'JO ar> CT5 OF THE U N I VERS ITY Of ILLINOIS 506 NEU Cop .2 .8-12 4+^Tf /0(* . Prof. v. Feilitzsch stellt verschiedene auf die Wärme Bezug habende Experimente an. Zur strahlenden Wärme zeigt derselbe an dem mit der Mellonischcn Säule verbundenen XX Multiplicator die hohe Durchlässigkeit des Steinsalzes, 92 -}| fiir Wärmestrahlen jeder Brechbarkeit, die geringere des Spiegelglases, die sehr geringe des Alauns. Als Wärmequelle ist die nicht russende Lokatellisclie Lampe benutzt. Schwar¬ zer Glimmer, welcher fast gar keine Lichtstrahlen durchlässt, lässt ebensoviel Wämiestrahlen^ hindurch als durchsichtiges Glas. Ferner zeigt derselbe vermittelst eines Steinsalzprismas die Brechbarkeit der Wärmestrahlen, sowie die Reflexion der¬ selben mittelst eines Hohlspiegels. Die Ausdehnueg der festen Körper durch Wärme wird an einer mit einem Hebelwerk verbundenen Zinkstange gezeigt. Das Gebundenwerden von Wärme wird beim Schmelzen des Eises nachgewiesen. Der Unterschied in der spezifischen Wärme verschiedener Körper durch Erwärmen eines Kilogramms Wasser mittelst eines Kilogramms Eisens von 100° C. Am Kristallisiren des Glau¬ bersalzes wird das Freiwerden von Wärme d. i. erhöhte Tem¬ peratur der umgebenden Flüssigkeit wahrgenommen ; wie Arbeit in Wärme umgesetzt wird zeigt der Schlag des Ham¬ mers auf Eisen, die Entzündung des Schwammes im pneuma¬ tischen Feuerzeug. Sitzung vom 3. Mai 1876. Vor Eintritt in die Tagesordnung gedenkt der Vorsitzende Dr. Weitzel des durch den Tod abberufenen Vereinsmit¬ gliedes Prof. Dr. Bu cli holz. Auf sein Ersuchen erheben sich das Andenken des Todten ehrend die Mitglieder von ihren Sitzen. Geh. Rath Prof. Budge berichtet hierauf, dass ihm von der Abhandlung, welche er in dem Vereinsheft von 1875 ge¬ liefert, 25 Separatabzüge nicht geheftet, sondern als Bogen nebst Rechnung über Papier und Druckkosten von Herrn Buchdruckereibesitzer Kunike zugesandt seien und dass er diese Rechnung bereits bezahlt habe. Xacli Dr. Marssons Angabe sind diese Bogen aber besonders paginirt und mit besonderem Titelblatt versehen gewesen, was gegen den bis¬ herigen Gebrauch der Gewähr von Separat- Abzügen verstosse. Es gelangt schliesslich ein mehrfach ab geänderter Antrag des Geh. Rath Budge in folgender Fassung zur einstimmigen XXI Annahme: „Der Verein gewährt jedem Autor 25 Ab¬ züge, aber auch nicht mehr, seiner Schrift und ii b e r n i m m t die d a d u r c h entstehenden Kosten, selbst wenn die S c h r i ft einen eigenen Titel u n d besondere Paginirung erhält, so lange die Geld- Verhältnisse des Vereins es gestatten, doch sol¬ len die Abzüge die Angabe enthalten, dass sie aus unserer Zeitschrift stammen.“ Hierauf hält Herr L. Ho ltz einen Vortrag über den Kukuk, worüber der Vortragende ausführlicher in den Mit¬ theilungen referiren wird. Sitzung’ von) 14. Juni 1S7C. Auf einstimmiges Ersuchen der Versammlung erklärt sich Dr. Marsson bereit auch für das Jahr 1876 die Redaction der Vereinsschrift zu übernehmen. Den X ekrolog von Prof. Huch h o 1 z hat Prof. L a n d o i s freundlichst übernommen für die Zeitschrift zu liefern. Sodann spricht Prof. Scholz über den Vulcanismus. An der Umgestaltung der Erdoberfläche nehmen ausser den oberirdischen Kräften auch tieferliegende Kräfte Antheil. Zu ihren Wirkungen gehören : die Vulkane selbst, deren Aus¬ brüche als Entstehungsursache ein Thcil der Erdbeben zu- geschrioben werden muss, ein Theil der heissen Quellen und die grossen Hebungen und Senkungen ganzer Länder. Die Vulkane sind zu scheiden in Vulkane der Jetztzeit und solche früherer Perioden, insonderheit der Tertiarzeit. Die der Jetzt¬ zeit, welche} zum Theil wie der im Uten Jahrhundert ent¬ standene Jorullo ein bestimmtes Entstehungsjahr haben, sind geschichtet und heissen darum Stratovulkane. Sie zeigen eine Oeffnung im Erdboden, durch welches die herausgeworfenen oder geflossenen Massen ihren Weg genommen haben. Sie bilden sehr stumpfe Kegel und zwar wenn aus Lava mit J— 10° Steigung, wenn aus Schlamm mit 10 25° und wenn aus Asche bestehend bis zu 45° Steigung. Weil die Oeffnung des Vulkans ganz oder zum Theil offen gehalten wird, so bleibt ein Schlot, in welchen der Krater mündet. Die Vul¬ kane der Tertiärzeit sind Dom- oder Gloeken-Vulkane und XXII bestellen nur aus Lava. Früher als ursprünglich gluthllüssige Massen nicht erkannt, hat man später in ihnen Glassubstanz entdeckt und muss sie als Vulkane bezeichnen. Die Gesteine, aus denen sie bestehen, sind Basalt, Trachvt, Phonolith u. a. Die Erscheinungen an jetzigen selbst an ruhigen Vulkanen bestehen im Ausströmen von Wasserdämpfen mit Säuren, Kohlensäure , Schwefelwasserstoff* (Solfataren) und anderen Dämpfen. Die wirklichen Lavenergüsse finden verhältniss- mässig am seltensten statt; meist werden Aschen- und Schlammmassen (Maja) ausgeworfen, wie auch Herculanum mit einer 114' dicken Schlamm Schicht bedeckt ist. Einzelne Javanische Vulkane zeichnen sich durch kolossale Aschen¬ auswürfe aus. Die Ausbrüche erfolgen oft mit grossem Ge¬ töse, so bekannt von Mittelamerika; die Lavenergüsse sind verhältnissmässig unschädlich. Denn obgleich die Lava 2000 bis 2500° heiss ist, kühlt sie sich doch an der Oberfläche schnell ab , nnd umgiebt sich so mit einer Schlackenhülle, innerhalb deren sie sich noch lange Zeit rothglühend erhält. So kann Lava über Eis laufen , ohne es beträchtlich tief zu schmelzen, und ist unterseits am Aetna noch nach 43 Jahren rauchend gefunden worden. Tritt sie in’s Meer, so geschieht es darum ohne grosse Veränderung. Die Menge der ergos¬ senen Lava ist sehr verschieden, und es ist aus ihrer Menge kein Schluss auf die Höhe des Berges zu ziehen. Die Häu¬ figkeit der Ergiessungen dagegen steht häufig im umgekehrten Verhältnisse zur Höhe des Berges; in Zeiten der Ruhe schliesst sich die sehr grosse Oeffnung mit einer Decke, welche wieder zu durchbrechen eine um so grössere Kraft erfordert. Früher nahm man bei jedem Vulkane einen besonderen Erhebungs¬ krater an, so am Vesuv den Monte somma. Man hat die¬ selben jetzt jedoch erkannt ats Anhäufungen ehemaliger Aus¬ würflinge. Die vom Vesuv her bekannte sogenannte „Pinie“ besteht aus Aschenmassen, welche mit grosser Heftigkeit und Gleichmässigkeit ausströmen ; der Wiederschein der im Krater glühenden Massen giebt ihr den Feuerschein. — Vortragender legt Ansichten der Insel Santorin vor und giebt deren Erklä¬ rung; ferner Dünnschliffe der Lava vom Jahre 186(3 von ebendaher und Gestein vom Vesuv, ferner Basalte, Trachyte, XXIII Plionolithe, dessgleichen Aschen, vulkanischen Sand, Lapilli, vulkanische Bomben vom Vesuv, plattenförmigen Basalt von Lübau. — Zur Erklärung der vulkanischen Erscheinungen sind eine grosse Menge Hypothesen aulgestellt; einander gegenüber stehen die neptunischen und die plutonischen. Xacli der Ansicht der Plutonisten ist die Lava ein Tlieil des gluthflüssigen Erdkerns, der durch Druck nach oben gepresst wird. Der Druck wieder wird erklärt durch Senkungen des Landes und diese wieder durch Zusammenziehung der festen Erdrinde in Folge der Abkühlung. Am meisten Wahrschein¬ lichkeit hat diese Ansicht für die Entstehung der Vulkane der Tertiärzeit. Die heutigen Laven können sich nur bilden durch Berührung der gluthflüssigen Massen des Erdinnern mit Wasser. Xacli der plutonischen Erklärung von Pf aff dringt das Wasser bis auf 10 Meilen tief, d. h. durch die Dicke der festen Erdkruste in die Erde. Wo der Dampfdruck in Folge der Berührung mit flüssiger Lava stärker wird als der Druck der Wassersäule von oben, entsteht aus flüssigem Wasser Dampf, Avelcher den vulkanischen Ausbruch hervorbringt, ln Basalt ist oft flüssiges Wasser sowie Kohlensäure einge¬ schlossen. Nach der oben erwähnten Annahme lassen sich dann auch die vulkanischen Erdbeben erklären. Die Xeptu- nisten nehmen Lager von leichter schmelzbarer und daher glnthflüssig gebliebener Gesteinsmasse als Einzel-Reservoir an, oder dass sich die Lava vor jedem Ausbruche erst bilde. Mohr nimmt Auswaschungen, in Folge derselben Senkungen und die dadurch erzeugte Wärme als Ursache der Lavabildung an. Vortragender spricht sich für die grössere Wahrschein¬ lichkeit eines feurig -flüssigen Erdkerns aus. Die Vulkan¬ verbreitungskarten sprechen nach Humboldt und Dana für das Vorhandensein von Erdspalten, durch welche und zwar durch die als Sicherheitsventile aufsitzenden Vulkane Theile des flüssigen Erdinnern ausfliessen. Prof. v. Feilitzsch zeigt darauf einen grossen tliermo- electrischen Apparat von Xoe in Wien. Die Metall legirungen, aus denen die einzelnen Elemente zusammengelöthet sind, hält Xoe wenigstens nach ihrer procentischen Zusammen¬ setzung noch geheim. Der vorliegende Apparat besteht aus XXIV 64 Elementen , die an den abwechselnden Lötlistellen durch eine regulirte Gasheizung erwärmt werden. Sie können auf die verschiedenste Weise unter einander gekoppelt werden. Hit dieser thermoelectrischen Säule erzeugt Vortragender Ströme, welche stark genug sind, Wasser zu zersetzen, weiches Eisen zu magnetisiren, in Verbindung mit dem In- ductionsapparate die schönen Fluorescenzerschein ungen in den Geislerschen Köhren hervorzubringen. Sitzuiig* vom 5. Juli 1876. Herr I)r. Holtz theilt einige neue elektrische Thatsachen mit, welche derselbe bereits zerstreut im letzten Jahrgange der Poggend o rff’schen Annalen veröffentlichte und erläu¬ tert dieselben durch Experimente. Es handelt sich zunächst um eine neue Form eines beliebten Fundamentalversuchs der Elektricitätslehre. Es gilt zu beweisen, dass sich die Elek- tricität nur an der Oberfläche leitender Körper befindet und dass sie, falls diese Oberfläche eine vollkommen in sich ge¬ schlossene Fläche bildet, auf alle im Innern gelegenen Punkte ohne Einwirkung ist. Der englische Physiker Fa ra da y liess sich für diesen Zweck ein kleines auf Glassäulen ruhendes Häuschen bauen, welches elektrisirt wurde, während er selbst in seinem Innern die Bewegungen eines Elektroscops beob¬ achten konnte. Die Bewegungen blieben jedoch erwarteter Haussen aus, und es hatte somit keinerlei Einwirkung statt. Dies Experiment ist natürlich für Vorlesungen wenig geeignet und man pflegt jenen Satz daher meistens auf eine andre, wenn auch nicht weniger exacte, doch weniger directe Weise zu beweisen. Han elektrisirt z. B. eine Kugel, versenkt diese in eine andre , welche für diesen Zweck aus zusammensetz¬ baren Hälften bestehn muss , und zeigt, nachdem man beide Kugeln wieder getrennt, mit Hülfe eines Elektroscops, dass die Elektricität von der inneren auf die äussere übergegangen ist. Oder man elektrisirt eine leitende, biegsame Fläche, welche sich aufrollen lässt, und zeigt mit Hülfe eines Elek¬ trometers, dass die Dichtigkeit der Elektricität in demselben Haassc wächst, als man durch Aufrollen die Oberfläche ver¬ kleinert. Hieraus folgt dann freilich, dass die innere aufge- XXV rollte Fläche ihre Elektricität vollständig verloren hat. Oder man bedient sich einer theihveise geschlossenen Fläche z. B- der ebenfalls von Faraday angegebenen sogenannten Zipfel¬ mütze und zeigt zugleich mit Hülfe eines isolirten Kügelchens und eines Elektroscops . dass man von der Innenseite durch Berührung wenig oder keine Elektricität erhalten kann. Der¬ selbe Satz lässt sich jedoch vollkommen direct und sehr an¬ schaulich mit Hülfe einer gewöhnlichen Drathglocke beweisen. Eine Drathglocke kann, wenn sie auch nicht selbst eine voll¬ kommen geschlossene Fläche bildet, doch leicht zu einem Theile einer solchen gemacht werden. Sie ist einleitende und dabei zugleich eine durchsichtige Fläche und in dieser Hin¬ sicht einzig in ihrer Art, da alle leitenden Flächen sonst mehr oder weniger undurchsichtig sind. Die Durchsichtigkeit aber gestattet eben, von aussen zu beobachten, was sich im Innern ereignet. Eine solche Glocke wird nun einfach über eine andre leitende Fläche gesetzt, welche mit dem einen Pole einer Elektrisirmaschine communicirt, und unter dieselbe stellt man ein kleines Elektrometer, oder ein brennendes Licht, oder einen andern leicht beweglichen Gegenstand. Sobald die Maschine ihre Thätigkeit beginnt, werden die genannten Gegen¬ stände nun, solange sie durch die Glocke bedeckt und ge¬ schützt sind, vollkommen unbeweglich bleiben, hebt man diese jedoch ganz oder theihveise auf, so werden sie jeder in seiner Alt in eine stürmische Bewegung gerathen. Die eben be¬ schriebene Versuchsform ist jedoch noch in andrer Beziehung lehrreich; sie zeigt ein Mittel, wie man in bestimmten Fällen die Elektricitätsbewegung von der Luftbewegung sondern kann. Von jeder elektrischen Spitze in der Luft geht nämlich eine solche doppelte Bewegung aus, dadurch hervorgerufen, dass die Luft leicht durch eine^Spitze elektrisirt wird und sich die elektrisirten Lufttheilchen von der gleichnamig elektrischen Spitze schleunigst zu entfernen streben. Durch diese Doppel¬ bewegung können nun wieder andre Körper bewegt werden, allein es ist nicht immer leicht, die Wirkung der einen von der Wirkung der andern zu trennen. Eine Drathglocke aber ist ein Filtrum , welches jede elektrische Bewegung hemmt und der bewegten Luft allein den Durchgang gestattet. Hält man der elektrisirten Dratliglocke daher eine Spitze gegen¬ über, so wird diese zunächst selbst durch Influenz oder Fern¬ wirkung elektrisch, hierauf die Lufttheilchen , welche sie um¬ geben, und ein continuirlicher Strom von Luft und Elektricität zugleich wird sich mit grosser Geschwindigkeit in der Eich¬ tling derselben bewegen. Durch die Dratliglocke jedoch dringt nur der Luftstrom hindurch , und er ist mächtig genug die Kügelchen eines Elektrometers zu bewegen, oder ein brennen¬ des Licht zum Verlöschen zu bringen. Die elektrische Spitze wirkt also hier genau, wie ein Blasebalg; und dass jene Be¬ wegungen in der Tiiat nur von Luft, nicht auch von Elek¬ tricität herrühren, zeigt sich darin, dass die Kügelchen immer nur fortgestossen , niemals angezogen werden , und ebenso¬ wenig in ihren Bewegungen von einander gehn. Der Vortragende geht hierauf zur Darstellung einer be- sondern Klasse elektrischer Figuren über. Elektrische Figuren sind bisher nur in luftfürmigen Medien dargestellt und nach ihrem Entdecker, dem Physiker Lichtenberg, die Lich- t enb erg’schen Figuren genannt worden. Man hat über solche Figuren seit Ende des vorigen Jahrhunderts sehr viel ge¬ schrieben, weil die mit positiver Elektricität dargestellte von der mit negativer Elektricität dargestellten abwich, und man hierin einen wichtigen Unterschied der beiden Elektricitäten zu erkennen glaubte. Man darf jedoch behaupten, dass die Ursache der Entstehung, sowie die Ursache der Verschieden¬ heit noch nicht genügend aufgeklärt sind. Es schien deshalb von Werth, zu untersuchen, ob die Darstellung solcher Figuren nicht auch in flüssigen Medien möglich und wie sie in diesem Falle beschaffen sein; und es hat sich ergeben, dass sich in der That in isolirenden Flüssigkeiten elektrische Zeichnungen auf verschiedene Weise und in sehr verschiedener Form darstellen lassen. Am einfachsten geschieht dies, wenn man zwei Drähte . welche mit den beiden Polen einer Elektrisir- maschine communiciren, in ein Glas- oder Porzellanschälchen münden lässt, welches mit der betreffenden Flüssigkeit gefüllt ist, und in welchem sich gleichzeitig kleine Mengen eines festen pulverisirten Körpers befinden. Sobald die Maschine ihre Wirkung beginnt , ordnen sich die Körpertheilchen auf' XXVII dem Boden des Gefässes zwischen den entsprechend entfern¬ ten Drathenden und auch um die letzteren herum je nach den Umständen zu der einen oder andern Zeichnung an. Die¬ selbe bleibt freilich im Einzelnen während der Thätigkeit der Maschine nicht constant , ist vielmehr in continuirlicher Um¬ formung begriffen , ohne jedoch dass hierdurch der Character im Allgemeinen verändert würde. Bei den meisten Körpern bildet sich eine Figur, wie sie den magnetischen Figuren ent¬ spricht, welche entstehen, wenn man Eisenfeilicht auf eine Glas- oder Kupferplatte siebt, unterhalb derer sich zwei mag¬ netische Pole befinden. Hier ist nirgends ein polarer Unter¬ schied zu entdecken, vorausgesetzt, dass der Boden des Schälchens vollkommen isolirend ist. Bei andern Körpern jedoch tritt der polare Unterschied deutlich genug hervor, so namentlich bei Schwefel und fast allen Schwefelmetallen, welche sich mehr in der Nähe des positiven Pols gruppiren, während sich Hexenmehl fast ausschlichlich dem negativen Pole nähert. Der Drath selbst pflegt in solchen Fällen mit einer grösseren oder geringeren Lage der Substanz umgeben zu werden, welche so lange haftet, als die Elektricitätsbewe- gung dauert, oder abfällt, wenn man die letztere unterbricht. Auch die Structur der Zeichnung wird in solchen Fällen ver¬ ändert. so zeigen sich namentlich bei den Schwefelmetallen nur selten Linien oder Verästelungen, wenigstens werden die¬ selben meistens durch eine andre Erscheinung verdeckt, welche darin besteht, dass sich grössere Massen zu kleinen Klumpen oder Wellen formen , welche zwischen den Polen und auch um einen der Pole herum in eine eigenthümliche rotirende Bewegung gerathen. Diese letztere Bewegung zeigt sich am schönsten bei Zinnober und Schwefelantimon, wenn man den einen Drath auf den Boden des Schälchens aus einem grösse¬ ren Ringe bestehn lässt, und den andern in das Centrum dieses Ringes stellt. Durch diese Anordnung nehmen natür¬ lich auch die übrigen Zeichnungen eine andre, mehr den Licht enb er g’schen Figuren entsprechende Form an. Da die Abhängigkeit dieser Erscheinungen von der chemischen und physikalischen Beschaffenheit, der Körper noch nicht ge¬ nügend untersucht ist, so lässt sich vor der Hand auch noch XXVIII kein Schluss auf die anologen Phänomene in luftförmigen Medien ziehn. Hierauf gedenkt der Vortragende einiger Umwandlungen, welche die elektrischen Lichterscheinungen dadurch erleiden, dass man sie zwischen Elektroden von ganz besondrer Form und Grösse entstehn lässt. Man kennt den positiven Büschel als eine mit einem langen Stiel versehene in viele feine Ver¬ ästelungen auslaufende Erscheinung von grosser Ausdehnung, während der negative Büschel sich bisher nur als ein ausser¬ ordentlich kleines, aus vielen nebeneinander liegenden, schwach divergirenden Linien bestehendes Lichtphänomen zu zeigen pflegt. So ist es auch in der That, wenn man die Erschei¬ nung zwischen kleinen Kugeln entstehn lässt und sich zur Anstellung des Versuchs einer Reibzeugmaschine bedient, deren beide Pole man bekanntlich nicht gut gleichzeitig isoli- ren kann. Anders bei der Influenzmaschine unter Anwendung einer grossen Kugel und einer grossen metallischen Hohl¬ scheibe. Der positive Büschel, welcher aus der Kugel her¬ vorgeht, erscheint nun bedeutend verkürzt; er besteht auch nicht mehr aus vielen feinen, sondern aus wenigen Veräste¬ lungen, welche annähernd die Dicke eines Federkiels erreichen. Der negative Büschel dagegen erscheint bedeutend verlängert, er ist nun auch mit einem Stiel und einzelnen, wenn auch nur wenigen Verästelungen versehen. In beiden Fällen treten in den betreffenden Lichtlinien einzelne oder mehrere dunkle Räume auf, welche an die Schichtenbildung des elektrischen Lichts in Gei ssler’schen Röhren erinnern. Dieselbe Ver- suchsform dient zugleich, um eine andre noch nicht bekannte elektrische Wirkung zu constatiren. Das Tönen leitender Flächen in Folge der Vibrationen, welche die schnelle Ab¬ wechselungwon elektrischer Anziehung und Abstossung in denselben erzeugt. Rückt man Kugel und Scheibe nämlich nahe aneinander, so dass die Büschelerscheinungen in einen continuirlichen Funkenstrom übergehn, kann man neben dem Tone, welcher der letztere erzeugt, bei gewissen Entfernungen noch ein anders Tönen vernehmen, welches ohne Zweifel der der Kugel zugekehrten Fläche der Hohlscheibe angehört, und sich von jenem Tone eben dadurch wesentlich unterscheidet, XXIX dass die Höhe nicht constant, sondern nur periodisch mit grösserer Annäherung der Elektroden wächst. Die elastische Fläche wird sich in der That vor jeder Entladung der Kugol- fläche einwenig nähern müssen , weil beide entgegengesetzt elektrisch sind und sich aus diesem Grunde anziehn, während sie unmittelbar nach jeder Entladung, weil momentan unelek¬ trisch geworden, in ihre Gleichgewichtslage zurücksinken muss. Das fragliche Tönen entsteht daher auch nur unter Benutzung einer Scheibe, nicht zweier Kugeln, weil die Kugelfläche nicht elastisch genug is. Und dass aus den Vibrationen nur unter gewissen Bedingungen ein deutlich vernehmbarer Ton ent¬ steht, ist nicht weiter auffallend, da sich hierin eine bekannte Eigenschaft allen Körpern documentirt. Darauf legt Prof. Schwanert einige Phosphorite aus dem französischen Departement L’Eau vor, spricht über ihre Bedeutung zur Phosphorgewinnung , über diese selbst, über den Verbrauch von Phosphor zur Zündholzfabrikation nament¬ lich in Frankreich und in Schweden und über die Erträge der Zündholzsteuer in Frankreich. Sodann erwähnt er kurz des Vorkommens von Arsen in antiken Bronzen, welche in Spirgatis’ Laboratorium in Königsberg untersucht, im Samlande, bei Putzig, Cranz, Tilsit gefunden sind, tlieils sicher vorchristlicher Zeit, theils dem 1 sten Jahrhundert nach Chr. angehören. Der V ortragende erklärt sich bereit, Bronzen hiesiger Gegend auch auf Arsen zu prüfen. Verzeichnis der vom September 1875 bis September 187b beim Verein eingegangenen Druckschriften. I. Deutschland. Augsburg. Bericht des naturhistorischen Vereins zu Augs¬ burg. 23. Ber. 1875. Bamberg. Bericht der naturf. Gesellschaft zu Bamberg. 104. Ber. 1871-74. XXX Berlin. Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft. Bd. 27 u. Bd. 28. Heft 1. — Monatsberichte der Kgl. Preuss. Akademie der Wissen¬ schaften. 1875, Jul. — Dec. 1876, Jan. — Juni. Verhandlungen des botan. Vereins für die Provinz Brandenburg. Jahrg. 17. Bremen. Abhandlungen des naturwissensch. Vereins. Bd. 4, Heft 4; Bd. 5, Heft 1, u. Beilage Nr. 5. . Dresden. Sitzungsberichte der naturw. Gesellschaft Isis. Jahrg. 1875. Jahrg. 1876, Jan. — Juni. Emden. Kleine Schriften der naturforschenden Gesellschaft. 61. Jahresb. 1875. Erlangen. Sitzungsber. der physikalisch-medizin. Societät. 1875, 76. Frankfurt a./M. Jahresbericht der physikalischen Gesell¬ schaft. 1875. Freiburg (Breisgau). Bericht über die Verhandlungen der naturf. Gesellschaft. Bd. 6, Heft 4. Fulda. Bericht des Vereins für Naturkunde. Bericht 4, 1876. Giessen. Bericht der oberhessischen Gesellschaft für Natur- u. Heilkunde. Bericht 15. Göttingen Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften. 1875, Nr. 1--25. Halle a./S. Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaf¬ ten von Giebel u. Siewert. Bd. 12. Hamburg. Verhandlungen des Vereins für naturwissenschaft¬ liche Unterhaltungen. Jahrg. 1874 u. 1875. Kiel. Schriften des naturw. Vereins für Schleswig-Holstein. Bd. 1, Heft 3. Bd. 2, Heft 1. Königsberg i./Pr. Schriften der Königl. physikalisch-ökono¬ mischen Gesellschaft. 16. Jahrg. 1 u. 2. Landshut. Bericht des naturw. Vereins. 5. Ber. Lüneburg. Jahresheft des naturwissensch. Vereins. Heft 6. Mannheim. Verein für Naturkunde. Jahresber. 36 — 39. Marburg. Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Natur¬ wissenschaften. 1874, 1875. München. Sitzungsberichte der math. -physikalischen Klasse d. Akad. d. Wissenschaften. 1875, Heft 3. 1876, Heft 1. XXXI Neu-Brandenburg. Archiv des Vereins der Freunde der Natur¬ geschichte in Mecklenburg. Herausgegeben von Arndt- Bützow. 29. Jahrg. 1875. Putbus. Entomolog. Nachrichten. Herausgegeben von Dr. Katter. 1876, 1 — 11. Regensburg. CoiTOspondenzblatt des zoologisch-mineralogi¬ schen Vereins. 29. Jahrg. 1875. Rheinland u. Westfalen. Verhandlungen des naturhistori¬ schen Vereins. Herausgegeben v. Andrae. Jahrg. 32. 1. Hälfte. Stettin. Jahresber. des ornithologischen Vereins. 1873 — 75. 1—3. Stuttgart. Würtembergische naturwissensch. Jahreshefte. Jaln*g. 32, Heft 1 — 3. Wiirzburg. Sitzungsberichte der physikalisch-medizinischen Gesellschaft. 1874 — 75. Zwickau. Jahresbericht des Vereins für Naturkunde. 1875. II. Oesterreich-Ungarn. Brünn. V erhandlungen des naturforschenden Vereins. Bd. 8, 9, 11, 13. Insbruck. Berichte des naturwissensch.- mathem. Vereins. Jahrg. 6, Heft 1. - - Mittheilungen der k. k. mährisch-schlesischen Gesell¬ schaft. Jahrg. 1875. Prag. Königl. Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften. Sitzungsberichte. 1875, 1 — 6. Abhandlungen. Bd. 7, Nr. 1 — 5. Wien. V erhandlungen der zoologisch-botanischen ( resellschaft. 1875. — Kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Sitzungsbericht der math.-naturvv. Klasse. 1875, 20 — 18. 1876, 1 — 21. III. Skandinavien. Christiania. Kongelige Xorske Univcrsitet i Christiania. Verschiedene Ab hand 1 u n ge n . Trondlijem. Bet Kongelige Norske Videnskaben Selskabs Skriften. Bd. 7, Abth. 2. XXXII IV. Dänemark. Kopenhagen. Oversigt over dct Kongelige Danske Yiden- skabernes Selskabs Forhandling af Streenstrup. 1874, Octbr. — Deo. 1875, Jan. — März. V. Luxemburg. Luxemburg. Publication de l’lnstitut royal grand-ducat de Luxembourg. T. 15, 1875. VI. Belgien. Brüssel. Aunales de la societe entomologique de Belgique. T. 18, 1875. Compte-rendu de l’assemblee mensuelle de la societe entom. Belgique. Ser. 111. 16 -29. VII. Frankreich. Amiens. Soc. Linneenne du Kord de la France. Xr. 41 — 51. VIII. Schweiz. St. Gallen. Bericht über die Thätigkeit der naturforschenden Gesellschaft zu St. Gallen. Jahrg. 1874 — 75. Lausanue. Bulletin de la societe Vaudoise des scienc. nat. Xr. 75, 76. Bern. Mittheilungen der naturf. Gesellschaft. 1875. — Schweizer Gesellschaft. 1874, 75. Zürich. V iertelj ahrsschr. der naturf. Gesellschaft. Jahrg. 19 u. 20. IX. Russland. Dorpat. Xaturforschende Gesellschaft. Sitzungsber. Bd. 4, Heft 1. Archiv, Ser. II. Bd. 5. Leber Lagenorhynchus albirostris Gray von Prof. Dr. Julius Münter. (Mit einer photolilhographisdien Tafel.) Musste der Verfasser der im 5. und 6. Jahrgange der Mittheilungen aus dem naturwissenschaftlichen Vereine von Neuvorpommern und Rügen (pag. 31 — 77) veröffentlichten Abhandlung „über diverse in Pommerns Kirchen und Schlössern conservirte Walthier-Knochen“, dem Thema entsprechend, sich auf diejenigen Cetaceen be¬ schränken , welche dereinst der Ehre gewürdigt wurden , an hervorragender, z. Th. heiliger Stätte einen dauernden Platz eingeräumt zu erhalten und gestaltete sich, der Aufgabe ge¬ mäss, die s. Z. veröffentlichte Abhandlung zu einem Beitrage zur Geschichte der genannten Arten, so war und konnte, zufolge dessen, eine allgemeinere Zusammenstellung aller im Ostseebecken vorgekommenen Cetaceen durch jene Arbeit weder beabsichtigt, noch ausgeführt werden, wie denn auch eine critische Beleuchtung der beobachteten Arten den Zielen und Zwecken jener Mittheilungen durchaus fern bleiben musste. Die Aufgabe der Folgezeit wird es vielmehr fortan sein und bleiben müssen, die an den Ufern der Ostsee vor¬ kommenden Cetaceen -Formen vom gegenwärtigen Stand¬ punkte der Cetologie aus zu prüfen und die Resultate der Prüfung an geeigneter Stätte zu veröffentlichen. Mitth. a. d. naturw. Verein v. Neuvorp. u. Rügen. VIII. 1 2 Die nachfolgenden Zeilen stellen sich und zwar zunächst für eine Delphinform diese Aufgabe, auch auf die Gefahr hin , Bekanntes zu reproduciren ; einerseits, weil frühere Be¬ funde stets einer weiteren Bestätigung bedürfen, um völlige Glaubwürdigkeit zu erhalten ; andererseits wird sich durch eine von anderen Standpunkten ausgehende Untersuchung dennoch unzweifelhaft, hie und da, eine bisher nicht beachtete oder aufgefundene neue Thatsache ergeben, die der Wissen¬ schaft mehr oder weniger zu Nutz und Frommen gereicht. Glaubt Verf. nachfolgender Zeilen , dass es auch ihm gelungen sei, rücksichtlich des weiter unten näher zu be¬ sprechenden Lagenorliynchus albirostris Grav, zur specifischen Kenntniss desselben etwas beizutragen, so ist diese seine An¬ sicht wenigstens insoweit gerechtfertigt , als derselbe in der beifolgenden Tafel eine Reihe von Abbildungen veröffentlicht, deren Nachahmung er empfehlen zu dürfen glaubt. Geben uns die grossen cetologischen Werke eines Cuvier; Eschricht; van Beneden und Gervais; A. Wagner; Schlegel u. v. A. auch viele vortreffliche und grösserentheils natur- * getreue Abbildungen der von ihnen beschriebenen Cetaceen, so sind die von den todten Thieren unter meist sehr ungün¬ stigen Aussenverhältnissen gewonnenen Abbildungen doch unzweifelhaft von der Art der Auffassung und dem Geschick des Zeichners so abhängig, dass sie immer nur einen rela¬ tiven Werth beanspruchen können. Das Photogramm überhebt uns aller Schwierigkeiten und Bedenken. Es ist gleichsam der Naturselbstdruck, an welchem, wenn er nur richtig ausgeführt ist, nichts zu mäkeln oder zu deuteln ist. Y ergleicht der geehrte Leser dieser Zeilen das von Andr. Wagner in Fig. 365 (6. und 7. Theil der Kupfer des Schre- ber’schen Säugethierwerkes) gegebene, in den 40ern dieses J ahrhund erts erst entworfene Bild vom Delphinus albi¬ rostris Gray mit dem Photogramm auf der beifolgenden photolithographischen Tafel, so muss er zu der Ueberzeugung gelangen, entweder dass A. Wagner und der Verf. d. Z. von zwei verschiedenen Thieren handeln , oder dass das Wagner- sche Bild ein durch den Zeichner erfundenes Wesen darstellt, 3 das in den Meeren des Nordens jedenfalls nicht existirt. — Weit entfernt nun, dem verdienstvollen Wagner daraus einen Vorwurf zu machen, weil es vielmehr wahrscheinlich ist, dass die Wagner’sche Abbildung eine Reproduction der in den Annals and magazine of nat. hist. le Serie. Tom. XVII. taf. 2. niedergelegten Abbildung Brightwell's sein mag*), so beweist doch wenigstens die unzweifelhaft nachgewiesene Thatsaehe, dass, wie wenig Neues auch somit in dem Nachfolgenden sich finden dürfte, sicherlich doch die beigegebene Abbildung, weil sie zum ersten Male eine exacte Darstellung des Lage- norhynchus albirostris Gray liefert , nicht nur Anspruch auf Zuverlässigkeit machen kann, sondern dadurch auch einen bleibenden Werth besitzt. Die Abbildungen der beigegebenen Tafel haben aber auch noch eine andere beachtenswerthe Seite, indem sie nicht nur die äusseren Formen des todten Thieres zum erstenmale in völliger Naturtreue**), sondern auch das aus dem abgebildeten Cadaver selbst entnommene Scelett incl. Schädel (in all¬ gemeinen Umrissen wenigstens, absolut zuverlässig) wieder¬ geben. Leider ist der erste derartige Versuch, das äusserst exacte Photogramm, welches durch den Photographen Herrn Tackmann in Greifswald hergestollt wurde, in der photo¬ lithographischen Nachbildung so in allen Theilen scharf zu gewinnen, wie es rücksichtlich der anatomischen Verhält- hältnisse wünschens werth gewiesen wäre, nicht völlig gelungen. Möge der geneigte Leser das, was durch den öfteren Ab¬ druck des photolithographischen Bildes an Schärfe verloren gegangen ist, dadurch entschuldigen, dass die neue Methode, anstatt schon jetzt Vollendetes zu liefern, vielmehr noch der ferneren Verbesserung anheimgegeben werden muss. — Jeden- *) Leider ist es in Greifswald nicht möglich, die Bände der ersten Serie der Annals and mag. of nat. hist, nachzuschlagen und zu ver¬ gleichen ! **) Man darf hinzufügen, leider in allzuwahrer Naturtreue; indem auch die Epidermis-Erosionen in kleinstem Detail wiedergegeben sind, wie es der Zeichner, schon aus ästhetischen Gründen, nimmer zu thun wagen würde. 1* 4 falls aber doch dürfte der eingeschlagene Weg der einzig und allein sichere sein, um Abbildungen zu gewinnen, welche auf einen absoluten Werth zur Förderung unseres Wissens Anspruch machen können. A. Zur Geschichte der Species. Auf einen von Knox unter dem Namen Delphinus tursio beschriebenen Delphin, welcher im Mai 1835 an den Orkneys strandete, gründete der ehemalige Director des British Mu¬ seum, John Edward Gray, in seinem Cataloge der Cetaceen des British Museums 1850 die Untergattung : Lagenorhyn- e hus, und gab der ihm nur durch den Schädel bekannt ge¬ wordenen Art den Species-Namen, welchen Rasch bereits 1843 einer an den norwegischen Küsten häutig beobachteten Delphinform beigelegt hatte: leucopleurus (Rasch, Nvt Mag. for Naturv. 1843. Tom. IV. p. 97). Die Art besitzt 28 spitze schmale gekrümmte Zähne im Oberkiefer und 25 im Unterkiefer, ist oben dunkel, unten und an den Seiten milchweiss, während Rücken-, Schwanz- und Brustflossen schwarz sind. Die Zahl der Wirbel beträgt 81 — 82. Im Jahre 1866 änderte Gray den Gattungs-Namen La- genorhvnchus und nannte unter Benutzung des älteren Spe- cies-Namens leucopleurus : dasselbe Thier in seiner Synopsis of Wliales and Delphins: Leucopleurus arcticus Gr. Diese Bezeichnung, welche in der 2. Ausgabe des Catalogue of Seals and Whales in the British Museum , im Jahre 1866 ihre Anwendung noch nicht gefunden hatte, wird im Sup¬ plement to the catalogue of seals and whales 1871 pag. 78 aufrecht erhalten und als Synonym dazu der Lagenorhynchus leucopleurus Gr. citirt, dessen Schädel von v. Beneden und P. Gervais in der Osteographie des Cetaeees tab. 36. fig. 4. vortrefflich abgebildet ist. Der Schnauz entheil des Schädels aus Ober- und Zwischenkiefer gebildet, spitzt sich nicht in einem Winkel zu, wie es beim Lagenorhynchus albirostris der Fall ist, vielmehr würden, bei der geringeren Winkelweite, die genugsam verlängerten Seitenränder in viel grösserer Ent¬ fernung, von der Bucht der Oberkiefer an gerechnet, conver- 0 giren. Ebenso deuten die Umrisse des Schädels mehr auf eine rhombische, denn auf eine länglich-ovale Figur hin, so dass es eben nicht allzu schwer ist, die Schädel der früher unter Lagenorhynchus zusammengefassten beiden europäisch- nordischen Arten zu unterscheiden. Der Leucopleurus kommt nach Kasch im Sommer zur Häringsfangzeit z. ß. an der Bildinsel bei Bergen zahlreich vor; ebenso bei Skogsvaag, und selbst bei Christiania wurden einst deren 23 Stück gefangen , wodurch Rasch von ihnen zuerst Kenntniss erhielt. Mit diesem Leucopleurus arcticus Gray (D. leuco- pleuros Kasch) identificirt Blasius*) den von Schlegel zuerst beschriebenen und wenigstens in den Schädeln abgebildeten Delphinus Eschrichtii Schlegel; ebenso vor ihm Clau¬ dius**), der auch kein Bedenken trägt, den von Gray (in den Spie. zool. I. p. 2) unter dem Namen D. acutus Gr. be¬ schriebenen Delphin hieherzuziehen ; was A. Wagner***) deshalb noch nicht zu thun wagt, weil ohne genauere Be¬ schreibung und Abbildung des Schädels sich nichts bestim¬ men Hesse. Das Thier in Kede besitzt 33 — 35 (das Kopenhagener Scelett zeigt deren oben 40, unten 37 !) etwas gekrümmte scharfe Zähne, die etwas länger sind als die des gemeinen Delphins. Der Gaumen ist flach. Der Kopftheil des Schädels ist verhältnissmässig sehr gross, breit, rund und in der Stirn¬ gegend sehr hoch. Die hintere Hälfte der Zwischenkiefer bildet eine ziemlich breite dreieckige Fläche und die Aeste dieser Intermaxillar-Knochen, welche zu beiden Seiten der Spritzlöcher sich noch verlängert zeigen, sind sehr wenig er¬ haben. Der Schädel****) gleicht eher dem des Braunfisches *) Naturgeschichte der Säugethiero Deutschlands. Braunschweig 1857. 8. **) Dissertatio de Lagenorhynchis. Kiliae 1853. 4. ***) von Schreber, Die Säugethiere in Abbildungen nach der Natur. Th. VII. 1846. pag. 319. ****) Schlegel. Abhandlungen aus dem Gebiete der Zoologie und vergleichenden Anatomie. Leiden 1841. 4. tab. 1 und 2. tig. 4. und tab. IV. fig. 5. — Text pag. 23 und 24. 0 (Phocaena communis) oder fast dem eines Leucas. Die Zahl der Wirbel beträgt 91 und zwar 7 Halswirbel. 15 Rücken¬ wirbel, 32 Lendenwirbel und 37 Schwanzwirbel. Schlegel erhielt das Material zur Aufstellung seiner Art von Pf. Esch- richt, dem es von den Fär-lnseln zugosandt war. brav, welcher im Jahre 1828 in Brookes’s Cat. of Mus. p. 39 nur einen Schädel kannte und flüchtig beschrieb, nannte dies Thier D. acutus und vermutheten seiner Zeit Schlegel und mit ihm A. Wagner, dass dies wohl der Esch- richtii sein möchte. Später und zwar 1850 in der Zoologie des Erebus und Terror und dem entsprechend in der 2. Ausgabe des Cata- logue of seals and whales in the british Museum nannte er den Eschricht’schen Delphin: Lagen orhynchus acutus Gr., citirt hiezu Schlegel, bemerkt auch, dass ihm von Eschricht mitgetheilt sei, dass sein acutus dem leucopleurus sehr ähn¬ lich sei und von Prof. Kilson als identisch angesehen werde; allein dessen ungeachtet zieht er 1870 im Supplement to the catalogue of seals and whales in the british Museum (pag. 76) dieses Thier als Species zu seinem neu aufgestellten Genus Electra und nennt es Eleetra acuta, zu welchem er den Lagenorhynchus acutus seines ersten Catalogs und den Poel- man’schen Delphinus Eschrichtii zieht, den dieser im Bulletin de l’Acad. royale de Belgique. 2me Serie. 1864. Tom. XVII. p. 604 beschreibt und nach dem lebenden Thiere colorirt, abbildet. Dieses auf dem Schnauzenrücken, dem Kopfe und Rücken schwarze Thier besitzt eine weisse Farbe an der Unterschnauze und ein weisses Band, das ohngefähr unter der Rückenflosse beginnt und sich bis zur Schwanzwurzel erstreckt. Der Balg ist in Gent aufgestellt, das Scelett zeigte 80 Wirbel (7 Hals-, 15 Rücken-, 19 Lenden-, 39 Schwanz¬ wirbel). Die Zeichnung des Thieres dürfte nicht ganz richtig sein. Die Rückenflosse sowol, namentlich aber auch die Brustflossen scheinen viel zu wreit nach vorn gezeichnet. Ist dieser Aufstellung Folge zu geben, so ist jedenfalls die Zusammenfassung der Arten D. leucopleurus Rasch., D. Eschrichtii Schlegel und acutus Gray, wie sie Claudius in seiner Diss. inauguralis de Lagenorhvnchis p. 4 7 und van Bene den*) vorschlägt, eine unzulässige. Und dass dies eine unstatthafte Zusammenstellung der Synonymen ist und sein muss, geht aus der Claudius1 'sehen Bemerkung (p. 4) her¬ vor, wonach sein Lagenorhynchus leucopleurus 82 Wirbel mit 28 — 34 Zähnen haben soll, während doch der Schlegel-Gray’sche acutus (Electra acuta Gr.) 91 Wirbel besitzt ! Der Claudius’sche D. leucopleurus gehört ebenso wie der A. Wagner’sche D. Eschrichtii zum Gray’schen Leucopleurus arcticus, zu welchem der Gray’sche „acutus“ in den Spicilegia zoologica I. p. 2 und der SchlegeTsche Eschrichtii nicht gezogen werden kann. Meint Claudius (1. c. p. 4), dass die 3 2 Lumbarwirbel durch einen Druckfehler aus 2 2 entstanden seien, so ist dies viel¬ leicht ein Irrthum seinerseits, indem er das Schlegel’sche Thier mit dem Rasch’schen confundirte. Ohne allen Grund nannte A. Wagner das Schlegel’sche Thier nicht das „viel¬ wirblige“, weil in der That bis dahin kein Delphin existirte, dem eine so grosse Anzahl von Wirbeln vindicirt werden konnte. Ein von Alex. B. Duguid**) im Jahre 1858 bei Kirkwall in der Scapa-Bay acquirirtes Thier des leucopleurus Rasch., welches er auch, ob schon sicherlich nicht richtig abbildet (1. c. tab. UL), besass oben 29 und unten 32 Zähne, während dem Eschrichtii Schlegel, von Schlegel (1. c. p. 24) selbst 33 — 35 zuertheilt werden. Doch wie dem nun auch sei, die Aufgabe, welche sich Verf. dieser Abhandlung gestellt hat, läuft nicht sowol darauf hinaus , die Streitfrage endgültig zu schlichten , ob Claudius gut daran that, den D. Eschrichtii Schlegel mit dem D. acu¬ tus Gray zu identificiren (eine Ansicht, die Yerf. nicht zu theilen 'geneigt ist), vielmehr soll es seine Aufgabe sein, die¬ jenige Delphinform specifisch weiter zu begründen, die Gray, Claudius und van Beneden unter der Bezeichnung: B. Lagenorhynchus albirostris Gr. führen. *) Recherches sur la faune littorale de Belgique. Acad. roy. de Bel¬ gique XXXII. p. 31. **) Annals and magazine of nat. hist. 3e Series. Vol. XIV. 1864. p. 133 c. tab. III. 8 Ein solches Thier ist Blasius, dem Verfasser der Fauna der Wirbelthiere Deutschlands, Braunschweig 1857. 8., von den deutschen Küsten nicht bekannt geworden, we¬ nigstens erwähnt er desselben mit keinem Worte, ein Um¬ stand, der um so unbegreiflicher ist, als die Claudius ’sche Abhandlung „de Lagenorhynchis“ schon 4 Jahre früher in Kiel (1853) publicirt war. Dass Schlegel im Jahre 1841 den D. albirostris noch nicht kannte, ist dagegen leichter begreiflich. Beachtet man aber die Schlussbemerkung A. Wagners*), in welcher es heisst : „Es muss weiteren Vergleichungen Vor¬ behalten werden, nachzuweisen, ob der D. albirostris am „Ende nicht gar mit dem D. Eschriehtii identisch ist ‘U so möchte man zu der Meinung gedrängt werden, dass D. albi¬ rostris, als Art, wohl gar nicht aufrecht zu erhalten sein möchte; jedenfalls für Deutschland irrelevant sei. Dass dem nun nicht so ist, geht schon zur Genüge aus der fleissigen Arbeit des Dr. Claudius hervor, welcher leider nur eine entsprechende Abbildung fehlt. Der Engländer Brightwell sah im October 1845 zuerst ein Thier dieser Art, welches bei Yarmouth gefangen war, und glaubte in ihm einen Tursiops Tursio Gr. an sprechen zu können. Gray, welcher Gelegenheit hatte, den Schädel dieses Yarmouther Delphins zu sehen , erkannte darin aber sofort eine neue Art seines Genus: Lagenorhynchus und liess den Schädel in der Zoology des „Erebus und Terror“ auf der 11. Tafel abbilden. Das betreffende Scelett befindet sich jetzt im britischen Museum. Im Jahre 1847 erhielt Eschricht von der Westküste Jüt¬ lands ein gleiches Thier, bei welchem er 94 Wirbel fand; eine bisher bei einem Delphine noch nie gefundene Anzahl. Im Juli strandete ein weibliches Individuum derselben Art an der Küste von Ostende und im Winter 1851/52 ge¬ langte ein anderes an der belgischen Küste gestrandetes Weib¬ chen in van Beneden’s Hände**). Gleichzeitig aber tummelten *) v. Schreber, Die Säugetkiere in Abbildungen nach der Natur mit Beschreibungen. Th. VII. pag. 320 21. 1846. 4. **) Ac. roy. de Belgique. XXXH. pag. 20. c. tab. lith. 9 sich in demselben Wintersemester ganze Heerden dieser Art in der Kieler Bucht, von denen im März des Jahres 1852 nahe bei der Stadt zwei Individuen erlegt und dem Kieler Museum zugeführt wurden. Von einem bei Skanör gefangenen Tliiere bewahrt, nach Liljeborg, das zool. Museum in Lund einen Unterkiefer. In Bergen*) bewahrt man nach Liljeborg einen Schädel. In Norwich findet sich nach van Beneden **) ein Schädel; in Upsala aber, demselben Berichterstatter zufolge, ein ganzes Scelett; desgleichen in Cambridge in England (1. c. p. 98), aus Grönland stammend. Auch im anatomischen Museum in Berlin befindet sich sub Nr. 1819 unter der Bezeichnung Delphinorhynchus albirostris ein Scelett, das aber nur 7 Hals¬ wirbel, 15 Rippenwirbel, 34 Lendenwirbel und 11 Schwanz¬ wirbel, d. h. in Summa 67 Wirbel besitzt (mithin entweder nicht vollständig oder einer anderen Art angehörig sein dürfte). Bei einem „Delpliinus albirostris“ signirten Exemplare zählte man dagegen 90 Wirbel. Von wo aber die zuletzt genannten Scelette oder Scelettthcilo des L. albirostris Gr. stammen, findet sich bei van Beneden nicht angegeben. Aus neuerer Zeit ist durch Thomas J. Moore***) eine kurze Besclmeibung mit Maassangaben von einem an der Mündung des Deeflusses bei Chester gestrandeten Tliiere ge¬ geben worden, die in ihren wesentlichsten Punkten hier ihre Stelle finden möge. Die allgemeine Farbe ist ein reiches Schwarz. Ein lan¬ ger und schmaler graulicher Streifen erstreckt sich an jeder Seite schief über die Rippen hin, ein ähnlicher Streifen findet sich zu beiden Seiten des Rückens. Unten milch weiss. Totallänge v. d. Schnauze bis z. Schwanzeinschnitte 9' 0“ Länge der Mundspalte . 0' 10,5" Schnabellänge . 0' 2" 3"' *) Liljeborg: Upsala Universitets Ärsskrifter 1861. 8. p. 8. **) Les squelettes de Cetacees et les Musees qui les renferinent (Bull, de l’acad. roy. de Belgique. 8. p. 117. Tom. XIX. (V) 2me Serie). ***) Annals and magazine of nat. hist. London 1863. 3. series. Vol. XI. Nr. 64. April. p. 268 „Notice of the occurence of a rare Cota- cean (Lagenorhynchus albirostris Gr.) at the Mouth of the I)ee.“ 10 Von der Schnauzenspitze zum Auge .... 1' 1" 6"' „ ,, „ zum Spritzloche . V 3'" „ „ „ zur vorderen Wurzel der Rückenflosse . 3' 11" „ „ „ zur hinteren Wurzel der Riickentlosse . 5' 6" ,, „ „ zur Brustflosse . . . V 9'" Schwanzbreite . 2' 5" Eine fernere Erwähnung des Vorkommens eines L. albi- rostris Gr. aus neuerer Zeit findet sich unter den Miscellen des Jahres 1866 in den Annals *), wonach an der Küste von Cromer (nördlich von Yarmouth) durch Air. Upcher ein L. albirostris erlegt worden ist , dessen Schädel im British Mu¬ seum vorgezeigt wurde. Aach Gray wäre dies der 2. Fall des Vorkommens eines albirostris, seit Brightwell, an engli¬ schen Küsten. Offenbar hat Grav das Moore’sche Thier von der Dee-Mündung damals noch nicht gekannt, während das¬ selbe freilich bereits 3 Jahre früher in demselben Journale besprochen worden war. Obschon nun, wie aus Vorstehendem hervorgeht, 12 Stran¬ dungen des Lagenorhvnchus albirostris Gray durch conservirte Präparate der betreffenden Individuen und insbesondere auch eine Strandung an den deutschen Ostseeküsten durch Clau¬ dius positiv nachgewiesen wurden, so findet sich doch nur ausser der van Beneden’schen und der oben gedachten kurzen Moore’schen und unten mehrfach angezogenen Claudius’ sehen Beschreibung, nur die ursprünglich von Brightwell gegebene, welche Gray in seinem Cataloge des britisch. Museums (2. Aus¬ gabe p. 272) und A. Wagner (1. c. Th. VII. p. 320) in der v. Schreber’schen Bearbeitung derSäugethiere reproducirt haben. Dieser Re production zufolge war die Farbe der Ober¬ seite und der Flossen ein dunkles Sammtschwarz. Die Schnauze und die Unterseite des Leibes milchweiss, die Flossen und der Schwanz schwarz. Im Oberkiefer giebt Grav 25 (Wag¬ ner 24) Zähne an ; im Unterkiefer: Gray 24, A. Wagner 23, dieselben seien verhältnissmässig klein, mässig gekrümmt. *) Annals and mag. of nat. hist. 2. series. Tom. XVII 1866. p. 312. 11 11 11 Die Messungen ergaben: Totallänge 8' 2*' (des BrightwelFschen Delphins!) Umfang des Thieres an der dicksten Stelle . 4' Von der Sclmauzenspitze zum Auge . . V zur Brustflosse 1; zur Rückenflosse 3' Länge der Mundspalte . 0' „ „ Brustflossen V Höhe der Rückenflossen . 0' Schwanzbreite . . . . 1' 10" Vom Schädel giebt Gray folgende Maasse: 10 ' 1" 8" 5" 9" 3" 10 " 6 m Ganze Schädellänge ii ii 18" 0"' 8" 6'" 9" 5"' 5" 6'" 3" 6"' 8“ 0"' Länge der Schnauze . Weite der Augenhöhle . Breite an der Schnauzenwurzel . . in der Mitte der Schnauze des Unterkiefers in der Nähe der Condvien %/ Die Zahl der Wirbel beläuft sich nach Gray auf 90 bis 94. Diese letztere Zahl gründet sich wohl auf Eschricht’s Angaben. Der Atlas ist mit dem epistropheus anchylosirt ; die übrigen Halswirbel sind frei. Das Schulterblatt breit. Der Daumen ohne Phalanx (wahrscheinlich verloren gegangen?). Diesen BrightweH’schen Delphin scheint Giebel*) aber für keine selbstständige Species zu halten, wie aus den Worten pag. 99 hervorgeht: „mir scheint auch der 8' lange, an der Küste von Yarmouth gefangene Lagen orhynchus albi- rostris nicht verschieden zu sein14 (d. h. von D. Eschrichtii Schl.) Ueberblicken wir nun die voran geführten historischen Daten, den weissschnauzigen Delphin betreffend, so ergiebt sich, dass die englischen, belgischen, dänischen und schwe¬ dische Zoologen die Existenz des Lagenorhynchus albirostris Gr. unbedingt anerkennen ; dass aber diese Art in Deutsch¬ land nur von Claudius aufrecht erhalten worden ist, wäh¬ rend A. Wagner , B la s i us und Giebel desselben entwoder gar nicht gedenken, oder dessen Berechtigung zur Aufstellung *) Die Säug’ethiere. 1855. 8. p. 99. Note. 12 einer Species in Frage stellen und diese Ansicht auch dann noch festhielten, nachdem Claudius, 4 Jahre zuvor, so nach¬ drücklich für die Existenz der Art plaidirt hatte. Es ist sonach doch nicht ganz überflüssig, in Deutschland auf diese Art zurückzukommen, da andrerseits zu befürchten steht, dass dieselbe aus den Verzeichnissen nicht nur der deutschen Fauna insbesondere, sondern sogar aus den Re¬ gistern der Delphin- Arten überhaupt, verschwinden dürfte. War der B right well ’sche Delphin 2,49 Meter lang, so ermittelte Claudius an den beiden von ihm gesehenen, frisch gefangenen Thieren eine Totallänge von 2,99 und 2,91. Das von mir untersuchte und auf beifolgender Tafel von der Seite und von unten abgebildete frische Thier maass nur 2,27 M. = 7' 2" 6"' von der vordersten Spitze der Ober¬ schnauze zum Ausschnitte des Schwanzes. Hieraus ergiebt sich, dass das am 25. April 1874 dicht an dem Ausflusse der Peene (nahe der Insel Rüden) lebend gefangene We i b c h e n , ein jüngeres Thier war, welches sich mit dem van Beneden’schen als das kleinste und jüngste bis jetzt gefangene und genauer untersuchte Individuum erweist. Als das Thier am 29. April, nachdem es mehrere Tage der Einwirkung des Sonnenlichts auf offenem Boote Preis gegeben gewesen war, dem zoologischen Museum der hiesigen Königl. Universität eingeliefert wurde, war leider die sehr dünne Epidermis vielfach verletzt, theilweise sogar abgelöst, so dass die ursprüngliche Färbung nicht mehr so festzustellen war, wie es wünschens werth gewesen wäre. Eine Folge die¬ ser Hautverletzung ist das durch die photographische Abbil¬ dung leider allzu getreu wiedergegebene fle cki ge Aussehen, namentlich der hellgefärbten Bauchseite. Auf der Seite und auf dem Rücken war die Epidermis besser erhalten, daher sich das marmorirte Colorit dort nicht so augenfällig erweist. Die Oberlippe war graulich-weiss. Vom Schnauzen¬ rücken zog sich zum Lippenrande ein dunklerer Streif; die Furche zwischen Schnauze und dem Stirnpolster war dagegen fast reinweiss ; und hielt diese weisse Färbung bis zum Mund¬ winkel in 1,5 mm. Breite an. Auch die Unterlippe zeigte sich dem Zahnfleische 13 parallel weisslich gefärbt. Dieser weisse Streifen erstreckte sich alsdann vom Mundwinkel abwärts und nach hinten gerichtet auf die Kehlgegend, um dort in Grau überzugehen. — Unten und vorn war die Unterschnauze dunkelgrau gefärbt. Etwa in einer Entfernung von 4" (10,5 mm.) von der Unterschnauzen spitze begann die weisse Färbung vorzuherr¬ schen und sich, mehr und mehr verbreiternd, bis zur Wurzel der Brustflossen in 23,0 mm. Breite (8f") zu erstrecken. Auf der Unterfläche des Thieres (Brust- und Bauchseite) herrschte die weisse Farbe, scharf abgesetzt gegen die dunkle Farbe des Oberkörpers, vor, verengte sich in der, der Bücken¬ finne gegenüberliegenden Bauchregion auf 4,5 mm. = 1^" Breite und herrschte von da ab wieder auf der ganzen Unter¬ fläche des Leibes vor, circa 32,0 mm. Breite erreichend. Hinter dem in dem hintern Ende der Genitalspalte liegenden After war die weisse Färbung noch in 10 mm. Breite erkennbar, ging dann aber in Grau und endlich auf der Schwanzwurzel in Schwarz über. Der Schwanz war oben und unten dunkelfarbig — schwarz. Während auch die Rückenfinne und die Brustflossen gleiclunässig dunkelfarbig erschienen, konnte man doch einen grossen langen, anfangs 2 mm., später 5 mm. breiten hell¬ grauen Streifen unterscheiden, der sich an den Seiten des Oberkörpers von dem obern Rande der Basis der Brustflossen beginnend, bis in die Kabelregion auf etwa 52 mm. Länge erstreckte. Auch von der lnsertionsstelle der Rückenflosse bis zur Schwanzwurzel fand sich ein circa 58 mm. langer hellgrauer Streif. Ueber den Hinterrücken zog sich ein lichtgrauer Sattel, der unterseits in der Gegend des vordem Winkels der Schaam- spalte beginnend, in circa 9 mm. Breite, sich über den Hinter¬ rücken gelagert zeigte, um an der entgegengesetzten Leibes¬ seite wieder bis zur Schaamspalte sich zu wenden. Das photographische Bild lässt diese Färbungen bekannt¬ lich nicht zum Ausdrucke gelangen ; die durch Lichtreflex entstandenen helleren Stellen der Abbildung entsprechen nicht 14 den ursprünglichen Farben und zwar um so weniger, als sie durch die beginnende Excoriation der Epidermis minder scharf hervortraten. In Betreff der weiter unten folgenden Messungen mögen noch nachstehende Vorbemerkungen Platz finden. Der Lagenorhynchus albirostris Gr. gehört, wie es auch die Abbildung genügend darthut, zu den Schn a bei delphi- nen, deren gewölbte Stirn sich durch eine mehr oder weniger tiefe Furche an der horizontalen, verlängerten Oberschnauze im Winkel absetzt. Das halbmondförmige Spritzloch mit seinen nach vorn gerichteten Hörnern, oben auf dem Kopfe, ist nicht zur Dar¬ stellung gelangt. Das Auge befindet sich kurz hinter dem Mundwinkel. In unserem Photogramm ist das aus den Augen¬ winkeln fliessende Blut, welches während der Aufnahme nicht abgewaschen werden konnte, mit zur Abbildung gelangt; es sind dies die beiden dunkeln geschlängelten Linien, welche aus dem tiefer liegenden Auge, nach abwärts gerichtet, sicht¬ bar werden. Die Farbe der Iris liess sich nicht mehr sicher erkennen. Beachtens werth ist die vor der Spitze der rechten Brust¬ flosse beginnende krumme Linie, welche das Abdomen um¬ grenzt und die in der Gegend der Genitalspalte statthabende Verengerung des vordem Theils des Hinterleibes, dem kurz vor dem Schwänze noch eine abermalige Verdickung des Hinterleibes folgt. Fast alle Abbildungen von Delphinen lassen diese mehr¬ fach gewundene untere Bauchlinie vermissen, namentlich die abwärts gebogene Linie zwischen Schaamspalte und Schwanz und verdienen deshalb kein Vertrauen. Die unter dem obern Photogramm (welches den Körper des Delphins von der Seite darstellt) befindliche zweite Figur, stellt das Thier von der untern, (der Bauchseite) dar. Man sieht die Art der Insertion der Brustflosse und genau in der Mitte zwischen dem Ende des Schwanzes und dem hintern Rande des Basaltheils der Brustflosse befindet sich die deut¬ lich erkennbare Schaamspalte. Zwischen dieser und den Brustflossen aber liegt der Nabel. 15 Die zu beiden Seiten der Wirbelsäule sich entwickelnden Schwanzlappen, sichelförmig gestaltet, sind durch eine tiefe Incisur getrennt. Im Winkel der Incisur liegen die letzten Schwanzwirbel, von denen man den Letzten mehr fühlen, als optisch wahrnehmen kann, weil er meist noch nicht ossi- ficirt ist. Das unter den Abbildungen, welche das todte Thior darstellen, befindliche Bild stellt das aus dem Cadaver durch Maceration gewonnene Skelett von der rechten Seite dar. In Stelle des Rückenmarkes befindet sich ein dünnes Rohrstöck- chen, welches bei der Reproduction leider nicht zu entfernen war. Die eisernen Stützen des Skeletts sind als solche leicht erkennbar; ebenso auch der um die Schnauze gelegte Draht, um den Unterkiefer zu befestigen. Während die erwähnten Photogramme auch in der photo¬ graphischen Reproduction nicht gelitten haben und an sich verständlich sind, lassen die Reproduction en des Schädels doch mancherlei zu wünschen übrig. Die Grenzlinien der Knochen sind nicht so scharf, wie die durch den Litho¬ graphen gegebenen und ist hieran nicht sowohl die ange¬ wandte Methode, als vielmehr die den Verf. treffende Unauf¬ merksamkeit Schuld, dass er zur Zeit der Aufnahme des Original-Photogramms nicht hinreichend Sorge für eine geeig¬ netere Stellung des Schädels zum einwirkenden Lichte trug. Mögen künftige Nachfolger derselben Darstellungsmothode sich diesen Wink gesagt sein lassen. Das Licht darf nicht zu voll genommen werden, namentlich bei en fage-Bi ldern, damit die Knochennähte sich schärfer markiren, was in dem sonst so richtig gezeichneten en fä(;e-Bild des Schädels leider nicht so der Fall ist, wie man es wünschen müsste. Auch bei der Abbildung des Schädels von der Seite hebt sich das os zygomaticum nicht so ab, wie man es erwarten durfte. Nach diesen Vorbemerkungen mögen zunächst die Maasso folgen, welche am frischen Cadaver gewonnen wurden. Cmtr. Rhein]. M. Von der vordersten Spitze der Ober-Schnauze zum Winkel des Schwanzausschnittes . . . 227 7' 2 " 6"' 16 Cmtr. Rheinl. M. Yon der vordersten Spitze der Ober-Schnauze zum hinteren Rande des Spritzloches Von der vordersten Spitze der Ober-Schnauze zur äusseren Ohröffnung . Yon der vordersten Spitze der Ober-Schnauze zum hinteren Winkel d. Brustflosseninsertion Yon der vordersten Spitze der Ober-Schnauze bis zum hinteren Rande der Rückenflosse Yon der vordersten Spitze der Ober-Schnauze bis zur weissenFärbungd. Schnauzenrückens Breite der weissgefärbten Binde auf dem Schnauzenrücken . Yom Lippenrande der einen zur andern Seite quer über den Schnauzenrücken . . . Yon der Unterschnauzenspitze zum Nabel. . Yon der Unterschnauzenspitze zur äusseren Yon der Unterschnauzenspitze zum vorderen Rande der Insertionsstelle der Brustflosse Länge der Augen spalte . Länge der Mundspalte von der Spitze des Un¬ terkiefers zum Mundwinkel . Querdurchmesser des Mauls , in der Gegend der Mundwinkel gemessen Die Prominenz des Unterkiefers über die des Oberkiefers beträgt . ,, ,, ,, ,, V „ „ „ „ Mundwinkel . . „ „ „ „ d. äusserenPunkte der Insertion der Brustflosse . Abstand der Ohröffnung vom Spritzloche Höhe der Rückenflosse von der idealen Basis zu deren höchsten Punkte in grader 33 P 0" 6"/ 38 1' 2" 6"' 66 2‘ 1 " 2'" 132 4' 2“ 6"/ * 4 / 1" 6"' 3 / 1"- _ Ui 11,5 / 4" 6 '" 92 2‘ 11" 2'" 151 5' 9" j/// 46 P 5" 5'" 3 i 1" 2'" 25 i 9" 6'" 18 i 6" 8'" 1,5 _/ 0" 6'" 17,5 / 6" ’JUi r 16 i 6" 6"' [ 7 i 2" 6'" 14 _i 5" 42 P 4" _ tu i 28 _ i 10" 17 Cmtr. Rkeinl. M. Vordere bogige Linie der Rückenflosse von der Basis zur nach hinten gewandten Spitze 59 1' 10" 6"' La nge der Brustflosse, vom hinteren Rand¬ ausschnitte an der Basis bis zur äussersten Spitze in gerader Linie gemessen 31, 5 1' — " — Länge der B r u s t fl o s s e auf der gekrümmten vorderen Kante gemessen . . . 48 1' 6" 2"' Breitester Durchmesser der Brustflosse . 16, 5 — ' 6" 2'" Breitendurchmesser der Brustflosse an der Insertionsstelle . . . . . . 20 — '7" 7"' Abstand der beiden Brustflossen von ein¬ ander ... . 23 — 'S" 8'" Grösster Querdurchmesser d. Schwanz flo ss e 57 V 9" 6"' Länge d. äusserl. gemessenen Geschlechtsspalte 20 — ' 7" 7'" Entfernung der Geschlechtsöffnung von der Afteröffnung . . 8 — '3" — ,il Umfang des Körpers vor den Brustfloss en 104 3' 3" 7"' „ „ „ in der Gegend der Ge¬ schlechtsspalte . . 83 2' 7" 7'" Umfang des Körpers in der Gegend der Af¬ teröffnung . . . . 70 2' 2" 6"' Umfang des Körpers unmittelbar vor der Schwanzflosse . 28 1 10 ' 6'" Grösster Durchmesser des Körpers in gerader Linie durch den dicksten Theil des Leibes 52 1' 8" — Grösster Durchmesser vom Bauchrande zur Spitze der Rückenflosse . 75 2' 2" 6"' Grösster Durchmesser des Körpers von rechts nach links gemessen . 31 1' — " 6"' Bemerkungen. Ein scharfer Kiel an den Seiten des Hinterleibes wie bei Phocaena communis ist nicht vorhanden ! Die Rückenflosse liegt etwas hinter der Mitte des Körpers. Nachdem das Photogramm und die obigen Messungen ausgeführt waren, musste der Versuch gemacht werden, die Haut für das Museum zu gewinnen. Allein beim Oeffnen des Cadavers und bei der sehr bedenklichen Beschaffenheit Mitth. a. d. naturw. Verein v. Nouvorp. u. Rügen. VIII. 2 18 der Epidermis ergab sich, dass alle darauf hin gerichteten Be¬ strebungen vergebliches Bemühen sein würden. Es wurden daher die Eingeweide herausgenommen , der Magen mit seinem nahezu \ Scheffel enthaltenden Inhalte von Dorsch- und ähnlichen (auffallend rein präparirten) Fischknochen, die Leber, Milz und der Genital-Appar at dem anatomischen Museum übergeben ; das Herz und die Augen dagegen verblieben, in Spiritus conservirt, dem zoolo¬ gischen Museum. Da die Beschaffenheit des nunmehr fast 6 Tage alten Cadavers zur Beschleunigung der Entfernung der Weichtheile dringend aufforderte, so wurde ungesäumt an die Herstellung des Sceletts herangetreten. Dasselbe ist durch den Präparator des zoologischen Mu¬ seums Herrn Finke vortrefflich präparirt, montirt und heute eine wahre Zierde für die Sammlung. Nachdem die Auf¬ stellung ausgeführt war, liess ich das Skelett und den Schädel durch den Photographen Herrn Tack mann hierselbst plioto- graphiren und übergab die gewonnenen sehr scharfen und schön gelungenen Photogramme der Lichtdruck - Anstalt der Herren Römmler & Jonas zu Dresden. An den osteologischen Darstellungen des Herrn Tackmann hat also ebensowenig, wie an den von dem Photographen Herrn Kiew n in g (ehemals in Greifswald) gewonnenen Bildern des noch frischen Thieres irgend eine menschliche Hand einen Bleistiftstrich ausgeführt. Es sind die Abbildungen der beifolgenden Tafel mithin wahre Naturselbstdrucke. Wenden wir uns nun zunächst zur Betrachtung des Ske¬ lettes, so fällt dem Beschauer unzweifelhaft die grosse Anzahl der Wirbel auf. Mit Hülfe einer mässig vergrössernden Loupe ist es leicht möglich, mit Ausnahme der durch das Schulter¬ blatt verdeckten Halswirbel, einige achtzig Wirbel zu zählen. Es finden sich aber in der That 89 und mit Hinzurechnung der ossificirt nicht darstellbar gewesenen letzten kleinsten Schwanzwirbelanlage 90; bei einer Gesammtlänge des Thiers von 7' 2" 6'". Das ausgezeichnete Skelett des Tursiops Tursio, welches Yerf. im 5. und 6. Hefte der Mittheihmgen des nat. Yereins f. Neuvorpommern und Bügen auf Taf. I. Fig. 1. 19 darstellen liess, zeigt nur 64 Wirbel, während doch das frische Thier seiner Zeit eine Länge von 9' 9" 8'" besass. Und doch ist diese Wirbelzahl bei Lagenorhynchus albi- rostris Gr. noch nicht die grösseste. Claudius zählt am Kieler Skelette 92; ja Eschrichtii will in einem Exemplar des Kopenhagener Museums 94 gezählt haben. Ein im Kopenhagener Museum befindliches, aus Grönland stammendes, von mir am 26. Mai 1874 untersuchtes Skelett besass ausser den 7 Halswirbeln, 15 Brustwirbeln, nur 66 Lenden- und Schwanzwirbel, mithin in Summa nur 88. Ob ein mit 94 Wirbeln ausgestattetes Exemplar sich im gedachten Museum anderweitig befindet, ist mir nicht bekannt geworden. — Dagegen erwähnt Liljeborg*), dass sich im physiolo¬ gisch en Museum zu Kopenhagen das Skelett eines 9' langen Thieres befände, dessen Schädel V 7f" Länge und 10J" Breite besitze. In dem von mir besuchten physiologischen Institute habe ich leider dieses Exemplar auch nicht zu Gesicht be¬ kommen, wenn anders es dort überhaupt noch aufgestellt ist. Was nun zunächst den Schädel des Greifswalder La¬ genorhynchus albirostris Gr. betrifft, so lassen sich, von oben gesehen, leicht drei Regionen an demselben unterscheiden. 1) der zahntragende Schnauzentheil , 2) der Mitteltheil und dann 3) der hintere Theil. Fasst man No. 2 und 3 als einheitliches Ganzes zusam¬ men, so ergiebt sich für diese, vorzüglich der Schädelkapsel angehörige Partie die Form eines Ovals, an welchem vorn der stark sich suspitzende Schnauzentheil ansitzt. Vergleicht man die Schädelform des Leucopleurus arctieus Gr. mit der des albirostris, so besitzt dieselbe in den Abtheilungen 2 und 3 annähernd die Form eines länglichen Vierecks. Das geht aus den vortrefflichen Schädel- Abbildungen bei van Be- neden & Gervais**) zwar schon genügend hervor, allein die Vergleichung eines im Besitze des hiesigen anatomischen *) in Upsala Universitcts Arsskrifter 1861. 8 pag. 8. **) Osteographie des Cetacees. Tab. 36. Fig. 4 (leucopleurus) und Fig. 5 (albirostris). 