehnbaren Stielen büſchelförmig an den zähern Fäden und ftreden ihre Wimpern ftrudelnd nad) Raub aus. Wurzelfüßler und Müdenlarven führen Krieg mit einander. Kugel— thierhen wälzen ſich vorbei und das durchſichtige Wechfelthierchen erinnert durd) feine Kormenveränderungen an den vielgetaltigen Proteus. Flohkrebſe, die mit den Wimperfüßen zu gleicher Zeit athmen und rudern, vertreten das Fiſchgewimmel und der jchwärzlih und gelbgetigerte Wafjfermolcd wird zum viefigen Saurier jenen Zwerggebilden gegenüber. In den falzigen Gewäſſern des erdumgürtenden Dceans fehlen die klei— nern Algenformen feineswegs. Daß die rothe Färbung des Oceans oft durd) mikeoffopiiche Pflanzen hervorgerufen wird, haben wir bereits erwähnt. Meyen fand bei einer Seefahrt das Meer auf eine Strede von 140 deutſchen Mei- len leuchtend und dies verurfacht durch eine mohnforngroße Alge, die leud)- tende Schwingfafer (Oscillaria phosphorea). Die Mehrzahl der Meeresalgen, die Zange, nehmen dagegen viefige Dimenfionen an, bei denen wir zum Mi- froffop nur dann unſere Zuflucht zu nehmen brauchen, jobald wir ihren ana- tomiſchen Bau unterfudhen wollen. Ihre fonftigen Formen find meiftens maffig und groß, ja einzelne find geradezu die größten aller Gewächſe. Neben den- jelben fehlen aber aud) die Fleinen einzelligen Urfügelhen und Diatomeen nicht. Am flachen felfigen Strande fluten die Tangwiefen je nad) Ebbe und Hod- wafjer auf und ab und geben ven Schiffer einen deutlichen Fingerzeug, welche der Gezeiten augenblidlidy die herrfchende ift. In ftillen, geſchützten Buchten gewähren fie dem Schiffer im Kleinen Kahne den feenhaften Anblick unter- jeeifher Gärten. Das klare Waffer ift in manden Stellen vorzüglid in wärmern Breiten von wunderbarer Durdhfichtigfeit, jo daß der auf feiner Dberfläche Dahinfegelnde den Eindruf erhält, als ſchwämme er in freier Luft. Zwiſchen den maffigen grauen Madreporen und Sternforallen, den * braunlihen Seeſchwämmen und brennendrothen Edelkorallen fprießt die ſchwärz— ih oliwengrüne Meereihe und trägt zwiſchen dem Aftwerf, das die Geftalt des Eichenlaubes nachahmt, ſchotenähnliche Gebilde. Feurig purpurnes Fieder— haar wechfelt mit hellgrünnen Ulven, der Pfauenſchweiftang ſchillert in den Farben des Regenbogens, der Meerfalat, die zartzertheilten Hutchinfien, hand— ; 9% \ 132 Die Pflanzenzelle und die Zellenpflangzen. fürmige Fucusarten und Flafterlange Meerfaite gefellen fic) zu ihnen. Dex Blafentang breitet fein olivengränes Paub aus, andere feiner Verwandten werden mehr als mannslang und tragen fpannenbreite Blattwedel, ja der Rieſentang, der die Küften der Falklandsinſeln bewohnt, foll feine Stengel bis 400 Fuß lang vom Meeresgrunde zur Oberfläche hinaufftreden, um hier blattähnliche Gebilde zu erzeugen. Alle Meerestange find, wie unfere Süß— wafleralgen, nur aus Zellen zufammengejegt; Feine andere Form von Ele- mentarorganen fommt in ihnen vor, Die fonftigen Clementartheile, die ſich in fpäteren Entwidelungsftufen zeigen, die Gefäße, bilden fich erft aus den Zellen. Die Geftalt ver Zellen verändert ſich höchſt manchfach je nach dem eigenthümlichen Schema, das dent Arbeiten jeder Pflanzenart zu Grunde liegt und zu deffen Erklärung uns jeder Schlüſſel fehlt; ebenfo verändert fie fih nad dem Drud, den jede Zelle von ihrer Nachbarin erfährt und wiederum auf diefe ausübt. Die Grundgeftalt der Pflanzenzelle fcheint im All— rn gemeinen die Kugel zu fein. Dieſe wird aber mm m „be einmal zum langgeftredten Cylinder, ein ıl UN andermal zur breitgedrüdten Platte, haufig u TTNN) zum Polyeder. Die nebenftehende Abbildung gebt eine ſchematiſche Darftellung des po— lyedriſchen Zellgemebes. Ein Duerjchnitt duch einen fehr jungen Pflanzentheil zeigt a) meiftens uoch vundlihe Zellen, die fi) nur Man wenigen Stellen berühren (Merenchym) MM und zwiſchen ſich anſehnliche Räume laſſen, die von ſogenannter Zwiſchenzellenſubſtanz erfüllt find. Bet fortſchreitendem Wachsthum dehnen ſich die Zellenhäute aus, ihr Inhalt vermehrt fi, fie drängen fi dichter an einander und verändern ihre Kugelgeftalt in bie eines vielflächigen Körpers. Gleichzeitig werden die Zwifchenzellenräume geringer. Der Querſchnitt zeigt jeßt ein fechsjeitiges Maſchengewebe (Pa— renchym), auf den Längsſchnitt erfcheint dafjelbe je nad) dem Alter auch ge- wöhnlidy mehr rundlich edig und im die Länge gezogen. Jede Pflanzenzelle, die noch lebenskräftig ift, befitt eine ringsum geſchloſſene Haut und einen flüffigen Inhalt. Die Zellenhaut befteht aus Zellftoff (Cellulofe), einer Verbindung von Kohle und Wafler (12 Koh— lenftoff, 20 Waflerftoff, 10 Sauerftoff), die dem Stärfemehl in ihrer Zu- jammenfeßung nahe verwandt ift. Nur bei wenigen Pflanzen zeigt die Zellen- haut wirflihe Löcher, z. B. beim Gabelzahn (Dieranum), einer Moosart, und dem Torfmoos, doch auch bei diefen find diefelben erft allmälig entftan- den. Bei allen übrigen Zellen ift fie völlig gefchloffen, befist aber das Ver— mögen, won der Umgebung flüffige und wahricheinlid auch gasförmige Stoffe mm Schematiſche Darftellung eines polyedri- ihen Zellgewebes. Zellenhaut. Berdidung der Zellen. 133 aufzunehmen, durchzulaſſen und auszufheiden. Je nad) den Pflanzenarten ift auch diefe Fähigkeit der Zellenhaut eine verſchiedene. Bei jungen Zellen ift das Zellenhäutchen jo dünn, daß es ſich unter dem Mikroſkop erſt dann unterfcheiven läßt, wenn fih der Zelljaft durch Einwirkung von zugetröpfel- tem Waffer oder verbünnter Säure von ihm zurädzieht, ja in den allerfrühe- iten Zuftänden zerfließt fogar entweder die ganze Zelle bei Zuſatz von Waſſer oder fie zieht fi jammt ihrer Zellenhaut einfach zufammen. Die Zellenhaut icheint durd) eine Gerinnung des Zelleninhaltes zu entftehen und gewinnt evit allmälig mehr und mehr an Feftigfeit. Hat die Zellenhaut hinreichende Stärfe erlangt, jo jondert fie nad) außen einen Stoff aus, durch den fie ſich mit ven Nachbarzellen verbindet und ver deshalb Zwifchenzelljtoff (Inter— celularftoff) genannt wird. Bei ven Zellenhäuten, welche die äußerſte Schicht des Pflanzenkörpers bilden und mit der Luft in Berührung fommen, erhärtet diefe ausgeſchiedene Maſſe zur feitern Yage, zur dünnen Oberhautſchicht (uticula). Wo rundliche Zellen fi) zu einem lodern Gewebe an einander legen und zwilchen den Bogenflüchen größere Hohlräume befindlich find, wird auch die Zwi— ihenzellenmafje um jo ftärfer. Die meiſten Zellen verdicken ſich bei fort- ſchreitendem Wahsthum, indem fie in ihrem Innern neue Lagen und Schichten bilden. Diefe Niederſchläge entjtehen aus dem Zelleninhalte durch Ddenfelben Gerinnungs - und Ausſchei— Dungsprozeß, dem die äußerſte Zellenhaut ihr Entjtehen verdankte; fie beveden bei manden Fran Zellen die ganze Innenfläche, bei ver Mehr TE AR zahl aber finden Ungleihmäßigfeiten ftatt. Oft AS ER u genug bleiben einzelne Stellen der urfprüng wen I , lihen Zellenhaut frei von Verdickungsſchichten, Pflanzenzellen mit verdickten Wänden. ebenjo häufig lagern ſich die legtern in verjchiedener Stärfe ab, nad) ber einen Seite hin maffenhaft, nach der andern nur ſchwach. Frei von Ber- dickungsſchichten bleiben gewöhnlidy jene Punkte, an denen die Zelle ihre Nachbarn am innigjten berührt und durch weldhe wahrjcheinlid der gegen- jeitige Austaufh auch am lebhafteſten vor ſich geht. Sie erjcheinen dem Auge dann fat als Kanäle, welche von einer Zelle zur andern durd die Berdifungsmafjen hinduchführen, find aber ſtets noch durch die beiderfeitigen äußeren Zellhäute und die Zwiſchenzellenſubſtanz in der Mitte getrennt. Die innerfte Yage der Verdickungsſchichten ift ftetS Die jüngfte und erſcheint als ein jehr zartes Häutchen, das ftärfemehlhaltig ift und ſich allen Unregelmäßig— feiten der Schichten eng anjchmiegt, auch in die Kanäle bis zur äußern Zellen- haut eindringt. Daraus, daß die Verdickungsſchichten nicht eine gleichförmige Maſſe bilden, jondern verſchiedene, deutlich unterſcheidbare Lagen zeigen, 134 Die Pflanzenzelle und die Zellenpflanzen. ichließt man, daß die Abfonderung diefer Subftanz innerhalb der Zelle nicht ununterbrochen gleichförmig fortgeht, jondern daß Unregelmäßigfeiten hierbei eintreten, Ruhepunkte ftattfinden und nad) diefen eine erneuerte Thätigfeit be- ginnt, Wovon diefer Wechſel des Zellenlebens abhängig jein mag, tft zur Zeit noch nicht befannt. In manden Zellen zeigen die Berdidungsichichten eine ſchraubenförmige Yagerung, doch tritt aud) hierbei im fortſchreitenden Ar⸗ beiten der Zelle mitunter eine Veränderung ein, ſo daß die eine Lage ſich rechts windet, die folgende links und dadurch bie Zelle innerlich mit fid) kreu— zenden Yagen ausgefleivet erſcheint. Durd das Streden und Dehnen, das beim fortfchreitenden Wahsthum der Zellenhaut ftattfindet, werden aud) die Verdickungsſchichten manchfach verändert. Die umſtehende Abbildung zeigt bei a Zellen, in denen ſich die Verdickungsſchichten ringförmig und ſpiralförmig abgelagert haben. b läßt in ven weißen Verdickungsſchichten die Porenkanäle als dunfle Striche erfennen und e zeigt eine Zellenwand, welde durch Die eigenthümlihe Ablagerung der Verdickungsſchichten punktirt erfcheint. Der Zelleninhalt befteht zum großen Theil aus wäßriger Flüffigkeit, in welcher aber mancherlei Stoffe theils aufgelöft find, theils dem bewaffneten Auge unterfcheidbar als halbflüffige oder feftere Maffen ſchwimmen. Junge Zellen find vollſtändig von einer etwas trüben, fürnigen und ſchleimigen Sub: ftanz, dem Pflanzenfchleim (Protoplasma), erfüllt, die häufig jene ſtrömenden Bewegungen zeigt, die wir bei den Zellen des Armleuchters erwähnten. Dieſe Ströme folgen entweder freisfürmig dem Umfang der Zelle oder fie theilen ſich in verfchiedene Arme und durchſetzen zum Theil die innern Räume. Cie (affen fih am beiten durd das Fortrüden der ſehr zarten gefürnelten Körper: chen verfolgen, die in dem Schleime ſchwimmen. Die Richtung der Proto— plasmaſtrömungen bleiben keineswegs in einer Zelle dieſelben, ſondern ändern ſich je nach dem eigenthümlichen Leben der betreffenden Zelle; auch weichen ſie in den benachbarten Zellen von einander ab. Sie ſcheinen zum Theil in den chemiſchen und phyſikaliſchen Wechſelwirkungen, die zwiſchen dem gekör— nelten Inhalt und der Zellenhaut ſtattfinden, begründet zu ſein und beför— dern muthmaßlich weſentlich mit den Säfteaustauſch der benachbarten Zellen. Wird die Zelle bei fortjchreitendem Wahsthum größer, fo hält ſich Die Schleimftrömung vorzugsweiſe an der Innenſeite der Zellenhaut und das Innere zeigt eine mehr wäßrige Klare Bejchaffenheit. Die Anwendung demi- ſcher Erfennungsmittel meift nad), daß die Zufammenfeßung des Pflanzen- ſchleims eine andere ift, als jene der Zellenhaut. Die einfachften Pilzformen beftehen, wie die einfachften Algen, aus kaum mehr als einer oder einigen wenigen Zellen, aber auch die höheren voll- fonımneren Formen, wie die Hutpilze und Schwämme, von denen die Ab- bildung Seite 141 ein riefenhaftes Exemplar zeigt, find lediglich aus einem vielfach, verfchlungenen, loſern oder dichtern Zellengewebe zufammengefeßt. Die einfachiten derjelben leben vorzugsmeife auf organifchen Subftanzen, die in Zerfegung begriffen find. Berüchtigt find eine Anzahl von ihnen geworben, Gefährliche Zellengebilde. Kunſt mikroſkopiſcher Beobachtungen. 135 welhe Krankheiten und fogar den Tod anderer Weſen herbeiführen. So haben fich jene Pilze, welche die Krankheit der Weintrauben, Maulbeerblätter, Kartoffeln, der Seivenraupe, mancherlei Wurzeln eßbarer Sträuter u. f. w. er- zeugten, eine traurige Berühmtheit verſchafft, und ſelbſt der Arzt ift mitunter gezwungen, bei gewiſſen Haarfranfheiten gegen dieſe ververblichen Zellenweſen anzufänpfen. Mikroſkopiſche Pilzbildungen wuchern auf Franken Zähnen, fie begleiten die meisten Gährungs- und Fäulnißerſcheinungen. Die Hefe, deren Einwirkung wir die Umwandlung der führen Bierwürze in obergähriges oder untergähriges Bier verdanken, bildet fid) unter Umftänden zu befannten ge- meinen Schimmelformen aus, während man auf der andern Geite aus den Sporen der lettern in der Bierwürze Hefezellen entftehen fieht, wenn man fie zwingt untergetaucht in der Ylüffigkeit zu vegetiven. Ihrer Zufammenfegung nad) laſſen ſich die Flechten (wir meinen hier die Pflanzenabtheilung, — nicht die gleichnamige Hautkrankheit) nicht von den Pilzen unterfcheiden. Es iſt eine Unmöglichkeit, die niederern Pflanzengefchlechter fennen zu ler— nen, ohne gleichzeitig ihren innern Bau zu betradhten; bei ihrer Kleinheit, bei ver Einfachheit ihrer Organifation fällt ihre äußere Form mit ihrer Ana— tomie genau zufammen. Haben wir ung durd eine Betrachtung derſelben an die Berüdjichtigung des Kleinen gewöhnt, jo ſcheuen wir aud) nit mehr vor einer Zergliederung einer höher organifirten Pflanze zurüd, obſchon bei einer folhen noch manderlei außer dem bloßen Hineinjehen ins Bergrößerungs- glas nöthig ift. Es ift gar nicht fo leicht einen geeigneten Schnitt für ein ftarfvergrößern- des Mikroffop darzuftellen. Sei auch das Kafiermefjer noch jo ſcharf, ſo gehört doch noch viel Uebung dazu, die oft ſo kleinen Gegenſtände — Scheib⸗ chen zu ſchneiden. Haardünn, im gewöhnlichen Leben das äußerſte Maß der Feinheit, reicht hierbei noch nicht aus. Ein tüchtiger Pflanzenanatom ſtellt aus einem Blütenſtäubchen noch Durchſchnitte dar, er ſchreckt nicht zurück vor der Härte der Elfenbeinnuß, noch vor der gallertigen Beſchaffenheit der jüng— ſten Pflanzengebilde. Gleichzeitig zieht er die Chemie bei ſeinen Unterſuchun— gen zu Rathe, zerlegt durch Kochen mit Aetzkali die kleinen Schnitte in ihre einfachſten Formelemente. Er betupft die durchſichtigen Scheibchen mit Schwefelſäure oder Jodtinktur, um an ihrer blauen Färbung ihren Stärke— gehalt, an ihrer goldgelben Färbung ihren Stiditoffgehalt zu erfennen. Durch Zuderlöfung und Schwefelfäure führt er eine rofenrothe Färbung der ftid- ftoffhaltigen Subftanzen herbei. Auch das Farbenſpiel, welches der Polari- jationsapparat am Mikroſkop erzeugt und welcher die verſchiedene Fähigkeit der Fleinen Objekte, das Licht zu brechen und abzulenken, befist, muß mit helfen. Schließlich wird das Sehen felbft noch zur Kunſt und nicht zur leich- teften. Es gehört ſchon längere Uebung, vielfadhes Betrachten der Präparate und umfafjendere PVergleihungen verfelben Gegenftände unter verſchiedenen Mifroffopen, ſowie verfchievdene Objekte unter demfelben Glaſe dazu, ehe das Vorliegende klar erfannt umd richtig gedeutet werden Tann. 136 Die Pflanzenzelle und die Zellenpflanzen. Da es ja aber unjer Zwed nicht iſt, der Wilfenfchaft neue Refultate zu erringen oder die noch ſchwebenden anatomiſchen und phyſiologiſchen Streit- fragen zu löſen, jo lafjen wir uns von einem erfahrenen Meifter wieleicht eine Anzahl gelungener mifrojfopifher Präparate vorlegen, die gerade be- (ehrend find, um an diejelben das Wichtigfte anzufnüpfen, was von der Pflanzenzelle und ihrem Yeben befannt ift. Es liegt ein dünnes Scheibchen unter dem Mikroſkop, das durd einen Längsſchnitt durch die jüngſte Spite . eines faftigen Stengels entjtanden ift. Es ift aus lauter rundlichen Zellen, lauter ringsum gejchloffenen Bläschen zuſammengeſetzt, vie eine Außerft zarte Haut und einen flüffigen Inhalt unterfcheiven laſſen. Alle Pflanzentheile beftehen in ihrem frühejten Sugendzuftande aus Zellen. DBetupft man das mikroſkopiſche Schnittchen, das uns die jungen Zellen zeigt, mit etwas Löſung von Aetzkali, jo zieht ſich der ſchleimige Zelleninhalt zufammen und zeigt fich vings von einem zarten Häutchen umfchlofjen, das den Namen Primordial- ihlaudy erhalten hat. Das Protoplasma ift für das Leben der Pflanzen- zellen von großer Wichtigkeit. Es ift thätig bei der Entjtehung neuer Zellen, jowie bei der Bildung des Stärkemehls und DBlattgrüns. Auch die Art und Weife, in welcher fich die Verdickungsſchichten ablagern, ift wahrjcheinlic) von feinen Strömungen abhängig. Zu innerft in der Zelle, mandmal aud etwas feitlid) wird endlich nod) in allen lebenskräftigen jungen Pflanzenzellen ein Scharf umfjchriebenes, das Yicht ſtark brechendes Körperchen von rundlicher Geftalt bemerkt, das man als Zellenfern bezeichnet und welches in feinem Innern mitunter wieder noch fleinere Kernkörperchen zeigt. Seine hemifhe Zuſammenſetzung fcheint diejelbe zu fein mie die des fticjtoffhaltigen Pflanzenſchleims. Es ift bis jest nod nicht möglich gewejen, die genannten Bejtandtheile der Pflanzenzellen Iharf von einander abzufondern und fie getvennt in binveihenden Mengen herzuftellen, jo daß man hätte nachweifen fünnen, in welchen Gewidts- verhältniffen fi die Elementarftoffe in ihm vereinigt haben. Man hat fid) nod begnügen müſſen, die einen von ihnen, die Jellenhaut, das Stärfemehl u. ſ. w., als ftidjtofffreie, ven Schleim und Zellenfern als ftidjtoffhaltige Sub- tanzen zu erfennen. Noch jchweben ferner unter den eifrigen Forſchern, die jidy mit der Erkenntniß des Lebens der Pflanzenzelle beſchäftigen, zahlreiche Fragen über mancherlei Einzelheiten. Die einen jchreiben dem Primordial- ſchlauch die größte Bedeutung bei der Entftehung neuer Zellen und bei dem Wachsthum der vorhandenen zu, während andere feine Exiftenz in Frage jtellen und ihn nur als eine Gerinnung des Pflanzenfchleims anfehen, weldye erjt durd Anwendung der Chemikalien entjteht. Man hat das Entftehen neuer Zellenferne im Pflanzenfchleim verfolgt und um diefe nachmals durch Bildung von Zellenhäuten neue Zellen entjtehen jehen. Man hat bie Scleimmafje ſich theilen jehen, und nachdem fic) gefonderte Zellenhäute um jede gebildet, zwei Zellen aus einer erhalten. Auch der Zellenfern theilt ſich häufig und jeder bildet ſchließlich durch Ausfonderung einer neuen Zellenhaut Zellenvermehrung. 137 eine neue Zelle für fi. Die vorhin betrachteten einzelligen Algen zeigen ebenfalls die wichtigiten der hier genannten DBejtandtheile, wenn fie aud) in ihrer Struftur und ihrer hemifchen Beſchaffenheit mancherlei Eigenthümlich- feiten beſitzen. Ihr Inhalt zieht fi) bei Anwendung dev hemmen Mittel in ähnlicher Weife zufammen, wie in der Zelle der höheren Pflanzen; er hat genau in feiner Mitte einen Zellenkern. Es murde derjelbe bei Gyrosigma attenuatum beobachtet, ſpäter bei faſt allen jogenannten Schiffftäbchen (Navi- eulaceen) "nachgewiefen. Bein Zellenftäbchen (Closterium) und jeinen Ber- wandten war er fhon früher befannt. Alle Zellenvermehrung läßt fid) auf zwei von einander abweichende Art und Weiſen zurücdführen: auf jogenannte freie Hellenbildung und auf Bildung von Todterzellen. Stets bildet ſich eine neue Zelle nur innerhalb einer bereits vorhandenen. Nod nie tft es’ gelungen, aus den Elementar- itoffen allein das Entjtehen einer neuen Zelle herbeizuführen. Die Shemie weift vwielfadhe Fälle nad), \\ bei denen ſich einfache Elemente, 3.2. Waſſerſtoff und Stidftoff, die man miteinander in Berührung brachte, nicht verbinden, wenn jeder — derfelben bereits eine Zeit lang /f als freier Körper ſelbſtändig vor- N handen war. Willig vereinigen ſich aber diejelben Stoffe, jobald jie ſich in demſelben Momente tref— — jen, in dem fie aus einer ander: Die Vermehrung der Pflanzenzelfe durch Tochterzellen, weitigen Verbindung frei werben. Schüttet man etwas Waſſer auf Gifenfeilfpähne in einer Flafche, fo zerlegen die leßtern das Waſſer in feine beiden Elemente, nehmen den Sauerftoff in fih auf und lafjen den Waflerftoff frei werden. Dieſer verbindet fi jofort nit dem Stidjtoff, der ihm von der mitvorhandenen atmofphärifchen Yuft ge- boten wird, und bildet Ammoniak, deſſen Gegenwart fih durd das Blau- werden eines in die Flaſche gehaltenen xothen Yadmuspapiers zu erkennen giebt. Auch die Gegenwart eines dritten Körpers übt bei der Verbindung zweier anderer Körper nicht felten einen entjcheidenden Einfluß aus. Daß bejtimmte Berdünnungsflüffigfeiten, genau begrenzte Wärmeverhältnifje, ſowie Elektricität und Licht eine wichtige Nolle bei chemiſchen Verbindungen jpielen, ift befannt. Solde Schwierigkeiten bieten bereit3 einfache Elemente, die zu zwei zufanmentreten ſollen. Ye mehr aber Grundftoffe ſich vereinen jollen, defto jchwieriger wird der Prozeß, jowie ein Friedensbündniß um fo mehr ih zu einem diplomatischen" Kunftftüc fteigert, je mehr Parteien unter einen Hut gebracht werden jollen. Die Zellenhaut und ihre verwandten Gebilde 138 Die Pflanzenzelle und die Zellenpflanzen. beftehen aber aus drei Elementen: Waflerftoff, Sauerftoff und Kohlenftoff; bei den wichtigſten Beftanptheilen der Zelle, dem Protoplasma u. j. w. tritt als vierter fogar noch der Sticftoff hinzu, beide Gruppen von Stoffverbin- dungen geben aber erſt gemeinfchaftlid) die fertige Zelle. Die hier waltenven chemiſchen und phyfifalifchen Vorgänge find fo zufammengejetter Art, die wir- fenden Mächte dabei jo Klein, daß es noch nicht gelungen ift, alle Umftände, Bedingungen und Borgänge zu enträthfeln. Mandes hat man erforjcht, manches andere vermuthet und für das Uebrige, das nody unerfannt ift, muß man fich noch mit dem Geſammtnamen der Lebenskraft begnügen. Die Ge- ihichte der erjten Pflanzenzelle, die den Schlüffel zu den Vorgängen ver Jetztwelt Kiefern könnte, ift noch ein Näthfel. Dem Forſcher Tiegen nur fer- tige Zellen als wirfende Faktoren vor. Bon freier Zellenbildung fpriht man dann, wenn nur ein Theil des Inhalts der Mutterzelle zur Bildung von Tochterzellen verwendet wird. Man fieht hierbei gewöhnlich zunächſt die Kernkörperchen der Zellenferne innerhalb der Mutterzelle entftehen, bald darauf die fertigen Zellferne, um lettere dann ein zartes, mit Flüffigfeit erfülltes Bläschen, die junge Zelle. Diefe vergrößert fih, ihr Inhalt nimmt zu, ihre Haut wird fefter. Dieſe Art der Zellenbildung findet nur in jehr untergeordneten Maße im Pflanzen- förper ftatt, viel häufiger dagegen vermehren ſich die Zellen durch Theilung. Bei diefem Vorgange bemerkt man zunächſt im Inhalt der Zelle nur einen Zellenfern, darauf aber deren zwei, mitunter aber aud vier. Yetstere rüden allmälig von einander, bilden entweder eine Reihe oder ein DViered, und nun zieht ſich zwifchen ihnen die innere Wandung der Zelle gleicy einer Falte hinein, bis ſich die einzelnen Theile derſelben treffen und zu geſchloſſe— nen Scheidewänden verwacjen. Die Mutterzelle ift in jo viele Tochterzellen zerfallen, als Zellenferne gebildet waren. Die Wand der Mutterzelle geht in der Regel ſchon früher unter, ehe die Tochterzellen ihre völlige Ausbildung erlangt haben. Sie giebt für die gefchloffenen Gewebe das Bindemittel, die Zwifchenzellenfubftanz ab. Nur in einzelnen Fällen bleibt fie um ihre Kin— der als ſchützende Hülle. Außer den genannten Beftandtheilen find in den Zellen der verfchiede- nen Pflanzengefchlechter aber noch manderlei andere Stoffe vorhanden. In manchen lagern Stärkeförnden und DBlattgrün, in andern Inulin, Gummi- ſchleim, Harze, Wachs, ätherifche oder fette Dele, Gallerte, Pectin oder Pectofe, Dextrin, Kautſchuk, Gerbftoff, Klebermehl u. a. Auch unorga- nische Beftandtheile finden ſich als nothwendige Baufteine des Pflanzenför- pers vor. Sie find entweder aufgelöft im Zellfaft enthalten, oder lagern fih) in der Zellhaut und ihren Verbidungsfchichten ab. In manden Fällen fpeihern fie fih fogar als mikroſkopiſche Kryſtalle innerhalb beftimmter Zellenpartien auf. . Schachtelhalme und manche Grasgewächſe find fo reich an Kiefelgehalt, daß nad dem Verbrennen die Zellen ſcheinbar erhalten bleiben. Ihre Wände Stoffe in den Zellen. Berbreitung der Algen. 139 ftellen ein Skelett aus Kiefelfäure dar. Kalk kommt ebenfalls häufig vor und ift meiftens mit einer organifchen Säure: Kleeſäure, Aepfelfüure, Citronfäure u. ſ. w., in Verbindung getreten. Beim Einäfchern der Pflanze entweichen die leichtzerftörbaren organischen Säuren und ihre Stelle wird in dem zurück— bleibendem Kalk durch Kohlenfäure erſetzt. Kali und Natronfalze find häufig und ebenfo tritt Eifen und Mangan in manchen Zellen auf. Thon kommt vielleicht in den feltenften Fällen vor. Wil man der von Bielen feſt— gehaltenen Anfiht Huldigen, daß die Erde in ihrem Jugendzuſtande allge- mein von Waſſer bevedt war, aus dem fih das Land erſt allgemad) enporhob, jo "würde fid) Daraus er- geben, daß wahrfcheinlic die Zellen- pflanzen die erften vegetabilifchen Be— wohner unjeres Planeten waren, daß fie in ähnlicher Weife die ganze Pflan- zenwelt begannen, wie noch heutzutage jede höher organifirte Pflanze ihre Bildung mit Zellen beginnt. Auffallend ift e8, wie gerade Die nur aus Zellen gebildeten Gewächſe, mitunter die aus einzelnen oder weni- gen Zellen beftehenden Gefchlechter es find, welche die äußerſten Vorpoſten des Gewächsreiches befegen, an denen ungünftige VBerhältniffe jedem andern Pflanzengebilde ein Beftehen unmög- ih machen. Algen gedeihen jelbft in den heißen Wafjern von Mineral- quellen, wie z.B. im Karlsbader Spru- del, und erzeugen dort als bunfel- grüne Ueberzüge ven fogenannten Bade— ſchlamm. Sie fteigen hinab in Die finfteen Schachte der Bergwerke, im Pflanzenzelfen mit abgelagerten Krhftalfen. denen fie nur gelegentlic) Die Yampe des Bergmanns beleuchtet. So fand man in der Bolpersdorfer Kohlengrube in einer Tiefe von, 600 Fuß eine röthlich gelbe Gallerte, welche aus dem Sanpftein und der Kohle an den Wänden mit dem Schachtwafler hervorquoll und in Zapfenform herabhing. Sie zeigte ſich unter dem Mikroſkop be- ftehend aus zahllofen ovalen ftäßchenfürmigen Körperchen, welche dicht neben einander in der ftrufturlofen Gallerte eingebettet Tagen, fo daß daraus große 140 Die Pilanzenzelle und die Zellenpflanzen. Aehnlichkeit mit dem Bau einer Palmella entftand. Außerdem wurde die Gallerte weitläufig durchzogen von gegkiederten, gabelig verzweigten Fäden, ähnlich denen der Algengattung Leptomitus, aber durd) Scheidewände getheilt. Es war vielleicht diefelbe Alge, die man aus dem Georgsftolln bei Klaus- thal im Harz unter dem Namen Erebonoma hereynicum fennt. In diejen Pflanzengebilvden hatte ſich aud) eine entſprechende Thierwelt eingefunden. Es (ebten an der Gallerte und in dem herabträufelnden Wafjer zahllofe Waſſer— älchen (Anguillula), Bärenthierchen (Macrobiotus), eine Menge langgeftredter Räderthierchen (Rotifer), durch die zwei rothen Augenpunfte auf der Stirn ausgezeichnet, ferner außer zahlreichen Monaden Peranema prostraetum und ein ächter Trachelius. Auch die Schalen eines Kleinen Krebsgeſchlechts (Cyelops) ——= - — fanden id) vor. — ww Nach der entgegengefegten Seite a ee — Hin wird die Grenze des organischen Yebens ebenfalls durch Gejchledhter der Zellenpflanzen bejeßt. Die purpur- vothe Schneealge (Protococceus ni- ' valis) färbt den Schnee an den nörd- lihen Geftaden Grönlands, ebenjo in den höchſten Thälern der Alpengebirge, ja zahlreiche Flechten arten Kammern S fid) an die Feljenblöde der fturm- N umtojten Gebirgszinnen an und wider- jtehen bier erfolgreid allen Unbilvden dev Witterung. Nach der oben an- gedeuteten geologischen Anſchauung wür— den Flechten als Die geeignetiten Ge— wächſe erjcheinen, welche den Felſen Die vielgeſtalti e Nabelflechte (Gyrophora polymor- befleiveten, den Die vulkaniſche Kraft pha), * iu * — en. der Tiefe dem Schooße des Meeres enthoben. Sie zerſetzten allmälig das feſte Geſtein und bereiteten hierdurch wie durch ihre eigenen abſterbenden Lager fruchtbaren Boden für nachfolgende höher organiſirte Formen. Spielen ja doch auch ſelbſt die Mooſe, Zellenpflanzen gleich den Flechten und Algen, in den Sümpfen und Waldungen eine verwandte Rolle. Ihre Raſen ver— tragen es, daß der Froſt fie zur compakten Maſſe vereiſt, daß fie die Sonnen-⸗ glut und anhaltende Dürre vollſtändig austrocknet. Ein Regen oder Thau weckt das ſchlummernde Leben in ihnen und ungeſtört wachſen ihre Sproſſen weiter, während ihr unteres Ende abſterbend zu Humus oder Torf wird. Ihre dichten Boljter bilden eine ſchützende Dede für die abgefallenen Samen, die ji entwidelnden Keime und die flahern Wurzeln der höhern Gewächſe. Sie bewachen noch jetzt die Jugend vieler Pflanzen, wie fie vielleicht in Pilze. 141 der Vorzeit in ausgedehnterem Grade bei dem Gedeihen des jugendlichen Ge- wächsreichs betheiligt waren. Wie Flechten und Mooje die Schneegrenze der Hochgebirge und Bolar- länder überjchreiten, entfalten fie in Gemeinschaft mit den Pilzen aud) ihren = — Se me m — mm a Rieſenpilz im Tunnel bei Doncaftel (Gra Ffihaft York). Formenreichthum in unfern Breiten vorzugsweiſe aud zu einer Zeit, in wel- cher die höher organifirten Gewächſe zurüdtreten. Sie erreichen ihre jchönite Ausbildung und die Reife ihrer Früchte meiftens während des Winterhalb- jahres, und wann im Frühjahr die übrige Pflanzenwelt vom Schlafe erwacht, verfinft die Mehrzahl von ihnen in Schlummer. Die Winterflora wird durd) 142 Die Pflanzenzelle und die Zellenpflanzen. diefen eigenthümlichen Wechſel kaum geringer an Arten als, jene; des Som: mers, denn Schon die Pilze allein zählen bei uns nach Tanfenden. Das Anfangsbild diefes Abſchnittes ftellt einige der größern einheimischen Pilsformen dar. Im Bordergrunde defjelben ift rechts ein Schüffelpil;z (Peziza), überragt von dem rothftrunfigen Löcherpilz (Boletus); neben dem letztern iſt vorn eine Morchel (Morchella), Das fugelige Gebilde zur Lin: fen der Morchel ift ein Bauchpilz, der gemeine Boviſt (Bovista), der für gewöhnlid) freilich innerhalb der Erde verborgen bleibt. Hinter demjelben erhebt ein Ziegenbart-Keulenpilz (Clavaria) feine geweihähnlich zertheil- ten Aeſte. Im Hintergrunde fieht man links ein Stüd des gefürchteten Haus- ſchwamms (Hydnum lacrymans), in der Mitte den Sliegenpilz (Agaricus muscarius), den die weißen Flecke auf ſcharlachrothem Grunde kenntlich machen. Zur Nechten hinter dem Löcherpilz und Scüfjelpilz erhebt ein rußfarbener Miſtpilz (Agaricus fuscescens) feinen Hut. Das umftehende Bild führt unferen Yejern ein Niefeneremplar eines Pilzes vor, welches man Yovisbart getauft hat und das aus dem Holzwerk eines Tunnels bei Doncaftel in ver Srafihaft York bis 15 Fuß Durchmeſſer hervorwuds. Die winzigen Pflanzenzellen, entweder einzeln als einzellige Algenform, oder verbunden mit vielen zu Zellenpflanzen, wandern von Pol zu Pol, eine lebendige Dede über den Erdball fpannend. Vom Meeresgrund fteigen fie hinauf bis zur Aufßerften Bergeshöh, vom fiedenden Duell bis zum eifigen Gletſcher, vom feuchten Schacht des Bergwerfs, in dem nur ſpärlich des Berg- manns Lampe dem Auge des Forfchers leuchtet, bis hinauf zu den ſturm— umtoften Kiffen der Alpengipfel, an denen die Abenddammerung der Miorgen- vöthe die Hand reiht. Sie waren wahrſcheinlich die Erftlingsverfuche der organiſchen Schöpfung auf unferem Planeten und überziehen nod) jett fofort Alles, das dem Tode und der Zerfegung verfällt, mit lebendiger Dede. Die Algendede legt fid) über den modrigen Sumpf, Pilze befränzen den fau- lenden Stamm, Flechten und. Mooſe umfpinnen das Grab, das zerfallende Schloß und den verwitternden Denfftein. Durch die Vereinigung der Zellen zu Geweben, durd ihre Berfhmelzung zu Gefäßen und deren vielfache Ber- bindungen bildet fih das Heer der höheren Pflanzengejchlechter, die ihrerjeits wiederum die vielfältig verſchiedenſten Stoffe erzeugen. Die einen nähren den Menſchen, andere kleiden und ſchützen ihn, und die duftigen Gebüfche des Lor- beer, die roſigen Geſträuche des Oleander und weißdoldigen Schneeballen überwuchern ſchließlich nody wie eine holve, ewig grünende Sage das Grab des vaftlofen Forſchers, ven Denfhügel des gefallenen Helden, die Ruheſtätte des fchlummernden Dichters. So zeigt das Titelbild diefes Bandes das Grab des Dichters Birgil, von blühenden Sträuchern gefrönt und befcyattet, als wollten die Gewächſe das Gedächtniß eines Dichters feiern, der einft das jtille Leben »dver Pflanzen befang. « Virgil's Grab an der Strasse wach Buteoli. Wagner's Mal. Botanik I. Titelbild. Verlag von Otto Spamer in Leipzig. EL — aa a 1 En ul —— — — * Die Bereitung des Sago auf Amboina. VIII. Der Pflanzen Stamm und Mark. Der Pflanzenftengel. — Knoten und Glieder. — Stengelipite. — Anatomie des Sten- gels. — Mark. — Gefäße. — Cambium. — Sago. — Sagopalme, — Gumuti- palme, — Chiltacitapalme. — Zapfenpalme. — Ambak. — Hohle Stengel. — Arm— leuchterbaum. — Rohrpalme. — Mufif-Inftrumente. — Juripari. „Innen im Marke lebt die jchaffende Gewalt!‘ Schiller im Mullenstein. „ie einzelne Zelle, aus welcher die einfachjten Pflanzen beftehen, hat, &) gleich einem Robinſon auf entlegener Infel, für alle ihre Bedürf— nifje jelbit zu forgen. Sie muß fid) durch ihre Zellenhaut [hüten gegen bie feindlihen Mächte dev Außenwelt, muß ihrer Umgebung die geeigneten Nah— rungsftoffe abringen, diefe in ihrem Innern verarbeiten und aud für ihre Fortpflanzung, für die Erhaltung der Art Sorge tragen. In der höher organifirten Pflanze treten zahlreihe Zellen zu beftimmten Verbindungen zu- jammen, Sie bilden einen Zellenftaat, in weldyem die befondern Gruppen 144 Der Pflanzen Stamm und Mark. gewiſſen fpeziellen Zweden vorzugsweife dienen, danach bejondere Geftalten annehmen und dur ihr Geſammtwirken das Leben und die Geftalt des voll- fommenen Gewächſes darftellen. — Um einen Blid in diefes Peben der verbundenen und veränderten Zellen zu thun, verweilen wir zunächſt bet der Betrachtung-des Stengels, deſſen unterirdifche Formen wir uns bereits vorführten. Wir rufen uns ind Ge— dächtniß zurück, daß der Stengel ſtets an feiner Spitze im Wachsthum fort: ſchreitet, unter derfelben aber auch gleichzeitig in regelmäßiger Folge Blätter als Nebenorgane erzeugt. Den Stengeltheil zwijchen zwei aufeinander fol- genden Blättern bezeichnet man als ein Stengelglied und nennt den An- heftungspunft der Blätter Stengelfnoten, aud wenn berjelbe wicht ange- ihwollen ift, welches lettere jedoch häufig der Fall ift. Die Glieder des Stengels bleiben entweder von fehr unbeveutender Yänge, unentwidelt, oder fie entwideln fi) zu mitunter bedeutender Ausdehnung. Knollen und Zwie— bein, ſowie die unterwdifchen Stammftöde der perennirenden Kräuter boten uns Beiſpiele von unentwidelten Stengelglievern. Die raſch emportreibenden Halme der Gräfer, die Blütenihafte vieler Blumen und die Zweigiprofjen der Bäume zeigen ihre Glieder in anfehnlicher Weife entwidelt. Das Empor- treiben der Stengel, das Streden ihrer Glieder hat feinen Grund einmal in einer fortwährenden Neuerzeugung von Zellen an der Vegetationsſpitze, dann aber aud im dem Auspehnen und Streden der angelegten Elementar- organe. Schon unfere heimatliche Flora bietet zahlreiche Beifpiele jchnell- wacjender Pflanzen, wir erinnern nur an Winden, Bohnen und ähnliche; warme Länder zeigen das raſche Längenwachsthum der Pflanzen in nody auf- fallenderer Weife, wenn aud nicht über Nacht aus dem Samenforn der Baum aufjhießt und am Morgen fih zur fruchtbehangenen Yaube wölbt, wie die Märchen jcherzhaft erzählen. Beim Bambusrohr (Bambusa arundinacea) hat man durch genaue Mefjungen gefunden, daß feine Sprofien am eriten Tage (24 Stunden) 6,5 Zoll gewachſen waren, am zweiten Tage 5,5 Zoll, am dritten Tage bi8 ſechſten Tage in je 24 Stunden 4,5 Zoll. Ein Meerrettigbaum (Moringa pterygosperma) erreichte, von dem Tage an gerechnet, an weldyem man das Samenforn in die Erde legte, binnen neun Monaten eine Höhe von 24 Fuß und fein Stamm war dabei jtärfer als ein Mannsarm. Dazu ftand diefer beobachtete Baum auf einem für ihn ungünftigen, fteinigen Boden. Jenes raſche Wachſen ermöglicht zwar dem Landwirth in den Tropen im Laufe eines Jahres eine mehrfache Ernte, giebt ihm auf einem verhältnigmäßig Heinen Bopdenfled einen reihen Ertrag, auf der andern Seite zwingt es ihn aber auch zu unausgejetter Wachſamkeit iiber die Unfräuter und macht ein fleifiges Jäten nothwendig. In Brafilien werden z. B. Baummollenpflanzungen, die läſſigen Befigern gehören, in nicht langer Zeit von Tridterwinden (Ipomoea Quamoclit, hederaeea) Gurkengewächſen (Momordica macropetala), Gräjern und andern einjährigen Pflanzen (Buchozia ficoidea, polygonoides, Alteranthera Stengelglieder. Stengelſpitze. 145 Achyrantha u. 1. f.) jo zufammengefilzt und durchwachſen, daß die Einbringung der Wolle zur Unmöglichkeit wird. Nur in fehr jeltenen Fallen bildet eine Pflanze ausschließlich) unentwidelte oder entwidelte Stengelgliever. Ein Beifpiel der erjteren Art bietet die Teichlinfe (Lemna), deren: einziges Stengelglied eine blattähnlihe Scheibe darſtellt, welche unten die fajerförmigen Wurzeln und am Rande die Blüten- organe trägt. Yauter entwidelte Stengelgliever hat die mehrfach erwähnte Miftel. Bei den meiſten Gewächſen herrſcht ein Wechſel zwijchen beiden Arten der Gliedbildung, der je nach der Pflanzenart geſetzmäßig beſtimmt iſt— Viele Gräſer bilden zunächſt beim Keimen einige entwickelte Stengelglieder, die ſich in demſelben Grade mehr ſtrecken, als das Samenkorn tief im Boden liegt. An der Stelle, wo der Halm der Erde entſteigt, bleiben dann wieder einige Glieder verfürzt. An ihren Knoten entftehen üppige Büfchel Neben- wurzeln, die jogenannten Kronwurzeln, während die früher erzeugten Glieder abjterben. Der Halm hat entwidelte Stengelglieder und in den ehren und fopfähnlihen Blütenftänden bleiben ſchließlich die Glieder wieder unentwidelt. Bei vielen Linfen und Riedgräſern, jowie bei jenen Sträutern, denen die frühere Kunftipradhe einen jogenannten Schaft zufchrieb (Schneeglöckchen, Yöwenzahn, Primel), wird der oberivdiihe Stengel dem größten Theile nad) oft nur aus einem einzigen Glied gebildet, welches an feinem untern, wie an feinem obern Theile wiederum unentwidelte Glieder trägt. Da ſich an den Enden der Glieder, in den Blattachſeln, meiſtens die Nebenachſen, die Aeſte und Zweige entwickeln, ſo iſt von der Art und Weiſe, in welcher ein Gewächs ſeine lieder zu bilden pflegt, auch feine Geſammterſcheinung, jein Habitus abhängig. Bei den Raſen bildenden Gräfern und Kräutern treten gewöhnlid) Zweige von zweierlei Richtung auf; die einen, denen die Blütenerzeugung anheimge- jtellt ift, ftxeben jenfrecht empor, die andern, aus den unteren Stengelglie- dern des Stengeld entjpringend, arbeiten fid) entweder im Boden oder an der Oberfläche vefjelben weiter. Die Erdbeere hat an ihrem Hauptftod nur unentwidelte Glieder, das oberſte derjelben treibt als Blumenftandträger empor, die Geitenfnospen des furzen Stammes treiben die jogenannten Ausläufer, indem fie ebenfalls ihre Glieder ftreden. Die jüngite Spitze des Stengels befteht ſtets aus einen jehr Fleinzelligen zartrandigen Gewebe, dem jogenannten Urparenchym, das reich an ftidjtoff- haltigen Eiweißfubftanzen (Protein) ift. Aus dieſem Urparenchym gehen durch Ummandelung alle übrigen Bejtandtheile des Stengels hervor: das eigentliche Zellgewebe (Parenchym), das Cambium (Gefäßzellgewebe), die Gefäße, Holz- zellen, Baft-, Rinden- und Korkzellen. Welche dieſer Elementarorgane im Stengel auftreten, jowie die Art und Weiſe ihrer Anordnung, dies richtet ſich je nach der Pflanzenart. Es läßt ſich in Rückſicht hierauf der Bau des Stengels als ein dreifach verſchiedener unterſcheiden, und entſpricht der Haupt— Wagner, Mal. Botanik. J. Bd. 10 * 146 Der Pflanzen Stamm und Marf. ſache nach den drei Gruppen des Gewädsreihs: den Kryptopamen (Farne, Moofe), ven Monofotyledonen (Gräfer, Lilien, Palmen) und den Difotyle- donen (Paubhölzer, Navelhölzer, Kräuter). Ein junger Zweig einer Buche, Linde, Hafel oder eines ähnlichen zwei— famenblättrigen Gewächſes, in deſſen Inneres wir ung durd einen Querſchnitt und Längsſchnitt einen Einblick verfhaffen, zeigt zu innerft ein lockeres Mart, aus einem weitzelligen Parenchym gebildet. Es entjtand durch Ausdehnung des Urparenhyms und ift bei einigen Gewächſen regelmäßig, bei anderen unvegelmäßig. Mitunter gefchieht die Ausdehnung der Parenchymzellen an => - einzelnen Punkten verfelben. Die Zel- len werden dann fternförmig und hän— gen nur mit der Spitze diefer Strahlen untereinander zufammen, während zwi- jhen ihnen weite Räume entſtehen, die ſich bald mit Luft füllen und dem Marke eine weiße Färbung verleihen. Um das Mark legt fi als Ring eine Schicht zartwandiger Zellen, de— nen die Gefäßbildung übertragen ift. Sie bilden den Sambiumring oder Sambiumfegel. leid einem Mantel ift er ringsum gejfchloffen, beginnt an der Stengeljpite mit einem Punkte und läuft beim weiter fortjchreitenden - Wahsthum nad unten an Umfang gewinnend einen Kegel ähnlich brei- ter aus. Die Zellen, aus denen das Cambium befteht, find von zweifach verſchiedener Art; die Mehrzahl ver- NAT jelben ift — und theilt ſich — 3 beim Vermehren der Länge nach. Die —— — ——— Hälften, welche nach außen zu liegen, jähriger Pflanzenſtengel. Oben im Längsſchnitt in natürlicher Größe; in der werden zu B aſtfaſern und verdicken Mitte mäßig vergrößert; unten ein Theil derſelben die Rinde, die nad) innen liegenden ftärfer vergrößert. a. das Mark, b. c. d. e. Gefäße. werden zu Gefäßen. Die Game f. das Cambium, g. bh. Rindenſchichten. i, Euticula biumzellen ſcheinen vorzugsweiſe den Oberhaut). Si * aftſtrom zu leiten, der von ben Wurzeln aus nad) den oberen Theilen des Stengels emporfkigt. Sie dehnen ſich hierbei bedeutend, an ihren chlindrifchen Seitenwänden lagern ſich Ber- dickungsſchichten ab, Diejenigen ihrer Theile, welde fie von den ſenkrecht drüber und drunter ftehenden Cambiumzellen trennen, bleiben entweder ganz: lid) unverdicdt oder die Ablagerung von Zellftoff findet an ihnen nur ftellen- weife in Streifen ftatt, zwifchen denen dünnwandige Partien als Spalten 4 | | — ru AN j ? \ ATERIOHTLLERTTN u IM AAOITTITUOTE SHIT EEE LA = = s — Q Sn Gefäße. Cambium. | 147 und Löcher erjcheinen. Sehr häufig wird durd den Saftftrom die Quer— Iheidemand vollftändig zerſtört, zerriſſen oder aufgelöft und mehrere ver urſprünglich für ſich abgeſchloſſenen Cambiumzellen bilden eine langgeſtreckte Röhre, ein ſogenanntes Gefäß. Je nach der Art und Weiſe, wie ſich an den Seitenwänden des Gefäßes die Verdickungsſchichten ablagerten, erhält daſſelbe auch verſchiedene Namen. Hat ſich der Zellſtoff an der urſprüng— lichen Membran ſchraubenförmig niedergeſchlagen, jo entſteht das Spiral- gefäß, deſſen Windungen ſich um ſo mehr ſtrecken, BT : je mehr das Gefäß felbft fid) in die Länge aus: _ dehnt. Bei andern Gefäßen bilden die Berdidungen F Ringe (Ringgefäße), bei noch andern bleiben x die ſchwächeren Stellen der Zellenhaut als Streifen und Punkte oder al8 teeppenartige Flecken übrig und geben zur Benennung ber Gefäße als Treppengefüße u. |. w. Veranlaffung: D Wir heben hierbei nod) eine eigenthümliche Form, Stenförmiges Zelfgewebe aus dem diejenige des Tüpfelgefäßes hervor, die bes Stengel einer Binſe (Juncus), jonders häufig in den Holzzellen vorkommt. Da wo die Shwachen Stellen zweiter Zellen einander berühren, wo alfo aus der einen Zelle ein Kanal zwiſchen den DVerdidungsfchichten hindurch nad) der Nachbarzelle zu führen ſcheint, entfteht zwischen den beiden ſich berührenden Zellenhäuten ein, Fleiner Kaum von Linjenfürmig under Geftalt, ein ſoge— nannter Tüpfelraum, der wegen der abweichenden Art, in welcher er das Licht bricht, bei oberflächlicher Betrachtung als Loch er- ſcheint. Je nad) der Ge— wächsart enthalten die J Zellen gewöhnlich auch Querdurchſchnitt durch Er —— und durch einen eine beftimmte Anzahl VE von QTüpfeln. Bei den Navelhölzern bilden fid aus den Cambiumzellen nur in der unmittelbaren Umgrenzung des Marfes einige Gefäße; die Zahl der Gefäße ift überhaupt bei allen Pflanzen je nad) ihrer Art eine beſchränkte und nie werben alle Zellen zu Gefäßen umgewandelt. Wenn fi) die langgeſtreckten Zellen des Cambiums, ohne Tochterzellen zu er— zeugen, nur mäßig ausdehnen, dabei mit ihren zugefpigten obern und untern Enden keilförmig zwiſchen einanderfchieben und ihre Zellenhaut be— deutend verdiden, fo entfteher die Holzzellen. Auch in den Holzzellen fteigt der Saftftrom von unten nad oben, jo lange fie nod) Tebens- 10* 148 Der Pflanzen Marf und Stamm. thätig und nicht Anfterfüllt find. — Außer den langgeftvedten Zellen enthält das Cambium noch fürzere, breitere, in denen ein Säfteaustauſch zwifchen dem Marf und der Winde des Stengel vermittelt wird. Aus ihnen. bilden fi) die fogenannten Markftrahlen, die bei den mehrjährigen Pflanzen eben- falls verholzen. Derjenige Theil des Urzellgemebes, welcher die Außenfeite des Stengels umfaßt, wird zur Oberhaut, bei manden Gewächſen auch zur Borke und Korkichicht umgeändert, Bei den Stämmen der difotyledonifchen Pflanzen ift durch die gejchilderte Anordnung des Cambiums, das einen ringsumgrei- fenden Kegelmantel darftellt, die Möglichkeit gegeben, alljährlich das Wachs— thum in die Dide fortzufegen. Das Cambium bildet dabei fortwährend nad) innen neue Gefäße und Holzzellen, nad) außen Baſtgefäße. Ebenſo jegen die Marfftrahlen mit weiten Berzweigungen zwiſchen durch und verbinden die neu entjtehenden inneren Nindenlagen mit denn Marfe, Bei ven Stengeln der einfamblättrigen Pflanzen ift ver Bau, be- jonders die Anordnung der Gefäße auffallend abweichend. Das Mark it bei nicht wenigen in hohem Grave entwidelt. Das Cambium mit feinen Gefäßen bildet aber um diefes feinen gejchloffenen Mantel, fondern tritt nur in einzelnen, unter fi) abgejchloffenen Bündeln auf, die zwar aud) in be- ftimmter Zahl um das Mark Freisförmig geordnet, aber durch breite Lagen von gewöhnlihem Parenhymgewebe.getrennt find. Während auf dem Quer— Ihnitt bei den Difotyledonenftengel das Kambium als ein gejchloffener King ericheint, zeigen fich hier einzelne punftförmige Tüpfel fcheinbar regellos durd) die ganze Stengelfubftanz zerftreut. Jeder Cambiumftrang bildet die Gefäße an feinem Umfange, und fett dadurch feiner Ausdehnung felbft eine Grenze. Die Arten der Gefäße find bei ihm in derſelben Mand;faltigfeit vorhanden, wie bei den Difotyledonen, in einigen, obſchon feltenen Fällen tritt auch die Bildung von Holzzellen im Cambium ein. Baftgefäße kommen ebenfalls in den Gefäßbündeln vor. Bielen monofotylen Stengeln und Stämmen iſt da- gegen die Fähigkeit ſich zu verdiden verfagt; ihre Gefäße verlaufen innerhalb der Glieder parallel und flechten fid) da, wo durch äußerlich bemerfliche Knoten der Urfprung der Blätter marfirt ift, in vielfachen Verfhlingungen durcheinander. Bei denjenigen Stämmen, welche ſich verdicken, theilen fid) die Gefäße, indem fie Seitenzweige ausfenden. Dieje legtern erzeugen ſich ebenjowol zwijchen den Gefäßen verjelben Kreisordnung, als auch nad) außen. Defter jegen auch Parenchymſtränge zwilchen ihnen hindurdy und erinnern an die Mark— ftrahlen der Difotyledonen. Bei den Kryptogamen ift die Anordnung der Clementarorgane wieder eine andere. Flechten, Algen und Pilze beftehen, wie bereits bejchrieben, überhaupt nur aus einer mehr oder weniger innigen Verbindung von Zellen, die unter ſich Ahnlic gebaut find; auch bei vielen Mooſen ift dies der Fall. Die Streifen, welche den Stengel und die Blätter mehrerer Laub- und Leber- mooje durchziehen, beftehen ausſchließlich aus Langgeftredten Cambiumzellen, Stengel der Kiyptogamen. Mark. 149 die nie eigentliche Gefäße darftellen. Zuſammengeſetzter wird der Bau ber Farn-, Bärlappgewächſe und Schadhtelhalme, aber auch ihnen geht das Tüpfel- gefäß und die Bildung der Baft- und Holzzellen im Gefäßbündel ab und nur das treppenförmig verdidte Gefäß tritt auf. Ber manden Kryptogamen durchzieht ein Gefäßbündel die Mitte des Stengels, bei andern find einige in freisfürmiger Anordnung vorhanden und diefe zeigen hierdurd einige Aehn- Lichfeit mit ven Monofotylen. Ein auffallender Unterfchied Liegt aber ſchon darin, daß die Cambiumzellen die Gefäße in ihrer Mitte, nidyt wie die Monofotylen im Umfreis, erzeugen; auch find, die Zellen des Parenchyms, weldye vie Gefäßbündel in den Stämmen der Farne umgeben, gewöhnlich ftarf verholzt und machen fi auf den Querſchnitt Schon durch ihre dunklere Fär— bung kenntlich. Schneivet man den Stengel des Aolerfarn (Pteris aquilina) quer durch, fo zeigt die Schnittfläcdhe zwei halbmondförmige dunkle Zeichnungen, die mit ihrer gebogenen dideren Mitte ſich zugefehrt find und fo eine ent- jernte Aehnlichfeit mit einem Doppeladler zeigen. Eine andere Anſchauungs— weife glaubte ein J G darin zu erkennen und nannte die Pflanze danach Jeſus-Chriſtus-Wurz. Jene Streifen ſind die zwei durchſchnittenen Gefäß— bündel des Stengels. Nach dieſem vorläufigen Ueberblid über die Hauptbeftandtheile des Pflan- zenftengels, verweilen wir zunächſt einige Augenblide bei dem Marf und be- halten ung vor, fpäter auf die Holzzellen, den Baſt mit feinen Milchgefäßen, die Rinde mit ihren Harzgängen und ihrem Korküberzuge zurüdzufommen. Die jüngern Partien des Parenchyms und des Kambiums find vorzüglich thätig, durch Theilung ihrer Zellen den Bau des Gewächſes zu fürdern. Cambium und Holzzellen leiten den Saftjtrom von unten nad) oben, die Baftzellen dienen dem abfteigenden Safte, die Markftrahlen dem Verkehr Des Innern mit dem Aeußern in wagredhter Richtung. Die Aufgabe des Marfes jcheint vorzugsweife in der Auffpeicherung von Nahrungsftoffen zu Liegen. Stärfemehlförner, Kryftalle, Gummilöfungen, Farbftoffe, Dele und Harze lagern niemals in den Zellen, welde durch Thetlung ſich vermehren. Sollen Zellen mit einem foldhen Gehalt an dem Wachsthum durch Theilung fid) be- theiligen, fo löſen fie zuvor die aufgefpeicherten Maſſen auf und verflüffigen fie. Schon die Zwiebeln und Knollen, ſowie die fleiſchigen Wurzeln und unterirdifchen Stammftöde lernten wir als Organe fennen, in denen manche Gewächſe ihre Erfparniffe in Form von Stärkemehl niederlegen, um dann, wenn die geeignete, oft ſehr bejchränfte Zeit eintritt, in welcher das Ent- wideln des oberirdiſchen Stengel möglid wird, dieſes in Eile vollenden zu fönnen. Bei der Bildung der Blüten und Früchte verbrauchen ſich dann Die Vorräthe und jene Vorrathsfammern fterben in vielen Fällen ab, fowie fie ihren Zwed erfüllt haben. Ein ſehr verwandtes Berhältniß findet bei manchen Palmen ftatt in Bezug auf das Mark des Stammes, jo in auffallender Weile bei der Gattung Sagopalme (Metroxylon), welche die ſüdaſiatiſchen Inſeln bewohnt. 150 Der Pflanzen Marl und Stamm. i Die gemeine Sagvpalme (Metroxylon Rumphii) bildet auf den Sunda-Inſeln an jumpfigen Stellen ausgedehnte Waldungen eigenthümlicher Art, die nicht jo bequem und leicht zugänglich find, als man ſich Palmen- haine in poetiſcher Auffaffung gewöhnlid worzuftellen pflegt. Abgejehn von dem moraftigen Boden, in dem der Fuß tief einfinft, ftreden die jüngern Palmen, die allenthalben zwiſchen den Altern Bäumen ftehen und ale Wurzel- Ihoffen am Grunde derjelben hervorbrechen, dem Eindringenden lange und Iharfe Stacheln entgegen. Dieſe beveden die Scheiden und Stiele der müd)- tigen Fiederblätter und find kräftig genug, jelbft die gefräßigen wilden Eber zurüdzufhreden, die jene Dijtrikte bewohnen. Ohne diefen Schuß würden Die Palmen aber auch durch jene Thiere wahrſcheinlich Längft zerftört und ausge- rottet fein, denn in den jüngern Jahren iſt die Stammrinde nod) jaftig und weich und Das nah- rungsreihe Innere der— felben ift für das Wild höchſt lockend. Iſt der Stamm erſt einige Jahre alt, ſo wird ſein unterer Theil zwar von dieſer Vertheidigungswaffe frei, allein er hat durch die verfolgte Stufenſchicht ei— nen feſten Panzer zum Schutz angelegt. Nach dem ſiebenten oder achten Jahre des Alters ſproßt aus der Mitte der ſchönen Blattkrone ein ſtarker und hochaufſtre— Aechter Sago, bedeutend vergrößert. bender Blütenſchaft empor, der röthliche Zwitterblüten in großer Menge trägt. Die Früchte, welche aus letztern entſtehen, haben zwar durch ihren Glanz ein gefälliges Anſehn, ſind aber ungenießbar, ja ſie bringen ſelbſt nur in wenigen Fällen keimfähige Samen hervor. Die meiſten derſelben ſind taub. Im Aeußern ähneln ſie Tannenzapfen. Die Fortpflanzung der Palme wird vorzugsweiſe den Wurzel— ſproſſen überlaſſen. Die Eingeborenen laſſen ſelten den Baum zur Blütenbildung kommen. Hat derſelbe ſeine volle Höhe erlangt, ſo bohren ſie ein Loch in den Stamm und prüfen das Mark, das er enthält. Scheint dies noch zu jung, ſo wird die Oeffnung ſorgfältig verſtopft und dem Gewächs noch die nöthige Zeit zur Ausbildung vergönnt. Eine bedeutende Verwundung des Stammes hat _ Mark der Sagopalme, Bereitung des Perljago. 151 Ausflüffe des Saftes und Abjterben des Baumes zur Folge und die Krieger- Ihaaren feindlicher Völkerſchaften ſuchen ſich dadurch gegemfeitig zu ſchaden und die Speiſevorräthe zu zerſtören, daß ſie in jeden Stamm einen tiefen Hieb führen. Sie rauben dadurch ihren Gegnern den Sago, d. h. das Brod. Findet ſich das Mark in der gewünſchten Weiſe von Mehl erfüllt, ſo fällt man den Baum möglichſt dicht am Boden, beſeitigt die ſtachlige Krone und ſchneidet ihn in Stücke von mehreren Fuß Länge. Letztere werden ge— ſpalten, und mit einem Holz oder ſcharfen Stein ſchabt man das Mark her— aus. Ein einziger ausgewachſener Baum enthält 6— 800 Pfund dieſer ge— hätten Subftanz. Das Mark beiteht aus den Zellgewebshäuten und dem in denfelben eingefchloffenen Stärfemehl. Um das lestere von den unbraud)- baren zähen und faferigen Deigemengtheilen zu be= freien, bringt der Malaye das Mark partienmweife in hölzerne Tröge, übergießt e3 mit Waſſer, ſtampft es und arbeitet es tüchtig duch. Das Stärfemehl / wird von dem abgegojfje- \@ nen Wafjer mit fortges nommen und fett fich beim | ruhigen Stehen zu Boden, | die unbraucdhbaren Zellen- häute bleiben zurüd. Je öfter dieſes Abſchlemmen vorgenommen wird, deſto weißer, reiner und ge— ſchätzter wird auch das Mehl. (S. Abbild.S. 143.) Zahlreichen Volks— ſtämmen der ſüdaſiatiſchen Sago aus Kartoffelſtärke, mikroſtopiſch vergrößert. Inſeln dient der ſo gewonnene Sago zur täglichen Speiſe, wird theils zu einer Art Brod verbacken, theils zu Kochſpeiſen verwendet. Jener Sago, der nach Europa ſchon ſeit langen Zeiten ausgeführt wird, erfährt aber zuvor noch eine weitere Behandlung, durch welche er zu ſogenanntem Perlſago wird. Ueber die Bereitung des letztern theilt der Reiſende Bennet Nachſtehendes mit: „Singapur iſt der Hauptplatz in Oſtindien, wenn nicht der einzige, wo das Bereiten und Raffiniren des Perlſago betrieben wird. Das Ver— fahren ſoll eine chineſiſche Erfindung ſein. Crawfurd zufolge ward es zuerſt in Malakka angewendet und erſt 1824 in Singapur eingeführt. Ich benutzte die Gelegenheit, eine der vielen Fabriken in der Stadt und ihrer Umgebung zu beſuchen, und fand darin eine Anzahl Chineſen, eifrig mit den verſchiedenen 152 Der Pflanzen Mark und Stamm. Stadien der Operation befhäftigt. Der Sage wird in großen Maſſen aus Sumatra nad) Singapur gebracht und zwar auf den Böten der Eingebornen, die zu allen Zeiten des Jahres damit beladen eintreffen. Im Verlauf weniger Tage habe ic 18 Prauen (malayifhe Fahrzeuge) verſchiedener Größe, alle voll von diefem Rohſtoffe, anfommen jehen. Der rohe Sago wird in fegelfürmigen Stüden, von denen jede an 20 Pfund wiegen mag, eingeführt. Seine Mafje ift weid), ſchmuzigweiß von Farbe, da er gewöhnlich fehr unrein zu fein pflegt. Er kommt meiſt in Pandangblätter gewidelt an. Man wäſcht ihn zuerjt mehrmals in großen Holztrögen und feiht ihn durch Zeug durch. Nachdem er hinreichend ge- waschen, fammelt man die am Boden des Gefäßes zurücgebliebenen Maſſen, bricht fie entzwei und läßt fie auf Plattformen an der Sonne trodnen. Bei fortfchreitendem Trodnen werden fie noch mehr zerkleinert. Sobald die Stücke feft, aber nod) nit ganz treden find, ftößt man fie und fiebt fie auf langen Binfen durd Siebe, welche aus der Mittelrippe des Kofosblattes gemacht und in gewiſſen Abftänden won einander reihenweije aufgeftellt find, jo daß fie nur Sagoftüdhen von einer beftimmten Größe hindurd) laſſen. Nad) diefem Sieben wird eine gewiſſe Quantität auf einmal genommen, in ein großes Stück Zeug gethan, weldes an Kreuzſtöcke in Form eine Beutels aebunden ift und an einem Strid von dem Dad) des Gebäudes herabhängt. Ein Chineſe wirft dann den Beutel vermittelft eines der längften Kreuzſtäbe, woran diefer hängt, rüd- und vorwärts und fchüttelt bisweilen das Sago— pulver auseinander. Dies dauert etwa 10 Minuten, dann ift der Sago geförnelt. Man thut ihn nun in feine hölzerne Handfäfjer; er fieht wunder- ſchön weiß aus, ift aber noch jo weich, daß er bein geringften Yingerdrud zerbricht, und wird jest zu andern Chineſen gebracht, die ihn in großen eifernen Pfannen über Feuer zu trodnen haben. Sie rühren ihn darın mit einem hölzernen Inftrumente fortwährend um. Er wird fpäter auf einer zweiten Bank noch einmal gefiebt und wiederum gebaden, worauf feine Be— veitung beendet ift. Er ift nun von flarweißer Farbe, wird aber, nachdem man ihn dann in einem langen und breiten Behälter ausgebreitet hat, mit der Zeit härter und dunkler. Die Anftalt befhäftigt etwa 15—16 Chineſen und diefe follten in einem Tage 6 oder 7 Pikul (7—800 Pfund) fabriciren fünnen. Der raffinirte oder Perlſago wird in großer Menge nad Europa, den englifchen Be- fitsungen in Indien und am Kap ır ſ. w., und zwar in Holzfiften gebracht, von denen jede mehr al8 120 Pfund enthält. Man verkauft den Pikul zu 2/,—3 Dollar, die Kiften mitgeredinet. Mit diefer Sagofabrif ift eine Scweinemaftung verbunden, deren Inſaſſen fi won dem Abfall der Sago- wäſcherei vortrefflicy nähren müſſen.“ Berfäumt man es, die Sagopalme zur rechten Zeit zu füllen, jo ver- braudt fie ihren Stärfeworrath zur Blüten- und Fruchtbildung, und das Marf des Stammes vertrodnet, ja die Dlütter fallen ab und der Baum jelbft Gumuti-, Chiltacita-, Mauritiuspalme. 153 ſtirbt. Sie gehört zu denjenigen Gewächſen, die nur einmal in ihrem Leben blühen und dann eingehen. Außer der genannten Art liefert ihre nahe Verwandte Metroxylon laeve ebenfalls Sago. In demſelben Ländergebiete gedeiht auch die Gumutipalme (Arenga saccharifera), vorzüglich im Innern dev Sunda-Inſeln. Sie wird 30—40 Fuß hoch und ihre aus gefiederten Blättern beftehende Krone hat ein etwas düſteres Anfehn. Die Gumuti hat zweierlei Blüten auf demfelben Stamm, männliche und weibliche, und bildet jede Art in befondern Kolben. Die männlichen Kolben werden abgefchnitten und der ausfliefende Saft zur Zudergewinnung geſam— melt. Haben Stämme nun 5—6 weibliche und nur einen einzelnen männ— lidyen Kolben, jo hält man fie zur Zudererzeugung für weniger geeignet, dagegen verwendet man fie dann zur Gewinnung von Gage. Diefer Gu— muti-Sago wird hauptſächlich in dem weftlichern, ärmern Theil von Java vielfach verbraucht und dort auf allen Märkten feil geboten, obſchon er ſchwerer zu gewinnen und von geringerer Güte ift. Ex hat einen gewiſſen Beigeſchmack, den der ächte Sago nicht befist. Ein Stamm Liefert gegen 150 Pfund Sage. Jenſeits des Ganges fommt befanntlid die fruchtgebende Dattelpalme nicht mehr vor, ftatt ihrer tritt dort in niederer Buſchform eime nahe Ver— wandte verfelben, die Chiltacita (Phoenix farinifera), ziemlich häufig auf und bededt vorzugsweife die trocknen unfruchtbaren Bergpiftrifte und Sand— flächen zwifchen vem Ganges und dem Kap Komorin. Ihr Stamm wird nur 1—2 Fuß hoch und ift gemöhnlid von dem braunen Faſergewebe ver Dlatt- ftiele völlig verdedt. Seine Holzmafje befteht aus weißen, in einander ge- wobenen Fibern, die eine große Menge mehliger Subftanz einfließen. Zur Zeit des Mangeld verwenden die Eingeborenen diefes Mehl zur Speife und fpalten ihn, um dafjelbe zu gewinnen, in 6—8 Stüde, trodnen diejelben und jtampfen fie dann fo lange, bis fi Mehl und Holzfafern von einander ge— trennt haben. Das Mehl, weldhes man mittelft Durchſeihen ſodann gewinnt, wird dann zu dickem Brei gekocht, den man in Indien „Kauji“ nennt, und verſpeiſt, ſoll aber ſtets einen bitterlichen Geſchmack haben und dem ächten Sage nicht gleichfommen. Vielleicht Tiefe es fid) durch eine angemefjene Be— handlungsweiſe um Vieles verbeſſern. Livistonia rotundifolia auf Java und Corypha umbraculifera auf Ceylon werden ebenfalls als ſagohaltig genannt. Die jungen Samenſchößlinge der Palmyra (Borassus flabelliformis) und ihrer nahen Verwandten, der Deleb (B. aethiopicus), werden, erjtere in Oſtin— dien, letztere in Sentralafeife, von der pergamentartigen Haut befreit, ge— trodnet und dann zu einem wohlfchnedenden Mehl zerrieben, das zu ver- ſchiedenen Gerichten Anwendung findet. Im tropischen Südamerifa ift die Mauritiuspalme als Sagobaum be= fannt. Humboldt fagt von ihr: „Ich habe das jagvartige Mehl diefer Palme, welches Ipuruma genannt wird, in der Stadt St. Thomas in Guiana ge— geſſen. Es hatte einen jehr angenehmen Gefhmad, der eher dem des Caſſava— 154 Der Pflanzen Mark und Stamm. hrodes als dem des oſtindiſchen Sago ähnelte. Die Indianer verficherten mich, daß die Stämme der Mauritia, des vom Vater Gumilla jo hochge— priefenen Baumes des Yebens, nicht übermäßig viel Mehl Tieferten, außer wenn der männliche Stamm furz vor feinem Eintritt in den Dlütenftand ge- fällt würde. Durch Unterbrehung der Blüte wird die Natur genöthigt, die mehlhaltigen Stoffe, welde fie in den Früchten der Mauritia anzuhäufen gedachte, anderwärts hinzuführen.‘ Mit denſelben Eigenthümlichkeiten fchließt fi der Sagopalme das ganze Gefchlecht der fogenannten Zapfenpalmen oder Farnpalmen (Eycadeen) an, deren wichtigfte Arten (Cycas circinalis und revoluta), wie die beſchriebenen Sagolieferanten, das jüdöftlihe Afien bewohnen, von dort aus aber and) über andere Tropenländer verbreitet worden find. In „Japan war ehedem die Ausführung diefer Pflanze bei Todesftrafe verboten. Sie ftand dort in hohem Anjehn, da man den von ihr gewonnenen Sage vorzüglich zur Ver— proviantivung der Soldaten benugt. In Cochinchina erhält man Sago von Cycas inermis, der ftachellofen Zapfenpalme, auf Domingo, in. Dftflorida und am Kap von Arten der Gattungen Zamia und Arthrozamia, Gewächſe verfelben Bamilie, in letterm Gebiete aud) von Dion edule und dem foge- nannten Elephantenfuß (Tamus elephantipes). Der meifte Sago, den man im gewöhnlichen Leben bet uns verbraucht, wird aus Kartoffelſtärke dargejtellt, Um denjelben herzuftellen, treibt man feuchtes Stärkemehl durd ein Drahtjieb und formt e8 dadurch zu Körnern. Setst man dieſe darauf heißen Waſſerdämpfen aus, ſo werden ſie durchſchei— nend. Darauf trocknet man ſie. In ihrer henfch en Zuſammenſetzung ſind dieſe Sagokörner aus Kartoffeln den ächten völlig gleich, nur Vöfen fie fid) in koch enden Brühen leichter auf als die letztern. In manchen Gewächſen, in denen das reichlich vorhandene Mark aus ſternförmig verzweigten Zellen gebildet iſt, wird daſſelbe bald lufterfüllt und trocken. Es erhält dabei mitunter eine ſehr weiche und zarte Beſchaffenheit bei außerordentlicher Leichtigkeit und wird zu manchen techniſchen Verwendungen geeignet. Aus dem ſchneeweißen, zuſammenhängenden Mark der gemeinen Binſe (Juncus communis) ſtellen die Kinder zierliche Blumen und Kränze dar; das Hollundermark ſpielt bei phyſikaliſchen Verſuchen und bei allerlei Spielwerk eine Rolle. Seit Alters verfertigten die Chineſen aus zartem Pflanzenmark (von Scaevola Taccada und Aralia papyrifera) künſtliche Blumen, die leicht Farbſtoffe auffangten und ein zartfammtenes Anjehn hatten. Die Italiener ahmten ihnen dieſe Kunft nad) und in der Mitte des vorigen Jahr⸗ hundert war bejonders Seguin (geboren zu Mende) in Paris der berühm- teſte Künſtler in dieſem Fache. Man verwendete vorzugsweife Hollundermarf hierzu, bis daſſelbe ſpäter mehr und mehr von Battiſt, florentiniſchem Taffet und andern Seidenſtoffen verdrängt ward. Das Mark ver Sonnenroſenſtengel, befonders von den Topinambur, läßt fih gut zum-Auslegen der Inſekten— Ambak. 155 käſten verwenden und von einigen Pflanzen (z. B. Cestrum nocturnum) be— nutzen es Naturmenſchen als leichtfangenden Zunder. Je reicher ein Stengel an Mark, deſto geringer iſt ſein ſpezifiſches Ge— wicht. Eins der auffallendſten Beiſpiele in dieſer Beziehung liefert das Schwimmholz des weißen Nil (Ademone mirabilis), von den Eingebornen Ambaf genannt. Der Neifende Werner bezeichnet das Gewächs als eins der intereffanteften am obern Nil. Der Ambaf wird baumartig und wächſt nur im Waſſer felbjft oder in den Sümpfen, welde die Nilufer begleiten. Zur Zeit des niedern Waſſerſtandes ftirbt fein ganzer oberer Theil ab, mit dem fteigenden Waffer beginnt fein Wachsthun und übertrifft die anjchwellende Eine ſüdafrikaniſche Binſen-Flöße. über deſſen Spiegel hinaus. Als kegelförmige Säule erhebt ſich der Stamm über das Waſſer und verjüngt ſich nach der Wurzel zu. In der Mitte hat er die Dicke eines Mannsarmes. Die Rinde iſt bräunlich und dunkelgrün, dabei mit kleinen, etwas gebogenen Dornen beſetzt. Die Zweige ſind eben— falls grün und dabei rauh. Die akazienartigen Blätter ſitzen gepaart, ſind vollſaftig und ähneln in Färbung dem Schilf. Einen prächtigen Anblick ge— währt der Ambak, wenn er ſeine Blumen entfaltet, die, gelben Bohnenblüten ähnlich, zwar einzeln ſtehen, aber in ſehr zahlreicher Menge die Zweige be— decken. So bildet der Ambak herrliche Gruppen in Gemeinſchaft mit dem Papyrus, von dem ja die Benutzung des ſchönen Markſtengels bekannt iſt. Der ganze Stengel des Ambak beſteht aus einem locern faſerigen Mark, nur die Ninde ift etwas feiter. Das ganze Innere ift jo zart gebaut, daß 156 Dea Pflanzen Mark und Stamm. ein Strunf, den Herr Hanfal vom weißen Nil mitbrachte, bei 2%, Fuß Länge, 5 Zoll Umfang am Grunde und 3Y, Zoll am obern Ende nur ein Gewicht von 2 Loth 31, Dradme zeigte. So lange der Ambak ned im Wachen begriffen ift, ftroßt fein Inneres von Saft und ift ſchwerer. Die Anwohner des Nil befpäftigen fid) zum Theil damit, in den benadbarten Waldungen Kohlen zu brennen, die fie dann auf Flößen nad) den holzarmen Gegenden ftromabwärts führen. Zur Herftellung jener Flöße, ſowie zu Fähren, um über den Fluß zu fesen, bieten jene Markſtengel das geeignetfte Material. Man bindet zu diefem Zmede die Strünfe reihenweife mittelft Seilen aus Gras oder Daft (von Ribiscus cannabinus) zufammen und ver— bindet mehrere folher Neihen mittelft Stangen zu einer Ehwimmfläde von etwa vier Quadratklaftern, bevedt fie dann mit einer Yage Baumzweige und thürmt fchließlicd die Kohlen darauf. Am Ngami-See in Südafrika ftellen die Neger aus markreihen Binfenhalmen ebenfalls Flöße dar (Siehe das umftehende Bild), fowie ja auch Knaben bei ung Bündel von Binſen unter die Arme nehmen, um fid) das Schwimmen zu erleichtern. Sobald das Stengelmerf von Luft, ftatt von Saft erfüllt ift, hat es für das Leben des Gewächſes kaum nod) eine Bedeutung. Dft genug zer- reißen bei fchnellwachfenden Pflanzen mit bedeutend entwidelten Stengelglie- dern Die Markzellen und hängen dann als dünne Häutchen in der entitan- denen Höhlung. Mitunter ift kaum noch eine Spur von ihnen zu bemerken. Dergleihen Stengel bieten fih dem Menfchen als natürliche Nöhren zu viel- fachen Berwendungsmweifen, und werden um fo wichtiger, je länger und weiter ihre Höhlung, je fefter die umgebende Stengelmaſſe ift. Während bei ung nur Kinder die hohlen Scafte der Kettenblume zu Spielereien zufanmenbiegen und, das dünnere Ende in das weitere ſteckend, Ringe und Ketten, fowie von ausgehöhlten Hollunderftöden Schiegwaffen fabri- ciren, oder auf Getreivehalmen, Schilfftüden und den Stengeln des Kälber: kropfs mufifalifche Studien anftellen, erhalten dergleichen Naturröhren bei den einfachen Bölfern warmer Klimate eine vielfeitigere Benußung. Aus einem hohlen Halme fertigt fi) der Betſchuane der Kalahariwüſte in Südafrika ein Saugrohr, mit deſſen Hülfe er das ſpärlich vorhandene Waſſer aus ven feuchten Sandſchichten des Grundes heraufzieht und in Schalen von Straufeneiern ſammelt. Ein hohler Halm gab zugleid) den Urtypus zum geliebten Pfeifencohr. Stengel von Doldengewächſen und von einigen Palmen liefern vortrefflihe Blaferöhre, um vergiftete Bolzen damit in an- jehnliche Entfernungen zu treiben. Begleiten wir einen Indianer des brafi- lianiſchen Urwaldes zu feinem Waffenfaal! Er führt uns auf jchmalem Pfade durch Schlinggewächfe und Baumrieſen zu einer Stelle, an ber viele fleine Balmen wachſen. Sie gehören zu der Spezies Iriartea setigera, die nur 10—15 Fuß hoch und dabei eine Stärfe von Fingerspide bis zu' 2 Zoll im Durchmeffer erlangt. Außen ſcheinen fie, der Schuppen ihrer abgewor- fenen Blätter wegen, gegliedert; innen aber enthalten fie durchgehends ein Rohrſtengel. 157 weiches Mark, welches, hevausgeftoßen, eine vollkommen glatte Nöhre hinter- läßt. Unfer Gefährte wählt mehrere der geradeften aus, ſowol dünne als dicke. Diefe Stengel werden zu Haus forgfältig getrodnet, dag Marf mit einer langen, aus dem Holz einer andern Palme gemachten Ruthe heraus— geſtoßen und die Röhre mit einem kleinen Wurzelbüfchel eines baumartigen Farns, der rück- und vorwärts durch diefelbe gezogen wird, rein und glatt gerieben. Der Indianer ſucht zwei Stengel aus, von denen der eine in den andern hineinpaßt. Er achtet hierbei bejonders darauf, daß jede Krümmung des einen, eine etwaige ſolche des andern ausgleiht. Dann wird ein höl- zernes Mundſtück auf das eine Ende geftedt und zumeilen noch das Ganze mit der weichen, ſchwarzglänzenden Rinde einer Liane ummwunden. Aus ven Nerven der fcheidenfürmigen Bafis, welche beim Zerfallen der Batama- 158 Der Pflanzen Mark und Stamm. Blätter (Oenocarpus Batawa) zurüdbleiben, macht ev dann Kleine Pfeilbolzen, befeftigt an dem Hintern Ende verjelben ein Büſchelchen Seidenwolle von der Samenhülle eines Bombar, jo daß Diefelben die Höhlung des Blaferohrs ausfüllen, ohne zu ftraff zu gehen, und taudt ſchließlich die Spiten feiner Geſchoſſe in Gift. Diefe gefährlichen Pfeile verwahrt ex jorgfältig in einen Köcher, der oben mit Palmenmarf ficher gejchloffen ift, um die Feuchtigkeit abzuhalten, und ift num in den Stand geſetzt, das Wild zu feiner Nahrung zu erlegen und fid) gegen jeine Feinde erfolgreich zu vertheidigen. In demfelben Yande liefern die Stämme des Armleuhterbaumg (Ceeropia), in deren Innern fi) mitunter Ameifen und Termiten niederlaffen, dem Pflanzer bequeme Nöhren zu Wafferleitungen, die bei ihrer Iodern Be— Ichaffenheit ftetS etwas Waſſer verdunftend nad) außen treten lajjen und Das Uebrige dadurd Fühlen. Allbefannt find die taufenderlei Anwendungen, weldye die hohlen Halme des Bambusrohrs in Aſien erfahren. Ihre bis ein Fuß dien Glieder geben nicht nur felbft Schöne Waſſerleitungen, ſondern eignen ſich auch gleichzeitig als Gefäße zum Waſſertragen, ja ſie müſſen auf der Reiſe ſogar die Stelle des Kochtopfs verſehen. | Die Stämme der vorhin erwähnten Gumutipalme auf den Sunda— Inſeln erhalten im Innern eine Höhlung, fobald fie ihr mehlreihes Mart zur Blüten- und Fruchtbildung verbraudt haben, und eignen fid) außer zu Wafjerröhren bei ihrer anjehnlihen Stärke zu Trögen und Hausgeräthen. Das phrygiiche Flötenſpiel joll fein Erfinder Marfyas aus Rohr: palmen verfertigt haben, und faft jedes Yand bietet feinen Bewohnern einige Gewächſe mit hohlen Stengeln, die ſich zu muſikaliſchen Inſtrumenten eignen. Aus einem ſcharlachfarbenen Rohre machen die Frauen der Marqueſas— Inſeln jene Flöten, die ſie ſtatt mit dem Munde mit dem linken Naſenloch ſpielen. Die Chineſen benutzen ihr geliebtes Bambusrohr zur Aufführung ihrer Kon— zerte. Auf Java wird aus demſelben Material der Anklong gemacht. Dieſes Muſikinſtrument beſteht aus zwölf Bambusſtücken von verſchiedenen Stärken und wird von ebenſoviel Perſonen gleichzeitig geblafen. An Uferſtellen, an denen der Seewind einen Fräftigen Zug hervorbringt, hauen die Javaneſen > in Schräggeftellte Bambusſtücken eigenthümliche Löcher, und fonderbar an— ſchwellende geifterhafte Töne hallen dann in der einfamen Landſchaft durch die nächtliche Stille. Aus den Stengeln ver Niefenlilie machen die Bewohner der indischen Gebirge Schalmeien und in Amerifa finden vorzugsweife hohle Stämmen Fleiner — hierzu eine Verwendung. Die Hirten in Mexiko ſpannen auf ein 5 Fuß langes Rohr eine Saite, bringen unterhalb derjelben im Rohr ein Feines Loch an und blajen zur obern Deffnung hinein. Die Saite wird durch die ausſtrömende Luft in tönende Bewegung geſetzt. Eine düftere Berühmtheit hat ein fagottähnliches Inſtrument erhalten, das die Indianer an den Ufern des Uaupe's aus den hohlen Stämmchen der Pashiuba- Palme (Iriartsa exorrhiza) verfertigen und Iuripart, d. h. Teufel, nennen. Dafjelbe hat nahe am obern Ende ein vierediged Loch, das man Juripari. 159 — Zr Er = = en Bambusgefähe zum Wafferbolen auf Madagaskar. mit Lehm fast ganz verfchlieft, und darüber bindet man ein Stück Uarumablatt, jo dar eine Art Monftre-Alageolet entjteht. Der Klang ift jenem eines Fagotts ähnlich. Bei den Feſtgelagen der Indianer wird das Juripari von alten Männern gefpielt, die dabei mit demfelben in fonderbarer Weife bald fenf- vecht, bald feitwärts umherfahren und ihren ganzen Körper gleichzeitig bewegen und verrenfen. Kein Weib, weder jung noch alt, darf ſich fehen lafjen, ſo— bald die Teufelsflöte ertönt; fie müffen fi in ihren Hütten verborgen halten. Erblidt eine der Unglüdlichen ein ſolches Inftrument, jet es aud zufällig, ja fteht fie jelbft nur in dem Verdacht, ein ſolches gefehen zu haben, fo ift jie unrettbar dem Tode verfallen und wird meiftens durch Gift hingerichtet, 160 Der Pflanzen Mark und Stamm. Der Vater ſchont, vom finftern Aberglauben befangen, die eigene Tochter nicht, der Mann nicht die Gattin. Derjelbe Volksſtamm hat auch Fleinere ——— aus denſelben Palmenſtengeln, die mit einem langen Streifen der zähen Rinde des Jerabu (Parivoa grandifſora) gewickelt, die in weiten Falten unterhalb der Röhre herabhängt und fo eine Art Trompete bildet, in welhe am obern Ende hineingeblafen wird. Die Indianer Peru's fertigen aus einem Schilfrohr die Yaina, eine Art höchſt einfacher Klarinette von ergreifend düfterm Ton. „Wenn eine Horde der roheften Indianer, fo erzählt Tſchudi, im tumultarifhen Gelage zanft und lärmt oder im heftigften Streite begriffen ift und plöglidy die erniten Klänge der Jaina ertünen, fo tritt wie durch einen Zauberfhlag Ruhe ein, der bald eine Iodtenftille folgt. Die Schaar ift ftumm und folgt mit An- dacht der magiſchen Melodie des einfahen NRohrs. Das Auge des Indianers nett eine Thräne, das Schluchzen der Frauen wird vernommen. Die jchwer- müthigen Laute der Jaina rufen eine namenlofe unbejtimmte Sehnſucht her- vor und laffen tagelang eine unheimliche Leere zurüd, aber immer lauſcht man mit neuen Verlangen diefen zanberhaften Tönen.” Bambuspflanzung, IN. Saumriefen und Baumareife. Holzgewächfe. — Der Holzftoff. — Splint. — Jahresringe. — Markſtrahlen. — Bau des Holzes. — Form des Stammes. — Angejhwollene Stämme. — Aus- wüchſe. — Drehung des Holzes. — Auffteigen des Saftes. — Lebensdauer der Holz- gewächſe. — Alte Eichen, Linden, Buchen, Tannen, Eiben. — Roſenbäume. — Drangenbaum. — Dfive, Akazie, Platane. — Lorbeer, Dradenbaum, Baobab. — Mammuthsbaum. — Zamang. — Tarodium, — Wahspalme. — Eufalyptus. „O wol magft du trogig rauschen, Einjam auf des Berges Höhen, Stark und immer grün zu jtehen — Tanne, fünnt id) mit dir taufchen! Freiligrath. — GL. nter den ſchnellvergehenden Gejchlechtern der Pflanzen ftehen die Bäume 9a gleich den langlebigen Göttern! f Nach dem warmen Gewitterregen des Spätfommers fteigen binnen wenig Stunden die wunderlichen Öeftalten der Pilze auf, ebenfo ſchnell aber, als fie entjtanden, finfen fie auch wieder dahin, und wenn der Wanderer am folgen- den Tage defjelben Weges zurüdfehrt, fennt er ihre Stätte nicht mehr. Höch— jtens bezeichnet ein mißfarbiger Fled am Boden die Stelfe, an welcher fie wuchſen und wieder zerfloffen. Zum Sprühmwort find Gräfer und Blumen wegen ihrer kurzen Lebensdauer geworden. Binnen wenig Wochen fteigen Wagner, Mal, Botanik, I. Bd, 11 162 Baumriefen und Baumgreije. * ihre Halme und Stengel aus den Samen oder Wurzelftöden empor, ent- falten Blatt um Blatt, öffnen die Blüten und reifen die Früchte. Kaum hat ber Mond zweimal fein Antlis gewechjelt, jo ift die griime und blühende Flur wieder zur graubraunen Einöde geworden, Schnelles Entftehen und jchnelles Vergehen fteht miteinander im innigen Wechfel. i Anders verhalten fih Bäume und überhaupt holzige Pflanzen. Aehneln die flüchtigen Blumen den Gefühlen, weldhe der Augenblid gebiert und ber nächite wieder verdrängt, jo gleichen die Bäume ernjt erwogenen Plänem, deren Berwirflihung eine Generation der ‚andern vererbt. Der Baum zeigt das Zufammenwirfen der verfchiedenen ungleihwerthigen Zellenpartien zu einem beftimmten Ziele im höchften Grade. Die Bildung von Holz befähigt ven Baum, eine Höhe, Stärke, Ausdehnung und ein Alter zu erlangen Die der jaftigen Pflanze unerreihbar bleibt. : | —914— [€ X (<) 1} \ A Ss (0) Holzzellen. a.Starf verdidte Zellen im Querſchnitt. b. Holzzellen mit feilförmigen Enden. c. Tüpfelzellen von Nadelbolz. Der Holzftoff ift eine Umwandelung der Zellenfubftanz; feine chemiſche Zufammenfegung fcheint viel Berwandtes mit der Cellulofe zu befigen. Gegen die Reagentien verhält er fi) umgefehrt wie die letztere. Bon Schwefelfäure wird er nur ſehr ſchwer angegriffen, von Aetzkali dagegen leicht und voll— jtändig zerlegt. Das legtere geſchieht auch durch die oxydirenden Mittel, 3. 2. Salpeterfäure und chlorſaures Kali. Jod und Schwefelſäure rufen feine blaue Färbung hervor. Der Chemifer ift noch nicht in den Stand gefest gewejen, jelbjt in dem feingeraspelten Holz die Zellfubftanz durch auflöfende Mittel von den innerhalb verjelben abgelagerten Holzftoffjehichten zu trennen und lettere dadurd rein zu erhalten, doch weiß er ſicher, daß dieſelbe vor- zugsweife aus einer Verbindung von Kohlenftoff und Waſſer befteht. Die Ablagerung von Holzjtoff, die Berholzung, findet in verfchiedenen Partien der Pflanzengewebe ſtatt. Innerhalb der Gefäßbündel find bei aus- dauernden Gewächſen gewiſſe Gruppen von Zellen vorhanden, die langgejtredt Splint. Iahresringe, Cambium. Markftvahlen. 163 find und ſich mit den zugeſpitzten Enden feilfürmig ineinander jchieben. Sie erzeugen die fogenannten Holzgefäße. Findet innerhalb verjelben eine Bil- dung von Tochterzellen ftatt, die fid) wenig vergrößern, ſondern verholzen, jo entfteht das Holzparenchym, deſſen furze Zellen faft würfelig oder vieredig find und ftarf verdidte Wände befigen. Je mehr die Verdidungen die Zellen ſelbſt ausfüllen, deſto fefter und dichter erfcheint das Holz. Gleich— zeitig findet auch eine Ablagerung anorganifcher Stoffe hier ftatt. So erhält 3. B. das Tekholz (Tectonia grandis) einen Theil feiner Härte vön jeinem Kiejelgehalte. — Ze nachdem im Stamme der Gewächſe die Gefäßbündel verſchieden ver— theilt ſind, je nachdem iſt auch die Feſtigkeit derſelben durch Holzbildung eine abweichende. Bei den Stämmen der monokotylen Baumgewächſe iſt oft der äußere Theil glashart, während das Innere ſchwammiges Mark enthält; bei den Dikotylen verhält es ſich umgekehrt. Unter der Rinde mit ihren Baſt— faſern liegt hier das jüngſte Holz, deſſen Zellen von Saft erfüllt ſind. Man pflegt es den Splint zu nennen. Je weiter nach innen, deſto härter zeigen ſich die Jahresringe. Ihre Zellen find in höherem Grade von Holzſtoff erfüllt, diefer ift härter, der Zellfaft ift verfchwunden. Die Zellenräume find (ufterfüllt. Sie erleiden dann feine Wachsthumsveränderungen mehr und find, als Einzelorgane betrachtet, todt, trogdem für das Ganze aber nod) immer von Wichtigkeit. Sobald im Frühjahr der Saft in die Stämme und Zweige eintritt, läßt fi die Kinde der legtern bequem abziehen. Auf Diele Eigenthümlichfeit gründet fi der Gebraudy der Knaben, aus den Aftjtüdhen der Syringie und der Weide Pfeifen darzuftellen. Zwiſchen Rinde und Holz ift dann eine fulzige, ſaftige Mafje zu bemerken, die fidy unter dem Mifro- ifop als Außerft zartwandiges Zellgewebe erweiſt. Es ift dies das jogenannte Sambium, die Wachsthumsſchicht des Stammes. Bei den Yaubhölzern entftehen aus derſelben Gefäße und Holzzellen, bei Nadelhölzern und Cyca— deen findet fi nur unmittelbar am Marfe ein Ring von Gefäßen, der übrige Stammtheil befteht lediglich aus Holzgeweben. Aud die Marfftrahlen, die vom Marfe des Stammes nad) der Rinde fich fortfegen und ſtets in jedem Cambiumring fid) neu erzeugen, verholzen allmälig. Mehrere, mit- unter viele Jahre hindurch, führen fie aber nody Saft, und allherbitlidh oder überhaupt zu der Zeit, wo die Knospen ſich fchließen, lagern fid) in ihnen Borrathsitoffe, befonders Stärfemehl, ab. Die beim Beginn der Wachs— thumsperiode gebildeten Holzzellen find weiter, Iuderer, das aus ihnen be- jtehende Holz hat deshalb eine weichere Bejchaffenheit und hellere Farbe. Je näher zum Ende der Wachsthumsperiode, defto Fleiner und didwandiger werden die Zellen, deſto fefter und dunfler erfcheint der aus ihnen beftehende Theil des Holzes. Sie bilden die dunfeln Stellen des Jahresringes. Alle unfere Laub» und Nadelhölzer bilden jährlich einen ſolchen Holzring und nah der Zahl vderjelben laßt fih das Alter des Baumes genau ausrechnen. Auch bei denjenigen Bäumen der Tropenzone, welche gejchlofjene Knospen 11* 164 Baumrieſen und Baumgreife. erzeugen, ihr Laub verlieren und in der trodenen Jahreszeit kahl ftehen, findet eine Bildung von Jahresringen ftatt, fo z. B. bei dem Affenbrodbaum, den Bombar u. a. Bei folhen Gewächſen dagegen, bei denen das Wadhs- thum ununterbrochen fortgeht, findet auch feine Bildung von Jahresringen ftatt. In ähnlicher Weife geht der Verholzungsprozeß der Zellen auch in ber Wurzel vor fih, nur werden hier weniger zahlreiche, dagegen deſto größere Zellen gebildet, die fih in * deſſen durch eine anſehnlichere — Tüpfel Sn a [’kof i_ TC A: a Pe 92 10 DIE 5 zEltlı ME 6 RS NA eis B ee ‘m ralgA|= as JA, = ıle Ol: Eh BJ 38 . Ne/f- — — TI (5) © 5) SDIIIIDEDDERDI — Frey. ter (9716) (5) I 5) DJ 0) Ö ® Fo oe o —— Ta — © — 8 —F — oO = Der anatomiſche Bau des Nadelholzes (Abies pectinata). a. b. Querſchnitt. c. Radialer Schnitt. d. Fangentialer Schnitt. von den Holzzellen des Stammes unterjheiden. Während bei manden Nadel- hölzern die Zellen des Stammholzes nur eine einfache Reihe Tüpfel befigen, zeigen fie in den weiten Wurzelzellen 3— 4 Reihen neben einander. Bei denjenigen Navelhölgern, die Feine Br Harzgänge befitzen, lagert ſich Harz innerhalb der Holzzellen ab, z. B. bei Tarus und der Cypreſſe. Der anatomiſche Bau des Sofzes zeigt eine reihe Manchfaltigfeit und ermöglicht e8 dem Kundigen, wenigftens die Familie nachzuweiſen, aus wel: her das Holz entitammt. Wie ſchon ge fehlen 3. B. dem Holz ver Anatomifher Bau des Holzes. 165 Zapfenfrüchtler und Cycadeen die Gefäße, in andern Hölzern find fie vor- handen. Die Art und Weife, in welcher die einzelnen Zellen der Gefäße miteinander in Berbindung getreten find, ift eine conftante. Ber Eichen- und Buchenholz zeigt fi ein einfaches Loch an der Berührungsftelle, bei Birke und Erle find die Scheivewände leiterfürmig durchbrochen. Beim Ban des Manglebaumes (Rhizophora) und des Meerträubel (Ephedra) hat ver Saft- ftrom durch eine oder zwei Keihen Löcher ftattgefunden. Das Lindenholz zeigt 9 9 8 Ka) Be v8) USE — ON m iM @ —* — R | = Wr N SLR N ET NW —— EN = VSEr —— Bee 5 —88 hal en — el [al ‚c k 277 —— —ve = * 328* 3382 —— —— 8* — —————— vr Wu x u D a: du PM — 725 N ) — a N LEE in y BI F “ \ ) { r 5 N Al CN — — D -| E36, c — As 5 ß — Re — 7 mer S — fm [2 RES NET EIS nn. I = — —F ken a IT tr BEST ma TSS I —— >, te IE —— er Ye Re EIS kenn —— — — RG \_/r 7] * wi IS “ 178 — er oT“ — Br 19 — Si} ——— — er A| NE A N I Aa A >? — —— ZT III —2 LER ul \5 7 IS: ‘| Ar wen Se: 8 LE ap a. Querjhnitt aus dem Stammholze der Weißbuche (Carpinus betulus), b. aus dem Holze der Eiche (Quereus robur), ec. aus dem Holze der Erle (Alnus glutinosa). * in feinen Gefäßen gleichzeitig Spiralbänder und Tüpfel. Ein jehr abweidhen- des Anjehen erhalten die Hölzer ſchon durd die Ausbildung und Anoronung der Markitrahlen und machen ſich dadurch bereits dem bloßen Auge unterfcheidbar. Bei manden jind die Markitrahlen breit, bei andern beftehen fie nur aus einer einzigen Zellenreihe, bei vielen verlaufen fie in geraden Strahlen, bei andern find fie vielfach gewunden. Letztere Hölzer fpalten nur ſchwierig und find zäher. Die obenftehenden Abbildungen zeigen uns anſchaulich den anatomischen Bau dreier gewöhnlicher Holzarten. Der Me durch das Stammholz der Tanne 166 Baumriefen und Baumgreife. (Abies pectinata) läßt bei a. deutlich das im Frühlingstrieb aus großen, weiten Zellen gebildete Holz erkennen, bei b. bemerft man die dichteren, dickwandigeren des zweiten Triebes, der im Hochſommer ftattfindet. Zwiſchen den großen vieredigen Deffnungen der Zellen fieht man die kleineren, zufammengepreften Zellen der Markftrahlen, die im Sommertriebe zahlreicher vorhanden find als im Srühlingstriebe; c. bezeichnet in der Abbildung ein Stüd eines radialen Scnittes, d. h. eines Yängsfchnittes in der Richtung vom Mittelpunfte des Stammes gegen die Rinde. Man fieht hier deutlich die fpindelförmigen, oben und unten zugejpisten Holzzellen, die in eigenthümlicher Weife mit Tüpfeln gezeichnet find. Auch hier erfennt man die Frühlingsbildung an den loderer aeftellten Zellen, die Sommerbildung an ven dichter zufammengedrängten. Ebenſo werden die quer durchſetzenden Leiften ver Markftrahlen fihtbar. Noch veutlicher zeigen fid) aber die Marfftrahlen im tangentialen Schnitte, bei d, d. 5. bei einen Pängsfchnitte, den man quer auf dem vorigen, in ber Flächenrichtung der Rinde, zwiihen Mark und Ninde, ausführt. Zwifchen ven Pängszellen werben hier die fleineren, durch die Gefäße zufammengepref- ten, nebeneinander liegenden Zellen der Marfftrahlen bemerft. Die zweite Abbildung zeigt uns in ihrer obern Hälfte einen Querſchnitt duch das Holz der Weißbuche (Carpinus betulus). Die Deffnungen ver Holzzellen find hier viel fleiner, die Zellenwände dickwandiger und befunden ein dichtes, feftes Holz. Zwiſchen den gewöhnlichen Fleinern Zellen zeigen fidy aber auch ein- ze'ne größere und außerdem noch die fehr zahlreichen Kleinen Marfitrahlen. Die obere Abtheilung der rechten Hälfte der Figur bietet die etwa 100malige Bergrößerung eines Querſchnittes von Eihenholz (Quercus robur), des härteften und dauerhafteften unferer einheimifchen Hölzer, das dieſe Eigen- haften ſchon im mikroſkopiſchen Anfehen durch dichte Fügung enger und did- wandiger Holzzellen verräth, die nur einzeln von weitern Zellen durchbrochen werben. Die untere Abtheilung der rechten Hälfte giebt einen Quer— fhnitt des Holzes ver Schwarz-Erle (Alnus glutinosa), das ebenjo jehr durch jeine Unvermüftlichfeit im Waffer, wie durch feine Sprödigfeit befannt ift. Die meilten Zellen find hier von auffallender Weite und bedingen bie Leichtigkeit und Yoderheit des Erlenholzes. Mit ihnen wechjeln Kleinere Zellen und Harzgänge, dabei find die Zellenwände zwar dünn, aber feit. Die größere oder geringere Breite der Jahresringe ift von mandherlei Aengerlichfeiten abhängig und der Blick auf einen durchſchnittenen Stamm eröffnet gleichzeitig einen Blid auf die Geſchichte des Baumes ſelbſt. Hat der Baum einen feuchten Standort gehabt, jo werden feine Holzringe weiter fein, als wenn er an trodener Stelle ftand. Ein Stamm, ver dicht neben einem zweiten befindlich ift, wird an der Seite, melde fih dem Nachbar zu- fehrt, ſchwächere Ringe bilden als auf der freien, da fich die Ausbildung der Wurzeln und Zweige danach modifiziren. Ein einzeln ftehender Baum, deſſen Zweige bis zum Grunde des Stammes ſich ausbilden und erhalten, läßt die- ſes deutlich im Holzbau erkennen und weicht fharf ab von einem ſolchen, der Auswüchſe. Berwachjungen. 167 in geſchloſſenem Beſtande befindlih war und erft in anfehnlicher Höhe über dem Boden feirte Krone entwidelt. In einem feuchten Jahre werden die Holz- ringe ftärfer und breiter fein als in einem trodenen, fpärlich werden fie ſich nur entwideln, wenn durd einen Spätfroft der junge Trieb des Baumes ge- tödtet wurde, oder wenn Käfer und Raupen ihn feiner Blätter beraubten. Die Bildung von Holz findet aud) nad) der Art des Baumes felbft nad verfhiedener Nihtung in abweichendem Grade ftatt. Schon der Sten— gel der Kräuter zeigt hierin manderlei Eigenthümlichkeiten. Iſt das Wachs— thum nad allen Geiten hin im gleichem Grade fortichreitend, fo entfteht ver gewöhnliche fänlenförmige runde Schaft; eilt dafjelbe dagegen an einzelnen Stellen vor, fo bildet ſich der Stengel zweifchneidig, drei-, vier- big viel- fantig aus. Unter den Bäumen ift diefe ungleihmäßige Ausbildung zwar weniger häufig, wird aber dann deſto auffallender. Sonderbare Geftalten zeigen die Stämme der Ceiba, des brafilianifhen Wollenbaumes, die bei einer anfehnlichen Höhe in der Mitte dickbauchig angefhwollen find. Unten ruhen fie auf ftarf ausgebildeten Wurzeln, die fi über den Grund erheben und nicht felten eine Höhlung unter fich frei laſſen, oben trägt ex eine ver— verhältnigmäßig dürftige Krone aus horizontalen Aeften. Im Innern Neu— hollands, auf den dürren Ebenen dieſes Kontinents, fallt der fogenannte Tonnenbaum jeden Fremden unter allen Pflanzengeftalten zuerft am mei- sten auf. Sein Stamm gleicht, wie bei der Ceiba, ganz einem rieſigen Faſſe, das an beiden Enden ftarf zufammengezogen ift. Einzelne Palmenarten ver- piden ihren fchlanfen Stamm an beftimmten mittleren Theilen, jo 3. B. die Delebpalme des mittlern Afrika in der Mitte. Die prächtige Königs- palme auf Havanna (Oreodoxa regia) bildet ihren 70— 80 Fuß hohen Stamm von ungleiher Stärke. Unten ift derſelbe gewöhnli am vidften, aufwärts bi8 zur halben Höhe wird er dünner, danıı aber fchwillt er von neuem an, bi8 er endlid nad der Krone wiederum dünn ausläauft. Der Stamm emer Art Caeſalpinia, welde in der Umgebung von Podhutla an der Süpjeefüfte Amerika's wählt, bietet ein merfwürdiges Beifpiel eines höde- rigen, gewundenen Wuchfes dar, fo daß er ausfieht, als jet er aus einer großen Menge zufammengeflochtener und verwachſener Stämmchen gebilvet. Ebenſo wunderlich ericheint auf Sumatra der Grungang oder Brumbung, ein Baum, der zur Familie ver Rubiaceen gehörig tft und vortreffliches Bau— holz liefert. Er bildet riefige Stämme, welche ringsum in furzen Abjtänden eingedrüdt find, als wären Stüde aus ihnen herausgehauen. Dieſe Ein— drüde find oft jo tief, daß, wenn zwei berfelben bei einem Stamm von drei Fuß miteinander correfpondiren, fie ein Loc darftellen, durch weldes man hindurchſehen kann. Der Stamm des fogenannten Breterbaumes (Heri- tiera Fomes) auf den Moluffen und Philippinen wächſt nur nad) zwei Sei— ten hin, jo daß er platt zufammengedrüdt erjcheint. Berühren ſich Stämme derfelben Art und üben fie gleichzeitig durch ihre Stellung einen Drud aufemander aus, fo finden nicht felten Verwachſungen 168 Baumrieſen und Baumgreife. zwifchen ihnen ftatt. Es verfhwinden dann zuerft die Rindenzellen, die offen- bar aufgelöft werden, und danad) erfolgt eine Vereinigung der Holzlagen. In Gegenden, im denen man die Hecken um die Gärten vorzugsweile aus Weißbuche herftellt, ſind ſolche Verwachſungen jehr häufig zu beobachten. Die in der Jugend zufanmengebundenen und verflochtenen Buchenzweige ftellen im Alter nicht felten ein fürmliches verwachſenes Gitterwerf dar. Aber aud) Stämme verfhiedener Bäume, zwiſchen denen wegen ihrer abweichenden Strul- tur eine Berichmelzung nicht. möglich ıft, üben bei näherer Berührung einen bejtimmten Einfluß aufeinander aus. Der gegenfeitige Neiz führt eine Holz— vermehrung an ber betreffenden Stelle herbei. So ſteht 3. B. bei Karlsbad eine Rothbuche, zwiſchen 70—80 Jahr alt, neben einer eben jo alten Tanne, die beide bedeutend hoc find. Am Grunde find die Nachbarbäume zwei Fuß von einander entfernt, in einer Höhe von 26 Fuß neigen ſich die Stämme aber allmälig zu einander und veranlafjen eine Art Berbindung, melde bei der Tanne eine auffallende Erſcheinung hervorgerufen hat. Während Die Tanne bis zur Derührungsftelle ſchmächtig emporftrebt, nimmt von da an ihr Umfang fogleidy zu. Ein Stüd höher treten zwei gegenfeitige Aefte wiederum in enge Berührung und ein Buchenaft ſchmiegt fi) jo feit an, daß es aus- fieht, als hätte er die Tanne durchbohrt. Bon hier an wird der Umfang des Zannenjtammes noch größer. Unterhalb der Berührungsitelle beträgt. die Stammdide der Tanne etwa 10 Zoll, oberhalb derfelben dagegen 15—-16 Zoll. Einzelne Bäume erzeugen auch wol ähnliche Anfchwellungen und Aus— wücje, ohne daß man die Beranlafjung dazu bemerkt. So fand man bei Keuftadt in Oberjchlefien eine Fichte von 45 Fuß Höhe, die am Grunde 2 Fuß Die war. In einer Höhe von 7 Fuß bildete ihr Stamm eine plößliche An- Ihwellung von 10— 12 Fuß Umfang, die mit vielen Xeften verjehen war und 23 Fuß hoch, ſich fortjegte. Am unten Ende war er wie abgeftust, oben dagegen verlief er allmälig in den Gipfel. Schon bei der Bejhreibung des Holzgewebes machten wir darauf auf- merkſam, daß die Gefäße defjelben ſich mit ihren zugefpitten Enden feilfürmig in einander ſchieben. Im jugendlichen Zuftande berührten fich die über einander liegenden Zellen mit flachen Enden und beim Ausdehnen mußten fie fid) gegenfeitig dur) Ausweichen etwas Kaum gewähren, Gejchieht dies Aus- weichen bei allen Zellen gleichmäßig nach derſelben Richtung, jo erhalten vie Holzfafern dadurd) einen fchiefen, |piralig gedrehten Berlauf. Mau fann denſelben bei einem Holzſtück leicht werfolgen, jebald man dafjelbe mit dem Mefjer in die Länge fpaltet, ohne zu ſchneiden. Das Mark und die Rinde nehmen an diefer Drehung feinen Antheil und bei lebenden Bäumen ift die— jelbe um jo jchwieriger zu erfennen, je glatter die äußere Rinde if. Am feichteften bemerkt man diejelbe bei den Stämmen, welde Längsriſſe in ver Borke erzeugen oder Schwielen bilden, wie ſolches bei der Pyramidenpappel, dem Oranatbaum und der Hainbuche ftattfindet, Kiefer, Fichte, Tanne, Erle, Birke und Kirſchbaum verrathen felbft im Alter äußerlich die Drehung der Drebung der Bäume, Auffteigen des Saftes. 169 Holzfafern nicht, wenn nicht etwa zufällige Verlegungen, 3. B. Froftfpalten, ein Blitzſchlag, Abſchälen der Rinde u. |. w. den Verlauf derfelben aufdeden. Der Grund der Drehung ift nicht nur bei verfchiedenen Bäumen, jon- dern auch bei verſchiedenen Eremplaren derjelben Baumart jehr von einander abweichend und oft fo ſchwach, daß man fid) nur mühſam davon überzeugt. Die ftärffte Drehung unter den befannten hat der Granatbaum. Site beträgt bei diefem 45 Grad. Ihm ähneln die Vogelbeere, die Syringie und Roß— faftanie,. Nur 3—4 Grad beträgt diejelbe dagegen beit der Birfe und Py— vamidenpappel. Bäume, welde frei ftehen und die gewöhnlich kürzere Glie— der bilden, neigen ſich auch —* zur Drehung der Holzfaſern als ſolche, die ſich in geſchloſſenen Seftänden befinden, Die meiften Schlingpflanzen unferer Heimat drehen ſich nad) links, das— jelbe findet aud) worherrfchend bei dem Berlaufe ver Holzfafern jtatt, ja es fommt vor, daß Bäume, welche anfünglicd fi) rechts drehten, ſpäter in Die entgegengejetste Richtung umfchlagen. Auffallend ift es, daß in Nordamerika nicht nur die ftellvertretenden Baumarten, ſondern fogar dieſelben eine ent- gegengejette Holzdrehung haben jollen. Diejelben Kräfte, welche in den Wurzeln thätig find, um dem umgeben- ven feuchten Boden die Nahrung abzuringen, bewirken aud im Stamme das Steigen des Saftes, Während des Winters find miht nur die Holzgefäße, jondern auch die Holzzellen zum großen Theil mit Yuft erfüllt. Die im In— nern der legtern noch befindliche Nahrungsflüffigkeit vertheilt fi als Schicht rings im Innern der Zellenhaut und umfchließt eine Yuftblafe. In den Marfftrahlen haben fi) reihe Borräthe von Stärfemehl, Dextrin und Gummi angejpeichert, die ihrerjeitS zu den Fräftigften Arbeitern werden, jobald im Frühjahr die Wurzeln neue Flüffigfeiten einfangen. Man hat die Kraft, mit welcher der Saft in Stamm und Zweigen emporfteigt, vorzüglich an Wein- veben gemejjen, an deren abgejchnittenen Aeften Manometer angefet wurden. Deim Eintritt des Saftes- wird die Luft aus der Holzzelle fehnell verdrängt, aus den Gefäßen theilweife. In den an tieferftehenden Zweigen angebrachten Manometern fteigt die Queckſilberſäule höher, als in den höher befindlichen, auch zeigen ſich an den untern die täglichen Schwankungen in auffallenderem Grade. Das legtere findet vorzüglid ftatt, wenn Ende Mat und Anfang Juni die täglichen Beränderungen, großentheils hervorgerufen durch die gejteigerte Ver- dunftung der entfalteten Blätter, %/, — 11, Fuß betragen. Gefteigerte Tem- peratur und reichlicherer Zufluß von Feuchtigkeit bewirken auch ein lebhafteres, fräftigeres Steigen. Beim Beginn des Frühlingstriebes fcheint die Wärme ber Hauptarbeiter zu fein, von der Zeit an aber, wo die Mitteltemperatur des Tages + 12° erreicht, tritt die Einwirkung der Wärmeverhältniffe zurüd und der Einfluß der Feuchtigfeit, weldhe den Boden völlig durchdringt, wird sorwiegend. Bei dem Sinken der Temperatur, ſowie bei anhaltender Trock— niß müfjen fofort aud) Veränderungen im auffteigenden Saftftrom die Folge jein. Sowie die Knospen aufbrechen und das Laub fich entfaltet, treten bie 170 Baumriejen und Baumgreife. Blätter durch ihre Verdunftung als neue Helfer hinzu. Da die Menge des ausgehaudten Wafjers bei den Blättern aber je nad) der Tageszeit eine ver- Ihiedene ift, jo wird der durch dieſelbe bewirkte Zudrang des Saftes aud) täglihen Schwanfungen unterworfen. Die Zeit des täglichen Maximums fällt einige Stunden nad) Sonnenaufgang, das Minimum auf Sonnenunter- gang. Höchſt auffällig Ändert fid) der Drud bei plöglicher Aenvderung der Luftfeuchtigfeit. Will man in poetiiher Stimmung das Leben eines Baumes, injonder- heit feines Stammes mit demjenigen eines Volkes vergleichen, fo bieten fid) zahlveihe Achnlichkeiten dar. Dede einzelne Zelle würde ein Individuum repräfentiven, das zwar ein Leben für fi) führt, durchaus aber aud von feinen Nachbarn abhängig ift, von diefen genährt und geformt wird und fei- nerjeit8 wieder auf felbige in verwandter Weife einwirkt. Jeder Jahresring mit feinen Millionen Zellen wäre das Gleihnif einer Generation, einerjeits erzeugt durch die frühere, nad) der andern Seite hin aber aud eine fpätere vorbereitend und ſchaffend. Die völlig verholzten Fahresringe mit ihren Luft: führenden Gefäßen, fo ſcheinbar todt und leblos fie find, haben doch für vie Entwidelung des Ganzen ihre hohe Bedeutung. Sie verleihen ja erft dem ganzen Baume jeine Feftigfeit und Stärfe, durch melde es ihm möglich wird, jährlid) mit neuen Zweigen und Gipfeltrieben höher und höher hinaufzu- dringen ins Yuftmeer und — mit den Nachbarn wetteifernd das Reich des Lichtes zu gewinnen. ie find die gefhichtlihen Errungenſchaften, auf denen die neuen Geſchlechter meiterbauen. Auf ihnen beruht das Alter und die Höhe der Bäume, durch welche beiden diefe Kiefen der Pflanzenwelt auch auf den Menfchengeift ven Einprud des Erhabenen, Chrwürdigen und Ueber- wältigenden ausübten, der ſich im nicht wenigen Fällen bis zur. göttlichen Berehrung fteigerte, — wie wir früher evörterten (S. 5 u. f.). Bei einer Anzahl Holzgewächſe ift die Lebenspauer durch die Blüten und Fruchtentwickelung begrenzt, bei welder die Kraft des Baumes erichöpft wird. Es find dies folhe Gewächſe, bei denen fich die Gipfelfnospe zum Blütenfhaft ausbildet, und fie gehören vorzugsweiſe der Abtheilung der Mo— nofotylen au. Die Talipotpalme (Corypha) auf Ceylon, die bereits erwähn- ten Sagopalmen und mehrere andere Gefchlechter diefer ſchönen Yamilie ge— hören hierher. Die jegenannte hundertjährige Aloe (Agave americana) treibt je nad) den mehr oder weniger günftigen Berhältniffen, in denen fie fid) befindet, in 8—20 Jahren ven fandelaberartigen Blütenfchaft, der ihr benorjtehendes Ende verfündigt, und bei dem ihr nahe verwandten Geſchlecht Fourcroya Iheint fi) die Mythe, die früher an der Agave haftete, in erhöhtem Grade zu verwirklichen. Der Keifende Karwinsky fand auf den Hochgebirgen ver mertfanifchen Provinz Dara riefenhafte Pflanzen dieſer Gattung (Furcroya longaeva), deren Stämme 40— 50 Fuß Höhe erreichten und auf dem Gipfel eine Blattfrone trugen. Die Bewohner der Gegend erzählten ihm, daß bie Pflanze 400 Jahre brauche, um zur Blüte zu gelangen, und wenn der Zeit- Lebensperioden der Bäume. Alte Eichen. 171 raum auc nicht ganz jo lange fein dürfte, fo ſchienen dem Reiſenden dod) die manchfachen Abftufungen, welche in der Größe und Ausbildung des Ge- wächſes fich zeigten, für eine annähernd lange Dauer zu ſprechen. Bei den difotylen Daumen, zu denen unfere einheimifchen Holzgewächfe ſämmtlich gehören, ift die Lebensdauer nicht durch die Entwidelung des Baumes jelbft bedingt, ſondern wird faft ſtets durch äußere Einflüffe herbeigeführt, von denen wir ſpäter noch einige erörtern werden. Etliche erreichen deshalb ein fehr hohes Alter, das ſich ficher freilich exit dann angeben läßt, wenn der Baum gefällt und ein Zählen feiner Jahresringe möglid) geworden ift. Die Dide der jährlich abgelagerten Holzfdsicht ift nämlich nicht nur Bei den verjchiedenen Arten, jondern felbft bei demjelben Individuum fehr verfchieven. Haben fi) die Wurzeln in einem weniger günftigen Boden ausgebreitet, herrſcht gleichzeitig Dürre oder wirken andere Aeußerlichkeiten nachtheilig auf das Ge- wähs, jo werden die Holzichichten dünn fein, dringen die Wurzeln dagegen bei fortgehendem Wahsthum in nahrungsreidhe Flöße ein, ift zugleic) genug- ſam Feuchtigfeit vorhanden, findet feine Störung durch Inſektenfraß ftatt, fo werden die Holzlagen wieder ſtärker. Schätungen, welche man an ftehenven Bäumen nad) der mittleren Dide des Yahresringe verfucht, liefern deshalb leicht irrige Reſultate. Außer jenen Aeußerlichkeiten, welche das Wahsthum des Baumes be— ſchleunigen oder verzögern, hat jedes Gewächs auch eine verſchiedene Wachs— thumsgeſchwindigkeit je nach ſeiner Entwickelung. Es laſſen ſich in dieſer Beziehung bei den Bäumen drei Lebensabſchnitte unterſcheiden, obſchon die— ſelben nicht immer ſcharf zu trennen ſind. Der erſte Zeitraum umfaßt die Zeit vom Keimen bis zur Entwickelung der erſten Blüten, der zweite bis zur Wachsthumsabnahme des Stammes im Allgemeinen und der dritte endigt mit dem Tode des Gewächſes. Dieſe Lebensperioden umfaſſen bei den verſchie— denen Waldbäumen ſehr verſchiedene Zeiträume. Bäume, welche in ihrer Jugend fehr raſch wachen, durchlaufen die erjte Yebensperiode jehr fchnell; jo die Kiefer, die Lärche und die Birke. Tanne, Fichte, Buche und Eiche wachſen in den erften Lebensjahren langjam und machen dann bis zum Be- ginn ihrer Blütenbildung fehr ftarfe Höhentriebe. Bei der Eiche nimmt das Dickenwachsthum erſt nad 150—200 Jahren weniger ftark zu, bei der Bude werden bie Jahresringe etwa vom 130—150. Jahre an ſchwächer, die Nadel: hölzer dagegen haben ihre Höhe gewöhnlich ſchon mit 90— 100 Fahren er: reiht. Schnell wachjende Bäume mit loderm Holze, wie Pappeln und Wei- den, jterben meiſtens aud) bald ab, nur die Linde macht hiervon eine Aus— nahme. So ftand z. B. in Pleifhwis bei Breslau bis zum Jahre 1857 eine gewaltige Eiche, die man auf mindeftens 1000, ja auf mehr Jahre im Alter ſchätzte. Ihr Hauptitamm hatte 2 Fuß über dem Boden 42%, preuf. Fuß im Umfang, alfo circa 14 Fuß Durchmeſſer. Im Jahre 1833 brach durch einen Sturm einer von ihren drei Hauptäften ab, der 14 Klaftern Holz geliefert haben fol. Im „Jahre 1857 ftürzte dev ganze, im untern Theile 172 Baumrieſen und Baumgreije. hohle Baum zufammen und die in dem noch gefunden Theile erkennbaren Jahresringe ergaben für den ganzen Baum ein Alter von nur 700 Yahren. In den letten 150 Jahren hatte er nur einen Fuß an Dide zugenommen. Zu Killerod in Schweden fteht eine Eihe von 34 Fuß Umfang, und in den fogenannten Kloſterwalde in Schonen hat unter den zahlreichen Kiejen- eihen eine verjelben über 36 Fuß. Evelyn, der die in England befanntern größten Eichen aufzählte, führt einen ſolchen Baum zu Welbedlane an, deſſen Alter er auf 800 Jahre hätt und defien Stamm faſt 12 Fuß im Durd)- mefjer hielt. Als den mächtigſten Eihbaum Europa’s nennt U. v. Humbolot jenen bei Saintes im Departement de la Charente inferieure. Derſelbe be- fitst nahe am Boden 25 Fuß 8Y, Zoll Durchmeſſer, 5 Fuß höher noch 21"/, Fuß, da, wo die Hauptzweige anfangen, 6 Fuß Durchmefler. In dem ab- geftorbenen Theile des Stammes ift ein Kämmerchen eingerichtet, »1O—12 Fuß weit und 9 Fuß bo, mit einer halbrunden Bank im frifhen Holze aus- gejchnitten. Ein Fenſter giebt dem Innern Licht und die Wände des Käm— merhens werden von lebenden Farnkräutern und Flechten bewohnt. Das Alter dieſes Koloſſes Ihätt man fogar auf 1800— 2000 Jahre. Das Alter der großen Eiche auf dem Begräbnigplag zu Erayford ſchätzt man auf 1500 Jahre, und Decandolle vermuthet, daß jene in Kent zwiſchen 2—3000 Jahre alt fein dürfte Auch Deutſchland befitt noch gegenwärtig einzelne Eichen, welche nod) aus den Zeiten der alten Germanen herftammen mögen. So ijt ein folder Greis bei Bolfenroda im Herzogthum Gotha unter den Namen die Teufelseidhe befannt, dejjen Stamm 2 Fuß über der Erde fat 29 Fuß Umfang hat und dabei noch feine Spur von Zerftörung zeigt. Jährlich findet bei den Schiefvergnügungen die ganze Volkenrodaer Schützengeſellſchaft ſammt den Zufchauern Schatten unter den Zweigen des uralten Baumes. Durch ihr hohes Alter ward die Eiche vielfach zum lebendigen Denf- ftein, Geſchichte und Sage verknüpften fich gleicherweife mit ihrem vagen- den Bau, Erft vor Kurzem ward jene Eihe im Klofter San Onofrio in Kom vom Blitz zerfchmettert, unter deren Laubdach der franfe Dichter des ‚‚ Befreiten Jeruſalem“, der unfterblihe Taffo, träumte, und Joſef I. hatte guten Grund, den Eihbaum fällen zu laffen, unter dem einft in einer Sturm- nacht der wilde Zisfa geboren ward. Auf dem Gute des Landwirte Neuhaus zu Remſcheidt in Weftfalen. ift eine Eiche, die man auf 1000 Jahre ſchätzt und die 21 Fuß im Umfange mißt. Sie ift inwendig hohl und in diefer Höhlung hat die Natur eine 4 Fuß hohe Kanzel gebildet, melde wieder mit Rinde umwachſen ift. Auf einem abgeftorbenen Afte hat eine Ebereſche ihre Wohnung aufgefchlagen und wãchſt auf Koſten ihrer Pflegemutter kräftig empor. Mit der Eiche, dem alten Baume Wodan's, dem Symbol der Stärke und des Ruhmes, wetteifert an Lebensdauer die heimatliche Linde, der Baum der Liebe und der Lieder. Man ſchreibt einzelnen derſelben ein Alter von mehr als 1000 Jahren zu. Linden von mehreren hundert Jahren ſind ſicher Alte Tannen, Fichten, Eiben. 173 nachgewieſen. Nach dem Sieg bei Murten (1476) pflanzte man bei der Stadt Freiburg eine Linde, die gegenwärtig 14 Fuß Umfang hat. Unweit davon fteht eine zweite von 36 Fuß Umfang, die man danach auf 900 Jahre ſchätzt. Auch bei Grimmenthal bei Meiningen ift eine Yinde von demſelben Umfange. In Lithauen hat man bei gefällten Linden 815 Jahresringe gezählt. Rieſen-Taxus bei der Abtei Fountaine. Einer der berühmteften Bäume diefer Gattung ift jener bei Neuftadt am Kocher im Württembergifhen, von dem es ſchon in einem Gedicht 1408 hieß: „Vor dem Thor eine Linde ftaht, die 67 Säulen hat. Gegenwärtig hat der Baum 32 Fuß Umfang am Stamme und befchattet einen Plab von 400 Fuß im Umkreis. Der Herzog Chriftian ließ 1558 zur Stütze feiner untern Aeſte einen Gang von 115 Säulen um ihn herum aufführen. 174 Baumriejen und Baumgreife. Jene Rothbuche, in deren Schatten 1521 Dr. Luther ruhte, grünt gegenwärtig wenigſtens noch in einem einzelnen Zweige und in einzelnen Wal- dungen unferes Baterlandes, 3. D. auf dem Wurzelberge des Thüringer Wal- des, im Reviere VBorbad) in Unterfranken u. a. ftehen Tannen (Pinus picea) von 160 Fuß Höhe und faft 27 Fuß Umfang, die ein Alter von 350—400 Jahren haben mögen. Fichten follen ebenfalls 5-— 600 Jahre alt werben. Zu den älteften Bäumen unferer Heimat gehört unftreitig die Eibe, der Tarus, der ein jehr dichtes Holz bildet. In den erften 150 Yahren bildet er Yahresringe von je 1 Linie Dide, von 150—200 Jahren aber be- trägt die jährliche Zunahme weniger als das angegebene Maß. Nach diefen Wadhsthumsverhältniffen zu urtheilen, beträgt das Alter der Tarusbäume der alten Abtei Fountaine bei Rippon in Yorkſhire, die ſchon 1133 befannt waren, über 1200 Yahre. Auf dem Kirchhofe zu Crowhurſt in der Grafihaft Surrey jtehen Eiben, deren Alter man auf 1400 Jahre ſchätzt, und der Tarus von Sotheringhall in Schottland ward 1770 ſchon gegen 2200 Jahre tarirt, Ein anderer Baum dieſer Art, der auf dem Kirchhofe zu Braburn in Kent ftand, maß 1660 gegen 2850 Linien im Durchmefjer, mochte alfo danach gegen 3000 Jahre alt gewejen fein. In der Nähe des befannten Abgrundes Ma- zoha (die Stiefmutter) in Mähren befinden ſich einige hundert Tarusbäume, unter denen einer wahrſcheinlich 2000 Jahr alt if. Sein Umfang ift faft 8 Fuß (2,454 Meter), feine Höhe 16 Fuß. Der Stamm ift mit äußeren Längswülſten befest und trägt 40 grünende Aefte von 30 — 50 — 90 Jah— ren Alter. In Hildesheim grünt der berühmte Roſenbaum noch jetzt an der Gruftkapelle des Doms, der vor 800 Jahren daſelbſt gepflanzt ward. Er hat troß jeines Alters nur eine Höhe von 25 Fuß, eine Stammpdide von 2 Zoll und breitet feine Aeſte 30 Fuß weit aus. Größer ift jener, einer andern Art angehörende Roſenbaum in dem Garten der Marine zu Toulon, den 1813 Bonpland dorthin einſandte. Es ift eine Bankjia-Rofe. Sein Stamm mißt bereit8 2 Fuß 8 Zoll im Umfange und feine Zweige deden eine Mauer von 75 Fuß Breite und 10—18 Fuß Höhe. Jährlich macht derjelbe Triebe von 11—15 Fuß und er würde nod) höher fein, wenn er nicht wegen Man- gel an Raum bedeutend verjchnitten werden müßte. Während des April und Mai ift ev oft gleichzeitig mit 50— 60,000 Blumen bevedt. Ein anderer Rojenbaum in den Gärten des Königs von Perfien zu Teheran, der 14 Fuß hoch iſt, befitt ein Alter von 300 Jahren. Mehrere hundert Jahre mag auch der große Walnufbaum in der Graf- ihaft Norfolf in England fein, defjen Stamm am untern Theile 32 Fuß Umfang hat und fi bei 10 Fuß Höhe in fünf Hauptäfte theilt, die 16, 14, 9, 8 und 8 Fuß im Umfang befisen. Die Höhe des ganzen Baumes be- trägt 90 Fuß. ‚In den Gärten von Verſailles grünt gegenwärtig noch der erſte Oran- genbaum, der nad Franfreich gebradht wurde, Im Jahre 1411 warb er five, Ahorn, Akazie. Platane. Cypreſſe. Ceder. Lorbeer. 175 in Navarra gepflanzt und fam 89 Yahre fpäter als Geſchenk nad) Frankreich. Bei diefer Gelegenheit ftrömte auf feinem Wege von den Pyrenäen nad) Chan- tillh das Volk weit und breit zufammen, um ihn anzuftaunen. Gegenwärtig ift er 450 Jahr alt und unter dem Namen der „große Bourbon“ befannt. Es ift nothwendig geworden, feine Aefte mit Drahtfeilen zu befeftigen. Trotz feines Alters ift er friih und geſund und bringt in unerjchöpflicer Kraft Blüten und Früchte in reichfter Fülle hervor. Ebenſo lebt auch jener Drangen- baum im Klofter Sainte-Sabine bei Nom noch, den im „Jahre 1200 der heilige Dominicus gepflanzt haben joll. In Montpellier befindet fi) (zu Gignac) ein Epheu, deſſen 6 Fuß im Umfange mefjenvder Hauptſtamm 440 Jahre alt ift. Auch Weinftöde können ein hohes Alter und dabei eine anjehnliche Die erreichen. So beftehen 3. B. die Thüren der Hauptliche zu Ravenna aus Weinbretern. Im Hofe eines Hauſes der Strafe Marais St. Germain in Paris fteht ein Weinftod, den Jean Nacine gepflanzt haben jol. Da letzterer aber 1699 ftarb, fo ift der- jelbe mindeftens 160 Yahr alt. Er trug im Jahre 1855 nody viele ſchöne Trauben. Der Dlivenbaum foll 600 Jahre alt werden. Ein Ahorn (Acer Pseudoplatanus) zu Trons, einem Dorfe in Graubünden, der faft S Fuß Durchmefjer hat, wird auf 500 Jahre geſchätzt. Im Jardin des Plantes zu Paris grünt noch frifc und Fräftig die erjte Akazie, welde von Amerifa nad Europa gebracht worden ift und von welder alle übrigen Afazien Europa’s abjtamnten follen. Veſpaſian Robin, Arborift des Königs Louis XIIL., pflanzte fie und Linne nannte die Gattung demfelben zu Ehren Robinie. Unter den Achten Kaftanien ift jene am berühmteften, welhe am Aetna fteht und dort unter dem Namen „dei centi cavalli‘ befannt if. Sie mißt am Grunde des Stammes 178 Fuß, jedod hält man es für möglid, daß fie aus der Vereinigung von vier verſchiedenen Stämmen entjtanden: ift. Plinius erzählt von einer großen und alten Platane, welche in Libyen jtand und eine innere Höhlung von 81 Fuß im Umfang beſaß. In ihr be- wirthete der Konjul Licinius Mucianus 18 Gäfte. Herodot berichtet von einer viefigen Platane in demfelben Lande, welche die Aufmerkfamfeit Aleran- der's des Großen in dem Grade erregte, daß er fie mit goldenen Kleinodien Ihmücdte und ihr einen der zehntaufend Unfterblihen als befondern Wächter gab. In Mejopotamien trifft man nod) jet Bäume diefer Art, deren Stämme 30—40 Fuß im Umfang meffen und deren Alter man auf mehr als 1000 Jahre ſchätzt. Im Thal von Bujukdere bei Konftantinopel fteht eine hohle Platane, die eine Höhe von 120 Fuß und einen Stammumfang von 140 Fuß hat. In demfelben Thale zeigte man noch nad Jahrhunderten jene ſchöne Gruppe von fieben Platanen, unter welder 1096 Gottfried von Bouillon mit dem Kreuzheer gelagert haben follte, und auf der griechiſchen Inſel Kos, dem Baterlande des Hippofrates, fteht unmeit des Hafenthores der Stadt Kos eine uralte Platane, von welder die Sage geht, der Bater der Heilfunde babe unter ihr zu ruhen gepflegt. Auch die Cypreſſe wird ſehr alt. Jene 176 Baumrieien und Baumgreife. im Schloffe Alhambra find älter als drei Jahrhunderte. Einzelne Cedern, die no von dem berühmten Walde des Libanon übrig find, mögen gleicher— weile ein hohes Alter befigen. Dalmatiſche Mönche zeigten bis vor nicht fanger Zeit einen alten Lorbeerbaum bei ihrem Klofter, mit deſſen Zwei— Der alte Drahenbaum (Dracaena Draco) auf Teneriffa. gen fi einft Julius Cäſar befränzt haben follte, und ein Porbeerbaum um- grünte nod) vor wenig Jahren das Grab des unfterblichen Birgilius Maro auf dem meerumrauſchten Poftlipp. In dem fagenreihen Paläftina zeigt man dem Wanderer eine uralte Terebinthe als jenen Baum, unter deſſen Schatten Abraham die heiligen Wanderer empfing; Delbäume in Gethjemane follen AN a — _ s08 a: WIDE: ll NINA, in f DER I f N N AL, Botanik... (Adansonia dieitata). kaniſche Affenbrodbaum er afri D 178 Baumriefen und Baumgreije. noch aus der Zeit herſtammen, in welder der Herr mit feinen Jüngern hier vie Nächte verweilte, und eine Syfomore bei Heliopolis, welche noch jetzt purpurgoldene Früchte trägt, ſoll diejelbe fein, unter deren Schatten einft Maria ausruhte. Läßt fih aus diefen Erzählungen auch feine fichere wiſſen— ſchaftliche Folgerung ableiten, jo deuten fie doch ſtets auf ein ſehr hohes Alter der in Rede ftehenden Gewächſe. Als einer der älteften Bäume der Erde wird der Drachenbaum von Orotava auf Teneriffe genannt, deſſen Alter fich freilich fehr jchwierig be- ftimmen läßt. Ber der Eroberung der Inſel 1402 fol er bereits denfelben Stammumfang beſeſſen haben und von den Eingeborenen göttlid verehrt worden fein. Er fteht im Garten des Marquis de Sauzel und ift gegen- wärtig nur nod eine ehrwürdige Ruine. Nach den Mefjungen Alerander von Humboldt’8 1799 hatte er mehrere Fuß über dem Boden 45 Fuß im Umfang. Tiefer am Boden joll nad) Le Dru fein Umfang 74 Fuß betragen. Bei 10 Fuß Höhe hat er noch 12 Fuß Durchmeſſer. Seine Höhe ift nad) Alerander von Humboldt nicht viel über 65 Fuß. Nad einer. Mefjung, welche Difton 1843 veranftaltete, hat der Baum am Grunde 38 Fuß Durd- mefjer. Im 15. Jahrhundert fol in dem hohlen Stamm ein Altar errichtet gewefen jein, an dem man Mefje gelefen. 