JfteLTh uotn 9huCaJ(aekU Ex Libris C. K. OGDEN " THE LIBRARY OF THE UNIVERSITY OF CALIFORNIA LOS ANGELES Mein Hund Rolf lioü Mein Hund Rolf Ein rechnender und buch- stabierender Airedale-Terrier Von Paula Moekel Mit elf Abbildungen Sechste unveränderte Auflage Verlag von Robert Lutz in Stuttgart Copyright 1919 by Robert Lutz — in Stuttgart Alle Rechte vorbehalten Druck von A. Bonz' Erben, Stuttgart QL J 'U M7 Inhalt Seite Geleitwort, von Dr. F. Moekel 7 Der kluge Hund Rolf, von Dr. Ludwig Wilser ... 9 Rolfs Werdegang, von P«iula Moekel 19 Protokolle 117 Geleitwort Noch auf dem Sterbelager wurde die Verfasserin von der Sorge um „ihr Buch" bedrängt, das sie kurz vorher mit der Eile eines Menschen, der nicht mehr viel Zeit übrig hat, vollendet hatte. Ich erfülle deshalb ein mir teures Vermächtnis, wenn ich in Gemeinschaft mit unserer Tochter Luise das kleine Werk der Öffentlich- keit übergebe. Wohl sind wir uns bewußt, daß die Schrift vielfachem Widerspruch, wenn nicht herber Kritik, begegnen wird. Allein wir sind überzeugt, daß in nicht allzuferner Zeit die Wahrheit der von der Verfasserin mit starkem Willen verteidigten Sache zum Durchbruch gelangen wird. Seit der Abfassung dieses Werkes sind schon mehrere Jahre vergangen. Die Bewegung zur Erforschung der Tierseele ist während dieser Zeit nicht zum Stillstand gekommen. An dieser Stelle möchte ich nur darauf hinweisen, daß es jetzt schon eine Reihe von rechnenden und buchstabierenden Hunden gibt, durch welche die hier mitgeteilten Aufzeichnungen ver- möge ähnlicher Beobachtungen anderer Tierfreunde be- stätigt worden sind. Die Urschriften der in dieses Buch aufgenommenen Protokolle werden auf Wunsch denjenigen, welche ein wissenschaftliches Interesse an ihrer Einsicht haben, durch die Verlagsbuchhandlung Robert Lutz in Stutt- gart vorgelegt werden. Mannheim, im Frühjahr 1919. Dr. F. Moekel. Der kluge Hund Rolf Vor vierthalb Jahren, im Spätsommer 1912, war es, als ich zuerst von Rolf hörte. Der Sohn eines alten Freundes — auch er ist inzwischen auf dem Felde der Ehre gefallen — besuchte mich auf der Hochzeitsreise und erzählte unter anderem von einem wunderbar ge- scheiten Hunde, der einem gemeinsamen Bekannten in Mannheim gehöre. Da ich mir nach den sehr wider- sprechenden Berichten über den ,, klugen Hans" und die Elberfelder Pferde noch kein sicheres, abschließen- des Urteil hatte bilden können, wurde meine Neugier rege, und ich suchte das merkwürdige Tier so bald als möglich aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Es kam aber allerlei dazwischen, Geschäftsüberhäufung meines Freundes, Krankheit seiner Gattin, die sich hauptsächlich der Erziehung des Hundes angenommen hatte, Krankheit auch des Hundes und von meiner Seite einige Reisen. Begreiflicherweise wurde durch die Ver- zögerung meine Spannung noch gesteigert, und der Wunsch, den gelehrigen Hund selbst beobachten zu können, um so lebhafter. Es dauerte aber noch ziemlich 9 lange, bis dieser in Erfüllung ging, und es war Ende November geworden, als ich endlich das AVundertier zu Gesicht bekam. Meine hochgespannte Erwartung wurde, wie ich mit gutem Gewissen behaupten darf, noch weit übertroffen und auch mein langes Harren insofern be- lohnt, als ich in Mannheim mit Herrn Krall zusammen- traf, der viel Merkwürdiges von ,,Muhamed" und „Zarif" erzählte, von Rolf entzückt war und immer wieder die auffallende Übereinstimmung der Leistungen desselben mit denen seiner eigenen Zöglinge hervorhob. Unmittel- bar nach diesem ersten Besuch hatte ich meine Ein- drücke niedergeschrieben, die in der Festschrift für Direktor Schule von Illenau (Zeitschr. f. Psychiatrie LXX 3/4) veröffentlicht wurden, und darf darum wohl sagen, daß ich Rolf in die Wissenschaft eingeführt habe. Seitdem habe ich den Hund wiederholt, etwa alle drei bis vier Monate, meist in Gemeinschaft mit andern wissenschaftlichen Beobachtern gesehen und geprüft und dabei stets überraschende Fortschritte in der Ent- wicklung seiner geistigen Fähigkeiten, seines selbstän- digen Denkens und Empfindens, wie auch in der Ai't, dies zum Ausdruck zu bringen, feststellen können. Auch die (durch verschiedene unglückliche Zufälle leider sehr zusammengeschmolzene) Schar seiner Jungen habe ich bewundert und bei einigen derselben schon früh die ersten Regungen einer ungewöhnlichen und vielver- sprechenden Verstandestätigkeit beobachtet. Auf die Einzelieistungen Rolfs und seiner Sprößlinge kann und will ich hier nicht eingehen; diese sind ja in dem vor- lU liegenden Buch von Frau Moekel, der nnermüdlichen, leider allzufrüh ihren Leiden erlegenen Erzieherin und Lehrmeisterin, ausführlich geschildert. Auch zu den Streitfragen und Feinheiten der wissenschaftlichen See- lenkunde (Psychologie) brauche ich nicht Stellung zu nehmen, da dies schon von berufener Seite geschehen ist. Nur einige allgemeine Betrachtungen möchte ich vorausschicken. Als Anhänger und Verteidiger einer vernünftigen, von allen Einseitigkeiten und Übertreibungen sich fern- haltenden Entwicklungslehre, war ich von jeher der An- sicht, daß die tierische Seele (wenn wir in diesem Be- griff alle geistigen Fähigkeiten und Regungen zusammen- fassen) von der menschlichen nicht dem Wesen, son- dern nur dem Maße nach verschieden sei, hatte mir aber, offen gestanden, die Kluft zwischen beiden, auch bei den höchstentwickelten Tieren, viel, viel weiter und tiefer vorgestellt, als sie in der Tat nach den neuesten, auch für mich überraschenden Erfahrungen zu sein scheint. Selbstverständlich sind in dieser Hinsicht durchaus nicht alle Tierarten und auch innerhalb der- selben Art keineswegs sämtliche Einzelwesen gleich- wertig. Wie es hoch- und tiefstehende Menschenrassen, gescheite und dumme, geistvolle und stumpfsinnige Menschen gibt, so finden sich auch im Tierreich gewal- tige Unterschiede. Nach meiner Anschauung sind be- sonders unter den Haustieren, die, seit Jahrtausenden des Umgangs mit dem Menschen sich erfreuend, von diesem geradezu für bestimmte Zwecke abgerichtet und 11 gezüclitet wurden und noch werden, die besten geistigen Fähigkeiten anzutreffen, und an deren Spitze steht der Hund als ältester Begleiter und Hausgenosse unserer stein- zeitlichen Vorfahren. Der stete Verkehr mit dem Men- schen, die Gewöhnung an seine Stimme und Sprache, die Anspannung der Sinne in seinem Dienst mußte entwicklungfördernd auf die ohnehin infolge der früheren Lebensweise nicht geringen geistigen Anlagen wirken, und diese Errungenschaften wurden bis zu einem ge- wissen Maße durch die Vererbung festgehalten und im Laufe der Zeit mehr und mehr vervollkommnet. Wild lebende Tiere mögen, gerade wie dies auch bei mensch- lichen Wildvölkern der Fall ist, schärfere Sinne und für manche Dinge eine größere Gewandtheit haben, aber in bezug auf mehr geistige Fähigkeiten, wie Über- legung, Unterscheidung, Fassungskraft, Schlußfolgerung, Gedächtnis und dgl, stehen ihnen ohne Frage die Haustiere und Kulturmenschen voran. In jedem Fall sind die Hunde und in geringerem Maße auch die übrigen Säugetiere, ob gezähmt oder wild lebend, im allge- meinen viel klüger, als man früher voraussetzte, und auch unter ihnen gibt es, gerade wie unter unseren Mit- menschen, von der Natur begünstigte Ausnahmen, „Wunderkinder" oder ,, große Geister" (Genies). Dazu möchte ich unseren Freund Rolf rechnen, denn seine Verstandeskräfte, wie auch seine Gefühle und Nei- gungen sind nur mit den menschlichen zu vergleichen, kommen diesen in mancher Hinsicht sehr nahe, ja über- treffen sie sogar, z. B. in der Rechenkunst. Ein Hund, 12 der die menschliche Sprache versteht und gebraucht (in der für ihn allein möglichen Weise des Buchstabeu- klopfens), der eine Menge selbständiger Äußerungen her- vorgebracht hat, der Freude, Dank, Zuneigung, Mitleid, Trauer zum Ausdruck bringt, ist ja etwas Unerhörtes, noch nie Dagewesenes. Was Wunder, daß Fernstehende, nicht nach eigener Erfahrung Urteilende ungläubig den Kopf schütteln und eher an bewußte oder unbewußte Täuschung denken, als die Möglichkeit solcher Regungen einer Hundeseele zugeben! Ich selbst würde, vor wenigen Jahren darüber befragt, ohne Zögern geantwortet haben: Nein, so etwas ist vollständig ausgeschlossen, das kann nicht sein. Und doch, wie sagt Hamlet ? Mehr Dinge gibt's im Himmel und auf Erden, Als eure Schulweisheit sich träumen läßt. Die echte Wissenschaft muß, von allen Voraus- setzungen irgend welcher Art frei, ohne jedes Vorurteil an die Erscheinungen herantreten, sie aufs gewissen- hafteste und sorgfältigste untersuchen, das richtig Be- fundene aber, mag es noch so verblüffend sein und sich noch so schwer den älteren Lehrgebäuden einfügen lassen, als Wahrheit anerkennen und damit rechnen. Bei meinen Besuchen in Mannheim war ich stets bemüht, meine oft wieder aufsteigenden Zweifel zu überwinden und das wunderbare Geschöpf durch plötz- liche, nicht vorherzusehende E'ragen auf die Probe zu stellen. Die Anführung einiger weniger Beispiele sei mir gestattet. Eines Tages zog ich ein Schriftstück aus 13 der Tasche, hielt es Rolf vor Augen und fragte, auf die sonst für niemand erkennbare Unterschrift deutend: was ist das ? Sofort erfolgte die Antwort „mudr nam'' (der Mutter Name); es war ein Brief von Frau Moekel. Ein andermal zeigte ich ihm einen kleinen Gegenstand, diesen so in der hohlen Hand haltend, daß ihn außer dem Hunde keiner der Anwesenden sehen konnte. Ohne Besinnen klopfte er ,,wesr" und fügte aus freien Stücken bei „fon grot'\ was zuerst für alle Ohrenzeugen unverständlich war. bis ich auf das Schildkrotheft*) des Taschenmesöcrchens hinwies. Woher aber die Kennt- nis des Namens ? Auch dafür fand sich bald eine Er- klärung, denn die Frau des Hauses erinnerte sich, daß Rolf einmal wegen des Zerbeißens eines Schildpat- kammes gescholten und unter Vorzeigung der Abbil- dung einer Schildkröte über Herkunft und Wert des Stoffes belehrt worden war. Bewiesen diese Antworten, für deren Richtigkeit ich mich mit meinem Namen ver- bürge, rieht eine scharfe Beobachtungsgabe, ein gutes Gedächtnis, eine Kenntnis der Buchstaben und ein selbbtändiges Urteilsvermögen ? Ich glaube kaum, daß eine besser zusagende Lösung zu finden =ein wird. Auch die merkwürdigen Umschreibungen für zum erstenmal gesehene Dinge, wie ,,kaus in wasi-''' für Schiff, .firei an fus'' für Schneeschuh, ,,vxisr hart Jon kalt'''' für Eis, sind lehrreich und vielsagend. Solche Züge enthält ja dies Buch in großer Menge, und es bleibt dem aufmerk- samen Leser überlassen, seine Schlüs&e daraus zu ziehen. * In Süddeutschland sagt man ,,Krott" für Kröte. 14 Manches davon habe ich schon früher in Zeitungs- berichten und Zeitschriftaufsätzen mitgeteilt, auch wie- derholt, meist auf besondere Aufforderung, in wissen- Bchaftlichen Gesellschaften, dem Karlsruher Natur- wissenschaftlichen, dem Heidelberger Historisch-philo- sophischen Verein, der Versammlung südwestdeutscher Irrenärzte, vorgetragen. Daß ich dabei vielfach auf Widerspruch und Unglauben gestoßen bin, ist bei der Neuheit und Eigenart des Erzählten nicht zu verwundern, und ich habe darum einmal nach lebhafter Auseinander- setzung für und wider das Schlußwort gebraucht: ,,Ihre Bedenken, meine Herren, sind sehr begreiflich; fragen Sie, verlangen Sie weitere Aufklärung, zweifeln Sie an allem, nur nicht an der Ehrbchkeit der Besitzer des Hundes und an der Zuverlässigkeit der Bericht- erstattung!" Unser Fall ist auch darum besonders beachtenswert, weil von dem jetzt ungefähr fünfjährigen Rolf einige Junge am Leben sind, die eine ganz ähnliche geistige Entwicklung versprechen. Es ist dies, wie ich schon mehrfach hervorgehoben habe, von großer Bedeutung für die Vererbungsfrage im allgemeinen und die erbliche Übertragung geistiger Eigenschaften im besonderen. Bekanntlich lehrt die Geschichte der Wissenschaft und der Künste, daß sich zwar eine gute Durchschnittsbe- gabung häufig forterbt, daß aber wirklich große Männer meist Söhne hinterlassen, die ihnen in keiner Weise gleichkommen. Es ist dies zum Teil auf minderwertige, dem Vater geistig nicht ebenbürtige Mütter zurück- 15 zuführen, zum Teil aber auch darauf, daß eine so günstige Vereinigung glänzender Eigenschaften und hervorragen- der Fähigkeiten eben auf einem glücklichen Zufall be- ruht, der sich nicht so leicht wiederholt. Immerhin ist es bei der erhaltenden Kraft der Vererbung keineswegs ausgeschlossen, daß der Sohn oft eine ähnliche, ja fast gleiche Begabung wie der Vater bekundet. Nach meiner Meinung werden auch unter den Haus- hunden, der entschieden infolge ihres mehrtausend- jährigen Verkehrs mit dem Menschen geistig best ver- anlagten Tierart. Erscheinungen wie Kolf vereinzelt bleiben. Es steht aber nach den in neuester Zeit bei Pferden, Hunden, Affen, Katzen u. a. gemachten Er- fahrungen außer Frage, daß im allgemeinen die geistigen Fähigkeiten der höher stehenden Tierarten unterschätzt wurden, indem man ihnen nur ,, Instinkt", keine Über- legung zugestand. Auch der Mensch hat zahlreiche ,, Instinkte', d. h. durch Vererbung zu Trieben gewor- dene Gewohnheiten, nur nimmt bei ihm der beherr- schende Verstand eine überlegene Stellung ein; je weiter wir auf der Stufenleiter der Lebewesen herabsteigen, desto mehr überwiegt das unbewußte Triebleben. Über Rolfs unmittelbare Vorfahren wissen wir nichts; er ist ein Findling, gehört aber der gut ver- anlagten Rasse der Airedale-Terrier an. Seine Begabung wurde ganz zufällig entdeckt, und er hat eigentlich spielend gelernt, indem ihm immer schwerere Aufgaben gestellt wurden. Sicherlich wäre aber nicht aus ihm geworden, was er ist, wenn er nicht eine so verständnis- 16 volle, geduldige und hingebende Herrin gefunden hätte, an der er mit großer Liebe hing. Wir können daraus auch für die Erziehung der Menschenkinder lernen, daß durch Liebe mehr als durch Strenge erreicht ^vird, daß alles darauf ankommt, die Wißbegierde zu wecken, die Teilnahme anzuregen. Eine andere Folgerung muß die sein, daß wir die höheren Tiere, ganz besonders die Hunde — Sanitäts- und Polizeihunde sind ja lehrreiche Beispiele — noch viel mehr als bisher zur Mithilfe heran- ziehen. Bei alledem dürfen wir aber nicht vergessen, daß der Mensch doch unendlich hoch über allen sonstigen Lebewesen steht; er ist es, der Sprache, Schrift und Zahlzeichen erfunden hat, deren sich unter unserer An- leitung auch einige bevorzugte Vertreter des Tierreichs zu bedienen gelernt haben, die aber ohne menschliche Vor- arbeit niemals so weit gekommen v/ären. Zu Wörtern ver- dichtete Vorstellungen und Begriffe, habe ich in einem Vortrag über ,,Hirn, Hand, Mund" (Naturforscherver- samralung in Münster 1912) gesagt, bilden die Voraus- setzung für jedes höhere Denken. Gerne bin ich der ehrenden Aufforderung gefolgt, dem inhaltreichen Buche der Frau Mo ekel einige ein- leitende AVorte vorauszuschicken. Über einen raschen, durchschlagenden Erfolg gebe ich mich jedoch keiner Täuschung hin, denn allzuoft habe ich die Macht des Vorurteils erfahren. Mit der Zeit werden aber die hier niedergelegten Tatsachen — nur um solche handelt es sich — doch nicht verfehlen, einer gerechteren und zu- treffenderen Beurteilung der Tierseele den Weg zu bahnen. Moekel, Mein Hund Kolf 2 17 Wer sich genauer unterrichten will, sei auf die immer mehr anschwellende, hier in der Hauptsache mitgeteilte Literatur hingewiesen: ,, Die Seele des Tieres'-'' (von der Gesellschaft für Tierpsychologie herausgegeben, 2. Aufl., Berlin, W. Junk; enthält die Berichte der Herren Professor Dr. H. E. Ziegler, Professor Dr. H. Krämer, Dr. K. Gruber und andern Be- obachter) ; .^Mitteilungen der Gesellschaft für Tierpsycho- logie''1913— 16, (10 Hefte, zu beziehen durch W. Junk, Berlin W. 15); die Zeitschrift „Die TierseeW (heraus- gegeben von Krall, 1. Band 1913—14; enthält Mit- teilungen der Professoren Dr. G. Wolff und Dr. Cla- parede über eigene Versuche, sowie Untersuchungen von Dr. Mackenzie und Dr. Gruber; Elberfeld, 0. Stodt); Professor Dr. Klunzinger, „Ein Besuch heim klugen Hund Rolf' (Jahresheft des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg, 1914); Professor Dr. Wolff, „Die denkenden Tiere von Elber- feld und Mannheim". ( Süddeutsche Monatshefte, Januar 1914); Professor Dr. Ziegler, „Ein Besuch bei dem den- kenden Hund" (Deutsche Revue, Februar 1914), „Buch- stabierende Tiere" (ebenda, April 1916); Dr. P. Sarasin, Über tierische und menschliche Schnellrechner" (Ver- handlungen der Naturf. Gesellschaft in Basel, Bd. 26, 1915). Heidelberg, im Frühling 1916. Dr. Ludwig Wilser. 18 Rolfs Werdegang „Das ängstliche Harren der Kreatur wartet auf die Offenbarung der Kinder Gottes, denn auch die Kreatur wird frei werden von dem Dienst des vergänglichen Wesens zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes, denn wir wissen, daß alle Kreatur sehnet sich mit uns und ängstigt sich noch immerdar." Römer 8, 19 u. 21. Das stumme Tier kann seine Gedanken niclit kund- geben. Aus diesem Grunde sind die geistigen Fähig- keiten der Tiere so oft verkannt worden. Aber gebet dem Tiere die Sprache der Stummen, so wird es sich dem Menschen mitteilen! Es war die Erfindung des Herrn von Osten, daß man ein Pferd durch ein Klopf- alphabet Worte buchstabieren lassen kann. Jedoch schenkte man ihm keinen Glauben, und er mußte ins Grab sinken, ohne die Anerkennung seiner Entdeckung erlebt zu haben. Nun sind ihm Nachfolger erstanden. Wie würde sich der alte Herr freuen, wenn er Kralls Pferde und meme Tiere arbeiten sehen könnte! Der von ihm mit unendlicher Ausdauer und aufopfernder Selbstlosigkeit gestreute Samen ist aufgegangen. 19 Der Schlüssel zur Seele des Tieres heißt Liebe. Wer die Tiere liebt, Nvird auch die nötige Geduld haben, diesen Geschöpfen die Möglichkeit zu geben, sich ver- ständlich zu machen. Ais Rolf, ein temperamentvoller Airedale-Terrier, 1911 zu uns kam, ahnten wir nicht, wie viel Freude uns durch ihn \Yerden sollte. Er war noch nicht ausgewach- sen, struppig und wenig gepflegt. Mir wollte er am wenig- sten gefallen, nachdem etliche Wochen vorher mein wunderschöner, treuer Bernhardiner Wotan gestorben war. Mein Mann aber, der sich für die großen, beinahe traurig blickenden Hundeaugen erwärmt hatte, ent- schied: „Rolf bleibt!" Rolf war, noch ganz klein, einem Gärtner in Feuden- heim (bei Mannheim) todkrank zugelaufen. Der überaus tierfreundliche Mann pflegte ihn gesund und schenkte ihn, nachdem trotz eifrigem Bemühen der Eigentümer nicht ermittelt worden war, dem Mannheimer Tierasyl, das ihn mir käuflich abgab. Nach fünftägigem Besitz kam er uns abhanden und fehlte über 8 Tage. Unsre Hoffnung, ihn wiederzubekommen, hatten wir schon aufgegeben, als eines Morgens der Gärtner, der ihn ge- pflegt hatte, telephonierte: ,,Rolf ist überfahren worden und schwerverletzt wiedergekommen.'" Wie ^:ich heraus- stellte, war uns der treue Kerl gestohlen worden und soUte mit der Bahn weggeführt werden. In der Nähe des Gärtnerau Wesens, au dem der Zug, worin sich Rolf befand, vorüberfuhr, riß er sich von der Leine los und sprang vom fahrenden Wagen; unglücklicherweise kam 20 er unter ein in demselben Augenblick vorübersausendes Auto. Die Verletzungen waren furchtbar. Die linke Pfote schien verloren und auch zwei Rippen waren geknickt. Das Tier mußte sofort operiert werden. So kam mein Rolf zurück, und gleich am ersten Tage setzte das heftigste Wundfieber ein. Unser Tierarzt war der Meinung, es sei am besten, den Hund zu erschießen. Aber Rolfs Augen sahen mich flehend an, — ich pflegte ihn gesund. Wochenlang mußte ich ihm Tag und Nacht die Verbände wechseln, jedesmal eine Qual für Hund und Herrin. Indes — Rolf genas und folgte mir wie mein Schatten; er war rührend dankbar und anhäng- lich geworden. Aber eines tat er nicht: bellen. Wir versuchten allerlei, um ihn zur Wachsamkeit zu bringen, nichts hall. Unsere tierfreundliche Haushälterin Bar- bara sprach eindringlich zu dem Hund, daß er nun weg müsse, weil er nicht gebellt habe. In der folgenden Nacht aber fing Rolf an, kräftig anzuschlagen; er hatte damit selbst die Losung seines Verbleibens in unserem Hause gegeben. Das Tier wurde nun ein treues Mitglied unserer Familie, in der er namentlich mit der Jugend enge Freundschaft schloß. Daß er die Handlungen und Äußerungen der Kin- der scharf beobachtete und auch verstand, was ge- sprochen wurde, sollte sich bald auf eine merkwürdige Weise kundtun. Eines Mittags saß ich bei den Kindern, dem nicht gerade angenehmen Geschäft obliegend, ihnen bei den Aufgaben zu helfen. Unsere zwar sehr freund- 21 liehe und lebhafte, aber etwas fahrige Friedel wider- stand hartnäckig der Lösung der Aufgabe: 122 plus 2. Als ich dem Kinde in meinem Unmut eine kleine Züch- tigung verabreichte, schaute