2* 20 Museums befindlichen unzweifelhaften Leucopleurus-Schädels ergab für den Yerf. die thatsächliche Richtigkeit der van B e n e d e n ’ sehen Abbildungen. Legt man den Schädel mit der Unterfläche auf eine Tisch¬ platte, so dass die Condylen an dem Rande der Platte einen daselbst angelegten Rectangel berühren können, dann lässt sich leicht der grösste Längsdurchmesser von der Zwischenkieferspitze bis zum hervorragendsten Punkte der Condylen oberhalb des Foramen magnum in gerader Linie feststellen. Ich mass sie zu P 6" 9'" oder 49,5 Centimeter. Der grösseste Breitendurchmesser des Schädels liegt hinter dem obern Augenhöhlenrande und ist durch eine seitliche Hervorragung der Stirnbeine rechts und links gegeben; der¬ selbe betrug 9" 3'" = 24,5 Centim. Die am Mitteltheile des Schädels vorn hervorspringende Ecke (der Stirnfortsatz) der einen Seite, ist von dem der ande¬ ren Seite : 9" V " entfernt = 23,6 Centim. Der Querdurchmesser des Schnauzenrückens in der Ge¬ gend des letzten Backzahns beträgt etwa 4" oder 10,5 Centim. Um 9 Linien überragt die vorderste Spitze des Zwischen¬ kiefers die des Oberkiefers, von oben gesehen ; von unten gesehen beträgt die Differenz nur 5 Linien. Die vordere konisch sich zuspitzende Scliädelabtheilung (die Schnauze) wird nur vom Oberkiefer und Zwischen- kiefer gebildet und erstreckt sich von dem Randausschnitte (der Ecke) des Oberkiefers bis zur vordersten Spitze des Zwi¬ schenkiefers. Auf der Gaumenseite erkennt man nur den Oberkiefer allein und bilden beide Oberkieferhälften eine ho¬ rizontale Platte, wie sie den Lagenorhynchen besonders eigen ist; d. h. dem L. albirostris, Leucopleurus arcticus und der Electra acuta. Ist dieser horizontale Gaumen auch den Phocaenen und Orca’s eigen, so ist das doch nicht bei den langschnabligen Delphinen der Fall, bei denen sich vielmehr, den beiden Zahnreihen parallel, auf dem Gaumen zwei Hohl¬ kehlen finden, zwischen welchen eine erhabene Längswulst läuft. Der Abstand der beiden letzten Backzähne von einander, quer über den Gaumen gemessen, beträgt 3" 6"'. Verlängert man die beiden Seitenränder der Oberkiefer, 21 welche sich zur Schnauze zuspitzen, so schneiden sich die verlängerten Linien in geringer Entfernung von der Schnauzen¬ spitze. — Dasselbe ist beim Schädel des Leucopleurus arcticus und der Electra acuta nicht der Fall, weil deren Schnauzen¬ ränder, wenn auch nicht geradezu einander parallel, doch sich sehr allmählich einander nähern und genugsam verlängert, erst in ziemlicher Entfernung von der Schnauzenspitze sich schneiden würden. Auf den äussern Rändern der Oberkiefer (dieselben von unten gesehen) sitzen in nahezu gleichen Distanzen (es gehen deren 4 auf den Zoll rh. m. im Unterkiefer und 4 auf den Zoll im Oberkiefer) die ungleich langen Zähne in ihren Alveolen. Der zahntragende Theil des Oberkiefers beträgt 6" 7;" (17,3 Centim.) und führt jede Oberkieferhälfte genau 25 Zähne.*) (Der Zwischenkiefer trägt keinen Zahn!) Der längste Zahn, etwa der zehnte der linken Seite, besitzt incl. der Wurzel eine Länge von l“ V “ = 5,4 Centim., allein davon kommen nur 5'" auf die frei aus dem Alveolarrande herausragende Krone, der übrige Theil ist als in die fossa alveolaris eingesenkte Wurzel zu betrachten. — Der letzte Backzahn überragt den Alveolarrand nur um 3'"; der Erste (eigentlich Eckzalm) gar nur um 2"'. Die Kronen der Zähne vom Ilten bis 21sten Backzahne etwa, überragen den Alveolarrand in gleicher Länge (5 — 6'"), dann erst nehmen die hinteren Backzähne an Grösse ab; ebenso die vom lOten Zahn nach vorn zu gelegenen, von denen die 3 vordersten so klein sind, dass sie nur kaum er¬ kennbar den Alveolarrand überragen. Die eharakteristisch-ausgcbildeten Zähne sind seitlich et¬ was ' comprimirt (2"' breit, 3"' dick), an der Krone etwas nach innen gekrümmt und mässig zugespitzt. Auffallend ist es, dass die 3 hintersten Oberkieferzähne (Backzähne) sich zwischen entsprechende Unterkieferzähne Beim Kuponhagener Individuum zählte ich nur 23 Zähne rechts und links. — Das B r ig ht w e 1 Esche Thier hatte 25. Das Kieler Exem¬ plar scheint deren 26 — 27 zu besitzen. Das van Bcneden’sche 25—26. 22 nicht einfügen können, weil daselbst die entsprechenden Zähne fehlen; nicht weil überhaupt, denn die Zahl der Unterkiefer¬ zähne ist grösser oder doch fast so gross, als die der Ober¬ kieferzähne, sondern weil die vorderen Unterkieferzähne dichter gedrängt beisammen stehen. Wenden wir uns wieder zur Schnauzen -Oberfläche, so zeigt sich die seitliche Begrenzung (der Rand) ein wenig dachig abwärts geneigt, weil der Schnauzenrücken im Allgemeinen flach, nach Art des Schnauzenrückens der Phocaenen gebaut ist. — Diese flachgedrückte Schnauzenspitze setzt sich aus den: Zwischenkie f er n in der Mitte und den Oberkiefern an der Seite zusammen. Die Zwischenkieferknochen überragen vorn die Ober¬ kieferknochen, wie schon bemerkt, um etwa 9'" Länge und bilden somit die vorderste Spitze der Oberschnauze, ln der Gegend des 12ten Zahns verbreitern sich die mit ihren innern freien Rändern bis auf 2' " Distanz genäherten und parallel nebeneinander laufenden Zwischenkieferknochen auf 8"' und linker Seits auf 9'". Am Schnauzenrücken hin¬ aufsteigend verschmälern sich dieselben wieder auf 5"‘ Breite und bilden eine schmale seichte Längserhabenheit, mit wel¬ cher sie an den Oberkiefer angrenzen. In der Gegend des ersten Gefässloches verbreitern sich die nun mit einer promi¬ nentem Längsleiste versehenen Zwischenkiefer jedoch zu einer breitem Platte, so dass unterhalb der Spritzlöcher ein jeder Zwischenkieferknochen die Breite von 1 " 10'" besitzt. Die Platte verschmälert sich darauf, wendet sich um die Spritz¬ löcher aussen und steigt zu beiden Seiten derselben, bis zu den Nasenbeinen hinauf, an deren Aussengrenze sie endigen. Diese unter den Spritzlöchern befindliche schwach erhabene Verbreiterung trägt besonders zur Bildung des auffälligen dreieckigen Feldes des Schnauzenrückens bei, von wel¬ chem Liljeborg, Claudius u. A. reden. Die ganze Länge eines os inte rm axillare, von der Schnauzen spitze bis zu den Nasenbeinen, beträgt 13" 3'". Dieselbe Distanz bis zum untern Rande der Spritzlöcher beträgt 10" 10'". Die Oberkiefer, welche im Allgemeinen die Form einer langgestielten Platte besitzen, (dem Schläger beim Federball- 23 spiele ähnlich) liegen an der Aussenseite der Zwischenkiefer. — An dem vordersten stielförmigen Theile, kaum 6 — 7'" breit, verbreitern sich dieselben in der Gegend des hakenförmigen Stirnfortsatzes und zwar vor demselben auf die Breite von 1" 4'", dann in der Gegend des Fortsatzes selbst: 2" messend, erreichen sie in der Nähe der Nasenbeine die Breite von 3" 8"'. — Diese nach hinten, d. h. der Stirn zu sich so auf¬ fallend verbreiternden plattenförmigen Oberkieferknochen liegen innig den darunter befindlichen, ebenfalls abgeplatteten Stirn¬ beinen auf, die nur am Haken, ferner in der Gegend der Orbita und oberhalb der Nasenbeine in etwa 6'" Breite (von Oben gesehen) zur Ansicht gelangen. - Auf der Gaumen¬ fläche, nahe der vordem Insertion des os zygomaticum, be¬ trägt der Querdurchmesser 5". Die ossa nasal ia begrenzen die Spritzlöcher von der hintern Seite, legen sich an die hin¬ tere Grenze des vomer an, berühren aussen die ossa ma- xillaria und beinahe auch die intermaxillaria, zwei stark promi nir ende knorrenförmige Knochen bildend, deren gröss¬ ter Durchmesser von oben und innen, nach vorn und aussen liegt und etwa 2" 2‘“ beträgt, bei einer Breite von 10'". Die Spritz löc her verdanken ihre Existenz dem Vomer, der die Nashöhle in zwei Abtheilungen trennt; sie sind vorn und aussen von den ossa intermaxillaria, hinten von den Nasen¬ beinen begrenzt. Während beim Menschen und vielen Säugethierschädeln das Stirnbein einen Fortsatz besitzt, als dessen Fortsetzung das os zygomaticum sich einschaltet, um mit dem entsprechen¬ den Fortsatze des os temporum den Jochbogen zu bilden, besitzt das os zygomaticum der Delphine (ein langer, dünner, platter Knochen von 5" Länge) eine starke Verbreitung und Verdickung, die sich an die untere Fläche des Oberkiefers anlegt und nur dem flachen kleinen Thränenbeine so viel Raum lässt, um sich zwischen diese Platte des os zygomaticum und das Stirnbein zu schieben. Findet sich nun auch ein nach hinten und abwärts ge¬ richteter Stirnfortsatz am Stirnbeine und ein starker Fortsatz am os temporum, so schaltet sich doch das os zygomaticum als intercaler Knochen hier nicht ein, sondern die genannten 24 beiden Fortsätze selbst treffen sich entweder unmittelbar, oder mittelst einer mehr oder weniger breiten Knorpelausfüllung, um der S chläfen gr ub e zum unteren äusseren Abschlüsse zu dienen. Der übrige Theil des os temporum, an 2' lang, bildet die äussere ausgehöhlte Wand der Schläfengrube. Hinten und oben legt sich die ausgehöhlte Platte des Schläfen beins an das os occipitis und unten an das abgesondert auf¬ tretende os mastoideum. Dieser letztere Knochen trägt die Gelenkfläche für das Unterkiefergelenk und ist zugleich an denselben das os zygomaticum vorn und das o s petrosum hinten und innen angelegt. Der letztgenannte Knochen, von der Form eines Cypraea- Gehäuses , das 1 " 5"' lang ist, besitzt in seinem grössten Querdurchmesser 10‘" Breite, und bildet nach aussen und hinten einen grösseren stumpfen und nach innen einen schmaleren Fortsatz, während es sich nach vorn zu herzförmig zuspitzt. Die S e i t e n w an d b e i n e (ossa parietalia : s. bregmatis) sind so von dem Stirnbein und dem Oberkiefer bedeckt, dass sie nur oberhalb der Nasenbeine in 1"' Breite etwa zur An¬ sicht kommen und auch dort noch von einer quer über die Stirn hinziehenden Leiste von dem Schupp enthebe des Hin¬ terhauptbeins überragt werden. Das Hinterhauptsbein bildet den ganzen Hintertheil des Schädels , die 3. oben angedeutete Abtheilung , und ist sein vorderer grösster Rand durch die quer über den Schädel hinter den Nasenbeinen laufende crista scharf ausgesprochen; auf dem höchsten Punkte des Schädels stark gewölbt, biegt sich der Schuppentheil zu den Condylen herab. Die partes con- dyloideae und die pars basilaris des os occipitis sind durch Nähte nicht verbunden. Das ganze Hinterhauptsbein bildet nur einen, aber den grössesten Knochen des Schädels überhaupt. — Die doppelten Condylen zu beiden Seiten des foramen magnum haben einen längsten Durchmesser von 2" 2';/, wäh¬ rend das zwischen ihnen liegende foramen magnum V‘ 4'" im grössten Verticaldurchmesser und 1“ 3'" im grössten Quer¬ durchmesser besitzt. Die pars basilaris bildet eine mächtige muldenförmige 25 Aushöhlung auf der Schädelbasis. Auf ihr liegt nach vorn zu die verbreiterte Basalfläche des Vomer mit geradliniger hinterer Grenze auf. Von dieser Vomergrenze zum vorderen Rande des foramen magnum misst man 3" 9"'. Erwähnung verdienen schliesslich die ossa palatina, welche sich bei L. albirostris, Leucopleurus arcticus und Electra acuta sehr verschieden verhalten. — Beim albirostris legen sich die inneren eine ebene Fläche bildenden Flügel so nebeneinan¬ der, dass sie durch keinen tieferen Einschnitt von einander getrennt erscheinen; ihre freien unteren Ränder bilden eine Figur, wie sie unter Schriftstücke, als Zeichen des Abschlusses, sehr oft gemacht wird ( D- — Beim Leucopleurus sind die Flügel durch einen tiefen Einschnitt getrennt. Das os maxillare inferius anlangend, so besitzt dasselbe die Form einer Stimmgabel. Die beiden Hälften sind vorn nicht durch eine Naht verbunden. Die grösste Länge von der vorderen Spitze zur hinteren Fläche der Condylom beträgt 14". (Der in Lund aufbewahrte Unterkiefer ist 15f" lang.) Die Zahnreihe ist 6 ' 6’" lang. Die Zahl der den Oberkieferzähnen gleichgestalteten und gleich grossen Zähne beträgt links 24 (wie der Schädel in Bergen), rechts 26 (es gehen davon 4 auf den Zoll). Das Exemplar in Lund hat 26 und 27 Zähne, die Vordersten sind die kleinsten. — Der mit seiner Unterfläche behufs der Ermittelung der Höhendurchmesser auf eine ebene Tichplatte aufgelegte Unterkiefer besitzt seine grösste Höhe von 3" 2‘“ in der Gegend des pr. coronoideus; vorn hat er eine Höhe von 0,9'". Auf der hinteren inneren Fläche findet sich der weite Eingang zu einer Höhle für den Eintritt von Nerven und Ge- fässen von 4" 4"' Länge. Der Abstand der beiden Unterkieferäste in der Gegend derConrlvlen auf der inneren Fläche gemessen beträgt 5“ 9'". Die beiden pr. coronoidei stehen 6" auseinander. Die bei¬ den Unterkieferäste sind vorn in einer Erstreckung von 1" 9'" mit einander verbunden. 26 Die, wie schon oben angegeben, aus 89 event. 90 Wir¬ beln bestehende columma vertebralis setzt sich zusammen aus 7 Halswirbeln, 15 Rippenwirbeln, 25 Bauchwirbeln (ohne Rippen und untere Fortsätze), 30 Lendenwirbeln, die durch pr spin. inf. verbunden werden und 12 ev. 13 Schwanzwirbeln. 89 — 90 Wirbeln. Unter den Halswirbeln ist der Atlas der durch Grösse und Masse meist hervorragende Wirbel. Der grösste Durch¬ messer desselben schneidet rechtwinklig die Längsaxe der Wirbelsäule und beträgt 6". Der Rückenmarkkanal besitzt im Atlas einen senkrecht auf den Rückgratskanal gestellten Durchmesser von 1" und einen Querdurchmesser von 1" 6'". Den grossen schiefgestellten Condylen des Hinterhauptbeins entsprechen die grossen vorderen Articulationsflächen des Atlas, deren längster Durchmesser, in einer von aussen nach innen gerichteten Linie liegend, 2" 2"', deren Querdurchmesser, in der Mitte etwa, 0,11'" beträgt. Starke Querfortsätze ragen an den beiden Seiten des Atlas hervor; ebenso der nach hinten gerichtete proc. spinosus Su¬ perior. An die Hinterfläche des Atlas legt sich der Epistro- p h e u s und zwar derart mit demselben verwachsen an , dass man seine Anwesenheit nur aus der schmalen Furche zu bei¬ den Seiten der hinteren Atlasfläche zu ermitteln vermag. Kann man die Masse des Atlas (von vorn nach hinten ge¬ messen) auf 1" Dicke annehmen, so beträgt die des Epistro- pheus kaum 1 Linie! Auch besitzt derselbe kaum einen also benennbaren pr. transversus. Die vier sodann folgenden Halswirbel sind freie mit einem grossen centralen Loche versehene scheibe nförmige Knochen. Allesammt nehmen (von vorn nach hinten ge¬ messen) eine Dicke von 6 Linien ein. Man kann an den¬ selben ächte proc. transversi erkennen, welche vom arcus ver- tebrae ausgehen, während am Körper angewachsen, kleine plattenförmige Knochenstücke sich befinden, die an ihrem 27 vorderen Ende 2 — 3zähnig, etwa 3M lang und 2 — 3'" breit unvollständig ausgebildete Rippen -Anlagen , also Hals- rippen, darstellen. Der 7. Halswirbel ist nächst dem Atlas der kräftigste. Sein grösster Durchmesser (quer über den Medullarkanal vom freien Ende des pr. transversus rechter Seits zu dem linker Seits) beträgt 3 " 6'". Am Körper des 7. Halswirbels befin¬ det sich eine kleine Articulationsfläche zur Articulation mit dem capitidum der ersten Rippe, dessen tuberculum sich an den pr. transversus des ersten Brustwirbels anlegend, dort eine Gelenkt! äclie besitzt. An dem 7. Halswirbel erhebt sich auch zunächst wieder und zwar bis zu 3'' Höhe ein processus spinosus superior, während an den übrigen Halswirbeln an entsprechender Stelle nur kleine Tuberositäten erkennbar sind. Der Rippentragenden Brustwirbel finden sich 15. An ihnen zeichnen sich die processus spinosi superiores, so wie die processus laterales (wie sie Claudius 1. c. pag. 12. nennt) besonders aus, welche als eigenthümlich gestaltete Aequivalente der pr. obliqui anzusehen sind. Diese an der Wurzel der Wirbelbogen befindlichen, mit einer freien stumpfen Spitze nach vorn gerichteten und auf den vorhergehenden proc. spin. reitenden Fortsätze er¬ heben sich mit dem oben seitlich comprimirten Wirbelbogen der Art, dass sie sich schon bei dem 15. Rückenwirbel in J der Länge des proc. spinosus und an den Lumbarwirbeln, na¬ mentlich in der Gegend wo das Becken sich befindet, in nicht allzu weiter Entfernung von der freien Spitze des pr. spinosus finden. Die einem proc. uncinatus der Vögel gleichenden, spitzen, nach vorn gerichteten Fortsätze werden bei den Bauch¬ wirbeln auf eine doppelte Protuberanz reducirt, die den vor¬ gehenden pr. spinosus nicht mehr erreichen. Auf der beigegebenen Figur des ganzen Skeletts ist die Linie sehr leicht zu verfolgen, welche durch diese processus laterales entsteht. Sie beginnt über dem Schulterblatt, erhebt sich in der Region der Rippen und erreicht bei den mittleren Bauchwirbeln ihren höchsten Abstand von den Wirbelkörpern, 28 um dann allmählig mit den letzten Lumbarwirbeln sieh abwärts neigend, dicht vor den Sch wanzwirbeln zu enden. Die processus spinosi superiores, am ersten Brustwirbel 1 " lang, erheben sich bis zum 15. zu einer Höhe von 3" ohne arcus, dagegen mit dem arcus gemessen zu 4" 9"'. — Die processus capitulares*) (gewöhnlich transversi genannt) der Brustwirbel nehmen vom 1. ab ebenfalls an Länge der Art zu, dass sie vom 1. Brustwirbel wo sie 1 " Länge erreichen, beim 15. schon 3" 9'" Länge besitzen. Bei den Bauch- und Lendenwirbeln nimmt der arcus, welcher den canalis vertebralis bildet, durch eine seitliche Compression der Bogen -Schenkel, eine fast dreieckige Figur an, die Basis des Dreiecks liegt auf dem Wirbelkörper, die beiden verlängerten Bogenschenkel bilden die langgezogene Spitze des Dreiecks. — Durch diese eigenthlimliche Form des Bogens erheben sich die processus spinosi in der Gegend des 6. Bauchwirbels auf 5" Höhe (11 Centimeter, bei dem Kieler Thiere 0,12 Centim.). Allmählig verkürzen sich die proc. spin. sup. z. B. in der Gegend derjenigen Lumbarwirbel, die durch proc. spin. inferiores verbunden sind, bis auf 3" 9'", um end¬ lich auf den letzten Lumbarwirbeln ganz zu verschwinden. Was nun diejenigen Lumbarwirbel betrifft, welche durch stimmgabelartig gestaltete processus spinosi inferiores verbun¬ den sind, so nimmt es, wenn man, zumal die letzten, vor den Schwanz wirb ein in Betracht zieht, den Anschein, als ob der Wirbelkörper wesentlich zugenommen habe. Allein es ist dies in der That nicht der Fall ; es nehmen vielmehr nur die zuvor so stark hervortretenden proc. spin. superiores ab und so erscheint der Wirbelkörper relativ grösser. Der Längsdurchmesser dieser Wirbelkörper beträgt meistens 2" und etwas darüber, nur der letzte derartige Lumbarwirbel, welcher an den ersten Schwanzwirbel grenzt, hat einen kür¬ zeren Durchmesser (1" 5'"). Die unteren Apophysen (gewöhnlich processus spinosi inferiores genannt) anlangend, jene Reihe von den Cetaceen *) cf. Mittheilungen der naturw. Ges. v. n Neuvorpommern u. Eugen, Heft V u. VI, pag. 77. Taf I, Fig. 2a und 4. ß. 29 so eigenthümlichen freien Knochen von der Form einer Vogel- Furcula, oder p. p. einer Stimmgabel, so finden sich deren 29. Zwischen dem 47sten lind 48sten Wirbel (Claudius 1. c. p. 12 lässt sie beim 45sten beginnen), vom Atlas an gezählt, heften sie sich durch Bänder an je 2 Wirbelkörper. Anfangs klein und seitlich stark comprimirt, von 4"' Breite und 6"' Länge* stellen sie einfache Knochenplatten dar, die erst mit dem 6ten zu einem Gabel (furcula)-Knochen sich gestalten, und in dieser Gestalt eine Länge bis zu 2" 3‘“ erreichen. Der über die Schenkel des furcula-förmigen Theiles der Apophysen hinaus zum eigentlichen processus spinosus inferior sich ent¬ wickelnde Theil, erlangt eine grösste Länge von 1" in der Gegend der löten Apophyse, sinkt von da ab jedoch wieder und ist bei der 24sten und 25sten Apophyse auf 6"' reducirt, während deren Schenkel selbst nur noch 3"' lang, aber doch noch 6'" breit sind. Die Körper der ersten Schwanzwirbel anfangs V 3'“ und 6"' dick (in der Linie von vorn nach hinten gemessen), während der Querdurchmesser 1" 6"' beträgt, tragen weder oben einen arcus, noch einen processus spinosus superior, noch sind sie unten durch Apophysen verbunden. Das Rückenmark existirt hier also nicht mehr, denn es ist von oben von keiner Knochendecke mehr geschützt. — Der Dicken¬ durchmesser wird abnehmend geringer 5'", 4"', 3"' bis 2'" beim letzten vorhandenen Schwanzwirbel. Die Schwanzwirbel 4, 5, 6, 7 und 8 nehmen fast die Form eines Rhombus an, ja sind beinahe quadratisch. Die Ecken schwinden indessen zuletzt auch und so reduciren sich die Schwanzwirbel auf comprimirt-rhombisch gestaltete Knochenplatten. Auf den geradlinigen oberen Kanten dieser Schwanzwirbel befinden sich grössere Löcher rechts und links in der Nähe jeder Ecke, wie deren auch auf den mit Apophysen versehe¬ nen Lumbarwirbeln Vorkommen, nur dass sie dort der Wurzel des arcus der pr. spin. sup. näher oder ferner sich auf dem Wirbelkörper befinden. Rippen besitzt der Lagcnorhynchus albirostris 15 Paare, wahrscheinlich 6 Paar falsche, und 9 Paar wahre! Wahrscheinlicherweise ist der Sternocostal-Knochen der 30 linksseitigen 9ten Rippe bei der Maceration verloren gegangen; diesem Umstande ist es znznschreiben, dass Verf. die Frage nach der Zahl der wahren und falschen Rippen unentschieden lassen muss. Claudius drückt sich über diese Frage sehr diplomatisch aus, indem er anfänglich nur 5 Paar wahre Rippen zugiebt, dann aber hinzufügt, dass auch die 6te und 7te das sternum durch ihre Sternocostalknochen erreichen. Im Greifswalder Skelette erreichen die Sternocostalknochen von 9 Rippen der rechten Seite die Gegend, wo das kleinste letzte Sternalknochenstück liegen musste. Das erste Rippenpaar ist breiter und dicker als alle übri¬ gen*). Die Länge desselben vom capitulum zur Sternocostal- knochengrenze beträgt 5" 3'" (in gerader Linie gemessen). Auf der äusseren Curvatur 9", auf der inneren Curvatur 7", bei einer Breite von 11"' und Dicke von 3'". Das zweite Rippenpaar ergab folgende Dimensionen: innere Curvatur (im Bogen gemessen) 11", äussere „ ( „ ,, „ ) 13" 9'". (Der Sternocostalknochen hatte eine Länge von 4" und ebenso die der Mehrzahl; nur der 6te niaass 6" und der 7te 5" 3"). Das dritte Rippenpaar und so die Mehrzahl der folgenden bis zum 13ten waren nahezu gleich dick (3'") und meist 18" auf der äusseren Curvatur lang. Die 15te maass nur noch 9". Am Sternalende verbreitern sich die Rippen ein wenig. An jedem der 6 ersten Rippenpaare findet sich ein capitulum und ein tuberculum ; beide durch deu Hals ge¬ trennt, der bis 1" Länge erreicht. Das capitulum legt sich an den Körper je eines und zwar des vorhergehenden Wir¬ bels an, das tuberculum an den processus transversus des nächstfolgenden Wirbels. Vom pr. transversus des 7ten Brust¬ wirbels erstreckt sich eine zugespitzte Prolongation nach dem 6ten Wirbelkörper zu, erreicht diesen jedoch nicht und besitzt somit das 7te Rippenpaar kein capitulum und kein collum mehr. *) Im hiesigen Skelette fehlen die Sternocostalknochen dieses ersten Rippenpaares ! 31 Von der 8ten Rippe bis zur 15. fehlt jede derartige Ver¬ längerung vom tuberculum aus und alle diese Rippen setzen sich mit ihrem verkümmerten oberen Ende (dem Vertebral- theile) nunmehr allein an den entsprechenden processus capi- tularis, den man schlechthin und gewöhnlich „processus trans- versus" zu nennen pflegt (cf. Mittheilungen aus dem naturw. Verein für Neuvorpommern und Rügen. Berlin 1873/74. Heft V und VI. pag. 50, wo die weitere Begründung dieser Bezeichnung ausführlich auseinander gesetzt worden ist). Am Brustbeine (sternum), so wie es am Skelette sich befindet, lassen sich 3 Abtheilungen unterscheiden (an dem Kopenhagener, freilich event. dem leucopleurus angehörenden, Skelette waren es 4 wohl unterscheidbare Stücke). Bas oberste Stück (manubrium Storni) ist im Sinne der botanischen Ter¬ minologie am freien oberen oder vorderen Rande herzförmig gestaltet. An seiner Basis mit dem 2ten Sternalgliede durch eine Naht verbunden, ist es fast horizontal abgeschnitten und daselbst 2" breit. Am entgegengesetzten , vorderen freien Rande befindet sich ein tiefer herzförmiger Ausschnitt. Von der Basallinie bis zum tiefsten Punkte des Ausschnittes misst das manubrium in der Längsaxe : 1" 9"'. — Die beiden vorderen Lappen zu beiden Seiten des Ausschnittes sind nahezu 1" 6'" lang und jeder lobus 1" breit, wahrscheinlich sitzen an denselben vorn die Sternocostalknochen des lsten Rippenpaars. — Unterhalb der Spitze der lobi ist das manu- brium seitlich ausgerandet und sitzt an demselben jederseits der Sternocostalknochen dos 2ten Rippenpaars. Seitlich nach nichts und links erstreckt sich von der Insertionsstelle des lsten Rippenpaars ein breiter stumpfer, nach aussen gerichteter Fortsatz. — Die beiden folgenden Stücke des Brustbeins, jedes einer Sanduhr gleichend, sind oben und unten gerad¬ linig begrenzt und besitzen ebenfalls tiefe seitliche Buchten. Ihr Längsdurchmesser beträgt 2" 6'". Der Querdurchmesser im Centrum der seitlichen Ausbuchtungen 1". An der Verbindungsnaht des 2ten Sternalknochens mit dem manubrium setzt sich das 3te Rippen paar mit seinem Sternocostalknochen an. Ebenso an der Vereinigungsstelle des 2ten und 3ten Stückes des sternums: die Sternocostal- 32 knoclien des 4ten Rippenpaars. Für die Sternocostalknochen des 5ten Rippenpaars findet sich an der hinteren Ecke des 3ten Sternalknochenstückes ein seitlicher Randau sscbnitt. Am Greifswalder Skelette fehlt das 4te Sternalknochenstück, welches, wenn auch sehr viel kürzer als die übrigen, doch an dem Ivopenhagener Exemplare *) conservirt und deutlich unter¬ scheidbar war. Es bleibt noch festzustellen , wie viel Rippenpaare sich an dies 4te Stern alknochenstück mit ihren Sternocostalstücken anlegen , um darnach sicher bestimmen zu können , wie viel wahre und wie viel falsche Rippen dem Lagen orlivnchus albirostris Gr. zuzuertheilen sind. Leider fehlen auch die Sternocostalstücke des ersten Rippenpaars, so dass nur aus Analogie gefolgert werden kann, wo sich dasselbe am manubrium ansetzt. Unter den Anhangsknochen verdient der zu beiden Seiten der Schädelbasis an der unteren Fläche der ossa temporum befestigte Zungenbeinapparat zunächst genannt zu wer¬ den. An jedem Schläfenbein ist ein etwa 4" langes und 9"' breites, fast prismatisch gestaltetes langgestrecktes Knochen¬ stück befestigt, das durch zwei etwa 2'' lange Bänder mit einem schief viereckig-geformten Mittelstücke in Verbindung steht, welches an seinen unteren äusseren Winkeln zwei durch Knorpel damit verbundene plattgedrückte langgestreckte Kno¬ chenstücke trägt. Der mittlere Theil dieses unteren schief viereckig-geformten Stückes ist an der Basis etwa 2" breit, 1" 7"' lang (von vorn nach hinten gemessen), plattgedrückt und besitzt zwischen den oberen Ecken der Anheftungsstellen der beiden Bänder einen kleinen seichten Randausschnitt von 6'". - Als Anhangsknochen an dieses Mitteltheil legen sich nach aussen an den unteren Ecken zwei langgestreckte Knochen¬ stücke von 2" 9'" Länge und 10'" Breite, die sich an ihrem freien, nach aitssen gerichteten Ende auf 6"' verschmälern. Von den beiden Extremitätengtirteln ist der hintere, das Becken, wenn auch nicht ganz, wie die hinteren Extremi- *) welches man seiner geringeren Wirbelzahl willen freilich eher von einem Leucopleurus arcticus entnommen ansehen möchte. 33 täten, so doch auf ein Minimum von 2 freien langgestreckten Knochen reducirt, die zu beiden Seiten der Geschlechtsspalte in den Weichtheilen derselben eingebettet liegen, da wo sich die Zitzen finden. Diese rudimentären Beckenknochen des Greifswalder Thieres besitzen eine Länge von 3" 9'", eine Dicke von 1'" und sind an ihrem vorderen Ende 5'", an ihrem hinteren Ende 3"' breit. Tollständiger als der hintere Extremitätengürtel ist der vordere insofern, als wenigstens das Schulterblatt (sca- pula) sehr vollständig ausgebildet ist, während freilich weder von einer clavicula, noch einer furcula, noch auch einem os coracoideum die Rede sein kann. Die scapula aber gleicht einem Dreiecke mit einem am Aeromialende befindlichen fast rechten Winkel und einer Bogenlinie, die diesem Winkel gegenüber liegt. Diese bogige obere Randlinie misst in der Krümmung 11" 9"', während die gerade Linie von der oberen hinteren zur oberen vordersten Spitze (den Endpunkten jener Bogen¬ linie) 9" 3"' beträgt. Ton der Gelenkhöhle der scapula bis zum bogigen oberen Rande misst man 6" 6'". Auf der äusseren Fläche des Schulterblattes erkennt man von dem Glenoidalrande des Acromions strahlig in die flache Platte hinaufsteigende und dort sich allmählig verlierende Längsleisten, die sich zwar wenig über das Planum erheben, doch aber deutlicher markirt sind, als cs die Abbildung erweist. Am augenfälligsten ist die spina scapulae, dicht am vor¬ deren Rande der scapula ; obschon sie sich in etwa 2" Ent¬ fernung von dem oberen bogigen Rande ebenfalls in der oberen äusseren Fläche der scapula verliert. An der Basis dagegen, in der Nähe des Acromions tritt die spina auf 4'" Höhe aus dem Planum der Scapularebene heraus und trägt den breiten, nach vorn gerichteten Scapularfortsatz von 2" 9'" Länge und unter diesem, dem Acromion genäherter: den Acrom ialfoitsatz von zwar geringerer Länge 1" 6'", aber soli¬ derer Beschaffenheit. Der Oberarmknochen (os humeri) ist ein kurzer dicker Mitth. a. d. naturw. Verein v. Neuvurp. u. liügen. VIII. 3 34 Knochen von 2" 6'" Länge, 2“ 2‘“ Qnerbreite und 2“ 3"' Dicke. Der kräftige kugelig abgerundete Gelenkhöcker arti- culirt in dem ausgehöhlten Acromium der fossa glenoidalis. Während dicht am Gelenkhöcker sich eine frei vorstehende nach oben und aussen gerichtete massige Protuberanz zeigt, verflacht sich der Oberarm abwärts ein wenig und besitzt dicht vor der Articulation mit radius und ulna eine grösste Querbreite von 2 “ 2‘“. Der Unterarm, aus ulna und radius bestehend, verhält sich insofern umgekehrt wie beim Menschen, dass der ra¬ dius: der grössere, die ulna: der kleinere Knochen des¬ selben ist. Der radius von 4" Länge, unten 2", oben l'; 3'" breit, stellt einen plattgedrückten länglich-viereckigen Knochen dar, der an seinem oberen Ende mit einem Theile des Gelenk¬ kopfes des Oberarms, unten mit den Handwurzelknochen des Daumens, Zeigefingers und 3ten Fingers articulirt. Die ulna dagegen ist ein länglicher, ebenfalls platt¬ gedrückter Knochen, der in seinem längsten schiefen Durch¬ messer (von innen und oben nach aussen und unten zu) 3" 6'" Länge besitzt. Während ihr dem radius zugewandter innerer Rand sich nur schwach gebogen zeigt und dem Aussenrande des radius parallel läuft, ist der äussere freie Rand sehr ab¬ weichend geformt. Oben dicht unter der Gelenkfläche besitzt er einen starken hakenförmigen Fortsatz, der sich nach aussen wendet. In Folge dieses hakenförmigen Y orsprungs erscheint der Aussenrand der ulna tief ausgebuchtet; auch der untere, mit den Handwurzelknochen articulirende Theil der ulna springt wieder nach aussen vor und bildet einen stumpfen Fortsatz. Das obere etwa 1" 6;" breite Ende der ulna articulirt mit einem Theile des untern Gelenkkopfes des Oberarms, der untere Theil derselben, von etwa 1'' 5"' Breite, articulirt mit den Handwurzelknochen des 3ten 4ten und 5ten Fingers. Zwischen den Phalangen der fünf Finger liegen fünf, theils pentaedrische, tlieils dreieckige, tlieils unregelmässig ge¬ staltete plattgedrückte Knochen, die Handwurzelknochen. Das os radiale primum, oben an den radius, unten 35 an die phalanx des Daumes, das os metacarpale digiti secundi und das radiale secundum grenzend, ist nahezu pentaedrisch geformt. Das radiale secundum, ebenfalls oben an den radius, nach vorn und aussen an das radiale primum, nach unten an das metacarpale digiti secundi u n d das metacarpale digiti tertii und nach hinten und aussen an das radio-ulnare angren¬ zend, stellt einen mehreckigen, fast pentaedrischen platten¬ förmigen Knochen dar. Das radio- ulnare grenzt oben einerseits an die äussere Ecke der Basis des radius und an die innere Ecke der Ulnar¬ basis, ganz nach aussen an das ulnare und unten an das metacarpo-carpale ; seine Form ist schief-rhombisch. Das ulnare, nahezu dreieckig, grenzt oben an den gros¬ sem Theil der Ulnarbasis, nach aussen an das metacarpale digiti quinti, nach unten und innen an das metacarpale digiti quarti und an das radio-ulnare. Das m e t a c a rp o - u 1 n a re endlich grenzt oben und aussen an das ulnare, oben und innen an das radio-ulnare ; unten an die metacarpalia digiti tertii und quarti. Als Mittelhandknochen lassen sich mit Sicherheit nur 3, möglicherweise 4 Knochenstücke deuten. Der D au m e n hat entweder keinen Mittelhandknochen oder das, was man Daumen nennen kann, ist selbst Mittelhand¬ knochen. Denn es findet sich daselbst nur ein einziger, vorn sich verjüngender, fast runder, langgestreckter Knochen. Am Zeigefinger, Mittel- und Vierten Finger sind die flachgedrückten, länglich - viereckigen Mittelhand¬ knochen durch grössere Länge angedeutet. An das metacar¬ pale des Zeigefingers reihen sich 8 flachgedrückte durch je 2 Knochen scheiben getrennte länglich-viereckige Knochen an, die in allen Dimensionen nach der Fingerspitze zu ab¬ nehmen. (Claudius giebt 9 Phalangen für den Zeigefinger an, scheint also entweder das metacarpale zu den Phalangen ziehen zu müssen, oder dem Greifswalder Skelette fehlt eine kleine Phalanx. Der dritte oder Mittelfinger sotzt sich, an demselben Skc- 3* 36 lett, aus 5 Phalanzen zusammen, welche sich an das ziemlich starke metacarpale anreihen. Der vierte Finger enthält ausser dem metacarpale nur noch 2 Phalangen von etwas unregelmässiger Form. Am füllten Finger fehlt das metacarpale entweder von Haus aus, oder es ist ausser demselben nur noch eine Pha¬ lanx vorhanden; event. also 2 Phalangen. Sclilussbemerkungeii. Als Resultate der vorstehend detaillirten Beobachtungen und Messungen ergiebt sich, dass: 1 . der L a g e n o r h y n cli u s aibirostris Gray (Supple ment to the catalogue of seals and whales in the british mu- seum. London 1871. 8. p. 79) im Jahre 1852 und 1874 in der Ostsee gefangen worden ist und in einer Fauna deutscher Wirbeltliiere einen Platz verdient. Derselbe 25. 25. besitzt 88—90 Wirbel und ein Zahnsvstem . . — 26. 24. (26. 27.), von denen 4 auf den Zoll gehen. (Das Kopen- 23. 23. hagener Exemplar Die Rückenflosse befindet 9 sich hinter der Körpermitte. Hierzu muss wohl der D. Ibseni Eschr. (Kgl. danske vid. sebikab afhandl. Bd. XII. p. 297) gezogen werden, der Leucopleurus Gray (1. c, pag. 78) synonym dem Lagenorhvnehus leucopleurus Gr. mit 81—82 Wirbeln und 30. 30. 30. 30. Zähnen, von denen 5 auf den Zoll gehen und dessen Rückenflosse in der Körpermitte; — ebenfalls den nördlichen Meeren angehörig, in dem Ostseebecken anscheinend noch nicht gefangen, ist nicht identisch mit der: 3. Electra acuta Gray (1. c. pag. 76 und Catalogue of the british museuni (2. Ausgabe). London 1866. pag. 270), welche Schlegel i. J. 1841 in seinen Abhandlungen pag. 23 mit dem Namen Delphinus Eschrichtii belegte. Derselbe gehört ebenfalls dem Nordmeere an, 37 4. 5. ist aber im Ostseebecken nicht vorgekommen, wie es aus der Aufnahme desselben unter die Wirbelthiere Deutsch¬ lands durch Blasius den Anschein haben könnte. Die¬ ser Schnabeldelphin besitzt 80 — 81 Wirbel und Zähne, von denen 6 auf den Zoll gehen. Nach Lilje- borg (1. c. pag. 9) q-i ~q^.~ -• Nach Schlegel 33—35. Das Kopenhagener . Die Rückenflosse befindet O ( • Ol. sich am Ende des ersten Drittheils des Körpers, dass demnach die von Claudius (Diss. de Lagenor- hynchis. Kiliae 1853. 4. p. 4) noch festgehaltene Iden- tificimng des D. acutus Gr. und leucopleurus Rasch keine genügende Begründung und Rechtfertigung besitzt; wie sich ausserdem auch aus den beiden neueren Ab¬ bildungen von Duguid in den Annals of nat. hist. 3. series. Tom. XI\r. Fab. 111. und der von Poelmann im Bull, de l’acad. rog. de Belgique Tom. XVII. 2. Serie. 1864. pag. 604. c. tab. col. ergiebt. Unter den vier ausführlicher beschriebenen Exemplaren ist das Greifswalder Weibchen das kleinste. Es hatte 2,27 M. Länge; das van Beneden’sche 2,33 ; das Briglit- welTsche 2,49 und die beiden Kieler Exemplare 2,91 und 2,99. — Unter Beachtung dieses Umstandes werden die Abweichungen in den Maassangaben leicht erklär¬ lich. Z. B. giebt Claudius die Länge der Mundspalte zu 0,27 und 0,26, Brightwell zu 0,24 an; beim Greifs¬ walder betrug sie 0,25 M. — Während die Schwanzbreite der Kieler männlichen Thiere 0,80 M. maass, betrug sie bei dem Greifswalder jüngeren Weibchen nur 0,75 M. Dagegen liegt die Geschlechtsspalte beim Weibchen 1,51 M. von der Schnauzenspitze entfernt, beim Männ¬ chen nur 1,48 M. 38 Erklärung der beigegebenen Tafel *). Die oberste Eigur stellt den frischen Lagenorhvnchus albi- rostris Gr. von der rechten Seite dar. Die darunter befindliche Figur stellt dasselbe Thier von der Bauchfläche dar. * Die unterste Figur giebt die Ansicht des Skelettes und zwar von der rechten Seite, inclusive der Stützen für das Skelett. Zur Rechten von diesen 3 Habitusfiguren befindet sich zuoberst die Ansicht des Schädels von der oberen Seite. Unter dieser Figur ist der auf einer Tischplatte auf¬ liegende Schädel und zwar von der linken Seite dargestellt. Yom Zungenbeine ist nur ein kleines Stück erkennbar. Im Texte finden sich die näheren Detail-Angaben. *) Bei Anfertigung der photolithographischen Tafel ist leider die Nummerirung der Figuren unterblieben. Ueber zwei an den Stränden Rügens vor- gekommene Schwertfische (Xiphias gladius L.) von Prof. Dr. Julius Münter. Yeranlasste mich eine in den Circularen des Deutschen F i s c h e r e i - Y e r e i n s *) veröffentlichte systematische Zusam¬ menstellung der in den süssen und salzigen Gewässern Neu- vorpommerns und Rügens beobachteten Fische zu einer kurzen Hinweisung auf einige im betr. Bezirke vorgekommene Schwertfische, so bot doch das Journal selbst, in welchem jene Notiz Platz fand, noch auch der ganze Tenor des 1. c. publicirten Beitrags zur Kenntniss der ichthyologischen Fauna Pommerns genügende Gelegenheit, sich ausführlicher über Schwertfische der Ostsee zu verbreiten. — An und für sich sind dieselben, ebensowenig wie Delphine, constante Be¬ wohner der Ostsee; sie kommen vielmehr nur ab und zu in dieselbe und laufen nicht allzu selten auf den flachen sandi¬ gen Stränden (dem Schaar) sich fest. So berichtet bereits Walbaum im 10. Bande der Ber¬ liner Sammlungen p. 70 von zwei bei Lübeck vorgekommenen Fällen. Schoo ne ve lde berichtet über einen am Mecklen- *) Circular No. 1. 1871. 4. p. 17. 40 burger Strande vorgekommenen Schwertfisch von 11' Länge. — Der Greifs walder Kölpin beschreibt in den Stockholmer Schriften einen im Jahre 1764 vorgekommenen Fisch, welcher 4000 Pfund gewogen haben soll und kennt ausserdem 3 an¬ dere Strandungen ausgewachsener Thiere gleicher Art. — Im Oc-tober 1876 wurde bei Colberg ein Schwertfisch die Beute dortiger Fischer und hofft man das Thier den dortigen Samm¬ lungen einzuverleiben . Wulff, Klein und H a r t m a n n er¬ wähnen des Vorkommens derartiger Fische an Stränden bei Danzig und Pillau und sicherlich wäre bei genaueren Nach¬ forschungen noch eine Reihe von Individuen namhaft zu machen, die gelegentlich an den deutschen Ostseeküsten gefangen oder gefunden wurden. Auch dem Verf. d. Z. sind zwei frische Thiere zuge¬ gangen, über welche er einige Messungen mitzutheilen im Stande ist. Der Schwertfisch (Xiphias gladius L.) zur Gruppe der Scomberoiden (Xiphioiden) gehörig, besitzt gewöhnlich eine grosse vordere Rückenflosse, die wie die Afterflosse vorn und hinten niedriger, in der Mitte aber wesentlich höher ist. Bei alten Thieren sah aber schon Cu vier*) den Mitteltheil schwinden, so dass dadurch zwei gesonderte Rücken- und zwei gesonderte Afterflossen gebildet werden. Die zweite Rücken- und Afterflosse sitzt dicht vor der Schwanzflosse. Das Flossensystem beträgt nach denselben Autoren B. 7. D. 3/40 a. 2/15 C. 17. P. 16. Bauchflossen fehlen ganz. An den Seiten des Hinter¬ leibes, dicht vor dem Schwänze befinden sich knorplich-häutige Leisten. Der Oberkiefer verlängert sich zu einer schwert¬ förmigen Spitze, die von oben und unten comprimirt erschei¬ nend, sich auf 2 1/2I Länge entwickeln kann. Das Erste dem Verf. d. Z. in frischem Zustande zuge¬ gangene Thier wurde am 8. September 1861 am Mönchguter Strande gefangen und vom verst. Fürsten Malte -Putbus dem Greifswalder Museum mit der Maasgabe übersandt, dasselbe abzubalgen und den naturgemäss präparirten Balg dem Put- *) Cu vier & Valenciennes VIII. p. 262 (Tab. 225 u. 226.) 41 buser Pädagogium als Unterrichtsmaterial zuzusenden. Am 11. September langte der Fisch im Museum an und konnten an demselben folgende Maassverhältnisse festgestellt werden. 3'' 5"' 6 m Totallänge von der schwertförmigen Oberkie¬ ferspitze bis zum mittleren Schwanzeinschnitte 1‘ 11" — Von derselben Oberkiefer spitze bis zum vor¬ dem Augenrande . . 2' 10" — Von der Unterkiefer spitze zum Mundwinkel — ' 9" ■ — Von dem Mundwinkel zum Augenhöhlenrande — ' 2" — Der Oberkiefer ragte über den Unterkiefer hinaus . . . 2' 5" 6"' Breite des Oberkiefers in der Gegend der Un¬ terkieferspitze . Grösster Höhendurchmesser des Kopfes in der Hinterhauptsgegend (von der Schädelfirste zur Basis des Kiemendeckels) . — ' 10" Querdurchmesser des Kopfes durch die Augen, vom Augenhöhlenrande rechterseits bis dahin linkerseits . . Vom hintern Augenhöhlenrande bis zum Bande des Kiemendeckels . . — 1 Querdurchmesser der verknöcherten Scerotical- kapsel . - — ■ 3" 2"' Querdurchmosser der Cornea .... Längsdurchmesser des Auges von der Cornea- Wölbung bis zur Insertion des nervus opticus — ' 2" Länge der Brustflossen, am vordem Bande ge¬ messen . V Breite der Brustflossen an der Wurzel .... — ' Höhe der hintern, auf 8"' Länge inserirten Rückenflosse*) . — ' Höhe der vordem Afterflosse, am vordem Bande gemessen . — 1 8" 2'" o — ' 9 m ui 1" 9 1" 4" Ul Ul lll Ul O // _ Ul *) Die Höhe der vorderen Rückenflosse, welche von der hinteren weit gesondert ist , konnte nicht gemessen werden , weil sie in der Mitte abgebrochen war. 42 Abstand der beiden äussersten Schwanzflossen¬ spitzen . . 2‘ — “ — Abstand der hervorragendsten Punkte der bei¬ derseits vor dem Schwänze befindlichen Lei¬ sten von einander ... . — '9" — Abstand des hintern Knorpelleistenrandes von der Mitte des Schwanzflossenrandes . — ' 5" 5"' Aus dem Vorkommen der völlig gesondert - auftretenden Rücken- und Afterflossen geht hervor, dass das fast 8' lange Exemplar jedenfalls schon zu den älteren Thieren seiner Art gehören musste. Ein zweites Exemplar eines Schwertfisches wurde dem zoologischen Museum der Kgl. Universität Greifswald am 25. September 1876 durch Vermittelung des Königl. Oberfisch¬ meisters Herrn Je seriell durch den Königl. Oberförster Herrn Pa v eit in Werder zugeführt. Aus den Mittheilungen desselben geht hervor, dass der Kisch am 22. September bei der sogenannten Bläse, unweit Sassnitz, d. h. am fiscalischen Strande der Stubbnitz auf Rügen, todt aufgefunden worden ist. Dank der gütigen Fürsorge der genannten beiden Herren langte der Schwertfisch bereits am 25. September in Greifswald an und konnte, da eine eigent¬ liche Maceration der Haut noch nicht eingetreten war, nach Feststellung der nachfolgenden Maasse sofort abgebalgt und ausgestopft werden, so dass er fortan neben einem ältern in den 30er Jahren an der Peenemündung gefangenen grossem Thiere ein bleibender Bestandteil der academischen Samm¬ lungen sein kann. Dieses letzthin eingegangene Individuum war bedeutend kleiner, also jünger, aber ungewöhnlich fett; welchem Geschlecht dasselbe angehörte, liess sich nicht bestimmen, da dasselbe bereits an der Fangstätte ausgeweidet war. Die Totallänge von der Oberkieferspitze zur Schwanzmitte betrug . 5' 2" — Von der Oberkieferspitze zum vordem Augen¬ rande P 9" 3'" 43 Von der Oberkieferspitze zur Basis der Rücken¬ flosse .... ........ .. Von der Unterkieferspitze zum Mundwinkel Vom Mundwinkel zum Augenhöhlenrande . . Die Oberkieferspitze überragte die Unterkiefer¬ spitze um . Breite des Oberkiefers in der Gegend der Unter¬ kieferspitze . Grösster Höhendurchmesser des Kopfes in der Hinterhauptsgegend . Grösster Querdurchmesser des Kopfes durch die Augen . Distanz vom hintern Augenhöhlenrande bis zum freien hintern Rande des Kiemendeckels . . Querdurchmesser der knöchernen Scerotialkapsel Querdurchmesser der Cornea . Länge der Brustflosse am vordem Rande, von der Basis zur Spitze gemessen . Breite der Brustflosse an der Insertionsstelle . Höhe der vordem Rückenflosse . Höhe der hintern Rückenflosse . Länge der Insertion der vordem Rückenflosse Länge der Insertion der hintern Rückenflosse Distanz der beiden entferntesten Spitzen der Schwanzflosse . Höhe der vordem Abtheilung der Afterflosse . Die Insertionsstelle derselben betrug .... Länge der hintern Afterflosse . Die Insertionsstelle derselben . ... Abstand der äussersten freien Ränder der knor¬ peligen Schwanzleisten . Vom hintern Rande der Schwanzloisten zur Mitte dos Schwanzflossenrandes . 2' 2“ 9"' _ i 7" _/// _ t 2" _ ui V 5" _ ui i 2 " tr)lU i 7" _ III _ i 3" 5'" / 6" Olii t 2" _ in / 1" 6"* / 9" 9"' _ / 1" 10"' _ i 11" 5"' i 2“ _ m _ 1 5" _ ui 1 _ u 11'" V 3" m 1 6" 9'" 1 4" _ in _l 1" 6"' _l ii 6'" _ i 5" 3"' I 4 U _ III Beim Wachsthum eines Schwertfisches von etwas mehr als 5‘ Länge (wie sie der jüngsthin Acquirirte besass) zu einer 44 Länge von fast 8', beträgt, wie aus den vorstehenden Mes¬ sungen liervorgelit, die Längenzu nähme des schwertförmi¬ gen Oberkiefers allein ein volles D r it t h e i 1. Die Schwanz¬ flossenspitzen entfernen sich um 9 Zoll ; der Höhendurchmesser des Schädels um Sl/2 Zoll. — Die Brustflossen verlängern sich dagegen nur um 3 Zoll. Ueber den gemeinen Kukuk (Cuculus canorus L.) von Ludwig Holtz. Der Kukuk ist nicht allein für die Vogelkundigen und Laien des Alterthums stets eine interessante, räthselhafte Er¬ scheinung gewesen, sondern ist es auch zu allen Zeiten und an allen Orten seines Vorkommens bis auf die Jetztzeit ver¬ blieben; und das Mythenhafte, welches die Völker des Alter¬ thums ihm angedichtet, hat sich im Volksmunde bis auf den heutigen Tag erhalten. Bald hat er als wahrsagender Prophet gegolten, der durch seinen wiederholten Kukuksruf anzeigen soll, wie viele Jahre man noch zu leben, wie viele Jahre das Mädchen noch auf einen Mann zu warten hat, bald soll sein Speichel giftig sein und sollen sich aus demselben Insecten entwickeln; ferner soll er sich zeitweise in einen Kaubvogel, einen Sperber, ver¬ wandeln und wird als Eierräuber und Mörder aus Mutterliebe verschrien, und endlich hat man ihn sogar dazu befähigt ge¬ halten, wenn er sich die Eier anderer Vögel ansähe, die glei¬ chen Farben den seinen aufzuprägen, mit welcher räthselhaften Eigenschaft sich theihveise wohl noch die Phantasie lebender Ornithologen beschäftigt. Welche Umstände sind es denn, die unseren Vogel zu einer so interessanten Erscheinung machen? 46 Sie finden sich in seinem ganzen Leben und Weben, seinem Kommen und Gehen, vorzugsweise aber in der abnor¬ men Weise seines Brutgeschäftes, da er, wie grösstentheils bekannt, nicht selbst brütet, sondern seine Eier in die Nester anderer Yögel legt und jene von denselben ausbrüten lässt. Diese Erscheinung des ,,Nichtbrütensu steht freilich in der Ornithologie nicht vereinzelt da. Wir finden sie noch bei mehreren Arten in Africa, Asien und Australien lebender Kukuke, bei dem in America woh¬ nenden Kuhstaar — Molothrus sericeus, - sowie in etwas anderer Weise bei dem Strausse, der seine Eier mit Sand bedeckt und durch die Sonne ausbrüten lässt, und beim Talle- galla-Huhn — Catheturus Lathami, — dessen Eier in Erd¬ haufen gelegt, vom Hahn zugescharrt und durch die Erdwärme ausgebrütet werden. In Europa besitzen wir indess ausser einem anderen Kukuke — Oxvlophus glandarius, — der nur den Süden be¬ wohnt und welcher seine Eier in die Nester der blauen Elster — Cyanopica Cooki — und nach Dr. A. Brehm in Aegypten in die Nester der ägyptischen Nebelkrähe — Corvus cornix — legt, nur unseren Kukuk, dem dies Brutgeschäft eigen. Die Verbreit ung des Kukuks ist eine sehr grosse. Sie erstreckt sich über drei Welttheile — Europa, Asien und Africa — Von England bis Japan und von Lappland bis zum Aequator, von wo ab er durch Geschlechtsverwandte ver¬ treten wird. Er besucht als Zugvogel die Länder der gemässigten und kalten Zonen, erscheint nach Dr. Kr ü per — Journal für Ornithologie, 1875, p. 279 — in den Tagen vom 8—14. April in Smyrna, ist von Dr. Rey — J. f. 0. 1872, p. 143 — am 13. April in Portugal gesehen, auch schon zu derselben Zeit in Krain beobachtet worden und gleichfalls im April nach Radde — J. f. 0. 1854, p. 63 — in Süd-Russland, lässt sich in Sachsen und Baiern nach Rimrod — J. f. 0. 1866, p. 354 — gewöhnlich in der letzten Hälfte des April hören, erscheint dann nach W. Hintz I. und Dr. Quistorp — J. f. 0. 1866, p. 99, 1867, p. 157, 1870, p. 209 — Ende April oder Anfang Mai, zuweilen gegen Ende des ersten Drittels desselben in 47 Pommern, um dieselbe Zeit, auch wohl noch etwas später nach y. Nord mann — J. f. 0. 1864, p. 359 — in Estland und Finnland, ist von mir J. f. 0. 1868, p. 119 — am 17. Mai auf der Insel Gothland beobachtet worden, erscheint nach L. Stejneger — J. f. 0. 1873, p. 305 — Ende Mai zuerst in Norwegen und nach Schräder im ersten Drittel bis zur Hälfte des Juni in Lappland. Nach seiner Ankunft beginnt seine Begattung und Eier¬ legung, während welcher Zeit er sehr lebendig und erregt ist, und des ganzen Tages über vom frühen Morgen bis zum späten Abend seinen lauten Kukuksruf erschallen lässt. Ja, ich habe ihn auf der Insel Gothland, wo bekanntlich im Juni die Nächte sehr hell sind, sogar um Mitternacht mit dem grossen Waldkauz - Syrnium aluco' — wechselsweise rufen hören, welchen späten oder zeitigen Ruf auch schon Nau¬ mann — Naturg. Bd. V. p. 216 — erwähnt. In unseren Gegenden wird er dann im Juli stiller, bis gewöhnlich gegen die Mitte desselben oder einige Tage nachher, sein Ruf ganz aufhört und er sich, gemeinhin Ende August oder Anfang September, auch wohl noch etwas später, auf die Rückreise begiebt. Die Nahrung besteht aus Insecten, Käfern, Raupen, auch Beeren. Nach Naumann — Naturg. Bd. V. p. 217 u. 218 — frisst der Kukuk: Käfer, Schmetterlinge, Libellen, andere In¬ secten, Raupen u. d. g., die jungen Kukuke auch Beeren, namentlich vom Faulbaum — Rhamnus Frangula L. Im Magen des Kukuks fand Thiene mann — Erinne¬ rungs-Schrift der deutschen Ornithologen -Gesellschaft, 1853, p. 60 — Maikäfer und Raupen; Dr. Alt um — J. f. 0. 1866, p. 168 — Reste von der Maulwurfsgrille — Gryllus Gryllo- talpa L. — und Wasserkäfern — Dytiscus. Nach Graf Wo dz ick i — J. f. 0. 1853, p. 297 — „soll er wirklich die Raupen des Kiefernspinners — Gastro- pacha pinivora Fab. — nicht bloss deren Eier fressen.“ Kuwert — J. f. 0. 1870, p. 205 — hat ihn besonders beschäftigt gefunden mit der Vertilgung der Raupen des Weidenspinners — Bombyx Salicis, Alex. v. Homeyer 48 J. f. 0. 1862 , p. 255 — auf den Balearen mit der Ver¬ tilgung der Raupen des Bombyx dispar, und v. Tschusi — J. f. 0. 1870, p. 268 — mit dem Heuschreckenfange. Und wenn Leckerbissen auch grade nicht zur Nahrung gehören, wenigstens nicht unter den Begriff gebracht werden können, unter welchem wir gemeinhin Nahrung verstehen, so will ich doch noch hinzufügen, dass Büffon — Ueber- setzung von Prof. Chr. Otto, Bd. 20, p. 198 — erzählt, „dass die Männchen die Neigung hätten, die Vogeleier zu fressen,“ und — ibid. p. 324 — „dass der Kukuk vorzüglich eine Begierde nach Vogeleiern habe“; und will auch ferner nicht unerwähnt lassen: „dass — Erinn. S. d. d. Ornith. Ges. 1853, p. 52 — der Graf v. AVodzicki hinlänglich davon überzeugt ist: „dass der Kukuk bei Fortnahme von Eiern aus den Nestern der Vögel, in welche er seine Eier hinein¬ gelegt hat, die fortgenommenen Eier manchmal wohl schon beim Neste, sonst aber, indem er sie mit sich in die Luft nimmt und so im Fluge verspeiset.“ Und gleichfalls behauptet Dr. Opel — J. f. 0. 1858, p. 292 — „wenn er den Kukuk dadurch auch nicht zum Raubvogel stempeln will, dass der uralte Glaube, dass der Kukuk Eier fresse, nicht unrichtig sei,“ und erzählt ferner: — J. f. 0. 1858, p. 291 u. 293 - „dass er bei der Unter¬ suchung des Magens eines Kukukmännchens , in demselben den Cubitus eines embryonalen Arogels gefunden habe, und dass ein Freund von ihm ein Kukukmännchen geschossen, welches eine weisse Bachstelze — Motacilla alba — verfolgt hätte“ ; woraus denn leicht zu schliessen, dass ihm der Glaube, der Kukuk verspeise auch Vögel, nahe liegt. Den meisten Schriftstellern nach, soll der Kukuk grade den behaarten Baumraupen am meisten nachstellen, die — nach Dr. Gloger — „meist kein anderer Vogel anrührt, weil fast kein anderer die Haare, wegen ihrer starken ätzenden Säure, vertragen kann“ ; und zwar zieht er die am stärksten behaarten Raupen, so lange er sie haben kann, den weniger behaarten und besonders allen glatthäutigen vor. Nach AV Pässlers Beobachtungen — J. f. 0. 1856, 49 p. 46 — „soll er indess die Raupen des Prozessionsspinners verschmähen.“ Was nun die Stellung des Kukuks in den ornitho- lo gischen Systemen anbelangt, so führt ihn der Franzose Bel on — Spix Syst. p. 254 - der um 1550 lebte, mit den Würgern, Ziegenmelkern und der Fledermaus zusammen auf in seinem zweiten Buche, welches von den Raubvögeln des Tages und der Nacht handelt, und auch noch 100 Jahre später folgt ihm darin Johnston, der ihn mit den Weihen und Falken zusammen abbildet und beschreibt; bis endlich der grosse Reformator Lin ne mehr Aufklärung schafft und ihn in der zweiten Ordnung seines Vogel-Systems den Kletter¬ vögeln zurechnet, welchem die neueren Systematiker nach¬ gefolgt sind. Dr. E. Opel — J. f. 0. 1858, p. 807 — „glaubt ihn als Mittelglied zwischen den Carnivoren und pflanzen¬ fressenden Vögeln betrachten zu müssen.“ Führen wir uns nun die abnormen Erscheinungen im Leben des Kukuks vor Augen, und suchen wir dieselben, soweit es möglich, zu erklären. Es liegt über den Kukuk eine reiche Litteratur vor, viel¬ leicht die reichste, die je über einen Vogel publicirt worden ist, und zwar eine sehr alte, welche schon vor mehr als 2000 Jahren ihren Anfang genommen hat, zu welcher Zeit Ari¬ stoteles, in seiner Geschichte der Tliiere, ihn zuerst erwähnt. Aristoteles sagt schon von ihm: — Rliea, Heft II, p. 28 u. 33 — „dass Manche geglaubt haben, dass er aus einem verwandelten Sperber entstehe — was er indess selbst nicht glaubt, indem er die Unterschiede zwischen dem Sperber und Kukuk hervorhebt — dass er kein eigenes Nest baue, sondern in die Nester kleinerer Vögel, nachdem er de¬ ren Eier verzehrt, die seinen lege, und zwar nur eines, selten zwei, und diese von denselben ausbrüten und gross füttern liesse.“ Er sagt ferner: „dass Einige behaupteten, der Nest¬ vogel würfe seine Jungen aus dem Neste, wenn der Kukuk heranwüchse, wo sie umkämen, oder er frässe sie auf, weil der Kukuk schöner aussähe; dagegen Andere, dass der das Nest besuchende Kukuk die Jungen aufträsse, oder dass der Mitth. a. d. naturw. Verein v. Neuvorp. u. Kügen. VIII. 4 50 junge Kukuk den Nestvögeln das Futter fortnäkme, oder als der Stärkere dieselben sogar um bringe.“ Er führt auch sodann noch drei Vogelarten an, in deren Nester der Kukuk besonders seine Eier lege, nämlich „ Hypo¬ lais, Korydos und Chloris.“ Wir ersehen hieraus, dass schon den Aristoteles das Leben unseres Kukuks sehr interessirte. Hinsichtlich der Verwandlung des Kukuks in einen Sper¬ ber, glaubt freilich in jetziger Zeit kein denkender Mensch mehr an solche Metamorphose; doch ist es wunderbar, wie sich dieser Glaube aus dem Alterthum durch zwei Jahrtau¬ sende bis auf die Jetztzeit vererbt hat, denn noch heute heisst es wohl ziemlich allgemein im Volksmunde : „dass der Kukuk sich zur Winterzeit in einen Sperber verwandle“ wie schon Naumann — Naturg. Bd. V. p. 216 — angiebt, aJs An¬ merkung erwähnend: „der gemeine Mann hiesigen Landes spricht, wenn der Kukuk erst Mandeln (Kornhaufen) im Felde stehen sieht (d. ist bei uns einige Tage vor Jacobi) hört er auf zu rufen und wird wieder ein Stösser (Stosshabieht, Sperber).“ Fritsch — J. f. 0. 1871, p. 186 — kann diese Meinung für Böhmen und ich für Pommern, Schlesien, die Insel Goth- land und Süd-Russland bestätigen. Der Grund dafür ist nun wohl zu suchen : 1. in der Aehnlichkeit des Kukuks mit dem Sperber — Astur nisus. — hinsichtlich der Grösse, Färbung und des streichenden Fluges, wenn der Kukuk beim Abfluge seine ersten Flügelschläge gemacht, und 2. in dem Umstande, dass der Kukuk von Mitte Juli ab sich selten mehr hören lässt, also wenig bemerkbar wird, während dann erst der Sperber durch zahlreiche Exemplare sich recht bemerkbar zu machen an- fängt , da die Brutzeit desselben erst im Juni beginnt und die Jungen sich also erst spät, Wälder, Wiesen und Felder durchstreichend, zeigen können. Was nun den verderbenbringenden Speichel des Kukuks betrifft, so sagt schon Büffon: — Uebers. v. Chr. Otto, Bd. 20, p. 188 — „weiss man, dass dieses nichts Anderes ist, c 51 als der Schaum, den die Larve einer gewissen Cicade aus¬ schwitzt, welche Bedaude genannt wird — nach Anmerkung des Uebersetzers : Linne's Cicada spumaria — , es ist möglich, dass man einen Kukuk gesehen hat, welcher diese Larven in ihrem Schaume suchte, und dass man geglaubt hat, seinen Speichel ablegen zu sehen , hernach wird man aber bemerkt haben, dass aus solchem Schaum Insecten herauskamen und wird nun geglaubt haben , mit Recht behaupten zu können, man habe gesehen, dass Ungeziefer aus dem Speichel entstehe/1 Gehen wir nun zu dem Brutgeschäfte des Kukuks über, welches die interessantesten Erscheinungen bietet. Da liegt uns zuerst die Frage nahe : Warum brütet denn überhaupt der Kukuk nicht? Der Anatom Herissant stellte um 1750 den Satz auf: ,,dem Kukuk ist deshalb das Brüten nicht möglich, weil sein Magen ungewöhnlich weit nach hinten und unmittelbar unter den Bauch decken liegt, also bei Anfüllung desselben der Druck durch die Eier bei ihm Schmerzen oder Krankheit erzeugen würde.“ Büffon — Uebers. v. Chr. Otto Bd. 20, p. 242 — stimmt dem nicht bei , „da der Nusspicker — Garrulus glandarius — ebenso gebildet sei und doch brüte, auch die Eier nicht bloss unter dem Magen, sondern unter der ganzen Unterseite des Körpers ausgebildet würden,“ und fügt der Uebersetzer Chr. Otto hinzu: „dass auch die Ornithologen Klein, Frisch, Zorn u. a. den Grund des Nichtbrütens nicht in der Lage des Magens suchten, und dass auch Dr. Bloch die Anmer¬ kung mache, dass last alle Vögel, welche sich von Insecten nährten, eine gleiche Lage des Magens hätten.“ Büffon — ibid. p. 212 — erzählt noch: „dass der Orni¬ thologe Frisch ein besonderes Gesetz annehme, warum die Kukuke heutigen Tages nicht brüteten; dies geschieht, wie er sagt, weil ein Vogel nicht brütet, wenn er selbst nicht von einem Weibchen seiner Art ausgebrütet ist. In der Tliat bekennt er auf guten Glauben, dass das erste aus Noah's Arche geflogene Kukuks Weibchen in seinem eigenen Neste 4* LIBRARY . / UNIVERSUY 0^ 52 gelegt und die Sorge übernommen haben müsse, selbst seine Eier zu brüten.“ Zu denjenigen Ornithologen, welche das Nichtbrüten des Kukuks nicht in der Magenlage desselben finden können, gehört auch Bechstein. Er hält für den vielleicht wahrscheinlichsten Grund : Bechstein — Naturg. I. Aufl. Bd. 2, p. 488 — die Spärlich¬ keit der Nahrungsmittel bei der p grossen Gehässigkeit“, und meint ferner auch: — ibid. p. 490 — „dass vielleicht eine Ursache des Nichtbrütens in der langsamen Entwickelung der Eier desselben läge, da er Anfang Juni sein erstes Ei gewöhnlich lege und so in Intervallen von 8 Tagen bis zur Mitte des Juli fortfahre.“ Dass nun wirklich die Entwickelung der Eier des Kukuks eine längere Zeit beanspruche, als die anderer Vögel, welche täglich oder einen Tag um den andern ihr Ei legen, glaubt Pastor G. W. Thienemann — Erinn. S. d. d. Ornith. Ges. 1853, p. 55. Taf. IV — infolge Untersuchung des Eierstockes eines mit einem legereifen Ei versehenen Kukuks, „durch den Grössenabstand der unreifen Eier erwiesen zu haben, woraus erhelle, dass gewiss ein Zwischenraum von 8 Tagen bei dem Eierlegen stattfinde“, und fügt dann weiter hinzu, „dass, da der Kukuk bis 6 Eier lege, und vom Legen des ersten bis zum letzten Ei ein Zeitraum von 6 Wochen nöthig sei, dann wohl die ersten Eier bereits verdorben sein würden.“ Auch Naumann — Naturg. Bd. V p. 226 — ist derselben Meinung, nachdem er noch vorher angeführt, „dass die lang¬ same Entwickelung der einzelnen Eier wohl eine Hauptsache sei, dass der Kukuk gar keinen Trieb zum Brüten habe“ und: — ibed. p. 191 — „dass man das Nichtbrüten bald aus der Grösse und bald aus der Lage des Magens und anderen Um¬ ständen zu erklären gesucht, jedoch ohne hinreichende Gründe, und die wahre Ursache aufzufinden noch für den Eorscher ein unauflösliches Problem bliebe.“ Dr. Gloger in seiner Schrift: „Die nützlichsten Freunde der Land- und Forstwirthsehaft unter den Thieren“, VI. Aufl. 1868, p. 44, sagt darüber: „Der Kukuk muss fortwährend seinen Magen mit einer Masse Futterstoff füllen. Mithin 53 nimmt das Geschäft ihn so in Anspruch, dass Männchen und Weibchen zum Selbstbrüten offenbar keine Zeit übrig behalten. Noch weniger möchten sie im Stande sein, sich beim Brüten Futter zuzutragen, auch möchten die Jungen wahrscheinlich die Raupenhaare nicht vertragen können.“ Die Haarmasse der Raupen beträgt nach demselben — J. f. 0. 1854, p. 221 — oft drei- bis viermal so viel, als der wirkliche Nahrungsstoff. Er sagt ferner noch an einer anderen Stelle: — J. f. 0. 1853, p. 356 — ,,Es wird für anatomisch und physiologisch erwiesen angenommen, dass die Entwickelung der Eier erst nach 6 — 8 Tagen zur Legereife führen kann, weil seine Fort¬ pflanzungswerkzeuge durch einen ganz überwiegenden Um¬ fang der Verdauungswerkzeuge, namentlich aber des Magens, allzusehr in gesammter Entwickelung zurückgedrängt seien.“ Dr. E. Opel in Leipzig publicirte — J. f. 0. 1858, pag. 205 u. w. — eine sehr fleissige Arbeit: „Beiträge zur Kennt- niss des Cuculus canorus L.“ Hinsichtlich der vorliegenden Fragen scheint er die Theorie Herissant’s zu vertheidigen. Er sagt: — ibid. p. 304 „man meint, der Magen an und für sich kann nicht der einzige Grund des Nichtbrütens sein, sondern vielmehr der Einfluss, den er auf die Genitalien übt, und es gilt jetzt all¬ gemein für anatomisch und physiologisch erwiesen , dass der grosse Umfang der Verdau ungswerkzeuge die langsame Ent¬ nickelung der Eier bedinge, welche in langen Zwischen¬ räumen gelegt werden.“ Er fragt sodann: „Inwiefern aber hindert dieser über¬ wiegende Umfang der Verdauungsorgane die schnelle Ent¬ wickelung der Eier?“ und meint mit Recht, „dass wohl der überwiegende Umfang des Magens eine Einschränkung der Genitalien erheischen könne, dass dadurch wohl die geringe Grösse, nicht aber die langsame Entwickelung bedingt sein könne; der Grund zu dieser müsse tiefer liegen.