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Heine Reife nadı Paläftina.

Von

Abraham bon Horofl

8—

Ans dem Ruffifchen von A. Denker.

Mit dem Portrait des Derfaffers und einem Plan von Ierufalem.

Erfter Theil,

mn rn Teipig Berlagsbuchhanblung von I. I. Weber. 1862.

203.94. ul,

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Ihrer Durdlaugt

ver Frau Fürftin

Leonille Sapn -Aittgenstein- Herleburg,

geb. Fürstin Barjatinski,

hochachtungsvoll gewidmet

Anguſte Zenker

geb. Baronin v. Rehbinder.

Dorwort.

Mas Land der Verheißung, in welches Mofes dus in der Knechtſchaft Aegyptens ſchmachtende Volf Gottes führte, ift für die in der Knechtſchaft der Suͤnde ver- lorene Menjchheit das Land der Erlöfung geworden. Die Stätten, wo der Erlöfer wandelte und lehrte und für das Heil der Welt fein Leben am Kreuze dahingab, find geheiligt für alle Zeiten, und zahllofe Schaaren von Gläubigen find feit den Tagen der Erlöfung dort: hin gepilgert, um Troft und Ruhe zu finden für ihre Seele, im Gebet auf Golgatha und an dem Grabe des Her. u

Seit ZJahrtaufenden hat fromme Meberlieferung die Stätten bezeichnet, an denen die Erlöfung des Menfchen- geſchlechts vorbereitet und vollendet wurde, von der Verheißung an, die Abraham erhielt, „in dem follen gefegnet werden alle Gefhledhter auf Er— Den“, bis zu dem Zode, der Auferftehung und Him-

VIII Vorwort.

melfahrt des Herrn. Der Wunſch, dieſe ewig denkwür⸗ digen Orte mit eigenen Augen zu ſehen, die Sehnſucht, die Fußſtapfen des Erlöſers zu küſſen, und dort zu beten, wo das Geheimniß der Erlöſung vollzogen ward, die Hoffnung, Geneſung zu finden für ſeine kranke Seele, trieb auch den Verfaſſer der in den folgenden Blättern beſchriebenen Pilgerreiſe aus dem fernen Norden nach dem heiligen Lande, auf dem ſchon ſo lange das Joch der Ungläubigen laſtet, als eine Strafe des Ewigen: „Denn es ſind die Tage der Rache, daß er— füllet werde alles was geſchrieben iſt.“

Vielfache Zweifel ſind von gelehrten Forſchern in unferen Tagen laut geworden gegen die Glaubwürdig— feit der Tradition, welche fich über die heiligen Stellen in PBaläftina erhalten hat. Mögen Diefelben auch theil- weiſe begründet fein, für den Pilger, der Zroft für feine Seele fucht, bleibt, neben der heiligen Schrift, die auf Sahrhunderte begründete Weberlieferung die ficherfte Führerin zu den Orten, wo er finden kann, wonad) er fi) fehnet. Dem gelehrten Verfaffer find die neueren Forſchungen nicht unbekannt und er erfenntihren Werth vollfommen an, aber er zeigt auch, wie der Zweifel oft von dem Wege der Wahrheit ableitet.

Rei der Veröffentlichung der Befchreibung feiner Reiſe hatte der Verfaffer hauptfächlich den Zwed vor

Vorwort. " IX

Augen, das Verſtaͤndniß mander Stellen des Alten und Neuen Teftaments, namentlich in geographifcher Beziehung, zu erleichtern. Obwohl Die Deutfche Literatur feinen Mangel leidet an folchen Werfen, die einen ähn⸗ lihen Zwed verfolgen, und die den Anforderungen gelehrter Bibelforfcher vollfommen entfprechen mögen, 10 glauben wir Doch, daß die Ueberfeßung des Werkes eines frommen Pilgers, der das heilige Land mit der Bibel in der Hand durchwanderte, Bibelfreunden, die dem Wanderer mit dem heiligen Buche in der Hand auf feinem Wege folgen wollen, nicht unwilllommen fein wird. Wir nannten das Buch das Werf eines frommen Pilgers; ein befonderes Intereffe gewinnt es aber auch noch dadurch, Daß der Berfaffer unter Nikolaus jowohl als Alexander mehrjähriger faiferl. ruff. Mint- ſter der Vollsaufflärung war und Diefe hohe Stellung fiherlih als einer der gelehrteften und geiftwollften Männer beffeidet hat.

Einzelne Stellen, die nur zum Verftändniß des ruf: fifchen Bibeltertes dienen fönnen, fo wie einige längere wörtliche Anführungen der heiligen Schrift, deren Ab- druck unnöthig fchien, weil wir vorausfegen können, daß jeder deutfche Leſer eine Bibel zur Hand hat, find in der Ueberſetzung theils übergangen, theils abgekürzt worden; fo auch) einige andere Stellen, die nur für die

X Vorwort.

Zeit, in welcher der Berfaffer reifte und fein Buch ver- öffentlichte, oder für feine Nation von Intereſſe ſein konnten.

Möge der Troſt, den der Pilger bei dem Beſuche der heiligen Orte fand, auch in die Herzen der Leſer ſeines Werkes einkehren, deſſen Ueberſetzung nicht ohne den Wunſch des Verfaſſers unternommen wurde, um der dankbaren Erinnerung an ſeine ſelige Gattin, Barbavon Noroff, geborne Panine, als der treuen Gehilfin bei Ausarbeitung ſeines Reiſewerks, auch hierdurch einen bleibenden Ausdruck zu geben.

Reife nad) Paläſtina.

Noroffs Reife nach Palaͤſtina. 1

Erstes Kapitel, | Der See Menzaleh. Alataria. San oder Zoan.

Sie bielten den Bund Gottes nicht und wollten nicht in feinem Geſetz wandeln, und vergaßen feiner Thaten und feiner Wunder, die er ihnen erzeiget hatte. Bor ibren Bätern that er Wunder in Neabptenlant.

Bf. 78, 10 13.

Von Damiette reiſte ich über den See Menzaleh und durch die Wüſte von Suez nach Paläſtina, wohin ſchon läängſt mein Herz mich zog. Durch üppige Pal— menwälder und mit dem ſchönſten Grün bedeckte Weides plätze führte mein Weg mich zu den ſtillen Wellen des Sees, deſſen Ufer ich eine Stunde vor Sonnenuntergang erreichte. In zwei Dſchermen*), und von zwei Scheikhen, oder Beduinenhäuptlingen, begleitet, denen der Mamur**) von Damiette anempfohlen hatte, da⸗ für zu forgen, daß ich in San Kameele zur Weiterreife erhielte, feßten wir über, |

Der riefenhafte Wuchs meiner Begleiter zug unmwills fürlih meine Aufmerkſamkeit auf fi. Seht fowohl,

*) lache, auf dem See Menzaleh gewoͤhnliche Barken. **) Der Ortsvoriteber.

1*

A Erſtes Kapitel. '

wie im Alterthume, behauptet bei den wilden Stämmen der Wüfte die phnfiiche Kraft die Herrfchaft. Unſere Fahrt ging in dem feichten Waffer des Sees nur lang- fam vor fih, und mit Einbrud) der Dämmerung famen wir bei einer Gruppe von Inſeln vorüber, auf denen man Die Ueberrefte alter Bauwerke bemerken konnte. Die ganze Fläche, welche jegt der See Menzaleh ein- ninmt, war im Alterthum eine fruchtbare Ebene, auf welcher die Städte Divspolis, Tanis, Thmuis, das fleinere Heracleopolis und andere Ortfchaften Tagen.

Die Ueberrefte von Tanis einft berühmt durd) feine Leinwand find ganz von den Wellen verfchlun- gen, und nur eine Feine Infel, die ſich um eine Säule gebildet hat, und an welcher die Fifcherboote anlegen, ragt noch in der Mitte des Sees aus dem Waffer empor. Man hat die verfchiedenartigften Bermuthungen aufge: ftellt, um die Ueberſchwemmung diefer Gegend zu er- flären, aber Niemand feheint die Weilffagung des Pro- pheten Hefefiel beachtet zu haben *).

In finfterer Mitternacht erreichten wir den lecken Mataria, der dent Gap gegenüber auf einer fleinen In- felgruppe liegt. Hier blieben wir bis zu Tagesanbrud) und vertaufchten dann unfere großen Dſchermen mit zwei leichten Kähnen,

Mataria liegt an der Stelle der Stadt, welche die Propheten No oder No Ammon**) nennen, weil fie

*) Helef. 30, 13 18.

*, Nahum 3,8. Jeremind A6, 25. Heſek. 13, 14 (nad) dem bebr. Text). Man darf diefes Divspolis in Unterägupten nicht

See Menzaleb. Mataria. San oter Joan. 5

dem Dienſte Des Ammon geweiht war, den die Griechen für Diefelbe Gottheit bulten wie Zeus oder Jupiter, wesbulb fie die Studt ipiter Dioapolis nannten. Wie Heſekiel geweiſſagt batte, wurde die Studt vom Meere verschlungen und Die Stelle des Durchbruchs nannte man, nach Der unterbalb Diospolis gelegenen Stadt Mendes, Die Mündung des Mendesſees. Die Trüm⸗ mer von Mendes ficht man noch beute in der Nübe der Stadt Menzaleh, doch verichwinden fie von Jahr zu Jabr immer mehr. Die Stelle, wo fie liegen, wird Tel ul dibele genannt. Die Stadt Menzaleh, von welcher der See den Namen bat, züblt gegen zweitau⸗ vend Einwebner, die bauptiüchlich mit den Fiſchern zu Mataria Handel treiben.

Mataria, obwohl mit geringerer Berölferung ala Menzaleb, üt wichtig ala Mittelpunft der zublreichen an den Küſten des Sees zeritreut lebenden Fiſcher, welche der ügdptiichen Regierung gegenüber immer eine gewiſſe Unabhängigkeit bebanpter baben. Sie gebieten über eine Flotte von 600 Thermen und würden tm Fall eines Konflictes mit der Regierung ſich leicht in Piraten verwandeln. Im beitändigen Berfebr mit den ibnen befreundeten Beduinen von ne, die fie mit

mit einer Stadt gleichen Ramens in Tberägvpten, dem alten Tbe: ben, verwechſeln. Gritered wurte das Meine, letzteres Tas große Tiespolis genannt. Vergleiche Strabo 17, 802— 803, 813. Kochart Phaleg (Ausgabe von 1712), S.5—6. Wan vergleiche auch meine Reife in Aegypten und Aubien, Br. I, S. 278 279 ver rufliichen Ausgabe.

6 Erſtes Kapitel.

Fifchen und Kräutern verforgen, find fie deren Hülfe immer ficher, nnd die beiden wilden Stämme zweier entgegengeſetzten Elemente würden, bei dem lärmenden Schall ihrer Mufcheltrompeten, auf den Kanälen von Aſchmun und Moifa leicht bis zu den fruchtbaren Ge- filden des Delta oder den reichen Reisfeldern von Da- miette dringen. Die Einfünfte, welche der Staat von den Fifchern des Menzalehfees bezieht, find ziemlid) bedeutend. Die Wohnungen der Fifcher zu Mataria find ebenfo plump wie ihre Sitten; Hütten von Schlamm— erde oder Schilfgeflecht umgeben einige aus ungebrann- ten Ziegeln erbaute Häufer; dies find die Wohnungen der Scheikhs.

Der See Menzaleh ift von dem Meere durd) eine ſchmale Sandbanf getrennt, die an vier Stellen durd)- brochen ift. Die beiden größeren Durchbrüche find ſchiffbar. Der eine, welchen wir den Durchbruch von Divspolis oder Mendes nennen, gegenüber Mataria, wird von den Arabern Dibe genannt; der andere, ge- genüber der Mündung des Kanals Moifa, tft die alte Mündung von Zanis und führt jeßt den Namen Jau— ma-Faradſcha. Die beiden anderen Durhbrüche waren den Alten unter dem Namen falfhe Mündungen befannt*”). Die größte Länge des Sees, von dem Bogaz Damtette bis zur Küfte Bir Deodar oder den Ruinen des alten Daphne, beträgt etwa 12 Meilen, und die Breite, von der Mündung von Tanis ab gerechnet,

*) Strabv, 17, 801.

See Menzaleh. Mataria. San oder Joan. 7

etwa A Meilen. Die Tiefe des Sees ift bei gewöhn- lihem Waſſerſtande 3 bis 6 Fuß, außer an den Mün- dungen der ehemaligen Flüſſe von Mendes, Tanis und Pelufium, wo fie ziemlih 16 Fuß erreicht. Bei feichtem Wafler werden die Fahrzeuge durch lange Stangen fortgefjhoben. Das Waſſer ift während Der Ueber: ſchwemmungen des Nil für die Tränfung der Heerden tauglich, fonft aber bitter und leuchtet phosphorartig, wie das Meerwafler. Der Grund des Sees befteht aus Nilſchlamm, mit Sand gemifht. Wenn man die alten Arme des Nil wiederherftellen wollte, fo wäre es nicht unmöglich, den See troden zu legen, und Diehemed Ali ging bereits wirklich mit diefem Gedanfen um, der ihm von Europäern eingegeben war; aber die Schwierigkeit und die außerordentlichen Koften haben die Ausführung defielben bis jeßt gehindert.

Früh am Morgen fuhren wir in den Kanal von Moifa, die alte Mündung von Tanis, ein. Eine ſchwache Düne ſchützt hier gegen den Andrang Des Meeres, und hohes, dichtes Schuf, unter deſſen maleri—⸗ fchen Wölbungen wir dahin fuhren, befchattet Die Mün— dung. Büffelheerden, deren Hirten fprglos auf dem Graſe figend im See angelten, weideten an den Ufern. Im VBorüberfahren bemerkte ich, daß die Fifcher, anftatt Der auf dem Waffer fhwinunenden Korfftüde, ausge: höhlte Kürbiffe an ihren Angeln hatten. Die Wildheit dDiefes Ortes hat ihren eigenthümlichen Reiz. Vergeb— Lich fuchte ich in dem Schilfe die Papyruspflanze; fie ſcheint in Aegypten jegt gänzlich verfchwunden zu fein,

8 Erſtes Kapitel.

dagegen findet man fle in großer Menge und in hoben Stauden an den Ufern des Anapus bei Syrafus.

Zwei Stunden von San enthüllten fi uns deffen rothſchimmernde Hügel, San, ein Beduinendorf, ift das berühmte Zoan der Hebräer, die Hauptftadt Unter- ügyptens*), wo Gott dem folgen Pharao feine Macht durch Mofes offenbarte, In Demfelben Arme des Nil, der uns hieher geführt hatte, fand die Tochter des Pharao im Dikicht des Schilfs den Knaben, welcher Iſrael aus der tiefiten Erniedrigung zu den hödhften Ehren emporhob, und aus dem Lande der Knechtichaft in das Land der Verheißung führte **),

Nur wenige Schritte von hier liegen zwifchen den Hügeln, und weithin an der Mündung von Tanis zer- ftreut, Dienoc immer großartigen Ueberrefte von Joan; hier liegt mitten unter den Trümmern ſchöner Säulen eine colofjale, königliche Frauengeftalt von fehwarzem Sranit, mit ernfter, gedanfenvoller Stimm; etwas weiter bin drei Obelisfen, von denen der größte und am beften erhaltene mitten durchgebrochen ift, wie ein zerbrochenes Schwert! Nody weiter ragt das verftümmelte Haupt einer Sphinx aus der Erde hervor... Hier war dag Forum. Die Stadt war nicht mit Mauern umge- ben. Die Stüde von Ziegeln, irdenen Gefüßen und Granitfteinen geben dem Ganzen einen töthlichen Schimmer.

*) Jeſaias 19, 11. ") Sn. 78, 10.

See Menzaleh. Matarla. San oder Joan. 9

Hier, mitten unter den umgeftürzten Goͤtzen, zwis Shen den Trümmern zerbrochener Obelisten, die ſich in die dunkle Schrift der Hieroglyphen hüllen, fchlagen wir das Buch des Propheten auf. Hier ift die Stelle, über die Jeſaias ruft: Stehe der Herr wird auf einer ſchnellen Wolke fahren, und in Aegypten fommen. Da werden die Goͤtzen in Aegypten vor ihm beben“...*). Aegypten, das fo fange über Iſrael geherrfcht hatte, ward geftürzt durch die Völker des Morgenlandes: alles Unglüd kam ihm vom Morgen ber! .

Nicht allein die Gefchichte zeiat uns die Erfüllung der Weiffagung, auch Die Natur bezeugt ihre ewige Wahrheit. Der Weg, welchen wir zurüdgelegt hatten, zeigte uns Das Meer, welches das Land der Knechtſchaft Iſraels bedeckt bat; viele Arne des Nil find gänzlich verſchwunden, andere haben ihre Gewäſſer mit der fal- zigen Fluth gemifcht **). Die ganze Gegend um Zoin und die übrigen alten Städte Unterägyptens tft in eine unfruchtbare Wüfte verwandelt; das Gras an den Waſſern ift verftiebt von dem Schwefel und Salze des Seewaflers und das Land ift in einen Sumpf verkehrt. Die Nachkommen der funftreichen Weber, welche die feinen Linnen und Byſſus verfertig- ten, von denen uns Diodor berichtet, handeln jegt mit geſalzenen KFifchen, für die ihnen die Bewohner von Salahia ihre Datteln bringen, und zu Schanden

*) Jeſaias 19, Das ganze Kapitel. ») Jeſaias 19, 5 (mach der griechifchen Ueberſetzung).

10 Erſtes Kavitel.

find geworden, die da gute Garne wirfen und Netze ftriden! Selbit der Papyrus ift ver- ihwunden, der die Weisheit des alten Aegyptens den jpäteren Jahrhunderten überliefert hat, und die legten Blätter der Priefter der Iſis und des Ofiris wurden von den Flammen verzehrt, welche Omar in Aleran- drien auflodern ließ.

Wir fehen aus den angeführten WVeiffagungen, daß - Memphis allen Glanz von Zoan an ſich zug, welches zur Zeit des Jeremias und Jeſaias noch die Hauptftadt Unterägyptens war.

Zoan tft eine der ältejten Städte, die wir nad) der Sündfluth erwähnt finden, und war, nad 3. Mof. 13, 23, nur um fieben Jahre jünger als Hebron. Memphis, oder Noph, wird erft bei den Propheten Hofen und Jeſaias genannt; wäre es ſchon zur Zeit Mofis die Hauptitadt des Landes geweien, fo würde man in der heiligen Schrift ficher eine frühere Erwäh- nung finden, auch erfcheint es im A. Buche Mofts als Hauptftadt. Der Ausdrud „Feld Zoan“, deſſen fich der Dichter des Pſalms bedient *), bezeichnet Die Lage der Stadt in einer Ebene. Jetzt ſcheint es erwiefen, daß der Auszug der Sfraeliten unter der 19. Dynatftie ftattfand, Diefe aber herrfchte nicht zu Memphis, ſon⸗ dern zu Tanis.

"HB, 78, 12.

Zweites Kapitel. Die Meerenge von Suez.

Da Iſrael jung war hatte ich ihn lieb, und rief ihn meinen Sohn aus Aegypten.

Hoſea 11,1.

.... Hier beginnt Das Gebiet der Beduinen. Das Hirtenleben ſcheint in der Wüfte von Suez feit den Zeiten der großen Hirtenfönige der fünfzehnten Dyna- ftie eingebürgert zu fein. Mit dew Bibel in der Hand finden wir nad viertehalbtaufend Sahren diefelben Sitten und Gebräuche wieder, wie wir mit derfelben die Umwälzungen erfennen, welche die Natur des Landes erlitt. Die Beduinenftämme erinnern an die Stämme der Kinder Ifrael. Einige von ihnen, obwohl fie Hir- tenftämme genannt werden, treiben Aderbau, die übrigen find frei wie die Luft und ziehen mit ihren Heerden von Pferden, Kameelen, Büffeln und Schafen in den Wüſten umher, die ſich von Balmyra bis an den Atlas erftreden. In Aegypten allein zählt man fünfzig folcher Stämme, un: ter denen fünfzehn Hirtenftämme ; ihre Volkszahl beläuft fih auf 40,000 Köpfe, unter denen 7000 hauptſächlich von Raub und Plünderung leben; die Zahl derer, welche

12 weites Kapitel.

im Dienfte Mehemed Ali's ftanden, belief fih auf 10,000 Mann, die Albanefen und Deli mitgerechnet. Mehemed Ali zahlte ihnen, für je fünfhundert Mann, 1200 Beutel*) jährlichen Sold; fie blieben jedoch im— mer nur fo lange im Dienfte, als ihnen beliebte, ohne den Sold, welchen fie auf ein ganzes Jahr im Boraus genommen, wieder zurücdzuerftatten. Außerdem hatte ihnen der Paſcha einige Strecden Landes am Rande der Wüſte geichenft, um fie leichter zufummenrufen zu Eön- nen, hauptfächlich aber, um fie dem Aderbau zuzumen- den und Dadurch ihren Troß zu bändigen. Mehemed Ali zeigte in feinem Verkehr mit den Beduinen große Klugheit, und gewann ihr Vertrauen theils Durch ftrenge Erfüllung feiner Verſprechen, theils auch, indem er jelbft ihnen Vertrauen zeigte,

Trog des ftrengen Befehls des Mamur von Das miette erhielten wir doch fehr fchlechte Kameele; wir hatten feine Zeit, auf andere zu warten, und brachen gegen vier Uhr Nachmittags nad Salahia auf. Der Meg führte am Ufer des Sees entlang, an einigen Waſſer⸗ leitungen und Stanälen vorbei, über eine öde, mit Salz bededte Fläche. Einer der ausgetrodneten Kanäle, welche wir füahen, war der Arm von Belufium, der noch zu Alerander’s Zeiten fchiffbar war, fo daß der mace- donifche Eroberer mit feiner Flotte bis Gaza hinauf kom⸗ men fonnte. Er führt jegt den Namen Abul Manadſchi, trennt fich unweit der Senfung des Nil von dem Arme

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2) 1 Beutel 230 Zechinen = 500 Thaler.

Die Meerenge von Sue. 13

von Damiette und geht, bei Heliopolis und Belbeis vorbei, der Wüfte von Tumelat zu, in den alten Kanal Nechos und der Ptolomäer, der einft das rothe Meer mit dem Nil verbinden ſollte. Der Kanal follte zunädhft eine Straße für den Getreidehandel Aegyptens mit den benachbarten Ländern bilden, für welche Negypten, wie wir aus der heiligen Schrift erfehen, die Kornkam— mer war.

Die Naht brach ein nod) ehe wir Salahia erreich- ten. Bon dem Ritte in der einförmigen Wüfte er: müdet, freuten wir ung, als wir in den Palmenwald famen, welcher Salahia umgiebt; unfere Führer aber verloren den Weg und wir irrten länger als zwei Stun⸗ den mit unferen fchwerbeladenen Kameelen in dem Dickicht herum, wobei einer meiner Leute, der mit fei- nem unbeholfenen Thiere in ein Sandloch fiel, beinahe das Leben verloren hätte. Nach Mitternacht endlich ftiegen wir an dem Haufe eines Kafchef ab, in einem von Lehmmänden umgebenen Hofe. An einem erwär- menden Feuer erwarteten uns bier die Araber, welche Schon durch einen Kawaß, der ung beſſere Kameele ver: Schaffen follte, von unferer Ankunft in Kenntniß gefegt waren. Wir brachten hier die Nacht in einer Art Schuppen zu, welchen die Einwohner des Orts den Diwan oder das Empfangszimmer des Kafchef nannten.

Der Zleden Salahia erinnerte mich wieder an Nu- bien; der Ort beiteht aus mehreren kleinen in einem ziemlich ausgedehnten Palmenhaine zerſtreut umher— liegenden Dörfern.

14 Zweites Kapitel.

Am nächſten Morgen befuchte mid) der Ortsvorfteher von Salahia, ein noch ziemlich junger Mann, um bei mir Kaffee zu trinfen, und fchien fehr zufrieden, als ihm einige feiner lintergebenen in meiner Gegenwart die Hand füßten. Als die Kameele vorgeführt wurden, fehlte e8 an den nöthigen Wafferfchläuchen ; ich erklärte jedoch dem Kafchef, Daß ich den Ort nicht eher verfaffen würde, als bis dieſe herbeigefchafft wären, da fie in der Wüſte unentbehrlich feien. So verging noch ziemlich viel Zeit, ehe wir unfere Reife fortfegen fonnten.

Salahia liegt an der Stelle der ehemaligen römi— hen Zeftung Selä. Etwas weiter oben, nad) dem Arme von Pelufium und dem See Menzaleh zu, lag die alte Stadt Migdol.

Der Weg, welchen die Kinder Iſrael bei ihrem Auszuge aus Aegypten nahmen, wird von vielen Ge- lehrten fälfchlic) als von Memphis nach dem rothen Meere angegeben. Der Dichter des 78. Pfalms jedod) bezeichnet ausdrücklich Zoan als den Schauplaß der Begebenheiten zwifchen Mofes und Pharao, und nod genauere Angaben finden wir im zweiten Buch Mofie, Mofes führte das Volk nicht auf dem geraden Wege in das Land der Verheißung *); denn er hatte Pharao gefagt, er wolle nur drei Tagereifen weit in Die Wüſte ziehen, damitdas Volk feinem Gotte opfern könne; dies ift ungefähr die Entfernung von Zoan nad) Suez. Zu: nächft aber wollte Moſes audı den König binfichtlich

*) 2. Mof. 13, 17. 18. 20; 14, 1—3.

Die Meerenge von Sue. 15

der Richtung feines Zuges nad Baläftina täufchen. Der Weg von Memphis über Suez nach Baläftina aber ift der geradeite und entfpricht feineswegs dem Umwege durch die Wüfte an das rothe Meer, welchen Mofes der Erzählung zufolge machte. Ferner müſſen wir beachten, daß Mojes feinen Weg durch die Gegenden Aegyptens nahm, wo die Hebräer wohnten, d. i. durch das Land GSojen*), um mit allen Stämmen Iſraels nach dem Berge Horeb zu ziehen, wo er dem Bolfe das Geſetz geben follte, wie Gott ihm bei der Erfcheinung in Der Flamme aus dem Bufche befohlen. Zu dem Allen fommt noch die Andeutung, welche man aus der Erzäh- lung der achten Zandplage (2. Mof.10, 13 flg.) ziehen fann, die fehr wohl auf Joan, nicht aber auf Memphis bezogen werden kann. Die Lage von Sudoth und Ethom laßt fi) nicht mit Sicherheit beftimmen, wir wiflen jedoch, wo Migdol lag, welches auch die römi- hen Zafeln genau an derfelben Stelle angeben ; felbit Baal-Zephon iſt fiherlich Pitthom oder die Stadt des Typhon, die erſte von den vier Städten, welche Die

*) Die Lage des Landes Gofen, an der Stelle, wo jet der See Menzaleh das einft fruchtbare Zand überfchwenmt, ift fchon vor mir von verjchiedenen Gelehrten richtig erfannt worden. Meine Anficht wird auch DurhRofenmüller beftätigt, deſſen Werk mir vor der eriten Herausgabe meiner Reife unbefannt war. Vergleiche defien Hands buch der biblifchen Alterthumskunde. Bibl. Geogr. II, S. 246. Weiland und Adermann, Bibl. Atlas. Nr. IV. Hasius, Regni David. et Salom. descriptio, ©. 175, $. 3. Fürer,

itiner. S. 46.

16 Zweites Kapitel.

Ifraeliten während ihrer Anechtichaft in Aegypten er- bauen mußten*). Im vierzehnten Kapitel wird die— felbe Stadt Baal-Zephon genannt, welcher Name nichts Anderes ijt als eine Zufammenziehung zweier Namen heidnifcher Gottheiten, nach D’Anville (memoire sur YEgypte) wird die Stadt Heroopolis in der ans der griechijchen Ueberſetzung gefloffenen koptiſchen Bibel- überfegung ebenfalls Pethom genannt. D’Anville fagt: „Wir erfehen aus Stephanus von Byzanz, daß die Stadt Heroopolis auch den Namen Aluos (Blut) führte, von dem Blute des Typhon, der hier vom Blitze erfchlagen wurde. Hieraus läßt ſich fchließen, daß Abaris bei Zofephus diefelbe Stadt ift wie Heroopolis, womit auch Euſebius übereinftimmt, denn Abaris nannte fi, nad) ägyptiſcher Tradition, Stadt des Ty- phon. Die Stelle, welde, nad Jofephus, Manetho für die Lage von Abaris angiebt, am rechten Ufer des Kanals Bubaftis, ſtimmt ganz mit der Lage von He roopolis.

Wenn alſo die Lage von Heroopolis oder des bibli— ſchen Baal-Zephon, mit Beſtimmtheit zwiſchen Suez und Migdol angenommen werden kann, ſo erklären ſich die Worte der heiligen Schrift, wo geſagt wird, die Kinder Iſrael ſollen fich lagern gegen das Thal Hiroth, zwifchen Migdol und dem Meere, gegen Baal-Zephon, und Dafelbft gegenüber an das Meer“ **),

*) 2.Mof. 1, 11. Der jeruſalemiſche Targum nennt Bit- tbom Tanifus (vielleicht Teneſus) und Ramſes Belufa. *) 2, Mof. 14, 2.

Die Meerenge von Suez. | 47

Der geneigte Leſer mag uns dieſe Erörterungen verzeihen, die hier zur Erflärung der Sache nothwendig erfchienen. Die Schilderung des Zuges der Kinder Sfrael geben wir bier mit den Worten der heiligen Schrift: „Und Moſe nahm mit fih die Gebeine Jo— feph’s. Denn er hatte einen Eid von den Kindern Sfrael genommen, und gefprochen: Gott wird euch heimfuchen, fo führet meine Gebeine mit euch von hin nen. Alſo jogen fie aus von Suchoth, und Tagerten fih in Etham vorn an der Wuͤſte. Und der Herr 309 por ihnen ber, des Tages in einer Wolfenfäule, daß er fie den rechten Weg führete, und des Nachts in einer Feuerſäule, daß er ihnen leuchtete zu reifen Tag und Nacht. Die Wolfenfäule wich nimmer von dem Volk des Tages, noch Die Feuerfüule des Nachts.“ Die Feuerſäule, fagt der b. Clemens von Alerandrien, war das Symbol des hünmlifchen Lichts, das die Welt um- giebt und erleuchtet und durch den Baum des Kreuzes wieder zum Himmel zurüdfehrt, durch welches allein wir im Stande find das Licht des Himmels mit dem Auge des. Geiftes zu Schauen”). Der Grund, weshalb Mofes das Volf vierzig Sahre lang durch die wilde MWüfte auf Umwegen in das Land der Verheißung führte, war, nad) demfelben Kirchenlehrer, weil er das Bolf von dem Heidenthum der ägypfifchen Anechtichaft reinigen und in der Einfamfeit der Wüſte zur Anz

*) Clemens Alexandr. Op. omn. Strom. I. 349. 347. Colon. 1688 fig. Noroff's Reife nach Paläaͤſtina. 2

18 Zweites Kapitel.

ſchauung des alleinigen Gottes führen wollte. Der Durchgang durch das rothe Meer follte geiftig den Götzendienſt der ägyptiſchen Knechtichaft von ihnen ab- waschen. Mofes felbit zeigte dem Volke, daß fein Geſetz nur eine Vorbereitung zu einer fünftigen vollfommenen Dffeubarung fei, „denn er hielt fih an den, den er nicht ſah, als fähe er ihn“*) und verfündigte dem Bolfe: „Einen Propheten, wie mid, wird der Herr, dein Gott, dir erwecken, aus dir und aus deuten Brü— dern: dem follt ihr gehorchen !“

*) Brief an die Ebraͤer 11, 27.

Drittes Kapitel, Die Meerenge von Suez. El- Arifcı.

Das dann dein Herz fich nicht erhebe, und vergeffeft des Herrn, deines Gottes, der dich aus Aegyptenland geführet hat, aus dem Dienfthaufe; und hat dich gelei⸗ tet durch die große und graufame Wüſte, da feurige Schlangen und Scorpionen, und eitel Dürre, und fein Waffer war, und ließ die Waffer aus dem harten Belfen gehen. 5. Moſ. 8, 14. 15.

Erft gegen zehn Uhr Vormittags brachen wir wieder von Salahia auf. Wir kamen über das Schlachtfeld, wo die Schlacht zwifchen den Franzoſen und Mamelı: fen ftattfand. Hier fangen die Sümpfe und Lachen an. Ein ftarfer Regen, der erfte, feit ich in Afrika gelandet war überrafchte uns an den Sandhügeln, gegenüber den Ruinen von Daphne. Die Ueberrefte diefer Stadt, die zur Zeit der Kreuzfahrer noch befeftigt war*), find jegt faft ganz in Sumpf und Sand ver: fhwunden, Die Araber nennen diefe Stelle Safnes.

Die ftrengen Worte des Propheten **), „TIhachpanhes

*), Will. Tyr. gesta Dei per Francos, p. 983. **) Ezech. 30, 18. 2.

20 Drittes Kapitel.

wird einen finftern Tag haben . . . fie wird mit Wolfen | bededt werden“, gaben ung einen Fingerzeig. Der Himmel verfinfterte fich, der Wind trieb den Sand auf und vergeblich fuchten wir Schuß in den Dornenge- büſchen.

Auf dem Hügel, der die letzten Trümmer von Daphne birgt, muß man den ſchrecklichen, aber groß- artigen Kriegsgefang des Propheten Jeremias gegen Pharao Necho lefen*). Jeremias, im dreizehnten Jahre des Königs Joſia zum Propheten berufen, beflegelte feine Worte mit dem Blute, denn die Bewohner von Daphne fteinigten ihn, der ihnen das Gericht Gottes und die Flucht der heiligen Sungfrau mit dem Kinde Jeſus, durd) diefe Wüfte nach Aegypten, verfündigte**), Der heilige Epiphanius erzählt: alte Leute, Nachkom⸗ men des Antigonus und Ptolomäus, haben ihm erzählt, als Alexander der Große die Weiffagung des Prophe- ten Seremias über das Schickſal Daphnes, und deren Sinn erkannt, habe er befohlen, Dielleberrefte des Pro: pheten nach Alerandrien zu bringen***, Es giebt auch eine Tradition +) über die Weiffagung des Pro- pheten Zefnias tr): „Ein Eleiner Knabe wird Kälber

*) Jerem. 46. ) In vita Jeremiae. *) Ipid. Jo. Moscus, in prato spirit. 27”. Abulens quaest. 19 in cap. Matth. et in fine 4 Reg. +) Joh. de Carthag. Homil. III. 9. 10. +r) Iefaias 11, 6. 8.

Die Meerenge von Sug. El⸗Ariſch. 21

und junge Löwen treiben .... und ein Säugling wird jeine Luft haben am Loch der Dtter und ein Entwöhn- ter wird feine Hand fteden in die Höhle des Bafilisfen ”. Diefe Worte haben fich erfüllt, als die heilige Jungfrau mit dem Kinde nach Aegypten flüchtete. In Daphne war ed, wo die Juden mit dem ägyptifchen Gefandten Raths pflogen, um Schuß zu juchen bei Pharao, aber es follte ihnen die Stärke Pharao zur Schande gera- then und der Schuß unter dem Schatten Aegyptens zum Hohn *).

Eine unermeßliche Sandwüfte dehnte fih vor ung aus. Nur hie und da erblidte man einige Dornge- büfche. Schmweigend zogen wir weiter. Als wir den See hinter ung hatten, ergriffen zwei von unferen Ber duinen die Flucht und ließen ihre Kameele im Stid. Da ich fürchtete, wir könnten ohne Führer bleiben, fo ließ ich einen unferer bewaffneten Diener hinter der Karawane reiten, Unweit der Herberge Kanatir nüher: ten wir uns wieder dem See. Hier füahen wir den Sandhügel Abu» Ajab vor ung, der bei jedem Sturme eine andere Geitalt annimmt. Der See war mit einer zahllofen Menge von Ibis, Pelifanen und Schwänen bededt. Ein Damm mit einer fehr fchönen fteinernen

) Jeſaias 30, 1— 5. Jeſaias nennt dieſe Stadt Hanes, Jeremias Thachpanhes, die griechiſchen Schriftiteller nennen fie Daphne von Pelufium (Herod. I, 30). Der heilige Hieronymus hält in ver Auslegung des Propheten Jeſaias den Irt für Die nubijche oder ätbiopifhe Start Taphifan. Vergleiche meine Reije in Nubien und Aegypten, Bd. 2, S. 183. 275.

22 Drittes Kapitel.

Brücke führt zwiſchen den Seen Menzaleh und El-Bal- lah nach der Herberge Kanatir. Dieſer Ort war früher bei Ueberſchwemmungen unzugänglich und Damm und Brücke find erft erbaut worden, ſeit man hier eine Sta- tion für die Couriere der Regierung errichtet hat. Solcher Stationen find in der Wüfte zwifchen Kairo und Gaza zwölf; an jeder ift ein Auffeher mit fech8 Courieren und ebenfo vielen hedſchaſiſchen Kameelen ftationirt. Eine mit Gourieren beförderte Depeſche erreicht Kairo in 43 Stunden. Die Entfernung zwifchen beiden Städten wird 82 Stunden gerechnet, wenn man nämlich ohne Unterbrechung auf dem Kameele reitet; ein Courier aber muß die Strede in der Hälfte der Zeit zurücdlegen. Ein folcher, welcher während unferer Anweſenheit anfam, wurde binnen fünf Minuten weiter befördert. Manche Eouriere binden fich, wie mir erzählt wurde, ein Stück brennende Zunte an den Zuß, wenn fie fehlafen wollen, Damit fie nach einer beftimmten Zeit wieder gewedt werden. Wenn im Winter der Weg für Kameele und Dromedare in Folge Des Regens zu fehlüpfrig ift, fo erfegt man Diefelben durch Pferde. Die Poft geht nur einmal wöchentlich aus Aegypten nad) Syrien, Das arabifche Kameel aus dem Hedfchas unterfcheidet fich von dem gewöhnlichen hauptfächlic durch feinen langge- ftreten Hals und fchnelleren Lauf; an Schnelligfeit fteht e8 dem Dromedare nicht nad), hat aber nur einen Höfer. Hat es fi einmal fatt getrunfen, fo genügt ein Pfund Reis, um es länger als eine Woche zu er- halten. Das arabifche Kameel kann 6 bis 7 Gentner

Die Meerenge von Sug. El⸗Ariſch. 23

tragen, gewöhnlich ladet man ihm jedoch nicht mehr ala 5 Centner auf.

In der Umgegend von EI: Ballah finden fich viele Eber, und ein ſolches Thier lief dreift durch unfere Reihen; leider fonnten wir es nicht fchießen, weil wir fürchten mußten, unfere Kameele zu treffen. Der Aufs feher der Station von Kanatir bot uns feine Dienfte und feine Borräthe an, und fagte ung, er fünne Alles mit uns theilen, außer dem füßen Waller, welches aus bedeutender Entfernung hierher gebracht werden muß; wir waren jedody noch reichlidy Damit verforgt. Den Ort erreichten wir um ſechs Uhr Abends.

Am nächſten Morgen gegen fehs Uhr brachen wir wieder auf. Unfer Weg führte zuerft am Ufer des El-Bal- lab hin und dann durch eine ähnliche Ebene wie Tags zuvor. Wir begegneten einer fleinen Karawane, Die wir nach Zandesgebraud, begrüßten. Bald nad 10 Uhr am Abend kamen wir an die Herberge Bir Deodar. Obgleich diefer Ort den Namen eines Brunnens führt, jo giebt e8 Doch hier fein füßes Wafler. Bir Deodar gerade gegenüber ſieht man am Ufer des Sees die Ruinen des alten Peluſium. Peluſium war im Alter: thum eine ftarf befeftigte Stadt und galt ale Schlüffel des Delta gegen Syrien. Heſekiel nennt Diefe Stadt Sin *), mit dem hebräiſchen Namen; die Griechen nannten fie Belufion, die Kopten Peremun, die Ara- ber Faramah oder Tine. Am befannteften ift fie unter

*) Heſek. 30, 15. In der griechifchen Ueberſetzung Sais.

24 Dritte Kapitel.

dem Namen Pelufium. Sämmtliche Namen der Stadt, in den verfchiedenen Sprachen, bedeuten Schmuß oder Schlamm, weil fie in einer fumpfigen Gegend lag. Jetzt find‘ von. dieſer einft berühmten Stadt nur noch einige Steinhaufen und Trümmer von Säulen übrig. Andreoffi ſah noch die ehemaligen Grundmauern; er verglich die Meffungen Strabo’s und fand, daß feit deſſen Zeit das Meer zurücgetreten if. Die heutigen Araber kennen den Drt unter Dem Namen Scheifh Abd- allah. Die zerftörten Feften Aegyptens, welche man auf diefem Wege findet, erinnern unwillkürlich an Die Weiffagung des Propheten Jeſaias*). In der Mitte des fünften Jahrhunderts Tebte in Peluſium der heilige Iſidor als Einfiedler, weshalb er der Pelufier genannt wird. |

Gegen Mittag verließen wir Bir Deodar und ſchlugen die Richtung nach den Sandhügeln ein. Hier ſahen wir einige Adler, welche die Araber noch mit dent hebräischen Namen Rachamah nennen **), Kameele und Menichen, die auf der Reife umkommen, fallen ihnen zur Beute***), In den öden Schluchten zwifchen den Hügeln wachlen nur einige jchlanfe Balmen, die man bier zum Schuß gegen die Winde und den Triebfand angepflanzt hat. Die Straßen in Aegypten find einer beitändigen Veränderung unterworfen, theils durch die

*) Jeſ. 10, 26, nach der griechischen Ueberſetzung und 27,12, nach dem hebräiſchen Text. **) Levit. 11, 18; Deuteron. 14, 17. “*) Hiob 39, 28 —30.

Die Mecrenge von Sug. El⸗Ariſch. 25

jährlichen Ueberfhwemmungen, theils auch durch die fortwährende Bewegung des Sandes. Die Reijenden müffen fich Daher in der Wüfte nach befonderen Kenn⸗ zeichen richten, wie Auhöhen, Gebüfchen und dergleichen. Zuweilen errichten Die Araber. zu dieſem Zwecke aud) Steinhaufen, welche zugleich die Begräbnißftätte um- gefommener Reifenden oder ihrer Lieblingspferde be- zeichnen, Solcher Wegezeichen gedenft ſchon der Pro— phet Jeremias *).

Ein Ritt von einer Stunde brachte uns an den Sandhügel Abu-Afab. An der linken Seite der Straße, ungefaͤhr auf der Hälfte des Weges zur Herberge, un—⸗ weit einer Gruppe von Palmen die man mit dem biblifchen Ausdrucke Bufch bezeichnen fann ift hin- ter den Hügeln verftecft ein Brunnen mit füßem Waſſer, Bir ulenuß genannt. Unſere Beduinen labten fich begierig an dem frifchen Waſſer, kaum aber hatten wir diefen Ort verlaffen, fo ereilte uns in einer Schlucht ein Sturm und Wirbelwind, der zum Gluͤck nicht lange anbielt, Doch bemerfte ich, als die Landſchaft wieder von der Sonne erleuchtet wurde, Daß Die Umriſſe der Sandhügel durch helle, fait durchſichtige Linien be- zeichnet waren. Der Weg geht von hier aufwärts, bis man endlich ein Plateau erreicht, von wo aus man in der Nähe des Meeres einen Hügel erblidt; es ift der durch den Zod des Bompejus berühmte Caſius. Strabo, der faſt alle Orte, die er befchreibt, felbit gefehen hat,

*) Ierem. 30, 21 (im hebräischen Text).

36 Dritted Kapitel,

nennt den Caſius fehr richtig einen Sandhügel. Einer unferer Führer verficherte uns, daß früher hier Ruinen geftanden hätten, Die aber jeßt unter dem Sande ver- Schwunden find. In der Nähe ſieht man die Palmen eines Lagerplakes der Beduinen vom Stamme der Nomani, und bald erreiht man den Palmenwald Katia, der, wie man vermuthet, die Stelle des alten - Caſſium einnimmt. An den Lagerplägen der Beduinen findet man nirgends ein Haug, und der Ort ihrer Nies derlaffung und Anzahl der Glieder eines Stammes ift nur an der größeren oder geringeren Anzahl von PBal- men fenntlih. Eine Menge fhön gefchmüdter Pferde waren an den Balmen angebunden, und vor den bren- nenden Strahlen der Sonne durd) die arabifchen Bur⸗ nuffe ihrer Herren gefchügt, andere weideten im Schatten oder jagten wild umher. inige mochten aus Dem Nedichd ftammen und erinnerten an Die treffliche Schil⸗ derung des Roffes im Buche Hiob*). Die Beduinen, denen Diefe prächtigen Thiere gehörten, lagerten an verfchiedenen Stellen, theils unter Zelten, theils unter freiem Himmel, in traulichem Kreife, mit der langen Pfeife im Munde, und nach ihren Stuten ſchauend, die fich frei in der Wüfte tummelten. Die Araber ziehen die Stuten vor, weil diefe bei nächtlichen Ueber: fällen nidt durch Wiehern ihre Annäherung dem Feinde verrathen, wie Die Hengfte, aber auch, weil fie fanfter find und Milch geben, mit der fie in der Wüſte

*) Hiob 29, 19 25.

Die Meerenge von Sue. El⸗Ariſch. 97

ihren Durft und Hunger ftillen. Wir nahmen hier unferen Kameelen das Gepäck ab und ſchlugen neben den Beduinen unfer Zelt auf. Unfere Begleiter nahmen mit ihren Kameelen neben dem Zelte Platz, zündeten Feuer an, breiteten dann ein Schaffell, mit der glatten Seite nad oben, auf der Erde aus, fehütteten Mehl darauf, und fingen an einen Teig zu bereiten, inden fie Waffer zugoffen und mit einem Steine fneteten; hierauf breiteten fie den Zeig zu dünnen Kucden aus, wie Plinfen, die fie auf einem Stüde Eifenblech über dem Feuer bufen. Sobald fie ihre Mahlzeit beendigt hatten, fütterten fie Die Kameele, indem jeder aus einem Säckchen eine Handvoll Reis nahm, welchen diefe un- förmlihen Thiere mit großem Behagen von ihrem Schooße fraßen, wobei fie durch lautes Gefchrei ihre Freude bezeugten und dankbar ihre Herren beledten, Man vermuthet, daß Alexander der Große auf fei- nem Marfche von Gaza nad) Peluſium bei Katin fein Lager auffchlug ; auch zeigt man hier nod) einige Heber- tefte von Säulen, Die franzöftiche Armee marfchirte auf demfelben Wege aus Aegypten nach Syrien und wieder zurüd. Napoleon brauchte ſechs Tage von Gaza nach Katia, Alerander der Große fieben Zuge. Joſe— phus giebt uns eine Befchreibung des Marjches, welchen Titus von Thmuis aus, ſüdlich von Diospolis, über Die Zandenge von Suez unternahm. Diefer marfchirte am eriten Zage bis Zoan, am zweiten bis Heracleopolis (d. fleine) am Ufer des Menzalehfees, gegenüber von Salahia; am dritten Zage kam er nad) Peluſium, wo

238 Drittes Kapitel.

er zwei Tage ruftete; am fechften Tage ging er über den Arm von Pelufium, am fiebenten Iagerte er am Berge Caſius, wo ein Tempel des Jupiter ftand, am achten bei Oftrueine, wo er fein Waſſer fand; am neunten Tage erreichte er Rhinocorura, am zehnten Raphia, am elften endlich Gaza *).

Mit Tagesanbruch zogen wir weiter, Der Weg von bier nach der Station Bir ul-Abd führte, ganz wie am vorbergebenden Tage, über Sandhügel. Zahlloſe Musquitos erfüllten die Luft und waren ung im höch— jten Grade läftig. Die Station Bir ul-Abd Tiegt auf einem nadten Sandhügel und wir erreichten fie noch vor Mittag. Am jüdlichen Horizont fahen wir hier in blauer Ferne die Gebirgskette des fteinigen Arabien, die fib an die finaitifche Gebirgsfette anfchließt und den Namen Magarat, d. i. Höhlen, führt. Dort fieht man, nach den Erzählungen der Araber, noch Ueberrefte alter Wurferleitungen. Die Beduinen überredeten einen unferer Führer, bier über Nacht zu bleiben, obwohl es erſt Mittag war, indem fie die Dede der Wüfte und gänzlichen Waſſermaugel Joſephus tjt Zeuge für die Wahrheit ihrer Ausſage vorſchützten; da wir jedod) genügenden Borratb an ſüßem Waſſer hatten, und für den Nothfall auch noch einen ganzen Korb voll Oran- gen, fo beſchloß ich, trog des Murrens der Beduinen, nach einer zweiſtündigen Raſt, weiter zu reifen. Nach einem Ritte von einer Stunde gelangten wir auf den

*\ Josephus de bello ind. 11. pag. 313. ed. Havercamp.

Die Meerenge von Sug. El⸗Ariſch. 29

öden und breiten Meeresitrand. Cine unabfehbare Fläche, die im Winter den Grund des Meeres bildet, verfchwimmt mit der am Horizont faum fihtbaren Linie des Wafferfpiegels. Als die Sonne unterging, hüllte fich Die ganze Gegend in einen filberfarbenen Schleier. Die Dede diefer Gegend tft fürchterlich; unwillkürlich erwarter man das Eindringen des Meeres, dem fein Damm entgegenfteht. Das ſchwache Licht des Mondes gab der Landfchaft ein noch düftereres Anfehen. An vie- len Stellen, wo das Salzwaſſer eingetrocknet ift, find große, weiße Flächen, die dem Waſſer fo ähnlich fehen, daß man ſich den Einbruch des Meeres vollftändig ver: gegenwärtigen fann. Am Alterthum war hier ein Salz: fee, Sirbonis, an deffen öftlichem Ende, wie die römifchen Tabellen angeben, Oftracine lag, Das wahrſcheinlich nur eine militärifche Station war, weil man hier gar feine Lebensmittel findet. Gregor v. Nazianz hat uns ein Sprüchwort erhalten, welches ſich auf Oftracine be- zieht: „Die Bewohner von Oftracine bittet man weder um Brod noch um Waſſer“*). Als Nebufadnezar Je— rufalem eroberte, flüchtete der Prophet Habakuk hier: ber **), und aus Plutarch ***) erfahren wir, daß Die Nömer weniger den Krieg fürchteten, als den March durch die Wüfte von Suez. Die alten Negypter glaub- ten, daß Typhon, als er vom Bliße getroffen wurde, in den See Sirbonis verfenft ward, fo wie auch, Daß *) Epist. 46. *) Epiph. de vit. proph. ***) Vita M. Anton. 3,

30 Drittes Kapitel.

zwifchen dDiefem See und dem rothen Meere eine unter: irdifche Verbindung ftattfinde*. Es ift merfwürdig, daß fich bei mehreren heidnifchen Schriftitellern auch Spuren von einigen Erzählungen der heiligen Schrift finden. So ſagt Plutarh, daß Typhon, nachdem er fih vor der allgemeinen Ueberſchwemmung gerettet, zwei Söhne, Zerofolim und Juda hatte**), und Ma- nethon erzählt, Thot-Mofis, der Sohn des Königs Amefthragmuthofis, habe in Abaris den Stamm der Hir- ten belagert; diefe, an ihrem Stege verzweifelnd, fchlof- jen Frieden mit Thot-Mofis, unter der Bedingung, daß fie aus Aegypten fortzieben könnten, wohin fie woll- ten. Sie gingen nach Juden und erbauten die Stadt Jeruſalem***); ferner erzählt Diodor, bei den Ichtio— phagen am rothen Meere habe fi) eine Sage erhalten: einmal jet Die Ebbe in dieſem Meere fo groß gewefen, daß der ganze Grund des Meeres troden gelegen habe, dann aber ſei Durch eine ftarfe Fluth das Meer wieder in feine alten Grenzen zurückgetreten). Man erkennt bier die Traditionen von dem Durchgange der Kinder Iſrael durd) das rothe Meer, und deren Auszug aus

*) Die Araber nennen eine Stelle im wüſten Arabien Mag’ma ul-bahrein, d. i. Verbindung der beiden Meere. Die Veranlafjung zu dieſem Namen haben wahrjcheinfich einige Salzſeen zwifchen dem mittelländifchen und rothen Meere gegeben.

**) Plutarch de Iside. ”"*) Apud Joseph. contra Apion. TI. +) Diodor. Sieul. IV, 12.

Die Meerenge von Suez. El⸗Ariſch. 31

Aegypten nach Paläſtina. Auch die Araber nennen die Wüſte zwilchen Aegypten und Paläftina Tih beni Sfrael, d. i. Wüfte der Kinder Iſrael“). Den See Sirbonis nennen die Araber Birfet-Bardul, d. i. See Balduins; eine Erinnerung au die Kreugzüge. Die Waffen Balduin’s, des Königs von Serufalem, flirten auf diefem wüften Geftade, und hier, mitten in der Wüſte von El-Arifch, ereilte ihn der Tod, als ernad) der Eroberung von Pelufium im Triumph aus Aegypten zurückkehrte.

Acht Stunden bereits waren wir unterwegs; die Araber murrten, und ich fing ſchon an zu bereuen, ihrem Rathe nicht gefolgt zu ſein, denn wir fanden weder Geſträuch noch Gras zum Nachtlager. Endlich, gegen 10 Uhr Abends, erblickten wir auf den ſandigen Strandhügeln einige dürre Gebüſche und beſchloſ— ſen, hier zu übernachten; aber als das Zelt aufge— ſchlagen wurde, fand ſich, daß der Sand von Wafſer durchdrungen war. Riedgras und Aeſte dienten uns als Lager und bei dem Toſen der Meereswellen über- nachteten wir gegenüber der Landzunge, auf der einft Oftracine ftand, Am folgenden Tage, dem Zage der Berfündigung Mariä, las ich mit dem grufinifchen Arhimandriten Gerafim das Evangelium Diefes heiligen Tages, und erinnerte mich an die Klucht der heiligen Jungfrau nad Aegypten durch Diefelbe Wüſte. Mit: Tagesanbruch feßten wir unfere Reife am Meeresftrande

*) Herbelot. Bibl. Or. s. v. Tiah.

32 Drittes Kapitel.

fort. Bei dem Aufgange der Sonne bligte und flim- merte Die ganze vom Salze durchdrungene Fläche, wie im Morgenthau, und erit, ald wir uns der Station Guenak nüherten, fah ich Salzladyen, die beinahe wie Eis ausfahen. Ohne Aufenthalt ritten wir bier vor- bei, weil unſer Zührer verficherte, daß wir hier fein füßes Waffer finden, denn Das Waifer, welches man über zwei Stunden weit bierber bringe, ſei beinahe nicht zu genießen. Wir fegten alfo den noch immer einförmigen Weg am Strande fort, der nur bier und da durch Sundhügel einige Abwechielung erhielt. Noch immer fahen wir zur Rechten in weiter Ferne am Hori- zont Die arabifehen Gebirge. Zwei Stunden, bevor wir den Brunnen Mugadie erreichten, famen wir an eine große Regenpfütze. Hier hielter wir Raft und lugerten uns am dürren Gefträud. In Diefen Ge büfchen der Wüſte von Suez findet man die Tamarıx mannifera (die Manna tragende). Wie zum Andenken an das den Kindern Ifrael in der Wüfte gefandte Manna, findet man fie noch jeht, obwohl felten, doch porzugsweife in der arabifchen Wüfte und auf der finat- tifchen Hulbinfel. Das Manna tft ein füßes aromati- fhes Harz, welches fi) in den heißen Sommermonaten auf manchen Pflanzen, vorzüglich der Tamarix, zeigt. Die Araber fanmeln es vor Sonnenaufgang, ehe es in der Sonnenhige ſchmilzt, und machen flache Kuchen Daraus, die große Achnlichkeit mit dünnen gelben Pfef- ferfucyen haben.

Das Waffer hier war ziemlich warm, doch fühlten

Die Meerenge von Sug. El⸗Ariſch. 33

wir es ab, indem wir die Gefäße in den feuchten falzi- gen Meeresfand eingruben. Nach zweiftündiger Raft zogen wir weiter, vom Gefange der Beduinen begleitet, deffen Melodien ſehr an die Weifen der Tiroler erin: nern. Die Araber, wie die Tiroler, jodeln in ihren Gefängen einer dem andern zu, diefe auf ihren Bergen, jene in der Wüſte. Der Anfang eines folhen Wech- felgefanges lautete: „Wäre der Prophet nicht zu Tiba (Medina) begraben, fäme wohl nimmer die Karawane nad) Arabien und leuchteten nie von ihren Feuern Die Höhen der Berge." Es machte einen fchmerzlichen Eindrud auf mich, an den Pforten des heiligen Landes Das Lob Medinas zu hören.

Bald fahen wir das mittelländifche Meer vor ung und der Stille der Wüjte folgte das Tofen der Wellen. Gigantifche Wogen brachen fih am Ufer, das fie mit ihrem Schaum benegten, und rollten zuweilen bis unter die Füße unferer erfchredten Kameele. Die Sandhügel drängten uns immer näher dem Meere zu. Am Brun—⸗ nen Mugadie hielten wir eine furze Raft, denn obwohl unfere Araber erft unlängft ihren Durft geftillt hatten, fo konnten fie doch nicht gleichgültig an dem Waſſer vorübergehen., Der Brunnen tft mit Quaderfteinen ausgelegt und die Bauart läßt auf ein hohes Alter ſchließen. Die auf den Hügeln zeritreut Tiegenden Ueberrefte von Thonerde zeigen deutlich, daß der Ort einft bewohnt war.

Die Sonne war fhon ins Meer hinabgefunfen, als wir Die weißfchimmernden Gebäude von El-Ariſch

Noroff's Reife nah Paläſtina. 3

34 Drittes Kapitel.

erblidten, Die Grenze zwifchen Afrifa und Aften, die Schwelle des heiligen Landes! Mein Herz Ichlug laut! Zwei Stunden, nachdem wir Mugadie ver: laffen, als es ſchon ganz finftere Nacht war, erreichten wir einige, von einem Balmenwäldchen ungebene Ma⸗ gazine; plößlich aber befanden wir uns am Ufer eines Fluſſes, der fich hier in das Meer ergießt, und jeßt erft bemerften wir, daß wir vom rechten Wege abgefommen waren. Auf Dem legten Sandhügel brannte eine Lampe in dem Bethaufe eines Santo. Wir fehieften dorthin, in der Hoffnung einen Derwifch zu finden, der ung als Führer dienen könnte, aberNiiemand war zugegen. Nur mit Mühe fanden wir in der Finfterniß eine Furth und gelangten fo endlich hinüber. Hier konnten wir, troß alles Rufens, feinen Führer herausloden. Meine in franzöſiſcher Sprache laut mit dem Dragoman geführs ten Reden wurden von einem alten Franzoſen gehört, den Napoleon in diefer Wüfte vergeffen hatte, und der in ägyptiſche Dienfte getreten war. Wie ein zweiter Philoftet ftürzte er aus dem Palmenwäldchen auf ans zu und erbot ſich mit feltener Gutmüthigfeit, uns bis El-Ariſch als Führer zu dienen, wo eine Qua⸗ rantäne eingerichtet war. Die ganze Macht lag hier in den Händen eines ziemlich groben ägyptiſchen Of— fizier8, dem ein gutmüthiger Unterarzt, ein gebo- vener Italiener, und einige Einwohner des Orts zur Seite fanden. Ich hatte einen Durhgangspaß von Ibrahim Paſcha. Der Erfte, dem ich begegnete, war der Arzt, dem ich fagte, Daß ich mit einem Paſſe

Die Meerenge von Sug. Gl:Arifc. 35

verfehen fei. Der Offizier trat dazu, mifchte ſich in unfer Geſpräch und bemerfte ziemlich hochmüthig, daß hier feine anderen Befehle als die feinigen Geltung hätten. Um ihn zum Schweigen zu bringen, ließ id) den Befehl des Paſcha laut vorlefen, was-ihn auf ein= mal fo ummwandelte, daß er mir beinahe zu Füßen fiel, um mich um Verzeihung zu bitten und feine Dienfte zu meiner Verfügung zu ftellen. Kaum war mein Zelt aufgefchlagen, fo verfammelten ſich beinahe fümmtliche Notabilitäten von El-Ariſch bei mir, ungeachtet der vorgerüdten Nachtzeit. Ich Tieß Kaffee und Pfeifen reichen und erfundigte mich bei ihnen nach dem Wege nad) Petra und dem Sinai, denn noch hatte ich die Hoffnung nicht aufgegeben, auch dorthin zu gelangen, Sie boten mir ihre beften und ficherften Führer an. Hier ift Der geeignetfte Bunft, die Richtung einer Reife nach Arabien zu beftimmen.

Arme Ehriften, die mit Frauen und Kindern die Reife von Aegypten nad) Jeruſalem unternommen hat: ten, um Dort das Öfterfeft zu feiern, wurden hier zu> rüdgehalten, in dieſer Wüfte, wo fie, unter freiem Himmel der Sonnenhige ausgefegt, an Nahrungsmit- ten Mangel leidend, ihr weriges Geld ausgaben, um | fih gegen Die ungerechte Willkür zu fehügen, und uns tröftlich bei dem Gedanken, das heilige Zeit nicht in der heiligen Stadt begehen zu können. Als fie von meiner Ankunft hörten, vermutheten fie, ich weiß nicht aus welchem Grunde, ich fei gefommen, um die Qua⸗ rantäne aufzuheben, Bor Freuden fingen fie an, wie

3*

36 Drittes Kapitel.

es im Orient Sitte ift, aus Flinten und Piftolen zu hießen. Die arabifhen Ehriften fehoffen fogar mit Kugeln, die endlich an unferen Ohren vorbei pfiffen und ung zwangen, fie zu erfuchen, ihr Schießen einzu: ftellen. Am anderen Tage erfuhr ich, daß der foptifche Bifchof, das Oberhaupt der Eoptifchen Kirche, in Folge dDiefes Gerüchts, in der Nacht fich felbft nach meinem Zelte auf den Weg gemacht hatte, um von mir felbft die Wahrheit zu erfahren er war aber dem Offizier begegnet, und von Diefem, ungeachtet feines Alters, mit dem Stode zurüdgetrieben worden... AlS ich dies er: fuhr, begab ich mich auf der Stelle zum Bifchof, dem ägyptifchen Offizier ertheilte ich in feiner Gegenwart einen ftrengen Verweis und nahm mir vor, den Schul- digen nicht unbeftraft zu Taffen und die Sache bis an Ibrahim Paſcha zu bringen.

El-Ariſch, Das alte Rhinoforura, ift wichtig als Hauptftation der Karawanen zwifchen Afien und Afrika. Unter den lebten Ptolemäern ging der Haupthandel nah Indien und Arabien über Leufofome am Ufer des rothen Meeres in Peträa und von da nad Rhinofo- rura*). El-Arifh ift von Sandhügeln umgeben, * Einige Schriftfteller des Alterthums vermuthen, daß an Diefer Stelle Noah Die Erde unter feine Söhne theilte*"). Aus Diodor erfehen wir, daß Rhinokorura

*) Strabo. XVI. 4, 23. *) Epiph. Haeres. 66, $. 83. Anast. Sinaita in quae- stionib. Chron. Pasc. Diefer Anficht widerfpricht Bochart I, 62.

Die Meerenge von Suez. El⸗Ariſch. 37

von dem äthiopifchen Könige Aktifan gegründet wurde, als ein Verbannungsort für Verbrecher. Diodor be— ſchreibt den Ort, wie er noch heuteift, nämlich von allen Bedürfniffen des Lebens entblößt, und fügt hinzu, Die Berbrecher hätten ein Mittel gefunden, ihrXeben zu ver: befiern, indem fie die Zugvögel einfingen, die zu ge- wiſſen Zeiten in großer Menge über Das Meer fommen und vom langen Fluge ermüdet fih an dem öden Strande niederlaffen. Eine Art folher Vögel waren vermuthlich auch Die MWachteln, welche Gott auf das Gebet Mofis den Kindern Sfrael in der Wüſte ſchickte *),

Auf dem glühenden Sande zu Rhinokorura haben viele heilige Eremiten gelebt, unter denen der bekann— tefte Antiftides von Rhinokorura.

Der reißende Strom, der fih in der Nähe von El⸗Ariſch in das Meer ergießt, ift, wie man allgemein annimmt, der in der Schrift genannte Bach Aegyp— tens**). Reland verſetzt Diefen füljchlich weiter nad) dem Sirbonis zu; es giebt aber auf der ganzen Strede zwifchen El-Ariſch und Pelufium feinen Bach oder Fluß mehr, und Mofes wie Zefus Sirach ziehen bier die füdlihe Grenze Cangans. rutofthenes vermuthet, daß der Bach Negyptens weit in Arabien entfpringe und einen unterirdifchen Lauf habe***). Der Hebräer Parchi nimmt an, daß der Strom Rhinoforura derſelbe

9 2. Mof. 16, 13. *) Torrens Egypti in d. Qulgata; B. Joſua 15, 4; Nu: meri 34, 5. 9 Strabo 16.

38 Drittes Kapitel.

fei, welcher im Buche Joſua (Capitel 13, 3): „der Sihor, der vor Aegypten fließet*, genannt wird, und nicht mit dem Sihor, oder dem Nil, in Aegypten ver: wechfelt werden dürfes). Im Buche Joſua jedod) ift die Rede von dem Lande, welches die Kinder Sfrael erft noch erwerben ſollen, und es heißt wörtlich, nad dem hebräifchen Texte: „Vom Schichor, welcher ift auf dem Angeficht Aegyptens bis zu der Grenze Efron gen Norden... " Hier tft gewiß der Nil gemeint; im 15. Eapitel, Vers A aber, wo die Grenzen des gelobten Zandes angegeben werden, wird der Fluß nicht Sihor, Sondern der Bach Aegyptens genannt. Dagegen nennt Jeſaias den Nil Schichor, wo er von dem Handel des alten Zyrus fpricht (Bay. 23, 3). Bei Joſua (Eapi- tel 15, 4) wird das Lund Gofen als ifraelitifches Land angenommen, woraus wir fchließen können, daß fid dus Land Sfraels überhaupt bis an den Nilarn von Belufium ausdehnte, Das gelobte Land aber nur bis an den Bad) Aegypteng ; und Diefer Anficht waren auch, wie e8 feheint, Die fiebenzig Ausleger, denn fie nennen den Bach Aegyptens niemals Sihor, wohl aber ein wüſtes Thal, eine fehr paſſende Bezeichnung, und aud) die Vulgata verfeßt hierher den trüben Fluß oder Strom. An der Stelle 1. Ehron. 10,5: „David ver: fammelte das ganze Sfrael, vom Sihor Negyptens, bis man fommt gen Hemath“, überfeßt die Vulgata das Wort Schichor zum erften Mal durch Nilus. Dies ift

*) Benjamin of Tudela by Asher. London 1841, II. 412.

Die Meerenge von Sug. El⸗Ariſch. 39

fehr auffallend und ſcheint unfere Anficht zu beftätigen, daß das Land Sfraels fi) bis an den Nil ausdehnte. Schon oben war die Rede von den Anftedelungen der Sfraeliten in Unterägypten, im Lande Gofen, wo aud) nad) dem Auszuge des Volkes noch Viele zurückblieben. Auch Exod. 23, 31 finden wir wichtige Andeutungen über die Grenzen des Landes, wo es heißt: „und will deine Grenze feßen das Schilfmeer und das Philifter- nıeer und die Wüfte bis an das Waffer“, d. h. von der Wüſte Suez bis an den Euphrat, wie die griechifche Ueberfeßung zur Erklärung hinzufügt. Auch Die Worte, welche der Herr zu Abraham fprach, fünnen wir hier noch anführen *).

Man möchte vermuthen, daß der Name Canaan nur den Theil Paläſtina's bezeichne, welcher dieſſeit des Jordan liegt, womit auch 4. Moſ. 33, 51 und 2. Moſ. 16, 35 übereinſtimmt, wo geſagt wird, daß die Kinder Iſrael ſich jo lange von dem Manna nährten, bis fie die Grenzen Ganaans erreicht hatten; da bins gegen das ganze Land in feiner vollen Ausdehnung fchlechthin das Laud, oder das Land Sfraels genanut wird,

Der Name Paläftina ift von dem Namen eines Dort wohnenden Volkes, der Philifter, abgeleitet, und bezeichnet, nad) dem Einzuge der Kinder Iſrael, das ganze Land, Den Ältern Namen, Land Canaan, erhielt das Land befunntlich nach Canaan, dem Sohne des

*) 4. Mof. 15, 18.

40 Drittes Kapitel.

Ham, der nach der babylonifchen Sprachenverwirrung fich hier niederließ, und Das Land unter feine elf Söhne vertheilte, von denen jeder der Stanmvater eines ganzen Volkes wurde. Als Joſua das Land unter die zwölf Stämme theilte, fam der nördliche Theil an die Stämme Afcher, Zebulon, Naphtali und Manaffe (jen- feit des Sordan), den mittleren Theil erhielten die Stämme Manaffe (am Ufer des Meeres), Iſachar, Ephraim und Gad; der füdliche Theil fam an die Stämme Dan, Benjamin, Ruben, Simeon und Juda. Zevi bekam feinen Theil, denn diefer Stamm war zum Dienfte des Tempels berufen und ihm gehörte der Zehnte von allen Opfern, die in den Tempel gebradjt wurden, und einige Städte in den Gebieten der übri- gen Stimme, Die Amalefiter im Süden des Stam⸗ mes Zuda, die Moabiter und Midianiter, öftlich des todten Meeres, die Ammoniter, jüdlid) des Stammes Manaffe, waren Iſrael feindliche Völker, und der Zorn Gottes ruht bis heute auf ihren verödeten Feldern, auf denen die Trümmer ihrer Städte umbergejtreut liegen.

Zur Zeit des Erlöſers war das Land in fünf Pro—⸗ vinzen getheilt, Galilia, Samaria, Judäa, Peräa und Idumäa, aber wegen des geiftigen Borzuges des Stam⸗ mes Juda vor den übrigen Stämmen wurde das ganze Land mit dem Namen Judäa benannt. So nannten e8 auch die Römer. Auf den römifchen Münzen, die nad) der Zerftörung Serufalems geprägt wurden, fieht man eine weiblihe Figur, die weinend unter einer

Die Meerenge von Suez. El⸗Ariſch. 4

Palme fißt und von einem Krieger bewacht wird, der mit dem Fuße auf einen Heln tritt, mit der Umfchrift: Judaea capta, d. i. die gefangene Judäa. Den Na—⸗ men Judäa, für das ganze Land, finden wir übrigens ihon in hieroglyphifchen Infchriften zu Theben *). Bei den Römern erhielt fich jedoch aud) der Name PBalä- ftina, und Die ganze Provinz war in Ober>, Mittel: und Unter-Paläftina eingetheilt; Ober: Paläftina un- faßte Judäa und Samaria; Mittel» Baläftina Galis läa, die Zrachonitis und Ituräa; Unter-‘Baläftina end- lich Peria und Idumäa. Baläftina bildete einen Theil der Provinz Syrien, wie auch fpäter und bis jeßt unter der Herrfchaft der Araber und Zürfen. Der heutige arabifehe Name Syriens ift Scham, d. i. das Linfe, weil e8 zur Linken von Arabien liegt, wen man Das Geſicht gegen Morgen wendet. Die Provinz ift in vier Paſchaliks abgetheilt, TZriwolis, Aleppo, Akra und Da: masfus, von denen die beiden lebten Paläftina um: | faffen.

Paläſtina hat einen Flächeninhalt von etwa 465 Quadratmeilen; da jedoch die Oberfläche fehr gebirgig it, fo kann man den Flächeninhalt noch etwas höher ſchätzen. Obwohl nicht größer als eines der fleinften Linder Europas, hat fein geiftiger Einfluß ſich doch faft über den ganzen Erdfreis ausgebreitet, denn es tft das Land, „auf welches der Herr Acht hat, und auf

*) S. meine Reife in Aegypten und Nubien II, 132; und Das 17. Cap. dieſes Buches.

49 Drittes Kapitel.

welches die Augen des Herrn, deines Gottes, immerdar fehen “*).

Ein Schriftfteller **) bemerkt richtig, daß Paläſtina ungeachtet des Fleinen Raumes, welchen es einnimmt, dennoch alle Vorzüge der großen Länder befikt. Es hat Meere und Seen, Zlüffe, Berge, Thäler und Häfen... Alle Erzeugniffe, welche ein Land bereichern oder be reihern könnten ***), und fenkt fich terraffenförmig von den Schneeregionen des Libanon bis zu den fruchtbaren GSeftaden des Mittelmeeres und dem brennenden Sande der arabifchen Wüften hinab,

*) 5. Mof. 11, 12. *) Kitto, Palestine, London 1841, p. 29. »*) 8. Moſ. 11,10 11. Hier ift die Nede von Der Art und Weife die Felder zu bewäſſern, Die noch jegt in Aegvypten üblich it. ©. meine Reife I, 163.

Diertes Rapitel.

Haruba. Scheikh Zoheil. Raphia. Khan Junus. Gaza. Wenn er ins Land Canaan kommt, fo fell das Land,

das euch zum Erbtheil fällt im Lande Canaan, ſeine Granze haben. 4. Moſ. 34, 2.

Am 26. März, des Morgens um 8 Uhr, betraten wir zuerſt den Boden Aſiens Cangaan, das heilige Land! Ein unbefchreibliches Gefühl des Entzüdeng bewegte meine Seele. Die Sandhügel mit ihrer ſpär⸗ lichen Vegetation wurden nun immer höher; hie und da erblickte man Niederlaffungen der Beduinen. Nad) der Seite Des Meeres zu fieht man einen fehr hohen Sandhügel. Die Hiße war groß. Nachdem wir noch zwei und eine halbe Stunde geritten waren, brei- tete fih ein mit Getreide befäetes Thal vor unfern Augen aus, das erfte, feit wir Damtette verlaffen hatten das erfte Anzeichen einer höheren Gefittung der Beduinen. Die erjten Reifenden, denen wir be- gegneten, waren ‘Bilger, Die nach Mekka zogen. Vor den Zuge ritt, auf einem Efel, ein bildfehönes Mädchen, thr folgte ein Kameel mit zweit Frauen, die von Kopf

AA Viertes Kapitel,

bis zu den Füßen in. weiße Gewänder gehüllt waren zulegt kam das Haupt der Familie, ein alter Mann, der, auf feinen Wanderftab geftüßt, zu Fuße wanderte. Wie ziehen fie dahin, vom Lichte der ewigen Wahrheit fort, Durch Thäler und Wüften!

Drei und eine halbe Stunde von El-Arifch kamen wir in Das Thal Haruba. Ich ſah bier die Ueberrefte von zwei Marmorfäulen und zwei Brunnen, von Denen der eine fehr alt ift. Auf den Anhöhen weideten ganze Heerden von Kameelen. Wir rafteten hier etwa eine Stunde an dem Wufler, das fih im Thale gefammelt hatte. Fürer, der dieſe Stelle vierzig italieniſche Miglien von Katia febt, hält fie für das alte Gerar, die Wohnftätte des Königs Abimelech, wo Iſaak geboren ward *). Diefe Brunnen ſtehen bei den Arabern in hohen Ehren; vielleicht find es Diefelben, Deretwegen einst die Knechte Abrahbams und Abimelechs in Streit geriethen. |

Als wir ung Scheifh Zoheil näherten, erblickten wir den glänzenden Spiegel eines Sees und einige Palm— bäume, deren Grün ſich deutlih von dem gelben Sande der Strandhügel abhub; aber das Waffer die fe8 Sec8, der Das Auge erfreut, ift ſalzig. Scheikh Zoheil, fo genannt nad der Capelle eines Heiligen, befteht aus einem Gehöfe, welches auf einem Hügel,

*) 41. Mof.21, 24. Euseb. ad voc. gee«o. Cf. Strabo et Ptolom. ad voc. Gerrha. Sozom. Hist. VIII, 9. Xeßterer feßt Gerar 80 Stadien von Peluſium. Fürer itinerar. Norimb. 1620., S. 46.

Haruba. Scheifh Zoheil. Rapbia. Shan Junus. Gaza. 45

neben einem Brunnen mit fohlechtem Waſſer, fteht. Hier ift vielleicht Beth Thapuah zu fuchen *).

Bor Anbrud) des Tages brachen wir wieder auf. Der Weg von hier weiter ift ebener und führt Durch grüne: tes Land als bisher. Nach drei Stunden erblict man das Meer. Hier fanden wir in mehreren Thälern Ges treidefelder und noch eine Stunde weiter erblidten wir auf einem Hügel einige Säulen, die Leberrefte des alten Raphia. Eine Diefer Säulen liegt noch eine Strede vor dem Orte am Wege. Polybius und Joſephus nennen dieſe Stadt als Die erfte in Eölefy- rien, wenn man von Aegypten herfommt. PBolybius giebt eine ausführliche Beichreibung der Schlacht bei Raphia, in welcher Ptolemäus Philopater das Heer An⸗ tiochus des Großen ſchlug und weldhe auch in den Bü⸗ chern der Makkabäer erwähnt wird**), Es giebt noch Münzen von Raphia aus den Zeiten des Katfers Com⸗ modus. Der Bifchof Diefer Stadt war bei dem Eoncil zu Ephefus zugegen. Wenn man von dem Hügel hin- abfteigt, erblickt man in einer Vertiefung einen tiefen alten Brunnen, der noch jetzt Waffer hat. Drei um: geftürzte und eine noch aufrecht ftehende Säule von grauem Marmor bilden jegt die drei Seiten des Brun- nend. Eine von diefen Säulen ift fehr groß.

Bei Raphia beginnt das Land der Bhilifter, welches fih am Ufer des mittelländifchen Meeres hin erftrecdte,

*) Joſua 1%, 83. Euseb. Onomast. apud Hieron. ) 3. Makkab. 1.

46 Diertes Kapitel.

Die Wüften füdöftlich deffelben gehören zu dem foge: nannten fteinigen Arabien; dies ift Das Land Amalef, Edom und die Wüfte Berfeba, wo Hagar mit ihrem Sohne dem Berfehmachten nahe war.

Bon hier aus wird der Weg gebirgiger und fandi- ger und während der Hiße des Tages ſehr beſchwerlich. Bon Raphia bis zum Khan Zunus find nicht volle zwei Stunden Weges. Khan Junus wird von Herodot”), der e8 allein erwähnt, Jeniſus genannt; es tft ein ziemlich bedeutender Ort, mit Mauern und einem Thurme befeftigt, und Liegt auf einer Anhöhe am Rande eines Abgrundes. Kinige Gärten, Die anftatt der Mauern mit Cactushecken umgeben find, ziehen unwill- fürlich die Aufmerkſamkeit eines Reifenden auf fich, der aus der Wüſte fommt. Hier wäre Napoleon beinahe den Arabern in die Hände gefallen, als er, in der Mei⸗ nung, daß Khan Junus ſchon von feiner Avantgarde befegt jet, mit einem kleinen Detachement auf diefen Ort rüdte, Seitwärts von Khan Junus liegt das Dorf Bent Sele. Noch etwas weiter hin ift der Boden weni- ger fandig und eignet ſich mehr für den Aderbau, auch find die Felder fchon zum größten Theile bebaut. Eine Stunde vor Khan Junus hört die Kette von Sand: bügeln am Ufer des Meeres auf, das eigentliche Acer: fand beginnt und in den Thälern fieht man fehon ein- zelne große, ungeftalte Bäume; es find arabifche Fei- genbäume, eine Art indifcher Cactus, aber viel größer

*) Serodot III, 5.

Haruba. Scheith Zoheil. Raphia. Khan Junus. Gaza. 47

als Diefer. Wir ritten Durch das trocdene Bett eines Baches, Wadi Sileh genannt; vielleicht der Strom Thabata, bei dem Fleden deffelben Namens, den Hie- ronymus erwähnt, nad deffen Zeugniß bier der hei- lige Einfiedler Hilarius lebte, der von heidnifchen Eltern geboren war *).

Etwa drei Stunden Weges von Gaza, am Ufer des Meeres, liegt, von einem Palmenwäldchen umgeben, das Dorf Dair ul- Balah, an der Stelle des alten An⸗ thedon, welches Ptolemäus, Plinius und Sojephus er- wähnen und wo einft ein Bifchof feinen Sitz hatte. Wir haben noch Münzen diefer Stadt aus der Zeit Garacalla’s. Herodes verfchönerte die Stadt und nannte fie nach feinem Namen Agrippias,

Gaza, das auf einer Anhöhe liegt, kann man in einer Entfernung von zwei Stunden fehen. Wir ritten hier Durch das ausgetrodnete Bett eines Fluffes, Wadi- Gaza genannt, über welchen eine fteinerne, aber jept ziemlich verfallene Brüde von mehreren Bogen antiker Bauart führt. Dies tft wahrfcheinlich der Bach Befor, wo David den verfchmachtenden Aegypter fand, Der ihn zu Dem Lager der Amalefiter führte**). Der Fluß er- gießt fih nahe bei Gaza in das Meer. Zwifchen Gaza und den Meere zieht fi) eine Reihe von Sandhügeln hin, an welche fich die Gärten der Stadt anfchließen. Rechts von Gaza liegt der nicht unbedeutende Flecken

.*”) Hieron. in vita S. Hilar. Sozomeni, Hist. III, 14. 9 4. Samuel 30, 9 flg.

48 Viertes Kapitel.

Eſia-Eie, dem Anſcheine nach nur wenig kleiner als die Stadt ſelbſt, und gegenüber der Stadt erhebt ſich der ziemlich hohe Berg des Simfon, mit einigen Rui—⸗ nen und einer Mofchee. Dies ift der Berg, auf wel: hen Simfon die Thore von Gaza nebft deren Pforten trug*), nach den Worten der Schrift „der Berg von Hebron“, d. bh. an der Straße nad Hebron. Zu be merfen ift, daß auch ein Arm des Baches, welcher fich mit dem Wadi- Gaza vereinigt, bis heute noch Wadi- Samfon genannt wird **).

Durd) das Simfong » Thor ritten wir in die Stadt ein. Zur Erinnerung an jene biblifche Begebenbeit hat diefes Thor nur zwei fteinerne Pfeiler und man fieht nody die Stelle, wo die Pfoften ftanden. Bevor ic von dem Muſellim, dem id) meinen Ferman über: fandte, Antwort erhielt, hatte ich vollfommen Zeit, die griechifche Kirche der Stadt in Augenfchein zu nehmen, in welcher die Gebeine des heiligen Rorphyrius ruhen. Meine Karawane hatte auf dem Kirchhofe Pla genom- men und bald waren wir von einer Anzahl arabifcher Ehriften umringt, deren ſchöne und reiche Kleidung, die von einer gewiffen Wohlhabenheit zeugte, nach der Ar⸗ muth und dem Elende, denen man in Aegypten begeg- net, einen wirflich wohlthuenden Eindrud madıt. Der ganze Plag vor der Kirche ift mit Marmorplatten be-

) Buch d. Richter 16. **) Biblical researches in Palestine by E. Robinson and E.Smith. London 1844, Bd. 2, S. 388.

Haruba. Scheikh Zoheil. Rapbia. Khan Junus. Gaga. 49

legt, die, wie ic) fpäter erfuhr, einft den Tempel des ſyriſchen Götzen Marnion ſchmückten und auf Befehl der Kaiferin Eudoria zum Pflaftern des Kirchhofs ver- wendet wurden, Damit die Steine, aus denen der heid- nifhe Tempel erbaut war, mit Füßen getreten werden follten.

Das Heidenthum erhielt fich bekanntlich in Gaza Länger als in dem übrigen Syrien und noch im vierten Sahrhundert nah Ehriftus ftanden hier acht heidnifche Zempel*). Heute noch zeigt man die Ruinen des Dagontempels, welchen Simfon umriß.

Nach etwa einer Stunde erichien der Janitſchar des Muſellim mit der Einladung, in dem Haufe feines Herrn meine Wohnung zu nehmen. DiefesGebäude, einit Der Palaſt der Ehalifen, ift im reiniten Style arabifcher Architectur erbaut; alle Außenwände find mit buntem Marmor belegt, Thüren und Fenſter mit künſtlichem Schnitzwerk und verfehlungenen Muftern ähnlichen In— ſchriften verziert; aber alle diefe Herrlichkeit ift auf dem Wege des Berfalles, die Teppiche in den Zimmern find durch Schilfmatten erfeßt, Die Springbrunnen mit Sand verftopft und in einem ähnlichen Zuſtande be- finden fich alle Ueberrefte der ehemaligen Größe Gaza's feine Mofcheen und Bäbder.

Gaza wird im eriten Bud) Mofis als Grenzftadt des Landes Canaan genannt, in den Büchern der Kö- nige erfcheint es als Grenzftadt des Reiches Salomos.

*) Reland, Palestina. Traj. Batav. 1714, S. 793. Noroff's Reife nad Baläftina. 4

50 Vierte Kapitel.

Aus der Apoftelgefhichte erjehen wir, daß Gaza zur Zeit des Erlöfers, nachdem es von dem jüdifchen Kö— nig Alexander Jannäus zerftört worden war, noch wüfte lag”). Um diefe Zeit aber erhob es fich wieder aus jeinen Ruinen, und der Kaifer Auguftus fchenfte es, nachdem es wieder aufgebaut worden war, dem König Herodes. Im Mittelalter wurde es durch Balduin ILL. von Serufalem befeftigt. Lange Zeit war es der Sitz eines Bifhofs, und man vermuthet, daß Philemon, an welchen der Brief des Apoftels Paulus gerichtet ift, der erfte Bifchof von Gaza war, Hier in Gaza war eg, wo der Bilhof Silvanıs mit 40 Getreuen unter Diocletian die Märtyrerfrone erwarb, Auch bei den Muhamedanern fteht Gaza in hohem Anfehen, und fie halten es für den einen von den beiden Orten, melde im Koran Winterwohnung und Sommerwohnung ge- nannt werden, von denen man jene nach Jemen, Diefe nach Gaza verfegt, denn die Araber vom Stamme Ko: teifch, zu dem Mohammed gehörte, betrieben während der Wintermonate in Jemen ihren Handel, weil dort im Sommer die Hiße unerträglich ift, im Sommer hin- gegen in dem etwas weniger heißen Syrien. Nach der Anficht einiger arabifchen Schriftfteller ift Haſchem, der Großvater Mohammed’s, in Gaza geftorben und man zeigte einft dafelbft deffen Grabmal, weshalb auch die Araber dem Namen Gaza oft den Beinamen Hafchen hinzufügen **).

*) Apojtelgefh. 8, 26.

*) D’Herbelot. Bibl. Or. ed. 1777, 80. 2, S. 71.

Haruba. Scheikh Zohell. Raphia. Khan Junus. Gaza. 51

Arrian, von dem wir eine Gefchichte Alexander des Großen befiben, befchreibt Die Lage Gazas fehr richtig; er giebt ihre Entfernung vom Meere auf 20 Stadien an (etwa 1/, Meile). Die malerifhe Schilderung Torquato Taſſo's vereinigt das Wahre mit den Echön- beiten der Dichtung. Nördlich von Gaza war der Hafen, Majuma, auch Conſtantia genannt, Die heus tige Stadt fteht an der Stelle der alten Eitadelle; die alte Stadt nahın einen großen Raum ein, der jegt in eine Wüfte verwandelt tft, wie ſchon die Propheten ge- weifjagt haben *).

Der Fleden Efia-Eie, den wir vor Gaza gefehen hatten, lag ehedem innerhalb des Bereichs der Stadt, welche jeßt etwa 3000 Einwohner zählt und fehr belebt ist, weil beftändig Karawanen durdyiehen, die den Handel zwifchen Syrien und Aegypten verntitteln,

Ich machte dem Mufellim meinen Befuch, welchen er erwiderte; er felbft bewohnt nicht den ehemaligen Ehalifenpalaft, der mir ganz überlaffen wurde, und wo ih den größten Theil der Zeit auf der Terraffe zu- brachte, die fi) über die Stadt und die ganze Umge- gend erhebt. Hier fehweiften meine Blicke bald über die Gärten und die wüfte Steppe, bald über das end- loſe Meer oder zu den blauen Maffen der heiligen Ges birge Judäas. Dort, in der Richtung nad) Serufalem, fah ich am Morgen die Sonne emporfteigen und ver:

*) Jerem. 47,5. Zephanja, 2,4. 4

52 Biertes Kapitel.

richtete meine Morgenandacht, dorthin gewendet, wo einft die Sonne alünzte, Die nimmer untergeht!

Der Mufellim von Gaza bat mich, ihm ein fchrift- lihes Zeugniß über meine Aufnahme auszuitellen, welches er in Zukunft durchreifenden Nuffen zeigen fünnte. Unſere Beduinen befürchteten, man könnte ihre Kameele zu Zransporten für die Regierung auf: halten und wir erlaubten ihnen, auf ihre Bitten, eine Ichleunige Abreife in ihre heimatblidyen Wüſten. Die Reife mit Kameelen hatte in Gaza ihr Ende erreicht, und wir beftiegen, nacdydem wir von den guten Thieren Abſchied genommen, mit wirklichem Wohlbehagen und Sehr zufrieden mit dem Zaufche, Die muthigen fyrifchen Roſſe, und verließen Gaza um 10 Uhr des Morgens.

Fünftes Kapitel. Askalon. Gaza wird fahl werten, und Askalon,

ſammt ven liebrigen in ibren Grunten, verterbet. Ierem. 47, 3.

Wir ſchlugen den Weg nach Asfalon ein, einft eben fo wie Gaza eine der fünf mächtigiten Stüdte der Phi⸗ liter; e8 liegt aber jeßt nicht mehr an der großen Straße und nur wenige Reifende befuchen die Ruinen, die verlaffen und vergeffen an dem öden Strande des Meeres liegen. Dur das Simfonsthor verließen wir Gaza, auf der Straße, welche nad) Ramla führt. Es war Bairam und eine fröhliche Menge vergnügte fich an einem Marmorbaifin in der Nähe des Thores. Die Tracht der Sprer, felbit der Kinder, ijt außerordentlich maferifch und geſchmackvoll. In einer Allee von hoben Cactus, durch die wir zuerft ritten, begegneten ung viele Gruppen von Frauen, in weiße Gewänder gebüllt, die unferen Gruß mit einem freundlichen Salame erwi- derten. Die Cactusallee mündete in eine andere von bundertjährigen Dlivenbäumen,, die wir erft verließen, als wir von der römifchen Straße ab und auf den Weg

54 Fünftes Kapitel.

nad) Askalon einbogen. Als wir endlich den üppigen Wald hinter uns hatten, und eine Anhöhe hinanritten, breitete fi das judätfche Gebirge vor unferen Augen aus, wohin alle meine Gedanfen gerichtet waren. Hier fieht man bebautes Land; rechts liegt der Fleden Be: thanun, d. i. Bethelia, eine ehemalige Vorftadt von Gaza *). Die Einwohner diefer Borftadt befehrten fih früher zum Chriſtenthum als die der Stadt und erbauten eine Kirche, welche fie Bethelia, d. i. Gottes: haus, nannten. Ueber den Bach Sorek **), wo einft Delila lebte, der aber jeßt troden war, führt eine von Steinen erbaute Brüde. In der Umgegend von Gaza halten ſich viele Schafale auf, dies find die Füchfe, hebrätich Schuala, mit denen Simſon die Felder der Philifter in Brand ſteckte ***). Weiterhin famen wir durch das Dorf Darfenit und bei Beth - Dfehirdfche vorbei, welches rechts vom Wege liegt. Diefer Ort wurde vor einigen Jahren von den Einwohnern mit Mauern und einem Thurme befeftigt, als Schuß gegen die räuberifchen Einfälle der Beduinen. Drei Stuns den von Gaza famen wir durd das Dorf Barbara, von wo wir die Richtung nad) den Meere zu einfchlugen. Hier führte der Weg bergan, und als wir die Hügel fette erftiegen, erblidten wir vor uns am Meeresftrande einen hohen Sandhügel mit einer Ruine, welche man

*) Sozomenus Histor. V, 15. Nicht zu verwechfeln mit Bethel. »9) Buch der Richter 16, A. ) Buch der Richter 18, 4 fig.

Askalon. 55

die Moſchee nennt. Als wir die erſte Hügelkette übers fohritten hatten, famen wir in ein Thal, das zwar eben - fo fandig wie die Hügel felbit, aber mit grünen Saat— feldern bededt und von üppigen Olivenbäumen befchats tet war, Hier liegt das Dorf Nelia.

Bon der Spike des Sandhügels, auf dem wir die Ruine entdedt hatten, und den ich jo fehnell wie mög— lich hinanritt, ſah ich Die unendliche Fläche des mittel: ländifchen Meeres vor mir und auf'einigen Hügeln am Strande die Ueberrefte von Askalon. Hier überblidt man das ganze Echlacdhtfeld, wo Gottfried v. Bouillon im Jahre 1099 mit 20,000 Kreuzfahrern dus zahlloſe Heer der Aegypter angriff und mit einem Schlage zer: ftreute, im Angeficht des befeftigten Askalon und der Flotte der Uingläubigen. In den Annalen der Kriegs: kunſt verdient diefe Schlacht eine hervorragende Stelle, denn fie zeigt, welchen Vortheil der Angriff mit einen entichlojjenen und von einem. gefchieten Feldherrn ge: führten Heere gewährt,

Askalon Liegt auf fandigen Hügeln, die einen regel- mäßigen Halbfreis bilden und fih bis an das Meer hinziehen; die ganze Hügelreihe, die fid) nach dem Meere zu allmälig ſenkt, ift nit Feftungswerfen und Thürmen gefrönt. Die von den Mauern umfchloffene Stadt aber ift unbewohnt und Nichts als ein Trümmer⸗ haufen. Südlich von Askalon dehnt fih die Wüſte aus, deren glühende Winde die Ruinen mit ganzen Wolfen von Sand überfchütten, während an der nörd- lichen Seite fruchtbare Gefilde die Ruinen umgeben.

56 Fuͤnftes Kapitel.

Die Weinberge Askalons waren ſchon im Altertbum berühmt. Die Mauer ift aus feften, behauenen Stei- nen erbaut; in regelmäßiger Entfernung von einander find kleine horizontal liegende Säulen von Marmor der Quere nad) eingemauert, fo daß man zu beiden Seiten der Mauer die beiden Enden der Säulen fehen fann. Diefe Säulen find ficher Ueberreſte der alten Phififters ftadt und ihre Menge läßt auf die Größe derfelben Schließen. Diefer Marmor, der einit die Tempel ſchmückte, dient jeßt zur Verbindung der Mauern, die von Zage zu Zage mehr verfallen. An der füdlichen Hälfte des Halbfreifes, nahe dem Meere, befindet ſich ein mit Steinen und Wüſtenſand verfchütteter Brunnen, derjelbe, deffen Urfprung Drigenes in die Zeit Abras ham's ſetzt; Antonins Martyr bemerkt dazu, Abraham und Iſaak haben diefen Brunnen felbft gegraben und calumnia genannt*), ohne jedoch zu fagen, wes⸗ halb. Am Meeresftrande ift Das Bild der Verwüſtung noch ſchrecklicher; Manerfteine und umgeftürzte Säulen liegen bier der Brandung nusgefekt und die Marmor - und Granitſtücke werden durch die raftlos peitfchenden Wellen ansgehöhft,

Das fteile, unfichere Ufer des Meeres war durch Wände von Stein geſchützt; ein Riefenwer!! Auch in den Mauern am Strande findet man eine Menge jener horizontal eingemauerten Säulen, und da die

-.

*) ÖOrigenes contra Cels. lib. III. Antonii Martyris itinera- rium, 1640; auch in Acta sanctor. Martyr., Bd. II, S. 10.

Astalon. 57

Mauer an manden Stellen bis auf die halbe Breite zerjtört und von den Wellen abgeſpült ift, fo erſcheinen die hernorragenden Säulen beinabe wie Die Kanonen einer Zeitung.

Am Ufer von Askulon ijt fein bequemer Anferplag, aber etwas weiter abwärts lag die Hafenjtadt Majuma, zum Unterfchiede von dem gleichnamigen Hafen Gaza's die asfaloniihe*) genannt; der Hafen tft aber jetzt ganz verſandet.

Nachdem wir die ganze Stadt umgangen, ſtieg ich zu der Wohnung eines Derwiſches hinanf, die auf einer Erhöhung an der nördlichen Seite der Stadt in Schat— ten einiger Palmen und Cactus lag. Die Früchte dieſer Baͤume dienten dem Derwifch zur Nahrung, den wir jedoeh nicht zu Haufe fanden; doch konnten wir unferen Durft mit friſchem Waſſer löſchen, welches, nach den Vorfchriften der Gaitfreundichaft, fiir die Anz fommenden beftändig in einem großen Kruge von Thon, der an der Thür der Wohnung aufgeitellt ift, bereitge- halten wird **). Von bier ans drang ich in den Innern heil der Stadt, der, wie ſchon Wilhelm von Tyrus fagt, in einer Vertiefung liegt. Hier it Alles aufge mühlt und die Ruinen find von Gras und Buſchwerk übermudhert.

Die berühmte Schwärmerin, Ludv Stanhope, die Europa mit dem Orient vertunfchte, bat die Alterthümer

2) Relant 590. ) Poujoulat bat Diefen Derwiſch gefeben, Der Damals 102 Jahre alt war.

58 Fünftes Kapitel.

Askalons lange Zeit ausgebeutet. . Sie entdeckte die Fun- damente eines alten Tempels, ein Amphitheater, eine runde Galerie, eine prachtvolle Statue und viele Säu- len von Granit, Marmor und Porphyr. Eine diefer Süulen von rofenfarbenem Marmor ift von ausgezeich- neter Schönheit. In Askalon jtand ein Tempel der Iyrifhen Venus, Derceto. Mitten in dem Amphitheater war ein Brunnen, den man den Briumen des Friedens nannte; hier waren auch die drei Brüder begraben, welche bei der Chriftenverfolgung unter Dioeletian den Märtyrertod erlitten*). In Askalon ward Semiramis geboren und Herodes, der in Bethlehem die Kinder morden ließ, erblickte bier das Licht der Welt und hatte bier einen prachtvollen Palaſt. Nach dem Buche der Richter wurde Askalon vom Stamm Juda erobert, aber weder Zuda noch Simeon fonnten es behaupten. Die Askaloniten waren die verjtodteften Gößendiener und im beftändigen Kampfe mit Ifrael. - Hier erfchlug Simfon die 30 Philifter, deren Kleider er denen gab, welche jein Räthfel vom Löwen erriethen. David fingt in feinem Klageliede über den Tod Saul’8 und Yonas than’s: „verfündigt es nicht auf der Gaffe zu Askalon, daß fich nicht freuen die Töchter der Philifter ***) und die Propheten weiffagten den Untergang der Stadt***), Wir bemerken hier, daß Jeremias die Philifter als

*) Anton. Martyr. Itinerar. p. 24. ”) 2. Samuel. 1, 20. ") Amos 1, 8. Jephanja 2,4 Sacharia 9,8. Iere mins 41,5.

Adlkılon. 59

Nachlommen des Enal bezeichnet, von denen die Kunds ſchafter erzüblten *), melde Mojes in das gelobte Land ſchickte. Zur Zeit Abrabam's wohnten die Pbilüter zu Gerar, im Lande Askalon *). Daß die Philifter unter den übrigen Völlern des gelobten Landes den Vorrang bebaupteten, wobl auch in phyſiſcher Beziebung, erſieht man ſchon daraus, Daß Das Land von ibnen den Namen Palaͤſtina hat. An den Büchern Mofis werden jie, außer an der angeführten Stelle, nirgends ermäbnt.

An der nördlichen Hälfte Der Mauer, wo dieſelbe fib nad Oſten zuwendet, findet fib eine merfwürdige balbkreisförmige Ruine eines Tburmes, fiber Die licher: reſte Des großen Thores, oder Des Thores non Jeruſa⸗ lem, welches in der Geſchichte der Kreuzzüge erwähnt wird 4), Die ganze Külte Paläſtinas, einſt durch Handel und Schifffahrt belebt, iſt jegt von Fiſchern und Hirten bewohnt, denn „es ſollen am Meere bin— ab eitel Hirtenbänfer und Schafbürden fein!»

Die Zeitung Askalon war zur Zeit der Kreuzzüge Das fiherfte Bollwerk der Moslemen gegen Die Ebris ften, welches dieſe erft im Jabre 1153 unter Buls

) 4. Moſ. 13, 20. 33. 31. *) Africanus et alii apud Syncel. Potocki. Prineip. de chronol. Manche balten Gerar für Askalon. Relant 803. “) Poujoulat, Correspond. d’Orient. V. 386. +) Zepbanja 3, S—7. Ezech. 25, 16.

60 Fünftes Kapitel.

duin III. erobern konnten”). Die Ebenen Askalons find durch die Heldenthaten der Kreuzfahrer berühmt. Nachdem die Stadt durch Saladin zeritört worden, baute fie Richard Löwenherz wieder auf, aber fie ent- ging nicht ihrem gänzlihen Verfall, den Die Propheten geweiflagt hatten.

Wir übernachteten in dem Dorfe Dſchur, oder Dſchura, an der öftlichen Seite der Ruinen. Die Häufer der arabifchen Bewohner des Dorfes, Lehmhüt— ten mit einer Thür und flachem Dache, wie fchon vor Alters die Häufer der Bewohner Paläftinas**), waren ziemlich fauber. Das Innere der Hütte bildet einen einzigen Raum, nit einer Dede von Rafen, auf Balfen von Palmenholz, Die in manchen Häufern auf einem fteinernen Schwibbogen ruhen, welcher fchon einige Kenntniß von Baufunft verräth; häufig jedoch find die Balken nur mit Gras und Zweigen bededt, woraus ſich die Stelle im Evangelium St. Marcus erflärt, wo er- zählt wird, daß der Gichtbrüchige wegen Andrang des Volks durch eine Oeffnung im Dache herabgelaffen wurde ***). Gegenüber der Thür bildet dergußboden eine fleine Erhöhung, die mit Matten bededt iſt; Dies ift der fogenannte Diwan. Zu beiden Seiten deffelben befindet fih eine Art Schrein von Lehm, der das

*) Poujoulat, ibid. 388, widerlegt die Anficht Volney's, daß das Meer fih von Tag zu Tag weiter von Askalon zurückziehe und vermuthet, Daß Septerer ? das Ufer gar nicht ſelbſt gefehen.

») Hiob 4, 19. ») Ev. Murc. 2, A.

Askalon. 61

Anſehen eines Korbes hat, unten mit Niſchen, in denen Kochtöpfe und andere häusliche Geräthſchaften ſtehen, oben mit einem Behältniß für Getreide. Mein Führer erzählte mir Abends bei einer Taffe Kaffee und einer Pfeife Tabak, in ihren Büchern ftehe geichrieben, als Sultan Ibrahim el- Gurani den König Askul von Askalon befriegt habe, fei er von dieſem gefangen ges nommen und in dem Brunnen zu Askalon, den wir ges ſehen, als Gefangener eingefperrt worden.

Sechstes Kapitel. Asdod. Akkaron. Jamnia. Ramla.

Und ich nahm den Becher von der Hand des Herrn, und ſchenkte allen Völkern, zu denen mich der Herr ſandte ....; denen von Edom, Denen von Moab, den Kintern Ammon .. . . und ift alfo ihr Land zerftöret vor Tem Zorne tes Tyrannen, und vor feinem grimmigen Zorn. Zefaia 25, 17. 21. 38.

Bon Askalon fchlugen wir den Weg nad) Ramla ein. Als wir die erften Anhöhen erjtiegen, erblidten ‚wir eine üppige Ebene vor ung, in deren Mitte der Flecken Migdal liegt; das alte Migdal Gad*), an der Grenze des Stammes Juda. Hinter dem Dorfe Ha- mama**) ftreden fich weite Oetreidefelder aus. Auf den Wege fahen wir einen Brummen mit einer Infchrift aus dem Koran. Bald erreichten wir Asdod, auch eine von den fünf Fürſtenſtädten der Philifter***. Wie

*) Joſua, 185, 37.

, Poujoulat leitet dieſen Namen von einem arabifchen Worte ab, welches Taube bedeutet und führt eine Sage an, nach welcder Eemiramis von Tauben ernährt worden fein fol.

“*) Die fünf Fürftenitänte der Philifter waren Gaza, Askalon, Asdod, Gath und Akkaron.

Asdod. Akkaron. Jamnia. Ranıla. 63

mächtig einft Asdod war, erfieht man aus der Erzäb- lung Herodot's, nach welcher Pſammetich diefe Stadt erft nad einer neunundzwanzigjährigen Belagerung einnehmen fonnte. Hier war der vornehmfte Tempel des Dagon, deffen Bild, als die Bundeslade in den Tempel gebradyt wurde, umftürzte und zerbrach *). Diefe philiftäifche Gottheit wird auf Münzen halb ls Mann und halb als Fifch abgebildet, wie die Der: ceto von Askalon halb als Fiſch, halb als Frau**), und Diodor glaubt, daß deshalb die Syrer feine Fifche aßen ***, ine Legende erzählt, Die Stadt Asdod jei von einem Krieger Pharao's gegründet worden, der dem Untergange im rothen Meere entronnen und die Stadt nah dem Namen feiner Frau, Asda, genannt babe +). Die alte Stadt lag, nad) einer Tradition, welche ſich hier erhalten, auf einem jebt ganz wüften und mit wilden Mohn überwucherten Hügel. Seit der Götze vor der Bundeslade ftürzte, blieb der Tempel Dagons+t) verlaffen. Dies ift der Berg, wo Judas Makkabäus mit 3000 Streitern einer feindlichen Ueber: macht von 20,000 Mann eine Schlacht lieferte, in wel- cher er ſelbſt umfam, worauf fein Bruder Jonathan, um feinen Zod zu rächen, die Stadt und den Tempel

—— ——

2) 1. Sam. 8. *) Lucian de Dea Syra. »5) Diodor I, 4. 7) Steph. apud Reland 606. + 1. Sam. 8, 8.6. Amos 1,8. Zephanja 2, 4,

64 Sechſtes Kapitel.

Dagons verbrannte*). Der Apojtel Philippus wurde nad) der Zaufe des Kämmerers von dem Geifte „hinweg gerückt und ward gefunden zu Asdod, und wandelte umber, und predigte allen Städten das Evangelium ***). Zur Zeit der chriftlichen Herrfchaft war Asdod der Sig eines Bifchofs. Das jeßige Dorf Asdod liegt am Fuße des Berges, in einer hügelreichen Ebene; e8 hat etwa 500 Einwohner.

Nach kurzer Raft in einem Kaffechaufe fegten wir unferen Weg fort. Zwiſchen Asdod und dem Dorfe Barga famen wir durch einen ausgetrodneten Arm des Baches Barga. Die Begräbnißhöhlen in den Zellen: bügeln des Dorfes zeugen von der früheren Bevöffe- rung diefes Orts. Hier iſt vielleicht Das alte Akkaron zu fuchen, welches nach Eufebius zwiſchen Asdod und Samnia lag. Nach dem Buche Sofua war Affaron (oder Efron) nördliche Grenzitadt der Philifter ***) und wurde bei der eriten Theilung dem Stanme Juda zuerfannt, bei der zweiten dem Stamme Dan, nadıher aber von Zuda erobert; auf den Karten ift Die Lage nicht fiher angegebent). Ahasja fandte in feiner Krankheit Boten nad Affaron, um den Baal Cebub zu fragen, ob er von feiner Krankheit genejen werdet).

*) 1. Makkab. 9, 15 19.; 10, 84; 11, 4.

**) Apoitelgeih. 8, 39. 40. ») Joſua 13, 13.

+) Parchi J, S. 441, ſetzt es öftlih von Jamnia. +) 2. Buch der Könige 1, 2.

Asdod. Akkaron. Jamnia. Ramla. 65

Als wir die erſte Anhöhe erſtiegen, hatten wir eine herrliche Anſicht des judäiſchen Gebirges. Nach einer halben Stunde ritten wir durch einen Bach, der in den Chroniken der Kreuzzüge Sorek) genannt wird; es iſt aber nur ein Nebenfluß des in der Bibel erwähnten Sorek, welcher zwiſchen Gaza und Askalon fließt. Der Bach führt jetzt den Namen Sukrek. Zur lin: fen Hand ſahen wir auf einem einzeln ftehenden Berge den Fleden Ibne; die alte Stadt Jamnia (Jemne oder Jabne)**). Die Stadt hatte, ebenfo wie Gaza und Askalon, einen Hafen am Meere, wel- hen Judas Makkabäus fammt der Flotte verbrannte, Den Feuerfchein konnte man damals in Serufalem ſehen, welches 240 Stadien (6 deutfche Meilen) von bier liegt ***),

Jamnia gehörte ebenfalls den Philiitern, denen es, wie Gath und Asdod, vom König Uſia von Juda ab» genommen wurder). Es war einft der Sik eines Bifhofs. Auch ein jüdifches Synedrion und eine jüdifche Akademie waren bier. Einer der neueften Reifenden, der Begleiter Poujoulat's, iſt im Irrthum, wenn er Jabne oder Jemne für das alte Gath hält, welches ebenfalls eine der fünf Fürftenftädte der Phili— fter war und in der Gegend von Asdod und Jabne lag,

*) Boujvulat 375. *) Joſua 15, 46. Judith 2, 28. 1. Makkab. 4, 18. ") 2. Makkab. 12, 9. +) 2. Ebron. 26, 6. Noroff's Reife nach Palaͤſtina. 5

66 Sechſtes Kapitel.

deffen Ueberrefte aber jeßt gänzlich verfhwunden find; Doch hat fie Fürer im fechszehnten Jahrhundert noch gefehen ). In einem Thale, Durch welches wir kamen, fahen wir das Dorf Magara und von Ddiefem feit- wärts das Dorf Ager. Vielleicht nimmt eines Diefer beiden Dörfer die Stelle ein, an welcher Gath ftand, die Heimath Goliath's und einft von Enafs Kindern bewohnt.

Bon bier His Ramla zieht ſich eine unbebaute Fläche und die Weideplüße des Thales Beth Semes, durch welches die Bundeslade auf einem mit zwei jungen fäugenden Kühen befpannten Wagen von Gath zurüds gebracht wurde**), Don hier aus ficht man die Mis narets von Ramla hinter den Hügeln hervorragen. Bon Askalon bis Ramla find 8 Stunden Wegs. Es ift bemerfenswerth, Daß Diefes von den Arabern Phis fiftin, von den Hebräern Gath genannt wird, was zu der Vermuthung geführt bat, daß Ramla auf den Trümmern von Gath oder in Deren Nähe erbaut fei ***); glaublicher jedoch feheint es, daß der Name Ramla von dem Namen des Ortes abzuleiten ift, wo Sim

*) FZürer, S. 48. Vergl. auch Jac. de Vitriaco, in Gesta

Dei per Francos, p. 1071, welcher erzählt, daß die Kreuzfahrer auf einem Hügel, welcher Jbelin genannt wurde, aus den Trümmern von Bath cine Feftung erbauten. Vergl. auch G. Postelli Syr. desert.

“) 41. Samuel 6.

*) Parchi 1, S. 439. Ibn el- Wardi tab. Syr., p. 176. Abulfeda Annal., p. 135. Edrisi 1, 340.

Asdod. Akkaron. Jamnia. Ramla. 67

fon die Philiſter ſchlug, der im Buche der Richter Ra⸗ math Lehi genannt wird. Sicher hat der Name Ramla mit Ramath Lehi nicht geringere Aehnlichfeit wie mit Arimathia,

Ramla hat eine malerifche Lage, auf einer Anhöhe, zwifchen grünenden Gürten. Einige haldzerftörte Thürme aus den Zeiten der Kreuzzüge und einige Minarets ragen mitten zwifchen Palmen und Cypreſſen über die Stadt hervor. Ramla wird für das alte Arimathia gehalten“), wo Joſeph von Arimathia ge . boren war, der den Leichnam des Herrn begrub.

Wir ritten durch die verödeten Vorſtädte Ramlas, zwifchen Ruinen und Gärten hin, und gelangten endlich in das in der Mitte liegende Städtchen, wo wir nad) befchwerlicher Reife durch die Wüften zum erften Male wieder erquidende Ruhe in einem griechifchen Klofter fanden. Das Klofter, welches erft feit Kurzem reſtau⸗ rirt ift, zeichnet fi vor andern Gebäuden durch ges hmadvolle und dauerhafte Bauart aus. Der Abt war verreift und wir wurden vom Schaffner guftfreunds lich aufgenommen. Mir wurde eine Zelle angewiefen, auf einer hoben Zerraffe und von hochgewachſenen üppigen Palmen beſchattet. Die Zelle war in gothi- ſchem Styl erbaut, mit einem fchmalen gothijchen Fen⸗ fter, Durch welches nur ein mattes Licht eindrang ; rings herum an den Wänden war ein Diwan, mit TZeppichen

*) Dergl. Bd. 2, Cap. 8. Bonifac. S. 86. Neland, S. 8581. Robinfon III, 44. 8*

68 Sechſtes Kapitel.

belegt, und gegenüber dem über der Thür angebrachten Bilde der heiligen Jungfrau hing an der gewölbten Dede eine brennende Lampe. Unausſprechliche Rüb- tung ergriff meine Seele, als ich mid) vor dem heifigen Bilde bier allein fand; die Entfernung von der Heimath, die Mühfale der Reife, die Ungewißheit der Rückkehr verfchwanden und die Nähe Jeruſalems er: füllte allein mein bewegtes Gemüth. Die Ausficht von der Zerraffe war nad Often. Das ganze Land von Ramla bis an das Gebirge Judäa's, deſſen blaue Maſſen fih in der Ferne aufthürmten, lag vor mir.. Sch brachte hier einen Theil des Abends zu und unter: hielt mid), mit Hülfe eines Dolmetfhers, mit einigen Bewohnern Ramlas, Arabern und Griehen, die das Gerücht von der Ankunft einiger Europäer hierher ge: Iodt hatte. Später genoß ich die ganze Annehmlich— feit eines orientalifchen Bades und fehlummerte endlich ein, mit dem Gedanfen an Jeruſalem. Es war Freitag vor dem Sonntag Palmarım, den ich, von der Reile ermüdet, in Ramla feiern wollte,

Als ih mich am Morgen erhob, wurde ich durch die Ankunft unferes Eonfuls zu Zaffa, das nur drei Stun- den von hier entfernt ift, auf eine angenehme Weife überrafeht. Herr Moftras, der von meiner Ankunft gehört hatte, war fo gefällig, feine eigenen Pferde mitzubringen. Bon Ramla bis Serufalem find nod neun Stunden Weges. Obwohl es bereits elf Uhr vor Mittag war, fo entfchloß ich mich Doch, weil in der Nacht zwifchen Sonnabend und Sonntag die

Asdod. Akkaron. Jamnia. Namla. 69

Weihung der Palmen vorgenommen wird, zur fchnel- len Abreife nad) Jeruſalem. Ic dankte Herrn Moftras, ließ mein Gepäck zurüd und brad, im Vertrauen auf Die guten Pferde, gegen halb zwölf Uhr von Ranıla auf.

Siebentes Kapitel. ZIerufalent.

Und ih will mi nun von Herzen freuen in Gott. Xobet den Herrn, ihr feine Aus- erwählten, haltet Freudentage und preifet ihn. Lobe den Herrn um feine Gabe, und preife ven ewigen Gott, daß er deine Hütte wieder baue, und alle deine Gefangene wie der hole, daß du ewiglich dich freuen mögeſt.

Tobias 13, 8.9. 11.

Das heilige Gebirge Judäa's ift von Ramla durch eine weite Ebene getrennt, die wir auf unferen muthi- gen Roffen durchflogen. Ein Araber begleitete uns. Unterwegs verließ er uns plöglich, fprengte auf zwei uns entgegenfommende Fremde zu, zog ein Piſtol, zielte und ſchoß im vollen Reiten, wie es fohien, nad einem der Reifenden, wandte dann fein Pferd und ritt einige Male im Kreife herum, fo daß er den Weg der Reiſenden durchkreuzte. Einer derfelben trug die Klei⸗ dung des Klojters zu Ramla, es war der Abt, der die Begrüßung des Arabers, die uns in folches Stau- nen gefeßt hatte, mit freundlichen Lächeln und einer Handbewegung entgegnete. Wir wechſelten einige

Serufalem. 1

freundliche Worte mit ihm, dankten ihm für Die gaft- tihe Aufnahme im Klofter und erhielten die Einladung, bei unferer Rüdfehr wieder dafelbit einzufehren.

Mir war, ald athmete ich freier, als wir anfingen die heiligen Höhen Judäa's hinanzufteigen. Auf dem erften Abhange, linfs vom Wege, erblidt man das Dörfchen Amoas *), welches die chriftlichen Araber mit Unrecht für das im Evangelium erwähnte Emmaus balten. Bon der Höhe der Berge erblicdten wir die Ueberrefte des Fledens Latrun, wo nach der Legende der Miffethäter geboren war, der zur Rechten des Er; Löfers gefreuzigt wurde und dem ein einziger Seufzer der Rene die Pforten des Paradiefes erſchloß. Wir machten Das Zeichen Des Kreuzes und gewiß betete jeder von und, als wir vorüber zogen, in feinem Herzen: „Herr, gedenfe an mih, wenn du in dein Reich fommit!

Die Bergfehluchten wurden von Schritt zu Schritt enger und malerifcher, der Duft von Rofen und andern mir unbekannten weißen Blumen erfüllte die Luft und Heerden weideten an den fteilen Abhängen der Berge. Nach drei Stunden erreichten wir einen engen und fehr wilden Paß, wo wir nur langfam reiten fonnten. Einige alte Feigenbäume und Delbiume bezeichnen die Grenze der Gebiete von Ramla und Serufalem. Einige Male machten wir Halt an einem Brunnen, um unferen Durft zu Löfchen und die Bferde zu tränfen.

*) Siehe Bd. 2, Kap. 8.

72 Siebentes Kapitel.

Ohne uns aufzuhalten, ritten wir an dem malerifch auf Felfenhöhen gelegenen Orte Kariat- Eneb vorbei, wel- ches noch vor Kurzem ein Räuberneft des Abu -gofch war. Hier fieht man die Ueberrefte einer gothifchen Kirche, welche dem Propheten Zeremias geweiht war.

Eine Stunde nach der anderen entflob und id brannte vor Ungeduld, die heilige Studt zu erbliden ; immer wilder und fahler wurden die Gebirge, die röthlich blaue Färbung der Felfen verſchmolz mit den grünlichen Streifen der Moofe und brachte eine fehr hübſche Schattirung hervor.

An vielen Stellen war der Weg für Pferde faum gangbar. Bon einem Berge zum andern war id) in beftändiger Erwartung, Serufalem zu erbliden, aber immer höher wurden Die Berge, deren Farbe jetzt in das Röthliche fchimmerte. „Berge umgeben es“, fagte einft David von Jeruſalem. Schon fing ich an die - Hoffnung aufzugeben, daß ich die heilige Stadt noch vor Sonnenuntergang erbliden könne, und ritt meinen Gefährten weit voran, als mir ein Araber begegitete, der, wahrfcheinlich den Ausdrud der Sorge und Ungeduld, die fich auf meinem Geftchte fpiegelten, bemerfend, mir tröftend zurief: „bald! bald! * Erfreut fagte ich dem Araber alles Gute, was ich arabifch ausdrüden konnte. ALS ich noch eine Anhöhe erftiegen, lag Zerufalem vor mir! Die Zügel entfielen meinen Händen, weinend warf ich mich zur Erde nieder. Ach erfannte den Del- berg an feinen heiligen Delbäumen. Meine Gefährten, die mich hier einholten, fliegen ebenfalld von ihren

Ierufalem. 73

Pferden und warfen fih-zur&rde nieder. In ftummer Begeifterung, unverwandt Die Augen nach der heiligften Stelle des ganzen Erdenrundes gerichtet, gingen wir zu Fuße den Hügel hinab. Der Himmel war mitWolfen | bededt, ein Schleier der Trauer lag über Serufalent. .... Mein Führer fagte mir, wenn wir nicht Die Pferde beftiegen, könnten wir die Stadt nicht mehr erreichen, deren Thore mit Sonnenuntergang gejchloffen würden. Sch erſchrak, denn ich fürchtete, die heilige Stadt könnte, meiner Sünden wegen, vor mir verfchloffen werden, und eilte, die Stadt zu erreichen, um hier das volle Glück zu genießen, mein Gelübde erfüllt zu haben.