der Hund von seinem Liegeplatz unter dem Schreibtisch mit so großen Augen zu uns herüber, daß ich sagte: ,, Friedel, schau den Rolf an, der macht Augen, als wüßte er es." Daraufhin stand Rolf auf, näherte sich mir, setzte sich neben mich und sah mich mit Blicken an, die mich zu der Frage veranlaßten: „Ja, Rolf, was willst du denn? Weißt du, was zwei plus zwei ist?", worauf er mir zu meinem Erstaunen nach kurzem Zögern 4 Pfotenschläge auf meinen Arm gab. Unsere älteste Tochter bat mich, den Hund zu fragen, wie\^el 5 plus 5 sei. Sofort erfolgte die Antwort durch 10 Pfotenschläge, Die am gleichen Abend fortgesetzten Versuche ergaben, daß der Hund einfache Aufgaben des Addierens, Subtrahierens und Multiplizierens fehlerfrei löste. Daß daraufhin die Versuche fortgesetzt wurden, war selbstverständlich; es dauerte nicht lange, bis Rolf auch schwierigere Aufgaben, die sich oft bis in die Tau- sende hinein erstreckten, löste. Stand also für uns fest, daß Rolf rechnen könne, so waren ^vir doch über die Art, wie das Tier die Lö- sungen fand, völlig im Unklaren. Da Rolf die Antworten jeweils in meine Hand klopfte, lag für uns die Deutung nahe, daß hier ein feines Nervenempfinden des Tieres vorliege, das meine sich in die Hand übertragende Vor- stellung an leisen Bewegungen verspüre, daß also ein 2? äußerer, mechanischer Vorgang als Erklärung dieser auffallenden Erscheinung anzunehmen sei. Zweifelnd an dieser Auffassung, die hauptsächlich mein Mann ver- trat, wurde ich dadurch, daß ich mehrere Male in meiner Vorstellung eine andere Lösung hatte, als Rolf sie gab; die Nachprüfung in diesen Fällen aber ergab, daß Rolf richtig und ich falsch gerechnet hatte. Zur sicheren Erkenntnis der Rechenfähigkeit des Tieres aber ge- langten wir erst durch folgenden Vorgang: In unserem Hause verkehrte ein uns lieb gewordener Freund, der dieser Erscheinung des Tierlebens lebhafte Teilnahme entgegenbrachte. Dieser Freund wollte den Schleier des Geheimnisses lüften und erschien eines Abends mit den Worten, daß er einige Aufgaben habe, deren richtige Lösung ihn wohl au die eigene geistige Tätigkeit des Hundes glauben lassen würde. Die von unserm Freund gestellte erste Aufgabe lautete: (560 — 80) : 6 : 2 : 2. Auf den Einwurf meines Mannes, das könne das Tier nicht rechnen, erwiderte ich: „Wir wollen einmal sehen." Ich sprach Rolf die Aufgabe zweimal deutlich vor, und sofort klopfte er die richtige Antwort: 20. Unser Freund war aber noch nicht zufrieden, denn ihm schien die Möglichkeit einer Gedankenübertragung nicht ausgeschlossen. Er ließ eine Tafel herbeiholen, auf die er die Zahl 23 so aufschrieb, daß ich sie nicht sehen konnte. Die Tafel wurde nun dem Hunde vor- gehalten, und zwar ebenfalls so, daß mir das Aufgeschrie- bene nicht zu Gesicht kam. Auf die Frage, welche Zahl 23 auf der Tafel stehe, fing Rolf an zu klopfen; als er 19 Schläge geklopft hatte, schaute er nochmals merkbar auf die Tafel und klopfte hierauf rasch noch 4 Schläge nach. Daß unser Erstaunen über diese Leistung groß war, erscheint begreiflich. Im Laufe des Gesprächs erzählten wir dem Freunde folgendes : Die kleine Karla war gestern mit allen Zeichen freudiger Erregung in das Eßzimmer gesprungen und hatte gerufen: ,,Mama, denk dir, der Rolf kennt Geld, ich hab' ihm mein Zehnerle gezeigt, und er hat mir 10 Pfotenschläge gegeben." Ich hatte hierauf Rolf zu mir gerufen und konnte zu meiner Freude feststellen, daß die Kleine recht hatte. Rolf gab bei jedem ihm vor- gehaltenen Geldstück stets die richtige Zahl Pfoten- schläge. Unser Freund nahm auf diese Erzählung hin seinen Geldbestand aus dem Täschchen, und Rolf gab jedes einzeln ihm vorgehaltene Geldstück nach seinem Nennwert an. Die weiter fortgesetzten Versuche erwiesen die Fähigkeit des Tieres, auch größere Rechenaufgaben mit beinahe nie versagender Sicherheit zu lösen. Die Er- klärung dieser Erscheinung liegt teilweise wohl in fol- gendem: Rolf war jeweils zugegen, wenn unsere Kinder, von denen sich das Jüngste in der ersten Klasse befand, ihre Schulaufgaben erledigten. Unsere älteste Tochter Louise wurde zu Hause unterrichtet, hatte also beinahe täglich Unterricht von ihrem Lehrer. Rolf, der stets bei uns war, liatte als zwar stummer, aber gelehriger und aufmerksamer Schüler den Entwicklungsgang der 24 Kinder mitgemacht und dadurch die in ihm schlum- mernde Fähigkeit zum Leben erweckt.*) Rolfs außerordentliche Klugheit ließ den Wunsch in mir wachsen, mich mit dem Tier auf irgend eine Weise verständigen zu können. Ich begann Rolf zu behandeln wie ein Kind, bei dem die Teilnahme für seine Umgebung zu erwachen beginnt. Was immer er mit unverkenn- barer Neugier beschnupperte, erklärte ich ihm umständ- lich. Der Lohn blieb nicht aus; schon bald konnte ich v/ahrnehmen, daß er bei Dingen, die er nicht kannte, mich beklopfte oder kratzte. Ich verstand das sofort als die Bitte: ,, Erklär mir das!" Dinge, die auf der Straße vorgingen, Bilder in Büchern, Spielsachen der Kleinen, kurz — alles war für ihn von größtem In- teresse. Nach Tisch verbrachte ich mit Rolf meist ein Stündchen am Fenster. Er begann die Menschen auf der Straße zu zählen, unterschied Knaben und Mädchen, freute sich über Pferde und Hunde; alles, was vorüber- kam, erregte seine Aufmerksamkeit, *) Wie clie geistige Entwicklung des Tieres vor sich ging, kann nur andeutungsweise erklärt werden. Rolf, der zu unserem Familienkreis zählte, war meistens anwesend wenn die Kinder der Verfasserin ihre Hausaufgaben verfertigten. Er wohnte auch später den Unterrichtsstunden bei, welche die Tochter Luise von einem Hauslehrer erhielt. So ist es wohl erklärlich, daß Rolf der Ausbildung der Kinder, selbst fortschreitend, folgte und auf diese Weise lesen und rechnen lernte. Unterstützend kam der ihm von der Verfasserin erteilte Unterricht hinzu. Von einem systematischen Unterricht des Tieres kann nicht gesprochen werden, wenn gleich ihm seine Herrin fortgesetzt die Dinge und deren Namen erklärte. Dr. F. M. 25 Eines Tages lehrte ich ihn, für „ja" 2 und für „nein" 3 Pfotenschläge zu geben, was er sich bei nur einmaliger Erklärung merkte und nie mehr vergaß. Nun waren wir beide glückhch, wir konnten uns, wenn auch nur „primitiv", verständigen. Für „Bett" lernte er 7, für „Gassel"*) (Befriedigung seiner Bedürfnisse) 5 und für ,,müde" 4 Pfotenschläge zu geben. Auch das wurde sofort behalten. Unsere Kinder freuten sich sehr, daß Rolf ihnen Antwort geben konnte; besonders die Kleinen wurden nicht müde, immer wieder ihren treuen Spielkameraden zu befragen.- Er mußte Karla bestätigen, daß das neue Puppenbaby das schönste von allen Puppenkindern sei, und mußte Lorens, der ältesten Puppe, große Rechen- künste bewundern. Rolf verstand sogar im kleinen Kaufladen einzukaufen. Fritz, der Kaufmann, bot dann oft absichtlich Dinge an, die der gute Rolf nicht essen konnte und jeweils durch sein kräftiges „nein'' ablehnte. Auf die Fragen nach Zucker oder Schokolade antwortete RoK sehr vergnügt mit ,,ya". Dann mußte das Tier noch angeben, für wie\aele Pfennige es von dem oder jenem haben woUe. Wenn schließlich Rolf seine Düte behutsam in einen stiUen Winkel trug, um auch un- gestört deren Inhalt verzehren zu können, freute sich groß und klein über das kluge Tier. Oft leistete er mir Gesellschaft, wenn ich an der Schreibmaschine schrieb. Bei dieser Gelegenheit wurde mir offenbar, daß Rolf die Buchstaben kannte. Das *) Aufs Gassel = auf die Gasse gehen. M. 26 geschah so: Ich schrieb an meine Eltern und berichtete ihnen auch über meinen gelehrigen Schüler. Als ich „Rolf" schrieb, begann das Tier lebhaft zu wedeln. Ich sah ihn ganz verwundert an und fragte ihn, ob er denn lesen könne, was ich geschrieben habe ? Darauf gab er mir mit glänzenden Augen sein „?a". Meine Freude war groß. Aber niemand wollte es mir glauben, am wenigsten mein Mann. Ich stellte Versuche an, die restlos glückten. Auf eine Tafel schrieb ich etliche Worte mit deutlichen Buchstaben und setzte hinter jedes Wort eine beliebige Zahl, Rolf bekam nun die Tafel vorgehalten, bis ich annehmen konnte, daß Rolf alles richtig gelesen habe. Auf die andere Seite schrieb ich nun eines der Worte, aber ohne Zahl, und ließ nun Rolf auch dieses Wort lesen, ihn gleichzeitig auffordernd, mir zu sagen, welches Wort es sei. Stets kam die richtige Antwort durch Wiedergabe der dabeistehenden Zahl. So nahten meine Ferien, die ich stets bei den Eltern in Bergzabern verbringe. Selbstredend mußte mich auch mein Rolf begleiten. Eines Tages las ich meiner Mutter aus der Zeitung eine Abhandlung vor, in der von den Fähigkeiten der Pferde des Vorkämpfers unserer guten Sache, des Herrn Krall in Elberfeld, insbesondere von der Befähigung der Pferde, Wurzelrechnungen zu lösen, gesprochen wurde. Meines Wissens erfuhr ich damals zum ersten Male von den edlen Bestrebungen und der großen Arbeit des Herrn Krall. Ich lag krank, und Rolf, der auch in meinen kranken Tagen mir nicht von der Seite wich, schien so aufmerksam zuzuhören, daß meine 27 Mutter sagte: „Sieh doch einmal die Augen des Hundes an, frage ihn, ob er das auch könne!" Rolf gab sofort als Antwort zwei Pfotenschläge, das heißt sein Zeichen für Bejahung, üa wir Frauen aber von Wurzelrech- nungen lediglich nichts verstanden, wurde mein Vater herbeigeholt, welcher die Aufgabe: Zweite Wurzel aus 25 stellte, die Rolf mit 5 Pfotenschlägen beantwortete. Dieser Aufgabe folgte Quadratwurzel aus 64 und Kubik- wurzel aus 27, beide Aufgaben wurden richtig mit 8 und 3 beantwortet. Schon am nächsten Tage wurde das Tier durch einen Bekannten meines Vaters vor die Aufgabe gestellt, die Kubikwurzel aus 512 zu ziehen, w^orauf Rolf uns mit 8 Pfotenschlägen antwortete. Diese Rechenversuche wurden in der Folge weiter fortgesetzt, und das Er- gebnis war die Feststellung einer Rechenfähigkeit des Tieres, die unsere kühnsten Erwartungen übertraf. Rolf hat wahrscheinlich bei dem Privatunterricht unserer Ältesten die Erklärungen der Reehenarten gehört und aufgefaßt, wie die Zahlen in die Potenz erhoben und wieder radiziert werden.*) Dies gelte aber nur als eine Andeutung, welche nicht den Anspruch macht, das Problem der Rechenkunst der Tiere völlig zu lösen. Mein Verlangen, dem klugen Tier Gelegenheit zu einer bequemeren Verständigung mit den Menschen zu geben, wuchs von Tag zu Tag. Ich frug Rolf schließlich eines Tages, ob er auch zu mir sprechen lernen wolle. *) Bei dem Wurzelziehen der Tiere handelt es sich nur um Wurzeln aus Potenzzahlen. M. 28 Das Tier gab sehr lebhaft sein ,,7a"-Zeichen und ich fragte weiter: „Wollen wir ein Alphabet für dich machen, Rolf?" Wieder kam sein kräftiges „ja''. ,,Rolf, nun paß auf, ich sage dir den Buchstaben und du sagst mir, welche Zahl der Buchstabe bekommen soll. Was gibst du für a?. Sofort kam die Antwort: 4. „Weiter, b?. 7 usw. Ich notierte mir sorgfältig die von Rolf gegebenen Zahlen und konnte am folgenden Morgen zu meinem großen Erstaunen feststellen, daß das Tier seine selbst- gewählten Zahlen fest im Kopf hatte. Wir nahmen jeden Tag ungefähr 5 Buchstaben, aber ich glaube, Rolf bedurfte gar nicht dieser Erleichterung, er hätte sich auch gerade so gut alle auf einmal gemerkt. Die Zahlen für die Buchstaben q, x und v habe i c h bestimmt, aber Rolf hat sie tatsächlich noch nie verwendet. Auf der nächsten Seite ist die Buchstabentafel, wie sie der Hund selbst angegeben hat und nach der er nun ständig arbeitet, Nviedergegeben. Nun ließ ich Rolf leichte Wörter zusammensetzen: ich diktierte ihm Buchstaben, schrieb mit, und wenn das Wort beisammen war, hielt ich es ihm vor. Er be- griff sehr leicht und schien große Freude am Unterricht zu haben. Nach etlichen Tagen ließ ich Rolf den Namen unsrer Kleiueii kloui'en, dio Kaila heißt. Da gab Ob für micli eine Überrasciiung, Rolf klopfte das Wort: hia. Er hatte also das a nach k weggelassen. Ich hieß ihn das Wort noch einmal klopfen, aber Rolf blieb dabei. Nun ließ ich ihn gewähren und fand bald, daß er auch bei andern Wörtern die Selbstlaute wegließ, die beim 29 1 = f 9= d 17= t 2=0 10 = e, ei 18 =u 3= r 11 ---g 19= w 4= a 12= h 20= V 5=1 13 =i 21 = X 6=n 14= k 23= z 7 = b 15 = p 24= c 8= m 16 = s 25= q a= 4 i= 13 r= 3 b= 7 k= 14 s = 16 c= 24 1= 5 t = 17 d= 9 m= 8 u= 18 e, ei = 10 n= 6 v= 20 f= 1 0= 2 w= 19 g=ll p = 15 x= 21 h= 12 q= 25 z= 23 Interpunktionen (zuweilen, nicht immer, gebraucht): 7 = b für Punkt („bungd"), 4 = a für Ausrufungszeichen. Abkürzungen: ja = 2 nein = = 3 müde = 4 Gassei = Bett = 7. = 5 Buchstabieren schon in vorhergehenden oder nachfol- genden Mitlauten enthalten waren. Meine Vermutung, daß Rolf sich bewußt so ausdrückte, wurde bestätigt, als mir das kleine Buch von te Kloot über die Elberfelder Pferde in die Hände kam, aus dem ich ersah, daß auch 30 die Pferde „Muharaed"' und ,,Zarif" die Wörter in ähn- licher Art buchstabieren*). Haben wir nun das geistige Werden des Tieres im allgemeinen geschildert, so wollen wir im folgenden emige Einzelheiten aus Rolfs Geistesleben berichten. Bei den weiteren täglichen Übungen war ich bestrebt, dem Hunde Gegenstände der Außenwelt zu erklären, um zu erfahren, ob er Erscheinungen der Außenwelt geistig zu erfassen und nach ihrem begrifflichen Inhalte wiederzugeben imstande sei. Zu diesem Zwecke zeigte ich Rolf Bilderbücher, in denen zum Beispiel gemalte Pferde zu sehen waren. Auf Vorzeigen eines solchen Bildes klopfte er 14 18 5 = kul, spr. kaul**), also wahr- scheinlich ,,gaul". Dieses Wort gebrauchte er ständig zur Bezeichnung von Pferden, eine Tatsache, die sich wohl am leichtesten dadurch erklärt, daß er von meinen Kindern das Wort „Gaul" des öfteren hörte. Während der weiteren Entwicklung ergab sich, daß Rolf bei seiner phonetischen Ausdrucksweise häufig die Pfälzer (Mannheimer) Mundart anwandte, die er in unserem Hause täglich hört. Bei Gelegenheit einer Prüfung des Hundes (4. Mai 1913) in Mannheim zeich- nete ein Gelehrter auf ein Blatt Papier eine Sternblume und zeigte sie dem Hunde. Er sah einen Augenblick hin und klopfte dann als Antwort: 7 5 13 85 — hliml. Diese Antwort kam für alle unerwartet, da von Rolf zum ersten Male der dialektische Ausdruck für Blümchen *) Otto te Kloot, Hans, Mulmmed und Zarif. Berlin 1912. M. **) k = ka. Vergl. oben krla = Karla. M. 31 verwendet wurde. In der Folge wandte der Hund noch oft den Pfälzer Dialekt an, so bei der Sitzung in Berg- zabern am 15. Mai 1913, als ihn ein Herr fragte: „Wo ist Rolf zu Hause ?" „8468 = man m'' gab Rolf sehr frisch als Antwort; „Männern" pflegen die Mann- heimer ihre liebe Vaterstadt zu heißen. Wie sehr Rolf alle Vorgänge seiner unmittelbaren Umgebung beobachtete, sollte ich eines Tages an einem besonderen Beispiel erfahren. Im Wohnzimmer saß Besuch, dem ich mich widmen mußte, und ich hatte daher meine Kleinen ermahnt, pünktlich ihre Schul- aufgaben zu erledigen. Mit der Beteuerung, daß sie nur Rechenaufgaben hätten, wanderten die beiden ins Arbeitszimmer. Als ich nach einiger Zeit einmal nach ihnen schauen wollte, überraschte ich Fritzel dabei, wie er sich von Rolf die Lösung seiner Rechenaufgaben auf sein Händchen klopfen ließ. Im Heft stand schon eine Reihe fertiger Aufgaben. Auf meine Frage: ,,Hat der RoK dir die alle gelöst ?" kam ein sehr kleinlautes ,,Ja"! Es waren zusammengesetzte Aufgaben, von denen mir im Augenblick folgende A^orliegt : 4x38 — 92+4 : 8 = 8. Solcher Art waren auch die anderen Rech- nungen. Rolf hatte sie richtig gelöst. Allmählich drang die Kunde von dem rechnenden Hunde in weitere Kreise. So kam es, daß zuerst einzelne uns näherstehende Bekannte, dann aber auch solche Personen sich für die Leistungen des Hundes erwärmten, denen infolge ihres Berufes oder ihrer Neigungen die Frage nach der Denkfähigkeit der Tiere nahelag. Die 32 Leistungen des Hundes bestanden bei diesen Vorfüh- rungen hauptsächlich im Rechnen, aber auch schon in vernünftigen Kundgebungen über Wahrnehmungen der Außenwelt; so zählte er die Bilder an der Wand, die Kacheln eines Ofens, die Reihe der Besucher und die zu einem Strauß zusammengebundenen Blumen, dabei auch merkwürdigerweise diese nach Art und Farbe unterscheidend. Bei Anwesenheit einer größeren Anzahl von Da- men und Herren wurde auch eine Prüfung des musi- kalischen Gehörs des Tieres in der Weise gemacht, daß im Nebenzimmer auf einem Klavier zuerst ein Akkord von 5 Tönen und sodann 6 Töne hintereinander, davon drei hohe und drei tiefe, angeschlagen wurden. Auf Be- fragen gab Rolf sowohl die Zahl der Töne des Akkords, als auch die Einzeltöne, und zwar erst der hohen und dann der tiefen, an. Auch das musikalische Gedächtnis Rolfs ist vorzüglich, wofür wir im Laufe der Zeit sehr gute Beweise erhielten. Lieder, die er nur einmal hörte, erkannte er sofort wieder, wenn man sie auf irgend einem Instrument spielte oder auch nur pfiff. So sehr er gutes Musikspiel liebt, so wenig kann ihm schlechtes Spiel gefallen. Besonders einmal zeigte er in nicht mißzuver- stehender Weise seine Unlust, als im Nachbarhause jemand das Klavier jämmerlich marterte. Rolf lag vor dem Ofen und sah eine Weile aus bösen Augen die gegenüberliegende Wand an; dann stand er auf und suchte sich einen Platz hinter dem Ofen. Aber diese Platzveränderung half nichts; er begann unzufrieden zu Mo ekel, Mein Hund Rolf 3 33 knurren, kam schließlich zu rair, setzte sich und klopfte heftig: 4 18 1 12 3 6 = a u f h r n — aufhören. Lachend fragte ich: „Wer soll aufhören ?" worauf Rolf antwortete: 11 5 4 1 13 3 — gla f i r = Klavier. Wir waren schon glücklich, als Rolf unsere Fragen mit einzelnen Worten beantwortete, \\ie z. B. .,Wer bist du denn ?" Antwort: 52 5= l ol (Kosename für Rolf), oder: „Wer bin ich?" Antwort 8 18 9 3 = mudr = Mutter. „Wo ist dein Herr?" Antwort: 7 13 3 2 = h i r o = Büro. Unsere Freude wuchs aber, als Rolf Namen von ihn besuchenden Personen klopfte und auch etliche Worte auf einmal zur Antwort gab, z. B. auf die Frage: ,,Was will der Lol nun tun?" die Worte buchstabierte: 1616 9 3 116 4 18 1 8 4 11 6 = fnsdr gn aufmagn*)= Fenster gehen, aufmachen. Nun fing ich an, ihn Sätze bilden zu lassen, erst ganz einfache, und zwar auf folgende Weise. Ich schrieb an die Tafel: Haus ist hoch, Hahn ist bunt, Zucker ist süß und Ähnliches. Rolf mußte klopfen, was angeschrie- ben stand, und er tat dies mit sichtlicher Freude. Nach etlichen Tagen schon überraschte mich Rolf mit dem ersten Satz. Ich befahl ihm kurz: Rolf, bilde einen einfachen Satz! Und es kam seine Antwort: 14 3 5 4 13 16 5 13 7 = k r l a i s Hb = Karla ist lieb. Karla, *) Rolf teilt die Wörter nicht ab, sondern klopft ohne Wortpausen weiter: fnsdrgnaufmagn; krlaislib usw. Es können daher bei längeren Sätzen gelegentlich auch Zweifel entstehen, wie die Wörter abzuteilen sind, zumal bei der phonetischen Schreibweise des Hundes. Ziu- Vereinfachung für den Leser aber werden in dieser Schrift alle Wörter abgeteilt. M. 34 Rolfs Liebling, hatte kurz vor dem Unterricht ihr Vesper- brot mit ihrem treuen Kameraden geteilt. Einige Zeit wurden diese ganz einfachen Sätze geübt, ehe ich zu erweiterten überging. Auch dabei stieß ich auf keine besonderen Schwierigkeiten. Die Sprachstudien meiner Kinder mögen wohl auch hier schon vorgearbeitet haben. Eine uns nahestehende Persönlichkeit hielt ihm eines Tages die Fibel unseres Fritz vor. Auf meine Aufforderung, uns den aufge- schlagenen Text zu lesen, klopfte Rolf wörtlich den Satz, der lautete: „Morgen reisen mr ab." Tu jener Zeit besuchte uns Herr Krall. Seine Per- sönlichkeit, wie auch seine Bestrebungen weckten als- bald unsere ganze Zuneigung. Nie werde ich vergessen, wie merkwürdig sich Rolf Herrn Krall gegenüber be- nahm. Unsere Barbara brachte den Hund an der Leine herein. Er blieb unweit der Türe stehen und sah mit weit offenen, glänzenden Augen unverwandt den Herrn an; dann ging er, ohne von mir irgend welche Notiz zu nehmen, wedelnd auf ihn zu und beroch sehr erregt seine Hände, schließlich sein Gesicht und den ganzen Kopf. Herr Ki-all sagte währenddessen einige Male: Mein lieber Rolf! Rolf war ganz glücklich, schmiegte sein Köpfchen an Herrn Kralls Brust und ließ sich streicheln. Diese Zutraulichkeit mußte uns um so mehr auffallen, als Rolf sonst Berührungen von fremder Hand nicht gern duldete. Herr Krall bestätigte manche merk- würdige Übereinstimmung seiner Pferde mit Rolf in der Art der Wiedergabe der Buchstaben und Wörter; Kralis Pferde buchstabieren die Worte ebenfalls nach dem Klang und lassen auch diejenigen Vokale oft aus, welche schon in dem Namen des vorhergehenden Kon- sonanten enthalten sind. Mit Herrn Krall aus Elberfeld war auch Herr Dr. L. Wilser aus Heidelberg gekommen, der sich schon längere Zeit für Rolf interessiert hatte. Mit der