“ Er nahm nun eine chemische Analyse des Eileiters vor, um ihn, namentlich auf seinen Albumingehalt zu prüfen. Ihm standen dazu drei Weibchen zu Gebote. Bei dem einen war der Eileiter leer, in dem zweiten befand sich eine, 54 mit einer sehr zarten Eiweissschicht umkleidete Dodderkugel, und endlich im dritten war das Ei bereits im Legedarm vor¬ gedrungen und mit Kalkschaale umgeben. Diese Präparate wurden mit einer Scheere zerschnitten, jedes einzelne in einen Glashafen gebracht und mit kaltem destillirten Wasser, welches vorher mit Essigsäure an gesäuert worden war, übergossen. Nach Verlauf von einigen Tagen wurden die Flüssig¬ keiten auf das Filtrum gebracht und jede derselben mit Queck¬ silberchlorid versetzt , worauf sich Albumin in unlöslicher Moditication ausschied. In derselben Weise behandelte er zugleich den Eileiter einer Taube, welcher ebenfalls eine Dodderkugel barg, und den eines weiblichen Pvrol, welcher leer war. Die Gewichtsbestimmungen ergaben, dass der Eiweiss¬ gehalt des Eileiters der Taube fast noch einmal so beträchtlich war, als der des Kukuks ; in dem Eileiter des Pvrol fand sich noch eine ziemliche Menge von Eiweiss , während in dem Eileiter des zuerst bezeiehneten Kukuksweibchens sich fast gar kein Gehalt an Eiweiss zeigte , und in dem zuletzt be- zeichneten auch nur wenig Albumin nachgewiesen werden konnte. Nach diesen Resultaten glaubte er den Grund für die langsame Entwickelung der Kukukseier darin suchen zu müs¬ sen, dass „die Secretion des Eiweisses im Eileiter, sobald sich eine Dodderkugel vom Ovarium ge¬ trennt habe, ungemein spärlich sei.“ Er führt nun ferner aus, „dass man ihm entgegnen könne, warum grade beim Kukuk eine verminderte Secretion des Eiweisses im Eileiter stattlande“; und fährt fort: „die Ant¬ wort dürfte sich einzig und allein aus dem Umstände ergeben, dass von den an nährenden Stoffen so armen Insectenlarven eine reichliche Ueberführung des Protein im Organismus nicht zu erwarten sei. Es ist bekannt, wie letzteres von den thie- rischen Körpern , namentlich aus dem Pflanzenreiche auf¬ genommen und durch den Magen in eine lösliche Form um¬ gewandelt wird, ferner, dass der thierische Körper selbst nicht im Stande ist, Protein zu produciren. 55 Es müssen desshalb Pflanzenfresser reich, Fleischfresser arm an solchen Stoßen sein. Berücksichtigen wir hierbei speciell die Vögel, so wird sich namentlich bei den soge¬ nannten Körnerfressern ein überwiegender Reichthum an Protein finden; ist aber dies der Fall, so wird bei einem Eiweiss secernirendem Organe auch eine reichliche Absonde¬ rung des ersten vorhanden sein. ln der Tliat ist die Anzahl der Eier pflanzenfressender Vögel fast immer eine bedeutende , gegen welche die Zahl der fleischfressenden weit geringer ist. Bei der bekannten Ernährungsweise unseres Vogels kön¬ nen wir daher wohl annehmen, dass die Anhäufung des Ei- weisses ziemlich gering ist ; und es kann den secernirenden Organen nur sehr wenig zugeführt werden, da bei der so gesteigerten Vitalität, welche dem Kukuk eigen ist, ander¬ wärts viel verbraucht wird.“ Der Dr. Opel findet aber einen scharfen Gegner in dem Pfarrer F. H. Schnell. Derselbe sagt: — J. f. 0. 1859. p. 209 — „Ganz unhaltbar ist dis Erklärung, welche Dr. Opel für die langsame Entwickelung der Eier des Kukuks aufstellt, da dieselbe von irrigen Prämissen ausgeht. Herr Opel hat zwar richtig beobachtet, dass beim Kukuk eine verminderte Secretion des Eiweisses im Eileiter stattfinde, aber das „Warum“ sucht er daraus zu erklären, dass der Kukuk von Insecten- larven und nicht von Würmern lebe. Es ist bekannt — sagt er — wie das Protein von dem thierischen Körper, namentlich aus dem Pflanzenreiche aufgenommen wird ... es müssen dosshalb Pflanzenfresser reich, Fleischfresser arm an solchen Stoffen sein. — Es ist dies ein offenbarer Irrthum ; grade das Umgekehrte ist das Richtige. Die animalischen Nahrungs¬ mittel sind weit reicher an Proteinstoften, als die vegetabi¬ lischen, und überdies enthalten sie dieselben auch noch in einer löslicheren Form, so dass sie schneller und leichter ins Blut übergeführt werden. Zwischen den Pflanzen- und Fleisch¬ fressern aber findet, was ihren Körper betrifft, ein Unterschied hi dem Gehalte an Proteinstoffen nicht statt, da die ersteren einen weit vollkommneren und kräftigeren Verdauungsapparat besitzen, als die letzteren. 56 Fleisch aber ist Fleisch und Eiweiss ist Eiweiss, mag es aus Körnern oder unmittelbar aus dem Fleische anderer Thiere gebildet sein. Ebenso irrig und der Thatsache widersprechend ist die Schlussfolgerung, dass die Anzahl der Eier pflanzen¬ fressender Yögel fast immer eine bedeutende, gegen welche die Zahl der fleischfressenden weit geringer sei. Ueberhaupt ist es bei der vorliegenden Frage völlig einerlei, ob sich das Thier von Yegetabilien oder von ande¬ ren Thieren nährt; es kommt nur darauf an, ob es von der, für dasselbe bestimmten Nahrung, die erforderliche Quantität findet. Für die Aufnahme des Proteins aus dieser Nahrung, sorgt schon der, je nach der Nahrung eingerichtete Yerdauungs- apparat. Unserer Ansicht nach kann mithin die Ursache, wesshalb sich die Eier des Kukuks, obgleich unverhältnissmässig klein, doch nur sehr langsam entwickeln, nicht in der Insecten- nahrung desselben, sondern nur in der eigenthümlichen Bil¬ dung seines Magens und seiner Geschlechtsorgane gesucht werden. Die Proteinstoffe aber, die sich derselbe in gleichem Maasse, wie andere Yögel an eignet, werden bei der — wie Dr. Opel selbst sagt — so gesteigerten Yitalität, welche dem Kukuk eigen ist, anderwärts viel verbraucht.'1 Eine Entgegnung des Dr. Opel ist mir nicht bekannt geworden. Zur Würdigung der obenerwähnten Gründe für das Nicht¬ brüten unseres Kukuks, will ich jetzt auf zwei Nordamerika¬ nische Kukuke — Cuculus americanus Gmel. und Cuculus dominicus L. — hinweisen. Wie Dr. Gloger - J. f. 0. 1854. p. 219 u. s. w. — mittheilt, „ernähren sich — nach Nuttal — dieselben von Insecten und Beeren, und ganz besonders von den haarigen Raupen, die von anderen Yögeln verschmähet werden; und haben — nach Audübon — in dem Bau ihrer Yerdauungs- werkzeuge eine nahe Uebereinstimmung mit dem unsrigen, was aber das Merkwürdigste ist, legen, brüten und füttern zu gleicher Zeit, so dass man in einem Neste zu derselben Zeit klare und unbebrütete Eier, kleine, grosse und bis fast flügge Junge trifft.“ 57 Wo bleiben denn da die oben angeführten Gründe? Ich kann nicht unterlassen, zum Schlüsse über diesen Gegenstand, noch die teleologischen Gründe zweier Ornitho¬ logen anzuführen. Dr. Gloger — J. f. 0. 1854. p. 220 — meint, „der Ku¬ kuk könne desshalb nicht brüten, weil es seine Bestimmung sei , die langhaarigen Raupen zu vertilgen“, und Dr. Altum — J. f. 0. 1866. p. 169 u. 170 — will: — indem er sich vorher über das wenig Zutreffende der vorangeführten Gründe ausgesprochen hat — „die Aufstellung eines neuen , höchst einfachen versuchen.“ Nach demselben muss der Kukuk , als starker Fresser, erstens für die meiste Zeit und an den meisten Stellen in einzelnen Individuen vertheilt auftreten. Da nun die Raupen oft hier oder dort in grosser Anzahl erscheinen, so muss ihm desshalb zweitens für solche Fälle der Trieb eigen sein, dass sich die einzelnen Individuen aus der ganzen Umgegend in weitem Kreise nach der bedrohten Stelle zusammenziehen. Da nun die Raupenmonate Mai, Juni und Juli diejenigen seien, wo der Kukuk zu brüten hätte, er aber diese Vertil¬ gung besorgen , und immer bereit sein müsse, auf bedrohten Punkten zu erscheinen, so könne er desshalb nicht brüten. Xach Anführung dieses — wie der Verfasser sagt, höchst einfachen — Grundes , wollen wir diesen Gegenstand ver¬ lassen, und uns die Frage vorlegen : Welchen Vogelarten vertrauet der Kukuk seine Eier an? Wie vorher erwähnt, giebt schon Aristoteles als solche Hypolais, Korydos und Chloris an, unter welchen man ver¬ stehen will: Sylvia elaica Linderm. — den Oelbaumspötter, Alauda arvensis L. -- die Feldlerche, und Emberiza melano- cephala L. — die Kappenammer. Büffon — Uebers. v. Chr. Otto. Bd. 20. p. 214. — giebt schon 20 Arten an : Sylvia cinerea Briss. — die ge¬ meine Grasmücke, Sylvia atricapilla Briss. -- die schwarz¬ köpfige Grasmücke, Motacilla alba L. — die weisse Bachstelze, Dandalus rubecula Boie. — das Rothkehlchen , Troglodytes 58 parvulus Koch. — den Zaunkönig, den Schneekönig*), Parus major L. — die Meise, Luscinia vulgaris L. — die Nachtigall, Ruticilla phoenicura — den Rotlischwanz, Alanda arborea L. — die Haidelerche, Antlius pratensis L. — die Wiesenlerche, Cannabina sanguinea Landbeck. — den Hänfling, Chloris flavicoptera Landbeck. — den Grünling, Pyrrhula vulgaris Tem. — den Blutfinken, Turdus musicus L. - - die Drossel, Garrulus glandarius Vieillot. — den Häher, Merula vulgaris Bonap. — die Amsel, und Lanius collurio L. — den Neun- tödter. Sodann führen weiter an unter anderen, schon genannten: W. Thienemann: — Fortpflanz, der Vögel Europa’s. 1825. p. 50 — Curruca hortensis Koch. — die Gartengras¬ mücke, Motacilla sulphurea Beeilst. — die schwefelgelbe Bach¬ stelze, Anthus arboreus Beeilst. — den Baumpieper, Anthus campestris Beeilst. — den Brachpieper , Ruticilla tithvs Br. — den Hausrothschwanz, Accentor modualaris Koch. -- die Heckenbraunelle, Phyllopneuste trochilus Meyer — den Fitis- sänger, Calamoherpe locustella Boie — den Buschrokrsänger, Calamoherpe arundinacea Boie — den Teichrohrsänger, Cala- moherpe palustris Boie -- den Sunrp ff ohrsänger, Calamoherpe phragmitis Boie — den Schilfrohrsänger, Calamoherpe aqua- tica Boie — den Seggenrohrsänger, Cinclus aquaticus Bechst. — den Wasserschmätzer; Graf v. Wodzicki: — Erinn. Sehr. z. VII. Jahr.-Vers. d. d. Ornith. Gesell. 1853 p. 50 Turdus saxatihs L. — die Steindrossel; W. Habicht: — Naumannia 1853, p. 105 — mit der Bemerkung, dass er ein Ei aus dem Neste erhalten habe, Lanius rufus Briss. — den rothköpfigen Würger; Leon Olpli Gaillard: — Naumannia 1853, p. 106 — Emberiza miliaria L. — die Grauammer; Dr. E. Baldamus: — Naumannia 1853, p. 173 u. w. *) Ich weiss nicht, welchen Vogel Büffon mit diesem Namen be¬ zeichnet Man nennt zuweilen den Zaunkönig auch Schneekönig, doch kann derselbe hier nicht gemeint sein, da er kurz vorher angeführt ist. D. V. 59 — Phvllopneuste riifa Meyer — den grauen Laubsänger, Calamolierpe turdoides Boie — den Drosselrohrsänger, Re¬ gulus cristatus Koch — das gemeine Goldhähnchen , Alauda cristata L. — die Haubenlerche , Emberiza schoeniclus L — die Rohrammer, Saxicola stapazina L. — den weissrückigen Steinschwätzer ; Dr. E. Opel: — J. f. 0. 1858, p. 295 — Saxicoia ru- betra Bechst. — den braunkehligen Wiesenschwätzer, Budytes flavus Cuv. — die gelbe Schaafstelze, Emberiza citrinella L. — die Goldammer, Emberiza aureola, Fringilla montifringilla L. — den Bergfinken, Hvpolais polyglotta de Selys — Long- champs — die gemeine Bastardnachtigall; W. Hintz I: — J. f. 0. 1861 p. 318 — Vitiflora oenanthe Boie — den graurückigen Steinschwätzer; L. von Preen: — J. f. 0. 1862 p. 450 — Curruca ni- soria Koch — die Sperbergrasmücke; der Editor d. Ibis, als Anmerkung zur Publikation von G. D. Rowley — J. f. 0. 1866 p. 174 — nach einem guten Gewährsmann: Pyrgita domestica Cuv. — den Haus¬ sperling, Cyanecula suecica Br. — das Blaukehlchen ; nach Yharrel: Anthus obscurus — den Felsenpieper, Fringilla coelebs L. — den Buchfinken; nach 0. des Mürs: Fringilla linaria L. — den gemeinen Leinfinken, Pica, Turtur, Palumbus; und endlich nach Dr. Dybowskv: — J. f. 0. 1871 p. 394 — Anthus Richardi Vicillot u. Phyllop neuste fuscata Blyth. Die Liste dieser, mir bis dahin bekannt g wordenen Vögel zeigt die Zahl . 59 unter diesen Insectenfresser . 45 und Körnerfresser . 14 unter welchen letzteren wieder finkenartige . . 12 und zwar Ammern . 5 und Finken . . 7 und Taubon . 2 Die am meisten vom Kukuk bevorzugten Vögel sind: die Rohrsänger, Grasmücken, Bachstelzen und der Zaunkönig. Auffallend könnte es nun erscheinen , dass der Kukuk, als Insectenfresser, seine Eier auch in die Nester von Körner- 60 fressern legt; doch muss man in Betracht ziehen, dass die Ammern, wenngleich Körnerfresser, ihre Jungen doch meistens mit Insecten füttern , welches zum Theii auch die anderen Finken, und zwar mit Raupen, thun, was schon Biiffon — Uebers. v. Chr. Otto, Bd. 20, p. 216 — und Dr. Gloger — J. f. 0. 1853, p. 405 — anführen um diese Erscheinung zu erklären. Zuweilen mag auch wohl ein Kukuksweibchen durch Noth gezwungen sein, das Nest eines Körnerfressers zur Unter¬ bringung seines legereifen Ei’s zu benutzen, wenn von dem¬ selben ausersehene Nester von Insectenfressern inzwischen zerstört worden; zuweilen mögen auch wohl junge Weibchen ein solches Nest aus Unerfahrenheit benutzen. Jedenfalls wird das Kukuksweibchen, wo es ihm irgend möglich, das Nest eines Insectenfressers vorziehen. Weiter sehen wir nun, dass: der Kukuk unter normalen Umständen sein Ei nur in ein solches Nest legt, welches frische, unbe brütete Eier enthält. Es bedingt dies seine Fortpflanzung, indem sein Ei, wie Dr. Gloger — J. f. 0. 1858, p. 233 — bemerkt, „nur dann Aussicht hat, dass es rechtzeitig mit ausgebrütet wird; denn käme das Junge mehrere Tage später aus dem Ei, würde es selten oder nie im Stande sein, die schon älter gewordenen Jungen des Nestvogels auf seinen Rücken zu heben und sie aus dem Neste zu drängen.“ Bass er aber grade solche Nester auswählt, hat seinen natürlichen Grund darin, dass die Nestvögel, während sie zur Brutzeit stets bei ihren Nestern anwesend, zur Legezeit viel vom Neste abwesend sind; er also hier sein Ei am ungestör¬ testen in die Nester hineinschmuggeln kann. Ber Kukuk hat aber alle Ursache, grade eine solche Zeit zu benutzen, da die Brutvögel, wenn schon gegen alle ihrem Nestrevier nahe kommenden Yögel erregt, dies noch im er- höheten Grade gegen den Kukuk sind, was vielleicht aus der Aehnlichkeit des Kukuks mit dem Sperber zu folgern ist, auch wohl Folge seines überhaupt auffallenden, sehr lauten, erregten Wesens sein mag. 61 Der Kuriosität wegen will ich hier noch bemerken, dass Bechstein — Naturg. I. Aufl. Bd. 2 p. 490 — allen Ernstes behauptet, „dass die kleinen Vögel die Kukuksmutter mit grossem Vergnügen ihrem Neste nähern sähen und dass sie ausser sich vor Freude seien.“ Wie bemerkt, wählt also der Kukuk unter normalen Um¬ ständen nur die Nester, in welchen frische, un bebrütete Eier vorhanden ; doch kommen auch oft Ausnahmen vor , indem er einerseits schon seine Eier in noch nicht belegte Nester gelegt hat (wie schon Naumann — Naturg. Bd. V, p. 225 — bemerkt, „dass er das Ei in einem frischen, kaum fertig gebauten, noch leeren Neste der Silvia locustella gefunden habe“ ; andererseits dieselben auch schon öfter in Nestern mit bebrüten Eiern gefunden worden sind (wie viele Autoren, auch W. Hintz 1. — J. f. 0. 1861, p. 470 — erwähnen), und müssen wir hier wohl annehmen, dass vielleicht Notli oder Unerfahrenheit daran die Schuld tragen. Ich will hier noch erwähnen, dass Pfarrer W. Pässler — J. f. 0. 1856, p. 45 — die Ansicht ausspricht: „dass jedes Kukuksweibchen nur verschiedenen Nestern ein und der¬ selben Art seine Eier anvertraue, wo demselben solche in hinlänglicher Anzahl zu Gebote stehen“ ; doch scheint der¬ selbe mit dieser Ansicht ziemlich allein geblieben zu sein. Die Normalzahl der Kukuk sei er in einem N cste ist 1. Es war dies schon Aristoteles — Khea, Heft 11, p. 23 — , Büffon — Uebers. v. Chr. Otto, Bd. 20, p. 193 — , desglei¬ chen Zorn — ibid. p. 194 — , Bechstein — Naturg. I. Aufl. Bd. 2, p. 490 — und anderen älteren Ornithologen bekannt. Man hat jedoch auch vielfach schon 2 Eier in einem und demselben Neste angetroffen , wie schon Aristoteles angiebt und was schon von vielen Ornithologen bis aut die Jetztzeit beobachtet worden ist; und in neuester Zeit nach H. Thiele J. f. O. 1874, p. 80 — sogar 3 Eier in dem längst ver¬ lassenen Neste einer Motacilla alba, mit 2 Eiern des Nest¬ vogels zusammen, was, meines Wissens, bis dahin alsUnicum zu betrachten ist. Hinsichtlich des Beisammenseins zweier Kukukseier in 62 einem Neste, scheint wohl ziemlich bei allen Ornithologen die Meinung zu herrschen, dass, wenn nicht ein Weibchen durch Noth gezwungen, oder durch Unerfahrenheit veranlasst wurde, zwei Eier in ein und dasselbe Nest zu legen, dieselben zweien Weibchen angehören , deren Aufenthaltsreviere aneinander¬ grenzen ; in dem Falle jedoch , wo die 3 Eier gefunden wur¬ den, scheint die Beschreibung derselhen darauf hinzudeuten, dass zwei von einem und demselben Weibchen gelegt wor¬ den sind. Unter normalen Umständen wird aber nur ein Kukuk in einem Neste gross, indem, wenn wirk¬ lich zwei ausgebrütet werden, der ältere den jüngeren bald durch Hinausdrängen aus dem Neste beseitigt, im Falle nicht wirklich Umstände vorhanden, wo die Macht des älteren Kukuks nicht im Stande dazu ist. Bezüglich hierauf erwähnt Büffon: — Uebers. von Chr. Otto, Bd. 20, p. 199 — „dass zwei glaubwürdige Personen ihm gesagt haben, dass sie zweimal zween Kukuke in einem Neste gesehen hätten , beide Male aber in dem Neste einer Drosselt Es ist diese Behauptung nicht so unglaublich, wenn man in Betracht zieht, dass das Nest einer Singdrossel aus einem tiefen Napfe mit steilen, festen, gekleemten Seitenwänden be¬ steht, die Kraft des Kukuks hier also gewiss nicht hinreicht, um den Rivalen über den Rand des Nestes zu werfen. Es sind dies die einzigen Ausnahmefälle, welche mir bekannt sind. Legen wir uns nun die Frage vor: Auf w eiche Weise bringt denn der Kukuk sein Ei in das Nest? Hören wir, was die verschiedenen Autoren darüber be¬ richten. Bechstein — Natirrg. I. Aufl. Bd. 2. p. 490 — erzählt: „dass der Kukuk in diejenigen Nester, auf welche er sich wegen deren Bau oder seiner eigenen Grösse nicht setzen könne, das Ei, was er auf die Erde gelegt, mit dem Schnabel trüge.“ Naumann — Naturg. Bd. Y. p. 228 — sagt: Ueberall, 63 wo es nur irgend angehen will, setzt sich das Weibchen ordentlich auf das Nest, ja es kriecht dershalb mit vieler An¬ strengung selbst in so enge Löcher, dass es oft kaum mit Mühe wieder herauskommen kann ; andernfalls legt es dasselbe mit dem Sohnabel hinein.“ Thienemann — Fortpf. d. V. III. Abscli. p. 55 — berichtet: „dass es zu den Nestern, zu denen das Weibchen nicht gelangen, oder sich nicht darauf setzen kann, das Ei im Schnabel oder im Schlunde hinbringe; es seien schon Vögel der Art mit dem Ei im Schlunde erlegt.“ Er führt zugleich an: „dass Levaillant Dasselbe vom Cuculus aura- tus vom Kap erzähle,“ und meint ferner, „dass das Kukuks¬ weibchen es aber vielleicht nur dann tliue, wenn es ein Ei legen muss und kein passendes Nest gefunden hat; so hätte es auch Naumann auf dem Neste des Rohrsängers sitzen sehen, welches einen Kukuk gut trägt. Dies sei der ihm be¬ kannte einzige Fall, wo es in dieser Stellung beobachtet wor¬ den. Es hätte sehr breit über dem Neste gesessen, sich mit dem Schwänze und den Flügeln zugleich auch gegen das umstehendeRohr gestemmt, und sich so eine Weile betrachten lassen.“ Dr. E. Baldamus — Naumannia 1853. p. 307 — stellt den Satz auf: „Er legt sein Ei an die Erde und bringt es mit dem Schnabel in sonst nicht zugängliche Nester, selbst da, wo er Gelegenheit hat, es in leicht zugängliche zu legen.“ Nach Dr. Gloger — Freunde d. Land- u. Forstw. 1857. p. 45 „legt oder trägt er es dahin, wo er es nicht sitzend hinlegen kann.“ W. Pässler — J. f. 0. 1856. p. 54 — tlieilt mit, „dass der Kukuk sein Ei auf die Erde lege und so im Rachen in das vorher ermittelte Nest trage,“ erzählt aber ein Jahr später, — J. f. 0. 1857. p. 403 — „dass er einen Kukuk auf dem Neste von Lanius collurio, den Unterkörper ins Nest gedrückt, offenbar im Legen begriffen, beobachtet hätte. Der Vogel bemerkte ihn und entfloh. Im Fortfliegen entfiel demselben ein Ei, das zwar zerschellte, dessen Schaalenfragmente aber zur Genüge erkennen Hessen, dass es ganz dem grünlichen 64 Ei ähnlich war, welches er 7 Tage vorher in derselben Gegend, in dem Neste der Sylvia nisoria gefunden hatte.“ W. Hintz I. — J. f. 0. 1864. p. 41 — fand das Ei eines Kukuks in dem Neste einer Motacilla alba, welche sich die IVa Fuss tiefe Höhle einer Hirundo riparia zum Nistplatz erwählt. Es konnte also nur vermittelst des Schnabels dahin gebracht worden sein. Aus den vorstehenden Citaten geht demnach hervor, dass der Kukuk, wo ihm die Gelegenheit geboten, auf dem Neste sitzend das Ei hineinlegt, andern¬ falls es mit dem Schnabel in das Nest trägt. Betreffs der ersten Annahme habe ich keine Gelegenheit gehabt, Beobachtungen zu machen, betreffs der zweiten war ich auch früher sehr ungläubig, bis ich durch das Auffinden eines Nestes von Troglodytes parvulus eine andere Meinung bekam. Als ich das Nest des Zaunkönigs in einem Lonicera- Strauss, circa 7 Fuss oberhalb der Erde fand, war dasselbe vollkommen fertig gebaut bis auf die Ausfütterung. Nach circa 14 Tagen besuchte ich den Nistplatz wieder und fand in dem Neste 5 Eier des Nestvogels mit einem Kukuksei. Bekanntlich ist das Nest von Troglodytes parvulus kugel¬ förmig gebaut, mit einem kleinen Flugloche nach der Seite versehen ; der Kukuk konnte also hier sein Ei nur vermittelst seines Schnabels in dasselbe gebracht haben. Richten wir nun unser Augenmerk auf das Ei selbst, so muss uns hinsichtlich der Grösse des Yogels, die Kleinheit des Ei’s auffallen. Es ist auch in dieser Beziehung wirklich das kleinste unter den Yogeleiern. Wer, wie oben bemerkt, Dr. G log er ’s Ausspruch — J. f. 0. 1853, p. 366 — „dass es für anatomisch und phy¬ siologisch erwiesen angenommen werde, dass die Fortpflan¬ zungswerkzeuge beim Kukuk durch einen ganz überwiegenden Umfang der Yerdauungswerkzeuge, namentlich aber des Ma¬ gens allzusehr in gesammter Entwickelung zurückgedrängt seien,“ und gleichfalls Dr. Opel ’s Satz — J. f. 0. 1858, p. 306 — „es käme bei dem überwiegenden Umfänge des Magens, welcher ein Zurückbleiben der Genitalien an ent¬ sprechender Ausbildung verursache, die Grösse der gebildeten Eier, mit der des Vogels in keinem Verhältnisse stehen, u für gültig anerkennt, hat die Erklärung für die geringe Grösse. Ich habe keine Beobachtungen und Erfahrungen in dieser Angelegenheit gemacht und erlaube mir kein Urthcil darüber. Ich will aber nicht unterlassen, noch einen Ausspruch Dr. Gloger's — Freunde der Land- u. Forstw. 1857, p. 45 — anzuführen. Er meint, der Kukuk müsse desshalb so kleine Eier legen, weil die kleinen Vögel sie ausbrüten sollen, und damit er das Ei auch vermittelst des Schnabels in die Koster legen könne. Gehen wir nun zur Färbung des Eies über. Hinsichtlich der Färbung hat die Phantasie auch ungeheuerl iche Ansichten hervorgezaubert. Schon Büffon — Uebers. v. Chr. Otto, Bd. 20, p. 182 — erzählt, „dass nach Aelian, Sa lerne u. A. behauptet würde, das Weibchen des Kukuks habe die Sorgfalt, in jedes Nest, das es entdeckt, ein Ei von der Farbe der Eier, die zum Neste gehören, zu legen, um die Mutter desto besser zu betrügen.“ Büffon ging indess auf diesen Unsinn nicht weiter ein, auch Beeil stein und andere Autoren erwähnen Nichts da¬ von; der Hälfte des 19. Jahrhunderts blieb es Vorbehalten, denselben aufzuwärmen und eine zweite Auflage desselben zu veranstalten. Die Ideengänge des Menschen sind oft wunderbar ; das Suchen nach Farbenähnlichkeit zwischen Eiern — hier des Kukuks und der Nestvögel, — das Finden annähernd ähnlicher Färbungen, welche in den Augen des Sangui- n i kers sich leicht zu m e r k würdig übereinsti m m e n d e n gestalten, bringen zuweilen wunderbare Kombinationen her¬ vor, welche mit Hinzunahme traditionellen Unsinns, in Phan¬ tasiegemälden oft das Wunderbarste leisten. H. Kunz fand übereinstimmende Färbungen zwischen den Eiern des Kukuks und der Nestvögel, und stellte darob Naumannia, Heft II., 1850, p. 51 — folgenden Satz auf: „Da die Färbung der Eier überhaupt organischer Mittli. a. (1. nuturw. Verein v. Neuvorp. u. Rügen. VIII. 5 66 Natur sei, der Anblick der vor ihm im Neste lie¬ genden Eier, so auf das, zum Legen in Begriff stehende Kukuks Weibchen einwirke, dass das les:e- reife Ei Färbung und Z eichnung derselben annimmt“ Dr. Gl oger fasste diesen Satz mit Enthusiasmus auf. Er sagt hinsichtlich desselben — Freunde der Land- u. Forstw. 1857, p. 42 — „das Kukuksweibchen besitze eine höchst wunderbare Fähigkeit, nämlich die Eier von der verschieden¬ sten Farbe und Färbung zu legen, sowie es dieselben den jedesmaligen Umständen gemäss, brauche,“ und ferner, „jedes der Eier sehe nämlich den Eiern desjenigen Yogelpaares ähn¬ lich, für dessen Nest es von dem Kukuksweibchen selbst be¬ stimmt worden sei, d. h. welches es sich wenigstens 2, 3 oder mehr Tage vorher eigends zu dem Behufe ausersehen hätte, um das nächste seiner Eier darin unterzubringen.“ und end¬ lich, „wenn es die Eier nur gesehen habe, so schaffe sein wunderbar darauf eingerichteter Organismus es dann grade so, wie es für den betreffenden Fall passend sei. Und zwar thue es dies in Folge jener besonderen, eben so seltsamen, als merkwürdigen Einwirkung von aussen her, welche man „Sich -Versehen“ nenne.“ Er bezeichnete den Kunz 'sehen Satz als „schöne eigen- thümliche Beobachtung“ und ist bis zu seinem Tode ein treuer Anhänger desselben geblieben. Der grösste Theil der Ornithologen aber theilte diesen Enthusiasmus nicht; die meisten verhielten sich passiv und nur einige äusserten sich ablehnend, wie Dr. E. Bai dam us — Naumannia 1853, p. 319 — W. Pässlor — J. f. 0. 1857, p. 404 — der Engländer G. D. Rowlev — J. f. 0. 1866, p. 172 u. w.; doch sind wohl jetzt die meisten Ornithologen über diese H. K u n z ’ sehe Färbungstheorie zur Tagesordnung übergegangen. Mitveranlassung zum Entstehen dieser Färbungstheorie hat wohl ohne Zweifel die Thatsache gegeben, dass man nicht selten Doppeleier in den Nestern findet, welche natürlich in der Färbung übereinstimmend mit den anderen Eiern sind, und welche man ihrer Grösse wegen dann wohl für Kukuks¬ eier gehalten hat und auch noch theils hält. 67 Fragen wir uns nun: ob denn überhaupt das Ku¬ kuk s e i in d er F är b u ng A e h n li eh ke i t mit d e n e n de r Nest vögel habe? G. I). Rowlev -- J. f. 0. 1866, p. 172 u. w. — be- merkt darüber, „dass er in seiner jahrelangen Praxis sehr viele Xester von Calamoherpe arundinacea, Accentor modularis und Salicaria phragmitis mit Kukukseiern gefunden, aber auch nicht die kleinste Aehnliehkeit oder Hinneigung zur Aehnlichkeit zwischen den Eiern des Kukuks und der Xest- vögel entdeckt habe.“ Ich pflichte dem bei und muss gestehen, dass ich — etwa die Untergrundsfarbe ausgenommen — durchaus keine Aehnlichkeit in der übrigen Färbung resp. Zeichnung der Eier der Xestvögel bemerkt habe. Es ist überhaupt auch nicht wunderbar, wenn man zwei Färbungstypen, wie solche auch von Dr. E. Bald amu s, G. D. Rowlev und Anderen bemerkt worden, beim Kukuk vorfindet. Welche Färbungsverschiedenheiten bieten nicht die Eier der kleinen Seeschwalbe — Sterna hirundo — des Baum¬ piepers — Anthus arboreus — und des Xeuntödters — Ka¬ nins eollurio und warum kann die Thathsaehe, welche jetzt wohl von den meisten Ornithologen als feststehend angenommen wird, dass die rotli gefleckten Eier des Lanius eollurio von alten, die gr a u gefleckten von jungen Weibchen gelegt werden, nicht auch für die verschieden gefärbten Kukukseier gelten? Auch W. Pässler — J. f. 0. 1856, p. 45 — meint, wie auch die ausgezeichnetsten Forscher ja die Ansicht aus¬ gesprochen hätten, die Eier differirten nach den Jahren. Temmink sagt nach Dr. E. Baldamus -- Xaumannia 1853, p. 319 — „dass die Färbung von der Lokalität abhänge,“ gegen welche Ansicht — ibid. Anink. — M. Mo quin — Tandon (Degland Ornitli. europ. I. p. 170) behauptet: „dass die Verschiedenheit der Kukukseier durch Alter, Gesundheits¬ zustand, Legt kraft und Natur der Xahrungsmittel bedingt sei.“ Thienemann — Fortpfl. d. Vögel, Abth. III., p. 56 meint, „dass die Nahrung auf die Färbung Einfluss habe,“ ir 68 sowie auch Dr. Opel - J. f. 0. 1858, p. 298 — dasselbe für sehr wahrscheinlich hält. Dass das Weibchen die Vögel seines Reviers beim Bauen ihrer Nester beobachtet, spricht schon Be ehstein - - Naturg. I. Äufl. Bd. 2, p. 489 — aus, indem er bemerkt: „Die befruchtete Mutter beobachtet bei ihren Streifereien die Baumeister dieser Nester täglich, um zu wissen, wann der Bau vollendet und das letzte Ei gelegt ist, damit sie zu gehöriger Zeit das ihrige unterbringen kann.“ Dasselbe behauptet auch Dr. G log er Freunde der Land- u. Forstw. 1857, p. 46. W. Flint z 1. — J. f. 0. 1861, p. 470 — erzählt, dass der Kukuk sicli schon die Nester aulsucht, ehe dieselben fertig gebaut sind. „Den 13. Juni sah mein Hirte, wie ein Kukuk in eine Klafter Holz hineinkroch; er schlich sich heran und wollte den Kukuk greifen, passte aber nicht auf, und erfasste ihn beim Schwänze, so dass er drei Federn in der Hand be¬ hielt, die er zu Hause brachte. In der Klafter war ein halb¬ fertiges Nest von einer Bachstelze, am 21. lagen 2 Kukuks¬ eier und 3 Bachstelzeneier im Neste.“ Es wird diese Ansicht wohl von den meisten Ornithologen acceptirt sein, doch weniger diejenige, dass der Kukuk, nachdem er sein Ei i n das Ne st gelegt , dafür eines der Nestvogeleier hinauswerfe, resp. da sselbe Ex¬ periment einige Tage fortsetze. Es sagen darüber: Bechstein — Naturg. Aull. I. Bd. 2, p. 491 — „Der Kukuk weife alsdann die Eier, die dem sei- nigen im Wege liegen, entweder selbst aus dem Neste, oder die Pflegemutter thue es, um das fremde Ei desto besser be¬ decken zu können“ ; Naumann — Naturg. Bd. V. p. 227 — „dass das Weib¬ chen die Eier der Nestvögel, wenn nicht allemal, doch öfter hinausweife,“ und — ibid. p. 231 — „dass er aber nicht behaupten könne, dass es auch die jungen Nestvögel entferne“ ; Thienemann — Fortpfl. d. V. Absch. III. p. 56 — bemerkt: „gewöhnlich schiebe das Weibchen sein Ei ein, ohne eines von jenen (den Nestvogeleiern) absichtlich zu ver- 69 derben, und nur durch den Aet des Legens werfe es sie zu¬ weilen heraus oder zerbreche sie.“ Gr. v. Wo dz ick i — Erinn. Sch. d. d. Ornith. Ges. 1853, p. 52 — sali, wie ein Kukuk aus einem Neste von Turdus saxatilis, welches mit einem Kukuksei und drei Nest¬ vogeleiern belegt war, bei Abwesenheit des Nestvogels ein Ei desselben nahm und damit fortflog ; und wurden die Schaalen- fragmente, welche der Vogel aus der Luft fallen liess, von ihm als solche erkannt, welche einem Nestvogelei angehört hatten, und führt dann aus: „Hiernach scheint es klar erwiesen zu sein, dass die Kukuke in Fällen, wie der vorliegende, jeden Tag ein Ei aus dem Neste nehmen, bis das so beraubte Weib¬ chen keine Eier mehr legen kann, und daher gezwungen ist, das Knkuksei zu bebrüten. Leon Olph-Gaillard — Naumannia 1853, p. 106 — erwähnt, „dass er im Juni das Weibchen eines Kukuks er¬ legte, in dessen Schlunde (Oesophage) sich ein Ei von Embe- riza miliaria — der Grauammer — befand, das gänzlich un- zerbrochen war, und das der Vogel warscheinlich in dem Momente verschlungen hatte, als er ihn schoss. u W. Pässler — J. f. 0. 1856, p. 45 — erwähnt gleich¬ falls, „dass das Weibchen das Nest, in welches es sein Ei gelegt hat, jeden Morgen besuche, um das von der Nesteigen- thümerin gelegte Ei aus demselben zu entfernen.“ Auch G. D. Rowlev — J. f. 0. 1866, p. 177 — „hat allerdings den Kukuk öfter einige Eier hinauswerfen sehen, nie jedoch wurden nach seinen Erfahrungen alle entfernt.“ H. Göbel — J. f. 0. 1871, p. 133 — fand in einem kleinen Rohrsumpfe, der an ein Wäldchen stiess, 3 Nester von Calamoherpe arundinacea, die von demselben Kukuks¬ weibchen belegt worden waren, da in dem Wäldchen nur ein Paar wohnte. Er berichtet ferner: „am 18. Juni fand ich in einem Neste ein etwa 5 Tage altes Junge, die hochbebrü¬ teten Eier des Nestvogels lagen im Wasser unter dem Neste, und in die Nestwand war ein faules Ei eingedrückt, am 22. Juni 1 Junges, etwa zwei Tage alt, im Neste und drei Eier des Nesteigenthümers im Wasser, an demselben Tage ein Irisches Ei, das denselben Tag gelegt war, da ich am Tage 70 vorher das Nest mit zwei Eiern des Nesteigen tliümers fand. Das Kukuksei ähnelt gar nicht dem der arundinacea , es hat violette Grundfarbe mit einzelnen dunklen Querzügen, manchen Emberiza miliaria-Eiern gleichend. Das Kukuksweibchen hatte also die Eier gelegt am 22. Juni, etwa den 6. Juni und den 30. Mai.“ Auch Dr. Dybowsky — J. f. 0. 1871, p. 394 — sagt: „Das Kukuksweibchen legt seine Eier in die Nester anderer Vögel. Die fremden Eier wirft es nicht mit Willen heraus ; geschieht dies dennoch, dann dürfte es doch wohl nur zufällig passiren“ ; und will ich noch weiter bemerken, dass er das Verderben der Nester und Auseinanderwerfen der Eier dem Männchen zur Last legt aus dem wahrscheinlichen Grunde, dass es dadurch sein Weibchen zur Verlängerung der Paa¬ rungszeit zwingen Avolle. Nach C. Sachse — J. f. 0. 1875, p. 419 — wird er gleichfalls für einen Eierräuber gehalten. Endlich will ich noch drei Citate aus den Publikationen ornitkologisclier Schriftsteller anführen, nach welchen das alte Kukuk s weibchen sogar so grausam sein soll, die J ungen des Nestvogels zu tödten; indem ich gleich¬ zeitig auf die bereits angeführten, diesen Punkt berührenden Behauptungen des Aristoteles — Bliea, Heft 11. p. 23 u. 33 — verweise. Dr. Gloger — Freunde d. Land- u. Forstw. 1857, p. 46 sagt, nachdem er vorher erwähnt hat, dass das Kukuksweibchen die Nester besuche, in welchen es seine Eier gelegt hat: „Ohne Zweifel besucht es dieselben aber vorzugsweise zu dem Zwecke, um bald nach dem Auskriechen der Jungen das seinige von seinen kleineu Gesellschaftern zu befreien, indem es diese nicht bloss tödtet, sondern soweit fortschlcppt, dass man vergebens nach ihnen sucht.“ W. Pässler — J. f. 0. 1857, p. 406 — erwähnt: „Am 11. Juni suchte ich in einem grossen Weiden werder nach dem Neste der Calamoherpe flaviatilis, welche ich länger be¬ obachtet hatte. Auf den Knieen liegend und das Riedgras ämsig durchforschend, hörte ich das Geräusch eines fliegenden Vogels und bemerkte einen Kukuk, der nach einem nahen 71 Busche flog, und von einem Weidenzweige sich nach einem Schilfbüschel hinabbiegend, mit dem Schnabel etwas, in dem ich einen jungen Vogel zu erkennen glaubte, aus einem dort befindlichen Veste holte. Nachdem er sein Werk vollbracht hatte, entflog er; ich eilte hinzu und fand einen, wenige Stunden alten Kukuk sich in dem Neste der Calamoherpe arundinacea winden, unter dem Neste die schnappende, nackte junge arundinacea, welche der Kukuk aus dem Neste geworfen hatte, damit sie seinem Kindchen keinen Eintrag bringen , und ein stark bebrütetes, aber kaltes, also früher herausgeworfenes Ei des Rohrsängers.“ Endlich stellt auch Dr. Dvbowski — J. f. 0. 1871, p. 394 — den Satz auf: „Nach dem Ausbrüten wirft das Kukuks woibchen die Jungen seiner Amme aus dem Neste, um dem eigenen Nachkommen eine gewissere Existenz zu sichern.“ Aus den meisten der eben erwähnten Citaten geht also hervor: dass sich auch der Kukuk, wenn er sein Ei gelegt hat, noch ferner um dasselbe, sowie um sein Junges kümmere. Während nun Büffon — Uebers. v. Chr. Otto, Bd. 20. p. 217 — darüber sagt: „Alle Einwohner der Wälder ver¬ sichern, dass die Kukuksmutter, wenn sie einmal ihr Ei in das Nest, welches sie erwählt, gelegt hat, sich entferne und ihre Leibesfrucht zu vergessen und aus dem Gesicht zu ver¬ lieren scheine“, und Bechstein — Naturg. Aufl. 1. Bd. 2. p. 491 -- schreibt: „Die rechte Mutter bekümmert sich unter¬ dessen gar nicht um ihre Nachkommenschaft, sondern begnügt sich bloss damit, ihr Ei gelegt zu haben“, glaubt Naumann Naturg. Bd. V. p. 231 — bemerkt zu haben, „dass sich das Kukuksweibchen zuweilen in der Gegend aufhalte, wo das Nest steht, in welches es sein Ei gelegt hat“, und Hof¬ rath Re i eilen b ach — Erinn. Sch. d. d. Ornith. Ges. 1853, P* 13 — fiihit auch an, „dass nach den Beobachtungen New- mann’s in England beim Kukuksweibchen allerdings ein nicht unbedeutender Grad von Mutterliebe vorhanden sei“, welche Beobachtungen — ibid. — Prof. Naumann zum Theil aus eigener Erfahrung bestätigt. Auch W. Pässler — J. f. 0. 1856, p. 45 — sagt: ,,Mit mütterlicher Zärtlichkeit besucht es dieses Nest — in welchem nämlich sein Ei liegt — jeden Morgen, um das von der Nesteigenthümerin zugelegte Ei aus demselben zu ent¬ fernen. u Und ebenso spricht auch Dr. Gloger — Freunde der Land- und Forstw. 1857, p. 46 — „von der mütterlichen Sorge des Kukuksweibchens um seine in Pflege gegebenen Kinder.“ Was nun meine Ansicht über diese, in Frage stehende Abnormität anbelangt, so stehe ich auf dem Standpunkte Büf- fon's und Bechsteiivs, die, wie oben erwähnt, mit der Legung des Ei's das Brutgeschäft des Kukuks für erloschen erklären; ferner Thienemanivs und Dr. Dvbowki’s, die die Absichtlich- keit des Verderbens der Nestvogeleier von Seiten des Kukuk¬ weibchens nicht anerkennen; und wieder Bechsteiirs, wenn er behauptet, dass die Pflegemutter Eier aus ihrem Neste würfe, um das fremde Ei besser bedecken zu können; was ich jedoch dahin verstanden haben will, dass dies Hinaus¬ werfen nicht speciell im Interesse für das fremde Ei, sondern überhaupt für die zu bebrütenden Eier geschieht. Finden wir doch oftmals , dass Vögel von ihren eigenen Eiern aus dem Neste werfen , wofür wir den Grund meines Erachtens darin suchen müssen, dass sie bei der ganzen An¬ zahl der gelegten Eier kein, ihnen zusagendes Brüten haben würden, wie z. B. es bei Ciconia alba und anderen nicht selten beobachtet wird, und wie ich es sogar schon bei Ciconia nigra beobachtet habe. Ich will auch nicht bestreiten, dass der Kukuk nicht zu¬ weilen ein Ei verzehrt — finden wir das doch bei manchen Vögeln als Lanius collurio, Corvus corax, Corvus cornix, Pica caudata und anderen — aber ich muss eingestehen auf die Gefahr hin, von manchem Ornithologen mitleidig belächelt zu werden, dass ich bis dahin noch nicht zu der Ueberzeugung gekommen bin, dass das Kukuksweibchen Eier und Junge der Nestvögel absichtlich aus Mutterliebe bei Seite schafft. Ich kann mich einmal nicht zu dem Glauben erheben, dass ein Thier, welches sich nicht selbst sein Nest bauet, 73 nicht selbst seine Jungen nährt, Mutterliebe für seine Nach¬ kommenschaft empfinden kann. Ich verwahre mich aber ausdrücklich dagegen, als ob ich irgend einem der Ornithologen der wissentlichen Unwahrheit oder der absichtlichen Täuschung zeihen wollte. Die gewöhnliche Erscheinung, dass man in den mei¬ sten Fällen nur den jungen Kukuk allein im Neste trifft, findet seine natürliche Erklärung darin, dass derselbe nach und nach etwa noch vorhandene Eier oder junge Nest¬ vögel über den Rand des Nestes hinausdrängt, wozu ihn einestheils seine Körpergrösse, anderentheils seine gewich¬ tigere Stärke qualificirt, die durch das Futter genährt wird, welches der grosse Fresser den übrigen Nestvögeln fort¬ schnappt, wonächst dieselben hinsiechen und desto leichter von ihm verdrängt werden. Es ist diese Erscheinung oft genug beobachtet worden und hat man versuchsweise die hinausgedrängten Jungen wieder in's Nest gesetzt, wonächst sie wieder von dem jungen Kukuk nach und nach hinausgedrängt worden sind. Gegen diese Ansicht spricht sich Dr. Dybowski — J. f. 0. 1871, p. 393 — aus; doch wird dieselbe wohl von den meisten Ornithologen getheilt. Ich will hier jedoch noch einige Fälle anführen, wo mit dem Kukuk zusammen auch lebensfähige Nestvögel gefunden sein sollen. Bliffon — Uebers. v. Chr. Otto, Bd. 20, p. 205 — erzählt uns: „Es fand sich den 14. Juni 1778 ein Kukuk, der neuerlich ausgekommen war, in einem Neste einer Drossel mit zwei jungen Drosseln, welche anfingen zu tliegen: den 8. Juni 1778 ein junger Kukuk in dem Neste einer Nachti¬ gall mit zwei jungen Nachtigallen und ein helles Ei; den 10. Juni 1778 ein junger Kukuk in dem Neste eines Roth- kehlchens mit einem jungen Rothkehlchen , welches länger ausgekommen zu sein schien“; und fügt dann weiter hinzu: „Lottinger hat mir eine Thatsache anvertrauet , die er selbst in seinem Briefe vom 17. October 1776 bezeugt: Im Monat Juni fand sich ein Kukuk, der vor Kurzem in dem Neste einer Grasmücke mit schwarzem Kopfe ausgeschlüpft war, 74 mit einer jungen Grasmücke, welche schön fliegen konnte, und ein helles Ei. Ich könnte noch verschiedene andere Thatsachen anführen.“ Die Legezeit wird von den meisten deutschen Ornitho¬ logen vom Ende Mai und Anfang Juni bis Mitte Juli an¬ genommen, auch wohl noch etwas früher. Nach G. D. Rowlev — J. f. 0. 1866, p. 172 — sagen 1 arrel und Morris : „dass das erste Ei nicht vor Mitte Mai gelegt zu werden scheint“; doch fügt Rowlev hinzu: „dass er schon am 5. Mai in dem sonst leeren Neste der Fringilla chloris ein Kukuksei angetroffen, und bezeichnet als letzten Termin den 19. Juli.“ Auch C. Sachse — J. f. 0. 1875, p. 420 — hat schon einmal am 5. Mai das Ei eines Kukuks gefunden. Die Nor mal zahl der Eier wird, da das Ei fast 6 — 8 Tage zur Ausbildung bedürfen soll, schon von Bechstein — Bechstein Naturg. Aufl. I. Bd. 2. p. 490 — auf circa 5 — 6. von Naumann — Naturg. Bd. Y. p. 225 — auf nur 4 — 6, von Dr. Gioger — J. f. 0. 1854, p. 226 -- auf 5 -6, oder höchstens 7 — 8 angegeben. Das Lebensalter wird von Naumann — Naturg. Bd. Y. p. 215 - bis zu 25 Jahren veranschlagt. Das Fleisch der jungen Kukuk e wurde schon von Aristoteles — Rhea, Heft II. p. 23 — als eine vortreffliche Speise gerühmt, und Bechstein — Naturg. Aufl. I. Bd. 2. p. 494 — bestätigt, „dass es in der That sehr wohlschmeckend sei.“ Hinsichtlich des Nutzens erwähnt noch Bechstein — ibid. — „dass man sonst Yieles vom Kukuk in der Arzenei brauche, und der abergläubische Landmann noch wohl immer glaube, dass ein zur Asche gebrannter Kukuk das beste Mittel gegen die fallende Sucht sei.“ Bezüglich der Konservirung des Standreviers will es so scheinen, als ob auch der Kukuk, gleich dem Storche, im Frühjahr in seine alte, im Herbste verlassene Heimath wieder einrückt. Forstmeister Wiese erzählt: „dass er ein und denselben Kukuk wenigstens zwei Jahre hintereinander in ein und dem- selben Walde angetroffen habe, der kenntlich gewesen sei an seinem abnormen Rufe.“ Blicken wir nun schliesslich noch mal auf das Yor stehende zurück, so geht nach meinem Erachten aus dem¬ selben hervor, dass die meisten, bis dahin in der Litteratur für die abnormen Erschei innigen im Leben des Kukuks abgegebenen Erklärungen, Schlüsse und Gründe, keine genügende Beweis¬ kraft haben, keine genügende Aufklärung geben, und wir uns demnach , mit Ausschluss einiger mythenhafter Schlacken, fast noch auf demselben Standpunkte befinden, wie vor 2000 Jahren die Alten zur Zeit des Aristoteles. Ich habe leider wenig eigene Beobachtungen mittheilen und desshalb auch nichts Neues schaffen können. Ich habe auch nur aus der hier und dort zerstreuten, mir zugänglichen Litteratur einen Extract ziehen , und die mir bekannten Beobachtungen und Schlüsse grösstentheils deutscher Ornithologen in übersichtlicher Reihenfolge zu dem Zwecke aufführen wollen : das Studium des interessanten Vogels anzu¬ regen, zu erleichtern und zu fördern. Greifswald im Juni 1876. Rein hold Wilhelm Buchholz, f Rein hold Wilhel m B u c h h o 1 z , ältester Sohn des Divisionspredigers Wilhelm B u e h h o 1 z , wurde am 2 ten October 1837 zu Frankfurt an der Oder geboren. Den ersten Unterricht erhielt er im elterlichen Hause. Im Jahre 1842 siedelte sein Yater als Pfarrer nach Jeditten bei Königs¬ berg i. Pr. über, woselbst er leider schon im Jahre 1848 in Folge eines typhösen Fiebers in einem Alter von 42 Jahren verstarb. Schon als Knabe zeigte Reinhold ein grosses Interesse für die belebte Natur, besonders für das Thierreich. Als nach dem Tode des Vaters seine Mutter mit ihren sieben Kindern nach Königsberg zog, kam Reinhold auf die Quarta des dor¬ tigen Gymnasiums. Als treuester Freund des verstorbenen Vaters hatte die Vormundschaft der Kinder der damals in Königsberg als Bauinspector angestellte Becker über¬ nommen, der, in väterlicher Weise für dieselben sorgend, Reinhold ganz in sein Haus genommen hatte und ihn, seinen fünf Söhnen gleichgestellt , erzog. Gleichwohl wirkte die Schule nicht günstig auf den Knaben, der, zu sehr durch den anregenden Unterricht des Vaters verwöhnt, dort keine völlige Befriedigung finden konnte. Als jedoch schon bald nachher Becker als Kreisbauinspector nach Berlin ging, veranlasste dies denselben, Reinhold dort auf das Alumnat des Joachim - thaler Gymnasiums zu bringen. Dort fühlte sich der arme Junge über die Maassen unglücklich, sein tief innerliches gemüthvolles Wesen wurde zu sehr abgestossen durch das kalte engbegränzte Leben ohne Familie. Wohl war es zu seinem Glücke, dass ein Zwischenfall, obschon dieser zunächst von unangenehmster Wirkung für ihn ausschlug, ihn von dort erlöste. Es waren in der Berliner Klasse Unordnungen gegen die Disciplin vorgekommen, der Anstifter sollte hart bestraft werden, aber Niemand verrieth diesen. Das Lehrercollegium, namentlich der gekränkte Lehrer, bot nun Alles auf, dies Schweigen zu brechen. Endlich suchte man sich den äusser- lich unscheinbarsten, kränklich und blass aussehenden stillen Reinhold zum Sündenbock aus. Er solle und müsse reden! Man peinigte ihn, stellte ihn vor die Conferenz, sperrte ihn in’s Carcer, ja man schlug ihn — und Reinhold schwieg. Diese jammervollen Pädagogen hatten sich an dem stillen Jungen verrechnet, ihre Inquisitionskünste weckten nur den Mann in dem Knaben und so schafften sie sich endlich die Genugthuung, ihn seiner Mutter, einer Wittwe in schweren Sorgen, mit einem Begleitbrief gebrandmarkt zurückzusenden. Und dieses Schriftstück besagte, dass Reinholds Charakter ein verdorbener sei, dass er ferner überhaupt schwerlich je etwas leisten werde, die Mutter möge ihn nur vorläufig Holz hacken lassen. Reinhold selbst war über diese bittere Kränkung ruhig und gefasst, und bat seine Mutter in rührender Weise, sie möge ihn nur die Schule nunmehr in Königsberg weiter besuchen lassen. Der damalige Director des Collegium E r i d e r i c i a n u m H o r k e 1 nahm sich des Verleumdeten in liebenswürdigster Weise an, bald wurde Reinhold, der zur Sekunda zugelassen war, der Stolz des Gymnasiums und ver¬ lies« Ostern 1857 nach glänzend bestandenem Abiturienten¬ examen Kön igsberg. Während dieser Zeit des Königsberger Aufenthaltes schloss Reinhold innige Freundschaft mit den ungefähr gleicli- alterigen Söhnen des Pfarrers Heinersdorff. Sie sollten nach jener unseligen Berliner Catastrophe auf Bitten der Mutter sich Reinholds annehmen und ihn vor ferneren Streichen bewahren. Bald kam Reinhold an — so meldet der noch überlebende der beiden Brüder, Herr Pfarrer Carl Heiners¬ dorff junior — und nach einer halben Stunde hatten wir die innigste Freundschaft geschlossen, die nur der Tod hat 78 auflösen können. Zwischen uns dreien ist niemals seitdem auch nur ein ernsteres Missverständnis oder gar eine Ver¬ stimmung eingetreten. Wir waren Sammler von Mineralien, Pflanzen, Insecten, Reinhold aber war nicht nur das, sondern er brachte uns ein solches Verständnis und Wissen in diesen Dingen entgegen, dass wir ihn sofort respectirten und ihn im Triumph zu unserem naturwissenschaftlichen Lehrer Dr. Jul. Schumann führten. Die Lehrer erkannten bald den vortrefflichen Kern in dem jungen Manne. Namentlich der damalige Oberlehrer, jetziger Professor der Zoologie, Zaddach erkannte das naturwissenschaftliche Genie seines neuen Schü¬ lers und wandte ihm seine Freundschaft zu , die er ihm bis zuletzt aufs innigste bewahrte. Nach bestandener Maturitätsprüfung ging Buchholz nach Berlin auf das Friedrich -Wilhelms -Institut. Das allein gab ihm die Möglichkeit Medizin zu studiren. Es ist ihm in der Anstalt aber nie behaglich gewesen ; er fühlte sich in seinem umfassenden, mit grosser Vorliebe auf die beschreibenden Naturwissenschaften, namentlich die Zoologie, gerichteten Streben durch die Zwangscollegien bei ihm theil- weise unsympathischen Lehrern, durch die exercitienreiche Hausordnung beschränkt und abgestossen. Während fast zweier Jahre hindurch war er in der freien Zeit täglich einige Stunden beschäftigt mit dem Ordnen der von den Gebrüdern Schlagint weit mitgebrachten grossen botanischen Samm¬ lungen. Als Lohn seiner Emsigkeit konnte er sich für den Erlös seiner Arbeiten ein grosses Nach et ’sches Mikroskop mit allen Nebenapparaten anschaffen, mit dem er später bist alle seine Arbeiten zur Ausführung gebracht hat. Fünf Semester verblieb B u c h h o 1 z auf der P e p i n i e r e in Berlin. Bei einem Besuche jedoch der Mutter in Berlin erklärte er dieser, dass er beschlossen habe, in Königsberg seine Studien zu vollenden, lehnte aber sofort jede Unter¬ stützung von Seiten seiner Mutter unbedingt ab. Hier lebte Buchholz wieder seit 1861 im innigen Freundesverkehr mit den Gebrüdern Heinersdorff, sie bewohnten dasselbe Haus. Buch holz machte neben seinen nie unterbrochenen Studien mit Leichtigkeit seine medizinischen Examina; am 11. Mai 79 1861 erlangte er die medizinische Doctonviirde. Schon da¬ mals fasste er den Plan, sich der akademischen Laufbahn zu widmen , allein noch schienen unübersteigliche Hindernisse den Weg vollends zu versperren. Um den Studien nahe zu bleiben wurde er Assistent für Physiologie beim Professor von Witt ich. Nach dem plötzlichen Tode seines Freundes Gottfried Heinersdorff , des Mediziners, schloss er sich um so inniger an den überlebenden Bruder Carl, den Theo¬ logen , mit welchem er auch für die Folge dasselbe Dach theilte. Nunmehr musste Buch h o 1 z , während sein Freund Gefängnissprediger wurde, bei den Cuirassieren eintreten, und es warteten seiner nunmehr 6 volle Jahre Militairdienst- zeit. Wie sah es da mit der -akademischen Laufbahn und nun vollends mit der Zoologie aus ! Der Mil itairdienst brachte ihn fast zum Verzagen. Da drängte ihn Heinersdorff zu einer Eingabe an den König mit der Bitte, ihm die Dienst¬ zeit in Gnaden zu erlassen, weil er als Militairarzt doch nichts Ordentliches leisten werde, während er mit seinen wissen¬ schaftlichen Leistungen dem Vaterlande besser dienen könne. Der Eingabe wurden die bereits gedruckten Arbeiten beigefügt, und als die Gutachten der Professoren, die bald darauf ein¬ gefordert wurden , Buchholzens Lob einstimmig hervor¬ hohen, erfolgte die erbetene Entlassung aus dem Militairdienste. Während seiner Königsberger Zeit arbeitete Buchholz theils auf histologischem theils auf zoologischem Gebiete, und ausser mit seinen von ihm hochgeschätzten Lehrern von Wit- tich, Z ad dach und Caspar y stand er in regem wissen¬ schaftlichen Verkehre mit seinen Altersgenossen, den jetzigen Professoren G r ii n h a ge n in Königsberg und W aide y e r in Strassburg. Während seiner Königsberger Zeit schrieb er ausser seiner Ca spar y gewidmeten Dissertation „De periostei trans- plantationibus“, welcher er durch eine Umarbeitung unter dem Titel „Einige Versuche über künstliche Knochenbildung“ (Archiv für pathol. Anat. u. Phvsiol. von R. Virchow. 1862. Bd. 26. pg. 78. Tafel IV.) grössere Verbreitung verlieh, zu¬ nächst eine für die Kenntniss der Würmer wichtige Arbeit : 80 „Beiträge zur Anatomie der Gattung Enchytraeus nebst Angabe der um Königsberg vorkommenden Formen derselben“ — in den Schriften der physikalisch- oekonomischen Gesellschaft zu Königsberg; III. Jahrgang. 1862, 88 Seiten mit 3 Tafeln colorirter Abbildungen. Schon in dieser Schrift zeichnet sich B u c h h o 1 z aus als gewandter Zergliederer, scharfsinniger Beobachter, treff¬ licher Kenner des Mikroskopes und Meister in der bildlichen Darstellung. Angeregt durch die gleichzeitigen Arbeiten Waldeyer’s über die feinere Structur, Ursprung und Endigung der Nerven der Vertebraten unternahm er die histologische Erforschung des Nervensy stemes der W e i c h th i e re , eine Aufgabe , die er in glänzender Weise löste in seiner Arbeit „Bemerkungen über den histologischen Bau des Centralnervensvstems der Süsswassermollusken“ (Archiv für Anat. Physiol. u. wiss. Mediz. von Reichert und Dubois-Reymond. 1863. pg. 234 — 264; 265—309 mit 4 Tafeln). Eine kleinere Arbeit in demselben Archive „über die Mikropyle von Osmerus eperlanus“ (1863. pg. 71 — 81 mit Tafel) und „Nachträgliche Bemerkung über die Mikropyle von Osmerus eperlanus“ (das. pg. 367 — 372) deckt die anatomi¬ schen Verhältnisse der für die Befruchtung wichtigen Mikro¬ pyle bei Osmerus auf. Ueber die anatomischen Verhältnisse des Branchipus Grubii r. Dyb o w s k i , den er auf einem Spaziergange un¬ weit Königsberg in einem Tümpel zufällig entdeckte, handelt die eingehende Arbeit in den Schriften der physika¬ lisch-ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg. V. Jahrgang. 1864. pg. 93 — 108 nebst Tafel. Als durch den Tod des verdienstvollen Greifswalder Helminthologen Creplin die Stelle des Conservators am zoologischen Museum der Universität vakant geworden war, bewarb sich Buch holz um dieselbe und er hatte die Freude im Herbst 1864 sein neues Amt antreten zu können. Nun war ihm die Bahn geöffnet, seinem Lieblingsfache, der Zoologie, alle seine Kräfte zu widmen. Seine Mutter und Schwester folgten ihm nach Greifswald. Nachdem ihn in 81 den ersten Zeiten vorwiegend das Sammeln einheimischer Thiere und eingehende Studien auf dem Museum gefesselt hatten, unternahm er im Herbste 1865 seine erste Stu¬ dienreise. Vorbereitet durch das Studium der dänischen Sprache und der Fauna der nordischen Küstenregionen begab er sich nach der norwegischen Küste, um vornehmlich in Christians and den Forschungen der Seethiere obzu¬ liegen. Blieb zwar die Ausbeute für die Sammlung hinter seiner Erwartung zurück , so gelang ihm doch im September ein überaus interessanter Fund. Er hatte nämlich das Glück im Innern eines Rankenfüsslers Baianus ovularis Lmk. eine neue Gattung parasitischer Isopoden zu entdecken. Dieses der Familie der Bopyriden angehörige neue Geschlecht nannte er Hemioniscus, als dessen Artrepräsentanten He- mioniscus Balani als neue Spezies aufgeführt wurde. In der Abhandlung „Ueber Hemioniscus, eine neue Gat¬ tung parasitischer Isopoden“, Zeitschrift für wissen¬ schaftliche Zoologie von v. Sieb old und Köl liker, Bd. 16. 1866. mit 2 Tafeln, wird das seltsame Thier und seine innere Organisation genau beschrieben, und über seine Zergliederung finden sich eingehende Angaben ; die Abbildungen sind vor¬ trefflich. Die gesammte Ausbeute an Thieren, welche er auf dieser durch eigene Mittel unternommenen Reise gesammelt hatte, überliess er dem Museum der Hochschule als werth¬ volles Geschenk. Nachdem er in demselben Jahre 1865 von der philoso¬ phischen Fakultät in Königsberg wegen seiner hervor¬ ragenden Arbeiten honoris causa zum doctor philosophiae promovirt worden , habil itirte er sich als Privatdozent für Zoologie. Die nächstfolgende Zeit nach der norwegischen Reise beschäftigte ihn noch das Studium der parasitischen Mil¬ ben, von denen sich von Creplin’s und Schill in g’s Zeiten her ein werthvolles Material auf dem Greifswald er Museum vorfand. Die eingehende Bearbeitung desselben lieferte das erfreuliche Resultat, dass 21 neue Arten der Gat¬ tung Derma lei ch us angehörig entdeckt wurden. In einer grösseren Arbeit „Bemerkungen über die Arten der Mittli. ;i. d. naturw. Verein v. Neuvorp. u. Rügen. VIII. 6 82 Gattung Dermaleichus“ Koch , welche mit 7 Tafeln ausgerüstet, schon im Jahre 1866 zum Drucke eingesandt wurde, die aber erst 1869 in den Nova acta academiae caesa- reae Leopoldino-Carolinae naturae curiosorum. Bd. XXXV. 56 Seiten stark erschien, finden sich die folgenden neuen Arten beschrieben und abgebildet, nämlich : Dermaleichus rostratus; — D. Landoisii; — D. stylifer ; — D. ampelidis; — D. Eulabis ; — D. Limosae ; — D. gallinulae ; — D. elon¬ gatus; — D. Haliaeti; — D. attenuatus; — D. Glan dar ii ; — D. Columbae; — D. Puffini; — D. Aluconis; — D. abbre- viatus; — D. Pici majoris; — D. Strigis oti; — D. mucro- natus; - D. Fürsten b ergii ; — I). Stellaris; — D. Phaetonis. Während des preussisch -österreichischen Krieges 1866 war Buchholz in einem Lazarethe, vorzugsweise in Böh¬ men, als Assistenzarzt thätig. Xach dem Friedensschluss nach Hause entlassen entwarf er sofort den Plan zu einer neuen wissenschaftlichen grösseren Reise. Auch diesmal hatte er die Mittel hierzu von seinem kleinen Gehalte sich erspart. Das Reiseziel war Xeapel, woselbst er vom April bis Juni 1867 in ange¬ strengtester Weise sammelte und forschte. Die Ausbeute war eine ganz bedeutende, und sämmtliche Thiere schenkte er in uneigennützigster Weise dem Museum in Greifswald. Auch in Neapel gelang ihm manche schöne Entdeckung auf dem Gebiete der Crustaceenkunde, die ihn überhaupt vornehmlich anzog. Er entdeckte acht neue innerhalb der A sei dien lebende Arten parasitischer Cruster, welche er in seiner Ar¬ beit ,, Beiträge zur Kenntuiss der innerhalb der Ascidien lebenden parasitischen Crustaceen des Mittelmeeres“ in der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoo¬ logie beschrieb und auf 7 colorirten Tafeln abbildete (a. a. 0. Bd. XIX. 1869. Seite 99 — 155). Ausserdem stellte er das neue Cruster - Geschlecht Goniodelphys fest. Die acht neuen von ihm entdeckten Arten nannte er : Notodelphys mediterranea; — N. pusilla; — Doropygus pnllus; — Bo- tachus fusiformis ; — Notopterophorus elongatus ; — Gonio¬ delphys trigonus; — Liehomolgus elongatus. 83 Eine Frucht des Aufenthaltes in Neapel war auch seine Arbeit „Zur Entwickelungsgeschichte von Alciope“ (mit einer Tafel. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, Bd. 19). Er nannte die von ihm entdeckte Larvenform, in Anerkennung für die Unterstützung, welche Professor Pan- c e r i in Neapel ihm hatte angedeihen lassen , A 1 c i o p i n a P a n c e r i i. Um die Zeit der Ausarbeitung dieser Schriften fasste er im Vereine mit dem Unterzeichneten den Plan, den so schwierig zu ermittelnden anatomisch-histologischen Bau der Araneiden zu ermitteln. Als Object wurde die gewöhnliche Kreuz¬ spinne hierzu ausersehen. Die Untersuchungen kamen zum vollen Abschlüsse zunächst nur in Betreff der Spinnappa¬ rate, während in Betreff der anderen Organe vielfältige Auf¬ zeichnungen und Skizzen reservirt bleiben mussten. Die Resultate wurden veröffentlicht in der Arbeit: „Anato¬ mische Studien über den Bau der Araneiden von Dr. R. Buchholz und Dr. L. Landois“; I. Ueber den Spinnapparat von Epeira diadema, im Archiv für Ana¬ tomie, Phvsiol. und wiss. Med. von Reichert und Dubois- Reymond, 1868. pg. 240 — 255, mit 2 Tafeln in Kupfer. Diese Arbeit wurde weiterhin für Buch holz die Veranlassung zur Ausarbeitung seiner umfangreichen mit vielen Tafeln aus¬ gestatteten Schrift über die Sp i nn we r k z e u ge der ver¬ schiedenen Spin nengattu nge n. Bald nachher veröffentlichte er in Gemeinschaft mit Herrn Prof. Münter die Arbeit „Ueber Baianus improvisus Darw var. Gryphicus Münter , Beitrag zur carci- nol ogi sehen Fauna Deutschlands“, in den Mitthei- lungen aus dem naturwiss. Vereine von Neu -Vorpommern und Rügen. I. Jahrgang. Berlin 1869. Er lieferte von dieser Arbeit den 2. Tlieil, die Entwickeln ngsgesehichte mit 2 Tafeln, in welchem er das Entstehen dieses Thieres vom Ei bis zu den beiden Naupliusstadien genau studirte und beschrieb; (pg. 14 — 10). an Allbekannt ist die Theilnahnu der zweiten deutschen * R o i n ho 1 d B uc h hol % 's Nord polarfahrt in den 6* 84 Jahren 1869 und 1870 *). Auf das sorgfältigste vorbereitet durch ein eingehendes Studium der arcti sehen Thierwelt, aus¬ gerüstet mit Mikroskop , Lupen , Zergliederungswerkzeugen, Reagentien und Waffen , die er abermals aus seinen Erspar¬ nissen sich erworben, verliess er Anfangs Juni Greifswald. Ich begleitete ihn bis Berlin, wo wir gemeinsam die Anti¬ quariate nach Literatur arktischer Tliiere durchsuchten und noch viel werthvolles literarisches Material zusammenschafften. Das Schicksal der „Hansa“, welcher der damals 32 Jahr alte Forscher zugetheilt war, ist frisch in Jedermanns Ge- dächtniss. Alles war verloren : Sammlungen, Aufzeichnungen, Abbildungen, Bücher, Instrumente. Die fürchterliche Fahrt der muthigen Hansa- Männer auf der Eisscholle über 200 Tage hindurch sollte namentlich durch folgenden Unfall sich noch trauriger gestalten. „Hur ein Ereigniss“ — so sagt der Bericht — „welches Anfangs März eintrat, betrübte uns sehr; unser Dr. Buchholz, welcher sich bisher in allen Momenten der Gefahr muthvoll und entschlossen gezeigt hatte, wurde trübsinnig, und es entwickelte sich bei ihm ein Hervenübel, das ihn erst in der Heimath wieder verlassen sollte.“ Zum ewigen Angedenken nannten seine Gefährten jene weitvor- springenden drohenden Klippen der Grönländischen Küste südlich der von ihnen so getauften „Sehr ecke ns bucht“ zwischen dem 34° und 35° westl. Länge und dem 66° — 67° nördl. Breite, welche die Scholle am 9. Januar passirte, „Cap Buchholz“. Trotz des namenlosen Unglückes, das den kühnen For¬ scher übermannt hatte, sollte Buchholz’s Harne mit den Ergebnissen dieser denkwürdigen Reise in hervorragendster Weise verknüpft werden. Waren auch seine eigenen Samm¬ lungen verloren gegangen, so bot sein Reisegefährte von der „Germania“, Professor Dr. Pansch in Kiel die von ihm gesammelten Crustaceen Buchholz zur Bearbeitung an. *) Die zweite deutsche Nord polarfahrt in den Jahren 1869 und 70 unter Führung des Capitän Karl Koldewey, herausgegeben von dem Verein für die deutsche Nordpolarfahrt in Bremen. 2 Bände. Leipzig 1873 und 1874. Yieler Einzelheiten wusste sich letzterer überdies selbst noch zu entsinnen. Das von ihm geführte, noch erhaltene Tage¬ buch ist ferner für die Beschreibung der Reiseerlebnisse zu Schiff und zur Scholle vielfach benutzt worden. Buchholz hat die Bearbeitung der Krustcnth iere in dem Nordpolarwerke vollständig durchgeführt. Es gehört dieser Tlieil zu den besten Abschnitten der wissenschaft¬ lichen Ergebnisse der Reise. Er umfasst im zweiten Bande die Abtheilung Nr. 8 „Crustaceen“ von Seite 262 — 398 mit 15 lithographirten Tafeln. 