1819 hat der alte Baum durch einen Sturm am 21. Juli die eine Seite feiner Krone eingebüßt. Gegen— wärtig ift fein hohler Stamm im unter Theile durd) Mauerwerk geftügt, das durch Bignonien und andere Schlingpflanzey verdeckt wird. Ein nod) ganz gefunder Dradenbaum zu Icos des los vinos hat 8 Fuß über dem Boden 28 Fuß Umfang und nahe am Boden muthmaßlid) 36 Fuß. eine Höhe beträgt zwifchen 6O— 70 Fuß. Derjelbe Erdtheil liefert in feinen mitt- leren Theilen in dem Baobab (Adansonia digitata) ein zweites Beifpiel außerorventlicher Größe und ungewöhnlichen Alters. So dient einer dieſer Bäume in der Nähe des Küſtenplatzes Joae, zwiſchen den grünen Vorgebirge und der Gambia- Mündung, den Seefahrern als Yandmarfe und Adanjon und Perottet glaubten aus dem Umfang der Stämme und der Stärfe ihrer Jahresringe das Alter derjelben auf 5—6000 Jahre veranſchlagen zu müflen. In jedem Falle wird das Alter immer beträchtlich genug fein, wenn aud die angegebenen Jahreszahlen etwas zu hod) gegriffen fein follten. In neuerer Zeit ift viel gefprochen worden von den Baumrieſen, melde Kalifornien befist, und die man in Hinblid auf ihre Größe Mammuths- bäume (Sequoia Wellingtonia) genannt hat. Der Mammuthsbaum ftreitet mit der Petersfirche um den Rang und bleibt nur eine furze Strede hinter den Pyramiden zurüd. Die höchſten Palmen erhalten im Vergleich mit ihnen das Ausfehen eines Zuderrohrs, die Tanne das eines Wacholderſtrauches und die Ceder des Libanons erfcheint als ein bloßer Bud. Der PVerbreitungs- bezirf des Mammuthsbaumes ift ein ziemlich bejchränfter. Der durd) feine Riefenbäume befanntefte Hain liegt bei den Quellen der Stanislaus- und San Antonio-Flüffe in der Landſchaft Calaveras unter 38° nördl. B., 120° Der Mammutbshain in Kalifornien. 179 10” weſtl. %. und 4— 5000 Fuß über dem Meere. Er ift etwa 4 Meilen von Murphy Camp, der auf der Poſtſtraße nächſten Goldgräberei entfernt, 24 von Sacramento City und 21 von Stodton. Eine Fahrftraße führt bis in feine Nähe und man fann ihn deshalb zu Pferd und Wagen bequem be- fuchen. Der Weg fteigt allmälig bergauf und führt durch prächtigen Wald aus Tannen, amerifanifhen Cedern und Fichten und hie und da mit fchönen Eihen. Das Thal, in welchem der Hain liegt, umfaßt etwa 160 Ader Sand und ift eine aus grober Kiefelerde gebildete Bertiefung, von Syenit umgeben, ber an manden Stellen an die Oberfläche tritt. Das hier herr- jhende Klima ift prächtig, der Sommer frei von der drüdenden Hite des niedern Landes, die Pflanzendede bleibt unverfengt, friih und grün, das Waffer ver Bade iſt kryſtallhell und kalt, belebt von Forellen, wie der Wald von Wild. Im Yahre 1850 ward der Hain wahricheinlich zuerft von Wooſter entvedt, 1853 errichtete bereits Lagham einen Gafthof dafelbft, um die zahlreichen Bejucher zu bewirthen, und die meiften der größern Bäume wurden jeitvem gemefjen und mit befonderen Nanıen belegt. Der Bejuchende, welcher den erwähnten Gafthof verläßt und auf dem oberen Wege in den Wald dringt, begegnet zuerjt der ‚„„Bergmanng Hütte‘, einem Baume von 80 Fuß Umfang und 400 Fuß Höhe. Die Hütte jelbft, eine ausgebrannte Höhlung, deren Eingang 17 Fuß breit ift, befitt 40 Fuß Tiefe. Ringsumher iſt der üppigfte Waldwuchs von Tannen, Gedern, Ahorn und Haſelſträuchern. Weiterhin ftehen die „drei Grazien“ und jcheinen aus einer Wurzel zu entfprießen. Sie bilden eine herrlihe Gruppe, indem jie nebeneinander bis zu einer Höhe von 290 Fuß fih erheben, ſich jehr ſymmetriſch verdünnen und zufammen 92 Fuß Umfang bejigen. Der mittelfte Baum von ihnen ift bis 200 Fuß aftfrei. Die „Pionier-Hütte“ ift 150 Fuß hoch, dort aber abgebroden. Sie hat 33 Fuß Durchmeſſer. Einſam und verlaffen, mit tiefzerriffener Rinde und un- regelmäßigem, jcheinbar liederlichem Aftwerk fteht der ‚alte Hageftolz‘ 300 Fuß hoch und SO Fuß im Umfang. Nach ihm folgt die „Mutter des Wal- des‘, 327, nad) einer andern Angabe fogar 363 Fuß hoch, 90 Fuß im Um- fang mejjend; 1854 nahm man von ihrem untern Theil die Rinde ab, um fie in San Franzisko zur Schau auszuftelen. Der Wanderer befindet fid) jetst mitten in der „Familien-Gruppe“; vor ihm liegt mit ausgeriffenen Wur- zeln der „Bater des Waldes‘ und bietet ihm einen über alle Beichreibung erhabenen Anblif. Er mißt am Grunde 112 Fuß Umfang. Ein leeres Ge- mad) oder ausgebrannte Höhle geht 200 Fur lang in den Stamm hinein und ift groß genug, um einem Reiter zu Pferd den Durdritt zu geftatten. An feinen Wurzeln entjpringt eine Duelle. Den beften Eindrud von feiner außerorbentlihen Größe erhält man, wenn man eine Promenade auf dem ltegenden Stamme entlang unternimmt, links und rechts zwifchen feinen Söh— nen und Töchtern hin, die bereits ganz anftändige Ausbehnungen befiten. „Mann und Frau’, zu denen man beim Weitergehen gelangt, meſſen an ihrem runde 60 Fuß im Umfang und lehnen ihre Stämme traulid an 12.* 180 Baumriefen und Baumgreiſe. einander. Sie ftreben bis 250 Fuß empor. Der „Herkules und der „Ere- mit“ folgen dann; erfterer wie viele andere am Grunde ausgebrannt und dort 97 Fuß Umfang mejjend, dabei 325 Fuß hoch, leßterer bei 320 Fuß Höhe 60 Fuß Umfang haltend. Der Weg wendet fid jet im Bogen wieder dem Gajthofe zu und führt zunähft an „Mutter und Sohn‘ vorbei. Der letztere, ein hoffnungswoller Yüngling von 300 Fuß Höhe, jteht nur um 20 Fuß hinter feiner Nachbarin zurück; beide haben zufammen 93 Fuß Umfang. Es folgen die „Siamefiihen Zwillinge‘ mit ihrem „Vormund“. Die erfteren entjpringen aus einem einzigen Stamm, trennen ſich 40 Fuß über dem Boden und ftreben dann bis zu 300 Fuß empor, ihr Bormund überragt fie nod) um 25 Fuß und hat 80 Fuß im Umfang. Als Seitenftüd zu dem vorhin genannten Hageſtolz kommt dann die „alte Jungfer“, 60 Fuß did. Kummer- voll neigt fie ihr 260 Fuß hohes Haupt. Zwei jehr ſchöne Bäume find da- gegen „Addie und Mary‘, jeder 65 Fuß Umfang und gegen 300 Fuß Höhe mefjend. Die „Reitbahn“ ift ein umgejtürzter Stamm von 150 Fuß Yänge, deſſen ausgebrannte Höhle an ihrem engjten Theile noch 12 Fuß mißt. 75 Fuß weit fann man in diefelbe hineinreiten. Auch Onfel Tom hat hier eine Hütte erhalten, die groß genug ift, um 15 Perſonen Raum zum Siten zu gewähren. Die eingebrannte Thür in dieſelbe iſt 21, Fuß breit, ver Daum aber, der die Hütte enthält, hat 300 Fuß Höhe und 75 Fuß Umfang. Der dann folgende „Stolz des Waldes“ oder nad) andern die „Waldbraut“ ge- nannt, zeichnet fid bei 280 Fuß Höhe durch fein ſchönes Anfehen und jeine vorzüglid) glatte Ainde aus. Er hat 60 Fuß Umfang. In einem un- weit davon ftehenden Baumrieſen ift eine Höhle eingebrannt,. in welche ein Neiter bequem zu Pferd einreiten und darin menden kann. Die Höhle hat 40 Fuß Tiefe, der Baum, mweldher nad ihr die „‚gebrannte Höhle‘ heißt, befitt faft AL Fuß Durchmeſſer quer über der Wurzel. Ein benachbarter Baum von 300 Fuß Höhe hat wegen feiner völlig ſymmetriſchen Form und herrlichen Yaubfrone den Namen „Zierde des Waldes“ erhalten. Indem der Wanderer aus diefem Niefenparf wieder nad) dem oben genannten Gafthaus zurückkehrt, fommt er ſchließlich noch zwiſchen den „beiden Wächtern“ hin- durch, won denen jeder 300 Fur Höhe und 65 —7O Fuß Umfang enthält. Beobadhtungen haben gelehrt, dar ver Mammuthsbaum ziemlid raſch wädhft und in feiner Jugend jährlic ungefähr anderthalb Fuß in der Dide zunimmt. Im Alter wird das Wahsthum langjamer. Das Wahsthum des Laubes und der Zweige findet vorzüglich des Nachts ftatt, und ift um fo bedeutender, je lauer und milder die Nächte find. Zählungen der Jahres— ringe haben Alter bis zu 575 Jahen nachgewiefen. Kurz nad Entdeckung diefer riefigen Gewächſe, denen man anfangs ein viel höheres Alter zufchreiben zu müſſen glaubte, bemächtigte fih die Spefu- fation der Amerifaner verfelben. Bon der bereits erwähnten „Mutter des Waldes‘ ſchälte man bis zu. 116 Fuß Höhe die Ninde ab. Fünf Leute arbeiteten daran drei Monate. lang; einer fiel von dem 100 Fuß hohen Ge— Das Fällen einer Wellingtonie. 181 rüfte herab, fam aber noch glüdlic genug mit einem einfachen Knochenbruch davon. ‚Die einzelnen 8 Fuß langen Rindenſtücken wurden numerirt, jo daß fie fi) wieder aufftellen liefen, dann 20 Meilen weit über Land geſchafft und auf dem Fluffe entlang bi8 San Franzisfo transportirt. Ein fleines Schiff tung dieſe Baumrinde, nachdem fie in legterer Stadt zur Schau aus- geftellt gewejen war, jchließlih um das Kap Hoorn herum nah New-Porf. Hier wurde fie im Kryſtallpalaſt ausgeftellt, darauf nad) London gebracht und im Kryſtallpalaſt von Sydenham dem fchanluftigen Publikum gezeigt. Der innere Raum in der zufammengeitellten Rinde bildete ein geräumiges Zimmer, mit Tiſch, Stühlen und anderen Geräth verjehen. Die Welling- tonie ift lebenszähe genug, jo daß der gemifhandelte Baum troß dieſer Be— raubung noch fortgrünt. Die Spefulation begnügte ſich aber damit nicht, man füllte einen der mächtigften Bäume. Es war feine leichte Arbeit. Der Koloß hatte 96 Fuß im Umfang und machte es nöthig, daß man zunächſt große Löcher durch ihn bohrte und dann die zwilchenftehenden Holzpartien mit der Säge trennte. 25 Leute waren 5 Tage lang dabei bejchäftigt. Endlich) hatte man den Baum völlig Durdhfchnitten, er blieb aber fenfredht auf feiner Unterlage ſtehen. Mächtige Keile mußten eingejchlagen, Mauerbreder an— gewendet werden, und erft als ein heftiger Wind den Arbeitern zu Hülfe Fam, gelang es den Mächtigen zu ftürzen. Er fiel, wie eine Rieſe fällt, mwühlte im Sturze tief den Boden auf, jo daß er gegenmwärtig noch in einer Mulde liegt, und fjchleuderte hervorgetriebene Erde und Steine faſt 100 Fuß hoch empor. Raſenſtücken und Moder, die in den Kronen der Nahbarbäume hängen, geben gegenwärtig noch deutlich Zeugniß feiner Gewalt. Rinden— jtüden, ſowie eine 2 Fuß vide Holzicheibe, die man von dem Stumpfe ab- ichnitt, wurden anderwärts ausgeftellt, der gefüllte Baum aber zu einer Kegel- bahn umgefchaffen. Die Oberfläche des in der Erde zurücdgebliebenen Stum- pfes ward geebnet und auf ihr ein Salon errichtet, den man zu gelegentlidyen theatralifhen Vorftellungen benutzt. Er hat 75 Fuß im Umfang und ges währt 32 Perſonen hinreihend Naum zum Tanzen. Zum Troſt der Naturfreunde hat die Negierung der Bereinigten Staaten die Mammuthsbäume gegen fernere gewifjenlofe Spekulation in Schutz ge- nommen und aufs ftrengfte alle Verletzungen derſelben unterfagt. Es ftehen gegenwärtig in dem gejchilderten Haine ned) 92 der mächtigen Stämme. Auch einige andere Nadelhölzer Nordamerifa’s erreichen ein bedeutendes Alter und aufßerordentlibe Dimenfionen. Das jogenannte Ned- wood wird mitunter ebenfalls bis 300 Fuß body und Pinus Lambertiana erreiht 150 — 200 Fuß Höhe. In den füdlichen. Theilen der Vereinigten Staaten, fowie in Mexiko ift die Eibencyprejje (Taxodium distichum) al8 Rieſenbaum befannt. Bei Daraca in Mexiko fteht ein folder Baunı, deſſen Stamm 571% Fuß im Umfange hält. Im Schatten defjelben lagerte einjt bereits Ferdinand Cortez mit feiner gefanımten Kriegerſchaar und das hohe Alter hat demſelben in den Augen der Einwohner eine Art abergläubifcher Verehrung verfchafft. 182 Baumriefen und Baumgreiſe. Decandolle glaubte für venfelben aus den Wahsthumsverhältniffen ein Alter von nahe 6000 Jahren berechnen zu müſſen. Aehnliche Verhältniffe zeigt jener Baum bei Chapoltepec, der unter dem Namen el Cypres de Monte- zuma befannt ift, da er aus den Zeiten diejes Fürften noch herftammt. Die Lebenseiche (Quercus virens) reizte durch ihre mächtigen Stämme die Ge- winnfucht der Amerifaner in den Grade, daß fih die Regierung veranlaft jah, ſie in gleicher Weife in Schuß zu nehmen, wie den Mammuthsbaum. In Benezuela ijt eine ſchöne Mimofe, der fogenannte Zamang, wegen ihrer Ausvdehnungen berühmt geworden. Ihre Nefte bilden eine halbfugelige Krone von 500 Fuß Umfang. Sie breiten fi) wie ein aufgefpannter Sonnen- Ihirm aus umd neigen ſich mit ihren Enden zur Erde, von der fie 9—12 Fuß entfernt bleiben. Der Stamm bejist 60 Fuß Höhe und gegen 9 Fuß Durchmeſſer. Dabei iſt er mit zahlreihen Schmarotzergewächſen: Tillandfien, Yorantheen, Nafetten u. a. bedeckt und genießt bei den Indianern der Um- gegend eine hohe Verehrung, da ſich zahlreiche Sagen aus der Geſchichte die— jes Volkes mit ihm verknüpfen. Das Quindiu-Gebirge im Gebiete des Magdalenenſtromes trägt Hoch⸗ waldungen, welche zwar die oben geſchilderten kaliforniſchen nicht erreichen, aber beſonders deshalb hervorgehoben zu werden verdienen, da fie die höchfte Stammentwidelung monofotyler Bäume darbieten. Die Wahspalme (Ce- roxylon Andicola) ift es, die hier bis zu 14,600 Fuß Erhebung über den Deean mit ihren weißen Stämmen 180 Fuß emporftrebt und, weit dag dunkle Grün immergrüner Eichen und zartgefiederter Farnbäume iberragend, einen dichten „Wald über dem Walde‘ bildet. Auf Bandiemensland find es Eufalyptus-Arten, welde als 215 Fuß hohe Bäume die hödhften Höhen erreihen. Ewing maß auf VBandiemensland jogar einige noch größere Eufalyptus-Stämme, Swamp-Gum, jogenannte Sil- ver Wattles. Einer derjelben hatte von der Wurzel bis zum erften Zweige 220 Fuß, dann nod eine Krone von 64 Fuß, alſo 284 Fuß Gefammthöhe. Drei Fuß über dem Boden maß man 102 Fuß Umfang. Auf Neujeeland bat eine berühmte Kaurifichte (Dammara australis) bei Wangaroa unweit der Bay of Islands einen Stammumfang von 43 Fuß 9 Zoll und bis zu den unterften Zweigen 60 Fuß Höhe. Die Krone befteht aus 41 Hauptäften von denen mande A Fuß di find. Die größte Araufarie (Araucaria ex- celsa) auf Norfolk ift 187 Fuß bob und hat 4 Fuß über dem Boden 54 Fuß im Umfang, bei 20 Fuß Höhe noch 51 Fuß. Auf nebenjtehender Abbildung haben wir einige der dur ihre Größe berühmteften Bäume vergleihungs- weife nebeneinander gefteilt. Wir deutete gleichzeitig die höchſten Bauwerke des Menjchen daneben an und bezeichneten mit 1 die Höhe der Cheops— pyramide, 2 des Straßburger Miünfters, 3 der Petersfirhe in Nom, 4 der Peterpaulsfirhe in London. Figur 5 zeigt einen falifornifhen Mammuths— baum in verhältnifmäßiger Größe. 6 iſt der Eufalyptus von Vandiemens— land, 7 ftellt eine amerifanifhe Yamberts- Fichte (Pinus Lambertiana) dar; ENT : Die größten Bäume der Erde und tie höchſten Baumerfe. 184 Baumriejen und Baumgreiie. 8 ift eine Kaurifichte (Araucaria excelsa) von Norfolf, 9 die Wahspalme der mittelamerifanifchen Anden (Ceroxylon Andicola), 10 eine Ebeltanne Deutfhlands (Pinus pectinata), 11 die deutſche Eiche (Quercus Robur), 12 ein bejonders großer Walnupbaum Süddeutſchlands (Juglans regia), 13 der afrifanifhe Affenbrovbaum (Adansonia digitata), der weniger durd) feine Höhe als durch die Dide feines Stammes und die Ausbreitung feiner Krone andere Bäume übertrifft. Figur 14 giebt eine Abbildung des viel- beiprochenen Drachenbaumes von Teneriffe (Dracaena Draco), in feinem gegen- wärtigen Zuftande mit halb zerfallenem Stanım. Er jeinerjeit3 imponirt weniger durch abjolut bebeutende Größenverhältniffe, als vielmehr dadurch, daß er einer Familie (den Pilien im weitern Sinne) angehört, die vorzugs— weile frautartige oder doch Fleinere Formen aufzumweifen hat. Der Ber- gleihung wegen haben wir nody unter Figur 15 eine Giraffe und unter Figur 15 einen Elephanten als zwei der höchſten Geftalten der Yandthiere beigejest. Einzelne Waffergewächfe, 3. B. der Riefentang im Atlantiſchen Dcean in der Nähe der Falflandsinfeln, übertreffen freilich nocd) die aufgezählten Bäume an Fänge, wenn auc ihre Dice durchaus nicht mit jenen verglichen werden kann. Der zähe Stengel jenes Tanges ift ohne eigentlihes Holz und ändert jeine Page flutend und treibend nad jedem Wellenfchlage. Im Reiche der Luft tft aber ein höheres Alter, eine anfehnlichere Grüße eines Gewächſes nur möglich, wenn die Zellen des Stengels verholzen, wenn legterer zum Stamm wird. Das Holz ift die Bedingung für die Baumgreife und Baumrieſen, die den alten Dichtern fehr gut als Bilder hätten dienen fönnen, als fie die Kämpfe der Titanen gegen den himmelbeherrichenden Zeus ſchilderten. Welche Laſten von Waſſer Ichafft ein einziger Baum während feines Lebens hinauf in feine Zweige und fein Yaubwerf. Wie viele Centner des flüfjigen Elementes haucht er droben aus, nachdem er es mühſam dem Boden abgerungen? Welche Laſten trägt er im Stamm und in den Zweigen und widerfteht mit denjelben der ftürzenden Negenflut, dem Hagelihauer und dem brauſenden Sturmmwind! Die Römerſchaaren zogen an der Eiche vorüber, als lettere noch ein ſchwan— fender Sproß war, die Völferwanderung braufte an ihr vorbei, das ganze Mittelalter mit feinen zahllofen Kämpfen ging an ihr vorüber, während fie felbft zum. Niefenbaum ward. Unter demjelben Stamme, an dem einft fid) der borftige Eher rieb, an dem der Hirſch fein Geweih fegte und der Wolf dem Bären begegnete, verfammelt ſich jest der Sängerfreis zum fröhlichen Feſte. In dem Holz begegnet die Büchfenfugel des Jägers der roftenden Pfeilfpige. Zu jeder Zeit haben deshalb die gewaltigen Bäume die Dichter und das wunderbedürftige Volfsgemüth angeſprochen, fie wegen ihres Alters, ihrer unverwüftlichen Ausdauer und Kraft zu verherrlichen, obſchon alles dies ihlieglih auf hößerner Grundlage beruft. In welcher Weife der. Berftand des Erdenbeherrſchers die hölzernen Gefellen zu feinem Bortheil und Dienfte verwendet, darauf werfen wir einen Blid im nächſten Abſchnitt. Die Se auf dem ae X. Das Uubhol;s. Nördliche Baumgrenze. Holzgewächſe der verfchiedenen Zonen. — Spezifiihes Ge— wicht der Nutzhölzer. — Feſtigkeit. — Dauerhaftigfeit. — Flößen, Holzhandel. — Europäiſche Nutzhölzer. — Kohlftengel. — Buchsbaum. — Amerifanifhe Nutz— hölzer. Kanadiſche Wälder. — Cypreſſenſümpfe. — Mahagonihandel. — Tropen— hölzer. — Pupunhaholz. — Alercewälder. — Cedern des Libanon. — Tekholz. Andre aſiatiſche Nutzhölzer. enhölzer. — Eiſenhölzer. — Palmyra. — Autzhölzer der Südſee-Inſeln, Afrika's und Neuhollands. „Gott ſprach zu Noah: Mache dir einen Kaſten von Tannenholz und mache Kammern er sch 1, Moje 6, 14. gegen für nn — ——— des en ebeng als ganz 156 Das Nutzholz. befondere Wohlthat. Es verholzen zwar ſchon viele Stengeltheile einjähriger Gewächſe, daſſelbe findet auch mit den unterirdiihen Stöden der früher ge- ſchilderten ausdauernden Kräuter ftatt, für den Technifer aber gewinnt das Holz erft an Bedeutung, jobald e2 im Stamm von Bäumen oder mindeltens in Geſträuchen vorfonmt. Mancherlei Bedingungen müſſen duch Witterungs- verhältniffe und Bodenbefchaffenheit erfüllt fein, wenn es der Pflanze möglid) werden fol, fid zum Nutholz liefernden Baume zu entwideln. Die Pole der Erde und die höhern Gebirgsgegenden der iibrigen Zonen entbehren des— . halb diefes Erzeugnifjes; fie find baumlos. Wie die Linien, durch welche man die Orte gleicher Jahres- und gleicher Sommerwärme mit einander verbindet, oft bedeutend von den Parallelfreifen abweichen, jo ift dies auc mit jener Linie der Fall, durd) die man die nürd- liche Baumgrenze bezeichnet. Nicht felten zeigen ziemlid benachbarte Gebiete hierin auffallende Unterſchiede. Der Schiffer, welcher ſich im das nebelreiche Behringsmeer wagt, hat an der afiatifchen Seite im Yande der Tſchuktſchen bereit8 unterm 64° nördl. Br. die legten Bäume verlaflen, — auf dem gegenüberliegenden amerifanifchen Gebiete trifft er ncod) unter dem 66° Wäld— hen aus Weiktannen (Pinus alba) und Weiden (Salix alba). Bon bier an tritt die Baumgrenze innerhalb des amerikaniſchen Feftlandes nad) Süden zurüd, bis fie vie Ufer des Madenzieflufjes erreicht und im Thale dieſes Stromes wieder bis faft zur Hüfte des Eismeeres nördlid vorrüdt. Nod) tiefer finft die Baumgrenze aber öftlid vom Madenzie und erreicht kaum die jüdlihen Geftade der falten Hudſonsbai. Es würde uns für unfern Zwed zu weit führen, wollten wir die Urſachen erihöpfen, die hierbei thätig find, — nur in Kürze machen wir darauf aufmerffam, daß anjehnfiche ausge- vehnte Wälder im nordamerifanifchen Gebiet felbft da nod) gedeihen, wo man mitten im Sommer wenige Fuß unter der Oberfläche des Bodens nie thauendes Eis antrifft. Sobald die Wurzeln der Tannen, Pappeln und Weiden auf diefer gefrorenen Bodenſchicht anfommen, breiten fie ſich über ihr in horizon- talem Verlaufe aus, gerade fo, als hätten fie einen undurchdringlichen Felſen— grund gefunden. Grönlands fogenannte „großen Wälder‘ beftehen im Süd— weiten des vergletiherten Yandes nur aus Birken und Weivengeftrüpp, über welches man im Winter bei Schneefall hinwegfahren kann, ohne etwas davon zu bemerfen. Die didern Stämme, mitunter 5—6 Zoll im Durdmeffer, find knieförmig auf dem Boden niedergedrückt und ſchießen Zweige nad; oben, deren größte 3. B. im Innern des Lichtenau-Fjords eine Höhe von über 6 Ellen erlangen. Das ſämmtliche Nutzholz Orönlands, welches die Eingeborenen zum Bau ihrer Kajaks und Weiberboote, zu ihren Waffen, Geräthen und jogar zu den Sommerwohnungen verwenden, ftammt von dem Treibholz, das jährlich die Meeresftrömungen an den Strand und auf die flahen Inſeln werfen. Es fommt daſſelbe theils aus den fibirifchen Fliffen, die e8 beim Hochwaſſer dem Eismeere zuführten, theil® von ver bewaldeten Oſtküſte des nördlichen Amerifa. Man fann in Südgrönland jährlich im Durchſchnitt auf Nördliche Baumgrenze der alten Welt. 187 200 Klafter Treibholz rechnen. Cine ähnlide Zufuhr von Nutzholz findet an den ſämmtlichen Geftaden des nördlichen Eismeeres ftatt und wir haben hierin vielleicht den älteften Austaufh von Nutholz zwiſchen waldreihen und holzleeren Gebieten der Erde, das Urbild des modernen Holzhandels. In der alten Welt zeigt fih in Bezug auf die nördlihe Baumgrenze dieſelbe Erfcheinung wie in Amerifa; im Weften reicht fie weit nad) Norden hinauf und finft um fo mehr nad) Süden zurüd, je mehr man fid) dem Innern Sibiriens nähert... Nur an den Flußläufen rückt fie weiter nördlich vor. Baumbeide (Erica arborea) auf Teneriffe. Der nördlidfte Buhenwald Europa’s, etwa 10 Morgen Yand be— deckend, findet fih unter 60° 35’ nördl. Br. am Sanimsfjord Norwegens bei Maugftad, etwa 10 Stunden von Bergen. Einzelne Stämme haben bier nody gegen AO Fuß Höhe. Die Kiefer und Birfe gehen bis Alten hinauf und zwilchen dem 69 und 70° nördl. Br. kommen nody Birken von 45 Fuß Höhe und Kiefern von 60 Fuß vor. In Sibirien erreicht die gemeine Kiefer am Jeniſei bei 66 ° ihre Nordgrenze, andere Nadelhölzer dringen aber unter den begünftigenden Einflüffen des genannten Stromes noch weiter vor. Pinus ovata geht bis zum 67°, Pinus cembra und Pinus sibirica bis zum 63%,, und an ver Jena gedeiht Larix daurica nod unter 711, °. 188 Das Nußhol;. Die Bertheilung der Holzgewädhfe an den Gebirgen hinauf ift Ähnlichen Geſetzen unterworfen mie die Begrenzung derjelben nad den Polen zu. Die Laubhölzer verſchwinden gewöhnlid zuerft, die Nadelhölzer fteigen bis zu der eigentlichen Alpenregion empor und ein Gürtel von ftrauchartigen Gewächſen, je nach den Ländern verfchievden, bildet den oberften Saum. Außer Boden- beihaffenheit und Yahreswärme hat die Schneemenge und der Wind einen nicht unmefentlihen Antheil, das Gedeihen an Bäumen zu begrenzen. Heftige Stürme verwehren ebenjo wie große Schneelaften den Baumwuchs. Je nad) den Zonen find es aud andere Pflanzenfamilien, die vorherr- ihend Bäume und Sträuder bilden. Im Allgemeinen gilt es als Gefeg, daß die Zahl der Holzgewächje zunimmt, jowie man fid) tem Aequator nähert. Viele Familien, die ung nur in niederen frautartigen Geftalten befannt find, zeigen in wärmern Klimaten Baumgeftalten. Die Heidefräuter, bei uns wenige Spannen lang, dürftige Sandflächen bededend, treten ſchon im Gebiet des Mittelmeeres und auf den Kanarischen Infeln als Bäume auf, wie ung die umſtehende Abbildung ein Heidewäldchen auf Teneriffe verführt. In unfern gemäßigten Breiten herrſchen die Nadelhölzer, Näpfchenfrüchtler (Eiche, Buche) und Kätschenblütler (Pappel, Weide ꝛc.) als Holzlieferanten vor. In den ſüdlichern Gegenden gejellen ſich bereit8 zu ihnen in eigenthümlicher Miſchung Lorbeergewächſe, Aquifoliaceen, Myrtaceen. Das beigegebene Tonbild zeigt uns eine Anzahl Holzgewächſe Japans, theil® Formen, die den unſern ähneln, theils ſolche, die bereitS den ſubtropiſchen Gebieten eigen find. Fig. 1 der Abbildung ift ein Zweig von Eriobotrya japonica, 2 und 10 Blüten und Fruchtzweig der japanifchen Pflaume (Prunus Mume), 3 ein Blütenzweig von Styrax japonica, 8 von Styrax Obassia, 4 und 5 Blüten und Fruchtzweig von zwei Eichen (Quercus glabra, Quercus cuspidata) mit eßbaren Früchten, 6 die japanifche Citrone, 9Paullownia imperialis, 11Boymia rutaecarpa, 12 Euscaphis staphyleoides, 13 Tetrantbera japonica. Nur Fig. 7 ift ein Ranfengewäds, Wisteria japonica, das der Zeichner des Schmudes wegen um die Zweige der Holzgewächje gewunden. In den ZTropenländern verfchmwinden in ben niedern Negionen die Holzgewächſe unferer Heimat gänzlich; Leguminofen, Malvengewächſe, VBerbenaceen und viele andre Familien treten neben den ge= priejenen Palmen als Holzlieferanten auf, und zu ihnen gejellen jid die wunderlien Formen verholzter baumartiger Euphorbien, Kafteen, riefiger Gräſer und Lilien (Yuecaceen) u. a. | Nur bei der Anfertigung weniger Gegenftände des gewerblichen Lebens fommt e8 darauf an, daß die zu verwendenden Holzgewächſe eine jehr bedeutende Höhe und Dide befiten, 3. B. bei Tragbalfen, Radwellen, Säulen, Sciffsfielen, Maften u. dgl., in vielen Fällen genügen mäßige Dimenfionen des Holzes, wenn legteres nur gerade gewilfe Grade von Slaftizität, Leichtigkeit, Härte oder Weichheit beſitzt. Der Holzitoff an und für fich ift Schwerer als Waffer, deshalb finfen ſchon Sägeſpähne und ge— raspelter Kork unter, fobald fie völlig durhnäßt find. So lange das Holz ”„ Holzgewächſe Japans. X ve —n—““ Spezifiihes Gewicht der Nutzhölzer. Feſtigkeit. Haltbarkeit. 189 dagegen ſich nod in ganzen Stücken befindet, ſchließt e8 in feinen jaftleeren Gefäßen und Zellen größere oder geringere Mengen von Luft ein und wird duch diefelben getragen. Das Gewicht des Waſſers als Einheit angenommen, beſitzt Ebenholz 1,226, altes Eichenholz 1,170, Buchsbaumholz 1,330, Granat- baum 1,350, Guajakholz 1,3350, Mispelholz 0,90, Delbaumholz 0,90, Maul: beerholz O,soo, Tarusholz 0,00, Apfelbaumbolz 0,790, Pflaumenbaunbolz 0,780, Kirſchbäaumholz 0,750, Drangenholz 0,700, Quittenholz 0,700, friſches Ahornholz 0,904, trockenes Ahornholz 0,659, friſches Buchenholz 0,982, trodenes Buchen— holz O,5uo, friſche Eveltanne 0,857, trodfene Edeltanne 0,555, Erlenholz, friſch 0,8557, troden 0,500, Eſchenholz, friſch 0,90%, troden 0,64, Hainbuchenholz, friſch 0,95, troden 0,769, Lindenholz, friſch O,817, troden 0,439, Mahagony- holz 1,060, Nußbaumholz 0,677, Cypreſſenholz 0,598, Cedernholz O,561, Pappel- holz 0,3853 und Korf 0,40 Gewicht. Ueber die Feftigfeit, mit welcher die Theile der verjchtedenen Hölzer zufammenhalten, hat Muſchenbroek eingehendere Verſuche angeftellt. Holz— jtäbe, deren Querduchfchnitt ein Quadratcentimeter (1 cm — 4,588" preuß.) betrug, wurden aufgehangen und jo lange Gewichte angehangen, bis ſie zer- riffen. Man bedurfte hierzu Belaftung bei Lindenholz gegen 18 Ctr., bei Kiefernholz 20 Etr., bei Weißtanne 12—18 Etr., bei Eihenholz 22—28 Ctr., bei Buchenholz 26 — 30 Etr., bei Ebenholz 18 Etr. Im praftifchen Leben dagegen bringt man aber der Sicherheit megen nur den dritten Theil der duch Verſuche ermittelten Feftigfeit in Rechnung. Zu Gegenftänden, weldye eine befondere Haltbarkeit erfordern und den Einflüffen der Witterung bedeutend ausgefett find, wird das Eichenholz be- vorzugt. Wir erinnern beifpielsweife nur an die außerorventlihen Mengen diefes Stoffes, der zu Schiffs- und Wafferbauten, fowte bei Anlegung der Eifenbahnen zu Schwellen verbraudt wird. Tanne, Kaftanie, Rüſter, Eiche und Buche fhließen fih in Bezug auf Dauerhaftigfeit des Holzes der Eiche an. PBappel, Linde u. a. liefern dagegen weiche, leicht zu bearbeitende Hölzer. In feuchtem Boden ift es bei Holzbauten, Pfählen, Noften u. |. w. von Wich— tigfeit, die Widerftandsfähigfeit der verſchiedenen Holzarten gegen die Näſſe zu ermitteln. Hartig in Holland vergrub zu diefem Zwed Hölzer in den feuchten Grund und fand von Fäulniß angegriffen nad) drei Jahren das Holz der Linde, der amerifanifchen Birfe, Erle und Espe, nad) vier Jahren das Holz der Weide, Noffaftanie und Platane, nach fünf Jahren dasjenige des Ahorn, der Rothbuche und einheimifhen Birke, nad fieben Jahren endlich jenes der Ulme, Eſche, Hainbuche, italienischen Pappel, ſowie theilweife das der Robinie, Eihe, gemeinen Fichte, Weihmuthskiefer und Silberfichte. Wir haben in Vorftehendem die hauptfähhlichften Nutzhölzer unjers Erd— theils aufgezählt, die Waldungen, welche diefelben liefern, find aber in manden Gegenden ſehr gelichtet und deshalb nicht für die gefteigerten Anforderungen ausreihend. Sp entbehrt Holland der Waldungen gänzlich, bedarf aber fehr viel Holz zum Schiffs: und Hausbau. England hat zwar zu feinen einhei- 190 - Das Nutzholz. miſchen Baumgewächſen 1629 von den Alpen die Lärche, 1683 aus Deutjc- land die Fichte und aus dem Orient die Geder, 1691 aus Amerifa die Kotheiche eingeführt, die in Schottland gegenwärtig die jchönften Wälder bildet; neuerdings ift denjelben aud aus Amerifa die Douglas-Tanne, der Mammuthsbaum aus Kalifornien und vom Himalaya die Deodora-Ceder zu- gefügt worden; alles dies iſt aber nidht im Entfernteften ausreichend, bie bedeutenden Bedürfnifje zu befriedigen. Der ganze Forftbetrieb Franfreiche beſchränkt fi) fat nur auf Brennholzerzeugung. Im Norden diefes Landes giebt es zwar noch einige Hochwälder, in Calvados ſchöne Ulmen, im Depar- tement der Dordogne und Garonne und in den Landes nod einige Eichen- wälder, der Gefammtbetrag ift aber nur unbedeutend. Die DBerwüftungen, welche viele Gegenden unferer Heimat in ihren Waldungen erfahren haben, um einen anjehnlichern augenblidlihen Gewinn zu erzielen, find der Gegen- ſtand allgemeiner Klagen von Forjtmännern und Freunden der Natur, die gleichzeitig jene hohe Bedeutung ins Auge falfen, weldhe größere Waldungen auf die Witterung, die Bertheilung des Negens und die Quellenbildung ausüben. Der Neihthum, den dagegen wieder andere Gegenden der Erde an Nutzhölzern befisen, hat das Holz zu einem anjehnlicden Gegenftande des Handels nad) den holzarmen Gebieten gemadt. Von den Gebirgen tragen die Flüfje die Stämme, Breter und Scheite leicht nad) den flacheren Gegenden. Anfehnlihe Mengen Tannenholz gelangen auf der Saale jährlih vom Fich— telgebirge und dem Thüringerwalde nad den tieferliegenden Ländern, und jeder Wanderer am Rhein begrüßt heiter die mächtigen Holzflöße mit ſchwim— menden Kolonien, welde vom Schwarzwalde nad) Holland treiben und eine jo dharafteriftiiche Eigenthümlichfeit des gefeierten Stromes bilden. In den obern Nebenflüffen des Ahein, wie der Sinzig, Nagold, Murg, Nedar, dem Main, der Mofel u. ſ. w., werden die Stämme zu kleinen Flößen vereinigt, und aus diefen werden dann auf dem heine bei Mannheim, Mainz, Bingen u. }. w., bejonders aber bei Andernach, die großen oder Holländerflöße zu— jammengejegt. Ein einzelnes ſolches Rieſenfloß Hat oft den Werth von 3—500,000 Gulden. Es beiteht aus ganzen Stämmen, welde der Länge nad), aber in 4—5 Lagen übereinander, dur dünne Stämme, Zweige oder Wurzeln zufammen verbunden find, jo daß es 6—7 Fuß tief im Waffer geht. Breter, Bohlen und andere zum Schiffsbau nöthigen Stüde find darauf ge- laden. Die ganze Länge eines ſolchen Floßes beträgt mitunter 1000 Fuß und darüber. Den Haupttheil bildet das jogenannte Steifftüd von 500 bis 800 Fur Länge, dem am DVordertheil zwei Fleinere, bewegliche Flöße ange- hängt find, die dazu dienen, dem Hauptfloß die gehörige Richtung zu geben. An beiden Seiten befinden ſich Kleinere Flößen und einzelne Balken als An— hängſel, um beim Anfahren ans Ufer den erften Anprall abzufhwäcden. Eine Stunde weit woraus fährt ein Kahn mit voth und ſchwarz gefhadhter Flagge und verfündet die Anfunft des Floßes. Dies Ießtere felbft wird von einem Steuermann geleitet, Am vordern und am hintern Ende find 20—22 Ruder, * Flößen. Holzhandel. 191 deren jedes durch 6—7 Mann regiert wird, aufßerden führt e8 noch Maften und Segel. Die Befatung befteht gewöhnlich mit Einfhluß des Faktors oder Direftors, Steuermanns, Proviantmeifters, Fleifhers, der Kühe, Bäder und Aufmärter aus 500—550 Manu, für melde Hütten auf dem Floſſe gebaut find und alle nöthigen Lebensmittel‘ für die ganze Neife, melde 1000— 1500 E&tr. betragen, mitgeführt werden. Das Floß hat ferner nod) 20—40 Kähne bei fi), ſowie auch ein größeres Rheinſchiff, um auf dem— jelben wieder zurüdreifen zu fünnen. Diefe Flöße fahren gewöhnlich bis Dortreht in Holland, wo fie auseinander genommen und verfauft werden. Noch vor Kurzem wurden aus den Maingegenden jährlih 6000 Eichen- und 8000 Tannenftämme, 11,000 Stüd Bauholz, 136,000 Stämme Floßholz, 11,000 Stück Schiffsbauholz, 30,000 Stüd Werkholz, 70,000 Klafter hartes und 40,000 Klafter weiches Brennholz, 2 Mill. Stüd Hopfenftangen und Weinpfähle, 200,000 Floßbreter, 4 Mill. gewöhnliche Breter, 40,000 Stüd Pfoften, 600,000 Stüd Yatten, für 500,000 Fl. harte und für 120,000 Fl. weiche Dauben u. ſ. w. ausgeführt. Rußland, Polen und Galizien führen viel Holz auf der Sau, dem Bug u. ſ. w. in die Weichfel nach) Danzig durd den Bromberger Kanal, die Netze und Warthe nad Stettin, ebenjo nah Königs— berg und Memel. Trotzdem daß das europäifche Holz in England zu Gunften des ſchlechteren kanadiſchen hoch befteuert iſt, werden doch jährlih circa 400,000 Laſt von demfelben nad) den britifchen Häfen verfahren. Auf der Donau ift der Holzhandel unbedeutend, da die meiften Länder an berjelben ſelbſt Wälder befisen. Biel Holz wird von Scmeden und Norwegen aus verfahren, Frankreich hat an jeiner afrifanifhen Provinz Algier einen ergie- bigen Lieferanten, da man den Walpbeftand diefes Yandes auf 1,800,000 Jod) veranſchlagen fann. Es liefert außer Eichen und Pinien aud ſchöne Hölzer von wilden Delbäumen und mehreren Arten Yebensbaum (Thuja). Eine Zeit lang wurden aud der Kuriofität halber jene mächtigen Gliederftüden von Parifer Tiihlern verwendet, welche am Ufer des Mittelmeeres die Opuntie bildet. Man ftellte aus ihnen kleine Tiſche dar, die eine gute Politur an— nahmen und wegen ihres zart durchbrochenen Baues den Namen „Spiten der Sahara” erhielten. England entnimmt feinen Hauptbedarf aus Amerika. Kanada führt jährlid für 16,600,000 Thlr. Holz aus, das meiftens nad) England geht. Vorzugsweife find es Nadelhölzer, die fogenannte weiße Tanne, die gelbe Tanne (Pinus mitis), die rothe Lärche (Larix americana), die eben- fowo! gute Hölzer zu Tifchler- und Zimmermannsarbeit, als aud zum Schiffs— bau liefern. Die rothe Eiche, großfrüdtige und Scarladheiche jenes Yandes geben zwar auch ſchönes Nutzholz, daſſelbe eignet fi) aber weniger zum Schiffsbau, da es bald durch den Wurm angegriffen und zerftört wird. Außer den Nadelhölzern und anfehnlichern Yaubhölzern, die im technifchen Leben von hervorragender Wichtigkeit find, erfahren aud) einzelne fleinere und unbebeutendere Geſträuche eine Verwendung durd industrielle Hände. So . werden aus Zirbelnuß, Knieholz, Yinde u. a. Spielmaaren und allerhand 192 Das Nutzholz. fleine Schnigereten gefertigt, aus dem Spindelbaum ftellt man die Zahnſtocher dar, aus Ahorn die Schuhftifte Scneeball, Hornjtrauh und Weißdorn liefern dem Dredysler ein geeignete® Material. Die früher fo beliebten Zie— genhayner Stöcke wurden aus den Zweigen der Korneelfirfche gefertigt. Aud) Weißdorn, Eiche, Rebe u. a. müſſen als einheimiſches Material zu Spazier⸗ ſtöcken dienen. Der Kurioſität wegen erwähnen wir als Stocklieferanten hier ein Gewächs, das ſonſt nie zu den Hölzern, ſondern zu den Gemüſen gezählt wird: den Kohl. Auf der bekannten engliſchen Inſel Jerſey, im Kanal ge— legen, erreicht der Kohl theils infolge des milden Klima's, theils weil er häufig ſeiner untern Blätter beraubt wird, welche die Bauern zur Viehfütterung be— nutzen, eine Höhe von 10—12, ja bis 16 Fuß. Die Kohlpflanzungen ähneln dann fleinen Palmenwäldchen und die Stengel werden fo feſt und holzig, daß man fie nicht nur zu Zäunen und als Stüßen für Erbjen. und Bohnen be- nutzt, ſondern auch Spazierſtöcke aus ihnen darftellt, nad) denen, ihrer Yeich- tigfeit und fonderbaren Abjtammung wegen, in England ftarfe Nachfrage jtattfindet. Die elaftiichen und zähen fogenannten tyroler Peitichenftiele werden aus dem Holze der Zürgel (Celtis) gemacht, die Götterbilder fertigte man in Griechenland ehedem aus dem Holz eines Wachholders (Juniperus oxycedrus, Götterbaum) und das Holz des in Südeuropa, bejonders auf den Gebirgen ums Schwarze Meer, häufig wachſenden Buchsbaums fpielt bei Serftellung der Holzſchnitte zum Bilderdrud eine große Holle In Stamm- jtöden von 6—8 Zoll Durchmeſſer fommt es vorzüglidy über Trieſt nad) Deutſchland, wird dann in Scheiben gejchnitten und die Zeichnung auf dem Hirnholz mit dem Grabjtichel in der Weife ausgegraben, daß alles das er- haben jtehen bleibt, was beim Drud ſchwarz erfcheinen fol. Die Zartheit, in welcher heutzutage Holzſchnittbilder hergeftellt werden, gibt einen Finger— zeig auf die Öleihfürmigfeit und Feinheit der Holzfafern, welche neben einer anſehnlichen Härte zugleid die Sprödigkeit des Glaſes befiten, fo daß felbft die fleinen Splitter leicht vor dem Stahlgriffel Losfpringen. Griechenland hatte bet ter Parifer Ausftellung von Nutz- und Holzge- wächſen 77 verjchierene Holzarten eingefendet, die aus den Wäldern von Achaia und Elides ftammten. Welche Wichtigkeit Nordamerika durch feinen Reichthum an Hölzern für Europa hat, haben wir bereits angedeutet. Als ein Beifpiel der großartigen Produktion von Bauhölzern fügen wir noch hinzu, daß unter andern bei Veterborough in Kanada eine einzige der zahlreihen Sägemühlen daſelbſt 136 Sägen im Gange hat und mittelft derfelben innerhalb 9 Monaten 70,000 Stämme jchneidet. Die Firma Egen & Comp. befhäftigte im Winter 1856 allein 2800 Mann zum Holzfüllen, 1700 Pferte und 200 Zugochſen zum Scleppen des Holzes und 400 doppelte Züge, um Eſſen für die Men— ſchen und Futter für das Vieh herbeizufchaffen. Aus Quebek allen wurden im Laufe eines Jahres 18 Mill. Kubikfuß Tannenholz ausgeführt. Trotz Waldungen in Amerifa. 193 biejer ftarfen Plünderung find Kanada's Wälder noch auf lange Jahre: hin im Ueberfluß mit Holz verjehen. Außer einer Anzahl verfhtedener Nadelholzarten (Pinus alba, canadensis, Douglassii, flexilis, Strobus; Thuja occidentalis, Chamaecyparis, sphaeroidea, lettere das weiße Cedernholz liefernd) und mehreren Eichen, die aber im All— gemeinen an Dauerhaftigfeit den deutſchen Verwandten nachftehen, geben aud) mehrere Walnufarten (Carya alba, sulcata, olivaeforınis , tomentosa, amara, aquatica) gefhäßte Hölzer. In den füdlichen Theilen der Vereinigten Staaten beutet man die mit Tillandfien behangenen und von Schlinggewächſen durch— wundenen gemiſchten Nadelwaldungen aus, in denen je weiter nad) Süden deſto mehr die Eibencypreſſe (Taxodium) vorherrfhend wird. Einer jener Wälder ift der fogenannte Great dismal (der „große Trübſelige“), ver, mit jeinem Nordende in Birginten und mit dem Süptheil in Nordfarolina liegend, eine Länge von 10 und eine Breite von 6 Meilen befißt. Der Grund dieſer Waldungen befteht aus einem ſchwarzen Schlamme, Moospolftern und Waſſer— pfügen und nur die weithinfriehenden Wurzeln der Gefträude und Bäume verleihen ihm einige Feſtigkeit. Je ftärfer die Bäume werden, defto weniger vermögen fie es, in einem joldhen Boden ſich feftzuhalten, jobald der Sturm ihre Wipfel faßt. Ste ftürzen und werden im Schlamme begraben. Da fie hier völlig vom Waſſer bevedt find, jo faulen fie nicht, fondern verlieren nur ihre fehr dünne Rinde. Man findet fie leicht in einer. Tiefe von 8 bis 9 Zoll unter der Oberflähe und fägt fie nod halb im Waſſer fofort in Breter. Außerdem durchzieht man die Waldungen mit geradlinien Kanälen, fallt die ftehenden Bäume und flößt fie nad) den Strömen oder zur Landſtraße. Der Berüdenbaum (Rhus Cotinus) liefert dem Handel das Fifethol; und die Virgilia lutea am Cumberlandfluſſe das Gelbholz. Das gewöhnlichſte Bleiftiftholz von röthliher Farbe und angenehmem Gerudy fommt von dem pirginiantifhen Wadhholder (Juniperus virginiana), der zwifchen dem vierzigften und funfzigften Grade gedeiht und zugleich auch treffliches Bauhof; abgiebt. Es ift unter dem Namen „rothes Cedernholz“ befannt. Ebenfalls zu Dleiftiften, desgleihen vorzüglich zu Gigarrenfäften und Zuderfiften wird der Bermudpag- Wacholder (Juniperus Bermudiana, Bermudas-Ceder) verwendet. Das tropiſche Amerifa hat in feinen mächtigen Waldungen einen erftaumn- lichen Holzreihthun, der bis jest. nur in geringem Grade noch erſchloſſen ift. In Gentralamerifa machen ſich mehrere Baumarten aus der Familie ver Gedreleen ihres jhönen Holzes wegen bemerklich. Die befanntefte Sorte ift das Mahagoni (von Cedrela, s. Swietenia Mahagoni). Der Mahagoni- Baum iſt mit feinem 4—5 Fuß diden Stamm eine Hauptzierde der Waͤlder auf Kuba, Haiti, Yuccatan und Honduras. Zum Nutzholz wählt man Stämme von 150—200 Jahren am liebften aus. Das anfänglich gelblic;- vöthliche, fpäterhin braune Holz, wird je älter, je dunfler, beſonders bei Wagner, Mal. Botanik, Bo. 1. 43: f 194 Das Nutzholz. Behandlung mit Del und Firnif. Es nimmt eine ſchöne ‚Politur an und wird nicht leicht von Inſekten angegriffen. An Orten, wo das Mahagoni- holz Leicht und wohlfeil zu haben ift, verwendet man es auch zum Schiffsbau, bei uns dagegen dient es den Tifchlern und Injtrumentenmahern zum Four— niren geringerer Hölzer. Seine Benuguug in Europa datirt erft jeit 150 Jahren. Der erfte Blof war von einem englifchen Schiffskapitän als Ballaft mit- genommen worden; da das ſchöne Holz aber Beifall fand und vie Nad- frage nad) demfelben fih von Jahr zu Jahr fteigerte, ift es ein Gegenftand eines geregelten Handel8 geworden. Jährlich ſchafft man aus der Honduras: bat 5— 6 Mill. Kubilfuß davon nad) der alten Welt. Auf der Yandenge von Tehuantepec ift Minatitlan diejenige Stadt, welde den Mahagonihandel vermittelt. Manche Kaufleute hier halten zu dieſem Zwede eigene Schiffe, melde das Holz aus den waldigen Gegenden am Catzacoalco herbeiführen und in Minatitlan entweder umladen oder glei die Reiſe nah England damit machen. Die Rüdfracht befteht aus allerlet Handelsartifeln zum Nuten der Indianer, welche die Kauflente der Stadt ind Innere des Yandes ver- breiten. An die Gewinnung des Mahagoniholzes knüpft ſich die Erzeugung gewiſſer Zeibeigenichaftsverhältnifje, die nicht viel beifer find als die Skla— venverhältniffe, dur melde die Neger an den Bau von Zuderrohr und Baummolle gefellelt worden find. Es jind zum Mahagonihandel außer einem bedeutenden Kapitale und großer Energie aud eine anjehnlihe Menge Arbeiter nothwendig, die ſich aber in vem heißen Gebiete unter der bedürfnißloſen, arbeits- iheuen Bevölferung nur ſchwierig auftreiben lafjen. Man geht nun fyitena- tiich darauf aus, Indianer in ein Abhängigfeitsverhältniß zu bringen, durch welches fie zur Arbeit gezwungen werben. Man veranlagt den Indianer mehr Gegenftände zu faufen, als er bezahlen kann, und bringt ihn hierzu jehr leicht, jobald er Spwituoja genoffen hat. Iſt er einmal Schuldner des Kaufmanns geworden, jo fommt er fo leicht nicht wieder von ihm los und das Gejeg jteht dem Gläubiger hierin zur Seite. Es wird durd den Alcaden oder den Padre des Ortes zwifchen beiden Parteien ein Kontrakt abgefaßt, duch welden der Indianer zur Arbeit verpflichtet wird und dafür monatlid nur 6—8 Dollar erhält. Bon diefem Gelde muß er leben. Was er außerdem an Sleidungs- jtüden oder VBorjhüffen empfängt, wird ihm vom Yohne abgejchrieben. Am Ende des Jahres wird die Rechnung durch den Ortsvorſtand abgejchlofjen, und wer feine Schuld nicht abverdient hat, muß für den gleichen Yohn weiter ‚ arbeiten. In der Kegel gewöhnt ſich der Arbeiter aber, durch feine Arbeits- geber jelbjt veranlaßt, an mancherlei Genüſſe und kommt immer tiefer in Die Schulden hinein, bis er endlich gänzlih darauf verzichtet, wieder davon frei zu werden, Zugleich trifft auch jeine Familie die Verpflichtung zur Arbeit, da diefelbe durch das Geſetz für die Schulden des Familienhauptes verant- wortlid) gemacht wird. Das Gejeg bejtimmt auch ausdrücklich, daß ver Schuldner zur Arbeit in den Mahagonimäldern benutt werden darf. Dieje moderne Form der Sklaverei fommt den Arbeitgebern bedeutend billiger zu V— Leipzig: Verlag von Otto Spamer, ler, „ ‘ k hol; - & gom Y [° ab au 1 + n ( Wagner’s Malerische Botanik I. S. 195. Der Mahagonibaum und feine Verwandten. Balfa. 195 ftehen als die Negerfklaverei im Süden "ver Vereinigten Staaten. — Hat fih ein Kaufmann auf diefe Weiſe mindeftens zehn Indianer zu Yeibeigenen gemacht, fo übergiebt er viefelben einem Mahagonifchneider, welcher mit ihnen in die Waldung geht und hier als Werfführer die Gejchäfte leitet. Er hat gemwöhnlicd das Nohmaterial dem Kaufmann zu einem beitimmten ‘Preife ab» zuliefern und trägt alles weitere Riſico. Trifft die Gejelfhaft im Walde auf einen Pla, an dem eine größere Anzahl Mahagonibäume beifammen- jtehen, jo wird in der Eile eine proviſoriſche Niederlafjung gegründet, „das Werk” genannt. Hier werben Hütten errichtet, welche den Negerhütten im den Sklavenjtaaten gleichen, ebenfo baut man eine Umhegung für die Ochſen, welche das Holz nad dem Fluſſe zu fchleifen haben. Die Stämme werden gefällt und aus dem Gröbften gefchnitten, dann nad) Minatitlan gejchifft oder geflößt und dort in den Schneidemühlen weiter bearbeitet. Die Wurzeln und fnorrigen Aeſte jchneidet man zu Yournieren. Der Ertrag dabei ijt bes deutend, obgleich die Arbeit mitunter fchwierig genug ift. Ein tüchtiger Stamm von ungeführ 10 Fuß Länge wird durchſchnittlich von den Kaufleuten mit 50— 60 Dollar bezahlt. Oft find die Kaufleute, die das ganze Geſchäft nur mit ihrem Geld leiten, zugleich auch Befiter der Schneidemühlen, denen ihre Faktoren mit pflihtigen Indianern vorſtehen. Durch dieſes Syſtem ift e8 möglid) geworden, den Mahagonihandel in furzer Zeit zu einer bedeu— tenden Höhe zu bringen. Außer dem Mahagonibaum liefern noch mehrere Arten derjelben Pflan- zenfamilie jehr ſchätzbare, geſuchte Hölzer. Die wohlriechende Cedrela (Cedrela odorata), deren junge Sproſſen wie Lauch riechen, entwickelt ſo mächtige Stämme, daß die Eingeborenen dieſelben zu Kähnen aushöhlen, die groß genug find, bis 50 Perjonen zu falfen. Das Holz der fieberwidrigen Cedrela (C. febrifuga) ift dem Achten Mahagoni jehr ähnlich. Das fogenannte Roth— holz (red wood) Mittelamerifa’s ftammt von Soymidia febrifuga, das Seiden- holz von Chloroxylon Swietenia, eine Art Gelbholz von Oxleya xanthoxyla, und von dem hübjchen Holze ver brafilianiichen Cedrela (Cedrela brasiliensis) werden gleicherweife Zucderfiften und Cigarrenfäften gemaht, wie aus jenem von der Jamaica-Ceder (C. odorata), Das erjtere wird weſtindiſches Ceder— holz genannt. Das Palifander- oder Jacarandaholz (ven Jacaranda mimo- saefolia) ift neuerdings als Nebenbuhler des Mahagoni aufgetreten und wird wegen jeiner dunfelgeflammten Färbung und feiner Politurfähigfeit in ver Kunfttifchlerei gern verwendet. Nach den Miittheilungen Allemao’s in Rio ſtammt es von der Dalbergiee Machaerium. Es ift das „Roſenholz“ der Engländer, während die von den Deutſchen als „Roſen holz“ bezeichnete Holz⸗ ſorte von den Engländern „Tulipwood“ genannt wird. Auf der Landenge von Panama ift das Holz der Balſa (Ochroma Lagopus) wegen jeiner Leichtigfeit in Auf gefommen. Es ähnelt darin dem Korfe und wird wie legterer zu Slafchenftöpfeln benutzt. Die umverfinfbaren Slöße, welche bei der Entvedung von Südamerifa das Erftaunen der erften 13* 196 Y Das Nutzholz. bierherfommenden Abenteurer jo ſehr erregten, waren aus biefem Holze ver- fertigt, und heutzutage wird noch diefelbe Anwendung von demſelben gemacht. Das vorherrfchende Borfommen der Balfa längs der Weſtküſte Amerika’s dürfte leicht dem Htitorifer Winfe geben über manche Verbindungen und Wan- derungen der dort wohnenden Völker, welche unter andern Umftänden uner- flärlidy blieben. Die größten Bäume der Wälder bei Panama haben eine Höhe von 90—130 Fuß. Es find vorzüglid der Espard (Anacardium Rhinocarpus), der Corotu (Enterolobium Timbouva) und der Cuipo (eine Stereuliacee). Im Hafen von Panama findet man nicht jelten Fahrzeuge von 12 Tonnen Gehalt, die aus einem einzigen Stamme gearbeitet find. Das engliihe Guyana befitt viele prachtvolle Bauhölzer. Der Stamm der Mora (Mora excelsa) wird nicht jelten 130—140 Fuß body und ift dabei ſchnurgerade und jein Holz tft fehr dauerhaft. Die Mora bildet in der Nähe ver Flüffe ausgedehnte Waldungen, verfprict deshalb noch eine anjehnliche Bedeutung zu erlangen. Auch der merifanifhe Händebaum {Chirostemon platanoides) entwidelt ungeheuer dide Stämme. Das gelbe Twenthol; von Jamaica ftammt von Oreodaphne exaltata. Das holländiſche Guyana ver- forgt den Mutterftaat mit ſchätzbaren Sciffshölzern; nur wollen ſich freilich die Zimmerleute ungern an die Bearbeitung der harten Holzforten gewöhnen und ziehen die heimatlichen Kiefern» und Tannenftämme vor, da diefe ihren nicht gerade ausgezeichneten Werkzeugen weniger hartnädig wiverftehen. Die tropiihen Bauhölzer erfordern mitunter zur Bearbeitung Injtrumente vom beiten Stahl. Ein Nutzholz Mexiko's, dort unter dem Namen Chijol be fannt, das ſehr feinfaferig ift, Laßt fi nur in friſchem Zuftande behandeln. Schon furze Zeit nad dem Fällen wird es fteinhart, ſei e8 nun ber Luft ausgeſetzt oder in der Erde befindlich. Häufer, die aus demfelben erbaut find, gelten nad) wenigen Jahren bereits für feuerfeft. Noch vortrefflicher dürfte diefe Dolzforte zur Anlegung von Planfenftraßen geeignet fein. Aud) das Holz des Topfbaums (Lecythis ollaria), eine Myrtacee, ift hart und fhwer und wird gern zum Schiffsbau verwendet, während man dasjenige von Bignonia Leucoxylon vorzugsweiſe zu Schiffsbefleidungen benugt, da ed von den Würmern und Inſekten nicht angegriffen wird. Als beftes Holz zum Schiffsbau ift im Gebiet des Amazonenftroms dasjenige de8 Itauba— Baumes (einer Paurinee) berühmt. Wegen feiner Härte und Schwere ijt feit alten Zeiten Das fogenannte Poden- oder Guajac-Holz (von Guajacum offieinale) befannt, deſſen medizinische Eigenjchaften ſchon Ulrich von Hutten in Verſen feierte. Das Acajouholz fommt von Spondias lutea. Aud) unter den Palmen befitt das heiße Amerika einige Arten, deren Holz bejonders feiner Härte wegen fehr geſchätzt iſt. Eines ver feftejten ift das der Pupunha des Amazonenftroms, der Paripou Guyana's (Guilielma speciosa). Der Reifende Wallace giebt über die Härte deſſelben nachſtehende . Erzählung. As Walace im April 1852 den Fluß Uaupes hinabfuhr, hatte er eine Menge Papageien bei ſich, die ihm viele Sorge verurfadhten, da jie Pupunha. Palmenholz. Boldo- und Lithi-Strauch. 197 fih auf jeve Weife zu befreien juchten. Ihr erfter Käfig beftand aus Flecht— werk und bei dieſem beburften die Bügel nur weniger Stunden, um fi) durch— zuarbeiten, Darauf verſuchte er zähes, grünes Holz; aber aud das nagten fie in ebenjo furzer Zeit durch; dide Stangen von Breterholz durchbiſſen fie in einer Naht. Nun verfuchte e8 der Keifende mit dem feften Holze der Pashiuba - Palme (Iriartea exorrhiza); dies widerftand den Vögeln einige Zeit lang, aber in faum emer Woche hatten fie durd beftändiges Nagen auch dies zerfplittert und famen wieder heraus. Da machte endlih ein In— dianer dem ſchon verzweifelnden Keifenden den Vorſchlag, Pupunhaholz zu verjuchen und meinte: dies würden fie nicht zerbeißen fünnen, und wenn ihre Schnäbel aus Eifen wären. Eine Pupunha ward gefällt und man machte Gitter daraus. Wirklich fonnten aud die Vögel bei diefer nicht das Mindeſte los— beißen und mußten fi) in ihr %oo8 fügen. Das Pupunhaholz ift aber aud) jo hart, daß jelbft vie Schneide einer gewöhnlichen Art ſich an ihm umbiegt. Auch an dem Holz der Königspalme (Oreodoxa regia), das in dem 2—3 Fuß difen Stamme freilih nur eine Äußere Schiht von 2—3 Zoll ausmacht, jpringen ordinäre Aexte entzwei. Aus dem harten, ſchwarzen und ſchweren Holze der Pashiuba (Iriartea ventricosa), einer andern Palmenart, verfertigen die Indianer Brafiliens die Wurffpieße, mit denen fie die Seefuh erlegen. Da, wie bereitd angedeutet, das Holz vieler Palmen nur eine verhältnigmäßig ſchwache äußere Yage ausmacht, jo läßt es fih nicht zu Bretern zerfchneiden, jondern entweder als ganzen Stamm, oder in Streifen verwenden. Aus den lestern pflegt man dann Thüren, ja mitunter aud) die ganzen Hauswände und Fußböden zu fledhten, Einem Diebe würde es freilich leicht genug werden, einen folhen Verſchluß zu befeitigen, den jicherften Schuß dagegen befigen aber die Bewohner folder Palmenhütten darin, daß fie nichts haben, das id) des GStehlens verlohnte, Die fehlanfen Stämmchen der Leopoldina pulchra, der Zara = Palme, geben ſchönes Material zu Umzäunungen und jene von Geonoma-Arten werden zu Spazieritöden benutzt. | Wir begleiten jest den Botanifer Dr. Philippi auf feiner Wanderung _ durch die Provinz Baldivia in Chili und lernen zunächſt den Boldo-Straud (Boldoa fragrans) fennen, einen Buſch mit dunfelgrünen, rauhen, wohlriedhenden Blättern, deſſen Holz aber wie ſchwarzer Pfeffer rieht. Der Lithi-Straud) (Laurus caustica), eine Yorbeerart, welche mit phantaftiich gefrümmten Stämmen die trodenen Bergebenen der Küfte bevedt, wird uns als ein Gewächs mit jehr feinem Holz bezeichnet, das hier freilich meift nur zum Brennen dient. In den Thalihluchten fteht an den Ufern der Bäche neben andern Holzge— wächſen der Litre (Litrea venenosa), deſſen Holz jo giftig fein joll, daß die Tiichler durch das Bearbeiten vefjelben einen Hautausſchlag erhalten. Das Holz des Espino (Acacia Cavenia), der hier fowol in Strauhform, wie aud) als Baum vorfommt, ift unverwüſtlich und eifenhart, dabei dunkelroth von Farbe. Wir ziehen weiter Inndeinwärts. Im fernen Hintergrunde tagen die mächtigen Cordilleren, die näheren Berghöhen aber find mit zahliojen 198 Das Nutzholz. Alerce-Bäumen (Fitzroya patagonica), den hauptjählichften Holglieferanten Chile's, bevedt, denen unfer Ausflug vorzugsweile gilt. Sie find ſchon auf ſtundenweite Entfernung fenntlih, indem ihre riefigen Stämme ftets glatt und fahl, nie von Mooſen und Schmarogern bevedt find und eine unverhältnig- mäßig fleine pyramidale Krone tragen. Hinter Puerto Monte erhebt fid das Land in zwei Terrafjjen, von denen die erfte ungefähr 150, die zweite gegen 300 Fuß über Meer liegt. Auf der lettern jammeln ſich die von den be- nachbarten Bergen herabfidernden Gewäfler zum See Planquihue und bilden im weiten limfreife um defjen flache Ufer einen Sumpf, in dem die Alerce- bäume in Ahnliher Weife üppig gedeihen, wie ihre Kamilienwerwandten, bie Cypreſſeneiben in den Sumpfniederungen Lonifiana’s. Auch in den Alerzales iſt es nur möglich, den eigentlihen Weg zu verlafjen, jebald man auf den Baummwurzeln Setltänzerfünfte verfuhen will. leitet man von demfelben ab, jo verlinkt man ſofort bis über die Knöchel in dem Moraft. In unbe- deutender Tiefe ift zum Glück ein fefter Untergrund und man legt auf dem- felben einen eigenthümlihen Holzweg an, einen fogenannten Plandhado. In Entfernungen von 15—18 Fuß wirft man nämlid Schwellen quer über den Weg, die jeverfeitS an der Kante etwas behauen find. Auf diefe Kanten oronet man der Yänge nach behauene Bäume, drei, vier oder fünf neben- einander, je nad ihrer Breite. So lange ein folder Weg noch neu ijt, läßt ex fich vortrefflih benugen, |obald er aber alt wird, wird das Fortfommen auf ihm eim übel Ding. In diefen regenreihen Hocdebenen fault das Holz jehr raſch, die hölzernen Nägel, welche vie Längsbäume fefthalten follen, gehen heraus, die lettern weichen von einander und drehen fid) beim Darauf- treten oder brehen in der Mitte durch, jo daß es noch zu bewundern ift, daß überhaupt Pferde, Rindvieh und Maulthiere darauf gehen fünnen. Neuer- dings hat die Kegierung die Anlegung eines 15 Fuß breiten Weges befohlen, d. h. einer fortlaufenden liegenden Brüde mit querliegenden Stämmen und Lagern, am Rande mit einen Widerhalt verfehen. Der Stamm des Alerce- baumes hat bis 45 fpanifhe Fuß im Umfange. Gegenwärtig find freilich dergleichen Rieſen in dem zugänglichen Theile des Waldes jelten. Das Aerceholz iſt roth im Kerne, der Splint weiß, es fpaltet vielleiht unter allen Navelhößzern am leichteften und wird an Drt und Stelle fofert zu Bretern verarbeitet, bei deren Herftellung die bloße Art ausreiht. Ein foldes Bret hat gewöhnlich 7Y, Fuß Yänge, ift 8 Zoll breit und einen halben Zoll did. Aus fehr ſtarken Stämmen ftellt man gegen 2000 Breter dar. Nicht wenige Stämme liegen umgejtürzt im Schlamm und Waffer vergraben, Rinde und Splint find an ihnen dann zwar abgefault, das Kernholz ift aber unver- jehrt erhalten und wird zu Bretern verarbeitet. Manche folder Stämme müffen jet mehr als 100 Jahren bereit3 Tort gelegen haben, da andre Bäume von ungefähr jenem Alter mit ihren Wurzeln fie überwacdjen haben. Der . Transport derjelben aus dem Walde nad) ven Hafenorten geſchieht wegen der bejchriebenen Beichaffenheit ver Wege bis jest ausjchlieflih auf den Alerce. Cypres. Die Pampas von Patagonten. 199 Schultern und es begegnet der Wanderer nicht jelten Zügen von hundert Perfonen, die mit Bretern beladen find. „Jedes Geſchlecht und Alter ift dabei betheiligt, ftarfe Männer tragen bis 40 Breter, Werber 20 bis 25, Kinder je nach ihrem Alter. Letztere pflegen ihr Alter nad) der Anzahl ver Breter anzugeben, welche fie zu tragen vermögen und antworten auf dahın- zielende Fragen, 53. B. ich bin ein Knabe von 6, 8, 12 Bretern. Die Träger find bei dem Marſche mit einem Gabelſtock verjehen, auf den jie beim Aus- ruhen die Breter an einem Ende jtüsen. Mit ihrer Breterlajt jeten fidy die Träger gewöhnlich in einen leichten Trab und vuhen an bejtimmten Punften gemeinfhaftlih. Bis vor Kurzem vertraten Breter in jenen Landſchaften die Stelle der Münzen; man faufte ein Glas Branntwein für ein Bret, em Taſchentuch für zwei u. f.w. So hübſch das Alerceholz auch iſt, jo eignet es fih doch nicht zur Anfertigung von Gefäßen, in denen Flüffigfeiten aufbe- wahrt werden jollen, da ſich feine vothe Färbung ven lettern, mittheilt. Mit der Alerce gemeinihaftlih wählt die jogenannte Cypres (Liboce- drus tetragona), deren Nadeln fürzer, vierzeilig und angedrüdt find; bei der Alerce itehen fie ab und bilden drei Reihen. Das Holz der Cypres tft von ausgezeichnet weißer Farbe und jehr geſchätzt. Außer den genannten befitt Chili ned mandes andere werthvolle Holz. Dasjenige vom Yingue (Persea Lingue) wird zu vertrefflihen Möbeln verarbeitet. Der Noble (Fagus Dom- beyi) befitt einen ferzengeraden Stamm, mitunter bis zum erften Aſt 68 Fuß meſſend. Er ift ein prachtwoller Baum, ein Verwandter unjerer Bude, hat wagerecht ausgebreitete Aefte und fleines, immergrünes, myrtenähnliches Yaub. Sein Holz eignet ſich vortrefflih zum Bauen und widerfteht vorzüglich der Feuchtigfeit unter allen chileniihen Hölzern am beften. Im Norden des Landes bildet er Stämme, die zu Kähnen fir 5—7 Perſonen ausgehöhlt werden. Der Reuli-Baum hat nicht jelten über 20 Fuß Umfang und das Holz des Chinchin (Azara microphylla) ift jo hart, das es zu Pflugfpigen genommen wird. Intereſſant ift hier das Vorkommen von Bäumen, welde den Fami— lien der Synantheren angehören, alfo Verwandte der Sonnenroſe, After und Rornblume find. Der größte unter ihnen, der Poloſanto oder Tayu (Flo- towia diacanthoides) wird bis 20 Fuß hoch und 2 Fuß did. Das Holz der Yuma (Myrtus Luma) eignet ſich wegen ihrer Zähigkeit und Härte vor- züglih zu Wagenaren, Aderwerkeugen, ja jogar zu Haden und Schaufeln. Eine weitere Aufzählung der anderweitigen Hölzer der neuen Welt unterlafjen wir, da es uns bier nur darauf anfommt, die widtigiten und interefjantejten hervorzuheben. Sehr auffallend tft es, dar den weiten Pampas von Patagonien mit Ausnahme der unbedeutenderen Weidengruppen, welde in den Thälern den Flußläufen folgen, jegliher Baummwudhs fehlt. Da bier ſowol der Boden, al8 aud die Wetterverhältniffe dem Baumwuchs feine unüberjteiglihen Hin- bernifje in den Weg legen, fo ſcheint dieſes Berhältnig einen ausſchließlich geologijhen Grund zu haben. Eine Verbreitung der tropiihen Bäume aus 200 Das Nutzholz. dem waldreihen Brafilien war aber nachher nicht möglih, da letztere an ganz andere klimatiſche VBerhältniffe gebunden find. In den aſiatiſchen Steppen iſt das Fehlen der Holzgewächſe meiſtens eine Folge der kurzen Vegetations— zeit, welche durch die fpärlichen Negengüffe jenen Gebieten vergönnt iſt. Das Holz bedarf in den meiften Fällen doc einer Zeit von mindeſtens ſechs Wochen ungeftörten Wahsthums, um feinen Zellen jene Feſtigkeit zu ver- leihen, die nöthig ift, um die ſtrengen Winter jener Gebiete überdauern zu fünnen. Die ſüdlichern Wüften find im dieſer Hinficht gewöhnlich noch beſſer daran, da in ihnen die Temperatur felten unter ven Gefrierpunft herabfinft. Bon den aftatifhen Holzlieferanten find Iedent die Cedern des Li— banon (fiehe das Anfangsbild diefes Abſchnittes!) aus der heiligen Geſchichte von früher Jugend her befannt. Jene mächtigen Waldungen, die einjt das Zimmerholz zu den phönizifhen Schiffen und das Bauholz zum Salomoni- ihen Tempel lieferten, find gegenwärtig freilid auf einen unbedeutenden Reſt zufammengefhrumpft. Neifende, welche vor wenig Jahren den Libanon befuchten, fanden ungefähr 400 Stämme nody übrig. Der Umfang ver eriten 12 ift 25 Fuß, bei einem derfelben ſogar 30 Fuß. Bei ven älteften Stämmen beginnt die Verzweigung bei 10—15 Fuß Höhe vom Boden, bei einigen erjt bei 25 Fuß. Das Holz ift weiß und hat einen angenehmen Geruch. Dieſelbe Ceder findet ſich außer der befannten Stelle am ſüdweſt— lichen Abhange des Madmel, der höchſten Spitze jenes Gebirges (6000 Fu), auch noh an einigen andern Orten Syriens. Bon einer genauen Alteröbe- ftimmung kann bei den meiften der Stämme feine Rede fein, da viele derſelben innen völlig hohl find und nur nody aus einem Stüd Rinde beftehen, welches durch feine Vebensfraft den ganzen Baum hält. Ruſſegger ſchätzt mehrere auf 4—800 Jahre und darüber. Die Gegend um die Cevern ift äußerſt öde; die menſchlichen Wohnungen beginnen erjt ungefähr eine Stunde unter- halb derſelben in ven Thalſchluchten. Weder Bäume noch Sträucher find weithin um jenen berühmten Hain zu jehen, die Umgebung bietet nur dem Schaf und der Ziege eine dürftige Weide. Trosdem, daß jener Wald dem techniichen Leben der Gegenwart nichts Nennenswerthes bietet, iſt er in ge- Ichichtlicher Beziehung um fo intereffanter. „Ein eigenthümliches jonderbares Gefühl, das ich einen heiligen Schauer nennen. mödte‘‘, jagt ver zulett ge- nannte Reifende, „bemächtigte ſich meiner, als ich beim Lichte des Mondes und des heitern Sternenhinmmels in das Dunfel der Cedern eintrat. Die Eindrücke der Schilderungen, die uns von folden Gegenftänden in früher Jugend gegeben werden, find es eigentlid, die diefe Gefühlsaffecte hervor- rufen, denn fie werden durch den Moment der wirklihen Anſchauung wieder erwedt, aber erwedt in einer anders fühlenden Bruft. Es ift nicht mehr das findlihe Anftaunen des Knaben, es ift der Ernft des Mannes, der den Ge— genftand im hellen Tageslicht beleuchtet fieht, den der Knabe im rofigen Yichte der Morgenröthe feines kindlich frommen Herzens ſah, und während diefer ſchwelgte in der Nacht des Glaubens, dürftet jener jelbjt an der Quelle Tefbaum. 201 des Wiffens. So ftanden fie denn vor mir, die alten heiligen Bäume, bie Jahrtauſende an fi) vorübergehen, die von ihrem erhabenen Standpunfte aus Bölfer glänzen und verſchwinden ſahen, die jhon lebten, als Baalbek's und Palmyra's Prachtmonumente fi) erhoben und die noch leben und grünen, da der Araber feine jhmugige Hütte an die edle Forinthiihe Säule klebt.“ Unter den Hölzern des gejegneten Indiens ift das Tekholz das ge- priefenfte, Der Baum (Teetonia grandis), von dem es ftammt, ift ein Fa— milienverwandter jener lebhaft gefärbten Verbenen, die in unfern Gärten jo beliebt find und von den Llanos Südamerifa’s ftammen. Am meiften mag er gegenwärtig auf Java noch vorfommen, wo mehrere abhängige Fürften ihren Tribut in Tefftämmen nad) Batavia zu entrichten haben und wo deshalb jährlich eine große Men- ihenmenge bejchäftigt iſt, geeignete Bäume zu fällen und mit Hülfe von Büffeln nad den Schiffs— werften, zu transportiven. Man veranichlagt den jährlichen Betrag auf 50— 60,000 Stämme. Der Tefbaum bildet auf Java die ſo— genannten Dſchati-Wälder, die vor- zugsweiſe auf trodnem Thon- und Sandboden gedeihen und hier eigen- finnig alle übrigen Bäume ver- drängen. Die Stämme find hier 50—60 Fuß hoch, oft krumm ge- bogen und in ein weitläufiges Aſt— iyftem getheilt. Unterholz ıft in diefen Waldungen meiftens nur ſparſam vorhanden, Schlingpflan- zen fommen in ihnen fajt nie vor, Nur niedriges Geftrüpp und vor Der Zweig vom Tefbaum (Teetonia grandis). allem das hohe Allang-allang-Gras bededt den Boden. Der Telbaum gehört zu denjenigen Bäumen der Tropen, welde in der regenlofen Jahreszeit das Laub verlieren. Seinem trednen jandigen Standort entjprehend, ift das Holz jehr hart und Fiefelhaltig; die aus demjelben gearbeiteten Schiffe follen dreimal fo lange halten als jolche aus gewöhnlichen Hölzern. In Indien felbit find verhältnigmäßig nur nod) wenig Tekwälder übrig. Ste befinden ſich dafelbit auf Malabar, in Pegu, in Tenafferim und in den nordöftlichen Diftrikten (Aſſam). Diefe Abnahme wird einerjeits ſchon dadurd herbeigeführt, daß der Baum nur langſam wächſt und andererjeits andere ſchneller wachſende Bäume hier bald die Stelle ein- nehmen, an welcher ein Tekbaum gefällt ward. Dadurd wird das Auffommen 202 Das Nutzholz. des Nachwuchſes verhindert. Die meifte Schuld an der Zerftörung jener ihätbaren Wälder trägt aber das rückſichtsloſe Schlagen junger und alter Bäume und das Verwenden des foftbaren Holzes zu ven gewöhnlichen Ge— räthen. Im ſüdlichen Indien find die Tekwälder ſchon faſt ganz erſchöpft und die Regierung hat endlich Mafregeln ergriffen, um einer gänzlichen Zer- ftörung vorzubeugen. Um fo mehr werben aber nun die Wälder in Pegu und Tenafjerim ausgeplündert. Die Eingebornen verfertigen daſelbſt aus dem Tekholz Alles, was fie brauden, vom Schiffemaft bis zum Sartenpfahl. Sin halbes Dutzend Tiſche ſchneiden fie aus einem Stamm, der zum Haupt- maft eines Kriegsjchiffes hätte dienen fünnen, und verwüſten ſelbſt die jungen Bäume, ohne an die Zufunft zu denfen. Man zählt daher in den nördlichen Wäldern Pegu's, die nod) etwas befjer als die ſüdlichen find, ca. 250,000 Bäume, was felbft bei guter Bewirthſchaftung eine jährliche Ausbeute von höchſtens 2500 Bäumen giebt. Die unbedeutenderen Wälder in Tehota, Nagpur, Alam, Suzerat und an einigen andern Punkten gehören fajt alle unabhängigen Staaten an und gewähren deshalb bis jetst den Engländern feinen Nutzen. Den Fuß des Himalaya umſäumt ein Yandftrid), der unter dem Namen „Terai“ befannt ift. Ex ift beſonders charakteriſirt durch die reihen Regen— mengen, welche fid hier niederſchlagen, indem der vom Ocean fommende, mit Feuchtigfeit überfättigte Monfun fi abfühlt und einen Theil jeines Waſſers ausfcheidet, während er den übrigen Gehalt in den höhern Theilen des Ge— birgs abfeßt. Das Terai ift theilweife jumpfige Niederung, aus hohen Srasarten gebildet. Zuderrohre, Schilfe, Yingergräjer (Saccharum, Arundo, Anudropogon, Anthistiria) herefhen vor und bilden jene Dſchungeln, welde ver Pieblingsaufenthalt der Tiger, Elephanten und verwandter mächtiger Thierformen find. An diefe Sumpfitrefen grenzt ein Landſtrich aus einem groben Kies beftehend, welcher an feiner Oberflähe pas Waſſer ſchnell durd)- finfen läßt und raſch abtrodnet. Hier erheben fi) mächtige Bombaceen, Ber- wandte des afrifaniihen Baobabs, mit plattenartig vorjpringendem Stamm, ſowie zahlreihe Feigenarten, ferner Dillenien, Bauhinien, Lagerſtroemien u. a. Das gefhästefte Nutzholz jenes Gebiets ift aber das des Sal (von Shorea rohusia, einer Dipterocarpee). Dieſer geihätte Baum ift zwar von Aſſam bis zum Pendſchab verbreitet, fängt aber an den zugänglichern Orten bereits an felten zu werden. Im öftlihen Theile des Gebiets iſt das Holz der prächtig blühenden Lagerstroemia reginae außerdem ſehr zu Bauten gejudt und im Weiten wird dasjenige vom Siſſu (Dalbergia) nod) häufiger als der Sal verwendet, ta es Leichter zu erlangen ift. Seit alten Zeiten iſt das Ebenholz (von Diospyros Ebenum) des heißen Afieng wegen jeiner Dich— tigfeit, Schwere und tieffhwarzen Färbung berühmt. Es nimmt eine ſchöne Bolitur an und ward zu Prachtmöbeln und Götterbildern angewendet. Der Baum, von dem e8 ftammt, ift von mäßiger Größe, nur etwa 30—40 Fuf hoch. Die Altern Stammtheile deſſelben haben eine ſchwärzliche, die jüngern Zweige eine weißlihe Rinde. Ebenfo eigenthiimlich ift die Färbung des Holzes. yros Ebenum) (Diosp Der Ebenbolzbaum 204 Das Nutzholz. Das jüngere Splintholz ift weiß, der Kern tiefſchwarz. Bei einem Durch— mefjer von 6 Zoll, wie ihn junge Stämme zeigen, find nur etwa die innerften 2 Zell von letzterer Färbung, bei alten Stämmen dagegen bildet der Splint einen faum fingerdiden, weißen Ring. Man pflegt im Allgemeinen alle Hölzer von ſchwarzbrauner Farbe und anfehnliderer Schwere als „Ebenholz“ zu be- zeichnen, jo z. B. das Holz von Diospyros Melanoxylon in Dftindien, jenes von Maba Ebenus auf den Moluffen und von Brya Ebenus auf den An- tillen. Das Ebenholz von Mozambif ftammt won einer Milletia. Da das ächte Ebenholz ziemlich hoch im Preiſe ift und fich feiner kurzen Faſern und Dichtigfeit wegen nur jchwierig Leimen läßt, jo erjetst man es vielfach durch Hölzer, die fich bequemer bearbeiten laſſen und durch Beizen gefärbt werben. Der franzöfiihe Chemiker Ladry hat jogar ein künſtliches Ebenholz erfunden, das aus feinen Sägefpähnen und Thierblut zufammengejegt ift und durch hydrauliſche Preſſen bedeutende Fejtigfeit erhält. Wenn man jenen Teig in hohle Formen einpreßt, erhält man Gegenftände, die aus Ebenholz geſchnitzt zu fein ſcheinen. Die Maſſe fol fähig fein, einen ſchönen Glanz anzunehmen. Pterocarpon santalinum liefert das Achte, wegen feines rojenartigen Duftes beliebte Santelholz, das freilich anfängt, ftellenwetfe jelten zu werben, Das Gegenftüd zu demjelben bildet das javanifche Stinfholz (Saprosma ar- boreum), dem man troß jeines unanjtändigen Duftes medizinische Wirkungen zumuthet. Caesalpinia Sappan giebt ein falſches Santelholz. Das ächte Eijenholz fommt von dem Nanibaume (Metrosideros vera), einem Be- wohner der Moluffen, der unter der Rinde zunächſt eine Schiht jpedartigen, weichen Splints, innen aber rojtfarbiges, ſchweres und fejtes Kernholz ent- hält. Letzteres läßt fih nur in frifhem Zuftande oder mit Hülfe von heißem Waſſer bearbeiten, ſpäter widerſteht es allen. gewöhnlichen Werkzeugen und ift jowol an der Luft als auch im Waffer unverwüſtlich. Es wird deshalb theuer bezahlt und befonders zur Anfertigung von Anfern, Rudern, Stöden und ähnlichen Geräthichaften benußt. Chrysophyllum glabrum gibt das „in- diſche Eiſenholz“, wie man denn überhaupt in faft jedem wärmern Lande eine bejondere Sorte jogenanntes Eifenholz befitt, das won einer andern Baum- art jtammt und durch Feftigfeit und Schwere die übrigen Holzarten übertrifft. Ein ſolch feſtes Holz liefern in Indien aucd mehrere Arten von Sideroxylon. Die Palmyrapalme des fünlichen Aſiens (Borassus flabelliformis, ſ. ©. 71), wegen ihrer zahlreihen guten Eigenſchaften won den Dichtern hochgeprieſen, vertritt hier die Stelle der braſilianiſchen Pashiuba. Je Alter der Baum wird, defto ſchwärzer und feiter wird das Hol; Stämme, die über 100 Jahre alt find, geben das befte; eigenthümlicherweife find Stämme von weiblihen Bäumen in diefer Beziehung viel vorzüglicher al8 jene von männ- lichen und die Malayen ſuchen lestern durch Kinlegen in Seewaſſer ein dunfleres Anfehen und eine größere Schwere zu verſchaffen. Auch bei den Palmyraftimmen ift es, wie bei den amerifanifchen Palmen, nur der äußere Stammtheil, welcher bi8 zu jenem Grade verholzt. Er erſcheint dann als Palmyra- und andere Palmen. 205 aus Yauter Schwarzen, drahtähnlichen feiten Faſern zuſammengeſetzt und wird viel nad) Europa ausgeführt, um zu Schirmfnöpfen, Spazierftöden, zierlichen Käfthen, Petſchaften u. dgl. verarbeitet zu werden. Die Handwerfer müſſen jedoch fehr vorfihtig beim Zerfchneiden des Palmyraholzes verfahren, da fich hierbei gerin einzelne jener Faſern lostrennen und ſich leicht unter die Nägel, oder fonft in die Hand einbohren. Auch die verſchiedenen Seiten eines und deſſelben Stammes weichen an Feſtigkeit von einander ab; jene, die dem Südwinde ausgefett ift, wird feſter und ſtärker. Um fi) von der Tauglich— feit eines Baumes in diefer Beziehung zu überzeugen, haut man ihn in der Nähe der Wurzel an und überzeugt fid), wie tief die Schwarze Färbung fid) von außen nad) innen erftredt. Zum Schiffsbau eignet fi) das Palmyrahol; niht, da es zu ſchwer ift, wol aber verfertigt man unverwüſtliche Sciffs- planten und Verdecke aus denjelben. In Jaffna, wo es viele Palmyras giebt, gilt die einzelne 3—6 Schilling. Ein Baum liefert 3—4 Balfen und Hein gefchnitten ca. 15 Latten. Das Hundert Balfen von 16 Ellen Länge wird in Colombo mit etwa 17 Pfd. Sterl. 10 Schill. verfauft. In Bezug auf Dauerhaftigfeit läßt das Palmyraholz nichts zu wünſchen übrig; es eriftiven auf Ceylon Gebäude aus diefem Material, weldye bereits länger als 100 Jahre ftehen. Auf Java benugt man zu Hausbauten vielfady das jehr harte Holz mehrerer Brennpalmen (Caryota maxima, propinqua, purpu- racea), und von den Malayen, welde die Gegenden in der Nähe der Fluf- mündungen bewohnen, wird zu demjelben Zwede die dafelbft wachjende Ni- bong= oder Nibung-Palme (Oncosperma filamentosa) verwendet, melde freilich nicht länger als drei bis vier Jahre dem Einfluß der Feuchtigkeit und Wärme widerfteht. Das Eiſenholz von Sumatra ftammt won der Fagraea peregrina und heißt bei ven Eingeborenen auch Kajuradſcha, d. i. Königs- holz, da fid der Fürft die Benutzung vejjelben vorbehalten hat. Der ge: nannte Baum, die Tembufa der Malayen, der einen ſchönen geraden Stamm. mit wagred)t abftehenden Xeften bildet, wählt an ven Ufern des Muffifluffes. Man fallt feine jhweren Stämme in der trodnen Jahreszeit und 13—15 Mann find erforderlih, um einen verjelben bis zum Flußufer zu jchleppen. Wegen jeiner Yeichtigfeit ift Dagegen das Holz der Wrighlia coceinea (eine Apochnee) beliebt und dient in Dftindien zur DBerfertigung der Palan- fine, deren man allgemein zu weitern Reifen bedarf. In Japan entnimmt man das Nutzholz worzugsweife von Bäumen aus der Familie der Navelhölzer, die dort in 25 Arten vertreten ift. Die Gebirge find mit dichten Waldungen beveft und die japanifhe Ceder (Cryptomeria japonica), jowie eine Art Lebensbaum (Thujopsis delabrata), finden beſonders häufig Verwendung. Bei einer Aufzählung der afiatifchen Holzgewächſe dürfen wir die Gräfer mit holzigem Stengel, die Bambufen, nit mit Stillihweigen übergehen. Die Halme verjelben find jtarf genug, um Pfoften abzugeben, und finden die mandfaltigfte Verwendung im Haushalt der Chinefen und Malayen. Auch % 206 Das Nutzholz. die Rohrpalmen (Calamus), die Rattans, bei uns „ſpaniſches Rohr‘ genannt, bieten Material zum Aufbau der Inftigen Hütten auf den Sunda - Infeln. Auf den Sandwichinſeln liefert Eugenia malaccensis ſchönes Möbel- holz, ebenfo Acacia hederaphylla. Hier eriftiren aud) noch anſehnliche Wälder aus Santelholz (Santalum Freycinetianum und S. paniculatum), die vom Geſetz in Schuß genommen find. Die Kafuarine (Casuarina equisetifolia) der Südſee-Inſeln hat wegen ihres harten Holzes den Namen „Streitfolben- baum‘ erhalten. Sehr gefhäste Hölzer auf Neuholland fommen von Cal- listemon salignus, mehreren Podocarpus- (P. nereifolia, P. Totana) und Araufaria- Arten. Das neuholländifhe Eijenholz ftammt von Stadtmannia australis. Yu der oben erwähnten Ausjtellung von Hölzern in Paris hatte Neuholland 262 Holzarten eingefendet. Unter den 92 botaniſch beftimmten davon machten fich bejonders bemerflic diejenigen von Eucalyptus, Podo- carpus, Melaleuca und Daryphora. Sie gehörten zu den jchönften der Welt, zeigten ein feines Korn, die jhönften, Iebhafteften Farben und ein natürliches Parfüm. Neufeeland hat an dem Pium (Dacrydium cupressinum) einen prächtigen Baum. Als befte Bauhölzer find daſelbſt diejenigen won Metro- sideros robusta, M. tomentosa und Vitex. litoralis in Ruf. Auf Norfolf ift Araucaria excelsa wegen ihrer Nutbarfeit berühmt und Vandiemensland hat, wie die Südjpige Amerifa’s und die nördlich gemäßigte Zone, ſchöne Buchen. Am holzarmften dürfte unter allen Erbtheilen im Verhältniß zu feiner Größe wol Afrifa genannt werden. Auf die Waldungen Algeriens, über- haupt jene des Atlasgebirged, machten wir jchon oben aufmerffam und er- wähnen hier nur noch, daß eine nahe Verwandte der Ceder vom Fibanon, die „Atlantiſche Ceder“, in ſchönen Beſtänden hier nody vorhanden tft. Das Holz der Meaulbeerfeige (Ficus sycomora) ward ehedem zu Mumienfärgen verarbeitet und dasjenige von Thuja, Sideroxylon spinosum, jowie von der Tamarisfe, wird ebenfalls vielfady benußt. In den Dafen, z. B. in Feſſan, jpielt die Dattel in diefer Hinfiht die Hauptrolle. Zu Bretern laßt ſich freilich das zähe, aus gewundenen Faſern wie aus Bindfaden beftehende Holz nicht jügen, man muß deshalb die ganzen Stämme oder die zur Hälfte ge: Ipaltenen verwenden. Erſtere benugt man zu Balken, Pfoften und Thürge- wänden, legtere zu den Thüren ſelbſt und zu Fenſterladen. Sp mädtig die Stämme der Adanfonie (Baobab, Kuka) im Sudan aud find, jo find fie doch wenig nußbar, da das Holz derjelben, wie bei den meilten Malvaceen, ſchwammig und Ioder ift. Beſſer ift jenes von der Tama- vinde, die fih durch das ganze innere Afrika hindurch zieht. Der Gheret (Mimosa nilotica) giebt ein zähes feſtes Holz für viele häusliche Zwecke, vor- züglih aud zu Sattelgeftellen und die zähen, fchlanfen Wurzeln des Hapji- [ij (Balanites aegyptiaca) liefern Lanzenſchäfte. Die Sierra Leone befigt in der Oldfieldia africana, einer Euphorbiacee, einen trefflihen Yieferanten von Eiſenholz, welches in dem Holzhandel des Freiftaats Liberia eine Rolle zu jpielen beginnt. An fpezifiihem Gewicht übertrifft dieſes afrikaniſche Eifen- nm — | Dattelmald bei Murſuk. IN N 9 HIN IHIHNL 90000.000 III INN —90 208 Das Nutzholz. holz (Tekholz) das oftindifche Tekholz ebenfo wie das europäiſche Eichenhol;, wird aber an Feftigfeit von dem Greenhart (Nectandra Rodiaei) und an Dauerhaftigkeit von dem genannten Tefholze und dem Sabicu von Kuba (Acacia formosa) übertroffen. Madeira liefert ein grobes Mahagoni=, aud Binaticoholz genannt, von Persea indica ftammend, die Kanariſchen Injeln das ftinfende, jogenannte fanarifhe Lindenholz von Oreodaphne foetens. Eigenthimliher Art find die Berhältniffe am Kap der guten Hoffnung. Armuth an Waldungen ift ein bezeihnender Zug in der Phyfiognomie jenes Landes. Die vorhandenen Gehölze verfteden ſich an der Oſtküſte in die ge- ihüsten Schludten, in denen es nicht an Feuchtigfeit fehlt, da die auf den Hochflächen zeitweile fallenden Kegenwafler hier zum Vorſchein fommen umd die Felſenwände benegen. Die meiften Hölzer übertreffen die europäiſchen bei Weitem an Härte, Elaftizität und Zähigfeit und find bei der ſchauerlichen Beichaffenheit der Wege unentbehrlich für die Wagen, auf denen der wan- dernde Boer bei feinen Zügen Hab und Gut weiter Schafft. Zu Wagenaren nimmt man am Hliebften das Holz von Trichocladium crivitum, das fehr elaftifch ift. Das Eifenholz des Kaplandes (Yſerhout) iſt von dem wmellen- blättrigen Delbaume (Olea undulata); ein naher Berwandter defjelben, Olea exaperata, ift überhaupt ber ftärkite Baum des Gebiets, dabei aber nicht höher als 30 Fuß. Ein „Gelbholz“ (Geelhout) fommt von Crocoxylon excelsum, eine andere Sorte von Podocarpus elongatus. Ein zu den Gar— deniaceen gehöriger Strauch, Burchellia capensis, mit lederigen Blättern und iharladhrothen Blumen, heißt wegen feines harten Holzes „Büffelhorn‘. Das Hol; von Cassine Maurocenia wird gern zu mufifaliichen Inſtrumenten verarbeitet; Cithaeroxylon quadrangulare giebt das „weiße Eifenholz“ oder „Geigenholz“; dem Mahagoni ähnelt das Holz der Curlisia faginea, einer Gelaftrinee; andere geſchätzte Hölzer fommen von Jambosa cymifera (einer Myrtacee), Calodendron capense (Diosmeae), Olinia acuminata ( Rhamneae), llex crocea, Grewia, Trichilia, Cussonia paniculata, Ocotea bullata, Ficus Lichtensteinii, Widdringtonia juniperoides und cupressoides, Virgilia capensis und grandis, Sideroxylon inerme und Royena-Arten (R. glabra, lucida), jo- mie von Halleria lucida. | Wir haben abfichtlid etwas länger bei einem Ueberblid der wichtigiten Nutzhölzer verweilt, — die meiften unferer täglichen Gewohnheiten ſchließen ſich ja eng hölzernen Geräthihaften an. In der hölzernen Wiege verträumt der Menſch die erften Jahre feines Lebens, am Tiſch wartet feiner Die tägliche Speife und häufig die Arbeit, — bis ihn [chließlich die fünf Breter und zwei Bretchen zur langen Ruhe aufnehmen und ein hölzernes Kreuz die Stätte bezeichnet, an welcher er ſchlummert. XI. Des Holzes Untergang. Die Zerftörung des Holzes durch die Atmofphäre, das Waſſer. — Bermehrung der Widerftandsfähigfeit. — Claftizität. — Verwerfen. — Der Hausſchwamm. — Die Holzkäfer. — Termiten. — Bohrwurm. — Unverbrennfiches Holz. — Brennholz. — Heizkraft. — Zündmittel. — Feuerſchwamm. Holzmangel. — Manjhinellbaum. — Kohlenbrennen, — Vermoderu. — Steinkohle. — Berfteinerte Hölzer. „Wohlthätig ift des Feuers Macht, Wenn fie der Menſch bezähmt, bewacht!‘ Schiller. MN les hat feine Zeit; Bauen hat feine Zeit und Einveißen hat feine PM Beit!” jagt Salomo; der Technifer aber und der Hauswirth wün- ichen nichts ſehnlicher, als daß dieſer Wechfel der Zeiten in feiner zweiten Hälfte jo lange wie möglich hinausgefhoben bleibe und nicht ſchon nad) wenig Jahren die Balfen des Hauſes und des Schiffes herausgenommen und durch neue erſetzt werben müfjen, weil fie dem berüchtigten „Zahn der Zeit“, der ſelbſt ſchließlich die Eifenhölzer benagt, unterlegen find. Die gejhlofjene Pha- lanx der Millionen mal Millionen Holzzellen, welde einen Baumſtaum bil- Wagner, Mal. Botanik. I. Bo. 14 210 Des Holzes Untergang. den, unterliegt trog ihrer urjprüngliden Eintracht doch den „Pfeil und Schleudern‘, weldhe die Legionen Feinde der Außenwelt ununterbrochen gegen jie richten. Wir werfen zunächſt einen Blid auf die Einwirfung der atmofphärtichen Mächte, da fie die am allgemeinften verbreiteten find, und gehen jdylieglic) zu den organifchen Gewalten über, die ſich in mehr vereinzelten Fällen gel- tend machen, zu denen der „Menjd mit feiner Dual” ſchließlich aud gehört. Feuchtwarme Yuft wirft am ſtärkſten zeriegend auf das Nutzholz und zwar um fo mehr, je fürzere Zeit nach dem Schlagen dieſes verwendet mwor- den ift. Friſches Holz enthält eine fehr anſehnliche Menge Saft, deſſen Vor— handenſein ein Hauptfaktor der Zerjegung zu fein fcheint. Dies findet jelbit dann jtatt, wenn man das ‚Fällen zur Zeit der Saftruhe im Winter vor- genommen hat, mag man dabei nod) jo gewiflenhaft darauf geachtet haben, ob der Mond feine Hörner links oder rechts fehre, jein Antlitz lichtfreundlich oder verfinftert ſei. Zimmerleute tragen mit gutem Grunde Bedenken, Höl- zer früher zu verarbeiten als dreißig Monate nad dem Sclage. Viegen bie Stämme, von der Rinde befreit, dabei gejchütt vor dem Negen und dem unmittelbaren Sonnenftrahl, aber dem freien Zutritt der Yuft ausgejett, jo verlieren fie einen großen Thal der Feuchtigkeit; e8 tritt ein Grad der Aus- trodnung ein, über welchen hinaus die natürliche Berdunftung nicht fteigt. Bei feuchter Yuft ziehen die Hölzer wieder etwas Näſſe an, bei trodener geben fie diefes Mehr wieder ab. Zugleic verändern fie danad) ihren Um- fang, dehnen fi) etwas aus und ſchwinden zufammen, Es entſtehen bei feucht verarbeiteten Hölzern, die ſchnell trodnenden Einwirfungen ausgejeßt werden, Riſſe; es knackt und reißt im Holz und dies geheimnißvolle Leben im todten Holze hat nicht verfehlt, jeinen magifhen Einfluß auf die Schattenfeiten des menjchlichen Geifte8 auszuüben. Der Tijchler glaubt den Hobel im Hol;- porrath pfeifen zu hören und hofft auf einen Sarg, und noch Mancher lebt, der eine Ahnung von der Krankheit oder der Gefahr eines fernen Lieben zu haben glaubt, wenn e8 im Scranfe oder jonjtigen Holzwerf beim Wetter- wechſel fnadt und reift. Einen Theil des Einflufjes der Außern Yuft hält man vom Hole ab, indem man feine Oberfläche mit einem Anftrih von Firniß und Yad, bei ordinäreren Gegenftänden von Steinfohlentheer u. dgl. verfieht. Noch mehr wird die Widerſtandsfähigkeit des Holzes gefteigert, wenn man es von einer Löſung aus rothem holzeſſigſauren Eifen durchdringen läßt. Der Erfinder diefer Methode, Boucherie, brachte zum Verſuche Hölzer der verjdhiedenften Arten, die er mit jener Löſung behandelt hatte, in Die feuchteſten Keller von Bordeaur, mit ihnen zugleich ausgejuchte gute Fäffer und Neifen, die nicht imprägnirt waren. Schon nad einem halben Yahre fonnte man bei den leßtern eine weit worgefchrittene Zerftörung bemerken, nad zwei bis drei Jah— ven zerfielen fie bei der geringiten Berührung zu Pulver, während das prä- parirte Holz nod eben fo feſt war als am erften Tage. Slaftizität. Werwerfen, Hausſchwamm. 211 Bon dem Gehalt an Feuchtigkeit, ven das verarbeitete Holz bejitt, hängt auch deſſen laftizität, ſowie das läftige Beftreben, fih zu vwerwerfen, ab. Um die erftere zu vermehren und das leßtere zu vermindern, hat man vor- gejchlagen, das Holz mit einer Löſung won Chlorcaleum zu tränfen, da die- jes leicht zerfliegende Salz einen beftimmten Feuchtigfeitsgrad zurüdhält, ohne einen zeritörenden Einfluß dejjelben zu geftatten. Der vorhin genannte Che- mifer nahm zum Verſuche Fichtenholz, das bekanntlich eine der ſprödeſten Sor- ten ijt, ließ den Stamm durh Auffaugung von Chlorcalcium durchdringen und dann in dünne Breter jchneiden, und es zeigte fi), daß man. dieje lettern nad allen Richtungen hin biegen konnte, ohne daß fie brachen. Elaſtiſch nah- men fie jofort diefelbe ebene Kichtung wieder an, fobald der Drud aufhörte. Gegen das PVerwerfen und Reifen zeigte fid) daſſelbe Verfahren ebenfalls erfolgreih. Aus einem mit Chlorcalcium zubereiteten Stüde Holz wurden große, aber jehr dünne Platten gejchnitten, mehrere verjelben ließ man in ihrem gewöhnlichen Zuftande, andere wurden auf einer oder auf beiden Gei- ten mit Del angeftrihen. Zufammengefügt zeigten fie nad) Verlauf eines Jahres nicht die geringiten Verwerfungen, während ähnliche Tafeln von der— jelben Dide, verjelben Oberfläche und demſelben Holze, aber nicht mit Chlor- caleium behandelt, fih auf die gewähnliche Weife verzogen hatten. Unter den organifchen Feinden des Holzes ſtammt der gefürdhtetite aus den Pflanzenreiche jelbit, e8 ift ter Hausſchwamm (Merulius lacrymans), ein Gewächs, das da, wo es fid) einmal eingeniftet, die ärgſten Verwüſtungen anrichtet. In jugendlichem Zuftande gleicht er einem Schimmel, jpäter zeigt ſich dieſe flodige Schimmelbildung nur an feinem Nande, während der Pilz jelbjt im jeiner vollen Entwidelung ſich flach ausbreitet, oft mehrere Fuß groß wird. Sein Ihmwanımigsfleifhiger Hauptförper iſt, je nachdem er in dem Lo— fale, wo er wuchert, einen größern oder geringern Grad von Licht und Feuch— tigkeit genießt, odergelb oder roftbraun, auf der Unterfeite fajerig ſammet— artig. Sein Rand jhwillt an, ift filzig und weiß, in Falten gewunden. Yettere find neßartig, von ungleiher Größe. Hat er ſich weiter entwidelt, jo tröpfelt aus ihm eine wäljerige, Klare Mil von unangenehmem Geſchmack, aus welcher ſich neue Pilze entwideln. Auch der Geruch des ganzen Pilzes ift betäubend, dumpfig und efelhaft. In der freien Natur. fievelt ſich der Hausſchwamm an faulenden Baumftämmen an, in den Wohnungen aber nimmt er bejonders Balfen und Breter in Beſchlag, die feucht und dumpfig jind und denen ein frifcher, austrocdnender Yuftzug mangelt, die fi alſo ſchon zur Zerfegung neigen. Gern überzieht ev deshalb die Unterfeite der Dielen und das Innere von hölzernen Verkleidungen. Hat er diefelben aber zerſtört, jo überzieht ev auch die Wände und Möbel und foll ſogar mit der Zeit das Mauerwerk angreifen und die Steine zermalmen, jedoch wird dies wol jehr von der Art der lestern abhängig fein. Nicht genug, daß er auf dieſe Weile die Häufer auffrift, wirft er auch höchſt nachtheilig auf die Gejund- heit der Bewohner ein und ruft bisweilen räthjelhafte, raſch um ſich grei- 14 * 212 Des Holzes Untergang. fende Krankheitserſcheinungen hervor. in friiher Luftzug und Beſtreichen mit Salzfäure, wo ſolches anzuwenden geht, hat ſich nod am erfolgreichiten gegen ihn gezeigt. Es ift oft darauf hingewiefen worden, wie in dem Haushalte der Natur in viel höheren Grade als in der befteingerichteten Fabrik dafür Sorge ge- tragen ift, daß fein Stoff unbenugt verloren gehe, fein Abfall unverwerthet bleibe. Dies ift felbit der Fall bei Subftanzen, welche vie Philofophie ſchwer— ih a priori dazu für fähig gehalten haben würde. Sp erjheint dem Menſchen, welder feine Umgebung nad jeinem Magen und nad) dem der Hausthiere beurtheilt, das Holz als ein unverdaulicyer Stoff, unfähig, ein animalifhes Leben zu erhalten, und doc gründet fid) auf daſſelbe eine bunte Neihe von Gejhöpfen, denen die Fähigkeit verliehen: ift, jene harten Subftanzen zu zernagen und welche die Stärfemehl haltigen Be— “ ftandtheile, ſowie die geringen ; Prozente von ſtickſtoffhaltigen Subftanzen, welche das Holz enthält, verbauen und zur Er- haltung ihres Körpers vermen- den fünnen. Es find dies vor- zugsweife viele Arten von Kä— fern und einige Raupen von Schmetterlingen. Die einen von ihnen ſiedeln ſich unter der Rinde unmittelbar an, die andern be- vorzugen die Marfftrahlen, den (ofen Splint und das Marf, und nod andere endlich greifen das Kernholz felbit an. Manche faffen fi) in nod) lebende Bäume nieder und führen, wenn fie in zu großer Menge vorhanden find, das Abfterben derfelben, ja das Eingehen ganzer Wal- dungen herbei. Einer der berüchtigtiten Waldverderber iſt jener Borfenfäfer, der wegen der fonderbar gewundenen Gänge, die feine Yarve im Splint aus- frißt, den Namen „der Buchdrucker“ erhalten hat. Andere Arten begnügen fi) mit todtem Holz, freilich feinen Unterſchied darin machend, ob ſolches ſich im Walde befindet und der heranjproffenden jungen Vegetation den Weg ver- fperrt, oder ob es, zu Gebälf, Pfoften und Möbel verarbeitet, die Wohnung des Herrn der Erde ſchmückt. Die Yarve des fogenannten Troßfopfs (Ano- bium pertinax) madyt fi) in den Zimmern, in denen fie fidy eingeniftet hat, durch gleihförmiges Picken bemerflid und jpufte lange in furchtſamen Ge— müthern als Unglüd verfündende „Todtenuhr“. Kin naher Verwandter des— jelben, ver gemeine Werkholz-Nagekäfer (Anobium striatum), hält fih am fiebften auf Bauplägen auf und verräth feine Gegenwart in den Wohnungen gewöhnlich erft, wenn er ſich bereits durch die Oberfläche des Holzes zu Tage Birfenrindenkfäfer und zerfrefienes Birkenholz. Holzfäfer. Termiten. Bohrwurm. 213 gebohrt hat. In den jüngern Holztheilen leben die Arten des Borfenfäfers (Bostrichus dispar, Saxenii), des Bodfäfers (Cerambyx scalaris, hispidus ete.), der Nüfjelfäfer (Magdalis pruni, barbicornis), ferner der Stutborfen- füfer (Eccoptogaster pruni), der gemeine Splintfäfer (Lyetus canaliculatus), Prachtkäfer (Bupestris), fowie and) die Naupen einiger Sefien (Sesia culici- formis), im feftern Holz haufen Bodfäfer (Cerambyx bajulus), Kammbohrfäfer (Ptilinus imperialis), der jogenannte Kapuziner (Apate capucina), der gemeine Kernholzfäfer (Platypus cylindrus), der gemeine Bohrfäfer (Ptinus fur) u. a. Die fingerdiden Raupen des Weidenbohrerg (Bombyx cossus) und jene des Roffaftanien-Spinners (Bombyx aesculi, Blaufieb) graben jahrelang im Hole weite Gänge aus, ehe fie ſich einpuppen. Beginnt das Hol in Fäulniß überzugehen und ſich in Mulm aufzulöfen, jo kommen die Larven des Hirich- füfers und Nashornfäfers hinzu, Holzwespen und Holzbienen arbeiten tiefe Löcher zu Bruthöhlen für ihre Jungen hinein, Wespen und Droffeln arbeiten Splitter los und verwenden fie zum Bau ihrer Nefter und der. Polizeimann Specht bohrt tiefe Yöcher in das Holz, um mit nadelfpiger Zunge die Larven der Holzzerjtörer hervorzuziehen, hämmert freilih mitunter dem Landmann die Schindeln vom Dache, jobald diefe von Holzwürmern bewohnt find. Alle dieſe Holzzerftörer unferer Heimat, deren Liſte wir nod um ein Anfehnliches vermehren Fünnten, find aber unbedeutend zu nennen im Vergleich zu ven Holzverwüftern der Tropenländer. Dort, wo die Begetation viel Fräftiger und üppiger ift, als in den gemäßigten Breiten, dort, wo bei nicht wenigen Pflanzengefhlechtern nie ein Stillftand des Wahsthums während des Jahres eintritt, find auch jene Thiergejchlechter viel zahlreicher, vie beſtimmt erſchei— nen, das todte Holz zu befeitigen. Viel großartiger als alle Käferlarven und holzverzehrenden Schmetterlinge wirthichaften dort die vielen Termitenarten, von denen die meisten Fichtjchen nur in überbauten Gängen weiter wandern und alles Holzwerf, deſſen fie habhaft werden fünnen, bis auf eine ſchwache äußere Schicht ausfrefien. Wehe dem Gebäude und der Schiffswerft, zu denen jene Berwüfter den Zugang gefunden haben! Nur wenige, durch be- ſondere Härte und Gehalt an eigenthümlichen Harzen ausgezeichnete Hölzer vermögen den Angriffen derſelben zu widerſtehen. Im Meere hat der ſogenannte Bohrwurm eine beſondere Liebhaberei für Holzwerk, das in ſeinen Bereich kommt, obſchon er daſſelbe weniger zur Koſt, als zum ſchützenden Wohnſitz benutzt. Die Schiffer ſind durch ihn gezwungen, ihre Fahrzeuge mit dem theuern Kupferbeſchlag zu verſehen, wenn ſie nicht Gefahr laufen wollen, mitten im Ocean zu verſinken. Kam doch einſt ganz Holland durch jenen Holzbohrer in Öefahr, erfäuft zu werden, da durch den- jelben das Pfahlwerk der Dämme zerfreſſen worden war. Um das zu Gebäuden, Schiffen u. f. mw. verarbeitete Holz gegen das Verbrennen zu ſchützen, hat man mehrfache Mittel angewendet. Gay-Luffac war der erjte, welcher vorſchlug, Salzlöfungen dagegen anzuwenden. Durd) diejelben wurden zwar hölzerne Gegenftände nicht unzerftörbar, wenn fie den 214 Des Holzes Untergang. Einwirkungen der Glühhitze ausgefest waren, allein jie verfohlten nur lang— ſam ohne helle Flamme, fingen jelbit nur mit Schwierigkeit Feuer und pflanz- ten es ſehr langſam fort. Das befte Mittel in diefer Beziehung tft das fo- genannte Wafferglas, eine Erfindung des deutichen Chemifers Fuchs. Die englifhe Admiralität hat unter Leitung der Herren Abel und Hay Ber- - ſuche mit dieſem Stoffe anftellen laffen, melde jehr befriedigend ausgefallen find. Man gab dabei dem Holze zuerjt zwei oder drei Anjtrihe einer ſchwa— hen Auflöfung kieſelſauren Kali's in Waller. Das Holz jaugt diefe Flüſſig— feit ziemlich ftarf auf. Iſt dieſelbe fait abgetrodnet, jo überdedt man ven Anftrih mit Kalkmilch und diefe dann wieder mit einer concentrirteren Löſung von Wafjerglas. Dieſer Ueberzug ſpringt jelbjt bei ftarfer Hite nicht ab, widerjteht der Einwirkung des Regenwaſſers vollflommen und verhindert lange Zeit das Holz mit Flamme zu brennen. Diefelbe Fähigkeit des Holzes, zu brennen, welde man bei ihm jo jehr fürchtet, fobald e8 als Nutzholz verwendet ift, macht es andererjeits ale Feuerungsmaterial eben fo fehr geſchätzt. Um Hierzu befähigt zu werben, bedarf das Holz aber eines gewiſſen Grades von Austrodnung, den es im lebenden Baume felten beſitzt. Reiſende, welche die dichten Urwälder ber Tropen durchziehen und hierbei gezwungen find, weite Streden in Böten auf den Flüffen zurüdzulegen, werden häufig durd den Saftreichthum der benad)- barten Gewächſe in Berlegenheit gefett, welche das Anzünden und Brennen faft unmöglih madhen. Sie leiden mitten im üppigiten Walde ebenjo em- pfindlihen Mangel an Brennmaterial, wie der Schiffer mitten auf dem Meere Koth um das Trinfwafjer leiden kann. Selbſt unfere gewöhnlichen Hölzer enthalten furz nad dem Fällen bedeutende Mengen von mäflerigem Safte. 100 Gemichtstheile Walnußholz, das man bei 100° C. trodnete, verloren hierbei 37 Theile ihres Gewichts, eben jo viel von der Steineiche verloren 41 Theile und vom Ahornholz fogar 48 Prozent. Im Mittel ſchätzt man das im grünen Holze enthaltene Wafjer auf 40 Prozent, von dem während einer Zeit von S— 10 Monaten durch Austrodnen an der Luft etwa 25 Prozent verloren gehen. Zur gewöhnlichen Neuerung iſt e8 dann gut braud)- bar, zu befondern technifchen Zweden aber, welche höhere Hitegrade erfordern, wie z. B. in Mejfinghütten, ift dagegen ein jtärferes Austrodnen in befon- dern Trodenfammern nöthig. Se mehr Waller noch im Holze zurüdgeblieben ift, deſto mehr Brennholz iſt zunächit erforderlich, dieſes felbit in Dampf zu verwandeln, und jo lange diefer Prozeß noch währt, fteigt die Hite in den betreffenden Holztheilen jelbjt nicht über 100° C. Die Heizfraft der verſchiedenen Holzarten iſt verſchieden. Als Wärme: einheit nımmt man bei Unterfuhungen hierüber diejenige Menge Wärme an, welche erforderlich ift, um ein beftimmtes Gewicht Waffer um 1° C. zu erhöhen. Diefe Einheit wird „Heizkraft“ genannt. Man fand, daß vierjähriges trode- nes Lindenholz enthielt 3460 Wärmeeinheiten, daſſelbe leicht gedörrt 3883, daſſelbe in einem Dfen ſcharf getrodnet 3960; Ulmenholz, das noch etwas Heizkraft. Zündmittel. Feuerſchwamm. 215 feucht war, 2014, daffelbe nad) 4—5jährigen Liegen 3037, Eichenholz 3550, gewöhnlich getrodnetes Tannenholz 3037, daſſelbe im Dfen ſcharf gebörrt 3750, Pappelholz 3450, dafjelbe gedörrt 3712, Buchenholz 3187. Trockene Hölzer befiten eine ziemlic) gleiche Heizfraft, welche abhängig ıft von ihrem Gehalt an Kohlenftoff; der Wärmewerth eines Pfundes gut ausgetrodneten Holzes beträgt ungefähr 3500 Wärmeeinheiten, d. h. man kann mit diejer Menge Holz 3500 Pfund Wafler um einen Grad, beiſpielsweiſe von 8° auf 9° erhöhen. Der Wärmewerth eines Pfund Holzes, das vor 10— 12 Mo— naten gejchlagen worden ift und das gegen 25 Prozent Waffer enthält, be- trägt gegen 2600 Einheiten. Obſchon die Gefammtwärme bei den verfchtedenen Brennhölzern jo ziem- (ich diefelbe ift, jo befteht doch ein großer Unterſchied darin, in welcher Weiſe fogenannte leihte und andererfeitS die harten Hölzer zu verbrennen pflegen. Leichte Holzarten werden fchnell von der zufträmenden Yuft durchdrungen, zer— theilen fi bald vdurd Einfluß der Wärme, und die Kohle, welche fie ent- halten, wird faft in derjelben Gejhwindigfeit verzehrt, wie die brennbaren Safe, melde fie ausjtrömen. Harte Hölzer dagegen fenden nur die entzünd- lichen Luftarten, die fi) aus ihnen durch Einfluß der Hitze entwideln, au ihre Oberfläche, ihre Kohle jelbft bildet eine feitere, zujammenhängende Mafje, welche die Glut im engeren Raume zufanmenhält. Da wo mai bei technischen Vorgängen Ietsteres bedarf, werden deshalb harte Hölzer vor- gezogen, wo man dagegen ein jchnelles Feuer mit großer Flamme bedarf, nimmt man leichte Holzarten zu Hülfe. Die Rüdfihten, welche bei der Auswahl der Nutzhölzer zu den ver— ichiedenen technischen Zweden leiten, finden bei den Brennhölzern zwar durch— aus nicht in jenem Grade ftatt, es zeigen aber die verſchiedenen Länder in Hinficht hierauf auch manderlei Eigenthümlichkeiten. Al Material zum Anzünden des Feuers ſind bei verſchiedenen Völker— ſchaften beſonders mancherlei Pflanzenmarke im Gebrauch, die leicht Feuer fangen und langſam weiter glimmen, ohne mit heller Flamme zu brennen. Schon Prometheus, der göttliche Dulder, ſoll den Funken, den er den Göttern entwendet, in dem markreichen Stengel eines Stedenfrautes (Fe- rula communis) zur Erde transportirt haben. In unferer engern Heimat dagegen spielte ehedem der Feuerſchwamm eine wichtige Rolle. In Deutjch- fand war der Thüringer Wald eine derjenigen Gegenden, in denen jeine Her- ftelung im Großen betrieben wurde. Die Bilzjorten (Polyporus fomentarius, igniarius), welche man hierzu verwendete, wachſen vorzugsmweife an alten Buchenſtämmen. Man fammelte fie und Elopfte die rundlichen Stüden, nach— dem dieſelben einige Wochen in Ajche gelegen hatten, zu lederähnlichen Stüden aus. Später wurden Stahl, Feuer und Schwamm, fowte Zunderbüchſe und Schwefelfaden durch die Chlorcalciumhölzchen und das Schwefeljäureglas mit Asbeftfajern verdrängt, bis neuerdings die zahlreihen Sorten der Phosphor- und Antiphosphor-Streichzündhölzchen die Weltherrfhaft errungen haben. Es 216 Des Holzes Untergang. mag gegenwärtig wol noch felten eine Horde Wilder eriftiven, welche noch die Reibhölzer in mühfamer Weife zur Erzeugung des Feuers benugen müßte. An den holzarmen Enden der Welt vertritt das thieriſche Fett die Stelle des Holzes. Die fogenannten „großen Wälder“ Grönlands, aus fußhohem Weivdengeftrüpp und den Büjchchen der Andromeda tetragona bejtehend, jpie- (en mit jammt den Moosrafen der Sümpfe jenes Gebiet8 dabei nur eine untergeordnete Rolle. Das Treibholz endlih, von dem die Meevesfträmungen jährlich ungefähr gegen 20 Klaftern an der Küfte abjegen und das muth- maßlich von Sibirien aus dorthin geführt worden ift, wird als Nutzholz meift viel zur hoch gefhätt, um dem Feuer übergeben zu werden. Ein Büſchel Torf- moos (Sphagnum) bildet den Docht in der Thranlampe, welche gleichzeitig feuchtet und den Fleiſchkeſſel zum Sieden bringt, Auch wärmere Länder leiden ftellenweife an Holzmangel. An der Nord- grenze China’s ift Holz eine fo jeltene Sache, daß jenes, welches die Karawanen von Sibirien aus durch die Wüfte Gobi nad) der großen Mauer bringen, pfundweiſe verfauft wird. Diejes Gebiet jcheint das frühefte geweſen zu jein, in weldhem man feine Zuflucht zu den vorweltlichen Hölzern, den Stein- fohlen, genommen hat. In einzelnen Gegenden Spaniens, die durch ge- danfenlofes Verfahren ihrer Wälder beraubt wurden, ſammelt man die Ge- büſche des Nosmarin, Pavendel und Thymian und verfauft fie in Kleinen Bündelden von etwa ein Pfund Schwere als Brennmaterial, um die täg- liche beliebte Olla mit ihrer Hülfe herzuftellen. Einen weniger duftenden Erſatz haben fi die Wüftenbewohner und Steppennomaden in dem getrod- neten Dünger der Kühe und Kameele zu verichaffen gejuht. In Murjuf und ähnlichen Dafen ver Sahara jammelt man die vwertrodnenden Zweige der Dattel und kocht mit ihrer Hülfe die Speifen, Zwei Bündel derjelben, jo jhwer als ein Menſch fie zur jchleppen vermag, werden in genannter Stadt mit 1 Piafter (circa 2 Sur.) bezahlt. An einigen Stellen des holz— armen Kaplandes verwendet man fogar gewifje Termitenbaue als Brenn- ftoff, da dieſe meist aus vegetabiliihen Subftanzen zufammengeflebt find. Die Bewohner der tropiſchen Wälder find zwar mitunter in diefer Hin- fiht gut daran und der bequeme Merifaner des Küſtengebiets geht darin jo weit, daß er den dürren Baumftamm, welchen der Wind für ihn umgeworfen und die Sonne für ihn gedörrt hat, von feinem Maulthier bis zur Hütte ſchleppen läßt, das eine Ende ins Feuer ſchiebt und ihn unzerjpalten gemäd)- lich nachſchiebt, ſowie der Brand fortjchreitet. Trotzdem ift auch felbjt dort einige Aufmerkſamkeit erforderlih. So wirft z. B. der Rauch des brennen- den Holzes vom Manſchinellbaume (Hippomane Mancinella) jo heftig auf vie Augen, daß eine mitunter mehrere Tage anhaltende Blindheit, mit empfind- lihen Schmerzen verbunden, die Folge ift, die nur durch Wafchungen mit Seewaſſer fich befeitigen läßt. In den höheren Gegenden Merifo’s fcheut man fich ebenjo, ven Kreoſot-Strauch (Larrea mexicana, eine Zygophyllee ) wegen jeines Geftanfes zum Unterhalten des Feuers zu benuten. Die dien "Kohlenbrennen. a Halme der tropifchen Getreidearten (Sorghum) und die ausgepreften Stengel des Zuderrohrs liefern dagegen ein bequemes Brennmatertal. In den meisten Ländern find die Bewohner darauf gefommen, das Brennholz vor feiner Verwendung zu verfohlen. Hierdurd wird nicht blos der Wafjergehalt entfernt, jondern es werden gleichzeitig auch die rußenden, harzigen Beftandtheile befeitigt, Die bei vielen Verwendungen hinderlid) er- jcheinen. Bon 100 Pfund Buchenholz bleiben beim PVerfohlen ungefähr 28 Pfund Kohle zurüd,. von Eichen- und Birfenholz gegen 26 Pfund, von \ RN NN \ RS N N Blütenzweig und Frucht des Manſchinellbaumes (Hippomane Mancinella). Tannen- und Fichtenholz nur 22 Pfund. Lindenholz giebt noch weniger. Durch diefe Gewichtsverminderung bei verhältnißmäßig gefteigerter Heizkraft wird das Kohlenbrennen bejonders auch in Gebirgsgegenden vortheilhaft, wo zwar Brennholz in Menge vorhanden ift, die unmegjame Befchaffenheit des Gebietes aber den Transport defjelben außerordentlich erſchwert. Kohlen— brenner, Köhlerhütten, rauchende Meiler und SKohlentransporte bilden des— halb ftereotype Züge in den Yandfhaftshildern der meiften Hochgebirge in 218 Des Holzes Untergang. pen verfchtedenften TIheilen der Welt. Aus Tannen und Fichten ftellt ver Bewohner des Harzes feine Kohlen dar, aus’ dem Espino (Acacia Cavenia) der Chilene, aus der Chpreffe (Cryptomeria japonica) der Japaner. Kohlen- been vertreten in den meiften wärmern Ländern die Stelle unferer Defen während der rauhen Jahreszeit. Abweichend von dem durch Ausglühen herbeigeführten Berfohlungs- prozeß it jener Vorgang, in Folge deſſen in der Natur Holz und verwandte Pflanzenftoffe in Kohlen umgewandelt werden. Die Veränderungen, denen das Holz von jelbjt unterworfen ift, find verjchiedene, je nachdem letteres den Angriffen der feuchten Luft ausgejett ift, oder fih im Waſſer eingebettet und von jener abgeſchloſſen befindet. Durch Einwirkung der Atmofphäre bei Gegenwart von Feuchtigkeit wird ein Fäulnißprozeß eingeleitet, der entweder als Weißfäule oder als Rothfäule er- icheint, je nachdem verfelbe mehr won außen nad) innen oder von innen nad) außen fortjchreitet. Vorzugsweiſe geht hierbei der Sauerftoff der me Verbindungen mit den Beftandtheilen des Holzes ein. Cichenholz enthält 3. B 36 Theile KRohlenftoff, 24 Theile Waiferftoff und 22 Theile Sauerftoff. Der Sauerftoff der Atmoſphäre verbindet fih mit dem Kohlenftoff des Holzes zu luftförmiger Kohlenſäure, welche in Gemeinſchaft mit dem gleichzeitig frei wer- denvden Waſſerſtoffgas entweiht. Dabei wird das Holz weicher und Ioderer und verändert jeine Färbung. Schließlich zerfällt es in einen chofolade- farbenen Staub. In Baumerde, welhe aus verfaultem Eichenholze entftan= den war, fand man 34 Theile Kobtenftoff, 36 Theile Wafjerftoff und 18 Theile Sauerftoff. Bei der im Innern eines Baumftammes ftattfindenten Vermoderung des Holzes ift dev Vorgang etwas hiervon verfchieden. Cs dringt hier hauptjählid das Waffer zeritörend ein und verbindet ſich chemiſch mit den Beitandtheilen des Holzes; der Sauerftoff fptelt dabei eine mehr untergeordnete Rolle. Die Unterfuchung eines mweißfaulen Kernholges aus dem Innern eines Eichenſtammes ergab, daß fih 5 Theile Waller und 3 Theile Sauerftoff mit dem Holze vereinigt hatten, dagegen 5 Theile Kohlen: jäure gebildet worden und entwichen waren. Diefer leßtere Vorgang hat be- reits viel Vermandtes von jenem Prozeife, durch ven die Pflanzen in Torf, Braunkohle und Steinfohle umgewandelt werden. Eine Hauptbedingung hier: bei ift die Umhüllung der abgeftorbenen Gewächſe durch Waſſer und der Ab- ſchluß der Yuft. Gleichzeitig wirft häufig auch noch der Drud mit, den mächtige . Erdflötze auf die begrabenen Holzlager und fonftigen Pflanzenftoffe ausüben. Je länger jener Prozeß langjam vorwärts jchreitet, je mehr wird der Kohlenftoff in dem Rückſtande überwiegend, um fo geringer dagegen der Ge— halt deſſelben an Sauerftoff. Während die frifhe Holzfafer 52,65 Theile Kohlenftoff, 5,5 Waſſerſtoff, 42,10 Sauerftoff enthält, befteht der Torf un- gefähr aus 60,74 Kohlenftoff, 5,965 Waſſerſtoff, 33,60 Sauerftoff; Braunfohle aus 61 — 74 Kohlenftoff, 4— 5 Waflerftoff, 33— 19 Sauerftoff; Steinfohle aus 76—90 Kohlenftoff, 4&—5 Wafferftoff, 20—4 Sauerftoff, und der An- Steinfohlen. 219 thrazit endlich aus 92—95 Kohlenftoff, 3-1 Waſſerſtoff und 3—2 Sauer- ſtoff. Ununterbrodyen findet Dabei eine Entwidelung von Luftarten ftatt, welche aus Kohlenſtoff und Waflerftoff, ſowie aus Kohlenftoff und Sauerftoff be- ſtehen. So zeigen fih am Ausflujje des Miffiffippi, wo eine große Menge Treibholz jährlih von Schlamm und Sand bevedt wird, durch die langjame Umwandlung derjelben in Braumfohle, allenthalben Ausftrömungen ſolcher Gaje. Wald aus ver Steinfohlenperiode. Diefe ftehen tihrerjeitS wieder mit dem Zufammenfinfen des Bodens in Ver— bindung. Die Ausbeutung der Steinfohlenwerfe wird gerade durch jene leicht entzündlihen Gasarten in jo hohem rate gefährbet; ebenfo ftehen Kohlenſäure haltende Quellen meift mit Braunfohlenlagern in Verbindung, Ausftrömungen von Leuchtgas mit Steinfohlenlagern. Jene Lager verfohlter Gewächſe find für viele Gegenden, für die Fortichritte dev Induftrie, von un— berehenbarer Wichtigfeit, da fie an Heizkraft zugleich mit dem frifhen Helge nicht nur wetteifern, ſondern es übertreffen. Gewöhnlicher Torf hat zwar 220 Des Holzes Untergang. 2 nur circa 3000 Wärmeeinheiten, die aus ihm dargeſtellte Kohle aber 6400 (die Holzkohle hat circa 7200), Steinkohle hat deren 6000. Es würde uns zu weit führen, wollten wir aud nur einen ungefähren Abriß der mafjen- haften Bertheilung liefern, welde Torf, Braun- und Steinfohle, jowie vie Anthrazitlager in der Erdrinde einnehmen und melde Betriebjamfeit dev Men- hen ſich an dieſelbe knüpſt. Der Hauptunterſchied, der zwiſchen der durch Glühen erzeugten Holzkohle und der unter Waſſer gebildeten Steinkohle vor— handen iſt, beſteht darin, daß erſtere die vegetabiliſchen Salze noch enthält, dagegen die Harze und Oele verloren hat, letztere dagegen enthält umgekehrt gerade die Harzbeſtandtheile und entbehrt der vegetabiliſchen Salze. Durch Glühen entfernt man die Theerbeſtandtheile aus den Steinkohlen und ſtellt Coaks dar, die ſich ihrerſeits dadurch wieder den Holzkohlen nähern. Zugleich überliefern uns die Braun- und Steinkohlenlager zahlreiche Ueberreſte untergegangener Pflanzengeſchlechter, welche in den früheſten Pe— rioden des Erdenlebens die Oberfläche unſers Planeten ſchmückten. Obenan unter den Beſtandtheilen der Steinkohlenformation ſteht die Stigmarie, dann folgen an Häufigkeit die Sigillarien und Lepidodendren, nach dieſen die Farne, Calamiten, Aſterophyllaten u. a., alles Formen und Geſchlechter, welche in der Flora der Jetztzeit entweder gänzlich fehlen, oder doch nur eine ſehr untergeordnete Rolle ſpielen. Die Stigmarie erinnert durch die eigenthümlichen runden Narben, welche die Blattanſätze bezeichnen, und ihren gabeligen Bau an mande Kaftusformen der Gegenwart, war aber ein Sumpfgewächs. Es fehlt in feinem der befannteren Kohlenlager, ja es ift faft in jedem einzelnen Kohlenſtück nachzuweiſen. Seine Zweige enthal- ten mitunter 3—4 Fuß im Durchmeſſer und der Gentralförper kann in wagerechter Nichtung nicht jelten bis auf 20 Fuß Länge verfolgt werben. Die Blätter waren nicht wie gewöhnliche Blätter flächenartig ausgebreitet, jondern rundlich fleiſchig, ähnlich wie bie Stämme mit einer Centralare verjehen. Bon einer maffigen Centralfuolle aus erftredten ſich die Hefte nad) zwei Richtungen hin, wahrjcheinlih auf der Oberfläche der jeichten Süßwaſſerbuchten der Borzeit ſchwimmend; fie erinnern dadurch an die maſſigen Wurzelftöde der ZTeichrojen, die heutzutage auf dem Grunde der Gewäſſer vegetiren. Verſchieden von dem bisher gejchilderten Ummandeln der Gewächſe in Kohle ift das fogenannte „Verſteinern“ derfelben. Es findet hierbei ein Um— wandeln des Holzes in Kalkſtein, Kieſel, auch wol in Eifenerz oder Schwefel- fies ftatt. Kohlenfänrehaltiges Waſſer vermag anjehnlihe Mengen von Kalf- jalzen aufzulöfen, Wafjer, weldyes Natron= over Kalifalze enthält, Löft beftimmte Mengen von: stiefelfäure auf. Wir haben bereit8 früher erwähnt, daß auf diefe Weile den lebenden Gewächſen die mineralifchen Beftandtheile zugeführt werden, die ſich beim Verbrennen in der Aſche wiederfinden und die man- hen Kinden, Blättern und Hölzern ihre ſchneidend Scharfe Beichaffenheit, jowie ihre Härte und Sprödigfeit verleihen. in verwandter Borgang findet Berfteinerung. —— nun auch im todten Holze ſtatt, nur daß hier die Tagwaſſer, welche in den im Boden begrabenen Baumſtaum einſickern, einen vollſtändigen Austauſch der Stoffe herbeiführen. Der eindrin— rer gende Tropfen Löft ein Theilchen des | ie Holzftoffes, der Zellmembran oder ihrer E Verdidungsihichten auf und führt es fort, läßt aber eine eben jo große Menge Kalt, Kiefel, Eifen u. f. w. an der Stelle des Geraubten zurüd, die ge= nau diejelben Formen einnehmen, welche die aufgelöfte organifhe Subſtanz be- ſaß. Feine mikroſkopiſche Präparate aus verfiefelten Hölzern laſſen deshalb die Zellenformen noch deutlich genug er— fennen, jo daß man aus ihnen zu be- jtinimen vermag, welchem Baumgeſchlechte 1 der verfteinerte Baum angehört habe. | de EEE AN Faſt alle Erdtheile enthalten der⸗ Stammſtück von Sigillarıa Groesse. gleichen vwerfteinertes Holz. Neuerdings Links ein vergrößertes Stück davon. hat ein fürmliher Wald aus Bu ! . verfiefelten Hölzern viel Auf- J f jehen erregt, den man in 5 “ Böhmen entdeckte. Der Rei— 3 ’ £ jende v. Möllhauſen ſchildert \ | 1: er > einen verfteinerten Wald, den er bei feinem Zuge durch Mit: telamerifa antraf und der ſich N in der Nähe von Zuni, welt- ° be {i lid) von Neu-Mexiko, in einer >‘ 7 | | Länge von 10—12 deutſchen $ ) N Meilen entlang erftredt. Auf / 5 der baumlojen Yandenge von Suez, fowie tief im In— nern der Sahara findet man ebenfalls verfteinerte Stämme, manche derfelben ſcheinen von Palmen zu ftammen, andere gehören Mimofenarten und Ta— Ne = marisfen an, die nod) jeßt an = Paz en — URAN — Sternbergi. men. Außer dent bereit8 ge- nannten Orte in Amerika ift in dieſem Erdtheile bejonders die Inſel Antigua veic an verfteinertem Holze, deögleihen die Umgegend von Papantla, Gua— — IR k m — NN — — J — — WEE: er DE Kalt Mes — = 299 Des Holzes Untergang. temala und Texas. In Auſtralien traf man auf der jetzt faſt kahlen Ker— guelen-Inſel Stämme bon 7 Fuß Dicke verkieſelt an, ebenſo auf Vandiemens— land. Die auf letzterem A Stämme erweiſen ſich als N tabelhölzer. Als die wichtigiten fojfilen Baumſtämme, die in Europa in bejonderen Ruf gefommen find, nennt Profefjor Unger: ven Gragleith-Stamm jm Rob: lenfandjtein, das fogenannte Sündflutholz von Joachimsthal in Böhmen, ein Baum mit Aeften, der unferer heutigen Ulme verwandt ift; das jogenannte DIPPP Megadendron saxonicum von Hil— A il u ‘% II IM |) IN | bersporf bei Chemnitz, gewühnlid) 3 N unter dem Namen der verfteiner: al ten Eiche befannt, deſſen Stüde zufammen mehr als 100 Gentner ff ſchwer find und das im natur- Wh! | hiſtoriſchen Mufeum. in Dresven N aufbewahrt wird; das jogenannte J Mi ——31000 Koburger Holz, von Pinites Keu- un I — En | " — *77 m I perianus ſtammend. Im geſchich— N] \/ Pr * INIMIN teten Sandftein dev Kreideforma— \ ID NN! M ! tion in Toskana finden fid) ganze N „ll N Schichten von Stämmen, an der Mancefter- und Boltoner Eifen- bahn ftehen zahlveiche aufrechte foj- jile Baumſtämme, weldye den Co— 4 ır feren angehören, der zahlreichen, = / j | \ oft ſehr ſchönen Stüde nicht zu N a Y y u A gevenfen, die in den Mufeen der u LU TNN nr zes n N meilten Hauptſtädte Europa’s auf: En N j > Ilm Il V | — | hr N U \ F a ne E a Ey Siebold erzählt, daß ihm ein alter japanifcher Gelehrter ein Bud) geichenft habe, in welchem jedes Sphenopteris. (Ein Farn.) Blatt an einen Tafelchen Solz von einer andern Sorte beſtand. Auf jedes war ein Zweig der Baumart gemalt, von welcher das Holz ſtammte und der Beſchauer erhielt auf dieſe Weiſe eine bequeme Ueberſicht der wide tigften Holzarten des japanischen Inſelreichs. So neu und originell ung viel- leicht eine folhe Sammlung erfcheint, jo hat doch die Natur jelbft vergleichen in großartigem Maßſtabe bereits jeit der Urzeit ausgeführt, indem fie ung die foffilen oder verfohlten Hölzer mit Abdrüden ihrer Blätter und Früchte in einer Weife überlieferte, durch welche wir befähigt werben, die Gejchichte der Holzgewächſe bis zu den früheften ‘Perioden des Erdenlebens zu verfolgen, Dornen und Stacheln. Hefte und Zweige. — Berfiimmern derjelben, — Dor- en. — Bertheilung der Dornengewächſe auf der Erde. — Dormen Europa’s. — Maquis. — Afazien Afri— fa’, — Eupsirbien. — Slfistiihe Dornen. — Neubolländifhe Scrubs. — Dornen Amerika's. — Ka us. — Mezquito’s. — Dornige Palmen. „Neine Roſe ohne Dornen!