Frage (auf Herrn Krall weisend): ,,Roli, kennst du diesen Herrn?" begann ich die Vorführung, worauf der Hund, dem ich am vorhergehenden Abend Herrn Kralis Photo- graphie mit Namensnennung gezeigt hatte, ohne Be- sinnen mit zwei Pfotenschlägen (ja) antwortete. „Weißt du auch noch seinen Namen?" Ja. ,, Kannst du ihn buchstabieren?" Ja. ,, Dann tue es!" Antwort: i4 -3 5 — krl. „Gut, aber es fehlt noch eine Kleinigkeit, welche?" Antwort: 5 = 1. „Richtig, aber noch etwas! Paß auf, der Name lautet Krall (mit besonderer Be- tonung des a). Antwort: 4 = a. Der Name war nun richtig, nach reiflicher Überlegung aber glaubte ich bestimmt, Rolf habe zuerst den Vornamen des Herrn Krall klopfen wollen, den er auch kannte; dann wäre nach seiner phonetischen Schreibweise k r 1 = Karl fehlerlos gewesen. Dann zeigten wir dem Hund das Bild des Elberfelder Hengstes Zarif, das er schon Öfter gesehen hatte. ,, Kennst du den?" Antwort: ja. „Wie heißt er?" Antwort: 24 4 3 1 — zar f. ,, Ausgezeichnet, aber was fehlt noch in dem Namen Zarif?" Antwort: 13 = i. Bei Gelegenheit des Besuches der beiden Herren 86 versuchte ich einen unwissentlichen Versuch. Ich ließ im Nebenzimmer meine Haushälterin aus einer Tabelle etliche Aufgaben herausschreiben, Quadratwurzeln und Kubikwurzeln, und hieß sie die Zahlen in einen Brief- umschlag stecken und die Lösungen in einen andren, beide Umschläge aber schließen. Das geschah, Herr Krall nahm denjenigen mit den Aufgaben, Herr Dr. Wil- ser den mit den Lösungen. Zwei Aufgaben wurden herausgesucht und zwar: Quadratwurzel aus 3969 und Kubikwurzel aus 110 592 und dem Hund nacheinander vor die Augen gehalten. Es dauerte nicht sehr lange, so erfolgten die Antworten 63 und 48, beide richtig, wie Herr Dr. Wilser nach eröffnetem Umschlag fest- stellte. Die beiden Herren waren sehr befriedigt und kargten natürlich nicht mit Lobsprüchen für den guten Rolf, der dann noch den Namen ,, Wilser" klopfen mußte, ehe er entlassen \vurde. Herr Krall erzählte Rolf noch von seinen Pferden Muhamed und Zarif und fragte Rolf: „Soll ich denn meinen Zöglingen Muhamed und Zarif, die auch so gescheit sind wie du, etwas ausrichten ?" Antwort: ja. „Was denn?" Antwort: 113 18 16 = g r u s. „Was sagst du den Herren zum Abschied, Rolf?" fragte ich noch, worauf Rolf 4 9 = a d = Ade klopfte. Hatte sich Rolf bei Beginn seiner geistigen Laufbahn beim Rechnen wie auch beim Äußern von Gedanken durch Worte öfter geirrt, so konnten wir bald ziemlich sicher sein, daß die Antworten richtig erfolgten, voraus- 37 gesetzt, daß es mir gelang, durch meinen Willen ihn zum Arbeiten überhaupt gelugig zu machen. Ein be- merkenswerter Fortschritt war nun bald darin zu er- kennen, daß Rolf anfing, selbständig — also ohne vor- heriges Befragen — Gedanken zu äußern. Als eine der ersten Äußerungen ist mir die folgende in Erinnerung. Ich weilte zur Sommerfrische bei meinen Eltern in Bergzabern, wo Rolf sich immer ganz besonders für die Vögel im Walde interessierte. Jeden Vogeh'uf hörte er: alles mußte ich ihm erklären und zeigen. War ihm eine Vogelstimme unbekannt, stand er still, das eine Pfötchen leicht gehoben, und erst wenn er genau wußte, wie der Vogel heißt, ging er zufrieden weiter. Eines Nachts weckte mich Rolf, der bei mir im Zimmer schlief, und schlug mir auf den Arm: 12 115 12 3 6 = fogi h rn = Vogel hören. Der klagende, ihm unbekannte Ruf eines Steinkäuzchens hatte ihn aus seiner Ruhe geweckt; ich erklärte ihm den Ruf des Vogels, und ruhig wandte er sich seiner Lagerstatt wieder zu. Ein anderes Mal, es war in Mannheim, wurde be- raten, was die Kinder zum Abendessen bekommen sollten. Jedes der vier Kinder hatte seinen eigenen Wunsch, es sah aus, als sollte diese Beratung in einem Streit enden, als Rolf nun auch seinerseits unaufgefordert seinen Wunsch äußerte. Er klopfte teils auf meine Stuhl- lehne, teils auf meinen Arm: 1461118116 = fangugn = Pfannkuchen. Augenblicklich waren die Kinder einig, unter lautem Jubel stimmten sie Rolfs Wunsch bei, und es gab wirklich an jenem Abend Pfannkuchen. 38 Von der Schärfe der Beobachtungsgabe des Tieres mögen folgende Vorgänge Zeugnis geben. Ein uns be- freundeter Herr sandte eine Photographie, die seine Frau nebst zwei Söhnchen auf einem mit einem Pferde bespannten Wagen sitzend zeigt, vor dem der Führer steht. Aus der Uniform dieses Führers glaubten wir auf einen Soldaten schließen zu müssen. Auf Vorzeigen dieses Bildes aber bezeichnete Rolf den Führer als 7 2 169 7 29 = hosdhod = Postbote; bei dieser Bezeichnung blieb er hartnäckig trotz meines Vorhaltes, daß der Führer ein ,, Soldat" sei. Der freundliche Ab- sender dieser Photographie, dem ich den gemutmaßten Irrtum des Tieres mitteilte, erwiderte, daß Rolf recht gehabt habe, denn der Wagen sei ein Postwagen und der Führer ein Postbote. Gelegentlich einer Vorführung — man war damals besonders mißtrauisch und kritisch — bewies Rolf glänzend, daß er sich nicht irre führen ließ. Der Hund hatte längere Zeit wundervoll gearbeitet, gezählt, ge- rechnet und auch erzählt, als plötzlich einer der Herren herzutrat, Rolf zu sich rief, einen Schlüsselring aus der Tasche zog und diesen ihm selbst zeigte. Von dem Herrn befragt, wie viele Schlüssel daran seien, gab Rolf einen Klopfschlag und zwar auf jenes Herren Hand. Triumphierend rief er: ,,Nun sehen Sie, 1 sagt der Hund, während ich ihm zwei Schlüssel gezeigt habe!" Ich rief Rolf zurück und sagte ziemlich erregt: „Warum sagst du denn 1, während die richtige Antwort doch 2 gewesen wäre?" worauf Rolf ein bestimmtes „wem" 39 gab. Noch einmal fragte ich, wieviele Schlüssel an dem Bund gewesen seien, bekam aber auch die Antwort 1. „Rolf, der Herr zeigte dir aber doch zwei Schlüssel und du sagst 1, du hast dich geirrt." Als Antwort kam „nein'\ nach kleiner Pause spontan weiter: 9 3 13 11 3 = dr i g r — Drücker. Ich ließ mir den Schlüsselring zeigen und konnte zu meiner großen Befriedigung fest- stellen, daß wirklich nur e i n eigenthcher Schlüssel daran war. Der andere „Schlüssel" war ein Drücker, auch Schlinke genannt. Herr Doktor R. aus Wien war mit seiner Frau ge- kommen, um RoK kennen zu lernen. Unter anderem bat mein Mann den Herrn, er möge doch selbst von Rolf irgend etwas verlangen, damit ganz gewiß feststehe, daß nichts vorbereitet oder gar eingelernt sei. Daraufhin kam von Seite des Herrn die Frage: „Rolf, was für Stiefel hat die Dame an ?" Der Hund hob während der Frage lauschend seinen schönen Kopf, stand dann auf, ging zu der Dame hin, beschnupperte und besah auf- merksam deren Schuhe, kam zu mir zurück und köpfte: 11 3 4 18 8 13 9 11 6271^ grau mid gnobf = grau mit Knopf. Ich muß hierzu bemerken, daß niemand das Tier aufgefordert hatte, zu der Dame hin- zugehen, Rolf dies vielmehr ganz aus sich heraus tat. "Wu" waren wieder in Bergzabern mit Rolf, und zwar diesmal zur Zeit der Obstblüte. Am Haus selbst stand ein Pfirsichbaum in vollster Blüte, so nah, daß seine Zweige bis ins Fenster hereinreichten. An jenem Fenster pflegte ich stets zu arbeiten, und Rolf saß dann meist 40 auf der breiten Fensterbank außerhalb. Meine Mutter zeigte mir eines Tages, wie allmählich die ßjüte abfalle und schon der Fruchtknoten hervorkomme. Während dieser Erklärung drängte sich Rolf, der gerade ins Zimmer kam, zwischen uns durch und sah aufmerksam zu. Wir freuten uns beide über das kluge Tier und lob- ten sein Interesse. Etliche Tage darauf war Mutter in Begleitung der Kinder auf den Friedhof gegangen, nur eine der Großen war bei mir geblieben. Rolf saß auf seinem Fenstersims und sonnte sich. Plötzlich stand er wedelnd auf, zeigte beide Reihen Zähne (wir nennen dies ,, lachen") und zupfte mich am Kleid. Ich sah an- gestrengt hinaus auf die gut übersehbare Landstraße, in der Meinung, Mutter käme schon wieder zurück. Aber nirgends war jemand zu sehen. Endlich bemerkte ich, daß Rolf die Pfirsichzweige mit glänzenden Augen betrachtete und fragte ihn: „Rolf, was freut dich denn so?" Da gab er sofort: 1316 3 4 18 16 11 2 86 11 5 10 7 1 13 3 16 13 11 5 i s r a n s g o m n g l ei b f i r s i g l 12 9 7 59 16 9 4 16 6 13 9 1 3 13 3 9 h d h l d s das nid f r i r d = is raus kommen klei Pfirsichl, hat Pelz daß nid frird (ist heraus gekommen klein Pfirsichel, hat Pelz daß nicht friert). Bei näherer Untersuchung fand ich, daß in der Tat zwei winzige Pfirsiche ganz nach Rolfs Beschreibung zu sehen waren. Im Juni desselben Jahres kam ein Admiral aus 41 Kiel, um Rolf, von dem er schon \ie\ gelesen hatte, zu besuchen. Etliche Tage vorher zeigte mir Rolf im Garten am Fliederbusch einen großen Schmetterling, vor dem er sichtlich erfreut stehen blieb. Ich erklärte ihm, daß der prächtige Schmetterling ,,Admirar' heiße. Als sich der Herr aus Kiel als Admiral vorstellte, sah der Hund lange sehr aufmerksam seinen Besucher an. Rolf be- kam nun als erstes eine Rechenaufgabe gestellt und zwar von dem Herrn selbst. Statt der richtigen Lösung klopfte Rolf: 4 9 8 13 3 4 5 13 16 16 8 10 9 3 5 13 6 11 =^ admiral i s s m e d r li n g =^ Admiral ist Schmet- terling. In liebenswürdiger Weise erzählte dann der von dem obenstehenden Vorgang unterrichtete Herr dem auf- merksam zuhörenden Hunde, daß der Schmetterling „Admiral" große Ähnlichkeit mit der Uniform eines Admirals zeige und gerade wegen des Admiralbandes auch diesen Xamen erhalten habe. RoK hörte wedelnd zu und gab dann bereitwillig Antwort auf aUe an ihn gestellten Fragen. Die beiden letzteren Begebenheiten stammen erst aus dem Jahr 1914 und sind hier nur eingefügt zur besseren Beurteilung der Beobachtungsgabe und Denk- fähigkeit des Hundes. Im Frühling 1913 hatte ich Rolf eine Gespielin ge- geben, eine lebhafte, junge Hündin derselben Rasse, „Jela" mit Namen. Ich begann auch mit ihr den Unter- richt, sobald sie sich ein wenig bei uns eingelebt hatte. Jung vne sie war, dauerte es ziemlich drei Wochen, bis sie die rechte Pfote von der linken sicher unterschied 42 und ruhig beim Unterricht sitzen konnte. Aber dann machte auch sie schnelle Fortschritte. Sie beherrschte bald das Alphabet und verstand bis 100 in allen Arten zu rechnen. Ein drolliges kleines Erlebnis während des Unter- richts der beiden Tiere Jela und Daisy (wir hatten den beiden Hunden noch ein kleines graues Kätzchen, namens Daisy, zugesellt) verdient wohl erwähnt zu werden. Die temperamentvolle Jela sollte lernen, über den ersten Zehiier hinaus zu rechnen. Als ich nach vor- heriger, gründlicher Erklärung schon zum dritten Male vergeblich die Aufgabe: 9 plus 2 gestellt hatte, griff ich nach der Peitsche, um ihr eine kleine Züchtigung zu verabreichen. Rolf, der dies sah, trat voller Angst hastig hinter Jela und klopfte ihr kräftig die Lösung der Aufgabe durch elf Pfotenschläge auf den Rücken. Jela saß wie lauschend still, und als Rolf aufhörte zu klopfen, gab sie mir die eben erhaltene Lösung weiter. Diese unmittelbaren Geistesäußerungen Rolfs be- gannen bald sich über das Denkvermögen im engeren Sinn hinaus zu erweitern, und wir konnten kleine Ge- schichtchen verzeichnen, die einen Einblick gewährten in die ,, Moral" des Tieres und sein Gefühlsleben. Zur Osterzeit war es, als mein Mann den Hund dabei er- tappte, wie er mit einem geschickten Biß einen auf einem Tische stehenden Biskuithasen unsres kleinen Fritz erwischte. Auf den strengen Vorhalt, daß das Diebstahl sei, erwiderte Rolf verneinend mit dem Hinzu- fügen: P iö 73 8 10 6 122 59 =dsi mein hold 43 = Daisy mein (meinen) holt (geholt). Unser Kätzchen Daisy, welches auch eine besondere Vorliebe für diese Biskuits zu haben schien, hatte kurz vorher den Biskuit- hasen, der dem Hunde zur selben Zeit geschenkt worden war, sich zugeeignet, und Rolf glaubte nun, sich auf diese Weise entschädigen zu dürfen : die primitive Hand- lung der Selbsthilfe, die dem Hund anscheinend erlaubt schien. Wenn er in seinem Sinn gestohlen hat, so gibt er dies unumwunden zu; ertappte ich ihn doch einmal auf frischer Tat, wie er gerade ein Stück Brot von einem Teller naschte. Auf meinen Verweis, was er da gemacht habe, erwiderte er: 11 9 5 9 = g d l d — gestehlt (s fort- gelassen, wohl Flüchtigkeitsfehler). Für das Vorhandensein von Gerechtigkeitssinn sprechen folgende Erlebnisse. Fritz und Frieda waren, wie das öfters vorkam, uneins geworden. Sie stritten laut, und schließlich artete das Wortgefecht in eine kleine Prügelei aus. Rolf, aus seiner Ruhe aufgeschreckt, spitzte die Ohren und lauschte angestrengt. Einen forschenden Ausdruck in den klugen, ernsten Augen, sah er von einem zum andern, bis er plötzlich aufstand, auf Seite des Knaben trat und diesen lebhaft gegen seine große Schwester verteidigte, die auch offenbar nicht im Recht war. Ein andres Mal war zwischen meinem Mann und mir eine kleine Meinungsverschiedenheit. Ich verteidigte sehr warm meinen Standpunkt und rief schließlich Rolf als Schiedsrichter an. ,, Mutter hat doch recht, Rolf?" fragte ich den Hund, der mich fest ansehend, klopfte: 44 8 18 9 3 6 13 9 12 3 3 10 11 9 = tu udr nid kr r eg d — Mutter nicht, Herr recht. Trotz seiner großen Liebe zu mir trat Rolf auf seines Herrn Seite, doch wohl nur, weil er dort das Recht vermutete. Daß das Gefühlsleben dieses Tieres ein hoch ent- wickeltes ist, dürfte wohl folgender Vorgang bestätigen. Als im Herbste 1913 eines meiner Töchterchen in sein fernes Pensionat abreiste und mir der Abschied von dem Kind Tränen entlockte, kam Rolf auf mich zu und klopfte: 8 18 9 3 6 13 9 19 10 6 6 52 5 19 = mudr n i d ^v ein 71 lol v; — Mutter nicht weinen, Lol weh. Rolf kennt auch das Gefühl des Mitleids, wie er uns an einem schönen Märztage des Jahres 1914 zeigte. Karla stürzte auf die Nase und tat sich sehr weh. Laut weinend lag sie am Boden. Rolf rannte zu seinem Lieb- ling und sah, daß das Kind blutete. Mit großen, traurigen Augen schaute er Karla an und versuchte, ihr das Blut abzulecken; man sah ihm an, wie er um sie litt. Wir wuschen die Kleine, untersuchten das dickgeschwollene Naschen und bemühten uns, das noch immer jammernde Kind zu beruhigen. Rolf ging nicht von Karlas Seite, leckte ihr Händchen, schmiegte sich eng an sie, kurz, er versuchte auf seine Weise, sie zu trösten. Nichts wollte helfen, Rolf schien ganz unglücklich. Er kam schließlich auf die andere Seite, zu mir, und klopfte leb- haft: 43 8 143 5 4 11 18 9 16 5 11 7 6 =- a r m kr la g u d s el gh n — arm Karla Gutsei*) geben. *) Gutsei, Gutsle = mundartlicher Ausdruck für Nasch- werk. M. 45 Das geschah nun sofort. Rolf hatte am Tage vorher eine große Büchse Keks bekommen von einem lieben Onkel, und daraus gaben wir der Kleinen etliche Stück- chen. Die schmeckten herrlich. Bald lachte wieder der helle Sonnenschein aus den Blauaugen unsrer Jüngsten, und unser treuer Rolf stand mit frohen Augen, vor Freude heftig mit seinem Stummelschwänzchen we- delnd, dabei. So gein Rolf Spuren von Wild sucht und Ratten aus ihren Löchern gräbt, so wenig würde er sich an einem Lebewesen vergreifen, um es aufzufressen. Für diese bestimmte Meinung erhielt ich im Juni 1914 den sichern Beweis. Wie allabendlich nahm ich ihn auch am 16. Juni mit auf meinen Spaziergang in das Birkenhördter Tal. Weit hinter der „Augsburger Mühle" — Rolf tummelte sich auf der Wiese — stieß er einen Schrei aus, stand einen Augenblick lang still mit hoch erhobener Pfote, um dann leidenschaftlich loszuspringen, mitten in den kleinen Waldbach hinein. Als ich die Ursache seiner Überraschung sehen konnte, hatte er eine Ente, die sich im Gebüsch zur Ruhe gesetzt hatte, aufgespürt. Diese Ente hatte einen buntschillernden Hals und auch sonst sehr buntes Gefieder, ganz ähnlich einer Stoffente, die im Besitz unsrer Kinder war und von Rolf als Spiel- zeug sehr bevorzugt wurde. Heftig mit den Flügeln schlagend, schwamm das geängstigte Tier vor Rolf her, der es laut heulend verfolgte. Von Zeit zu Zeit tauchte er sie mit den ausgestreckten Vorderpfoten tief unter, und wenn sie in einiger Entfernung wieder erschien, 46 setzte er mit Kriegsgeheul hinter ihr drein, um dasselbe Spiel von vorne zu beginnen. Mein Rufen verhallte ungehört, sogar die Pfeife nutzte nichts. Schließlich hielt die arme Ente das wilde Spiel nicht länger aus und blieb matt auf dem Wasser liegen. Rolf packte sie und trug sie an das Ufer. Dort lag nun das Tier auf dem Rücken und schaute mit ängstlich vorgestrecktem Hals seinen Peiniger an, der aufgeregt beobachtend daneben stand. Plötzlich begann Rolf zitternd rück- wärts zu gehen, und mit allen Zeichen des Schreckens und bösen Gewissens kam er zu mir. Mittlerweile hatten wir bemerkt, daß die arme Ente an der Brust blutete. Rolf bekam eine sehr empfindliche Strafe mit der Peitsche und außerdem bedeutete ich ihm, daß er die arme Ente getötet habe. Er saß mit großen, unglück- lichen Augen da, als ich ihm sagte: „Mutter wird dich nun nicht mehr so lieb haben können, weil du getan hast, v/as ein ganz häßliches Raubtier tut. Aber das Raubtier hat ein Recht zu morden, es hat Hunger, und niemand füttert es. Du aber hast immer deine gute Suppe, leidest nie Hunger, pfui, du durftest nicht töten, pfui Rolf, ich schäme mich für dich!" Rolf kroch unter meinen Fahrstuhl und regte sich nicht, bis wir weg- gingen. Die Ente starb während des Transportes nach der Mühle, wohin sie gehörte. Rolf trottete während des ganzen Heimwegs betrübt neben mir her; nichts konnte ihn locken, nicht einmal sein geliebter Weiher, an dem er sonst nur mit List und Schläue vorüberzu- bringen war. Daheim angekommen erzählte ich so- 47 gleich Rolfs schlimme Tat. Es war interessant zu be- obachten, wie er mit hängenden Ohren, ein Bild der Verzweiflung, dastand. Selbst Karlas Liebkosungen ge- lang es nicht, ihn aus seinem dumpfen Brüten zu wecken. Erst als ich ihn ernst fragte: ,,Rolf, soll Mutter noch einmal so etwas erleben?", stand er an meinem Fahr- stuhl hoch, gah mir lange in die Augen und klopfte ein energisches ,,nein'\ Das gute Tier hat bisher sein Ver- sprechen gehalten. Er hatte seitdem schon oft Gelegen- heit, seine Tat von damals zu wiederholen, aber wenn er solch Ententier nur von weitem sieht, kommt er ganz nahe zu mir und schlüpft wohl gar unter meinen Stuhl, damit er nicht wieder in Versuchung komme. Ich bin übrigens der festen Überzeugung, daß Rolf nicht morden wollte, er hätte sonst wohl die Ente auch tot gebissen und aufgefressen, wie dies genug andere Hunde tun. Kurz vor diesem Schreckenstag begegneten wir einer Gänsemutter mit \äelen halbwüchsigen Gänschen, die alle im warmen Sand sich sonnten. Rolf ging hin, wedelte die alte Gans an, ließ sich auf die Vorderpfoten nieder, was aussah, als wollte er ihr ein tiefes Kom- pliment machen, und leckte ihr sogar noch ganz zart das Gefieder. Die alte Gans war auch gar nicht scheu, fühlte sich also ganz in Sicherheit vor Rolf. Uns kam es sogar vor, als freue sie sich über Rolfs Benehmen. Diese merkwürdige kleine Beobachtung machte ich nicht allein, sie geschah vor Zeugen; jedenfalls beweist sie, daß Rolf vor dem Entenabenteuer das Federvieh 48 eher schätzte als verfolgte. Ein bunter Hahn erregte von je des Hundes größte Bewunderung, und Bilder- bücher, in denen ein stolzer Haushahn enthalten ist, waren ihm immer die liebsten. Diese Äußerungen des Gemütes des Tieres blieben nicht die einzigen, jedoch würde es an dieser Stelle zu weit führen, sie alle zu erzählen. An zuverlässigen Versuchen über das weitreichende Erinnerungsvermögen des Tieres fehlte es auch nicht. Einst war eine Freundin aus Heidelberg zu Besuch ge- kommen, die ungefähr dreiviertel Jahre vorher mit zwei Knaben bei uns in Mannheim gewesen war. Auf die Frage, ob er die Dame noch kenne und ob sie schon einmal dagewesen sei, schlug Rolf die Antwort: 2 2 7 18 = ja 2 bu = ja zwei Buben*. Ein guter Bekannter meines Mannes erschien nach Verlauf von einigen Monaten wiederum zu Besuch; auch hier erfolgte auf die Frage, ob er den Herrn kenne, sofort die Wiedergabe seines Namens und Wohnorts. Zwei Herren aus Bergzabern, die Rolf nahezu zwei Jahre nicht mehr gesehen hatte, fragten ihn, ob er sie wieder erkenne. Die beiden Herren kamen nicht am selben Tage, sondern jeder allein. Der Hund wußte noch beide Namen sehr sicher anzugeben, und dem Namen des einen Herrn fügte er noch 8 6 16 4 = mns a = mensa bei. Der Herr erinnerte sich sofort, daß er bei seinem ersten Besuch dem Tier das lateinische Wort gelehrt hatte. Er fragte: „Rolf, weißt du aber auch * bu ist mundartlich. M. Moekel, Mein Hund Eolf 4 49 noch, was mensa deutsch heißt?" worauf dieser wedelnd klopfte: 9 13 16 = d i 8 = Tisch (das seh vereinfacht sich Rolf meist in s). Dem Namen des andern Herrn fügte ei üu: 7 13 3 8 3 11 3 16 6 9 4 9 11 5 9 6 19 11 = b irmr g r s n da d gld nw g = Biermerker sntatt Geld, n weg (im Wort „statt" machte