Wir ritten durch das feſte Thor von Bethlehem oder Jaffa und fliegen bald darauf vor der Wohnung des Patriarchen von unferen Pferden. Es war den 31. Mürz. Obgleich ein Sohn des Nordens, betrat ich Doc Serufalem als eine meinem Heizen nahe Baterftadt. Nach langem Aufenthalte unter Ungläubigen, war ich erfreut, mich wieder unter Glaubensbrüdern zu finden und unter dem Schuße der heiligen Bilder unferer Kirhe. Noch konnte ich faum glauben, daß ich dem Grabe des Heilands wirklich fo nahe fei; ich eilte nach dem Tempel, aber die Thür deffelben, von Moslemen gehütet, war noch verfchloffen. Der Metropolit [ud mich ein, ihn zur Frühmeffe zu begleiten.

In der Stille einer finfteren Nacht betrat ich zum erften Mal den Vorhof der Kirche zum Grabe Ehrifti. Beide Flügel der großen Pforte ftanden offen; unzäh- lige Zichter brannten vor den beiden großen heiligen

7A Siebentes Kapitel.

Bildern, welche die Abnahme vom Kreuze. und die Grablegung Ehrifti vorftellen. Am Eingange zur Zelle des Thürhüters fah ich einige Männer, die mit unter gefchlagenen Beinen faßen, mit der Pfeife im Munde, und Schach fpielten. Es waren Türken; Trauer erfüllte mein Herz ; Die Menge machte Plag vor unferen Janitſcharen und einige Schritte vor uns lag auf dem Pilafter ein Stein, mit gelber Marmorverfleidung und mit großen Lichtern umftellt es ift derfelbe Stein, auf welden der fromme Joſeph den Leichnam des Herrn in das Leichentuch hüllte. „Herr!“ fagte ich unwillfürlich, indem ich mich mit Thränen zur Erde niederwarf: „Herr, deine Leiden find noch nicht zu Ende! Die auf deinen heiligen Namen getauft und von dir erlöfet find, herrſchen fait über die ganze Welt, die Ungläubigen aber hüten deine Heiligthümer!“ Dod mögen die Chriften nicht darüber trauern, Daß Diefe Heiligthümer den Händen der Heiden preisgegeben find, bat Doch der Welterlöfer felbit, in feinem Erdenleben, nod) größere Schmad) erduldet!

Bei der Aufregung aller meiner Gefühle, in der ih mich befand, weiß ich nicht mehr, wie ich zu dem Grabe des Herrn gelangte; hier erft athmete ich leichter. Eine befondere Gapelle birgt die Grabeshöhle Ehrifti; dort floffen meine Thränen der Reue, und ich betete für die, welche mir das Leben gegeben und die Geliebten meis nes Herzens, Die verfchiedenartigen Gefühle eines reuigen Sünders und Ehriften am Grabe des Erlöfers, an Golgatha, an der Stelle, wo dag Kreuz ftand und

Jeruſalem. 75

an der Gruft des Grabes, laſſen ſich weder beſchreiben noch ausdrücken.

Die Frühmeſſe begann. Nicht allein das Schiff der Kirche war mit Andächtigen gefüllt, ſondern auch alle Capellen, Chöre und Galerien, ja ſelbſt einige Geſimſe waren mit Zuſchauern beſetzt. Das heilige Oſterfeſt fiel in diefem Jahre für alle Chriften auf einen und denfelben Tag. Das Schuufpiel, welcdes Diefe zahlloſe Volksmenge bot, deren Gefichtszüge eine Mufter- farte der Nationen aller Welttheile darftellten, war wirklich wunderbar.

Das Dumpfe Getöfe der Stimmen überrafcht und ftört anfänglich den europäifchen Chriften, der an die | feierliche Stille unferer Kirchen gewöhnt ift; allein bei dem Anbfi der unerfchütterlichen Andacht der Beten- den, die durch Nichts, was um fie herum vorging, ge: ftört wurden, erfehien das Getöfe wie Das Toſen des Meeres. ALS die Lichter angezündet wurden, bei der Weihe der Palmzweige, fahen wir erft, wie groß die Menge unferer Glaubensgenofjen war. Die Procef- fion, mit Zahnen nnd Palmzweigen in den Händen, bewegte ſich vom griechifchen Altar durch die heilige Pforte der Kirche zum Grabe des Herrn an der andern Geite der Kirche. Weltliche Berfonen, die fih am Altar befinden, fehließen fi), nad einer Verordnung des Metropoliten, der Beiftlichkeit an, um dem Ge- dränge der Menge zu entgehen; dieſer VBorfchrift zu * folgen, foftete mir nicht geringe Mühe. Die Broceffion wurde durch den mohamedanifchen Thürbüter geführt,

76 Eiebentes Kapitel.

der fich laut rufend mit einer Peitfche durch die Menge Bahn brach. Auf diefe Weife wird der demüthige Einzug des Erlöfers in Jeruſalem dargeftellt! Ich tröftete mich Durch den Anblick der mit Inbrunſt Ber tenden. Unzaͤhlige Hände ftredten fi von den Ga— ferien und Gefimfen nach den. heiligen Bildern und Fahnen aus und Mütter hielten ihre Säuglinge empor, damit fie Die flatternden Sahnen berühren könnten ein Bild, des heiligen Serufalem würdig !

. Abtes Rapitel. Der Iordan.

Da ging zu ibm hinaus die Statt Ierufnlem, und das ganze jüriiche Kant, und alle Laͤnder an den Jordan; und ließen ſich taufen von ihm im Jordan , und bekannten ihre Sunten.

Ev. Matth. 3, 5— 6.

Seit langen Jahren tft e8 in Jerufalen Sitte, an dem erften Zage der heiligen Woche zum Ufer des Jor—⸗ dan zu pilgern und fid) dort mit dem Waller der Er: löfung zu wachen, als Vorbereitung zu dem beiligen Sactament, ehe man fi) in die Kirche zum heiligen Grabe begiebt, wo man bis zum Zuge der Nuferftchung bleibt. Auch ich folgte der zahllofen Schnar der Gläu— bigen, Die zu dem Fluſſe hinaus walleten.

Schon am Borabende dieles Tages gewann Die ſonſt ziemlidy todte Stadt das Anfeben eines belebten Huandelsplages; ganze Reihen beiadener Kameele und Pferde zogen durch alle Straßen und die ganze Nacht hindurch hörte man Das Lärmen der ankommenden

Pilger.

18 Achtes Kapitel.

Nicht allzufrüh am andern Morgen verließ ich die Stadt, in Begleitung eines Dragomans des griechifchen Klofters. Unſer Weg führte durch den Schmerzensweg und Die Pforte von Gethfemane. Mit beflommenem Herzen ritt ich auf einem ſchön gezäumten Roſſe, zwi- [hen Zußgängern und Reitern, Die forglos und gleich- gültig auf dem ewig heiligen Pfade dDahinzogen, und ich gelobte in meinen Herzen, follte ich ein zweites Mal Diefen Weg ziehen, ihn ebenfalls zu Fuße zurüczulegen. Auf der Höhe, welche das Thal Joſaphat überragt, jaß im Schatten einiger Oelbäume der Mufellim von Serufalem, Aguboſch, einft ein wüthender Plünderer der Chriften. Er war von feinem Gefolge umgeben, und betrachtete, ruhig feinen Kaffee trinfend und feine Pfeife rauchend, die Menge, welche an dem Delberge vorüber nad) Bethanien hinaus 309.

Wie bunt auch die aus allen Nationen gemifchte Schaar war, Die, fo weit das Auge reichen fonnte, den Weg bededte, fo wurde mein Auge Doch durch Die Wild: heit der Gebirge gefeffelt, die bei den Höhen Betha- niens anfangen und fich bis zu dem Thale von Sericho hinziehen. Dies ift Die Wüſte des jüdischen Landes, wo einft die Stimme des Predigers erſcholl *).

In einer Felfenhöhle, gerade gegenüber den Leber; teften der Herberge, wo einft, wie die Sage erzählt, der barmherzige Samariter einfehrte, fahen wir den

*) Jeſaias 40, 3. Ev. Matth. 3, 3.

Der Jordan. 79

Mufellim Abugofch wieder, der ebenfall8 auf dem Wege nad dem Jordan war, um die Ehriften gegen einen _ möglichen Ueberfall der Beduinen zu fchüßen; er ſaß wieder auf feinem Teppich, tranf Kaffee und rauchte feine Pfeife. Er Iud uns ein, bei ihm zu verweilen und auszuruhen. Als er eine Landkarte in meinen Händen bemerkte, und erfuhr, wozu diefe diene, fragte er mich, ob man auf derfelben auch feinen Geburtsort, KariatsEneb, zwifchen Zerufalem und Ramla, finden könne. Wie groß war fein Erftaunen und feine Freude, als ich ihm den Ort zeigte! Alle Umftehenden mußten fih mit ihm freuen und fein Mund floß über von dem Lobe und Ruhme des Ortes, wo er das Licht der Welt erblickt hatte. Als, bei der Losreißung Syriens von der Türkei, Ibrahim die wichtigften Plätze Syriens erobert hatte, und Abugofch fah, daß Mehemed Ali gegen die Pforte die Oberhand behielt, fchiefte er feinen Sohn als Pfand der Ergebenheit nad) Aegypten, wofür er zum Mufellim von Serufalem ernannt wurde. Sein Bruder wohnt in Kariat-Eneb, welches der Familie Abugofch gehört und nennt fih Herr der Judäiſchen Gebirge. Eine andere als dieſe eingebildete Herrſchaft vertraut man ihm jedoch nicht an. Der Sohn Diefes Zepteren wollte Ibrahim ermorden, allein das Piftol, welches er ihm ſchon auf die Bruft gefeßt hatte, ver- fagte, und er wurde auf der Stelle von Ibrahim felbft in Stüde gehauen. Dies gefchah in dem Gebirge Judäa's, während eines Aufftandes in Jeruſalem. Ibrahim ſchickte dem Vater des Unglücklichen einen

80 Achted Kapitel.

Pelz und ließ ihm jagen, er wife, daß er an der That feines Sohnes feinen Theil habe.

Hinter den legten Höhen des judäiſchen Gebirges dehnt fih das weite Thal des Jordan aus, in der ganzen Großartigfeit der Wüſte, öftlih von den Mauern der wilden arabifchen Gebirge, im Süden durch Die unbewegte Fläche des todten Meeres be grenzt. Den Lauf des Flufjes erfennt man an einer, in der Wüſte Deutlich fichtburen Schlangenlinie von Strauchwerf und Bäumen. Die ganze Fläche war von der wogenden Menge bededt, überall wurden Zelte auf gefchlagen und aller Orten loderten Feuer. Ein neues Volk Iſrael in der Wüfte, aber leider zum gro Ben Theil Anbeter des goldenen Kalbes! Doch das fleine Häuflein der wirklichen Gläubigen zeichnete ſich deutlich vor dem großen Haufen aus. reife am MWunderftabe, Sünglinge und Jungfrauen mit dem Ge päck ihrer Eltern beladen, Mütter mit Säuglingen auf den Armen; fie hatten feine Zelte, wo fie ruhen konn⸗ ten, feine Teppiche, feine Weine des Libanon!

Mir zogen und von dem Getümmel zurück und ſchlugen unfer Zelt am Ufer eines Baches auf, gegen über einem halbzerftörten Thurme, den einige arabifche Hütten umgeben. Dies ift ein Ueberreft des alten Seriho! Wir lehnten alle Einladungen ab, und id feßte mich, mit meinem Landsmanne, Herrn E... an dem Ufer des Baches von Sericho nieder und betrach⸗ tete beim Untergange der Sonne bald die Berge Zu: däa's, unter Denen fich befonders der Berg der VBerfuchung

Der Jordan. 81

und des vierzigtägigen Zuftens auszeichnet, bald Die Kette der arabifchen Gebirge, wo Moſes vom Berge Nebo aus feine legten Blicke auf das gelobte Land und Diefe irdifche Welt richtete! Hier überrafchte ung eine jener prächtigen Rüchte des Orients. Lunge nod) unterhiel- ten wir uns im Dunfeln und verfanfen endlich in Träume, aus denen wir plößlich durch bellen Fudel- [dein und lautes Geſchrei aufgelchredt wurden. Ein lürmender Haufe verfolgte vier beinabe nadte, aber bes waffnete Beduinen, die ſich einer den andern mit Schwertern angriffen und mit Schildern vertbeidigten. Es war ein Spiel der wilden Wüſtenſöhne, die erfahren hatten, daß reifende Europäer ungelommen waren und die uns in der finitern Nacht auffuchten, um uns mit ihren Spielen zu unterhalten. Der Kampf wurde, beim Schalle der Handpaufen, mit großer Hiße geführt, und Funken fprühten von den Schlägen ibrer Schwer- ter. Unjere Neugier war jedoch bald befriedigt und eine Handvoll PBiaiter zerftreute endlich den Haufen. Bir empfingen noch den Befuch von zwei reifenden Engländern, die foeben vom Sinaigebirge durch das peträtjche Arabien und das Hauran angekommen waren und deren Unterhaltung uns lange feſſelte. Peträa ift durch Laborde's Reife ziemlich befannt und der Weg dorthin iſt jeßt weniger geführlih; man muß jedod) unter dem Schutze eines der Beduinenftinme reifen, welche Beträa bewohnen und von deren Angehörigen ims mer einige in El-Ariſch oder in Suez anzutreffen find. Auf dem Wege nach dem Jordan hatten wir uns Noroff's Reife nach Paliftina. 6

82 Achtes Kapitel.

von den übrigen Pilgern fern gehalten, weil mein Landsmann ©., den ich in Serufalem traf, zwei in Aegypten gekaufte Sclaven im Jordan taufen laſſen wollte. Ein Priefter aus Jeruſalem begleitete uns.

Sobald es anfing zu tagen, brachen wir nach dem Jordan auf; länger als zwei Stunden führte der Weg . durch eine unebene, wilde Wüfte, über weißlich graues Erdreich; die arabifchen Gebirge ftanden wie eine Mauer vor und. Die ganze Gegend öſtlich und ſüdlich von Jericho wird in der Bibel das Feld von Jericho genannt. Hier wurde der König Zedekia gefangen ge nommen, als er vor Nebufadnezar floh ). Auf diefer Ebene, zwifhen Sericho und dem Jordan, muß Gilgal gelegen haben, wo die Ifraeliten einen Altar errichteten, zur Erinnerung an ihren glücdlichen Uebergang über den Sordan. Die Stelle von Gilgal wurde noch im fieben- zehnten Jahrhundert dem Reifenden Cotovicus ges zeigt **) und der Abt Daniel, im Anfange des zwölften . Sahrhunderts, fah hier ein Klofter, welches dem Erz- engel Michael geweiht war, der Sofua vor der Erftür- mung erfchienen war ***),

In der Kirche des Klofterd wurden, wie der Abt Daniel erzählt, die zwölf Steine aufbewahrt, welde die Stämme Iſraels aus dem Jordan mitgenommen

*) Jerem. 39, 48.

*) Joh. Cotovicus, Itiner. Hierosolymitanum et Syr. Antw. 1619. 4, p. 311. E. Robinfon fand, wie e8 fcheint, auch noch Ruinen an diefer Stelle. Vergl. Bonifacius, S. 248.

») Joſua 5, 3—13.

Der Jordan. 83

hatten”) und die noch der heilige Hieronymus fah, wel: her ihre Zahl auf die zwölf Apoftel deutet**), Die Entfernung zwifchen Jericho und dem Jordan beträgt nad) Sofephus 60 Stadien (etwa 10 Kilometer), Wir famen durch das Bett eines ausgetrocneten Baches an einen öden Hügel, auf deflen Gipfel wir einige verfal- lene Mauern fahen; es find die Ueberreſte eines Klo- iters Johannes des Täufers. Gleich darauf erblicten wir das Dichte Gebüfch, welches die Ufer des Jordan bededt. Man vermuthet, daß dieſem Klofter gegenüber die Stelle ift, wo der Heiland fih taufen Tieß ***), welche durch ein Klofter bezeichnet war, das ſchon lange vor Juſtinian erbaut wurde und deſſen Mauern der Sordan befpülte.

Mein Herz fchlug ftärker, als wir uns dem Ufer näherten, und endlich fliegen wir im Schatten dich- ter Weiden- und Dleandergebüfche an den raufchenden Gewäſſern von unferen Pferden ab. Das Ufer war an diefer Stelle von den Wellen unterwühlt und ver: chiedene Arten von Weiden und Schilf, von Dleander

*) Die Reifebefchreibung des Abtes Daniel in den Reifen der Ruſſen im Auslande, herausgegeben von Sahoroff. St. Peters: burg 1837, 2. Ausg., Th. 1, ©. 34.

**) Bon diefen Ruinen haben fich bis jet Spuren erhalten, die man unter dem Namen Kaſr⸗Gadſchla kennt, |. Robinfon.

*) Procop. de aedif. V, 9. Fürer, S. 80. Bonifacius, S. 9. Nach der Erzählung Arkulf's, zu Ende des fiebenten Jahr: hunderts, war die Stelle der Taufe Chrifti durch ein mitten im Jordan errichtete Kreuz bezeichnet, bis zu dem eine fleinerne Brüde führte.

6*

84 Achtes Kapitel.

durchflochten und mit frifhem Epheu befränzt, neigten fih an beiden Seiten des Fluſſes zu den rafch fließen- den Gewäflern des gefegneten Jordan herab. Die Luft war mit Wohlgerüchen gefchwängert und Die ganze Landſchaft erfreute Die Seele. Rings um uns lag die ftille weite Wüfte, von den judäifchen und arabifchen Gebirgen begrenzt. Im Schatten dichter Weiden und Tamarinthen figend, bald den heitern Himmel, bald das Ufer betrachtend, las ich das erfte Kapitel im Evangelium des heiligen Marcus und das diefem ent: Iprechende Kapitel im Evangelium des heiligen Johan: nes, während unfer Aegypter das Sacrament der bei: ligen Zaufe erhielt, und bald durfte auch ich mich in die Fluthen des Jordan tauchen.

Es iſt nicht unwahrfcheinfich, daß der Uebergang der Kinder Sfrael unter Joſua an derfelben Stelle ftatts fand, an welcher nad) einer höhern Beftimmung der Heiland der Welt getauft werden follte; diefe Stelle war ſchon beftimmt, als die Waffer des Sordan fich, gleich denen des rothen Meeres, vor der Bundeslade theilten *).

Man vermuthet, Daß die zwölf Steine, welche von den zwölf Stämmen Iſraels zum Andenken an Diefe Begebenheit mitgenommen und aufgeridytet wurden, diefelben waren, auf welhe Johannes der Täufer deu- tete, als er zu den. Pharifäern und Sadduckern ſprach: „Gott vermag den Abraham aus diefen Steinen Kinder

*) Joſua 9, 3 und 4. 4 Mof. 33, 50 52.

Der Jordan. 85

zu erwecken“*). Zu bemerken iſt, Daß der Name des Drtes Bethabara, am andern Ufer des Jordan, gerade gegenüber der Taufftelle des Erlöfers, im Hebräifchen Huausdesleberganges bedeutet**). Die Stelle, wo das Klofter Johannes des Täufers fand, nennen die Araber Kaſrel Jehud, d.i. Schloß Judas ***), Johannes Mofchus fagt, Sohannes der Täufer habe während feines Aufenthaltes in der Wüſte in einer Höhle gewohnt, die unweit des Ortes Sapfas an der andern Seite des Fluffes in der Nähe eines Baches lag, welcher fi) in den Jordan ergoß +).

Elifa und Elias haben das Wunder Joſua's wie- derholt, indem fie trodenen Fußes durch den Sordan gingen, und zum Zeichen der Fünftigen Weihung diefes Zluffes wurde Naeman, der Feldhauptmann des Königs zu Syrien, durch das Waſſer des Jordan vom Ausfag geheilt +}).

*) Ev. Matth. 3, 9.

*) Reland, p. 626. 27. Gin Beweis, daß die Lesart Bn9avic, Ev. Joh. I, 28, unrichtig if. Aud an der Etelle des Buches Joſua, Kap. 18, Vers 22, wo die Ortichaften am Jordan aufgezählt werden, leſen wir in den bejjern Handſchriften der griechi⸗ fchen Ueberſetzung Bethabura.

»9 Robinſon I, cp. II, 257.

+) Joh. Moſchus, Geiftliche Weite, Kap. 1. Moſchus nennt den Bach Horif; es ift wahrjcheinlich ver Wadi Eeir, der der Taufſtelle gegenüber, etwas nördlich, in ven Jordan fällt.

rt) 2. Bud d. Könige, Kap. 8.

86 Achtes Kapitel.

Der Jordan entipringt am Fuße des Antilibanon in der Landſchaft Trachonitis, aus einer Felfengrotte am Berge Panius, die mit dem kleinen See Phiala in Verbindung ftehen foll, in der Nähe des Städtdyens Paneas, und Die Länge feines Kaufes tft Diefelbe, welche der Allerhöchfte dem Lande Sfruels beftinmte, von Dan bis Zoar, oder Sigor*), d.h. bis an das füdliche Ende des todten Meeres. Den hebräifchen Namen Jordan erklären Manche als eine Zufammenztehung des Na- mens feiner beiden Quellen, Jeor und Dan, von denen die legtere nad) der in ihrer Nähe gelegenen phönizi— fhen Stadt Dan genannt fein foll; der Name Jordan ift jedoch erweislich um Vieles älter, ald der der Stadt Dan **) und bedeutet im Hebräifchen das Fließen oder Fluß. Der Fluß wurde mit diefem -allgemeinen Na- men benannt als der bedeutendfte im ganzen Lande, dem fein anderer zur Seite geftellt werden fann, Der Sordan durchftrömt die ausgedehnte, fehr fruchtbare Ebene el-Ghor, dDurchfchneidet zwei Seen, den Samo⸗ donitis oder Merom, jet el-Hule, und den See Tibe- rias, oder das galiläiſche Meer, und ergießt ſich in das todte Meer. Bor dem fehredlichen Strafgericht, welches der Zorn Gottes über die fünf Sordanftädte verhängte, feßte er feinen Lauf wahrfcheinlich bis an das rothe Meer fort, durch das Thal, welches ebenfalls den Na- men el⸗Ghor führt, und fi bis an den Meerbufen

*) 5. Mof. 34, 3. *) Reland.

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Der Jordan. 87

von Akaba erſtreckt). In dieſem alten Bette des Jordan zogen, wie man vermuthet, die Kinder Iſrael von der finaitifhen Wüſte her in das Land der Ver—⸗ heißung. Die Breite des Jordan beträgt im Durch— fhnitt nicht mehr als 60 Fuß, die Tiefe etwa 7 bie 8 Fuß; im Winter tritt er, in Folge heftiger Regen- güffe, nicht felten aus feinen Ufern; Dies war aud) der Fall, als Zofua das Volk himüberführte **). Der Fluß ift reich an Fiſchen; kurz vor feiner Mündung in das todte Meer jedoch ift das Waſſer bitter und die Ufer flachen fi allmälig ab. Der Gefchmad des Sordan- waflers ift angenehm, im Sommer ift es flar, im Herbſt, Winter und Frühling aber trübe, wegen der vielen Erdtheile, Die der reißende Strom mit fid) führt. Die Araber durchſchwimmen den Fluß fühn, in voller Waffenrüftung, felbft auf ihren Pferden figend, und die wilden Beduinenftämme kommen aus ihren kahlen Ge- birgen des peträifchen Arabien mit ihren Heerden, um einige Tage an feinen fchattenreichen Ufern zu fehwel- gen, wo fie nicht felten andere Säfte aus ihrer Heimath treffen, nämlich Tiger und Löwen, die durch den Durft und die Heerden hierher gelodt werden, Dann ent brennt ein heißer Kampf, zu dem dieſe moabitifchen Hirten immer gerüftet find, da fie ihre lange Flinte, Lanze und Dolch niemals ablegen. Schon die Pro-

*) Burdhard, Nubia, in den Anmerkungen. ©. Robin: fon 298 und nach neuern Erörterungen d. Brief e. Buch's bei E. Robinſon I. Bd. II, 673.

») Joſua 3, 48.

88 Achtes Kapitel.

pheten fprechen von den Löwen am Sordan*), Bei den arabifchen Schriftitellern heißt der Fluß el- Ardun, in der Bolfsiprache wird er gewöhnlich eſch-Scheriat el-Kebir genannt.

Mein Reijegeführte verließ mid) hier, um fid) nad) dem todten Meere zu wenden; ich hingegen befchloß dDiefe begeifternde Einfamfeit noch genauer zu durch forfchen und wandte meinen Fuß wieder nad) Jeruſalem zurück, voll von Gefühlen, welche die Wildheit dieſet Einöde in mir erweckte. Die Jordanebene, vor Kurzem noch Durch eine wogende Menge belebt, war jeßt wieder ſtill und einfam wie gewöhnlih: das an vielen Stellen und auf einer langen Strede verbrannte MWüftengras bezeichnete die Lagerftätten des Volkes Iſrael ....

In geradeſter Richtung ritten wir dem jndäi—⸗ ſchen Gebirge zu, deſſen Fuß wir an einer Stelle er⸗ reichten, die etwas näher nach dem todten Meere zu “Sag als nad) Jericho. Oft noch blickten wir, als wir die Höhe erflommen, nach dem Gefilde des Sordan, den arabifhen Gebirgen, der glänzenden Fläche des todten Meeres zurück, bis die Gebirge dieſe Landfchaft unfern Augen entrüdten ; eine brennende, todte Schlucht lag vor mir. Durch einen fhmalen Engpaß gelangten wir wieder auf Die Heerftraße und kamen bald darauf an der Herberge des barmherzigen Sumariters an, wo

*) Jerem. 49, 19. Zachar. 11, 3. Vergl. auch die Reife des Abts Daniel, S. 18.

Der Iortan. 89

wir am Tage zuvor mit Abugofch geruht hatten. An den Felſen des Bergpfades waren einige Kreuze einge- hauen, die meine Aufmerkſamkeit erregten; bier fol die Stelle fein, wo der barmherzige Samariter den unter Die Räuber gefallenen Wanderer fund.

Bon der Hiße des Tages erfchöpft, ftiegen wir von unferen Pferden, um im Schatten der Felfen auszu: ruhen; aber wir fanden feinen Tropfen Waller mehr in unferem Dfehar und mußten unfere miüden Roffe' fehr bald wieder befteigen, um fchneller zu einer Quelle zu gelangen, die nody über eine Stunde Weges von bier entfernt ift. An dieſer trafen wir einige zurüd- gebliebene Pilger, welche gierig aus der Eifterne tranfen. Man denke fid) meine Ueberrafchung, als id) in einen: derfelben, der mit einem rothen Hemde be— fleidet war, einen ruffifchen Bauer aus dem Dorfe Ro⸗ gatfchef, im Dimitrieff’fchen Kreife des Gouvernements Moskau, erkannte, den nächſten Nachbar meines väterlichen Haufes! Unſer Zufammentreffen und Er _ fennen war ficher nicht weniger rührend, als das des Aeneas und der Andromache auf den Auinen Troja's.

Noch vor Sonnenuntergang war ich wieder in der ftillen Zelle des Klofters zu Jeruſalem.

Henntes Aupitel. - Jerufalem.

Das ift Ierufalem, die ich unter die Heiden gefeßt habe, und rings um fie her Länder.

Hefetiel 5, 5.

Das Land zittert, und alle die darinnen wohnen, aber ich halte feine Säulen feft.

Bi. 75, 4.

Ehe ich an die Befchreibung Serufalems gehe, muß ich Den Leſer mit der Lage diefer heiligen Stadt befannt machen, und mich mit ihm über das geheimnißvolle Schickſal derfelben unterhalten.

Welche Stelle könnte zu diefer Betrachtung, zu Dies fen Erinnerungen paffender fein, als Die, wo der Er- löfer fo gern weilte, wohin er fih mit feinen Süngern zurüdgog: „Er ging hinaus, nad) feiner Gewohnheit, an den Delberg "*), „und er lehrete des Tages im Tem⸗ pel, des Nachts aber ging er hinaus und blieb über Naht am Delberge ***). Eine malerifche Stelle! Vom Delberge fieht man die ganze Stadt Serufalem

*) Luc. 22, 39. **) Luc. 21, 37.

Jeruſalem. 91

und die Umgegend vor ſich liegen hier beginnt der Weg der Erlöſung des Menſchengeſchlechts. Setzen wir uns in dem Schatten dieſer hundertjährigen Del: bäume nieder, gerade gegenüber dem Zempel*), wo Jeſus den Untergang der Stadt weiffagte und fo rüh— rend über Serufalem klagte: „Jeruſalem, Serufalen, die du tödteft die Propheten und fteinigeft die zu dir gefandt find!" Hier gegenüber ſieht man die Stelle, wo Stephanus gefteinigt wurde „wie oft habe id) deine Kinder verfammeln wollen, wie eine Henne vers fammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel und ihr babt nicht gewollt“. Und wie fehredlich tönen in Diefer Einöde die Worte: „Siehe, euer Haus foll euch wüfte gelaffen werden !“**),

Der hohe Priefter Melchiſedek (das biblifhe Sym- bol des Erlöfers) gründete Jeruſalem, welches er Sa⸗ lem nannte, d. i. Friede; fo erzählt die Tradition aller orientalifchen Völker, welche noch hinzufeßt, daß Melchifedef die irdifchen Lleberrefte Adam's, welche Noah mit in die Arche genommen, nach Jeruſalem ge: bracht habe***), Die orientalifhe Sage, weldye an⸗ nimmt, daß Sem zu Abrahanı’s Zeit noch am Leben wart), macht diefen mit Melcyifedek zu einer und der- felben PBerfon, denn der Name Melchifedef bedeutet

*) Ev. Marc. 13, 3. +) Ev. Matth. 23, 37. 38. +) Faſt daſſelbe erzähft auch Tertullian, lib. II contra Mar- cion.

+) Bergl. 1. Mof. 11, 11.

92 Neuntes Kapitel.

„König der Wahrheit“ und ift der Beiname Des Sem, den diefer wegen feines gerechten Lebens und der An- betung des wahren Gottes auf dem Berge Morija er- bielt*),, an derfelben Stelle, wo fpäter Iſaak geopfert werden follte, als ein Sinnbild der Erlöfung durch Chriſtum.

Die Gründung Jeruſalems, wo unſere Erlöſung vollzogen wurde, war, nach den Worten David's, von dem Könige der Könige beſtimmt, im Mittelpunkte der Erde; womit auch die Worte des Propheten Heſe⸗ fiel übereinftinmen: „So fpricht der Herr Herr: das ift Serufalem, die ich unter die Heiden gefegt habe und rings um fie her Länder**).“ Auch die Erdfunde zeigt uns Serufalem im Mittelpunfte der alten Welt, und die orientalifchen Völker nehmen an, daß es im Mittelpunfte des Erdfreifes liege***). Alle Völfer der Welt werden einft jich hier verfammeln, an dem Mittel: punkte der Welt, wo EChriftus einft gen Himmel fuhr und wo er einft wieder herniederfteigen wird +), und wir Alle werden dann Serufalem fchauen.

Das Gebirge Juda, welches fi) von der Ebene von Ramla bis an den Jordan zieht, fchneidet in der Mitte Des Weges dorthin ab und bildet ein Hügelland, in welchem Serufalem liegt, umringt von Bergen, wie

*) Abrah. Peritsol. Itinera mundi. Oxon 1691, S. 17. *5) Heſek. 5, 5. " ***) Vergl. d’Herbelot s. v. Scheith.

+) Apoſtelgeſch. 1, 11.

Jeruſalem. 93

ſchon der König David fagt*. Die Hochebene von Jeruſalem erhebt fi an 2500 Fuß über die Meeress fläche.

Serufalem ift auf drei nicht unbedentenden Anhöhen erbaut, Alta, Zion und Morija. Zwifchen der Ara und Morija war früher ein breites Thal, das Tyros pöon, welches aber jegt theils verfchüttet, theils über: baut if. _ Bon der weitlichen Seite, wenn man von Ramla berfommt, bietet die Stadt feinen großartigen Anblick, aber von Often und Süden gefehen erjcheint fie auf den fteilen Abhängen in ihrer ganzen föniglichen Pracht. Ein tiefes, malerifches Thal, in deffen Grunde | der Bad) Kidron fließt, trennt Die Stadt von den ge- genüberliegenden Felfen.

Der Berg der Himmelfahrt, oder der Oelberg, ift der höchſte von den Bergen, weldye Zerufalem umgeben; von bier aus wollen wir unfere Rundſchau beginnen. Er liegt gerade gegenüber dem Tempel Salomo's gegen Morgen, wie fhon der Prophet Sucharja fügt, wo er den Untergang der Stadt weiſſagt: „Und feine Füße werden ftehen zu der Zeit auf Dem Delberge, der vor Serufalem liegt gegen Morgen “**. Bon dem Gipfel diefes Berges, ein wenig über der Stelle, wo der Er: (öfer zum Himmel auffuhr, bat man eine weit ausge- breitete Ausfiht. Im Hintergrunde, öftlidy nad) Ga- liläg zu, erhebt ſich eine Reihe wilder Gebirge, Die

*) Palm 125, 2. Jeſaias 2, 2, +) Sacharja 14,4. Ev. Marc. 13, 3.

94 Neuntes Kapitel.

von den Kalffchichten, mit denen fie durchfurcht find, wie mit Schnee bededt erfcheinen. Zur Linfen, nad Süden zu, ift Das Land eben fo wild, nur iſt die Kette der Berge, unter denen man den Berg der VBerfuchung oder des Aergerniffes unterfcheidet, plößlich Durch eine wüfte Fläche unterbrochen, wo man bei hellem Wetter einen Theil des todten Meeres und am Rande der Wüfte fogar eine Linie von Gebüfchen jehen kann, welche den Lauf des Sordan bezeichnen. Im Hintergrunde, ganz am Rande des Horizonte, ziehen fich Die ſchwarzen Ge- birge Arabiens hin. Zur Rechten, gegen Norden, hinter ‚einem Fleinen Abhange, erblict man das Gebirge Juda, mit zwei hervorragenden Berggipfeln, auf denen man einige Ruinen unterfcheiden kann ; es find der fogenannte Berg Samuel's und der Berg Soba. Gerade vor, jenfeit des tiefen Abgrunds, überblidt man Se: ruſalem.

Dieſer Abgrund, der mit Gräbern wie beſäet iſt, iſt das Thal Joſaphat; das Waſſer, welches auf ſeinem Grunde dahin fließt, iſt der Bach Kidron. Sieht man von hier aus die Stadt, mit ihren Kuppeln und Mi— narets, ihren Mauern und Thürmen, den Straßen, Die hineinführen, fo möchte man glauben, daß Drinnen ein reges Leben herrſche aber wie ift Alles fo öde und leer! Kaum fieht man hin und wieder ein fchwer be⸗ ladenes Kameel, von einem halbnadten Araber geführt, langfam dahin fchreiten, oder das weiße Gewand einer moslemifchen Frau, Die ihre geliebten Todten betrauert, einem Gefpenfte ähnlich, zwilchen den Gräbern hin-

Jeruſalem. 95

ſchlüpfen, oder einen vom Alter gebeugten Mönch, der, mit dem Hirtenftabe in der Hand, einen aus weiter Ferne gefommenen Pilger fchüchtern nad) den ver: wüfteten Heiligthümern geleitet.

Diefe- Dede, dieſe Stille, die weder Durch das Mur⸗ meln eines Baches, noch durch das Säufeln der Blätter oder Das Lärmen der Menfchen unterbrochen wird, ift erhebend, feierlich !

Die Natur felbft erfcheint hier, wie die Menfchen, in einer ewigen Erwartung des jüngften Tages und die Dentfteine fcheinen nur deshalb von den Gräbern weg- gerückt zu fein, um die Todten zu befreien!

Der Delberg felbft befteht aus einer mit Feuerftein gemischten Kreidefhicht. Unter dem Gipfel, gerade gegenüber der Stadt, fteht in einem Dlivenwäldchen eine fchlecht gebaute Moſchee, gerade an der Stelle, wo der Erlöfer zum Himmel emporftieg. Einft ftand bier eine fehöue, von Der Kaiferin Helena erbaute Kirche. In der Mitte eines von vier Mauern umgebenen Hofes fiebt man ein Gebäude von weißem Marmor, mit doris hen Säulen. Hier zeigt man auf dem von einem Felsſtücke gebildeten Fußboden die Spur eines linken menfchlichen Fußes, die lebte Spur des Heilands auf der Erde*). Bon bier aus erhob er fih, von den Menfchen verwundet, gen Himmel, das ganze Men- ſchengeſchlecht ſegnend. Die Kuppel des Gebäudes ift

*) Sulpit. Sev. ed. Elzevir, p. 101. Euseb. Hist. eecl. VI, 10.

96 Neunted Kapitel.

oben offen, damit, nad) dem Willen der Erbauerin, der heiligen Helena, die Betenden von hier aus den Him- mel fehen können, der den Menfchenfohn aufgenommen hatte. Auch der heilige Eyrillus jagt, der Delberg zeige ung, indem er und an die Himmelfahrt des Er- löfers erinnere, den Weg zum Himmel, dem Erlöfer nah”). Den andern Zußitapfen des Heilands haben die Türken in die berühmte Moſchee Omar's gebracht, welche jeßt an der Stelle des Salomonifchen Tempels ftehbt. Viele haben dies leugnen wollen, und Cha- teaubriand fügt, daß auch der Mifftonär Roger fi beftinnmt dagegen ausfprehe. Da den Chriften der Eingang in die Mofchee Omar's verboten ift, fo fonnte diefe Frage nicht entfchieden werden ; mir war es jedoch möglich, für meine Perfon eine Ausnahme von dem Verbot zu erlangen, und id) habe in der Mofchee el- Akhſa, dem ehemaligen Tempel zur Opferung Mariä, den zweiten Zußftapfen des Herrn mit eigenen Augen gefehen **).

Aus den Fußſtapfen Ehrifti hat man den Schluß

*) Cyrill. Catech. 14.

*) Nur Bonifacius, deſſen Buch von Denen, welche in neuerer Zeit über Baläftina gefcehrieben Haben, wenig benugt worden ift, fagt, Daß der andere Zußitapfen Ehrifti in den Tempel Salomonis gebracht worden fei, unter welchem Teßteren er die Mofchee Omar's verfteht. S. 64. Liber de perenni cultu terrae sanctae et de fructuosa ejus peregrinatione. Auctore Fr. Bonifacio Stephano Ragu- sino praedicatore apostolico et Stagni Episcopo. Venetiis ex typ. Gucrraea 1573. 8. min. VIII., 286 pp. -

Ierufalem. 97

gezogen, daß er bei der Himmelfahrt fein Geficht nach Norden wendete, als ein Zeichen, daß er den durch Sünde und Bosheit befledten Süden verläßt und die Völker Des Nordens beruft, Die Gößen und ihre Tempel zu zerflören und das Zeichen des Kreuzes zu erhöhen auf den Mauern Serufalems *); wie der Prophet Sere- mias gefagt hat: „Denn feit der Zeit dieſe Stadt ge: bauet ift, bis auf diefen Tag, hat fie mic) zornig und grimmig gemacht; daß ich fie muß von meinem Ange- ficht wegthun, um aller der Bosheit Willen der Kinder Iſrael .... fie haben mir den Rüden und nicht das Angeftcht zugefehrt, wiewohl ich fie ftets lehren ließ; aber fie wollten nicht hören, noch fich beffern **). Die Stelle der Fußſtapfen Ehrifti auf dem Oelberg ſtimmt mit der Erzählung des Ev. Lucas überein, daß die Himmelfahrt auf dem Wege nach Bethanien ftutt- gefunden ***), welches an- der füdöftlichen Seite des Berges liegt}). Zur Zeit des heiligen Hieronymus ſah man fchon aus der Ferne das Kreuz auf der Kirche des Delbergs. In den unterirdifchen Gewölben des Gebäudes, welches an die Mofchee des Delbergs ftößt,

*) Chateaubriand, nach Quaresm. II. 314. 318. **) Jeremias 32, 1— 33; 2, 27. Ev. Luc. letztes Kap., V. 50. +) Denen, welche daran zweifeln, daß die Himmelfahrt auf dem Oelberge ftattgefunden zu ihnen gehört auch der gelehrte Forſcher Robinfon, führe ich hier noch Die Worte der Apoſtelge⸗ fhichte an, Kap. 1. 12, wo ausdrücklich gefagt it, Die Apoſtel feien von dem Delberge wieder nach Jerufalem zurüdgegangen. Vergl. auch unten Bd. II, Kay. 2 Bethanien. Noroffs Reife nad Paläftina. - 7

98 Neuntes Kapitel.

zeigt man in einer Höhle da8 Grab der heiligen Pela- gia von Antiochien, die ihren heidnifhen Eltern, der Ueppigfeit und Sünde entfliehend, ihre Tage hier mit Faften und Gebet beihloß *).

Den Oelberg nannte man auch den Berg des drei- fachen Lichtes, weil er von den Strahlen der aufgehen: den und der untergehenden Sonne und des Nachts von dem Scheine der Lichter im Tempel erleuchtet war, Neland erzählt, daß auf feinem Gipfel der Eintritt des Neumondes bei einem Feuer von Delzweigen gefeiert wurde und Quaresmius fagt, der Berg werde in den älteften Handichriften der Apoftelgefchichte „Berg der dreifachen Beleuchtung * genannt**), Er hat drei Gipfel, der mittelfte ift der der Himmelfahrt, der zweite, nad Bethanien zu, heißt der Berg des Aergerniffes, weil hier der König Salomo, feinen Frauen zu Gefallen, dem Moloch und anderen Gögen Altäre errichtete ***); bier fanden aud) die Gößentempel, welche Ahasja er- baute und die Hisfia und Joſia zerftörten und den Schutt in den Kidron werfen ließen. Der Dritte, gegen Norden gelegene Gipfel, wird Berg der Männer von Galiläa genannt; auf diefem erfchienen den Apofteln bei der Himmelfahrt des Erlöfers die beiden Engel in

*) Nicephor. Hist. eceles. XVII, B. *") Elucidatio Terrae Sanctae II. 299. Reland Palest. 338. 857,

) 4. Könige 11, 7. 2. Könige 23, 23. Brocard feht einen diefer Tempel, der dem Gößen Chamos geweiht war, auf den Berg Samuel's, wo fich noch Ueberrefte aus der Zeit der Makkabaͤer finden.

Serufalem. 99

weißen Gewändern, welche fie für Galiläer hielten. Man vermuthet, daß hier eine Herberge fand, wo die von Galiläa nach Serufalem Reiſenden einzufehren pflegten *).

Auf dem Delberge empfahl der Erlöfer feinen Jün⸗ gern feine Heerde, und fegnete fie. Hier weinte David über feinen Sohn Abfalom **), von bier aus zog das Unwetter über Serufalem heran, welches der Erlöfer vorausgefagt hatte: hier war das Lager des Titus vor der Zerftörung Jeruſalems.

Unweit der Himmelfahrtshöhe zeigt man Die Stelle, wo der heiligen Jungfrau ein Engel des Herrn erfchien, um ihr zu verfündigen, daß fie nach Drei Tagen vor dem Throne des Allmächtigen erfcheinen werde. Einige Schritte unter diefer Stelle verfündigte der Herr feinen Jüngern den Untergang der Welt. Hier fieht man Die Ueberrefte einer Kirche der heiligen Helena; eine ähn> liche Kirhe fland an der Stelle, wo Ehriftus über Jeruſalem weinte. Noch einige Schritte weiter abwärts fieht man links am Wege eine zerbrochene Säule; hier fehrte Jeſus den Menfchen, wie fie zu Gott als zu einem liebenden Vater beten follten; hier wurde zum erften Male das Yaterunfer auf Engelsfittigen gen Himmel getragen. Noch tiefer nach Bethanien zu zeigt man an den Stufen der Felſen die Ueberrefte eines merkwürdigen Gebäudes mit verfchiedenen Abtheilungen

*) Cotovic., p. 273. 2) 2. Samuel 15, 30. 7*

100 Neuntes Kapitel.

oder Kammern, deren urfprünglich zwölf gewefen fein follen, wo Die heiligen Apoftel die Artikel des hrift- fihen Glaubens niederfchrieben. Weiter hinab, hinter Steinhaufen und mit Unkraut überwuchert, Tiegen Die fogenannten Gräber der Propheten, tiefe Höhlen, in die man wie in einen Brunnen binabfteigt. Herr Saulcy fand hier eine ägyptifche Inſchrift in demoti- ſchen Charakteren*). Vermuthlich ftand an Diefer Stelle ein Tempel des Moloch.

Auf fteinigem, fteilen Pfade hinabfteigend, noch tief in Die Gedanken verfunfen, welche die Worte des Evan: geliums über den Untergang der Welt in mir erwedt hatten, gelangte ich in einen tiefen mit Gräbern ange: füllten Abgrund, Dies ift das Thal Sofaphat, von dem der Prophet Joel weiffagt: „Denn fiehe, in den Tagen und zur felbigen Zeit, wann ich das Gefängniß Juda und Serufalems wenden werde, will ich alle Hei- den zufammenbringen, und will fie in das Thal Jofa- phat hinabführen, und will mit ihnen dafelbft rechten, von wegen meines Volkes**) und meines Erbtheils Iſrael, das fle unter Die Heiden zerftreuet. *

Den Namen Thal Sofaphat hat man dem Thale des Kidron ſchon in den früheften Zeiten des Ehriften- thums gegeben. Das hebräifche Wort Joſaphat bedeu- tet: Jehova richtet, und der Name diefes Thales deutet auf das fürchterliche Gericht Gottes hin. Als Xaverius,

*), Bd. II., ©. 284 287. ») Joel 3, 6.7.

Jeruſalem. 101

der Apoſtel Indiens, welchen die katholiſche Kirche zu ihren Heiligen zählt, durch den Eigennutz des Statt⸗ halters von Malacca verhindert wurde, nah China zu fegeln, um dort das Chriſtenthum zu verfündigen, rief er aus: „Vor dem Gerichte Gottes im Thale Sofaphat werden wir uns wiederfehen !”*)

Ehriften, Juden und Mohammedaner betrachten alle das Thal Sofaphat al8 einen für die Zukunft ges weihten Ort. Seit der älteften Zeit war dieſes Thal eine allgemeine Grabftätte**), und die Scheine unzähs liger Generationen und die öfteren Zerftörungen Jerus falems haben e8 von der Höhe der Berge herab vielfach) verfchüttet und in eine Stätte Des Todes und der Ber: wüftung verwandelt, und felbft den reißenden Kidron ausgetrocnet, deffen fteiniges Bett nody die Spuren des einft bier fließenden Waffers zeigt. Der Grund des Baches ift mit fchönen Steinen bejäet, unter denen man häufig den Silex agathe findet. Der hebrätfche Name diefes Baches, Kidron, bedeutet dunkel, trübe***), wegen der Farbe feines Waffers, welches in dem tiefen und engen Bette und in Schatten dichter Dlivenbaine Schwarz erfchien und durch die von den fteilen Ufern berabrollenden erdigen Theile getrübt wurde. Der Thurm Abfalom’8 und das Grab des Zacharias über:

*) Tursellinus, in vita Xaverii. ”) 2. Könige 23, 6. “*) H. Müller, Histor. passionis D. N. T. Rostochü 1661, 4, p. 3. 4.

102 Neuntes Kapitel.

ragen die unzähligen mit bunten hebräiſchen Infchrif- ten verzierten Grabfteine, denn noch kommen die Söhne Sfraels aus allen Enden der Welt hierher, um ihr müdes Haupt im Angefichte Zions zur Ruhe zu legen.

Zehntes Kapitel. Heberblick der Geſchichte Ierufalems.

Sie iſt eines großen Königs Statt. Mattb. 5, 35. Seruialem, Serufalem, die tu tötteft tie Propheten, und fleinigeft tie zu dir getanzt fint ! wie oft habe ich deine Kin» ber verjammeln wollen , wie eine Henne verfammelt ibre Kuüchlein unter ihre Flü⸗ gel; unt ihr babt nicht gewellt. Math. 23, 37.

Serufalem, die Stadt eines großen Königs, das geheimnißvolle Bild des neuen Zerufalem, Das einft von Gott aus dem Himmel herabfahren wird *), darf mit Recht die erfte unter den Städten der Menfchen ge⸗ nannt werden. Die Stadt wird in der heiligen Schrift zum erften Male im 1. Buch Moſis angeführt, unter dem Namen Salem, den fie von ihrem Gründer Melchifedel, dem Priefter des höchften Gottes, erhielt**). Herodot,

) Offenb. Joh. 21, 2—10. *) 1. Moſ. 14, 18.

104 Zehntes Kapitel.

der ältefte griechifche Gefchichtsfchreiber, nennt fie Kaditis, ein Name, der deutliche Aehnlichfeit mit dem hebräifchen Worte kadosch, heilig, bat, und noch heute nennen fie die orientalifchen Völfer el-kods, d. i. Die heilige, oder mobarek, die gefegnete. Im Alterthum wurde fie auch Zebus genannt, nach dem Namen des Königs der Zebufiter, ihrer älteften Bewohner aus dem Gefhlechte Kanaans. Ihr wahrer Name ift Jeruſcha⸗ laim, oder Serufchalem, d. i. Beſitzthum des Friedens; diefen Namen erhielt fie wahrfcheinlich von dem König David, der die Stadt den Zebufitern abnahm, welche fie bis dahin befeffen hatten. Sofua nahm zwar bei der Eroberung des Landes den König der Zebufiter gefangen, in der Schlacht bei Gilgal, als er die fünf fananitifchen Könige befiegte, Doch wird nicht gefagt, daß er auch Serufalem eroberte. David hatte bereits fieben Jahre in Hebron regiert, ehe er Serufalem er- oberte *), damals die Hauptftadt der Jebuſiter; fie war fo fturf befeftigt, daß ihre Bewohner fügen konn⸗ ten, Blinde und Zahme feien im Stande, die Studt vor den Feinden zu ſchützen. Als David feine Macht be= feitigt hatte, griff er auch die Sebufiter an, und eroberte Serufalem, und die Stadt, gegründet von dem, der ein Sinnbild des Meſſias war, unterwarf fich dem, in deffen Stamme der Meffias follte geboren werden. Serufa- lem, wo ſich die Erfenntniß des wahren Gottes erhalten . hatte, zeichnete fich Durch feine Selbftftändigfeit unter

*) 2. Samuel 5, 3—7.

Ueberblick der Gefchichte Jeruſalems. 105

den benachbarten Völkern aus, wie auch Tacitus fagt: „Die Begründer Zerufalems hatten, bei der Verfchie- denheit ihrer Sitten von denen der übrigen Völker, häufige Kriege vorausgefehen und deshalb Maßregeln gegen die langwierigften Belagerungen getroffen“ *).

Die Feftung der Sebufiter lag auf dem Berge Zion. Hier erbaute David feine Burg, um welche rings herum die Stadt fi) ausbreitete, in dem tiefen Thale Millo, welches Zion von Afra und Morija trennt. Der König Hiram von Tyrus wünfchte David zu der neuen Er- oberung Glück, und fandte ihm Gedern vom Libanon und Baumeifter, um die Königsburg zu bauen, und David beeilte fih, Die Bundeslade des Herrn in feine neue Nefidenz herüberzubringen. Als er fich in einem ſchönen Balafte, die Bundeslade aber nur in einem Zelte fah, da ergriff eine tiefe Trauer fein Herz und er legte das Gelübde ab, dem Herin einen Tempel zu bauen. Der Prophet Nathan aber eröffnete ihm den Willen Gottes, daß nicht er, fondern erft fein Sohn und Nachfolger dem Herrn einen Tempel bauen follte und verhieß ihm die Fünftige Größe feines Hauſes. Bon dieſer Zeit an fammelte David die Schäße, weldye zur Erbauung des fünftigen Gotteshaufes verwendet werden follten.

Salomo begann den Bau des Tempels im Zahre 1008 vor Ehriftus, an der von feinem Vater da⸗ zu beftimmten Stelle, auf dem Berge Moriju, an

*) Taeitus, Hist. 8, 12.

106 Zehntes Kapitel.

derſelben Stelle, wo einſt Abraham ſeinen Sohn Iſaak dem Herrn opfern wollte, und im Jahre 999 v. Chr. war der Bau vollendet und der Tempel wurde einge⸗ weiht. Die Erhabenheit des Heiligthums, die Weis- heit des Königs Salomo, die außerordentliche Pracht des Tempels zogen die Aufmerkfamkeit der Völker auf Serufalem, welches nicht an irdifcher Macht groß war, aber groß durch feine fünftigen Schidfale, die durch die Propheten geweiffagt wurden. Welch ein mächtiger Bau der Tempel Salomo’8 war, können wir ermeffen, wenn wir die gewaltigen Gewölbe betrachten, die fich nad) fo vielen Berwüftungen bis auf unfere Zeit erhal- ten haben. Diefe Gewölbe fönnen, bei der Eigen- thümlichkeit ihrer Bauart, ein befonderes Gebäude ge- nannt werden.

Während der Regierung Rehabeam’s, des Sohnes und Nachfolgers Salomo’s, z0g der ägyptiſche König Sifaf mit einem unzählbaren Heere gen Serufalem, vers wüſtete Die Stadt und führte die Schäge des Tempels und des Königspalaftes fort, im Jahre 967 v. Chr. Als im Jahre 835 der König Hafael von Syrien die Stadt Gath genommen hatte, wollte er auch Jeruſalem erobern, und Zoas, König von Juda, fonnte die Ge- fahr, welche der Stadt drohte, nur dadurch abwenden, daß er alle Schäße, die fich no) im Tempel vorfanden, an Hafael auslieferte*). Bald darauf entbrannte ein neuer Krieg zwifchen den Königen Amazia von Juda

*) 2. Könige 12, 17.

Ueberblick der Sefchichte Ierufalems. 107

und Joas von Sfrael; bei Beth Semes wurde Amazia gefchlagen, Joas kam nad) Serufalem, nahm den König gefangen, „und zerriß Die Mauern Serufalems von dem Thore Ephraim an bis an das Edthor, vierhundert Ellen fang. Und nahm alles Gold und Silber und Beräthe aus dem Haufe des Herrn und aus dem Schatz des Königs und fehrte nach Samarta zurück“*).

Nach der Niederlage bei Megiddo, welche der fromme König Joſia durch Pharao Necho bei deſſen Rüdzuge aus Affyrien erlitt **), legte Diefer der Stadt Jerufalem eine fchwere Abgabe auf***). Dies war die Strafe Gottes für die Verirrungen Salomo's, den Sößendienft Nehabeam’s, den Abfall Ufi’sr), die Sößendienerei Ahasja's, des Sohnes Jotham's +r), des Manaffe, des Sohnes Hisfia’s, welcher dem Baal Altäre errichtete+rr) und feines Sohnes Amon +*), der dem Moloch opferte; noch aber hatte Die göttliche Snade fich nicht von Jeruſalem abgewendet, und noch immer mahnten die Propheten zur Buße und Befferung ind drohten mit dem Strafgericht Gottes, bis endlich, inter Zedekias, die gänzliche Zerftörung der Stadt und yes Tempels durch Nebufadnezar erfolgte. Der erite

*) 2. Könige 14, 13. 14. 2.8. d. Chron. 25, 23. **) ibid. 23, 29. ”) ibid. 35— 37. +) 2. Chron. 24, 16. +) ibid. 28,1 —A. 44) ibid. 33, 1 - 4. +) 2.28. d. Koͤn. 21, 19. 26. 2. Chron. 33, 21 23.

108 Zehntes Kapitel.

Feldzug Nebufadnezar’s fällt in die Zeit der Könige Sojafin und Jechonia. Seit diefer Zeit mußte Jeru⸗ falem, neben der Abgabe an den König von Aegypten, die fchon Necho auferlegt hatte, auch dem Könige von Babylon Tribut zahlen. Der Ungehorfam Serufalems, das nicht auf die Worte der Propheten hörte, hatte zur Folge, daß Nebufadnezar dreimal gegen Judäa zog, und als zuleßt Zedekia fich mit Apia von Aegypten gegen Chaldäa verbündete, da ergrimmte der Zorn des Königs von Babel und er befchloß, Jeruſalem zu zeritören und die Binwohner nad) Babylon zu führen, Diefe fürchterlihe Rache Nebukadnezar's an Serufulem erfolgte ganz fo, wie der Prophet Jeremias fie geweif- fagt hatte. Nebuladnezar ſchlug das Heer der Aegypter, rüdte vor Zerufalem, welches er nad) drittehalbjähriger Belagerung eroberte, zerftörte Die Mauern und fchleppte Alle, die das Schwert verfchont hatte, mit fich fort in die Gefangenschaft.

Aber auch in der Gefangenfchaft verließ der Herr fein Volk nicht, das er mit gerechter Hund gezüichtigt. Unter den Propheten, welche das Schieljal Ziong theil- ten, eritand der große Daniel; er zeigte dem folgen Eroberer, der den Gipfel feiner Macht erreidyt hatte, daß er Durch fich felbft Nichts, daß er nur ein Werf- zeug des Zornes Gottes fei. Daniel fah das Ende der Gefangenfchaft feines Volfes und deffen Rückkehr nach Serufalem voraus und erlebte dieſelbe noch felbft im eriten Jahre der Regierung des perfifchen Königs Eyrus, der im Jahre 532 v. Chr. die Macht Babels

Ueberblick der Gefchichte Jeruſalems. 109

ftürzte. Cyrus erkannte öffentlich die unfichtbare Ge: genwart Jehova's, des Gottes Iſraels, an*), und er- theilte Den Gefangenen die Erlaubniß zur Rüdfehr in ihr Land, welche ſchon der Prophet Sefaias voraus- verkündet hatte **). Unter der Anführung Serubabel’s, eines Nachkommen David's, kehrten 50,000 gefangene Juden, nach fiebenzigjähriger Gefangenfchaft, nach Ser rufalem zurüd, wie Jeremias geweiflagt hatte ***), die Mauern der Stadt wurden jedod) erft zwölf Jahre fpäter, nach Ankunft des Nehemia, wieder aufgebaut. Das ſtolze Babel war gefallen und Jeruſalem ftieg zu neuem Glanze aus feinen Trümmern empor. Als Alerander der Große das feſte Tyrus erobert hatte, im Jahre 328 v. Ehr., unterwarf fi ihm auch Serufalem, und der macedonifche Held beſchützte die Stadt mit feiner Macht und demüthigte ſich vor ihren Heiligthümern und Propheten.

Ptolemäus Soter, der Sohn des Lagus, bemäd)- tigte fih der Stadt Serufalem durch Lift und führte 100,000 Juden nad) Aegypten, gab ihnen aber dort alle bürgerlichen Rechte. Bon da an fam Serufalem unter die Botmäßigfeit der Ptolomäer in Aegypten, von Denen einige den Heiligthümern der Stadt die Ihuldige Ehrfurcht erwiefen, wie auch der heiligen Schrift, die auf Befehl des Ptolomäus Il. Philadel-

*) Eſra 1,1—3. 2) Jeſaias AA u. AB. ”) Jerem. 28, 11. 12; 29, 10.

110 Zebntes Kapitel.

phus ins Griechifche überfegt wurde, und einige Diefer Könige opferten fogar bei wichtigen Begebenheiten nicht in Alerandrien, fondern in Zerufalem*), wie 3. B. Philopator nach dem glünzenden Siege über An- tiochus den Großen bei Raphia, im Jahre 213 v. Ehr. Damals z0g fih das jüdifche Volk beinahe den Zorn des Königs zu, weil ihm der hohe Prieiter den Ein- gang in Das Allerheiligfte des Tempels verwehrte, Gott aber wandte den Zorm des Königs zum Heile Sfraels**),

Antiohus der Große behielt endlich die Oberhand über die Aegypter und nahm Judäa nebft Serufalem in Beſitz, welches leßtere er wieder aufbauen ließ. Sein Nachfolger Seleufus wollte Die Schäge des Tempels zu feinem Nußen verwenden, und fandte Heliodorus, einen Vornehmen des Reichs, um Diefelben in Befig zu neh- men; diefer aber wurde durch eine wunderbare Bifion aus dem Tempel vertrieben ***),

Die aus der babylonifchen Gefangenfchaft heim fehrenden Juden waren Durch Das Unglück gebeffert; fie hatten gefehen, wie fi Die Veiffagungen der Pro- pheten erfüllten und Demüthigten ſich vor der ftrafenden Allmacht Gottes, und fo kam es, daß fie während der

Herrſchaft der Berfer, und fpäter der Btolemäer, unter

*) Josephus, Contra Appian., II, 5, p. 472. *) Das 3. Buch der Mafkabäer. “) 2. Makkab. 13, 28 flg.

Ueberblick der Geſchichte Zerufalems. 111

dem Schuße der Könige ziemlich ruhig lebten *) bis an das Ende der Regierung Antiochus des Großen. Aber eben fo wie ihre Vorfahren zur Zeit Mofis durch die Pracht Aegyptens geblendet wurden, fo wurden auch fie verführt und vom Geifte des Heidenthums durch⸗ drungen, durch Die Ueppigkeit und die Künfte und Wiſſenſchaften der Griehen. Griechifche Wettkämpfe, Spiele und Feſte wurden im Angefichte des heiligen Tempels gefeiert, viele Juden, uneingedenf des allge- meinen Wohles, fchmeichelten den Griechen und dienten ihnen in den Bürgerfriegen, weldhe bald nach An- tiohus des Großen Tode das Lund verheerten, als Werkzeuge. Unter Antiohus Epiphanes fand eine fchreckliche Verfolgung der Juden ftatt. Antiochus ließ fogar ein Bild des Jupiter im Tempel aufftellen ; diefer Frevel aber erwedte den Heldenmuth der Maffabäer, deren Heldenthaten in den nach ihnen benannten Büchern aufgezeichnet find und auch von Joſephus er- zählt werden.

Die berühmteften unter den Makkabäern find Ju—⸗ das, Jonathan und Simeon; fie bezwangen die Feinde durch das Gebet wie Durch das Schwert und verrichte- ten Heldenthaten, wie einft Joſua, welche die Feinde jelbft in Erftaunen feßten. Endlich, nach mannigfal- tigen Kämpfen, Die mit wechfelnden Glücke geführt

*) Jeſaia 41, 4141 13; 43, 18. 19, 49, 18 21; 32,1.2.7; 54; 88; 60,16. 16. SHefefiel 36; 38, 11— 14. Jeremias 46, 27.

112 | Zehntes Kapitel.

wurden, fchloffen Die Judäer Krieden mit den Syrern, und der ſchlaue Johannes Hyrkanus, der dem König Antiochus während des Krieges große Dienfte erwiefen batte, wurde zum Dank dafür von diefem ald Hoher: priefter beftätigt; aber er war nicht mehr von dem wahren Geifte befeelt und verkaufte feine Unabhängig- feit erft an Antiochus und fpäter an die Römer. Der Streit, welcher fich zwifchen den Söhnen des Alexander, Jannäus, Hyrkanus und Ariftobulus, wegen der Herr: haft entfpann, war Urſache, daß Serufalem endlich ganz feine Unabhängigkeit verlor. Sie riefen den rö⸗ mischen Feldherrn Pompejus, welcher zuerft die römi- hen Fahnen nach Syrien geführt hatte, als Schiede- richter herbei, und diefer eroberte, nach dem Siege über Antiochus, den legten König Syriens, auch Judäa und machte es zur römischen Brovinz ; nach der Weiffagung des Propheten Sacharja*): „Und ich vertilgete drei Hirten in einem Monat. *

Während dieſes Bürgerfrieges öffnete Hyrkanus dem römischen Heere die Thore der Stadt, Artftobulus hingegen vertheidigte den Tempel und Zion, Pompejus zerftörte die Mauern und eroberte Die Stadt nad) einer Belagerung von drei Monaten. Großmüthig ließ er die Schäße des Tempels unangetaftet und veranftaltete ſogar Reinigungsopfer.

Als römischer Vaſall behielt Hyrfanus nur noch einen Schimmer der ehemaligen Macht des Haufes der

) Sacharja 11, 8.

Ueberblick der Gefchichte Jeruſalems. 113

Makkabäer oder Hasmonder. Antigonus, der Sohn Ariftobulus II., der legte Sprößling des regierenden Stammes der Maffabäer, zwang ihn, der hohepriefter- lichen Würde zu entfagen. Derfelbe ließ die von Pom⸗ pejus zerftörten Mauern wieder aufbauen, flärker und fefter als fie vorher waren, aber feine Regierung war von furzer Dauer, denn Herodes, ein Fürſt von idu— mäifcher Abfunft, welcher fpäter den Beinamen der Große erhielt, der auf Verwendung des Marcus An— tonius und unter Zuftimmung des Dctavianus, vom römifchen Senat zum König der Juden erflärt worden war, eroberte Serufalem, mit römifcher Hülfe, nad einer fünfmonatlichen Belagerung. Herodes ließ die zerftörten Theile des Tempels und andere Gebäude mit neuer Pracht wiederherftellen, wagte aber nicht, felbft die bhohepriefterliche Würde zu beanfpruchen, weil er nicht vom Stamme Levi war, fondern berief einen ge- wiffen Ananel, der aus den Gefchlechte Aarons ftammen follte, aus Babylon und feßte ihn als Hohenprie- fter ein.

Die Wiederherftellung des Tempels war für Jeru- falem eine wichtige Epoche. Diefer Tempel endlich follte den Meſſias fehen, und er follte in höheren Glanze ftrahlen, al8 der erfte Tempel, wie der Prophet Haggat geweiffugt hutte: „Es foll die Herrlichkeit diefes legten Haufes größer werden, denn des erften geweſen tft, fpricht der Herr Zebaoth.“

Der Prophet Maleachi fehließt feine Weiſſagung Noroff's Reife nach Palaͤſtina.

114 Zehntes Kapitel.

mit der Verfündigung der Sonne der Gerechtigkeit: „Denn fiehe, es fommt ein Tag, der brennen foll wie ein Ofen“ und mit einem Rufe zur Buße, indem er im Namen des Ewigen ausruft: Damit ich nicht komme und das Erdreih mit dem Bann fchlage*)“. Diefe legten Worte des Propheten, welche gleich nad) der Ber: heißung der Erlöfung folgen, waren für dDieQuden eine Drohung. Die ganze Reihenfolge der Weiflfagungen, von Mofes bis Maleachi, die von den Juden beftändig geleſen wurden, erfüllte fie mit einer freudigen Erwar⸗ tung, die felbft auf Die Heiden überging. Die Weis- heit der Aegypter, Die Philofophie der Griechen und Römer hatte der heidnifchen Welt nur Sittenlofigfeit und Zwietracht gebracht und felbit das Volk Gottes, das erforen war, fein Gefeß zu hüten, hatte fich erdrei- ftet, Diefem Die Saßungen der Pharifäer und Saddu- cher zuzufügen und glaubte, ftolz auf feine hohe Ab» funft und nach Herifchaft Dürftend, daß der König ber Gerechtigkeit, der erwartete Meffias, kommen werde, als ein Kriegsheld ; da, um diefelbe Zeit, wurde der Heiland geboren, da erkannten ihn, das Kind, Das in einer Höhle in der Krippe lag, die friedlichen Hirten zu Bethlehem. Die hochmüthigen Schriftgelehrten Iſraels fonnten den Meffias nicht erkennen, denn fie erwarteten ihn, nicht wie die Propheten geweiffugt, fondern wie fie fich felbft ein Bild gemacht.

„Er kam in fein Eigenthum, und Die Seinen nahmen

*) Maleahi A, 1 und 6.

Neberblic Der Gefchichte Jeruſalems. 115

ihn nicht auf*)!* Seit dem Zuge der Erlöfung der Menſchheit erfüllte fih das Schickſal Sernfalems: jein Zempel wurde vermwüfte. Die Hölle wurde ver: nichtet, Die Tempel der Gößen wurden zerftört.

Gegen das Ende der Regierung des Kuifers Nero unternahmen die Juden einen Aufitand gegen Die Rö— mer und überfielen die römifche Beingung, welde An- tonius in die Burg, gegenüber dem Tempel, gelegt hatte. Da erfchien im nächftfolgenden Jahre ein römi— ihes Heer, unter Anführung des Veſpaſianus, an der Küfte Paläftina’s. Nach drei fchweren Feldzügen wurde Beipafianus, nach dem Tode des Nero, Galba und Otho, zum Kaifer ernannt und Titus erfchien vor den Mauern Serufalems.

Der Untergang Judäa’s, fügt Tacitus, war fehon vor Beginn des Krieges Durch Naturerfcheinungen ver: fündet; eine Wolfenmaffe, Die über dem Tempel ſchwebte, entzündete fich plößlich und beleuchtete diefen mit einem außergewöhnlichen Lichte, Die großen ebernen Thürflügel, die fonft nur durch Die vereinigten Kräfte mehrerer Männer bewegt werden fonnten, öffneten fich plöglich von felbft, und eine übermenfchliche Stimme rief: „die Götter verlaffen Dich **) 1” Nach anderen Berichten geſchah dies am Pfingſtfeſte und die Prieſter jelbft hörten die Stimmen der Engel, welche unfichtbar das Heiligthum bewohnten, im Weggehen fagen: Wir

) Ev. Ioh. 1, 11. ) Tacitus, Hist. 5, 13. 8*

116 Zehntes Kapitel.

verlaffen dich!“ Täglich, bis Titus mit feiner Armee erfchien, geichahen wunderbare Dinge im Tempel, und ein Augenzeuge rief erftaunt: „O Tempel, Tempel, was beweget Dich, wovor grauet dir? ...*)

Die fchredliche Zerftörung Jeruſalems durch Titus ift von dem großen Gefchichtsfchreiber Flavius Joſephus befchrieben worden, der felbft Augenzeuge und im Lager des Titus zugegen war, obwohl nicht als Verräther feines Volle. Nach dem allgemeinen Glauben, deu Titus und die ganze Armee theilte, war Serufalem von Gott felbft der Vernichtung preisgegeben**). An dem: felben Tage deſſelben Monats, an welchem das alte Serufalem von Nebukadnezar zerftört worden war, wurde im Jahre 70 n. Chr. die Stadt von Titus zer ftört. Die Schilderung, welche uns der jüdifche Ge- fchichtsfchreiber von den Schidfalen Serufalens wäh— rend der Belagerung Durch Zitus, und von den Helden: thaten der Juden giebt, ift befannt. Als Zitus Die Mauern der Stadt im Staube vor fih liegen ſah, rief er aus: „Gott felbft hat uns geholfen, denn Menfchen- fraft allein hätte Dazu nicht ausgereicht!“

Zum Andenken an die fehwierige Belagerung und an die ehemalige Pracht Jeruſalems ließ Titus die Drei Thürme Phafael, Hippikos und Mariamne, nebft einem fleinen Theile der Stadt, nad) Weften zu, unzeritört, theils für die römifche Befagung, theild auch, um den

*) Rab. Johan ben Zacai, Tract. de fest. expiat. *) Josephus VI. 4, p. 385.

Neberblick der Gefchichte Jeruſalems. 117

wenigen noch übrigen Bewohnern ein Obdach zu geben; alfo erfüllete fih die Veiffagung des Propheten Su- barja: „Denn ich werde allerlei Heiden wider Jeruſalem jammeln zum Streit, und die Stadt wird genonmen, die Häufer geplündert, und die Weiber gefchändet wer: den ; und Die Hälfte der Stadt wird gefangen wegge- führt werden, und das übrige Volk wird nicht aus der Stadt ausgerottet werden *)*. Diefe Stelle nimmt jeßt die fogenannte Burg David’s ein; alles Llebrige wurde zerftört bis auf die Grundmauern. Die Anzahl derer, welche bei der Belugerung umkamen, belief fich, nad Sofephus, auf eine Million, und ift nur dadurch erflärlih, daß die Einnahme der Stadt gerade zur Ofterzeit gefchah, wo das Volk aus dem ganzen Lande nad) Serufalem ftrömte, Noch Tange nachher wurden gefangene Juden auf den Märkten der römifchen Städte als Eclaven verfauft.

Unter der Regierung des Kaifers Trajan verfuch- ten die Juden, vom Geifte der Rache befeelt, einen neuen Aufftand, und abermals floß das Blut in Strö- men über das ganze Land. Noch fehmwerere Schlüge aber trafen Serufalem und Paläſtina, als im Jahre 134 nah) Ehr. die Juden unter Hadrian abermals einen Aufftand unternahmen, der diesmal durch die Schmähung ihrer religiöfen Gebräuche und Erbauung eines Tempels des Jupiter an der Stelle des heiligen Tempels hervorgerufen war. Diefer Aufftand erfchüt-

*) Sacharja 14, 2.

118 Zehntes Karitel.

terte, nach Ausſage eines Geichichtsichreibers, den gan⸗ zen Erdfreis*) und der Kaifer Hadrian mußte feinen tüchtigiten Zeldberrn aus Britannien rufen, um ihn nach Judäa zu ſchicken. Auch diesmal geichahen vor dem Kriege Zeichen und Wunder, wie zur Zeit des Titus; das Grab Salomo's, im Berge Zion, öffnete ſich plöglich, ohne daß ein Erdbeben ftattfand ! Wölfe und Hnünen zeigten ſich auf den verödeten Straßen Jeruſalems!

Drei und ein halbes Jahr dauerte der mörderiſche Krieg zwiſchen den Juden und Römern, Der Führer des Anfitandes, der sich für den erwarteten Meifias ausgab, nannte ih Bar kokeb, d.i. Sohn der Ge jtirne, eigentlich aber hießer Bar koſſeba, d.i. Sohn der Lüge**) Die hebräifchen Gefchichtsfchreiber ver- gleihen die Schickſale des Volkes während dieſes Krieges mit denen, welde es in den Kriegen gegen Nebufadnezar erlitt; and) die Berlufte der Römer waren fo bedeutend, daß der Kaifer Hadrtan ſich nicht ent- fchließen £onnte, das Schreiben, welches er an den Senat jchiefte, Durch welches er Diefen von dem Ab: Ihluß des Friedens in Kenntniß ſetzte, mit den fonit übliben Worten anzufangen: „Sch und meine Armee find wohlbehalten“. Die gefingenen Juden wurden zum größten Theil in dem ihnen fo heiligen Haine Mumre verkauft.

*) Dio Cassius in vita Adriani. **) Jos. Scaliger Elench. Trihaereseos.

Weberblid Der Gefchichte Ierufalems. 119

Nach vollftändiger Unterwerfung der Juden wurde die Stelle, wo Jerufalem geitanden hatte, aufgepflügt und mit Salz beftreut, und war lange Zeit ein Zus fluchtsort für Raubthiere und Räuber, Endlich befchloß Hadrian, an die Stelle des zerftörten Jeruſalem eine neue Stadt zu bauen, Die er, um das Andenfen an Die alte Stadt günzlich zu vertilgen, mit einem neuen Nas men Nelia Capitolina benannte, nad feinem eigenen Namen. Die wenigen nod zurücdgeblicbenen Bewobs ner wurden vertrieben und konnten nur gegen Gold die Erlaubniß erhalten, jährlich einmal zu Oſtern bierber zu fommen, um über den Trümmern von Jerufalen zu weinen. Dumals blieb fein Jude mehr in Jeruſalem und Götzen nahmen die Stelle der Heiligtbüner ein,

Hadrian ſchloß die Berge Zion und Morija nebft der Stelle des Tempels Sulomo’s, und Das ganze Stil vom Eckthor Bis zum ephraimitifchen Thore, aus der neuen Stadt ans; aber durch eine wunderbare Fils aung der Vorfehung fam Golgatba nebit Dem Srabe des Criöjers innerhalb der Manern Der neuen Studt zu liegen und wurde mit heidnifchen Tempeln bebaut und Dadurd) erhalten, bis auf unfere Tage,

Die Lchre des Evangeliums, welche die Apoftel verkündigten, verbreitete fich raſch bis an Die äußerſten Grenzen des bewohnten Erdfreifes und behielt immer ihren Mittelpunkt in der Kirche auf Zion, aud nad der Zerjtörung Jeruſalems. Seit dem beiligen Apoftel Jacobus, der fein Hirtenamt mit dem Mlärtvrertode be- ſchloß, ift die Reihe der Biſchöfe von Zerufalen nicht

120 Zehntes Kapitel.

unterbrochen worden. Während der Unglückszeit der Stadt flüchteten die Chriften Jeruſalems nad) Pella jenfeit des Zordan. Schon vor Conſtantin pilgerten die Ehriften nad) Serufalem, um an den heiligen Stätten zu beten. Einer der erften ‘Pilger war der Bifchof Alerander, Nachfolger des Narciſſus, im dritten Jahr: hundert.

Die Heiligthümer Serufalems, die unter dem ſchwe⸗ ren Scepter der römifchen Herrfchaft faft gänzlidy der Vergeſſenheit anheimgefallen waren, fingen unter Der Negierung des Kaifers Conftantin wieder an, der Melt mit neuem Glanze zu leuchten. Der Kaifer felbft fam mit feiner frommen Mutter nach Baläftina, im Jahre 326 n. Ehr., befuchte alle durch die Erlöfung ge- heiligten Stätten und erbaute die prachtvollen Kirchen des heiligen Grabes und in Bethlehem. Sulianus Apoftata verfuchte, aus Haß gegen die Ehriften, und auf Bitten der Juden, den falomonifchen Tempel wieder herzuftellen, troß der Weiffagung des Erlöfers; allein furchtbare Flammenkugeln brachen häufig an den Fun: damenten feindjelig aus dem Boden hervor; nachdem Die Arbeiter jo einigemal verbrannt waren, wagte fich feiner mehr dorthin und die Unternehmung ward auf: gegeben *), da das Element zu hartnädig widerftand. So berichten nicht allein gleichzeitige Kirchenfchriftfteller, jondern auch die Rabbiner und der Heide Ammian und

*) Ammianus Marcellinus Histor. XXIII. 1. Julian. Opp. ce. not. Spanhem., p. 295.

Ueberblick Der Geichichte Jeruſalems. 121

Julianus feldft. Daffelbe Wunder wiederholte fid) aud) bei dem Tode Julian's ).

Auftinian baute in Serufalem und andern Orten PBaläftinas großartige chriftliche Tempel. Unter feiner Regierung erhielt Serufalem ein Patriarchat, zu wel: chem Cäſarea maritima, Schthopolis, Petra und Bosra gehörten. Unter feiner Regierung drangen die Perfer, unter Khofru D., in das römifche Reich ein, welche im Jahre 614, unter der Regierung des Kaiſers Heraclius, ihren Weberfall wiederbolten und Jeruſalem mit Sturm einnahmen, wobei ihnen die Juden behilflich waren. Die Kirche des heiligen Grabes wurde verbrannt, un⸗ zühlige Ehriften famen um oder wurden ald Gefangene fortgeführt, unter dieſen auch der Patriarch Sadyarja mit der Reliquie des heiligen Kreuzes. Der größte Theil der Ehriften floh nad) Akerandria, wo der ‘Ba triarch Johannes der Gütige fie freundlich aufnahm. Aber weder die Einäfcherung der Kirche des heiligen Grabes, noch die Gefangenschaft des Patriarchen hin- derten Modeftus, fobald er den Patriarchenftuhl von Serufalem beftieg, die Wiederherftellung des heiligen Zempels in Angriff zu nehmen **),

Im Sabre 628 wurde Khofru von Heraclius yes ihlagen; der ehrwürdige Sacharja fehrte mit der hei- ligen Reliquie wieder zu feiner Heerde zurück, und

*) Libanius Sophistae de vita sua. “) Bibliotheca veterum Patr. graecor. (Antiochi Epist.) T. I, p. 1023 sg.

122 Zehntes Kapitel.

fam, während der Kuifer in Conftantinopel als Trium- phator einzog, barfuß und das Kreuz des Herrn tra- gend, nach Jeruſalem, wo er den ganzen Schmerzensweg des Herrn durchfchritt, bis zu dem heiligen Grabe. Nach ſechs Sahren wurde er durch die Schaaren des Lügen: propheten Mohammed wieder gezwungen, die Stadt und Paläftina zu verlaffen, aber auch dann legte er die hei- lige Bürde nicht ab. Der Khalif Omar, welcher im Sabre 637, ungeachtet des tapfern Widerftandes des PBatriarhen Sophronius, Jeruſalem nach einer lang- wierigen Belagerung eroberte, erwies fi) der Stadt menfchenfreundlicher als Titus; um Blut zu fehonen, verlängerte er lieber die Belagerung und ehrte den Patriarchen und die Heiligthümer; anders aber ver: fuhren feine Nachfolger.

Ron da an, bis zur Ankunft der Kreusfahrer in PBaläftina, verfehmilzt die Gefchichte Serufalems mit der der Araber. Nur einige Bruchftüde der Gefchichte der heiligen Stadt finden wir hie und da bei arabifchen Schhriftitellern, oder in den Berichten der Gefangenen, deren Zahl immer größer wird. Serufalem, deffen Heiligfeit felbit Mohammed anerfannte, war auch feinen Nachfolgern heilig, und das Stillfehweigen der Ge- Ichichtsfchreiber jener Zeit ift wohl ein Zeichen, daß in Serufalem eine nur felten unterbrochene Ruhe berrfchte, wie wir auch aus den Berichten der Gefangenen erfehen *).

*) S. Willibaldi Hodoeporicon, in Mabillon Acta Sancto- rum Ord. Benedictor. Saec. III, p. Il, pag. 378.

Ueberblick der Gefchichte Jeruſalems. 123

Während der inneren Kriege, die Das Reich der Khalifen erfchütterten, wurde das Kloiter des beiligen Sabas geplündert, 796, das fchon unter Khofru viel gelitten hatte; als jedoch wihrend der langen Regierung Karl's des Großen ſich Die Beziehungen zwiſchen dieſem und den Khalifen freundlicher geftalteten, namentlich mit dem berühmten Harun al-Rajcbid, den Gerechten, firömten die Gaben Europa’s ohne Hinderniß den beiligen Orten Paläftina’s zu. Nach dem Tode Harun's aber nahmen die Dinge in Baläjtina bald eine andere Wendung. Im Jabre 812 wurde das Klofter Des heiligen Sabas, das von Zerufalem nur durch ein wildes Thal getrennt ift, zum dritten Male geplündert und die Einfiedler zum größten Theil niedergemacht. Inter Almamun I, dem Sohne Harun’s, verbefferte fich nicht allein das Schickſal der Chriſten, fondern dieſer Khalif begünftigte fie fogar und war der Erſte, welcher Chriften zu öffentlihen Nenttern zuließ. Nach feinem Tode jedoch, als die Herrfchaft der Abbafiden jich immer mehr dem Untergang zuneigte, Titten auch Die Chriſten während der beftändigen Bürgerfriege häufige Berfol- gungen. Im Jahre 962 ging unter dem Khualifen Moez das Khalifat auf die Nachkommen der Fatima über, die Nefidenz wurde nach Kairo verlegt, und Die Verfolgungen der Chriften ftiegen zu folcher Höhe, daß endlich die römifche Kirche unter den Pabſte Solve—⸗ fter II., der, als er noch den Namen Herbert von Ra— venna führte, felbft in Paläſtina gewefen war, von Mitleid bewogen an das Schidfal Palaͤſtina's dachte,

124 Zehntes Kapitel.

und Maßregeln ergriff, un das Schickſal der dortigen Chriften zu erleichtern *). Dies war der Anfang zu einer Befreiung des heiligen Xandes von dem Joche der Ungläubigen. Die Schiffe der Pifaner und Genue- fen fuhren nad den Geftaden Afrifa’s, um Dort den Stand der Angelegenheiten zu erforichen, Doch erfaltete ihr Eifer, als bald eine merkliche Verbefferung in der Lage der Ehriften eintrat und die Neapplitaner vom Khalifen die Erlaubniß zum Bau einer eigenen Kirche in Serufalem erhielten, wo fie auch ein Haus zur Auf- nahme der Pilger gründeten. Dies war der Urfprung des berühmten Drdens der Hospitaliter.

Im Sabre 996 beftieg der graufame el-Hafim den Thron der Khalifen ; er war ein Feind des Islam, gab fi) für einen neuen Propheten, ja für Gott felbit aus, und war ein noch fehlimmerer Feind der EChriften. Die Verfolgung begann in Aegypten und verbreitete ſich über ganz Paläftina. Die Kirche des heiligen Grabes wurde auf feinen Befehl zeritört. Aber der Zorn Gottes offenbarte fih an el-Hafim, und erinnerte Negypten an die Zeiten Pharao's, der die Kinder Sfrael drückte, Eine unerhörte Kälte fuchte das fruchtbare Delta heim; der Nil war gefroren bis nah Kuiro hinauf und Erd- beben verheerten die Provinz Syrien. Da fchien eg, als od der Wütherig Reue fühle; er befahl die Kirche des heiligen Grabes wieder aufzubauen und gebot den

*) Mabillon, Acta Sanctor. I. c. Tom. IV, p. 39. Dort findet fich auch ein Hirtenbrief Sylveſter's an die Kirche.

Ueberblick der Geſchichte Jeruſalems. 125

Verfolgungen Einhalt; bald darauf aber wurde er er— mordet, und die Kirche wurde erſt im Jahre 1048 voll: endet, mit Hülfe der Unterftügungen, die aus Conftans tinopel zufloffen. Die Gefahren, denen die Ehriften im Orient ausgefegt waren, erwedten noch mehr den Eifer der Pilger für das heilige Grab, und viele zogen bin, nur um dort, am Grabe des Erlöfers, den Tod zu empfungen.

Unter diefen Pilgern fehen wir den Herzog Robert von der Normandie, den Vater des berühmten Wilhelm des Eroberer, der die Wallfahrt als gewöhnlicher Pilger vollzog, den Grafen Wilhelm von Angouleme und die deutfchen Bifchöfe Siegfried, Günther, Otto und Wil: beim, welche ein glänzendes Gefolge begleitete.

In den Wüſten der Bucharei waren, von der übri— gen Welt unbeachtet, die Turkomanen zu einen felbft: ſtändigen Volke herangewachfen; yplöglich brachen ſie jeßt hervor und eritürmten unter ihrem Führer Togrul: beg die Stadt Bagdad, wo der legte Sprößling des Haufes der Abbafiden noch einen Schein von Herrichaft befaß ; von bier aus wälzte fih der Schwarm im Jahre 1083 nah Palaͤſtina. Ortof eroberte Serufalen und peinigte die Ehriften auf das Graufanfte, während So— liman, ein Verwandter des Melikſchah, Kleinafien ver- wüftete und gegen Conſtantinopel rückte. Du erließ der Kaifer Michael Dufas einen Aufruf an die Fürften Europa’s zu einem allgemeinen Feldzuge gegen Die Ungläubigen und zum Schuße feiner Hauptftadt, Der Babft Gregor VII. und deffen Nachfolger Victor ILL.

126 Zehntes Kapitel.

machten fich bereit, den Aufruf zu unterflügen, aber Die afrifanifchen Araber bedrohten damals die Küften des mittelländifchen Meeres und dadurch Europa jelbft; fo mußten die ſchon verfammelten europäifchen Heere nad Afrifa, um die drohende Gefahr abzuwenden.

Um diefe Zeit fehrte der Einfiedler Peter von Amiens aus Paläftina nad) Rom zurüd; er erfchütterte die Herzen durch die Erzählung von den Drangfalen der Chriften, der Entweihung der heiligen Stätten, dem Joche der TZurfomanen und erwedte das Verlangen, die Kirche von der Bedrängniß durch die Ungläubigen zu befreien. Den Krieg gegen die Uingläubigen pre- dDigend, durchzog Peter Italien und Frankreich und der Pabit Urban II. uuterftügte feine Beftrebungen und erließ Hirtenbriefe an die ganze Chriftenheit, in denen er zu einem Kreuzzuge gegen Die Heiden aufforderte. In Piacenza und Eremona fammelten fi) die Streiter der gefammten Chrüitenheit unter dem Banner des Kreuzes zur Befreiung des heiligen Landes von dem Joche der Ungläubigen. Unter Anführung des begei- fterten Peter 309 das Heer durch Ungarn nad) Eonftan- tinopel; aber fobald fie nach Kleinafien hinüber kamen, begannen die Prüfungen des Heeres, das in fremdem Lande, in undurchdringlichen Gebirgsfchluchten und bei Mangel an Lebensmitteln, durch häufige Ueberfälle der ungleich zahlreicheren Feinde allmälig aufgerieben und endlich in einer Hauptfchlacht, im Jahre 1097, gänzlich vernichtet wurde. Aber Schon im nächften Jahr ers ichten ein neues Ehriftenheer, eroberte Antiochien und

Ueberblick der Geſchichte Jeruſalems. 127

kam, alle Hinderniſſe bekämpfend, am 10. Juni 1099 vor den Mauern Jeruſalems an, unter Anführung Gott⸗ frieds v. Bouillon.

Schon vor Ankunft des Kreuzheeres hatten Die Ans gelegenheiten der Chriften in Puläjtina eine andere Wendung genommen. Der ägyptijche Khalif el-Mus- tafi hatte die Zurfomanen befiegt, inden er die Un—⸗ einigfeit der Söhne Ortoks benußte, und hatte Jeru⸗ jalem und ganz Paläftina in Beſitz genommen. Iftirak el⸗Daule vertheidigte Zerufalem gegen Gottfried. Nach einer Belagerung von vierzig Tagen wurde die Stadt erftürmt; Gottfried zog ein und richtete, mitten im Kampfgetümmel, von nur drei Kriegern begleitet, feine Schritte zuerft nad dem Grabe des Herrn. Als das Heer der Ehriften dies ſah, ftellte es, obwohl nad Rache dürftend, den Kampf ein.

Gottfried lehnte die angebotene Königskrone ab, weil er fich nicht entfchließen Eonnte, eine goldene Krone zu tragen, wo der Heiland der Welt eine Dornenfrone getragen hatte, nahm aber den Zitel eines Baron und Vertheidiger des Grabes Chriſti an, jedoch nıit vollem Range eines Königs von Paläſtina. Die berühmte Schlacht bei Askalon befeftigte feine Macht. Nachdem er noch eine Armee, welche von Damaskus nach Gali- laͤa anrücdte, gefchlugen hatte, befchloß er fein Xeben in Jerufalem und wurde am Fuße des Golgathu begraben. Seine Regierung währte nur ein Jahr. Ihm folgte fein Bruder Balduin, deſſen achtzehnjährige Regie— rungszeit durch ununterbrochene Kämpfe, vielfache Siege

128 Zehntes Kapitel.

und ruhmreiche Thaten ausgezeichnet ift, Die ihm den Beinamen „der andere Maffabäer verfchafften.

Sein Nachfolger Balduin IL. regierte zwölf Sahre; er hatte nicht das kriegeriſche Glück feiner Vorfahren und gerieth zweimal in die Gefungenfchaft der Ungläu— bigen, in. welcher er die Hälfte der Zeit feiner Regie: rung zubrachte. Während feiner Abwefenheit führte Euftathins Grenier die Regierung, der mit der Beute feiner Siege den König aus der Gefangenfchaft los— kaufte.

Der betagte Zulfo von Anjou gelangte zu feiner Berühmtheit. Während feiner Regierung nahmen die Ehriften den Sarazenen die Feftung Paneas fonft Cäſarea Philippi genannt am Ausfluß des Sor- dan, aber mit Hilfe der Moslemen von Damaskus, mit denen Zulfo ein Bündniß gefchloffen hatte, Diefe Biindniffe mit den Ilngläubigen zeigen ſchon den Ber: fall der Macht der Kreuzfahrer, welche das Land in ver: ſchiedene Fürſtenthümer getheilt hatten, die in beftün- digen Fehden das Land erfchütterten.

Balduin III, welcher auf Fulko folgte, beftieg den Thron als ein Knabe von 13 Sahren, inı Sabre 1144. Sm fünfzehnten Jahre feines Lebens fämpfte er in Ara⸗ bien bei einem geführlichen Unternehmen gegen Die Stadt Bosra.

Neue Feinde bedrohten jet die Ehriften Bald- ftina’s. Dſchingis rüdte von Moful mit einem ftarfen Heere vor Edefja, nahm die Stadt ein und meßelte alle Chriften nieder. Als Die Kunde von diefem Unglüd

Ueberblick der Gejchichte Jeruſalems. 129

nah Europa gelangte, beichloffen der Kaiſer Con- rad III. von Deutichland und König Ludwig VL. von Frankreich mit einem zahlreichen ‚Heere, zu dem fih noch eine große Anzahl von Rittern aus Ita⸗ fien und England gefellte, den Bedrängten in Palä— ftina zu Hülfe zu ziehen. Diefes Heer erduldete in Kleinaften diefelben Prüfungen, an denen Die erfte Schaar der Kreuzfahrer zu Grunde gegangen war, ges langte jedoch im Jahre 1148 nad Jeruſalem. Das Hauptziel der Ehriften war damals der Befiß der reichen Stadt Damaskus, welche Ajub, Vater des fpäter fo ber rühmt gewordenen Saladin, vertheidigte. Siege be- zeichneten den Zug des chriftlichen Heeres, aber Berrath und Zwietracht führten fein Mißgeichif an den Mauern von Damaskus herbei. Die wichtigiten Begebenheiten unter der Regierung Balduin’s III, find die Eroberung von Askalon und die Befreiung Sidons von der Bela- gerung Nureddin’s, des Sohnes Dichingisfhans.

Amorius, der Nachfolger Balduin's III., Tieß ſich, anſtatt PBaläftina zu ſchützen, durch den ägyptiſchen Luxus bethören und unternahm einen Feldzug zur Er- oberung des Delta; dieſer unglücliche Verfuch aber erichöpfte feine Einkünfte wie fein Heer. Ihm folgte im Sabre 1174 Balduin IV. Sn diefe Zeit fallen die ertten Waffenthaten Saladin’s und das jugendliche Alter des Königs zwang das Heer der Ehriften, mit Saladin einen Frieden zu fchließen fpäter aber wurde diefer von Balduin bei Asfalon gefchlagen.

Als Balduin im Alter am Ausfaß erfranfte und

Noroff's Reife nach Paläftina.

130 Zehntes Kapitel.

erblindete, ernannte er den Gemahl feiner Schweiter, Lufignan, zum Regenten, Innere Unruhen und der heftige Charakter Lufignan’s nöthigten ihn jedoch, Die Regierung wieder felbft zu übernehmen. Gr ernannte den unmündigen Stiefjohn Luſignan's zu feinem Nach— folger, jedoch der Tod des Königs und des ernannten Thronfolgers brachte Die Krone des jerufalemifchen Kö⸗ nigreich8 wieder auf Luſignau's Haupt zurüd, ungeach— tet des Widerfpruchs vieler Großen des Reichs, die vielleicht felbft Darnach begierig waren; aber Lufignan hatte den Großmeifter der Tempelherren auf feiner Seite, deffen Rathſchläge ihm fpäter fo verderblich wurden.

Während diejer Uneinigfeit der Großen des palä— ftinifchen Reichs tritt Saladin auf den Schauplaß der Sefchichte, gekrönt mit der Krone der Khalifen und der Reiche von Aleppo, Damaskus und Aegypten. Die mißliche Lage der Ehriften beitimmte ihn, einen längft gehegten Plan zur Ausführung zu bringen und den Orient von der Herrichaft des Weitens zu befreien, Am 4. Zuli des Jahres 1187 trafen die beiden Heere am See Tiberias zufammen. Saladin ftand ſelbſt an der Spige feines Heeres, welches das feiner Gegner an Zahl bei weiten übertraf, und die Ufer des Sees waren Zeuge einer gänzlichen Niederlage der Ehriften ! Der König von Serufalem mit vielen feiner Heerführer wurde von Saladin gefangen genommen; Serufalem ergab fih. Der Patriarch und die Einwohner ftreuten Afche auf ihr Haupt und zogen nach Tyrus, der ein-

Ueberblick der Geſchichte Jeruſalems. 131

zigen Stadt, die noch in den Händen der Kreuzfahrer geblieben war. Dorthin flüchtete auch Luſignan, der fid von der Gefangenfchaft losgemacht hatte. Alle Kirchen Serufalems, mit Ausnahme der Kirche des hei- figen Grabes, wurden zu Mojcheen gemacht. Der Schatz der heiligen Grabesfirche wurde dadurch gerettet, daß ihn der Patriarch bei der Flucht nach Zyrus mit fi nahm.

Ganz Europa war entfegt über das Unglüd, wel- ches Puläftina heimſuchte. Als der Babft Urban ILL, die Nachricht erhielt, ftarb er vor Schred. Aber Europa verzugte nicht und drei Heere ſammelten fih auf den Weheruf des heiligen Landes. Der Kaiſer Friedrich Barbaroffa ging mit hunderttaufend Deutfchen über den Hellespont und fehlug den für die Kreuzfahrer fo verhängnißvollen Weg durch Kleinafien ein. Noch ehe er das Zanrusgebirge erreichte, ertranf er beim Baden im Fluſſe Saleph; fein Heer zerftreute fi, und nur5000 Mann blieben, die fi) mit den Heeren Richard’s Lö⸗ wenherz und Philipp Auguft’s vereinigten, welche in Ptolemats, Das von Lufignan belagert wurde, landeten; im Jahre 1189,

Der Streit um die Krone von Jeruſalem, zwifchen Lufignan und Conrad, hatte zur Folge, Daß auch Ri: hard und Philipp Auguft nicht in Gemeinschaft han delten. Ptolemais konnte erjt nach zwetjähriger Bela— gerung erobert werden. Wie viele Heldenthaten ſah das Ufer zwifchen Ptolemais und Askalon! Alle ohne wefentlichen Nugen für Paläſtina, wenn auch) die Schlacht

g*

132 Zehntes Kapitel.

von Asfalon lange Zeit für Die Ilngläubigen eine Ihredliche Erinnerung blieb.

Was fonnte man nicht von dem Schwerte Richard’s hoffen, bei der heißen Liebe, die er für das gelobte Land hegte! Einmal fam er bei feinen friegerifchen Unter— nehmungen in eine Schlucht des Gebirges Juda; bier erbliete er durch eine Deffnung zwifchen den Felſen zum erften Male Jeruſalem. Da brachen Thränen aus feinen Augen und er bededte das Haupt mit feinem Schilde, weil er fih nicht für würdig hielt, die heilige Stadt zu fehen, die er nicht im Stande war von den Ungläubigen zu befreien!

Das fühne Unternehmen der Kreuzfahrer hutte fei- nen andern Erfolg, als einen dreijährigen Waffenſtill⸗ ftand, und mit fummervollem Herzen beftieg Richard das Schiff, das ihn wieder nach Europa bringen follte, mit den Worten: „Gott fhüße das heilige Land!“

Der Kaifer Heinrich III. unternahm einen neuen Kreuzzug und einige Zanjend Deutfche zogen unter An- führung des Bifchofs von Hildesheim nad) dem heiligen Lande; aber auch Diefes Heer wurde am Zuße des Li- banon zerftreut,

Der Pabft Sunocentius III. fandte ein neues Heer nad) dem Orient; Diefe Unternehmung endigte mit einer vorübergehenden Beſetzung Conftantinopels.

Andreas II., König von Ungarn, ſchloß ſich dem Heere Johannes von Brienne an, der im Sahre 1218 Damiette eroberte; aber der Wunfch, Aegypten zu er obern, vernichtete die Früchte dieſes Sieges und das

Ueberblic der Gefchichte Jerufalems. 133

ganze Heer fam durd) Peſt, Hunger und das Schwert der Unglänbigen um.

Der Kaifer Friedrich II. fehloß im Jahre 1219 mit dem ägyptiſchen SChalifen Melif Kamel, dem Nachfolger Saladin’s, einen Vertrag, durch welchen fich der Khalif, für den ihm vom Kaiſer verfprochenen Schuß, verbind- ih machte, Serufalem als eine freie chriftliche Stadt wiederherzuftellen; die Ehriften follten alle ihre Kir: hen wieder erhalten, wogegen die Moſchee Omar's, die von den Moslemen erbaut worden war, Diefen als Eigenthum bleiben ſollte. In Serufulem follte freie Gottesverehrung geftattet fein. Diefer Vertrag erregte die Unzufriedenheit beider Parteien und der ‘Babit be legte fogar den Kaifer mit dem Kirchenbann.

Als Friedrid, in Paläftina anfam, wurde er von dem Metropoliten Zerufalems und den übrigen Geift- lichen ohne alle Feierlichfeit empfangen und Die Wände der Kirche des heiligen Grabes waren bei feinem Ein- tritte in Trauerfarben gehüllt. Dies war der Lohn, der ihn in Paläftina erwartete! Seine Seelengröße aber überwältigte dieſen Schmerz.

Nach Friedrich’s Abreife aus Paläftina folgte ein zehnjähriger Friede, der fehr zur Unzeit durch den Kö- nig von Navarra gebrochen wurde. Das franzöfifche Heer erlitt bei Gaza eine Niederlage und Jeruſalem mußte die Folgen des Friedensbruches tragen, indem der Khalif von Damasfus die Mauern und die Davids: burg zerftörte.

Die Zeindfchaft des Pabftes gegen den Kaifer und

134 Zehntes Kapitel.

die verwidelte und traurige Lage, in welcher ſich Damals Europa befand, lenkten für lange Zeit die Aufmerkſam⸗ feit von Paläftina ab, und das heilige Yand wurde durch Die Ränfe des ägyptifchen Sultans, von wilden Horden der Khoaresmier, die durch Dſchingiskhan aus der großen Zatarei vertrieben waren, unter der Anz führung Babegan’s, überfallen, geplündert und Jeruſa— lem mit Blut angefüllt.

Die Tempelherren und Sohanniter, von einigen Rittern des deutfchen Ordens unterftügt, leifteten in Verbindung mit den Moslemen Paläſtina's den Khoa- resmiern eine Zeitlang Widerftand, unterlagen aber endlich in der Ebene von Gaza und zwei Großmeifter des Ordens waren unter den Gefallenen.

Der Pabſt Innocentius IV. gab fich alle mögliche Mühe, Europa zu einem neuen Kreuzzuge aufzurufen, aber nur in dem Herzen des Königs von Frankreich, Ludwig's IX., des Heiligen, fand feine Stimme Wie- derhall, und Ddiefer beſchloß, den danptifchen Sultan, als den Urheber der Drangfale Paläftina’s, zu beftra- fen. Im Sabre 1250 wurden Die Ufer des Nil, von Damiette bis Manfura, Zeugen der Heldenthaten der hriftlichen Heere, aber Manfura fah auch bald die gänz- liche Niederlage und Gefangenfchaft des frommen Kö- nigse. Später erfchien Ludwig noch einmal an der Küfte Syriens und ftellte Akra wieder ber. Sein legter Verſuch, Paläftina zu befreien, fiel in die Zeit, wo die bahritifchen Mameluken unter dem wüthenden Bibars eindrangen. Aber an der Küfte von Tunis

Neberblick Der Gefchichte Ierufalens. 135

überrafchte ihn der Tod, und im Jahre 1290 ficl das legte Bollwerf der-Chriften im Orient, Akra, welches von 12,000 NRittern gegen ein ägyptiſches Heer von 200,000 Streitern vertheidigt wurde, Denen jene Helden nicht widerfteben fonnten.

Immer mebr wuchs die Macht der Moslemen und bedrohte nun felbft Europa, umſomehr, da das in fi zerfallene griechiiche Kaiferreich den Einfällen der Burs baren feinen Damm mehr entgenenfeßte. Beinahe zwei Jahrhunderte lang entſchwand Paliftina ganz den Augen Europa's und afiatifhe Horden drangen von allen Seiten in das unglüdliche Land. Im Anfang des 14. Jahrhunderts verbanden fich die jerufalemifchen Ritter und Armenier mit dem Schah von Perfien, und es gelang ihnen, Zerufalem zu erobern und eine kurze Zeit zu behaupten. Schah Haſan ſelbſt fam, um fi vor den Heiligthümern zu beugen”). Am Jahre 1382 famen die kankaſiſchen Stämme mit allen Schreden des Kriegs über Paläftina und entriffen e8 den Händen der ägnptifchen Mamelufen, aber Die Herrichaft der Zicher: feffen war nur von kurzer Dauer und Die Negupter ges wannen wieder die Oberhand, als plöglih Tamerlan, mit unzähligen tatarifchen Horden, wie ein Sturm über Syrien hereinbrach, Damaskus einäfcberte und das ganze heilige Land feinem eifernen Scepter unterwarf.

Der Tod Tamerlan’s brachte Paläftina wieder unter die Herrfchaft der Aegypter, aber jchon im Jahre 1516

*) Haitofi Armeni, Historia Orient.

136 Zehntes Kapitel.

wurde ihnen Syrien und Paläftina von dem Sultan der ottomanifchen Türken, dem berühmten Selim, wieder entriffen, der feine fiegreichen Waffen von den Küften des Hellespont bis an die Ufer des Euphrat und die Sandwüſten Xibyens trug. Bon da an laftet das och der Zürfen bis auf den heutigen Tag auf dem heiligen Lande.

Das Gericht des Höchften, der da ftraft und ver- giebt und deſſen Rathſchlüſſe verborgen find für die Sterblichen, wachet über das heilige Land, zum Schau- fpiel für Menfchen und Engel —: „Denn das find die Tage der Rache, daß erfülletwerde al- les was geſchrieben tft“*)!

2) Ev. Luc. 21, 22.

Elftes Kapitel.

Der Schmerzensweg.

Alfo bat Gott tie Welt geliebet, daß er feinen eingebornen Sohn gab, auf dag Alle die an ihn glauben, nicht ver- loren werten, ſondern das ewige Yeben haben. Gv. Ich. 3, 16.

Der ganze Zerufalem zugewendete Rüden des Del: bergs ift, wie im Altertum, noch heute mit Delbäunen bededt. Die dunfeln Bäume, welde den Fuß Des Berges befchatten und denen Das Siegel fo vieler Jahr: bunderte aufgedrüdtift, find aus den Wurzeln Derfelben Bäume entfproffen, unter welche fich in jener feierlichen Nacht der Heiland zurüdgog, um zu beten und ſich zu unferer Erlöfung vorzubereiten. Dies ift der Garten Gethfemane, hier führte der Weg nach Bethanien, hier füngt man an zu fteigen, auf Die Zelfen Serufalems und auf den Oelberg. An beiden Seiten des Weges zu dem Delberge liegt ein Eleiner, mit ziemlich fchlechter Mauer umgebener Garten; beide Gärten gehörten zu dem Flecken Gethſemane. Hier ſieht man noch jeßt

138 Elftes Kapitel.

die Grabftätte der heiligen Jungfrau, und die Höhle, wo der Erlöfer betete, ehe ihn Zudas verrieth. Die Stelle, wo die drei Jünger fchliefen, während Jeſus den Todes- fampf fümpfte, wird noch jeßt in der Entfernung eines Steinwurfs*) von dem Gurten Gethfemane gezeigt: eine Stufe in einer Vertiefung des Felfens, welche eine von der Natur gebildete Ruhebank bildet. Diefe Höhle war einft mit der Grabftätte der Mutter des Er- föfers verbunden; man fteigt Dorthin von dem Gurten Gethſemane gerade hinunter. Sept ſteht dort eine fatholifche Kapelle. Welch ein göttlicher Troft wohnt unter dem Dunfeln Gewölbe diefer Höhle für die, wel: chen auf Erden ein bitterer Kelch befchieden iſt! Welche Trübſal könnte nicht Zroft finden an dem blutigen Schweiße des Erlöfers! Auf dem einfachen Altar er- hebt fich das Bild des Erlöfers, wie er auf den Knieen betend aus der Hand eines Engels den Kelch empfängt. An der Seitenwand ſieht man Die fchlafenden Jünger. Eine fleine Oeffnung erleuchtet von oben das Hei- ligthum. Als Jeſus in dem Garten verrathen war, wurde er am Kidron entlang auf dem Wege nach der Säule Ab: ſalom's gefchleppt, der gegenüber noch jeßt eine Brücke über den Bad) führt. Hier, an der Stelle, wo er einft dem Blindgeborenen die Sehfraft gab **), wurde ihm von der ihn begleitenden Wache der erfte Schimpf an-

*) Ev. Luc. 22, 4. ») Ev. Job. Kap. 9.

Der Schmerzensweg. 139

gethan ; hier mar es, mo er zum erften Male fiel. Die Kniee nnd Hände unferes Erlöfers haben fid Dort um Ufer des Bades in den Stein abgeprägt, und noch beute können wir dieſe heilige Spur des Schmerzens- pfades unferes Erlöfers füffen*). ine Legende er: zählt auch, der Erlöfer fei vom Wege ab in den Bad) Kidron geftoßen worden und habe, vom Durfte ge quält, aus defjen Fluthen getrunken, auf daß Die Worte des prophetifchen Pfalms**) erfüllet würden: „Aus dem Bade am Wege wird er trinfen“ Die Traditionen über den Schmerzensweg des Erlöfers von hier aus find fehr verfchieden. Einige vermuthen, Daß er durch das jeßt vermauerte goldene Thor geführt wurde, durd) welches er wenige Tage zuvor unter dem lauten Ho⸗ fianna des Volkes eingezogen war. Gewiß war es ein Hohn der Juden, ihn gerade Durch dieſes Thor wieder in die Stadt zu führen **). Nach einer anderen Tra⸗ dition ging der Zug, nach Ucherfchreitung der Brüde, gegen Südweften an der Mauer hin, nad dem Mift-

*) Fürſt Radziwill, Hierusolymitana peregrinatio. Bruns- bergae 1601 fol. (der im Jahre 1583 reiſte), bemerkt ſehr richtig: „Obgleich dieſe Spur, an dr Straße, der Luft ausgelegt, und feit fo langer Zeit alljährlich im Zrühjahr und Herbft Durch Die Fluthen des Kidron überfchwenmt iſt, jo bat fie fich Doc) bie jeßt noch Deutlich erhalten. Wäre fie Durch Den Meiſel erneuert, was unter der Herrfchaft der Moslemen kaum glaublich, jo müßte der Stein ſchon längft durchgehauen fein.“

“) Bi. 109. —9 Salmeron X. Tract. 19. Quaresm. II, 171.

140 Elftes Kapitel.

thore ebenfalls um Chriftus auf diefe Weife zu ver: höhnen und dann durch die Vorſtadt Ophel nad dem Haufe des Hohenpriefters Hannas, welches neben dem jeßigen Zionsthore ftand. Bon da wurde Der Erlöfer zu Kaiphas geführt, auf den Berg Zion, und hierauf, nad) der ganzen langen Leidensnacht, durch die ganze Stadt zu Pilatus, Von bier aus können wir den Schmerzensweg des Gottesfohnes verfolgen. Die Stelle, an welcher der Balaft des Pilatus ftand, ift befannt, und die Richtung der Straßen bis zur Schä- delftätte Golgatha ift nod) diefelbe. Um dahin zu ger langen, fehren wir wieder nach) dem Garten Gethfemane zurüd. Der Weg von da geht, wie fchon gefagt, nodh jeßt gerade aufwärts nach Serufalem. Es ift der Weg nach) Serufalem, welcher in den Evangelien an mehreren Stellen genannt wird.

Tritt man durch das Schafthor in die Stadt ein das Thor wurde fo genannt, weil die zum Opfer be⸗ ftimmten Schafe durd) daſſelbe hereingebradht wurden, fo hat man vor fih eine ziemlidy gerade Straße, welche nach dem Palafte des Pilatus führt, an dem Teiche vorüber, wo die Schafe gewafchen wurden und an dem Haufe der heiligen Anna vorbei. Dorthin wurde Jeſus auf dem längften Wege geführt. Bon dem Palafte des Pilatus find noch jebt einige Ueber- tefte vorhanden. Bon der ZTerraffe dieſes jetzt un- bewohnten Gebäudes überfieht man die ganze Vor: halle der Mofchee Omar's die Stelle des Tempels Salomo's und einen großen Theil der Stadt. Bon

Der Schmerzensweg. 141

dem Eingange zu dem Pulafte, von der Straße ber, haben fi) noch einige Ueberrefte erhalten, Dies tft der Eingang zum Richythaufe**); er war aus großen Platten von gelbem und rothbem Marmor gebaut. Man fiebt dort auch Gefimfe von weißem Marmor und ein Gewölbe von gewöhnlichen Baufteinen. Die Stelle, wo der Richtituhl des Pilatus ftand, wird much im Evangelium Johannis das „Hochpflafter“ (Litho- straton) genannt, und beſtand aus verfchiedenen oder verfchiedenfarbigen Steinen**. An Ddiefer Bauart erfennt man das hohe Alterthum des Gebäudes, wel- ches jeßt die Straßenmauer bildet. Die lehte Stufe der runden Freitreppe, welche auf die Straße führte, it ebenfalls noch vorhanden. Die Stufen Diefer Treppe waren mit weißem Marınor belegt; fie find von den Kreuzfahrern nad) Rom gebracht worden, wo id) fie in der Kirche Santa Scala felbft gefehen habe. Diefe Stufen, achtundzwanzig an der Zahl, jteigt man nicht anders als auf den Knieen hinan; auf ihnen wurde Jeſus hinaufgeführt zum Gericht, und hinab zur Kreuzigung, mit Blut bededt und befhimpft. An diefer lebten Stufe begegnete ihm feine göttliche Mutter. Der fpäter wieder aufgebaute Palaft des Pilatus ift der Verwüſtung preisgegeben und die Treppen der Bor:

*) Ev. Joh. 18, 28.

**) Nonnus: As900rowros Ywoos, Aldoıs Orowroicı Tervy- utvos, qui fuit variis lapidibus quasi stratis distinetus. Seve- rus, ad Esaiam, zo AsIoorowror, inquit, zAcree navıws fsri. H. Müller ubi supra, p 88.

142 Elftes Kapitel.

böfe find zerjtört; die heutigen Beherricher Jeruſalems jcheuen ſich, dieſe nglücsftätte zu bewohnen. Fürchter⸗ liche Gefihte und Donnerjchläge in der Luft haben Die einst hier wohnenden Moslemen vertrieben *). An den Winden diejes Gebäudes wur das Gericht des Heilun- des vor Pilatus abgebildet, wahrfcheinlich in den Zei⸗ ten der heiligen Helena **), aber Die Juden und Heiden haben Ddiefe für fie jo fürchterlihe Mahnung vertilgt. Auch zwei fehr alte lateinische Anfchriften fanden fid) einft bier, die, wie man vermuthet, Das Urtheil des Pilatus enthielten ***),

*) Der Biſchof Bonifacius berichtet: „Ego vix septimo anno intrare potui ad videndum et adorandum in loco, in quo tantus sanguis effusus fuit, & quadam vetula introductus fui, dum ille malus vir in peregrinatione Hebron esset. Audivi in loco ietus, quasi ictus Hagellantium Christum, et interrogavi vetulam, et fratres qui mecum erant, an ita audirent, sicut et ego audio: omnes enim Confessi sunt se audire. Vetula dice- bat, quod a sexaginta annis, quibus domum hanc habito cum familia wea. die noctuque ista audio; interrogavi illam, quid- nam est hoc? ipsa respendit, quod sunt ibi Judaei usque ad diem judieii detrusi in deterrimo carcere, et post judicium de- seendent ad infernum quia hie tlagellaverunt Messiam.‘‘ De perenni cultu Terrae Sanctae, p. 237. Vergl. Qua- resmius T. Il, p. 197.

*) Cotovieus, S. 237. Bonifac., S. 233.

=) Jesum Nazarenum, seductorem populi, legis Mosaicae derisorem, à Pontifieibus et Sacerdotibus accusatum, expoliate, Hgate et vinzis caedite. Jesum Nazarenum virum seditiosum et contemptorem Caesaris, ut a majoribus suae gentis probatum est. in medio duorum latronum ad communem locum supplicii

Der Schmerzenäweg. 143

Ein Bogen von ziemlich flacher Wölbung verbindet den Palaft des Pilatus mit den gegenüberliegenden Häufern der Straße; aus einem Fenſter deffelben, wo man den ganzen Platz überſehen fann, ſoll Bilatus den Erlöfer dem Bolfe gezeigt haben, mit den Worten: „Sebet, weldy ein Menfch ift das!“ Bon dieſem er= höhten Plage aus fprachen die römifchen Proconfuln und der König Agrippa zu dem Bolfe*). Jetzt wohnte bier ein Derwiſch, das Drafel des gegenwärtigen Pa— iha’s von Syrien, dem ich felbft einen Beſuch machte, Ueber dem Bogen befindet jich eine Eleine Galerie, fo breit wie die Straße, etwa Drei Klafter lang und drei Zuß breit, welche früher an jeder Seite drei Fenſter hatte, jeßt aber an einer Seite zwei, an der andern nur eins, welches das Tenfter „Ecce homo“ genannt wird. Das Zinmer, zu dem dieſes Fenjter gehört, be= wohnte der Derwiſch, es enthielt Nichts weiter als die Matte, auf welcher er ſchlief. Zu dem Bogen führt, von der Straße, eine alterthümlich gebaute Treppe binauf**). Links unter dem Bogen zeigt man eine

adducite, et per ludibrium Regiae Majestatis, in medio duorum latronum crucifigite. (Georg. a Beunesburg. Itiner. Sacr. ann. 1639 apud Gröben. Üriental. Reiſebeſchr.)

*) Josephus de bell. jud. lib. II., c. 16. 3. ed. Haver- camp.

") Biele wollen Das Alterthum derjelben bejtreiten, Die großen Suaderiteine find jedoch ganz in Derjelben Weile zufammengefügt, wie bei den übrigen Gebäuden des alten Jeruſalem, wie Herr Saulcy beobachten konnte, als nach einem jtarken Herbitregen ein Theil des Vewurfs von dem heiligen Bogen abfiel. Tom. III. S. 372 sq.

144 Elftes Kapitel.

kleine Vertiefung in der Mauer, wo die heilige Zung- frau während des Berhörs bei Pilatus gewartet haben ſoll.

Das Haus des Herodes, zu dem Pilatus den Er- löfer fandte, lag rechts von dem Bogen auf einer flei- nen Anhöhe, die jet unbebaut und mit Schutt bededt ift. Verfolgt man den Schmerzensweg von dem Bogen aus weiter, fo fommt man, nad ehva hundert Schritten, an eine Biegung der Straße nad der Linfen Geite zu. Hier bezeichnet eine an der Ede liegende Marmorfäule die Stelle, wo der Erlöfer unter der Laſt des Kreuzes zuſammenbrach. An diefer Ede ftand einft eine von der heiligen Helena erbaute Kirche, auf deren Grundmauern jet ein öffentliches Bad fteht*). An der gegenüberftehenden Ede foll das Haus geftanden haben, in welchem der arme Lazarus wohnte, gegenüber dem Pulajte des Reihen **). Neben der ehemaligen Kirche mündet ein fehr ſchmales Gäßchen aus, das von den Hintergebäuden des Palaftes Pilatus abführte, Nach der jerufalemifhen Tradition begab ſich die heilige Sungfrau, als fie ihren göttlichen Sohn zur Kreuzigung führen fab, in den Palaft, um von Pilatus Gnade für denfelben zu erflehen, und eilte von da, um dem Zuge zuvorzukommen, durch dieſes Gäßchen: „Ach Du Tochter Jeruſalem, wem foll ich Dich vergleichen? und wofür fol ich Dich nehmen du Jungfrau Tochter Zion? wem ſoll ich did, vergleichen, damit ich Dich tröften

*) Bonifacius p. 233.

*) An diejer Stelle ſteht jeßt dad Haus des Mufellim von Jeruſalem.

Der Schmerzenämeg. 145

möchte? Denn dein Schade ift groß wie ein Meer; wer fann dich heilen!“*) „Und es wird ein Schwert durch Deine Eeele dringen ***).

Eine kleine Strede weiter wendet fih die Straße wieder nad) rechts; hier ſank der Erlöjer zum zweiten Male unter der Laft des Kreuzes zufammen, und bier war ed, wo ihm Simon von Eyrene begegnete, dem die hohe Gnade zu Theil wurde, Die Bürde zu theilen, welche dem Erlöfer auferlegt war; bier famen ihm auch die weinenden Frauen Serufalems entgegen. Etwa hun- dert Schritte weiter oben trat die heilige Veronica aus ihrem Haufe, um dem Heiland das mit Strömen von Blut bedeckte Geficht mit einem Tuche zu trodnen. Einige Zahrhunderte zuvor fah der Prophet Jeſaias mit den Augen des Glaubens den Leidensweg des Herrn voraus !***)

Noch hundert Schritte weiter hinauf an dem fteilen Pfade ftand vormals das Richtthor,, von dem ſich noch ein Stüd erhalten hat, mit einer Säule, an welcher Die Urtheile ausgehängt wurden. Hier war die Stadt zu Ende. Das Thor führte auch den Namen Thalthor, weil vor demfelben das Thal des Todes und die Schä— delſtätte lagen }). Nehemia ritt zu diefem Thor hinaus,

*) Klagel. Jerem. 2, 13. *), Ev. Luc. 2, 38. 9 Jeſaias, Kap. 53. +) Nehemia 2, 13 wird Dad Thor in der griechifchen Ueber⸗ fung Golila genannt, welchen Namen Vilalpanda von Dem bebräifchen Galil oder Galgal ableiten will. Noroff's Reife nach Batäftina. 10

146 Elftes Kapitel.

um die Ruinen der Stadt, um die neuen Mauern in Augenfchein zu nehmen. Der Heiland wurde durch daifelbe Thor zur Hinrichtung binausgeführt, und ein Abdruck feiner Knie bezeichnet feinen Weg nad) Gol- gatha.