“ IF a8 der Stamm oder Hauptitengel einer Pflanze im Großen, vas CHI, find Aft und Zweig im Kleinen; ihr innerer Bau jtimmt überein. Man hat verjucht, jeden befondern Aſt als ein Pflanzenindivivuum dar- zuftellen, jo dar ein Eihbaum mit feinen taufend Zweigen einen Wald bil- "pdete, der feine Nahrung aus dem gemeinjchaftlihen Stamme bezöge. Man ift fogar jo weit gegangen, fi zu venfen, daß jeder Zweig feine Wurzeln durch den Stamm hinab jende bis zur Erde, um fih von dort neue Stoffe zu verfhaffen. So interefjant eine ſolche Vorſtellungsweiſe auch jein mag, jo entbehrt fie doch eines jeden fihern Grundes; die Anatomie eines Stammes zeigt nicht Das Geringſte, was ſich zu ihren Gunſten auslegen ließe. Phi— loſophiſch kann man jeden Zweig und jeden Aft, wie ja auch jedes Blatt und jelbft jede einzelne Zelle als Individuum auffafien; im Berhältnig zum Baum, zur ganzen Pflanze find diefelben aber nur Theile. | Die Zweige entjpringen meijtens aus den Blattachſeln, der Mitteltrieb würde die einzige Ausnahme davon fein. Kine merfwirdige Eigenthümlich— feit ift das Streben vieler Baumgewächſe, eigenfinnig einen ſolchen nad) oben 224 Dornen und Stacheln. ftrebenden Trieb bilden zu wollen; wird ihr Mittelſproß zerftört, jo richten jih einer oder mehrere der zunächft ftehenden Aefte empor und vertreten deſſen Stelle. Mande Bäume gehen ein, wenn ihnen wiederholt diefe Bildung emporjtrebender Triebe unmöglich gemacht wird, andere dagegen vertragen vergleihen Mifhandlung unbejchadet. Nicht alle Zweige, die in ven DBlatt- achjeln angelegt find, fommen zur Ausbildung; die Aftitellung eines Baumes it deshalb abhängig einmal won der Art und Weife, wie feine Blätter ftehen, dann aber auch davon, wie jene Verfümmerungen vorzufommen pflegen. Bei einigen Gewächfen ftehen die Zweige in Wirteln oder Quirlen, bei manden in beftimmten Reihen, bei der Mehrzahl in ſpiraliger Anoronung, auf melde wir bei Gelegenheit der Blattftellung wieder zurückkommen werben. Frei— ftehende Gewächje, befonders Bäume, pflegen oft ihre Aefte bis zum Grunde zu behalten, die in gejchloffenen Beftänden befindlichen werfen regelmäßig die untern ab und behalten nur oben die Krone. Die Stämme der Balmen trei- ben (mit wenig Ausnahmen) niemals Aefte, ftreben gleih dem Schaft einer Säule empor und frönen ſich mit einem Knauf großer Blätter. Die Win- fel, in denen die Aeſte vom Stamme abjtehen, und welde man nad ber Stammjpite zu beftimmt, find einer der Hauptfaftoren, welde die Tradıt, den äußern Umriß eines Gewächſes begründen und es oft möglich maden, ſchon aus weiter Ferne die Art veffelben zu erfennen, jelbft wenn, wie im Winter, das Laub fehlt. Die aufitrebenden Aefte unterfcheiden die italienische Pappel jofort von den ausgebreiteten ihrer deutſchen Verwandten, die wage— vecht abſtehenden Aefte ver Kiefer geben ein ganz anderes Bild als die ab- wärts hängenden der Fichte und Lärche. Ein anderer Zug in der Phyſiog— nomie des Baumes wird durd die Kichtung der Aeſte ſelbſt bevingt, die fnorrigen Eichenäfte laſſen ſich ſelbſt im gejchlojfenen Walde jofort heraus- finden. Die jüngern Zweige nehmen ihrerfeitS oft eine ganz andere, Nid)- tung an als die Hauptäfte und aud in Rüdficht auf das Alter des Baumes treten darin vielfache Berfchiedenheiten auf. Alte Birken und Pärchen laffen ihre jüngern Zweige herabhängen und erinnern dadurd) an die Form der ZTrauerweide, Kafuarien u. a. Jede Baumart hat in Bezug auf Ausbildung des Hnupttriebes und des Zweiges während der ganzen Entwidelung ihre ' befondere Weife. Sp bildet z. B. die junge Tanne im erften Jahre ihres Yebens einen fehr kurzen Trieb, der faum etwas über eine Linie Yänge be— fit, im zweiten Jahre treibt fie dagegen etwa einen Zoll höher, im dritten “ Jahre ungefähr zwei Zoll. Bon nun an ruht der Mitteltrieb und das Bäum— hen verwendet feine Kraft auf Bildung von Aeften und Zweigen. Dies geht fort bi8 zum zehnten oder zwölften Jahre des Lebens, dann aber ſchießt der Haupttrieb in einem Jahre mehr als einen Fuß lang empor und fährt in diefer Weile fort, bi8 der Stamm die ganze Höhe erreicht hat. Später findet gar fein Pangenwahsthun mehr ftatt, ſondern nur Bildung von Zweigen. Der Hauptrieb der Kiefer erreicht in einer einzigen Woche des Frühlings mitunter eine Länge von zwei Fuß. Nadelbüſchel. Ummwandelung in Dornen. 225 Bei manchen Gewächſen pflegen bejtimmte Zweige ftetS unentwidelte Glie— der zu befisen, fie bleiben jehr furz und meichen durch ihre Warzenform auffallend von andern Zweigen ab, die fich entwideln. So bietet die Lärche in diefer Beziehung einen auffallenden Gegenfag. Sie treibt fchlanfe Aefte, an denen die Nadeln zerjtreut geftellt find. In den Achfeln diefer Nadeln aber entjtehen Zweigfnospen, die nie eine beſondere Längenausdehnung er— reihen, jondern nur einen halbfugeligen Körper darftellen, der einen dichten Büſchel von Nadeln trägt. In den Achjeln der letztern entitehen feine Zweig- fnospen, dagegen erzeugen diefe verkürzten Zweige jährlich wieder neue Blätter. Zwiſchen beiden abweichenden Formen fommen deutliche Uebergänge vor. Es ift befannt, daß bei der Kiefer die Nadeln ftets zu 2, bei der Weimuths— fiefer zu 4, bei der Zirbelfichte zu 5 ftehen. Jene Büchel ergeben fi) bei genauerer Unter: juchung als unausgebildete Zweige, deren Mittel- trieb ſtets abftirht und deren Glieder verkürzt bleiben. Site entjtehen aus Knospen, welche im Herbit in den Achjeln von einzelnftehenden Dlättern angelegt werden. Im Frühjahr, wo ſich die Blätter der verfürzten Zweige entfal- ten, find die einzelnftehenden Blätter bereits abgefallen. Eine eigenthümliche Umbildung dev Zweige ſchließt ſich den zulett genannten Borgängen ziemlich nahe an, die im Gewächsreich häufig genug auftritt, um bei ihr einige Augenblice zu verweilen; wir meinen die Bildung ver Dornen. Dornen find in den meiften Fällen umgeänderte Zweige, deren Spiten hart und ftechend geworden find. Wir werden aber auch jene Gewächſe mit hierbei beritdfichtigen, bei Zweifache Zweigbildung der Lärche. denen andere Organe diefe Umwandelung er- fahren haben. Das Umändern in Dornen betrifft nämlich bei mandyen Ge: Ihledhtern die Blätter, bei andern die Nebenblätter, bei einigen Palmen fogar die aus dem Stamm hervorbrehenden Nebenwirzeln. Die Abbildung auf Seite 226 zeigt ung einen Zweig der DBerberige an dem wir diefe Umwan— delung Schritt für Schritt verfolgen fünnen. Die Stadeln fließen fid diefen Gebilden eng an und werden im gewöhnlichen Leben auch meiftens mit demjelben Namen bezeichnet. Jedermann fpricht vom Dorn-Röschen, obſchon nad) der Kunſtſprache der DBotanif von einem Stachel-Röschen geredet werden müßte Während die Dornen meiftens mit dem Holz des Stammes durd ihre innern Theile in inniger Verbindung ftehen, find die Staheln gewöhnlich nur den obern Zellenfchichten deſſelben eingefügt und ihr Uebergang zum Borftenhaar und zum gewöhnlichen Haar der Pflanze Wagner, Mal. Botanif, I. Bo. 15 226 Dornen und Stacheln. läßt ſich ſowol aus ihrer Entwidelungsgefchichte, ald aud bei manden Ge- wächſen an demfelben Zweigſtück dur die verjchtedenen Formen nachweiſen, in denen diefe Oberhautgebilde auftreten. Was wir etwa über bie ftachligen Gewächſe zu bemerken haben, ſchließen wir aber hier mit an, da ſie über⸗ haupt eine untergeordnete Rolle ſpielen. Es fehlt uns zwar noch gänzlich der Schlüſſel zum Verſtändniß des Pflanzenlebens, den uns die Urgeſchichte jeder einzelnen Art zu liefern hätte, es fehlt uns ferner noch die Kenntniß zahlreicher Einzelnheiten, welche ſich auf die Wirkung jener Faktoren im Naturleben beziehen, die in der Gegenwart noch thätig ſind. Es iſt deshalb in den meiſten Fällen ein en mißliches Ding, die Frage zu beantworten: zu welden N Zwede die Form eines gewiffen Organes bei einem Ge- A wächle gerade die vorliegende Veränderung erlitten hat, \ zu welchem Zmede es überhaupt dient. Man wird an | Boltaiv’s beißende Bemerfung erinnert, welche die Naſe —* als das Organ bezeichnete, welches beſtimmt ſei, um die N Drille darauf zu fegen, — oder an jenes Lehrgedicht, welches die Weisheit des Schüpfers darin erfennen zu F müſſen glaubte, daß die Dornen den Schafen die Wolle A ausreigen, damit die Vögel ihre Nefter mit derjelben deſto wärmer ausfüttern fünnen. Schwierig ift e8 ferner, Die Frage zu entjcheiden: ob die Organe der Gewächſe die | N beftimmte Form den Einflüffen der Dertlichfeiten verdan: - J ken oder ob ſie, anfänglich durch andere Urſachen in dieſer Weiſe modifizirt, ſich nur an jenen Lokalen vor— wiegend angeſiedelt haben, weil ihnen dieſelben durch keine Nebenbuhler ſtreitig gemacht werden. Vieles wirkt — hier gleichzeitig. Trotzdem macht es Vergnügen, jenen Zuſammenhang bis zu einem gewiſſen Grade zu verfol— gen, der zwiſchen den Formen eines Gewächſes und ſeiner ——— ———— beſteht, die durch den Standort und das Klima edingt i Die Dornengemächle find der Mehrzahl nah auf dürre Lokale ver- wiefen. Sie gehören entweder Gegenden an, in denen Regen und Boden- feuchtigfeit überhaupt felten find, oder finden fit an Stellen, deren Grund raſch das empfangene Wafjer einfinfen läßt, wie jolches Kalkberge und Kies- gerölle thun. An jolden Standorten vermögen die Wurzeln dem Gewächs nur eine beftimmte Zeit lang Zufuhr von Nahrungsjaft zu verſchaffen, dann folgt eine längere Pauſe des Faſtens. Solche Gewächſe gleihen Haushaltun- gen, die ſich jährlich nur einmal einer anſehnlichern Einnahme zu erfreuen haben. Wenn Gewächſe dürrer Lokale nicht in der Weiſe organiſirt ſind, daß ſie beſtimmte Vorräthe, auch ſolche von Flüſſigkeiten, aufſpeichern können, ſo bleibt ihnen nichts weiter übrig, als ihre Ausgaben auf das Minimum Einfluß des Bodens auf Dornengewächſe. Unſere Dornengewächie. 2927 einzufchränfen. Beides fommt vor. Die Blätter, als diejenigen Theile, duch welche die Verdunſtung befördert wird, die deshalb bei Gewächſen feuchter Pokale meiftens bedeutende Größen erreichen, verſchrumpfen bei Pflan- zen dürrer Standorte zu Fleinen fleifhigen Schuppen mit zäher Oberhaut, wie bei dem Mauerpfeffer, oder fie fehlen gänzlich, wie bei ven Kakteen, deren jaftreiher Stamm an ihrer Stelle Stacheln und Dornen trägt. Die Blatt- entwidelung ift von der Zweigbildung abhängig; um erjtere zu unterdrüden, wird letztere eingeſchränkt. Die Zweige halten in ihrer Ausbildung inne, werden zu Dornen, Blätter oder Nebenblätter oft genug ebenfalls. Man mag num den angedeuteten Vorgang auffaffen als die Ausführung eines im Voraus geftellten Planes, oder ihn anfehen als eine Folge der mwaltenden äußern Umftände, — das vortheilhafte Ergebniß wird für jene Gewächſe daffelbe fein. Kakteen, Weißdorn, Berberitze, Bodsdorn und viele andere Dornenträger behalten ihre Bewaffnung, jelbft wenn man ihnen ven feud)- teften Standort anweift; die Schlehbe tagegen, der Delbaum, Apfel- und Dirnbaum, und ebenſo zahlreihe andere, bilden die Dornen zu Frucht- umd Dlattzweigen aus, fobald vie pflegende Hand des Menſchen fie in andere Berhältniffe bringt. In den Polarländern, ebenjo in den höhern Regionen der Alpen, fehlen Dornengewähfe faft gänzlich, — nur eine einfame Kofe beftätigt hier das be- fannte Sprüchwort und zu ihr gefellt fich vielleicht eine ftachlige Gletſcher— Nelfenwurz (Geum glacialis), | In unjerer Heimat find es vorwiegend Gewächſe aus den Yamilien der Kofaceen und Schmetterlingsblümler, die Dornen tragen. An dürren Kalfgehängen bedeckt der Schlehenftraudy weite Streden und begrüßt den erwachenden Frühling mit Taufenden von jchneeweißen Blüten, melde den Blättern voreilen. Der Weißdorn liebt den Waldrand, fommt aber aud in Gemeinschaft mit ver Stadhelbeere und den dornigen Schöflingen des wil- pen Hartobjtes im Innern der Waldungen vor. Hier treten zu ihm aud) zwei Wegdornarten und ftellenweife die Berberige. Bei letzterem Strauche find die dreitheiligen Dornen aus einer Ummwandelung des Blattes entjtanden und ftellen gewiſſermaßen die Hauptrippe und die zwei erſten Geitenrippen deſſelben dar. Alle diefe Dornengebüfche fpielen aber im deutſchen Walde eine jehr untergeordnete Rolle gegenüber den dornenlojen Buchen, Eichen, Eichen, Espen, Hafeln, Ulmen u. a. Auch die eigentlichen wilden Kofen- arten und ihre ſtachligen Verwandten, die Brombeeren und Himbeeren wer- den nur felten in erheblicher Weife unangenehm und halten die Kleider der Borbeimandelnden feit. Der Gärtner ſchützt mit ihnen als Hede fein Grund— ſtück und den frifchgepflanzten Baum, der Salzſieder baut aus den Schlehen- ſträuchern die Wände des Gradierwerfs, und Berberigen, Spielarten des Weißdorn, zahllofe Roſen u. |. w. ſchmücken mit herrlihen Blumen die Parf- anlagen, ohne daß ver Luftwandelnde ihre Waffen jonderlih zu fürchten braucht. Aus der neuen Welt eingeführt, pflegen wir in Luftgärten Nobinien 15* 228 Dornen und Stacheln. und Gleditſchien, letztere mit langen dreigabeligen Dornen. Sie verdecken durch Laub und Blüten hinreichend ihre unangenehmen Anhängſel. Auf ſandigen Heiden kommen zwar ſtachlige Ginſter, Beſenpfriemen und Hauhecheln (vom Volkswitz „Weiberkrieg“ getauft) vor, an verſchiedenen Lo— kalen allerlei Diſteln, ſie werden aber nirgends maſſenhaft überwiegend. Häufiger ſind die Dornengewächſe bereits im Gebiete des Mittelmeeres. Der wilde Oelbaum und die wilden Orangen tragen Dornen, der Sanddorn, auc unter den Namen Delweide befannt, bildet jtet8 die Spiten der Haupt- äfte zu Dornen um, während fid) die Zweige aus den Geitenfnospen ent- wideln! Wegdornarten werden häu- figer. An den Küftenftreden fommt ber niedere Burzeldorn dazu, Bocks— dorn (Lycium), eine Solanee, fowie eine ganze Anzahl höchft ftachliger Nactichattenarten, treten auf. Der erftere bildet mit feinen verſchlungenen Zweigen dichte Gewirre. Unter den- jelben verſtecken ſich die giftige Viper und der Gero, der Skorpion und die gefledte bunte Eidechſe. Sehr derniges Geſtrüpp bededt in Spanien anfehn- fihe Flächen, ftachlige Akanthus— und Sfolymus-Arten umgeben in Öriechen- land die Gebüfche aus hartblättrigen Eichen, deren immergrünes lederiges Yaub ebenfalls ftehende Zähne trägt. In den dürren Felsthälern Kanaans tritt der Judendorn (Zizyphus vulga- ris) häufig auf. Ihm verwandt ift N jener Dornſtrauch, der jetst unter dem 4 Namen Chriſtusdorn (Zizyphus spina Christi) bekannt iſt und den man als Zweig des dornigen Kapernſtrauches. denjenigen bezeichnet, aus welchem die Dornenkrone des Erlöſers geflochten ward. Die Küſte Nordafrika's trägt noch jetzt den Lotusſtrauch (Rhamnus Lotos), deſſen Beeren den dort wohnenden Völkern einen beliebten Genuß bieten. Einer der intereſſanteſten Dornenſträucher des Mittelmeergebietes iſt der Kapernſtrauch (Capparis spinosa), den man in Südfrankreich, z. B. bei Toulon, und auf den Balearen auf ſteinigen Feldern baut, die faſt nichts weiter zu tragen vermögen. Man hält ihn für den „Nſop“ der Bibel, ver „an der Wand“ wächſt und bis zu welchen Salomonis botaniihe Weisheit fich erftredte. Das Sammeln feiner Blütenfnospen, welche das befannte Ge- würz liefern, gejchteht durch Frauen und Kinder, erfordert aber der Dornen — — — Sudan. um Re} — — — — = — — imo ger M orni 230 Dornen und Stadyeln. = wegen eben jo viel Vorſicht als das Sammeln ber Sclehenblüten bei uns. Der dornenreichfte Erdtheil dürfte wol Afrika fein, in welchem ſich die waffen- tragenden Gewaͤchſe von den Maquis des Atlas an bis zum Kap der guten - Hoffnung mit wenigen Unterbrehungen entlang ziehen. Die erwähnten Ma- quisgebüfche beftehen aus dornigen Delbaum- und Wegdorn-Arten mit ofen, Weißdorn und Steheihen gemengt und von ſtachligen Brombeerranfen mafjen- haft durchrankt. Die ebenfalls ſtechenden Pfriemenfträucher (Spartium sco- parium) und Geftrüppe aus jpanifhem Ginfter (Spartium junceum), ſowie andere Ginfter (G. candicans) erregen die Aufmerffamfeit ſchon aus der Ferne durch ihren üppigen Blütenſchmuck. | Die Dornendidichte am obern Nil find neben den gefräßigen Termiten die größte Plage aller reifenden Naturforfher, die von dem Keichthum jenes Gebietes fo jehr angezogen werden. Mit Waflerftiefeln ift der eifrige Samm— (ev vielleicht mühfam zwifchen ven verichlungenen Afaziengebüfhen und Nabak— ſträuchen (Rhamnus Nabeca) vorwärts gewatet, hat endlid) den jeltenen Vogel beſchlichen, deſſen Auf ihn Längft lodte, der jihere Schuß hat denjelben aus der Baumfrone oder im Fluge herabgeworfen, zwanzig Schritt vor dem hoch erfreuten Schüßen ftürzt die prächtige Beute — ins Dornendidiht, — er fieht fie vor Augen, allein fie bleibt für ihn eben fo unerreihbar, als fer er durd) einen Abgrund von ihr getrennt. Die unerbittlihen Dornen weijen jeden Verſuch zum Nahen wie mit Lanzenfpigen zurüd. In den jalzhaltigen Dajen der ſüdlichen Sahara tritt neben den dornigen Gummi-Afazien (Acacia vera, nilotica), »ie fid) durd) die ganze Wüfte hindurch ziehen, der bornige Salzfapernitraud) vorwiegend auf. Schon aus Denham’s Schilderungen fannte man die Dornenmwälder des Sudans. Bor dem Kriegszuge der Barka-Gana gegen die Fellata's, den der Major begleitete, ritten Wegführer, die mit ihren Yanzen die Dornenäjte zurücbogen und in der aufgeregten Weife der Neger durch Zurufe und Reime ftetS auf die drohenden Gezweige aufmerffam machten. Ganze Landftreden find im weftlichen Sudan für Kameele durhaus nicht zu paffiren, da die Dornen die Ladungen derjelben fethalten und herabreißen. ‚In der Umgebung ‚des Tfadfees bei Kufa werden die Waldungen faft ausjhlieglih aus zwei Arten von Dornenbäumen gebildet: aus ver Talha (Mimosa ferruginea) und befonders8 aus der Gherret (Mimosa nilotica), deren Didichte dem Wild- ihmwein und dem dickhäutigen Büffel ebenjo fichere Zufluchtsorte gewähren wie ihren Feinden, dem Panther und Yeopard. Zum MUeberfluß webt ſich zwiſchen die untern Theile diefer Dornendidichte noch das abſcheuliche Stadhel- gras (Pennisetum distichum), die jogenannte Sudan-Klette, deſſen leicht ab- brehende Samenftacheln fi in die Haut einbohren und läftiges Jucken jowie Entzündungen hervorrufen, wenn fie nicht bald herausgezogen werden. Jeder Reiſende führt zu diefer Operation eine bejondere Fleine Zange mit fid). Die ftahlige Opuntie, welche in Nordafrifa als Hedenpflanze benutt wird, ift urfprünglih in Amerika einheimiſch geweſen, obſchon fie gegenwärtig Dornengewächfe in Südafrifa, 231 in den heißen dürren Gegenden der alten Welt gut gedeiht. Im Sudan wird fi? durch die ebenfo ftahligen Wolfsmilharten erſetzt, die Afrifa ganz eigenthümlich find. (Siehe die nachſtehende Abbildung.) Ganz ähnlich wie im Sudan herrihen die Dornengewächſe aud in Süd— afrıfa. Ein großer Theil der Sch — welche die Kaffernkriege den Europäern darboten, war in JJ den Dornendickichten des Lan— — des begründet, wie ſie z. B. im Gebiet des Fiſchfluſſes vor— kommen. Bei einem Anblick der gewaltigen Stacheln be— greift man die Nothwendigkeit, daß Flußpferde, Nashörner und Büffel mit einer ſo dicken Haut gepanzert ſein mußten, um in jenen Wäldern unge— ſtraft luſtwandeln zu können. Dem Menſchen ſind ſie ein Schrecken, dem Reiſenden das fatalſte Hinderniß, und die Holländer hatten nicht Un— recht, wenn ſie eine der ge— wöhnlichſten Akazienarten jenes Gebietes, die Acacia detinens, „Wart' ein Weilchen“ nann- ten. Andersjon fah auf fei- nen Reifen im Damara-Pande nicht weniger als fieben ver- Ichtedene Arten von Büſchen und Bäumen, die jammtlid — vollfommene „Wart' ein Weil- hen‘ waren. Gegen dieſe Wegelagerer aus dem Pflan- = zenreidh ift faum die, Art aus— veihend, um eine Bahn für = den Reiſezug zu öffnen. Der Ein dorniger Wolfsmilchbaum des Sudans. genannte Reiſende berichtet, daß eine einzige dieſer ſtarken, naturwüchſigen Fiſchangeln im Stande iſt, gegen ſieben Pfund zu tragen, ehe ſie nachgiebt; es läßt ſich denken, welche Anſtrengungen es koſtet, wenn ein paar Dutzend derſelben gleichzeitig ſich an die Eindringenden anklammern. Die Kleider werden in Fetzen verwandelt, die Haut bei Menſchen und Thieren wird blutig geriſſen, entzündet und mit Dornen geſpickt, das Wagenzeug zerriſſen; völlig zerſtochen und zerfetzt geht die 232 | Dornen und Stadeln. Karawane aus diefem Kampfe hervor. In dem Anfangsbilde dieſes Kapitels ſtellten wir einige afrikaniſche Dornengewächſe zuſammen und zwar it Sig. 1 ein Zweig der Farneſiſchen-Akazie (Acacia farnesiana), Fig. 2 ein ſolcher von Ehrenbergs - Aazie (A. Ehrenbergi), Fig. 3 ein Zweig der Eeyal- Afgzie (A. Seyal), Fig. 4 ein Stengel des Igelginſters (Erinacea pungens) und Fig. 5 ein desgleihen vom rauhen Witichen (Aspalanthus Chenopoda). Zwi— ſchen den Dornen ift das Neft eines Pinf-pinf aufgehangen und an einem andern Dorn hat ein Neuntödter feine Beute angejpießt. In jenen Gegenden, wo die Dornengejtrüppe als Negenten auftreten, ſucht Thier und Menſch jo viel als möglicd von denfelben Bortheil zu ziehen. Das Naubthier wählt in dem dichteſten Gewirr fein Verſteck, um ungeftört zu verdauen, denn die vielerwähnten Höhlen für Löwen, Panther und Hyänen find nicht fo häufig als die ſtachligen Dickichte. Aus den Dornen führt aber auch die Kaffern- und Hottentottenhorde um ihren Kraal einen fchütenden Wall auf, hoch genug, um felbft den fühnen Sprunge des Löwen zu troßen. Aud die Karawane greift zu dieſem Schugmittel, um ihre Raſtplätze zu fihern. Bahlreihen Vögeln gewähren vie unnahbaren Sträuder vortheil- hafte Plätze, um ihre Nefter zu wahren, und die Dornen jelbft bieten fid) ihnen an als Mittel, die kunſtreichen Geflechte aufzuhängen. Schon bei uns baut der Hänfling gern in den Stachelbeerbuſch, die Schwanzmeiſe birgt ihr röhrenförmiges Neſt am liebſten im Weißdorn. Am Kap der guten Hoffnung baut der Pink-pink aus Samenwolle und Faſern zwiſchen die Dornen der voth= und gelbblühennen Mimoſen das fugelige, außen jehr unregelmäßig er- ſchienende Neſt, das am Eingange einen bejonderen Borbau für den ankom— menden Vogel erhält. Ebendaſelbſt hängt auch der ſchöngefärbte Fammtragende Tliegenfänger fein Häuschen auf, Das einen zarten Füllhorn täufchend Ähnelt. In Dftindien baut der Baya-Webervogel in den Mimoſen auf ähnliche Weie. Der Würger hat den Namen „Dornendreher“ bei uns von feiner Eigenthüm— lichfeit erhalten: die gefangenen Käfer, Libellen und fonftigen Inſekten an ven Dornen aufzufpießen, um fie bequemer verzehren zu fünnen. Die Waffen der Gebüſche fommen feinen ſchwachen Füßen zu Hülfe Im Kaplande jpielt ein Berwandter von ihm eine ähnlihe Rolle und ward deshalb wom beißen: den Wit der Boers „ver Gouverneur‘ getauft. Kameel und Strauß find in ihrer Organifation ganz dem widerfpenftigen Charakter der dornigen Wüftengewächje angepaßt. Die harten, hornigen Lip— pen des erjtgenannten Thieres erfaflen unbefchadet ven ftehenden Zweig der Mimofe und des Sapernftrauhes oder des mannareihen Alhagibüſchchens (Alhagi camelorum), das Gebif des friedlihen Thieres, mit demjenigen eines Raubthieres an Stärfe wetteifernd, zermalmt ſelbſt dieſe harten Pflanzen- gebilde und der Kiefenvogel überwindet mit feiner unübertroffenen Verdauungs— fähigfeit Leicht alle jene Unannehmlichfeiten, welche eine ſolche harte Speije jedem en Geſchöpfe bereiten würde. In Aſien find die Dorne cgewaãchſe zwar nicht in derſelben ausgedehnten Dornengewächje Afiens und anderer Erdtheile. 233 Weife vorhanden wie in Afrifz, fie machen ſich aber ftellenweife unangenehm genug bemerflih. In Beludſchiſtan find die fteinigen Gebiete weithin mit nur fußhohem Geftrüpp bevedt, das aus dornigen Mimoſen, Caragana, Traganth, Fagonia und ähnlichen bewaffneten Gewächſen bejteht, eine Vege— tation, die für die meiften andern Thiere faft unnahbar, für das Kameel aber wie gejhaffen erſcheint. Der Dornenfranz ſchlingt fid rings um den ganzen Planeten, nur ftellenweije durd) die Fluten des Oceans und in ber gemäßigten Zone durch faftige Gewächſe unterbrohen. Manche Thäler in Siffim find dem Neifenden, welder nad) dem jchneeleuchtenden Himalaya vorzudriugen vwerfucht, durch ihre ausgebreiteten Didichte aus Wegdorn- und Zizyphusarten eben fo widerwär— | tig wie am Kapland die Afazien- wälder. Selbſt im üppigen Ur- wald mahnen mehrere Gewächſe als fogenannte „Fußangeln“ zur Vorſicht. Ein zu den Bigno— niaceen gehöriges Gewächs (Pe- dalium Murex) wid in Dft- indien und auf Ceylon geradezu mit jenem Namen (PBatiraja der Eingeborenen) belegt und feine bornigen Früchte werben als Schutsmittel auf verbotene Wege gelegt. In ähnlicher Weife durch— ziehen in den Wäldern auf Tri- nidad ſtachlige Schlinggewächle die untern Räume zwiſchen den Geſträuchen, verwunden den un— vorſichtigen Jäger und zerreißen ſeine Kleider. Man nennt ſie daſelbſt ihrer Haken und Dor— \ vr nen wegen Boaux-diable, Teu— Zweig vom Süßhülſenbaum (Prosopis juliflora). felsdärme, oder Crocs-chien, Hundszähne. Die Dornen des auf Jamaika und Hayti häufigen Süß— hülſenbaumes (Prosopis juliflora) fünnen fo ftarfe Berlegungen bewirken, daß bei den verderblichen Einflüffen des Tropenklima's und mangelhafter ärzt- licher Hülfe entweder eine Unbrauchbarfeit des verlegten Gliedes, oder im Ihlimmern Falle fogar der Tod durch Starrkrampfzufälle die Folge ift. Die vielbefprohenen Scrubs in Neuholland, dieſe Buſchdickichte, welde fid) Tagereifen weit hinziehen, bejtehen zum großen Theil aud) aus Dornengewählen: Akazien, Leptomerien, Scävola=Xrten u. a. Die Scrubs bedecken vorherrfchend fandigen Boden und zeigen dichtverſchlungene Sträuder von verſchiedener Höhe, aber fo ähnlichem Aeußern, daß fie nur 254 Dornen und Stacheln. einer oder wenigen Arten anzugehören feinen. Das Laubwerk iſt meiftens ftarr und von düfter bläuliher Färbung. Eine nähere Beadhtung der Blüten zeigt aber bald, daß hier Gewächſe der verſchiedenſten Yamilien gemeinfhaft- (id) mit demfelben Habitus auftreten. Selten ift der Scrub gänzlich blütenleer. In der naffen Jahreszeit blühen ausjchlieglich die Epacriveen, auch Rhamneen (Gryptandra), Im Frühlinge bedefen fih die Sträucher und Bäume mit den verſchiedenſten Blüten und mit Erftaunen fieht man, wie das heideartige Geſtrüpp fi plötzlich mit Blüten des verfchiedenartigften Baues ſchmückt, die nun unter ſtetem Wechfel, aber allmäliger Abnahme bis zum Schluſſe der trodnen Jahreszeit fid) unaufhörlich erneuern. Dieſe Formen aufzählen, hieße die harafteriftiichen Familien der auftraliihen Flora überhaupt zufammen- ftellen. In dem Geſtrüpp des Scrub verfrieht ſich leicht das flüchtige Fuß— huhn, die ſchöne Macure und das Fleinere Beutelthier, felbjt dem gewandten Ureinwohner unerreichbar. Wo in der neuen Welt Hite mit Trodenheit ſich vereinigt, werden aud) die genannten Pflanzenformen wieder die herrichenden. Die dürren Hoch— ebenen Merifo’s und Peru's find überreich mit Kakteen gejegnet, welche bier in Geftalt und Bewaffnung die afrifaniihen Euphorbien nadhahmen, letstere aber an Mandfaltigfeit der Bormen und Ausdehnung ihres Vor— fommens weit übertreffen. Mammillarien fommen im Norden jelbft nod) auf einer Infel im Wälderfee an der Grenze won Oberfanada bei 40° nördl. Br. vor und unter dem 45° find fie auf den Felfengebirgen nody in beträdht- fiher Erhebung über dem Meere zu finden. Südlich reichen fie auf dem Veftlande bis zum 30° ſüdl. Br. und auf den Inſeln geht Cactus coquim- banus unterhalb Chiloe bi8 zum 45°. In Chile und Merifo miſchen ſich einige_ Arten jogar unter die Alpenpflanzen. Opuntia Ovallei geht bis zu 12,800 Fuß Höhe. Am Ufer des Sees von Titicaca fieht man bei 12,700 Fuß Erhebung über dem Ocean hochſtämmige Pereskien mit ihren pradt- vollen, dunfelbraunrothen Blüten. Die größte Ueppigfeit entwideln aber die Kakteen in den wärmern Theilen Mittelamerifa’s. Bei Sonsra und Chi- huahua in Neu-Merifo erregt der Kiejenfaftus (Cereus giganteus) das Er- ftaunen aller Reiſenden, indem feine fänlenfürmigen Stämme 40 — 60 Fuß hoc) aufftreben und dabei eine Dicke von 3 Fuß erreichen. Indianer benußen fie mitunter zum Ziel ihrer Pfeile bei ihren Schiegübungen. In jugendlichen Zuftande hat dieſer Kiejenfaftus, die „Pitahaya“ der Mexikaner, die Geftalt einer mächtigen Keule. Als ſolche ſchiebt er ſich, eine faft gleihmäßige Dide beibehaltend, bis gegen 25 Fuß hod empor und entfendet dann erſt die 1, — 2Y, Fuß diden Zweige, die parallel mit dem Stamm emporftreben. Das Holz ift jehr feft und bleibt noch lange nach dem Abfterben der Pflanze ftehen. Im Mai oder Juni erfcheinen an der Spite der Zweige die großen weißen Blumen und im Juli die wohlſchmeckenden Früchte, die getrudnet Feigen ähneln. Die Dornen der Kakteen fcheinen, wie bei mehreren Euphor- bien, aus umgebildeten Knospen, Blättern und Blattrippen entftanden zu fein. FJ 2, -— — — Mexiko's (Cereus giganteus). 236 Dornen und Stadeln. Sie entjpringen auf ven Dlattfiffen, die fein Gewächs in Diefem Grade aus- gebildet bejist. Es laſſen ſich drei Formen ver Kakteenſtacheln unterjchei- den. Zunächſt wird aus biegjamen, einfachen Härchen ein flaches, weiches Kiffen gebildet. Aus diefem entjpringt ein Bündel längerer, dünnerer Stadheln, die von oben bis unten mit rückwärts gerichteten Wiverhafen beſetzt, äußerſt dünn und fpröde find und durd) die Leichtigkeit, mit der fie abbredhen, jeve unvorfihtige Annäherung gefährlich machen. Sie verurfahen, wenn fie bei Berührung in die Haut eingedrungen find, ein unerträgliches Jucken und zu— fett eine leichte Entzündung. Bejonders zeichnet fit) Opuntia ferox durch ihre Stadheln aus; fie hat daher ihren Namen „vie wilve‘ erhalten. Erſt aus diefen Haaren und Stacheln ragen die langen und großen Dornen ber- vor, deren Anzahl und Form die beiten Kennzeichen zur Beftimmung der Arten abgeben. Die Stadheln erneuern ſich, den Blättern ähnlich, mehrmals aus einer Knospe. (Eine Kaktusblüte fiehe am Schluſſe diefes Abſchuitts.) Es giebt in Merxifo ganze unüberjehbar weite Flächen, die dicht von Kaktusgewächſen bedeckt find, und felten reitet der Neifende über eine jener Ebenen (Cardonales), ohne daß nicht die Füße der Pferde und Maulthiere auf das empfindlihfte von den Dpuntienftadheln verlegt würden. Den ſechs— jeitigen Säulenfaftus (Cereus hexagonus) pflanzt man in Merifo als Schut- mittel um die Felder und Gärten, andere Kaftusarten vertreten in der Um— gebung der füdamerifanifhen Feſtungen die Stelle der Pallifaden, Fußangeln und ſpaniſchen Reiter. Der Reiſende Boſch entwirft eine lebhafte Schilve- rung eines foldhen riefigen Diftelmaldes auf der Infel Bonaire bei Curacao, der aus ſäulenförmigen Arten gebilvet war. „Es hat etwas furdhterregendes“, jagt er, „wenn man diefe Stämme von der Höhe mittelmäßiger Pappeln und Yinden, mit vielen Armen von 15—20 Fuß Länge und in regelmäßigen Reihen ganz mit langen und fcharfen Dornen bejegt, in die Luft ragen fieht. Der Oftwind pfeift und ziſcht unaufhörlich durch diefen Wald und das wilde und rauhe Gekreiſche ver Papageien, die fich in demſelben aufhalten, madıt die Scene noch unheimlicher. Dieje Bügel, welche man hier in Haufen bei einander findet, haben in dieſem Kaftuswalde einen fihern Aufenthalt, denn ver Menſch nähert ſich nicht gern demfelben, und felbft auf dem Wege reitend muß man mitunter befürchten, daß ein vom Winde hin und her gepeitjchter Aft abbreden und fallen wird. Kälber, welche um die Mittagszeit den Schat- ten der Kaktusbäume juchen, jollen Schon durch ſolche herunterfallende Arme getödtet worden fein. Wenn man die Stadyeln in die Haut befommt, fcheint es, daß fie ſich tiefer ind Fleiſch einbohren. Sie verurfahen einen heftigen Schmerz, als ch fie Gift enthielten, und wenn ihre Anzahl groß ift, hat die Verwundung meiftens ein Fieber zur Folge.“ Auf den Bergebenen Merxifo’s wechjeln mit den Kafteenfluren an ſan— digen und fteinigen Lokalen die fogenannten Mezquito-Waldungen. Dieje bejtehen aus einem dornigen Geftrüpp, vorzugsmeife aus Mimofenarten ge- bildet, deren Fleine gefieverte Blätthen nur eine furze Zeit im Jahre Algaroba. Salzceder. Palmen. 23T vorhanden find. Während der regenlofen Zeit, die hier die bet weiten Längfte ift, ftarren dem Wanderer nur die fingerlangen Dornen entgegen. Borzugs- weiſe ift der drüfige Algaroba-Straud (Algaroba. glandulosa) hier vor- herrfchend. Außer den Mimojengefträuchen find hier auch zahlreiche Ge- ſträuche mit Dornen verfehen, die zu den Rhamneen, zu Zanthoxylon, Ca- stela, Berberis (trifoliata) und. den Roſengewächſen gehören. Das troftlofe Mezquito-Geftrüpp gewährt feinen Schatten, feine Labung, — nur der Klapper- ihlange und dem Cuyoten, dent wilde® Hunde, eine Zuflucht. Auch in ven Salzſteppen, welche fid) im heißen Amerifa mehrfach finden, find Dornenpflanzen vorhanden. Sie gehören meiſtens den Meldengewächſen an und unter ihnen ift die Salzceder die auffallendfte. Sie ift ein mannshoher, vieläftiger Straud mit fparrig abftehenden Zweigen und dunfelgrünem faftigen Yaube. Wenn man bei einer Schilderung der tropischen Waldungen der Palmen gedacht findet, fo pflegt der Lefer gewöhnlich diefe Könige der Pflanzenwelt mit einem behaglihen Gefühl zu begrüßen. Da wo fie herrſchen, wo ihre Ihlanfen Säulenſtämme die Shöngefieverten Blattkronen wiegen, denkt er ſich den Wald meift in feiner höchſten Vollendung, majeſtätiſch und herrlich, frei von den bisher aufgezählten Uebelftänden des Gewächsreichs, höchitens durch die Myriaden der Stechfliegen, durch Schlangen und anderes Gethier ge= führdet. Allen an Ort und Stelle zeigen ſelbſt zahlreiche Glieder dieſer fürftlihen Gewächfe unangenehme Anhängjel, fo daß fie in den Waldungen Benezuela’s, Brafiliens u. ſ. w. die Rolle der Wegelagerer übernommen haben, welche anderwärts die Afazien, Rhamneen, Kafteen u. f. w. fpielen. In den Waldungen Benezuela’s ift es befonders Bactris setosa, eine über und über mit Stacheln bevedte Palme, melde der Wanderer zu fürchten hat. Nicht allein, daß er gar leicht mit den Stacheln der weit ausgebreiteten Blätter in Berührung fommt, fait gefährlicher noch werden ihm die zahlreich zerftreut umliegenden trodenen Wedel und Blütenfcheiden durch ihre Bewaff— nung. Die Stiche der leisten ſchmerzen empfindlich, dringen bei ihrer Fein— heit tief ins Fleiſch ein, breden bei ihrer Spröpigfeit jehr leicht ab umd rufen ſtets eiternde, fchmerzhafte Wunden hervor. Die Bupunha-Palme (Guilielma speciosa), welche manden Indianerhorden des Amazonenftronm- gebietes in ihren vothgelben mehlreichen Früchten das tägliche Brot liefert und diejelben in der Krone 50—60 Fuß hoch über dem Boden trägt, macht es den Söhnen der Wildnig durch einen gewaltigen Stachelpanzer jchwer- genug, die erwünſchte Speife zu erlangen. Am Stamm ftehen in regelmäßigen Ringen von unten bis oben ſcharfe Stacheln von bedeutender Härte, die es jelbit den gewandten Affen unmögli machen, hinauf zu gelangen. Der Indianer fertigt fih Latten aus den Stämmen der früher bejprochenen Pa— ſchiuba und bindet diefe zwifhen den Stämmen der nahe beifammen ftehen- den Pupunha fe. So ftellt er eine Yeiter dar, auf welcher er jo hoch hinauf klimmt, daß er die Früdte mit einem Hafenftod erreichen fan. Sehr jtadhlig find die meiften Arten der Gattung Astrocaryum, bejonders die 238 Dornen und Stadeln. Tucuma (A. Tucuma). Der niedere Stamm ift rings von fußlangen, ſchwarz— gefärbten, ſcharfen Dornen umftarıt. ine gleihe Bewaffnung tragen die Dlattftiele, Blütenkolben und Sceiden, ja jelbft die Früchte haben eine Stahelhaut. Die längern Dornen dienen der Indianerin als Nadeln, dem Jäger ver Wildniß zu Pfeiljpigen, die er aus dem Blaferohr ſchießt. Wir würden ermüden, wollten wir alle fonftigen Palmen nod aufzählen, die eine Dornenbewaffnung tragen; wir, erinnern nur noch am die fagohalti- gen Palmen Ajiens und erwähnen, Ri; vorzugsweife aud jene Rohrpalmen eine ſolche Zugabe befiten, welche ſich durch dieſe natürlihen Hafen an den benachbarten Gebüfchen und Bäumen fejthalten. Wir werden auf jie bei den Kletter- und Schlingpflanzen nochmals zurüdfommen. Auf den Step- pen von Buenos Ayres hat fi) eine europäiſche Diftelart (Cynara Cardun- eulus) in jolher Menge angefievelt, daß fie auf weite Streden hin die ur- ſprünglich einheimifchen Pflanzen jenes Gebietes verdrängt hat. Sie bilvet mit ihrem dichten Stachelbeſatz hohe Didkichte in einer Ausdehnung von meh- veren Quadratmeilen, die für Menjchen und Thiere völlig undurchdringlich find. Der Freund von vergleihenden Naturbetradytungen würde bei einer wei— teren Rundſchau im Reich des Erjchaffenen vielfach Berwandtes finden, Das fih an die Dornengebilde des Pflanzenreichs anreiht. Das Heer der ftummen Fiſche, vielfahe Schneden und Mufchelarten tragen Dornen, die ihnen theils zur Bertheidigung dienen, theils einen Formenreihthum entwideln, vefjen teleologifhe Bedeutung wir vergebens zu enträthfeln verſuchen. Eidechſen, Bügel und Säugethiere zeigen dergleihen ebenfalls und, wenn wir die Dor- nen der Obftbäume nur im Auge behalten, die ſich als verfiimmerte Zweige in günftigen Berhältniffen zu Fruchtzweigen ausbilden, fo würde der Pädagog in den Dornen der Pflanzen ſelbſt ein Gleichniß vieler Fehler und unan- genehmer Eigenſchaften feiner Zöglinge finden, die fid) bei gehöriger Behand- fung und Pflege zu nutbaren Trieben geftalten lafien. 2/ Iyır TRH Ende des erften Bandes. Druck von F. N. Brofhaus in Leipzig. Berlag von Otto Spamer in Leipzig. Das Buch der Reifen und Entdeckungen. Mie vielen Hundert Iluftrationen, Tonbildern u. f. w. Amerika: Erſter Band. | ante der Uord ol- ahrer Arktiihe Fahrten und Entdedungen der p + zweiten Grinnell- Erpedition zur Auf— juhung Sir John Frauklin's in den Jahren 1853, 1854 und 1855 unter Dr. Eliſha Kent Kane Mit über 120 in den Tert gedrudten Abbildungen nah Zeichnungen des Berfaffers, acht Tondrudtafeln und einer Karte der Nordpolländer, mit den Ent- dedungen Kanes. Dritte Auflage, Vollſtändig in jehs Heften. Für die Subferibenten auf das „Buch der Reiſen“ a 5 Sgr. Separat- Ausgabe: In einem Bande eleg. brodirt 1Y, Thlr. — Diejelbe in englijchem, reich vergoldeten Einbande 1%, Thlr. Mehr als alle Anpreifungen zeugt für den Werth und die Beliebtheit viefes Buches, das in faum anderthalb Jahren zwei Auflagen von zehntaufend Eremplaren vergriffen wurden: ein in der Geihichte des Buchhandels feltener Erfolg. Amerika: Zweiter Band. ie Sranklin- Expedition und ihr Ausgang. 3 [| p 9 g. der nord- weitlichen Durchfahrt dur Mac Clure und Auffindung der Meberrefte von Franflin’s Expedition dur Kapitän Str Mllintok, R. N. L. — Mit vielen in den Tert ge- druckten Abbildungen, Tonbildern, einer Karte ꝛc. Vollſtändig in 6 Heften. Für die Subferibenten auf das „Buch der Reiſen“ aA5 Sur. Separat- Ausgabe: In einem Bande eleg. broch. 1% Thlr. — Diejelbe in eleg. engl. Einband 1°, Thlr. Afrika: Erfter Band. iningstone der Missionär. nen ll Afrika's. Im Schilderungen der befannteften älteren und neueren Reiſen, insbefondere der großen Entdedungen im jüdlihen Afrifa während der Jahre 1840 bis 1856 durch Dr. David Livingſtone. Zweite Auflage Mit 92 in den Tert gedrudten Abbildungen, acht Tondruck— tafeln und einer Meberfichtsfarte des ſüdlichen Afrika. Vollſtändig in jehs Heften. Für Die Abnehmer des „Buchs der Reifen‘ a 5 Sgr. Separat- Ausgabe: In einem Bande eleg. brod. 1%, Thlr. — Diejelbe in engliſchem, reich vergoldeten Einbande 1%, Thlr. Was begeifterte Liebe zur Menfchheit im Bunde mit unermüdlicher Ausdauer und männlich Führer Ent- ıhloffenheit vermag, das beweiit der britiiche NReifende und Mifjionär Dr. Livingftone. Allein, ohne Mittel, ohne ſchützendes Geleit hat er Größeres vollbracht als die Fojtipieligiten und beftausgerüfteten Erveditionen. Zaufende von Meilen bisher unzugänglid und unbewohnbar geglaubten Landes erichließt er der wifjen- Ichaftlihen Kenntniß und einer zufünftigen Kultur; von einer neuen höchſt intereffanten Thier- und Pflan— zenwelt zieht er den bergenden Vorhang hinweg; große, Meere verbindende Ströme entdeckt und verfolgt er in ihrem Laufe; zu Völkerſtämmen endlich, deren Geiltespunfel bisher fein Strahl von oben erhellte, trägt er den erſten ahnenden Dämmerſchein von des Weltenſchöpfers allumfaffender Liebe. Wir bitten diefen Band nicht mit dem theuren Ueberjegungsproduft (ed Eoftet 51/, Thlr.) im Verlage von 9. Eojtenoble in Leipzig zu verwechſeln. Unfer Werk zeichnet fich durch Gediegenheit der Bearbei- — Gedrängtheit des Inhalts, beiſpiellos billigen Preis, neben vorzüglicher Ausſtattung, vor jenem Mach— werke aus. Afrika: Zweiter Band. Eduard Vogel, der Aftika-Keiſende. de Dr. E. Vogelin Central-Nfrifa: in der großen Wüfte, in den Ländern des Sudan, am Tſad u. ſ. w. Nebft einem Lebensabriß des Reiſenden. Nach den Originalquellen bearbeitet von Hermann Wagner, Mit 100 in den Tert gedrudten Abbildungen, acht Tondrudtafeln und einer Karte von Vogel's Reiſeroute. Zweite durchgejehene Auflage. Bollitändig in ſechs Heften, Für die Subjeri- benten auf das „Buch der Reiſen“ & 5 Sgr. Scparat- Ausgabe: In einem Bande eleg. brod. 1%, Thlr. — Diefelbe in eleg. engliſchem, reich vergoldeten Einbande 17, Thlr. Im vorftehenden Bande geben wir den Lejern zunäcit eine Furze Ueberjicht aller bisherigen nad) dem Sudan gerichteten Exrveditionen, ſoweit diejelbe zum Verſtändniß der Vogel’ichen Reifen dienen fann, und begleiten dann im Geifte unfern muthigen jungen Landsmann auf feinem gefabrvollen Ritt durd) die große afrifaniihe Müfte, wodurd wir ein neues, von den bis jetzt gebräuchlihen Vorftellungen völlig abweichen— des Bild der Sahara erhalten. Endlich folgen wir dem Neifenden auf feinen zahlreichen Zügen im Sudan: an den Ufern des Tſad-Sees, nad Mußgo und dem See von Tubori, nad) Mandara, Sinder, Jafoba und nach den Ufern de3 Benue. Aften: Erſter Band, ie i on- n rer oder das wiedererichlofiene Japan. In Schilderun- pp gen der bekannteſten älteren und neueren Reiſen, ins— bejondere der amerifanifchen Erpedition unter Führung des Commodore U. C. Perry in den Sahren 1852 bis 1854. Mit Benutzung des großen amerifanifhen Pracht— werfes ‚‚Narrative of the Expedition to the China Seas and Japan under the Command of Commodore M. C. Perry, U. St. N.“ Bearbeitet von Friedrid) Steger und Hermann Wagner, Mit 140 in den Tert gedrudten Abbildungen, acht Ton— drucktafeln, ſowie einer Karte von Japan. Vollſtändig in 8 Heften, Für die Subferibenten auf das „Buch der Reifen’ a 5 Sgr. Separat- Ausgabe: In einem Bande eleg. broch. 1% Thlr. — Diefelbe in eleg. reich vergoldetem Einband 1%, Thlr. Wir alanben in dem oben angezeigten vierten Bande unferer „Reiſebibliothek“ in geeisneter Weiſe unſern Leſern entgegen zu fommen, wenn wir ihnen über Japan, dieſes fo höchſt bedentungsvolle Land und Volk ebenio reiche als interefiante und eingehende Belehrungen bieten und alles Das zufammenfaifen, was durch die verfchiedenen Erpeditionen der Neuzeit, insbeiondere durch jene unter Führung des Commodore Perry befannt geworden it. Sn Borbereitung befindet ji: Amerika: Dritter Band, Charles remont, der Erforfcher des nordamerikaniſchen Binnenlandes. Keijebilder und Schilderungen aus dem wilden Weften, den Feljengebirgen, Dregon, Kalifornien, aus Texas, Neu-Merifo, Sonora und Chihuahua, mit Benußung der Reijewerfe von Charles Sremont, Catlin, Whipple, Bartlett, Möllyaufen 20. Herausgegeben von Dr. A. Berghaus, Zwei Bände. Mit vielen in den Tert gedructen Abbildungen, Tondrudbildern, einer Karte 2c. Erjheint in etwa 12 Lieferungen zum Subjceriptionspreis von 5 Sgr. CZ Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. X Maleriſche Botanik. Schilderimgen aus dem Leben der Gewächſe. Dopuläre Vorträge über phyfiologiihe und angewandte PBflanzenfunde von Hermann Wagner. Zweiter Band. Mit 270 in den Text gedruckten Abbildungen und mebreren Tonbildern, Leipzig. Verlag von Otto Spamer. 1861. Maleriſche Botanik. Inhalt des zweiten Bandes, XII. Schlingen und Banken. > GSinheimifche Schlinggewächfe. — Lianen der amerifanifchen Tropenwälder. — Anatomie der Schlingftengel. — Benutzung der Cipös. — Kletterpalmen. — Vertheilung der Lianen auf Sava nach ver abfoluten Höhe. — Lianenbrücke. — Aſiatiſche Schlingpflangen. — Lauben- WR a aa a a ee en ea XIV. PMlanzenfafern und Saferpflanzen. Beveutung der Faferpflanzen. — Baftgewebe — Slechtarbeiten. — Panamahüte. — Baum— baft. — Papiermaulbeere. — Matten. — Palmenfajern. — Agavenfafer. — Neffelpflanzen. — Leinpflanzen. — Kokosfafer. — Zwergpalme. — Tillandfie. — Manilahanf. — Malvengewächfe. — ABEND BE Er EN en a RT TE XV. Pflanzenmilh, Gummi und Harze. Milchpflanzen. — Kubbaum. — Hyasdya. — Soma. — Wolfsmilh. — Phyfiologifches. — Kautjchuf. — Gutta-Pertfcha. — Gummifchleim. — Traganth. — Akazien. — Harze. — Terpenthin. — Ladanum. — Weihrauch. — Manna. — Gummilack. — Drashenblut. — Bal- fame. — Aſſa fötida. — Ammoniafgummi. — Sylphium. — Korf..........2 2.2.2.2... XVI. Das Blatt und fein Leben. Gntfalten des Laubes. — Blattentwifelung. — Blattlofe Pflanzen. — Blattformen: ein- fache und zufammengefegte Blätter. — Körperblätter. — Laubblätter. — Nadeln. — Leder— bfätter. — Immergrünes Laub. — Größte Blätter. — Wahsthum des Victoria regia-Blattes. — Anatomie des Blattes. — Phyllodien. — Blattknospen. — Knospenfchupven. — Blatt- ftellung. — Schattenpflanzen. — Blätter’ als Wafferbehälter. — Wanderers Baum. — Wei- nender Baum. — Walvraufihen. — Laubfall.. . nennen nn XVII. Das Blatt als Ernährer. Luftpflanzen. — Wafferaufnahme. — Verdunftung. — Licht. — Das Blatt ald Ernäh— rungsorgan. — Krankheiten ver Blätter. — Hunigthau. — Mehlthau. — Blattinjeften. — Andere Blattfrejfer. — Wandelnde Blätter, — Futterfräuter. — Gemüfe Europa’s, Afiens. — Rheum nobile. — Gemüſe Südaſiens, Amerifa’s, Afrika’s, Neuhollands. — Palmenkohl. — Gomprimirte Gemüfe. — Blattpflanzen. — Krugblatt. — Gitterpflanze. — Empfindſame Pflanzen. — Mimofen. — Wanpelflee. — Sliegenfalle. — Bflanzenfchlaf. — Dseillarien, Sruftulien, Schwärmfporen. — Kompaßpflanze. — Sturmpflanze.. . . . . . .. . . . . . nen. XVII. Färbepflanzen und Gerbepflanzen. Winterexcurſion auf Disko. — Chlorophyll. — Xanthophyll. — Herbſtfärbung. — Land— ſchaftsfärbungen. — Safflor. — Safran. — Färbepflanzen. — Pflanzenfarben: gelb, roth: Krapp. Braſilienholz, Fernambukholz. Orlean. — Blau: Indigo. Waid. Braune und ſchwarze Seite 17 — —— 61 82 Farben. — Gerbepflanzen. — Lohrinden. Sumach. Galläpfel. — Leuchtende Pflanzen. 105 IV Inhalt des zweiten Bandes. XIX. Der Blumen Sau und Pflege. * Seite Zweck ver Blüte, — Theile ver Blüte. — Metamorphofe des Blattes. — Der Kelch. — Die Samenfnospe. — Fruchtblätter. — Stempel. — Staubgefäße. — Linne's Syftem. — Gnt- wicelung ver Blütentheile. — Die Blumenfrone. — DBlütenformen. — Berfümmerungen. — Blütenftände. — Riefenblumen. — Lieblingsblumen. — Blumen ver Gärten und Zimmer. — WBärmeentwidkelung der Blumen... ha Su a ne De ——— 122 XX. Honig, Zucker und Wads. Honig. — Weivenblüten. — Eifenhut. — Niefwurz. — Neftarinen. — Bollenförner. — Uebertragung derfelben. — Honiginſekten. — Honigvögel. — Honigbär. — Honigzuder. — Zuckerrohr. — Rübenzucker. — Ahornzuder. — Palmenzuder. — Kokospalme. — Gomuti- palme. — Jubäa. — Dattelpalme. — Andere Zuferarten. — Süfbolzftrauh. — Wachs; vegetabilifches in China, Japan. — Wachsbeeren. — Wahspalmen. — Balanophoren...... 149 XXI Oel- und Seifenlieferanten. Delbaum. — Afrifanifches Palmenöl. — Fette Dele — Speife- und Brennöle. — Europäifche Delpflanzen. Rüböl.— Buchenöl. Leinöl u. f. w. — Miatifche Dele. — Kamellie. Sefam, Talgbaum, Rieinus u. a. — Afrikanijche Dele. Schibutter. Cronpi-Del. Erdnuß. — Kokosöl. — Amerifanifche Delpalmen. — Cohune. — Phyfiologifche Bedeutung der Dele. Aetherifche Oele. — Uebelviechende Gewächfe. Angenehmviechenve Pflanzen, einheimiiche, ein- geführte. Geruchstäufchungen. Thee-Parfüm. — Die Wohlgerüche anderer Länder und früherer Bölfer. — Parfümerie ver Gegenwart. — Wohlriechende Hölzer, Rinden, Blätter, Blüten. — Herftelluug der Parfümerien. — Roſenöl. — Künftliche Parfümirung lebender Blumen. — Künftliche Woplgerüche. — Seifenpflangen.... onen mann. 166 XXI. Frucht und Samen. Pflanzengefchlechter. — Gefchlehtliche Fortpflanzung ver Kryptogamen und Phanerogamen. — Baftarde. — Parthenogenefis. — Samenftand — Sruchtbildung. — Verbreitung der Sa— men. +7, 9a8 Keimen. — Neu iiel... .. . . .. - 2... 2. 02 00 A 186 XXI. Obfl und Getreide. Einheimifche Obftforten. — Anatomie verielben. — Kernobft, Steinobft. — Beeren. — Drangen. — Scheinbeeren. — Aufammengefeste Beeren. — Nüffe. — Obſtbau in Deutfchlann, Nordamerifa, Kalifornien. — Einheimifche wilde Beeren. — Beeren des Nordens. — Süpfrüchte. Korinthen. Kürbisfrüchte. Südliche Nüſſe. — Tropifche Obftjorten. — Getreide. Reis, Mais, Weizen, andere Getreivearten. — Hülſenfrüchte.... 206 XXIV. Sauberkräuter, Arzneien und Gewürze. Zauberfräuter: Alraun. Beſchreikräuter. Alte Urzneipflanzen. Herenfalbe. Stech— apfel. — Signaturen. — Mithrivat und Theriak. — Neuere Medizin. — Alfaloive. — Nar- fotifche Mittel: Opium. Hadſchiſch. Zeitlofe. Nießwurz. Fingerhut. Tabak. Schierling. — Pfeil- gifte: Strychnos. Upas Radja, U. Antjar. Curare. Schlangenmittel. Cedron. Fifchbetäubende Pflanzen. — Thanghina. Blauſäure. Pfirſich. Neſſelgifte. Sumach. Manſchinelle. — Scharfe Gifte: Euphorbie. Seidelbaſt. — Purgir- und Brechmittel. — Tonika und bittere, Mittel. — Chinin. — Gewürzhafte Arzneien. — Wurmmittel. — Gewürzpflanzen: Küchengewürze der Römer. — Karl's des Großen Arznei- und Gewürzgarten. — Gewürze des Handels. — Spirituoſa. — Kaumittel. — Betel. — Kat. — Kofa. — Aufgußgetränfe. Mate. Chinefifcher Thee. Kaffee. Guru Dodoa. Chokolade.. kennen 227 Die hierzu gehörigen Tonbilder find in nachftehender Weise einzubeften: Die Vietorin vegia In ihrer Deimat........... So 73 Des Wanderers Baum (DrABIn Bpeciosa).......... . A 19 Balvpartie in Kauavaln 2m ....,....... 272% ARE RE 2% 108 Malerische Botanik. Zmeiter Band. Wagner, Mal. Botmif. II. Bd. Oſtindiſche Schlinggewächſe. Schlingen und Ranken. Einheimiſche Schlinggewächſe. — Lianen der amerika— niſchen Tropenwälder. — Anatomie der Schlingftengel. — Benugung der Cipos. — Ketterpalmen. — Vertheilung der Lianen auf Java nad) der abjoluten Höhe. Lianenbrüde. — Aſiatiſche Schlingpflanzen. — Laubenpflanzen. Ic ſah in diefeit windenden Lianen, e In allem Sclangenfampfe des Spiralen Nur den — mit Idealen Durch Naht zum Licht empor — den Weg der Dichter! A. Thieme. n den Dftabhängen der ſüdamerikaniſchen Cordilleren führen Pfade 95) herab, jo halsbredhend, jo ausgefucht abentenerlicy, daß nur jene Stege mit ihnen wetteifern fünnen, auf welchen in den obern Kegionen des Hima- laya die heiligen Pilger wandern, vie in den gefeierten Quellen der Ganga Vergebung der Sünden, oder an den Feljenzaden ihren Tod fuchen. Nicht genug, daß der äußerſt jchmale Weg, an dem nur .‚begünftigte Stellen ein Ausweihen zweier Maulthiere gejtatten, ſchroff hinab und fteil hinauf fteigt, linfs die jenfrechte Felswand, rechts den Dunkeln Abgrund, es finden fich auch noch, um die Gleihförmigfeit der Gefahr zu unterbrechen, als befondere Würze Glanzpunfte, die dem Neuling viel eher Paffagen ins „Jenſeits“ pünfen als irdiſche Straßen. Eine jähe Schlucht Hafft dem Wanderer entgegen, tojend brauft drunten der Bergſtrom, mit weißem Giſcht gekrönt, beide Wände der Gebirgsfpalte fallen Iothredht ab oder hängen nod über, und von einem Kande zum andern 1* 4 | Schlingen und Ranken. führt eine Hängebrüde, jo einfach, daß die Sletterfünfte einer Spinne dazu nöthig fcheinen, um hinüber zu fommen. Ein Baumftummel oder ein Feljen- ſtück bilden die Befeftigungspunfte, wenige tauähnliche Linnenranfen find hinüber gefpannt und loſe durch Flechtwerf zu einem Pfade verbunden, ja in manden Fällen reduzirt fid) der ganze Weg auf ein einziges Seil, an welchem fid) der Wanderer durch einen Gurt fejtfchnallt, um, wie ein Mai— füfer am Bindfaden hinüber zu Flettern. Bis zur Mitte des Hängefeils geht dies noch leivlich, um fo befhwerlicher aber wird die lette auffteigende Strede. Das Leben des Menjchen hängt hier buchſtäblich an einem Faden, und ver Keifende hat Veranlafjung genug, über ein foldyes Naturfeil ſelbſt und deſſen Haltbarkeit nachzudenken. Die Tropenländer aller Kontinente find reich an Gewächſen, deren lange, zähe Stengel dergleichen Stränge bilden. Die meiften der fogenannten Ur- wälder find überall durchwebt von Yianen, Cipos oder wie jonft diefe Schling-. gewächle in den werjchievenen Mundarten genannt werden. Cie verjperren in denfelben oft genug den Weg ebenfo hartnädig, wie fie im Gebirge ihn bilden müſſen. Uns, die wir gewöhnt find, in fühlen Buchen- And Eichenhainen, in harzduftenden Fichten- und Kieferwäldern zu luſtwandeln, in denen nur etwa ein Brombeergebüſch oder eine junger Tannennachwuchs etwas Schwierigkeiten verurfacht, wird es nicht leicht, eine deutliche Borftellung von den Hinder- niffen zu gewinnen, die ein Tropenwald dem Eindringenden entgegenjebt. Wenn e8 wahr ift, daß das ganze Heer der Gewächſe, das ſchätzereiche Hei- ligthum der Wälder in heißen Zonen, nur für den Herrn der Erde gejchaffen ift, jo hat die Natur es dem Habſüchtigen wenigſtens ſchwer genug gemacht, von feinem Eigenthum Befi zu ergreifen. Ein neuer Weg durch den-Lrmald ift nicht viel leichter zu gewinnen als eine feindliche Feſtung, Elephanten und Nashorne find nicht felten die erften Pfadfinder, deren Spuren der Menſch nachwandelt. | In unfern Waldungen treffen wir äußerſt wenig Yianen und zwar meift nur am Rande. Der zarte Windenfnöterih ſchlingt fih am Buſche empor, wilder Hopfen ranft darüber hinweg und die Waldrebe überfpinnt mit weißer Blütentraube oder den federartigen Fruchtſchöpfen den Strand. An feuchten Stellen gejellt fid) aud) wol die großblumige Zaunwinde dazır,: während ihre nahe Berwandte, die Acderwinde, in Gemeinfchaft mit feinblättrigen Erven fi) an die Halme des Getreidefeldes klammert. Alle diefe Gewächſe ver- mögen nicht, auf eigenen Füßen zu ftehen, fie bedürfen der Stüßen, fie bilden in ihrer Entwidelungsweife einen Gegenſatz zu den felbftändigen ftarfen Pflanzen, deren Stengel oder Holzjtamm dem tofenden Sturmwind trotzt. Sind letztere ein Gleichniß energifcher Charaktere, die ſich durch ſich ſelbſt un— vefhütterlich halten trotz aller feindlichen Gewalten des. Lebens, jo erjcheinen die erftern, wie fie bei uns in beſcheidener Weiſe auftreten, als Abbild der chwächern, weiblihen Gemüther, die fi, anſchmiegend an das ftarfe Anotomie der Schlingftengel. 5 Geſchlecht, des gewährten Schußes erfreuen und durch Blütenfhmud und Blatt- fülle die erfahrene Hülfe danken. Bei einigen diefer unjelbftändigen Pflanzen windet fid) der dünne Stengel um die fid) darbietende Stübe in regelmäßigen Spiralen und befchreibt dabei gleichzeitig eine Drehung um feine eigene Ace. Ob die Windung links oder rechts zu nennen, beftimmt der. Forfcher in der Weife, daß er ſich die windende Pflanze als Treppe denkt, welche um eine Spindel hinaufführt. Würde er beim Hinaufgehen die legtere zur Linken haben, jo wäre ver Stengel links windend, im entgegengejetten Falle vechts windend. Die meiften unferer Schlingpflanzen drehen fi) links, 3. DB. die gewöhnliche Bohne, wie ja aud) in den Holzfafern der Baumſtämme jene Richtung die vorherrfchende bei uns ift. Hopfen und Windenfnöteric) winden ſich rechts. Beim Bitterfüß (Sola- num dulcamare) wechjelt die Drehung nicht felten an derſelben Pflanze von rechts nach links und umgekehrt. Das Anfchmiegen ver Windengewächſe hat etwas eigenthümlich Geheimnißvolles und Näthjelhaftes. Es muthet den Menjchen, der gar zu gern aud die bewußtlofe Pflanze mit menfchlichen Fähigkeiten ausſchmückt, an, als habe die zarte Pflanze Gefühl, ſehne ſich nad) einem Gefährten und fchmiege fi, von einer Art Wahlverwandtichaft gezogen, innig an denfelben. Doch auch dem Forfcher bieten die Schling- pflanzen noch mancherlei Räthſelhaftes. Die Anatomie der Stengel bietet nichts, was einen Sclüffel gewährte, dies abweichende Wadhsthum zu er- klären; nur fcheint es, daß die Zellen der jüngften Gebilde jene Fähigkeit, ſich anzufchmiegen, ausſchließlich befisen und aud) nur dann, wenn die Schling- pflanze felbft einen gewiljen Grad ihrer Entwidelung erreicht hat und fie jelbft zart und vollfaftig find. Der unterfte Theil des Hopfenftengels befitt faft einen Fuß lang feine Windung, und wenn ev auf fteinigem, dürren Boden erwachfen ift, fo fehlt ihm bei der danır eintretenden trocknen Bejchaffenheit jene Fähigkeit faft ganzlih. Bei Winden verhält es fi ähnlich. Daß das Licht nicht die Urfache ift, welche das Drehen des Stengels hervorruft, geht daraus hervor, daß letzteres jelbft dann ftattfindet, wenn die Pflanze an einen dunfeln Ort geftellt wird. Sobald den Winden ein nur dünner Faden als Haltpunft geboten wird, vollenden fie im Laufe eines Tages vier bis ſechs Umläufe. Brewer in Wafhingten glaubt neuerdings einen Hauptfaktor hier- bei in der Wärme entvedt zu haben. - Es fiel ihm auf, daß beim Hopfen die jungen Spiten der Stengel an warmen Tagen aufrecht zu ftehen pflegen, und daß fie nur an falten Tagen oder zur Nachtzeit fi) um den ‘Pfahl drehen. Er ftellte Berfuche mit der Lima-Bohne (Phaseolus lunatus) und mit der rothen Winde (Convolvulus purpureus) an und hielt Pflanzen derfelben während des Tags in einem gleihmäßig erwärmten Zimmer, zur Nachtzeit in einem fühlen. Ex bot denfelben Glasröhren zum Umrollen, von denen die einen mit warmem Waffer, die andern mit faltem gefüllt waren. Unter 52 Fällen wählten 36 mal die Winden die warme Nöhre, in 14 Fällen jchienen fie feinen Unterfchied zu machen und nur in zwei Fällen rollten fie fi) um die 6 Schlingen und Ranken. „ falten Röhren, und zwar fand leßtere8 bezeichnend genug während fehr warmer Nächte ftatt. Die Wärme, welche die Stäbe bei Nacht abgeben, ſcheint alfo hierbei nicht ohme Bedeutung zu fein. Erbſen und Widen, die aud nicht auf eigenen Fügen zu ftehen vermögen, bilden die äußerſten DBlatt- paare ihrer gefiederten Blätter zu Widelranfen um, mit denen fie fic) feft- halten. Der Wein und fein amerifanifcher Better, der fogenannte „wilde Wein‘ (Ampelopsis), den wir als Laubenbekleivung häufig ziehen, helfen ſich auf diefelbe Weife. Beim Wein breiten ſich die Nanfen glei Krallen aus und halten ſich oft nur durd) hafenfürmige Krümmungen der Spiten feſt. Nach der Anſchauungsweiſe mander Forſcher möchte es fcheinen, als ob die Kanfen des Weinftods die umgewandelte Hauptare der Pflanze jeien und fi) die Nebenfnospen jedesmal zum folgenden Glied des Stammes entwidelten. Die Kante fteht an dem Knoten ftet8 einem Dlatte gegen- über. Die hand- fürmig zextheil- ten Ranfen des wilden Weins tragen an ihren Spitzen flei- ſchige Anjchwel- lungen, mit de— nen fie fid), wie der Laubfroſch mit feinen Zehen, an andern Ge— genftänden, jelbft an glatten Steinwänden feftheften fünnen. Die vorhin ge- nannte Waldrebe wickelt die Dlattftiele um die fi) darbietenden Stüßen. Die legtern Gewächſe find ausdauernd, die Mehrzahl der vorhin angeführten da- gegen find nur einjährige ſchwachere Kräuter. | Die in den Gärten gepflegte Kapuzinerfreffe (Tropaeolum) biegt Stengel und Blattſtiele vielfah hin und her und gibt ung ein Beifpiel einer Achten Kletterpflanze. Auch bei den Ranken wechſelt die Drehung nicht felten. Die an den Heden nicht jeltene Zaunrübe (Bryonia) bietet oft Beifpiele, daß an derjelben Spirale die Windung plößlic von rechts nach links umfest. AS Laubenpflanze pflegen wir das windende Geisblatt mit feinen füß- duftenden Blüten. Einzeln treffen wir es wild im Buchenwald, in welchem es fih um jüngere Stämmden ſchlingt und, indem es fi) umſchnürend feft anlegt, die letztern felbft zu einem fpiraligen Wahsthum zwingt, bis ein ftrenger Winter fie von dem hemmenden Genofjen befreit. Im fünlihen Europa treten neue Schlinggewächſe zu den genannten. Blatt und Ranfe des Weins, Lianen Brafiliens. ' @ Gurken und Kürbiffe mit Kletterranfen werden häufiger, die griechiſche Schlinge (Periploca graeca), mit 'innen purpurbraunen, außen gelblichen ſammtenen Blüten, tritt auf gemeinfchaftlid mit dem Smilar, einem Verwandten ver früher beſprochenen Yammwurzel (Bd.1,S.79 u. 98), mit Hundswürgerarten (Cy- nanchum monspeliacum) und zahlreichen andern. Ein ganz verſchiedenes Bild gewähren die fehlingenden und ranfenden Lianen aber in den Wäldern Drafiliens. Der fundige Eingeborene, der ung zum Dickicht begleitet, verfieht ſich mit einem Iangftieligen Sichelmefjer als Waffe gegen die Pflanzenwelt. Hier erſcheinen die Schlingpflanzen durch ihre Ueberfülle nidyt mehr als Schmud und liebliche Zierde, ſondern als erdrüdende Laft und als widerwärtige Henmniffe. Neben ven jung aufjproffenden Bäumen wuchs die Liane anfänglid als ſelbſt— ftändige Pflanze empor, bald aber er- faßte ihr windender Stengel oder ihre Kanfe den jungen Baum in der Nähe und flammerte ſich an ihm fefl. So wie der Aſt des Baumes ficd) weiter ſtreckt, wird aud) die Liane entfernter von jeinem Stamme gerüdt, während jene ihrerſeits zahlreihe Zweige treibt, die entweder um benachbarte Aefte fi ranfen, zum entfernteren Daum fih wie ein ſchwankendes Seil hinüberziehen, oder jchlaff herabhän— gen. Der Wind fehleudert die langen Ihmwanfenden Faden zum Nachbar und lebendige Brüden fpannen fi über das Laubdach jener Waldungen in einer folhen Ausdehnung und Fülle aus, daß die wandernden Affenherven ed wirflih nicht nöthig haben, aus | \ ihren eigenen 2eibern und Schwänzen Montpellier'ſcher Hundswürger (Cynanchum Runftftraßen zu bilden, wie manche uonspehaunum. lebhaft ſchildernde Reiſende zu erzählen belieben. Die Infen Zweige der Schling- pflanzen hängen nicht felten gleich Kletterfeilen bis faft zum Boden herab. Neue Lianen klimmen an ihnen empor, wideln fid in ein Paar Spiralen hinauf, gehen dann vielleicht eine Strede gerade hin, treffen gelegentlid) einen andern hängenden Strang, klammern fid) an diefen wieder mit einigen Um- windungen feft und erreichen endlich, vielfach hin und her gewunden und ge- ſchlungen die Krone des gemeinfhaftlichen Trägers. Hierdurch verdichtet ſich 8 Schlingen und Ranken. das Gehänge mehr und mehr, fein Winterfroft zerjtört das einmal: Entftan- dene, neue und wieder neue Zweige weben die nod lichteren Stellen völlig zu und eine gewaltige Yaft hängt fid von allen Ceiten an den umgürteten Baum, der fid) mit dem Heere jeiner Schugverwandten mühſam nad oben ringt. „Durch ein ſolches Gewirre, jagt ein Augenzeuge, leitet fein euro- päiſcher Fuß; ftaunend fteht der Neifende vor dem Netz der Fäden, das ihn überall umgiebt und oft noch mit den derbiten Stadeln und Hafen bejest ift; er büßt feinen tollfühnen erſten Verſuch, hineinzudringen, jofort niit zer- riſſenen Kleidern, zerichundenen Händen, zerichlagenem Gefichte, jelbjt -blu- tender Naſe, wenn eine fchwingende Schlinge ihn gerade trifft, wie er, das Ganze erichütternd, durd) feinen ungeftümen Angriff, ſich hineindrängen will.‘ Eben jo jchwierig ift es, die Formenfülle wiſſenſchaftlich zu enträthjeln in der die Schlingpflanzen der Tropen auftreten. Unmöglih ift e8, einen jener Stränge herabzuziehen, um ſich feiner Blüten und Blätter zu bemäch— tigen, die er wielleicht Hoch oben in Baumgipfel trägt, während fein unterer größerer Theil ein fahles Seil darftellt. Nur wenn der Baum gefällt wird und ſammt allem Zubehör zur Erde ftürzt, wird ein Erkennen der einzelnen Formen ermöglicht. Die meiften Lienen Amerifa’s gehören den Familien der Hülfenfrüchte, Paffifloren, Bignoniaceen und Guttiferen an, nicht wenige tragen hübjchge- formte Blätter, viele herrliche Blüten. Bon den Paffionsblumen allein hat man gegen 300 Arten unterjchieden, von denen die einen weiß, bie andern roth in allen Schattivungen, bfau, over gefledt erjcheinen und von denen zahlveihe Arten Lieblinge unferer Gärtner geworden find. Brennend mennig- roth find gewöhnlich die Blumenbüfhel der Bignonien und Tecoma-Arten, aus denen vorzugsweiſe die Kolibris ihre ſüße Speije entnehmen. Sammten- vidlett erjcheinen die Glodenblumen der Miaurandien (Maurandia Barclaya); die weißlichen Blütentrauben der Paullinien (Paullinia pinnata) fallen zwar weniger in die Augen, defto angenehmer ericheint aber die Fülle ihrer gefie— derten Blätter. Andre Schlingen find mit Recht Gegenftände der Furcht. Die Ranken der Schildſäule (Gonolobus macrophylla) liefern ein, gefährliches Pfeilgift, Stengel und Blätter einiger Malpighien (Malpighia urens) tragen Brennhaare und die Blütentrauben der Juckerbſe (Dolichos pruriens, die Pi- fapifa der Brafilianer) find mit einer dichten Menge feiner Haare bejetst, die wegen ihrer Sprödigkeit bei der geringften Berührung abbrechen, einer Wolfe gleih auf den Unvorfichtigen herabſchweben und beim Eindringen in die Haut ein unausftehliches Juden erzeugen. Den Anatsmen bietet der Bau des Stengel der genannten Gewächſe manches jehr Intereffantee Schon in dem Holszftengel unferer Waldreben (Clematis Vitalba) fällt die Breite der Markſtrahlen auf, bei den Stimmen der mehrjährigen Ranken heiger Länder, die nicht felten Armsdicke erhalten, entwidelt ji das Holz mitunter in fonderbarfter Weife nur nad) einigen Seiten hin, während die Ninde in dien Yagen die Lücken ausfüllt. In den .* Benutzung der Lianen. Quila. 9 Stamm mander Bignonien ſcheint die Ninde deshalb in vier feilförmigen Partien tief einzudringen, ja bei Sapindaceen und Bouchinien erſcheint das Holz auf den Querfchnitt in verjchievene Gruppen gefondert, von Rinden— jubftanz umgeben, als fei der Stamm aus mehreren einzelnen Stämmen zu- jammengefest. Bei Aristolochia biloba verdiden fid) die. Rindenſchichten zu ftarfen Korklagen, die den Stengel geflügelt erfcheinen laſſen. In Mittel amerika, findet fi) unter den ſchlingenden Konvolvulaceen, Apocyneen und Aſarineen aud) eine duftende Orchidee, die vielgenannte Vanille, deren Wur— zelu fi) jo weit un den erfaßten Aft herumlegen, bis fie eine angefaulte Stelle finden, aus der fie Nahrung entnehmen fünnen. Wie ſchon im Eingang diefes Abjchnittes angeführt wurde, ſucht man von den läſtigen Schlingpflanzen den möglichften Nuten zu ziehen, den fie durch ihre zähen Kaufen gewähren. In den Kaufläden Brafiliens finden fich die Yianenftengel, nach den verjchiedenen Stärfegraden fortirt, wie in einem Seilerladen bei uns die Bindfaden und Stride, zu großen Bündeln aufge- widelt, und werden zu den mandjfaltigften Zwecken benutt, da man bort, außer einer jchledhten Sorte von feinem Bindfaden feine andere Art Seile überhaupt hat. Eine wichtige Verwendung erfahren diefe zähen Schlingreben vorzüglid) im Innern des Landes, in welden Nägel, des bejchwerlichen Transports wegen, eine Seltenheit find. Alle Yatten und dünneren Planfen, die man beim Hausbau nicht duch Zapfen in einander befeftigt, bindet man nit Pflanzenjtengeln feſt. Anfänglich ift ein folder Verband zwar nod) locker, ähnlich jenen, welche unfere Gärtner mit Weidenruthen bewerfftelligen, beim Trocknen zieht er fi) aber fejter und -fefter zufammen und überdauert mit- unter jelbft das Holzwerk, jo daß. man nicht felten beim Einreißen eines ver- fallenen Gebäudes die Lianenbänder wieder ablöjfen, in Waſſer aufweichen und zum zweitenmale verwenden fann. Es nehmen in jenen Yändern Gewächje den Charakter von Schling- und Kletterpflanzen an, von denen wir, nach den einheimischen Itepräfentanten derſelben Familie zu urtheilen, jolhes am wenigften vermuthen würden. So wuchert in der Provinz Valdivia in Chile eine Grasart als Kletterpflanze in aufßerordentliher Menge, die Quila (Cusquea intermedia) der Indianer. Sie bevorzugt dort befonders im Gebiet der Araufaner die Ränder der zahl- (ofen Quellen und Bäche, welde ſowol die Bergwälder als die ebenen Gegenden bewäffern. Auf fich felbjt angewiefen, ftredt fie ihre Halme bei 2—3 Zoll Dicke 16—18 Fuß body empor und treibt dabei nad) allen Seiten zahlreiche Aefte, findet fie aber Bäume, fo klettert fie an denſelben hinauf und verzweigt ſich in den Kronen derjelben dermaßen, daß fie oft eine Höhe von 30—40 Fuß erreiht. Aus jener Höhe jendet fie wieder Zweige nad) unten. Dieſe bilden gewöhnlid ein mächtiges Bündel und neigen fid) nicht jelten wieder bis zum Boden herab. Jung find die Stengel jaftig und jpröde, im Alter verhärten fie aber fo, daß fie von den Chilenen zu Faß— reifen benugt werben fünnen. Die herabhängenden dünnen und jehr zahl- 10 i Schlingen und Kanten. reihen Aefte verflehten und werweben fi oft fo innig, daß fie undurd)- dringliche Didichte bilden und dem Keiter auf dem ſchmalen Waldpfade ge- fährlich werden. An den Zuflüffen des Amazonenftroms fpielt eine Rohrpalme, die Ja— citara (Desmoncus macracanthus), eine ganz ähnlide Rolle. Sie über- wölbt die Gewäſſer mit ſolchen undurdpringliden Yauben, daß es nur dem gefchmeidigen Indianer im kleinen Kanoe möglid) wird, unter ihnen einen Weg hindurd zu finden. Sie gewährt auf dieje Weife den ſchwächern Horden einen wejentlihen Schutz, Feinde von den entlegenen Verſtecken abzuhalten. Der fejte jeilartige Stamm der Yacitara zieht fih von Buſch zu Buſch, von Baum zu Baum in anfehnlicher Länge. Abſatzweiſe entjpringen an ihm große gefiederte Blätter, die fi mit ihren langen, peitſchenförmigen Spigen an— flammern, wo fidy ein Haltpunft bietet, und die zum Ueberfluß nod dem Eindringenden zahlloje ſcharfe, hafenfürmige Stacheln entgegenhalten. Sowie der Reiſende in der heifen Zone aus den tiefern Regionen am Gebirge hinauffteigt, fieht er auch die Schlinggewächſe in demfelben Grade jparfamer werden, ſowie diefelben vom Nequator aus nad) den Polen hin abnehmen. In den üppigen Waldungen aus Eichen, Lorbeergewächſen, Miyrten,_ Terebinthen, Malpighien, Anomen u. a., weldye ven Fuß des Vulkans Dri- zaba in einer Meereshöhe von 3000 — 6000 Fuß umgürten, ranfen in üppigfter Weife Smilar-Arten, Reben (Cissus), Sapindaceen, Apocineen, Asklepiadeen, Paffionsblumen, Gurkengewächſe, Hülfenfrüdhtler und Trom— petenreben, zwiſchen 6000— 7800 Fuß dagegen klammern ſich an die ftarr- blättrigen Yucca's, die Fliederbäume (Sambucus), Weißdorne, Korneelfirichen und Berjen-Arten Schlingpflanzen, welche denjenigen unferer Heimat ähneln: Winden (Convolvulus), Weinreben und Brombeeren. Um auch nod) einen vergleichenden Blick in diefer Beziehung auf die Schlingpflanzen der alten Welt zu werfen und ung gleichzeitig eine Ahnung von der Fülle zu verjchaffen, in welcher viefelben dort. auftreten, wandern wir auf der Injel Yava von den Savannen der Ebene empor zu den vul- fanifhen Häuptern der Berge. Die Waldflecken, welche in den weiten Alang- flähen wie die Fleden eines Bantherfelles zerftreut liegen, bejtehen aus mäßig hohen Bauhinien, Bambusrohren, jowie aus Ehbenaceen, Euphorbiaceen und Urticeen. Sie find gewöhnlid) vollftändig von Yianen überjponnen. Unter den legtern finden fit) Berwandte unjerer Winden (Convolvulus angularis, C. peltatus, Argyreia mollis), unſere Waldrebe (Clematis smilacina), Pater: noftererbjen (Abrus precatorius), Synantheren (Wollastonia montana, Ver- nonia cinerea), Apocyneen (Vallaris Pergulana), Paffionsblumen (Modecca obtusa, M. cordifolia), Wegdorngewächſe (Samara scandens, S. racemosa), Kubiaceen (Uncaria ferruginea, U. pedicellata, U. acida), Hippocrateaceen (Salacia Hippocratea indica), Hletternde Bambusgräfer (Nastus Tjangkorreh) und endlidy auch Fletternde Farne (Lygodium circinatum, L. microphyllum). . In den geſchloſſenen Waldungen der heißen Region jener Inſel, in denen Schlingpflanzen auf Java. — 11 mächtige Feigenbäume und Anonaceen überwiegen, fehlingen jih Bauhinien (B. purpurea, B. corymbosa) von Baum zu Baum, mit ihnen gemeinjchaft- (id) jene Neben (Cissus thyrsiflora, C. mutabilis), auf deren Wurzeln vie früher befprochenen (Bd.I, ©. 54) Rieſenblumen (Rafflefien) ſchmarotzen, Pfeffer- arten (Piper arborescens) gejellen ſich hinzu und erinnern und an die vom Menſchen gepflegten Glieder diefer Familie, welche ähnlich wie unſer Hopfen gedeihen. Duftende Anonaceen (Uvaria javana, U. rufa) entfalten ihre Blüten- büjchel, formenreid) zeigen fid) befonders die Asflepiadeen (Otostemma lacu- nosum, Acanthostemma Hasseltii, A. puberum, Hoya coronaria, H. macro- phylla). Berwandte unjers Aaronftabes (Aglaonema simplex; f. ©. 99) und auch eine Orchidee (Erythrorchis altissima) treten als Hletternde Pflanzen auf. Die bejhwerlichiten von allen find aber aud) hier die Rohrpalmen (Calamus viminalis, C. equestris, C. rhomboideus), jene Rotang-Arten, deren Stengel wir unter dem Namen „ſpaniſches Rohr“ als Flechtmaterial fennen. Aehn- (ic) wie die brafilianifche Jacitara haben fie die Blattfheiden und die gefie- derten Blätter mit dichten, hafenfürmigen Stacheln beſetzt und wideln ſich mit den Blattſpitzen feft, dabei ziehen ihre zähen feften Stengel langgeftredt und vielverzweigt A—500 Fuß weit über Buſch und Baum liegend und hän- gend dahin und bilden ein Gewirr, in welchem fi) der Wanderer vorkommt, als jet er ein Infekt, das fi) in den Fäden eines riefigen Spinngemwebes gefangen. Nicht alle Waldungen der heißen Negion find aber in gleichem Grade an Schlingpflanzen veih, an trodenen Lofalen fcheint denſelben theils die Beichaffenheit des Bodens nicht zuzufagen, theils wirken die an folchen jtehenden Baumarten nachtheilig auf fie ein, mie ja auch unfere Nadelwal— dungen wenig Pflanzen unter ſich dulden. Schon in den aus Sterfulien und Caſſien gebildeten Waldungen des Kalkbodens auf Java find fie in geringerem Grade ausgebildet und die vorhandenen gehören zum Theil andern Familien an. Gurkengewächſe (Momordica, Coceinia, Bryonopsis, Erythropalum, Trichosanthes) herrſchen vor, Neben (Cissus involucrata) und Schmetterlings- blümler (Derria multiflora), jowie Asflepiadeen (Secamone lanceolata) find nur in wenigen Arten vertreten. Die unleidlichen Rotangs (Calamus ornatus, C. eiliaris) fehlen freilidy auc hier nicht. Angenehmer macht fid) der fletternde Jasmin (Jasminum scandens) durch feinen Duft bemerflih. In den Afa- zienwaldungen und in den früher genannten Gehölzen aus Tefbäumen (Bo. TI, ©. 201) fehlen Lianen gänzlich. In dem tropifhen Miſchwald, der in einer Meereshöhe von 2000 bis 4500 Fuß, aus zahlreihen Feigen, Lorbeeren u. a. zufammengefett ift, find die Rotang nody in großer Ueppigfeit entwidelt (Galamus adspersus, C. he- teroideus, Plectomia elongata, Daemonorops ruber, D. oblongus), neben ihnen Bauhinien (B. fulva), Asflepiadeen (Centrostemma coriaceum, Acan- thostemma, longifolium, A. pictum, Tylophora villosa, T. eissoides), Pan— daneen (Freycinetia Gaudichaudii, Fr. scandens), Pajfionsblumen (Modecca acuminata), Neben (Cissus dichotoma, C. papillosa) u. a. Die prädtigen 12 ‘ Schlingen und Ranken. Raſamala-Bäume (Liquidambar Altingiäna), welde bier einen Wald über dem Walde bilden, halten fid), wahrjheinlid) wegen ihrer Höhe, von Schling— gewächſen ſtets frei. Auch die Kaſuarine (Casuarina Junghuniana), die zwifchen 4500 und 7500 Fuß Meereshöhe die jogenannten Zjemoro-Wal- dungen bildet, trägt nie eine Yiane. Die aus Eichen, Lorbeeren und Nadel— hölzern (Podocarpus) beftehenden übrigen Wälder der leßtgenannten Negion werden in demfelben Grade ärmer, als man fi ihrem oberen Ende naht. Sie haben zwar aud) nod) Rotangs (Calamus anceps, C. spectabilis, C. as- perrimus), zahlveicye Eletternde Pandaneen (Freycinetia imbricata, Fr. java- nica, F. insignis, F. angustifolia), Asklepiadeen (Acanthostemma Kuhlii), Bambusarten (B. elongatissima) und Neben (Cissus compressa), die Wald- reben (Clematis javana, Cl. smilacifolia) erjcheinen aber neben den genannten Baumformen als eine Mahnung an gemäßigte Breiten. Zwiſchen 7500 bis 10,000 Fuß endlih find fehr wenig Lianen vorhanden. In Oftjava tritt in jener Höhe Clematis Leschenautiana auf, in Weſtjava einige klimmende Farne (Lygodium tenue, Gleichenia volubilis). Die Schlingpflanzen find oft und nicht ohne Grund die „„ Schlangen‘ des Gewächsreichs genannt worden, Die ihre Beute durch Umſchnürungen erdrofjeln. Auf das Benehmen des Matador in den Brafilianifhen Wäldern haben wir bereits aufmerkfam gemacht, auch Aſien hat Beispiele diefer Art aufzumweifen. Hof- meister erzählt, daß ex bei feinen Elephantenjagden auf Ceylon Scylingge- wächſe getroffen, welche die umfchlungenen Bäume erprüdt hatten, „Die mächtigen Baumftämme ftanden dicht bei einander, jagt er, baumartige Schlingpflanzen widelten oft drei oder vier der ftärfften zufammen, die zum Theil ſchon abgeftorben, oder, im Abfterben begriffen waren. Dft jah man blos’ den ſchenkeldicken, ſpiralförmig gewundenen Stamm der Schlingpflanze, indem der durch diefelbe erdrückte Kern- oder Baumſtamm verfault uud fie allein ohne Stüte übrig geblieben war. Dieje riefenhaften Korkzieher jegten mich anfangs in nicht geringes Erftaunen, bi8 id) ihre Entjtehungsart erkannte.‘ Die Schlinggewächſe Indiens find den gejchilderten javaniſchen ähnlich; am Himalaya Elettern Gurfenpflanzen bis in die höchſten Baumgipfel hinauf und tragen dabei die wunderharften Blumen. Die zweihänfigen Blüten der Hodgsonia heteroclita, welde die nebenftehende Abbildung bedeutend verflei- nert darftellt, jehen goldgelb aus und halten ohne den Fadenbeſatz drei Zoll im Durchmeſſer. Auch Bauhinien und Pothosarten find häufig, am unan- genehmften werden auch hier wieder die Aptangs, die zugleich aber aud) die— jenigen Sletterpflanzen find, welde man in ausgevehntefter Weife nutzbar zu machen verfuht hat. Auf dem Anfangsbilde dieſes Abjchnittes haben wir ſechs verſchiedene Arten oſtindiſcher Kletter- und Schlingpflanzen zufammenge- ftellt, die fid) gemeinfdhaftlid an einem Baumſtamme emporarbeiten. Fig. 1 ift ein Zweig des gemeinen Herzſamen (Cardiospermum Halicacabum). Fig. 2, eine Nanfe der dolventraubigen Bauhinie (Bauhinia corymbosa), an dem eigenthümlich zweitheiligen Blatt fenntlih. Fig. 3 zeigt uns em Schlinggewächſe Afiens. 13 Stengelftüd des befannten Dradyenblutrotang (Calamus Rotang), bier nod) mit feinem fatalen Stachelfleide verjehen, während wir ihn als Flechtmaterial unferer Stuhlfiße immer nur als glatten ſchmucken Gefellen fennen. Aus ver Scheide des unterften Blattes fprießt nad links eine Blütentraube hervor. Fig. 4 ift ein Dlütenzweig der „ſchönen“ Wachsdolde (Ceropeja elegans), die durch ihren brillanten Blumenſchmuck ihren Beinamen wohl werbient. Fig. 5 ift eine der vielen Ciſſusarten YCissus discolor), die als Berwandte unjers Weins in den Wäldern aller heißen Länder eine fo bedeutende Rolle ale Ranken und Schlingreben fpielen. Fig. 6 enplicd giebt und ein Nanfenftüd der mänfedornblättrigen. Rox— burghie (Roxburghia ruscilo- lia), die uns gleichzeitig auch eine interefjante Berfchmelzung von DBlütenjtiel und Blattitiel zeigt, jo daß die Blumen aus der BDlattflähe zu entjpringen jheinen. In China, auf Java und Sumatra, ja im ganzen Sunda-Archipel ift das Taumerf der meiften Schiffe aus dem ſo— genannten jpanifchen Rohr ges dreht oder geflocdhten. In Ma— lakka werben vergleichen Taue im Großen aus Calamus ru- dentum fabrizirt. In Dftafien weiß man aus den feingefpal- tenen Rotangs ſchöne Matten _ und zierliche Körbe zu flechten, die gleichzeitig jehr haltbar find. Sie liefern die Stride beim Ein- !° fangen der wilden Elephanten und geben im Himalaya Das Baumaterial ab zu ähnlichen | luftigen Brüden, wie wir im Blumen dev Hodgsonia; oben Staubbl., unten Samenbt. Eingange des Abſchnittes erwähnten. Hoofer fchildert eine foldhe, die er an einer höchſt wilden Stelle jenes Gebirges paffirte. „Ein über den Strom gebeugter Feigenbaum, der einer Felsmaſſe entjproß, in der feine Wurzeln jeden nur einigermaßen haltbaren Fleck umfaßten, bildete den erften Stütpunft dev Nohre. Am entgegengefetten Ufer dienten dazu ftarfe, von gemaltigen Steinen geftütte Pfeiler. Dazwifchen ſchwankte die etwa 240 Fuß lange Drüde über dem AO Fuß unter ihr ſchäumenden Gießbache. Zwei parallele Rohre waren in gleicher Ebene horizontal über das Waffer gelegt, von diefen hingen andere in jie verfnüpft herab und längs der fie befeftigenden Schlingen 14 Schlingen und Ranken. - waren ein oder zwei Bambus als Fußboden gelegt, darunter hingen Kreuz- hölzer von den oberen Rohren herab und dienten jo dazu, diefe aus einander zu halten. Der Reiſende faßt nun eins diefer Nohre mit jeder Hand und tritt auf die lofen Bambus, die über die ſchwankenden Schlingen gelegt find. Die Bewegung ift ftarf und der raffelnde Ton des trodnen Bambus ift nicht geeignet, großes Vertrauen einzuflößen. Der ganze Bau jheint unter einem zufammenzubrehen. Mit Schuhen geht es fid) ſchwer darauf, ſelbſt barfuß ift es oft unficher, da häufig ein loder gewordener Bambus umfippt und den Fußgänger, nur von ſchwachen Röhren getragen, über dem Strom ſchweben läßt. Die Rohre find fingersnid und AO—60 Fuß lang, durch Schnüre von demfelben Rotang werben fie an einander befeftigt. Sehr artenreiche Familien von Schlinggewädlen find außer den genannten aud die Familien der Malpighien und der Mondſamgewächſe (Menispermeae), von deren einer die berüchtigten, zum Verfälſchen des Bieres benußten Ko— felsförner fommen. Im Jahre 1850 hatte England allen von denfelben 2360 Ctr. eingeführt. Man kennt von der erftgenannten 550, von der - zweiten 200 Arten. Bon den angeführten Paſſionsblumen find 300 befchrie- ben, von den Pfefferreben 360 und von ven eigentlihen Winden (Con- volsulageae) 700. Dieſe 5 Familien enthalten’ bereit8 über 2000 Arten von Lianen. Afrifa, das dornenreiche, ift zwar meiftens zu dürr, um einem Gedeihen von Schlingpflanzen fonderlich günftig zu fein, hat deren aber doch auch nicht wenige da, wo irgend die Pflanzenwelt durch reichlichere Regengüſſe oder Bodenwaſſer zu einiger Ueppigfeit fommen fann. In ben, im vorigen Ab— Ichnitt erwähnten Maquis Algeriens (Bd.I, ©.230) ranken Waldreben (Clematis cirrhosa), Geisblattgewächſe (Lonizera implexa), ©milar (S. mauritania), Winden (Convolvulus lucanus), Ofterluzei (Aristolochia altissima) und Roſen (Rosa sempervirens) empor. Selbſt an den dornigen Opuntien Flettern Meer- träubel (Ephedra altissima) und Röthelgewächſe (Rubia longifolia),. Wo im Sudan Wafler genug auftritt, behängen fid die Mimofen und Afazien mit jeilartigen Lianen, wie das beiftehende Bild zeigt, das einen Mimojenwald bei Tadjura in Abeffynien, nad einer Zeichnung des Malers Bernaß wieder- gibt. Am Kap jchlingt fi das ſogenannte Pavianstau (Asclepias obtusifolia) von Baum zu Baum, und der Naturforſcher Welwitch theilt mit, daß in den üppigen Waldungen der Weſtküſte Afrifa’8 bet ©. Paul de Yoanda, in denen 300 verſchiedene Arten Bäume fi vorfinden, aud gegen 400 Spe- zies won Schlingpflanzen auftreten. Neuholland, das ſich überhaupt durch eine eigenthümliche Pflanzenwelt auszeichnet, befigt Metroſideros-Arten, melde an den Baumen emporflettern. Eine ziemliche Anzahl von fchlingenden und ranfenden Gewächſen werden ihrer Nußbarfeit wegen fultivirt. inige verfelben, wie die Erbjen, Widen und Linfen, halten ſich durch ihr gejellihaftlihes Wahsthum gegenjeitig aufrecht, den meiften andern aber muß der Landmann die nöthigen Stügen bieten, um den gewünjchten Bortheil von ihnen erzielen zu können. Mimoſenwald im Sudan, mit Schlinggewächfen behangen. il SV 5 N In N WANN ii ulm “> Sp l TI 4 8 has lin —* 16 Schlingen und Ranfen. Die Kultur der Schling- und Rankengewächſe ift deshalb mit befonderen Ein— richtungen und Nüdfichten verbunden. Schon der Wein bedarf der ftütenden Pfühle oder tragenden Spaliere; Bohnen und Hopfen verlangen lange Stan- gen, um fid) emporringen zu fünnen. In mwärmern Ländern benußt man nicht felten Das fchnelle Wahsthum mander Baumarten dazu, um den fultivirten Schlingpflanzen Stüßen, gleichzeitig auch den, für einige ument- behrlihen Schatten zu verfchaffen. Hier find es die Neben des ſchwarzen Pfeffers und des gefuchten Betel, dort Cubeben, Mondfamen, Bataten, Smilararten, Vanille u. a., weldye als Schlingpflanzen vom Landmann ge- pflegt werben. In unſern Gärten haben zahlreiche Schlingpflanzen anderer Länder Ein- gang gefunden, worzüglic um die Lauben zu befleiven. So hat unter andern Nordamerika mehrere Arten wilden Wein (Vitis labrusca, vulpina; Ampe- lopsis quinquefolia), den Tabakspfeifenſtrauch (Aristolochia Sipho) und Mondfamenranfen geliefert, Südamerifa die fpanifche Kreſſe (Tropaeolum), Südeuropa mehrere ſchöne blaublühende Waldreben (Clematis orientalis, vi- ticella u. a.), Alpenreben (Atragena alpina), den Bocksdorn (Lycium) und Jasmin (J. offieinale), Afien mehrere Wifterien. Andere zartere, wie 3. B. die Mikanie, Maurandie, Hoya, pflegt man im Zimmer, die Paffionshlume im Gewächshaus, jo daß die Schlinggewächſe auch die verſchiedenen Erdtheile freundſchaftlich verknüpfen, Sinnbilder ſchmiegſamer Handelsvölker, die, über die Erde zerſtreut, die entlegenen Nationen verbinden und dabei doch ihre Eigenthümlichkeiten ſtets hartnäckig beibehalten. Paſſionsblume. A 1.47 XIV. Pflanzenfaſern und Faſerpflanzen. Bedeutung der Faſerpflanzen. — Baſtge— webe. — Flechtarbeiten. — Panamahüte. — | Baumbaft. — Papiermaulbeere. — Mat- 5211148 ten. — Balmenfajern. — Agavenfajer. — AR Nefjelpflanzen. — Leinpflanzen. — Kofos- fafer. — Zwergpalme. — Tillandfie. — Manilahanf. — Malvengewächſe. — Baumwolle. — Papier. „Sie füllet mit Schäßen die duftenden Laden, Und dreht um die ſchnurrende Spindel den Faden, 5 Und fammelt in reinlich geglättetem Schrein Die jhimmernde Wolle, den jchneeigen Yein, Und ſüget zum Guten den Glanz und den Schimmer, Und ruhet nimmer.” " Schiller, acht den nahrungliefernden Gewächſen find diejenigen für den Menjchen 2) die wichtigiten, welche ihm Stoffe zur Bekleidung bieten. Es bedarf nur, an Baumwolle, Flachs und Hanf zu erinnern, um fogleid alle jene Bilder zu weden, die fih an die Pflege viefer Pflanzen, die Verarbeitung derjelben und ven durch jie gewedten Handel fnüpfen. Bon jenen drei Wagner, Mal. Botanif, II. Bo, 5) .J 18 ? Pflanzenfafern und Faferpflanzen. Pflanzen hängt das Wohl ganzer Völferfchaften ab. Oft genug hat man Beranlafjung gefunden, in der Neuzeit die Verhältniffe zu erörtern, welche in den Flahspiftriften Sclefiens, Weſtfalens und Irlands ftattfinden, oft genug betont, daß Englands Roi großentheils auf der Baummollen- fafer beruht, welde das britifche Reich wiederum von den Vereinigten Staaten Amerifa’s abhängig madt. Die Faſerpflanzen fpielen eine Rolle im Leben aller Nationen, von den Urvölkern an, deren ganze Bekleidung in einem Bind- faden bejteht, bi8 zu jenen Staaten, in denen fich die regierenden Körper mit Fragen über Beftenerung der Ein- und Ausfuhr, mit Hebung der In- duftrie, mit Auffindung neuer Handelswege und mit dem Schub ihrer Kauf- fahrteiflotten bejhäftigen. Nur wenige, vielleiht nur die ausſchließlich auf Pelzwerk angemwiejenen Eskimo, dürften die Pflanzenfafern gänzlich entbehren. Dände würde man füllen müffen, wollte man alles das zufammenftellen, was die Pflanzenfajer Intereffantes in überreiher Menge bietet; wir be- jheiden uns, nur einiges davon anzuführen. a In den frühern Abfchnitten betrachteten wir die anatomiſchen Berhält- nifje der im Innern des Stengels befindlichen Gebilde, führten uns die Be— deutung des Marfes, die Entftehung des Holzes und der Marfftrahlen vor. Stets famen wir dabei auf jene lebenskräftige Schicht des Stengels, das jo- genannte Cambium, zurüd, welde bei den ausdauernden Pflanzen jedes Jahr nad) innen die Entftehung eines neuen Holzringes, nad außen die Bildung einer neuen Rindenlage veranlaft. Ein Theil der innern Rindenſchicht wird durch das Baſtgewebe gebildet, das den Kryptogamen zwar fehlt, bei den Einjfamenblättrigen nur in untergeoroneter Weife entwidelt ift, den zwei— jamenblättrigen Pflanzen aber allgemein zukommt. Auch der einjährige Stengel befigt dafjelbe, techniſch ift jogar der. wichtigere. Bei den monofotylen Gewächſen find jene Partien der Gefäßbündel, welche der Rinde zugefehrt liegen, als Baftgewebe anzufehen. In dem Baftgewebe fcheint der Saftftrem der Pflanze abwärts zu fteigen, während er im Holzgemebe nad) oben treibt. Das Baftgewebe läßt dreierlei Elementarformen unterfcheiven, aus denen es zujammengejegt ift: die Baftgefüße, die Siebröhren over Gitter- zellen und die Markſtrahlen. Die legtern haben hier venfelben Bau und die gleiche phyfiologifhe Bedeutung wie die Markſtrahlen des innern Stengels. Die Siebröhren ſcheinen im Baftgewebe die Holzgefäße des Holzgewebes zu vertreten und find entweder durch punktförmige Poren oder durd) leiterförmige Verdickungen harakterifirt. Die eigentlihen Baftzellen find die wichtigften von allen. Waͤhrſcheinlich entftehen fie, ähnlich den früher (Bd.I, ©. 146) befchrie- benen Gefäßen, aus einer zeitig eintretenden Verſchmelzung von Zellenreihen, die ſenkrechtzübereinander liegen, und von ihrer befondern Beſchaffeuheit hängt die Möglichkeit ab, fie technifc zu benugen. Je länger die Baſtgefäße find, je ftärfer verdickt und je elaftiiher, biegfamer, feter fie gleichzeitig find, vefto ſchätzbarer find fie Die Baftzellen find, wie die Holzgefüße, anfänglich hohle, Ianggeftredte Röhren, erfüllt von Flüffigkeit und durd Poren (nicht Baumwollen-, Flachs-, Hanffajern. 19 Deffnungen, fondern dünn bleibende Hautftellen) mit ven Nachbarn in Säfte- austaufch ftehend. Unter einander und mit den benachbarten Zellenarten find fie durch die Intercellularfubftanz, den Pflanzenleim verklebt, und die Leich— tigfeit ihrer Benußung ift zum Theil mit davon abhängig, daß fie.fih von “einander trennen, vom Pflanzenleim bequem "befreien laſſen. So lange fie fi noch in der lebendigen Pflanze am Wachsthum derjelben betheiligen, führen fie einen förnigen Inhalt, feltener Blattgrün oder Stärfemehl. Der Grab, bi8 zu welchem fie ſich vwerdiden, ift nad) den Pflanzenarten . verfchieden. Eine Faſer der Baumwolle (die freilid nicht aus dem Stengel, fondern aus der Fruchtkapſel ſtammt, die wir aber der Verwandtichaft wegen hier mit her- zuziehen) erſcheint im Querſchnitt inwendig hohl und zeigt bei ſtarker Ver— größerung deutlich einzelne N Dabei ift fie ns zuſammengedrückt und fpiralig um fi) jelbjt gedreht. Die Tajern des Flachſes und Hanfes find viel ftärker verdickt, erſcheinen im Durchſchnitt mehr kreisähnlich und übertreffen die erſtern bedeutend an Feſtigkeit und Länge. Die Hanffaſer iſt meiſtens an der Spitze gabelig geſpalten. Bei den Flahsfajern, ZZ weldye gewöhnlich zur DVerarbei- 4 tung fommen, hat man zwar durch Das Köften eine Trennung vom Parenhym und den holzigen Be— ftandtheilen bewirkt, — das eritere . zerjett fich aber beim Liegen in Waſſer, das lettere entfernte man dur) Brechen und Hecheln, — bie N einzelnen Baftzellen fleben aber nod) Baumwellenfafern (400 mal vergrößert). immer zu mehreren an einander und fesen deshalb manden Verwendung: weiſen Schwierigkeiten entgegen, welche die von Natur iſolirt gebildete Faſer der Baumwolle nicht bietet. Man verjuchte deshalb durch beſondere chemiſche Hülfsmittel eine völlige Trennung der Flachsfaſern herbeizuführen, indem man diefelben mit Soda (fohlenfaurem Natron) tränfte und dann durch Zuſatz von verdünnter Schwefelfäure ein Entweichen der Kohlenfüure bewirkte. Durd) legtere8 ward der gewünſchte Zweck auch völlig erreiht. Die nachtheiligen Wirkungen der ätzenden Schwefelfäure hob man duch Magnefin wieder auf, und wenn man dann die tjolirten Flachsfaſern noch zerftüdelte, gewann man einen Yaferftoff, welcher der Baummolle fehr ähnelte und der als fogenannte „Slahsbaummolle” dem Erfinder Clauſſen zunädft den von England aus- gejegten Preis von 20,000 Pfd. Sterl. einbrachte und die Induftriebeflifjenen zu großen Hoffnungen anregte, 2* 20 Pflanzenfafern und Faferpflanzen. Durch die erwähnten anatomischen Berfchienenheiten der Faſern laſſen ſich mit Hülfe eines guten Mikroſkops Berfälfhungen der Gefpinnfte und $ | Gewebe leihtnachweifen. Die Baum⸗ wollenfafer, die man ihrer Wohl- feilheit wegen oft beimifcht, macht fi) dvurd) ihre bandförmige, geprehte Form, durch die etwas verdidten Kanten, welche den Querſchnitt fait 8förmig erjcheinen laſſen, ſofort zwi- ” Äcden den ſolideren runden Faſern des Flachſes und Hanfes bemerf- (ih. Bon jener anatomiſchen Be— ichaffenheit der Fafern find aud die Eigenthümlichfeiten der Gemebe abhängig. Die hohle, lodere Baum- __ wollenfafer jaugt als Kleiderftoff —_ ben Schweiß leicht ein und wird — deshalb in ZTropengegenden vor- zugsmeife geliebt, in denen man Srfältungsübel mehr als anderswo FAR ag Mi u NN 1 . Die Baftfafern vieler Gewächſe Ike find zu kurz, dabei zu ſpröde und 77 6 wenig haltbar, bei manden lafjen fie fih aud nur mit größerer Schwierigkeit von dem umgebenden „— Parenchym-Gewebe trennen, jo daß —man von denſelben feinen Vortheil zu ziehen vermag. Nur eine ver— hältnißmäßig kleine Gruppe von Gewächſen läßt eine ausgedehntere Verwendung der Baſtfaſern zu. Wir können hierzu auch diejenigen Pflan— zen mit zählen, welche ein zähes Baſt liefern und deren Halme und AR | Re Zweige als Flechtmaterial oder als INN ER Mittel zum Ausftopfen in Ge— Flachsfaſern, 400 mal vergrößert. braud) find. Schon die induftrielle Welt der Vögel macht von einzelnen, mitunter ganz beftimmten Pflanzenftoffen diefer Gattung Gebraud), und benutzt die— jelben theils zum Bau, theils zum Ausfüttern ver Brut- und Niftepläße. Pflanzenflechtwerf. 1 Wir bewundern die Gefchidlichkeit und Ausdauer, mit welcher unjere Finfen Grashalme zufammenflechten, um ein abgerundetes Neſt herzuftellen, und er— fennen das Neft des Pirols jofort an den Fäden, die er zur Befeftigung deſſelben um die Zweiggabeln geſchlungen; die nad ihrer Kunftfertigfeit be nannnten Scneidervögel Oſtindiens und Webernögel des Kaplandes über: treffen unfere gefieverten Techniker bei weiten an Ausdauer und Kunftfertig- feit. Die erftgenannten nähen befanntlid) durch zähe Faſern zwei Blätter mit den Rändern zu einem Beutel zufammen, den fie mit weicher Samen: wolle ausfüttern. Die Webervögel bereiten aus biegfamen Orasblättchen und Halmen entweder retortenförmige Nefter, melde | fie an den ſchwankenden Zweigjpisen der Bäume aufhängen, um gegen die Baumſchlangen geſchützt zu fein, oder fie fertigen aus den Halmen der zähen Keftio - Arten ein gemeinjchaftlices Dad), unter weldem ganze Schwärme die einzelnen beu- telfürmigen Nefter aufhängen. Jede etwas anfehn- lichere ornithologifshe Sammlung bietet dem Be— juchenden auch zahlreiche Beijpiele diefes Kunfttriebes. Es ift dabei von Intereffe zu fehen, wie bejtimmte Vogelarten ſich ftet8 eines ganz beftimmten Flecht— matertal® bedienen, andere dagegen zu verjchie- denen Erfagmitteln greifen, wenn ihnen der eine Stoff fehlt. Die Beutelmeife webt gewöhnlich ihr Keft aus dev Samenwolle des Schilfrohrs; die Samenwolle der Weiden, fowie jene vom Ruhr— fraut (Antennaria dioica) und den Difteln werben ebenfallg von unfern einheimifchen Vögeln ver— wendet. Den Tropenbewohnern liefern außer der eigentlihen Baunmmolle auch die Wollenbäume (Eriodendron s. Bombax) jehr geeignetes Matertal. Schon die Kinderwelt ftellt bei ihren Spielen aus den Halmen der Binfen (Juncus glomeratus) allerlei Flechtwerk dar, eine größere, Bedeutung Zaumwollenneſt des Schneider- erlangen die Halme der größeren MWafjerbinjen vogels. (Seirpus lacustris) und das Stroh vieler Gras: arten. Aus den erftern fertigt man Matten, aus dem lettern eine un— endliche Reihe der verfchiedenften Gegenftände, von dem Abtreter an der Thür an bis zum feinen Damenhute. In manchen gebirgigen Gegenden unfers PBaterlandes, 3. DB. im ſächſiſchen Erzgebirge und im Schwarz— wald, werden Grasarten zu diefem Zwed befonders gebaut, wor’ ber Samen: veife geſchnitten und die Halme entweder ungertheilt oder in gleich breite Streifen zerriffen (Reißſtroh) zu Bändern geflodhten, aus denen man Deden und Hüte zufammennäht. Für die genannten Gegenden ift daraus ein nicht unmwichtiger 22 Pflanzenfajern und Faſerpflanzen. Induſtriezweig entſtanden, welcher Tauſenden ärmerer Leute einen leichten Erwerb bietet. Man veranſchlagt die im Voigtlande Sachſens mit Stroh— flechten beſchäftigten Perſonen, meiſtens Frauen und Kinder, auf 10,000. Tyrol führte im Anfange dieſes Jahrhunderts jährlich 75,400 Stroh⸗ hüte aus, von Württemberg werden jährlich ca. 130 Ctr. Strohwaaren zu dem Geſammtwerth von 26,400 Fl. aus und 410 Ctr. zu dem Werth von 126,000 Fl. eingeführt. In Italien und in England baut man zu Flechtmaterial beſonders den engliſchen Winterweizen (Triticum turgidum). Will man ihn in ganzen Halmen verwenden, ſo wählt man dürren, ſteinigen Boden, wählt möglichſt kleine Körner zur Ausſaat und ſäet ihn faſt dreimal dichter als gewöhnlichen Weizen. Sobald die aufgehenden Pflänzchen einige Zoll hoch geworden ſind, mäht man ſie wiederholt ab und erzeugt dadurch einen ſehr dünnen, ſchlanken Halm, den man etwa 8 Tage nad) der Blüte abſchneidet, trocknet und bleicht. Um Halme zu erhalten, die fi zum Keißen eignen, giebt man dem Weizen gutgedüngten Boden und jüet ihn weitläufig. Bon andern einheimischen Gräfern find eine große Anzahl Arten mit größerm oder geringerm Erfolg angewendet worden; eins der tauglichſten ſcheint das Borftengras (Nardus strieta) zu fein, defien Stroh fehr fein, ohne Knoten Esparto. Bombonara. 23 und dabei hinreichend lang ift.. In Südſpanien jpielt der Esparto (Stipa tenuissima) eine beſonders vielfeitige, bedeutende Rolle. Dieje Grasart be- deckt dafelbft mit ihren düfter graugrünen Büſcheln anjehnlidhe Ebenen, vie einen melancholiſch einförmigen Anblid ‚gewähren. Nur einige duftende Thy— mianbüſche und gelbblühende Ciftusröschen, ſowie Ginfterarten bringen etwas Mandfaltigfeit hervor. Der Esparto ijt für den Südſpanier zum unent- behrlicyen Bedürfniß geworden. Seine Haltbarkeit ift jo anjehnlid, daß wenige zufammengeflechtene Halme ſchon ein dauerhaftes, zähes Seil abgeben. Das Leitjeil der Maulthiere, die Körbe, in denen fie ihre Laſten weiter für- dern, die Strike, welche die Körbe zufammenhalten, die Matten, mit denen die letstern bededt find, jowie unzählige Gegenftände des gewöhnlichen Lebens find aus den Halmen diefes Graſes geflochten. . r Die bisher gebräuchlichen * Strohhüte haben neuerdings an den ſogenannten Pana— mahüten einen wichtigen Con- eurrenten erhalten. Letztere werden aus verjchiedenen Pflanzenftoffen Mittelameri- ka's Dargeftellt, viele 3. B. aus der jogenannten Bon- bonorabinfe. Die befte Sorte EN fliht man aus den DBlatt- vippen ber Bombonara (Car- ludovica), einer palmenähn- lichen Pflanze, welche in den Kordilleren von Peru, Neu— granada und Ecuador wild wächſt, gegenwärtig aud) viel- ee Fa & dafelöft angebaut — Die Bombonara — Stammpflanze der Die großen Blätter dieſes Gewächſes ſind im Jugendzuſtande wie ein Fächer geſchloſſen, erreichen aber beim Entfalten eine Länge von 2 und eine Breite von 1, Fuß. Che diefelben völlig ausgewachſen find, werden fie abgefchnitten und die Blatt— vippen, welde dann nod) ihre ganze Feinheit und zarte Farbe befigen, von der übrigen Blattmaſſe befreit. Zu einem Hute find gegen 30—40 Blätter erforderlich. Das Flechten erfordert viel Gefhiclichfeit, die meiften Schwierig- feiten aber, durch welche die Achten Panamahüte jo hoch im Preife gefteigert werden, bietet der Transport derfelben aus dem Innern des Yandes nad) der Küfte. Herumftreifende, räuberiſche Indianer, herrſchende Fieber in den Sumpf- vegionen, Flüſſe, welhe nad Gewitterregen plötzlich anſchwellen (einer derjelben deshalb Huallaga, d. i. das große Grab von Peru, genannt), vermehren die Gefahren, denen fi die Strohhuthändler auszufesen haben. Die von Manila, 24 Pflanzenfafern und Faferpflanzen. Maracaibo und Chili bezogenen Palmenhüte find fpröder als die ächten. Für Yetstere ift die Heine peruanifche Stadt Moyobamba der Haupthandelsplak. Unter unfern einheimifchen Bäumen Liefert die Linde den ſchönſten Baft. Letzterer kommt befonders in größern Mengen aus Nufland. ever Tabafraucher wird auf den zartgegitterten Baft aufmerffam geworden fein, mit welchem die Havanna = Cigarren ummidelt find. Diefer Kuba- Baft ftammt von einer Eibiſch-Art (Hibiscus elatus), einem bis 60 Fuß hohen Baum, der zu den Malvengewächfen gehört und mit dem lindenartigen Eibiſch (Hibiscus tiliaceus) nahe verwandt ift. Bei den Bewohnern Kuba’s it er unter dem Namen „Mountain Mahoe” oder „Tulip-tree“ befannt und auch feines Schönen Holzes wegen geſchätzt. Jener Baft wird auf Havanna vielfach" zu Seilwerk verarbeitet. Die ausgedehntefte Verwendung findet von allen Arten Baumbaft viel- leicht jene des Bapier-Maulbeer- Baumes oder Straudhes (Broussonetia papyrifera), der im heißen Aſien viel fultivirt wird. und auf den wir nod)- mals zurüdfommen, jobald wir der Papierfabrifation gedenfen. Der einfache Bewohner jener Klimate braucht nır ein Stüd Rinde jenes Baumes oder von einem Verwandten deffelben mit einem Stein weid zu klopfen, um Zeug zur Bekleidung zu erhalten. So ftellt man noch gegenwärtig auf den Fidſchi— Inſeln Kleiderftoffe, fogenannte Maſi aus der Rinde des Malo-Baumes dar, die man in Waffer einmweicht, bis ſich mit Hülfe einer Mufchel die rauhe äußere Schale ablöfen läßt. Man legt dann je zwei Streifenlagen des Baftes aufeinander und Elopft fie mit einem, der Länge nad) gerippten Schlagholze. Durd den im Bafte enthaltenen Leim leben die Streifen zu einem dichten, dauerhaften Zeuge zufammen. Ein Nindenftreifen, der urſprünglich zwei Zoll Breite befaß, kann auf diefe Weife bis zu einer Ausdehnung von 14, Fuß geklopft werden, verliert dabei freilich an Yänge. Die einzelnen Stüde werden dann mit Stärke aus Taromehl zufammengeflebt, fo daß die Gewänder eines Fürſten an einem Staatstage 150 Ellen in der Länge meſſen fünnen. Zu— gleich verleiht man diefen Baſtkleidern auch durch Bedrucken ein gefälliges Anjehn, indem man fie über eine Walze fpannt, die vorher mit parallelen Bambusleiften von fingerbreiten Abftande verfehen worben if. Indem man nun dad Zeug mit dem braunrotben Farbftoffe des Mehlbaumes (Aleurites triloba) reibt, erhalten jene Stellen Färbung, an denen die Bambusleiften einen Gegendrud hervorrufen. Auf dem weißgelafienen Rande bringt man mit [hwarzer Farbe Figuren an, die man durch Schablonen aus Bananen- blättern ftreiht. Nimmt man zur SHerftelung des Mafı nur eine einfache Kinvdenlage, jo wird das Zeug fehr fein und muffelinartig. Von dem Bafte des jogenannten Sadbaumes ftellt man in Weftindien auf eine höchft einfache Weile Side dar. Man fägt ein Aftftüc zu einer Größe zurecht, wie man fie für den Sad wünfcht, ftreift dann die ganze Rinde ab, indem man fie umſtülpt und läßt nur am legten Ende ein etwa zwei Zoll dickes Holzftüd als Boden in Verbindung, Das man von dem übrigen Holz trennt. E Kleidungsftoff Yiefernde Pflanzen. Faſern der Piaſſaba. 5 Das Flechten der Matten jcheint bei den meiften Völkern den Vor— Läufer der Webefunft gebildet zu haben. Letztere fett freie Faſern voraus, Die, wenn wir won ben Samenfajern abjehn, von der Natur felten fertig geboten werden. Nur die Palmen, von welchen überhaupt der Menſch vie meiften Bedürfniſſe befriedigt erhalten fann, erzeugen dergleichen. Vollſtändig fertige Kleidungsftüce fommen nur in jehr befcheidenem Maße vor und Blätter finden in der Skulptur vielleicht eine ausgedehntere Verwendung als in der Wirklichkeit. Wenn der Knabe eines Indianer die großen Trichterblüten einer Ariſtolochia als Müte aufftülpt, wenn ein Süpfee-Infulaner das vom Alter buntgefärbte Blatt des Brodbaumes zu dem gleichen Zwecke verwendet, oder ein Zubori-Weib im Sudan das Blatt einer Deleb-Palme wie eine Bergmannsſchürze worbindet, jobald fie etwa ihren ledernen Frack verloren hat, fo find dies mehr Spielereien zu nennen, als eigentliche Befleivungen. Am eheften fünnte noch die brafilianifche Bufjupalme (Manicaria saccifera) auf die Würde eines Kleiverfünftlers Anſprüche erheben, da ihre Blüten= Icheiden vollftändig fertige Mützen darſtellen. Jene Scheiden find feilfürmig, braun von Farbe und von faferiger, zeugartiger Beichaffenhet. Mitunter befitt fogar der von ihnen eingefchloffene Blütenfolben nicht die Kraft, feine Umbüllung zu durchbrechen und verweit innerhalb verfelben. Bevor fie ſich öffnet, jchneidet der Indianer fie ab und erhält auf diefe Weife einen Beutel, in welchem er die rothe Farbe zu feinem Kriegsſchmuck, oder die feine Seide des Wollenbaumes für die Pfeile aufbewahrt. Der Yänge nad aufgefchnitten und plattgebrüdt,, dient dafjelbe Pflanzenorgan zum Behälter für den zarten Federſchmuck und für die Staatslleider, die dev rothe Mann nur bei feftlichen Gelegenheiten anlegt. Einige Palmen bilden am Grunde ihrer Blattitiele, die rings den Stamm umfaffen, pferdehaarähnliche Faſern, welche einer mehrfachen Verwendungs— weile fähig find. So werden die langen, glänzend ſchwarzen Faſern der Gomutipalme (Arenga saccharifera) von den Eingeborenen Borneo's zu Hier: rathen für Hals, Beine und Arme geflochten, die ganz nett ausfehen; auf Sumatra werden Stride aus ihnen gemacht, und auf Java ftopft man die Fugen der Schiffe mit ihnen waſſerdicht aus, vielfadher anderer Verwendungen int gewöhnlichen Leben nicht zu gedenfen. In Brafilien werden Palmenfafern von der Piaſſaba (Attalea funifera) geliefert, die häufig an den überfchwemmten Ufertellen der Ströme wächſt. Diefelben beſitzen eine bedeutende Feftigfeit und werden durd) die Indianer in Menge gefammelt. Da die frifcheften Faſern ven Vorzug verdienen, jo ift man gezwungen, die Bäume zu befteigen und es wird diefe Arbeit nicht ohne Gefahr ausgeführt, weil ſich zwiſchen den Blattſcheiden gern gewifle Arten giftiger Baumfchlangen verbergen. Als Brafilien nod) portugiefiiche Be— fitung war, hatte die Negierung an der Mündung des Padauare, einem Nebenfluß des Rionegro, eine Faktorei anlegen lafjen, welche als Monopol aus jenen Fafern Taue verfertigen ließ. Gegenwärtig verjendet man vielfach 26 Pflanzenfajern und Faferpflanzen. die friiher Fafern, die man in Bündel von mehreren Fuß Länge zufammen- gebunden hat. In London wird die Tonne mit 14 Pfd. Sterling bezahlt. Die aus der Piaſſaba-Faſer verfertigten Stride find nit nur wohlfeiler als alle übrigen, fondern audy fo leicht, daß fie auf dem Waſſer Schwimmen, und fehr haltbar. In einigen Gegenden Neugranada’s macht man aud) Taue aus den Ähnlichen Yafern ver Delpalme (Elais guineensis). Bei den meiften übrigen Faſerpflanzen ift man genöthigt, die Baſtgefäße durch mancherlei Mittel von den anderweitigen Stengeltheilen zu trennen. Der Spanier klopft das große, fleiihige Blatt der Agave einfach zwiſchen zwei Steinen oder mit emem Schlägel und erhält jo die ftarfen Faſern pejjelben, die fid) zu gröberem Bindematerial ganz gut eignen. Faſt ebenfo leicht gewinnt man auf Sumatra die Faſern einer Nefjelart (Boehmeria utilis), die von den Eingeborenen Klui oder Rameh genannt wird. Diefelbe bildet 6 Fuß hohe Stengel, die man von den Blättern und zartern Spiten ſäubert. Man jchabt darauf mit einem fcharfen Stüdhen von der Schale einer Kofosnuß die Oberhaut derfelben ab und läßt die Stengel einen Tag lang in der Sonne dörren. Am nächſten Tage braudt man nur ein Stüdchen von der Spite des Stengels abzubrehen und den Yaferftoff zu Löfen. Man widelt ihn um den Finger und zieht ihn wom ganzen Stengel bequem ab. Um das Berwirren zu vermeiden, jhlingt man ihn in einen Knoten zu- jammen. Diejer Nefjelbaft wird viel zu Segelgarn verarbeitet. Die Familie der Neſſelgewächſe (Urticaceae) ift überhaupt reich an » Pflanzen, welche gute Baftfafern befiten. Schon unfere ‚gemeinen Brenn- nefjeln würde man zu diefem Zwede verwenden fünnen, wenn fie nicht durch ihren Berwandten, den Hanf, und durch den Flachs weit an Ergiebigkeit und Schönheit der Faſern übertroffen würden. Außer der obengenannten baut man auf Sumatra, jowie in China und Japan, die weiße Neffel (Urtica nivea), das fogenannte „hinefiihe Gras‘ (aud) Grass cloth), am Himalaya, in Nord-Bengalen die Puya-Neſſel (Urtica Puya), deren Fajern von Nepal und Siffim aus in den Handel fommen und mit dem ruffifhen Hanf an Güte wetteifern, in Arabien die verſchiedenblättrige Neſſel (Urtica hetero- phylla) und in Sibirien die Hanfnefjel (Urtica cannabina). Der Hanf (Cannabis sativa) ftammt wahrſcheinlich aus Indien, da im Sanskrit ein Name für ihn vorhanden ift. Er findet ſich jet noch einzeln im wilden - Zuftande in den Yändern des nördlichen Indiens bis weſtlich zum Kaspiſchen See. Er verlangt ein etwas wärmeres Klima und einen fetten, tiefgrundigen Boden, deshalb iſt ſein Anbau auch weit beſchränkter als der— jenige des Flachſes, obſchon ſeine ſehr dauerhafte und lange Faſer die des letztern an Haltbarkeit übertrifft und deshalb beſonders zu Seilerarbeiten ſehr geſucht wird. In Europa bildet der 64. Grad n. Br. die äußerſte Grenze jeine® Borkommens. In den Alpen kommt er noch bei einer Meereshöhe von 3000 Fuß fort. In einigen Landſchaften Süddeutſchlands wird er ziem— lich häufig gepflegt, z. B. in Franken und am Rhein. Galizien erzeugt Kultur des Manfbeerbaums. Leingewächſe. 21 jährlich ungefähr 266,000 Ctr. Hanf, Ungarn 220,000 Etr. Der Hauptanbau findet aber in den füdfichen und ſüdweſtlichen Provinzen Rußlands ftatt. Die Ausfuhr Rußlands beträgt jährlich gegen 1%, Million Gentner. — Wir er- innern bier nody daran, daß der bereits erwähnte Papiermaulbeerbaum, jo- wie der eigentlihe Maufbeerbaum zu derſelben Familie der Neſſelgewächſe gehören. Yetsterer, der auch einen ziemlich guten Baft befittt, giebt befannt- lid) das Hauptfutter- für Die Seidenraupe ab und hat in demfelben Grade fih dur die Kultur weiter werbreitet, als man die Pflege der lettern aus— dehnte. Alle Yinder des wärmeren Europa's befisen gegenwärtig. zahlreiche Maulbeerpflanzungen; in Griechenland nehmen diefelben z. B. einen Flächen- raum von 240,000 Morgen Land ein. In Indien und dem alten Heimat- land der Seidenraupe, China, ift ihr Anbau ſehr ausgedehnt und felbft im öftlihften Afien, in Yapan, benust der Yandmann jeden Fußbreit Raum um jeine Hütte, um Maulbeerbiume anzupflanzen.! Die Familie der Leingewächſe ift zwar weniger reich an fajerliefernden Arten, die eine derjelben, der, gewöhnliche Flachs (Linum usitatissimum), iſt aber um jo wichtiger. Er gedeiht noch in Norwegen bis zum 65 ° nördl. Br., in Schweden und Rußland bis zum 64°. An den Alpen kommt er noch bis zu 5500 Fuß Höhe fort. Durch bejonders großartige Kultur zeichnen ſich ‚Irland und Belgien aus, außerdem haben die Oſtſeeländer, Wejtfalen, Schle- fien, die Rheinprovinz und Defterreich bedeutenden Flahsbau. Galizien pro- ducirt jährlid” etwa 485,000 Str. Flachsfafern, die Wojwodina und dag Banat 325,000 Etr., Ungarn 230,000 tr. — Kufland erzeugt ebenfalls anjehnlihe Mengen und Liefert außerdem den deutſchen Flahsbauländern jährlih den Samen zur Ausfaat. Urſprünglich jcheint der Flachs in Süd— europa und der Yevante in wilden Zuftande vorgefommen zu jein. In Aegypten ift er in fehr früher Zeit eingeführt worden und gedeiht im Nil- thale gegenwärtig noch fehr üppig, obſchon die zwar lange, aber gröbere Faſer defjelben nur eine geringere Sorte Leinwand von röthlicher Yarbe ‚abgiebt. Daß in Aegypten bereits 3600 Jahre vor Chriftus Flachsbau ge- trieben wurde, wird aus bildlichen Darftellungen erfichtlich, die ſich an Denk— mälern aus jener Zeit erhalten haben. Die „weiße Seide”, in welche Joſef durch Pharao gekleidet ward, war feines Linnen. Die Römer verwendeten Leinwand anfänglid” nur zu Segeln, deſto größer war die Nolle, welche Slahsbau, ſowie das Spinnen und Weben feiner Faſern in Deutjchland Ihon in ven früheften Zeiten . fpielte. Spindel und Frau waren ehedem ebenfo unzertrennlich wie Schwert und Mann, und ſelbſt Kaiſerstöchter ſuchten ihren Ruhm in Erzeugung eines feinen Gewebes. Im 15. und 16. Jahr— hundert erreichte die Linnenmanufaktur und der Linnenhandel in unſerm Va— terlande die höchſte Blüte und machte es möglich, daß ſich Linnenhändler, wie die Familie Fugger in Augsburg, bis zum Fürſtenſtande emporſchwangen und Königreiche bezahlen konnten. Durch die Verarbeitung der Baumwolle in England, befonders aber durch Benutung der Mafchinen bei Herftellung 28 Pflanzenfajern und Faferpflanzen. des Garns und des Zeuges wurde die deutfche Linneninduftrie mehr und mehr herabgedrückt, bis fie in neuefter Zeit beginnt, die Mafchine auch in ihren Dienft zu ziehen, um wenigftens einigermaßen etwas verlornes Gebiet wieder zu erobern. Der bis zu einem Minimum herabgefunfene Lohn der Spinner und Weber verurfachte auch ſchon ohne befondere Handelsftodungen einen Nothitand der damit befhäftigten Bevölferung, 3. B. im ſchleſiſchen Gebirge und in Wejtfalen. Die gleihfürmige, leichte Befhäftigung ſchwächte gleich— zeitig Körper und Geift und beim Hinzutreten bejonderer ungünftiger Ver— hältniffe erreichte die Noth eine fchredfenerregende Höhe. An die Flachsfafer fnüpfen ſich zahlreiche trübe Bilder der Gejchichte des deutſchen Volks, feiner Induſtrie und feines Handels und bilden einen dunkeln Schlagjchatten zu den Slanzpunkten der Linnenerzeugung des Mittelalters. In Griechenland baut man den behaarten Flach8 (Linum hirsutum) als Saferpflanze, in Sparta den gallifhen (L. gallicum). Amerifa bejigt an ſeinem weißblühenden Sein (L. americanum) ein ſchätzbares Gewächs, das eine auffallend feine und lange Faſer erzeugt. Die übrigen Faferpflanzen ftehen ven genannte bei weiten an Wichtig- feit nad), die Baummolle ausgenommen. Wenige derjelben liefern eigentliche Befleidungsftoffe, eine größere Verwendung finden fie dagegen ald Material zu Striden und Tauen, fowie zum Ausftopfen von Matragen. Der neu— jeeländifhe Flachs (Phormium tenax) hat mit unferm Lern nichts gemein als die haltbare, weiße Faſer, welche aus feinen Blättern gewonnen wird. Letztere ähneln denjenigen der Schwertlilie, welcher er aud) feinem Baue nad) nahe fteht. Ex ift ein Liliengewächs, das die feuchten Flußufer und Sumpf— jtellen Neufeelands bewohnt und in der Nähe von Sidney ziemlich ausgedehnt angebaut wird. Zährlich werden über 1Y, Million Centner feiner Faſern nad) England verſchifft, um hier in der Marine zu Tauen verwendet zu werden. In Südafien und auf den Sunda-Inſeln, bejonders aber auf Geylon, findet die faferige Fruchthülle der Kokos nuß eine vielfeitige Benutzung. Sie ift im Handel unter dem Namen Coir oder Roya befannt und wird in Europa, fowie in Nordamerika, in großem Maßftabe zur Berfertigung von Matten, Hüten u. ſ. w. benust. Man muß fie zuvor ein Paar Monate lang in Waſſer eingeweicht Liegen laffen und fie dann durd Klopfen und Auswafchen veinigen. Die aus derjelben dargeftellten Bindfaden und Stricke nehmen zwar feinen Theer an, fühlen ſich rauh an und fehen nicht jo hübſch aus wie die hänfenen, übertreffen aber an Yeichtigfeit und Elaftizität die leß- tern, denen fie an Haltbarkeit nichts nachgeben. Man nimmt fie deshalb gern zu Anfertauen. Der Keifende Bennett erzählt, daß einft an dem Schiffe, auf weldem er fid) befunden habe, bei heftigem Sturme Kette und Hanftau zerriffen feien, ein diinnes Kofostau aber das Unwetter glüdlid überjtanvden und das Fahrzeug gerettet habe. Die Süpfee-Infulaner fertigen alles Tau- werf ihrer Schiffe aus dieſem Stoffe, außerdem verarbeiten fie e8 zu dem jogenannten Sinnet, das mitunter wunderhübſch geflochten ift und vielfach Begetabiliiches Pferdehaar. 