Rolf einen Flüchtigkeitsfehler, korrigierte aber selbst mit ,,n weg"). Diese Bemerkung rief großes Erstaunen hervor. Unser Rolf hatte ein Erlebnis, das mit diesem Herrn zusammen- hing, nicht vergessen. Bei der früheren Begegnung — es war gelegentlich einer Vorführung vor mehreren Personen — sollte Rolf Geld zählen. Eben jener, da- mals noch ziemlich ungläubige Herr mischte unter das Geld, das der Hund zählen sollte, auch einen bayrischen Biermerker aus Messing, auf dem die Zahl 13 stand. Der sollte wohl von Rolf als Geldstück angesehen werden. Der Hund beschnupperte jedes einzelne, ihm vorgehaltene Geldstück; dann mußte er die Summe von Mark und Pfennigen angeben. Die Summe stimmte genau, aber den Biermerker hatte Rolf nicht mitgerechnet. Nach- träglich an das vergessene ,, Geldstück" erinnert, gab er deutlich zu verstehen, daß das kein Geld sei; gefragt, was darauf stehe, schlug er richtig die Zahl 13. Das Wiedersehen mit jenem Herrn rief nun diese drollige Begebenheit im Gedächtnis des Hundes wach. Ein Verwandter, den Rolf vorher noch nie gesehen hatte, wurde von dem Tiere durch die Ähnlichkeit mit der Schwester des Besuchers erkannt, die einige Wochen vorher längere Zeit in unserem Hause geweilt hatte; 50 denn auf die Frage, wem dieser Herr ähnlich sähe, kam als Antwort der buchstabierte Vorname dieser Schwester. Wir bekamen Besuch aus Basel. Rolf sah besonders eine Dame immerwährend an. Dies fiel auf, da jene Dame zum ersten Male in unserem Hause war und weder durch ein buntes Kleid, noch durch einen auffallenden Hut Rolfs Interesse in diesem Maß wecken konnte. Darüber befragt, gab der Hund den Namen des Bruders der Dame wieder, den er schon zweimal gesehen hatte. Von des Tieres lebhaftem Miterleben aller Dinge im Haus gibt die auch von uns selbst lange Zeit für merk- würdig betrachtete Tatsache Zeugnis, daß Rolf mit der Zeitrechnung Bescheid weiß. Bei einer kleineren Gesell- schaft nämlich wurde unerwartet die Frage an Rolf gerichtet, welchen Kalendertag wir verzeichneten. Der Tag wurde von ihm richtig angegeben,^: ohne daß wir die Deutung für diese Antwort finden konnten. Erst später, als Rolf mir einmal an einem Samstag Abend klopfte, daß er am Sonntag nicht arbeiten wolle, und ich ihn dann am nächsten Tag fragte, woher er denn wisse, daß Sonntag sei, gab Rolf selbst unerwartet die Lösung dadurch, daß er 14 5 6 9 3 3 2 9 9 16 4 5 — klndr r o d dsal = Kalender rote Zahl, und dann auf die weitere Frage, wie viel schwarze Zahlen von einer roten Zahl zur andern kämen, die Antwort 6 klopfte. Das Wasser, insoweit es zum Waschen verwendet wird, fürchtet er, wie es kleine Kinder tun. Als einst in der Küche seine Wanne zum Herrichten eines Bades 51 bereitgestellt wurde, kam Rolf, der dieser Vorbereitung zugeschaut hatte, zu mir herein ins Zimmer und klopfte ohne jede Aufforderung: 5 2 5 16 3 16 4 18 15 3 9 3 4 3 8 5 2 5 6 13 9 l 0 l s r s a u p r d r a rm l o l n i d 7 4 9 6 b a d n = Lol sehr sauber, der arm Lol nicht baden. Lachend wischte ich ihm mit einem weißen Tuch den Rücken, ihm dabei erklärend, daß er nicht gewaschen werde, wenn das Tuch sauber bliebe. Das Tuch nahm aber eine bedenkliche Färbung an, und Rolf zog mit ein- gezogenem Schweif geduckt von dannen. Nach einiger Zeit kam RoK wieder auf mich zu, schaute mich bittend an und klopfte: 11 10 6 16 10 1 6 8 6 7 3 6 9 16 2 fj ei n s ei f nmn b r nd s o* — keine Seife nehmen, brennt so. So sehr Rolf das Baden in der Wanne mit warmem Wasser und Seife haßt, so sehr liebt er ein kaltes Bad im Rhein. Er ist ein hervorragender Schwimmer und kann auch tauchen. Ich beobachtete ihn, das war besonders leicht in Berg- zabern, wie er ungefähr 15 Sekunden unter Wasser blieb und schließlich mit einem Gegenstand im Maul wieder an der Oberfläche erschien. Einmal schwamm er zu * Fortan werden die von Rolf geklopften Zahlen nicht mehr wiedergegeben, sondern gleich die Buchstaben, die sie bedeuten. M. 52 meinem großen Schrecken durch den llhein und landete am Ludwigshafener Ufer. Drüben stand er lange still, war es nun, weil er müde geworden war, oder hatte er nicht den Mut, wieder herüberzuschwimmen. Ich durch- lebte angstvolle Minuten. Wir konnten ihn kaum unter- scheiden; wenn er lag, gar nicht. Rufen konnte nichts helfen, das würde ungehört verhallt sein. Rolf aber sprang, nachdem er sich ausgeruht hatte, wieder in die Fluten und kam, langsam zwar, aber sehr sicher bei mir an. Der Hund war so erschöpft, daß wir lange warten mußten, bis er mit uns nach Hause gehen konnte. Seit- dem hat er es nie mehr versucht, den Rhein zu durch- schwimmen. Von einem Rheinbad im Winter bei 7 Grad Kälte erzählt Rolf selbst in einem Briefe an Herrn Dr. Gra- denwitz in Berlin.* Daß Rolf nicht immer mit derselben Freudigkeit arbeitet, ist ja selbstverständlich. Meist gelingt es mir aber, seinen Gegenwillen zu beugen, und nur die Art seiner Antworten läßt seinen Widerwillen und Eigen- sinn erkennen. Schlug er doch einmal, als er hartnäckig den Namen einer anwesenden Dame wiederzugeben sich weigerte, schlechtweg : hu gl s d ei g n = Buckel steigen (also die Redensart, „er kann mir auf den Buckel steigen"), und als an demselben Abend ein anwesender * In einem weiteren Buche über Rolf, daa sich in Vor- bereitung befindet, werden seine Selbstbiographie und seine Briefe veröffentlicht werden. Siehe auch die in den Protokollen ent- haltenen Briefe. M. 53 Herr hinwarf: „Rolf, du bist ein Dickkopf", meinte er nicht gerade schüchtern: mudr aug = Mutter auch. Ein andermal meldete man mir in Gegenwart des Hundes einen Besucher; es war an jenem Tag zum zweitenmal, daß Rolf arbeiten sollte, worüber er wenig angenehm berührt war. Er reckte sich und streckte sich einige Male — er hatte auf seinem Fell unter dem Schreibtisch geruht — und kam mit trübseligem Ge- sichtsausdruck zu mii" : il a un m ei h u gl s d ei g n = Jela und mein Buckel steigen klopfte er auf meinen Arm und legte sich dann wieder unter den Schreibtisch, hoffend, daß der Fall nun für ihn erledigt sei. Nur ein einziges Mal kam es so weit, daß ich meinen guten Rolf beim Unterricht die Peitsche fühlen lassen mußte, und ich glaube wohl, daß die leichten Streiche der Herrin noch weher taten als dem Hund. Es war eine Pause von drei Wochen im Unterricht eingetreten, wegen heftigen Unwohlseins meinerseits. Als ich dann wieder den Unterricht aufnahm, zeigten sich alle drei Tiere widerspenstig. Besonders Rolf zeigte mir, daß er das Leben ohne Arbeit sehr hübsch gefunden hatte. Er saß mit gelangweiltem Gesicht da, die Ohren hart am Kopf, die Unterlippe leicht vorgeschoben, und sah wohl absichtlich immer an mir vorbei. Ich ignorierte seine Unlust völlig, setzte mich in meinen Liegestuhl und begann den Unterricht mit dem Zeigen eines schönen Bilderbuchs, das besonders von Jela sehr interessiert angesehen wurde. Daisy schielte nur aus ihren klugen Katzenaugen ein wenig zu mir herüber und schmiegte 54 sich hart an Rolf, der absolut nicht hersah. Ich klappte das Buch zu und fragte Rolf: ,,1 plus 1 ?" Antwort: 26. Die 26 wurde so kräftig gegeben, wie er das sonst nie tut. Ich notierte 26 und sagte ruhig: „Das ist mir neu, daß 1 plus 1 26 gibt. Nun sage mir 27 minus 23 ?" Antwort: 26. Ich rief ärgerlich: „Falsch!" Dann befahl ich ihm, ein Wort zu buchstabieren, und bekam wieder die Ant- wort 26. So gab mir dies eigensinnige Tier mit unver- kennbarer Schadenfreude immer wieder 26, und zwar im ganzen 72 mal. Ich war erschöpft, und mein sehn- licher Wunsch war, Rolf zu züchtigen. Aber ich be- herrschte mich, hieß Rolf gehen und begann mich mit Jela zu beschäftigen, als auch sie als einzige Antwort 26 gab. Ich schloß den Unterricht und strafte meine Schüler mit Verachtung. Am nächsten Tage rief ich sie, als wäre nichts vor- gefallen, freundlich zum Unterricht. Rolf indes machte wieder sein eigensinnigstes Gesicht, gerade wie am vor- hergehenden Tage. Mit der Frage: ,,Was hast du doch gestern immer gesagt?" begann ich den Unterricht. Antwort: 26. „Ach ja!" gab ich ruhig zurück. Dann stellte ich die erste Rechenaufgabe. Antwort: 26. Auch die zweite wurde mit 26 beantwortet. Ich stand ernst auf und holte die Peitsche, die bisher nur als Schreck- mittel gegolten hatte. Die letzte Aufgabe wurde wieder- holt, Rolf blieb bei seiner 26. „Du kannst sehr gut 26 sagen," sprach ich mit äußerster Ruhe, „aber gib acht, ich kann es auch!" Daraufhin gab ich ihm 26 leichte Schläge auf den Rücken. Rolf verzog keine Miene und 55 gab auch keinen Laut von sieh, aber meine nächste Frage wurde, wenn auch zitternd, wieder mit 26 be- antwortet. Kuhig gab auch ich wieder 26, unci noch einmal wurde meine Antwort mit der Peitsche nötig. Dann endlich war der Trotz gebrochen, und Rolf gab etliche gute Antworten, verstummte dann aber ganz auf einige Zeit. Jela und Daisy, die beide Zeugen dieses Auftritts waren, arbeiteten sehr wiUig; sie mochten wohl begriffen haben, daß Eigensinn nichts nützen kann. Sie waren mit entsetzten Augen während Rolfs Be- strafung dagesessen, und Jela hatte sogar den Versuch gemacht, sich auf nich zu stürzen. Die ganze Art dieses Vorganges mußte mich auf den Gedanken bringen, daß hier eine kleine Verschwörung vorangegangen war. Bei sogenannten „unwissentlichen" Versuchen, die in großer Zahl von den Gelehrten vorgenommen wurden, zeigte Rolf verschiedentlich den starrsten Eigenwillen. Während einer größeren Prüfung des Hundes zu Oggers- heim benützten zwei der Herren den Augenblick, in dem Rolf draußen ein wenig geführt wurde, um auf ein Blatt Papier ein lateinisches Wort zu schreiben und es Rolf zu zeigen. Ich saß ahnungslos im Herrenzimmer des Hauses, den übrigen Herren Rede und Antwort stehend. Nachdem Rolf wieder im Zimmer war, fragten ihn die beiden Herren nach dem erwähnten Wort. Rolf hatte statt der verlangten Antwort alle möglichen Aus- reden, die Herren könnten selber lesen, Mutter auch, er sage es lieber morgen und andere mehr. Sogar das Versprechen des einen der Herren, er werde Rolf Lachs 56 geben*, verfing nicht. Rolf hob nur schnuppernd die Nase und klopfte: du h d k ein = du. hat kein = du hast keinen. Man mußte schließlich den Versuch fallen lassen, er war zu meinem großen Verdruß mißglückt. Der Hund hatte aber sonst so Vorzügliches geleistet, daß ihm jener Herr einige Tage nach der Sitzung den Lachs doch noch schickte. Als der Postbote das an Rolf adressierte Paketchen abgab, machte der Hund wahre Freudensprünge. Der Lachs wurde mit großem Behagen verzehrt, und nachdem auch die Büchse sauber ausge- leckt war, stand Rolf an meinem Liegestuhl hoch und klopfte : harh a. Meine Älteste, die wie gewöhnlich aufschrieb, rief: ,,Rolf, du hast ja ra vergessen!" Sie dachte genau wie ich, Rolf habe Barbara klopfen wollen (Name unserer Haushälterin). Rolf jedoch verneinte energisch und klopfte nun von selbst weiter: word — Wort. Ich fragte nun meinerseits: „Rolf, du meinst wohl das aufgeschriebene lateinische Wort, das du nicht sagen wolltest?", worauf Rolf fest das Zeichen für „ja'' gab. Ich eilte an das Telephon und fragte bei einem der zwei Herren an, ob das von Rolf geklopfte Wort b a r b a stimme. Man versicherte mir, daß dem Hund barba (Bart) aufgeschrieben und auch vorgezeigt worden war. Rolf hatte also wohl aus Dankbarkeit für den guten Lachs das vorher von ihm verweigerte Wort geklopft. Auf Anregung verschiedener Ausländer gab ich Rolf französischen und englischen Unterricht. Bei seinem eminenten Gedächtnis konnten ihm auch die fremden * Rolfs Lieblingsspeise. M. 57 Sprachen nicht allzu schwer fallen. Er lernte spielend und konnte bald eine Reihe französischer und englischer Worte verstehen. Aber gar bald zeigte er mir in unzwei- deutiger "Weise, daß ihn dieser Unterricht langweile. Bei Beginn der französischen Stunde klopfte er eines Tages : g a n s fad nid vi l ol nid w i 1 1 = ganz fad, nicht oui, Lol nicht will. Ähnliches erlebte ich bei den Geographiestunden. Anfangs gefiel ihm das Suchen der Städte auf der Land- karte. Er verfolgte mit sichtlichem Interesse den Stab, mit dem ich ihm die Grenzen zog. Ich brauchte schließ- lich nur zu deuten, um sofort die richtige Angabe des Landes und dessen Hauptstadt zu erreichen. Eine drollige Äußerung des Hundes bei Erklärung des schönen Landes Österreich darf nicht wegbleiben. Vorher hatte ich ihm schon gesagt, daß die Hauptstadt Wien sei, und daß dort der Kaiser Franz Joseph residiere. Auf meine Frage: „Wie heißt also die Hauptstadt von Österreich?" kam sehr rasch die Antwort: w in = Wien. Es folgte eine kleine Pause, dann klopfte er spontan weiter wa g sn j ein w ina wir s dl lol di hb n — wachsen fein Wiener Würstel, Lol die haben. Jeden- falls hatte Rolf schon durch die Kinder gewußt, daß die geliebten Wiener Würstchen aus Wien stammen. Ermutigt durch des Tieres gutes Auffassungsver- mögen, hoffte ich noch länger sein Interesse an diesem Fache wach zu halten. Dies sollte eine Täuschung sein. Als ich eines Morgens die Landkarte aufhängte, nahm mir Rolf aUe Lust, weiter zu arbeiten. Noch ehe ich 58 begonnen hatte, klopfte Rolf: wg dun wisd l n dr k r d l ol ei j a g g nu g f o 71 d i = weg tun wüste Länderkarte, Lol einfach genug von die. Er fand es wohl bedeutend nützlicher, im Rhein zu schwimmen, als zu wissen, wo dieser auf der Karte zu finden sei. Am liebsten läßt sich das lebhafte, kluge Tier über alles, was lebt, belehren. An einem wundervollen, son- nigen Junimorgen saß ich mit Rolf unter einer großen, schattenspendenden Linde. Ein munteres, fleißiges Bienenvolk summte und schwirrte über uns in den reich blühenden Zweigen; es war eine Lust, hinein- zuschauen in dies Leben und Treiben. Rolf hob schnup- pernd seine Nase und spitzte die seidigen Ohren, bis seine Blicke das Arbeitsvölkchen im Lindenbaum fanden. Er erhob sich und stand am Stamm der Linde winselnd hoch, versuchte eine kühne Kletterei, die völlig mißlang, kam dann zu mir und sah mir, die Vorderfüße auf meinen Schoß stellend, nahe ins Gesicht; dazu kratzte er mich fest an der Schulter, für mich die längst erkannte Bitte: „Erklär' mir das!" Ich tat, wie er wollte, erzählte ihm, was die Bienen in der Linde suchen, und versprach ihm eine Kostprobe von dem feinen Lindenbltitenhonig, wenn er erst fertig wäre. Rolf legte sich daraufhin zu- frieden neben mich ins Gras und sah so lange den kleinen geschäftigen Bienen zu, bis seine Augen sich müde zum Schlafe schlössen. Einige Zeit darauf durfte Rolf wirk- lich Lindenblütenhonig versuchen: er fand ihn so köst- lich, daß er lange sein Bärtchen leckte. Als etwas später der wilde Wein auf unsrer Terrasse in voller Blüte stand, 69 fanden sich auch die fleißigen Bienen wieder ein. Rolf, der mit mir draußen saß, erkannte sofort das Summen und begann, die Bienen laut anzuheulen. Die Bienen aber verstanden wohl kaum, was Rolf von ihnen wollte; sie scheuten ihn nicht einmal, da sie trotz Rolfs Annähe- rung gar keine Xotiz von ihm nahmen. Rolf mag wohl die Nutzlosigkeit seiner Bemühungen eingesehen haben; er kam zu mir und klopfte, dabei immer wieder zu den Bienen hinüber schauend: di soln magn sei h 0 11 i g an h o d n d su l o l — die sollen machen sei(nen) Honig an Boden zu Lol. Dazu machte er solch gierige Augen, als müsse im nächsten Augenblick auch schon sein brennender Wunsch erfüllt sein. Bei dieser kleinen Episode machte Rolf den Eindruck eines sehr verwöhnten Kindes, das nur zu befehlen braucht, um auch sofort jeden Willen erfüllt zu bekommen. An einem klaren, lauen Juniabend führte das Mäd- chen RoK spazieren und zeigte ihm die in großer Menge fliegenden Leuchtkäfer. Nach des Mädchens Aussage habe sich Rolf ganz merkwürdig benommen, sei auf jedes Käferchen zugesprungen und habe es ganz in der Nähe betrachten wollen. Er kam auch ganz erregt zu mir zurück und konnte es kaum erwarten, mir sein Er- lebnis mitzuteilen. Er klopfte : lol h d sn j il g f r mit l i g dl an h au g lol au g h d s n f il l i g dl g f r an bäum w i h ei grisdgindl = Lol hat (ge)sehen \äel Käfer mit Lichtel am Bauch. Lol auch hat (ge)sehen viel Lichtelkäfer am Baum wie bei Christkinde]. Die leuchtenden Käferchen hatten 60 bei Rolf die Erinnerung an den Christbaum ausgelöst. Rolf liebt sehr, Milch zu trinken, und lange schon wollte ich den Hund mit einer Kuh bekannt machen; einstmals glückte es mir, Rolf eine solche in der Nähe zu zeigen und zu erklären. Die Kuh litt ganz geduldig, daß Rolf sie von allen Seiten beroch. Sie sah ihn lange an und leckte ihm dann zärtlich die Schnauze, Rolf erschrak und fing an, wild zu bellen. Ich hatte alle Mühe, den Rasenden zu halten. Natürlich verdroß mich das ungestüme Verhalten; ich zankte Rolf und verbot ihm zu bellen. Wie er stets tut, wenn er sich im Recht glaubt, knurrte er noch eine Weile drohend. Zu Hause angekommen, fragte ich ihn: „Warum hast du denn die Kuh, die so lieb zu dir war, so angebellt ?" Da wurde mir die Antwort : s m e g d nid g u d g u s Jon g u = schmeckt nicht gut Kuß von Kuh. Wahr- scheinlich hat ihm die rauhe Kuhzunge nicht behagt, vielleicht auch der den Kühen eigene Geruch. Im allgemeinen gab der Hund von Anfang an seine Antworten sehr rasch und sicher, jedoch kam es auch vor, daß Rolf — und das geschah besonders bei Beschrei- bungen von Bildern, die ihm vorgehalten wurden — ganz nach Kinderart stockte. Am 8. März 1914 kam dies besonders deutlich zum Ausdruck. Ein Münchner Gelehrter hielt ihm ein Bild vor, das der Hund beschrei- ben sollte. Rolf sah auch angestrengt hin, hob sofort sein Pfötchen und klopfte: ei ei ei feirsbrids w agl d k r d d r kl glah n nmn — ein ein ein Feuerspritze, wackelt Karte, der Gaul Klappen nehmen. 