55 Arten waren gesammelt und unter diesen entdeckte Buchholz folgende neuen Arten, die er eingehend beschreibt und abbildet. Diese sind: Hip¬ polyte incerta; -- H. Panschii; — Pasiphae glacia- lis; — Leptophryxus Mysidis; — Parapl eust es gracilis; — Paramphithoe megalops. — Manche früher unzureichend bekannte Arten erhielten durch Buchholz eine genaue Bestimmung. Das Greifs walder Museum erhielt durch Buch holz werthvolle Exemplare dieser Ausbeute zum Geschenke. Dem Zurückgekehrten und völlig Wiedergenesenen wurde der rothe Adler-Orden 4. Classe zu Tlieil. Im Jahre 1872 wurde Buch holz auf Antrag der philo¬ sophischen Fakultät zum ausserordentlichen Professor der Zoologie ernannt. Aber schon drängte es ihn zu neuen grossartigen Unter¬ nehmungen. Wiederum völlig durch eigene Mittel aus seinen Ersparungen ausgerüstet, unternahm er in Begleitung der DDr. Llihder und Reichenow im Juni 1872 seine Fahrt nach dem äquatorialen Westafrika, wo er das Gebiet der Gold k ü s t e , das Land und Gebirge von C a m eruns, Fernando -Po, Gabun und das Flussgebiet des Ogowi wissenschaftlich durchforschte. Am 10. Juni 1872 ging er mit seinen Gefährten an Bord der „Dahomev“, einem kleineren »Segelfahrzeuge , welches Buchholz lebhaft in seiner ganzen Erscheinung an die Hansa erinnerte, unter Capitain Hohorst von Bremer¬ hafen aus in See. Nach einer Fahrt von 49 Tagen, auf welcher das Schiff nur bei Cap Palmas etwa eine Woche 86 kreuzen musste, gingen sie am 29. Juli vor Akkrä vor Anker. Die tropische Regenzeit näherte sich dem Schlüsse, alles grünte und blühte in prächtigster Fülle, so dass für baldige um¬ fassende Arbeiten günstige Aussichten sich eröffneten. Das ungesunde Küstenklima brachte dem Reisenden bald eine Intcrmittens, welche ihn nöthigte, weiter landeinwärts in das bewaldete Gebirge nach Aburi aufzubrechen, wo er im Hause des Missionars Mohr, der seit 20 Jahren dort angesiedelt lebte, angenehme Zeiten zubrachte. Am 9. October brach er von hier wieder auf nach Akkrä, wo er Lüh der und Rei- chenow, welche sich auf einige Zeit von ihm getrennt hatten, wiederfand. Hier wurden die gesammelten Naturalien zur Absendung vorbereitet, und am 16. October fuhren die Rei¬ senden mit dem englischen Steamer „Lagos“ nach Came- runs, woselbst sie am 22. October Abends landeten. Bei ihrer Ankunft wurden sie von Thor mahlen, welcher dort einer Faktorei des Herrn W ö h r m a n n in Hamburg Vor¬ stand, überaus freundlich aufgenommen, und verlebten dort etwas über eine Woche am Bord seiner „Hulk“, einem grossen mit Dach versehenen abgetakelten Barkschiffe, welches gegen¬ über von „King Beils Town“ mitten im Flusse vor Anker liegt. Während weiterhin nun 1^ ii h d e r und Reichenow ein Haus in Cameruns in Aqua Town mietheten, begab sich Buchholz nach Bimbia, nahe bei Victoria , an der äusseren Mündung des Camerun river belegen, um von hier aus zoologische Streifzüge zu unternehmen und die Küstenfauna zu studiren. In diesem armseligen Neste blieb er indess nur bis zum 5. November und ging dann nach V i c t o r i a am Fusse des Camerungebirges, wo seine Thätigkeit leider durch häufige und heftige Fieberanfälle zu oft gestört wurde. Dazu kam, dass die kriegerischen Ver¬ wickelungen der Häuptlinge an der Küste grössere Expedi¬ tionen unmöglich machten. Um sich gegen das heftige Fieber zu schützen, wurde er genöthigt höher in’s Gebirge zu gehen. Am 22. Februar rekognoscirtc er das etwa 4000' hoch belo¬ gene Dorf Bonjonjo, wo sofort die Gebirgsluft kräftigend auf ihn einwirkte. Das auf steiler Höhe liegende Dorf, von einem guten Fussgänger in 3 Stunden erreichbar, erkor er 87 sich zum längeren Standorte. Vorher jedoch hatte er noch in V i c t o r i a vorwiegend Studien über Fische , Reptile und Termiten angestellt, von denen er nur ungern durch Fieber bewogen, Abstand nahm. Als nun der überaus traurige Todesfall Lühder's am 12. März in Cameruns erfolgte, schloss R eiche now sich an Buch holz an und beide be¬ gaben sich vorerst nach Bonjonjo. Hier machte er zahl¬ reiche Excursionen, sammelte viel, namentlich Insecten und begann die topographische Aufnahme des Gebirges. Ende Mai trieb der überhand nehmende Regen Buch holz wieder nach Victoria. Reiche now, dessen Gesundheit durch das Fieber stark erschüttert worden war, reiste über Gabun im Juli nach Europa zurück. Nachdem Buch holz reiche Samm¬ lungen des Gebietes um Victoria gemacht hatte, begab er sich Anfang November wieder nach Cameruns, um von hier aus dem gleichnamigen Flusse folgend am 9. December nach Abo aufzubrechen. Da dieser Ort gänzlich ausser dem Verkehr mit Europäern liegt, so mussten besondere Maass¬ regeln getroffen werden. King Bell, dem die Reisenden schon früher vorgestellt waren, dessen Mutter aus Abo stammt, bürgte für die Sicherheit des Forschers, der jüngste Bruder dieses Häuptlings schloss sich sogar als Dolmetscher der Ex¬ pedition an. ln der Wohnung des dortigen Häuptlings, von vielfätigen Diebereien abgesehen, im Uebrigen wohl auf¬ genommen, verblieb er hier bis zum 21. December, sammelte einige seltene Thierc, die von Cameruns versandt wurden. Eine zwischen den Häuptlingen King Bell und King Aqua ausgebrochene Fehde brachte ihn selbst in Lebensgefahr. Vorübergehend nach Cameruns zurück gekehrt, entschloss er sich zu einer abermaligen Expedition nach Abo vom 16. Februar bis zum 23. März. Auch die Gegend von Mungo, welches an einem anderen Arme des Flusses be¬ legen ist, wurde in einem dreiwöchentlichen Aufenthalte durch¬ forscht. Sein Plan, von hier aus nach dem Cannibalendorfe Bai on g nahe dem oberen Galabar flu sse zu gelangen, wohin noch nie ein Europäer gekommen, wurde zuerst trotz der Einladung des dortigen Häuptlings von den Mungo¬ leuten verhindert, doch gelang es ihm schliesslich auch bis 88 dahin vorzudringen. Auch die Gegend von Jenssoki, an einem anderen Nebenarme des Camerunfiusses belegen, wurde besucht. Die ersten Monate des Jahres 1875 verbrachte er wissenschaftlich arbeitend auf Fernando -Po. Am 21. März dampfte er nach Gabun, wo er am ersten Ostertage anlangte und den Geologen Dr. Lenz antraf. Hier bot sich ihm die Gelegenheit, zum ersten Mal einen jungen lebenden Go¬ rilla zu beobachten. Von hier aus wurde nun das Fluss¬ gebiet des Ogowi durchforscht. Hier fand er des Merkwür¬ digen und Seltenen so vieles, dass er es bedauerte, nicht schon früher diese Gegend besucht zu haben. Allein es drängte ihn, den afrikanischen Boden zu verlassen. Im November 1875 kehrte er reich mit zoologischen Sammlungen beladen nach Greifswald zurück, nachdem er auf der Rückreise auf dem Dampfer neue Gefahren, durch einen Defect der Maschine hervorgerufen , abermals zu be¬ stehen hatte. ln der grössten Zeit seines afrikanischen Aufenthaltes wurde er weiterhin durch die Mittel der Hu mb oldt Stiftung unterstützt. Die erste Zeit seines Aufenthaltes in Greifswald wurde dem Auspacken, Ordnen und Conserviren der Sammlung ge¬ widmet, zugleich wurde Umschau nach der zur Bestimmung nothwendigen Literatur gehalten. Dies sowie der Uebertritt in seine neue Stellung verhinderte ihn zunächst an einer selbstständigen sofortigen Bearbeitung. Er hatte bis dahin nur zwei neue Camaeleonen beschrieben, über welche er bereits von Afrika aus Mittheilung an die Berliner Aka¬ demie gelangen liess (Monatsberichte der Akad. der Wissen¬ schaften. Januar, 1874. p. 78). Im Uebrigen aber war es sein Plan, die gesammelten Tliiere gruppenweise an hervor¬ ragende Spezialisten zur möglichst baldigen Bestimmung und Bearbeitung zu überlassen. In diesem Sinne hatte er bereits einen grossen Tlieil der Vertebraten, namentlich Fische, Am¬ phibien, Reptilien und Säuger an Professor Peters in Berlin überlassen, der hierüber Mittheilungen veröffentlichen konnte und namentlich eine höchst merkwürdige Fischform, die B u ch - holz entdeckt hatte, P a n t o d o n B u c h h o lz i nannte, welche 89 dem Osteoglossum und Hvodon im Systeme am nächsten steht. (Vgl. Peters, Ueber eine merkwürdige von Herrn Professor Dr. Buchholz entdeckte neue Gattung von Süsswasserfischen Pantodon Buchholzi, welche zugleich eine neue, den Malakopterygii abdominales angehörige Gruppe von Fischen, Pantodontes repräsentirt. Monatsbericht der kgl. preuss. Akademie der Wissensch. zu Berlin. März 1876. Berlin 1876. pg. 195 mit Tafel). Ueber die 78 übrigen Arten der Fische machte er sodann in der Sitzung vom 27. April Mit¬ theilung. Unter den 4 neuen Arten ist besonders Opsari- dium Buchholzi dem Andenken des Verstorbenen gewidmet. Ueber die in 87 Arten vorliegende Sammlung der R e p t i 1 i e n und Amphibien hat ebenfalls Professor Peters eine be¬ schreibende Uebersicht gegeben (Monatsberichte der kgl. Akad. der Wissensch. zu Berlin. 4. März 1875), welche die beiden von Buch holz entdeckten Chamaeleonen nämlich Cha- maeleo spectrum und Chamaeleo montium mit¬ umfasst, über welch' letztere Buch holz in der Sitzung der Akademie vom 22. Januar 1874 bereits Mittheilung hatte machen lassen. Buch holz und Peters fanden unter den Schlangen drei neue Arten nämlich: Typhlops deco- rosus; — Trasops pustulatus; — Philotamnus ni- grofasciatus. Unter den Fröschen stellten sie folgende neuen Spezies auf: Rana crassiceps; — Noctophryne afra (zugleich als neues Geschlecht); — Chiro- mantis guinoensis; — Hylambates notatus; — Hyperolius acutirostris; — Hypcrolius spinosus. ln der Augustsitzung der Akademie berichtet Peters über die gesammelten 56 S äuge thior- Arten, mit 7 neuen Spe¬ zies, worunter das von Buch holz als neu erkannte Eich¬ hörnchen Sei ur us calliurus Bchhz. einbegriffen ist. — von Martens gab über die von Buch holz in 46 Arten gesammelten Land- und Süsswasser-Mollusken eine Uebersicht in den Monatsberichten der B er 1 i n er A k a d emie (27. April 1876), und nannte unter den 20 neuen Arten drei zu Ehren ihres Sammlers, nämlich: Streptostile Buchholzi, Ennea Buchholzi, Urocyclus Buch¬ holzi. Die gesammelten Lcpidopteren sollte der auf 90 diesem Gebiete so bewanderte C. Plötz in Greifswald präpariren und bestimmen. Dieser nahm sofort die schon aus den ersten Sammlungen herrührenden Schmetterlinge in Arbeit und nannte die zuerst gefundenen neuen Spinner Bu- naea Buchholzii (vgl. diese Mittheilungen Jahrg. Y u. VI. 1873/74. pg. XIII.) Ueber andere Gruppen hatte Buchholz noch nicht verfügt. Er selbst wollte in erster Linie die Cru- staceen in Angriff nehmen. Im Januar 1876 wurde er zum ordentlichen Pro¬ fessor der Zoologie an der hiesigen Universität ernannt, vom 1. April sollte er die Direction des Museums über¬ nehmen. Vorher jedoch, während des kalten stürmischen und regnerischen März, reiste er nach Berlin, um mit Peters und Za d dach über seine Sammlungen zu berath- schlagen ; zugleich machte er einen Abstecher nach Braun¬ schweig, um seinen Freund Otto zu besuchen. Etwas erkältet und sichtlich angegriffen kehrte er zurück. Am 8. April überraschte ihn ein heftiger Fieberanfall, stärker als jene mässigeren Malariaattaquen, unter denen er seit seiner Kiickkehr aus Afrika zeitweise noch fortwährend gelitten hatte. Am folgenden Tage war er wohler und verliess sogar sein Lager. Aber schon am Tage darauf erneuerte sich der Anfall mit verdoppelter Heftigkeit und es entwickelte sich aus seinem Bronchialcatarrh eine Lungenentzündung. Zu¬ gleich trat eine Kniegelenksentzündung, die ihm in gerin¬ gerem Grade schon in Afrika lästig geworden war, mit erneuter Heftigkeit hervor. Am 17. April 1876 Morgens gegen 7 Uhr verschied er. Zweifellos zählte Bein hold Buch holz zu den bedeu¬ tendsten jüngeren Zoologen. Ausgerüstet mit umfassenden Kenntnissen aller Hilfsmittel der modernen Zoologie, aus¬ gezeichnet in der Kenntniss des Mikroskopes, reich bewandert in der Literatur zahlreicher Sprachen war er ein Arbeiter von unvergleichlicher x4usdauer und eminenter Genauigkeit. Er war Forscher und Gelehrter im höchsten Sinne des Wortes, seine Wissenschaft war ihm Alles, der er jeden Augenblick, Jedes was er hatte und vermochte zu opfern bereit war. In seinem Leben war er schlicht, anspruchslos, bescheiden, Be- 91 dürfnisse eines verfeinerten Lebens waren ihm fremd. Seinen Charakter kennzeichnete die reinste Wahrhaftigkeit und das edelste sittliche Streben. Was er als recht erkannt, führte er schnell und entschlossen aus , ohne sich viel um das Wenn oder Aber zu bekümmern, seine Ziele verfolgte er mit Zähigkeit und unbeugsamer Ausdauer. Als Freund war er von grosser Herzensgüte, aufopfernd und uneigennützig. Seiner Familie war er der beste Sohn und Bruder. Er ist begraben auf dem neuen Kirchhofe zu Greifs¬ wald, wo ein von Freundeshand gesetzter einfacher Granit¬ block seine Ruhestätte bezeichnet. L. Landois. Universitätsbuchdruekerei (P. W. Kunike), Greifswald. Mittheilungen aus dem naturwissenschaftlichen Vereine von Neu-Vorpommern und Rügen Greifswald. Kedigirt von Dr. Th. Marsson. Neunter Jahrgang*. Mit 5 Tafeln. Berlin. Verlag von R. G a c r t n e r. 1877. Inh alt. Seite. Verzeiekniss der Mitglieder . V Bechnungs- Abschluss für das Jahr 1876 . VIII Sitzungsberichte . IX Yerzeichniss der vom September 1876 bis September 1877 beim Verein eingegangenen Druckschriften . XXIII Uber zwei im 10. Jahrhunderte bei Greifswald zur Section ge¬ langte männliche Individuen von Balaenoptera Sibbaldii von Bened. s. Cuvierius Sibbaldii Gray s. Pterobalaena Gryphus Mtr. Von Prof. Dr. Julius Munter. Einleitung . 1 Das Walthier von 1825 . . 4 Das Walt hier von 1862 . . . . 18 Messungen . 21 A. Bemerkungen zur vorstehenden tabellarischen Zusam¬ menstellung .... Ä. . 23 B. Anatomisches . • . 26 Angabe der gemessenen Distanzen . 44 Zur Systematik . 60 Uber einen bei Clupea Harengus L. vorgekommenen Fall von Her¬ maphroditismus. Von Prof. Dr. Julius Munter . 103 Beschreibung einer hydrodynamischen Luftpumpe Von Prof. Dr. Frlir. v. Feilitzsch . 118 Zur Theorie der Influenzelektrisirmaschine. Von Dr. W. Holtz . 125 A. Maschinen, welche einer consta nten elektrischen Hiilfs- quclle bedürfen. a) Kotirendo Scheibe belegt . 126 b) Botirende Scheibe unbelegt . 132 B. Maschinen, welche nur einer momentanen elektrischen Erregung bedürfen. a) Ohne überzählige Conductorer. . 137 b) Mit überzähligen Conductoren . ( . 153 Anhang. a) Noch andere Formen der Maschine . 160 b) Ihre Verwandtschaft mit dem Elektrophor .... 171 ,divergirend in. die Höhe; überdies sprechen sie von den gewöhnlichen „beiden Beckenknochen doch mit dunkeln Worten, die durch keine Ab¬ bildung erhellt werden“. Meine auf eine in meinen Händen befindliche Bleistiftskizze basirte Auslegung obiger „dunkeln Worte“ dürfte wohl die Frage aufhellen helfen. 13 strandete, von Rudolphi beschriebene Thier) überein. Das iin Jahre 1690 an den schottischen Küsten gestrandete Thier habe auch 46' gemessen und Brustflossen von 5* Länge und 2\‘ Breite gehabt. Das andere Sibbald’sche Thier von 78' Länge, 35' Umfang mit 10' langen Brustflossen stimme dagegen mehr mit dem neuesten Berliner Thiere Balaenoptera museulus (Balaena longimana Rud.). Es bliebe also nur noch Balaena boops Fabr. übrig, dessen Oberkiefer kürzer sei als der Unter¬ kiefer und der vor den Haslöchern 3 Reihen buckliger Erhaben¬ heiten besitze. — Diese 3 Arten: museulus, boops und ro st rata glaubten s. Z. die Greifswalder Cetologen, als sicher gestellt, annehmen zu müssen. Hiergegen trat schon Rudolphi in seiner Abhandlung über Balaena longimana auf, indem er sagt: „dass er die Schreber- schen 3 Arten : rostrata, boops und museulus nicht zu unter¬ scheiden vermöchte und es daher am Gerathensten halte, den nichts sagenden und zweideutigen Hamen boops ganz fallen zu lassen und denselben durch B. longimana zu ersetzen.“ Gegen diesen Rudolphi’schen Vorschlag ist in der That ein späterer Einwand kaum erhoben worden. C. W. Th. Hüb¬ ner, welcher ein am 9. April 1851 bei Reval gestrandetes Walthier in seiner desfalsigen „Populär -Haturhistorisches“, Reval 1852, 4°, betitelten Schrift beschrieb, nennt dasselbe auf Rudolphi’s Autorität hin, auch ohne Weiteres „Balaena longimana.“ Gray, meist immer geneigt, ältere Benennungen zu cassiren und dieselben durch Heue, und mit dem nie fehlen¬ den Zusatze „Gray“ zu bezeichnen, hält doch den Species- Hamen „longimana“ wenigstens aufrecht, zieht die Art aber unter sein Genus: Megaptera, wodurch ein seltsamer und durchaus überflüssiger Pleonasmus statuirt wird, zudem bereits durch Eschricht's unvergleichlich-schöne Arbeit über den Ke- porkak, der weit bessere Gattungsname Kyphobalaena in die Wissenschaft eingeführt war. Da nun bereits das erste Greifswalder Thier von Rosen¬ thal und Hornschuch, bestimmt als zu der neubenannten Ky¬ phobalaena (Megaptera) longimana nicht gehörig anerkannt worden ist, eine Ansicht, der man überall beipflichten wird, 14 so kann selbstverständlich liier von allen weiteren Vergleichen mit diesem Buckelwal abgesehen werden. Das eigenthümliche Schulterblatt, die riesige langfingrige Hand, die specifische Form der Oberkiefer, die 54 Wirbel und 14 Rippenpaare ge¬ nügen vollkommen, um darzuthun, dass der Greifswalder Wal von 1825 nicht auf die Rudolphi'sclie „longimana“ zurück¬ geführt werden darf und derselben subsumirt werden kann. Was nun aber die von Rosenthal angenommene Art: ,,Musculusu anbetrifft, so war s. Z. dies Thier doch keines¬ wegs so über alle Zweifel sicher gestellt, wie es heute der Fall ist. Jetzt verstehen wir darunter die von Esehricht, van Beneden u. A. „ P t e r o b a 1 a e n a c o m m u n i s u oder von Grav > i «/ unter dem Famen ,,Phv salus antiquorum“ benannte Art. Die grossen und mit einem weiten Loche versehenen Hals¬ wirbel, besonders die riesige dicht am Wirbelkörper mit einem Loche durchbohrte Knochenplatte des Epistropheus, die 14 Rippenpaare, (31 Wirbel (so das schöne Antwerper Exem¬ plar!) das Schulterblatt mit acromion und pr. coracoideus, deren Letzterer kaum halb so lang als der Erstere, das Alles sind so typische Merkmale, dass man leicht das Scelet eines Ptero- balaena communis Esclir. in einer selbst reichen Sceletsamm- lung wieder herauserkennt: ja es genügen, wie es im Berliner anat. Museum der Fall ist, die ersten Halswirbel, wie denn auch der scharfsichtige Joh. Müller die beiden dort aufbe¬ wahrten Halswirbel ganz richtig zu Musculus oder Pt er ob. communis (Physalus antiquorum GL) gezogen hat. Rosenthal war nicht in der Lage über dies zwar seit Aristoteles und Plinius Zeiten bekannte, aber bis zu seiner Zeit noch unvollständig beschriebene Thier volle Klarheit erhalten zu können; allein er zog sein Thier vom Jahre 1825 klüg¬ licherweise doch nicht zum „Musculus“ des 0. Fabricius, obschon er die Ähnlichkeit seines Sceletes mit dem vom Lace- pede abgebildeten B. musculus zugab. Wenn aber nun somit jene beide Arten : (Kyphobalaena longimana und Pterobalaena communis) ausgeschlossen bleiben müssen, so konnte es sich auf dem damaligen Standpunkte der Svstematik freilich eben nur noch um die Fabricius'sche Art: ro st rata handeln. — Rudolphi spricht (1. c. p. 134) sich definitiv ablehnend über diese Frage nicht aus, ja derselbe hält es sogar für nicht ganz unmöglich auch den Dubarschen Riesenwal von 100' Länge als eine sehr alte Form hieher zu ziehen, wozu ihn die doppelköpfige erste Rippe wohl verleiten konnte, die sich auch bei seiner, doch fälschlich von ihm so benannten Balaena rostrata findet, die man aber heute und wohl mit grösserem Rechte zu einer eignen Art und Gat¬ tung: Sibbaldius laticeps Gray erhoben hat. Allein Ru- dolphi hielt das Moment der doppelköpfigen 1. Rippe noch nicht für erheblich genug und war auch überhaupt weit ent¬ fernt davon, in dem an der holsteinischen Küste bei Grömitz gestrandeten , von ihm untersuchten und abgebildeten Thiere (Abhdl. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1820 21 p. 27) den Repräsen¬ tanten einer neuen Art, geschweige denn einer neuen Gat¬ tung zu sehen. Rosenthal t h e i lte diesen I r rt h u m und bei d e Natur¬ forscher kamen zu der verhängnisvollen Ansicht, ihre schon so wesentlich verschiedenen Thiere, obenein der alten Fabricius- schen: Balaena rostrata unterzuordnen. Schon Esc bricht sali das Irrthümliche dieser Annahme ein — sich folgender Maassen darüber äussernd: ..Sehr auffallend ist es hingegen, dass in den beiden erstge- , .nannten Fällen Rudolphi und Rosenthal ihre Exemplare als „B. rostrata haben bestimmen können, und wie Ersterer noch ,.1829 es wiederholen konnte, dass er in jenem Exemplar na¬ mentlich die B. rostratra des Otto Fabricius und John Hunter’s ,, erkannt habe; denn wenn cs gleich ein ziemlich kleines ,, Exemplar war, .31' 1" lang, so war es doch zugleich ein ganz „junges Thier, und von den zwei Artkennzeichen, welche „Fabricius angegeben, fehlte zumal das positive; die weisse ..Farbe der Barten; mit HunteFs Exemplare zeigte sich vol¬ lends keine Uobereinstimmung in irgend einem Punkte: „weder in der Zahl der Wirbel und der Rippen, noch in der „Farbe der Barten und Brustflossen. „Wo möglich noch weniger aber stimmte das Rosen- „thal sche Exemplar mit den von Fabricius und Hunter „gegebenen B e s ch r e i b u n g e n ii b er e i n ; denn von „den Barten, deren über 373 an jeder Seite gezählt wurden, 16 „waren nur an der einen (rechten) Seite die vordersten „90 weiss, alle Übrigen schwarz, die Bartenborsten „schwarzgrau. Die Bedeutung der verschiedenen Farbe der „Brustflossen und der Form des Brustbeins (trabem transver- „sam siniulans p. 13) konnte Rosenthal nicht wohl kennen; „allein sein Exemplar, offenbar ein ganz junges Thier, wie „dies deutlich aus dem Skelete hervorgeht, war doch schon „fast 45' lang, (47' 7" wie oben in der Nota gezeigt wurde) „so dass auch der von der Grösse hergenommene Artcharakter „der B. rostrata des Fabricius hier ganz wegfallen musste.“ So weit Eschricht. Hat nun dieses negative und vernichtende Urtheil Escli- richt’s, oder haben es ausserdem noch andere Gründe veran¬ lasst, genug, seit de m Jahre 1 849 geschieht des Rosenthal- schen Thiers, meines Wissens, nur noch von van Beneden und von Zaddach, eine kurze Erwähnung. Gray citirt in seinen mir bekannten Schriften : weder die Rosen thal- schen Arbeiten, noch gedenkt er des Seelets des Greifswalder anatomischen Museums, obschon ihm im Jahre 1871 bei Publication seines Supplements zum Wal- thier-Cataloge des british Museum ’s die Arbeiten van Bene¬ den ’s*) bekannt waren, die derselbe theils im Bulletin de l’aca- demie de Bruxelles 1868, theils im Textbande zur Osteographie des Getanes niederlegte, in welcher Ersteren die in den zoo- logisch-zootomischen Museen Europa’s, Amerika’s und Asien’s auf bewahrten Walthier-Skelete namhaft gemacht waren wäh¬ rend im Textbande p. 175 und 178 des Thiers von 1825 Er¬ wähnung geschieht. — Von van Beneden aufgefordert, ihm eine Liste der in Greifswald conservirten Wale und Delphine einzusenden, folgte ich s. Z. der Aufforderung, allein dieselbe ist durch Missverständnisse van Beneden’s und durch Druck¬ fehler so entstellt, dass ich mein eignes Referat nicht wieder erkenne.**) Ich habe s. Z. nicht den Namen Pterobalaena *) Los Squelettes de Cetaces et les Musees qui les renferment. **) Der Vorwurf grosser Unvollständigkeit jenes Verzeichnisses triflt auch für den Inhalt des Berliner anatomischen Museums zu; es fehlten schon vor 10 Jahren bei einer Vergleichung mehr als 12 dort montirt aufgestellte, im Verzeichnisse aber nicht erwähnte Scelete. 17 communis, sondern Pterobalaena Gryphus für das Rosenthal- sche Thier gebraucht; habe, nicht eine im Jahre 1835, son¬ dern 1825 publicirte „Epistola de balaenopteris quibusdam“ Rosenthal’s und Hornschuclrs namhaft gemacht und diese auch sicherlich nicht zu Orca gladiator citirt, sondern zu Ptero¬ balaena Gryphus; auch habe ich niclit gesondert aufgeführt: Delphinus leucas und Beluga albicans, sondern wohl den letz¬ ten Namen allenfalls in () dazu gefügt. Bei Balaena mysti- cetus habe ich auch nicht von „os separes“ sprechen können, denn dergleichen finden sich in Greifswald überhaupt nicht, sondern vielleicht auf einige fragliche Barten hingewiesen. Zähne von Phvscter macrocephalus könnte ich wohl eher an¬ geführt haben. Doch abgesehen von diesen mir ganz unbe¬ greiflichen Fehlern und Missverständnissen, die schwerlich von mir herbeigeführt sein können (s. p. 16, Nota **), konnte Gray dennoch wissen, dass es in Greifswald "Waith ierscelete gab und konnte, selbst an irrthümlicher Stelle, der Rosenthal- schen Schriften wenigstens gedenken! Das ist aber nir¬ gends geschehen und durch van Beneden's Catalog und Text noch obenein das Eosenthal’sche Thier ganz irrthümlich benannt und an unrichtiger Stelle unter B. musculus erwähnt worden. Diese beiden Thatsachen, das Todt schweigen des Greifswalder Thiers durch Gray und die Verdunkelung des¬ selben durch van Bencden, Letzteres anscheinend sogar unter meiner eigenen Mittheilnahme, (indem meine briefliche Mit¬ theilung von van Bencden ausdrücklich erwähnt wird), ich sage, diese beiden Thatsachen würden genügen, um die an diesem Orte geschehene neue Besprechung des Rosenthar sehen Thiers nicht nur zu entschuldigen, sondern geradezu mir als Pf 1 ich t a u fz uer 1 ege n . Allein es liegt noch ein anderer und gewichtigerer Grund vor. Im Jahre 1862 hatte ich selbst Gelegenheit, ein in Wieck bei Greifswald zu Lande gebrachtes "Walthier zu seciren und zu studiren; jenes Thier, welches unter meiner Mitwirkung später dem Breslauer anatomischen Museum zugeführt wurde, nachdem mir dessen völlige Identität mit dem Rosenth a I schen Tliierc s. Z. klar geworden war: so dass ich dessen Ankauf für das hiesige anatomische (j Mittlieil. a. d. naturwissenschaftt. Vereine v. Neu-Yorponunern u. Hfl gen. IX. 2 18 oder zoologische Museum deshalb aber auch zu betreiben mich nicht veranlasst fühlte. Über die a u s f ü h rl i cli er e Beschrei¬ bung des Sceletes ist nun leider auch bereits Geh. -Rath Bar- kow hinweggestorben und kommt derselbe, soviel mir bekannt, nur gelegentlich in verschiedenen Schriften auf Einzelheiten der Weichtheile und des Sceletes dieses Thieres zurück. Bei dieser Lage der Dinge sehe icli mich dringend ge¬ mahnt, alles Das zu berichten, was ich seiner Zeit über die¬ sen "Wal zu ermitteln im Stande war und da dieser Bericht zugleich das RosenthaPsche Thier wieder zur Geltung zu bringen Veranlassung bot, so konnte ich unmöglich die wesent¬ lichen Momente ausser Acht lassen, die Rosenthal s. Z. selbst veröffentlichte. Das Walthier von 1862. Unterm 2. August 1862 erschien unter den Bekannt¬ machungen der Stralsundischen Zeitung eine Aufforderung zum Besuche eines am Stralsunder Bollwerke zur Schau ausgestell¬ ten „Pottfisches“, der jedoch in spätem Anzeigen sub nomine : B al a e n o p t er a b o o p s figurirte. Leider hatte ich damals (es war am Schlüsse des Sommer - Semesters) keine Zeit das Walthier in Stralsund eingehender zu besichtigen, und konnte ich mich deshalb um so mehr trösten, als kurze Zeit danach bekannt wurde, dass dies Thier auch in Greifs¬ wald gezeigt werden würde. In der That langte der Finnwal am 19. August von dem kleinen Dampfer „Hilda“ geschleppt, am Bollwerke zu Wieck bei Greifswald an und ward daselbst, von einem aus Segeln flüchtig hergestellten Zelte überdacht, gegen ein kleines Entree dem Greifswalder Publicum in den Tagen vom 20. — 24. August gezeigt. Bei meinem sofortigen ersten Besuche fand ich den Finn¬ wal, denn in der That war es ein solcher, längs der Südseite des den Rvkfluss und den Greifswalder Bodden trennenden südlichen Bollwerks, in etwa 4' tiefem Seewasser, mit der Schnauze nach ONO, mit dem Schwänze aber nach WSW, d. h. also nach Greifswald zu, gelagert. 19 Von dem etwa 6' höhere n Steindamme des Bollwerks aus, wurde es den Beschauern leicht möglich, von dem Thiere einen vollen Überblick zu gewinnen und benutzten in der That viele Bewohner GreifswakTs und der Umgegend die seltene Gelegenheit, das gewaltige Thier in den letzten Mo¬ menten seines unverletzten irdischen Seins in Augenschein zu nehmen, ja dasselbe ward sogar von einer damals in Greifswald weilenden Schauspieler gesell Schaft zur Aufführung eines den Umständen angepassten Lustspiels, betitelt: ,,Einc Wallfischfahrt nach Eldena“, geschickt und zeitgemäss benutzt. Der penetrante, ranzig-faulige Geruch, den das seit Län¬ gerem bereits getödtete Thier verbreitete, herrührend von der in speckige Degeneration übergegangenen Ober- und Leder¬ haut, gestattete nun zwar in der Regel kein längeres Ver¬ weilen in der Nähe des stark aufgetriebenen Wasserriesen, kam aber dem Referenten in sofern höchst gelegen, als er demselben die Möglichkeit verschaffte, namentlich in den Früh¬ stunden des Tags ungestört Messungen auszuführen, so weit dies durch die Lagerungsverhaltnisse des Thiers über¬ haupt möglich war. Während der Tage vom 21. — 25. August gelang es, die eingeleiteten Messungen zum Abschluss zu bringen. Diesel¬ ben mussten freilich unter grossen Schwierigkeiten, theils vom Boote aus, theils auf dem schlüpfrigen Boden der seifenartig- degenorirten Haut selbst zur Ausführung gebracht, die Bei¬ hülfe von oft 2 auch 3 Arbeitsleuten in Anspruch genommen werden, da das improvisirte Zeltdach fortwährende Hindernisse bot und die Messinstrumente und Utensilien vom übelriechend¬ sten Fette täglich zu befreien waren. Glücklicherweise war am Abend des 24. August die Schaustellung zu Ende; der bisherige Besitzer des Thiers Kfm. Koch in Stralsund hatte dasselbe an den damaligen Kfm. Rosenthal, den Neffen des Prof. Rosenthal käuflich überlassen und konnte nun¬ mehr an die Zerlegung des Wasser-Riesen herangetreten werden, einerseits um Fett und Leim zu gewinnen, anderer¬ seits um das Scelet fertig zu stellen. Die desfalsigen Arbeiten nahmen am 25. August Nach¬ mittags ihren Anfang und wurden der Art gefördert, dass das 2* 20 nahezu fertig-gestellte Scelett, sanmit wesentlichen, in Tonnen verpackten Eingeweidestücken schon am 2. September 1862 per Bahn nach Breslau gesandt werden konnte, um dort unter Geh. -Rath Barkow’s Leitung zur Aufstellung und weiteren wissenschaftlichen Verwerthung zu gelangen. Bas Thier, dessen proportionale Verhältnisse im Nach¬ stehenden detaillirt angegeben werden sollen, war gegen Endo Juli 1862, am Ausgange des Sund in die Ostsee, vom Cpt. Ja linke aus Prerow (Halbinsel Dars) todt, und bereits auf dem Wasser treibend aufgefunden, mittelst Tauen und Ketten an das Schiff angekettet und zunächst nach dem sogenannten Posthause auf der Westküste Rügens gebracht worden, wo¬ selbst es vom Kfm. Koch -Stralsund gegen mässiges Entgeh! an gekauft wurde. Bass das Thier bereits todt aus dem Kattegat in die Ost¬ see mittelst des submarinen Unterstroms gelangt sein muss, ist deshalb wohl anzunehmen, weil sich an demselben auf der rechten Seite, tlieils in der Rippengegend , theils am Hinter¬ leibe drei Querwunden von mehreren Zollen Länge vorfanden, die von Harpunen herzurühren schienen, deren Gebrauch in der Ostsee weder nothwendig, noch üblich ist. Schwer ver¬ wundet und auf der Tiefe treibend, entging es jedenfalls den den Sund passirenden Seeleuten und gelangte endlich, inner¬ halb des Ostsee-Beckens, an die See-Oberfläche und fiel zu¬ fällig dem neuvorp omni ersehen Cpt. Jalinke zu. Jedenfalls auch musste der Tod des Thiers schon im Monate Juli ein¬ getreten sein, denn schon in dem Momente, wo es aufgefün- deo ward, fehlt e der ganze Gaumen-Apparat, der die Barten erzeugt und trägt und war es mir schon am 25. August nicht mehr möglich zu ermitteln, dass derselbe künstlich zuvor ent¬ fernt worden wäre. Bas Gaumen fleisch war unzweifelhaft durch Maceration ganz gleichmässig abgelöst und aus dem Maule herausgefallen. Bie Knochenhaut der meisten und zu¬ mal der grösseren Knochen löste sich ungemein leicht und in grossen zusammenhängenden Lamellen von den noch weichen Knochenoberflächen, obschon die Eingeweide, wohl weil sie von einer dicht schliesscnden Ectthülle (den Leibes¬ wänden) umschlossen waren, sich in verhältnissmässig gut- 21 conservirtem Zustande befanden, ein Zustand, der in sofern nicht befremden kann, wenn man sich daran erinnert, dass man ja auch im Haushalte eingemachte Früchte und Frucht¬ säfte durch eine Schicht Hammeltalg, oder dass man, wie in Italien, Wein durch eine Schicht Olivenöl dem zerstören¬ den Einflüsse des Sauerstoffs der atmosphärischen Luft ent¬ zieht, um sie dauernd zu conserviren. Was nun die nachfolgenden Maasangaben anbelangt, so sind dieselben gewonnen worden, theils durch Application genau graduirter Maassstäbe, theils dadurch, dass ich unge¬ brauchten starken Bindfäden aus Hanfgarn an stählernen Pfriemen befestigte und die ganz trockene Schnur sofort, oder auch erst in meiner Wohnung angelangt, am graduirten Maass¬ stabe mass und die gewonnene Zahl andern Tags durch eine zweite controllirendo Messung sicher stellte. Leider standen mir Messinstrumente des Feldmessers s. Z. nicht zu Gebote, indessen habe ich doch auch nicht Ursache, diesen Mangel lebhaft zu bedauern, und kann ich die angewandte Methode unbedenklich denen empfehlen , die unter noch ungünstigem Aussenverhältuissen dergleichen Messungen auszuführen ver¬ anlasst sind. Man hüte sich nur vor Durelmässung der Messschnur. Gemessene Punkte. Rhein!. Maas. Fusb ! Zoll Lin. 9 Gesa ni mtlä nge. Von d. Spitze d. Unterkiefers „ „ „ „ Oberkiefers / z. SchwanzfL- \ Aussehn. üb. d. / Körp.desThiers Jgemess.bis hin- (terd.letzt.Wirb. 51 1 50 II 0 . > . 4. i). l Gr ö s s t e r U m f a n g. Umfang dos Körpers hinter den Brustflossen (der halbe Umfang ist im Bogen gemessen !) Umfangdes Körpers in der Aftergegend (desgl.) 1 Umf. d. Körp. dicht an d. Schwanzflosse (desgl.) 17 4 13 (i 4 _ 22 Gemessene Punkte. Rheinl. Maas. Fuss | Zoll | Lin. 1 Längenmaasse im Bogen gemessen, j ; 6, Von der Spitze des Oberkiefers zum hin¬ tern Rande der Rückenflosse . 37 7-, Von der Spitze des Oberkiefers zur After- öffnung- . 35 5 8., Ton der Spitze des Oberkiefers zur Mitte des in zwei Fuss Länge heraushängenden Penis . , . 32 7 6 9., Ton der Spitze des Oberkiefers zum Nabel am Ende der mittelsten Bauchfurche . . 28 3 6 10., Ton der Spitze des Oberkiefers zum hin- fern Rande der Brustflosse . 16 10 6 11., Ton der Spitze des Oberkiefers zur Ohr¬ öffnung . 11 10 _ 12., Ton der Spitze des Oberkiefers zur Mitte der Pupille . 9 i _ 13., Ton der Spitze des Oberkiefers zur Mitte der Spritzlöcher . 8 _ _ 14, Wiederholung vorstehender Maasse durch Angabe der besonders ge¬ messenen Distanzen. Ton der Oberkieferspitze zur Mitte der Pu¬ pille . 9 1 15., Ton der Mitte der Pupille zur Ohröffnung 2 9 — 16., Ton der Ohröffnung zum hintern Rande der Brustflosse . 5 6 17, Ton dem hintern Rande der Brustflosse zum Nabel . 11 5 18., Tom Nabel zur Mitte des Penis . 4 4 — 19, Ton der Mitte des Penis zum After .... 2 9 6 20., Tom After zum mittleren hintern Schwanz¬ flossenrand . 15 6 1 I 21., Ton der Unterkieferspitze zum Mundwinkel 50 9 11 4 6 22 ä“j., (Im Betreff der Zolle und Linie n ist diese Maassangabe nicht vollkommen genau.) jTon der Unterkieferspitze zur Mitte der Pupille . 9 3 1 6 23, Ton der Spitze des rechten Spritzlochs zur Mitte der Pupille des rechten Auges . . 3 4 6 24, Ton der Mitte des rechten Spritzlochs zum untern Rande der Oberlippe im Bogen gemessen . 2 1 10 Gemessene Punkte. Rhein!. Maas. Fass Zoll Lin. 25., Länge der Furche zwischen den Spritzlöchern 11 - — - 26., „ ,, Spritzlöcher selbst . 1 — 6 27., Abstand der Spritzlöcher am vordersten (Schnauzen-) Ende . 1 6 28., Abstand der Spritzlöcher in der Mitte . . . — 2 6 29., ,, „ ,, am hintersten Ende — 6 6 30., Abstand zweier Furchen der Bauchhaut im erschlafften Zustande . 2 6 31., Länge der Nabelspalte (unsicheres Maass) . 1 6 — 32., ,, „ Ruthenspalte (unsicheres Maass) 1 6 — 33., ,, „ Basis der Rückenflosse . Die Höhe der Rückenflosse konnte von mir 1 1 — 34., — — 35., nicht vollständig gemessen werden, weil sie an den obern Theilen zerstört war. Länge der Brustflosse vom hintern Aus¬ schnitte zur vordersten Spitze . 5 1 36., Breite der Brustflosse an der Wurzel, quer über gemessen . 2 11 _ 37., Breite der Brustflosse in der Mitte . 1 7 3 38., Querdurchmesser der ganzen Schwanzflosse (dieselbe ist nur gemessen und auch diese Hälfte war nicht frei von Zerstörungen). 10 (ev. 12 ') A. Bemerkungen zur vorstehenden tabellarischen Zusammenstellung. 1.. Der von mir gemessene halbe Umfang von dem durch die proc. spinosi superiores erzeugten Grath bis zur mittleren Bauchfurche giebt annähernd eine Vorstellung von der spindelförmigen Gestalt des Thiers, ist aber freilich da, wo Darmgase das Thier aufblähen, keineswegs sicher. Der Körperumfang kann nur bei eben verendeten Thieren ge¬ messen, richtige Vorstellungen über die Umfangsver¬ hältnisse geben. 2., Wie oben gezeigt wurde, fanden Rosenthal und Hornschuch die Unterkieferspitze um 10'' länger als die Oberkieferspitze. Aus meinen Messungen geht dasselbe Resultat nicht her¬ vor; ich halte aber auch das von mir gewonnene Resultat gar nicht frtr maassgebend. Der Unterkiefer lag nämlich t — 24 — gegen 4' tief im Seewasser und kam zu Lande, ohne einen Augenblick, im Zusa m m enliange mit dem Schädel gewesen zu sein. Zudem lag das Thier auf der linken Seite und der Unterkiefer war etwas nach rechts verschoben, so dass das gefundene Längenmaass von der Unterkiefer¬ spitze zur Mitte der Pupille kürzer auslallen musste, als es nach Rosenthal sein durfte, der so glücklich war, alle seine Messungen auf dem Lande und nicht theil weise wie ich, nur vom Boote aus, machen zu können. Nähme man mit Rosenthal und Hornschuch bei diesem erheblich grossem Thiere den Theil des Unterkiefers, der den Oberkiefer vorn an der Spitze überragt auf wenigstens 11" an, so würde das Gesammtmaass des Thiers sich auf 51' 10" belaufen. Meine directen Messungen ergaben jedoch für die Gesammtlänge von der Unterkieferspitze aus ge¬ messen nur 51' li". Alle meine Längenangaben von der Oberkieferspitze aus gemessen, sind vor Allem so zu ver¬ stehen , dass sie nicht eine ideale gerade Linie ausdrücken; sie sind vielmehr sämmtlich Bogenlinienmes¬ sungen. — Leider ist in keiner der mir bekannt gewor¬ denen Ausmessungen angegeben , wie dieselben zu ver¬ stehen und wie sie gewonnen worden sind. Haben die Beobachter: gerade ideale Linien gemeint, so ist keine Vergleichung zwischen ihren und meinen Beobachtungen zulässig. Ich gebe reale und wenigstens dreimal durch¬ gemessene zuverlässige, Werthe, die ich, wie schon oben bemerkt, durch starken neuen Hanf-Bindfaden, oder durch einen nicht im Knie gebogenen , sondern geraden, genau graduirten 2' langen Zollstock fand. Mögen künftige Beob¬ achter das gleiche System der Ausmessung einhalten, da¬ mit unzweifelhafte gleichartige Messungen zum Vergleich vorliegen. Meine Vorgänger schweigen leider über ihre Messungsmethode und über die angewandten Apparate. Die gewaltige Grösse lässt die genaue Anwendung eines 2- oder mehrftissigen Zollstockes für alle Messungen nicht zu. Durch das öftere Anlegen des Maassstockes verliert man entweder oder gewinnt ein Stück, das sich bei öfterer Wiederholung zu unvernnithetcn Grössen summirt; krumme 25 Flächen sind überdies mit dem geradlinigen Maassstabe nicht zu messen; sie müssen geschätzt werden und das führt zu Ungleichheiten, die manchen Widerspruch in den vorhandenen Messungen erklärlich machen. So viel über die Messungsmethode. 3., Der Kopf, der etwas hinter der Ohröffnung endete, dessen eigentliches Ende sich aber am frischen Thiero durchaus nicht feststellen lässt, nahm mindestens 124 Fuss ein, d. h. also pp. den vierten Tlieil der Gesammtlänge des Thiers. Die vordere Brustflosse, von welcher am frischen Thiere 5' 1“ (vom hintern Ausschnitte bis zur vordersten, jedoch nicht ganz unverletzten Fingerspitze) messbar waren, mass im exar ticulirten Zustande, von der Höhe des Gelenkkopfes des Oberarms bis zur vorhandenen Substanz der äussersten Fingerspitze: V 8" 9'", es waren mithin 2‘ 7" 9"' im Fleische der Brust verborgen ; der frei heraus¬ ragende Flossentheil aber verhielt sich zur Gesammtlänge wie 1:10. ln dem von Rudolphi beobachteten Falle wie 1 : 9. „ „ Rosenthal’schen Falle wie . . . 1:84. „ „ SchlegeFschen „ „ .... 1:11. Im Mittel also ohngefähr wie 1:94. Der Abstand der Bauchhautfurchen ist, jo nachdem der zum Aufblähen eingerichtete Bauch ausgedehnt oder zu¬ sammengezogen ist, ebenfalls eine relative Grösse. Die Breite der Schwanzflosse konnte, weil durch Wind, Wellen und beginnende Maceration theilweiso zer¬ stört, nicht mit voller Sicherheit bestimmt werden. Ich maass direct auf der besterhaltenen rechten Schwanzhälfte 5', glaube aber, das 5U der Wahrheit näher kommen mögen; dies würde für den Querdurchmesser der ganzen Schwanz¬ flosse ID und nicht 10' ausmachen. Beim später erfolgten Durchschnitte des Schwanzes ergab sich, dass derselbe nur an seinen scharfkantigen Rändern und den Spitzen zer¬ schlagen war, dass aber das centralgelegene weisse fett¬ reiche Balkengewebe unzerstört und nur das J" dicke co- 26 rium aus sehr dichten Längsfasern bestehend, zerstört war; die Fasern dieses coriums liefen von den Schwanzwirbeln zu den freien Schwanzlappen und widerstanden scharfen Messern noch mehr, als das corium eines Elephanten, den ich 1840 in Berlin zerlegen half. B. Anatomisches. Die Scction des Wals begann am 25. August und endete am 30. August. Unter der erheblichen Beihülfe des Anatomie¬ dieners Peters waren ausserdem 3 junge kräftige Arbeitsleute im Stande das Scelet so vreit frei zu präpariren, dass es nach einer eintägigen Abtrocknung schon am 2. Septbr. zur weitern Verpackung in entsprechend grossen Holzkisten mittelst einer Yacht von Wieck nach Greifswald transportirt werden konnte. Das Abspecken und die Bergung der Sehnen und Muskeln geschah am Soestrande unter freiem Himmel und ward weder durch Sturm und Wellen, noch durch Regen auch nur eine Secunde lang unterbrochen. Dieser, nach einem so regen¬ reichen kühlen Sommer ganz unerwarteten Begünstigung einer¬ seits, andererseits der in Folge beginnender Fäulnissprocesse bereits wesentlich geförderten Lösung der Knochenhaut von den Knochen selbst, war es zu danken, dass die Sceletirung mit ungewöhnlicher Sorgfalt und Leichtigkeit ausgeführt wer¬ den konnte. Ich selbst konnte mich, da ich am 25. August vom frühen Morgen bis 1 Uhr Mittags durch die nothwendigen Messungen beschäftigt, sehr erschöpft war, leider am ersten Sectionstage persönlich nicht bei der Arbeit betheiligen und fand daher am 26. August zu meinem sehr grossen Bedauern und gegen meine zuvorigen Anweisungen bereits die Einge¬ weide ausgelöst, einen Theil des Schädels biosgelegt und den Genitalapparat in eine Heringstonne verpackt. Es war mir somit nicht mehr möglich, die Lage der Eingeweide zu stu- diren. Freilich hatte ich von Haus aus die Hoffnung ganz aufgegeben, noch irgend welche Eingeweide, leidlich erhalten zu sehen und der Untersuchung unterziehen zu können, eine Voraussetzung, die sich jedoch v7ie oben bemerkt als sehr irrig erwies , da die Fettmassen der Bauchhaut ihre conservirende Wirkung in bewundernswürdiger Weise geäussert hatten. Allerdings war das (nunmehr in Breslau conservirte) Darmrohr nebst den 4 erkennbaren Mägen von sicherlich über 100 Ellen Länge, leichter zerreissbar als es im frischen Zustande der Fall sein dürfte, allein die faltige hellbräunlich gefärbte Darm- schleimhaut war doch über Erwarten gut erhalten und lieferte, wie ich später aus einem Schreiben des Geh. Rath Barkow ersah, noch 13 Echinorchynchen. Das gewaltige Herz mit seinen grossen Gelassen, die colossale Lunge, die Leber, ob¬ schon aus ihrer Lage gebracht und bereits im Seewasser flot- tirend, liessen den Wunsch, sie ganz oder theilweise zu con- serviren, als durchaus gerechtfertigt erscheinen. Namentlich ging das gut erhaltene Herz mit Theilcn der merkwürdig- gebauten Traehealknorpel nebst einigen andern Weichtheilen an das anatomische Institut der landwirthschaftl. Akademie Eldena über, .so dass einer ausführlichem Beschreibung derselben Seitens des rühmlichst bekannten Yorstehers dieses Instituts, des Prof. Dr. Fürstenberg*) entgegen gesehen werden durfte. Ein Auge der rechten Seite kam an den Geh. Med. Rath Prof. Dr. Schnitze, das Andere an das hiesige zoologische Museum. An beiden Augen aber war die cornea im Centrum leider bereits zerstört, so dass über die Construction dieses Apparates nur das überaus sorgfältig präparirte und conservirte Auge, welches dem Thiore des Jahres 1825 entstammt, nach wie vor alleinige genügende Auskunft zu geben vermag. Das an das zoologische Museum abgegebene linke Auge, dessen cornea, im Centrum bereits eine zollgrosse Zerstörung erfahren hatte, maass Wal äuge. Xiphias gladius-Auge. von der Eintrittsstelle des Sehner¬ ven bis zum vordem Sclerotical- rande (gerade Linie) .... der Querdurchmesser der sclerotica (gerade Linie) . der Querdurchmesser der cornea . der Querdurchmesser des nervus opticus . *) Leider ist Prof. Fiirstcnberg inzwischen verstorben und eine Be¬ schreibung der von ihm conservirten Weichtheile nicht erfolgt. 9" 9 1 4" 3" Oll C)l II Ö Li 1" 9"' 1" 28 Die im Jahre 1861 von mir gefundenen Grössenverhält¬ nisse eines frischen Auges von einem 7‘ 11" langen Xiphias gladius, welche ich des Vergleiches halber hier mit angeführt habe, ergeben, dass die Grössenverhältnisse der Augen beider Thiere, von denen das Eine doch mehr als 4m al kürzer als das Andere ist, sich doch im Allgemeinen auffallend nahe stehen, während man erwartet haben sollte, dass das Auge des Wals in einem der Gesammtgrösse des Thiers entsprechendem Verhältnisse stände. Die Auffindung des Ohrlochs an der erweichten Kopfhaut war nicht ohne Schwierigkeiten , gelang mir aber doch mit Hülfe der Schlegel' sehen Ortsangabe vollkommen sicher, so dass ich einen runden Bleistift, von circa 3‘“ Dicke, auch ohne Gewalt anzuwenden, mehrere Zoll tief in den Gehörgang ein- bringen konnte. Den ganzen Canal bis zur bulla tympani zu verfolgen, war mir leider unmöglich, indem ich den Tlieil der Kopfschwarte am 26. August bereits an den Stellen abgelöst und zerschnitten fand, der den Gehörgang enthielt. Eine Ansammlung von kleinen Knöchelchen, die ich im canalis caroticus des Schädels fand, hielt ich anfangs für aus¬ gefallene Gehörsteine, allein ihre Lage, ihre Grösse und Form redeten der anfänglichen Voraussetzung nicht das Wort; offen¬ bar waren es Sesambeine , wie die bereits von Cortese 1625 gefunden und von Heckei in dessen Schrift ,,de quinto pari nervor. cerebri“ p. 21 und von Blumenbach (Gesell, und Be¬ schreibung der Knochen des menschlichen Körpers, Gött. 1786, p. 129) im linken canalis caroticus des Menschen gefunden und beschrieben worden sind. Ich aber fand in jenem Canale des Wals von 1862 1 3 Knöchelchen, die ich an das anatomi¬ sche Institut zu Breslau , der gegenwärtigen Eigentliümerin des Scelets, abzugeben mich verpflichtet hielt; im Allgemeinen waren sie von ovaler Form und plattgedrückt, glatt und rauh, weiss und gelblich gefärbt; wie es schien, waren in 2 Fällen Mehrere mit einander verwachsen. Die Grössenverhältnisse derselben fand ich wie folgt: Ko. 1. Das kleinste Knöchelchen war 3 V“ dick, nach einer Seite rauh. Ko. 2 war 3£M lang, 2‘" breit und D" 111 lang, IV" breit und dick, weiss und glatt. 29 Xo. 3 war 5 }/“ lang, 4'" breit und V“ dick, punktirt. ?? 4 „ 6'" o i m cf nt v) °2 55 y> ~ 55 rauh. 55 5 6i'" 55 U2 „ 4'" 9 /// 55 55 " 55 rauh und porös. * * 6 UI'" -J „ 4'" 55 55 ’J5 ° 55 weiss, glatt (ob 3 Stücken bestehend?) Xo. 7 war 1“' lang, 5"' breit und 2>u dick , rauh. ,, 8 5, 7'" 4"' 55 ^ 9 /// 55 55 55 „ 9 7"' 55 ‘ al 55 2 9 “t * 7 55 “ 55 „ 10 QOU 55 ° 2 6,y/ 55 Cfllt 55 55 ^ 55 mandelkernartig, platt und rauh. „11 „ IO11' V“ 55 ^ 9*// 55 55 *J 55 rauh punktirt. 12 „11"' „ 6"' 1 _ 9 “i 55 55 ^ 55 (ungleich dick.) „13 ,. 13"' ,, o"1 55 55 ^ 55 (bestand wohl aus 3 znsamnnnen hängenden Stücken.) Im canalis caroticus rechterseits Hessen sich derartige Knöchelchen nicht auffinden, konnten aber auch leicht mit herausgerissen sein, als der Schädel aus dem Wasser gezogen ward, wobei er sich von allen Knochenhäuten löste. Die Muskeln zeigten sich zum grössten Tlieile nach, roth gefärbt, waren vielfach mit Fettgewebe durchsetzt und auffal¬ lend schwammiger Beschaffenheit, sie schwammen auf dem Wasser, gleich dem fettreichen Unterhautgewebe. Von besonderem Interesse waren 9 Sehnenbündel von 8 — 10' Länge, die sich zu beiden Seiten der proc. spin. sup. und inf. von der Aftergegend aus nach der Schwanzflosse hin erstreckten. Von Atlasglanz und gleichmässig über 11“ dick, glichen sie kräftigen Schiffstauen und bewährten auch ihre Solidität beim Hinaufziehen schwerer Knochenmassen an das Ufer; die Fleisch- und Fettmassen füllten 75 Herings-Tonnen, von denen jede wenigstens 24 Ctr. Inhalt enthielt. Ausführlicheres über einzelne Weichthcile zu notiren, unterlicss ich aus Rücksicht auf den künftigen Inhaber der betreffenden Eingeweide, welcher wie ich meinte, nicht erman¬ geln würde, über seine Schätze zu berichten.*) Ich wende *) Nur einige Injectionen am Darm, insbesondere die Nachweisung eines reto mirabile an demselben ist in dem Atlas zu Barkow’s Schrift »,Das Leben der Walle“ zur Abbildung und Beschreibung gelangt. 30 mich daher zur Sceletirun g selbst, deren kurze Schilderung künftigen Beobachtern nicht ganz überflüssig erscheinen dürfte. Kann man, wie es Bosenthal 1825 ausführen lassen konnte, einen derartigen über 20.000 Pfd. schweren Thierkörper un¬ verletzt auf langen Balken an Land ziehen, so wird die Arbeit selbst zwar erleichtert, und Beobachter und Zeichner sind in der Lage, sicher constatirte wissenschaftlich brauchbare That- sachen zu fixiren. Aber der doch stets und verhältnissmässig bald eintretende ranzig-faulige Geruch wird für die Dauer ein unvermeidliches Hinderniss werden, so dass, wie ich es selbst erlebte, die Arbeiter ihren Posten verlassen, weil sie den Ge¬ ruch zu unerträglich finden. Hiergegen lässt sich nun freilich nichts tliun, ebenso wenig gegen den Schaden, den die Klei¬ dungsstücke davontragen; denn ein completter Anzug wird entweder ganz oder doch auf lange Zeit hin völlig unbrauch¬ bar. Dagegen hat die längere Maceration und die Ablösung des Fleisches im Seewasser selbst, insbesondere wenn man sicher ist, dass die Theile durch die Wellen dem Strande nicht entführt werden können, ihre erheblichen Vorzüge, sofern es sich nur noch um die Gewinnung des Sceletes handelt. Um den Vortheil der Beobachtung am Lande mit Vor- theilen des benachbarten Seewassers zu verbinden, kann man es sich immerhin ein Stück Geld kosten lassen. Der aus den Fettstücken zu gewinnende Tliran, sowie der aus den Sehnen zu gewinnende Leim wiegen tauch grössere Kosten über¬ reichlich auf. Kach meinem Dafürhalten ist es das Beste, das Thier von der Stelle, wo es von den Strandbewohnern zuerst gefunden wurde, wenn sie an sich nicht hinreichend günstig gelegen ist, sofort mittelst eines Dampfschiffs, an dessen Hintertheile es angehängt wird, dahin transportiren zu lassen, wo die Umstände die Section besser begünstigen. Soll und muss das Thier einige Zeit zur öffentlichen Schaustellung dienen, so schadet das im Ganzen nichts, denn von dem Tliiere von 1862, kann man ohne Übertreibung sagen, dass es mehrere Monate, nach seinem Tode erst zur Section kam und doch noch viel Brauchbares lieferte, selbst im Betreff* der so leicht zersetzliclien Eingeweide! Ist nun das Thier an der geeigneten Sections- 31 stelle an gelangt, so müssen mehrere lange Bauhölzer (durch Klammern oder Querlatten, wie es mit Flösshölzern geschieht) mit einander in Verbindung gebracht und unter den Leib des noch im Wasser flottirendcn Thieres der Art untergeschoben werden, damit es an Land gebracht werden kann, wozu starke Schiffstaue oder Ketten, Flaschenzüge, 10- 12 Pferde und 10 — 12 Menschen nothwendig sind. Ist dieser, freilich nicht geringe Unkosten verursachende Transport und die Aufstellung des Thiers endlich bewerkstel¬ ligt, so müssen die Ausmessungen unverzüglich beginnen nud wenn irgend thunlick, durch einen Photographen einige treue Abbildungen des unverletzten Thieres von verschiedenen Seiten gewonnen werden. Ist diese Arbeit beendet, so muss alsbald die Section beginnen, die am Besten so ausgeführt wird, dass man in der Nähe und parallel der Wirbelsäule, in circa P Abstand von der Bückenkante, hinter dem Kopfe be¬ ginnend, einen Längsschnitt macht, der bis in die Gegend des Afters geführt werden muss. Man präparire dann die processus transvorsi der Rückenwirbel blos und löse die nur an dieselben inserirten Rippen an der Artieulationsstelle der einen Körperhälfte im Zusammenhänge nebst dem Inter- costalfleische ab. Diese Arbeit ist leicht ausführbar und liefert, wenn man dicht am Halse und hinter der Afteröffnung einen auf den vorigen Längsschnitt senkrechten, also gerade herabgehenden Einschnitt gemacht und die colossale Bauchwand mit ihren Rippen, dem Brustbeine und der Extremität zurückgeschlagen hat, einen vollkommenen und überaus lehrreichen Einblick in die Lage der Eingeweide ; während zugleich durch dieses Ver¬ fahren einzig und allein nur das sehr wichtige Brustbein und das Becken vollständig gewonnen werden können. — Sind die Beobachtungen und Zeichnungen rücksichtlich der Lage der Eingeweide geschlossen und die Letztem selbst entfernt, so dürfte es sich empfehlen, zunächst an das Abspecken zu gehen, um zur Deckung der Unkosten einen möglichst guten Thran zu gewinnen. Ist das Thier frisch, so wird wohl das Aussieden des Thrans keine polizeilichen Hindernisse linden; ist (>s aber schon einige Zeit, oder wie in unserem Falle schon lange todt, so wird es unvermeidlich sein, allen Speck in Tonnen zu verpacken und nach einem Punkte hinzufahren,- der das Aussieden des Fettes in grossen Kesseln möglich und aus gesundheits-polizeilichen Gründen unbehindert geschehen lässt. Sind die Fettstücken, wozu auch die Schwanzflosse gehört, beseitigt, die grossen Fleischmassen am Kopfe, Kacken und der Kehle entfernt, so dass eine Trennung der Wirbelsäule möglich wird, so dürfte es sich empfehlen, je 6 — 7 Wirbel im Zusa m m e n h ange behutsam abzulösen und sofern das Thier fr isc.li ist, sie sofort ins Seewasser zu legen und dort maee- riren zu lassen, Avobei Sorge getragen werden muss, dass die Stücken nicht forttreiben. Bei Gewinnung der letzten Schw anz¬ wirbel die man in dem seichten Ausschnitte der Schwanz- flosse zu suchen hat, ist grosse Accu ratesse nöthig. Das kaum erbsengrosse letzte runde Wirbelchen ist leicht bei sol¬ chen Massen übersehen und erfordert alle Aufmerksamkeit; es ist aber hinfort sehr wünsehens wcrth, dass derartige Yerluste unterbleiben, um endlich zu ermitteln, Avie gross denn eigentlich die Wirbelzahl der A^erscliiedenen riesigen Wale ist. Ich fand 6 5. — Rosenthal 61. — Schlegel 60. — Rudolphi 54. (55 nach Eschricht.) — Rudolphi’s Thier maass 3P, 1" (Eschricht sagt 1. c. p. 176: 32^'.) Schlegehs Thier 40' 6", RosenthaTs Thier 47' 7", das von mir beobachtete Thier 5P H". Ton dem 88f' langen Tliiore von Ostende aus d. Jahre 1827 wurden nur 55 Wirbel angegeben, eine Angabe, die Eschricht 1. c. mit Recht mit einem (?) versieht. Das 75' 9" lange Thier des Dr. Knox aus d. Jahre 1831, lieferte nach Eschricht 64 Wirbel, wrobei der letzte Knorpelige sicherlich übersehen ist. Wächst die Zahl der Wirbel mit dem Alter des Thiers oder ist die AbAveichung in den Zahlenangaben das Resultat sorgloser Präparation oder gehört die grössere oder geringere Zahl den verschiedenen Arten an? Diese Fragen sind heute , aaüo es mir scheint , noch nicht ganz spruchreif, ihre Lösung aber höchst AvünschensAverth, ja unerlässlich. Eschricht 1. c. pag. 141 sagt, dass er „die Wirbel, Rippen, Fingerglieder bereits vollzählig“ bei einem Keporkak- foetus von 8" Länge gefunden habe, indem er die Anzahl mit der im Mutterthicrc vorhandenen in völliger Übereinstimmung fand. Dies würde der Ansicht das Wort reden, dass eine allmähligc Zunahme der Wirbelzahl mit d. Alter nicht statt fände. Allein die Eschrieht’sche Fig. XLI auf p. 135 vom letzten Schwanzwirbel ergiebt noch einen so grossen Körper, wie er sich weder beim Wal llosen thaFs, noch bei dem von mir seelettirten findet. Ich vermuthe daher, dass ihm der allerletzte Wirbel doch auch nicht Vorgelegen hat. — Eschricht selbst aber kannte aus grosser eigner Erfahrung die Schwierig¬ keiten bei der Sceletirung der Schwanzspitze nur zu gut (1. e. p. 142) um die Möglichkeit eines Irrtlnims seinerseits zu läugnen. Dm die volle Zahl der processus s p i n o s i inferiores zu gewinnen, ist es gerathen, die Aorta abdominalis, die in den Canal derselben eintritt, um zur arteria caudalis zu wer¬ den, nicht zu kurz abzuschneiden. Überdies ist. die untere Fläche der letzten fünf F u s s der Schwanzflosse sorgsam zu behandeln. Rudolphi erwähnt nur 14 proc. spin. inf. , die er den Sesambeinen der Känguruh’s u. s. w. vergleicht ; Schlegel fand in 2 Fällen nur 15 proc. spin. — Rosenthal giebt die Zahl derselben nicht direct an, sagt aber 1. e, p. 13 „vertebrae caudales .... inferiorem (processum) abdominalem liabent“. — Dag. 12 sagt er ferner im Betreff der Zahl der v. caudales, sie betrage 23; endlich spricht er pag. 13 den letzten 10 Schwanz¬ wirbeln die processus sp. inf. ab „vertebrae decem postremae caudales, Omnibus proccssibus destitutaeu, folglich fand er nur 13 proc. inf., die auch heute zwar noch existiren, aber zur Zeit noch nicht am Scelette angebracht sind und von denen der Eine 3sclicnklig ist, eine Anomalie, die mehr oder weniger ähnlich bei diesen Knochen hin und wieder Vorkommen kann. I$oi Sceloten von Monodon, Lagenorhynchus , Phocaena fand ich sehr auffallende Anomalien vom normalen Typhus, worüber unten pag. 36. Ich selbst fand 17 aus Knochensubstanz be¬ stehende proc. spin. inf. und 2 aus Knorpel bestehende Bogen, durch welche die art. caudalis ihren Verlauf nahm, also: wenigstens 1 9, glaube aber nicht zu irren, wenn ich an¬ nehme, dass die hierorts nicht ganz rein präparirto untere Schwanzfläche, sofern sie in Breslau völlig oxact präparirt sein Mittlieil. a. d. naturwisscuHchaltl. Vereine v. Neu-Vurpoininern u. Lügen. IX. 3 84 wird, wohl 20 und vielleicht noch mehr knorpelige und knöcherne, an der untern Spitze geschlossene und mit Fortsatz versehene, oder offene proc. Spin. inf.. ergeben wird. Jeden¬ falls fehlen in Folge unachtsamer Präparation an dem Rosen- thal’schen Seelette mehrere und zwar nicht nur alle knorpe¬ ligen . sondern auch aus achter Knochensubstanz bestehende derartige Fortsätze, insbesondere jene Paare, welche an den nach abwärts gerichteten Enden nur durch Bandmasse ver¬ bunden auftreten . und daher von den bisherigen Beobach¬ tern unerwähnt geblieben sind; während die an der abwärts gerichteten Spitze vereinten 15 proc. spin. inf. wenigstens doch von Schlegel angeführt werden, ohne dass derselbe jedoch der Analoga aus Knorpelsubstanz gedachte, die bei sehr grossen und alten Thieren wahrscheinlich ossificiren und einen geschlos¬ senen, mehr oder weniger flachgedrückten Bogen darstellen. Zur sichern Auffindung des Beckens fehlen bisher noch alle näheren Vorschriften und kann ich nur rathen, das Fleisch¬ stück zu beiden Seiten der Geschlechtsöffnung sorgfältig aus¬ zuschneiden und später die Knochen frei zu präpariren. Die Rosenthal -Hornsclnich 'sehe Beschreibung des Beckens*) ist leider völlig unverständlich und stimme ich hierin Rudolphi**) vollkommen bei. Die Beschreibung lautet wörtlich: „Artus inferiores desunt, ossium eoxarum tantum rudimenta conspi- ciuntur, nimirum ex primo processu spinoso inferiore, qui corporibus vcrtebrae tricesimae octavae et septimae***) adnec- titur, d u a e a p o p h y s e s 1 o n g a e exortae divergentes ad anum ascendunt. Praeterea ossa carni inhaerentia et intestinum sustinentia, bifurca, ramis fere stiloideis inaeqnalibus, quorum dexter compare sinistri lateris multo longior et latior, consti- tuta, inveniuntur.“ Hiergegen muss ich Folgendes erwidern: allerdings begannen nach meiner Beobachtung die proc. spin. inf. zwischen dem 37. und 38. "Wirbel (von dem atlas ab ge¬ zählt), aber dieselben waren nach abwärts gerichtet und an *) Epistola 1. c. p. 14. **) Abhdlg. (1. Akad. d. Wiss., 1819. Über Bai. longimana, p. 8. ***) Die in meiner Hand befindlichen Originalskizzen nennen den 3 8. und 39. 'Wirbel, wie bereits oben bemerkt wurde. dem Convergenzp unkte durch Bandmasse verbunden; ,,Ad anum asccndere** würden sie überhaupt nun und nimmermehr ge¬ konnt haben, weil der After sich auf der untern, d. h. auf der Bauchfläche befindet. Rosenthal sagt aber, dass sich von dem ersten proc. spinosus inf. zwei lange Apophysen, (also richtiger ausgedrückt), hinab zum After gerichtet gefun¬ den hätten. Diese beiden Apophysen also wären nach Rosen- thal's Meinung die eigentlichen Beckenknochen, denn aus der weitern mit „Praeterea“ anhebenden Darstellung geht hervor, dass die beiden verschieden grossen im Fleische liegenden ungleich -armigen Knochen ausserdem gefunden worden seien. Alle diese Knochen sind durch Geh. Rath Prof. Dr. »Schnitze, der das Scelett 1856 zusammenstellen Hess, mit Recht nicht angebracht worden, weil die RosenthaFsche Darstellung das wirkliche Sachverhältniss keineswegs hinreichend aufklärt. Die beiden ,,Apophyscs longao“ dürften wohl nur die in Folge der Maceration isolirten beiden Hälften des ersten proc. spin. inf. sein , die an dem hintern untern Theile der Basalfläche des 87. Wirbels an 2 vorhandenen Knorren articulirend an ge- heftet gewesen waren und die auch noch jetzt in langgestreck¬ ter schmaler plattgedrückter Form, hellgelb gefärbt, existiren; der Eine dieser Knochen misst 44" in der Länge, 1] — 14" in der Breite und 4" in der Dicke; der andere Knochen ist 84" lang, \\ — lyV' breit und £ — 3" dick. Die in dem mit „Prae- torea“ anhebenden Satze von Rosenthal gemeinten Knochen, d. h. die wahren Beckenknochen, existiren aber noch in z wei einzelnen Stücken. Diese bisher räthselhaftcn Knochen¬ stücke sind als 2-schenklige anzusehen, deren einer Schenkel länger als der Andere ist. Das grössere Knochenstück misst 8 1 1 (grösste]- Längsdurchmesser), ist 2\l“ an der Vereinigungs- Stelle der Schenkel breit und zeigt auf der innern, concaven Fläche der Verein igungsstcllc eine rundliche Fasennasse, an welcher offenbar der andere kleinere Knochen angeheftet ge¬ wesen war. Ausserdem finden sich zwei kniescheibenartigo Knochen d. h. zwei, ziemlich congruente am Scelete nicht angeheftete Stücke vor, deren grösster Längsdurchmesser 2,1/', deren grösster Querdurchmesser lji" und deren Dicke am Rande zwischen J — J" variirt; innen und aussen schwach plan-con- cav, sind sie von glatten, fast parallelen Flächen begränzt und scheinen mir ganz und gar auf die von Esch rieht") gegebene Beschreibung und die 1. c. namentlich mit Xo. 44 bezeichnete Skizze zu passen. Yertheilt man, wie ich es im Yorstehenden versucht habe, die bis jetzt noch nicht am Greifswalder Sce_ lote angebrachten einzeln vorhandenen Knochen, so steigt die Zahl der in Greifswald wirklich vorhandenen untern Sesam- beine auf 15, d. h. 13 geschlossene einfache und 2 aus paari¬ gen Stücken bestehende ungeschlossene proc. spin. inf., was freilich nicht mit den Angaben Rosenthals übereinstimmt, aber dafür der Wahrheit viel näher kommen dürfte. Die weitere Begründung dieser meiner Auslegung der so äusserst unverständlichen RosenthaFschen Beschreibung, linde ich in zwei Bleistiftskizzen von RosenthaFs Hand, die ich unter den Zeichnungen fand, welche Prof. Laurer mir überliess. Unter dem 38. und 39. mit arabischen Zahlen bezeich- neten Wirbeln finden sich zwei proc. spin. inf. von sehr ab¬ normer Form, wie man sie zwar an der betr. Stelle, aber doch kaum so abweichend bei anderen Cetaceen sieht, (so z. B. beim Scelet des Lagenorhynchus albirostris des Berliner anat. Museums, desgl. beim Monodon monoceros Scelet Xo. 15261, ferner Delphinus delphis, Scelet Xo. 8733 desselben Museums und bei Phocacna communis des Greifswalder zool. Museums). Rosenthal zeichnet sie so, wie sie sich noch heute vorfinden r zeichnet aber die abwärts gerichtet-ge wesen e spina, nicht ab¬ wärts hängend, sondern horizontal gestellt. Dann sind die beiden Schenkel allerdings nach hinten gerichtet; aber offen¬ bar waren dieselben mit ihren lreien Enden an die Wirbel¬ körper angeheftet gewesen. Auch muss man ein freies Knochen¬ stück, das sich in der Sammlung noch vorfindet, als einen unvollständig vorhandenen Rest des 2. proc. spin. inf. anselien. Dies Stück war offenbar innen durch Bandmasse an den erste- ren grösscsten proc. spin. inf. angeheftet gewesen. *) Anat. phys. Unters. <1. nordischen Walthiere, Bd. I, 184h, p. 136 und 137. 