Der Weg, welchen der Heiland von hier aus weiter ging, tt jetzt mit Häuſern bebaut und den Hügel Gol- gatha nebſt der Grabſtätte des Erlöſers bedeckt der Tempel ſeiner Auferſtehung.

zwölftes Kapitel, Die Kirche des heiligen Grabes.

Und das ganze Thal der Leichen und ter Ajche, ſammt Dem ganzen Acer, bis an ten Bach Kidron, bis zu ter Ecke am Roßthor gegen Morgen, wird tem Herrn heilig fein, DaB ed nim— mermehr zerrijfen noch abgebrochen werden joll.

Jeremias 31, 40.

Der Ort, wo die Kirche des heiligen Grabes jteht, bieß einjt das Thal der Todten. Ueberraſchend find die Worte der Propheten Jeremias und Jeſaias *): „und feine Ruhe wird Ehre fein“, in Erfüllung ge: gangen! Die Grabftätte des Meſſias ift geheiligt und angebetet von allen Völfern der Erde**). Die

*) Jeſaias 11, 10. Das hebräiſche Wort Menuhato, feine Rube, kann auch bedeuten, feine Grabitätte, wie auch die Bul- gata wirklich „‚sepulerum‘‘ überjegt.

») Wir müſſen bier unſere Zejer auf Die Stellen der Propheten und Die Erzählungen Nehemias verweiſen, welche Die Zweifel man- her neuerer Reijenten, wie Robinſon und Smith, binfichtlich der

10*

148 Zwoͤlftes Kapitel.

Weiſſagungen find erfüllet und getroften Herzens kann der Chriſt der Zukunft entgegenfehen !

Die Hebräer nannten Diefe Stelle Golgatha; Die Bedeutung diefes Worts ift im Evangelium hinlänglich erflärt. Hier lagen die Kreuze der Gefreuzigten zwi— fchen der Aſche verbrannter Zeichen und beinahe Drei Sahrhunderte blieb das belebende Kreuz des Erlöfers hier unter Schutt und Afche verborgen. Die Heiden, denen es ein Anftoß war, daß fo viele Anhänger der Lehre Ehrifti hierher famen, um zu beten, erbauten un— ter dem Kaifer Hadrian auf Golgatha einen Tempel der Venus, und an der Stelle der Auferftehung einen Tempel des Jupiter, Damit e8 wenigftens den Anfchein hätte, als ob die Ehriften bier den heidnifchen Gößen ihre Anbetung zollten. Als aber im Jahre 326 die - Kaiferin Helena nad Paläftina fam, ließ fie Diefe Tempel zeritören. Die Kirche der Auferftehung, ara— biſch Kenifetel-Kiamet, wird aud) jet noch von Arabern el-Komamat, d. ti. Schutthaufen, genannt, wie zur Erinnerung an die Zeit ihrer Erbauung durch ‚die heilige Helena, welche dieſen Ort der Verwüſtung reinigen ließ. Die heiligen Stellen Serufalems und des ganzen heiligen Landes waren damals den Ein- wohnern noch in frifchem Andenfen und die fromme Kaiferin fammelte die Traditionen und mündlichen

Stelle des heiligen Grabes, vollitintig widerlegen. Nach ven Forichungen des Herrn Saulcy (Th. IL. 347) fteht der Thurm Da: vid's, welchen Jeremias (31, 38) Hananeel nennt, noch heute.

Die Kirche Des heiligen Grabes. 149

Ueberlieferungen, welche fie durch Erbauung von Kir: hen und jchriftliche Aufzeichnung der ewigen Erinne- rung der Nachwelt aufbewahrte,. Sie ließ an der Stelle des heiligen Grabes die prächtige Kirche erbauen, welche noch heute fteht, obwohl fpäter verſchönert und neu geibmüdt, und die, obwohl mehr als einmal von den Flammen verzehrt, doch noch immer, nad dem, Willen der Borfehung, die beiden höchften Heiligthümer umichließt, den Felſen Golgatha oder Ealvariens berg, und die Grabftätte des Erlöjers!

Als Tag der Einweihung diefer Kirche durch Die heilige Helena wird von der griechifchen Kirche der 13. September gefeiert. Das griechiiche Klofter nimmt einen Theil des ehemaligen Gartens des Nifodenus ein und jtößt an den Glodenthurm der Kirche des hei- ligen Grabes. Hier zeigt man ein in den Stein ger hauenes Kreuz, welches die Stelle bezeichnet, wo der Heiland zum legten Male unter der Laſt des Kreuzes niederjant. Aus der griechifchen Kirche führen einige Stufen auf eine Plattform hinab, deren eine Seite die großartige im byzantiniichen Style erbaute Façade der Kirche einnimmt, die aber an den Seiten durch ſpäter angebaute Theile verftedt it. Zur Linfen ftößt dieſe Façade an einen durch Erdbeben halb zerftörten Thurm, ebenfalls von byzantinifcher Bauart, zur Rechten an die Wohnungen der koptiſchen Chriſten. Diefe haben bier ein kleines Oratorium, das, nach ihrer Meinung, an derfelben Stelle ftcht, wo Abrabam feinen Sohn Iſaak opfern wollte; fie zeigen hier einen mit ſymbo—

150 Zwoͤlftes Kapitel.

liſchen Zeichen 'verzierten Stein im Fußboden ihres Heiligthums, den fie für denfelben Stein halten, auf welhem Abraham die Opferung vollziehen wollte. &s ift jedoch erwiefen, daß jene Begebenheit auf dem . Berge Morija ftattfand. |

Auf der Plattform fieht man noch Die Ueberrefte eines Marmorpflafters und die Stelle der Säulen, welche zu dem Palaſte der Zempelherren gehörten. Selbft die Moslemen verbieten den Juden, über Diefe Plattform zu geben, die fie, als zur Kirche des heiligen- Grabes gehörig, für heilig halten ®).

Zwei Eingänge von hohen marmornen Spigbögen überwölbt, führten fonft in die Kirhe; der zur Rechten ift aber jegt vermauert. Die Spuren porübergegan- gener Zahrhunderte find an den verftümmelten Verzie— tungen der von Säulen getragenen Spigbögen der Thüren und Feniter fihtbar. Diejes heilige Denfmal rollt vor dem Geifte des von fernen Geftaden kommen⸗ den Pilgers eine lange Reihe ftürmifcher Begebenheiten auf, Die mit dieſer Kirche in Zufammenhang ftehen.

Die byzantinischen Griechen, der Perſerkönig Khoſru, die Araber unter Omar und El-Hakim, die Heere Gott- fried’8, Richard’s, Friedrich's und Ludwig’s, Türken und faufafiihe Stämme find fchaarenweife hier vorüber gezogen und haben blutige Spuren zurüdgelaffen, welche eine lange Zeit nicht tilgen fonnte. Der Gedanfe an die Heiligthümer, weldye dieſer Tempel

*) Light (H.), p. 162.

Die Kirche Des heiligen Grabes. 151

umfchließt, erfüllt Die Seele des hereintretenden Chriſten mit heiligem Schauer der Chrfurdt.

Die Basreliefs von Marnor über den Thüren der Kirche ftellen die Auferwedung des Lazarus, den feit- lichen Einzug Ehrifti in Jeruſalem und die Reinigung des Tempels dar, Bor der vermauerten Thür ift eine Sreitreppe, die einft auf den Zellen Golgatha zu der Kapelle der heiligen Helena führte, welche ſpäter nıit der Kirche verbunden wurde.

Beim Eintritt in die Kirche erblict man zur Rechten die Zellen, welche der griechiiche Aufieber über Die Schätze der Kirche innehat, zur Linken die des türki— ſchen Thürhüters. Früher waren die mubamedanifchen Thürbüter außerhalb der Kirche, wie noch Die Reiſenden des 16. und 17. Jahrhunderts berichten *), und es wäre zu wünfchen, daß dies noch jegt fo wäre, Da man fich ihrer ftörenden Beauffihtigung nicht ganz entzichen fann. Man braucht nur wenige Schritte zu thun, To befindet man fih am Fuße des Felſens Golgatha und erblicft vor fi am Boden den Stein, auf welchen einft der Leichnam des Herrn, nad) Der Abnahme von Kreuze, von Joſeph und Nikodemus gefalbt wurde, echte von bier führen zwei Marmortreppen zu Dem Golgatha, dem Orte der Schädelftätte. Gebt man an Diefen vorbei, jo gelangt man an eine Galerie, welche nad)

*) Cotovieus p. 13% giebt auf Dem Plane unter Dem Bud: ftaben ce an: Locus sessionis Turearım. Fürer, p. 80. Forma templi 8. Sepuleri.

152 Zwölftes Kapitel.

der rechten Seite zu einen Bogen befdyreibt; vor ſich erbliedt man, gerade hinter dem Steine der Salbung, eine mit großen Gemälden gefchmüdte Wand; das größte derfelben ftellt die Abnahme Chrifti vom Kreuze dar. Zur Linfen fieht man, in der Entfernung , zwei Reihen vierediger Säulen, welche eine große Rotunde bilden; in diefer, jedoch von hier aus noch unfichtbar, itt das Grab des Erlöfers.

Wagen wir mit unferen fündigen Füßen den Felfen Golgatha zu betreten, wo einft der Welterlöfer mit dem ichweren Kreuze unferer Sünden belaftet hinaufitieg . .. Die Chriften betreten diefe Stufen nie anders als bar- fuß. Die düftere Kapelle des Golgatha beiteht aus zwei gewölbten Abtheilungen, und ift ziemlich niedrig, weil der Felſen, der mit in den Teınpel eingejchloifen ift, fait bis an die Dede hinaufreicht. Ein einfacher griechifcher Altar, ohne Bilderwand, fteht an der Stelle, wo das Kreuz des Erlöfers aufgerichtet war. Der Altar ift an den Seiten offen, und unter demfelben fieht man das Loch, in welchen das Kreuz ftand. Rechts ift die Spalte im Felfen, welche bei dem Berjcheiden des Er⸗ löſers geriffen wurde; fie tft zwifchen dem Kreuzesorte des Erlöfers und dem des Schächers zur Linken und bedeutet die Scheidung der Gottlofen von Chriſtus. Das Loch, in welchem das Kreuz ftand und ebenfo die Spalte find mit vergoldetem Silber belegt, aufwelchem die Worte Pſ. 74, 12 in griechifcher Sprache eingegra- ben find: „Hier bat Gott, unfer König, vor Jahrhun- derten Das Heil im Mittelpunfte der Erde bewirft.”

Die Kirche Des heiligen Graben. 153

Die Oberfläche des Felſens it mit gelbem Marmor be> legt. Der ganze Schmuck dieſes Heiligthums beftebt in koſtbaren Lampen, den Geſchenken einiger chriſt— lichen Könige welche über dem Altar hängen, binter dem ein Crucifir ftebt.

Rechts von dem griechifchen Altar, unter dem klei— neren Gewölbe, fteht der Inteinijche Altar, vor welchen jih Die Stelle befindet, wo Chriſtus an das Kreuz ger ihlagen wurde. Neben diejem Altar befindet jich Die Kapelle der heiligen Helena, die urfprünglich außerhalb der Kirche angebaut war, Die Legende erzäblt, daß an dieſer Stelle die Mutter Gottes mit Johannes ae itanden habe, als der göttliche Dulder zu feiner Mutter ſprach: „Weib, dies ift dein Sohn”, und zu ſeinem Jünger: „Dies ift deine Mutter*. Unter den Stufen, die zu Dem Golgatha hinaufführen, iſt noch eine dem Täufer Zohannes geweihte Kapelle, in welcher mun, binter einem eifernen Gitter, den natürlichen Felſen Golgatha und die Kortfegung der bein Tode des Er— löfers geriſſenen Spalte ſieht, Die über vier Klafter tief iſtß). Die natürlichen Felsſtücke find in einer furchtbaren Unordnung durch einander geworfen und laffen auf ein merfwürdiges Naturereiguiß ſchließen. Daß um dieſe Zeit wirklich merfwürdige Erſcheinungen in der Natur ftattfanden, bezeugen uns ſelbſt beidnijche Schriftſteller; jie erzäblen, in Der CCH. Olpmpiade, in

*) Maundrell jagt, S. 72—73, Die Zvalte im Felſen gebe bis zu einer unerferichten Tiere hinab.

154 Zwölftes Kapitel.

welche das Todesjahr des Heilands fällt, habe eine noch nie gefehene Sonnenfinfternig die Menfchen in Furcht gefeßt; die Finfterniß war fo groß, daß man zur Mittagszeit die Sterne fehen fonnte, und Doch war fie von den Aftronomen jener Zeit nicht zum Voraus berech- net worden. Deshalb fügte auch ein heiliger Prieſter und Märtyrer (im vierten Jahrhundert) öffentlich zu feinen Berfolgern: „Wenn ihr Die Auferftehung Ehrifti nicht glauben wollt, die durd) das Zeugniß des Pilatus beftätigt wird, wenn euch die Beweife nicht genügen, die man nod) heute an dem Felfen Golgatha fieht, der unter der Laft des Kreuzes zerfpaltete, Die Grabftätte, welche die Bforten der Hölle einriß wenn euch dieſe irdischen Zeugniſſe nicht genug find, fo fchauet hinauf gen Himmel, Andere Schriften, die ihr befiget, bezeu- gen euch, daß die Sonne, gegen den Lauf der Natur, in der Stunde, als der Erlöjer am Kreuze feinen Geift aushauchte, ſich am hellen Tage verfinſterte“*). Pli— nius berichtet, Daß unter der Regierung des Tiberius ein furchtbares Erdbeben ftattfand, durch welches in einer Nacht zwölf Städte Aſiens verfchüttet wurden **); „Die Erde bebete, und ward bewegt, und die Grundfeite der Berge regeten ji), und bebeten, da er zornig war “***).

Der Felſen Golgatha beſteht aus einem kreidear⸗

*) Euseb. Hist. eceles. Lib. IX. c. 6. **) Hist. natur. II, 84. *) 1, 18,8.

Die Kirche Des heiligen Giraben. 155

tigen Kalkiteine. Nach der orientalifchen Tradition, und viele beiline Väter find derſelben Meinung, war bier an derjelben Stelle, wo Das Leidenskreus des Gr: löjers erböbet wurde, der der fündigen Menichheit den Himmel äffnete, das Grab Adam's, Des Hauptes Der Menfchheit. Der beilige Ambroſius fagt in Beziehung darauf: „Dort, wo der Anfang des Zodes war, da war auch der Anfang zu unferem Leben; durch Adam ftarben Alle, Dur) Chriſtum werden Alle wieder lebendig **).

Man vernutbet, Daß die Worte des Npoftels Pan: Ins in Dem Briefe an die Epheſer (5, 14): „Wache auf, Der du schläft, und ftebe auf von den Todten, fo wird Chriſtus Dich erleuchten !* an Adam gerichtet find. Der Abt Daniel fiebt in den großen Altar ein Zeichen der Erhöhung Adams **),

Gegen Ende des zehnten Jahrhunderts wurde in den Felſen Golgatba eine Marmorplatte eingelegt, um die Grabſtätte Adam's zu bezeichnen. Die beutigen Zurer und Araber nennen Golgatba Cranion oder Acranion, d. i. Schädelſtätte***). Die Kopten erbalten m Ehren des Vaters der Menſchheit eine immer bren— nende Lampe am Fuße des Golgatha, und ſelbſt die

*) Ambrosius in Luc. 23. Corinth. 15, 22. Cyprinnus in tract. de resurreet. Hieron. in Mattlı. 27. Epheſ. 8, 413 In Epist. Pauli et Eustoch. ad Mareellum. 8) Reiſe Des Abts Daniel, Rap. 20. Größen, Oriental. Reifebeichr., S. 125. ) Vergl. S. 148.

156 Zwoͤlftes Kapitel.

Muhamedaner bejigen ein Buch, betitelt Kiſet el- Dſchamdſchama, in welchem ſich ein Geſpräch zwi: ſchen Chriſtus und dem Schädel Adam's findet. Man glaubt auch, daß ſich die Worte des Propheten Jeſaias, Kay. 25, V. 6— 10, auf den Felſen Golgatha be— ziehen. Hier zeigt man die Stelle, wo Melchi— ſedek, der Begründer Jeruſalems, der Prieſter des allerhöchſten Gottes, begraben liegt. Dieſe Ueberliefe— rung iſt wichtig, wenn wir uns der Worte der Schrift erinnern, die wir im Briefe an die Hebräer leſen: *) „Der Vorläufer für uns eingegangen, Jeſus ein Hoher: priefter in Ewigfeit, nach der Ordnung Melchifedef’5 *. Anı Fuße des Golgatha waren einjt die Srabmäler der Befreier Jeruſalems, Gottfried’s und feines Bruders Balduin; Die lebte Keuersbrunft aber hat dieſe beiden Denkmäler vernichtet. |

In gleicher Linie mit der Kapelle des Täufers Jo— hannes liegen die Safrüjtet und das Empfangszimmer der griechifchen Priefter.

Geht man an den Stufen des Golgatha vorbei, fo gelangt man in eine Galerie, die im Innern des Tem- pels um Die Kirche der Griechen führt, welche legtere beinahe eine ganze Hälfte des Gebäudes einnimmt, während die Rotunde mit dem Grabe Ehrifti die andere Hälfte bildet. Dieſe Galerie enthält viele der Erin- nerung an das Leiden des Herrn geweihte Kapellen, welche die Pilger zur Anbetung des befebenden Grabes

*) Ebr. 6, 20.

Die Kirche Des heiligen Grabes. 157

Chriſti vorbereiten follen, „au erfennen ihn, und Die Kraft feiner Auferftehung und die Gemeinſchaft feiner Leiden, Daß ich feinem Tode ähnlich werde, "*) An der erjten Kapelle lehnt der Altar mit der Rückſeite an eine Säule, die aus dem Richthauſe des Pilatus bieber gebracht wurde; nach der Tradition diefelbe, an welcher Chriftus mit der Dornenfrone gekrönt und veripottet wurde :— „ich hielt meinen Rüden dar, denen die mich ſchlugen; “*x*) „denn fie haben mir ohne Urſache geftellet ihre Neße zu verderben und baben ohne Ur— ſache meiner Seele Gruben zugerichtet*.***) ine Hälfte dieſer Säule ift nad Conjtantinopel gebracht worden +). Nach dieier Kapelle folgt eine Treppe von 49 Stufen, die in die Schlucht hinabführt, welche ſich chemals neben dem Hügel Golgatba befand, und in weiche die Leichname und Kreuze Der Hingerichteten ae worfen wurden, Hier fand man auch, nach 300 Jah— ren, Das Kreuz des Erlöfers, welces fich vor den übri— gen Dadurch kundthat, daß eine kranke Frau durch Die Berührung deſſelben auf eine wunderbare Weiſe geheilt wurde. Hier iſt ebenfalls eine Kirche mit zwei Kapel- len eingerichtet; Die erfte, deren Gewölbe auf ägpypti— hen Säulen rubt, führt Den Namen Der beiligen Helena, die andere, etwas weiter linfs, it dem reuigen Schächer geweiht. Aus der Kapelle der heiligen Helena

*) Br. an die Philipper 3, 10. Jeſ. 50, 6. 9 Pſalm 3ö, 7. +) Marinus Sanutus in Gesta Dei per Francos. p. 234.

158 Zwoͤlftes Kapitel.

führen 13 Stufen zu der Stelle hinab, wo das heilige Kreuz gefunden wurde, Hier wird auch ein in Stein gehauener Sitz gezeigt, wo die heilige Helena faß, und eine Deffnung im Felfen, durch weldye fie die Arbeiter beobachten fonnte, welche das Kreuz fuchten. Auch die Inſchrift, welche an dem Kreuze des Herrn befeftigt war, fol man hier gefunden haben; dieſe foll von der heiligen Helena nad) Rom in die Kirche des Kreuzes gebrucht worden fein*). An der Stelle, wo das Kreuz gefunden wurde, fteht jeßt ein griechifcher Altar, und gegenüber der Treppe eine lateinifhe Kapelle. Auch an diefer Seite zeigt man am Fuße des Golgatha die Spalte im Fenſter. Alle diefe Orte find in düſteres Halbdunkel gehüllt und die Beleuchtung ift außerordent- lich malerifch.

Wenn man von diefer unterirdifchen Kirche den Weg in der runden Galerie weiter fortjegt, fo gelangt man an die Kapelle, wo die Kriegsfnechte die Kleider des Herrn theilten. Sigbert, ein CSchriftiteller des elften Sahrhunderts, fagt**), daß das Kleid des Herrn erit im Jahre 553 in den Fleden Zafat aufgefunden wurde ***), Diefe Kapelle, welche jet den Armeniern gehört, Liegt am öftlihen Ende des Durchmeffers der Kirhe, gerade gegenüber dem griechifchen Alture des Domes (der Calvarienkirche), welcher nicht mit. einer

*) Cotovicus, S. 160. **) Chronicon ab anno 381, quo Eusebius finit, usque ad ann. Chr. 1112. Paris 1513, A. ), Vielleicht Safed in Galiläa.

Die Kirche des heiligen Grabes. 159

Wand, Sondern mit einer Reihe Säulen und einer Baluftrade umgeben tft und von der Galerie aus ge- jehben werden fann. Neben diefer Kapelle fieht man die fogenannte levantinifche Thür. Geht man weiter, fo fommt man an die Kapelle des römischen Haupt: manns Longinus, eines der Kriegsfnechte, Die fich bei den ſchrecklichen Wahrzeichen bei dem Zode des Erld- jer8 befehrten. ft man endlih um den Altar des griechifchen Domes ganz herumgegangen, jo erblidt man zur Rechten eine befondere Abtheilung. Hier fieht man in einer Kapelle die fteinernen Feſſeln, mit denen, wie man glaubt, die Füße des Erlöfers belaftet waren; eine andere Kapelle ift der Mutter Gottes geweiht. Man erzählt, daß fich zur Zeit des Erlöfers hier eine Höhle befand, wo er während der Vorbereitungen zur Kreuzigung eingefperrtwar, und wo während der Kreu- jigung Die heilige Jungfrau weinte,

Verfolgt man den Weg in der Galerie noch weiter, an dem griechifchen Dome vorbei, der zur Linken bleibt, nach der Rotunde des heiligen Grabes zu, To gelangt man rechts von leßterer zu einer befondern Abtheilung. Dies ift Die Kirche der Luteiner, welche für fid) einen fleinen Flügel des Hauptgebäudes bildet. Dieſe Kirche nimmt die Stelle des Weinberges ein, wo Ehriftus am Auferitehungsmorgen der Maria Magdalena erichien, Am Alter ſteht nod) ein Stück der Säule, an welche Chriſtus im Richthaufe des Pilatus angebunden war, Rechts von der Thür, in der Kirche, ift der Eingang zur Safriftei. Wenn wir Die Kirche verlaffen, richten

160 Zwoͤlftes Kapitel.

wir unfere Schritte nach der der Thür gerade gegen über befindlichen Rotunde des heiligen Grabes. Acht: zehn forinthifche Säulen, in drei Etagen, durch Bogen verbunden, tragen Die Kuppel diefes großartigen Baues. Am Ende des fehszehnten und Anfang des fiebenzehnten Sahrhunderts fah man an der Kuppel und den Wänden noch Mofatfverzierungen aus der Zeit des Kaifers Eonftantin und feiner Mutter Helena, die Bilder der zwölf Apoftel und einiger Propheten, mit Snfchriften aus ihren Büchern. Unter dem Bilde des Propheten Amos ftanden die Worte: „Yu derfelben Zeit will ich die zerfallene Hütte David's wieder aufrichten und ihre Lücken verzäumen, und was abgebrochen ift wieder auf: richten ; und will fie bauen, wie fie vor Zeiten gewe— fen iſt“. *) |

Die Kuppel ift oben offen und das Tageslicht füllt in langen Strahlen auf den in der Mitte der Rotunde aus Marmor erbauten Tempel, der das Grab des Coh: nes Gottes, des Erlöfers der Welt umschließt! Man Darf nicht verfuchen zu erflären, was unerflärlih it: das Gefühl, welches jeden ergreift, der Dem Grabe des Herrn und dem Hügel Golgatha nahet! Das Grab ift einer Kapelle ähnlich und mit gelbem Marmor be: Eleidet, mit einer zierlichen, auf Bogen ruhenden Kuppel. An den Seiten fteben Pfeiler, der Thürgiebel rubt auf vier byzantiniichen, gewundenen Säulen. Ueber der Thür ift in Marmormoſaik Die Auferftehung des

) Amos 9, 11.

Die Kirche des heiligen Grabes. 161

Herrn Dargeftellt. Die Thür wird gegen den Regen, der zuweilen durch Die Deffnung der Kuppel fällt, durch einen Vorhang gefhügt, auf welchem ebenfalls die Auf: erftehung des Herrn abgebildet if. Zum Eingange, an deſſen Seiten große filberne Candelaber ftehen, führen einige Stufen von weißem Marmor, mit einem Geländer zu beiden Seiten. Tritt man in die Kapelle, jo befindet man ſich im Vorhofe des Grubes Chrifti. Das Grab felbft ift eine Grotte in einer Felsmaſſe und jest innen und außen mit Marmor bekleidet; doch ift der natürliche Stein nicht ganz überdeckt, und man fieht ihn noch an der Dede und am Eingange. „Höret mir zu, Die ihr der Gerechtigkeit nachjaget, die ihr den Herrn ſuchet: Schauet den Fels an, Davon ihr gehauen feid, und des Brunnen Gruft, daraus ihr gegraben jeid «*)!

Diefer Eingang, d. i. die nach oben gerichtete Deffnung, war einft mit einem Steine verichloffen, wie Seremias fehreibt: „Denn fie haben mein Leben in einer Grube umgebracht, und Steine auf mid) gewor- in “**), und der Evangelift Matthäus erzählt: „Joſeph von Arimathia legte den Herrn in fein eigenes neues Grab, welches er hatte laffen in einen Fels hauen; und wälzte einen großen Stein vor die Thür des Grabes und ging Davon “***), Hieraus erfieht man auch, daß

*) Jeſaias 81, 1. ) Klagel. Ieremiä 3, 33. —H Mattb. 27, 60. Noroffs Reife nach Baläftina. 11

162 Zwölftes Kapitel.

der Ort der Beftattung nahe bei Golgatha war. Der Borplag des Grabes ift ebenfalls eine Grotte*) und umfchließt die Stelle, wo nad) der Auferftehung der - Engel auf dem von dem Grabe abgewälzten Steine faß. Ein Stück dieſes Steines ift in eine Vaſe von Marmor eingefügt, die bei der Liturgie als Altar dient und von 15 fehr werthvollen Lampen erleuchtet ift. Diefes Stüd ift von demfelben freideartigen Kalkftein, wie Der ganze Felſen.

Nach jüdischen Gebrauch wurde der Leichnam in Tücher gehüllt und in eine an der Wand der Grabhöhle ausgehauene Vertiefung gelegt. Die Vertiefung tt fo niedrig, daß man fich bei dem Eintritte bücken muß und gerade nur fo groß, um einen Leichnam zu fallen. Zwifchen dem Sarkophag und der Wand it noch ein Zwifchenraum von anderthalb Fuß. Der Vorplatz iſt, nad) der Meffung des ruffiihen Reifenden Worobieff, gerade eine Klafter ing Gevierte. Die fteinerne Banf, auf welcher der Leichnam des Herren ruhte, ift mit wei— ßem Marmor befleidet, deſſen obere Platte in zwei Stüde zerbrochen tft. Der Stein, welcher das Grab Christi bildet, war früher nicht bedeckt **), man bat ihn aber mit Marmor befleidet, weil viele Pilger in from: mem Eifer fi) erlaubten, von dieſem Heiligtbume Splitter abzufchlagen ***). Ein Pilger des ſechszehnten

*) Marinus Sanutus in Gesta France. Il. 234. *) Fürer, p. 61.

»*) Meile Des Abts Daniel, 121. „Gr (ver Schlieger), wel:

cher meine Liebe zu Dem Grabe des Herrn fah, hob Tas Bret am

Die Kirche des heiligen Grabes. 163

Jahrhunderts ſagt: „Nicht ohne den- Willen der Vor⸗ fehung ift und der Zutritt zu diefem Heiligthume ver: fügt; wir find fündige Menfchen und wie dürften wir den Stein berühren und füßen, den der heilige Leidı- nam Ehrifti berührt hat. Wie follte nach folcher Be- rührung ein Menjch nicht vor Schmerz umfommen und in Thränen zerfließen? “*)

Sechsunddreißig goldene und filberne Lampen, die von dem Gewölbe herabhängen, brennen Tag und Nadıt am Grabe des Herrn ; der Dampf verfliegt durch Feine in der Kuppel angebrachte Deffnungen, Die jedoch früher nicht vorhanden waren **), Die Wand am Grabe tft mit einem Bilde von Moſaik geſchmückt, welches die Auferfichung des Herrn darſtellt. Gegenüber dem Eingange bängt ein Feines, aber fehr uusdrudsvolles Bild Der heiligen Jungfrau. Friſche Blumen erfüllen die Luft mit lieblichem Dufte. Die foitbarften Spece- reien und wohlriehende Wafjer, noch öfter aber die Thränen der ſündigen Menſchen, benegen Das Dreitü- gige Zodtenlager des Erlöfers.

Kopfende des Grabes bei Zeite und fchlug einen Splitter von Dem bei? figen Steine ab; wenig, aber genug zum Segen. Er nahm aber mein heiligſtes Verfprechen, niemand in Ierufalem etwas Davon zu fügen.“

*) Frat. Francisc. Nicolaus de Farnad. Compendiosa descriptio urbis Hierusalem. Viennae. A. min. s.a. Dieſes Buch war bisher Denen, welche über Das heilige Land gefchrieben baben, unbekannt. Farnad war ein Ungar und reiſte im Jahre 1520.

**) S. Marinus Sanutus 1. c.

11*

164 Zwölftes Kapitel.

Man darf nicht glauben, daß die Grabftätte des Erföfers immer fo von anderen Gräbern getrennt war wie jebt; fie lag im Bereid) des jteinigen Gebirges und war von anderen Grabhöhlen umgeben ; auch die Gräber des Nikodemus und Joſeph von Arimathia waren in der Nähe, und find auch jet innerhalb der Mauern der heiligen Grabesfirhe. Als die Kirche erbaut wurde, mußte der Plaß geebnet werden, und fo wurde Die Grabhöhle des Erlöfers von dem anjtoßenden Felfen getrennt.

Im Evangelium des heiligen Marcus lefen wir: die Frauen, welche die Specereien trugen, „gingen hinein in das Grab, und fahen einen Züngling zur rechten Hand fißen, Der hatte ein langes weißes Kleid an**), Damit ftimmt der Bericht des Evangelüten . . ., daß der Sarg des Herrn, auf Dem der Engel faß, zur rechten Seite der Höhle ftand. Im Evangelium St. Sohannes wird erzählt, der Jünger, welcher mit dem Apoftel Petrus zu dem Grabe ging, habe an dem erften Grabe zur Deffnung hineingefehen und die Leinen be- merft**), und „Maria ftand vor dem Grabe und weinete Draußen. Als fie nun weinete, guete fie in das Grab.” Obgleich man auch jet fih büden muß, wenn man in die Grabhöhle des Herrn treten will, fo muß fie doch früher noch bedeutend niedriger geweſen fein,

*) Marc. 16, 5. Im Griechifchen ftcht urnuedor, d. i. Srabftätte. Vergl. auch das Evangel. St. Johannis. ») Joh. 20, 8.11.

Die Kirche des heiligen Grabes. 165 denn der Abt Daniel fehreibt im Anfang des zwölften Sahrhunderts, man müffe niederfnieen, um hineinzu- gelangen, und drinnen könne felbft der Eleinfte Mann mit der Hand bis an die Dede reihen*. Daffelbe jagt auch Arkulf, der Zerufalem zu Ende des fiebenten Jahrhunderts befuchte. Damals war das Grab Ehrifti noch nicht mit Marmor befleidet, und er fonnte an den Wänden der Höhle nodh Spuren vom Meißel des Steinmegen fehen. Wir laffen hier auch noch ein ſpaͤteres Zeugniß des Bonifactus folgen, welcher bei Befichtigung der alten Grabftätte Hafeldama, oder Blut- ader, dort eine der Grabhöhle Ehrifti ganz ähnliche Höhle fand, die er hier in dem urfprünglichen Zuſtande fehen konnte. Bonifactus war beauftragt, das Grab Ehrifti auf Koften des Königs Philipp mit Marmor belegen zu laſſen; es war zur Zeit der Regierung des Kaifers Karl V. und des Pabſtes Paul VII. **)

”) Reife des Abts Daniel, S. 30. Marinus Sanutus in Gesta Francor. II., p. 176. Adamanus de situ terrae sanctae im IV.B. Jac. Gretseri Op. omnia. Ratisb. 1734. ce. 256. 257. Baumgarten, im Anfang des jechszehnten Jahrhunderts, jchäßt die Höhe auf zwei Ellen, beinahe ebenjo Fürer und Cotovicus in Dem jelben Jahrhundert, und Gröben zu Ende des jiebenzehnten Jahr: bunderts.

*) Es mag nicht überflüſſig jein, bier Bonifacius ſelbſt erzählen zu fallen: ‚‚Sunt quaedam (jagt er von dem Hakeldama) latibula valde pulchra arte sculptoris in lapidibus exeisa, in quibus tem- pore passionis Christi Apostoli eo relicto latitarunt; ista, ut reor, antiquorum sepulchra in hortis propriis in petra excisa faerunt. Postea achoris anachoritarum in habitacula assumta

166 Zwölftes Kapitel.

Dicht an der Wand der Grabeshöhle ift die Kapelle der Armenier angebaut, die bei dem Brande im Jahre 1810 vom Feuer verfchont blieb. Gegenüber Ddiefer fieht man in der Grundmauer den Eingang zur Kapelle der Syrer und von da den Eingang in die Höhlen, in denen Sofeph von Artmathia und Nicodemus begraben waren, |

Tritt man wieder (an der Sübdfeite) aus der Ro-

sunt; ibi ego inveni sepulchrum quoddam simile omni ex parte sepulchro, in quo jacuit Christi corpus, quod et fratribus ostendi, ut gaudeant, et posteris suis, et peregrinis ad Terram sanctam adventantibus ostendant. Ego hoc potui- peroptime sceire, quia corporis Dominici locum vidi, quando sub Paulo IV et Carolo V sanctae memoriae viris, sumtibus Catholici regis Philippi a primis fundamentis ipsum sanctum locum instauravi, et lucidissimis marmoribus decoravi. Hoc ipsum videre potes, et scriptum reperies in quadam marmorea tabula‘, quae est in altari columnae flagellationis.‘“ Bonifac. p.195. Der gelehrte Forſcher T. Tobler, der hinſichtlich der Lage der heiligen Orte manche Zweifel hegt, theilt nur die legten der oben angeführten Morte aus Quaresmius mit und fagt Nichtd von der Achnlichkeit, welche Bonifacius zwifchen der Grabeshöhle Chriſti und anderen Gräbern des Hafeldama gefunden hat. Vergl. Tobler, Golgatha 4831, S. 192. Der Erfte, welcher Die Stelle des heiligen Grabes in Zweifel ziehen wollte, war der englifche Reifende Clarke. Nach feiner Meinung follte man dad Grab Ehrifti unter den alten Grä- bern des Hafeldama fuchen. Wo aber war das Hakeldama? .... Es giebt feinen Ort in Der IImgegend von Jerufalem, wo man ed fuchen könnte, ald den, wo es wirklich war, und die Lage deſſelben it eben fo, wie die des Grabe Chrifti, durch eine lange Reibe von Traditionen, vom eriten Jahrhundert der chriftlichen Aera bie

jest, gefichert.

Die Kirche des heiligen Grabes. 167

tunde heraus und richtet die Schritte nach dem etwa ſechszehn Klafter entfernten Golgatha, fo kommt man an der Stelle vorüber, wo die Mutter Gottes ftand, als der heilige Leichnam gefalbt wurde, Die Stelle it Durd) eine weiße Marmorplatte bezeichnet; fie gehört: den Armeniern und befindet fich Dicht neben der Treppe, die zu ihrer Kirche hinaufführt.

Wir find jeßt im Innern der Kirche rings herum gegangen; um jedoch ihre Befchreibung zu vollenden, müſſen wir noch bemerken, daß fich Die Hauptfirche der Griechen auf gleicher Höhe und in gerader Linie mit der Rotunde des Grabes befindet und beinabe die Mitte des Gebäudes einnimmt. Bon der Thüre der Kapelle des Grabes hat mun die großartigfte Perfpertive diejes Domes, der von der Rotunde durch zwei Leichte mit Heiligenbildern geſchmückte Bretterwände getrennt it, Die Durch einen Bogen, den ſogenannten Königsbogen, verbunden find, welcher von der Rotunde her den Ein- gang zu der griechifchen Kirche bildet. Tas Innere derjelben erinnert an die alten ruſſiſchen Kirchen ; fte it mit einer Kuppel gekrönt, Die mit der der Rotunde alle übrigen Gebäude Serufalems überragt und auf Bögen ruht, die an den vier Seiten von je vier mit einander verbundenen Pilaftern getragen werden.

Die Heiligenbilder, welde den Bilderfchirm und die Wände fchmüden, find fait alleaus Rußland hierher geſchickt; fie zeichnen fich nicht fowohl durch ihre Ma— lerei als durch Die vielen Verzierungen von Gold und Siülber aus. Ueber dem Königsbogen erblidt man

168 Zmölftes Kapitel.

den ruffifchen Doppeladler. An den beiden Seiten des Schiffs find hölzerne Bänke für die Mönche, mit den Seſſeln der Patriarchen am obern Ende. In der Mitte des Schiffs fteht eine Urne von Marmor, mit einem Kreuze; fie bezeichnet den Mittelyunft der Erde, auf Grund defien, was fchon oben gefagt wurde. Der Altarplag ift einige Stufen höher als das Schiff und bildet einen Halbfreis. Der große für den Gottes- dient bei großen Kirchenverfammlungen beſtimmte Altar fteht unter einem Baldachin, den vier vergoldete Säulen tragen. In diefem Altar wird in einem Reli- quienfaften ein Stück von dem heiligen Kreuze aufbe- wahrt. Diefes Heiligthum war bei der Eroberung Serufalems in den Befiß der Kreuzfahrer gefommen *) und wurde an dem geweihten Orte diefer Kirche auf- bewahrt, unter Obhut der fyrifhen Mönche. Ein an⸗ deres Stüd des heiligen Kreuzes führten die Kreuz: fahrer bei allen ihren Unternehmungen mit fi; ein drittes Stück foll in der Tateinifchen Kapelle der heili- gen Grabestirhe aufbewahrt werden, und Bonifacius jagt, er felbft habe es den Armeniern wieder abgefauft, die fid) defjelben bemächtigt hatten **). Arfulf bezeugt, Daß. zu feiner Zeit in einem Reliquienfchrein zwifchen der Kirche des Golgatha und der Kapelle der heiligen

*) Gust. Tyr. in Gesta Franc. 765. Quaresmius felbit bemerkt, daß diefes HeiligthHum in die Hände der Griechen gefommen ji. (Th. 2, ©. 815.) Vergl. auch Größen (1, ©. 133), der in der griechifchen Kirche ein Stück des Kreuzes ſah.

») Bonif. S. 166.

Die Kirche des heiligen Grabes. 169

Märtyrer die Schale aufbewahrt wurde, deren ſich der Herr bei Einfeßung des heiligen Mahles bediente. Arkulf fah Diefelbe durch eine Oeffnung in dem Schrein. Sie war von Silber und hatte zwei Henkel. Ach felbft habe von diefem Heiligthume hier Nichts gehört *).

Die Chöre in der griechifchen Kircdye find über dem Bilderfchirm. Durch den Bogen des Altars fieht man im Hintergrunde die Galerie der Kirche, Der Kirchen: ihaß befindet fi an der linken Seite des Altars; zur rechten Seite deſſelben ift eine Thüre, die nad) dem Golgatha hinüberführt und etwas höher der Eingang su den Zellen der im Tempel wohnenden griechifchen Mönche.

Drei Nationen befitzen die Kirche am heiligen Grabe, Griechen, Lateiner und Armenier; die Kopten, Syrer und Abeſſynier ſind in der Minderzahl und haben nur ſehr beſchränkte Rechte. Den Griechen ge⸗ bührt unſtreitig hier das erſte und größte Recht; ihnen gehörte das Gebäude im Alterthum, und fie haben es nach dem Brande 1810 allein wieder aufgebaut.

Die Gefühle der Ehrfurcht, Anbetung und Ber: ehrung, welche die Betrachtung der Heiligthümer Jeru— ſalems in der Seele jedes Ehriften erweckt, laffen fid) un- möglich befchreiben, und der veritoctefte Menfch muß fich vor den Heiligthlimern diefer Orte beugen.

*) Adamanus 1, v. p. 287.

Dreizehntes Kapitel. Die heilige Woche.

Er ift um unferer Miffethat willen verwundet, und um unferer Sünden willen zerfchlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch feine Wunden find wir ges heilet. Jeſaias 33, 5.

Fromme Pilger, welche das heilige Abendmahl feiern wollen, ziehen ſich eine ganze Woche lang in die Kirche des heiligen Grabes von der Welt zurück. Auch ich begab mich dorthin, ſobald ich am Dienſtag Abend von meinem Ausfluge nach den Jordan wieder in Jeru⸗ falem angefommen war. Der Weg von dem griecdhi- hen Klofter bis zur Kirche und der Plag vor derfelben war mit Verfäufern von Rofenkränzen, Kreuzen und heiligen Bildern aus Perlmutter befeßt, zum großen Theil aus Bethlehem. Den ganzen Raum der großen Kirche füllte eine unzählbare, aus allen Himmelsgegen- den hergeftrömte Menge. Alle Galerien, von der Kuppel bis zum Fußboden, alle Stufen und Gefimfe waren bejegt mit Angehörigen der verfchiedenften

Die heilige Woche. 171

Nationen und jedes Alters, vom Säugling an der Mutterbruft bis zum Greife am Stabe, - Der größte Theil der Betenden gehörte den wilden arabifchen Stämmen jenfeit des Jordan und der Umgegend von Damaskus an. Die Menge der Zurbane macht auf das Auge des Europäers einen ftörenden Eindrud, aber ed find Ehriften aus Aegypten und Abyffinien. Der Gottesdienit wird bei Nacht gehalten, wie zur Zeit der Chriftenverfolgungen,, hauptfächlich weil bei dem Zu— jammenfluß von Menfchen, die fi) während der heiligen Woche in der Kirche aufhalten, bei Tage die Andacht oft Durch Die Anwesenheit folcher, die nicht zu demfelben Cultus gehören, Störung erleiden würde.

Die Zelle, welche idy bewohnte, war über dem hei- figen Golgatha und ftieß an die Chöre der griechifchen und der armenifchen Kirchen. Der Gottesdienft währte die ganze Nacht und eine Nation folgte der andern. Sch Tchlief bald unter dem langfamen Gefange der Rateiner, bald bei dem Klange der ſyriſchen und abef- Innifchen Paufen. Die Schläge an eine Kupferplatte, welche in dem griechiichen Dome das Glodengeläut er: feßen müſſen, weckten mid) zum Gebet.

Wie erhebend aber find die Augenblide einer furzen Ruhe für alle Betenden! Weldye Gedanfen entftehen bei dem Anblick diefer fchlafenden Menge, die hier auf den Stufen Golgatha's lagert, unter dem Schuße des Kreuzes, das fie errettete! Schlafet! Wie rührend ift in diefer Stille das Schluchzen eines Betenden, der von dem großen Haufen getrennt vor dem Kreuze Des

172 Dreizehntes Kapitel.

Golgatha oder am Grabe des Erlöfers fniet! Doch der Zag, der nur zu bald anbricht für die Seele des Andächtigen, macht das Haus des himmlifchen Vaters zu einer Verkaufshalle. Die ganze Galerie hinter dem griehifchen Altar des Domes, bis zu der lateintjchen Kirche, verwandelt ſich in einen Markt, wo Lebensmittel feilgeboten werden und das Volk in lautem Gefpräd auf und abgeht, und raucht und Kaffee trinkt; nicht etwa die türfifche Wache allein, nein, auch Ehriften!

Ich hatte hier die Freude, Drei ruffifche Mönche fennen zu lernen; der eine von ihnen war der alte Baiffy, der ſchon feit vielen Jahren in Serufalem wohnte und dem es oblag, die ruffifchen ‘Pilger zu bes wirthen; der andere, Bater Antonius, lebte auch ſchon jeit Sahren in einer Zelle der heiligen Kirche, und der dritte, den ich fchon in Kairo gefehen hatte, war vom Berge Athos als Pilger hierher gefommen, Die beis den leßteren lafen abwechfelnd für mic) Meffe am hei ligen Grabe und am Golgatha, in ruffifcher Sprache. Noc einige andere Pilger, die fi) Dazu gefellten, bil- deten ein Eleines, aber. recht harmonifches Sängerchor, und nicht felten famen die lateinischen Mönche, um den ungewohnten, dem Ohre jo angenehmen Gefang anzu⸗ hören, der meine Gedanken der fernen Heimath zu: führte.

Am Mittwoch wird vor der Meſſe die Weihung des heiligen Deles vorgenommen, zur Erinnerung an Die leßte fo rührende Salbung des Herrn durch Maria, die

Die heilige Woche. 173

Schweſter der Martha, im Haufe des Lazarıs zu Be: thanien.

Am grünen Donnerftage, nad) der Meffe, wird auf der Plattform vor dem Dome, Angefichts der von allen Seiten zufammenjtrömenden Menge, Die Geremonie der Fußwaſchung vollzogen. Alle Zerrafien und felbft die Gefimfe der nächften Häufer waren mit Zufchauern be- feßt. Die Araber fletterten an Striden und manche an aufgelöften Zurbanen hinauf, Die ihnen von den bereit8 oben fißenden herabgelaffen wurden.

Einer der älteften griehifchen Bifchöfe ftellte die heilige Perfon des Erlöfers vor und faß unter einigen Fahnen auf der oberſten Stufe der großen Treppe, welche an die Kapelle der heiligen Helena angebaut ift. Die übrigen Geiftlichen, welche die heiligen Apoſtel vorftellten, lagerten auf den unteren Stufen. Unge- achtet der halb rohen Volksmenge ging die Geremonie doch ohne Störung zu Ende, und zulegt wurde das ganze Volk mit Weihwaffer befprengt.

Die Borlefung der zwölf Baffionen aus dem Evan- gelium, in der Frühmeſſe des Charfreitages, welche auf dem Golgatha felbft gefchieht, an der Stelle, wo der Erlöfer gelitten hat, wirft den betenden Sünder in den Staub nieder! Ich konnte nie ohne heiligen Schauer den Golgatha betreten; felbft der Marmor, der den Stein bededt, ſcheint zu heilig für unfere fündigen Füße! ...

Am Charfreitage nach der ſtillen Vesper begannen die weniger in die Augen fallenden Aufzüge der Syrer

Dreizehntes Kapitel. Die heilige Woche.

Er ift um unferer Miffethat willen verwundet, unt um unferer Sünten willen zerſchlagen. Tie Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Frieten hätten, und durch feine Wunten find wir ge- heilet. Jeſaias 53, 5.

Fromme Pilger, welche das heilige Abendmahl feiern wollen, ziehen fi) eine ganze Woche lang in Die Kirche des heiligen Grabes von der Welt zurüd. Auch ich begab mich dorthin, fobald ic am Dienftag Abend von meinem Ausfluge nach dem Jordan wieder in Seru- fülem angefommen war. Der Weg von dem griedhi- hen Klofter bis zur Kirche und der Platz vor derfelben war mit Berfüufern von Roſenkränzen, Kreuzen und heiligen Bildern aus Perlmutter befeßt, zum großen Theil aus Bethlehem. Den ganzen Raum der großen Kirche füllte eine unzählbare, aus allen Himmelsgegen- den hergeftrömte Menge. Alle Galerien, von der Kuppel bis zum Fußboden, alle Stufen und Gefimfe waren beſetzt mit Angehörigen der verfchiedenften

Die heilige Woche. 171

Nationen und jedes Alters, vom Säugling an der Mutterbruft bis zum Greife am Stabe. - Der größte Theil der Betenden gehörte den wilden arabifchen Stämmen jenfeit des Jordan und der Umgegend von Damasfus an. Die Menge der Zurbane macht auf das Auge des Europäers einen ftörenden Eindrud, aber es find EChriften aus Aegypten und Abyffinien. Der Gottesdienft wird bei Nacht gehalten, wie zur Zeit der Ehriftenverfolgungen, hauptfächlich weil bei dem Zu: ſammenfluß von Menfchen, die ſich mährend der heiligen Woche in der Kirche aufhalten, bei Tage die Andacht oft Durch die Anwefenheit folcher, die nicht zu demfelben Eultus gehören, Störung erleiden würde.

Die Zelle, welche ich bewohnte, war über dent hei- ligen Golgatha und ftieß an Die Chöre der griechifchen und der armenifchen Kirchen. Der Gottesdienft währte die ganze Nacht und eine Nation folgte der andern. Sch fchlief bald unter dem langfamen Gefunge der Lateiner, bald bei dem Klange der fyrifchen und abef- fonifchen Paufen. Die Schläge an eine Kupferplatte, welche in dem griechifchen Dome das Glodengeläut er: feßen müſſen, weckten mich zum Gebet.

Wie erhebend aber find die Augenblicke einer furzen Ruhe für alle Betenden! Welche Gedanfen entftehen bei dem Anblick diefer fchlafenden Menge, Die hier auf den Stufen Golgatha’s lagert, unter dem Schuße des Kreuzes, das fie errettete! Schlafet! Wie rührend ift in diefer Stille das Schludyzen eines Betenden, der von dem großen Haufen getrennt vor dem Kreuze des

172 Dreizehntes Kapitel.

Solgatha oder am Grabe des Erlöfers fniet! Doch der Zag, der nur zu bald anbricht für die Seele des Andächtigen, macht das Haus des himmlifchen Vaters zu einer Berfaufshalle. Die ganze Galerie hinter dem griechifchen Altar des Domes, bis zu der lateinifchen Kirche, verwandelt fich in einen Markt, wo Lebensmittel feilgeboten werden und das Bolf in lautem Geſpräch auf: und abgeht, und raucht und Kaffee trinkt; nicht etwa die türkifche Wache allein, nein, aud) Ehriften!

Ich hatte hier Die Zreude, drei ruffifhe Mönche fennen zu lernen; der eine von ihnen war der alte Baiffy, der jchon feit vielen Jahren in Serufalem wohnte und dem es oblag, Die ruffifchen ‘Pilger zu be- wirthen; der andere, Bater Antonius, lebte auch ſchon jeit Sahren in einer Zelle der heiligen Kirche, und der dritte, den ich fihon in Kairo gefehen hatte, war vom Berge Athos als Pilger hierher gefommen. Die bei- den legteren lafen abwechfelnd für mich Meſſe am hei- ligen Grabe und am Golgatha, in ruffifher Sprache. Noch einige andere ‘Pilger, die ſich dazu gefellten, bil deten ein Eleines, aber. recht harmonifches Sängerchor, und nicht felten kamen die lateinifchen Mönche, um den ungewohnten, dem Ohre fo angenehmen Gefang anzu⸗ hören, der meine Gedanken der fernen Heimath zu: führte.

Am Mittwoch wird vor der Meffe die Weihung des heiligen Deles vorgenommen, zur Erinnerung an Die legte fo rührende Salbung des Herrn durch Maria, die

Die heilige Woche. 173

Schwefter der Martha, im Haufe des Lazarıs zu Be: thanien.

Am grünen Donnerftage, nad der Meffe, wird auf der Plattform vor dem Dome, Angefichts der von allen Ceiten zufammenftrömenden Menge, die Cerenionie der Fußwaſchung vollzogen. Alle Zerraffen und felbit die Sefimfe der nächften Häufer waren mit Zufchauern be- jet. Die Araber Eletterten an Striden und manche an aufgelöften Zurbanen hinauf, die ihnen von den bereits oben fienden herabgelaffen wurden.

Einer der älteften griechifchen Bifchöfe ftellte Die heilige Perfon des Erlöfers vor und ſaß unter einigen Fahnen auf der oberftien Stufe der großen Treppe, welche un Die Kapelle der heiligen Helena angebaut iſt. Die übrigen Geiftlihen, welche die heiligen Apoitel vorftellten, lagerten auf den unteren Stufen. Unge— achtet der halb rohen Volksmenge ging Die Geremonie doch ohne Störung zu Ende, und zulegt wurde das ganze Volk mit Weihwaſſer befprengt.

Die Vorlefung der zwölf Paffionen aus dem Evan- gelium, in der Frühmeſſe des Charfreituges, welche auf dem Golgatha felbft gefchieht, an der Stelle, wo der Erlöſer gelitten hat, wirft den betenden Sünder in den Staub nieder! Sch fonnte nie ohne heiligen Schauer den Solgatha betreten; felbit der Marmor, der den Stein bededt, ſcheint zu heilig für unjere fündigen züße!...

Am Charfreitage nad) der itillen Vesper begannen die weniger in die Augen fullenden Aufzüge der Syrer

174 Treischntes Kapitel.

und Kopten, Diefen aber folgte Die pradhtvolle Proceſ⸗ fion der Arnenier. Ach hatte nicht Zeit, die Ceremo— nien Aller zu beobachten, zumal ich auch ihre Sprachen nicht verſtand; den Gottesdienit der Lateiner, deren Geremonien an Diefem Tage wahrhaft erhebend find, verjäumte ich jedoch nicht. Die Proceifion beginnt an der Inteinifchen Kirche und gebt Durch den gunzen Tem⸗ pel. Brüder vom franzöſiſchen Orden, in ſchwarzen Gewändern, mit langen Kerzen in den Händen, folgten paarweije in einer langen Reihe dem Bilde des Ge- frenzigten; an den Nltären der Kleidertheilung und der Säule Der Berfpottung blieb der Zug einige Augenblide ftehen, und zog hierauf unter dem Flagenden Gefange des Stabat mater dolorosa und des Bußpfalms bis an den Fuß des Golgatha ; bei dem großen Gedränge gelangte die Proceffion nicht ohne Schwierigkeit bis hierher, wo das Kreuzesbild an der: jelben Stelle aufgerichtet wurde, an welcher einft das Kreuz des Erlöfers geftanden hatte! Hierauf hielt einer der Ordensbrüder eine einfache aber rührende Nede über die Leiden Ehrifti, in italienifcher Spracde. Jedes feiner Worte machte hier, an der Stelle, wo der (Srlöfer geblutet hatte, einen tiefen Eindrud. Todes⸗ ftille berrfchte, als fi) die Zuhörer, von allen Eonfej- fionen, auf die Aniee niederwarfen .... Mit Diefer Predigt aber find die geiftlichen Ceremonien der Tatei- nischen Kirche zu Ende, denn was nun noch folgt, hat leider ein ziemlich ungeiftliches Anfehen. An einer Gliederpuppe wird hierauf die Abnahme des Leichnams

Die heilige Woche. 175

Ehrifti vom Kreuze dargeftellt. Die Arme der Puppe werden mit Tüchern ummwunden, einer von den Möncen ichlägt mit einem Hammer und mit der Zange die Nägel aus dem Holze, füßt Diefelben und zeigt fie dem Volke, legt fie dann in eine filberne Schüffel und wifcht die Wunden ab. Hierauf werden die Tücher abgenommen und die Arne füllen, wie an einem todten Körper, herab. Nach Beendigung dieſer Ceremonie wird Das Bild des Gefreuzigten, mit dem Leichentud) umbüllt, an den lateinifchen Altar auf Golgatha ge- bracht, an die Stelle, wo Chriſtus einft ans Kreuz gejchlagen wurde, und lärmend ftrönt nın die Menge, die Heiligkeit des Orts vergeffend, dem Schauſpiel nad. Nicht ohne Unwillen konnte man jehen, wie viele Zufhauer, um die Proceſſion beffer beobachten zu fönnen, jelbft auf Die Randlehnen des Altars traten, der an der Stelle ſteht, wo Chriftus einft gefreuzigt wurde,

Bon dem lateinifchen Altır am Golgatha begiebt fih Die Proceffion zu dem Steine der Salbung; bier wird Das Bild des Gefrenzigten mit wohlriechenden Specereien benetzt und dann in Die Kapelle des heiligen Grabes gebracht.

Bonifacius erzählt von einem rührenden Gebrauche der lateiniichen Kirche, welcher früher an dieſem Tage in Serufalem vollzogen wurde, Die ganze Klofter: brüderjchaft dDurchzog bei Sonnenaufgang den Leidens: weg des Herrn, wobei weder eine firchliche noch eine Rangordnung beobachtet wurde, „denn, fügt Bonifa-

176 Dreizehntes Kapitel.

eins, an diefem Tage ward der Gerechte Dem Tode überliefert durch Die Ungerechten, die Wahrheit ward verdammt durch die Lüge und alle Ordnung in Jeru— falem war unterbrochen **).

*) Bonifucius, S. 33. 34.

Vierzehntes Kapitel.

Der ſtille Sabbath, die Frühmeſſe und die Meſſe des Oſterſonntags.

Der Tod iſt verſchlungen in den Sieg. Tod, wo iſt dein Stachel? Hölle, wo iſt dein Sieg?

1. Gor. 13, 35.

Am Vorabend des heiligen Ofterfejtes hörten wir von neuen Zeindfeligfeiten, welche fich die Armenier gegen die Griechen hatten zu Schulden fommen Laffen. Schlimmer noch als das Joch der Türken ift die Feind— ſchaft der Ehriften der drei Hauptfirchen in Serufalem unter einander, der Griechen, Zateiner und Armenier. Dort, wo Ehriftus die ganze Menfchheit Durch. den Glauben verband, wo er unzählige Dale nächft der Liebe zu Gott die Liebe Des Nächſten predigte, dort, wo tüglich für die Vereiniqung der Kirchen gebetet wird! Und wo aud) könnte dieſe erfehnte Bereinigung her- geitellt werden, wenn nicht hier?

Ceit langer Zeit ift den Arabern des griechiſchen

Noroff's Reiſe nach Paläſtina.

182 Vierzehntes Kapitel.

und der faſt hundertjährige Metropolit erlag beinahe der Ausdünſtung, der Hitze und dem Lärm; ohnmächtig wurde er von Einigen, welche noch ſoviel Geiſtesgegen— wart befaßen, aufgehoben und auf die Schulter eines Arabers geſetzt. Nach vielen vergeblichen Anitrengun- gen, die Thür zu öffnen, wurde diefe endlich wieder von außen aufgeriffen, die Menge wich zurüd, um den Araber, welcher den Metropoliten trug, durchzulafien, ftrömte aber hinter diefem fogleich wieder zufammen und ihm nach, dem griechifcehen Altar zu. Ein Araber, welcher fab, daß ich von der Menge beinahe erdrüdt wurde, gab mir ein Zeichen, mich an feinen Hals zu hängen, und jo jchleppte er mich durch das Dichtefte Gedränge; bald aber wurde ich wieder von ihm losgeriſ— fen. Da erbarmte ſich meiner ein anderer, der meine hülf- loſe Lage fah, und brachte mich vollends bis an den Altar.

Die Andacht war unterbroden.... Der obn- mächtige Metropolit wurde in der Safriftet, wohin wir ihm alle folgten, mit allerlei Effenzen gerieben und be— fprengt. Nach einer Paufe von etwa einer halben Stunde, während welcher das heilige Feuer noch immer von Hand zu Hand und von einem Chor zum audern immer höher ftieg, begann die Meffe. Die ergreifende Frühmeſſe und die Meſſe des Ofterfonntags wurden in der Grabeshöhle des Erlöfers felbit gehalten; der be— treffende Abſchnitt Des Evangeliums wurde dabei grie- chiſch und rufjifch vorgelefen. Bet den Worten: „Ich weiß, daß ihr Zefum den Gefreuzigten ſuchet. Er iſt nicht hier“ zeigte, zur Zeit der Kreuzzüge, in der

Stiller Sabbath, Frühmeife u. Mefje des Difterfonntags. 183

lateiniſchen Kirche ein Diakon mit dem Finger auf die Grabftätte des Herrn, und bei den Worten: „Er ift anferftanden* deutete er mit dem Finger gen Him— mel*). Ueber dem Eingange zur Grabeshöhle ftanden früher die Worte des Evangeliums gefchrieben: Siehe, da ift die Stätte, da fie ihn hinlegten. Er ift nicht hier“, und neben der Infchrift waren zwei Engel abge- bildet, der eine zur Rechten, der andere zur Linken, welche auf die Inſchrift zeigten.

Dies ift die Feierlichfeit, welche in Ierufalen dem heiligen Ofterfonntage vorangeht; fie ift faft immer für Biele, oft felbit für den Metropoliten, mit Gefahr ver- bunden. Da ich mich während des Wunders jelbit im Innern der Srabesfapelle befand, fo kann ich erzäh— fen, was ich mit eigenen Augen angefehen habe, wozu vor mir noch nie ein Reifender Gelegenheit hatte; ich halte daher für Pflicht, die unwahren Beichuldigungen zurüdzuweifen, welche von anderen Eeiten der griedi- fchen Geiftlichfeit gemacht werden. Quaresmius, und nad) dieſem viele andere Schriftiteller, die über Palä— ftina gefchrieben haben, verfichern, ein von den riechen in der Srabeshähle veritedter chriftlicyer Araber zünde beim Eintritt des Metropoliten die Zampe an. Wäre Dies der Fall, fo hätte man einen einfachen Neifenden, wie mich, ficher nicht in das Heiligthum eintreten laffen. Den Beſchuldigungen liegt freilich hauptſächlich der Neid zu Grunde, weil die griechifche Kirche des Wun-

*) Marinus Sanutus in Gesta Francor. IL., p. 176.

184 .WVierzehntes Kapitel.

ders der Empfanguahme des heiligen Feuers gewürdigt ift. Aus dem Berichte des Abtes Daniel jehen wir, daß auch zur Zeit der Kreuzzüge, am Tage des großen Sabbath, die griechifche Geiftlichfeit in Gegenwart des Königs Balduin verfanmelt war, un das heilige Feuer zu erflehen, und nicht die lateinifche; und der König Balduin ſelbſt nahm mit gebührender Ehrfurcht die erfte am heiligen Feuer angezündete Kerze ans der Hund des griehiihen Bifhofs, an welcher dann alle übrigen Kerzen angezündet wurden *). Wir haben feine be- jtimmte Nachricht Darüber, wann Diefes Wunder zum eriten Male ftattgefunden. Nach der älteften Weber: Lieferung hat fich gegen Ende des zweiten Sahrhunderts ein ähnliches Wunder ereignet. Dem Bifchof Narciffus von Serufalem, der wegen feines mufterhaften und heiligen Lebens und dur vielfache Wunder befannt ift, wurde am großen Sabbath gejagt, e8 fehle.an Del für die Lampen am Grabe des Herrn. Da ließ er Waſſer bringen, und nachdem er ein Gebet darüber ges jprochen, mit dieſem die Lampen füllen, und fiehe, das Waſſer verwandelte fih in Del**), Dies ift jedoch nicht Das heilige Feuer, und erft der Mönch Bernhard, am Ende des neunten Jahrhunderts, berichtet von Dies fem mit beftinmten Worten: „An großen Sabbath, am Vorabend des heiligen Ofterfeftes, fteigt nach dem Gefange des Kyrie eleison, während des Frühgottes- dienftes, ein Engel heritieder und zündet die Lampen

*), S. d. Abt Daniel, S. 116 118. *) Fleury Hist. eccles. T. I., p. 182, ed. 1840.

Stiller Sabbath, Frühmeſſe u. Mefte des Ofterfonntags. 185

an, welche über dem Grabe des Erldfers hängen. Der Patriarch nimmt diefes Feuer und giebt es den Bifchof und endlich dem ganzen Volke, Damit es Jeder nach feinem Haufe bringen fann. Der jegige Patriarch Theodofius (863 879) wurde wegen feiner Gottes- furcht bierher berufen“*). Auf dem Coneil zu Clairmont ſprach der Pabft Urban II. vor den verfam- melten Krenzfahrern, unter freiem Himmel, unter andern folgende Worte: „Wahrlich, in dieſem Tempel (der Kirche des heiligen Grabes) ruhte der Herr, an Diefer Stätte ift er für ung geftorben und begraben, Bis auf den heutigen Zag hört er nicht auf, Dort feine Wunder zu zeigen, denn in den Tagen feines Leidens, wenn alle Zlunmen an feinen heiligen Grabe erlofchen find, zünden fich diefelben von felbit wieder an. Weſſen Herz fönnte fo verhärtet jein, um bei dieſer Erſcheinung nicht gerührt zu werden ?***) Daſſelbe berichten endlich auch die Geſchichtsſchreiber, welche zur Zeit der Kreuzzüge lebten. Bonifacius von Ragufa theilt ung Dabei manche intereffante Nachrichten tiber die innere Einrichtung der Kirche zu Serufalen mit, die in vielen Stüden mit der Erzählung des Abtes Daniel überein> ftinnmen. „Zur Erbauung der Gläubigen, fügt er, will ich erzählen, was fid) vor 500 Jahren zugetragen.

*) Mabillon Acta Sanctor. T. III., p. II., p. 473.

*) Baldricus in Gesta Dei per Francos., p. 87. Qua- resm. U. 590. Bericht des Presbnter Othmari aus der v. Greter gefundenen Handſchrift.

186 Vierzehntes Stapitel.

Am Tage des großen Sabbath, des Morgens in der jechften Stunde, als ſchon die ganze Geiftlichfeit und das Volk verfammelt waren, fiel Feuer vom Himmel und zündete eine oder einige Lampen in der Grabes- höhle des Herrn an. Mit Diefen Feuer wurden dann die Lichter vor dem Altar angezündet, und die Liturgie begann. Der Patriarch, die Geiftlichfeit, der König und das Volk fchritten mit brennenden Kerzen in der Hand zum Grabe Des Herrn, wo fie niederfnieten, um zu beten. Nachdem fie das Grab gefüßt und Dreimal umſchritten, begannen fie mit lebhafter Freude Die Liturgie, den Vater des Lichts, dem Sohne des Lichts ewiger Klarheit und dem heiligen Geifte danfend, der in Feuerzungen auf die Apoftel niederfiel und auf die, welche mit ihnen auf dem heiligen Berge Zion waren. Mährend man das heilige Feuer erwartet, und Die Lichter anzündet, beobachtet man folgende Ordnung. Früh am Morgen, vor der jechiten Stunde, in welder der Herr gemöhnlid) das Feuer herabjendet, famen der Patriarch, der König, die Geiftlichfeit und das Volk im Heiligthum zufammen. Nach andächtigem Gebet wurde einer von den anweſenden Bifchöfen, den man für den würdigften hielt, erwählt, um das heilige Feuer in Empfang zu nehmen. Fand dieſer noch feine Lampe brennend, fo kehrte erzurüc und rief mit lauter Stimme: Der Herr ift noch nicht mit feinen himmlischen Lichte zu ung gekommen! Unter Weinen und Klagen begann dann das Gebet von Neuem, worauf man einen andern Bifchof ſandte, bis Gott endlid) das heilige Feuer

Stiller Sabbath, Frühmeſſe u. Meſſe des Oſterſonntags. 187

herabſteigen ließ. Dann zündete man mit heiliger Freude die Kerzen an; zuerſt der Patriarch, dann die Diakonen, die es dem Könige und allen übrigen im Tempel Anweſenden brachten.“

Nach der Meſſe beſchloſſen wir das Faſten, indem wir am Tiſche des ehrwürdigen Metropoliten Ofter- brod, Eier und eine einfache Mahlzeit gemeinfchaftlid) genaßen. _

Juntzehntes Kapitel. Die Klöſter in Jeruſalem.

Ich hebe meine Augen auf zu den Ber- gen, von welchen mir Hülfe fommt.

Bf. 121.

Das griechifche Klofter fteht feit länger als 40 Jah ren unter der Verwaltung des ehrwürdigen Mifail, eines fait hundertjährigen Greifes, der den Titel Me- tropolit von Peträa und Statthalter von Serufalem führt. Diefer Mann, von firengem und heiligem Rebenswandel, befißt die Liebe und das Vertrauen fei- ner Glaubensbrüder, nicht allein in Paläſtina, fondern auch in den entfernteren Gegenden, den Wüften von Peträa und Balmyra *). Das Klofter fteht unmittelbar unter dem Patriarchen von Jeruſalem, der in Conſtan— tinopel lebt, dem es jährlich, bald nad) Oftern, von Jaffa aus ein Schiff mit Gefchenfen zufendet und zu- gleich Bericht erftattet über Das Vermögen und Aus-

*), DerMetropolit Mifail iſt erft vor einigen Jahren geftorben.

Die Klöfter in Jeruſalem. 189

gaben und Einnahmen, die hauptfächlich aus freiwil- figen Gejchenfen der Pilger und den Opfergaben befteben, welche die Gläubigen aus Rußland fenden. Nach dem großen Brande 1.3.1810 haben die Griechen die heilige Grabeskirche auf ihre Koften wiederhergeitellt und find Dadurch bedeutend in Schulden gerathen. Die ganze Einrichtung des griechifchen Klojters ift außerft einfah, und ärmlicher als die des yering- ften in Rußland. Der Metropolit theilt die Lebens— art der übrigen Klojterbrüder. Die Zellen, deren ein- zige Zierde heilige Bilder und Diwane find, liegen um einige vieredige Zerraffen. Auf einer diejer Ter⸗ raffen ift ein Pleiner Garten eingerichtet, wo einige Drangen- und Pomeranzenbäume ftehen; die übrigen Pflanzen find zum größten Theil heilfame Kräuter. Dies ift der Ort der Ruhe für die Einfiedler, welche in diefem Lande der Unruhe oft jahrelang Die Wände des Kloſters, oder wenigftend den Bereich des heiligen Grabes nicht verlaffen. Bon einer der höheren Ter: raffen hat man die Ausficht auf zwei Kuppeln des Domes und auf einen Theil der Stadt, der nach dem Delberge zu liegt. Das Klofter hat eine an theologi- fhen Werfen ziemlich reiche Bibliothef und befißt auch einige Handfchriften griechifcher Claſſiker. Die werth- vollfte Handfchrift ift ein Evangeliun, welches dem heiligen Sacobus, dem erften Bifhof von Zerufalem, gehört haben foll, und nächſt dieſem ein Altes Teſta— ment, weldhes aus Byzanz an das Klofter gefchentt wurde. Das Empfangshaus für die Reifenden befindet

190 Fünfzehntes Kapitel.

fi) gerade gegenüber dem Klofter, an der andern Seite der Straße; es enthält mehrere bequene Zimmer. Der Hofraum diefer Herberge ift ein Gärtchen mit Eedern, Eypreffen und Drangenbäumen, die zwifchen den Ge- müfen wachen.

Außer diefem großen Klofter haben die Griechen in Serufalem nod) zwölf Eleinere Klöfter, die nur während der Ofterzeit von Pilgern bewohnt find, während der übrigen Zeit des Sahres aber find hier nur die Wächter und zuweilen einige Klofterbrüder. Die Namen diefer Klöfter find folgende: Klofter des Patriarchen Abra- ham, des heiligen Erzengel, zwei Klöjter des heiligen Georg, des heiligen Nicolaus, des Märtyrer Demes trius, des Theodofius von Tyrus, Bafilius des Großen, das Kloſter des Märtyrers Euthymins und des Einzuges der heiligen Sungfrau in den Zempel, oder der Dar: jtelung Chrifti im Tempel, beide in einem Gebäude vereinigt, und endlich das Klofter der heiligen Katha- rina ; die Drei zuleßt genannten find Frauenklöſter; die wenigen Nonnen wohnen zufammen in den Klöftern des Einzugs in den Tempel und Euthymius’, welche aud) die große und Heine Panagia genannt werden.

Das Iateinifche Klofter des Erlöfers gehört den Franzisfanern ; die Mönche find meiftens Spanier und Sicilier. Die Einrichtung diefes Klofters ift ebenfo befcheiden, wie die des griechifchen, vielleicht ſogar noch befcheidener. Die fhönfte Zierde befteht in einer Haus: fapelle, die mit Gefchmad, felbft mit Verfehwendung ausgeftattet ift, Diefe Pracht des Gotteshaufes, im

Die Kloͤſter in Jeruſalem. 191

Vergleich mit der Dürftigfeit Der Wohnungen, ift wahr: haft rührend. Die Bibliothek des Tateinifchen Klofters ift nicht von Bedeutung ; ich fand wenigftens hier bei weitem weniger gelehrte Werfe, als bei den Griehen. Die FSremdenführer in dem lateinifchen Klojter find in der Regel beffer unterrichtet als die in griechifchen Klöftern.

Das pradhtvolle und große armenifche Klofter fließt in feinen Mauern Die Stelle ein, wo der hei- lige Jacobus Zebedäus den Märtyrertod erlitt; auf diefer Stelle fteht Die armenifche Kirche, eine der erften PBaläftina’s, ſowohl was die Bauurt, Den Reichthun wie die Mannigfaltigkeit der verjchiedenen im orienta- liſchen Geſchmack ausgeführten Berzierungen betrifft. Die Wände find mit blauen liefen belegt und der Fußboden mit reichen Zeppichen bededt. Eine Menge goldener und filberner Lampen und Leuchter blitzt von allen Seiten und die Flammen fchinmern von den ‚liefen der Wände zurück. In einer Seitenfapelle zeigt man die Etelle, wo der heilige Apoftel den Märtyrertod erlitt. Jacobus Zebedäus war der Bruder des Evange- liften Johannes; der Heiland Tiebte ihn befonders und jagte ihm feinen Märtyrertod voraus*). Herodes Agrippa ließ ihn während der fürchterlichen Chriften- verfolgung binrichten, deren Schilderung wir in der Apojtelgefchichte lefen **). Man erzählt, der Wächter, welcher Jacobus zur Hinrichtung führte, fei unterwegs

*) Ev. Matth. 20, 23. 2) Apoitelgeich. 8.

192 Fünfzehntes Kapitel.

“von der Gnade Gottes berührt worden und habe fih in Gegenwart aller Richter zur Xehre des Erlöfers bes fannt, Die Gebeine des heiligen Jacobus wurden nad) Spanien gebracht und ruhen dort noch heute in Compoſtela.

Der geräumige Hof des armeniſchen Kloſters iſt mit Arkaden umgeben und enthält 700 Zellen, die den Pilgern ſtets offen ſtehen. Außerdem gehören noch viele Nebengebäude zu dem Kloſter, wo die großen Karawanen untergebracht werden, welche oft zu den Armeniern kommen. In dem armeniſchen Kloſter ſteht auch die durch ihre Größe berühmte Ceder.

Das abyſſiniſche Kloſter des heiligen Marecus iſt ein ſehr einfaches, für eine geringe Anzahl von Chriſten dieſer Nation beſtimmtes Gebäude, und man muß zur Ehre der Armenier ſagen, daß ſie die Abyſſinier zum großen Theil auf ihre Koſten unterhalten. Dieſe wer— den, nad) jüdiſcher Sitte, beſchnitten, wie auch die Ja— fobiten, und ftatt der Taufe wird ihnen an verfchie- denen Stellen des Körpers mit glühendem Eifen das Zeichen des Kreuzes eingebrannt. Unter Pabft Ele- mens VO. wurden die in Serufalem lebenden Abyffi- nier der römifchen Kirche einverleibt. Die Chriſten in Abyffinien, weldye den größern Theil der Bevölke— rung bilden, theilen fih in orthodore und römiſch— fatholifhe. Die Partei, zu welder fi der König befennt, ift immer die mächtigfte und gewinnt jedesmal die Oberhand über die übrigen ziemlich zahlreichen Parteien. Die orthodoxe Kirche in Abyffinien erfennt

Die Hlöfter in Jeruſalem. 193

als Oberhaupt den Patriarchen von Alerandrien, und bezieht aus Alerandrien das heilige Del. Die ortho- dore wie die römifche Kirche in Abyffinien überrafchen Durch ihre Armuth. Wenn man in eine abyffinifche Kirche tritt, muß man fich wirklich erft befinnen, ob man ſich in einem chriftlichen Gotteshaufe befindet oder nit. Die Ceremonien bei dem Gottesdienfte find unbegreiflich, und noch mehr läßt einen die Bekleidung des Priefters daran zweifeln. Nur das Kreuz von Holz oder Meffing zeigt, daß man in einer Kirche ift. In unferen Zagen ift die römische Propaganda aud) nad Abyffinien gedrungen.

Tief in den füdöftlihen Gebirgen Abyffiniens, zwifchen den Provinzen Efet und Sttoo, unweit des Fluſſes Gawaſch, wohnt ein hebrätfcher Stanım, wie Herr Kowalewsky vermuthet, Nachkommen der Hebräer, welche Mofes aus Aegypten führte in urfprünglicher Einfachheit der patriarchalifhen Sitten. Man fagt, daß fie ihre Gebirge nie verlaffen, auch feine Fremden bei fi) aufnehmen; fie find auch nie unterworfen wor: den, Die biblifhe Tradition foll ſich bei ihnen in wahrhafter Reinheit erhalten haben.

Kopten und Syrer giebt es in Serufalem nur wes nige, und fie nähren fich von ihrer Hände Arbeit. Das £optifche Klofter befindet fi in einem Seitengebäude der heiligen Grabesfirche und iſt dem Patriarchen Abraham geweiht. Die Syrer nennen fid) die älteften Chriſten, weil der heilige Apoftel Petrus fieben Jahre

Noroff's Reife nach Palaͤſtina.

194 Fuͤnfzehntes Kapitel.

in Antivchien lebte, noch ehe er feine Reife nah Rom antrat,

Die Safobiten haben ihren Namen von Safob, einem Schüler des Artus, der diefe Secte ftiftete ; fie halten den Evangeliften Matthäus für ihren Apoftel. Sie ftammen aus Afien und haben einen befonderen Patriarchen. Viele ihrer Mönche halten fih an Die Sabungen Antonius des Großen, und man findet fie in allen Städten Syriens. Die Chaldäer und Neito- rianer befennen fich zu Der Irrlehre des Neftorius, der durch die dritte Kirchenverfanmlung zu Ephefus in Bann gethan wurde. Die Maroniten, Bewohner des Libanon, nennen fih jo nad) Maro, einem Anhänger der Lehre des Macarius von Antiochien. Sie find in mehrere Secten gefpalten, deren Lehren man noch nicht im Einzelnen fennt, und beobachten noch viele Vor- jchriften des Alten Zeftaments, neben denen fie auch manche Gebräuche der griechischen und Inteinifchen Kirche haben.

Auch ein Frauenkloſter it in Serufalem, deffen Re— geln fehr ftreng find.

Sechszehntes Kapitel, Weg nad) Zion.

Denn ber Herr hat Zion erwählet, und hat Luft dafelbft zu wohnen.

Pſ. 132, 13.

Auf dem Wege nad) Zion kommt man, an der Burg David's vorbei, zu dem Orte, welcher die Drei Marien genannt wird, von da zu dem armenifchen Klofter des heifigen Jacobus, dem Haufe des heiligen Thomas und den Häufern der Hohenpriefter Annas und Kaiphas.

Burg David's nennt man den Theil der Befeitigung, wo fih das Thor nach Saffı und Bethlehem befindet, durch welches die meiften Pilger nach Zerufalem kom⸗ men. Es iſt eine vieredige Befeftigung von 20 Klafter Breite und 65 Klafter Länge; die feiten Mauern find durch ſechs Thürme verbunden und werden durd) eine ſchwache Baſtion und einige ausgetrodnete Gräben ge- ihügt. Die wenigen Kanonen würden nur für eine kurze Bertheidigung genügen. Die beiden Hauptthürme füh- ren jeit den Zeiten der Kreuzzüge den Namen Thürme

13*

196 Sechszehntes Kapitel.

der Pifaner, weil fie von den Piſanern mwiederherge- ftellt wurden. Die Grundmauer Ddiefer Thürme tft augenscheinlich von fehr alter Bauart, Der Abt Da- niel erflärt, Diefes Gebäude fei ein Ueberreft des alten Serufalem*), wofür es aud Benjamin von Zudela hält, zu deffen Zeit unter den Gewölben diefes Gebäu- des mehr als 200 Juden lebten**. An diefer Stelle ftand die Burg David’s, und fpäter Die Thürne Piephinus und Hippicus, von denen der leßtere mit den Befeftigungen von Zion, wo das Haus David’s ftand, verbunden war, Der Garten des Uria und deffen Haus fließen an das Schloß David’s; jetzt ift diefer Ort unbebaut, und man flieht dafelbit eine Ei- fterne, die man für das Bad der Bathfeba hält; fie liegt dem Schloffe gegenüber, an der anderen Geite der Straße, rechts von dem Thore nad) Saffa, ift aber jet verfchüttet. Manche Gelehrte halten dieſe Eifterne für den Teich des Hisfia, ich theile jedoch diefe Anficht nicht, denn dieſe Stelle, an dem Wege von dem Ge- richtsthore nach Golgatha, bis zu der obern Waflerlei- tung Gihon, lag außerhalb der Thore oder nahe an der Stadtmauer***), der Teich des Hisfin dagegen Tag zwifchen den beiden inneren Thoren und follte im Fall einer Belagerung als Schug dienen. Ich werde fpäter Gelegenheit finden, meine Anficht über die Lage def- felben mitzutheilen. Wenn aber diefe Eifterne auch im 9) Abt Daniel, S. 42.

**) Benj. Tudel. 1, 69. ») Jeſais 22, 9. 11. 2. Könige 20, 20. 2. Ehron. 32, 30.

Meg nad) Zion. 197

Garten des Uria lag, To darf fie doch ficher nicht Das Bad der Bathfeba genannt werden, denn Diefes war auf der Terraffe. Die orientalifche Sitte, den größten Theil des Tages auf der Zerraffe zuzubringen, finden wir ſchon im Evangelium erwähnt”). Hier, an Diefer Stelle, wo das Haus David's ftand, auoll einft aus der tiefften Seele des reuigen Königs der Pfaln, der beute noch den reuigen Sünder mit Gottes Gerechtig- feit verſöhnt**). Im Innern der Burg befindet fi außer einigen alterthümlichen Waffen nichts Bemerfens- werthes.

Unweit der Davidsburg zeigt man rechts Die Stelle, wo Chriftus nach feiner Auferftehung den drei Marien erfchien: Marin Sacobi, Maria Salome und Maria Magdalena, die von der Grabftätte nach Zerufalem zus rückkehrten. Die Stelle it jeßt bebaut; früher ftand Dafelbit eine Kirche***),

Bon hier gelangt man zu der Stelle, wo der heilige Apoftel Jacobus Zebedäus den Mürtyrertod erlitt, jeßt ' das armenifche Klofter. Hier war eheden ein Fiſch⸗ markt, |

Das Haus des Hohenpriefters Annas ftand in ger ringer Entfernung von den Zionsthore; jeßt fteht an diefer Stelle Die den heiligen Engeln geweihte arme— nifche Kirche. Als Jeſus nach feiner Verhaftung in

*) (iv. Matth. 24, 17.

*) pſ. 51. 99 Bonifacius 191.

198 Sechszehntes Kapitel.

Gethſemane mitten in der Nacht hierher gebracht wurde, erzählt die Tradition, banden ihn die Häfcher an einen Delbaum, von dem man nod) jeßt an der Mauer der Kirche einen Sprößling zeigt, der mit einem Gitter um— geben ift. An Diefer Stelle erlitt der Herr die Schmadh, welche ſchon der Prophet Jeſaias geweiffagt hatte *). Nach Ehryfoftomus und Euftathius war der Diener des Hohenpriefters, der hier den Herrn befchimpfte, derfelbe Malhus, dem Petrus das Ohr abhieb, welches Zefus wieder heilte.

Die Kirche der Armenier ift nicht groß, aber fehr Schön; die Wünde find ebenfo, wie die der prächtigen St. Jacobskirche und aller armenifchen Kirchen, mit Zlie- fen befleidet. Tritt man von hier durch das Stadtthor, welches den Ntamen Bab ul-Nebi Daüid, d. i. Davids: thor, oder Zionsthor führt, fo fommt man dem Gipfel des Berges Zion näher! Bemerfenswerth ift, daß in einer arabifchen Inſchrift an dieſem Thore daſſelbe ebenfalls Zionsthor genannt wird**). Wir haben ſchon oben erwähnt, daß der Berg Zion, der ältefte Theil der Stadt, wo das Haus David’s fand, unter Hadrian von den Mauern der Stadt ausgeichloffen wurde; und fo ift es bis jeßt geblieben, Wir finden darin die Erfüllung der Weiffagung des Propheten Je⸗ faias***), Die Wafferleitungen, welche Zion mit Waſſer

*) Jeſaias 850, 6.7. **) Duareöm. II. 42. *) Jeſaias 22, 9.

Weg nad Zion. 199

verforgten,, wurden zerftört oder nach der neuen Stadt Hadrian’s hinübergeführt, und die Steine von Haufe David’ wurden zum Bau der Stadtmauern verwendet.

Weſſen Herz erbebet nicht bei dem Namen Zion? Die Lobgefänge des Alten Zeftaments trugen unaufr hörlich diefen heiligen Namen zum Hinmel empor! Dies ift der Berg Gottes: „Denn der Herr hat Zion erwählet, und hat Luft dafelbft zu wohnen”*. „Der Herr liebet die Thore Zions über alle Wohnungen Sacobs***), Hier ftand die Bundeslade, bis zur Ers bauung des Tempels, hier ift Die Grabftätte David's, hier wurde das Sakrament des Altars eingefebt, bier vermachte der Erlöfer feinen Leib und fein Blut zur Erlöfung der Menfchheit, hier kam der heilige Geift in Feuerzungen auf Die Häupter der Auserwählten her: nieder und befeftigte, fegnete und bereitete das große Merk der Erwerbung des Menfchengefchlechts vom zeit: lichen zum ewigen Reiche durch den dreifuchen Namen Des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geiftes! Hier endlich war e8, wo die Mutter Gottes die legten Tage ihres Lebens zubrachte,

Aber Zion ift eine Wüfte geworden! Die Edfteine der Häufer David’s find bis auf den Grund bloßgelegt, wie Jeſaias geweiffagt***), und Grabfteine bededen einen Theil des Berges, der jet der allgemeine

*) Pf. 132, 13. “) 9, 87,2. Jeſaias 22, 9.

200 Sechszehntes Kapitel.

Begräbnißplag der Chriften if. Der Tod war mir in Jeruſalem weniger fchredlich, und ich bat mit der Furcht eines Sinders Gott um die Gnade, wenn mir nicht beftimmt wäre, in das Baterland zurüdgufehren, mich in Jeruſalem fterben zu laſſen.

Die Stelle der heiligen Myfterien auf Zion be- deckt jeßt eine armfelige, fchlechtgebaute Mofchee; aber zum ZTrofte der Chriften fteht hier auch eine Eleine Hriftliche Kirche, die früher dem griechifchen, jeßt aber dem armenifchen Ritus angehört. Ehedem ftand hier aud) ein großes Franzisfanerflofter, deſſen ſich aber in der Mitte des fechszehnten Jahrhunderts die Moham— medaner bemächtigten, weil fie fürchteten, die Ehriften

könnten einmal, durch die zahlreichen Pilger unterftüßt,

diefen von der Natur befeftigten Ort als Feftung be- nugen *). Die armenifche Kirche nimmt die Stelle ein, wo ehedem das Haus des Hohenpriefters Kaiphas ſtand, wo diefer zu dem gefüngenen Zefus fagte: „Ich ber ſchwöre dich bei dem lebendigen Gott, daß du ung fageft, ob du feift Ehriftus, der Sohn Gottes." Hier zeigt man auch eine Stelle, welche das Gefängniß des Herrn genannt wird, wo Chriftus nach dem Verhör bei Kaiphas geblieben fein foll, damit die Worte des Pfalms **) erfüllet würden. Auf dem Plage vor der Kirche ift die Stelle, wo Petrus den Herrn ver: leugnete.

H Groͤben 188. “) Bi, 88, 9.

Weg nach Zion. | 201

In dem Altare der arınenifchen Kirche liegt der größere Theil des Steines, welcher vor die Deffnung der Grabeshöhle des Erlöfers gewälzt war, und den die Armenier einmal bei einem in Jeruſalem -ausgebroche- nen Aufitand aus der heiligen Grabesfirche hierher brachten *).

In der Mofchee zeigt man ein großes Gemach, def jen Dede von zwei Säulen getragen wird, als den Drt, wo das heilige Abendmahl eingefeßt wurde; die ganze Bauart der Mofchee gehört aber augenjcheinlic) einer neuern Zeit an. Da ich unter dem Schuße eines Kawaſſen des ſyriſchen Paſcha's erfchien, wurde mir das Grab David's gezeigt, welches bei den Moslemen in hoher Verehrung jteht; man fügt fogar, daß fie an jeinem Grabe die arabifche Ueberſetzung feiner Pſalmen lefen. Erft nad) langem Hin= und Herreden flieg der Imam mit uns in das zweite Stodwerf hinauf, wo e8 wieder einige Zeit währte, bevor er die Schlüffel finden fonnte, um eine Bretterthür zu öffnen; Durch Diefe traten wir in ein kleines Zimmer, an defjen grob mit Kal beworfenen Wänden fteinerne Bänke angebracht waren. In der mittleren Wand, in einerNifche, ſtand ein ziem- lich großer, mit einem alten feidenen Tuche überdedter Sarkophag. Dies, fagte uns der Imam, fei das Grab David’s; wovon id mic jedoch nicht überzeugen fonnte, obgleih Quaresmius jchon im Anfang des fiebenzehnten Jahrhunderts Ddiejelbe Stelle als das

*) Gröben 189.

202 Sechszehntes Kapitel.

Grab David’8 gezeigt wurde”). Die Stelle Ddiefes Grabmals wäre ganz gegen die Sitte der Juden; die Ueberreite David’8 und Salomo’s ruhen gewiß tief im Innern des Zionberges, wie uns durch das Zeugniß Nehemia's beftätigt wird. Die Befchreibung, welche Nehemia**) von der ganzen Umgebung des Zion giebt, ift fo deutlich, daß fie feiner weiteren Erflärung bedarf. Wir erfehen daraus, Daß man das Grab David’s zwi- hen dem Teiche Siloah und dem Haufe der Helden, d. i. der königlichen Leibwache, fuchen muß, welches ohne Zweifel auf dem Berge ſtand. Ich kann Deshalb Herrn Sauley nidyt beiftimmen, der die Grabftätten David’s und Salomo's auf das Feld der Königsgräber verfeßt. Herr Saulcy fagt, e8 fei gegen die Sitte Der Juden, Die Todten in der Stadt zu begraben. Zion war aber unter David Nichts weiter als ein Theil der Feftung. Ich will jedoch feineswegs leugnen, daß man fpäter mit dem Namen „Stadt David's“ oft Das ganze Jeruſalem bezeichnete. In den orientulifchen Traditionen ift oft von den Geheimniffen Zion’s Die Rede; Sofephus erzählt von Schägen, die mit den fterblichen Heberreften David’8 und Salomo’$ vergraben worden fein follen, und berichtet ferner von dem wun- derbaren unterirdifchen Feuer, welches Herodes traf, als er in die Gräber David's und Salomo’s dringen wollte***),

*) Quaresm. II. 123. **) Neben. 3, 15. 16. **) Jos. Antiqu. 16, 7.1. Cine ähnliche Erzählung giebt aud, Benjamin v. Tudeln.

Meg nad Zion. 203

Aus der Apoftelgeichichte wiſſen wir, daß zur Zeit des Erlöfers das Grab Dapid's noch aut erhalten war*). Der griehiiche Gefchichtsfchreiber Dio Caſſius fpriht von dem Grabmale Salomo’s**); Procopius bezeugt, Daß unter den Schäßen, welche der Bandalen- fönig. Genferih aus Rom fortfchleppte, fih auch Die heiligen Gefäße aus dem Tempel Salomonis befanden, welche Zitus nach der Eroberung Serufalems dorthin gebracht Hatte. Belifar nahm den Bandalen Diefe Scäße wieder ab und führte fie nach Byzanz. Ein Jude aus dem Gefolge des Kaiſers rieth Diefem damals, diefe Schäge wieder nad Serufalem zu bringen. Es fei nicht gut, fagte er zum Kaifer, Ddiefelben in By— zanz aufzubewahren, fie müßten an den Ort gebracht werden, wo Salomo, der König von Judäa, fie weihete. „Dadurch, daß fie nach Rom famen, wurde Rom von Genferich erobert, und weil Genſerich ſich ihrer bemächtigt, wurde er von dir bezwungen. "— Der Kaifer, durch Diefe Worte erfchredt, brachte die geraub- ten Heiligthiimer wieder nach Serufalem, in den Tempel der Chriſten***). Vielleicht Dachte der Jude an die Bundeslade, Die auch, wenn fie ſich in den Händen der Heiden befand, diefen jedesmal Unglüd brachte }).

Duälend war für mich der Zweifel hinfichtlich des

*) Apoftelgefh. 2, 29. *) Vita Adriani p. 18. 137. ““) Procop. de bello Vandal. XI. - Reland de spoliis templi Hierosolym. p. 199 202 und überhaupt Kap. 13. +) 1. Chron. 8—6.

204 Sechszehntes Kapitel.

Zimmers, welches man als den Ort der Einfeßung des heiligen Abendmahls bezeichnet. Die heiligen Stätten mit voller Sicherheit zu fennen, tft für den Chriften gewiß immer tröftend; in joldhen Fällen aber müſſen wir dankbar fein, Daß uns die Erde verbirgt, was Die Menfchheit nicht zu fehen verdient. So müffen wir auch zufrieden fein, daß Die Lage der heiligen Etadt noch unverändert ift und uns tröften mit dem Gedan- fen an das himmlische Serufalem: „Denn wir haben bier feine bleibende Stadt, fondern. die zukünftige ſuchen wir“,

Im Neuen Tejtament ift die Stätte, wo das heilige Abendmahl eingefegt wurde, nicht genau bezeichnet, Die meiften heiligen Väter aber fegen dieſe große Begeben- heit, fowie die Ausgießung des heiligen Geiſtes, auf den Zion, Einen wichtigen Beweis dafür giebt ung Epiphanius, der bei Gelegenheit der Ankunft des Kai- jers Hadrian erzählt: Als der Kaifer aus Aegypten nach Serufalem fam, war die ganze Stadt der Erde gleich gemacht und der Tempel Gottes niedergeriffen, nur einige Häufer auf dem Zion, und eine kleine Kirche, die an der Stelle erbaut war, wo das heilige Abend- mahl eingefeßt wurde und wo die Apoſtel zufammen- famen, als fie nach der Himmelfahrt Chrifti vom Oel⸗ berge zurücfehrten, waren jtehen geblieben. Auf dem Zion ftanden auch fieben Synagogen, Hütten oder Zelte, von denen Marimus, der Bifchof des Kaifers Konftantin, nod eine vorfand*),

*) Lib. de Mensuris apud Quaresm. II. 122.

Weg nad) Zion. 205

Wir fehen hierans, daß die Kirhe auf dem Zion viel älter war, als die der heiligen Helena. Der heilige Apoftel Jacobus, der Bruder des Herrn, nannte fie die Mutter aller übrigen Kirchen, wodurd er zugleich be- zeugt, Daß die Ausgießung des heiligen Geiſtes eben- falls auf dem Zion und zwar an derfelben Etelle ftatt- fand, wo die Kirche ftand*. Der heilige Jacobus war der erfte Biſchof der Kirche zu Zerufalen.

Sn der Moſchee auf Zion zeigt man auch nodı Ueberrefte des Haufes, wo die heilige Jungfrau unter dem Schuße der erjten Stirche ihres Sohnes lebte. Nach Dionyfius Areopagita iberlebte fie den Heiland noch 24 Sabre und beichloß bier ihre irdifche Laufbahn. Hier ftand auch einft eine Kirche des heiligen Evange— liften Johannes, an der Stelle, wo der Apoſtel, wie man vermuthet, die erite Liturgie für Die heilige Jung-- frau hielt**). Hier war auch die erite apoſtoliſche Kirche, an derfelben Stelle, wo Petrus einjt, in jener ſchrecklichen Nacht, bitterlich Darüber weinte, daß er den Herrn für einen Augenblid verleugnet hatte.

Die königlichen Gemächer Salomo’s find im Hohen Liede deutlich bezeichnet, nicht minder deutlich Das Grab David’s im Buche Nehemia ***),. Der an jener Stelle genannte Teich ift die Quelle Siloahb am Zuße des

*) Biblioth. Sanct. Patr. I. **) Marinus Sanutus ubi supra 255. +) Nehem. 3, 16.

206 Sechszehntes Kapitel.

Zion wie auch Nehemia fagt —, wo das Haus der föniglichen Leibwache ftand, Ich behalte mir jedoch por, über Diefes noch weiter zu Iprechen.

Den Eleinen Raum ausgenommen, welchen die armentsche Kirche und die Mofchee einnehmen, iſt der Zion jeßt wüſt und öde. Kinige Stellen find mit Gräbern und Ruinen bededt, andere mit dDürftiaem Ra— fen bewachfen, wieder andere mit Delbäumen bepflanzt, oder als Feld gepflügt; wie der Prophet Micha gelangt hat: „Darum wird Zion um euret willen wie ein Feld zerpflüget, und Serufalem zum Steinhaufen und der Berg des Tempels zu einer wilden Höhe wer- den“*) Auf dem äußerften Rande des Berges fieht man noch Spuren der alten Mauern Serufalems, welche die Grenze der früheren Stadt deutlich erfennen laſſen **).

Die Ausfiht vom Berge Zion ift pradtvoll; er liegt an einer Stelle, wo drei Thäler zufammenkommen, gegen Oſten das Thal Joſaphat, mit dem Bache Kidron, gegen Süden das Königsthal, gegen Nordweſt das Thal Ben Hinnom, oder Gihon. Die Bereinigung Diefer drei Thäler am Fuße des Zion ift die frucht: barfte Stelle in der ganzen Umgegend Serufalems. Hier waren die Gärten Salomo's, und bis auf unfere Tage gewähren die Zluthen des Baches Siloah, und.

*) Micha 3, 12. Jerem. 26, 18. ») Gröben, ©. 187.

. Beg nad) Zion. 207

der Schatten der drei Berge, Des Zion, des Berges des Hergerniffes und Des Berges der böfen Berathung, den Gehölzen des Dorfes Silonh einen immerwähren- den Reiz.

Eine Fleine Strede unter dem Zionsthore, am Zuße der äußern Stadtmauer und nahe dem Wege, der iu das Thal Sofaphat führt, foll ein verborgener unterir- diicher Gang in das Innere der Stadt führen, wahr: icheinfich Durch die Wafferleitungen aus den Zeichen Salomo’s, binter Bethlehem. Als die Truppen Ibrahim Paſcha's Jeruſalem belagerten, fuchten einige arabifche Heerführer durch diefe Gänge in die Stadt zu dringen. Es gelang ihnen auch wirklich und die Stadt war einige Tage der Plünderung preisgegeben, bis Ibrahim's Ankunft aus Zaffa dem Blutbade ein Ende machte. Daß folde unterirdiiche Gänge vorhanden find, beftätigt Schon Sofephus.

Vom Zion fehrten wir durch das Zionsthor nach Jeruſalem zurüd, wendeten uns aber fogleich rechts, an der Mauer hin, die an Diefer Seite maleriſch mit Bactus und Epheu bewachſen if. Auf den Schutt- haufen ftehend, welche fich Durch Die verfchiedenen Jer- törungen aufgehäuft haben, kann man bis zu den Schießſcharten hinauflangen, und von hier aus, von den Höhen der Mauern, die jo oft zeritört und fo oft wieder aufgebaut wurden, konnte ic) faft diefelbe Aus- fiht bewundern, wie von der Höhe des Zion, und ver: ſank in Betrachtungen über das Schiefal der Stadt

208 Sechszehntes Kapitel.

des großen Königs über dieſen Editein der irdi- fhen Welt! Wie viele Gefchlechter find hier unter— gegangen, wie ftrahlend wird die Wiedergeburt fein, auf ihren ewigen Grundveften!

Siebenzehntes Kapitel.

Das Iudenvicertel. Gefängnif des heiligen | Petrus. Haus Iojakim’s und der Anna. Teich Bethesda.

Mit ven Ohren wertet ihr hören, und wertet es nicht verftehen, und mit fehenden Augen wertet ihr jeben, und werdet es nicht vernehmen.

Ev. Matth. 13, 14. Jeſaias 6, 9.

Wir treten in das Judenviertel. Obgleich ſchon finger als einen Monat in Serufalem, war ich doch noch nicht einem einzigen Juden begegnet. Die ebe- maligen Herren des Landes Sfrael bewohnen Den Stadttheil zwifchen Zion und Morija, in dumpfigen Lehmhütten oder unterirdifchen Gewölben, die wahr: iheinlih den Paläſten Salomo’s als Fundamente dienten. Selbft in ihrem eigenen Stadtviertel fuchen Die uden fich vor den Bliden Fremder zu verbergen. Die (Hewinnfucht, welche fich anderwärts bei diefem Volke

in ziemlichem Grade findet, tritt bei den Juden in Noroff's Reife nah Paläftina. 414

208 Sechszehntes Kapitel.

des großen Königs über dieſen Editein der irdi- fhen Welt! Wie viele Geichlechter find hier unter: gegangen, wie ftrahlend wird die Wiedergeburt fein, auf ihren ewigen Grundveften!

Siebenzehntes Kapitel.

Das Iudenviertel. Gefängnif des heiligen Petrus. Haus Iojakim’s und der Anna. | Teich Bethesda.

Mit ven Ohren wertet ihr hören, und wertet es nicht veriteben, unt mit ſehenden Augen werdet ihr leben, unt werdet es nicht vernehmen.

Ev. Matth. 13, 14. Jeſaias 6,9.

Wir treten in das Judenviertel. Obgleich ſchon länger als einen Monat in Zerufalem, war id) doch noch nicht einem einzigen Juden begegnet. Die che: maligen Herren des Landes Iſrael bewohnen Den Stadttheil zwifchen Zion und Morija, in dumpfigen Lehmhütten oder unterirdifchen Gewölben, die wahr: fheinlich den Paläſten Salomo's als Fundamente dienten. Selbft in ihrem eigenen Stadtviertel fuchen Die uden fi vor den Blicken Fremder zu verbergen. Die Gewinnſucht, welche ſich underwärts bei dieſem Volfe

in ziemlichem Grade findet, fritt bei den Juden in Noroff's Reife nah Paläftina. 14

210 Siebenzehntes Kapitel.

Serufalem weniger an denZag, obaleich fie der größern Zahl nad) Handwerker find und auch Handel treiben. Die jüdifche Bevölkerung ift für die Größe der Stadt bedeutend, und beträgt, nad) einer wahrjcheinlichen Schätzung, etwa 4000 Einheimifche und 2000 Fremde, jedoch meift Greife und Frauen; befonders zahlreid) it das weibliche Gefchlecht vertreten”). In ihren dunfeln unterirdifchen Gewölben erlöfchen Die Lampen nicht, die vor den Büchern des Alten Teſtaments bren- nen: „Denn bis auf den heutigen Zag bleibt diefelbe Dede unaufgedeet über dem Alten Zeftament, wen fie es leſen, welde in Ehrifto aufhöret. Uber bis auf den heutigen Zag, wenn Mofes gelefen wird, hängt die Dede vor ihrem Herzen **).“ Der Schottifhe Miffionär Keith erzäblt ein Geſpräch, welches er hier mit einem anfgeflärten Juden hatte, der behauptete, Die Thora oder das Geſetz Mofis jei ihnen Einmal gegeben und babe ewige Geltung; als jedoh der Miffionär Die Weiffagungen des Propheten Seremias aufichlug und ihn den 31. und 32, Vers des 31. Kapitels lefen Tief, Ihwieg er. Wenn fie von dem ewigen Kampfe mit der fie tadelnden Wahrheit der heiligen Schrift ermüdet auf die Dächer ihrer armfeligen Hütten hinaustreten, um die frifche Luft zu genießen, fchanen fie bald nad) Zion, bald nad dem Berge des Tempels Saloıno’s hinüber, von denen fie verftoßen find; von den beiden

*) Les Juifs de l’Europe et de Palestine etc. p. 140. *) 2. Corinth. 3, 14. 15.

Judenviertel. Gefängniß des b. Petrus x. 211

Kuppeln Golgatha’s aber, wo die Erlöſung ihrer bur- ret, wenden fie ſich ab! ft das nicht noch daſſelbe Boll, zu dem Zeus ſprach: „Suchet in der Schrift, denn ihr meinet, ihr babet Das ewige Leben Darinnen, und fie ilt’S, Die von mir zeuget, und ibr wollt nicht zu mir fommen, daß ihr Das Leben baben möchtet *), it es nicht daſſelbe Volk, zu dem Jeſaias fagte: Mit den Obren werdet ihr bören und nicht verftchen, und mit fehenden Augen werdet ihr ſehen, und wer: det es nicht vernehmen “**)? Sit es nicht auch im Aeußern noch daſſelbe Voll, das wir auf den Jahr— taufende alten Mauern des bunderttborigen Theben abgebildet finden? Nie werde ich vergeffen, mit welcher Ueberraſchung ich einjt bei einem Spaziergange in den gewaltigen Ruinen zu Karnak Das Bild eines ügpptifchen Pharao erblidte, der mit dem Fuße auf Das rerfonificirte Reich Zuda tritt. Das Geficht des Juden, deifen Kopf der Fuß des Königs niedertritt, hat ganz den Typus, welchen dieſe Nation bis auf unſere Zeit bewahrt hat. Wie wunderbar und unbegreiflich iſt das Geschick Ddiefes auserwählten, nun aber verſtoßenen Volkes, das von Moſes bis anf unſere Tage immer daſ— ielbe geblieben, das, wenn es hören und im Kerzen begreifen wollte, aus der tiefiten Erniedrigung fich zu gleicher Höhe mit den eriten Nationen der Welt empor: ihwingen könnte! Schade, daß der obere Theil dieſes

*) Ev. Joh. 5, 39. 40. ») Jeſaias 6, 9. 10. Ev. Matth. 13, 14. 14*

212 Siebenzehntes Kapitel.

Basreliefs, welches den Forſchungen Champollions ent- gangen ift, nicht mehr exiftirt, denn der folge Eroberer Iſraels tft durch Die Zeit zertrümmert; er und fein ge- waltiges Reich find von der Oberfläche der Erde ver: ſchwunden, aber die Söhne des Volks, dag er bezwang, find nod) immer diefelben. Das Basrelief ift übrigens vollitändig erklärt Durch ein anderes, welches fih an der Mauer der Südſeite von Karnak findet, wo Pharao Sifaf ganze Stämme Siraels hinter ſich herfchleppt. Auf den Bruftfchilde eines der abgebildeten Gefunges nen entzifferte Champollion die Worte Judaga- Malek, d. i. König von Juda*). Diefelbe Bege: benbeit ift auch auf dem Basrelief dargeſtellt, welches ich dort entdeckte.

Die Juden haben in Jeruſalem eine Synagoge und eine Herberge für ihre Pilger.

Die jüdiſche Bevölkerung in Paläſtina beträgt im Ganzen nicht mehr als 12,000 Köpfe. Die Gründe, weshalb ſo viele herkommen, um hier ihre irdiſche Lauf— bahn zu beſchließen, ſind folgende: weil der Leich— nam jedes Juden, der in einem fremden Lande ſtirbt, den Weg bis zum Thale Joſaphat nothwendig unter der Erde zurücklegen müßte; weil jeder Jude, der in Paläſtina ſtirbt, erlöſt iſt, obgleich er der Strafe im Grabe und im Jenſeits nicht entgeht; weil Jeder, der

*) Man vergl. 1. Könige 14, 235. 26. Champollion sur !’Egypte et la Nubie und meine Reife in Egypten und Nubien Br. II., S. 132 133.

Jutenviertel. Gefängniß des h. Petrus ⁊c. 213

in Paläftina lebt, in näherer Beziehung zum Himmel ſteht und namentlich die Rabbiner in Paläſtina des heiligen Geiftes voll find ; und endlich, weil der erwar: tete Meſſias in Baläftina ericheinen foll.

Die Juden in Paläſtina erhalten von ihren Glau- bensgenoffen in Europa eine jährliche Unterftigung von etwa 25,000 Thalern, die ihnen durch den reichen Banquier Hirfch LZehren in Amfterdam, der den Zitel eines Präfidenten des heiligen Landes führt, übermacht wird. Sie unterhalten eine ziemlich regelmäßige Ber: bindung mit den Juden in anderen Ländern, Merk—⸗ würdig ift es, daß auc die hier geborenen Juden fi für Zremde anjehen. In religiöſer und moralifcher Beziehung ftehen die Juden in Paläſtina höher als in manchen andern Ländern, und die chriftlichen Miſſio— näre haben unjtreitig unter ihnen fehon vieles Gute ges ftiftet, indem fie das Anfehen des Talmud erfchüttert und die Aufmerffamfeit auf das Studium des Alten Teſtaments gelenkt haben, fo Daß ſchon viele ſich dem Ehriftenthum zugewendet haben. Das Anfehen Der Rabbiner ift hier fo gering, Daß der offizielle Rabbiner nicht einmal in der Synagoge den Vorfiß führt, ſon— dern dieſe Ehre einem Chazon überläßt, der wegen fet- nes lauten und vernehmlichen Organs gewählt wird. Nur der Segen des Bolfes muß von dem Kohen oder PBriefter gefprochen werden, der aus dem Stamme Aaron’s fein muß*).

) Les Juifs ete. Schottijche Mijlion 144.

214 Siebenzehntes Kapitel.

Das Zudenviertel erſtreckt ſich bis an Die ſüdliche Seite der Ringmanern des falomonifhen Tempels. Die großen, gut behauenen Grundfteine find fiher noch aus der Zeit, in welcher Der Tempel ftand. Schon feit einigen Sahrhunderten haben Die Juden die Erlaubniß erhalten, bier ihre Gebete zu lefen und Die wenigen Ueberrefte des Tempels mit ihren Thränen zu benegen ! ... Der Tag, an welchem fie fih gewöhnlich hier ver- jammeln, ift der Freitag! Der Tag, an dem der Er- löjer au für fie feinen Geift am Kreuze aushauchte und feinen himmliſchen Bater un Vergebung für feine Feinde anflehtel ...

Geht man von hier an der Mauer rechts nach dem Thale, welches im Alterthum Tyropöon genannt wurde, ſo kann man noch Ueberreſte einer an die Tempelmauer anſtoßenden Brücke ſehen, die den Berg Morija, oder den Tempel Salomo's, mit dem Zion verband; es iſt ein Stück von einem Bogen der Brücke. Der gelehrte Robinſon, welcher dieſer Stelle zuerſt Aufmerkſamkeit ſchenkte, beſtimmte ſelbſt den Bogen der alten Brücke *).

Auf dem Wege vom Judenviertel zum armeniſchen Kloſter zeigt man die Ueberreſte des Hauſes, welches der heilige Thomas bewohnte, etwas weiterhin iſt das Haus der Maria, der Mutter des Johannes Marcus, wohin ſich Petrus begab, als er von dem Engel aus dem Gefängniß befreit worden war. Hier fteht eine Kirche der Syrer, in der fich ein fehr altes Taufbeden

*) Robinſon I, 428.

Zudenpiertel. Gefüngniß dee h. Petrus xc. 215

erhalten hat. Berfolgt man den Weg weiter nad) Der heiligen Grabesfirhe, fo kann man Die Stelle ſehen, wo Das Huus des frommen Zacharias ftand, in Deifen Nähe man die lleberreite der eilernen Pforte erblickt, die fid) vor Petrus von felbft öffnete, als der Engel ihn aus dem Gefüngniß führte; auch von dem Gefäng— niß find noch einige Ueberreite vorhanden. Hier ftand fonft eine den heiligen Apoſteln Petrus und Paulus geweihte Kirche, die aber ſchon zur Zeit Bonifacius', im Sahre 1555, wieder in ein Gefüngniß verwandelt wurde, in welches man Juden einſperrte *). An einer der Straßen, welche aus dem Sudenviertel binausfüb- ren, bemer£te ich Ueberreite des alten Straßenpflaiters von Serufalem. Die großen Quaderjtüde, mit denen die Straße gepflaftert ift, ziehen unwillkürlich die Auf— merkſamkeit auf ſich. Es giebt in Jeruſalem jo wenige Alterthümer aus der Zeit des Erlöfers, Daß auch ſolche Steine werthvoll erfcheinen. Unweit der Grabesfirche fiebt man noch einige Mauerbogen, Ueberreſte einer Kirche Johannes des Täufers, aus der Zeit der heiligen Helena, jetzt ein Bazar. Die Kirche beitand aus einem in der Mitte ftebenden Viereck, mit Seitenflügeln an allen vier Seiten, und hatte die Geitalt eines Kreuzes,

Diefes Gebinde wird auch Das Haus des Zebedäns, Baters der Apoitel Jacobus und Iobannes, genannt, und man glaubt, daß der Apoſtel Johannes bier ges boren wurde. Unter den Gebäuden, welde noch aus

*) Bonifac., p. 71. G&röben, S. 149.

216 Siebenzebntes Kapitel.

der Zeit der heiligen Helena übrig find, muß das Hospital ermähnt werden. Ein Theil dieſes Gebäudes, welches öitlich von der heiligen Grabeskirche liegt, und parallel mit dem Schmerzenswege läuft, dient noch jet feiner uriprünglichen Beitimmung. Gonitantin der Große erbaute Daffelbe in den eriten Jahren nach feiner Befebrung, in Gemeinichaft mit feiner Mutter, um den vielen hriftlihen Sclaven, die ihre Freiheit wieder er- langt hatten, ein Obdach zu verichaffen.

Wenn man auf dem Schmerzenswege nach dem Gethiemanetbore oder dem Echaftbore zugeht, erblidt man zur Linfen, im Bereiche des Palaftes des Pilatus, die Ueberreite des Thurmes oder Palaſtes des Anto- nius; es it ein von Hyrcanus Makkabäns erbauter Theil der Befeſtigung, welcher durch Herodes neu ge- baut und durch ‚einen Bogen mit den Mauern des ſalomoniſchen Tempels verbunden wurde. Herodes nannte den Palajt nad) dem Namen feines Befchügers, des Damals mächtigen Triumvir Antonius, und bewohnte ihn eine Zeitlang felbft.

Etwas weiterhin fieht man in derfelben Richtung die bedeutenden Ueberreſte einer Kirche von byzantini- fher Bauart, an der Stelle, wo Das Haus der Eltern der Mutter Gottes jtand, wo dieſe zur Freude der Erde und des Himmels das Licht der Welt erblidte, und mo ihre Eltern ihre irdiiche Laufbahn befchloffen. Diele fehr maleriſchen Ruinen liegen fchief gegenüber dem Scafsteih wie ſchon Johannes Damascenus die

Judenviertel. Gefängnip des h. Petrus zr. 917

Lage des Haufes angiebt*). Auch dieſes Gebäude ift aus der Zeit Conſtantin's und der heiligen Helena; es enthielt zwei Kirchen, eine obere und eine untere, und war lange Zeit in eine Mofchee verwandelt, it aber jegt völliger Verwültung anheimgegeben. Die Ein- gänge find von hohem Grafe überwuchert, aber am. Tage der Geburt der heiligen Sungfrau erklingen noch immer in den Hallen des alten Tempels die Lobgefünge der Chriſten **). Dan erzählte uns, daß an dieſer Stelle feine muhamedanifche Frau leben könne. Als die Mofchee, welche den Namen Sulabie (Gebetsmos ichee) führte, noch ftand, follen Die Moslemen hier ohne Frauen gelebt haben. Die Verwüſtung der Muofchee scheint allerdings die Wahrheit dDiefer Erzählung zu be: ſtätigen.

Die Zacade der Kirche der heiligen Anna iſt nad) einer engen Straße gerichtet, Die von dem Schmerzeus— wege nach dem vermauerten Thore des Herodes führt. Ziemlich am Ende dieſes Gäßchens wohnt eine arme arabifche Familie zwifchen Ruinen und einem Eleinen Gemüfegarten, Hier ſtand Das Haus des Phärifüers Simon, und hier ift der Schauplag jener rührenden Befehrung der Sünderün, welche der heilige Evangelift Lucas befchreibt***), Durch die göttliche Liebe des

*") Oratio de nativitate virginis et lib. VII. de fide or- thodoxa. Cap. 15. Orat. I de natali Virg. »2) In neuerer Zeit bat man befchloffen, Die Kirche wieder aufzubanen. *) Ev. Luc. Kap. 7.

218 Siebenzehntes Kapitel.

Herrn gerührt, der Das Haus Simon’s feiner Gegen— wart gewürdigt hatte, beneßte fie Die Füße des Erlöfers mit den Thränen der Reue und trodnete fie mit ihrem Haupthaar ab... Zur Zeit Gottfried’s ftand hier ein Frauenkloſter.

Kehren wir nach dem Schmerzenswege zurück, ſo ſehen wir in der Nähe des Gethſemanethores einen viereckigen Waſſerbehälter, auf deſſen Grunde Geſträuch und einige Blumen wachſen; die Seiten ſind mit Stei— nen belegt. An zwei Seiten iſt er von Gebäuden um— geben. Zwiſchen dDiefem Zeiche und der Mauer führt der Weg nach der Moſchee Omar's, welche jegt an der Stelle des ſalomoniſchen Tempels ftebt. Die äußere Seite Der Mofchee ftößt an Die Südfeite dieſes ehema- ligen Teiches. Diejes ift der Zeih am Schafhaufe, welchen der Evangelift Sohannes im fünften Kapitel jo genau befchreibt. Bon den fünf dort genannten Hallen find aber nur noch zwei Bogen an der weitlichen Seite erhalten; Ueberreſte ähnlicher Bogen bemerfte ih auch an der öftlichen Seite. Man vermutbet, daß dieſe Bogen, die zu einem verfallenen Gebäude gehör— ten, welches au die Mofchee Omar's anftößt, die lleber- tefte eines Krankenhauſes find, welches den Namen Bethesda, d. i. Gnadenort, führte, mit welhem Namen auch der Teich benannt wurde. Das Gebäude tft ohne Zweifel noch aus den Zeiten David’ und Salomo's. Der Teich iſt 150 Fuß lang und 40 Fuß breit; die ur: fprüngliche Tiefe läßt ſich nicht beftimmen, weil er jeßt fehr mit Schutt angefüllt ift. Chateaubriand hat die

Judenviertel. Gefängniß Dee h. Petrus ꝛc. 919

Bauart der Wände genauer unterfucht; jie beitehen ans einer Reihe großer Quaderſteine, die mit eifernen Klanımern verbunden waren, bierauf folgt eine Ziegel: mauer, dann eine Schicht Fleiner Kieſelſteine durch Kalk verbunden; diefe Schichten liegen jedoch nicht horizontal übereinander, fondern jtehen vertifal neben: einander, fo daß der Kalkguß dem Waſſer zugefebrt ift. Der Teich wurde der Schafteich genannt, weil bier die für das Opfer im Tempel beftinunten Schafe gewafchen wurden. Die beilbringenden Gewäffer diefes Teichs find verfiegt, die Stimme Gottes aber ruft noch immer den Herzen der ſchwachen Menfchheit zu: Steh’ auf, nimm dein Bett und wandele!

Ahtzehntes Kapitel,

Die Moſchee Omar’s. EL- Sakhara. Die Mlofcher EL - Akfa (der Tempel Salomo’s). Eingang in den Ä Tempel der heiligen Jungfrau.

Siebe, welche Steine und weldy ein Bau

it tas!... Nicht ein Stein wird auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werte! ...

Ev. Marc. 13,1. 2.

Siehe, euer Haus fell euch wüfte gelafe fen werden. Ey. Matth. 23, 38.

Die Ueberreite des wunderbaren Tempels Salo⸗ mo's find ganz von der Oberfläche der Erde verſchwun⸗ den. Das Gebinde, dem Jahrhunderte lang die Schüße des Orients zufloffen, wurde fechshundert Jahre vor Chriftus Durch Nebufadnezar zeritört. Serubabel baute den Tempel wieder auf, und Herodes von Askalon hmüdte ihn aufs Neue, und dies war der Tempel, welcher zur Zeit des Erlöfers ftand, und von dem, nad) der Eroberung durch Titus, nicht ein Stein auf dem andern geblieben ift, wie der Herr vorausgefagt.. .