61 Ob der Hund nuu wirklich zerstreut war oder das rechte Wort nicht rasch genug finden konnte, wagten wir nicht zu entscheiden. Das Bild stellte einen Feuerwehrmann mit der Spritze vor und ein Droschkenpferd mit Scheu- klappen. Krall hatte mir kurz vorher geschrieben, daß seinen Pferden die Scheuklappen, die er ihnen beim Arbeiten anlegen müsse, äußerst unangenehm wären; davon hatte ich Rolf erzählt. An jenem Tag konnte ferner sein gewöhnliches Klopfbrett nicht gefunden werden, wir behalfen uns daher mit einem steifen Bild aus einem alten Bilderbuch, das wahrscheinlich nicht fest genug hielt, daher kam der Einwurf: „wagld krä''. Bei derselben Gelegenheit versuchte jener Gelehrte gleichzeitig mit mir, den Klopf deckel zu halten. Rolf bemerkte das augenblicklich, er sah einen Augenblick den Herrn erstaunt an, klopfte heftig 6 = n, ließ darauf- hin sein Pfötchen sinken und hob es auch nicht ^vieder trotz meines strengen Befehls, weiter zu klopfen. Das von Rolf geklopfte n konnte nicht die Antwort sein auf die Frage des Herrn: Wie heißt mein andrer Hund?" ,,Rolf, was wolltest du sagen," fragte ich, nachdem der Herr den Deckel losgelassen hatte, mn lo g hnd — (neh)men weg Hand klopfte RoK, dem, wie diese Antwort zur Genüge beweist, die Berührung seiner Zähl- karte unangenehm war. Oft wurde mir vorgeworfen, daß der kluge Rolf eben nur immer mit mir arbeite, ein Einwurf, der ebenso unberechtigt als unzutreffend ist. Jeder gut erzogene Hund folgt seinem Herrn am besten und duldet nicht 62 gerne fremde Berührungen. Schon aus diesem Grunde ist es unmöglich, daß Kolf jedem antwortet. Oft liegt auch die Schuld an demjenigen, der mit dem Tiere arbeiten möchte. Falsche Handhaltung, Zittern der Hand, plötzliche Drehung der Hand nach oben oder unten und noch andre solche Kleinigkeiten lassen das Tier sofort unlustig werden. Es kam wohl schon oft vor, daß Rolf den Versuch machte, dem einen oder andern Besucher selbst etwas zu sagen, um dann ganz enttäuscht zu mir zurückzukehren, wenn es nicht glückte. Folgender Vorgang mag meine Annahme bestätigen: Freifräulein Ada v. M. war, wie beinahe täglich, zu uns gekommen. Ich selbst war nicht im Zimmer anwesend, als Rolf plötzlich zu ihr hinging, sie ansah und dann zu klopfen verlangte. RoH klopfte auf die Hand der Dame erst 4, dann 2, worauf er verstummte. Die beiden geklopften Zahlen ergaben zunächst keinen Sinn. 4 ist a, 2 ist 0, — ao. Rolf war nicht zu bewegen, weiter zu klopfen. Man brachte mir, die ich zu Bett lag, den Rolf und berichtete mir die ganze Sache. Es interessierte mich, was Rolf wohl der Dame sagen wollte, und darnach gefragt, gab Rolf : ada nid w i s n mi d Wer h d nid f r a g d l ol nid kn g l ob f n mi d ir =Ada nicht wissen mit Zehner, hat nicht (ge)fragt, Lol nicht kann klopfen mit ihr*). Ich fragte nun: ,,Rolf, war die 2 eine Zehnerzahl? Antwort: ja. Weiter die Einer dazu ? Antwort 4. Der zweite Buchstabe war *) Da die Zahlen 1 und 2 in Rolfs Alphabet Buchstaben bezeichnen, so muß man ihn jeweils fragen, ob die Zahlen als 63 also nicht ein o, sondern ein c (also bis jetzt a c). ,,Rolf klopfe weiter, was du Ada sagen wolltest!" Antwort: h d gh n f o n iv g n a u d o d s a mb a nid du d ma g n d o d = (ac)lit geben von wegen Auto, Zampa nicht tut machen tot. Er wollte also die Besucherin warnen vor den Autos, daß ihr Hund Zampa nicht über- fahren werde, denn kurz vorher war der ihm gut be- kannte Pudel Tom der Dame überfahren worden. War jemand ganz bei uns im Haus aufgenommen, so betrachtete ihn Rolf als völlig zur Famihe gehörig. Man konnte dann sicher sein, daß das Tier dem Haus- genossen stets willig folgte und auch mit ihm arbeitete, wenn, was ich immer wieder betonen muß, jener es überhaupt verstand, das Klopfbrett richtig zu halten, und sich Mühe gab, Rolf zu verstehen. Eine meiner jungen Basen aus Karlsruhe konnte ganz besonders schwer an Rolfs eigene Denktätigkeit glauben. Sie bat mich, doch einmal auf kurze Zeit kommen zu dürfen, um Rolf kennen zu lernen. Nichts war mir lieber als das, da mich selbst darnach verlangte, zu sehen, wie er mit andern arbeitete. Ich überließ ihr nach etlichen Tagen das Tier vollständig; sie mußte Rolf füttern, ihn spazieren führen, kurz sich immer mit ihm beschäf- tigen. Ich entzog mich dem Hund, wo immer ich konnte. Einer oder als Zehner gedacht sind; unterläßt man dies, so kann er natürlich die über 9 gehenden Zahlen nicht klopfen. Das Verfahren, die Einer etwa rnit der linken, die Zehner mit der rechten Pfote klopfen zu lassen, ist für Rolf nicht anwendbar: er klopft nur mit der einst überfahrenen linken Pfote, die schwach geblieben ist und auf die er sich daher nicht gern stützt. M. 64 c c o Er litt sichtlich darunter, gewöhnte sich aber sehr gut an die neue Tante, die ihn nach jeder Richtung ver- wöhnte. Es ist ganz selbstverständlich, daß ich der Dame meinen Hund des öftern vorführte, sie mit der ganzen Art und Weise seiner Behandlung vertraut machte, sie lehrte, die Hand richtig zu halten, und schließ- lich sie auch auf die verschiedenen Unarten Rolfs hin- wies. Ich riet ihr auch, Rolf erst ganz an sich zu ziehen, ehe sie mit der Arbeit begann, was gern befolgt wurde. In jener Zeit verbrachte ich meines leidenden Zustandes wegen stets die Morgen zu Bett. Diese ungestörten Morgenstunden benutzte nun die Dame ohne mein Wissen zu kleinen Übungen mit Rolf. Schon nach ganz kurzer Zeit überraschte sie mich mit einer kleinen Vor- führung des Hundes. Sie war überglücklich, weil alle ihre Fragen richtig beantwortet wurden, und gestand mir ein, daß sie erst jetzt fest an Rolfs Können glaube. Eine in Mannheim wohnende Verwandte, von der Rolf mit viel Süßigkeiten verwöhnt und die von ihm auch nur die ,, Gutseitante" genannt wurde, hätte lange gern gewußt, ob der Hund auch in meiner Abwesenheit mit andern arbeite. Nun traf es sich einmal, daß unsere Kinder bei ihr eingeladen waren. Abends holte sie Barbara dort ab, und RoK durfte sie begleiten. Diese Gelegenheit, den Hund ohne Herrin prüfen zu können, wurde sofort ausgenützt. Rolf mußte die auf dem Tische stehenden Teller zählen und auch sonst noch andre Aufgaben lösen, die restlos gelangen. Rolf arbeitet auch sehr nett mit unsern Kindern Mo ekel, Mein Hund B,ol£ 5 65 und der von ihm sehr geschätzten Haushälterin Barbara. Auch meine lieben Eltern hatten schon in den Jahren 1912 und 1913 dem Hund bisweilen selbst Rechen- aufgaben gestellt und jeweils die richtigen Antworten erhalten. Am meisten hat wohl mein Mann in bezug auf Rolfs Fähigkeit, schwierige Rechenprobleme zu lösen und Wurzeln zu ziehen, Zweifel gehegt. Er wollte sich absolute Gewißheit verschaffen und rief einst unsre älteste Tochter Luise und Rolf zu diesem Zweck in seine Kanzlei, während ich ahnungslos bei einem Besucher von auswärts im Wohnzimmer saß. Später erst erfuhr ich von jenem wohlgelungenen Versuch. Mein Mann wählte etliche Rechenaufgaben, darunter auch eine schwierige Wurzelrechnung und hieß Rolf in die Hand von Luise die Lösungen geben. Rolf gab in so kurzer Zeit die richtigen Antworten, daß es Luise wohl nicht möglich gewesen wäre, mitzurechnen. Rolf war sehr eitel auf seine Fähigkeit, schwierige Probleme zu lösen. Er zog oft viele schwierige Wurzeln nacheinander, wenngleich man ihm die große An- strengung unschwer ansehen konnte. Bei besonders schwierigen Aufgaben saß er mit fest geschlossenen Augen, zitternd und schwankend, da, wie dies schon mehrere Beobachter (Dr. Mackenzie, Dr. Gruber, Dr. Lindner u. a. m.) in ihren Aufsätzen und Berichten er- wähnten. Erst wenn Rolf die jeweilige Lösung gefunden hatte, öffnete er die Augen und gab fest und sicher die richtigen Antworten. Diese Bemerkung wurde auch bei 66 größeren Vorführungen von vielen gleichzeitig gemacht. Nachdem ein Besucher aus Frankreich, Herr Edmonci Duchatel, in Rolfs Gegenwart erklärt hatte, daß er speziell auf die Lösung schwieriger Rechenproblemc keinen Wert lege, da ja Epileptiker und ganz kretin- hafte Menschen oft überraschend gute Rechner seien, weigerte sich Rolf in der Folge, Wurzeln zu ziehen oder sonstige schwierige Aufgaben zu lösen. Ich brachte ihn nicht mehr dazu und mußte dies bei Vorführungen immer wieder betonen. Einem Herrn aus Stuttgart gelang es aber durch gütliches Zureden, das Tier davon zu überzeugen, daß nicht alle Menschen das gleiche denken. Seitdem ist er wieder bereit, dann und wann eine Wurzel zu ziehen, wenn auch seine alte Freude daran vollkommen ausgelöscht zu sein scheint. Um auch andern Menschen den Unterricht gut ver- anlagter Hunde zu ermöglichen, zog ich 10 Sprößlinge von Rolf und der Hündin Jela groß. Sie kamen in der Nacht vor dem Kaisertag 1913 zur Welt und waren alle kräftig und gesund. Unsere Mühe mit der Aufzucht war um so größer, als Jela schon am dritten Tag an Lungenentzündung erkrankte. Wir mußten alle 10 Wel- pen mit Ziegenmilch füttern und bei Tag und Nacht bereit sein mit dem Fläschchen. Die kleinen Tiere vnichsen zur allgemeinen Freude kräftig und frisch heran. Rolf zeigte sich als glücklicher Vater, dem aber seine Jela, besonders anfangs, gar nicht traute. Wenn er nur in die Nähe der Schlafkiste der Jungen kam, brummte sie ihn an und vertrieb ihn. Am zweiten Tage 67 verließ Jeia auf ein paar Augenblicke ihre Jungen und erging sich ein wenig im Garten. Währenddessen schlüpfte Vater Rolf zu seinen 10 Kindern in die Kiste und saß mit stolz erhobenem Kopf bei ihnen. Aber nicht lange währte seine Freude, Jela kam unbemerkt ins Zimmer, sah Rolf schon von weitem und knurrte sehr böse. RoK zeigte große Angst und kroch mehr, als er lief, schreiend aus der Kiste, Jela hinter ihm drein, nicht ruhend, bis er seine Strafe weg hatte. Jela duldete ihn von da ab nie mehr in der Nähe — ob aus Angst oder Eifersucht ? Vielleicht war ihr Benehmen ein Aus- fluß der beiden Gefühle. In jener Zeit äußerte sich Rolf so unglücklich in einem Briefe: ila simbfn wn lol g d s u g orh = Jela schimpfen, wenn Lol geht zu Korb. Wie ein richtiger Menschenvater empfand er die Störung seiner Nachtruhe durch die Kleinen sehr un- angenehm. Ich war meist des Nachts bei der Hunde- familie, solange die Hündchen noch aUe paar Stunden trinken mußten, und konnte dadurch Vater Rolf sehr gut beobachten. "Wenn es mir nicht rasch genug glückte, die Schreihälse zu beruhigen, stand Rolf wohl in seinem Bett auf, sah ganz entsetzt zu seinen Jungen herunter und brummte leise vor sich hin. Dann versuchte er die Fortsetzung der Nachtruhe auf der andern Seite des großen Kinderbettes, das er sein eigen nennt. Half das nichts, so sprang er heraus und beschnupperte die un- ruhigen kleinen Kerlchen trotz Mutter Jelas grimmigem Knurren so lange, bis diese ihm die blanken Zähne zeigte. 68 Dann verzog er sich mit eingezogenem Schweifchen bis zu mir und klagte mir sein Leid. Einmal klopfte er: du di sa g n s oln nid h r iln lol nid kn hm w i s d b g s da g l = du die sagen : sollen nicht brüllen, Lol nicht kann hören wüst(en) Spektakel. Kolf war im Gegensatz zu den meisten Airedale- Rüden, die ängstlich weggesperrt werden müssen, wenn die Hündinnen Junge haben, ein äußerst zärtlicher Vater. War eines der Hundekinder am Boden und quiekste, so lief er besorgt herzu und hob es wieder in seine Kiste. Nur ihre gute Milch in den kleinen Fläschchen wollte er ihnen nicht so ganz gönnen. Ich traf ihn einst, als ich während der Fütterung einen Augenblick weg- gerufen wurde, mit einem Milchfläschchen an, an dessen Sauger er leckte und lutschte. Dabei ertappt, schämte er sich so sehr, daß er sich unter sein Bett verkroch und nicht wieder hervorzulocken war. Über meine große Liebe zu den 10 Hündchen war Rolf sehr wenig erbaut. Er äußerte sich des öftern darüber in Briefen. Unter den 10 RoLfnachkommen war ein Zwillings- pärchen* (Rüde und Hündin), das natürlich viel zier- licher war als die andern 8 Tierchen. Die Hündin war besonders niedlich und zart gebaut und schien Vater Rolfs erklärter Liebling. Ich legte sie ihm einmal in sein Bett, damit er sie ganz ungestört betrachten konnte. Er beschnupperte sie von allen Seiten, leckte ihr die noch blinden Äuglein, kam dann sehr vergnügt zu mir * D. h. die beiden Tierchen waren in gemeinsamen Em- bryonalhüllen geboren. M. 69 gehüpft und klopfte teils auf meinen Arm, teils auf die Sessellehne: l ola nnn = Lola nennen. Es wäre mir nie eingefallen, Rolf die Benennung der Jungen zu über- lassen, da ich mir schon 10 schöne eigenartige Namen ausgedacht hatte. Nachdem er aber auf diese drollige Art begonnen hatte, seine Kleinen zu taufen, ließ ich ihn gewähren. Er fand nach und nach für jedes einen Namen. Ein besonders starker Rüde bekam seinen Namen während einer größeren Vorführung. Ein Herr, dem Rolf schon lange einen Sohn versprochen hatte, fragte in Gegenwart vieler Personen, ,,Rolf, wie soll denn mein Hundchen heißen ?" Worauf das Tier nach kurzem Besinnen klopfte : h eind s = Heinz. Das Versprechen des Herrn, den Hund auch sicher so zu rufen, wurde von Rolf mit freudigem Wedeln aufgenommen. Es mag nun noch so unglaublich klingen, ich muß wahrheitsgemäß berichten, daß auch die übrigen 8 Tiere ihre Namen von Rolf bekamen: Roland, Rolf, Use, Suleika, Hilmar, Olaf, Harras und Peter.* Letzterer wurde von seinem Herrn neu benannt und wird nun Lux gerufen. Die Namen bis auf Ilse und Heinz, die ihm aus der Fibel in Erinnerung geblieben waren, hat er wohl seinen Hundebekanntschaften entnommen. Wie fest Rolf von der Klugheit der 10 Jungen über- zeugt war, zeigt eine Begegnung mit Ilsens späterem Herrn. Jener Herr, zufällig in Mannheim anwesend, * Dabei irrte er sich nie im Geschlecht; ebensowenig ein anderesmal bei zwei jungen Kanarienvögeln, als noch niemand deren Geschlecht kannte. M. 70 wollte das ihm von Rolf selbst ausgewählte Hündchen sehen. Er fragte: „Also, wen von den Zehnen soll ich bekommen", worauf Rolf sofort ,,7Z5e" klopfte. ,,Ja aber Rolf, glaubst du denn auch wirklich, daß Ilse klug ist und lernen wird?" Des Hundes Antwort: m ei g indr al kn l r nn = meine Kinder alle können lernen, ließ an Selbstbewußtsein nichts zu wünschen übrig. Jedem Besucher wollte er seine Kinder zeigen, und wenn man seinen Wunsch erfüllte und die Zehn schön säuberlich in einen Waschkorb gebettet brachte, strahlte sein gutes, treues Hundegesicht. Als die Jungen sechs Wochen alt waren, mußten wir sie in das kleine Landhaus in Bergzabern verbringen, damit sie die sonnigen Stun- den des Tages im freien Zwinger verbringen konnten. Rolf trauerte sehr, während die übermütige Jela sicht- lich froh war, die 10 Quälgeister los zu sein. Schon 14 Tage nach der Übersiedelung der Kleinen durfte Rolf, der durch zu viele Vorführungen übermüdet und krank war, ihnen folgen. In Wald und Wiese konnte er nun mit seinen lustigen Kindern tollen und spielen nach Herzenslust, und manch einer hatte seine helle Freude an unsrer Hundefamilie. Nicht immer war Rolf zu wildem Spiel aufgelegt, manchmal mußte ich mich ins Mittel legen, wie meine kleine Aufzeichnung vom 14. Mai 1914 zeigt. Rolf lag in der Sonne. Seine Kinder spielten um ihn herum, balgten sich wie kleine unartige Jungen, zupften ihn auch bisweilen am Fell, als wollten sie ihn wecken. 71 Zuerst blinzelte Rolf nur verschlafen, dann knurrte er leise. Als dies auch nichts half, sprang er in die Höhe und klopfte dem kleinen Rolf ein paar feste Schläge auf den Buckel. Den kleinen Racker freute dies, wie mir schien, er sprang nur um so wilder auf seinen Vater los. Rolf fletschte die Zähne, und ich befürchtete eine Rauferei. Ich verjagte die Jungen, wofür mir Rolf sehr dankbar war; wedelnd leckte er meine Hand und klopfte : du di s a g n l ol g n l a s n sin so dum = du die (denen) sagen, Lol gehen lassen, sind so dumm. Wenn die wilden Zehn nach dem Füttern auf der sonnigen Terrasse ihre Mittagsruhe hielten, liebte es der alte Rolf, seine Kinder zu studieren. Da ging er wedelnd und schnuppernd zwischen ihnen durch, leckte wohl dem einen oder andern das struppige Köpfchen und sah ihnen oft lange in die Augen. Gar gerne hätte ich erfahren, was er dabei dachte. Leider vermochte ich ihn nicht zu Äußerungen von Belang zu bringen. Ein einziges Mal glückte es mir, Rolf rechtzeitig anzurufen, als er vor Roland saß und ihn auffallend lange ansah. Auf meine Frage: „Rolf, warum schaust du den kleinen Roland so lange an?" gab er: is dauhig gl ei g.ugrl hd w fans = is dauhig (traurig) klein Guckerl* hat weh fanz (Schwanz.) Die Tierchen hatten zum Teil, weil es ihre späteren Besitzer wünschten, ge- schnitten werden müssen. Rolands Stummelchen wollte * Roland wurde seiner leuchtenden Augen wegen, mit denen er einen unverwandt ansah, Guckerle genannt. M. 72 nicht gut heilen trotz guten Verbänden und Waschungen. Auf Rolfs Äußerung hin sahen wir gründlich nach und fanden, daß die Schnur, mit der die Schweifchen vor dem Schnitt abgebunden waren, noch nicht entfernt war und dem Tier jedenfalls Schmerzen machte. Nach- dem der Schaden gut gemacht war, heilte Rolands Stummelchen sehr rasch, und der Kleine hatte dank Rolfs kluger Äußerung nicht mehr so viel Schmerzen auszuhalten. Die Junghunde bekamen mit Anfang des vierten Monats Unterricht. Etliche unter ihnen begriffen schon nach den ersten Stunden ,, rechts", „links", „ja" und „nein". Besonders Heinz und Lux gaben sehr sicher ihre Antworten. Rolf, der natürlich stets beim Unter- richt zugegen war, schien sehr stolz auf die Fortschritte seiner Sprößlinge zu sein. Für mich gab es dabei manche interessante Beobachtung. Würde wohl Rolf die Klopf- sprache auch im Verkehr mit seinen Jungen anwenden? Daß es eine Verständigung von Tier zu Tier gab, war mir durch verschiedene Äußerungen meiner Tiere längst zur Gewißheit geworden. Auf Befehl verwandte Rolf die Klopfsprache auch den Tieren gegenüber, aber aus sich heraus nie. Ich wollte deshalb schon die Frage ver- neinen, als Rolf einmal in der Morgenfrühe ganz auf- geregt aus dem Garten kam und Heinz, der ihm ent- gegenlief, auf den Hals klopfte : r adsl m ei sl lol ds ei g 71 d i g in l o g = Ratzel, Mäusel Lol zeigen dich (dir) in Loch. Das wurde von Heinz geduldet, aber sicher nicht verstanden. Er blieb stehen und zeigte 73 eher Furcht als Freude. Kolf gab daraufhin einige halb- laute Töne von sich und hüpfte ein Stückchen voran, worauf Heinz vergnüglich seinem Vater folgte. Ich ging den beiden nach und fand sie an einem großen Ratten- loch, eifrig scharrend. Mittlerweile wurde von Karla, die ebenfalls Zeuge dieses kleinen Auftritts war, das Geklopfte übersetzt, und ich konnte zu meiner Freude feststellen, daß das Tun und die Äußerung Rolfs über- einstimmten. Ein anderes Mal bekam Rolf ein prächtiges Bilder- buch aus Basel. Lange freute er sich an den lebens- wahren Bildern, immer wieder verlangte er sie zu sehen. Als er sich endlich setzte und sein Pfötchen hob, er- wartete ich eine Beschreibung irgend eines Bildes. "Wir notierten sorgfältig jede Zahl: m ei g indr s ol sn = meine Kinder sollen sehen. Seine ganz unerwartete Bitte wurde natürlich sofort erfüllt. Der kleine Lux, wohl der lebhafteste der Rolf- jungen, wollte immer möglichst in unserer Nähe sein, alles sehen, alles wissen. Der Zwinger war ihm der entsetzlichste Aufenthalt; wenn alle seine Geschwister still lagen und ruhten, kletterte er sicher am Gitter hinauf, um durchzubrennen. Das glückte ihm anfangs nie, und es gab stets ein jämmerliches Geheul, wenn er ein Pföt- chen einklemmte. Eines Tages erlebten wir einen kleinen Schrecken durch den Wildfang, als während seines Jammerns Rolf mit allen Zeichen des Entsetzens kam und klopfte : lu g s g oh f swigd h el f n — Lux Kopf zwickt, helfen. Und richtig hatte Luxel seinen 74 o c o c 3 schmalen Kopf durch ein Loch des Gitters gezwängt und schrie, mit allen Füßen schlagend, laut vor Angst. Wer weiß, wie es Lux ergangen wäre, wenn uns Rolf nicht zu Hilfe gerufen hätte! Ilse war die erste, die von ihrem Herrn abgeholt wurde. Der Abschied war für uns alle nicht leicht. Man gewöhnte sich so sehr an die lustigen Tiere, die man mit großer Mühe und Opfern groß gezogen hatte. Rolf zeigte sich da stets als besorgter Vater. Er gab den Herrn gute Ratschläge und bat bei jedem um Liebe für seine Kinder. Ilsens Herrn hat er noch mit auf den Weg gegeben : imr Hb hhn arm il s l = immer lieb haben arm Ilsel! Einmal klopfte er, als Suleika fort mußte : h d an g s d dr s dn i r == hat Angst, trösten ihr (sie). Ilse sahen wir oft, ihr Herr brachte sie bisweilen mit, wenn er Besorgungen in der nahen Stadt zu machen hatte. Er gab sich redlich Mühe, das lebhafte Tier zu unterrichten, und erzählte in Rolfs Beisein, daß seine Ilse nur dann das Pfötchen hebe, wenn er ihr die Peitsche zeige. „Ist es nun gut," fragte er Rolf, „wenn ich ihr tüchtig Hiebe gebe?" Rolf wehrte heftig ab: „nein, nein, nem!" Dann sah er eine kleine Weile den Herrn beinahe böse an und klopfte weiter: Hb dseign m ei il sl w i mu dr mid b al un f ing r lohn i r = lieb zeigen meiner Ilsel, wie Mutter mit Ball und Finger, loben ihr (sie). Der Herr erzählte auch noch, daß die kleine, wilde Ilse ein kleines Kücken gefangen und es arg erschreckt 75 hatte. Als es laut jammerte, ließ Ilse es wieder rennen. „Aber da hat sie nun doch Hiebe verdient?" wandte er sich neuerdings an RoK, der wieder heftig: „wem, nein, n^inV klopfte, dann stumm vor sich nieder sah und von selbst weiter gab : nmn w g arm il s e nid f r s d 71 k n s a g n h inl kr d d i g ^ nehmen weg arm(er) Ilse, nicht verstehen kann, sagen Hühnel g'hört (gehört) dich (dir), Rolf sorgte sich in der Folge um Ilse, ob sie es wohl gut habe, ob sie ihr Herr liebe, ja er gab mir öfters den Rat, dem Herrn die wüste Peitsche zu nehmen und sie zu dsrbrnn— zerbrenn (verbrennen). Der Sommer 1914 brachte manche Regenperiode. Schwer prasselten die Regentropfen gegen die Fenster- scheiben, und die Langeweile hielt bei meinen sonst in Wald und Feld sich tummelnden Kindern ihren Einzug. Wenn auch die 10 kleinen Hunde manche Kurzweil schufen, so mußten wir doch auf andere Abwechslung sinnen. An solch grauem Regentag fielen mir aus meiner Kinder- zeit Rätsel ein, die dann auch mit großem Jubel auf- genommen wurden. Rolf lag wie immer zu meinen Füßen, hob lauschend seinen Kopf und teilte wedelnd die Freude der Kinder, wenn ein Rätsel besonders rasch gelöst wurde. Plötzlich setzte er sich auf, hob sein Pfötchen und klopfte unaufgefordert: aug redsl = auch Rätsel. Ich fragte: ,,Du wiUst Rätsel lösen?" Antwort: ,,wem". „Rätsel aufgeben?" „Ja.'' Nach diesem ,, ja" klopfte er: h n h d b und f edr warum = Hahn hat bunt Feder, warum? Ich: „Na, Rolf, 76 vermutlich, weil er dann der Henne besser gefällt?" Rolf: neinl Ich: „Ja wai-um denn ?" Rolf: weil hn f edr wa g s d = weil Hahn Feder wachst. Jubelnd lobten die Kinder ihren treuen Kameraden und baten um ein anderes Rätsel. Rolf setzte sich bereitwillig, man möchte sagen stolz, und fragte : g u s a g n mu warum = Kuh sagen muh, warum? Die Kinder: „Rolf, vielleicht, weil sie Hunger hat?" Rolf: gans dum — ganz dumm. Ich: „Ja, warum denn?" Rolf: weil ni g s andr s kn = weil nix anders kann. „Fein, Rolf," rief unsre Jüngste, „natürlich, weil sie nichts andres kann." Rolf klopfte sehr vergnügt wieder weiter: warum mnr h d hu d = warum Männer hat Hut ? (d. h. warum haben die Männer Hüte?). Fritz: „Natür- lich zum Grüßen." Ich: „Ja sicher!" Rolf: „wem!" AUe : „Zu was denn ? Sagedues!" B,o\i:dsun fangn fondiflo— zum Fangen von die Floh. Ich : ,, Ja aber Rolf, was denkst du denn, die Männer haben doch keine Flöhe am Kopf!" Rolf: „Ja." Ich: „Aber geh doch Rolf, was denkst du denn!", worauf Rolf pfiffig meinte: imr di g r ad sn undr s ei hu d = immer die kratzen unter sein Hut (d. h. ihren Hüten). Einer unsrer Bekannten hatte die Angewohnheit, den Hut ein wenig zu heben und sich hinter