37 Ergiebt sich schon aus dem Vorstehenden , wie irrthüm- lich unsere Schlüsse ausfallen , wenn die Präparation nicht mit aller Sorgfalt geschieht, so lässt sich doch geradezu be¬ haupten , dass neben dem Becken kein Theil des Knochen- svstems d. Balaeniden vorEschricht so unrichtig aufgefasst und dargestellt war, als das Brustbein. Rosenthal berichtet 1. c. p. 13: „Costae non vastae utrim- que quindecim, seihtet quatuordecim verae et una spuria carni inhae r ens, quarum primae sterno crasso , trabem transversam simulanti, adfiguntur44. Abgesehen davon, dass man doch schon lange vor Rosen¬ thal nur diejenigen Rippen „verae“ nannte, die sich direct oder mittelst eines knorpeligen Schaltstückes mit dem Brustbein verbinden, dagegen diejenigen „spuriae“, welche das Brustbein nicht erreichen, so dass demnach in dem Rosenthal’schen Falle von 14 falschen und einem wahren Rippenpaare hätte geredet werden müssen , ist es ausserdem nicht einzusehen, wie sich das erste Rippenpaar dem dicken, einem Querbalken verglichenen Brustbeine anlegen soll. Da weder Albers*) von dem aus 1609 herrührenden Scelete von Pterobalaena minor das Brustbein kannte, noch Hunter cs nach Rudolphi richtig dargestellt hat, Rudolphi aber es 1820 deshalb nicht abbilden lassen konnte, weil (1. c. p. 31) es von den Leuten behufs der Gewinnung an zureichenden Platz beim Öffnen wegge¬ nommen war, so hätten Rosenthal und Hornschuch alle Ver¬ anlassung gehabt, diesem in seiner Form und Lagerung noch wenig gekannten Knochen ihre ganze Aufmerksamkeit zuzu¬ wenden. Aber weder Rosenthal, der die Rudolphi’sche Arbeit bis 1827 wenigstens nicht gesehen zu haben scheint, noch auch Schlegel**) sprechen sich so bestimmt darüber aus, dass der Leser die vorhandene merkwürdige Abweichung von den allgemein gültigen Lagerungsverhältnissen des Brustbeins, auch nur die entfernteste richtige Vorstellung bekäme. Das richtige Sachverhältuiss für den Keporkak und den Vaagewal darzu- *) Icones aeh. Rath Schnitze 1856 im hiesigen anatom. Museum aufge¬ stellten AVale des Jahres 1825 genommen und in den betref¬ fenden Columnen angegeben. o O Angabe der gemessenen Distanzen. F i n n w a 1 a. 1S25. a. 1862. Rheinl. Maass. hg N: hg Zl X X ! X X — l.,Yom untern Rande des Hinterhauptslochs zur Spitze des unverletzten Yomer in gerader Linie . 9 6 6 10 — — 2., Länge des frischen Schädelgrundknorpels vom Keilbeinschnabel bis zurSchnauzen- spitze . , . — _ 9 — — 3., Höhe dieses Knorpels . — _ i - 6 — ■ 4., Länge der Höhle im Yomer für den Schädelgrundknorpel . — — , 8 1 — 5., Querdurchmesser vom scharfen Rande des os bregmatis einerseits, vor der Spitze des occipitale vorbei, zum Rande des os bregmatis der andern Seite . 1 o D O 1 O 45 F i n n w a 1 a. 1825. a. Rlieinl. Maass. r NJ Vom ober n Rande des for. magnum zum vordem Rande angrenzend an d. ossa nasalia . 7., i Grösster Querdurelimesser von Naht zu Naht an d. Schläfenbeingrenzen 8., I Grösster Querdurelimesser des for. o magnum an den Aussenrändern 11., 12., 13., IR, o 9., "3 \G ros ster Längsdurchmesser des for. ^ l magnum an den Aussen wänden (ob '3 ausgebrochen b. W. v. 1825?) . . 10., ° .'Grösster Längsdurchmesser des for. ^ | magnum, im Loche selbst . Grösster Längsdurchmesser des im Bogen gemessenen proc. condyl. . Grösster Querdurelimesser des im Bo¬ gen gemessenen proc. condyl. . . . Grösster Querdurelimesser der Furche zwischen den condvlon am schar- \ feil Rande gern . 2 1 0 3 4 6 oi n o 9 o I Von der äussersten Spitze des pro- cessus frontal, z. vordem Sclinau-j ^ zenspitze . ! 15., - * , Grösste Breite der proc. frontal, vom 3 ^ ] innern zum äussern Rande . . . 10., ~ =2 (Grösste Breite des Oberkiefers in S S j der Mitte . 17., ^ cL i Grösster Durchmesser der dem vo- w 5 I mor anliegenden senkrecht ab¬ steigenden Platte (am Scelett nicht mehr messbar!) . J w f 18., o jz ^Grösste Länge . 19. — < p . l f , fl -j1 vor der vordem Spitze 20., 73 3 | K1 ( (2' vor der frontalgrenze 21., / .von dem hintern Rande r. \ \ bis zum vordem die 2 < Länge derselb. «; Naslöcli. begrenzen- - 10 — o 2 0 3| 8 - 4 1 1 4 6 3 (j 1 — (enthielt noch etwas b’-leisch.) •_> o c o o - ! 8 5 — 2 3 6 2 11 — 1 1 1 8 8 lj- - 8 9 6 4 9 — 7 0 — 8 — - 3 3 4 I den Schnabel an der Z wischen kioferfläch. 91 1 1 — — 46 Angabe der gemessenen Distanzen. F i n n w a 1 a. 1825. a 1862. Rheinl. Maass. || ? ^ Sr1 y ^ tr* n = ? £ C ? 22. ü 7— / i y. d. hintern Rande bis Länge derselb. < zum Schnabel auf d. 1 Innenfläche gemcss. 6 3 1 23 1 f Breite derselb. jan d0er, frontalnaht . 1 - i — D O 4 24.. C \ (am Schnabel 9 1 9 — 3 5 25. J I Grösster Längsdurchmesser 8 i Q ö _ 6 26., .w i Breitester Querdurchmesser . . — Q O o o — Q o — 27. J ■ y Längsdurchmesser einer der beiden rauhen Symphysal flächen 6 J 7 28.J 7; I X 1 Freie zwischen Stirnbein und Ober¬ kiefer yorragende stumpfe Spitze — 1 1 l _ 2 — 29., jl Grösste Länge des zygomat. der lin¬ ken Seite . 10 1 6 30. j 1 Grösste Breite des zygom. der linken Seite . Q 6 1 6 4 31. J n: .Grösste Länge des zygom. der rech- teil Seite . 9 4 11 1 39 ♦ >— • . i( Grösste Breite des zygom. der rech¬ ten Seite . Q O 4 QQ ÖD., ji Grösster Längsdurchmesser der Tem- poral-symphysalfläche ...*.. 1 7 nicL t "ein. ! 2 _ 34., [Grösster Querdurchmesser der Tem- poral-symphysalfläche .... 10 _ 1 3 35., p iGrösster Längsdurchmesser der Maxil- | lar-symphvsalfläche . 4 1! 6 — 6 _ 36., 5-j Grösster Breitendurchmesser der Ma- xillar-symphvsalfläche . . . . — 11 1 7 37., -4— - - Länge des Unterkiefers im Bogen auf der Aussenfläche gemessen . . 11 11 9 6 38., cc 1 • ^ [Länge des Unterkiefers in gerader Linie yom Gelenkkopfe zur Spitze 10 , 4 3 11 1 _ 39., o iGrösster Abstand dieser geraden Linie ] yon der innern krummen Fläche 1 des Kiefers . 1 4 9 i 1 Q ö 9 40.. I Höhe dos Kiefers 4" vor der Spitze — 6 3 — 8 4L. „ ,, „ yon der Grundfläche zur Spitze des proe. coronoid. 1 4 6 1 1 1 8 1 ¥ i n n \v a 1 a. 1825. a. Rhein!. Viaass. ^ t- ? N 44., 45., 46., 47., 48., 49.. 50.. Zahl aller "Wirbel . ! ,, der Halswirbel . \ „ ,, Brustwirbel . < „ „ Lendenwirbel .... I ., ., durch proc. spin. inf. verei- I nigten Wirbel . (Zahl der Schwanzwirbel .. . 62 7 14 15 14 11 Grösst. Querdurclmiesser zwischen den frei vorragenden Spitzen der Quer¬ fortsätze . 1 1 1 — 2 i Gelen kfläche für d. cond. occ. gross 65 7 15 14 20 9 X 51.. < 52., 0*4., ! 54., 2 ter Längsdurclnnesser . . . . Gelenkfläche für d. cond. occ. gröss¬ ter Querdurclmiesser . Grösster Längsdurclnnesser durch das Loch für d. Rückenmark. . . . Grösster Querdurchmesser durch das \ Loch für d. Rückenmark. / Querdurchmesser des 7. Halswirbel- . \ körpers 10 o — ?8 - 2 9 1 — 7 6 ? 5 m it Knorr. 3 6 10 9 1 6 ÖJ, 7 Längsdurchm. des 7. Halswirbelkörp. — 7 • . r . \ -tr II . . . _ ^ ^Knorpel bogen zwischen den 2 Quer¬ fortsätzen des dritten Halswirbels — 4 56., ! M 57., '-^ 58. , — ; •59., 2 60, o 61., 62., * Grösst, senkr. Durclnn. d. 33. Wirbelkörp. Grösst.Querdurchm.des 33. „ Höhe des proc. spin. von der Basis der Höhle des Rückenmarkslochs zur Spitze . Längsdurchmesser des Rückenmarks¬ loches dieses Wirbels . . . . Grösst. Breitend urchni. des Riicken- ' markslochs dieses Wirbels 7a) vera 7 Längsmessor von der Quer- l j fortsatz - Gelenkfläche zum Sternalende in gerader Linie Von der vorgenannt, idealen — 8 — 10 1 2 .) i nicht gern.! J— 11 — 9 — 13 — 6 1 4 6 6— 3 6 4 6 •) r > » ) Linie zu d. Punkte der gross- . teil innern Bogenkriimmung — 7 0 — 10 3 48 F i n n w a 1 a. 1825. a. 1862. Rheinl. Maass. c : N £ c bc. S- *r* b) spuria /Längsmesser der 4. falschen Iiippe von derQuerfortsatz- gelenkfläche zum untern freien Ende in gerad. Linie Auf der gekrümmten Aussen- fläc-he gemessen Grösste Länge desYertebral- endes dieser Rippe, vom Köpfchen zum Aussen - rande des Winkels . . Grösste Länge der 14. cost. spu¬ ria rechter Seite .... Grösste Länge der 14. cost. spu¬ ria linker Seite .... Querdurchmesser der Gelenk¬ fläche der 14. cost. spuria . Längsdurchmesser der Gelenk¬ fläche des 14. cost. spuria . Breite der 14. cost. spuria am idealen Sterna lende linker Seite Breite der 14. cost. spuria am idealen Sternalende recht. Seite 4 7 G - 511 G 3 9 211 9 1 6 4 o 72. 73. des Länge vereinigten Paares ersten durch Bandmasse zwischen dem 37 und 38. Wirbel 3 4 1 1 4 ( — 1 9 1 3 1 9 1 — 1 — vereinigten Paares .o 74... E ( ö. Läno-e des zweiten durch Bandmasse o dem Knoc-hen- der abwärts gerichteten 38. und (Länge 7G. c c zwischen 9. Wirbel . . . des dritten durch masse an Spitze vereinigten Paares zwischen dem 39. und 40. Wirbel [Länge des vierten durch Knochen¬ masse an der abwärts gerichteten Spitze vereinigten Paares zwischen dem 40. und 41. Wirbel Läng. d. letzt, durch Knorpel an d. ab- ^ wärts gericht. Spitze vereinigt. Paar. o - i\- 9 G 11 G — G 49 F i n n w a 1 a. 1825. a. 1862. Rlieinl. Maass. ( /Die Distanz von dem letzten Schwanz wirbel zum letzten (19.) knorpeligen proc. spin. inf. . TS.jfe JY. letzt. (19.) knorpeligen proc. \ J spin. zum 18. knorpeligen I 1)1 ossi- cula fand, cf. pag. 28 u. 29. 64 . Was nun endlich jenen grossen Schaltknochen, das os tomporum anlangt, so ist dieser von allen Schädel¬ knochen des Wals der dickste und stärkste, insofern er die grösseste Masse von Knochensubstanz in sich vereinigt. Insbesondere gilt dies von den dicken eonischen Knorren, welche die beiden hinteren äusseren Winkel des Schädels bilden, dessen ganze Figur einem sphärischen langgezogenem Dreiecke vergleichbar ist. Die Grundlinie dieses Dreiecks befindet sich zwischen jenen knorrigen Vorsprüngen selbst, die beiden nach vorn convergircnden gekrümmten Schenkel werden von den Oberkieferrändern gebildet und diese schliesson, als ungleiche Winkel, die Schnauzenspitze ein. Auf der inneren vorderenFläche jener stumpf konischen Knorren befindet sich die Gelenkfläche für den Unter¬ kiefer. Nach aussen und vorn von dieser Gelenkfläche wendet sich der, einem gekrümmten Kegel ähnliche, Jochbeinfortsatz, während ein anderer dickerer Ast von jenem winkelbildenden Knorren nach innen gerichtet, sich an das Hinterhauptsbein und die pterygoidea anlegt. Hinter dem foramen caroticnm, in welches man die Hand hineinschieben kann, liegt die bulla tympani, die jedoch nicht wie bei den Cetodonten sich freiwillig aus- löste, sondern so fest haftete, dass selbst der Druck des ganzen Schädels auf die bulla bei der Bergung des ganzen Schädels sich nicht ablöste, wie ich auf Grund meiner Erfahrungen an Delphinsschädeln vermuthete. An der bulla tympani sah ich ein mir unerklärliches Gebilde, das ich nur mit einem für den Daumen be¬ stimmten Handschuhfinger vergleichen kann, nämlich ein blindwerdender, hohler, aus Sehnenfasern construirter zitzenförmiger Beutel (hg. 10 B) welcher von der Basis der bulla tympani, aussen und hinten, seinen Ursprung nahm und sich nach dem äusseren Temporalrande nach aussen gerichtet zeigte von 3" Länge und 1" Durch¬ messer. Dieses Gebilde ist nirgends erwähnt und leider weiss ich auch nichts daraus zu machen. Dem Gehör¬ apparate muss es aber seiner Lage und seines Ursprungs — 65 — willen an gehören. Mögen spätere Forscher auf diesen handselmlifingerfcirmigcn blind endenden Beutel Acht haben. sc. Der Unterkiefer mass in gerader Linie von der Schnau¬ zenspitze zum Gelenkhöcker 11' 1"; auf der Aussentläche im Bogen jedoch 11' 9" 6'". Eine auf dieser Bogen¬ sehne senkrechte Linie wurde um 8", 9'" kürzer ge¬ funden als bei dem AYal von 1862; woraus hervorgeht dass bei geringerer Länge , der Unterkiefer des Rosen- thal’schen Thieres zugleich gekrümmter war, als der des Thieres 1862. Bes letzteren Thieres proc. coro- noideus war auch stärker entwickelt, als der des Rosen- thal’schen. Am Gelenkkopfe findet sich bei beiden Thieren ein der Basis näher liegender sulcus und der Gelenk köpf selbst war auf seiner ganzen Oberfläche rauh und mit Bandmasse angeheftet gewesen, so dass er kaum den Kamen Gelenkkopf verdient. In das fo- ramen maxillare posterius konnte man bequem die Hand einbringen. Die vordere Spitze des Unterkiefers wird von der der anderen Hälfte durch eine über zolldicke Faserknorpelmasse getrennt. Die ovalairen An¬ lagerungsstellen der Spitzen der Unterkiefer zeichneten sich auf der Faserknorpel-Zwischenwand höchst charak¬ teristisch als ovale Vertiefungen. Alveolen-Rudimcnto waren nicht erkennbar. X Die Zungenbeinknochen, von denen bisher nir¬ gends die Reale war, sind von Rosenthal und Horn¬ schuch überhaupt nicht erwähnt worden, obschon die betreffenden Knochen auch heute noch vorhanden, wenn auch noch nicht am RosenthaTschen Scelete befestigt. Rudolph i giebt zwar bei seiner Balaona rostrata | Balaenoptera (Sibbaldius) laticeps Gray] sowol, als bei seiner Balaena longimana eine Abbildung von Zungen- beinknochon, allein die Abbildungen beweisen, dass er deren Lagern ngsverhältnisso im frischem Zustande über¬ sehen hat. Erst bei van Beneden u. B. Gervais in der Osteographic des Cbtaces finden sich richtige Darstel¬ lungen des Zungenbein-Apj)arates. Mittlieil. a. il. naturwisaensdiaftl. V«rein*' v. Neu-Vorpommnrn u. Rögen. IX. 0 66 Zu demselben gehören 1., zwei gleiche, oben flache, abwärts fast c-y lindrische Knochen , die durch Band- t J 7 massen am Schläfenbeine aufgehängt sind und 2., ein ziemlich grosser, in der Mitte flacher schwach-gekrümmter Knochen. Dieser, der eigentliche Zungenbeinkörper, besitzt an seinem oberen Rande, beiderseits von der # Mitte, zwei grosse zitzenförmige Fortsätze, an denen sich die Bänder ansetzen, welche dem unterem Ende der cylindrischen Zungenbeinknochen angeheftet waren. Der diese Fortsätze tragende Zungenbeinkörper stellt eine in der Mitte plattgedrückte, schwach-bogig-gekrümmte Knochenplatte dar, deren grössoster Durchmesser von rechts nach links in den sich allmählig abrundenden, seitlichen Fortsätzen liegt. Die freien seitlichen scharf abgeschnittenen Enden waren, mit Knorpel versehen, wohl zu einer stumpfen Spitze abgerundet gewesen. Vom unteren Rande dieser länglichen Platte nehmen 3 Bänder ihren Ursprung, welche sich an den Schild¬ knorpel des Kehlkopfes an setzen und diesen gleichsam zu tragen scheinen, jedoch zeigten sich an dem unteren Rande nur 2 stumpfe Hervorragungen, an denen die beiden äusseren Bänder angeheftet waren. Die beim Scelete von 1825 liegenden Zungenbeinknochen waren in allen Theilen verhältnissmässig kleiner, als die, welche ich aus dem Thiere von 1862 auslöste. Leider vermisse ich die betreffenden Massangaben und kann jetzt nur noch die folgen lassen, welche ich vom RosenthaFschen Thiere gewann. Dem jetzigen Vorstande des Breslauer anatomischen Museums bleibt es anheim gestellt, die mir abhanden gekommenen Masse, vom Originale entnommen, bekannt zu geben, wie ich ja auch wünschen muss, die im Fleische von mir zwar nach Breslau abgesclnckten , aber nicht ausgelösten Becken kn och en gelegentlich einmal abzubilden und zu beschreiben, sofern sie sich ermitteln lassen. Die Zungenbeinknochen des RosenthaFschen Thieres besitzen folgende Grössen -Verhältnisse. 1., Die Länge der (beiden) cylindrischen Knochen betrug für jeden . 16" rh. M. 2., Der Umfang derselben am vor¬ deren (unteren) dicken Ende . . 8" 8'" •8., Der Umfang derselben am hin¬ teren (oberen) dünneren Ende . 8" 3'" — 9'" 4., Die Länge des schwachgekrümm¬ ten Zungenbeinkörpers, auf der Aussenfläche betrug . 2' b" 9'" 3., Die Länge der auf dem oberen Lande des Körpers sitzenden Fort¬ sätze beträgt . 0' 2" 0"' - 6., Der Abstand dieser beiden Fort¬ sätze an deren Spitze . 0' 1" 2‘“ 7., Der Umfang der beiden Enden des Körpers, etwa 1" vor den jetzigen ossificirten Endspitzen . 0' 7" 0"' 8., Umfang in der Mitte zwischen den oberen und unteren Fortsätzen 0' 11" 10'" So viel über die Details des Sceletes der beiden Greif’s- walder Wale von 1825 und 1862. — Dass ich mit Sorgfalt ö bestrebt gewesen bin, möglichst genaue Maasse lür die blei¬ benden festen Theile zu gewinnen, geschah besonders aus Kücksicht auf paläontologische Befunde. Ganze fossile Sce- Jete pflegen sich selten zu finden, meist sind es ja nur ein¬ zelne Knochen, welche aufgefunden werden. Vergleiche der¬ artiger Befunde mit Grössenverhältnissen, die an frischen Thieren festgestellt sind, lassen dann doch wenigstens eine annähernde richtige Schätzung der Grössenverhältnisse des Thieres zu, zu welchem der gefundene Knochen gehört. Aber auch für eine richtigere Beurtheilung der Altersverhältnisse der jetzt¬ weltlichen Cetaceen ist es von Wichtigkeit, dass die relativen Grössenverhältnisse der einzelnen Knochen bekannt werden. Die beiden männlichen Greifswalder Thiere, obschon einer und derselben Species angehörend, sind doch in der Grösse 68 ihrer Knochen relativ verschieden. Die Knochen noch älterer Tliiere derselben Art sind noch nicht beschrieben, und über¬ haupt nur erst einem Zoologen vorgekommen; und wenn dies einstens der Fall sein wird, dürfte es dem künftigen Be¬ obachter von nicht geringem Interesse sein, die Grössenver¬ hältnisse jüngerer Tliiere mit einem völlig Ausgewachsenen vergleichen zu können. 3. 4 Fassen wir nun die gewonnenen Resultate im Kur- zen zusammen, so ergiebt sich Folgendes: 1. Beide Greifswalder Wale wurden in der eisfreien Zeit in der Ostsee und zwar nördlich von der Insel Rügen gefangen. 2. Beide Tliiere waren zweifellos unausgewachsene Männchen. Beide Tliiere waren auf der obern Seite dunkelfarbig und besassen eine Rückenfinne, unten waren sie weisslich und daselbst mit Bauchfurchen versehen. Die Barten, wenigstens des im Jahre 1825 erlegten Thieres, waren meistentheils schwarz. Die des Thieres von 1862 fehlten und konnte deren Farbe nicht festgestellt werden. In anatomischer Beziehung ergab sich als bisher unbeach¬ tetes Novum : 5. der im Vom er liegende riesige S c h ä d e 1 g r u n d k n o r p e 1. 6. Die Zahl der Wirbel beträgt bei der betreffenden Aid in Summa 64 — 65 und zwar 7 Halswirbel, 15 Brust¬ wirbel, 14 Lendenwirbel (ohne proc. spin. infer.), 24 — 25 Schwanzwirbel, an deren Basis sich 19 — 20 proc. spin- inf. inserirt finden, die bei alten Thieren wahrscheinlich alle ossificirt sein mögen. 7. Rippenpaare sind 15 vorhanden. Das erste Paar allein verbindet sich mit dem stielartigen Fortsatze und der nierenförmigen Platte des Brustbeins. Alle übrigen Rippen sind falsche. Das 15. Paar articulirt bei jüngeren Indivi¬ duen noch nicht mit dem sogenannten Querfortsatze des 15. Rückenwirbels, kann vielmehr, wie im Rosenthal’schen Falle: Fleischrippe sein. 8. Das Brustbein besteht bei jüngern Thieren vorwiegend aus Faserknorpelsubstanz, ossificirt von einem subcentral 69 gelegenen Punkte aus und besitzt die Form eines Dipteren- Schwingkülbcdiens ; dessen Platte, nur mehr länglich oval und oben ein wenig ausgerandet ist, einer Niere ver¬ gleichbar. NB. Auf die Form und Insertion der Brustbeine wird die zukünftige Cetologie sorgsameres Augenmerk zu rich¬ ten haben, da sich dieselben, Avic es scheint, für die sy¬ stematische Bestimmung der Arten als brauchbar zu er- Aveisen scheinen, zumal Avenn die Form derselben an frischen Thieren festgestellt sein wird , da dieselben an jüngeren Thieren zum grösseren Theile aus Knorpel be¬ stehen, der sich zur Aufstellung des Scelets begreiflich nicht eignet. 9. Construetion und Lagerung der Zungenbeinknochen ist durch die Greifswalder AVale für die betreffende Art zum ersten Male festgestellt worden. 10. Neu ist die Auffindung der Sesamknöchelchen im canalis caroticus des Schläfenbeins soAvie die Form und der An¬ hang am tympanieum. Unaufgeklärt bleiben für die be¬ treffende Art : die Beckenknochen. Zur Systematik. %i Im ganzen Verlaufe vorstehender Abhandlung ist absicht¬ lich kein Gattungs- und Artname in Anwendung gekommen. Aus den auf den AVal von 1825 bezüglichen Mittheilungen ergab sich, dass Rosenthal und Hornschuch, obschon entschul¬ digt, doch mit grossem Unrechte dem von ihnen beschrie¬ benen Thiere den Namen: Balaena rostrata var. major beigelegt hatten. Den von Rosenthal und Hornschuch begangenen Missgriff scheint Rudolph i im Jahre 1829 bei der nach Rosenthal’s Tode erfolgten Vorlesung der Rosenthal’schen Arbeit in der 70 Kgl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin*) „über die Barten des Schnabel -Walfisches“ nicht bemerkt zu haben, vielleicht selbst in dem Irrthum befangen, dass das von ihm im Jahre 1819 beschriebene Thier von Pölitz (Küste von Holstein) mit dem Rosenthal’schen Tliiere identisch und beide: Repräsen¬ tanten der Fabricius’schen Balaena rostrata seien. E schriebt (1. c. pag. 184) erkannte mit gewohntem Scharfblicke den von Rudolphi und Rosenthal begangenen Irrthum, ja er findet es „sehr auffallend, dass die genannten „beiden Autoren ihre Exemplare als B. rostrata haben bestim- „men können und wie es Rudolphi 1829 noch wieder- „holen konnte, dass er in jenem Exemplare namentlich die „B. rostrata des 0. Fabricius und John Hunters erkannt habe“ denn „von den zwei Artkennzeichen, welche Fabricius ange¬ geben, feldte zumal das positive: die weisse Farbe der Bar- „ten ; mit Hunter’s Exemplare zeigte sich vollends keine Über¬ einstimmung in irgend einem Punkte, noch weniger aber „ s t i m m t e das Ros e n t h a V s c h e Ex cmplar m i t de n v o n „Fabricius und Hunter gegebenen Beschreibungen über- „ein; denn von den Barten, deren über 373 au jeder Seite „gezählt wurden, waren nur an der einen (rechten) Seite die „vordersten 90 weiss; alle übrigen schwarz, die Bartenborsten „schwarz-grau. Hie Bedeutung der verschiedenen Farbe der „Brustflossen und der Form des Brustbeins (trabem transver- „sam simulans p. 13) konnte Rosenthal nicht wohl kennen; „allein sein Exemplar, offenbar ein ganz junges Thier, wie „dies deutlich aus dem Scelete hervorgeht, war doch schon „fast 45' lang — so dass auch der von der Grösse her- benommene Art Charakter der B. rostrata des Fa- „bricius hier ganz wegfallen musste.“ Wie gerecht auch immer dies herbe Urtheil sein mag, so hat Eschricht doch unzweifelhaft das Verdienst, zuerst und mit Sicherheit nachgewiesen zu haben, dass das Rosenthal- sclie Thier nicht zu Balaena rostrata (besser Ptcrobalaena mi- nor) gezogen werden darf. Leider nur unterlässt der grosse *) Abhandlungen der König!. Akad. d. Wiss. Berlin 1832. Aus 77 r 77 77 m. ,, 14 ,, ,, ,, ,, ,, 11 1 v 71 77 7 7 77 77 77 6. Breite der vordersten Schnauzenspitze .... 7. Breite der Orbitalgegend . 8. Länge des Unterkiefers im Bogen gemessen . 9. „ „ „ gradlinig „ 10. Länge des Oberarms . 11. ,, „ Radius . 20' 91/ O 16' 6" 3' 9" 0' 6" 7' 6' 10" 5' 4" 2' 1H" 2' 1" 0' 7" 9' 3" 21' 2" 19' 5" 2' 2" 3' 9" Ton pag. 242 — 248 (1. c.) vergleicht Turner, mit Aus¬ schluss der Balaenoptera rostrata (Pterobalaena minor) und B. laticeps, weil diese die Länge von 35' nicht überschreiten, sich auch in Betreff der Rippenwirbelzahl sehr auffällig unter¬ scheiden, diejenigen Balaenopteriden , welche wenigstens 40; Länge erreichen. Selbstverständlich ist bei dieser Tergleichung von den Greifs walder Finnwalen keine Rede; denn RosenthaFs Balaena rostrata selbt mit dem Zusatze var. major konnte Turner nicht veranlassen, auf eine rostrata zurückzukommen, die er ja absichtlich von der Tergleichung ausschliesst. — — 83 — Der Greifswald er Finnwal von 1862 ist ihm gar nicht bekannt geworden obschon er Rosenthal’s Arbeit über „Barten“ kennt. Dem ungeachtet kann Deferent nicht umhin, auf die Turner ’- sehe Systematik ein- und den Vergleichungen nachzugehen. a. Sir E. Sibbald beschreibt in seinen Beobachtungen „über seltene an den Schott. Küsten gestrandete Wale“ 1692 zwei Finnwale, von denen der Eine, ein „Razor- back„ von 46' Länge im Jahre 1693 bei Burtisland an Land geworfen war; der Andere, ein Männchen von 78' Länge, an der Südseite des Firtli of Fortli bei Schloss Abercorn strandete. Der Unterkiefer des Letzteren war weiter als der des Ersteren, sein Fischbein war schwarz mit einer grössesten Platte von 3' Länge. Auch die Bartenborsten waren schwarz. Die Brustflosse 10' lang und in ihrem breitesten Theile 2k‘ breit. Rückenfinne 2‘ Fuss hoch und wegen ihrer Durchbohrung mittelst einer Bleikugel, 20 Jahre hindurch leicht erkennbar ge¬ wesen, wurde das Thier von den Fischern mit dem Ka¬ men Hollie Pyke benannt. Sein Rücken war schwarz, der Bauch weiss ; der Fettkörper 41," dick an den Seiten und V dick am Kacken und Kopfe. Diesen letzten Finnwal hält Turner, obschon Andere ihn zu Pterobalaena communis zu ziehen geneigt sind, für identisch mit dem von ihm untersuchten Finnwale. (Selbstverständlich handelt es sich hierbei um blosse Ver¬ muthungen. Die anatomischen Beweise fehlen gänzlich. Munter.) b. Jn Betreff des „Razor back“ der Walfischjäger (Pteroba¬ laena communis: Physalus antiquorum) von dem schon an 30 Individuen bekannt sind, bemerkt Turner, dass derselbe eine spitzere Schnauze besitze, die sich sofort von ihrer Basis ab verjünge , ohne seitliche convexe Bogen zu bilden. Das von Murie*) beschriebene Graves¬ ender Thier von 60' Länge besass eine Brustflosse von 6' 3". Das von Prof. Flowcr beschriebene**) bei Pever- *) Proceedintf.s of zool. society 1865. Febr. 1 1. **) „ „ „ „ 1865. Novbr. 28. 6* 84 sey gestrandete Exemplar von 67' Länge, besass Brust¬ flossen von 6' 9" Länge. Ein bei Langston harbour 1869 gestrandetes Thier von 61' Länge, hatte Flössen von 5' 4" Länge. Das Fischbein war schieferfarben mit gelb, weiss oder braun gestreift und gefleckt. Die Bartenborsten waren weiss oder gelblich weiss, dagegen beim Tliiere von Longniddry silbergrau gefleckt oder milcliweiss. Auch besitzt die Pterobalaena communis (Razor-back) nur 61 Wirbel. ln dem von Gray*) und Heddle beschriebenen „P h y salus D ug u idii u dem Orkney whale sieht Turner einen j u ngen B. musculus (Pterobalaena communis Eschr.) also einen Razor-back, den er eben deshalb mit seinem Longniddry 'sehen Tliiere zu vergleichen nicht mehr sich veranlasst sieht. c. In Betreff* des berühmten 80' langen Ostender Finn¬ wals, von welchem schon oben die Rede war, in welchem ich anfänglich die Greifswalder Wale wieder zu erkennen glaubte, äusserte sich Turner folgendermaasen. Die Zoologen sind unter sich uneins, wohin sie den Ostender (Dubar'sehen) Wal bringen sollen. Gray nennt ihn Sibbaldius borealis. E schriebt nennt ihn Balaenoptera gigas, während van Beneden und P. Gervais in der Osteographie des Cetaces ihn nunmehr für B. musculus erklären. Dieser (z. Z. nicht mehr in Europa , wahrscheinlich aber in Amerika befindliche) Finnwal besass 10' lange Brustflossen, zeigt eine Länge von 61' von der Schnau¬ zenspitze bis zur Rückenfinne und 55' von der Schnau¬ zenspitze zu den Genitalorganen. Derselbe besass einen schwärzlichen Rücken, weisslichen Bauch. Die Gesammt- länge des Thiers betrug nach van Beneden 84' und nicht, wie Dubar angiebt 105'. — Ton den am Scelet befind¬ lichen Wirbeln waren nur 54 Stück vorhanden , augen- *) Catalogue of Seals and Wales in the british museum. Second edition. London 1866. 8. p. 158 und Proceedings of the zool. societv 1856. p. 187. 85 scheinlich aber fehlten diverse Schwanzwirbel ; — aber die erste Rippe war beiderseits — doppelköpfig I — Turner spricht sich daher in Betreff des Longniddry’schen Thiers (so wie ich es bereits rücksichtlich der Greifswal- der Finnwale schon 1863 ebenfalls gethan) gegen die Unterstellung desselben unter den Sibbaldius borealis Gr. (Pterobalaena gigas v. Bened.) aus. d. Turner wendet sich sodann zur Vergleichung des Long- niddry-Finnwals mit dem in "Firth of Forth bei Nord- Berwic-k im October 1831 gestrandeten und von Fr. Knox secirten im Edinburgher Museum aufgestellten Thiere. Es war ein männliches Individuum von 80' Länge, dessen Kopf (über den Scheitel gemessen) 21', dessen Brustflosse 11', Leibesumfang hinter der Brustflosse 34' (mit Gas endlich erfüllt aber 52') mass. Die Schwanzbreite betrug 20'. Der Abstand von der Analöffnung zum Rand¬ ausschnitte des Schwanzes 21'. Das Fischbein, so wie die Bartenborsten waren schwarz. Die längste Fischbeinplatte mass: 2' 2" in der Länge und 15' in der Bieite. F. Knox nannte das Thier Balaena maxima borealis. Gray,*) der das Scelet im Juli 1847 sah, glaubt diesen Finnwal zu Phvsalus antiquorum (Bai. musculus) ziehen zu müs¬ sen, eine Ansicht, der Turner mit Rücksicht auf den Schädel u. s. w. sich nicht anschliessen zu können meint. Dieser North -Berwick’sche Finnwal besass 65 Wirbel, 15 Rippenpaare. — Becken und Sternum waren nicht so wie beim Thiere von Longniddrv. Die Schädellänge be¬ trug 19', der Unterkiefer besass eine Länge von 21' 4", einen Umfang von 4' in der Mitte und einen proc. coronoidens, der 2' 6,5" dick war. Der Zungenbeinkörper war 84" dick. Die Zungenbeinhörner standen in 2' 6,5" von einander ab. Der Oberarm war 1' 11" lang, der radius 3' 10". Ohne sich über die Identität oder Diffe¬ renz mit dem Longniddrv-Finnwale auszusprechen, ge¬ denkt er in dem 2. Memoire auf diese Frage zurückzu¬ kommen. *) Proceedings Part. XV. pag. 117. 86 e. Endlich wendet sieh Turner zu dem unter dem Namen Physalus S i b b al di i bekannten, im Hüller Museum auf¬ gestellten Finnwale von 47' Länge und schwarzen Barten. Im Jahre 1864 fand Prof. Flow er im Museum des Prof. Lidtli de Jeude zu Utrecht das Scelet eines Finnwales von 44' Länge, dessen Schnauze breiter war als die vom Razor-back (Physalus antiquorum) und nannte ihn des¬ halb P h v s a 1 u s latirostris. — Da nun Flower fand, dass der Utrechter Film wall völlig identisch war mit dem des Museums zu Hüll so gab er den letztem Namen auf und hielt an dem für das Hüller Thier festgestellten Na¬ men fest. Grav nannte dies Thier Cuvierius Sib- «/ baldii, während Andere, welche die Subdivision der Genera nicht heben, ihn: Bai aen o p t e r a Si b b a ld i i nennen. - - Beide Scelete besitzen 64 Wirbel, allein das Utrechter hat nur 15 Rippenpaare, das Hüller dagegen 16. Das Utrechter Thier kömmt, wie es scheint, einem andern Finnwale näher, welchen im Jahre 1867 Prof. Reinhardt*) auf Grund eines Schreibens des Dr. Hallas, eines Arztes % auf einem dänischen Walfischfahrer, beschrieb ; das Thier wird von denisländern „Steyp ir eythr“ genannt und wird nicht selten gefangen. Der Rücken desselben ist schwarzgrau , an den Seiten heller, Bauch einfarbig grau und die Wülste schwärzlich grau ; die Furchen dagegen hellgrau. Die Schwanz¬ flossen beiderseits schwärzlich grau. — Die Brustflossen schwärzlich grau, gefleckt mit hellem Punkten ; an der innern Fläche milchweiss. — Das Fischbein einförmig schwarz. Das Thier hatte eine Länge von 80' und die Rückenflosse be- sass eine Höhe von 7" (beim Longniddrythiere 12"). Hallas zählte 64 Wirbel, 15 Paar Rippen und sandte derselbe: Schä¬ del, Zungenbein und Atlas an Prof. Reinhardt in Kopenhagen, der es der Species B. Sibbaldii , nicht aber der Balaenoptera musculus (Physalus antiquorum) angehörig erachtete. *) Yidensk. Meddeleser fra den Naturli. Forening i Kjöbenhavn 1867. (Annals of nat. hist. 1868 Novbr.) 87 Zwei Jahre vor cler von Prof. Reinhardt publicirten Arbeit strandete ein Fi nn lisch zn Gothenburg von 54' Länge, den Prof. Rahn photographisch abbilden und im Gothenbur¬ ger Museum aufstellen liess. Das Thier war ein noch nicht völlig ausgewachsenes Männchen von dunkelsehieferfarbenem Colorit, hellen Tinten an den Seiten; an der Unterfläche mit milchweissen Flecken von unregelmässiger Form. Flossen innen weiss, ebenso die Schwanzlappen unten weisslieh. Die Brustflosse war 7' 4" lang ; die Querbreite des Schwanzes be¬ trug 1P. Das Fischbein war einförmig schwarz, die Bartenborsten braun - russfarbig. Wirbel fanden sich 63 ; Rippen 15 Paare. Mahn nannte das Gothenburger Thier: Balaenoptera Carolinae. — Turner glaubt dagegen in dieser vermeintlichen neuen Art Mahn ’s doch nur die Balaenop¬ tera Sibbaldii anerkennen zu müssen, wie sich aus der Farbe des Fischbeins, der Form der ossa nasalia, aus der relativen und absoluten Länge der Metacarpalknochen und Phalangen, aus den proc. spinosis, der Ähnlichkeit der Schnau¬ zenbreite u. s. w. ergäbe. Auch Prof. Reinhardt sei schon der Ansicht gewesen, dass das Gothenburger Thier, der Stoypirevthr der Isländer und der Eschricht’sche Tun- nolik identisch seien. Somit ergäbe sich mit Rücksicht der Systematik, dass 1. der North-Berwick-Finnwal, 2. das HulTer Thier, 3. das Utrecht’sehe Thier in der Sammlung Lidtli de Jeude’s, 4. der Gothenburger Wal, 5. der Stoypirevthr Reinhardt’s, sowie der 6. Longniddry-Wal, sämmtllch : Individuen der Species Balaenoptera Sib¬ baldii seien. Wahrscheinlich nur gehörten auch dazu der Ostender Wal und Sibbald’s Wal „tripinnis“, welcher ..maxillam inferiorem rotundam et superiore multo latiorem habuit“. Die Identität der zuerst genannten 6 Thiore ergäbe sich aus der Farbe der Thiore und des Fischbeins, der Gestalt des Schwanzes und der Brustflosse; aus den bezüglichen proportio- nalen Verhältnissen der Theile des ganzen Körpers, aus der Form der Schnauze und der Biegung des Unterkiefers. - Schliesslich nur möge noch die Be- Soweit Tu r n e r. merkung hier Platz greifen, dass Turner auf der lithogr. Taf. V., die er seinem langen Memoire anfügt, eine Total-Ansicht des Longniddry’schen Wasser-Riesen, nebst gesonderter Abbildung der Rücken- und Schwanzflosse, auf Taf. VI. Abbildungen der Schnauze, der Barten und der weibl. Genitalien, Taf. VII. und VIII. Abbildungen von feinen Haut- etc. Structuren; des¬ gleichen von einigen grösseren Gefässstämmen; vom Kehl¬ kopfe ; der trachea und der Mesenterialgefässe in ihrem Ver- hältnisse zum Barmkanale giebt, und sich im Texte über die Anatomie jener AVeichtheile so wie namentlich auch des Fötus ausführlich verbreitet, ohne dass ich von diesen interessanten Mittheilungen für den vorliegenden Zweck Gebrauch machen kon nte. Aus Vorstehendem geht zur Genüge hervor, dass der 80-füssige Finnwal von Longniddiy ein älteres weibliches Individuum derjenigen Species ist, denen die beiden männ¬ lichen Greifswalder Finnwale angehören, dass ausserdem aber alle 3 Individuen von dem Hüller Thiere dadurch abweichen, dass das Letztere ,,16 Paar“ Rippen besitzt. Um aber auch über diesen Punkt ins Reine zu kommen, begab ich mich, nachdem ich noch die zoologischen Museen von Glasgow und Liverpool besichtigt, direct nach London, um auch ein angeblich dort aufgestelltes Exemplar derselben Art zu vergleichen. Von Mr. Gray sehr freundlich empfangen und in nicht genug anzuerkennender Weise in meinen Bestrebungen un¬ terstützt, bekam ich zwar einen in den unterirdischen Gewölben des british Museum lagernden, doch noch nicht zusammenge- stellten Finnwal in Theilstücken zu Gesicht, so dass ich über die Hauptfrage der Rippenzahl doch im Ungewissen blieb. Allein das auf beifolgender Tafel I sub Nr. 10 abgebildete es tympanicum mit seinem durch B. angedeuteten Hand¬ schuhfingerförmigen fibrösen Blindschlauche versehen, be¬ stimmte Mr. Gray sofort zu dem Ausrufe : „ Dieser Knochen 89 gehört dem Physalus (Balaenoptera) Sibba-ldii an“ und er¬ härtete seine Behauptung durch Herbeischaffung eines entsprechenden es tympanicum , das sich mit einer grossen Anzahl anderer tympanica von bist allen bis jetzt bekannten Arten im Besitze des british Museum fand und dem Exemplare von Lidtli de Jeude entstammte, welches ich im Keller sah. Sofort erkannte ich das Analogon des mir aus Greifswald wohl bekannten Knochens in der mir vorgelegten reichen Collection und so musste ich Mr. Gray beipflichten, dass sein Sibbaldii, mein Gryphus war. Allein das grössere Erstaunen war auf Mr. Gray 's Seite, als er erfuhr, dass die ihm vorgelegte Zeichnung dem Rosen- thal'schen, schon vor 50 Jahren beschriebenen Thiere ange¬ hörte. Biese Coincedenz der Ansichten hatte die für mich angenehme Folge, dass Mr. Gray mir seinen Catalogue of Seals and AVhales, 1866, sowie das Supplement etc. 1871 zu ermässigtem Preise übcrliess, und mich dadurch in den Stand setzte, zu ermitteln: 1. dass Gray, im Jahre 1866 noch auf pag. 160 den Finnwal von Hüll unter dem Kamen: „Physalus Sibbaldii“ führte und beschrieb. 2. dass Mr. Gray, wie aus pag. 165 hervorgeht, den von Prof. Fl o wer in den Proceedings of zoological society 1864 pag. 410 —414 unter dein Kamen CuvieräliS Sati- rostris beschriebenen Lidth de Jeude’schcn Finnwal zu Utrecht noch nicht für identisch erachtete mit seinem Phvsalus Sibbaldii. %/ 3. dass Mr. Gray aber am Schlüsse seines „Catalogue“ durch eine spätere Arbeit Flowers in den Proceedings of zool. soc. 1865 pag. 472 auf die Identität der von ihm getrenn¬ ten Arten aufmerksam gemacht, sich der Flower'schen Ansicht zwar anschliosst, nichts desto weniger aber be¬ hauptet, dass 16 paar Kippen „the normal number in the species and a goud specific character“ derselben sei, während doch das Utrcchtcr Thier nur 15 Kippenpaare besass. Gray aber ändert 1. c. p. 380 den Flower’schen Kamen: Cuvierius latirostris in Cuvierius Sibbaldii Gray. 4. dass Mr. Gray im „Supplement“ 1871, 8° pag. 54, end- 90 lieh den von ihm und Flower gebrauchten Art- und Gattungsnamen zusammenstellt, um die durch das Hüller Thier für ihn zuerst repräsentirte Finnwalform mit dem Namen : Cu vier ins Sibbaldii Gray zu belegen und folgendermaassen zu beschreiben. 3. Cuvierius. Cuvierius Gray 1. c. pp. 114. 164. Synops. "Wliales and Delphins p. 3. Rostrum of the skull broad, the outer sides curved, especially in front. The second cervical vortebra with two short, thick lateral processes. First rib single-headed. Sternum oblong-ovate , transverse. Hands elongate; fingers slender, second finger much longer than the forearm-bone. Scapula with a broad acromion and a rudimentary coracoid. 1. Cuvierius Sibbaldii. Cuv. Sibbaldii Gray 1. c. p. 380 (Catal. 2. Edit) Synops. AViiales and Dolpli. p. 3. Cuv. latirostris Gray 1. c. p. 165 (Catal. 2 Edit.) Physalus Sibbaldii Gray 1. c. p. 160 (Catal. 2. Edit.) c. hg. 36 und Nachtrag p. 380. B a 1 a e n o p t e r a S i b b a 1 d i i Van Beneden Osteogr. des Cetaces Tat. 12 u. Taf. 13. Fig. 25—34. Balaenoptera carolinae Malm. Monogr. lllustr. tab. 44. Balaenoptera musculus Sars Vid. Selsk. Forhandl. 1865. Taf. 1. 2. 3. „Steypireyör“*) (sic!) Reinhardt Vidensk. Meddel. 1857. Anm. N. Hist. 1868. The Gray Fin Whale, Turner, Proc. rov. soc. Edinb. 1869. %j 7 7«/ pag. 34. (from. Londonderry**) Inhab. North. Sea. Mus. Hüll. The great northern Rorqual of Knox probablv belongs to this species. Its skeleton is in the Edinburgh Museum (während doch Gray selbst im Cataiogue p. 145 unter Physalus anti- *) Turner nannte ihn „Steypireythr“ ! van Beneden ,Steypireydr“ **) Turner nannte den Fundort Longniddry bei Edinburgh und nicht Londonderrv ! «/ 91 quorum gerade das Seelet dos Knox 'schon Thieres von North- Berwik als den Typus des Phys. antiquomm hinstellt!) Aus dieser wörtlichen Mittheilung der letzten Ansichten Gray 's über den schon von Eschricht als „merkwürdig“ be- zeichneten Finnwal des Museums zu Hüll, ersieht man Drei¬ erlei, 1. Die ängstliche Fürsorge Gray ’s, sich die Priorität zu retten, 2. seine unentschuldbare Flüchtigkeit in derCitation frem¬ der Arbeiten und 3. erkennt man die Folgen des Einflusses von aussen her, so zwar, das ihm die Arbeiten van Beneden’s, Malm ’s, Beinhardt's und Turner’s ins Gedränge brachten. Leider führen die einzelnen Textbogen zu dem schönen cetologischen Atlasse van Beneden’s u. Pani Gervais's keine Jahrzahlen ihrer Publication, allein da Grav schon 1871 in der Lage war, dies Prachtwerk, zu citiren, so muss ihn der 27. Druckbogen zu der comlinirten Taf. X1L u. XIII. (Fig. 25 — 34) schon im Jahre 1870 71 Vorgelegen haben. Die Verfasser dos Textes äussern sich über: Balaenoptera Sibbaldii aber folgendem] assen : Schon Camper erwähnt in seinen „Observations ana- tomiques etc. Paris 1820“ den Namen „Steipcreidar“, allein erst 1847 lenkte Dr. Gray die Aufmerksamkeit auf das im Museum zu Hui aufge stellte Seelet eines jungen Thieres von etwa 50 Fuss Länge. Auch das an der Insel Gieren (bisca- yischen Meerbusen) am 10. März 1827 gestrandete 54' lange Thier, mit 63 Wirbeln und 17 proc. spin. inf., dessen Lessen Erwähnung thut, scheint, wenn gleich das Original heute nicht mehr existirt, doch hierher zu gehören. Flower, nachdem er das Utrechter Thier kennen gelernt und es anfangs unter dem Namen „latirostris“ beschrieb, erkannte doch bald, dass es mit dem Gray 'sehen Sibbaldii identisch sei. Desgleichen gehört hierzu das von Malm, dem Direktor des zoolog. Museums zu Gothenburg unter dem Namen Ba¬ laenoptera Carolinae beschriebene, am 29. October 1805 bei Gothenburg gestrandete Thier. Lilljeborg hielt diesen Finn¬ wal für Bai. musculus, allein Flower u. Reinhardt erkannten in demselben den Gray 'sehen Sibbaldii, den „Steypireydr”*) der Isländer, wie Reinhardt ermittelte, dem 1867 in Kopenhagen • _ ein Schädel dieses Thieres von 17' Länge zuging. Diese Finnwalart ist nach dem Zeugniss des Grönländischen Gou¬ verneurs Hollböll häutig an Grönlands Küsten. indem von Beneden alle auch von Gray schon genannten Synonyma anführt, giebt erfolgende specifische Charactere an: Le rostre est fort large, surtout vers le milieu de sa lon- gueur; los os propres du nez sont tres-volumineux; les palatins sont fort etendus en largeur; Fapophyse coronoide est haute et pointue; les vertebres sont au nombre de 64; les cervicales et les dorsales sont fort massives; les cötes sont au nombre de 16;**) le Sternum est court et large; les metaearpiens et les phalangcs sont comparativement longs. Les fanons sont courts et fort larges ä leur base; leur couleur est foncee. La nageoire dorsale est peu elevee poin¬ tue, courbee et rapprochee de la nageoire caudale. Les nago- oires pectorales sont longues et pointues — La peau est d’un brun fonce tirant sur le vert. — Des poils au nombre d’une Ren¬ table sont places au menton dans un espace, circulaire (Malm.) Hollböll giebt ihre Länge auf 60 -80' an. Nach van Beneden sollen die englischen Walthierjäger diesen Finn¬ wal „sulphur bottomu nennen und ihm 00' Länge zuertheilen. Allein hiebei irrt sich van Beneden. Der „sulphur bottom“ gehört den Südpolarmeeren an und liegt hier wahrscheinlich eine Verwechselung des Namens mit „silver bottom“ vor, den Turner (s. o.) anführt. Die gewöhnliche Nahrung des Finnwals bildet: Mallotus arc-ticus nach Hollböll. In den Finge weil km fand Malm einen dem Echinorhynclms porrigens Rud. nahestehenden Ecliino- rhynchus, den er E. brevic-ollis genannt hat. [Hiebei darf ich auf eine briefliche Mittheilung des verst. Barkow in Breslau *) Welche Schreibart die richtigere ist, ob die Turner’s oder die von van Beneden, kann ich leider nicht feststellen. **) Ausser dem Finnwal von Hüll besitzt kein Einziger von van Bene¬ den als synonym citirter Finnwal 16 Rippenpaare. Alle, so wie die Greifs- walder haben deren nur 15 Paare! d. 8. Octbr. 1862 zurückkommen. , wonach derselbe im „Ganzen 12 Exemplare eines Entozoons im Darme gefunden „hat, den er für Echinorhync-hus porrigens hält. Dieselben „sassen noch fest in der Schleimhaut eingebohrt. An denen, „welche sich abgelöst hatten, war der Rüssel eingezogen. „Sie waren von blassröthlicher Farbe (entsprechend der „Färbung der Darmcontenta) und von 8'" — 1" Länge An „mehreren Männchen war die papilla caudata deutlich zu „erkennen.“ Barkow stellte s. Z. mir einige Exemplare in Aussicht, um sie von dem bekannten Entozoologen hierselbst, Dr. Creplin, über alle Zweifel sicher stellen zu lassen, allein es ist beim guten Willen geblieben und besitzt daher das zool. Museum zu Greifswald auch nur das dem Rosenthalschen Thicre entstammende Monostomum plicatum Crepl. und eine sp äter verloren gegangene Filaria crassicaiida. — J Nach Sophus Hailas, berichtet van Beneden weiter, sah man diesen Finnwal sehr häufig an Island’s Küsten zwischen dem 63° — 66° n. Br., vom 21. April ab bis zum September. Im Frühlinge sind sie an der Südküste Grönlands. Abbildungen sind nur erst sehr wenige veröffentlicht. Gray gab ein Bild des Atlas und des 5. Halswirbels; Rein¬ hardt liess den Schädel, Atlas, Zungenbein und die Nasen¬ knochen abbilden; Malm gab Abbildungen von Scelettheilen und vom ganzen Thier. Die T urner ’schen Abbildungen waren van Beneden wohl noch nicht bekannt und das Rosen¬ thal 'sehe Thier konnte van Beneden noch nicht berück¬ sichtigen, weil er es für Balaenoptera musculus (Physalus antiquorum) hielt. Aus der pag. 213 folgenden Beschreibung des Scelets sei Folgendes erwähnt. Die Nasenknochen sind durch ihre Breite und Kürze auffallend. Das ostympanicum des britisch Museum s (Exemplar von Lidtli de Jeude) hatte eine Länge von 13 Centim. — Die Wirbelsäule des Hüller und Utrechter Thieres besteht aus 64 Wirbeln; aber während Flower dem Utrechter Thier nur 15 Rückenwirbel vindicirt, ertheilt van Beneden diesem Finnwale dieselbe Zahl Rückenwirbel, wie dem Hüller Thiere, nämlich 16. Dagegen berichtet er, pag. 215, dass das Scelet 94 des Gotli enberger Finnwals 15 Rückenwirbel und dem entsprechend 15 Rippenpaare besitzt. Das Sternalende des ersten Rippenpaares sei ungewöhnlich breit. Das 6. und 7. Rippenpaar sei das längste. Die 3. und 4. Rippe besitze ein rudimentaires coli um. Das stcrnum, mehr breit als lang, ossi- ficire ausserordentlich spät. Am Schulterblatte ist der Acro- mialfortsatz sehr entwickelt, wenig dagegen derCaracoidalfortsatz. Der Oberarm sei verhältnissmässig kurz, dessen capitulum sehr stark. Der Radius habe die doppelte Breite der Ulna. Ossa carpalia zählt van Beneden 5. Drei, als radiale, intermediale und cubitale gehörten dem procarpium und zwei dem meso- carpium an. Die Metacarpalknochen seien wie die Phalangen sehr verlängert. Der Daumen habe 4 Phalangen. Der Me¬ dianus 6 oder 7. Der Annularis 5 oder 6 und der kleine Finger 3., sofern man nicht mit Malm die Metacarpalknochen zu den Phalangen zähle. Nur am Gothenburger Scelete seien die Knochen der Hand in situ präparirt, und lauteten die Zahlen: 4. 7. 6. 3. Soweit van Beneden; doch muss hinzugefügt werden, dass dessen au s f ü hrlichere Beschreibung der Halswirbel auf pag. 214. hier nicht reproducirt ist. Hätten die äusseren Umstände es gestattet, diese Ab¬ handlung alsbald nach Heimkehr von meiner englischen Reise 1874 zum Abschlüsse und Abdrucke zu bringen, so wäre den Lesern dieser Blätter die Mühe des Weiterlesens und vielleicht auch meinem ehemaligen Fach-Collegen , Herrn Prof. Dr. Zaddach in Königsberg manche Mühe erspart geblieben, allein mir wäre dadurch auch die Annehmlichkeit entgangen, auf den von demselben zuerst ausführlicher besprochenen neuesten Finnwal der Ostsee , Balaenoptera musculus 0 o mp . zu r ii ck z uk omm en . Die inhaltsreiche Arbeit mit einer sehr gelungenen Ab¬ bildung (Taf. X.) dieses Finnwals von der Seite und von unten gezeichnet, findet sich in F. H. Troschel’s Archiv für Natur¬ geschichte; Jhrgg. 41, Heft 3. Berlin 1875 pag 338 — 386. 95 Die Zahl der in der Ostsee nachweisbaren Bartenwale mehrt sich durch den am 24. August 1874 bei Danzig durch Kugelschüsse erlegten Finnwal, um eine für die Ostsee neue und wissenschaftlich sichergestellte Art : Bai a e n o p t e r a m usculu s. Aus meinen vorstehenden Mittheilungen dürfte wohl mit aller Bestimmtheit der Schluss gezogen werden, dass ich zu keiner Zeit, seit 1862, ernstlich den Gedanken gehegt habe, weder in dem jetzt in Breslau befindlichen, (von mir zerlegten Finnwale), noch in dem Rosenthal-HornschuclTschen Tliiere Balaenoptera mus- culus zu sehen. Auch habe ich unter den in dem A4 und Yl. Jahrgange dieser „Mittheilungen“ pag. 81— 77 enthaltenen Abhandlung über „Diverse in Pommerns Kirchen u. Schlössern eonservirte AValthierknochen“ aufgeführten Pterobalaenen, einer B a 1 a e n o p te r a m usculus n i r g e n d s Erwäli n ung getlian . Die beiden Finnwale, sowohl den von 1825, als den von 1862, habe ich, weil ich bis 1874 das Thier von Hüll ebensowenig kannte als die daran sich anschliessende englische Literatur, constant seit 186 8: Ptcrobalacna Gryphus Mtr. genannt und würde bei dieser Benennung hartnäckig stehen bleiben, wenn der Hüller Finnwal allei n Ausschlag gebend sein sollte, weil er 16 Rippenpaare und nicht wie die Greifswalder Tliiere 15 Rippenpaare besitzt. Alle übrigen, von Turner angeführten und zu Balaenoptera Sibbaldii Gr. gezogenen Finnwale besitzen indessen 15 Rippenpaare und stimmen so sehr in der Mehr¬ zahl der charakteristischen Merkmale mit den Greifswalder Thieren überein, dass ich dieselbe mit dem Tliiere für identisch halten muss, dem Gray schon im Jahre 1847 den Spocies- Xamen Sibbaldii beilegte. Dieser Sachlage mich fügend, kann ich aber doch nicht umhin, mich gegen den Verdacht zu vorwahren, als hätte ich zuerst von dem Vorkommen des seit Aristoteles und Plinius Zeiten aus dem Mittelmeer wohlbekannten Physalus antiquorum Gr. (Balaenoptera musculus Flcm.) in der Ostsee gesprochen, wie es van Bencden im Textbande zu seiner Osteographie «des Cetaces pag. 178 sagt. Schon oben pag. 16 u. 17 habe ich mich über die im 96 „Verzeichnisse cler in den zoologischen Museen conservirten Cetaceen“ von Hcitii van Eeneden mir untergelegten Irrtliümer ausgesprochen. Ohne noch einmal hierauf zurückzukommen, bin ich jedoch durch die ganz unerklärlichen Mittheilungen van Beneden’s überrascht, die sich im Textbande zur Osteo- graphie pag. 178. finden und die ich deshalb originaliter mitzu- theilen veranlasst bin. „La Balaenoptera mnsculus penetre dans la mer Balticpie „comme la Balaenoptera rostrata et la Megaptera boopsJ [Dieser Satz wird aber erst jetzt durch Herrn Prof. Zaddach's Arbeit in allen seinen Theilen erwiesen. Ich habe einen B. mnsculus in der Ostsee zuvor nicht nachweisen können]. Nachdem van Beneden des RosenthaPschen Thieres als eines zu B. mnsculus gehörenden Individuum’s gedacht hat, fährt er fort: „En effet une Balenoptere de 50 pieds estvenue se perdrc en automne ä Wiek dans la Balticpie en 1860 et a ete etudiee par M. Sigm. Schnitze et Aug. Müller. [En effet im Jahre 1860 ist überhaupt gar keine Balaenoptera bei Wiek (d. h. bei Greifswald) gestrandet; es konnte daher auch Sigism. Schnitze nicht darüber schreiben und noch viel weniger der Prof, der Anatomie in Königsberg, August Müller. Woher van Beneden diese Nachricht hat, ist mir wahrhaft unbegreiflich! Von mir hat er sie sicherlich nicht! Dagegen ist das Folgende nun wieder bis auf die Angabe des Strandungs¬ ortes der Wahrheit gemäss, wenn er sagt: „LTne autre Bale¬ noptere a penetre au mois d’aoüt 1862 dans la Balticpie et est venue echouer pres de Greifswald (das Thier wurde eigentlich zwischen Seeland und Rügen auf der Meeresoberfläche treibend gefunden!). — Le Professeur Munter Fa dissequee, et son squelette est aujourdhui au musee de Breslau. — Das sind Angaben, die ich s. Z. an Herrn van Beneden gemacht habe, doch war ich weit entfernt, Herrn van Beneden irre leiten zu wollen. Zur Vermeidung etwaiger Missverständnisse und zur Berichtigung der erwähnten Irrtliümer glaubte ich diese Vorbemerkung nicht unterdrücken zu dürfen. Was nun weiter die sehr sorgfältige Arbeit des Herrn Zadd ach anlangt so kann ich ijim leider nicht darin bei- pflichten, das Ro senthaLsche Thier von 1825 zu Balae- no p t era m usc ulus zu ziehen, wie es ausser von van Bene- den auch von ihm 1. c. p. 378 und p. 383 geschehen ist. So wie ich in meinen bisherigen früheren Publicationen nie daran gedacht habe, den Finnwal von 1862 für B. mus- culus (Physalus antiquorum) anzusehen und auszugeben, stets aber auch mit Sigism. Schnitze der Meinung gewesen bin, dass der Mal von 1825 völlig identisch ist mit dem von 1862, so habe ich es mir insbesondere noch in der vorliegenden Abhandlung zur Aufgabe gemacht, nachzuweisen, dass Balaenoptera (Cuvierius) Sibbaldii Gr. (meine Pterobalaena Gryphus) generisch und specifisch verschieden ist von Balaenoptera nmsculus (Physalus antiquorum). Herr Zaddach zieht aber, ohne zureichende Gründe dafür beizubringen, den Rosenthal-Hornschuch sehen Fall (unter Cita- tion der Epistola de Balaenopteris etc. Gryphiae 1825) zu B. musculus, während doch schon Rosenthal selbst gegen diese Unterstellung ausdrücklich ankämpft, obschon ihm alles das, was wir heute dem Begriffe B. musculus unterstellen, begreif¬ licherweise noch nicht bekannt war. Auch gegen einen Vorwurf, den H. Zaddach dem verst. Rosenthal macht, muss ich den Letzteren verthoidigen : 1. c. pag. 383 sagt nämlich H. Zaddach: , .Dagegen muss ein anderes Versehen bei den Messungen „jedenfalls vorgekommen sein. Die Entfernung der Spritz- „lücher von der Schnauzenspitze ist so gross angegeben, „dass diese demnach gerade über den Augen hätten liegen „müssen-, was wohl niemals der Fall sein kann.“ Ein Blick auf die hier beigegebene Fig. 4. auf Tafel I. wird schon den Beweis liefern, dass der Zeichner RosenthaFs, ehemal. akad. Zeichenlehrer Giese seine Zeichnungen, die icli hier nach 52 Jahren theilweise zum ersten Male veröffent¬ liche, doch auf Grund sorgfältiger Messungen ausgeführt hat. Die hier sehr verkleinerte Copie ist der Giese'schen Original- Zeichnung entnommen , auf welcher zugleich der Maassstab angegeben ist, nach welchem die Zeichnung entworfen ist. Die Zolle des Maassstockes entsprechen Fussen des Thicrcs. Demnach beträgt die Entfernung von der Mitte der Spritz - löcher bis zur vorderen Spftze der Oberschnauze 8' 3" und Mittheil. a. <1. natarwisseneehuftl. Vereine v. Ken-Vorpommern u. Lügen. IX. • 98 die Entfernung von der Mitte des Auges bis zu demselben vorderen Ende 9' 6" (eigentlich genau 9' 5'") ; folglich liegen die Spritzlöcher nicht „gerade über den Augen“, sondern vielmehr 1' 2“ vor den Augen; mithin ist in Folge eines Druckfehlers auf pag. 7 der Epistola statt 9, die Zahl 8 gesetzt und der Fehler bei der Correctur übersehen worden. Aber vor Allem ist Rosenthal desshalb von jedem Vor würfe frei, weil er von einem ganz anderen Thiere redet, als Zaddach. Am Schlüsse dieser Mittheilungen dürfte es gerechtfertigt erscheinen, auf Alles das zurückzukommen, was der verst. Barkow über die ihm im Jahre 1862 zugegangenen Finn¬ walknochen und Weichtheile in seinen letzten Schriften bemerkt hat. Kurze Zeit nach Empfang des Scelets, welches Kaufmann C. Rosenthal an Barkow verkauft hatte, veröffentlichte Barkow im Jahre 1862 eine Arbeit unter dem Titel: „Das Leben der Walle in seiner Beziehung zu m A t h m e n u n d z u m B 1 u 1 1 a u f , nebst Beme r k u n g e n über die Benenn u n g der Fi nn walle. Breslau 1862. Fol. m. V. Holzschnitten.“ Nachdem Barkow in der Yorrede der Acquisition seines 8. Wales gedacht, tlieilt er pag. 8 mit, dass die Becken¬ knochen „beim Abspecken verloren gegangen seien, oder wenigstens ihm nicht zugeschickt worden/1 Sollten die letzten Worte aus einer dunklen Yermuthung hervorgegangen sein, als wären ihm, dem Käufer des Scelets, diese wichtigen Knochen absichtlich vorenthalten, so müsste ich noch einmal und zwar öffentlich Protest gegen eine solche Insinuation erheben, wie ich es s. Z. schon brieflich zu tliun mich veranlasst ge¬ sehen habe. Das Fleischstück, in welchem die Beckenknochen sitzen mochten, ist nach seiner Auslösung aus der betreffenden Stelle mir nicht mehr zu Gesicht gekommen, sondern, wie mir auf meine Anfrage berichtet wurde, in eine Heringstonne verpackt und mit nach Breslau versandt worden. Ob dies geschehen ist oder nicht, weis ich bestimmt nicht und konnte ich nicht wissen , da ich viel zu sehr mit der Leitung der anderen Arbeiten zu thun hatte. Wohl ist es möglich, dass die betr. Tonne nach Greifswald statt nach Breslau ging, um aus dem Inhalte Tliran oder Leim zu sieden. Bei so grossen — 99 Massen von Tonnen war eine Verwechselung gar zu leichf möglich. Die hiilfelei stenden Tagelöhner hatten kein Interesse an der Erhaltung der Beckenknochen, wie viel mir auch daran lag, sie dem nunmehrigen Eigenthümer zugestellt zu sehen. Jedenfalls existiren diese, leider, wie es scheint, fehlenden Knochen, in Greifswald nicht, und bedauere ich aufrichtig, dieselben nicht selbst sofort herauspräparirt zn haben, dann wären sie sicherlich heute noch vorhanden und der sei. Barkow hätte sich und mir unangenehme Verhandlungen ersparen können. Für die vorliegende Frage, zu welcher Gattung und Art der AVal von 1862 zu ziehen sei, werden Barkow 's Auslas¬ sungen (1. c. auf pag. 16 und 17) von Erheblichkeit. Er hält für die Eschricht’sehen Leiobalaen en , den alten Linne’schen Gattungs-Namen: Balaena aufrecht und theilt als Species, diesem Genus zu: die bekannten Nord- und Südp olar- Arten : mysticetus arctiea und mysticetus antarc- tica, wie er sie nennt. Die Eschricht’schen Ogmobalaenen (Röhrenwale), welche Eschricht bekanntlich in Ky ph oba lae~ n en und Bterobala en en theilt, berühren Barkow nur in so weit, als er den Gattungsnamen: Pterobalaena adop- tirt und diesem Genus alle Finn- und Buckelwale unterstellt; dabei aber in uni erechtigter AV eise die alten und bereits von der Cetologie sanctionirten Artnamen willkürlich abändert, als ob sich Jemand finden würde, der ihm auf diesem nomen- clatorischen Inwege folgte, bei welchem der Zollstock eben nur den. Ausschlag giebt. Das Genus Pterobalaena zerfällt ihm in 2 Untergenera, nämlich in: Pterobalaena nana, wohin alle Zwergwale bis zur Grösse von 30* gehören und Pterobalaena gigantea wohin alle Arten von und über 60' gehören. Zu dem Subgenus: Pterobalaena nana rechnet er: 1., Pt. nana tetradactyla Barkow (Pterobalaena minor Eschr.) 2., Pt. n. pentadactyla Barkow (wahrscheinlich ein Kunstproduct des Naturalienhändlers, der ihm das betr. Scelet verkaufte, welches zusammengesetzt sein wird aus dem Rumpfe und Kopfe von Ptero¬ balaena minor und den Extremitäten einer grossem i * 100 nordischen Delphin-Art mit 5 Fingern, indem ja be¬ kanntlich alle Bartenwale nur 4 Finger besitzen.) Die Pterobalaena gigantea zerfällt nach Barkow in 1., Pt. gig. longimana B. (Balaena longimana Pud.; B.. boops Fabr. und Linne.) 2., Pt. gig. microchira s. brevimana B. (wozu Balaena Physalus Scoresby, Fabr. Linne und Balaena arctica Schlegel gehören.) Nach diesem denkwürdigen Excurse wendet sich Barkow p. 18 zu den Atlnnungs-Werkzeugen der Wale, gedenkt des vorn gespaltenen Bingknorpels, der vorn gespaltenen Tracheal- ringe, sowie der unter den Hautfalten der Brust gelegenen doppelten und schräg sich kreuzenden Muskelschichten , die er für Exspirationsmuskeln ansieht, geht auf die im Haut¬ muskel der Länge nach verlaufenden gestreckten grossen Ar¬ terien und Venen über und berichtet kurz über die von ihm am Wale von 1862 aufgefundenen Darmwundernetze, die, wie es scheint, nur den Bartenwalen, nicht aber den Zahn¬ walen zukommen. Der Schrift über das Leben der Wale ist ein Folioband gefolgt, welcher den Titel führt „Erläuternde Abbildungen zum Leben der Waleu, Berlin 1866. (Dieselben sind ein Separat¬ abdruck aus dem IV. Theile der Barkow’schen comparativen Morphologie des Menschen und der menschenähnlichen Tliiere.) Die betreffenden Abbildungen enthalten Taf. VIII, IX, sodann Taf. XVI, XVII und XXII, XXIII der Morphologie und stellen dar: Darmstücke mit injicirten Venen, Arterien sowie da s arteriell e Dar m w u n d e r n e t z . Diesen das Gfefässsvstem illustrirenden Biesentafeln schliesst «/ sich aus der comparativen Morphologie 5. Band Taf. XXXI an, welche auf grössestem Format eine Abbildung eines Theiles der untern Schädelfläche der Balaenoptera Sibbaldii v. Bened. (Cuvierius Sibbaldii Gr.) liefert. Es sind zur Darstellung ge¬ langt der riesige vom er, die Oberkiefer mit dem Joch- und Gaumenfortsatze, sowie die vordem Enden der Zwischen¬ kiefer und ein Stück d. o. palatina. Durch die bedeutende Ver¬ kürzung, welche die sonst trefflich ausgeführte Zeichnung er- leiden musste, ist sie leider nicht im Stande, dem Beschauer eine richtige Vorstellung von den Formen der betr. Knochen zu gewähren. — Taf. XXXIII Fig. I giebt eine Ansicht der vordersten Endstücke des Unterkiefers, nach Entfernung der Inter¬ maxillargewebe, welche bei Balaeniden die niemals verwach¬ senden vordem Enden des Unterkiefers zu verbinden pflegen. Die dem obern Bande nahegelegenen foramina mentalia geben ein klares Bild der colossalen Grossen -Verhältnisse , zumal diese Stücke in natürlicher Grösse dargestellt sind. Fig. II dagegen giebt in -J Lebensgrösse eine Darstellung eines grossem Stückes beider Unterkieferhälften mit den for. ment, und der zu denselben führenden obern, fast randstän¬ digen canales maxillares inferiores. Taf. XXXIV giebt fragmentarische und wenig verständ¬ liche Abbildungen von Theilen des rechten Oberkiefers und oines Unterkieferstückes. Von grösster Bedeutung ist dagegen die auf Tafel XXXVI zur Abbildung gelangte Ansicht von der obern Fläche des Schädels, an welchem leider der grössere, das Gehirn ein- schliessende Tlieil nicht zur Darstellung gelangt ist. Auf dieser Tafel sind die Stirnbeine, das vordere Stück des Hinter¬ hauptsbeins (mit A bezeichnet, aber in der Tafelerklärung als „Stirnbein“ ausgegeben !) die Oberkiefer, die Zwischenkiefer, der vomer, die nasalia, die lacrymalia und zygomatica (G.) sowie der ganze Unterkiefer mit seinem zugeschärften obern Grat abgebildet. Die Figur der Oberkiefer stimmt nicht völlig mit der von mir (Taf. II Fig. IS) gegebenen Skizze. Zu meinem Bedauern auch sehe ich aus Barkow's Abbildung, dass die äussern Bänder nicht intact geblieben, sondern tlieils wohl auf der Eisenbahn, theils beim Bleichen mehrfach erodirt sind; wäh¬ rend ich die ganz unversehrten Bänder des rechten, freiwillig und vollständig aus den Knochenhäuten ausgelösten Oberkiefers auf dem Bollwerk bei Wieck vor mir liegen hatte und sofort abbildete. Die Curve des Aussenrandes des Ober¬ kiefers, obschon in der Barkow’sehcn Zeichnung der Ober- nach dem Augenmaasse entworfenen Skizze nicht vollkommen überein, wohl aber findet sie sich ungesucht in Übereinstim¬ mung mit der Malm’schen Zeichnung desselben Knochens bei van Beneden und der auf Taf. XXXI Gegebenen. Den Löchern zum Gefässeintritt, sowie den Gefässrinnen auf den Knochenflächen ist von Barkow eine besondere Auf¬ merksamkeit gewidmet und sieht man, dass der Angiolog die Zeichnungen dirigirt hat. — Bei alledem aber ist die Ab¬ bildung doch von besonderem Interesse, (auch für mich selbst,, weil ich das jetzt wohl fertig aufgeste'llte Scelet bisher noch nicht gesehen habe und 1862 am Wiecker Bollwerke unter freiem Himmel weder der geeignete Ort noch Zeit war, die Zusammenlegung der Knochen sorgfältig auszuführen), indem die ossa zygomatica und lacrymalia, die den Schädelabbil¬ dungen der Cetaceen nicht nur, sondern meist auch den prä- parirten Schädeln zu fehlen pflegen und ausserdem der Unter¬ kiefer in situ mit dem ganzen vordem Schnauzen stücke zur Darstellung gelangt sind. Ein Maassstab ist leider der Barkow- schen Zeichnung nicht beigegeben, aber ich erkenne doch aus Barkow’s grosser Figur die nur . nach dem Augenmaass von mir entworfene Skizze der Unterschnauze in Taf. II Fig. 17 bei B. vollständig wieder. Im fertig hergerichteten Schädel- scelete ist ein nicht unerheblicher Zwischenraum zwischen Unterkiefer und Oberkiefer entstanden, den man zu der Zeit, wo beide Knochen noch mit Weichthcilen umgeben waren, nicht in solchem Umfange erwarten konnte. — Dass ich die Barkow’sche Tafel 36 erst im Jahre 1877 kennen lernte, nach¬ dem ich die Zeichnungen zu den beifolgenden Tafeln bereits zum Lithographiren nach Berlin abgesandt hatte, bedaure ich deshalb besonders, weil ich andern Falls von Tab. 36 zur Be¬ quemlichkeit für den Leser eine verkleinerte Copie hergestellt haben würde. Ich muss daher die geneigten Leser bitten, das voluminöse Barkow'sche Originalwerk selbst zu Käthe zu ziehen. Anderweitige und neuere Beobachtungen über die beiden Greifswald er Finnwale an sich und über die: „Balaenoptera Sibbaldii van Beneden (Cuvierius Sibbaldii Gray)tc insbesondere, sind mir zur Zeit nicht bekannt und etwa Uner- wähnt-Gobliebenes mir nicht zu Gesicht gekommen. 