Moſchee Omar's. El⸗Sakbara. Mofchee El⸗Akſa c. 221

Die Lage des Tempels iſt in der heiligen Schrift genau angegeben. Die öſtliche Seite deſſelben war dem Oelberge zugefehrt*), gegen Süden erſtreckte er fih bis an den fteilen Abhang des Morija**), gegen Weiten aber läßt ſich die Grenze nach Feinent fichtlichen Merkmale beftimmen. Mit dem Zion war der Berg Morija durch eine Brüde und verdedten Gang, den Xuftus, der über das Thal Tyropöon führte, verbun- den, deſſen Ueberrefte man noch an einigen Bogen in der Stadtmauer fehen fanı***), Die beiden Berge Rorija und Zion ragten einft hoch über Die ganze Stadt, find aber jeßt bedeutend niedriger, da durch den Schutt vielfacher Ruinen der Boden, welben die Stadt einninmt, bedeutend erhöht worden ift}). Die Mauern Zions erjtredten fih bis an die Mauer des Tempels Salomo’s und deshalb werden Mortja und Zion in der Schrift zuweilen für eins und daſſelbe ge- nommen +). An diefer heiligen Stätte erhebt fid) jeßt die prachtvolle Mofchee Omar's, ein Mufter des jchönen arabifchen Bauftils, die in Der Reihe der orientalifchen Baumerfe diefelbe Stelle einnimmt, welche das römifche Pantheon in der claſſiſchen Architektur behauptet.

Die Mofchee Omar's zu Serufalem, auch el⸗Sakhara

*) Ev. Mare. 13, 3. *) 2. Ehron. 3, 1. ) Robinson, Biblical researches I, 424. 428. }) Parchi bei Dr. Zunz, und Benjamin of Tudela by Asher II. A400. +r) Reland, Antiq. hebr. 7.

222 Achtzehntes Kapitel.

genannt, fteht im Orient in demfelben Anfeben, wie die Moicheen in Mekka und Medina. In der erſten Zeit feines Auftretens befahl Mohammed feinen Anhängern, fih beim Gebete mit dem Gefichte nach Serufalem zu wenden. Mohammed felbit foll gefagt haben, der hei- ligſte Ort in der Welt iſt Zerufalem, und der Stein el- Sakhara it ein Stein aus den irdifchen Paradieſe *). Die Mofchee gehört der Secte der Hanefiten, der eriten im Islam.

Den Chriſten ift bei Todesitrafe verboten, die Moſchee Omar's zu betreten, und felbit Sidney Smith, der während der Erpedition Bonaparte’s die Bertheidigung des türfifchen Heeres leitete, Fonnte Die Erlaubnig dazu nicht erhalten. Auch jeßt noch, ob- gleich der europätfche Einfluß im Orient ungleich jtärfer iſt als früher, kennen wir das Innere der Mojchee nur aus der unvollftändigen Befchreibung des fpanifchen Reifenden Don Domingo Badia de Leblich, der unter dem Namen. Ali Bey als Muhamedaner reifte. Der berühmte Reifende Burkhard, der mit den Sitten und Gebräuchen des Orients fo vertraut war, daß man ihn als einen Scheifh anerfannte, fol diefe Mojchee befucht haben, hat aber nichts Schriftliches Darüber hinterlaffen. Frau Belzoni durchfchritt, als Türkin verkleidet, im Jahre 1818 einen Theil der Mofchee Omar's, jedod) nur flüchtig und ängſtlich, und ihre Mittheilungen find

*) Mejr ed-din, hist. Jerusalem. Fundgrube des Orients. Robinfon.

Mofchee Omar's. El-Sakhara. Moſchee El-Akſa c. 223

daher ſehr ungenau. Die beſte Beſchreibung haben wir noch durch den engliſchen Arzt Richardſon, der die Moſchee als Arzt des Muſellim von Jeruſalem im Ger heimen befuchte. Von den älteren Beichreibungen find die beiten die des Wilhelm von Tyrus und des Pater Roger; fie find jedoch wenig befriedigend.

Ich hatte Gelegenheit, beide Mofcheen zu befuchen, die fich jegt innerhalb der Ringmanern des ſalomoni— ihen Tempels befinden; die Moſchee Sakhara und die Moſchee el⸗Akſa. Letztere ift die ehemalige Kirche Des Ginzugs der Mutter Gottes in den Tempel. Meine Befchreibung kann nicht ſehr ausführlich fein, denn in einer einzigen Stunde fonnte ich natürlich nicht alles Einzelne beachten, fie it aber wenigitens richtig. Zus vor jedoch muß ich erzählen, auf welche Weife ich mir die Erlaubniß zum Eintritt verſchaffte. Während mei- nes Aufenthaltes in Aegypten genoß ich, Durch Herrn du Hamel, das Wohlwollen des damaligen Beherrfchers des Orients, Mehemed Ali, dem ich zum legten Male bei meiner Rüdfehr aus Nubien in Monfalut begeg- nete. Er gab mir mehrere Empfehlungsbriefe nad Syrien, namentlich an jeinen Schwager, den Paſcha Echerif von Eyrien, der in Damaskus refidirte. Ein glüdlicher Zufall führte den Paſcha gerade während meines Aufenthaltes in Jeruſalem ebenfalls dorthin. Schon vor meiner Ankunft hutte einer meiner Lands: leute, Herr S., der ebenfalls Empfehlungen von Mebe- med Ali hatte, bei den Behörden von Jeruſalem Schritte jethan, um ſich Die Erlaubniß zum Eintritt in die Mofchee

294 Achtzehntes Kapitel.

zu verfchaffen. Seht vereinigten wir unfere Bemühun- gen. Der Dragoman unferes Conſuls in Zaffa, der fi) damals bei mir befand, erwies mir Dabei große Dienfte. Ich Ichiete ihn zum Pafcha ins Lager und ließ diefen um die Erlaubniß bitten, ihm am folgenden Tage meine perfönliche Aufwartung machen zu dürfen. Eine fehr höflihe Einladung war die Antwort, und ich begab mid am nächften Tage gegen Mittag, von meinem Dragoman begleitet, in das Lager des Bafcha’s. Als wir durch das Saffathor aus der Stadttraten, fahen wir das Lager der Araber vor ung und lenkten unfere Pferde nad) dem von einem Halbmonde überragten Zelte des Paſcha. Mir war, als fühe ich eine Scene aus Taſſo's befreitem Serufalem vor mir. Als wir näher famen, fahen wir den Paſcha am Eingange feines Zeltes auf den Knieen fein Mittagsgebet halten, Sein Geſicht war nad Often gewendet. Schon wollten wir unjere Pferde vom Wege ablenfen, als wir bemerften, daß der Paſcha fein Rifat beendigt hatte, und id) wurde noch vor dem Zelte von ihm empfangen. Nach den ge: genfeitigen Begrüßungen traten wir in das Zelt und ließen ung auf dem Diwan nieder. Es wurden Pfeifen und Kaffee gebracht. Der Pafcha fragte mich fehr aus: führlih über Rußland, wollte meine Meinung über Hegypten hören u. f.w. Als ich den Zwed meiner Reife und meines Befuches berührte, bot er mir feine Dienfte an und fegte hinzu, daß Mehemed Alt mic ihm befonders dringend empfohlen babe. Ich fagte ihm, daß ich ihm verfchiedene Anliegen durch meinen

Moſchee Omar's. El⸗Sakhara. Moſchee El⸗Akſa c. 225

Dragoman mittheilen würde, weil ich nicht wünſchte, daß mir perſönlich Etwas abgeſchlagen würde, und wir ſchieden auf das Freundſchaftlichſte von einander. Schon am nächften Tage ſchickte ich meiinen Dragoman zum Secretär des Paſcha, mit dem beſtimmten Auftrage, vom Paſcha die Erlaubniß zum Eintritt in die Moſchee Omar's auszuwirken. Der Paſcha, welcher meinen Dragoman ſelbſt ſprach, ſtellte ihm alle Schwierigkeiten vor und machte ihn auf die Gefahren aufmerkſam, denen wir uns ausſetzten, allein mein Dragoman, welcher wußte, daß ſowohl in meinem Empfehlungsſchreiben von Mehemed Alt, als auch in dem meines Landsman—⸗ nes, der Ausdrud gebraucht war, „erfülle, was feine Seele wünfcht “, wurde dringend, und feinen Bemühun— gen iſt e8 hauptſächlich zu danfen, daß wir unferen Zweck erreichten.

Am nächiten Morgen fam ein Kawaß des Paſcha von Syrien zu und, mit einem im Namen Mehemed Ali's ausgeftellten Befehl an den Imam der Moſchee Dmar’s. Wir wurden jedoch zu gleicher Zeit erjucht, unfere Kleidung unter orientalifchen Gewande zu ver bergen. Eine folche offizielle Erlaubniß mar bisher noch feinen Europäer ertheilt worden, und wir hatten fie ficher nur dem mächtigen Namen Rußlands zu dan- fen. Wir machten uns auf den Weg nad) der verbotes nen Mofchee. Außer meinem Freunde ©. begleiteten mich noch zwei rufjifche Reifende, Herr Tſch. und E., zwei Diener und der Kawaß. Der Dragoman batte Gründe zurüdzubleiben. Einige von unſerer Geſellſchaft

Noroff's Reife nah Paläſtina.

226 Achtzehntes Kapitel.

waren ganz nach vrientalifcher Sitte gekleidet, ich felbft aber fah einem Mufelmann am wenigften ähnlich, denn ich hatte nur einen armenifchen Talar über meine ge- wöhnliche Kleidung geworfen und flatt des Zurban oter Fez, eine gewöhnliche alte Soldatenmüße auf dem Kopfe. Unſere Leute waren auf jeden Full bewaffnet.

Die Straßen waren noch leer. Wir gingen bet dem Schafteiche vorbei und traten unter die Wölbung der den Ehriften ftreng unterfagten Pforte.

Die Schönheit dieſes durch die Kunft fo reich aus- geftatteten Tempels tritt Durch den Fußboden von weißem Marmor noch mehr hervor. ine Fontaine, unter einer hübfchen, von zierlichen Säulen getragenen Kuppel, erfreut durch das in Dem heißen Klima Diefes Landes fo angenehme Geplätfcher das Ohr. Hier und da ftreben aus den Spalten in den Marmorplatten Gruppen von Cypreſſen- und Bomeranzenbäumen em- por. Die an verfihiedenen Stellen angebrachten Oeff- nungen dienen zur Ableitung des Regenmwaffers in eine unter den Pflafter befindliche Eifterne, Alles ift dar: auf berechnet, auf die Phantafie zu wirken und hier ift ein Ort der Erquidung für die Moslemen in dem ern- ften, verödeten und traurigen El-Kods (Jeruſalem), wo fie vielleicht Schon ihren Verfall ahnen, Sch bin überzeugt, daß ihre Blicke oft nach Dem goldenen Thore hinüberfchweifen, das fie vermauert haben und weldyes oft Das ewige (Bab uldahrie) genannt wird; e8 befindet fi) der ditlichen Pforte der Mofchee gerade gegenüber, in der Stadtmauer, Wie oft mag wohl der von Alter

Mofchee Omar's. El⸗Sakhara. Mofchee El-⸗Akſa ꝛc. 227

graue Imam in finſterer Nacht durch die furchtbare Er— ſcheinung jenes Engels aus dem Schlafe aufgeſchreckt werden, der an derſelben Stelle wegen der Süude David's ganze Gefchlechter vertilgte! Sal) er vielleicht die Pforte geöffnet, vor dem Engel, der wie eine fchwere Wetterwolfe zwischen Himmel und Erde fchwebt? Sah er, wie Krieger hereinftürmten, in der Hand das Banner des Kreuzes und um Diefes in glünzender Schrift die Worte: Hofianna, gefennet fei der Du fommt im Namen des Herrn!“ Er weiß es, der zit: ternde Imam durch Diefes Thor zug der Erlöfer unter dem Hoflanna in Serufalem ein, und welche

Ich habe das Innere des goldenen Thores nicht gefehen, denn ich wußte nicht, daß es einen Eingang bat, es foll jedoch fehr fehenswerth fein; wie man mir ſagte, ift der von marmornen Säulen getragene Toppelbogen durch oben einfallendes Licht beleuchtet. Die Ucherlieferung, daß Durch diefes Thor ein chriftlicher Eroberer einziehen werde, hat auf die Moslemen einen tiefen Gindrud gemacht und das Thor ift deshalb ſchon zu Omar's Zeiten vernanert worden. Als der Kaifer Heraclius mit dem den Perſern wieder entriffenen heiligen Kreuze in Serufalem einzog, erfhien ibm über dieſem Thore ein Engel, mit einem Kreuze in der Hand,

Herr Sunlcey hält das goldene Thor für eines der: jenigen, welche Herodes erbaute*, Während Der

*) Saulcy II. 196. 15*

228 Achtzehntes Kapitel.

Herrfchaft der Kreuzfahrer wurde e8 nur einmal des Sahres, am Palmfonntage, geöffnet*). Der heilige Hieronymus fagt, das goldene Thor fei gegen Oſten, dem Delberge zu, gewendet und fo genannt, weil e8 prächtiger fei als alle übrigen Thore; es fei das äußere Thor des Tempels gewefen, nicht ein Stadtthor ; daher fommt es wahrfcheinlich auch, Daß wir es im Buche Nehemia nicht mit unter den Stadtthoren aufgeführt finden ; auch nad) Ev. Joh. 23 war durch diefes Thor ein freier Zugang zu dem Tempel, Es tft möglich, daß Diefes das äußere Thor ift, welches Sofephus die forin- thifche Pforte nennt, weil fie fidh durch ihre Pracht auszeichnete, vielleicht auch wegen der forinthifchen Säulen, die man noch jeßt fehen fann, Der Abt Da- niel glaubt, daß diefes Thor, ebenfo wie die Davids- burg, zum alten Serufalem gehörte, Diefe Anficht wird auch durch den jüdifchen Schriftfteller Parchi beſtätigt, der im Anfange des 14, Sahrhunderts lebte**). Une weit des goldenen Thores, wenn man fih von Often nah Süden um die Stadtmauer wendet, zeigen die Mohammedaner einen großen Stein, der zum Throne Salomo's gehört haben foll, die Chriften in Paläſtina jedoch halten ihn für einen Stein aus der alten Mauer und beziehen auf ihn die Worte: „Der Stein, fo die Bauleute verworfen haben, ift zum Edftein geworden. *

Gegenüber dem öftlichen Thore des Tempels ift ein

*) Gesta Dei per Francos., p. 572. Bonifac., p. 128. 129. **) Ubi supra p. 397.

Moschee Omar's. El⸗Sakhara. Mofchee El-Akſa ꝛc. 229

ſehr ſchönes Marmorbecken, an welchem der Erbauer den Stil der Moſchee El-Sakhara nachgeahmt hat. Es iſt achteckig, wie die Mofchee, die Bogen find von einer der Mofchee ähnlichen Kuppel überragt und wer- den von einer doppelten Reihe fehlanfer Eorinthifcher Säulen getragen. Man nennt diefe Stelle den Thron oder den Richterftuhl David's.

Wir treten in die Sakhara Durch die nördliche Pforte, weldhe den Namen Bab ul dschennet (Pforte des Paradiefes) führt, Die füdliche Pforte heißt Bab ul kible (Thor der Gebetsrichtung), die öftliche Bab Daüd (Davidsthor) und die weftlihe Bab ul harb (Kriegsthor). Alle vier Eingänge find genau nach den vier Himmelsgegenden gerichtet. Das Licht, welches durch die bunten Scheiben der fieben Fenſter der Kuppel füllt, giebt dem Innern des Gebäudes ein fehr düfteres Anfehen. Zwei Reihen von Säulen aus ver: fchiedenarfigem Marmor, mit vergoldeten Capitälen, ftügen die Bogen der Dede und gehörten wahrſcheinlich einft zu Gebäuden des alten Serufalem. Die erjte Reihe von fechszehn Säulen und acht Pilaitern läuft rings herum an der Mauer hin, die andere Reihe, von fünf: zehn Säulen und vier Zußgeftellen, unter dem Rande der Kuppel, hat nad) meiner Schäßung etwa 83 Schritt im Umfang. Diefe zweite Säulenreihe fteht auf einer Erhöhung und läuft um den großen unbehauenen Fels— block, der mit einem vergoldeten Gitter ungeben ift, Letzterer hat in feiner Länge den vollen Durchmeffer der Kuppel, in der Breite etwas weniger und überfteigt die

230 Achtzehntes Kapitel.

Größe eines Menfchen. Diefer Felsblod ift das Heilig- thum des Tempels; der ganze Orient hegt für ihn eine große Verehrung und nad ihm führt Die Mofchee den _ Namen Mofchee des heiligen Steines, Diefe plumpe Maffe, von der zierlichften arabifchen Architektur ums geben, macht auf den Eintretenden einen eigenthün- lichen Eindruck.

Bergeffen wir, wenn ed möglich ift, die Gottlofig- feit, die jet an diefer Stelle wohnt, wo einft das Allerbeiligfte des Tempels ſtand. „Berlaffe mein Hans und verlaffe mein Erbtheil, da du meine Seele in die Hände der Feinde überantwortet haft. * Erinnern wir uns bier lieber der großen Begebenheiten, deren Schauplag dieſe Stelle war. Hier wollte Abraham feinen geliebten Sohn Gott zum Opfer bringen; hierher fam der Engel, um David zu ftrafen, hier erbaute Sa- lomo den prachtvollften Tempel der alten Welt, hier ftand die Bundeslade des Alten Teftaments, in den Tempel, der hier ftund, brachte Maria den Sohn Gots tes! ... Wie viele himmlische Neden entftrömten hier dem Munde des Welterlöfers, hier in dem Haufe feines Vaters, aus dem er die Händler vertrieb! ... Hier war ed, wo der Vorhang in zwei Stüde zerriß, von oben bis unten, als die Erlöfung vollbracht war! ...

Orientaliſche Schriftſteller erzählen, vor Erbauung der Moſchee habe ein Kadi in Jeruſalem geſehen, daß die Chriſten Kelche mit Wein auf den Stein el⸗Sakhara trugen. Nach einer Tradition ſoll der Stein bei der

Mojchee Omar's. El⸗Sakhara. Moſchee El-Akſa x. 231

Erbauung des zweiten Tempels von Bethel hierher ge- bracht worden fein und derfelbe jein, auf welchem Jucob rubte, als er im Traume die Himmelsleiter fah; auch joll Die Bundeslade auf den Steine geftanden haben. Nach einer andern Tradition hat der König Joſia, als er den nahen Full der Stadt vorausfah, die Stifts- hütte in Diefen Stein verſchloſſen. Beinahe ein gunzes Jahrhundert hindurch, zur Zeit der Kreuzzüge, war die Mofchee Omar's in eine hriftliche Kirche verwandelt und der Stein diente als Altar”). Der arabifche Seichichts- ihreiber Elmacin **) erzähft, Omar habe bei der Er- oberung der Stadt, nachden er dem Grube des Herrn die gebührende Ehre erwieſen, den Patriarchen von Jeruſalem gebeten, ihm eine Stelle zu zeigen, wo er einen Zempel bauen könne, da habe ihm der Patriarch die Stelle des heiligen Steines des ſalomoniſchen Tent- pels gezeigt.

Nach einer andern mohanmedaniichen Tradition iſt der Stein vom Himmel gefullen und Mohammed fol von bier aus feine Neije in den Himmel angetreten haben, als er an der Hand des Engels Gabriel, von dem Borak getragen, in einer einzigen Nacht alle fieben Himmel durdeilte; und man zeigt noch auf dem Steine die Zußtritte des Propheten. Unter den Steine ift der Eingang in eine Höhle. An dem Gitter, welches

*) Jac. de Vitriaco p. 1080. Wilh. Tyr. p. 748 in Gesta

Francor. *) Eimacini Histor. Saracen. L. B. Elzev. 1625, p. 33.

232 Achtzehntes Kapitel.

den Stein umgiebt, find mehrere Fahnen aufgeftellt, auch der Schild Mohammed's und das große Schwert Ali's, finden fi) bier, jo wie ein Spieß David's, an defien Aechtheit man jedody zweifeln darf. Auf dem Steine jelbit liegt eine alte Handfchrift des Koran, der Sattel des Boraf, und die Wuage, mit welcher der Propbet am jüngiten Zage die Handlungen der Men- iben abwigen wird. Die Fahnen jteben linfs vom Eingange in die Höble, wenn man das Geficht dem Eingange zumendet, der Fußtritt Mohammed's dagegen it an der rechten Seite und mit grünen und rothen jeidenen Tüchern bededt. Am Eingange in die Höhle jiebt man, daß der Stein auf zwei fleinen Säulen von weißem Marmor rubt, die in Ichräger Lage in dem Zuß- boden und in dem Steine befeitigt find. Cie follen jeden Chriſten erdrüden, der e8 magen wollte, dazwi⸗ ſchen zu treten; Deifenungeachtet gingen wir getroſt die acht oder neun Stufen von weißen Marmor binunter, welche in die Höble führen. Diefe, welche die Mosle- men für den Eingang in das Reich Der Unterwelt hal: ten, it ein vierediger Raum von etwa adır Zub im Durchmeſſer und ſechs Fuß Höhe. Die Bünde, außer der Dede, Pie dur den Stein gebildet wird, find mit grobem Kalf beworfen. Aber man darf nidıt etwa glauben, jagte der Imam, dag Der Stein auf den Mauern rube, Diefe dienen nur als Bände der Höhle, der Stein bingegen bält ſich ganz allein. Dieie Worte erflären hinlänglich die befannte Zabel, daß der Stein in der Luft ſchwebe. Rechts am Eingange, in

Mofchee Omar's. El⸗Sakhara. Moſchee El⸗Akſa ꝛc 233

der Höhle, zeigen die Moslemen den Sitz Aaron's, des Druders Mofis, und über diefem eine Vertiefung in dem Steine, die von deffen Kopfe herrühren foll, weil die Höhle für den riefenhaften Wuchs Aaron’s nicht hoch genug war. Man zeigt aud) die Stellen, an denen Abraham, David, Salomo, der Erzengel Gabriel und der heilige Johannes gefeffen haben. Der Abt Daniel überliefert uns eine Sage, nad) welcher Zacha⸗ rias, der Sohn des Baradyia, in Diejer Höhle ermordet wurde *),

Das Innere der Mofchee ift mit Flieſen und Mar- mor ausgelegt, den man aus der heiligen Grabesfirdye genommen hat. Die bunten Fliefen an den Gebets- fanzeln haben das Anfehen von koſtbaren Steinen. Die Zenfter der Kuppel find Spißbogen in arabiſchem Geſchmack. Die Mofchee ift von Omar gegründet, wurde aber unter der Regierung des Khulifen Walid, des Sohnes Abd⸗el⸗Maliks, aus den Haufe der Oma⸗ jaden, neu gebaut.

Nachdem wir die Mofchee Sakhara durch die füd- lihe Pforte wieder verlaffen hatten und die pracht— volle Treppe hinabgeftiegen waren, richteten wir unfere Schritte dem großen, roth angeftrichenen Gebäude zu, welches gerade gegenüber fteht. Es ift ein ‘Barallelo- gramm mit einer Kuppel und war früher eine chriftliche Kirhe, welche Konftantin und Helena, nach Andern Juftinian, der heiligen Jungfrau zu Ehren erbaut

*) Ev. Mutth. 23, 35.

234 Achtzehntes Kapitel.

hatten *). Baumgarten vermuthet, daß an diefer Stelle der Vorhof des falomonifchen Tempels, oder das Haus von den Bäumen des Libanon, ftand **), Die Ehriften nennen das Gebäude die Kirche der Darftellung Ehriftiim Zempel. Hier nahm Simeon Das Kind aus den Händen der Mutter mir den Worten: „Herr, nun läffeft du deinen Diener in Frieden fahren!” Seht ift diefer Tempel Durch Den Halbmond verdunfelt und führt den Namen el⸗Akſa, d.i. der entfernte, weil diefe Mofchee von der Kaaba entfernt it. Bei dem Eintritt in die verdedte Hulle diejes Tempels glaubte ic) mich beinahe in die Kirche des heiligen Paulus vor Rom verfegt***), Die ehemalige Kirche it in der Geſtalt eines Kreuzes ge- baut. Der untere Tbeil des Kreuzes bildet eine lange Galerie mit zwei Reiben von etwa zwölf Säulen zu jeder Seite, die alle von verjcbiedenem Marmor find, an Schönbeit denen der Moſchee Omar's nicht nachjtehen und mwahricheinlich einem der Gebäude des . alten Seruialem ungebörten. Dieſe Säulen fügen eine Reibe von Bogen, die Dede jedoch üt flach und von Gedern vom Libanon gebaut; vielleicht ein An- denfen an die Vorballe des ſalomoniſchen Tempels.

Am Ende diefer Galerie tbeilen fih die Zäulen nad beiden Zeiten bin, jede immer in zwei Reiben. Ueber dem Kopfende des Kreuzes erbebt jid) eine Kuppel.

*) Proeop. de aedificat. Justiniani 6. *) Baumgarten, lib. II. p. 8. —) Kalt dieſelbe Bauart bat auch die Kirche zu Betblebem.

Mofchee Dmar's. El⸗Sakhara. Moſchee El⸗Akſa ꝛꝛc. 235

Hier, wo der Altar ſtehen ſollte, ſteht jetzt eine aus Holz gefchnigte Kanzel der Mohammedaner, und hinter dem Gitter derfelben find in der Wand zwei Nifchen. Auf dem Pflafter der einen derfelben fieht man, an der rechten Seite, einen einfachen Stein mit einem menfch- lichen Fußftapfen, und auf dem Pflafter zwei andere zußftapfen. Der erfte Zußftapfen ift der des Erldfers, den man vom Delberge hierher gebracht hut; die beiden anderen find, nadı der mohammtedanifchen Tradition, die der heiligen Jungfrau.

Viele theologifche Schriftiteller bezeugen *), daß die heilige Jungfrau, nad) ihrem Einzuge in den Tem: pel, wo fle vom heiligen Stephanus enıpfangen wurde, bis zu ihrer Verlobung dafelbft blieb, wo eine bejon- dere Abtheilung als Wohnung für die Frauen und Jungfrauen bejtimmt war, die ji) dem Dienfte Gottes weiheten. Co wid nuc die Prophetin Anna nie vom Zempel**), Die Mohammedaner nennen den Erlöfer den Propheten Iſa, und geben ihm den Beinamen Ruh ullah, d. i. Geift Gottes ; die heilige Jungfrau nennen fie, wie die Ehriften, Marjaın, und ftellen fie höher als alle Frauen diefer Welt, erfennen auch die unbefledte Empfängnig an und fennen Die wichtigften Begeben- heiten im Leben des Erlöfers ; nach ihrer Meinung aber hat Gott nicht zugelaffen, daß er gefreuzigt wurde,

*) Joan. Damasc. de fide orthodox. ec. XV. Nicephor. Histor. Il. 3. “) Ev. Luc. 2, 37.

236 Achtzehntes Kapitel.

Sie wiffen auch Etwas vom Evangelium, welches fie Indſchil nennen, und glauben, daß es dem Erldfer von Gott eingegeben wurde. Ja: „mit den Ohren werdet ihr hören und werdet es nicht verfiehen, und mit fehbenden Augen werdet ihr fehen, und werdet es nicht vernehmen“ ch war in meiner Seele getröftet, als id) auch hier die Spuren des Erlöfers und feiner gött- lichen Mutter fund, und verließ diefen großartigen Tempel,

Beim Austritte aus der Vorhalle wurde uns linfs der Eingang zu dem unterirdifchen Theile diefes Ge- bäudes gezeigt; es war ung jedoch nicht möglich, uns auch hier umzufehen. Man konnte die Schlüffel nicht finden! So verging die Zeit und wir fonnten ohne Gefahr nicht länger verweilen. Baumgarten (im Sahre 1507) war der Erſte, der von diefen unterirdijchen Gän- gen Etwas erfuhr, und jagt namentlih, daß fie fi unter der Mojchee Omar's und der Kirche der Darftel- lung Ehrifti im Tempel befinden und daß in diefen aroß- artigen unterirdifchen Gewölben einige Reihen großer Säulen feien, die zur Stüße Des ganzen Raumes dienen, auf dem der Tempel Salomo’8 ftand. Dem englifchen Architeften Gatterwood wurde nur ein Feiner Theil dDiefer Gewölbe gezeigt; feine merkwürdige Schilderung nebft einem Plune der unterirdifchen Gänge theilt Robinfon mit”). So viel er fehen fonnte, find die Gewölbe von vieredigen Pfeilern geftügt, die von der

*) Biblical Researches I. 448 sq.

Mofchee Omar's. El⸗Sakhara. Mofchee El⸗Akſa x. 237

Südfeite der Stadt, man weiß nicht wie weit, nad Norden zu laufen, und durch Halbbogen unter einander verbunden find, welche, auf je zwei ‘Bfeilern ruhend, lade Gewölbe bilden. Vom Eingange, d. h. etwa 120 Fuß weftlich von der füdlichen Ede der Mofchee, laufen dieſe Gänge etwa 200 Fuß weit nach Norden u, wo ihnen eine Mauer von viel fpäterer Bauart ent: gegentritt, und 150 Fuß nad Welten, ebenfalls bis un eine Dauer. Hinter diefen Mauern mögen fich viel: leicht große Eifternen befinden, die mit den äußeren Gifternen der Mofchee in Verbindung ftehen, und in welche das Regenwaſſer durch die oben auf der ‘Blatt- form angebrachten Deffnungen abfließt. Gegen Norden hebt fich der Zußboden ziemlich fteil, fo daß, während die füdlichen Säulen an 35 Fuß hoch find, die nörd- lichen nur etwa 10 Fuß Höhe haben. Die Wurzeln der Delbäume und Eypreffen find von der Plattform der Mofchee bis auf den Fußboden diefer unterirdijchen Gewölbe gedrungen, welche ſchon Joſephus und Tacitus erwähnen *),

Die Mohammedaner find überzeugt, daß, wenn ein Ehrift die Mofchee El-Sakhara beträte, und dort Gott um die Vernichtung des Islam anflehete, fein Gebet Erhörung finden würde. Gründen fie ihre Meinung vielleicht auf die Worte der Schrift **), „und Serufa- lem wird zertreten werden von den Heiden, bis daß

*) Josephus de bello Jud. III. 12.—Taeitus, Histor. V. 12. 2) 2. Ehron. 7, 12—14. Ev. Luc. 21, 24.

238 Achtzehntes Kapitel.

derHeiden JZeiterfülletwird? *— Eine wur derbare Furcht und Ahnung des Sturzes aller Reid des Islam erfüllt Das Herz der Befenner Mohammed’; die zwifchen dem Faspifchen Meere und dem füdliche Drean wohnen, denn die Tempel des Baal folle zur Wüſte werden,

Hennzehntes Rapitel.

Rundfchau um die Mauern Ierufalems. Die Grab- fätte der heiligen Alutter Gottes. &ethfemane.

Siehe, von nun an werden mid) felig preifen alle Kinvesfinder.

Gy. Luc. 1,48.

Zritt man durch das Gethfemane- Thor, oder das Thor der heiligen Maria, wie es die Araber nennen, aus der Stadt, fo hat man zu beiden Seiten die Grub- ftätte der Moslemen, wo diefe gewöhnlich des Abends die Kühlung genießen. Gruppen in weiße Gewänder gehüllter Frauen fißen hier oder wandeln zwifchen den Grabfteinen umher. Gerade vor fich erblickt man den fteilen Abhang in das Thal Joſaphat, an deffen anderer Seite fid) der Delberg erhebt. Das malerifche Gebäude am Fuße deffelben, jenfeit Des ausgetrodneten Kidron, it die Grabftätte der heiligen Jungfrau, die mit der Höhle, in welcher ihr göttliher Sohn zu beten pflegte, unter dem Schatten hundertjähriger Oelbäume im Gar: ten Getbfemane ſteht. Verfolgen wir den fchmalen

240 Neunzehntes Kapitel.

und fteilen Pfad, der dorthin führt. Etwa in der Mitte des Weges zeigt man auf einer Heinen Plattform die Stelle, wo der heilige Stephanus gefteinigt wurde, im Angeficht der heiligen Jungfrau, Die auf dem Delberge für ihn betete. In dem von der tömifchen Kirche an- erkannten Briefe des Predigers Lucian, der im fünften Sabrhundert in einem Dorfe lebte, weldyes einft Ga- maliel, dem Lehrer des heiligen Apoftel Paulus und Vertheidiger der Apojtel vor der Synagoge, gehörte, und nach deſſen Namen Kafar Gamala genannt wurde, finder fich folgende Tradition, Lucian ſah einft im Traume den heiligen Gumaliel, welcher zu ihm fagte: „Stepbanus ift von den Suden und Scriftgelehrten vor den Mauern der Stadt gefteinigt worden, an der Seite, wo der Weg zu dem Bache Kidron führt. Der Leid) nam des heiligen Märtyrers mußte auf Befehl des Hobenprieiters einen ganzen Zag und eine Nacht liegen bleiben, Damit ihn die Ranbtbiere freifen follten, aber weder Thiere nod Vogel rührten ifn an, denn fo war e8 der Rille des Allerhöchſten. Ueber den Tod des Gerechten Flagend, beredete ich einige Fromme Chriſten in Zerujalem, den Leichnam bei Nacht in mein Dorf Kafar Gamala zu bringen; dort flagte ih um ihn fiebenzig Tage und beitattete ihn dann in meinem neuen Grabe.“ Rald darauf wurden die Ueberreite des heiligen Stephan auf den Zion gebracht, unter der Re gierung des Kaiſers Honorius, wobei ſich viele Wunder ereigneten. Inter ZTheotofius dem Jüngern wurde der Leichnam des beiligen Stephan nad) Eenftantinopel

nd «

u Nundſchau um die Mauern Jeruſalems. Grabſtaͤtte ꝛc. 241

gebracht und von da endlich unter Pelagius I. nad Rom, und in der Kirche des heiligen Laurentius beis gelegt *). |

Steigt man auf den Grund des Thales hinab, fo fommt man an das Grab der Mutter Gottes, welches jeßt, feit man es von dem Schutt und der vom Delberg berabgerollten Erde befreit hat, in einer Fleinen Vertie— fung liegt, in welche eine Treppe von zehn bis zwölf Stufen hinabführt. Die Vertiefung, rechts vom Ein- gange, in dem Felfen, ift Die Bethöhle des Erlöſers, die wir fehon oben befchrieben haben. Bemerkenswerth ift, Daß wir an der Wand die Jahreszahl 1635 finden, wahrfcheinlich das Jahr, in welchem dieſe unterirdifche Kapelle gegründet wurde. Die Grabftätte der heiligen Jungfrau ift mit einem gotbhifchen Fronten und zwei— fachen Spigbogen über der Thür geſchmückt. Als Die Thür fich öffnete, wurde ich durch das maleriſche Innere fo entzückt, Daß ich unmwillfürlich ausrief: Heilige Jung— frau! Deffne ung die Pforte der Gnade! ...

Vom Eingange führt eine Treppe von einigen und fünfzig Stufen in das geheimnißvolle Dunkel hinab, unter den Gewölben einer breiten Galerie. Es ift aber nicht Die Dichte Finfterniß der Hypogäen Thebens, die den Eintretenden mit Grauen erfüllt; wie ein Streifen aromatischen Rauches, der von dem Weihrauch eines

*) Wild. v. Tyrus XVIII. 780 fpricht von einem Grabmal des Heiligen Stephan auf dem Zion, jo auch der Hierodiakon Joſi— mus 1420. 7.

Rorofs Reife nach Baläftina. 16

242 Neunzchntes Kapitel.

Opferbedens aufiteigt, dringt das Tageslicht hinab und permifcht fich unten mit dem Lichte der Lampen. Oft dringen von bierZobgefünge in verfchtedenen Sprachen, die das Echo in den Gewölben wiederholt, zu dem Ohre der Borübergehenden herauf.

Wenn man fünfzehn Stufen binabgeftiegen tft, er: blidt man in einer Vertiefung zur Rechten zwei Grab» böhlen. Hier ruben die Gebeine der beiden Eltern der heiligen Sungfrau, des heiligen Jojakim und der heili— gen Anna, welche die chriitliche Kirche des Drients in hoben Ehren hält, denn ihre Namen werden nad) jeder öffentlichen Andacht nach den fügen Namen Sefus und Maria genannt. Zur Linken ficht man die Gruft des Berlobten der heiligen Jungfrau, dem die VBorjebung die Aufficht über die ewig Reine anvertraute, die den Himmel mit der Erde zu verbinden bejtimmt war, und der fie und das Kindlein in den heißen Wüften Libyens, wie im Baterlande, vor den Verfolgungen der Feinde fchüßte. |

Dies find Stätten der Erinnerung, werth der ftillen Betrahtung und andächtigen Gefühle, welche den Pilger ergreifen, der langfam die Treppe hinabfteigt, um in tiefer Erde an der Gruft der heiligen Jungfrau zu beten.

Wendet man fid) unten am Ende der Treppe zur rechten Seite, jo erblidt man ein prachtvolles Bild; an dem ganzen Gewölbe hin ftrahlen Reihen von goldenen und filbernen Sampen, die in dem dunfeln Gewölbe wie helle Sterne in finfterer Nacht leuchten. Mitten

Rundſchau um die Mauern Jeruſalems. Grabftätte zc. 243

in Diefer Gruft dringt aus dem engen Eingange zu einer einzelnen Grotte ein heller Kichtftrahl; dort ift das Grab der Himmelskönigin!

Die Grabhöhle der heiligen Jungfrau ift der Des Srlöfers ſehr ähnlich; fie ift ebenfalls mit weißem Marmor belegt und befindet fih, wie jene, in einer Niſche. Ueber ihr brennen nnaufhörlih mehr als zwanzig Lampen. Das Fronton war funft mit Schnitz⸗ werk und Marmorfünlen geziert. Jetzt ift die Grotte von innen nnd außen aller Verzierungen entblößt und der nadte Stein nur mit feidenen Vorbängen bededt. Hierher fommen fogar Die Mobammedaner, insbejondere Frauen, um zur heiligen Sungfrau zu beten: „Bon nun an werden mid) felig preifen alle Kindesfinder “! Die holde Mittlerin zwifchen den Könige der Him— mel und den GSterblichen bat durch ihr yottieliges Leben den Sündenfall der Eva aufgeboben, und durch die Gnade des Himmel! und ihre Tugend das weib- liche Gefchlecht, das durch den Sündenfall nod) tiefer geiunfen war als der Mann, wieder auf die urjprüng- liche Stufe erhoben.

Es ift befannt, daß die heilige Aungfrau ihre irdis ſche Laufbahn auf dem Zion beichloffen hat. Dionyſius Areopagita, der Schüler des Apoitels Paulus, erzählt, als die Apojtel fich zur Beerdigung des heiligen Leichnams, des Quells alles Lebens, verfunmelten, waren auch Su: cobus, der Bruder des Herrn, und Petrus unter ihnen *).

*) De divin. nominib. I. c. 3. 16*

244 Neunzehntes Kapitel.

Nicephorus beſchreibt die Beerdigung der heiligen Jungfrau und die Uebertragung des heiligen Leichnams nach Gethſemane. Die Augen der Heiligen ſahen, wie die Chöre der Engel den Trauerzug der Himmelsköni— gin begleiteten *). Nicephorus und der Bifchof Wili- bald haben uns auch noch andere Einzelheiten über- fiefert. Sie erzählen, daß die Juden die Beerdigung der heiligen Zungfrau nicht geftatten wollten. Einer der Aeltejten erdreiftete fih Sogar, mit rudhlofer Hand den heiligen Sarg anzurühren da verdorreten plöß- fid) feine beiden Hände, und die hereinftrömende Menge der wüthenden Juden wurde mit Blindheit gefchlugen. Der Beftrufte befannte dem Apoſtel Betrus feine Schuld, berenete und ward Chriſt. Da gab ihm der heilige Apoftel einen Pulmenzweig, um denen, welche mit Blindheit geichlagen waren, und die an die heilige Jungfrau und den göttlihen Erlöjer glaubten, das Geſicht wieder zu geben **, Wilibald jagt, man habe zur Erinnerung an Diefes Wunder am Abhange des Zion eine Säule mit einem Kreuze errichtet, die noch zu feiner Zeit ftand. Ans den Zraditionen des Nice- phorus und des Bifchofs Zuvenal von Jerufalem , fo wie auch aus örtlichen Traditionen erfahren wir, daß der Apoftel Thomas bei dem Ableben und der Beerdi- gung der heiligen Jungfrau nicht in Serufalem war, fondern erft drei Tage fpäter dorthin zurücdfam. Die

*) Nicephorus, Histor. II, p. 22. *") Nicephorus ibid.

.. =

Rundfchau um die Mauern Jeruſalems. Grabftätte x. 245

Apoftel, von feiner Betrübniß gerührt, öffneten die Grabſtaͤtte, Damit er die heilige Jungfrau noch einmal fehen könne; da offenbarte fih ihnen das große Ge jeimniß der Himmelfahrt der Mutter Gottes zu dem Throne ihres Sohnes. Die Grabftätte war leer! Die mündliche Tradition feßt hinzu, als der Apoftel Tho- mas aus dem Grabe der Mutter Gottes wieder heraus trat, warf fie ihm, um feine Betrübniß zu lindern, den Gürtel ihres Kleides vom Himmel herab. Man zeigt die Stelle, wo dies gefchah, in einer geringen Ent- fernung von der Grabeshöhle, auf dem Wege zwilchen Gethſemane und dem Oelberge; ziemlich an derfelben Stelle, etwas rechts vom Wege, ift die Felsplatte, wo die heilige Jungfrau während der Steinigung des hei- ligen Stephan betete. Man verfichert, daß Die heilige Sungfrau feit dem Tage der Himmelfahrt des Herrn, bis zu ihrem Ende, täglich den Delberg befuchte, wohin ihr göttlicher Sohn fo oft feine Schritte gelenft hatte, und Dort in einer geiftigen Anfchauung der Geheim— nifje der Erlöfung blieb, die durch ihn vollbradt ward*).

Die Grabftätte der heiligen Mutter Gottes befindet fih im Befiß der Griechen und Armenier. Der heilige Sarg dient als Altar, an dem die Liturgie gehalten wird; der Opferaltar fteht an der äußeren Wand der Grabhöhle unweit des Einganges. Die unterirdifche Galerie geht noch über die Grabhöhle hinaus, an dem

*) Cotovicus 98.

246 Neunzehntes Kapitel.

Ende derfelben ſteht noch ein Altar, der den Griechen gebört. Früher war die Grabhöhle nicht von der Bet: höhle des Erlöfers in Gethſemane aetrennt; feitdem aber dieje den Katholifen gehört, hat man eine Wand dazwiſchen gezogen.

Wenn man zu der Grabhöhle der Mutter Gottes zurückkehrt, und nad der entgegengefeßten Seite Der . Galerie binübergeht, fommt man an einen Brunnen mit Waffer aus der Duelle des Kidron*). Bor dem Brunnen ſteht ein Altar der Abyffinier. Im Herbite, wenn der Bach des Quells durch die Regengüſſe an- ſchwillt, ift das Pflafter der Grabhöhle mit Waſſer be- dedt. Links an der Treppe ſteht ein Altar der Jako⸗ biten.

Der Erzbifhof Wilhelm von Tyrus ſagt**), daß am Eingang in die Grabeshöhle der Jungfrau Die Königin Melifenda von Serufalem begraben fei. Nach Marinus Sanutus tft Helena, die Gemahlin des Kö— nigs Monobas von Adiebene, hier begraben ; man weiß die Stelle jet nicht mehr, obgleich Gröben (1676) das Grab noch gefehen hat, welcher fagt, das Grab der Melifenda fet mit vielem Schnigwerf verziert, Meli- fenda habe vielgethan, um Die Grabeshöhle der heiligen Jungfrau auszuſchmücken.

Treten wir aus der Finſterniß der geſegneten

) Brocard nennt dieſen Brunnen wohl faͤlſchlich den Brun⸗ nen des Feigenbaums, der Nehemias 2, 13 erwähnt wird. “) XVIII, 32.

Rundſchau um die Mauern Jeruſalems. Grabftätte ac. 247

Grabeshöhle der heiligen Jungfrau wieder heraus, fo erblicken wir auf der Zerraffe des Grabhügels und auf der entgegengefeßten Seite des Weges, der nad) dem Delberge führt, Die Ueberreite des Gartens von Geth- jemane. Bon diejfem tiefergreifenden Orte haben wir fhon oben geſprochen; wir fügen nod) hinzu, Daß Die acht großen Delbäume den Katholiken gehören und forgfältig bewacht werden. Ich brach mit bebender Hand einen Zweig ab, der in meinem Vaterlande, in meiner Familie aufbewahrt werden foll, mit dem heili- gen Bilde, mit Dem meine Eltern mic gefegnet haben, als ein Andenfen meiner Reife in die Stadt Gottes. Man erzählt, daß einft die Juden dem Mufellim eine große Summe geboten, wenn er den Garten Gethfemane vertilgen wolle, als die Stätte des Verraths Judas’, jedoch ohne Erfolg *).

Wie könnte ein Ehrift ohne Thränen der Rührung bei diefer Betfapelle vorüber gehen, bei Diefem Garten, wo fo oft der Himmel offen war, wo der heilige Geift als Tröfter und die Schaaren der Engel herniederfamen, um die menjchlihe Natur des Sohnes Gottes, der als Opfer für die Erlöfung der Welt auserfohren war, zu ftärfen !

Es laßt fih mit Sicherheit annehnten, daß der Thurm am Fuße des Delbergs, hinter dem Garten Gethfemane, auf den Trümmern des-Dorfes Gethfe- mane fteht, welches im Ev. Matth. erwähnt wird. Zur

*) Sröben 173.

248 Neunzehntes Kapitel.

Zeit des heiligen Hieronymus ſtand hier eine Kirche. Der hebräiſche Name Gethſemane bedeutet Oelpreſſe, weil an dieſem Orte viele Oelbäume ſtanden und Oel gepreßt wurde. Die Oelzweige, welche die Juden beim Laubhüttenfeſte brauchten, wurden vom Oelberge genommen *). Einige Schriftſteller glauben auch, daß Gethſemane den Prieftern und Leviten gehörte, und daß man dort die Heerden Des Tempels weidete, welche Durch das Schafthor, Gethfemane gerade gegenüber, in die Stadt gebracht wurden, um im Tempel geopfert zu wer: den; von hier wurde auch Jeſus in die Stadt geführt, der al Opfer für die ganze Menfchheit ftarb: „Siebe, das iſt das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt” 1**),

*) Nebenia 8, 15. *) Ev. Joh. 1, 29.

Zwanzigstes Kapitel.

kundſchau um Die Alauern Ierufalems. Das Thal Zofaphat und das Thal der Könige.

Die Heiten werten fihb aufmadcen und herauf fommen zum Tbal Joſa— phat: denn daſelbſt will ich fißen, zu richten alle Heiden.

Joel 3, 17.

An der Grabeshöhle der Mutter Gottes füngt das Thal Joſaphat an, welches ſich zwifchen Dem Delberge und den Morija am Kidron hin, öftlich um Zerufalem berumziebt. Das Thal Iofaphat wird in der heiligen Schrift das Lobethal genannt, weil bier Joſaphat, nad dem wunderbaren Siege über die Moabiter bei Engadi, dus Volfverfammelte und den Herrn Der Wacht lobte*); man nennt es auch Das Thal Der Sefichte und Das Thal Jions. Verfolgt man den Weg am Badıe Kidron eut- lang, fo findet man fich bald in einen Chaos von Grab-

) 2. Chron. 20, 26.

250 Zwanzigited Kapitel.

fteinen. Drei großartige Monumente ftehen fogleich am Wege, gleichſam ein Vorhof zum biblifcyen Gottes- ader. Das erfte iſt ein Sarfophag, oder die Säule Abſalom's*); aber die Eitelfeit Abſalom's wurde ihm zum Hohne, denn die Säule ſteht bis auf den heu- tigen Tag als ein Andenfen an feinen Ungehorfam und Die Suden gehen nie an Diefem Denkmale vorbei, ohne Durch eine Spalte in der Mauer einen Stein in Die leere Gruft zu werfen, wobei fie fagen, du, der du aus dem Gehorſam des Vaters getreten, fet gefteinigt! Gleich dem fabelhaften Faſſe der Danaiden, wird die Gruft unter diefer Säule nie voll. Das Monument bat durchaus feine Aehnlichfeit mit einem Grabmal, fondern gleicht vielmehr einem zierlichen vieredigen Tempel, mit einem runden Thurme. Das Dach ift ein Ihöner mit Acanthusblättern verzierter Kegel. Alle vier Ceiten find mit jonifhen Säulen und dorifchen riefen, Triglyphen und Metopen verziert. Die Ber: zierung des Geſimſes zeigt den jüdiſchen Gefhmad; ähnliche Verzierungen fieht man aud an den Gräbern der Könige und in Peträa. Diefes jchöne Monument tritt aus dem Innern eines Feljend hervor, der den Fuß des Delbergs bildet. Das Fundament tft mus dem Zellen gehauen und nur der Thurm und der Kegel find aus Steinen gebaut. Man glaubt, jedoch ohne Grund, daß es einer fpäteren Zeit angehöre. Joſe— phus jeßt die Säule Abſalom's ebenfalls in die Nähe

*) 2. Samuel 18, 18,

Rundſchau um die Mauern Jeruſalemo. Das Tbal ꝛc. 251

von Jeruſalem*). Der.Eingang in das Monument ift von der bintern Seite. Links von dieſem Monu— mente ſieht man an der Felswand einen einit pruchtvoll geſchmückten Architrav, über einem vermauerten Ein— gange zu einer Höhle, welche man für Das Grab Joſa— pbat's bält. In der Bibel ift geſagt, daß Joſaphat mit den übrigen Königen in dem Zion Degraben fei**), aber das Thal ward nach feinem Namen genannt, wahrſchein— lich zum Andenken an jene Begebenbeit, der wir im Anfunge Diefes Kapitels gedachten. Das Denkmal ift mit hebräiſchen Anjchriften bededt, von denen, nad Saulev's Ausſage, einige febr alt find.

Gegenüber der Säule Abſalom's führt über den Bach Kidren die Brüde, von der wir ſchon oben ge: ſprochen haben. Gehen wir weiter um den Fuß des Delbergs, fo erbliden wir andere ebenfalls in den Fels jen gehauene und nicht weniger maleriſche Denkmäler, Das erfte Derjelben ift eine Grabböhle im oberen Tbeile der Zellen, die Durch ein mit Frieſen geſchmücktes Thor in griechiſchem Geſchmacke verziert ift. Mach der Zras dition hat fich in dieſer Grabhöhle der beilige Jacobus, der Bruder des Herru, während der Qualen des Er; lölers verborgen gehalten, weil er Das Gelübde gethan, von dem Tage der Einſetzung Des heiligen Abendmahls

*) Josephus Antiqu. VII, 10, 3. Saulecy bat Dad Innere des Monumente geſehen, und Dort einen Bogen gefunden, der dem Bogen in der großen Galerie der Hauptpyramide Acgvptens äbhnlich it. T. II, p. 201.

2) 2, Ghron. 21, 1.

2532 Zwanzigfted Kapitel.

bis zum Zage der Auferftehung des Herrn Nichts zu effen. Der heilige Hieronymus erzählt, nad) der Auf- erftehung jet ihm der Herr bier erfchienen, habe Brod bringen laſſen, Diefes gebrochen und geſegnet, und ge- fprochen:: von diefem Brode, denn der Menichenfohn ift von den Todten erftanden. Wahrjcheinlich wurde der heilige Jacobus aud) in derfelben Grabhöhle bes graben, als ihn die Juden von der Mauer des Tempels geftürzt hatten, denn Eufebius und Hieronymus*) fagen, daß er an derfelben Stelle beerdigt fei, wo er fein Leben beendigte, d. t. gegenüber Dem Tempel, was ganz mit der Lage des Monuments übereinſtimmt; diefer Mei- nung ift auch der Abt Daniel, Hier ftand in den erften Sahrhunderten des Chriftenthums eine fleine Kirche, Neben dem Grabe des heiligen Jacobus erhebt ſich aus dem Selfen ein anderes Monument, deffen ernftes An- fehen auf feine Beftimmung deutet. Eine fpiß zulaus fende Pyramide dedt ein vierfeitiges Fundament; zwei Säulen und zwei Bilafter ftüßen zu allen vier Seiten Architraven. Diefes Monument wird dus Grab des Zacharias genannt. Aber welches Zacharias? Des PBropheten, des Vaters Johannis des Täufers, des Sohnes Serobeam’s oder deffen, der zwifchen dem Tem⸗ pel und dem Altar getödtet wurde? Wahrfcheinlich des Legteren, denn in Bezug auf ihn fagt der Erlöfer zu den Juden: „Wehe euch Schriftgelehrten und Pha- riſäern, ihr Heuchler, die ihr den Bropheten Gräber

*) Hieron. de viris illustr. Euseb. II, 23. Daniel, S.48.

Rundfhau um die Mauern Jerufalems. Das Thal xc. 253

bauet und fchmücdet der Gerechten Gräber “*), Man muß bemerken, daß diejenigen, welche über die heiligen Stätten gefchrieben haben, Zacharias, den Heerführer Joſaphat's, vergeffen haben. Eine Menge Grabhöhlen ſchmücken auch die Felſenwände des Berges des Aer- gernifles.

Schreiten wir am Bache Kidron weiter, am Fuße der Höben Jeruſalems, und fteigen dann herab an den Fuß des Berges Morija. Gegenüber auf den Zelfen: abhängen des Berges des Aergerniffes liegt das Dorf Siloah mitten unter Gräbern zerftreut, wovon fogar einige den armen arabiichen Bewohnern diejes Ortes, der feinen alten Namen behalten bat, als Wohnung dienen. Mitten unter diefen Grübern fand Suulev einen febr merkwürdigen Monolith, in Art Der ägppti— fben und ninivitiichen Denkmäler. Cr glaubt, daß derjelbe noch von den Sebufitern, den Gründern ern: jalems, berrühre**). Auf dem Abhange des Berges Morija lag ebedem die Vorſtadt Opbel, die von den Wohnungen der Priefter und dem falomonifchen Tem⸗ pel Durch eine Mauer und einen boben Thurm getrennt war. Im Buche Nehemia iſt die Zuge Der Vorftadt Ophel an der öftlichen Seite der Stadt angegeben ***). Hier, am Zuße Des Berges Morija, entiprüngt in einer Höhle ein herrlicher Quell, der der heiligen Jungfrau

*) Matth. 23, 29. *) Tom. II, 309. e), Nehemia 3, 26. 27.

254 Zwanzigſtes Kapitel.

geweiht ift. Er ftrömt durch Das eine Ende des Berges Morija nach dem Teiche Siloah; der Tradition Jeru— falems zufolge hat die heilige Jungfrau bier Warffer gefchöpft, gleich den armen Frauen in Ophel*). - Wir finden beim Propheten Micha eine Stelle, die ganz dieſer Tradition entfpricht: „Und du Thurm Eder, eine Befte der Tochter Zion, es wird deine goldene Rofe fommen "**). Bor der Höhle des Ouells ift ein in Stein gehauener Trog zur Tränfung des Viehs. Zu dem Quelle führen zwei Treppen, zuerft jechszehn Mar: morftufen, dann nach einem Abfage noch vierzehn Stufen bis zu dem flaren Quell, der in der finftern Höhle unter den Kelfen geleitet iſt. Als ich das erfte Mal diefen Quell befuchte, mußte ih am Eingange lange warten, weil einige arabifche Frauen fich darin badeten. Die Mohammedaner glauben an die Heilkraft Diefes Waſſers. Die Quelle vereinigt fih mit der von Eiloah und die Araber nennen beide die, para— diefifchen. Die Wölbung der Höhle iſt fehr malerifch. Dies ift wahrfcheinlich der Feigen- oder der Drachen: brunnen, von dem Nehemia ſpricht***). Das Miftthor lag dem Quell ſchräg gegenüber. Diefes ift das Thor, durch welches Sefus in der fchredlichen Nacht unferer Erlöfung von den ruchloſen Juden aus Gethfemane nach Serufalem geführt wurde. Saulcy zweifelt nicht

*) Bonifac. 1, I. *) Micha 4, 8. ») Nebemin 2, 13.

Rundſchau um Die Mauern Jerufalems. Das Thal ꝛc. 255

an dem Alterthume diefer Pforte. Man hat eine Ins fhrift an derfelben gefunden, in welder Die Aelia Adriana gerühmt wird. Wenn wir uns um den Berg Morija herumwenden, fo finden wir an der Schlucht zwifhen Morija und Zion den Teich Siloah, wohin der Erlöfer den Blindgeborenen ſchickte. Der Weg dorthin führt über fteile Feſſen. Diefer Teich tft in dem Buche Nehemia ebenfalls genau angegeben*). Mir fcheint, daß dieſe Stelle im Buche Nehemia von denen, welche über Zerufalem gefchrieben haben, überſehen wurde; fie ſtimmt ganz mit der Lage des Teiches überein. Wir iprachen oben von dem Gipfel Jions, wo fi) das Grab David’s befindet. Der Abhang des Zion war mit Wein bepflanzt, und von dem Gipfel bis zu den Haufe der Helden oder der königlichen Leibwache führte eine Treppe herab. Die Ueberrefte diejer Gebäude waren noch im zwölften Jahrhundert zu fehen **). Die Stürfe der königlichen Leibwache iſt im Hohen Xiede angege- ben***"), Ganz nahe dem Haufe der Helden war der Teich Siloah, der mit Mauern umgeben war. Ueber— refte feiner Bracht haben fich noch erhalten; auf den Grunde des tiefen vieredigen Bedens fieht man noch jegt Die Murmorplatten eines Fußbodens und die Fun— damente einiger Säulen, Ueberrefte einer Kirche, welche die heilige Helena im Namen Chrifti des Erleuchters

*) Nehemia 3, 15. 16. **) Benjam. v. Tudela, p. 71. “), Hobel. 3, 7.

256 Zwanzigſtes Kapitel.

erbaut hatte. Diefes Beden war gegenüber einer Hei- nen Höhle, wo die Quelle verborgen ift, deren Waſſer, wie der Prophet Jeſaias fügt, langfam fließt. Zu dieſer fteigt man auf zwanzig und einigen Stufen hinunter. Ein unterirdifcher Kanal verbindet das Waſſer Diefer Duelle mit dem des Quelles der heiligen Maria, oder des Drachenbrunnen, von dem wir fhon gefprochen haben. Mun erzählte mir, daß die Araber durch diefen Kanal oft von einem Brunnen zum andern fonmen; die Baffage ift jedoch ziemlich ſchwierig. Der Quell Siloah war bei allen Belagerungen Serufalems ein wichtiger Punkt. Hier, auf der Spike des Zion, bei den Mauern, die den Teich umgeben, war ein Thurm, welcher in Evangelium des heiligen Lucas erwähnt wird”), Am Laubhüttenfeite fchöpften die Juden Waſſer aus Diefem Teiche und trugen es in goldenen und filbernen Gefüßen in den Tempel, wo fie es auf den Altar goffen. Der Ausruf des Erlöfers, am lebten Tage Diejes Feftes: wen da dirftet, der fomme zu mir und trinfe, rief die Juden von diefer ceremoniellen Sitte zu dem Quell des ewigen Wuffers, Jeſus Ehri: ſtus, der da giebt Allen, die da glauben, die Seligfeit des heiligen Geiftes, der mit dem Wafjer bezeugt wird **), wie Der Prophet Jeſaias fagt: „Ihr werdet mit Freuden Waſſer fchöpfen aus dem Heilbrunnen ***),

*, Ev. Luc. 13, 7. »**) Ev. Joh. 7,38. 39. —2) Jeſaias 12, 3.

Rundfchau um die Mauern Jeruſalems. Das Thal ꝛc. 257

Bei Dem Ausgange aus der Schlucht fieht man am Fuße des Zion, und mitten auf dem Wege, auf einer erhöhten Plattform, einen großen Maulbeerbaum, deflen Jahr: hunderte alter Stamm ganz gefpalten ift, und deflen Aeſte fih nach zwei Seiten theilen; man nennt ihn den Baum Rogel, oder den Baum des Propheten Jeſaias, der hier begraben fein fol. Nach den Zeugniß vieler heiligen Väter wurde Jeſaias auf Befehl des gottlofen Königs Manaffe mit dem Baume zerfügt. Der gefpal- tene Stamm des Baumes, der den Namen des Jeſaias trägt, erinnert an das qualvolle Ende des Propheten. Bor feiner Hinrichtung foll der Prophet, von Durft-ge- quält, vergeblich um Waffer gebeten haben; da machte ein plößlicher Regenguß feiner Qual ein Ende. Nach diefem Wunder erhielt der Quell den Namen Siloah *). Das Wort Siloab bedeutet bekanntlich „Geſendet“, doch glaubt der heilige Chryfoftomus, Daß der Name fihh auf den Meſſias beziehe und bedeute „der Ge: ſandte“. Der heilige Epiphanias fchreibt, dag das Waſſer dieſer Quelle, während der Belagerung Jeru—⸗ falems unter Hisfia, vom Propheten Jeſaias erbeten wurde**). Der heilige Hieronymus fügt, Der Pro= phet Jeſaias kann nicht allein als Prophet, fondern fogar als Evangelift gelten, fo deutlich ift feine Weif- fagung über die Ankunft des Meſſias***). Das Grab

*) Nic. de Lyra in Ess. *) St. Epiph. de vita Proph. 7. +), Epist. ad Paulam et Eustochiam. Roroffs Reife nad Baläftina. 17

258 Zwanzigſtes Kapitel.

und der Baum des Sejatas ftehen bei den Moslemen in hoher Achtung. Es ift leicht möglih, daß die Quelle Siloah diefelbe Quelle Rogel ift, vor welcher fich der Stein, oder der Opferaltar Sohelet befand, von dem im erften Buche der Könige, Kap. 1, 9, und im zweiten Buche Samuelis, Kap.17, 17 dieRede ift. Die Lage Sowohl als der Name des Baumes berechtigen zu Diefer Annahme. Im Thale, gegenüber dem Teiche Siloah, wendet fi) der Kidron rafch nad Südoft, der Schlucht entlang, welde das Königsthal genannt wurde, wo einft Abraham mit Melchifedet zuſammenkam *). Auf dieſem Wege fehrte Sofaphat nach dem Siege bei Engedi über die Moabiter zurück**). Das Königs- thal, oder Sabe***), fängt gegenüber dem Teiche St- loah an, und geht, an dem Klofter des heiligen Sabas vorbei, dem todten Meere zu, wo einft Sodom und Gomorrha ftanden, in gleicher Richtung mit dem Kidron, ber ebenfalls in das todte Meer fällt; man nennt es daher auch den Weg zur Wüſte. Auf diefem Wege floh der König Zedekias vorNtebufadnezar in Die Wüfte von Zerihor). Es tft unmöglich, die topographiſche Genauigkeit der biblifhen Erzählung zu verfennen- Hier ſtimmt 3. B. das erfte Buch Mofes hinfichtlich der Zocalitäten ganz mit der Chronif überein. Bemerken

*)4. Mof. 14, 17. 18. "2, Chron. 26. 27. Schr. Schabe.

+) Ierem. 39, A.

Rundſchau um die Mauern Jeruſalems. Das Thal ꝛc. 259

wir noch Die wunderbare Uebereinſtimmung des bibli- ihen Namens des Thales Sube mit dem des Klofterg des heiligen Sabas, welches auf der ganzen Strede zwifchen Jeruſalem und dem todten Meere der einzige bewohnte Ort in dieſer wilden Schlucht iſt.

Hier am Fuße des Zion vereinigen ſich, wie ſchon oben gejagt, drei Thäler, das Thal Joſaphat von Nor- den, Das Königsthal von Often und das Gihonthal von Welten. Das leßtere bildete nad der Beſtimmung Joſua's die Grenze zwifchen der Stadt der Sebufiter, d. i. Serufalen, und dem Stamme Benjamin *), daher fommt es, Daß Serufalem, welches eigentlich im Stamme Auda lag, auch zuweilen zum Stamme Benjamin ges zählt wird, und wahrfcheinlid) Tag ein Theil der Stadt wirflih in dem Gebiete des Stammes Benjumin **). Da wir bier einmal von der biblifhen Topographie fprechen, fo nehmen wir das Bud) Zofua zur Hand, wo wir fehen, wie alle Thäler von Gilgal durch das Thal Adomim***) bis Jerufalem aufammenhängen. Der Aus: gang dieſer Bergfchluchten der Quell Rogel, das hal Hinnom oder Gihon ftehen in Verbindung mit Rephaim an der Südfeite von Serufalem +).

Steigen wir von dem Teiche Silvah hinab, fo be- finden wir uns am Eingange der drei Thäler. Hier

®) Joſua 16, 20. *) Reland Antiq. hebr. 6. *“) Die Herberge des barmherzigen Samariters, auf dem Wege von Betbanien nad) Jericho, |. Th. 2. Kap. 2. +) Iojua 15, 7. 8; 18, 16. 17. 17*

260 Zwanzigftes Kapitel.

fehen wir am Anfange des Königsthals, an dem trode- nen Bette Des Kidron, ein vermüftetes Gebäude; es ift der Brunnen, in weldem Nehemia das heilige Feuer verborgen hatte. Die Stelle wurde von Nehemia felbit Nephthar oder Nephthai (d. i. Reinigung) genannt. Die Araber nennen den Brunnen, man weiß nicht weshalb, Brunnen des Job, wahrfcheinlih Zoab, nah dem Feldherrn David’s *).

Als die Juden in die chaldäiſche Gefangenſchaft ge⸗ riethen, befahl der Prophet Jeremias, das heilige Feuer des Tempels in einem waſſerleeren Brunnen zu verber- gen**, Nach der Rückkehr unter Nehemia fand man anftatt des Feuers ein fchlammiges Waſſer. Nehemia ließ mit diefem Waſſer das Opfer begießen, welches fid> fogleich entzündete. ALS Artaxerxes, der König von PBerfien, von diefem Wunder hörte, ließ er hier ein Monument errichten. Die Erzählung im zweiten Buche der Maffabäer ift voll von Begeifterung; das Gebet der Priefter ift rührend. Der Brunnen ift fehr tief und hat ein gutes Quellwaffer, welches eben fo wie das des Nil, je nachdem es reichlich fließt, die Reichlichkeit der Ernte vorausverkünden fol. Man muß bemerfen, daß der Bad Gihon, welcher durch das Hinnomthal hierher fließt, vielleicht Diefem Umftande feinen Namen verdanft, denn der Nil wird befanntlich in der Bibel ebenfall8 Gihon genannt. In dem halbzerftörten

*) 2. Bud) der Könige 1, 9. 41. *) 2. Makkab. 1, 19— 22.

Rundſchau um die Mauern Jeruſalems. Das Thal ıc. 261

Gebäude neben dem Brunnen ift ein Eleiner Wafferbe- bälter. Die Vereinigung der drei Thäler am Fuße des Zion ift die frudhtbarfte Stelle in der Umgegend Jeru— ſalems. Hier waren die Gärten Salomo’s, und noch jegt fticht die Ueppigfeit der Natur fehr gegen die übrige Umgebung Serufalens ab. Der Schatten der kleinen Gebüfche, die Quellen und Wiefen bilden bier eine Dafe. Im Angefihte Zions, diefer geliebten Kirche Jeſus', muß man das Hohe Lied aufichlagen.

Einundzwanzigstes Kapitel.

Bundfdau um die Alauern Ierufalems. Das Thal der Söhne Hinnom. Bezetha.

Und bauen vie Altäre Thopheths im Thal Ben Hinnom, daß fie ihre Söhne und Töchter verbrennen.

Seremias 7, 31.

Daher ift derfelbige Ader genannt der Blutader, bis auf den heutigen Tag. Ey. Matth. 27, 8.

Wenden wir uns um den Zion, fo betreten wir das Thal Ben Hinnom, welches zwifchen dem heiligen Berge Zion, und dem Berge des böfen Rathes liegt. Das lachende Thal des Siloah ift hinter ung und wir erbliden von der einen Seite die fahlen Abhänge Zions, von der andern die Durch Grabhügel unterbrodyene Oberflädye des Berges der böfen Berathung. Den Namen Ben Hin nom hatte das Thal vielleicht deshalb, weil es den Nachkommen eines gewiffen Hinnom gehörte. Es war einft fruchtbar und ein Ort der Beluftigung und durch die Wafferleitungen von Siloah und Gihon bemäffert.

Rundſchau um die Mauern Jeruſalems. Ben Hinnom ꝛc. 263

Diefer Ort der Zreude wurde zu einer Stätte des Grauens, als Ahas hier dem Moloch einen Tempel banete ; in den glühenden ehernen Gößen wurden die Opfer geworfen, Kinder, welche unmenſchliche Eltern felbft dem Gößen Ddarbrachten, während die Prie— tter Das Geſchrei Derfelben durch den Lärm der Pauken übertönten, wovon das Thal aud) den Namen Thopbet, d. i. Paufe, führte. Doch bier hörte Jeruſalem auch die ftrengen Worte des Propheten Jeremias*). Nach dem Zeugniß des heiligen Hieronymus wird das Feuer der Hölle diefem Opferfener verglichen, weshalb auch die Hölle Gehennom genannt wird, und Deshalb nennt auch der Abt Daniel diefes Thal das Höllenthal **). Auf dem Abhange des Berges des böfen Rates, gegenüber Zion, zeigt man den Töpferader, der für die dreißig Silberlinge gekauft wurde, fir welche Judas den Herrn verrathen hatte. Das ift der Blutader, der ihredlichfte Ort bei Serufalem, wohin fi nur felten ein Menſch verirrt. Auf den kahlen Zellen unıherirs end, finft man fast bei jedem Schritte in die Grab» höhlen und hört das dumpfe Dröhnen herabrollender Steine. Die heilige Helena hat diefen Ort feiner frü- beren Beſtimmung zurüdgegeben,, nad) welcher eg ein Begräbnißplag für die Pilger fein jolltee Das Ge- bäude, welches fie bier aufführen ließ, und deſſen Ueber— refte man noch heute fieht, Stand noch im fechszehnten

*) Jeremias 7, 29— 34. **) Daniel 29.

264 Ginundzwanzigites Kapitel.

Jahrhundert*). Baumgarten giebt felbit die Größe deffelben an, fiebenzig Fuß lang und fünfzig Fuß breit, und fügt, Daß es oben eine Kuppel mit neun Deffnun- gen hatte, durd) welche das Licht einfiel und die Leich— name herabgelaffen wurden**. Man bat bier noch die von vielen Schriftitellern wiederholte Meinung, daß die Erde dieſes Drtes die Eigenfchaft befiße, den Körper binnen vierundzwanzig Stunden zu vernichten, ich weiß jedod) nicht, in wiefern diefelbe begründet ift. Unter der heiligen Helena wurden einige mit Erde von diefem Drte beladene Schiffe nad Rom geſchickt, und Ipäterhin nad Pifa auf das Campo Santo, Auch die Ueberrefte eines anderen Gebäudes find bemerfens- werth; Mauern von großen Quaderfteinen, in Denen fi einige Gewölbe erhalten haben, die zum Theil auf Pilaftern ruhen. Ich hatte Gelegenheit, lange zwifchen Diefen Gräbern zu verweilen, die noch wenig befchrieben find, und fih vom Gipfel des Berges bis beinahe in das Thal herabziehen. Sie tragen ganz das Gepräge eines hohen Alterthums. Der Eingang tft faft immer mit einem ſpitzen dreiedigen Krontifpice oder maffiven Architraven verziert und fie bilden im Innern ein einziges vierediges Gemach, mit Nifchen in den Wänden, eine größere, in der Ränge eines menfchlichen Körpers oben, und unter diefer drei Eleinere, jedoch fehr tiefe Nifchen,

*) Fürer, p. 58. Gröben 188.

*) Baumgarten II, S. 8. Die neueren Forfchungen von Saulcy (Kay. 2, S. 313 und 324) haben einige Aufflärung über diefe Höhlen gegeben.

Aundfchau um die Mauern Jeruſalems. Den Hinnom x. 265

wie in den antifen Columbarien. Diefe Nifchen waren zur Aufnahme von Leichnamen beftimmt. Wie ung Die Zalmudiften fagen, pflegten die alten Hebrüer die Xeichen der Angehörigen einer Zamilie nicht zu trennen, fon: dern alle in einem Grabe beizujegen; jedoch legten fie diefelben in verfchiedene Deffnungen. Die Länge des Grabes war gemähnlich jechs, Die Breite vier Ellen und ein Grab enthielt acht, nach Andern dreizehn Riüchen*).

In einem diefer Grabgewölbe fand ich eine Quelle, die aus Dem Boden hervorfprudelte, in einem regelmäßig gebildeten runden Baſſin. Diefe Quelle it nur den Hirten befannt, deren Heerden jenfeit des Berges am - Bege nad) Bethlehem weiden.

Viele Hirten wohnen in diefen Grabjtätten,, welche einft den heiligen Einfiedlern als Wohnung dienten. In einigen diefer Gräber fieht man Spuren von euro- päifchen und griechifchen Inſchriften, und in einen fab man den halbverwilchten Namen Zion, was zu der merfwürdigen Täuſchung eines enaliichen Reifenden Anlaß gab, der diefen Berg für den Zion hielt. Die Juden nennen ſich aber in ihren Grabjchriften immer Kinder Zions. Am Ende des zwölften Jahrhunderte waren noch drei jüdische Begräbnißpläge auf dem Zion ſelbſt. Benjamin v. Zudela flagt darüber, daß die Ehriften die alten Grabfteine feiner Glaubensgenoffen

*) Müller, ubi supra p. 174.

266 Ginundzwanzigites Kapitel.

zu Baufteinen für ihre Häufer verwenden”). Man kann Daher viele ähnliche Srabfchriften an verschiedenen Orten finden. Wir bemerfen noch, daß der Berg des böfen Rathes feinen Namen davon hat, weil hier das Landhans des Kaiphas ftand, wohin Judas ging, um fid) mit den Hohenprieftern über den Verrath des Er- (öfers zu berathen., In den Höhlen diefer Felſen ver- bargen fich Die Apoftel während der Leiden des Herrn. Die Ausfiht von diefen ernften Höhen ift außeror- dentlich maleriih. Vor fih hat man die Berge Zion und Morija, mit einem Theile Serufalems, weiterhin den Delberg, rechts vor diefem die Grabhöhlen des Thales Zofaphat, näher, auf den fteilen Abhängen des "Berges des Nergerniffes, das Dörfchen Siloah, und zu Füßen das tiefe und üppige Thal.

Steigt man noch höher hinauf, fo erblidt man ganz oben auf dem Berge ziemlich bedeutende Ruinen ; dies ift der Ort der gottlofen Berathung, das Landhaus des Kaiphas, jebt die Wohnung eines Derwiſch. Manche nennen dieſe Ruinen Das Klofter des Bifchofs Mode: ftus, wofür man jedod) feine Belege hat. Der Bifchof Modeftus ftand der Kirche zu Zerufalem vor, als der PBatriard) Zacharias von den Berfern unter Khosru als Gefangener fortgeführt wurde. Man fchreibt ihm den Miederaufbau der durch Die Perſer zerftörten heiligen Srabesfirche zu. Bon hier hat man die Ausficht über Zion und den weftlichen Theil Jeruſalems.

*) Benj. v. Tudela, p. 72.

Rundſchau um die Mauern Jeruſalems. Ben Hinnom zc. 267

Jenſeit der Höhe des böſen Rathes führt die Straße nach Bethlehem. Wir fteigen wieder hinab in das Thal der Kinder Hinnom, biegen um den Zion und nähern uns der Anhöhe oder dem Berge Afra, dicht an der weitlihen Stadtmauer. In dieſer tiefen Schlucht jehen wir zwei bis jegt erhaltene Ciſternen; die eritere ift die, welche in der Bibel der untere Teich genannt wird. Auf dem fleinernen Damme der füdlichen Seite dieſer Eifterne, auf welchem die Straße hinführt, iſt ein Springbrunnen mit einer arabifchen Inſchrift. Der balb aus dem Felfen gehnuene, halb aus großen Qua— dern erbante Teich ift 240 Fuß lang, 105 Zuß breit und 50 Zuß tief und erhält jegt fein Waſſer nur noch durch den Regen.

Näher dem Thore Rerufalems, welches das Beth: lebems oder Jaffathor genannt wird, wendet ſich das Gihonthal plöglich links und verliert fih endlich auf dem aufwärts führenden Wege nach Jaffa. Unweit diefer Biegung, gegenüber dem Bethlehemthore, ficht man die lleberrefte Des obern Gihonteiches. Diefer ift etwa 300 Fuß lang und 150 Fuß breit; feine Tiefe war ehedem fehr bedeutend. Der Quell Gihon ift zwar noch nicht verfiegt, fließt aber jegt nur fehr fpärlich. An der Stelle des ehemaligen jüdiſchen Gottesaders, welcher da, wo jeßt die Kirche der Auferftehung fteht, an Golgatha ftieß*), ift jeßt ein türfifcher Begräbniß— plag, wohin die Moslemen häufig ihre Spaziergänge

*) Wilh. Tyr., p. 747.

268 Ginundzwanzigites Kapitel.

richten, um in dem Schatten der Enpreffen die Kühle des Abends zu genießen.

Diefe Stelle ift in der Bibel als der Ort genannt, wo Salomo zum König gefalbt wurde*), und bier ift wahrfcheinlich auch der Teich Bathfeba zu fuchen, der fi) unweit der heiligen Grabesfirhe befand. Hier fagerte das Heer Sanherib’8 während der Belagerung Serufalems unter Hisfta**) und hier fhlug der Engel Gottes in einer Nacht hundert und adıtzig Tauſend Feinde. Hisfia ließ Damals die Wafferleitung zerftören, welche den obern Zeich mit dem untern verband, der, wie wir gefehen haben, jeßt troden liegt. Man hat auch vermuthet, Daß Der untere Teich der war, in wel⸗ hen Bathfeba badete, weil er an den Mauern des Schloſſes David’8 lag; wir haben jedoch fchon oben die Stelle angegeben, an welcher das Haus Uria’s ftand.

Setzen wir unfere Rundſchau um die Mauern Je— rufalems fort, fo fommen wir an das Bethlehem = oder Saffathor, unweit des Echloffes David’, auf dem Berge Afra. Diefer Theil Zerufalems, vom Bethle hemthore, dem Thurme Pfephinos, bis zur heiligen Grabeskirche, welche jeßt die weltliche Ede der Stadt bildet, fand zur Zeit des Erlöfers noch nicht; er war, nad den Worten des Propheten Jeremias, das Thal der Zodten, welches fpäter Golgutba genannt und wo

*) 1. Buch d. Könige 1, 32 34. **) 2. Buch d. Könige 18, 17. Iefaiad 36, 2. .

Rundfchau um die Mauern Jerufalemd. Ben Sinnom xc. 269

der Tod durch den Zod überwunden wurde. Einige Gelehrte, unter andern Clarke, und neuerdings - E. Robinfon, haben fi) bemüht, die Localität des ' heiligen Golgatha zu beftreiten, indem fie jagen, daß der Ort, wo jegt die Grabegfirche fteht, immer im Be- reich der Stadt gelegen haben müffe, daß uber die Scädelftätte fi außerhalb Serufalems befand. Wir haben oben mehr als einmal Gelegenheit gehabt, die Unhaltbarkeit diefer Anficht darzulegen.

Ein Blid auf die Karte Zerufalems zeigt uns die heilige Grabesfirche an der weftlichen Ede der Stadt. Tacitus befchreibt die Lage Jeruſalems bei Gelegenheit der Belagerung durch Titus*). Die zwei bejonders bemerfenswerthen Höhen waren mit Mauern umgeben, welche mit Kunft fehräge oder bogenartig geformt waren, um die Belagerer in den Flanken angreifen zu fönnen. Diefe beiden Höhen find Zion und Akra. Golgatha ftieß an die Mauern der Afra und lag in der eingebogenen Ede der Mauer, nahe an dem Thale des Gihon, an dem alten hebräifchen Begräbnißplatze. Der Blan von Catterwood, welchen Robinſon und ich felbft annehme, macht die Sache vollfommen anfchaulich. Dazu kommt noch, daß die Grabeshöhle des Herrn und die ähnlichen Grabeshöhlen des Joſeph von Arimathia und Nifodemus hinlänglich beweifen, daß diefe Stelle fi nicht innerhalb der Stadt befinden konnte **), ohne

*) Tacit. Lib. V.

**) Auch Gröben jpricht von einem fehr alten jüdifchen Gefäng- nig unweit der Grabesfirche, 136. 137.

270 Ginuntswanzigtes Raruci.

der Tradition zu gedenfen, weldbe ven den Tagen des (Srlöters an Diele von ibm für alle GGwigkeit gebeiligte Stelle anerfennt*). Biegen wir neb um Pie Mauer dieſes heiligen Zbeiles Der Stadt, nad der Rerdieite der Stadt zn. Die Einie fleiner mir Grurpen von Oelbäumen bewachiener Hügel, gegenüber den Mauern der Stadt, nannte man die Höhen von Gibon und wei- terbin Bezetha. Bezerba, einit die nördlide Vorſtadt Jeruſalems, liegt jegt außerhalb der Mauern der Stadt. Hier war das Schlachtfeld Des KAreuzbeeres. Hier butte Ierujalem feine andere Bertbeidigung als Mauern, obne Schanzen und Gräben. Die Höbe der Mauern ift jebr verichieden, weil die Zellen oft in ihren Bereich ein- treten und Die gegenüberliegenden Hügel jind oft In gleicher Höhe mit den Muuern und faum einen Kano- nenichuß von dieſen entfernt. Die Bauart der Mauern iſt jehr fejt, bejonders in den Zundumenten, wo man oft Steine von 7 Fuß Länge und A Zuß Breite fieht, die wahricheinlich den älteiten Zeiten angehören. Die größten jieht man an der füdsitlichen Ede des Berges Morija. Diefer Theil der Mauer ift ſichtlich der ältefte und feine Gründung fällt in die Zeiten Salomo's, jedoch auch des Herodes und Hadrian. iner dieſer Mauer: fteine ift 30 Zuß lang und 61/, Fuß breit; andere find 20 24 Zuß lang und 5 Zuß breit. Bei jeder Biegung der Mauer find fefte vieredige Thürme und

*) Eiche vie Binleitung in Chateaubriand's Reife, wo der Gang dieſer Tradition dargelegt ült.

Nundſchau um vie Mauern Jeruſalems. Ben Hinnom ꝛc. 271

an vielen Stellen Halbthürme. Im -Ganzen giebt es 40 Thürme und 26 Halbthürme Alle Mauern find aus großen Quaderfteinen gebaut, die in mehreren Reihen neben einander liegen und durch Mörtel verbun- den find; Die Höhe beträgt im Durchfchnitt 50 Fuß. Es ist faum nöthig zu erwähnen, wie leicht man Seru- falem jest einnehmen könnte, aber zur Zeit der Kreuz: züge ftand die Kriegsführung fait noch auf derfelben Stufe wie zu den Zeiten der Makkabäer; man hatte noch feine Artillerie, fondern nur bewegliche Thürme. Der linke Flügel des Heeres ftand gegenüber dem Da: masfusthore, an beiden Seiten des Weges nad Da- masfus, und lehnte fich an das Thal Zofaphat. Hier jtanden Gottfried und die beiden Nobert, der normanz- nifhe und der flandrifche., Im Centrum, gegenüber dem Edthurm, oder gegenüber der Kuppel der Grabes— firdye, lagerte das Heer Zancreds. in Theil der Höhen von Gihon und des heiligen Georg, am obern Gihonteiche, gegenüber dem Schloffe David’, war von Raimond dem Grafen von Toulouſe bejeßt. Bon der Stadt durch das tiefe Gihonthal getrennt, konnte er feinen Antheil an der Erſtürmung nehmen, und ging deshalb kühn nad dem Berge Zion hinüber, welcher damals, wie aud) jeßt, nicht innerhalb des Bereichs der Stadt lag. Faſt Geficht an Geficht mit den Feinden, den Mauern der Stadt gegenüber, da Die Plattform des Berges nur einen Fleinen Raum bot, ftanden ſeine Krieger unter einem beftändigen Pfeilregen, am Rande der Schluchten Siloah und Gihon, und nur durch die

272 Ginustpranuahes Ayla. =

Ktirche Des heiligen Abendmabld gededit, we fie ich mi dem heroiihen Rure: „Dien le veur“ begeifterten. —— Ter Rangel an Waſſer und die Hige waren die größ ten Feinde des Kreuzbeeres. Der ſchrache Quel F Siloah verñegte alle Augenblicke. Nach einigen Stun den heftigen Kampfes wollte das Heer die Stadt er⸗ türmen, Dazu aber bedurfte man Bäume, und die Um⸗ gegend Jeruſalems war Damals ebenſo fabl wie jegt. Tas Holz mußte dDaber aus Galiläa und dem Thale Saron gebracht werden. Die ichöne und mabre Scil: derung der herrlichen Thaten, der edeln Gefühle der Helden und jelbit der Tertlichfeiten Jeruſalems, welche Torquato Taſſo in feinem uniterblicen Werfe giebt, wird immer jedes Herz ergreifen.

Bor der Eritürmung bielten die Kreuzfahrer unter dem Pfeilregen der Ungläubigen eine Prozeifion, von Gethfemane durch das Thal Joſaphat, Siloah, rund um die Stadt, bis auf den Zion. Nach einem blutigen Kampfe von zwei Tagen drang das Kreuzheer in die Stadt. Im enticheidenden Augenblide erfhien auf dem Delberge die Gejtalt eines Ritters von riefenhafter Sröße, der die Krieger des Kreuzes zum Kampfe an- feuerte; er wurde von allen Seiten gefehben. In der: felben Stunde, in welcher der Erlöfer feinen Geift am Kreuze aushauchte, zogen die Sieger in die Stadt. Obgleich) das Thor Gethfemane oder das Schafthor fi nicht verändert hat, fo war Doch der nordöftliche Theil der Stadt noch nicht fo weit nach dem Oelberge hinausgerüdt. Die jegigen Befeftigungen find im

Runbfägun um bie Mauern Jerufaleme. Ben Hinnom x. 273

Jahre 1543 durch Soliman erneuert worden, wie eine arabifhe Anfchrift am Zaffathore bezeugt, in welcher die Mauern Serufalems die gefegneten Mauern ge- nannt werden,

Noroffs Reife nach Paläftina. 18

Zweinndz wanzigstes Anpitel.

Rundſchau um die Mauern von Jeruſalem. Höhlen des Ieremias. Königsgräber. Gräber der Richter Iſraels.

Und fie begruben ibn bei ſeine Bäter im Ader bei tem Begräbniß ter 8 . nige... 2. Ghron. 36, 33.

Auf dem Schlachtfelde der Kreuzfahrer an der NRord- jeite der Stadt fieht man die Höhlen Jeremias' und die in den Feljen gehauenen Gräber der Könige und der Richter Sfraels. Näher der Stadt und etwas rechts vom Damasfusthore, hinter einer bedeutenden Er- höhung, find die geräumigen Höhlen des Jeremias, wahrjcheinlicdh ein ehemaliger Steinbruch. Diefe Stelle jteht bei den Moslemen in hohem Anfehen; fie ift im Befig eines Derwifch, der vor dem Eingange in die Höhle einen Garten mit einem Gitter angelegt hat, in den man gegen eine geringe Zahlung Eintritt erlangt. Hier ift auch ein Begräbnißplag. Die größte Höhle iſt fünf Klafter hoch und acht Klafter tief und wird

Rundſchau um vie Mauern von Jeruſalem. Höblen x. 275

Durch zwei fleinerne Säulen geftügt, die bei dem Bruch der Steine gelafjen find. Hier iſt aud) eine Betfanzel der Mobammedaner. Der Tradition zufolge weinte hier der Prophet über Jeruſalem.

Bon demfelben Umfange, wie diefe Höhle, aber ihr gegenüber im Innern der Felſen, finden ſich Krypten, in denen große Kunjt und Sorgfalt entfaltet it. Sie find bis jegt den Augen der Reifenden entgangen*). Es find zwei große Grabhöblen, in zwei Etagen überein- ander. Der Eingang it durch eine wnregelmäßige Deffnung, das Innere aber üt mit arciteftoniicher Kunft verziert. Die jhöne Wölbung der oberen Gruft it in der Mitte durch einen runden gothiſchen Pfeiler geſtützt. Bon dem Fußboden der obern Höhle führt eine Treppe in die untere herab, welche viel geräumiger it; auch bier ruht die ganze Schwere des obern Ge- machs auf einem vieredigen Pfeiler, der nad allen Seiten in Spigbögen ausläuft. Dieſer Pfeiler fteht auf einem maſſiven Piedeftal. Der ganze Fußboden ft mit Waſſer bededt, bis an Das Piedeital des Pfei- lerd. Dies ift jet Die Eifterne des Terwilches. Ein ſchwacher Lichtfchimmer, der von oben berabfällt, giebt Yiefer Stelle eine ungemein maleriſche Beleuchtung. Beide Stodwerfe dieſer Krypten find in Felſen ge: yauen, welder Zeit aber gehören fie an, und zu velchem Zwede dienten fie? Es läßt fih mit Wahr⸗

*) Quaresmius erwähnt fie nur beiläufig und hat jie wahr:

heinlich nicht felbft gefehen. 18*

276 Zweiundzwanzigftes Kapitel.

fcheinlichfeit vermuthen, daß fie, mit der oben befchrie- benen Höhle, als Gefängniß dienten, ebenfo wie Die Steinbrüche in Syracus, und daß fie Diefelbe Grube find, in welche Zedefias den Propheten Jeremias wer- fen ließ”). Die gothifche Verzierung des Pfeilers er- klärt ſich aus einer Stelle bei Nicephorus, welcher fagt, Die heilige Helena habe in der Grube des Seremias einen wundervollen Bau vollendet **),

Nördlich von der Grube des Jeremias find in ge- ringer Entfernung die fogenannten Königsgräber, an deren Authenticität Manche zweifeln wollen. David und Salomo find befanntlich auf Zion begraben, die übrigen Könige an verfchiedenen Stellen $erufalems und von Ufia wird ausdrüdlic gefagt: „fie begruben ihn bei feine Väter im Ader bei dem Begräbniß der Kö- nige***), An Diefer Stelle müffen wir befonders den Ausdruck, Acker“ beachten, weil daraus hervorgeht, daß man die Königsgräber nicht im Innern der Stadt fuchen darf, fondern außerhalb der Mauern. Obgleich der König Uſia ausfägig war, fo blieb er doch immer König, und fein Sohn führte nur an feiner Statt die Regierung. Der Text der Bibel fagt, er fei bei feinen

*) Jeremias 38, 6. 7; eine ziemlich richtige Befchreibung Diefer Stelle. Das Thor Benjamin, welches hier erwähnt wird, war dem Gefängniß gegenüber es iſt dafjelbe Thor, welches fpäter das Herodeöthor genannt wurde, das jebige Bab ul Sakhara, das aber jegt vermanert ift.

**) Atque in fovea Jeremiae miritica construxit opera. ") 2, Chron. 26, 23.

Rundſchau um Die Mauern von Jerufalem. Höhlen x. 977

Bätern begraben, und die Erzählung des Joſephus, er fei in feinem Garten begraben, tft daher gewiß falſch. Sofephus feßt ebenfalls die Königsgräber an Die Nord- feite der Stadt, an die Mauer des Herodes Agrippa*). Nach diefen zwei wichtigen Angaben ift wohl anzu= nehmen, daß bier die Königsgräber find. Zu Guns ften meiner Anfiht will ich nod die Worte Saulcy's anführen, der von meinem Buche noch Nichts wußte: „Cette fois je suis & peu pres seul de mon avis.“ Sch kann nicht mit Ehateaubriand übereinjtinnnen, der auf Grund der Angaben des Pauſanias und Bilalyanda annimmt, Daß hier die Grabftätte der Helena, Gemah⸗ lin des Monobos von Adiabene, fei, die im erften Jahrhundert unferer Zeitrechnung hier mitihrem Sohne lebte und ſtarb. Denn auf diefen Gräbern ftanden Pyramiden, die Königsgräber aber find in reinem Höh: lenftyle und ihre Anzahl deutet auf ein zahlreiches Ge= . ſchlecht. Saulcy hat fünfzehn folder Grabhöhlen gezählt **. Wir glauben felbft nad) Marinus Sanu⸗ tus***) und Paufanias annehmen zu dürfen, daß das Grab der Helena fih in Jeruſalem felbft +) befand und

) .... dia onnAalwv Baoıdızwy unxvvöusvov. Jos. de bello Jud. V. IV. (XIID, 2. *) Tom. 11, 256. +) Marinus Sanut. in Gesta Franc., p. 256. ' +) Ev noAss Zoivuoss. Pausan. Arcad. VII, 16. Die Grabftätte in Gethſemane fann man zu Jeruſalem ſelbſt rechnen, wegen der Verbindung, welche immer zwifchen Jeruſalem und Geth- jemane ftattfand, j. oben.

278 Zweiuntzwanzigited Kapitel.

daß der obere Theil des Grabmal der heiligen June frau zu einem älteren Grabmal gehörte, und in des That Die fönigliche Srabftätte der Helena von Adiaberumm fein fonnte, um fo mehr, da Brocard diefes Monumer an den Bad Kidron, gegenüber dem Thore Benjamirz verſetzt *).

Kommen wir diefen Grabftätten näher, fo erbliden wir eine aus Stein gehauene vieredige fünfzehn Fuß große Vertiefung, in welcher wir an der Iinfen Seite eine große, regelmäßig ausgehauene, vieredige Höhle finden, die mit einem Gefims und zwei Friefen von ſchöner Arbeit gefhmüdt ift. Der erfte große Fries ift unmittelbar unter dem Gefimfe, der Fleinere bildet Die Randverzierung des Eingangs. Die Verzierung des erften Friefes ift folgende: ein Triglyph, ein Ring und Acanthusblätter, ein Kranz von Eichenblättern, Wein- reben, dann wieder ein Eichenfrang, Acanthusblätter, ein Zrigliyph und Ring. Das zweite ift eine fehr hübſche Guirlande von verfchiedenen Blunten und Pflanzen.

Treten wir in die flachgewölbte Gruft, fo erbliden wir in der Wand eine beinahe verfchüttete Deffnung ; Dies ift der Eingang in die wirkliche Todtengruft.

*) Procedendo contra Occeidentem et Aquilonem usque ad sepulerum devotissimae Helenae reginae quod contra portam Beniamin super torrentem Cedron locatum est. Brocardus, sdit. 1519, f. 72. Nach den Forſchern Saulcy und Schultz befand ſich das Grabmal der Helena ganz außerhalb der Mauern Jeruſalems.

Rundſchau um die Mauern von Jeruſalem. Höblen x. 279

Er war urfprünglib in gleicher Linie mit der Wand forgfältig vermauert, wie bei den Hnpogäen der Könige von Tbeben*). Um binein zu gelangen, muß man auf Dem Bauche frieben, und dann gelangt man in ein Tegelrechtes viereckiges Gemach. An drei Zeiten führen Thüren in verjcbiedene Gemücer, Deren im Ganzen fieben vorbanden find. An allen Wänden ficht man Niſchen und in mebreren dDerjelben find in der Wand drei kleine Dreiede ausgemeiſelt: was aber am meiiten Beachtung verdient, find die Thüren. Dieſe find aus einem Stein gebauen, und Die Verzierungen jo unges Pracht, Daß es ſcheint, als ob fie aus zwei Flüneln bes fünden ; Angeln und Zupfen find ebenfalls aus Stein gebauen. Die Tbüren liegen jegt am Boden. Die Särge find ebenfalls aus Stein, und auf Den ſchmalen Seitenwänden derfelben ift ein Eichenkranz ausgebunen : inwendig im Sarge iſt eine Erhöhung für den Kopf des Leichnams; der Dedel it von ſchuppenartiger Ars beit. Die meiſten Sürge liegen in dem binteriten Ges mach in einer furctbaren Unordnung durch einander geworfen. An beißen Tagen iſt bier eine furchtbare Schwüle und man beeilt jich dieſen Ort zu verlaſſen. Weiterbin von dieſen prachtvollen Höblen, am Wege nab Damaskus zu, ſieht man Die Wände der Felſen vertifal abgeichnitten; in dieſen befinden fich andere Behaufungen Des Todes, ebenfalls Höblen in zwei Etagen übereinander. Mean nennt Diele, obne

*) Saulcy II, p. 122. 133.

280 Zweiuntzwanzigites Karitd.

Grund, die Gräber der Richter Ifraels. Dorthin wall fahrten zu gewiſſen Zeiten die Juden in der Stille und die Stätte jteht bei ihnen in hohen Chren.

Eine Menge Znichriften bededen die Bände dieſer Katalomben, die ebenjo merkwürdig find durch ihre Größe wie durch die Anzahl der Gemäder, uud ob- gleich ich Dort weder Verzierungen, noch Zhürflügel, noch Särge jab, jo haben doch andere Reifende, welche diefe Höhlen genauer in Augenjchein nehmen fonnten, Abbildungen von einigen derjelben gegeben, deren Ver⸗ zierungen denen der Königsgräber nicht nadhitehen. Bon außen fieht man noch die Stufen, auf denen man zu den Höhlen gelangt.

Auf dem Rüdwege nad) Zerufalem durch das Da= masfusthor fieht man links vom Thore, ganz nahe der Stadtmauer, einen Graben, der in fteinigen Boden ge⸗ graben iſt. Dort befindet fi eine Höhle mit einer Gifterne. Am Rande des Grabens jteht ein fleinerner Trog für das Vieh, ein Sarg aus den Gräbern der Könige!

Diefe Eifterne ift noch von feinem Reifenden be⸗ fohrieben worden. Man fann vermuthen, daß es Die- felbe it, welche von älteren Schriftitellern, Die über das heilige Land gefchrieben haben, der Zeich des Hisfta genannt wird, den fie in gerader Richtung von der Kirche St. Anna zu dem Herodesthore feßen*).

*) Marinus Sanutus, p. 357 (j. oben). Quareömius ver: wechfelt fie mit der Eifterne zwifchen der Grabeskirche und dem

Rundſchau um die Mauern von Jeruſalem. Höhlen ꝛc. 281

Der hebräiſche Schriftſteller Parchi*), ein Zeitgenoffe Abulfeda’s, nennt Diefe Stelle ausdrüdlich den Eins gang zum Teiche Hiskia's. Sie wird auch im Talmud erwähnt **), Die Anfiht, Daß dies die Höhle Hiskia's jei, flimmt auch mit den Worten des Propheten es jaias***) überein. Die Lage diefes Teiches zwifchen den Mauern der Ara und Bezetha kann man auf jedem Plane von erufalem deutlich fehen.

Geben wir an der Mauer öftlich weiter nad) dem Damaskusthore zu, fo gelangen wir an einen fteilen Abhang des Thales des Delbergs. Hier findet man Nichts, was Der Beachtung werth wäre, außer dem ver: mauerten Thor des Herodes. Fünfundfünfzig Klafter höher endigt die nördlihe Mauer Jeruſalems mit einem Thurme, den die Franken den Thurm Tancred’s nennen. Hier biegt die Maner nach Süden, dem Thale des Delbergs und dem Thale Joſaphat entlang, Bon dem Edthurme Zancred’s, am Thale des Delbergs entlang, erreicht man, vorbei einer Fleinen Eifterne, das Gethſemanethor, wo wir unjere Rundfchau bes gonnen.

Iaffathore, wo wir vernuthen, Daß der Garten Des Urin war, und Die von der Kirche St. Anna jehr weit entfernt iſt. Quares⸗ mius II, 717. *) Esthori ha Parchi, in Benjamin v. Tudela ed.

Asher II. 399.

*) Baba kamma f. 16. 6.

» Jeſaias 22, 9. 11. Man vergl. auch 2. Ehron. 32, 30 und 2. Könige 20, 20.

Dreiundzwanzigstes Kapitel. Allgemeiner Heberblick über Ierufalem.

Jeruſalem ift gebauet, Daß es eine Statt ſei, da man zufammenfommen fol.

Pf. 122, 3.

Sch ſah Serufalem zu zwei verfchiedenen Zeiten ; zur Zeit des heiligen Ofterfeftes, wenn jedes Haus mit Pilgern angefüllt ift, Die aus allen Enden der Welt herbeiftrömen, wo vom frühen Morgen an auf allen Treppen Rofenkränze und heilige Bilder aus Perlmutter und dergleichen feilgeboten werden, und die Höfe der Klöfter mit beladenen Kameelen angefüllt find; dann herrfcht .nur in den Stadtvierteln der Moslemen und Juden tiefe Stille. Aber ich habe Serufalem aud) einen Monat fpäter gefehen, wo in dem Stadtviertel der Ehriften dieſelbe Zodtenftille herrſchte. Dann erfcheint Serufalem in feiner in der Bibel geweiffagten Verödung, und in diefem Zuftande hat es für mich mehr Troſt; in dDiefer Berddung fieht man ein unausfprechliches Heilig:

Allgemeiner Ueberbli über Jerufalem. 283

tbum; dann fann man rufen mit dem göttlichen Cän- ger: „Wuünſchet Zerufalem Glück: Es müſſe wohl: geben Denen die dich lieben. Es müffe Friede fein ins wendig in deinen Mauern, und Glück in deinen Vulüften. Um meiner Brüder und Freunde willen will ich dir Friede wünfhen. Um des Haufes willen des Herrn, unſeres Gottes, will ich dein Beſtes fuchen *)!“

In demjelben Pſalm beißt es auch: „Jeruſalem it gebanet, daß es eine Stadt fei, da man zuſammen⸗ kommt“. Wie zur Zeit David’s, fo kommen auch neh beute die Andächtigen von allen Seiten nach den beiligen Stätten Jeruſalems.

Die Gebäude Serufalems find fait alle durch Arkaden verbunden. Eine Seite der Straße iſt überwölbt, Die andere offen. Die Hüufer find fchlecht gebaut, von Stein und Lehm, in orientaliſchem Bauſtyle, ohne Dücher, mit Kuppeln oder Terraſſen. Alle find gleich-

förınig mit weißem Kalk übertüncht, der wie zu einer Maſſe zufammenfließt; nur die Kuppeln der Grabes- firche und der Moſchee Omar's ragen merklich aus diefer aleichförmigen Maffe empor. Hier und da erbeben jich einige Spigen fihlanfer Minarete, Cypreſſen und Pal: men. Mun fiebt fein Leben auf den Straßen, dieſes berrfcht mehr in den Höfen und Häufern und auf den ZTerraffen, Doch auch hier ftill und farm bemerfbar. Die vergitterten Zenfter, ohne Glasfcheiben , find meiſt deu

—⸗

*) Bi. 122.

284 Dreiundzwanzigſtes Kapitel.

Höfen zugewendet. Die Hauptſtraßen ſind mit großen Steinen gepflaſtert, und uneben. Doch ſind einige derſelben mit Trottoir verſehen; Die entlegeneren Stra⸗ ßen ſind ganz ungepflaſtert. Von dieſen letzteren führen viele zu wüſten Plätzen oder zu Ruinen, aus denen faſt der ganze nördliche Theil der Stadt beſteht.

Aus dieſer Skizze kann man auf die Armuth Jeru⸗ ſalems ſchließen. Doch, wie geſagt, vom Oelberge iſt die Anſicht malerifh. Die Namen der Hauptſtraßen find folgende: Harat ul Alam (der Leidenspfad, via dolorosa), von dem Gethfemanethore bis zur heilt- gen Grabesfirhe. Die Straße, welche von der Gra—⸗ besfirche an den griechiichen und fatholifchen Klöftern vorbei führt, heißt Harat ulNasara, d. i. Chri⸗ ftenftraße; Harat Sük ul Kebir führt vom Schloffe David's, am Marktplage vorbei, nad) Der Moſchee Omar’s; Harat ul Amud, vom Damas- fusthore, am Bazar vorbei, nah dem Zionsthor; Harat ulMuslim, zwifchen der Moſchee Omar’s und der Grabesfirhe; Harat ulArman, die arme- nifche Straße im Stadtviertel der Armenier, und Harat ulJud, im Stadtviertel der Suden; Harat ulMograbi oder Berberftraße, am Miftthore vors bei; Harat ul Sakhara, von dem Herodesthore, an der Kirche St. Anna vorüber, zu dem Schafteiche.

Die Thore Serufalems find folgende: Gegen We- ften am Davidsthurme das Bab ul Halıl, weil die Straße hier durch Bethlehem nad) Hebron führt, wel: ches von den Arabern el Halil genannt wird, dieſes ift

Allgemeiner Ueberbfid über Jerufalem. 285

auch das Thor nah Jaffa. Geht man längs der Mauer um die weftliche Ede der Stadt nach Norden zu, fo gelangt man an Das Damasfusthor. Wir fagten fhon oben, daß Solgatha, die weftlichite Ede Jeruſa⸗ lems, früher nicht bebaut war, und daß Die alten Mauern eine, Einbiegung bildeten, in welder zwei Thore waren, das eiferne und das Gerichtsthbor, au das Thalthor genannt*). Das heutige Damasfus- thor, Bab ush Scham, oder Bab ul Amüd, ift in einer arabifchen Snfchrift, welche fich daran findet, das tiefe Thor**) genannt. Es fteht an der Stelle des Thores, welches Nehemia dus alte Thor nennt ***),

Das nächſte Thor nach Oſten zu ift das Bab ul Sakhara , oder das Herodesthor, auch Ephraim oder Benjaminsthor genannt. Diefes ift jeßt zugemanert, man bat jedoch ein Fleines Pförtchen gelaffen; Diefes Thor war das Fifchthor Nehemia's. Der Name Fiſchthor hatte ſich lange erhalten, denn im Anfange des fieben- zehnten Zahrhunderts, als das Ephraimthor oder das alte Fifchthor zugemauert wurde, Durch welches man die Fifche aus Jaffa brachte, wurde dieſer Name auf das Saffathor+) übertragen. An der öftlichen Seite Jeruſalems ift jeßt noch das Gethſemane⸗- oder St. Ste:

*) Rebemias 2, 13. 2. Chron. 26, 9. Abt Daniel nennt es Benjaminsthor, dies fcheint jedoch nicht richtig. *) Duareöm. II. 42. »o) Nehemia 3, 6 und 12, 39. +) Fürer, p. 351. Hieronym. in Sophon. I, 10.

286 Dreiundzmwanzigjted Kapitel.

phansthor, welches Bonifacius für das Ephraimsthor hielt, Die Moslemen nennen Ddiefes Thor Bab es- Subat, oder Bab us sitti Mariam, nad) dem Namen der heiligen Jungfrau, deren Grabmal fib in der Nähe deffelben befindet; in der arabifchen Inſchrift hingegen, welche man an dem Thore Tieft, wird es das Thor Des Wetteifers*) genannt. Es nimmt die Stelle des alten Schafthores ein**) und wurde durch die venetianifchen Kreuzfahrer wiederhergeftellt, Daher man nod) heute die vier Löwen fehen fann. Sekt man den Weg weiter fort, fo gelangt man an das zugemanerte goldene Thor, weldes diefen Namen von den Kreuzrittern erhielt; die Moslemen nennen es Bab ul daharie, d. i. das ewige Thor. Nahe diefem war bei der. Ede des Morija, an der Biegung nad) Weſten, das Roßthor. Diefe Ede ift das öftliche Roßthor, welches Jeremias erwähnt***). An der füdlihen Mauer, Siloah gegenüber, fieht man das erft in neuerer Zeit zugemauerte Thor Mograbi, d. i. das Miftthor Nebe- mia's (Porta sterquilinaria); hier ift ebenfalls ein Fleines Pförtchen gelaffen, durch welches nur die Be- wohner der Mofchee Omar's gehen, Es führt in ein Blumengärtchen, das zur Mofchee gehört. In der Nähe des Miftthores war das Wafferthor, wahrſcheinlich über dem Quell Siloah, am äußerften Ende des Zion.

*) Quaresm. Il. 52. *) Nehem. 3, 1. 32; 12, 39. Ev. Joh. 5, 2. ***) Jos. Antiqu. jud. IX., 7, 3,

Allgemeiner Ueberblick über Jerufalem. 287

Jetzt ift an der Südfeite nur noch das Zionsthor, ges genüber der Moſchee, welche die Stelle des Haufes eins nimmt, in welchen das heilige Abendmahl eingefeßt wurde. Die Moslemen nennen e8 Bab ul nebi Daüd, Thor des Propheten David. Wir müffen aber ges ftehen, daß die Stelle des alten Thores nur mutbmaß- lich angegeben werden fanı.

Um Serufalen zu umgehen, braucht mun etwas mehr als eine Stunde; der Iimfang um die Mauern beträgt etwa vier Kilometer, am Zuße der Berge jedod) it der Weg bedeutend länger. Zu Sofephus Zeiten hatte die Stadt 33 Stadien im Umfange, d. i. S1/s Kilometer. Damals lag Zion noch innerbalb der Stadt, und es iſt fehr glaublich, Daß diefe fid) nördlich bis zu den Gräbern der Richter ausdehnte, denn Die jegigen Mauern gewähren durchaus feinen binlängli- ben Schuß gegen eine feindliche Belagerung. Nehmen wir jedoch) au, daß Jeruſalem ſich bis Dorthin erftredte, an dem Wege nad Damaskus entlang, fo erblidt man dort ein Thal, das fich mit dem Bette des Kidron ver: einigt, welcher hier entfpringt.

Diefen ganzen verödeten Theil Zerufalems nahm die Borftadt Bezetha ein, welche auch Caenopolis ge⸗ nannt wurde, und von der Mauer Aagrippa’s ungeben war. Man findet hier noch Fundamente und unterir- difhe Wölbungen alter Gebäude. Als ich fpäter den Plan Catterwood's fah, fand ich, daß diefer im Ganzen meine Anſicht theilt, Doc) jeßt er Die Grenze der Stadt

288 Dreiuntzwanzigftes Kapitel.

nicht ganz fo weit hinaus. Serufalem liegt unter 430 21° öftl. 8. und 310 47’ 46” n.B. Die Zahl der Einwohner ift fehwer zu beſtimmen, weil ‚die Mos⸗ lemen keine Volkszählungen veranſtalten, doch kann man kaum annehmen, daß die Stadt mehr als 15,000 Einwohner hat, darıfnter etwa 3000 Chriften, von denen die Mehrzahl einheimifche, die vorzugsweife der griechifchen Kirche angehören; eine geringe Anzahl find Europäer. Die übrigen Einwohner find Quden und Mohammedaner. Serufalem gehört zu dem ‘Bus fchalif Damaskus und wird durch einen Mufellim ver: waltet.

Die Natur um Jeruſalem hat etwas Ernftes ; bleiche Delbäume befleiden nur die nördliche Fläche und den Abhang des Oelbergs. Anı Ende des fiebenzehnten Jahrhunderts wuchfen Dort noch) Apfelfinen- und Eitro: nenbäume*), Die übrige Umgebung ift öde und wie ausgebrannt. Das Thal Siloah ift fo gut wie möglich bebaut und wird Durch zwei Quellen bemäffert; auch das Kidronthal ift im Anfange an einigen Stellen bebaut. Der dürftige Quell Siloah und der in mehrere Arme getheilte Gihon fcheinen den ganzen Waflerreichthum Serufalems zu bilden. Doch reicht Diefer nicht hin, und jedes Haus hat Daher eine Eifterne zur Aufbewah⸗ rung des Negenwaflers. Die Regenzeit beginnt im Detober und Die an Regen reichften Monate find November und Februar. Gewitter giebt es hier

*) Gröden, S. 191.

Allgemeiner Ueberblick über Jerufalem. 289

mr im Winter, im Sommer find fte fehr felten. Jeru— ſalem wird auch durch verichiedene Wafferleitungen mit Waffer verforgt, von denen wir unten fprechen werden.

Noroff's Reife nach Baläftina. 19

Dierundzwanzigstes Bapitel. Bethlehem.

Und wies fie nad) Bethlehem... .. und fiehe, der Stern, ten fie im Mor» genlande gefeben hatten, ging vor ihnen bin, bis daß erfam und fland oben über, da das Kindlein war.

Ev. Matth. 2,8. 9.

Längſt Schon fehnte fi) mein Herz, den Ort zu bes grüßen, wo der Erlöfer der Welt geboren ward. Beth: Iehem liegt zwei Stunden weftlich von Serufalem. Wir ritten durch das Saffa= oder Bethlehemthor, von der Straße nach Zaffa links ab, auf einem fteilen Pfade, der zu dem unteren Gihonteihe führt. Die Höhe, rechts von diefem Wege, wird St. Georgshöhe genannt, weil der heilige Georg hier enthanptet wurde*. Wir bogen hier ab, um die Kapelle des heiligen Märtyrers zu befuchen, an deren Stelle früher ein Klofter ſtand. Hier zeigt man eine Kette, mit welcher der heilige Mär-

*) L. Allatii Symmikta, p. 96.

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Bethlehem. 291

tyrer gefefjelt war, fie foll die Kraft befißen, Wahnſin⸗ nige zu heilen. Bon hier gingen wir nad) dem Berge des böfen Raths, der gerade gegenüberliegt. Bon dort führt Der Weg in einer Ebene hin, die links vom Berge des böfen Raths, rechts von den Bergen Judän’s be grenzt ift, gerade auf Die Höhe des heiligen Elias zu, und über diefe nach Bethlehem. Diefe Fläche, zwiſchen jerufalem und der Höhe Elias, nennt man das Thal Rephaim, oder das Thal der Riefen, welches ſchon im duhe Zofua mit außerordentliher Genauigkeit bes - Ihrieben wird*. Hier fehlug David zmeimal die Philiſter. Mit nicht geringerer Genauigfeit ijt im erften Buche Samuel’s die Stelle bezeichnet, wo David den Riefen Goliath erſchlug**). Das Heer Saul's lagerte auf den Höhen des Berges des böfen Raths und das Heer der Bhilifter am Abhange der judäifchen Gebirge. Awifchen den beiden Heeren lag das Thal Rephaim. Das Thal wurde ſchon vor dem Zweikampf David’s md Goliath's das Riefenthal genannt (die Stelle des Jweilampfs war etwas weiter). Die Kundfchafter, welche Moſes ausfandte, und welche die Nachricht brach⸗ ten, Daß das Lund von Rieſen bewohnt fei, famen bis nahe in diefe Gegend. In den biblifchen Zeiten wuch⸗ fen im Thale Rephaiın viele Terebinthen, deshalb wird es auch das Terebinthenthal, oder der Eichgrund ge- nannt, fpäter waren Weinberge hier, jebt iſt es verödet.

*) Joſua 15, 8. *) 4. Zamud 17, 2. 3. 19*

292 Vierundzwanzigftes Kapitel.

Am Wege ficht man viele verfallene Mauern, Thürme und Säulen, die zu den ehemaligen Weinbergen ge- hörten, wie wir im Evangelium leſen ). Einer von diefen Thürmen wird das Haus Simon’s genannt. Unweit des Weges zeigt man eine Terebinthe, unter welcher Maria mit dem Sefusfinde zu ruhen pflegte, wenn fie von Bethlehem nad) Serufalem ging. Diefer Baum fteht bei den Arabern in hoher Achtung.

Unweit der Höhe des Elins und am Fuße derfelben ſieht man, rechts vom Wege, einen Brunnen von alter Bauart, mit einem Zroge. Dies ift der Brunnen der Magier, bei welchem ihnen der Stern wieder erfchien, der fie nach Bethlehem führte, nachdem fie bier ihre Kameele getränkt hatten. Nach Den Ueberreften zu ur- theilen, muß diefer Brunnen einmal mit reichen ardhi- teftonifchen Verzierungen geſchmückt gewefen fein, und Manche glaubten fogar, daß hier eine Kirche geftanden habe. Die Araber machen hier Halt, um von dem heili- gen Wafler zu trinken. Wenn man die Höhe erreicht hat, erblift man in nicht zu großer Entfernung das Klofter des heiligen Elias; rechts, am Abhange des Berges, zeigt man die Trümmer des Haufes Habafuf’s, wo einft ein bedeutendes Klofter ftand **) Die Araber nennen dieſe Stelle Bab-Elie. Bon hier führte der Engel den Propheten Habafuf nad Babylon, in die Löwengrube zu Daniel, um diefem Speife zu bringen. Dem Klofter

*) Ev. Matth. 21, 33. **, Bonifacius, S. 300.

Bethlehem. 293

des Elias gerade gegenüber, welches links vom Wege fteht, zeigt man an dem Brunnen einen Stein, auf wel: dem der Prophet Elias oft ausruhte. Die Wohnung des Propheten ftand an derfelben Stelle, welche jet das Klofter einnimmt.

Bald nachdem man Diefes Klofter hinter fih hat, ſieht man das gefegnete Bethlehem. Wie viele frohe und innige Gebete entftrömen dem Munde des Pilgers, welche feierliche Stimmung erfüllt das Herz des Chriſten bei dem Anblicke dieſes gefegneten Ortes, wo der Schöpfer der Welt felbit ſich mit unzertrenn⸗ lihen Banden dem ſchwachen Menfchengeichlechte vers band, indem er feine Hülle annahm; und wir follten unfere hohe Beſtimmung nicht fühlen ? Sollten nicht fühlen, welchen hohen Rang unfer Planet in der Reihe der Welten einnimmt? „Und du Bethlehem im jüdiſchen Lande, bift mit nichten die Fleinfte unter den Fürſten Juda; denn aus dir ſoll mirkommen der Herzog, der über mein Volk Iſraelein Herr ſei“*.

Bethlehem liegt auf einem Bergrücken; ein großes befeſtigtes Gebäude überragt den Flecken. Im Hinter— grunde zeichnet ſich am Horizont ein Berg ab, der Die Geſtalt eines abgeitumpften Kegels hat; man nennt ihn den Berg der Franken, feit die Kreuzfahrer hier an der Stelle des alten Herodium eine Befeftigung an—

Ev. Matth. 2,6. Micha 5, 2.

994 Bieruntzwanzigited Kapitel.

legten, die ihnen lange als Schuß gegen die Ungläubigen diente*). Die hriftlichen Krieger, welche die Beſatzung dieſer Zeitung bildeten, flüchteten in das Gebirge Liba- non und ließen fi dort nieder. Ihre Nachkommen bilden einen Theil der Maroniten, die fi) zur römi- fhen Kirche befennen. Zur linken Ceite fieht man durch eine Schlucht Die wilden Gebirge des todten Meeres; rechts ift der Berg von Bethlehem, der mit dem judäifchen Gebirge zufammenbängt. Dies ift der erfte Anblick Bethlehems. Wir ritten den Abhang hinab, an einer Kapelle der Moslemen, rechts am Wege, vorüber, welche das Grab der Rahel bededt; unweit diefer zeigt man Ueberrefte vom Haufe des Patriarchen Jacob. Weiterhin im Thale fieht man die Ruinen des alten Rama und hinter diefen am Abhange des Berges ein arabifches Dorf, welches den Namen des zerftörten Rama angenommen hat. Die Namen Rahel und Rama erwedten in mir traurige Gedanken an den bethle- hemitifchen Kindermord und ich befchleunigte meine Schritte, um Bethlehem fehneller zu erreichen. Als wir den Berg hinanritten, blieb uns zur Zinfen der Berg David’s, wo deffen Haus ftand. Die arabifchen Be⸗ wohner Bethlehems find faft durchgängig Ehriften, und fie begrüßten ung freundlich, als wir in das Städtchen einritten. Mein Dragoman Zafub war in Bethlehem geboren und hatte hier feine Verwandten. Unwillfürlid

*) Joseph. Antiq. XV, 9. 4. De bello Judaico 1, 21, 10. II, 9. 5. Gotovicus 196. Fürer 68. E. Robinfon I, 173.

Bethlehem. 295

muß man die ftolze Haltung der Einwohner Bethlehems bemerfen.

Bald befanden wir uns vor den hohen und feften Mauern des Klofters, das fich wie eine Feſtung aus- nimmt. Der griechifche Abt nahm mich gaftfreundlich auf und nad) den erften Begrüßungen eilte ich zum Heiligthume.