dem Ohr zu krauen. Das muß wohl bei RoK die sonderbare Annahme hervor- gerufen haben. Unser lustiger Rätselnachmittag wurde jäh durch Besuch von auswärts unterbrochen; sonst hätte wohl Rolf noch manches Rätsel ausgedacht. Von verschiedenen Seiten ^vurde der Gedanke an- 77 geregt, Rolf im Schlaf zu beobachten, ob er wohl träume und ob er sich des Traumes nach dem Erwachen be- wußt sei. Daß die Tiere im Schlafe oft Laute von sich geben, die Füße wie zum Springen bewegen, hatte ich schon an vielen Tieren beobachtet. Auch unser Rolf ist sehr lebhaft, während er schläft, und als er in der Nacht des 22. Juli 1914 ganz besonders laut heulte, bellte und mit den Füßen schlug, weckte ich ihn auf. Er war schwer wach zu bringen und meine erste Frage: Rolf, was hast du geträumt? wurde gar nicht beachtet. Er war völlig schlaftrunken; als ich meine Frage wieder- holte, setzte er sich gähnend auf und begann stockend und zögernd zu klopfen: lol hd bei slafn sn b r i n d s da i s . b r in d s g an d s f r e g imr a n g u g n mu d r da n s i g l e g d d s u m u d r lol nid l ei d b r u m d b r i n d s a u g lol bin j al n an b r ind s d r b ei s n arm lol in b au g lol b ei s n b r ind 8 in hl s d an au j au g lol IV il r fordiagn g d nid miid r w einn b r i n d s ma g n d o d arm lol u n i mr b r iln i g s ein s dar g r l ol ab n d s or n b ei 8 n b r i n d s in s ei mund lindman bag n r mu d r h o l n lol b r ind 8 b ei s n mu dr i n rv b ei n lol h eil n r n n b r e g n b r i n d s b ö d sa n um da 8 nimr kn b ei s n arm m u dr lindman w oln Jiun lol da n ic a g n au j. Übersetzung: Lol hat bei Schlafen sehen, Prinz* da ist (Punkt) Prinz ganz frech immer angucken Mutter, * Prinz = ein Dobermann, den ich unterrichtete. M. 78 dann sich legt zu Mutter, Lol nicht leidet (das), brummt, Prinz auch; Lol bellen, fallen an Prinz, der beißen arm(en) Lol in Bauch, Lol beißen Prinz in (den) Hals, dann auf Auge; Lol will er (ihn) fortjagen, geht nicht, Mutter weinen, Prinz (will) machen tot arm Lol und immer brüllen: ich sein stärker; Lol haben Zorn, beißen Prinz in sein(en) Mund; Lindemann* packen er (ihn), Mut- ter holen Lol; Prinz beißen arm Mutter in (das) wehe Bein; Lol heulen, rennen, brechen (dem) Prinz (den) bös(eii) Zahn um, daß (er) nimmer kann beißeu arm Mutter, Lindemann wollen hauen Lol, dann wachen (ich) auf. Diese nach Hunderten zählenden Klopfschläge wur- den von dem Hund nicht ohne Pausen geklopft. Er zeigte des öftern große Ermüdung, legte sich ruhend nieder, klopfte aber immer wieder von selbst ohne Auf- forderung weiter. Rolfs Traumerzählung zeigte uns deutlich, wie die Eifersucht ihn quälte. Er wußte, daß Prinz als sehr klug galt und auch aus diesem Grund von mir unter- richtet wurde. Seit er Prinz kennen lernte, übertrug er den Haß auf alle Tiere der gleichen Rasse. Dober- männer, die er vorher gar nicht beachtete, mußten von da an sehr vor ihm gehütet werden. Ich habe übrigens RoK nie mehr aufgeweckt, um ihn zu einer Erzählung seines Traumes zu veranlassen; es kam mir wie eine Quälerei vor, da Rolf sich am andern Tage sehr ermüdet und überanstrengt zeigte. In der darauffolgenden Nacht warf sich Luise leb- * Der Besitzer des Prinz. M. 79 haft im Bett herum, stöhnte und redete Unverständ- liches, kurz, sie träumte. Rolf horchte auf — da ich in jener Zeit während der ganzen Nacht Licht brannte, konnte ich das gut beobachten — , hüpfte von seinem Sofa herunter, ging zu Luisens Bett, stand hoch und beschnupperte sie. Ich rief ihn weg, damit er meine Tochter nicht weckte. Er gehorchte mit Widerstreben, kam zu mir und klopfte : lu i sl arg g nur d lol w oln w g n i r s ol n s a g n was h d dr eimd — Luisel arg knurrt, Lol wollen wecken ihr (sie), soUen sagen, was hat träumt (geträumt). Rolf ging sehr gekränkt wieder auf sein Lager, als ich ihm erklärt hatte, daß man Luise nicht wecken dürfe, weil er wissen wolle, was sie geträumt habe. In jener Zeit hatte sich mein Befinden derart ver- schlechtert, daß ich nur Eiscreme in kleinen Mengen ertragen konnte. Rolf, gewöhnt, von allem zu ver- suchen, was ich esse, schien verwundert, daß er noch nichts aus der Büchse bekommen hatte. Ich gestehe aber ganz offen, daß ich in jener Zeit nicht so viel an meinen guten Rolf dachte, als in gesunden Tagen. Außerdem ist Gefrorenes nicht besonders bekömmlich für Hunde. Ich bemerkte wohl, daß er sich öfters an mir vorüberdrückte, die geheimnisvolle Büchse ansah und beschnupperte, aber ich vergaß es wieder. Als er nun seine Neugierde nicht länger bemeistern konnte, kam er zaghaft zu mir und klopfte: lol aug hhn w h au g mu s g r i g 7i g ud sl aus j ein h i g s aug ei w i s d mi l s = Lol auch haben weh Bauch, 80 muß kriegen Gutsei aus feia Büchs(e), auch eine wüste Milz. Das war die köstlich naive Äußerung eines klugen, geweckten Kindes, das auf alle möglichen Mittel sinnt, um Erfüllung seines Wunsches zu erreichen. Vom Arzte hatte er wohl gehört, was mir fehle, und war auf die kühne Idee verfallen, dasselbe zu klagen, wie seine geliebte „mudr", hoffend, auf diese Weise zum Ziel zu gelangen. Einige Tage nach dieser viel belachten Äußerung des Hundes mußte ich viele Wochen in einer Landauer Klinik verbringen, wegen der nötig gewordenen Ab- nahme meines linken Beines. Rolf wußte es, und wenn man ihn fragte, wo ich sei, gab er zur Antwort: h ei s ei dog dr. Er fand sich in diese Trennung, wenngleich er sichtlich darunter litt. Meine Kinder erzählten mir, Rolf habe mich nicht gesucht, wie dies Hunde sonst gewöhnlich tun, sondern sei meist ruhig unter meinem Bett gelegen. Merkwürdig war, daß er meinem Arzt in Bergzabern, den er wohl schon deshalb nicht liebte, weil er der Be- sitzer seines Todfeindes ,, Prinz" war, nach meiner Ab- reise nach Landau unverkennbare Zärtlichkeit ent- gegenbrachte. Der Herr erzählte mir selbst bei Gelegen- heit eines Besuches in der Klinik, daß Rolf ihm die Hände geleckt und sein Köpfchen zärtlich an ihn ge- schmiegt habe, als er ihm von mir erzählte. Für mich war diese höchst bemerkenswerte Umwandlung im Wesen Rolfs ein sicherer Beweis für sein wohl überlegtes Han- deln, und ich glaube, auch Dr. Lindemann hatte die- selbe Meinung darüber, Moekel, Mein Hund Eolf 6 81 Von gegnerischer Seite wurde mir des öftern vor- geworfen, daß Kolf seine Denkfähigkeit bisher nur durch seine Klopfsprache be\viesen habe; aber dieser Vorwurf war unberechtigt. Es wäre in der Tat auffallend, wenn ein Hund von der Intelligenz des Rolf nur durch das Klopfen Beweise seiner Denkkraft gäbe. Er hat außer- halb der Unterrichtsstunden und Vorführungen, also in seinem gewöhnlichen Hundedasein, schon oft genug seine außergewöhnliche Klugheit bewiesen, sei es nun durch sein Benehmen im allgemeinen, sei es durch besondere Taten. Ein Beispiel für diese Behauptung, deren übrigens der aufmerksame Leser im Laufe dieser Erzählung eine ganze Reihe finden kann, soll hier eingefügt sein. Meines Mannes Schwester, eine große Hundefreundin, wurde von Rolf, als er sie einige Zeit kannte, bei einem Besuche so stürmisch begrüßt, daß sie mit beiden Händen wehren mußte. Er leckte ihr Wange und Nase, was ihm von Seiten meiner Schwägerin ernst verwehrt wurde. Sie erklärte ihm: „Rolf siehst du, hinter dem Ohr" (dabei mit der Hand die Stelle berührend) ,, darf st du mir einen Kuß geben, aber gar nie mehr ins Gesicht." Rolf sah sie während dieser Erklärung groß an, stieg dann sehr vorsichtig an ihr hoch und leckte sie ein klein wenig hinter dem Ohr. Er vergaß auch nie mehr, daß diese Tante nur ein wenig hinter dem Ohr geleckt werden dürfe und nennt sie überhaupt nur noch die „dande g u s an o r" (Tante Kuß ans Ohr). Leider lassen sich gerade diese Sachen nicht will- 82 kürlich vorführen; Rolf wenigstens verweigert die Aus- führung aller dressurähnlichen Befehle, wie Stock tra- gen, Apportieren von Steinen und andern Dingen und Springen über vorgehaltene Stöcke oder über Mauern. Nach siebenwöchentlicher Trennung durfte ich zu- rückkehren. Immer noch schwer leidend und sehr matt, bangte ich vor Rolfs allzu stürmischer Begrüßung; wußte ich doch zu gut aus Erfahrung, wie heftig er seine Freude äußern konnte. Meine Befürchtung war grund- los. Rolf zeigte auch da meder kluge Überlegung. Er kam wedelnd und winselnd zu mir, schmiegte sich nahe an mich und legte scheu sein Köpfchen auf mein noch dick verbundenes Knie. Seine schönen Augen strahlten, und immer wieder gab er mir sein Pfötchen, aber seine sonstigen wilden Begrüßungssprünge unterließ er ganz. Jedes im Haus war verwundert über Rolfs zarte Art; wußte man doch nur zu gut, daß ich mich sonst nach nur stundenlanger Trennung fest an die Wand stellen mußte, um bei Rolfs Willkomm nicht umgerissen zu werden. Nachdem ich mich ein wenig erholt hatte von dem Transport in unser Heim, fragte ich Rolf, ob er sich denn freue über meine Heimkehr. Er hätte gar nicht zu klopfen brauchen : l ol f u r g db ar f r o = Lol furchtbar froh — in seinen Augen stand es schon geschrieben, daß er glücklich war. Während meiner Abwesenheit war der Krieg aus gebrochen. Oft dachte ich in meinem freundlichen Krankenhausstübchen, wie wohl Rolf in der großen, aufgeregten Zeit sich verhalte. Meine Kinder hatten ihm natürlich alles erzählt, aber Rolf trauerte und war wenig zu Äußerungen aufgelegt. Nur eines fiel den Kindern ganz besonders auf: daß sich Rolf, der sonst jede fremde Berührung auf der Straße knurrend ablehnte, von jedem Feldgrauen streicheln ließ. Später konnte ich diese Beobachtung der Kinder bestätigen. Besonders Ver- wundete bevorzugte Rolf; begegneten wir solchen, so lief er ihnen wedelnd entgegen, stand an ihnen hoch, beroch ihre verbundenen Glieder und leckte ihnen wohl auch die Hände. Es kam auch vor. daß er sich mit ihnen in seiner Klopfsprache unterhalten wollte, ohne erst zu mir zu kommen. Rolf mußte sich wohl viel mit dem Krieg in Gedanken beschäftigen, denn jeder neue männliche Besucher wurde von ihm sofort aufgefordert, in den Krieg zu gehen. Ich lag noch einige Zeit an den Folgen der über- standenen Amputation, und Rolf war beständig bei mir. Merkte er, daß mich die Schmerzen quälten, sah er mich wohl mit seinen großen traurigen Augen an und seufzte tief. Einmal lief er von mir fort zur Türe, an- scheinend Hilfe suchend, kam aber wieder zu mir und klopfte: lol holn di g jein g g s =^ Lol holen dich (dir) fein Keks. Der liebe Kerl wollte mich trösten, \vie ich das bei ihm schon oft getan hatte. Immer noch verbrachte ich die halben Nächte lesend oder arbeitend, was meinen Rolf, der in meinem Zimmer schlief, wohl störte. Er hatte schon oft früher gezeigt, daß er zum Schlafen die Dunkelheit vor- ziehe, aber so deutlich hatte er es mir noch nie zu 84 verstehen gegeben wie in der Nacht zum 20. Septem- ber 1914 in Bergzabern. Am Tage vorher wurde viel über den Krieg ge- sprochen und auch vorgelesen, und Rolf war natürlich dabei. All das Gehörte muß ihn nachts so lebhaft be- schäftigt haben, daß er nicht allein damit fertig werden konnte. Er kam, kratzte mich an der Schulter und be- gann zu klopfen : l o l gm r a u f n mu dr j rh idn ah r f r and s o s r au f n m i d d ei d s n mu dr s o l n f rh i dn d l (hier trat eine kleine Pause ein, während der Rolf sich ermüdet hinlegte; dann klopfte Rolf wieder unaufgefordert weiter:) nid dirfn r au f n i s g a n s ir i s d Jon d i . duh dl au g hl f n v) i s d f r and s c s dan l ol nid h d l ih r l ol V il hh n g i n d r s i ng n d o nrhl ruig s ein w a g d f o n rei n (kleine Pause, dann weiter :) sla f n s ol n du dun g l magn. Übersetzung: Lol gern raufen, Mutter verbieten, aber Franzos raufen mit Deutschen, * Mutter sollen verbieten, die — Pause — nicht dürfen raufen, ist ganz wüst von die (denen) (Punkt) Duh adl (sprich Duchatel, Name eines Herrn aus Frankreich, den Rolf früher kennen lernte), auch helfen wüst Franzos, dann Lol nicht hat lieb er (ihn); Lol will haben (daß) Kinder singen „Donnerhall, ruhig sein. Wacht von Rhein" — Pause —schlafen sollen du, dunkel machen ! Hund und Herrin waren müde nach diesem langen Erguß, und besonders ich hatte gar keine Lust, noch * Man hatte dem Hunde das Wesen des Krieges als ein Raufen zu erklären versucht. M. 85 die vielen Zahlen zu übersetzen. .,B.o]i, geh Bett!" rief ich ihm zu, der sehr enttäuscht und un^villig meinen Befehl ausführte. Nach ganz kurzer Zeit kam er Avieder und wollte klopfen; ich war aber derart müde, daß ich ihn scharf zur Ruhe verwies. Rolf aber folgte nicht, auf weitere Aufforderungen sogar leise knurrend. Als ich aber noch einmal strenge „marsch, in dein Bett!" rief, sah er mich böse an, stand am Nachttisch hoch und pustete mit lautem Geräusch mein kleines Nachtlicht aus. Ich hielt dies Auslöschen meines Lichtes zunächst nur für einen gelungenen Zufall, erst morgens mußte ich inne werden, daß er kategorisch genug ,, dunkel machen" verlangt hatte. Das merkwürdige Tier hatte also seinem Befehl selbst die Ausführung folgen lassen. Natürlich wurde nun auch Rolfs anderer Befehl befolgt: wir sangen alle zusammen die Wacht am Rhein. Dabei zeigte er sichtliche Freude, ging wedelnd von einem zum andern, bewegte die Lippen, als wolle er singen helfen, und gab sogar Laute von sich, daß wir immer wieder den Schluß: ,,lieb Vaterland, magst ruhig sein, fest steht und treu die Wacht am Rhein" sangen. Am 10. Oktober 1914 kam die Nachricht vom Fall Antwerpens. Wir waren natürlich alle glücklich, die Kinder sangen ,, Deutschland, Deutschland über Alles" und riefen hurra! Rolf zeigte große Freude, sprang um uns herum und zeigte seine weißen Zähne. Nach- dem sich die erste Freude gelegt hatte, setzte er sich und klopfte: i e d s d b a r i s = jetzt Paris*. * Da in der Familie so viel über den Krieg gesprochen 86 Eine Woche darauf war meine Tante aus Karlsruhe überraschend gekommen. Sie hatte Rolf noch nie ar- beiten sehen; ihrer Bitte, ihr den Hund vorzuführen, wurde entsprochen. Zuerst sagte er auf die Frage, wie die Tante heiße, nur den Familiennamen. Ich verlangte nun, daß er auch den Vornamen nenne, den er auch kannte. Zu unsrer Überraschung klopfte er statt Her- mine amina. Ich selbst soll in meiner frühsten Jugend Hermine in „Amina" umgewandelt haben, und mein Vater nannte, in Erinnerung daran, diese Schwester meiner Mutter nie mehr anders. Rolf mußte sich also vor nahezu zwei Jahren ,, amina" gemerkt haben, denn so lange hatte er meinen Vater, der damals über ein Jahr schon tot war, nicht mehr gesehen. Die Tante brachte mir ein Blatt mit, das die Bilder der bis dahin gefallenen bayrischen Offiziere enthielt. Mein erster Blick fiel auf das Bild eines Oberstleutnants, der im Frühjahr 1914 bei Rolf gewesen war. Rolf wurde aus dem andern Zimmer geholt, und ich zeigte ihm das Blatt und fragte ihn: „Kennst du einen von diesen Herrn?" Rolf sah aufmerksam hin, klopfte ,,/«" und dann spontan weiter: didl (Diethel). ,,In welcher Reihe ist sein Bild?" fragte ich weiter. Antwort: 1. „Weiter, der wievielte von links angefangen?" Antwort: 4. Beide Antworten stimmten, ich mußte also annehmen, daß Rolf ihn wirklich herausgefunden hatte. Jener wurde, so war zur Zeit des siegreichen Einmarsches auch die Möglichkeit der Eroberung von Paris erwähnt worden, und das war Rolf offenbar im Gedächtnis geblieben. M. 87 Offizier war bei einer Vorfühmng zugegen gewesen, bei der über 50 Personen anwesend waren, und wurde Rolf als Gast aus Bayern vorgestellt. In jene Zeit fällt auch eine andere kleine Episode, die Beachtung verdient. Wir kamen auf unserm täg- lichen Spaziergang an einem Wegweiser vorbei, den Rolf ungewöhnlich lange interessiert beschnupperte, einige Male umkreiste, an ihm hoch stand und ihn schließ- lich verbellte. Ich rief den Hund her und fragte ihn, was er nur mit dem Wegweiser habe. Rolfs Augen schillerten grün vor Aufregung, und schließlich klopfte er: hrinds da wsd lol rign r = Prinz da west (gewesen), Lol riechen er (ihn). Welche Aussichten für die Ausbildung von guten Polizeihunden bieten sich gegenüber solchen Sinnen, was ließe sich durch einen die Klopfsprache beherrschenden Hund alles erforschen! Einer der vielen Freunde des Rolf schickte unter vielen andern auch dies nebenstehende drollige Bild. Rolf sieht, wie ich schon erwähnte, sehr gern Bilder, und gerade dieses Bild schien ihm besonders zu gefallen. Ich bat ihn, mir doch das Bild zu beschreiben, damit ich auch verstünde, wie schön es sei. Er schielte noch einmal nach dem Bild, ehe er anfing zu klopfen: arm 8 ehl dn g n w i ma g n das w i s d da g l mu s g n f o n f ei n s dul w il slh r auf f ein g i s n l i g n da gl i s g an s w i s d mi d s ei kb u n g r um h ein m ei n d w r f ei n = arm Seppel denken, wie machen, daß wüst Dackel muß gehen von fein Stuhl, will selber auf fein Kissen liegen, CQ > Dackel ist ganz wüst mit sei(n) Kappe und knimm Bein, meint wäre fein. Er hatte sich also das ganze Bild erklärt und wenn man Bild und Äußerung ver- gleicht, gar nicht ungeschickt. Unsre Mannheimer Wohnung liegt dem Rathause gegenüber, in dessen Wandelgängen es oft sehr lebhaft zugeht. Eine der liebsten Beschäftigungen Rolfs ist es, zum Fenster hinauszuschauen. Die kurzen Scheibenvor- hänge waren ihm dabei immer im Wege. Anfangs kratzte er sie einfach leidenschaftlich, wie er alles anfaßt, weg. Dafür wurde er natürlich gezankt. Ich zeigte ihm recht deutlich dabei, wie er die zarten Spitzenvorhänge, ohne Schaden anzurichten, wegschieben könne, und hob ihm dabei seine Pfote bis hinauf zu den Messingringen, ohne im Ernst zu denken, daß sich Rolf das je merken würde. Aber schon am nächsten Tag sah ich zu meiner großen Freude und Überraschung, daß er sich mühte, die kleinen Scheibenvorhänge zur Seite zu schieben; aber aller Anfang ist schwer; Rolf brauchte ziemlich lange Zeit, bis es ihm glückte. Es ist natürlich, daß ich ihm noch oft helfen mußte. Mit der Zeit aber übte er sich, und jetzt schiebt er mit einem raschen Ruck den Vorhang zurück und hat die ganze Scheibe frei zum Schauen. Am allerliebsten sieht er mit mir zusammen zum Fenster hinaus, weil er dann immer gleich Erklärung bekommt für Dinge, die er noch nicht kennt. Wie scharf er vom Fenster aus zu beobachten ver- mag, zeigte uns eine Spontanäußerung vom Frühling 1914. Auf der Straße stand ein Expreßwagen mit einem 89 schlanken Fuchs davor, der seinen Kopf lebhaft nach allen Seiten drehte. Schon gleich nachdem das Gefälu-t gehalten hatte, klopfte Rolf teils auf das Fenstergesims, teils auf meinen Arm : l ib kl g ol dn f l = lieb Kai (Gaul) golden Fell. Das wirklich allerliebste Pferdchen sah jedem Kind nach; alles, was an ihm vorüber kam, erregte sein leb- haftestes Interesse. Aus dem Fenster gegenüber drangen Flötentöne. Das Pferd hob sofort seinen edlen Kopf und spitzte die kleinen Ohren; es sah angestrengt in der Richtung des Fensters aufwärts. Rolf schaute erst eine Weile dem Pferd zu. dann drehte er sich nach mir um und klopfte völlig aus sich heraus : l ih kl dn g n wo i s m u s i g — lieb Gaul denken, wo ist Musik. Ich hielt seine Äußerung für eine Frage und antwortete ihm darauf: „Ja, RoK, das glaube ich auch, es besinnt sich, woher die Töne kommen." Rolf wedelte und freute sich, daß ich ihn verstanden hatte. Ein anderes Mal saß er allein am Fenster und schaute spazieren, während ich in der Nähe an meiner Schreib- maschine beschäftigt war. Er war ganz besonders un- ruhig geworden und sah schnuppernd aufwärts, was mich von der Arbeit aufzusehen zwang. Einige Augen- blicke später sprang er wedelnd und winselnd zu mir herunter und klopfte aufgeregt: fann an durm al gugn = Fahnen an Turm, alle gucken! Bei sofortigem Nachsehen stellte sich die Richtigkeit seiner Beobachtung heraus; im Osten hatte Hindenburg große Dinge vollbracht. Im Februar desselben Jahres fuhr ich aus und nahm 90 wie stets Rolf mit. Er war ungeduldig, wie meist, ehe er von der Leine befreit wird. In der Nähe der Kaserne begegneten wir einer Kompagnie Soldaten, die von einer Felddienstübung zurückkehrte, und zwar, was jetzt ziemlich selten ist, mit Musik. Rolf war ganz auf- geregt geworden, riß an der Leine, tanzte im Kreis herum und brachte meinen Fahrstuhl in Gefahr, um- zufallen. Streng angerufen, hielt er sich hart neben mir, heulte aber laut auf. Ich wurde ärgerlich und zankte mit ihm; Rolf heulte um so lauter und gebärdete sich so wild, daß ich vorzog, mit dem Hund aus der Nähe der Soldaten zu gehen. Draußen in der Nähe des Hildaparkes sahen wir noch eine große Herde Schafe, arme, mit einer Hautkrankheit behaftete Tiere. Rolf rannte voll Freude mitten unter die Schafe, die sehr erschrocken auseinanderliefen. Ich mußte Rolf an die Leine nehmen, da der Hirte schon böse war über die Verwirrung, die der Hund in der Herde angerichtet