103 Erklärung der Abbildungen.*) .4. Aach Zeichnungen des llalcrs («icsc, unter HoscnthaFs Aufsicht gewonnen. Fig. 1. (Taf. I.) Das Thier von der Seite dargestellt. Die vom Zeichner Diese herrührende Abbildung ist bereits in Rosenthal’s Gratulationsschrift zu Meyer ’s Jubelfeier vergrös- sert publicirt. Das verkleinerte Bild fand sich neben den bis jetzt noch nicht veröffentlichten Abbildungen Fig. 2 und 3 unter den von Prof. Laurer mir übergebenen Zeichnungen. Fig. 2. (Taf. 1.) Das Thier von der obern Seite. Der Unterkiefer A überragt allseitig den obern Schnauzentheil B auf dessen Oberfläche bei b sich die Spritzlöcher befinden. Bei c sieht man die Rückenfinne. Bei a endet die Wirbel¬ säule, an deren äusserster Spitze rechts und links die lappen- förmigen Anhänge der Schwanzflosse ihre Insertion finden. I) stellt die Brustflossen dar. Fig. 3. (Taf. I.) Das Thier von der untern Seite. Bei J) die Brustflossen ; bei F der After und die Geschlechts¬ öffnung. Die Furchen waren nicht mit der wünschen swerthen Sorgfalt auf den kleinen Abbildungen gezeichnet. Fig. 4. (Taf. 1.) Der Kopf von oben gesehen. A der untere, B der obere Schnauzentheil. Bei C die Spritzlöcher. Bei / > das Auge. Die RosenthaFsche Originalzeichnung ist mit einem unter der Figur angebrachten Maassstabe versehen, wonach 1' 1" in der Zeichnung beträgt. Die Mitte der Spritz - löcher liegt demnach der Oberkieferspitze um V 3" näher als die Mitte der Pupille. Die Entfernung von der Mitte der Spritzlöcher bis zur Oberschnauzenspitze beträgt nämlich 8' 3'', die zur Mitte des Auges aber 9' 6". — *) Die Figuren 1 — 16 beziehen sich auf das Rosenthal’sche Walthier von 1825 und entstammen den von Prof. Laurer mir übergebenen Gie¬ ße". schon Originalzeichnungen ; dagegen die Figuren 17 — 19 beziehen sich auf das Thier von 1862 und sind die Originale von mir selbst gezeichnet. — Fig. I., II., III. gehören zu der Abhandlung über Hermaphroditismus, bei Clupea Harengus. 104 Fig. 5. (Taf. II.) Der Schwanz von oben gesehen. A Der Kiel, welcher sich auf clem obern Theile des Schwanzes zeigt. B Der Schwanzausschnitt, in welchem sich die Wir¬ belsäule endet. C‘ C“ die horizontal ausgebreiteten Schwanz¬ lappen aus fibröser mit Fett durchsetzter Masse bestehend. — Fig. 6. (Taf. I.) Idealer Durchschnitt durch den Schwanz in 2 Fuss Abstand von dem äussersten Ende der Wirbelsäule im Schwanzausschnitte. Bei A die kielförmige Erhabenheit der Rücken seite ; bei B der untere Theil des Schwanzes. Bei C C Querschnitt des vordem Theil s der Schwanzflosse. Fig. 7. (Taf. I.) Idealer Durchschnitt des hintern Körper¬ endes dicht vor der Schwanzflosse, in 3' 4" Abstand von dem im Schwanzflossenausschnitte gelegenen Ende der Wir¬ belsäule. A Kielförmige Erhabenheit der Rückenseite, B un¬ tere Seite des Hinterleibes. Fig. 8. (Taf. 1.) stellt das Rudiment der Rückenfinne dar, so wie es nach deren durch die Lischower Fischer her¬ beigeführten Verstümmlung s. Z. dem Prof. Rosenthal zuge¬ gangen war. Fig. 9. (Taf. 1.) giebt den idealen Durchschnitt der Basis der Rückenfinne. Bei a befindet sich der am Meisten comprimirte fast scharfrandige hintere Theil der Finne. Bei b der vordere abgerundete Rand der Rückenflosse. — Fig. 10. (Taf. I.) giebt eine Darstellung des knöchernen Theils des Gehörorgans «, (os tympanieum) mit einem bei B befindlichen fibrösen häutigen Organe, das genau einem Hand¬ schuhfinger gleicht. Ich fand denselben Anhang auch bei dem Walthiere von 1862. — Die Ansicht dieser Zeichnung des Knochens war im J. 1874 für Dr. Gray, den Director des british Museunrs genügend, um denselben sofort zu be¬ stimmen, das RosenthaTsche Walthier von 1825 und also folgerecht auch das von 1862 für identisch mit der in Hüll aufgestellten Walthier-Art zu erklären. Ein im Besitze des british Museum 's befindliches os tympanieum (von dem Lidth de Jeude'schen Thiere herrührend) glich in der Tliat der Ori¬ ginalzeichnung in der wünsehenswerthesten Meise, während alle sonstig mir vorgelegten tympanica sich durchaus nicht auf die gegebene Abbildung beziehen liessen. 105 Fig. 11. (Taf. I.) ist eine Reproduetion der Fig. II auf Taf. I. der von Rudolphi im Jahre 1832 in den Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften aus dem Jahre 1829 nach Bosenthal's Tode veröffentlichten RosenthaTschen Abbildung, die beigegeben war der Abhandlung: Über die Barten des Sclmabel-Walfisches (Balaena rostrata.) p. 127 — 132. K befindet die carina des durch A mit seinen seitlichen Randwülsten 1> 1 ) dargestelltcn Oberkiefers; B GG stellen die Barten dar; deren äusserster und längster Rand glatt ist, während der innere C in borstenartige Fasern aufgelöst erscheint. Am obcrn Gaumenrande befindet sich nach aussen, dicht unter der Oberkieferwulst bei B das Horn-Kreuzband , wäh¬ rend bei G G die innern kleineren länglichen Hornplatten sitzen. -— Durch diese Abbildung ist die Insertion und das Verhalten der Barten zum Oberkiefer am besten illustrirt, da¬ her ich deren Reproduction für unumgänglich hielt. Diese RosenthaTsche Abbildung wird hoffentlich auf die sehr selten citirte RosenthaTsche Abhandlung mit IV. tabb. aen. wieder aufmerksam machen. Leider sind die schönen Abbildungen (1. c.) alle so gestellt, als ob sich das Gaumenfleisch unten befände, während doch die Barten am Gaumen des obern Schnauzentheils in das Maul hinabhängen. Fig. 12 (Taf. II.) stellt das von Rosenthal beschriebene faltige Organ auf der Zunge dar, dessen Beschreibung ich im Texte pag. 8 aus dem Originale wörtlich roproducirt habe. Ich selbst sah ein solches Gebilde bei dem Tliiere von 1862 nicht, weil die Zunge und der Baltenapparat bereits fehlte, als das Thier in Wieck an langte. Fig. 13 (Taf. 11.) zeigt den stärker vergrössert dargestell¬ ten Rand jenes eigenthümlichen Organs der Zunge. (Ob das¬ selbe aufblähbar ist und welchem Zwecke es dient, ob etwa im aufgeblasenen Zustande zum bessern Verschlüsse der innern Öffnung der Blaslöcher, bleibt späteren Beobachtungen anheim gestellt.) Möglicherweise ist die von Turner in den Transactions of the royal society of Edinburgh Vol. XX VI plate AZ Fig. 1 gegebene Abbildung einer im mittleren Zungentheil gelagerten blasenförmigen Erhabenheit oder der auf. pag. 81 (s. o) er- 106 wähnte Laryngealsack auf dies seltsame Organ zurückzuführen. Von Rosenthars Hand liegt keine weitere Aufklärung des Gebildes vor, als dass bei Fig. 12 mit Bleistift dazu ge¬ schrieben ist: „Zunge“ und bei Fig. 13 „Rand der Zunge“; wodurch aber nicht sowohl die 9' lange Zunge selbst, sondern vielmehr dieses Appendiculairorgan angedeutet sein soll. — Einen weiteren Anhalt bietet schliesslich folgen deNotiz. Lace- pede (Hist. nat. des Cetacees. Paris an XII. j4°.) pag. 120 beschreibt die Zunge von seinem Balaenoptera Jubartes (Keporkak der Grönländer) indem er von derselben sagt : „Sie ist speckig, spongiös und mit Rauhigkeiten versehen. Sie ist von einer laxen Haut überzogen , die sich nach dem Kehl¬ kopfe zu erstreckt und dessen Öffnung zu verschliessen scheint, wie ein Deckel“. Fig. 14. (Taf. II) giebt ein sehr gutes Bild der Brust¬ flosse der rechten Seite mit seinem basalen Ausschnitte bei ci und seiner Zuspitzung am freien Ende. Fig. 1 5 und 1 6 stellen ein Stück Bauchfleisch aus der Gegend dar, woselbst sich die Längsfurchen finden. — Fig. 15 stellt die Bauehfürchen von aussen gesehen dar; Fig. 16 zeigt das Verhalten der Bauchfurchen auf dem Querschnitte eines Hautstückes. Ein vom Tliiere des Jahres 1862 herrüh¬ rendes Stück Bauchfleisch, welches ich im Greifswalder zoolo¬ gischen Museum aufstellen liess, bestätigt die Rosentharsehe Abbildung. — ß. Nach eigenen Zeichnungen. Fig. 17. Taf. (II) zeigt die Form des theilweise noch mit Haut bedeckten Kopfes des Walthiers vom Jahre 1862 von Oben gesehen. A ist die Spitze der Oberschnauze, die kürzer als die Unterschnauze (B). C bietet eine Ansicht des Bo¬ dens der Mundhöhle. Die Zunge fehlte bereits. Bei a liegen die Spritzlöcher, die jedoch nicht ganz richtig gezeichnet sind; dieselben divergiren hinten, so wie bei Fig. 4; sind aber statt dessen fast parallel gezeichnet. Der Abstand betrug vorn 1" 6'", hinten 6W 6"'. Bei den Punkten b. b. sieht man die Löcher für den Eintritt der Nerven und Gefässe in den obern Rand des von der Knochenhaut entblössten Unterkiefers. — Bei c 107 befindet sich der in Fig. 18 vollständiger dargestellte processus zygoinaticus maxillae superioris. Die untere Schnauze ist verhältnissmässig zu lang gezeichnet. Fig. 18 giebt eine Ansicht des Oberkiefers der rech¬ ten Seite des Thiers von 1802. Die Spitze A entspricht dem gleichartig |bezeiclmeten Punkte in Fig. 17. — B ist der Fortsatz des Oberkiefers, der sich an das Nasenbein anlegt (pr. nasalis). Bei C der proc. zygorn. maxillae superioris. Fig. 19 stellt das Brustbein des Thiers von 1862 in frischem Zustande dar. Bei a zeigt sich die grosse 18T" querbreite Knorpelplatte des Brustbeins, in 11" Entfernung von dem obern aus Fasergewebe gebildeten Rande, durchbohrt von einem Loche von 1 im Längsdurchmesser. Z w i s c h e n dem Loche a und dem ossificirten rundlichen Theile b befindet sich zunächst eine tlieils fasrige, theils knorpelähnliche blasse von in Summa 2" Durchmesser; die von Knorpel rings um- säumte Ossifikation mass in geradem Durchmesser 3£"; während der knorpelige Stiel c von dem untern Rande des kreisrunden, ossificirten Stückes ab, bis zu dessen freier Endspitze 6J" lang war. Der Stiel fand sich zwischen den untern freien Enden des ersten Rippenpaares, während die ganze ovalaire Knorpelplatte mit ihrem ossificirten subcentral¬ gelegenen Theile oberhalb der Vereinigung des ersten Rippenpaares, wie ein Schild, dem obern Rippenrande aufge¬ setzt war. — Da dieses meist knorpelige Brustbein beim Scelet schwerlich in der hier abgebildeten Form sich vorfindet, so glaubte ich bei der Wichtigkeit dieses Knochens dessen ursprüngliche Gestalt wiedergeben zu müssen. — 9 108 Über einen bei Clupea Harengus L. vorgekommenen Fall von Hermaphroditismus. Yon Prof. Dr. Julius Münter. (Hierzu die Fig. I II auf der beifolgenden Taf. II.) Die zeitliche Continuität organisirter Lebensformen (syste¬ matischer Einheiten oder Species) beruht bekanntlich darauf, dass entweder Theile eines Ganzen — freiwillig oder künst¬ lich getrennt — sich wieder zu voller Integrität ergänzen (sogenannte geschlechtslose Fortpflanzung auf dem Wege der Theilung, Knospenbildung etc.) oder dass das in zwei ver¬ schiedenen Zellen entstandene Plasma sich ganz oder theilweise vereinigt, um aus dem materiell Vereinigten einen neuen, den Eltern unmittelbar oder in seinen — Descendenten , in Form und Leistungsfähigkeit gleichen oder ähnlichen Or¬ ganismus hervorgehen zu lassen. (Conjugation — geschlechtliche Zeugung). Der in der Überschrift dieser Mittheilung gegebenen Auf¬ gabe entsprechend, sollen nachstehende Bemerkungen nur der letztem Art der Fortpflanzung, d. h. der auf geschlecht¬ lichem Wege vor sich gehenden zeitlichen Erhaltung der Arten gewidmet sein. Seit der Zeit, dass der Mensch anfing, seinen in Worte übersetzten Gedanken durch ein oder mehrere Zeichen bleiben¬ den Ausdruck zu geben, finden wir bei den ältesten westasia¬ tischen Culturvülkern schon in den allerersten Anfängen der Schriftsprache eine bestimmte Andeutung der nur zu sehr 109 verallgemeinerten, für naive Anschauungen freilich unumstöss- lich feststehenden Thatsache, dass die Geschlechter stets auf zwei gesonderte Individuen vertheilt sind. Der Mosaischen Schöpfungsgeschichte gemäss, ward vom Menschengeschlechte zuerst geschaffen: der Mann, danach das Weib. Jedes der genannten Individuen verdankte einem b e s on d ern Schöpfungs- aete seine Existenz und war die gewählte Rangordnung jeden¬ falls im Sinne der noch heute im Oriente bestehenden Denk¬ weise, freilich im argen Widerspruche mit den heute herrschen¬ den transatlantische n Anschauungen. Unschwer bestätigte sich der nomadisirende Hirt Asien’s, Afrika's und Europa’s die am Menschen gemachte Erfahrung der geschlechtlichen Duplicität und der auf 2 Individuen ver¬ theilten geschlechtlichen Differenz der Thiero seiner Heerden. Ja selbst die Da um weit bestätigte seine an Tlüeren fest¬ gestellte Beobachtung; denn die Dattelpalme zeitigte nicht ihre Frucht, wenn ihr nicht die (offenbar) männliche Dattel¬ palme zur Seite stand. So ward die Auffassung unserer Altvordern, dass ein den Eltern gleiches Geschöpf nur aus der geschlechtlichen Ver¬ einigung zweier getrennter, gleichartiger Wesensformen hervorgehen könne, zum unbestrittenen Axiom, das, von Jahrhundert zu Jahrhundert sich forterbend , lange Zeit hin¬ durch der Ausgangspunkt für alle Beobachtung natürlicher Vorgänge ward. Erst mit der androgynen indischen Siva, mit der mit Mel- kartlfs Bart decorirten syrischen Astarte, mit dem phrygischen Dionysos, den man sich nur mit dem umgürteten Krokotos angethan dachte, taucht die Idee des Herrn a p h ro dit. i s m u s im Mvthos auf und fand auf dem classischen Boden Griechen- lands in Hermaphrodite, dem Sohne vom Mercur und der Venus, ihre weitere Entwicklung und einen bestimmten Aus¬ druck, so dass endlich selbst Naturforscher nicht umhin konn¬ ten, sich nach realen hcrmaphroditischcn Zuständen in der Menschen- und Thierwelt umzusehen. Da boten sich in den Anomalien der äussem Begattungswerkzeuge, welche bis dahin für die Geschlechterbestimmung allein maassgebend gewesen waren, insbesondere in den zu allen Zeiten wohl 110 vorhandenen Hvpospadiäen, anscheinend so schlagende Beispiele äclit hermaphroditischer Zustände dar, dass nunmehr das früher allein gültige Axiom der Duplicität d. h. der (an zwei Individuen gebundenen) Geschlechter aufgegeben und dem „Hermaphroditis m us“ ein eignes Capitel in der Lehre von der „Zeugung“ eingeräumt werden musste. Aber das Geschlecht der organisirten Wesen hat, wie die spätere Forschung ergab, nicht in den äussern Geschlechts¬ werkzeugen allein seinen Sitz. Man musste zugeben, dass unzähligen Thierarten, denen äussere, der Begattung dienende Apparate überhaupt fehlen, dennoch geschlechtliche Zeu¬ gung nicht abzusprechen sei und unzweifelhaft: das Getrennt¬ sein der Geschlechter und die Yertheilung der Zeugungsstoffe auf 2 Individuen ebenso gut bei dergleichen Thieren exi- stiren und Vorkommen kann und Vorkommen muss, wie eine Vereinigung der geschlechtlich- differenzirten Stoffe in einem einzigen In divid uum. o Allein dieser Satz bedingte denn doch genauere Kenntniss der Z e u g u n g s s t o ff e , die mit u nbo w a f f n e t e m Auge ge¬ sucht, selbstverständlich überhaupt nicht und jedenfalls nicht eher gefunden werden konnten, bis man im Stande war, die jenseit unserer Sehgrenze gelegenen Körper durch Anwendung guter Mikroskope zu erkennen. Weder die der neuern Zeit erst angehörende Erfindung der Loupe, noch auch die der Loupenmikroskope genügte zur Aufhellung derartiger hochwichtiger Fragen und erst vor Kur¬ zem schieden bekanntlich die beiden Männer aus den Kreisen ihrer Verehrer, denen wir die Auffindung des Pollenschlauches bei den Pflanzen (Brongniart) und die Auffindung des mensch¬ lichen Eies (v. Baer) verdanken; Entdeckungen die, wie wir es erlebten, erst in die letzten Jahre des ersten Dritttheils dieses Jahrhunderts fallen. Doch seit der Kachweisung der Saamenfäden, resp. Saamen- körper bei Thieren und cryptogamisehen Pflanzen, seit der Entdeckung der Fovilla und des sie einschliessenden Pollen¬ schlauches, seit der Auffindung der wahren ovula, der Micro- pyle der thierischen Eier, der Keimbläschen bei Pflanzen und 111 Thieren, welche gewaltigen Fortschritte hat unser Wissen seit¬ dem gemacht und erfahren ! Lehren, die heute so fest begründet erschienen, dass ein Rütteln an denselben: staatsgefährlichen subversiven Bestre¬ bungen gleich erachtet wurden, mussten den, Schlag auf Schlag sich folgenden neuen Erkenntnissen weichen, ja selbst die von Burdach noch so energisch vertretene Lehre von der absolut nothwendigcn Vereinigung der elementarsten Geschlechtsstoffe : des Saamenfadens und des Eies zur Erzeugung eines Em¬ bryo 's musste die Aufstellung des Capitels von der „Partlie- nogenesis“ neben sich gestatten und dieser folgenreichen neuen Lehre den ihr berechtigt-zuständigen Platz einräumen. Hat doch sogar die Lehre von der ausgeschlossenen S e lb s tb e fruc lit u n g hermaphroditischer phanerogamerBlüthen ihre Anerkennung und Annahme gefunden, eine Lehre, die einem Linne und seiner Schule wenig sympathisch sein dürfte, die aber nichtsdestoweniger schon längst auch in der Thier¬ welt, z. B. bei Lungen-Schnecken, Lumbricinen und Hirudineen ihre Parallele gefunden hatte. Durch die vielseitigen Forschungen und Strebungen der jüngsten Zeit ist denn nun auch die Lehre vom Hermaphro- ditismus eine so sehr von den der antiken Welt angehören¬ den Anschauungen Verschiedene und Eigenartige geworden, dass sie mit einer Frage anhebt, welche sich vor Anwendung des verbesserten Mikroskopes, selbst noch vor fünfzig Jahren, kein deutscher Forscher zu stellen wagen konnte, mit der Frage nämlich, welches sind die unterscheidenden Merkmale der elementaren m ä n n 1 i c h c n und w eiblichen G e - sc hie c h tsstoffe. Die comparative Anatomie und Physiologie unserer Zeit ist nicht mehr im Stande differenzielle Unterschiede so anzu¬ geben, dass es möglich wäre, sich in allen Stadien der Ent¬ wicklung sofort für das eine oder andere Geschlecht definitiv zu entscheiden. Dieselbe Grundlage ist es, aus welcher sich das Keimbläschen, so wie der Saarn enkörper oder Saamcn- faden entwickelt. Das körnige Plasma der einen Zelle wird zum Keimbläschen oder in weiterer Umgestaltung zum Saamen- faden. Auf der primären Stufe stehen bleibend, wird daraus 112 # ein E i hervorgelien ; weiter sich entwickelnd eine S aam en- fad eil -führende Zelle. Dieser stetig fortschreitende Entwick¬ lung^ Vorgang zieht die umgebenden Gewebeschichten gleich¬ sam in Mitleidenschaft und stellt aus denselben in dem einen Dalle einen aus meist vielgeschlungenen Schläuchen bestehen¬ den H o d e n , oder im Andern einen 0 v a r i a 1 s cli 1 a u c h dar, Apparate, die in unzähligen Fällen in ein cm Individuum mehr oder weniger nahe beisammen liegen, in abermals un¬ zähligen Fällen aber auf zwei Individuen vertheilt sind, welche des äussern Genitalapparats entweder ganz entbehren oder denen ein solcher in mehr oder weniger complicirter Construc- tion zu Theil geworden ist. Auf derartigen Grundanschauungen basirend, hat es in unserer Zeit das Befremdende verloren, wenn wir bei irgend einer Thierreihe oder Thierart : Her m aphroditis m u s wahr¬ nehmen, wo wir ihn sonst zu sehen, nicht gewohnt sind. Ein neues derartiges Vorkommniss, wie interessant es auch sonst immer sein mag, findet ungesucht seine einfache und natürliche Erklärung, selbst auch dann, wenn bei unterbliebe¬ ner Umwandlung des primären Zellplasma’s, perverse Construc- tionen des Begattungsapparates allein auftreten , wie sie sich bei Hemmungsbildungen z. B. in der Form von Hvpospadiaeen etc. zuweilen finden. Gewöhnlich ergab sich, dass bei Menschen und Säugethieren derartige Vorkommnisse in der Sphäre der äussern Zeugungsorgane allein ihren Sitz hatten und wreit entfernt w^aren, einen wahren Hermaphroditismus zu begründen. Dass auch in der Klasse der Vögel die Federbildung des Männchens bei klar ausgesprochenen Weibchen, die durch Eierlegen genugsam ihr wahres Geschlecht decouvrirten, Vor¬ kommen, beweist z. B. ein „Hahnhuhn“ in den zoologischen Sammlungen des Greifswalder Museums. Bei Reptilien sind im äussern Genitalapparate kaum Hem¬ mungsbildungen beobachtet worden und für Amphibien ist der von Prof. Jacobson in Kopenhagen angegebene Fall von einer männlichen Kröte, bei welcher eine Spur von Eierstock und Eierleiter zieh finden soll, schon von Steen strup*) ernst- *) J. Jap. Sm. Steen strup, Untersuchungen über das Vorkommen lieh und anscheinend von guten Gründen unterstützt, geläug- net "worden. — Wenn aber der geistreiche dänische Forscher im Jahre 1846 noch berechtigt sein mochte, bei der letzten Klasse der Wirbelthiere, den Fischen nämlich, ächten Hermaphroditis¬ mus zu läugnen, so haben doch die späteren Forschungen es zur Evidenz erwiesen, dass sogar in der hochentwickelten Percoiden-Familio, die mittelmeerische Gattung: Serranus, in den Species: Cabrilla Cuv. (/xw/;, Canna genannt) S. Scriba und S. hepatus*) nicht in Folge einer zufälligen partiellen Umbildung einzelner innerer keimbereitender Organe Herma - phroditismus vorkommt, sondern dass diese Fische normale und con staute Zwitter sind, die in jedem Individuum, männliche und weibliche keimbereitende Apparate besitzen, wie durch Cuvier, Cavolini und Dufosse genugsam bewiesen ist. Ob auch An gui 11a fluviatilis zu dieser Kategorie ge¬ hört wie Ever. Home meint, bleibt weiterer Forschung an¬ heim gestellt. Vorläufig kennt man eben nur weibliche Aale und ist mit grosses ter Bestimmtheit auch heute noch, ein vor Jahren schon von Hornschuch-Hohenbaum und später von mir ausgesprochener Satz aufrecht zu erhalten, dass jeder Aal unserer süssen und salzigen Wasser weiblichen Ge¬ schlechtes ist, sowie dass cs möglich ist, die Eier in allen Aalen nachzuweisen, in welchem Monate des Jahres auch immer das ovarium untersucht wird.**) Bleibt dieser zur Zeit der in Giessen tagenden Ver¬ sammlung der Naturforscher und Ärzte schon von mir aus¬ gesprochene und auch jetzt auf Grund zahlreicher neuer Beob¬ achtungen von Neuem bestätigte Satz, trotz aller kategorisch aufgetretenen Gegenreden Balbiani's und Anderer, leider auch dos Hermaphroditismus in der Natur. A. d. Dän. von C. F. Hornsckuch. Greifswald 1846, 4°, pag. 28. *) Dufosse De rkermaphroditisine cliez certaius vertebres. Ann. sc. nat. 1856 Tom. V. Zoologie 8° p. 295. **) cf. s. Nilsson, Aufenthalt, Nahrung und Fortpflanzung des Süsswasser-Aals. A. d. Sclnved. von Fr. Creplin Zeitschr. f. d. ges. Natur¬ wissenschaft. zu Halle. 1860, No. VIT, VILI, p. 15. Vlittlieil. a. d. naturwissenBcliaftl. Vereine v. Neu- Vorpommern u. Rügen. IX. 8 114 heute noch immer so wahr, dass wir genöthigt sind, wissbe¬ gierigen Jüngern unserer Wissenschaft auf die Frage nach der Befruchtung und Entwicklung der Aale die niederschiagende Antwort geben zu müssen: „nescimus“ — so bin ich doch in der Lage rücksichtlich des Herings (Clupea Harengus L.) eine Thatsache bekannt geben zu können, die ob ihrer Eigen¬ art, einer Abbildung werth erschien, deren Publication zwar schon an und für sich genügt, um den gefundenen Thatbestand zu fixiren und zu illustriren, dem ich aber doch einige beglei¬ tende Worte beizufügen nicht füglich unterlassen kann. Am 23. August 1875 brachte mir die junge Frau eines hiesigen Schlächtermeisters, welche zuvor Jahre lang in meinem Hauswesen beschäftigt gewesen war und häufig genug Gelegen¬ heit gehabt hatte, Gegenstände, die mir zur Untersuchung übergeben wurden , in Empfang zu nehmen und Ziele und Zwecke meiner Thätigkeit kennen zu lernen, eine beim Aus¬ weiden von frischen Heringen ihr aufgefallene sogenannte „Milch“ d. h. die beiden Hoden eines Herings. — Dieselben waren sehr sorgsam auf ein mit Papier überspanntes Cigarren- kistchenbrett neben einander gelegt und vollständig frisch. Schon der erste Anblick des Präparats ergab , dass die beiden Endstücke beider Hoden, sowol deren vorderes, als deren hinteres Dritttheil vom dem fast gleich langen Mittelstück auffallend verschieden waren und konnte kein Zweifel darüber bestehen , dass es sich in diesem seltsamen Falle um eine Vereinigung von Hoden und Eierstöcken zu einem einheitlichen Ganzen, d. h. dass es sich um einen äclit hermaphroditischen Zustand der keimbereitenden Organe handelte. Die dichtere Beschaffenheit der schwach röthlich ange¬ hauchten, weissen Hoden („Milch“ genannt), wie man sie in Greifswald fast täglich bei frischen männlichen Heringen zu sehen gewohnt ist, gegenüber der lockern Beschaffenheit des aus körnigen Körpern bestehenden Eierstocks, dem „Rogen“, waren so augenfällig, dass die glückliche Finderin des wohl kaum jemals zuvor in ähnlicher Weise gesehenen Objectes darüber selbst so frappirt gewesen war, dass sie glaubte, mir 115 durch Überbringen desselben eine angenehme Überraschung bereiten. Und in der Tliat hatte sieh che Finderin des interessanten Objectes weder nach der einen, noch nach der andern Richtung hin geirrt. Die Tlmtsache war so schlagend, dass, nach Ab¬ stattung meines pflichtschuldigen Dankes ich es für meine erste Sorge erachtete, die beiden Gebilde vorsichtig auf eine Schreibpapierunterlage zu bringen, um einen möglichst genauen Umriss davon zu gewinnen, den ich, so gut ich es vermochte, mit Licht und Schatten versah, wie das die beigegebenen ma¬ kroskopischen Figuren I und II auf Taf. II darthun. Nachdem die Bilder in ihrer Originalgrösse und mit dem, was man mit unbewaffnetem Auge und mit der Handloupe erkennen konnte, gewonnen waren, säumte ich nicht, die hoch¬ interessanten Gebilde mikroskopisch zu untersuchen und zu zeichnen, was sich als Geformtes erkennen und zeichnen liess, nämlich die Eier und zwar aus verschiedenen Stellen, um reifere und unreifere zu copiren. Allein die Differenzen, welche die in dem Ovarialstücke gefundenen Eier ergaben, waren geringfügiger Natur und lagen nur in verschiedenen, doch nicht erheblichen Grössenverhält¬ nissen wie aus Fig. III. a. b. c. hervorgeht. Eihaut, Eiweiss, Dotter mit feinem Plasma und Fetttröpfchen waren bei allen zur Untersuchung gezogenen Eiern leicht erkennbar und Va¬ riationen in den Gesammt-Dimensionen der ganzen Eier, resp. ihrer Dotter waren das einzige Ergebniss der Untersuchung. Dass also das Mittelstück, welches von einer äusserst zarten Membram umgeben war, einem Rogener d. h. dem weib¬ lichen Thiere angehörte, konnte nach diesem Ergebnisse nicht bezweifelt werden. Was nun die ,, Milch“ d. h. den das männliche Thier charakterisirenden Hoden anlangt, so liess sich mit der Handloupe schon erkennen, dass derselbe, wie gewöhnlich aus zarten gewundenen Schläuchen bestand, die durch die geschlängelten Linien auf der Zeichnung bei II und II' an¬ gedeutet sind. Der geneigte Loser wird gebeten, sich durch diese nur den allgemeinen makroskopischen Befund andeutende, technisch nicht angemessene Ausführung nicht irritiren zu 8* 116 lassen. Die mäandrischen Windungen eines so vielfach in sich zurücklaufenden und hin und her kriechenden Canals zu zeichnen, fehlte mir das manuelle Geschick. Die mit dem frischen Hodeninhalte ausgeführte mikros¬ kopische Untersuchung hatte dasselbe Ergebniss , wie ich es schon immer bei unentwickeltem Häringssperma gewonnen hatte, dass es nämlich nicht möglich war, gewundene und bewimperte Saamenfäden zu finden. Kleine bewegliche Mo¬ lekeln von unbestimmter, wenigstens kaum bestimmbarer ab¬ gerundeter Form waren bei aller Sorgfalt, die ich bei den öfters herausgenommenen Proben anwandte, das einzige Ergebniss. Da mir aber das völlig reife Sperma schon 1860, wo ich meine Arbeit über den Hering der Ostsee in Trosehel’s Archiv für Naturgeschichte veröffentlichte, viel vergebliche Arbeit ge¬ macht hatte und mir dessen Eigenart genügend bekannt war, so musste ich mich mit dem Resultate begnügen, dass der noch unreife Inhalt der Hodencanälchen noch vielweniger bewimperte und geknöpfte Saamenfäden ergab. Auch war es absolut unmöglich, in diesem ganzen Hoden, gleichviel wo ich das Material zur Untersuchung entnahm, irgend eine Spur eines Körpers zu finden, der mit einem Ei auch nur die leiseste Verwandtschaft besass. Es war also nur möglich in der mit H. W bezeichn eten obern und untern Substanz das anzuerkennen, was das Volk die „ EVSilch des Herings“ zu benennen pflegt, d. h. mit Sperma erfüllte Hodencanälchen. Als Endresultat ergiebt sich demnach, dass der Hering, aus welchem die in Eig. I und II abgebildeten Präparate ent¬ nommen gewesen, ein echter Zwitter war, insofern nämlich in diesem einem Individuum : die keimbereitenden Organe, Hoden und Eierstöcke gleichzeitig und zwar in der Mitte dasOvarium (0.), an beiden Enden die flach gedrückten weissen und aus dichterem Gewebe (Canälchen) bestehenden Hoden sich befänden. Da so viel mir bekannt, ein ähnlicher Fall bis jetzt bei einem Fische noch nicht vorgekommen sein mag, so muss er als Ausgangspunkt für fernere Beobachtungen ähnlicher Art angesehen werden. 117 Die einschlägigen Präparate habe icli in einer geeigneten Spiritusmischung aufbewahrt und nunmehr dem hiesigen zoolo¬ gischen Museum übergeben. Leider aber sind die beiden so sorgsam bewahrt gewesenen interessanten Gebilde beim Trans¬ porte zu einer Versammlung der Greifswalder medicinisclien Gesellschaft, woselbst icli dieselben vorlegte und erläuterte, in der Ovarialgcgend zerrissen und befinden sich nur noch ge¬ ringere Fragmente des Ovariums mit den nunmehr isolirten Hodenstückon im organischen Zusammenhänge. Über das Verhalten des Herings selbst, welchem die Präparate entnommen waren , konnte leider nichts Näheres mehr festgestellt werden, weil er bereits zu einem Mittagessen der Familie seine Verwendung gefunden hatte. Schliesslich gestatte ich mir daran zu erinnern, dass der von Prof. Gerstäcker schon im Jahre 1867 beschriebene Her¬ maphrodit von Sphinx populi*), so wie einige von dem¬ selben und von Siebold untersuchte Di e n e n zwittcr dem im Vorstehenden beschriebenen Heringszwitter in gewisser Be¬ ziehung, wenigstens betreffs der keimbereitenden Apparate, am Meisten nahe stehen. *) H. G. Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreiches , Bd. V. Arthropoden, Lpz. u. Hdlbg., 1868, 8° Lief. 5, p. 213 u. folgd. 118 Beschreibung O einer hydrodynamischen Luftpumpe vo u Prof. Di“. Frh. v. Feilitzsch in Greifswald. Hierzu die Figurentafel No. 3. Im 5. und 6. Jahrgange der Mittheilungen des natur wissenschaftlichen Vereins für Neuvorpommern und Rügen veröffentlichte ich die Theorie der Bewegung tropfbarer Flüssig¬ keiten in einer Ansatzröhre mit engem Einfluss und weiter Mündung. Ich kam zu dem Schluss, dass unter geeigneten Bedingungen dadurch ein luftlerer Raum erzeugt werden könne, und hatte eine kleine Vorrichtung andeutungsweise beschrieben, welche ganz geeignet war, zur experimentellen Bestätigung der theoretischen Herleitungen zu dienen. Schon damals hatte ich die Absicht, die Versuche durch Konstruktion einer grösseren Luftpumpe zu erweitern, doch erlitt die Aus¬ führung allerhand Verzögerungen , so dass das in Arbeit ge¬ gebene Exemplar erst zu der im Mai 1876 erfolgten Eröffnung der londoner Ausstellung wissenschaftlicher Apparate fertig gestellt werden konnte und dort unter No. 595 des Katalogs*} Aufnahme fand. Herr Dr. W. Holtz hatte die grosse Güte, verschiedene Zeichnungen von dem Apparat und seinen Theilen zu ent¬ werfen, welche auf Tafel 3 enthalten sind, und auf welche in der nachfolgenden Beschreibung Bezug genommen werden mag. Wenn auch die in der citirten Abhandlung niedergelegten Folgerungen für jede tropfbare Flüssigkeit dieselbe Bedeutung *) Catalogue of the special loan collection of scientific apparatus at the Soutli-Kensington Museums. London 1876. — No. 792 auf S. 163 der deutschen Ausgabe von Dr. R. Biedermann. London 1877. 119 haben, so wurde doch dem Quecksilber der Vorzug gegeben, weil dasselbe zugleich als Sperrflüssigkeit gegen die auszu¬ pumpende Glocke benutzt werden konnte und die Anwendung eines zu diesem Zweck andernfalls bedurften Hahnes oder Ventiles entbehrlich machte. Es sollte also im Apparate Queck¬ silber bewegt werden, und desshalb war er aus Eisen zu kon- struiren. Das Quecksilber wird nun aus einem Reservoir durch zwei Pumpen aufgesogen und mittelst derselben beim Rück¬ gang ihrer Stempel einem Windkessel und von diesem dem Ausflussrohr überliefert. Die Mündung des letzteren führt wiederum unter die Quecksilberoberfläche im Reservoir, so dass sich dadurch die Flüssigkeit im dauernden Kreislauf be¬ findet. Die als Bedingung gestellte Verengung der Einfluss- Öffnung vom Ansatzrohr geschieht durch eine Röhre, welche zu dem Luftpumpenteller führt und dieser befindet sich in einer Höhe über dem Quecksilberniveau im Reservoir, welche mehr als die Barometerhöhe beträgt. Das Spiel der Pumpen¬ stempel wird durch eine mittelst Kurbeln drehbare Welle, Krummzapfen und Leitstangen unterhalten. Die speeielle Be¬ schaffenheit der einzelnen Theile soll im Folgenden ausführ¬ licher beschrieben werden. Vier Platten von Gussstahl, Fig. 3 Xo. 1 — 4, jede 175m,n- lang, 125mm- breit und llmm- dick, sind aufeinander abge¬ schliffen, und dienen in ihrer Gesammtheit als Fussgestcll der Pumpen, in welchem sich die Kanäle befinden. Dieser Um¬ weg wurde gewählt, um das Einbohren der horizontalen Ka¬ näle zu vermeiden, was bekanntlich und namentlich dann mit grossen Schwierigkeiten verknüpft ist, wenn, wie hier, wegen des Gebrauches von Quecksilber jede Löthung vermieden werden muss. Die unterste Platte, Ko. 1, ist an zwei Stellen a und h von unten her enger, von oben etwas weiter durchbohrt, und auf dem dadurch entstehenden Absatz ruhen die zu beiden Pumpenstiefeln führenden Säugventile. Beide Durchbohrungen sind durch alle Platten nach oben hin fortgesetzt, so dass man durch Wegnahmo der Pumpenstiefel zu den Ventilen ge¬ langen kann. — Die zweite Platte, No 2, enthält nun ausser¬ dem noch die Verbindungskanäle zwischen den Saug- und Druckventilen, und zwar sind dieselben in der Breite von 10mm- 120 durch die ganze Platte gesägt, so dass sie etwas mehr als iacm- Querschnitt besitzen, wenn sie durch die darunter und die darüber befindliche Platte begrenzt werden. Die freien Enden dieser Kanäle führen zu den in der dritten Platte, Ko. 3, enthaltenen Druckventilen d und e. Auch diese letz¬ teren ruhen, auf Ansätzen in den unten engeren oben weiteren Öffnungen, welche letztere sich durch die vierte und oberste Platte nach oben fortsetzen. Perner sind in Ko. 3 zwei Ka¬ näle eingesägt, welche zu der Öffnung c führen und ebenfalls mit 10mm- Breite die Platte durchsetzen jedoch derart, dass die Yentilränder in d und e nicht mit fortgenommen, also die Kanäle nach denselben hin abgeschrägt sind. Dazu kommt noch ein dritter Kanal von gleicher Breite, welcher von c nach dem Hohlraum 6-5 in Pig. 5 führt, indem sich der in dieser Eigur dargestellte Tlieil, wie aus Figur 2 ersichtlich wird, vor den aufeinander gelegten Platten befindet, und daselbst durch Schrauben festgehalten wird. Die oberste Platte, Ko. 4, ent¬ hält nur die Fortsetzungen der genannten Durchbohrungen und trägt dann die weiteren Theile des Apparates. Alle vier Platten wurden nach der Fertigstellung mässig erwärmt, alsdann zur nachmaligen besseren Dichtung mit einer leicht schmelzbaren und bei gewöhnlicher Temperatur sehr harten Mischung von Kanadabalsam und Wachs bestrichen, und nach dem Aufeinanderlegen derart mehrfach verschraubt, dass sic als ein einziges Stück betrachtet werden können. Die vier Ventile sind Kegelventile und tragen axiale nach oben gerichtete Zapfen, welche sich in geeigneten Führungen bewegen. Sie werden durch SpiralfederTi aus dünnem Stahi- drath gerade mit solcher Kraft auf die Schlussränder nieder¬ gedrückt, dass sie nicht im Quecksilber schwimmen. Auf der obersten Bodenplatte sind nun in der Art, wie es Figur 2 zeigt, zunächst zwei kleine Kappen mit Flanschen und Ledervorrichtung aufgeschraubt, welche die Öffnungen für die Druckventile luft- und quecksilberdicht decken. Ferner trägt diese Platte einen mittelst Flansche und Lederdichtung aufgeschraubten Windkessel , unter welchem die Öffnung c mündet, und in gleicher Weise sind darauf über den Öffnun¬ gen u und b die beiden Pumpenstiefel befestigt. Letztere sind gussstählerne Röhren von 22mu)- äusserm und 15ram- innerem Durchmesser, deren Höhe 241ram- beträgt einschliesslich der Flanschenhöhe von 6mm- In den Stiefeln bewegen sieh die Kolben mit 200mm- Hubhöhe. Die Dichtung derselben liess sich wegen des zu starken Druckes nicht in der gewöhnlichen "Weise bewerkstelligen. Adelmehr wurde jeder Kolben vom untern Ende her mit einer Schraubenmutter von gleichem Durchmesser versehen, welche zwei aufeinander liegende Leder¬ kappen festpresst. Eine dieser Kappen ist nach unten über die Schraubenmutter die andere nach oben über die Stempel¬ stange gezogen. Erstere wird durch den Quecksilberauftrieb gegen die innern Stiefelwände gepresst, und hindert so dessen Austritt, während die obere Kappe der untern als Stütze dient, um deren Aufstreifen zu verhindern. Auf der hohen Kante der Gcsammtbodenplatte, da wo die Öffnung f aus derselben hervorgeht, ist der in etwas grösserem Massstabe dargestellte Apparaten theil der Figur 5 luft- und quecksilberdicht aufgeschraubt. Derselbe bestellt aus einem Eisenstück von 59mm- Breite, 44mm- Höhe und 32mm- Gesammt- dieke. Links oben und rechts unten ist dieser Block bis auf 10,n'n- abgefeilt, so dass ein rhomboedrischer Vorsprung abed von 22mm’ Dicke, 25mm- Breite und 51,nm- schiefer Höhe übrig bleibt. Von der Innenseite her ist in diesen Vorsprung ein Hohlraum ss eingearbeitet, in welchen der Kanal cf (in Fig. 3, Xo. 3), sowie die Röhren Lc und Ao münden. Die Röhre Ao hat bei A einen innern Durchmesser von 3,20mm- und bei oo einen innern Durchmesser von 4,95'n,n* bei einer Länge von 29,50mui* Die Röhre Lc ist bei c auf eine längere Strecke bis auf einen äussern Durchmesser von 4,02nim- cylindrisch abge¬ dreht, und in diesem Theil bis auf die geringste Wanddicke ausgebohrt. Gegen L hin besitzt dagegen diese Röhre sowohl aussen als innen einen grossem Durchmesser. Die Röhre Ao ist auf der Seite bd und die Röhre 7>r auf der Seite ae in den rhomboedrischen Vorsprung eingeschraubt und letztere kann in jeder Tiefe durch eine Contermutter mm festgestellt werden. Da sich die Röhre Aa gegen A konisch verjiin gt, so lässt sich nach den bekannten Dimensionen leicht berechnen, wie¬ weit das Ende c in der Röhre Ao vorgeschoben werden muss, damit der Zwischenraum zwischen c und oo genau den vierten Theil des Querschnittes der Öffnung bei A misst, wie es die Theorie verlangt. Der in Fig. 2. abgebildete Haupttheil des Apparates steht hi einem gusseisernen Kasten, wie solches in Fig. 4 darge¬ stellt ist, und wird in demselben durch seitliche Schrauben in seiner Lage erhalten. Von jenem Antheil sind hier nur die Kuppe des Windkessels und der obere Theil der Pumpon- stiefel unbedeckt. Der Eisenkasten dient dazu, das Quecksilber aufzunehmen und ausserdem trägt er einen Ständer, an welchem die inneren Koulissen zur Führung der Pumpen Stempel, so wie das mittlere Axenlager der Krummzapfen angebracht sind. Die Figur enthält ferner noch die Krummzapfen und die Leitstangen. Fig. 1 endlich stellt den ganzen zusammengesetzten Ap¬ parat dar. Ein Gestell von starkem Eichenholz , nach allen Richtungen hin zweckmässig versteift, hat vom Fussboden aus eine Höhe=H07cm- Die untere Platte ist 77cin- lang und 31cm- breit. Die obere, den Luftpumpenteller tragende Platte ist 42cm- lang und 31 cm- breit, ln dem oberen Winkel der seitlichen Andreaskreuze ruhen die äusseren Lager der Krumm¬ zapfenwelle, und von da abwärts verlaufen die beiden äusseren Führungen der Kolbenstangen. Durch die obere Platte geht eine rochtwinklich gebogene Glasröhre, die einerseits mit dem Abführungsgang der Luft aus der Glocke durch eine Kaut¬ schukröhre verbunden wird, und welche anderseits mittelst eines Kautschukschlauches in luftdichter Verbindung steht mit dem Ende L der Röhre Lc. in Fig. 5 Die Verbindungs¬ schläuche sind, weil sie den äusseren Luftdruck auszuhalten haben, mit Spiralen von Stahldrath innen ausgelegt. An die Krummzapfenwelle wird auf einer Seite ein Schwungrad mit Handgriff und auf der anderen Seite eine einfache Kurbel an¬ gesteckt. Letztere ist überflüssig, da der Apparat bequem von einem einzigen Arbeiter in Drehung versetzt werden kann. Der Vorgang beim Auspumpen ist nun der folgende. Das in die Stiefel gehobene Quecksilber wird bei deren Rück¬ gang in den Windkessel gepresst, und fliesst von diesem in den Hohlraum ss der Fig. 5. Dort hat es keinen anderen Ausweg als durch den ringförmigen Zwischenraum zwischen oo und 6-, d. h. zwischen der weiteren Röhre oA und dem in demselben befindlichen Tlieil der Röhre Lc. Dieser Zwi¬ schenraum hat l vom Querschnitt der Ausflussöffnung bei A und wenn dann das Quecksilber mit 15 Atmosphären Druck durch denselben gepresst wird, entsteht daselbst Luftlcre. Da nun die an gleicher Stelle mündende Oeffnung o der Röhre Lc mit der Luftpumpenglocke communicirt, muss von letzterer die Luft durch o abfliessen, wird vom Quecksilber mit fort- gerissen und tritt mit demselben bei A in das grosse Reser¬ voir resp. die freie Luft aus. Wird dann das Spiel der Pumpen unterbrochen, so steigt das Quecksilber in Folge des äusseren Luftdruckes in der Verbindungsröhre gegen die Luftpumpen¬ glocke empor, um sich innerhalb der Röhre der Barometerhöhe asymptotisch anzunähern. Wurde statt der Luftpumpenglocke ein- einfaches Manometer mittelst eines Kautschoukschlauches vorgelegt, so konnte die Verdünnung bis auf lmm- Quecksilber¬ druck gebracht werden. Lin absolut luftlerer Raum ist aber durch diese livdro- «. dynamische Luftpumpe ebensowenig zu erzielen, wie durch die gewöhnliche aerostatische, da hier das in gleichen Zeiten austretende Luftvolum zwar constant bleibt, aber wegen Ver¬ minderung der Spannkraft in der zurückbleibenden Luft die in dem Volumen enthaltene Masse ebenfalls proportional zur Zeit abnimmt. Es ist also theoretisch auch bei dieser Form eine zwar rasche aber immerhin nur asymptotische Annäherung an die absolute Luftlere möglich. Wenn ferner auch der sogenannte sc h ä dli c h e R a u m der gewöhnlichen aerostatischen Pumpen bis zur Bedeutungs¬ losigkeit für die Praxis herabgedrückt worden ist, so dürfte es doch als theoretisch interessant hervorgehoben werden, dass derselbe liier gar nicht existirt. Als ein weiterer Vortlieil ist hervorzuheben, dass in demjenigen Antheil, in welchem die Luftbewegung stattfindet, jeder Hahn und alle Ventile entbehrt werden können, vielmehr nur ein einziger Stopfen im Fuss des Luftpumpentellers hinreicht, um erforderlichen Falles die entlertc Glocke wieder mit Luft zu füllen. 124 Schliesslich mag noch ein kurzer Nachweis folgen über die Berechnung der einzelnen Theile der Pumpe. Die Durch¬ flussmenge des Quecksilbers durch die ringförmige Oeffnung (oo in Fig. 5) von 2,01 [j Millimeter Querschnitt bei 15 mal 760mm- Quecksilberdruck beträgt für 1 Sekunde 2,01 V2. 9807. 15. 700 = 5006(3 Kubikmillimeter. Auf einen Kontraktionskoefficienten braucht bei der ciaren- thümlichen Gestalt dieser Oeffnung nicht Rücksicht genommen zu werden. Ferner wird durch die beiden Stiefel von 7 ,5’nm* Halbmesser bei 200mra- Hubhöhe der Kolben durch n Umdre¬ hungen eine Quecksilbermenge jener Oeffnung zugeführt, welche gleich ist n. 2. 3,14. 7,52 200 = n. 76686 Kubikmillimeter. Sollen diese beiden AVerthe einander gleich sein, so würde die nöthige Quecksilbermenge bei 0,425 Umdrehungen der AVelle in 1 Sekunde, oder bei einer Umdrehung in 2,35 Se¬ kunden geliefert werden. Nach Fertigstellung des Apparates zeigte sich aber, dass ein Mann bequem eine Umdrehung schon in 1 Sekunde zu leisten vermag, dass also bei geeigneter Wahl grösserer Abmessungen ein noch rascheres Evacuiren möglich ist, als dieser Apparat gestattet. Die Luftpumpe wurde von Herrn Mechanicus Dem min hierselbst nach vorstehenden Angaben ausgeführt. Greifswald im November 1877. 125 Zur Theorie der Intiuenzelektrisirmaschine ; von W. Iloitz. Es soll im Folgenden die Influenzelektrisirmaschine in einer Reihe verschiedener Formen unter besonderer Berück¬ sichtigung der inneren Verhältnisse behandelt werden, um das Verständniss genannten Apparates zu erleichtern und zu¬ gleich die Vielseitigkeit des demselben zu Grunde liegenden Princips der Elektricitätserregung zu zeigen. Diese Formen werden am besten in zwei Gruppen geson¬ dert. in Maschinen, welche behufs constanter elektrischer Thä- tigkeit einer andern constantcn elektrischen Hlilfsquelle, und in Maschinen, welche für denselben Zweck nur einer momen¬ tanen elektrischen Erregung bedürfen. Der Erfolg hat zwar gezeigt, dass die ersteren wenig praktischen Werth haben, aber sie sind theoretisch einfacher, und ihre Betrachtung kann daher von Nutzen sein: auch gingen sie den letzteren in ihrer historischen Entwickelung voran. Eine weitere Eintheilung mag bei der ersten Gruppe aus der verschiedenen Beschaffenheit der beweglichen Scheibe, bei der zweiten aus der verschiedenen Function der sogenannten Conductoren folgen, obwohl diese Eintheilung kein characteristi- sches Merkmal der betreffenden Gruppen genannt werden kann. Die Formen sind übrigens so gewählt, wie es für die theoretische Beobachtung am entsprechendsten schien. Dass noch andere Formen möglich, soll zum Schluss in einem kurzen Anhänge erläutert werden. 126 A, Maschinen, welche einer constanten elektrischen Hilfsquelle bedürfen (Taf. 4). a, Rotirencle Scheibe belegt (Fig. 1 — 4 u. 9). Denken wir uns eine vertical gestellte Ebonitplatte, welche durch Reibung negativ elektrisirt ist. Vor dieser mag eine Glasscheibe, mit runden Stanniolstücken belegt, rotiren, und zwar dergestalt, dass diese Stücke nacheinander gedachter Platte gegenüber treten. Vor der Scheibe endlich sollen zwei starke Drätlie isolirt befestigt sein, der eine nach dem Centrum der- selben Platte gerichtet, der andere von diesem um eine halbe Scheibenumdrehung entfernt. Eine solche Vorrichtung (Fig. 1) wirkt elektromotorisch, sobald wir die fraglichen Drätlie mit einander, oder, was dasselbe bedeutet, mit der Erde verbinden. Durch die Influenz d. h. Eernwirkung oder Spannung der elek- trisirten Platte werden die verbundenen Elektricitäten der Stan¬ niolstücke von einander getrennt, die abgestossene negative fliesst in den Drath, welcher derselben Platte gegenüber steht, die angezogene positive, welche zurückbleibt und mit der bewegten Scheibe rotirt, fliesst in den andern Drath, weil hier die In¬ fluenz der Platte nicht mehr wirkt. Man kann freilich eben so gut behaupten, dass durch die Wirkung der Influenz nicht Elektricität aus der Scheibe getrieben, sondern auf dieselbe gezogen wird. Desgleichen kann die Wiederherstellung des Gleichgewichts durch Abfluss der einen so gut, als durch Zu¬ fluss der andern Elektricität erklärt werden. Das Resultat ist dasselbe: die Scheibe ladet sich an dem einen, sie entladet sich an dem andern Drätlie; und da jede Ladung oder Ent¬ ladung eine Elektricitätsbewegung voraussetzt, so wird sich in beiden Dräthen nothwendig eine solche etabliren. Diese Bewegung aber ist eine entgegengesetzte , denn im ersten Drätlie strömt die negative, im zweiten die positive Elektricität von der Scheibe fort, und die Verbindung der Drätlie hat eben den Zweck, diese Strömung durch den Ausgleich der beiden Elektricitäten zu erleichtern. Unterbrechen wir die Verbin¬ dung theilweise, so erfolgt der Ausgleich in der Luft unter der bekannten Erscheinung des elektrischen Funkens. Die Bewegung wird aber erschwert, weil die Luft kein guter Leiter ist, und um so mehr erschwert, je mehr wir die Drathenden von einander entfernen. Unterbrechen wir die Leitung ganz, so hört mit der Bewegung zugleich die fernere Ladung und Entladung der Stanniolstücke auf, nicht aber die Fernwirkung der Dräthe, solange noch Platte und Stanniolstücke ihre Elck- tricität behalten. Die Fernwirkung des einen Drathes wird aber durch Ableitung des andern vergrössert, aus Gründen, welche später ausführlich erörtert werden sollen. In jedem Falle endlich ist die Fernwirkung des Entladungsdrathes eine grössere, weil dieser einer grösseren gleichnamig elektrischen Fläche gegen überstellt. Um einen stärkeren Effect zu erzielen, könnte man ein¬ fach zwei Ebonitplatten verwenden, welche beide, negativ erregt, hinter einander aufzustellen wären. Aber mehr wird erreicht, wenn man der zweiten Platte die entgegengesetzte Elektricität mittheilt und sie nun (Fig. 2) dem andern Dratho gegenüber bringt. Der Vorgang ist alsdann der folgende unter der Vor¬ aussetzung, dass beide Dräthe wieder mehr oder weniger mit einander in Verbindung stehen. Die Scheibe ladet und ent¬ ladet sich während jeder Umdrehung zweimal, und zwar an beiden Dräthen gleichmässig, aber in entgegengesetztem Sinne. Die Dräthe haben also gewissermassen eine doppelte Function, sie sollen die Scheibe ihrer Ladung berauben, aber sie gleich¬ zeitig mit einer neuen Ladung verselm. Hieraus resultiren zwei Ströme, welche sich unmittelbar einander folgen und von gleicher Dichtung sind, weil der Abfluss der einen mit dem Zufluss der andern Elektricität identisch ist. Der quantitative Effect d. h. die Menge der bewegten Elektricitäten ist also grösser, und dies muss sich durch eine grössere Leuchtkraft der Funken doeumentiren. Aber auch der intensive Effect d. h. die Fern Wirkung der bewegten Elektricitäten ist grösser, insoweit nicht die Wirkung der einen für sich, sondern ihre wechselweise Wirkung in Betracht kommt, und dies muss sich durch eine grössere Länge der Funken zu erkennen geben. Noch ein Andres aber ist erreicht, und dies wäre durch eine einfache Verdoppelung der Platte nicht zu erreichen gewesen: 128 die neue Vorrichtung ist vollkommen symmetrisch organisirt. Beide Dräthe werden also nunmehr auch dieselbe Fernwirkung äussern, vorausgesetzt natürlich, dass die Influenz der Platten dieselbe ist. Mit den bisherigen Versuchen ist jedoch immer noch Wenig gewonnen, da die Wirkung schnell abnimmt, und schon nach wenigen Minuten erlischt. Der Grund liegt darin, dass den Platten die Hauptbedingung eines Elektrophors fehlt, und fehlen muss, weil sie in grösserer Entfernung wirken sollen. Die mitgetheilte Elektricität verliert sich, und sollte der Appa¬ rat constant wirken, so müsste demselben constant neue Elek¬ tricität mitgetheilt werden. Es liegt nun der Gedanke nahe, für diesen Zweck eine gewöhnliche Reibzeugmaschine, wenn auch von äusserst schwacher Leistungsfähigkeit zu venverthen. Der Influenzapparat ist alsdann freilich kein selbstständiger Elektromotor; er vervielfältigt nur die Wirkung der Reibzeug¬ maschine; aber er vervielfältigt sie bei einem sehr geringen Aufvvande an Kraft, und wenn auch nur quantitativ, nicht in¬ tensiv, d. h. an Funkenzahl, nicht an Funkenlänge, so doch bis zu einer Grenze, welche allein durch die Rotationsge¬ schwindigkeit bestimmt wird. Für die gedachte Combini- rung sind die beiden bisherigen Constructionen verwendbar. Wählt man die erste (Fig. 1), so muss der eine Pol der Reib¬ zeugmaschine abgeleitet, der andre mit der Platte des Influenz¬ apparates verbunden werden; wählt man die zvreite (Fig. 2), so müssen beide Pole und beide Platten der betreffenden Apparate mit einander communiciren. Damit man der Ebonitmasse aber besser Elektricität zuführen könne, muss dieselbe theilweise leitend gemacht werden , nicht aber an der der Glasscheibe zugewandten Seite, damit die Elektricität nicht nach dieser entweiche. Auch darf der leitende Tlieil nicht besonders gut leitend sein , damit am Rande desselben keine Ausströmung¬ erfolge, und er braucht es auch nicht, wreil hier im Gegensatz zur Scheibe nur eine langsame Elektricitätsbewegung stattfin¬ den soll. Deshalb wählt man hier Belegungen von Papier, nicht von Stanniol. Die Ebonitmasse aber ersetzt man besser durch Glas, weil man etwaige Ausströmungen leichter erkennt, und wei 1 das Papier besser auf demselben haftet. Um ferner 129 die wirksame Fläche rationeller ausnutzen zu können , ist es geeignet, sämmtlichen Belegungen , und hiermit den Platten selbst, statt der runden, die Form von Sectoren zu geben, weil sich ihr Umfang vergrössert, ohne dass sie doch näher gerückt würden, ohne dass also die Elektric-ität leichter von der einen zur andern überginge. Endlich sind die Verbindungen zwischen beiden Apparaten dergestalt zu wählen, dass auch hier keine Ausströmung erfolgen kann. Die so entstellenden neuen For¬ men sind durch Fig. 3 und 4 veranschaulicht. Die fragliche Verbindung ist hier, wie bei allen späteren parallelen Formen nur angedeutet. Da die Vergrösserung der Rotationsgeschwindigkeit in der Wirklichkeit sehr bald eine Grenze findet, drängt sich die Frage auf, ob nicht noch auf andrem Wege ein grösserer quantita¬ tiver Effect zu erzielen sei. Wir sahen bereits, wie mit Ein¬ führung der zweiten Erregungsstelle die in Umlauf gesetzte Elektricitätsmenge wuchs, und es handelt sich also nur darum, wie weit und unter welchen Bedingungen eine grössere Zahl von Erregungsstellen zulässig sei. Zunächst mag daran erin¬ nert werden, dass eine grössere Zahl von Platten nicht noth- wendig eine ungleichnamige Elektrisirung derselben voraus¬ setzt, dass eine gleichnamige Elektrisirung aber einen grösseren Raum beansprucht und einer grösseren Zahl von Dräthcn, von Conductoren — wie ich sie nennen will — bedarf. Denn in diesem Falle ist ja die Ladung der beweglichen Fläche stets entgegengesetzten Vorzeichens mit derjenigen der Platten; sie kann also bei keiner solchen Platte, oder an keinem Conduc- tor, welcher einer solchen Platte gegenübersteht, frei werden ; für die Entladung sind hier also (Fig. 1) besondere Stellen, beson¬ dere Conductoren erforderlich, während andern Falls (Fig. 2) Ladungs- und Entladungsstellen . Ladungs- und Entladungs- conductoren zusammen fallen. Hieraus folgt, dass die un¬ gleichnamige Elektrisirung für die Ausnutzung des Raumes un¬ gleich günstiger ist. Dieselbe verlangt freilich nothwendig eine grade Zahl von Erregungsstellen, weil diese abwechselnd un¬ gleichnamig aufeinander folgen müssen. Wie gross aber dürfen wir die fragliche Zahl wählen, wenn der Erfolg noch dem ange¬ deuteten Zwecke entsprechen soll? Bedenken wir, dass mit Mittheil. a. d. naturwisse nschuftl. Vereine v. Neu-Vurpommern u. Rügen. IX. 9 Vergrö s s cru n g dieser entgegengesetzt elektrischen Zahl alle Punkte sich seitlich einander nähern, einmal die Papierbele¬ gungen, dann die Sectoren der beweglichen Scheibe, endlich die Conductoren und die für dieselben nöthigen Verbindungen, dass hiermit aber einerseits die Influenz Wirkung geschwächt, andrerseits mancher Verlust durch Ausströmung geschaffen wird, so ist klar, dass überhaupt mit Verstärkung der quan¬ titativen Wirkung die intensive mehr und mehr abnehmen muss, dass aber auch die quantitative Wirkung am Ende eine Grenze findet, über welche hinaus sie sich nicht weiter ver¬ stärken lässt. Die Erfahrung hat dies bestätigt und gezeigt, dass einem Scheibendurchmesser von 300ram- eine Maximalzahl von etwa 20, einem Scheiben durchmesser von 800mm- eine Maximalzahl von etwa 60 Erregungsstellen entspricht, wobei jedoch die intensive Wirkung bereits so gering, dass zwischen Spitzen nur noch eine Funkenlänge von 5mm- erreicht, und die Ladung dickwandiger Flaschen nicht mehr bewerkstelligt werden kann. Als Curiosum mag erwähnt werden, dass die Scheibe bei einer so schnellen Aufeinanderfolge der Ladungen und Entladungen in Vibrationen geräth. Eine Vorrichtung, wie sie hier in Frage steht, würde sehr schwer zu constmiren sein, wenn es nicht gestattet wäre, alle Papierbelegungen auf eine einzige Platte, oder richtiger gesagt, auf eine zweite feste Scheibe zu kleben. Dies setzt aber unter allen Umständen eine gleichnamige Elektrisirung derselben voraus, weil andernfalls sich sehr bald die ganze hintere Fläche, d. h. die belegten wie die unbelegten Glastheile, mit ein und derselben Elektricität laden und die Ladung der beweglichen Fläche fest halten würden. Noch immer freilich dürfte die Construction eine schwierige sein , wenn sich nicht auch die Zahl der Conductoren durch ein einfaches Mittel verringern liesse. Dies setzt aber voraus, was sonst ja nicht nothwendig ist, dass beide Scheiben rücksichtlich ihrer Belegungen genau gleich und symmetrisch getheilt sind. Fig. 9 zeigt einen so beschaffenen Apparat mit 8 Erregungsstellen. Die hintere feste Scheibe wird durch zwei senkrechte Ständer gehalten und kann der beweglichen gleichzeitig durch kleine Schräub- dien genähert werden. Sie muss aus diesem Grunde mit einer mittleren Öffnung versöhn sein, in welche die hintere Fassung der beweglichen tritt. Eig. 10 zeigt ein Stück der festen Scheibe von hinten zur Veranschaulichung der wechselweisen Verbindung ihrer Belegungen, welche durch zwei kreisförmige auf kleinen Holzpflöcken ruhende Drätlie bewerkstelligt wird. Von hier führt die fortgelassene Leitung nach den Polen des Hülfsapparats. Aber auch die Metallsectoren der beweglichen Scheibe stehn abwechselnd mit einander in Verbindung, weil sonst acht abwechselnd mit einander verbundene Conductoren nütliig wären. Die Hälfte jener Sectoren reicht nämlich bis auf einen engeren, die andre Hälfte bis auf einen weiteren Stanniolring, welcher an der vorderen Fläche der Ebonitfassung sitzt und mittelst durchgeführter Leitungen mit den betreffen¬ den Sectorenden communicirt. Für die gleichzeitige Ladung und Entladung aller Punkte genügen also zwei Conductoren, welche nach zwei aufeinander folgenden Papiersectoren zeigen. Während jeder Umdrehung wird die Ladung der Scheibe acht¬ mal umgesetzt, viermal so oft, als bei den Formen 2 und 4, achtmal so oft, als bei den Formen 1 und 3. Her Apparat gestattet jedoch neben der gewöhnlichen noch eine ganz eigen- thümliche Entladungsform unter Benutzung jener eben erwähn¬ ten Hinge nämlich, wenn man die verlängerten Conductoren (Fig. 12) auf denselben schleifen lässt. Die Polarität dieser Hinge wechselt ja, wie die Polarität der mit ihnen verbunde¬ nen Sectoren. Ein Leiter, welcher zwischen dieselben ein¬ geschaltet ist, wird also abwechselnd von entgegengerichteten Strömen durchflossen werden, und zwar bei vollkommner Schliessung in continuirlichem Übergange, bei Einschaltung eines Widerstandes mehr oder weniger disruptiv, in jedem Falle mit einer Regelmässigkeit, wie kein andrer Elektromotor solches zu erzeugen vermöchte. Dazu kommt, dass man hier, wie wohl in keinem andern Falle, den Stromwechsel ganz un¬ abhängig von der Stromstärke variiren kann, letztere durch die Influenz der festen, ersteren durch die Rotationsgeschwin¬ digkeit der beweglichen Scheibe. Von besonderem Interesse dürfte daher auch die eigenthümlicho Schichtenbildung gedach¬ ter Entladungsform in evaeuirten Röhren sein. 132 b, Rotirende Scheibe unbelegt (Fig. r> — 8 u. 11). Die letztgenannte, freilich immerhin wenig verwendbare Entladnngsform beweist, dass sich metallisch belegte Scheiben auch anders, als disruptiv entladen können. Bei gleichgerich¬ teten Strömen aber ist die Intermittenz nicht zu umgehn, da jeder Sector von dem ihm folgenden durch einen isolirenden Zwischenraum getrennt ist und getrennt sein muss, weil sonst überhaupt keine Ladung oder Entladung möglich wäre. Dies ist ein Übelstand, da jede continuirliche Strömung, wie sie z. B. die Reibzeugmaschine oder überhaupt eine sich entla¬ dende unbelegte Glasfläche liefert, auf die verschiedenste Weise willkürlich in eine disruptive oder intermittirende, eine disrup- tive dagegen nur schwierig in eine continuirliche überzuführen ist. Wir können zwar durch Vermehrung der beweglichen Sectoren die Anzahl der Funken auf Kosten ihrer Stärke ver- grössern und die disruptive Entladungsform hierdurch der continuirlichen näher bringen. Wir können Dasselbe erreichen, wenn wir die Dauer der Funken durch eingeschaltete Wider¬ stände verlängern. Ganz verwischen jedoch können wir die Intermittenz nicht; wir erzeugen in jedem Falle nur Funken, keine Büschel, kein Glimmlicht, keine continuirliche Strömung. Es mag zugegeben werden, dass auch die Büschelentladung noch in gewissem Sinne intermittirend, und dass überhaupt in oder auf Isolatoren streng genommen keine andre Entladung möglich ist. Immerhin jedoch bleibt der Abstand zwischen der Funken- und Büschelentladung ein grosser, und es ist viel erreicht, wenn ein Elektromotor die letztere erzeugen kann. Aber noch ein andrer wesentlicher Übelstand haftet metallisch belegten Scheiben an, die Unmöglichkeit, die schar¬ fen Kanten der Belegungsstücke zu beseitigen und die Aus¬ strömungen zu verhüten, welche an solchen Kanten entstehn. Aus letzterem Grunde geschieht es, da die Ausströmung mit der Spannung, und letztere mit dem im Schliessungsbogen be¬ findlichen Widerstande wächst, dass wir mit so beschaffenen Scheiben nur eine verhältnissmässig geringe Funkenlänge er¬ zielen können, welche auch nicht annähernd derjenigen einer gleich grossen Reibzeugmaschine entspricht. Koch ungünstiger aber stellt sieh das Resultat, wenn man die Funken nicht zwischen Drathenden, sondern zwischen Kugeln, und nament¬ lich zwischen grösseren Kugeln entstehn lässt, weil die dis- ruptive Entladung der Funkenbildung zwischen Spitzen ver- liältnissmässig förderlich ist. Vergleicht man solcher Gestalt die intensive Wirkung beider Apparate mit einander, so dürfte sich die Reibzeugmaschine als zehnfach überlegen erweisen; und für die praktische Seite ist grade die Funkenlänge zwischen Kugeln entscheidend, weil das Laden von Flaschen die An¬ wendung von Spitzen nicht gestattet Man könnte versucht sein zu glauben, dass sich die gerüg¬ ten Übelstände theilweise beseitigen Hessen, wenn man die bewegliche Scheibe gleichfalls mit Papiersectoren versähe, da die Umsetzung der Ladung dann nicht auf einmal erfolgen und auch die Ausströmung an den Kanten weniger um sich greifen könnte. Man vergässe jedoch hierbei, dass die quantita¬ tive Wirku ng vorzugsweise auf eine grosse R< üationsgeschwindig- keit basirt ist, welche ihrerseits wieder einen