Der Stern, welcher unjere Erlöfung verfündete, blieb über der heiligen Stelle unferer Erde ftehen, die mit dieſem Gebäude bededt ift, fo dachte ich, als ich im Innern erregt dem Tempel Bethlehbems nahete. Wir traten durch eine Seitentbür ein, welche gerade zum Hanptaltar führt. Die Kirche erinnert an einen alten zömifhen Dom. Der Hauptaltar fteht gerade über der Höhle, .wo Ehriftus geboren wurde; von beiden Seiten des Altars führen fünfzehn Marmorftufen in die unter: irdifche Kirche. Unbefchreiblich find die Gefühle, welche das Herz beim Eintritt in das geheimnißvolle Dunkel dieſes Heiligthums erfüllen. Bevor ich in der Finfter- niß Etwas unterfcheiden konnte, fiel ich auf meine Knie nieder, gerade gegenüber dem durch brennende Kerzen erleuchteten filbernen Sterne, der die Stelle der Geburt des Erlöſers bezeichnet. Nachdem ich mein Danfgebet für meine und der Menfchheit Erlöfung gefprochen, las ih die Iateinifche Snfchrift, welche unter dem Sterne glänzt: „Hic de virgine Maria Jesus Christus natus est“, (Hier ift Jeſus Chriftus von der Jungfrau Maria geboren.) Diefe Stelle ift in einer halbrunden Nifhe. Der Zußboden,. ebenfalls halbrund, ift mit

296 Vicrundzwanzigũces Karitd.

ſechszehn koſtbaren Leuchtern geſchmückt; eine Marmors platte Dient als Altar, an dem Die Liturgie gelefen wird. An der Riſche über dem Altar ftellen die Grie⸗ hen und Katholiken abmechielnd ein Bild auf, welches die Geburt Ehriiti daritellt. Die Band der Geburts⸗ fapelle war uriprünglic mit Mofaifbildern gefchmüdt, dieſe find jedoch fait gänzlich verihmunden und man fann von der Inſchrift nur noch das Wort Dominus leſen. Sechs mäßig große Bilder von byyzantinifcher Malerei, in Rahmen eingefaßt, find über dem Altar in einer Reibe aufgeitellt.

Einige Schritte rückwärts von der Höhle der Ge: burt Ehrijti fieht man zur Rechten eine andere Höhle, in welche drei Stufen binabführen. Hier fand die Krippe, hier Ichlief das Kind, deflen Thron der Himmel und deſſen Zußichemel die Erde ift*), und dem zuerft die Magier und die Hirten, die Weisheit und die Ein- falt huldigten. Die Krippe ift aus natürlichem Stein gehauen, denn in Judäa war das Holz foftbar;z fie hat das Anfehen eines länglichen Kaftend und tft mit weis Bem Marmor belegt. Die Krippe ift ebenfalls mit Zeuchtern geſchmückt, wie Die Höhle der Geburt, und dient als Altar, an dem die Liturgie gelefen wird. Das Altargemälde von Jacob Balma ftellt die Anbetung der Hirten vor. : Gerade gegenüber der Krippe tft in Ders felben Höhle ein anderer Altar errichtet, an der Stelle, wo die heilige Jungfrau mit dem Kinde auf den Armen

) Jeſaias 66, 1.

Bethlehem. 297

die Anbetung der. Magier annahm. Die Wände der Höhle find, ebenfo wie die der Geburtshöhle, mit reichen Stoffen behängt und zu beiden Seiten hängen am Ges wölbe eine zahlloſe Menge goldener und filberner Lampen. Das ganze Gewölbe ift 39 Zuß lang und 11 Zuß breit. Chemals waren die Wände der Höhle mit byzantiniſchem Moſaik gefhmüdt. Die Stätte, wo der Heiland geboren ward, tft im Evangelium des heiligen Lucas beichrieben*). Cine Höhle nahm ihn auf bei feiner Geburt, eine Höhle barg ihn nad) feinem Tode, bis zur Anferftehung ! Paläftina hat fait durchaus einen fteinigen Boden, Die Höhlen bildeten daher oft Theile der Wohnungen ; Durch Anhäufung des Bodens im Laufe der Jahrhun⸗ Derte liegen fie aber jest oft um Vieles tiefer als urs Tprünglih, und fo finden wir neben der Höhle der Geburt nod eine Menge joldyer Grotten. Aus der Heiligen Höhle tritt man zunächſt in die, weldye dem beiligen Sofeph als Wohnung diente. Hier it eben- valls ein Altar errichtet. Hinter dieſer ift eine Höhle, tn welcher viele von den gemordeten Kindern beerdigt ſind, deren Gebeine hinter einen eifernen Gitter auf bewahrt werden. Die friedliche Krippe des himmli— Then Kindes hat fie unter ihren Schuß genommen. Rechts von hier führt eine Treppe zu der katholiſchen Kirche der heiligen Katharina hinauf, Links gelangt man durch einen ſchmalen Gang zu dem Grabmale des Abtes

*) Ev. Luc. 2.

298 Dierundzwanzigites Kapitel.

Eufebius von Cremona, eines Schülers des heiligen Hieronymus, Die hierauf folgende Höhle birgt das Grab des heiligen Hieronymus und zweier feiner Schü- lerinnen, der heiligen Baula und ihrer Zochter Eufto- chium. Sn einer Reihe mit Diefer befindet fi noch eine größere, in welche das Kicht durch ein Fenſter fällt; diefes ift Die Zelle des heiligen Hieronymus, in welcher er zweimal das Alte Teftament in das Lateiniſche über: feßte, zuerit aus der griedyiichen Heberfeßung und dann aus dem hebräifchen Texte, Das Altargemälde zeigt ihn uns mit diefer Arbeit befchäftigt. Das Andenken an den heiligen Hieronymus, der 400 Jahre nad) Ehrifti Geburt lebte, ift für Die Gefchichte der hriftlichen Kirche foftbar. rleuchtet durch die Strahlen des Glaubens verließ er den Glanz und die Ehren Roms, um fie mit den wilden Einöden PBaläftina’s zu vertaufchen, und richtete endlich feine Zelle in unmittelbarer Nähe der Höhle ein, in welcher der Erlöfer das Licht dieſer Welt erblidte. Der Ruhm feiner Tugend zog viele Schüler und Einfiedler in feine Nähe und drang bis in feine Heimath, Der Gefchichtsfchreiber Sulpitius Severus befuchte ihn, und verweilte ein halbes Jahr in feiner Nühe*). Als Hieronymus auf Einladung des Pabſtes einmal nad) Rom fam, war, nad) den himmlifchen Ge- fihten, Die er in feiner Einfamfeit gefehen, Nichts im Stande, fein Herz der Größe und Pracht der Hauptitadt wieder zuzumenden, und er eilte wieder zurüd in die

*) Sulpit. Sever. Dial. I, $. 4.

Bethlehem. 299

Höhle, wo er Rettung feiner Seele gefunden. Die Rö⸗ merin Paula und ihre Tochter Euftochium, die ihm durch Kreundfchaft verbunden waren und aus dem be- rühmten Geſchlecht der Gracchen und Scipionen flamm- ten, folgten ihm nach Paläſtina und fchloffen fi, nach— dem fie zu den heiligen Stätten gepilgert, in die unterirdifche Wohnung in Bethlehem ein. Hier wid- meten fie alle ihre Sorge den Armen und Einfiedlern und gingen, von dem heiligen Manne befehrt, zur Ewigfeit ein. Ein rührendes Bild der Mutter und Tochter fehmücdt ihr gemeinfames Grab. Der heilige Hieronymus felbft hat die Anfchrift auf ihr Grab ge- ſchrieben; er ſtarb hier im zweiundachtzigſten Jahre feines Lebens. Sein Leichnam wurde fpäter nad Rom gebracht. Sein immerwährender Kampf mit den Ge- danken der Welt drückt fich in einem feiner Briefe fehr deutlich aus; am fchwerften wurde es ihm, die alten Elaffifer aufzugeben, zu denen er von Jugend auf eine befondere Zuneigung hatte, Seine Iehrreichen Ges ftändniffe find tröftend für den von VBerführungen um: gebenen Menfchen. „Ich will Dir erzählen von meinem Unglück“, ſchreibt er an Euftohium*), „als ich vor einigen Jahren, um der Güter des Himmels willen, das väterliche Haus, Verwandte und Freunde, und was noch fehwerer war, das Wohlleben verließ, erreichte ich nad) fortwährenden Kämpfen Zerufalem. Sch Fonnte mich nicht von meinen Büchern trennen, die ich mit vieler

*) Ad Eustoch. de Virginit.

300 Vierundzwanzigſtes Kapitel.

Mühe erworben hatte; ich faftete, nachdem ich Eicero gelejen hatte. Nach einer fchlaflofen Nacht, nad) vielen Thränen, die meinem Herzen entquollen, aus Reue über meine Sünden, nahm ich Blato zur Hand. Als ich jedoch zu mir felbft zurüdfehrte, fing ich an Die Pro⸗ pheten zu lefen, deren Styl mir fchredlich ungebildet und unangenehm fehten, und obgleich meine Augen fait blind waren und ic) fein Licht fahe, gab ich doch nicht meinen Augen die Schuld, fondern der Sonne. Wäh- rend fo die alte Schlange mich täufchte, wurde ih in der Mitte der vierzig Tage am Fieber frank, fo daß id) die Ruhe ganz verlgr und nur noch Haut meine Kno⸗ hen bededte. Sch fah Schon mein Ende vor Augen, ſchon war mein Körper faft erfaltet und nur im Herzen. hatte ich noch Wärme. Da wurde plößlich mein Geift vor den Richterftuhl des Höchiten getragen, wo folches Licht, ſolcher Glanz ftrahlte, daß ich mich niederwarf und nicht aufzufehen wagte. Auf die Frage, wer ic) fei, antwortete id, ein Ehrift. Du lügft, war Die Antwort des höchiten Richters, du bift ein Schiiler des Cicero’, nicht ein Jünger Chriſti; wo dein Schag ift, Da ift dein Herz. Ich verftummte unter den ftarfen Schlägen des Gewiffens, die fchredlicher find als das Feuer, ich litt, indem ich mir den Vers zurief: „Hölle, wer wird dir befennen.“ Ic) fing an zu rufen: „Herr vergieb mir, vergieb mir Herr!““

Nach diefem Geficht entfagte Hieronymus ganz der Welt und widmete fid) allein der Erfenntniß des Wor⸗ tes Gottes. Che er nad Bethlehem fam, butte er ſich

Bethlehem. 301

in der Wüſte zwiſchen Bethlehem und dem todten Meere zum Einſiedlerleben vorbereitet. Er kämpfte unermüd— lich mit dem verführeriſchen Andenken an Rom, und endlich, nachdem er ſein Fleiſch getödtet, kehrte er, heller an Geiſt, in die gebenedeite Höhle in Bethlehem zurück.

Fünfundzwanzigstts Kapitel. Bethlehem und der Rückweg nach Jeruſalem.

Und du Bethlehem Ephrata, die du klein biſt unter den Tauſenden in Juda, aus dir ſoll mir der kommen, der in Iſrael Herr ſei, welches Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her geweſen iſt.

| Micha 5,1.

Die Kirche zu Bethlehem tft über der Höhle der Geburt des Erlöfers erbaut und gehört, wie man vers muthet, der Zeit Auftinian’s an, obgleich Eufebius ihre Erbauung in die Zeit Conſtantin's feßt. Die ers ften Chriften hatten ſchon eine Fleine Kirche an Diefer heiligen Stelle, deren Gründung man dem einen der hei- ligen drei Könige oder Magier zufchrieb. Es ift befannt, daß der Kaifer Hudrian, aus Haß gegen die Ehriften, hier dem Adonis und der Venus einen Tempel erbaute und den Juden verbot, in Serufalem und Bethlehem zu wohnen, Bemerfenswerth ift, daß jegt in Bethle- hem gar feine Juden wohnen, Zertullian fagt in Bezug hierauf treffend: „Wie erwartet ihr jebt einen

Bethlehem und der Ruͤckweg nach Ierufalem. 303

Meffias aus Bethlehem, da dort nicht Einer vom Sas men Iſraels wohnt?"*) Die heilige Helena ließ die Gögen Hadrian’s niederwerfen und gründete eine Kirche über der Höhle der Geburt des Erlöſers**). Die Kirche zu Bethlehem tft der heiligen Jungfrau geweiht; fie ift in derfelben Weife gebaut, wie die Kirche der Darftellung Jeſu im Tempel, jebt die Mofchee el⸗Akſa, nämlich in Geftalt eines Kreuzes. Die Facade hat ſehr fchmale Thüren, die gewiß urfprünglich nicht ſo waren, Quaresmius, der 1630 fchrieb, fpricht von fehr großen, meifterhaft ausgeführten, aber fehon morfchen Thüren. Man erzählte mir, daß die alten Thüren zus gemauert und ftatt deren Eleinere angebracht worden feien, theils um vor den Ueberfällen der Araber ficherer zu fein, theils um zu verhindern, Daß diefe ihre Thiere mit in den Zempel bringen. Das Schiff der Kirche bat an jeder Seite eine Reihe von zehn Forinthifchen Säulen, deren urfprünglich zwölf waren; Die beiden (Endfäulen find jedoch jegt mit der Mauer verbuns den". Die Säulen waren einft bemalt, wie in uns feren alten Kirchen, und an einigen fiebt man noch Abbildungen von Heiligen. Die Dede der Kirche ift der der St. Paulsfirche bei Rom ähnlich, die ich vor dem Brande gefehen habe; fie befteht aus Balken von Gedern des Libanon. Die Wände waren mit Marmor

®) Advers. Jud. **) Euseb. Vita Const. III, 40. ") Die Zäulen find 18 Fuß boch und 21/, Fuß Did.

Noah » *

304 Fünfundzwanzigſtes Kapitel.

und Moſaik bedeckt, von denen ſich jedoch nur noch geringe Ueberreſte erhalten haben. Der Marmor wurde von den Mohammedanern weggenommen, theils zum Schmuck des Palaſtes der Khalifen in Kairo*), theils zur Ber: zierung der Mofchee Omar's in Zerufalem, obgleid Dmar nah der Einnahme von Serufalem felbft nad Bethlehem ging, um der Geburtsitätte des Herrn feine Ehrfurcht zu erweifen, und den Arabern nur einzeln hierher zu fommen erlaubte**). Der Fußboden war . ebenfalls von Marmor, der ſich an einigen Stellen noch erhalten hat, zum größern Theile aber durch gewöhn- liche Steinplatten erfeßt ift. An derrechten Seite fteht zwifchen der zweiten Säulenreihe und der Band ein altes Taufbeden, es ift achtedig und von weißem Marmor und war früher von Säulen umgeben. Man fleht daran eine griechifche Infchrift:

„Zum Andenken und der Beruhigung und Vergebung Der Eünden. w.». ı. Gott find diefe Namen bekannt.“

Der Altar bildet den oberen Theil des Kreuzes der Kirche, welches an den Eden abgerundet ift. Die Wand der Heiligenbilder befteht aus Arkaden. Zu dem Hauptaltar, der der Geburt Chriſti geweiht ift, und der den Griechen gehört, führen einige Stufen hinauf. Von beiden Seiten des Altar, gegenüber den Treppen, die zur Höhle der Geburt hinabführen, find zwei Altäre;

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*) Baumgarten 2, 5. *) Elmacin hist. Sarac., p. 33.

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Bethlehem und ver Rückweg nad) Jerufalen. 305

er eine ift der Befchneidung des Erlöfers, der andere m heiligen drei Königen geweiht. Die Mofaikarbeit i den Wänden des Hauptaltars ift an vielen Stellen sch ziemlich gut erhalten. Der Gegenftind der Ab- [dungen ift aus dem Neuen Teitament und der Gefchichte 7 Kirchenverfammlungen gewählt; fie zeigen die Ver: mdigung Mariä, Die Geburt Ehrifti, die Darftellung ı Zempel, den Einzug in Jeruſalem, Die Verklärung ıd die Himmelfahrt. Nahe dem Bilde der Darftel: ng im Tempel fieht man Ueberrefte einer griechifchen nfchrift, welche den Namen des Künftlers Ephrem, ad Die Zeit, zu welcher Das Kunstwerk vollendet wurde 1169), angiebt. Die Inſchrift hat ſchon Quaresmius ollſtändig mitgetheilt. An der Thüre der Kirche finder ch eine noch ältere arabifche Inichrift, in welcher die eit der Erbauung der alten Thüre angegeben if. Zu emerfen find auch die griechifchen Moſaikinſchriften, in enen alle Kirchenverfanunlungen verzeichnet find, welche ier gehalten wurden. Es find zwölf Infchriften, Die etzte in lateinifcher Sprache ; Quaresmius hat fie ſämmt— ih abgefchrieben,

Nur in Bethlehem habe id) eine wirfliche Brüder- ihfeit zwifchen den Mönchen der griechifchen und der ateinifchen Kirche gefeben; diefelbe Briüderlichfeit der beiden Kirchen rühmt auch Bonifacius im fechszehn- ten Jahrhundert*). Außer der Kirche tft noch Das lange Gebäude bemerfenswerth, welches fich rechts am

*) Bonifaecius, p. 6. Noroff's Reiſe nad) Baläftina. 20

306 Fünfuntzwanzigftes Kapitel.

Eingange der Kircdye findet. Es wird die Schule des heiligen Hieronymus genannt. Das Dach deffelben ruht auf vier Säulen. Die Stelle, wo die Einfiedler und Schüler des heiligen Hieronymus ſich verfammelten, um feine Reden zu hören, ift in einen Stall verwandelt, und fo war es ſchon im fünfzehnten Jahrhundert *). Die Bifchöfe Eugarius und Paulinus von Antiochien befuchten oft den bethlehemitifchen Einfiedler. Diefes Gebäude ift wahrfcheinfih von Paula und Euſtochium gegründet, wie mehrere Klöjter in Bethlehem und der Umgegend. Das Refectorium war zur Zeit des heilis gen Hieronpmus auf der linfen Seite der Kirche, neben dem jeßigen Nefectorium der Katholiken; jebt ift daf- Telbe ganz verfallen. Vor der Kirche, auf einer etwas gefenfkten Plattform, fieht man drei mit Marmor be legte Brunnen, welche faft gunz Bethlehem mit Waffer verforgen. Die den Griechen allein gehörige Kirche jtößt rechts an den Hauptaltar der großen Kirche, neben derfelben befindet fich ein Thurm, der feit langer Zeit den griechifchen Mönchen als Wohnung dient. Bethlehem, die Vaterftadt David’s, wurde auch Die irdifhe Vuterftadt des Sohnes Gottes, Der Name bedeutet Haus des Brodes, denn bier erjchien das lebendige Brod, wie der Erlöfer von ſich felbft fagte: „Ich bin das lebendige Brod, vom Himmel gefon- men**).“ Bethlehem war von den Nachkommen

*) Quaresmius II, p. 643. *) Ev. Joh. 6, $1. Joan. Chrysost. Homil. 49 in Matth.

Bethlehem und der Ruͤckweg nad) Ierufalem. 307

Salma’s*) bevölfert und wurde aud) Ephrata, Die fruchtbare, genannt, wie man glaubt, nad) dem Namen der Frau des Kaleb**). Der Name Ephrata hat fi in dem Namen des Dorfes Ephrata erhalten, welches nahe bei Bethlehem Liegt, und von dem wir unten Iprechen werden. Zuweilen nannte man Bethlehem auch Das Haus David’s. Einige Traditionen fagen fogar, daß an der Stelle, wo der Heiland geboren wurde, einft das Haus Iſai's, des Vaters David’s, fand, in welchem David geboren wurde ***), Beth: lehem hat aud) den Beinamen „Das jüdifche” zum Un: terfchtede von einer Stadt defjelben Namens im Stamm Sebulon. Rehabeam befeftigte die Stadt. Die rüh— tenden Scenen, welhe im Buche Ruth; gefchildert werden, ereigneten fi auf den Fluren Bethlehems. Die Weiffagung des Propheten Micha r) lenkte die Aufmerkfamfeit der ganzen Welt auf diefen Punkt der Erde, wo der erfte Schinimer unferer Erlöfung leuchtete. Auf Grund diefer Weiffagung antworteten die Hohen- priefter und Schriftgelehrten Serufalems dem beftürzten Herodes auf die Frage, wo der Meffias folle geboren werden „zu Bethlehem im jüdischen Lande “. Zur Zeit des heiligen Hieronymus zeigte man hier das Grab des Archelaus, des Sohnes Herodes’. Hieronymus

*) 4. Chron. 2, 31. *) ibid. V. 19. ) Kürer, ©. 68.

+) Micha 5, 2. 3. 4. 20*

308 Fünfundzwanzigftes Kapitel.

giebt die Stelle deffelben an“), „am Anfange des Weges, welcher von feiner Zelle nach der großen Straße führte”, In Bethlehem wurde auch der Evangeliit Matthäus geboren. Das Städtchen zählt jet gegen viertehalbtaufend Einwohner, unter denen faum hun— dert Mohammedaner, Die Uebrigen befennen fich alle zur griechifchen oder römifch = fatholifchen Kirche, doch find die des griechifchen Befenntniffes in der Mehrzahl; die Zahl der Armenier ift unbedeutend, Die Bewohner Bethlehems find ftolz auf den Namen Ehriften und verachten die Mohammedaner. Sie leifteten den Waf— fen Shrahim’s einen tapfern und langen Widerftand, und als fie endlich der Uebermadht weichen mußten, zogen jie mit ihren Heerden in die arabifchen Gebirge jenfeit des todten Meeres. Ibrahim zerftörte ihre Hänfer und verbrannte die hundertjährigen Oliven: wälder. Das einträglichfte Gewerbe der Bemohner Bethlehems befteht in der Verfertigung von Rojen- fränzen und Heiligenbildern aus Perlmutter, und fie bilden ziemlich gefchieft Die Bilder nach, welche fie in den Kirchen Paläftinas jehen. Die hiefigen Araber begrüßen die europäiſchen Pilger oft in griechiicher oder italienifcher Sprache, mit Redensarten, die fie von den Mönchen hören. Eine genauere Befchreibung Bethlehens behalte ich mir für Die Erzählung meines zweiten Beſuchs vor.

Auf demfelben Wege, auf dem ich hergefommen,

*) De locis hebr.

Bethlehem und der Rückweg nach Ierufalem. 309

fehrte ich nach Jeruſalem zurüd, Gerade gegenüber Bethlehem, jenfeit einer Schlucht, ift der Berg David's, der ehemals zu Bethlehem gehörte. Man ficht dort die Ueberreſte eines alten Gebäudes und einen tiefen Brunnen. Der Abt Daniel nennt diefen Ort Bithar*). Es ift Die Stelle, mo David, als die PBhilifter ihn um: ringten und belagern wollten, eine Zuflucht fand. Der Brunnen fteht bei allen Bewohnern Bethlehems in großen Ehren und iſt nod) derfelbe, aus welchem David trank, als ihn die Philiſter bedrängten, weldye theils in Bethlehem, theils im Thale Rephaim lagerten **), Geht man auf dem Wege nad) Serufalem hinab und dann die erjte Anhöhe wieder hinauf, fo fieht man links vom Wege Das Denkmal der Rahel, Das naheltegende Dorf Rama erinnert an die herzzerreißenden Worte der Schrift: „Rahel beweinete ihre Kinder und wollte fich nicht tröften laffen ***) "

Obgleich dieſes Monument unverkennbar erft aus neuerer Zeit und mohanımedanifchen Urfprungs ift, fo läßt ſich doch mit Sicherheit annehmen, Daß es auf den Trümmern des alten Denkmals ſteht. Diefe Annahme iſt auch durch Jahrhunderte beftätigt, und nicht minder durch die Worte der Schrift: „Rahel ward begraben an dem Wege gen Ephrath, die nun heißet Bethlehen. Und Sacob richtete ein Mal auf über ihrem Grabe,

——

*) Reland 640. *") 2. Samuel 23, 15 17. ») Ev. Matth. 2, 18.

310 Fünfundzwanzigites Kapitel.

Daſſelbe ift das Grabmal Rahel’s, bis auf diefen Tag*)* Ohne befondere Gründe darf man feine Tradition Paläftinas verwerfen. Der Araber aus Bethlehem, welcher mich begleitete, erinnerte mich in feiner einfachen Erzählung daran, Daß Rahel aus Haus tan gefommen war; Dies ift der heutige Name von Harran in Mefopotanten.

Das Denkmal der Rahel bat das Anfehen einer gewöhnlichen mohammedaniichen Kapelle. Den Schlül- fel dazu hat ein Derwifch in Berwahrung, man fann jedoch durch ein Fenfter in den inneren Raum des Ge: baudes jehen, in welchem ein Stein fteht, der Das Aus: fehen einer vieredigen Säule hat und fuft bis an die Dede reicht. Vielleicht ift Diefer Stein felbft das alte Denkmal. Rings um das Monument liegen Die Ueber: tete einer Mauer und eines Gebäudes von großen Steinen.

Rama ift nicht Ramathaim, die Geburtsftadt des Propheten Sumuel, wie manche Reifende vermutben; diefe, Ramathaim Zophim, lag im Stamme Ephraim. Ein anderes Rama lag im Stamme Naphtali**),

Geht man auf dem Wege nad Jerufalem weiter, fo kommt man, etwa dreiviertel Stunden Weges von Bethlehem, an eine öde Stelle, die rechts vom Wege liegt, wo man runde Steinchen findet, die Aehnlichkeit mit Fleinen verfteinerten Münzen haben. Einer Zra

*) 4. Mof. 33, 19. 20. .**) Joſ. 19, 36.

Bethlehem und der Rüdweg nady Jeruſalem. 311

dition zufolge foll der Heiland, als er einmal von Bethlehem nad) Jeruſalem ging, Die Arbeiter auf dem Zelde gefragt haben, was fie füeten? Steine, ant- worteten fie. „Wer Steine füet, wird auch Steine ernten,“ entgegnete Jeſus, und die gefüeten Erben wurden zu Steinen. Die Stelle hat nur etwa fünf Klafter ins Gevierte, uber obgleich jeder Pilger eine Handvoll diefer Steine mitnimmt, fo nehmen fie doch nie ein Ende*).

Gegenüber diefem Steinfelde, links vom Wege, ift eine Anhöhe, welche man den Berg des Patriarchen Jacob nennt, und noch weiterhin, ebenfalls zur Linken, liegt ein ausgehöhlter Stein von eigenthiimlicher Ge- ftalt. Die Borübergehenden, beſonders grauen, gehen oft dorthin, vom Wege ab, um daſelbſt zu beten. Man fügt, daß bier Maria oft mit dem Jeſuskinde geruht babe. Sch habe nur in der Reifebejchreibung des Abts Daniel eine Erwähnung Diefes Steines gefunden. Wenn man bedenkt, daß Taniel im Anfange des zwölf: ten Jahrhunderts reiite, jo muß man fich wirklich wuns dern, daß der ganz unbefchüßt liegende Stein noch er- halten ift, und es zeigt fich auch bier, mit welcher ‘Pietät man alle Gegenftände betrachtet, die mit der heiligen Schrift in irgend einer Beziehung ftehen. Der Abt Daniel fagt: „Eine Werft vom Grabmale der Rabel fieg die heilige Jungfrau von ihrem Eifel ab, weil fie fühlte, daß ihre Zeit nahe fei. Hier Tiegt ein

*) Marin. Sanut., p. 258. Gotov. 245 ff. Mocquet in der teutichen Ueberſetzung. Gröben, S. 260. Brocard S. 77. .

312 Fünfundzwanzigites Kapitel.

Stein, auf dieſem ruhte fie aus und ging danıı zu Fuß bis zu der Höhle, wo fie den Heiland gebar*)“. Mir jcheint der Stein zu irgend einem alten. Badehaufe gehört zu haben, und Nichts weiter zu fein, als eine Badewanne. Er liegt halb in den Boden verfunfen, ift drei Ellen lang und zwei Ellen breit und eben jo hoch. An beiden Enden, oben und unten, ift ein Sig ausgehauen, und: auf dem Boden ift ein rundes Loch, wahrfcheinlih, Damit Das Waſſer ablaufen fonnte, Wenn man von Serufalem auf dem geraden Wege nad) Rama geht, nicht auf der Straße nach Bethlehem, fo . muß man an Diefem Steine vorüber.

Kehrt man auf die Straße zurüd, fo zeigen die Araber einen großen Stein, unter dem fich einige Köcher finden, an welche fie lange und ihrem Hange zum Wun⸗ derbaren entfprechende Erzählungen fnüpfen. Als wir den Brunnen und deu Baum des heiligen Elias er- reichten, lenkten wir unſere Schritte den Klofter zu, das diefem großen Propheten geweiht ift; e8 gehört den Griechen und iſt von fehr alter Bauart, einem viereckigen Eaftell ähnlich. In früheren Jahrhunderten wurden im Orient alle Klöfter: wie Gaftelle gebaut, weil fie nie vor den Ueberfällen der Ungläubigen ficher waren. Das Klofter ift jehr arm, die Ausficht von der Zerrafle aber ift erhebend gegen Welten Bethlehen, gegen Oſten Serufalem. Ein Olivenwäldchen umringt die Mauern des Klofters,

*) Daniel, S. 62.

Bethlehem und der Rücdweg nach Ierufalen. 313

Auf dem Wege zwifchen dem Klofter des heiligen Elias und Jeruſalem, im Thale Rephaim, begegnete ih einer armen arabifchen Familie, Mutter und Tochter; die Letztere, welche in mir einen europäischen Pilger erfannte, fam auf mid zu und rief mit Flagender Stimme Nasara! Nasara! (d. h. wir find Ehriften), wobet fie Das Zeichen des heiligen Kreuzes machte, und Hagte, daß der Scherif ihren Bruder, den einzigen Sohn ihrer Mutter, als Refruten genommen habe. Was fonnte ich dabei thun!! Die Conſcription ift bier überall gefürchtet und gehaßt und an Orten, die weniger widerjpenitig find als Bethlehem und Hebron, flüchtete der größte Theil der Bewohner, bis auf Greife und Frauen, und überall hörte man Wehflagen, weldyes an Die Stimme zu Rama erinnerte: „Euer Land iſt wüfte, eure Städte find mit Feuer verbrannt; Fremde verzehren eure Aecker vor euren Augen *) *.

*) Jeſaias 1, 7.

Sechsundzwanzigstes Aupitel. Die Bergſtadt Juda. Die Wille Johannis,

Maria aber fand auf in den Tagen, und ging auf das Gebirgeendelich, zu der Start Juda. Und kam in das Haus Zacharias, und grüßte Eliſabeth.

Ev. Zur. 1, 39. 40.

Die im Evangelium erwähnte Stadt Juda liegt 11/, Stunde Weges von Zerufalem entfernt. Gewöhn⸗ lich nehmen die Pilger ein Empfehlungsfchreiben aus dem Eatholifchen Klofter in Zerufalem an die Franzi faner der Kirche St. Johannis. Der Weg nach der Bergftndt Juda geht zum Bethlehemthore hinaus; zwifchen den Straßen nad) Bethlehem und Jaffa, über fteinige Hügel, am oberen Gihonteiche vorbei, im der Richtung nad) dem biblifhen Dorfe und Felde der Blei⸗ hen*). Eine Viertelftunde von Jeruſalem fteht unmeit eines Dlivenwäldchens in einer Schlucht auf einem

*) S. oben Einundzwanzigfted Kapitel.

Die Bergſtadt Juda. Die Wuͤſte Johannis. 315

Abhange das Kloſter des heiligen Kreuzes, welches den Griechen gehört. Es ſoll an der Stelle erbaut ſein, wo der Baum abgehauen wurde, aus dem man das Kreuz Chriſti machte. Ich konnte es erſt auf meinem Rüd- wege beſuchen. Hier theilt ſich der Weg und führt links nach Bethſafafa und Malicha, im Thale Wadi Malicha, rechts nad) der Stadt Juda. Dreiviertel Stun- Den von Zerufalem ift die erfte Anhöhe des Gebirges Juda, Die mit Delbäumen und Wein bededt iſt; links, in einem wohlangebauten Thale, liegt das Dorf Malicha, und gleich hinter diefem tritt man in das fruchtbare Thal der Bergftadt Zuda, in weldem das Klofter des heiligen Zohannes liegt. Nach dem unbeftimmten Na: men, mit dem die Stadt im Evangelium genannt ift, hat fie niemand mit ihrem eigentlichen Namen genannt, außer Reland; im Buche Joſua tft fie mit dem Namen Jedda oder Juta aufgeführt”). Es war eine von den Zevitenftädten **), und lag in einem weiten Thale, auf

*) Ev. Job. 21, 16. Reland (p. 870) glaubt, daß im Evangelium St. Luc. 1, 30, in den Worten zroAı» Jede Der hebr. Buchſtabe o durd) Das griechifche 4 erfegt jei, und dann wäre fie nicht mit einem unbeſtimmten, fondern mit ihrem wirklichen Namen genannt. Diefe Stadt wird fogar von Plinius angeführt, ver fie mit dem allgemeinen gricchifchen Namen: Drine (oge»n, Bergſtadt) nennt, wie im Evangelium. Vergl. Plin. H. N. 5, 15.

*) Robinfon venvechjelt, wie e8 fcheint, zwei Städte, die im Buche Jofua mit demfelben Namen genannt werden; die erite, Kap. 21, 16, die andere, Kap.15, 55, und jeßt Juta (im Evange⸗ lium) hinter Hebron. ME Beweis dafür, daß die Stadt Juta wirklich an der Stelle lag, wo jeßt das Klofter Des heiligen Jobannes

316 Schsuntzwanzigites Kapitel.

dem unterften Abhange des Gebirges, mitten zwifchen fruchtbaren Gärten und bebauten Feldern. Wir rid)- teten unfere Schritte gerade nach dem fatholifchen Klofter. Zwei oder drei Mönche famen ung entgegen; als fie jedoch erfuhren, daß ich feinen Brief aus Serus falem hatte, bewillfommneten fie uns gar nidt. Wir ließen unfere Pferde am Thore auf der Straße und ich konnte nicht einmal einen Führer im Klofter erhalten, den mir jedoch mein guter Dragoman Safub vollfom- men erfeßte. Die Kirche ift fehr fchön im europätfchen Geſchmack erbaut, und wird gut erhalten. Die Maleret der heiligen Bilder ift vortrefflich und es findet fich bier fogar ein Original von Murillo, weldyes den heiligen Johannes in der Wüfte vorftell. An den Wünden und dem Fußboden ift der Marmor nicht gefpart. Die Kirhe ift im Sahre 1621 von Thomas von Novaria erbaut worden, hauptfächlich von Gefchenfen der fatho lifchen Mächte Europa’s. Sie befteht aus drei Theilen. Der mittlere Altar befindet ſich unter einer Kuppel; zu beiden Seiten deffelben find Kapellen. Der Altar zur Zinfen fteht an der Stelle, wo Der geboren wurde, „der vor dem Herrn hergeben follte, daß er feinen Weg bereite”.

iteht, wollen wir anführen, daß die im Buche Jofua 21, 16 genann⸗ ten Städte Bethjemes und Juta beides Tevitenjtädte find, Die der Reihe nach genannt werden, während erſt nad) ihnen die Städte ded Stammes Benjamin, Gibeon und Gaba, und andere folgen. Be merken wir auch, daß Reland (S. 686) das Bethſemes Joſua's nicht unter den Städten Juda’s anführt.

Die Bergftadt Juda. Die Wüfte Johannis. 317

Die Stelle, wo Johannes geboren wurde, ift ebenfo unfcheinbar wie die, wo der Heiland zur Welt kam; es ift ebenfalls eine Höhle, obwohl nicht unter dem Boden. Sie würde fi) mit den übrigen Häufern in gleicher Linie befinden, wenn fie nicht durd) den Fußboden der Kirche bededt wäre. Man fteigt hinter einen ver- goldeten Gitter auf fieben oder acht Marmorftufen binab. Unter dem Gewölbe der Höhle, die mit Marmor und foftbaren Stoffen bededt ift, fteht ein prachtwoller, von unten offener Altar. Auf dem Boden fieht man ein mit Schnigwerf verziertes Marmorkreuz, dus Die fateinijche Infchrift trägt: „Pic praecursor Domini natus est.“ Schöne Basreliefs aus weißen Mar: mor, Scenen aus dem Leben des heiligen Sohannes vorftellend, fchmüden die Seiten des Altars. Das Klofter ift von einer Mauer umgeben, welche zwei Höfe umfchließt. Es nimmt den Plag ein, wo das Haus der Priefter ftand. Hier war es, wo Zacharias, Des heiligen Geiftes voll, die Weiſſagung fprach, welche wir im Evangelium lefen *).

Im Klofter find nur etwa zwanzig Brüder; Die Bevölkerung des Dorfes befteht aus etwa fünfhundert moslemifchen Arabern, die den Chriſten zwar nicht freundlich, aber auch nicht gerade feindlich gefinnt find. Ich erhielt feine Einladung von meinen Mitchriften, doch hatte ich den Zroft, die Lobgeſänge der Ehriften zu hören, welche dieſe bei den Tönen der Orgel zum

*) Ev. Luc. 1, 68 ff.

318 Sechsundzwanzigſtes Kapitel.

Andenken des Heiligen fangen. Seufzend über die Uneinigfeit der Heerde, die nur einen großen Hirten hat, machte id) mich wieder auf den Weg. Als ich das Dorf verließ, ſah ich unter dem Schatten der Feigen: bäume einen Brunnen, welcher der Brunnen der heilis gen Jungfrau Maria genannt wird. Man jagt, Die Mutter Gottes fei während ihres dreimonatlichen Aufs enthalts bei Elifabeth hierher gegangen, um Wafler zu ſchöpfen. Es ift diefelbe alte Quelle, welche im Buche Joſua Nephthoa genannt wird”). Das Haus des Zacharias und der Elifabeth ftand am Abhange des Berges, nahe der Quelle.

Wir erreichten bald die malerifchen Ruinen Diefer heiligen Behaufung, welche von den Arabern Ain ferim genannt wird **); fie liegen auf einem fteilen Abhange. Als wir zur Pforte eintraten, fahen wir in der Mitte des Hofes eine alte, weit verzweigte Platane, deren Wurs zeln und Stamm mit zwei fteinernen Bänfen umgeben find. Diefer gegenüber, auf einer fteinernen Platte form mit Bogen, fieht man noch eine bedeutende Ruine von gothifcher Bauart, wie Die Leberrefte zweier Spik= Dogen deutlich zeigen. Der untere Theil dieſes Ge— bäudes, ein Gewölbe von großen Quadern, foll zune Haufe des Zucharias gehören. Hier ſteht ein Altar, anc welchem die Brüder im Klofter des heiligen Johannes jährlich einmal die heilige Meffe lefen. "Der Tradition

*) Joſua 15, 9. *) Robinſon auf der Karte. Bei Fürer Anitere.

Die Bergftadt Juda. Die Wüfte Johannis. 319

folge war e8 unter Diefem Gewölbe neben der fteiner- nen Treppe, welche in die obere Etage führt, wo Die rührende Begegnung Elifabeth’s und der heiligen Jung⸗ frau ftattfand. Hier entſtrömte dem Munde Elifabeth’s und der Mutter Gottes Das Zwiegeſpräch, weldhes ung der Evangelift Lucas erhalten hat: „Gebenedeiet bift Du unter den Weibern und gebenedeiet ift die Frucht Deines Leibes. Meine Seele erhebet den Herrn und mein Geift freuet fidh Gottes meines Heilandes“. Das obere Gebäude gehörte, wie man fagt, zu einem Klofter, das von der heiligen Helena, nach Anz deren von Placidia und Eudoxia gegründet wurde. Im fechszehnten Jahrhundert fa man an den Wänden noch Frescomalereien, welche Die zwölf Apoftel dar- stellten. Auf dem Hofe find an einigen Stellen ftei- nerne Bänke angebracht, rechts an der Pforte fieht man einen einzelnen großen Bogen, Diefe Ruinen find von großen Bäumen befchattet. Auf dem Hofe figend, im Schatten der hundertjährigen Platane, einent Sprößlinge derjenigen, unter welcher Die heilige Familie Zacharias, und ihr göttlicher Gaft, die Königin der Engel, geruht hatten, Tas ich das erfte Kapitel des Evangeliums Lucas, pflücte dann einige Feldblumen, welche hier wuchfen, und zeichnete, Da id) noch ein Ans denfen an diefen Ort zu haben wünfchte, die ‘Platane ab, Wir verfolgten unfern Weg um die VBorfprünge der Berge, deren Fuß in ein üppiges Thal ausläuft, welches ganz nahe bei dem Klofter feinen Anfang nimmt. Die Bergabhänge find mit Oliven und Wein

320 Sechsundzwanzigſtes Kapitel.

bewachfen ; auf der rechten Seite, an den gegenüberlie—- genden wilden Gebirgen Judäa's, Tiegt Anathot, wel ches dem Abugofch gehört, und auf einer der vorragend—- ften Spißen der Berge die Ruinen, welche fälfhlih Modin, die Stadt der Makkabäer, gelten *). Auf den Wege felbft zeigt man die Stelle, wo der junge Johan nes Die nahe Ankunft des Erlöfers verfündete. Hiemmmmmi lag fonft ein Stein, auf dem Johannes oft ruhete; em it nah dem Klofter St. Johannis gebradht worden _— Der Weg über Die Rippen des Berges ift fehr ermü-— dend, aber das Auge erlabt fi an dem üppigen Grün des fruchtbaren Thales. Wir gebrauchten faft ei ganze Stunde, um die Einftedelei Johannes des Täu fers zu erreichen, wo er, Das Vaterhaus und die Men ſchen fliehend, ein Gott wohlgefälliges, einfames Leben führte. Sie befindet ſich am jteilen Abhange der Bern. fette. Nicht ohne Mühe gelangten wir zu Fuß dorthiremr. Das Erſte, was hier unfere Augen erblidten, ware A die Ruinen einer Fleinen Kirhe, und unter derſelbe #7 eine Höhle im Felfen; dies ift Die Höhle, welche der junge Johannes vum fiebenten bis zum zwölften Sahıre feines Zebens bewohnte**), wo er Betrachtungen arı= ftelfte über feine hohe Beftimmung, und ſich zu feinem großen Werfe vorbereitete. Unter diefer Grotte riefelt eine malerifhe Quelle hervor, deren Fluth den Duft J. des großen Faſtenden Löfchte. Sie hat auch und MM

*) Siehe zweiter Theil, achtes Kapitel.

*) Cotovicus 247.

Die Bergſtadt Juda. Die Wüfte Johannis. 321

erquicdt nad) dem mühſamen Wege, und wir ruheten bier, das üppige Grün des Thales zu unferen Füßen bewundernd, Gerade gegenüber, an der andern Seite ver Schlucht, Liegt Das Gebirgsdorf Safat, umringt von Orangengärten. Es iſt nicht unwahrfcheinlid, Daß hier die Stadt Zephath ftand, fpäter Horma ge: nannt*), wo Juda mit feinem Bruder die Gananiter ſchlug**). Diefes frudytbare Thal, von dem noch jegt ein Theil den Namen Eephat***) führt, erſtreckt fihh gegen Welten zwifchen Gaza und Askalon hin, wo es Wadi Simfon genannt wird, Dort fließt der durch feine Weingärten berühmte Sorek.

Sehr ermüdet kehrten wir zu den Mauern des Jo⸗ hannesflofters zurüd; Ruhe und Ergquidung waren ung nöthig, aber nach dem Empfange, welchen ich hier er- führen, zog ich e8 vor, auf dem Bergabhange auszu:- ruhen. Mein Führer Jakub, der meine Müdigkeit fah, verfchaffte fich bet den Arabern Milch und Brod, und als ich mich geftärkt hatte, begann ich die Anficht der Stadt Juda von der Seite nad) Serufalem aufzunehnen.

Während ich hier fo befchäftigt war, fam der Mu- fellim Abugofh von Serufalem in das Dorf, welchen die Aushebung der Rekruten hierher führte, und Da er mich von feinem Zelte aus fah, ließ er mich zu Kaffee laden. Der Kawaß fragte, warum wir nicht im Klofter

*) Joſua 15, 30. ”*, Buch der Richter 1, 17. »**) 2. Chron. 14, 10. Noroff's Reife nad) Paläſtina. 21

322 Sechsundzwanzigſtes Kapitel.

eingefehrt wären. Ich lehnte die Einladung ab, mu Beichäftigung vorfhügend. Unweit des Kloſters

Iohannis zeigte man im fiebenzehnten Jahrhundert Auinen des Haufes Simon’s*), der das Kind Ze im Tempel von den Armen feiner Mutter nahm.

*) Aürer 70.

Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Malichn. Der Srunnen des heiligen Philippus. Kloſter des heiligen Kreuzes.

Aber der Engel des Herrn redete zu Philippo, und fprah: Stehe auf und gebe gen Mittag, auf die Straße, die von Jeruſalem gebet hinab gen Gaza, die da wuſte ift.

Apoftelgeich. 8, 26.

Ich befann mich, Daß der ehrwürdige Vater Anthi- mos, Secretair und Bibliothefar des griehifchen Klo: fters zu Serufalem, mich eingeladen hatte, auf meiner Rückkehr von dem Klofter des heiligen Johannes Die Beſitzung der griechifchen Mönche bei Malicha zu be— juchen, und lenfte deshalb meine Schritte dorthin, wo ich Die ganze Brüderfchaft verfammeltfand. Wir ftiegen die Schlucht hinab, die nach Bethlehem führt und folgten der Richtung derfelben, jedoch nicht auf dem Wege, Sondern durch Weinberge und Gebüfche von

Dliven- und Feigenbäumen. Bald überrafchte ung ein | 2*

324 Siebenundzwanzigites Kapitel.

Duft von Rofen, und wir fahen in der ganzen Breite der Schlucht, zwifchen den Delbäumen und Weinſtöcken, blühende Rofen ftehen. Durch diefen üppigen Garten, über Gräben und Heden feßend, erreichten wir Die Hügelreihe, welche ſich von Bethlehem hierher zieht und gingen dann der Seite zu, wo wir Stimmen hörten. Bald erblicdten wir einige Araber, die mit ihren ge: fattelten Pferden an der Quelle am Fuße des Berges ftanden ; etwas höher unter dem Schatten der Bäume fahen wir die fehwarzen Röcke der Mönche, und bald bewillfommmnete mid) die Stimme des freundlichen Pater Anthimos. Ich Tieß unfere müden Pferde am Brunnen und ftieg zu der Stelle hinauf, wo unfere Einfiedler ruhten. Die ganze Brüderfchaft ſaß im traulichen Ge- ſpräch im Schatten einer alten Platane; neben ihnen lagen eine Menge abgepflüdter Rofen. Diefe zarten Blumen ließen die düſtere Kleidung der bärtigen Mönche noch düſterer erfcheinen. Bor ihnen befanden fich Die Meberrefte einer guten Mahlzeit, während der Kaffee, das Labſal des Orients, unweit ihres Lagerplatzes be> reitet wurde. Hier fand ich auch den ehrwürdigen Bifchof Daniel von Nazareth, den gelehrteften Mann der öftlihen griechiſchen Kirche; aud) der Bifchof von Lydda war hier. Die eben fo geiftreiche wie freund- liche Unterhaltung war für mich ein wirkliches Labſal. Sch erfuhr, Daß auch dieſe Stelle Durch einen Befud) der Mutter Gottes geheiligt fei, die auf der Rückkehr aus Hegypten eine Nacht an Diefem Brunnen und eine Nacht in dem Walde mit dem Kinde Zefus zugebracht haben

Malicha. Der Brunnen des heiligen Philippus x. 395

fol, Hier war es, wo Joſeph hörte, daß Archelaus. anftatt feines Waters regiere, und wo er den Befehl er- hielt, nach Galiläa zu gehen *)Y. Wir bemerfen, daß hier der gerade Weg von Zerufalem über Gaza nad Aegypten führt **).

Die Araber des Heinen Dorfes Malicha verdingen fih bei der griechifchen Brüderfchaft zu Bearbeitung ihres Rofenthals und ihrer Weinberge. Die Rofen wachten hier wild und das griechifche Kloſter bereitet Daraus eine große Menge Rofenwaffer, welches als Weihwaſſer und zum Wafchen der heiligen Stätten dient. Sie verfenden Diefes Roſenwaſſer bis nad) Eonftantinopel,. Der Wein für die griehifchen Klöfter wird meift aus der Umgegend von Serufalem bezogen, aus dieſen und den naheliegenden Weinbergen. Die griechifchen Mönche riethen mir, den Brunnen des heili- gen Philippus zu befuchen, der drei Viertelftunden von bier auf dem Wege nad) Gaza ift. Cie verſprachen meine Rückkehr zu erwarten, Damit wir zufanmen nad) Jeruſalem zurüdkehren könnten. Der Weg zu dem Brunnen führt in der Schlucht auf den Rüden der Berge hin. Die Ueppigkeit der Natur hört hier auf und der Weg ift öde und wüft, wie der Engel Got- te8 fagte, als er dem heiligen Philippus dabin zu gehen befahl. Ich fah hier einige alte Grabhöhlen.

*) Matth. 2, 22. ) Suaresmius nennt diefe Stelle Villa B. Mariae virgi- nis, aber A. Lebhem fegt Diefen Ort weiter nad Süten.

326 Eicbenundzwanzigites Kapitel.

Die Quelle fließt raſch und malerifch aus einem Baffl am Fuße des Felſens und erfreut an dem öden Orte de Ohr durch ihr Murmeln, Das Beden ift aus große gelben Steinen erbaut und befindet fih in einer Nifd zwifchen zwei Pilaftern von forinthifher Ordnun welche oben eine Wölbung bildet, die jedoch zum The zerftört ift. In der Mitte der Nifche ift ein gotbifch: Fenſter mit vier Spißbögen, durch welches das Waſſ früher herausftrömte, jeßt aber hat es fih unten ein Weg gebahnt und fällt über Die zerftörten Stufen hina Epheu, Gebüſch und Bäume fchmüden die Ruine m frifhem Grün. An den Seiten fieht man noch ziemfi bedeutende Ruinen von einem Klofter der heilig Helena. Hier war es, wo Philippus dem Kämmer des Königs von Nethiopien begegnete, der auf eine Wagen faß und Die Weiffagung des Propheten Jeſai— las, in dieſem Wafler taufte er ihn im Namen dk Erlöfers, worauf er vom Geifte hinweggerüdt wurd nah Asdod ; der Kämmerer aber kehrte nach Aethiopie zurüd und verfündigte dort Das Evangelium. Dieft Ort ift in dem alten Stinerarium von Bordeaux naı Serufalem Bethaſora genannt, richtiger Bethzur* Hinter dem Brunnen fieht man auf einem hohe Hügel die Ruinen der Stadt Ziflag**), melde di König Achis von Gath David fehenfte,. ald diefer Saul floh, und von wo aus David in das Land di

*) Joſua 18, 88. ») Baumgarten II., 10.

Maliha. Der Brunnen des heiligen Philippus . 327

Geffuriter und Girfiter und Amalefiter fiel, welche die- ſes Land bewohnten, von Sur bis an Aegyptenland *).

Ich Lehrte wieder nad) Malicha zu den friedlichen Mönchen Jeruſalems zurüd und von hier nad) Seru- ſalem, von einer Schaar berittener Mönche begleitet, die mich an das chriftliche Mittelalter erinnerte. Der Weg ift befchwerlich und führt über Steinhaufen, bis zum Klofter des heiligen Kreuzes, welches ich ebenfalls befuchte.. Auch dieſes Klofter fieht, wie das des heili- gen Elias, einer vieredigen Feftung ähnlich. Die feiten Nauern von Quaderfteinen haben die Mönche nicht felten vor den Angriffen der Ungläubigen gefhügt. Das Klofter wurde von der heiligen Helena gegründet und hat immer dem grufinifchen Orden des heiligen Baflius des Großen gehört. Ein Wald von Delbäu- men umgiebt feine Mauern, Auf dem Hofe wachen einige Bäume, an den Wänden ziehen fih breite Zerraffen hin. Die Kirche hat eine fehöne Kuppel, dur welche das Licht von oben hereinfällt. Der Boden ift mit Moſaik belegt und an den Wän- den find noch alte Frescomalereien fichtbar. Diefes Kofter umfchließt die Stelle, wo der Baum zum Kreuze Chrifti abgehauen wurde, die man unter dem Altar jeigt, Die Tradition erzählt, Lot babe hier die drei erſten Weinftöcde gepflanzt **), Rund um die Oeffnung ſah ich eine alte ſlaviſche Infchrift, die aber, wegen der

*) 1. Samuel 27.

*) Vergl. Leonis Allati Symmikta. Anonym. de locis sanct., p. 96.

328 Siebenundzwanzigited Kapitel.

Abkürzungen und der verzierten Schrift, fehr fe leſen war. Ich bedauere, daß ich nicht Zeit hatt entziffern. Später erfuhr ich, daß in Diefem viele grufinifche Handfchriften aufbewahrt ı vielleicht finden fich hier auch nody andere ©

Die Sonne ging unter und die Thore Ser wurden eben gefhloffen, als wir in die heilig zurüdfehrten.

Ende des erſten Bande.

Inhaltsverzeichniß des erfien Bandes.

Seite Erfics Kapitel.

Menzaleb. Mataria. San oder Joan . . . 3 Zweites Kapitel.

vengevon Sub. . 2 2 2 en. MM Drittes Kapitel.

renge von Suez. El-Ariſch. 19

Yiertes Kapitel. | Scheikh Zobeil. Raphia. Khan Junus. Gaza 43

Fünftes Kapitel. 53

Sechſtes Kapitel. Akkaron. Jamnia. Rama . 2. 2 202 ..62

330 Inhaltsverzeichniß.

Siebentes Kapitel.

Serufalem . Adıtes Kapitel. Der Jordan Uenntes Kapitel. Terufalem

Zehntes Kapitel. Ueberblick der Gefchichte Jeruſalems

Eiftes Kapitel. Der Schmerzendweg .

Bwölftes Kapitel. Die Kirche des heiligen Grabes.

Dreizehntes Kapitel. Die Heilige Woche

Vierzchntes Kapitel.

Der ftille Sabbath, vie Briefe e und die e Reli e des Diter:

ſonntags.

Sũnfzehntes Kapitel. Die stören in Jeruſalem

gechozehntes Kapitel. Weg nach Zion

Sicbenzehutes Kapitel.

Das Judenviertel. Gefängnip des heiligen Petrus.

Iojafim’3 und der Anna. Teich Bethesda

Haus

(5)

Inhaltöverzeichniß.

Adıtzehntes Kapitel.

Die Mofchee Omar’s. El-Sakhara. Die Mofchee El⸗Akſa (der Tempel Salomo’d). Eingang in den Tempel der heiligen Jungfrau rn

Neunzehntes Kapitel.

Rundihau um die Mauern Jeruſalems. Die Grabftätte der

heiligen Mutter Gottes. Gethſemane ..

Zwanzigſtes Kapitel. Rundihau um die Mauern Jeruſalems Das Thal Joſa—

phat und Dad Thal der Könige Einnndzwanzigfies Kapitel. Rundfhau um die Mauern Serufalems. Das Thal der Söhne Hinnom. Bezetha . .. Zweinndzwanzigſtes Kapitel.

KRundſchau um die Mauern Jeruſalems. Höhlen des Jeremias. Königsgräber. Gräber ver Richter Iſraels

Dreiundzwanzigſtes Kapitel.

Allgemeiner Ueberblick über Jeruſalem

Viernndzwanzigſtes Kapitel. Bethlehem.

Sünfnndzwanzigfies Kapitel. Vethlehem und der Rückweg nach Ierufalem

331

Seite

220

239

249

262

274

282

2%

302

332 Inhaltsverzeichniß.

| Schsundzwanzigfies Kapitel. Die Bergitadt Juda. Die Wüſte Johamnid . . ..

Siebennndzwanzigfies Kapitel.

Maliha. Der Brunnen ded heiligen Poilippus. Kle des heiligen Kreuzes.

Drud von Otto Wigand in Leipzig.

DRISS VON JERUSALEM und seinenUmgebungen.

Armen:QuartO2.Judenquart”. |

Er

I ee a a ıl durch die Linie AB. Morıah

Prof

Zio 0 sie 'uder Brere.

Heise nach Balästina,

Zweiter Theil.

Meine Reife nad) Paläftina.

Bon

8 < Abraham bon Forofl. (sky, .

Aus dem Ruffifchen von A. Denker.

Mit dem Portrait des Verfafers und einem Plan von Jerufalem.

Zweiter Theil.

en m _—-

Leipiig Berlagsbuhhandlung von I. I. Weber. 1862.

Reife nad Paläſtina.

Zweiter Theil.

Noroff's Reife nach Paläftina. I. 4

Erstes Kapitel. Der Weg von Ierufalem über Gibea nach Bethel.

Da nun Jakob von feinem Sclafe auf- wachte, fprad er: Gewißlich ift der Herr an diefem Orte, und ich wußte es nicht; und fürdh- tete fih, und ſprach: wie heilig ift dieſe Stätte! Hier ift nichts anders, denn Gottes Haus, und hier ift Die Pforte des Himmels.

1. Moſ. 28, 16. 17.

Die geheimnißvolle Begebenheit zu Bethel, der wunderbare Traum Jakob's, welcher die Verbindung der Geiiterwelt mit der irdifchen andeutet, hatte von Kindheit an meine Phantafie befhäftigt. Keiner von den Reifenden, deren Befchreibungen ich gelefen, hat Bethel befuht, nur der ungenannte Wegmweifer des dreizehnten Jahrhunderts hat diefen Ort richtig ange— geben *). Maundrell fpricht zwar von Bethel, giebt aber die Lage deffelben unrichtig an. Auch. in den lateinifchen Klöftern fonnte ich Feine Auskunft erhalten,

*) Itinerar. a Burdigala Hierusalem usque. 4 *

A Erſtes Kapitel.

aber der ehrwürdige Pater Authimos befriedigte meine Neugierde und erbot fih fogar, mir zum Führer zu dienen, was jedoch feine. Gefundheit nicht erlaubte; doch gab er meinem Jakub, dem die hiefigen Wege wohl. befannt find, vollftändige Anweifung. Diefer fannte Bethel fchon, obwohl unter einem andern Nu men. Nachdem wir von Pater Anthimos die nöthige Auskunft erhalten, verließen wir am nächften Morgen Serufalem und ſchlugen den Weg nah Damasfus ein. Wir ritten an derHöhle Seremias, den Gräbern der Kd- nige und der Richter Iſraels vorbei, durch die Dliven- wälder. Als wir von den Hügeln, welche Serufalem im Norden begrenzen, in das Thal hinabftiegen, be merfte ich Die Kapelle eines Santo, Scheifh ullah ge- nınnt. Sn diefem Thale, glaube ich, ift die Grenze des alten Serufulem, und hier beginnt das Thal Sofa: phat und der Bach Kidron, Bon bier aus hebt fid das Land ununterbrochen gegen Das Gebirge zu. Die erfte Anhöhe, zu der man auf diefem Wege gelangt, iſt die, welche Joſephus Skopos (d, i. Ziel) nennt.*) Hier lagerten Geftius und Titus, und von bier aus führten auch die Kreuzfahrer Die Belagerung Zerufar lems. Drei Biertelftunden von Serufalem, auf dem Berge Scharafat, fieht man mehrere Ruinen und eine umgeflürzte Säule. Das Dorf zur Linfen, ebenfalls Scharafat oder Schaffat genannt, ſcheint aus alten Steinen erbaut zu fein und liegt, von Ruinen umgeben,

”) Josephus de bell. Jud. 2, 19. E. Robins. I. 407.

Der Bey von Jerufalem über Gibea nad) Bethel. 5

auf einem mit Steinen bedeckten Hügel; wahrſcheinlich lag hier Giben, die Stadt Saul’s, wo Diefer das Volk gegen die Ammoniter aufrief und wo zuleßt feine Ge— beine von David begraben wurden *). Joſephus giebt die Entfernung Gibeas von Serufalem auf 30 Stadien, d. i. 51/, Kilometer, an, was mit unferer Anftcht voll- fommen übereinftimmt. Im Anfange des fiebzehnten Sahrhunderts nannte man Diefe Stadt noch Gabe. Der Berg Samuel's (fälſchlich Sob genannt, ehedem- Rob **)), einer der höchſten Punfte in der Umgegend von Serufalem, fteht gerade gegenüber; fein Gipfel iſt mit Ruinen gefrönt, die man die Grabftätte Samuel’s nennt; die Baläftinifchen Juden jedoch halten fie für das Grabmal des Hohenpriefters Eli, der 40 Sabre Richter in Sfrael war, und welchem Samuel folgte***). Auf dem Abhange diefes Berges, nahe dem Thale, liegt das Dorf Beth-Hanina, 1/, Stunde von Schaffat. Faſt gegenüber Beth: Hanina, ganz nahe der Straße, zur Rechten, fieht man faum bemerfbare Trümmer, welche man Afbet oder Nafak nennt. Man erzählt,

») A. Sam. 11,4 2. Eam. 21, 12—14. Bonifac. S. 258. Gotovic. S. 531. Gaba bereutet im Hebräifchen einen Hügel.

**) Hier lag die Hohepriefterftant Nob, wie wir im achten Kapitel jehen werden.

“+, Fürer S. 88. Robinfon vermuthet, daß hier Mizpa oder Maſſepha lag, was allerdings nicht unwahrfcheinlich it. Jos fua 18, 26. B. d. Richt. 20,1. 1. Sam. 7,3. 16. 10, 17. 2.3.2». Kon. 25, 22 28. Jerem. 40, 4.

6 Erſtes Kapitel.

daß die Bauern hier oft alte hebräifche Münzen finden, Diefe Stelle ift auch befannt, weil hier links ab die Straße nad) Lifta führt. Hier, oder in der Nähe, muß das alte Michmas gelegen haben,*) von wo nad) der paläftinifchen Tradition die heilige Zungfrau nach Ies rufalem zurüdfehrte, um ihren zwölfjährigen Sohn zu fuchen, den fie im Gefpräch mit den Prieftern im Zem- pel fand**). Michmas lag, nad) Eufebius, 9 römifche Meilen von Serufalem entfernt (3/, deutfche Meilen), nabe bei Rama. Nah 1. Samuelis 14, A waren in dem Engpaffe, durch welchen Jonathan in das feind: liche Lager dringen wollte, zwei fpiße Felſen, einer dDieffeits, der andere jenfeits, und einer fah von Mitters nacht gegen Michmas und der andere von Mittag gegen Gaba. KRobinfon hat etwas weiter nördlich ein arabifches Dorf Mukhmas gefunden ; dies wäre ziemlid) die Lage von Michmas ***). Die von Eufebius anges gebene Entfernung paßt nicht ganz zu der Lage jenes Ortes, widerfpricht aber nicht unferer Anficht der Lage von Saba. Sobald man auf die Höhe gelangt, fieht man auf dem Berge das Dorf Rama, weldes ein weites Thal beherrfcht. Die Weidepläße des Thales waren mit Herden bededt. Als wir den Berg von Rama hinaufritten, bemerfte ich in den Ceiten der

) 1. Sam. 13, 5. 14, 4. Siehe auch die Weiſſagung des Jeſaias 10, 28.; d. Buch Esra 2, 27.; Nehem. 11, 31.; 1. Makkab. 9, 73. ) Luc. 2, 43. 46. ») Robinjon I. 117.

Der Weg von Jeruſalem über Gibea nach Bethel. 7

Zellen tiefe Höhlen. Das jebige arabifche Dorf ift aus den alten und neuen Trümmern erbaut, die überall im Thale umbergeftreut liegen. Mein Führer erzählte nir, die Bewohner Ramas feien, wegen der Bedrüduns gen der Regierung, fchon zu feiner Zeit Dreimal umges fiedelt. Sie find faft alle Ehriften. Wir blieben an den Ueberreften eines Klofters und einer Kirche ftehen, die durch eine Mofchee erfeßt if. Die Mauern der Kirche find von großen Quaderfteinen. In der Wund fah ich ein jüdifches Grabmal, welches das Gepräge der älteften Zeit trägt und den Königsgräbern bei ern: falem ähnlich iſt. Es läßt fich vermuthen, daß Rama das biblifhe NRamathaim, die Vaterftadt des großen Samuel ift, und der Stein ift vielleicht das Grabmal Samuel's, oder gehört zu feinem Haufe, wie man aus den Worten 1. Sam. 7, 17 vermuthen fönnte. Diefe Vermuthung wird durch das Zeugniß der hebräifchen Schriftfteller Benjam. v. Tudela und Parchi beftätiat. Der Erftere fagt, die Ehriften hätten, nachdem fie Rama genommen, neben der Synagoge der Juden das Grub Samuel’s entdeckt, und deſſen Gebeine nach Silo gebraht*); der Zweite fagt, daß in Rama das Haus Samuel’8 gezeigt werde**). Nach der Angabe im 1. B. Samuelis gehörte Ramath zu dem Gebirge Ephraim ***), Tag aber, nad) der Eintheilung Joſuas,

*, Benjamin v. Tudela S. 78. **) Parchi, in Benjam. of Tudel. by Asher p. 438. T. II. “®,), Hieronym. Com. ad Sophon. 1. Sam. 1, 1.

8 Erſtes Kapitel.

noch im Stamme Benjamin, Diefer Ort iſt deutlid angegeden in Buche der Richter *).

Im fechszehnten Jahrhundert hieß eines der benach⸗ barten Dörfer Ephraim **). Marinus Sanutus meint, daß der Bach Kidron in der Umgegend von Ramath entfpringe und bei Anathoth, der Vaterftadt des ‘Pros pheten Jeremias, vorbeifließe ***). Lebteres lag jüd- öftlih von Ramath, wo jet das Dorf Anatha fteht.

Nach einer furzen Raft feßte ich meinen Weg fort. In dem breiten Thale, 20 Minuten von hier, liegt das Dorf Ator, wo man alte Ruinen findet. Es ift wahrfcheinlich Ador oder Atharothb Adarr). Bon Ator führt der Weg durch eine Berafchlucht in ein weites, rings von Bergen umfchloffenes Thal, das Schlachtfeld Sofua’s vor Gibeon. Die Stelle wo Gibeon lag tft auf der Anhöbe. Unwillführlich ſah ich hier nach der Sonne, die damals in ihrem Laufe ftille ftand.

In diefem Thale war auch die Schladht der fünf verbündeten Fürſten, welche Gibeon belagerten. Joſua fam von Gilgal und dem Jordan her Gibeon zu Hülfe.

*), B. d. Nicht. 4. A, 5. Robinfon, der fih auf Cotovic. ©. 316’ jtüßt, vermutbet, Daß Namathaim an der Stelle des heuti- gen Suba lag, wohin man fülfchlic das Grabmal der Maffabäer ſetzt. Dieſer Berg jedoch iſt nicht an dem Wege nach Bethel, wie die angeführte Stelle aus dem B. d. Richter beweiit; übrigens genügt das Denkmal und das Zeugniß Benjamin’d v. Tudela und Parchi's.

”) Fürer S. 99. ») Robinſon IL. 109. +) Joſua 16, $. 18, 13.

Der Weg von Jerufalem über Giben nach Bethel. 9

Er warf das feindliche Heer in Diefen Thalfeffel und verfolgte es durch die Schlucht gegen Beth Horon bis Aſeka und Makeda *).

El⸗Bir, welches nach unſerer Meinung die Stelle von Gibeon einnimmt, liegt am Abhange eines Hügels. Am Fuße deſſelben iſt eine Ciſterne, wo immer viele Hirten mit ihren Herden zuſammenkommen. Dieſer ſchönen Quelle, welche ſchon der Prophet Jeremias er⸗ wähnt**), verdankt Gibeon feinen heutigen Namen, denn das arabiſche Wort el-Bir bedeutet Brunnen oder Duell. NRobinfon ſetzt Gibeon füdliher und näher nach Serujalem, an die Stelle des Dorfes Dſchib. Wir zweifeln jedoch an der Nichtigkeit dieſer Behauptung, weil Gibeon dann zu nahe bei Serufalem läge und diefe Lage nicht mit der Bibel übereinftimmt. Euſe⸗ bius fagt deutlih, El-Bir lag unter Gabaon (Uro nv Taßawv), und dies ſtimmt mit Xof. 9, 17 übers ein. Wenn Ddiefes ein Kehler wäre, wie Robinfon bemerkt, fo würde der heilige Hieronymus, der mit der dortigen Gegend befannt war, die Worte des Eufebius nicht überfegt haben „sub colle Gabaon“, d, i, am Zuße des Hügeld Gabaon ; und in der That, die Quelle El⸗Bir ift am Fuße diefes Hügels. Auf der Höhe von Gibeon ziehen unter anderen alten Meberreften auch Die einer ſchönen chriftlichen Kirche die Aufmerkffamfeit des

*) of. Kap. 10. Robinſon jeßt Beth Horon ganz richtig an die Stelle, wo jeßt das Dorf Beithur el Foka liegt. 5) Jerem. Al, 12.

10 Erſtes Kapitel.

MWanderers auf fih. Sie find von byzantinifcher Bauart; der Altar bildet einen Halbfreis und ift nad Oſten gerichtet, zu beiden Seiten fieht man Nifchen für die Seitenaltäre. Die nördliche Wand ift gut erhalten; fie befteht aus drei blinden Bögen, die von Pilaftern und Säulen getragen wurden. Die Mauern Diefes groß- artigen Gebäudes fchügen jeßt einen hier angelegten Fruchtgarten, in den wir mit Mühe durdy eine mit Brettern verfchlagene Thür gelangten. Wir vermutben, daß Gibeon hier lag, Doch ift die Stelle weder von Quaresmius, noch von Maundrell, noch von Reland an gezeigt; jedoch Eufebius und der heilige Hieronymus fegen es hieher*). Hieronymus meint, daß das Dorf El-Bir am Fuße des Berges von Gibeon Das bei Sofua **) genannte Biroth fei, Maundrell und Reland halten e8 für das im Buche der Richter genannte Bir***), weil im Hebräifchen das Wort Bir ebenfalls Brunnen bedeutet}). Die gibeonifchen Städte Kepbir, Biroth und Jarim lagen in geringer Entfernung von einander, doch der gelehrte Reland wurde bei Angabe der Lage Gibeon’s und Bethel's durch Maundrell irres geführt, wie wir fpäter fehen werden. Die Anficht Eotovicus’, der El» Bir für das alte Michmas hält, ift ganz unbegründet. Wir haben ſchon gefagt, daß nad)

) Bol. auch Reland S. 471. *) of. 9, 17. *) B. d. Richter 9, 12. +) Die Stelle, welche wir für Gibeon angeben, entfprict ganz der Lage Mizpa's. |

Der Weg von Jerufalem über Gibea nach Bethel. 11

Eufebius Michmas von Serufalem neun römiſche Meilen entfernt war, dahingegen El-Bir und Gibeon drei Stunden (zu Pferde) von Serufalem entfernt liegen.

Gibeon war, nad) der heiligen Schrift, eine der größten Städte”), Das friegerifhe Volk Gibeons war mit Joſua im Bunde. Die Karawanen, welde durch EL-Bir nad) Damaskus gehen, beleben diefen Ort.

Hier wendet man fid) von der Straße nad Da: masfus rechts nad) Bethel, jeßt Beitin genannt, das von bier nur 1/,; Stunde entfernt if. Diefer Weg führt auch über das Gebirge nach der Ebene des Jor⸗ dans, von wo Sofua mit feinem Bolfe fam. Dus Schlachtfeld von Gibeon dehnte fid) wahrfcheinlich bis hieher aus, über die Abhänge der Berge und in den langen Thälern hin. Etwa auf der Hälfte des Weges von Gibeon nach Bethel flieht man in einem Felfen zwei Höhlen mit Quellen. Die eine ift ganz voll Waſſer und mit zwei Pilaftern geſchmückt. Die Araber nennen diefe Höhlen Ujun ul haramie (Räuberaugen). In einer derfelben, hinter einem Felſen, der in der Bibel, übereinftimmend mit der Lage, der Felſen der Wandrer, oder Afel genannt ift, verbarg fich David **) por dem wüthenden Saul, als er die ZJufammen- funft mit Jonathan erwartete.

*) Joſua 10, 2. “) 1. Sam. 20, 19. Nach dem Hebräifchen in der griechis ſchen Ueberießung Ergab.

12 Erſtes Kapitel.

Der Weg führt in zwei mit einander zufammen: hängenden Thälern hin. Hier weideten Herden, die fih in Gruppen zufammenftellten, um ſich vor der glühenden Mittagsfonne zu ſchützen. Auch wir litten ſehr von der Hiße. Zwei Hirten gaben ung freundlid von der Milch ihrer Ziegen. Bald erblicte ich Die ge- heimnißvolle Stelle Bethel. Die Ruinen von Bethel find auf einer Bergſpitze zerftrent, die fih wie ein Bor: gebirge zwifchen zwei Thälern hinausftredt. Am Fuße fieht man ein fteinemes Waflerbeden. Gegen Often erhebt fi auf der gegenüberliegenden Bergfette hinter einer Schludht ein Haufen von Trümmern, welche eine phantaftifhe Figur eines fißenden Coloſſes bilden. Diefe Stelle ift ungemein wild,

Als wir gegen Bethel hinaufritten, erinnerte id mid) der Befchreibung dieſes Ortes im 1. B. Moſis. Bethel ift jet nichts weiter, als ein Aufenthaltsort der Hirten, es giebt hier nicht eine Hütte mehr. Die be deutendſte Ruine ift die einer chriftlichen Kirche, von welcher nod) die halbrunde Niſche eines Altars fteht. Sie ijt der Zufluchtsort der Araber, die diefen Ort Bethel nennen. Nachdem ich unfere Pferde abgegeben hatte, legte ich mich in den Schatten des verlaffenen Altars und las 1, Mof. 28, 10 19. Die große Einfachheit Diefer Erzählung erfüllte mein Herz mit denfelben Gefühlen der Furcht, wie Jakob, als er von dem gebeimnißvollen Traume erwadte. Eine hehre Stelle, die Pforte des Himmels, das Haus Gottes, war der Ort, wo ich ruhete, Hier erhielt Jakob den

Der Weg von Ierufalem über Giben nach Bethel. 13

Namen Iſrael. Bethel oder Lus war fchon zur Zeit Abraham’s eine heilige Stelle.

Als ich von der Höhe von Bethel wieder in das Thal hinabftieq, nahm ich das fteinerne Wafferbeden in Augenfcein. Es ift dem unteren Gihonteiche bei Serufalem ähnlich und gehört einer fehr alten Zeit an. Es ift vieredig, 115 Schritt lang und 80 Schritt breit, und obwohl fehr verfchlammt, enthält e8 doc genug Waſſer für die Hirten und ihre Herden. Einige Hirten fammelten fib um mich; es waren Chriſten. Als fie hörten, daß ich ein Moskow war (fo nennen die Araber die Rufen), fingen fie an von den Be- drüdungen zu erzählen, welche fie erdulden müffen, und fagten, daß fie ſchon lange auf uns, als auf ihre Bes freier, warten *).

Bon bier lenkte ich meine Schritte zu der großen Ruine jenfeit der Schlucht, auf der öftlichen Gebirgs- fette. Hier trennte fih Abraham von Loth, Noch ganz erfüllt von den Worten der heiligen Schrift, die ich ſoeben gelefen, war ich überrafcht durch Die Ge- nauigfeit der biblifchen Befchreibung, denn von der Höhe diefer Gebirgsfette überfah ich das ganze Jordan⸗

*) Daffelbe fagt auch ein englifcher Reiſender: The old traditional tales and prophecies of the country foretell a change; and the only consolation they have is in the hope of being liberated from the oppression of the Turcs by some European power, and this is openly said to be that of Russia. (H. Light. Trav. p. 149 - 150.)

14 Erites Kapitel.

thal*). Das Thal des Jordans, auf der ganzen Strede vom See Tiberias bis zum todten Meere El⸗Ghor ges nannt, zeichnet fi) noch immer Durch feine Fruchtbarkeit aus, ift aber jeßt unbewohnt, bis auf Beifan an dem einen und Zericho am andern Ende, und man begegnet nur herumgiehenden Beduinen. Die nomadifirenden arabifchen Hirten in den Schluchten Bethels verfeßten mid in die ältefte biblifche Zeit. Wenn man die Bibel im Drient lieft, fo ift es unmöglich, das Original in der Natur zu verfennen, denn felbft die Sitten und Gebräuche find bis jegt diefelben geblieben.

Die Ruine der öftlichen Bergfette nimmt die Stelle ein, wo einft die Zelte Abraham’s und Loth's flanden. Diefe Ruine ift fowohl ihrer Größe, als ihrer Bauart wegen bemerfenswerth,. Sie befteht aus den Lebers reften eines thurmartigen und eines anderen vieredigen Gebäudes, von großen gelben Quadern, welches von einer bededten Galerie umgeben war. An der Kronte, gegenüber Bethel, befanden fich vier Eingänge. Thür und Treppen find noch zum Theil erhalten. Die Ars hiteftur gleicht der römischen, Die Ausficht von hier auf die Ebene des Jordans ift ſchön und weit ausges breitet. Diefer Berg liegt zwifchen Bethel und Ai, und wurde vorzugsweife Ephraim genannt. Ai, von dem zu Hieronymus Zeit noch einige Ueberrefte ftanden, lag auf dem Wege zwifchen hier und Jericho. In Bethel begrub Jakob Deborah, die Amme Rebekka's, und er

*) 1. Mof. 12, 8. 13, 8. 9. 10.

Der Weg von Jerufalem über Gibea nach Bethel. 15

richtete ihr am Fuße des Berges Bethel ein Denkmal unter einer Eiche, die Trauereiche genannt. Diefes Denfmal wurde noch im dreizehnten Jahrhundert Dem Mönche Brocard gezeigt *).

Samuel, den man mit Recht das Mufter eines theofratifchen Regenten nennen kann, faß hier jährlich einmal zu Geriht**), Als er die Regierung an Saul übergab, fragte er Das Volf, ob er Jemand beleidigt oder Unrecht gethan hätte. Das Volk antwortete ihm mit Segnungen und mit Abfchiedsthränen !

Unter Zerobeam verfündigte fid) Bethel, indem es dem goldenen Kalbe opferte, und zog fi) Dadurch den Zorn Gottes zu. Die Weiffagung des Propheten Amos***) ift in Erfüllung gegangen und Bethel (Haus Gottes) ift Beth⸗Aven (Haus der Nichtigkeit) geworden.

An demjelben Tage, jedoch fehr ſpät, kamen wir nad) Zerufalem zurüd, Die Entfernung von Serufulem nach Bethel beträgt 31/, Stunden Wegs.

*) Descriptio T. S. VIL, $. 16. *) 1. Sam. 7, 15. 16. —H Amos 5, 5. Robinfon, der 1838 hier reifte, glaubte der Erfte zu fein, der die Lage Bethels unterfuchte. Bd. IL. 107.

Zweites Kapitel.

Bethanien und der Weg zum todten Meere. GBerxg des vierzigtägigen Faſtens.

Bethania aber war nabe bei Serufalem, bei funfzehn Feldweges .... Jeſus aber kam zum Grabe. Es war aber eine Kluft, und ein Stein darauf gelegt.

Ev. Sch. 11, 18. 38.

Mährend der Zeit des irdifchen Lebens unferes Er: löfers wurde der Weg zwiſchen Serufalem und Betha- nien von ihm am häuftgften betreten. Es iſt ſchwer zu beftinmen, wo der Sohn Gottes feinen eigentlichen Wohnſitz hatte. Nach feinen eigenen Worten hatte er feine Stätte, wo er fein Haupt niederlegen fonnte. Bethanien war für ihn mehr als andere Orte galt freundlih *). Hier wohnten die Familie Lazarus, St- meon der Ausfäßige und viele Jünger des Herr.

*) Ev. Marc. 11, 11—12. Matth. 21, 17.

" "Bethanien. Berg des vierzigtägigen Faſtens. 17

Man könnte faſt glanben, daß Bethanien der Familie Lazarus gehörte, wenn man nach dem erſten Verſe des elften Kapitels im Evangelium St. Johannis ſchließen dürfte. Bethanien liegt nur eine halbe Stunde von Serufalem, mas mit den fünfzehn Stadien im Evan- gelium übereinftimmt*). Der Weg führt zum Schaf: thore hinaus, am Fuße Des Delberges hin, über den nördlichen Abhang des Berges des Aergerniffes. Diefer Berg, welder an den Oelberg ftößt, wurde fo ge⸗ nannt, weil hier Salomon während ſeiner Verirrung der phöniziſchen Aſtarte und dem ammonitiſchen Mo— loch Tempel erbaute, welche ſpäter der gottesfürchtige König Jofſias wieder zerſtörte. Hier endete auch der verruchte Judas fein Leben. Hat man diefen Berg er- fliegen, fo fiehbt man rechts vom Wege die geringen Ueberrefte eines Dorfes, welches gegenüber Bethphage lag; es ift das Dorf, aus welchen die Efelin gebracht wurde, Die der Erlöfer bei feinem feitlichen Einzuge in Serufalem ritt. Aus den Ruinen diefes Dorfes ift theilweife das nahe gelegene Dorf Siloah gebaut, welches beinahe an derfelben Stelle fteht. Aus den Worten des Evangeliften **) läßt fich ichließen, daß an der Stelle, wo die beiden Wege von Bethanien und dem Hinnomthale zufummentrafen, ein Wirthshaus fand, wo immer Maulthiere und Efel für müde Wanderer, die auf den Delberg oder nad) Serufalen

*) oh, 11, 18. +) Ev. Marc. 11. ni zov aupodeov, in bivio. Vulg. Noroff's Reife nad) Baläftina. 11.

18 Zweites Kapitel.

wollten*), bereit gehalten wurden. Die Lage des Dorfes Bethphage, das den Brieftern gehörte **), ift un Evangelium angegeben; es muß auf dem Abhange des Delberges, Zerufnlem gerade gegenüber, gelegen haben ***), Bei Bethphage beganı der feftliche Zug des Heilands nach Jeruſalem unter dem Hofianna Des Volks. Unweit von Bethanien zeigt man die Stelle, wo der unfruchtbare Feigenbaum ſtand. Hier war eg, wo der Herr Die Macht des Glaubens predigte, dem Die ganzeNatur unterworfen tft und durch den wir Alles er; langen fönnen}). Bon den Hügeln Bethaniens, die an den füdlichen Fuß des Delbergs grenzen, erblidt man in der Ferne das todte Meer, wie einen glänzens den Streifen, und hinter dDemfelben die arabifchen Ges birge. Rechts vom Wege fieht man auf dem Berge Ruinen; hier war ehedem eine Kirche, an der Stelle, wo das Haus Simeon's des Ausſätzigen jtand, welches Chriſtus zwei Tage vor den Öfterfefte befuchte und wo ein Weib köſtliches Waſſer anf fein Haupt goß, da er zu Zifche ſaß t). Bethanien befteht jet nur aus einigen Hütten, Die auf den alten Trümmern erbaut find, welche man bis auf den. Delberg verfolgen kann;

*) Adam Reusnerus, apud Gröben p. 218. Bonifae. p. 26 und 148: ‚‚Sacerdotum viculus qui vertitur in domum oris vallium.‘* *) }Hieron. in Epitaph. Paulae. Chrysost. Homil. XI. ») Marc. 11,1. +) Ev. Matth. 21, 21. rr) Matth. 26. Marc. 14.

Bethanien. Berg des vierzigtägigen Faſtens. 19

feine heutigen Bewohner nennen e8 Lazarie, nach dem Namen des Freundes Jeſn. Hier zeigt man Die Leber: reite Des Hanfes Lazarus’, auf denen die heilige Helena ein Klofter erbauen ließ, welches jeßt theils verfallen, theils in eine Mofchee verwandelt if. Aber auch Die Mufelmänner ehren das Andenken des Lazarus. Hier ftiftete auch Melifenda, Die Gemahlin des Königs Fulko von Jeruſalem, im Jahre 1132 ein Klofter der Bene—⸗ diktinerinnen, welches der heiligen Maria Magdalena geweiht war, an der Stelle, wo einjt Das Haus Diefer Heiligen geftanden hatte*). Meliſenda feldft und nad) ihr ihre Schweiter waren Die erften Nebtiffinnen. An diefem Klofter wurden auch arabifche Frauen aufgenonts men. Das größte und bedeutendfte Denkmal in Bes thanien aus der Zeit Chrifti ift Die Grabeshöhle des Lazarus. Sie befindet fih hinter dem Haufe deflelben; der Weg dahin ift mit großen Quaderſteinen belegt und von Eingange führen 24 Stufen in eine tiefe Höhle, wo früher eine Kirche war, von der nur noch ein ſtei— nerner Altar fteht*"), Don hier aus fteigt man links noch 5 oder 6 Stufen in eine Fleinere Höhle hinab; dies ift Das Grab des Lazarus. Hier in der Grabes— höhle las ich, beim Lichte der Fackeln, Die unausſprech— lich rührende Erzählung des heiligen Johannes, von der Krankheit, dem Tode und der Erweckung des Las zarıs, der Zrauer feiner Schweiter, den Thränen, welche

ee

*) Cotovic. 278. +) Groͤben 214. 2*

20 Zweites Stapitel.

Jeſus weinte, und fein Gebet zum himmlischen Bater. Die Auferwedung Lazarus’ fündete den Jüngern des Herrn fichtlich feine eigene Auferftehung an, aber ibre menjchliche Natur war noch wie in einem Traume befangen und konnte e8 nicht begreifen, als Jeſus ihnen fagte, daß er leiden, fterben und auferftehen müffe *). Gröben fpricht von einem Bache, der in der Nähe des Grabes Lazarus? fließen foll; ich habe jedoch Nichts da- von gejehen, und fo viel mir befannt tft, fpricht außer Gröden auch fein anderer Reifender davon. Als wir Bethanien verließen und auf die große Straße hinaus: famen, die nad) dem Sordan führt, befuchte ich den Ort, wo Maria, die Schwefter Lazarus', Jeſu zu Füßen fiel und fpradj: „Herr, wäreft du hier gewefen, mein Bruder wäre nicht geſtorben!“ Jeſus war im Thale des Sordan, als er die Nachricht von der Krankheit feines Freundes erhielt. Diefe Stelle befindet ſich in geringer Entfernung rechts von der jeßigen Straße nah dem Jordan und tft daran fenntlih, daß der Boden, der aus einer Art Feuerftein beftcht, außer-

*) Der gelehrte Robinfon treibt feinen Scepticismus fo weit, daß er die Grabeshöhle Lazarus' gar nicht einem Grabe ähnlich findet. Ohne jedoch zur Widerlegung feiner Behauptung Firchliche Autoritäten und die unveränderte Lage diefer Höhle anzuführen, will ich nur bemerken, daß die Grabeshöhle der heiligen Jungfrau in Gethfeniane, obwohl fie bedeutend größer tft, eine unleugbare Achnlichkeit mit der Grabeshöhle Des Lazarus hat. Die beiden Verſe aus dem Svangeliun Johannis (Kap. 11, 31. 38), welche Robinfon anführt, beweien nur, daß vie Grabftätte Des Lazarus nahe bei feinen Haufe war. (Robinjon II. 101—102.)

Bethanien. Berg des vierzigtägigen Faſtens. 21

ordentlich feft ift. Das Volk glaubt, dag Niemand im Stande fei, ein Stück davon abzufchlagen, und aud) meine Leute verfuchten es vergeblih. Nachdem ich dDiefe Stelle begrüßt, fehaute ich lange nad) Bethanien bin und rief mir Das Bild in die Seele, weldyes im Evangelium davon entworfen ift.

Der Bergpfad von Bethanien nach der Wüfte des Jordan führt anfänglich ftellenweife über fürglich be- baute Bergabhänge; je weiter man ſich jedod) von Be- thanien entfernt, defto mehr nimmt die Wildheit der Gegend zu. Schon hinter dem erften Bergabhange fieht man nur noch ausgedörrte Berge. Zwanzig Mi- nuten von Bethanien riejelt in einer tiefen Schlucht am Fuße des Berges ein Quell, der mit einem feiner: nen Bogen überbaut iſt. Dieſem ſchräge gegenüber fiebt man zwei andere Bögen, die Ueberrefte eines Ge— bäudes. Diefer Quell, fo labend für den durftigen Wanderer, der aus der Wüfte des Jordan fommt, tft derfelbe, welcher im Buche Joſua der Quell der Sonne genannt wird *), er ift geheiligt durch die Tradition, daß der Heiland hier oft mit feinen Apofteln geruht und fih an dem Waffer gelabt habe.

Hier beginnt die Wüſte; der Weg, den die Natur jelbft gebahnt, führt am Abhange der Felfen an der Schlucht hin**). Schon Zofephus ſpricht von der Wildheit dieſes Bergpfades, ungeachtet hier Die Haupts

*) Joſua 18, 7. **) Epiph. adv. Haereticos I. 42.

22 Zweites Kapitel.

ftraße nach Zericho war, wo viele Leviten wohnten, und von Dort weiter in Die -hinterjordanifchen Länder. Zwei Stunden von Serufalem erftiegen wir einen Berg, auf deffen Höhe man noch die Ueberreite eines Gebäu- des fieht, welches man den Khan oder die Herberge des barınherzigen Samariters nennt. Diefer Ort ift von Alters her Adummim oder die Blutftelle genannt, wegen der hier oft von Räubern verübten Mordthaten. In diefen Ruinen findet man jeßt fein Obdach, aber nahe dabei, rechts vom Wege, ift eine große Höhle, wo die Wanderer im Schatten ruhen können. In den Gebir- gen, links von Adummim, findet man verſchiedene Höh—⸗ len, von denen namentlich eine Durd ihre rothe Farbe ausgezeichnet ift. Vielleicht hat Diefe Gegend von der Farbe des Gefteins den Namen Adummim Croth) erhals ten, wie fie fhon im Bude Sofa genannt wird. Bon hier nordwärts führt der Weg nad Gilgal*). Rechts von der Höhle Adummim it der Engpaß, von dem id ſchon früher gefprochen habe. Hinter den Ruinen der Herberge des Samuriters fieht man auf dem Berge nod) andere Ruinen; hier muß man die Etadt Ephraim ſuchen, wohin fid) der Heiland nach der Erwedung des Lazarus zurüdzog, weil die Juden ihm nachftellten **).

Bon Adummin führt der Weg über die hohen Abs hänge des Gebirges, welches den Bli Durch feine

*) Joſua 15, 7.

*) Gv. Joh. 11, 54. Gröben ſpricht von den Ruinen der Stadt Baalhazor, Die neben Ephraim lag. 2. Samuelis 13, 23. Gröben 206.

Bethanien. Berg des vierzigtägigen Faſtens. 23

Dede überrafcht. Bier bewaffnete Reiter des Paſcha von Syrien begleiteten mich, alle vier hatten wunder: fhöne arabifche Roffe. Bei einer Wendung des Weges blieb der vorderite Reiter plöglich ftehen, zog fein Pferd zurück, das fogleih wie angemauert ſtand und die Ohren fpigte. Ich griff nach meinen Piftolen. Der Araber zielte und fchoß, fein Schuß ballte in den Gebirgen wieder und Alles endigte mit einem Fehl: ſchuß auf einen Schakal.

Wir erreichten ſchon die lebte Bergfette, aber nur hin und wieder erblicdten wir in blauer Kerne das Thal von Sericho. Wir ritten am Rande eines furchtbaren Ab: grundes, unten tobte ein reißender Bach. Die Seiten der Felfen find von Höhlen durchbrochen, in denen jegt wilde Thiere banfen; einft die Wohnung from- mer Einfiedler, „deren die Welt nicht werth war, und find in Elend gegangen in den Wüften, auf den Bergen, und in den Klüften und Löchern der Erde, " und deren heilige Hymnen mit Dem Zofen des Buches verfhmolzen. Der Abt Daniel bezeichnet auf diefem Wege einen Ort, den er Khufiba nennt, wo, nad) einer Erzählung des unechten Evangeliums des heiligen Ja— cobus, der heilige Joachim gefaftet haben foll, weil ihm die Vaterfreuden verfagt waren. Bielleicht lag an diefer Stelle das alte Cheſib*). Auch Eufebius feßt Diefes in die Nähe von Adullam, welches etwas ſüdlicher Tag.

*) 1.Mof. 38, 5.

24 Zweited Kapitel.

Bald theilten fich die Berge und ich erblidte zum zweiten Mule die großarfige Jordanebene, Jericho, den Lauf des heiligen Zordan, das todte Meer und die arabifchen Gebirge.

Bor Zericho, auf einer Thalfläche, zeichnete fich ein einzelner Hügel aus, der einem Zumulus ähnlich fah.

Als wir von dem fteilen Gebirge herabfamen, wen: deten wir uns fogleich links von der Straße nach Je: riho ab. Die wilde Einöde gewann bald ein freunds licheres Anſehen; üppige Wiefen traten an die Stelle des unfruchtbaren Bodens, Oliven- und Feigenmäldchen beichatteten unferen Weg und erfreuten unfer an die Wildniß gewöhntes Auge. Endlich drang das Raus ichen eines reißenden Bades an unfer Ohr und vol lendete die Schönheit der Landſchaft. Durch das Grün der Wälder fahen wir in der Ferne Ruinen von Waſſer⸗ leitungen und einigen anderen Gebäuden. Hier lag einft Jericho. Diefe Stadt erjtredte fih vom Fuße des Berges bis zu dem jeßigen arabiſchen Dorfe Ribha. Die bedeutenden lleberrefte Serichos find nur von wer nigen Reifenden gejehen worden.

Je weiter wir uns von den Thale entfernten und wieder den Gebirge näherten, defto mehr verſchwand das freundliche Anfehen der Gegend und bald bes funden wir uns wieder in der ernften Wüſte. Wir ritten einer Anhöhe zu, und als wir diefelbe erftiegen hatten, ſahen wir zu unferen Füßen einen tiefen Abs grund und hinter dieſem zwei Kelfenberge von über raſchender Wildheit, gigantischen Kegeln ähnlich. Diele

Bethanien. Berg des vierzigtägtgen Faſtens. 25

beiden Berge find die lebten Ausläufer des judäiſchen Gebirges nad der Ebene des Sordan zu. Bon hier aus wendet fi) das Gebirge nordöftlicdh nad Ai und Bethel, wo es den Namen Gebirge Ephraim führt. Der eine diefer beiden Berge, mit weißem Gipfel, ift von tiefen Höhlen durchfurcht und ungeführ von der Mitte defjelben fällt eine fchroffe, faſt ſenkrechte Wand bis an den tiefen Abgrund herab. In einer der finftern Höhlen dieſes Berges brachte der Erlöfer vierzig Tage lang mit Gebet und Faften zu, als er fih zu dem großen Werke der Erlöfung vorbereitete. Hier zeigte er, Daß der zum fünftigen Leben beſtimmte Menfch nicht vom Brode allein lebt. Bon den hohen Gipfel diefes Berges, auf dem man einige Ruinen erblict, zeigte der Satan dem Herrn die Reiche diefer Welt in ihrer Herr: lichkeit. Hieher fanıen Die Engel herab, um dem Sohne Gottes zu dienen. Der heilige Bonifacius fchreibt, daß man zu feiner Zeit an einer Wand der Kapelle, welche Die heilige Helena hier gegründet hatte, Das Bild des Erlöfers fah, der den Satan zertritt. Aber welche von den vielen Höhlen war die, in welche Chriſtus fih zurüdzog? .... Die Natur felbft zeigt uns Diefelbe. Der Felſen über dieſer Höhle ift ge- borften und bilder ein großes Kreuz, weldes man Ihon aus der Ferne fehen kann. Es ift, wie ich glaube, früher noch nicht bemerft worden, Der Weg zu dieſen Höhlen ift mit vielen Schwierigkeiten und Gefahren verbunden, denn der Pfad an der fteilen Felſenwand hinauf ift fchlüpfrig und uneben, und wilde Thiere und

26 Zweites Kapitel.

Beduinen haufen in den Schluchten; dazıı kam noch die Hiße und der bedeutende Umweg, den wir hätten machen müffen. Ich bedauerte in der Folge fehr, daß ich dieſe Schwierigfeiten nicht überwunden hatte. Die heilige Helena, weldhe nie müde wurde die Kirche zu beichenfen, hatte auch diefe Höhle mit einer Kapelle ges ſchmückt, von der, wie man mir fagte, an den inneren Wänden noch einige Frescomalereien erhalten find. In den angrenzenden Höhlen ruhen, nach der Ausjage des heiligen Bonifacius, Die unverweslichen Ueberreite der heiligen, Gott wohlgefälligen Männer, auf fteiner: nen Bänfen, mit gen Himmel gerichtetem Antlitz. Viele von ihnen wurden mitten im Gebet vom Tode über: rafcht, denn fie find in fnieender Stellung *). . Man ſagt, daß anch jet aus der Fleinen Anzahl der abyffi- nischen Mönche manche zur Ofterfaftenzeit hierher fom- men und fih nur von Kräutern nähren. Diefer heilige Berg führt den Namen Quarantania, d. t. Berg des vierzigtügigen Faſtens. Auf dem danebenftehenden Berge ift ebenfalls eine Ruine. Hier ftand einft eine Kirche; neben derielben fieht man ein in Stein gehaue nes MWafferbeden, in dem fich das Regenwaſſer fans melt**) in Reiſender fagt, die Wüſteneien Ara: biens feien Schrecklich, aber Nichts im Vergleidy mit dem Berge des vierzigtägigen Faſtens. Wendet man bier das Geſicht nad) der Zordanebene, fo erblidt man eine

*) Bonifacius S. 10— 11. Cotovicus 313 fagt dafjelbe. **) Gröben 240.

Bethanien. Berg Des vierzigtägigen Faſtens. 97

frifche und reizende Landſchaft. Am Fuße des Berges, im Schatten von Feigenbäumen und Syfomoren, riefelt von Stufe zu Stufe der reizende Bach des Propheten Elifa hinab, weiterhin erblidt man eine Waffermühle, dann die haldzerftörten Arkaden einer Waſſerleitung, Heerden von Rindern und arabifchen Pferden, bie und da einen arabifchen Hirten in weißem Burnus, und ans ftatt des Hirtenftabes mit langer Flinte und Lanze be- waffnet, Deren er eben jo fehr zur Plünderung der Rei- fenden, wie zum Schuße gegen wilde Thiere bedarf, denn Löwen, Tiger und Hyänen dringen nicht felten aus den arabifchen Wüften bis in diefe Gegend. Noch weiterhin erblict man die Thürme des Dorfes Rihha, das Feld von Jericho und endlich die weit ausgedehnte Ebene, welche durch Das Bett des Jordan und die helle Fläche des todten Meeres und von den Maffen des arabifchen Gebirges begrenzt wird.

Die Fruchtbarkeit dieſes gefegneten Landes ift ein befonderes Geſchenk Gottes, weldyes der große Prophet Elifa erflebte, als er nad) feiner Trennung von Elias, der vor feinen Augen an den Ufern des Sordan im feurigen Wagen gen Himmel fuhr, wieder nad) Jericho zurüdfehrte. Das Waffer des klaren Quelles war bitter und der Boden unfruchtbar, aber auf Das Gebet des Propheten reinigte Gott Das Waller und machte den Boden fruchtbar. Wahrfcheinlih war die Quelle des Elifa eine Mineralquelle. Bon Jericho ging Elifa über Ai nad) Betbel, wohin die Straße führte. Seit diefer Zeit ijt Die Umgegend von Sericho durch ihre

28 Zweites Kapitel.

Fruchtbarfeit berühmt. Das Zuderrohr war einft in diefem Lande und an den Ufern des Jordan einhei- mifh*), und man vermuthet, daß der wilde Honig, mit dem fih Sohannes der Täufer nährte**), nichts Anderes war, als der Saft des Zuckerrohres, der fpäter aud) den Einfiedlern diefer Gegend zurNahrung diente. Wir haben fehon bemerkt, daß das Klima im Sordan- thale viel heißer tft, als anderwärts in Paläſtina. In den heißen Somntermonaten ift hier auch der heiße Wind Chamfin nicht felten.

*) Gesta Dei per Francos p. 1076. **) Ev. Mare. 1,6.

Drittes Kapitel. . Ieridyo. Das todte Meer.

So werben dann fagen die Nachkommen eurer Kinder, die nach euch auffommen wer- den, und die Fremden, die aus fernen Lan⸗ ben fommen, fo fie die Plagen diefed Lan⸗ des fehen, und die Krankheiten, damit fie der Herr beladen hat, daß er alles ihr Land mit Schwefel und Salz verbrannt hat, dar ed nicht befäet werden mag, noch wüächfet, noch fein Kraut darinnen aufgehet; gleichwie Sodom und Gomorra, Adama und Zeboim umgefehret find, die der Herr in feinem Zorn und Grimm umgefehret hat.

5. Mof. 29, 22. 23.

Huf dem Wege vom Berge des vierzigtägigen ns zum Dorfe Rihha fieht man Die Ueberrefte 3 Klofters des heiligen Euthymius*), Dieſes ter war ohne Zweifel ein Gebäude, welches zu ho gehörte. Bei genauerer Prüfung der Ruinen ten die Grenzen der Stadt genau beftimmt werden.

) Daniel ©. 58.

30 Drittes Kapitel.

An Jericho arenzte, von der Seite des Gebirges, Die Burg des Herodes, Kypros genannt, und der von Ar- helaus gegründete Flecken Archelais. Jericho felbft hatte etwas über 20 Stadien im Umfange*). Diefe Stadt war nur die Borhalle des gelobten Landes der Kinder Sfrael. Der Berg Nebo, deffen Gipfel mit der Kette der arabifchen Gebirge jenfeit des Jordan zu— fammenzuhängen fcheint, Liegt Sericho gerade gegen: über; er tft die geheimnißvolle Grabftätte des großen Führers des Volfes Iſrael, „den der Herr hier begrub, im Thal, und hat niemand fein Grab erfahren, bis auf diefen heutigen Tag“**. Bon bier aus zeigte Gott dem Mofe alle Gauen des gelobten Landes, Joſua führte die Kinder Iſrael gerade auf Jericho zu. Die Bundeslade hatte durch die Macht Sehovas die feind- lihen Mauern geftürzt, und der Fluch Joſua's fcheint bis heute auf Zericho zu laſten ***). Herodes, der Sericho zum legten Mal wieder aufbaute, endete hier fein Durch Sünde und Miffethat belaftetes Leben, Als er fein Ende nahen fühlte, und daran dachte, wie feine Unterthanen fich über feinen Zod freuen würden, befahl er feiner Schweiter Salome und ihrem Manne, Die vor: nehmjten Bürger der Stadt in dem Amphitheater zu verfammeln, die Zugänge mit Soldaten zu befeßen, und nach feinem Tode alle tödten zu laffen. Salome

*) Epiphan. adv. Haeret. II. *) 5. Mof. 34. ») Joſua 6, 25.

Jericho. Das todte Meer. 31

war jedoch menfchlich genug, diefen Befehl nicht zu erfüllen.

Wenden wir ung jedoch zu anderen Gegenftänden, die tröitender auf das Herz des Chriſten wirken. Hier war Jeſus im Haufe des Zachäus. Lange Zeit zeigte man die Ueberrefte diefes Haufes, und felbit den Baum, auf dem der reuige Sünder bei dem Einzuge des Herrn in Jericho faß. Hier ſchenkte Sefus dem Blinden das Gefiht, weldher ihm vom Wege her zurief: „Jeſus, Sohn David’s, erbarıme dich meiner!”

Einige Hütten, Die mehr den Zelten der Nomaden gleichen, find hie und da in dem verödeten Thule es richos umbhergeftreut; Dichter beifanmen liegen fie um den Thurn am Ufer des Baches, und führen hier den Namen Rihha. Die Palmenbäume, durch welde Je—⸗ richo berühmt war, und nach denen es die Palmenſtadt genannt wurde*), zieren nicht mehr dieſe Wüſte, doc) der Saffum, der balſamiſche Myrabalanus **), findet ih bier in großer Menge. Aus der Frucht Diefes Baumes gewinnt man ein heilfames Del, weldyes man unter dem Namen Ballam von Gilead oder Zachäusöl fennt. Ich fah bier auch Granatenbäume mit großen rothen Blüthen, die mich an Die Roſe von Jericho er- innerten***), _

Am Thurme zu Ribha machten wir Halt, im Hofe

*) 5, Moſ. 34, 3. *) Elaeagnus angustifolius. Lin. ***) Anastatica Hierochuntica; man findet dieſe Pflanze auch in Afrika.

39 Trirtes Karıtel.

des Scheikbs der Beduinen von Jericho*). Das Er: fcheinen von vier Kawaſſen des Paſcha brachte Die ganze Familie des Scheifb in Bewegung. Wir lagerten uns über Nacht unter einem Dache an einem Baljin, in welches das Waſſer aus dem naben Garten fließt. Ich würde es vorgezogen haben, im Garten unter einem alten Snfomorenbaume zu ruben, beim Murmeln eines Bades, Der von der Quelle Elifa’s berabfommt, aber die Zeuchtigfeit der Nacht binderte mich daran. Mit der Morgendämmerung brachen wir wieder auf. Der Scheikh jelbit wollte uns als Führer zum todten Meere dienen. Seine weiße arabiihe Stute bezauberte und alle. Ertrug einen Burnus mit jpißem Capuchon, in der Hand eine Lanze, im Gürtel zwei Piſtolen. Die Sonne fam am Horizont hinter den Bergen des jteini- gen Arabiens hervor, Die in ein helles, röthlich fchim- merndes Blau gefleidet waren, Die Wüſte zwifchen Jericho und dem todten Meere ift außerordentlich wild, und wird imnter fehauerlicher, je weiter man fich von Jericho entfernt; fahle Gebirge bilden den Rahmen diefer düſteren Lundfchaft.

Scyweigend und in Gedanfen verfunfen ritten wir über die todte, von Salz und Salpeter getränfte Ebene. Nur unfer Führer unterbrach zuweilen die Einförmig- feit unferes Nittes, indem er fein ſchönes Pferd in Trapp feßte und ung Alle mit fich fortriß. Links von

*) Baumgarten nennt diefen Thurm das Haus des Zachaͤus, was jedoch faum wahrjcheinlich iſt.

Jericho. Das todte Meer. 33

unferem Wege fah ich Die Ruinen eines Klofters, wel ches Johannes dem Täufer geweiht war”). Ich fand bier gut erhaltene Fresken byzantiniicher Malerei, ver- Ihiedene Heilige in Lebensgröße darftellend. Unter den Aebten diefes Klofters nennt man den heiligen Zoſimus, weshalb das Klofter auch nach feinem Namen genannt wird; ed haben fi) jedoch nur zwei £leine Stapellen erhalten. An diefer Stelle befand fih, nad) der Zradition, Die Tenne Atad**), wo Sofeph den Leichnam feines Vaters‘ Jakob fleben Tage lang be- weinte, und bier lag fpäter die benjaminifche Stadt Beth-Hagla***). Der Abt Daniel fah im Anfange

*) Quaresmius Hält diefe Ruinen für die eines Kloſters des heiligen Hieronymus (II. 752), und das Klofter Johannes des Täuferd am Jordan, von dem wir ſchon oben geſprochen haben (Theil I. Kap. 8), für das Kloſter des Heiligen Zofimus (II. 744). Vgl. Bonifac. S. 247.

““) Hieronymus in loc. hebr. Fürer S. 79. Daß die Zenne Atad an dieſer Seite des Jordan war, unterliegt feinem Zweifel, denn für die, welche aus Aegypten nach Canaan kamen, war diefe Stelle „jenfeits des Jordan”, wie ſchon Neland, zu der Stelle 1. Mof. 50, 10— 11, richtig bemerkt hat. Hieronymus gebraucht die Worte „jenſeits des Jordan” in demfelben Sinne. Man vergl. auch Procop. Gaz. ad Genes. I. Robinfon nennt dieſe StelleKasr Hajla, nad) dem in der Nähe befindlichen Brunnen. Bon diefem Brunnen fpricht auch Semän Semänvwitfch in den An⸗ merfungen zu der Reife eines Edelmannes II. 785. Gr jagt, das Waſſer ſei auf das Gebet des heiligen Gerafimus der Erde ent: auoflen, und nennt das Klofter des heiligen Zofimus nad dem Namen des heiligen Geraſimus; eben fo der Abt Daniel.

») Joſua 18, 21. Noroffs Reife nach Baläftina. I. 3

34 Drittes Kapitel.

des zwölften Jahrhunderts an der Mündung des or: Dan ein noch bewohntes Klofter der heiligen Jungfrau, welches den Namen Kalomonia führte, und wo fidh ein wunderthätiges Marienbild befand *).

Unweit des todten Meeres fenkt fi) das Plateau in zwei hügelartigen Abftufungen eines weißlichen Erd- bodens. Hier und da ficht man farblofe Moofe, die näher dem ‘Meere zu eine röthliche Färbung erhalten.

Ueber einen leicht gefenften Abhang gelangten wir nach zwei Stunden eines fchnellen Rittes von Jericho an das Ufer des todten Meeres.

Die Oberfläche Des todten Meeres war fpiegelglatt und faft ohne alle Bewegung; nur an den Ufern be- merfte man ein geräufchlofes Wogen des Waflers. Keine Muſchel, feine Pflanze war auf der ganzen Strede zu fehen. An der Stelle, wo wir von unfern Pferden abftiegen, lagen Haufen verwitterter Steine, die Ueberrefte von Ruinen, die fich wie eine Landzunge in das Meer eritreden. Wenn das Waffer des Sees

*) Abt Daniel, ©. 53. Der heilige Eyrillus von Alexan⸗ drien nennt ein Klofter Kalamonia, welches nach feiner Angabe in der Wüfte Tharah, auf dem Wege nach Aegupten, lag. Durd einen groben Irrthum eines Abfchreiberd ift Daher in der Reife ves Abts Daniel das Klofter Kalomonia als der Ort genannt, wo vie heilige Jungfrau, auf der Flucht nach Aegypten, eine Nacht zuge bracht haben fol (2). Man erkennt den Irrthum auf den erften Blick. Ueber Dad Kloſter Kalomonia ſ. Acta Sanctor. I. p. 303. Prat. spirit. p. 40. Reland. p. 678.

Jericho. Das todte Meer. 35

austritt, bildet diefe Landzunge wahrfcheinlich die Inſel, welche die Araber Redſchom Luth, d. i. Ruinen Lots, nennen (Saulcy. II. 154). Diefe Trümmer ge- hören einer fehr frühen Zeit an, und id) glaube, man darf mit Wahrfcheinlichfeit annehmen, daß hier Go- morra lag. Die Berge zu beiden Seiten diefer Stelle find ganz fahl und dunkelbraun und zeigen feine Spur von DBegetation; denn Gott „fehrete die Städte um, und die ganze Gegend, und was auf dem Lande ges wachlen war ”*),

Die Araber nennen das todte Meer Birket ul Quth, d. h. See des Lot. Als Abraham fich bei Bethel von Lot trennte, erwählte fich Diefer die Gegend am Jordan, der wie der Nil das Land befruchtete, und wo damals fünf blühende Städte Sodom, Gomorra, Adama, Ze⸗ boim und Zoar lagen, Abraham, der mit fo großer Herzensgüte den Allmächtigen um Schonung des fün- digen Gefchlechts bat, beftieg eined Morgens, von Kummer gedrüdt, die Höhe bei Hebron, welche die Ebene des Jordan überragt. Er fah Feuer und Rau, der das ganze Thal bededte; bald öffnete fich ein Ab- grund und füllte ſich mit falziger Zluth. Die Ruinen diefer fündigen Städte follen noch heute auf dem Grunde des Meeres durch die Elaren Wellen fichtbar fein. Die Bhantafie der Araber hat viele Mährchen über den See Xot’8 und deffen Umgebung erſonnen. Unter den heidnifchen Schriftftellern ſprechen Strabo,

*), 1. Moſ. 19, 28. 3*

36 Drittes Kapitel.

Tacitus und Solinus von der Vernichtung Sodom’s durch Feuer *).

Die Ufer des todten Meeres oder des Salzmeeres, wie es im eriten Buch Mofis genannt wird, haben fid) jeit den Zeiten Mofis nicht mejentlich verändert. Das Waſſer iſt Elar, aber widerlich bitter und ſalzig. Mit Mühe konnte ih, als ich es koftete, mid) des bitteren Geſchmacks wieder entledigen; es war mir, als hätte ih die Zunge verbrannt. Die chemifche Unterfuchung er giebt auf 100 Theile Waſſer A2 Theile Salz, 24 Theile bitterfalzige Erde, 7 Theile falsfaures Natron und 10 Theile Kalk*), es ift alfo natürlich, daß kein Fiſch darin leben fann. Die Fifche, welche der Jordan her: abbringt, fterben augenblidlih. Vögel fommen zu weilen hierher, aber, wie meine Beduinen fagten, nur zufüllig. Sch wollte die Wahrheit der Erzählung er proben, die fi ſchon bei Tacitus und Joſephus finde und von der Mehrzahl der Reijenden wiederholt wird, daß das Waſſer des todten Meeres einen Körper nidt finfen Taffe; ich bot deshalb einem meiner Aegyptet einen Ducaten, wenn er es verfuchen wollte; allein, ſobald er aufhörte zu ſchwimmen, fing er an zu finfen. Wahr aberift es, Daß Diefes Wafler durch feine Schwere das Schwimmen fehr erleichtert ***). ALS mein Aegypter

*) Strabo 16. Teac. hist. $, 7. Solin. 36. ») Naumer 64. Das todte Meer ijt 11 Meilen fang unt 3 Meilen breit. ) Ueber Die Schwere dieſes Waſſers vergl. auch Georg Ro: binfon, deſſen Reifebefchreibung 1837 erfchienen if. Bd. 1, 69.70.

Jericho. Das todte Meer. 37

wieder aus dem Waſſer fam, erfchraf ich über Die Röthe feiner Augen, die wie mit Blut unterlaufen waren; auch fein Körper war blauroth und mit großen Blafen bededt und die Augen fchmerzten ihm mehrere Tage. Die Stelle, an welcher Sodom lag, muß man bedeutend niedriger fuchen, an dem Ufer gegenüber der Höhe von Hebron. Hebron lag nicht weit von Sodom, denn Abraham und Lot befuchten einander oft. Suulcy giebt die Lage diefer Stadt, wie es fcheint, ziemlich) richtig an, nämlich in der Gegend der Landzunge Red- ſchom el-Maforgel; doch kann ich feine Ueberzeugung binfichtlich der Entdedung der Ruinen der fünf Städte nicht theilen, da er einige derjelben, wie Adama und Zeboim, ziemlich weit über die Ufer des Sees hinaus: feßt und feine Angaben nicht mit denen der Bibel übereinftimmen. Die Verwandlung des Weibes Lot's in eine Salzfäule ift noch weiter hin zu fuchen, an Der Stelle, welche jetzt Morgara genannt wird, wo fid) in einem Thale große Salzfteinblöde finden. Einen der: jelben nennen Die Araber noch bis jetzt das Weib Lot's. In dieſem Salzthale ift auch eine Asphaltquelle *). Der öftlihe Theil des Meeres, das verödete Land der Moabiter, ift fat gung unbefannt, ungeachtet der groß: artigen Ruinen von Marmor und Borphyr, die in der Wüfte umherliegen und die nad der Weiffagung der Propheten **) der Vergeffenheit verfallen find. Dort

2) 1. Moſ. 14, 10. ») Jeſaias 15 und 16. Amos 2.

38 Drittes Kapitel.

ift, wie unfer Scheikh fagte, nur eine einzige bebaute Stelle, ein Nomadenlager, Homeidha genannt. Ich fragte unfern Scheikh nad) dem fodomitifchen Baume, dejien Frucht mit Staub angefüllt fein fol. In der Gegend des todten Meeres findet fih, wie ſchon gefagt, gar feine Vegetation, Doc) fagte mir der Scheikh, daß diefer Baum in der Gegend von Jericho wachſe und Hamedh, d. i. Eitrone, genannt werde. Die Frucht if ſehr fhön, aber mit Staub angefüllt. Der Botanifer Haffelquift fehreibt diefe Erfcheinung dem Nagen eines Wurmes zu und nennt den Baum Solanum melongena. Robinſon fand einen ähnlichen Baum an der Quelle des Baches Ain-Dfehidi, am weftlichen Ufer des todten Meeres, und fagt, daß die Araber ihn Ofcher nennen. Er wählt 10— 15 Fuß hoch und hat Längliche Blätter; die Frucht hat Aehnlichkeit mit einer Apfelfine, ift aber mit Luft gefüllt und zerplagt bei dem geringften Drude; Das Innere ift mit Körnern und feidenähnlichen feinen Faſern angefüllt. Derfelbe Baum wächſt auch in Ober: Ägypten und Nubien *).

Mit dem Gedanken an das Strafgericht Gottes über diefen fündigen, der Verwüſtung preisgegebenen Theil der Erde, wo nach den Worten des Seremias fein Menſch mehr haufen foll**), ließ ich meinen Blie von

*) Nach der Herausgabe meined Buches fand ich dieſelbe Bes merfung auch bei einem älteren Neifenden, Michael Nau, Voyage nouv. de la terre Sainte. Paris 1679, 12. Dieje Bemerkung wur ihm von dem Abte des Kloſters St. Saba mitgetheilt worden.

**) Jeremias 49, 18; 50, AO.

Jericho. Das todte Meer. 39

dDiefer Fläche der bitteren Gewäfler nad den Gipfeln der Berge hinüberfchweifen, zwifchen Denen fich der geheimnißvolle Berg Nebo verbirgt, wo das Grab deffen ift, der den Herrn von Angefiht zu Angeficht fhauete. Wir lefen in den Büchern der Maffabäer *) die geheimnißvolle Tradition von diefer heiligen Stätte, „die fein Menich finden foll, noch wiffen, bis der Herr fein Volk wieder zu Haupt bringen und ihnen gnädig fein wird"...

Wie genau auch in der Heiligen Schrift**) Die Lage des Berges Nebo angegeben ift, fo ift ed doch noch feinem Geographen gelungen zu ermitteln, welcher Berg in der Kette der hinterjordanifchen Gebirge ge- meint ift —: „Und hat niemand fein Grab erfahren, bis auf diefen heutigen Tag “***).

92. Makkab. 2, A—8.

”) 5. Mof. 34, 1.

er) ipid. 2. 6.

Diertes Kapitel,

Dom todten Meere zum Rlofter des heiligen Sabas. St. Saba. Thekoa. Bethlehem.

Und David zog hinauf von bannen und blieb in der Burg Engedi.

1. Sum. 4, 1.

Gegen acht Uhr des Morgens verließen wir wieder Die Ufer des todten Meeres und wendeten uns Der Wüſte des heiligen Sabas zu. Nach einer Stunde er: reichten wir den Fuß des Gebirges. Eine der näher liegenden Höhen führt den Namen Herbet Gumran. Saulcy meint, daß auf diefem Berge Gomorra gelegen babe, wofür ihm der heutige Name des Berges und Spuren von Ruinen als Grund dienen*), ich bleibe jedoch bei meiner oben ausgefprochenen Vermuthung, daß die Spuren Gomorra's auf der Landzunge Red: ſchom Luth zu fuchen feien, und nicht auf Diefem wilden Felſen. Der Name Gumran beweißt Nichts, denn e8 it fehr natürlich, Daß der gegenüberliegende Berg den

*) Saulcy I, 168.

Bom todten Meere zum Stlofter des heiligen Sabas x. A

Namen der berühmten Stadt erhielt. Als wir die erfte Anhöhe erreicht hatten, ritten wir über einen ſchmalen, alleinftehenden Felfen, der wie eine Brüde über eine tiefe Schlucht gelegt ift, in welcher wir das Bett eines vertrochneten Baches bemerften. Dies muß der Bach Kidron fein, obgleich mein Dragoman fagte, es fet ein anderer Bach, der von Nazareth herabfomme; ich weiß nicht, worauf er feine Vermuthung gründete. Auf den Gipfeln der Berge füahen wir einige Gefpenftern ähn⸗ lihe bewaffnete Beduinen, Die vor der Refrutirung bierher geflüchtet waren, Der Zritt unferer Pferde hallte weit hin in den Windungen der Schluchten und lockte die beutefüchtigen Beduinen herbei, aber der Anz blick der Kawaſſen des Paſcha's ſchreckte fie zurüd. Rechts von unferem Wege fah man auf dem Gipfel eines Berges das Denkmal eines Santo. Die Mos- lemen halten diefe Stelle für das Grab Moſis der nicht über den Jordan gekommen ift. Hier findet fich, wie man mir fagte, eine Schicht eines ſchwarzen Mine: rals, das wie Pech brennt und einen unangenehmen Geruch hat. Man kann es behauen und gebraucht e8 zum Bauen, wie Lava. Die Araber machen davon Talismane, die vor der Pet bewahren follen. Merk: würdig ift es, Daß viele Amulete, Die man in der Nähe der ägyptiſchen Pyramiden findet, von dieſer Steinart find, die fich nur in der IImgegend des ſchwarzen Mees res findet. Der Naturforfcher Haffelquift hält diefes Mineral für Quarz, in der Geftalt von Schiefer; es ift eine der feltenften Steinarten, die er auf feiner Reife

42 Viertes Kapitel.

gefunden hat*). Der Berg, auf dem das Denkmal fteht, wird Nabi Mufa oder Feſchha genannt. Saulcy läßt fich durch die für den Forſcher fo gefährliche Aehn⸗ fichfeit der neueren Namen mit alten biblifchen Namen hinreißen und hält den Berg für das Gebirge Pisga, welches an mehreren Stellen der Bibel, unter an dern im fünften Buch Mofes 34,1, genannt wird. Das mufelmännifche Denkmal hält er allerdings nicht für das Grabmal Mofts, fucht aber zu beweifen, daß das Gebirge Pisga, welches nichts Anderes ift als ein Gipfel des Berges Nebo, ein befonderes Gebirge fei, und will deshalb ftatt „Spike des Gebirges Pisga“ überfegen „gegenüber Pisga”, fo daß dann das Ge birge nicht auf der öftlichen,, fondern auf der weftlichen Seite des Jordan zu fuhen wäre**. Bald Hinter Nabi Mufa beginnt ein großes Thal, an deffen Ende wir einen fteilen Berg mit Ruinen erblidten, den wir nach einem Ritte von viertehalb Stunden, vom todten Meere her, erreichten. Hier hatte ein ftarf bewohntes Klofter geftanden, welches von Khosru zerftört wurde, der 1400 Mönche tödten ließ. Man fagt, daß man jest noch die Gebeine der Getödteten auf dem Gipfel

*) Reiſe, S. 131 apud Robinson II, 221.