hatte. Mit hängenden Ohren und sehr übler Laune legte er den Heimweg zurück. „Warum warst du heute so unartig?" fragte ich Rolf zu Hause, worauf er antwortete: lol mid lih soldad woln in grig geisr braugn hundl lol kn hlfn fil du sein dum fon wgn nid lasn lol in grig = Lol mit lieb Soldat wollen in Krieg, Kaiser brauchen Hundel, Lol kann helfen viel, du sein dumm von wegen nicht lassen Lol in Krieg*. Hier setzte er ab und legte sich ruhig nieder; wäh- * Wahrscheinlich dachte er an die Leistungen der Sanitäts- hunde, von welchen er wohl hatte sprechen hören. M. 91 rend ich das bisher Geklopfte übersetzte und kaum noch fertig war, begann Rolf wieder zu klopfen: iib s a f n al s oln g om n b ei mu dr dan mu dr dt ha dn das w i dr wag sn s ei hr = lieb Schafen all sollen kommen bei Mutter, dann Mutter die baden, daß wieder wachsen sei(ne) Haar. RoK hatte selbst einmal an einer Hautkrankheit gelitten; der Anblick der Schafe, die sich fortwährend rieben und kratzten, mag wohl sein Mitleid erregt und die Erinnerung an seine Behandlung wach gerufen haben. Eine uns befreundete Dame war auf ein paar Stun- den zu uns gekommen. Rolf sollte sagen, ob er sie noch kenne. Er bejahte. ,,Sage den Namen der Dame, wenn du ihn weißt!' Antwort: b i r ki g Hb m e dl = Bkkig lieb Mädel. Hier unterbricht er und horcht nach dem Fenster hin. Es läutet zur Kirche. Nach kurzem Hinhorchen klopft Rolf weiter : j r an s o s f a n g d l ei d d iva g d Jon r ei n = Franzos(eii) fangt (gefangen), läutet. Wacht von Rhein. Rolf hielt das Läuten der Kirchglocken für Siegesläuten, machte uns aufmerksam und wünschte schließlich noch die „Wacht am Rhein" zu hören. ,,Birkigt" hieß die Dame, und „lieb Mädel" nennt Rolf alle jungen Damen. Dr. Olshausen aus Hamburg, der sich besonders für RoH interessierte, schickte mir eine Reihe von Fragen, die RoK ihm beantworten sollte. Nach näherer Prüfung derselben stellte ich sie meinem Hund in zwei Ab- teilungen. Rolf, der immer noch lieber Fragen beant- wortet, als rechnet, ging zu meiner Freude gern darauf 92 ein; es schien mir sogar, daß ihn dies Frage- und Ant- wortspiel behistigte. Die erste Frage: „Träumst du auch?", wurde von Rolf mit einem festen ,,/a" beantwortet. ,,Wie ist denn das, wenn du in deinem Korb liegst, schläfst und träumst, kannst du doch nicht zugleich mit deiner Mutti spazieren gehen ?" Nein, gab darauf Rolf: ahr hei slajn lol ofd meinn gd sbadsirn = aber bei Schlafen Lol oft meinen, geht spazieren. Warum bellen die Hunde die Wagen und Radler an ?" Antwort: f o n w g 71 b g s da gl — von wegen Spektakel. Warum mögen die meisten Hunde keine Katzen ?" Antwort : lol i m r h d d s or n w n s i d k d s l j r l ei g d f o n u) g n g r al n . lol h d l ib s i ,s d 8 i di nid du d g r a d s 71 lol ahr a nd r hundl di wo 71 i d g titi ir — Lol immer hat Zorn, wenn sieht Katzel, vielleicht von wegen Krallen (Punkt) Lol hat lieb süß Daisy, die nicht tut kratzen Lol, aber ander Hundel die wo nicht kennen ihr. „Was riechst du am liebsten ?" Antwort: m ei ila ^ mei(ne) Jela. „Was mußt du tun, wenn du schwimmen willst?" Antwort : dr ab n mi d a l f i s — trappen* mit all(en) Füß(en). ,, Warum tust du das?" Antwort: das nid f r sau j d — daß nicht versauft. * trappen = mundartlich für heftig treten. M. 98 ,,Wenn du das nicht tätest, was würde dann mit dir ?" Antwort: s i n g n undr — sinken unter. ,,Was brauchst du also zum Leben?" Antwort: m ei f i s = mei(ne) Füß(e). „Was brauchst du sonst noch zum Leben?" Ant- wort: s n dr ing n Hb li h n r — essen, trinken, lieb haben er (ihn).* ,.Was haben die Vögel nötig zum Fliegen ?" Ant- wort : <« ei j l i gl = sei(ne) Flügel. ,, Welche Ähnlichkeit besteht zmschen einem Vogel und einem Schmetterling? Antwort: di hm fligl — die ham (haben) Flügel.** ,, Weshalb ziehen die Menschen Kleider an ?" Ant- wort: weil nid hm j ei n fl — weil nicht haben fein Fell. „Sind sie denn mit Kleidern hübscher?" Antwort: m e dl f ei n mnr nid g l ei d i s dum i m r d i s i mh f n da n iv n arm l ol ma g n dr e g i g inn — Mädel fein, Männer nicht, Kleid ist dumm, immer die schimpfen dann, wenn arm Lol machen dreckig ihnen. „Schläfst du immer gut?" Antwort: nein. „Wie fühlst du dich denn, wenn du viel geträumt hast während der Nacht?" Antwort: mid sein wn wa g n au f = müde sein, wenn wachen au f. ,,Wenn du träumst, du seiest irgendwo, meinst du dann, du seiest wirklich da gewesen?" Antwort: ja. * Wahrscheinlich im Sinne von geliebt werden. M. ^* ham ist mundartüch. M. 94 „Träumst du auch hie und da, was du schon erlebt hast? Zum Beispiel, wenn du gestraft worden bist, oder wenn Daisy lieb zu dir war?" Antwort: ja, gans oft = ja, ganz oft. ,,Von wem träumst du denn öfters?" Antwort: f o n mu d r u n kr la f o n m ei il a f o n arm il sl r ol j l h r i n d s u n hlu d o u n b o g 8 l = von Mutter und Karla, von mein Jela, von arm Dsel, Rolfl, Prinz und Pluto und Boxl. „Träumst du denn mehr, wenn du krank bist oder wenn du gesund bist?" Antwort: lol nid kn w i s n — Lol nicht kann wissen. Dr. Olshausen fragte ihn auch einmal, als er mit uns zusammen hier in Bergzabern war: ,, Warum issest du denn Gras ?", worauf Rolf verwundert aufhörte, den Herrn ansah und mir dann klopfte : h r au g n tu n h d IV a r m — brauchen, wenn hat warm. Längst hatte ich die Überzeugung gewonnen, daß sich die Tiere in Krankheitsfällen viel leichter zu helfen wissen als die Menschen, und Rolf bestärkte mich noch wesentlich in dieser Annahme durch ein merkwürdiges kleines Begebnis. Er trauerte, verschmähte seine Älit- tagssuppe und verlangte nur immer meder hinaus. Wir gingen mit ihm weit hinaus ins BöUenborner Tal spa- zieren, wo es ihm so gut gefällt, weil ich dort den wilden, ungestümen Gesellen frei lassen kann. Er machte aber jenen Tag nicht wie sonst seine lustigen Sprünge, son- dern lief mit der Nase am Boden suchend umher. Hie und da hob er seine Nase schnuppernd in die Höhe, 95 um sie dann gleich \\ieder suchend auf den Rasen zu senken. Plötzlich sah ich ihn das Gras vorsichtig mit den Vorderpfoten auseinanderschieben und mit dem Maul etwas aus der Erde ziehen; ich konnte feststellen, daß er eine dünne weiße Wurzel, ähnlich der Peter- silienwurzel, zerbiß und verschluckte. Leider konnte ich nicht erkennen, was für ein Pflänzchen Rolf gefressen hatte. ,,Rolf, warum hast du diese Wurzel gegessen?" fragte ich ihn nachher und bekam zur Antwort: / o // w g n w b a u g — von wegen weh Bauch. Ein alter Schäfer erzählte mir, daß er seinen Tieren bei Kolik oder sonstigen Leibbeschwerden immer nur die Stalltüre aufzumachen brauche, sie fänden dann von selbst das Heilkräutchen, das sie nötig hätten. Mancher Tierarzt hatte schon seine Freude an Rolfs bestimmten Antworten bei Untersuchungen. ,, Warum schüttelst du deine Ohren, das muß dir doch weh tun ?" Antwort: w i s d b r u m l raun g d = wüst Brum- mel raus geht. Der Hund hatte eine Ohrenentzündung und glaubte wohl, es sei ihm eine Hummel ins Ohr ge- kommen. Daß Rolf, ganz nach Art eitler Kinder, es sehr liebt, von sich reden zu hören, zeigte er oft. Eine Dame aus München war zu uns gekommen, um Rolf kennen zu lernen. Während einer kleinen Vorführungspause er- zählte ich ihr alles mögliche aus Rolfs Leben und Treiben. Rolf, der ruhend mir zu Füßen lag, stand plötzlich hoch an meinem Stuhl und begehrte energisch zu klopfen. „Was will das Tier?" rief die Dame. ,, Dreinreden," 96 o antwortete ich. Der Hund ließ mir nicht Zeit, den Klopfdeckel zu nehmen, auf Hand, Arm und Stuhllehne trommelte er mir seine Buchstaben, die sorgfältig auf- geschrieben wurden und folgendes ergaben : du h d f r g s d f r d s l n s w irn d in r ei n b ei kl d — du ha(s)t vergoßt verzählen (erzählen): schwimmt in Rhein bei kalt. Jch mußte jene Schwimmepisode er- zählen, die Rolf selbst so treffend in seinem Brief an Dr. Graden witz in Berlin geschildert hat. Jener Brief enthält zwei Umschreibungen : für Eis : w a sr i s h r d f on kl d = Wasser ist hart von kalt, und für Schiff : h u s in iü a s r = Haus in Wasser. Während einer Vorführung in Oggersheim wurde Rolf von einem sehr lustigen alten Herrn gefragt: „Rolf, wenn ein Kaminkehrer in den Schnee fällt, was ist da ?" Der Hund sah dem Herrn voll ins Gesicht, während der Frage, dann senkte er seinen Kopf, schloß die Augen, als ob er angestrengt nachdenken müsse, hob endlich zögernd sein Pfötchen und klopfte: s n e dr eg ig — Schnee dreckig. Man hatte allgemein das Wörtchen ,, Winter" erwartet; auch ich kannte ja das Rätsel und seine Lösung. Aber Rolf fiel wohl seine Begegnung mit dem Kaminkehrer ein, bei der er gerade so ängstlich war wie kleine Kinder. Er verkroch sich vor dem schwar- zen Mann und bellte ihn schließlich wütend an, als ich ihn in seine Nähe brachte. Erst als ich ihm zeigte, daß er nur von Ruß so schwarz aussehe und dabei meinen Finger an des Kaminkehrers Gewand schwärzte, be- ruhigte sich Rolf und beschnupperte den schwarzen Moekel, Mein Hund KoU 7 ^ Mann von allen Seiten. Seine Annahme, der Schnee würde dreckig werden, mag wohl auch stimmen. Jedenfalls warde die drollige Antwort viel belacht, was Roll recht unangenehm empfand. "Wenn die Men- schen unmittelbar nach seinen Antworten lachten, klopfte er bisweilen: dum is lagn oder di lagn warum = dumm ist lachen — die lachen, warum ? Bei derselben Vorführung deutete ein Herr auf den Kopf eines andern Anwesenden und fragte: „Rolf, was hat denn der da ?" Antwort: g ahl g ob f = Kahl- kopf. Einer unsrer besten Bekannten, ein Mann, der für die Tierwelt ein besonders warmes Interesse hat, besaß einst einen schönen jungen Edelmarder. Völlig unge- zähmt kam dies scheue Tier in seinen Besitz, und es interessierte mich nicht wenig, wie weit es ihm glücken würde, den ,,Hansl", so wurde der Edelmarder genannt, zu erziehen. Schon in verhältnismäßig kurzer Zeit ge- lang es unserm Freund, Hansl handfromm zu machen; er lockte das Tier aus seinem großen Käfig, der vom Erdboden bis weit über das eine Treppe hoch gelegene Schlafzimmer hinaus ging und von dort aus geöffnet werden konnte, in das Zimmer herein, gab ihm Zucker und Honig und andre gute Leckerbissen und gewöhnte ihn an Streicheln. Mir wurde selbst die große Freude zuteil, das prächtige Tier im Verkehr mit seinem Herrn beobachten zu können. Ein Kätzchen könnte sich nicht zahmer und gesitteter benehmen, als Hansl es tat. Er schmiegte sich an seines Herrn Arm, rieb sein Köpf- chen au seiner Hand, kam auf Pfiff und Ruf und nahm auch mir Zucker und Honigbrot aus der Hand. Zu streicheln wagte ich Hansl nicht, da er nur von seinem Herrn Berührungen duldete. Hansl stieg an mir in die Höhe, hängte sich an meinen Hals und beroch mein Gesicht, leckte mir zart das Kinn und sah mich mit seinen glänzenden, klugen Augen lange an. Erst als er meine Hand beroch, sträubte er sein glattes Fell, stieß fauchende, knurrende Töne aus und biß fest in meinen Finger, den ich ihm ruhig ließ, ohne einen Weh- laut auszustoßen. Hansl sah mich, meinen Finger noch fest zwischen seinen Zähnen, überrascht an und ließ dann von selber los. Mein Finger war kaum verletzt, aber Hansl wurde in seinen Käfig zurückgebracht und gezankt. Der Edelmarder durfte aber nach kurzer Zeit wieder heraus, und nun erlebte ich das Merkwürdigste, was ich noch je bei einem in der Wildnis groß gewordenen Tier sah. Hansl verstand jedes Wort seines Herrn und handelte darnach. Sein Herr ließ ein Hühnerei bringen, bekanntlich ein besonders begehrter Leckerbissen der Marder, und zeigte es seinem Schüler mit den Worten: ,,Sieh Hansl, das Ei gehört dir, das darfst du essen!" Hansl nahm vorsichtig das große Ei in sein kleines Maul und rannte damit im ganzen Zimmer hin und her. Mir wäre ohne Erklärung des Herrn klar geworden, daß das Tier seine Beute gut verstecken wollte und nirgends einen passenden Winkel fand. Wir standen im Schlaf- zimmer, Hansl rannte suchend im Wohnzimmer, dessen Türe weit offen stand, umher. ,, Hansl," rief sein Herr, 99 .,komni doch zu mir"; dabei bückte er sieh bis in Sitz- stellung und machte aus seinen Rockzipfeln eine Art Nest, „ich hab' da ein weiches Plätzchen, da sieht es niemand. Leg' dein Ei da herein!" Zu meinem Er- staunen hob Hansl sein Köpfchen während der Rede unsres Freundes lauschend hoch und blieb stehen, als besinne er sich. Dann wandte er um, kam mit einem behenden Sprung auf seines Herrn Schoß, legte sein Ei behutsam in das künstliche Nest, deckte es mit Rockfalten sehr geschickt zu. wobei er sich der Krallen und der Zähne bediente, beguckte sein Werk von allen Seiten und ging dann, sich noch etliche Male umsehend, wieder seinem lustigen Spiel mit einem "Wachsball nach. Ganz heimlich beförderte der Herr das Ei in seine Tasche und brachte die Falten des Rockes \^aeder in Ordnung, als wäre das Ei noch an seinem Platz. Hansl erinnerte sich plötzlich an sein Ei und kam, es zu holen. Als er es nicht mehr fand, stieß er wütendes Fauchen und Knurren aus, machte wie eine in Wut versetzte Katze hohe Sprünge um seinen Herrn herum und suchte schließlich in allen AVinkeln des Zimmers. Das Ei wurde wieder an seinen Platz gebracht, und der Herr sagte zu Hansl: „Geh, du bist ein dummer Hansl, du hast gar nicht recht gesucht, das Ei ist sicher noch da, schau nur mal erst richtig, dann findest du es schon!" Darauf- hin kam der Edelmarder vorsichtig näher, schob die Rockfalten auseinander und fand richtig das Ei. Voll Freude rieb er sein Köpfchen an seines Herrn Hand, und eitel Freude leuchtete aus den vorher so >nlden 100 Augen. Er trug sein Ei in den Käfig und verspeiste es mit großem Behagen. Ich muß sagen, ich hätte nie für möglich gehalten, daß ein ausgewachsener Edel- marder, der seine früheste Jugend im Wald verlebte, so schnell das gesprochene Wort verstehen lernen könne. Daß Hansl jedes Wort verstand, konnte ich selbst unschwer erproben. Ich setzte mich an den Kaffeetisch, strich mir ein Honigbrot und rief das Tierchen zu mir: „komm, du sollst Honig haben". Sofort war das flinke, graziöse Tier da und stand, mit den Vorderfüßen sich am Tischtuch haltend, neben mir. Ich tunkte ihm ein Stück Zucker in den Honig und gab es ihm. Er war schon so zutraulich gegen mich, daß er es bei mir auf- fraß. Als er damit fertig war, fragte ich: ,, Willst du noch Zucker haben ? Hol dir Zucker, Hansl, da auf dem Tisch steht Zucker!" Der Marder kletterte am Tischtuch hoch, war sofort am Zuckerschälchen, nahm ein Stück Zucker, ging mit dem Zucker zwischen den Zähnen zum Honigteller und drehte seine Schnauze mit dem Zucker im Honig um. Ein strenges Wort seines Herrn: ,,Geh herunter vom Tisch!" wurde sofort ver- standen und auch befolgt. An jenem Tag reiste ich von Bergzabern nach Mann- heim zurück und brachte eine Menge neuer Eindrücke mit. Natürlich erzählte ich daheim Mann und Kindern von dem klugen Hansl und zeigte auch meinen Finger mit dem nadelfeinen Biß. Rolf sah meinen Finger an, beroch ihn und leckte ganz zärtlich die gebissene Stelle ab. Dann klopfte er : dum hn sl s i g f ir g dn 101 f on mu dr = dumm Hansl sich fürchten von Mutter. „Nein, der hat sich nicht gefürchtet, er hat nur an meiner Hand einen großen Hund gerochen, den ich kurz vorher gestreichelt hatte, Rolf", erklärte ich ihm. RoK klopfte: hund wir = Hund weler (offenbar „weller" — mundartlich für welcher). Erst als ich ihm den Hund ganz genau beschrieben und erklärt hatte, daß er ihn noch nie gesehen habe, legte er sich zufrieden wieder auf seinen Platz unter dem Schreibtisch. Viel später kam der Besitzer des Hansl zu uns nach Mannheim und fragte Rolf: „Was habe ich denn daheim in dem großen Käfig, weißt du das ?" hn sl Hb = Hansl lieb gab Rolf sofort zur Antwort. Auf die Frage: ,,Rolf, erinnerst du dich auch noch an das, was ich von dem lieben Hansl erzählt habe ?" kam die Antwort : ei nid f rb r o gn j r dg d in r o g = Ei nicht verbrochen, versteckt in Rock. Im weiteren Verlauf des Besuches erzählte der Herr auch unserm aufmerksam lauschenden Rolf, daß der Hansl so fein klettern könne, daß ihm kein Baum zu hoch sei, und daß er gerade so leicht Nvieder an dem steilen Stamm herunter laufen könne. ,, Kannst du auch klettern ?" fragte er den Hund, der „nein'" gab. „Warum denn nicht?" Antwort: kraln nid gud = Krallen nicht gut. ,,Ja Rolf," fuhr der Herr fort, „da hast du wohl recht, der Hansl hat gewaltige ICrallen und deshalb kann er sich auch so gut festhalten beim Klettern." Hier unterbrach Rolf die Rede des Herrn und erzählte uns: d s i au g f ei n g l edr d = Daisy 102 auch fein klettert. „Ja, richtig, Rolf, die Daisy muß wohl gut klettern können, die hat ja auch so gute Krallen," lobte ihn unser Freund und gab ihm ein Stückchen Kuchen. ,, Erinnere dich Rolf, im Wald bei Bergzabern hast du auch einmal ein Tier gesehen, das auf die höchsten Bäume klettert und sogar von Baum zu Baum springt, weißt du noch, wie das Tier heißt ?" Rolf klopfte sofort munter: eigngdsl = Eichen- katzel. Kleine Pause, dann weiter: imr hhd sei Jans auf d h e = immer hebt sei(nen) Fanz (Schwanz) auf d(ie) Höh. Eines Tages lief mit der Post die Verlobungs- anzeige unsres Hausarztes ein. Ich las sie den Kindern vor, Rolf war me gewöhnlich im Zimmer. Die Anzeige hatte folgenden Wortlaut: ,, Seine Verlobung mit Fräu- lein Daisy N . . . . aus .... erlaubt sich ergebenst an- zuzeigen Dr. N..." Die Kinder ergingen sich in Ver- mutungen, wo wohl der Onkel Doktor sein Bräutcheu kennen gelernt habe, ob sie groß sei oder zierlich, und Rolf kam wedelnd zu mir, stand hoch und klopfte sehr lebhaft : do g dr m edg n hh n h ei s n w i d s i — Doktor Mädchen haben, heißen wie Daisy. Dem Hund fiel zuerst auf, daß die junge Braut gerade so heiße, wie unser niedliches Kätzchen. Oft schon wurde mir vorgehalten, daß der kluge Rolf doch immer nur dann sich äußere, wenn er gefragt werde, also nie aus sich heraus irgend einen Wunsch äußere. Daß dieser Vorwurf nicht zutreffend ist, wird jeder Leser unschwer aus meinen Aufschreibungen er- 103 kennen können. Die beiden folgenden Spontanäußer- ungen des Hundes sind aber besonders dazu geeignet, diesen Ein\\'urf zu entkräften. Der Teetisch war ge- deckt, wir erwarteten Gäste. Luise nützte die Zeit mit Üben aus, und ich begleitete sie am Klavier. Rolf war sich also selbst überlassen. Er umkreiste schnuppernd den Tisch, hie und da von mir ermahnt, dem Teetisch nicht zu nahe zu kommen. Zwischendurch machte sich unsere Barbara am Tisch zu schaffen; sie wollte Rolf in die Küche mitnehmen, er schlüpfte aber geschickt aus dem Halsband und kroch unter den Tisch, bis sie gegangen war, um dann wieder seinen Spaziergang um den Tisch fortzusetzen. Wir spielten gerade ein Beethovenmenuett, als Rolf mich unsanft störte durch Kratzen und Klopfen auf die rechte Achsel. Erst schüttelte ich den Hund unwillig ab, das half aber nichts; ich mußte abbrechen und geduldig notieren, was er klopfte: lol woln r am sl a g g r i n braun b a l und s u g r u n g u glh ob s b r a u g n ni g s b su g — Lol wollen Rahmschlag (Schlagrahm), grün, braun Ball und Zucker und Gugelhops (opf)*, brauchen nichts Besuch! Unter den grünen und brauneu Bällen verstand er wohl Moh- renköpfe und mit grünem Zuckerguß überzogene Nuß- törtchen. Wenn Rolf Schnupfen hat, fühlt er sich immer recht krank und pflegebedürftig. Er quält mich dann stets von morgens bis abends, hält mir- seine nasse Nase hin, daß ich sie ihm putze, und stöhnt wie ein krankes * Gugelhopf=süddeutsche Bezeichnung für Topf kuchen. M. 104 Kind. Karla kam, es war zur Heuzeit, mit dem Schrek- kcnsruf: Mama, der Lol hat KataiTh! ins Zimmer. Bald darauf kratzte er an der Eßzimmertür so heftig, daß man ihm gern aufmachte, und kam winselnd zu mir: lol s r k da r mir du g r nr gh n = Lol sehr Katarrh, mir du Körner geben. Er hatte schon homöopa- thische Kügelchen bekommen, wenn er krank war; zum ersten Male verlangte er sie aber im Juni 1913 ganz aus sich heraus mit dieser drolligen Spontanäußerung. Daisy ist eine vorzügliche Mausfängerin; seit sie im Haus ist, haben wir nur selten über Mäuse zu klagen. Dafür verzogen sich aber die geängstigten Mäuschen in das untere Stockwerk, wo sie durch Strychnin vergiftet wurden. Es mag nun sein, daß eines der vergifteten Tiere noch bis zu uns kam, dann von Daisy gefangen und aufgefressen wurde. Im Begriff, mich in den Salon zu begeben — es war mir Besuch von auswärts gemeldet worden — , sah ich, daß Daisy eine Maus am Mausloch abfing. Nach einem kurzen halben Stündchen kam ich wieder in das Wohnzimmer zurück und fand Daisy schwer krank in einem Winkel. Der sofort herbei- gerufene Arzt stellte Vergiftung fest und befürchtete einen schlimmen Ausgang. Er tat, was in seiner Macht stand, das uns so liebe Tier zu retten. Aber Daisy wurde ganz steif und kalt. Wir saßen alle um ihr Körbchen herum, und jedes wollte ihr noch etwas Liebes tun. Der Tierarzt ging, ich sah ihm wohl an, daß er wenig Hoffnung hatte. Rolf ging auch nicht aus dem Zimmer und beschnupperte und leckte Daisy bisweilen. Meine 105 Mutter fragte den Hund, als er gerade weder bei Daisy war: „Rolf, wd denn die arme Daisy wieder gesund?", worauf er ganz fest ,.;/ö" klopfte und ohne jede Auf- forderung fortfuhr: Hb hflegn ir = lieb pflegen ihr. Karla fragte noch einmal ihren lieben Spielkame- raden: „Weißt du es denn ganz gewiß, daß die Daisy wieder ganz gesund wird?" Dabei umschlang sie seinen Hals und hielt ihm ihr Händchen hin, auf das er klopfte: ja ja. Ich ^^a^rde beinahe ärgerlich, als dann alle fest an Daisys baldige Besserung glaubten, und sagte: ,,Wie kann denn der Hund das \\issen!" Aber Rolf ließ sich das nicht gefallen, er kam zu mir urd schalt: lol k n r i g n m u d r nid = Lol kann riechen, Mutter nicht. Und Daisy legte sich bald darauf ganz behaglich zusammengeringelt hin und schlief. Wir deckten sie warm zu, stellten eine Wärmeflasche neben sie und ließen sie schlafen. Nach ein paar Stunden wachte sie auf, guckte sich ganz verschlafen im Zimmer um, stand auf, machte einen großen Buckel, streckte sieh und gähnte. Dann trank sie ein wenig Milch und ringelte sich \vieder in ihrem Körbchen zusammen in Schlaf- stellung. Es war rührend, zu sehen, wie glücklich Rolf das Körbchen umsprang, als Daisy aus dem von Karla vorgehaltenen Tellerchen IVIilch nahm. Ein Kanarienvögelchen wurde durch Rolf vom sichern Tode gerettet. Ein besonders schönes Weibchen saß traurig auf seinem Stäbchen und nahm kein Futter. Das Vögelchen wurde schließlich so matt, daß es sich mit ausgebreiteten Flügeln auf sein Nestchen legte. 