schnellen Wechsel der Ladung voraussetzt, dass ferner in demselben Verhältnisse, in welchem die Auströmung verringert, auch die Ladung wegen des grösseren Widerstandes heruntergesetzt würde. In der Tliat dürfen so beschaffene Scheiben nur äusserst langsam ro- tiren, und liefern trotzdem während jeder Umdrehung keine grössere Elektricitätsmenge, als andere. Es giebt jedoch ein besseres und äusserst einfaches Mittel, so einfach, dass man sich mit Recht über die historisch späte Anwendung desselben wundern kann. Die Organisirung der Reibzeugmaschine zeigt: ja, und zeigte ja längst, wie eine un belegte Glasfläche ent¬ laden werden kann. Sollte sich die Ladung derselben nicht auf gleiche Weise bewirken lassen? Wir wissen , dass die Elektricität schwer von Fläche zur Fläche übergeht, wenn beide durch eine dünne Luftschicht von einander getrennt sind, aber leicht von Fläche zu Spitze oder umgekehrt, wenn die betreffende Fläche auch isolirend ist. Es liess sich er¬ warten, dass dies auch unter dem Einfluss der Influenz der Fall, und dass der Glasfläche so nach und nach eine gewisse Ladung mitzuthoilen sei. Andrerseits liess sich übersehn, dass 134 die Ladung der ganzen Fläche nur durch eine ganze Reihe- von Spitzen bewerkstelligt werden könne. Übertragen wir dies Mittel auf die bisher betrachteten Formen, so gehen sie in diejenigen über, welche auf der rechten Seite der Ti 1.4 gezeichnet sind. Alle Stanniolbelegungen fallen fort, und an Stelle der einfachen zugespitzten Leiter treten solche, welche mit rundlich geformten Spitzenkämmen ver¬ sehen sind. Die Spitzen dürfen nicht zu entfernt stehen, da¬ mit sich noch alle Punkte des Glases hinreichend laden, nicht zu nahe nach Art einer Schneide, weil der Übergang der Elek- tricität hierdurch erschwert wird. Sie dürfen aus letzterem Grunde auch nicht zu kurz und müssen dem Glase zugekehrt möglich fein sein, während andrerseits bei zu grosser Länge an den vom Glase entfernteren Theilen Elektricität zerstreut wird. Ihre Länge wird übrigens theilweise durch die Dicke der Stäbe bedingt, an welchen sie befestigt sind, und diese muss so gross sein, dass an dem verrundeten Ende gleichfalls keine Zerstreuung der Elektricität erfolgen kann. Überhaupt sind für alle metallischen Theile des Apparats entsprechend der höheren intensiven Leistungsfähigkeit viel stärkere Dimen¬ sionen, als früher, zu wählen. Deshalb sind auch, abweichend von den Figuren der linken Tafelseite, die zugekehrten Enden der Entladungsdräthe, die sogenannten Elektroden, diesmal in Kugelform gezeichnet. Im Übrigen bietet die Construetion in den Figuren 5 — 8 nichts Keues, wohl aber in Fig. 11, da wir hier nicht, wie früher, die Zahl der Conductoren verringern können. Zur Aufstellung derselben ist also eine besondere Vorrichtung nötliig, und sie besteht aus einer Ebonitscheibe (Fig. 14.) welche vor der Fassung der Glasscheibe mittelst eines kleinen Zapfens in der stabilen Axe, um welche jene rotirt, befestigt ist. Zur abwechselnden Verbindung der Con- ductoren mit einander dienen, wie früher, zwei Stanniolringe, welche jedoch hier an entgegengesetzten Seiten der Ebonit¬ scheibe sitzen. Es mag nicht überflüssig sein, zu bemerken, dass die experimentelle Benutzung dieser Ringe im vorliegenden Falle ohnehin bedeutungslos ist. Da die Conductoren ja nicht, wie die ehemaligen Metallsectoren, rotiren, vielmehr stets den¬ selben Belegungen gegenüber stehn, können sie ihre Polarität 135 auch nicht wechseln. In den Ringen kann also gleichfalls kein Polwechsel auftreten; und entgegengerichtete Ströme können somit überhaupt nicht erzeugt werden. Die Wirkung der neuen Formen ist mit derjenigen der früheren kaum zu vergleichen. Zunächst kann eine un belegte Glasfläche ungleich stärker geladen werden, als eine belegte, was sich thcilwcise schon aus dem Fortfallen der Intermittenz- stellen erklärt. Dann kann sie aber ihre Ladung auch besser vor Verlusten schützen, da dieselbe gleichmässiger vertheilt und nicht, wie dort, an den Kanten leitender Stücke angehäuft ist. Hieraus muss aber gleichzeitig sowohl eine grössere quantitative, als grössere intensive Wirkung resultiren , von welchen erstere sich am deutlichsten durch die schnellere Ladung von Flaschen , letztere durch die grössere Funken¬ länge zwischen grossen Elektroden erkennen lässt. Dass die Funkenlänge zwischen kleinen Elektroden kein sicheres Maass für die intensive Wirkung giebt, ist bereits hervorgehoben. Bei den neuen Formen spricht sich dies aber noch in andrer W eise aus, da man bei kleinen Elektroden und der gleichzeitigen Anwendung von Flaschen z. B. ausserordentliche lange Funken erzielt, während sie sich bei Fortlassung der letzteren wieder verkürzen. Die Ursache ist in der Entstehung der sogenannten Büschelfunken zu suchen, und hiermit kommen wir zu dem wesentlichsten Vortheil, welchen die neue Organisirung bietet. Die Elektricitätsbewegung auf der Scheibe ist eine continuir- liche geworden, mithin muss sie auch in der geschlossenen Leitung eine continuirliche sein und kann bei Öffnung der¬ selben nur in dem Maasse intermittirend werden, als die Be¬ dingungen hierfür mehr oder weniger günstig sind. Diese aber hängen einmal von der Grösse der sich ladenden Ober¬ fläche überhaupt, dann von der Grösse der Elektroden, endlich von der eingeschalteten Luftstrecke ab. Je mehr diese Fac- toren zu nehmen, um so mehr nimmt die Intermittenz zu. Die Lichterscheinung aber wird in jedem einzelnen Falle eine andere. So geschieht es, dass wir die verschiedensten Arten von Glimmlicht, Büschel und Funken, wie bei der Reibzeug- maschino, aber ungleich mannigfaltiger und wirkungsvoller hervorbringen und bei einer bestimmten Grösse der Elektroden unter Anwendung kleiner Flaschen auch eine Funkenlänge erzeugen können, wie sie die Reibzeugmaschine für sich allein nicht liefert. Rücksichtlich der Vermehrung der Erregungsstellen gilt im Übrigen das früher Gesagte, nur dass die Maximalzahl eine kleinere ist, weil bei der grösseren Entfernung der Spitzen von den Papierstücken die seitliche Annäherung der entgegengesetzt elektrischen Stücke schwerer wiegt. Bei einem Scheibendurchmesser von 800 mm- lässt sich diese Zahl jedoch immer noch bis auf 36 bringen, und die Wirkung zeichnet sich durch Zündung von Holz und durch eine wundervolle unbewegliche Schichtenbildung in evacuirten Röhren aus. Indem ich hiermit die Formen der ersten Gruppe verlasse, möchte ich noch einer eigenthümlichen Erscheinung gedenken, welche allen, zumal aber denjenigen mit ungleichnamigen Erregungsstellen eigen ist, dass nämlich, wenn bei allmähliger Vergrösserung der Funkenstrecke am Ende die elektrische Bewegung stockt, sie durch eine kleine Annäherung nicht nieder hergestellt werden kann. Ein Grund dieser Erschei¬ nung liegt in der Begünstigung, welche der elektrische Funke durch die Erwärmung der Luftstrecke erfährt, die ein kurz voraufgegangener passirte. Ein anderer Grund, welcher für die weitere Entwickelung des Apparats von Bedeutung ist, liegt in der beschränkten Conductojenzahl. Bedenken wir nämlich, dass die Scheibe, sobald der Funkenstrom stockt, ihre Ladung zunächst wieder in die Nähe derjenigen Belegung führt, durch welche dieselbe entstanden ist , so leuchtet ein, dass auf den betreffenden Conductor nunmehr zwei entgegen¬ gesetzte Kräfte wirken, die Elektricität der Belegung und die ungleichnamige Elektricität der Scheibe, und dass seine eigene Fernwirkung somit eine um Vieles geringere ist, als wenn nur die erstere oder mit dieser eine andere, aber gleichnamige Elektricität agirte. Man müsste Fürsorge treffen, dass mit dem Aufhören des Funkenstromes nicht gleichzeitig die regelmäs¬ sige Ladung und Entladung der Scheibe unterbrochen würde, und dies könnte in der Tliat geschehen, wenn man jeder Be¬ legung zwei Conductoren gegenüber stellte, von welchen jedes¬ mal der im Sinne der Rotation folgende der Stellvertreter des ersteren wäre. Alle bisher erwähnte Formen können mit solchen sogenannten tiberzähliehen Concluctoren armirt sein ; sie brauchen es jedoch nicht, da sich auch ohne dieselben ihre 'Wirkung wohl auf kurze Zeit, aber nicht dauernd verringern und noch weniger ganz verlieren kann. B, Maschinen, welche nur einer momentanen elektrischen Erregung bedürfen. (Taf. Y.) a, Ohne überzählige Concluctoren (Fig. 1 — 4 u. 9.) Der Hauptübelstand, welcher den früheren Formen anklebt, ist das Bedürfniss einer Hülfs quelle , welche die Belegungen constant elektrisch erhält, zumal als solche nur die Reibzeug¬ maschine , oder eine dieser ähnliche Vorrichtung statthaft ist. Hieraus rcsultirt nämlich, abgesehen von der Unbeständigkeit der letzteren, die Xotli wendigkeit einer zweifachen Bewegung, welche, wenn sic auch durch ein und dieselbe Kurbel be¬ werkstelligt werden kann, doch mechanische und experimen¬ telle Schwierigkeiten bedingt. Wie kann man sich aber helfen, da die Elektricität doch nicht, wie der Magnetismus, bleibend zu fixiren ist? Durch ein äusserst einfaches Mittel, durch eine winzige kleine Spitze, welche man an geeigneter Stelle, in geeigneter Form den Belegungen verleiht. Es ist hiermit wie mit dem Ei des Columbus; ist das Räthsel ge¬ hist, so wundert man sich über die Zeit, deren man zur Lösung bedurfte. Jeder Influrenzapparat erzeugt ja in sicli beide Elektricitäten in grosser Fülle, während die Fernwirkung der Belegungen nur einer geringen Ergänzung bedarf. Wie nahe liegt der Gedanke, einen Theil der erzeugten, indem man ihn der beweglichen Scheibe raubt, für solche Ergänzung zu benutzen! Dies geschieht aber durch eine Spitze, welche der beweglichen Scheibe nahe tritt, bevor diese ihre Elektrici¬ tät bereits abgegeben hat, durch eine Spitze, welche also notli- wendig im Sinne der Rotation derjenigen Belegung, an wel¬ cher sie fest sitzt, voraufgehn muss. Es ist klar wenigstens, dass wir auf solche Weise den Belegungen eine gewisse Ergänzung schaffen. Ob die elektrische Kraft unter dieser Voraussetzung in jedem Falle constant bleibt, ob dieselbe 138 nicht vielmehr unter Umständen doch abnehmen . unter Um¬ ständen aber wachsen muss, ist eine andere Frage , welche weiter unten erledigt werden soll. Werfen wir zunächst einen Blick auf die Tafel, welche die neuen Formen zeigt, so finden wir alle beweglichen Scheiben unbelegt vor. Hiermit soll jedoch nicht angedeutet sein, dass das fragliche Mittel nur für solche gilt. Die be¬ legten Scheiben sind nur ausgeschlossen, weil sie die nach¬ folgenden Betrachtungen erschweren, und weil nebenbei die betreffenden Formen leicht aus dem Früheren zu ergänzen sind. Es mag aber kurz erwähnt werden, dass belegte Schei¬ ben im vorliegenden Falle neben ihren früher gerügten Un¬ tugenden eine lobenswerthe Eigenschaft besitzen, nämlich diejenige, dass sie nur eines minimalen und kaum von aussen her nöthigen Impulses zur Aufnahme ihrer Tliätigkeit bedürfen. Ein zweiter Blick auf die Tafel lehrt uns, dass die Formen mit nur einer Erregungsstelle ausscheiden , und sie müssen es, wenn wir auf derselben Scheibe zwei Electricitäten erzeugen wollen. Wir können freilich eine solche Form in sich verdoppeln : wir können uns zweier beweglicher Scheiben bedienen, von welchen jede diejenige Elektricität erzeugt, welche der Belegung der andern Ergänzung bringt. Die Construction solcher Formen aber ist complicirt, ihre quanti¬ tative Leistungsfähigkeit gering; und sie sollen daher im Folgenden nicht weiter untersucht werden. Ein fernerer Blick zeigt uns , dass die Papierstücke aus der Mitte der Glasplatten, die Conductoren aus der Mitte der Papierstücke verschoben sind. Auch diese Abänderung ist nicht grade für die Formen der zweiten Gruppe charakteristisch, obwohl sie für dieselben eine erhöhtere Bedeutung hat. Sie soll nämlich die Belegung vor dem Zurückströmen derjenigen Elektricität schützen, welche sie selbst, und den Conductor mehr in den Einfluss derjenigen bringen , welche die andere Belegung erzeugte. Die Zeichnung entspricht übrigens der richtigen Stellung des Conductors nicht völlig, da dieser wohl aus der Mitte, aber nicht ganz bis an die Kante der Bele¬ gung zu verrücken ist. 139 Als untrügliches Merkmal der zweiten Gruppe aber tritt die gedachte Papierspitze auf, welche an keiner einzigen Be¬ legung fehlt. Sie besteht zur Vermeidung von Ausströmungen aus einem Halbleiter, wie letztere, und darf es, weil sich auch hier die Elektricität nur langsam bewegen soll. Sie besteht O o jedoch aus Carton, nicht, wie jene, aus Papier, weil sie von der Scheibe angezogen bei ihrer Länge sonst continuirlich an dieser schleifen würde. Die Länge ist aber erforderlich, weil sie nicht bloss dem betreffenden Conductor vorangehen, sondern bereits seiner Fernwirkung vorgreifen muss. Betrachten wir nun den Mechanismus dieser Spitze d. h. den elektrischen Vorgang, welcher auf dieselbe basirt ist, genauer. Für den Anfang ist eine gewisse elektrische Erregung nötliig. Es muss einer Belegung oder einem Theile der beweglichen Scheibe auf irgend eine Weise Elektricität mit- getheilt werden. Bei der Belegung geschieht das einfach durch Berührung mit einem elektrisirten Leiter, z. B. dem Knopf einer Flasche oder dem Deckel eines Elektrophors. Bei der Scheibe geschieht es noch einfacher durch Benutzung einer geriebenen Ebonitplatte, welche man durch die Belegung hin¬ durch auf den betreffenden Conductor wirken lässt. Letzterer muss für diesen Zweck natürlich abgeleitet oder mit dem anderen Conductor durch Berührung der Elektroden in Ver¬ bindung gesetzt sein. In jedem Falle wird der Scheibe eine gewisse Ladung gegeben werden, und wir wollen annehmen, dass solche eine positive sei. Die Scheibe führt diese Ladung, wenn sie ordnungsmässig rotirt, zunächst der Papierspitze der zweiten Belegung zu. Diese, positiv erregt, wirkt in ihrem Sinne auf den gegenüberstehenden Conductor ein. Die Scheibe setzt ihre Ladung um und tritt wieder mit negativer Elek¬ tricität an die Spitze der ersten Belegung. Hiernach scheint es, als ob für den Augenblick wenigstens die fernere Ein¬ wirkung der Ebonitplatte überflüssig sei. Was mag aber in der Folge geschehen, wenn wir die Verhältnisse ungeändort lassen? Was mag geschehen, wenn wir die Elektroden von einander entfernen d. h. durch Einschaltung eines Widerstandes das Umsetzen der Ladung erschweren? Jede Belegung verliert Elektricität, jeder Belegung wird Elektricität mitgetheilt; sie 140 kann aber mehr verlieren, als ihr mitgetheilt wird, und dann wird sich ihre Fernwirkung nothwendig verringern, mit dieser aber die Ladung, welche sie auf der beweglichen Scheibe er¬ zeugt, und mit dieser auf s Vene die fernwirkende Kraft. Bei schlechter Construction oder ungünstiger Witterung ist eine derartige Abnahme der Wirkung bereits bei geschlossenen Elektroden möglich, und die Maschine ist alsdann begreiflicher Weise nicht brauchbar. Jeder Belegung kann aber vielleicht mehr Elektricität mitgetheilt werden , als dieselbe verliert, und dann wird sich der elektrische Zustand nothwendig ver¬ stärken und wird sich so lange verstärken , bis in Folge der Ausströmung in die Luft, welche mit jener Zunahme wächst, oder in Folge des eingeschalteten Widerstandes ein Gleichgewichtszustand geschaffen wird, mit welchem der Ap¬ parat, so lange die Verhältnisse ungeändert bleiben , alsdann fortwirkt. Bei guter Construction ist dieser Fall glücklicher Weise der gewöhnliche, denn nur unter solcher Voraussetzung lässt sich mit der Maschine experimentiren. Wodurch kann aber einer Belegung mehr Elektricität mitgetheilt werden, als sie gerade besitzt ? Vicht dadurch, dass ihr continuirlich neue Elektricität, sondern dadurch , dass ihr neue Elektricität von grösserer Fernwirkung geboten wird. Denn ein elektrischer Körper nimmt von einem anderen Körper keine Elektricität an, wenn dieser andre Körper nicht intensiv elektrischer ist. Hieraus folgt, dass wenn die Elektricität der Belegungen wachsen soll , die Scheibe Punkt für Punkt elektrischer sein muss, als die Belegungen selbst. Wie kann Solches aber geschehen , da doch die Elektricität der ersteren durch die Influenz der letzteren geschaffen wird, und bekanntlich der influenzirten Fläche einer Franklin’schen Tafel eine geringere Ladung, als der influcnzirenden zukommt. Der Widerspruch löst sich, sobald wir uns erinnern, dass wir es hier nicht mit gleichen, sondern mit ungleichen Flächen zu thun haben, und dass auch bei der Franklin’schen Tafel ein, anderes Ergebniss statt hätte, wenn wir selbige dementsprechend abändern wollten. Ist die Belegung nämlich an sich schon verhältuissmässig um¬ fangreich gegenüber dem Spitzenkamm oder dem Glasstreifen, welcher zur Zeit an diesen seine Elektricität verliert, so wird 141 die influenzircndc Fläche noch durch die Mitwirkung der beweg¬ lichen Scheibe selbst, soweit diese mit gleichnamiger Elektri- cität geladen ist, vergrössert. In der Tliat kann also jeder influenzirte Punkt, weil er einer grösseren Zahl influenzirender gegen überstellt, stärker elektrisch werden, als diese, mag ein grosser Theil der influenzirenden auch verhältnissmässig weit¬ entfernt, und seine Mitwirkung mehr oder weniger unbedeutend sein. Kann aus diesem Grunde schon der Belegung eine grössere Elektricität mitgetheilt werden, als dieselbe besitzt, so ist noch ein andrer Umstand diesem Ergebniss förderlich, der Umstand nämlich, dass auch an dieser Stelle der Über¬ gang nicht zwischen gleichen , sondern ungleichen Flächen erfolgt. Die Papierspitze ist kleiner, als die elektrische Glas¬ fläche, welche auf dieselbe wirkt, und wären die Glaspunkte, Avie wir gesehn, nicht bereits stärker elektrisch, als die Punkte des Papiers, so würde doch aus gedachtem Grunde eine Ver¬ stärkung des elektrischen Zustandes erfolgen können. Wer an der Richtigkeit des Gesagten zweifelt, der leite den Con- ductor einer Reibzeugmaschine ab, und er wird finden, dass die bestrichene Glasfläche nicht unelektrisch, sondern negativ elektrisch ist. ein Beweis, dass aus den Spitzen mehr negative Elektricität strömte, als zur Neutralisirung der positiven nöthig war. Oder er bestreiche eine vorher elektrisirte Ebonitplatte, sie in der Luft haltend, mit einem Spitzenkamm, und er wird finden, dass sie positiv elektrisch geworden ist. Oder er füge den Spitzenkämmen eines Influenzapparates Flächen hinzu, oder lasse statt der Cartonspitzen Carton flächen wirken, und er wird finden, dass die gewünschte Verstärkung des elek¬ trischen Zustandes nicht erfolgt. Es ist soeben, und bereits an einem früheren Orte, still¬ schweigend vorausgesetzt worden, dass sich die Scheibe sowohl an der vorderen, als an der hinterem Fläche entladen kann, während ihre Ladung doch nur an der vorderen Fläche erfolgt, und die Elektricität doch nicht durch die Glasmasse dringt. Es mag daran erinnert werden, dass man in ähnlicher Weise aus einer einseitig geriebenen Ebonitplatte beiderseitig Funken ziehen kann. Jeder Isolator, der einseitig elektrisch erregt ist, wirkt ja elektrisch nach allen Seiten, weil die Isolirung 142 wohl den Übergang, nicht aber die Fern Wirkung der Elektri- cität stört. Ton jeder Seite strebt deshalb Elektricität gleichen Torzeichens fort, hier die mitgetheilte, dort die durch die Fern¬ wirkung der mitgetheilten erregte, gleichviel ob diese Erregung bereits eine wirkliche Trennung innerhalb der Moleküle, oder nur die Teigung zu einer solchen Trennung bedeutet. Jede Seite kann sich daher auch in Funkenform entladen, aber die Funken werden je nach der Dicke des Isolators eine verschie¬ dene Länge haben. Auch ist das Resultat nicht dasselbe, denn hier nehmen wir die mitgetheilte fort, dort führen wir ungleichnamige hin, welche die mitgetheilte bindet. Im ersten Falle wird der Körper an allen Seiten unelektrisch, im zweiten an den gegenüber liegenden entgegengesetzt elektrisch sein. Für seine äussere Wirkung aber ist Beides mehr oder weniger gleich bedeutend, und die äussere kommt ja meistens allein in Betracht. Verfolgen wir nach dieser Abschweifung das Spiel der Maschine weiter, so tritt zunächst die Frage auf, wie stark die ursprüngliche Erregung und wie gross die Rotationsge¬ schwindigkeit sein muss, respective sein darf, um die beab¬ sichtigte Verstärkung zu erzeugen. Es ist bereits hervorge¬ hoben, dass der eingeschaltete Widerstand die Verstärkung nothwendig beeinträchtigt, aber es ist bisher nur des willkür¬ lich eingeschalteten Widerstandes gedacht. Es giebt jedoch noch einen andern Widerstand, den wir wohl bis zu einem gewissen Grade verkleinern, aber nicht ganz beseitigen können, die Luftstrecke, welche sich zwischen den Spitzen und der Glasfläche befindet. Die ursprüngliche Erregung muss also eine solche Grösse haben, dass dieser Widerstand vor allem mit Leichtigkeit überwunden wird, weshalb schlecht gebaute Maschinen, worin besagter Abstand zu gross ist, oder wo die Spitzen zu stumpf sind, einer stärkeren Erregung bedürfen. Es giebt freilich ein Mittel, auch diesen Widerstand zu besei¬ tigen, wenn man die Conductoren nämlich mit schleifenden Metallfäden versieht, und dann zeigt sich in der That, dass eine geriebene Siegellackstange hinreicht, den für die Verstär¬ kung nöthigen Impuls zu ertheilen. Solche Einrichtung führt aber verschiedene Übelstände mit sich und ist deshalb wenig 143 empfehlenswert!}. Was die Rotationsgeschwindigkeit betrifft, so liegt es auf der Hand, dass die Ausströmung oder Zer¬ streuung, welche eine Function der Intensität aber auch zugleich der Zeit ist, bei langsamer Bewegung schwerer in’s Gewicht fallen muss, und dass deshalb bei einer gewissen Grenze eine Verstärkung nicht mehr eintreten kann. Darum thut man auch gut, die Scheibe zuvor in den nöthigen Schwung zu versetzen, bevor man die Ebonitplatte einwirken lässt, weil bei der anfänglich nothwendig langsamen Bewegung sich ein Tlieil ihrer Ladung nutzlos verlieren würde. Weniger auf der Hand liegt es, dass die Rotationsgeschwindigkeit für den Ein¬ tritt der Verstärkung überhaupt nicht zu gross sein kann. So stellt sich die Sache wenigstens von der praktischen Seite betrachtet, da bei dem überhaupt noch erreichbaren Maximum von etwa 100 Umdrehungen in einer Sekunde keine Verrin¬ gerung der Wirkung erfolgt, während schon der fünfte Tlieil dieser Geschwindigkeit mechanisch und experimentell unbe¬ quem ist. Im Übrigen sind für den Eintritt und für die Dauer der Verstärkung oder für die Verstärkung mit oder ohne ein¬ geschalteten Widerstand nicht immer dieselben Factoren maass¬ gebend, wie schon aus den wiederholt angedeuteten Beziehun¬ gen zwischen Ausströmung und Intensität gefolgert werden kann. Koch complicirter stellt sich die Sache bei ungünstiger Witterung, wo die Verluste gleichzeitig durch Ausströmung und Leitung, welche letztere keine Funktion der Intensität ist, erfolgen, und wo nebenbei die charakteristische Spitzenwirkung geschwächt wird. Dies ins Einzelne zu verfolgen und zu be¬ gründen, würde mich hier zu weit führen; es mag nur noch kurz erwähnt sein, dass die Verstärkung leichter e in tritt, wenn die Belegungen klein, als wenn sie gross, wenn sie aus Stanniol, als wenn sie aus Papier gefertigt sind, desgleichen leichter, wenn die Conductoren nur mit einander, als wenn sie gleichzeitig noch mit der Erde oder mit Flaschen in Ver¬ bindung stehn. Aus dem Bisherigen folgt, dass wir die Kraft der Maschine lähmen und zugleich die quantitative Wirkung schwächen, wenn wir die Elektroden von einander entfernen und dass wir dieselben überhaupt nur auf eine gewisse Strecke entfernen — 144 dürfen, wenn sich die Wirkung nicht vollständig verlieren soll. Die Scheibe kann alsdann ihre Ladung nicht mehr umsetzen, die Belegungen nicht mehr mit der rechten Elektricität speisen, sie führt den Belegungen vielmehr diejenige Elektricität zu, welche sie selbst erzeugten, welche mit ihrer eignen ungleich¬ namig ist. Die Fernwirkung der Belegungen muss also aus einem doppelten Grunde abnehmen, einmal weil ihnen die nöthige Ergänzung für ihre sonstigen Verluste fehlt, dann weil ihnen ihre Ladung durch die Scheibe selbst entzogen wird, so lange deren ungleichnamig elektrische Hälfte passirt. Wie äussert sich aber diese Abnahme der Fernwirkung im Schliessungsbogen , wenn man die Elektroden allmählig von einander entfernt? Verschwindet der Funkenstrom plötzlich, oder stellt sieh vielleicht gleichfalls eine allmählige Verringerung der Funkenzahl ein? Es ist das Letztere der Fall, und dies ist in zwiefacher Hinsicht von Bedeutung. Für den Gebrauch der Maschine ist es bequem, dass man die Abnahme der Wir¬ kung früh genug wahrnimmt, um durch schnelle Vereinigung der Elektroden und also ohne neue Erregung den normalen Zustand wieder herstellen zu können. Für die Theorie der Maschine ist es lehrreich, dass sich die Scheibe noch tlieil- weise entladen kann, während wir die Grenze ihrer Ladung voraussichtlich bereits überschritten haben, ein neuer Beweis, dass die Fernwirkung der Scheibe eine höhere, als die Fern¬ wirkung der Belegungen ist. Hat sich der eben erwähnte Fall nun ereignet, und hat man die Elektroden schnell wieder in Berührung gebracht, so tritt häufig eine Erscheinung ein, welche man nach dem Bis¬ herigen nicht leicht vermuthet hätte. Man durfte erwarten, dass die Fernwirkung der Belegungen für die Erneuerung der früheren Thätigkeit noch genüge, oder dass die Maschine ihre Thätigkeit ganz einstellen würde. Statt dessen wird sich die elektrische Strömung zwar meistens wieder erneuern, aber es ist nicht die frühere, es ist die entgegengesetzte , die I3ole haben sich umgedreht. Dies setzt natürlich voraus, dass die Elektricität der Belegungen selbst gewechselt hat, und solcher Wechsel lässt sich in der Tliat mit Hülfe eines Elektroscops leicht constatircn. Dieselbe Erscheinung wiederholt sich aber 145 noch bei einer andern Gelegenheit. Lassen wir die Scheibe nämlich bei geschlossenen Elektroden ruhen, und nehmen die Bewegung nach einiger Zeit wieder auf, so erneuert sich auch hier die Thätigkeit häufig von selbst, und für gewöhnlich im entgegengesetzten Sinne. Dasselbe Phänomen kann endlich noch auf andre AVeise und diesmal willkürlich und mit Sicher¬ heit erzeugt werden. Man braucht nur während der Bewegung bei geschlossenen Elektroden auf kurze Zeit eine der Belegun¬ gen zu berühren. Die Strömung nimmt ab, wie man aus der Abnahme der Lichterscheinungen auf der Scheibe und des sie begleitenden knisternden Geräusches erkennt, hört auf und schlägt dann mit zunehmender Kraft und zunehmendem Ge¬ räusche in die entgegengesetzte um. Jene unwillkürlichen Stromwendungen sind insofern unbequem, als sie die Anstel¬ lung mancher Experimente erschweren. Die willkürliche da¬ gegen ersetzt auf die einfachste AVeise einen Commutator, wie er für hohe Intensität nicht besser geschaffen werden könnte. Solche Stromwendungen, wie ich sie eben beschrieben, haben einen verhältnissmässig tiefen Grund, und ihre Erklärung dient zugleich als Schlüssel für manche andre Unbeständig¬ keit der Wirkung, welche sich in den verschiedensten Formen der Influenzmaschine zeigt. Die Elektricität kann nur eine äussere Wirkung üben, soweit sie nicht durch Elektricität der entgegengesetzten Art gebunden ist. Diese letztere aber fern zu halten, ist eine der schwierigsten Aufgaben, die streng ge¬ nommen noch ihrer Lösung harrt. Eine einseitig geriebene Ebonitplatte wird nach kurzer Zeit, wie man durch Experi¬ mente zeigen kann, an beiden Seiten entgegengesetzt elektrisch sein, weil sich an der nicht geriebenen Seite durch Zerstreu¬ ung in die Luft continuirlich die abgestossene gleichnamige Elektricität entfernt. In unsrem Falle ist es die innere Seite der festen Platte, welche allmählich, sei es durch Zerstreuung, sei es durch Ausgleichung mit der beweglichen Scheibe, die¬ jenige Elektricitätsart verliert, welche die Belegung besitzt, und hierdurch mein1 oder weniger ungleichnamig geladen wird. Diese Ladung aber bindet theilweise die Elektricität der Be¬ legung selbst, und schwächt deren Fernwirkung auf die be¬ wegliche Scheibe, oder richtiger gesagt, sie würde dieselbe Mittlieil. a. <1. naturwisueuachaftl. Vereine v. Neu-Vorpommern u. llügt'U. IX. 10 146 schwächen, wenn sich jene nicht schnei] genug ergänzen könnte. Also auch aus diesem Grunde und nicht bloss der sonstigen Verluste halber ist eine continuirliche Ergänzung besagter Elektricität erforderlich. Denn nur die freie Elektricität der Belegung wirkt elektromotorisch, und auch diese nicht einmal ganz, da es noch eines gewissen Tlieils zur Fesselung der ungleichnamigen bedarf. Nehmen wir den Überschuss fort, so hört die elektromotorische Kraft auf, nehmen wir auch jenen Theil fort, so schlägt sie in die entgegengesetzte um. Denn nun wird ja theilweise jene ungleichnamige frei und wirkt in ihrem Sinne auf die bewegliche Scheibe. Diese ladet sich anders, als früher; sie neutralisirt die Elektricität der Belegun¬ gen; mein ungleichnamige wird frei; die Scheibe ladet sich stärker; die Belegungen werden endlich ungleichnamig elek- trisirt, und die Maschine wirkt mit voller Kraft in dem neuen Sinne fort. Aber auch die stromwendende Elektricität hat nun keine bleibende Stätte mehr, denn die Belegungen sind nun mit dieser gleichnamig elektrisch; sie treiben dieselbe fort; und in der That giebt sich der Schlussact einer jeden Stromwendung deutlich durch zahlreiche Lichterscheinungen zwischen der festen und der beweglichen Glaswand zu erkennen. Der normale Zustand ist somit einem labilen Gleichgewichte ähnlich, in welchem sich der Schwerpunkt durch einen geringen Anstoss leicht nach der entgegengesetzten Seite wendet, und der Experimentator muss das Balanciren verstehn, wenn sich jener Zustand erhalten oder sich die Thätigkeit der Maschine nicht ganz verlieren soll. Eine Erleichterung ist es hierbei, dass aus den Lichterscheinungen die jedesmalige Stromes¬ richtung deutlich zu erkennen ist, und dass die Zu- oder Ab¬ nahme des knisternden Geräusches zugleich die geringere oder grössere Neigung zum Stromwechsel bezeichnet. Es bleibt noch übrig, von einer besondern Art von Strom- wendungen zu sprechen, welche eine etwas andre Ursache, als die obigen, haben und auch nur bei Anwendung von Flaschen entstehn. Hierbei ist vorausgesetzt, dass eine oder mehrere Flaschen eonstant zwischen beide Conductoren ein¬ geschaltet sind. Die Entladungen hören dann bei einer ge¬ wissen Entfernung der Elektroden auf, und es stellt sich ein 147 regelmässiger Stromwechsel ein, während dessen die Flaschen periodisch sowohl geladen als entladen werden. Die Sache erklärt sich so, dass mit der steigenden Ladung der Flaschen, mit der steigenden Fernwirknng ihrer freien Elektricität die Ladung der Scheibe erschwert wird, bis am Ende die letztere keine neue Ladung annehmen und auch die frühere nicht mehr an der rechten Stelle abgeben kann. Die Flaschen lassen nun selbst einen Tlieil ihrer Ladung fahren, und dieser strömt nach einer halben Umdrehung den ungleichnamig elektrischen Belegungen zu. Hiermit ist der erste Stromwechsel eingeleitet, welcher die Umladung der Flaschen bewirkt. Interessant ist dabei, dass man einen auffallenden Unterschied zwischen der Arbeitsleistung während der Ladung und der Entladung ver¬ spürt, ja dass die letztere eigentlich ohne jeden Kraftaufwand bewerkstelligt wird, dass die Scheibe gewissermaassen von selber rotirt. Die geladenen Flaschen verhalten sich in diesem Falle wie ein aufgezogenes Gewicht, welches nun seinerseits wieder einen andern Körper bewegen kann. In der That müssen, wenn für die Trennung der Elektricitäten eine ge¬ wisse Arbeit nöthig war, die getrennten Elektricitäten durch ihre Vereinigung wieder eine gewisse Arbeit erzeugen können; und die Versuche haben ergeben, dass die Influenzmaschine denn auch bei entsprechender Construction als elektrische Be¬ wegungsmaschine zu gebrauchen ist. Hiermit mag in den Hauptzügen die Wirkungsweise, welche die Maschine durch Einführung der Papierspitze ge¬ winnt, erörtert sein. Wenden wir uns nun zu der Frage, welchen Einfluss die nähere Beschaffenheit ihrer Theile auf die quantitative und intensive Leistung hat. V as zunächst die Glasstücke betrifft, so werden dieselben recht dünn und grade, und die rotirende Scheibe wird nebenbei recht gleichmässig zu wählen sein, damit sich der Abstand zwischen der Papier- und der vorderen Scheibenfläche verringere und damit letzterer zugleich eine möglichst grosse Geschwin¬ digkeit zu ertheilen sei. Aus einem andern Gesichtspunkte werden Spiegelglas oder andere leitende Gläser möglichst zu vermeiden, oder die betreffenden Stücke mit Lack zu überzielni sein. Bei solcher Vorsicht wird sowohl die quantitative als 10* 148 die intensive Leistung wachsen. Die beiden festen Stücke aber, wie sie noch in Fig. 1 vertreten sind, werden der leich¬ teren Befestigung halber am besten durch ein einziges Stück ersetzt, das entsprechend geformt und mit einer mittleren Öffnung versehn ist, damit die Fassung der beweglichen Scheibe hindurchtreten kann. Weshalb dies Stück keine volle Scheibe sein darf, soll weiter unten erörtert werden. Für die Belegungen ist es gleichfalls wesentlich, dass sie aus recht dünnem Papier gefertigt sind, damit sich ihre Kanten möglichst wenig über die Glasfläche erheben. Man möchte zwar annehmen, dass sich an einer schärferen Kante eine grössere Ausströmung zeigen müsste, und dies ist auch richtig, wenn die Kante an keiner isolirenden Fläche liegt. Die letz¬ tere aber ladet sich durch Ausströmung aus der Kante und erschwert nun die Ausströmung, welche in eben dieser Rich¬ tung erfolgen will, und um so mehr, je mehr eben Papier- und Glasfläche zusammen fallen. Von allen Kanten der Be¬ legung aber ist diejenige die unschädlichste, mit welcher das Glasstück anfängt, Aveil hier die bewegliche Scheibe gleich¬ namig elektrisch ist, die gegenüberliegende aber die gefähr¬ lichste, weil die Scheibe inzwischen ihre Ladung umgesetzt, und weil sie selbige zugleich mit ihrer ganzen Fläche passirt. Diese letztere Kante muss also vorzugsweise vor dem neutra- lisirenden Einfluss der Scheibe geschützt werden und das geschieht durch die isolirende Masse und durch die circulare Verlängerung der festen Platte. Aus diesem Grunde darf die Belegung auch nicht an der innern Seite der Platte befestigt werden, wenn Quantität und Intensität nicht bedeutend ge¬ schwächt werden soll. Die innere Befestigung bietet nun frei- ■ lieh in andrer Hinsicht einen gewissen Vortheil, weil sie nach obiger Erklärung mit der Beseitigung der Stromwendung gleichbedeutend ist, und es mag erwähnt werden, dass es allerdings ein Mittel giebt, eine innere Befestigung ohne all¬ zugrossen Elektricitäts Verlust zu ermöglichen. Man beklebt nämlich die Platte an der Innen- und Aussenseite zugleich, aber so, dass die gefährliche Aussenkante die gefährliche In¬ nenkante überragt (Fig. 12), weil hierdurch die Intensität an der Innenkante und somit die Ausströmung aus dieser vor- 149 Tingert wird. Der Effect dieses Mittels beweist zugleich die Richtigkeit jener Erklärung und er beweist zugleich, dass die Stromwendung bei Anwendung von Flaschen eine andre Ur¬ sache hat; von grösserem Nutzen ist das Mittel jedoch nicht, da Stromwendungen, wie wir sehn werden, sich noch auf andre Weise, wenn auch nicht ganz, so doch mehr oder we¬ niger beseitigen lassen. Noch eines andern Versuchs mag aber gedacht werden, welcher am schlagendsten beweist, wie gefährlich jene extremste Kante für den Effect der Maschine werden kann. Es seien die Belegungen ohne irgend welche Glasplatten isolirt befestigt. Sie werden alsdann von der Scheibe angezogen an dieser schleifen, und es werden grosse Verluste entstehn. Trotzdem wird die Maschine selbst in sol¬ cher Form nicht ganz wirkungslos sein, wofern nur jene Kante wie in Fig. 2, von der Scheibe fern gehalten wird, während die Wirkung sofort erlischt, sobald man auch diese schleifen lässt. Die circulare Verlängerung der Glasplatten hat aber noch einen andern Zweck, als dass sic nur die Elektricität der Scheibe von der Elektricität der Belegung trennen soll. Sie soll gewissermaassen eine Verlängerung der Belegung selbst sein, d. h. eine solche, auf der wohl Elektricität angesammelt, aber nicht forgeleitet werden kann. Die Ansammlung erfolgt durch Ausströmung aus der Belegung, aber auch aus der Luft wird die fragliche Elektricität durch die Fernwirkung der Scheibe herbeigezogen. Sie ist also in jedem Falle mit der Ladung der Scheibe ungleichnamig und kann und soll diese Ladung binden, damit sich selbige nicht zerstreut, oder nach dem früheren Conductor zurückströmt, bevor sie an die folgende Belegung tritt. Dort soll sie aber ihre volle Wirkung thun, deshalb muss ihr dort jeder bindende Einfluss entzogen werden. Deshalb darf die Glasplatte nicht zu weit verlängert werden, deshalb dürfen wir, wenn wir beide Glasplatten durch ein einziges Stück ersetzen wollen, keine volle Scheibe wählen. Wir dürfen jedoch eine Scheibe wählen, welche in entsprechen¬ der Weise unterbrochen ist, und wir werden eine runde wäh¬ len, weil sich eine solche leichter befestigen und bei dieser Befestigung gleichzeitig verschieben lässt. So gewinnt die Maschine die durch Fig. 3 veranschaulichte Gestalt. 150 Aus dem letzt Gesagten ergiebt sich zugleich ein zweites charakteristisches Merkmal für die Formen der zweiten Gruppe: die nöthige Unterbrechung des festen Isolators. Auch für die Formen der ersten Gruppe ist zwar diese Unterbrechung nicht unwesentlich, da ohne solche namentlich die Intensität eine viel geringere ist. Bei jenen Formen mit einer Erregungs¬ stelle oder allgemein bei gleichnamiger Elektrisirung ist sie sogar nothwendig, wenn die Wirkung nicht continuirlich ab¬ nehmen soll. Bei ungleichnamiger Elektrisirung jedoch kann sie ohne wesentliche Einbusse der quantitativen Leistung fehlen, und wir sahen sie fehlen bei jenen Formen mit vielen Erre¬ gungsstellen , um Baum zu sparen und um die mechanische Anfertigung zu erleichtern. Dort wurden aber die Belegungen durch einen Hülfsapparat gespeist, und ihre Fernwirkung konnte dazu benutzt werden, die Ladung der beweglichen Scheibe zu vertreiben. Hier sollen die Belegungen nicht nur auf die Scheibe, sondern die Scheibe soll gleichzeitig auf die Bele¬ gungen wirken, und damit sie dies könne, muss ihre Ladung vorher frei geworden sein. Diese wird aber nicht frei , so lange sie sich hinter einer festen Glaswand befindet, auf welcher sich continuirlich ungleichnamige Elektricität ansam- meln kann. Solche Ansammlung geschieht freilich nicht mo¬ mentan , sie ist wrie die Zerstreuung eine Function der Zeit, und die Maschine kann daher zeitweise auch wohl ohne die bewusste Unterbrechung wirken. Diese Wirkung aber ist, abgesehn von der Einbusse an Quantität und Intensität, keine normale, da sie sich schnell verringert und nur durch oft¬ malige Stromwendungen überhaupt aufrecht erhalten werden kann. Sehn wir einerseits die Verlängerung der Glaswand, sehn wir andrerseits die Verlängerung der Unterbrechungsstelle die Wirkung der Maschine bis zu einem gewissen Grade erhöhen, so ist klar, da die eine in der andern ihre Beschränkung fin¬ det, dass die beste Wirkung nur bei einer bestimmten Grösse beider zu erhalten ist. Diese Grösse mag erreicht sein, wenn die radialen Kanten der Unterbrechungsstelle und die radialen Kanten der unbelegten Glaswand gleiche Winkel mit einander bilden, und sie mag im Allgemeinen bei kleinen und bei 151 grossen Scheiben, bei zwei und bei mehr Erregungsstellen nicht wesentlich von einander abweichen. Hiermit wäre zu¬ gleich die circulare Ausdehnung des belegten Tlieils bestimmt. Es bleibt nun die radiale Ausdehnung der Belegung und mit dieser zugleich die Länge der Spitzenreihe zu bestimmen, oder vielmehr zu untersuchen , wie sich die Variirung dieser Grössen in der Wirkung documentirt. Sei es mir gestattet, deswegen zunächst einen Blick auf die Reibzeugmaschine zu werfen. Es ist bekannt, dass man die intensive Leistung genann¬ ten Apparates erhöht, wenn man Rcibzoug und Einsauger in solcher Weise verkürzt, dass hierdurch der Abstand jener ent¬ gegengesetzt elektrischen Tlieile vergrössert, die Ausströmung also verringert wird. Natürlich sieht man zur selben Zeit die quantitative Leistung abnehmen, weil man die Zahl der sich ladenden sowohl, als der sich entladenden Glaspunkte beschränkt. Es ist gleichfalls bekannt, dass man die Intensität noch weiter erhöhen kann, wenn man den Einsauger allein, aber nun in grösserem Maasse verkürzt. Hier wirkt der Umstand mit, dass sich die Intensität vergrössert, wenn man die Fläche ver¬ kleinert, auf welche eine andre Fläche wirkt. Auch hier wird die Quantität natürlich eine geringere sein, weil man die Zahl, wenn auch nicht der sich ladenden, so doch der sich entladen¬ den Punkte beschränkt. Wie weit sind nun beide Mittel für die Influenzmaschine verwendbar? ln allen Formen kann man die Intensität auf Kosten der Quantität erhöhen, wenn man die entgegengesetzt elektrischen Stücke bis zu einem gewissen Grade verkürzt. In allen For¬ men kann ferner die Intensität auf Kosten der Quantität er¬ höht werden, wenn man die influenzirten gegenüber den in- fluenzirenden Stücken verkürzt. In denjenigen Formen end¬ lich, wo Ladungs- und Entladungsstellen von einander getrennt sind, aber selbstverständlich nur dort, wo die bewegliche Scheibe unbelegt ist, wird man eine weitere Erhöhung der Intensität durch Verkürzung der Entladungsstellen gewinnen. Das letztere Mittel wäre somit für die Formen der zweiten Gruppe bedeutungslos, wenn sich nicht ein Weg böte, auch 152 hier die Ladungs- von den Entladungsstellen zu sondern. Dies kann allerdings geschehn, und Eig. 4 zeigt ein solches Arrangement. Wir haben die hintere Scheibe ein wenig ver¬ rückt, so dass die früheren Conductoren nicht mehr nach den Belegungen, sondern nach den Glasausschnitten zeigen, wäh¬ rend zwei neue Conductoren den Belegungen gegenüberge¬ stellt und mit einander verbunden sind. Die Spitzenreihen jener ersten Conductoren sind eben der höheren intensiven Wirkung halber verkürzt. Im Übrigen ist klar, dass die In¬ tensität mit der Verkürzung der Entladungsstelle continuirlich wächst, während sie in der Verkürzung der Belegungen so¬ wohl, als der Ladungsconductoren bald eine Grenze findet, und dies namentlich bei den Formen der zweiten Gruppe, wo mit der erzeugten Elektricität zugleich die erzeugende steigt und fällt. Wollte man umgekehrt die quantitative Leistung auf Kosten der intensiven vergrössern, so ist gewissermaassen nur die Umkehrung des ersten Mittels zulässig, da man die in- fluenzirten Stücke nicht länger, als die influenzirenden und die Entladungsstellen nicht länger als die Ladungsstellen machen darf. Es können also höchstens sämmtliche Stücke gleichzeitig mit einander verlängert werden. Dasselbe Ziel wird aber, wie wir wissen, durch Vermehrung der Erregungs¬ stellen erreicht; und die Einführung der Papierspitze ist vor¬ wiegend diesem Arrangement günstig, weil sie die sonst nöthige und so überaus complicirte Verbindung der Belegungen be¬ seitigt,. Eig. 9 stellt einen solchen Apparat dar, welcher im Übrigen genau dem analogen früheren Apparate nachgebildet und daher wohl ohne Weiteres verständlich ist. Auch in der Wirkungsweise zeigt sich Kichts, was sich nicht leicht aus dem Früheren folgen Hesse. Kur rücksichtlich der Stromwendungen mag bemerkt werden, dass sie hier mit einer gewissen Lang¬ samkeit vor sich gehn, da die Belegungen, eben weil sie nicht verbunden sind, nach einander ihre Ladung wechseln. Sie sind deshalb besonders unbequem, und wenn man sie in der Schliessung braucht, wird man sich hierzu lieber einer beson- dern Vorrichtung bedienen. Eig. 13 zeigt, wie eine solche am einfachsten mit der Maschine zu verbinden ist. 153 b, Mit überzähligen Conductoren (Fig. 5 — 8 n. 11. Die Maschine, wie wir sie bisher kennen gelernt, ist noch immer mit einer Untugend behaftet, welche das Experimen- tiren mit derselben ausserordentlich erschwert. Es ist der oben erwähnte Übelstand, dass man die Elektroden nur eine gewisse Strecke entfernen darf, wenn die Wirkung nicht schnell abnehmen, oder gar vollständig verschwinden soll. Dieser Übelstand ging daraus hervor, dass mit zunehmendem Wider¬ stande die Scheibe ihre Ladung nicht mehr ordnungsmässig umsetzen konnte. Er dürfte also gehoben werden, wenn eine zweite Schliessung geschaffen würde, weiche unter allen Um¬ ständen jene ordnungsmässige Umsetzung garantirt. Wird die zweite Schliessung aber der ersten nicht hinderlich sein, wird sie nicht den Effect schwächen, welcher hier zur Geltung gelangen soll? Es ist soeben bereits flüchtig einer zweiten Schliessung ge¬ dacht worden , als es sich darum handelte , die Intensität auf Kosten der Quantität zu erhöhen. Es galt, die Ladungs- von den Entladungsconductoren zu trennen, damit man die letzteren für sich allein verkürzen könne. Mit jenem Arrangement (Fig. 4) ist nun wirklich eine Vorrichtung gewonnen, in welcher man die Elektroden beliebig weit von einander trennen kann. Aber man darf sie nicht beliebig nähern, zumal, wo die ver¬ kürzten Conductoren wieder vervollständigt sind, wenn man die Wirkung nicht mehr oder weniger aufheben will. Die selben Conductoren gehn nämlich den Papierspitzen voran; sie rauben diesen die nöthige Ergänzung, sobald sich eine Strömung zwischen ihnen etablirt, und sie rauben sie um so vollständiger, je geringer der eingeschaltete Widerstand ist. Die fragliche Vorrichtung ist also für den quantitativen Effect unbrauchbar. Sic ist mit einem andern, als dem oben ge¬ rügten , gowissermaassen mit dem entgegengesetzten Übel¬ stande behaftet. Es gelingt nun zwar, ohne im Übrigen in der Stellung der einzelnen Tlieile Etwas zu ändern, die Papierspitzen den stromgebenden Conductoren voranzuschicken. Man klebt sie nicht an die Mitte, sondern an das innere Ende der Belegungen 154 und führt sie mit der nöthigen Yerlängerung um den Glas- ausschnitt und die genannten Conduc-toren herum. Die Ma¬ schine ist dann für den intensiven sowohl, als für den quan¬ titativen Effect brauchbar, und man kann die Elektroden be¬ liebig nähern und beliebig entfernen. Aber die quantitative Wirkung ist doch nur die Hälfte derjenigen, welche sie sonst war, weil nur der Entladungsstrom benutzt wird, während der Ladungsstrom an andrer Stelle, nämlich in jener zweiten Schliessung circulirt. Wo die feste Wand fehlt, kann sich die bewegliche Scheibe eben nur entladen. Hinter der festen Wand kann sie sich laden und entladen zugleich. Hiernach ergiebt sich, wenn die Maschine nicht unnöthig an quantitativer Wirkung verlieren soll, für die Stellung der Conductoren die folgende Regel: 1, Allo Conductorcn müssen Belegungen gegenüberstehn , damit jeder sowohl zur Ladung als zur Entladung dienen könne; 2, Die stromgebenden Con¬ ductoren müssen im Sinne der Rotation voraufgehn, damit der Ladungswechsel möglichst der Hauptschliessung zu Gute komme. Die Hebenschliessung — ihre Conductoren mögen Neben-, Hülfs- oder überzählige Conductoren heissen — soll also die Hauptschliessung vertreten, aber nur in dem Maasse, als diese wirkungsunfähig wird. Letzteres geschieht bei Zunahme des eingeschalteten Widerstandes, und zwar in doppelter Weise, einmal successiv, weil Ladung und Entladung succes- siv erschwert wird, dann sprungweise, weil an einer gewis¬ sen Stelle der Ladungs-, und an einer gewissen späteren Stelle auch der Entladungsstrom aufhört. Der quantitative Effect wird also abnehmen , wreil die Hauptschliessung in ihrer Wirkung erlahmt, aber nur in dem Grade abnehmen, als es durch die jedesmalige Entfernung der Elektroden geboten ist. Nicht abnehmen aber wird die innere Tliätig- keit der Maschine, weil die Hauptschliessung in jedem Falle durch die Neben Schliessung vertreten w ird. Sehr schön documentirt sich diese Vertretung in den Licht¬ erscheinungen auf der Scheibe, namentlich der negativ elek¬ trischen Belegung gegenüber, vto ihre Dimensionen mehr variiren. Bei geschlossenen Elektroden sieht man lange Licht- 155 streifen von den Spitzen des Hauptconductors ausgehn, wäh¬ rend die Spitzen des X ebencon ductors kaum erkennlich flim- mern. Entfernt man die Elektroden, so werden jene Streifen allmählig kürzer, aber andre treten an den Spitzen des Xeben- conductors auf. Entfernt man die Elektroden ganz weit, so drehen sich die Erscheinungen vollständig um : der Xeben- conductor zeichnet sich durch lange Streifen, der Hauptcon- ductor durch leuchtende Punkte aus. Wenn die Lichterschei¬ nung an der einen, wie an der andern Stelle nicht vollkom¬ men erlischt, so beweist dies nur, dass der fragliche Conduc- tor nicht absolut unwirksam wird. Dass dies nicht geschieht, verschulden die unvermeidlichen Verluste, welche die Scheibe sowohl, als die metallischen Stücke durch Ausströmung er¬ fahren. Andrerseits darf nicht übersehn werden, dass die Aus¬ dehnung jener Lichterscheinungen kein genaues Maass der quantitativen Wirkung ist, weil die kürzeren Streifen des Ladungsstromes nämlich unter den längeren des Entladungs¬ stromes mehr oder weniger verschwinden. Daher geschieht es auch, dass das Aufhören des ersteren auf gedachtem Wege gar nicht mit Sicherheit zu erkennen ist. Wohl aber kann dieser Sprung in der quantitativen Wirkung aus dem Funken¬ strom erkannt werden, welcher die Hauptschliessung passirt. Hit zunehmender Entfernung der Elektroden wird sich die Funkenzahl nämlich verringern, einmal wegen des geringeren Zuflusses von Elektricität, d. h. wegen der verringerten quan¬ titativen Wirkung, dann wegen der grösseren Anhäufung von Elektricität auf den sich entladenden Flächen. Da die letztere stetig wächst, so müsste sich auch die Funkenzahl stetig ver¬ ringern, wenn jener Zufluss gleichfalls eine stetige Abnahme erführe. Man erkennt jedoch in der Verringerung der Funken¬ zahl an einer gewissen Stelle einen Sprung und dies ist eben diejenige Stelle, wo der Ladungsstrom die Hauptschliessung verlässt. Der besagte Sprung erfolgt übrigens nicht momen¬ tan, er erfolgt mit einer gewissen Zähigkeit; und es ist für die Beobachtung wesentlich, dass man die Elektroden eine kurze Zeit in ihrer jedesmaligen Stellung verweilen lässt. Die Ursache liegt in der bereits ehedem erwähnten Begiinsti- 156 gung, welche jede elektrische Strömung durch eine unmittelbar voraufgehende gleichgerichtete erfährt, wonach der Ladungs¬ strom über die Grenzen seiner 'Wirkungsfähigkeit hinaus noch zeitweise durch den Entladungsstrom mit fortgerissen wird. Sehn wir von dem bezeiclmeten Sprunge ab, so mag sich der quantitative Effect mit Yergrösserung des Widerstandes im Übrigen in stetiger Weise verringern, keineswegs aber ist diese Verringerung dem Widerstande oder gar der einge¬ schalteten Luftstrecke proportional. Dass Letzteres nicht sein kann, folgt schon daraus, dass der Widerstand selbst in com- plicirter Weise von der Grösse der Elektroden abhängig ist. Dass aber noch andre Verhältnisse mitwirkcn, zeigt sich am besten in dem Umstande, dass die fragliche Verringerung einen ganz andern Verlauf hat, je nachdem die Maschine mit, oder ohne überzählige Conductoren wirkt. Im ersten Falle nimmt die Quantität nämlich weit langsamer ab, als im zweiten, ja so langsam, dass, wenn wir eine gegebene Funkenstrecke ver¬ doppeln, die Entladungen in kürzerer als in der doppelten Zeit zu erfolgen pflegen. Hier muss also ein Factor thätig sein , welcher den vergrösserten Widerstand gewissermaassen paralysirt, welcher die Wirksamkeit, wenn sie in einer Be¬ ziehung erlahmt, in einer andern Beziehung wieder verstärkt. Ein solcher Factor zeigt sich in der That in dem Einfluss, welchen der Schliessungsbogen, je nachdem derselbe mehr oder weniger geöffnet ist, auf die Fernwirkung der Belegungen übt. Wir werden uns erinnern, dass die Papierspitze der An¬ ziehung des Conductors vorgreifen soll, damit der Belegung vor Allem die nöthige Ergänzung geboten werde. Gleichwohl kann solche Anziehung nicht absolut beseitigt werden , und sie wird um so grösser sein, je mehr der Conductor mit der¬ selben Elektricität bereits geladen ist. Diese Ladung wächst aber, je weiter wir die Elektroden von einander entfernen, also wird mit derselben Entfernung auch der Einfluss wachsen, welchen die Scheibe auf die Papierspitze und durch diese auf die Fernwirkung der Belegungen übt. Dieser verstärkende Einfluss findet ohne überzählige Conductoren sein Gegenge¬ wicht in der schwächeren Ladung, welche die Scheibe bei grösserer Entfernung der Elektroden annimmt. Mit überzäh- ligen Conductoren dagegen bleibt selbige Ladung, soweit sie die Belegung angeht, ungeändert, da ja die Xeben- sehliessung nicht geöffnet wird. Hier wächst also die Fern- wirkung der Belegungen mit der Grösse des eingeschalteten Widerstandes, und der quantitative Effect verringert sich nur in soweit, als sich Ladung und Entladung aus der Haupt¬ schliessung verschiebt. Dass aber wirklich die Fernwirkung der Belegungen mit der Entfernung der Elektroden wächst, sehn wir im Dunkeln aus der zunehmenden Ausströmung aus den betreffenden Kanten des Papiers. Gegenüber der letztgenannten lobenswerthen Eigenschaft der neuen Organisirung, dass sich die quantitative Wirkung nämlich mit Vergrösserung des Widerstandes verhältnissmässig* wenig verringert — eine Eigenschaft, welche bekanntlich an¬ dern Elektromotoren fehlt — darf nicht verschwiegen werden, dass bei sehr geringem Widerstande die quantitative Wirkung- hinter der früheren Organisirung zurückbleibt. Dies kann freilich nicht anders sein, da bei so geringem Widerstande die Xebenschliessung gar keinen Xutzen gewährt, wohl aber die Fernwirkung der Belegungen von der Hauptschliessung ablenkt^ gewissermaassen die influenzirte Fläche vergrössert, und hier¬ durch die Ladung der Scheibe verringert. Deshalb is es auch gerathen, bei allen Experimenten, wo man constant mit einem geringen Widerstande operirt, z. B. bei der Einschaltung von evaeuirten Köhren, die Xebenschliessung zu entfernen, und deshalb muss sie leicht abnehmbar befestigt sein. Ist der Widerstand variabel, wächst derselbe während dos Experimen¬ tes, wie z. B. beim Laden einer Batterie, so kann man die Xebenschliessung nicht gut entbehren, es sei denn, dass man nur kurze Funken erzielen und von den sonstigen Vortheilen dieser Schliessung Abstand nehmen will. Durch die Einführung der überzähligen Conductoren ist nämlich weit mehr gewonnen, als dass die innere Thätigkeit nur unabhängig von der Entfernung der Elektroden sei. Wir haben bereits einen solchen Gewinn, die bei grösserem Wider¬ stande geringe Abnahme der quantitativen Wirkung kennen ge¬ lernt. Die andern sollen nun der Reihe nach erläutert werden. 158 Zunächst sind die Grenzen der quantitativen Wirkung bedeutend erweitert, oder, was dasselbe bedeutet, es ist die Intensität der bewegten Elektricität bedeutend erhöht worden. Wir werden uns erinnern , dass die Strömung zwischen den Elektroden früher mit dem Ladungsstrome verschwand, oder doch kurz nach dem Aufhören desselben erlosch. Jetzt ver¬ schwindet sie erst, wenn auch der Entladungsstrom nicht mehr passiren kann; und wir wissen, dass derselbe länger passiren kann, weil er eine höhere Intensität besitzt. Wir werden also viel längere Funken erzeugen können, wie ehe¬ dem, genau so lange Funken, wie sie die besten Formen der ersten Gruppe lieferten, natürlich unter derselben Voraus¬ setzung, wie bei jenen, dass wir nämlich die sich entladenden Flächen und die Elektroden in entsprechender Weise ver- grössern oder verkleinern. Denn die Funkenlänge in der Luft ist keine Function der Intensität allein, sie hängt, ab¬ weichend von der Funkenlänge in Glas und isolirenden Flüs¬ sigkeiten, wesentlich von der Grösse der gesammten sich ent¬ ladenden Fläche ab. Da die Intensität der Entladungsstellen d. h. derjenigen Punkte, zwischen denen der Funke erscheint, aber gleichzeitig durch die Grösse der Elektroden bedingt ist, so wird also dem Maximum der Funkenlänge bei einer Ma¬ schine von bestimmter Wirksamkeit auch eine bestimmte Grösse der gesammten Fläche und eine bestimmte Elektroden¬ grösse entsprechen. Natürlich muss die Grösse der Fläche wieder eine andre sein, je nachdem sich die Elektricität auf derselben mehr oder weniger leicht verdichten kann, je nach¬ dem wir es also mit Flaschen oder mit einfachen metallischen Körpern zu tliuu haben; und die richtige Grösse der Elektro¬ den hängt wieder von der Grösse der gesammten Fläche ab, da sie kleiner sein muss, wenn die Entladungen in kürzerer Zeit einander folgen. Wie complicirt übrigens die Verhält¬ nisse sind, wenn es sich um das Maximum der Funkenlänge handelt, mögen wir daraus schlicssen, dass die nöthige Elek- trieitätsmenge zunächst durch beide Ströme, dann durch den Entladungsstrom allein geschaffen wird, dass sich während der Ansammlungszcit also der Ladungsstrom aus der Haupt- in die Nebenschliessung verschiebt, dass hierüber aber eine ge- 159 wisse Zeit vergeht, da sich die Elektricität der Belegungen selbst und mit dieser zugleich die an der innern Glaswand angehäufte entgegengesetzte Elektricität mehr oder weniger verschieben muss. So geschieht es denn auch, dass die ver¬ schiedenen dem Maximum der Funkenlänge entsprechenden Grössen für eine bestimmte Maschine nur durch eine längere 'V ersuchsreihe zu ermitteln sind. Ein weiterer Gewinn ist es, dass die intensive Wirkung für sich betrachtet, die Intensität der ruhenden Elektricität, die Fernwirkung bedeutend erhöht und dass sie in gewissem Sinne überhaupt erst constant geworden ist. Eine Fernwirkung konnte früher nur bei gleichzeitiger Strömung statt haben. Sie erlosch mit dem Ladungsstrom und reichte also über die Intensität dieses Stromes nicht hinaus. Die überzähligen Con- ductoren bewirken, dass sie auch mit dem Entladungsstrome noch nicht aufhört, wenngleich sic natürlich die Intensität desselben nicht übersteigt. Eine con staute Fern Wirkung war früher nur bei Anwendung sogenannter Spitzenelektroden möglich, d. h. unter Verhältnissen , wo die Strömung selbst mehr oder weniger constant ist. Denn während der Erzeugung von Funken muss die Fernwirkung periodisch wechseln, bis zur Entstehung jener anwachsend, dann momentan auf ein Minimum reducirt. Bei überzähligen Conductoren dagegen schliessen wir den Funkenstrom ohne Weiteres aus, und die Fernwirkung muss von diesem Augenblicke an nothwendig eine constantc sein. Sie nimmt hiermit freilich zugleich eine Grösse an, welche mit Hülfe der Elektroden nicht weiter va¬ riabel ist. Aber es giebt andre Mittel, sie, wenn auch nicht zu steigern, so doch zu verringern. Wir können einmal dio Rotationsgoschwindigkeit massigen , wovon noch weiter ge¬ sprochen werden soll, wir können die Hauptconductorcn von der Scheibe abrücken, soweit deren Befestigungsweise Solches gestattet. Wir können endlich, wenn auch nicht die Fern¬ wirkung selbst, so doch ihren Einfluss verringern, wenn wir das Versuchsobject weiter von der Hauptschliessung entfernen. Eine vollkommen constantc Fernwirkung ist aber auch bei überzähligen Conductoren nicht erreichbar, da einerseits der Schliessungsbogen wie die Belegungen vor gewissen unregel- 160 massigen Verlusten nicht zu schützen sind, da andrerseits keine Scheibe so grade und gleichmässig gefunden wird, dass die Ladung und Entladung ihrer sämmtlichen Punkte dieselbe sei. Von so geringen Schwankungen sind aber auch die Formen der ersten Gruppe nicht frei, so wenig wie die Reib- zeugmaschine, da hier wie dort dieselben Ursachen zu Grunde liegen. Wollte man auch diese umgehn, so müsste man be¬ sondere Apparate zur Verfügung haben, welche in elektrischer Weise der Wirkung von Windkesseln entsprächen. Es mag beiläufig erwähnt werden, dass Flaschen mit Papierbelegungen unter Umständen solche Apparate sind. Was an früherer Stelle über die Verstärkung der Inten¬ sität auf Kosten der Quantität und der Quantität auf Kosten der Intensität rücksichtlich der Beschaffenheit einzelner Tlieile gesagt ist, gilt in der Hauptsache auch für die neue Organi- sirung. Ja die Form Fig. 4 ist bereits die neue Organi- sirung selbst in derjenigen Abänderung, wie sie der maximalen Intensität entsprechen würde. Von der praktischen Seite be¬ trachtet ist jedoch jedes Arrangement, welches die Kraft der Maschine nur nach einer Richtung hebt, und nicht gleichzeitig mit Leichtigkeit zu beseitigen ist, ein Arrangement, welches die Maschine also nur für gewisse Experimente tauglich macht, für die normale Gestaltung derselben zu verwerfen. In der Tliat kann für letztere kein andres Arrangement em¬ pfohlen werden, als dass man die Querstäbchen der Haupt- conductoren drehbar macht, um sie nach Bedürfniss in radialer Richtung zu verkürzen und gleichzeitig der Unterbrechungs¬ stelle theilweise zu nähern. Die gewöhnliche Stellung wäre alsdann der maximalen Quantität entsprechend. Bei der Dre¬ hung würde diese abnehmen, die Intensität aber wachsen. Die maximale Intensität würde bei derjenigen Stellung erreicht sein, wo die Querstäbchen den Querstäbchen der überzähligen Conductorcn parallel wären. Dies Maximum ist geringer, als dasjenige in Fig. 4; aber wir haben die Annehmlichkeit, dass wir die Wirkung sofort wieder nach entgegengesetzter Rich¬ tung verstärken können. Eine andre Frage ist, wie man nicht eine Wirkung auf Kosten der andern, sondern wie man beide Wirkungen gleich- Mitteilungen a. d. naturwiss. Verein v. Neu Vorporn mern u. Rüqei - — — .u ... ’ä X. 1877. Zu Munter : über zwei Greifswalder Waltliiere . Taf I. Fi c/. 