**) Da ich meiner Kenntniß der hebräifchen Sprache nick traute, wandte ich mich an gelehrte Kenner ded Hebräifchen,, ak aber erklärten einjtimmig die Anfiht Saulcy's für unhaltbar, ven Das hebräifche Wort Rosch, welches an diefer Stelle fteht, beden⸗ tet Haupt, Gipfel, Höhe, kann aber nie durch gegenüber überjegt werten.

Bom todten Meere zum Stloiter des heiligen Sabad x. AZ

fehen kann. Die Araber erzählen, daß die Gebeine, welche viele Pilger von bier mitnahmen, wieder an ihren Ort zurüdgefehrt feien. Nach der Lage des Klo- ſters zu urtheilen, ſcheint es Das Klofter des heiligen Euthymius zu fein, wo deffen irdifche Heberrefte ruhen, und von dem auch der Abt Daniel fpricht.

Bon hier beginnen die engen und finitern Schluch» ten, welche zu der Einfiedelei des h. Subas führen. Es war Mittag, die glühenden Zellen hauchten eine Hiße auf uns, wie aus einem Badofen. Auf den überhäns genden Höhen der Felfen fah ich Die Wachteln *), von denen fi die Sfraeliten in der Wüfte nährten. Gie find fehr Hein, von brauner Farbe, haben einen langen Hals und laufen auf den glatten Rändern der Felſen wie auf der flachen Erde**). Wir Eonnten feine fehie- Ben, weil unfere Flinten mit Kugeln geladen waren.

Immer tiefer drangen wir in die Schluchten und famen endlich in einen faft undurchdringlichen Engpaß. Wir und unfere Pferde waren ermüdet. Die Felfen beftehen hier aus einem weißlichen, freideartigen Ge- ftein, von dem die Strahlen der Sonne zurüdprallten und unfere Augen blendeten. Wir fanden hier eine große Höhle, und neben derfelben ein vierediges in den Felſen gehauenes Waſſerbecken, wahrfcheinlich zur Auf: nahme des Regenwaſſers. Diefe Höhle, wo fpäter Einfiedler wohnten, wird fehon im Alten Teftament er-

*) 2. Mof. 16, 13. 14.

») Hafjelquift und Burckhard verwechfeln viefen Vogel mit tetrao, dem er jedoch nicht ähnlich fieht.

4A Bierted Kapitel.

wähnt*). Hier barg fih David in den Engpäffen von Engedi, hierher verirrte fih Saul und hier hat David, der Das Leben des Königs in feiner Hand hatte, Diefes geſchont und nurein Stüd feines Mantels abgefchnitten. Diefe berühmte Höhle nahm auch uns in ihren Schatten auf. Nach kurzer Raft fegten wir unfern Weg wieder fort,

Bon bier gelangten wir auffchwierigen Bergpfaden, wo unſere Pferde jeden Augenblid ſtrauchelten, in Das Thal, welches vom Volke Wadi el rahib oder Möndy thal genannt wird. In den erften chriftlichen Jahrhun⸗ derten war dieſe Einöde von vielen Einfiedlern bewohnt, die fich an beftimmten Zagen in diefem Thale zu ver fammeln pflegten. Wir ritten wieder bergan, und er blieten eine furchtbare Schlucht, Raſul wadi, die nichts Anderes ift, als das Bett des Baches Kidron. Bald, nachdem wir um den Felfen gebogen, lag die Einfiedelei oder das Klofter Des heiligen Sabas vor unfern Augen.

Auf den erften Anblick erfcheinen der Berg und die Gebäude wie aus einem Stüde, weil die Farbe der Steine Diefelbe iſt. Bieredige Thürme frönen den Gipfel des Hauptfelfens, ein ähnlicher Thurm fteht etwas niedriger. Das Klofter ift von hohen Mauern umgeben, die übrigen Gebäude, mit flachen Zerraffen, ziehen fich ftufenweife bis zu der wilden Schlucht hinab.

*) 1. Sam. 24. Man darf diefe Höhfe nicht für Die Höble Adullam, in der Naͤhe Der Stadt gleiches Namens, im Stamme Juda, halten. 1. Sam. 22,1; 2. Sam. 23,13. Brocard, p. 79.— Bonifa: cius Hält dieſe Höhle, wie es ſcheint, für Die, in welcher fich Lot nach der Zeritörung von Sodom und Gomorra verbarg.

Bom todten Meere zum Kloſter des heiligen Sabasꝛc. 45

Hier fah ih in Baläftina zum erften Male auf der Kuppel das tröftende Bild des Kreuzes gefchüßt durch Die Wüfte! Der einzige Ausgang des Klofters ift immer feſt verfchloffen, weil man nie vor den Ueber- fällen der Beduinen fiher ift. Alles ſchien Teer, fein Klofterbruder war auf den Mauern zu ſehen. Auf einen Signalfehuß unferes Führers erfchten ein Mönch auf den Zinnen eines Thurmes und verkündete mit einer Glode die Anfunft Reifender. Im Klofter war man bereits Durch die Mönche in Serufalem von mei- nem Befuche benachrichtigt; der Abt fam mir ent: gegen und führte mich gerade nach der Hauptfirche, wo ich ein Danfgebet halten ließ. Der Bilderfhirm und die Wände waren mit fehr alten byzantinifchen Mule- reien geſchmückt. Alles ift hier alt und dürftig. Einige alte griehifche Handfchriften, die Werke alter Kirchen- lehrer, Liegen hier auf Bücherbretern, Doch der größte Theil befindet fih in einer der Kirche benachbarten Zelle. Aus der Kirche traten wir in eine Halle, wo ich im Kreife der Mönche mit Kaffee bedient wurde, wäh- rend man ein Zimmer für mich bereitete. Sch hatte nicht erwartet, in der ärmlichen Einfiedelei ein fo wohnliches Zimmer zu finden, das ringsum mit breiten Diwanen gefhmüdt war eine wahre Wolluft, nad) dem ermüdenden Wege; es ift aber auch Der einzige Luxus dieſes ftrengen Klofters und nur zur Aufnahme fremder Gäfte beftimmt.

Die Dlüthezeit des Klofters des heiligen Sabas war am Ende des fünften und Anfang des fechiten

46 Viertes Kapitel.

Jahrhunderts, unter Zujtinian. Damals waren bier nur einige Höhlen, wo der heilige Sabas mit feinem Zenophon lebte, Denen fich erft Ipäter eine Fleine Anzahl Gleichgefinnter zugefellte. Hier lebten, von der Welt zurüdgezogen, der heilige Eutbymius, Eyrill der Mönch, und Sohannes Damascenus, deren Zellen man jept noch zeigt, und Die auch hier begraben find. Der hei- lige Eyrillus, ein Zeitgenofle des heiligen Sabas, hat ung deſſen Leben befchrieben *). Der Kaifer Suftinian fhügte das Klofter durh Mauern und Thürme; und alle Bergichluchten zwifchen dem todten Meere und Bethlehem, in denen nicht einmal wilde Thiere wohn: ten, füllten fih bald mit Einfiedlern, von deren Exiſtenz die graufamen Beherrfcher Paläftina’s Feine Ahnung hatten. Man erzählt, als Selim II. Paläftina. erobert hatte, famen die Mönche aus dem Klofter des heiligen Sabas nad) Zerufalem, um den neuen Beberrfcher um feinen Schuß zu bitten und brachten armfelige Ge fhenfe, Gemüfe und Früdte Das Erftaunen des Beherrfchers Zerufalems war nicht gering, als er eine Schaar von taufend Einftedlern vor fih fab, alle in gleichförmiger Kleidung, von denen er bisher noch Nichts gehört hatte. Der Barbar nahm die Gefchenfe an, wählte zwanzig Mönche aus, denen er erlaubte in die Wüfte zurüdzufehren, die übrigen ließ er von feiner

*) Cyrillus apud Surium T. VI. die 5. Decembr. Der Abt Daniel fpricht auch von den Begräbnißitätten der dort ruhenden Bifchöfe Johann, Theodor, Bifchof von Erefja mit feinem Sohne Michael, und des heiligen Epaphrodites, S. 87.

Bom todten Meere zum Kloſter des heiligen Sabadıc. A7

Leibwache niedermachen. Der Abt Daniel fpricht auch von einem Klofter, welches er Ruba nennt, und das füdlich von Saba, ganz nahe dem todten Meere lag; dafjelbe Klofter Pefx 2oyus nennt auch Phocas*), der es an das Bett Des Baches Kidron, in die Nähe des todten Meeres ſetzt; er fpricht auch von einem Klo- fter in der Nähe von Ruba, welches er das Klofter des heiligen Chariton nennt, und weldes wahrfcheinlich dafjelbe tft, von dem der Abt Daniel fagt, e8 liege am Ufer des Jordan, denn die Ufer des todten Meeres ge- hören ebenfalls zu dem Felde des Jordan. |

Der Hauptplag des Klofters ift eine kleine Platt- form, in deren Mitte eine achtedige Kapelle mit einer Kuppel fteht, an der Stelle, wo einft im Innern des Felſens die Gebeine des heiligen Sabas ruhten, die aber nach den Berichten einiger Schriftfteller nach Benedig hinüber gebracht worden fein follen; bier fagte man mir, fie befänden fich in Antiochten, Im Innern diefer Kapelle ift eine Copie eines Bildes Ehrifti, das nicht von Menfchenhänden gemacht war. Unter diefer fteinernen Plattform find die Begräbnißhöhlen der Brüder aus- gehauen. Auf der anderen Seite der Plattform ift noch eine Kirche mit zwei Kapellen, die nach ihrer Baus art und der Zeichnung ihrer Bilder noch älter ift als jene. Dort, hinter einem eifernen Gitter, zeigt man ganze Haufen von Gebeinen und Schädeln getödteter Einfiedler. Drei wunderwirfende Schädel Tiegen

9 De loc. sanct. apıd Reland, sive in edit. L. Allatii.

48 Viertes Kapitel.

beſonders, außerhalb Des Gitters. Nach einer Zradi- tion wurde hier auch ein Arm des heiligen Johannes des Täufers als Reliquie aufbewahrt”). Rechts von der Plattform, wenn man Das Geſicht nach dem Ab⸗ grunde wendet, fieht man ein Eleines, befcheidenes Gärtchen, mit einer Palme und einigen Sträudyern, Die auf Erde gepflanzt find, welche man hierher gebradt hat. Das Gärtchen ſtößt an einen fenfrechten Felſen, auf dem ein halbverfallener dritter Thurm fteht, der zu einer Kirche Simon’s des Säulenheiligen gehört. In dieſem Felſen zeigt man eine Höhle, in welcher der hei« lige Sabas gebetet und eine andere, in welcher er ge ſchlafen hat. Ferner zeigt man einige Höhlen, in denen Einjiedler von den Ungläubigen verbrannt oder durch Rauch erjtickt wurden. Auf jedem Schritte find traurige Erinnerungen an Die Qualen Des Märtyrerthums einer fleinen Schaar Auserwählter.

Kehren wir an der Kapelle des heiligen Sabas vor: über wieder in die VBorhalle der Hauptfirche zurüd. Bon bier aus führen die Wege nach den verfchiedenen Abtheilungen des Klofters, den Abftufungen der Felfen folgend, von Treppe zu Treppe, bald auf lange Gänge, über Zerraffen, an Höhlen vorüber, die als Zellen dies nen. Auf zwei oder Drei Terraflen find Fleine Gärt hen, in denen heilfume Kräuter und Gemüfe ges pflegt werden, In einem Diefer Gärtchen fteht eine

*) Nach einer Handicrift, von welcher Jac. Grets ve Et. Gruce ſpricht. S. Quaresmius II, 587.

Vom todten Meere zum Kloſter des heiligen Sabas x. 49

Palme, die nad) der Tradition aus der Wurzel einer Palme gewachſen ift, welche von dem Gründer des Klofters felbft gepflanzt wurde. Im mittleren Gange hat fih noch eine Kapelle erhalten, die dem heiligen Johannes gewidmet ift. Die Ueberrefte ihrer Fresken an den Wänden, befonders am Eingange, find bedeu- tend und guf gemalt. Sie beftehen aus einigen runden Bildern des Heilands, feiner. Mutter und einiger Heis ligen, im Eleinen Maßftab. Hier find auch einige alte griechifche Infchriften. ALS wir weiter hinaufftiegen, erreichten wir den Hauptthurm, der den Felſen Erönt. Er wird der Thurm Juſtinian's genannt. Wir traten durch eine eiferne Thür hinein. Die Mauern find uns gewöhnlich Did, Die Brüder zeigten mir eine verbor- gene Zreppe, auf der man in Höhlen gelangt, in wel: hen fie fih in außerordentlihen Fällen verbergen fünnen.

Die Ausfiht von der Höhe des Thurmes auf die furchtbare Wildniß der hohen Gebirge und die bläuliche Tiefe des Abgrundes ift grauenerregend ſchön. Auf der Höhe des Thurmes fteht gewöhnlih ein Mond, welcher Wade hält. Bon Dort ift ein Strid zu der Signalglode herabgezogen., Während des Aufftandes gegen Ibrahim Paſcha wurden die Mönche mehrere Monate lang von wilden arabifchen Stämmen belagert; jet befchränfen fi) Diefe Darauf, ein gewiffes Quans tum Lebensmittel zu fordern ; obgleich das Klofter daran feinen Ueberfluß bat, fo halten Doch die Brüder für ſolche Fälle immer einen Korb mitBrod in Sereitihaft,

Noroff's Reife nach Baläftina. I.

50 Viertes Kapitel.

den fie an Striden berablaffen. Den Mohammedanern ift, bei jchwerer Gelditrafe, Die zu Gunften der Mofchee Omar’s in Ierufalem verwendet wird, unterfagt, in das Klojter zu dringen.

Zu meiner nicht geringen Verwunderung fand ich in diefem Thurme einen ganzen großen Haufen von Hand- Ichriften und Büchern, Die ich mit Erlaubniß des Abtes mit großer Neugierde unterfuchte. Ich bemerkte fchon oben, daß in der Kirche felbit einige Handfchriften auf- bewahrt werden; fie enthalten die berühmteften Werke der heiligen Väter und die Bücher, die zum Gottes- dienjte gebraucht werden und find in der größten Ord- nung. Die bier bei Seite geworfenen und der Berwe- fung preisgegebenen Bücher aber erregten mein Mitleid und ich machte mid) fogleich au die Arbeit. Meine Berwunderung wurde zurzzrende, als ich unter anderen einige flaviihe Handichriften entdedte, die auf Perga: ment, Bombyr und Papier gefchrieben waren. Ich legte Alles, was mir der Mühe werth fchien, bei Seite, zunächft ſämmtliche ſlaviſche Handfchriften, die ic) fand, an der Zahl fünfzehn, unter denen nur zwei gedruckte Werke; zu dieſen legte ich noch neun griechifche. Ihr hohes Alter unterliegt feinem Zweifel und mein Urtheil hat fich in der Folge bewährt. Da ich mid) überzeugte, daß Die Bücher für Das Klofter völlig ohne Nugen feien,

jo erwirfte ich mir fpäter die Erlaubniß des Metropos ‚liten —— Jeruſalem fie zu erwerben. Die kleine

Aothef in der Rice enthält manche werthvolle DEE aus dem achten, neunten und

Bom todten Meere zum Kloſter des heiligen Saba x. 51

zehnten Jahrhundert, zum Theil vielleicht noch ältere. Bon meinen Handfchriften find die älteften Die griechi— ſchen aus dem neunten, und Die flavifchen aus dem dDreizehnten und vierzehnten Jahrhundert .

An die Vorhalle der Kirche ftößt das Refectorium. Es freute mich, das befcheidene Mahl der Priefter zu theilen. Das Bild des Erlöfers hängt über dem ober- ften Plage des Tifches, an den fihNiemund fegt. Wäh- tend Des ganzen Mittageffens lieſt ein Mönch aus der heiligen Schrift vor. |

Der untere Theil des Klofters zieht ſich an dem Ab- hange des Feljens am Rande der Schlucht hin, big zu der Stelle, wo der Zelfen jählings abfchneidet und das Thal des ausgetrocdneten Kidron wie eine fenkrechte Wand überragt. Man kann bier nur mit Hülfe einer Leiter auf den Grund der Schlucht gelungen, wo ein Duell riefelt, der für die Bewohner diefer Einöde ein wahrer Schaß wäre, wenn er nicht während der größten Hitze vertrodnete. Die umberirrenden Araber und wilden Thiere Eommen hierher, um an dem klaren Waſ⸗ fer ihren Durft zu löſchen. Diefe Quelle ift e8 wahr: fcheinlich, welche in der Bibel mit dem Namen Engedi (Ain - gedi), d. i. Ziegenquell, genannt wird **). Man erzählte mir, Daß ein Schafal hier ſolche Freundichaft mit den Klofterbrüdern gefchloffen hatte, daß er aus

*) Bergl. Journal des Minifteriums der Bolksaufflärung 1836. IX. und XU. ”) 41. Sam. 24,1. 4*

52 Bierted Kapitel.

ihrer Hand fraß. Ter Bach Kidron hat nur im Winter ein wenig Waſſer. An der anderen Seite der Schlucht, gerade gegenüber dem Kloiter, fiebt man in dem Zellen einige Höhlen, unter denen man mir diejenigen zeigte, in melden der heilige Sabas und Zenophen lebten. Der Weg dorthin it äußerst ſchwierig, man hat aber dort die ſchönſte Ansicht vom Kloſter.

Tas Leben der Brüder im Kloſter des heiligen Zabas bat man einſt ein Leben der Engel genannt”), und beute noch iſt es voller Entiagungen. Ihre Zellen find in Zelien gebauen und in der Hiße des Sommers io beiß wie glübende Teien. Tie Brüder müſſen dann in Der Mitte ihrer Höblen auf dem Erdboden liegen, um den Bänden nicht zu nahe zu fommen, die fie, wenn Wañer vorbanden it, begießen. Aber die Luellen verfiegen oft, oder iind wegen der Ueberfälle der Be duinen nicht zugänglich. Tann bleibt nur das Regen waner in den Giiternen, welches aber faum für den norbmwentigiien Bedarf ausreicht. Die glühenden Zelien- wände füblen fich ſelbn während Der Nacht nicht ab, und ebenie wenig die Plattformen der Terrafien, fo daß die Einñedler fortwährend ron einer beißen und drücken⸗ den Ammeipbäre umgeben ind. Die mir Knuſt auge legten Gärtichen veriengen bei Dieter Gluth. Wir er: ſehen aus dem Leben Des heiligen Johannes des Schreigtamen, Daß Das Gedeiben dieſer Gärten den

*) Baronius. Annual. Eeeles. T. VII ad an. 616 in Epist. Antiochi monachi.

Rom todten Meere zum Kloſter des heiligen Sabas x. 53

Gebeten des heiligen Sabas zugefhrieben wird. Die Mönche beziehen ihre Lebensmittel aus Jeruſalem, wel: des von bier ſechszehn Kilometer (zwei Meilen) ent: fernt ift. '

Die bier folgenden Mittbeilungen über das Leben . der frommen Einfiedler verdanfe ich dem Vater Moſes. Das Tagewerf der Brüder beginnt eine Stunde vor der Frühmeſſe, zu welcer fie ſich, ſobald jie aufgeftan- den find, durch Gebet vorbereiten. Die Meſſe beginnt um Mitternacht und Dauert bis in die vierte Stunde. Nach zwei Stunden Rube füngt Die Liturgie an, Die an den gewöhnlichen Tagen bis acht Uhr, an Feiertagen aber lünger dauert. Nach der Liturgie verſammeln ſich die Mönche in der Vorballe Hier erbält jeder eine Taſſe Kaffee und einen Zwieback, von nur zwei Quent—⸗ ben an Gewicht, nebft fünf bis ſechs Feigen, oder einer Handvoll Rofinen. Hierauf begeben ſich die Brüder in ihre Zellen, um zu ruben oder zu beten. Um zwei Ubr ruft fie die Glode zu Tiſche; bier ſteht wor jedem Platze eine mäßig große Schule mit gekochten Linjen, obne Butter, und einigen Pflaumen, die einmal in der Woche mit Erbfen oder Bohnen wechſeln, felten mit ge ſalzenem Fiſch. Fünf Tage in der Woche wird nur eine Mablzeit gehalten, Sonnabend und Sonntag aber wird auch zu Abend gegeifen. Außer der Fuftenzeit wird an diefen Zagen Butter, Gier und zuweilen Reis gereicht. Nach Zifche Ipricht Der dienſthabende Prieſter den Segen, worauf fi die Brüder in ihre Zellen be: geben. Alm fünf Uhr wird wieder zur Vesper geläutet,

5A Viertes Kapitel.

welche zwei Stunden dauert; hierauf bleiben die Brüder nod zwei Stunden wach und begeben fi) dann zur Ruhe. Zur Faſtenzeit communiciren die Brüder alle Wochen, außer der Faſtenzeit in zwei Wochen nur eins mal. Sn der eriten und legten Woche der großen zaften wird nur des Mittags eine Mahlzeit gehalten, die aus gefochten Früchten befteht. Zur Erbaltung der Geſundheit ift manchen Brüdern erlaubt, einen Spagier- gang nach dem Jordan und Dem todten Meere zu machen und heilfame Kräuter zu fammeln. Einige Mönche übernehmen auch geiftliche VBerrichtungen und gehen zu den Beduinen jenfeit des todten Meeres, von Denen viele dem Namen nad EChriften find, ohne eigentlich einen Begriff vom Chriſtenthum zu haben. Die Mönche des heiligen Sabas haben ſchon Manchen zur rechtgläu- bigen Kirche befehrt; Dies bezeugt auch ein Katholif*), der im Jahr 1674 das Klofter befuchte. Er fügt unter Anderm, daß er mit dem Abte des Klofters des heiligen Sabas, Nanıens Daniel, befannt war, von dem er die erite geographifche Zeichnung des füdlichen Theiles des todten Meeres erhalten habe, wo eine tief in das Meer reichende Landzunge einen Fleinern See bildet, der mit dem Hauptfee durch einen Kanal verbunden ift, welchen man zu Fuß Durchwaten fann. Diefe Angabe hat fid fpäter bewährt und ftimmt mit den neneften Beobach— tungen überein. |

Die Anzahl der Brüder beläuft fid) im Ganzen auf

*) Michael Nau.

Vom todten Meere zum Kloſter Des heiligen Sabas c. 55

dreißig, von denen die eine Hälfte Griechen, die andere Hälfte Ruffen find. Sch hatte bier den Troit, die Meffe wenigftens theilweije in ruffifcher Sprache zu hören. Frauen ift der Eintritt in das Klofter von heiligen Sabas felbft unterfagt worden, der nicht einmal feine eigene Mutter hereinließ.

Bon dem gaſtfreundlichen Klofter des heiligen Sabas lenfte ich meine Schritte nach Bethlehen, Der Weg führt über hohe Berge, von denen der Berg Mon- tar der höchſte iſt. Von der einen Seite ſieht man die Ebene des Jordan, von der anderen Seite Ser: ſalem.

Eine Stunde Weges von dem Kloſter erblickten wir Bethlehem von ferne und langten bald darauf an einem ganz mit Ruinen bedeckten Berge an. Hier lag das alte Thekoa, welches ebenſo wie Bethlehem von Reha— beam befeſtigt wurde*). In Thekoa lebte der Prophet Habakuk; es war auch der Wohnort der klugen Frau, welche Joab zu David ſchickte, um deſſen Zorn gegen ſeinen Sohn Abſalom zu beſänftigen**). Hier begann Amos ſeine Weiſſagung und wurde hier begraben. In den benachbarten Bergen ſind viele Höhlen, zum Theil durch ihre Tiefe merkwürdig. In einer derſelben ſollen ſich die Weiſen verborgen haben, als ſie vom Engel Befehl erhielten, nicht wieder zu Herodes zurückzu⸗

*) 2. Chron. 11, 6. ”) 2, Samuel 14.

56 Viertes Kapitel.

fehren*). Auf den Trümmern Thekoa's ſtand einſt das Kloſter des heiligen Theodoſius. Dieſes Kloſter be— durfte keiner heiligen Bilder, denn man ſah von dort aus Bethlehem, die Jordanebene, Jeruſalem und den Oelberg, die Stelle, wo der Erlöſer geboren und ges . tauft wurde, wo er litt und ftarb und zum Himmel hin- auffuhr. Der heilige Gründer diejes Klofters hat ficher dieſe Stelle mit Abficht gewählt. Hier ift die polok- fifche Fürftin Predislava, Aebtiffin Euphrofine, begra- ben, die im Jahre 1173 ftarb. Auf den Bergen flieht man nod) Spuren von Wafjerleitungen, Die nach den Ruinen zu führen,

Die Gegend gewinnt hier wieder ein freundlicheres Anfehen und man ficht wieder bebaute Felder, die den Beduinen gehören. Hier öffnete fih unferen Blicken ein großes von den bethlehemifchen Bergen umgebenes Thal, welches fich bis an den Fuß des Berges erftredt, auf welchem Bethlehem liegt; es iſt theilmeife bebaut und hat fette Weideplätze. Das friedliche Anfehen dieſes Thales erinnert an die Erzählung im Buche Ruth. Diefe Felder waren Zeugen der kindlichen Liebe Ruth's zu ihrer alten Mutter; bier fammelte fie die Aehren, . welche aus den fetten Garben ihres künftigen Gatten Boas fielen. Aus ihrem Stamme fam David, der aud) bier die Schafe feines Vaters hütete, und einige Jahr⸗ hunderte fpäter verfündeten hier die Engel den Hirten die Geburt des Heilands, des Sohnes David’s, und

*) Abt Daniel, S. 55 56.

Vom todten Meere zum Kloſter des heiligen Sabas c. 57

jangen: „Ehre fei Gott in der Höhe und Friede auf Erden." Die Stelle, wo die Engel den Hirten er- ihienen, gehört bis jeßt den Hirten Bethlehems; fie ist mit Delbäumen bepflanzt und mit einer Dauer um: geben. |

Hier fam mir ein Reiter entgegen, welden die hriftlichen Araber aus dem Hirtendorfe, das auf dem Abhange des Berges fteht, zu mir fandten. Sie hatten von weiten meinen Jakub erkannt. Der gefchidte Reiter machte allerlei Reiterfünfte auf dem mit Steinen befäeten Wege, bis wir an der Einzäunung des Hirten- Dorfes von unferen Pferden abftiegen.

An der Stelle, wo die Engel erfehienen, find Die Ruinen einer Kirche aus den Zeiten der heiligen Helena, von welcher noch der Ueberreft eines Altars. vorhanden ift, eine Marmorplatte, die auf zwei abgebrochenen Säulencapitälen befeftigt if. Die Kutholifen hal- ten zuweilen bier Meſſe. Eine griechifche Kirche, die den Hirten gehört, welche auch den Schlüffel bewahren, ift unter der Oberfläche der Erde, Die Hirten führten mich hinein; am Eingange lag ein Pflug, ein anderer war an dem nächiten Dlivenbaume aufgehängt. Ich las hier das zweite Kapitel des Evangeliums Lucas und ging dann hinab in die Kirche, um zu beten, Die Kirche ift eben fo arm wie ihre Befißer, und die Bilder: wand tft dem Zerfallen nahe.

Nach dem Zeugniß des gottfeligen Hteronymus*) hat

*) In lib. Hebraic. quaest. 35.

58 Viertes Kapitel.

der Erzuater Jacob bier feine Herden geweidet und hier war vermuthlich aud) der Thurm Eder, wo Jacob nad) Beerdigung der Rahel feine Hütte aufrichtete *).

Bon den Hirten umringt, an deren Dorfe ic) vor: über mußte, feßte ich meinen Weg nad) Bethlehem fort. Der Scheikh bat mich inftändigft, bei ihm einzufehren, und ich fonnte die freundliche Einladung nicht aus Ihlagen. Das Hirtendorf liegt auf einer Abftufung des Berges von Bethlehem, die Häufer find an Die Felfenwand angelehnt, oder ftehen über Höhlen, Dies erklärt Die Bildung der Höhle, in welcher Chriftus ge: boren wurde, Ich bat den Scheikh, im Freien zu bleiben, und wir feßten uns unter einen großen Delbaum, wo fich die Bewohner des Dorfes zu verfammeln pflegen. Man brachte Kaffee, Reis und Rührei, und mein Wirth machte ſchon Anftalt, feinen fetteften Hammel zu fchlach- ten, was ich jedoch nicht zuließ, fondern dankend meine Abreife befchleunigte. |

Einige Schritte von dem Klofter zu Bethlehem zeigte man mir eine Höhle, wo ſich, nach der Tradition, die heilige Jungfrau mit dem Sefusfinde vor ihrer Flucht nad) Aegypten einige Zage verbarg, aus Furcht vor Herodeds, Die Höhle heißt die Milchhöhle, und die betblehemifchen Frauen fommen hierher, wenn fie Die Muttermilch verlieren, um die heilige Jungfrau bei Ernährung ihrer Kinder um Hülfe anzuflehen. In der

*) Inder Vulg. „‚trans turrem gregis‘‘ 1. Moſ. 35, 21. Fürer nennt die Stelle: Bethfabor.

Bom todten Meere zum Kloiter Des beiligen Sabas x. 59

Höhle ift eine katholiſche Kapelle; früher war hier eine Kirche des heiligen Nikolaus.

In Bethlehen wurde ih vom Vater Johanitius freundlich aufgenommen, und nadydem ich in der Höhle der Geburt Ehrifti noch einmal gebetet hatte, fehrte ich noch an demfelben Tage nad) Serufulem zurüd.

Fünftes Kapitel.

Don Ierufalem nad) Hebron. Etham. Die Teiche Salomo’s.

Ich machte mir Gärten und Luſt⸗ gärten, und pflanzte allerlei frucht⸗ bare Bäume darein; idy machte mir Teiche, daraus zu wäflern ven Walt ter grünenten Bäume.

Wred. Salom. 2, 3. 6.

Ich hatte mir noch einen ziemlich weiten Ausflug, von Jeruſalem aus, vorgenommen, denn noch wollte ich Hebron ſehen, wo Abraham wohnte und begraben ward: einen der erſten Schauplätze der bibliſchen Geſchichte. Hebron und der Weg dorthin ſind bis jetzt noch wenig bekannt, weil in dieſem Theile des Landes feine Ehri ften wohnen und die Araber in Hebron fehr ungaftlid find. Der Weg führt über Bethlehem, und mein Herz war freudig bewegt, Daß ich Diefen gefegneten Punkt der Erde fehen konnte.

Scherif Bafcha, der nod immer vor Serufalem

Bon Jerufalem nach Hebron. Etham. Teiche Salomo’s. 61

fagerte, Dot mir wieder feine Kawaffen an; da jedoch diefe Begleitung ziemlich Eoftfpielig ift, fo lehnte ich jein Anerbieten ab. Der Paſcha hatte durch meine Bekannten erfahren, daß ich in Hebron die Grabhöhle Abraham's zu ſehen wünfchte, die fein Chrift betreten darf, und hatte geäußert, da er Dort nicht zur Stelle fet, würde er zur Erfüllung meines Wunfches faum Etwas thun Fönnen, er fei mir jedoch ſchon einmal behülflich geweſen, bei einer Sache, die ungleich fehwieriger wäre, Seine Bemerkung war vielleicht nicht ohne Grund; allein da ich mid) auf meinen treuen Jakub verlaffen konnte, der alle Wege und die Sitten des Volkes genau fannte und überall Freunde hatte, fo reifte ich mit ihm und mit meinem Dragoman ab, Wir übernachteten in Bethlehem und brachen am nächſten Morgen früh von dort auf.

In der Nähe von Bethlehem fah ich die Spuren der Rache Ibrahim's an den Arabern, die fih ihm nicht unterwerfen wollten. Die Häufer waren eingeäfchert und bis auf den Grund zerftört, die hundertjährigen Delbäume verbrannt, oder aus dem Boden geriffen. Rechts auf dem Berge jah ich das Dorf Ephrata, wel: hes an den alten Namen Bethlehems erinnert*). Et—⸗ was höher liegt das Dorf el-Beledſche**), das alte

*) 4. Mof. 35, 19.

**) Xogıov Beierta. Manufer. des Pater Anthimos, Kap. 6. Baumgarten IL, 10. Fürer, ©. 67. Cotovicus, S. 240. Die beiden Leßteren nennen den Ort mit dem italienifchen Namen Bott:

62 Fünfte Kapitel.

Beſek*), welches dem Könige Adoni Belek gehörte, der bier von den Iſraeliten, unter der Anführung Juda's, gefangen wurde. Unſer Weg führte über fteinige Hügel, deren Boden aus einer rothen Kreidefchicht befteht, und die vor der Verwüſtung durch Ibrahim mit Weinftöcen bedeckt waren. Bald hinter Bethlehem fieht man rechts das arme griechiihe Klojter Et. Georg, welches jebt aufgehoben tft, und felbit bei den Mujelmännern in großer Verehrung fand.

Zwei Stunden von Bethlehem erblidt man die be- rühmten Zeiche Salomo's **), die noch jegt mit Waſſer gefüllt find und mit Eorgfalt erhalten werden; es find drei vierecfige, zum Theil aus Stein gehauene @ifter- nen, die in einer Reihe hinter einander liegen, je nad) der Breite des Thales breiter oder ſchmaler. Sie find durch Dämme getrennt und Durch Waſſerleitungen fo mit einander verbunden, daß dus Waffer aus dem ober: ften in die beiden unteren abfließt. Am unteren Ende des leßteren ift eine jenkrechte Wand oder Damm von Steinen, welcher die ganze Schlucht von unten bis oben ichließt. In dieſem Damme befindet fih ein Abflug, um das Thal zu bewäflern, in welchem ehemals die Gärten Ealomo’s prangten. Der unterfte Teich, der bemerfenswerthefte und größte, ift nad) meiner Meſſung

celli, vielleicht Bethäla, welches unweit Des Kloſters St. Georg liegt.

*) Buch ver Richter 1, 4. 8.

») Pred. Salom. 2, 46.

Bon Jeruſalem nach Hebron. Gtham. Teiche Salomo's. 63

225 Schritt lang und an dem fchmalen Ende, an dem fteinernen Damme, 52 Schritt breit. Die Tiefe des Waſſers beträgt am unteren Ende, wie man mir fügte, fünf Menſchenhöhen, am oberen Ende nur eine Men- ihenlünge.. An den inneren Seiten, die nad) unten enger zulaufen, find Stufen ausgehauen. Vom Gipfel des füdlichen Berges bis zu den Teiche führt eine Wafferleitung, und von dem unteren Damme deflelben führen unterirdifhe Waſſerleitungen nach Serufalem und Thekoa. Der zweite Teich ift 170 Fuß lang und am fchmalen Ende 57 Zuß breit; in diefen führen auch Treppen hinab, Die jedoch Eleiner find als in dem ans dern. Der oberfte Teich ift am fleiniten und bildet ein Quadrat von etwas mehr als 100 Schritt ins Ge- vierte.

Neben diefen Teichen befindet fid) an der Eeite nad Bethlehem zu ein vierediges Gebäude, welches aus einer Doppelten Reihe von Mauern mit Zinnen befteht und an den Seiten und Eingängen mit Thürmen be— feftigt war. Die öftliche Seite diefer Mauern ift halb zerſtört. Diejes Gebäude wird von den Arabern das Schloß Salomo’5 genannt, ift aber von arabifcher Bau⸗ art. Seht dient es zur Wohnung für zwei oder drei Familien der Auffeher, welche den unterirdifchen Brun- nen bewachen. Das Waffer fließt durch überwölbte Canäle, deren Eingang, nad) der Tradition, mit den Siegel Salomo’3 gefchloffen war, weshalb diejer Brun- nen ſchon im Hohen Liede der verfiegelte Born genannt wird. inige Stufen führen zu dem Beden hinab,

6A Fünftes Kapitel.

in dem ſich mebrere Quellen jammeln, die von hier aus - durch Kanäle in ein Fleines Baſſin geleitet find, aus welchem das Waſſer durch unterirdifche Waſſerleitungen nad Jeruſalem fließt. Diefer Brunnen fteht auch mit den großen Zeichen in Verbindung, die jedoch, wie fhon gejagt, hauptfächlich durch die Waſſerleitungen von den Bergen her gejpeift werden. Sehr nahe liegt die Frage, wo fie denn in Serufalem ausfließen. Wir fahen oben bei der Beſchreibung Serufalems, daß die Stadt feineswegs an Wafler Ueberfluß hat, dennod aber haben bei den vielfuchen Belagerungen Serufalems die Belagerten nie an Waſſermangel gelitten, wohin: gegen die Belagerer oft vor Durft verfchmachteten. Strabo, der die Belagerung Serufalems durch Pompe- jus erzählt, fagt, die Stadt fei reich mit Waſſer verforgt gewejen, Die Belagerer aber hätten den größten Durſt gelitten *). Dio Eaffius, bei Befchreibung der Bela⸗ gerung durch Titus, fagt Daffelbe; auch Wilhelm von Zyrus, der uns Die Belagerung durch Gottfried berich⸗ tet**), Man fann wohl annehmen, daß die Waffer- leitungen in Zerufalem immer ein wichtiges Geheimniß der dortigen Behörden waren, und jegt fann ich mir erklären, weshalb mir die unterirdifchen Gewölbe der Mofchee el-Affa nicht geöffnet wurden. Der Tempel berg und Zion müffen alle Zufammenflüffe diefer Waf- ferleitungen in ihrem Innern bergen.

*) Strabo 16, 2; 40. *) Div Caffius 76,4. Guil. Tyr. 8,24. Gotov. 241143.

Bon Zerufalem nah Hebron. Etham. Teiche Salomo’s. 65

Neben den Teichen Salomo’s, und vielleicht an der- felben Stelle, wo jeßt das arabifche Caftell fteht, lag ehemals die Stadt Etham, wo fid Simfon verborgen hielt, nachdem er fi) wegen der Verbrennung feiner erften Frau an den Bhiliftern gerächt und deren Gärten und Felder verwüſtet hatte*). Etham wurde zugleich mit Bethlehem und Thefoa von Rehabeam befeitigt. Hier waren die Gärten Salomo’3, von denen wir im Hohen Liede lefen, und die wir nicht mit den Gärten am Fuße des Zion verwechſeln dürfen. Die Lateiner nennen die Stelle noch heute ganz richtig Villa Salo- monis. Einige Apfelfinen-, Feigen- und Granatbäume, zwifchen denen man Kleine Streifen bebauten Feldes findet, zeigen ung die Stelle, wo die Weinberge des Königs lagen, und noch bis jeßt wachfen bier manche feltene Gewächfe, die vielleicht Ueberreite von den Gär— ten Salomo’s find.

Bon hier führen zwei Wege nad) Hebron; der eine über die Berge in gerader Richtung, der andere rechts am Fuße des Gebirges hin; wir wählten den legteren. Alle benachbarten Schluchten und Gründe find bebaut; überhaupt ift die ganze Landfchaft reich an Pflunzen und Gefträudhen, namentlich an Roſen, zwijchen denen große Büfche weißer Blumen wachen, deren Namen man mir aber nicht zu nennen wußte. Rechts auf dem Derge liegt das Dorf Fagur; hier begegneten wir einer großen Karawane, die aus Mekka fam. Bon bier ritten

*) Bud der Richter 15, 8. Noroffs Reife nach Baläftina. II. 8

66 Fünftes Karitel.

wir in ein tiefes Thalbinab, Wadi Biar, d. i. Brunnen: thal genannt, wegen der vielen Brunnen, die ſich bier finden; jie find ſämmtlich ven ſehr alter Bauart und liegen in der ganzen Länge des Thales einer neben dem andern ; viele haben jedoch jebt fein Waſſer mehr und find von Gras und Unkraut überwuchert. Alle find durch unterirdifche Waiferleitungen unter einander ver: bunden. Der eine Brunnen beißt Bir el-Zine, d. i. Feigenquell, weil er von FZeigenbäumen befchattet ift; er genießt einer gewiffen Berühmtheit, denn die Ara- ber balten ihn für bezaubert, und fügen, ein großer Stein, der auf dem Grunde liegt, jchließe ein unter: irdifches Gefüngniß, in das ein böjer Geift ge bannt jei.

Als wir aus diefem Thale herauskamen, bemerkte ih zwei große Steinhaufen, Rudſcham us = fibad, d. i. Zöwenijteine, genannt. Wir wiffen aus dem erften Buche Mofis, Daß im alten Orient folche Stein: haufen oft zum Andenken an ein Bünduiß errichtet wurden *).

Als ich den Hügel hinanritt, zeigte man mir linfs auf dem Berge einen vieredigen Thurm, der zu den Ruinen von Brefud oder Bereifut gehört, welches, nad) der Ausfage meines Führers, größer war als Beth: lehem. Bon bier hat man die Ausficht auf das tudte Meer. Man könnte vermuthen, daß hier Kafar Ba-

*) 1. Mof. 31, 44—47.

Bon Ierufalen nach Hebron. Etham. Zeihe Salomo’s. 67

rucha lag, von dem Hieronymus im Leben der heiligen Paula ſpricht. Seine Worte find: „An folgenden Tage beftieg fie den Gipfel Kafar Barucha (Dorf des Segens), wohin Abraham dem Herrn folgte, der ihm in Geftalt der drei Engel erfchienen war. Bon dort hat man eine weite Ausficht über die Wüſte, wo einft Sodom, Gomorra, Adama und Zeboim Tagen.” Es ift auch nicht unwahrfcheinlich, wie Brocard meint, daß auf Diefer Anhöhe früher Beth Cherem *) lag, was mit der Befchreibung des heil. Hieronymus übereinjtinmt. Bon hier bis Thekoa zieht ſich ein Thal, früher Beracha oder Das gefegnete (Lobethal) genannt, wo Sofaphat fei- nen wunderbaren Sieg über die Monbiter und Anımo= niter erfocht**), Bon bier beginnt eine Senfung in ein weites, außerordentlich malerifches, mit Wiefen und Gehölzen bededtes Thal. Hier bemerkte ich pyrami⸗ denförmige Gebüfche von Terebinthen, Bal-Luth genannt, und Zorbeer, welchen die Araber Kekab nen: nen. Eine Menge Bögel, zum größten Theil Reb- hühner, umfchwärmten und. Ganz am Abhange, nach dem Thale zu, fieht man eine ziemlich große in Stein gehauene Ciſterne. Diefes ſchöne Thal ift ganz bunt von den verfhjiedenartigften Blumen, die gewiß Die Aufmerffamfeit eines Botanifers verdienen, Bon den Höhen der entgegengeleßten Hügel fieht man links auf einem Berge Ruinen, in deren ‘Mitte fih ein Thurm

*) Jeremias 6, 1. Brocard 79. 8) 2. Ehron. 20, 1. 2. 20. 26. 27. 5*

68 Aunftes Karitel.

erbebt. Man nennt fie Betb-Fadſchar, vielleicht Betb- Anoth*): weiter auf Dem Wege fommt man an andere Ruinen, die Den Namen Kufin führen. Man fagte mir, es ſeien leberreite eines Kloſters Des Evangeliſten Matthäus: fie beiteben aus einem vieredigen Gebäude mit Gewölben, das aus großen Suaderiteinen erbaut it. Der Eingang war an der jüdlichen Seite; gegen Oſten tft ein großes Zeniter, gegen WBeiten ein abgefon- dertes ſchmales Zimmer: rund berum liegen viele Trümmer, die Umgegend it mit TCelbäumen bededt. In Dem nahe gelegenen Torte Berb-Omar war früber, nad Ausiage meines Führers, eine Kirche, Die aber jegt in eine Moichee verwandelt it, melde die Moslemen Nebi Matta oder Prophet Mattbäus nennen. Betb- mar tt wahricheinlih das in den Acta Sanctorum ermübnte Beth Amar **) und Kufin nimmt die Etelle von Maararh ***) ein, von Dem der beilige Euthymius iprichbt +), Der hier neben den Ruinen eine Eifterne ab, Die fich etwas niedriger an Dem Abhange findet und noch jegt mit Waner gefüllt it.

Von bier führte unier Weg über Berge und mit Gebüſch bededte Thäler. In der Ferne, nah Sir den zu, ſah man Die Ruinen Halbul oder Nebi Zu- nus 77). Hier war Das Halhul Des Stammes Zuda,

*) Joſua 13, 39.

*) Acta Sanctorum V. 13. 9 Joſua 15, 39.

+) Acta Sanctorum II. 306. +7) Robinien II. 319.

Bon Ferufalem nach Hebron. Etham. Teiche Salomo's. 69

von dem Zofua*) fpricht, welches man nicht mit Gil- gal, in der Nähe von Bethel und dem Jordan, ver: wechfeln darf. Ein Gilgal oder Galgala Liegt aud) zwifchen Jaffa und Cäfarea am Meere, Links vom Wege fieht man Ruinen aus neuerer Zeit.

Drei Stunden Rittes von Bethlehem, und fünf Biertelftunden von Hebron, fieht man in einem Thale fhon halb verfunfene Ruinen derjelben Bauart wie Kufin, und in ihrer Nähe einen Quell und eine Ei- fterne. Hier fteht noch ein Altar mit einem Gewölbe, Diefer Ort wird Deir-UE genannt; das Wort Deir be- deutet Klofter. Nahe diefer Ruine, auf einem niedrigen zellen, der fih bis an den Weg erſtreckt, fieht man zwei bemerfenswerthbe Grabmäler aus den biblifchen Zeiten; e8 find zwei Grabhöhlen, in jeder ein Ruhebett für den Zodten, in der Hauptwand find zwei Nifchen. Hier lag wahrfcheinlich die Stadt Aruboth **), In der Grab- höhle ift ein Quell, deſſen Waſſer durd) eine Waffer- leitung in eine Eifterne von fehr alter Bauart fließt, welche fi) am Wege befindet.

Gerade vor einem Berge, gang nahe bei Deir-Uö, fteht ein alter Thurm, Burdfch genannt, Eine halbe Stunde von Hebron erblikt man wieder Ruinen auf einem Berge, wahrfcheinlich Bithanin, das zwei römifche Meilen von dem Zerebinthenhaine Hebrons entfernt

*) Joſua 15, 58. Vergl. Sauley IL, 113. 2) 4. Buch d. Könige 4, 10.

70 Fünftes Kapitel.

war”). Niedriger fahen wir mitten unter Delbäumen ein zerftörtes Dorf, welches chriftlichen Arabern ge- hörte, die ſich Ibrahim nicht unterwerfen wollten. Es heißt Herbet- ul-Nafara.

*) Euseb. ad vocem 4pı.

Sechstes Kapitel. Gebron.

Darnach begrub Abraham Sarab, fein Weib, in die Höhle des Aders, vie zwiefach ift, gegen Mamre über, bie ift Hebren, im Lande Ganaan.

1. Moſ. 23, 19.

Und der Herr erfchien ihm im Hain Mamre, da er ſaß an ter Thür feiner Hütte, Da ter Tag am heißeiten war.

1. Moſ. 18, 1.

..... Ununterbrodhen führt der Weg durch üppige Thäler zwifchen Bergen dahin, die mit Wein, Feigen: bäumen, Delbäumen und Terebinthben bededt find, bis gegen Oſten fid) das großartige Thal von Mamre und Hebron den Bliden öffnet.

Hebron liegt in einem Thale, wie wir ſchon im erften Buche Mofis leſen*). Die Stadt hat feine Mauern und befteht aus zwei durch eine Ebene und einen Hügel von einander getrennten Theilen. Die

*) 1. Moſ. 37, 1A.

22 Scchätes Kapitel.

eine Hälfte der Stadt itößt an die Zelfenwand, in wels ber fib Abrabams Grabeshöhle Makhphela befindet, die andere grenzt an den Fuß eines bewaldeten Ber ges, den berübmten Terebintbenbain , der fo oft in der Ribel erwähnt wird. Auf der Ebene, welche Die bei- den Hälften der Stadt trennt, befindet jich eine alters thümliche, ziemlich große in Stein gebauene Eifterne. Gin feichter, aber reißender Bad ſtrömt durch dus Thal und dur einige Straßen der Stadt.

Zwei große Straßen, Die nach Hebron führen, durchbrechen Das Gebirge, Die eine, gegen Südoft, kommt vom todten Meere ber, Die andere, gegen Nor⸗ den, führt nach Betbleben.

Hebron tft eine der älteſten Städte der Welt, um fieben Jabre älter als Zoan in Aeappten *#); ibr ur: Iprünglicer Name war Kirjatb Arba**), was man überfegen kann: „Stadt der vier Männer *. Hier lebs ten Die drei Söhne Enaks, Ahiman, Seſai und Thal⸗ matt), Auch Die Rabbinen nennen Hebron Die Stadt der vier großen Münner, unter Denen fie Adam, Abras bam, Iſaak und Jakob veriteben. Im Buche Zofua}) wird, in der griechiſchen Ueberſetzung, Hebron die Hauptſtadt der Kinder Enaks genannt, und ibr früberer Name Argob+P; nad dem bebrütfchen Texte aber üt

*) 4. Weſ. 13,233,

“) Joſua 3, tl. ‘Mei 13,233.

») Jeſua tt, 18. Tr) Rab ver griechiſchen Ueberſezung. (D. Ueberſ.)

Hebron. 73

- Arba der Name des Stammvaters der Enafiten. Hier ronymus überfeßt die Stelle: „Dort ruht Adam, der größte unter den Enafim“*) Auch nach einer rabbini- Ihen Zradition ift Adam in Hebron begraben, nad) der in Paläftina gewöhnlichen Tradition aber wurden Adam und Eva in Hebron erfchaffen und kehrten nach dem Sündenfulle und der Vertreibung aus dem Para⸗ diefe wieder hierher zurüd, um bier ihr Leben in Reue und Buße zu befchließen; die Stelle ihrer Beerdigung aber febt die Zradition nach Golgatha**). Weſtlich von Hebron zeigt man ein Feld mit röthlicher Erde, aus welcher Bott den erſten Menjchen gebildet haben fol. Die Araber machen von diefer Erde Talismane, welche fie fehr theuer nach Aegypten verkaufen ***), Mögen auch diefe Traditionen des Grundes ents behren, fo ift Doch bier die heilige Wohnftätte Abra- hams, Iſaaks und Jakobs! ihr Eigenthun! Ich faß auf der Spiße des Felſens, welchen Abraham einft von dem Hethiter Ephron faufte, als Ruheftütte für Sarah und feine Nachkommen. In diefem Felſen ift die zwiefache Höhle Makhphela; hier wurde er begraben, und nad) ihm Iſaak; hierher brachte Joſeph die Ge- beine feines Vaters aus Aegypten; hier ruhen Rebekka

*) Adam maximus ibi inter Enacim situs est. Vergl. auch Bochart, Phaleg. p. 300. ++) Cotovicus S. 241. “*) Marinus Sanutus in gesta Francor. I. p. 177. @in Thal bei Hebron wird auch Das Thränenthal genannt, weil dort unjere Stammeltern fange über Abel weinten.

7A Sechstes Kapitel.

und Lea, Zu meinen Füßen breitete fih Hebron und das Thal Mamre aus. Gegenüber, am Abhange des Berges, fieht man den Hain Mamre*. Das Thal Mamre bildet einen weiten Keffel und ift an den Berg- abhängen mit Delbäumen, Weinbergen und Wiejen bededt. Hier führten die Patriarchen mit ihren Heerden ein friedliches Hirtenleben.

Die heil. Helena hatte über dem Grabe Abrahams eine prachtvolle Kirche erbaut, die jeßt in eine Mofchee verwandelt if. Der Eintritt in diefelbe ift aber den Ghriften unterfagt; ich fdhiete deshalb meinen Hall dorthin, mit der Weifung, mir zu berichten, was er darin fehen würde. Als Joſephus die Gräber der Pas triarchen in Hebron befuchte, waren Diefelben noch mit Marmor belegt. Halil konnte mir nichts befonders Merkwürdiges erzählen, In dem Gebäude find Gales rien, ein Hof, Säulengänge, Die Ueberrefte der gothis fhen Kirche der heil. Helena, und an den Seiten Kleine Zellen, in denen fi) die Gräber der Patriarchen be- finden fullen, die mit reihen Gold» und Sülberftoffen bededt find, welche man aus Gonftantinopel gefchidt hat. In allen Moſcheen find die Gräber faft immer auf gleiche Weife ausgeftattet. Ich wünfchte aber eine Vorftellung von der in der Bibel erwähnten Grab» ftelle Abrahams zu haben, Endlich befriedigte Halil meine Neugierde wenigftens in fofern, als er mir er zählte, man habe ihm eine lange Treppe gezeigt, Die

) 1.Mof. 23, 17.

Hebron. 75

zu einem dunfeln Eingange in eine tiefe Höhle führe, welche mit einem eifernen Gitter verfhloffen fei und an deren Eingang eine Lampe brenne. Der Eintritt in diefelbe fei nicht einmal den Moslemen geftattet und nur die Imams wiffen, was darin ift*). Halt ſetzte noch hinzu, einer der Imame hätte ihm aufgetragen, mir zu fagen, es gefchähe nur aus Meufchenliebe, daß man mir nicht erlaube, dieſe Höhle zu betreten, weil jeden Chriſten, der hierher käme, der Bliß erfchlagen müffe. Bei Den Beerdigungen Der Zuden find folgende Ausrufe gebräuchlich: „Väter der Sahrhunderte, die ihr in He- ron rubet, öffnet den Verftorbenen die Thore des Pa⸗ radiefes! ***)

Die Architektur der Mofchee zu Hebron ift ziemlich großartig; fie gleicht einem Schloffe. Die Grund: fteine der Mauern gehören einer ganz alten Zeit an; einige derfelben find 26 Fuß lang und 5 Fuß breit. Die Mauern des vieredigen Gebäudes find mit Zin- nen und Thürmen verjehen, Der eine Thurm tft nicht vollendet, vielleicht auch zerftört, und hat nur die Höhe der Mauer. Die Arhiteftur diefes Gebäudes ift mehr italienisch als arabifh. Die Thürme haben große Nehnlichkeit mit denen, welhe man in Genua und Flo—⸗ renz fieht, und find nach oben zu an den Schießfcharten

*) Dies ftimmt ganz mit der Ausfage Benjamins von Tu: dela. Auch der Abt Daniel fagt, Daß die Grabhöhle Abrahams fi unter der Moſchee befinde.

**) Sepher Chasidim, apud Abrah. Peritsol. Itiner.

mandi

76 Sechstes Kapitel.

breiter. Die unbeendigten Rotunden mit Kuppeln find erft aus neuerer mohammedanifcher Zeitz Die Treppe mit der breiten Zerraffe und der Eingang entſprechen der Schönheit der Gebäude,

Hebron wird von den Arabern el-Halil *) ge nannt, dies it der Name Abrahams, welcher be- deutet Der Liebling Gottes und ift einer von den vier Orten, Die bei Den Mohammedanern in beion- derer Verehrung ftehen, nämlich Mekka, Medina, el-Kods (Serufalem) und el-Halil. Ich lagerte mich im Schat- ten der Delbäume auf dem Felſen, welcher die Stadt überragt, gerade gegenüber der Mofchee, und nahm dort Die Anficht des Thales Mamre und eines Theiles von Hebron auf.

Die Stadt ift ziemlich ausgedehnt, bat aber nur etwa A000 Einwohner; die Großartigfeit des Bazard zeigt ihren bedeutenden Handel, denn Hebron if der Mittelpunkt des Verkehrs zwifchen Arabien und

*) Der Hierodiafon Zoſimus (f. 2. Ausgabe von Sada: roffs Reifen der Ruſſen) nennt Hebron auch Halim, und felhk Rahil, aud das arabifche Sihem, um es von dem famari- tanifchen Sichem zu unterfcheiden. Nach Apoftelgefh. 7, 16 fcheint ed, Daß Hebron gewöhnlih Sichem genannt wurde. Daß Sichem und Hebron oft verwechfelt wurden, geht auch Daraus hervor, daß der Bifchof Euſtathius von Antiochien, der im Aten Jahrhundert febte, vie Eiche zu Sichem, wo Jacob die Gößen jeines Schwie: gervaters Laban vergrub, mit der zu Hebron verwechfelt, unter welcher Abraham die beiden Engel aufnahm. Eustath. edit. ab Allatio; apud Reland. p. 712. Vergl. auch Reinecii Biblia sacra quadriling. Nov. Test. p. 437—4A41. Anm.

Hebron. 77

Syrien. Eigene Erzeugniffe Hebrons find hauptſäch— lich Glaswaaren, Lampen, bunte Halsbänder und Arm: bünder, die von hier in den ganzen Orient verfandt werden; auch die Rofinen und eingemachten Früchte Hebrong find berühmt. Die Häufer find reinlich und laffen auf Wohlhabenheit fchließen, die Einwohner aber find ungaftlich und unfreundlic.

Die alte Eijterne zwifchen den beiden Hälften der Stadt it ein PViered von 65 Schritt Länge und gleicher Breite. Hier ließ David die Mörder Asbo- feths, des Sohnes Sauls, binrichten *).

Ich durchſchritt die Stadt und wendete mich dem zuße des Berges zu, welcher dem Grabe Abrahams gerade gegenüber liegt und wo, nach der bejtimmten Angabe der heiligen Schrift, der Hain Mamre lag **). Hier ftieg ich am Abhange des Berges hinan und trat in das Dickicht von Zerebinthen, Dliven= und Feigen- bäumen. Am Eingange dieſes Wuldes fieht man bedeu- tende Ruinen. Diejer Ort wurde von jeher von Qus den, Ehriften und Heiden für heilig gehalten; bier offenbarte ſich Gott zuerit als Dreifultigkeit, in den drei Engeln, welche zu Abraham kamen ***), bier jab Abraham den Tag Chriſti und freute ſich F).

Die rührende Erzählung im erften Buche Muofis ichildert uns mit den Tebbafteften Farben die ganze

*) 2. Sam. 4, 12. "4. Mof. 23, 19. +) 41, Moſ. 18, 1—9. +) Ev. Job. 8, 86.

78 Zchstes Karitel.

(Einfachheit des Zeitalters der Patriarchen, deren Sit- ten wir noch jegt nach A000 Jahren in jenen Gegen: den unverändert finden. Die Art und Weiſe, wie Abras ham die Engel bewirthete, ift noch ganz Diejelbe bei den heutigen Arabern, jelbit Die Bereitung des Brodes in einer Pfanne iſt unverändert geblieben. An der an: geführten Stelle kann man nicht verfennen, daß Abra- ham mit feinem inneren Auge in den drei himmlijchen (Hüften nur eine Berfon fab; „Herr“, redet er fie au, in der Einheit, „habe ich Gnade gefunden vor deinen Augen, To gebe nicht vorüber“. Was kann rühren der fein, als Die Zürbitte Abrahams für die fündigen Bewohner Sodoms und Gomorras, als er erfuhr, daß der Herr Gericht über fie halten wolle. Das Gefpräd zwifchen Gott und Abraham, der die Engel auf den Weg nad Sodom geleitet, erfüllt das Herz zugleich mit Screen und mit Zroit, indem es zeigt, wie fchwer Die Stimme des Gerechten vor dem Richterftuhle Gottes wiegt, und daß die geringfte Anzahl Gerechter ein gan- zes Land erretten fanıt.

Unter dem Schatten der Eichen und Delbäume figend, den Rachkommen der Bäume, welche die Zelte Abrahams befchatteten, fah ich auf das weite Thal Mamre, die Begräbnißhöhle Abrahams, den Weg nad Sodom, der Nachbarſtadt Hebrons, hinab, und Die biblifchen Erinnerungen drängten fich in meinem Geifte. Hierher kamen die Kundfchafter Mofis und Aarons und fehrten nach vierzig Tagen wieder zurüc mit der gewultigen Weintraube, die fie an einem Stode trugen.

Hebron. 79

„Wir find in das Land gefonmen, dahin ihr ung fandtet, da Mil und Honig innen fließet, und dies ift ihre Frucht **).

Sc bemerkte ſchon oben, daß die Ihönften Wein ftöde das Land um Hebron bededen. Nach der Ber: treibung der Söhne Enafs gab Joſna bei der Vertheis fung des Landes Die Gegend von Hebron den Söhnen Kulebs, die Stadt jelbft aber machte er zu einer der ſechs Freiftädte **). In Hebron wurde David zum Kö⸗ nige gefalbt und regierte länger als fieben Jahre als König von Juda***). Hier fchrieb er den größten Theil feiner Bfalmen. Rehabeam befeftigte die Stadtr), die fchon zu Mofes Zeiten nicht unbedeutend war ++), und Judas Makkabäus zerftörte fie. Inter der Herr: ihaft der Römer hat Hebron alle Schreden des Feuers und des Schwertes erfahren. In den chriftlichen Zei: ten war hier ein griechifches Episcopat des heiligen Abraham.

Kofephusrrr) bat richtiger al8 alle Andern die Stelle beftimmt, wo Abraham die drei Engel erfcie- nen: fechs Stadien, d. i. etwas mehr als ein Kilometer, von Hebron und der Grabhöhle Abrahams. Hier zeigte

*) 4, Moj. 13, 28 —29.

»*) Joſua 11, 21; 14, 13; 20,7; 21, 4. "*) 2, Zaun. A, 12.

+) Ebron. 11, 10.

+) Numeri 13, 29, +rr) De bello Jud. V, 7.

30 | Sechstes Kapitel.

man ihm eine große Terebinthe*), Die nad) der Erzäb- ung der Bewohner Hebrons fchon zur Zeit Abrahams aeftanden hatte. Die paläftinifche Eiche oder Teres binthe wird oft mit der europätfchen Eiche verwechfelt, die Blätter der beiden Bäume find jedoch verfchieden, denn die der paläftinifchen Eiche haben an der Rüd- jeite eine weißliche Furbe. Bei den Ruinen der Kirche aus der Zeit Gonftantins ftehen zwei oder drei Teres binthen und einige Delbäume, deren hohes Alterthum nicht zu verfennen ift. Die Ruinen befteben aus eini— gen Mauerbögen, wahricheinlicdh von dem untern Theile der Kirche. Wir befigen noch ein Schreiben des Kai⸗ jers Conftantin, welches auf Die Erbauung dieſer Kirche Bezug hat und an den Bifchof Eufebius von Cäſarea und an Macarius gerichtet if. „ES ift be fannt, fchreibt der Kaiſer, daß der Ort, welcher fih an der Eiche Mamre befindet und wo Abraham lebte, Durch Das Heidenthum verfinftert ift, und deshalb habe ich unferm berühmten Freunde Acacius befohlen, uns verzüglich die Gößen zu verbrennen und ihre Altäre zu zerftören; und um Ddiefen Pla fünftig vor Ent weihung zu ſchützen, beftimme und befehle ich, ihn mit einem Tempel zu ſchmücken. Es ift Allen bekannt, daß Gott der Erhalter hier zum erften Male Abraham er: ſchien und mit ihm ſprach. Hier war der Urfprung des

*) Quercus ilex, arab. Sindjän (E. Robinfon). In den Veberfeßungen ver Bibel iſt oft die Terebinthe, elah, mit der Giche, elon, verwechjelt. Jeſaia 6, 13; Hufen 4, 13.

Hebron. n 81

heiligen Geſetzes und die Erfüllung deſſelben; dort gefiel es dem Heiland, von zwei Engeln begleitet, zum erſten Male ſich Abraham gnädig zu erweiſen. Hier fing Gott an ſich den Menſchen zu zeigen und hier verſprach er Abra⸗ ham eine zahllofe Nachkommenſchaft“*). Jetzt ſteht eine mohammedaniſche Kapelle an die Ruinen der Kirche Conſtantins angelehnt.

Weiter auf der Höhe Mamre ſieht man die Ueberreſte einer Kirche der vierzig Märtyrer. Man weiß jedoch nicht, woher ſie dieſen Namen hat. Zu bemerken iſt, daß die Mohammedaner dieſe Stelle das Grab Iſai's, des Va⸗ ters Davids, nennen, welches der heil. Hieronymus in die Nähe von Bethlehem an die Straße nach Hebron**) feßt. Andere meinen, daß hier Kaleb begraben fei, wie Hieronymus erzählt.

Zur Vervollftändigung bemerken wir noch, Daß Die Hebräer, und überhaupt die vrientalifhe Tradition, Das Grab Adams nad) Hebron fegen und, mit eben fo wenig Grund, das irdiiche Paradies in die Umgegend diefer Stadt verlegen***) Leber die Lage Edens wiſſen wir gar Nichts. Höchft wahrfcheinlich dürfen wir ung unter dem biblifchen Eden nicht einen in beftimmte Grenzen eingefhhloffenen Raum denken, fondern den ganzen Theil der Erde, welcher von Ewigkeit her als Schauplatz der wunderbaren und geheimnißvollen Bes

*) Baronius III, sub A. C. 326. *), Hieron. de loc. hebr. ”"*) Jacob. de Vitriaco p. 1051. . Noroff's Reife nach Paläftina, U. 6

82 Sechstes Kapitel.

gebenheiten des Alten und Neuen Zeftaments beftimmt war, d. h. das ganze Land zwiichen dem Ril und dem Guphrat. Auch darf man den Garten in Eden nidt mit Eden im weiteren Einne verwechfeln, denn der Garten, wird ausdrüdlih geiagt, war in Eden, d. h. im Lande Eden*). Ein gelebrter Kenner des Hebräi- fchen **), der ganz von chrüftlichem Geifte Durchdrungen it, glaubt, Daß der Baum des Lebens im Paradiefe an derfelben Stelle ftand, wo fpäter der Erlöfer geboren wurde. Auch die Trennung des Stromes in Eden in vier Arme, die eben fo viele Ströme bilden, zeigt fchon, daß wir feinen Pleinen Raum annehmen dürfen ***). Wir fagten ſchon oben, daß nad der Bermuthung eini- ger Gelehrten +) der Sordan einft mit dem rothen Meere in Verbindung fland, wie die Fortſetzung des Tordanbettes in dem Thale El-Ghor bis zu dem öft- lichen Bufen des rothen Meeres deutlich zeigt. Diefe Vermuthung ift fehr richtig und dient als Beweis jener ſchrecklichen Naturumwälzung, die im erften Bud) Moſis Cap. 19 erzählt wird, wo durch den Zorn Gottes fünf Städte vertilgt wurden. Die Gegend, in welcher die fünf Städte lagen, ift in der Bibel nicht ohne Grund mit Eden verglichen, und der Cherub, der den Ein- gang des Parudiefes mit flammendem Schwerte be-

*) 1. Moſ. 2, 8. ") B.A.L. ***) Quaresm. II. 776. 7) Gefenius in der Vorrede zu Burdhards Reife in Syrien. Burkhard, Nubien, und Georg Robinfon 1. S. 298.

Hebron. 83

wachte, Deutetwahrijcheinlich Darauf, Daß auch der Gurten in Eden durch ein himmlifches Feuer vernichtet wurde *). Einige Gelehrte wollen felbft den Namen des Fluſſes Jordan aus den hebräifchen Worten Jeor Eden, d. h. Fluß Edens, ableiten **). Obwohl diefes Alles nur Vermuthungen find, fo ftügen fich Diefelben doch auf das Zeugniß durch Gelehrfamkeit berühmter Män- ner und, was nod) wichtiger, auf die Anfichten vieler heiligen Väter, welche den Nil als einen der vier Ströme des Paradieſes zählen ***).

Ih nahm einen Friedenszweig von der heiligen Stelle mit, wo Abraham von Gott Die Verheigung er- halten hatte. Auf dem Rüdwege nad) Bethlehem zwang uns die Ermüdung, unter den Feigenbäumen am Wege, nahe den Ruinen von Kufin, einen Rubeplag zu fuchen. Als wir das Brunnenthal (Wadi Biar) erreicht hatten, lenkten wir von dem Wege ab in Das bewaldete Gebirge, vorbei der Ruine Deir ul Benat, d.h. Klojter der Jung- frauen, von wo aus eine Wafferleitung fteil in das

) 41. Mof. 3, 24. ©. Homii Hist. Eceles. im Anfange.

**) J. Mariana Schol. brev. in Vet. ac Nov. Test. Ma- drid 1619. Fol.

***) St. Epiphan in Ancorato $. 58. St. Ambros de Para- diso ce. 3. St. Augustin. de Genes. ad Lit. 1, 8. p. 7. Josephus Antiq. 1. c. 2. Salomo Jarchi c. 2. Abrah. Peritsol. I, p. 190. Bochart in der Abhdl. de Paradiso S. 11. Rau: mer, Paläftinı S. 454 (2te Ausg.) feßt Even an den Ural. Vgl. auch G. Postelli de Universit. (Syriae descriptio). Paris 1573.

4. p. 24. 25. 6*

8A Sechstes Kapitel.

Thal hinab geht, einem vieredigen Gemäuer zu. Bon bier ritten wir Durch ein enges Thal, wo die Gärten Salomo's lagen, bis an den Steindamm des unteren Zeiches. Nachdem wir bier eine Weile ausgeruht, rits ten wir weiter und trafen am Abend wieder in Dem ge- fegneten Bethlehem ein.

Am nächſten Tage verließ ich mit gerührtem Herzen und inbrünftigem Gebet in der Seele und auf den Lippen das Heiligthum, wo Chriſtus geboren wurde, und richtete finnend meine Schritte wieder Serufu- lem zu.

Siebentes Kapitel, Abſchied von Ierufalem.

2obet den Herrn, ihr feine Auser- wählten, haltet Freudentage, und prei⸗ fet ihn! Serufalem du Gottesſtadt, Gott wird dich züchtigen um deiner MWerfe willen, aber er wird fich deiner wieder erbarmen. Sn dir werden fie ten Herrn anbeten und bu wirft dad Heiligthum heiffen, ven großen Namen des Herrn werden fie in dir anrufen.

Tobias 13, 9. 10. 14.

Die Stunde des Abſchieds von der heiligen Stadt rücte heran. Wie leid es mir auch that, Serufalem verlaffen zu müffen, fo fonnte ich doch nicht länger hier weilen. Die Lage Syriens geftaltete fich immer be- denflicher, neue Empdrungen der Araber brachten Alles in Aufregung: ein ganzes Sahr war verfloffen, feit ich feine Zeile mehr von denen erhalten hatte, Die mei- nem Herzen nahe jtehen.

Eine Reife im Orient tft immer mit Schwierigfeiten und Gefahren verbunden und man ift in Europa in

86 Siebented Kapitel.

großem Irrthum, wenn man glaubt, die Regierung Mehemed Ali’s habe den Verkehr erleichtert. Das heiße Klima, die Pet und die Barbarei find die drei Mächte, welche im Orient herrfchen und gegen die man einen beftändigen Kampf zu führen hat.

Ich hatte nun Zerufalem und feine Umgebungen fo genau al8 möglich fennen gelernt und bemühte mid, meinem Gedächtniffe Alles einzuprägen, was meine Geele rührte. Jeder Pfad, jeder Stein war mir denf- würdig. In Serufalem it jeder Zußbreit Boden heilig und prägt ſich unauslöſchlich dem Gedächtnig ein. Ein Pilger but einft einen Priefter in Zerufalem um eine Handvoll heiliger Erde. Freund, entgegnete ihm der Priefter, giebt es in der Umgegend von Jerufalem eine Stelle, die nicht heilig wäre? Das Blut des himmlifchen Grlöfers und der Märtyrer bat Diele Schicht Erde auf ewig geheiligt. Mit diefen Worten bückte er fih, nahm eine Handvoll Erde, und- das Blut floß über feine Hand. Die Hebräer fagen, daß felbft der Staub in Banaan rein fei*).

Während der letzten Tage meines Aufenthalts in Serufalem jchloß ich noch engere Freundfchaft mit den ehrwürdigen Vätern des griechifchen Klofters. Die Kirche des heiligen Grabes war nur felten geöffnet, und ich konnte nicht mehr den Zroft haben, fie fo oft zu be fuchen wie früher, denn die Schlüffel müffen jedesmal

*) Misna VII. Maimonid. in comment ad Misnam Oho- loth c. XVII.

Abfchied von Jerufalem. 87

erft von der mohammedanifchen Wache erbeten werden; faft täglich aber ging ich auf dem Schmerzenswege des Herrn zum Oelberge hinaus und von da am Kidron entlang um die Stadt und zum Saffathore hinein; ein Weg, der ernfte Betrachtungen und inbrünftige Gebete in der Seele erwedt.

Am Tage meiner Abreife von der Gottesftadt hörte ic) noch einmal die Mefle auf Golgatha. Tief ergriffen, doch mit füßen Thränen der Rührung und des Danfes gegen meinen Erlöfer, fiel ich an dieſem heiligen Orte unferer Erlöfung und vor dem Grabe des Heilands auf die Kniee nieder. Wie foll ich den Abfchied des fündigen Menfchen von den beiden großen Heiligthü- mern fchildern, die fo lebhaft an Den erinnern, auf Den alle Hoffnung des irdifchen und des fünftigen Lebens gebaut ift!

Ich wurde hier mit einem unſchätzbaren Kleinod befchenkt, einem Splitter vom Felſen Golgatha; mit ihm trug ih Das ganze Serufulem bei mir. Mit ges preßtem Herzen ſah ich, wie hinter mir die Thore der Kirche ſich fchloffen.

.... Ich richtete meine Schritte zur Zelle des Mes tropoliten Mifail; hier ertheilte mir der ehrwürdige Greis feinen Segen für die Reife und mein ganzes Zeben, mit einem Kreuze, in das ein Splitter von dem wahren Kreuze des Herrn eingefügt if. O! wie troftreich war mir Diefer Segen, mit Diefem Kreuze, in Serufalem felbft! Außerdem fchenfte mir der Metro- polit noch das ruffifhe Evangelienbuch, welches ich aus

88 Siebentes Kapitel.

der Bibliothek des Patriarchen entnommen hatte und das ich an allen heiligen Stätten Paläſtina's bei mir führte, in welchem ich fo oft am Grabe Ehrifti und un der heiligen Stätte Golgatha gelefen hatte. Der Vater Anthimos, der mid) fo oft mit feinem Ratbe unterftügt hatte, fchenfte mir eine Abfchrift der im Orient fo bes fannten WVeiffagung des Agutbangelos. Hieronymus Agathungelos lebte im Ddreizehnten Jahrhundert als Mönd) im Klofter des heiligen Bafllius. Er batte im Sahre 1279 in Meffina eine Vifion. Die von ihm felbit gefchriebene Erzählung derfelben ift fehr merf- würdig, und feine Weiffagungen find vielfach einge troffen.

Am Tage meiner ANbreife erwartete mich noch eine Meffe in Gethfemane, am Grabe der heiligen Jungfrau. Vor einem Jahre hatte ich am Feſte der Intercessio Sanctae Mariae virginis meine Reife angetreten, unter ihrem Schuße wollte ic) auch wieder heimfehren. Früh am Morgen verließ ich das Haus des Patriarchen und wandelte auf dem Schmerzenswege nach Gethfemane hinaus, zum legten Male die heiligen Stellen füßend, welche Zeugen waren der Leiden des Herrn, Am Ein: gange in die Grabeshöhle der Mutter Gottes empfingen mich die ehrwürdigen Brüder mit Kerzen und eine Schaar von Gläubigen füllte das unterirdifche Gottes⸗ haus. In dem düftern Raume, auf dem geweihten Marmor des Grabes der Mutter Gottes, fand mein be wegtes Herz Ruhe. Die greifen Väter begleiteten mid) auf dem Rüdwege bis an das Thor Zerufalems. Hier

Abſchied von Jeruſalem. 89

ſtanden die Pferde bereit, ich umarmte meine Freunde, blickte noch einmal auf Jeruſalem, Gethſemane und den Oelberg, und ſchlug die Richtung nach der Höhle des Jeremias ein, in meiner Seele rufend: Mögen die Mauern der heiligen Stadt noch einmal wieder erbauet werden!

Am Lager des Scherif Paſcha, deſſen Zelte noch immer vor Jeruſalem aufgeſchlagen waren, ritt ich raſch vorüber und ſchlug den Weg nach Jaffa ein, auf dem ich vor wenigen Wochen ſo freudig nach Jeruſalem eilte! „Jeruſalem, Stadt der Städte, Heiligthum der Heilig- thümer, Herrin der Völker, Erbtheil der Batriarchen, Emäbhrerin der Propheten, Lehrerin der Apoftel, Wiege unferer Erlöfung, Heimath unferes Erlöfers, Fels des Glaubens, erwählt und geheiligt von Gott, wo feine Schritte wandelten, gepriefen von den Engeln und allen Mölkern der Erde!“ rief einft ein Bifchof, der das Kreuzbeer begleitete *).

Bonifacius fchreibt, daß zu feiner Zeit die Pilger, welche Jeruſalem verließen, mit folgenden Worten be- gleitet worden: „Lobfinget und preifet Gott den Als mächtigen und die heilige Jungfrau Maria und alle Heiligen, Die euch gewürdigt haben, auf der Erde das zu fehen, deffen Andenken ihr auch im Himmel bewah- ten werdet"") ".

Darum fpricht fo der Herr: „Ich willmich wieder zu

*) Jacob. de Vitriaco, p. 1067. **) Liber de perenni cultu, p. 289.

90 Siebentes Karıtel.

Jeruſalem kehren mit Barmberzigkeit, und mei ſoll darinnen gebauet werden. Es ſoll meinen © wieder woblgeben, und der Herr wird Zion wiel ften und wird Jeruſalem wieder erwäblen *) *.

) Sacharja 1, 16. 17.

Ichtes Kapitel. Don Ierufalem nach Jaffa.

Und fiebe, zween aus ihnen gingen an demjelbigen Tage in einen Flecken, der war von Jeruſalem fechzig Feldwe⸗ ges weit, des Name heißt Emmaus.

Ev. Luc. 24, 13.

Hinter der eriten Anhöhe verfchwand Serufalem neinen Bliden; hinter der zweiten fieht man nur nod) ren Gipfel des Delbergs. Ueber Steinhaufen, die auf em Wege zeritreut liegen, ritt ich in Gedanfen vertieft ber den rothen Erdboden in die Schlucht hinab. techts erhebt fich der wilde Berg Samuel's, feitwärts iegt in einem Thale das Dörfchen Lifte, Nach fünf 3tertelftunden Weges nüherten wir uns dem Dorfe Ka— mia*), über eine fleinere Brüde, unter welcher ein

*) Auf Robinion’® Karte Kulonia.. De Calle nennt es iſſchlich Karialuna; er bemerft auch eine beſondere Bauart der uinen, die er mit denen von Baalbek vergleicht und in die Zeit rw Hebräer oder Philiſter feßt. TH. 1. ©. 268.

8A Sechstes Kapitel.

Thal hinab geht, einem vieredigen Gemäuer zu. Bon hier ritten wir Durch ein enges Thal, wo die Gärten Salomo’s lagen, bis an den Steindamm des unteren Zeiches. Nachdem wir hier eine Weile ausgeruht, rit- ten wir weiter und trafen am Abend wieder in dem ge- fegneten Bethlehem ein.

Am nächſten Tage verließ ich mit gerührtem Herzen und inbrünftigem Gebet in der Seele und auf den Lippen das Heiligthbum, wo Chriftus geboren wurde, und richtete finnend meine Schritte wieder Serufa- lem zu. |

Siebendes Kapitel, Abſchied von Ierufalem.

2obet den Herrn, ihr feine Auser- wählten, haltet Freudentage, und prei- fet ihn! Serufalem du Gottesftapt, Gott wird dich züchtigen um deiner Werke willen, aber er wird fich deiner wieder erbarmen. In dir werben fie ten Herrn anbeten und du wirft das Heiligtbum heiffen, ven großen Namen des Herrn werden fie in Dir anrufen.

Tobias 13, 9. 10. 14.

Die Stunde des Abfchieds von der heiligen Stadt rückte heran. Wie leid es mir auch that, Serufalem verlaffen zu müffen, fo fonnte ich Doch nicht länger hier weilen. Die Lage Syriens geftaltete fich immer be- denflicher, neue Empörungen der Araber brachten Alles in Aufregung: ein ganzes Jahr war verfloffen, feit ich feine Zeile mehr von denen erhalten hatte, die mei- nem Herzen nahe ftehen.

Eine Reife im Orient ift immer mit Schwierigfeiten und Gefahren verbunden und man ift in Europa in

94 Achtes Kapitel.

begleitete, welcher fagt, Daß Emmaus nahe den Ruinen liege, welche Modin, oder Burg der Maffabäer oder Baba Saul's genannt werden, was fi) auch in der That fo verhält.

Der Berg Soba, auf dem die befagten Ueberrefte liegen, erhebt fi) auf der linken Seite, die Stelle der Saba Saul’s aber ift zur Rechten. Für unfere Anficht fpricht auch, daß, wie Bonifacius erzählt, die Pilger gewöhnlich am Tage vor ihrer Abreife nad) Emmaus gehen, um Gott zu bitten, daß er fie ebenfo begleiten möge, wie Lucas und Cleophas; denn am Tage vor der Abreife wählte man gewiß einen Serufalem nahe gelegenen Ort zur Wallfahrt. Die Bewohner diefes Ortes, fagt Bonifacius, find zwar Heiden, aber fie find gaftfrei und wohlmollend ‚gegen die Ehriften gefinnt. Emmaus ift von Serufalem 60 Stadien entfernt, d. i. 7 italienifche Meilen oder 101/, Kilometer. Wir legten den Weg nad) Kalonia in fünf Biertelftunden zurüd. Meberdies, fügt Bonifacius hinzu, befuchten Die Pilger auf dem Rüdwege den Berg Samuel's und

zehnten Jahrhunderte: „De Jerusalem vadendo ad Joppem versus Oceidentem aliqualiter ad Aquilonem, est Emaus castel- lum, distans 60 stadiis a Jerusalem, id est, duabus leucis, h. e. medium secundum miliare nostrum, ubi Dominus secutus discipulos suos in die resurrectionis comedit cum eis, et ihi hodie nihil aliud est, nisi domus muratu quadrangularis, carens operimento. Circa istum locum peregrini transeuntes Bieru- salem solent pausare, et nesciunt quicquam de isto loco, quia Sarraceniearum civitatum eis non indicant.‘‘ Canisii Thesaur. Monum. Ececles. ed. Basnage. 1725. T. IV, p. 781.

Bon Ierufalem nach Iaffa. 95

Soba*). Die Ueberrefte der Befeitigung des Berges von Soba find zum Zheil aus den Zeiten der Kreuz- zuge, doch vermuthet man, daß bier die Prieiter- ſtadt Nob lag**). Als David vor Saul flob, ging er nah Rob, zum Hobenprieiter Abimeleh, und bat dDiefen, von Hunger gequält, um die Echaubrode; bier umgürtete ihn auch Abimelech mit dem Schwerte Goliath’8***). Nach dem Zeugniffe Cotovicus’ ent- hält der Zelfen von Soba in feinem Innern Grüfte mit fchönen Eingängen, Frontons und Säulen +). Beiter links fah man durd) eine Kluft die Bergftadt Inda, und weiterhin, auf einem Berge, die Ruinen Kaftan +4). Unweit von hier lag das obere Beth=Ho- ton, welches Hieronymus zwifchen Serufalem und Ni- copolis, 100 Stadien von Zerufalem, ſetzt, jin den Krie- gen der Makkabäer ein befeftigter Plaß an der Grenze zwifchen Benjamin und Ephraim. Hier ftritt Joſua gegen die Königertt) und Zudas Makkabäus gegen Nikanor, bier wurde der Römer Geftius von den Juden gefhlagen *}); beide Beth-Horon, das obere und das untere, waren von Salomo gegründet **r). Unſer Weg

*) Bonifacius, S. 352. 354. **) Kürer, p. 80. 5 1. Samuel 21. +) Cotovicus, p. 317. +) Vieleicht Kuſtul, welches einige Karten angeben. +) Joſua 10, 11. *+) Joseph. d. b. iud. 2, 40. *) Robinjon zeigt in diefer Richtung zwei Derter an, Beit- Ur el tahta (Beit⸗Ur, das untere) und Beit-Ur el föka (Beit-lir,

96 | Achtes Kapitel.

ging von hier der Schlucht entlang, wo wir am Wege einen Brunnen ſahen. Bald erblickten wir auf dem Rücken des Berges das maleriſch gelegene Dorf Kariet el Enab, fälſchlich Anathoth oder Seremia, in der Volle fpradye, nad) dem Namen feiner Befiger, auch Abugoſch

genannt. Bielleicht lag hier Kireath Jearim “), wohtn |

die Bundeslade aus Beth-Semes gebracht wurde und 20 Sahre blieb **. Ich glaube felbft, daß der Name Jeremia nur eine Verftüimmelung des alten Namens Jearim ift. Links auf dem Gipfel des Felfens Liegen die malerifchen Ruinen aus der Maffabäerzeit, von

denen fchon oben die Rede war. Nahe dem Dorfe :

Anathoth breitet fi am Zuße des Berges ein Wieſen⸗

thal aus, von einem Bache bewäffert und von einigen |

Bäumen befchattet. Unter dem Schattendache und bin; ter dem Dorfe ſaßen einige rauchende Männer; einer unter ihnen, ein großer und flarfer Mann, kam mir entgegen und lud mid ein, bei ihnen auszuruben. Mein Dragoman fagte mir, Daß esAbugofch felbit fei, der Bruder des Mufellim von Serufnlem, der den wid; tigen Titel: Herr der judäiſchen Gebirge führt. Ich habe ſchon oben von ihm gefprochen. Ich folgte feiner Einladung und er war fehr erfreut über meinen Be

Das obere), ald die Stelle von Beth-Horon dem obern und Beth: Horon dem untern einnehmend (III. 89 66). Fürer, p. 69, feßt das untere Beth Horon in die Nähe von Nob, an die Stelle, welche früher nach dem Namen Goliath's Golia genannt war.

*) Joſua 18, 14. 1. Sam. 6, 21; 7. 21.

”) NRobinjon II. 335.

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Don Jernfalem nad) Iaffa. 97

fu, ließ mich auf feinen Teppich niederfigen, bot mir eine Pfeife und z0g ein Zuch mit Kaffeebohnen aus dem Bufen, von denen er feinem Diener eine Handvoll gab. Die Bohnen wurden nun vor unferen Augen ge: röftet und nad) einigen Minuten brachte man ung zwei Taffen duftenden Moffa’s. Abugofch erzählte mir von dem Kriege Bonaparte's in Syrien und wie er felbft einen gefangenen franzöfiichen Offizier, der ihm vor: - geführt wurde, mit eigner Hand getödtet. Ich fragte ihn, weshalb. „Weil ich nicht wußte, was ich mit aihm anfangen follte“, antwortete er. Ich beeilte mich, Wefes menfchliche Ungeheuer wieder zu verlaffen. | r. Mir wendeten ung jebt nach Kariet el Enab. Hier * —* ich die am Wege liegenden Ruinen einer ſchö— nen Kirche. Manche glauben, daß dieſe dem Prophe⸗ ten Seremias geweiht war”) und halten Karietel Enab für deſſen Geburtsort Anathoth. Allein Die Stadt des Bropheten lag im Lande Benjamin **), bier aber ift nicht das Gebiet des Stammes Benjamin, fondern das des Stammes Juda, und Robinfon hält daher ganz richtig ‚das nördlich von Serufalen gelegene Dorf Anata für Die Stadt des Propheten ***). Das Innere der Kirche ift fehr großartig, ſechs vieredige Säulen, drei an jeder Seite, ftüßen die Gewölbe, jebt aber dient Das Gebäude Abugofch als Stall!

*) Cotovicus ©. 146. »*) Ierem. 1,1. »«) Robinſon II. p. 109. Noroff's Reife nach Paläſtina. I. 7

98 Achtes Kapitel.

Der Weg fteigt von bier immer mehr und endlich Öffnet fich eine weite Ausficht über die Ebene, bis an das ſandige Ufer des mittelländifchen Meeres. Wir ritten zuerft in dDichtem Gebüſch; allmälig aber begann der Horizont freier zu werden. Der Weg führte an dem Torfe Saris vorbei, dus mitten in einem Oliven: wäldchen nahe bei einer Gifterne liegt. Cotovicus, der diefen Ort Serith nennt, gedenft hier eines Gebäudes mit einer arabifchen Snfchrift; es ift eine Kirche, Die dem Andenken der maffabäifchen Märtyrer geweiht war*). Saris ift fiher der Ort, von dem der gott felige Hieronymus fpriht**) und der im Buche Jos ſua“**) Tobis genannt wird, wohingegen Hieronymus den neueren Namen Saris nennt; dies ift befonders deshalb wahrfcheinlich, weil nad) dem B. Joſua Tobis oder Saris nahe an Kirjat-Jearim oder Kirjat- Baal liegt. Hier beginnt ein kleines Thal, das immer ſchmaͤ—⸗ fer wird, mit Gebüfch bewachſen ift und Weidepläße hat. Bon hier aus kamen wir in eine tiefe und enge, aber mit frifchem Grün beffeidete Schlucht. Ein pracht- voller Baum, weichen die Araber Naab, mein Drago- man aber mit dem italienifchen Namen Anzalore nannte, zeichnete fich hier vor allen übrigen Bäumen aus. Er ift mit einer Mauer umgeben und bezeichnet die Grenze des Bezirks von Jeruſalem. Diefer Baum

*) Bonifacius p. 89. ”*) Hieronymus in Comment ad Mich. V. ») Joſua 15, 60 (nad) der griechifchen Neberfegung). Vid. Reland p. 1036.

Von Jerujalem nach Jaffa. 99

ftebt bet den Bewohnern der Gegend in großem Anz jeben. Hier aber nehmen die großen Bäume ein Ende, Gebt man weiter, fo findet man rechts vom Wege einen in Felſen gebanenen Brunnen, der feit langer Zeit der Brunnen Hiobs genannt wird *); Diefer Name bat jedod) feine Beziehung zu dem biblifchen Hiob, fondern rührt wahrſcheinlich von irgend einem Einfiedler ber. Unweit des Brunnens ſteht ein vierediges Gebäude, welches man das Haus Hiobs nennt. Von hier beginnt eine ſehr wilde und enge Schlucht, welche den Namen Bab ul⸗Wad führt; es iſt der Engpaß, in welchem Die Armee Zbrabims auf dem Marie nach Jeruſalem von den empörten Arabern aufgebulten wurde, und wo er jelft beinabe ungefommen wäre.

Bald breiten ih die weiten Ebenen von Ramla ver unjeren Bliden aus. Beim Ausgange aus dem Engpaſſe fiebt man zur Rechten ein Dorf, Deir-Lüb, und weiterhin, linfs, alte Ruinen, Latrun genannt, wabrjcheinlich von dem Tateiniichen Worte latro, ein Räuber; Diefer Ort, wie wir ſchon oben ſagten, iſt Die Heimatb des renigen Sünders, Der mit Chriſtus zus gleich gefreuzigt wurde. Der Tradition zufolge war iein Name Ismas. Man erzählt, DaB die heilige Jung: frau auf ibrer Flucht nach Neyppten mit dem Kinde Jeſus und Dem beil. Jofepb von Rünbern überfallen wurde, unter Denen uch Ismas war. Gerübrt durch den göttlichen Ausdruck in dem Antlig der heiligen

*) Bonifacius p. 90. Gotevicus 143.

100 Achtes Kapitel.

Familie befchüßgte er fie und gab ihnen freies Geleite. Hier endigen die judäiichen Gebirge und es beginnt die Senkung nach der Ebene von Ramla. Rechts fieht man die muleriichen Ueberrefte des anderen Emmaus, jetzt Amwas, früher auch NicopoliS genannt*). Der gottjelige Hieronnmus giebt Die Lage dieſes Ortes richtig an, indem er jagt, bier beginnen, wenn man von Rumla nad Serufalen geht, die judäiſchen Ge birge **). Der heilige Hieronymus aber und viele Anz dere verwechfeln Diefes Emmaus mit dem gleichnami- gen Orte im Evangelium und diefes letztere mit Nico: volis; Das evangelifche Emmaus aber liegt von Zeru: faleın 60 Stadien, diefes hingegen 176 Stadien oder 22 römiſche Meilen. Hier war zur Zeit der chriftlichen Herrichaft der Sig eines Bischofs. Schöne Ruinen einer Kirche haben fich bis auf den heutigen Tag erhalten. Auf der weiten Strede zwiſchen den judäifchen Gebirgen und Ramla habe ich nur ein einziges Dörf- hen gefehen, ungefähr in der Mitte des Weges. Die geringe Bevölferung auf dem üppigen Boden des Orients und unter dieſem fegensreihen Himmel ift überrafchend. | Sch blieb in Ramla in demfelben gaftfreundlichen griechifchen Kloſter, in welchem ich auf meiner Hinreife

*) Auf Robinfons Karte, der nicht an Diefem Orte war, Br. II. S. 30. 31 jtebt Amwas oder Nicopolis an der linken Seite des Weges von Jerufalen nad) Ramla, es Tiegt aber rechts und fait gegenüber Latrun.

**) Hieronymus in Comment ad Daniel XII.

Bon Ierufalem nach Jaffa. 101

übernachtet hatte. Obgleich zwei Agenten des ruffi- hen Conſulats, einer von hier, der andere aus Gaza, beide Araber, mir ihre Häufer anboten. Am folgenden Tage befuchte ich die griechifche Kirche Des heiligen Georg, weldhe an das Klofter grenzt; fie enthält einige alte Säulen, Man zeigt hier den Lleberreft einer Marmorſäule, die durch ein Wunder des heiligen Georg merkfwürdia tft. Der heilige Georg erlitt den Märtyrertod unter Diocletian in Lydda, Das eine Stunde nördlich von Ramla liegt. Dort ift auch eine ihm geweihte Kirche, Die unter Juftinian erbaut wurde. Nach der Erzählung der Anna Comnena erlitt der hei- lige Georg den Märtyrertod in Ramla. Hier ift ein fatholifches, von Philipp von Burgund gegründetes Klofter. Man vernuthet, jedoch ohne genügenden Grund, daß es die Stelle einnehme, wo einft das Haus des Nicodemus ftand. Hier zeigte man früher auch ein Kreuz, von der Arbeit Nicodemus’, welches Diefer der heiligen Jungfrau geweiht hatte. Nicodemus foll es vor jeinem Zode dem Gamaliel vermacht haben und Diefer dem Apoftel Paulus; fo fam es Durch Vermächt- niß in die Hände des Jacobus, Simeon und Zachäus. Diefes Kreuz befand ſich lange in Beirut und that Dort viele Wunder; von Dort wurde es nad) Lucca in Stas lien gebracht, wo es noch jegt in der Eathedrale auf: bewahrt wird *). Ein Thurm bei Ramla, welcher jegt

*) Bonifacius 7. Cotovicus 139. Concilior. generalium T. III. Ex serm. B. Patris nostri Athanasii.

102 Achtes Stapitel.

hinter der Stadt fteht, wird die Kirhe der AU Mär: tyrer genannt, Die Architefhir des Thurmes gehört der Zeit der Kreuzzüge an. In Ramla zeigt man aud eine unterirdiiche Ciſterne aus der Zeit der heil. He lena, fie befindet fih in einem durch feine Bauart merk: würdigen Gewölbe.

Ramla bat gegen 3000 Einwohner, unter denen ein Drittheil Chriſten: durch die Stadt führt die große Karawanenftraße zwifchen Aegypten und Damaskus und der Handel ift Daher ziemlich bedeutend, Die Hanptartifel find Seife und Baumwolle. Der Name Ramla fommt zuerft in der Reife des Mönchs Bern- bard vor, im neunten Jahrhundert; die älteren Pilger hielten Ramla und Xydda für eine und Diejelbe Studt, weil beide Städte den heiligen Georg als ihren Schugheiligen verehren*). Quaresmius bemerft**) ganz richtig, der heilige Hieronymus, Der zuerft die Zuge Arimathins an der Stelle des heutigen Ramla beftimmte, babe lange vor dem neunten Sahrhundert gelebt, das heidniſche Ramla könne daher fehr wohl auf den Ruinen von Arimathia erbaut worden fein; wir haben jedoch fehon oben bemerkt, daß Arimathia die Stelle der Stadt Ramath Lechi einnahm, welche im Buche der Richter erwähnt wird.

Ramla liegt drei Stunden von Jaffa; unfere

*) Weshalb Der Abt Daniel und Benjamin von Tudela (SE. 80) Ludda mit dem Namen des heil. Georg nennen. **) Tom. II. p. 8. Reland p. 580—581

Bon Jeruſalem nach Iaffa. 103

Agenten wollten uns durchaus dorthin begleiten und kamen uns auf Ichön gefhmüdten arabifchen Pferden nachgeritten, als wir ſchon die Stadt verlaffen hatten. Bor uns breitete fih Die grenzenlofe Ebene Suron aus, über deren berühmte Weideplätze der König Da— vid bejondere Aufſeher feßte*). Sie tit noch heute eine der fruchtbarften Gegenden Paläſtinas und prangt mit allerlei Blumen, Hyacinthen, Anemonen, Tulpen und ganzen Gebüfchen von Lotos, deſſen Frucht man Nabka nennt. Die Blumen Surons werden jchon un Hohen Liede und vom Propheten Jeſaias ge nannt**). Diefe fruchtbare, blühende Ebene macht einen höchſt angenehmen Eindruck auf das Auge. Wir ritten bei dem Dorfe Surafend vorbei, welches wahrfcheinlich die Stelle der Stadt Sariphäa ein: nimmt, einft der Sitz eines Bifhofs, die im Jahr 797 von den Surazenen zerftört wurde. Hier ftehen zu bei- den Seiten des Weges ungeheure Delbünme, die fich noch aus den Zeiten der römischen Herrfchaft bier er: hulten haben follen. Wir wiffen aus der Bibel, daß die Oelbäume von Saron eine Hauptquelle der könig— lichen Einfünfte bildeten; auch giebt es hier viele Sy— fomoren und Feigenbäume. In einem Olivenwäld— chen, durch welches wir ritten, ſah ih an den Diden Stämmen der Bäume eine Menge Eidechfen und Cha— mäleone. Die Zurbe der legteren iſt eigentlich grün—

*) 4, Chron. 27, 29. *) Hohel. 2,1. Jeſai. 35, 2.

104 Achtes Kapitel.

lih-grau und man glaubt, daß die Veränderung der- jelben durch die Reizbarkeit diejer Thiere hervorge- bracht wird, deren Haut fo zart tft, daß das Blut bin- durchſchimmert.

Etwas weiterhin ſieht man zur Rechten des Weges die Dörfer Safirije und Bethdaſchan oder Bethdahan. Eine Stunde vor Jaffa ritten wir an dem Dorfe Zafer vorbei, welches rechts vom Wege liegt. Meine Begleiter jagten mir, daß, nad) örtlichen Traditionen, bier die Heimath der Maffabäer fei. Wir jagten ſchon oben, dag man die Ruinen auf den. hoben Gipfeln des ju- däiſchen Gebirges, zwiichen Kariet el Enab und dem Bergdorfe des heil. Johannes, oder der Stadt Zuda, füglich nicht für das alte Modin halten fönne, Die Stelle hingegen, an welcher das Dorf Safer liegt, jtimmt ganz mit den Angaben der Bibel hinfichtlich der Lage Modins überein”) und Eufebius **) fagt ausdrüdiih, Modin liege nahe bei Diospolis, d. i. Lydda, und zur Zeit des Hieronymus feien noch Ueber- refte von dem Denfmale der Makkabäer vorhanden ge weien***), Modin lag nur eine Stunde von Zaffa in der Nühe des Meere und fonnte vom Meere aus ge fehen werden. Ueberdies hatten die Maffabäer viel fache Verbindung mit Saffa Fr).

*) Jazir (1. Makkab. 5, 8) gehörte zum Stamme Gad und lag jenfeit des Jortand. 4. B. Mof. 21. 32. **) In Onomastico. +), 1, Makkab. 13, 29. 7) 2. Makkab. 12.

Bon Jerufalem nach Jaffa. 105

In geringer Entfernung nördlih, rechts vom Wege, in den Simpfen zwifchen den Kiffen Nahr⸗— Audſcha und El-Haddar, findet fi) die berühmte Bapy- ruspflanze noch in großer Menge, welche jetzt im Aegypten verichwunden ift; ein neuerer NReifender ent- deefte dieſelbe hier ganz zufällig*), Unweit von hier dehnt fich der Wald von Saron aus, welcher dem Kreuz- beere das Holz zu den Mafchinen bei der Belagerung Ierufalems lieferte; es iſt derſelbe Wald, welden Taffo in feinem unfterblihen Gedicht befchreibt und welchen er den Zauberwald nennt.

*) De Salle Peregrin. P. 1840. I. 405 f.

Henntes Kapitel. Jaffa. Don Iaffa nad) Nablus.

Und es geſchah, daß er lange Zeit zu Soppe blieb, bei einem Simon, der ein Gerber war.

Apoftelgefdh. 9, 43.

Jaffa tritt anfänglich fehr befeheiden hinter den fahlen und fandigen Hügelreihen hervor, bald aber ent: faltet es fi) Schön, zwilchen reichen Gärten mit Apfel: finen= und Pomeranzenbäumen, deren Duft in weitem Untfreife die Luft würzt. Zu beiden Seiten des Weges liegen ganze Wälder Diefer herrlichen Bäume, mit Lor— beer und Myrthen gemifcht, die, von Weinranfen um: wunden, den Blick bezaubern. Marmorbeden mit In- Ichriften aus dem Koran laden beim Eintritt in Die Stadt den müden Wanderer zur Rube ein.

Saffa tft mit Mauern umgeben und bat an den Eden einige Thirme, Die Straßen find ziemlich un- regelmäßig, aber durch Handel belebt, die Brunnen reich mit Waffer gefüllt, und der Hafen, obwohl unficer,

Jaffa. Von Jaffa nach Nablus. 107

doch ſehr beſucht. Unter dem Dache unſeres ſyriſchen Conſuls, Herrn Moſtras, fand ich gaſtliche Aufnahme und lernte auch ſeine Gattin und zwei liebenswürdige Töchter kennen. Seine Gefälligkeit und Freundlichkeit ließen mich einige Tage in Jaffa verweilen, während welcher ich Anſtalten zu meiner Reiſe nach Galiläa traf. Das Haus unſeres Conſuls hat eine ſehr ſchöne Lage; die ganze Reihe der Zimmer liegt an einer be— deckten Terraſſe, von der man die Ausſicht auf den Hafen, über die ganze Bucht und weit in das Meer binaus hat. Zu Füßen liegt das katholiſche und neben diefem das griechiiche Klofter, an welches das berühmte Hospital ftößt, wo ein großer Theil der Armee Bo- naparte’8 der Peft erlag. Rechts, wo das Ufer eine Biegung macht, fieht man den aus der Mythologie be- fannten Felfen, wo Perſeus die Andromeda von dem Fiſchungeheuer befreite. Manche Gelehrte alauben, daß diefe Fabelauf irgend eine Weife mit der Gefchichte des Propheten Jonas zufanmenhänge Jaffa oder Joppe iſt vielleicht die ältefte Stadt der ganzen Welt und Pomponius Mela und Plinius zählen fie zu den Städten, die fchon vor der Sündfluth beftanden *). Nach der hebräiichen Zradition hat Noah an diejem Strande die Arche gebaut und Saphet die Stadt ge- gründet und nad) feinem Namen Japho genannt. Das Bauholz, welches der König Hiram von Tyrus zu dem ſalomoniſchen Tempel lieferte, wurde „auf Zlößen im

*) Pompon. Mela I, 2. Plin. hist. nat. 5, 13.

108 Neuntes Kapitel.

Meer gen Japho“ gebradt*). Im Buche Joſua tft bier die Grenze des Stammes Dan bezeichnet. Jaffa wurde durch Die Makkabäer, Bompejus, Eeftius, Beipu- fin, Conjtantin, die Kreuzfabrer, Saladin und in neuerer Zeit Durch Napoleon belagert und zerftört. Su den eriten Zeiten des Chriſtenthums war bier der Sitz eines Biſchofs, jo auch zur Zeit der Kreuzzüge und die Kreuzfahrer machten es zum Sitze eines Grafen. Im Neuen Tejtamente iſt Joppe berühmt durch das Wunder der Aufermedung Des Tabea und die wunderbare Bifion des Apoftels Paulus **),

Die Lage des fatholifchen Klofters, am Strande, entipricht ganz Der des Huaufes des Gerbers Simon, wo der Apoitel Petrus wohnte. Bei dem Befuche der Kirche dieſes Klofters wurde ich durch ein Alturgemälde über: raſcht, welches den begeijterten Apoſtel darftellt, und vor ihın Das Tuch, mit allerlei Thieren und Bögeln und Ge würm, das fich vom Hinmel herabfenft. In diefer mit Ungläubigen erfüllten Gegend muß der Ehrift mehr als irgendwo diefes Geficht des Apoftels im Sinne halten, durch welches Gott ihm offenbarte, daß er niemand für unrein oder jchleht halten dürfe. Wir hatten fehon oben Gelegenheit, auf die Aehnlichfeit der Sitten der alten und der jeßigen Bewohner ‘Baläftinas aufmerf- jam zu machen; die Sitte, einen Theil des Tages auf der Zerraffe zuzubringen, finden wir aud) bier in der

*) 2. Chron. 2, 16. “) Apoſtelgeſch. Kap. 10.

Jaffa. Von Jaffa nach Nablus. 109

Erzählung von dem Geſichte des Apoſtels Petrus wie— der, der „um die ſechſte Stunde auf den Söller ging, um zu beten.“

Herr Moſtras zeigte mir die Stelle, wo nach der Tradition die Auferweckung des Tabea ſtattfand; ſie liegt außerhalb der Stadt auf freiem Felde, in der Nähe eines Hügels mit ausgehöhlten Gräbern, und wahr: fcheinlich war bier in früherer Zeit ein Begräbnißplaß; da jedoch Tabea bei feiner Erwedung noch nicht be— graben war, fo iſt auch möglich, daß die Stadt da- mals eine größere Ausdehnung hatte als jeßt. Hin- ter der Stadt zeigt man die Stelle, wo Napoleon 4000 unbewaffnete Araber niedermachen Tieß. Wahr: ſcheinlich aus Haß gegen Napoleon fagt man hier, Daß die verwundeten und von der Peſt angeſteckten Zranzo- fen im Hospital zu Jaffa vergiftet wurden und zeigt bis jegt nody einen Brunnen, in den dieſe Unglücklichen verfenft worden fein follen.

Sn dem biefigen fatholiichen Klofter fand ich gaſt— liche Aufnahme. Die Mönche find Spanier vom Orden des heiligen Franzisfus. Im griechifchen Klofter hörte ich die Meffe; hier traf ich auch die Nebte der Klöfter in Ramla und Lydda. Jaffa hat nicht mehr als etwa 600 hriftliche Einwohner, neben mehr als A000 Mo: hammedanern. Der Handel mit Negypten iſt bedeu: tend und würde nod) größer fein, wenn der Hafen ficherer wäre; dieſer aber verdient eigentlich gar nicht Diefen Namen, denn die Schiffe liegen weit draußen auf der Rhede und find inner bereit, die Anker zu lichten. Eine

110 Neunt.s Kapitel.

Menge großer Steine ragen mit ihren fchwarzen Spigen aus dem Waſſer hervor, oder find durch Die Brandung fenntlich, Viele derfelben dienten wahricheinlich zu den biblifchen Zeiten und in den Zeiten der Kreuzzüge, als Jaffa unter Balduin I. neu erbaut wurde, als Zun- Damente eines Molo.

Jährlich einmal, zur Oſterzeit, bringt die Ankunft der europätfchen Pilger neues Leben nah Jaffa. Feen hafte, außerordentlich fruchtbare Gärten umgeben die Stadt, und faft nirgends babe ich To fchattige, an Laub und Aeſten reiche Bäume gefehen wie bier, und oft wan⸗ derte ich zur Stadt hinaus, um mich zwifchen den Gärten zu ergehen. Auch die Waſſerleitungen find vortrefflic. Mein Dragoman Jakub zeigte mir hier einen Garten, den Herr Moftras für ihn gekauft hatte und träumte ichon von feinen fünftigen Reichthümern.

Einen großen Theil des Tages brachten wir auf der Terruffe zu, theils im Gefpräd, theild in Gedanfen verjunfen. Ich Tabte mich an dem großartigen Anblide diefes biblifchen Meeres, deſſen Wellen fi) ununter: brochen vor mir wälzten. In Jaffa fah ich die lür- mende Keftlichfeit einer chriftlichen arabifchen Hochzeit. Man ſagte mir, daß Braut und Bräutigam oft einander gar nicht fennen und Alles durch Unterhändlerinnen ins Reine gebracht wird; felbit das Hochzeitsfeft wird bei Braut und Bräutiganı gefondert gefeiert und nad diefem gehen die beiden Prozeffionen mit Lichtern und Mufik in die Kirche, wo fie fich vereinigen. Bon der Zerraffe, welche die Ausficht auf Die Straße bot, fahen

Jaffa. Bon Jaffa nach Nablus. 111

wir Die Prozeffion der Braut; dieſe und ihre Beglei— terinnen waren von Kopf bis zu den Füßen in weiße übergeworfene Tücher gehüllt. Nach biefigem Ge- brauch befprengten wir fie von oben herab mit Roſen— wafler.

Nicht ohne Betrübniß nahm ich von der liebens- würdigen Familie des Herrn Moftras Abſchied. Später erfuhr ich, daß zwei Jahre nad) meinem Befuche ſowohl er felbit als feine Gattin und eine Tochter, fowie mein treuer Jakub ein Opfer der Peſt geworden find.

Halb fechs Uhr des Morgens brach ich wieder von Jaffa auf; Safub begleitete mih. Wir Ienkten nad) Oſten Durch die Ebene Saron, den fumarifchen Gebir— gen zu, die malerifch den Horizont begrenzten.

Manche Gergrapben haben irrthümlich eine Stadt Saron angenonmen, auf Grund der Stelle im erften Buche der Ehronif, wo gefagt wird, „die Söhne Gads lebten in Gilend, Bafan und allen Vorftädten Saron’s bis an ihr Ende“*). Allein der Ausdrud „Borjtädte beweift nicht, wie fchon Reland richtig bemerft hut, daß wirflich eine Stadt Saron eriftirte, vielmehr ift an die: jer Stelle wahricheinfih die Stadt Hefuron oder Lafa- ton zu verftehen, deren König von Joſua gefchlagen wurde **),

Eine Stunde von Jaffa famen wir über den Wadi Musrara, den Bach Gaas***, Links von diefem

*) 1. Ehron. 5, 16.

*) Joſua 12, 18. “") 2, Sam. 23, 30. 1. Ehren. 11, 32.

112 Neuntes Kapitel.

liegt auf einer Anhöhe das Torf ScheikhMonis. In der Kerne ſah ich einen Hügel und hinter dieſem eine Hügelreibe, hinter welcher wieder eine Ebene liegt. Nach zwei Etunden famen wir an dag Ufer des Flufjes Nabor, der in einem tiefen Bette fließt und viele Krüm— mungen macht. Der Nahor entfpringt am Fuße eines Berges in der Nähe des Fledens Halma Ras ul-Ain, wo fid) einige Auinen finden. Hier ift die Stadt Thimnath Sera) zu fuchen *), das Erbtheil Joſua's, wo er auf dem Berge Gaas, gerade gegenüber dem Etrande von Jaffa, begraben liegt. Rechts vom Naher liegt Das Dorf Mlebis. Zwei und eine halbe Stunde von Saffa famen wir an einer Mühle vorbei, die an dem Nahor liegt, hinter weldyer fih eine Ebene bis an das Gebirge ausdehnt. In dem Dorfe Bir-Ades theilt fih der Weg, nördlich nad Nazareth und nordöitlid nad Nablus. Unweit vom Fuße des Berges fieht man das Schloß Dichildfehul, Das mit Mauern umgebeıt tft, ohne Zweifel das alte Galgal, welches ſechs Meilen nördlich von Antiyatris lag. ine Biertelftunde von Dihildfehul nimmt das famarifche Gebirge feinen Anfang.

Das erfte Gebirgsdorf, Hable, liegt vier Stunden von Jaffa in einem Thale, mitten zwifchen Oliven hainen und von Getreidefeldern umgeben. Gegen 11 Uhr lagerten wir an einem Brunnen im Schatten einiger Feigen- und Delbäume und jegten nach einer

*) Joſua 24, 30.

Jaffa. Bon Iaffa nach Nablus. 113

balben Stunde unjeren Weg weiter fort. Wir fahen hier die Ruinen eines Gebündes, welches das Schloß Afun genannt wird. Auf einen der höchiten Berge er: blickten wir noch andere Ruinen, und eine Stunde von dem Orte, wo wir geraftet hatten, fahen wir die legten Nuinen vor dem Gebirge. Bon hier aus zieht fi), wie eine Wand, eine hohe Gebirgsfette hin, die man ſchon bei Zaffa ſieht. Hat man diefe erftiegen, jo erblidt man zur Linken den malerifch gelegenen Fleden Kariet ul-Hadfcha, ſechs Stunden von Jaffa. Bon der andern Seite fieht man eine andere Bergmand und das Dorf Dſchins⸗Safut. Die Berge werden immer höher und bald erblidt man den Flecken Funduf, weiter im Thale Manteni, geaenüber, auf einem Berge, Kariet- Dicht, linfs, im Thale, Kefr-Kaddun. Die Berglehnen und Berge find alle bebaut. Fünfviertel Stunden von Na— blus Liegt rechts im Gebirge das Dorf Sara.

Etwa eine Stunde von Nablus kommt man auf eine Anhöhe; bier fieht man in dem Felſen, unter einem Bogen von alter Bauart, eine Quelle, und auf dem böchiten Punkte angelangt, öffnet fich plößlich eine rei- zende Ausficht auf einige malerifch gelegene Dörfer ; unten zuerit Beth-Iba, etwas höher Bethellzin, wahr- fcheinlich an der Stelle, wo früher die Stadt Michme- thath *) lag, gegenüber Sichem, nod) höher, auf den Hauptgipfel, die Ruinen von Diehinnat. Hier fünnte Aruma gelegen haben, das im Buche der Richter genannt

*) Joſua 17,7. Noroff's Reife nad) Baläftina. 1. 8

11% Reuntee Aariici.

wird *): Der Name telbir, Der im Hebräiſchen Höhe be⸗ deutet, ſtimmt mir Der Sage überein. Abimelech machte ren bier aus einen Angriff auf Sichem. Eine halbe Ztunde ver Nablus blieben wir in dem arabiſchen Torte Rañdia, Das von Chriften bewohnt ift, die uns gaitfreundlih aufnabmen. Hier baben ſich die Auinen eines aroßen Gebäudes erbalten: die Steine iind ganz ebenio behauen, wie die von Kalenia, we wir das neuteitamentlihe Emmaus vermutben.

Tie Ruinen in Rafidia latten feinen Zweifel, daß bier ehedem eine Stadt lag; vielleiht Pnuel, bei Sichem, weldes Jerobeam erbaute**),. Sowohl die Erzählung der heiligen Schrift als auch des Sojephus, daß Ierobeam in Sichem eine Burg erbaute, wo er wohnte, und eine andere in Pnuel, laffen vermuthen, daß beide Städte nicht weit von einander lagen.

Eine genauere Zorihung führt zu der Dermuthung, daß bier Salem lag, Die Stadt Zichems, wohin Sacob 309 ***), nad) feiner Rüdfehr aus Mefopotamien und der Verſöhnung mit feinem Bruder Ejau. Im erften Bud Mofis wird Salem deutlich von Sichem unter: ihieden und auch der Propbet Seremias +) nennt eine ”) Buch Der Richter 9, 41.

»2) 41. Buch ver Könige 12, 23. Richt zu verwechieln mıt einer Stadt deſſelben Namens jenfeit Des Jortan, an der Stell, wo Jacob mit Tem Engel rang, 1. Mof. 32, 30, die im Buche ver Richter 8, 8 erwähnt wird.

) 1. Moj. 33, 18.

+) Ierem. 41, 5.

Jaffa. Bon Jaffı nah Nablus. 115.

Stadt Salem in der Nähe von Sichem, wo jedod im bebräifchen Texte Silo jteht; gemiß ein Schreibfehler, denn Jeremias giebt die drei Nachbarjtädte nach ihrer Lage und Entfernung von einander an, aber Eilo, wo Zofua die Sfraeliten verfammelte, mo die Stiftshütte ftand, wo das Land Durch das 2008 an die Stämme Iſraels vertheilt wurde, lag bedeutend füdlicher und Die Lage deſſelben ift im Buche der Richter ziemlich genau angegeben*). Auf demfelben Wege, zwifchen Bethel und Sihem, liegt jebt das Dorf Seilun, wo fich alte Ruinen finden, welche Die Stelle bezeichnen, wo die Stadt Silo lag**), und weiter links vom Wege liegt Khan Lubban, an der Stelle von Libona ***). Bemer: fenswerth find die Ruinen des alten Gebäudes in Ra— dia; fie gehören ficherlic) den entfernteften Jahrhun— derten an und find nach unferer Anficht Lleberrefte des alten Salem). Eine Beftätigung unferer Anficht fin- den wir auch in der famarifchen Chronik des arabifchen Schriftftellers Abulfeda, der eine Stadt Salem in der Nähe des Berges Garizim nennt, und dies entfpricht ganz der Lage von Rafidia rr).

*) Bud) der Richter 21, 19.

**) Bonifacius, p. 259.

»*) Maundrell, p. 62. Reland 872. E. Robinjon II, p. 87. 91.

+) Zergl. Hieron. ad Genes. 15. ibid. 33, 17.18. Epist. ad. Evangel. 73. ed. Vallarsii.

+) In Paulus Memorabilien U, ©. 54. 59, arabifch und deutfch von Schnurrer, bei Rojenmüller, Biblifche Geographie. Tom. II. P. II, p. 134.

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8*

vv

Zehntes Kapitel, Nablus. Sichem. Sichar.

Da kam er in eine Stadt Eamariü, die beißt Sichar, nahe bei dem Dörflein, das Jacob feinem Sohne Joſepyh gab. Es war

aber vafelbft Jacobs Brunnen. Da nun Jeſus müde war von ver Reife, fehtt er ſich alfo auf den Brunnen; und ed war um vie fechite Stunte. Evang. Sohan. 4, 3. 6.

Wenn man von dem Berge bei Rafidia herab fteigt, hat man ein malerifches und weites Thal vor fih. Sichem, das heutige Nablus, ift von Maulbeer- und Olivenwäldern umgeben. Die Verfchiedenheit des

- Klimas zwifchen dem heißen Judäa und Galiläa tft im

höchften Grade auffallend. Paläftina hat, wie wir ſchon oben bemerften, alle Abftufungen des Klimas und in Folge defien die verfchiedenurtigite Vegetation der Pflanzen und erhebt fich terraffenartig von den glühenden Wüſten Arabiens bis zu den ſchneebedeckten Gipfeln des Libanon.

Sichem ift eine der älteften Städte des gelobten Landes und gleichzeitig mit Salem, der Stadt Meldi-

Nablus. Sichem. Sichur. 117

fedefs, erbaut. Die Thaler Sichems find der Schau: plag der Hirtenfcenen, welche wir im erften Buche Mofis lefen. Als der Patriarh Abraham, der Vater mehrerer Nationen, von Hebron fortzog, ſchlug er hier jeine Zelte auf*); Sacob fam mit feinem Haufe und feinen Heerden nad) Salem vor Sichem, faufte von Hemor, dem Vater Sichems, von dem die Stadt den Namen hat, das Zeld, wo er feine Zelte aufichlug, und erbaute bier einen Altar, wo er dem Gotte Siraels opferte. Als die Söhne Jacobs, wegen der ihrer Schwefter zugefügten Schmad, an Sihem Rache ge: nonımen, entfchloß er fich, dieſe Gegend wieder zu ver: laſſen; er wechfelte feine Kleider, um ſich zu reini- gen, ftürzte die fremden Gößen, vergrub fie mit den Kleinodien feiner Hausgenofjen unter einer Kiche bei Sichem und zog über Bethel, Salem, Jeruſalem und Bethlehem nach Hebron. Die Bewohner Sichems wagten nicht, ihn zu verfolgen, jein Eigenthun, das er hier erworben, blieb unangetaftet und er ſchickte von Hebron aus einen Theil feiner Heerden bierber, um fie unter der Aufficht feiner Söhne weiden zu laffen. Hier war e8, wo Joſeph an ismaelitifche Kaufleute, die mit ihren Kameelen Specereien nad) Aegypten führten, verfauft wurde; durch die Thäler Eichems führt auch noch heute die Straße der Karawanen zwifchen Syrien und Aegypten.