106 Man konnte nichts an ihm finden, es Iraß aber nicht einmal gekochtes Ei. Rolf, der merkte, daß ich in Sorgen um das Tierchen war, kam heran und beroch es von allen Seiten und sah es lange an. ,,Ja Rolf, das arme Gretel," — so hieß das Vögelchen — , ist krank, es frißt nicht, was machen wir nur mit ihm?'" Der Hund klopfte darauf: j i dr n = füttern. Er sah schon öfters, wie ich junge Vögelchen atzte, und meinte wahr- scheinlich, ich sollte nun Gretel auch so füttern Ich nahm, wirklich nur um Rolfs Wunsch nachzukommen, ein wenig gekochten Eidotter zwischen die Finger und steckte Gretels Schnabel ganz in das Ei hinein. Das Tierchen fing sofort an zu picken und fraß immer wieder alles, was ich ihm direkt vor den Schnabel brachte. Rolf stand wedelnd daneben und freute sich mit mir. Das kleine Vögelchen war also blind geworden und wagte sich deshalb nicht von seinem Nestchen herunter oder fand sein Futter wohl gar nicht mehr. Glücklicher- weibe konnte das wertvolle Tierchen gerettet werden; eine kleine Operation genügte, um ihm sein Sehvermögen wiederzugeben. Aber ohne Rolfs Hilfe wäre der kleine Vogel ganz bestimmt verhungert. Der kleine Roland wurde, wenig über 1 Jahr alt, von einem Auto überfahren. Als er stöhnend und schwer atmend auf dem Sofa im Eßzimmer lag und wii' alle bei ihm saßen, kam auch Rolf und beschnupperte ihn. Lebhaft an die Szene bei dem kranken Kätzchen er- innert, fragte ich Rolf, ob mein lieber Roland wohl bald wieder gesund werde. Rolf sah mich lange mit 107 seinen trenen Augen an, ehe er klopfte: lol weis hl d n id = Lol weiß halt nicht. Der arme ßolaud litt drei Tage furchtbar, bis er Samstag morgens einem Herzschlag erlag. Rolf mied das Zimmer schon am zweiten Tag und war am dritten Tag überhaupt nicht mehr hereinzubringen. Am 20. März 1915 starb Roland zwischen 11 und 12 Uhr morgens. Als die Mädchen die kleine Leiche aus dem Zimmer brachten, begegnete ihnen Rolf im Vorzimmer, sah ganz erschrocken auf und wich in weitem Bogen aus. Ich trauerte sehr um den kleinen Liebling und kümmerte mich wenig oder gar nicht um den armen Rolf, der bedrückt herumsaß. Am 24. März kam er zu mir und quälte mich, bis ich endlich nachgab, das Klopfbrett holte und notieren ließ, was er zu sagen hatte. Neben manchem Unver- ständlichen und Unentzifferbaren konnten wir folgen- des übersetzen : lol h d arg iv f o n w g n arm r ol an d i s d o d . w i s d au d o u n w i s d man Jon au d o lol nid w i s n was ma g n m i d d i w il s u g n bis find u n da n h ei sn man . (Ermüdungspause.) imr m einn gukrl g omn i s f u r g db a r Hb w s d lol w i s d o f d w s d d SU r f on w g n mudr alw eil agugn r k n nid dr f i r . (Pause.) lol w i s d h d das arm g u g rl e nid w r d sun d nid s a g d w eil w g n mudr imr h d h o f n un g r o s - mudr au g war so Hb mi d m ei g r ang r ol and lol nid j r g s d . Übersetzung: Lol hat arg weh, von wegen arm Roland 108 ist tot (Punkt) Wüst Auto und wüst Mann von Auto, Lol nicht wissen was machen mit die (denen), mh suchen, bis findet, und dann beißen Mann (Punkt) — Pause — Immer meinen: Guckerl kommen, ist furcht- bar lieb west (gewesen), Lol wüst oft west zu er (ihm), von wegen Mutter allweil (mundartlich für „immer") angucken er, kann nicht dafür (Punkt) — Pause — Lol wißt (gewußt) hat. daß arm Guckerle nicht wird (ge)sund, nicht gesagt, weil wegen Mutter immer hat hoffen und Großmutter auch; war so lieb mit mei(n) krank Roland, Lol nicht vergeßt (vergißt) (Punkt). Später klopfte Rolf noch : k rl a h d w ei n d l au d nag g u g r l e s ol hh n g l ei lol ab r lol f i r g d n s i g f o r r l i h r r u j n l ih II = Karla hat w-eint laut nach Guckerle, soll haben klei- (nen) Lol (einen der Jungen), aber Lol fürchten sich vor er (ihm), lieber rufen lieb Lei (Jela). Rolf hatte also gewußt, daß dem kleinen Roland nichts mehr helfen konnte, deshalb seine Antwort: ,,weiß halt nicht". Nur mir zulieb gebrauchte er die ausweichende Antwort. Welche Fülle von zarter Rücksicht, welch weiches Gemüt verraten gerade diese paar Worte, diese kleine Notlüge! Das Gefühl der Eifersucht kommt auch bei der Klage um den toten Roland wieder stark zum Vor- schein. Wir liebten alle das treuherzige Tier, man konnte gar nicht anders, als ihm gut sein, ging es doch Fremden gerade so. Wen Roland mit seinen großen, leuchtenden Augen ansah, den hatte er gewonnen. Rolf 109 mag" sich oft zurückgesetzt gefühlt haben, ohne daß wir es wollten oder ahnten, und die eifersüchtigen Regungen mögen jene meist ganz unverständlichen Zornausbrüche gezeitigt haben. Vor dem mutmaßlichen Nachfolger des Roland, Rolf, schien er von jeher Furcht zu haben. Jener kleine Geselle mit den ernsten, merkwürdig vergeistigten Augen brauchte nur leise zu knurren, um seinen Vater und seine sämtlichen Geschwister in die Flucht zu jagen. Den schönsten Knochen ließ der alte Rolf gutmütig aus dem Maul fallen, wenn der junge Hund ihn wollte; es genügte vollständig, daß er seinen Vater drohend ansah. Im Schlußsatz bat Rolf noch, man möchte lieber Jela rufen. Kurz vorher hatte ich nämlich die muntere, temperamentvolle Jela schweren Herzens in andere Hände gegeben. Mein Mann verlangte dringend mehr Ruhe für mich, und schon der bloße Gedanke an eine Wiederholung der Hundezucht ängstigte ihn. Kein Auge blieb trocken, als wir Jela in ihrer Reisekiste fort- fahren sahen; sie heulte laut auf, und Rolf, den \nr weggesperrt hatten, stand auf einmal auch neben mir am offenen Fenster mit erschrockenen Augen. Er trauerte um sie, wurde mürrisch, biß nach dem jungen Roland, wo er nur konnte, und drohte mir. daß er nie mehr arbeiten wolle, bis ich Jela wieder rufe. Jela bekam einen guten Herrn und schien sich, soweit ich unterrichtet wurde, gut bei ihm einzugewöh- nen. Aber Rolf hat sie immer noch nicht vergessen, bisweilen zeigt er es nur allzu deutlich, daß er sie wieder 110 haben \vdll. Energisch tat er dies im Juli dieses Jahres, als drüben im Nachbarhaus eine Hündin der Dober- manrrasse läufig wurde. Rolf mußte fern gehalten werden, darüber wurde er ?o ungeduldig, daß er laute Heultöne ausstieß, hin und her raste und sich wie ein unerzogenes, wildes Tier gebärdete. Ernst dafür gerügt, sogar ein wenig gezüchtigt, gab er heftig klopfend: nid nmn s ol n II da n l ol b r a f du g n n g u g n IV n l ol ma g n h g s da gl h d d s or n f o n d i g = nicht nehmen sollen Lei, dann Lol brav, du können gucken, wenn Lol machen Spektakel, hat Zorn von dich. Rolf hielt Wort, er machte den von ihm angekün- digten Spektakel, wie ich noch nie Ähnliches von ihm hörte. Drei Nächte lang konnte ich kein Auge zutun, weaer Zureden noch Strafe half, er tobte weiter wie ein Wahnsinniger. Erst als ich zu Versprechungen meine Zuflucht nahm, wurde Rolf erträglicher. „Rolf, wenn du nun ganz stille bist, bekommst du ein Stück- chen davon!", sagte ich. ihm dabei eine verlockende Tafel Schokolade zeigend. Das wkte. Er legte sich ruhig neben mich, schielte mich hie und da an, und wenn er Miene machte, wieder zu heulen, brauchte ich ihm nur die Schokolade zu zeigen. Aus den letzten Maientagen dieses Jahres (1915) liegt mir noch eine Aufzeichnung vor, die ich nicht un- erwähnt lassen möchte. Am 25. Mai nachmittags nach 3 Uhr kam Rolf erregt und knurrend von seinem Spa- ziergang zurück. Das ihn begleitende Mädchen berich- tete mir: „Jetzt will unser Rolf nicht mehr in den Wald 111 spazieren gehen. Er stellte sich auf einmal hin und brummte. Als ich ihn fragte, ob er denn nicht weiter gehen wolle, klopfte er mir kräftig „nein" auf den Arm, auf die weitere Frage: „Willst du denn heim zu Mutter ?", gab er ein ,,ja" und begann sofort in der Richtung nach dem Hause zu zerren. Ich gab ihm nach, und der Hund rannte dann so, daß ich ihm kaum folgen konnte." So weit das Mädchen. Daraufhin fragte ich nun meinerseits das Tier: ,,Was ist dir denn passiert, warum willst du denn nicht in dem schönen Wald bleiben, wo es dir doch sonst so gut gefiel?" Rolf ant- wortete: di hm sisd hodn iü a gr Z c? = die ham (haben) schießt, Boden wackelt. Rolfs ängstliches Be- nehmen war höchst merkwürdig. Wir selbst haben jedenfalls an jenem wundervollen, klaren Maientag nicht das mindeste hören können, während wir sonst bei regnerischem Wetter und Westwind wohl in der Lage sind, deutlich das schwere Geschützfeuer fest- zustellen. Einige Tage nach diesem Vorfall kamen Bekannte, die ein Rittergut in der Nähe besitzen, und bestätigten Rolfs Beobachtung, die auch ihnen nicht entgangen war. Das Interesse für die Frage der denkenden Tiere konnte selbst der große Krieg nicht ganz verdrängen, und immer wieder tritt das Verlangen hervor, Rolf zu sehen oder wenigstens schriftlich von ihm zu hören. So bekam ich im Juli dieses Jahres (1915) von einem großen Tierfreund die S. 89 abgebildete Karte. Wäh- rend ich sie las, steckte Rolf seinen Kopf zwischen 112 meinem Arm durch, um ja rasch genug sehen zu können, was gekommen sei. Ich überließ ihm die Karte eine Weile, und er sah sie sich eindringlich an. So oft ich sie ihm wegnehmen wollte, legte er seine Pfote darauf, und erst als er sie lange genug angesehen hatte, klopfte er: arm s ol da d log in g ob f l ib hu n dl h d find r l ol au g g o m n hl j n su g n hundl gl i gli g arg = arm Soldat Loch im Kopf*, lieb Hundl hat find er (gefunden ihn), Lol auch kommen helfen suchen, Hundel glücklich arg. Unsere guten Feldgrauen retten im Feindesland nicht nur Kindern, sondern auch Tieren oft genug das Leben. Sie teilen ihr letztes Stückchen Brot mit des Feindes Ejndern und füttern die armen, verirrten Tiere. Viele Tiere bringen sie mit heraus nach Deutschland, Pferde und Hunde, sogar Katzen. Auch hierher kam ein Ar- denner Hengst, ein schönes, lustiges Tier, das gar bald viele Freunde hatte. Unter seinen besten Freunden war Rolf, der dem muntern Pferd bei jeder Begegnung bis an die Nase sprang. Meine Tochter Frieda, die sich besonders viel mit dem Pferd abgab, wurde im Bild festgehalten mit dem Hengst, Wir zeigten natürlich das Bildchen auch unserm Rolf, der nach langem Be- trachten klopfte : s eb w oln nid s dn j r i dl hl dn r u n l a g n aus r lol iv i dr sb r i n g n mid Hb s eb = Sepp (Name des Pferdes) wollen * Das mehrfarbige Bild zeigte den Soldaten deutlich mit blutigen Haaren. M, Moekel, Mein Hund Kolf 8 113 nicht stehen, Friedel halten er (ihn) und lachen aus er (ihn), Lol wieder springen mit lieb Sepp. Mein treuer Rolf war vor meiner Amputation ge- wöhnt, mit seiner Herrin auf den Bergen hcrumzu- steigen. "Wie viel Neues und Schönes bergen die Wälder für das lebhafte Tier! Oft fragt er jetzt mit den Augen: „Nicht in den Wald?", macht wohl auch ein paar be- geluiiche Sprünge hinauf, um auf Ruf mit hängendem Schweif und Ohren neben meinem Fahrstuhl herzu- trotten. Im August dieses Jahres kam mein Orthopäde mit dem Ersatzbein. Nach der Anprobe führte ich dem Herrn meinen Rolf ein wenig vor. Ich machte darauf aufmerksam, daß der Hund jedes Wort verstehe. Der Herr erzählte dem aufmerksam lauschenden Tier daraufhin, daß seine Herrin nun bald meder laufen könne und nicht mehr im Fahrstuhl sitzen müsse. Rolf begann zu wedeln, wurde unruhig und klopfte zuerst auf des Herrn Knie, dann weiter auf das Klopfbrett: nu f dr h r g = nuf der Berg (Dialekt — auf den Berg). Deutlicher hätte Rolf kaum seine besondere Vorliebe für Bergspaziergänge zum Ausdruck bringen können! Das Geheimnis der Erziehung dieses Tieres kann wohl aus vorstehenden Schilderungen leicht heraus- gelesen werden. Wie bei der Erziehung von Kindern muß auch hier der Grundsatz gelten, daß Liebe mit der 114 kleinen, nötigen Würze von Strenge den Erfolg ver- bürgt. Mit Schlägen, als einer bittern Arznei, darf nur selten vorgegangen werden, das ist wohl selbstverständ- lich; das Tier ist in dieser Hinsicht jedenfalls noch viel empfindlicher als ein Menschenkind. Wir hatten die Ehre, im Laufe der Jahre viele nam- hafte Gelehrte bei uns empfangen zu dürfen. Die Ein- drücke, welche diese Herren mit nach Hause genommen haben, wurden von ihnen in verschiedenen Zeitschriften geschildert. Zu meiner großen Befriedigung und Freude darf ich hinzufügen, daß beinahe bei allen diesen Be- suchen die zuversichtliche Meinung zum Ausdruck kam, daß eine Zeit neuen Verstehens der Tierseele gekom- men sei. Wenn es mir gelingt, einen kleinen Teil zu einer höheren Bewertung des Tierlebens beizutragen, damit diese Erkenntnis Gemeingut aller Menschen werde, dann kann ich befriedigt meine Arbeit schließen; ist doch alles Seiende von dem Geiste des Schöpfers durchleuchtet ! 115 Protokolle Vorbemerkung Als die Kunde von den merkwürdigen Fähigkeiten meines Hundes sich verbreitete, kamen viele Gäste, welche die Leistungen des Tieres sehen wollten. Die meisten Besucher brachten ein großes Mißtrauen mit und ließen sich nur durch den Augenschein überzeugen. Vielfach haben sie selbst Fragen und Aufgaben gestellt oder sogenannte unwissentliche (unbewoißte) Versuche unternommen, bei welchen die zu erwartende Antwort mir nicht bekannt sein konnte. Bei jeder Vorführung des Hundes vor fremden Gästen wurde ein Protokoll aufgenommen, zuweilen von mir oder meiner Tochter, zuweilen von einem der Be- sucher selbst. Bei vielen Versuchen haben mehrere Beobachter unabhängig voneinander Aufzeichnungen gemacht, so daß man die Notizen vergleichen konnte. Insbesondere haben die Gäste aus den Kreisen der Wissenschaft und der Presse ihrerseits Berichte ver- öffentlicht, und ist die Übereinstimmung zwischen ihrer Darstellung und der meinigen leicht festzustellen. So sind die Protokolle entstanden, von welchen einige hier in zeitlicher Reihenfolge veröffentlicht werden. Beim Lesen beachte man, daß ein vor einer Zahl stehen- 119 des r „richtig" bedeutet, ein f „falsch". Ferner wolle man sich erinnern, daß der Hund die Worte nach dem Klange buchstabiert. Auch ist zu bemerken, daß er in den Formen der Zeitwörter oft Fehler macht; ebenso ist die Verwendung der Pronomina häufig unrichtig, wie dies auch bei Kindern und bei Ausländern oft vor- kommt. Auch daß der Hund häufig den Mannheimer Dialekt anwendet, darf nicht übersehen werden. Vor allem möge man der Tatsache Aufmerksamkeit schenken, daß die Antworten des Hundes sehr oft anders lauten als man sie erwartete. Es sind eben nicht unsere Gedanken, sondern diejenigen des Tieres. Paula Moekel. Zur Beachtung! Es %vird auf das Rolf-Alphabet auf Seite 30 ver\nesen und bemerkt, daß Rolf die Wörter nicht abteilt, sondern ohne Wortpausen klopft. Der leichteren Les- barkeit wegen ^vurden die Wörter aber in den liier vor- liegenden Protokollen abgeteilt. — Sämtüche Protokolle, auch die in der hier gebotenen Auswahl nicht enthaltenen, stehen wissenschaftlichen Interessenten in der Urschrift, (mit den Unterschriften der jeweiligen Zeugen der Vorführung des Hundes), bei der Verlagsbuchhandlung Robert Lutz in Stuttgart zur Einsicht zur Verfügung. 120 Protokoll vom 4. Mai 1913. Anwesende Gäste: Professor Dr. Kraemer aus Hohen- heim, Professor Dr. H. E. Ziegler aus Stuttgart und Dr. Paul Sarasin aus Basel. Das Protokoll ist von Dr. Sarasin aufgezeichnet*). Frau Dr. Moekel zeigt das Kopfbild einer roten Katze. Ist das Daisy? (Das Kätzchen Daisy ist grau, schwarz getigert.) Rolf macht nein (klopft mit der Pfote 3 mal). Nochmals, Rolf! R.: nein Was ist es? Rolf markiert folgende Zahlen: 3 2 9, was in Buchstaben heißt: rod (d. h. das Katzen- bild ist nicht Daisy, denn es ist eine rote Katze). Rolf, Achtung, aufpassen! Was ist 8mal 12 weniger 6 geteilt durch 10? t.: 9 (Schneller als ich es, während des Schreibens, rechnen konnte.) Professor Ziegler zeigt eine Photographie mit vier Kindern (3 Mädchen, 1 Knabe). * Ein übereinstimmender Bericht wurde von Prof. Dr. Kraemer veröffentlicht. (Mitteil. d. Ges. f. Tierpsychologie 1913 S. 26 ff. und „Die Seele des Tieres", Berlin 1916. S. 83 ff.) Dr. F. M. 121 Frau M.: Was siehst du? R.: 4 Kinder? R.: ja Wieviel Mädchen? r.: 3 Jungen? r.: 1 V529? R.: nein (Der Hund verweigert die Lösung der Aufgabe). V361? (Aufgabe von mir gestellt.) r. : 19 (Er markiert zögernd, aber richtig.) Professor Ziegler zeigt ihm 3 Münzen: ein Dreimark- stück, ein Zweimarkstück und ein Zehnpfennigstück. Wieviel Mark zusammen? r.: 5 Pfennige ? t.: 10 Professor Ziegler zeichnet eine Maus. Frau M.: Sieh das Bild an, was ist das für ein Tier, kannst du sagen, was es ist? R.: ja Also sag's mal. R.: 8 4 18; folgt ein einziger Pfoten- schlag. Ist das zehn? R.: ja Weiter. R.: 6 (also 16) Bist du fertig? R.: müde (4mal kratzen). Bist du fertig? R.: ja (Die Zahlen 8 4 18 16 ergeben das Wort: Maus.) (Ein Teller mit 8 Brötchen wird R. gezeigt.) Wieviel Brötchen sind auf dem Teller r. : <^ Wieviele Bretzeln? r.: 2 (Wie bei den Elberfelder Pferden hat man oft den Eindruck, er sehe nicht genau hin, aber die Antworten beweisen das Gegenteil.) Ziegler zeichnet einen Elefanten. Frau M.: Kennst du das? R. : ja 122 Er klopft nun: 14 84 14 3457392 z=kma- kralbrdo (merkwürdiges und überraschendes Ergebnis: er kennt, wie Frau M. versichert, das Wort Elefant ganz gut, wie alle wir erwarteten, aber Krall hatte mal eine Postkarte eingesandt mit einem Bild von sich und seinem Elefanten Kama; so gab R. dieses aus der Erinnerung wieder, dazu den Namen des blinden Hengstes Berto, von dem man ihm erzählt hatte). Z. zeichnet eine Maus von hinten mit langen Schnurr- haaren, schlecht kenntlich. Antwort: ein Wort sadis (das wohl Daisy heißen soll?), darauf 4 (müd). Man gibt ihm jetzt eine Bretzel. Er bekommt sehr oft gar nichts, durchaus nicht etwa jedesmal nach einer gut gelösten Aufgabe, wie die Pferde. Z. zeichnet eine Sternblume. Frau M.: Hast du's gesehen? R.: ja Was ist es? ^.: 7 5 13 8 5 = hli ml (Für alle unerwartet in dem Mannheimer Dialekt.) Professor Kraemer: Sag mal einen Satz! Frau M. (da R. sich legt): Steh auf, bist du fertig? R.: ja^ darauf: müde. Frau M.: Erzähle was! R.: 3 Ist das ein Buchstabe? R.: nein Ist es Zahl? R. : ?a, darauf markiert er: 43 8 8 39 13 3929 = armmrdirdod = arm meer dir tot. Bist du fertig? R.: ja (Die Antwort bezieht sich auf meinen Vortrag über die Ausrottung der Meersäugetiere, der ihm oft gezeigt 123 wurde; die Zahl 3 weist auf das Bild der '6 VValrosse hin. Man hatte dem Hund in der Küche gesagt, daß ich da sei und meinen Namen genannt, wobei sich das Tier offenbar an meine Schrift erinnerte. Frau M.: Du hast geklopft — (sie nennt obige Zahlen- reihe) ist es richtig? R.: (entschieden) ja Welcher Herr hat, von Herrn Ziegler an gerechnet, über die Meertiere geschrieben? R.: 3 (der dritte, was richtig war). Ziegler zeigt seinen Zwicker. Frau M.: Was ist das? R.: 14 6 (er legt sich indes). Weiter! R.: 10 13 (also ergibt sich das Wort Zwei/^). Protokoll der öffentlichen Vorführung in Berg- zabern am 17. Mai 1913. Wie viel ist (5 plus 7) : 4, mal 2 ? r. ö (37 weniger 10) : 3 ? t. 9 Aus dem Publikum wird dem Hund folgende Auf- gabe gegeben: 2mal 18: 9, mal 2? r.