29 angewendet wird. Auf Tonga, einer der Freundfchaftsinfeln, färben die Ein- geborenen dieſes Sinnet mit bunten Farben und benugen es, wie die Brafi- lianer ihre Lianen, zum Anbinden der. Latten und Balfen der Wohnungen. Die Faſern aus dem Stamme der Zwergpalme (Chamaerops humilis), wurden im Allgemeinen ſchon feit längern Zeiten von den algerifchen Araber- ftämmen, mit Kamelhanren vermifcht, zu Zeltveden, Matten und Tauwerk verarbeitet. Die Eu— ’ ropäer haben die Be— nutzung diefer etwas rohen Faſer neuer- dings vielfady aus— zubeuten gejucht und ftellen daraus einen Stoff dar, welder als „vegetabilifches oder afrikaniſches Pferdehaar “ vielfach Ausftopfungsmatee —— riab von Matratzenn — u. dgl. abgeben muß. — — Ehemals bezog Frankreich zum An— fertigen der Segel viel ſpaniſchen Gin— ſter (Genista scopa- ria) von jenſeits der Pyrenäen, gegen— wärtig hat es an den Palmenfaſern Alge— riens einen guten Er— ſatz dafür. Nachdem man gelernt hat, die Faſern von dem Pflanzenleim zu befreien, verarbeitet — man dieſelben auch Die Zwergpalme (Chamaerops humilis). zu hübſchen Zeugen. | Hat man ja doch auch in Schlefien aus den macerirten Kiefernadeln einen Fafer- ftoff, die jogenannte Waldwolle, hergeftellt, der befonders feiner antirheuma- tiſchen Eigenjchaften wegen fehr zu Matraten empfohlen wird. Ein anderes mohlfeiles Ausftopfungsmaterial, da8 ebenfalls unter dem Namen „vegeta- bilifhes Pferdehaar“ gebräuchlich ift, Liefert eine Pflanze des wärmern Nordamerifa, welche zu der Familie der Ananasgewächſe gehört, der foge- —— ann. =) vn \ —— 30 Pflanzenfafern und Faferpflanzen. nannte „Baumbart“ oder „spanische Bart‘ (Tillandsia usneoides). Die Lebenseihen in Teras, die Cypreſſenwälder in den ſüdlichen Theilen ver Vereinigten Staaten, felbft die fteifblättrigen Yukka's in Merifo find jo bicht mit den weißgrauen Büſcheln diefes unächten Scmarogers behangen, daß jene Waldungen dadurch ein abenteuerlid) greifes, verwettertes Anſehn erhalten. Durch Maceration entfernt man die weihhaarige Oberhaut der Tillandfia und bringt die übrigbleibenden elajtiihen dünnen Stengel als ſchwarzglänzende pferdehaarähnlihe Fäden in den Handel. Auch aus den Blättern der eigent- lichen Ananas und einiger Verwandten verfelben werden Yafern erhalten und von den Amerikanern mehrfach verwendet, ohne gerade eine ausgedehntere Bedeutung zu gewinnen. Nicht unanfehnlidy ift Die Erzeugung und Verwendung des fogenannten Manilahanfes. Die Pflanze, von welcher er ftammt, ift eine bejondere Spielart der befannten Banane (Musa paradisiaca) oder Platane der Spanier. In Manila nennt man fie Abaco. Sie wählt auf den Philippinen an vielen Drten wild, wird aber in einigen Provinzen bejonders Fultivirt und durch Stedlinge fortgepflanzt. Einmal angelegt erſetzt ſich die Pflanzung fortwährend durch neue Sprofjen und hält fo gegen zwölf Jahre aus. Die Früchte dieſer Bananenforte find weniger jhmadhaft, die Blätter werben aud nur nebenbei etwa zum Futter für Büffel oder zum Deden leihter Hütten gebraucht, ver I—12 Fuß hohe Stengel aber liefert die erwähnten Hanf- fafern. Im zweiten Jahre feines Alters haut man ihn ab, trennt die Blätter bon ihm und läßt ihn drei Tage lang in Gährung gerathen, um die feften Fafern von dem faftigen Parenchym trennen zu fünnen. Man jhält dann die einzelnen jcheidenartigen Stüden, aus denen er befteht, ab und zieht dieſelben bei Anwendung eines hinreichenden Drudes zwiſchen zwei nicht zu ſcharfen Eifen durch. Je nad dem Geſchick des Arbeiter erhält man auch einen feinern und gleihmäßigern Faden, dejjen Yänge von S—10 Fuß geht. Im Sonnenſchein werben die Faſern dann fchnell getrodnet, auf Bündel gebunden und in Eleinern oder größern Schiffen von den verſchiedenen Gegenden her nah Manila zum Verkauf geſchafft. Am meiften liefert Albay, ver fünlichite Theil der Infel Luzon, dann die Infeln Zebu und Negros. Jährlich fommen gegen 450,000 Etr. dieſes Stoffs auf den Markt, welde einem Kapital von 31, Mil. Thalern entjprehen. Bon diefen gehen ungefähr 280,000 Gtr. nad den Bereinigten Staaten, bejonders nad) New-York, etwa 120,000 Etr. nah England‘, befonders nad) Yondon und gegen 50,000 tr. werden in Manila ſelbſt zu Schiffstauen verarbeitet, welche theils in China, Singapur, theils in Kalifornien und Auftralien Abjat finden. In Manila find vier größere Taufchlägereien bejhäftigt, davon eine mit Dampffraft arbeitend. Letztere ftellt Taue von Y, bi8 7 Zoll Umfang und gegen 600 Fuß Länge ber. Für jtehende Taue paßt die Bananenfafer weniger gut, da fie wie bie Kofosfafer feinen Theer annimmt und bei längerm Liegen im Waffer miürbe wird. Zu feinen Geweben ftoßen die Indier die Yafern in einem hölzernen Malven-, Baumwollenfafern. | 31 Mörfer. In Amerika macht man aus berfelben ein fteifes Futterzeug für Damenfleiver, das Sacuranes, in Europa ftellt man ſchöne Damafte daraus dar und verwendet in der Schweiz die Fafern bei Stroharbeiten ftatt der Pferdehaare. Die Familie ver Malven, zu welder in den Tropenländern zahl- reihe Sträucher und Bäume, fowie aud) die Baunmollenpflanze, gehören, hat eine ganze Anzahl Gewächſe aufzumeifen, welche nutzbare Baftfafern ent- halten und die deshalb im ihren Heimatsländern Verwendung als Binde- material, zu Flechtwerk u. dgl. erfahren; beifpielsweife erinnern wir an ven Hanf-Eibiſch (Althaea cannabina) und an ven lindenblättrigen Eibiſch (Hibiscus tiliaceus, H. narbonensis). „ Wir würden vielleicht den Leſer er- müden, wenn wir ein ausführ- ah liches Berzeichniß aller jener Pflan— a NINE zen zu geben verjucdhten, deren u) INN, j Faſern in engeren Yändergebieten N in bejcheidener Weife Berwendung finden. Nur wenige Worte wib- men wir nod) der vielbejprochenen Baummolle, die fi) jo zur Herr— ſcherin unter den Yaferpflanzen emporgefhwungen hat. Die ausgedehntefte Berbreitung - aller Baummollenarten hat bie frautartige Baummollen- ftaude (Gossypium herbaceum) erfahren, da fie eine ſchnelle Ent- widelung in verhältnigmäßig kur— zer Zeit durchläuft, alfo aud da no zur Fruchtreife und Wollen- erzeugung fommt, wo ein Fühler Winter die mehrjährigen Arten ee ee in ſ 9 Zweig der krautartigen Baumwolle. allmälig über alle wärmern Länder der Erde ausgedehnt. In Japan, China, den Inſeln des Indiſchen Oceans, durch ganz Afrika, Arabien und Perſien, die Levante, iſt ſie auch nach der Südküſte Europa's gedrungen und wächſt noch bei Neapel unter dem 41 ° nördl. Br. und an der Südoſtküſte Spaniens. Nach Nordamerika fanı fie 1776, nad DBrafilien erft 1781 und in Aegypten wird fie erſt jeit 1821 im Großen angebaut. Gegenwärtig fommen von den 3,270,000 Ballen, welde nad) einer ungefähren Berechnung jährlich er- zeugt werden (1 Ballen zu 350 Pfund), auf das ſüdweſtliche Nordamerika allein 2,500,000 Ballen. Noch im Yahre 1783 wurden 8 Ballen, die mit einer amerifanifhen Brigg in Liverpool angekommen waren, dajelbft mit Beſchlag belegt, da man es nicht für möglich hielt, daß Amerika auf einmal 32 Pflanzenfajern und Faferpflanzen. jo. viel davon verfenden könnte. Wie Nordamerifa den erften Rang unter den Baumwolle erzeugenden Ländern einnimmt, jo England in Bezug auf Verarbeitung diefes Stoffes. Allein in Mancheſter und in der Umgegend diefer Stadt beftehen über 200 Baummwollenmanufatturen: Spinnereien, We- bereien, Bleichereien, Färbereien und Drudereien. Beifpielsweije führen wir an, daß 1840 dafelbjt in jeder Woche 8,050,000 Pfund Baumwolle ver- arbeitet wurden. England hat nad der einen Seite hin vielfady fid) beftre- ben müffen, für diefe Maffenerzeugung die nöthigen Abjatzgebiete zu eröffnen, anderntheils hat es, freilich nod ohne hinlänglichen Erfolg, verfucht, ſich von dem Abhängigfeitsverhältnig etwas zu befreien, in welches es von ven Bereinigten Staaten gerathen ift. Es hat fid) die Aufgabe geftellt, andere Länder für eine ausgevehntere Baummollenfultur zu gewinnen. Auftralien lie- fert zwar eine jehr ſchöne Safer, die indische zeichnet fi) gleicherweile durch Feinheit und Färbung aus, allein die mittlern Sorten, welde in ven Manufaf- turen gerade die wichtigfte Rolle jpielen, Liefert bis jest nur Nordamerifa in den nöthigen Quantitäten. Livingftone, der es ſich zur Lebensaufgabe gemacht hat, das Innere Südafrika's dem PVerfehr mit Europa zu erfchließen, jandte neuerdings Proben afrifanifher Baumwolle nach Mändhefter, die ein ausge- zeichnetes Produkt liefern. Er entnahm viefelben aus dem Shire- Thale, das gegen 25 deutſche Meilen lang und 5 Meilen breit ift und in feiner ganzen Ausdehnung jo üppig mit Baummollenpflanzen beftanden ift, daß jährlich viele Tanſend Stauden als überflüffig niedergebrannt werden, da es nad) außen hin bis jest an Gelegenheit fehlte, die Erzeugnifje zu verwerthen. Nächſt der Frautartigen Baummollenpflanze werden die baumartigen (Gossypium arboreum) und die Nantıng =» Baumwolle (G. religiosum) am meijten gepflegt, erftere in Indien und zum Theil in Südamerika, lettere in China. Bon geringerer Bedeutung ift der Anbau der weinblättrigen (G. vi- tifolium) und der haarigen (G. hirsutum) in Indien, der rothen (G. rubrum) in Arabien, der fleinblütigen (G. mieranthum) in Ispahan, der Barbados- Baumwolle: (G. barbadense) auf der gleichnamigen Infel und der peruanijchen (G. peruvianum) in Südamerika. Aus den Mittheilungen des Reiſenden Tſchudi jcheint hervorzugehen, daß man in Peru bereits zur Zeit der Inka's eine braune Sorte Baumwolle erzeugte, da man Mumien, aus jener Zeit ftammend, in dergleihen Stoffe eingewidelt fand. Wie die Taferpflanzen von der größten Bedeutung für den Völferver- fehr und die Entwidelung der Weltgejhichte dadurch geworden find, daß fie Kleidungsſtoffe lieferten und zahllofe Hände zur Anfertigung vderjelben in Thätigfeit fetten, fo haben fie andererjeitS auch auf den ganzen geiftigen Fortſchritt des Menſchengeſchlechts einen unberechenbaren Fortſchritt Dadurd) ausgeübt, Daß fie das Material zur Herftellung des Papiers geboten haben. Nicht ohne Grund hat das „gejchriebene Wort“ bei vielen Völkern eine heilige Bedeutung erlangt, — es liegt eine eigenthümliche, großartige Gewalt in dem durch Schriftzeichen feftgehaltenen Gedanfen! „Erſt durch das Papier, Der Papyrus. | 33, jagt Plinius, ift das Andenken an Alles, was Menſchen geichaffen haben, möglich geworden.‘ — Und das Papier, die Pflanzenfafer, it der Träger defjelben! — Die Blätte rver Palmyrapalme (ſ. Bd. I, ©. 71) jowie der Kofos Iheinen das frühefte Schreibmaterial geweſen zu fein. Noch jetst werden nicht jelten zufammengerollte PBalmblätter, die mit Gummi zufammengeflebt find, der Poft zur Beforgung übergeben. Die Streifen, auf welde man jchreibt, jind gegen 2 Zoll breit und etwa 2 Fuß lang, wie es das zwiſchen ven DBlattrippen befindliche Parenchym der pergamentartigen Blätter erlaubt. Man prüft dabei die Schrift in die Blattmaffe mit dem Griffel ein und reibt nach- träglich mit einem Yappen über diejelbe, den man mit Del und Lampenruß geſchwärzt hat. Die Farbe bleibt in den Bertiefungen haften, und macht die Schrift lesbar. | ns \Y n 1 N] >> Sn x = — * ZI E — —— ude (Papyrus antiquus). — = Die Bapprusta Schon in fehr frühen Zeiten hatte man in Aegypten die Kunft erfunden, aus dem Papyrus (Papyrus antiquus) das nad) ihm genannte Papier zu bereiten, das fich bis zum 8. oder 9. Jahrhundert unferer Zeitrehnung erhielt. Das Wort Bapyrus fol Agyptifchen Urfprumgs fein und zunächſt „Flecht— pflanze” bedeuten, da man die Halme der Staude anfünglih ausſchließlich als Flechtmaterial von Matten, Schuhen u. dgl. verwendete. Es ward die Papyruspflanze ehedem vielfah im Delta gebaut,t jet findet fie ſich an Den Wagner, Mal, Botanik, I. Bd. 3 | 4 Pflanzenfafern und Faferpflanzent. . Ufern des untern Nils gar nit und nur fparfam an einigen ſtehenden Waſſern Unterägyptens, öfter dagegen ift fie no in Syrien, Calabrien, Sizilien und jelbit in Italien vorhanden, fehr häufig dagegen am obern Nil, am Tſad-See, fowie an den Ufern der meiften ſudaniſchen größern Ströme und Waflerbeden. Dit unter der äußern Rinde des Papyrusftengels liegen baftähnliche Häute in 10 — 20 Lagen über einander und werben je feiner, je weiter nad) innen fie fich befinden. Sie wurden mit einem nabelähnlichen Inſtrument abgelöft, jedoch nicht in der ganzen Länge des Schaftes, fondern in fürzern Stüden und in Streifen von Fingersbreite. Die innerften dünnſten Häutchen lieferten die feinfte Sorte Papier, die man in Aegypten wegen ihrer Ber- wendung zu heiligen Zweden die hieratifche nannte. Die gröbfte Papier- jorte, welhe man aus den Außerften Stengellagen darftellte, gehaaca⸗ man nur als Packpapier. Die Daun wurden der Länge nad auf eine Tafel neben einander gelegt und mit Nilwaſſer benest, hierauf mit andern Streifen quer durd)- flodhten, jb daß eine Art Gewebe entjtand. Durch üfteres Begießen mit Nilwaſſer verbanden ſich die Streifen des fo erhaltenen Bogens fefter und bleihten gleichzeitig; hierauf ward das Papier gepreßt und geglättet, indem man mit einem Zahn oder einer Mufchel alle Runzeln und Unebenheiten entfernte. Man erfand aud Mittel, das Papier geſchmeidig und zur Auf- nahme der Schrift geeigneter zu machen, und tränfte e8 zu dieſem Zwed ent weder mit einem Sleifter vom feinjten Mehle, ven man mit Ejfig verdünnte, oder ftellte eine Art Planivwafjer her, indem man Krume von geſäuertem Brode in fiedendem Waſſer aufweichte und dann durchſeihte. Schließlich ſchlug man die Papiere mit dem Hammer, Die Römer überfamen die Kunft der Papierfabrifation von den Aegyp— tern. Ihre bejiern Papiere nannten fie Kaiferpapiere und zwar die Ihönfte Sorte nah dem Auguftus, die darauf folgende nad) feiner Ge— mahlin Livia. Unter Raifer Claudius legte Palämon eine Papierfabrif an und er: zielte eine bi8 dahin ungefannnte Feinheit des Papiers, welche ſelbſt die jo- genannten Kaiferpapiere übertraf. Andere gute Papiere hießen Königspapier, Cornelianifhes, Fanniſches (nad) Fannius Palämon); das vollfommenfte joll das gleichzeitig jehr glatte und dichte Papier gemwejen fein, welches dem Slaudius zu Ehren benannt war. Unter Kaiſer Tiberius mißrieth einftmal die Papierftaude und es ent- ftand jofort große Papiernotb. Es ward deshalb eine Commiffion beauf- tragt, den Verbrauch des Papiers zu überwachen und durch diefelbe jedem Bepürftigen ein gewifjes Quantum Papier verabreiht. Es wirkte hierbei freilich au jehr viel die engherzige Spekulation der ägyptiſchen Befiter bei, weldye ven Anbau des Papyrus außer an beftimmten Stellen nicht geftatteten. Natürlich fteigerten fie hierdurdy die Preife ihres Produkts zu fabelhaften » ”’ war Papierergengungsarten, » Höhen und Firmus, ein Zeitgenoffe Zenobia's fonnte jagen: er —* fo viel Einkünfte aus feinen Papierfabrifen, daß er ein ganzes Heer damıt N fünne. Der Staat erhob vom Papier eine a. Steuer. Das aus Papyrus gefertigte Papier befigt große Haltbarkeit. Cham- pollion hat Papyrusrollen entvedt, die im 18. Yahrhundert vor Chriftus bejchrieben, alfo gegen drei und ein halbes Taufend Jahre alt waren. Auf der berühmten Bibliothef in Alexandria follen 700,000 Rollen bejchriebener Papyrus aufbewahrt gewefen fein. In China fertigte man ſchon jehr frühzeitig Papier aus Baummollen- fajern, deſſen verſchiedene Sorten als Schreibmaterial, als Stoff zum Ein- paden der Waaren und als Toilettenmittel dienten. Aus dem Marfe eines Sumpfgewächſes, der Aralia papyrifera, fertigt man nod) gegenwärtig Das jogenannte Keispapier, welches durchſichtig und fammtartig weich iſt, fich des— halb vorzüglih zur Darftellumg fünftliher Blumen eignet ilich auch leicht reißt. Kaum in einem andern Lande macht man von — eine ſo manchfaltige, vielſeitige Anwendung als in Japan. Papi uß, außer den auch bei uns gebräuchlichen Benutzungsweiſen, hier die Stelle der Taſchen— tücher verſehen, ſich zu Hüten und vielerlei Kleidungsſtücken geſtalten, des— gleichen in den Wohnungen die innern Wände formiren. Alle jene Gegen— ſtände, die dem Regen ausgeſetzt ſind, erhalten durch den unübertrefflichen japaniſchen Lack die nöthige Widerſtandsfähigkeit und Haltbarkeit. Durch die Araber ward das Baumwollenpapier auch nach Europa gebracht, bis es im 13. Jahrhundert durch das haltbarere Linnenpapier ver— drängt wurde. Das älteſte, auf Linnenpapier geſchriebene Dokument, welches man kennt, iſt in Kaufbeuren ausgeſtellt und datirt vom Jahre 1418. Die erfinderiſchen Chineſen haben ſchon längſt aus noch vielerlei andern Stoffen Papiere hergeſtellt; ſo nehmen ſie zu gewiſſen Sorten den Baſt von Ahorn, Maulbeerbäumen, Ulmen, Pappeln, Buchen, Linden, Feigen- und Erdbeer— bäumen, zu andern die Außenlagen der Seidenkokons, zu noch andern junge Bambusſtengel, die man mit Hülfe von Kalk macerirt und dann zu einem Drei verarbeitet. Im nördlichen Indien werden die Wurzelfaſern mehrerer Kellerhalsarten (Daphne Gardneri, D. cannabina) zur Berfertigung eines guten Papiers benutt, und in der Pombardei hat man die in Süddeutſchland und in den Alpen nicht feltene Daphne Laureola zu demfelben Zwede benust. Der nad Erfindung der Buchdruderfunft fo raſch ſich fteigernde Bedarf von Papier hat immer wieder die Frage angeregt, welde andern Pflanzenfafern außer dem Lein fi zur Papterfabrifation vortheilhaft zeigen möchten. Schon im vorigen Jahrhundert waren vielfache Stoffe als Erjatsmittel vorgefhlagen worden. Kürzlich erwarb das Smithjontan-Inftitut ein in holländiſcher Sprade ‚verfaßtes Bud), das in Regensburg 1772 gebrudt war. Es beftand aus seiner großen Menge der verſchiedenſten Papierproben, auf denen ihre Ab- ftammung und Berfertigungsweife ausführlicher angegeben war, Es enthielt unter anderm Papier aus Sägeſpähnen, Wespenneftern, Wein- und Hopfen- | 9% * 3. "= Blanzenfajern und Faferpflanzen. ‚ veben, Hanf, Maulbeer- und Aloe-Blättern, Neffen, Dijteln, Stroh, Kohl- blättern, Asbeft, Wolle, Gras, Tannenholz, Pappel-, Buchen- und Weiden- holz, Zuderrohr, Kaftanien- und Zulpenblättern u. ſ. w. Die Erzeugung von Bappen aus vergleichen wohlfeilern Surrogatftoffen macht weniger Schwie— vigfeiten als die Darftellung eines guten Papiers, und erft vor wenig Jahren hatte man in Giersporf bei Warmbrunn glücliche Verſuche mit Anfertigung von Pappen aus Fichtenholz gemacht, Die Herren König und Bauer in Zell in Bayern fertigen aus dem gemeinen Beſenpfriemen (Sarothamnus vulgaris) ein gutes Padpapier und feine Bappendedel. In Paris hat Herr Vivien Baumblätter zu demſelben Zwede verwendet. Er formt fie mitteljt einer Preſſe zu Kuchen, läßt dieſe durch Kalkwafjer maceriven und behandelt dann die zurücdbleibende ausge— waſchene Mafje als Pflanzenfafer. In Liverpool erzeugt man Papier aus Kleeſtroh. Andrews in Montreal ſoll die Samenwolle des Sand— Immerſchön( ium-arenarium) ein ſehr feſtes Papier geben, in Gemein— Schaft mit den ngeln derſelben Pflanze verarbeitet eine geringere Sorte. -Die Naveln und Wipfeläfte ver Fichte ſollen 40%, guter Papierfafer enthalten, die gemeine Binfe (Juncus effusus) ebenfall®, die Bonapartea juncea 35%. In Algier wird neuerdings die bereits erwähnte Safer der Zwergpalme aud) zu diefem Zwecke benutst, außerdem aud der „ Dig’ (Festuca patula), eine Grasart, welche in jener Provinz maffenhaft wild wächſt. Wenn v. Liebig den Berbraud der Seife als einen Maßftab bezeichnet, mit welchem man die Kulturſtufe eines Volks mefjen fünne, andere Die Ber- arbeitung des Eiſens hierzu vorfchlagen, fo dürfte auch jene Metamorphojen- reihe hierzu geeignet fein, welde die Faferpflanzen durch die Induſtrie eines Landes erfahren. Zwiſchen dem Bindfaden des Wilden, der Angeljchnur des. Fiſchers und den unzählbaren Kleiderftoffen, Gefpinnften, Papierſorten, Pappen und Papiermahe-Waaren unſers Erdtheils Liegt eine unendlid) gegliederte Reihe von Formen, die wir eitel genug als ein vwortheilhaftes Zeugniß fit uns felbft anzufehen belieben, fo ſehr auch einerfeits die Tyrannei der ewig wechjelnden Mode, andererfeits die Herrjchaft des Papiers zu Carricaturen geführt haben. | Flachsblüte. Fabrikation der Gummiſchuhe. XV. Pflanzenmilch, Gummi und Harze. Milchpflanzen. — Kuhbaum. — Hya-hya. — Soma — Wolfsmilch. — Phyſiolo— giſches. — Kautſchuk. — Gutta Pertſcha. Gummiſchleim. — Traganth. — Aka— zien. — Harze. — Terpentin. — Ladanum. — Weihrauch. — Manna. — Gummilad. — Drachenblut. — Balſame. — Aſſa fötida. — Ammoniakgummi. — Sylphium. — Kork. „Sie thaten ihre Schätze auf und ſchenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhen.“ tatth. 2, 11, RMes Menjchen erfte Speije iſt die Mil; Milch bildet bei wielen No— =) maden- und Hirtenvälfern während des ganzen Lebens die Haupt- nahrung, und das mild)liefernde Nindvieh ward deshalb als Symbol der allernährenden Naturkraft bei dem Indier felbft zur Gottheit erhoben. Der Apisdienft der Negypter war ein Geitenftüd hierzu, und Die Verehrung aus- erwählter Stiere, wie folche bei einigen Negerſtämmen am Weißen Nil nod) gegenwärtig jtattfindet, ift als ein Nachklang davon zu betradhten. Nur wenig Bölfer verfhmähen die Milch als Speife, wie 3. B. die Japaner, die fie „weißes Blut‘ zu nennen pflegen. Die Milch erjcheint uns, in Folge der gewohnten Anſchauung, als ein ausſchließliches Erzeugniß des thierifchen Organismus, und es erregt des— halb kaum eine Erſcheinung in der Pflanzenwelt unfere Theilmahme in höherem Grade als ein „mildlieferndes Gewächs“. Humboldt erzählt, daß ihm unter allen dem zahllofen neuen und intereffanten Eindrüden, welche ihm feine 38 Pflanzenmilh, Gummi und Harze. | mehrjährigen Reifen in der neuen Welt gewährt, faum eine jtärfer aufgeregt habe als der Kuhbaum (Galactodendron utile) in der Umgebung von Ca- racas, aus deſſen Stamm in Folge von Verwundungen eine weiße, ſüße und wohlſchmeckende Mil in reichliher Menge hervorftrömt. Das Ueberrafchenve, das jener Baum bietet, wird noch dadurd erhöht, daß Außerlid nichts ift, das einen folhen Gehalt von Nahrungsflüffigkeit vermuthen ließe. Die Um- gebung des Kuhbaumes ift dire und von der Sonne verbrannt, Mühſam ſcheint der Baum jelbft ſich mit feinen zahlreichen knorrigen Wurzeln im fel- figen Boden feftzuflammern, in dem er vorzugsmweife wächſt, und nothdürftig dem dürren Erdreich), das Monate lang von feinem erguidenden Regentropfen befeuchtet wurde, feine Nahrung abzuringen. Sein 60 Fuß hoher Stamm, die edigen Aeſte jeiner gegen 40 Fuß hohen Krone fcheinen halberftorben, und die lederartigen Blätter tragen wenig bei, diefen Geſammteindruck zu mildern, Da nahen bei Sonnenaufgang von allen Seiten Neger und Indier dem Baume; aus einem Loch, das in den Stamm gebohrt wird, quillt, wie aus einer lebendigen Duelle, die gejhätte Milch in die untergehaltenen Kala— bafjen. „Man glaubt“, jagt Humboldt, „ven Haushalt eines Hirten zu jehen, der die Milch feiner Herde vertheilt. Die Einen leeren ihre Näpfe unter dent Baume jelbjt aus, die Anvdern bringen das Geſammelte ihren Kindern.“ Beim Stehen verdichtet ſich die Milch an ihrer Oberfläche; laßt man fie ge: rinnen, jo jcheidet ſich ein gelblich weißer, wachsartiger Stoff aus ihnen ab, der ein brauchbares Material zu Kerzen liefert. Der Kuhbaum gehört der- jelben Abtheilung des natürlichen Syſtems an, zu welder auch der Brod— baum (Artocarpus) der Südſee-Inſeln gehört; eine zweite Art Milhbaum (Tabernaemontana edulis), die Hya-hya der Indianer, findet fi) in den dichten Waldungen Guyana's. Auch feinem Stamm entquillt eine angenehm ſchmeckende Milh, ſobald verjelbe durch einen Schnitt verlegt wird. Die Hya-hya ift ein gegen AO Fuß hoher Baum mit 1Y, Fuß didem Stamme und vielfac) zertheilter Krone, der lederartige Blätter und weiße Blütendolden trägt. Er gehört zur Familie der Sinngrüngewächje (Apocyneae), iſt alſo ein Berwandter umnferer beliebten Binca und des befannten giftigen Dleander. Es iſt überhaupt eine auffallende Erſcheinung, daß die meijten jener Pflanzen, welche eine wohlſchmeckende Milch Kiefern, nahe Verwandte befiten, deren Milchjaft giftig, mitunter ſogar mit den furdhtbarften Eigenfchaften be- haftet ift. So hat aud die Familie der als Giftpflanzen berüchtigten Schwal- benwurzgewächje (Asclepiadeae) ein Gewächs aufzuweisen, welches wegen ſei— nes genießbaren Milchjaftes in Indien in hohem Anfehen ftand. Wir meinen die heilige Somapflanze (Asclepias acida), die in den religiöfen Ceremo- nien der alten Hindu eine jo wichtige Rolle fpielt. Sie hat einen faſt blatt- Iojen Stengel, aus deſſen Gelenfen die Blumenbüfchel entfpringen, und ihre Milch hat einen angenehm fäuerlihen Geſchmack. Täglich ward fie bei ven Dpfern benugt und vepräfentirte gewiſſermaßen die nahrungſpendende heilige Kuh im Gewächsreich. | Wolfsmilch. | 39 Ein afrikanischer Wolfsmilchbaum. Schon die bei ung vorkommenden Wolfsmildarten (Euphorbia) füh— ven ihren Namen mit Recht wegen der äßenden, beißenden Beichaffenheit ihres Milhiaftes. Die eingetrodnete Milch mehrerer afrifanifhen, didjtämmigen, 40 Pflanzenmilh, Gummi und Harze. dornentragenden Arten liefert das ſcharfgiftige E uphorbienharz, das eben ſo zur Arznei wie zum Bergiften der Waffen dient. Bei der kanariſchen Wolfsmild (Euphorbia canariensis) ift der Stamm fo fafterfüllt, daß vie atende Milch jofort Fräftig herausſpritzt, ſobald die Rinde verlegt wird. Und doch ift auch unter dieſer gefährlichen Sippſchaft ein Familienglied, in der ſich „das gährende Drachengift in ſüße Milch“ verwandelt hat. Der Milch— ſaft von Euphorbia balsamifera giebt beim Gerinnen ein ſüß und mild ſchmeckendes Gelee, das von den Bewohnern der Kanarifhen Inſeln als eine Lederei verzehrt wird. Der Milchſaft der Gewächſe hat auch in der Geſchichte der Pflanzen- phyſiologie eine intereffante Rolle geſpielt. Man glaubte eine Zeit lang in ihm eine Analogie zum thierifhen Blut zu finden. „Jene Wehnlichfeit ward nod) dadurd) gefteigert, daß er bei einigen Gewächſen, 3. B. bei den ameri- fanifhen Blutpflanzen (Sanguinaria), eine blutrothe Färbung befigt, und man lebte der Anficht, daß eine Cirkulation des Milchſaftes im Pflanzen- fürper beftünde, welche in röhrenähnlichen Gefäßen vor ſich ginge und ganz dem Kreislauf des Blutes im Thierkörper zu vergleichen wäre. Eine Schrift des deutſchen Forſchers Schultz, welche dieſen Gegenſtand behandelte und jene Theorie beſonders am einheimiſchen Schellkraut (Chelidonium) nach— zuweiſen ſuchte, das Jedermann an dem gelben Milchſafte leicht erkennt, ward von der Pariſer Akademie mit dem erſten Preis gekrönt. Neuere Forſcher haben aber jene Gefäßſyſteme vergeblich geſucht und den Milchſaft in zweierlei Weiſe im Pflanzenkörper vertheilt gefunden. Nach Schacht's Unterſuchungen befindet ſich der Milchſaft entweder in eigentlichen Milchſaftgefäßen oder in den Milchſaftgängen. Die erſtern treten entweder als einfache Baſt— zellen auf, wie wir ſolche im vorigen Abſchnitt beſchrieben, oder ſie ver— zweigen ſich mehrfach und begleiten die Gefäßbündel. Der letztere Fall findet bei den Wolfsmilch- und Feigenarten, ſowie bei dem oben ge— nannten Schellkraut ſtatt. Bei dem Melonenbaum (Carica Papaya) und den Verwandten der Cichorie (Cichoriaceae) endlich verzweigen ſich jene Milchſaftgefäße vielfach und treten mit einander netzartig in Verbindung, auf dieſe Weiſe ein zuſammenhängendes, durch die ganze Pflanze verbreitetes Syſtem darſtellend, das aber erſt aus der Verſchmelzung zahlloſer kleiner Zellen entſtanden iſt. Bei dem Schellkraut bleiben jene Gefäße ziemlich dünn— wandig, bei den größern Wolfsmilcharten verdicken ſie ſich anſehnlich; Ver— holzungen kommen bei ihnen nicht vor. Die Milchſaftgänge beſitzen da— gegen keine ihnen eigenthümlichen Wandungen. Sie ſind nur Zwiſchen— zellenräume, welche mehr oder weniger unter einander in Verbindung ſtehen und mit Milchſaft erfüllt ſind. In dieſer Form hat man ſie bei den Aarongewächſen, den Bananen und dem Froſchlöffel (Alisma) beobachtet. Schon das ſpielende Kind macht die Bemerkung, daß der bittere Milch— ſaft des Lattich (Lactuca virosa) oder der Kettenblume (Taraxacum) klebrig wird und Flecken in den Kleidern erzeugt, die ſich durch Waſchen mit Waſſer Kantichuf. 41 nur ſchwierig entfernen laſſen. Bei dem Eintrodnen des Wolfsmildh- und Mohnfaftes bleibt ebenfalls eine zähffebrige Subftanz zurüd. In vielen Milchſäften rührt jene Elebrige Beichaffenheit her von dem Vorhandenfein zahllofer winziger Kügelhen, melde aus Kautſchuk beftehen, einer Sub- jtanz, deren Enjtehungsweife innerhalb des Pflanzenförpers man nod) nicht genügend verfolgt hat. Sie widerfteht allen gewöhnlichen Auflöjungsmitteln, quillt dagegen in Aether und in einigen ätherifchen Delen bedeutend auf. Daß die Witterungsverhältniffe der tropifchen Länder einen nicht unmejent- lihen Antheil an der Bildung die— MR. jes befannten Stoffes haben, geht ſchon daraus hervor, daß diejelben Veigenarten,, Urticeen u. f. w., welche denſelben in ihrer Heimat jo reichlich Kiefern, in unjern Ge— wächshäuſern trotz aller Pflege nur eine Maſſe hervorbringen, melde dem Klebjtoff ver Miftel (Viscum) ähnelt. Auf den oſtindiſchen Injeln joll das Kautſchuk oder Federharz (Gummi elasticum) in der Mitte des vorigen Jahrhunderts entvedt worben fein, als eine Kompagnie Soldaten auf den Prinz Wales-Injeln ſich einen Weg durch den Dichtverwachjenen Wald bahnen mußte. Beim Durd)- bauen der ftarfen ranfenden Sten- RX gel der Krugblume (Urceola elastica) 5 N wurden die Degenflingen bald von einer klebrigen Mafje überzogen, welche fic nur ſchwierig davon ent- fernen ließ. Jahrzehnte lang machte 77° man von dem Kautfchuf feinen / J26 andern Gebrauch, als daß man Gift⸗Lattich (Lactuca virosa). die fehlerhaften Bleiſtiftſtriche bei Zeichnungen damit wieder auslöſchte; eine Kunſt, welche die Neger Bornu's im Anfange dieſes Jahrhunderts von allen Erfindungen der Europäer, die ſie durch Major Denham kennen lernten, nächſt Racketen und Spieldoſen am meiſten bewunderten. Im Jahre 1790 verfertigte man aber ſchon elaſtiſche Binden davon und im folgenden Jahre erſchienen waſſerdichte Kleidungsſtücke und überſponnene Kautſchukfäden, die ſich zu Geweben eigneten. Je mehr die Chemie Mittel an die Hand gab, die vortheilhaften Eigenſchaften des Feder— harzes zu vermehren und die Unannehmlichkeiten zu beſeitigen, welche es noch 42 Pflanzenmilh, Gummi und Harze. bot, vexvielfältigte fi) auc feine Verwendung in einem aufßerorventlichen Grade. Jeder Leſer kennt hinlänglih aus der täglihen Anſchauung zahl- loſe Gegenftände, die aus diefem Stoffe gefertigt werden, als daß wir ihn duch Aufzählung derjelben ermüden jollten. Im Jahre 1842 betrug bie jährlihe Kautjchufeinfuhr in England bereits 750,000 Pfund, und zur Zeit der Londoner Induftrieausftellung lieferte ein einziger ſüdamerikaniſcher Hafen allein jährlich 4000 Gentner. Das meifte gebräuchliche Kautſchuk kommt aus Brafilien und Guyana von dem gemeinen Federharzbaume (Siphonia elastica), einem Ver— wandten der mehrerwähnten Wolfsmildy (Euphorbiaceae). Er ijt ein hübjcher Baum von mittlerer Größe mit wechfelftändigen Blättern, die zu drei auf langen Stielen ftehen. 10— 12,000 Berfonen find in Brafilien damit be- Ihäftigt, zur Regenzeit tiefgehende Einſchnitte in die Rinde des Stammes zu machen, aus denen der zähe, ſcharfe Milchſaft hervorquillt. Früher pflegte man den hervordringenden Saft fogleid auf Thonformen aufzufangen, vie man über Teuer abtrodnete.e So erhielt man Flaſchen und Ueberſchuhe. Später ſammelte man ihn in Gefäßen, ließ ihn zu diden Platten gerinnen oder verjendet ihn bei luftdichtem Verſchluß nod als Milh nad Europa, wo er in Fabriken auf die großartigfte Weife verwendet wird. Wagehalfig genug ericheint uns die Art und Weife, in welcher fi die Eingeborenen Sumatra’s das Kautſchuk von dem fogenannten Karotbaum,(Ficus elastica) verſchaffen. Sie ftellen an dem Stamme ſelbſt eine Leiter her, indem fie in Abftänden von ungefähr zwei Fuß gefpaltene zugejpitte Bambusftöde in denſelben einſchlagen und die freiftehenden Enden dieſer Sprofjen durd andere Bambusjtäbe oder dünne Baumftämme verbinden. Ein Europäer würde ſich ſchwerlich auf einer ſolchen Zreppe hinaufwagen; gelegentlich jollen freilich die Bären fih aud perjelben bedienen, um nad den wilden Bienen in den Baungipfeln umzu- jhauen. In anjehnliher Höhe machen dann die Arbeiter tiefe Einfchnitte in die ftärfern Aeſte und hauen viejelben in horizontaler Richtung aus, damit ſich hier das Kautſchuk anfammeln fann. Eine ziemlihe Menge andere Gewächje liefern Fleinere Quantitäten des- jelben Materials in den Handel und zwar gehören die meiften derjelben zu den Neſſelgewächſen (Urticeae). In Weftindien und dem heißen Südamerika find e8 Feigenarten (Ficus nymphaeifolia, F. populnea, F. Radula, F. ellip- tica, F. prinoides), jowie Arten des Trompetenbaumes (Cecropia peltata, C. palmata), die Federharz bejigen, in Dftindien die Verwandten der hei- ligen Feige (f. Bd. I, ©. 71, Ficus religiosa, F. indica). Andere Gewächſe, wie 3. B. Siphocampylus Cautschouc enthalten zwar jenen Stoff aud, find aber ſelbſt nicht häufig genug vorhanden, um für den Handel eine Bedeutung zu erlangen. In noch jüngern Zeiten ift die Aufmerkfamfeit der Induftriellen auf ein anderes Erzeugniß der Pflanzenwelt gerichtet worden, das für viele Gegen- ftände fi tauglidyer zeigte, al® das Kautſchuk. Der Leer weiß, daß wir Gutta Perticha. 43 das Gutta Pertfha meinen. Man verdankt die Kenntniß diefer Subſtanz dem engliihen Chirurgen Montgomery, der e8 zu Singapur bei ven Malayen bemerkte. Es fiel ihm auf, daß die eingeborenen Arbeiter die Stiele ihrer Hacken aus einen eben jo zähen als leichten Stoff gemacht hatten, und hörte zu feiner Verwunderung, daß es bei ihnen feit langen Zeiten Gebrauch fei, die Stiele ihrer Werkzeuge, die Griffe ihrer Meſſer und Dolche u. |. w. aus Gutta Pertſcha (richtiger Gatta Taban), dem eingetrockneten Milchſaft einer Pflanze, zu fertigen. Der Baum, welcher jenen Saft enthält, gehört zur Familie ver Sapotaceen und iſt von Hooker Isonandra Gutta benannt worden. Er hat eine mäßige Höhe, L0O—60 Fuß, gegen 3 Fuß und darüber im Stammesdurdhmefjer. Sein Holz ift weich, faferig und ſchwammig und enthält in zahlreichen Längsfchnitten jenen Saft, den man in einem aus Pi- jang gefertigten Troge jammelt, nachdem man den Baum umgehauen. Ein Stamm joll gegen 30 Pfund liefern. Die bisher befolgte Art der Gutta Pertiha-Gewinnung ift jo roh und unverjtändig, daß bei der ftarfen Nachfrage nad dem Material in nicht ferner Zeit ein Ausrotten des Baumes befürchtet werden müßte, troßdem daß der— jelbe über alle Injeln des Indischen Archipels verbreitet ıft. Im Jahre 1844 . betrug die Ausfuhr von Gutta Pertiha nur 22,225 Pfund, in den nächſten 3, Jahren aber bereits 25,533 Gentner. Durch die Gewinnung einer ſolchen Quantität ift die Vernichtung von mindejtens 270,000 Bäumen herbei: geführt worden, ohne daß von den Eingeborenen je darauf gedacht worden it, für die Anpflanzung aud) nur eines einzigen Sorge zu tragen. Im „Jahre 1850 betrug die Einfuhr von Gutta Pertſcha in Liverpool allein 5600 Gentner. Man verjucht deshalb ſtatt des Umfchlagens das bloße Anbohren der Bäume einzuführen und für Nachwuchs Anftalten zu treffen. Das Gutta Pertſcha kommt entweder als zufammengefnetete fefte Blöcke und Rollen in den Handel oder aud in noch flüjfigem Zuftande. Nicht jelten ift es durch a he Chinefen, welche den Zwifchenhandel bejorgen, bi8 zum vierten Theil jeineg Gewichts mit Sägejpähnen, Erde u. dgl. ver- fälſcht. Es befitt die Slaftizität und Dehnbarfeit des Kautſchuk nicht, iſt bei gewöhnlicher Temperatur lederartig hart, hat aber eine bedeutende Wider— itandsfähigfeit und Feftigfeit. in fehr dünnes Gutta Pertihaband von 7, Zoll Länge, 1 Zoll 4Y, Linien Breite und nod nicht 14 Taufenpftel Linie did zerriß bei allmäliger Belaftung erit bei 4!/, Pfund und hatte fich dabei bis faft auf die doppelte Yänge ausgedehnt. Wird das Gutta Perticha über 65— 70° C. erwärmt, fo wird eg weich und jehr bildfam. Mehrere Stüde lafjen fih dann leicht zu einem Ganzen vereinigen. Beim Erfalten nimmt e8 die frühere Feftigfeit wieder an. Der geronnene Milchſaft von Achras Ballota, einem Baume in Öuyana, joll nach neueren franzöfiihen Angaben das Gutta Pertſcha noch durch Ge- ſchmeidigkeit und dadurch übertreffen, eu es erft bei einer höhern Tempera— tur ſchmilzt. 44 Pflanzenmilh, Gummi und Harze. Eine ſehr wichtige Verwendung findet das Gutta Pertiha in der Chi— vurgie, indem es bei ſchwierigen Knochenzerfplitterungen, befonders bei Gelenf- brüden, fih in ausgezeichneter Weile in erweichtem Zuftande dem verlegten Gliede anfchmiegen läßt und beim Erfalten die einmal angenommene Yorm jo lange beibehält, bis es nad) erfolgter Heilung durd abermaliges Erwär- men wieder aufgeweicht wird. Es erinnert und dies an das befannte Col- (odium, weldes man aus Schiefbaummwolle herftellt, die man in Aether auf- löſt und dadurd einen luftdichten Verſchluß vwerwundeter Stellen hervorruft. Die Säfte einiger Pflanzen bieten fi) von felbft als ähnliche Wundheilmittel dar, fo Sarcocolla Linnaei am Kap der guten Hoffnung. Schon in der Aufern Form erinnern die afrifanifhen dornigen Euphor- bien an die amerifanifhen Kakteen. Die Säfte beider Familien haben neben vielem Abweichenden doch auch wieder mancherlei Uebereinftimmendes. Bei den lettgenannten Pflanzen find fie zwar nicht mildig von Anjehen und eben fo wenig ätend oder Kautjchuf führend, in den Zwiſchenzellengängen ver dieffleifchigen Stengel find aber anfehnliche Mengen eines zähen Gummi- ſchleimes abgelagert, deſſen Beihaffenheit eine Haupturſache zu fein jcheint, . das Berdunften des aufgenommenen Waffers zu erfhweren. Mitten im bürr- ften, fteinigen Boden, in den traurigen Hochſteppen des heißen Amerika's ftrogen die Kafteen von Saft und find deshalb vielfad als „vegetabilifche Quellen“ gepriefen worden. Es ift befannt, daß die in halbwildem Zuftande herumfchweifenden Ninder und Pferde in der trodenen Jahreszeit ihre Zu- fludht zu den Kafteen der Ylanos und Pampas nehmen, um ihren Durft zu ftilen, und daß fie zuvor behutfam die drohenden Stacheln abzufchlagen ver- ſuchen, fehe fie die Lippen dem erſehnten Yabetrunf nahe‘ bringen. ine ähnliche Rolle, welche die Wurzelfnollen, die unterirdiſchen Stengelitöde und Zwiebeln für gewifje Abtheilungen des Pflanzenreihs fpielen, ſcheinen die dickfleiſchigen, faftitrogenden Stengel bei den Kafteen übernommen zu haben. Bei den Eisfräutern und Sedumarten fammeln fid, ähnliche Borräthe von Gummifhleim und organifhen Salzen in, den angejchwollenen Blät- tern, und es hat das Anfehen, als ob die Natur diefelbe Aufgabe: „Vorraths— ftoffe für ungünftige Zeiten aufzufparen‘, nad) einander den verſchiedenſten Drganen übertragen habe, wie ein gejchidter Komponift dafjelbe Thema von verfshiedenen Inftrumenten des Orcheſters in harmonifcher Folge durchführen läßt. In den Zwiſchenzellenräumen und gelegentlid) aud) in den Zellen felbft finden fih bei den Kakteen häufig Kryſtalle von Salzen mit organijchen Säuren abgelagert. Daß gleichzeitig bei den genannten Gewächſen bie Ver— dunftung auf das Minimum befchränft, die Oberhaut deshalb zähe, falt ohne Spaltöffnungen ift und die Blätter und Zweige eine Umwandelung in Stacheln und Dornen erfahren haben, ift bereit8 (Bd. I., ©. 226) erörtert worden. Biele von den früher befprodhenen dornigen Wüften- und Steppenfträu- bern fliegen fi) dur die gummiartige Beichaffenheit ihrer Säfte den bis- her beſprochenen Gewächſen an, jo die Afazien, Mimojen und Tragantharten. Traganth- Gummi. 45 Lestere bewohnen als Kleine zähholzige und dornige Sträucher das regen arme Gebiet des Mittelmeered und der afiatifhen Steppen. An vielen ver- jelben (Astragalus creticus, A. gummifer, A. aristatus, A. angustifolius, A. Anacantha, A. aureus, A. Barba Jovis, A. breviflorus u. v. a.) dringt aus den etwa fingerdiden Stämmen und Zweigen der unter dem Namen Tra— ganth-Gummi befannte Stoff hervor, der fid) durch feine Löslichkeit in Waffer ähnlich dem Gummi der Akazien (Acacia vera, nilotica, arabica u. ſ. w.) und unferer Kirſch- und Pflaumenbäume von dem früher erwähnten Kautſchuk, Gutta Pertiha und Euphorbienharz fofort ſcharf unterfcheidet. Das Gummi tritt in Form von ge mwundenen Würmern aus ben ' Stengeln hervor und erhärtet an | der Luft. Es ericheint miht an allen 2ofalitäten bei verfelben Pflanze in gleicher Menge, fehlt 3. B. bei ven Traganthiträuchern des Parnaffus, der Hochgebirge \ im Peloponnes, ſowie überhaupt \ \S\ | der trodnern Gebirge, fommt NN | aber um fo reichlicher zum Bor- I ihein, je mehr in einer Gegend feuchte Nebel mit heißer Tages- bite wechjeln. Eben jo zeigt es MATTER jih häufiger bei den Sträuchern 7, |, | in der Nähe des Weges, welhe | I AM\ | durd; die Fußtritte der Hirten und Pferde Verwundungen er: fitten haben. In der Gegend von Bitlis ift es deshalb Sitte, zum Zwed der Traganthgemin- nung Einjchnitte in Die Stengel zu machen. Die eigenthümliche Form, in welcher der Traganth- Gummi auftritt, fowie feine anatomiſche Beſchaffen— heit hat zeitweife ſogar zu der Anficht geführt, daß es nicht ein hervorquellen- der Saft, fondern ein ſchmarotzendes Pilzgewächs fer, bis eine eingehenvere Unterfuhung der Stämme gelehrt hat: es entjtehe aus einer Ummandelung des Stammmarfes und der Marfftrahlen in jene gummiartige Maffe, welche befonders dann eintritt, wenn nad) ausdörrender Sonnenglut dem Gewächs veichliche Feuchtigkeit geboten wird, ſei dies durch die Wurzeln oder durch die Atmoſphäre. An verwundeten Stengeljtellen drängt fid) dann die aufge quollene, verwandelte Parenchymmaſſe, der es an Raum fehlt, nad außen; find folhe Verletzungen nicht vorhanden, jo wird die Ninde gejprengt umd 46 Pflanzenmilh, Gummi und Harze. gewaltfam ein Ausweg eröffnet. Jene Ummandelung findet aber nicht in dem ganzen Marf und in ſämmtlichen Markſtrahlen gleichzeitig ftatt, jondern be- Ihränft fi jedesmal nur auf einen kleinern Theil derſelben, jo daß fich derſelbe Borgang an derjelben Pflanze oft wiederholen kann. Vielleicht findet ein ähnlicher Prozeß bei der Ausscheidung des Akazien-Gummi's ftatt, Das zu zahlreihen technifchen Zwecken gefammelt wird und gelegentlih dem Wüften- reifenden einen Yederbifjen bietet. Es finden ſich wenigftens vielfah Andeu- tungen in andern Abtheilungen des Pflanzenreihs, daß Scleimmafjen und Gummtausfonderungen durch Ummwandelung eines bereits gebildeten Zell- gewebes entjtehen. So macht Alerander Braun darauf aufmerffam, daß bei den Algenfamilien der Palmellaceen, Chroococcaceen, Noſtochineen fid) die Zellenhäute unter Umſtänden erweichen, aufquellen und gallertartig zerfließen. Eben jo wird die ſehr reichlich vorhandene Zwifchenzellenfubjtanz in dem Samen- eiweiß der Gleditſchien, Sophoren und anderer Hülfenfrücdtler durch eine Berwandelung der äußern Zellenfchichten in eine gleihförmige Gallerte bewerf- ftelligt, in welder das Mifroffop oft genug noch Spuren der urſprünglichen Zellenhäute nachweiſt. Bei der Bildung der Harze findet ein verwandter Vorgang innerhalb der Stammtheile ſtatt, der uns zugleich einen Fingerzeig giebt, daß die be— reits verholzte Zelle nicht eigentlich todt, ſondern noch vielfachen Verwande— lungen durch neu erwachende Lebens hätigkeit zugänglich iſt. Auch hierbei zeigt ſich eine Umwandelung der Zellenhaut ſelbſt. Die letztere ſcheint vom Harz durchdrungen, zeigt aber durch ihr gleichzeitiges Größerwerden, daß kein Prozeß in ihr ſtattgefunden, welcher etwa mit der früher beſprochenen Ver— kieſelung in Parallele zu ſtellen ſei, ſondern daß eine chemiſche Veränderung in ihr ſelbſt eingetreten, Gleichzeitig bilden ſich in den alten Holzzellen neue Tochterzellen, welche ihre Haute ebenfalls in Harz verwandeln. Die betreffen- den Marfftrahlen in der Nähe, neue Nahrungsftoffe zuführend, werden breis ter, und in demfelben Grade, wie jene Berwandelung in gewiffen Partien des Holzes fortjchreitet, wird auch der zellige Bau deſſelben undeutlicher, bis er zuletzt gänzlich verfchwindet. Jene aufgelöften Gruppen erjcheinen ſchließ— lid) als eine Lüde, die mit Harz in flüffigem oder fefterem Zuftande aus- gefüllt it, und durchfegen den Stamm mitunter in weiter Ausdehnung. Im Holze des Balfambaumes (Copaifera) entftehen nicht ſelten zollweite Ka— näle, die den Stod der Länge nad) durchziehen, fo daß man durch Deffnen derjelben zumweilen gegen 40 Flaſchen Balſam erhält, Die Räume und Zwiſchenzellengänge, in denen ſich die Harze abge— lagert finden, ſind ſtets von einer einfachen oder mehrfachen Schicht kleiner Zellen gebildet, welche eng an einander ſchließen. Von manchen Forſchern wurden dieſe Zellen als befähigt angeſehen, aus ihrer Oberfläche das Harz nach den leeren Räumen ausſcheiden zu können, während Andere dagegen ein— wendeten, daß die Harze im Zellſaft unlöslich, alſo auch nicht befähigt ſeien, durch die geſchloſſene Zellenhaut durchzudringen. In der Flüſſigkeit innerhalb Harzgänge. 47 der Zellen finden ſich oft fleine Kügelchen, aus Harz bejtehend, an der Stelle der Stärfefügelchen. Bei jugendlichen Nadelholzbäumen ift befonders die grüne, aus paren- chymatiſchem Zellgewebe beftehende Rinde, welche innerhalb der äußern Kork fhicht liegt, reich an Harzen. So wie fich beim fortichreitenden Wahsthum des Baumes jene Rindenſchicht in Borfe ummandelt, findet eine .veichlichere Harzabjonderung in der Baſtſchicht ftatt, die gleichzeitig zu größerer Dide anwächſt. Die erwähnten Harzgänge in der Rinde der Nadelhölzer zeigen ein drei— fach verſchiedenes Auftreten. Entweder bilden ſie ſenkrechte, gerade, oder bei alten Stämmen etwas geſchlängelt verlaufende Kanäle, welche unter ſich im Zuſammenhang ſtehen. Dieſe liegen zumeiſt in der grünen Rinde und ſind ſo weit, daß ſie dem bloßen Auge bemerkbar werden. Andere dagegen bilden die ſogenannten Harzlücken, d. i. Höhlungen, welche für ſich abgeſchloſſen ſind, kugelig, oder bei ältern Stämmen linſenförmig erſcheinen und zwiſchen den ſenkrechten Harzgängen liegen. Sie ſind in jugendlichem Zuſtande nur mit Hülfe des Vergrößerungsglaſes erkennbar. Die dritte Form endlich bildet ſtrahlenförmige Kanäle, welche unter ſich in keinem Zuſammenhange ſtehen. Sie bilden die unmittelbare Verlängerung der in den größern Markſtrahlen des Holzes verlaufenden Harzkanäle und fehlen ſolchen Nadelhölzern, die in ihrem Holze feine Harzkanäle haben, z. B. Abies pectinata, A. sibirica. Im Holze der Nadelhölzer fommen ſowol wagrechte al8 auch jenfredhte Harzfanäle vor. Bei denjenigen Hölzern, welche horizontale Darzgänge be- jigen, zeigen die Marfftrahlen eine zweifache Form: fie find entweder Fleinere oder größere. Die erjtern beftehen aus einer einfachen Reihe über einander liegender Zellen, in den größern dagegen liegt die Mehrzahl ver Zellen ver Breite nad) neben einander. In der Mitte eines jeden dieſer legtern Marf- jtrahlen verläuft ein Harzkanal, umgeben von dünnwandigen Zellen, Die jenfrehten Kanäle liegen unregelmäßig zerjtreut, vorwiegend in den mittlern und äußern als in den innern Theilen der einzelnen Jahresringe. Sie haben unter allen angeführten den beveutendften Durchmefjer. Außer diejen genannten Harzgängen fommen in Altern Holztheilen die ſchon früher erwähnten größern von Harz ausgefüllten Räume vor. Bei vielen Harz und Gummi Liefernden Gewächſen jcheint das Er- zeugen dieſer Stoffe eine Verwandtihaft mit dem Ablagern von Stärfemehl zu befiten, das wir früher erwähnten. Es erreicht einen gewifjen Grad, ven e8 bei normalen Verhältnifjen nicht überjchreitet, und erjegt jährlich das Quan— tun wieder, was durch das fortjchreitende Wachsthum der Pflanze ander- wärts verbraucht wird. Treten aber Berlegungen der Rinde oder ähnliche Störungen hinzu, fo wird die Abjonderung jener Stoffe auf Koften des all- gemeinen Gedeihens vermehrt. Nabelholzbäume, die man behufs der Terpen- tin und Harzgewinnung anhaut, erzeugen nicht die Holzmenge jener, die un- gejtört bleiben. 48 Pflanzenmilh, Gummi und Harze. Die eigentliden Gummiharze find in ihrer chemiſchen Zuſammen— jegung dem Stärfemehl und dem Zellftoff verwandt. Das Afaziengummi (Gummi arabicum) löſt fi in Waffer vollſtändig zu einer ſchleimigen Ylüffig- feit auf und wird zur Herftellung von Tuſchfarben, als Klebmittel, jowte zum Glätten und GSteifen feinerer Gewebſtoffe -vielfad verwendet. Der ziemlid) hohe Preis vefjelben führte darauf, durd chemische Behandlung des Stärke— mehls ein fünftliches Gummi herzuftellen, weldes zu vielen Zweden das natürliche völlig erjeßt. Das Traganth-Gummi enthält einen etwas. verfchie- denen Stoff, der im Waſſer ſich nicht völlig löft, ſondern nur gallertartig auf- quillt und der als Bafforin bezeichnet wird. Das Bafjorin ift in fehr vielen Pflanzen in Fleinern oder größern Mengen vorhanden. Das Manna ähnelt in feiner Zufammenfegung und im Gefhmad mehr dem Zuder; vie gewöhnlichen Gummiarten find gefhmad- und geruchlos. Die Kautſchuk— arten find faft reine Kohlenwafjerftoffverbindungen, die Harze dagegen ent- halten außerdem geringere Mengen von Sauerftoff. Sie find in Waffer un- (öslih, zergehen aber in Weingeift, Aether, fetten und ätheriſchen Delen. Bei vielen derfelben laßt fih ihre Entjtehungsweife aus ätherifhen Delen verfolgen, bei andern ift dies nicht nachweisbar. Die Ummandelung der ätherifchen Dele in Harze ſcheint bejonders durdy Aufnahme von Sauerftoff‘ aus der Atmofphäre vor fi zu gehen, in andern Fällen wird vielleicht gleichzeitig Waſſerſtoff ausgejchieven, in nody andern Waſſer chemiſch gebun- ven. Die Balſame beftehen aus einer Mifhung von Harzen und ätheriſchen Delen. Bei zahlreihen Gummi» und Harzarten treten gleichzeitig färbende, wohlriechende, arzneifräftige oder giftige Stoffe mit auf, die bejondere, Ver— wendungsweiſen verjelben begründen. Bon den manchfaltigen Benutzungen der Harze in der Technif erwähnen wir nur jene, die fie. bei Anfertigung von Harzfeifen, Kitten, Firniſſen und Gasbeleuhtung erfahren. In Wein- geift gelöft geben Schellad, Maſtix, Terpentin und Sandaraf Firniffe, die fi) durch ihr fchnelles Eintrodnen und ihren Glanz auszeichnen. Man ſchützt durch derartige Yacüberzüge Holz- und Eiſenwerk vor dem zerftörenden Einfluß ver Atmofphäre und verleiht demfelben gleichzeitig ein angenehmes Anfehen. Das Gummi unferer Kirſch- und Pflaumenbäume enthält zu viel Baſſo— vin und ift überhaupt in zu geringen Mengen vorhanden, als daß es eine tehnifhe Benutzung erführe.. Am wichtigiten ift in Bezug auf die Erzeugung der aufgezählten Stoffe im mittlern Europa die Familie der Nadelhölzer, von der Terpentin und Harze gewonnen werben, Je nad) der Baumart ift auc) die Gewinnungsweife jener Produkte abweichend, da die einen jelbige vor— zugsmweife in ihrer Ainde, die andern tiefer im Stammholze anfammeln. Einer der geſchätzteſten Bäume ift Die Lärche (Larix europaea), die den venetianifchen Terpentin giebt. In Südtyrol verpachtet man die Lärchenwaldungen, dort „Lerget‘ genannt, behufs der Terpentingewinnung an befondere Unternehmer. Diefe bohren im Frühjahr in den Stamm der ftärfern Bäume etwa einen Fuß hoch über dem Boden ein Loch von ungefähr ein Zoll Durchmeſſer bis —Bä — N Sm 7, —— } - NN — N IH IE MM M Mn NEE: BEEHTESHEDHDLDDDBDEEGEEEE G IH. — Se —— — = — —— — —, m rn zZ N DEN =: INK RLLRN MH N \ ) * I [IM FA Ill 1 FAND Ma Terpentingewinnung im ſüdlichen Frankreich. Wagner, Mal, Botanik, IE Bd. 50 Pflanzenmiih, Gummi und Harze. zur Mitte des Stammes und verfchliegen dafjelbe durch einen eingetriebenen Holzkeil, In diefer Höhlung ſammelt fid) während des Sommers der Ter- pentin und wird im Herbſt mittelft »eines eigenthirmlich geformten Eiſens herausgeholt. Das Loch wird danach durch den Zapfen wieder gejchlofjen und im nächſten Jahre abermals benubt. i Der gemeine Terpentin ftammt von der gewöhnlichen Kiefer und wird durch einfaches Anhauen des Stammes gewonnen. Bei der Weißtanne fünnen nur jüngere Bäume von 3—10 Zoll Durhmeffer auf Terpentin benußt wer- den; will man ältere zu diefem Zwecke verwerthen, jo ift man genöthigt, an ihnen bis zu den jüngern Theilen des Stammes emporzufteigen. Bei 'meh- veren Nadelhölzern, 3. B. bei Abies pectinata und A. balsamifera, bilden bie ſenkrechten Harzgänge ſich zu fogenannten Harzbeulen um, nad) deren Deffnung man dann den ausfliegenden Terpentin in oben zugefpisten Gefäßen auffängt. Die erftgenannte Baumart giebt den Straßburger Terpentin, die lettere, in Amerika einheimifhe, den fanadifhen Balfam. Den Terpentin von Bordeaux gewinnt man aus Pinus Pinaster, in Dejterreic einen ähnlichen aus Pinus nigricans, und haut dabei in die äußern Holzſchichten Serben von 3 Zoll Tiefe, deren Wundflächen man von Zeit zu Zeit durch Wegnahme einer dünnen Holzihicht erneut. Bei der Fichte macht man zu demjelben Zweck Längsrinnen, indem man bie Rinde bis aufs Holz ausfchneidet und nachmals die Deffnung erweitert. Sie enthält das Harz vorzugsweiſe in der Baſtſchicht, während ſich bei der Kiefer dafjelbe im Splint und bei der Lärche im Kernholz anfammelt, Die Länder in der Umgebung des Mittelländifchen Meeres, fowie der Erdtheil Afrika, beide duch ihr trocknes Klima übereinftimmend, find durd) zahlreihe Gummi, Harze und Balſam liefernde Gewächſe ausgezeichnet. An den Abhängen des Atlas giebt ein Verwandter unferer Tannen, der Sandarafbaum (Callitris quadrivalvis), das zur Ladfabrifation verwendete Sandarakharz. Der Maftirbaum (Pistacia Lentiscus) erzeugt den nad) ihm genannten, wohlriehenden Stoff, der von den Orientalen vielfach zum Kauen benugt wird, Er wird feines Wohlgeruhs wegen geliebt und ſoll dem Zahnfleiſch als Stärkungsmittel zuträglich ſein. Des Traganth-Gum— mi's haben wir ſchon früher gedacht. Mehrere niedere Ciſtusſträucher (Cistus ladaniferus, C. creticus), auf den Inſeln Griechenlands häufig, find als die Mutterpflanzen des Ladanumharzes bekannt. Das Einſammeln des letztern ſoll früher auf ſehr idylliſche Weiſe dadurch geſchehen ſein, daß die Hirten die Bärte ihrer Ziegen auskämmten, an denen ſich der klebrige Stoff beim Weiden feſtgehangen hatte. Der im Handel vorkommende flüſſige Storax ſtammt von einer Baum— art Kleinaſiens, die große Aehnlichkeit mit der Platane beſitzt. Der Storar- baum (Liquidambar orientale) bildet bei Melafje, im Gebiet von Sighala, bei Moughla und bei Giowa anfehnliche Wälder. Die Stämme haben eine Höhe von 20 bis 30, ja mitunter bis 40 Fuß. Das Cinfammeln des Storar gejhieht befonders duch einen wandernden Turkomanenſtamm, ber Storar. Myrrhen und Weihrauch. 51 Yuruk heißt. Dieſe Leute ſchaben mit einem dreieckigen Schabeiſen eine Quan— tität der ſaftigen Rinde von den Stämmen ab und ſammeln ſie zunächſt in Ledertaſchen, welche an ihrem Gürtel befeſtigt ſind. Haben ſie eine bedeu— tendere Menge zuſammen, ſo kochen ſie dieſelbe in Keſſeln, ziehen das aus— ſchwitzende flüſſige Harz auf Fäſſer und verkaufen auch die übrigbleibende Rinde nach den griechiſchen und türkiſchen Städten als Wohlgeruchsmittel. Jährlich werden gegen 50,000 Pfund gewonnen, theils in Fäſſern nach Kon— ſtantinopel, Smyrna, Syra und Alexandrien geſchickt, theils in Ziegenhäuten transportirt und über Trieſt auch nach Deutſchland gebracht. In Afrika und in Arabien iſt das bekannte „arabiſche Gummi“, ein Erzeugniß mehrerer Akazien- und Mimoſen-Arten, von Wichtigkeit. Den Eingeborenen dient es gelegentlich als Speiſe, von einigen Neger— ſtämmen des Südens wird es aber ſehr ı — geſchätzt, da fie mit feiner Hülfe allerlei TTV fünftlihe und wunderliche Saartouren her- f) de ftellen können. Im Jahre 1858 wurden 4 a 2 in der englifchen Kolonie Gambia für 13— — 1400 Thlr. (212 Pfd. St.) dieſes Sf IS in den Handel gebradit; im Jahre 1881 — im Hafen zu Aden 250 Tonnen (5000 Gentner), Die Somauli an der Nord— oftfüfte Afrikas fammeln da8 Gummi während der Monate Dezember und Ja— nuar. Die Afazien bilden in jener Gegend meijtens fleine Sträucher von welfen, dirf- 5 g tigem Ausfehen und bedecken die trodnen BET Bergabhänge. Seltener erreichen fie eine — vr Höhe von 20—30 Fuß. Man madt in 9 die Zweige und Stämme lange Einſchnitte \ und ſchabt nad) einiger Zeit das hervor- Zweig der Gummi-Afazie (Acacia nilotica). quellende, eingetrodnete Gummi ab. Sit in einem beftimmten Gebiet die Ernte beendigt, fo nüht man das Gummi in Ziegenfelle und bringt es auf Kameelen in Berbera zum Berfauf. In Arabien jelbft wird wenig von diefem Stoffe für den auswärtigen Handel gefammelt, das meifte im Lande ſelbſt als Erweichungs- und Nahrungsmittel verbraucht, jo 3.8. Schwachen Perfonen in Form von Schleim, wie bei ung Arrow-root, Sago, Salep u. f. w. gegeben. Der Glanz, durch welchen ſich die Schriften der Araber auszeichnen, wird durch den Gummizufag erzeugt, den man der Tinte giebt. Hier im nordöſtlichen Afrifa befinden wir uns im Gebiet der feit Alters berühmten Myrrhen und des Weihrauchs. Die Myrrhen ftammen von mehreren Arten des Balſamſtrauches (Balsamodendron myrrha, gileadense 4* 52 Pflanzenmilh, Gummi und Harze. und B. opobalsamum) und ihre Sorten find als Balſam von Meffa oder Gilead, die feftern Stüden als Myrrhen befannt. Ihr Gerudy ähnelt dem Duft der Drange und des Rosmarin, ihre Heilfräfte find aber nicht bedeu— tender als diejenigen des Terpentind. Die Somauli bringen es aus der Umgebung von Hurrur in großen Duantitäten in den Handel und verfaufen es meiſtens an Indier, welde fie mit Baummelleuwaaren dafür bezahlen. Bon 450 Centnern dieſes Harzes, welche Aden pafjirten, ging nur ein Fleiner Theil nad) Amerifa, das meifte nad Dftindien, wo es als Heil- und Räucher— mittel geſchätzt tft. Der Weihrauch, Dlibanum, „Luban“ oder „Yeban‘ der Araber, kommt von dem Weihrauhbaum (Boswellia papyrifera), der an feinem natür- (hen Standort einen fonderbaren Anblid gewährt. Er iſt auf der Ditfüfte von Afrifa einheimifch und gedeiht bejonders auf dem Hoch— (ande, weldes das ganze Gebiet der Somauli durchſchneidet. Die Hügelreihen in der Nähe des Kap Guardafui beftehen ganz aus weißem Kalkſtein, der ftellenweife dem Ala- bafter an Feſtigkeit und Anfehen gleicht. Dies jcheint der geeignetite Boden für den Weihrauhbaum zu jein. Auf den erften Aublid ſcheinen ihm die Wurzeln zu fehlen. Rauten- förmige und phantaſtiſch gejtaltete Holzmafjen umgeben den Grund bes Stammes und feinen den Baum an den Felſen feitzuheften. Auf vie: jem Unterbau, der an den jchroffen Wänden feftflebt, fteht der eigent- F liche Stamm faſt rechtwinklig und Zweig des RS (Boswelliä serrata). fteigt ſenkrecht empor bis zu 12—15 Fuß Höhe. Am Grunde über fuß— dick, verläuft er nach oben zu einer Spitze, welche die Zweige trägt. Meiſtens erſcheint er blätterlos und fällt außerdem durch die ſich ablöſende birkenartige Rinde auf, die glänzend iſt und in Oel getränktem Papier ähnelt. Das Holz iſt weiß, faſerig und von geringer Härte. Die alten, abgeſtorbe— nen Stämme nehmen eine aſchgraue Farbe an und unterſcheiden ſich dadurch von den jüngern lebenskräftigern. Die Somauli machen Einſchnitte in den Stamm, aus denen der Saft ſogleich in einem reichlichen Strome heraus— fließt, der bisweilen den ganzen Stamm bedeckt. Durch die Sonnenglut und die Luft verhärtet die Slüffigfeit zu Gummi und die Wunden des Baumes + Weihrauchbaum. Kopalbaum Mana -Ejche, 58 verharſchen. Dann wird der Weihrauch abgekratzt, geſammelt und wie die Myrrhen in Schaf- oder Ziegenfellen den Marktplätzen zugeführt. Gewöhn— lich enthält ein Paket 30 — 40 Pfund. Je nad) der Güte werden mehrere Sorten Weihraudy unterfchieden und aus dem genannten Gebiet jährlih un- gefähr 18—20 Sentner verfendet, das bejonders bei den gottesdienftlichen Handlungen der Drientalen als Näuchermittel beliebt if. 28 Pfund foften an Ort und Stelle 1—2 Thaler; der Werth dieſes Stoffes ift alfo gegen früher bedeutend gefunfen. Im Alterthum bezog man vdenfelben aus ven ſüdlichen und ſüdöſtlichen Gegenden Arabiens, und Plinius ſchildert in feiner Naturgefchichte eingehender die Borfichts- maßregeln, welde man damals bei der Koftbarkeit des Stoffes in Mlerandrien gegen Diebe traf. Er fagt: „In Aleran- drien, wo der Weihraud geprüft, gerei- nigt und zum Berfaufe zubereitet wird, fönnen die Leute nicht aufmerffam genug / nad) ihren Läden und Arbeitshäufern jehen, / und fie werden doch beftohlen. Der Ar— beiter, der damit beſchäftigt iſt „ganz N nadt, ausgenommen daß ein Paar Bein- / lleider ſeine Blöße decken, und ſelbſt dieſe / werden zugenäht und verſiegelt, damit er nichts in dieſelben hineinſteckkt. Um den Kopf hat er eine dicke Maske, aus Furcht, daß er etwas in Mund oder Ohren ver— bergen möchte. Und wenn dieſe Arbeiter wieder hinausgelaſſen werden, werden ſie ganz nackt, wie ſie geboren werden, weg— geſchickt.“ In Oſtindien erhält man vom Kopal— baume (Vateria indica) den bernſtein— ähnlichen Kopal, der fi) aus dem wohl- riehenden, gewürzhaft bittern Balſam jenes Baumes erzengt. Er dient als Räuchermittel, zu Firniß und, mit ge- vingern Harzen vermiſcht, zu Sciffstheer. Die Sierra Leone liefert an. 80 — 90,000 Pfund einer Sorte Kopal in den Handel. Das gemöhnlihe Manna unferer Apotheken iſt ein Etzeugniß der Manna-Eſche (Ornus europaea) und wird in Sizilien und Kalabrien ge— wonnen, indem man Einſchnitte in den Baum macht, in denen der aus— quellende Saft verhärtet. Eine andere Sorte wird von der Tamariske, Tarfa— baum (Tamarix mannifera) gewonnen, die Südeuropa, Nordafrika und Arabien bewohnt und jenen Stoff theils freiwillig, theils nad) Verwundungen durch ein Injeft (Coccus manniparus) ausfondert. Das gewöhnliche weiche, butter- Zweig, Blüte und Samen der Tamariske. 54 Pflanzenmilh, Gummi und Harze. ähnlihe Manna dient in den Yändern des Drients als Zuthat zur Speife, in Gemeinſchaft mit Honig zu Scherbet, audy als Heilmittel. ine beffere, fefte Sorte wird dur die Mönde der Klöfter des Sinai gefammelt und Terand- ihabin genannt. Als das bibliſche „Himmels-Manna“ wollen Manche die aus- geſchiedenen Gummiperlen des Alhagi (Alhagi camelorum), eines Fleinen ftad)- ligen Hülſengewächſes, anjehen, das in denſelben Gegenden mafjenhaft auftritt. Im ſüdlichen Afien find diefelben Feigenarten (Ficus religiosa, ben- jaminea ete.), die wir bereit3 wegen ihres Kautſchuk-Milchſaftes erwähnten, auch als Lieferanten des Schellad-Harzes be- fannt.. Auf den jüngern Zweigen jener Bäume lebt eine Schilvlaus in fo großer Menge, daß diefelben ganz roth beftäubt erfcheinen. In Folge der Berwundungen, welche dies Inſekt herbei- führt, fließt der Milchſaft - aus und erhärtet an ver Luft zu Harz, dem joge- nannten Öummilad. Die roth ausjehenden Thierdhen bleiben gemwöhnlid in dem Lad jelbft Kleben und ver- anlafjen feine Farbung. Aus dem rohen Gummilad jtellt man den gereinigten Schel— lad dar, den jeder unferer Leſer als einen Beftandtheil des Siegellads in den Hän- den gehabt hat. Eine ganz ähnliche Gummilackſorte er- ee zeugt ſich durch gleiche In— jeften an den Zweigen des Gummilackbaumes (Croton laceiferum), der dafjelbe Vaterland mit den genannten Feigen hat und der Familie ver Wolfs- milchgewächſe angehört. Der früher befchriebene Dradenbaum (Dracaena Draco, I. Bd., Seite 176) jondert in Einfchnitten, welche man in feinen Stamm macht, ein rothes Harz aus, das fogenannte Drachenblut, das früher hohes Anſehen genof, gegenwärtig aber nur zu Räucherpulver, Firniß u. dgl. nebenbei Verwendung findet. Unter demjelben Namen ift aud der rothe, eingetrodinete Saft des weſtindiſchen Drachenbaumes (Pterocarpus Draco) und der aus den Beeren des ftindifhen Drachen-Rotang (Calamus Draco) erzeugte befannt. ein Zweig mit Lackſchildläuſen. Kampherbaum Dammar- und KaurisFichte. Baljame. 55 Das ſüdöſtliche Aſien ift aud) das Heimatsland der Kampher Liefernden Gewächſe. Auf Borneo und Sumatra bildet der Kampherölbaum (Dryo- balanops aromatica) als anfehnlider Baum einen Beftandtheil der Waldungen und enthält den genaunten Stoff theils in Geſtalt von Kampheröl, theils als kryſtalliniſche, in Höhlungen des Stammes wie die Harze ausgeſchiedene Maſſen. Man haut die Stämme, um das ſehr geſchätzte Produkt zu ge— winnen, L—2 Fuß hoch über dem Boden an, und fängt das ausfließende Oel auf. Kommt letzteres nicht zum Vorſchein, ſo ſieht man dies als ein Zeichen an, daß der Baum feſten Kampher enthalte. Man fällt dann den ganzen Stamm und zerſpaltet denſelben. Die vom Holze eingeſchloſſenen Kampher— ſtücken ſind nicht ſelten armsdick und ein einziger Stamm ſoll mitunter 10 Pfund davon ent— halten. Der meiſte dieſes natür— lichen Kamphers geht nach den ſüdlichen Ländern des aſiatiſchen Kontinents; jener, den wir als weißliche, ſtarkduftende Subſtanz kennen, wird durch trockne De— ſtillation aus dem Kampher— Lorbeerbaum (Persea cam- phora) gewonnen, den man in China und Japan zu jenem Zwede anbaut. In letzterem Lande pflegt man aud) den Fir- nigbaum (Rhus vernix), eine \ Sumach-Art, und benutt ſei— Äy nen Saft bei den durch ihren Brütenzweig und Blatt vom peruvianiſchen Balfambaum Glanz berühmten Ladarbeiten. (Myroxylon peruvianum). Die Dammarfidte (Dammara loranthifolia) auf den Gebirgen der Moluffen und die Kauri- fihte (Dammara australis) auf Neufeeland erinnern durch ihren Harzreich— thum an unjere-Nadelholzbäume, zu deren Yamilie fie gehören. Die erft- genannte liefert das Dammarharz. Die neuholländifhen Eufalyptus- Arten find auch reih an gummi- und harzähnliden Subftanzen. Eucalyptus resinifera ift die Mutterpflanze des auftralifchen Kino, Das man wegen fei- nes Gerbſtoffgehaltes empfiehlt. Aus dem wärmern Amerika kommen bejonders einige Balfame zu und, die theils als Wohlgeruchsmittel, theils als Arzneien Verwendung fin- den. Am befanntejten find der peruvianifche, der tolutaniſche und ber 56 Pflanzenmiih, Gummi und Harze. Kopaivabalfam. Der erftere ftammt von dem peruaniſchen Balſamholz— baume (Myroxylon peruiferum), der zweite von einem Gattungsverwandten dejielben (M. toluiferum), der auf den Bergen bei Tolu am Magdalenen- fluffe wächſt, und ver lettgenannte von dem Kopaivabaum (Copaifera) Ferula tingitana, Stammpflanze des Sylphium. in Braſilien und Guyana. Sämmt— liche Bäume gehören zur natürlichen Fa— milie der Hülſen— früchtler und ſon— dern ihren Balſam in Einſchnitten aus, welche man in ihren Stämmen macht. Ein nahe verwandter Baum, eine Caesal- pinia, die an der. Nordküſte von Co— 5 Iumbien in dürren, heißen Flußthälern, 3. B. am Sogamozo wächſt, jcheivet von jelbft an der Außen— feite ihres Stammes eine Schicht harzigen Stoffs aus, der letz— tern glatt und glän— zend erjcheinen läßt. Alljährlich ſchaben die Fiſcher dies Harz ab und verwenden es als Schiffspech. Auch unter den krautartigen Pflan— zen ſind beſonders in der Familie der Doldengewächſe eine nicht geringe Anzahl, welche Harze und verwandte Stoffe ausſondern. Drei der berühmteſten davon bewohnen die dürren Gegenden Perſiens. Die Mutterpflanze des bekannten Stinkaſand (Asa foetida), eine Art Steckenkraut (Ferula Asa foetida), wächſt daſelbſt in den felfigen und dürren Gebirgen, die ſüdlich an die Salzwüſte grenzen. Alfa foetida. Ofehaf- Kraut. Sylphium. 57 Die ausdauernde Wurzel derjelben wird, jobald fie über 4 Jahr alt ift, aus— gegraben und die im ihr enthaltene Mild durch Anfchneiven gewonnen. Sie ftinft ſehr ſtark knoblauchsartig und wird allmälig did und bräunlid. Käm— pfer, welcher 1687 zuerft in jene Gebiete gelangte, erzählt, daß die mit Aſa foetiva (Teufelsdreck) beladenen Kameele bei dem Transport derjelben nicht in die Städte dürften, fondern vor den Thoren lagern müßten. Nach In— dien, fagt er, würde fie auf einem eigens Dazu keftimmten Schiffe gebracht, an deſſen Maft man das in lederne Schläuche eingenähete Harz aufhänge. Am Nordrande der Salzwüfte tritt das Oſchak- oder Werfhah-Kraut (Dorema ammoniacum), ebenfalls ein Doldengewächs, ziemlich haufig auf und ihwitt oft von felbft am Urſprunge der Dolvenftrahlen das arzneifräftige Ammoniaf-Gunmi oder Harz aus, das in allen Theilen des Gewächſes ent- halten ift. Seine Gewinnung bildet dafelbft einen bedeutenden Induftriezweig. Eine andere perfifche Stedenfrautart (Ferula erubescens) fondert das Gal- banumharz an den Blattſcheiden in ähnlicher Weife von ſelbſt aus, wie die europäiſchen Ciftusgebüfhe das Ladanım. Sie wächſt in der Elborusfette am Demamwend auf Felsbovden zwiſchen 4— 8000 Fuß a. H., außerden an einigen Stellen in der Nahbarfchaft der großen Salzwüſte. Das im Alter- thum jo berühmte und gegen viele Krankheiten angewendete Sylphium war ebenfalls ein Gummiharz, welches nad) der Meinung Vieler von Ferula tin- eitana L. abftamme. Dieſes Doldengewächs findet ſich noch jest in den Län— dern am Mittelmeere. Eine anjehnliche Neihe verwandter Stoffe werden von Gewächjen ver- ſchiedener Familien und in verfchiedenen Ländern fir die Küche des Apothe- fers beanſprucht, in der fie als Gummi, Reſina u. ſ. w. fungiren. Ihre Aufzählung würde ermüden und findet fid) in jedem Arznei» und Droguen- Verzeichniß, weshalb wir ung hier mit diefen Andeutungen begnügen. Zu— dem werden wir fpäter, bei einem Weberblid der Arzneigewächſe, nochmals auf viefelben zurüdfommen, Wir haben bisher die Veränderungen näher betrachtet, welche die Zellen und Gefäße der Gewächſe innerhalb des Stengels erfahren; jchlieglich ver- weilen wir noch einen Augenblid bei jenen Schichten, welche den Träger der Pflanze nad) außen umgeben. Die Zellenhäute, welche won der freien Luft bejpült werden, müfjen nothwendiger Weife Ummwandelungen erleiden, vie bei den erftern nicht vorfommen. Es find hier andere Faktoren thätig, — die Ergebnifje jener Kräfte find danad) aud) abweichende. Die nad) außen gelegene Haut der äußerten Zellenſchicht bildet die Oberhaut (Cuticula) des Gewächſes. Sie fheidet einen Stoff aus, der dem Zwifchenzellenftoff entfpricht und welder zur Oberhautſchicht erhärtet. Bei manchen zartern Gewächſen bleibt die Oberhaut ebenfall® zart und dünn— wandig, bei andern werdidt fie fi) durch abgelagerte neue Schichten (Cuti— cularfhichten) auf der Innenfeite. Von den Spaltöffnungen, durch melde 58 Pflanzenmild, Gummi und Harze. ver Pflanzenorganismus bier mit der Atmojphäre in Verbindung und Stoff— austaufch tritt, fowie von den Haaren, welde in den manchfaltigſten Formen - hier auftreten, werden wir bei Betradhtung der Pflanzenblätter eingehender ſprechen und bier nur bei einer Ummwandelungsform verweilen, welche ver Dberhaut des Stengeld vorzugsweile zufommt: dem Kork, Unterhalb der abfterbenden Oberhaut und meiftens auch da, wo bie Pflanze eine Verwundung erfahren hat, bildet ſich ein eigenthümlich geftal- tetes Korkgewebe, das aus tafelfürmigen, mitunter wunderlich verzweigten Zellen bejteht. Der Zellitoff der Zellenwände wandelt ſich bei dieſem Vor— gange in Korkftoff um, der Saft verſchwindet meiftens bald und das Leben ver Korkzellen hat deshalb gewöhnlich eine nur furze Dauer, obſchon der ab- geftorbene Kork jahrelang an dem Gewächs als jhütender Panzer verbleiben fann. Das Zellgewebe des gewöhnlichen Korfes, wie er bei dem Korfrüfter, dem Korfahorn und am ftärfften bei der Korfeihe (Quercus suber) auftritt, beſteht aus zahlreichen lockergewebten Schichten von Korkzellen. Bleiben vie Schichten dünner und werben fie dabei zäher und fefter, jo unterjcheidet man fie als Leverforf, der in der Rinde fehr vieler Bäume auftritt und in deſſen Vertheilung und Ausbildung das abweichende Ausſehen des äußern Stammes gegründet ift. Bei manden Bäumen, z. B. bei ven Weiftannen und Rothbuchen, bleibt der Lederkork der Rinde gefchloffen, die Stämme erſcheinen deshalb bis zum hohen Alter glatt. Bei der Kiefer, der Platane, Birfe, fowie bei den neu— holländiſchen Eufalyptusarten bildet fid) der Yeverforf unregelmäßig aus. Ein— zelne Partien deſſelben entwideln ſich ftärfer, andere ſchwächer, beim Vertrock nen ziehen fidy die einen dann auch mehr zuſammen als die andern und die Borfe des Baumes zerreißt. Sie blättert fi) entweder in fleinern Schuppen, wie bei den Kiefern, oder in größere Stüden, wie bei den Platanen, und vorzüglich auffallend bei den auftraliihen Gummibäumen (Eucalyptus) los. Bei manden Bäumen bleibt die Ninvdenbildung und die Borfe überhaupt ſchwach, bei andern erreicht fie, ſowie die auf ihr ausgeſchiedenen Korflagen, eine beveutende Stärke. Edeltannen haben mitunter felbft bei einem Alter von 400 Jahren eine faum zolldide Rinde, während fi) die ftarfen Kork- lagen der Korfeihe fhon nad S— 10 Jahren, je nad) dem Standort, in jolder Mächtigfeit erneuern, daß fie zu technifchen Stweten abgelöft wer: den fünnen. Für das Peben der Pflanzen jcheint der Kork ein pprzäglichen Mittel zu jein, die Verdunftung zu verhindern, deshalb ift aud fein Auftreten bei Berlegungen von hoher Bedeutung. Nur in untergeordneten Fällen, z. B. bei der Trodenfäule der Kartoffel, tritt die Korkbildung krankhaft und nachtheilig auf. Wo fie fich zeigt, hört auch ein Austaufch der Säfte zwifchen den Ge- webspartien auf, melde durch fie getrennt werden; die außerhalb der Kork— ihicht gelegenen Theile müſſen dann abfterben. Letsteres findet beim Abfallen ber meiſten Blätter ftatt. In „ Mi N G URBAN 1 —99—— = ILARSN IN \ N N IN 9 Mi — — — — HAN, 9 — 2 Quercus suber). iche ı Korke Die 60 Pflanzenmilh, Gummi und Harze. Für den Menſchen haben nur wenige Rinden und Korkbildungen einen namhaften Werth. Jene Rinden, welche ſich durch Arzneikräfte und Gehalt an Gerbſtoff auszeichnen, werden wir ſpäter beſprechen, die Verwendung ein— zelner Rinden als Schreibmaterial, anderer, z. B. der Birkenrinde, zu Zelten, Doſen, Pfeifenröhren u. ſ. w., iſt nur auf wenige Völkerſchaften beſchränkt, die meiſte Bedeutung für uns hat noch der gebräuchliche Kork der Korkeiche, mit dem wir unſere Flaſchen verſchließen. Die Korkeiche gedeiht in den wär— mern Theilen des ſüdlichen Europa's, in Spanien, Portugal und Italien. Das Korkkloſter iſt ſeit lange als Kurioſität aufgeführt worden. In den Maremmen pflanzt man die Korkeiche gegenwärtig vielfach an, um jene ver— rufenen Gebiete wenigſtens durch etwas nutzenbringend zu machen. Von Be— deutung ſind in der Neuzeit auch die Korkeichenwaldungen Algeriens geworden. Vor der Beſitznahme jenes Landes durch die Franzoſen befanden ſich die Waldungen in ſehr verwahrloſtem Zuſtande. Sie wurden beſonders durch das Abbrennen des trockenen Graſes ſehr mitgenommen, das die Araber jähr— lich veranlaßten. Die erwachſenen Stämme der Korkeichen widerſtanden zwar den Flammen, nur ihre äußere Korkſchicht verkohlte, der junge Nachwuchs litt aber deſto mehr durch jene barbariſche Sitte. Die meiſten Stämme wur— den krüppelig und führten eine kümmerliche Exiſtenz. Die franzöſiſche Regie— rung hat die Korkwaldungen auf eine Reihe von Jahren an Geſellſchaften verpachtet und unterftüßt letztere durch Handhabung ftrenger Geſetze gegen das Grasbrennen. Es wurde eine geregelte Forſtkultur eingeführt, fteinerne Gebäude für Faftoreien und Schuppen zu Niederlagen aufaeführt, gute Yahr- ftraßen angelegt und ein regelmäßiger Betrieb der Korfgewinnung eingerichtet. Das Abſchälen des Korkes wird meiftens durd) Arbeiter aus bejonderen Kabylenftämmen ausgeführt und gejchieht während der Gaftzeit. Je zehn Eingeborene ftehen unter Aufficht eines Obern, der aus ihrer Mitte gewählt ift. Zehn folder Abtheilungen werden von einem Europäer geleitet. Die Kabylen ziehen in feitlihem Aufzuge mit Flöten, Schalmeien und vielem Lärmen beim Beginn der Schälzeit den Waldungen zu und verlafjen die— jelben auch auf die nämliche Weife wieder. Die Höhe, bi8 zu welcher die Rinde abgelöft werden joll, richtet fich nad) der Dide der Bäume und wird durd ven Dberaufjeher bezeichnet. Dben und unten haut dann der Arbeiter einen Ring in die Borfe, verbindet die— jelben durch zwei Längsſchnitte an den entgegengejeßten Seiten des Stammes und trennt fehlieglic die ganze Korklage mit dem Stiel der Art bequem in zwei mulvenförmigen Stüden los. Yebtere werden mit Schabmeſſern von den rauhen äußeren Borfenlagen befreit und in Padete von je 200 Pfund zufammengepreßt. Bei der Vertheilung der Arbeit ift eine militärifche Ordnung eingeführt. Hornfignale bezeichnen den Anfang des Tagemerfes und die Auhezeiten für die Mahlzeiten und monatlid unterbricht ein allgemeiner Feſtſchmauß mit Hanswurftiaden, Mufif und Tanz die Cinförmigfeit des Waldlebens. Der —— * bei cha mfeln. ; XVI Das Blatt und fein Leben. Entfalten des Laubes. — Blattentwidelung. — Blattloje Pflanzen. — Blattformen: einfache und zufantinengefeßte Blätter. — Körperblätter. — Yaubblätter. — Nadeln. — ?ederblätter. — Immergrünes Laub. — Größte Blätter. — Wahsthum des Bictoria vegia- Blattes, — Anatomie des Blattes. — Phyllodien. — Blattknospen. — Knospen- ihuppen. — Blattftellung. — Schattenpflanzen. — Blätter als Wafjerbehälter. — Wan— derers Baum. — Weinender Baum. — Waldraufhen. — Laubfall. Mandl’ im Grünen! Willft Du die Blumen verftehn, Muft Dir erft den Wald durchgehn: Iſt Dir erſchienen Der Sinn des Grünen, Dann magſt Du die Blumen Ar ieck. acht Yiebe, Wein und Schlachtgetünmel wird "der Frühling von Aden Dichtern am herrlichiten gefeiert. Mit den ſüßen Freuden Amor's geht er Hand in Hand, die Rebe blüht, und das Yorbeerreis jo wie. der Eichenzweig treiben von Neuem, dem Sieger winfend! 62 Das Blatt und fein Leben. % Die ganze gebräuchliche Zeitrechnung beginnt nach den heiligen Urkunden damit, daß die Friedenstaube dem Bater Noah das Blatt vom Delbaume bringt und noch jedes Jahr wiederholte fih „im wunderſchönen Monat Mai, wo alle Knospen ſprangen“, die lieblihe Mythe. Die püftern Stimmungen und Sorgen des Winters find mit der Schneedede gefhmolzen, das trübe Waſſer verläuft fid) wie eine zweite Sintflut, Nachtigal und Kuckuk nebſt ihren Kunſtgenoſſen in Baum und Strauch, drunten im Teich das quakende Heer. der Fröſche, ſtimmen den Wonnegefang an und der Menſch ift nicht der lette, der mit feinen Liedern die ſchöne Zeit feiert! Eines der wichtigjten Momente, durch welche der Frühling auf die Stim- mung fo erhebend wirft, ift die Entfaltung des Laubes. Die weiße Schneedede, welde ſich ftets eine DBergleihung mit dem Leichentuch gefallen laſſen mußte, wandelt ſich in ſmaragdenes Grün; der graue Wald, deſſen laubloje Aefte und Zweige fi) wie Arme und Hände Derzweifelnder flehend gen Himmel ſtreckten, kleidet fi in die Farbe der Hoffnung, fobald fid) die Blätter entwideln. Nimmer wird und der Genuß der Natur etwa zerftört, wenn wir die Einzelnheiten verfolgen, in welchen die unendliche Künftlerin ſchafft, — er wird durd eingehendere Betrachtungen nur vor Ueberjchwenglichfeit und Sen- timentalität bewahrt und gewinnt eben fo an Mandhfaltigfeit wie an Tiefe. Bon diefem Gefihtspunfte ausgehend, verfolgen wir an der Hand berühmter Forſcher, eines Schleiden, Mohl, Grieſebach, Schacht u. N. die Ent- widelungsgefhihte des Pflanzenblatte8 und machen uns gleid)- zeitig mit den herworftehendften Geftalten dieſes wichtigen Organes der Ge- wächje vertraut. Schon im erften Bande diefes Werkes (S. 108) haben wir uns Die zwei— fache Art und Weife vorgeführt, in welcher die Bildungen des Pflanzenlebens im Frühlinge auftreten: es entmwideln fid) die im Schooß der Erde ruhenden Samenförner, — es entfalten ſich die während des Winters gefchloffenen Knospen. Dei beiderlei Borgängen verläuft die Bildung des Blattes in verwandter Weife. Die Wurzeln dienen den Beziehungen, in denen das Gewächs zur Unterwelt fteht, Stamm und Zweige leiten die errungenen Säfte hinauf und hinab, — der PVerfehr mit den himmlifhen Mächten, mit den Gaſen des Luftmeeres, mit dem Wafler der Atmofphäre, mit dem erquidenden Lichte, diefer bleibt ven grünen Theilen des Dberftods überlaffen. Schon die Ober- haut der jüngern Zweige und Stengeltheile übernimmt dieſe Rolle und bei manchen Pflanzenfamilien, bei denen die Blätter nur andeutungsmeife oder nur als begleitende Organe der Befruchtungswerkzeuge auftreten, bleibt fie mit diefen Funktionen ausfchlieglich betraut. So ift es der Fall bei den Hun- derten von Kaftusarten, welche die fteinigen Ebenen des wärmern Amerifa beveden, mit den Stapelien des Kaplandes und hans blattlofen Salz— fträugern der Steppen Aſiens. S Blattentwickelung. 63 Bei den meiſten Gewächſen aber löſt ſich gewiſſermaßen die Oberhaut des Stengels von letzterem an beſtimmten Stellen ab und formt ſich zu be— ſonderen Organen, den Blättern, in welche die Gefäße des Stengels gleicher— weiſe übertreten und ſich vertheilen, als ſei das Blatt ein Zweiggeflecht im Kleinen, verbunden durch das grüne Parenchym. Das junge Blatt zeigt ſich dicht unter der wachſenden Stengelſpitze, dem Begetationspunft, zunächft als winzig kleines Wärzchen, im erſten An— fang nur aus wenig Zellen beftehend. Es ift dies die fünftige Spite des jungen Blattes, die ſich zuerft bildet und die auch zuerft im Wachsthum wie- der aufhört. Am Blattgrunde geht von nun an die Bildung neuer Zellen ununterbrochen weiter; je nad) der Art der Pflanze nimmt eine geringere oder größere Partie des Stengelumfangs daran Antheil. Die Spige entfernt fi) mehr und mehr vom Grunde. Hierin zeigt fid) eine | auffallende Verſchiedenheit zwiſchen dem Wadhsthum Des Blattes und jenem des Stengels; legterer wählt vorzugs- weife durch Neubildung der Zellen an feiner Spite, — erfteres an feinem Grunde, Betheiligt fid) der Stengel in feinem ganzen Umfange an der Bildung des neuen Blattes, jo ift nur die Erzeu- gung eines einzigen Blattes an jedem Knoten möglid. Ein ſolches Blatt wird an feinem Grund ftengelumfaffend fein. Die meiften derjenigen Gewächſe, die als Keimpflanzen nur. ein Blatt angelegt haben, behalten diefe Eigenthümlichfeit auch bei; fie bilden die große Abtheilung der Einjamen- blättrigen (Monofotyledonen). Von der andern Haupt- gruppe der Blütenpflanzen, den Zweifamenblättrigen (Dikotyledonen), deren Keimlinge mit zwei gegenüberftehen- ven Blättern aufgehen, entwideln nicht wenige an den erften — Knoten zwei gegenüberſtehende Blätter, ſpäter aber je nur a — — eins, das dann aber häufig von Nebenblättern begleitet iſt. Als ein Beiſpiel der erſtern Art führt uns die beiſtehende Abbildung ein keimendes Maiskorn vor, deſſen Stengelende gänzlich von einem röhren— förmig zuſammengerollten Blatt umſchloſſen iſt. Bei manchen Gräſern blei— ben wenigſtens die unterſten Blätter ſcheidenförmig und liegen dicht dem Stengel an, bei den meiſten dagegen bilden ſie einen ſchmalen, bandartigen Flächentheil (Blattſpreite) und umſchließen nur mit dem untern Theile, ver Blattſcheide, den Stengel. Da wo Blattfläche und Blattſcheide an einander grenzen, findet fid) bei nicht wenigen Grasarten noch eine zart- häutige Bildung, welche Blattzunge oder Blatthäuthen genannt wird und die an die fogenannten Nebenkronen vieler Nelfenblüten erinnert. Die Abbildung auf S. 64 führt ung als Beifpiel zweifamenblättriger Ge— wächſe zwei junge Pflänzchen des rothen Ahorn (Acer rubrum) vor, der urſprünglich in Norbamerifa einheimiſch ift, gegenwärtig aber in unfern 54 Das Blatt und jein Leben. Barfanlagen viel gepflegt wird. Das obere jener Pflänzchen hat Die beiden Keimblätter, welche bereits im Samenforn vorhanden waren, entfaltet und zeigt außerdem ein zweites Stengelglied mit den Anfängen des erften Paares von Laubblättern; die untere Pflanze hat dieſes Stengelglied anjehnlid) entwidelt und die Laubblätter, die hier auch fid) zu zwei gegenüber ftehen, weiter ausgebildet. Es fällt uns jofert die Verſchiedenheit der Blattformen auf. Die Keimblätter find länglich rund, ganzrandig, die Laubblätter herz- förmig zugefpitt und tief jägezähnig. | Mitunter verfhmelzen aud) zwei gegenüberftehende be Blätter mit ihrem Grunde fo, daß fie jchlieglich ven —— Stengel umfaſſen und wie ein einziges Blatt erſcheinen, (a durch welches der Stengel hindurchgewachſen ift; fo bei dem befannten Geisblatt (Lonicera Caprifolium, ſ. ©. 68), diefem zu Yaubenbefleivung jo beliebten Schling- > Straudhe. Das unterfte Blätterpaar erſcheint hier nod) aus zwei gänzlich getrennten Blättern beftehend, das nächftfolgende, mit dem erſtern ein Kreuz darftellend, verfchmilzt bereit8 am Grunde, und fo fteigert fid) bei jedem höherftehenden Blattpaare das gegenfeitige Ber: wacjen, bis das oberfte faft als kreisrundes Schild erfcheint, das in feiner Mitte das Stengelende mit den Beeren trägt. Bleibt ein Blatt während ſeines ganzen Lebens mit dem Stengel durch feinen Grund unmittelbar in Verbindung, jo wird e8 als ein ſitzendes bezeicdynet. Die Blätter des Geisblattes Finnen auch hierfür als Beijpiele dienen; entfernt es fi) dagegen durch Bil— dung eines befondern Trägers, des Blattftieles, jo wird es geftielt. Als foldye zeigen ſich Die beiden obern Blätter (Laubblätter) des abgebildeten Pflänz- hend vom rothen Ahorn. Sp wie ftreng genommen nie zwei Blätter völlig Zwei Pflänzhen vom vothen gleich find, jo hat auch eigentlich jedes Blatt jeine be- — J et? 9— fondere Entwickelungsgeſchichte, die wenigſtens in Klei— genben Blätterpame, Migfeiten von derjenigen des Nachbarblattes abweicht; der Geſammtvorgang dabei, ſo manchfach verändert er auch auftritt, läßt ſich ungefähr in nachſtehender Weiſe zuſammenfaſſen. Wir wählen als Beiſpiele zunächſt die einfachen Blätter, welche unſere meiſten Waldbäume, Eichen, Buchen, Erlen, Linden, Ulmen u. ſ. w. zeigen. Bei dieſen entſtehen dicht unterhalb der wachſenden Stengel- oder Zweigſpitze in Gemeinſchaft mit jedem jungen Laubblatt zwei Nebenblättchen. An— fänglich eilen letztere in ihrer Entwickelung viel ſchneller vor und überragen weit das Wärzchen, welches den Anfang des eigentlichen Laubblattes bildet. Einfache und zufammengefetste Blätter. 65 Sie wölben fich ſchützend über letzteres und behalten gewöhnlich eine mehr häutige Bejchaffenheit. So wie das Laubblatt zwifchen ihnen ſich Fräftiger entwidelt und für fi den zugeführten Nahrungsftoff in Anſpruch nimmt, werden die Nebenblätter bei vielen Pflanzen dürr und fallen ab. Nicht lange danach, nachdem das Laub— blatt begonnen hat, feine Spige durch Zellen- theilung vorwärts zu jchieben, zeigt ſich auch bereits, vom Grunde ausgehend, der ſogenannte Mittelnerv, ein Gefäßftrang, der das Dlatt mit den Gefäßen des Stengeld in Verbindung fest. Er verliert fih allmälig in der DBlatt- ſpitze. Zu feinen Seiten entjtehen, ebenfalls am Grunde zuerft beginnend, die Nebenner- ven. „Jeder derjelben verläuft bei denjenigen Blättern, deren Rand gezähnt ift, in die Spite einer ſolchen Abtheilung. Bei Blättern mit doppelter Sägezähnung bilden ſich gemeinſchaftlich mit den weitern Berzweigungen der Gefäße die Zähne zweiter Ordnung. Ge— meinſchaftlich mit ver Bildung der Seitennerven geht aud die Vermehrung des Blattgewebes ununterbrochen vorwärts. Während fi vie Beräftelung fortwährend wiederholt, vermehrt fi das Parenchym, bis fchlieglicd die immer ſchwächer werdenden Nerven auf einander tref- fen und fi zu fogenannten Anaftomojen ver- einigen. Von der Art, wie fi) die Gefäße veräfteln, hängt die Form des Blattes und die Beihaffenheit des Blandrandes ab. Bom einfahen Dlatte finden intereffante Uebergänge zum zufammengejegten Dlatte statt. Diefelben treten beſonders deutlich her- vor, fobald man die Entwidelung diefer Or— gane Schritt für Schritt verfolgt. Wählen wir im Frühjahr eine ſchwellende Kaftanien- laubfnospe zum Gegenftande näherer Betrad)- tung, jo haben wir eine Reihe Entwidelungs- ftadien eines zufammengefetten Blattes in ähn— licher Weife neben einander, wie fie ung bie nebenftehende Abbildung zeigt. Im jüngften Zuftande zeigt fi das mittelſte Blatt als kleines, aus wenig Zellen -beftehendes Wärzchen, kurz darauf ent- ftehen die Spiten der nebenftehenden links und rechts, dann in ähnlicher. Wagner, Mal. Botanik. II. Bo. 5 3 aus einander gelegt. 66 Das Blatt und jein Leben. Weiſe die folgenden. Alle find ſchließlich glei winzigen Fingern einer zufammengezogenen Hand neben einander ftehend. Der Blatttiel dagegen iſt im Berhältniß zu ihnen auffallend fleifhig, groß und ſtark entwidelt. Bei weiterem Wachsthum werden die fingerförmig gejlellten Blätter durch Neu- bildungen von Zellen an ihrem Grunde größer und größer und der DBlatt- jtiel beginnt fid) zu jtreden, bis das vollendete Blatt fünf- oder fiebenfingerig ſich frei in der Luft wiegt. Dei tiefzertheilten und gelappten Blättern (Fig. 28—31, S. 69) ift der Vorgang ein Ähnliher. Die Hauptabtheilungen erjcheinen anfänglich aud) als einzelne Spigen, an deren Grunde die Zellenvermehrung vor fi) geht. Später- bin bleiben fie aber nicht von einander getrennt, jondern ihr Parenchym ver- Ihmilzt mehr oder weniger zu einer einzigen Fläche. Auffallender noch ift die Aehnlichkeit, welche die Entwidelung eines ge- fiederten Blattes mit dem eben bejchriebenen Borgange zeigt. Deffnen wir eine Blattfnospe des Roſenſtrauches, jo treffen wir die jüngften Blätter jenem der Roffaftanie ſehr ähnlich; auch bei ihnen find die einzelnen Fiederblätter den Fingern einer Hand ähnlich zufammengefaltet. Ber fortgehendem Wachs— thum verlängert fid) aber nicht blos der Theil des gemeinjamen Blattitiels, welcher fich unterhalb des erjten Blattpaares befindet, jondern es dehnen fid) aud) die Partien veffelben, die zwiſchen ven Blattpaaren find. Letztere rüden dadurch mehr und mehr aus einander und das anfänglich gefingerte Blatt wird zum gefieberten. Die Uebergänge vom einfachen Blatte zum gefiederten zeigen ſich in den Familien der Palmen in auffallender Weiſe und fallen um jo mehr in die Augen, als hier dieſe Organe die größten Ausdehnungen erhalten, Bei eini- gen Palmenarten mefjen die Blätter bis 50 Fuß Lange und haben dabei 8 Fuß in der Breite. Bei ungefähr einem Sedjtel (95) aller befannten Pal— menarten ift die Yaubmaffe am Ende des ftarfen Blatttieles ſchirmförmig in ähnlicher Weife angeheftet, wie die einzelnen Blätter der Roßkaſtanie an ihrem Grunde, nur mit dem Unterſchied, daß fie nicht von einander getrennt find und nur ihre Spigen ftrahlenfürmig von einander entfernen. Dei der Mehrzahl ver Palmenblätter verlängert ſich der DBlattjtiel durdy die ganze Dlattmafje hindurch. Letztere vertheilt fi) Deshalb links und rechts ſeitlich an demjelben und wird von parallelen Gefäßen durchzogen, die rechtwinklig auf der Mittelrippe ftehen. Es ift dies die Form, welche das Bananenblatt in befannter Weife zeigt. Bei den im Freien wacjenden ‚Bananen wird durch die Bewegungen, die der Wind hervorruft, leicht eine unregelmäßige Zerreißung der DBlattflähe in der Richtung der Seitenrippen herbeigeführt, bie bei den Palmenblättern bejtimmter Arten durch das Wadhsthum der Pflanze jelbit erfolgt. Einige Spezies behalten das ungetheilte einfache Blatt, 3. B. Geonoma simplicifrons, bei andern dagegen zerjpaltet die Fläche in fiederige Abſchnitte. Bei der Brennpalme (Caryota) theilen ſich dieſe Zipfel nochmals, das Blatt wird Doppelt fiedertheilig. Formen der Blätter. 67 Wie jhon angedeutet, findet die Vermehrung des Blattparenchyms nicht in allen Theilen der Blätter, gleihmäßig ftatt, ſondern ift je nad) ven Pflanzen- arten ſehr verſchieden. Wuchern einzelne Dlattpartien innerhalb der Blatt- fläche vor, jo wird das Blatt wellenförmig, runzelig, kraus; bleiben andere Stellen zurüd, fo können am Rande Einbuchtungen und Einfchnitte, im In— nern der DBlattfläche felbft Löcher und Deffnungen entjtehen. Durch letztere Eigenthimlichfeit ift die Familie der Aarongewächſe ausgezeichnet. Anfäng— lich find ihre Blätter ganzrandig und voll, beim weitern Wadhsthum werden fie bei mehreren Arten tiefzertheilt und von Löchern durchbrochen. Das Zurüdbleiben des Parenchyms ift bei den Waſſergewächſen noch auffallender. Die Blätter mander Wafjfer-Hahnenfußarten find doppeltgejtaltet. Jene, welche auf der Oberfläche des Waſſers ſchwimmen, haben die gewöhnliche Beichaffenheit, find von Adern durchzogen und die Räume zwiſchen den let- tern mit Dlattfleifch ausgefüllt. Die Blätter dagegen, melde fid) unter dem Waſſerſpiegel befinden, beftehen lediglid) aus dem Avergefleht und das Pa— renchym fehlt ihnen gänzlich. Ein interefiantes Beijpiel derjelben Art bieten auch die Blätter der Gitterpflanze (Ouvirandra fenestralis), Dies Gewächs bewohnt die warmen Sümpfe von Madagaskar und ihre untergetaudhten Blätter beftehen aus einem zarten Neswerf von Gefäßen, das bei der ge- ringften Bewegung des Waſſers in Schwingungen geräth. Noch eigenthümlicher erſcheinen die frugförmigen Blätter, wie ſolche die Deftillivpflanzen (Nepenthes), der auftraliihe Cephalotus und das amerifa- nische Krugblatt (Sarrazenia) zeigen. Die erftgenannte Pflanzengattung rankt ih als Schlingftraud) in den feuchtheißen Waldungen des tropischen Afiens zwifchen den Bäumen empor und läßt an blattähnlihen Blattftielen die krug— förmigen Blätter herabhängen, die bet einigen Arten jpannenlang werden und mit einem beweglichen Dedel verjehen find. Es jammelt ſich in dieſen vege- tabilifhen Phiolen eine wafjerhelle Flüffigfeit an, der die Bewohner der Sunda-Infeln ihres abfonderlichen Urfprungs wegen auch bejondere Eigen- ihaften zufchreiben. Beim Krugblatt erhalten die wie Füllhörner geftalteten Blätter bejonders durch das feine rothe Aderneb, mit dem fie überzogen find, ein allerliebftes Anfehen. Sie enthalten ebenfalls ein klares Waſſer, das dem Wanderer in den amerifanifhen Sumpfgegenden, in denen es an gefunden Quellen fehlt, oft genug den quälenden Durft ſtillt. Die ihönen Wedel der Farnkräuter und Cycadeen werden von vielen Botanifern ihrer Entwidelungsgefhichte wegen als belaubte Zweige und nicht als gefieverte Blätter betrachtet. Bekanntlich rollen fie fi einer Spiralfeder ähnlich beim fortichreitenden Wachsthum auf, wachſen an ber Spite weiter und haben deshalb die unterften Fiederblätter zuerft gebildet. Da die befchreibende Botanik bei der Unterſcheidung der Arten ein ıwor= - zügliches Gewicht auf die Formen der Blätter zu legen pflegt, jo bat ſich auch gerade in Bezug auf diefe Organe eine ſehr umfafjende Kunſtſprache ausgebildet, die theils fid an mathematifhe Formen anzuſchließen verſucht, 5% 68 Das Blatt und fein Leben. teils auf allgemein bekannte Gegenftände des täglichen Lebens zur Ver— gleihung hinmeift. IN UT i ll! N Zweig vom Geisblatt. Auf Seite 68 und 69 haben wir einige ber auffallendften und gewöhn- Uchſten Blattformen zuſammengeſtellt. Es iſt Fig. 1 ein linienförmiges oder Blattformen. a lineares Blatt, Fig. 2 it lanzettlih, Fig. 3 länglich, Fig. 4 elliptifch, Fig. 5 eirund, Fig. 6 länglich-lanzettlich, Fig. 7 jpatelförmig, Fig. 8 verfehrteirund, Fig. 9 keilförmig, Big. 10 pfeilförmig, Fig. 11 geöhrt, Fig. 12 ſpießförmig, Fig. 13 eirund und zugejpist, Fig. 14 herzförmig, Big. 15 nierenfürmig, Fig. 16 rundlich, Fig. 17 Freisrund oder ſchildförmig. Bei Diefen Formen war nur auf den Gefammtumriß des Blattes Rüdficht genommen. Fig. 18 bis 23 giebt eine Zufammenftellung von Formen des Blattrandes und zwar 70 Das Blatt und jein Leben. zeigt Fig. 18 den Dlattvand gefägt, Fig. 19 gezähnt, Fig. 20 geferbt, Fig. 21 mwellenförmig, Fig. 22 gebuchtet, Fig. 23 Schrotfägeförmig. Die folgenden Figuren zeigen die Zertheilung der Dlattmafjen von Stufe zu Stufe tiefer gehend, bis nad) der einen Seite hin das gefingerte oder zählige Blatt, nach der andern Seite das gefiederte Blatt erreicht wird. Es giebt Fig. 24 ein buchtig ausgeſchweiftes Blatt, Fig. 25 ein fiederſpaltiges, Fig. 26 ein fiedertheiliges, Fig. 27 ein boppeltfiebertheiliges, Fig. 28 ein dreilappiges, Fig. 29 ein dreiſpaltiges, Fig. 30 ein dreitheiliges und Fig. 31 ein dreizähliges oder dreifingeriges Blatt. Fig. 32 bis 34 ſind einfach gefie— derte Blätter, dig. 32 trägt an feiner Spite ein unpaariges, einzelnftehendes Fiederblatt, Fig. 33 hat dafelbft Wicelvanfen und Fig. 34 endet mit paarig geftellten Fiederblättern. Als Beifziel eines doppeltgefiederten Blattes fünnen uns die Dlätter der Mimofen dienen, welde das Anfangsbild des nächſten Abſchnittes zeigt. Aus der nächſten ah findet Jeder an der Gledit— ihie der Parkanlagen, an Möhren, SKerbel, Beterfilie Beijpiele von mehr— fach gefiederten Blättern. (Siehe ©. 56 bei Sylphium.) Die Vermehrung der Blättzellen und die dadurch bedingte Form des Blattes erfolgt bei jeder Pflanzenart nach den befondern Gefegen, die jeder Spezied innewohnen, die wir aber zur Zeit noc nicht fennen, ſondern nur ver- mutbhen. Einige wenige Gewäcje vermehren die Blattzellen ziemlich gleic)- mäßig nach allen Richtungen hin und erzeugen dadurch kugelähnliche Blät- ter, wie einige Opuntien. Zahlreichere treten jhon auf mit Blättern, die im Durchſchnitt dreieckig, vieredig oder halbfreisfürmig erſcheinen, bie alfo dreifantig, vierfantig oder halbwalzenfürmig entwidelt find; jo ift es befonders bei den fleiſchigen Mejembryanthemum-Arten, dem Mauer- pfeffer und feinen Verwandten, jelbft bei einigen Nadelhölzern der Fall. Die bei weiten worwiegendfte Mehrzahl aber bildet die Blätter vorzugsweiſe nad) Länge und Breite aus und läßt fie flächenähnlich erfheinen. Sie ftellen die Blattformen dar, die den geläufigen Borftellungen von Blatt zu Grunde zu liegen pflegen, während man wol die vorhergenannten zum Unterfchiede von ihnen — obwol nicht ftreng logiſch — als Körperblätter zu bezeichnen pflegt. Wir hatten jchon bei Betrachtung der Dornengewächſe Beranlafjung darauf hinzumeifen, daß Länder mit trodnem Klima vorzugsweife Gemächfe mit entweder ſchwach entwidelten Blattflähen oder mit lederartigen Blättern befigen. Die nörblihe gemäßigte und fältere Zone hat die Yamilie der Nadelhölzer als auffallendes Beifpiel diefer Art. Die Blattflächen zeigen bei Fichte, Kiefer, Tanne, Wahholder und den andern Verwandten die Nadel— form, welde der ganzen Gruppe den Namen verfchaffte, aber auch hier werden wir wiederum darauf hingewiefen, daß das Klima wol ein wichtiger, aber durchaus nicht der einzige Faktor bei Erzeugung und Bevorzugung be= ſtimmter Formen ift. Die äußerſten Borpoften des Waldes nad Norden bilden Kiefern, fibi- iſche Tannen, Zirbeln und Lärchen; als Unterholz gefellt fid) der ftechende Blattformen. 71 Wachholder dazu; die Blößen dedt das ebenfalls feinblättrige Heidekraut. Se weiter nad; Süden defto breiter wird das Blatt der zapfentragenden Bäume. Schon das Blatt des Tarus zeigt eine größere Fläche, bei ven Bodocarpus- Arten der jünlihen und der Tropenzone nimmt e8 an Ausdehnung zu und wird 3. B. bei Podocarpus elongata am Kap und bei P. macrophylla in Indien weidenartig. Die Dammarfichte (Agathis loranthifolia) der ſüdaſiati— hen Infeln hat ein orangenähnlihes Laub und dasjenige des chinefifchen Gingko (Salisburia adianthifolia) ift breitflächtg und zweitheilig. Die Familie der Zapfenfrüchtler fcheint die Nabelformen als beſondere Eigenthümlichkeit zu haben, die aber gleich einem Thema durch zahlreiche Bartationen bis zur Geftalt des gewöhnlichen Laub- blattes Uebergänge entwidelt. Die Sumpffiefern und jene im Schlamm: grunde wachſenden Eibenchprefjen (Taxodium), Alerzebtume und Sumpfcedern des wärmern Amerika haben feinesmegs breiteres Yaub. Den Zapfenfrüchtlern fchließt jih die Familie der Heidekräuter (Ericeen) in der Blattform an und entwidelt am Kap der guten Hoff- nung in mehreren hundert Arten einen überrafchenden Reichthum. Hier am Kaplande fo wie in Neu- holland, das ein ähnlich heiktrocde- nes Klima beſitzt, zeigen zahlreiche Arten anderer Pflanzenfamilien die- jelbe Nadelform des Laubes, jo die Verwandten des Göttergeruch (Dios— meen) und die Epacrideen. Gleich— \ zeitig fallt in dem letztgenannten Ge- — — biet bei den Streitkolbenbäumen (Ca- Zweig vom Gingkobaum (Salisburia adianthifolia). juarien) jene PVerfiimmerung der 2 Blätter zur Form Heiner, die Knoten ſcheidenförmig umftehender Zähne auf, wie wir fie bei uns an den Arten der Schadtelhalme (Equisetum) fennen und das Gebiet des Mittelmeeres fie am Meerträubel (Ephedra) beſitzt. Bei den Arten der Araufarie, Verwandten unferer Fichten, die der Süd— hälfte ver Erde angehören und dort meiftens die Gebirge bewohnen, werben die Nadeln breit, ſchuppenförmig, ‚mitunter faſt holzig. Ste führen ung zu den Gewächſen mit breitem Laube, aber lederiger Beichaffenheit. Unfere nördlichen Gegenden haben nur wenig Vertreter diefer Form. Der in den Gärten beliebte Buchsbaum (ein Wolfsmilhgewäds), die mit der Heide 72 Das Blatt und fein Leben. gejellig wachfenden Heidelbeeren und Kronsbeeren, in den weftlichen Theilen Deutfchlands die glänzend belaubte Stehpalme (Ilex aquifolium) und die prächtige Familie der Alpenrofen (Rhododendron,. Azalea) find die wichtigſten derſelben. Im trockenen Gebiet des Mittelmeeres werden Pflanzenformen mit lederartigem, glänzenden Laube vorwiegend. Neben Pinien, Lebensbäumen (Thuja) und Sandarak (Callitris) bilden zahlreiche hartblättrige Eichen die Gebüſchdickichte. Die vielfadhen Formen der Drangengewädhfe, ranaten, Myrten und eine Menge nieverer Sträucher gejellen fih mit Yaubwerf von gleiyer Beichaffenheit dazu und finden in der neuen Welt in der Flora Merxi- ko's entſprechende Seitenſtücke. In den meiſten Fällen dauern die nadelförmigen und lederartigen Blät— ter mehr als einen Sommer aus. Wie die ganzen Gewächſe ſich in zwei große Gruppen ſpalten: in ſolche, die ihren Lebenslauf innerhalb eines Jah— res vollenden und ſolche, die ausdauern, ſo auch die einzelnen Organe, hier die Blätter. Die Nadeln der Lärche, von zarterer, weicher Beſchaffenheit, machen bei ung eine Ausnahme. Die Nadelwaldungen ver fühlerit Länder, die ftarfblättrigen Eichengebüfche, Yorbeerhaine, Dlivengärten, Feigenplantagen des Südens find immergrün. „Ihre Blätter fterben je nad) den Pflanzen- arten erjt im zweiten bis fünften Jahre ab. Wenn wir die Zähigfeit jehen, mit welcher die durch den Herbitfroft getödteten Blätter unferer Eichen und Buchen bis zum Frühjahr noch an den Zweigen fefthalten, werden wir un- willfürkc an ihre Verwandten mit immergrünem Yaube in milderen Breiten erinnert. Die Eichen Mexiko's, des Himalaya’s und der Sundasänjeln, die üppigen Buchen der Süpfpige Amerifa’s find immergrün. Innerhalb ver ZIropenzone bleiben auch Gewächſe mit breitem Laubwerk von zarterer, fafti- gerev Beichaffenheit das ganze Jahr hindurch grün; doch nicht alle. Bei nicht wenigen jchliegen fich, jo wie die Zeit der Trodniß eintritt, die Knospen und die alten Blätter fallen ab. Der Affenbrodbaum Afrifa’s fteht während eines großen Theile8 im Jahre jammt den Afazien und Mimofen laublos, nur mit den langgeftielten Früchten behangen. An den Ufern von Bächen und Weihern finden wir bei ung bie Blätter der Gewächſe gewöhnlihd am üppigften entwidelt. Der Aaronftab entrollt - jein breites, herzförmiges Yaub, Peſtwurz (Petasites), Kletten und Ampfer- arten überbieten ihn noch an Größe der einzelnen Blätter und auf dem Spie- gel der Teiche wetteifern mit ihnen die ſchwimmenden Seerofen. So zeigen aud die Tropenländer die größte Blattfülle an den Stellen, wo ſich hin- ‚reichende Feuchtigkeit zur Wärme gejellt. Kaladium-Arten, Verwandte unfers Aaron und der als Zimmerpflanze jo beliebten Calla, wölben Blätter von jo bedeutender Größe, daß der Yäger unter ihnen Schuß findet. In Sapan wächſt eine Huflattichart, unter deren Blättern fi) die Pandleute bei plöß- lichen Negengüffen verfteden wie die Yaubfröfhe und Vögel. Bamilien, die zu den einfamenblättrigen Gewächſen gehören, zeigen hier bie riefigfte Ent- widelung des Laubwerfs und dabei höchſt elegante Formen, gepaart mit Größte Blätter. Wahsthum des Bictoria regia -Blattes. 13 jaftigem Bau und glänzendem Aeußern. Wir erinnern an die mächtigen Blätter der Bananen, Gewürzlilien und Palmen. Ein Blatt der brafilia- niſchen Buſſa-Palme (Manicaria sacciſera) hat bei einer Länge von 30 Fuß eine Breite von 4—5 Fuß und ift im jungen Zuſtande unzertheilt. Der Zalipotbaum (Corypha umbraculifera), welcher an den felfigen Küften Cey— (ons wächſt, hat Blätter von gleich ungeheurer Größe. Ein ſolches Blatt figt in feinem ausgebildeten Zuſtande an einem Blattftiel von 7 Fuß Länge, ift 6 Fuß lang und 13 Fuß breit, am ande mit einigen 90 Einfchnitten geziert. Es gewährt für 7—8 Perſonen bequem Schu und Schatten, Einer beſondern Gunft hat fi in neuern Zeiten die fünamerifanifche Victoria regia wegen ihrer riefigen Blätter bei unjerm Gärtnern zu erfreuen gehabt. An ihrem heimatlichen Standorte, ruhigen Buchten der Flüffe in Guyana und Brafilien, erreicht eins ihrer Blätter 5—6 Fuß im Durchmeſſer, hat einen umgerollten Hand und unten ein mächtiges Gitterwerf von vorftehenden Adern. Hierdurch wird es befähigt bei gleihmäßiger Vertheilung der Laft 70— 80 Pfund zu tragen, ehe es finft. (Siehe beiftehendes Tonbild.) In unfern Gewähshäufern hat e8 den Phyfiologen gedient, Beobad)- tungen über das Blattwahsthum anzuftellen. Man fand, daß, ſobald das Bictoria regia- Blatt fid, einmal auf dem Waller ausgebreitet hatte, die Ber- mehrung der Zellen in demjelben aufhörte, feine weitere Vergrößerung geſchah nur mittelft Ausdehnung der bereit3 gebildeten Zellen. Das Wahsthum ging zwar Tag und Naht ununterbrochen fort, aber nicht in gleicher Yebhaftigfeit. Das ſchnellſte Wahlen fand Mittag zwifhen 12 —1 Uhr ftatt, Nachmittag trat ein Minimum ein, dann folgte wieder eine Steigerung, die ihren zweiten, obſchon ſchwächeren Höhenpunft Mitternacht zwiſchen 12 —1 Uhr erreichte. Gegen Morgen ſank das Wahsthum auf das zweite geringfte Maß herab. Dei den meiften andern Pflanzen, die man genauer beobachtete, fand man das Wachsthum bei Tage ftärfer, nur wenige zeigten eine Ausnahme hier- von, fo Agave americana und Urania speciosa. Bei dem großblütigen Kaftus (Cactus srandiflorus) dagegen jcheint das Wachsthum des Blütenſtiels wäh— rend der Nacht gänzlich zu fehlen. Das Blatt der Victoria zeigte das Wachsſthum ſowol nach der Spitze zu als nad) dem Grunde und den Seitenrändern hin und war am Tage der Ausbreitung am Lebhafteften. Eine Pflanze bildete innerhalb 21—25 Wochen gegen A—5 Geviertruthen Blattfläche. Die ftärkiten Beränderungen des Wachsthums machten fid) durch den Einfluß der Wärme bemerklich; durch fie wurden die Zellen unmittelbar ausgebehnt, nicht mittelbar durch Vermehrung der Berdunftung. Das Licht bewirkt Feine Ausdehnung der Zellen, jondern befördert ben Stoffwechſel, die chemiſchen Prozeſſe in ihnen. Veränderungen im Luftdruck und im Feuchtigkeitsgehalt der Luft, die man künſtlich hervorrief, ließen keinen auffallenden Einfluß erkennen. Werfen wir einen Blick ins Innere des Blattes und fertigen uns zu dieſem Zweck dünne Querſchnitte, um ſolche unter dem Vergrößerungsglaſe 74 Das Blatt und fein Leben. zu unterfuchen. Wir wählen zunächſt das ziemlich ftarfe Blatt einer weißen Lilie. Es zeigt, wie uns die nachfolgende Figur veranfhauliht, an feiner Ober- und Unterfeite zunächft eine Haut, die Oberhaut oder Epidermis. Wie etwa unfere Hand ringsum von Haut umgeben ift und innen das Fleiſch, die Adern u. ſ. w. enthält, fo wird auch das Dlatt ringsum von der Epi- dermis umgeben. Die Hautſchicht an der Unterfeite des Lilienblattes zeigt ſich zufammengefest aus langgeftredten, tafelförmigen und unregelmäßig ge- wundenen Zellen. Außer diefen bemerken wir aber, ſchon durch ihre helfe Färbung auffallend, halbmondförmige Zellen, von denen je zwei und zwei zu- ſammenſchließen und zwifchen ſich eine Deffnung laffen, die mit einem Luft: . erfüllten hohlen Raume im Innern des Blattes in Verbindung fteht. Unfere Abbildung zeigt am vordern Rande des Querſchnitts zwei ſolche mitten durch— ichnittene Zellenpaare und die hinter ihnen befindlichen Räume. Diefe Spalt- Öffnungen ber Ober- haut find die Ath- mungsorgane Der Pflanze. Sie hau: ERERaN hen bei Tage vor- u zugsweiſe Sauer⸗ SEN Stoff, bei Nacht Saas befonders Kohlen- ſaure aus und fpie- [en eine wejentliche, X wenn aud) noch) nicht —— gänzlich aufgehellte Rolle im Leben der x Gewächſe. Unſere Stuben- Querſchnitt durch ein Lilienblatt; vergrößert. pflanzen kränkeln nicht ſelten aus dem Grunde, weil dieſe Spaltöffnungen durch Staub verdeckt ſind. Die Wald— luft wird als ſauerſtoffreich bezeichnet, vor größern Pflanzenmengen in Schlaf— zimmern dagegen wegen der Kohlenſäureentwickelung gewarnt. Vielfach iſt bereits auf das Wechſelverhältniß hingewieſen worden, was in Bezug auf Tranſpiration zwiſchen Thier- und Pflanzenreich ſtattfindet. Das Thier athmet die ſauerſtoffreiche Luft ein und verbindet ſie theilweiſe mit den Beſtandtheilen ſeines Blutes, um die nöthige Körperwärme zu erzeugen, und athmet Kohlen— ſäure als Verbrennungsprodukt aus. Die Pflanze verbraucht vorzugsweiſe Kohlenſäure, zerlegt dieſe, um den Kohlenſtoff zu fixiren, und entläßt den frei gewordenen Sauerſtoff entweder aus dieſer Verbindung oder aus dem zerlegten Waſſer. | Die Spaltöffnungen find Organe fiir das Luftleben der Gewächſe; fie fehlen deshalb allen den im Waſſer untergetauchten Blättern gänzlich und Spaltöffnungen. Behaarung. 75 finden fid) bet denjenigen, die auf dem Wafjer ſchwimmen, nur an ihrer obern Seite. Die Mehrzahl der Luftgewächfe befitt die Spaltöffnungen nur an der Unterfeite des Yaubes, und die hellere, oft weißlihe Färbung der [eß- tern hat ihren Grund in dem Borhandenfein der größern oder geringern Menge derjelben. Nur verhältnißmäßig wenig Gewächſe haben auc auf ver Dberjeite des Laubes Spaltöffnungen. Nach dem Borhandenfein oder Fehlen ver Poren erſcheint auch der innere Bau der Dlätter etwas verändert. Die Dberhaut des Lilienblattes (fiehe die Abbild. ©. 74) ift ohne Spaltöffnungen. Sie befteht aus tafelfürmigen glatten Zellen, deren äußere Seite von der Cuticularſchicht überzogen ift. Unter der Epidermis folgt hier eine Reihe cylindriſcher oder palliſadenför— miger Zellen, im Innern von Blattgrün, Pflanzenſchleim u. ſ. w. gefüllt. Die untere Hälfte des Blattes dagegen zeigt ein unregelmäßig eckigzelliges Maſchengewebe, das von Luftkanälen durchſetzt wird. Letztere ſind auf der Abbildung weiß gelaſſen; bei erſtern iſt ver Inhalt an Nahrungsſtoffen und Dlattgrün durch eingezeichnete Kügelchen angebeutet. Je nad den | ——— —9 — Pflanzenarten iſt Q ®, ? — 7 die Stellung und 2 7 | OT, : — EL aan Menge der Spalt _ A) A een le Si f Öffnungen eine ver- 9 — RES en ihiedene; eben fo KR weicht der innere X Dau mehrfach von jenem des Vilien- blattes ab. Spiral- gefüße durchſetzen bei vielen die zellige Parenchymmaſſe und die Oberfläche der Blätter gewinnt eine große Manchfaltigfeit durch die fehlende oder in verjhiedenem Grade vorhandene Behaarung. Die Pflanzenhaare erjcheinen als umgewandelte Zellen der Oberhaut und ftehen entweder einzeln oder in Gruppen, find entweder einfach oder fternförmig zertheilt, ſpitz oder in einem fugeligen Gebilde endigend. Manche erweitern ſich auf dünnem Stiele ſchild— oder ſchuppenförmig, alle ſcheinen aber ald Organe zu dienen, welche bei ver Derdunftung der Pflanzenjäfte eine Rolle fpielen, vielleicht auch Schuß gegen ichnelle Temperaturwechjel gewähren. Häufig verlieren vie Blätter ihr Haar- fleid, jo wie fie im Wachsthum fortſchreiten. Aehnlich den Luftkanälen in den Blättern, werden auch die Blattſtiele, beſonders bei den Waſſerpflanzen, von langgeſtreclen hohlen Kanälen durch— zogen. Obenſtehende Abbildung zeigt eine vergrößerte Anſicht eines Quer— ſchnitts aus dem Blattſtiele einer Teichroſe, In jene Kanäle ragen nicht jelten verzweigte haarförmige Zellen hinein. In beftimmten Pflanzenfamilien bilden fih in den Blättern Harzgänge, jo bei den Nadelhölzern; andere ent- halten Kleine, punftförmige Räume, in welchen ſich ätherische Dele anfammeln \x NS — N — a iR DR MEERE s air ©; — 9 * — RS m — U —325 Ei Querſchnitt durch den Blattftiel einer Teichroje; vergrößert. J Das Blatt und ſein Leben. und welche dann, gegen das Licht gehalten, durchſtochen erſcheinen, ſo bei den Oraugenblättern und dem Hartheu. In wieder andern Blättern finden fih Milchſaftgefäße. | Es fommen mehrfad Fälle vor, wo die Blattftiele oder gar die Zweige ganz die Geftalt der Laubblätter nahahmen. So erjheinen die Zweige vieler neuholländiſcher Akazien gänzlich blattähnlich zweiſchneidig verbreitert. Daß man es nicht mit Blättern zu thun hat, erkennt man ſicher daraus, daß ſich an den jüngern Gebilden dieſer Art wirkliche kleine gefiederte Blättchen erzeugen, denen anderer Akazien ähnlich, bald danach aber ab— ſterben. Roch täuſchender find die Zweige der amerikaniſchen Gattung Holz- blatt (Xylophyllum), die auch durch die wagerechte Stellung der Phyllodien, wie man ſolche blattartige Gebilde zu nennen pflegt, ächten Blättern gleichen, während die erwähnten Neuholländer ihre Flächen ſenkrecht, einen Rand oben und den andern unten tragen. N : Wir begannen diefen Abjchnitt mit einem Blid auf das Erwaden des Pflanzenlebens im Frühling, mit der Enftaltung des Laubes. Sehen wir im fproffenden Wald uns etwas genauer um, jo fallen uns fofort die zahl- reihen Knospenfhuppen auf, welhe den Boden beveden. Treffen wir noch zurücgebliebene Büſche und Bäume, an denen das Laub noch nicht von feinem Winterſchlafe erwacht ift, jo Fünnen wir uns eine Knospenfammlung anlegen, die vem etwas geübten Auge eine ähnliche Verſchiedenheit bietet, wie die Formen der Blätter, die Umriſſe der ganzen Gewächſe. Die einen Knos— pen erfcheinen fugelig, die andern langrund, wieder andere zugefpist. Diele ftehen zu zwei gegenüber, jene in einer Spirale am Zweige entlang. Die Schuppen, aus denen die Knospen gebildet find, erjcheinen bei einigen holzig, teodenhäutig, bei andern find fie mit einem dichten Wollenfilz überzogen, bei wieder andern durch einen Harzüberzug geſchützt. Alle zeigen deutlich, daß fie in zwedmäßigfter Weife darauf eingerichtet find, den Winterfroft von den jugendlihen Gebilden, die unter ihrem Schutz ſchlummern, abzuhalten. Ein Naturforfher würde uns aud auf ihre Verwandtſchaft mit den eigentlichen Blättern aufmerffam machen. Pielleiht wählte er die aufplatende Knospe einer Roßkaſtanie, die wir bereitd vorhin betrachteten, und zeigte und den allmäligen Uebergang, ver hier zwiſchen Knospenſchuppe und dem gefingerten Laubblatt vorhanden ift. Sehr hübfch erjcheint dieſe Geftaltenreihe bejonders bei den Knospen des Sommertriebes, den diefer Baum nicht felten entwidelt. Die unterften Blättchen find völlig ſchuppenförmig, einige folgende tragen auf ihrer Spite winzige Fingerblättchen, bis bei den obern die gewöhnliche Blatt- gejtalt erreicht ift. Die Knospenjchuppen der Roßkaſtanie, das folgt daraus, find umgewandelte Laubblätter. Sie ftehen fi), wie lettere, zu zwei gegen- über und decken ſich ziegelähnlih, da die GStengelgliever zwifchen ihnen un- entwidelt bleiben. Eine ähnliche VBeränderlichfeit in der Blattform an einem und demfelben Gewächs wird uns vielfach auffallen, fobald wir nur etwas darauf achten Knospenſchuppen. Blattftellung. 27 wollen. Zeigt ja ſchon die befannte Erbſe zu unterft am Stengel die erften Blattanfünge nur jhuppenförmig, in der Mitte mit einem winzigen Spischen verjehen. Etwas weiter hinauf läßt die folgende Blattbildung jene Schuppe deutlich als die beiden Nebenblättchen erfennen, zwiſchen venen ber Blattſtiel als Spitze hervorſchaut. Endlich erſcheint das folgende Blatt auch mit zwei eigentlichen Fiederblättern, die dann folgenden haben eine größere Anzahl von Blattpaaren nebſt Wickelranken. Die Nebenblätter, die bei der Erbſe zuerſt er— ſcheinen, ſpielen auch bei den mehrjährigen Gewäch— ſen bei der Knospenbildung eine bedeutende Rolle. Bei allen Bäumen und Geſträuchen, die Nebenblätter beſitzen, verwandeln ſich letztere zu Knospenſchuppen, ſobald der Zweig oder der Stammtrieb feine dies— jährige Wahsthumsarbeit ſchließt, die Haupthlätter zwilchen ihnen verfümmern. So leicht man beim flüch- tigen Anblid die winzigen Nebenblätter einer Buche, Eiche, Erle u. |. w. überfieht, jo wichtig find diefelben als Winterfhusg für die Erhaltung der Knospen. f Brechen letztere auf, fo finfen fie zu Boden, ihr Loos \ ift erfüllt. Wir haben deshalb im Frühjahr bereits ' einen Zaubfall, wie jenen im Herbſt. Die Stellung der Blätter am Zweige ge- währt viel Intereſſantes. Die junge Buche zeigt ihre erſten Blätter zu zwei ſich gegenüber ftehend, vie jpätern vertheilen ſich einzeln in einer Schrauben- linie am Zweige entlang. An den Nebenzweigen ver Roßkaſtanie ftehen die Blätter ebenfalls je zwei und zwei abwechſelnd ein Kreuz bildend, am Haupttrieb dagegen find fie in eine Spirale geordnet. Schon früher wurden wir darauf aufmerffam, daß bei ver | Lärche die feitwärts ftehenden Blätter Büfchel bilden, an den Mittelfproffen dagegen einzeln rings um den N Stempel vertheilt find. \ Namhafte Botaniker, jo Schimper und Braun, desgleichen die Gebrüder Bravais, haben ſich ein- gehend damit befchäftigt, vie Gefetze aufzufinden, nach denen die ſpiralige Stellung der Blätter erfolgt. Sie zählten von einem Blatt die Anzahl ver Blätter und die Anzahl der Umläufe bis zu dem, welches ſenkrecht über dem erften jtand, und bezeichneten bie Blattjtellung dann in Kürze durch einen Bruch, bei dem fie die Zahl der Umläufe als Zähler, die Zahl ver Blätter als Nenner ftellten. -. Die auf nädjftfolgender Seite ftehenden Figuren mögen ung in zwei Beiſpielen die Sache verdeutlichen. Die erſte verjelben zeigt und den Stengel Junge Erbjenpflanze. 