Sichem ift von hohen Bergen umgeben; die beiden

*) 4. Mof. 12, 6.7.

118 Zebntes Karitd.

höchſten, Die fih vor allen übrigen auszeichnen, find der Ebal, gegen Norden, und der Gartzim, gegen Siü- den, der Berg des Fluches und der Berg des Se- gend. Als Mofes vor dem Hebergange über den Sor: dan zum legten Male das Volk fegnete, fprady er: „Siehe, ich lege euch heute vor den Segen und den Fluch. Den Segen, fo ihr gehordhet den Geboten des Herrn eures Gottes, die ih euch 'gebiete; den Fluch aber, jo ihr nicht gehorchen werdet den Geboten des Herrn eures Gottes, und abtretet von dem Wege, den ich euch gebiete, daß ihr andern Göttern nachwandelt, die ihr nicht fennet. Wenn dich der Herr dein Gott in das Land bringet, da du einfommft, dag du es ein- nehmeft; fo follft du den Segen fprechen laffen auf dem Berge Garizim, und den Fluch auf dem Berge Ebal*)“

Die Geſetze, welche Moſes den Kindern Siruel gab, waren auf fteinerne Tafeln gefchrieben, die auf einem aus Stein, ohne Eifen, errichteten Altar auf dem Berge Ebal ftanden. Der große Führer des Volks ſah voraus, daß ſechs Stämme auf dem Garizim an beten und den Segen erhalten, und ſechs Stämme auf dem Ebal, Die den Fluch empfangen würden. Die Zeviten mit der Bundeslade blieben im Thale und laſen laut den Segen und den Fluh, indem fie fid nad dem einen und dem andern Berge wendeten, und von deren Gipfeln ertönte laut: es fei! Der zweite

*) 5. Mof. 11, 26—29.

Nablus. Sichem. Sichar. 119

Führer Iſraels verſammelte hier ebenfalls ſämmtliche Stämme und ſchloß mit ihnen ein Bündniß vor dem Angeſichte Gottes *).

Der gottloſe Abimelech, der alle ſeine Brüder tödtete, zerſtörte die Stadt Sichem bis auf den Grund und fand fein Ende, wie Jotham, der allein bei der Ermordung feiner Brüder entkommen war, und der die Zufunft ahnte, den Sichemiten auf dem Berge Ga— rizim in einem &leichniffe vorausgefagt hatte; hier erhob endlich Jerobeam die Fahne des Aufruhrs gegen das geheiligte Haus Davids **). Seit jener Zeit hörte die Eiferfucht zwifchen Samaria und Serufalem nicht auf. Die Sichemiten nennt fhyon Sirach tollen Pö— bei ***), und heute noch gehören die Bewohner von Nablus zu den unruhigften Stämmen Syriens.

Dem Chriften ift Sichem hauptfächlic Durch das Geſpräch des Erlöfers mit der Samariterin am Brunnen Jacobs denkwürdig, und diefen wollen wir daher näher betrachten, ehe wir zu der Beſchreibung des heutigen Sichem übergehen. Der Brunnen Jacobs liegt etwa eine halbe Stunde Wegs füdöftlih von Nablus, wo das fruchtbare, zwifchen Bergen einge: engte Thal Sihens anfängt fih zu erweitern. Der Weg dorthin it von Delbäumen befchattet und geht, etwa eine Biertelftunde von der Stadt, ziemlich fteil

*) Saulcy bat auf dem Berge Garizim Das Fundament eines Tempeld entdeckt. Tom. II. 6. 400. 411. *) 1. B. d. Kön. 12. ») Sirach 50, 28.

120 Zehntes Kapitel.

abwärts. Am Fuße diefer Senkung, an einer Stelle, wo drei Wege ſich Icheiden, befindet fih der Brunnen Jacobs. Gegenüber, zur rechten Hand, bildet der mit Ruinen gefrönte Garizim einen Borfprung. Ueber dem Brunnen ftand noch im fiebenten Jahrhundert eine Kirche in Kreuzesform, weldye die heilige Helena erbaut hatte, Der Brunnen nahm die Mitte der Kirche ein, welche vier Eingänge hatte. Neben der Kirche ftand, wie Bonifacius berichtet, ein Frauenklofter, wo damals noch über hundert Nonnen waren *); jeßt bes zeichnen unförmige Ruinen die ehemalige Erijtenz dDiefes Gebäudes, der Brunnen hat gegenwärtig eine unregelmäßige Deffnung zwifchen den großen Steinen und ift etwa 80 Zuß tiefe Die malerifche Zuge dieſes geheiligten Quells, der, wie id) fpäter er- fuhr, noch nicht verfiegt ift, aus dem Jacob und feine Söhne und ihre Heerden tranfen und der auch den Durft des Heilands löfchte, flimmt ganz mit der Er- zählung des heiligen Evangeliften Johannes überein **). An diefem Brummen ſprach Sefus zu der Samariterin die denfwürdigen Worte: „Gott ift ein Geift, und Die ibn anbeten, müffen ihn im Geif und in der Wahrheit anbeten“ o, weld eine Tiefe des Reichthums, beides, der Weisheit und der Erfenntniß Gottes öffnen diefe Worte des Erlöfers dem Chriften!.... Der Stein, auf dem der Ertöfer

*, Bonifacius S. 260. *) Ev. Joh. 4.

Nablus. Sichem. Sichar. 121

gefeffen, wurde zur Zeit des Kaifers Juſtinian nad Conſtantinopel gebradit.

Nach dem Evangelium des heiligen Johannes war der Brunnen in der Nähe der Stadt Sichar. Faſt Alle, die über Paläftina gefchrieben haben, halten Sichar und Sichem für einen und denfelben Ort; id) glaube jedoch nicht, wie viele Gelehrte annehmen, daß im Evangelium ein Fehler im Texte ift, denn die Hand- ſchriften ſtimmen an diefer Stelle durchgängig überein. Eufebius, der Sichem von Sichar unterfcheidet, fagt, man zeige in Neapolis die Stelle, wo das alte Sichem lag. Auch Hieronymus unterfcheidet-ausdrüdlih Sichem von Sichar, welches legtere er Neapolis nennt, febt aber den Brunnen Jacobs nad Sihem *). Auf Grund des Evangeliuns Johannis fann man wohl anneh- men, Daß es wirklich eine Stadt Sichar gab, die auf einem Vorfprunge des Berges Garizim lag. Die Be- wohner Sichems, an der Stelle des heutigen Nablug, fonnten nicht wohl zu dem eine halbe Stunde entfern- ten Brunnen hinausgeben, zumal in der Stadt felbit feineswegs Mangel an Waffer ift; Sichar hingegen, auf einem Felſen erbaut, holte das Waſſer aus diefem heiligen Quell, und die Samariterin, welche der Mef- fias hier traf, war daher vermuthlich aus dem näheren Sichar, weil fie wohl ſonſt faun ihre Krüge am Bruns

*) In epitaph. Paulae. Der unbefannte Verfaſſer Des Itine- rarium Burdigalense giebt fogar die Entfernung der beiden Städte von einander an.

122 Zehntes Kapitel.

nen gelaffen hätte, um in die Stadt zu laufen. Auch der Umftand, daß die Apoftel und die Samariterin mit einigen Bewohnern der Stadt zum Brunnen hinaus: famen, läßt fchließen, daß die Stadt fehr nahe laq. Auch aus der angeführten Stelle im Buche Sirach geht hervor, Daß zwei verfchiedene Städte hier waren und wir fönnen daher wohl als das Richtige annehmen, daß Sichem im Thale, Sichar hingegen am Berge Ga: rizim lag. Auch Hieronymus nahm wahrfcheinlich eine den Brunnen näher gelegene Stadt an, und nur durd einen Irrthum find an der oben angeführten Stelle die Namen verwechlelt.

Der Brunnen tft noch jebt den Bewohnern des ‚Orients heilig, und feine Karawane zieht worüber, ohne bier zu beten. Auf dem Borfprunge des Berges Garizim ftand zur Zeit der Katfer Zeno und Juſtinian eine Kirche, von der ſich noch einige Ruinen erhal ten haben. Zur Zeit Aleranders des Großen fland hier ein Gößentempel, welden der ‘Briefter San ballat erbaut hatte. In nordöftliher Richtung von hier führt der Weg über einen Ort, den man für Su hoth *) oder die Hütten Jacobs hält, nah Pnuel**), jenfeit des Zordan, wo Jacob mit dem Engel rang, als er über den Bad) Jabbok, jegt Jabes, fam***).

) 4. Mof. 33, 17.

“) 4, Moſ. 32, 31. ") Man vergl. die Karten von Arrowjmith, Berghaus und Nobinjon. Ale neueren Reiſenden halten das Flüßchen Wadi d

Nablus. Sichem. Sichar. 123

Auf dem Rückwege nach Nablus ſah ich zur Linken des Weges alte Grabhöhlen. Hier ruht Joſeph, der in Aegypten ſtarb und der nach ſeinem Willen hier be— graben wurde, wo er die Tage feiner Jugend verlebte*). Sacob felbft liegt in Hebron begraben **).

Die Sonne ging unter und der Mond ftieg hinter den Bergen Samarias empor, als ich unter dem dich- ten Dache der Olivenbäume in Nablus einritt. Ach war nidht wenig verwundert, als ich hörte, daß ein Bürger diefer Stadt, Namens Hafan Kamal, mich bit- ten ließ, feine Gaftfreundfchaft anzunehmen und meine Sachen ſchon hatte in fein Haus bringen laffen. Ic erfuhr, daß er mit Herrn Moftras befreundet jei. Mein Wirth empfing mich freundlich im Vorhofe feines Haus ſes und war fehr erfreut, daß ich feine Einladung an— genommen hatte. Sein Diwanzimmer wurde zu mei: ner Wohnung eingerichtet; an ullen vier Seiten def- felben waren niedrige Diwans angebracht, Fußboden und Fenftergefimie waren mit Zeppichen bededt und der Duft weißer Lilien, die in fchlanfen gläfernen Va— fen aufgeftellt waren, mifchte fich mit der von Orangen: blüthen gewürzten Luft, die durch Die vergitterten Fenſter eindrang. Das matte Licht einer Laterne von geöltem Papier erleuchtete Das Zimmer. Dies war Das

Birka für ven Jabbok, auch Robinjon, welcher übrigens ganz richtig Suchoth gegenüber dem Jabbok oder Jabes fegt. Die Nebnlichkeit der Namen Jabbok und Iabes fpricht für deren Ipdentität.

*) 1. Mof. 50, 26. Joſua 24, 32.

“) 1. Moſ. 80, 13.

124 Zehntes Kapitel.

üppige Nachtlager, welches Hafan dem müden Pilger bereitete, und mit Behagen ließ ich mid) auf dem wei⸗ chen Boliter des Divan nieder. Sclaven brachten ung wohlriehenden Scherbet und Pfeifen mit Zabaf aus Latakia. Einige Freunde Haſans, in pradhtvoller Klei- dung, leijteten ung Gefellfchaft, indem fie fi) in gezie: mender Entfernung von und auf dem Divan nieder ließen. Nach dem Scherbet wurde Kaffee und verfchie- dene Süßigfeiten gebracht, von denen Hafan und feine Freunde nie anders zulangten, ald indem fie ſich gegen mich verneigten, wobei fie Die rechte Hand an das Herz und an die Stimme legten. Der Dragoman faß vor uns und überfeßte unfere Reden. Diele Bewirthung dauerte ziemlich fange, bis endlich der Wirth, der meine Srmüdung bemerfte, den Gäſten einen Winf gab, die fih fogleidh entfernten, nur er felbft blieb noch zurüd, um die Bereitung meines Lagers zu beauffichtigen. Die Diener brachten nun einige weiße Matragen, die auf dem Fußboden über einander gelegt und ſodann, nebft dem Kopffiffen, mit Betttüchern von golddurchwirften Muffelin überdedt wurden. Sobald die Nachtlampe angezündet war, verließ mich auch Hafan.

Die Lage Sihems, Das nad) Joſephus *) zwifchen den Bergen Ebal und Garizin lag, entjpricht ganz der des heutigen Nablus. Der Berg Garizim, füdlich von der Stadt, führt jebt den arabifchen Namen Scheifh: Ganem, und der Ebal, nördlich von Rablus, den Namen

*) Joseph. Antigq. 1, 7.

Nablus. Sichem. Sicher. 125

Gmad-ed-din. Der leßtere, Der Berg der Berfluchung, bat ein außerordentlich finfteres Anfchen; Wolfen thürmen fi an feinen gewaltigen Maſſen fahler Zellen, die fich von den übrigen Bergen abjondern. Der Berg Gari- zim hingegen, der Berg des Segens, bildet einen hohen Kamm und ift theilweiſe bewaldet, theilweife bebaut. Beide Berge find gegen 800 Fuß hoch.

Die Stadt liegt an den beiden Seiten eines Bachs, über den eine Pfeilerbrüde führt. Dies muß der Bad) En Thapuah fein, von dem Joſua fpriht*”). Nach der Zerftörung Samarias wurde Sichem die Hauptſtadt des Landes; unter Flavius Veſpaſianus wurde fie neu aufgebaut und erhielt den Namen Flavia Neapolis **), den die Araber in Nablus verkürzt haben. Im fechften Sahrhundert, zur Zeit der chriftlichen Herrfchaft, war bier der Siß eines Biſchofs; während der Kreuzzüge wurde die Stadt zerftört und wieder aufgebaut. Die heilige Helena und Zuftinian hatten bier ſchon Kirchen errichtet, und eine Derjelben, welche Helena erbaute, ift jeßt in eine Mofchee verwandelt und gilt als Die Haupt: mofchee der Stadt. Ich war von der Schönheit ihrer Façade überrafcht, die mich an Die Kirche des heiligen Grabes erinnerte. Die Architektur, and) der Verzie— rungen, ift ganz dieſelbe wie bei jener. Der Eingang iſt mit dreifachen hohen Sitzbögen geziert, die an bei-

) Joſua 17,7.

**) Plinius H. N. V. 13 ſagt, die Stadt habe früher Ma: mortha gebeißen; nach Joſephus wurde fie von Wolfe Mavortba ge: nannt (De bello Jud. 4, 1).

126 ZJebntes Kapitel.

den Seiten von Drei verbundenen Säulen forinthijcher Ordnung geftügt find. Die Marmorfceulpturen find von fehr geihidter Hand. Das Innere, welches bei dem Umbau zur Mofchee erneuert worden tjt, habe ich nicht geieben. Man jagt, daß Säulen von ehr verfchiedener Ordnung und aus verfchiedener Zeit will: fürlich unter einander gemengt feien. Die Einwohner verfichern, daß die Weberrefte Johannes des Täufers aus Sebaite in diefen Tempel gebracht worden feien und daß man in einer Niſche das Bild eines Baumes mit zwölf Neften ſehe, auf deren jedem mit arabifcher Schrift der Name eines Sohnes Jacobs gefchrieben jei, die an dieſer Stelle begraben fein follen*). Die Juden jedoch glauben, daß nah 1. Mof. 50 nur Jo⸗ ſeph in Sichem begraben fei**).

Nablus hat etwa neun bis zehn Tauſend Einmwoh- ner; ich glaube jedoch, daß man bei dieſer Schäßung die nächit gelegenen Dörfer mitzählt. Die Einwoh— ner find, in Uebereinftimmung mit der Fruchtbarkeit der Gegend, ziemlich wohlhabend; einige Minarets und die Kuppeln mehrerer Badehänfer überragen die flachen Dächer und Zerraffen. Die beiden Hauptftra- gen, welche die ganze Stadt parallel durchſchneiden, find ziemlich belebt. Die Straßen find mit großen Steinen gepflaftert und zu beiden Seiten mit Trottoir belegt. Der Bazar ift nicht groß, aber gut mit Waaren

*) Cotovicus ©. 340 f. **) Benjamin von Tudela S. 67,

Nablus. Sichem. Sicher. 127

verfehen. Den meiften Handel treibt die Stadt mit Damasfus und Zaffa. Die einheimifchen Waaren find baummollene Stoffe. Auf den Feldern in der Umge— gend der Stadt. wächit hauptfächlicd Weizen, außerdent Dliven, Baumwolle und Maulbeerbäume,. Die Araber von Nablus find, eben fo wie Die Bewohner des Liba— non, durch ihre Berge gefhüßt und vertheidigen tapfer ihre Rechte und ihr Eigenthum, und Die Eroberung der Dörfer Beth-Uzin und Dſchinnet fam Ibrahim ziemlich theuer zu ftehen. j

Griechen leben in Nablus nur wenige und Die Zahl der Juden famaritanifcher Secte beträgt etwa 500 Köpfe. Lebtere bewohnen ein befonderes, abgelegenes Viertel, die grüne Gaffe genannt. Sie erfennen nur die fünf Bücher Mofis als heilige Schrift an, auch das Bud) Joſua fteht bei ihnen in hoher Achtung, die übri- gen Bücher der Bibel aber verwerfen fie. Der Berg Garizim it der Edftein ihres Glaubens. Benjamin von Zudela fagt, der Opferaltar auf dem Berge Gari- zim fei von den Steinen erbaut, welche die Kinder Ifrael aus dem Jordan nahmen”). Noch heute brin- gen die Samaritaner auf diefem Berge ihre Opfer **), und ihre Blide und Gedanfen find dorthin gerichtet, wie die der jerufalemifchen Juden nad dem Morija; von dem Berge Ebal aber, dem Berge der Berfluchung,

*) Benjamin von Tudela ©. 66. 67. Diefe Anficht wider: fpricht jedoch der von Hieronymus beglaubigten Tradition.

**) Dies erflärt den arabifchen Namen des Berges Scheifh- Ganem (Schafberg).

128 Zehntes Kapitel.

defien in Wolken gehülltes Haupt jo finfter auf fie berabblickt, wenden fie fihb ab. Nah dem Befehle Mofis follte auf dem Ebal der Opferaltar mit den Ge: fegtafeln errichtet werden, nicht auf Garizim, wie auch noch der heutige arabiihe Name diefes Berges, Emad— ed⸗din, d. i. Säule der Religion, anzudeuten fcheint. Hieraus erflärt fi auch die Verwechfelung der Namen Ebal und Gurizim in dem Texte der Sumaritaner. An ihnen ift die Weiffagung Moſis in Erfüllung gegan- gen, der fie mit dem Fluche bedrohte*); fie nahmen den Herrn nicht auf**), er aber verbot feinen Jüngern ihnen zu fluchen, und noch vor feiner Himmelfahrt em> pfahl er ihnen, andy in Samaria von ihm Zeugniß ab: zulegen ***). |

Die Feindfchaft zwifchen den Samaritanern und den Juden beginnt mit Jerobeam und ift an vielen Stellen der heiligen Schrift erfichtlih, den ftärkften Ausdrud aber findet diejer Haß in den Büchern des Nehemia und Sirabh +). Die Samaritaner waren fowohl auf rührerifch, als auch zu jeder Zeit unzuverläffig; als Alerander der Große den Juden in Serufalem Privi- legien ertheilte, nannten auch fie ſich Juden, als aber das Glück die Juden verließ, nannten fie fich Fremd— linge aus Eüden. Die Gefhichte hat uns ihr Schrei: ben an Antiochus Epiphanes erhalten, welches beginnt:

*).5. Mof. 11, 28. ”*) Ev. Luc. 9, 51—56. *) Apoſtelgeſch. 1, 8. 7) Ev. Job. 8, 48. Nebem. 2, 20. Sirach 50, 27. 38.

Nablus. Eichen. Sichar. 129

„Dem Könige Antiohus Theos, von den Sidoniern, die in Sihem wohnen“ und in welchem fie um die Erlaubniß bitten, auf dem Berge dem Jupiter Helle nius einen Tempel zu erbauen! Ihre Grauſamkei— ten gegen die Juden find befannt. Der jüdifche Hohe— priefter Hyrcanus zerftörte ſpäter diefen heidnifchen - Tempel, nachdem er 200 Jahre geftanden. Den Waffen Befpafians leifteten die Samaritaner tapferen Wider: ſtand und nicht weniger tapfer wehrten fie fich gegen Juſtinian. In neuerer Zeit wurde ein Detachement der Armee Bonapartes bei Nablus beinahe gänzlich aufgerieben und Abdallah und Ibrahim erlitten hier empfindliche Verluſte. Die ſamaritaniſchen Gefeglehrer, deren Haupt immer in Sichem refidiren muß, führen ihren Stammbaum bis auf Naron hinauf, weshalb ſchon Sirach den Priefter Sunballat einen Sohn Aarons nennt. Man wirft den Samaritanern vor, daß fie die Götzen anbeteten, welche Rahel ihrem Va⸗ ter Zaban entwendet hatte und die Jacob unter der Eiche bei Sihem vergrub*), Dies gilt jedoch wohl nur von einer famaritanifchen Secte. Hinfichtlich der - Befchneidung, der Ehe und Reinigung halten fie fich ftreng an Das Gefeg Moſis und zünden am Sabbath nicht einmal Feuer an. Shre größten Fefte find das Paſſah, Pfingiten und das Luubhüttenfeft.

In Sichem foll fi) die ältefte famaritanifche Ab— fehrift der fünf Bücher Mofis befinden. Die Ausgabe

*) Epiph. adv. Haeres. Roroff's Reife nach Baläftina. IT. 9

130 Zehntes Kapitel.

des famaritanifchen Textes in der Bolyglotte, von Mori- nung, weicht jehr von dem in Sichem aufgefundenen Texte ab, Die hiefigen Schriftgelehrten geben oft Abichriften des Pentateuch$ zur allgemeinen Benugung heraus, dieſe find jedoch oft fehr verfchieden von dem alten Zexte und ſchon Hieronymus fand im famaritanifchen Pentateuche viele Abweichungen, namentlich haben die Samaritaner oft die Eigennamen verftümmelt*). Der Briefwechſel des gelehrten Scaliger mit den Samari- tanern zu Nablus ift bekannt. Nablus ſteht, eben io wie Serufalem, unter dem Paſcha von Damasfus **),

*) Benjamin von Tudela. ") J. J. 1833.

Elftes Aupitel. Don Nablus nad Sebafte oder Samaria.

Denn Herodes hatte Johannem gegrif- fen, gebunden und in das Gefängniß ge- legt, von wegen ber Herodias, feines Bruders Philippi Weib.

Ev. Matth. 14, 3.

Ich verließ Nablus um fünf Uhr Morgens und ging von da nad) Sebafte oder Samaria, der alten Hauptitadt Samariens. Der Weg dorthin führt zuerft wegtlich in einer engen Schlucht, an einem Flüßchen bin, im Schatten von Fruchtbäumen. Wir famen an das Dorf Beth-Iba, weldhes wir anf Dem Wege nad) Nablus aus der Ferne gefehen hatten. Es liegt am Abhange eines Berges; tiefer unten fieht man eine zerftörte Wafferleitung, die nad) Sichem führte, Es ift fehr wahrſcheinlich, daß fich das alte Sichem in diefer Schlucht noch weiter gegen Weſten ausdehnte. Bon hier aus, gerade eine Stunde von Nablus, fingen wir an, rechts, gerade nach Norden zu, das Gebirge zu

9*

132 Elftes Kapitel.

erfteigen. Auf der Höhe angelangt, fahen wir unten ein Thal mit reichen Getreidefeldern, auf einem Hügel das Dorf Deir Scherab und in der Ferne auf einem Berge den großen Fleden Ramin. Der Berg ift viel- leicht der Hurmon, von dem der Prophet Amos fpricht*); er iſt mit ſchönen Feigen und Maulbeerbäumen bededt und Bäche von Quelhwaifer fließen in künſtlichen Rin- nen an feinen Seiten berab. Kine fröhliche Bevölke— rung befebt Die lachende Landſchaft. Hat man Die zweite Höbe erreicht, fo erblicdt man eine andere Hügelfette und auf dem vorderiten, malerifchen und bewaldeten Berge derjelben, der von den übrigen getrennt ftebt und fib von Weiten nach Often ausdehnt, die Ruinen des alten Samaria oder Sebaſte. Ein vollitindiger Bald von weißen Säulen, die über Die Bäume hervorragen, nimmt den ganzen Borfprung des weftlichen Theiles des Berges ein. Diejer ungewöhnliche Anblid überraiht das Auge, weldes eine jo große Anzahl von Säulen zuerit kaum zu faffen vermag. An dem entgegeng« ießten Ende des Berges fteben die wunderichönen Rui- nen eines gothiſchen Thurmes; die gelbe Zurbe der Steine zeichnet jib pradtwoll au dem blauen Himmel und Dem Grün der umitebenden Bäume ab. Tas ganze Thal und der Zuß des Berges find mit Gebüſchen von Granaten=, Oliven- und Zeigenbäumen bedeckt. Ehe man noch an den Fuß des Berges gelangt, auf dem das alte Sumaria lag, fommt man an das Fundament

*) Amos &, 3.

Bon Nablus nad Sebaite oder Samaria. 133

des alten Stadtthores. Wir erreichten Samaria nad) einem Ritte von etwas mehr als anderthalb Stunden von Nablus,

Samaria wurde von dem Könige Amri von Sfrael gegründet und erhielt feinen Namen von dem Berge, auf dem es erbaut ift und welchen Amri dem Befißer Semer für zweit Gentner Silber abfaufte*). Amri’s Nachfolger Ahab, deffen Gemahlin die ſchreckliche Sefebel war und der alle Könige Iſraels an Graufamfeit über- traf, erbaute dem Baal einen Tempel, zu dem 550 Prie- fter gehörten, und der von Zehu wieder zerftört wurde **). Außer diefen Baalsprieftern aber hatte Samaria nod) Hö- henprieiter, fo genannt, weil ihre Gößen auf Höhen und unter Bäumen ftanden. Weder die jtrengen Strafreden des Bropheten&liag, nochdie Wunder des Herrn befehrten den unglüdlichen König und feine Gemahlin, und das Gericht Gottes fam über fie; Athalia rottete das ganze Geflecht der Könige Sfraels aus, bis auf Joas, den legten. des gottlofen Stammes Amri's, der beinahe 200 Jahre lang den Thron behauptet hatte. Salmanaffar zerftörte Samaria, das beitändig mit Jeruſalem ge- wetteifert hatte; es wurde fpäter wieder aufgebaut, aber durch Hyrcanus wieder zerftört. Hierauf baute Gabinius die Stadt wieder auf, nach deffen Namen fie eine Zeitlang genannt wurde, bis fie endlich Auguftus dem König Herodes fehenkte, der fie von Grund aus neu

*) 41. Buch d. Könige 16, 24. ) 2. Buch d. Könige 10, 28.

134 Elites Kapitel.

baute und reich ſchmückte und, aus Dankbarfeit gegen den Kaiſer, Sebafte nannte.

Tie gothifchen Ruinen, welche man bier findet, find Die Meberrefte einer prachtvollen Kirche aus den Zeiten der heiligen Helena. Der Zhurm, deffen Grund auf einem Felſen ruht, ift ein Bolygon; fünf Seiten deſſel⸗ ben fteben noch bis an den obern Karnieß und Die drei Fenſter, Die fic erhalten haben, find mit korinthifchen Säulen und Spigbögen verziert. Ein Altar gegen Dften fteht noch. Die Wände Des Gebäudes, obwohl halb zerftört, dienen noch zu einer Mofchee, Deren Ein- gang an der weſtlichen Seite ift, und vor welcher einige Hütten ftehen. Mein Dragoman, der die Sitten und Gebräuche Des Landes genan kannte, beredete mit einem Geſchenk von einigen Pinftern einen armen Imam, mich hineinzulaffen, Der Fußboden in dem Gebäude ift jept höher als der Eingang, man bat daher einen vieredigen mit Steinen belegten Einfchnitt angebracht. Wenn man eintritt, kann man zwifchen den halbzerftör- ten Mauern, über Denen man den freien Himmel fiebt, die Größe Des Names zwifchen dem Altar und dem Eingange ermeſſen. Die Kirche iſt 23 Klafter Tang und 16 Klafter breit, Man ficht noch die Ueberreſte der Wand, welche zwifchen dem Altar und dem Schiffe der Kirche ftand, und an vielen Stellen bat fich nod der Zußboden von Marmor erhalten. Rechts von dem Schiffe der Kirche ift eine Anpelle, Deren Wände mit Marmor belegt find, auch ſieht man noch einige Kreuze, Die aber von den Mohammedanern verftüns

Bon Rablus nad Zebatte oder Zamaria. 135

melt worden find. Links, über dem Eingange zu einem unterirdiichen Gemölbe, welches Das wahre Heilig- thum des Tempels enthält, it eine Kapelle mit einer Kuppel. Hier wurde der begraben, Der geſandt ward berzugehen vor dem Herrn, daß er feinen Weg bereite.

Wir fliegen zwanzig Stufen binab und traten in eine dunkle Gruft, die auf dieielbe Weile geſchloſſen wurde, wie die Königsgräber bei Jeruſalem, nämlich mit einer fteinernen Thür, aus einen Stück, die in itei- nernen Angeln ging, jegt aber auf dem Boden lieat. An derfelben find in vieredigen Zeldern, oben und un: ten, Kreuze ausgehauen. Tas bobe Altertbum Der Thüre läßt fih nicht bezweifeln, wenn auch die Kreuze wabhrfcheinlich erit fpätere Zuthat find; die Höble aber wurde gewiß ſchon in den eriten Jahrhunderten von den Ehriften erwerben und ift Durch große Begeben— heiten geheiligt. Tieies unterirdiihe Gewölbe it fünfzehn Schritt fang und zehn Schritt breit. Ge: genüber dem Eingange fieht man in der Wand Drei Grabniſchen nebeneinander ; fie find zugemauert und in jeder nur ein rundes Loc) gelaifen. Nach der hieſigen Tradition liegen bier Obadja, Eliſa und Johannes der Zäufer begraben. Tas Grab Johannis tit in Der Mitte. Der Mönch Phokas, der im zwölften Jahrhundert [ebte, fügt, daß hier Die Eltern Johannes Des Täufers, Zacha⸗ rias und Elifabeth, ruben. Bon der Dritten Niiche ſagt er Nichts. Derſelbe fchreibt auch, Daß zu feiner Zeit das Grabmal Eliſa's in der ebern Kirche war, wo auch die Afche des Johannes ſtand, deſſen Rumpf Julianus

136 Eiftes Reit.

Apoitata verbrennen ließ*). Links neben diefen beili- gen Grabitätten iſt nod eine offene Nifche, in welcher Johannes Toll enthauptet worden fein.

Obadja war befanntlich der Hofmeifter des gott: (ofen Königs Ahab, der hundert Propbeten in zwei Höhlen veritedte, um fie vor der blutdürftigen Jeſabel zu ſchützen ?*8). Die Wunder des Elija waren eben fo groß wie die feines Lehrers Elins. Der Leichnam eines Erſchlagenen lebte wieder auf, fobald er deffen Glieder berührte. Se größer die Gottlofigfeit war, deſto mehr Propheten erftanden im Lande zur Rettung der Gott- ofen. Auch Micha weiffagte in Samaria. Der heilige Hieronymus, der Die heiligen Orte in Paläftina am beiten fannte, läßt feinen Zweifel Daran, daß Johannes in Samarta begraben fei und daffelbe fagen aud) Eufe- bius, Theodoret, Julianus Apoftata und Andere ***). Nach Joſephus +) wurde Johannes in Machärus, jen- jeit des Jordan, enthauptetz das fehließt jedoch nicht aus, Daß er bis zu feinem Ende in Samaria im Ge: fängniffe blieb, was auch die älteften und glaubwürdig- ften hriftlichen Schriftfteller beitätigen. In chriftlichen Zeiten war Sebufte der Sig eines Bifchofs.

*) Jo. Phocas in Leonis Allatii Symmixta & 12, p. 16; cf. ibidem Eugessippus, p. 3. *9) 1. Bud) d. Könige 18, ***) Euseb. Hist. Eccles. II, 7. Bergl. Acta Sanctor. 11. Jun., p. 784. Julian. Apost. in Misopog. 7) Antiq. 18, 7.

Bon Rablas nd Echade eder Samaria. 137

Aus dem Tempel Jobannes des Täufers lenkten wir unſere Schritte nach Dem weſtlichen Theile Des Berges Semers, den Ruinen Sebaite's, zu: ich ſage Sebaſte's, weil Die Ruinen aus Den Zeiten Des Herodes find. Wir gingen am jüdlihen Rande des Berges hin. Eine Menge von Säulen ftanden vor unsund nur mit Mühe fonnten wir auf dem ichmalen, mit Diſteln überwucher⸗ ten Pfade vordringen. Die Säulen jteben zuerit nur in einer Reibe an der einen Seite Des Weges, bierauf aber in zwei Reiben, und es jcheint, als ob ibrer immer mebr würden; alle aber find ohne Kapitüle, die unten swifchen den Diſteln liegen. Viele jind umgeſtürzt, aber mehr als hundert jteben noch feit auf ihren Zun- Damenten und bieten in dieſer Wildniß einen über: rafhenden Anblid. Dieſe Colonnade iſt 8 Klafter breit und 428 Klafter lang*) und gebt bis an das äußerfte Ende des weitlichen Theiles des Berges, wo fie mit zwei vieredigen Thürmen endigt, die ein Thor bilden, deſſen Ueberreite noch ziemlich gut erbalten find; fie jind aus ſehr großen Quaderſteinen erbaut. Bon diejem Ende des Berges eröffnet ſich eine ſchöne Aus— ſicht auf ein weites, mit üppigen Wieſen bededtes Thal. Bon der einen Seite fiebt man die Ketten der Gebirge, die mit dem Karmel zuſammenhängen, von der andern Seite reichen die Blicke fait bis an die Küfte von Eäfa- rea und Jaffa. Hier lagen die Eöniglichen Gärten, hier, nahe einer Quelle, zeigt man nod) jeßt die Stelle, wo

*) Robinſon III, S. 148.

138 Elftes Kapitel.

der Wugen des gottlofen Ahab ſtehen blieb, als er in der Schlacht gegen die Syrer gefullen war. WBahr- Icheinlich bildeten diefe Säulenreihen den Porticus eines Zempels, den Herodes zu Ehren des Katjers Auguitus erbaut hatte, und welcher die Haupthöhe und die Mitte der Stadt einnahm*). An der Nordfeite des Berges war ohne Zweifel eine Zortfegung dieſes Säulenganges, denn auch Dort fand ich, auf meinem Rüdwege, an ver Ichiedenen Stellen Ueberreſte von Säulen und viele, die noch ftanden. Damit ftimmt aud die Ausfage des jüdischen Gefchichtsfchreibers überein, welcher erzählt, der Tempel des Auguftus fei mit einem anderthalb Stadien (131 Klafter) langen Säulengange umgeben gewefen. Zu Phokas' Zeit ftand hier ein griechifches Klofter; er erzählt, Daß man neben dem Altar eine Grube oder ein Loch zeige, in welchem Herodias das Haupt Johannes des Zäufers begraben habe; in den Gärten finde man noch viele Kapitäle von Säulen und Gefimfe, und an Dem Fuße des Berges, gegen Norden, einige regelmä: Bige Säulenreihen, die ein vierediges Gebäude bilden. Die Pracht des alten Samaria erfehen wir aus der Bibel, Ahab baute hier einen Tempel von Elfenbein **); präc- tigeraber, al8 es vorher gewefen war, baute e8 Herodes wieder auf, deſſen Leidenfchaft für prachtvolle Bauten befannt ift, von welcher aud) der Tempel zu Serufalem Zeugniß ablegte.

*) Josephus de bello Judaico 1, 21. Antig. 13, 11. “) 4. Bud) der Könige 22, 39.

Von Nablus nach Sebafte oder Samaria. 139 ..

Sofephus giebt den Umfang Sebafte’8 auf zwanzig Stadien (31/4 Kilometer) an, was dem Umfange des Berges Semers an deffen Zuße entſpricht. Hinfichtlich jeiner Zage konnte Samaria fi gewiß mit den erften Städten Syriens meffen.

Als ich das BVBorftehende fehon niedergefchrieben hatte, las ich die Weiffagungen über diefe Stadt; es ift ergreifend, wie Alles, was die Propheten geweiſſagt hatten, an ihr erfüllet it *).

Nach der Auferftehung des Herrn lebte hier der Apoftel Philippus und taufte den größten Theil der Bewohner, unter ihnen auch Simon den Zauberer, der lange Zeit durch feine Zaubereien die Leute anzog. Nah Philippus famen auch die Apoftel Johannes und Betrus hierher **),

Ein armes Dörfchen nimmt die Stelle ein, wo einft das prächtige Samaria ftand und einige arabifche Fa— milien leben bier in Verborgenheit von dem Ertrage ihrer Gärten.

*) Hoſea 8, 5— 8; 10,8. Mida, 1,6. Amos 6,1. **) Apoftelgefch. 8.

Zwölftes Anpitel. Don Samaria nad) Nazareth.

Und es begab fi, ta er reifete gen Je⸗ rujalem, 309 er mitten durch Samaria und Galilia. Und als er auf einen Markt kam, begegneten ihm zehn aus jüßige Dlänner, die ftanden von ferne.

Ev. Luc. 17, 11. 12.

Da ſprach Jeſus zu ihnen: Fürchtet euch nicht: gehet hin, und verfündiget es meinen Brüdern, daß fie geben in &ali- läa, Dafelbft werten fie mich fehen.

Ev. Matth. 28, 10.

Nach furzer Raft machten wir uns wieder auf den Weg. Selbit auf dem Samaria gegenüberliegenden Berge ſah ich Ueberrefte von Säulen und andere Trümmer. Unweit von hier fieht man rechts das Dorf Nakura. Alle Abhänge der Berge find mit Getreide befäet. Links, in einer Schlucht, Tiegt am Abhange des Berges das Dorf Beit-Imrin, wahrfcheinlich das

Bon Samaria nad) Nazaretb. 141

alte Beth Haram*), von dem Epiphanius**) fpricht, wo nad) deffen Meinung der Prophet Obadja geboren wurde, Die Berge find hier von der Natur male: rifch hingeworfen., Zwei Pleine Stunden Weges von Cebafte, wenn man die wilden Thäler hinter fich hat, fiebt man links auf einem Berge das Dorf Hepha, das Geba des Eufebius***). Ringsherum find Olivenwäl— der, binter denen fich eine große Ebene ausdehnt, und auf einem einzelnen Hügel erblidt man Die Ueberreſte der Zeitung Sanur (Kala Sanır), die mit Thürmen und Mauern umgeben war. Bei dem legten Aufjtande der Galiläer belagerte Abdallah Paſcha mit Emir Beichir, dem Oberbaupte der Druſen, dieje Zeitung drei Monate lang ohne Erfolg, obgleich der Hügel, auf dem fie fteht, von anderen Höhen derjelben Berg- fette überragt wird. Die Beſatzung, welche aus Be- wohnern der umliegenden Törfer beitand, fapitulirte endlich, und erhielt die Erlaubniß, fid) underwärts an- zufiedeln. Die fruchtbare Gegend war in Folge des Krieges damals ganz verödet. Sanur iſt von farıze- nifcher Bauart, Auf dem Berge, auf dem die Zeitung liegt, findet man viele ausgehöhlte Gräber und unweit davon einen alten Brunnen. Hier fann mar En-Gan- nim, im Stamme Iſaſchar 7), ſuchen. Wir ritten länger

*) Richt zu verwechſeln mit einer Stadt deſſelben Ramend im Stamme Gar. *) De vit. proph. ®**) In onomast. ad voc. Hivena. +) Ieiua 21, 22.

142 Zwoͤlftes Kapitel.

als eine Stunde in dem Thale bin, ehe der Weg wieder bergan führte, wo ich von der Höhe plöglich zur Rechten die üppigen Berge Galtläa’s erblickte, die in der Ferne wie gewaltige blaue Maſſen erfchienen, und fich zur Linken allmälig dem Meere zu ſenkten. Bor ung, in einen lieblihen Thale, lag mitten zwifchen. Dliven- hainen das DorfKabatia, einft durch feine räuberifchen Bewohner gefährlid. Ein abfehüffiger Weg führte dort hinunter. Da wir der Ruhe bedurften, zogen wir es vor, uns im Schatten der Zeigen- und Granatbäume zu lagern, welche leßtere in fchönfter Blüthe ftanden. Hier rafteten wir eine Stunde, Kabatia ift, wie es Scheint, eine neuere Anfiedelung.

Es war halb zwölf Uhr Mittags, als wir Kabatia wieder verließen. Bon der Höhe fahen wir wieder die galilätfchen Gebirge, deren nächfte Reihe gelb erfchien, und bald erreichten wir eine enge Schlucht, wo ich zur Linken auf einer Anhöhe die Ruinen eines Thurmes und am Fuße derjelben einen Brunnen bemerkte. Der Dertlichkeit nach zu urtheilen, fann man mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß hier Bethulien lag, wo Zu: dith lebte. Holofernes, der Feldherr des Königs Ne bufadnezar, hatte Sidon, Tyrus und Akka verwüftet*) und zog mit feinem Heere durch die Ebene Sefreel nad Dothan, gegenüber der Bergfchlucht, die nach Judäa führt, wo er zwifchen Gaiba und Skythopolis fein Zager aufihlug. Die Lage von Sfythopolis, des heutigen Byfan, ift befannt. Gaiba lag an der Stelle

*) Judith 2 und 3. |

Bon Samaria nach Nazareth. 143

des faft gleichnamigen Dorfes Dſchebeta, füdlih von Nazareth *). Gaiba nennen Eufebius und Hierony- mus, ohne jedoch deffen Alter anzugeben. Dothan fann man mit ziemlicher Sicherheit an der Stelle des heutigen Dichennin fuchen. Bethulten war der Schlüffel zu dem Paſſe zwifchen Galilän und Judäa. Ganz Iſrael gerieth in Furcht und Schreden, alle Einwohner Jeruſalems demüthigten fich im Tempel, ftreuten Afche auf ihr Haupt und riefen zum Angefichte des Herrn, und der Herr erhörte ihr Flehen und ſah auf ihre Trauer herab. Und der Priefter Jojakim fehrieb Allen, fo gegen Esdrelom wohnten, das ift, gegen das große Feld bei Dothaim, und zu Allen, da die Feinde möchten durchkommen, daß fie Die Klippen im Gebirge gegen Ierufalem follten verwahren**, Alle Bemühungen des Holofernes gingen dahin, fich in den Befiß diefes Gebirgspaffes zu ſetzen ***) ; feine VBordertruppen ftan- den gerade gegenüber Dothan, in der Ebene Esdrelomf). Der Brunnen, welcher fih noch jeßt am Fuße des Berges findet, auf dem man die Ruinen fieht, tft viel- leicht derfelbe, wo Judith bei Nacht aus dem Lager des

*) Vergl. die Karten von Berghaus und Robinfon; vielleicht auch an der Stelle von Gilboa (Jelbon) auf der Straße von Byſan nach Dichennin.

“) Judith A; 3, 9. noiovos zov ueyakov ıns lovdaias ; diefe Stelle, welche fo vielen Gelehrten fchwierig erfchien, erklärt fich durch Die Lage des Paſſes zwifchen zadigen Felſen.

") Judith 7, 1.

+) Judith 7, 7.8.

144 3woͤlftes Kapitel.

Holofernes Waſſer holte). Als wir aus dem Eng- pafle bei Bethulien wieder herausfamen, fahen wir den ziemlich großen Flecken Dſchennin, den ich für Dothan oder Dothaim halte, das im Buche Judith und im erften Buch Mofis erwähnt wird*%), Bei Dothaim wurde Sofeph von feinen Brüdern in den Brunnen ge worfen; Die Lage ſtimmt ganz zu jener Erzählung, denn bier it der Weg nad Sihem. Das Thal Esdrelen und das Thal von Sanur gaben den Heerden Jacob's reiche Weiden. Einer von den Brunnen, die ich auf den Wege von Sanur ber nannte, ift vielleicht der, in welchen Sofeph geworfen wurde. Wir erreichten dieſen Ort nad) einer Stunde Weges von Kabatia. Nicht ohne Befriedigung ſah ih in Raumer's Werke (Ausg. von 1850, fech8 Jahre nach der zweiten Ausgabe mei: nes Buches), daß meine Vermuthung hinfichtlich der Lage Bethuliens und Dothans durch feine Forfchungen beftätigt wird. Bei Dſchennin ftehen einige prachtvolle Palmen und große Büfche von Cactus wachfen überall in üppiger Fülle. Dſchennin hat gegen 2000 Einwoh- ner; der Bazar tft fehr belebt. Es hat eine Mojchee, zwei Khane, einige Kaffeehäufer und Ruinen eines gothifchen Gebäudes, Hier ift die Grenze zwifchen Samaria und Galiläa. Dſchennin, als VBorpoften des Engpaffes, hat eine fleine Garnifon. . Viele glauben, dag Dſchennin der Grenzort fei, wo der Streit zwifchen

*) Judith 12, 7. *) 1, Moſ. 37, 12 24

Bon Samaria nach Nazareth. 145

den Samaritanern und Galiliern ausbrach, von dem Joſephus berichtet *). Man glaubt au, daß es der Ort fei, wo der Heiland die zehn Ausfüßigen heilte, von denen der eine, welcher Gott für feine Heilung dankte, ein Samariter war. Im Evangelium St. Lucas **) ift ausdrüdlic gefagt, daß Jeſus damals durch Samaria und Galiläa reifte.

Hier beginnt das weite Thal oder die Ebene Esdrelon***, oder Sefreel}). Die famarifchen Ges birge gegen Weiten füllen fteil nad) dem Meere zu ab, vorn aus der Kette derfelben tritt der finftere Berg Saul's hervor, deifen Gipfel ſchwarze Ruinen be: decken. Rechts find die Höhen Jeſreel oder Esdre— on, auf denen Die Refidenz des gottlofen Ahab ftand, und von denen das ganze Thal den Namen hat. Wie viele blutige Erinnerungen fnüpfen ſich an die Ebene Esdrelon. Hier wurde die Schlacht zwifchen Gideon und den Amalekitern und Midianitern gefchlagen, hier fimpfte Saul mit den Philiftern, Ahab mit dem ſyri— ihen Könige Ben Haddad, Joſias mit Necho von Aegypten, Holofernes mit den Sfraeliten, und auch ſpä— ter wurde Diefe Ebene öfters als Schlachtfeld gewählt. Manche Ausleger meinen, wahrfcheinlih auf Grund der Worte des Propheten Hojeatt), daß bier der Ort

*) Josephus de bello Iud. 3, 4. *) Ev. Luc. 17,11. *“) Judith 1,8. +) Buch der Richter 6, 33. 1. Samuel 29, 1. +r) Hofea 1, 11. Noroff's Reife nach Paläſtina. II. 10

146 Zwölftes Kapitel.

fei, wo am jüngften Tage Die Verfammlung aller Könige der Erde jtattfinden ſoll, an der Stelle, welche Harmagedon genannt it”); denn einen Theil des Thales Sefreel neunt man auch Magedon oder dus große Thal**. Hier ftand auch die Stadt Megid- do ***) am Fuße der Bergfette, die fih nad) dem Kur: mel hinziebt. An der Stelle diefer Stadt lag wahr- icheinlich die Stadt Legio, deren Stelle jeßt das Dorf Ledjchun einnimmt. Das Thal von Megiddo oder Zegio lag zwiichen Cäſarea und dem Thale Esdrelon. Die Ausleger glauben, daß die Strafe, welche die Suden Durch den Tod des fronmen Königs Joſias er: eilte, ihre fünftige Strafe für Die Verfolgung der Ehri- ften andeuten foll, Dies ift auch in der Apocalypfe angedeutet.

Eine Stunde Weges von Dichennin fieht man Links auf einem Hügel das alte Helam. Wir ritten zu dem einzeln ftehenden Berge Saul's, an deſſen füdlicher Seite fich eine Kluft befindet, Die wie der Krater eines feuerfpeienden Berges erfcheint. Hier liegt dus Dorf Saed-Eddin +), mit welhem Namen die Araber ſowohl den Berg als das Dorf benennen, welches an der Stelle jteht, wo die Hexe von Endor wohnte und wo Saul der

*) Offenbar. Johannis 16, 16. Tremelius in not. ad Apocalyps. cp. 16, 16. Joh. Marck. id, **) Miya nediov. ***) Conf. Parchi I, c. p. 433. +) Glüd der Religion.

Bon Zamariı nad) Nazareth. 147

Geiſt Samuel's erſchien“). Bon bier fieht man auch das Gebirge Gilboa, wo fid) Saul nad) der unglüd: lihen Schlacht mit den Philiften in fein Schwert ftürzte**), Der Berg Saul’s hat ein unbefchreiblic düfteres Anfehen. Seitwärts deffelben führt öſtlich die Straße nad) Tiberias; in der Nähe liegt Das Dorf Deir- Egin. Einige Schritte vor demfelben erblidt man am Wege ein Grabmal aus bibliicher Zeit, ohne Dad) und mit bunten Zaden; nicht weit von dieſem bemerkte ich aud noch ein anderes ähnliches. Bon hier beginnt man in ein tiefes Thal hinabzufteigen, wo man am Zuße des Berges Saul's zu einem alten Brunnen kommt, der zu dem alten Endor gehörte, deſſen Name Quelle Dor bedeutet***), welden Namen das nahe gelegene Dorf noch heute führt. Der König von Endor wird unter den von Jofua befiegten Königen genanntr). Nechts erheben ſich die hinterjordanijchen Gebirge wie eine blaue Wand; gerade vor ſich jicht man einen Berg, deffen Gipfel bebaut iſt. Hier lag vielleicht die Stadt Sion, welche im Buche Zofua tr) genannt wird. An Zuße dieſes Berges liegt das Dorf Nain, wo der Heir land den einzigen Sohn einer Wittwe vom Tode er- wedtert})., Aus der Befchreibung des Johannes

*) 4. Samuel 28. **) jbid. 31, A. 6) ipid. 28, 7. +) Joſua 12, 23. +r) Joſua 19, 19. Pſalm 132. 134. +) Ev. Luc. 7,11 13. 10*

148 Zwoͤlftes Kapitel.

Phofas erfehen wir, Daß zwifchen dem Zabor, Nain und Endor der Kifhon floß ). Joſephus erzählt, daß Nain bei dem Ueberfall der Römer befeftigt wurde.

Wir ritten nicht bis ganz an den galilätfchen Sion, fondern fhlugen einen kürzeren Weg durch das trodene Bett des Kifchon ein, einem Hügel in der Richtung nah Nazareth zu, auf weldhem das Dörfchen Fuleh fiegt, wo Bonaparte in der Schlacht gegen die Zürfen, im Sahre 1799, fein Centrum aufgeftellt hatte. Die Schanze der Franzoſen ift noch erhalten und dient den wenigen arabifchen Hütten als Schußwehr.

Tlöglich ftand bier vor meinen bezauberten Blicken der Berg Tabor, wie von den nazarenifchen Gebirgen abgetrennt; wie hell, wie frifh, wie heiter erfchien er gegen den finfteren Saulsberg. Freudig fchlug ihm mein Herz entgegen und meine Augen labten fih am An- blicke des heiligen Berges, der ung viel näher erfchien als er wirklich war.

*) Phocas deser. Palaest. apud Reland, p. 904.

Dreizehntes Kapitel. Nazareth.

Und im fehften Monat ward der Engel Gabriel gefandt von Gott in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth , zu einer Jung» frau, die vertrauet war einem Manne, mit Namen Sofeph, vom Haufe Davids; und die Jungfrau hieß Maria.

Ev. Luc. 1, 26. 97.

Wir hatten nun ſchon beinahe den Fuß des wilden Gebirges erreicht, wo Nazareth fich fo befcheiden den Blicken der Welt verbirgt, Nazareth, das einft in feis nen Mauern das heiligfte Geheimniß barg. Als ich auf dem fleinigen Pfade den fteilen Berg hinanritt, dachte ich begeiftert, wie oft mag auf diefem Wege Das reinfte aller irdifchen Wefen, die Königin der Himmel, gewandelt fein... .

Durch den weiten Umweg um den Berg, auf einem Wege, wo unfere Pferde kaum vorwärts fonnten, waren wir ganz erfchöpft; denn flatt uns den geraden und leichteften Weg zu führen, am Zabor vorbei, hatte

150 Dreizehntes Kapitel.

unfer Führer den Weg über das Dorf Jafa eingeſchla— gen, weldhes an der Stelle der Stadt Japhia fteht, die im Buche Joſua als Grenzftadt des Stummes Se- bulon genannt wird *). Nach der paläftinifchen Zradi- tion liegt hier der heilige Apoftel Jacobus begraben **); die Ueberrefte einer Kirche, Die ihm geweiht war, find nod) vorhanden.

Mir ritten bei einer Eifterne und einigen Oliven: bäumen vorbei und erblidten Nazareth von der erften Höhe. Wie freudig, wie heiß fehlug mein Herz bei dem Anblick diefes armen Fledens, wo das unaus— ſprechliche Myſterium der Empfängniß des Wortes ge ſchah!

Nazareth) Liegt zwifchen zwei Reihen freidiger Berge, deren Gipfel von allen Seiten den Horizont beengen, und lehnt fih an den untern Abhang des weftlichen Berges, der fih body und fteil über den Häufern er- bebt. Das lateinifche Klofter, welches an der Stell der Verfündigung fteht, Tiegt nahe am Eingange des Städthens. Es iſt der einzige Zufluchtsort der Ehri- ften und von hohen Mauern umgeben ; das Städtchen felbft ift ganz ohne Mauern und nur der Name Ma— ria's [hüßt es mitten unter den wilden Heiden. Die Kloftergebäude find feft und gut gebaut, zeichnen ſich jedoch nicht durch einen befonderen Bauftil aus; fie

*) Joſua 19, 12. S. auch Josephus, Vita. $. 37, 48. De bello Jud. II, 20, 6. III, 7, 31. ) Marin. Sanut. in gesta Francor. 253.

Nazareth. 151

bilden ein gleichfeitiges Viered von zwei Stodwerfen um einen großen, mit Steinplatten gepflafterten Hof. Ich eilte zu dem Heiligthume. Die Kirche in Nazareth ift schön, ſelbſt prächtig zu nennen; fie athmet Freude und ihre Atmofpbäre ift duftig. Wände und Fußboden find mit Marmor bekleidet. Zu dem Hauptaltar, von den Katholiken das Chor genannt, fteigt man auf 17 Stufen hinauf. Ein großes Altarbild, welches die Verkündigung vorftellt, beherrſcht die ganze Kirche. Unter diefer Pracht, einer Frucht der Aufopferung der Chriften, verbirgt fich Die bejcheidene Wohnung der Mutter Gottes. Gleich vielen armen Hütten des heu— tigen Nazareth, lehnte fich dad Häuschen der heiligen Jungfrau an den Felfen, in den eine Höhle gehauen war, die drei Abtheilungen hatte. In diefe führen von der linken Seite des Altars einige breite Stufen von weißem Marmor hinab. in unbetchreibliches Gefühl ergriff meine Seele, als ich in diefes Heilig- thum binunterjtieg; ich wünſchte inbrünftig mein gan— zes Wefen zu reinigen, um wirdig den Boden zu be— treten, wo Maria die Berfündigung erhielt. Unter dem Gewölbe diefes Heiligthbums ift ein katholiſcher Altar, wo täglich das Gedächtnig unferer Erlöfung ge- feiert wird. Unter der Marmorplatte des Altars bren- nen, wie in der heiligen Grotte zu Bethlehem, Eoftbare Lampen, die den Fußboden erleuchten. Auf dem Als tare stehen mehrere kryſtallene Bafen mit weißen Lilien, als Symbol der himmlischen Reinheit, als welches der

132 Dreischntes Kapitel.

Erlöfer felbft fie darftellte*). Auch der Zußboden it mit Lilien bejtreut, Die täglich Durch frifche erſetzt wers den. Die verwelkten werden von den Pilgern aufge: boben und nad) allen Enden der Belt getragen. Im der Umgegend von Nazareth wachſen fehr viele weiße Lilien. Hier ift ebenfalls ein Bild der VBerfündigung, welches dem auf dem Huuptaltar nicht nachftebt. Beim Eingange in die heilige Grotte ftcht zur Rechten ein Altar zum Gedächtnig der heiligen Anna, der Mutter Marias; etwas weiter links ftehen zwei Marmorfäulen, welche die heil. Helena errichten Tieß, eine an der Stelle, mo der Engel Gabriel ftand, die andere an der Stelle, wo Maria betete. Dieſe zweite Säule ift in der Mitte durchgeſägt und das mittlere Stud ift nicht mehr vor banden. Die Mohammedaner meinten bier einen vers borgenen Schag zu finden; man fagt, daß fie dafür zur Strafe mit Blindheit gefchlagen wurden. Merk würdig ift es, daß, ungeachtet Das mittlere Stüd der Säule fehlt, der obere Theil doch noch feft am Gewölbe bängt. Seitdem haben viele Mohammedaner ange fingen, dieſem heiligen Plage Ehrerbietung zu erwei: fen, und viele find geheilt worden. Ich hatte oben Gelegenheit zu jagen, Daß Die Moslemen die heilige Sungfrau fehr hoch achten. Wendet man fich nach der rechten Seite des Altars, fo kommt man auf zwei Stus fen in den andern Theil des Gewölbes. Hier fteht ein | dem heiligen Joſeph geweihter Altar. Früher war die

*) Ev. Matth. 6, 28. 29.

Razaretb. 153

Höhle der Verfündigung etwas anders eingerichtet. Der Hauptaltar befand fi in der größern Grotte, zur Rechten, und an jeiner jegigen Stelle war ein Turd)- gang in die zweite Abtheilung*). ine Tradition ſagt, daB die Apoitel felbit dieſen Ort als Kirche ge: weiht haben **),

Ich Tage hier Nichts von dem Haufe der heiligen Jungfrau in Loretto; dieſes it befanntlich von ge: brannten Ziegen erbaut, die in Paläſtina nirgends gebraucht werden, in Nazurerh hingegen find alle Häus jer von weißem SKreide- oder Kalkitein erbaut, der aus dem nahen Gebirge genommen wird. Bon dem Tem: pel, welchen die heilige Helena über dem Haufe der Mutter Gottes errichtete, iſt Nichts mehr übrig als das Zundament, auf dem 1620 Thomas von Novaria Das Aranzisfanerfloiter erbaute, welches im Sabre 1730 erneuert wurde. Die Bemühungen des frommen Tho- mas von Novaria, die heiligen Stätten Nazareths vor den Mohammedanern zu Ichügen, verdienen den Danf der ganzen Chriſtenheit***). Im Alten Zeftamente wird Nazareth nod nicht genannt.

In Nazareth verlebte Zeius feine Jugend in häus— licher Einfachheit und Zurücgezogenheit von der Welt,

*) Quaresmius II. 380. Q. bat die Orte nicht befucht, welche nörtlich von Jerufalem nad) Nablus und jürlich nad) He: bron zu liegen.

*) Adrichom. Zabulon No. 73. Breidenbach. Bro- card. Salmeron T. IX.

**) Quaresmius II, 837—839.

154 Dreizehntes Kapitel.

fo daß Nuathanael, der in Eana in Galiläa wohnte *), das nur eine Stunde von Nazareth entfernt lag, ihn noch gar nicht kannte, als Philippus ihm fagte, daß er den Meffias gefunden, von dem Mofes und die Pro: pheten geweiffagt hätten**). Hiernach Täßt fich ermef- jen, wie ftill und zurüdgezogen das Leben Joſephs und feiner Verlobten war. In der Grotte zu Nazareth ward das Wort Fleiſch***), in der Höhle zu Bethlehem ward der Heiland geboren +). Diefe fried: lihe Wohnung war jedoch damals nicht unterirdiſch, was fie erſt fpäter Durch Anhäufung von Schutt ge: worden ift.

Eine kleine Strede hinter dem Klofter der Berfün: dDigung, wenn man in die Stadt hinaufgeht, zeigt man die Stelle, wo ſich der Zimmerhof des heiligen Joſeph befand, die durch ein altes Gemäuer kenntlich tft. Hier ift ein Altarbild, welches Jeſus als Kind, neben Io jeph, mit Zimmerarbeit befchäftigt darftellt. Etwas weiterhin zeigt man die Schule, wo Zefus die Weiſſa— gung des Propheten Jeſaias las, die. anf ihn felbit Bezug hat+r) und von wo die erzümten Juden ihn zur Stadt hinausftießen und auf einen Hügel de Berges führten, darauf ihre Stadt gebauet war, daß fie ihn binabftürzten, aber Er ging mitten durch fie

*) Ev. Sch. 21, 2.

**) Joh. 1, 45. S. auch W. Jowett. ”**) Ev. Joh. 1, 14.

+) Ev. Luc. 2, 11. +1) Ev. Luc. 4, 18. Jeſaia 61, 1.

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Nazareth. 155

binweg*). Die Zundamente Ddiefes Gebäudes find jehr alt, der Hügel, auf welchen Jeſus geführt wurde, liegt gegen Süd-Oft, nad) der Ebene Esdrelon zu, und man glaubt, daß die Stadt fich früher bis dorthin er- ftredte**). In der Nühe ſtehen auch Die Ueberrefte einer Kirche der heiligen Maria del tremore, fo ge: nannt, weil die Mutter des Herrn, die bei der Nachricht von der Begebenheit in der Schule dorthin eilte, an diefer Stelle dem Schreden unterlag. Bonifacius nennt audy eine Kirche der heiligen Anna, welche vielleicht diefelbe tft. |

Beinahe auf dem höchften Punfte in Nazareth fteht eine fatholifche Kapelle, deren Hof mit Mauern umge- ben ift und in welcher ein großer unbehauener Stein von unregelmäßiger Geftalt aufbewahrt wird, von etwa ſechs Ellen im Durchmeſſer und der Höhe eines Ti- ihes, der früher höher oben auf Dem Berge lag, aber Durch ein Erdbeben herabgefchleudert worden fein fol. Diefer Stein foll der Tifch fein, an welchem der Herr mit feinen Jüngern vor und nach feiner Auferftehung das Abendmahl feierte, wie eine in lateinifcher, italienifcher und arabifcher Sprache abgefaßte Urkunde fagt, die in einem Rahmen an der Wand der Kapelle hängt ***).

*) Ev. Luc. 4, 29, 30.

*) Sröben 298.

***) Tradictio continua est, et nunquam interrupta apud omnes nationes Orientales, hanc petram dietam Mensa Christi, illam ipsam esse, supra quam Dominus noster Jesus Christus cum suis comedit discipulis ante et post suam Resurrectionem

156° Dreizehnted Kapitel.

Im Evangelium Mutthät lefen wir, daß Jeſus nad) jeiner Auferftehung zu den beiden Marien und feinen Apofteln fagte: Gchet hin und verfündiget es meinen Brüdern, daß fie gehen in Galtläa, daſelbſt werden fie mic fehen“ *). Am meiften zieht in Diefer Kapelle das Altarbild die Aufmerffamfeit auf ſich, welches Das Antlitz des Herrn in natürlicher Größe darftellt; es ift eine Copie des Bildes Chrifti, das nicht von Menfchenhänden ge macht ift, und hat die Unterfchrift: „Vera imago Sal- vatoris Domini nostri Jesu Christi ad regem Ab- garim.“ Nach der nazaräifchen Tradition ift das Bild eine Eopie desjenigen, welches der Apoftel Thad⸗ däus dem Könige Abgar von Edeſſa fchenkte. Die Sage, welche wir über Diefes auf eine übernatürliche Weiſe erhaltene Bild des Heilands haben, ift für glaub: würdig anerfannt, und auf dem fechften und fiebenten Concil zu Conftantinopel wurde gejagt, Daß der Her uns fein heiliges Bild binterlaffen babe, damit wir immer feiner Menfchwerdung, feiner Leiden und feines Todes eingedenf feien**). Die rechtgläubige griechi⸗ Ihe Kirche feiert den 16ten Auguft als den Tag, an welchem Diefes Bild von Edeffa nach Conftantinopel

a mortuis, et sancta Romana Ecclesia indulgentiam concessit VII annorum et totidem quadragenorum omnibus Christi fide lium, hunc sanctum locum visitantibus, recitando saltem ibi unum Pater et Ave, dummodo sit in statu gratiae.

) Ev. Matth. 28, 10.

**) VI. Constant. Synod. Can. 83.

Nazareth. 157

bt wurde, wovon der arabifche Schriftiteller El⸗ ein Ehrift, der im 13ten Jahrhundert lebte, in Geſchichte der Sarazenen die hier folgende Be— ung giebt: „Im Jahre 331 fam ein römifches iach Diarbefr, verwüftete Alles mit Feuer und rt und führte viele Gefangene davon; fie er- n auch Arzan und Dara und mordeten die Ein- r; von da gingen fie nach Nifibis und forderten ba (Edeffa) das Tuch, mit weldhem Chriſtus fein 8 Antliß getrodner und weldes er dem Könige in Ruha gefchiet hatte, wofür fie den Moslemen freiung aller moslemiſchen Kriegögefangenen an- Die in ihren Händen waren. Sie fchrieben des- m Moktafi, welcher dem Bezier befahl, alle Rich- id Großen des Reichs zufammen zu rufen, um nen zu hören, was in Diefer Sache zu thun fei. e von diefen waren der Meinung, daß es für Die men entehrend ſei, Das Tuch herauszugeben, an- ingegen meinten, Die Befreiung der moslemifchen zgefangenen aus den Händen der Römer gegen sgabe dieſes Tuches fei gut und lobenswerth. einigte ſich daher, es den Römern zu geben und efangenen zu befreien, was auch geſchah. So n die Römer das Tuch und entließen die Ge- ven, deren Anzahl ſehr groß war, das Tuch aber en fie nad) Conftantinopel, wo fie mit Demfelben erftag den 10ten des Monats Ab einzogen und nen der Patriarch, die Prinzen, Bilchöfe und er mit Evangelienbühern und Fackeln entge-

158 Dreizehntes Kapitel.

genzogen und das Tuch in der Kirche der Hagia So— phia niederlegten, mo e8 noch jeßt aufbewahrt wird *) “.

Unter dem Babfte Stephan wurde Die Gefchichte des Edeſſeniſchen Bildes aud) in der römifchen Kirche aner- kannt und der Pabſt Hadrian fchrieb deshalb an Karl den Großen **). Die ältefte Erzählung darüber finden wir bei Eufebius, deſſen Worte ich hier im Auszuge mittheilen will: „Der König vder Toparch von Edeffa _ in Mejopotamien war frank, und da er an den Erlöfer glaubte, fandte er folgenden Brief an dieſen nach Seru- ſalem:

Abgar der Toparch grüßt Jeſus, den gottwohlge- fälligen Erlöfer, der in der Gegend von Zerufalem er ſchienen ift! Es iſt ein Gericht zu mir gelangt von den Heilungen, die du ohne Arzneien und Kräuter, allein durch Dich felbft und dein Wort vollbringft, fo daß Die Blinden fehen und die Lahmen gehen, die Aus- fügigen rein werden, die Teufel aus den Befeflenen fahren, die Siechen genefen und die Todten wieder zum Leben erwachen. Da ich diefes hörte, war ich im In | nern überzeugt, daß du entweder Gott felbft bift, der !:

*) Elmacini Hist. Sarac. Lugd. Batav. 1628 p. 213 39.

*) Tom. IH. Coneil. nov. ed. Quaresm. II. 252. Idem apud Damase. J. IV, 57. Niceph. Hist. I, 2.7. Randı fügen, das Bild fei im Jahre 1384 durch den Herzog Leonardo dt Montealbo von Eonjtantinopel nach Genua gebracht und der arme nifchen Kirche des heiligen Bartholomäus vermacht worden. Justi- nianus Episcop. Nebiens. in Genuens. Reipubl. Annalib. 1. IV. ad annum 1384.

Nazareth. 159

vom Himmel herabgefommen, oder Daß du Gottes Sohn biſt. Ich bitte Dich Deshalb, durch Diefen Brief, Die Mühe auf Dich zu nehmen, mich von meiner Krankheit zu heilen, an der ich fehon fo lange leide. Ich habe auch erfahren, Daß die Zuden dir feind find und Dich zu füngen trachten; meine Stadt ift zwar Flein, aber be- quem und groß genug für uns Beide.“ Ä

Die Antwort des Heilands, welche wir bei Eufebius leſen, war folgende:

„Selig bift du, der an mich glaubet, ohne mich zu ſehen, wie von mir geſchrieben iſt, die mich ſehen wer— den, werden nicht an mich glauben, und die mich nicht ſehen werden, die werden an mich glanben und das ewige Leben haben. Was das betrifft, weshalb du an mich geſchrieben haſt, daß ich zu dir kommen möchte, ſo iſt mir vorgeſchrieben, zu erfüllen alles das, um deſſen willen ich auf die Erde gekommen bin, dann muß ich wieder heimkehren zu dem, der mich geſandt hat. Rach meiner Himmelfahrt aber will ich dir einen meiner Jünger ſenden, der dich von deiner Krankheit heilen und dir und deinen Nächſten das Leben geben wird.“

Euſebius ſagt, daß er dieſen Brief, der in ſyriſcher Sprache geſchrieben war, aus den Archiven der Stadt Edeſſa abgeſchrieben habe, und ſetzt noch hinzu: „Nach der Himmelfahrt des Erlöſers kam der Apoſtel Thaddäus, von dem Apoſtel Judas, der auch Thomas genannt wird, geſendet, im Namen Jeſu zu Abgar, heilte den König von Edeſſa, der in dem Antlitz des Apoſtels einen Glanz ſah, der von keinem Andern bemerkt wurde,

160 Dreizehntes Kapitel.

und verfündigte dort das Evangelium. Dies ge ſchah im Jahre A3 nach Ehriftus. *

Wir können diefe fromme Tradition, die mit dem Geifte der evangelifchen Lehre übereinftimmt, nicht ver: werfen, denn der Evangelift Johannes fagt: „Es find aud) viele andere Dinge, die Jeſus gethan hat, welche, fo fie follten eins nach dem andern gefchrieben werden, achte ich, die Welt würde die Bücher nicht begreifen, die zu befchreiben wären “*) und der heilige Evangelift Lucas beginnt fein Evangelium mit den Worten: „Sintemal es fich viele unterwunden haben, zu ftellen Die Rede von den-Gefchichten, fo unter und gegangen find *. Ich habe eine Eopie von diefem Bilde genom- men, Die freilich fehr unvollfommen, aber doch wenigftens eine Borftellung Davon geben fann, wie auf diefem heili- gen Bilde das Antliß des Erldfers dargeftellt ift. Keiner von den Reifenden, welche vor mir in Nazareth waren, hat dieſes Bild befchrieben, welches jeßt, wie ich fpäter aus dem Buche eines fchottifchen Miffionärs erfahren **), in das Klofter der Verfündigung gebracht ift.

Die Tradition fennt noch zwei andere Bilder deö

*) Ev. Joh. 21, 23.

**) Les Juifs de l’Europe et de Palestine; Voyage de - Mr. Keith, Black, Bonar et Mac Cheyne, envoyés par l’eglise d’Ecosse. Paris 1844, p. 294. „On y avait. aussi (dans le cou- vent Latin) un ancien portrait de Christ, que l’on dit avoir ete envoye par lui au roi d’Edesse.*“ Der berühmte Mifiionär Abt Macarius hat mehrere Eopien diefes Bildes bei mir entnommen, um fie unter die befehrten Burjäten zu vertheilen.

Jooeyr ——

Nazareth. 161

Erlöfers, die nicht von menfchlichen Händen gemacht wurden; Pamelius fehreibt, daß in der Bibliothek des Vatikan fid) die Erzählung von einem ſolchen Bilde finde, das unter der Regierung des Kaifers Tiberius nah Rom geſchickt wurde*. Diefes foll Das Bild fein, welches fich auf dem Zuche abdrüdte, das die hei- fige Beronica dem Heilande gab, als er unter der Bürde des Kreuzes bei ihrem Haufe vorüberging. Ziberius foll Durch dafjelbe von einer Krankheit geheilt worden fein und in Folge deffen vor dem Senat die Göttlich- feit Ehrifti erflärt haben, deren Beweis er aus Palä- ftina erhalten **). Gröben erzählt, daß er in der St. Peterskirche in Rom diefes Bild felbit gefehen habe ***).

Ein drittes folches übernatürliches Bild ift das ſo— genannte Bild von Gethfemane oder vom Delberge, ein. Tuch, mit dem der Erlöfer in den lebten Stunden feines Lebens fein heiliges Antliß trocknete. Diefes wurde lange Zeit in einem Klofter in Bayern aufbewahrt ).

In Nazareth ift auch eine Kirche der Araber des griechifchen Ritus; fie Tiegt ganz am Ende der Stadt, links am Wege nach dem Zabor. Ehe man dorthin gelangt, fieht man ein Marmorbaffin, wo alle Frauen in Nazareth Wafler holen. Mit ihren Gefäßen von

*) Pamelius in cap. 12. Apolog. Tertull. Pamelius jelbit hat diefe Erzählung gelefen und fagt, fie fei: graviter conscripta et antiquissimis characteribus.

**) Man vergl. auch Sueton. vita Tiber. 31. *) Sröben, S. 165. 168. Bonifacius, S. 38. +) Gretserus de Sancta eruce I, 1. 1, ©. 97.

Noroffs Reife nach Baläftina. I. 11

162 Treizebntes Kapitel.

antifer Form und den langen Gewändern, die fie ſehr geſchickt zu falten wiffen, gewähren fie einen ſehr maleri- fchen und bunten Anblid. Das bejcheidene arabifche Kirchlein fteht auf den Trümmern einer Kirche, welche die heilige Helena erbaut hatte. Man zeigt in der Kirche einen Brunnen, der Quell der heiligen Familie genannt, deffen Waſſer och jebt reichlich ſtrömt und zahlreiche Pilger erquidt; es läuft von hier in das oben genannte Marmorbaffin. Die arabifhen Ehriften nahmen nich mit lebhafter Freude auf.

In Nazareth giebt es zwei Traditionen in Bezug auf Die Lage der fatholifhen und der griechifch-arabi- chen Kirche, indem Manche der Anficht find, Daß die Verfündigung an der Stelle ftattfand, wo die arabiſche Kirche Steht, Andere hingegen für wahrfcheinlicher halten, Daß fie an der Stelle des Inteinifchen Klofters flattfand. Sch halte für nöthig, bier eine Stelle aus Adamnanus (im fiebenten Jahrhundert) über die heiligen Orte mit- sutheilen, welche Quaresmins und Andere überfehen baben, „Nah dem Zeugniffe Arkulf's, der lange in Nazareth lebte, ift die Stadt nicht mit Mauern um neben, bat aber große Gebäude von Stein und zwei jebr große Kirchen, von denen die eine mitten in der Stadt liegt, und über zwei großen Höhlen (cancros) erbaut tft, wo einft das Haus fand, in welchem unfer Erlöſer heranwuchs; fie bat einen klaren Quell, aus dem alle Bewohner der Stadt Waffer holen, welches durch eine Pumpe aus der Tiefe in die Kirche berauf: gehoben wird. Die andere Kirche fteht an der Stelle,

Nazareth. 163

wo der Engel Gabriel der heiligen Jungfrau die Ver: kiindigung brachte“ *), Aus diefen Worten geht Elar hervor, daß die griechiſch-arabiſche Kirche an der Stelle iteht, wo, wie Bonifacius jagt**), Ehriftus erzogen wurde denn Die Bezeichnung des Brunnens ift Deutlich und Das Waſſer wird noch jeßt aus dem Brunnen ber: aufgepumpt, die Iateinifche Kirche aber an der Stelle der Verkündigung.

Die Tateinifhen Mönche des katholiſchen Klofters in Nazareth find fast lauter Spanier, fprechen aber faft alle italienisch und find ſehr gaſtfreundlich.

In Nazareth lernte ich eine chrüftliche wabifche Fa— milie kennen, die des Herrn Kutafago, eines Freundes unferes Confuls, Herrn Moftras. Herr Katafago be- fleidete nach feinem Vater Das Amt eines franzöfiichen Viceconſuls zu Acre, nach der Zerftörung dieſer Stadt durch Ibrahim wohnte er eine Zeit lang in Nazareth. Seine Gattin, eine Stalienerin, hat aus Liebe zu ihrem Manne nicht allein die Tracht der arabifchen Frauen angenommen, jondern auch deren Lebensart. Als ich Herrn Katafago zum erften Male befuchte, hörte ich im Nebenzimmer ein Klirren, wie von Goldjtüden, und als ih mich umſah, erblidte ich Die junge Frau des Herrn Katafago, die eine Menge von Münzen, Medaillen und anderen metallenen Verzierungen an ihren Zöpfen, Halſe, Schultern und Armen trug. Sede ihrer Bewer

*) Adamn. de locis Sanctis I. II. **) Bonifacius 271. Gotovicus fcheint dieſelbe Anlicht zu haben. 11*

164 Dreizehnted Kapitel.

gungen, felbft im Sitzen, brachte einen Klang hervor, und wenn fle ging, war es ein förmliches Schellengeläute. Ihr feidenes Gewand war reich mit Gold geftidt; bei dieſem fonderbaren Anzug aber war fie fchön und fiebenswürdig. Sie zeigte mir ihr erftes Kind. Liebe und Einigfeit wohnen in ihrem Haufe. Während meines Aufenthaltes in Nazareth genoß ich oft ihre angenehme Geſellſchaft.

Nazareth hat A000 Einwohner und etwa 500 Häu— fer ; der größte Theil der Bewohner find Mohammeda— ner; etwa ein Dritttheil follen Chriften, Katholiken, Araber und Maroniten fein. Bis zur Regierung Eon: ftantingl. durften hier nur Juden wohnen *), jegt ift nicht ein Zude hier zu finden, Im ganzen Orient werden die Ehriften Nazarener genannt, wie fie felbft fich in der erften Zeit des Chriſtenthums nannten.

*) Epiphan. adv. Haeres. I.

——

Hierzehntes Kapitel. Der Berg Tabor.

Und nad) ſechs Tagen nahm Jeſus zu fi Petrum, und Jacobum, und Johannem, feinen Bruder, und führete fie beifeit8 auf einen hoben Berg. Und ward verfläret vor ihnen, und fein An⸗ geficht leuchtete wie tie Sonne, und feine Kleiver wurden weiß, als ein Richt.

Ev. Matth. 17.1.2.

Während meines Aufenthaltes in Nazareth nahm ich die übrigen Theile Galiläa's, bis Kapernaum, in Augenſchein. Mein erſter Ausflug war nach dem Berge Tabor. Die Hälfte des Weges dorthin führt über kahle und wilde Felſen, die andere Hälfte, obwohl auch gebirgig, ift mit dichtem Gebüfch und Wald, meift Eichen, bewachſen. Ich habe fchon oben bemerft, daß die paläftinifche Eiche von der europäifchen verfchieden ift. Die Rückſeite der Blätter ift weiß, der Baum über: haupt kleiner, die Geftalt der Blätter jedoch dieſelbe,

166 Vierzehntes Stapitel.

wie die der unfrigen*); fie wird oft mit der Zerebinthe verwechfelt.

Bon dem legten Abhange der nazarenifchen Berge entfaltet fich eine prachtvolle Anficht des heiligen Berges Tabor und der ganzen Ebene Esdrelon. Der Berg Tabor erfcheint wie ein großer von unten bis oben fehr ſchön abgerundeter Kegel, der von den übrigen Bergen derfelben Bergfette ganz getrennt ift**), wie von der Natur zu großen Begebenheiten beftimmt.

Wir erreichten den Fuß des Tabor nad) einem Ritte von etwa anderthalb Stunden, nachdem wir Nazareth verlaffen. An der rechten Seite des Berges, am unter: ften Abhange, liegt malerifcd) im Schatten von Bäumen das Dorf Deborah, und der Blid fehweift ungehindert über das ganze Schlachtfeld Barak's und Sifera’s. Baraf, von der Propbetin Deborah begleitet, zog mit 10,000 Mann von dem Berge Zabor an den Bad Kifchon, Sifera entgegen, weldyer 900 mit Sicheln be waffnete Wagen hatte. Hier fang Deborah nach dem Siege das fehöne Lied ***), hier fielen die Brüder Gi- -deon’s}). Don der Hälfte des Berges an ift der Weg jehr befchwerlich, und man muß fid) wundern, wie e8 den fyrifihen Pferden möglich ift, fo fteile Abhänge zu erflimmen. Der größte Theil des Berges ift mit Wald bededt; jeden Augenblid flogen wilde Vögel auf, Die

*) Quercus Aegilops. Schubert IL, 172.

**) Der Name Tabor bedeutet im Hebr. Hügel oder Nabel. »œ) Buch der Nichter 4 unt 8.

7) ibid. 8.

Der Berg Tauber. 167

durch die Tritte unferer Pferde aufgefheucht wurden. Der aromatifhe Duft von Pflanzen und Blumen er- füllte die Luft. Je mehr wir uns dem Gipfel näherten, defto malerifcher wurde der Wald. Wir brauchten faſt eine Stunde, um den höchſten Punkt zu erreichen. Ich war nicht wenig erftaunt, bier große, zum Theil mit "Getreide befüete Flächen zu erbliden, welche theilweife zu dem Dorfe Deborah gehören. Durch dichtes Grus und Geftrüpp bahnte ich mir einen Weg zu den nicht unbedeutenden Ruinen.

Ich eilte, meine verfchiedenartigen Gefühle und Gedanken zu fanmeln, um mit vollem Herzen die Hei: ligfeit der Stelle zu ermeffen, wo vom Himmel herab die Stimme Gottes, des Vaters, ertönte: „Dies ift meinlieberSohn, an welchem ich Wohlge— fallen habe“*). Mit meinen Gedanken der Erde entrückt, Tas ich hier unter freiem Himmel die Erzählung des Evangeliums. Blendend hell Teuchtete die Sonne, aber noch immer nicht fo glänzend, wie der Herr in feiner Verklärung, vor der die Apoftel auf ihr Angeficht niederfielen.

Die fromme Kaiferin Helena hatte hier eine Kirche erbaut, die den Drei Apoſteln Petrus, Jacobus und Sohannes geweiht war, oder, nach Andern, Sefus, Mofes und Elias**), nach den Worten des Evange— liums ***). Manche Gelehrte find der Meinung, daß

" 9) Ev. Matth. 17,8.

**) Wilibaldi Itinerar.

“+, Ev. Matth. 17, 4.

168 WVierzehntes Kapitel.

auch der Tabor einft Durch Gögendienft entweiht worden fei, und daß bier ſelbſt Menfchenopfer gebracht wur: den, nad) der im Alterthum herrfchenden Sitte, an hoch⸗ gelegenen Stellen zu opfern ; allein feit Der Erlöfer, der die Macht des Teufels mit Füßen trat, dieſen Berg zu feiner Verklärung erwählte, ift er für alle Ewigkeit ge- beiligt.

Obgleih in der Erzählung des Evangeliums der Tabor nicht genannt ift, fo hat Doch ſchon der heilige Sänger David die hehre Beftimmung diefes Berges be fungen und prophetifch auf die Verklärung hingedeutet *). „Zabor und Hermon jauchzen in deinem Namen!” Die ältefte hriftliche Tradition nennt den Zabor als den Berg der Verklärung und fowohl der heilige Hieronys mus als Eyrillus von Serufalem waren davon über: zeugt. Die irrige Meinung Reland’s, der diefe Anficht verwirft, kann man damit widerlegen, daß der Heiland auf dem Wege nach Samaria war, was mit der Lage des Berges genau übereinftimmt. Die Worte des Evangeliums, über ſechs**) oder ahr***) Tage, beweifen nur, daß Chriſtus ſich einige Zeit in Cäfuren Philippi aufhielt, nicht, wie Reland meint, daß er dort feinen Wohnort hatte,

Bon der Kirche, weldhe hier Die heilige Helena gründete, find noch Ueberrefte vorhanden, und die

*) Palm 89, 13. **) Ev. Matth. 17,1. “er, Ev. Luc. 9, 28.

Der Berg Tabor. 169

Ehriften Nazareths halten noch alljährlich am Zuge der Berflärung EChrifti eine Meffe in den unterirdifchen Gewoͤlben. Im achten Zahrhundert ftand bier noch ein von den ungarischen Königen gegründetes Klofter vom Orden des heiligen Paulus, des eriten Einfiedlers *), die bedeutendften Ruinen aber find aus der Zeit der römischen Herrfchaft.

Die griehifche Bibelüberfegung, Joſephus und Bolybius nennen den Zabor Stabyrion, Sofephus felbft vertheidigte im jüdifchen Kriege den Berg vierzig Zage lang gegen Belpafian, und noch heute findet man an mehreren Stellen Leberrefte der Mauern, welche den Gipfel umgaben; an der Öftfeite erfennt man noch die ‚Ruinen eines Thurmes und einer Pforte, und fogar die Wafferbehälter, von denen Zofephus fpricht, haben fih erhalten.

Die Ausficht vom Gipfel des Berges ift reizend. Zum erften Male erblidte ich hier, gegen Norden, einen Schneegipfel des Antilibanon, der wie ein großes Zelt am Horizonte emporftieg; es war der in der Bibel er: wähnte Hermon. „Wie der Thau, der vom Hermon herabfällt auf die Berge Zion“, fingt der Dichter des Pſalms**). Diefe Zufammenftellung der Berge Her: mon und Zion ift manchen Auslegern auffallend gewe— fen; nimmt man jedod an, daß hier die Berge Zion gemeint find, von denen Zofua ***) fpricht, fo erklärt

2) Wilibaldi Itiner. und Bonifac., p. 569.

*) Pſalm 133, 3. **) Joſua 19, 19.

170 Vierzebntes Kanitel.

fi jehr wohl, wie die Wolfen, welche beftändig um den Gipfel des Hermon lagern, ſich auf Die Berge Zion und Tabor herabfenfen fönnen.

Gegen Often iſt der Horizont durch eine Reihe von Hügeln begrenzt, die fih am Ufer des Sees Tiberias hinziehen, von dem nur ein fleiner Theil hinter den Schwarzen Manern der Felſen fichtbar if. Gegen Sü— den ftredt fich die große, blutgetränfte Ebene Esdrelon bin, die am Fuße des Zabor beginnt und hinter der - fich der finftere Berg Saul's wie ein gewaltiger Grab: hügel erhebt, nebft den zadigen Gipfeln der galiläiſchen Gebirge, die in weiter Ferne mit den blauen Maflen der Berge Juda's verfchmelzen; gegen Weiten endlich, zwifchen Die Kette der Strandgebirge hindurch, unter denen man den Gipfel des Karmel unterfcheidet, erblickt man das mittelländifche Meer.

Die Luft auf dem Tabor ift weniger ſcharf als font auf Höhen gewöhnlich”); nur gegen Ende des Januar zeigt fih auf dem Gipfel einiger Schnee, der aber nicht lange liegen bleibt. Schattige Wälder und mit Blumen befäcte Wiefen machen Diefen heiligen Berg noch male rifcher. Ich brachte einige Zeit auf dem höchſten Punkte zu, auf den großen Steinen des Feftungsthores fiend, weldyes Die Araber Bab ul Hawa, d. i. Windthor, new nen, und verglich die Lage der in der biblifchen Ge fchichte genannten Orte mit der Landkarte.

*) Der Gipfel Des Tabor ift taufend Fuß über dem Thale. | Robinſon III, 212.

Der Berg Tabor. 171

An dem fteilen Abhange des Tabor gelangten wir ſchnell in Das Thal hinab; Niemand begegnete uns auf dem einfamen Wege, außer Schaaren von Vögeln, Die das Gebüfch bewohnen. Am Fuße des Berges zeigte man einft eine Kirche, die an der Stelle fand, wo der Heiland feinen Jüngern gebot, bis zu feiner Aufer— Rehung Niemand Etwas von dem zu fügen, was fie auf dem Berge gefeben hatten *).

*, Gy. Mattb. 17,9.

Fünkzehntes Aupitel. Don Nazareth zum See Tiberias.

Zu der Zeit ging Iefus durch die Saat am Sabbath; und feine Jünger waren hungrig, fingen an Aehren auszurau⸗ fen, und aßen.

Ev. Matth. 12, 1.

Halb fehs Uhr des Morgens verließen wir Naza- reth und fchlugen den Weg ein, der in nordöftlicher Richtung über bebaute Hügel führt. Nach einer halben Stunde erblidten wir am Abhange eines Berges das von Gärten umgebene Dorf Rene. Die alte Cifterne, welche dem Dorfe gegenüber am Wege liegt, war von Frauen umringt, die alle große Waflerfrüge auf dem Kopfe trugen und unverfchleiert waren. Die Bewohner Diefes Ortes find zum größten Theil Chriften, doch tra- gen auch) Die mohammedanifchen Frauen in der Umgegend von Nazareth das Geftcht in der Regel unverfchleiert. Im ganzen Orient ift es Sitte, Daß die Frauen Wafs jer tragen, wie ſchon zu den Zeiten der Patriarchen.

Don Razareth zum See Tiberias. 173

„Siebe ich ftehe hier bei dem Wafferbrunnen, und der Leute Töchter in dieſer Stadt werden herausfommen, Waſſer zu fhöpfen **), ſagte der Knecht Abraham’s, der die Braut Iſaak's holen follte,

Der Brunnen, der von alter Bauart ift, und einige Ruinen, find Die Spuren einer alten Bevölkerung. Dicht neben Rene und mit diefem faft zufammenhängend, liegt das Dörfchen el-Mefchhed, fo genannt, weil fid bier eine Mofchee befindet, in welcher die Mohamme— daner das Grabmal des Propheten Jonas zeigen, wie ſchon Brocard erzählt, der diefes Dorf Ruina nennt **), Diefe Tradition ift vielleicht nicht ganz ohne Grund, denn man fönnte hier, übereinftimmend mit Hierony- ms, die Stelle des alten Githa Hepher***), im Ge- biet des Stammes Sebulon, fuchen, welches die Heimath des Propheten Jonas war. Eine halbe Stunde weiter jeigt fih am Abhange der von Weinbergen umringten Hügel das galiläiſche Kana, von dem ich auf meiner Rüdreife ausführlicher fprechen werde. In dem Thale zwiſchen Nene und Kana fiel, im heldenmüthigen Kampfe, eine Schaar von Rittern des Tenpelordens unter Anführung zweier ihrer Meifter. Auf dem Wege

von Nazareth nach Tiberias waren fie auf die Vorder: truppen Saladin’s geftoßen ; fie wollten lieber mit den Waffen in derHand fterben, als fich ergeben, und fo blieben

*,1.Mof. 24, 13. ”®) Brocard f. 51 v. Bonifac., p. 273. “«) Joſua 19, 13. Hieron. praef. ad Josua.

174 Fünfzehntes Kapitel.

fie fait alle auf dem Plaße, mit Pfeilen bededt, die fie aus ihren Wunden zugen, um fie den Feinden wieder zurüdzufenden, und indem fie ihr eigenes Blut tranfen, um ihren Durst zu löſchen. Gleichzeitige Geſchichts⸗ Schreiber erzählen, die Sarazenen hätten den Großmeifter des Drdens, Jacob Mallet, der ein weißes Pferd ritt und überall mit feinem Schwerte Schreden verbreitete, für den heiligen Georg gehalten.

Zwanzig Minuten vor Kına fommt man in ein weites, mit Saatfeldern bededtes Thal. Hier foll die Stelle fein, mo der Herr am Sabbath durch die Saat ging und feine Jünger anfingen die Aehren auszu- raufen, was ihnen von den Pharifäern zur Sünde ge rechnet wurde. Hier entquollen dem Crlöfer die für das Menfchengefchlecht fo troftreihen Worte: „Ich habe Wohlgefallen an der Barmherzigkeit und nicht am Opfer "*) aber die, zu denen er fprach, erfannten in ihm nicht den Lehrer, der höher fteht, als Kirche und | Geſetz. Die Stelle, wo der Erlöfer jene Worte fprad, ist feit langer Zeit Durch einen Dlivenbaum bezeichnet,

Am Fuße der Berge, zur linken Seite, liegt der Flecken Zor-An, Reitet man in dem Thale noch eine Etunde weiter, fo fommt man an eine Scheide de Weges, der links nach dem nördlichen Theile des Sees von Tiberias führt; dies ift die alte Straße nad) Ka⸗ pernaum, rechts nad) Tabaria oder Tiberias. Da mir dort über Nacht bleiben wollten, fchieften wir einen

*) Ev. Matt. 12, 7 flg.

Bon Razaretb zum See Tiberins. 175

Boten voraus, wir felbit aber ritten nach Kapernaum. Rechts jahen wir auf Dem Berge das Dorf Lubieh, und links, zwijchen den Bergen, Nimrin.

Der Weg führte über brachliegende, mit Difteln bewadhjene Felder. Zünfundzwanzig Minuten von dem Sceidewege breitete fich, als wir eine Anhöhe erjtiegen hatten, eine der reichiten Landſchaften vor unferen Blicken aus. Im Bordergrunde erjchien, wie ein Tiſch, der Gipfel des Berges Hottein, der ſeit Der Zeit des Erlöjers der Berg der Seligfeiten genannt wird, zur Srinnerung an die göttliche Rede, welche der Herr auf diefem Berge an das Volk hielt: „Selig find die geift- ih arm find, denn das Himmelreich iſt ihr“ ꝛc. *). Hinter dem Berge tritt, wie eine aus dem Boden anf- ſteigende Spitze, der Gipfel eines fteilen Felſens am Ufer des Sees Tiberias hervor, und weiterbin erblict man Die glänzende liche Des Sees. Der Horizont iſt von den Schneegipfeln des Hermon begrenzt, der mit der Kette des Antilibanon zufanmenbängt.

Hier fängt ein mualerifcher Weg an, der von den teilen Berge der Seligfeiten binabführt; immer mehr entfaltet jich der See Ziberins vor den Bliden, und geradenus, am Fuße Des Berges, liegt zwifchen Cactus⸗ befen und von Palmen befchattet das Dorf Hottein oder Hittim.

Berweilen wir hier am Berge der Seligfeiten,

Hier war der Mittelpunkt jener blutigen Schlacht, weldye

) Ev. Matth. 5.

176 Funfzehntes Kapitel.

alle Hoffnung der Helden des Kreuzes zertrünmerte, durch welche die Herrfehaft der Chriſten in Paldfiina ein Ende nahm. Das große Unternehmen der Kreuz züge war im Anfang rein geiftiger Natur, aber Die gei⸗ ftige Herrfhaft, welche den in Zinfterniß geſunkenen Drient hätte mit dem Lichte der Wahrheit erleuchten fönnen, verwandelte fih in ein irdifches Neid. Der Glanz der Königskrone blendete die Führer der Ehri- ften, Gott verließ fie, und das Schiefal Baläftina’s hüllte fih in den undurchdringlichen Schleier der Zu:

funft. Die traurigen Begebenheiten jener Zeit find .

von vielen Augenzeugen befchrieben worden. Saladin, empört über die Bedrängniffe der mohammedanifchen Karawanen in Karaf, durch Renald von Ehatillon, und in Kenntniß gefeßt von den Zerwürfniffen zwifchen dem Grafen von Tripolis und dem Könige Guy Lufignan von Serufalem, rief alle benachbarten arabifchen Stämme zufammen und verließ Damasfus, um Karaf zu belagern. Hier erhielt er die Nachricht von dem Siege feines Sohnes über die Chriften bei Sefurieh; fogleih) brady er von Karaf wieder auf, rüdte dem Kern feiner Armee näher, erfchien an den Ufern des Sees Tiberias und belagerte Tiberias, wo fid Raimund Graf von Tripolis befand. Die Annäherung des fchredlichen Ungemwitters hatte die Ehriften aus ihrer Ruhe gewedt und wieder mit den Banden der Bruderliebe verbunden. Das Kreuzheer fammelte fid, aber die Armee Saladin’s war zu ſtark. Das Kreuz heer zählte faum 20,000 Krieger, Saladin dagegen

Bon Razaretb zum Eee Tiberias. 177

30,000, Die Borjicht verlangte, eine allgemeine Schlacht zu vermeiden und Saladin, der mit der Be: fagerung Ziberias’ beſchäftigt war, fo viel wie möglich durch häufige Ausfälle zu ſchaden, und feine Verbin: ‚dung mit dem übrigen Heere der Moslenen abzu— schneiden. ine übnlihe Anſicht Raimund's, deſſen Gemahlin in der Eitadelle zu Tiberins war, wurde von den übrigen tapferen Anfübrern verworfen,

Das Kreuzbeer rüdte von Sefurieb durch das gali— laͤiſche Kana auf Die Ufer des Sees Tiberins zu, auf deinfelben Wege, den wir oben beichrieben haben. Als Saladin die Bewegung des Heeres erfubr, erfunnte er jogleich feinen Vortheil, brach von Tiberins auf und eilte Dem Sreuzheere entgegen. Guy Luſignan, der König von Jeruſalem, wollte fih des Paſſes zwis ihen Tiberias und dem Berge der Seligfeiten bemächs tigen, aber auch Saladin fannte die ftrategifche Wich— tigkeit Diefes Punktes, der um fo wichtiger ift, als jüch dort viele Quellen befinden, wohingegen die thalförmige Ebene, zwifchen dem Tabor und dem Berge der Selig: feiten, eine wilde Wüjte war. Als das Kreuzbeer fich im Angefichte des Berges Der Seligfeiten zeigte, gerade während der größten Hiße des Tages, war Der ganze Engpaß und die Höhe des Berges ſchon von den Muſel— männern befegt. Ein allgemeiner Kampf war unver: meidlih. Beide Armeen brachten die Nacht eine im Angeficht der andern zu. Ermüdet Durch den Weg und gequält von Durft, beſchloß das Kreuzbeer, ſich den Weg zu den Quellen mit dem Schwerte zu bahıen.

Noroff's Reife nach Baläftina. Il. 12

178 Fünfzehntes Kapitel.

Sie hätten in diefer Nacht noch zurücdgehen und den Operationsplan ändern fönnen, Doch Die fich felbft ver: trauende Beharrlichfeit hatte esanders entfchieden. Ein Gefchichtsfchreiber erzählt, in dieſer Nacht fei im Zelte des Bifhofs, wo fi) die Reliquie des wahrhuaftigen Kreuzes befand, bei der Frühmeſſe dieſes Tages die Erzählung der Schlacht zwifchen den Philiftern und Iſraeliten vorgelefen worden, in welcher ſich die Erſtern der Bundeslade bemächtigten ; da habe ſich aller Anwe- fenden ein Schreden bemächtigt *).

Sonnabend, am 4. Juli 1187, mit Sonnenaufgang, entbrannte ein furchtbarer Kampf. Raimund war der Erfte, der den Angriff begann. Eine unbefchreiblicdye Erbitterung hatte fid) des ganzen Heeres bemächtigt; bald benugten die Moslemen die Richtung des Windes und zündeten die Difteln und Dornen an, mit denen das Schlachtfeld der Ehriften bedeckt war, die ſchon faft dem Durfte erlagen. Der Kampf, ohnehin ſchon wi- thend, wurde Durch Diefes Feuer nogh wüthender. Der Graf von Tripolis bahnte fih einen Weg bis zum Ab- hange des Hittim, und nod) bis jeßt ift es unerklärlid, wie diefer Erfolg, der Die chriftliche Armee erretten fonnte, feine günftigen Folgen hatte, da der Graf von Tripolis Saladin im Rüden angreifen Eonnte, Der rechte Flügel der Ehriften ergriff die Flucht; nur das Gentrum des Kreuzheeres, das vom Könige von erw

*) Canisius Antiq. lect. I, oder in der Ausgabe von Basnage Thesaur. monument. eccles. et histor.

Bon Nazareth zum See Tiberias. 179

falem und den vornehmften Rittern geführt wurde, hielt . Stand, gerade gegenüber dem Berge der Seligfeiten, aber von beiden Seiten den immer flärferen Angriffen der Moslemen ausgefeßt, fo Daß fuft Das ganze Corps vernichtet wurde. Bon wahrer Tapferkeit und Ber> zweiflung bejeelt, hatte Diefe Handvoll Helden den Berg der Seligfeiten erflürmt. Der Bifhof von Xere pflanzte das Kreuz mit der Reliquie Des wahren Kreu⸗ zes auf. und fiel tödtlich verwundet. Dreimal fchlugen fie von der Höhe des Berges die Angriffe der Mosfes men zurüd, die wie Meeresmogen immer wieder herauf⸗— famen, von Saladin angefeuert. Was aber fonnten 150 Helden gegen ein Heer wüthender Barbaren! Das heilbringende Kreuz fiel in die Hände der ingläubigen ; da verlor Das Kreuzheer die Hoffnung, und ftürzte fich, nachdem es feinen höchiten Schaß verloren, dem fichern Tode entgegen. Doch auch hier brachte die Fahne Zus ſignan's, Die auf Der Höhe des Berges der Seligfeiten aufgepflanzt war, Saladin in Verwirrung. „Sie fliehen ”, rief Saladin’s Sohn, der fich bei ihm befand, als er die letzten Anſtrengungen der Chriften ſah, und doch warfen fie noch drei Mal die Moslemen zurüd., „Schweige“, fagte der betroffene Saladin, bevor nicht die Fahne des Königs fällt, find fie noch nicht be- fliegt "*), und die Fahne des Königs fiel... . Breiten wir einen Schleier über das, was folgte: das Kreuz des Heilands in den Händen der Ungläu⸗

*) Ibn AlAthir. Bibl. des Croisades p. Michaud IV.p. 194. 12*

180 Fünfzehntes Kapitel.

bigen, der König von Serufalem gefangen, der enthaup- tete Rinaldo zu feinen Züßen, ein Opfer der Race Saladin’s, und eing ganze Reihe Enthauptungen von Heldenmärtyrern, die das Zeichen des Kreuzes erleuch- tete! „Sie haben gefündigt und find gottlo8 gewe- fen und ungerecht vor Dir, Herr!“

Als Wilhelm von Tyrus, der die Gefchichte Der Kreuzzüge befchrieben hat, bis zur Schilderung Ddiefes Augenblicks kam, entfanf die mit Thränen beneßte Feder feinen Händen, er rief, mit dem Propheten Jeſaias: „Womit fol ih euch noch firafen, die ihr Unrecht auf Unrecht häufet?... Das Haupt iſt frank und das Herz ift ſchwach“ und legte fein Ge- fchichtswerf unvollendet bei Seite... .

Steigt man zu dem malerifh gelegenen Dorfe Hottein hinab, fo entfaltet fich Das Ufer des Tiberiasfees immer mehr. Hier zieht ein reißender Bach die Auf- merffamfeit des Wanderers auf fi, bis jeßt noch der Bad) des Kreuzheeres genannt ; er hat ihren Durft vor dem Zode nicht gelöfht! Hätten die Chriften dieſe Höhen einige Stunden früher erreicht als Saladin, dann wäre er für fie ein Quell des Lebens geweſen.

Die Bewohner von Hottein waren in ihren Gärten und ruhten im Schatten der Palmen- und Eitronen- bäume, Wie fehr wünfchte ic in ihnen die Nachfom: men derer zu fehen, Die den befeligenden Worten des Erlöfers auf diefer Höhe zuhörten! Aber die Mofchee in Hottein verdunfelte diefen Gedanken. Diefe Mo: ſchee fteht bei den Moslemen in großem Anfehen; fie

Ton Razaretb zum See Tiberiat. 181

nennen fie das Haus Gottes und fagen, Daß einer ihrer Heiligen bier begraben liege. Die Hebrier und aras bifben Ehriften nennen ſie Mar Kepha oder Das Kloiter Kepba, nach einer Tradition. Man weiß, daß der Apoftel Petrus von dem Erlöier den Beinamen Kephas erbielt*); Dance glauben aud, Daß einer von den zweiundfiebzig Jüngern Den Namen Kepbas führte ). In Paläftina bewahren felbit die Hebräer und Mose; men das Andenfen an viele Namen und Begebenheiten der früheften chriftlichen Kirche. Hier beilte Chriftug, al8 er vom Berge berabging, Den Ausſätzigen, melcer ihm zurief: „Herr, jo du willit, kannſt du mich wol reinigen ****),

Bei Hottein ift eine Fleine Anpflanzung von Kaffee bäumen, welche Zhrabim Paſcha aus dem Nedichd bierher gebradht bat. Won bier beginnt eine zweite und viel fteilere Senfung, bis zu den Fuße der jchwars zen Zellen um Ufer des Sees. Unten in der tiefen Schlucht raufht der Bach Wadi Ammam und ein ichmaler Pfad führt in einer engen Schlucht zwifchen Dem genannten Zeljen und einem anderen niedrigeren bin, Erfterer erfcheint, je näher man kommt, immer größer; er wird Kafa Hamam genannt, weil dort viele Tau— ben niften. Man fieht bier auch mebrere ansgehöblte Gräber, von denen das eine ziemlich groß ift. Einige

*) Ev. Joh. 1, 42. **) Doroth. Tyr. et Chron. Alexandr. in Chron. Pasch. Calmet ad vuc. Cephas. Quaresm. II, 870. *, Ev. Mattb. 8, 1 8.

182 Fünfzehntes Stapitel.

ähnliche Grabhöhlen fieht man auch in dem Eleineren Felſen an der Linken Seite, Robinſon glaubt hier Arbela fuchen zu müffen, was der Befchreibung bei Joſephus ziemlich entfprechen würde. Joſephus fagt, daß bier Höhlen waren, in denen fid) mächtige Räuber auf: hielten, gegen die Herodes feine Krieger fchicen mußte*). Burkhard fah in dieſen Höhlen Eifternen und aud) er vermuthet, daß Räuber dort hauften. Bo- nifacius fchreibt, diefe Höhlen feien fpäter von heiligen Sremiten bewohnt gewefen. Wahrfcheinlich hat ein Erdbeben diefe Dunkeln Felſen erfchüttert, denn in der Schlucht liegen einige ungeheure Steine, die den Pfad beengen. Der Engpaß ift etwa AU Minuten lang. Bom Fuße des Berges der Seligfeiten, wo ich die Ausficht zeichnete, bis an das Ende des Paſſes nach dem See zu, ift eine Stunde und vierzig Minuten.

*) Josephus Antiq. 14, 27. De bello 2, 28. Vita 37.

Sechszehntes Anpitel.

Der See Tiberias. Bethſaida. Genezareth. Rapernaum. Das Land Zabulon, und das Land Nephtha- lim, am Wege des Meeres, jenfeit des Ior- dans, und die beidniſche Galiläa, das Bolt, das im Finftern ſaß, hat ein großes Licht ge-

fehen, und die da ſaßen am Ort und Schatten des Todes, denen tft ein Licht aufgegangen.

Jeſaias, im Ev. Matth. &, 15. 16.

ALS wir aus dem Engpaife wieder ins Freie traten, war ed fünfzehn Minuten nach zehn Uhr. Faſt der ganze See Tiberiad lag vor unfern Bliden ausge: breitet. Der durch Quellen an den Bergen gebildete Sumpf hinderte ung, bis an das Ufer zu gelangen. Wir titten zunächit nach dem nördlichen Theile des Sees. Als wir eine Viertelftunde geritten waren, bemerfte id) zwifchen unferem Wege und dem Ufer des Sees eine große runde Eifterne von alter Bauart, die mit großen GSteinplatten ausgelegt war *). Vor uns nach Norden,

*) Dieſe Ciſterne bat, fo viel ich mich erinnere, etwa 30 Schritt im Durchmefler.

184 Sechszehntes Kapitel.

auf den Bergen der zweiten Abftufung, fahen wir Safed liegen. Wir ritten an dem Bache im Wadi Salame hin, durch Geſträuch und Schilf. Man findet hier eine befundere Art wohlriehenden Schilfs, welde Strabo befchreibt *). Hier fahen wir weidende Heerden und be⸗ gegneten einer Karawane, die aus Damaskus fam und Baumwolle führte. Wir ritten durch den Bach Sa: lame; er kommt von Norden ber, wahrfcheinlich von den Bergen in der Gegend von Safed, wo fidh viele Quellen finden. Etwa fünfundzwanzig Minuten von dem Engpafle entfernt, fahen wir auf den nächſten Hü- geln am Ufer Ruinen, Zehn Minuten von bier**) famen wir auf gleihe Höhe mit einer Höhle, die am Fuße eines unbedeutenden Felfens in den Stein gehauen ift, nahe an der Straße nach Safed. Brocard ſah auf Diefem Wege bedeutende Ruinen und praditvolle Grab- monumente, die zu dem alten Kedes in Naphthali ge hörten. Vielleicht bildete aud) Die eben genannte Höhle einen Theil diefer Grabmonumente,

Faſt unmittelbar hinter dieſer Höhle fieht man auf einer Anhöhe am nördlichiten Ende des Sees, wo die Biegung des Ufers beginnt, einige mit Gras über- wachfene Steinhaufen. Dies find, wie Brocard richtig bemerft***), die Weberrefte der unglüdlihen Stadt Bethſaida, deren Unglüd Jeſus vorausverkündet hatte.

*) Strabo 21, 16. p. 755. *") Ic gebe die Zeit genau an, weil die Topographie dieſer Gegend noc) ſehr unficher ift. **) Brocard 49.

Der See Tiberias. Bethſaida. Genezareth. Kapernaum. 185

Der Name Bethfaida, zu deutſch Fiſchhauſen, entfpricht - ganz feiner Lage*). Hier ſchenkte Zefus einem Blinden das Gefiht wieder und ging -von da nad Cäſarea Philippi jenfeit des Jordan **). Die Apoftel Philip- pus, Andreas und Petrus waren aus Bethfaida ***). Nah dem Evangelium St. Lucas hat fih das Wunder der Vermehrung der fünf Brode nahe bei Bethfaida zugetragen; hier war es auch, wo Ehriftus mit feinen Jüngern von feinem Leiden und von feiner Auferftehung ſprach +). An der Stelle, wo nad) der Tradition das Haus Petri ftand, erbaute die heilige Helena eine Küdhertr).

Bon hier führt der Weg bergauf, vorbei an den Rui- nen von Khan Minjeh, auf einen Felſen am Ufer, der Dſchebel el-Hanafir, d. i. Sauberg, genannt wird, Diefer Felſen bildet eine Landzunge und hat feinen Namen daher, weil an dieſer Stelle die Teufel aus den | Befeffenen in die Heerde Säue fuhren, die fie in den See ftürzten +++). Der Evangeliftt Matthäus nennt dies Die Gegend der Gergefener, Marcus und Lucas die Gegend der Gadarener, alle Drei Evangeliften aber feßen die Begebenheit an das gegenüberliegende Ufer. Bei Lucas ift ausdrüdlich hinzugefegt: „jenfeit des

2) Reland 653. *) Ev. Mare. 8, 27. “") Ev. Joh. 1. 43. 44. +) Ev. Luc. 9, 11—23. tr) Nicephor. Hist. Eccl. 8, 30. +) Ev. Matth. 8, 28—34,

186 Sechszehntes Kapitel.

Sees, gegenüber Galiläa**). Bon Tiberias aus liegt die Stelle audy allerdings gegenüber, jedoch nicht nach Dften, fondern nad Norden. Aus dem Evangelium St. Lucas erhellt, daß die Heilung der Befeflenen un- weit Bethjaida ftattfand**. Man fann nicht anneb- men, daß Diefe Begebenheit fich in Gerafa oder Gadara ereignete, denn Diefe Orte lagen jenfeit des Jordan am füdlichen Ende des Sees, wo Mandye die Gegend der Gergejener fuchen, beide Orte aber lagen nicht am Ufer des Sees. Die Gergefener find eines der fieben Bölfer, welche vor den Siraeliten in Paläſtina wohn- ten und von denen Mofes und Joſua fprechen ***), Manche Gelehrte wollen die Gergefener nördlich des Sees feßen +); man darf fie jedoch nicht mit den Ein- wohnern von Gergeſſa und Gerara verwechfeln. Ori⸗ genestr) ſetzt die Begebenheit mit den Befeffenen auf den Dichebel el-Hanafir, und dies wird durch Die ältefte Tradition betätigt.

Der alte Weg auf den Dſchebel el-Hanafir ift bie zur Höhe eines Pferdes in den Felſen gehauen +tt).

*) Ev. Xuc. 8, 26. Vergl. Nov. Test. libri Historici ed. . Wallaei p. 860. Anm. zu Job. 6, 1.

“*) Ev. Luc. 9, 10.

”) 5.Mof. 7,1. Joſua 24, 11.

y) Damit ſtimmt audy überein, wad Marinus Sanutus fagt: „‚Secundo miliari distans a Tiberiade‘‘ (p. 131 Gesta Franco- rum. T. ID.

+}) In Evang. Johan. Vergl. Reland 860. +tt) Brocard p. 48.

Der See Tiberiad. Bethſaida. Genezaretb. Kapernaum. 187

Ich glaube, daß bier auf dem hohen Ufer die Stadt Genezareth lag ), deren Namen im Alterthum auch der See führte, den fchon Mofes und Kofua nennen *). Meiner Anficht hinfichtlich der Lage Genezareth's wider: fpricht audy die Annahme Robinfons nicht ganz, denn der Dſchebel el⸗Hanaſir Tiegt nur etwa zehn Minuten von der Stelle, an welche er Genezareth feßt, und ein Theil der Stadt konnte fehr wohl unten am Ufer liegen. Bon Genezareth wiffen wir nur fehr wenig, wahrſcheinlich fam e8 bald nad) der Gründung von Tiberias in Ver⸗ fall. Daß es nahe bei Bethfaida lag, fehen wir aus dem Evangelium des heiligen Marcus. Die Jünger des Herrn fuhren vom Ufer bei Ziberias nach Beth: faida und ftiegen am Ufer bei Genezareth aus ***),

Diele Schriftfteller, Andrichomius, Quaresmius u.a., verwechfeln, durch Hieronymus irregeführt, Genezareth mit Ziberiasr). Genezareth aber lag im Stamme Naphthalitr), Tiberias hingegen im Stamme Sebu- Ion. Die füdliche Grenze des Gebiets von Naphthali beginnt bei Kapernaum+rr), denn diefes lag an der Grenze von Sebulon und Naphthali; Naphthali lag nördlich, Sebulon füdlich *+).

*) Adermann, Bibelatlad. 1832. No. 83. ») 4. Mof. 34, 11. 5. Mof. 3, 17. Joſua 12, 3. ") Gy. Marc. 6, 48. 83. +) Auch Benjamin von Tudela ©. 81. +7) Joſua 19, 35. Hr Ev. Matth. A, 30. +4 Reland S. 161.

188 ES cchözehntes Kapitel.

Ich habe hier einige Einzelnheiten erörtert, weil der See Tiberias in geographifcher Beziehung bisher noch wenig behandelt worden ift. Genezareth war eine fefte Stadt*) und hielt die Belagerung des Königs Amunadab von Syrien und Damaskus aus. Der Eng- vaß des Dfchebel el-Hanafir bildet eine natürliche Schußwehr. Der Name Hanafir hat übrigens große Aehnlichkeit mit Genezareth. Eugefippus, der im Jahr 1040 fchrieb, giebt die Lage Genezareths eben fo an **). Wenn man vom Dfchebel el-Hanafir berabfommt, fieht man am Ufer des Sees das Dörfchen Tabighah, an der Mündung eines ziemlich reißenden Bachs, der auf- fallender Weife falziges Wafler hat. In Tabighah find viele Waffermühlen und Handmühlen. Zwei Mauern von alten Wafferleitungen führen von den Bergen zu dem See. Der Weg am Ufer geht unter einem Bogen der Wafferleitung dur, von dem das Wafler herab: träufelt. Die Handmühlen beftehen aus zwei Mühl: fteinen, in Hütten von Schilf. Hier fieht man die Heberrefte alter Mauern, die zu Genezareth gehörten. Manche Gelehrte find der Meinung, daß hier ein rö- miſches Zollhaus fand, wo die Abgaben von den Fi- fchern und Denen, welche auf Dem See Handel trieben, erhoben wurden. Hier traf Chriftus den Matthäus,

) Joſua 19, 38; 9, 1.

*) Eugesippus in L. Allatii Symmikta p. 109: in sinistro maris capite, montis in concavo, Genezaret; er feßt hinzu, daß man hier noch zu ſeiner Zeit Gold fand.

Der See Tiberias. Bethiaida. Genezareth. Kavernaum. 189

der mit Einfammlung der Abgaben beichäftigt war; als Jeſus ihn ſah, zeigte er ihm feine wahre Beftim- mung, und der aufmerkfame Zöllner folgte ihm *). Etwas weiterhin zieht ein halb zeritörter runder Thurm die Aufmerkfamteit auf fih. Dort ift eine Heil- quelle, der Brunnen oder das Bad Hiobs genannt. Bis jebt ift es noch nicht gelungen, den Wohnort Hiobs nachzuweiſen; wahrfcheinlich ift Derfelbe zwifchen Ara- bien und Idumäa zu fuchen, welches leßtere man oft mit Arabien verwechfelt**). In dem Stinerarium von Bordeaur wird ein Ort Afer, in der Mitte zwifchen Nablus und dem Eee Tiberias, die Villa Hiobs ge- nannt. Wilhelm von Tyrus fpricht von einem befeftig- ten Orte, auf einem Felien, in einem Engpaffe, 16 Miglien von Ziberias, jenfeit des Jordan, im Lande Suah, wo Hiobs Freund Bildad wohnte ***), und ver: jegt fo den Wohnort Hiobs aus Idumäa nad Pa—

*) Ev. Matth. 9, 9. Brocard 48.

*8) Euſebius.

»5) Hiob 2, 11. Reland 266. Wilh. Tyr. XXII, 15. 21 p. 1026. Cotovicus hingegen jeßt auf feiner Karte das Land Uz (eine Gegend der Aufitis) in die Gegenden jenfeit des Jordan. Brocard feßt dDiefen Ort, das fogenannte Denkmal Hiobs, wie es die Araber nennen , neben die Meberreite der Stadt Suah, wo Bil: dad gewohnt haben fol. Der Prophet Jeremias, 25, 20, nennt das Land Uz unter den Ländern der Philiſter. Auch der Hiobs— brunnen zwifchen Jerufalem und Ramla, von dem wir oben fpra- hen, kann in Betracht gezogen werden. Vgl. Abraham Peritson. itinerar. mundi p. 72. Terra Uz prope regiones Armeniae u.D. Anm. v. Th. Hyde.

190 Sechszehntes Kapitel.

läftina in die Umgegend des Sees Ziberias. Wir wol- len nicht beftimmen, inwiefern Die Benennung dieſes Brunnens richtig ift, er ſteht jedoch in außerordent- fihem Anſehen und die Bewohner der umliegenden Gegenden kommen hierher, um zu baden, weil fie ihm eine befondere Heilkraft zufchreiben.

Kapernaum liegt eine halbe Stunde von dem Dörf- chen Tabighah. Kein Weg führt dorthin, die Hügel am Ufer, einft mit Weinreben bededt, find von Difteln überwuchert, die fo dicht und hoch gewachfen find, daß wir uns faum einen Weg hindurch bahnen konnten und die uns, obwohl wir auf Pferden faßen, bis über die Knie reichten. Hinter diefem Diftelwalde öffnete fid) ung die Ausficht auf eine niedrige Landzunge, auf deren äußerſter Spitze ein vierediges Gebäude fteht, das man, wegen der fchwarzen Farbe der Steine, aus großer Ferne fehen kann. Die Araber nennen Diefe Stelle Tel-Hum, die Juden Kafa Tan-⸗Hum. Hier lag Kapernaum. Unſer Führer, der alle Schwierigkeiten überwand, zeigte uns bald eine Säule oder ein Ge fims, bald einen Spigbogen, endlich auch die Funda— mente eines kleinen Zempels, mit Weberreften korinthi— her Säulen, Die zwifchen den dichten Difteln lagen: „Denn es werden auf dem Adler meines Volks Dornen und Heden wachlen, dazu über allen Freuden = Häufern in der fröhlichen Stadt. Denn die Paläſte werden ver: laffen fein, und die Menge in der Stadt einfam fein, daß die Thürme und Veſtungen ewige Höhlen wer-

Der See Tiberiad. Bethfaida. Genezaretb. Kapernaum. 191

den, und dem Wild zur Freude, den Heerden zur Weide “*).