78 Das Blatt und fein Leben. eines Schilfgewächſes, bei dem die Blätter jo weit abgejchnitten find, daß ihre Stellungsverhältniffe fih ohne Schwierigfeit erfennen lafjen. Ueber dem Blatte a fteht Blatt d fenfreht; a b c bilden eine Spirale, die aus drei ne MER Blättern befteht und einen einzigen Um- lauf um den Stengel madıt. Bei d be- ginnt ein neuer Umlauf de f und fchließt mit letterm. Drei Blätter mit einem - d Umlauf geben die Blattftellung Yz. Der nebenftehende Grundriß zeigt daſſelbe nod) deutlicher. Der nachfolgende Blattzweig befitt eine Blattftellung, wie fie bei vielen unferer Laubholzgewächſe gewöhnlich ift. Bei der ſchematiſchen Figur daneben find die Blätter entfernt, die Narben bezeich- a nen die Anheftungsftellen verjelben. Ueber Blatt a fteht hier Blatt f jenfredht; vom erftern bis zum legtern find fünf Blät— ter, f wird nicht mitgezählt, da hier eine neue Folge beginnt. Die Spirallinie, welhe wir von a überbede nah f ziehen, macht zwei Umläufe. Fünf Blät- ter und zwei Umläufe ergiebt die Blatt- jtelung 2/,. Die am häufigjten vor— fommenden Blattjtellungen find Y., Ya, "5, ar ısr ar 8. |. w.; merkwür⸗ diger Weife erhält man diefelben leicht dadurch, dag man ftet8 Die Nenner und die Zähler ver beiden vorhergehenden Brüde zufammenzählt. Diefes waren die Rejultate der Forſchungen von Schimper und Brauı, die Gebrüder Bravais dagegen glaubten zu finden, daß zweierlei Spiralen” bei der Dlattftellung vorfommen: eine gerad— veihige, bei welcher ein beftimmtes Blatt genau wieder über einem andern Blatte jteht, und eine frummreihige, wo dies nicht der Fall ift. Eben jo glaubten fie für alle Spiralen einen einzigen feſt— ftehenden Divergenzwinfel gefunden zu haben. Stehen die Blätter dichter beifammen, find fie dabei größer, jo wird die ganze Belaubung des Gewächſes fhattenreiher fein. Manche unſerer Schema eines Zwei— ges mit 2/, Blatt- ftelfung. y RA Ze ME, Blattzweig mit 2/, Blattjtelung. ZZ] A Des Reifenden Baum, Nadagascar. Wagners Mal. Botanik. II. Bd. Leipzig: Verlag von Otto Spamer. Leipzig, Druck von Giesecke & Devrient. . er | — ER, 24 ig * * a ie PS Ba: ee — 5 —— er Er — Be Si — * 1 —— ir — 3 Feuchtigkeit im Waldichatten. Wanderers Baum. 79 Waldbäume, z. B. Birke und Kiefer, fünnen ohne veichliches Licht nicht be- ftehen, ihre Zweige fterben ab, jobald ihnen das Licht entzogen wird. Viele andere Gewächſe bedürfen im Gegentheil eines leichtern oder dichtern Schat- tens. Die Gewächſe, welche eine bejtimmte Waldfläche bededen, ändern ſich in demfelben Grade, als die herrſchenden Bäume an Höhe und Dichtigkeit des Laubdaches zunehmen. Zugleich mit den Beleuchtungsverhältniſſen verändern ſich im Walde die Wärmegrade und Feuchtigkeitsmengen. Man bezeichnet mit Recht die Wälder als Condenſatoren und warnt beſonders in Gebirgsgegenden vor unüberlegtem Ausrotten der Gehölze, Die Nebelbläshen, die im Wolkenzug am kahlen Bergkamm raſch vorüberziehen, ſetzen ſich am Laubwerk der Bäume an; die gebildeten Tropfen rinnen an Zweigen und Aeſten herab und tropfen von den Blättern. Der Wanderer trifft im Gebirgswald Regen, während er außen auf offener Halde nur Nebel empfindet. Noch auffallender iſt dieſelbe Er— ſcheinung im Wald der heißen Zone, vorzüglich in geſchützten Thälern, wie z. B. am obern Theil des Magdalenenfluſſes im tropiſchen Amerika. Außen leuchtet die Sonne am klaren Himmel, im Walde tropft es wie Regen von Aſt zu Aſt. Die ſchwüle Luft iſt von Feuchtigkeit überſättigt, es bedarf nur des geringen Temperaturunterſchiedes, den die Blätter bieten, und helle Thau— tropfen ſetzen ſich während des Tages an das Laubwerk im Waldſchatten, ähnlich wie ſolches bei ung in thaureichen Sommernächten der Fall iſt. Erweitern ſich die Blätter zu ſcheidenartigen, rings den Stengel um— faſſenden Blattſtielen, ſo werden letztere zu Phiolen, welche das Waſſer auf— fangen. Die Bromelien und ähnliche ſtarrblättrige unächte Schmarotzer des braſilianiſchen Waldes ſammeln hoch droben auf den Baumkronen, in denen ſie ihren Sitz aufſchlagen, in ihren Scheiden ziemliche Waſſermengen an, win— zige überirdiſche Teiche, an welche ſich ſofort ein entſprechendes Thierleben anſchließt. Mücken und Fliegen vertrauen ihre Eier jenen Baſſins und die ausſchlüpfenden Larven durchlaufen als Hochgeborene dort alle Stufen ihrer Verwandlung. Kletternde Eidechſenarten und quakende Laubfröſche ſtellen ſich ein und finden den Tiſch reichlich gedeckt. Eine gewiſſe Berühmtheit hat eine Verwandte der Banane durch ihren Waſſerreichthum erhalten, welche als des „Wanderers Baum“ (Urania speciosa) auf Madagaskar bekannt iſt. Die mächtigen breiten Blätter des jonderbaren Gewächjes ftehen gleich einem Rieſenfächer genau zweizeilig am obern Theile des Stammes, unten in demjelben Grade abjterbend, wie fi oben neue entfalten. Sie bilden eine große hohle Scheide am Grunde ihres DBlattftieles und fammeln hier ziemlihe Duantitäten Haren, trinfbaren Wafjers an, das ſich der Reiſende dur einen Stid in die Blattfcheide zugänglich macht und welches ihm auf leichtere Weife Labung gewährt als die Topfblätter der Deftillivpflanzen (Nepenthes), deren wir früher gedachten, und welche in jenem Lande ebenfalls häufig find. Einen ſchwachen Nachklang jener Eigen- thümlichfeit bietet unjere Weberfarde, Ber ihr jammelt fi am Grunde der 80 Das Blatt und fein Leben. « verwachjenen Blätter auch Waffer an und verfchaffte ihr den Namen: „Unfer lieben Frauen Waſchbecken.“ Mancherlei Erfcheinungen mögen hierher noch ge- hören, die theilweife von dem Schleier der Sage verhüllt oder noch nicht hinreichend erklärt ſind. Der verdienſtvolle Dr. Livingſtone erzählt von einer Feigenart Südafrika's, die als Waſſerſpender in jenem Lande der Trockniß in Ruf iſt. „Eine Schaumcicade“, ſagt er, „bewohnt jenen Baum und hat die Fähigkeit, Waffer zu faugen, welches dann von den Zweigen hernieber- träufelt. Wird am Abend ein Gefäß unter den Baum geftellt, jo findet man legteres am Morgen zwei bis vier Pinten Flüffigfeit enthaltend. Letz— teve ift aber jo jharf, daß fie Entzündung der Augen erzeugt, wenn fie in jelbige ſpritzt.“ Man wird fofort durch diefe Mittheilung an jene Sage von den Kanariſchen Infeln erinnert, nach welder auf einer derſelben ein Daum ftand, der aud einen Regen herabfenbete. Die Phantafie eines Malers ftellte auf dem Anfangsbilde dieſes Abfchnittes jenen „weinenden Baum’ in voller Thätigfeit dar, laßt ihn dabei aber als Labungsſpender auf jener Inſel erjcheinen, der anderweitige Quellen fehlen. "In hohlen Aftftüden und Baumftämmen jammelt fih das herabträu- felnde Waffer ebenfalls an und gab PVeranlafjung zu Erzählungen, nad) denen Quellen droben auf Bäumen entjpringen jollten. Es wird die ähnliche Erfeheinung durch mehrerlei Urfachen hervorgebracht: Blätter condenfiren ben Wafferdampf der Atmofphäre zu Thautropfen und ſam— meln dieſelben in natürlichen Erweiterungen, andere Blätter (Nepenthes) ſchwitzen jelbft Flüffigfeiten aus und fammeln dieſe, und endlich find aud) Inſekten bei jenen Ausfonderungen mit thätig. Pivingftone neigt ſich ſogar zu dem Glauben, jene Cicaden vermöchten der Atmoſphäre unmittelbar das Waſſer zu entziehen, da, nach ſeiner Angabe, die Ausſcheidungen auch dann ſtattfinden, wenn die Thiere auf dürren Aeſten ſitzen. Ein ganz anderes Bild gewähren in dieſer Beziehung die meiſten Wäl— der Neuhollands. Daß vielen Bäumen jenes Erdtheils die eigentlichen Blät— ter verkümmern und ſtatt deſſen die Zweige blattähnlich ausgebildet werden, haben wir bereits erwähnt; aber auch bei zahlreichen laubtragenden Gewäch— ſen iſt die Blattſtellung eine andere. Die Eukalyptus-Arten tragen ihre ſäbel— förmigen Blätter ebenfalls mit ſenkrecht geſtellten Flächen, einen Blattrand nach oben, den andern nach unten. Jenen Wäldern fehlt der feuchte er— quickende Schatten, der die Waldungen mit wagerechtem, breitem Laube aus⸗ zeichnet; ſie ſind hell, heiß und trocken. Von der Maſſenbeſchaffenheit des Laubes, von der Größe der einzelnen Blätter und von ihrer Anheftungsweiſe hängt größtentheils auch die Beweg— lichkeit ab, welche der Baumſchlag beſitzt. Anders zeigt ſich beim Wehen des Windes der Nadelholzwald, anders der Eichen- oder Buchenforſt. Am auf— fallendſten macht ſich gewöhnlich die Espe bemerklich, deren rautenförmige, an langen, gedrehten Stielen hängende Blätter ſchon bei mäßigem Luftzuge erzittern und ein lispelndes Geräuſch verurſachen. Wie der Tropenwald MWaldesraufhen. Der Fall des Laubes. 81 überhaupt die größte Manchfaltigkeit der Belaubung zeigt, jo find auch in ihm die Bewegungen, die Stimmen des Waldes am verjchiedenften. Die zarten Wedel der Farnbäume, durch welche felbft das gebrochene Licht durchleuchtet, ſchwanken und wanfen ſchon bein gelinden Hauche gleich. ſeidenen Gardinen. Anders vaufhen die Wipfel der Lorbeerbäume und Morten, der Baummollen- bäume und Cecropien als die langblättrigen Palmen, die Strelitien, Helico- niengebüfche oder die Bambusdidichte. Intereſſant find die Heinen Haine auf der Yandenge von Panama, melde aus vem Sand-Papierbaum (Cura- tella americana) gebildet werden und die ſtets einen eifenhaltigen Boden an— zeigen. Ihr eigenthümliches Yaubwerf verurfacht beim Luftzug ein Geräuſch, das ganz dem Kafcheln von Papier gleicht. Bei vielen Tropengewächſen geht die Blattentwidelung an Zweig und Stamm ununterbroden fort, bis die Lebenskraft des Gewächſes überhaupt erſchöpft iſt, oder ſich durch Samenerzeugung verbraudt. Die Mehrzahl unſerer ausdauernden Pflanzen und auch eine Anzahl der in heißen Klimaten einheimiſchen dagegen bilden während einer beſchränkten Wachsthumsperiode innerhalb eines Jahreslaufes auch nur eine begrenzte Anzahl Blätter, dann Ichliegen fie mit der Erzeugung, von Sinospen ab. Letztere fünnen an ver _ Zweigfpige oder in den Winkeln der Blätter ftehen. Mitunter fommt es vor, daß bei günftigen Wetterverhältnifjen und Fräftigem Wahsthum mande unferer Bäume im Hodhjommer die bereits gebildeten Knospen öffnen und einen zwei— ten Trieb machen, den fie wiederum mit Kinospenbildungen jchliegen. Das Berfärben und Berfchrumpfen des Yaubes deutet den bevorjtehen- den Fall defjelben an. Nah v. Mohl's Unterfuchungen erzeugt fih am Grunde des Blattftiels, da wo fpäter die Dlattnarbe zurücdbleibt, eine befondere Tren- nungsihicht im Zellgewebe jenes Organs, die mit der Korkbildung viel Aehn— lichfeit hat. Es findet fein Saftzutritt nad) dem Blatte mehr ftatt, daſſelbe verborrt und vermag nicht Außern Einflüffen lange zu wiverftehen. Bei den. Gewächfen, die während des Winters das bürre Yaub noch an den Zweigen fejthalten, vollenden im Frühjahr die Schwellenden Knospen das Abwerfen. Fallendes Yaub und Herbitwehmuth find eben fo unzertrennlihe Vor— ftellungen wie Maiengrün und frohe Lebensluſt. Jene Yänder, die feine Zeit des allgemeinen Yaubfalles kennen, entbehren zwar den düſtern kahlen Winterwald, aber auch jenen Genuß, welchen das freudige Grün des Lenzes bei allgemeinem Aufbredhen der Knospen gewährt. Eins bevingt Das andere. Der finnige Foriher weift im Herbft bein Fall des Sommerlaubes mit Recht darauf hin, daß neben jedem abfterbenden Blatt ſich Shen zu jener Jahreszeit eine junge Knospe gebildet habe, die einen ganzen Cyklus junger Blätter enthält, daß alſo der Herbit eigentlih Frühling jet! — fo wie aus fehlgeſchlagenen Plänen und Hoffnungen in unſerm geiftigen Leben gewöhn- lich auch um fo Fräftiger neue Hoffnungen und neue Wünjche hervorgehen! . Wagner, Mal, Botanik, II, Bd. 6 — Das Blatt als Ernährer. Luftpflanzen. — Wafferaufnahme. — Verdunſtung. — Licht. — Das Blatt als Ernährungsorgan. — Krankheiten der Blätter. — Honigthau. — Mehlthau. — Blattinjeften. — Andere Blatt- frefjer. — Wandelnde Blätter, — Futterfräuter. — Gemüſe Europa’s, Afiens. — Rheum nobile. — Gemüſe Südafiens, Amerilfa’s, Afrifa’s, Neuhollends. — Pal- menfohl. — Comprimirte Gemüfe. — Blattpflanzen. — Strugblatt. — Gitterpflanze. — Empfindfame Pflanzen. — Mimofen. — Wandelklee. — Fliegenfalle. — Pflanzen- ſchlaf. — DOscillarien, Fruftulien, Schwärmfporen. — Kompaßpflanze. — Sturmpflanze. - — Nachbarlich ftieß ein Garten ans Haus! — Hier war Kohl, hier muthig die Arm’ ausftredender Mangold ; Hier weitwuchernder Ampfer und heilfame Malven und Alant; Hier die fühlihe Möhr' und buſchichte Häupter des Lauches; Hier auch grünt’ einjchläfernder Mohn mit Falter Betäubung ; Auch der Salat, der labend die edleren Schmäuje bejchlieget. “ SS)erjenige, welcher die lebendige Natur ringsum Tieber mit poetiſchem —&) Sinn, als mit nüchtern forſchendem Verſtande anſchaut, liebt am mei- ften ſolche Geftalten, die ihm in fremdbartig märdenhaftem Gewande ent- gegentreten. So wurden aud) die auffallenpften Erzeugniffe fremder Länder unter dem Schleier des Geheintnifjes, eingehüllt in die Glorie des Wunders, zuerst zu uns gebradht und feflelten die Aufmerffamfeit und das Intereſſe jo lange, bis die erwachfende Wifjenfchaft es vermochte, einen nahhaltigern Reiz an die Stelle des bloßen Findlihen Staunens zu jegen. Aeltere Keifende erzählten von dem vegetabilifhen Yanım, das, aus einer Baumfrucht entftehend, im Boden wurzele, rings um fid ber alles . Gras und Kraut a bis e8 in Folge von Nahrungsmangel ſchließlich Luftblumen. Verdunſtung. 83 zu Grunde gehe. Neuere Forſcher führten die Sage zurück auf ein Farn— kraut, deſſen mit weichen Schuppen beſetzter Stock eine entfernte Aehnlichkeit mit einem Wollenfließ bietet. Die Paradiesvogelbälge kamen anfänglich ohne Füße zu uns und wurden durch die Erzählung erklärt, daß jene aus dem Pa— radieſe übrig gebliebenen Weſen, ewig im ſonnigen Aether ſchwebend, nie die Side berührten, die andere gemeine Sterhlicye trägt. Ihnen schließen ſich aus dem Pflanzenreich die Yuftblumen an. Außer den herrlichen Blüten, welche die Baumorchideen entfalten, und außer dem Duft, welcher vielen der— jelben entftrömt, ift e8 die fonderbare Art zu wachen, das Abweichende des Standortes, welches den Laien an ihnen intereffant erfcheint und nicht wenig dazu beigetragen hat, fie zu Vieblingshlumen der Gärtner zu machen. An ſchwachen Fäden hängen die fremdartigen Geftalten von der Dede unjerer Gewächshäuſer herab, und ſchon der erſte Athemzug überzeugt den Eintreten- den, daß er hier in einem Raume fei, in. welchem weniger die Erde als die Luft das Amt der Pflanzenernährerin übernommen hat, Feuchtigkeit und Wärme haben fih) in rveichlihem Maße zur Pflege der fehwebenden Gärten vereinigt, vielleicht forgt der Gärtner auch noch durch fohlenfaures Ammoniaf, das er offen hinlegt, für Yuftvängung. Durch zahliofe Spaltöffnungen, nur ‚dem bewaffneten Auge fihtbar, faugen die herabhängenden weißen Wurzeln und die faftig grünen Blätter die umgebende Feuchtigkeit ein und verarbeiten fie. Sp auffallend für den -erften Augenblid die ‚ganze Ernährungsmeife der Luftblumen exfcheint, fo zeigen lettere uns doch nur einen Vorgang in ſchär— fer ausgefprochenen Zügen, der aud den übrigen laubtragenden Gewächſen zufommt, Die Blätter find eben fo wichtige Organe für die Ernährung der Pflanzen als die Wurzeln und die verfchiedenen Theile des Stammes; freilich) ift uns zur Zeit Vieles über die einzelnen Vorgänge, die hierbei ftattfinden, noch unbefannt. Nächſt der Aufnahme und Abgabe von Luft, welche wir im vorigen Abſchnitte berührten, ift die Verdunftung von Waffer eine Hauptaufgabe der Blätter. Man erhält erftaunlihe Summen, Taufende von Centnern, wenn man das Gewicht desjenigen Waffers beredynet, welches auf einem Mor— gen Land während eines Sommers durch die auf ihm jtehenden Gewächſe verdunftet wird. Die Gewichtszahlen ändern fi, je nachdem blattreiche Kul- turgewächle, Wiefengräfer oder Wald ven Boden beveden, und mande For— ſcher, durch die Großartigkeit dieſes Umſatzes des flüffigen Elements über- wältigt, haben die Pflanze geradezu mit einer Dampfmafchine verglichen, welche durch das Aushauchen des Saftes in den äußern Zellenlagen das Zu- ftrömen der Nahrungsflüffigfeit won den Wurzeln aus veranlaffe, ohne dabei die vielfältig wirkenden chemischen und phyfifalifchen Vorgänge innerhalb des Pflanzenförpers überfehen zu wollen. Daß das ausgehauchte Waſſer nicht chemiſch rein ift, ergiebt fi, fobald man daſſelbe auffängt und eindampft; es bleibt dann ein merklicher Rückſtand unorganifher Subftanz zurück. Auf | | | 6* 34 Das Dlatt als Ernährer. die Temperatur hat jener VBerdunftungsprozeß den auffallenpiten Einfluß, und daß die Wafferaushauhung des einen Gewächſes aud) für feine Nachbarn nicht ohne Bedeutung ift, weiß jeder Gärener, welder kränkelnde Topfgewächfe auf den grünen Raſenplatz bringt, damit fie fi) erholen. Ye nad) der Fähig- feit der Gewächfe, das Waſſer ſchneller verbunften zu ‚laffen, richtet ſich auch die Menge des Waffers, welches innen die Wurzeln zuführen fünnen. Pflan- zen mit Heinen, hartem Yaubwerf, die wenig verbunften, darf man deshalb auch weniger begießen als großblättrige, jo wie das Begießen von Kultur— gewächfen in ven meiften Fällen ſehr beſchränkt werden muß, jobald die Pe- riode der Blattbildung zu Ende geht und das Blühen des Gewächſes beginnt. „Begießen vor dem Blühen“, jagt f der Gärtner, „ift Segen, während E ) der Blüte gleich) zu viel Regen!“ Hy N fade : Scwieriger ift die Frage zu — a RAN), 47 beantworten: ob die Blätter auch im Stande find, Feuchtigkeit und die in ihr enthaltenen unorganifchen Beitandiheile aus der Atmojphäre m aufzunehmen. Direkte Verfuche, Ya ') die in Bezug hierauf angeftellt wor- U den find, haben bis jest nım noch negative Reſultate geliefert. Troß- dem möchte man fid) geneigt fühlen, an eine ſolche Aufnahme zu glau— ben, wenn man fieht, wie beſondere Pflanzengruppen: Kakteen, Mejenı- bryanthemumgewächſe, Stapelien - N MEN DAN S ılı N | \ } PH RN N gt und. ähnliche, in Gegenden ge— ” deihen, in denen mitunter Monate, ! ——— = ja Jahre lang fein Tropfen Regen 4% RT — den Grund befeuchtet, auch der Thau gänzlich fehlt oder nur ſpär— lich vorkommt. Bei der Verarbeitung der aufgenommenen und durch den Stengel zu— geführten Nahrungsſtoffe ſpielt in den Blättern das Licht eine wichtige Rolle. Durch den Einfluß defjelben jcheint vorzüglid, die Entjtehung von Pflanzen- ſchleim, Chlorophyll und bittern Stoffen (Gerbſäure) begünftigt zu werben, während ver Abſchluß des Lichtes fir Gummi, Zuder und Stärkebildung vortheilhafter fein mag. Auf das Blattgrün fommen wir bei Beſprechung ver Pflanzenfarben nochmals zurüd. | Haben die Blätter ihre fümmtlichen Zellen gebildet und zur normalen Größe ausgedehnt, fo ruhen die chemifchen Vorgänge in ihnen feineswegs. Jedes Blatt arbeitet nicht nur für fich, fondern aud für das Gedeihen des Baum - Orchideen, Krankheiten der Blätter. Honigthau. Mehlthau. 85 ganzen Gewächſes. E8 fehlt uns freilich nod) die Kenntniß der einzelnen Borgänge hierbei, allein die Nefultate fprechen deutlich genug. Bäume, welde durch Inſektenfraß ihr Laub verloren haben, kränkeln jahrelang, Hyazinthen, Tulpen und ähnliche Topfblumen erzeugen nur jchlechte Zwiebeln, wenn man die Blätter jofort nad) dem Verblühen abjchneidet. Das beſte Mittel zur Ausrottung des läftigen Schilfrohrs auf feuchten Wiefen ift das häufige Abmähen vefjelben. Indem die Blätter gehindert werden, ſich zu entwideln, jticbt auch ſchließlich der im Boden befindliche Wurzelftod ab. Auch die Erfahrung der Forftleute, daß Espen, deren Rinde man auf dem Stamme abjhälte, bevor man fie umfchlug, feine Wurzelausſchläge erzeugen, jheint hierfür zu ſprechen. Der Winzer weiß, daß er feinen Neben nur ſchaden würde, wenn er die Blätter von den Trauben abbrechen wollte, etwa in der Abjicht, leßtere defto befjer der Sonne auszufeßen. Sp wie die Pflanze nad) oben weiter wächft, fterben häufig die untern Blätter derfelben ab; fie fcheinen einen Theil ihres Gehaltes, den fie ver- arbeiteten, den obern Theilen, befonders aud den Blüten und Samen, ab- zugeben. Hindert man die wohlriehende Reſede am Blühen, indem man die Knospen entfernt, jobald fie ſich zeigen, jo bleibt fie bis zum zweiten Jahre grün; blüht fie dagegen, jo ftirbt fie im erften Sommer ſchon ab. Die Agave und, zahlreiche ihr verwandte Saftpflanzen wachjen mehrere Jahre lang un- unterbrochen Blatt um Blatt treibend, — entwidelt fi) aber ſchließlich der Dlütenfhaft, jo werden die Blätter welf und fterben ab. Der angehende Dotanifer fieht erſtaunt Mauerpfefferarten, Orchideen und ähnliche faftreiche Pflanzen, die er für feine Sammlung zubereiten will, innerhalb der Pflanzen- prejje weiter blühen, — bis der Saftvorrath in den Blättern erfchöpft ift. Er fann fih nur dagegen dadurd) helfen, daß er viefelben in kochendes Waſſer eintaucht, um fie zu ertödten. Manche Krankheiten ver Blätter ſcheinen durch geftörte VBerdunftung herbeigeführt zu werden. Folgen auf heiße Tage wiederholt falte Nächte, jo bededen fid) die Blätter vieler Gewächſe mit einem Flebrigen Weberzug, der in manchen Fallen ſüß ſchmeckt. Der Yandmann fpricht gewöhnlich dann von einem Honigthau, von dem diefelben befallen worden, während jedenfalls hierbei eine franfhafte Ausſcheidung itattgefunden hat. Auch die Blattläufe tragen ihren Theil bei jener Erſcheinung. Sie faugen den Saft mit dem Küffel aus den angeftochenen Pflanzen und geben ihn theilweife in zuderfüße Slüffigfeit umgewandelt durch Drüfen am Hintertheil des Körpers wieder von ih. Hierdurch Inden fie Ameifenfhaaren an, welde die Blattlausfhaaren gleich) Melkkühen ausbenten und mit jenem Nektar ihre Yarven füttern. Die dünnen Hautbälge, welche die Blattläufe bei ihren häufigen Häutungen ab- ftreifen, und welche an ven flebrigen Blättern haften bleiben, find theilmeife Urfachen des jogenannten Mehlthaues geworben, Schon bei der Betrachtung der Kartoffelfranfheit gedachten wir der mi- kroſkopiſch Heinen Schmgrogerpilze, die fih auf den Blättern anfieveln, 36 Das Blatt als Ernährer. Ihre Fortpflanzungszellen werden durd) die Luft fortgeführt. Millionen mögen dabei umfommen, einige aber gelangen dod auf die für ihre Entwidelung geeigneten Blätter. Beim Feſthalten an denfelben kommen ihnen die manderlei Häkchen und Stacheln gut zu ftatten, mit denen fie gewöhnlich beſetzt find, der Thau und die erwähnten Ausfhwigungen thun aud) das Ihre und die Spaltöffnungen bieten gewöhnlich die Thore, durch welche die feimenden Pilz- füden ins Innere der Blätter dringen, um hier von dem Inhalt ver Dlatt- zellen zu zehren. a—f. Mehlthauſchimmel. a. Fadenlager. b. Fruchtſchläuche. c. Zweite Fruchtform. d. Birnen- förmige Fruchtzellen, e. Keimende Samenzellen. f. Pilzformen in der Mutterzelle. g—1. Traubenſchimmel. g. Fadengeflecht. h. Pilzfrucht. ı. Einzelne Fortpflanzungszellen (Sporen). Sieht man im Herbft die Blätter der Hafelnußfträucher näher an, be— ſonders bei Büſchen, die einen etwas freieren, dem Winde ausgefetten und nicht zu trodenen Standort haben, jo findet man ihre Unterfeite häufig mit weißlic grauen Flecken überzogen, die mit winzigen orangegelben und ſchwar— zen Punkten bejest find. Man hat einen Mehlthaupilz (Erysibe guttata) ’ Inſekten und andere Blattfreſſer. Wandelnde Blätter. 87 vor ſich und findet die ähnliche Erſcheinung bei Stangenbohnen, Weiden, Faulbaum, Ahorn und den meiſten unſerer Gewächſe wieder. Faſt jede größere Pflanzenart hat eine oder mehrere Blattpilzarten zu ernähren. Wir beachten aber dergleichen gewöhnlich nur dann eingehender, wenn Kulturgewächſe hier— durch in ſolchem Grade befallen werden, daß uns Nachtheil daraus entſteht, wie z. B. in den letztvergangenen Jahren die Maulbeerblätter durch der— gleichen läſtige Schmarotzer verdarben. Auch der berüchtigte Trauben— ſchimmel gehört hierher. Dem Botaniker bietet ſich in jenen Blattpilzen eine neue Welt mit allerliebſten zierlichen Formen und gewöhnlich lebhaften Färbungen, zu deren Kenntniß ihm aber erſt das Mikroſkop verholfen hat. In ähnlicher Weiſe betrachtet der Inſektenforſcher die Blätter als Weideplätze für zahlreiche Formen des Kleinen thierifchen Lebens. Die Öallwespen vertrauen ihre Eier dem Blattparendhym ar. Letz— tere vermehrt ſich an der angeftochenen Stelle in bedeutender Weife und bildet jogenannte Gallen, deren Form. fi eben fowol nad) der Art des Gewächſes, als auch nad der Art des thieriichen Infafjen richtet. Ber den Eichenblättern fommen z. B. nicht blos die befannten kugelrunden Galläpfel vor, ſondern es erzeugen fid) auch auf der Unterjeite durch den Stich einer andern Cynips-Art Freisrunde purpurrothe leden, die dem Sammet gleichen und dem Blatt ein bezauberndes Anfehen verleihen. Faſt alle Raupen der Schmetterlinge und eine große Menge ber Käferlarven zehren von den Blättern. Nicht wenige jener Thiere find jtreng an ein bejtimmtes Gewächs oder wenigjtend an eine eng begrenzte Gruppe von Arten gebunden. Was für das eine Kleine Weſen Gift fein würde, ift gebeihlihe Nahrung für das andere. Blattläufe faugen behaglic) den opinmreichen Saft des Gartenmohn, die Raupe des Wolfsmilchſchwär— mers verzehrt die Abend ſcharfen Blätter der Euphorbie, die Raupen des Pfauenauges leben auf Brennnefjeln, andere genießen Belladonna u. ſ. w. Am wichtigften ift für den Menſchen der Maulbeerbaun geworden, da feine Blätter der Seidenraupe das Futter liefern. Die Pflege der letstern ift deshalb nur jo weit nad) Norden möglih, als der erftere gebeiht. Die neu empfohlene Seidenraupenart fhlieft fih in ähnlicher Weife an die Ricinusſtaude an. Wenn man etwas näher jene innige DBerfnüpfung zwifchen der In— jeftenwelt und den Blättern betrachtet, fo wird man bald überrafcht durch die Aehnlichfeitt, welche zwiſchen den Formen beider in manden Fällen befteht. Eine ganze Gruppe räuberifher Hautflügler (Mantis) hat nad) jener Geftaltenverwandtichaft den Namen Wandelnde Blätter erhalten. Unter dieſer Maske jcheint es den räuberiſchen Thieren leichter zu werben, ihre Opfer zu berüden, jo wie umgefehrt zahlreiche Käfer und bejonders die Spannraupen burd) ihre Färbung und ihre Geftalt fih den Dliden ihrer Berfolger leichter entziehen fünnen. Manche der letztern ähneln täuſchend kleinen Zweigſtücken mit Knospenanſätzen; andere gleichen an darbe der Rinde, den Knospenſchuppen oder den Blättern. 38 Das Blatt als Ernährer. i Für Fiſche, Amphibien und Bögel find die Blätter von mehr untergeordneter Bedeutung, obſchon in jeder Klaſſe fich einige Abtheilungen vorfinden, die theilweife oder ausjchlieglih auf die grüne Koſt angewieſen find. Für die baumbewohnenden Fröfhe und Schlangen, ſowie für Die Mehrzahl ver Vögel find die Blätter zugleidy noch als Schutmittel und Ver— ftede von Bedeutung. Wie Fliegen und Mücken unter den Blättern Schut vor Negen und dem unmittelbaren Sonnenftrahl finden, wie fi) Raupen und Käferlarven in Blätter einrollen oder aus venfelben beſondere Wohnungen be- reiten, indem fie jelbige zerjchneiden und die Stüde wieder zufammenheften, fo verfertigen ſich auch manche Vögel ihre Nefter ausjchlieglid aus Blättern. Sehr viele flehten die bandfürmigen Grasblätter künſtlich zufammen, einige nähen aud) größere an einander und einzelne Kolibri-Arten bauen ihre win- zige Wohnung aus Samenwolle unmittelbar auf die Oberfläche eines jener feften großen Blätter, an denen die Waldungen des heißen Amerifa’s reich find. Die Yaubfröfhe verbergen ſich wie die Schneden an der Unterfeite des Laubes, mit ihren eigens hierzu eingerichteten Zehen fi) anſaugend. Die meiften Individuen ver Säugethiere find auf Blattnahrung hin- gewiefen und vertheilen fid) in derjelben Weife über tie Erde, wie die Blatt- gewächje ſelbſt vertheilt find. Walähnliche Geſchöpfe: Manati, Aju u. f. w. verzehren die im Waſſer flutenden Blätter; Diehäuter, bejonders Flußpferde und Nashorne, meiden die Ufervegetation ab. Kleinere Nager, befonders aber die Familien der Wiederkäuer und Einhufer, lieben die freien Flächen, andere den Wald. Mehrere fteigen auf die Bäume, von denen fie, wie das bra- ſilianiſche Faulthier, kaum jemals zur Erde kommen, noch andere erflimmen die Felfen der Hochgebirge und ſuchen die legten Spuren des Kräuterwuchſes eben jo jorgfam auf, wie andere Geſchlechter demſelhen in den Polarkreifen nachgehen. Die Fülle des Futters ermöglicht das Beifammenleben jener Thiere in Herden, die nur durch die Heufchredenichaaren an Kopfzahl übertroffen wer- den. Das Berdsrren der Kräuterwiefen und Steppen nöthigt aber auch die Biſons Amerifa’s, die Antilopen des Kaplandes zu weitgehenden Wanderungen. Borräthe von Laubwerk einzutragen, ıft faum ein Thier im Stande, da bei dem verhältnigmäßig geringen Gehalt an Nahrftoff in den Blättern be— deutende Mengen auf elne irgend längere Zeit erforderlid wären, andern- theil8 bei Anhäufung größerer Mengen von Grünfutter Erhigung und Ver— derbniß des legtern herbeigeführt wird. Als Ausnahmefall dürfte das Mur- melthier unferer Alpen gelten, objhon bei ihm das Heu vorzugsweiſe als Bau- und Erwärmungsmaterial erſcheint. Zufammengefcharrtes Laubwerk bildet die einfachfte Neftform und eben jo das Yager zahlreicher Säugethiere. Die neuholländishen Fußhühner formen aus Yaubwerf und Erde einen an— jehnlihen Haufen, dem fie ihre Eier zum Ausbrüten anvertrauen, da fid in * feinem Innern durch die langjame Zerjesung der Blätter eine anfehnlic höhere Temperatur erzeugt. | Futterkräuter. 89 In wärmern Klimaten begnügt ſich der Viehzüchter mit den von der Natur gebotenen Weiden und Yutterplägen. Er ſchließt jih den Gewohn- heiten feiner Pfleglinge fogar dadurch an, daß er in ähnlicher Weiſe von Ort zu Drt zieht, je nachdem die eine Gegend weniger oder mehr Weide bietet. In unfern gemäßigtern Breiten dagegen bedingt der lange Winter bedeutende Abweihungen von jener patriarhalifchen Weife und nur die Senner dev Hochgebirge ahmen die Nomadenart nad), indem fie mit ihren Rindern und Geifen höher oder tiefer fteigen, je nachdem die Jahreszeit worrüdt. Je dichter die Bevölkerung eines Landes, je frudhtbarer, aber auch je koſtbarer der Boden ift, um fo mehr verändert fi) auch das Verhältniß der Futter— fräuter zu den übrigen Pflanzen. Es hängt dies zufanmen mit dev Stellung, welche die Zucht der Hausthiere überhaupt im Leben eines Volkes einnimmt. Der Landwirth hält das Hornvich theils des Düngers wegen, den er für bie Kultur der Nub- und Brodpflanzen bedarf, theils megen der Erzeugung von — Miilch, Fleiſch, Bett, Häuten u. |. w. In nicht wenigen Ländern Mittelafiens haben Gebraud und Holzarmuth den Kuhdünger zum Brennmatetial werden lafjen. Man baut dort nad) der eigentlichen Ernte oft Frautartige Pflanzen aus der Familie der Hülſenfrüchtler nur zu dem Zwed, um fie auf demfelben Boden als Düngmittel zu verwen- den. Sobald fie bis zur Blüte emporgefcheffen, reißt man fie aus und bringt fie durch Bewäffern zum Faulen, worauf man fie unterpflügt. Neuerdings ift jene Gründüngung aud) bei uns hier und da verjucdht worden, und man hat hierzu vorzüglid in dürftigem Boden Wolfsbohnen (Lupinia) verwendet. Sobald die Erzeugung von Mil, Fleiſch, Wolle und andern thieriſchen Stoffen ein Hauptaugenmerk des Landwirths ift, gewinnt aud) die Fütterungs- ' frage eine andere Bedeutung. Die Wiefenfultur wird gewöhnlid beſchränkt und erfährt eine befondere Sorafalt. Nafje Wiefen werden durch Röhren und Gräben entwäffert, troden gelegene, wenn irgend möglich, überriejelt. Samen gefhätter Gräſer werden eingeftreut und durd) eine Mifhung von ſolchen Arten, welche an trodenen Lokalen gedeihen, mit denen, die Fähigkeit lieben, ſucht man ſich auch gegen ven Mißwachs bei vorherrichender Sommer- dürre möglichft zu verwahren. Jährlich mehreremal, je nach der Fruchtbar— feit der Gegend, wird Heu gemacht und Alles beachtet, was eine möglichit große Yuttermenge herbeiführen fan. Stallfütterung vertritt in vielen Di- fteiften völlig die freie Weide und angebaute Futterfräuter müffen die Wiejen- gewächje erfegen. Man hat fid) nicht mit den Gräfern begnügt, melde die einheimifche Flora bietet, fondern felbjt andern Erdtheilen jolde entlehnt, ‚welche bejondere Bortheile verhießen. So ift auf England jogar von den entlegenen Falklandsinſeln das Zuffafgras (Festuca flabellata) eingeführt worden. Vielerlei Schmetterlingsblütler, beſonders aber Kleearten und ihre Berwandten, bilden die hauptſächlichſten Futterpflanzen. Wieſenklee und weißer Klee, Inkarnatflee, auf falkhaltigem Boden Esparfet, auf tiefgrundigem Schneckenklee, der fogenannte Luzern bilden blühende Fluren für die gepflegten 90 Das Blatt als Ernährer. Genoſſen des Menſchen. Die legtgenannte Futterart ift vielleicht Die am wei- teften verbreitete, da fie auch in Gegenden gedeiht, denen die Frühjahrsregen fehlen, welche für die meiften andern Kleearten Bebürfniß find. Luzern baut der Viehzüchter in den afiatiihen Hochlanden wie auf den ſüdamerikaniſchen Andes, Er bildet das wichtigſte Futterkraut in den trodenen Ländern ums Mittelmeer und in den Dafen des weltlichen afiatifchen Steppengebietes. In den bewohnten Thälern der Sahara vertritt ihn der hochitengelige Steinklee (Melilotus). Schon Linne ftellte feiner Zeit eingehenvere Verſuche über das Verhältniß der Pflanzen als thierifhe Nahrung an und juchte unter den in Schweden einheimifchen Gewächſen die Zahl der Arten zu ermitteln, welde von den verſchiedenen Hausthieren gefrefien werben. Er erhielt folgendes Kefultat: Bon 494 Arten, welde er den Kindern darbot, fraßen diefe 276 und verfhmähten 218; von 575 Arten fraßen Ziegen 447 und verjchmähten 126; Schafe frafen von 528 Arten 337 und ließen 141 unberührt; Pferde wählten aus 474 Arten 262 als Nahrung, 212 ließen fie liegen; und unter 243 Pflanzenarten, weldye den Schweinen geboten wurden, fraßen dieſe 72 und liegen 171 unberührt. Ueberträgt man dieſe Ergebnifje auf 1000 Pflan- zenarten, jo würden von diefen für Ziegen genießbar fein 780, für Schafe 732, für Rinder 518, für Schweine 296. Es würden demnach den Ziegen etwa %,, den Schafen %/,, den Nindern und Pferden die Hälfte, ven Schwei- nen dagegen nur %/,0 der vorhandenen Arten des Pflanzenreichs zur Nahrung dienen fünnen. Der befannte rothe Klee ift urfprünglic) auf den Alpen in einer Höhe von 4000 Fuß einheimifh, ward aber ſchon in frühen Zeiten von dort nad) tiefer gelegenen Gegenden verpflanzt, jo nad) Italien. So Fultivirten ſchon im Alterthum die Spanier und Mauren die Luzerne, ja man bezieht ihren botanischen Namen (Medicago von medica) auf die Pflege, welche dies Yutter- fraut bereitS bei den Medern erfahren hat. Bon jenen kam es zu den Per— jern, dann zu den Griehen und Römern, jchlieglich zu den Spaniern. In Brabant wurde der Anbau des Klee durd, die Spanier eingeführt und ver- breitete fid) von hier aus in Deutjhland um die Mitte des vorigen Jahr- hunderts. Der Sachſe Schubert, der diefen Zweig der Landwirthſchaft be- jonders in Flor brachte, ward deshalb als Schubert von Kleefeld geadelt. Sn den Tropenländern, in denen gewöhnlid unfer niederer Wieſenwuchs fehlt, muß das Baumlaub oft genug als Viehfutter dienen, und wie unſer Sandmann ſich häufig der Wurzeln und Knollen bedient, um feine Schüßlinge zu ernähren, füttert der Neger Oſtafrika's fein Rindvieh mit den großen Blättern des Enfeht (Musa Enseht) und der Bewohner Centralamerifa’s fogar mit den Früchten des Wachsbaumes (Parmentiera cerifera). Bon Phyſiologen und Chemifern ift die Pflanzenwelt überhaupt als Ver— mittlerin zwifchen dem unorganifchen und dem thierifhen Leben bezeichnet wor- den. Kein Thier ift im Stande, ausfchlieglid won mineraliſchen Subſtan— zen zu leben, denn felbft der Negenwurm, ven man oft als Beiſpiel einer Phyfiologiih - hemifche Fragen. Kohlarten. 91 Ausnahme anführt, bedarf eines Bodens zur Nahrung, der veid an ver- weſenden Blättern und Wurzelwerk iſt. Die Pflanzenwelt bringt die unorga- nischen Subftanzen durch Die in ihr ftattfindenden chemiſchen Prozeſſe in ſolche Formen, in denen fie dem thierifchen Körper aſſimilirbar, d. h. verdaulich werden. Die Agrikultur-Chemie hat fid) viele Mühe gemacht, ven Nahrungs- werth der verſchiedenen Gewächfe, ihrer Wurzeln, Blätter und Samen näher zu bejtimmen und dabei befonders den Gehalt verfelben an Stidjtoff und Phosphorfäure, an eiweißähnlichen, alſo fleifhbildenden Subftanzen feſt— zuftellen. Die übrigen Pflanzenftoffe, meift Kohlenhydrate, werden dabei ge- wöhnlic als Fettbildner betrachtet und die Salze als den raſchern Umſatz der Stoffe befürdernd angefehen. Die Berdaulichfeit der Dlätter verringert fi) in demfelben Grade als der Verholzungsprozeß in ihren Zellenwänden fi) bemerflich macht und ihr Saftgehäalt zum Vortheil der übrigen Pflanzen- theile, bejonders des Samens, verbraudt wird. Die Chemie hatte deshalb gleichzeitig auch nod) die Frage zu beantworten: in welchem Alter die Futter: fräuter den Nahrungsftoff in reichlichſter Menge enthalten. Diefelben Fragen hat aud die Küchenchemie in Bezug auf die Gemüfe zu löſen. Die Abfaffung eines vationellen Kochbuchs ift in der Gegenwart ein würdiger Gegenftand für Profefforen der Phyfiologte und Chemie, und wirklich hat die Wiffenfchaft neuerdings der edlen Kochkunſt mehrere werth- volle Errungenschaften geliefert, nachdem feit Yahrtaufenden die verſchiedenen Kochgeheimniffe nur von der Mutter auf die Tochter, von einem Speifefünftler auf den andern als Erfahrungsfchäte vererbt wurden. | Wir beabfichtigen in Nachſtehendem nicht eine wiſſenſchaftliche Einführung unferer Leſer in die chemisch - phyfiologifche Betheiligung der Pflanzenblätter bei den Tafelfreuden. Wir überlaffen dies als Geſchmackſachen einem „Jeden ſelbſt. Dagegen laden wir ein zu einer furzen Rundſchau über die wichtigften Gemüſe und Salate des Erdkreiſes! | Die verfchievenen Kohlarten (Brassica oleracea) mit ihren zahlreichen, durch die Kunft des Gärtners erzeugten Barietäten werden dem Leſer hinläng- (id) befannt fein. Der kultivirte Boden bietet den zu veredelnden Gewächſen nicht nur eine reihe Menge anorganifcher Aſchenbeſtandtheile in den geeigneten Formen, fondern vorzüglich auch durch feine aufgeloderten Humuslagen ein vortreffliches Mittel zur Fixirung der atmofphärifhen Nahrung und einen Reichthum an ammoniafalifhen und phosphorfauren Salzen, wie es die Natur nirgends in gleicher Weife beſitzt. Beſondere Spielarten, wegen nuß- barer Eigenschaften werthvoll erf—heinend, werden bevorzugt, läftige Unkräuter befeitigt, der zubringlichen Thierwelt: Blattflohfäfern, Naupen, Kegenwürmern und Mäufen der Krieg erklärt und auf diefe Weife durch ununterbrodene Pflege und fortvauernden Schuß Formen erhalten, die ohne Einwirkung des Menfchen fich ſchwerlich erzeugt oder wenigftens fid) nicht auf Die Dauer er- halten hätten. 992 Das Blatt als Ernährer. Nächſt ven zur Familie der Strenzblümler gehörigen Kohlarten treten vie Meldengewächſe und Ampferpflanzen in den Vordergrund und viele der- jelben wurden ſchon vor Jahrhunderten vorzüglich von Aſien her eingeführt. Der Spinat, Isfanadſch in Arabien, Ispanadſch in Perfien und Isfany in Hindoftan genannt, bezeichnet ſchon durch feine Namenverwandtſchaft den Weg, melden er genommen haben mag. Nad Europa ift er muthmaßlich im 16. Jahrhundert gefommen. Eben dorther ftammen die Arten von Rha— barber (Rheum), die man in England und den wärmern Yändern unjers Erptheils als Gemüfe baut. Erpbeerfpinat (Blitum capitatum, spicatum), Melven- und Gänfefußarten (Atriplex hortensis, Chenopodium album, fici- folium, opulifolium, viride, rubrum) jchließen fid) mit Ampferarten (Rumex acetosum, Patientum) ihnen an. Hier und da auch Enpdivien (Cichorium Endivium) und Bocksbart (Tragopogon porrifolium). So fehr der, Züchter des Milchviehs den Gebraud der Yauchblätter (Allium Scorodoprasum, Schoe- noprasum escallonicum) verfhmäht, da fie die Milch ungenießbar machen, jo werden diefelben, obſchon mehr die Nolle von Gewürz übernehmend, doch von vielen. Feinfchmedern geliebt. In Südeuropa treten zu den Oenannten einige andere Gemüfearten hinzu; fo werden in Spanien Sinapis dissecta, foliosa und hispida verfpeift, auf den Pyrenäen die Blütenboven einer Eberwurz (Carlina acanthifolia), wie anderwärts jene der Artifchofe. Im Norden begnügt man ſich mit dem Melf- fraut (Mulgedium alpinum), das 3. B. in Lappland verfpeift wird, in Sma— (and genießt man den Achyrophorus maculatus als Gemüſe. Gm nordweſt— lichen Deutſchland hat ſich ein altes Bolfsgericht unter dem Namen Negen- ftärfe (Neunftärke) noch in Gebrauch erhalten, zu welchem man bie Blätter von neumerlei Frühlingsfräutern fammelt. Die Salate ſchließen fi den Gemüfen innig an und mandes Gewädhs ' erfährt in beiden Formen, roh und gefocht, feine Verwendung. Der Garten- falat (Lactuca sativa) fol von dem wilden Lattich urſprünglich herſtammen und wurde bereitS von den alten Römern in den Hausgärten fultivirt. Mit ihm zufammen pflegten fie nad Virgil's Mittheilungen: Mangold, Peterfilie, Laucharten, Paftinafe, Möhre, Sauerampfer, Endivien, Meerfohl, Pfeffer- fraut, Senf, Zuderwurz, Bruftwurzel, Artifchofe, Bohnen, Spargel und Kapern, theils als Gemüfe, theils als Küchengewürz. Aehnlich war zu Karl's des Großen Zeiten die Pflege der Gemüſe auf die Hausgärten be- ſchränkt und umfaßte gewöhnlidy aud) eine auserlefene Anzahl Gewächſe, die als Arzneipflanzen in Auf waren. In einigen Gegenden Deutſchlands genieft man ftatt des Spargels die jungen Sprofjen der. Weißwurzel (Polygönatum vertieillatum, latifolium), in Süd— europa muß aud der Blütenſchaft der Agave im jüngften Zuftande mitunter zu gleichem Zwecke dienen, und jener Spanier hatte deshalb nicht ganz Unrecht, wenn er erzählte, daß in feiner Heimat die Spargeljproffen jo di wie ein Dein würden. Vielfach wird nod) gegenwärtig der Feldſalat (Fedia olitoria, Gemüſeklee. 93 Rapünzchen) vom Ackerland geſammelt, eben ſo die Brunnenkreſſe (Nasturtium offieinale), Wie leicht beim Sammeln wilder Gemüſe Verwechſelungen vor— fommen, zeigt ein Beifpiel vom Rhein. In einer befannten Stadt daſelbſt ward feit langen Jahren das Blatt des giftigen Sumpfſchirm (Helioseia- deum) als Brunnenfreffe verfauft und verzehrt, und ernftere Bergiftungsfälle find nur dadurch verhütet worden, daß man gleichzeitig in dem Del und Eſſig die Gegenmittel verfpeifte. Erfurt ift durch feinen Brunnenfreffenbau zu be- jonderm Ruf gelangt, pflegt aber ftatt deren vorzugsweile das jehr ähnlich ausfehende und jchmedende bittere Schaumfraut (Cardamine amara), das fid) bequemer fultiviven läßt. Ein franzöfiicher Offizier der Napoleonifchen Armee, der 1810 dieje Krefjenfultur in Erfurt näher fennen lernte, verpflanzte jelbige nad) feiner Heimat und dort ward das Thal von Nonette zum Hauptſitz der Kreffe. Bor 50 Yahren fam nur wildgewachſene Brunnenkreſſe nad) Paris, die oft von ziemlich entlegenen Stellen herbeigefchafft ward. Man jetste täglich für ungefähr 400 Franfen ab und mußte dabei oft genug mit fchlechten Qua— litäten vorlieb nehmen. Gegenwärtig führen täglicd gegen AO Wagen Brun- nenfrejje nach Paris, deren jeder durchſchnittlich für 300 Fr. enthält, jo daß der jährlihe Abſatz diejes Salatkrautes auf nahe an 3 Mill. Fr. geſchätzt werden kann. Paris bebaut überhaupt in jeinem Bereiche minveftens 1380 Heftaren mit Gemüſen und beſchäftigt dabei 9000 Menjchen und 1700 Pferde. Zur Beitellung der Gemüſebeete und Treibhäufer ıft jährlid für faſt 2 Mill. Sr. Dünger erforderlih, der Ertrag wird aber aud dafür auf 13, Mill. Fr. veranfchlagt. Einen Hauptgegenftand der Gartenfultur bildet dort die Er- zeugung von Frühgemüfen. Schon in Mitte Januar jpeift man friſche Erb- jen. Ein bedeutender Handel mit Gemüſen hat fih nach Bollendung ver Eifenbahnlinien zwifchen der Hauptitadt Franfreihs und den Städten Mar- jeille, Bordeaur, Tours, ſowie mit Algter entwidelt. Mir erwähnen hierbei beiläufig des Verbrauchs von efbaren Pilzen. Allein an Champignons fommen in Paris jährlid) gegen 500,000 Kilogr. (100,000 &tr.) auf den Marf. Die alten Römer bezogen ihre Foftbarften TIrüffeln unter dem Namen Miſſy aus Afrika. Obſchon bei den fleifchverzehrenden Bewohnern Altenglands die Gemüfe eine minder bedeutende Nolle fpielen, jo ift doch der jährliche Bedarf einer Stadt wie London anfehnlid genug. Ein großer Theil des hier verbrauchten Gemüſes wird in der Umgebung der Stadt felbft erzeugt. Die Moorgärten, welche daffelbe hervorbringen und den Ort umgeben, mögen gegen 4800 Heftaren umfaffen und liefern bei der jorgfamen Kultur, die ihnen zu Theil wird, jährlid) vier bis fünf Ernten. Man ſucht in ihnen vergeblich ein Un- fraut, ja nur felten trifft man eine franfe Pflanze in ihnen an, da der Gärt- ner mit der Loupe in der Hand fränfelnde oder fledige Individuen unterſucht und die von Brandpißzen oder Mehlthau befallenen befeitigt. Es wird ver- fihert, daß 35,000 Berfonen in der näcften Umgebung Londons mit dem 94 Das Dlatt als Ernährer. Gemüſebau bejhäftigt find; außerdem wird fowol aus den Provinzen, ſowie auch vom Feftlande aus viel Gemüſe zugefchafft, und man ſchätzt die Zahl der Gemüfe- und Objttonnen, welche jährlich won den fieben in London mün- denden Eifenbahnen zugeführt werden, auf 70,000, Zur Bertilgung des Ungeziefers, befonders der Afjeln, hält man in jenen Gärten Hennen, die aber eine eigene Art Schuhe an die Beine be- fommen, um nicht durch Scharren zu ſchaden. Um vie faftigen Pfleglinge des. Gemüfegartend vor dem Schnedenfraß zu ſchützen, hat man neuerdings jogar von Frankreich Kröten fäfferweife nad) England verfendet und fie da— jelbft in Freiheit geſetzt. Man verkauft fie dutzendweiſe zu je 6 Schilling. Wie ein felbft unfcheinbares Kraut dur vielfeitige Nachfrage an Be— deutung gewinnen fann, zeigt das gemeine Kreuzfraut (Senecio vulgaris), das dem Stubengenofjen des Städters, dem Slanarienvogel, als Gemüje und Salat geboten wird. Es wird in Yondon unter dem Namen Groundſel in fleinen Bündeln in befondern Läden verfauft. DB. Seemann erzählt, daß fünf folcher Läden auf Covent-Garden-Markt jährlid) für 1500 Thlr. ab- jegen, außerdem aber daſſelbe auf allen andern Märkten und durch Herum- träger auf faft allen Hauptftraßen feil geboten wird. In größern Städten Deutſchlands vertritt die Vogelmiere (Alsine media) deſſen Stelle in ähn— licher Weife. Der befprochenen Brunnenkreſſe ſchließen fid) die Achten Krejjenarten (Lepidium campestre, latifolium, sativum etc.) al8 Salatpflanzen an. Häufig wird auch noch PVortulac, Tripmadam (Sedum reflexum) und Yetthenne (Sedum Telephium) verwendet. In einigen Gegenden ſammelt man im Frühjahr bie faftigen Blätter des Scharbod (Ficaria ranunculoides), in andern die Sprofjen des Knotenfuß (Streptopus), die Blätter des Mildyfrautes. (Glaux maritima), des Wegerich (Plantago Coronopus), den Krähenfuß (Coronopus Ruelli), den Bachbungen (Veronica Beccabunga) u. a. Die Rumänen verfpeijen eine Menge Gewächſe, die ſich in der Flora Deutjchlands ebenfalls finden, welche bei ung aber Niemand einer Beachtung würdigt. In Südeuropa dienen Schotenfleearten (Lotus edulis, tetragonolobus, Gebelia) als Salate; eben jo hat man dort ven Spargelfalat (Lactuca angustata). Die falte Zone weift den Menschen vorzüglich auf Fleifchnahrung hin. Sobald ver furze Sommer feinen Feldbau mehr zuläßt, bietet die Pflanzenwelt nur nody einige Blätter als Salate zur Lederei und der Jäger und Fiſcher begnügt fi gewöhnlid) damit, diejenigen Arten zu fammeln, welche die Natur freimillig hervorbringt. Die natürliche Düngung, welche die nächte Umgebung der Winterhütten nor- diſcher Völkerſtämme erfährt und welche durch die reichen Abfälle von den Mahlzeiten: Blut, Knochen, Sehnen u. ſ. w. vermehrt wird, befördert das Gedeihen falzreicher Kräuter und felbft nach Jahren macht fid eine Stelle, an welcher eine Esfimo-, Yappkänder- oder Tichuftichen- Familie gewohnt hät, noch durch das friihe Grün üppiger Ampferftauden, Löffelkräuter u. dgl. be- merklich. Letztere find es, welche al8 Frühlingsjalate, refp. Frühlingsarzneien Grönländiſche und aſiatiſche Gemüſe. 95 den Thranfleifchwerzehrern dienen. Der eigenthümliche Geſchmack der grön— ländiſchen Esfimo hat fie aber noch verleitet, ſelbſt jene Kräuter als Deli- kateſſe zu verjpeifen, die ſich ke fer im Magen der erlegten Renn— thiere vorfinden. Durch die nadı Grönland übergefiedelten. wenigen Dänen wird dafelbit in Heinen, mit Glasfenftern gefhüsten Gärtchen ein Gemüfebau betrieben, der nur als eine Erinnerung an die Gemüfe der Heimat einen Werth hat. Der hier wachſende Kohl, die Peterfilie und Kreſſe haben zwar das Anjehen der gleichnamigen Erzeugnifje wärmerer Breiten, ermangeln aber alles wür- zigen, angenehmen Geſchmacks. Der Kamtſchadale verſucht ſeine Küche eben ſo wie der Bewohner Sibi⸗ riens durch eine Menge Kräuter zu — die jedenfalls erſt einige Uebung erfordern, um ihnen einen Wohlgeſchmack abzugewinnen. So wer— den in jenen Ländern Nordaſiens dieſelben Diſtelarten (Carduus crispus, nutans) auf den Tiſch gebracht, welche man bei uns als Eſelsfutter bezeich— net. Neben ihnen prangen auf den kamtſchadaliſchen und ſibiriſchen Küchen— zetteln Gemüſe von Bärenklau (Heracleum sibiricum, cordatum), Pfaffen- röhrlein (Crepis sibirica), Kratzkräutern (Cnicus ——— ete.), Rhabarber (Rheum hybridum, Rhibes), Weidenröschen (Epilobium angustifolium), Engelwurz (Archangelica officinalis), und als Salate folgen Gomphrena globosa, Centhranthus ruber, Claytonia tuberosa und ähnliche. Yaucharten (Allium carinatum, flavum) bilden das Hauptgewürz dabei. Die Nomadenhorden des mittleren Afiens begnügen fi aud) nur mit wenigem Grün, das fie bei ihren Wanderungen treffen und ihren Herden entziehen. Zafenjchote (Bunias orientalis), Hedericharten (Raphanus sativus, Landra) und Meerfohl (Crambe orientalis, tatarica) dürften die widhtigften Küchenfräuter fein, die innerhalb der Jurten verzehrt werden. In Kleinafien find Scolymus-Arten (Ce. maculatus) und Cynara- (C. Colymus, Cardun- culus) beliebt. Als Sonvderbarfeit fommen aud hier die fnolligen, fleifchigen Auswüchfe eines Salbey (Salvia pomifera) auf den Tiſch, die durch den Stich eines Inſekts veranlaßt werben. Je weiter nad Süden, defto reicher und manchfaltiger werden die Tafel- freuden durch die Bflanzenwelt. Unfere Gemüfearten find durch den größten Theil des mittleren Afiend gepflegt, aus welchem fie theilweife ftanımen. In China und Japan fommen nahe verwandte Arten dazu, mehrere Senfe und Kohlarten (Sinapis Pekinensis), Spargel (Asparagus duleis) und Weißwurz (Polygonatum japonicum) treten hinzu. In leßtgenanntem Yande weiß man fich ſelbſt im Winter Salate aus den Keimen mehrerer Bohnenarten zu ver- Ihaffen. Auch eine Anzahl Meeres-Tange werden in beiden Reichen ver- jpeift, aus denjelben aud) die unächten Bogelnefter hergeftellt, die zur feinern hinefiihen Tafel als Krone gehören. Am Himalaya verzehrt man außer zwei Arten Brennnefjeln und. Procis-Species audy einen Farn (Aspidium edule), Wir heben aus der Menge genießbarer Blattpflanzen, die hier 96 | Das Blatt als Ernährer. gedeihen, nur noch eine hervor, die jowol durch ihre Tradt, als auch durch ihren Standort bejonderes Intereſſe erregt, einen Ahabarber (Rheum nobile) nämlich, von den Eingeborenen Schufa genannt. Hoofer, dem man bie nähere Kenntniß dieſes Gewächſes verdankt, jagt von ihm: „Ich entvedte diefe Ahabarberart ſchon in einer Entfernung von faft einer engliſchen Meile. Sie bezeichnete auffallend die Ihwarzen Klippen des Lachen— thales (Himalaya), 14,000 Fuß iiber dem Meer, weldye faft un— zugänglid) find. Die Schuka wird faft eine Elle hoch und bildet einen ſchlanken Kegel aus jehr zarten, jtrohgelben, halb- durchfichtigen Blättern, welche PT Na | Pa ſich dachztegelig deden. Die an U NN WW ver Spige befindlichen haben | * ſchön roſenrothe Ränder. Die großen, hellgrünen, glänzenden Wurzelblätter bilden die Baſis des Ganzen. Die Wurzeln werden oft mehrere Fuß lang, ſind armsdick, immer hellgelb und drängen ſich in die Felſen— ſpalten ein. Nach der Blüte verlängern ſich die Stämme und nehmen eine dunkle Fär— bung an. Die Bewohner ver— zehren die Schuka als Gemüſe.“ In Indien und Ceylon werden ebenfalls zwei Farne (Geratopteris thalictroides, Di- plazium esculentum) als Ge— müje verwendet. Trigonella speciosa, Barringtonia race- RER mosa und acutangula, Sesu- Schuka (Rheum nobile). vium repens, Mollugo oppo- sitifolia liefern eßbare Blätter, von Dillenia speciosa und einer Bassia verjpeift man aud) die Blüten. Abrus precatorius und Desmanthus natans ftehen wegen ihres füßen Gefchmades auf der Lite der Ledereien. Das gemäfßigte Nordamerika hat mit Europa vielerlei Gemüſe gemein, die übergeführt worden find. Kalifornien wird neuerdings ſehr gerühmt wegen der Ueppigfeit, mit welcher die Kohlarten und ihre Verwandten hier bei Gemüſe Amerifa’s, Afrika's, Neuſeelands. Palmkohl. 97 gehöriger Pflege gedeihen. Die Indianerſtämme verwenden nur wenige wild— wachſende Kräuter zum Küchengebrauche, im Norden z. B. die Roſenwurz (Rodiola rosea), Bärenklau (Heracleum lanatum), die Claytonie (Cl. per- foliata), im Süden einen Amaranth (Amaranthus hypochondriacus) und eine Spielart des Maniok (Jatropha multifida), letztere als Kohl von Nicara- gua befannt. Häunfiger find Gemüfe im heißen Theile Amerikas im Gebraud), fo in Wejtindien Mertensia dichotoma, Sesuvium portulacastrum, auch die Blätter eines Kaftus (Pereskea aculeata); in Mexiko jene einer Yucca (Y. filamen- tosa), bei Quito die Boussingaultia baselloides, in Brafilien Peperomia pel- lucidum, Carolinea macrocarpa, princeps, Phytolacca decandra und octan- dra, Pircunia esculenta (brafilianifher Spinat), Hibiscus esculentus und Sabdariffa, Sesuvium revolutifolium, Talinum patens, mehrere der fäuerlic, ihmedenden Begonien (3. B. Begonia cucullata), eben fo die jungen Triebe einiger Opuntien (Opuntia Tuna, elatior etc.), die man wie Spargel genießt. “ Nordafrika hat mit Südeuropa die meiften Gemüſe gemein. Der Kohl erreicht in den Dafengärten mehr als Mannshöhe, ſchließt aber feine Blätter nie zu einem Kopf. Man verzehrt fie, fobald fie eben ſich zu entfalten be- ginnen, und zwar häufig roh. Aus Mesembryanthemum geniculiflorum be— reiten fid) die Beduinen einen Salat, jo wie aus dem an den Küften häu— figen Portulak. Der Sudan ift arm an eßbaren Blättern. Der Neger be- veitet fi) Brühen aus dem Laube der Moluchia (Balanites aegyptiaca), der eßbaren Corchorus (Corchorus olitoria) und des Affenbrodbaums (Adansonia); legtere dürfte wol die größte Gemüfeart fein, die in Gebraud) if. Am Kay genießt man unter anderm Cacalia ficoides und repens und die Schwarzen jtellen fogar aus den unausgebilvdeten Blättern von Encephalartos caffer und horridus eine Art Brod dar. Aus Neufeeland iſt ung eine Spinatpflanze zugeführt worden (Tetra- sonia expansa), und man weiß, daß von den Eingebornen die Scheiden der männlihen Blüten des Pandanus humilis gern gegefjen werben. Faſt fürdten wir den Leſer bereits allzulange mit Aufzählung ver Küchenkräuter aufgehalten zu haben und erwähnen jchließlicd nur noch einer Kohlart, die fi in Bezug auf die Größe ihrer Mutterpflanzen ‚der Adan— jonte würdig zur Seite ftellt, fie an Wohlgefhmad aber weit übertrifft, wir meinen den Palmenkohl. Derjelbe ift ſowol im heißen Afien als aud) in Mittelamerifa in Gebraud) und wird von mehreren Palmenarten ent- nommen. In Oftindien und auf den afiatifhen Infeln benust man hierzu den fogenannten Herztrieb, d. h. die junge, innerfte Stammfpige mit den anfizenden zarten, noch unentwicelten Blättern der Brennpalme (Caryota urens) und Schirmpalme (Corypha umbraculifera), in Amerifa vorzugsweife jene von der Kohlpalme (Euterpe oleracea) und der Kohl-Kokos (Cocus ole- racea), Es liefern auch die Herziproffen mehrerer anderer Palmenarten dieſe geſchätzte Speife, jobald man aber die Bäume zur Fruchterzeugung oder zur Wagner, Mal, Botanik, I. Bd. 7 % 98 Das Blatt als Ernährer. andern Zweden höher hält, unterläßt man ihre Benutzung auf Kohl, da durd das Ausjchneiden des innern Triebes der Tod des Gewächſes herbei- geführt wird. Der Palmenfohl wird entweder in Eſſig eingemadht oder ge- focht verzehrt und von allen Keijenden feines Wohlgeſchmacks wegen gerühmt, der Aehnlichkeit mit jüßem Nußkern haben fol. Gegenwärtig kann jelbft der Bewohner der gemäßigten Zone fich jenen Genuß verfchaffen, da man in Weftindien Palmenfohl in Blechbüchſen Iuftdicht einjchliegt und ihn jo den Gutſchmeckern Londons, Frankreichs u. ſ. w. zufendet. Kohlpalmen und Bananen auf Kuba, Die Darftellung der fogenannten comprimixten Gemüfe hat überhaupt eine neue Epoche in der Verwerthung der Küchenfräuter herbeigeführt. Der Balfiihfahrer brauht inmitten der Eisfelfen und Gletſcher des Nordens, zwiſchen denen er vielleicht eingefroren feftfitt, nicht mehr kümmerlich den Schnee wegzufharren, um einige Sproffen Ampfer und Löffelfraut als anti- ſkorbutiſche Gemüſe hervorzuſuchen, oder gar die aus Franklin’ Landerpedi— tionen jo traurig berühmt gewordenen Felfenflechten (Gyrophora Mühlenbergii, Comprimirte Gemüſe. Blattpflanzen. 99 Tripe de roche) [o8zufragen — er verzehrt europäischen Kohl, jo wohlſchmeckenden, als fei er eben erft aus der Küche gefommen, — möglicherweife jogar Pal— menfohl oder neufeeländifhen Spinat. Die Bereitung jener Gemüſe wird fabrikmäßig in großem Maßſtabe getrieben und es werden die Blätter dabei zunächſt theilweife ihres Waflergehaltes, fo wie ihrer etwa unangenehm jchmedenden Beftandtheile beraubt, dann erfolgt die Zubereitung und ſchließ— lich als Hauptjadhe der luftdichte Verſchluß. In jenen Gemüfefabrifen hat man auch Pflanzenarten wohlſchmeckend zu machen gewußt, die jonjt feine Beachtung erfuhren; jo liefert gegenwärtig das gemeine Salzkraut (Salsola Kali) gehörig zubereitet ein Gemüje, das mit jedem andern den Vergleich aushält. Nach unferer längern Wande— derung durch den Gemüſegarten und die Kohlplantagen folgen wir dem Gärtner in fein Gewächshaus. Unſer Führer ift vielleicht ein bejonderer Gönner .fogenannter Blattpflanzen, d. h. von Gewächſen, die mehr duch an Schönheiten und Abjonderlichfeiten — ihres Laubwerks als durch Blüten— ſchmuck imponiren. Er zeigt uns die zartblättrigen Lykopodien und Farne, die ſich mit feinem Laubwerk über die Tuffſteinſtücken ausbreiten, welche Fel- ſengruppen im Kleinen darſtellen. Daneben rauſcht ein Waſſerſtrahl in ein Baſſin, das rings von den mäch— tigen Blättern von Philodendronz, Aaron= und Caladium- Arten einge- faßt if. Die prächtig gejtreiften Dlätter ver Maranta ſchimmern ſam— metartig neben dem Kiejenlaube der Banane, Unfer Freund erzählt ung, daß lestgenannte Pflanze den Tropen- Kıugblatt (Sarrazenia purpurea). bewohnern nicht nur ihre Früchte zum täglihen Brode bietet, fondern ihre Blätter gleichzeitig aud zu Tellern und“ Tifchtüchern hergiebt. Gleihe Verwendung finden die Blätter der Thalia dealbata und der Heliconia Bihai, während jene der Calathea lutea in Ca— racas in gleicher Weife zu Sonnen- und Regenſchirmen dienen müfjen, wie die Riefeublätter ver Schirmpalme auf Ceylon. Eine noch wunderlichere Ber- wendung finden die Blätter des Melonenhbaumes (Carica Papaya), die von Milchſaft ftrogen. Umhüllt man rohes Fleiſch mit ihnen, fo wird jolches in furzer Zeit mürbe, als jet e8 gekocht; läßt man fie freilich zu lange dabei liegen, jo fault es. 7# 100 Das Blatt als Ernährer. Jetzt gelangen wir zu dem großen Baffin, das mit lauwarmem Waſſer gefüllt if. Auf dieſem breiten ſich die Freisrunden Blätter der Victoria regia, die fchöngeflekten der Euryale und anderer Geerofen; in Töpfen ſtehen rings- um Krugblattpflanzen (Sarrazenia purpurea; f. Abbild. ©. 99) aus Nord— amerifa und Deftillivpflanzen (Nepenthes) von den Sunda-Inſeln und Ma— Gitterpflanze (Ouvirandra fenestr Im Innern des Baſſins erbliden wir aud einen neuen geſchätzten An— kömmling aus Madagaskar, die Gitterpflanze (Ouvirandra fenestralis), deren zartes Dlattneß bei der leifeften Bewegung des Waſſers in Schwingungen verfett wird. ; An den großen, auffallend gefärbten Blätterbüfcheln der Begonien, dem jeivenhaft glänzenden, geftreiften Yaube der Iradescantieg und Giffusranfen vorbei gelangen wir jeßt zu zierlichen Sträudern, welche gleich Federn Die fleinen Blätter ausbreiten. Unfer Freund fordert ung auf, mit dem Finger eines jener doppelt gefievderten Blätter zu berühren. Kaum haben wir ihm Folge geleiftet, jo fehen wir zu unfrer Verwunderung, wie das Blatt feine Fiederblättchen zufammenflappt, die Fieverabtheilungen fächerähnlich zuſammen— legt und ſich dann noch herabſenkt. Wir haben es mit emer Sinnpflanze Wandelklee. Fliegenfalle 101 (Mimosa sensitiva; ſ. Anfangsbild ©. 82, Fig. I) zu thun; neben ihr (Fig. I) fteht eine eben jo empfindliche nahe Verwandte (Mimosa pudica), deren Laub zarter, Doppelt gefiedert ift. Stunden vergehen, ehe das zufammengeflappte Dlatt ſich wieder entfaltet und in früherer Weiſe ausbreitet. Noch wunderbarer erjcheint uns eine daneben befindliche ITopfpflanze, der oftindifhe Wandelflee (Desmanthus gyrans), Ihre Gejfammtgeitalt hat gerade nichts Befonderes; jedes ihrer Blätter ift wie beim Klee aus drei einzelnen Blättchen zuſammengeſetzt, von denen das mittlere größer und eirund ift; die beiden feitlichen find jchmaler und Kleiner. Jetzt ſehen wir aber, daß das Mittelblatt ſich langjam hebt und wieder jenft, ohne daß wir eine Urſache bemerften, welche es zu einer ſolchen Bewegung veranlaßte. Die jchmalen Seitenblätthen dagegen ſchwingen un— unterbrochen, jo daß fie mit ihrer Spitze einen fleinen Kreis bejchreiben. Dabei heben fie ſich zunächſt langſam, die Be- wegung verzögert ſich ſchließlich, ſie ſtehen einen Augenblick ſtill, als hätten ſie einen Widerſtand zu überwinden, und endlich führen ſie die abwärts gehende Schwin— gung mit beſchleunigter Geſchwindigkeit aus, um ſich bald darauf von Neuem zu heben. Ein zweites Exemplar des— ſelben Gewächſes, das neben dem erſten ſteht, läßt ſeine Blätter ruhen, der Gärtner ‚belehrt uns, daß diejes fränf- lich geworden ſei und deshalb feine Be— wegungen zeige, die nur bei gejunden, fräftigen Pflanzen vorfümen und zwar um jo fchneller, je wärmer die Tempe— J ratur ſei, in der fie vegetirten. In Empfindlicher Wandelklee (Desmanthus gyrans). jeiner Heimat, Oſtindien, ſchwingt der Wandelflee feine Blätter noch einmal jo ſchnell als in unfern Gewächshäuſern. Einen Schritt, weiter, — und wir ftehen vor einem neuen Blattgemädhs, vor der berühmten Sliegenfalle‘ (Dionaea muscipula; fiehe das Schluf- bild des Abſchnitts) aus Süd-Karolina. Die Blätter bilden bei diefen Ver— wandten unſers Sonnenthaus eine Roſette. Der Blattſtiel iſt blattähnlich erweitert und das eigentliche Blatt durch einen ſchmalen Gelenktheil mit ihm verbunden. Der Rand der beiden Blatthälften iſt mit wimperähnlichen Fort— ſätzen eingefaßt und in der Mitte von jeder Hälfte ſtehen gewöhnlich drei ſcharfe Borſten. Tüpft man auf das geöffnete Blatt, ſo klappt es ziemlich lebhaft zuſammen. Dies geſchieht auch, ſobald ſich ein Inſekt darauf geſetzt. 102 Das Blatt als Ernäbrer. Man erzählt nun deshalb: die Disnaea finge ſich Fliegen, bielte die Zap- pelnden jo lange feft, bis fie todt jeien und dünge auf dieſe Weiſe ſich ſelbſt mit animalifchen Stoffen. Eingehendere Unterfuhungen find neuerdings durch Dudemans itber diefes interefjante Gewächs angeftellt worden. Er fand, daß die Fläche des Blattes an und für fi unempfindlich gegen einen Außern Reiz ift und leßterer nur ſich bemerflid) macht, jobald die erwähnten drei borjtenförmigen Stadeln in ihrer Mitte berührt werden. Hat fid das Blatt in Folge einer Berührung geſchloſſen, jo bleibt e8 gewöhnlich) fehr lange in dieſem Zuftande, gleihgültig ob ein zappelnder Körper zwiſchen ſeinen Hälften vorhanden iſt oder nicht. Es öffnet ſich wieder, wenn auch ein durch bloßen Druck ausgeübter Reiz auf daſſelbe fortwirkt. Waren nur die Borſten be— rührt worden, ſo entfaltet es ſich gewöhnlich nach Verlauf von 36 Stunden wieder, liegt ein Körper zwiſchen den Blatthälften, z. B. eine todte Mücke, ſo geſchieht dies mitunter erſt am fünften Tage. War ein Blatt in diefer Weife längere Zeit geſchloſſen, jo ift feine Keizbarfeit auch auf längere Zeit hin geſchwächt und zeigt ſich erſt nad) andern vier bis fünf Tagen. Bei allen diefen.empfindfamen Pflanzen legen ſich die Blätter meiſtens in jene Lage zurüd, welche fie beim Entfalten im Knospenzuſtande bejaßen, und ein aufmerffamer Beobachter weiß, daß jehr zahlreiche unferer einheimi- jhen Gewächſe vafjelbe innerhalb eines jeden Tages auch thun. Afazien, Kleearten, überhaupt viele Pflanzen aus der Familie der Schmetterlings- blütler legen ihre zujammengefesten oder” gefingerten Blätter beim Sinken der Sonne zufammen, als ob fie einfchliefen und breiten fie am Morgen wieder aus. An trüben, vegneriihen Tagen bleiben fie geſchloſſen. Der Keifende B. Seemann beobachtete, daß eine Bohnenpflanze (Phaseolus), die er auf dem- Schiffe zog, unter den Tropen regelmäßig ihre Blätter gegen 5 Uhr Nachmittags zufammenlegte. Innerhalb des Polarfreifes, in welchem er den Sommer verlebte, blieben fie bi8 um 8 Uhr geöffnet, ja fie breiteten fi ſelbſt um Mitternacht wieder aus, wenn er den unmittelbaren Sonnen- ſtrahl auf fie fallen fieß. Die meiften jener beweglichen Blätter zeigen bejondere Gelenkbildungen, d. h. angeſchwollene Stellen an der Befeſtigungsſtelle des Blattſtieles, inner— lich auffallende Verſchiedenheiten im Zellgewebe, größere Zellen mit Partien kleinerer Zellen wechſelnd. Durch die lebhaftere Circulation des Saftes inner— halb des Blattes, die durch Licht und Wärme befördert wird, durch die viel— fachen chemiſchen Prozeſſe, die hier ſtattfinden, ſcheint das Gleichgewicht des Organs geſtört und dadurch eine veränderte Lage herbeigeführt zu werden. Daſſelbe wird vielleicht auch durch einen größern Druck bewirkt. Die gleiche Erſcheinung findet ſich noch häufiger bei den Staubgefäßen zahlreicher Ge— wächſe, obſchon ſie hier wegen der Kleinheit der Organe nicht ſo ſehr in die Augen fällt. Von einer Empfindlichkeit der Gewächſe, die mit jener durch Nerven ver— mittelten Senſibilität des Thieres vergleichbar wäre, kann nicht die Rede ſein, Sich bewegende Pflanzen. 103 obſchon hierbei noch Vieles unenträthſelt iſt. Intereſſant ſind z. B. die Ver— ſuche, die man angeſtellt hat, um die Einwirkung von Chloroformdämpfen auf die Sinnpflanzen zu beobachten. Dr. Bretonneau ſetzte eine Mimosa sen- sitiva jenen Dämpfen aus und ſah, daß fie ihre Reizbarkeit völlig verlor. Erjt ein Aufenthalt an der freien Luft von mehreren Minuten fteilte dieſelbe wieder her. Das gleiche Ergebniß erhielt Herr Baillon, als er einen Zweig der Sparmannie Chleroformdämpfen ausfetste. Die jehr empfindlichen Staub- gefäße jenes Gewächſes verfielen aud) in einen Zuftand, der an Betäubung thierifcher Weſen erinnerte. Fügt man hieran die mifcoffopifhen Pflanzenarten, die wegen ihrer Be- weglichfeit berühmt geworden find, jo gewinnt die Sache nur nod an Intereffe und Käthjelhaftigfeit. Dscillarien fieht man unter dem Mikrojfop ihre gegliederten blaugrünen Fäden mit einer durch das DVergrößerungsglas vervielfältigten Schnelligkeit hin- und herſchwingen wie träge Würmer oder langfamgehende Uhrpendel. Fruftulien und andere Diatomeen fahren rud- weile im Waffertropfen weiter, als ſeien fie müde gewordene Infuſionsthiere, deren Ächte Formen pfeilfchnell neben ihnen vorbeihufhen. Zwiſchen durch tanzen im lebhaften Wirbel die mit Wimpern bejegten Sporen von Algen vorbet und man darf fich nicht darüber wundern, daß ſelbſt erfahrene For— Iher, durch das Auffallende ver Erſcheinung übermannt, hier von Pflanzen im „Momente der Thierwerdung‘ fpracdhen. Bei den genannten Algen fommen zweierlei Fortpflanzungsweifen vor, eine gejchledhtliche und eine un- gejchlechtliche. Bei letsterer bilden fich innerhalb der Zellen eine Anzahl Flei- ner, anfänglich zufammengeballter, fpäter fi) trennender Zellen, die bei. hin- längliher Keife durch ein Loch der umfchliegenden Zellenwand austreten und mit einigen feinen Wimpern befetst, ſich ſcheinbar willfürtid im Waſſer herum- tummeln, bis fie, gleichſam ermüdet, fih an einen feften Gegenftand anſetzen und zu neuen Algenfäden ausmwachjen. | Diefen Schwärmfporen in vielen Stüden ähnlich erſcheinen die Anthe- vidienfäden der Moofe und Farnfräuter, die ihrer phnfiologifhen Bedeutung nad) mit den Pollenftäubchen der Pflanzenorgane auf eine Stufe zu jtellen find. Sie erzeugen ſich bei den Moojen in feulenförmigen, zwijchen den Laubblättern verfteten Körpern, bei den Farnen in befondern Organen, die auf dem Vorkeim befindlicy find, bewegen fid) jchwingend im Waffertropfen in größter Munterfeit und einige derfelben gelangen bei ihrer Irrfahrt zu den weiblihen Organen. Lebtere werden durch diefe Schwärmfäden befruchtet und hierdurch bei den Mooſen die Bildung der Moosfrucht, bei den Farnen das Entftehen des erſten Wedels veranlaßt. Biele diefer Formen fünnen, wenn man. ihre weitere Entwidelungs- geichichte nicht verfolgt, fondern fie im Waflertropfen in ihrem augenblidlichen Zuftande allein beobachtet, wol für Infuforien angejehen werden. Es kommt noch dazu, daß man ja auch an ven gleichzeitig beobachteten Infuforien Feine Spur von Nerven bemerkt, welche thierifche Empfindung und Willensthätigfeit \ 104 Das Dlatt als Ernährer. - vermitteln fönnten. Die Grenze zwifchen Thier und Pflanze ift bei den einfach: ften Organismen jehr jubtil und kann oft nur durch genaue Verfolgung ver gefammten Entwidelungsgefhichte feftgejtellt werden. Iſt nun auch bei ven größern fich bewegenden Gewächſen wie gejagt nicht won einer Verwandtſchaft mit fühlenden thierifhen Wejen die Rede, fo wird das Intereſſe deshalb doch nicht geringer, und da ſelbſt einzelne Forſcher die Mimofen weger dieſer Eigenthümlichfeit an die Spite des Pflanzenſyſtems ftellen, darf es nicht be- fremden, wenn der Laie ftaunend vor ihnen werweilt. Dazu fommt, daß in einigen, wenn auch wenigen Fällen jene empfindlichen Blätter eine praftifche Bedeutung gewinnen. Der Jäger der Prärien erfennt an dem zufammen- gefalteten Laubwerk der ftrauchartigen Mimofen den Pfad, den jeine Beute genommen hat. Die Blätter der Kompaßpflanze geben ihm durch ihre füd- nördlihe Richtung ein Mittel, ſich zu orientiren, und die zujammengelegten Blätter der Sturmpflanze (Porliera hygrometrica) warnen ihn gleidy einem untrüglihen Barometer vor dem nahenden Orkan. Er verdankt jeine Kettung vor dem unheilvollen Wirbelfturme eben jo einem unſcheinbaren Pflanzenblatt, wie er feinen Hunger mit dem Laubwerk eines faftigen Krautes und jeinen Durft aus den Krügen der Sarazenie ftillt. Die Fliegenfalle (Dionaea museipula). 2 I\s N Ist IN RR N —* in ii Als 1 Mil! I | ar SUN N DN — een: Su IR Indigobereitung in Bengalen, XVIH. Färbepflanzen und Gerbepflanen. Wintererenrfion auf Disko. — Chlorophyll. — Xanthophyll. — Herbſtfärbung. — Landihaftsfarbungen. — Safflor. — Safran. — Färbepflanzen. — Pflanzen- farben: gelb, roth: Krapp. Brafilienholz, Fernambufhoß. Orlean. — Blau: In— digo. Ward. Braune und jhwarze Farben, — Gerbepflanzen. — Lohrinden, Sumach. Gallapfel. — Leuchtende Pflanzen. N Schon das Kleid mit Licht geftidet, Schön hat Flora euch geſchmücket Mit der Farben Götterpradit, Schiller, ‚er Pflanzenfreund kann aud) im Winter Ausgänge unternehmen, um jeine Lieblinge aufzujuchen. Die verſchiedenen Formen, welde die Knospen der Bäume und Sträucher zeigen, fefjeln fein Interefje, an Baum- ſtämmen und auf Felsblöcken vegetiven die grauen und gelben Flechten neben grünen und ſchwärzlichen Mooshäufchen, die gerade jest mit den üppigſten Früchten prangen, und auf den abgefallenen Blättern, den verborrten Gras— halmen und SKrautftengeln entwidelt die Welt der Schimmelpilze eine bunte 106 Färbepflanzen und Gerbepflanzen. Formenreihe von der lebhafteften Färbung und den überraſchendſten Geftalten, die Brofamen, die vom großen Tiſch der Natur fielen, noch auf die inter- ejfantejte Weiſe verwerthend. Noch eigenthümlicher, ja einzig in ſeiner Art würde aber ein Ausgang ſein, den ein Botaniker mitten im Winter auf Disko, der bekannten Inſel an der Weſtküſte Nordgrönlands, machen würde. Dort zieht ſich, nicht weit von Godhaab, eine äußerſt ſchmale Kluft tief ins Gebirge bis zu dem großen Gletſcher, der das Innere der Inſel bedeckt. Im Sommer ungangbar, iſt es während des Winters möglich, ſie zu betreten. Thurmhoch ſtarren die Felswände zu beiden Seiten auf, behangen mit funkelnden Eiszapfen, die wie Kryſtallſchmuck in einem Feſtſalon in verſchiedenen Farben funkeln und ge— ſpenſterhaft mit dem ſchwarzen Geſtein kontraſtiren. Felsblöcke, durch ven Froſt abgeſprengt, ſind von der Höhe herabgeſtürzt und in der Mitte der Wände eingeklemmt ſtecken geblieben. Wie das Schwert des Damokles ſchwe— ben ſie über dem Haupte des Wanderers. Dieſer aber lauſcht aufmerkſam auf das Rieſeln der Gletſcherwaſſer unter feinen Füßen. Er ſchlägt eine Deffnung in die feſte weiße Dede, die ihn trägt, und erfennt, daß er auf einem Bogengewölbe aus Schnee und Eis wandelt, welches durch den auf- fteigenden Waſſerdunſt, der wie ein Nebelhauch ihm entgegenwallt, abgethaut it. Hier in der finftern Tiefe, von weißer Dede verhüllt und gegen ben geimmigen Froſt gefhütt, wirft das vegetabilifhe Leben zwar langſam aber ununterbrochen weiter. Kräuter breiten ihre Blättchen zu niedlichen Kofet- ten, Gräſer ftreden ihre Sproſſen über diefelben und felbft eine Thierwelt, Scneden und Inſekten, jchließt fih an das verborgene Leben an. Wir wollen nicht. die Eigenthümlichfeiten der Polargewächſe wiederholen, auf welche wir den Leſer bereits im I. Bande ©. 112 u. f. aufmerffam machten, wohl aber feffelt uns die Färbung jenes verborgenen Gartens. Nirgends eine bunte Blume, nirgends ein grünes Blatt, alle Gewächſe der Tiefe erjcheinen bleich und farblos, wie die dürftigen Sprofjen, welche ſich aus Samen und Knollen in finftern Kellern entwideln. Erde und Wafler war diefen Gräfern vollauf geboten, Blätter und Stengel daraus zu weben, aud Wärme war ausreichend noch vorhanden, aber eine Speije fehlte ihnen, das Licht, jener geheimniß- volle Faktor, der. im Leben der Pflanzen eine jo bedeutende Rolle jpielt. Farbe erzeugt das Gewächs nur durch Vermittelung des Sonnenlichtes. Das Kerzenlicht gewährt keinen Erſatz dafür, ſei es auch noch ſo hell. Die Schwin— gungen des Lichtäthers bewirken in der Zelle der Pflanze chemiſche Vor— gänge, deren Weſen uns noch ein vun: ift, die wir nur aus ihren Wir- fungen erſchließen. Ein befannter Gelehrter hatte zu einem beſtimmten Zwecke eine Anzahl Haferpflanzen in einem finſtern Raume gezogen. Die Hälmdyen und Blätter waren einige Zoll hoch aufgeſchoſſen, dabei aber völlig farblos geblieben. Sie wurden ausgerifjen, gereinigt und zum Trocknen in die Sonne gelegt — wenig Minuten reichten hin — fie waren völlig grün geworben! Farbebildner. Blattgrün. 107 Es werden innerhalb des Pflanzenfürpers Stoffverbindungen erzeugt, vie an und für fi) zwar zunächſt farblos find, aber die Fähigkeit befisen, beim Einfluß des Lichts Farben zu bilden. Man nennt jene Stoffe Farbebildner (Shromogene), und die Chemie hat fich die Aufgabe geftellt, viejelben mög— fichft genau zu erforſchen, da die Kenntniß derfelben nicht nur für das DVer- ſtändniß des Pflanzenlebens, fondern aud für den Techniker, vorzugsweiſe für den Färber von großer Bedeutung find. Bis jett ift Die Kenntniß dar: über noch jehr mangelhaft. Die allgemeinfte Pflanzenfarbe ift das Grün, das fogenannte Blatt- grün (Chlorophyll). Bei einer mikroſkopiſchen Unterfuhung eines grünen Pflanzenblattes findet man die oberften Zellenlagen gewöhnlich farblos und durchſichtig. Die tiefer gelegenen Zellen dagegen enthalten einen klaren wafjerhellen Zellenfaft, in welchem größere oder geringere Mengen von grünen Kügelchen ſchwimmen. Dies find die Chlorophyll- oder Blattgrünsfügelhen. Die fürbende Subftanz bildet aber nur den äußern ſchwachen Ueberzug jener Körnchen, das Innere verjelben befteht der Hauptſache nad) aus einem ungefärbten, wachsartigen Fett, mitunter begleitet von ftidftoffhaltigen Subftanzen, Stärkekörnchen u. dgl. Im Waſſer unlöslich, läßt fich die färbende Subftanz leicht mit Aether aus- ziehen, um aber jelbft eine jo geringe Menge davon zu gewinnen, als fie der Chemiker zu einer Elementar-Analyfe nöthig hat, find möglichenfalls die ſämmtlichen Blätter eines großen Baumes erforderlich). Chemiſch rein vargeftellt zeigt fih das Chlorophyll als eine dunfelgrüne Maſſe, welche ftidjtoffhaltig ift, bei fortgeſetztem Einfluß des Lichtes fid) aber zerjegt und verfärbt. Aus den erwähnten Wachskügelchen, möglicherweife auch aus den begleitenden Stärkekörnchen oder Proteinftoffen, jcheint das Blattgrün nur dann zu entftehen, wenn durch Lichteinwirfung Sauerftoff von dem Pflanzenorgan ausgehaudt wird. Es bildet ſich deshalb aud nur im jenen, mit Spaltöffnungen verfehenen Drganen, bei denen Gauerftoff- aushauchungen ftattfinden, und alle diejenigen Blumen, die eine grüne Yär- bung befisen, verhalten ſich anatomiſch und phyſiologiſch ganz Ahnlic wie die Laubblätter. Den innern Pflanzentheilen, Wurzeln, Marf u. ſ. w. fehlt es, ausnahmsweife hat man es jedod in einigen Samen gefunden. Bei vielen wintergrünen Pflanzen nimmt das Blattgrün während des Winters eine veränderte, gelbliche Färbung an, die ſich mit dem Eintritt des Frühjahrs wieder in die frühere grüne verliert. VBielleiht hat dieſe Erſchei— nung ihren Grund darin, daß das während des Sommers erzeugte Blatt- grün durd die fortgehende Einwirkung des Sonnenlichtes zerſtört wird, ohne fich bei dem Stoden des Stoffwechſels erjegen zu fünnen. Die meisten Sommer- blätter ändern im Herbft ihre bisherige Färbung in Gelb und Roth, ſchließlich in Braun um. Auffallender Weife tritt die rothe Blattfärbung vorzugsweiſe bei den Gewächſen ein, welche rothe Früchte tragen. Je nachdem der Zell- faft, in weldem das Blattgrün ſchwimmt, jelbft eine Färbung befitt, erjcheint 108 Färbepflanzen und Gerbepflanzen. das ganze Ausfehen des Laubes auch verändert; die Menge der Chlorophyll- Kügelchen, ſowie die Beſchaffenheit der Oberfläche, ob dieſe glänzend oder, matt, fahl oder behaart ift, bringen ebenfalls zahlreiche Nuancirungen der Färbung hervor. Es ift dies ein Gegenftand, den der Landſchaftsgärtner vorzüglich im Auge zu behalten hat, wenn er durch Zufammenftellung dunfel- laubiger und hellblättriger Bäume und Sträuder die gemwünjchten Wirkungen hervorrufen will. Wir erinnern nur an die prachtvollen Effekte, welche durch geſchickte Anordnung in Gartenanlagen erreicht werden, wenn ſich neben kurz⸗ geſchorenen und deshalb hellſammtgrün ericheinenden Kafenflächen düſtere Tannen erheben, zwijchen denen hier helle Birken, dort Eichen und Buchen, weiterhin graugrüne Trauerweiden oder Sanddorn und Dleaftergebüfche her- vorſchauen. Auch die herbftlihe Verfärbung wird dabei im Auge behalten, und neben den immergrünen Fichten heben ſich Die hellgelben Ahorne, ums jponnen von blutrothem Klımmen, pradtooll ab. ine bejondere Berühmt- heit haben ‚wegen ihrer, berbftlichen Färbung die Wälder Kanada's erhalten. Siehe nebenſtehendes Tonbild.) In det artenreichen Familie der Pilze kommt Grin nur aus— nahmsmeife vor, bei den Flechten ift es von mejentlid abweichender Be— Ihaffenheit und Liegt, wenn überhaupt vorhanden, unter einer ftarfen Schicht von Zellen, welde es in trodnem Zuſtande verdeden und nur angefeuchtet durchſchimmern laffen. Bei den Meerespflanzen tritt e8 nur bei einigen Arten (Ulva) auf, die das flachere Strandwaſſer bewohnen; je tiefer der Standort, defto abweichender ericheint aud die Färbung. Auf die olivenfarbenen Tange folgen die violetten und jcharladyrothen Gattungen und graue, ſchwarze und weiße Arten nehmen die tiefften Stellen neben den Korallen und Gee- Ihwänmen ein. Dft veränderit- bereit8 die Nebenblätter, noc häufiger jene Dedblätter, welche die Blüten begleiten, die Färbung. Wachtelmaizenarten machen fich durch blaue oder rothe Dedblätter bemerklich, zwiſchen denen die goldgelben Blüten hervorſchimmern, und in den ſüdamerikaniſchen Waldungen erſcheint die Bougainvillea von fern über und über roſenroth durch die Färbung derſelben Organe. Grüne, grüngelbliche und fahle Blüten find häufiger vorhanden, als man. im gewöhnlichen Leben geneigt ift anzunehmen; nur fallen fie eben deshalb weniger in die Augen. Wir machen beifpielsweife nur auf die großen Familien der Gräfer, Melven und Ampfergewächſe, Näpfchenfrüichtler und Kätchenblütler aufmerkſam. Weiße und gelbe Blumen dürften wol die Mehrzahl in. den meiften Theilen der Erde bilden, nicht nur an den Polen, wo diefe Färbung mit dem allgemeinen Kolorit übereinftimmt, fondern felbft in wärmeren Breiten, Im Frühjahr erhalten unſere Wiefen durdy gelbe Ranunkeln und Dotterblumen, die Waldungen durch Primeln ein auffallendes goldenes Kolorit, welches felbft das Grün des Blätterwerfs ftellenweife über- ftrahlt. Obftpfantagen decken ſich mit Blütenſchnee, Schlehen und Weißdornen wetteifern damit, und das raut verleiht feuchten Grasplägen einen ihn ) Daldpartie in Kanada. DBlumenfarben. Safflor. 109. weißlic) violetten Schimmer. Im Hochſommer zeigen die Dolden und Syn— genefiften vorherrſchend, diefelbe Färbung. Nur als nebengeordnete Farbe— bilder erſcheinen die Getreidefluren von fenrigrothem Mohn und himmelblauen Cyanen durchwebt oder die Wiejen von purpurnen Orchideen und Lichtnelfen. Der Keifende B. Seemann berichtet, daß aud auf der unter den Tropen gelegenen Landenge von Panama die meijten Gewächſe weiße oder gelbe Blumen tragen. Alle Blüten, die anders als grün gefärbt find, hauden nie Sauerftoff, fondern nur Kohlenfäure aus, und hierin liegt die unangenehme Wirkung größerer Blumenmengen in gefchloffenen Räumen. Die Erzeugung der bun- ten Farben ſcheint eine Folge von Aufnahme und Bindung von Sauerjtoff (Oxydation) zu fein. Man verfuhte zwar die Dlumenfarben als zwei ver- jhiedene Keihen fi vorzuftellen, die eine aus Blau und Roth, die andere durch gelbe Färbungen vertreten. Die erftere glaubte man durd eine Des- oxydation, Die lettere durd) eine Oxydation entftanden; wifjenfchaftliche Unter- juhungen haben aber jene von Decandolle, Schübler und Macaire vertretene Idee nicht beftätigt. ; Sp lange die Blumenblätter noch in den Knospenhüllen eingejchloffen find, erſcheinen fie meijtens farblos oder grünlich, beim Aufblühen gehen fie nicht jelten aus. einer Farbe in die andere über; jo find die Blüten eines einheimifchen Vergißmeinnichts (Myosotis versicolor) anfänglid gelb, dann werden fie roth, fchließlich blau. Obſchon nun eine Berwandtihaft des Roth und Blau bei den Blumen vorhanden ift, jo werden rothe Blumenblätter durch Alkalien keineswegs gebläuet, jondern grün gefärbt. Blaue und rothe Farben lagern als wäßriger Saft gewöhnlich in den obern Zellenſchichten der Dlumenblätter und find gewöhnlich ſchon durch Waffer ausziehbar. Die gel: ben Farben jcheinen mehr harzartiger Natur zu fein. Sie erfüllen die tie- feren Zellenlagen in Geftalt Eleiner Körnchen und lafjen fih nur durch Alkohol und Aether auflöfen. Die weißen Blumen erfcheinen nur deshalb weiß, weil fie gar feine Yarbitoffe enthalten.) Leider find alle Blumenfarben troß ihrer Pracht von höchſt vergänglicdher Natur. Das Licht, das fie erzeugte, zerjtört fie aud) eben fo ſchnell wieder, und verbieten eine Verwendung derjelben für das praftifche Yeben, zum Färben von Zeugen u. dgl. Will man von einigen blauen, gelben und rothen Blumen abjehen, mit denen die Dftindier den Neid zu färben pflegen, den fie bei Saftereien auftragen, jo wäre als einziges Beiſpiel von Verwendung einer Blütenfarbe Safflor (Carthamus tinctoria) zu nennen. Man baut diefe, zur Familie der Syngenefiften gehörige Pflanze viel in Aegypten und pflückt die Blumenblätter, bevor fi) die Blüte völlig ausgebreitet hat. Site find ſchön goldgelb, ins Köthlihe ſchimmernd, und enthalten einen gelben und rothen Farbſtoff, die fi von einander trennen laſſen. Seide und Baumwolle nehmen, mit Safflor behandelt, prachtoolle Färbungen an, die aber im Fichte nicht be- ftändig find. Am meiften wendet man das Safflor-Roth (Carthamin) nod) 110 Färbepflanzen und Gerbepflanzen. zur Berfertigung von flüffiger Schminfe und Schminkläppden an. Bom Safran (Croeus sativa) wird die vreitheilige lange Narbe aufer zu Gewürz auch zur Färbung benußt; der Apotheker fennzeichnet feine Opiumtinktur damit, muß fie aber auch im Dunfeln aufbewahren, wenn fie nit ausbleichen foll. Die Luft am Schmud hat jhon die Älteften und roheſten Bölfer farben gelehrt. Die Sage fnüpft deshalb die Erfindung der Färbekunſt an die Sötterwelt an und die Griechen fchrieben der Minerva jene Erfindung zu. Sp wie unfere Kinder mit Mohnblättern und Heidelbeerfaft beim Spiel Färbe- verfuche anftellen, hat aud) jedes Volk irgend einige Pflanzen feines Landes herausgefunden, um dem jelbjtgewebten Baummollenftoff oder dem Leder— wanms einigen Schmud zu verleihen, und jogar jene Glüdlichen, die in benei- denswerther Einfachheit weder Weber noch Kleidungsfünftler bedürfen, ver- ftehen es, mit Hülfe von Pflanzenfüften oder mineraliihen. Subftanzen ſich Mufter in die Haut einzubeizen. Die Krih- Indianer Nordamerifa’s färben die Stachelſchweinſtacheln, welche den Hauptpuß ihrer Kleidung bilden, mit den Wurzeln von Yabfräutern (Galium tincetorium, G. boreale) roth, die mittelamerifanifchen Wilden malen fi mit dem Fruchtſaft, des Orlean (Bixa Orellana) an, und ſchon zur Zeit Hiob's werben die ſchön gefärbten Gemande Oſtindiens gerühmt. Unfere eigene Heimat ift feineswegs arm an Färbepflanzen, nur find viele derfelben durch beffere, jchönere und dauerhaftere Produfte des Aus- (andes verdrängt worden. Mitunter mag auch die Bequemlichkeit mit daran Schuld fein. Der Lilör-Fabrifant entnimmt lieber Curcuma, Berlinerblau u. dgl. vom Droguiften und färbt fein Gebräu nach dem überfommenen Re— zept, als daß er die einheimifche Brennnefjel jammelte und verwendete. - Manche Farben find in den Pflanzen bereits fertig ausgebildet; andere Dagegen- find nur als Farbebildner (Chromogene) vorhanden und nehmen bie auffallendern Farbentöne erft durch Berbindung mit dem Sauerftoff der Luft an. Seit man gelernt hat, in der Färbefunft Beizen anzuwenden, ift man im Stande, die innerhalb der zu färbenden Zeuge erſt entitehenden Yarben haltbarer zu machen, anderntheils auch mit demfelben Pflanzenfaft jehr ver- ſchiedene Farben herzuftellen, je nahden man das Zeug zuvor mit Zinnjalz, Alaun, Bleiſalzen, Eiſen- oder Kupfervitriol getränft hat. Natürlich fan _ man die Zahl der Schattirungen außerordentlich durch Vermiſchung zweier oder mehrerer einfacher Farben fteigern. | e Eine große Anzahl einheimiſcher Gewächſe eignet ſich zur Darſtellung gelber Farben. Aus mehreren Ginfterarten (Genista tinctoria, anglica) bereitet man das Schüttgelb, indem man ven Pflanzenfaft mit Thonerde ver- bunden bat. Dieje Farbe ift als Anftric der Zimmerwände vielfach in Ge- brauch. Das Laub der Birke, ferner der an Sumpforten häufige Zwei- zahn (Bidens tripartita), ‚die al8 Unkraut verhaßte und durch Negierungs- befehle verfolgte Saat-Wuderblume (Chrysanthemum segetum), bie Färber-Kamille (Anthemis tinctoria), die Färber-Scharte (Serratula Gelbfärbende Pflanzen. 111 tinctoria), der Bejenpfrienen (Sarothamnus scoparium) und fein Ber- wandter, der Stehhülfen (Ulex europaeus), die Wurzel des Kreuz- born (Berberis vulgaris), der Wald-Ziehft (Stachys sylvatica), die ge- meine Slodenblume (Centaurea Jacea), die Wiefenraute (Thalictrum minus), die wilde Baljamine (Impatiens nolitangere) und das mit ihre gemeinfhaftlih in feuchten Walnungen wachſende Herenfraut (Cir- caea lutetiana) können alle zum Gelbfärben verwendet werden, finden aber nur eine untergeordnete Anwendung. Häufiger dagegen benutzt man den einheimifhen Wau (Reseda luteola, lutea), einen nahen Verwandten der wohlriehenden Reſeda. Außerdem bezieht man eine Anzahl gelbfärbender Pflanzenftoffe vom Auslande. Aus Südfrankreich erhält man die Gelb- beeren (Grains d’Avignon) von Wegdornarten (Rhamnus saxatilis, in- fectoria, Alaternus tinctoria), Aus dem Gebiet des Mittelmeeres ſtammt aud das gelbfärbende Fifetholz, das Holz des auch in ünſern Garten- anlagen gedeihenden Perüden-Sumad) (Rhus Cotinus), Das Quer- citronenholz von einer Eichenart Nordamerika’ (Quercus tinctoria), In letzterem Lande find mehrere Eſchen (Fraxinus carolinea, quadrangulata, americana), in Birginien Baccharis halimifolia und die Gelbwurz (Xan- torrhiza apiifolia) gebräuhlih. In Merifo benust man zu demfelben Zwecke Tagetes patula, in Brafilien die Bilbergia tinctoria, in Peru Cantua pyri- folia. Weftindien und Brafilien fenden uns das Gelbholz oder Fuftif- holz, das von einer Maulbeer-Art (Morus tinetoria) ftammt. Keih an gelbfärbenden Stoffen ift das mwärmere Afien. Von dert fommt der unter den Namen Sooranjee befannte Farbftoff, das Produkt eine Baumes (Morinda citrifolia). Der Färber verwendet denjelben gern mit Dleifalzbeizen beim Erzeugen des Türkiſch-Roth als Zuſatz, feltener allein. Das Sandelholz (Pterocarpus Santalinus) findet ebenfalls mehr als Zufat zu andern Farben Verwendung. Aus feinem Malfaften fennt jedes Kind das - lebhaft gelbfärbende fogenannte Gummi-Guttä. Das Gummi-Guttä von. Zenafjerim fol von einem oftindifhen Baume (Xanthochymus ovalifolius) und jenes von Myſono von einer andern, nahe verwandten Art (Xanthochy- mus pietorius) jtammen. In China und Japan färbt man die gelbfeidenen Prachtgewande mit Sophora japonica, eben jo benugt man vielfach die gel- ben Wurzeln mehrerer Curcuma-Arten (Curcuma longa, rotunda), die in Oftindien und auf Madagaskar einheimifh find, auf der Infel Tabago gegenwärtig aber mit Erfolg gebaut werden. Aus dem heißen Afien kommt neuerdings ein intenfiv gelbfärbender Farbftoff unter dem Namen Wongfhy, der von einer zur Familie der Enzianen gehörigen Pflanze ftammen fol. Während fi europäiſche Damen roth ſchminken, färben ſich aftatifhe mit dem Saft des Hennaftraudes (Lawsonia alba) gelb, und die Negerinnen mit Indigo blau. Zum Beizen der Augenlider dienen, nachtheilig genug, meift Metallfarben. Schließlich erwähnen wir noch des unter dem Namen Purree gebräuchlichen aſiatiſchen Färbemittels. Es fol daſſelbe dann aus 112 Fürbepflanzen und Gerbepflanzen. dem Urin von Kameelen bereitet werden fünnen, wenn dieſe Thiere die: Früchte von Mangostana mangifera gefrefjen haben. Daß Pflanzenfarben in den thierifhen Körper übergehen, lehrt uns bie Erfahrung in der Heimat. Die Knochen von Thieren, die Färberröthe verzehrten, erſcheinen roth. Dies Ausfehen verliert ſich aber nad) einiger Zeit bei veränderten Futter wieder. Die entſchieden blaue Färbung, welche die Milch der Kühe mitunter zeigt, foll ihren Grund gleidherweife darin haben, wenn das Milchvieh Kräuter verzehrte, die einen Gehalt von In— digo haben. Eine Yieblingsfarbe vieler Völ— fer ift von jeher das Roth gewefen, und nidt wenige Blumen find ge— vade wegen diefer Färbung zu be— fondern Pfleglingen, Haus- und Stu— bengenofjen erforen worden. Bon den einheimifchen Gewächſen enthal- ten jenen Farbſtoff am ſchönſten meh- rere Gewächſe der Labfrautfami- fie, fo der färbende und Feld— MWaldmeifter (Asperula tinctoria, arvensis), das nördliche Laubkraut (Galium boreale) und vor allem ver Krapp oder die Färberröthe (Rubia tinctorum). Bon allen ge: nannten benußt man die Wurzel, die in frifhem Zuftande nur ein farb- loſes Chromogen enthält und die Färbung erft jpäter entwidelt. Der Krappbau verbreitete fi) von der Levante aus allmälig nad) den mıei- ten Ländern am Mittelmeer und — N wurde in neueren Zeiten mit beſon— Die Färberröthe (Rubia tinetorum). derm Erfolg im Eljaß, in der Um- ‚gebung. von Avignon und in Hol- land (Seeland) kultivirt. Die Wurzeln geben zwei rothe Gubftanzen, das Alizarin und Purpurin; in Paris verfteht man aus ihnen einen ſchönen Lad zu fabriziven; am berühmtejten aber ift der Krapp durch das fogenannte Tür- kiſch-Roth geworden, das man dur ihn erzeugt. Der oftindifche Krapp ftammt von Rubia mungista; auch andere Krapp- Arten enthalten dieſelben Farbeſtoffe, jo Rubia peregrina und lucida, die fi) in Kleinafien finden. In Nordeuropa ftellte man ehedem aus den Wurzeln des Ader-Steinfamens (Lithospermum arvense) und dem Sumpf-Blutauge (Comarum palustre) eine rothe Farbe dar, in Südeuropa dienen Orchis nigra, Onosma echioides, Rothfärbende Pflanzen. 113 Echium rubrum und Anchusa tinctoria in untergeorbneter Weife zu demfelben Zwede.. Legtere, die fogenannte falſche Alfanna, verwendet man zum Färben der Zahnpulver. Außer dem Heidelbeerfaft werden die Beeren des Ker— mesſtrauches (Phytolacca decandra) ſehr oft zum Färben des Rothweins benugt. Der legtere Name erinnert ung an die Kermesbeeren, die in der Nothfärberei eine jo große Rolle jpielen. Man bezeichnete hiermit meh- vere Arten ‚von Schildläufen (Coccus), die man wegen ihrer Geſtalt für Pflanzenfrüchte hielt. Am gebräudlichiten waren ehedem jene Arten, die auf den immergrünen Stacheleihen des Mittelmeergebiets, bejonders Griechen- lands, leben (Coccus Ilicis auf Quercus coceifera), mit ihnen war der Pur— pur der griehifchen Kaiſer gefärbt, während der phönizifche Purpur befannt- fi von Schneden gewonnen wurde. In Mitteleuropa jammelte man die Scıildläufe von den Wurzeln des ausdauernden Knäuel (Coccus polonicus an Scleranthus perennis), in Rußland jene an der Bärentraube (Coccus uva ursi), in Sibirien jene von der ſibiriſchen Erdbeere (Coccus fragariae). Obſchon noch jett die griechische Kermes zum Färben der rothen Mitten be- liebt ijt, wurden die einheimiſchen Schildläuſe doch meiſt durch die amerifa- niſche ſchönere Kaftus-Schildlaus (Coccus Cacti) verdrängt, die man in regelmäßigen Plantagen aus Dpuntien (Opuntia coccinellifera, vulgaris, Ficus indica) in Mexiko, jegt aud) in Südſpanien und auf den Kanarifchen Inſeln pflegt. Bon Dftindien erhält man durch Inſekten derſelben Familie den Lack-Lack und Lack-Dye. Wir erwähnen diefe Farbitoffe des Thierreichs einmal deshalb, weil jene Scilvläufe eng an beftimmte Pflanzenarten oder Familien gefnüpft find, die, jobald die Erzeugung jener Stoffe Gegenftand der Kultur wird, einer beftimmten Pflege bedürfen, anderntheilg auch des— halb, weil Karmin und Hermes in ihrer hemifhen Zuſammenſetzung fich innig den Varbftoffen des Pflanzenreihs anjchliegen. Die Kanarischen Infeln haben nocd einen befondern Auf erhalten durch ihre Drfeille- Erzeugung, ein Yarbitoff, ven man aus mehreren Flehtenarten, bejonders aus Roc- cella tinctoria und Lecanora Parella gewinnt. e Einen bedeutenden Zuwachs von rothfärbenden Gewächſen erhielt vie Färbefunft durch Entdedung Amerika's. Ehedem hatte man rothe Hölzer, von Cäfalpinien ftammend, aus DOftindien bezogen, fo das vothe Brafilien- holz von Caesalpinia sepinaria und von Japan das Sappanholz von, Caesalpinia Sappan; im heißen Amerifa traf man Bäume verjelben Yamilie nit ähnlichem Farbholze, 3. B. das Fernambufholz (aud rothes Brafi- lienholz genannt) von Caesalpinia echinata und übertrug fogar den Namen des oſtindiſchen Farbebaumes auf ein ganzes amerifanifches Land. Die als St. Marthenholz und Nicaraguaholz befannten Farbhölzer ftammen eben: fall8 von Gaefalpinien. Diefelben kommen entweder in Blöden oder in fein- geraspelten Spähnen in den Handel; eben fo zieht man der Yarbftoff an Drt und Stelle aus ihnen und verſendet denjelben als Lad (Kugellad), Wagner, Mal, Botanik. II. Bo. | 8 114 Färbepflanzen und Gerbepflanzen. Halb als Arznei, halb als Farbe ward aud das fogenannte Dradent- blut in den Handel gebracht, das theil® won eigentlihen Drachenbäumen (Dracaena), Bewohner der afrifanifhen und ſüdaſiatiſchen Injeln, theils von den Früchten der Rohrpalmen (Calamus Draco, niger) ftammt, welche leßtere wir als Kletterpflanzen mehrfach erwähnten. Das weftindifhe Draden- blut fommt von Pterocarpus Draco. ‘ In Nordamerika find außerdem nod) Coreopsis verticillata, Ceanothus americanus und Psinos verticillatus als xothfärbende Mittel in Gebraud), in Südamerifa außer dem ſchon genannten Orlean (Bixa Orellana) bie Chica, von einer Bignoniacee (Bigno- nia Chica) ftammend. Letztere färbt Daummwolle ſchön vrangegelb, ift aber nicht dauerhaft. Noch ſchöner färbt der als Karajuru in Brafilien gebräud)-. liche Yarbftoff. Als Zuſätze beim Roth— färben verwendet man auch das amerifa- niſche Ouercitronenholz (von Quercus tinctoria, nigra), deſſen Mutterpflanzen, zwei Eicdhenarten, man mit Erfolg in Frankreich und Bayern anzupflanzen ver- - jucht hat. Afrika liefert von Sierra Leone das Cambaholz (Cam-wood), während am Kap die Wurzel der Wachendorfia thyrsiflora gebraudt wird, um roth zu färben. Der in Südeuropa (Sizilien, Malaga) gepflegte Färber-Sumach (Rhus coriaria) findet aud als Zujat bein Färben mit Rothholz Benugung, ausgedehnter freili) bei Braun- und Schwarzfärberei. Die zu den Eind)o- : naceen gehörige Genipa americana färbt Anil-Indigo (Indigofera Anil.) violett. In den füdafiatifhen Ländern N iſt Clerodendron inerme und auf Neufee- fand Phyllocladus trichomanoides als Mittel zum Rothfärben in Anwendung. Noch auffallender als beim Krapp ift die angeventete Umwandlung der als Chromogene in den Pflanzen enthaltenen Stoffe in Farben beim In- Digo, diefem wichtigften wegetabilifchen Färbematerial. Im tropiſchen Ajien, Afrika und Amerifa baut man zur Gewinnung der gejhästen blauen Yarbe mehrere Arten der Gattung Indigofera (Indigofera tinctoria, Anil), Kräuter der Familie der Schmetterlingsblütler und entfernt unferm Luzernflee oder unfern Vogelwicken ähnlid. Wie alle Särbepflanzen verlangt der Indigo einen guten, tiefgründigen Boden und faugt denfelben beveutend aus. “ Indigobereitung. , Waid. 115 In Oftindien pflegt man die Felder im Dftober oder November tief umzupflügen und im März zu beſäen. Im Juli haben die Pflanzen dann die Höhe erreicht, welche fie zum erſten Schnitt tauglid) machen. Sobald ſich die Blütenknospen entwidelt haben und im Begriff find aufzubreden, ſchneidet man die Pflanzen ziemlic dicht am Boden ab. Die zurüdbleiben- ven Stöde jhlagen wieder aus und nad) je zwei Monaten fann man von demfelben Felde eine zweite, dritte, ja in günftigen Jahren ſogar eine vierte Ernte einbringen. Man ſchafft die Pflanzen in einen Schuppen und legt fie dort in einen ſteinernen, hochgeftellten Trog, den man mit Waffer füllt. Bald beginnt die Kräutermafje zu gähren, Luftblajen fteigen auf, es bedeckt fid) die Oberfläche des Waſſers mit Schaum, der anfänglid graugrün ift, kurz darauf aber bläulich purpurroth und endlich ſchön blau wird und einen fupfer- farbigen Schimmer zeigt. Gewöhnlich kann man nad) 10 Stunden die Gäh- rung unterbreden und die Flüffigfeit in eine tieferftehende fteinerne Küpe ab- laufen laſſen. Dieſe Flüffigfeit ift feineswegs blau, fondern ſchön gelb, ent- hält aber das indigobildende Chromogen. Die Ummandelung verjelben in blauen Indigo gefchieht dadurch, daß man fie mittelft Umrührens und Schla— gens mit Schaufelrädern möglihft innig mit dem Sauerjtoff der Atmojphäre in Berührung bringt. Die beginnende Indigobildung verräth fi durch das Entftehen einer grünen Färbung. Man fett das Schlagen ungefähr 1", Stunde lang fort und läßt dann die entjtandenen Yarbetheile ſich zu Boden ſetzen. Indigoflocken ballen fi zu Klümpchen und bilden einen ſchlammigen Bodenfaß, von dem man mittelft einer Saugpumpe die überftehende klare gelblichhraune Flüffigfeit entfernt. Nachdem der Bodenſatz etwas getrodnet ift, ſchneidet man ihn in Stüden und dörrt ihn, Es ift Hier unfere Abficht nicht, die vielfachen Verwendungsweiſen näher anzudeuten, weldje die neuere Färbefunft von dem Indigo zu machen verfteht, nur erwähnen wollen wir, daß man gelernt aus hat, ihm das farblofe Chro- ınogen als Indigoweiß wieber zu erlangen. Die beichriebene Gewinnungsmethode ift vorzüglich in Bengalen die ge- bräuchlichſte. Anderwärts trennt man von den eingeernteten Pflanzen die Blätter von den Stengeln und Blattjtielen, trocknet fie und läßt fie liegen, bis fie blaugrün werden, und weicht fie dann erft in der Küpe jo lange ein, bis fie ſich vollgefaugt haben und zu Boden finfen. Unmittelbar darauf kann man die über ihnen ſtehende Flüffigfeit in die Schlagfüpe ablaufen laſſen. Ehedem färbte man in Deutfchland blau fait ausfchlieglih mit Ward (Isatis tinctoria, f. ©. 121), einem Kreuzblumengewäds, und Gotha, Langen- ſalza, Erfurt, Arnſtadt und Tennftädt wurden wegen des hier betriebenen Waidbaues geradezu die Waidftädte genannt. In ihrer Umgebung erzeugte man damals jährlid für mehr als Y, Million Thaler Werth jenes Farb— jtoffes, Die inländische Waiderzeugung war auch Urfache, daß man die In— digo-Einfuhr durch hohe Befteuerung möglichft zu erſchweren ſuchte. Auch beim Waid bildet fi) die blaue Farbe erft in Folge einer Gährung, indem man 8* 116 Färbepflanzen und Gerbepflanzen. die gereimigten und unter dem seferbten Stein einer Mühle etwas zerquetſch— Die Harmelraute (Peganıum Harmala). ten Blätter deſſelben auf Haufen padt und ſich erhiten läßt. Die aus jener Maſſe geformten Ballen wurden ſchließlich getrodnet und jo in den Han— del gebradit. No gegenwärtig verwendet man Waid bei der Indigofärberei, zu der man auch Krapp und Kunfelrübenfyrup als Zuſatz benutzt. Unter unjern * einheimischen Pflanzen geben eine nicht unbedeutende Anzahl ihren Gehalt an Indigo ſchon dadurd) zu erfennen, daß fie beim Abfterben und Trodnen ihre grüne Färbung in ein dunkles Blaugrün umändern, jo die Schwarze Walderbje (Orobus niger), das ausdauerde Dingelfraut (Mercurialis perennis), die Sounenzeiger-Wolfsmild (Euphorbia he- lioscopia). Den dem Wald-Storchſchnabel (Geranium sylvaticum) macht man auf Island zum Blaufärben techniſchen Gebraud), vom fogenannten Erbſenſtrauch (Caragana arborescens) in Gibi- vien. In Südeuropa bezeichnet man die Wachsblume (Cerin- tha major und minor) als in: digohaltig, eben fo in Nordafrika die Harmelraute (Peganum Harmala)unddieAlfanna(Law- „ sonia alba), Wichtiger als bie AN lestgenannten ift im Gebiet des \ Mittelmeeres aber die Tourne- jol-Pflanze(Crozophora tinc- toria) ein Wolfsmilchgewächs, aus dem man durch Behandlung mit Kalk und Urin in ähnlicher Weife Yadmus bereitet, wie aus einer Anzahl Flechten— arten (Roccellia), die der be- fannten Farbe den Namen gaben (Lad-moo8). Im Innern Afrifa’s baut man zum Blaufärben der Baum— wollenftoffe, das hier eine be- deutende Rolle fpielt, eine nahe Afrikaniſcher Snbigo (Tephresia toxicaria). Verwandte des Indigo, die Te- phrosia toxicaria, und verfährt noch auf die primitivfte Weife, indem man Blanfärbende Pflanzen. 117 die gebleichten Stoffe in die Farbefüpen um fo öfter eintaucht, je dunkler man den Farbenton wünſcht. Daß fid) die Negerfräuleing aus demfelben Stoff auch Schminke bereiten und um zu gefallen, blau anlaufen, haben wir Schon erwähnt. In Oftindien liefert aud) eine Dleander-Art (Nerium tinctorium) In— digo und in China baut man zu dieſem Zwecke vielfach zwei Knöterich— Arten (Polygonum eymosum, tinctorium) und einen Verwandten unjers Waid (Isatis Indigota; ſ. d. Abbild. am Schluß des Abſchnitts). Die Japaner verftehen jogar mit dem bei ung ge- meinen Bogel-Knöterid) (Polygonum aviculare) blau zu färben. Geringen Indigogehalt zeigen ferner zwei ſüd— aſiatiſche Orchideen, Phajus grandifolius in China und Calanthe veratrifolia auf Amboina. Auf den Moluffen färbt man blan mit dem Samen der Clitoria Tornatea, auf Sumatra mit einem Schwalbenwurzgewäds (Asclepias tinc- toria), in Nordamerifa wird zu dem— jelben Zwed in untergeordneter Weife die Wurzel des Wafferdoft (Eupato- rium maculatum, purpurenm) und Amor- pha fruticosa benugt, In Caracas hat man an der Angelonia salicariaefolia ein beſonderes Material zum Blaufär- ben; auf Jamaika an mehreren Clu— fia- Arten (Clusia alba, rosea, flava). Näcft dem Indigo ift das mittelame- rikaniſche Blauholz oder Campede- | holz wichtig, das von Haematoxylon Blauholz (Haematoxylon campechianum) campechianum ftammt. Leßtgenannter Baum, auch Blutholzbaum genannt, war urſprünglich befonders an jumpfi- gen Stellen der nad) ihn genannten Bai und an der Halbinfel AYuccatan häufig, ift aber fpäter auf den meijten größern Infeln Weftindiens angepflanzt worden. Er wird bis 50 Fuß body und hat einen wnanfehnlichen Inorrigen Wuchs, dabei ift er mit Stacheln befetst. Bei feinem raſchen Wahsthum fann er ſchon nad) verhältnigmäßig wenigen Jahren gefällt und fein Holz in größern Stüden oder gevaspelt in den Handel gebracht werden. Grün erzeugt man am beften durch Zufammenftellueg geeigneter gelber und blauer Farben. Als Malerfarbe ift das fogenannte Softgrün, aus den Beeren des gemeinen Wegdorns (Rhamnus cathartica) gebräuchlich. Von einem nahen Verwandten dieſes Straudes erhält man das chineſiſche 118 Färbepflanzen und Gerbepflanzen. Grün, das befonders in neuefter Zeit, bei der gefteigerten Furcht vor den giftigen metalliihen Farben Aufmerkfamkeit erregt. In Südeuropa ift aud) eine Schwertlilie (Iris xiphium) wegen ihres Gehalts an grünem Yarb- jtoff befannt. AS Pflanzen zum Braunfärben nennen wir unter den zahlreichen vorhandenen nur die einheimifhe Walnuß (Iuglans regia); in Südeuropa und dem Drient wachjend den Sanddorn (Hippopha® rhamnoides), den Dleafter (Elaeagnus angustifolia), den fretiihen Ahorn (Acer ereticum), den Widerftoß (Statice tatarica) und von den —— den glatten Wegdorn (Rhamnus glabra), Die meiften Länder haben aud) Pflanzen, ih Säfte ſchwarze Fär- bungen erzeugen, jo Dftindien und China unter andern Sida filaefolia, Bra- filien Lasiandra Maximiliana, Chili Fuchsia coceinea. Unfere Färben erzeu⸗ gen dieſe vielverwendete Farbe gewöhnlich durch Zuſammenſtellung mehrerer Beizen und Farbſtoffe und bedienen ſich aus dem Gewächsreich vorzüglich ſolcher Subſtanzen, die Gerbſtoff enthalten. Wir nehmen Veranlaſſung, deshalb einen kurzen Ueberblick über die Gerbepflanzen den färbenden Ge— wächſen anzuſchließen, ohne dabei auf ſpeziellere chemiſch-phyſiologiſche Erörte— rungen oder vereinzelte techniſche Verwendungsweiſen eingehen zu können. Gerbſtoffe ſind in ſehr vielen Pflanzen der verſchiedenartigſten Familien enthalten und finden ſich eben ſowol in Wurzeln als auch in Rinden, Stamm— theilen, Blättern und Früdten. Sie machen fich leicht durch ihren herben, zufammenziehenden Geſchmack Fenntlih, und wurden ehedem in zwei Gruppen eingetheilt: in ſolche, welche mit Eiſenoxydul blaue Niederſchläge geben, und in folche, welche grüne oder braune Eifenfalze liefern. Die gewöhnliche alte Schreibtinte dient als Beispiel einer foldhen Verbindung ber erftgenannten Art, bei welder die Gerbitoffe (Galläpfeltinktur) die Nolle einer Säure jpielt. Neuerdings theilt man fie nad) andermeitigen chemiſchen Cigenthün- lichfeiten ein. Eheden war man geneigt, die Gerbitoffe als ein Erzeugniß beginnender Zerſetzung des Pflanzenkörpers anzuſehen, mit dadurch unterſtützt, daß man ſie vorzugsweiſe in den techniſch verwendeten Rinden und krankhaften Aus— wüchſen kennen lernte. Man hat dieſe Anſicht aber fallen laſſen, da man bemerkt hat, daß dieſelben Stoffe bereits in ganz jungen Pflanzentheilen auf- treten können, und daß ihre Menge in derſelben Pflanze je nach der Jahres⸗ zeit einem Wechſel unterworfen iſt. Im Winter enthalten die Eichen weniger, im Frühjahr mehr Gerbſtoff. Obſchon man die große Verwandtſchaft des Gerbſtoffs mit dem Zucker nachgewieſen hat, weiß man doch nichts Näheres über die Rolle, welche derſelbe innerhalb des Pflanzenkörpers ſpielt. Techniſch wichtig wird er, wie erwähnt, durch die dunkeln unlöslichen Verbindungen, welche er mit Metalloxyden, beſonders Eiſenoxydul, eingeht und die ſeine An— wendung in der Färberei begründen, anderntheils dadurch, daß er mit thie— riſchen Subſtanzen ebenfalls unlösliche Verbindungen eingeht. Der Gerber Lohrinden. Sumach. Galläpfel. 119 benutzt ihn deshalb, um dem Fäulnißprozeß vorzubeugen, welchem ſich die Häute ohnedies zuneigen. Wenn nun auch eine große Menge einheimiſcher Gewächſe als ſolche namhaft gemacht werden, die Gerbſtoff enthalten, ſo kann doch der Techniker, ähnlich wie bei den Färbepflanzen, nur von einer ſehr beſchränkten Anzahl verfelben Gebrauch machen. Viele von ihnen enthalten zu geringe Prozente davon, wieder andere find nicht auf bequeme Weife in der erforderlichen Menge zu beſchaffen; dazu fommt noch, daß der Gerbftoff der verjchiedenen Gewächſe gewöhnlich auch in feinen Wirkungen Abweichungen zeigt, Die feine Benutung nur auf gewiffe Lederforten befchränfen oder wegen gleichzeitig auftretender anderer Wirkungen, z. B. unangenehmer Farbe, Geruch u. f. w., gänzlich verbieten. - Den meisten Auf haben fid) wegen ihrer Borzüglichfeit die einheimischen Eichen (Quercus robur, pedunculata, sessiliflora) bewährt, deren Ninde die befte Lohe Liefert. Am geihättejten ift die jogenannte Spiegellohe von 20- bis 3Ojährigen Stämmen, die man im Frühjahr ſchält, ohne Rückſicht auf befjere Holzwerwerthung bei höherem Alter. Aeltere Bäume haben zwar beſſeres Hol, aber gerbftoffärmere Rinde. In Amerifa verwendet der Ger- ber die Ninde der dortigen Eichen (Quercus falcata, rubra, tinctoria etc.) ebenfalls. Auch die Rinde der Nadelhölzer ift mehrfach benußt worden, Jo von Fichten, Lärchen, Hemlodtannen (Abies canadensis), desgleihen die Rinde der Buche (Fagus sylvatica), Pappel (Populus dilatata), Ulme (Ulmus cam- pestris), Erle (Alnus glutinosa), mehrere Weiden (Salix caprea, cinerea). Letstere find in Norwegen und Schweden bei Herftellung des Handſchuhleders gebräuchlich. In Rußland ift die Birfenrinde zur Dereitung des Juchten be: ſonders geſucht. Eine auffallende, noch unerklärte Erſcheinung iſt die Anhäufung des Gerbſtoffs in krankhaften Auswüchſen bei Eichen und Sumach-Arten, in den Galläpfeln und Knoppern, welche durch die Larven von Gallwespen (Cynips) entſtehen. Die Galläpfel der deutſchen Eichen, durch glatte Außenſeite leicht kenntlich, ſind geringer an Gehalt als die aus Südeuropa und der Levante ſtammenden, welche höckerig find. Letztere ftammen meiſt von der Gall-Eiche (Quercus infectoria) und der Zerr-Eiche (Cercus cerris). Als Knoppern (Aeckerdoppen) bezeichnet man eben ſo die durch Inſektenſtiche verunſtalteten Früchte der einheimiſchen Eichen, wie die zackigen Fruchtbecher der in Grie— chenland einheimiſchen Knopper-Eiche (Quercus Aegilops). Es werden allein nach England jährlich gegen. 10 — 12,000 Tonnen davon eingeführt. Als gerbftoffhaltige Mittel werden mehrere Subftanzen vom Auslande eingeführt, fo die zu Ballen geformten Blätter des Sumad oder Schmad (Rhus coriaria), die befonders in diefer Form aus Ungarn, dem Banat und Illyrien kommen und bei der Herftellung von Maroquin und Glanzleder in Anwendung find. Bon Südamerifa erhält man die Schoten einer Caefal- pinie (Caesalpinia coriaria) unter dem Namen Dividivt; aus Indien bie 120 Fürbepflanzen und Gerbepflanzen. Hülfen einer Afazie (Acacia Bambolah) als Bablah. Aus legterm Lande fommt auch der eingedicdte Saft der Katehu-Mimofe (Mimosa catechu). Seine Berwendung ift zu foftipielig, wie die des amerifanifhen Kino, ver von Coccoloba uvifera jtanımt. Auch Pterocarpus-Arten (Pterocarpus eri- naceus, marsupium) liefern Sino. Der Gambir, von melden ein einziger Hafen in Dftindien (Rio) jährlid 4600 Tonnen verfendet, wird aus den Blättern der Uncaria Gambir dargeftellt. In Oftindien felbft find die Früchte der Myrobalane (Terminalia chebulia) als Gerbmittel ftarf in Gebraud), eben fo das Butea-Gummi von Butea frondosa. Nachdem wir jo in Kürze uns die wichtigften Gewächſe vorgeführt haben, die der Menſch benugt, die thierifchen Häute zu Kleivungsftoffen umzuman- dein, und eben jo jene, die ihm mancherlei Farben liefern, und ihm, genährt durch das Licht der Sonne, den vielfach gebrochenen Strahl des Tages— geſtirnes gewifjermaßen verförpert bieten, gleich einem lebendigen Regenbogen, — werfen wir noch einen Blick auf die leuchtenden Pflanzen. Unjer Freund, der Pflanzenfundige, führt uns zu einem zexflüfteten Felſen und fordert uns auf, in eine der dunfeln Spalten unterhalb des über— bangenden Gefteines zu Schauen. Wir glauben eine jener funfelnden Zauber- grotten entdedt zur haben, welcde die Märchen als Wohnungen der Elfen und Gnomen jhildern. Im finftern Geflüft funfelt es geheimnißvoll mit gelblihgrünem Glanze wie Katenaugen. Unterfuhen wir die Sache genauer, jo finden wir, daß ein winziges, zartblättriges Moos das fefte Geftein über- zieht und die lebendige Tapete der Grotte bildet. Es ift das Wedelmoos (Schistostega osmundacea), das wir vor ung haben. Wie alle andern Moofe bilden jeine feimenden Sporenzellen zunächſt ein zartes Fadengeflecht, Das man ehedem für Algenformen anjah, ehe man feine weitere Entwidelung fennen lernte, Die feinen hellgrünen Zellen diefes Vorkeims werfen das ein- fallende ſchwache Licht num in fo eigenthümlicher Weife zurüd, daß es ganz jo ausfieht, als vermöchten fie jelbftändig Licht zu entwideln. Auch von meh- veren andern Moosarten haben die Vorfeime gleiche Eigenthümlichkeit, die um jo leichter bemerkt wird, an je dunklerem Standort die Pflanzen ftehen. Noch eigenthümlicher aber ift der Einprud, den ung manche Bergwerfe bieten. Dort unten in finfterer Grube Schadht führen auf dem faulenden Holz des Zimmerwerfs eine nicht geringe Anzahl Gewächſe ihr fonderbares Leben, auf welches Alerander von Humboldt in feiner „Unterirdiſchen Flora’ die Auf- merkſamkeit des größern Publifums lenfte. Ein fhwarzer Schimmelpil;z (Rhizomorpha subterranea), dem befannten Kellertuch ähnlich, wuchert hier an den mürben Pfoften und jeine weißlichen Spiten verbreiten im Dunkel einen deutlihen phosphorifchen Schein. Hier ift von feinem vefleftirten Tages- licht die Rede, hier ift eigene Lichtentwidelung, ähnlich jener, die weißfaules Holz zeigt und uns an Kellerhölzern und an faulen Weidenbäumen befannt it. Auch eine Algenart (Oscillatoria phosphorea) und die Säfte mancher Leuchtende Pflanzen. | #21 größern Pflanzen 43. B. Euphorbia phusphorea) zeigen dieſelbe Erſcheinung, zu deren Verſtändniß ung gegenwärtig der Schlüfjel fehlt. Noch unvollfommener ift unfer Wiffen über das Yeuchten mancher Blumen, auf welches zuerft durd die Tochter des großen Linne aufmerf- jam gemacht wurde. Sie wollte ein blitzähnliches Aufleuchten an gewitter- ſchwülen Abenden bei den Blüten der befannten Kapuzinerfreffe (Tro- paeolum majus) bemerkt haben, und Andere Beobadhter erzählten ein Gleiches von den Blumen der Sonnenrofe (Helianthus annuus), der Fenerlilie (Lilium bulbiferum), der Zagetes, Ningelbume (Calendula offieinalis), Gor- teria, der Tuberoſe (Polyanthes tuberosa), der Nachtkerze (Oenothera ma- erocarpa) u. a. Da die genannten Pflanzen vorzugsweife hellgefärbte, weiße over gelbe Blüten tragen, jo halten Biele Täuſchungen bei der Beobachtung für möglid), zumal da die Erfcheinung nur in manden Fällen bemerft wer- den ſoll. Andere wollen eine Betheiligung der Efleftricität hierbei vermuthen, nod Andere fuchen die Urfache etwaiger Lichtentwidelung in dem in der Blüte gefteigerten Lebensprozeß der Pflanze, der durch die hierbei ftattfindende Auf- nahme von Sanerftoff an den gewöhnlichen Berbrennungsprozeß erinnert. Das Wahre ift, daß die Lichtjeiten des Pflanzenlebeng gerade zu den dun- felften gehören, über melche exft die jpätere Forſchung aufhellen muß. Waid (Isatis tinetoria). XIX. | Der Blumen Sau und Pflege. Zwed der Blüte. — Theile der Blüte. — Metamor- phoje des Blattes. — Der Kelch. — Die Samenfnospe. — Fruchtblätter. — Stempel. — Staubgefäße. — Lin— ne's Syſtem. — Entwidelung der Blütentheile. — Die Blumenfrone. — DBlütenformen. — Berfümmerungen. — Blütenftände. — Rieſenblumen. — Lieblingsblumen. — Blumen der Gärten und Zimmer, — Wärme- entwidelung der Blumen. = im Seen et Ehe umentöpfchen reichlich ftehn, i Mein’ ic), wohnt in Kleiner Hütte Sinn fürs Schöne, — reinre Sitte. Nach Thieme, JN alten die gemiütfeliefernden Blätter der Kräuter, oder die mehl- und ATI zuderreihen Samen und Früchte der Gewächſe dem Magen des Herrn der Erde eine angenehme Rede, von Einladungen begleitet, jo fprechen vie Blumen der Pflanzen deſto inniger zu feinem Herzen und Gemüth! Eine Schüffel Blumen zu efjen! klingt wie ein Frevel gegen die For— derungen der Aefthetif, — einen Strauß Blumen auf die feftlihe Tafel zu ftellen, um gleichzeitig dem Auge und dem geiftigen Menſchen Ergquidung zu bieten, während der materielle fih an Kohl und Puddings ergötzt, — das war dagegen Regel ſchon bei ven Feinfchmedern der alten Haffifchen Zeit und Zwed der Blüte, 123 iſt es noch bei den Gourmands der Gegenwart. Es find auch wirklich wenig Fälle befannt, daß Blumen zur Speife benutzt würden; mit einer Baffia-Art in Indien foll e8 Gebraud) fein, Kapern und ihre Surrogate, die Kapuziner— frefje, Dotterblumen und Bejenpfriemen genießt man mol eingemacht im jungen Knospenzuftande, den ganzen Blütenftand des Blumenkohls dagegen nur als bleichfüchtige Verkümmerung, dagegen duften die Lieder aller Völker von Blumen jeder Art und allenthalben, wo ſich's um Herzensangelegenheiten handelte, ward mit Blüten decorirt. Kennt man aud die Yunktionen dev verſchiedenen Pflanzentheile durch— aus nicht hinlänglich bis ins Einzelne, jo bezeichnet man doch mit Recht die Blätter als Ernährungsorgane des Gewächſes, als Werkzeuge, beftimmt vie nächſten DBedürfnifje des Individuums in Gemeinschaft mit den Wurzeln zu befriedigen, — die Blüte ijt zur Erzeugung der Nachkommenſchaft beftimmt, fie bietet ihrem Weſen nad) ſchon ein richtiges Gleichniß für das Familien— leben, für Pflege der Nachkommenſchaft u. |. w. Inſtinktmäßig griff der Drientale deshalb nad) der purpurnen Roſe, der ſcharlachnen Granatblüte um der Geliebten feine Wünfche zu über— jegen, — lange jhon bevor Linné den fühnen Muth hatte, von einer Ehe ver Blumen zu ſprechen, zum höchften Aerger vieler feiner zartfühlenden Zeitgenofjen. Goethe bezeichnet bei den Gewächſen eine zweifache Tendenz: die, welche ſich in dem vertifalen Wadhsthum des Sten- geld ausſpricht, und jene, die in Spiral- windungen um erjtern ſich herumbewegt. Eine Hahnenfußblüte im Durchſchnitt. In der Blüte finden beide Tendenzen ihre Ausgleihung. Das unftäte Ringen und Streben erreiht einen Ruhepunkt, die Ihwanfenden Formen nähern fi, nad) Schubert’s geheimmißfreudiger Auf: faffung, hier der Kugel, der vollendetiten aller Geftalten. allen wir die Sade nun etwas nüchterner und zergliedern wir eine Blume zum Beften der Wiffenfhaft. Nehmen wir eine Hahnenfußblüte (Ra- nuneulus). Es ift uns ſchon aufgefallen, daß die grünen Laubblätter ihre Form um jo mehr ändern, je höher fie ihre Schraubenlinien am Stengel hinauf bejchreiben, und es iritt der Gedanfe nahe, als ob die Stoffe, von denen die Form abhängig tft, fi mehr und mehr verebelten, verflärten, je höher fie ftiegen, je vielfältiger fie Durchgearbeitet würden, oder um es pro- jatfcher zu jagen: wenn wir die Blüte als Ziel, als vorgefegten Zwed an- nehmen wollen, deſſen Erreihung dem Gewächs zur Aufgabe gemacht fer, fo ſcheint es, als ob das Hervorbringen der Blattorgane immer beffer von Statten ginge, je länger es geübt wurde. Nun folgt der Blütenftiel, ein verlängertes Stengelglied, blattlos, — eine Pauſe, in welder fid) alle Kräfte des Gewächſes zur Hervorbringung des Meifterftiids concentriven. Auf feiner 124 _ Spitze endlich ſchließen fid) eine größere Anzahl Blattfpiralen oder Kreiſe in gedrängter Folge an einander, die tragenden Stengelglieder meiftend verkürzt und die Blattorganc auffallend verändert. Zu unterft erfcheint ein Kreis von 5 Blättern, die durch ihre “grüne Farbe, bei vielen Pflanzen aud) noch durch ihre Geſtalt, an die gewöhnlichen Paubblätter erinnern. Es find die Kelchblätter. Dann folgt bei der Hah- nenfußblüte eine Spirale von 5 Blü- tenblättern, innen ſchön goldgelb glänzend; hierauf eine ganze Anzahl Kreife fogenannter Staubblätter oder Staubgefäße und in der Mitte mehrere Kreife Fruchtblätter oder Stempel (BPiftille). Dei mehreren Hahnenfußarten find die Ränder der Kelchblätter be- reits gelb gefärbt nnd ähneln den Blumenblättern, bei andern Ber- wandten, 3. B. dem Eiſenhut und Nitterfporen, ift der äußerſte Blatt- fveis, den man als Kelch bezeichnen möchte, eben jo ſchön gefärbt wie der innere, und es ift oft ſchwer genug, zu unterjcheiden, ob man einen Blatt- wirtel der Blume Kelch oder Blumen frone nennen ſoll, bejonders dann, wenn nur ein einziger vorhanden, äußerlich grün und innen bunt ge- färbt ift. In legtem Falle hilft man fih) jo, daß man den Dlattfreis weder Blumenkrone noch Kelch, ſondern Pe— rigon nennt. Sehr häufig findet dieſer Fall ſtatt bei lilienähnlichen Gewächſen, ſo z. B. bei Tulpen, — IN \ Kaiferfronen, Hyazinthen u. f. w. Die Kaiferfrone (Fritillaria imperialis). Welde phyſiologiſche Bedeu— tung der Kelch für die Blume, für das Leben der Pflanze hat, weiß man nicht; daß er nicht. gänzlich unentbehr- lid) jet, ergiebt fi fchon daraus, daß viele Pflanzen feinen befiten. Das— jelbe gilt fogar von den Blütenblättern, obſchon ſie im gewöhnlichen Sinne des Wortes erft die Blüte zur Blume machen. Dem Botaniker gelten nur die Befrudhtungsorgane, d. h. die Staubblätter und die Samenfnospen als. nothwendige Erforderlichfeiten einer Blüte, alles übrige als Beiwerf, deſſen Zwed er zwar in vielen Fällen vermuthet, aber nicht in allen nachzuweiſen vermag. Der Blumen Bau und Pflege. Samenfnospe. Fruchtblätter. Fruchtfnoten. 125 Trennen wir einen der zahlreichen Stempel aus der Hahnenfußblüte los und führen einen Längsſchnitt durch denfelben, jo erfennen wir in feinem In— nern ein weißliches Körperchen (jiehe bei nachfolgender Figur b), dies ift die Samenfnospe, auf deren anatomifchen Bau wir fpäter zurüdfommen. Aus ihr wird das Samenforn, weldyes nachmals die Keimpflanze enthält. Die Nadelhölzer, Zapfenpalmen und die Miftel begnügen fid) mit der Bildung dieſes Nothwendigften, der Samenfnospe. Bei ihnen fehlen derſelben alle weiteren Hüllen, ihre Samen liegen jpäter frei. Sie. bilden die Abtheilung der nadtfamigen Pflanzen (Gymnospermae). Die meiften andern Blütenpflan- zen dagegen umhüllen ihre zarten Pfleglinge mit bes fonderen ſchützenden Deden, die entweder aus ver- | wandelten Blättern, ven Fruchtblättern, oder aus Wi Theilen des Stengels, oder aber aus der Berfchmel- zung beider entftehen. Die Anfichten der Gelehrten a. wın Stempel ver Hahnenfuß— find hierüber bei manchen Gewächſen noch verſchie— blüte. b. Derjelbe der Fänge nad den, neigen fid) aber dahin, jene Hüllen als Frucht: I = u bfätter zu deuten. Die Samenknospe oder die Samen- P u fnospen mit ihrer Hülle bilden den Fruchtknoten, der gewöhnlich noch einen ftielartigen Auffag, den Staubweg, und auf felbigem die Narbe trägt. Yeb- tere fängt das Pollenforn auf und ernährt es, der Staubmweg, der eine Röhre darftellt, leitet es zu den Samenfnospen in dag Innere des Frucht— fnotens. Beide Theile fünnen anſehnlich groß fein, die Narben fünnen jogar wie bei den Schwertlilien, das Anfehen von Blumenblättern erhalten, bei andern Gewächſen dagegen fünnen fie nur in fehr verkürzten For— men auftreten. Beim Stempel des, Hahnenfuß erſcheinen ſie wie ein furzes gebogenes Häfchen $ auf dem Gipfel des fchiefbauchigen Fruchtfnotens. | I Die Ummwandelung des Blattes zum Frucht: IS blatt zeigen uns die Blüten der Hahnenfup- gewächje ganz deutlich. Fig. a der nebenftehen- den Abbildung ift ein geöffnetes Fruchtblatt der i Päonte, b giebt einen durchſchnittenen Fruht- _ "ic. —— knoten der Tolldode — und c en — Be ne geöffnetes Fruchtblatt dev Dotterblume. Beim EN Steinobſt (Kirſche) ift nur ein folches Fruchtblatt vorhanden, das auf dem Fruchtknoten deshalb auch nur einen einfachen Griffel zeigt; da wo meh- vere Narben in einer Blüte auftreten, kann man aud ficher auf meh— vere Bruchtblätter ſchließen. Letztere können nun völlig getrennt bleiben, oder theilmeife, mitunter auch gänzlich verwachſen. Nächftfolgende Figur auf: um- ftehender Seite zeigt einen Stempel, der aus drei, an ihrem untern Theile verwachſenen Fruchtblättern gebildet if. Die Bildung der Samenfnospen ’ 126 Der Blumen Bau und Pflege. findet hier gewöhnlic an den mit einander verwachjenen und einwärts ge- bogenen Rändern der Fruchtblätter ftatt, wie man bei der Dotterblume und Zolldode deutlich fieht. Bei allen bisher genannten Beifpielen fteht der Fruchtknoten höher als die andern ihn begleitenden Blütentheile, er ift oberftändig (epigyniſch), es fommen im Gewächsreich aber auch vielfach Fälle vor, daß er fich tiefer als die Staubgefäße, Blüten- und Kelchblätter befin- det; dann ift er unterftändig (hypogyniſch). Im letztern Fall pflegt man meift anzunehmen, daß er aus einer Umbildung des legten Stengelgliedes gebilvet jei, obſchon auch bei ihm es nicht an Andentungen durch innen herablaufende Yeijten, melde die Samenfnospen tragen, fehlt, die Vergleihungspunfte mit Frucht— blättern bieten. Eben jo werben gewiſſe röhrenfürmige ober— ftandige Fruchtknoten, z. DB. beim Mohn, von einigen Bota- nifern als umgewandelte Blattorgate, von andern als metamor- phofirte Stengelgliever gedeutet. Untenftehenne Abbildung, die Blüte des Portulak im Durchſchnitt Darftellend, giebt ein Beifpiel von unterftändigen BER Fruchtknoten. Die Samenfnospen ftehen hier aud) nicht an PR 6. Wänden des Fruchtfnotens, jondern auf einem in ber fenen Frugtsrie- Dritte befindlichen Säulchen, welches man als das legte Ende term gebildet. Des Stengel betradıtet. Deutliher noch als bei der Bildung des Stempels zeigt fid) die Ummandelung des Blattes bei den Staubgefähen. Es ift hier der Uebergang vom DBlumenblatt zum Staubgefäß mitunter durch alle Zwiſchen— stufen zu verfolgen, ja der Fall ift nicht jelten, daß, wie z. B. beim indifchen Blumenrohr (Canna indica), einer oft gezogenen Zierblume, die eine Hälfte des Drgans als Dlumenblatt ausgebildet ift, die andere Hälfte einen Staub— | beutel mit Blütenftaub trägt. Sehr infteuftio ift in dieſer Beziehung ein Blick in die Blüte der weißen Teid)- rofe (Nymphaea alba), diejer ſchönen Berwandten der Bictoria regia. Die außern Blätter jener Blume find gänz- lih grün, alſo deutliche Keldyblätter, die nach innen folgenden erhalten einen weißen Rand und werben um jo weißer, der grüne Nüdenftreifen um jo ſchmaler, je weiter der Cyklus nad innen fortichreitet. Man kann hier Feine fichere Grenzmarfe zwifchen Kelhblatt und Blütenblatt ziehen. Bei den innern Blu— menblättern treten aber einzelne auf, die an ihrer Spige einen Anfang von Staubbeutelbildung zeigen, während der untere Blatttheil noch gänzlich die Breite und fonftige Beichaffenheit ver Blumenblätter befist. Die weiter nad) Blüte des Portulaf im Durchſchnitt. Staubbeutel. Linn®s Syſtem. 127 innen jtehenden verfchmälern den untern Theil in demſelben Grade, als die Staubbeutelbildung an ihrer Spite vorwiegend wird, bis endlich die gewöhn— liche Form des Staubgefäßes mit ſchmalem, fadenähnlichem Stiel over Staub- faden und großem Staubbeutel auftritt. Der Staubfaden der Staubgefäße entjpricht dem Stiele des Yaubblattes, der Beutel der Fläche des legteren. Jede Blatthälfte bildet in den meiften Fällen einen Staubbeutel, der wiederum im Jugendzuſtande zwei deutliche Fächer zeigt, die jpäter zu einem zu verjchmel- zen pflegen. Zwei ftreifenför- mige Partien innerhalb des Staubbeutel8 enthalten ein Zell- gewebe, welches in feinem In— nern die Pollenkörnchen erzeugt, in jeder Mutterzelle meift vier. Bei fortichreitender Ausbildung des Pollens wird das benad)- barte, an Nahrungsitoffen reiche Zellgewebe verbraudht und auf- gefaugt, hierdurch innen eine Höhlung, in der Außenwand eine Zerreifung des Gtaub- Seerofenblüte, beutels herbeigeführt und dem reifen Pollen ein Weg nad) außen eröffnet. Die Art und Weife, wie foldes gejchieht, ift bei den verfchiedenen Gewächſen fehr abweichend. Bei einzelnen entweicht der Pollen durd ein Loch an der Spitze des Beutel, bei andern (bei den Lorbeergewächſen) fpringen Klappen auf, melde ihm den Austritt geftatten, die meiften andern Staubbeutel öffnen ſich in. einer, Yängsfpalte. Es würde uns zu weit führen, alle hier noch vorkommenden Fälle durchzu— muftern, jo interefiant fie auch find. Der Staubfaden, al8 der unmwejentlichere Theil des Staubgefähes, kann, wie umftehende Abbildung zeigt, vielfach feine verhältnifmäßige Größe ändern. Er kann (Fig. a) oben feulig verbidt, oder verfürzt (b), oder aber lang und jehr dünn (ec) ſich ausgebildet haben. Bei b wird er am obern Ende als Forfegung fihtbar (Connectiv). Vielfache Verwachſungen, die unter den einzelnen Theilen der Staub- gefäße oder mit andern Drganen ver Blüte ftattfinden, vermehren die Mand)- faltigfeit der Formen außerordentlich und diefe Verhältniffe waren es haupt- ſächlich, auf welde Linné fein künſtliches Pflanzenfyftem gründete. Während er in die XXIV. Klafje, Kryptogamen, alle jene Gewächſe verwies, bei denen es noch nicht gelungen war, Befruchtungsorgane zu entveden (Garne, Schadhtel- halme, Lykopodien, Moofe, Flechten, Pilze, Algen), vertheilte er die mit N IQ N N N N 128 Der Blumen Bau und Pflege. Blüten verjehenen Pflanzen, Phanerogamen, in die erften XXII Klaſſen und ſchied fie zumächft in zwei Gruppen, je nachdem jede Blüte beiverlei Be— frudhtungswerkzeuge, Stempel und Staubgefäße enthielt (I—XX, Zwitter- blüten), wie joldes die abgebildete Blume ©. 126 zeigt, oder je nachdem die Gefchlechter von einander getrennt waren (XXI—XXM) Die Blüten mit Staubgefäßen nannte er männliche, jene mit Stempeln weiblide. Hier Ihied er wieder die Pflanzen, bei denen weibliche und männliche Blüten auf un N‘ N einem und demjelben Individuum ſich befinden, wie bei dem auf Seite 129 abgebildeten Birkenzweig angedeutet (oben die längere männliche Staubblüte, unten die Fleinere weibliche Stempelblüte), als einhäufige (XXI) von jenen, bei denen die Vertheilung auf verfchievdene Individuen Kegel ift, wie 3. B. bei Pappel, Weide, Hanf und Hopfen; lettere nannte er zweihäufige (XXU). In die XXI. Klaſſe verwies er jene Arten, vie fi) IUnregelmäßigfeiten zu Staubgefäße. ſchulden kommen ließen und außer Zwitterblüten auch männliche und weibliche Blüten enthielten; vielleicht mit durch den Wunſch geleitet, eine runde Zahl der Klaſſen zu erhalten. Die Zwitterblüten, Klaffe I—XX umfafjend, wurden von inne wieder in zwei Gruppen gefondert, je nachdem die Staubgefäße frei waren (I—XIN) oder je nachdem Verwachſungen bei ihnen auftraten. Beifpiele freier Staub-' gefäße zeigen unfre Figuren a be, Nad) der Zahl ver vorhandenen Staub: Linnée's Syſtem. 129 gefäße vertheilte er Die Gewächſe in die entſprechende Klaſſe, jo daß in Klaffe I Pflanzen mit 1 Staubgefäß, in Klaffe X ſolche mit 10 Staubgefäßen famen. In die XI. ftellte er Blüten mit 12— 20 Staubgefäßen; XI und XIII, vie viele Staubgefäße aufzumweifen hatten, trennte er nad der Anheftungsmeije derjelben. Standen die zahlveihen Staubgefäße auf dem Blütenboden, alfo unterhalb des Fruchtknotens (Hahnenfug, Mohn), jo gehörten die Gewächſe in die XIII. Klafje, weren fie dagegen auf dem Kelchrande, höher als ver Fruchtknoten angeheftet (Roſe, Kirſche, Apfel), jo gehörten fie in Klaffe XII. Auf fonftige Anheftungsweifen, 3. B. innerhalb ver Blumenröhre wie bei Fig. $ und k, nahm er feine Rüdficht. —— Bei Berückſichtigung der verhältnißmäßigen Länge der Staubgefäße hob er nur zwei Fälle hervor, jene nämlich, wenn 2 große und 2 Eleine Staubgefäße vorhanden waren (zweiherrige XIV, Thymian, Minze), und die, — bei denen 4 große und 2 fleine auftraten (vierherrige XV, fiehe die Abbildung rechts), -. Die vielfachen Fälle, in denen 5 fleine und 5 © große Staubgefühe auftreten, oder in denen | faft alle ungleich) groß find, oder einzelne ver- fümmern (Fig. g und k), überging er. Bei Klaſſe NVI—XX betonte Linne die Verwachſung der Staubgefäge entweder unter fid) (XVI—XIX) oder mit dem Stempel(XX), Die Malvenblüte giebt uns ein deutliches Beifpiel einer Verwachſung der Staubgefäße mit ihren 8 Fäden in ein Bündel (XVI; Fig. f zeigt Staub- Staubgefäße einer gefäße mit ihren Fäden zu einem Bündel ver- Kreuzblume (vier- wachſen), die Schmetterlingsblümler dagegen, berrig). $ die Linne's XV. Klaſſe bilden, haben zwei folder Bündel, Dännlige und weib-Unſre Fig. e zeigt vergleihen. Das fjogenannte zweite (ige Blüten ber Birte. Bündel wird hierbei freilich) nur aus einem einzigen Staub- gefäß gebildet. Die Yohannisfräuter und die Verwandten der Drange haben ihre Staubgefühe in 3 oder mehr Bündeln ftehen und bilden mit andern Gewächſen von gleicher Eigenthümlichfeit die XVIII. Klaſſe. Bei den meiften Pflanzen mit zufammengefegten Blüten, 3. B. Kamille, Diftel, Georgine, find zwar die Fäden dev Staubgefäße an ihrem obern Theile frei, die Beutel dagegen find zu einer Röhre verklebt. Ste bilden Linne’8 XIX. Klaſſe. Ber ven Orchideen und einigen andern Öruppen verkürzt fi) der Staubfaden fo, daß er zu fehlen ſcheint, er verfchmilzt mit dem Stempel, und der Staubbeutel ift dann der Narbe augewachſen. Bon den 3 angelegten Staubgefäßen bildet ſich bei den meiften Orchideen nur eins aus, die ſchöne Gattung Frauenſchuh (Cypripedium), deren Befruchtungswerkzeuge (in der Mitte die Narbe, rechts und linfs ein Staub- beutel) Fig. d zeigt, entwidelt zwei derjelben und vernadhläffigt das dritte, Wagner, Mal, Botanif, II. Br, 9 130° Der Blumen Bau und Pflege. Die Entwidelung einer Blütenfnospe zeigt viel Berwandtes mit der Entwidelung einer Zweigfuospe, von welcher fie aud) in den erften Zuftänden nicht ‚zu unterfcheiden ift. Der unterfte (ſpäter äußerte) Blattfreis dev Blüte, meift ver Kelch, ericheint rings um den Begetationspunft zuerjt angelegt in Geftalt winziger Wärzchen. Bei den einfamenblättrigen Pflanzen herrſcht in den angelegten Blüten- theilen die Dreizahl vor, bei den zweifamenblättrigen fommt diefelbe nur wenigen Gruppen, 3. B. den Lorbeergewächſen zu, häufiger Dagegen erfcheint die Zwei und | | das Mehrfache derjelben, am häufigften die Fünf. Die an- gelegten Keld)- blätter und Blütenblätter, die je einen oder mehrere Kreife bilden fünnen, ver— größern ſich durd) Bellen: vermehrung am Grunde, Es kann hierbei nun der Fall eintreten, daß die ſämmtlichen angelegten Glieder eines Kreifes ſich gleichmäßig ausbilden und von einander getrennt blei— ben, oder aber 3% k. 1: m. n. DBlumenformen. * — einander verſchmelzen und nur an der Spitze die frühere Theilung zeigen. In dem einen Falle entſtehen mehrblättrige Kelche und Blumenkronen, im andern Falle verwachſenblättrige, einblättrige. Je nachdem der verſchmolzene röhren— förmige Theil länger oder kürzer ift, gewinnt die Blumenkrone ein veränder- tes Anjehn und in der Kunſtſprache eine andere Bezeichnung. | Die obenftehende Abbildung führt uns überfichtlich einige der wichtigften Dlütenformen vor; a und b find mehrblättrige Blumenkronen und zwar a eine 4 Blütenformen, Blumenfrone, 131 vierblättrige, fogenannte Kreuzblume, wie fie Rüben, Kohl, Levkoje und ihre Verwandten beſitzen; b dagegen eine fünfblätteige, Bei beiden, befonders bei der Ietten, die dem Seifenkraut angehört, ift der untere Theil jedes Blüten- blatt8 bedeutend verlängert, er entjpricht dem Stiel der Laubblätter und erhält hier den Namen Nagel; der breite obere Theil wird dagegen als Platte bezeichnet. Da wo bei der Seifenfrautblüte Platte und Nagel an einander ftoßen, bemerft man eigenthümliche, hier zweifpaltige Fortjäge, die man Ne— benfrone nennt. Gie erinnern an das Dlatthäutchen bei den Blättern der Gräfer und werden bei der Verirnelfe, die von ihnen den Namen erhielt, ftehend hart. Fig. c bis k geben regelmäßige verwachjenblättrige Blunten- feonen; bei c—e ift der untere Theil furz, die Blume erfcheint radförmig, tellerförmig oder furztrichterförmig, die urſprünglichen fünf Blumenblätter find bei c, ver Blüte des bitterfühen Nachtfehatteng (Solanum dulcamara) nur am Grunde verfhmolzen, die Blume alfo fünftheilig, bei d, der Kartoffelblüte, erftredt fih die Verſchmelzung bis zur Hälfte, fie erſcheint fünfjpaltig; bei der Dlüte der Judenkirſche (Physalis) dagegen, Fig. e, deutet nur den Saum nod) mit feinen fünf Zipfeln die urfprüngliche Anlage von eben fo viel Blättern an. ig. f, g und h zeigen die Blütenblätter mit dem untern Theile zu einer langen Köhre verfhmolzen, der ausgebreitete Theil, der jogenannte Saum fann die unter c, d, e angeführten Formen wiederholen und wie bei f fünfthetlig, bei g fünffpaltig und bei h fünfzipfelig fein. Bei der Form der Ölodenblüte (Fig. i) baucht fih der untere Köhrentheil aus und geht in den obern fünfjpaltigen in folder Weife über, daß man hier feine Trennung zwifhen Röhre und Saum mehr feithalten fanı. Der Gegenfat dazu würde Fig. k die Blüte des Phlox bieten, auf deren dünnem Köhrentheil ſich ver Saum ausbreitet, als ftünde er auf einem befonderen Stiel. | Schon mehrfad, deuteten wir an, daß in der Blüte nit alle urfprüng- lich angelegten Theile ſich gleihmäßig ausbilden. Dem Artcharakter der Pflanze gemäß, eilen bei manchen Blüten beftimmte Blätter eines und deſſelben Krei- je8 bebeutend vor, andere bleiben in der Entwidelung zurüd oder verfüm- mern gänzlich, wie diefer Fall aud bei den Staubgefäßen genugjam vor- fommt. Hierdurch werden die urſprünglichen Zahlenverhältniffe nicht felten geändert und fogenannte unvegelmäßige Blüten hervorgerufen. Fig. I, m und n zeigen dergleichen; es find einblättrige unregelmäßige Blumenkronen, l eine Rachen- over Lippenblüte, von der befannten Taubnefjel, m die Blüte des Löwenmaul, n dieſelbe vom Leinkraut. Letztere beiden find fogenannte Lar— venblüten und zwar zeigt m an ihrem Grunde bereits eine jadfürmige Aus- baudhung, die bei n zu einem langen dünnen Sporen wird. Die wunderlichjten Formen unregelmäßiger Blumenkronen dürften wol die Orchideen aufzuweisen haben, bei denen vorzüglich das unterfte Dlatt des innerften Blattkveifes, die fogenannte Honiglippe merkwürdige Geftalten an- nimmt. Schon unter den einheimischen Orchideen find die Sliegenblumen (Ophrys myoıdes) und Bienenblumen (Ophrys apifera) zu Bolfslieblingen gemorden, 9* 132 Der Blumen Bau und Pflege. eben jo der mit goldgelber holzihuhähnlicher Honiglippe gezierte Frauenſchuh (Cypripedium Cäalceolus). Unfre Gewähshäufer zeigen und aber in den Blüten der merifanifhen, brafilianifhen und ſüdaſiatiſchen Baumorchideen nod) weit überrafchendere Formen. Cine verfelben, die Brassavola glauca, ift als De Fig. 2 auf dem Anfangsbilde dieſes Kapitels — W-/ 70 #4 dargeftellt. Nicht wenige ähneln figenden oder . fliegenden Schmetterlingen oder andern Injeften, manche vuhenden Bögeln und eine Art, welche die Landenge von Panama bewohnt, erfreut fich bei der dortigen Bevölkerung einer bejondern Ver— ehrung als Blume des heiligen Geiftes, da ihre Honiglippe täufchend die Geſtalt einer zierlichen weißen Taube mit hängenden Fittihen und roſa— rothem Halſe nachahmt. Ungleichmäßige Ausbildung der Blumen- _ theile fommt eben jo gut bei verwachfenblättrigen, al8 bei getrenntblättrigen Blumen ‚vor. Ein Beifpiel der lettern Art bieten die in unferer Flora häufigen Schmetterlingsblumen, wie jolche Bohnen, Erbſen, Widen, Platterbjen, Gold— \ regen, Blajenftrauh, Robinien u. m. a. aufzu- weifen haben. Die obere Figur der nebente- henden Abbildung zeigt eine ſolche Schmetter- lingsblüte von vorn gejehen. Das oberfte'große Dlütenblatt ift als fogenannte Fahne ausge- breitet, unter ihm erfcheinen die beiden feitlichen als Segel und zmwifchen denfelben wird das Kar Schiffchen ſichtbar, welches aus zwei 9 — theilweiſe verſchmolzenen Blumenblät- tern beſteht. Auf der untern Figur \Nr, / it diefelbe Blüte in ihre einzelnen NA/ / Teile zerlegt, nur die Befruchtungs— N ⸗ werkzeuge, die in dem Schiffchen ein— geſchloſſen liegen, der Deutlichkeit wegen weggelaſſen. Wird nur die oberſte Stamm— knospe einer Pflanze zur Blüte um— gebildet, ſo erſcheint der Stengel ein— blütig, in den meiſten Fällen findet aber jene Metamorphoſe bei mehreren Knospen ſtatt; man ſpricht dann von einem DBlütenftand und hat für denfelben vielfache terminologifche Bezeichnungen. Borftehende Fig. a zeigt eine Aehre, da hier die Blüten ohne Stiele am Stengel entlang fiten; fowie fie befondere Stiele erhalten, entfteht Die Traube (b); Blütenftände, a. Aehre, b, Traube, c. Schirm; Blütenboden. ’ 133 bilden nie Traubenäfte duch) ihre ungleihmäßige Entwidelung oben eine Fläche, jo nennt man diefen Blütenftand einen Schiem (ce), der zur Trugdolde und zur eigentlichen Dolde übergeht. Letzterer Blütenftand läßt die einzelnen Blü— tenftiele von einem gemeinſchaftlichen Punkte entjpringen. Sind fammtlihe Blü- ten um einen Punkt gehäuft, fo entfteht ver Blütenfopf (fiehe das Schlußbild dieſes Abjchnittes), der ung auf die zuſammengeſetzten Blüten hinmeift. Sobald der. obere Theil des Stengels oder Blumenftieles fid) deutlicher ausbildet und fid) als Träger der einzelnen Blütentheile oder mehrerer Blüten unterfcheiden läßt, bezeichnet man ihn als Blütenboden. Als folcher fällt er befonders auf bei ven Gewächſen mit zufammengefesten Blumen. Unten: ftehende Abbildung zeigt eine Blüte der Cichorie im Durchſchnitt, über ihr eine desgleichen der Coreopsis. Man fieht n r bei beiden die jheihenähnliche Ausbreitung des Blütenbodens, umgeben von mehreren Kreifen von Kelchblättern, Die hier. mit ihren untern Theilen gewöhnlich verjchmelzen. Auf dem Blütenboden ftehen dann in mehr oder weniger zahlveihen Kreifen die ein- zelnen Blüten, deren Frachtinoten unter- ftändig find. Die Blumenfronen der zu— jammengejegten Blüten haben entweder ſämmtlich die Form einer Röhre, oben mit 5 Spiten, behalten, oder fie werden bandför- mig. Difteln ent- halten lauter röh- < renförmige Blu 2 menfeonen, Ha— bichtskräuter lauter bandförmige und bei Ramillen, Maaßliebchen, Wucherblumen und vielen andern bil— den zahlreiche Röhrenblüten die ſogenannte Scheibe und bandförmige Blumen umgeben dieſelbe als Strahlen. Häufig weichen beide Formen in derſelben Blüte auch durch die Färbung von einander ab, die Scheibenblüten ſind oft gelb, die Strahlenblumen dagegen weiß oder roth gefärbt. Bei umſtehender Abbildung iſt eine zuſammengeſetzte Blüte im Durch— ſchnitt und etwas vergrößert zergliedert dargeſtellt. Von den Strahlenblumen des Randes iſt rechts und links eine ſtehen geblieben; auf dem Blütenboden in der Mitte bemerkt man eine Röhrenblume der Scheibe, begleitet von einem borſtenförmigen Schuppenblatt, wie ſolche bei mehreren Gattungen auftreten. Es iſt hier der Fall nicht felten,sdaß in den Strahlenblumen entweder nur Blüte der/Coreopsis im Durchſchnitt. Blüte der Cichorie im Durchſchnitt. 134 Der Blumen Bau ımd Pflege. die Stempel vorhanden find und die Staubgefäße fehlen, oder die Befruchtungs— werfzeuge über- haupt nicht aus⸗ gebildet werben. Es möchte fchei- nen, als ob je- der Blüte nur ein bejtimmtes Quantum Stoff im Haushalt Zergliederte zuſammengeſetzte Blüte. der Pflanze zu- ertheilt würde ; ver- wendet fie daſſelbe zur Anfertigung / einer beſonders ‚, großen DBlumen- krone, fo gejchieht ſolches nur auf Koſten der übrigen Organe. Bevor wir dieſe Eigen— thümlichkeit, zu der die Gartenblumen zahlreiche Belege liefern, weiter ver— folgen, gedenken wir noch jener ei— genthümlichen Um— bildung des Blü— tenbodens, welchen die Feige beſitzt. Die Gattung Dor— ſtenie bildet ge— wiſſermaßen den bequemen Schlüſſel zum Verſtändniß der Feigenblüte. Bei der Dorſtenie iſt der Blütenboden — flifhig ange— — ſchwollen, aber flach ausgebreitet, Blätter und Blüten des Antjar. nur an den Rän— Dlütenftände. Verwachſungen. 135 dern etwas einwärts gewölbt. Eine blühende Feige der Lange nad) durchſchnit— ten zeigt, daß die ringsumgebende Wand der Blütenboden ift, der nur im Innern die einzelnen Blüten trägt. Die fleinen Blättchen, welche die Stelle des Kelches bei dem gemeinjamen Blütenjtande vertreten würden, ftehen an der Deffnung der Feige und jchließen dieſelbe. Dann folgen mehrere Kreife Staubblüten, in, der aufgefhnittenen Feige den obern Theil erfüllend, zu un- terft treten die Samenblüten auf. Die Abbildung auf ©. 134 zeigt uns eine verwandte Bildung der Blüte bei dem berüchtigten Antjar (Antjaris toxicaria), von dem man auf Java das ge- fürdhtete Königsgift erhält. Rechts neben dem Blattzweig ift ein Blütenzweig dargejtellt, der beiderlei Befruchtungsorgane in VE Blüten vertbeilt zeigt. Zu oberjt bemerfen wir vier = Staubblüten; eine derjelben ift links N < unten vergrößert gezeichnet und läßt vier. Blütenblätter und innen eben jo \ viele, zu einem Häufchen zuſammen— geftellte Staubgefäße erkennen. Am untern Theile des Blütenzweigs fallen uns vier geftielte Körper auf, welde ung in ihrer Form an Pilzbildungen erinnern. Es find die weiblihen Blü— tenſtände. Jeder derjelben befteht, wie an dem rechts unten befindlichen Durd- \S — ichnitt zu fehen ift, aus einem fhei- YA“, benförmigen, mit winzigen Blattan- lägen umgebenen Blütenboden, der auf feiner oberen Seite eine große Menge dicht-gedrängter Samenblütchen trägt. Daß zwiſchen Blütenblättern und Staubfäden oft Verwachſungen ſtatt— Be —E finden, haben wir bereits erwähnt, ——— dergleichen Verſchmelzungen treten aber auch zwiſchen den Blütenblättern der verſchiedenen Kreiſe und mit den Kelch— blättern auf. Bei denjenigen Blumen, deren Blütenboden ſich krugähnlich wölbt und an ſeinem Rande die Kelchzipfel trägt, ſtehen die Blumenblätter nebſt den Staubgefäßen gewöhnlich auf dem Rande jenes Organes, alſo ober— halb des Fruchtknotens, ſo z. B. bei der Roſe, der Apfelblüte, Birnenblüte u. a. Da die Blütenknospen umgewandelten Yaubfnospen entſprechen, ſo ent— ſpringen ſie auch meiſt wie letztere aus den Blattachſeln. Häufig zeigen dieſe Stützblätter oder Hüllblätter bereits abweichende Geſtalten und Färbungen, deren wir bei der Betrachtung der Pflanzenfarben bereits gedachten. Es kommt hier auch der eigenthümliche Fall vor, daß die Blütenſtiele und Blattſtiele mit einander verſchmelzen und die Blüten nachmals von der Mitte des Blattes 136 u Der Blumen Bau und Pflege. zu entjpringen fcheinen. Solches zeigt der in Südeuropa wachſende Mäufe- porn (Ruseus Hippoglossum), ſolches ebenfalls die umftehend abgebilvete mäufedornähnliche Helwingie (Helwingia ruseifolia), eine Bewohnerin Japans mit getrennten Geſchlechtern. Links ift ein Zweig mit Staubblüten, vehts ein folher mit Samenblüten. Die Blumen, von denen je eine unterhalb abge— bildet ift, befinden fich hier in der Mitte des Blattes. Ehen jo jonderbar tre- ten die Blüten des Bryophyllum auf, deffen Zweige die Geftalt von Blät— tern nachahmen, welche in den Einfchnitten des Randes die Blüten entwideln. Diefe Umbildung beſchränkt ſich bei Pterisanthes cissoides, einer Sarmen- tacee, nur auf die Blütenzweige, während neben denſelben die Blätter in gewöhnlicher Form vorkommen. Umhüllt ein Blatt einen ganzen Blütenftand, jo wird es oft zur ſoge— nannten Tute oder Scheide. Bei der befannten Calla aethiopica, die in den Zimmern häufig gepflegt wird, er- Icheint diefe Hülle won blumenfronen- ähnlicher weißer Färbung, während > eine eigentlihe anfehnlihere Blumen- u frone jenem Gewächs fehlt. Die Blü— tenftände der Palmen find ftets von einer Scheide anfänglich eingefchlofjen und ift diefe bei einigen Arten jo groß und feft, daß fie zu Beuteln, ja zu Wiegen für Kinder oder zu Ueberfahrts- Wbooten für einzelne Erwachfene benutt z werben fann. | Dei unſern Doldengewächſen ift oft der untere Theil des Blattftieles | N ſcheidenartig erweitert und umſchließt Pterisanthes cissoides. die jungen Blütenftände in ihrer frühe- N ten Entwidelungsperiode. Dei den Blumen, welde der Menfd) zu feinen Lieblingen erforen und deshalb in befondere Pflege genommen hat, find e8 nur in wenigen Fällen die Staubgefäße, die wie bei den neuholländifchen Metrofideros- und Afazien- Arten durch ihre Größe, Anzahl und Lebhafte Färbung die Aufmerkfamfeit des Beſchauenden feffeln und die Schönheit des Gewächſes begründen. Ge— wöhnlich ift die Blumenfrone wegen ihrer Geftalt, Größe und Farbenpracht der gefchättere Theil, den der Gärtner oft genug auf Koften der Befrud- tungsmerfzeuge zu befördern fucht. Eine Umänderung, welche der Gürtner hierbei jehr gern fieht, ift das Gefülltwerden der Blumen. Der jharfe Hah- nenfuß unferer Wiefen hat in feiner gewöhnlichften Geftalt fünf gelbe Blu— menblätter, in einzelnen Fällen treten deren aber ſechs oder mehr auf, mit- — — 2 RR BB | NQQQ I = @ Blütenftände. 137 unter ift ein voller zweiter Kreis von abermals fünf Blumenblättern vor- handen. Bielleicht daß ein größerer Gehalt des Bodens an ammoniakaliſchen Stoffen, eine durch Loderheit der Erde beförderte üppigere Ernährung, dergleichen Abweichungen befördert. Wird folder Hahnenfuß in den Garten gepflanzt, fo nehmen bald ſämmtliche Staubgefäße an der angedeuteten Um- änderung Theil und die Blüte erſcheint als jogenanntes Goldfnöpfhen, aus einer dichten Mafje Blumenblätter beftehend. Für die Pflanze felbft ift eine ſolche Umwandelung der Befruchtungswerkzeuge als ein Rückſchritt zu bezeich— nen, der Gärtner nennt es dagegen eine Veredelung. Das gemeine ſchwefelgelbe Himmelſchlüſſelchen (Primula elatior) unferer Wiefen wird im Garten purpurroth und bildet feinen Kelch zur Blumenkrone um. Bei den in ven Gewächshäuſern gepflegten Orchideen übertreffen manche Blumen die urfjprünglichen wilden Formen um das Dreifahe an Größe. Unfer Gänſeblümchen zeigt im arten eine doppelte Art ver Umgeftaltung. Bei der wilden Blume find die röhrenförmigen Blüten ver Scheibe befannt- ih) kurz und gelb, die Strahlenblumen bandförmig und meiß, mitunter an den Spiten roth. Die eine Form der Gärten enthält lauter bandförmige Blüten, entweder weiß oder purpurn, die zweite Form lauter Köhrenblumen, die aber größer und roth gefärbt find. Bei gefüllten Roſen, Nelfen, Veilchen, Schneeglöckchen, Levkoien, Nachtviolen, Goldlack und vielen andern find eines- theil3 die Staubgefäße zu Blumenblättern umgewandelt, anderntheils hat fich die Zahl der blattartigen Drgane, die an der Blumenbildung theilnehmen, jehr gemehrt. Die doldenähnlihen Blütenftände des gemeinen wilden Schneeballen- ftrauches haben in ihrer Mitte unanjehnliche becherfürmige Blütchen mit bei- derlei Befruchtungsorganen; die Randblüten befizen große weiße Blumenfro- nen, aber feine Staubgefäße, ähnlich ift e8 mit den wilden Hortenfien- Arten, welche die japanifhen Waldungen bewohnen. Im Garten werden jämmtliche Blüten in jene Form umgewandelt, welche die Randblumen zeigten, erfcheinen deshalb meist unfruchtbar und laſſen nur eine Vermehrung durch Stedlinge und Ableger zu. So wie bei wildwachjenden Blumen Eremplare mit bejon- ders großen Blumenfronen auftreten, jo fommen auch vergleichen mit ver— fümmerten Blütenblättern vor. Die ftengelumfaffende Taubneffel bringt im erften Frühjahr und am Ende des Herbfte8 nur winzige Blüten von 1— 1”, Linien Länge, während fie im Sommer lange Blumenröhren ent- widelt. Beide zeigen fi fruchtbar. Das Gleiche zeigt fi) bei dem ſüd— europäifchen Lamium bifidum, fo wie bei mehrern Arten von Salbei und Minze Auch bei den Gattungen Arenaria (Sandfraut), Helianthemum (Sonnengünfel) und Oxalis (Sauerflee) fommen an derfelben Pflanze nicht felten zweierlei Blütenformen vor, bejonders große und danchen Fleinere. Die größten Blumen find nit immer die beliebteften, fie werben oft gerade durd ihre Größe unbequem und laffen eine Verwendung zur Zim— merbeforatton, zum Pub in Strauß und Kranz felten zu. Die größte der 138 Der Blumen Bau und Pflege. befannten Blumen, die in Band I. ©. 35 abgebildete Kafflefie, ift in euro- päifhen Gärten nod) nie gezogen worden, ihre ganze Lebensweife bietet zu viel Schwierigfeiten und der Aasgeruch, den fie verbreitet, fordert nicht ge- rade zu näherer Kultur auf, trogdem, daß fie drei Fuß im Durchmeſſer und lebhafte rothe Färbung hat. Die Victoria regia (fiehe das Tonbild ©, 73) hat durch die Größe ihrer Blätter die Aufmerkſamkeit eben jo erregt als durch ihre Blumen und wird bei der Schwierigkeit ihver Kultur nie zur Bolfsblume werden, fondern nur auf die Wafjerbaffins größerer Gärtnereien beſchränkt bleiben, wo neben ihnen roſenrothe Euryale- Arten, blaue Nymphäaceen und die berühmte Lotosblume Indiens — Die einheimiſchen weißen und gelben Teichroſen (ſiehe erſtere im Vordergrunde des nebenſtehenden Bildes) bieten einen hübſchen Schmuck von Park und Gartenanlagen, vertangen aber ſtets größere Waſſerbaſſins. Stechapfelblüten Weſtindiens werden ſo groß, daß ——— ſie beim Spiel als Mützen auf den Kopf ſetzen. Eine nahe Verwandte jener Gattung, die blutrothe Brugmanſie (Brugmansia sanguinea, ſiehe Anfangs- bild Fig. 1), wird wegen ihrer Größe auch in unſern Gewächshäuſern gezo— gen. Die Päonien, deren einfache Formen eigentlich viel hübſcher ausſehen als die gefüllten, die in den Gärten gebräuchlich ſind, mag wol dem Chi— neſen als Liebling erſcheinen, uns dünkt ſie zu plump und nur im Freien als Dekoration größerer Räume am Orte. Beliebter ſind dagegen jene Gewächſe, die entweder Blumen von mäßi— ger Größe, aber ſchöner Geſtalt oder kleinere Blüten, die in größerer Anzahl beifammenftehen, tragen. Färbung, Mafjenbejhaffenheit, Behaarung, Form und fonftige Eigenthümlichfeiten der begleitenden Blätter wirken dann als Fak— toren zweiten Grades bei der Auswahl mit. Faſt jedes Land hat Blumen von bejonderer Schönheit aufzuweisen, faft jedes Volk, das überhanpt fein Gefühl veredelte und ſich auf der Stufe der Kultur über das thierifche Dafein erhob, hat ſich beftimmte Blumengejtalten erforen. Im erften Frühjahr be- grüßen wir Scneeglödchen und Veilchen auf unfrer heimatlichen Flur, Ihm folgen Rojen und Bergigmeinnicht, Dies unzertvennliche Geſchwiſterpaar. Der Alpenbemohner pflüdt zur Liebesgabe das Edelweiß vom Felſen des Hod)- gebirgs, der Franzoſe bezeichnet das Stiefmütterchen (Viola tricolor) als Er- innerungsblume und Freundjchaftsgabe. Der Drientale bietet Tulpe und Hyazinthe, der Griehe Bafılifum und in der Anſchauungsweiſe der Hindu Ipielen die Blumen eine jo wichtige Nolle, daß die Geſchichte der. Götter und Halbgötter ſelbſt ſich nicht felten unter Blumen völlig verliert. Chineſen und Japaner pflegen mit Vorliebe Chryfanthemum-Arten, Kamellien, Päonien und Lilien, dazu verwenden fie in originelle Weife befondern Fleiß auf die Zucht von Zwerg-Gewächſen. Auch fie knüpfen vielfad Götterfagen an Blumen, Die-Bewohner Tibets arbeiten wenigftens in Ermangelung von wirklichen Blu— men beim großen Blumenfeft die Blumen aus Butter and ſchmücken damit die Bildſäulen Buddha's. G 2 — N alba) ymphaea N Teichroſen ( 140 Der Blumen Bau und Pflege. Eine liebliche Rolle fpielen die Blumen in der poetifhen Anſchauung der alten Hellenen. Die Griechen liegen die Anemone aus dem Blut des Adonis, Die Hyazinthe aus jenem des Hyakinthos entſprießen, und die Nar— ziſſe eniſtand aus einer Metamorphoſe des in ſich ſelbſt verliebten Narkiſſos. Die Blumen eines Ritterſporn (Delphinum Ajacis) verewigen mit ihren, Schriftzügen ähnlichen Flecken das Andenken des Helden Ajax. Der Affodil blüht am Eingang in die Unterwelt und dient deshalb zum Grabſchmuck, wie die Myrte dem Dienſt der Venus geweiht ward. Von unſern wildwachſenden Blumen ſind nicht wenige wegen ihrer Schön— heit in die Gärten übergeſiedelt worden. So prangen in letztern der purpur— rothe Fingerhut und der blaue Eiſenhut, Maiblumen, Akelei, Leberblümchen, Schneeballen, Veilchen, Sinngrün, Spiraen, Türkenbundlilien, Vergißmein— nicht, Trollblumen, Frühlingsadonis, Meerzwiebel u. v. a. Die jo ſchönen Orchideen fügen fich leider nicht unter die Hand des Menſchen und manche Arten derjelben find deshalb in den Gegenden, in denen die Feldfultur jcho- nungslos fortjchreitet, höchſt ſelten geworden. Cin aufmerfamer Gang durd) einen unfrer Gärten gleicht gegenwärtig einer botanifchen Keife um die Welt, ja ihon das Blumenbret am Fenfter des einfachen Bürgers bietet vielfache Anfnüpfungspunfte zu einer folhen Weltfahrt. Die Gärten unferer Vorfahren waren in diefer Hinſicht ziemlich dürftig beftellt. Sie enthielten außer ven gewöhnlihen Küchenfräutern meift nur eine geringe Anzahl Gemürzpflanzen (Beterfilie, Kümmel, Pfefferfraut u. ſ. w.) und folder, deren Arzneifräfte man rühmte (Gartenraute, Kamille, Baldrian, Yjop u. ſ. w.), und eine nod) Flei- nere Anzahl eigentlicher Zierblumen. Der Golvlad fpielte als Gelbveilchen hierbei eine beveutende Rolle und findet fich jest noch hie und da an ben Kuinen zerfallener Fitterburgen verwildert. Bon den Römern ift befannt, daß fie als Zierblumen nachſtehende zogen: Dotterblume, Schwarzkümmel, Koje, Fuchsſchwanz, Löwenmaul, Levkoie, After, Baldrian, Eijenfraut, weiße Lilie, Nitterfporen, Thymian, Malve, Bärenflau und einige andere. Welchen Keichthum zeigt dagegen jchon das Gärten eines deutſchen Bürgers oder Landmanns. Bon den Alpen des Südens erhielt e8 die groß- blumigen Beilhen, die Levkoien, Aurikel, die Erpfcheibe, das Frühlings: Sänfefraut, die Dmphalode, mehrfache Nelfenarten und den tiefblauen ften- gellofen Enzian; eben fo Steinbredharten. Wir machen bei unferer Mufterung natürlich) nur die allgemein befannteften, hervorſtechendſten Formen namhaft, eine irgend vollftändige Aufzählung würde bogenlange Regiſter ergeben. Eine reihe Anzahl Schöner Blumen find ſchon in ziemlich frühen Zeiten aus dem Gebiet des Mittelmeeres bei uns eingewandert, vielleicht durch Bei- hilfe der Mönde, in einzelnen nachweisbaren Fallen durch Handelsreiſende. Den alten Hellenen und Römern waren bereits vier Rofenarten bekannt, die noch gegenwärtig in Griechenland einheimiſch ſind. Es ſind Rosa canina, die, wilde oder Heckenroſe, dann die Bibernellroſe (Rosa pimpinellifolia), bie Zuderrofe (Rosa gallica) und die Centifolie. Bon leßterer zählt Plinius allein Lieblingsblumen. 141 10 Spielarten auf. Für die ältejte Sorte derfelben hielt man eine weiße Form, außerdem kannte man aber jchon ſchwefelgelbe, vunfelgelbe, hellrothe und jolhe mit brennendem Roth. ine ſehr frühblühende Spielart erhielt man aus Campanien, eine jpätblühende von Präneſte. Die Monatsrofe joll zuerst in Carthagena fullivirt worden fein. Die Roſen von Rhodos waren bochberühmt und gaben der ganzen Inſel ven Namen. Bon hier aus follen fie durch die Römer nad allen Ländern ihrer Herrichaft gebracht worden jein. Die Roſen fpielten im klaſſiſchen Alterthum eine bedeutende Rolle. Dionyſos wohnte als Gott der Blumen entweder im Blumenlande Phyllis oder auf dem roſenreichen Pangäon, auch in den Roſengärten Makedoniens. Jenen Kranz, welchen Ariadne bei ihrer Vermählung gewunden hatte, verſetzte der Gott als Sternenbild an den Himmel. Jupiter's Schläfe wurden mit Roſen um— wunden, als er die Titanen beſiegt hatte, Roſenkränze bildeten den früheſten Schmuck der Götterbilder, Prieſter, Opfernden, Opferherde und Opferthiere; fie wurden eben fo auch als Opfergaben dargebracht. Später befränzte man ſich mit Roſen auch bei andern feftlihen Veranlaffungen, ſchmückte mit dem Roſenkranz das Haupt dee Siegers, das Brautpaar und das Hochzeitshaus, der Schiffer zierte damit jein Schiff nad glüdlich vollendeter Fahrt und der Trauernde das Grab des Berftorbenen. Zur fürmlihen Manie artete die Kojenliebhaberei bei den Römern in der Zeit ihrer Schwelgerei und Sittenverderbnig aus. Mean befränzte bei den wüſten Öaftgelagen das Haupt mit Roſen, eben jo die Becher, ftreute Ro— jenblätter fußhoh auf die Fußböden der Zimmer, füllte die Ruhekiſſen damit und ließ auf die Säfte während des Schmauſes ſchließlich joldhe Mengen von Kofenblättern von der Dede herabregnen, daß Fälle erzählt werben, in denen einzelne trunfene Gäfte unter den Roſen erſtickten. Ein mit Roſen befränzter Menih ward durch diefe tolle Wirthſchaft gleichbedeutend mit einem Trunfen- bold. Man brachte mitten im Winter ganze Schiffsladungen voll Roſen von Alerandrien und Neufarthago nad) Rom. Wenn das wohlriehende Veilchen nicht urſprünglich deutfch ift, dürfte es aud aus dem Süden Europa’s übergefiedelt fein. Den Griechen galt es als Symbol des Wiederaufblühens der Erde, wegen feiner dunfeln Farbe und jeiner Neigung zur Erde aber auch als Sinnbild des Todes. Der Mythe nad; war es entjtanden aus der Verwandelung einer Tochter des Atlas, Die vor Apollon floh. Eine andere Mythe läßt e8 der Erde entjprießen, als Jo von Jupiter in eine Kuh verwandelt wird. Schon Athen wird wegen der Menge von Veilchen, die man hier z0g, die „Veilchenduftende“ genannt und noch jest bededen die bevorzugten Blumen in den Gärten anfehnliche Flächen. Die Türfinnen bereiten aus denfelben eine jehr wohlſchmeckende Confitur. Die weiße Lilie, aus der Milch der Hera entjtanden, war Sinnbild der Unfhuld und Sittjamfeit bei den Griehen, Bild der Hoffnung bei den Römern. Der Gladiolus, den man gegenwärtig in. jo zahlreichen Spiel- arten zieht, ftand als Todtenblume der Sage nad) am Eingang in den Orkus, 142 Der Blumen Ban und Pflege. Mit feinen Blüten befvänzten fid) die griechiſchen Mädchen beim Hochzeitsfeſt ihrer Gefpielinnen, man pflanzte ihn aber aud) auf die Gräber und deutete die dunfeln Figuren auf feinen Blütenblättern als Schriftzüge, in denen Apollon um den Tod des geliebten Hyakinthos Elagt. Lavendel, Thymian (Thymus officinalis), Rosmarin, Yfop, Majoran, die in den hotzarmen Gegenden des Mittelmeergebietes hier und da als Brenn— material dienen müſſen, ſcheinen ſehr früh bei uns eingeführt worden zu ſein, eben ſo die Myrte, die als Brautkranz immer noch ihre alte Sedennn beim Dienſt der Liebesgöttin behalten hat. Die Tulpe ward zuerſt in dem Garten des Kaufherrn Fugger in Augs— burg 1550 gepflanzt. Sie war von ihm aus dem Orient eingeführt worden und ward allmälig fo zur Mode- und Lieblingsblume, daß geſuchte Spielarten mit unerhörten Preifen bezahlt wurden. Gleichzeitig bemächtigte ſich im reichen Holland der kaufmänniſche Spefulationstrieb der Tulpenzwiebel und ließ die— ſelbe die Stelle der heutigen Aftien, Kure u. dgl. vertreten. Man erzählt, daß einft für eine Zwiebel ver Zulpenfpielart, die unter dem Namen „ver Vicekönig“ befannt war, bezahlt wurden: 30 Scheffel Weizen, 62 Malter Reis, A Maftochjen, 12 Schafe, 2 Stüdfag Wein, 4 Fäffer Bier und 2 Fäſſer Butter, und daß zum Beften des Waifenhaufes in Alkmaar 120 Tulpenzwie- beln für die Summe von 100,000 Gulden verfauft wurden. Die Hyazinthen, aus der Heimat der Tulpen ftammend, wetteiferten mit denjelben und nod) jet werben ausgezeichnete Sorten mit 20— 100 Gulden die Zwiebel bezahlt. Holland war es ebenfalls, welches dieſe Blume neben der Tulpe mit Vorliebe kultivirte. In neuern Zeiten hat auch die Berliner Syazinthen- Kultur einen bejondern Kuf erhalten. ALS jene Practlilie, auf welche Jeſus feine Jünger hinweift, bezeichnet man bie prächtig rothe chalfevdonifche Lilie. Ebenfalls aus dem Gebiet des Mittelmeeres ftammen der Krofus, die Gartenanemone, die rothe Adonis, Melifje, die Eiftusarten, mehrere Widen und Nelken, von Zierfträuchen der als Goldregen befannte Cytiſus, unächter und ächter Jasmin, Flieder, die Granate, Myrte, Tamarisfe und der ſchönblühende Oleander! Die wohl viehende Reſede jcheint von Aegypten aus in der Zeit von 1735 — 1742 nad) Europa gebradht worden zu fein. In Italien war fie unter dem Namen Amoretti d'Egitto befannt. Bon den einheimifhen Pflanzen hatte fih das Sandimmerſchön wegen feiner nicht verwelfenden Blütenhüllblätter Schon längſt der Volksgunſt zu erfreuen gehabt. Der Drient bot in Helichrysum orientale eine Smmor- telle, welche das beſcheidnere Fuhrmannsblümchen an Schönheit weit übertraf. Im ſüdlichen Frankreich, in der Provence und Languedoc, ward diefelbe ein bejonderer Gegenftand der Kultur, und Montpellier verjendet jährlich beveu- tende Mengen davon, die theils in natürlicher Form, theil® Fünftlich lad zur Anfertigung von Todtenkrängen verwendet werben. an Ill) Il Zimmerblumen. en 144 Der Blumen Bau und Pflege. Auch mehrere hübſche Glodenarten, Aſchenkräuter (Cineraria), die Schlei— jenblumen (Iberis), Wolfsbohnen (Lupinus), Waldreben (Clematis), der viel- gezogene Tinus (Viburnum Tinus, gewöhnlich als Laurus Tinus befannt) und Spierftauden famen aus der Umgebung des Mittelmeere8 und von den Kanarischen Infeln zu uns. Die Gebirge Kleinafiens lieferten mehrere Alpen- rofen (Rhododendron und Azalea), ein® noch reichere Auswahl derjelben fam neuerdings vom Himalaya und von den Gebirgen der Sunda-Inſeln. Sehr geeignet zur Pflege im freien Lande zeigten fid eine Anzahl ſchön— blühender Gewächſe der ruffiihen Steppen und der Gebirge Mittelafiens, jo Dradenfopfarten (Dracocephalum), Silenen, Flodenblumen (Centaurea), Schwerteln (Iris), Fettfräuter (Sedum), Wucerblumen (Chrysanthemum), Päonien und die neuerdings fo beliebt gewordene Herzblume (Dielytra), Das wärmere Afien gab bejonders eine reihe Anzahl Gewächſe, vie me- nigftens während des Winters ein warmes Zimmer verlangen; jo erhielt man aus. Japan die Kamellie, die Hortenfie, die Pradtlilie (Lilium superbum), dazu Deugien, Funkien u.a. Von China fam die fogenannte Porzellanblume (Hoya), der zu Ampelihmud geeignete Steinbredy (Saxifraga sarmentosa.), vielleicht auch die allgemein gezogene Primula chinensis u. a, Perſien fendete pie Kaiferfrone, Oſtindien Hafenlilien, Orchideen, die Tuberoje (Polyanthes tuberosa), den Hahnenkamm (Celosia), Baſilikum, Hibiscus u. a. Die Südſpitze Afrifa’8 ward für die Gärtner eine wahre Goldgrube an zahlveihen, jchönen Blumen, perennivenden Kräutern und Kleinen Halbiträu- ern. Zu Hunderten zählen die Arten und Spielarten, die man von bort her bezog; wir erinnern nur an die Heidefräuter (Erica), Storchſchnabel (Pe- largonium, Geranium), -Aasblumen (Stapelien), Zwiebel- und Knollengewächſe (Amaryllis, Ixia, Geissorhiza, Moraea, Lachenalia ete.), Aloe, Zaferblumen (Mesembryanthemum), Dickblätter (Cotyledon, Crassula, Sedum),. Als man fid) gemwöhnte, das neuentdeckte Amerika nicht blos auf feinen Gehalt an eveln Metallen anzufehen, fand man hier ein wahres Füllhorn föftlicher Blumen, die Praivien der gemäßigten Zonen lieferten zahlreiche Schmudpflanzen für das offene Pand, die tropifchen Theile des neuen Kon— tinent8 eben fo viele für das Warmhaus des Kunſtgärtners. Allgemein findet man bei uns jest die aus Nordamerika ftammenden Monarden, die Georgine, Zinnien, Coreopfis, Calliopfis, Sammtblumen (Tagetes), Rudbeckie, Lobelie, buntfarbige Winden, Flammenblumen (Phlox), Eihiholsien, Clarkien, Afterarten, Collinfien, Salbei-Arten, Bartfaden (Pent- stemmon), Als Zierfträucher mit ſchönen Blüten find in unfern Parkanlagen die goloblumigen und purpurnen Yohannisbeeren, der Gewürzſtrauch (Caly- canthus), Gleditſchien und Robinien. Yettere verewigt durch ihren Namen das Andenfen Robin's, der ihren Samen durd) Voyageurs aus Amerifa bezog und in Paris im Jardin des Plantes zuerft pflegte, um — den Putzmachern der Hofdamen Mopdelle zu neuem Schmud zu liefern. Auch die großblumigen Magnolien und Tulpenbäume (Liriodendron) ftammen aus den wärmern Theilen Zierblumen. 145 der Bereinigten Staaten. Mexiko bot in feinen Yukkas, Echeverien u. a. ver- wandte Formen wie das Kap, die ganze warme und trodne Zone aber eine Ueberfülle von Kakteen, die ſich meift eben fo Leicht ziehen, als fie durch große prächtige Blüten lohnen. Der Tabafspfeifenftraud) (Aristolochia Sipho) ift in vielen unfrer Gärten als Yaubenpflanze eingebürgert, die herrlichen Paſſions— blumen bilden überrafchend fehöne Guirlanden in ven Warmhäufern neben ven zahlreichen mexikaniſchen und braſilianiſchen Baumorchideen, die heutzutage Lieblinge der Gärtner geworden ſind. Das Anfangsbild dieſes Abſchnitts zeigt eine Zuſammenſtellung einiger der hübſcheſten Blumen Mittelamerika's, bei der wir nur bedauern, daß wir nicht gleichzeitig mit der Form auch das prächtige Colorit dem Leſer bieten fonnten. Big. 1 ift, wie ſchon erwähnt, die blutrothe Brugmanfie (Brugmansia sanguinea), eine nahe Verwandte des giftigen Stechapfels, Fig. 2 eine Baum— orchidee (Brassavola glauca), deren veinweiße, große Blume innen purpurroth gezeichnet ift, neben ihr ift als zweiter Vertreter des ſchönen Gejchlechts die Cattleya amethystina, Fig. 4 deutet durch die violette Maurandia (Mauran- dia Barclayana) die ſchön blühenden Sclingpflanzen an, welde ung jenes Gebiet Lieferte und die bejonders reich durch die Familie der Bignonien ver- treten ift, von welcher Fig. 5 einen Blütenzweig (von Bignonia venusta) bietet. Die Blüten der legtern find brennend roth. Fig. 6 ift ein Fleines Stüd von dem Blütenftand der prächtigen Paradiesblume (Parkinsonia aculeata). Bon den aus Brafilien und Mexiko ftammenden TZopfblumen nennen wir nur als befanntefte nod) Gloxinia, Achimenes, Sida jo wie das allgemein ver- breitete Schiefblatt (Begonia), die Tradescantie, Commelina und von den Zierfträuchern den ſcharlachrothblühenden Korallenbaun (Erythrina). Die Um- gebung von Buenos Ayres fandte uns die Petunien und die VBerbenen, Peru und Chile dagegen die Pantoffelblumen (Calceolaria), den Heliotrop, Ama- ranth, die Kapuzinerkreſſe und die durd ihre fchöngefärbten Kelche aus- gezeichneten Fuchſien. Neuholland Lieferte außer den ſchon genannten Afazien, Calliſtemmon, Melaleuca und Beronica- Arten vorzüglich viele und ſchöne Immortellen; jo: Rhodanthe, Ammobium, Humea, Gomphrena, Xeranthemum etc. Anfänglich überließ man es dem Zufall oder der Gefälligfeit eines Rei— jenden, in Befit eines neuen Gartenſchmucks zu fommen; jpäter fandten pie größeren Gärtnereien befondere Keifende aus, um neue, ſchöne Gewächſe zu fammeln und die Bedingungen ihres Gedeihens an Drt und Stelle zu erfor— ihen. Samen von Waſſergewächſen transportirte man in Waſſergefäßen, andere Pflanzen in luftdicht verfchloffenen Glaskäſten, wieder andere auf leid) tere Weife ald Samen oder Knollen und Zwiebeln. Kaum ift jest in den Städten und Dörfern unferes Baterlandes ein Haus, in deſſen Fenftern nicht neben dem Dleander des Mittelmeergebiets der Krofus Kleinafiens, die Hortenfie China's, die Kamellie Japans, die VBerbene vom Rio de In Plata, die Pantoffelblumen Chile's, ein Kaftus Mexiko's, eine Erifa Wagner, Mal, Botanik. U. Bo. 10 146 Der Blumen Bau und Pflege. oder ein Pelargonium des Kaplands in trauter Harmonie verfammelt wären, ja es ift Thatſache, daß gerade von den legtgenannten zwei Gattungen die jeltenen Arten in viel mehr Eremplaren in Europa vorhanden find, als fie es in ihrer Heimat je waren. Dafjelbe gilt von manden der gejchäßtern Orchideen der Tropen. Die Zucht der Blumen ift zum wichtigen Erwerbs— zweig, zur Kunſt geworden. Wir brauchen nur an die Mengen von Blumen zu erinnern, welche eine an Feltlichfeiten reiche größere Stadt wie Baris, Brüfjel, Berlin, Wien, Yondon u. f. w. allein zu Ballſträußchen während eines einzigen Winters bedarf, abgejehen von jenen Mengen, die aud in der unfreundlidyen Jahreszeit die Zimmer ſchmücken müfjen, aus Blumenförben, Ampeln, Bajen, Blumentiſchen u. ſ. w. ſich entfalten. DBeifpielsweife erwähnen wir nur, daß in Petersburg e8 gar nicht felten ift, daß ein Ballbouquet im Winter mit 50, 100, ja 200 Rubel bezahlt wird. Der gewöhnliche Preis einer weißen Kamellie ift dajelbft ſchon 1 Rubel. Schon im Freien ift jelbft in unfern rauheren Gegenden felten ein Monat gänzlich blumenleer. Kaum hat die Herbftzeitlofe ſich melfend zufammengefal- tet, faum find die legten Maßliebchen abgeftorben, jo öffnet felbft unter dem Schnee: die Nießwurz (Helleborus) und der Winterftern (Eranthis hiemalis) vie Knospen, wie ja auch das Alpenglöckchen (Soldanella) unter dem Schnee feine Blumen entfaltet. Die Kunftgärtnerei weiß dafür zu jorgen, daß während des ganzen Jahres uns liebliche Vlumenaugen winfen und mit ihrer Farben- pracht felbit die Einförmigfeit der düſtern Wintertage unterbrechen. Wohl möchten wir unfern Leſern noch mandyerlei mittheilen über vie Gärten anderer Völker, über die fonderbaren Zwerggewächſe, welche Chinejen und Japaner ſich erziehen‘, über die Parkanlagen, mit denen ein Plantagen- befiger innerhalb der Tropen mit geringer Mühe feine Villa umgiebt, eben jo könnten wir eingehender verweilen bei der Pflege unferer Zimmerlieblinge, vom einfachen Topfgewächs an bis zum modernen Aquarium mit feiner Mifchung von Thier- und Pflanzenleben, — wir müfjen e8 uns hier verfagen und die Leſer auf die zahlreihen Hülfsmittel verweifen, welche in Bezug hierauf die neuere Piteratur bietet. Anfnüpfend an die eben erwähnten unter dem Schnee blühenden Gewächſe berühren wir nur zum Schluß noch eine interefjante Er- iheinung des Pflanzenlebens, die gerade bei der Entwidelung der Blüten fid) zeigt, die Erzeugung einer mit dem Thermometer meßbaren Wärme. Zwar hat man eine jolde Wärmeentwidelung bis jett nur erft an 13 Pflan— zenarten beftimmt nachgewieſen, es iſt aber wahrjcheinlich, daß diefelbe, wenn auch in mäßigerem Grade bei allen ftattfindet. Gemeſſen wurde eine Tem- peraturerhöhung bei mehreren Gewächſen, die zur Yamilie der Arvideen ge- hören (Arum maculatum, A. italicum, A. Dracunculus, A. Walteri; Colo- casia odora; Caladium pinnatifidum), eben fo bei dem unter dem Namen „Königin der Nacht‘ gefeierten Kaftus (Cactus grandiflorus), bei der Tube- tofe (Polyanthes tuberosa), bei zwei Kürbisgewächſen (Cucurbita Melopepo und C. Pepo), bet Bignonia radicans, Pancratium maritimum und Victoria Wärmeentwidelung bei Pflanzen. 147 \ regia. Weniger ficher ſprechen Beobachtungen beim Pandang (Pandanus uti- lis), Goldlack (Cheiränthus incanus), bei Nycetanthes Sambar und bei der Banane (Musa paradisiaca), Dei Colocasia odora beobachtete man eine ſolche Wärmeentwidelung währenn 5—6 Tagen, beim gefledten Aron währen 1—3 Tagen, eben fo verjchieden bei den übrigen. Yebhaftere Wärme fand Saufjure in ven Staubblüten der Cucurbita Melopepo, weniger in ben Samenblüten. Der Hauptfiß der Temperaturerhöhung feheint in den Staub- beuteln zu jein, freilid zeigen fi aucd hierin Abweihungen. Während die Luft eine Wärme von 190 R. zeigte, wurden in der Blütenſcheide ver CGolocasia odora 440 R., ein andermal bei höherer äußerer Temperatur fogar 49% „R. beobachtet. Als Urſache jener Erſcheinung möchte man den anfehn- lichen Berbraud von Sauerftoff betrachten, der mit der Entwidelung jener Blüten verknüpft if. Sauſſure's Beobachtungen ergaben, daß "bei Arum maculatum die Blütenjcheive (Spatha) das Fünffache, die Mittelfänle (Keule) das 30fache, jene Theile, an denen die Blüten felbft figen, das 132fache ihres Bolums an Sauerftoff innerhalb 24 Stunden verbraudten. Daß freilich die Berbindung des Sauerftoffs mit dem Kohlenftoff der Pflanze nicht die einzige Wärmequelle ift, möchte man daraus vermuthen, daß die. Dlüten mancher Gewächſe, die feine Temperaturerhöhung zeigen, 3. B. beim Rohrfolben, doch eine anfehnlic größere Quantität Oxygen aufnehmen - als joldye mit erhöhter Wärme (z. B. die Bignonie). Bringt man die fich öffnende Blüte der Colocasia odora unter eine Slasglode, jo hört alle Wärmeent- widelung, fo wie Geruchserzeugung und alles Weiterwachfen dann auf, wenn der vorhandene Sauerftoff in Kohlenjäure umgewandelt: ift. Jene auffallenden Wärmeerfcheinungen, jo viel Räthſelhaftes fie auch noch haben, find uns ein Fingerzeig auf die große Bedeutung, welche die Wärme überhaupt für das Leben der Pflanze hat. Die verfchiedenen Geſchlechter ver- jelben find meist an beſtimmte Temperaturgrade gefmüft, die nad) feiner Kid) tung hin überjchritten werden Dürfen, ohne das Leben der Gewächſe zu ge-, _ führden. Ob es möglich ift, jene Grenzen für mande Gewächſe zu ermei- tern, die legtern aljo an Klimate zu gewöhnen, für welche fie anfänglid nicht bejtimmt find, diefe Frage verjuden die Afklimatifationsgefellfchaften zu löſen und würden dadurd zugleich für die Pflanzengeographie und Pflanzen- geichichte wichtige Beiträge liefern. Dem Kunftgärtner ift Wärme neben ven beitimmten Feuchtigfeitsmengen das Hauptmittel, durch welches er auf jeine Pfleglinge einwirft. Durch Wärme gelodt, blühen Tulpen, Krofufje, Amaryllen, Tazetten und Hyazinthen in voller Pracht im Zimmer, ——— der Froſt an den Fenſterſcheiben kryſtallene Eisblumen malt. Gewächſe kühlerer Klimate gewöhnen ſich verhältißmäßig leichter an etwas höhere Temperaturen als umgekehrt, auch iſt bei den Pflanzen wär— merer Himmelsſtriche, die gegenwärtig bei uns in Gärten und Parkanlagen gezogen werden, auch wohl zu unterſcheiden, ob dieſelben nur Blätter treiben oder ob ſie es auch bis zum Blühen und zum Reifen keimfähiger Samen 10* 148 Der Blumen Bau und Pflege. bringen. Nur in legterem Falle kann ein Gewächs als eingebürgert betrachtet werden, da es nur fo im Stande ift, ſich ſelbſt fortzupflanzen. Che wir unfere Betradhtung der Blumen fchliegen, gevenfen wir nod) der verfchiedenen Tageszeiten, zu denen fi die Blüten ver Gewächſe öffnen. Manche Pflanzen öffnen ihre Blumen fo regelmäßig zu bejtimmten Tages- ftunden und ſchließen fie wieder zu eben fo beftimmten Zeiten, daß man durd) eine Zufammenftellung geeigneter Arten fid) eine fürmlihe Blumenuhr ver- ichaffen fünnte. Es find zu dieſem Behuf verſchiedene Gewächſe vorgefchlagen worden; wir theilen unfern Lefern eine ſolche Zufammenftellung in Nach— ftehendem mit, die von Prof. Seubert herrührt. Schon früh zwifhen 3 —5 Uhr blüht der Wiejenbodsbart (Tragopogon pratensis); um 4 Uhr folgen die blaue Cichorie (Cicherium Intybus) und die Tagblume (Hemerocallis fulva). Nad 5 öffnen Löwenzahn (Leontodon Taraxacum) und Zaunwinde (Convolvulus sepium) ihre Blumen, nad) 6 die Ader-Gänfediftel (Sonchus arvensis). Um 7 exblühen der Oartenfalat (Lactuca sativa) und die weiße Seeroſe (Nymphaea alba), während um 8 be- reits ji) der Löwenzahn wieder fließt. Nach 8 blüht der Ader-Gauchheil (Anagallis arvensis) auf, zwiſchen 9 und 10 die Ningelblume (Calendula arvensis). Ilm dieſelbe Zeit jchliegen fid) die Blüten des Salats wieder. Zwiſchen 10 und 11 öffnen fid die Blumen ver gelben Tagblume (Heme- rocallis flava), zwiſchen 11 und 12 diejenigen der Pfauenlilie (Tigrida Pavonia). Zur Mittagszeit ſchließen ſich Cichorie und Acker-Gänſediſtel. Nachmittag gegen 2 Uhr fchliefen fi die Blumen des Mauer-Habichts- frautes, nad) 3 diejenigen des Gauchheil und der Ningelblume, nad 4 die der weißen Teichrofe (Nymphaea alba). Bon 5 Uhr an beginnen die Gar- tenjalappe (Mirabilis Jalapa) und der trauernde Kranichſchnabel (Pelargonium triste) zu erblühn, zwiſchen 6 und 7 die fogenannte Königin der Nacht (Cereus grandiflorus); um 7 folgt endlich das nachtblühende Eisfraut (Me- sembryanthemum noctiflorum), während zu gleicher Stunde der Herbſt- Löwenzahn ſich ſchließt, und endlich der erwähnte großblütige Kaktus durch das Zufammenneigen jeiner Blumenblätter die Mitternadhtsjtunde bezeichnet. Wollte man durdy eine einzige Pflanze bis auf einen gewiffen Grad die Uhr bei Tage vertreten laflen, jo dürfte feine geeigneter dazu fein, als bie in Dftindien einheimifche „veränderlihe Stundenblume‘ {Hibiscus mutabilis). Diefelbe hat am Morgen beim Aufblühen weiße Blumen, fie beginnen ſich zu färben, je mehr fie fi öffnen und das Tageslicht auf fie einwirft, jo daß fie zu Mittag vofenroth erjcheinen. Die Steigerung des Roth nimmt während des Nachmittags zu und Abends beim DVerblühen haben fie fait das Purpur erreicht. (7 * J Zuckerrohrernte. XX. Honig, Zucker und Wachs. Honig. — Weidenblüten. — Eiſenhut. — Nießwurz. — Neftarinen. — Pollen- förner. — Uebertragung derjelben. — Honiginfeften. — Honigvögel. — Honigbär. — Honigzuder. — Zuderrohr. — Rübenzucker. — Ahornzuder. — Palmenzuder. — Kofospalme. — Gomutipalme. — Jubäa. — Dattelpalme. — Andere "Zuderarten. — Süßholzſtrauch. — Wahs; vegetabilifhes in China, Japan. — Wachsbeeren. — : Wahspalmen. — Balanophoren. „Iß den Honig, jo lange er gut it!‘ Spr. Sal. 24, 13, Lange vorher, ehe der Knabe im Forfchereifer die Formen der Blumen— rone der Gewächſe unterfuhte, ehe er nad Linné's Anleitung die Staubgefäße zählte oder die Beſchaffenheit ver Griffel ermittelte, lange vor- ber hatte ihn gewöhnlich fein Forjchereifer auf feinen Entdeckungsreiſen in Wald und Flur mit dem Honiggehalt der Blumen vertraut gemadt. Bon der Julifonne durftig gemacht, jaugte er an den weißen Blüten der Taubnefjeln, an den rothen Kleeblumen und beim Gange durchs Weizenfeld an den ſüßen Halmftüden des Getreides. Honigiund Zuder find zwei der lieblihjten Erzeugniſſe der Pflanzen- welt, von den Meiften mehr geliebt als die ganze reiche Menge von Kräutern, 150 Honig, Zuder und Wade. Ertraften, Tinfturen und andern Reichthümern, welde aus dem Reiche des Grünen in die Küche des Apotheker wandern. 3 Der Honig wird vorherrfhend in den Blüten erzeugt. Je nad) den Pflanzenarten zeigen in denfelben bejtimmte Partien des Zellgewebes die Fähig- feit, jenen ſüßen Saft auszufondern, nicht ſelten vermifcht mit ätheriſch duf- teuden und harzig Flebrigen Stoffen. Beim Hahnenfuß ift am Grunde jedes Plütenblattes ein Fleines ſchuppenähnliches Anhängjel vorhanden, das man ' wegen jener Fähigkeit als Honigſchuppe bezeichnet. Bevor noch der Wald im Frühjahr fein neues grünes Gewand angelegt hat, duftet fein Saum von Honig, den die blühenden Weidengebüſche bereiten. Wir wiſſen daß bei der Weide die Befruchtungsorgane auf verſchiedene Individuen wertheilt find. — Entnehmen wir einem weiblichen Buſche ein Blütenkätzchen (ſiehe die untere Figur auf nebenſtehender Abbildung). Längs der Aehrenaxe ſtehen in Spiralen grünliche Deck— blätter, jedes derſelben ſchließt in ſeiner Achſel einen mit zwei Nar— ben gekrönten Fruchtknoten ein. Nehmen wir die Loupe zu Hülfe, ſo ſehen wir am Grunde des Fruchtknotens deutlich die drüſen— förmigen Organe, welche den Honig ausſondern. Aehnliches gewahren wir bei der Unterſuchung der Pol— lenblüten (ſiehe die obere Hälfte der Abbildung). Eben ſolche Drüſen zeigen uns die Blüten der Berbe— ritze, des Rübſen und Raps; in Weidenblüten: a. männliches Blütenkätzchen; b. eine ein— Geſtalt eines Ringes treten die zelne Staubblüte; —* weibliches Blütenkätzchen; d. ein⸗ Honigorgane auf in den Blumen zelne weibliche Blüte, an ihrem — die Honigſchuppen. des Klee. Bei der Blüte der Kai— ferfrone ift innen am Grunde jedes Perigonblattes eine weißliche Grube ge- wöhnlich von einem Honigtropfen gefüllt. Als Honigdrüfen bezeichnet man aber aud) mancherlei Blütentheile, von denen man fonft nicht vet weiß, was man aus ihnen nad) der üblichen Terminologie machen fol. „Jeder weiß, daß, wenn er an ber Blüte des Eifenhut (Aconitum) das helmartige ‚obere Blatt abzupft, zwei Tanggeftielte Körperchen von weißlicher Farbe zum Vorſchein kommen. Die übriggebliebe: nen Blätter ſchließen ſich in einer Weife zufammen, daß ſie wohl einige Aehn- fichfeit mit einem Mufchelmwagen bieten; die erwähnten Körperchen faßt Die Bollsanfhaunng als das vorgefpannte Taubenpaar auf und bezeichnet des— halb die ganze Eifenhutblume als Venuswagen; die bejchreibende Botanik Nektarinen. Pollenkörnchen. Be nennt jenes Taubenpaar Honigdrüſen. Aud die Blume der familtenver- wandten Niefwurz, die als fogenannte Chriſtblume ſchon kurz nad Weih— nachten ſich entwidelt, enthält zwiſchen den weißen Perigonblättern und den goldgelben Staubgefäßen einen Kranz von tutenförmigen Organen, die kleinen Füllhörnern ähneln. Manche faſſen nun die großen weißen Blätter als einen gefärbten Kelch auf, die erwähnten Füllhörner dagegen als röhrenförmige Blumenblätter, andere nennen letztere Honiggefäße (Nektarinen). Reich an Honig ſind bei vielen Blumen die ſackartigen Ausweitungen gewiſſer Blüten— blätter, desgleichen die Spornen, bei manchen Li— lien die Falten am Grunde der Blumenblätter. Das unterſte, gewöhnlich auffallend geſtaltete Blüten— blatt der Orchideen iſt Honiglippe getauft worden. So verſchieden aber auch die Theile der Blüte ſein mögen, an denen Honigausſcheidungen erfol— gen, jo findet ſich der ſüße Saft doch bei allen: Blumen an der Spite der Stempel, an der Narbe, und bier fpringt auch fofort die Bedeutung in die Augen, welde ev für das Leben des Gewächſes jelbft fpielt. Er dient zur Ernährung des Pollens. Wir haben im vorigen Abfchnitt bereits be— merft, daß in den Fächern der Staubbeutel fich die Blütenſtäubchen, die Pollenförner erzeugen, ge= wöhnlich je 4 in einer Mutterzelle. Bei den meiften Gewächſen wird hierbei die, Haut der Mutterzelle völlig rejorbirt und die Stäubchen treten einzeln aus dem geöffneten Staubbeutel ins Freie. Bei / manden Yamilien bleiben bejtimmte Gruppen von Pollenfärndhen unter einander verbunden, ja bei Orchideen und Asflepiadeen bildet der ganze Blü- tenftaub eines Faches eine zufammenhängende Maffe, bei erſterer Yamilie noch durch einen Stiel mit derjenigen des benachbarten Faches verklebt. Jedes Pollenförnhen hat eine Außenhaut von E — meiſt feſter Beſchaffenheit, welche dem kleinen Weſen — A RR troß jeiner unbeveutenden Dimenfionen doch eine ziemliche Widerſtandsfähigkeit verleiht. Dieſe Außenhaut ift je nach den Fa- milien mit vielerlei Erhebungen, Streifen, Fortſätzen u. dgl. verfehen und ge- währt, unter dem Bergrößerungsglas gefehen, oft überrafchende Figuren. Die Größe der einzelnen Körnchen iſt nad den Gattungen verjchieden, bei einigen Gewächfen ift der Durchmeſſer der Stänbchen 12mal größer als bei andern. In der Außenhaut find bei vielen Pollen eine beftimmte Anzahl Deffnungen, bei einigen verfelben find dieſe wieder mit Klappen geſchloſſen. Unter der äußeren Haut liegt eine innere von zarterer Bejchaffenheit und ber ‚152 Honig, Zuder und Wade. übrige Raum ift von einer Flüffigfeit ausgefüllt, in welcher vielerlei Stoffe gemischt find, theils körniges oder aufgelöftes Pflanzeneimweiß, theils Stärfe- mehl, Zuder, Deltröpfchen u. |. mw. Soll aus den Pollenfürnhen etwas weiteres werden, jo mäflen fie mit den Samenfnospen in Berührung fommen, durch ihre Bereinigung mit leß- tern jelbige befruchten und bierdurd) den Anlaß zur Bildung eines Keim- pflänzhens geben. Das unmittelbare Zufammentreten der Pollenförner und Samenfnospen ift aber nur bei den nadtjamigen Gewächſen (Nadelhölzern, ; Cycadeen, Miftel) möglich; bei ven verhülltfamigen müſſen die Pollen- ſtäubchen auf die Narbe des Frudt- knotens gelangen und hier ift e8 nun, wo fie dur‘ die erwähnte Ausjchei- ) dung von Honig, gemifcht mit Flebrigen Stoffen, feitgehalten und gleichzeitig ernährt werden. Der Honigjaft der Narbe ift die erfte Speife der jungen Pflanzen, wenn man uns leßtere Be- zeihnung für die Pollenzellen erlauben AN will. Durd) ihn genährt, beginnt der \ Inhalt des Polens thätig zu werden. / Er entwidelt, teogdem daß oft meh- rere Yöcher zum Austreten vorhanden find, doch gewöhnlid nur einen Schlauch, einen mikroſkopiſch dünnen, fadenartigen Körper, der jeinen Weg in der Röhre des Staubmegs entlang bi8 zu den im Innern des Frucht— fnotens liegenden Samenfnospen ſucht. Jener Weg von der Narbe bis zum Knospenmund wird gewöhnlich) Schwarze Nießwurz; links einige Theile der Blüte: in 2 bi8 7 Tagen von dem Pollen- a. die Stempel, b. ein Staubgefäß, e. ein jogenanntes ſchlauche zurückgelegt, bei einigen Pflan⸗ Honiggefaß. zen aber ſind dazu Monate erforder— lich, bei Wachholder und Tannen gelangt der Pollen ſogar erſt im nächſten Frühjahr an feinen Beſtimmangsort. Die Länge des Staubwegs kommt hierbei nicht in Betracht, ſondern lediglich die Art des Gewächſes. Wir werden im nächſten Abſchnitt den Verlauf der Befruchtung und die Entwickelung der Frucht näher verfolgen und verweilen zunächſt nur bei dem Honig, ſo wie den verwandten Zuckerſäften und dem Wachs. Das Ineinandergreifen des Thierreichs und Pflanzenreichs wurde bereits angedeutet, als wir die Aushauchung der Blätter, das Ausathmen des Sauer— ſtoffs durch Die Gewächſe erwähnten. Einen verwandten Kreislauf der Stoffe Uebertragung der Pollenförner. Honiginſekten. 153 fönnte man darin finden, daß die Pflanze die unorganifhen Stoffe in Formen und Verbindungen überführt, welche dem thierifchen Körper aſſimilirbar find, während theild die von dem Thier ausgefchiedenen Kefte, theils das ver— wejende TIhier jelbft wieder dur Humusbildung eine Orundlage für das Ge— deihen beftimmter Gewächsgruppen bietet. Die füßen Erzeugnifje der Blumen und die bei der Befruchtung der Blüten auftretenden VBerhältniffe bilden eine neue Seite jener Wechjelbeziehungen, welche wegen ihrer Lieblichkeit zum Ge- genjtand vieljeitiger Betrachtungen geworben ift. Bei vielen Gewächſen wird. das Uebertragen des Polens auf die Narbe durch die Stellung der Staubgefäße in der Nähe des Stempels erleichtert, ſehr viele Fälle finden ſich aber, wo aud bei Zwitterblüten die Entwidelung der Befruhtungsorgane in verjchiedenen Zeiträumen ftattfindet, jo daß der Pollen zur Betäubung aus einer andern Blüte des Gewächſes nöthig wird. Solche Uebertragung ift natürlic auch bei den zahlreichen Gewächſen Erforderniß, bei denen Staubgefäße und Stempel auf verſchiedenen Indivi— duen erzeugt werben, die nicht felten ziemlich getrennt won einander vorkom— men. Die Araber holen die Pollenblüten der männlichen Datteln nicht felten von ziemlich entlegenen Punkten, ja fie bewahren fie von einem Jahre zum andern auf, und fteden ſorgſam Stückchen des männlichen Blütenftandes an die weiblihe Traube, um eine Fruchterzeugung herbeizuführen. Der Wind trägt fürmlihe Wolfen von gelben Pollen aus den Nadelholzwaldungen und von blühenden Weidengebüfchen als befruchtende Glemente weiter. Wenn hierbei aud) Hunderttaufende der Stäubchen zu Grunde gehen, jo gelangen doch noch hinreichend viele zu den Samenfnospen. Bei nit wenigen Ge— wächſen aber ift eine Uebertragung des Vollens zur Narbe der Beihilfe‘ von Inſekten, vorzüglich rauhhaarigen Fliegen, Bienen und Hummeln überlafjen, die ihrerfeits durch den reihlihen Honig, auch durch den Blütenftaub und die harzigen Subjtanzen angelodt werden. Um Futter fir die junge Brut zu bereiten, ſammeln die Bienen den Pollen und tragen ihn als fogenannte Höshen nad) den Stöden; den Honig ledfen fie auf, füllen damit ven Bormagen an und jpeihern ihn daheim in den Wachszellen auf. Bon manden Gewächſen gewinnen die fleißigen Thiere niemals Blütenftaub; zu diefen gehören alle jene Pflanzen, melde, wie bie Orchideen und Asklepiadeen, ihren Pollen zu Klumpen verfhmolzen haben, eben jo die, welche nur fleine Duantitäten erzeugen, oder bei denen er fid) nicht ballt. Dies hindert aber nicht, daß auch bei vielen diefer Gewächſe der Pollen am haarigen Körper der Inſekten hängen bleibt und, während das Thier nad) Honig fuht, an der Narbe abgeftrihen wird. Die Befruchtung des Dfterluzei wird durch eine bejondere Fliegenart ermögliht, welde durd) die enge Köhre der Blume in den innern weitern Raum der lettern kriecht, um zu dem bier befindlihen Honig zu gelangen. Die erwähnte Röhre iſt aber wie eine Maufefalle oder Fiſchreuſe durch fteife Haare in der Weife geichloffen, daß das Infekt wohl hinein, aber nicht wieder hinaus fann. Bei 154 Honig, Zuder und Wache. dem unruhigen Umbherflattern in feinem Gefängniß überbringt e8 den Pollen auf die Narbe, und da nad) erfolgter Befruchtung die hinderlihen Haare ihre Spannung verlieren, fo wird dadurd der Ausweg wieder frei. Die Befruchtung des rothen Klees iſt eng an die Mitwirkung der Hum— meln geknüpft. Der Saugrüſſel der Honigbiene iſt zu kurz, um den Honig am Blütengrunde zu erreichen; letzteres iſt nur den Hummeln möglich. Den Hummelneſtern ſtellen aber die Feldmäuſe gern nach, letztern wieder die Katzen, ſo daß die reichlichere Befruchtung des Klees in einer Gegend ſchließlich mit von der Menge der Katzen abhängig ſein kann, die dort vorhanden ſind. Den Honigbienen liefern von den Blütenpflanzen unſerer Hei— mat (ganz Deutſchland gerech— net) etwa 1500 Arten Honig, 850 Arten brauchbaren Pollen und 130 Arten Klebwachs. Da mitunter die Bienen aber auch ſüße thieriſche Säfte auflecken, der eingeſammelte Blumenhonig auch durch den Aufenthalt im Honig— magen der Biene mancherlei Bei- mifhungen aus dem Körper der— jelben erfahren mag, fo ift der >_ Dienenhonig, wie wir ihn zu ge- nießen pflegen, jelten in demſelben Zuftande, wie er fid) in den Blu— men befand. Hauptmagazine des Honigs für unfere Bienen find Weiden, Kirſchblüten, Apfelblüten und Raps, auch Kornblumen und Platterbſen; reichlichen Pollen lie— fern ihnen die Nadelhölzer, Pap— ' peln, Hafeln,. Erlen, der Wege- Sliegenfangendes Hundsgift. rich, Mohn u. |. w. —— — ) Die ſüße Koſt iſt für Bienen, Fliegen und Schmetterlinge nicht ohne Gefahr; denn gerade an honigreichen Blüten lauern räuberiſche In— ſekten in gleicher Weiſe, wie die größeren Katzenarten an den Quellen den grasfreſſenden Säugethieren und dem Gevögel auflauern. Spinnen von ähn- licher Färbung wie manche Blumenfronen liegen zum Wange bereit, Raub— fliegen und Libellen fummen über den Blüten, nad) Beute fpähend. Seltener find die Fälle, in denen den Inſekten durch die Blumen felbjt Gefahr droht. Die großen Trichterblüten unferer Winden fliegen ſich zumeilen, ehe das | Honigblume. Agave. Honigvögel. 155 in ihrem Grunde ſchmaußende Infekt ven Rückzug angetreten hat, und das fliegen- fangende Hundsgift Amerifa’8 (Apocynum androsaefolium) klemmt mit feinen veizbaren Blumenfronen das einfriechende Thier nicht jelten in ähnlicher Weife feft, wie wir dies bei den Blättern der fogenannten Fliegenfalle erwähnten. Manche Blumen erzeugen eine befonders große Menge von Honig. So it am Kap der guten Hoffnung die Sonigblumte (Melianthus major) nad) diefer Eigenthünilichkeit befonders genannt worden. Die holländiihen Bauern nennen jene Pflanze „Kräutchen: Rühr mid) nicht an!“ da bei einer Be— rührung der Blütentraube eine reichliche Menge von Honigtropfen herabfallen. Die Hottentotten fammeln lettere auf untergehaltenen Blättern zur Lederei. Durch Honigreihthum ift auch die amerifanifhe Agave berühmt. Der Bo- tanifer Ballisnert bildete vor 150 Jahren bei diefer Pflanze einen fürmlichen Regen von Honiytropfen ab, und wenn in Wirflichfeit die Sache aud nicht jo arg ift, jo fann man doch von einem Fräftigen blühenden Eremplar der Agave täglich mehrere Unzen Nektar ſammeln. Die reichlichere oder geringere Menge deſſelben hängt von denfelben Bedingungen ab, melde überhaupt bei der Entwidelung der Gewächſe als Hauptfaftoren wirken, vorzüglich won Der Wärme. Bei niedriger Temperatur, bei trüben Wetter und Negen ift aud) die Erzeugung des Honigs eine geringere. Eine befondere Bedeutung folder Honigmengen für das Gewächs ſelbſt hat man bis jetzt noch nicht nachweiſen können; ſie erſcheinen mehr als ein Ueberſchuß von Saft, der bei dem gewal— tigen Treiben bes Blütenftandes erzeugt wird und welcher der Erſchöpfung des ganzen Individuums vorangeht. Um jo wichtiger werden die Honigreihen Blüten für zahlreiche Bögel, die innerhalb warmer Klimate vorzugsweife auf Honignahrung angemwiejen find. In mehreren hundert Arten ift das Gefchleht der Kolibri über Ame— vifa verbreitet, von der Halbinfel Aljasfa an bis herab nah Patagonıien. Afrifa hat an feiner Südſpitze, Ajien in feinem wärmern Theile eine eben- falls zahlveihe Menge von Honigvögeln, wie die amerifanifhen durch Far— benpradt berühmt, "die lettern aber dadurch übertreffend, daß fie angenehm zu fingen vermögen. Unter den neuholländifhen Honigfreſſern findet fich fogar eine Papageyenart (Loris) mit büfchelfürmig zerfchligter Zunge. Die Eriftenz folder Honigvögel ift nur in Ländern möglich, in denen während des ganzen Jahres hinreichend blühende Blumen vorhanden find, obſchon in Afrika ſowol wie in Auftralien auch jene ſüßſchmeckenden, mannaähnlichen Ausſchwitzungen mit verzehrt werden, die fi auf Blättern und Zweigen mancher Bäume finden. So erwähnt Livingſtone eine Art Bauhinia im In— nern Südafrika's, von den Eingebornen Mobane genannt, deren Blätter einen folhen Honigüberzug haben. Es foll derſelbe mit durch eine Inſektenart (Psylla) bewirft werden, ähnlich wie beim PENRDS unferer Gewächſe aud) Blattläufe mit thätig find. Sp wie man die gebogenen Schnäbel mander Kolibri⸗Arten als beſon ders für das Eindringen in beſtimmte gebogene Röhren (Bignonien) con— 156 Honig, Zucder und Wade. ſtruirt betrachten möchte, jo hat man umgefehrt auch die Anficht aufgeftellt, daß die Inſekten durch die lebhaften Färbungen der Blumen und vorzugs- weife wieder durch auffallende Streifen und Punftreihen nad) dem füßen Schmauße geleitet würden, und jenen Farbenzeihnungen deshalb den Namen Saftmale oder Honigmale gegeben. In der Fabel läßt zwar der Dichter die Biene der Gärtnerin jagen: fie entnehme aus den Blumen nur den Honig und lafje das Gift zurüd, — in Wirklichfeit verhält e8 fid) aber anders. Der von Beifußgewächfen und ähnlichen bittern Steppenfräutern gefanmelte Honig wird ſchon durch jeinen bittern Bei— geſchmack unangenehm, folder von Hahnen- fußgewächlen zeigt ſich aber ſcharf, ja ge- vadezu giftig, für die Inſekten zwar nicht, wohl aber für den Menjhen. Am Kap der guten Hoffnung verwendet man ben Honig vielfach zur DBereitung eines berau- ſchenden Getränks, lebteres kann aber ge- vadezu in feinen Wirkungen gefährlid wer- den, wenn der Honig aus Thälern ftammt, die vorzugsweiſe mit fcharfgiftigen Gewäch— jen beftanden find. Xenophon erzählt bei jeinem Küdzug, daß mehrere feiner Krieger in Folge von Honiggenuß von einem zeit weiſen Wahnfinn befallen worden wären und Bergiftungsiymptome gezeigt hätten. Aller Wahrfcheinlichfeit nad) ftammte jener tiihen Alpenröshen (Azalea pontica), das giftige Eigenſchaften beſitzt. In den beut- Ihen Alpen weiß man ebenfall$ von meh— reren Fällen, daß Schnitter durch Honig (von Hummeln) fid) vergiftet haben, und vermuthet, daß derſelbe von dem Eifenhut herrühren mochte, der in Gebirgsgegenden häufig ſteht und jeher giftig wirft, So fürdtet man in Siüdamerifa den Honig der Lecheguana-Wespe wegen einer giftigen Eigenfchaften. Man bezeichnet dajelbft Arten der Paullinia (P. austra- lis, pinnata), Magonia pubescens, Serjania lethalis al8 die Gewächſe, von denen jenes Thier das Gift fammeln möge, Der Borliebe mancher größerer Thiere, 3. B. des Meifter Braun und Keinefe Fuchs, für Honigkoſt ift befannt, eben fo die verſchiedenen Piften, melche die Räuber anwenden, um fid) vor den Stadheln der Räder zu fhüten. Die Bewohner des Kaplandes find voll von Erzählungen vom Honigfuduf, welcher N Wolfshut. Eifenhut (Aconitum Napellus). Honig von dem in Kleinafien häufigen pon= u —3 Honigbär. Honigzuder. 157 dem Jäger den Weg zu ven milden Bienenftöden zeige, damit er bei der Plünderung derſelben einen Antheil erhalte In Südamerika Lebt ver fo- genannte Honigbär, ein ſchlankes Thier mit langer dünner Zunge und fuchs- ähnlichem Kopfe, vorzugsweiſe vom Honig. Im ganzen Innern Afrifa’s, in dem man trotz des günftigen Bodens das Zuderrohr nicht baut, bedient man fidy des Bienenhonigs in ausgedehn- tefter Weife und fammelt eben fowol den wilden Honig, wie man zahlreiche Bienen in der Nähe ver Wohnungen hegt. Die Bewohner des mittlern Niger, die Sonrhai, mit denen in alten Zeiten die Aegypter in lebhaften Handels— verfehr geftanden zu haben fcheinen, balfamiren fogar nod) jest die Leichname Bornehmer in Honig ein. Auf den Sunda-Infeln bildet das Einfammeln des Honigs die ausſchließliche Beihäftigung beſonderer mwagehalfiger Perfonen, die an den Stämmen der Baumriefen hinauf aus Bambusrohrftüden und Rotang eine Art halsbrechender Leitern anfertigen, auf denen gelegentlic) aud) die Bären als Concurrenten emporfteigen follen. In unferer Heimat gehörte ehedem der Honig zu den unentbehrlidhen Erfordernifjen einer guten Küche. Er wurde allenthalben da angewendet, wo heutzutage der Zuder benußt wird. Mit ihm wurde der Morgentrant aus jelbjtgebrautem hopfenlofen Bier verfüßt, mit ihm das Feſttagsgebäck, das noch bis auf die Gegenwart in Geftalt von Honigfuchen ſich erhalten hat. Gegenwärtig ift er vom Zuder in den meilten Fällen verdrängt worden und findet jeine ftärffte Verwendung noch beim Konditor und Apotheker. Wird der Honig längere Zeit aufbewahrt, jo bilden ſich in ihm kleine kryſtalliniſche Körner aus Zucker, die man leicht von dem noch flüſſigen Honig durch Auspreſſen durch Leinwand entfernen kann. Dieſer Honigzucker hat ganz ähnliche Beſchaffenheit wie jener Zucker, der in den getrockneten Beeren des Weins, den Roſinen, ſich vorfindet und den man als Traubenzucker be⸗ zeichnet. AÄehnlich iſt auch der Zucker in den ſüßen Obftarten. Hier iſt er meiſt mit mancherlei Säuren gemiſcht, und verleiht den Früchten den ange— nehmen Geſchmack. Die Chemie hat gelehrt, ſolchen Zucker (Krümelzuder) aud) aus andern Pflanzenftoffen künſtlich zu erzeugen. Kocht man Stärfemehl mit Waffer und einem Zufag von verbünnter Schwefelfäure, jo verwandelt es fih in eine ſüßſchmeckende Maſſe, welhe Krümelzuder enthält. Da man durch dafielbe Mittel auch eine Ummandelung der aus gleichen Grundftoffen zufammengefetten Pflanzenfafern in Stärfemehl bewirken kann, fo ift eg möglid) geworden, Zuder fogar aus Baumwollenzeugen, Papier und Yeinwandlumpen, ja jogar aus Sägeſpähnen zu fabriziven. Aus Kartoffelftärfe und ähnlichen Stoffen wird auch wirflich der Krümelzuder im Großen dargeftellt und vor- zugsmeife von den franzöfifchen Konditoren, Weinfabrifanten, Branntwein- brennern, daneben aber auch zur Verfälfhung von Rohrzuder benubt. Jene chemiſchen Prozeſſe werfen gleichzeitig einiges Licht auf die Vor— gänge, welche bei der Zuckerbildung und Honigerzeugung im Innern des Pflanzenkörpers ſtatthaben. Es findet in den Gewächſen eine fortgehende 158 Honig, Zuder und Wachs. Umwandelung jener Subftanzen ftatt, die eine verwandte Zufammenjegung aus Waffer und Kohlenftoff (Kohlenhydrate) zeigen, Beim Keimungsprozeß mehlhaltiger Samen, Getreive, Bohnen, Erbjen u. |. w. wird die Gtärfe ebenfalls in ſüßſchmeckende Zuderlöfung übergeführt, ein Prozeß, auf den der Bierbrauer die Erzeugung des ſüßen Malzes gründet, und den die Ja- paner aud für ihre Küche in ausgedehnter Weife benutt haben, da bei ihnen der Zucker zu den Koftbarfeiten gehört. Sie lafjen befonders Bohnenjamen feinen und dörren dann diefelben, um fie zu Gemüſe zu verjpeifen. Bei fortfchreitendem Wachsthum findet im Pflanzenförper eine Umwan— delung der Zuderjäfte in Stärfemehl, Pflanzenfafer, Holzfteff u. j. w. ftatt. Es muß deshalb bei den Gewächſen, die man auf Zuder benugen will, mit Sorgfalt der Zeitpunft wahrgenommen werden, in weldem fie vie größte Menge Zuder enthalten. Der Hauptlieferant unſers gebräuchlichen Zuders iſt befanntlich das Zuderrohr (Saccharum officinarum), das in Dftindien feine urjprüngliche Heimat hat. Ueber Arabien ward dafjelbe nad) Sizilien durch die Araber übergefiedelt, von hier fol e8 nad) der Süpfüfte Spaniens, dann nad) Ma— deira und ſchließlich nach Amerifa gebracht worden fein, von wo wir gegen- wärtig den meiften Kohrzuder erhalten. Den Alten der klaſſiſchen Zeit war der Zuder in feiter fryftallinifcher Geftalt unbefannt, eben jo unbefannt war er nody im Mittelalter in Europa. Die erfte Anwendung, die man vom Zuderrohr machte, war diefelbe, die noch jeßt in den Ländern mit Rohr— plantagen gebräuchliche: man jaugte den ſüßen marfigen Inhalt des Rohres aus, nachdem man die harte Schale befeitigt. Das Zuderrohr erreicht dop— pelte Mannshöhe, hat dabei Halme von drei Finger Stärke und feine Glie- derftücen zwifhen den Knoten find ungefähr jpannenlang. Es verändert feine innere Beihaffenheit je nah dem Alter. Im jungem Zuftande enthält es wenig oder feinen ZJuder, in zu altem auch nicht. Nicht lange vor dem Eintritt der Blütenentwidelung ift der Gehalt an ſüßem Saft am ftärfften. Man erkennt diefen Zeitpunkt gemöhnlid daran, daß das Rohr den Eindruck des Fingernagels annimmt. Die untern Blätter des Halmes find dann be- reits abgeftorben, nur die obern ftehen noch als eine zweizeilige Krone und in ihrer Mitte bereitet fi die Entwidelung der 2—3 Fuß langen Binten- rispe vor. Läßt man legtere fich entfalten, jo verſchwindet der Zudergehalt bedeutend. In gut gehaltenen Plantagen wird man deshalb jelten einen blühenden Halm antreffen. Das Mark des Rohrs beſitzt zur Zeit der fogenannten Neife einen höchſt angenehmen Geſchmack, neben der reinen Süßigkeit des Zuckers noch ein lieb— liches Aroma. Man bringt in ſüdlichen Städten ganze Schiffsladungen von Rohrſtücken zu Markte und ſieht daſelbſt die Kinder faſt ſtets mit einem Rohr— ſtück in der Hand herumlaufen. Da der urſprüngliche Saft gleichzeitig an— ſehnliche Quantitäten Pflanzeneiweiß enthält, ſo iſt er auch nährend, und die Arbeiter in den Plantagen ſollen durch den reichlichen Genuß deſſelben zur u eier Behandlung des Zuderrohrs. 159 Erntezeit mwohlbeleibt werden. Der aus dem Nohre gewonnene Syrupjaft war die im Mittelalter gebräuchliche Form, in welder man mit dem Zuder zunächſt Befanntihaft machte. Man verfchiete venjelben in Büchſen und gab ihm durch beigemengte Pflanzenfäfte violette, vojenrothe und andere Färbungen. Erft viel ſpäter kam der Zuder in Pulverforn oder als Zuderbrode in den Handel und war fo ausſchließliches Privilegium des Apothelers, daß man mit der Bezeihnung „Apotheker ohne Zuder‘ eine Sadye bezeichnete, welcher das Haupterforderniß fehlte. Zur Anlage von Zuderplantagen wählt man am liebjten Felder, vie wagerecht liegen und fidy gut bewäfjern lafjen. Man hat eine große Anzahl Barietäten des Rohrs durd) die Kultur erzeugt, von denen die eine Sorte beſſer auf diefem, die andere beſſer auf jenem Boden gedeiht. Es gehört zu den Erfordernifjen eines tüchtigen Pflanzers, daß er die für den vorhandenen Boden geeigneten Sorten auszuwählen verjteht. Hat man ven Boden durd) mehrmaliges Kreuz- und Querpflügen gelodert und vom Unfraut gereinigt, jo zieht man regelmäßige Furchen zur Aufnahme der Rohrftüden. Wie ſchon gejagt, enthält die beblätterte Spite des erwachlenen Rohrs ſehr wenig Zuder; man jchneidet fie deshalb bei der Ernte ab, giebt die oberfte Spite mit den Blättern den Ochſen als Futter und benutt die nächitfolgenden Stengelglieder als Stedlinge zur Anlage neuer Plantagen. Dieje Stüden werden in bie Furchen eingelegt, mit Erde bevedt, und müfjen, wenn nicht Regen einfällt, bewäfjert werden. Aus ihnen entwideln fi) neue Halme, die je nady der Kohrforte, dem Standort und der Witterung in 1, —2 Yahren ihre volle Ausbildung erreihen. Je nad) zwei bis drei Monaten muß die Pflanzung von Unfraut gereinigt und die Erde um die Wurzelſtöcke des Rohres an- gehäufelt werden. Zur Zeit der Ernte drängt fi) die Arbeit in hohem Grade zufammen, da man beim Berfäumen des beftimmten Termins anjehnlihe Prozente verliert. Die von den Blättern gereinigten Rohre fommen zur Mühle, welche man in Gemeinſchaft mit dem Siedehaufe am liebſten in der Mitte der Plantage anlegt. Hier wurden fie in der ältern Weiſe zwifchen drei aufrecht ftehenden Walzen, in neuerer Manier von horizontalen Walzen ausgequeticht und dem Saft gewöhnlich fofort etwas Kalkwaſſer zugefegt, um durch Neutralifirung der Säufen und Niederſchlag der Eimweißitoffe die rajch beginnende Gährung zu verhüten. Das übrigbleibende Rohr dient gedörrt als Feuerungsmaterial. Die Siedehäuſer enthalten auf offenen Herden bei der alten Behandlungs- weiſe eine Keihe eingemauerter Kefjel, in denen durch Kochen eine Ausjchei- dung des kryſtalliſirbaren Zuders von den flüſſigen Syruptheilen erzielt wird. Da aber durch eine Erwärmung des Saftes auf 100° C. eine anſehnliche Menge des Nohrzuders in den erwähnten, jchwerfryitallifirbaren Krümel- zuder übergeht und man viel Syrup (Melaſſe) und verhältnigmäßig wenig feften Zuder erhält, auch die Gefahr des Anbrennens leichter eintritt, jo haben die befiern Plantagen in der Neuzeit mit Eifer alle jene Bortheile ergriffen, welche 160 Honig, Zuder und Wade. ihnen die Forfhungen dev Phyſik und Mechanif an die Hand gaben. Man dampft den Saft in luftverdünntem Raume (Bacuumpfannen) ein. Hier geht feine Verdunſtung bei niederen Temperaturgraden und in lebhafterer Weije vor fi. Eben fo wendet man Centrifugalmafchinen an, um die Melafje vom kryſtalliſirten Zuder zu fondern, und hat die Menfchenkräfte zum großen Theil durch Dampfmalchinen erjebt. Der fo erhaltene Rohzuder wird in befondern Fabriken raffinirt, aus den Abfällen Rum deſtillirt. Hierzu benugt man auch Franfe Rohre, die duch ungünftige Witterung oder durch den Bohrfäfer, einen gefährlichen Freund der Pflanzungen, gelitten haben. Schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde durch Markgraf in Berlin darauf aufmerffam gemacht, daß die Wurzel der Runkelrübe reic) an Zuder fei; da aber die erften Berfuche, die man im Großen damit an- ftellte, nicht fofort günftige Nefultate ergaben, jo fam die Sade in Bergefjen- heit, bis zur Zeit ver Napoleonifchen Kontinentalfperre der Preis des indischen Zuders bedeutend ftieg und man ſich nad, Erſatz im Lande felbft umjah. Der Zudergehalt der Runkelrübe ſchwankt fehr und die Herftellung des Fryftalli- firten Zuders hat mit noch mehr Schwierigfeiten zu kämpfen, als dies beim Rohrzuder der Fall ift. Dazu kommt noch, daß der übrigbleibende Syrup viel weniger angenehm ſchmeckt. Die Erzeugung von Rübenzuder wird des— halb nur dur anſehnliche Schußzölle Fünftlic) erhalten. Site wird in Europa auf ungefähr 400 Millionen Pfund gefhätt, alfo auf etwa 7—8 Prozent des auf der ganzen Erde verbraudten Zuders. Die Gejammtprodufttion von Rohrzucker veranfclagt man auf jährlid) gegen 45 Millionen Centner, von denen der größte Theil auf Weft- und Dftindien fommt. Nächſt ver Baum— wolle fpielt der Zuder eine der größten Nollen im Handel, und von den europäiſchen Ländern zeichnet fic) beſonders England durch jtarfen Zuderver- brauch aus. Während in den Zollvereinsftaaten durchſchnittlich 6"/, Pfund . auf den Kopf an jährlihem Zuderverbraud fommen, fann man in England faft das Fünffache auf jede Perſon rechnen. In Kanada und den nördlichen Theilen der Vereinigten Staaten Nord: amerifa’s ftellt man einen fehr hübfchen Zuder aus dem Safte der dort wad)- ſenden Ahorn-Arten her. Es dient hierzu‘jowol der eigentlich fogenannte Zuderahorn (Acer saccharinum), al® auch feine Verwandten (Acer nigrum, Negundo, dasycarpum, rubrum). Die Darftellung jenes Ahornzuders war bereit8 den Indianern vor Ankunft der Weißen befannt nnd wurde bejonders durch die Duäfer in Schwung gebracht, da religiöfe Bedenken fie von der Benusung des Rohrzuders abhielten, indem fie hierdurd) die Sklaverei mittelbar zu befördern fürdhteten. Beim Urbarmachen des Landes lafjen die Anfiedler gewöhnlich eine Gruppe Ahornſtämme ftehen, welde für die Zudererzeugung genügend ift, außerdem finden fid) aud) in den entlegeneren Gegenden ganze Waldungen aus jenen Baumarten, Das Zuderfieden ift in Kanada die Be— ſchäftigung befonderer Leute geworden, welche den Eigenthümern ver Bäume Ahornzucker. Palmzucker. 161 als Entſchädigung gewöhnlich den fünften Theil des Ertrages abzugeben haben. Von jedem Baume rechnet man durchſchnittlich ein Pfund Zucker außer dem ſehr angenehm ſchmeckenden Syrup. Man nimmt an, daß ſich die Menge des gewonnenen Ahornzuckers auf jährlich bis 45 Millionen Pfund belaufen möge, was eine eben ſo große Anzahl Bäume vorausſetzt. Es iſt dies un— gefähr der 125. Theil des Quantums, was man an Rohrzucker erzeugt. Die Arbeiter errichten ſich gewöhnlich Anfangs März mitten unter den Ahorn— plantagen eine Hütte und machen nun in der Umgebung in ſo viel Bäume Einſchnitte, als ſie im Laufe eines Tages zweimal begehen können. Den aus— fließenden Saft kocht man zu Syrup ein und läßt ihn dann in länglich vier— eckigen Formen erſtarren. So erhält man einen meiſt braunen Zucker, der ſich durch einen eigenthümlichen, aber ſehr beliebten Beigeſchmack vom Rohr— zucker unterſcheidet. Bei etwas mehr Sorgfalt würde man den Zucker rein weiß erhalten, der braune iſt aber allgemein beliebter. Eigenthümlich iſt es hierbei, daß der anfänglich ausfließende Saft waſſerähnlich und geſchmacklos iſt und erſt nach ein paar Tagen Süßigkeit zeigt; nach Verlauf jener Zeit erſcheint er auch beim Ausfließen ſogleich ſüß. Der zuletzt auströpfelnde Saft enthält wieder weniger Zucker und erſcheint — Die Gewinnung des Ahorn- zuders iſt jo lohnend, daß z. B. im Thale der Chaudiere zwei bis drei Män— ner während der 2 Monate, in denen die Gewinnung möglid) ift, an 3—5 Tau— jend Pfund Zuder herftellen fünnen. Zu jener Zeit fauft man in Kanada das Pfund Zuder für 21, Sgr., im Winter hat e8 ungefähr den doppelten Preis. Yeider nimmt die Gewinnung dieſes Zuckers in demjelben Grade ab, als der Boden zu andern Zwecken kultivirt wird und’ die Anſiedler vordringen. Die Palmen, wegen der Vielfeitigfeit ihrer Erzeugniffe gepriefen, fehlen auch als Zuückerlieferanten nicht. Schon bei der Betrachtung des Stärfemehls und Sago wiefen wir darauf hin, daß jene Vorrathsſtoffe ji in den Palmen wor dem Entwideln der Blüten anhäufen, um bei der Fruchtbildung verwendet zu werden. So ift aud) die Zudergewinnung hier an das Blühen gefnüpft. Auf Ceylon bindet man die Blütenfcheiden der Kofospalme zufammen, um ihr Entfalten zu unterdrüden, jehneidet dann die Spite ab und Flopft fie etwas. Nach einigen Tagen beginnt hier ein wäßriger Saft auszufließen, der in angebundenen Flafchenkürbiffen aufgefangen wird. Um die beim Pal— menſaft (Toddy) ſchnell eintretende weingeiftige Gährung zu verhüten, legt man in die Gefäße, deren Saft zur Herftellung von Zuder dienen joll, einige Stücken vom Stengel der Allugbaspflanze (Alpinia Allughas) und hält darauf, daß man ftetS neue reine Gefäße hat. Ueber ſchwachem Feuer kocht man den Toddy all- mälig bi8 zur Syrupspdide ein und hat jo den „Palmenhonig“ erhalten, aus welchen bei fortgejegtem Einkochen Palmenzuder ausfryftallifirt. Diefer braune, J Palmenzucker, von den Singhaleſen Jaggery genannt, wird in runde Kuchen geballt, in Bananenblätter eingewickelt und zum Aufbewahren geräuchert. In Bengalen erhält man von der Wald— Dattelpalme (Phoenix el vestris), die in ganz Indien fehr gemein ift, anjehnlihe Mengen Zuder. Der Wagner, Mal, Botanik. II. Bd. +1 * 162 Honig, Zucker und Wachs. Baum wird während der kalten Jahreszeit in der Nähe des Wipfels ange— zapft, indem man in eine eingehauene Kerbe eine Röhre ſteckt und unter dieſer ein Gefäß aufhängt. Die Menge Dattelzucker, die man in jenem Lande durch Eindicken des Saftes erhält, wird auf 1 Mill. Centner veranſchlagt, der Zuder felbft aber ift weniger geſchätzt als der Nohrzuder und fteht deshalb in niedrigerem Preiſe als leßterer. ? | Die Sunda-Infeln haben an ver Gomuti-PBalme (Arenga sacchari- fera) einen vortrefflihen Zuderlieferanten. Die Toddy-Sammler pflegen die neun= bis zehnjährigen Bäume zur Gewinnung des Zuders auszuſuchen und peitichen die fid) eben bildende Blütenjcheide zunächſt einige Tage nad) einander mit einem Stäbchen, um eine größere Saftzuftrömung nad der verlegten Stelle zu veranlaffen. Aus der Wunde, die fie nachmals an der Spite des Blü— tenftandes erzeugen, fliegen täglid 2—3 Quart ſüßlich ſchmeckender Toddy aus, der einen von Gefhmad angenehmen Zuder giebt, den einzigen, welcher bei den Eingebornen der Sunda-Inſeln in Gebrauch ift. Diejer Palmenzuder ift ebenfalls dunfelfarbig und von etwas fettiger Beſchaffenheit. Auch das ſüdliche Amerifa hat einen Zuderlieferanten aus der Familie der Palmen aufzuweifen, die Jubaea spectabilis, die einzige Palmenart, welche Chile zwifhen dem 33% und 35° ©. Br. bewohnt. Um den füßen Miel de palma, Palmenhonig, aus dem Baume zu gewinnen, opfert man freilich hier fhonungslss den ganzen Stamm. Man haut ihn un, entfernt gleicher Weiſe auch die Krone und fängt den eben ausfliegenden Saft in untergeftell- ten Gefäßen auf. Diefer Safterguß halt mehrere Monate hindurch an, be- fonders wenn man täglih die Wundfläche durch Abjchneiven einer dünnen Scheibe erneuert. Eigenthümlich ift die Behauptung der Chilenen, daß man, um reihlihen Saft zu erhalten, die Spiße des Baumes etwas höher legen müſſe al8 das untere Ende; fo befommt man von einem Stamme gegen 360 Duart Saft, den man durch Kochen zur Syrupdide bringt und in dieſer Form in der Küche verbraudt. Die letstgenannten Zuderarten werden meilt in den Gegenden jelbjt ver- braucht, in denen fie erzeugt werden; nur eine geringe Menge Palmenzuder (von Phoenix sylvestris) wird nad England verſchifft. Neinigt man den Palmenzuder von der in ihm vorhandenen Melafje, jo ift er vom Rohrzucker dann nicht zu unterfcheiden. Man ſchätzt die Gefammtmenge des gewonnenen Palmenzuders auf ungefähr 220 Millionen Pfund, alfo auf ein Vierund- zwanzigtheil des Gefammtzuderertrags der Erde. Unbebdeutender ift die Gewinnung von Zuder aus anderweitigen Pflanzen. So verftanden die Mexikaner bereits vor Ankunft ver Spanier aus dem Rohre des Mais Zuder herzujtellen und in einigen Theilen der Vereinigten Staaten, in denen das Zuderrohr nicht mehr gedeiht, der Mais aber gut fortfommt, hat man in neuerer Zeit dafjelbe mit Erfolg wieder verfudht, ja in der Nähe von Touloufe ward vor wenigen Jahren eine Fabrik errichtet, welche Mais— zuder anfertigte. Auch aus Kürbifien tft verſuchsweiſe Zuder gewonnen worden. | | | | _ ll SI IR IN IR un) ; I N HN IR * UN = l | —0 Zuckerbereitung aus der chileniſchen Zuckerpalme (Julaea spectabilis). 7 11* 164 Honig, Zuder und Wade. Im nördlichen China baut man zu demjelben Zwed den Juder-Durrha (Sor- ghum saccharinum), der aud) im Innern Afrifa’s wegen jeines jüßen Saftes weite Verbreitung gefunden hat. An den Ufern des Niger begnügt man fid) mit dem Saft einer einheimiſchen Grasart (Byrgu); man fabrizirt aus ihr eine ſchlechte Art Honig und aus diefem ein noch ſchlechteres Bier. Als Leckerei it unfern Kindern die Wurzel des Süßholzftraudes (Glyeyrrhiza glabra) und der aus derfelben gekochte Saft (Yafrigen) befannt, die beide außerdem auch in der Küche des Apothefers eine Wolle zu jpielen haben. Man baut jenen Strauch vorzugsweile in Südeuropa, 3. B. in Spa- nien, bat ihn aber aud bei Bamberg nody mit Vortheil fultivirt. Mit dem Honig der Bienen gewinnt man ſtets vergejellihaftet das Wachs, das wir hier in fo weit mit erwähnen, als es auch ein Erzeugniß des Ge- wächsreihs ift. Das Bienenwachs ſchwitzt befanntlid an den Bauchringen jener Inſekten aus und wird von legtern in Geſtalt zarter Blättchen abge- nommen und zufammengejegt. Es entiteht im Bienenkörper durch Umman- delung des verzehrten Zuders. Im Pflanzenreich fommt aber das Wachs auch bereits fertig gebildet vor. Wir erwähnten ſchon, dag Wachskügelchen als Träger des Chlorophyll auftreten. So befteht audy der zarte Reif, mit dem zahlreiche Früchte überzogen find, aus winzigen Wachsfügelhen, die muth- maßlich aus einer Metamorphoje der Oberhaut entjtanden und vielleicht Die Frucht vor ſchnellem QTemperaturwechjel zu Ihüsen haben. In China gewinnt man Wachs von Ligustrum luridum, in Japan nad) andern Angaben von Rhus succedanea. Bei erfterm Gewächs ſoll ein Infekt mit thätig jein und durch feinen Stich Wachsausſcheidung herbeiführen. Das japanifche Wachs wird zwar im Lande allgemein zu Sterzen verarbeitet, brennt aber nicht mit jo heller Flamme wie das Bienenwachs. As Wachslieferanten haben fi) vorzüglid einige Arten der Gattung Gagel (Myrica) oder Wachsbeeren Ruf erworben, von denen mehrere Amerika, andere das Kap der guten Hoffnung bewohnen. Sm lettern Gebiete unter- Icheidet man jehs Arten Wachsbeeren (Myrica cordifolia, serrata, querci- folia, brevifolia, Kraussiana, Burmanni), welde alle Wachs erzeugen; am veihlichjten gejchieht dies bei Myrica cordifolia und sergata, welche die Sand— Dünen zwiſchen der Kapftadt und Stellenbofch mafjenhaft beveden und am Kap gern zur Befeſtigung des loſen Flugſandes angepflanzt werden. Jene Ge- wächſe treiben ihren Stamm bi8 60 Fuß lang im Sande fort und erheben ſich nur mit den Zweigen über denjelben gegen zwei big drei Fuß hoch. Das Holz wird wegen feiner außerordentlichen Spröpigfeit von den Holländern Glashout (Glasholz) genannt. Sobald die Früchte des Wachsſtrauchs zu reifen beginnen, ſchmilzt das Wachs zunächft in flüffigem Zuftande aus, erhär- tet aber bald danach zu einem weißlichen Pulver. Unter dem Mikroſkop erſcheint es in Geſtalt Fleiner Schuppen. In feinem chemiſchen Verhalten fümmt e8 mit dem Bienenwachs gänzlid überein, zeigt ſich reich an. Sauer— ftoff und unempfindlid gegen Einwirfung von Säuren. Dabei fpielt aber Balanopboren. Wachspalme. 165 ſeine Färbung mehr ins Grün, es iſt ſchwerer als das thieriſche Wachs, in der Kälte ſpröder und es enthält eine Subſtanz, welche dem Stearin ähnlich iſt und Myricin genannt wird. Mit Alkalien läßt es ſich verſeifen. Man ſammelt die Myrica-Beeren, die ſehr loſe an den Zweigen hängen, in der Zeit vom Mai bis November, kocht ſie in Waſſer aus und macht das gewonnene Wachs durch mehrmaliges Auskochen und Bleichen in der Sonne hellfarbig. Aus je 6—7 Pfund Wachs erhält man gegen I Pfund Wachs. In Nordamerika bewohnt bejonders die fogenannte Candle-berry-myrtle (Myrica cerifera) die Moräfte von Carolina, Birginien und Penniylvanten und verhilft mit ihrem aromatifhen Dufte die unangenehmen Ausdünftungen der Sümpfe. Schon vor den amerifanifchen Freiheitsfriegen wurde das aus jenen Beeren gewonnene Wachs in Geſtalt von Kuchen nad) England gebradt. Neu-Granada in Südamerika befitt in der Myrica caracasana eine. nahe verwandte Art, aus deren Früchten man jährlid mehr als tauſend Centner Wachs gewinnt, das zur Beleuchtung dient. Wie bei ven Wachsbeeren des Kaplandes zerquetſcht man auch hier die reifen Früchte und focht fie aus. Das warme Amerika befist an den Balanophoren auferden noch eine wachsreiche Familie. In dem Zellgewebe dieſer fonderbaren Gewächſe fommt Wachs in ähnlicher Weife vor wie fonft die Stärfemehlförner. Eine Art jener Gruppe (Langsdorffia hypogaea Mart.) liefert in Neu-Granada eine veihlihe Menge Wahs, das man zu Kerzen verarbeitet. In Bogota brennt man den Stengel jener Pflanze, die man Sipo nennt, ſelbſt als Fackel. Im. Tolimagebirge werden fie Belacha genannt. Auf Java erhält man auch von Balanophora elongata Wachs, das in -gleiher Weiſe Berwendung findet. ‘ Das eben erwähnte Tolima- Gebirge Mittel-Amerifa’s iſt die Heimat ver Wachspalme (Ceroxylon Andicola), die eben fowol wegen ihrer anjehn- lichen Stammhöhe als wegen ihres hohen Standortes berühmt geworden ift. Die jhlanfen, fäulenähnlihen Stämme erhalten durch einen mwachsartigen Ueberzug, den fie ausjondern, ein alabafteräßinlihes nobles Anjehn und wer- den von den Eingeborenen behufs der Warhsgewinnung gefällt. Ein Arbeiter vermag im Laufe eines Tages zwei folher Bäume zu fällen und abzufchaben, was ihm eine Ausbente von etwa 50 Pfund Wachs liefert. Man ver- milcht das Palmenwachs mit etwas Talg und formt es zu Lichten. Wenn nicht die Geiftlichfeit jener Yänder Bedenken trüge, die Palmenwachsferzen beim Gottesdienſte zuzulaffen, fo würde aus der Gewinnung jenes Stoffes fich ein bedeutender Induftriezweig entwideln fünnen; jo aber bleibt die Ausbeute nur eine ſehr beſchränkte und man bezieht jtatt deſſen Bienenwachs vom Auslande. Die Nordprovinzen Brafiliens werden in Menge von der Carnaüba (Copernicia cerifera Mart.) bewohnt, einer jehr ſchönen Palmenart, die eben— falls Wachs erzeugt. Es findet fid) als weißes, jchuppiges Pulver an den, jungen Blättern, die man fammelt und ausſchmilzt. Man hat in London Kerzen daraus hergeftellt, die aber ſtets eine gelbe Farbe haben. >= Bereitung des Palmenöls in Guinen. XXI Del- und Seifenlieferanten. Oelbaum. — Afrifanifhes Palmenöl. — Fette Dele. — Speije- und Brennöle. — Europäiſche Delpflanzen. Rüböl. Buchenöl. Leinöl u. j. w. — Aſiatiſche Dele, Kamellie. Seſam, Talgbanm, Ricinus u. a. — Afrikaniſche Oele. Schibutter. Croupi-Oel. Erdnuß. — Kokosöl. — Amerikaniſche Oelpalmen. Cohune. — Phy— ſiologiſche Bedeutung der Oele. Aetheriſche Oele. Uebelriechende Gewächſe. Angenehmriechende Pflanzen, einheimiſche, eingeführte, Geruhstäufhungen. Thee— Parfüm. — Die Wohlgerüche anderer Länder und früherer Völker. — Parfümerie der Gegenwart. — Wohlriechende Hölzer, Rinden, Blätter, Blüten. — Herſtellung der Parfümerien. — Roſenöl. — Künſtliche Parfümirung lebender Blumen. — Künſtliche Wohlgerüche. — Seifenpflanzen. Wenn dann in unſrer engen Zelle Die Lampe freundlich wieder brennt, Dann wird’s in unferm Buſen helle, Im. Herzen, das fid) felber kennt. Goethe. — 2.) DS) Baffern der Sintflut geretteten Menſchen das neuerwachende Leben verkündete, war der Delbaum. Unter dem Schatten des Delbaums und Weinſtocks ungeftört wohnen zu können, war das höchſte irdiſche Glück der Ne erfte Pflanze, welche nady den biblifhen Erzählungen den aus den a — Dlivenbaum. 167 Alten; im Heiligthume der Athene grünte die Dlive ald Wahrzeichen; zu den alten Stämmen in Gethjemane am Delberge bei Jeruſalem wallt noch in der Gegenwart der driftlihe Pilger. Der gefüllte Oelkrug war das nächſte Erforderniß der Alten neben dem Mehlfaß, und jo wie das Del ein allge- meines Lebensbedürfniß geworden war, diente ed gleichzeitig beit Salbungen der Volfshäupter als feierlihes Symbol. Die Dfive und ihr Del waren mit dem Leben der Völker am Mittelmeer eng verflohten; mit beiden ver- fnüpften fih die Mythen vom Anfievdeln an feften Wohnplägen, von ven erften Anfängen der Volfsfultur, — wie der reichliche Gebraudy der duften- den ätherifchen Dele auf der andern Seite wiederum die höchſten Stufen R ber Ueppigfeit und Ueberfeinerung N bezeichnete. > Der Dlivenbaum (Olea eu- N ropaea) jcheint in Kleinaſie nd —. hl, ı Süpoflenropa urfprünglich einheimith EN „u gewejen zu jein und gedeiht gegen- \S- EM wärtig bei mäßiger Pflege rings um dag Mittelmeer bis zum Fuß der Alpen und an die Abhänge des Atlas, an welchen leßtern einige verwandte Arten noch jet wild vorfommen. In feiner wilden Form er ift dornig, ähn— lic) wie unfere Schlehen und Holzapfel, und feine Früchte find unbraudbar; die gepflegte Form ähnelt durd das graugrüne länglihe Blatt unferen Weiden und bildet bei feiner trodnen Beſchaffenheit, die e8 befähigt win— tergrün zu bleiben, gerade feinen be— fonders ſchönen Baumſchlag, trotzdem daß es zum Symbol des Friedens geworden iſt. Im November und Dezember iſt die Erntezeit der Oliven. Sind. die Früchte nicht hinlänglich reif, jo erhält das aus ihnen gewonnene Del einen unangenehmen jcharfen Beigefhmad; find fie zu reif, jo wird das Del zwar jehr fett und fein, verdirbt aber zu leicht, Noch ſpäter beginnen die Früchte auf dem Baume felbft zu faulen. — — Zu den feinſten Sorten des Olivenöls pflückt man die faſt reifen Früchte mit der Hand; bei der größern Haupternte, bei der man ein geringeres Pro— dukt im Auge hat, ſchlägt man ſie mit Stangen von den Bäumen. Die feinſte Sorte Olivenöl erhält man dann, wenn man die geſammelten Früchte bei gewöhnlicher Temperatur einem gelinden Druck ausſetzt. Wendet man Blüten- und Fruchtzweig des Oelbaumes. 