Bon der Hiße und dem Suchen erjchöpft, näherten wir uns dem vieredigen Gebäude am äußerften Ende der Landzunge. Die Steine, aus denen e8 gebaut ift, find forgfältig behauen und von ziemlicher Größe. Es ift wahrſcheinlich der Ueberreſt einer hriftlichen Kirche, von welcher der Märtyrer Antonin in feinem Reife: berichte Spricht und die an derfelben Stelle erbaut war, wo Das Haus des Apoftels Petrus ftand **). Es muß auffallen, daß Herr Robinfon Khan Minjeh für Ka- pernaum halten konnte, da fo bedeutende Ueberreſte bier vorhanden find und überdies kaum wahrfcheinlich it, daß Bethfaida, Genezareth und Kapernaum follten fo nahe bei einander gelegen haben. Die älteren Reiſen— den, wie Hieronymus, Antoninus, Arkulf, der Abt Da- niel, Brocard und Andere, zu deren Zeiten Das Andenken an Kapernaum noch lebhafter war, feßen alle diefe Stadt in Die Nähe der Mündung des Jordan in den See Genezareth; noch mehr aber gegen Robinfons Anficht jpricht die Stelle des Evangeliums Johannis, wo die wunderbare Vermehrung der Brode unweit Tiberias erzählt wird ***, ALS die Singer den Herrn über das Waſſer wandeln fahen, waren fie ſchon 30 Stadien don Tiberias entfernt+); Minjeh aber, wo Robinfon

*) Jeſaia 32, 13.14.

**) Antonini Martyr. Itinerar. apud Reland p. 683. “"*) Ev. Joh. 6, 23.

+) Ibid. 3. 30.

192 Sechszehntes Kapitel.

Kapernaum fucht, Liegt noch nicht eine Stunde von dem Berge der Vermehrung der Brode und faft Dicht am Ufer, wohingegen im Evangelinum gefagt wird, fie fan- den ihn „jenfeit des Meeres“*). Robinſon führt zur Begründung feiner Anficht eine Stelle aus Quaresmius an**), aus welcher hervorgeht, Daß zu deſſen Zeit in Kapernaum eine Herberge war, welche Minjeh genannt wurde, er theilt jedoch nicht Die ganze Stelle aus Qun- resmius mit, der über die Lage Kapernaums folgende Stelle des Bonifacius anführt: „Und weil du Diele Stadt fehwer finden fannft, da ihre Ruinen mit Sand bededt find, jo mögen dir zwei Palmen in der Mitte der verödeten Stadt zum Zeichen dienen. Die Stadt Kapernaum hat gegen Morgen den See von Tibe rias, gegen Abend Sephet, gegen Mittag die Stadt Tiberias, gegen Mitternaht das Dorf Bethfaida (Julia) ***8).

Dieſe geographiſche Beſtimmung der Lage Kaper⸗

*) Ev. Joh. 6, 28.

*) Robinson III. p. 293.

***) Et quia hanc civitatem difficile invenire poteris, quia sabulo ruinae ejus coopertae sunt: duas arbores palmarum. quae in medio civitatis desolatae sunt, tibi pro signo trado. Haec civitas Capharnaum ab oriente habet mare Tiberiadis, ab occidente Sephet, a meridie civitatem Tiberiae, a septentrione viculum Bethsaidae (Juliae). Bonifac. pag. 276 277. Man Darf dieſes gaufonitifche Julia, welches der Tetrarch Phi: lippus zu Ehren der Tochter des Kaifers Auguftus fo nannte, nict mit Bethſaida in Galilaͤa verwechieln, das im Evangelium ver: fommt

Der See Tiberias. Bethſaida. Genezaretb. Kapernaum. 193

naums bei Bonifacius ift ſehr beachtenswerth und fimmt ganz zu der Zage des Ortes, wie man auf der Karte feben kann. Nach der Stelle, welche Quares: mins nicht ganz wortgetreu anführt, feßt Bonifacius hinzu: „Gegenwärtig fieht man an der Stelle deffel- ben viele Ruinen und eine fchledhte Herberge, wo die Reifenden ein Unterkommen finden: dort find Pal- men, wie Bonifacius fagt; von der Stelle, wo der or: dan in das galilätfche Meer fließt, ift fie ſechs Meilen entfernt. Arabifch wird fie Menich genannt “*).

Diefe genaue Beftimmung der Lage bei Bonifa- cius und daß Quaresmius, nach dem angeführten Gi- tate, mit dieſem ganz übereinftimmt, bat Robinfon außer Acht gelaffen. Wir bemerken noch, daß Qua— resmius feine Leſer von Kapernaum gerade nach Dem ſo— genannten Jofephsbrunnen führt, der nördlich, am Wege nad) Damaskus, liegt, was nicht leicht möglich wäre, wenn er Kupernaum an die Stelle fegte, wo jeßt Khan Minjeh liegt, weil von da der Weg am Ufer des Sees hinauf führt. Der Abt Daniel**) jeßt Kapernaum ebenfalls an den Dfehebel el-Hanafir, und Parchi***) giebt die Entfernung deffelben von Genezareth auf eine

*) In presentia in illius situ multae ruinae cernuntur, et miserabile diversorium, in quod se viatores recipiunt: sunt ibi palmae, ut dixit Bonifacius, a loco unde Jordanis influit in mare Glalilaeae, distat ad sex milliaria. Arabice Menich nuncupatur“‘. Statt Menich hat Robinfon Menich.

*) p. 97.

**®) Parchi 50 p. 425. Noroff's Reife nach Baläftina. IT. 13

194 Sechszehntes Kapitel.

halbe Stunde an, und eben fo weit von Zabighah, wo wir Genezareth vermuthen, bis hierher. Brocard, der in der erften Hälfte des dreizehnten Sahrhunderts fchrieb, giebt die Lage Kapernaums an Drei Stellen ziemlid) genau an, und fagt, wo er von dem Laufe des Sor- dan ſpricht, der Fluß ergieße fi) zwifchen Kaper- naum und Ehorazin, welche beiden Städte er als die der Sordanmündung am nächiten liegenden nennt, in den See von Tiberias*). Endlich bemerfen wir, daß die hiefigen Juden feit Jahrhunderten die Landzunge Tanchum als die Stelle des alten Kapernaum angeben. Der jüdifche Gelehrte Schwarz fagt in feiner 1845 in Serufalem im Druck erfchienenen Beichreibung Paläs ftinas KepharsZanchum oder Kephar-Nachum (Kaper- naum) feßt der Midrafch eine halbe Stunde weſtlich von Genezareth (Dichebel Hanafir), was ganz mit unferer Anftcht übereinftimmt. Es liegt heute ganz in Ruinen, feine Zage aber ift den Söhnen unferes Volks befannt, durch die Srabmäler des Propheten Nahum, des Rabbi Tanchum und des Rabbi Tanchuma, nube dem Ufer des Sees Chinnereth (Genezareth)“**).

*) Brocardi Veredica Terrae sanctae descriptio. Venet. 1819 p. 1. 44 v. u. 47 v. Dies iit die erite und vollftän- digfte Ausgabe von Brocard ; die ſpaͤtern Ausgaben find fehlerhaft und vielfach abgekürzt. S. auch Eugesippus in Allat. p. 108.

*) Sepher Tebioth haarez. Neue Belchreibung von Paläftina, verfaßt vom Rabbi Schwarz in Jeruſalem: 5605 (1845). Wahrſcheinlich das erfte Buch, das in Jerufalem gedrudt wurde.

Der See Tiberias. Bethſaida. Genezareth. Kapernaum. 195

Da wir keinen Schutz fanden vor den Strahlen der Sonne, ſetzten wir uns am Ufer des Sees nieder, um die kühle Luft zu athmen und uns an dem Plätſchern der Wellen zu ergötzen. Unſere Mäntel, die wir über zwei von den Fiſchern hier vergeſſene Stangen hielten, dienten uns als Schutz.

Dieſer großartige See wurde früher, nach dem Na— men der Stadt, Chinnereth oder Genezareth genannt, ſpäter, nachdem Tiberias emporgekommen, der See von Tiberias oder das galiläiſche Meer; in früherer Zeit auch ſchlechthin das Meer *). Die Länge deſſelben giebt Joſephus auf 140 Stadien an **) (211/, Kilometer), die Breite auf40 Stadien (7 Kilometer). Am nördlichen Ufer ist er nicht fo tief wie an anderen Stellen; überhaupt ift die Tiefe, wahrfcheinlich in Folge der Anfchwen- mungen des Jordan, fehr verfchieden. Sein Waſſer tft füß und hateinen fehr angenehmen Gefchmad und Zofephus fügt, wenn man es während der Nacht in einem Ge⸗ fäße an die Luft jeße, nehme es die Kälte Des Schnees an. Bom Wege ermüdet, flärften wir ung durd ein Bad in den Wellen, auf denen der Welterlöfer wan⸗ delte und Petrus ihm im Glauben folgte ***. Da wir nicht erwartet hatten, daß unfer Ausflug fo lange Zeit in Anſpruch nehmen würde und deshalb feine Munde vorräthe mitgenommen hatten, faufte unfer Führer bei

*) Buxtorf, Tiberias 19. **) Die Angabe bei Joſephus iſt Die ficherfte; ich leſe mit Hegefippus 140, nicht 100, wie Andere. ») (Sp. Matth. 1A. 13*

196 Sechszehntes Kapitel.

den Zifchern in Zabighah einige Zifche, unfere Araber zündeten Zeuer an und brieten, in Ermangelung eines Gefäßes, die Fiſche nad) ihrer Weile. Dies erinnerte uns an die rührende Scene, als Sefus nad) feiner Auferftehung hier den im See fiſchenden Jüngern er- ihien*). An diefem Eee fand Jeſus die Fifher Simon und deſſen Bruder Andreas, nebſt Jacobus und Johannes, und fprach zu ihnen, folget mir nach, ich will euch zu Menfchenfifchern machen **); hier redete er zum Bolfe aus dem Boote des Simon Petrus und fchiete dieſem, der die ganze Nacht vergeblich gearbeitet hatte, einen wunderbaren Fang*"*), und hier ſprach er zu dem Wind und dem Meer: „Schweig’ und verfiumme, und der Wind legte fi) und ward eine große Stille *}). Wendet man den Blid von den friedlichen Gewäſ— fern des galilätfchen Sees nad) dem verödeten Ufer Kapernaums, fo fucht man umfonft die einft fo blühende Stadt; felbft ihre Ruinen find jetzt von Difteln über- wachſen. Ich fchlug das Evangelium auf und Tas: „Und du Kapernaum, die du bift erhoben bis an den Himmel, du wirft bis in die Hölle hinunter geftoßen werden “+r). Dies find die Worte des Herrn; und wie follte man nicht ergriffen fein über das Schidfal diefer gefunfenen Stadt! Der Erlöfer wohnte,

*) Ev. Joh. 21, 9.

”) Ev. Matth. 4, 18—21. “) Luc. 8, 8 ff.

+) Ev. Matth. 8, 25—27. Mare. A, 35—4. +r) Ev. Matth. 11, 21 -23.

Der See Ziberiad. Bethfaida. Genezareth. Kapernaum. 197

nachdem er Nazareth verlaffen, lange in Kapernaum*), eine Zeitlang felbft mit feiner göttlichen Mutter **), und Matthäus nennt Kapernaum feine Stadt***), „auf daß erfüllet würde das da geſagt ift Durch den Propheten Zefaia, der da fpriht: Das Land Zebulon und das Land Naphthalim, am Wege des Meeres, jen- feit des Jordans, und Die heidnifchen Galiläer, das Volk das im Zinftern faß, hat ein großes Licht gefehen, und die da faßen am Ort und Schatten des Todes, denen iſt ein Licht aufgegangen ”+). Kapernaum lag auf der Mitte des Weges von Damaskus über die Deca- polis nad) Zerufalem und Aegypten und von der an- dern Seite nach Galiläa und den Uferftädten. Er, der das Licht der Welt war, wollte fich nicht verbergen, fondern leuchten an offener Stelle über alle benachbar- ten Gegenden. Hier öffnete Jeſus den Sündern die Pforte der Barmherzigkeit und rief: „Ich bin gefom- men die Sünder zur Buße zu rufen und nicht die From— men“+t), bier heilte er den Gichtbrüchigen mit den Worten: „Steh auf, nimm dein Bett und wandele“, hier erwedte er Die Tochter des Sairus und gab den Blinden das Geficht wieder, die ihm zuriefen, erbarme dich unfer Sohn Davids; hier wurde, als er in einem Haufe lehrte, ein Kranker durch eine Deffnung im

*) Ev. Matth. &, 13.

») Ev. Joh. 2, 12. .), Ev. Matth. 9,1.

+) Ev. Matth. 4, 14—16. Jeſaia 9, 1. +) Ev. Matth. 9, 13.

198 Sechszehntes Kapitel.

Dache herabgelafien, hier genas durch bloße Berührung feiner Kleider eine Frau, die feit zwanzig Jahren krank war. Man erzählt, dieſe Frau babe in Dan, einem Orte an der Quelle des Zordan, gewohnt, und habe zum Andenken an ihre Heilung dort ein Denkmal er- richten laffen, welcdes den Heiland und fie felbft zu deffen Füßen darftellte. Das Denkmal ftand noch, als Eufebius jchrieb, zur Zeit Conftantins des Großen; Julianus Apoftata feßte fein eigenes Bild an defien Stelle, welches aber der Bliß zerftörte*). Hier heilte der Heiland die Beſeſſenen, welche laut riefen, Daß er Ehriftus ſei; hier heilte er die Schwiegermutter Petrus’ und am Sabbath in der Synagoae einen Mann, deffen Hand vertrodnet war; hier befahl er am Ufer des Sees, für ihn und Petrus einen Stater zu bezahlen, den man, nach feiner Borausfagung, im Bauche eines Fi- Ihes fand. Bon Kapernaum aus fandte der Heiland feine Jünger in die Welt, das Evangelium zu verfünden und die Menfchen zu heilen und empfahl ihnen, zu den verlorenen Schafen Iſraels zu gehen; bier ftrömte täg- lich das Wort des Lebens aus jeinem Munde, bier war ed, wo er zum erften Male gegen feine Jünger das Myfterium der Euchariftie erwähnte und ihnen fein Fleiſch und fein Blut zu ihrer Erlöfung vermadhte: „Wer mein Kleifch iffet, und trinfet mein Blut, der hat das ewige Leben “**). Aber die Worte des Erlöfers . *) Sozomen. Hist. Eccles. v. 20. Hist. Tripart. 6, 41.

Niceph. Eccles. Hist. X, 30. ») Ev. Joh. 6, 31. 83. 34.

Der Eee Tiberine. Bethſaida. Genezaretb. Kapernaum. 199

fünden in Kapernaum nur wenig Aufnahme und Ber- fländniß in den verbärteten und undanfbaren Herzen, und ewiges Verderben wurde ihnen Durch Jeſus ver: fündigt und hat ſich auf der der Bergeffenheit preisge- gebenen Stadt gelagert.

Zur Zeit des heiligen Hieronymus nannte fi) Ka- pernaum noch eine Stadt; Brocard, im Dreizehnten Jahrhundert, nennt es ſchon ein Dörfchen, mit fieben Fifcherhütten, Die Araber nennen es jeßt Tel» Hum, d.i. Hügel Hum, was an den alten Namen Kepher- Nahum, d. i. Nahumsdorf, erinnert.

Eine Stunde nördlich von hier fällt der Jordan in den See Tiberias; am Ausfluffe deffelben, jenfeits, lag das guulanitifche Bethſaida Julia, nicht zu verwechfeln mit dem galiläifchen Bethfaida Julia. In der Nähe der Sordanmündung zeigt man den fogenannten Jo— ſephsbrunnen (Bir Juſuf), der gewiß ohne Grund fo genannt wird, denn die Begebenheit, auf welche der Name anfpielt, kann ſich nicht in fo großer Entfernung von Sichem zugetragen haben, da wir im erften Buch Mofis lefen, Joſeph habe feine Brüder in Dothaim gefunden, deffen Lage wir oben erörtert haben. Cho- tazin, das nur einmal im Evangelium Matthäus und Lucas erwähnt wird, hat man an verfchiedenen Stellen jucdhen wollen. Bon Arabern hörte ich, daß fich in der Nähe von Kapernaum, nad dem Jordan zu, einige Ruinen finden, die mit einen ähnlichen Namen benannt werden *). Auch der heilige Hieronymus feßt es in die

*) Bgl. Cotovicus 360.

200 Sechszehntes Kapitel.

Nähe von Kapernaum, Eufebius hingegen fucht es von diefem weiter entfernt*). Der Name Chorazin hat große Aehnlichkeit mit Gerafa in Peräa. Gerafa ge: hörte zu der fogenannten Decapolis, und lag jenfeit - des Sees, an deſſen füdlicher Spike, wo man noch be deutende lleberrefte Diefer Stadt findet. Wundern wir uns, daß es fo ſchwer tft, die Stellen aufzufinden, wo blühende Städte ftanden? Die Beiffagungen der Propheten über diefe Städte antworten uns, und ihre Namen find wie Schatten, die vor unferen Augen vor: übereilen. Burdhard hat jenfeit des Jordan die Ueber: refte von fünfzig verwüſteten Städten gezählt, einige von überrafchender Größe, ohne Namen, ohne Bewoh- ner, in furchtbarer Verödung denn die Seuche die im Mittag verderbet**), verfengt die ganze Gegend mit ihrem Zodeshauche. Einige Gelehrte leiten den Namen Ehorazin von xwox (die Gegend) und Liv ab. Letzteres Wort ift der Name der Wüfte (Sin), die bei Geraſa anfängt.

Gellarius fowohl als Reland geftehen die Schwie— rigkeiten, welche die Topographie der Umgegend des galilääſchen Meeres bietet, wir müſſen daher bei Be ftinnmung der Oertlichfeiten hier fehr vorfichtig zu Werfe gehen. Die Decapolis oder die zehn Städte, welde den galiläifhen See umgaben, hatte einige Aehnlich— feit mit Der dDeutfchen Hanfa. Die Städte, welche dazıı

*) Reland 722. ”) Palm 91,6.

Der See Tiberind. Bethſaida. Genezareth. Kapernaum. 201

gehörten, waren folgende, die wir hier nach ihrer geo— graphifchen Lage aufzühlen wollen. Dieffeit des Zor- dan das famarifche Affer, die ſüdlichſte Stadt, fiebenzehn römische Meilen von der Südfpibe des Sees, Scythopolis oder Bethfean, jetzt Beizan, elf Meilen von Derfelben Spike des Sees oder A Stunden von Tiberias und zwei Stunden von Jordan, dieſes war die vor- nehmfte Stadt der Decnpolis und noch jeßt fiebt man dort die lleberrefte eines Theaters, Tiberias, Beth- jaida, Kapernaum, nordöftlich vom See; jenfeit des Jordan Cäſarea Philippi, nördlid vom See Sumo- honitis, die nördlichfte Stadt der Decapolis, nach dem Namen des Zetrarchen Philippus von Ituräa und der Trachonitis *), eines Sohnes des Herodes, fo genannt; Hippon, Pella, Gadara auf dem öftlichen Ufer des Sees, und Geraja oder nad) unferer Meinung Cho- razin, füdlid) und in einiger Entfernung vom See **),

*).Gv. Luc. 3,1.

**) Plinius nennt folgende zehn Städte: Damaskus (2), Philadelphia (Rabba Amman), Rapbana, Scythopolis, Gadara, Hippon, Dion, Pella, Seraja, Canatha; mit Ausnahme von Zev: thopolis ſaͤmmtlich jenfeit Des Jordan.

Siebenzehntes Rapitel.

Magdala. Tiberias. Die Thermen Ammaus. Aana in Galiläa. Sepphoris oder Diocäfaren.

Und e8 folgte ihm nad viel Volks aus Galiläa, aus den zehn Städten, von Serufalem, aus dem jüdifchen Lande, und von jenfeit de8 Jordan. Da er aber das Volk ſahe, ging er auf einen Berg und feßte ſich, unt feine Jünger traten zu ihm. Und erthat feinen Diunv auf, lehrete fie, und ſprach: Selig fint, die da geiftlich arm find, denn das Him- melreich ift ihre.

Ev. Matth. 4, 25; 5,3.

Zange irrten wir, nachdem wir Das fühle Ufer ver: laffen, unter den brennenden Strahlen Der Sonue zwifchen den mit Difteln überwucherten Ruinen von Kapernaum umher. Wo wir den Boden von den Di- fteln und Dornen fäuberten, fanden wir nod) mande architeftonifche Meberrefte der unglüdlichen Stadt. Da wir auf demfelben Wege zurüdfehrten, auf dem wir gefommen waren, fo hatte ich die Anficht Des Berges

Magdala. Tiberiad. Die Thermen Ammaud x. 203

der Seligfeiten, zwifchen den beiden dunkeln und her- vorragenden Felfen des Engpaſſes von Hottein, vor mir. Nahe bei einem Trümmerhaufen, der die Stelle bezeid- net, wo einft Bethfaida fland, wendeten wir ung linfs, dem Ufer des Sees zu und fehlugen den Weg nach Ti- berias ein. Sofephus nennt diefen Weg die Straße von Genezareth; er ift von Dichten Gebüfch und präch- tigen Gruppen von Dleander befchattet.

Fifcher und Heerden kamen hierher zu den fanft plätfchernden Wellen. Wir durchwateten Die Mündungen der über Steine riefelnden Bäche Hammam und Su: lame; leßterer tft mwahrfcheinlich der Eleinere Kifchon. Bald darauf kamen wir bei einigen armfeligen Hütten vorbei, Medfchdal, d. i. Magdal, auch Dalmanutha ge: nannt, die Heimath der Maria Magdalena, die von Chriftus geheilt wurde. Magdal war einft ein fefter Ort mit Thürmen, wie der hebräifche Name (Migdal) zeigt; es lag am Fuße eines großen Edfelfens des Engpafjes von Hottein und war vielleicht ein ftrategifch nicht un— wichtiger Punkt. Außer diefem Magdal gab es noch zwei andere Städte deffelben Namens, eine in Aegyp— ten, die andere in der Wüfte Pharan *). Etwas weiter von hier fieht man einige große, aus dem Waſſer hervor- tragende Felfen, von denen der eine Hadjcher un-Nemli, d. i. Ameifenftein, genannt wird. Dan erzählt, ein Beduine, der es wagte, Die Ruhe der Bewohner dieſes Steines, nämlich der Ameifen, zu ftören, habe Dadurd)

*) Jeremias 46, 14. 2. Mof. 14,2. 4. Mof. 33, 7.

204 Siebenzehntes Kapitel.

fein Geficht verloren. Brocard meint, Daß hier die Stelle fei, wo der Erlöfer nach feiner Auferftehung mit feinen Züngern das Mahl hielt*). Noch weiterhin fonimt man zu dem verfallenen Dorfe Zulieh, von dem nur nod) geringe Ueberrefte vorhanden find, in deren unmittelbaren Näbe fich ein Quell befindet.

Endlich tritt Tiberias, jetzt Tabaria, hinter einem Felſen hervor. Es liegt ziemlich malerifh am Ufer des Sees und ift mit Feſtungsmauern und Thürmen umgeben. Hinter den Mauern ragen einige Palmen hervor und von ihrem Fuße an erhebt fi, wie ein Zelt, ein großer Berg, der mit grünem Moos bededt ift, wie mit einem Teppich von Sammet. In einiger Entfernung von der Stadt fohimmern am Ufer die weißen Badehäufer bei den heißen Quellen, hinter denen ein hervorjpringender Felſen die weitere Ausficht über dus Ufer verhindert. Bon Kapernaum bis Tibe: rias brauchten wir Drei Stunden geit.

Ziberias fol, nach Joſephus **), unter Herodes An⸗ tipas erbaut worden fein, zu Ehren des Kaiſers Tibe⸗ ring, auf einem mit Leichnamen angefüllten Boden, was mit den Sitten der alten Juden durchaus nicht über: einftimnt. Aus der Angabe bei Joſephus läßt fi Ichließen, daß es neu angelegt und nicht auf den Rui- nen einer älteren Stadt erbaut wurde, was Zofephus fiher erwähnt hätte, wie er es bei andern Städten

*) Ev. Joh. 21. **) Jos. Antiqu. 18.

Magdala. Tiberias. Die Thermen Ammaus x. 205

thut *). Herodes Antipas, der Gründer diefer Stadt,

war der Mörder Zohannes des Täufers. Unter dem Zetrarchen Herodes war Tiberias Die Hauptftadt von Galiläa. Ein englifcher Gelehrter bemerkt fehr richtig, da Herodes felbft in Tiberias wohnte, fo habe Chriftus diefe Stadt gemieden, die deshalb auch von feinem der vier Evangeliften erwähnt wird. Herodes Ngrippa Il. erhielt fpäter die Stadt vom Kaiſer Nero zum Gefchenf und verlegte die Refidenz nach Sepphoris. Vespa— ſtan, der Tiberias eroberte, zog es allen übrigen Städten Galiläa's vor. Unter Conjtantin wurde hier die erfte chriftliche Kirche erbaut, zu Ehren des Apoſtels Petrus, der hier als Fiſcher gelebt hutte, an einer Stelle, wo, man vermuthete, daß deſſen Haus fand. Die heilige Helena erbaute in Ziberias eine Kirche mit zwölf Altären**), welche die zwölf Körbe vorftellen jollten, die bei der wunderbaren Speifung der fünftau— fend Menfchen auf Dem Berge, der das Ufer bei Tibe- rias überragt, mit den Ueberreſten der fünf Brode und zwei Fifche gefüllt wurden ***), Eine Zeitlang war tin Tiberias auch der Sitz eines Biſchofs und der erfte Bifchof von Tiberias war bei dem Concil zu Ehalcedon zugegen. Die Eroberung des heiligen Landes durch

*) Reland 1037. Im Zalmud wird allerdings gefagt, daß Tiberiad ſchon zur Zeit Joſua's jtand, und Damals Rakkath oder Rekkath genannt wurde (Joſua 19, 35), und mit Mauern um: geben war. Buxtorf, Tiberiad 21— 22.

**) Nicephorus 8, 30.

»*) Ev. Marc. 6, 41. 44.

206 Siebenzehntes Kapitel.

den Khalifen Omar machte auch in Ziberias der chrift- lichen Gemeinde ein Ende, zur Zeit des erften Kreuz- zuges aber wurde der Bifchofsfig Dort wieder neu er- richtet. Die Mauern der Stadt waren im fechften Sahrhundert von Auftinian neu erbaut worden, Die jeßige Befeftigung aber, die in jüngfter Zeit von den Arabern erneuert wurde, ift, nach ihrer Architektur zu urtheilen, aus den Zeiten der Kreuzzüge.

Ziberias hat gegen 4000 Einwohner, unter denen etwa ein Taufend Juden, die von allen Enden der Welt hierher fommen. Diele von ihnen find aus Rußland, und fprechen gut ruffifh. Die innere Stadt ift mit Trümmern angefüllt und hat viele öde Plätze. Den Suden gilt Tiberias, neben Zerufalem, Hebron und Safed, für eine heilige Stadt, und fie glauben, daß hier der Meffins, den fie erwarten, aus den Wellen des Sees ans Land fteigen werde. In Ziberias beiteht noch jetzt eine berühmte jüdifche Schule. Nach dem Untergange des jüdifchen Stuates befand ſich hier meh: rere Jahrhunderte lang eine berühmte Akademie jüdi- iher Gelehrten, in welcher die Mafora entftanden fein fol, Die Mafora, oder Ueberlieferung, ift ein auf Zradition begründeter Ffritifcher Commentar zu dem hebräiſchen Texte der heiligen Schrift, in welchem alle Berfe, Worte und Buchitaben des Textes gezählt, alle Abweichungen verzeichnet find, um Die heiligen Bücher in ihrer urfprünglichen Reinheit zu erhalten und vor Veränderungen und Irrthümern zu bewahren. Auch die Vocalpunkte und Accente des hebräifchen Textes

Magdala. Tiberias. Die Thermen Ammaud ec. 207

follen von den Gelehrten in Ziberias erfunden fein *), Nach der Anficht der Hebräer foll Efra ſelbſt der Bes gründer der Mafora fein, fie ift aber das Werk einer zahllofen Menge Gelehrter mehrerer Jahrhunderte und weder ihr Anfang noch die Zeit, in welcher fie gefchlof- fen wurde, läßt fih mit Sicherheit beftimmen ; befannt it nur, daß um das Jahr 230 nod) Maforethen lebten. Ziberias ift die Baterftadt eines berühmten jüdifchen Philofophen und Aftronomen, Hillel Hanafi, der in der Mitte des vierten Jahrhunderts lebte**). Der arabifche Philofoph Lokman foll hier geftorben fein, und nad) einer Tradition der Araber liegt hier einer ihrer Reltgionslehrer mit 14,000 feiner Schüler be- graben, die alle um fein Grab herumliegen!

Nach der Zerftörung Jeruſalems durch Titus Ves— pafianus wanderten die Gelehrten theils nach Tiberias, theils in die Umgegend von Babylon. Wir wiffen, daß der heilige Hieronymus einen gelehrten Juden aus Tiberias zu fich kommen ließ, Der ihm bei Ueberſetzung der Bücher der Ehronif behülflih war. Epiphanius berichtet, Daß in dem Gazophilakium zu Ziberias Hand- jchriften einer hebrätfchen Meberfeßung des Evanges liums Johannis und der Apoftelgefhichte aufbewahrt wurden ***),

Die Lage der Stadt ift feineswegs gefund, da die

*) Joh. Burtorf, Tiberias (1620), p. 6. 8. 9. ”*) Scaliger, de emend. temp. ***) Epiph. adv. Haer. 1.

208 Eiebenzehnted Kapitel.

Ausdünftung des Sees und die von den Felfen zurüd- prallenden Sonnenftrahlen eine ſchwüle Luft erzeugen, die mit einer Unzahl Pleiner Inſekten angefüllt tft. Auf dem Wege, der am Ufer entlang zu den ſüdlich von Tibe- rias gelegenen heißen Quellen führt, findet man noch Trümmer des alten Ziberias, Ueberrefte von Mauern und Säulen, von welchen leßteren noch einige fteben, und man erkennt, daß die Stadt zwifchen zwei Fleinen Zandzungen in einem Halbfreife gebaut war und fid der Breite nad) von dem Fuße eines nahen Felfens bis an den See erftredte, wo man noch jebt Die Funda— mente eines Gebäudes fieht, Die von den Wellen befpült werden; auch zertrimmerte Säulen liegen im Waffer. An den Bergen fieht man nod) die Mauern der Stadt, die fich theilweife an den Höhen hinaufziehen. An den Seiten der Felfen find einige Begräbnißhöhlen, und hier, glaubt man, hielten ſich Die Befeffenen auf, welche Ehriftus heilte*).

Die heißen Quellen, im Alterthum unter dem Na- men Ammaus befannt, find eine halbe Stunde von Tiberias entfernt, Hier lagerte Bespafian vor der Einnahme von Gamala. Das Waffer diefer Quellen wird mit dem von Aachen verglichen; die Temperatur ift zwifchen 131 —-139 Fahrenh., und die dhemifchen Beftandtheile find Salzfäure, Soda, ein großer Theil Eifen und Schwefel. In neuerer Zeit hat man bier ‚ziemlich große orientalifche Badehäufer erbaut, in Denen

*) Ev. Mattb. 8, 28. Ev. Marc. 5, 2.3. Ev. Luc. 8, 7.

Magdala. Tiberias. Die Thermen Ammaus x. 209

der Fußboden und die Bafjins von Marmor find, die leider aber ziemlich unreinlich gehalten werden. Man ſchickt alle Eranfen Soldaten hierher, ohne Rüdficht auf ihre Krankheit.

Bon hier aus, wie von allen Seiten des Sees, fann man die hochgelegene Stadt Safed fehen, welche Manche für das alte Bethulien, Andere für das im Buche der Richter erwähnte Sephet halten *); beide Anfichten jedoch entfprechen nicht der Lage. Der Hebräer Parchi balt es für eine neuere Stadt, mit einem verftimmelten Namen, und fagt, die Stadt werde im Talmud Zophia, d. i. Warte, genannt, und diefer Name entipricht voll- fommen ihrer Lage, welche die ganze Umgegend bes berrfht **); von Raumer jedoch hält es für Saph, welches Zofephus nennt***). Man glaubt, daß die Worte des Heilandes in der Bergpredigt: „Es mag die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen fein“ +), ſich auf dieſe Stadt beziehen. |

Am fernen Horizonte erblidt man hier den mit Schnee bedeckten Gipfel des Herinon, Die höchite Spiße des Libanon, von den Nrabern Diehebel ul-Sceikh, oder Dſchebel ez⸗zeledſch (Schneeberg) genannt.

Hinter den Thermen von Ammaus ift eine kleine Zandzunge, welche die Ausficht hindert ; geht man aber hinüber, fo erblickt man die füdliche Seite des Sees,

*) Buch der Richter 1, 17. **) Parchi I, p. 421. ***) Josephus de bell. Jud. II. 20, 6. +) Ev. Matth. 5, 14. Noroff's Reife nach Paläſtina. I. 14

910 Sieb enzehntes Kapitel.

wo Tarichäa und Gamala lagen. Erſteres wird in der Bibel nirgends erwähnt, wurde aber im jüdiſchen Kriege von Vespaſian genommen. Gamala lag an der Stelle des heutigen Om Kes, wo man noch Ueberreſte der alten Stadt ſehen kann. Das gebirgige Ufer, gegen— über Tiberias, wird das gaulanitiſche Ufer genannt. Auf der ganzen Fläche des Sees ſah ich nicht ein ein— ziges Boot; zur Zeit Vespaſian's kämpften hier die Flotten der Juden und Römer und 6500 Mann wur- den von den Wellen verfchlungen”). Der Südwind treibt auf Diefem See ſehr ftarfe Wellen, weil das ſüd— liche Ufer nicht, wie die andern Seiten, durch Berge geichüßt ift, und zugleich Die von Norden fommende Strömung gehemmt wird.

Halb acht Uhr Morgens verließen wir Tiberias wieder und fchlugen Die gerade Richtung über Die Berge ein. Die Ausficht wurde immer malerifcher; mit dem Fernrohr fonnten wir fogar die Mündung des Jordan an der nördlichen Seite des Sees deutlich erfennen. Gegen halb neun Uhr erreichten wir die Höhe des Ber: ges, wo, nad) der Tradition, der Erlöfer viertaufend Menfchen, die das Wort Gottes angehört hatten, mit fieben Broden und einigen Fiſchen fättigte**). “Der Abhang des Berges, wo das Volk lagerte, ift mit Gras bededt, die Spige hingegen ift ein fahler Bafalts

*) Josephus de bello Jud. IH, 10, 9. **) Ev. Matth. 15, 34. Burckhard nennt Diele Stelle Hedſchr ul⸗Naſara (Chriſtenſtein). Vergl. Saulcy II, 488.

Magdala. Tiberias. Die Thermen Ammaus x. 211

felſen. Ich verrichtete hier mein Gebet und las die Erzählung des Evangeliums. Von dem Baſaltfelſen nahm ich ein Stück als Andenken mit.

In gerader Linie nach Norden und eine halbe Stunde von dieſem Berge entfernt, liegt der Berg der Seligkeiten. Bei der Schlacht von Hottein ſtand der rechte Flügel des Kreuzheeres dem Berge der Vermeh— rung der Brode gegenüber. Wirritten Der ganzen Länge nach über dieſes ſchreckliche Schlachtfeld, Dem Berge der Seligkeiten zu. Der Weg Dortbin tft ziemlich ſchwierig und führt aufwärts durch Diſteln und Dornen und über große Steine, die von der Höbe berabgerollt find. Welche Gefühle bewegen das Herz, wenn man auf der Höhe dieſes Berges jteht, wo Jeſus predigte, als Vater, als Bruder, als Freund der Menfchheit, von der Menge unringt, die bei feinem göttlichen Werfe der Liebe und des Friedens den irdifchen Hunger und Durft vergaß. Zwölf Jahrhunderte fpäter wurde unter derfelben Höhe, am Fuße Des Kreuzes, Die fchredliche Schlacht geichla- gen, Man fieht hier noch,einige unbedeutende Ruinen, wuahrfcheinlich einer chritlichen Kirche. Die Ausſicht it prachtvoll, aber ein Theil des Sees wird durd) den ſchwarzen Felſen von Hottein verdedt.

Halb elf Uhr lagerten wir, von Durft gequält und vom Wege ermüdet, unter Dlivenbänmen am Schlacht⸗ felde von Lubieh, wo Junot und Kleber, von einer ihnen an Zahl weit überlegenen arabifchen Armee angegriffen, fid) nach dem Zabor zurückzogen, wo fie, mit Bonaparte vereinigt, eine entfcheidende Schlacht lieferten. Lubieh

14*

212 Eiebenzehnted Kapitel.

liegt am unterften Abhange des Berges; die umliegen- den Felder find qut bebaut. Bon hier famen wir an den Nuinen Meshem vorbei, die dem Berge TorAn gegen- überfiegen, und erreichten nach einer halben Stunde das galiläiſche Kana.

Kana hat feinen Namen feit den Zeiten des Erlo- fers behalten, der hier fein erfies Wunder verrichtete, indem er auf einer Hochzeit, bei der auch feine göttliche Mutter zugegen war, das Waſſer in Wein verwun- delte*). Jetzt iſt Kana ein Fleines Dorf, am Abhange eines mit WBeinftöden und Oelbäumen bemachjenen Hügels; es hat gegen 300 Einwohner, zum größten Theil arabifhe Ehriften, die hier eine eigene Kirche haben. Da die Männer auf dem Felde bejchäftigt waren, fahen wir bier nur Frauen, die fidh erboten, und zu führen. Ihre Kleidung beftand aus dem gewöhn- fichen Dunfelbraunen Ueberwurfe, ihr Geficht aber war mit einem ans eng verbundenen Ringen zufammenge: feßten Reifen eingefaßt. Bir famen zu den lieberreften der Kirche, die nad) Nicephprus an der Stelle erbaut

*) Phokas (im zwölften Jahrhuntert) ſetzt Kana zwijchen Sepphorid un? Nazaretb, wo es allerdings einen Ort dieſes Namens giebt, welcher im Buche Iojua 19, 28 erwähnt wirt. Als das evangeliiche Kana aber wirt von allen Zratitionen der Ort aner⸗ fannt, von dem wir bier jprechen und welchen Die Araber, zum Un: terjchiede von jenem, Kefer Kana nennen. Schon die Näbe kei Nazareth jpricht Dafür, daß im Grangelium dieſer Ort gemeint ift, wie Saulcy richtig bemerkt; Das andere Kana liegt zwanzig Kilo: meter von Razareth entfernt.

Magdala. Tiberiad. Die Thermen Ammaus x. 213

war, wo die im Evangelium Jobannis beichriebene Hochzeit zu Kana gefeiert wurde. Nach einer Tradition, die Nicephorus erhalten hat, war der Bräutigam Simon Kananites (der Eiferer), der, wie Einige meinen, ſo ge- nanntwurde, weil er aus Kanamwar*). Brocard erzäblt, inder alten Kirche feien ſechs Warterfrüge im Fußboden eingegraben ; ich habe deren nur drei geſehen, und aud diefe waren zerbrochen, fie find jedoch ohne Zweifel ſehr alt. Der Reifegefübrte Gröben’s wurde fogleib vom falten Fieber gebeilt, als er aus einem dieſer Krüge tranf**). Einige Waflerfrüge aus Kana wurden von den Kreuzfahrten nah Rom gebracht. Die Wafferfrüge, welche bei den heutigen Bewohnern Kana's in Gebrauc find, baben noch ganz die antife Form und gleichen den etrusfifchen Vaſen mit zwei Henfeln ; fie find von Thon und halten zwei bis drei Litres, wie im Evangelium gefagt iſt**). Man ficht bier noch die Stelle des Altars und einige zertrümmerte Säulen.

Wird nicht jeder, der fein Glück im Ehebunde fucht, bier ein inbrünftiges Gebet zu Jeſus jenden, Daß er feine Ehe jegne, wieerin Kana gethan? Mit Entzücken nahm ih ein Pflänzchen vom Wege und einen Olivenzweig vom nächften Baume mit. Gin vornebmer Mann aus Kapernaum fam hierber zu Jeſus und Bat ibn, feinen Cohn zu heilen. Jeſus antwortete: „Geh', dein Sohn

*) Nicephor. hist. Eccles. VIII, 30. Hieron. in Matth. 10. Theodoret in Psalm. 68, v. 18. *“) (Sröben, S. 301. +) Ev. Job. 2, 6.

914 Ziebenzehntes Kapitel.

ift geſund!“ Wir wurden aud) in die kleine arabiſche Kirche des griechifchen Ritus geführt, wo wir beteten und dann unfere Reife nach Sepphoris fortjeßten.

Der Weg von Kanı nad Sepphoris führt über fteile und wilde Berge. Sepphoris, in der Volksſprache Safurieh, wird mit diefem Namen in der Bibel nicht genannt, manche Gelehrte nehmen jedod an, Daß e8 an der Stelle von Kitron liegt, das im Buche der Richter erwähnt wird*. Die Gefchichte diefer Studt beginnt erjt mit Herodes Antipas, der e8 befeftigte und zu einer der Hauptftädte Galiläa’s erhob. Herodes Agrippa IL. verlegte feine Refidenz von -Ziberias hier: her. Später erhielt es den Namen Diocäfarea.

Sepphoris liegt auf einem fteilen und malerifchen Berge, deffen Gipfel Die zerftörten Thürme und Mauern frönen. Der Tradition zufolge waren die Eltern der heiligen Zungfran in Sepphoris geboren, und hatten hier ihr Haus, Doch fagt eine andere Tradition, daß Die heilige Anna und ihre beiden älteren Schweftern Mariu und Soba in Bethlehem geboren und Töchter des Ober: priefters Nathan waren **). Nach der Zerftörung Ze rufalems war Sepphoris der Sitz des oberiten Syne- drion, bis duffelbe nady Tiberins verlegt wurde, Im Jahre 339 wurde, in Folge einer Empörung, die Stadt

*) Buch der Richter 1, 30. Bergl. A. Moſ. 34,9, wo eine Stadt Siphron genannt wird.

**) Hippolyt Martyr. apud Niceph. II, 3. Quaresm. II, 621. Gröben 307.

Magdala. Tiberias. Die Ibermen Ammaus x. 215

von den Römern gänzlich zerftört. Joſephus nennt Sepphoris die größte und eine der fefteften Städte in Galilän*), was mit ihrer Lage volllommen überein- flimmt, Phofas, im zwölften Jahrhundert, nennt es Ihon einen wüſten Ort**). Noch fieht man am Ab- bange des Berges prachtwolle Ueberreite einer gothifchen Kirche, deren Altar noch ziemlich gut erhalten ift. Jähr⸗ lich einmal, am Tage des heiligen Joachim und der heili- gen Anna, fommen die Katholiken aus Nazareth hierher, um eine Meſſe zu lefen, ich weiß jedoch nicht, weshalb fie ihren Gottesdienft in einer Nebenabtheilung, nicht in dem Altarraume halten, der jetzt in einen Stall verwan— delt ift. Dicht neben den Ruinen der Kirche liegt ein nicht unbedeutendes arabifches Dorf, mit fünf bis fehshundert Einwohnern, deſſen Häufer ziemlich dicht beifammenftehen.

Der Weg von hier nad) Nazareth ift jehr belebt und führt zwifchen den Bergen hin, über malerifche, von einem raſch fließenden Buche bewäſſerte Wieſen. In diefer Ebene, die eine jehr vortheilhufte Lage bat, pflegten zur Zeit der Kreuzzüge die Könige von Jeru— falem ihr Heer zu fanmneln***H, Nach einem NRitte von anderthalb Stunde von Sepphoris famen wir furz vor Sonnenuntergang nad) Nazareth.

. Bon den legten Anhöhen über Nazareth fahen wir den Karmel, Acre und das mittelländifche Meer, in *) Josephus Vita 43. **) Descript. Palaest. 10. **) Adrichom. 339.

216 Eichenzebuted Karitd.

welches die untergebende Sonne berabianf. Ich wur jo ermüdet von dem Ausjluge nad dem See von Zibe- rias, daß ich gleich nad) meiner Rückkehr nad Nazareth einen Zieberanfall hatte, die freundliche Pflege in dem gaftliben Kloiter aber jtellte meine Gejundheit buld wieder ber.

Am Zage vor meiner Abreije hörte ich in der Kirche der Berfündigung eine Meſſe in arabiſcher Sprade. Giner der fateinifhen Mönche drüdte fein Bedauern darüber aus, daß ich nicht Katholif jet; ich antwortete, Daß ich ihn noch mehr beduuere, da jein Bedauern auf Einen falle, der das Glück habe, ein Ehrift zu fein, während er felbft Doch mitten unter Nichtchriften ehe. Am Tage meiner Abreife betete ich noch einmal in der Höhle der Berfündigung, wohnte noch einem griechifch- arabifchen Gottesdienfte bei und verließ endlich Naza- reth um 6 Uhr Morgens in einer ernften Stimmung.

Adtzehntes Kapitel. Don Nazareth zum Rarmel. Haifa.

... und kam zu dem Manne Gottes auf ven Berg Karmel.

2. Bud) ter Künige 4, 23.

Der Weg führte zuerft Durch verfchiedene Berg- ihluchten, in deren einer zwifchen Palmen- und Apfel: finenbäumen das freundliche Dörfchen el- Mud) - Bei liegt, bis wir nad) fünfpiertel Stunden die große Straße erreichten. Nun folgten zwei Eleine, durch ein Thal von einander gejchiedene Bergfetten. Bon der zweiten der: jelben, drei Stunden zwanzig Minuten von Nazareth, erblickt man ſchon das Ufer des Meeres und fieht noch immer den Gipfel des Tabor. Hier beginnt ein weites Thal, das gerade dem Meere zuführt. Das ganze ehe: mals fo fruchtbare Land ift der Verödung anheimge- fallen. In diefer Gegend, nördlid von Schef al-Amar, verbirgt ſich eine fleine jüdiſche Colonie, die, wie man jagt, feit der Zerftörung Jeruſalems durch Titus hier angefiedelt ift und die alten Gebräuche bewahrt hat.

218 Achtzebntes Karitel.

Bier Stunden zwanzig Minuten von Nazarerb ritten wir dur den Nahr el-Mufatta, den durch die Hin- richtung der Baalsprieiter berühmten Kiiben, der am Zuße des Tabor entipringt. An den Bergen zur linfen Seite fiebt man einige von Getreidefeldern umgebene Dörfchen. Gegen elf Uhr Mittags rubten wir an einer Gijterne, die zu dem Dorfe Beled uſch-Scheikh gebört, im Schatten und ritten noch eine Stunde weiter, wieder durch Den Kifchon und am Zuße des Berges bin. In dieſer Gegend wahrjcheinlich fand die Hinrichtung der Baalsprieiter ſtatt?). Das Lund tft hier angebaut, rechts hatten wir die Kette der ſyriſchen Gebirge mit dem einzigen Schneegipfel Hermon, und vor uns, am Ufer des Meeres, erblidten wir Haifa. Ungeduldig fuchte ich mit meinen Bliden den Karmel, an den ji jo viele Erinnerungen fnüpfen, Eonnte ihn aber nicht finden, denn er wird erft ganz nahe vor Haifa fichtbar.

Huifa liegt am Fuße des Karmel, an der Mün- dung des Kijchen ; es gilt für einen Hafenplag, obwohl es eigentlich gar feinen Hafen hat, fondern nur einen jehr gefährlichen Anferplag, der nur von der Süpdfeite gefhügt ift. Die Stadt ift im Biere gebaut und von Mauern mit einigen Thürmen umgeben. Auf einem Hügel neben der Stadt fteht ein befeitigter Thurm, der die Stadt und den fogenannten Hafen überragt. “Die Stadt ift arm und ziemlich unreinlid), hat gegen 3000 Einwohner, unter denen etwa Ddrei= bis vierhundert

*) 1. Buch der Könige 18.

Bon Nazareth zum Karmel. Haifa. 219

Chriſten, und treibt einen unbedeutenden Handel mit Getreide, Dliven, Baumwolle, Schwämmen x,

Die älteren Namen Haifa’s waren Sycaminum und Porphyreon, doch ift nicht unmwabricheinlich, DaB es Die Stelle der alten. fananitiichen Stadt Jafneam*) ein— nimmt, die am Karmel jenfeit des Kiſchon lag, we mun am Ufer noch einige lleberreite findet. Den Namen Porphyreon erbiclt e8 von dem Handel mit Purpur, womit im Altertbum Die Mintel der Könige gefürbt wurden. Später wurde es von den Hebräern Kepba, von den Arabern Kifa genannt. Seinen heutigen Nas men foll e8 von dem Hohenprieiter Kaipbas haben. Die Kreuzfahrer nahmen die Stadt mit Sturm nach einem blutigen Kampfe. Die Befeftiqungen find wahr: jheinlid von Ludwig IX. angelegt, Der die Stadt neu aufbaute. Bon Fuße des Karmel liegt Haifa eine halbe Stunde entfernt. Der Weg dorthin führt durch Getreidefelder. Maleriſche Wilder ſehr alter Feigen: und Oelbäume ziehen fih vom Fuße bis zur balben Höhe des Berges hinauf, welcher Die Landaunge Karmel bildet. Die obere Hälfte ijt fehr fteil und faſt ganz fühl, wie der :Brophet Amos geweiffagt bat: „Der Herr wird aus Zion brüllen, und feine Stimme aus Serufalem hören laffen; Daß die Auen der Hirten jäm— merlich ftehen werden und der Kurmel oben verdorren wird “**, Auf demjelben Wege jtieg man einft zu

*) Joſua 12, 22, 19, 11.

*) Amos 1. 2.

220 Achtzehntes Kapitel.

dem Manne Gottes hinauf*). Von dieſen Höhen ver- kündigten Elias und Eliſa den Königen und dem ver- fammelten Bolfe das Gericht Gottes. Selbſt die Heiden hielten Diefen Berg für heilig und nannten ihn den Berg des Zeus; fo im ‘Beriplus des Skylar. Pythagoras foll hier lange in der Einfamfeit gelebt haben **). Bemerfenswerth ift, was Tacitus fagt, Karmel werde der Berg genannt und der Gott, den man nicht unter einem Bilde und in einem Tempel, jondern an einem bloßen Altar und durch Andacht ver: ehre***), Hier wurde Bespaflan vorausgefagt, Daß er den Thron befteigen werde. Juden und Heiden kamen - hierher, um zu beten, und glaubten, daß fie durd Opfer auf dem Karmel die Erfüllung ihrer Wünfche erreichen fönnten+). Auch bei den Mohammedanern fteht der Berg noch heute als eines der älteften Heilig. thümer des Orients in hoher Achtung.

Gott felbft hat die Höhen des Karınel durch große Begebenheiten ausgezeichnet. Der Mann Gottes, Elias, der in den Höhlen feiner Zelfen wohnte, bis er lebend zum Himmel hinaufgenommen wurde, befehrte bier die Anbeter des Baal zu dem lebendigen Gotte. Im Angeficht des hier verfammelten Volkes, im Ange: ficht des gottlofen Königs Ahab und der Schaar von Prieftern des Gößen, fiel Feuer vom Himmel herab

*) 2. Buch der Könige 4, 25. *) Jamblich. Pythag. vit. **) Taecitus. Histor. II, 78. 7) Sueton. Vespasian V. Taeit. 1. c.

Bon Nazareth zum Karmel. Haifa. 221

auf das Opfer des Elias, der zum Gotte Abraham’s, Iſaak's und Jacob's betete, und alles Volk fiel nieder und rief: „Der Herr ift Gott, der Herr ift Gott!"*) Nach einer jüdifchen Veberlieferung bezeichnete Elias die Stelle durch zwölf Steine mit einer hebräiichen In— ichrift **), und die Juden gingen dorthin, um zu beten. Nach jenem Wunder wurden die Priefter des Baal an den Kifchon geführt und Dort hingerichtet. Auf diefer Höhe betete Elias um Regen für das ausgetrod- nete Land ***),

Sch war nicht wentg überrafcht, auf dem Berge ein großartiges Gebäude von europäifcher Bauart zu fin- den, Das neue Klofter Karmel, Das immer ein ſchönes Denfmal Earl X. von Frankreich bleiben wird, der aus feiner Kaffe eine große Summe gab, um zumächft eine Herberge für vier Einfiedler zu gründen, Die von der früheren zahlreichen Brüderfchaft noch übrig waren, während fein Gefandter in Eonftantinopel den Auftrag batte, von der türfifchen Regierung die Wiederheritel- fung des Klofters zu verlangen, das während des grie- hifchen Befreiungsfampfes von den türfifchen Behörden zerftört worden war, weil fie das einfame Klofter für einen den Ehriften wichtigen ftrategifchen Punkt hielten. Da die türfifche Regierung die Sache in Die Länge 309, verließ endlich der franzöfifche Geſandte Eonftantinopel.

*) 1. Buch der Könige 18, 39. **) Müller, Peregrinus in Jerus. 1735, p. 98. ““*) 1. Buch der Stönige 18, 41 46.

233 Adbtzebutes Kapitd.

Tie Mönche vom Karmel erbielten zwar einen Zerman und einen Plag für Das neue Klofier, warteten aber nicht, Pis die Regierung es wieder baute, jondern er⸗ bauten es jelbit von dem Gelde, Das ihnen der König von Frankreich jchidte*). Ich fand hier freundliche Aufnahme; der Buaumeiiter des Klojters, der jelbit die Srdensfleidung trug, zeigte mir den Bau und erzüblte mir, der König hätte ihm befoblen, nach Paris zu fom- men, um dort freiwillige Guben für das Klojter zu jammeln, die Sulirevolution aber ſei dazwiſchengekom⸗ men. Tas neue Kloitergebäude ift ſehr feit, aus behaue⸗ nen Steinen erbaut und großartig angelegt; die Zimmer ſelbſt find prächtig. Mundvorräthe find im Ueberfluß vorhanden. Nachdem ich hier von meiner Reiſe aus- geruht, eilte ih zu der Höhle des großen Propheten, über der fi ein prachtvoller Tempel mit einer hohen Kuppel erhebt. Die Höhle jelbft ift no in dem alten Zuitande; man fieht bier noch das fleinerne Lager des Mannes Gottes. Es bat fih auch eine Tradition er- halten, daß die heilige Jungfrau mit dem Zejusfinde dieſe Höhle bejucht habe, was bei der Nähe von Naza- reth wohl möglich iſt.

Am Außerften Rande des Karmel hat fi) der Paſcha von Acre ein Hang gebaut, wie zur Beobachtung der Handlungen der Klofterbrüder. Die Ausficht von der Höhe ift begeifternd und malerifh. Der Berg füllt nad Süden zu allmälig ab, bis zu dem niedrigen Ufer, wo

*) Poujoulat, Correspondence d’Orient.

Bon Nazareth zum Karmel. Haifa. 223

einft Cäfarea ftand. Vom Karmel am Ufer entlang, bis in die Ebene Saron, tft Die Gegend außerordentlich fruchtbar, „denn die Herrlichkeit des Libanons ift ihr gegeben, der Schmud Karmels und Sarons“*). Der hebräifche Name Karmel bedeutet Garten, auch Burpur, der am Fuße des Berges gefunden wurde**) Gegen Süden und Welten dehnt ji) das unabfehbare Meer, gegen Norden hat man Die regelmäßig abgerundete Bucht und die Stadt Acre, gegen Nordoften die Kette der fyrifhen Gebirge und den gewaltigen Hermon, gegen Often Die Kette des Karmel, die mit den Bergen Samaria’s und Judäa's zufammenhängt. Sie beginnt an der Ebene Esdrelon. Die Höhe des Berges rech- net man vom Fuße 1600, über der Oberfläche des Meeres 2000 Fuß. Ueber dem Klofter ift der Berg mit dichtem Walde bedeckt, wo man zwifchen Eichen und Delbäumen auch einzelne Gedern und Xorbeer fieht. Der Wald des Karmel wird auch in der Bibel ge: nannte ***),

Hunderte von Höhlen find in den Felſen des heili- gen Berges Karmel, in denen feit den Zeiten des Elias und Elifa unzählige Einfiedler wohnten, und nicht un— paſſend hat man den Berg mit einen Bienenforbe ver: glichen und die Einfiedler mit Bienen, die den geiftlichen Honig für die Ewigfeit fammeln}). „Und wenn fie

) Jeſaias 35, 1. 2. *x) Reland 327. Bochart, Geogr. Sacra. ”*) 2, Buch der Könige 19, 23.

7) Jacobus de Vitriaco. Hist. Hieros.

2394 Achtzehntes Kapitel.

ſich gleich verſteckten oben auf dem Berge Karmel, will ich fie doch Dafeldft fuchen *, jagt der Brophet Amos *). Es iſt befannt, daß der Prophet Elias fich bier vor der Melt verbarg. Manche diejer Höhlen waren vielleicht ihon in den Zeiten der Troglodyten bewohnt. Am Bude Joſua wird ein König zu Jakneam am Karmel genannt**). Auf der oberften Spige des Berges lag die Stadt Echatuna, auch Carmela genannt***), wo Cambyſes, nach der Ausfage eines Orafels, fein Leben endigte. Die heilige Helena erbaute auf dem Karmel eine Kirche, von der aber Nichts mehr übrig if. Auf dem Kurmel hat der Orden der Karmeliter feinen Ans fang genommen, der ſchon im Jahre 1180 hier ein Kioiter hatte. Im Jahre 83 erbaute hier der Bifchof Agapus Der heiligen Jungfrau am Karmel eine Kirche, und man glaubt, daß dieſes die erfte Kirche war, die ihr zu Ehren gebaut wurde. Agapus war einer von den 70 Süngern des Heilandes, und ift derfelbe, welcher die Hungersnoth unter Claudius und die Gefangennahme des Apoftel Paulus, der fih in Cäſarea befand, vor- ausjagte. Er ftand in beftändigem Verkehr mit Paus lus und errang endlich in Antiochien die Märtvrerfrone. Die Quelle im Klofter fol vom Propheten Efins her: rühren; wenn die Ungläubigeu den Berg einnahmen,

*) Amos 9, 3. ”) Joſua 12, 21. “*®) Herodot 3. 64. 108, nad) Larchar's Ueberſetzung. Plin. Hist. Nat. V. 17. |

Bon Nazareth zum Karmel. Haifa. 2925

ſoll diefelbe öfters verfiecht fein, aber jedesmal, wenn die Mönche wiederfehrten,, foll auch das Waſſer wieder gekommen fein. Nicht weit vom Klofter zeigt man große Verfteinerungen an einer Stelle, die von dem Propheten verflucht worden fein foll.

Im Klofter der Karmeliter fand ich nach dem ermü— denden Wege eine erquidende Ruhe, noch lieber aber hätte ich Die Mönche in den dunklen unterirdifchen Höhlen gefehen, die Elias, Elifa und Agapus bewohnten und wo jo viele Unglüdliche und Gläubige Troſt und Ruhe fans - den. Dem Orden ift ein einfames Leben vorgefchrieben und er nennt den ‘Bropheten Elias feinen Stifter.

Manche haben behaupten wollen, daß am Zuße des Karmel Kain von Lamech erfchlagen wurde, der ihn für ein Thier anfah, weil feine Augen ſchwach geworden waren*). Einer hiefigen Tradition zufolge wurde am Fuße des Karmel, an der Stelle des heutigen Haifa, der Prophet Jonas von dem Wallfifche wieder ans Lund gefeßt.

Ein anderer Berg Karmel und eine Stadt deffelben Namens liegen öftlich von Hebron; dort erbaute Saul nach dem Siege über die Amalefiter ein Denkmal. Später lebte dort Nabal, der Gatte der Abigail, und der König Ufias hatte dort feine Gärten.

*) Brocard. Itiner. 6. Breidenbach Itin. 178. Vergl. auch P. Comestori Scholastica Hist. 8. Script. p. XXVIII.

Noroff's Reife nach Baläftina. I. 15

Heunzehntes Rapitel. Acre oder Ptolemais.

Wir aber vollzogen die Schifffahrt von Tyrus und kamen gen :Btolemars.

Apoftelgeih. 21, 7.

Der Weg von Haifa nach Acre führt am Ufer des Meeres hin, das von der Zandzunge Karmel bis Acre eine tiefe Bucht bildet. Die raufchenden Wogen rollen weit auf dem Sande hin. Sch fah hier einige an den Strand getriebene Trümmer von Schiffen. Eine Menge Seeſchwämme bededten das Ufer. Die Küften Syriens find fchredlich für die Seefahrer, feit die berühmten Seeftädte gefunfen find. Auf der ganzen Strede von Alerandria bis Gaza giebt es nicht einen fihern Hafen. Beirut, Sidon, Tyrus, Nere, Haifa und Jaffa find bloße Anferplüße, wo bei jeder Aenderung des Windes die Schiffe fchnell Die hohe See zu gewinnen fuchen. Bei der Ungefchielichkeit der arabifchen Lootſen find Schiffbrüche an diefer Küfte fehr häufig. Wir ritten durch die Mündung des Kiſchon, die ganz verfandet

Acre oder Ptolemais. 227

ift. Bom Fuße des Karmel bis Acre find drei und eine halbe Stunde Weges.

Acre oder St. Jean D’Acre liegt an der Stelle des alten, ſchon im Buche der Richter erwähnten Ako, Das im Buche Judith Ochina genannt wird *); die Gries chen nannten es Affa oder Akko. Der Name bedeutet Heilung. Nach der mythologifhen Erzählung fand Herfules, den eine Schlange gebiffen hatte, unweit Akka, am Fluſſe Bellus, jet Kerdane, ein Kraut, Co⸗ locafia genannt, Durch welches er geheilt wurde. Die Botanifer finden auch jegt in der Umgegend eine ähn- liche Pflanze **).

Der Bellus, oder Kerdane, von dem Plinius aus- führlich fpricht, fallt unweit Acre ins Meer. Die Be- ftandtheile feines Sandes haben zu der Erfindung des Slafes geführt; er fommt noch heute, wie im Alter: thum, aus Moräften. An feinem Ufer fteht eine Mühle und rechts von diefer fließt noch ein anderer Bad), der den Namen Zanus führt. Zwifchen dem leßteren und der Mühle ftand bei der Belagerung von St. Jean d'Aere die Armee Bonapartes. Joſephus fpricht von einem prachtvollen Denfmale an den Ufern des Bellus***), Zur Zeit der ägyptiſchen Ptolemäer erhielt Acre den Namen Ptolemais, wie e8 in den Büchern der Maffa- bäer genannt wird; während der makkabäiſchen Kriege

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*) B. ver Richter 1, 31. Judith 2, 28 (nad) dem griechi⸗ fhen Texte). Plinius hist. nat. XXX VI. 26,19. Taecitus. Hist. V. *) Reland 337. "*) Josephus de bell. Jud. 2, 9, 415*

228 Reunzebntes Kapitel.

war ed, wie auch noch jet, ein wichtiger flrategifcher Punft. Plinius nennt es eine Eolonie des Claudius Cäſar. Die Eitadelle behielt, wie es jcheint, immer den Namen Alta”). Im Jahr 638 fam die Stadt in die Gewalt des Khalifen Omar, wurde aber 1104 den Sarazenen durd Balduin wieder entriffen und blieb im Befiß der Chriften bis zum Jahr 1187, wo Sala— din nach der Eroberung Jeruſalems auch Acre nahm, welches ihm aber vier Jahre fpäter durch Richard Lo- wenherz und Philipp Auguft wieder abgenommen wurde, worauf es beinahe wieder ein volles Jahrhun- dert in den Händen der Chriſten blieb, denen es uls Stügpunft aller ihrer Kriegdoperationen diente, und Die verfchiedenen chriftlichen Mächte hatten bier ihre Eurien, deren die Gefchichtsfchreiber neunzehn mit Na- men nennen**”) Die verfehiedenen Intereſſen der chriftlihen Mächte aber waren der Grund zu bejtändi- digen Uneinigfeiten, die endlich, wie den Verluft des ganzen Landes, fo aud) den Sturz Ncres herbeiführten, welches der ägyptiſche Sultan Seraf, oder Halil, Sohn des Kalaun, nad) einer fürchterlichen Belagerung, bei der 60000 Ehriften Das Leben verloren, im Jahr 1291 eroberte und dadurch der Herrfchaft der Chriften in Paläftina ein Ende machte, welche Acre noch zu halten fuchten, nachdem ſchon das ganze übrige Land verloren war. Die von Omar erbaute Moſchee war während

--.. .—

*) Harpocration. Suidas. Lexie. *) Quaresmius Il. 897.

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Acre oder Ptolemals. 229

der chriſtlichen Herrſchaft in eine chriſtliche Kirche ver⸗ wandelt worden, die dem heiligen Johannes geweiht war und nach ihr erhielt die Stadt den Namen St. Johannis, oder St. Jean d'Acre, der ihr bis heute ge— blieben ift; die Araber aber nennen fie mit ihrem alten Namen Akka.

Im Sahr 1517 wurde Acre von den Türken ges nommen. Das Mißlingen der Belagerung Bonaparteg, 1799, erhöhte die riegerifche Bedeutung diefes Plabes. Die Ausdauer des Paſcha Dſchezar und der Befaßung, die von dem englifchen Admiral Sidney Smith unter- ftüßt wurde, machte alle Anftrengungen Bonapartes zu Schanden, der gehofft hatte, Durch die Einnahme diefer Feftung im Orient feften Fuß zu faffen, um die Hülfe des Direktoriums erwarten zu können. Merkfwürdig bleibt e8, Daß damals eine chriftliche Armee Das ganze Land durchziehen fonnte, ohne nur einen Blick auf def- fen Heiligthümer zu werfen.

In neuerer Zeit hat Ibrahim Paſcha nach vielen blutigen Verſuchen und nach einer langen Belagerung Acre mit Sturm genommen. Der Bafha Abdallah legte damals nicht weniger Zapferfeit und Ausdauer an den Tag, als Dichezar bei der Belagerung durd) die Franzoſen und ergab fich erft, als die ganze Stadt in Trümmern lag und drei Viertel der Garnifon durch das Schwert und Hunger umgefommen waren, Ibrahim Paſcha hielt die Eroberung diefes Plaßes für eine fet- ner größten Thaten. Bei einem Befuche, den ich ihm machte, fing er felbft davon zu fprechen an, wobei er

2330 Neunzehntes Kapitel.

mehr als ein Mal wiederholte: „Sa, Napoleon konnte es nicht nehmen *.

Im Jahre 1799 war Acre noch ein Fifcherdorf, das auf den Trümmern der alten Stadt erbaut war, Die feit der Zerftörung (1291) den Namen Ahl Harab (d. i. Volk der Verwüftung) führte. Sceifh Dſchezar, fein Name, den ihm das Volf gab und den er nicht zurüd- wies, bedeutet. Henfer einer der fchlechteften und graufamften Tyrannen, Die der Orient gefehen, be- feftigte e8 von Neuem und machte es zugleich zu einem Handelsplage. Dfehezar war von Geburt ein Bosnier und von niedriger Herkunft und fchwang fi) bis zum Bezier empor, bedrohte die Pforte und fchuf Acre.

Gegenwärtig hat Acre das Anfehen einer bedeuten- den Feftung ; es liegt auf einer fandigen Landzunge, ift an zwei Seiten vom Meere befpült und bildet ur- fprünglich beinahe ein Quadrat, Ddeffen eine Ede dem Lande, die andere Dem Meere zugerichtet ift. An der Uferfeite wird es Durch zwei Reihen fefter Mauern gefhügt, e8 hat ein Glacis von Stein und fieben Ba- ftionen mit Thürmen. Die Gräben find tief und breit. In der Entfernung eines Kartätfchenfchuffes erhebt fich vor der Zeitung ein Sandhügel, der die Operationen der Belagerer deden fann.

An der Pforte der zweiten inneren Mauer fah ich die Abbildung des venetianifchen Löwen, wie in Je— rufalem. Die Erinnerung an das Kreuzheer, deſſen ruhmvolle Thaten und Unglüd, und der Gedanke an das Jod) der Ungläubigen, das noch immer auf dem

Acre oter Ptolemais. 231

heiligen Lande liegt, stiegen bei dem Anblick dieſes Wappens lebhaft in meiner Seele auf. Die Verwüſtung im Innern der Stadt ift auch jegt noch überraſchend. Ueberall fieht man zerjtörte Mauern und von Bomben zeriprengte Gewölbe. Leber Trümmerhaufen, unter dem Lärm der arbeitenden und auf dem Bazar ſich drangenden Menge, und indem wir Die Reiben belus dener Kameele dDurchbracen, ritten wir in Acre ein. Die Stadt hat fait lauter ſchmale, durch Bogen ver: bundene Häufer, und wie in Kairo, fo it auch bier jede Straße durch ein beionderes Thor verfchloffen. Die Bauart der Stadt ift für die Bertheidigung von wes fentlihem Bortheil, denn ſelbſt wenn die äußeren Bes feftigungen fhon in den Händen der Feinde find, fan jedes Haus noch als Schanze dienen, Die befonders ges nommen werden muß, wie man hier faft bei jeder Be- lagerung gejeben bat.

Non den großen Kirchen, welche die Kreuzführer zu Ehren der Heiligen Zobannes, Nikolaus, Andreas, Sabas erbaut hatten, iſt jede Spur verſchwunden. Der Streit der Benetianer und Genueſen wegen der lichers tefte des heiligen Sabas, die von Acre nad) Venedig gebracht worden find, ift befannt; darf man fi da noch über das Unglück der Kreuzfahrer wundern, die fo oft vergaßen, daß der Geiſt der Sintracht und Bruder: liebe fie befeelen ſollte!

Ich richtete meine Aufmerkſamkeit hauptfüchlich auf den füdlich gelegenen Hafen; bier fiebt man noch auf dem unter Waffer ftchenden Felſen des ehemaligen

2332 Neunzehntes Kapitel.

Molo die Trümmer des in der Gefchichte berühmt ge: wordenen Fliegenthurms. Die drei unter Waſſer ftehenden Felſen mit ihren Trümmern bilden jeßt den Molo des Hafens von Acre, der eben fu gefährlid) ift, wie alle übrigen Häfen der fyrifchen Küfte.

Mein Dragoman fchlug mir vor, in El-Bagtfche, dem eine halbe Stunde vor der Stadt gelegenen Land- hauſe des früheren Paſcha Abdallah, zu übernachten. Die Sonne neigte fidy ihrem Untergange zu, als wir bier anfamen. Während mein Dragoman dem Paſcha meine Ankunft meldete, blieb ich in einem duftenden Wäldchen von Fruchtbäumen, welches die Mauern des Schloſſes umgiebt. Bald erfhien ein Kawaß mit einer gaftfreundlichen Einladung und einer Entfhuldigung des Pascha, der nicht felbft herausfommen fonnte, weil er fich bereits in feinen Harem zurüdgezogen hatte.

Als ich eintrat, wurde ich durch die hinter den hohen Mauern verftedte Pracht angenehm überrafcht. Der Pforte gerade gegenüber führte eine Marmor- treppe auf eine breite Terraffe, die ganz von weißem Marmor erbaut war und auf der fich vier prachtvolle Kiosfe erhoben. In der Mitte der Zerraffe war ein viereckiges Wafferbeefen, in welchem ein Springbrun- nen plätfcherte, in dem fich die Abendröthe fpiegelte. Am Fuße diefes Prachtgebäudes wogten die dichten Gipfel der Apfelfinen-, Lorbeer: und PBomeranzen- bäume, hinter denen einige fchlanfe Palmen, Eypreffen und Bananen hoch in die Luft hinaufragten. Am Fuße jedes der vier Kioske waren ebenfalls Springbrunnen,

Acre over PBtolemais. 233

deren Plätfchern fih mit dem Flüſtern der duftenden Bäume vermifchte. Die Wege waren theils mit Mar- mor, theils mit Mofaif belegt. In einem dieſer vier Kioske wurde mein Nachtlager bereitet. Ungeachtet meiner Müpdigfeit wandelte ich Doch noch lange finnend und flaunend in diefem feenartigen Garten hin und ber. Aber Die füßeiten Gefühle werden an dieſem Orte verbittert, wenn man der fchredlichen Begebenheiten gedenft, die in dem Thule von Acre ſich zugetragen haben. Diefe Berge von Marmor wurden von den Henfern Dichezar und Abdallah aufgethürnt.

Mit Anbruch der Nacht hatte ich mich auf dem wei- hen PBolfter meines Divans niedergelegt und war bei dem Plätfbern der Springbrunnen eingeichlummert, aber ein eigenthümliches Geräuſch, das immer jtärfer wurde, und das ich Anfangs für ein Raufchen des Waſſers hielt, traf mein Ohr und hinderte mid) feft einzufchlafen, bis ich endlich, munter, mid entichloß, wieder aufzuftehen. Der Mond fchien hell; faum aber öffnete ich die Thür meines Kiosf, als ic durch dus Quaken vieler Millionen von Fröfben, mit denen das Marmorbeden und alle übrigen Waſſerbehälter des Gar⸗ tens angefüllt waren, faft betäubt wieder zurück prallte. Diefe prachtvolle Wohnung war wie durch den Zauber: ftab einer Zee in ein Reich der Froͤſche verwandelt, und während der ganzen Nacht Eonnte ich fein Auge fchließen. Ohne auf Das Zureden des Kawaflen zu achten, verließ ih) mit Anbruc des Zages die prachtvolle Einfiedelei feines Herrn.

Zwanzigstes Anpitel. Don Acre nad) Tyrus.

Ach wer iſt jemals auf dem Meer ſo ſtill ge⸗ worden, wie du, Tyrus?

Heſekiel 27, 32.

Früh um 6 Uhr verließen wir El=-Bagtfche; der Weg von hier geht länger als drei Viertelftunden an den malerifchen Bögen einer Wafferleitung hin, Die nad) dem Berge El-Kapre führt. Wir ritten bei dem Dorfe Esmerieh vorbei. Die Landſchaft iſt hier offen und der Boden wellenförmig. Eine Viertelftunde von Esmeriel fieht man ein Landhaus des Abdallah Paſcha, Diehennet ul-Mesr genannt. Die Bögen der Waſſer— leitung treten bier dem Wege näher. Der Garten bei dem Landhaufe ift reich an Ayfelfinen-, Lorbeer- und Cypreſſenbäumen und liegt mitten zwifchen Weinbergen. Näher den Bergen zu liegt der Ort El-Ferdſche, an einem Bache ; gerade vor liegt das Cap Nakur, welches man wegen feiner weißen Farbe fehr weit fehen fann;

Bon Acre nach Tyrus. 235

rechts bildet das Gebirge ein malerifches Amphitheater; links am Ufer liegt der Flecken Sib, das alte Adyfib, nach Sofua*) an der Grenze des Stammes Affer. Wir famen bier durch das Bett eines Buches und erreichten gegen neun Ubr die Bergfette, welche den Weg zu ver: fperren ſcheint, Das Vorgebirge Nafur, mit zwei Vor: fprüngen, auf deren einem ein fteinernes Gebäude mit einen Eleinen Kaffeehaufe ſteht. Hier war die Grenze Phöniziens. Von dem zweiten Vorfprung hat man einen ganz verfhhiedenen Horizont, die Maffen der Drufen- gebirge, einen Theil des Libanon und das zadige, Flips penreiche Ufer. Steigt man von Nafur hinab, fo kommt man, dicht am Ufer einer Fleinen Bucht, an einen vier: edigen Thurm, in deſſen Nähe ebenfalls ein Kaffees haus ſteht. Wir lagerten uns bier im Schatten einiger Apfelfinenbäume. Hier ift vielleicht die phöniziſche Stadt Hoffa zu ſuchen **), die in den Acten des chalce- doniſchen Concils und in fircheuhiftorifchen Werfen Sofus genannt wird und Sig eines Bifchofs war***), Rachdem wir zwei Etunden ausgeruht, ritten wir wei— ter. Eine Biertelitunde von da, gerade in der Mitte der Bucht, fieht man auf einem Hügel bedeutende Rui⸗ nen, Omm-Hamid genannt, in deren Mitte fi, wie Geſpenſter, zwei Säulen von weißem Marmor erheben,

*) Joſua 19, 29. 12, 20. *) Joſua 19, 29.

***) Reland: urbs Palaestinae primae Episcopatu in- signis. (p. 1021).

236 Zwanzigiics Karitd.

eine mit forinthifhem Kapitäl, die andere oben abge- broden. In den felienartigen Hügeln am Strande fieht man viele Begräbnißhöhlen. Hier war die Nekro⸗ polis. Wahrſcheinlich war an dem Vorgebirge Nakur der Hafen, und die Stadt Sojus ſelbſt lag an der Stelle, wo man jet die Ruinen findet. Ganz nabe von bier fieht man ein zerftörtes Torf und bei dieſem einen Brunnen mit reichen architektoniſchen Berzierun- gen. Dieſe Stelle wird Ain Jskenderani, d. i. Aleran- dersbrunnen, genannt und der Name zeigt Deutlich, DaB man hier Alexandro⸗Schoene ſuchen fann, welches in dem alten Wegweiſer von Bordeaur Mutatio, d. i. Station genannt wird. Bahricheinlich ftand hier nie eine Stadt, ſondern nur eine militärifhe Station in der Nähe des tyriihen Engpafles. Einige Gelehrte wollen Alerandro- Schoene jenfeit des Pafles ſuchen, dies würde jedod) nicht mit der Entfernung von 12 italienifchen Meilen ftinnmen, welche das Stinerarium angiebt, und überdies läßt fi) wohl annehmen, daß der Pag von vorn ver: theidigt wurde. Alerandro-Schoene ift wahrfcheinfich derfelbe Drt, der in der Gefchichte der Kreuzzüge San- dalium genannt wird. Gegenüber demfelben, jenfeit der zweiten Bergfette, hinter einem Berge mit runder Kuppe, follen fih noch bedeutende Ruinen finden, wo noch dreißig Säulen ftehen, wie mir meine arabifchen Begleiter fagten. Den Ort nannten fie ganz einfad Deir, d. i. Klofter; er ift unbewohnt. Der Lage nad zu urtheilen, fönnte man es für Sebulon halten, das

Bon Acre nach Zurus. 237

nad) Joſua zum Stamme Affer gebörte*) und au der Grenze von Tyrus lag**). Zofephus ***) ſetzt es in Die Nähe von Ptolemais oder Ucre, Ich bedaunerte, daß ich Diefe Ruinen nicht befuchen Eonnte.

Eine Stunde von dem Vorgebirge Nakur beginnt die Steigung zu dem weißen Borgebirge, wie es nad der Farbe feiner Kalkfelfen genannt wird, die man auf dem Meere wie auf dem Lande in großer Entfernung fieht, eben fo wie Die des Vorgedirges Nafır. Das weiße Borgebirge ift die berühmte Scala Tyriorum. Auf dem Wege, der hinauf führt, fiebt man noch die Ueberrefte eines alten Pflaſters. Scala Tyriorum nennt man den mit großer Mühe in den Felfen des weißen Borgebirges gebauenen Weg, der dicht am Rande des Meeres hinführt und durch einen Stein— damm gegen den Andrang der®ogen gefehügt iſt. Der Weg ift etwa anderthalb Klafter breit und zwanzig Minuten lang und führt an einigen Stellen treppen- artig abwärts. Wie alles Außerordentliche führen ihn die Bewohner der Umgegend auf Salomo zurüd, aber auch dann, wenn er aus jener Zeit wäre, müßte er ein Werk Hirams von Tyrus fein; nad) der gewöhnlichen Anfiht bat Alexander der Große diefen Weg in den Zellen hauen Lauffen. Die höchſte und geführlichite Stelle des Paſſes wird Bab ul Mogur (Höhlenpforte)

*) Iofua 19, 27. **) Reland p. 1063. » Joſephus III, A.

238 Zwanzigfte Kapitel.

genannt und man erzählt, Daß ein berühmter arabifcher Stammeshäuptling, von Feinden verfolgt, von diefer Höhe herab in das Meer gefprungen fet.

Von hier öffnet fich eine prachtvolle Ausficht auf das ganze tyrifche Ufer, das in einem Halbfreife vor Einem liegt, in deffen Mitte Tyrus wie eine Infel erfcheint. Das Ufer ift ziemlich flach, und den Horizont begrenzen einige Ketten nicht allzuhoher Gebirge, hinter Denen fih eine einzelne Felſenmaſſe mit ſchneebedecktem Gipfel erhebt: es ift der Hermon, hier Dſchebel Sanin (Spißberg) genannt.

Cine halbe Stunde hinter der Scala Tyriorum ritten wir über eine alte Brüde, die über einen ausge- trodfneten Bach führt. Das Meeresufer wird hier all mälig immer fandiger und bald fieht man einen nicht unbedeutenden Flecken vor fih, Ras ul-Ain oder Quel- lenhaupt genannt, wo ſich noch mehrere Brunnen aus den Zeiten Salomos erhalten haben, auf welche fidh die Worte des Hohen Liedes Kay. A, 15 beziehen fol- Ten; e8 find deren fünf, theils achtedig, theils viereckig gebaut und mit Wafferleitungen verbunden, die nad) verschiedenen Seiten führen. Drei Ddiefer Brunnen find noch jet in vollem Gange und fehr tief und Das Waſſer ftrömt in reichlicher Fülle. Man fagt, daß die Duelle, aus welcher das Wafler fommt, bis jebt nod) nicht befannt fei.. Die Wände der Brunnen find aus Fleinen Steinen gemauert, die mit Meeresfand verbun- den find; dieſe Maffe ift beinahe fo feit, wie ein ein- ziger Stein, Sie erheben fi fünf Ellen über den Bo-

Bon Arte nach Tyrus. 239

den und das Wafler fteigt nidyt allein bis an den Rand, Sondern fließt fogar zuweilen über. Brocard, in der erften Hälfte des Dreizehnten Jahrhunderts, fah die Brunnen in Demfelben Juftande, Die Tiefe diefer . Brunnen tft bis jeßt noch nicht ergründet, es giebt da- ber Zeute, welche vermuthen, daß den Phöniziern ſchon die jegigen artefifchen Brunnen befannt waren. Hier war der Schlüffel des gungen Bewäſſerungsſyſtems der Umgegend von Zyrus und man fieht noch heute die Bögen der Wurfferleitung, welche nach Inſeltyrus führte. Ras ul-Ain ift ein Tiebliches Aſyl zwiſchen üppigem Grün im Schatten großer Bäume, und wahrfcheinlic lag bier Balaetyrus, oder das alte Tyrus*). Hier war Das Lager Aleranders des Großen**). Die ägypfi- Ihe Regierung legte jeßt eben hier eine Baumwollen- fpinnerei an. Ras ul-Ain Tiegt eine halbe Stunde von Tyrus, das ift dieſelbe Entfernung, welche Strabo für Palaetyrus angiebt, nämlich 30 Stadien oder 5 Kilo» meter und 125 Klafter.

Tyrus liegt in der fchredlichen Verwüftung , Die in der Bibel geweiffagt if. Mit dem feften Lande nur durch einen ſchmalen Sfthmus verbunden, wird es von allen Seiten von dem tobenden Meere umfpült, als ob e8 follte von feinen Fundamenten herabgeriſſen wer-

*) Im Buche Judith Zoo genannt; auch im Periplus des Sfylaz FZovpa tvolwv nodıs. Reland 1023.

*) Plutarch v. Alex. S. auch Relund 918. Wir fpre: chen unten noch mehr von diefer Stadt.

240 Zwanzigites Kapitel.

den ; die brüllenden Wogen, die fi) über die Trümmer wälzen, fcheinen zu rufen: „Du bift meine Beute!“ und das von der Seite des Feitlands immer anwadh- ende Land Scheint die legten Ueberreite in den Abgrund ihleudern zu wollen...... Diejes Bild ergriff mid) fo, daß ich mich, ohne in Die Stadt zu reiten, am Mee⸗ resftrande niederfeßte und, von den Wellen benegt, bald die tobende See, bald die Durchlöcherten Mauern der zerftörten Stadt betrachtete.

Zyrus bat bei den Arabern feinen alten Namen Sur oder Sor behalten, nad) welchem das ganze Küften- land Syria oder Soria genannt wurde. Der Iſthmus, weldyer Die Inſel mit dem Lande verbindet, ift der Damm, welchen Alexander der Große erbaute, der da- durch erft die Stadt nad) einer langen Belagerung er- obern konnte. Eine Pforte mit einem Thurme, wo ein Wachtpoften fteht, führt in die Stadt. Wir nahmen unfere Wohnung in dem Haufe eines Griechen, eines Bekannten meines Jakub. Die Fenfter meines Zim- mers hatten die Ausficht nach dem Ufer des Zeftlandes und den inneren Hafen, deffen halbzerftörte Mauern und Thürme den Vordergrund bildeten, während in weiter gerne fich der Schneegipfel des Hermon erhob. Auf den Ruinen hatten Fiſcher ihre Nege ausgefpannt. Noch immer ift Die Weiffagung des Propheten nicht verſtummt: „Siebe ich will an dich, Tyrus; und will viel Heiden über Dich heraufbringen, gleichwie fich ein Meer erhebt mit feinen Wellen. Die follen die Mauern zu Zyrus verderben, und ihre Thürme abbrechen; ja

Ton Acre nach Tyrus. 241

ich will auch den Staub von ihr wegfegen, und will einen bloßen Fels aus ihr machen; und zu einem Wehrd im Meer, darauf man die Fiſchgarne aus- fpannet; Denn Ic habe es geredet, ſpricht der Herr Herr”).

Der gewaltige Hermon, deſſen Schneegipfel faft den Himmel anragen, it ohne Zweifel der Berg Sanir, von dem der Prophet fpricht**); er gehört zu der Kette des Libanon und erhebt fid) über 12000 Zuß über der Meeresfläcdhe. Wie Tyrus, jo hat auch der Hermon bei den heutigen Arabern feinen alten phönizifchen Namen Sanir oder Sanin behalten, der ſchon im fünften Buch Mofes genannt wird, wo wir wörtlich leſen: „Bis an den Berg Hermon, welden die Zidonier Eirion heißen, aber die Amoriter heißen ihn Senir ***)*. Die Tyrier verforgten fi in den heißen Sommermonaten mit Eis vom Gipfel diefes Berges.

Eine orientalifhe Tradition erzählt: Als die Kin- der Seths von Adam von dem glüdlichen Leben im Puradiefe hörten, wollten fie daffelbe Glück erringen und gingen deshalb auf den Berg Hermon, wo fie ein gottesfürdhtiges und feufches Leben führten, weshalb fie Kinder Gottes genannt wurden +). Man glaubt

*) Heſekiel 26, 3 —5. ””) Heſekiel 27, 5. **, 5. Moſ. 3, 9. Zuweilen wurde er auch Sion genannt. Ebend. 4, 48. +) D’Herbelot. Noroff's Reife nach Paläftina. II. 16

242 Zwanzigited Kapitel.

bei ihnen ſchon den Urſprung der Klöfter entdeden zu können. Als aber die Kinder Gottes nad) den Töch- tern der Menſchen fahen*), da galten aud fie für gottlos **).

) 41. Moi. 6, 15. *) Hilar. in comment. in Psalm. 133. Apud Reland p. 323. Benjam. v. Tudela 1. p. 60.

Einundzwanzigstes Kapitel. Tyrus.

Denn Tyrus bauet feſt und ſam⸗ melt Silber wie Sand, und Gold wie Koth auf der Gaſſe; aber ſiehe, der Herr wird fie verderben, und wird ihre Macht, vie fie auf dem Meere hat, ſchlagen. Sadharja 9, 3.4.

Noch fchredlicher ift die Verwüftung von der Seite des Meeres; die Kundamente des Hafens, Marmor: fünlen, Capitäle, Gefimje und Ardhitrave der Tempel des alten Tyrus find ein Spielwerf der tobenden Wels len. Fragen wir mit dem Propheten, wer ift fo ftumm geworden wie Zyrus mitten im Meere? Welche Rache hat Er genommen an dem Meere, über das es herrichte? In den Wellen fuchte ich felbit die Ueberrefte feiner ehemaligen Größe. Bis an den Gürtel im Wafler, von einem Marmorſtück zum andern fehreitend , erreich- ten wirden vorderiten Molo des alten Tyrus, der unter der weißen Dede des Meeres in der Form eines Kreus zes erfchien. Ein fehweres Kreuz, dachte ich, ſchwerer

noch als das Kreuz von Granit in der Tiefe des Meeres, 16°

244 Einundzwanzigſtes Kapitel.

auf dem es gegründet iſt, trägt das unglückliche Tyrus. „Darum, daß Tyrus ſpricht über Jeruſalem: Heah, die Pforten der Völker ſind zerbrochen, es iſt zu mir gewandt; ich werde nun voll werden, weil ſie wüſte iſt, darum ſpricht der Herr alſo: Siehe, ich will an dich, Tyrus; und will viel Heiden über dich heraufbringen, gleichwie ſich ein Meer erhebt mit ſeinen Wellen. Die ſollen die Mauern zu Tyrus verderben, und ihre Thürme abbrechen; ja ich will auch den Staub von ihr wegfegen, und will einen bloßen Fels aus ihr machen und zu einem Wehrd im Meere, darauf man die Fiſch— garne auffpannet * dieſe Weiffagung ift zweimal von Hefefiel wiederholt. Um die volle Größe des Unglüds zu erfennen, welches die Stadt durch die Belagerung Nebufadnezar’s heimfuchte, muß man die Weiffagung bei Hejefiel felbft lefen *).

Das phöniziihe Wort Sur bedeutet Zelfen; die Inſel, auf welcher Tyrus erbaut war, tft ein fahler Felſen, der die Gejtalt eines Hammers hat, deſſen Griff der Sfthmus bildet. Auf diefem legteren ftehen noch einige ärmliche Häufer, der obere Theil aber ift wie ein bloßer Fels, wie Hefefiel gefagt hat, nur an einigen Stellen am Rande, hinter Den Häufern, find noch einige fleine Gemüfegärten. Bon dem vorderen Molo, wo einft die Schiffe aller Nationen anferten, und wo der fogenannte ägyptifche Hafen war**), fieht man nur

*) Heſekiel 27 und 28. ”) Strabo 14.

Tyrus. 245

den unter Waſſer ſtehenden Unterban, in Geſtalt eines Kreuzes, und einige Ruinen. Benjamin von Tudela ſagt, daß man zu ſeiner Zeit noch in der Tiefe des Meeres die Fortſetzung der Straßen und die zerſtörten Thürme des alten fronentragenden Tyrus ſah. Der ins nere Hafen war von Norden und Süden, d. h. zur Rechten und zur Linken, Durch einen anderen Molo ges ſchützt. Von dem nördlihen Molo kann man nod einige Trümmer fehen, der füdliche hingegen ift, bis auf eine unter Waffer ftehende Ruine, ganz vom Meere weggefpült. Die Schiffe legen jeßt hinter Den Ueber—⸗ reften des nördlichen Molo vor Anfer, gegenüber einem auf der Inſel errichteten Leuchtthurme. Die Stadt und die inneren Häfen waren an der Ilferfeite, zu beiden Seiten des Sfthmus, durd Mauern und Thürme ge- Ihüßt, die aus dem Wuffer hervortreten. Der Ein | gang in die Häfen, vom Meere her, wurde in Kriegss zeiten durch Ketten geichloffen, die von den Edthürmen der vorderen Hafendämme zu den Edthürmen Der inne- ren Häfen gingen. Colche Ketten hatten noch im zwölften Jahrhundert manche Städte, um fich vor See- räubern zu ſchützen *).

Die Ruinen der Hafendänme nebft drei oder vier, zum Theil dem Einfturz nahen Thürmen, bilden Die größte Zierde der verwüfteten Stadt, wo man zwifchen den erbärmlichen Lehmbütten faum noch zehn ordent- liche Hänfer findet. Wo einft die Kaufleute von Tyrus,

*) Benj. v. Tudela.

246 Einundzwanzigſtes Kapitel.

die Jeſaias Könige der Erde nennt, ihre Cchiffe nad allen Ländern entjendeten, da betreiben jeßt zwei Fak⸗ toreien, die als Niederlage für eine unbedeutende Quantität Getreide und Baummolle dienen, die Ge: Ihäfte einiger Küftenftädte Syriens und ich glaube faum, daß die heutige Stadt mehr als 200 Wohnungen und 2000 Einwohner zählt.

Das alte Tyrus nahın das ganze der Inſel gegen: überliegende Ufer ein und erftredte fich öſtlich eine Viertelſtunde weit landeinwärts, bis an die Felfen, Die man von der Stadt aus fehen kann. Ueberreſte von Säulen und einzelne noch erhaltene Bögen einer Waf- ferleitung zeigen den Weg dorthin, Das Wafler wurde von Ras uleAin oder Pulaetyrus hergeleitet und man glaubt, daß diefer Ort älter ift als Tyrus felbft und daß die Einwohner während der Belagerung durch Nebufadnezar auf die JInſel flüchteten, welche fpäter Alexander der Große durch den Iſthmus mit dem Felt: ande verband. Ueber diefen Gegenftand find viele Bermuthungen aufgeftellt worden, die ficherfte fcheint jedoch die zu fein, daß die alte Stadt Tyrus aus zwei Theilen beftand, von denen der eine auf dem Feftlande lag, der andere die Inſel einnahm und daß Palaetyrus den ülteften Stadttheil bildete. Es wäre ſchwer zu erflären, und eine faum zu entfhuldigende Sorglofig- feit, wenn eine fo volfreiche Stadt, die fo vielen An- griffen ausgefegt war, den Schlüffel ihrer Wafferleitungen den Händen der Feinde überlaffen hätte, wenn fle aud, wie wir wiffen, außer jenen, noch andere unterirdifche

Zurus. 247

Waſſerleitungen beſaß. Allerdings finden ſich in der Stadt ſelbſt einige Brunnen, dieſe würden aber nicht einmal für die jetzige Stadt genügen, wenn nicht in der Nähe der Ruinen am Ufer des Meeres ein Brunnen wäre, der durch eine unterirdiſche Waſſerleitung, deren Gang man bis jetzt noch nicht ergründet hat, mit Waſſer verſorgt wird. Es läßt ſich daher wohl annehmen, daß Palaetyrus und Inſeltyrus eine und dieſelbe Stadt waren; und wie letzteres nicht ohne das erſtere beſtehen founte, das der Schlüſſel zu feinen Waſſerleitungen war, fo auch fonnte Palaetyrus nicht ohne den Hafen beitehen, der ihm die Herrichaft über das Meer ficherte. Wührend der Belagerung durch Salmanaffar, 136 Jahre vor Nebufadnezar, war Balaetyrus von Snfel- tyrus abhängig; Salmanaſſar mußte nach Ninive zut= rüdfehren, hob aber die Belagerung nicht auf, fondern behielt die Wafferleitungen von Palaetyrus im Beſitz und biofirte die Stadt mit fechszig Schiffen, was fi unmöglich auf Balaetyrus beziehen fann *). Die Weiffn- gung Heſekiel's, die einige Jahre vor der Belagerung durch Nebukadnezar gefchrieben tft, zeigt, Daß Die Inſel aud Damals einen Theil der Stadt bildete, und daß bier der Hafen war. Der Prophet Zefaias **) nennt Tyrus ebenfalls eine Inſel. Strabo fagt, ganz Tyrus fei eine Inſel***). Wahrſcheinlich erſtreckte ſich ehemals

*) Josephus Antiqu. 8, 2. »*) Jeſaias 23, 3. “*) „Tyrus tota insula est“. Strabo 16.

248 Einundzwanzigſtes Kapitel.

die Inſelſtadt noch weiter in das Meer, wie die Lagu— nen in Venedig, das in mancher Hinſicht mit Tyrus Aehnlichkeit hat. Der König Hiram bittet in feinen Briefe an Salomo, ihm für das zum Zempelbau gelie- ferte Bauholz Getreide zu ſchicken, weil die Tyrier, als Infelbemohner, feinen Aderbau treiben. Der Tempel des olympiſchen Jupiter in Zyrus fand auf einem be: ſonderen Felſen, wahrfcheinlich demjelben, den man noch jeßt in dem inneren füdlichen Hafen fehen kann.

Nach der Befchreibung, welche Hefekiel von der Pracht diefer Stadt giebt, der fie mit einem Cherub vergleicht, der unter feurigen Steinen wandelt, ift jede andere Befchreibung überflüffig.

Die tyrifhen Phönizier waren die Erften, welche eine Voritellung von der Größe der Erde gewannen, für deren Grenze man früher die Säulen des Herfules hielt ; fie waren die Columbus der alten Welt. Terra- rum orbis avida Tyrus fagt Plinius*). Alle Wiſſen⸗ (haften fanıen von Phönizien nah Griechenland; Kadınus, der Erfinder der Schrift, war befanntlich ein Phönizier, Die Tyrier umſchifften Afrika, entdeckten Zaprobane und Indien, fuhren bis in den perfifchen Meerbufen und das rothe Meer und von der andern Seite nad) England, und wurden bis nach der Inſel Thule, d. i. Island, verfhlagen. Die Griechen erfuhren erft nach der Eroberung von Tyrus dur Alerander den Großen, daß es eine Inſel Thule

*) Plin. I. N., V. 19.

Turud. 249

gebe *), wie man glaubt, durch turifche Scefahrer, denn. oft pflegten Die Tyrer ihre Entdeckungen geheim zu hal⸗ ten, um Die Vortheile für den Handel nicht mit anderen Nationen theilen zu müfen**. Der alte Name Js⸗ lands ift nad) der Erklärung des gelehrten Bochart phö⸗— nizifchen Urſprungs und bedeutet die düſtere Anfel***), Ueberall, wo die Phönizier Entdedungen muchten, fiedelten fie Eolonien an, Eine derjelben war Carthago, das ihnen aber bei der Belagerung durch Alexander feine Hülfe leiſtete.

Tie Gründung der Stadt Tyrus füllt in das graue Alterthum, und man fchreibt fie dem Thiras, einem Sohne Japhet's, zu +); die erſten Spuren eines turifchen Staats aber finden fih tm Buche Sofa, wo Tyrus eine feſte Stadt genannt wird +7). Die Belngerungen durch) Salmanaſſar, Nebukadnezar und Alexander den Gro; Ben find bekannt. Nebufadnezur belagerte Tyrus dreisehn Jahre fang, aber die Hülfsquellen dieſer Stadt waren fo groß, Daß fie ſich nach allen Drangſalen, die fie erduldete, wieder zu den früheren Glanze erboß, wie von den Propheten geweilfagt war. Nach Aleran- ders Tode ging Tyrus bald an die felencidifche Mo— narchie und ſpäter an die römiſche über und unter

*) Bochart, Geogr. Sacr. Chanaan I, 40. ) Strabo III. ***) Bochart, ibid. Geziret Thule. Tas phöniziſche Wort Geziret, Injel, bat im Arabifchen Diefelbe Bedeutung. +) 1. Mof. 10, 2. Bervfus. jr) Joſua 19, 20.

250 Einundzwanzigſtes Kapitel.

Hadrian wurde es wieder die Hauptitndt Syriens, deifen Schickſale es fpäter tbeilte. Bon den Kreuzfah— rern nen erbaut, kam es gegen Ende des Dreizehnten Sahrhunderts in die Gewalt der Moslemen. Damals verließen faft alle Bewohner, welche dus Schickſal Acres fürchteten, in einer Nacht die Stadt, flüchteten nach den Inſeln und Ufern des mittelländifchen Meeres und überließen den Felſen feinem berühmten Namen und einigen Fiſchern.

Der Erlöfer der Welt kam auch in die Gegend von Tyrus und Sidon*. Nach der paläftinifchen Tradi— tion war es bier, wo ein Weib aus dem Volke, während er redete, die Stinme erhob und rief: „Selig ift der Zeib, der dich getragen hat und die Brüfte, Die du ge- fogen haft!“ Zur Zeit der Kreuzzüge zeigte man, an der Stelle, wo jegt Die Ruinen der Cathedrale ftehen, noch den Stein, auf dem der Erlöfer damals faß; er wurde fpäter von den Venetianern weggenommen und liegt jegt in der Kirche St. Marcus in Venedig. Hier war es auch, wo eine Frau Durch die Kraft ihres Glau— bens die Genefung ihrer befeffenen Tochter erlangte, worauf fih Schon die Worte des Pſalms**): „Die Tochter Zor wird mit Gejchenf da fein, Die Reichen im Volk werden vor dir flehen“, beziehen follen. In der Apoftelgefchichte lefen wir, daß der heilige Paulus auf feiner Reife von Enpern nach Serufalen bier eine chrift-

*) Ev. Matth. 15, 21. Mare. 7, 24. ++), Di. 45,13.

Tyrus. 251

liche Gemeinde fand, an deren Spitze ſpäter berühmte Bi- ſchöfe ftanden, unter denen namentlich Wilhelm von Tyrus befannt iſt. Drigenes bat hier fein Leben beichloffen ; fein Grabmal zeigte man noch im elften Sahrhundert. Bon der Bathedrale, in welcher einft der gottesfürdhtige Eufebius, Biſchof von Cäſarea, Tehrte, find noch bedeu- tende Ruinen vorhanden ; fie liegen an der füdsjtlichen Spitze der Inſel, und ich habe fie felbit befucht. Einige große Säulen zeigen noch den ehemaligen Glanz Diefes Zempels. Ich itieg Die halbzerftörte Treppe in einem Thurme hinan, um das Bild der Verwüſtung zu über: Schauen und die Sonne in die braufenden Fluthen bin abfinfen zu fehen, die ſolche Pracht verfchlungen haben. Der ſchneebedeckte Gipfel des Hermon, des phönizifchen Sanir, an dem die lebten Strahlen des Tagesgeftirnd verlofchen, bewahrt in faltem Schweigen die mahre Ge- Ihichte der Vergangenheit.

Zweinndzwanzigstes Kapitel. Sion.

Du magft wohl erfchreden, Zidon ! Jeſaias 23, 4.

Und Jeſus ging aus von dannen, und entwich in die Gegend Tyrus und Sidon. Ev. Matth. 15, 21.

In einer ftillen Mondnacht reifte ich von Tyrus ab, gegen drei Uhr des Morgens, und fehlug Die Richtung nah Sidon ein. Am Abend vorber hatte ich mir vom Manur einen Befehl erwirft, daß mir das Stadtthor geöffnet würde.

Ter Weg führt Dicht um Strande des Meeres hin, das brüllend an das Ufer ſchlägt. Mit Sonnenauf gang fah ich die Ruinen el- Kasmie; e8 find Die eber- refte eines Schloffes Fakhr ed-Dins. Wir ritten über den ziemlich reißenden Bach, el- Letani, oder Lantani, über eine alte, jedoc) wiederhergeftellte Brücke. Maun- drell, Bocode und Boujoulnt nennen diefes Flüßchen el-Kasmie, nad) dem Namen der Ruine, der Name el: Letani oder Lantani, welchen es jest führt, findet fid

Sidon. 253

aber ſchon bei dem arabiſchen Geographen Ebn Edris *). Es ijt wahrjcheinlich derjelbe Fluß, von dem aud Strabo jpriht, ohne jedoch deſſen Namen zu nen— nen**), Die eben genannten Reijenden feßen hierher die Stadt Ornithon, ich glaube jedody ohne hinläng— lichen Grund, denn nach Strabo lag diefelbe auf dem. hulben Wege zwifchen Zyrus und Sidon, und auf fidos nijchem Gebiet ***),

Bei einer Biegung in der Nähe des Dorfes Zekakia eröffnet fid) ein Amphitheater der an die Wolfen reis chenden Berge des Libanon, das üppige und wilde Ge: biet der Drufen, weldyes der Schneegipfel des Hermon überragt. Die arabifhen Dichter fügen, der Hermon trage an feiner Stirn den Winter, auf feinen Schultern den Lenz, an feinem Bufen den Herbit und zu feinen Füßen ruhe ein ewiger Sommer, Dies ijt ein voll: fommenes Bild des Klimas dieſes Theiles Syriens.

Bon Tyrus bis Zekakia ritten wir drei und eine halbe Stunde. Unweit von hier lag, an dem Abhunge eines Berges, das durch feine Weinberge, feine Kupfer: und Eijenbergwerfe berühmte Zurpath oder Sarepta, einſt eine blühende Stadt Phöniziens. Mofes jugte in feinem Segen über den Stamm Affer, dem Sidon und Sarepta gehören follten, „Eifen und Erz jet an deinen Schuhen“ +). Hierher ging während der allge-

*) Apud Reland, p. 290. 985. **) Strabo 16.

***) Strabo ibid. +) 5. Mof. 33, 28.

354 Zweiuntzwanzigites Kapitel.

meinen Hungersnoth Elias, nach dem Befehle Gottes, und lebte dort im Haufe einer Wittwe, deren Sohn er vom Zode erwedte*). Zur Zeit der Kreuzzüge war Surepta der Sit eines Biſchofs. Antonius der Mär- tyrer fügt, daß zu feiner Zeit noch derHeerd der Wittwe und das Bett des Propheten gezeigt wurden. Man glaubt auch, daß auf diefer Straße die Stelle jet, wo die Frau aus Syrophönice dem Heiland begegnete, der vom Eee Genezareth her in Die Gegend von Tyrus und Sidon fam**).

Eine halbe Stunde von hier 309 das maleriſch ge: legene Dorf el- Zantara meine Aufmerfiamfeit auf fi; es liegt an einer Bleinen Bucht im Schatten üppiger Zorbeer-, Apfelfinen: und Cypreſſenbäume. Man Eönnte eher annehmen, daß hier Ornithon (die Bögelitadt) lag, deren Namen die heiteren MWäldchen noch heute ent- fprechen ; aber auch hier ift nicht die Hälfte des Weges zwiſchen Tyrus und Sidon, welches letztere von hier nur wenig mehr als eine Stunde entfernt ift.

Etwa eine Stunde vor Tyrus ritten wir durch einen fleinen Fluß ***) und etwa eine halbe Stunde von Sidon ſah ich in der Nähe des von Gärten und Wäldern umge: benen Fleckens Seinir eine umgeftürzte Granitfäule, deren Inſchrift meine Aufmerkſamkeit auf fi) zog. Ich

*) 1. Bud) der Könige 17. »*) Sp. Matth. 15. Mare. 7. »*œ) Ich habe den Namen nicht aufgefchrieben ; Pocode nennt ihn Nahrel Zakhrani, Poujoulat Nahr Nafjeil?). Wahr: ſcheinlich ift c8 der alte Eleutheros. Cotovicus, p. 117.

Sidon. 255

konnte Folgendes leſen: caesar ... septimus severus pius ... parthicus ... aurel. anton ... Maundrell, der die Säule noch ſtehend ſah, hat die Inſchrift fols gendermaßen ergänzt: Imperatores Caesares. L. Sep- timus Severus Pius Pertinax, Aug. Arabicus, Adiabenicus, Parthicus, Maximus, Tribunicia Po- tes: VI imp. XI. cos. pro cos. p. p. et M. Aurel. Antoninus Aug. Filius. Ejus... vias et milliaria Fr.... @. Vendidium. Rufum. Leg. Augg.L..IC. Pr. Praesidem .... Provine.... Syriaephoenic Renovaverunt. 1.

Der Eroberer Syriens, Septimus Severus, brachte auf jeder Meile den unterworfenen Völkern feine Triumphe durch Infchriften in Erinnerung. Auf diefer Säule iſt das Land, ebenfo wie im Evangelium *), Sprophönice genannt. Diefes Fleine Denkmal ift über ſechszehnhundert Jahre alt, und wird vielleicht od) lange, in Staube liegend, den Namen des Eroberers des Orients und der Völfer zeigen, die er bezwang, wo man weder feinen Namen noch den der von ihm unters worfenen Völker fennt! ...

Sidon erfcheint nicht in einer folchen Verwüſtung wie Zyrus, die Nebenbuhlerin feines Ruhmes. Die Umgegend von Sidon ift gut bebaut, und überall fieht man Gärten und Wälder. E8 Liegt auf einer fichelfär- migen Landzunge, die malerifch in Die See hinausragt, rings um einen Berg, auf deſſen Gipfel die Eitadelle

*) Ev. Mare. 7,6.

256 Zweiuntzwanzigftes Kapitel.

fteht, und erſtreckt ſich von diefem aus weiter auf der 15 Zandzunge hin. Schwarze, in dem Meere umherge— ftreute Felſen find die Ueberreſte des berühmten, nördlich von der Stadt gelegenen Hafens. Einige dieſer Trüm⸗ mer find jetzt geführliche Klippen, andere dienen noch jetzt einer Fleinen Anzahl von Schiffen in Dielen geführ- lichen Gewäſſern als Zuflucht. Der Hafen wurde mit Sand und Steinen verfehüttet, um die Stadt vor den Angriffen der ägyptifchen und europäifchen Flotten zu Ihügen, und der Druſen-Emir Fakhr ed-Din hat ihn fait ganz zu Grunde gerichtet, Sidon batte, wie Tyrus, einen äußern und einen innern Hafen; die Ueberreſte des äußeren Hafendammes, öftlih von der Stadt, find noch zu fehen.

Sidon tft älter als Tyrus, das ihm feinen Ruhm ftreitig machte. Joſua nennt Sidon die große, und man glaubt, Daß es von Sidon, dem älteften Sohne Canaan's, gegründet wurde*). “Der heutige arabifche Name Saida ift eben fo richtig, wie der alte Name Sidon; Trogus Pompejus leitete den Namen Sidon von einem Worte ab, das.in der phönizifchen Sprache Fiſch bedeutet**), der heutige Name Saida hingegen bedeutet Fiſchfang, wie in Bethſaida, welches über: feßt wird: das Fiſcherhaus***). Sidon war fchon vor Mofes bekannt, wie man aus dem Segen des

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) 1. Moſ. 10, 13. **) Apud Justin. XVIII. 3. ***) Bochart, Geogr. Sacr.

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Batriarhen Jacob fehen kann*). Tyrus war zur Zeit Homers wahrſcheinlich noch nicht befannt, obwohl Zros aus Pompejus fagt, es fei ein Jahr vor der Zeritörung Trojas von Sidoniern gegründet, die von dem König von Asfalon vertrieben waren **), Dagegen Tpricht Hos mer fchon von der Pracht Sidons.

Der Sidonier Mochus fehrieb ſchon vor dem trojas nifchen Kriege über die Atome***), und Salomo fehrieb an Hiram von Tyrus: „Du weißt, daß bei ung Niemand tft, der Holz zu hauen wiffe, wie die Zido— nier +), aus welchen Worten hervorgeht, Daß die Si- Donier fchon damals in Tyrus für Kohn arbeiteten, wie man auch aus der Weiſſagung Hefefiels ſieht. Haupt: jüchlich berühmt waren die Sidonier durch ihre Hand— arbeiten; fie verfertigten Die feinjten Linnen und Ge— webe, die von den Dichtern des Alterthums befungen werden, und eines ihrer ſchönſten Erzeugniffe war das Kryſtall. Die Stadt wurde von Königen regiert, ſchon zur Zeit Sofas, wie aud) ſpäter Fr), und Jeſebel, die Gemahlin Ababs, war die Tochter eines Königs von Eidon. Durch das Loos war Sidon dem Stamme Aifer zugefallen, der es aber nicht unterwerfen konnte +77), es blieb daher in der Finjterniß des Aberglaubens und

*) 4. Mof. 49, 13. **) Justin. ubi supra. ur Ztrabo 16. +) 1.8.0. Könige 5, 6. +7) Joſua 19, 28. Jeremias 25, 22. +4) Joſua 19, 28. B. d. Richter 1, 31. Noroff's Reife nach Palüftina. IT. 17

258 Zweiundzwanzigites Kapitel.

betete Baal, Aftarte und Afthoroth an, deren Dienft fogar Salomon, in den Zagen feiner Verirrung von der Pracht Sidons verblendet, in Serufalem einführte.

In Folge der drohenden Weiffagung, die wir bet Heſekiel lefen*), wurde Sidon von Nebufadnezar ans gegriffen, und Hunger, Schwert und Peft wütheten in der unglüdlichen Stadt. Den Händen der Negppter, die es unter Siſak genommen hatten, wurde es durch Cyrus entriffen. Der perfifhe Statthalter Achis pflanzte in Bhönizien die Fahne der Empörung auf und Sidon wurde zerftört, aber wieder neu aufgebaut. Alexander der Große, der die neue Stadt dem Statthalter des Darius, Staton, entriß, feßte den tugendhaften Abdo- lonimus, deffen Vorfahren als Könige hier geherrſcht hatten, wieder als König von Zyrus ein. Im Jahr 66 vor Ehr. endlich fam die Stadt aus den Händen der Ptolemäer in die Gewalt der Römer.

Aus dem Evangelium erfehen wir, daß Die Lehre des Erlöfers erſt ſpät in Sidon Eingang fand, ob— glei) Tyrier und Sidonier oft zu Jeſus famen, felbit bis an den See von Tiberias**), um feine göttlichen Lehren zu hören und Genefung zu erlangen.

„Wehe dir Chorazin! Wehe dir Bethfaida! denn wären ſolche Thaten zu Tyrus und Sidon gefchehen, die bei euch gefchehen find, fie hätten vor Zeiten im

*) Heſekiel 28, 22—2A. *9) Ev. Marc. 3,9. Luc. 6, 17. 18.

4.

Sidon. 259

Sad und in der Aſche gefeffen und Buße gethan!“ Chorazin, Bethfaida und Kapernaum find von dem Antlig der Erde verfehwunden, Tyrus und Sidon find mit Aſche überfchüttet und liegen in Trümmern, ein Spielwerk des Meeres, Das fie einft beherrſchten, aus dem fie ſich erheben wie fchwache Zeichen ihres frühe-

Daß der Erlöfer in die Gegend von Sidon fam, lefen wir im Evangelium *); fein Herz, Das von Liebe zu den Menfchen erfüllt war, zog ihn immer zu den Sündern und Berirrten bin, Aud) der heilige Apoftel Paulus fanı nah Sidon **),

Sm Sahr 636 fam Sidon in die Gewalt der Mos— lemen, denen es im Jahre 1111 von Balduin, König von Serufalen, und fpäter wieder, 1250 von Ludwig dem Heiligen, entriffen wurde. Xeßterem verdankt Die Stadt ihre Erneuerung, und der fromme König beftat- tete hier Die Ueberreſte der in fo vielen Schlachten ge- fallenen Chriſten***). Im Jahre 1289 wurde Sidon wieder von den Ungläubigen erpbert. Zur Zeit der Kreuzzüge war e8 der Siß eines Bifchofs, der von Ty- rus abhängig war. Sept find bier zwei Kirchen, eine griechifche und eine lateinifche und einige Kapellen der Arnenier und Maroniten. In den Ruinen hinter der Stadt ift nod eine dem Propheten Elias geweihte

*) Ev. Matth. 15. Marc. 7. *) Apoftelgeih. 27, 3. ”**) Herold IV. contin. bell. sacr. 8. 17*

260 Zweiundzwanzigſtes Kapitel.

Kirche. Manche glauben, daß Chriſtus hier den Sido: niern gepredigt habe. Die Stelle wird Saida Mar Elias genannt.

Sidon zählt gegen 6500 Einwohner, unter denen etwa 500 Ehriften und einige Juden. Die Stadt ift von der Seefeite durch eine Mauer gefehügt, die Cita— delle, deren Erbauung man Ludwig dem Heiligen zu: fehreibt, Tiegt in Trümmern. Eine andere, Fleinere Ei: tadelle, die auf einem Felſen im Meere nördlich der Stadt liegt, tft mit diefer durch eine malerifche, fieben bis acht Bögen lange Brüde verbunden. Die Gaffen der Stadt find größtentheils mit Schwibbögen über- det und in vielen Höfen der Häufer findet man Ba]: “find, die aus Brummen hinter der Stadt mit Waffer verforgt werden, wo man noch Ueberreſte alter Wafler- leitungen fieht. Die größten Gebäude der Stadt find einige Mofcheen, Bäder und Khane. Der Bazar ift ziemlich belebt und der Handel, namentlich mit Seide und Baumwolle, nicht unbedeutend. Sidon fteht in tegelmäßigem Verkehr mit Damasfus und hat auch einige europäifche Kaftoreien und ein franzöfifches Gon- julat. Unweit der füdlichen VBorftadt, in einem Garten, finden fich die Ueberrefte einer Mofchee. Die Moham- medaner zeigen hier das Grab Sebulong, allein diefer it, wie alle übrigen Söhne Jacobs, in Aegypten ge: ftorben, und wenn ihre Ueberrefte von dort nad Ca— naan gebracht wurden, fo ift Die Grabftätte Sebulons gewiß ebenfalls in Sihem. Auch die Grabmäler des Propheten Zephanja und des Künftler Bezaleel, der die

Sidon. 261

Stiftshütte ſchmückte, werden hier gezeigt, auf Grund hebräifcher und mohammedanifcher Traditionen.

Sidon tft weniger hart vom Schickſal betroffen worden, als Tyrus, und lange Zeit lebten die Sidonier „still und ficher, und war Niemand der ihnen ein Leid that im Lande“ *),

Mit Sidon haben wir die änßerſte Grenze des hei« ligen Landes erreicht. Von hier an hat der Ehrift nicht mehr den Zroft, die Zußftapfen des Erlöfers füffen zu fönnen, und es ergreift ihn bei der Abreife von Sidon dafjelbe Gefühl, welches Die Apoſtel empfanden, als Ehriftus vor ihren Augen in einer Wolfe entrüct wurde. Es tft, als hörte man die Stimme der Engel, die ihnen zuriefen: „Ihr Männer von Saliläa, was ftehet ihr, und fehet gen Himmel? Diefer Jeſus, wel- her von euch iſt aufgenommen gen Himmel, wird kom— men, wie ihr ihn gefehen habt gen Himmel fahren!" Süß ift diefe Stimme; möge fie der Trauer jedes Chri— ften fröftend erklingen, der Das Land verläßt, wo feine Erlöfung bewirft wurde, das Land, in welchem er fein Baterland fieht, nicht im Fleiſche, fondern im Geifte, Das Land, welches durch die heilige Vorfehung zu fo großen Begebenheiten beftimmt war.

Hier fchließe ich meine Reife in Das gelobte Land.

Serufalem, das arme, öde, zerftörte Serufalem, Bethlehem, die Hirtenftadt, das in den Bergfchluchten vergeffene Nazareth, die zeritreuten Trümmer der Städte

*) B. d. Richter 18, 7.

—— UT m ——.

262 Zweiundzwanzigſtes Kapitel.

Iſraels, die verödeten Straßen des geheiligten Landes erfüllten alle meine Gedanken und Hoffnungen! Als ich das heilige Land verließ, erkannte ich erſt, wie ge— ring alles Andere war, das ich vorher geſehen hatte. Hätte ich meine Reiſe im Orient mit Paläſtina begon— nen, id) wäre ſicher nicht gegangen, die gewaltige Größe des alten Negyptens zu ſchauen!

Drud von Otto Wigand in Leipzig.

Inhaltsverzeichniß zum zweiten Bande.

Erſtes Kapitel. Der Weg von Serufalem über Gibea nach Bethel weites Kapitel. Bethanien und der Weg zum todten Meere. Berg des vierzigtägigen Faſtens .

Drittes Kapitel. Jericho. Das todte Mer . . .

Viertes Kupitel. Dom todten Meere zum Klojter des heiligen Sabas. St. Saba. Thekoa. Bethlehem .. Fünftes Kapitel. Bon Jeruſalem nah Hebron. Etham. Die Teiche Sa⸗ lomo's. en Sechſtes Kapitel. Hebron ren Ziebentes Kapitel. Abſchied von Ferufalem 0. Adıtes Kapitel. Bon Ierufalem nad) Jaffa . . Heuntes Kapitel. Saffa. Bon Jaffa nah Nablus .

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264 Inhaltsverzeichniß.

Zehntes Kapitel. Nablus. Sichem. Sichar Elftes Kapitel. Von Nablus nach Sebaſte oder Samaria Zwölftes Kapitel. Bon Samaria nad Nazaretb . Dreizehntes Kapitel. Nazuretb . en vierzehntes Kapitel. Der Berg Zabor nn Fünfzchntes Kapitel. Von Nazareth zum See Tiberias . Sechszehutes Kapitel. Der See Tiberind. Bethſaida. Genezareth. Kaper— num FE Siebenzehntes Kapitel. Magdala. Tiberias. Die Thermen Ammaus. Kana in Galiläa. Sepphoris oder Divcifaren . Adıtzehntes Kapitel. Bon Nazareth zum Karmel. Saite Heunzehutes Kapitel. Here oder PBtofemais . tn Zwanzigſtes Kapitel Ron Were nach Tyrus rn Einundzwanzigftes Kapitel. Tyrus

Zweiundzwanzigſtes Kapitel. Sidon ˖ en

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