168 Oel- und Seifenlieferanten. einen ftarfern Drud an, jo befommt man Die gewöhnlichere Sorte, und wenn man Die Dliven, bei denen ſich bereits der Anfang einer Gährung ein- - geftellt hat, in Gemeinjchaft mit den von den vorigen Gerinnungsweifen zu= rückgebliebenen Treftern mit Waller kocht und einer jharfen Preſſe ausjegt, jo erhält man die geringite Qualität, die durch Schleimftoffe ſtärker ver- unreinigt ift. Die beffern Sorten werden in den Heimatsländern der Dlive allgemein als Erfas für die Kuhbutter verwendet, zu ähnlichem Bedarf aud nad) andern Gegenden verfendet und die geringern Sorten zu vielerlei techniſchen Zmeden, zum Einfalben der Wolle, Schmieren der Maſchinen, zum Türkiſchrothfärben u. |. w. benutzt. Das Del der Olive ıft in dem Fructfleiich der Steinfrucht enthalten. In dieſer Hinſicht ſtimmt mit ihm das Palmenöl überein, das neuerdings in großen Mengen von der weſtafrikaniſchen Küſte ausgeführt wird. Die Neger jenes Gebietes ſammeln die Früchte der Delpalme (Elais), kochen die- jelben in Waffergefäßen aus und fchöpfen das nben aufſchwimmende Del ab, um es in Kalebafjen aufzubewahren. Friſch ſoll es einen jehr angenehmen, veilhenartigen Geruch und Geſchmack befigen und fich eben jo gut zum Ver— jpeijen wie zum PVerbrennen eignen. Aus den Früchten junger Delpalmen kochen die Neger eine Palmenfuppe, die, wenn fie frei von andern Zuthaten iit, ganz leidlich ſchmecken joll. Da das Palmenöl ſehr leicht ranzig wird und in diefem Zuftande oft bereitS beim Anfauf ift, jo wußte man ehedem nichts mit ihm anzufangen, obihon man es längft fannte. Nachdem man aber gelernt hat, aus diejem Dele Stearin zu erzeugen, den man mit Bortheil zur Fabrikation von Kerzen verwendet, hat ſich die Nachfrage danach in furzer Zeit jo geiteigert, daß man innerhalb eines „Jahres in England 500,000 Centner daven einführte, Gleichzeitig knüpften fid) die Hoffnungen der Bhilanthropen in ausgedehnterer Weiſe daran. Man hoffte durch den für beide Theile gleich gemwinnreichen Handel — die Engländer zahlen dabei vorzugsweiſe mit Manufakturen — dem Sflavenhandel ein erfolgreicheres Gegengewicht entgegen ——— zu können, als dies die Kriegsſchiffe bisher vermochten. Die Früchte der Oelpalme haben entweder eine —— oder gelbe Farbe. Eine zweite Art derjelben Gattung, ebenfalls ölhaltig, bewohnt das wärmere Amerifa (Elais melanococca), ift aber bis jet noch wenig aus- gebentet worden. Selten iſt eine Pflanzenfamilie gänzlic) frei von Spuren an Del, größere Mengen diefes Stoffes finden ſich aber nur in wenigen Fällen im dem Frucht: fleifche, wie dies bei den eben bejprochenen Arten der Fall ift; häufiger ift das Del in den Samenlappen oder im Eiweiß der Samenferne aufgejpeichert. Letzteres findet ji) oft in den Samen ver Amygdaleen Mandeln), Crueiferen (Raps, Rübſen). In vielen Pflanzen feinen die fetten Dele die Stärfe- mehlförner zu erſetzen; fie bilden fih aus einer Umwandelung der andermei- Palınenöl, Fette Dele, 169 tigen in den Zellen vorhandenen Stoffe und gehen ebenfalls wieter beim Keimen in diefelben über. Die Chemie bezeichnet fie als zuſammengeſetzte Oelbäume. Stoffe, die aus der Verbindung einer Fettſäure (Elain, Stearin) mit einer Fettbaſis (Glycerin) entſtanden ſind. 170 Del- und Seifenlieferanten. Wie fid) beim Bewohner der wärmern Zone an das Dlivenöl und andre Speifeöle die Borftellungen von den Segnungen des Friedens, von Schmau- jereien und Ueberfluß fnüpfen, fo gemahnt den Nordländer Del dagegen als Brennmaterial an den traulichen ‚Kreis, der fih am langen Winterabend um die helle Lampe verfammelt. Die Gewächſe, welche die bei uns gebräud)- lichen Brennöle liefern, gehören faft ausfchlieglid der Familie der Kreuz- blumen an; Dele von andern Pflanzen bilden nur. unbedeutende Ausnahmen. Reich an Delpflanzen ift jene Gattung, zu welcher auch der als Gemüſe be- fannte Kohl gehört, das Genus Brassica. Die vorzüglichſten Spielarten unfrer Heimat find der Sommerrübjen (Brassica praecox), der Winterrübfen (Brassica napus oleifera) und der Kohlraps (Brassica campestris oleifera). Weniger häufig baut man den Leindotter (Camelina sativa) al8 Delfrucht, nur einzeln die zu den Vereinsblütlern gehörige Del-Madie (Madia sativa). Die jungen, zu dicht ftehenden Rapspflänzchen geben einen frefjenähnlichen Salat ab, und faum beginnt das Jahr ſich milder zur zeigen, jo treiben raſch die blütenreihen Stengel der Rübſen- und Napspflanzungen empor. Die weite Flur erfcheint bevect ‚mit hell goldgelb leuchtenden Flecken der blühen- den Delpflanzen, Weithin trägt der Wind ven ftarfen Geruch, wie eine. lebendige Wolfe ſchwärmt und fummt ein Heer Infelten über dem welligen Blumenmeere, das überreid an Blütenftaub und Honig tft. Hat die Delpflanzung ſich von den Schäden, die der Winter ihr zuge= fügt, hinreihend erholen fünnen, ift fie den Gefahren, melde ihr vorzugsweiſe durch Flohfäfer und ähnliche Saatverderber drohen, glüdlih entgangen, fo reifen auch bald die langen Schoten, die in einer Traube längs des Sten- gels ftehen. Beſondre Borficht erfordert bei ihnen die Ernte, wenn nicht durch Aufipringen der Kapſeln ein anfehnlicher Körnerverluft herbeigeführt werden fol. -Sind endlich die Fleinen braunſchaligen Samen von den Scho— tenflappen gefondert, die noch ein leidliches Viehfutter abgeben, jo wandern jie zur Delmühle, um dort zermalmt und ausgepreßt zu werden. Das Zer- ftampfen gejchieht entweder mitteljt ſchwerer Stämpel, die eine Daumenwelle hebt, oder befjer unter ſenkrechten, um eine ebenfalls jenfrechte Säule fich bewegenden Mühlfteinen. Das Ausprefien wird entweder zwijchen Tüchern aus Roßhaaren, die man durch Keile zufammentreibt, oder mit Zuhülfenahme von hydrauliſchen Preſſen bewerfftelligt. Da dem jo gewonnenen Oele gleich— zeitig ziemliche Mengen jchleimiger, eimeißhaltiger Stoffe beigemengt find, fo wird das rohe Del vor dem Gebraude gewöhnlich erft gereinigt, meift mit Hülfe einer Heinen Quantität. von Schwefelfäure und warmem Waffer. In einzelnen Fällen preßt man bei und aud) wol Del aus den Früch— ten der Rothbuche und aus den Kernen der Walnüffe, häufiger noch aus den Sumenförnern des Mohn, des Lein und in Rußland aus jenen des Hanf. Das Yeinöl ift von befonderer Wichtigkeit durch feine Fähigkeit leicht einzutrodnen; es wird deshalb zur Darftellung von Firniffen und wie das Walnuß- und Hanföl zur Bereitung von Delfarben verwendet. Die beim Kamellie. Sefam. Talgbaum. Rieinusöl. — 1 Auskeltern der Weinbeeren zurückbleibenden, von den Treſtern getrennten Kerne können mit Gewinn auf Oelerzeugung benutzt werden. Das von ihnen erhaltene Oel ſieht hellgelb aus und beſitzt einen ſo angenehmen Geſchmack, daß es wie das Buchöl zur Speiſebereitung ſich eignet. Die Oele, welche man aus ven Samen des ſchwarzen und weißen Senf erhält, find zu ähn— lichen Zmweden dienlid wie das Rüböl. Ste werden eben jo zur Dejtillation des ſcharfen ätherifchen Senföles als zur Seifenbereitung benutzt. China und Japan haben ähnlihe Kohlarten als Delpflanzen (Bras- sica chinensis), außerdem aud) eine Art der befannten Kamellie (Camellia oleifera), die in ausgedehnten Plantagen zu dieſem Zwede gepflegt wird. Cine weite Verbreitung hat in der warmen Zone der alten Welt der Sejam (Sesamum orientale) als Delpflanze gefunden. Das Gewächs hat eine ent- fernte Aehnlichfeit mit unferm Fingerhut und feine Samen, die der Leſer aus den Märchen von Taufend und einer Nacht fennen wird, find jo groß wie Senfjamen. Sie geben ein vorzügliches Speifeöl und werden häufig zur Be— reitung mwohlihmedender Suppen benust. Obſchon man lange bereits den Delgehalt der Samenferne der Baum- wollenpflanze fannte, fo wußte man doch nicht das Del aus ihnen im Großen zu gewinnen und es von den Farbftoffen zu reinigen, die es trüben. Große Maſſen jerer Kerne gingen deshalb jährlich nutzlos verloren und vermejten auf den Düngerhaufen, jo daß ſich England veranlaft fah, einen Preis auf die Pöfung jener Aufgabe zu ſetzen. In den neueften Zeiten jcheint ſolches gelungen zu fein, da fowol von Aegypten und Indien aus, wie aud von Amerifa Baummollenfernöl in den Handel gebracht worden ift. Bon den Baſſia-Bäumen (Bassia longifolia, butyracea) Dftindieng, deren Blüten man als Gemüſe verfpeift, wird aus den Samenfernen auch ein Speiſeöl gewonnen; dafjelbe findet dort aus den Samen von Mimusops elengi jtatt. Das aus letztern erzeugte fette Del eignet ſich auch gut zur Bereitung von Malerfarben. Feſtere Deljtoffe, Pflanzenfette, erhält man in Japan und China vom fogenannten Talgbaum (Stillingia sebifera), defjen Samenferne in eine talgahnlihe Mafje eingebettet jind. Bon ähnlicher fefter Beichaffen- heit ift auch jenes Fett, das von der Vateria indica gewonnen und als jo- genannter Pinientalg zu Kerzen verarbeitet wird, die. vor den Kerzen aus thieriſchem Talg ſich dadurch vortheilhaft auszeichnen, daß fie beim Auslöjchen feinen unangenehmen Gerud verbreiten. Der als Musfatbutter im Handel vorkommende Stoff ift nur in den feltenern Fällen wirklicd, jenes Pflanzenfett, das in den gewürzhaften Mus- fatnüfjen vorhanden ift; meift befteht er nur aus Schmalz, dem man durd) Zufag von Musfate Gerud) und durch Safran die entjprechende Farbe ge- geben hat. Nicht unbedeutend ift für mande Gegend Aſiens die Erzeugung von Ricinusöl, das Produft aus den Samenfernen der Ricinusftaude (Ri- cinus communis). Die bejjere Sorte des Del wird durch Auspreffen in 172 Del- und Seifenlieferanten. der Kälte, eine geringere, mediziniſch aber Fräftigere, durd gleichzeitige Be— nugung der Wärme erhalten. Das Gewächs verräth aud in der Bejchaffen- heit ſeines Deles, daß es zur Familie der fcharfgiftigen Euphorbiaceen gehört; es findet eine ausgedehnte Anwendung als gelindes Abführmittel in der Heil- funde, Die geringern Sorten dagegen eignen ſich noch gut zur Herftellung von Seifen und werden deshalb in Südeuropa bereits haufig erzeugt, eben fo. von Amerifa aus eingeführt. Nicht felten wird das Ricinusöl auch durd) das viel ſchärfer wirkende Crotonöl verfälfht, das von einem Gewächs der- jelben Familie, aber weit bevdenflichern Eigenfchaften jtammt. Spaßhafter Weiſe findet man nicht jel- ten von Reifenden treuherzig die Angabe mitgetheilt, vie ihnen boshafte Araber auf- gebunden haben: das Rici— nusöl fei als Speijeöl vor— trefflic) zu verwenden. Wohl befomm’g! Arabien, Syrien und Weſtindien erzeugen aus den Kernen der Moringa aptera das fogenannte Behen— oder Ben-Del, die Länder des Mittelmeergebietes pro- duciren aud Feine Duanti- Blütenzweig der Ricinusftaude, täten vegetabilifher Dele b. Männliche Blüte. . Männliche Blüte deln und des Lorbeer. Durch einen großen Theil Afrifa’s wird außer dem bereit genannten Del von der Delpalme, das an der Weſtküſte vorherriht, aud) aus dem Samen einer Bafjin (Bassia Parkii) die vielgenannte Schibutter hergeftellt, welche vielfad die meift ihlechte Kuhbutter erſetzt. Weiber und Finder der Neger lejen die von jelbft abgefallenen Früchte der Baſſia gewöhnlich am Morgen von der Erde auf und ſchälen das umgebende Fleiſch von den Kernen ab. Dieſes Fleiſch iſt ſehr für und widerſteht vielen Europäern; es ähnelt im Geſchmack manchen überreifen Birnen. Die ausgefhälten Nüffe haben nod eine harte Scale; um folde zu entfernen, trodnet man die Nüſſe in großen durchlöcherten Thon- fejjeln bei gelindem Teuer. Die Kerne ſchrumpfen dadurch etwas zuſammen, trennen fih von den Schalen und lettere werden ſpröde, fo daß man fie, durd Drehen auf feiten Tennen oder Stampfen in Mörjern entfernen kann. Die gefauberten Kerne zermalmt man entweder in Mörfern oder unter ſchwe— ven Steinen zu einem ſchwarzen Teig, den man zunächſt mit falten Wafler auswäſcht und dann fo lange focht, als die weiße Butter an der Oberfläche a. Weibliche Blüte. aus den Kernen der Man= Croupi-Oel. Erdnuß. Kokospalme. 173 zum Vorſchein kommt. Letztere wird abgeſchäumt. Wenn die Schibutter in ſorgſamer Weiſe bereitet iſt, hat ſie einen guten Geſchmack; in den meiſten Fällen ſchmeckt fie etwas räucherig, hält ſich aber felbft bei hohen Wärme— graden feſt und wird nicht leicht ranzig. Da fie auf die Tonne 5 Po. Et. mehr einbringt als Palmöl und in großen Mengen zugejchafit werden fanın, jo verfpricht fie für die Umgeftaltung der mittel- und weftafrifanishen Han— velsverhältniffe noch eine größere Bedeutung zu erlangen als ſelbſt das Palmöl. ALS ein Del, welches fih zu techniſchen Verwendungen gut eignet, wird neuerdings an der Weſtküſte Afrika’ auch das Croupi-Oel ausgeführt. Es ftammt von den Samen eines Baumes (Carapa Touloucouna) von etwa 20 Fuß Höhe, der in Senegambien häufig wächſt. Die ülhaltigen Samen haben die Größe von Kaftahien und liegen zu 18— 30 in kugeligen großen Kapjelfrüchten ein- geſchloſſen. Nachdem man die Samen ge- trocknet hat, fiedet man fie und nimmt das an der Oberfläche erfcheinende Del ab. Die Eingeborenen verwahren es gewähnlid in hölzernen Gefäßen, die in roher Weife aus dem Pullom oder wilden Baummwollenbaum angefertigt find. — Die Früchte der Erdnuß (Arachis hypogaea) liefern ebenfalls ein reich— liches Del, vorzüglid jene von der bittern Spielart, und werden deshalb in großen Quantitäten ausgeführt. | Auf den Inſeln Auftraliens und des füdlihen Aſiens ift die Kofospalme zum wichtigen Dellieferanten geworden. Die ver- | ſchiedenen Bölferfchaften verfahren bei ber 3 Herjtellung des Deles in etwas abweichender ii — Te Weife, wenden aber ftets Wärme und meiſt ggpripanifge Erbnug (Arachis hypögaen). auch Drud dabei an. Auf Malabar fchnei- den die Eingeborenen die Nußferne in zwei Hälften und trodnen diejelben über gelindem Kohlenfeuer auf einem Gerüft aus Yatten von Palmenholz, um nachher eine ſcharfe Prejje anzuwenden. Die Singhalefen fohen zunächſt die aus ihren Schalen genommenen Kerne eine furze Zeit in Waſſer und zerreiben fie dann erſt im Mörfer, bevor fie dieſelben preſſen. Die aus— fliegende jogenannte Milch wird dann über langfamem Feuer gefoht und das auf der Oberfläche ſich zeigende Del abgefhöpft. Bon 14—15 Nüffen erhält man auf diefe Weife gegen 2 Duart Del. Am bequemften machen es fid) daber die Bewohner der Sandwih-Infeln. Sie reiben zwar zunächſt die Kerne auch, überlaffen e8 aber nachher dem Sonnenſchein, aus dem zu Hau— fen in hohlen Baumſtämmen aufgefchichteten Brei das Del auszudeſtilliren. Aus Löchern im Boden der Gefäße läßt man es in untergeftellte Bambusrohre — 174 Oel- und Seifenlieferanten. tröpfeln. Nur wenn der Delerguß durd) die alleinige Einwirkung der Sonne nicht reichlich genug erfcheint, bequemt man fid) wol dazu, die Maſſe in einem Sade nachträglich nod zu prefien. Das friſchgewonnene Kofosnußöl hat einen angenehmen Geſchmack und wird eben fo gern zur Seife, wie zum Brennen und zum Einſalben ven Haar und Körper verwendet. In bedeutenden Mengen führt man es nad) Europa aus, und jelbft wenn es angefangen ranzig zu werden, eignet es fid) noch gut zur Herftellung von Stearinferzen, die ven Wachskerzen ähneln und viel wohl- feiler find als dieſelben. Daß es eben jo häufig zur Bereitung guter Seifen dient, iſt allgemein befannt. Neuerdings ift, befonders während des ruffiichen Krieges, die Aufmerf- jamfeit der engliihen Kerzen- und Seifen Fabrifanten auf eine amerikaniſche Delpalme gelenft wor- den, welde in anjehn- lihen Mengen pie Flußufer und frudt- barerern Landſtriche des britiſchen Hon— duras bewohnt und von den Eingeborenen Cohune (Attalea Co- hune) genannt wird. Sie trägt jährlich ein- mal gewöhnlich drei Büſchel Früchte, jeder etwa 100 Nüfje von mehr als Hühnerei— Größe enthaltend: il Diefe Nüffe werden Die Krone einer Kofospalme mit Nüffen. von den Eingeborenen gefammelt und von ver jehr harten Schale durch Quetſchen zwiſchen Steinen befreit. Den öl- haltigen Kern reibt man darauf in hölzernen Mörfern und kocht ihn in Wafler. Das austretende Del fammelt fidy auf der Oberfläche und wird ab- geihöpft. Nachdem man es durch weiteres Erhitzen won dem beigemengten Waſſer vollends befreit hat, bewahrt man es zum Gebraude in Gefähen auf. Es brennt doppelt jo ſparſam als das Kokosnußöl und wird zur Gtearinfabri- fation ſehr empfohlen. Auc die weitindiihe Kohlpalme (Oreodoxa oleracea), eine der höchiten Palmen (170 Fuß), deren Blattftiele ein pergamentähnliches Schreibpapier liefern, trägt ölhaltige Nüffe. Daffelbe gilt von ven zahlreichen, oft Dornenbewehrten Arten, der Gattung Acrocomia, welde die Waldungen des heißen Amerifa’s bewohnen, und von den eben dafelbft geveihenden Arten von Oenocarpus (Oe. Bacaba, Batava disticha u, ſ. w.), Das Del der lektern Aetherifche Oele, Ihr Gerud. ‚u ift fogar beſſer als dasjenige der amerikanischen Kofos (Cainue, Cocos me- lanococca), farblos und ſüß, nicht nur zum Brennen in den Yampen, fondern auch als Zufat zu den Speifen zu gebrauchen. Die Indianer bringen daffelbe vielfach nah Para zum Berfauf und dort wird e8 von den Krämern gern bis zu 50 Prozent dem Baumöl zugefett und diefe Miſchung als letteres verkauft. Schon die Anhäufung der fetten Dele in dem Eiweiß der Samen oder in den Samenlappen ift Fingerzeig für die Bedeutung, welche diejelben für das Leben der Pflanzen felbft haben. Wir haben folches bereits ange- deutet. Anders verhält es fi dagegen mit den fogenannten ätheriſchen oder flüchtigen Delen, die ebenfalld in zahlveihen Gewächſen vorkommen. Die Phyfiologie hat fie bisher meiltens nur als Auswurfsftoffe der Gewächſe bezeichnet, die für das fernere Leben der Legtern feinen weitern Nuten ge- währten. Die vielfadhe Verbreitung aber, melde fie in den verjchtedenartigiten Familien des Pflanzenreihs haben und ihr Auftreten in den verfchiedenften Drganen läßt vermuthen, daß wol nod anderweitige Beziehungen vorhan- den fein mögen. Die leichte Art und Weife, mit welcher fie in eine mand)- faltige Reihe von Stoffen ſich Schon durd die Chemie verwandeln laſſen, be- jtärft in dieſer Anfiht, und bei einigen derſelben, die wir bei der Betradytung der Harze erwähnten, ift die phyſiologiſche Beziehung der ätherifchen Dele zur - ihren Mutterpflanzen als VBorrathsftoffe ziemlich aufgeklärt. Das gewöhnliche außere Merkmal, durch welches man ätherifche Dele von den fetten unter— ſcheidet, iſt, daß, leßtere auf dem Papier einen bleibenden Fettfleck hinter- lafjen, erjtere dagegen, befonders bei etwas höherer Temperatur, fi) voll- ftändig verflüchtigen. Die erjtern enthalten meift jehr wenig Sauerftoff, oft auch gar feinen, und brennen deshalb fehr gut, felbit ohne Docht. Terpen— thin=, Citronen-⸗, Orangen, Wahholder- und Nosmarin- Effenz enthalten in je 100 Gemidtstheilen 88Y, Theile Kohlenstoff und 11°/, Theile Waffer- jtoff. Site find übereinjtimmend zufammengefest (iſomer) und die Chemie fucht bie bemerfbaren Verſchiedenheiten durch die verjchiedene Gruppirung der Atome zu erklären. Ihr Geruch ift ſehr ftark, entweder unfern Nafen angenehm oder widrig dünkend, der Gefhmad iſt gewürzhaft ftarf und beißend. Auf ihrer Öegenwart beruht der Geruch, den die Blumen verbreiten, eben fo der Duft aller übrigen Wohlgeruchsmittel des Pflanzenreih8 und die eigen- thümlich veizende Beichaffenheit der Gewürze, Letzteren werden wir einen be- ſondern Abſchnitt widmen und verweilen hier nur bei denjenigen, die als MWohlgerüche Intereſſe erregen. Ber Lilien, Narziſſen, Nofen, Beilhen u. ſ. w. haben die duftenden ätheriſchen Dele ihren Sit in den Blütentheilen, freilich in jo winzigen Mengen, daß es der Chemie nody nicht hat gelingen wollen, biefelben rein darzuftellen. Ste lafjen ſich aber häufig durch Deftillation mit Waſſer gewinnen und verleihen demfelben Gefhmad und Geruch, wenn aud) in verbünnten Maße. Die Doldengewächſe enthalten reihe Mengen ätheri- Iher Dele in ihren Früchten, viele Labiaten (Meliffe, Minze) in den Laub— blättern, einige Pflanzen fogar im Holze (Santelhol;). 176 Del- und Seifenlieferanten. Nicht wenige Gewächſe werden dur ihren übeln Geruch eben fo un- angenehm, wie andere durd ihr Aroma beliebt find. Wir erwähnten bereits früher, daß die Niefenblume (Rafflesia Arnoldi) Eumatra’s einen Geruch von faulem Rindfleiſch bejitt. Die als Aasblumen (Stapelien) befannten Ge— wächſe des Kaplandes wetteifern mit ihr in diefer Eigenſchaft und Inden, wie jene, Schwärme von Schmeißfliegen herbei, denen dieſe Aushauchungen ange- nehm dünken und die deshalb ihre Eier oder Maden an ihnen abjegen. Bor den Geruchsorganen vieler Thiere finden überhaupt zahlreihe Gewächſe Gnade, die von den Menjchen ftinfend befunden werden. Scneden, Mücdenlarven und Käfermaden verzehren Miftpilzge und an- dere efelhafte Schwämme als Delifatejjen. Sagen haben für Baldrian, freilich aud) für das jogenannte Katenfraut (Teucrium marum verum) eine ſolche Vorliebe, daß fie fid) auf denjelben jo lange herummäl- zen, als noch ein Stümpfchen won den- jelben übrig ift. Auch von dem Bären erzählt man ähnliche Liebhabereien, und eine Lauchart (Allium ursinum), die 3. 8. das Yeipziger Roſenthal verpeſtet, hat da— von noch ihren Namen. „Bärenlaudy“ be- halten. Die Fallenſteller bedienen fi manderlei Wurzelwerfs, um! die Jagd— thiere in ihre Fallen zu Inden, und Tau— benliebhaber wiſſen, daß fie ihren. Lieb: (ingen den Aufenthalt im Schlage durch wohlriechende Subjtanzen angenehm machen fünmen. Die Wirkung des Inſektenpul— vers, das, wenn es Acht ıft, aus den Samen von faufafiihen Bertrammurzarten (Pyrethrum corymbosum var.) bejteht, ſcheint auch größtentheils auf dem Gerud jener Subſtanzen zu beruhen. Die ftin= fende Hundszunge (Cynoglossum offieinale) unferer Flora iſt mehrfach als Mittel zur Vertreibung der unleidlichen Ratten vorgejchlagen worden. Hunde— frefie (Lepidium ruderale), gewilje Melvenarten (Chenopodium vulneraria), Hundsfamille, Stehapfel, Sadebaum, mehrere unjerer Waldfarne und die eingeführten Iodtenblumen find wegen ihres fatalen Geruchs allgemein be- fannt. Der Volkswitz hat einige davon mit entehrenden Namen gebrand- marft. Bei dem javaniſchen Stinfholz (Saprosma foetida) und einen Ver— wandten des Melonenbaumes (Carica digitata), der anf der Landenge von Pa- nama zu Haufe ijt, fteigert fi) der Uebelgerudy fogar bis zum Unanftändigen Katzenkraut (Teucerium marum verum). Uebelriechende und wohlduftende Pflanzen. 177 und Unausſprechlichen. Von letzterm Baume behaupten jogar die fonft nicht gerade eflen Indianer, daß er dur feine Blüten die Luft vergifte und lebensgefährlich werde. Bon ‚dem Stinfharz, das in Perfien von einem Doldengewächs (Narthex Asa foetida) gewonnen wird, erzählt der alte Kämpfer, fein Geruch fei jo abjeheulic und ftarf, daß die Karawanen, welche vafjelbe transportirten, nicht in die Städte hinein dürften, jondern außen vor den Thoren lagern müßten. Damit in Widerſpruch ftehen freilich) die Mittheilungen anderer Reiſender, welde erzählen, daß man in der Heimat jener Pflanze nicht felten die Speifegefhirre innen mit jenem Harze ausreibe, um den Speifen zum Theil den fnoblauchartigen Gefhmad zu verleihen. Selbft unter den jo ſchön blühenden Or— ideen unferer Heimat finden fid) einige, die durch ihren Geruc eine fatale Zugabe erhal- ten haben. Die blafje Orchis (Orchis pallens) erinnert lebhaft an Katzen, die braunrothe Wanzenorchis ift Schon durd ihren Namen bezeichnet und die interefjante Riemenzunge (Himantoglossum hircinum) erinnert an den Gemahl der Ziege. Doch aud des Duftenden hat unfere einheimifche Flora nicht wenig. Der kleine Waldmeifter eröffnet im Frühjahr den Keigen und bietet fih an als angenehmen Zuſatz zum Maitranf. Das Beilden ift wegen jeines Duftes zum allgemeinen Liebling geworben und die Maiglödchen ſchließen fi) in würdi— ger Weife an daſſelbe an. Auf den Wiejen maden fi Minzen und Kümmel bemerklih, X sp : im Walde, neben der Hafelmurz (Asarum euro- Stinfafant ei Asa foetida). WIN) - paeum), die man deutſche Narde genannt hat, und neben den weißblühenden Kudufsblumen (Platanthera bifolia), ver jtarfriechende Diptam. Selbſt das Laub der Birken und harzreichen Gonife- ven verbreitet angenehmen Gerud). Eine reihe Auswahl duftender Gewächſe find als Garten- und Zimmer- pflanzen eingeführt worden und zum Theil ſchon jeit langen Zeiten gepflegt. Lavendel, Rosmarin, Thymian, Salbei, Melifje, Goldlack, Lenfoye, Nadıt- viole, Reſede haben längſt den einheimischen Gundermann verdrängt und durhduften bereits die alten Volkslieder. Die meisten von ihnen entjtammen dem Gebiete des Mittelmeeres, welchem die herrlich riechenden Orangen, Jas— min- und Lilafgebüfche (Syringa vulgaris) ebenfall8 angehören. Mit dem leb- tern wetteifert die perfiihe Syringie und das Geisblatt, an Stärke des Duf- tes übertrifft fie der Pfeifenſtrauch (Philadelphus communis), der deshalb von Wagner, Mal, Botanik, I. Bd. 12 178 Del- und Seifenlieferanten. Empfindfamen Kopfwehblume getauft worden ift. Das Aurifel erinnert durch jeinen Duft an die in dieſer Hinfiht überhaupt berühmt gewordenen Alpen- blumen. Im Fenfter der Zimmer ftehen neben der lieblichen Myrte die ftarf- viehende Hyazinthe und Naxziffe, neben dem Roſen-Geranium (Pelargonium roseum ete.) und dem Göttergerud) (Diosma) vom Kap die Bafılifum-Arten Dftindiens und der vanilleduftende Heliotrop Südamerika's. Gern durchduftet man das Zimmer mit einem Lilakſtrauß, einem Roſen— bouquet oder einer Hyazinthe, die Waſch- und Kleiderſchränke mit Rojenblät- tern, Beilchenblüten, Yavendelbündeldhen, Steinflee (Melilotus) und ähnlichen, welche gleichzeitig die zerftörenden Motten vom Beſuch des Wollenzeuges und Pelzwerfes abhalten follen. Der Sonderbarfeit wegen zieht der Gärtner nicht jelten au den fogenannten Kalbsbratenjtraud; (Cestrum parqui), der täuſchend nad) Kalbsbraten riecht, und wenn ſich der Beſucher mit dem Ge- ruch jtatt einer Mahlzeit begnügen will, fann er ihm auch die Blätter des Borretfch (Borragia officinalis) dazu bieten, welche genau wie Gurfenjalat riehen. In Griechenland verwendet man noch jest gern zum Parfümiren der Zimmer Veilchen, welche an Stärfe des Geruchs die unfern weit über- treffen follen. Bei den Drientalen; bejonders in Kleinafien und Aegypten, ift der ftarfe Gerudy dev Henna (Lawsonia alba) jehr beliebt, und bei feit- lichen Gelegenheiten ftellt man einen Blütenzweig dieſer Pflanze im Zimmer auf. In Hinterindien bevorzugt man die Blüten der Uvaria odorata hierzu, deren Duft der Narziſſe ähnelt, letstere aber an Stärfe übertrifft. Man verjegt dort mit denfelben aid die Salben. Auch die Blüten von Mimusops elengi find wegen ihres Duftes ſehr beliebt. Unter den Früchten zeichnen fid) wegen ihres Wohlgeruchs jene als Whampu befannte von Cookia punctata aus. Die Araber lteben außer den früher ſchon bei ven Harzen erwähnten Weihrauchgewächſen die duftenden Früchte einer Kürbisart (Cucumis Dudaim) und die Psoralea corylifolia. China beachtet befonders die wohlriehenden Blüten, melde fich) zum Parfümiren des Thee's eignen, und verbraucht jährlih große Mengen hiervon. Man wählt Blütenblätter der Theerofe (Rosa Thea), des duftenden Delbaumes (Olea fragrans), des Jasmins (Jasminum Sambac, paniculatum), der Aglaia (Aglaia odorata), der gefüllten Pflaume nnd der Drange, mengt fie wiederholt mit dem bereits getrodneten Thee zufammen und- jondert fie durch Sieben wieder heraus. Die Blüten der Aglaia werden nadträglid) noch zur Anfertigung der wohlriechenden Kerzen benubt, die man wor ben Götterbildern anzündet. Die Chinejen bereiten außer ihren berüchtigten Stink— töpfen aber auch Stinfferzen und gebrauchen Iettere auf den Dſchunken zum Schuß gegen die Mosquitos. Den Kaſchmirſchals verleiht man ebenfalls durch Pflanzenftoffe einen eigenthümlichen Wohlgerud). Schon in jehr frühen Zeiten hat man angenehm und ftarf riechende Pflan- zen bei ven Beerdigungsfeierlichfeiten der Todten und bei den gottesdienftlichen Handlungen angewendet. Sie fcheinen hierbei zum Theil mit berbeigezogen worden zu fein, um Uebelgerüche zu verveden. Es ift befannt, daß Die Luxus in Wohlgeruhsmitteln. 179 Aegypter viel Spezereien beim Einbalfamiren vornehmer Perjonen vermwen- deten, und noch heutzutage trifft man bei Begräbniffen in unſerer Heimat den Rosmarinftengel und die Citrone in den Händen der Träger. Die Mo— ſaiſchen Geſetze ſchreiben duftende Näuchermittel im Heiligtum vor und noch früher waren dergleichen bei den ägyptiſchen und babyloniſchen Prieftern ge- bräuchlich. Perfien und Arabien ſcheinen diejenigen Länder geweſen zu fein, aus denen die meiften Wohlgeruchsmittel ausgeführt wurden. An den Höfen der perfiichen Fürften bezeichnet das unmäßige Ueberhandnehmen des Parfüm— verbrauchs die Verweichlihung der Dynaſtien in ähnlicher Weife, wie jpäter der Berfall des griehifhen und römiſchen, noch ſpäter des franzöſiſchen Reiches dadurch gefennzeichnet ward. Alexander der Große fand unter der Beute im Yager des Dareios große Mengen von Salbenbüchſen und wohl- viechenden Delen, wie im fiebenjährigen Kriege‘ die preußiſchen Huſaren in den erbeuteten Garderoben der franzöfiihen Offiziere. Die Bewohner des „veilchenduftenden“ Athens trieben den Luxus in der Verwendung der Wohl- gerüche jo weit, daß fie faft für jeden Körpertheil"ein anderes Parfüm wähl— ten. Wangen und Bruft wurden mit Palmöl gejalbt, die Arıne mit einem Balfam aus Minzen, Haar und Augenbrauen mit Majoran-Del, Kinn und Naden mit Thymian. Mit Recht eiferten Geſetzgeber wie Solon und Sittenlehrer wie Sofrates gegen das Mebermaß ſolcher Verwendung und wollten Parfümerien und Salben wenigftens zum Gebraudy für Frauen be- ſchränkt wiſſen. Nom erbte von Griechenland neben vielem Andern aud) den Luxus der Parfümerien und derſelbe ſteigerte ſich hier in demſelben Grade, wie die Sittenverderbniß überhandnahm. Zu Cäſar's Zeit liebte man den Safran als Räuchermittel und beſprengte die Straßen der Hauptſtadt bei den Triumphzügen mit Safranwaſſer. Jene berüchtigten Wüſtlinge, die aus Raffinirung der Sinnengenüſſe ein förmliches Studium machten, zogen auch die Parfüme mit in ihr Bereich. Nicht allein, daß man die Speiſe- und Schlafzimmer hoch mit Roſen- und Lilienblättern beſtreute, man bereitete auch aus dieſen und ähnlichen ſtarkriechenden Blumen Ruhekiſſen und Nachtlager, ja ſetzte ſelbſt den Bädern Roſenwaſſer zu. Kaiſer Nero verbrauchte beim Begräbniß ſeiner Poppäa Sabina mehr Räucherwerk, als ganz Arabien damals während eines Jahres lieferte. Die Franzoſen hatten zur Zeit Louis’ XV. die Römer und Griechen in Bezug auf das Uebermaß im Parfümiren fo ziemlich eingeholt. Seven Tag mußte in den Föniglihen Zimmern mit dem Parfüm zur Durchduftung der— ſelben gewechſelt werden, und wie zur Zeit des ritterlichen Mittelalters der Ritter ſeiner Dame dadurch jeine Huldigung offen zu erkennen gab, daß er ihre Lieblingsfarben zu feiner Dekoration wählte, fo achtete der galante Fran- zoje jorgfam darauf, das gleiche Parfüm für feine Perfon zu verwenden, das feine Erkorene für ſich liebte. So widerwärtig Uebelgerüche uns ſind, ſo verächtlich erſcheint uns eben- falls ein Uebermaß von Duft, vorzüglid bei Männern, 12* 180 Oel- und Seifenlieferanten. Je mehr die Wiffenfchaft die Gewächſe anderer Länder kennen gelernt hat, deſto mehr hat fie auch neue Wohlgeruchsmittel dem Verkehr bezeichnet. Gleichzeitig haben Chemie und Mechanit Mittel an die Hand gegeben, bie leider fo flüchtigen Parfüms zu firiren. Die Herftellung von wohlriechenden Waſſern, Delen, Salben u. dgl. ift zur fürmlihen Kunft, zum anfehnlichen Induſtriezweig geworden, um fo mehr, als die Verwendung jener Stoffe nicht mehr, wie ehedem da fie zu theuer waren, nur auf die vornehmften Stände beſchränkt it, ſondern fid) in weitern Kreifen ausgedehnt hat. Als Beifpiel, in welcher großartigen Ausdehnung vie Herftellung und der Verbraud von Parfümerien heutzutage fi) geltend machen, führen wir an, daß eime einzige der größern Fabrifen in Graſſe jährlich verbraudt: 8000 Pd. Drangenblüten, 60,000 Pf. Kaffinblüten, 54,000 Pfd. Roſen— blätter, 32,000 Pfd. Sasmin, 20,000 Pfd. Beilden, 16,000. Pfo. Lilak, außerdem von Rosmarin, Minze, Citronenfhalen und Thymian in nod) größern Mengen. Man veranlagt die Quantität von parfümirten Ex— traften und Ejjenzen, welche in Indien und Europa verbraudt werben, auf mindejtend 600,000 Duart, Pomaden und andere Parfümerien noch gar nicht gerechnet. Die Pflanzen, welche vorzugsweife heutzutage bei der Herftellung wohl- viehender Stoffe benugt werden, find ungefähr nachſtehende. Einige Holz: arten und Wurzeln, jowie Ninden werden entweder als Pulver oder die aus ihnen gezogenen ätheriſchen Dele verwendet; jo war ſchon in alter Zeit das Cedernholz wegen feines Wohlgeruhs im Auf; Italien liefert in der Wurzel der florentinifhen Schwertlilie (Iris Florentina) die nad ihren Geruche be— nannte Beildyenwurz, die man zu Zahnpulvern, Räucderpulvern u. |. w. ver- wendet; Aegypten befitt in den Wurzeln eines Cyperngraſes (Cyperus offi- einalis) einen wohlriehenden Stoff, die Kanarifchen Infeln in den Wurzeln einev Windenart (Gonvolvulus scoparius, C. floridus),- die als Roſenholz be fannt find. Das heiße Ajien liefert in feinen Gewürzen zugleih Wohlgerud)s- mittel, von denen wir nur an Ingwer, Zimmt und Zimmtcaffia erinnern. Eines befondern Rufes hat fi) in venfelben Gegenden feit lange das San— delholz (von Pterocarpus santalinus) und das Alocholz erfreut. Letzteres ftammt von Aloöxylon Agallochum und ift auf den höhern Gebirgen von Cochinchina einheimiih. Auch Amerifa befist eine Anzahl wohlriehender Höl- zer und Kinden, jo die Gafjafrasrinde (won Sassafras officinalis), welche die Fallenſteller auch als Köder für die Biberfallen mit benuten und die fendhel- ähnlich riecht, das Guajakholz (von Guajacum officinale), das citronenähnlich duftende Caneelholz (von Canella alba) und die Cascarillrinde (von Croton Eluteria, einer Euphorbiacee). Bei einer Anzahl frautartiger Gewächſe find die wohlriechenden Stoffe jo durch alle Theile des Stengels und der Blätter verbreitet, daß man bie ganzen Pflanzen zur Gewinnung des Parfüms verwendet. Bon folden wären bejonders namhaft zu maden: Thymian, Doften, Rosmarin, Myrte, Minze, Parfümerie - Pflanzen. 181 Meliffe, Majoran und das Pelargonium odoratissimum, das man bei Cannes und Graſſe in Frankreich zu dieſem Zwecke in großen Mengen baut. Auf den Molukken iſt in ähnlicher Weiſe eine Grasart (Andropogon Nardus), auf Java und Geylon der Patſchouli-Strauch (Pogostemon” Patchouly) beliebt, Bon letterm verwendet man gern die Blätter und blühenden Zweigſpitzen zu Kräuterkiſſen. Die feinften Wohlgerüche geben die Blumen einer großen Menge Pflan⸗ zen. Von den Parfümerie-Fabrikanten werden mehr oder weniger häufig be— nutzt von den bei uns einheimiſchen die Blüten der Spierſtaude (Spiraea ul- maria), das wohlriechende Veilchen, von eingeführten die Reſede, die weiße Lilie, Lavendel, Orangenblüte (Neroli-Oel), bie oje in meh- veren Arten, der Pfeifenſtrauch (Philadelphus coronarius), die * Tuberoſe (Polyanthus tuberosa), die bei Graſſe in Menge kulti— virt wird, die Gartennelfe, Nar- ziffe, der Lilaf (Syringa vulga- ris), Jasmin (Jasminum grandi- florum), Geisblatt, Magnolien- blüten (von Magnolia glauca aus dem wärmern Nordamerifa), Die Aloysia eitri odora (eine Ver— bene), der peruvianiſche Helio- trop, der vanilleähnlich Duftet, und in großen Mengen die jo- genannten Gaffiablüten oder Aka— zienblüten von Acacia Farne- siana, die befonders bei Can— nes in Güdfranfreich viel ge- baut werben. Aud eine Anzahl Früchte x finden wegen ihres Wohlgeruchs Berücfichtigung. So find rei an ätheri- ſchen Delen die Fruchtichalen der Citronen, Orangen und DBergamstten, wohl- riehend ferner die Früchte der bittern Mandel, die Hülle der Musfatnuß, die Schote der Vanille, die Tonfabohne (von Dipterix odorata). Nur in einzel- nen Fällen benust man die ätheriſchen Dele des Feuchels und Dill. Nur in wenigen Fällen fünnen die wohlriechenden Pflanzenſtoffe in Sub— ſtanz als Parfüms angewendet werden, wie bei einigen der zuerſt genannten Hölzer und Rinden. Ebenfalls bei nur wenigen iſt es möglich, durch ein— fache Preſſe das ätheriſche Del aus ihnen zu gewinnen, wie bei den Schalen der Citronen, Orangen und Bergamotten. Bei den meiften der angeführ- ten Gewächſe find die duftenden ätheriihen Dele in fo geringen Mengen Blühender Orangenzweig. 182 Del- und Seifenlieferanten. vorhanden, daß jene rohen Berfahrungsweilen fein Reſultat ergeben. Die Wohlgerüche find gewöhnlich in demjelben Grade leichter zerftörbar, als fie feiner und angenehmer find. Eine Anzahl davon fann man durch Waſſer— dämpfe ausziehen. Die betreffenden Pflanzenftoffe werden zu biefem Zwede in einem durchlöcherten Gefäße den Dämpfen des kochenden Wafjers aus- gefeßt. Die ätheriihen Dele haben zwar einen höhern Siedepunkt, pflegen aber meift ſchon früher in die Wafjerdämpfe überzugehen. In einem durch ein Kühlfaß geleiteten Schlangenrohr condenfiren fid) die Waſſerdämpfe und werden als mwohlriehende Wäffer aufgefangen. Iſt ihr Geruh noch nicht fräftig genug, werden fie jo oft über neue Pflanzenmengen deſtillirt, bis fie ven gewünfchten Grad des Parfüms zeigen. Bei manchen ag man, um einen höhern Wärmegrad zu erzeugen, Salzwafler an. Biele von den duftenden Blumen verlieren aber bereits ihren Wohl- geruch durch die Hite der Waſſerdämpfe; man erhält denjelben bei mehreren dadurch, daß man fie mit warmem Fett oder Del übergieft und dieſes Ber- fahren ebenfalls jo oft über neue Blütenmengen wiederholt, bis der Gerud) der Salben Fräftig genug ift. Die Blüten felbjt werden ſtets aus dem Yett wieder entfernt. Eine Anzahl der am feinften riechenden Blumen vertragen aber jelbft nicht eine Behandlung mit warmem Fett, man überträgt ihren Geruch auf die Salben nur durch Zufammenliegen beider. Zu diefem Behuf bringt man innerhalb großer Käften eine Anzahl Einfegerahmen an, veren Mitte durch Glastafeln gebildet wird. Letztere bejtreiht man entweder auf beiden oder nur auf der untern Seite mit Fett und füllt die Zwiſchenräume mit den ſorgſam ausgelefenen friſchen Blüten. Täglich erneuert man zwei— mal diejelben und muß trogdem mitunter ein bis zwei Monate lang fort- fahren, bevor die Salben hinreichende Mengen des Duftes angenommen haben. Durch die angedeuteten DBerfahrungsmeifen erhält man wohlriechende Waſſer, Dele und Salben, die entweder einfach oder zu mehreren vereinigt auch in Alfohollöfungen verwendet werden. Die Kunft des Fabrifanten be- jteht vorzugsmeife darin, die verſchiedenen Dele fo zu mifchen, daß ein neues Parfüm entfteht, in welchen feiner der Beftandtheile vorherrſchend bemerkt wird. So befteht das Kölnische Waffer (Eau de Cologne) aus Citronen>, . Wahholvder- und Rosmarin-Efjenz, von denen aber feine bemerft wird. Eins der berühmteften ätheriſchen Dele, das gleichzeitig eins der am frühejten gebräuchlichen geweſen zu fein jcheint, ift das Roſenöl. Schon. Homer erwähnt es als zur Zeit des trojanifchen Krieges befannt. Zur Zeit des Paufaniasg war Chäroneia wegen Fabrikation dieſes Parfüms berühmt; außerdem hatte man daſelbſt wohlriehende Dele aus Lilien, Narziffen und JIris. Der Wein ward mit Kofen duftend gemad)t, Roſenpomade bereitet und getrocknete Roſenblätter zu Pulver gerieben, nad) dem Bade auf die Haut geftreut, danach mit kaltem Wafjer wieder abgejpült. Als wohl riechendfte Roſe galt im Alterthum jene von Malta, eben jo zu SKhyrene. Man erzeugt gegenwärtig ſchon in Südfrankreich Roſenöl gemeinſchaftlich Roſenöl. Gevaniım - Effenz. 185 mit dem Roſenwaſſer. Berühmt find beide Produkte aud) aus der Umgebung . von Tunis, aus Perfien und aus Ghazepure am Ganges. Sehr geſchätztes Roſenöl erhält man aus der Türkei. Etwa 15 Meilen nordweftlich von Adrianopel it ein Diftrift, die Umgegend von Kijanlif am Abhange des Balfan-Gebirges, der bejonders viel davon in den Handel bringt. Es find dort 144 Dörfer in den amtlichen Steuertabellen als folche bezeichnet, die mit 2500 Deftillirfolben Roſenöl heritellen. Ber Kiſanlik ift die ganze große Ebene der Umgebung, die von ſchützenden Bergzügen umgrenzt ift, von Roſen erfüllt, und zwar zieht man hier eine beſonders Fräftig viechende gefüllte Ba- vietät die 4— 6 Fuß hohe Sträucher bildet. Der Hauptflor fällt während ſechs Wochen auf den Mat und Juni. Man fammelt dann früh Morgens die balbgeöffneten Blumen fammt ven Kelchen und fchafft noch während deſſelben Tages dieſelben zum Deftillatenr. Jeder Strauch giebt gegen anderthalb Pfund Blumenblätter. Werden viejelben länger als einen Tag aufbewahrt, ehe man fie deftillivt, jo beginnen fie jhon in Gährung überzugehen und geben eine nur geringe Ausbeute. Die Fupfernen Deftillivfolben, deren man ſich dort bedient, faſſen 120 Quart und werden mit 60 Pfund Kofenblättern und 15 Pfd. Waſſer gefüllt. Sobald die Hälfte des Waſſers in großen Flaſchen überveftillivt ift, benutt man das zurücbleibende Waſſer jofort zum Anjegen neuer Blätter. Auf dem Roſenwaſſer bildet ſich danach als dünne Schicht das geihägte Del, das man mit dem Löffel jorgfam abſchöpft. Schon bei der Herftellung fommen Fälfhungen des ächten Roſenöles vor. Die Türfen erhalten gewöhnlich durd Pilger, welche von Mekka zurüd- fehren, ein Del, das unter dem Namen Idris Yaghi oder Geranium-Ejjenz befannt ift und von Oftindien aus nad) den arabiihen Häfen eingeführt wird. - Es ift nicht mit der ächten Geranium-Efjenz zu verwechfeln, ſondern ſtammt von mehreren Grasarten der Gattung Andropogon, die man im nördlichen Indien hierauf ausbeutet. Mit dieſem viel wohlfeilern Dele verjeßen vie Fabrikanten bereits die Roſenblätter in der Blafe und mifchen vafjelbe wäh- rend des Deftillivens. Ehedem war Todesftrafe auf ſolche Fälſchungen ge- legt, gegenwärtig find aber die hierauf bezüglichen Geſetze ſehr gemildert. Ziemliche Duantitäten Roſenöl werden durch den Schleichhandel von Pilgern aus Jeruſalem nad) Europa mitgebradt. Die Eleinen Kryſtallfläſchchen mit dem Del find dabei gewöhnlid) in Seifenftüdchen verborgen. Franzöſiſche Gelehrte behaupten neuerdings, daß es möglich fei, übel- riehende Blumen durch befondere Mittel in angenehm duftende umzuwandeln. Sie rathen zu diefem Zwed an: die Samenfürner jener: Gewächſe in eine Miſchung aus Schafdünger, Ambra und gepulverter Musfatnuß zu legen und nachmals mit derjelben Miſchung zu begießen. Die zunächſt auf ſolche Weiſe erzogenen Blumen zeigten bereits geringe Veränderungen des Geruchs; würden nım won diefer die Samen in gleicher Weife behandelt, jo verbeffere fih auch der Gerud) von Generation zu ©eneration, bis man ſchließlich Gewächſe erhielte, welche mit Veilchen und Jasmin wetteifern Fünnten. 184 Oel- und Seifenlieferanten, Diejelben Herren ſchlagen auch ein ähnliches Verfahren vor, um lebende weiße Blumen zu färben. Um Schwarz hervorzurufen, folle man Erlenjfamen, zu Grün Gartenraute und zu Dlau Kornblumen verwenden u. ſ. w. Der Farb— jtoff fei dann pulverifirt und mit Schafbünger vwermengt als Teig an die Wurzel oder Zwiebel des Gewächſes zu bringen und bewirfe in Folge der Auffaugung die entjpredhenden Yarbenveränderungen. Sp wenig bis jest Phyſiologie und Chemie im Stande gemwejen find, die Entftehungsweife und Bedeutung der meiften ätheriſchen Dele innerhalb der lebenden Pflanzen nachzuweiſen, fo iſt e8 doch interefjanter Weiſe ge- lungen, aus beftimmten Pflanzenftoffen Parfüms herzuftellen, welche mit man- hen Wohlgerüchen metteifern, die durch die Natur hervorgebradht werden. Aus dem Steinfohlentheer, diefem Produkt längſt untergegangener Pflanzen- gejhlechter, gewinnt man durch Doppelte Dejtillation und Zufag von Sal— peterfäure das Nitrobenzol, einen Stoff, der dem fo gejhästen Bitterman- delöl fo täufchend ähnelt, daß man es legterm jogar in den Gonditoreien vorzieht, da es nie Blauſäure enthält. Man erzeugt deshalb Heutzutage faft gar fein eigentliches Bittermandelöl mehr, jondern bedient ſich des Fünftlichen, das aud) unter dem Namen Essence de Mirbane im Handel vorfommt und zu Seifen, Haarölen, Efjenzen und gemifchten Delen benutt wird. . Den ſchlechten Kartoffelbranntwein ſucht man dadurch genießbar zu machen, daß man ihm das Fufelöl (eine Aetherart) entzieht. Aus dieſem Fuſelöl wird durch Deftillivren mit Schwefelfäure und effigfaurem Kalt ein frudht- duftender Aether bereitet, der mit Zufag won Weingeift das fogenannte Birnöl liefert, an Geruch mit reifen Bergamottenherbftbirnen wetteifernd. Es wird vielfach, zur Bereitung der Fruit-Drops, Heiner gewürzter Kugelbonbons, be- nußt. Mit andern Säuren in Verbindung gebracht, erzeugen fih aus dem Fuſelöl andere duftende Eſſenzen, 3. B. Apfelöl, Traubenöl, Cognacöl u. |. w., die alle den fräftigften Wohlgerudy haben. Weinäther und Kofosöl geben die beliebte Melonenefjenz; Weinäther und Butterfäure dagegen einen Stoff, der mit Ananas an Aroma wetteifert. Cahours lehrte aus Salteinfaure und Holzgeift eine Flüffigfeit darftellen, welche ganz dem von dem nordamerifani- ſchen Wintergrün (Gaultheria procumbens) gewonnenen PByrolöl gleicht. Manche Gerüche haben die Pflanzen mit dem Thierreicd gemein; bocks— ähnlich, wanzenartig und katzenähnlich riechende Gewächſe haben wir bereits erwähnt; wir gedenken hier noch des Moſchusduftes, der in der Thierwelt beim Mojhusthier, dem Krokodil, der Zibelfage, dem Biſamſchwein, dent Moſchusochſen, einigen Käfern u. |. w. vorfommt. Als Topfpflanze zieht man gern eine Mimulus-Art (Mimulus moschata) und erzählt, daß derſelbe Geruch am ftärkften bei dem Moſchus-Ritterſporn (Delphinium glaciale) vor— fomme, der auf dem thibetanischen Gebirge bei 17,000 Fuß Höhe über Meer wild wächſt. Da das Mofchusthier diejelben Theile des Himalayagebirges bewohnt, glauben Manche, daß es ſich zum Theil won jener Pflanze ernähre und ihr den eignen Geruch mit verdanfe, - Seifenpflanzen. 185 Wir nehmen bier fchlieglid) noch Gelegenheit, einige Pflanzen zu er- wähnen, die ohne weitere Zubereitung von dem Menſchen ftatt der Seife als Mittel zum Wafchen der Kleidungsſtücke benußt werden fonnten. Unter den einheimifchen Gewächſen iſt die rothe Wurzel des Seifen— krautes (Saponaria offieinalis) reich an jenem ſchäumenden Stoffe, den man Saponin genannt hat. Auch die Blätter und Wurzeln des befannten Marien- röschens find damit verfehen. In Südeuropa waren mehrere Arten Gyps— fraut (Gypsophila fastigiata, altissima, acutifolia, Struthium) als Waſch— mittel in Anwendung, in Sleinafien die Wurzel des Löwenfuß (Leontice Leontopedalum). Amerifa befigt einen Seifenlieferanten an dem Seifenbaum (Sapindus communis), der unferer Roßkaſtanie an Geftalt ähnelt. Seine Früchte find jo ſcharf, daR fie mitunter die zu waſchenden Zeuge fogar an- greifen. Die Dlätter des Melonenbaumes (Carica Papaya), deren eigenthüm- liche Einwirkung auf friſches Fleiſch wir früher erwähnten, werden-hier und da als Wafchmittel angewendet. In Kalifornien lernte man neuerdings ein Gewächs fennen (Phalangium pomeridianum), defjen zwiebelartige Knollen jofort ftatt Seifenfugeln zu gebrauchen find. Wichtiger als diefe wenigen Seifenpflanzen wurden für das Leben der Völker jene zahlreichen Gewächſe, deren Ajche, theils an Kali, theils an Na- tron reich, einen nothwendigen Beftandtheil der Seife abgeben. Wir haben gerade in den bisher aufgezählten Pflanzen Faktoren kennen gelernt, die in der Entwidelung des Kulturlebens wichtige Rollen gefpielt. Die einen liefern fefte oder flüjfige Fette zur Speife, zur Unterhaltung der erhellenden Lampe, zum Salben des Körpers, andere zur Parfümirung, nody andere zur Bereitung der Seife, deren DBerbraud der Chemifer Liebig ja geradezu als einen Mapitab a die — eines Volkes ee Rafan - Ernte. XXI. Frucht und Samen. Pflanzengeſchlechter. — Geſchlechtliche Fortpflanzung der Kryptogamen und Phanero- gamen. — Baftarde. — Parthenogenefis. — Samenftand. — Fruchtbildung. — Ver— breitung der Samen. — Das Keimen. — Neue Arten. „Die Blume verblüht, Die Frucht muß treiben.“ Lied bon ver Glocke. Jern ſucht der Menſch in der ihn umgebenden Natur das Spiegelbild feines eigenen Ich, feiner Leidenschaften, Hoffnungen und Befürchtungen zu evfennen, und zwar um ſo mehr, je inniger fein Verkehr mit der Natur, je empfänglicher fein Gemüth ift. Wie gern zog man z. ®. in allen Zeiten bei den Regungen ber Tiebe die Blumen herzu. Das Hindumädchen fett das mit Blumen bevedte Ba— nanenblatt auf die Wellen des Fluffes, um ſich von ihm jein Liebesgeſchick Pflanzengejchlechter. 187 im beginnenden Jahre prophezeien zu laſſen. Noch jedes Jahr zupft hier oder dort ein Gretchen die Blumenblätter eines Maßliebhens, ftudirt die Blumen- ſprache und windet bedeutungsreiche Sträuße und Kränze, an liebften freilid) jenen aus Myrte. Bon jeher hat man deshalb aud ſchon den Gewächſen jelbft eine, Trennung in Geſchlechter, ein Sehnen und Lieben zugejchrieben. Die robuftern, Fräftigern und rauhern Pflanzen bezeichnete man als männ- liche; zartere, weichere als weibliche. Die wiſſenſchaftliche Botanik trennte jpäter jene als zu einer Art gehörig betrachteten Formen meiſt in werfchiedene Spezies, behielt aber bei einzelnen noch die alte Bezeichnungsweife bei, 3.2. beim weiblihen und männlichen Farnkraut, die gegenwärtig fogar in zwei verfchiedene Gattungen gebracht worden find (Polystichum Filix mas und Asplenium Filix femina). Völfer, deren ganzer Lebensunterhalt an die Früchte zweihäufiger Gewächſe gefnüpft ift, wie der der Araber in Bezug auf die Dattelpalme, wurden ſchon zeitig auf die Wichtigkeit und Bedeutung der Staubblüten aufmerkfam; ehe anderwärts ein Gelehrter die Entvedung des Pflanzengefchlehts machte, beſtäubten jene Praftifer die weiblichen Blütentrauben mit dem Pollen ver männlichen, um einer veichlihen Ernte gewiß zu fein. Linne faßte Alles, was zu feiner Zeit über die Befruchtungsorgane der Pflanzen befannt war, in genialer Weile zufammen und gründete auf jene Pflanzentheile fein Syſtem. Durch feine poetiſche Anjhauungsweife geleitet, lernte man die Blumenfronen als das Brautgemach anfehen, in dem die Staubgefäße als Männden, die Stempel als Weibchen fungirten. So ſehr einige Zeitgenofjen des großen Forſchers im fittliher Entrüftung gegen eine derartige Auffafjungsweife fich ereiferten, jo brad) fie ſich doch ſchnell Bahn und die Wiſſenſchaft jelbft ruhte nicht, die einzelnen hierbei ftattfindenden Vor— gänge jo weit zu verfolgen, als es mit Hülfe von Bergrößerungsinftrumenten und hemijchen Keagentien irgend möglid war. So find gegenwärtig bie auf die Fortpflanzung bezügliden Vorgänge felbft bei den meiften berjenigen Pflanzen befannt geworden, die Linne feiner Zeit als in „verborgener Ehe“ (Krhyptogamen) lebend bezeichnete. Mit Ausnahme der Pilze und Flechten find bei allen Kryptogamen- Gruppen ebenfalls zweierlei Gefchlehtsorgane nachgewieſen worden umd felbft bei den genannten Gruppen hat man Spu— ven aufgefunden, die jid) in verwandter Weiſe deuten laſſen. Es finden ſich z. B. bei den Flechten Zellengruppen, die, nachdem fie fid) von der Mutterpflanze getrennt haben, im Stande find, ſich unter gün- ftigen Verhältniffen zu neuen Individuen zu entwideln. Mit ihnen treten ge- wöhnlich anders gejtaltete Fleinere Zellen auf, die nie zu neuen Pflanzen werben, fondern in einer Weiſe die erftgenannten Zellen (Sporen) begleiten und dann verfchwinden, daß man fie mit den Pollenfürnern in Analogie ftellen möchte. Bei ven Algen hat Pringsheim neuerdings entſchieden männliche und weiblihe Drgane und dem Act der Befruchtung beobachtet. Beiderlei Be- fruchtungsorgane beftehen bei diefer Familie in den meiften Fällen nur aus je einer Zelle. Männliche und weibliche Zellen, gewöhnlich auf derſelben 188 Frucht und Samen. Pflanze in größter Nähe gebilvet, öffnen fid) bei erlangter Reife; die erftere ergießt ihren Inhalt in die leßtere und durd die Einwirkung deſſelben ge- rinnt der Inhalt der legtern zur Fruchtzelle. Den Fortpflanzungszellen der Algen fehlt der Keim, fie entwideln fid) unmittelbar zum neuen Gewächs. Der Schwärmfporen mit ihren Wimpern und fonderbaren thierähnlihen Be— wegungen haben wir jchen früher gedacht. Durd) fie vermehrt fih in un- gejchlechtlicher Weiſe die Algenart gewöhnlich in der Jahreszeit, welche ihrem Gedeihen am günftigjten if. Die durch gefchlechtliche Befruchtung entjtehen- den Sporen find größer und fpezififc Schwerer als die Schwärmfporen. Bei erlangter Keife finfen fie auf den Grund der Gewäſſer und verharren hier ruhend während des Winters, bis die geeignete Frühlings-Temperatur fie zu neuem Leben erwedt. Lebermoofe und Yaubmoofe vermögen zwar aud) auf ungejchlechtliche Weiſe ſich zu vermehren, ja bei manchen Arten ift diefe Art der Fortpflan- zung ſogar die gemöhnlichere, die meiften aber beſitzen Antheridien, Dr- gane, welche als männlihe den Staubgefäßen der Phanerogamen entjprechen; als weibliche treten, meift von Süllblättern umgeben, Stempel (Piftille) auf. Die Antheridien find als geftielte winzige Körperchen von fugeliger oder läng- lich keulenförmiger Geftalt zwiſchen den Blättern verftedt. Sie enthalten in ihrem Innern eine Anzahl Kleiner Zellen, in deren jeder fid) ein jpiralig ge- wundener, mit zwei langen Wimpern verfehener Schwärmfaden entwidelt. Tegtere treten aus der Spite der ſich öffnenden Antheridien ing Freie und bewegen fi) in Waſſer jehr lebhaft. Die Piftille beftehen aus einem hals- ähnlich verlängerten Theil, dem Staubweg und der Narbe, den Phaneroga- men entjpredyend, und aus einem angejchwollenen unteren Theile, welcher eine größere Zelle, das jogenannte Keimbläschen, enthalt. Hofmeifter ift eg bei feiner unermüdlihen Ausdauer gelungen, einen jener Schwärmfaden des ge- meinen Drehmoos (Funaria hygrometrica) innerhalb des Piftilles derſelben Pflanze wiederzufinden und ſomit die Bedeutung jener Faden aufzuhellen. Aus dem Moospiftill entwidelt fih die Moosfrucht. Dieje enthält im ‚Innern eine große Anzahl Fortpflanzungszellen (Sporen), mit denen bei den Lebermooſen Schleuderzellen, aus gemwundenen Fäden innerhalb von Schläuchen bejtehend, untermifcht find. Die Lebermoosfrucht durchbricht bei beginnender Keife die am Grunde zurüdbleibende äußere Hüllhaut, die Haube, und zeripringt meift in wier Klappen. Die PYaubmoosfruht nimmt die ab- geiprengte Haube mit empor, indem fie gewöhnlich fi) auf längerm- fteifen Stiel emporhebt. Nur bei wenigen Mooſen werden die Sporen durch Fäul- niß der äußern Haut befreit, bei den meiften Gattungen fpringt der obere Sruchttheil als Dedel wageredit ab; die Mündung der Kapfel zeigt ſich häufig mit einer einfachen oder doppelten Reihe zierliher Zähne bejetst, deren Zahl und jonftige Beihaffenheit der beſchreibenden Botanik gute Mittel zur Feſt— ftellung der Genera abgiebt. Im Innern enthält die Frucht der Yaubmoofe meift ein zartes Mittelfäulchen. ar ATS \ ll | J a EG EZ N] — | Die Früchte der Farnfräuter. a. Angiopteris angustifolia. b. Davallia heterophylla. ce. Lygodium polymorphum. d. Marattia laxa. e, Schizaea dichotoma, f. Adiantum tenerum. g. Scolopendrum offieinarum, h, Diplazium extensum. i. Lindsaya trapeziformis. j 190 Frucht und Samen. Aus den der Kapfel entftammenden Sporen der Mooſe bildet ſich ein fadenförmiger oder flächenartiger Körper, ein fogenannter Borfeim, ver jeinerjeitS erft wieder die Erzeugung von Yaubfnospen übernimmt. Ueber die Samen der Farnkräuter iſt die Vorzeit reich an abenteuer- (ihen Märchen, auf die wir jpäter zurüdfommen. Die Unterfeite dev Wedel enthält gewöhnlich braungefärbte Punkte oder Striche, die aus vielen Spo- ren beftehen. Dieje find ohne gejchlechtliche Befruchtung entftanden. Die auf vorhergehender Seite befindlihe Abbildung zeigt eine Anzahl Farnwedel, die zwar nicht in der Natur gemeinfchaftlich bei einander wachſen, jondern nad) Herbarien - Eremplaren zu einem Strauße zufammengejtellt find, bie fich aber durd ihre Fruchtbildung ſämmtlich mehr oder weniger ähneln. Die dunfeln Flede auf dem Yaube find die erwähnten Fruchthäufchen. Bei er- langter Reife fallen fie ab und entwideln fih auf humusreihem Waldboden zu einem flächenförmigen Heinen Gebilde, das man als Vorkeim bezeichnet. An diefem Vorkeim erzeugen ſich die Geſchlechtsorgane, Die männlichen mit Schwärmfäden, und die weiblichen, die nad) erfolgter Befruchtung einen Keim zu einer jungen Pflanze bilden. Die manderlei Abweichungen, welche bei der Kortpflanzung der Cha— raceen, Lykopodien und Nhizocarpeen ftattfinden, verfolgen wir nicht meiter, fondern wenden uns ftatt defjen zu den Phanerogamen. Bereits bei Betrachtung der Blüten ver- weilten wir eingehender bei ven Staubgefäßen und den weiblichen Befrucdhtungsorganen, als deren hauptſächlichſten Beſtandtheil wir bie Samenfnospen bezeichneten. Lebtere find metamorphofirte Knospen und fünnen wie dieje entweder als Stammfnospen, wie als 8 Nebenknospen auftreten. Ihr wichtigfter Theil j — Bi a ift der fogenannte Knospenkern, ein rund— menfnospe. ee getabläuft licher, aus Zellengewebe beſtehender Körper. ger Samenknospe. 3. Anemonenſtempel, Bei manchen Pflanzengeſchlechtern bleibt der— mit hängender Samenknospe. ſelbe ohne fernere Hüllen. Bei vielen dagegen entſteht kurz nach dem Auftreten des An— fangs zum Knospenkern auch ein kreisförmiger Wulſt als Umhüllung deſſel— ben, der bei fernerm Wahsthum den Knospenkern umſchließt und nur eine Heine Stelle, den Knospenmund, offen läßt. Nicht wenige Arten erhalten bei ihren Samenfnospen außer diefer noch eine zweite Hülle. Je nad) der Tage des Knospenmundes zum Anheftungspunfte der Samen- fnospen werden vier Arten der lettern unterſchieden. Liegt der Knospenmund dem Grunde ver Samenfnospe und dem Anheftungspunfte des Trägers der— jelben (der jogenannten Nabelfchnur) gegenüber, jo nennt man die Samen- fnospe geradläufig; gegenlänfig dagegen, wenn der Knospenmund neben dem Anheftungspunft Tiegt, der Knospengrund aber fi) demſelben gegenüber Geſchlechtliche Fortpflanzung der Phanerogamen. 191 befindet. Bon einer Trummläufigen Samenfnospe ſpricht man dann, wenn der Anheftungspunft jo wie der Knospengrund ſich zur Seite des Knospenmundes befinden und jomit der Knospenkern gefrümmt ift, von einer gebogenen Samenfnospe aber, jobald viefelbe geradläufig geftelt und dabei hufeiſen- oder fichel- fürmig gebogen iſt. Bon den zahl- reihen Zellen des Knospenfernes bildet ji) in den meijten Fällen eine beſon- 1! ders aus und erhält — — Er N ER - D . geradlauftg. 2. krummläufig. 5. gebogen. 4. gegenläufig. eine etwas langge- a. Andeftungspunft des Nabelftranges,. b. Knospengrund. c. Knospenmund. ſtreckte Geftalt. Sie ift der fogenannte Embryojad, Bei einigen Oattungen treten auch meh— rere Embryofäde auf, bei nur wenigen aber werden mehr als einer derjelben befruchtet, jo daß der Same jpäter mehr als einen Keim enthält. Mit dem einen Ende legt fi der Embryojfad an den Knospenmund und e8 erzeugen ih in ihm nad Amici's Beobachtungen meiftens zwei eigenthümliche Kör— perhen, die er Keimförperdhen oder Keimbläshen nannte. Gie be- jtehen wiederum aus zwei Theilen. Der Theil, welcher dem Knospenmund am nächſten liegt, erjcheint fettartig glänzend und zeigt bei einigen Gemwächfen deutlich, daß er aus feinen Fäden zufammengejegt ift. Er wird deshalb ver Fadenapparat genannt. Ber einigen Pflanzen dringt er aus dem Knospen— mund jogar hervor und ragt in die Fruchthöhle hinein. Dit an ihm be- findet fich innerhalb des Embryoſackes eine fugelige Schleimmafje (Protoplasma) ohne feitere Hauthülle, die durch diefe Eigenthümlichfeit an die Befrud- tungsfugel der Algen erinnert. Am entgegengejegten Ende des Embryo- jades liegen die fogenannten Gegenfüßler, d. 5. zwei oder mehrere von fefter Zellenhaut umgrenzte Zellen, die einen fürnigen Inhalt und deutlichen Zellenfern haben, fi) aber nad) erfolgter Befruchtung nicht weiter entwideln. Wir haben bereits früher die Entjtehung des Pollens und feiner Aus- bildung zu einem PBollenfaden erwähnt, nachdem er auf die Narbe ge- langte, Jener Fadenſchlauch wächſt durch den Staubweg in die Fruchthöhle und dringt in den Knospenmund der Samenfnospen ein. Hier ift das Zell— gewebe um dieſe Zeit gelodert und die beiden Keimförperchen des Embryo— jades liegen dicht mit ihrem Flebrigen Fadenapparat im Knospenmunde. Das untere Ende des Pollenſchlauches ſchwillt auf und verbindet ſich innig mit dem Fadenapparat beider Keimförperhen. Sein Inhalt gelangt entweder durdy Auffaugung oder in Körperform durch die gallertig gewordenen Häute zur Scleimfugel und befruchtet diefelbe. Sie erhält in Folge deſſen eine fefte Haut und beginnt eine neue Zellenbildung durch Theilung. Es werden zwar duch den Pollenſchlauch beide Keimförperchen befruchtet, aber nur eins * 192 | Frucht und Samen. derſelben entwidelt ſich gewöhnlid zum Keime Bon den exften zwei Zellen, die aus der Theilung der Befrudhtungsfugel entftehen, wird die eine zum Träger des jungen Keimes, die andere iſt der erfte Anfang des Keimes felbft. Letztere bildet durch fortgefette Zellentheilung einen Fugeligen Körper, der bereit8 einen Gegenjatz von Mark und Rinde angedeutet zeigt, und an einem Ende das Würzelchen, am andern das fogenannte Federchen erzeugt. Letzteres enthält die Spite des Stengels und die Anfänge ver erften Blätter. Nur bei wenigen Fa- milien befteht der Keim blos aus einem N« m fugeligen, zelligen Körperdhen, an dem \ U feine weiteren Theile zu unterjcheiden “ find; jo ift es der Fall bei den Orchi— deen, Monotropen. Bei den meiften Entwidelung des Keimes im BuchweizensSamen. Dikotylen entjtehen am Wurzelende die Wurzelhaube, am Stengelende zwei Keim- blätter, — die Monofotylen formen nur ein Samenblatt, am Wurzelende da— gegen bereit3 Anlagen zu Nebenwurzeln. Wenn fih die zum Embryoträger gewordene Zelle nicht weiter durch Theilung vergrößert, jo bleibt das Keim— pflänzden im Samen am Knospenmundende liegen; im andern Falle aber wählt es bis zur Mitte oder gar bis zum entgegengefegten Ende des Sa- mens. Det der Citrone und ihren Verwandten entwideln fih in der Negel mehrere Keime in demſelben Samen. Der übrige Theil des Em— bryofads, der nicht von dem - Keimförper beanſprucht wird, füllt fih mit einem an Nah- rungsftoffen reichen Zellgewebe, dem Sameneiweiß (Enbdo- jperm), welches dem wachjenden Keime neue Stoffe zur Zellen: h bildung zuführt. Nur bei weni- IR mit Eiwei sh Lan burg nitt; unten & Kei Dr Pflenzenfamilien fehlt ein pflänzchen — a. 21 b. a. ſolches Eiweiß. Verbraucht ſich jamen. c. Kartoffelſamen. d. Amaranthſamen. das letztere zur Bildung des Keimes vollſtändig, jo erſcheint der Samen eiweißlos, ſeine Samenblätter ſind aber dann gewöhnlich um ſo reicher an Stärkemehl, Kleber, Oel u. ſ. w. Viele andere Samen enthalten dagegen außer dem Keimpflänzchen vorräthige Nahrungsſtoffe als Eiweiß. Bei ihnen wird während des Keimens dem jungen Pflänzchen das aufgelöſte und verwandelte Eiweiß als erſte Nahrung zugeführt. Bei den Nadelhölzern geſtalten ſich die bisher geſchilderten Vorgänge etwas anders, bei allen bisher unterſuchten Pflanzen aber hat es ſich als Baftarde. Miſchlinge. Parthenogeneſis. 193 Geſetz herausgeſtellt, daß eine Bildung von Keimpflanzen innerhalb der Samen nur dann ſtattfindet, wenn eine Befruchtung der Keimkörperchen durch den Inhalt der Pollenſchläuche ſtattgefunden hat. Der befruchtende Pollen braucht durchaus nicht von den Staubgefäßen derſelben Blüte oder deſſelben Indivi— duums, ja nicht einmal von derſelben Spezies zu ſtammen. Verwandte Arten können fich gegenfeitig befruchten und erzeugen dadurch Bajtarde, die ihrer- ſeits aber gewöhnlich feinen befruchtungsfähigen Pollen "hervorbringen, zu ihrer weitern Samenbildung alfo des Polens der einen oder der andern reinen Art bedürfen und fo durch fortgehende Kreuzung wieder in die Stammart väterlicher oder mütterlicher Seits zurückſchlagen. Dabei ift natürlich nicht Die Mög— lichfeit benommen, den Baftard durch Ableger zu erhalten. Bor nicht langer Zeit machte ein hierher ſchlagender Fall in der botanischen Welt viel Ayf- ſehen. Man wollte die Entdeckung gemadt haben, daß unfer fultivirter Weizen, deſſen wildwachſende Stammpflanze zur Zeit noch nicht aufgefunden wor— den ift, von der im Mittelmeergebiet einheimijchen Srasgattung Aegilops herftamme, indem Baftarde von beiden bei fortgehender Kultur fi in Weizen verwandelten. Das Räthſel löfte fi aber bei ge- nauerer Beobachtung dadurch, daß die Baftarde fort- gehend durch Weizenpollen befruchtet worden waren. Für den Gärtner werden die neuen Spielarten, die aus Vermifchung zweier Spielarten entftehen und die man Mifchlinge nennt, meift wichtiger als die Baftarde. Nody nicht gelöft ift eine andere hierher gehörige Streitfrage, die, melde ſich auf Die foge- Samen ohne Eiweik, vom Ahorn. nannte jungfräulihe Zeugung (Parthenogenesis) 4. Cine Flügelfrucht (Längsdurch— bezieht. Man zählte noch unlängft eine ziemliche Reihe jnitt). b. Der Same mit vem von einhäufigen oder zweihäujigen Gewächſen auf, Leime im Längsſchnitt. c. Das die feimfähige Samen erzeugen follten, ohne daß eine Be aha a ee Einwirkung von Vollen ſtattgefunden. Kette ee 4 5 ; , E j d. Dafjelbe mit ausgebreiteten neuerdings die meiften hierbei untergelaufenen Irr— Reimblättern. thümer aufgeflärt und nur nody ein vereinzelter Fall | ift übrig geblieben, die Befruchtung der Coelebogyne ilicifolia nämlich. Die ſes zweihäufige Wolfsmilhgewähs ftammt aus Neuholland und ift nur in weiblihen Eremplaren nad) Europa eingeführt worden; troßdem hat es oft feimfähige Samen erzeugt, und würde ſonach aud) für das Pflanzenreich eine Erſcheinung feftftellen, die in der Inſektenwelt mehrfach vorfommt, wenn nicht etwa fortgefegte Beobachtungen auch hier das herrjchende Dunfel nod) aufhellen werden. Wagner, Mal, Botanik, I. Bd, 13 194 Frucht und Samen. Nach erfolgter Befruchtung beginnen die Staubgefäße und Blumenblätter, Narbe und Staubweg des Stempeld und häufig auch der Kelch zu welfen und fallen ab. Blüten, die nicht befruchtet worden find, wie z. B. völlig gefüllte, bleiben meijtens etwas länger friſch als befruchtete. Bei letzterm nimmt der Saftjtrom feinen Weg nach den Samenfnospen und Denjenigen Theilen, die zu ihrer Umhüllung bejtimmt find. Die Nabelhölzer und Cy— cadeen tragen ihre Samenfnospen frei am Grunde jhuppenartiger Dlattorgane; N | dieſe Schuppen verbiden ſich, N 4 werden entweder holzartig und hart zum jogenannten Zapfen, oder fie werden faftig und ver— ihmelzen jo mit einander, daß fie eine Zapfenbeere bilden. Da bei den genannten Samilien die Samen feine dem Frudtinoten entjprehende Hüllen haben, fo bezeichnen manche Botanifer jene Zapfen und Zapfenbeeren auch nicht als Fruchtſtände, jondern ale Samenftände Eigen— thümlich zeigt fi) der Samen des Tarus bei feiner weitern Entwickelung. Nach erfolgter Befruchtung erhebt ſich rings um die Samenknospe am Grunde ein fleiſchiger Ring, der bei der Reife des Samens letztern als ſchön— rothen, ſaftigen Becher umgiebt. Bei den Gewächſen, deren Fruchtknoten oberſtändig iſt, wie die auf nebenſtehender Seite abgebildete Blüte des Flachſes ein ſolches Verhältniß zeigt, bil— den gewöhnlich nur die Wände des Fruchtknotens die Hülle der Samen, mit letztern zuſammen die Frucht, doch kommen auch bei ihnen Fälle vor, daß der Kelch ſtehen bleibt, ohne geradezu Verwachſungen ein— zugehen. So umſchließt der glockige Kelch der Lippenblümler und Borragi— neen die an ſeinem Grunde befindlichen Schließfrüchte und bei der Juden— firiche (Physalis Alkekengi) und dem Taubenkropf (Cucubalis Behen) bläht er fih auf und umhüllt die Frucht gleich einer fugeligen Blaſe. Da wo der Fruchtknoten theilmeife oder ganz vom Kelde umſchloſſen mit diefem verwachſen ift, wo man von einem unterftändigen Fruchtfonten Staubblüten und Fruchtzweig des Taxus. Links Staubblüten, rehts Samenzweig. Fruchtknoten. Samen. 195 zu fprechen pflegt, der auf feiner Spige nur die Kelchzähne trägt, nimmt auch der Kelch an der Fruchtbildung Theil. Bei manchen Gewächſen wird auch der Blütenftiel fleifhig und bildet eine fogengnnte Scheinfrudt. Auf diefe Form, jo wie überhaupt auf die fleiſchigen und faftigen Früchte, Beeren, Obftarten, Nüffe und Mehl liefernden Samen fommen wir nochmals eingehender zurück. Die befruchtete Samenfnospe wird zum Samen. Diejer ift Außerlicd) umgeben von der Samenfchale, innen enthält er entweder nur die Keimpflanze mit fleifhigen Samenblättern, oder außerdem nod) das Sameneiweiß, das gewöhnlich reich an Stärkemehl oder Del ift, mitunter auch eine bedeutende Härte erhält. Berühmt find in legterer Beziehung die Sa- men der Elfenbeinpflanze (Phytelephas macro- carpa) geworden, welche den Palmen nahe verwandt ift. Sie gebeiht an den Flußufern Mittelamerifa’s Wan und entfaltet aus kurzem Strunfe mächtige, fehön- —* — geſchwungene Blattwedel. Die Früchte ſtehen zu Zapfen des Lebensbaumes (Thuja) vielen beifammen und das eigenthümliche Anjehen, und Zapfeniguppe (letztere ver- das diefe Fruchtſtände befigen, hat ihmen bei den She mit ben suei an khvem Eingeborenen den Namen „Mohrenföpfe” (Cabeza Munde befindlichen Samen, de Negro) verſchafft. Jeder Baum trägt 6—8 folder Köpfe, von denen einer gegen 25 Pfund jchwer if. Die einzelnen Früchte find mit harten Holzhöckern bejegt und ähneln dem fugeligen Stammſtück des befannten Ele— phantenfuß (Testudinaria elephantipes) unferer Gewächshäuſer. Das Sameneiweiß der Samen giebt an Weiße und Härte dem eigentlichen Elfen- bein nicht viel nad und wird von den Drechslern zır vielerlei Fleinen Gegen- jtänden, Stodfnöpfen, Kugeln u, f. w. benugt. Die lfenbeinnüffe werden mafjenhaft nad) andern Ländern ver- jendet; im Jahre 1856 koſteten in Lon— don 1000 Stüd 7—8 Shilling. Obſchon die Frucht aus dem Frucht— fnoten entfteht, ftimmt ihr innerer Bau doch nicht immer mit demjenigen des letz— tern überein. E8 zeigt ſich — das durch die ganze Natur gehende Gefet, daß cc. hi PER dB RE at bei der En ars — in der Wahl der een —— ii Mittel doch auch üppiger Reichthum und Ueberfluß, in Bezug auf die Zahlen ver Drgane und auf die Maffen vorhanden ift. Dafjelbe Grundorgan muß die verfchievenartigften Veränderun— gen eingehen, um verjchtevenen Zweden zu dienen. Das Blatt muß bier als Athmungsorgan thätig fein, dort als Klammerwerkzeug dienen, ein ander- mal das Schwimmen des Gewächſes ermöglichen. Bei feiner Metamorphofe - 13* 196 Frucht und Santen. muß es die Blütenftandhülle bilden, den Kelch varjtellen, als Blumenfrone die Befruchtungswerkzeuge umgeben, Honig abjondern, Duft aushaudhen, dann als Staubblatt Pollen erzeugen und als Fruchtblatt die Samenfnospen um- hüllen, ja wenn man lettere im Einzelnen deutet, jo fünnte man zulegt nod) in den Kuospenhüllen Analogien defjelben Grundorgans finden. Hier zeigt fich Die Natur haushälteriſch. Ein einziges Vollenforn genügt zur Befruchtung einer Samenfnospe, ja, da e8 nicht ſelten vorkommt, daß ein Pollenſchlauch ſich verzweigt, fo fann ein Pollenforn die Entftehung mehrerer Samen veranlaffen. “Hunderte und Taufende von Pollenförnern werden aber von einer einzigen Blüte her- vorgebradht. Wer zur Frühjahrszeit an einem blühenden Hafel- oder Weiden- buſch worbeigeht, wird mit dem gelben Puder, der ihn beſtäubt, zahllofe Mengen jener befruchtenden Körnchen mit hinwegtragen, die in iippigem Ueber— fluß vorhanden find. Kiefernwälder produziven ſolche Pollenmengen, daß let- tere, wenn fie Gewitterregen aus der Luft niederfchlugen, zu der Sage von Schwefelregen Veranlafjung gaben. Millionen können zu Grunde gehen und doch find noch hinreichende Zahlen für die Befruchtung der Samenblüten vor- handen. Bei ven Samenfnospen zeigt fi), wenn auch nicht in gleidy groß- artigem Maßſtabe, doch häufig ein auffallenvder Ueberſchuß. Der Fruchtknoten der Eiche hat ftet8 3 Samenfnospen, von denen regelmäßig nur eine aus— gebildet wird. Bei der Lindenfrucht zeigt ein Querſchnitt noch deutlich, daß im Fruchtknoten 5 Fächer mit eben jo vielen Samenfnospen vorhanden waren, von denen nur eine fid) ausbildete. Solder Beispiele fünnte man zahlloje aufführen. Bei einjährigen Gewädhfen würde ein Samenforn genügen, um diejelbe Anzahl verjelben Pflanzenart alljährlich hervorzubringen — wie viele Tauſende von Samen erzeugt aber nicht jelten ein einziges Gewächs. Hier entwidelt fi) Fülle und Reichthum, der eine Menge anderer Zwede im Haus- halt der Natur erreichen hilft. Während des Wahsthums der Samen werden auch die äußern Theile der Frucht größer. Ste verändern nicht nur oft ihre Geftalt, jondern aud) die Feftigfeit ihrer verſchiedenen Schichten und deren chemiſche Beichaffenheit. Die äußere Schale beſetzt ſich bei manchen mit Höcdern, Hafen und Stadeln, bei andern mit weichem Flaum oder Haaren, bei noch andern wird fie glatt; hier wird fie weich, dort fteinartig hart. Die botaniſche Kunſtſprache unterfcheivet eine große Anzahl von Frucht— formen, vie fi aber, nad bejtimmten Beziehuugen hin, auf wenige Gruppen zurüdführen lafjen. Nimmt man darauf KRüdficht, in welcher Weife ſich die reife Srucht verhält, jo Ffanı man 3 Fruchtarten unterfheiden: 1. Schließ- früchte, d. h. joldhe, die gejchlofjen bleiben, ſich erſt durch Fäulniß oder beim Durchbrechen des Keimes zu öffnen pflegen und gewöhnlich mit den enthaltenen Samen abfallen. Hierher gehören die Schalfrüchte der Getreide, der Anemo- nen, die Flügelfrüchte der Ahorne, Eichen, die Beeren, Steinobitarten u. ſ. w. 2, Theilfrüchte oder Spaltfrüchte werben diejenigen. Fruchtarten Fruchtarten, 197 genannt, bei denen die ganze Frucht in bejtimmte Stüden zerfällt, welche die Samen innig umfchloffen halten. Die mit dem Kelch eng verwachſenen Früchte der Doldengewächſe (fiehe nachfolgende Abbildung des Stinfafant) zerfallen bei der: Reife ftets in zwei Hälften, die durch fadenfürmige Träger nod mit den Fruchtitiel eine Zeit lang in Berbindung jtehen. Während bei ven Dolden die Theilung Der Länge nad vor fid) geht, geſchieht ſolche bei einigen andern Früchten der Quere nad. 3. Kapſeln nennt man alle die zahlreichen Fruchtformen, welche durch Oeffnungen die reifen Sa— men austreten laſſen. Die Art und Weiſe, in der dies geſchieht, iſt eine ſehr viel— fältige. Bei vielen Nelken— blümlern öffnet ſich die Kapſel in Zähnen an der Spitze und erinnert in etwas an die früher erwähnte Frucht der Laubmooſe. Die Kap— ſel des Mohn entläßt (bei den meiſten Arten wenig— ſtens) die kleinen Samen aus Löchern unterhalb der fternförmigen Narbenſcheibe, Blüte und Frucht des Stinkaſant (Narthex Asa foetida). die Orchideenfrüchte Springen in Spalten auf und bei vielen andern Gewächſen zeripringt die ganze Kapfel ın mehrere Klappen. Zwei häufig vorfommende Kapfelarten find die Hülfen und Scoten. Erjtere find den Schmetterlingsblütlern, letztere den Kreuzblüm— lern eigen, obſchon im gewöhnlichen Leben oft gerade der Name Schote als Bezeihnung der Erbjenfrüdhte gebraucht wird. Die Hülfe der Schmetterlings- blütler. bejteht aus einem Fruchtblatt, das die Samen an der fogenannten Rückennaht trägt und entweder blos an der Bauchnaht oder an beiden Nähten auffpringt. Fleifhige und einfamige Hülfen bleiben meift gejchloffen. Die Schote dagegen enthält zwifchen den beiden Fruchtblättern noch eine häutige Scheidewand und hat die Samen zu beiden Seiten derjelben rechts und links vertheilt. Intereffant ift es, die Art und Weiſe zu verfolgen, in welcher vie Samen aus den Kapfeln und überhaupt von der Mutterpflanze entfernt und nad) ent- 198 Frucht und Samen. legenern Orten transportirt werden. In den Kapſeln ber Lebermooſe liegen — Schleuderfäden, die durch ihre Elaſticität die Klappen ſprengen und die Sporen ausſtreuen, in den Früch— ten mancher Orchideen wiederholt ſich das Aehnliche. Bei Epidendrum cu- spidatum, Gongora Buflonia, Acro- pera intermedia u. a. finden fid) Dichte Reihen langer, vielfach verjchlungener, fadenformiger, hygroſkopiſcher Haar— zellen, die durch ihr Zuſammenziehen und Ausdehnen in Folge des veränder— ten Feuchtigkeitsgehaltes die winzigen Samenkörnchen ausſtreuen. Eine ver— wandte Einrichtung haben die Kapſeln der Laubmooſe, deren Zähne ſich ab— wechſelnd ſchließen und öffnen, je nach— dem der Thau ſie netzt oder der Son— nenſtrahl trifft. Ein wirklich luſtiges Schauſpiel bieten die Sporen der Schach— telhalme unter dem Mikroſkop geſehen. Jeder derſelben iſt mit 4 dünnen, am * Ende etwas keulig verdickten Fäden be— zruchtformen: 1. Schote einer Kreuzblume. — der — —5* ae jest, die von demſelben Punkte der blume 4. Flügelfrucht der Birke, 5. Hülſe. kugeligen Sporen ausgehen. Schüttelt 6. Gliederhülſe. man trodne Sporen aus dem Frucht— \ ftand eines Schachtelhalms auf die Glas— Bergrößerungsglas zahlreiche Kügelchen, von den erwähnten Fäden fpiralig um— hüllt; haut man nun während der Beobachtung über die Sporen hin, jo ift der Feuchtigkeitsgehalt des Athems ausreichend, die lebhafteften Beränderun- e. e. einander und die Sporen hüpfen empor, Kapjelfrühte: a.b. vom Hartheu (Hypericum finfen wieder nieder, und berfelbe Bor- ——— jung, iR gang wiederholt fi) jo lange, als die ; rö elianthemum); d. e. 0058 '5 einwi vom Sandfraut, d. Längsſchnitt, e. a en Feuchtigkeit noch auf ſie einwirkt. Man glaubt eine wandernde Herde von klei— nen Polypen oder ähnlichen abenteuerlichen Thiergebilden zu ſehen. gen in der ſchlummernden Kolonie her- vorzubringen. Wie zudende Spinnen- beine jchnellen die Scyleuderfäden aus | | Unſere wilde Balfamine erhielt von ihren elaftiihen Kapfelflappen den tafel des Objeftträgers, jo zeigt das Springen der Fruchtkapfeln. 199 Namen des Kräuthens „Rühr' mid) nicht an!‘ (Impatiens noli me tangere) und Jeder, der die reifenden Früchte der Gartenbalfamine etwas drückte, ward überraſcht von der Lebhaftigfeit, mit welcher dieſelbe aus einander ihnellte, die Klappen fpiralig zurüdrollte und die Samen fortichleuderte, Bei der Frucht des Reiherſchnabels (Erodium) löſen ſich die ern an ihrem Grunde los und rollen fid) ſpiralig zurück. Die Ejelsgurfe (Ecballion Elaterium), welche Nordafrifa, Sy— vien und die benachbarten Gebiete bewohnt, ſtößt bei völliger Reife oder bei Berührung die ganzen länglichen Früchte von den Stielen ab und fpritt gleichzeitig durch das an der Befeftigungsftelle entjtandene Loch den ge— jammten’ jchleimigjaftigen Inhalt mit den zahlreihen Sa— menfernen aus, möglicherweiſe dem mit diefer Tücke nicht vertrauten Beobachter ins Gefiht. Bei den zu derfelben Familie gehörigen aftatiihen Momordica-Arten und deren merifanifchen Verwandten zerfpringt die reife Frucht bet Berührung in zahlreihe Heine Stüde. Sie ähnelt hierin‘ den jogenannten Bolognejer Fläſchchen, deren fünmtlide 5, Atome fih in größter Spannung befinden umd zerfallen, Frucht des Reiherſchna— jobald die feinste Veränderung ihrer Lage bewirft wird. bels (Erodium). a. ge- Der Wanderer im brafilianiihen Wald Tann möglicher- hloſſen D- aufge weile durch ein Kleingemehrfeuer erjchredt werden, das von er aufipringenden Fruchtfapfeln herrührt. Am fehattigen Waldpfabe interejjiren ihn vielleiht die abgeworfenen Früchte des Topfbaumes (Lecythis ollaria), einer Myrtacee, die den Salbenbüchſen der Apothefer an Geftalt vergleichbar, mit polterndem Geräuſch von ihrem hohen Standort herabftürzten und auf den Boden aufihlugen. Hierbei fpringt von ihrer Spitze ein Dedel von der Form und Größe eines Zmweithalerftüds los und die Samen rollen heraus. Dieſe Art des Deffnens der Kapfel haben wir im Kleinen bei den Früchten des Wegerich .(Plantago) und des Portulak, bei denen ſich ebenfalls der obere Theil in einer ringsumlaufenden Querlinie ablöft. Zritt bei einer ſolchen brafilianifhen Wan- derung der Beobachter jett vielleicht auf eine Lichtung, auf welcher ver helle Sonnenftrahl eine Indianerhütte mit den fie umgebenden Bäumen beleuchtet, jo erregen Geräuſche feine il Aufmerkſamkeit, die ſchwachen Piſtolenſchüſſen ähneln. Ein Geöffnete gapſet Sandbüchſenbaum (Hura crepitans), eine Euphorbiacee, von ges Bortulat. den Indianern gern als Scattenbaum angepflanzt, exrplodirt jeine Kapfeln; es gejchieht dies vorzugsmeile gern dann, wenn diejelben bet erlangter Keife vom unmittelbaren kräftigen Sonnenftrahle getroffen werben. Schon die runde Form vieler Früchte befähigt diefelben, jobald fie von den Zweigen der Bäume herabftürzen, auf vem Boden weiter zu rollen. Jenes befannte Lehrgedicht, in weldem der Bauer die Weisheit Gottes bewundert, 200 Frucht und Samen. daß die Kürbisranfe große Früchte, ver mächtige Baum kleine Eicheln erhal- ten bat, damit lettere feinen Menſchen befhädigen, wenn fie ihm auf die - Nafe fallen, zeigt fih bei gehöriger Umſchau nicht ftihhaltig, denn die Früchte der Meerfofos (Lodoicea Sechellarum) find, gleidy vielen Früchten anderer Tropenbäume, gerade groß genug, um einen Menſchen todt zu Schlagen. Die Früchte vieler Doldengewächſe, Syngenefiften u: a. find mit Sta- heln, Hafen und Spiten befetst, vermöge deren fie fid) leicht an vorbeijtrei- fende Thiere anhängen und auf diefe Weife mitunter weithin transportirt werden. Die als Steppenunfraut berüchtigte Spißflette (Xanthium spi- nulosum) ift durch Schweine von einem Yande zum andern transportirt wor— den; eben jo ift die krauſe Schafwolle ein wahres Magazin für Pflanzen- famen. In der Umgebung folder Städte, in denen anfehnlihe Tuchmanu— fafturen fi) befinden, welche die erforderliche Wolle aus entferritern Gegen— den beziehen, finden fi) auch gewöhnlich bald fremde Pflanzen ein, die durch die Wolle eingefchleppt wurden. Auf dieſe Weife ift der durch feine ftachligen Früchte jo unange- nehme kleine Schnedenflee (Medicago minima) weit umher gefommen. Die erwähnte Spigflette ift durch ſpaniſche Wolle nach Franfreih, durch ungariihe nad) Rußland, Polen und Sclefien übergeführt worden. Samen von Shngenejijten. a. Kamille. b. Rainfarn. c. Sonnenblume. d. Helenium. e. Löwenzahn. f. Gänfediftel. Die Samen der Weiden, Pappeln, der Wollenbäume (Bombax), Baum- wolle (Gossypium), Asklepias, Weidenröshen und vieler Syngenefiften ift entweder mit langen feinen Wollhaaren bejett oder trägt an kürzern oder längern Stielen zierliche Federkronen, beides Vorrichtungen, die fid) als Mit- tel zur Weiterverbreitung höchſt vortheilhaft zeigen. Bei den Syngenefiften durchläuft diefer Fruchtaufſatz, der von vielen als Kelchtheil gedeutet wird, zahl- reihe Formen, von denen wir auf obenftehendem Bilde dem Leſer einige vor: führten. Ein auffallendes Beispiel bietet hier das kanadiſche Berufsfraut (Eri- geron canadense), eine Pflanze, deren Samen mit Federkronen verfehen find. In der Mitte des 17. Yahrhunderts foll dafjelbe zum erften Male als Aus- topfungsmaterial eines PVogelbalges von Nordamerifa nad) Europa trang- portirt worden fein. Im Jahre 1800 fand Delabre in ganz Auvergne eine einzige Pflanze diefer Art, bereit8 1805 trafen fie Salvert und St. Hilaire * — - a ET u EI Zn u _— Wandern der Samen. 201 in den Feldern der Limagne faſt auf jedem Schritt und gegenwärtig wird man - in Deutſchland felten einen Schutthaufen, einen neu angelegten Eijenbahn- damm, einen Begräbnißpla u. dgl. -treffen, auf denen das läſtige Gewächs nicht in Unmaſſen wucherte. Nicht wenige unferer Baumfrüchte bilden Flügel an ihren Samen, bie ebenfalls beim Transport durch den Wind vortheilhaft find. Birken, Erlen, Eichen, Kiefern, Ahorne werden auf dieſe Weife nicht felten an Stellen ausgeſäet, zu denen fie ohne jene Ein- vihtung nie hätten gelangen können. Birken niden vom Portale des Köl— ner Doms, Fichten und Kiefern frönen Ruinen und fteile Felſenzacken. Das fliegende Wafler zeigt fid) — beim en von Samen ebenfalls — 5 ſehr behülflich. Gerade Waſſerpflan— Ahornfrüchte. ſamen, rechts ein Same. zen ſind es, die ſich in den verſchie— denſten Erdtheilen finden. Unſere Rohrkolbe (Typha) iſt auch in den Süm— pfen Neuhollands vorhanden, Laichkraut (Potamogeton) findet ſich in denſelben Arten auf Neuſeeland und Java, Brunnenkreſſe gedeiht in den Bächen Abeſſy— niens ſo gut wie bei uns. Gebirgswaſſer ſiedeln die Gewächſe des Hoch— landes drunten im Tieflande an und ſelbſt das ſalzige Meerwaſſer trans— portirt nicht wenige Samen und ſetzt ſie an weitentlegenen Orten ab, oft ohne ihrer Keimkraft geſchadet zu haben. Die Verbreitung der Manglebäume, der Kokospalme und des Pan— dang durch Meeresſtrömungen nach neuentſtandenen Inſeln iſt mehrfach nach— gewieſen worden. Von Sumatra und Java aus ſind in dieſer Weiſe Ge— wächſe nach der Weſtküſte von Neuſeeland und von hier nach der Keeling— Inſel transportirt worden, deren dürftige Flora nur aus 20 Pflanzenarten beſteht, die zu 19 verſchiedenen Gattungen und 16 Ordnungen gehören. Alle Pflanzen der Keeling-Inſel ſind Uferpflanzen des indiſchen Archipels und wür— den demnach einen Weg von gegen 2000 Meilen zurückgelegt haben. Die Uebereinſtimmung, welche zwiſchen den Strandpflanzen Guinea's und des heißen Amerika's vorhanden iſt, iſt aller Wahrſcheinlichkeit nach durch den Golfſtrom vermittelt worden. Derſelbe Meeresſtrom transportirt Samen von Mimosa scandens und Guilandia Bonduc von Weſtindien nad) England, nach dem Nordkap und ven Küften des Weißen Meeres und Islands. Sie würden an lebt- genannten Orten feimen, wenn bie klimatiſchen Verhältniſſe e8 nicht verwehrten. Selbſt die Samen vieler Pflanzen des Binnenlandes vertragen ein län— geres Verweilen im Seewaſſer recht gut. So Ffeimten Samen von Kreſſe (Lepidium sativum), Nadieshen, Salat, Möhren, Sellerie noch jehr. gut, nachdem fie 42 Tage im Meerwaffer gelegen. Zahlreiche andere Samen ver- tragen wenigftens ohne Nachtheil ein Verweilen von 14 bis 28 Tagen. Da 202 Frucht und Samen. nun die befannten 10 größern Meeresftrömungen täglih im Durchſchnitt 33 Seemeilen machen, jo können in einer Zeit von 42 Tagen Samen leicht 13— 1400 GSeemeilen weit fortgeführt werden. „Jene Samen finfen zwar, wenn fie frei ins Wafler gelegt werben, in demſelben unter, Die meiften mer- den aber entweder mit den ganzen Pflanzen oder wenigſtens mit den Frucht— hüllen bei etwaigen Ueberſchwemmungen fortgejpült; ja viele Hülfen, Kap- jeln, Blütenföpfe von Syngenefiften u. j. w. fchliegen fi), jobald fie naß werden und lajjen die Samen erft beim Trocknen austreten. Die Thierwelt bethätigt fid beim Berbreiten der Pflanzenfamen zwar nicht in gleich ausgedehnter Weile, wie Wind und Waffer, ift aber dod nicht ganzlich außer Acht zu lafjen, ja die Samen mander Gewächſe ſcheinen es zu bedürfen, daß fie erſt eine Reiſe dur den Darmfanal eines Thieres maden, bever ihre SKeimfähigfeit gewedt wird. Die Beeren verhalten ſich hier, den Vögeln und manchen Säugethieren gegenüber Ahnlid wie die honig- führenden Blüten in Beziehung zu den Infekten. Die Miftel wird faft nur durch Bögel von einem Baume zum andern verpflanzt, die Kermesbeere (Phy- tolacca decandra) ift vun Bordeaur nad) den Pyrenäen und Italien durch Vögel verjchleppt worden, ein Aehnliches weiß man won Arbutus Andrachne in der Krim. Eichelhäher und andere Kabenvögel legen fih Borräthe von Eicheln und Buchnüſſen an, die oft feimen, bevor fie der Vogel wieder be- darf. Kühe frefien gern Beeren der Berberite und haben auf diefe Weife in Neuengland jenen Straud) tief ins Innere des Landes verbreitet. Das Sleihe haben fie in Südamerifa mit der Palma real bewirkt. Marderarten follen oft das Entftehen von Kaffeefträuhern in Tropenländern veranlafien, wie dafjelbe aud von Tauben in Bezug auf den Musfatnußbaum erzählt wird. Am großartigften hat der Menſch auf die Verbreitung der Pflanzen- jamen eingewirft und zwar eben fo abfihtlich durch Anſäen von Nuke gewächſen, als abfichtslos durch Verſchleppung der fogenannten Unfräuter. Europäiſche Gewächſe find den Anſiedlern nad allen Erbtheilen gefolgt und unfere einheimijhe Flora hat wiederum neue Ankömmlinge aus allen Kon- tinenten erhalten. Selbſt die Kriegszüge haben das Ihre mit beigetragen. Nach der Belagerung Wiens durd die Türken erſchienen orientalifche Pflan- zen (Euclidium syriacum) in der Umgebung der Stadt und ruſſiſche Gewächſe (Coriospermum Marschallii) wurden durd) die Koſaken zur Zeit der Freiheits- friege bis zum Nheine, ja jogar bis nad) Paris (Bunias orientale) geſchleppt. Die Fähigkeit zu feimen verliert fi bei manchen Gewächſen bald, bei andern hält fie fich fehr lange. Avicennia tomentosa, jener Baum, der die Manglevidichte ver Meereslagunen mit bilden hilft, entwidelt den Keim fuß— lang ſchon, während der Same nody an den Aeſten der Mutterpflanze ſitzt, ein Fall, der bei manchen Örasarten und bei Getreidefamen in feuchten Jah— ven aud) bei uns eintritt. Wafferpflanzen find gewöhnlich in diefer Beziehung jehr empfindlich und in den meiften Fällen exrfterben ihre Samen ſchon, wenn fie überhaupt austrodnen. Als Geſetz ftellt fi heraus, daß in den meiften Keimfähigfeit. Keimen. i 203 Fällen Samen die Keimfähigkeit um jo länger behalten, je trodener fie find. Delveihe Samen verderben viel leichter als mehlhaltige. Als Bei— ipiele außerordentlich langer Keimfähigfeit führt man gewöhnlid jene Weizen- förner an, die man in ägyptiſchen Mumienfärgen getroffen und zum Auf: gehen gebracht hat. Getreidekörner zeichnen fid) aud vor vielen andern Samen dadurdh aus, daß fie feimen, wenn fie aud nicht ihre wöllige Keife auf der Mutterpflanze erlangten. Haben fih in ihnen überhaupt die noth- wendigen Formen und Beftandtheile (Stärfemehl) entwidelt, jo bejteht das Weiterreifen bei ihnen nur in einem Austrodnen, das aud) nad) einer Tren- nung von der Mutterpflanze ftattfinden fann. Man hat Wintertoggen, der drei Wochen vor der eigentlichen Ernte eingejammelt war, feimen und ge- deihen jehen. Das Keimen der Samen tritt ein, jobald die äußern Verhältniffe gün- jtig find, um die in ven Samen liegenden Elemente zu veranlafjen, jene chemiſchen Prozeſſe fortzufegen, die wir unter dem Namen Yeben und Wachs— thum des Gewächſes zufammenfaflen. Da die Mifhung der Elementarftoffe in jedem Pflanzenfamen etwas anders ift, werden aud die äußern Bedingun— gen abweichende fein müffen. Die wichtigften der äußeren Faktoren, welde den Samen zum Keimen veranlafjen, find Wärme und Feuchtigkeit. Der Boden wird meift erft auf etwas fpäterer Entwidelungsjtufe wichtig. ° Die meiften unferer Pflanzen feimen bei 4- 10° C., mande, bejonders wieder die Getreidearten, fünnen auferordentlihe Temperaturunterfchtede al8 Samen unbejchadet vertragen. Sie erfterben nicht in der ftrengften Kälte und fünnen 15 Minuten im Waffer von + 45° E., in Wafferdampf von 60° und in trodener Luft von 75° aushalten, ohne die Keimfähigfeit einzubüßen. Er- halten die Samen bei hinveichender Wärme genug Waffer, jo ſaugen fie das fegtere ein und quellen davon fo auf, daß die Samenfchale berftet. Dies geſchieht ſtets an der Stelle, an welcher das Würzelhen des Keimes Liegt. Die hemifhen Vorgänge im Innern der Samen beginnen und nehmen ihren Fortgang. Die Kohlenhydrate und Eiweißſtoffe gehen fortwährende Beränderungen ein. Alle Stärke, Zuder und Dertrin des Sameneiweiß oder der Keimblätter werden dem Keimpflänzchen zugeführt und bier zur Bil- dung neuer Theile und zum Ausdehnen bereits angelegter verwendet. Die Stärfe und ihre Umwandelungsprodufte find in der Rinde und im Marke des Keimlings thätig, die Eiweißftoffe vorzugsmeife in den Gemwebepartien, in welhen Neubildung von Zellen am vorwiegenditen ftatt hat. So widtig das unmittelbare Licht für die meiften Pflanzen in ihren ipäteren Wachsthumsſtadien ift, fo ſcheint es doch dem Keimen gemöhnlid) nachtheilig zu wirken. Letzteres gefchieht im Dunfeln am beten und Keimpflan- zen, dem Sonnenftrahle ausgefegt, halten im Wachsthum inne und fterben ab. Ueber die jedenfalls wichtigen Einwirkungen des Galvanismus, der Elek— tricität und de8 Magnetismus auf die feimenden Samen, ſowie auf das Wachsthum der Pflanzen überhaupt, fehlen uns nody hinreihende Aufſchlüſſe. 204 Frucht und Samen. Aus dem Samen eines Gewächſes entfteht eine Pflanze, weldye ver Mutterpflanze in ven weſentlichſten Theilen glei) ift. Größere oder gerin- gere Abweichungen diefer oder jener Theile kommen aber ebenfall® wor und auf diefe Neigung der Individuen zu Abweichungen gründet Darwin feine geiftveiche fowie folgenſchwere Theorie über die Entftehung neuer Arten. Früher ging man freilid weiter und behauptete ohne Weiteres, daß aus den Samen einer Pflanzenart unter Umftänden ganz anders geartete Gewächſe hervorgehen fünnten. So erzählte man ehedem als etwas fehr Gewöhnliches, daß fi Roggen in Trespe umwandele. Das Wahre hierbei ijt, daß bie Samen der Trespe mehrere Jahre im Boden liegen fünnen, ohne zu keimen und ohne zu verderben. Tritt dann ein bejonders feuchtes Jahr ein, jo gehen die Trespenfamen reichlich auf, während gleichzeitig viele Roggenkeime verderben. Albert Magnus führt aber ganz ernfthaft einen Fall an, daß fi) Weizen in Noggen und Roggen in Weizen verwandeln fünne. Im zwei- ten Fahre, jagt er, erfchienen die Noggenfürner größer und röther, im dritten waren fie vollftändig Weizen. So jagt er ferner, daß auch aus der Fäulniß des einen Gewächſes andere Arten entftünden. Er ſpricht hierbei nicht etwa von Scimmelbildungen, fondern theilt mit, daß, wenn ein Buchen- over Eihenwald abgehauen wird, aus der Fäulniß der zurüdbleibenden Theile ge- wöhnlich Espen und Birken entftünden. Als bejondere Merfwürbigfeit, die vielleicht mit irgend einer Heiligenlegende in Verbindung fand, führt ev an, daß im Lande Alumnia man einen Eichenwald abgetrieben und den Plat mit Eichenzweigen beftedt habe. Daraus feien ſchöne Weinftöde entftanden. Als Glanzſtück erzählt Odoricus de Porto Naonis, ein Franzis- faner-Mönd), der 1318 eine Miffionsreife nad) Aſien machte, über das ſchon erwähnte vegetabilijche Lamm (ver Strunf von Polypodium Baromez): „Eines Tages ſah ich ein Thier von der Größe eines Eſels, weißer als Schnee, deſſen Wolle, die man abſchor, der Baumwolle glih. As ich die Umftehen- ven fragte, was das fei, antwortete man mir: der Fürſt hätte es einem der Barone gejchenft, feines Fleifches wegen, welches das befte und dem Menſchen zuträglichfte fei. Man fügte hinzu, es ſei da ein Berg, worauf gewiſſe große Kürbiffe wüchfen und wenn fie veif wären, öffneten fie fid und jenes Thier käme heraus.” Dem Franziskaner erſchien die Sade durchaus nicht ungewöhnlich, denn es hatten ihm glaubwürdige bedeutende Männer verfichert, daß in Schottland und England Bäume wücjen, aus deren Firbisartigen Früchten lebendige Vögel hervorgingen. ben jo glaubte man damals, daß die Gallwespen durch den Eihbaum in feinen Blättern jelbft erzeugt würden. Jene Kuriofitäten find längft durd) die Forſchung aufgeklärt. Es fteht feſt, daß alle gegenwärtig vorhandenen Pflanzenarten aus Samen oder Spo- ven gleichartiger Gewächſe abftammen. Ungelöft bleibt aber völlig die Frage nad) der Entftehung des erften Samenfornes, jene Trage, die zu allen Zeiten für Forfcher und Philofophen venjelben Reiz bewahrt hat. Obſt und Getreide. Einheimiſche Obftjorten. — Anatomie derjelben. — Kernobſt, Steinobft. — Beeren. — Orangen. — Scheinbeeren. — Zujammengejette Beeren. — Nüſſe. — Objtbau in Deutſchland, Nordamerifa, Kalifornien. — Einheimijche wilde Beeren, — Beeren des Nordens. — Südfrüchte. Korinthen. Kürbisfrüchte. Südliche Nüffe. — Tropiſche Obſt— jorten. — Getreide, Reis, Mais, Weizen, andere Getreidearten. — Hüljenfrüchte. Wer des Lotos Gewächs num foftete, ſüßer denn Honig, Nicht an Verkündigung weiter gedachte der, noch an Zurückkunft; Sondern fie tradjteten dort in der Lotophagen Gejellidaft Lotos pflückend zu bleiben und abzufagen der Heimat. Moss: Odpsser, SS) ie Phantafie einfacher Naturvölker malte fih als höchſtes Glüd der I, Erve, als lieblihften Aufenthalt und Inbegriff der Seligfeit hienieden ein Paradies, d. i. einen großen Garten voll Bäume, deren Früchte Liehlid) anzufhauen und gut davon zu effen. Gar Mancher der gegenwärtigen Gene- ration würde zwar mitleidig iiber ein foldes Glück lächeln und geringſchätzig die Achſeln zuden, immerhin hat aber ein Obftgarten feinen eigenthümlichen Reiz und eben fo feine poetifchen wie praftifch guten Seiten. In manden Beziehungen übertrifft er fogar den Blumengarten, troß aller Pracht des lettern. Die Blume ift meift ein Erzeugniß jchnell ver- gehender Sommergewächſe; fie, das Symbol der raſch verwelfenden Schön- heit, feſſelt das Gemüth des ernften Mannes felten in dem Grade wie der Obftbaum, der mit ihm aufgewachſen, an ven fich vielleicht die Geſchichte der 206 Obſt und Getreide. Familie knüpft und der dankbar jedes Jahr die Pflege zu vergelten fcheint, die ihm zu Theil wird. Der materielle Genuß, den das Gemüfe bietet, findet ih mit dem Duft und ver lieblichen Färbung im Obſt vereinigt, und meine Lejer begleiten mic deshalb, wie ich hoffe, gern zu einem furzen Rundgang durch Obftplantagen und Beerenfluren. „Dei einem Wirthe wundermild, da war ich jüngft zu Gaſte“, fingt das Volkslied, und fährt fort: „es war der gute Apfelbaum, bei dem ich eingefehret.” Greifen wir aud) zuerst nad einem Apfel am fruchtfehweren Zweige, um feinen Bau zu betrachten. Das jogenannte Blütchen an feinem obern Ende giebt uns den deutlichen Fingerzeig, welche Theile der Blüte ſich hier zur Frucht ausgebildet haben. Wir erkennen veutlih noch die Kelch— zähne, oft auch nody Spuren der Staubgefäße, die dort ftanden. Der Keld) ift mit dem unterftändigen Fruchtknoten jo innig verwachſen, daß wir bei Betrachtung eines durchſchnittenen Apfels nicht mehr jagen fünnen, wo der erftere aufhört und der Leßtere anfängt. Im Innern finden wir 5 Fächer, durch je zwei harte Häute eingefchloffen, die im Mittelpunkt aber eine Deff- nung frei laſſen. In jedem Face liegen 2 Samenferne, wenn nicht, wie dies bei fultivirten Früchten häufig der Fall ift, einer derſelben unausgebilvet geblieben ift. Jene Samenhülfen find von dem Fruchtfleifh und dieſes vo der Schale umgeben. | Der Bau der Birne ift jenem des Apfels jehr ähnlich. Auch bei ihr {ft der mit dem Fruchtknoten verſchmolzene Kelch fleifhig geworden; die har- ten Fächerränder um die Samen ebenfalls. An der Hede des Gartens leuchten ſcharlachroth die Früchte der Hage- butte (Rosa villosa); fie erinnern uns, daß die meiſten unferer Obftarten zur Familie ver Rojenblümler | 3 im weitern Sinne gehören. AT WR Dei den Früchten der Roſe fallen die Kelchblättchen noch mehr in die Augen al8 beim Apfel, und ver Durchſchnitt legt uns die F zahlreichen mit Stachel— W haaren umhüllten harten ih Kirſchblüte im Längsdurchſchnitt. Samen bloß, während das Roſenblüte im rothe Fleiſch der äußern LKingsdurchſchnitt. Fruchtſchichten bei manchen Spielarten ſaftig ſüß und gewürzhaft genug iſt, daß es von Hausfrauen und Conditoren gern zu mancherlei Leckereien ver- wendet wird. Aehnlich verhalten fi) die Früchte der Mispel und Quitte. Etwas abweichend geftaltet fid) die Fruchtbildung bei Pflaume, Kirfche, Aprikofe und Pfirfihe, deren Blüten im Allgemeinen buch die auf dem Rande des Kelches ftehenden Blütenblätter und Staubgefähe mit den Roſen— blüten und denen bes Hartobftes (Aepfel, Birnen) übereinftimmen. Der Kelch = Kernobft und Beeren. 207 betheiligt ſich bei ihnen nicht mit bei der Fruchtbildung, ev verwelft und fällt ab. Der Samen, objhon oft zu 2 in der Fruchtknotenhöhle ‚angelegt, it in der reifen Frucht gewöhnlich nur einzeln ausgebildet, umgeben von einer fteinharten Hülle, mit welcher ex den jogenannten Stein oder Kern (Kernobft) darſtellt. Die äußere Schicht des Fruchtknotens iſt jaftig ge- worden und wird von einer dünnen Haut, der Frudt- ihale, umgeben, die bei der Kirſche glänzend ift, bei der Pflaume zart bereift und bei der Pfirfiche flau- mig behaart erjcheint. An der Seite unjers Obftgartens zieht fid) eine 5 — Himbeeranlage entlang, an welche ſich rechts Stachel— er Be beer- und FJohannisbeerpflanzungen, linfs Erbbeerbeete anfchließen. Himbeeren und Erdbeeren find ebenfalls Roſenblümler; ihre Früchte weichen aber wiederum von ven bisher betrachteten Fruchtformen ab. Eine Himbeere entftand aus einer einzelnen Blüte mit zahlveihen Stempeln und Fruchtknoten. Jeder der letztern ift zu einer kleinen Steinfrucht gewor- den, die im Weſentlichen mit dem Bau der Kirfche übereinjtimmt. Zahlreiche jelher kleinen Kernfrüchte find zu einer zuſammengeſetzten Frucht verfchmolzen, die der Volksmund ſchlechthin als Beere bezeichnet, ſie mit Früchten von ganz abweichendem Bau in dieſelbe Kategorie zuſammenwerfend. Die Stachelbeeren und Johannisbeeren werden auch vom Bota⸗ niker als ächte Beeren bezeichnet. Bei ihnen findet ebenfalls wie beim Apfel eine Verwachſung des Kelches mit dem Fruchtknoten ſtatt; die Samen liegen zu mehreren im Innern völlig von ſaftigem Fruchtfleiſch ein— gehüllt, ohne daß ſie noch eine beſondere Steinhülle beſäßen. Die Weinbeere, ſonſt mit ihnen übereinſtimmend, weicht dadurch ab, daß ſie nur aus dem Fruchtknoten entſtanden iſt. Auch die hochgeſchätzten ſogenannten Südfrüchte: Orangen, Ci— tronen, Pomeranzen u. ſ. w. ſtimmen im Weſentlichen mit dem Bau der Beeren überein. Sie ſind aus dem freien Frucht— knoten entſtanden und äußerlich von einer lederigen, an ätheri— ſchen Oelen reihen Schale umgeben. Löſt man dieſe ab, ſo läßt ſich die innere Frucht ohne Meſſer leicht in mehrere Theile — zerlegen, deren jeder von einer trocknen, weißlichen Haut en" der Drange. geihlofjen ift und im Innern die Samen, zwiſchen jaftreihem Fruchtfleiſch eingebettet, enthält. Auch die Gurken- und Kürbisfrüchte können als Formen betrachtet werden, die den Beeren nahe verwandt ſind. An ihrer Bildung nimmt der Kelch Antheil. Die derbe Fruchtſchale geht allmälig in das ſaftige Fleiſch über und die Samen ſind in einen Fruchtbrei eingebettet. Ganz anders verhalten ſich dagegen die Früchte der Erdbeere und Maulbeere. Bei der erſtern ſind die einzelnen Früchtchen, die aus den zahlreichen Stempeln der Erdbeerblüte entſtanden, klein und hart geblieben, 208 Obſt und Getreide. der Blütenbovden dagegen ift jaftig und fleifchig geworden und hat das Anjehn einer Beere erhalten. Seine äußere Fläche ift mit den eigentlichen Früchtchen beſetzt. Die Erdbeerfrucht ift eine Scheinbeere. | , Die Maulbeere ift eine zujam- mengejeste Beere. Sie entjteht nicht wie die Himbeere und Brombeere, mit der fie äußerlich viel Aehnlichfeit hat, aus einer einzelnen Blüte, fondern aus einem Blü— tenftande, einem Kästchen. Die Früchte jener zahlreichen verſchiedenen Blüten ver- Ichmelzen mit einander und mit ihnen bie Dedblätter, welche fie von einander trenn- ten. Ein ähnliches Berhältniß findet bei der Ananas ftatt. Im Bau der Kirihe ähnlich ift Die Haſelnuß, nur daß hier Das Außere Fleifc fehlt und die am Grunde befind- lichen Hüllblättchen einen fogenannten Be- her (Sclaune) darftellen, der in gleicher Weiſe den Früchten der Buche, Eiche und edeln Kaſtanie zufommt. Diejer Ueberblick genügt uns, um zu erfennen, daß vie als Obſt bezeichneten Erdbeere: a. die junge Frucht; b. ein Theil Früchte auf höchſt verſchiedene Weiſe ge⸗ der älteren Frucht. Maulbeere: e. der halbe baut und aus ſehr verſchiedenen Theilen Fruchtſtand; d. einzelne Beere, ſämmtlich im der Blüte entſtanden find. Ber den Nüſſen Durhihnitt, eiiyas vergröfert. und Mandeln genießen wir die Samen- ferne, bei den Erdbeeren und Feigen den Fruchtboden, bei den meiften übrigen das Fructfleifh, entweder mit den Samen oder nad Abjonderung der legtern. Der Nüſſe haben wir bereits früher wegen ihres Delgehaltes gedacht; ( die meiften unſerer eigentlichen Obftarten enthalten neben Stärfemehl und ° Fruchtzucker gewöhnlich Säuren, unter denen die Citronenfäure und vorzüglid) die Apfelfäure eine weite Verbreitung findet. Bei den wildwachſenden Wepfeln, Birnen, Schlehen u. |. w. wiegen die Säuern meift fo vor und find mit fo herben andermeitigen Säften gepaart, daß fie ungeniekbar bleiben; die jorg- jame Öartenpflege hat es verftanden, diejenigen Fruchtformen in Schuß zu nehmen und ihre Eigenthümlichfeiten mehr und mehr auszubilden, welche un- jerm Geſchmack durch Keihthum an Zuder neben den Säuren bejonders be- hagen. Durd Ableger, Pfropfen, Kopuliven und Oculiren vermehrt man die erhaltenen Spielarten und erzeugt andererfeits neue, Die Pflege ver Obit- bäume, des Weinftods, dev Erdbeeren, Himbeeren, Stachelbeeren, die Zucht der Ananas, Kürbisfrüchte u. f. w. find zu befonderen Wiffenfchaften geworden, Die eben ſowol die Tafelfreuden vermehren helfen, wie fie dem denkenden Shftfultur. ? 209 Forſcher intereffante Thatſachen über das Leben der Gewächſe, über Biegfam- feit gewifjer Pflanzennaturen, Entftehung neuer Arten u. ſ. w. liefern, Be— jondere Vereine mit vegelmäßigen Verfammlungen, Zeitjchriften, —— und öffentlichen Schauſtellungen beſtreben ſich fortgehend dieſen Theil der an— gewandten Pflanzenkunde zu heben, und der Handel, das Einkommen des Staa— tes, ja der Wohlftand ausgedehnter Landſchaften find hierbei in ſolchem Grade betheiligt, daß man jene Beftrebungen aud von vielen andern Seiten unter- jtügt und den Bau der genannten Gewächſe nad) Kräften befürdert. Es würde uns hier viel zu weit führen, wollten wir auch nur die wid;- tigften Sormen verfolgen, weldhe der Pomolog von Aepfeln, Birnen, Pflaumen u. f. w. unterfcheidet, oder der Winzer bei dem Erzeugniß feiner Neben berüd- fichtigt. Wir begnügen uns mit einer kurzen Ueberficht ver Arten im botanischen Sinne des Wortes, um dann einen Blid in die Ferne werfen zu können. Apfelbaum (Pyrus malus) und Birnbaum (Pyrus communis), jo wie die Vogelkirſche Erunus avium) und die Schlehe (Prunus spinosa) find urfprüng- (ih in Deutſchland einheimiſch; die befjern Sorten derſelben find aber von Südeuropa und Sleinafien her ieingeführt worden. In Deutſchland ſcheint vor dem Jahre 800 kaum von einer Obftbaumzucht die Rede geweſen zu fein und diefelbe vorzüglid ven Bemühungen Karl's des Großen ihr Entftehen zu verdanken. Wie für viele andre dem Volkswohl heilfame Einrichtungen, gab er auch weile Verordnungen in Bezug auf die Pflege der Obftbäume. Im Jahre 1621 erjchien in Deutjchland das erfte pomologifhe Werk von Dedeutung, nämlid Knabe's Hortipomologia. Im Anfang des 16. Jahr— hunderts machte ſich um den Aufihwung der Obſtkultur der Kurfürft Auguft von Sachſen fehr verdient. Er befahl unter anderm, daß jedes junge Che- paar bei feiner Verheirathung 6 junge Obftbäume und 6 Eichen pflanzen jollte, und da ihm trotzdem die Vermehrung der nußbaren Bäume noch zu langſam von ftatten ging, ſuchte ev das allgemeinere Intereſſe daran durd) ein Werk zu weden, das unter dem Titel: „Auguſti Sar. Electoris künſtlich Obſtgartenbüchlein“ erſchien und 1636 in der zweiten Auflage ausgegeben wurde. Man erzählt auch won demſelben Kurfürjten, daß er ftets ein Säck— hen mit Obftfernen bei fich getragen und aus demſelben vertheilt habe, wo ev es für zwedmäßig fand. Dem finftern Geifte des Zeitalters entjprechend ward Baumfrevel mit dem Abhauen ver Hand beftraft. Gegenwärtig ift die Obftkultur felbft bi8 Norwegen zum 63° n. Br. und an den ſüddeutſchen Alpen bis zu 3000’ a. H. hinauf verbreitet und in manden Gegenden die Duelle eines anjehnlihen Einfommens geworden. In Thüringen und in der goldenen Aue giebt es Fleine Dorfgemeinden, die nicht jelten mehrere Hundert Thaler aus dem Verkauf einer einzigen Obftart, 3. DB. der Kirſchen, löfen. Nicht wenige Bolfsfefte knüpfen ſich an die Ernte jener Früchte; vielfach feiert man fogenannte Kirſchfeſte, in Schwaben giebt das Kochen von Pflaumenmus Veranlaſſung zu allerlei Volksbeluſtigungen und jelbft bei der ernften puritaniſchen Bevölkerung Neuenglands wird das Wagner, Mal, Botanik. II. Bo, 14 210 Obft und Getreide. Apfelfhälen und Anreihen der Apfelftüdchen zum Trocknen Urfache heiterer Feftlichkeiten. Außer den anſehnlichen Mengen unſers Obftes, welche friſch verzehrt werden, trodnet man bedeutende Quantitäten, nod) andere verwendet man zur Bereitung von Fruchtbrei (Pflaumenmus, Apfelfraut), won Confi- turen (hierzu aud die fonft ungenießbaren Quitten) und Spirituofen. Die Bereitung von Obftwein hat in den leiten Jahren, während die Weinftod- ernte durch das Didium zerftört wurde, bedeutend an Ausdehnung zugenom- men; eben jo wird aus Kirihen viel Branntwein gebrannt. Beiſpielsweiſe erwähnen wir, daß das Dorf Fougerolles zwiſchen Plombieres und Luxeul im franzöfifhen Departement Ober-Saone allein jährlid 800,000 Litres Kirſchgeiſt erfter Qualität erzeugt. | Die Europäer haben verſucht, die daheim geſchätzten Dbjtarten auch nad) den Kolonien zu überfiedeln, welche fie in andern Erbtheilen anlegten; es hat ſich aber nur in der gemäßigten Zone, der hierauf gewendete Fleiß belohnt. Schon an der Küſte des Mittelmeeres in Nordafrika feheint es unferm Kern— und Steinobſt zu heiß zu fein, obſchon in SKleinafien und in der Umgebung des Kaspi-Sees dieſelben Bäume herrlich gedeihen, ja die meiſten derſelben ihre Heimat haben mögen. Bei Tiflis find Aepfel-, Kirſch-, Aprikoſen-, Pfirſich⸗ und Walnußbäume in größter Schönheit. Die Aprikofe fol aus Armenien, die Pfirfihe aus Berfien ftammen; da lettere aber bereit8 in den ältejten Sagen der Chineſen eine Rolle ſpielt, dürfte fie vielleicht einen weiteren Ver— breitungsbezirf haben. Sie hält ſich worzugsweife mit dem Weinftod in ihrer Berbreitung zufammen und mag in der eigentlichen heifen Zone eben jo wenig gut fortfommen wie diefer, wenigftens feine ſchöne Frucht erzeugen, Wie bedeutend auch die Pfirfiche in einzelnen Landſchaften wird, ergiebt fi), wenn man erfährt, daß 3. B. in der Gemeinde Montreufe in Frankreich fi) 500, Familien befinden, die ſich ausjchlieglih von der Kultur diefer Frucht erhalten. Jede derjelben verfauft während 6 Wochen im Jahre täglidd 1000 Stüd der ſchönſten Pfirfichen. Schon anf Madeira werden Aepfel und Birnen ungenießbar, fauer, die Pfirfihe hoßig. Die Aprikofe gedeiht noch am ſchönſten. Es ſcheint, als ob bei der gefteigerten Hite die Früchte reiften, ehe fie Zeit gewinnen, hin- länglich Zuder zu bilden. Daffelbe gilt für das tropifche Amerika, Brafilien und Merifo. Auch die Weinbeeren bleiben in legtgenannten beiden Ländern fauer. Ein jehr günftiges Gebiet Dagegen haben unfere Obftforten in den mit verwandten Klima begabten Vereinigten Staaten Nordamerifa’s gefunden. Im Staate New-Norf gewinnt man Pfirfihen, die ſich durch ihre Größe ſowol als durch ihre Süfigfeit auszeichnen. Kinzelne Sorten von Birnen ftehen in Geſchmack und Schönheit den beiten franzöfifchen Sorten nicht nad); nur Pflaumen und Zwetſchen find ſchlecht. Bon Aepfeln hatte man 1854 fo viel geerntet, daß fie wohlfeiler waren als Startoffen. In Rocheſter, einer Stadt jenes Staates, dürfte wol die größte Baumfhule und Handelsgärtnerei jein, welche überhaupt eriftirt, Sie gehört den Herren Ellwanger und Obſtkultur in Kalifornien. Beerenfultur. 211 Baroy, umfaßt 1200 Acker und beſchäftigt 300 Perſonen. In den geeig— neten Zeiten werden täglich 35,000 Augen eingeſetzt. In einem Jahre wurde unter andern ein Stück mit 90,000 Kirſchbäumen veredelt. Ein halber Acker Birnenſämlinge enthielt mindeſtens eine Million Bäumchen. In den Reb— häuſern werden 10,000 Stück Reben gezogen. Die fruchttragenden Gewächſe ſind über 225 Acker vertheilt, das übrige Areal kommt auf die Kultur von Roſen, Georginen, Wellingtonien u. ſ. w. Wahrhafte Wunderdinge erzählt man von den Ergebniſſen, welche man bereits in wenigen Jahren in Kalifornien in der Obſtkultur hervorgebracht hat. Birnbäume trugen bereits 28 Monate nach der erſten Pflanzung Früchte a 14 bis 17 Loth ſchwer und 9 Zoll im Umfange. Ein Birnbaum in San Iofe trug ein Jahr nad dem DVeredeln Früchte von 13 bi8 14 Zoll im Umfang. Don 4 alten Birnbäumen verfaufte ein Obſtzüchter jenes Drtes 18 Monate nach dem: Pfropfen für 100 Dollars Birnen, obſchon jene Früchte bei der Menge derſelben fpottwohlfeil find. Man erzählt von Aepfeln, die 1 Pfund 14 Loth fehwer geworden, von Birnen, die 2 Pfund 24 Loth, ja 3 Pfund 14 Loth gewogen. Ein Apfel der Sorte Gloria mundi, von 2 Pfund 7 Loth Gewicht, hatte 17 Zoll im Umfange, war alfo ziemlich fo groß wie der Kopf eines 12jährigen Knaben. Bon einer Farm (des Hrn. Thomjon) wird berichtet, daß fie 1853 begonnen worden, I00 Morgen umfaßte und be— veits Ende 1856 allein fir Früchte 200,000 Dollars eingebracht hatte. Sie enthielt zu leßterem Zeitpunfte 4000 Xepfel-, 10,000 Pfirfich-, 1000 Birn-, 1000 Pflaumen-, außerdem Nectarin-, Aprikofen-, Kirſch-, Quitten-, Feigen-, Dliven- und Pomeranzen-Bäume,- dazu Beerengeſträuch, im Ganzen. 18,000 Fruchtbäume in 250 Sorten, ferner 1600 verfchievene Nußbäume, Einfafjungen von 3600 Zierbäumen, 8000 Weinſtöcke in 30 Spielarten, in Summa 31,000 fruchttragende Bäume auf 140 Morgen. Ueber 50,000 junge Bäume find in der Baumschule zum Verkauf. Ein anderer Pflanzer löfte 1856 allein aus dem Ver— fauf ver felbfterzeugten Pfirfichen 49,000 Dollars, 1857 fogar 70,000 Dollars. So geringfügig unfere Beerenfrüchte neben den Obſtbäumen und Wein- pflanzungen aud auf den erften Anblid erjcheinen mögen, fo wichtig werben fie doch für manche Gebirgsgegenden, in denen die befjeren Fruchtbäume nicht mehr fortkommen. Erdbeeren, Himbeeren, Stadyel- und Johannisbeeren wer- den in den Gärten gezogen und zwar ift die Zucht der erftgenannten Pflan- zenfruccht befonders in England zu vorzüglicher Ausbildung gediehen; man erzeugt Dort Erdbeeren von faft Fauftgröße. Die Schönheit der aus den Früchten der Himbeere dargeftellten Fruchtfäfte wird felten durch eine andere Frucht übertroffen. Beide Gewächfe, jo wie die weniger gead;teten Brom- beeren, gehören, wie bereit8 erwähnt, der Familie der Kofenblümler an, zu der im weitern Sinne auch die Stein- und Kernobſtarten gerechnet werben. Stahel- und Johannisbeeren (Ribes Grossularia, R. rubra) find einer be- jondern Gruppe, den Grofjularieen, angehörig; fie liefern nur unter befonderer Pflege befjere Früchte; bei den zu den Vaccineen gehörigen Heidel-,, Bid- und 14* 212 Obſt und Getreide. Breißelbeeren (Vaccinum uliginossum, V.Myrtillus, V. Vitis Idaea) begnügt man fih dagegen mit den Produften, melde dieſe Halbfträuder in wilden Zuftande erzeugen. Sie beveden auf jumpfigen Heiden und in Gebirgswaldungen nicht jelten meilenmweite Streden und das Einfammeln und Berjenden ihrer Früchte wird während der geeigneten „Jahreszeit zum fürmlihen Induftriezweig. Im Erzgebirge ftellen fi die Preigelbeerjammler in Tanggeftredter Kolonne auf und rüden langjam gleihmäßig vor, um nichts zurüdzulafien. Sie ftreifen die Beeren von den Sträudern mitteljt eines Kammes ab, ver fi) am Rande des zum Sammeln beftimmten Gefäßes befindet; dabei ge- ſchieht das Einbringen der Preikelbeeren bereits, wenn dieſe noch halbreif und hell gefärbt find, da fie dann mehr Härte haben. Man jchüttet fie dann in Kellern auf Iuftige Siebe und läßt fie jo nachreifen. Die Heidelbeere (Vaceinum Myrtillus) ift wegen ihres mafjenhaften Vorkommens noch wichtiger als die ebengenannte. Als Beifpiel, welden Werth fie jtellenweije erhält, führen wir an, daß in St. Andreasberg am Harz ein Kaufmann von den- jelben (einſchließlich der wildwachſenden Himbeeren) jährlich für 500— 600 Thlr. auffauft, um fie auszuprefien und den Saft nad dem Auslande zu verjenden. Im Jahre 1850 verfandte er 50 Orhoft ſolchen Saftes. Eine wenigftens gleihe Menge lieferten aber die Bewohner jenes Gebietes nad) Wernigerode und Harzburg, jo daß dem Fleinen Orte von 4000 Einwohnern ſchon durd) die nad) außen gehenden Beeren etwa 1000—1200 Thlr. zufließen, während der Verbrauch im Orte jelbft ein nicht viel geringerer fein dürfte. In dem Flecken Lauterberg werden mindeftens für 500—600 Thlr. Beeren aller Art gefammelt, den eignen Berbraud nicht mitgerechnet. Schaaren von Weibern und Kindern ziehen zur Beerenzeit luftig und fingend zum Walde und mandıe arme Familie erübrigt fih auf diefe Weije in einem Sommer 10 Thlr. und mehr. Nach einer mäßigen Berehnung dürften in den Forften des König- reihs Hannover jährlih für 145,000 Thlr. Walobeeren eingefammelt werden. In den Gebirgen und Heidegegenden der andern deutſchen Länder ift ver Gewinn durch Beerenfammeln nicht geringer. So wurden in Linz im Jahre 1859 für 15—16,000 Thlr. Heidelbeeren aufgekauft und das Pfund dabei mit nur 7—8 Pfennigen bezahlt. Sie wurden theils zu Heidelbeerjaft, joge- nannter „Heidelbeer-Couleur“ ausgepreßt, der bei ver Fabrikation der künſt— lihen Rothweine eine große Holle jpielt, theils in Körben von je 20 Pfund nad London verjendet. | Die Moosbeere (Oxycoccos palustris) übertrifft zwar Die Preißelbeere ‚an Schönheit des Gejchmades, kommt aber nie jo maflenhaft vor, um grö- Bere Bedeutung erlangen zu fönnen. In demjelben Grade, wie die Obftbäume in den nörblihern Ländern verfhwinden, gewinnen die Beeren für die Bewohnerſchaft größere Bedeutung. Außer ven genannten hat die Skandinaviſche Halbinjel die ſchwediſche Korneel- firihe (Cornus suecica), eine frautartige Bermandte unſers Korneelfirichen- baumes (Cornus mas) mit eßbaren Früchten, und in der Polarhimbeere (Ru- * * A u Zu U u a nt Beeren in Nordamerifa. Südfrüchte. 913 bus polaris) und den Mamuxramis (Rubus Chamaemorus), fo wie in Bären- trauben (Arctostaphylos) ſehr beliebte Zuthaten zu der dürftigen, einförmigen Koſt jener unfreundlichen Gegenden. In Kamtſchatka ſind die Beeren auf dem Küchenzettel ein bedeutungsreiches Gericht, und es gebührt dort den ſafti— gen Früchten der blauen Lonizere (Lonicera caerulea) eine hervorragende Stelle. Sonderbarer Weiſe bleiben gerade die Beeren dieſer Heckenkirſche im mittlern Europa geſchmacklos. Das nördliche Amerika hat für unſere Beeren Erſatz durch verwandte Arten. Unſere Heidel- und Preißelbeeren werden durch Vaccinum album, V. frondosum, V. corymbosum und V. glaucum vertreten, die Moosbeere durch Oxycoccos macrocarpus, die Bärentraube durch Arctostaphylos alpina. Letz- tere ift die geſchätzteſte Pflenzenfrucht bei ven Esfimos. Dazu fommen nod) die Beeren zweier Gaultherien (Gaultheria procumbens, G. Shallow) und zweier Mahonten (Mahonia fascicularis, M. Aquifolium). In den füdlichern Theilen bezeichnet man die Früchte des Podophyllum peltatum als wilde Limonten, wührend Ribes Cynobati und R. oxycanthoides unjere Johannis- und Stachel— beeren erjegen müfjen. Einige Roſen (Rosa carelina, R. lucida, R. blanda) erzeugen eßbare Hagebutten und Weißdorne (Crataegus flava, C. glandulosa, C. coceinea, C. parvifolia) Früchte, die jenen unſers Weißdorns ähnlich find. _ Die virginiſche Kirſche (Cerasus virginiana), die beſonders am Saskatſchewan häufig iſt, iſt im friſchen Zuftande faft ungenießbar, bildet aber getrodnei und dann zerftoßen bei den PVoyageurs eine beliebte Zuthat zum Pemmikan. Schmadhafter als fie find die jogenannten wilden Aepfel, die erbfengroßen Früchte eines Strauches (Aronia ovalis), der auf den Sandebenen am Sas— fatihewan gleichfalls häufig ift. Ein Pudding aus denjelben joll dem beften Pflaumenpubding wenig nachftehen. Zu den ſchönſten Baumfrüchten gehören unftreitig die Orangen umd ihre Verwandten. Obfehon bei uns allgemein Italien als das Yand, „wo die Gitronen blühn, im dunfeln Laub die Goldorangen glühn“, gepriefen wird, jo ſcheinen jene Fruchtbäume doch uriprüglid im ſüdöſtlichen Afien einheimifch ge- wejen zu fein. Für die Citronen (Citrus medica) ift im Sanskrit ein Name (Bidſchapura) vorhanden, aud für die fauern Limonen (Citrus Limonium, Sanskrit „Nimbuka“) und die Pomeranze (Citrus vulgaris, Sanskrit „Na— grunga“). Letztere wurde von den Araber‘ feit dem 9. Jahrhundert gebaut und obſchon die griehifhe Sage die Hesperiden-Aepfel durch Herafles vom Atlas erbeuten läßt, find viefelben doch wahrjcheinliher von Dften her ein- gewandert. Die Pomeranze ward im Jahre 1002 nad) Sicilien gebradt und die Kreuzzüge trugen viel zur Verbreitung der gejhästen Früchte im ſüdweſt— (ihen Europa bei. Die ſüße Drange (Citrus Auranliacum duleis) ift bei ung noch unter vem Namen Apfelfine, d. h. Apfel von China befannt und deutet auf ihre ferne Heimat. Sie foll im fühlihen China und Codindina ursprünglich wild gewachjen fein, Im Beginn des 16. Jahrhunderts ward fie bereits in Italien gebaut. 214 Obſt und Getreide, Der Bau der genannten „Südfrüchte“ ift für die europäifchen Länder am Mittelmeer von der größten Bedeutung. In Südſpanien 3. B. pflanzt man Orangen auf den Öetreidefeldern an und beutet den Boden dadurch auf doppelte Weife aus. Sechzehnjährige Büſche geben in guten Jahren bis 2000 Früdte und jhon folde von 10 Yahren bringen duchjchnittlic) ‚bis 500 Stüd. Als Beijpiel, welche Bedeutung diefe Früchte des Mittelmeer- gebiet8 für das übrige Europa und für den Handel haben, führen wir nur an, daß nad) den ftatiftifchen Tabellen allein in London jährlidy circa 100 Millionen Orangen verfauft werden. Die Granate (Punica Granatum) wird meiftens in den erzeugenden Ländern felbit verſpeiſt und nur Wurzelrinde und andere Nebenprodukte gehen als Medikamente ins Ausland. Wichtiger find dagegen die Feigen (Ficus Carica), welche getrodnet fid) lange halten und meit verfendet werden fünnen. In einigen Theilen des Ghurian-Gebirges im Tripolitanifhen wachſen fie in jolher Menge, daß fie in ähnlicher Weife das täglihe Brod der Bevölkerung ausmachen, wie in den Dafen die Datteln. An Handelswichtigfeit werden fie noch übertroffen durch die getrodneten Beeren des Weinftods. Der uns zugemefjene Kaum erlaubt e8 uns nicht, die Verbreitung der edlen Rebe von jeiner urfprünglichen Heimat am Kaspi-See an durd) die verfchiedenen Länder der wärmern gemäßigten Zone, jo wie feine Verwendung zu zahllofen Ge- tränfen zu verfolgen; wir betonen hier nur die Wichtigkeit, welche feine Bee— ren als Roſinen haben, bejonders jene Fleine Sorte ohne Samenferne, die man unter dem Namen Korinthen allgemein fennt. In auferordentlichen Mengen wird fie auf der griehifhen Inſel Zanthe gebaut; feit 1834 bat fih die Kultur derfelben aber aud im Norden des Peloponnes jehr ge- hoben und ausgedehnte Korinthenpflanzungen finden ſich zwiſchen Korinth und dem alten Sikyon (dem jeßigen Bafılifa), eben fo an der Nordfeite des Golfs von Lepanto. Man rechnet, daß in Griechenland gegenwärtig 160,000 Meor- gen mit Korinthen bebaut find. Im Jahre 1856, als ſich Die Stüde von ber verwüftenden Traubenkrankheit wieder erholt hatten, erhielt der Staat 80,000 Thlr. von diefer Beerenfrucht Ausgangszoll. Für die Lander um's Mittelmeer find aud die Früchte einiger, von Amerifa eingeführten Opuntien-Arten, beſonders die fogenannte indifhe Feige (Opuntia Fieus indica), zu einem beliebten Obſt geworden. Dieſe Beeren find jaftig und angenehm ſäuerlich von Geſchmack. Die Früchte des Dleafter (Elaeagnus angustifolius) werden ebenfalls gegefjen, besgleichen jene vom Erpbeer- baum (Arbutus Unedo, A. Andrachne), vom Speterling (Sorbus domestica), einem Weißdorn (Crataegus Azarolus) und dem Lotosftraudy (Zizyphus Lotus, Bruftbeeren), von deren Herrlichkeit die Alten jo große Dinge erzählten. Das Gefchleht Der Kürbispflanzen, das bei ung nur eine fehr unterge- ordnete Rolle fpielt, höchftens in der Gurfe (Cucumis sativus) Bedeutung gewinnt, wird in den warmen Gegenden der alten Welt wichtiger. Die Me- [one (Cucurbita Melo) und der zu viefiger Größe anſchwellende Kürbis Nüſſe. Tropiſche Obftfrüchte. 215 (Cucurbita Pepo) werden theils zur Erquickung für den Menfchen, theils zum Biehfutter gepflegt. Die Waffermelone (Citrullus vulgaris) iſt für ſolche Gegenden, denen es an gutem Trinkwaſſer fehlt, ein wahres Kleinod, und in den ſüdruſſiſchen Steppen geht der Bauer nicht über Yand, ohne als Labfal eine Wafjermelone unter dem Arme zu haben. Beim Mittagsmahl prangt diefelbe Frucht ftatt der Wafferflafche auf der Tafel. + Die genannten Drangen- und Kürbisfrüchte find auch nad) den eigent- lichen Tropenländern beider Halbfugeln übergeführt worden und haben eine ſolche Ueberfiedelung meift befjer vertragen, als unfere Kern- und Steinobft- forten. Der Nußfrüchte: Hafel, Walnuß, Bucheder, haben wir theilweife Ihon in einem früheren Abfchnitte gedacht, al8 wir die Del Tiefernden Pflan— zen betrachteten. In den ſüdlichern Gegenden unfres Erdtheiles, jo wie in Mittel-Afien und dem nördlichen Amerika treten andere Nußgewächſe auf. So fennen wir in Südeuropa die mit der Hafel nahe verwandte Yambertsnuß (Corylus tubulosa) und die türkiſche Hafel („Phontonkia“, C. Colurna), welche baumartig wird. Die Ausfuhr von Lambertsnüffen wird allein auf Sicilien gegen 120,000 Dukaten geſchätzt. Die mehlreihen Samen der Achten Kaftanıe (Castanea vera) vertreten in einigen Gegenden der apenninifchen und der Balfan-Halbinjel das Brod, und jogar mehrere Eicheln, die bei unſrer Eiche nur zur Mäftung des Borften- viehs zu benugen find, find dort für Menſchen genießbar. Die Balloten- ‚Eiche (Quercus Ballota) wird in Spanien, Algerien u. ſ. w., Quercus Prinos, Qu. Castanea, Qu. Aegilops in den öftlihen Ländern Südeuropa’8 und der Levante ihrer eßbaren Früchte wegen gepflegt, und China und Japan haben an Quercus glabra und Qu. cuspidata gleiche Fruchtlieferanten. Die Tſchi— nuds und andere Indianerſtämme leben einen großen Theil des Jahres hin- durch von Eicheln (Quercus Phellos u. a.); die Schnabelnuß (Corylus ro- strata und C. americana) vertritt daſelbſt unfere Hafel, und eine Anzahl Derwandte unjerer Walnüffe erzeugen wohlſchmeckende Nüſſe (Juglans nigra, J. cinerea, Carya alba, C. olivaeformis, C. tomentosa). Es bleibt uns noch übrig, einen Blick auf den tropischen Fruchtmarkt zu werfen, der gewöhnlich in der Phantafie des Nordländers als das Non plus ultra aller irdiſchen Herrlichfeiten prangt, fo lange er ihn nicht aus eigner Erfahrung oder nad Berichten parteilofer Gewährsmänner genügend fennt. Die Tropen haben ihre herrlihen Früchte, allein unfere befferen Obftforten laufen manchen derjelben den Rang ab und find ftetS mit weniger Gefahr und Umftändlichfeit beim Genuß verbunden. Die alte. Welt hatte urfprüng- lih andere Fruchtſorten als die neue; der rege Berfehr, den die Europäer herbeigeführt haben, hat aber gegenwärtig die Unterſchiede faſt ausgeglid;en, und die wichtigern Sorten finden fich jest in Weftindien und Brafilien eben fo wie in Oftindien und den Sunda-Inſeln. Als Königin der oftindifchen Obftjorten wird die Mangoftane (Gar- cinia Mangostana) gepriejen, die Frucht eines Baumes, der zu dem Geſchlecht 216 Obft und Getreide. der Guttiferen gehört. Sie hat die Form und Größe einer Apfelfine; fo fange ihre Schale nody grün ausfieht, hat das Fleisch den ſchärfſten jauern Geſchmack; hat fich erſtere aber röthlich und ſchließlich graugelb gefärbt, jo entwidelt das lettere fo reichlichen Zuder, daß derjelbe fogar durch die Schale ausfryftallifirt. Dabei fol der Geſchmack das feine Aroma der Erdbeere, Traube, Kirſche „und Orange in fi) vereinigen und der Duft jenem ver Himbeere gleichen. Der Mangobaum (Mangifera indica) verräth feine Verwandtſchaft mit ven Terebinthaceen durch den terpenthinähnlichen Geſchmack feiner gelbgrauen, länglich pfirfichförmigen Früchten, die an langen Stielen hängen. (Siehe die mittelfte Frucht des Bildes am Anfange diefes Abjchnittes!) Das golvgelbe jaftige Fleiſch läßt fid) nicht von dem holzigen Samengehäufe trennen, jondern wird von zahlreichen holzigen Faſern des lestern durchſetzt. Mit Ausnahme einiger der beten Spielarten ift e8 zur Milvderung jenes Harzgeſchmackes nö- thig, die Fruchtjchnitte etwas ins Waſſer zu legen, eine Procedur, Die wir bei feinem von unferm Obſte nöthig haben. Die Guava oder Gujava und die Arajfa ftanımen von amerifa= niihen Myrtaceen (Psidium pomiferum und Ps. pyriferum) und ahmen im Anfehn unjere Aepfeln und Birnen nad. Unter der fejten, lederigen Schale diefer Obftjorten Tiegt ein nur dünnes, weiches Fleifch, Das bei der Reife als roſenrothes Mus erfcheint, einen unangenehmen Geruch und etwas herben Geſchmack beſitzt. Als ſchönſte Frucht Braſiliens wird die Abacato (der Advokat, von Persea gratissima) geſchildert. Aeußerlich einer großen Tafelbirne ähnlich, enthält ſie ein fettes, grüngelbes Fleiſch, das einen Geſchmack wie Artiſchoken hat. Will man es ſchmackhaft finden, ſo muß man es aus der Schale her— ausſchaben und mit etwas Citronenſaft und Zucker anmengen, alsdann über— trifft es aber an Schönheit des Geſchmacks die meiſten andern Obſtſorten. Eine Perſon vermag auch wegen des pikanten Geſchmackes nur etwa den vierten oder dritten Theil einer Frucht auf einmal zu verzehren. Mehrere Arten der aus Amerika ſtammenden Anone (Anona squamosa, A. reticulata etc.) werden in den meiften Tropenländern als Obftbäume ge- zogen. Die Bamilie, zu welcher diefelben gehören, fteht in Bau den Ra— nunculaceen und Magnolien jehr nahe und zeichnet fi dadurch aus, daß bie zahlreichen Fruchtinoten einer Blüte zu einer Frucht auswachſen, welche vie regelmäßige Geftalt eines großen Zapfens hat und oft 1%, Pfund ſchwer wird. Die reifen Früchte müſſen fofort abgenommen und nod) an demſelben Tage verzehrt werden, da fie bereits am nächften Tage ihren Geſchmack ver- lieren. Friſch ift ihre Geſchmack fehr fein, ein angenehmes Gemiſch aus Süß und Sauer. Beim Berfpeifen ſchneidet man die Frucht gewöhnlich der Yange nach auf und jhält das weiche, milchweiße Fruchtfleifch mit einem Theelöffel heraus, (Siehe eine Anonenfrucht auf dem Anfangsbilde links zwiſchen ber Mango und der Tamarinde im Bordergrunde!) ” Tropiſche Obftfrüchte, 217 Die weſtindiſchen Breiäpfel ftammen von Achras sapota, einen ans jehnlihen Baume, der reich an Milchſaft it. Sie haben mit unferer Mispel die unangenehme Eigenfchaft gemein, daß fie erſt genießbar und einigermaßen ihmadhaft werden, wenn fie beginnen fid) zu zerſetzen; vordem ſchmecken fie herbe. Die Ibametara oder Acaia Brafiliens iſt die firihenähnliche, pur— purrothe Frucht des Spondias Myrobalanus und fteht im Bau der Mango nahe. Allgemeiner als fiepflegt man die Caju (Anacardium oceidentale), die durch ihren Fruchtbau ein befonderes Intereſſe erwedt. (Siehe Anfangs- bild rechts neben der Mango im Mittelgrunde!) Bet dieſer Frucht wird der genießbare faftige Theil nämlich durch den birnenförmig aufſchwellenden, ſchön gelb und rothbäckig gemalten Fruchtſtiel gebildet, auf deſſen oberem Ende die eigentliche Frucht, braungefärbt und hart, in Geſtalt einer Haſenniere ſitzt. Letztere iſt ungenießbar und in den Apo— theken als „Elephantenlaus“ als Mittel gegen Rheumatismus und Zahnſchmerzen — gebräuchlich. Roh hat die Caju einen N herben Gefhmad und wird gewöhnlich 47 . nur gefocht oder in Zuder gefotten ge # nofjen, wie ſolches auch mit den ſauern Früchten des oftindifhen Bilimbing (Averrhoea Bilimbi) gebräuchlich iſt. Der Bau der Caju erinnert an bie jogenannte neuholländifhe Kirſche (Exocarpus), deren gelb und vothge- färbter Fruchtſtiel Eirfhenähnlicd ange 97 ihwollen ift und an feinen Ende die un- 7_ anfehnlihe Frucht trägt. Der Geſchmack | dieſer Neuholländiſchen Sceinfrucht ift aber nicht viel werth, dieſelbe ift troden und beißig; angenehm ſüß find dagegen die fleiſchig anfchwellenden Fruchtitiele der japanifchen Hovenie (Hovenia dul- E eis), die man auf den oftafiatifchen In— Eßbare Howenie (Hovenia duleis). ſelreiche als Obſt genießt. Wegen ihres lieblihen Nofenduftes find die oſtindiſchen Roſenäpfel, bie Früchte der Eugenia lambos, einer Verwandten der Myrte, jehr beliebt. Sie find fugelrumd und fo groß wie Billardfugeln, dabei angenehm hell vojen- voth. Das Fleifch ift ziemlich hart und entſpricht etwas feinem Geruch; es umſchließt einen Kern, der fi) beim Deffnen leicht auslöft. Nahe verwandt mit den Nofenäpfeln ift die Sabuticaba (Eugenia cauliflora), die das An— jehn einer großen Herzfirihe hat und die unmittelbar an den Altern Zweigen fitt. Viel Eßbares hat fie freilich nicht; das Meifte nehmen die Kerne ein, das weiße Fleiſch ift aber jaftig und angenehm von Geſchmack. 218 Obſt und Getreide. Weſtindien gehört urſprünglich der Mammeibaum (Mammea americana) an, eine Guttifere, deffen mehr als fauftgroße Früchte ein gelbes, angenehm ſchmeckendes Fleifch enthalten. Die Schale, die daſſelbe umgiebt, muß, da fie jehr bitter iſt, ſorgſam entfernt werden. Eine Anzahl Arten der Gattung Dattelpflaume (Diospyros), die über die werfchiedenen Erdtheile zerftreut find, Liefern ebenfalls leidliches Obit. Das Mittelmeergebiet hat die fogenannte italtenifhe Dattelpflaume (D. Lotus), Nordamerifa die virginifhe (D. virginiana), von weldyer let: teren die Beeren freilich erſt genießbar werden, wenn fie einigen ‚starken Fröſten ausgefest gemwefen find. Bengalen hat D. tomentosa, Japan und China D. Kaki, DOftindien D. chloroxylon, Cochinchina D. decandra u. f. w. Der FTuchtzweig, welcher auf unjerm Anfangsbilde hinter der Mango gezeichnet ift, ftellt Die Ycacopflaume (Chrysobalanus Ikako) dar. Der Baum, welcher jene Früchte trägt, ift in Weftindien einheimiſch; Die Früchte find ſüßlich und etwas zufammenziehend von Gefhmad und werden jowol rol) als eingemacht genofjen. Die üligen Samenkörner jchmeden noch beſſer als das Fruchtfleiſch. Linfs ‚neben der Ikako fehen wir unter einem Paar ſchöngeformter, fingerig ausgeſchnittener großer Blätter eine große gurken- oder melonenähn— liche Frucht. Es iſt die Frucht der Carica Papaya, des Melonenbaumes. ‚Das hellgelbe Fruchtfleiſch derſelben ſchmeckt fade, einem weichen Kürbis ähn— lich, wird aber doch von den Negern viel gegeſſen, ja im innern Afrika's ſoll ſie das geſchätzteſte Obſt ausmachen und von Aegypten aus dorthin verpflanzt worden ſein. Für mehrere Inſeln der Südſee iſt der Brodfruchtbaum Artocarpus incisa und A. integrifolia) neben der Kokospalme und der Banane der Haupternährer, wenn er aud vielleicht nicht. jene hohe Wichtigkeit gänzlich befitt, Die ihm die erften Europäer zufchrieben, als fie ihn fennen lernten. Seine großen Früchte röftet man und genießt fie Dann gern mit dem geſchabten Kern der Kokos. Sie follen dann frifchem Weizenbrod nicht viel nachftehen. Die Wälder der Tropenzone enthalten nody eine reihe Anzahl von Bee— venfrüchten, die mehr oder minder angenehm ſchmecken; Die meijten find aber nur für die Eingeborenen von Nuten und meiſt aud) nur von geringerer Ber- wendung, wie bie Früchte einiger Nachtſchatten der alten Welt, und jene meh- rerer Paffifloren in Südamerika. Afrifa und Neuholland find verhältnigmäßig am Armften an genießbaren Früchten. Bevor wir von dem Obſte der Tropen Abjchied nehmen, gedenken wir nod) der Früchte einiger Palmen. Die Dattel (Phoenix dactylifera) iſt in Bezug auf ihren Nuten fo oft befhrieben worden, daß es genügt, nur an fie zu erinnern. Jenſeits des Ganges wird fie reichlich durch die Palmyrapalme (Bo- rassus Nlabelliformis) erfeßt, deren’ nahe Berwandte, die Deleb (Borassus aethiopiea), im Herzen Afrifa’s die befte einheimifche Baumfrucht abgiebt. Bon der Palmyra unterfcheidet der Hindu eben jo viele Spielarten in Bezug auf die Befchaffenheit der Frucht, wie der Araber von feiner Dattel. Mean Handang- Pllanzung auf Madagaskar. Malerische Botanik II, Kap. XXIII. Leipzig: Verlag von Otto Spamer. Tropiſche Obftfrüchte. 219 genießt wol aud die rohe Frucht, nachdem fie bei voller Reife abgefallen ift, no häufiger aber röftet man fie am Feuer und jaugt fie dann aus. Das gallertige Fleiſch gleicht geriebenen Mohrrüben; in der Färbung ift es ein wenig dunkeler als diefe. Die Kokosnuß haben wir bei den Delpflanzen ihon hervorgehoben; im noch jugendlichen Zuftande wird fie aud) gegejjen, entweder allein oder in Gemeinſchaft mit der Brodfrudt. Unter den brafilianifhen Palmen wird die Pupunha (Guilielma spe- ciosa) hervorgehoben. Ihre Früchte, die an den Seiten etwas breiedig ge— drückt find, jonft aber appetitlichen vothgelben Aepfeln im Anfehn gleichen, liefern manchen Indianerftämmen während eines großen Theils des Jahres das täglihe Brod. Im Teuer geröftet ſchmecken fie den Kaftanien ähnlich, zer- vieben geben fie ein Mehl, Das zur Bereitung von Brod dient. Es iſt jedoch jeher beſchwerlich, dieſe ſchätzdare Speife von den 50—60 Fuß hohen, mit langen, ſcharfen Stacheln bewohnten Stämmen herabzuholen, und der India— ner, der fie fammelt, muß ſich fein tägliches Brod ebenfalls im Schweiße jeines Angefichts erwerben. Weniger anftrengend ift das Pflüden der Aſſai, der Früchte von Euterpe edulis, einer Palme, die gern an den Ufern der brafilianifchen Flüffe wächſt. Man verwendet ihre purpurrothen Beeren. be— jonders zu einem ſchönrothen, nußähnlich ſchmeckenden Getränf, indem man diefelben mit Wafjer zerreibt und durchſeihet. Die Früchte der Mucuja (Acrocomia lasiospatha), fo wie nod) einiger anderer Palmen werden zwar auch gegeſſen, find aber weniger ſchmackhaft und wichtig. Bon den hülfentragenden Bäumen hat das Mittelmeergebiet die Karube (Ceratonia siliquosa), deren Früchte das befannte Zohannisbrod abgeben und deren Samenferne ehemals als Gewicht dienten (Karat). Biel allgemeiner ge- pflegt und deshalb über alle Länder der Tropen verbreitet ift die aud in ihrer Außern Erſcheinung lieblihe Tamarinde (Tamarindus indica). Einen Zweig mit Blättern und Frucht” zeigt unfer Anfangsbild im Borvergrunde links. Das faftige Fruchtmark wird eben fo gern als Speife wie zur Her- jtellung fühlender Getränfe benust. Den Bau der Ananas (Ananassa) haben wir bereits beſchrieben. Diefe lieblihe Frucht ift längft Fein ausſchließliches Eigenthum der Tropen mehr, jondern wird von unfern Kunftgärtnern in anfehnlichen Mengen in Warm- häuſern gezogen, ja die auf ſolche Weife gereiften Früchte find eben fo ſchön in Duft und Gefhmad als die tropifchen, dabei aber weicher und jaftreicher, während leßtere zwar größer, aber auch holziger find. Im äußern Anſehm hat die Frucht des Pandang (Pandanus odoratissimus), welche unfer Bild rechts im Hintergrund zeigt, etwas Aehnlichfeit mit ihr, dieſelbe ſtammt aber von einem Baume (jiehe das beigegebene Tonbild, das eine Pandangpflanzung auf Madagaskar darftellt!) und ähnelt in ihrem innern Bau mehr den Zapfen- früchten. Die mit den legtgenannten Früchten verjehene Pflanzenfamilie hat in der ſüdlichen Erphälfte einige Glieder, deren Früchte für einzelne Völker— Ihaften nicht unwichtig find. Bon unfern einheimischen Navelhölzern haben 220 Obft und Getreide. nur wenige etwas Genießbares aufzumweifen. Die eigenthümlich gebaute vothe Samenhülle des Taxus wird nur felten einmal gefoftet, die Zapfenbeeren des Wachholder eignen fid) nur zu mebizinifcher Verwendung, nur die Samen der Zirbel (Pinus Gembra) und der Pinie (Pinus Pinea), als Zir- belnüſſe und Pineolen befannt, werden, erftere in den Alpen und in Sibirien, legtere in Italien, nebenbei gefpeift. Zur eigentliher Bolfsnahrung wird Dagegen der Samen der füdamerifanifchen Araufarien (Araucaria imbricata), welde an den Oftabhängen der Anden in anfehnlihen Waldungen vorkommen. Die Juvia oder Paranuß (Bertholletia excelsa), Blatt, geöffnete Kapfel (in der Mitte), linfs Samen- forn, rechts derſelbe im Querdurchſchnitt, unten in der Mitte der Keimling.- Ein einziger Zapfen enthält 2 — 300 nußähnlide Samen und mancher Baum 20—30 Zapfen. Achtzehn Bäume reihen hin, einen Menfchen während eines ganzen Jahres zu jättigen. ben jo wichtig wird Araucaria Bidwilli für die Eingebornen des objtarmen Neu-Südmales. Bei ihm fommt noch der ungewöhnlide Fall vor, daß die wildwacjenden Bäume von ven Ureinwohnern als individuelles Eigenthbum betrachtet werden. Jeder Bumja, jo heit jene Araufarie in der Landesſprache, gehört einer beftimmten Perfon des Stammes, das die gewöhnlich aller 3 Jahre reichlich veifenden Zapfen einfammelt. Ein folder Samenftand ift 12 Zoll lang, hat 22 Zoll im Umfang und enthält Hunderte von Samen, die man geröftet genießt. Tropiſche Obftfrüdte. 221 Unter den übrigen Nüffe erzeugenden Bäumen der heißen Zone ift ber Baranufbaum oder die Juvia (Bertholletia excelsa) Brafiliend der be- fanntefte, da feine Nüffe in großen Mengen aud in den Handel gebracht und bei ung neben Kaftanien, Wal- und Hafelmüffen feil geboten werden. Die gurfenförmige Frucht der Banane, welche das angeführte Fruchtbild in der Mitte des Vordergrundes darftellt, vertritt in vielen Tropengegenden die Stelle des Brodes. Abgeſehen von den zahlreihen Spielarten find es. zwei nahe verwandte Pflanzenfpezies, welche jene Speije liefern, beide durch hohen Staudenwuds und riefige, ſchöngeformte Blätter glei vwortheilhaft ausgezeichnet. Die eine, gewöhnlid, insbefondere Banane (Musa sapientum) genannt, ftammt aus Oftindien und hat einen mehr ſüßlichen und weichlichen Geſchmack, die andere, als Platane (Musa paradisiaca, nicht mit Platanus zu verwechjeln!) bezeichnet, jcheint mittelamerifanifchen Urfprungs zu jein und wird ihres befjern Geſchmackes wegen aud) häufiger gepflegt. Beide Arten zeid)- nen ſich aus durch die Menge Nahrungsftoff, die fie bei jehr wenig Mühe auf möglichft kleinem Raume liefern; was den Geſchmack aber anbelangt, jo wird felbft die befte Banane und Platane ſchon von einer mittelmäßigen Birne übertroffen. Vom brafilianifhen Topfbaume (Lecythis ollaria) benußt man die Kapfeljchalen eben jo gern, als man die Samenferne genießt. Sie gleichen kleine Büchſen und find mit einem kreisrunden, von jelbit abjpringen- den Dedel verjehen, der die Größe eines Zweithalerftüdes hat. Den Cu— jetenbaum (Crescentia Cujete) pflanzt man dagegen nur feiner Fruchtſchalen wegen, welde ſowol bei Negern als bei Indianern die Stelle von Töpfen, Flaſchen, Schüffeln und Tellern vertreten müſſen. Daſſelbe gefchieht mit einigen Kürbisgewächſen, beſonders den Arten der Gattung Flaſchenkürbis, (Lagenaria). Durch Ummideln der jungen Frucht an beftimmten Stellen fann man diefelbe veranlafjen, mancherlei abweichende Formen anzunehmen, wie fie für den Gebrauch gerade erwünfcht find. Größere Kürbiffe dienen auf Neifen ftatt Reiſekoffer, und gelegentlich zugleich als Mittel fchnell eine Flöße zum Ueberjegen über brückenloſe Ströme zu fertigen. An dieſen furzen Abriß der wichtigften genießbaren Baumfrüdte und Beeren fügen wir einige Worte in Bezug auf andere Pflanzenfamen, welche dem Menfchen zur Speife dienen, diejenigen übergehend, die wir als Del- lieferanten ſchon namhaft machten. Bor allem gebührt den Getreidearten, jenen ftärfemehlreihen Grasſamen die erfte Stelle, deren Bau in den Mythen der Bölfer als Grundlage und Beginn der Civilifation und Volkswohlfahrt gepriefen wird. Alle Objt- bäume pflegen nur nad) einem beftimmten Jahrescyklus veichlicher zu tragen und ihre Früchte, in denen ſich felten der nährende Stoff in gedrängter Form findet, find häufig genug baldigem Berderben ausgefegt. Dazu knüpfen ſich nicht jelten an ihren Genuß Krankheitserfheinungen, die ſattſame Fingerzeige find, daß Baumfrüchte. nur mit wenig Ausnahmen die eigentliche ausſchließliche Nahrung des Menſchen ausmachen Finnen. Die Getreivefamen übertreffen 222 Dbit und Beeren in allem diefent. Stärfemehl, Kleber, Phosphorfäure u. f. w., find in ihnen in fo gebrängten Formen vorhanden, und dabei in fo trodenem Zuftande, daß Nahrungsfähig- feit und die Möglichkeit einer längern, mitunter vieljährigen Aufbewahrung ſich mit einander gepaart finden. Obſt und Getreide. Die eigentlihen ernährenden Stoffe: Der Keimling der Getreivefamen ift ge- wöhnlich nur Elein, der größere Theil des Kornes wird durch Sameneiweiß ausgefüllt, das in feinen Außern Lagen haltigem Kleber, im Innern vorwiegend Diefe Zufammenfesung läßt e8 zu, daß Waſſer und Wärme manderlei Formen en ae TS en I De — — III > SS — — 1. 1 Weizen. noch Eſſig liefern. Roggen. — — Hafer. reicher an ſtickſtoff⸗ reich an Stärke iſt. durch Einfluß von der Nährſtoffe er— zeugt werden kön— nen, die angenehme Abwechſelung bie— ten. Außer dem ro— hen Mehl, von dem man die Samenhaut und bei vielen Ge— treideſamen (Gerſte, Reis) auch Die ange— wachſenen Spelzen geſondert, erhält man aus Getreide Zuckerſtoffe (Malz— zucker, Stärkezucker), die durch Gährung und Bildung von Kohlenſäure entwe— der beim Backen ein lockeres, geſundes und wohlſchmecken— des Brod geben, oder bei grö⸗ ßerer üffigfeits- mengen zu ſüßen oder beraufchenden Setränfen werben, Schließlich wenigftens Faſt jedes Bolf, das ſich überhaupt mit Getreidebau be- Ihäftigt, hat eine Sfala von Formen aufzuweifen, in welcher e8 die Erzeug- niffe der Halme verwendet, umd jelbft die Neufeeländer haben nad) ihrer Weife, freilich in diefem Falle jehr zum Nachtheil ihrer Gefundheit, ſich an diefen Er— findungen dadurch betheiligt, daß fie die Körner in halbe Fäulniß übergehen lafjen und fie erft dann verjpeifen. Um \ I a 2, — — Reisfelder bei Simoda (Japan). Diejenige Getreideart, welche die meiſten Menſchen ernährt, iſt der Reis (Oryza- sativa), als Sumpfreis in naſſen Niederungen, als Bergreis (O. montana) auch an höheren trockneren Orten gedeihend. Urſprünglich wild vielleicht im ſüdöſtlichen Aſien, vielleicht auch im Innern Afrika's, wo man ihn gegenwärtig noch in wildem oder verwildertem Zuſtande antrifft, wird er in den meiſten Ländern der heißen und warmen Zone gebaut. Japan, China, Oſtindien und die Sunda-Inſeln, ſelbſt die ſüdlichen Gebiete Europa's (Lom— bardei), eben ſo die wärmern Theile Amerika's bringen jährlich ſolche Mengen Reis hervor, daß nicht nur ein großer Theil, im ſüdlichen Aſien ſogar der größte Theil der einheimiſchen Bevölkerung davon während des ganzen Jahres leben kann, ſondern auch anſehnliche Mengen davon in den Handel kommen. Viele Fami— lien Deutſchlands verzehren als Mittags- Samenforn des Mais im Durchſchnitt; rechts der bier große Keimling. jpeifen im Laufe des Jahres größere Mengen Keis, als einheimifhes Mehl und Öraupen, 224 Obſt und Getreide. Trotz des bedeutenden Ertrag, welchen ein Feld mit Sumpfreis bejon- ders innerhalb der Tropen Liefert, ift die Bearbeitung defjelben mit Müh— jeligfeiten verknüpft, die manchem unferer Landwirthe ſolche werleiven würde. Nur wenige Gegenden find gleid von der Natur aus fo begünftigt, daß der Boden wagereht gleihmäßig ſich ausbreitet und Waſſerzufluß zur beftimmten Zeit von felbft eintritt. In dichter bewälferten Pändern muß man aud) Yän- dereien in Angriff nehmen, die weniger bevorzugt find. Hier müffen die Beete ſorgſam nivellirt, mit Erdwällen und Waſſerleiungen verjehen, die Gewäſſer nicht felten aus anfehnlichen Gnljeenungen herbeigeleitet und aufmerkſam ver— theilt werden. Beim Säen oder Pflanzen muß der Yandmann nicht jelten bis an die Siniee im Schlamm waten und das Ernten ift nicht weniger mühfam. Selbſt heimge- bracht erfordert der Reis nod) die Arbeit des Enthülfens, die, wo man nicht Mafchinen durch Natur- fräfte getrieben zu Hülfe nehmen fann, ganz bejondere Körperan- ftrengung erfordert. Im Hannöver- ſchen hatte man verjuchsweife eine ziemliche Quantität Bergreis geern- tet, fegte aber ven Anbau deffel- y ben nicht fort, da man nicht ver- N A ſtand, ihn von den feftanfchließen- ‚“ den Hülfen zu befreien. Das weiße \ feine Neismehl eignet ſich nicht gut Y zu Brod, fehr gut dagegen zur Schminke c(chineſiſche Schminke, Pa— riſer Waſchpulver), auch zur Fa— brikation eines ſtarken Branntweins. Der meiſte Reis wird gekocht und ausgequollen, entweder als dicker mäßig feuchter Brei oder bei uns mit Milch oder Fleiſchbrühe genoſſen. Die zweite Stelle möchten in der Reihe der Getreide ſich Mais (Zea Mays) und Weizen (Triticum vulgare) ſtreitig machen. Der erſtere wird als urſprünglich amerifanifche Frucht bezeichnet, ward aber ſchon feit langen Zeiten in Japan gebaut und ift gegenwärtig durd) alle wärmern Gegenden gepflegt, va er bei günftigen Verhältnifien auf Eleinem Bodenraum einen hoben Ertrag abwirft. Auch das von ihm gewonnene Mehl laßt ſich nur ſchwierig in Brodform bringen, wird deshalb gewöhnlicd als dider Brei (Polenta der Italiener) verzehrt. Der Weizen (S. Abbild. auf ©. 222) ftammt muth- 1. Sorghum vulgare. 2. Panicum italicum. 3. Oryza sativa. \ Gerfte. Hafer. Hierfe. 225 maßlich entweder aus dem Gebiet des Mittelmeere8 oder aus dem mittlern Aften und dient feit langen Zeiten zur Herftellung des Weißbrodes und feiner Bäderwaaren. Was er für Spanien, Franfreih, England und einen gro- Ken Theil des ſüdlichen Rußlands ift, das ift der Roggen (Secale cereale; ſ. Abbild. auf ©. 222) für Deutſchland und das nördlichere Europa. Gerfte (Hordeum; ſ. Abbild. auf ©. 222) in mehreren Arten und Spielarten, fowie Hafer (Avena; ſ. Abbild. auf ©. 222) ebenfalls in mehreren Arten, gehen am meiteften nach Norden (Norwegen) und am höchſten an den Gebir- gen hinanf. Sie dienen nur in den nördlichen Gegenden als Brodpflanzen, fonft theils als Biehfutter, zur Her- ftelung von Graupen, Grüße und Bier (ägyptiſcher Gerftenwein). Die Gerſte möchte vielleiht am Mittel- meer, einzelne Haferarten möglicher- weife in Deutjchland ihre Heimat haben. Schon die alten Germanen verzehrten ihren Haferbrei und erft durch Karl's des Großen Beftrebun- gest ward aud) die Kultur der an- dern Getreidearten allgemeiner. Andere Getreidearten wurden nur in bejchränfterem Umfange ge- pflegt. Einige, aus Aſien ftam- mende Hierſe (Panicum mi- = liaceum, italicum, miliare, etc.), Spelt oder Dinfelforn (Triti- cum Spelta), werben in Heinern Men- gen im wärmern Europa Ffultivirt, Schwaden (Glyceria fluitans), Hundzahngras (Cynodon Dacty- Ion), jelbft Bluthierfe (Digitalis sanguinalis) bieten genießbaren Samen. In Mien find Eleusine | coracana, E. Tocusso, E. indica, !- Eleusine coracana. 2. Bunti. 3. Paspalum Kora. Paspalum scorbiculatum, Coix La- — — eryma nebenbei angebaut, in Afrika dagegen vorzugsweiſe die Mohrenhierſe (Sorghum vulgare), das abeſſyniſche Rispengras (Poa abessynica), nebenbei in Aegypten auch Dactyloctonium aegyptiacum. Die Neger des Innern jammeln auch nod die Samen mehrerer wildwachſenden, zum Theil befann- ten (Pennisetum typhoideum, distichum), zum Theil aber nody nicht genau befannter Gräſer. Nordamerifa hat in den Sumpfgegenden an dem Waf- jerhafer (Zizania aquatica) eine nicht unwichtige einheimifche Getreide— pflanze, die von den Indianern und Anfievlern bereits ftarf benußt wird. ı Wagner, Mal. Botanik. II. Bo. 15 226 Obſt und Getreide, - Echinochloa colona liefert die Hierfe Neufpaniens. Auftralifche Gräfer, melde Drod liefern, find nicht befannt. Den eigentlihen Getreidearten jhliegen fi) zwei andere Gewächſe an, der aus Afien ftammende Bucdmweizen (Polygonum Fagopyrum und P. tata- ricum) und die füdamerifanifhe Duinoa (Chenopodium Quinoa), erfterer ein Knöterich, lettere ein Melvdengewädhs. Nach ihnen würde die Familie der Schmetterlingsblütler oder Hülfenfrüdtler aufzuführen fein, die in zahlreichen Arten jowol oft ihre unreifen Fruchtſchoten zu ſüßen Gemüſen, als aud) die veifen Samen zu mehlreihen Speifen bietet. In Japan werben leßtere von vielen Bohnenforten auch in gefeimtem Zuftande häufig verfpeift. Erbſen (Pisum sativum, P. arvense, P. maritimum), Linſen (Ervum Lens, E. Ervilla) und Bohnen (Vicia Faba und Phaseolus vulgaris, Ph. tun- kinensis, Ph. nanus, Ph. coccineus) find in ihren vielfältigen Berwendungs- weifen zu befannt, als daß eingehendere Grörterungen nöthig wären. Pha- seolus Mungo bildet in der Bucharei die Hauptnahrung. Astragalus Cicer, Cicer arietinum baut man häufig in Südeuropa, ebendafelbft jo wie in den wärmern Ländern Afiens mehrere Arten ver Gattung Dolichos (D. Lablab, D. Soja, D. sinensis, D. Gatjang, D. niloticus, D. Lubia, D. melanophthalmos). Auch Weftindien hat Arten derfelben Gattung (D. unguiculatus, D. sesquipe- dalis). Die früher erwähnte Erdnuß (Arachis hypogaea) Afrifa’s und Mit- telamerifa’s gehört ebenfalls hierher. Neuhollend hat ein zu dieſer Familie gehöriges Baumgewächs (Castanospermum australe), deſſen Samen, — holländiſche Kaſtanien“ genannt, genießbar ſind. Die Samen der Hülſenfrüchte übertreffen die Getreideſamen — an Stickſtoffgehalt, alſo an Nahrungskräftigkeit, haben daneben aber nicht ſelten einen Gehalt von Schwefel und ſind durchſchnittlich ſchwerer verdaulich als jene, ihr häufiger Genuß deshalb nur bei kräftiger Körperbewegung rathſam. Eine vernünftige Abwechjelung und Verbindung von Dbft, Beeren, Ge- treidefamen und Hülfenfrüchten bildet, in Gemeinfhaft mäßiger Fleiſchkoſt, die Grundlage rationelle Kochkunſt, jener wichtigen Kunft unferer Hausfrauen, von deren zwedmäßiger Ausübung ja in vielen Fällen die Gefundheit des Körpers, die erwünfchte Stimmung des Geiftes jo jehr abhängt. Die fort- ichreitende Metamorphoje der Pflanzenfrucht fpielt ja jelbft in dem Leben des Einzelnen, wie in ver Geſchichte des Menſchengeſchlechts eine nicht unmwichtige Rolle, jo wie oft genug Staatsentwidelungen, Volkswanderungen und gewalt- jame Ummwälzungen von dem Gedeihen oder Miflingen der Ernten mit be= Dingt waren. Der Mexikaner legte deshalb den Maisfolben mit eben fo heiliger Scheu auf den Altar feines Gottes nieder, wie Prieſter des Haffifchen Altertyums Gerfte und Weizenförner und wie der Aegypter die Bohne. Der Anbau jener Gewächſe ward nad) den heiligen Mythen der Sterblichen durch die Götter felbft gelehrt und noch jetzt fpielen die nahrungfpendenden Körner ihre Rolle im Bolfsleben fort, wie ehedem beim Zauberer im Märden: | „Seſam, thue dich auf!“ AU\\\s Nr MN! Ni M nn N N — a NN W Ü\ RN Gewürze der Tropen. XXIV. Zauberkräuter, Arznei und Gewürze. Zauberfräuter: Mraun. Beſchreikräuter. Alte Arzneipflanzen. Stechapfel. Heren- ſalbe. — Signaturen. — Mithridat und Theriak. — Neuere Medizin. — Alkaloide. — Narkotiſche Mittel: Opium. Hadſchiſch. Zeitlofe. Nießwurz. Fingerhut. Tabak. Schier- ling. — Pfeilgifte: Strychnos. Upas Radſcha; U. Antjar. Curare. — Schlangenmittel. Cedron. Fijchbetäubende Pflanzen. — Tanghina. Blauſäure. Pfirfich. Neffelgifte. Su- mach. Manjchinelle. — Scharfe Gifte: Euphorbie. Seidelbaft. — Purgir- und Bred)- mittel. — Tonika und bittere Mittel. — Chinin. — Gewürzhafte Arzneien. — Wurm— mittel. — Gewürzpflanzen: Küchengewürze der Römer. — Karls des Großen Arznei- und Gewürzgarten. — Gewürze des Handels. — Spirituofa. — Kaumittel. — Detel. — Kat. — Koka. — Aufgußgetränfe. Mate. -Chinefifher Thee. Kaffee. Guru. - Dodea. Chofolade, — Mir reichte das heilfame Kraut Hermeias, Das er dem Boden entriß, und zeigte mir feine Natur an: _ Schwarz war die Wurzel zu fhaun, und milchweiß blühte die Blume, Moly wird’8 von den Göttern genannt. Schwer aber zu graben Iſt es fterblihen Menfchen. ARM eben den nahrungfpendenden Kräutern und Gräfern, neben den mit Nſüßen Früchten beladenen Obftbäumen ftehen Giftfräuter und Bäume des Todes. Einen wunderbaren. Eindrud mußte e8 auf die Naturvölker machen, wenn fie das erfte Mal die Wirkung eines betäubenden oder berau- Ihenden Pflanzenfaftes an fid) erfuhren. Das Gewächs glid an Yarbe und 13% Voss: Odyssce. 228 Zauberfräuter, Arznei und Gemitrze. Form ja den übrigen und doch lebte eine Gewalt in ihm, melde den Men- ihen zu Boden warf oder in ungewöhnlihe Aufregung verſetzte. Mancher auch fiel als ein Opfer feiner botaniſchen Studien, ftarb am Genuß eines Giftgewächſes, wieder ein Anderer glaubte ſich durch eine andere Pflanze von den Qualen einer Krankheit befreit und pries fie als Erretterin feines Lebens. Hielt man die franfhaften Zuftände des eigenen Körpers ja oft genug für Wirfungen böfer Geifter — bei Fieberphantajien und Wahnfinnserjcei- nungen lag diefer Gedanke gar nicht fern —, jo war e8 auch nicht zu ver- wundern, wenn man gewiſſe Kräuter und Bäume mit der Welt der Dämonen in nahe Beziehung bradıte. Zu jenen aus wirklichem Glauben hervorgegan- genen Anfichten gejellten ſich noch die Beitrebungen mancher Scylauföpfe, die, im Beſitz einzelner Kenntniffe, diefe zu ihrem materiellen Bortheil auszubenten ſuchten. Priefter, Zauberer und Arzt ift nod gegenwärtig bei den Indianern Amerifa’s, den Negern Süpdafrifa’8 und den Völfern des nördlichen Afiens diefelbe Perfon, — war ja aud im theofratifhen Staate des Mofe BPriefter und Arzt ein und daflelbe. Und dürfen wir, die wir uns hochgebildet dünfen, die wir jehen, wie ringsum in unferm lieben Vaterlande eben jo wie bei unfern ſtammverwand— ten nähern und fernern Nachbarn üppig der mediziniihe Aberglaube in voller Blüte fteht, dürfen wir ung wundern, daß es bei rohen Naturvölfern und jelbft bei den nad) einer gewilfen Richtung hin gebildeten Griehen, Römern und Aegyptern anders war? Als Negentin der Unterwelt herrfchte Medeia, die Tochter der Hekate; ihr gehorchte das Heer der böfen Dämonen, mit ihr ftanden die Zauberer in Berbindung. Die Kirfe reichte des Odyſſeus Gefährten den Zaubertranf, berührte fie mit dem Stabe und trieb fie, in Borftenvieh verwandelt, nad) den Rofen, während andere in Geftalt von Bären, Löwen und Panther ihre Behaufung bewachten. Hermes, der leichtfüßige Gott, Lehrte dem gött— lihen Dulder in den Moly das Gegenmittel fennen, mit dem er dem Zaubertranf widerſtand. Noch jett erzählen die Neger Südafrika's nad) Andersfon’s Mittheilung, die Weiber der Buſchmänner verftünden die Kunft, ji) in Löwen, Hyänen und andere Raubthiere zu verwandeln und in diefer GSeftalt ihren Nachbarn zu ſchaden. Als jenes Moly betrachtet man in Grie— henland eine Lauchart (Allium magicum L.), die aud) Theophraftos als Gegen- mittel zur Abwehr gegen viele Krankheiten empfahl, und der nahe Verwandte derfelben, der Knoblauch (Allium sativum), fteht nody bei den jeßigen Hel— lenen im Ruf, daß er gut fei gegen alle Zauberei, vorzüglich gegen bie Ihlimmen inwirfungen des neidiihen Auges. Man hängt deshalb eine Knoblauchzwiebel als Amulet den Kindern um den Hals, näht Stüde davon ven Täuflingen in die Mütze und Schiffer tragen folche in einem Leinwand- ſäckchen gern bei ſich. Die theffalifhe Erihtho war als Zauberin eben fo hochberühmt wie die Kirke. Ganz Theſſalien galt als ein Zauberland, deſſen Weiber bie Alte Zauberkräuter. 229 Kunft verftanden, die Menſchen in Vögel, Ejel oder Steine zu verwandeln; eben fo vermochten fie wie die Brodenheren durd die Lüfte zu ihren Buhl- ihaften zu fliegen. Große Berühmtheit genoffen aud die pontifhen und foldifhen Zauberer. Dem betrübten Telemachos warb von der ſchönen Helena ein Trank gereicht, der ihm alle feine Leiden vergeffen machte. In Italien ftand es ehedem nicht beffer al8 in Hellas. Hier hauften Heren, die den Reiſenden wie jene Kirke zunächft freundlich aufnahmen, ihm aber Zaubermittel in den Käfe miſchten und ihn dadurch in ein Lajtthier verwandelten. Als ſolches mußte er der Unholdin das Keifegepäd tragen, ward aber, am Neifeziel an- gelangt, in feine menſchliche Hülle zurückverſetzt. Einzelne Gewächſe, von denen nod heute manche feinem Botaniker be- fannt geworden find, erfreuten fi ganz befonderen Rufes. Thalaſſägle und Gelatophyllis, zwei Kräuter vom Ufer des Indus, wirkten mächtig auf den armen Sterbliden. Das erftere erzeugte ihm wunderliche Erfcheinungen, das zweite zwang ihn zu fortwährenden Lachen. Die Wurzel des Achä— ments, eines ebenfalld indischen Krautes, pulverifirt und in Wein einge- nommen, zwang die Verbrecher, denen es eingegeben ward, ihre Schuld zu befennen, — die Götter erjchienen ihnen und nöthigten fie dazu. Wendete man ftatt ihrer die äthiopifhe Pflanze Ophiuſa an, jo erſchienen Schlan- gen ftatt der Götter in der Nacht und folterten den Schuldigen fo lange, bis er befannte. Statt der einzunehmenden Pflanzenftoffe bediente man fi) aud wicht jelten der Salben zu Einreibungen. Räucherungen hatten die Kraft, die Götter und Geifter herbei zu nöthigen, und mußten für jede Gottheit von beftimmter Art genommen werden. Durd andere Weihraucharten wurden Dämonen vertrieben. Sp wendete man den Kynofpaftos an, den Baaras der jüdiſchen Teufelsbeſchwörer, um die fallende Sucht zu heilen. Bis in die Zeiten des Mittelalters hinein fpielte die Mandragora offi- einalis L. eine geheimnißvolle wichtige Rolle. “Die fleifhige Wurzel derjelben fann mitunter, wenn fie fih in mehrere ftärfere Hauptäfte jpaltet und dabei mit zahlreichen feinen Nebenwürzelchen bevedt ift, etwas Aehnlichfeit mit einer fleinen Menjchengeftalt erhalten, bejfonders wenn das Meſſer etwas dabei » nahhilft. Als eine Verwandte der Tollfirfche enthält fie Säfte, die in der Wirfung jenen der legtern ähnlich find. Theophraſtos nennt fie die „Herden— ſammelnde“, da fie nach Meinung der Hirten im Stande wäre, die Herden beilammen zu halten; die Perjer bezeichneten fie aber ſchon als „Merdum- Giah“, d. i. Menfchenpflanze. An die Geſtalt fnüpfte fi) die Sage von ihrer Entitehung an. Die heilige Hildegardis weiß ganz genau, daß fie aus derjelben Erde entitanden fei, aus welcher Gott den Menfchen erjchaffen, fie jei deshalb den Berfuchungen des Teufels in viel höherem Grade aus- gejeßt, als jedes andere Gewächs. Andere dagegen erzählten, fie entjtünde durch menfchlihe Einwirfung und würde nur unter dem Galgen gefunden, 230 Zauberkräuter, Arznei und Gewürze. daher fie auch „Salgenmännlein‘ hieß. Ste zu graben war eben: fo gefähr- fh und mühſam, wie ihr Beſitz erwünſcht. Flavius Fofephus erzählt, daß fie Häufig vor dem verjchwinde, der fie ausgraben wolle. Sie müſſe mit gewiffen Flüffigfeiten übergoffen und dann ein Graben rings um gezogen werden. Da man ihr eine Art menschliches Leben zuſchrieb, wer ihr Aus: graben faft als ein Mord anzufehen, für den wiederum ein Todtenopfer zur Sühne gefordert wurde. Sie ſchrie beim Ausziehen fo jämmerlich, daß fich die Gräber die Dhren wohl verftopfen mußten, amd dasjenige Wefen, wel- ches fie ans Tageslicht förderte, war dem Tode verfallen. Die Wurzelgräber (oderten deshalb nur die Erde ringsum, banden aber dann einen ſchwarzen Hund mit dem Schwanze an jte feft. ‚Indem fie ihn durch worgehaltene Ledereien lodten, zog er fie aus und ftarb augenblidlic. Wer foldes Gal- genmännlein oder Hede- männlein befaß, war ficher Liebe, Gunft und Glüd zu ge- winnen. Geheimhalten deſſel— ben war erſte Bedingung. Wuſch er es von Zeit zu Zeit mit Wein, bekleidete er es jeden Neumond mit einem neuen weiß— leinenen Hemdchen, ſo konnte er Geld und Juwelen durch das— felbe verdoppeln, wenn er es dabei legte; doch durfte er es auch nicht zu fehr damit an- jtrengen, da e8 ihm fonft wor der Zeit alt und fraftlos wurde. — Da die Alraunwurzel mit 50 — Alraun (Mandragora ofſicinalis). 60 Thlr. bezahlt ward — für jene Zeiten eine außerordentlich hohe Summe — in Deutſchland aber nicht wächſt, ſondern nur in den Ge— birgen des wärmern Südeuropa's vorkommt, ſo halfen ſich die Händler mit den Wurzeln der Gichtrübe (Bryonia alba und dioica). Gegenwärtig wird Mandragora noch ſeltener als Belladonna als ſchmerzſtillendes Mittel verwendet. Nach den Mittheilungen Juba's wuchs in Arabien ehedem ein Kraut, durch welches man ſogar einen todten Menſchen wieder ins Leben zurückrufen konnte; eine andere Pflanze in Aethiopien war im Stande, Flüſſe auszutrock— nen und Schlöſſer zu öffnen, wie ja das Mittelalter auch noch die Spring— wurzel feierte. Bei einigen Pflanzen hatte man mediziniſche Eigenſchaften durch Ver— ſuche wirklich erkannt; die abführenden Kräfte der Nießwurz ſollen durch die Ziegen bekannt geworden ſein, andern Gewächſen ſchrieb man dagegen wegen auffallender Formen beſondere Fähigkeiten zu und ging dabei oft genug ſchon Farnſamen. Beſchreikräuter. 231 von dem Hahnemanm'ſchen Grundſatze aus: „Gleiches vertreibe das Gleiche.“ Das Lungenkraut (Pulmonaria offieinalis) galt wegen der Färbung feiner Blüten als Mittel gegen Pungenübel, Ariftolodia wegen ihres- Blütenbaues, Orchis wegen ihrer Wurzelbildung für Mittel gegen bejondere Uebel, erftere bei Frauen, lettere bei Männern. Für jede Krankheit ſei ein befonderes Kraut gewachſen, möglichenfalls aud) gegen den Tod. Steinfamen (Lithosper- mum) und Steinbred) (Saxifraga) ſeien gut gegen Steinbeſchwerden, die erftern wegen ihrer harten Samen, die letztern wegen ihres Standortes; ein Gewächs, das in feiner Hilfe die Form eines Sforpionfhwanzes nachahmte, diene gegen den Stich des Skorpions. Wo an einer Pflanze eine Eigenthümlichfeit, eine Sonderbarfeit auffiel, hafchte der hülfeſuchende oder jpefulivende Menſch aud) fofort nad) einer entſprechenden Verwendung und Deutung. An allen Pflanzen bemerkte man Blüten, aus denen Samen entjtanden — bei dem anjehnlic) großen Farnkraut dagegen nicht. So bildete fi die Mythe: das Farnkraut blühe in der Johan— nisnacht — nad Andern in der Geburtsnacht des Heilandes — zwifchen 11 und 12 Uhr; fofort reife e8 feinen fugelförmigen Sa— men, der aber aljobald mit gro- Ber Kraft zur Erde falle und verſchwinde, hierbei ſelbſt einen metallenen Mörſer durchſchlage, in den man ihn etwa auffangen wolle. Nur ein kohlſchwarzes Bockfell könne ihn aufhalten. Wer ihn ſammeln wolle, laufe Gefahr für Leib und Seele dabei; denn während er entkleidet am Kreuzweg der Zeit harren müſſe, würde er von allerlei Spuk heimgeſucht. Hätte er aber den Farnſamen glücklich erhalten, ſo habe er dann viel Glück beim Spiel und bei Frauen. Auch die Johannishändchen, aus der Farnwurzel geſchnitzt, galten als wichtiges Mittel bei der Bereitung der Freikugeln. Ein weites Gebiet zur Anwendung von vermeintlichen „guten“ Kräu— tern eröffnete ſich, wenn es darauf ankam, Schutzmittel gegen böſe Geiſter, gegen Beheren, Beſchreien und gegen Unglücks- und Krankheitsfälle zu finden, deren Entftehung man böswilligen Menfchen oder höheren Wefen zufchrieb. Da bier die Uebel fait nur in der Einbildung vorhanden waren, konnte aud) durch Ymagination jenes beliebige Ding als Schutmittel angefehen werden; troßdem blieb der Glaube nur an einer beftimmten Anzahl von Gewächſen haften. Alraunmännden. 232 Zauberfräuter, Arznei und Gewürze. Sp war der Beifuß (Artemisia vulgaris) als Zauberfraut gefeiert. Der Sohannisgürtel, den man zur Zeit der Sonnenwendefeier in die Flam- men warf und der alle Uebel von den Yeivenden mit hinwegnahm, war aus Beifuß geflodten. Am Yohannistag ſollten aud unter der tiefgehen- den Wurzel jenes Krautes Kohlen zu finden fein, die ſich mitunter "in Gold verwanbelten, Wie nody heute einzelne Enzianen (Gentiana lutea, purpurea, pun- ctata) wegen ihrer bittern Säfte zu jogenannten „magenftärfenden“ Brannt- weinen in ben Alpen verwendet werben, galt der freuzförmige Enzian (G. eruciata) als Geerfraut oder Modelgeer ehedem für ein bejonderes Mittel, die Schweine vor Seuchen zu bewahren. Wie Unger erzählt, hängt man noch gegenwärtig in Steiermark zu demfelben Zweck ein Fläſchchen mit Fenchelgries in die Kofen und meint, der böfe Feind meide ſolche Stallungen, da es ihm zu mühfanı fei, die Koöruchen genau zu zählen. Daß von den Bäumen Linde, Eibe, Erle, Birfe und Weide, fo wie die auf den Bäumen wadhjende Miftel und im Süden deren Vertreterin, die Riemenblume (Loranthus), alg Mittel gegen Zaubereien und Kranfheiten body in Anjehen ftanden, haben wir im 1. Abjchnitt des I. Bandes meiſtens ihon berührt. Ein Geiniſch von Wahrheit und Dichtung findet ſich beim —S des Wachholders. Laub und Beeren, gewürzhaft harzig riechend, dienten ſchon im Alterthum als Räucherwerk bei Leichenbeſtattungen und zu Getränfen. Sie follten aber audy außer Ungeziefer und Schlangen böfe Gei- jter vertreiben und den Blid in die Zufunft eröffnen. Vom Doften oder Wohlgemuth (Origanum) fagte das Sprühwort: „Vor Doften und Do— vant (Antirrhinum, Löwenmaul) flieh’n Wichtel und Nixen.“ Gleiches galt auh vom YJohannisfraut (Hypericum perforatum), das wegen jeiner Blätter die Aufmerkſamkeit auf fi z0g. Seine 5 Blütenblätter follten an die 5 Wunden Yefu erinnern; die jcheinbaren Löcher in den Blättern joll- ten durch den Teufel eingeflochen worden fein, da er dem Menſchen das Wunderfraut nicht gönnte, wie er ja auch die Wurzel der Wiejenfcabiofe (Suceisa pratensis) aus demjelben Grunde verftümmeln follte. Johanniskränze Ihüsten das Haus eben fo wie das auf den Dadfirften gepflanzte Hauslaub. Zugleid) galt das Johanniskraut aud als Mittel Liebe zu erweden und wird noch heutzutage in einigen Gegenden als Drafel benutt; e8 bildete dadurch einen Gegenfag zur Wurzel der Succisa, denn wenn man dieſe unter den Tiſch warf, fingen die Säfte an ſich zu zanfen und zu fchlagen. Für heiraths- Iuftige Jungfrauen waren Scheibchen der Zaunrübenwurzel (Bryonia), in die Ballſchuhe gelegt, ein unfehlbares Mittel, wenn dabei als Formel ge— ſprochen ward: „Körfcheswurzel in meinem Schuh, ihr Junggeſellen lauft mir zul” Alte Kräuterbücher führen noch eine ziemliche Reihe Kräuter auf, die dazu dienen follten, Hererei und Zauberei, anftedende Krankheiten und Hagelſchaden, Blis und Unglüdsfälle abzuhalten. Wieder" andere machten ſchuß-, hieb- und jtichfeft, jo das Eifenfraut (Verbena), ver Mannshar- Narkotiſche Bilanzen. Stechapfel. 233 niſch (Gladiolus) und die Siegwurz (Allium victoriale), die „Salbe aus Herenfraut, unter Zauberſprüchen gekocht und gebraut.“ Goldmilz (Chrysosplenium), Frauenmantel (Alchemilla), Mondraute (Bo- trychium lunaria) u. a. mußten auch den Alchymiſten ihrer Zeit mit bei ven Verſuchen dienen, die Goldtinktur herzuftellen, Ein großer Theil der angeführten Kräuter ift jo harmlofer Natur, daß fie jelbft innerlich als Thee oder Tinftur angewendet wenig oder feine bejon- deren Wirfungen hervorbrachten und höchſtens dem Geldbeutel der Gläubigen jhadeten. Anders verhält es ſich mit einer Anzahl Pflanzenftoffen, deren Ge- Ihichte wirflih etwas Un— heimlihes, Gejpenitilches hat und die wie ein dunkler Schatten durch- die Tra- dittonen früherer Jahr— hunderte und durch die Sittengeſchichte entfernter Bölfer der Gegenwart zieht, jene Stoffe nämlich, die als narfotifche Gifte betäubend und zu oft jon= derbaren Bifionen ver- anlafjend auf das Geijtes- leben des Menſchen ein- wirken. Manche bringen. dergleichen Wirkungen her⸗ vor, wenn fie genofjen werden, andere follen dies ſchon vermögen, wenn fie in feiner Staubform ge— Ihnupft, als Salbe in die \ | / Achſelhöhlen u. dgl. ein— * gerieben oder als Rauch W eingeathmet werden. Die Gemeiner Stechapfel (Datura Stramonium). weisjagenden‘Priejterinnen zu Delphi follen, jo erzählt man, durch Räucherungen in jenen Zuftand hei- (iger Raſerei verjegt worden fein und der durch die Zigeuner von Aegypten, vielleicht jogar von Indien aus verfchleppte Stechapfel (Datura Stramonium) ift in diefer Beziehung einer der unheimlichſten Gejellen. Die Wirkungen, welche jeine Samen, auf heiße Ofenplatten bewohnter Zimmer geworfen, her- vorbringen, find berüchtigt genug, eben fo die in feinen Blättern ſchlummern— den Kräfte. Es erjcheint als eine Möglichkeit, daß von den zahlreichen Un- glücklichen, die in der finftern Bergangenheit unſers Baterlandes als Heren und Herenmeifter verbrannt wurden, nicht ſämmtliche blos als Dpfer der 234 Zauberkräuter, Arznei und Gewürze. Bosheit ihrer Richter fielen, fondern daß Manche von ihnen wirklich glaub- ten, Zufammenfünfte mit böfen Geiftern u. dgl. gehabt zu haben. In ven Erzählungen Vieler kehrt als Grundthema der einfache Hergang wieder. Es waren ſtets Perſonen niedern Standes, meift befchränfterer Geiftesbildung. Zu ihnen gefellt fih — gewöhnfid im abgelegenen Walde — ein fremder Mann oder unbefanntes Weib — man hat hierbei oft an die Zigeunerhorden gedacht — nad) vorhergegangener andermeitiger Unterhaltung beftreiht endlich der Unbekannte die Achjelhöhlen mit der Herenfalbe und furze Zeit darauf — nachdem das Mittel wirft — fühlt ſich der Gefalbte leicht. Er fliegt, ſchwebt wie ein Vogel nad) einem Berge, veffen Name je nad) der Gegend wechſelt, und trifft dort den Gottſeibeiuns oder Zauberjchweitern und Brüder. Die Schilderungen der Herenfabbathe haben. ſtets verwandte Elemente, die auf Er- vegung beftimmter Nervenpartien hindeuten, wie fie bei Gebrauch von Stech— apfel und verwandten Narkotifa jedesmal eintreten. Die Unglüdlihen glaub: ten die Bifionen wirklich erlebt zu haben, da ihnen, fo wie ihren Nichtern, das Verftändniß des Zufammenhangs gänzlich fehlte Wem fallen hierbei nicht die Erzählungen vom Alten vom Berge und von den Wirkungen des Dpium und Hadjhifch ein? i Diefelben Krankheiten, welche jetst die Menjchen plagen, mögen mit wenig Ausnahmen auc wol unfere Vorfahren heimgefucht haben, nur daß die Alten bei dem Mangel der Anatomie und bei einer nod) geringeren Kenntnig won der Verrichtung der Organe und dem eigentlichen Leben unferd Körpers, als fie uns zu Gebot fteht, auch nody mehr im Dunfeln tappten, wenn es darauf anfam, ven Sit des Uebels, das Weſen einer Krankheit zu erforfhen. Da es num gegen jede Krankheit ein ſpezifiſch wirkſames Kraut gab, jo mehrte fic) die Zahl der Arzneimittel in demfelben Grade, als man mehr und mehr Krank- heiten unterjcheiven lernte und, um beim Verordnen der Medizin möglichft ficher zu gehen, daß man aud) die wirklich nöthige dem Kranfen beibringe, reichte man demfelben Mirturen, die aus einer größtmöglihen Menge von angeblid) heilfamen Stoffen zufammengebraut wareır. Theophraftos, ver Lieblingsfhüler des großen Ariftoteles, hatte alle Ge- wächſe rücfichtlidy ihrer Kräfte nach 4 Eigenschaften eingetheilt: in Falte, warme, trodene und feuchte. Jedes Gewächs fonnte zwei jener Merkmale befigen, fonnte troden und falt, feucht und falt u. ſ. w. fein und hiernady richtete ſich dann die Verwendung bei den Kranfheiten. Leider fehlten aber alle ficheren Srfennungsmittel, nad denen man fid) vergewiljern konnte, zu welcher Klaſſe eine Pflanze zu rechnen fei, und das Ganze war mehr der Einbildung über- faffen. Mitunter ließ man ſich von der Farbe ver Blüten und Säfte leiten (Lehre von den Signaturen). Gelbe Stoffe ſollken bei Gelbſucht, rothe bei Blutungen und Hämorrhoiden heilſam ſein. Beſtärkt wurde man hierin durch die Wahrnehmung, daß in manchen Fällen wirklich gewiſſe innere Eigenſchaften mit beſtimmten Farben zuſammentreffen; ſo ſind viele gelbe und braune Pflanzenſäfte adſtringirend und bitter, nicht wenige rothe ſchmecken Mithridat. Theriak. 235 jauer, weiße zeigen fich oft fade und ſchleimig, während nicht felten ſchmuzig⸗ grüne oder ſchwärzliche giftig wirken. Der ſchon früher erwähnte Mithridates VI., Eupator von Pontos, der eine für ſeine Zeit ausgezeichnete Gelehrſamkeit beſaß (er ſoll 26 Sprachen geſprochen haben), beſchäftigte ſich den größten Theil ſeines Lebens damit, die Natur der Gifte und ſogenannten Gegengifte kennen zu lernen und aus den— ſelben eine Univerſalmedizin zuſammenzuſetzen, welche gegen alle Krankheiten ein unfehlbares Mittel ſei. Es war dies der ſogenannte Mithridat, aus dem durch anderweitige Zuſätze und Verbeſſerungen ſchließlich der Theriak hervorging. Die vollkommene Geſtaltung erhielt letzterer durch den Römer Andremachos (54—60 n. Chr.). Der Erfinder legte eine in Verſen ab— gefaßte Bejchreibung feines Verfahrens zu den Füßen des Kaifers und von jener Zeit erhielt ſich der Gebrauch der widerfinnigen Mifhung bis zum Jahre 1787, wo fie das Teste Mal unter öffentlihen wunderlichen Feierlichkeiten her— geftellt ward. Außer thieriſchen Mitteln (getrocknetem Fleifh von Giftichlan- gen) kamen mehrere 60 vegetabilifche Subftanzen Hinzu, von denen eins, Magma hedychroon, felbft wieder aus 18 Pflanzen zufammengefett war. Die legten Nachklänge jener alten Zeiten, in denen dag Heer der arznei- ltefernden Gewächſe rings auf allen Fluren blühte, mit dem Leberblümchen, Schlüſſelblümchen (Primula offieinalis) und Pungenfraut (Pulmonaria offici- nalis) begann und mit der Herbftzeitlofe (Colchicum autumũale) ſchloß, ja jelbft im Winter durch Becherflechten, Lungenflechten u. ſ. w. vertreten mar, find nody nicht völlig verhallt; felbft in Apotheken anſehnlicher Städte fieht man an den Käſten Lichen’ pyxidata u. dgl, noch prangen, und Rußbutten— leute, Balfammänner, Laboranten, Schäfer und anderweitige Spekulanten fertigen noch jährlich beveutende Mengen theild von Univerfaltropfen und Lebenseliriren, Pillen und Pflaftern, theil8 von fogenannten Geheimmitteln gegen beftimmte Krankheiten von den Choleramitteln, Schwindſuchtthee, Kaifer- pillen an bis zu Haarölen, und e8 findet ſich eine noch größere Menge Unwifjen- der felbft unter fogenannten Gebilveten, die ſich vom erften beften magnetifi- venden Baier dies oder jenes Kraut als Zauberpflanze aufhängen laſſen. Die eigentliche Arzneimittellehre hat aber ihre Geftalt wefentlid ver- ändert. So wie der Anatom und Phyfiolog Sig und Wefen der Krankheiten zu erforſchen juchen, ftellt fih der gewiljenhafte Arzt die Aufgabe, die Art und Weiſe möglichſt genau zu verfolgen, im welcher ein Medikament wirft. Die Mehrzahl unferer einheimifhen Gewächſe, die noch als ehrwürdiges An- denfen an vergangene „beſſere“ Zeiten den Namen „offieinalis, arzneilich“ tragen, find als unbrauchbar bejeitigt, eine andere Anzahl ift zwar nod) bei- behalten — wer möchte auch alle Säulen eines alten Gebäudes mit einem Male einreigen, bejonders wenn das neue noch nicht fertig ift, — ihre wirkliche Geltung fteht aber oft genug auf fehr ſchwachen Füßen, Den meiften ift e8 ergangen wie den Menjchen jelbft: in ihrer Jugend hatten fie (nad) der Mei- nung der Xerzte) wahre Wunder- und Niefenfräfte; je älter fie wurden, befto 236 Zauberfräuter, Arznei und Gewürze, ſchwächer wurden fie und meift halten fie ſich nur noch als lebensmüde Greife. Nur eine fleine Anzahl Auserwählter machen eine Ausnahme. Sp wie die aus dem TIhierreiche entnonmenen Mittel ſchwanden, zogen ſich auc die Pflanzen mehr und mehr aus des Apotheferd Küche zurüd und machten Mineralien Platz. Die gefeiertften unter ihnen lieferten durch des Chemifers Kunft Stoffe, welche, ähnlich den Alfalien des Mineralreihs, mit Säuren Verbindungen zu löslihen Salzen eingehen und Alkaloide genannt werden. Durch fie-erhalten die Verordnungen des Arztes eine Sicyerheit in der Wirkung, welche fie vordem nie bejaßen, da die lebendige Pflanze je nad dem Standort fogar einen ſehr verjchievenen Gehalt an wirffamen Stoffen befaß, der vielfachen Berfälfhungen gar nicht zu gevenfen, denen theure Mit- tel ftet8 ausgejegt waren. leichzeitig werben die gewöhnlich ohnedies ſchon geſchwächten VBerdauungsorgane des Leidenden nicht no durch Unmaſſen von Pflanzenfafern gemißhandelt, welche mit den Pulvern u. ſ. w. hinabgewürgt werden mußten; ftatt der geraspelten Chinarinde, die man löffelmeife ver- ihludte, bringen einige Tropfen aufgelöftes ſchwefelſaures Chinin Fräftigere Wirkungen hervor. Selbft die curiofe Homöopathie, die ſich faft mit Pflanzen- geiftern begnügt, hat ihr Gutes hierbei gewirkt, indem fie den Yingerzeig gab, mit Außerft feinen Dofen jehr fräftiger Medikamente zu arbeiten. Nachdem man die eigentlich wirkſamen Stoffe der Arzneipflanzen als Alfaloive herjtellen und verwenden lernte, verjudhte man audy die Verände- rungen zu verfolgen, welche diefelben im Organismus des Thieres und Men- Ihen theils erlitten, theil8 hervorbrachten. Freilich find alle Die angegebenen Wege erft angebahnt, ihre Ziele find geſteckt und bezeichnet, keineswegs aber erreicht. Künftig wird man vielleicht unter Arzneimitteln aus dem Pflanzen: reich diejenigen vegetabiliichen Stoffe verftehen, welhe in dem Körper ber Kranken, in beftimmten Organen derjelben genau nachweisbare chemiſche Ber- änderungen hervorrufen, in Folge welder die Heilung herbeigeführt wird, — heutzutage paßt gar zu oft noch die alte Erklärung, nad) welcher Arzneimittel alle jene Stoffe find, durch welche man eine Geneſung herbeizuführen hofft. Dirfenruthe und Hafelftod künnten mit demjelben Rechte in der Reihe ftehen, in der mande Kräuter und Wurzeln fungiren. Indem wir einen furzen Ueberblid auf die Hauptgruppen der als Arz- neien verwendeten Gewächſe werfen und Berwandtes daran anfnüpfen, fallt e8 uns auf, daß gemwiffe natürliche Pflanzenfamilien auch in ihren Säften viel Webereinjtimmendes zeigen, fo die Nachtſchattengewächſe, Dolden, Wolfs— milchgewächſe, Hahnenfußgewächſe, Kreuzblümler u. ſ. w.; andererjeits finden fi) aber auch beftimmte gleihartige Stoffe und ei nzelne Pflanzenarten, die ihrem Baue nad) zu ſehr verfchievenen Gruppen —* ſo iſt das Coffein enthalten in dem chineſiſchen Thee (Ternstroemiaceae), im Kaffee (Rubiaceae), in Paullinia sorbilis (Sapindaceae) und in Ilex paraguaiensis (Ilicineae), — das Cumarin in dem Ruchgras (Gramineae), im Waldmeifter (Asperulaceae) und der Tonfabohne (Caesalpineae). Wie bereit8 angebentet, werden wir an Opium. Morphium. Hanf. 237 die fagenhaften Zauberfräuter des Altertyums in mandyen Stüden auffallend durch die gegenwärtig noch gebräuchlihen betäubenden Gifte (Narkotika) erinnert, zu denen eine der gejchätteften Arzneien, das Optum, gehört. Es ift dies der an der Sonne eingetrodnete Saft, der aus unreifen Mohnföpfen (Papaver somniferum) nad Verletzungen derfelben ausfließt. Daffelbe wirft in fleinen Dojen je nad) der Empfänglichfeit ver Perfonen, nicht jelten dem Wein ähnlich, zunächit beraufchend und die Phantafie lebhaft anregend, führt aber nachher jo wie in größern Gaben eine Er— ichlaffung der Musfeln und eine Yahmung der Willensnerven herbei, bei welcher ſich Puls und Athen verlangjamen und das Gehirn möglicherweife jo von Blut erfüllt wird, daß der Tod eintritt. Seit lange ift Opium bei den Drientalen als Berau- ihungsmittel in Gebrauch und zwar wird es entweder zu diefem Behuf geraucht, oder in Pillenform ver— ichludt, oder aber als Auf- löfung teopfenweife ge— noffen. Da das vorzüglich von Dftindien und Klein— afien fommende Opium nicht felten mit allerlei Zuſätzen verfälſcht ift, jo war der Arzt durchaus feines Erfolges bei An— wendung dieſes Mittels nicht ficher, jo lange er e8 nur in Subftanz dem Patienten bieten fonnte; feitvem ihm aber die Chemie im Morphium das vorzüglid wirkende Alfa- loid des Mohnjaft in die Hand gegeben hat, vermag er mit fleinen Gaben von Y, Gran und weniger bereits dem Leidenden Linderung der Schmerzen und in vielen Fällen Heilung zu verfhaffen. Der Saft des Hanf (Canna- bis sativa), der entweder von felbft in grünlichen Körnern ausſchwitzt oder durch Ausfochen der ganzen ältern Pflanzen gewonnen wird, bejitt eine ver— wandte Wirkung, die durch Zufäge von Opium, Gewürzen u. f. m. je nad) Schwarzes Bilfenfraut (Hyoscyamus niger). 238 Zauberfräuter, Arznei und Gewürze. den verſchiedenen Gegenden manchfach modifizirt wird. Eins dieſer Präparate aus Hanfertraft iſt das Hadſchiſch, das beſonders bei den reizbarern Orien— talen die Phantafie erregen und das finnlihe Wohlbehagen bedeutend erhöhen jol. Wie auf alle ftärkere Aufregungsmittel folgt aber aud) auf den Genuß des Hanfjanftes Erihlaffung und Abfpannung. Bei den Malaien der Sunda- Inſeln fol der Genuß des Hadſchiſch Urſache des fogenannten Mudlaufens jein, einer Raſerei, in weldyer der Eraltirte von der tollften Mordluft erfaßt ift. Die ſüdafrikaniſchen Negerftänme rauchen Hanfblätter zu demfel- ben Zwed wie wir den Tabak. Der Hadſchiſch wird von unſern Aerz— ten ſeltener als das Morphium, bei ähn— lichen Fällen wie die— ſes verwendet. Eben— falls ſparſamer als die— ſes dient das Bilſen— kraut (Hyoscyamus niger; ſ. die Abbild. auf vorhergehender Geite) als ſchmerzſtillendes Be⸗ täubungsmittel. Es Doſen vortheilhaft bei ſchmerzhafter Erregung des Gehirns oder ein— zelner Nervenpartien; große Quantitäten da— von, z. B. der Genuß der Wurzel, können Wahnfinnsericheinun- gen und den Tod her- | Tollkirſche (Atropa Belladonna). per Tollkirſche (Atropa Belladonna) fo wie deren Verwandte, die Alraun, nur daß bei ihnen ſich neben den betäubenden Wirkungen nod ein ſcharf— ätzendes Prinzip in geringerm oder ftärferm Grade bemerflih macht. Deutliher treten die genannten beiden Cigenthümlichfeiten hervor bei unferer Herbftzeitlofe (Colchicum autumnale), von der man fowol aus Zwiebel als Samen medizinische Präparate (Colchiein enthaltend) herftellt. Schon im Altertum war, fie im Gebrauch, wie ja aud ihr botanifcher zeigt fi in Kleinen > 4 A a a re ee Nießwurz. 239 Name auf das giftberühmte Kolchis hinweiſt; lange galt ſie als Specificum gegen Gicht, hat ſich aber in der Gegenwart, nachdem ſie ihre Kräfte noch gegen eine Reihe anderer Krankheiten hat verſuchen müſſen, etwas mehr zurück— gezogen. Die weiße Nießwurz (Veratrum Lobelianum; ſ. die Abbild. auf ver folgenden Seite), die auf den deutſchen Hochgebirgen nicht felten ift, war im Alter- thum als unfehlbares Mittel gegen Wahnfinn und Narrheit in Ruf. Aehn— liches galt aud von der ſchwarzen Nießwurz (Helleborus niger), ſo daß Agatharchides von letterer ein Beiſpiel eigenthümliher Mittheilung erzäh- len konnte, das weniger Blumen- ſprache als Wurzelfprache fein dürfte, Als die Kataneer näm— lich den Arthemios zu ihrem Feldherrn erwählt hatten, einen Mann von kleiner Statur und häßlichem Geſicht, doch tapfer und kriegskundig, war ihnen dieſe Wahl von dem ehrſüchtigen Agathokles, der ſelbſt nach dieſer Würde geſtrebt, zum Vor— wurf gemacht worden. Derſelbe ſandte, ohne weiter etwas hin— zuzufügen, dem Senat eine Hand voll Schöllkraut, welche Pflanze als Mittel gegen Blindheit in Ruf war, erhielt aber ſofort von demſelben ein Bündel Nießwurz als Antwort zurück. Gegenwär— tig werden beide nur noch wenig benutzt, da der Erfolg bei ihnen nicht ſicher genug iſt und durch die gleichzeitig vorhandene Schärfe leicht Gefahr entſtehen kann, ſelbſt bei äußerlicher Anwendung, z. AN des Veratrum. Der Schnee— Herbſtzeitloſe (Colchicum autumnale). berger Schnupftabak ent— hält die pulveriſirte Wurzel des letztern als den hauptſächlich wirkenden Be— ſtandtheil. Der Samen der merikaniſchen Sabadilla officinarum (Veratrum off.), jo wie die aus Südeuropa fommenden Stephansförner (von Del- phinium officinale) wurden früher häufiger verwendet als jett, erftere als Wurmmittel, lettere gegen Ungeziefer, mande Hautkrankheiten u. f. wm. Stär— fer noch als die” genannten wirken die mancherlei Spielarten des Eiſenhut (Aconitum Napellus ete.), deren man ſich ehedem ſchon zum Bergiften Der Wölfe (daher Wolfshut) beviente und aus denen die Bewohner des Himalaya 240 Zauberfräuter, Arznei und Gewürze. das Bikh-Gift (aus Aconitum ferox, palmatum, luridum) zum Bergiften ihrer Waffen herftellen ſollen. Schon äußerlich wirken Wurzel und Kraut auf die Haut reizend, innerlich genofjen bewirfen fie neben jenem Betäubungs- — Weiße Nießwurz (Veratrum Lobelianum). zuftande, den reine Narfotifa hervorrufen, aud einen ent— zündlihen Zuftand. Die aus Eifenhut gezogenen Präparate find eben jo gefährlich als trü- gerifch, ihre Benugung als ſchmerzſtillende Mittel wird des- halb nur felten verfudht; eben jo wenig wendet man nod) die Blätter der nordamerikaniſchen Lobelia inflata an, die wegen ihres Geruchs aud wol „In— dianiſcher Tabak“ genannt wer- den. Mehr gebräuhlic noch find die Blätter unſers ein- heimifchen rothen Finger- hut (Digitalis purpurea; f. die Abb. auf nebenftehender Seite), bejonders wenn e8 darauf an- fommt, den Pulsſchlag des Kranfen zu verlangjamen. Ueberhaupt ift es eine hödjft - intereffante Seite im Studium der Arzneimittel, die Beziehun- gen bejtimmter Stoffe zu ge= wiffen Organen und Nerven- partien zu verfolgen. Wir müſſen uns indeß hier mit die- fer bloßen Andeutung begnügen. Seinen mediziniihen Wirkun— gen nad ſchließt fi der Ta— baf (Nicotiana Tabacum) den vorgenannten an. Jeder An- fanger im Rauchen fennt bie Wirkungen einer ftarfen Ci— garre, und das empyreumatiſche Del, das fih als fogenannter Tabafsfaft im Pfeifenrohr fammelt, ift ein Gift, mit dem fleinere Thiere getödtet werden fünnen. Die Folgen, welche der Genuß von Nikotin, des aus dem Tabak gezogenen Alfaloivs, nad) fich zieht, werden unſern Leſern Tabak, Schierling. 241 aus den Bergiftungsprozeflen der letztvergangenen Jahre noch friſch im Ge: dächtniß fein. Obſchon dev Tabak anfänglich ausſchließlich wegen feiner me- diziniſchen Wirkungen in Europa empfohlen und eingeführt wurde, werben letz— tere gegenwärtig faft gar nicht mehr berüdfichtigt, da das Rauchen des Krautes zur weitverbreiteten Sitte geworden ift. Letzteres giebt einen Fingerzeig, wie einmal die Mehrzahl der Menjchen das Bedürfniß fühlen, narfotifirende Mit- tel anzuwenden, anderer> * ſeits wie ſich der Körper allmälig ſelbſt an den Ge— nuß gewiſſer Gifte gewöh— nen kann, eine Erfahrung, die ja auch der Gebrauch des Opium, Hanf, ſelbſt des Arſenik und der Brech— nuß lehrt. Bei manchen Giftgewächſen entwickelt ſich das wirkende Prinzip erſt bei gewiſſem Alter. Junge Hanfpflanzen kön— nen als Salat verſpeiſt werden, und auch der ge— fleckte Schierling (ſ. die Abbild. auf der fol genden Seite) ijt in jugend- lichem Zuftande unſchäd— lich. Erſt im Sommer enthält er Coniin, ein Alkaloid von ſo heftiger Wirkung, daß es der Blau— ſäure nahe ſteht. Ein Tropfen ind Auge eines Kaninchens gebracht, tötet das Thier faſt augenblick— lich. Als Arznei wird ge— wöhnlich das ganze Kraut des Schierling benutzt und die daraus hergeſtellten Extrakte und Tinkturen bei manchen Krankheiten (Krebs) gerühmt. Auf die Wirkungen des Stechapfels, der hier mit anzureihen wäre, haben wir bereits früher hingewieſen. Es ſtanden ehedem und theil— weiſe noch jetzt noch eine ganze Reihe Gewächſe als narkotiſirende in Ruf, 3. B. Spigelie (Sp. marylandica und Sp. Anthelmia), Geoffräe (Geoffroya surinamensis), Blutwurzel (Sanguinaria canadensis), Chriftophsfraut (Actaea spieata), Schlangenfraut (Cimieifuga serpentaria), Gerbera Ahovai (Brafilien), Wagner, Mal, Botanik. I. Bd, 16 242 Zauberfräuter, Arznei und Gemürze, J C. Manghas (Oſtindien), Hundsgift (Apocynum androsaemifolium), Oleander (Nerium Oleander), Sumpfporſt (Ledum), Lolch, Mutterkorn, eine Anzahl Doldengewächſe (Cicuta, Hydrocotyle, Oenanthe, Aethusa ete.), Nicandra, 3 Catalpa, Taxus, Giftpilze, Gift- lattich, ja jelbit der Öartenjalat u.f.w. Manche PR. x derjelben ſind SER EEE noch gar nicht, — — * TR andere nur theilmeife ge— nauer unter— jucht, Die mei— jten von ihnen aus der ärzt— lichen Praxis der Gegenwart wieder entfernt. Schon bei Vergiftungs⸗ fällen durch die angeführten Gewächſe kom— men ſonderbare Erſcheinungen vor. Das Ge— ſicht der Ha— dſchiſchverzeh⸗ rer erhält oft ein lächelnd li— ſtiges Ausſehn, nach dem Ge— nuß von Bilſen⸗ kraut, Bella— donna, tritt sur) a | frampfhaftes } N Lachen, nad) 1 3 NR Aconit nicht Gefledter Schierling (Conium maculatum), felten heftiges Zuden wie von eleftriihen Schlägen ein. Furchtbarer aber noch erſcheint die Macht der Pflanzenftoffe über den menfchlichen Körper bei jener Öruppe, an deven Spite die Brechnuß (Strychnos nux vomica) mit ihrer Sippſchaft € Wirfungen der Brechnuß. 243 fteht (Spinantien). Die hierher gehörigen Stoffe ätzen nicht und wirfen aud) nicht betaubend und Schlummerſucht erzeugend auf den Bergifteten ein, um io heftiger dagegen auf Rüdenmarf, Muskulatur und Das ganze Spinaljyitem. Sie gelangen mit großer Schnelligkeit in Die Blutmafje und erzeugen hef- tige convulſiviſche Se (gina). bin Zufammenziehun- = = — — — gen der Muskeln, Mundſperre, Kinn— backenkrampf, dann wieder ſtarres Ausſtrecken der Glieder, während Kopf und Wirbel— ſäule nach hinten gebogen werden. Die Erſcheinungen gewinnen Aehn— lichkeit mit jenen bei der Waſſer— ſcheu und der Tod tritt, je nach den Doſen, früher oder ſpäter, meiſt aber bald, von den ſchauerlichſten Krämpfen und Verzerrungen des Körpers. begleitet ein. Nicht ſelten ift er eine Folge da— von, daß die Luft— röhre fich krampfig zuſammenzieht, alſo das Athmen verwehrt. Läßt ſich SE |) Buhl j m — 2 — NER , E auch das in der PT IE en > ; Arge ! J | A FR Brechnuß vor⸗ Javaniſcher Giſtbaum (Antiaris toxicariu). handene Alkaloid Strychnin in der Leiche nicht mit jener Sicherheit nachweiſen, wie metalliſche Gifte, ſo ſind doch die äußern Erſcheinungen bei Vergiftungsfällen durch der— gleichen Pflanzenſtoffe zu auffallend, als daß ſie mit andern verwechſelt wer— den könnten. Auf letztgenanntes Gift ward die allgemeine Aufmerkſamkeit vor wenig Jahren durch Verhandlungen vor den engliſchen Gerichtshöfen 16* 244 Zauberkväuter, Arznei und Gewürze. gelenkt. Mit ihm gepaart tritt gewöhnlich aud) ein zweites ähnliches Alkaloid auf, das Brucin, und hierher gehören endlich, mit wenig Ausnahmen (Euphor- bienharz), die meiften fogenannten Pfeilgifte, die allezeit Gegenftand des Intereſſes wie des Schredens waren. Unter den ſüdaſiatiſchen Pfeilgiften iſt das javanifche Upas (Tieute) Radſcha oder Tſchettek eins der gefürdhtetiten, eben fo das von dem Safte des Antiaris toxicaria (einer Artocarpacee; f. die Abbild. auf vorhergehenvder Seite) gewonnene Upas Antjar (Bohon Upas), der mit dem Saft von Strychnos Tieuté vermifcht ift. Wenig Minuten nadj- dem das Gift in die Wunde gelangt ift, treten Stredframpfe ein, oft von Erbrechen begleitet, und der Tod erfolgt meift nad) Y, Stunde. ‚Beide Pfeil- gifte wirken übrigens aud) tödtlich, wenn fie innerlid, genojjen werden. Anders foll fid) dagegen da8 Curare-Gift verhalten, welches die Indianerſtämme am Orinoco, Rio negro und Amazonenfluß bereiten. Innerlid eingenommen ſoll daſſelbe unſchädlich ſein, ja das lestere wird neuerdings als ausgezeid)- netes Mittel gegen den Wund-Starrframpf gerühmt. Die Bereitung jener Gifte ift gewoͤhnlich Geheimniß einzelner Perfonen, die durch ihre Kunſt fid) in befonderm Anfehen bei ihren Stammgenofjen zu erhalten juchen. Zu ven genannten amerifanifchen Pfeilgiften werden außer den Säften mehrerer Lia— nen, die ebenfalls zu der Gattung Strychnos (Strychnos toxifera, guianen- sis ete.) gehören, noch folde von Cocculus Amazonum, angeblid aud) das Gift von Schlangen genommen. Thieren in Wunden beigebradyt, tödtet es diefelben faft plötzlich, ohne daß Krämpfe, Gejchrei oder Convulfionen dabei ſtattfänden, wie dies beim javanifchen Upas der Fall ift. Die Lebensfähig- feit des Nervenſyſtems ſcheint plößlih zu erlöſchen, jo daß ſelbſt bei friſch getödteten Thieren, z. B. Fröſchen, die Nerven fid) gegen Reizungen durch galvaniſche Elektricität eben ſo unempfindlich verhalten, als ſeien dieſelben ſchon längſt geſtorben, während doch die Muskeln ſelbſt ihre Reizbarkeit und die Fähigkeit, ſich zuſammenziehen zu können, beibehalten haben. Das Blut iſt ſchwarz, röthet ſich auch nicht an der. Luft und hat alle Gerinnungs— fühigfeit verloren. _ Die Ignazbohne von Strychnos Ignatii von den Philippinen über- trifft die Brehnuß um das Doppelte in ihrer Wirkung, wird aber gegen- wärtig nicht mehr angewendet. Die großen mandelähnlichen Samen des in Mittelamerika wadhjenden Cedron (Simaba Cedron) zeigen fi) den Ignaz— bohnen verwandt; fie gelten bei den Einwohnern jener Länder als untrüg- liches Mittel gegen den Biß von Giftfehlangen, wie e8 fcheint aud) nicht ganz unbegründet. Sonft aber ift das Negifter derjenigen Pflanzen, die als Mit- tel gegen das Schlangengift dienen follen, ein jehr langes. Nicht wenige von ihnen follen durch den Inftinkt von Vögeln oder Raubthieren dem Menſchen verrathen worden fein, indem jene Thiere bei ihren Kämpfen mit den Gift- ihlangen mit dem oder jenem Kraut oder Straudyblatt ſich heilten. Wenigen dürfte dagegen zu trauen fein, fo wie den zahlreichen vegetabiliſchen Mitteln gegen die Hundswuth. | Tanghinia. Blauſäure. Pfirfiche. 245 Durch Kockelskörner (von Cocculus suberosus) kann man die Fiſche in ihrem heimatlichen Element betäuben, und Humboldt erzählt, daß ſich die Indianer der Borbasco-Wurzel in gleicher Weiſe als Waffe gegen vie gefürchteten eleftriichen Aale bebienten. Auf Madagaskar ift ein zur Familie der Apochneen gehöriger Baum, Tanghinia venenifera, die Hauptgrundlage der dortigen Geredhtigfeitspflege geworden und in den Jahren 1840—52 jollen mindeftend 12,000 Berbrechen durch feine Hülfe entdedt worden fein. Seine Samen enthalten ein ftarfes narkotiſch und reizend wirfendes Gift, das fo kräftig ift, daß ein einziger Steinfern hinreihen fol, um 20 Perfonen zu vergiften. Der Verflagte wird gezwungen, den Gifttranf zu trinfen: fticht er, fo ift er ſchuldig; giebt er denjelben ohne nachtheilige Folgen wieder von fi), jo liegt feine Unſchuld Har zu Tage. Bei geringern Klagepunften läßt man durd die Tanghinia das Gottesurtheil an den Hunden der ftreitenden Parteien vollziehen und der— jenige, deſſen Thier die verdächtigſten Symptome zeigt, muß Buße zahlen. In einzelnen Theilen der Früchte und bei einigen Arten aud in den Dlättern von mehreren Gewächſen, die unfere beliebteften Dbforten liefern: in Pflaumenfernen, Pfirfihblättern, bittern Mandeln und dem zn verjelben Familie gehörigen Kirfchlorbeer befinden fid) Stoffe, aus denen fi unter be- ftimmien Berhältniffen ein fehr ftarfes Gift, die Blauſäure (CHyanmafjer ftoff), entwideln fann. Die furdtbaren Wirfungen diefes Stoffes, der, rein dargeftellt, ſich als eine höchſt flüchtige, waſſerhelle Flüffigfeit zeigt, find allgemein befannt. Schon wenige Tropfen, jelbft äußerlich auf dünnere Stel— (en der Dberhaut gebracht, führen jchnellen Tod herbei, bei kleineren Thieren, befonders bei Nagern, ſchon nad) 5—10 Sekunden. Bei größern Gefchöpfen ähneln die Erfcheinungen bald mehr jenen durch Strychnin und Nikotin, bald in Einzelnheiten denen bei Opium. Es möchte fcheinen, als hätten bereits die alten ägyptiihen Briefter Kenntniß von der Blaufäure erhalten. Alte Traditionen melden zwar von der Pfirfihe, die Perſer hätten dieſen giftigen Baum aus Malice nad) Aegypten gebracht, hier aber hätte verjelbe feine nachtheiligen Eigenfhaften verloren; andere Mittheilungen lauten anders. Auf einer Papyrusrolle, die im Louvre in Paris aufbewahrt wird, und weldye Kegeln für die in die Myſterien Eingeweiheten enthält, heißt e8 z. B.: „Sprecht nicht aus den Namen von FA D bei Strafe der Pfirfihe” Man glaubt auch, daß Blaufäure ein Beftandtheil des ſogenannten Eiferfuchtswaflers war, welche der Priefter ven Frauen zu reichen hatte, die der Untreue überführt waren. Es tödtete fchnell und hinterließ Feine beſondern Spuren am Leid- nam. Nicht ohne Urfache führt deshalb wol Plutarchos an, daß das Pfirfich- blatt dem Gotte des Schweigens gewidmet fei. An die vorzugsmeife betäubend wirfenden Gifte reihen ſich jene Pflanzen- ftoffe an, welche ätzend fcharfe Eigenfchaften zeigen, doch ift der Unterſchied zwifchen beiden Wirfungsweifen feineswegs immer fharf feftzuhalten, fondern es finden ſich Giftpflanzen genug, welche beide Eigenthümlichfeiten in ſich 246 Zauberfräuter, Arznei und Gewürze. vereinigen und nur entweder nad) dieſer oder nach jener Seite hin ftärfer ausgeprägt erſcheinen. Es dürfte nad) ven berüchtigten Giftbäumen, welche wir erwähnten, wol der Ort fein, der Neſſelgewächſe zu gedenfen, vie man vorzugsweife die „Schlangen des Pflanzenreihes” genannt hat. Die feinen Brennhaare, mit denen jene Gewächſe bevedt find, bredien, da fie ſehr fpröde find, gewöhnlich beim Eindringen in die Haut ab und ergiefen in die Wunde eine winzige Menge eines Saftes, dem man Verwandtſchaft mit der Ameifenfäure zufchreibt. Bei unfern Neſſelarten (Urtica dioica, U. urens, U. pilulifera) und der amerifanifhen Loaſa ift vie Wirfung auch nicht viel ftärfer als bei jener thieriichen Säure, jo daß diejelben mitunter als Hauptreizmittel vom Arzt angerathen werden. Ganz anders dagegen be- nehmen fid) die Verwandten der Brennnefjel innerhalb der Tropenländer, die überhaupt in jeder Beziehung die am ftärfften ausgebilveten Säfte aufzumeifen haben. So ift am Abhange des Himalaya, an dem neben Yeigenarten man- cherlei Urticeen vorherrfhen, die Strauchneſſel (U. crenulata) allgemein gefürchtet. Eine Berührung der jüngern Theile diefer Pflanze verurfadht an- fänglih nur einen geringen brennenden Schmerz, ohne dabei Blajen zu ziehen, nad Verlauf einer Stunde aber fteigert ſich derjelbe zu einem Grave, als würde das betreffende Glied mit glühendem Eiſen geftrihen. Dabei verbreitet er fi) über einen größern Theil des Körpers, benimmt 3. B. den ganzen Arm, wenn etwa ein Finger berührt wurde, und wüthet 24 Stunden hin- durch mit ununterbrochener Heftigfeit fort. Umfchläge mit kaltem Wafjer, die bei unſern Nefjeln helfen (mehr noch Ammoniak), machen hier das Uebel nur Ihlimmer, und erft nad) 8—9 Tagen verlieren ſich die leßten Spuren. Hoofer theilt mit, daß die bloße geruchloje Ausdünftung dieſer Pflanze, der er beim vorfichtigen Einfammeln verjelben ausgejett gewejen war, ihm Unmohfjein und heftige Benommenheit des Kopfes zugezogen habe. Das auf Zimor wacjende Teufelsblatt (U. urentissima) ſoll jogar feine Wirfungen auf Sahre hinaus fühlbar machen, wenn nicht vorher ſchon durd Eintreten ent- zündliher Zufälle ein Ablöfen des Gliedes nothwendig gemacht ward oder gar der Tod erfolgte. Non Nefjelbaumen Neuhollands erzählt man, daß fie im Stande find Pferde zu tödten, wenn diefe mit ihren frifchen Blättern in Berührung fommen. | In den wärmern Theilen Nordamerifa’8 wird der Giftfumad (Rhus Toxicodendron, Rh. radicans; ſ. gegenüberftehende Abbild.) vorfichtig gemie- den), da Berührungen hinreichend find, Entzündungen der betroffenen Stellen und krankhafte Zuftände des ganzen Körpers hervorzurufen. Ja die bloße Ausdinftung diefes Strauches kann unter Umſtänden bei empfänglicyen Per— ſonen nadtheilige Wirkungen (Gefihtsgefhmwulft, Hautentzündung u. |. w.) hervorbringen. Aehnliches erzählte man auch von dem mittelamerifanifchen Manfhinellbaum (Hippomane Mancinella) und feste hinzu, daß der von jelbigem herabträufelnde Regen auf der Haut Blafen erzeuge und eine Nacht Schlaf unter ihm den Tod bringen könnte. Beides ſoll dagegen nicht ftatt- Wolfemilh. Seidelbaft. Ranunculaceen. 247 finden, wohl aber der ind Auge ſpritzende Saft, ja ſchon der Rauch des brennenden Holzes heftige Schmerzen und mehrtägige Blindheit hervorbringen, wenn man nicht durch Wafchen mit Seewafler (der Baum wählt nur am Strande) fid) Linderung verſchafft. Es gehört die Manfcinelle zu den Wolfs— milchgewächſen (Euphorbiaceae), einer Familie, melde mit wenig Ausnahmen durch ſcharfgiftige Milchfäfte ausgezeichnet if. Das gebräudlihe Euphor- bienharz, von den afrifaniihen Euphorbia antiquorum, E. offieinarum, E. canariensis, wirft örtlic heftig veizend und wird deshalb nur wenig benust, dagegen pflegen Negerjtämmte ihre Waffen damit zu vergiften und im Süden Afrifa’s miſcht — man es zumeilen in die Wafler- N... bafjins, aus denen das Wil — trinkt. Die Bujhmänner follen — dem Euphorbienfaft noch Sife Sr zwiebeln und giftige Inſekten, Ne EN z. B. gewiſſe Raupen, zujegen, x um Pfeilgift zu erhalten. Unfere einheimifhen Wolfs— milcharten, bei deren einigen der Saft ſcharf genug ıjt, um an empfindlichen Stellen Ent: zündung der Haut hervorzu— rufen, werden nicht benußt, jeder Knabe weiß aber, daß er auf ihnen die ſchöne Raupe des Wolfsmilchſchwärmers zu ſuchen hat, die das milchſtrotzende Kraut unbeſchadet verzehrt, wie es ja eine bekannte, aber noch unent— räthſelte Thatſache iſt, daß ge— wiſſe Gewächſe für beſtimmte Thiere ſich als ſchnelltödtende N 9 Gifte zeigen, von andern aber Blatt und Blüten des Giftſumach (Rhus Toxicodendron). ohne Nachtheil verzehrt werben. Aehnlich wie Wolfsmilhjaft wirken die Beeren und Ninde des Seidelbaftes (Daphne Mezereum; ſ. die Abbild. auf nächſtfolgender Seite) blafenziehend und heftig reizend ſchon auf die Haut, innerlich natürlid) noch verderblicher. Diefem Gewächs ſchließen fih an eine große Anzahl einheimischer Pflanzen aus der Familie der Ranunculaceen, jo mehrere eingentlihe Hahnen- fußarten (Ranunculus sceleratus, R. Flammula, R. acris u. a.), die Pul— jfatille (P. pratensis), Anemonen (A. nemorosa), Waldreben (Clema- tis vitalba, C. Flammula), Adonisröschen (Adonis vernalis) u. a. Auch DT GET, 248 Zauberkränter, Arznei und Gewürze. nicht wenige Ariſtolochien und Aroideen (ſchon unſer Arum maculatum) zeigen ähnliche ſcharfätzende Säfte. Zu den ſcharfen Beſtandtheilen geſellen ſich bei zahlreichen Gewächſen noch ſolche Stoffe, die purgirend wirken. In ſtarken Doſen können die— ſelben ſich gleich ſcharfen Giften benehmen und zugleich das Nervenleben, Gehirn und Rückenmark heftig angreifen. Eins der mildeſten und gebräuch— lichſten Medikamente dieſer Art ſind die meiſt von Afrika eingeführten Sen— nesblätter von mehreren Caſſia-Arten ſtammend (C. lanceolata, officinalis, obtusa u. a.; ſ. gegenüberſtehende Abbild.). Aus Merifo ſtammt die Achte Jalappa, die Wurzel von Ipomoea Purga, während die fogenannte unädhte Salappa, die in Nordamerika ftarf gebräuchlich ift, von einer Winden- art (Convolvulus Jalappa) her— fommt. Wien hat an dem Scam- monium (Convolvulus Scammo- nia) ein ähnlich wirfendes Gewächs; auch bereitet man daſelbſt einen purgirenden Ertraft aus den Früch— ten der Springgurfen (Ecba- lium agreste) und aus der Kolo- quinte (Citrullus Golocynthis). Heftiger wirft das Erotonöl, aus den Samen des CGroton Tiglium, einer Cuphorbiacee, bereitet, mil- der das Nicinusöl, deſſen wir ſchon früher gedachten. Unſere ein- heimische Flora hat ein langes Kegifter hierher gehöriger Kräu- ter aufzumeifen, welche ehedem ftarf in Gebrauch und mitunter deshalb durch entſprechende Na— men (3. B. Gottesgnadenkraut, Gratiola of.) ausgezeichnet waren, gegenwärtig aber nur noch bier und da als Bolfsmittel benutt werden. Als Beifpiele nennen wir die beiden Arten unfers Wegdorn (Rhamnus cathartica, Rh. Frangula), So find aud) bei faft allen Völkern der. Erde beftimmte einheimische Gewächſe wegen ihrer ent- Iprechenden Wirfungsmeife befannt und mehr oder minder benugt. Als Bred)- mittel werden nur noch wenig Pflanzenftoffe zu Hülfe genommen, wie etwa die Brechwurzel (vun Cephaßlis Ipecacuanha) des heißen Amerifa oder die Meerzwiebel (Seilla maritima). Den Saft der lettern reiht man aber gewöhnlid in Heinern Dofen, jo daß er nicht jene gewaltfamen Erjcheinungen hervorruft. Ueberhaupt find eine ganze Menge hier zu ** Mittel noch in Anwendung, von denen man bei den verſchiedenartigſten PRO des Kellerhals oder Seidelbaft (Daphne Mezereum). Tonifa und bittere Mittel. Chinin. _ 249 Berdauungsprozefies Bortheile erwartet und deren Betradhtung im Einzelnen - ung zu weit führen würde. Die meiften der ehemals jogenannten blutrei- nigenden Mittel gehören hierher. Wir nennen Beifpielsweije die Senega (Wurzel von Polygala Senega; der chineſiſche Ginſeng von Panax Ginseng ſcheint ſich auch hier anzufchliegen), Seifenmwurzel (von Saponaria offici- nalis), Guajaf (Rinde, Holz und Harz von Guajacum offieinale aus Weft- indien), Safjaparille (Wurzel von mehreren Smilar-Arten Brafiliens, Me— riko's und Weftindiens), Fenchelholz und Safjfafras (Wurzel von Sassa-- (ras officinalis aus Mittelamerika), unfer einheimifches Bitterjfüß (Solanum Dulcamara; f. Abbild. auf nächſtfolgender Seite), Stiefmütterden (Viola trieolor, aud) V. odorata), Ringelblume (Calendula offieinalis), Schöll- fraut (Chelidonium majus), die Wurzel einer Anzahl ausländischer Asflepiadeen (As- clepias gigantea), und Cynanchum-Ar— ten (C. Vincetoxicum, erectum), Mauer- pfeffer (Sedum acre), Froſchlöffel (Alisma Plantage), Gichtroſe (Paeonia offieinalis etc.), Narziffe u. |. mw. u. f. w. Durch Pfeffer (Schwarzer und Ku— beben), Senf (ſchwarzer und weißer), Meer- vettig, Brunnenfrefje, Kreffe, Löf- felkraut u. a., welche mit ſcharfen Stoffen . gewürzhafte paaren, erhalten wir hier einen ganz allmäligen Uebergang von Arzneimitteln zu Gewürzen und Speifen, wie bei ven Karfotifa durch den Salat und Tabak. In vielen Beziehungen ihnen entgegengejegt find jene Gewächſe, deren Bejtandtheile von ftarf bitterm Geſchmack find und denen man foge- nannte fräftigende (toniſche) Eigenfchaften zuſchreibt. Es fommen freilid auch unter diefen und gerade bei den gejchäßteften derſelben, ſobald fie in größern Gaben gegeben werden, Erjheinungen vor, die an jene bei Strychnos erwähnten erinnern. An ihrer Spige fteht die Gruppe der Chinchona-Bäume (Chinchona Condaminea ete.), aus deren Rinde man das Chinin, ein Alkaloid von fehr bitterm Gefhmad herftellt. Jene gepriefenen Bäume, die Hoffnung der Fieber- franfen und Genefenden, gedeihen nur auf einem fehr befchränften Raume an den öftlichen Kordilleren Peru's, Bolivia’s und Eenadors, und da man in den genannten Ländern Jahr aus Jahr ein die wildwachſenden, nur gruppenweis und. zerftveut vorfommenden Bäume füllte, um die Ninde derfelben abzufcyälen, dagegen aber gar nichts that, um durch Anfaat oder Pflanzungen das Be- jtehen verjelben zu fihern, wohl aber mit größter Eiferfucht darüber machte, daß die Foftbare Naturgabe nicht etwa von Fremden ausgeführt werde, fo Zweig vom Sennesftrauche (Cassialanceolata), 950 Zauberfräuter, Arznei und Gewürze. fürchtete man bei dem jährlich fteigenden Preiſe des Chinin, daß in nicht fer- ner Zeit jenes Medifament nicht mehr in ausreichender Menge werde aufzu- treiben fein. Der Deutihe Haffarl hat fi deshalb ein befonderes Ver— dienst dadurd erworben, daß er unter auferordentlihen Beſchwerden und Ge- fahren im Auftrage der Holländer junge Pflanzen und Samen von den beiten Chinchona-Arten entführte und nad Java überfiedelte, wo fie nach Ueber— windung einiger unvorhergefehener Uebelftände gegenwärtig unter Leitung des befannten Naturforfher® Junghuhn erfreulich gedeihen. Man hat bereits durch Analyſen ſich vergewiflert, daß die javanischen Bäume ebenfalls Chinin zeugen, was keineswegs ficher vorauszufegen war, da ſelbſt bei den befjern Sorten der Gehalt daran nit nur nad) dem Standorte fehr ſchwankt, ſon— dern an einzelnen Lokalen ver geſchätzte Arzneiftoff faft gänzlich darin fehlt. LEE — Bitterſüß (Solanum Dulcamara) Al rein bittere Mittel fennt man ferner Duaffie (Rinde und Holz von Quassia amara), Simaruba oder Ruhrrinde (von Simaruba offici- nalis), die Wurzel mehrerer unferer Enzianen (Gentiana lutea, purpurea), Taufendgüldenfraut (Erythraea Centaureum), Fieberflee (Menyanthes trifoliata), Kardobenediftenfraut (Cnicus benedietus), Zu den bittern Subftanzen gefellen fi noch ätheriſch ülige bei der Kasfarillrinde (von Croton Eluteria), Angofturarinde (von Galipea officinalis), die Schalen von Pomeranzen und Citronen, der als Bierzufaß hefannte Hopfen (Humulus Lupulus), Schafgarbe (Achillaea Millefolium), Wermuth (Ar- Gewürzhafte Arzneien. Wurmjamen. 251 temisia Absinthium), mehrere Arten von Beifuß (A. vulgaris, A. rupestris, mutillina, glacialis etc.). Der ſchwarze Andorn (Ballota nigra) verdanfte feinem bittern Gefhmad den Namen „ottvergefien‘ und Ehrenpreis (Ve- ronica officinalis) ward ehedem deshalb hoch gefeiert. Noch reiher an Sal- zen und Harzen neben den bittern Beitandtheilen find außer den letttgenannten der Löwenzahn (Taraxacum offieinale), der Ahabarber (von Rheum palmatum, Emodi, eruentum u. a.), die Aloe (der Saft mehrerer. afrifa- nischen Aloe-Arten, A. socotrina, A. vulgaris, A. spicata u. a.). Reichliche Stärke gejellt fih zu den bittern Stoffen bei ver Kolumbomwurzel (von Coceulus palmatus), Der isländiſchen Moosflechte (Cetraria alien während bei einer reihen Menge an— derer, die wir bereit früher beſpro— hen, Gerbftoffe hinzutreten. Außer den ätheriihen Delen, die wir bei ven Wohlgeruchsmitteln anführten, finden nod eine Anzahl Gewächſe, welche vergleichen Stoffe enthalten, in der Heilfunde ausge- dehntere oder bejchränftere Verwen— dung. Me wichtigfte derjelben nen- nen wir die virginiihe Schlangen- wurzel (von Aristolochia serpen- taria), die brafilianiihe Bezoar- N wurzel (von (Dorstenia brasiliensis, beide als Mittel gegen Schlangenbif gerühmt), Engelwurz (Archange- lica offieinalis), Meiſter wurz (Im- peratoria Ostruthium). Hierher ge- hört ferner der vielgerühmte chinefische Ginſeng (d. h. menjchliche Kraft, von Panax Ginseng, einer Xraliacee), dann der Baldrian (Valeriana offi- cinalis), das Cajeputöl (Melaleuca Gajeputi), ferner eine Anzahl gewürz— hafter Yabiaten (Lavendel, Minze, Majoran, Melifie) und Dolden (Anis, Fenchel, Kümmel, Wafjerfendel), eben jo Syngenefiiten (Kamille, Bertrammurz, welche legtere in ihren DBlütenftänden den Hauptbeftand des perſiſchen Infektenpulvers bildet), Hollunder (Sambucus nigra), Lindenblüten, Steinklee, der jogenannte Sefuitenthee (von Chenopodium ambrosioides). Zu guter Lebt geftatte uns der Lefer nur nody einen Hinweis auf jene lange Reihe von Vegetabilien, die gegen die fatalen Bewohner der Eingemeide zu Felde ziehen müſſen, die wurmtreibenden Mitte. Der Wurmfamen oder Zittwerfamen (von Artemisia Contra und A. Vahliana) fteht an der Zweig vom Chinchonabaum (Chinchona Condaminea). * 952 Zanberfränter, Arznei und Gewürze. Spitze. Das feit Alters gebräuchliche Farnkraut (Aspidium Felix mas) wird noch jest mit Erfolg verwendet, die Wurzelrinde der Granate (Punica Gra- natum) und des ſchwarzen Maulbeerbaums, der Rainfarn (Tanacetum vul- gare) erweifen ſich ebenfalls nützlich und neuerdinge hat beſonders Abefjynien, defien Bewohner viel vom Bandwurm geplagt find, eine ganze Anzahl Wurm- mittel geliefert, von denen der Kuſſo (Blütenftände ber Brayera anthelmin- thiea) am meiften Eingang gefunden hat. Mehrfach find wir bereits bei Aufzählung der verfchiedenen Arzneimittel aus der Küche des Apothefers in die der Hausfrauen gerathen und müſſen offen geſtehen, daß es gegenwärtig noch nicht möglich iſt, eine ſcharfe Grenze zwiſchen Arzneien, Gewürzen und Nahrungsmitteln zu ziehen, durch welche in allen Fällen eine Sonderung der Gewächſe vorgenommen werden könnte. Die alten Römer und die alten Deutſchen hielten beide nicht viel auf Aerzte und ſuchten ſich in Krankheitsfällen zu helfen ſo gut oder ſchlecht es eben gehen wollte. Jede ſorgſame Hausfrau baute deshalb neben ihrem Gemüſe auch eine Anzahl Pflanzen, die entweder zum Würzen fade ſchmeckender und ſchwer verdaulicher Speiſen, oder als Hausmittel bei körperlichen Leiden, auch wohl zu beidem angewendet wurden. So hatten die Römer ſchon in alter Zeit in ihren Hausgärten Quendel (den fie Serpyllum nannten), Diptam, Nießwurz (Helleborus), Meerzwiebel (Seilla), Scharladyfraut (Baccaxis), Gänfepappel (Moloche), Mant, Zaunrübe, Anis, Rosmarin, Galbanum, Raute, Mohn, Eifenhut, Sartenfreife, Nächt-⸗ viole und Majoran. Es ſind noch Schriftſtücke vorhanden, die mittheilen, welche Kräuter Karl ver Große in den kaiſerlichen Gärten anzubauen befahl. Unter die— jen find neben andern die Hafelmurz, die damald das gebräuchlichſte Bred)- mittel abgab, Meerzwiebel, Nainfarn (Tanacetum), Gartenraute, Eibiſch (Al- thaea offieinalis), Levisticum officinale angeführt, die einen vorwiegend me— diziniſchen Gebrauch vermuthen laſſen. Als Gewürzpflanzen dagegen treten hervor eine Anzahl Laucharten (Allium sativum, Ascalonium, Schoenoprasum, Gepa, Porrum), mehrere Dolden: Kümmel, Anis, Peterfilie, Sellerie, Dill, Fenchel, Kerbel, Koriander, dann Minzen (Mentha Pulegium, M. erispä, N. silvestris, M. aquatica), Rosmarin, Bohnenfraut (Satureja), Salbei, Senf, Krefje, Cichorie, Schwarzfümmel (Nigella sativa) und da® wohlriedyende Eber- reis (Artemisia Abrotanum). Auch der Lorbeer wird mit genannt. Wir jehen, die faiferlihen Domänen befaßen jo ziemlich alle jene Küchengewürze, welche die Gärten unferer Yandleute für den Selbftbedarf noch heut zu Tage ziehen. Die ausländifchen Gewürze dagegen famen erft allmälig durch die fid) weiter ausdehnenvden Handelsverbindungen ins Land und haben zum größ- ten Theile auf den nad) ihnen et Gemürz-Infeln Sanejtens ihre ur— ſprüngliche Heimat. Außer ätheriſchem Del — die Gewürze gewöhnlich noch mehrere eigenthümliche Harze, Extraktivſtoffe und Säuren, durch welche ſie auf den Pfeffer. 295 menſchlichen Organismus ftarf einwirken. In kleinern Mengen genofjen hält man fie für vortheilhaft für die Verdauung, in größern Quantitäten verzehrt wirfen fie dagegen den Giften gleih, verurſachen Betäubung und felbft De- (irien und können fchlieglic dur Lähmung und durd Sinfen aller wichtigeren Prozeffe den Tod herbeiführen. Durch Alexander's des Großen Zug nad) In— dien wurden Griehen und Römer mit dem Pfeffer (Piper nigrum, Anfangs- bild Fig. 5) befannt, ver auf Malabar feine urſprüngliche Heimat hat, gegen- wärtig aber in den meiften Tropenländern, die neben heißer Temperatur aud) Feuchtigkeit genug haben, gezogen wird. Aehnlich unjern Bohnen Me ev ſich an Stübpfählen empor und läßt feine Beeren in dünnen Aehren be rab⸗ hängen. Man ſammelt dieſelben gewöhnlich unreif ein und erhält dadurch die ſchwarzen, runzeligen Pfefferkörner von größerer Schärfe; die ‚reifen wer— den weiß und milder. In der Gefchichte des Welthandels hat ver Pfeffer eine große Rolle gejpielt. Anfänglich hatten die Genuefen und Benetianer denfelben in den Händen und wurden reich dabei, dann bemächtigten ſich die Portugieſen defjelben, bis die Holländer den Alleinhandel an fid) brachten, der ihnen ſchließlich durdy die Engländer wieder abgerungen wurde. ine bebeu- tende Menge Pfeffer geht nah China. Die Gejammterzeugung wird auf 50 Mill. Pfund jährlid veranlagt. Der jogenannte „panifhe” und Cayenne-Pfeffer ift nur dem Geſchmacke nad mit dem Schwarzen Pfeffer verwandt; während der legtere zu der nad) ihm genannten Gruppe der Pfeffergewächfe (Piperaceae) gehört, find die beiden erftern Verwandte des Nachtſchattens und Arten ver Gattung Beifbeere (Capsicum annuum, C. frutescens ete.). Sie übertreffen an beißender Schärfe den jhwarzen Pfeffer bedeutend und find deshalb jelten bei ung, häufig dagegen in den Tropenländern in Gebraud). Der Nelfenpfeffer (Englifhe oder neue Würze, Piment) iſt die Frucht eines zur Familie der Myrten gehörigen weftindifchen Baumes (Myrtus pi- menta). Ein einziger Baum fol jährlich durchſchnittlich einen Centner trodner Früchte liefern, fo daß allein Jamaika jährlicd) über 2 Millionen Pfund dies ſes Gewürzes ausführen kann. Dem Geſchmack nad) fteht dev Nelfenpfeffer zwifchen dem eigentlichen Pfeffer und den Gewürznelfen (Öemwürznägelein), den Blütenfnospen von Caryophyllus aromaticus (Anfangsbild Fig. 6), der auf den Moluffen einheimifch iſt. Als die Holländer den Hauptgewürzhandel in den Händen hatten und auf den ſüdaſiatiſchen Infeln die Herren jpielten, verfolgten fie bei vem Gewürznelfenbaum daſſelbe Berfahren wie bei den meiften übrigen Gewürzpflanzen jenes gejegneten Gebietes. Sie fuchten den Anbau defjelben auf beftimmte engbegrenzte Diftrikte zu beſchränken, außerhalb derjelben verboten fie denſelben jogar bei Todesitrafe; die Eingebornen mußten die Erzeugnifje für einen feftgefesten jehr billigen Preis an die Holländer abliefern und diefe nahmen dann in Europa ungeheure Prozente. Schließlich entführten ihnen die Franzofen den Gewürznelfenbaum nad den Sejchellen und Gayenne, und aud) bei den übrigen Gewürzen wurden die Holländer 254 Zanberfräuter, Arznei und Gewürze. gezwungen, von ihren ftarren Prinzipien etwas nachzulaſſen. Die Moluffen find gleicher Weife die Heimat des Musfatnußbaumes (Myristica mo- schata, Anfangsbild Fig. 4). Sein Anbau ward aber dur die Holländer nur auf 3 Heine Infeln der Banda-Gruppe befchränft und alle Bäume diefer Art in den übrigen Ländern holländifcher Herrſchaft ausgerottet. Ge— genwärtig gedeiht die Muskatnuß auch auf Java, Sumatra, in Weftindien und Brafilien, die Holländer haben aber immer nod den Haupthandel in den Händen und verfaufen die Nüffe um den 12fadhen Einfaufspreis. Die Iogengpnte Musfatblüte ift die innere Samenhülle der Frudt. n Gewürzpflanzen reich ift befonders die Familie der Lorbeerge- wäcje, deren europätfcher Vertreter, der gemeine Lorbeer (Laurus nobilis, Anfangs Fig. 1), den Köchinnen feit Alters eben fo beveutungsreidy war als den Poeten. Ceylon befitt in dem Achten Zimmtbaum (Cinnamomum ceylanicum, Anfangsbild Fig. 2) ein Gewächs, deſſen angenehm gewürzhaft ihmedende Rinde jene gefegnete Infel in der ganzen Welt befannt gemadıt . hat. Etwas weniger fein, aber deſto wohlfeiler ift der Kafjien-Zimmt von der nahe verwandten Persea Cassia (Anfangsbild Fig. 3), Die in Oſt— indien und auf den Gewürzinfeln, aud auf Mauritius und in Brafilien ge- pflegt wird. Beides find Bäume mittlerer Größe, die man aber in ven Plantagen zur Zimmtgewinnung in Strauchform zieht. Bon dem leßtge- nannten Gewächs, fo wie von einigen nahe verwandten Perfen-Arten (P. aro- matica) ftammen auch die unreifen getrocdneten Früchte, die man als Zimmtblüten bezeichnet. Unter den einjamenblättrigen Pflanzen hat eine Familie wegen ihres Keihthums an Gewürzpflanzen eigens den Namen Gewürzlilien (Amomeae) erhalten. Sie ift ausihlieflid in den Tropen einheimiſch und hat ihre Ver⸗ treter in beiden Erphälften theils wild, theils kultiviert. Südaſien liefert von der Karbamom-Alpinie (Alpinia Cardamomum) die feurig gewürzhaften Kardamomförner, das weftliche Afrifa von Amomum granum paradisi die Baradiesförner oder Guineaförner, von welden die Pfefferfüfte ihren Namen erhalten hat. k In beiden Indien baut man gegenwärtig den Ingwer (Zingiber offi- - cinale), der aus Aſien ſtammt. Es ift nicht allein fein holziger, gewürzhafter Wurzelftod, der ihn allgemein gefhätt macht, aud feine jungen Sprofjen werden in Zuder eingejotten als Delikateffen verfendet. Der aus Afien ftam- mende Kalmus (Acorus Calamus) hat fid) an vielen Stellen unfers Vater— landes eingebürgert, wird aber weniger in der Küche, als zu Medikamenten und Likören benugt. Außer diefen Gemwürzpflanzen, melde uns durch den Handel zugeführt werden, und die in den Tropenländern wichtige Objekte der Kultur find, hat faſt jedes Volf noch eine Anzahl Pflanzen feiner Hei- mat, die e8 mit hevanzieht, um andere nährende, aber weniger ſchmackhafte Speifen dem Gaumen angenehmer zu machen. - Manche verjelben, wie 3. B. die Moluchia (Corchorus olitoria), der Hadjilidj (Balanites aegyptiaca), die | ? | Beraujchende Getränke. Betelfauen. 255 Salzfaperbeeren (Capparis Sodata) und die Adanjonienblätter (Adansonia di- gitata) des innern Afrika munden eben nur dem Volk, das an viejelben von Kind auf gewöhnt ift, andere, wie der japanijche Pfeffer (Fagara piperita) werden durch vorhandene befjere entbehrlid; gemacht, jo daß fie nicht in den Handel gelangen. Bei der Vanille (Vanilla aromatica, V. planifolia) findet das umgefehrte Verhältniß ftatt. Ihre duftenden, ftarf gewürzhaften Schoten gelten in Mexiko, der Heimat der gejhätten Orchidee, als der Geſundheit nachtheilig und werten deshalb faft nur für den auswärtigen Handel fultivirt. An die eigentlihen Gewürzpflanzen ſchließt fi) eine Anzahl Gewächſe on, welde theil8 wegen ihres ebenfall® gewürzigen Gejchmades, mehr aber nod wegen eigenthümlich aufregenver, erheiternder, auch ernährender Eigen— Ihaften in der Defonomie einzelner Völker, jo wie aud im Verkehr der Na— tionen unter einander eine höchft wichtige Rolle jpielen. In den fpeziellen Wirkungen weicht faft jede derjelben von der andern wieder jo ab, jede hat ihre beſondere Geſchichte, ihren Sagenkreis und ihre mitunter welthiftorijche Bedeutung, daß wir bei ihnen gern eingehender verweilen möchten, wenn uns nicht der beſchränkte Raum geböte, uns nur andeutungsweife furz zu faflen. Sp wie die aus Gerfte und Weizen (Ale) gebrauten Biere, der aus Roggen, Kartoffeln, ARunfelrüben u. ſ. w. deſtillirte Branntwein, die aus den Trau- ben des Weinjtods oder aus des Fabrifanten Küche hervorgehenden Weine für Europa eine geiftreiche Bedeutung erreicht haben und bei Gejetgebung, Feſtlichkeiten, Staatseinnahmen, Trink- und Mäßigkeitsvereinen in der ver- ſchiedenſten Weiſe berüdfichtigt werden, jo hat der Keisbranntwein für Afien, das Hierjebier und Honigbier für Afrika, der BPalmenwein für alle Tropenländer, dev Pulque (aus Agave mexicana) für Merifo be- jondere Bedeutung gewonnen. Auf den Kordilleren Südamerifa’3 braut man aus Mais und aus den Samen der Duinoa (Chenopodium Quinoa) die Chicha, in den Gebieten Brafiliens ein ftark beraufchendes Getränfaus Ma— nihof, in Dftindien ein ſolches ſogar aus den Blüten einer Bassia und auf den Südſee-Inſeln einen wahren Teufelstrank aus der Awa, einer Pfeffer-Art (Piper methysticum). Die Schamanen Sibiriens jollen jogar aus dem gif- tigen liegenpilz (Agaricus muscarius) ein Beraufhungsmittel herftellen, wie. die Kamtſchadalen mit vieler Mühe und herzlid) ſchlechtem Erfolg aus Sten- geln einer Bärenflau (Heracleum dulce). Cine etwas verwandte, aber viel gelindere Wirkung äußern einige Blätter und Nüſſe, die als Kaumittel dienen. Das Betelfauen ift befanntlid in ganz Hindoftan jo gewöhnlich, wie bei den europäiſchen Matrojen und in den Vereinigten Staaten das Ta- baffauen. Es wird zur Bereitung des geliebten Biffens ein Stüd Arefa- nuß (von Areca Catechu, einer Palme) eingewidelt in ein frifches Blatt des Betelpfeffers (Piper Betle), das mit etwas gebranntem und gelöfchten Kalk beftrihen ift. Sumatra allein führt jährlich weit über 1 Mill. Pfund Palmennüſſe in die benachbarten Länder aus. An der Südweſtſpitze Arabieng liebt man zu gleichem Zwecke die Blattnospen des Katſtrauches (Catha 256 . Zauberkräuter, Arznei und Gewürze. edulis), den man in der Nachbarſchaft kultivirt und zu anſehnlich hohen Prei— ſen abſetzt. In Peru und Bolivia iſt das Blatt ver Koka (Erythroxylon Coca) ſeit alten Zeiten ſchon als Kaumittel in Gebrauch. Es wird mit Lliceta, d. i. einem Gemenge aus Aſche von Chenopodium Quinoa und rohen Kartoffeln, beſtrichen und wird außerordentlich gerühmt als Mittel, ohne erhebliche anderweitige Nahrung zu bedeutenden körperlichen Anſtrengungen zu befähigen. Größere Quantitäten führen freilich auch einen Rauſch herbei, in welchem der Betäubte das behaglichſte Kraftgefühl und die Seligkeit gänz— hen Nichtsthuns, göttliher Faulheit gleichzeitig fühlt, häufige Beraufhung mit Koka hat ſchließlich geiftige Stumpfheit und Delirium tremulum zur Folge. Als Thee getrunfen ſoll das Kofablatt nur gute Eigenschaften zeigen. Es vivalifirt mit ihm. in legterer Verwen— TR — dungsweiſe in den benachbarten Gebieten d von Paraguai, den Rio de la Plata— Da Staaten u. f. w. der jogenannte Mate, & das Blatt eines Stehhülfen (llex pa- raguaiensis), das in den genannten Ge— genden allgemein das tägliche Getränt bildet. Etwas getrodnete Blätter wer- den in einem topfähnlichen Gefchirr mit fohendem Waſſer übergofjen und ver Trank dann durch ein Saugrohr (Bom— bille), an deſſen unterem Ende ein Sieb ift, ausgetrunfen. Bei ärmern Leuten geht Topf und Bombille Keihe um. Die Wichtigkeit des chineſiſchen Thee’8 in feinen beiden Sorten (Thea / bohea, Th. viridis), von deren jeder eine Anzahl ſchwarzer und grüner Theeforten // fabrizirt werden, ift jo vielfach Gegen- Ä ſtand ber ſchriftlichen Darſtellung ge= Zweig vom Mate (Ilex paraguaiensis). wejen, daß wir ung um fo eher mit der bloßen Erwähnung begnügen fön- nen. Neuerdings hat man, nachdem bisher nur China und das benachbarte Japan im Befis won Theegärten war, ſolche aud in Dftindien angelegt. Das Dlatt des Kaffeeftraudes (Coffea arabica) giebt übrigens ebenfalld einen jehr angenehmen Thee, der mit vielen Sorten des hinefifhen Thee's rivalifirt. Es ift bereit von Java aus in anfehnlihen Mengen in den Handel gebracht worden. Der Kaffee, unfer ſchwarzer täglicher Hausfreund, wird wie ein Prophet in feinem eignen DBaterlande am wenigften geachtet. Als urſprüng⸗ liche Heimat bezeichnet man Afrika, wo man ihn aber wenig benutzt. Selbſt bei Mocha, deſſen Kaffee lange als der beſte galt, trinkt man ein Gebräu aus den getrockneten Beeren, während man die Samenkerne (Bohnen) verkauft. Im weftlihen Afrika, wo Kaffeefträucher noch, wild vorkommen jollen, bedient Guru Nüffe Dodoa-Kuchen. Chofolade. | 257 man fich allgemein der Kola- oder Öuru-Rüffe (Samen von Sterculia acuminata, St. macrocarpa), von denen man 4 Abarten unterfcheidet und die einen Hanptgegenftand für den weſtſudaniſchen Handel bilden. Neben ihnen find in denfelben Gegenden nod) die Dodo a-Kuchen gebräudhlich, die man aus den Samen der Parkia africana bereitet und die zur Herftellung eines Ge— tränfs dienen, das eine entfernte Achnlichfeit mit Chofolade haben joll. Die Chokoldde felbft endlich, gefertigt aus den gewürzigen Samen des Ka— facbaumes (Theobroma Cacao), die Vater Linne als Götterſpeiſe bezeichnete, ift gewiß eins der angenehmften Gefchenfe, womit die neue Welt ihre ältere Schwefter beglüdt hat. Der empfindliche Baum, den wir ©. 186 darftellten, wächft nur in den feuchtheißen, fruchtbaren und vor heftigen Winden gefchütten Flußthälern Central-Amerifa’s, lohnt aber, wo er einmal gedeiht, die auf ihn verwendete Mühe reichlich. In den Spanifchen Kolonien Amerifa’s, ſowie im Mutterlande felbit ift die Chofolade ein eben jo unentbehrliches Bedürfniß ges worden, wie für ung ter Kaffee und für die Engländer der Thee, wird aber bei der großen Nahrhaftigfeit, die fie mit ihrent® Wohlgeſchmack verbindet, jtet8 nur in kleinen Quantitäten genoffen. Schlußwort. Bei unſerer Wanderung durch das Reich der Gewächſe ſuchten wir vor— zugsweiſe die vielſeitigen Beziehungen feſtzuhalten, in denen die Pflanze zum Menſchen tritt. Wir erinnerten uns deshalb zunächſt daran, in welch lieb— licher Weiſe Blumen und Kräuter, Geſträuche und Bäume uns ſchon in früher Kindheit entgegentraten, wie ſie in unſern früheſten Spielen unſerm Ge— müthsleben reichliche Nahrung boten. — Die Wechſelbeziehungen zwiſchen Pflanze und Kind führten uns darauf, die ähnlichen Berhältniffe zu beleuchten, die zwischen ven Bölfern, fo lange fie auf der Kindheitsftufe ihrer Entwidelung ftanden, und den Gewächſen fid) bildeten (1). Die Blume ward zum Träger von Wumnderfräften, der Baum ver- klärte fi zum angebeteten Götterfis. In einem furzen Abriß der Gejchichte der Botanik (11) fuchten wir ſodann darzulegen, wie das Gewächsreich allmälig dem Gefühlsleben des Menſchen als ausjchliegliches Objekt entrüct und zum Segenftand der vielfeitigen, ernfteren Forſchung wird, bis die neuefte Anſchau— ungsweife in jhöner Harmonie beiden Nichtungen des Menjchengeiftes gleid)- zeitig Nehnung zu tragen jtrebt. Hierauf begannen wir unfere eigentlichen Ereurfionen und bejtrebten ung, dem Leſer in ähnlicher Werfe nad) beiden Seiten hin gerecht zu werden, theils fuchten wir durch humoriſtiſche und poetiſche Auffaffung vorzüglich unfern freundlichen Leferinnen anzudenten, daß die Botanik feineswegs den Vorwurf der „Irodenheit‘ werdient, der ihr fo oft gemacht worden ift, — andern- theils waren wir eben fo eifrig bemüht, durch bündige Darftellung der Re— jultate wiffenfhaftliher Forſchung und Bezeichnung der zahlreihen praftiichen 258 Schlußwort. Beziehungen dem Lernbegierigen eine möglichſt reiche Fülle innerhalb des ge— gebenen engeren Rahmens zu bieten. Wir begannen zunächſt bei dem Bekannteren, dem unbewaffneten Auge ſchon Erkennbaren und ſchloſſen das Anatomiſche, Phyſiologiſche u. ſ. w. daran au. Dem allgemeinen Gebrauche gemäß fingen wir bei der Betrachtung der Wurzeln an, zeichneten (Kapitel II) das Leben ver Wurzeln im Allgemei— nen und gingen dann zu befonderen Wurzelformen: den, Yuftwurgeln (IV) und Kuollen (V) über, die ung zu den Zwiebeln und andern verfürzten, murzel- ähnlichen Stammgebilden (VI) leiteten. Nachdem wir jo die Wurzelorgane der — Form nach betrachtet, machten wir uns mit dem anatomiſchen Bau der Pflanze, mit der Zelle und deren Verwandelungsformen (VII vertraut und verweilten eingehender beim Pflanzenftengel (VI) und deſſen wollendetiten Formen als Baum (IX), wobei wir der hohen praftifchen Bedeutung wegen dem verholzten Stengel (X u. XI) nähere Aufmerkfamfeit ſchenkten und der verſchiedenen Zweigbildungen gedadı- ten (XI u. XI). Zugleihh betonten wir die vorzüglid im Stengel vorhan- denen, Gewebe liefernden Pflanzenfafern (XIV) und nußbaren Harzitoffe (XV) und betrachteten dann des Stengel Kind, das Dlatt (XVI), um feine ernährenden (XVII), jo wie feine färbenden (XVIN) Eigenjchaften fennen zu fernen. Nachdem wir der Blumen Bau und Pflege (XIX) uns vorgeführt, ſchloſſen wir ein Kapitel über Honig und die ihm verwandten Stoffe (XxX), jo wie über Atherifche und andere Dele (XXI) an, die den Blumen vorzugs- weife zufommen. Die fetten Dele leiteten uns zu dem Samen (XXI). Die- jen lernten wir als Theil der Frucht und in feinem bejondern Bau, jo wie in feiner Beſchaffenheit als Del, Getreide (XXIII), Gewürz und Arznei (XXIV) fennen und erhielten hierbei Gelegenheit, dvurd) Berührung dev Zauberfräuter den Zirkel zu fchließen, den wir mit den heiligen Bäumen begonnen, Zweig vom Kakaobaume. Ende. Druck von F. N. Brockhaus in Leipzig. rn Allen Freunden der Pilanzenfunde, jo wie der Natu iſſenſchaften — zur freundlichen Beachtung. ee | Seit zehn Sahren in der Berfaffer des vorliegenden Buches in angeftrengtefter Weiſe bemüht gewefen, dem Studium der Pflanzenfunde und demjenigen der Natur- wiffenihaften überhaupt neue Freunde zu erwerben und hat zu diefem Zwede, Fräftig unterftüßt von der unterzeichneten Berlagshandlung, außer einer Reihe naturwifjen- ſchaftlicher Schriften, auch eine Serie von Mlanzenfammlungen veröffentlicht, die jo einzig in ihrer Art daftehen dürfte, daß wir ung wol erlauben mögen, fie der Aufmerkfamfeit des größern Publikums in wärmfter Weife zu empfehlen. Dem Anfänger der Botanik beim Gelbftftudium, dem Lehrer beim Unterricht, dem Pharmaceuten, dem Yandwirth, dem Forftmann und dem Freund der Natur über— haupt bieten jene Herbarien mit den dazu gehörigen Leitfaden den angenehmften Weg, jeldft mit Gruppen von Gewächjen vertraut zu werden, die, der; allgemeinen Annahme zufolge, zu den jchwierigften gerechnet wurden und die ehedem gewöhnlich eben fo dem ——— wie der allgemeinen Kenntniß entrückt blieben. Die warmen Unterſtützungen und Empfehlungen, welche dem vielſeitigen Unter— nehmen durch Vorkämpfer der Volksbildung und Populariſirung der Wiſſenſchaft, wie Direktor Lüben, Dr. K. Müller, Profeſſor Roßmäßler u. v. A., zu Theil wur— den und für welche wir Allen uns zu herzlichſtem Dank verpflichtet fühlen, haben demſelben kräftig in weiten Kreiſen Bahn gebrochen, ſo daß ſowol der Verleger als der Herausgeber mit einer gewiſſen Befriedigung auf ihr Wirken am Schluſſe des 1. Decenniums zurückblicken dürfen. Mehr als eine halbe Million einzelner Pflan— zen, von der erſten Lieferung des Kryptogamen-Herbariums allein über 2000 Exem— plare, find auf dieſe Weiſe nah allen Theilen unſers Vaterlandes, Aber auch viel— fältig über die Grenzen dejjelben hinausgejendet worden. Paris, Turin, Peſt, Petersburg, Moskau, Stodholm, London, New-York und Philadelphia empfingen Pflänzchen, die auf deutjcher Erde gewachſen, und ferne Landsleute erfreuten fich hier- dur Grüße aus der Heimat. Da Herausgeber wie Verleger die größtmögliche Verbreitung des Unternehmens, die Einführung der Botanik in den meiteften Kreifen, im Auge hatten, jo jtellten fie die Preije jo niedrig als need möglih. Während gewöhnlich bei käuflichen Her⸗ barien die Spezies mit 1%,—2, auch mit 6 Sgr. honorirt wird, iſt fie in den Her⸗ barien unjers Verlags nur auf Sgr., bei den —— — noch niedriger im Ladenpreiſe berechnet. ne ai Far 0 Fe . PoRE * = . *. — a :£ * >. U * IR F.3 f # . ” * Die verſchiedenen veröffentlichten Herbarien und dazu gehörigen Werke bilden ein zuſammenhängendes Ganzes, deſſen einzelne Theile eben ſo wiederum geſchloſſene Gruppen bieten. Es-find nachſtehend folgende: Faubmooſe. I. 25 Lebermoofe. II. 25 Flechten. IV. 25 Algen. V. 20 Pilze, Farne, Lykopodien und Equifeten. Zweite Serie: L. (VL) tief. 25 Laubmooſe. II. (VII) Lief. 25 Laubmooſe. IIL (VII) Lief. 25 Lebermoofe. In Mappe. | i * 2.5 128, BeföringmErfle. Wagner, 9., Aryptogamen-Herbarium, — Preis 2 Thlr. 10% Sgr. Die IX. Lief., 25 Flechten enthaltend, liegt zur Aus— 4 gabe bereit. Zu den Lief. I—V, welche einen Neberblid der Hauptformen ſämmtlicher einheimiicher Kryptogamen gewähren, wird Der bejchreibende Text gebildet durch Führer ins Reich der Arpptogamen. Sour in Lief. Mit Abbildungen, Preis 25 Sgr. Elegant gebundeh 1 Th An dieſe Kryptogamen- Sammlungen En D an e * OR : 1—6. Lief. (a 20—30 Arten). Preis 3 Thlr. BE Gras-Herbarium. Eine 7. und 8. Lief. Aft ni Borbereitung und bietet fomit das Herbarium die meiften der einheimischen Grasgewächle. Der Tert, der fi) jpeziell den erften 2 Lieferungen anſchließt, wird gebildet durch . 1; an * * Eine Anlei— —— Die Familie der Halbgräſer und Gräſer. zum Studium derjelben für Anfänger und Freunde der Naturwiſſenſchaft ze. und mit einem Herbarium in Verbindung gebradt. Broch. 221, Sur. —7— Die übrigen Pflanzenfamilien der naee Flora ſind zuſammengefaßt in RT ief.1—8 (a 25 Arten enthaltend). Phanerogamen-Herbarium. Sreis 4 Tptr., zu melden der erläuternde und den Gefichtsfreis des Lejers auch auf die ausländiſche Pflanzeıt- welt fenfende Text gebildet wird durch Führer durch das Reich der blühenden Ge- Anfiht vom Dagdalenen-Strome, Preis 2 Thlr. 15 Sgr. Eine furzgedrängte Ueberſicht der einheimiſchen Pflanzenfamilien, vorzüglich für den Schulgebrauch berechnet, wird außerdem geboten durch die von dem- jelben Herausgeber — “zum I. Curſus der Pflanzenkunde für Schulen (18 Pflan— PIE DE Herbarium zenarten enthaltend, Preis 15 Sgr.) und zum IL. Curſus der Pflanzenkunde für Schulen (122 Pflan— Herbarium zenarten enthaltend, Preis 2 Thlr. 10 Sgr.). Letztere bei— den im Verlag von Velhagen und Klaſing in Bielefeld. Als beſondere Unternehmen ſchließen ſich an RN (Xief. I-IV a 25 Arten. Preis — Arznei- und Giftgewächle. jir ı 9 15 Sat.) enthaltend die ſchönſten Gewächſe der Alpen und deut— —— Alpenſtraus, ſchen Hochgebirge in getrockneten Exemplaren. (50 Arten.) Elegant gebunden mit Falz. Preis 2 Thlr. Dem jüngern Kindesalter ſuchte der Verfaſſer die Natur näher zu führen durch te Biographien aus dem Naturleben fir die Jugend — Ju die Uatur! und ihre Freunde, Illuſtrirt von G. Süs. 1-3. Sammlung a 12 Sgr. Zuſammen 1—3. 11, Thlr. j Bielefeld. Buchhandlung von Auguſt Helmich. ” Pr Die Pflanzenwelt. wächſe. Compfet. Mit einer Begetations- n inſ 85 00030 3006 TI me nt ae 5, NER nn 2 — En u ehe RER N — N j — * —— — eng ung nenne ar Te TREE A e Wen men rn Sera . So ie Mi . u ——,————— —e- Pe —— — — —— * —* Ten nee re [rn u Pe eckig se ar nn nn ne ee nn nenn ann — — ER 20 ; newer * — Wen a * £ pain En Ep anne PET PN se En nz Aut nenn er .. .. uno — REST PORERETTH RER FEN LEER PETER u BI REF een Iiandnir! —— weis ut — — — EEE ——— = EEE EEE Er DE 1 anna hr T Tnt nn? u Ba TED ET RT REINER — — TRETEN RT ee - - EL N 7 er PR 22 2 EEE TE ne u.‘ n — BEZ —