9 ... .. - r ■ • ....D - - Mittheiliincjen a. d. natnrwiss. Verein v. Neu -Vorpommern u. Rügen .1877. Zu Miinter : üter zwei Greifswalder A\ althiere etc. Taf.JL Fig. /6 161 zeitig am schnellsten variiren kann. Bei den Formen der ersten Gruppe sind für diesen Zweck zwei Grossen veränder¬ lich, die Ladung der Belegungen und die Rotationsgeschwin¬ digkeit. Bei den Formen der zweiten Gruppe bleibt nur die letztere übrig, da jene mit dieser zugleich steigt und fällt. Bas Maximum der Rotationsgeschwindigkeit wird durch die überzähligen Conductoren nicht beeinflusst, wohl aber das Minimum, da die Scheibe bei solchen äusserst langsam rotiren darf. Dies ist wesentlich, da es sich bei manchen Versuchen um sehr geringe Effecte handelt, welche sonst nur mit einer Maschine der ersten Gruppe oder der Reibzeugmaschine zu erlangen wären. Der Grund, weshalb die Scheibe bei über¬ zähligen Conductoren so langsam rotiren darf, ist, dass, wenn die Maschine einmal erregt, hier im Wesentlichen nur der Verlust der Belegungen und nicht gleichzeitig der Widerstand der Schliessung die innere Thätigkeit beeinträchtigt. Jener Verlust hängt aber vorwiegend von der Feuchtigkeit der Luft, oder, richtiger gesagt, von der Nähe des Thaupunktes ab. Daher geschieht es, dass die Scheibe zwar nicht bei ungün¬ stiger, wohl aber bei günstiger Witterung so langsam rotiren darf, als die Handbewegung Solches überhaupt erlaubt. Die Anwendung der überzähligen Conductoren gestattet ferner, dass wir den Funkenstrom mit Leichtigkeit aus dem Schliessungsbogen der Maschine in irgend einen andern Schliessungsbogen verlegen können, dass wir eine Kugel, eine Flasche, eine Batterie mit einer bestimmten Elektricität laden können, um deren Fernwirkung anderweitig zu benutzen oder sie in einem besondern Acte zu entladen. Unmöglich ist Solches zwar auch ohne Mitwirkung jener Conductoren nicht, da die innere Thätigkeit der Maschine erhalten bleibt, solange wir nur für eine elektrische Bewegung innerhalb der Con- ductoren sorgen, und dies geschieht, wenn der nicht benutzte Conductor constant mit der Erde verbunden, wenn der andre nur soweit benutzt, als es die Intensität des Ladungsstromes zulässt, und wenn zugleich Sorge getragen wird, dass nach gedachter Benutzung, die Strömung sofort wieder zwischen den Elektroden erfolgen kann. Die letzten beiden Bedingungen sind aber ohne grosse Übung und ohne besondere mechanische Mittheil. a. d. naturwisBonHclialtl. Vereine v. Nou-Vorponuncrn u. Rügen. IX. 11 162 Vorrichtungen schwer zu erfüllen, und diese Bedingungen fallen grade bei Anwendung der zweiten Schliessung fort. Auch die erste Bedingung scheint bei Anwendung der letzteren auf den ersten Blick überflüssig, da die innere Thätigkeit durch Isolirung des nicht benutzten Pols ja nicht unterbrochen wird. Wollten wir sie unerfüllt lassen, so würde die innere Thätigkeit aber geschwächt werden, geschwächt wenigstens für diejenige Elektricität, welche wir eben benutzen wollen. Und dass dies so sein muss, erkennen wir leicht, wenn wir uns vergegenwärtigen, was überhaupt Elektricitätserzeugung heisst. Elektricität erzeugen heisst Elektricitäten von einander trennen. Den Mechanismus der Trennung nennen wir die elektromotorische Kraft. Mit der Trennung zugleich rauben wir einem Körper die eine Elektricität, und je mehr wir von dieser rauben, um so stärker machen wir ihn elektrisch. Wir können jedoch einem Körper oder einem System aufeinander einwirkender Körper die eine Elektricität nicht in unbegrenzter Menge entziehe. Denn mit der Entziehung dieser wächst eben die andre auf dem Körper an, und je mehr diese wächst, um so fester hält sie diejenige, welche wir entziehe wollen. Die Influenzmaschine ist ein System solcher Körper. Wir können die Elektricitäten dieses Systems von einander trennen, können sie hier verringern, dort anhäufen, können sie continuirlich von einem Orte zum andern jagen, aber wir können nicht dem Ganzen die eine Elektricität entziehn, wenn nicht die elektromotorische Kraft für selbige Elektricität erlahmen soll, oder wir müssen Sorge tragen, dass, wenn wir sie an einer Stelle entziehn, das Svstem sie sich selbst wieder an einer andern Stelle ergänzen kann. Das Letztere geschieht durch die fragliche Verbindung, weil die Erde als unerschöpfliches Beservoir beider Elektricitäten zu betrachten ist. Die geeig¬ netste Stelle hierfür ist der unbenutzte Pol, in welchen auch sonst ja Elektricität desselben Vorzeichens fliesst, aber es könnte auch einer der überzähligen Conductoren sein unter Bedingungen, auf welche hier nicht weiter eingegangen werden soll. Eine Verbindung mit der Erde nennt man bekanntlich kurz „Ableitung11: man weiss jedoch, dass hierunter eben so gut eine Zuleitung zu verstehn ist. Denn es ändert in der 163 Sache Nichts, ob wir uns das gestörte Gleichgewicht lieber durch Ableitung der einen, oder durch Zuleitung der andern Elektricität hergestellt denken wollen. Der nicht benutzte Pol muss also constant abgeleitet werden, wenn der benutzte constant quantitativ weiter wirken soll. Aus obiger Betrachtung folgt aber zugleich, wenn wir sie auf den abgeleiteten Pol beziehe, dass die Intensität des benutzten durch eben diese Ableitung wächst. Der benutzte Pol ist ja nun gewissermaassen der isolirte. Das ganze System wird also einen Überschuss der Elektricität dieses Poles zu erkennen geben. Alle sonst un elektrischen Stücke werden elektrisch, alle elektrischen entsprechend elektrischer sein. Die Fernwirkung der ersteren begünstigt aber zugleich die Fern Wirkung der letzteren, wenn dafür gesorgt ist, dass sich die freie Elektricität von jenen nicht verlieren kann. Deshalb muss die Verbindung der überzähligen Conductoren isolirt d. h. die überzähligen Conductoren müssen isolirt am Gestell der Maschine befestigt sein, wenn der eine Pol bei Ableitung des andern möglichst intensiv wirken soll. Aber noch ein andrer Factor trägt wesentlich zur Erhöhung dieser Wirkung bei, der Umstand, dass man in der Ableitung zugleich die Fernwirkung desselben Poles beschränkt; denn diese beein¬ trächtigt ja die freie Wirkung des benutzten Pols, insofern sie einen Tlieil der Elektricität desselben bindet. Ich sagte: „be¬ schränkt“, weil auch ein abgeleiteter Körper immer noch eine gewisse Fernwirkung, wenn auch nur auf elektrische Körper übt, insoweit diese ungleichnamige Elektricität in ihm erzeugen. Diesen letzteren Einfluss zu beseitigen, ist freilich unmöglich, weil der abgeleitete Pol selbst nicht zu beseitigen ist. Wohl aber können andere Theile der Maschine, welche wir nicht abzuleiten brauchen, nach Kräften isolirt werden, damit sich m ihnen keine ungleichnamige Elektricität ansammeln kann. Hierzu gehört vor Allem die Axe der Scheibe, gleichviel, ob diese selbst beweglich, oder ob sie ein fester Zapfen sei. Die Nothwendigkeit der Isolirung der Axe sowohl als der zweiten Schliessung ist bestritten worden, und sie ist auch nicht vorhanden, solange wir beide Pole isolirt lassen, 11* 164 so lange die elektromotorische Kraft durch keine äussere Ein- wirkung verschoben wird, so lange die angehäuften Elektrici- täten zu beiden Seiten der Axe symmetrisch vertheilt sind. Der Nebenschliessung fliessen durch beide Kämme alsdann gleiche Mengen entgegengesetzter Elektricitäten zu; auf diu Axe wirken gleiche Mengen entgegengesetzter Elektricitäten ein; dort kann kein Überschuss von freier, hier keine Anhäu¬ fung von gebundener Elektrieität vorhanden sein ; es braucht also weder für die Erhaltung jener, noch für die Verhinderung- dieser gesorgt zu werden. Alles dies ändert sich aber, sobald wir das elektrische Gleichgewicht stören, und dass es sich ändert, kann leicht an normal gebauten Maschinen erkannt werden, wenn man die Intensität des freien Polos einmal bei Isolirung, dann bei Ableitung der Axe sowohl, als der Nebcn- schliessung prüft. Der Ausschlag eines entsprechend aufge¬ stellten Elektroscops, das Maximum der Funkenlänge zwischen dem freien Pole und einem abgeleiteten Gegenstände wird hierüber entscheiden. Man gelangt aber auch zu demselben Resultat, wenn man im einen, wie im andern Falle die ver¬ schiedenen Ausströmungen an den betreffenden Theilen beob¬ achtet. Es mag an dieser Stelle daran erinnert werden, dass der einpolige Gebrauch des Apparats am meisten dem Gebrauche der Reibzeugmaschine entspricht, bei welcher der eine Pol ja gleichfalls für gewöhnlich abgeleitet zu werden pflogt. Man hat die meisten Versuche, welche man mit selbiger Maschine anstellt, wenigstens in solche Form gekleidet, und dieselbe hat sich derartig eingebürgert, dass man sie häufig sogar für nothwendig hält. Letzteres ist nun freilich nicht der Fall, aber da man sich einmal an diese Form gewöhnt hat, ist es von Wichtigkeit, dass man bei der Influenzmaschine mit Hülfe der Nebenschliessung auf ähnliche Weise experimentiren kann. Es mag gleichzeitig bemerkt werden, obwohl es mit der Theorie des Apparates Nichts zu schaffen hat, dass man für solchen Gebrauch die Entladungsstange des freien Poles am besten umdreht, damit diejenige Elektrode, welche dem Con- ductor der Reibzeugmaschine entsprechen soll, der bequemeren Benutzung halber nach aussen gekehrt sei. 165 Eine weitere Errungenschaft in der Anwendung der über¬ zähligen Conductoren ist die Verminderung der Stromwen- dungen, der unwillkürlichen nämlich, während die willkürlichen dadurch nur wenig verkürzt sind. Wir wissen, dass jede Stromwendung daraus resultirt , dass den Belegungen ihre Elektrieität geraubt, oder, was ja zum Theil dasselbe sagt, dass ihnen ungleichnamige Elektrieität übermittelt wird. Die zweite Schliessung verhindert dies, soweit die bewegliche Scheibe Solches bewirken wollte, während wir es willkürlich noch immer durch einfache Berührung mit der Hand bewirken können. Aber die Belegungen verlieren ihre Elektrieität noch auf andre Weise, einmal durch funkenähnliche Ausgleichungen von. einer zur andern, dann durch allmähligen Verlust, wäh¬ rend die Scheibe ruht, endlich durch besonders kräftige Ent¬ ladungen in der Hauptschliessung selbst, weil die Scheibe da¬ durch plötzlich auf eine grössere Strecke entladen wird. Die hier¬ aus resultirenden Stromwendungen kann die Hebenschliessung in ihrer bisherigen Stellung noch nicht beseitigen, wohl aber in einer andern, welche bald erörtert werden soll. Ein fernerer Vortheil der überzähligen Conductoren end¬ lich besteht in der Annehmlichkeit, dass man die Maschine bei jeder Stellung der Elektroden erregen kann, im Übrigen jedoch leichter, wenn dieselben nicht grade in Berührung sind. Das Erstere stand zu erwarten, da ja die Öffnung der Haupt¬ schliessung die innere Thätigkeit nicht stört. Das Letztere folgt aus einer Eigenthümlichkeit , welche früher ausführlich besprochen ist, wonach die Xcbenschliessung die quantitative Leistung bei sehr geringem Widerstande in der Hauptschlies¬ sung etwas herabgesetzt. Damit hängt es zugleich zusammen, dass sich die Maschine nur schwer erregen lässt, wenn die Hauptconductoren mit der Erde oder mit grösseren Flaschen in Verbindung stehn, da Ersteres völlig. Letzteres mehr oder weniger einer directen Verbindung gleich zu achten ist. Übri¬ gens ist selbstverständlich, dass wir die erregende Platte nicht den Hauptconductoren, sondern den Xobenconductoren gegen¬ über bringen müssen. Hiermit dürfte die Theorie der überzähligen Conductoren der Hauptsache nach erschöpft sein. Es mögen jetzt noch 166 einige besondere Einrichtungen derselben näher betrachtet werden. Die Zahl der Kebenconductoren braucht der Zahl der Hauptconductoren nicht nothwendig gleich zu kommen. Auch bei geringerer Zahl wird die innere Thätigkeit des Apparates durch die Entfernung der Elektroden nicht aufgehoben. Allein eine directe Verbindung ist alsdann, soweit jene unpaarig sind, nicht möglich, oder, wenn möglich, doch nicht ausreichend, weil die Elektricitäten keine Xeutralisirung fänden. Wir müs¬ sen jene vielmehr mit der Erde oder mit demjenigen Haupt- conductor verbinden, welcher im Sinne der Rotation folgt, welcher also die entgegengesetzte Polarität zeigt. Eig. 5 stellt eine Maschine mit einem überzähligen Conductor dar und zwar in letzterer Verbindung, welche im Allgemeinen die be¬ quemere ist. Solche Beschränkung der überzähligen Conduc- toren führt jedoch wesentliche Ebelstände mit sich, welche im Einzelnen hier nicht weiter erörtert werden sollen. Xur soviel sei erwähnt, dass die Erregung erschwert, dass das Maximum der Eunkenlänge verringert, dass endlich mit Aufgabe der symmetrischen Form zugleich die symmetrische Wirkung der Pole und hiermit einer der bedeutendsten Vorzüge vernichtet ist, welchen die symmetrische Maschine vor der Reibzeug¬ maschine vor uns hat. In manchen Kabinetten finden sich indessen noch Maschinen aus früherer Zeit vor, welche in gedachter Weise construirt sind, und deshalb wollte ich diese Form nicht unerwähnt lassen. Die Gestaltung der überzähligen Conductoren ist im Übri¬ gen von der Beschaffenheit der Axe abhängig. Sie richtet sich danach, ob diese Axe weit aus der Fassung der Scheibe hervorragt oder nicht, oder mit andern Worten, ob sie zwei¬ seitig oder einseitig unterstützt ist. Mit der Gestaltung jener Conductoren hängt aber theilweise ihre Stellung, und mehr oder weniger auch ihre Wirksamkeit zusammen. Bei älteren Maschinen ist die Axe zweiseitig unterstützt. Die Xebencon- ductoren sind dann getrennte Stücke, ganz den Hauptconduc¬ toren ähnlich: ihre Verbindung ist ein Drath, welcher bogen¬ förmig um die Axe führt (Fig. 6). Bei neueren Maschinen bestehn sie aus einer einzigen graden Röhre, welche ent- 167 sprechend mit Spitzen besetzt und vor der Axe isolirt auf dem Brett der Maschine befestigt ist (Fig. 7). Bei den neue¬ sten Maschinen ist diese Bohre mittelst eines Zapfens in dem vorderen Theil der Axe selbst, welche hier natürlich unbeweg¬ lich ist, befestigt (Fig. 8). In den Formen 6 und 7 stehn die Spitzenkämme senkrecht, und nach Art der Befestigung ist diese Stellung nicht gut zu umgehn, nicht zu umgehn wenig¬ stens, wenn die Kebenconductoren bei einer festen Scheibe mit vier Erregungsstellen zugleich als Hauptconductoren wirken sollen. In der Form 8 aber gestattet die Drehbarkeit des Zapfens, dass wir den Spitzenkämmen leicht jede beliebige Stellung geben können, und dies ist wesentlich, da für den normalen Gebrauch die senkrechte keineswegs die beste ist. In jedem Falle müssen ja die Belegungen soweit verlängert sein, dass sie mit einem Tlieile noch den fraglichen Kämmen gegenüber stehn, bei senkrechter Stellung also bis zur Grösse eines Quadranten. Hierdurch verliert aber die unbelegte Glas¬ fläche so sehr an Ausdehnung, dass sie die Ausgleichungen zwischen der Belegung und der Unterbrechungsstolle nicht genügend verhindert. Man kann behaupten, dass der belegte Theil am besten gleich dem unbelegten sei. Dann muss aber die Stellung jener Kämme noth wendig eine schräge sein. In den Formen 7 und 8 ist auch die bisherige Gestalt der Be¬ legungen verändert, in sofern sie in ihren mittleren Theilen eingeengt sind. Der Zweck ist, ihre Leitungsfähigkeit mög¬ lichst zu beschränken, damit sich bei Ausgleichungen an einer Stelle; nicht zugleich ein grösseres Stück derselben entladet. Die centrale Befestigung und die hierdurch gewonnene Drehbarkeit der zweiten Schliessung gewährt aber noch einen andern \ ortheil, als den eben erwähnten, sie gestattet näm¬ lich die Maschine in eine Verfassung zu bringen, in welcher eine Stromwendung nur noch eine Seltenheit ist. Es ist seiner Zeit hervorgehoben, dass die nächste Umgebung einer Belegung nach einiger Zeit der Wirksamkeit an¬ nähernd so stark elektrisch ist, als die Belegung selbst. Es ist gleichfalls wiederholt hervorgehoben , dass unbelegtos Glas seine Ladung schwer verliert und es ist klar, dass es durch plötzliche Verluste seine Ladung überhaupt nicht 168 verlieren kann. "Wir dürfen also, wenn die Maschine be¬ reits in Thätigkeit gesetzt, die überzähligen Conductoren über die Grenze der Belegungen verrücken, ohne dass die Wirksamkeit dadurch für eine gewisse Zeit wenigstens geschwächt würde. Bei solcher Stellung aber kann es keine Stromwendungen geben , es sei denn , dass wir die Rotation auf längere Zeit unterbrächen, da bei überzähligen Conductoren, so lange die Bewegung dauert, eine Stromwendung überhaupt nur durch plötzliche Verluste entstehn kann. Wir schliessen freilich bei solcher Stellung zugleich die willkürlichen Strom¬ wendungen aus; aber die fragliche Stellung ist ja eben so leicht rückgängig zu machen, als sie geschaffen ist, und sie muss beiläufig bemerkt ohnehin zuweilen rückgängig gemacht werden , sobald sich eine Verringerung der Wirkung zu er¬ kennen giebt. Kur diejenigen Stromwendungen also, mit welchen die Maschine nach längerer Ruhe ihre Thätigkeit wieder aufnimmt, bleiben unvermeidlich, weil sie auf keinen plötzlichen, sondern einen allmähligen Elektricitätsverliist basirt sind, welcher am Ende auch der unbelegten Glasfläche nicht erspart bleibt. Dass überhaupt aber unter solchen Umständen die Maschine keiner neuen Erregung bedarf, liegt daran, dass die innere Glasfläche ihre Ladung ungleich fester hält, als die äussere, und dass Solches der Fall, ist eine Annehmlichkeit, da eine neue Erregung lästiger, als eine Stromwendung ist. Die Anwendung von überzähligen Conductoren bei einer grösseren Zahl von Erregungsstellen , ist mit verschiedenen mechanischen Schwierigkeiten verknüpft. Es handelt sich da¬ rum , sie hinreichend stabil und zugleich hinreichend isolirt von den Hauptconductoren zu befestigen. Fig. 11 veranschau¬ licht einen Apparat mit 6 Haupt- und eben so vielen Kebcn- conductoron , welcher, von letzteren abgeselm , dein analogen Apparate auf der linken Tafelseite entspricht. Die gedachte Befestigung wird hier durch ein Metallscheibchen vermittelt, in welches jene in Gestalt grader Röhren eingesetzt sind. Das Scheibchen wird seinerseits, Avie Figur 14 deutlicher zeigt, mittelst eines centralen Zapfens in die feste Axe gesteckt. Die Isolirung dieses Systems von dem die Hälfte der Haupt¬ conductoren verbindenden Stanniolring wird durch eine dünne 169 Ebonitscheibe bewerkstelligt, welche dicht hinter dem Metall¬ scheibchen sitzt. Die Spitzen der Nebenconductoren müssen für diesen Fall besonders lang sein, weil selbige Conductoren weiter, als die Hauptconductoren vom Glase abstehn. Die Anwendung der überzähligen Conductoren wird auch hier vorzugsweise der intensiven Wirkung zu Gute kommen , der quantitativen dagegen nur bei grösserem Widerstande, während dieselbe bei geringem Widerstande geschwächt wird. Die Maximalzahl der Erregungsstellen für die quantitative Wirkung allein wird also geringer sein, als sic ohne jene Conductoren ist. Die Dauer der Stromwendungen wird durch letztere in jedem Falle vergrössert. Der Gebrauch des ehedem erwähnten Stromwenders (Eig. 13) wird also hier vorzugsweise geboten sein. Anhang. a, Koch andre Formen der Maschine. Es ist bereits angedeutet, dass die Zahl der verschiedenen Formen, welche die Influenzmaschine annehmen kann, durch die vorstehende Abhandlung nicht erschöpft ist. Die betrach¬ teten bilden vielmehr nur eine gewisse Klasse aller möglichen, welche dadurch charakterisirt ist, dass sich nur zwei auf ein¬ ander einwirkende Flächen vorfinden , dass diese Flächen grade und starr sind, und dass nur die influenzirte von ihnen beweglich ist. Wir können die fraglichen Flächen aber vervielfältigen und die zugehörigen Stücke alsdann verschieden combiniren, entweder so, dass sie sich quantitativ, oder so, dass sie sich intensiv verstärken, und das Letztere kann wieder auf ver¬ schiedene Weise erreicht werden, je nachdem wir nur Con¬ ductoren oder auch Conductoren und Belegungen in Verbin¬ dung bringen. Gesetzt, wir hätten zwei vollständige Apparate nach Art von Taf. 5 Fig. 8 , und sie sollten sich quan¬ titativ verstärken, so würden einfach die gleichwirkenden Pole mit einander zu verbinden sein. Sollten sie sich intensiv verstärken, so würden wir zwei ungleich wirkende Polo mit (‘inander zu verbinden haben; wir könnten aber auch die Pole 170 des einen Apparates mit den Belegungen des andern commu- niciren lassen. Die letztere Art der Combinirung ist die allge- gemein bessere, sobald wir ungleiche Formen der zweiten Gruppe mit einander, z. B. Taf. 5 Fig. 4 und Taf. 5 Fig. 1, und die ein¬ zige, so bald wir eine Form der zweiten Gruppe z. B. Taf. 5 Fig. 4 mit einer Form der ersten Gruppe z. B. Taf. 4 Fig. 8 verbinden wollen. Die grösste Intensität aber würde nach dem letzten Princip durch Combinirung von Taf. 5 Fig. 4 mit zwei Apparaten von je einer Belegung zu erreichen sein. — Wir können ferner die grade Gestalt der wirksamen Flächen ver¬ lassen und Cylindermaschinen construiren , welche aus zwei einseitig befestigten, an je einem Ende geöffneten Cylindern bestehn. Es ist an und für sich gleichgültig, ob der innere oder der äussere der bewegliche sei, der zweite Fall aber ist einfacher, weil die Conductoren aussen leichter zu placiren sind. Die cylindrische Gestalt schliesst freilich die Glasmasse aus, für die bewegliche Fläche wenigstens, weil sich jene nicht genau cylindrisch blasen lässt. — Wir können ferner die starre Beschaffenheit der Flächen fallen lassen und Bandmaschinen anfertigen, bestehend aus einem Gummi- oder Guttaperchabande ohne Ende, welches über zwei Rollen gespannt und mittelst dieser zugleich beweglich ist. In Taf. 4 Fig. 13 sehn wir einen derartigen Apparat, welcher der ersten, in Taf. 5 Fig. 10 einen solchen, welcher der zweiten Gruppe entsprechen würde. Bei jenem sind die Ladungscond uctoren innen , bei diesem sind sie aussen placirt. Als Entladungsconductoren fungiren die Walzen selbst, welche für diesen Zweck natürlich leitend sind. — Wir können endlich nicht nur die influenzirten, sondern auch die influenzirenden Flächen beweglich machen, und bei Anwendung von Scheiben können wir Solches in doppelter W eise, je nachdem sich diese theilweise, oder völlig decken. Im ersten Falle müssen die Axen getrennt sein, im letzten muss die eine in die Verlängerung der andern fallen. Die übereinander greifenden Flächen müssen sich stets entgegen¬ gesetzt bewegen. Die Conductoren müssen so vertheilt sein, dass jede Fläche, nachdem sie sich an einem geladen, durch die andre hindurch auf den folgenden wirken kann. Alle bisherigen Formen sind ausgeführt; ihre Existenz 171 kann daher nicht bestritten werden. Aber ist damit die Zahl aller möglichen Formen erschöpft? Wir haben bisher als wirksame Flächen nur feste Körper benutzt. Aber auch flüssige Medien können durch Influenz elektrisch erregt werden, auch luftförmige, in soweit wenig¬ stens, als sie mit flüssigen Partikelchen geschwängert sind. Wir kennen eine Hvdroelektrisirmaschine. Vielleicht sind t. auch Hydroinfluenzmaschinen möglich, Maschinen, in welchen die bewegliche Fläche, wenn auch nicht grade aus Wasser, so doch aus wasserhaltiger Luft, oder einer besser isolirenden Flüssigkeit bestände. Vielleicht existirt bereits eine solche Maschine. Vielleicht bietet uns die Erde mit ihrer beweglichen Hülle selbst das grossartigste Beispiel einer solchen Maschine dar. Es fehlt nur zu beweisen, dass die Erde auf diese Hülle, oder die Sonne auf die Erde eine elektrische Fernwirkung übt. Es mag gleichgültig sein, ob wir uns solche als unipolar, oder als bipolar, d. h. als nach allen Richtungen gleich, oder nach zwei Richtungen entgegengesetzt wirkend denken wollen. In jedem Falle würde durch solche Wirkung und die Axendrehung der Erde die Entstehung der atmosphärischen Elektricität zu erklären sein. Vielleicht spricht für das Vorhandensein jener der mehr oder weniger constante Ausschlag eines entsprechend aufgestellten Elektroscops bei heiterem Himmel, vielleicht spricht für den Einfluss dieser der mehr oder weniger regel¬ mässige Zug und Verlauf der Gewitter. Erwiesen freilich ist Beides nicht. Aber die sonstigen bekannten Erklärungen er¬ mangeln gleichfalls des Beweises. Mag es gestattet sein, ihnen eine gleich berechtigte Hypothese an die Seite zu stellen. 1), Ihre Verwandtschaft mit dem Elektrophor. Die Influenzmaschine und der Elektrophor sind in ge¬ wisser Beziehung verwandt. In beiden wird durch Influenz und mechanische Bewegung Elektricität erzeugt, aber in beiden sehr verschieden rücksichtlich der Art und Weise sowohl, als des Effectes, und um so verschiedener, je mehr sich die In¬ fluenzmaschine aus ihren ersten Formen entwickelt hat. Der 172 wesentlichste Unterschied zwischen beiden Apparaten aber er¬ hellt aus der Thatsaclie, dass der Elektrophor mit einer ein¬ mal empfangenen Ladung Wochen ja Monate lang zu wirken vermag, während die Influenzmaschine solche im Zustande der Ruhe kaum Stunden lang zurückhalten kann. Der Elek- o trophor ist, was sein Name sagt, ein Elektricitätsträger , und er ist es vermöge der eigenartigen Beschaffenheit seiner in- fluenzirenden Fläche, wo die mitgetheilte Elektricität für ge¬ wöhnlich durch die Elektricität der sogenannten „Formu gebun¬ den ist und nur in dem Maasse für den abgeleiteten Deckel frei wird, als wir letzteren der wirksamen Fläche nähern. Die gegebene Ladung bleibt also in jedem Falle gebunden, beim Abheben des Deckels durch die Elektricität der Form allein, beim Aufsetzen durch eben diese und die Elektricität des Deckels zugleich; und weil sie stets gebunden bleibt, hat sie kein Bestreben zu entweichen. Mit dem Schutz, welchen solcher Gestalt die Form gewährt, wird aber gleichzeitig die der Ladung geschwächt. Ein Theil bleibt in Fernwirkung jedem Falle für den aufgesetzten Deckel wirkungslos; die Grösse des wirksamen Theils aber richtet sich nach der Dicke des Kuchens und nach der Entfernung, welchen der aufgesetzte Deckel von der oberen Kuchenfläche hat. Wäre die letztere eben so gross, als der Kuchen dick ist, so würde der wirk¬ same Theil gleich dem unwirksamen sein. Der wirksame Theil ist aber grösser, da der Deckel den Kuchen, wenn auch nicht in allen, so doch in einzelnen Punkten berührt. Auch bei der Influenzmaschine könnten wir die sogenannte Form nachbilden, wenn wir in dem Apparat Taf. 4 Fig. 1 z. B. die hintere Seite der Ebonitplatte leitend machten und constant mit der Erde verbänden. Die mitgetheilte Ladung würde dann wie beim Elektrophor fixirt, wenn auch immerhin nicht in demselben Grade, da es einen Unterschied macht, ob der Deckel abgehoben oder abgeschoben wird. Nicht nachbilden aber können wir die geringe Entfernung zwischen Deckelund Kuchen, selbst wenn wir die beweglichen Stanniolstücke auf die hintere Seite der Scheibe klebten, weil die Rotation keine Berührung der fraglichen Flächen gestattet. Aus eben diesem Grunde aber muss auch die Nachbildung der Form unterbleiben, wenn die Fernwirkung bei dem grösseren Abstande nicht all¬ zu gering werden soll. Die Influenzmaschine ist also keine Elektrophormasclhne in des Wortes wahrer Bedeutung, kein Apparat, welcher eine empfangene Ladung länger, als irgend ein andrer Körper zu erhalten vermöchte. Letztere zerstreut sich vielmehr, sie muss ergänzt werden; und wenn die Maschine in ihrer mehr voll- kommnen Gestaltung solche Ergänzung selbst bewirkt, so ist dies eine Eigenschaft, durch welche sie sich aufs Keue von dem Elektrophore unterscheidet. c, Ihre Verwandtschaft mit der Magnetoinductions- maschine. Die Influenzmaschine ist auch mit der Magnetoinductions- maschine verwandt. In beiden entsteht Elektricität durch elek¬ trische Fernwirkung und mechanische Bewegung, dort durch Influenz oder Fernwirkung der ruhenden, hier durch Magne¬ tismus oder Fernwirkung der bewegten Elektricität. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass die mechanische Bewegung dort unmittelbar gleichgerichtete , hier entgegenge¬ richtete Ströme erzeugt, welche letztere erst durch eine be¬ sondere Vorrichtung in gleichgerichtete umzusetzen sind. Auch unter den Magnetoinductionsmaschinen kann man zwei Gruppen unterscheiden, je nachdem die fernwirkende Kraft äusserlich eine gegebene ist, oder je nachdem sie in der Maschine selbst mit Hülfe eines minimalen äusseren Impulses geschaffen wird. Die letzteren entsprechen somit den Influenzmaschinen der zweiten Gruppe, und da sie später erfunden, mögen sie diesen mehr oder weniger nachgebildet sein. Die ersteren unter¬ scheiden sich von den Influenzmaschinen der ersten Gruppe dadurch, dass sie behufs constanter Thätigkeit keines Hülfs- apparates bedürfen, weil sich die magnetische Fernwirkung abweichend von der Fern Wirkung der ruhenden Elektricität in einem gewissen, freilich auch nur in einem einzigen Körper fixiren lässt. Universitätsbuchdruekerei (F. W. Kunike), Greifswald. Frg. 3 Mittli e ilim g eu a.d. naiurwiss. Yerem v- Neu - Vorpommern u.1 Fig 2 W.HoUz cjez jen IX. 7877. v.Feilitzsch, hydrodynamische Luftpumpe. Tat HL C /■' Sthnndt / ith Rotirende Scheibe belegt qez . ß. B re n ner. /2 Ma s c h i ne 1 i, welche ein Hülfsqu Taf.I V. Rotirende Scheibe unbelebt. constcinten elekt rischen ' bedürfen. fjof.Lith v p. lj a n cj e JGrdu , * * Ohne überzählige Conductoren. Mn sclhnen, welche inr elektrischen Er: Taf.V. Mit überzähligen Conductoren II Hl * 'ino r in o i n ('ii I an en |iiii(j l)('d ü r(en . x)of.LiHi v. (I bange, ßraunschweig Mitteilungen aus dem naturwissenschaftlichen Vereine Neu-Vorpommern und Rügen Greifswald. Redigirt von Dr. Th. Marsson. Zehnter Jahrgang. Mit 8 Tafeln. Berlin. Verlag von K. Gärtner. 1878. Inhalt. Seite. Yerzeichniss der Mitglieder .... v . I Rechnungs-Abschluss für das Jahr 1877 . , . . IV Sitzungsberichte . •„.* . .' . V Verzeichniss der vom September 1877 bis dahin 1878 beim Verein eingegangenen Druckschriften: ' XVII W. Holtz, Ueber die Theorie, die Anlage und die Prüfung der Blitzableiter nach theilweise neuen Grundsätzen im Anschluss an die neuesten Erfahrungen . 1 Th. Marsson, Die Foraminiferen der weissen Schreibkreide der Insel Rügen . 116 Franz Buchenau, Ueber Carpinus Betulus, forma quercifolia . . . 197 W. Holtz, Ueber die Magnetisirung des Stahls im Momente seiner Härtung 203 I Vereins-Angelegenheiten. Verzeichniss der Mitglieder. Amlorshof : Amiant : Berlin: 57 11 11 lg: Daiizi Ilivitz : Frankfurt a. 0 krcifswalil: Herr Dr. Kämmerer. Dr. Tramm, Oberlehrer. Haussmann, Bergamts-Assessor. I)r. Jessen, Professor. Bohlemlorf a. Rügen: Herr Freiherr v. Bohlen, Erbkämmerer. Bonn: Herr Dr. Troschel, Professor. Brauusohweig: „ Dr. Otto, Professor. B a n m gardt, Lieutena nt. Graf v. Krassow. Basse, Betriebs-Inspector. Dr. Arndt, Professor. Dr. Baier, Professor. Dr. Barten, pract. Arzt. Bath, Svndicus. Dr. Baumstark, Professor. Dr. Bohrend, Professor. Dr. Bengelsdorf, Sanitätsrath. Bindewald, Buchhändler. Böckler, Rentier, v. Brunn, Hauptmann. Dr. Budge, Privatdocent. v. Corswant, Rentier, Dr. Eichstedt, Professor. Dr. Eulenburg, Professor. Freiherr Dr. v. Feilitzsch, Professor. Fischer, Lehrer, v. Foller, Oberst z. D. Dr. Gleitzmann. Dr. Goeze, Garten-Inspector. Goos, Baumeister. G raedon er , Senator. Gräuel, Rector. ii ii ii ii ii ii ii ii ii 17 55 1> 11 77 71 77 77 17 11 77 11 71 71 11 a II Greifswald: Herr Dr. Grobe, Professor. „ Dr. Häckermann, Professor u. Kreisphysikus. „ y. Hagenow, Hauptmann a. D. „ Dr. Hänisch, pract. Arzt. „ Dr. Hanne, Professor. „ v. Helfeldt, Lieutenant. ,, Holst, Senator. „ Holtz, Ludwig. „ Dr. W. Holtz. „ Kettner, Senator. „ Dr. Kölmk, Sanitätsrath. „ Dr. Krabler, Professor. „ Krause, Gymnasiallehrer. „ Dr. Krey, Gymnasiallehrer. ,, Kruska, Hauptmann. „ Kunstmann, Apotheker u. Senator. „ I -abahn, Senator. „ Dr. Landois, Professor. „ Dr. Limpricht, Professor. „ Dr. Loose, Lehrer. „ Dr. Marsson. „ Dr. Hedem, Kreisgerichtsrath. , Dr. Minnigerode, Professor, „ Dr. Mosler, Professor. „ Müller, akad. Baumeister a. D. „ Freiherr v. Oer, Lieutenant. „ v. Oldershausen, Hauptmann. „ Ollmann, Kreisthierarzt. „ Dr. Pernice, Prof., Geh. Med. Rath. „ Dr. Pietrusky. ,, C. Plötz. „ Pflugradt, Lieutenant. „ Pogge, Rentier, „ Dr. v. Preuschen, Privatdocent. „ Dr. Quistorp. „ Dr. Reinhardt, Oberlehrer. „ Reimer, Lieutenant. „ Dr. Rhode, Prof. u. Oekonomierath. III Greifswald: Hannover: Ifelmshagen: ftanzin : Sch mol dow: Stralsund: Wiesbaden: W oll in : Herr Schauer, Rector a. D. „ v. Schlich tkrull, Rentier. „ Schenk, Apotheker. „ Dr. Schirmer, Professor. ,, Schmidt, Syndikus. „ Schubert, Oberst a. D. „ Dr. Scholz, Professor. „ y. Schultz, Rittmeister a. D. „ Schünhoff, Eisenbahn-Ingenieur. „ Dr. Schwanert, Professor. „ Dr. Sommer, Professor. „ Freiherr v. Steinäcker, Major a. D. „ Dr. Steinhausen, Gymnasial-Director. „ Stoll, Baumeister. „ Thiede, Gymnasiallehrer. „ Dr. Thome Professor. „ Dr. Trommer, Professor. ,, v. Yalil, Rechts- An walt u. Justizrath. „ Dr. Yogt, Professor. „ Dr. Weitzel, Oberlehrer. „ Westphal, Kreisbaumeister. „ Weiland, Maler. „ Wiese, Regierungsrath u. akad. Forstmeister. „ Dr. Dammau, Professor. „ Drewitz, Pächter. „ v. Homeyer, Rittergutsbesitzer. „ v. Bohr Königl. Kammerherr. „ Amtsberg, Oekonomierath. „ Graf v. Behr-Negcndank, Regierungs¬ präsident. „ Dr. Hecht, Sanitätsrath. „ Dr. Kleine, pract. Arzt. „ Dr. Passow, Gymnasiallehrer. „ Dr. Rollmann, Professor. „ Well mann, Regierungs-Baurath. „ Dr. Albrecht, Appellations-Gerichts-Präsidcnt. „ Schmurr, Apotheker. * IV Vorstand für 1878. Herr Professor v. Feilitzsck, Ludw. Holtz, Br. Marsson. II. Rechnungsabschluss für das Jalir 1877. E i n n ah m e. Kassen-Bestand aus dem Jahre 1876 . Beiträge der Mitglieder . . Zuschuss von Sr. Ex. dem Herrn Cultusminister Br. Falk . VerJagsbuchhändler Gärtner in Berlin für verkaufte Vereinsschriften . Zinsen aus dem Torschuss-Verein . Yergütigung auf eine hergestellte Tafel . Mk. 596,70 77 337 77 300 77 70,96 77 20,57 77 24 Summa Mk. 1349,28 Ausgabe: Für Bruckkosten und Heften des 9. Jahrgangs der Mittheilungen und andere Bruck- Arbeiten Mk. 514,25 Für Herstellung der Tafeln . 262, ,82 Für Buchbinder-Arbeiten . 58. ,10 Für einen Fragekasten . 4 Porto und Fracht . 39. ,35 Remuneration an den Vereinsboten . . . 36 Summa Mk. 914,52 Einnahme Mk. 1349,23 Ausgabe „ 914,52 Bleibt Kassen-Bestand Mk. 434,71 V III. Sitzungs-BericSite. Sitzung vom 2. Mai 18 7 7. Der Vorsitzende verlas das Protokoll der vorigen Sitzung. Nachdem auf die von Herrn Dr. Weitzel in der vorigen Sitzung gestellte Frage über die Schnelligkeit des galvanischen Stroms um die Erde Herr Prof. v. Feilitzsch geantwortet hatte, wurde das Protokoll genehmigt, über den Eingang mehrerer Zeitschriften berichtet und Beschluss über die vor¬ geschlagene Uebersendung des letzten Jahrgangs der Vereins- mittheilungen an die naturwissenschaftlichen Vereine zu Aussig und Triest gefasst. — Herr Dr. Marsson berichtet über den Empfang einer Missgeburt von einem Kalb, welche Herr Ba¬ ron v. Bo lilen -Bohlendorf auf Rügen dem Vereine geschenkt hat und theilt die vorläufige Ueberweisung derselben an das pathologische Institut behufs Präparation derselben mit. Herr Dr. Weitzel frägt an, ob und wie Gauss’ lOOjähriger Ge¬ burtstag hier in mathematischen Kreisen gefeiert worden sei und ersucht den Vorstand, die mathematischen Mitglieder des Vereins aufzufordern, nachträglich im Vereine geeignete Vor¬ träge in Bezug auf den grossen Mathematiker zu halten ; der Vorsitzende übernimmt es, den nicht anwesenden Herren Prof. Thome und M innige rode den Wunsch des Vereins vorzutragen. Herr Prof. Bai er hielt hierauf einen Vortrag über „Die Grundgedanken Kant’s über die Natur¬ wissenschaft in ihrem Verhältniss zu seiner Philo¬ sophie.“ Der längere und interessante Vortrag ist nicht gut im Auszuge mitzutheilen. Sitzung vom 6. Juni 187 7. Vorsitzender Prof. Schwanert. Nach Vorlesung und Genehmigung des Protokolls der vorigen Sitzung theilt der Vorsitzende mit, dass Herr Prof. Minnigerode sich bereit erklärt hat, in der Juli-Sitzung einen Vortrag über Gauss’ Leben und Wirken zu halten, dass eine Reihe von Zeit¬ schriften an den Verein eingelaufen sein, unter anderen vom YI Herz. Coli. Car. zu Braunschweig die zur Säcularfeier von Gauss' Geburtstag herausgegebene Festschrift. Zur Aufnahme in den Verein wird Herr I)r. Goeze angemeldet. — Hierauf fuhr Herr Prof. Bai er in seinem in der vorigen Sitzung be¬ gonnenen Tortrage über Kant fort. Die im Fragekasten Vorgefundenen Fragen : 1) Wie er¬ klärt die Pflanzenphysiologie die Bewegungen der Sinnpflanze und wo ist etwa Literatur über diese Frage zu finden ? 2) Sind Untersuchungen über die Zusammensetzung der hie¬ sigen Soole bekannt ? wurden , da sie von den anwesenden Mitgliedern nicht genügend beantwortet werden konnten und ein inzwischen von Herrn Kreisgerichtsrath Medern gestellter Antrag, dass jede im Fragekasten gefundene Frage, welche in der Sitzung nicht vollständig beantwortet werden könne, einem oder mehreren sachkundigen Vereinsmitgliedern zu späterer Beantwortung überwiesen werde, einstimmig ange¬ nommen war, vom Vorsitzenden unter Zustimmung der an¬ wesenden Mitglieder die erstere zur gefälligen Beantwortung dem heute angemeldeten Mitgliede Herrn Dr. Goeze durch Vermittlung des Herrn L. Holtz überwiesen, während er selbst die zweite demnächst zu beantworten übernahm. Auf Anfrage des Vorsitzenden wurde allseitig gewünscht, dass die Redaction der diesjährigen Vereins-Mittheilungen in den Hän¬ den des Herrn Dr. Marsson verbleibe. Sitzung vom 4. Juli 187 7. Vorsitzender Prof. Schwanert. Hach Vorlesung und Genehmigung des Protokolls der vorigen Sitzung begriisste der Vorsitzende Hamens des Vereins den als Gast anwesenden Herrn Prof. Holder von hier, berichtet über den Einlauf verschiedener Vereinsschriften und Versendung von Vereins- Mittheilungen. Darauf spricht Herr Prof. Minnigerode über „Gauss" Leben und Wirken. u Die äusseren Lebensverhältnisse von Gauss waren höchst einfach. Frühzeitig machte er sich be- merklich durch seine ausgezeichneten geistigen Fähigkeiten. Er blieb unterstützt durch den Herzog von Braunschweig in seiner Vaterstadt bis zum Jahre 1809. Da folgte er einem VII Rufe nach Göttingen, wo er bis zu seinem Tode (1855) blieb. Von seinen rein mathematischen Arbeiten wurden erwähnt die 1801 erschienenen Disquisitiones mathematicae und die darin entwickelte Construction der regelmässigen 17 -Ecks. Von seinen astronomischen Arbeiten wurde die im Jahr 1801 berechnete Bahn der Ceres hervorgehoben, die hierzu ange¬ wandte Methode veröffentlichte er in etwas erweiterter Ent¬ wicklung in der Theoria motus corporum coelestium. Ein¬ gehend wurden die Arbeiten von Gauss über den Erdmagne¬ tismus besprochen. Die horizontale Componente des Erd¬ magnetismus wurde bestimmt durch zwei Beobachtungen. Aus der Dauer der Schwingungen eines horizontal aufgehängten Magneten ergiebt sich das Product aus der Stärke des Erd¬ magnetismus und der Stärke des Magneten ; der Quotient aus beiden ergiebt sich durch die Beobachtung der Ablenkung, die eine andere Magnetnadel unter seinem des Erdmagnetismus Einfluss erfährt. Schliesslich wurde die „Allgemeine Theorie des Erdmagnetismus“ und der erste von Gauss und AYeber construirte electrische Telegraf erwähnt. An den Vortrag anknüpfend fügt Herr v. Feil itz sch einige AVorte über die durch Gauss ausgeführte Landes¬ vermessung von Hannover hinzu; endlich wird von den An¬ wesenden der Beschluss gefasst, dass die August-Sitzung des Vereins auslällen soll, und erbietet sich noch der Vereins- ATorstand etwa eingehende Beiträge zum Gauss-Denkmal nach Braunschweig an das Comite zu senden. Sitzung vom 7. November 187 7. Vorsitzender Prof. Schwanert. Nach Genehmigung des Protokolls der vorigen Sitzung bcgrüsst der AMrsitzende zwei neu eingetretene Mitglieder, die Herren v. Corswant und Lehrer Fischer, machte Mittheilungen über eingegangene Drucksachen , sowie über den vom Hallischen Arerein für Erdkunde ausgesprochenen AYunsch, mit dem Verein in Schriften-Tauschverkehr zu treten und erinnert daran , dass in der nächsten December- Sitzung statutenmässig die Yor- standswahl im Verein stattfinden werde. Darauf sprach Herr Ludw. Holtz über „Das Leben der VIII Bienen.“ Er verbreitete sich kurz über die Constitution im Bienenstaat, ausführlicher über den Bau der Biene, ihre Or¬ gane, speziell unter Vorlegung von Zeichnungen über Ge¬ schlechts-Organe der männlichen und weiblichen Bienen und der Königin, über Unterschiede der im Bienenkörbe wohnen¬ den Arbeiter, Drohnen, Königin, von denen Drohnen männ¬ lich sind, Arbeiter weibliche Geschlechts-Organe haben, die aber nicht so vollständig wie die der Königin entwickelt sind, in Bezug auf die Entwicklung einer bestimmten Drüse, denen eine Scheidenkammer gänzlich fehlt. Sodann sprach der Vor¬ tragende über Befruchtung der Eier einer ausschwärmenden Königin, welche eine Million solcher Eier legen kann, von der Einrichtung eines Bienenstaates, in dem 10 — 30000 Ar¬ beiter mit ungefähr 250 Drohnen und einer Königin leben ; über die Arbeit und Ordnung im Bienenstaat, die Vermehrung der Bewohner bis etwa October und die Drohnenschlacht Ende Juli und Anfangs August. Schliesslich nennt der Vortragende die für die Bienenbrut wichtigen Pflanzen , ferner die natür¬ lichen Feinde der Bienen, spricht über den Nutzen der Bienen¬ zucht, der sich auf mehrere Millionen Mark in Deutschland jährlich veranschlagen lässt und charakterisirt die verschiede¬ nen in Deutschland gezogenen Bienenarten. An diesen Vortrag knüpfen sich längere Diskussionen über die Zeugung und Entwickelung der Bienen , speziell über die Königin des Bienenstaates, über den Honig und dessen Verfälschung, wobei sich hauptsächlich die Herren Holtz, v. Cor s wandt, Baier betheiligen. Herr Dr. AVeitzel berichtet über Pvrus japonica, der in seinem Garten in diesem Jahre zum dritten Male blüht. Schliesslich spricht der Vorsitzende über das neue Ele¬ ment „das Gallium“, dessen Entdeckung von Lecoq de Bois- baudran in Paris in einer Zinkblende von Pierrefitte, seine Darstellung, Eigenschaften, sein durch 2 violette Linien cha- rakterisirtes Funkenspectrum und seine Verbindungen ; er gedenkt der chemischen Reactionen dieses neuen Metalles, nach denen es die grösste Aelmlichkeit mit dem Zink hat, und hebt besonders hervor, dass es das erste Metall ist, welches mit Hülfe des Funkenspectrums entdeckt worden ist. IX Sitzung vom 5. December 187 7. Vorsitzender Prof. Schwan ert. Nach Verlesung und Genehmigung des Protokolls der vorigen Sitzung, der Mit¬ theilung über den Eingang mehrerer Drucksachen für den Verein begrüsst der Vorsitzende Namens des Vereins den Herrn Lieutenant v. Oer als Vereinsmitglied, verliest in Hin¬ blick auf die vorzunehmende Vorstandswahl den darauf be¬ züglichen § 3 der Vereinsstatuten und bittet die anwesenden 28 Herren Mitglieder je 3 Vorstandsmitglieder für das Jahr 1878 durch Zettel wählen zu wollen. Bei der darauf statt¬ gehabten Wahl haben erhalten, Herr Dr. Marsson 26, Herr Ludw. Holtz 24, Herr Prof. v. Feilitzsch 21 Stimmen, die übrigen Stimmen zersplitterten sich. Es sind demnach als Vorstand des Vereins für das Jahr 1878 die Herren v. Fei¬ litzsch, Holtz und Marsson gewählt worden; alle drei Herren erklärten sich zur Annahme der Wahl bereit. Darauf spricht Herr Dr. Goeze in Beantwortung einer früher gestellten Frage „über die Bewegungen der Sinnptlanze“. Nachdem er darauf hingewiesen, dass von vielen Völkern, beispielsweise den Hindus, an ein Seelenleben der Pflanzen geglaubt werde, Martius sogar im scharfen Gegensatz zu Schlei¬ den den Pflanzen eine unsterbliche Seele zuerkannt habe, thoilt er die Angabe einer amerikanischen Zeitung mit, dass gewissen Pflanzen Eleetricität innewohne, die sich durch einen Schlag auf die Hand des sie Angreifenden äussere. Man könne von einem Zustande des Wachens und Schlafens der Pflanzen sprechen, den letzteren wie bei den Thieren so auch bei den Pflanzen durch Anästethica erzeugen , den Pflanzen sowie den Thieren demnach auch ein Nervensystem zusprechen, durch dessen Reizung gewisse Bewegungen entstehen können. Durch Erschütterungen und ähnliche reizende Veranlassungen legen sich die Fiederblätter der Mimosa pudica namentlich in erhöhter Temperatur zusammen, bewegen sich Oxalis und Berberis vulgaris, die Droseraceen , möglich, dass gerade bei erhöhter Temperatur, die auch in den Blumenkronen von Nymphaea alba, Victoria regia beobachtet worden, ein Reiz auf gewisse Organe der Pflanzen stattfindet, dadurch eine Be¬ wegung veranlasst werde. Bei der Diskussion über den Vor- X trag spricht Herr Prof. v. Feil itz sch über die Wirkung der Phytolacca auf eine Magnetnadel und meint, dass eine electro- magnetische Fern-Wirkung in einer Pflanze um desswiilen nicht denkbar sei, weil man nicht absehen könne, wo sich der zu einem electrischen Strom nöthige Schliessungsbogen be¬ finde, der genügende Dimensionen zu einer Wirkung in grosse Ferne besitze; .electrische Schläge von Pflanzen seien möglich wie von Fischen, indem hierbei nur statische Electricität er¬ forderlich sei, die magnetischen Wirkungen der Pflanzen seien mindestens problematisch. Herr Ingenieur Schünhoff macht auf einen in der Zeit¬ schrift des Vereins deutscher Ingenieure erschienenen Aufsatz „Ueber Quellenbildung“ von Dr. 0. Volger in Frankfurt a M. aufmerksam, worin der Verfasser die Speisung der Quellen weniger von unterirdischen Wässern, als vorzüglich von dem aus der Atmosphäre sich niederschlagenden Wasserdampf her¬ leitet. Herr Prof. Scholz stellt ein Referat über diese Theorie in Aussicht. Sitzung vom 9. Januar 1878. Vorsitzender Herr Prof. v. Feilitzsch. Zum Eintritt wird angemeldet Herr Lieutenant Pflugradt. Herr Dr. Lohse hält einen Vortrag über das Bell sehe Telephon. Nachdem er des Entdeckers Reiss gedenkt, bespricht er die nähere Einrichtung des Telephons. Bei der sich an den Vortrag anknüpfenden Diskussion zeigte Prof. v. Feilitzsch die dem Reiss’schen Telephon zu Grunde liegenden Versuche Joule ’s über die Verlängerung der Eisenkerne beim Magne¬ tismen durch den galvanischen Strom. — Den Beschluss machen Versuche mit einem Bel Eschen Telephon z wisch dem Auditorium und dem Nebenhaus des physikalischen Instituts. Sitzung vom 6. Februar 1878. Vorsitzender Herr Prof. v. Feilitzsch. Nach Genelnni- gung des Protokolls tlieilt der Vorsitzende den Inhalt einer Zuschrift des Herrn Prof. Dr. Rollmann in Stralsund mit. Derselbe hat in sehr sinnreicher Weise Sinussoiden aus Drath construirt und diese über Cylinder gebogen, deren Umfang XI im wechselnden Verhältniss zu der für die Sinussoiden zu Grunde gelegten Schwingungsweiten stehen. Projicirt man diese so gewonnenen Figuren auf eine Ebene, so erhält mail die Li ss aj ou 'sehen und Melde ’schcn Schwingungscurven. Einige Proben dieser Curven wurden vorgelegt. Leber eine im Fragekasten befindliche Frage: ,,Es wird von verschiedenen schwerhörigen Personen erzählt, dass sie bei rauschender Musik leicht die Worte der menschlichen Stimme verstehen , also dass sie die Gelegenheit gerne be¬ nutzen, sich in Concerten und beim Tanze zu unterhalten. Liegen hierüber anderweit Beobachtungen vor? und wenn diese Wahrnehmung richtig ist, wie lässt sich die Erscheinung physiologisch und physikalisch erklären ?a entspinnt sich eine längere Diskussion, ohne dass über die Thatsache wie über eine Erklärung derselben nähere Auskunft gegeben werden konnte. Herr Dr. v. Preuschen verspricht über den Gegen¬ stand nähere Nachforschungen anstellen zu wollen. Sodann referirt Herr Prof. Dr. Scholtz über die neue Theorie der Quellenbildung, welche von dem Geologen 0. Volger bei Gelegenheit eines zur 18. Hauptversammlung des Vereins deutscher Ingenieure zu Frankfurt a. M. gehalte¬ nen Vortrages aufgestellt worden ist. Referent kommt zu dem Schlüsse, dass die Volger ’sehe Ansicht über die Bildung der Quellen für einen Theil des Quellwassers und für einzelne Schichten und Localitäten zutreffend sein möge, dass man aber für die Erklärung der Herkunft der Hauptmasse des Quellwassers doch an der bisherigen Quellentheorie festhalten müsse. Endlich führt der Vorsitzende einige Versuche aus, welche das Tönen von Stahlseilen nachweisen , wenn dieselben durch rascher oder langsamer intermittirende galvanische Ströme magnetisirt und entmagnetisirt werden, welche in einer die Seiten umgebenden Drathspirale umlaufen. Es wurde hierdurch eine Fortsetzung derjenigen Fundamental-Erschei¬ nungen gegeben, auf denen das Reis’sche Telephon beniht Sitzung vom fi. März 1878. Vorsitzender Prof. v. Feil itz sch. Nach Verlesung und XII Genehmigung des Protokolls legt Herr L. Holtz Rechnung über das verflossene Verein sjahr ab. Zur Revision der Rech¬ nung werden die Herren v. Corswant und Kreisgerichtsrath Medern ernannt. Der Vorstand wurde vom Verein beauf¬ tragt, für die von dem Herrn Cultus minister Dr. Falk dem Vereine abermals bewilligten 300 Mark den Dank auszu¬ sprechen. Zur Aufnahme in den Verein hat sich Herr Sani¬ tätsrath Hecht aus Stralsund gemeldet. Hierauf hielt Herr Hauptmann v. Brunn einen Vortrag über die neuere Schiesstheorie und Schiessversuche. Nach¬ dem derselbe speziell auf beide Theile eingegangen war, kam er schliesslich zu dem Ergebniss, dass das Schiessen für den Einzelnen eine Kunst sei und bleibe, dass diese Kunst aber zur Wissenschaft werde, sobald es sich um Massenfeuer und Feuern auf weite Distanzen handle. Hierzu gehört die gleiche ballistische Kenntniss des Infanterie-Offiziers für seine Waffe, wie sie dem Artillerie -Offizier für sein Geschütz eigen ist. Die Gesetze der Ballistik sind noch nicht abgeschlossen, Studium, Versuche und die Wissenschaft haben hier ein gros¬ ses Feld der Thätigkeit speziell auch die Naturwissenschaft, welche wie bislang berufen ist zur Lösung der noch nicht genügend geklärten Probleme der Ballistik. Sitzung vom 3. April 187 8. Vorsitzender Dr. Marsson. Die zu Rechnungs-Revisoren ernannten Herren v. Corswant und Medern hatten die Jahresrechnung pro 1877 richtig befunden und dem gemäss ertheilte der Verein dem Herrn L. Holtz unter Danksagung für die Mühewaltung Decharge. Hierauf sprach Prof. v. Feilitzsch über Verflüssigung der Gase. Nachdem an geläufigeren Beispielen der Process des Uebergangs aus dem gasförmigen in den tropfbaren Zu¬ stand besprochen war, führte der Vortragende die wesent¬ lichen historischen Momente an, wie man mit grösserem oder geringerem Erfolg die unter dem herrschenden Atmosphären¬ druck und bei den gewöhnlichen Temperaturen nur im Gas¬ zustand verkommenden Körper in tropfbare Flüssigkeiten verwandelt hat. Eine leichter zu coercirende Substanz, nämlich xin das Ammoniak wurde vor den Augen der Versammlung im Oerstedt’schen Piezometer durch Druck verflüssigt, imglei¬ chen wurde in einer starkwandigen Glasröhre enthaltenes Cyan¬ gas durch Temperatur-Erniedrigung (in einer Kältemischung) in tropfbarer Form dargestellt. Vorgezeigt wurde der Mat¬ terer ’sche Apparat mit dessen Hülfe Kohlensäure und Stick¬ stoffox vdul condensirt wurden. Ist es nun auch schon seit V langer Zeit möglich gewesen , die verschiedenen bekannten Gase zu verflüssigen , so haben sich doch bis gegen Ende des vorigen Jahres fünf Gase und zwar Sauerstoff, Stikstoff, Wasserstoff, Kohlenoxyd und Grubengas allen dahin zielenden Bemühungen widersetzt. Eine Besprechung durch welche gleichzeitig Pictet in Genf und Cailletet in Paris es möglich machten, auch diese Lücken auszufüllen, wurde auf die nächste Sitzung verschoben. Herr Dr. v.Preu sehen sprach nun über das Phänomen, dass Harthörige besser bei stärkerem Geräusche einer Kon¬ versation folgen können, als bei sonst ruhiger Umgebung. Vortragender erörterte zunächst an einem Modell von Zeiler die Einrichtung des Ohres und an einem andern Modell nach Helmholtz die Funktionen der Gehörknöchelchen. Sodann theile er einige von Prof. v. Tröltsch in Würzburg gesam¬ melte Nachrichten über hierhergehörige Beobachtungen mit, die zum Theil in ähnlicher Weise erklärt weiden wie es in dem Briefe des Herrn v. Friedrichs geschehen ist, die aber andererseits als Thatsachen unerklärt dahingestellt bleiben. Endlich aber führte er die höchst beachtungswerthen Beobach¬ tungen und Erklärungen des Ohrenarztes Moniere an, welche sicli folgendermassen zusammenfassen lassen. Ein älterer fast tauber Gerichtspräsident pflegte, um den Verhandlungen in den Sitzungen folgen zu können , mit einer abgerundeten goldenen Nadel von aussen auf das Trommelfell und zwar, wie eine nähere Untersuchung ergab, auf die Insertionsstelle des Hammers, einen gelinden mechanischen Druck auszuüben. Dieses ergiebt aber einen Fingerzeig zu einer Erklärung. Es können nämlich die Verbindungen der einzelnen Gehör¬ knöchelchen, besonders die zwischen Ambos und Steigbügel als die dünnsten, krankhaft (etwa durch Eiterung oder starke XIV Erschütterungen) gelockert werden, und zwar um so mehr, als dieselben in Folge des entgegengesetzten Zuges vom Trom¬ melfell und der Membran des ovalen Fensters sich in dauern¬ der Spannung befinden. Solche Lockerung verhindert aber die Ueberführung der Schallvibrationen vom Trommelfell durch die Reihe der Knöchelchen zum ovalen Fenster und durch dieses mittelst des Labvrinthwassers zum Gehörnerven. Durch den äusseren Druck auf das Trommelfell können aber die gelockerten Stellen wieder in Berührung gebracht und somit eine Schallleitung zum Nerven wiederum vermittelt werden. Sitzung vom 1. Mai 1878. Vorsitzender Dr. Marsson. Nach Genehmigung des Protokolls wird Herr Baumeister Goos zum Eintritt in den Verein angemeldet. Herr Prof. v. Feil itz sch erhält sodann das Wort zur Fortsetzung seines in der vorigen Sitzung abgebrochenen Vor¬ trages. Derselbe erörtert zunächst den scheinbaren Unter¬ schied zwischen Gasen und Dämpfen. Erstere gehorchen dem Mariottischen Gesetze, und dieses wurde an einem eigens dazu construirten Apparate dargethan. Letztere besitzen dagegen ein Maximum der Spannkraft und mit dem Eintreten desselben hat man es mit gesättigten Dämpfen zu thun. Dieses Maximum, sowie die Aenderung desselben mit der Temperatur wurde ebenfalls durch Versuche veranschaulicht. Nun aber hatten Cagniard de la Tour und Andree, namentlich aber Andrews nachgewiesen, dass jeder Flüssigkeit eine Temperatur, die sogenannte „kritische Temperatur“ zukomme, über welcher sie nur in gasförmigen Zustande bestehen und nicht in tropf¬ barer Gestalt dargestellt werden können, ln der-Vermuthung nun, dass diese kritische Temperatur bei den bislang noch jeder Condensation widerstandenen Gasen weit unter dem Nullpunkt unserer Thermometer liege, hatten die Herren Cail- letet in Paris und Raoul Pictet in Genf unabhängig von einander und mit Anwendung sehr verschiedener Vorrich¬ tungen die bisher noch als permanent erachteten Gase inso¬ fern einer neuen Prüfung ausgesetzt, als sie dieselben gleich¬ zeitig äusserst niedrigen Temperaturen (bis unter 100°) und XV sehr bedeuteten Drucken unterwarfen. — Namentlich wurde die Methode nach welcher Pictet in dieser Weise eine Con- densation von Sauerstoff und Wasserstoff erzielte, ausführlicher besprochen. Der Vortragende hatte in der früher angegebenen Weise mit Hülfe des Natt er er sehen Apparats etwa 1 Pfund Kohlensäure verflüssigt und stellte einige Versuche mit der¬ selben an. Sitzung vom 6. Juni 1878. Vorsitzender Dr. Marsson. Nach Verlesung und Ge¬ nehmigung des Protokolls, sowie Erledigung kleiner geschäft¬ licher Mittheilungen erhält Herr Dr. Goeze das Wort. Derselbe sprach über das „Studium ökonomischer Botanik in Rücksicht auf Erziehung und Handel“. Gewöhnlich be¬ schränkt man den Unterricht in der Botanik auf die Beziehung der Pflanzen unter einander und ihre Klassifikation nach dem Verwandtschaftsgraden. Anhangsweise wird wohl auch über die Lebensverrichtungen der Pflanzenorgan c und über deren Structur gehandelt. Doch würde sicherlich der Unterricht von Interesse und Fruchtbarkeit für das Leben gewinnen, wenn ausser den genannten Demonstationcn an bekannteren, einheimischen, wildwachsenden Pflanzen ausführlicher Bezug genommen würde auf die Lebensbedingungen , die Herkunft, die Gewinnung, die Versendung, die Nutzbarmachung derjeni¬ gen Pflanzen, welche von nah und ferne kommend, das Material zur Ernährung, zu Genussmitteln, zu Medikamenten, zur Be¬ kleidung, zu Bau- und Haus-Einrichtungen, zu Schmuck und Ornamcntirung Verwendung finden. — Liegt auch die Be¬ deutung solcher Kenntnisse schon für das gewöhnliche Loben auf der Hand, so sind dieselben für den Kaufmann sogar un¬ entbehrlich. Zur Hälfte mindestens beruht der Handel in dem Sammeln und Verschicken von Rohstoffen und Präparaten aus dem Gewächsreiche. Durch eingehendere Konntniss der von der Natur und den Conjuncturen gebotenen Bedingungen würde ungleich grösserer Gewinn für den Producenten, den Vermittler und den Consumenten gezogen werden, als cs thatsächlich der Fall ist. Durch Anbahnen von Culturen und Vermeiden von Devastationen würde uns das Pflanzenreich XVI noch ungleich nutzbringender werden , als es bisher der Fall ist. — Diese Zwecke werden aber nur mühsam durch trockene Mittheilungen aus Büchern erreicht , vielmehr wäre die Gründung kleinerer oder grösserer, jedenfalls aber recht vieler und möglichst zugänglicher botanischer Museen ein ungleich wirksameres Bildungsmittel. Kleinere Samm¬ lungen lassen sich leicht durch Ankäufe bei Droguisten und Apothekern sowie durch Beifügen geeigneter Kartenskizzen und gelegentliche Erwerbung ganzer Suiten von Productions- phasen gewinnen. Aus solchen kleineren Anfängen sind die grösseren Museen hervorgegangen, wie z. B. das botanische Museum in Kewgarden bei London. Sitzung vom 3. Juli 18 78. Vorsitzender Prof. v. Feilitzsch. Herr Dr. Mars so n erklärt sich auf den Wunsch der Versammlung bereit, die Bedaktion „der Mitteilungen^ auch in diesem Jahre wieder zu übernehmen. Sodann sprach Herr Dr. Holtz „Ueber die Zunahme der Blitzgefahr und die Anlage von Blitzableitern1* Unter Blitz- gefahr versteht der Vortragende den Quotienten aus der Zahl der Blitzschäden eines Landes durch die Zahl der Gebäude desselben. Dieser Werth ist in den letzten Jahren für die meisten untersuchten Districte ein beträchtlich grösserer ge¬ worden. Der Grund dieser Erscheinung wurde in der immer zunehmenden Entwaldung, in der metallischen Verbindung der Ortschaften durch Eisenbahnen und Telegraphen, sowie in der immer häufiger werdenden Anwendung metallischen Baumaterials in Gestalt von Gas- und Wasserrohren, Klingel¬ zügen, Verrohrungsdrähten u. s. w. gefunden — die durch¬ schnittliche Vermehrung der Blitzgefahr macht aber eine Vermehrung der Blitzableiter äusserst wünschenswerth, und zwar müssen dieselben sorgfältiger konstruirt und häufiger kontrollirt werden als bisher, um die Gesammtgefahr zu ver¬ meiden. Der Vortragende verbreitete sich nun weiter über die Konstruction und Anlage der Blitzableiter, wie sie aus den neuesten Erfahrungen herzuleiten sind. Vor Allem ist daraus hervorzuheben, dass die Meinung, es solle der Blitz- XVII ableiter wesentlich dazu dienen, ein Gebäude durch Ausstrah¬ lung der Influenzelectricität vor dem Einschlagen zu schützen, nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, indem gerade Ge¬ bäude mit Blitzableitern häufiger Einschläge erfahren, als wenn sie der Ableiter entbehren. Deswegen müssen die Blitzableiter so eingerichtet werden, dass sie nicht allein den Blitz anziehen, sondern auch sicher und ohne verletzt zu werden, zum Boden ableiten. Die näheren Ausführungen sind hier einer besondern Abhandlung Vorbehalten. Schliesslich findet noch eine Diskussion über Lepisma saccharina und Puccinia coronata graminis statt. Verzeichntes der vom September 1877 bis dahin 1878 beim Verein ein gegangenen Druckschriften. I. Deutschland. Augsburg. Gallisch, Excursionsflora für das südöstliche Deutsch¬ land. 1878. Berlin. Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft. Bd. 29, 3, 4. Bd. 30, 1. — Monatsber. der Königl. Preuss. Akademie der Wissen¬ schaften. 1877. Septbr. — Decbr. 1878, Jan. — Mai. Bremen. Abhandl. des naturw. Vereins. Bd. 5, Heft 3 — 4, Beilage 6. Dresden. Sitzungsb. der naturw. Gesellschaft Isis, 1877, Juli — December. Frankfurt a M. Jahresb. des phvsikal. Vereins. 1811. Bericht über die Senke nbergisehe Gesellschaft. 1877. Fulda. Bericht des Vereins für Naturkunde. Ber. 5, 1878. Böttingen. Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften. 1877. küstrow. Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg. 31, Jahrg. 1877. b XVIII Halle a/S. Abhandl. der naturf. Gesellschaft Bd. 13, Heft 4. — Zeitschr. für die gesammten Naturwissenschaften von Giebel und Siewert. Dritte Folge, Bd. 1 u. 2. Hamburg-Altona. Naturw. Verein. Neue Folge 1875 — 76. Heidelberg. Verhandl. des naturhistorisch, medizinischen Ver¬ eins. Bd. 2, Heft 2. Königsberg i. Pr. Schriften der König!, physikalisch-ökono¬ mischen Gesellschaft 17. Jahrg. 1 u. 2, 18. Jahg., 1. Landshut. Botanischer Verein. Bericht' 6. Magdeburg. Naturwissenschaftl. Verein. Ber. 7. Marburg. Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Natur- wissensch. Ber. 1876u. 77. Abhandl. Bd. 11, Nr. 1.2. 3. München. Sitzungsber. der math. physikalischen Klasse der Akademie der Wissensch. 1877, Heft 2, 3. Münster. Jahresbericht der zoologischen Seetion des West- phälischen Provinzial- Vereins für Wissenschaft u. Kunst. Jahrb. 6, 1877. Putbus. Entomologische Nachrichten. Herausg. von Dr. Katt er. Jahrg. 4, 1 — 14. Rheinland u. Westphalen. Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preuss. Eheinlande u. Westphalens. Jahrg. 32, 2, Jahrg. 34, 1. Stettin. Zeitschr. d. ornithologischen Vereins. Jahrg. 2, Nr. 1 — 8. Stuttgart. Würtembergische naturwissenschaftliche Jahreshefte. Jahrg. 34, 1 — 3. Wiesbaden. Jahrbücher des Nassauischen Vereins für Natur¬ kunde. Jahrg. 29, 30. Würzbnrg. Sitzungsb. der physikalisch-medizinischen Gesell- Schaft. Jahrg. 1877» Zwickau. Verein für Naturkunde. Jahresber. 1877. ii. Oesterreich-Ungarn. Aussig. Berichte des naturw. Vereins in Aussig a. d. Elbe. 1876 u. 77. Brünn. Verhandlungen des naturf. Vereins. Bd. 15, Heft 1 — 2. Mittheilungen der k. k. mährisch-schlesischen Gesell¬ schaft. Jahr 57, 1877. XIX Craz. Jahresber. des akademisch - naturwissensch. Vereins. Jahrg. 3, 1877. Insbruck. Berichte des naturwissenschaftlich-mathematischen Vereins. Jahrg. 7, Heft 1. Linz. Jahresbericht des Vereins für Naturkunde in Oesterreich Ob der Ems. Jahresber. 1—9. Pest. Kerpely. Ungarn 's Eisenerze. Prag. Königl. Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften Jahresber. 1877. Triest. Bolletino della Societä Adriatica di sience naturali. Vol. 3, Nr. 3. Wien. Verhandlungen der zoologisch-botanischen Gesellschaft Bd. 27, Jahrg. 1877. — Kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Sitzunsgber. der mathem.-naturw. Klasse. 1877, 25—28, 1878. 1-6, 10—17. — Schriften des Vereins zur Verbreitung naturwissen¬ schaftlicher Kenntnisse. Bd. 17, 18. III. Belgien. Brussel. 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(Wisconsin). Jahresbericht des naturw. Vereins. Jahrg. 1877 u. 78. Einzelschritte n. Dr. Goez* 68 Erde bestimmt ist, lege man im Allgemeinen nicht tiefe rT als die Grundmauern des Hauses reichen, weil eine tiefere Lage keinen Zweck , wohl aber den Nachtheil haben könnte, dass die Platte zur Zeit eines Gewitters weniger feucht , als in höheren Regionen läge. Es kann sogar unter Umständen eine weniger tiefe Lage geboten sein, wenn sich nämlich bei der Eingrabung eine undurchlässige Erdschicht bieten sollte. Dann könnte man jedoch der grossem Sicherheit halber die Leitung über die Platte hinaus bis auf die grösste Tiefe der Grundmauern verlängern. Endlich empfehle ich für jede Leitung, soweit sie unsicht¬ bar ist, eine Skizze anzufertigen, worin die Grösse und Lage der Platten nach genauem Maasse zu verzeichnen wäre. Was mit dem Blitzableiter zu verbinden ist. Eine Verbindung von am Gebäude befindlichen Me- o talltheilen mit dem Blitzableiter ist kaum ausführbar, ohne diesem Ecken und Kanten anzuhängen, welche man deshalb gern beschränkt, weil an solchen am leichtesten ein Abspringen des Blitzes zu erfolgen pflegt. Sie ist ferner kaum ausführbar, ohne den Blitz zugleich andern Th eilen, welche man doch nicht mit dem Blitzableiter verbinden kann , zu nähern, nach welchen als dann immer noch, vielleicht sogar eher, ein Übergang desselben statthaben könnte. Gleichwohl hat man auf solche Verbindungen bisher ein grosses Gewicht gelegt, weil man wohl mehr die Elektricität des Gebäudes, als diejenige der Erdoberfläche in 's Auge fasste. Ich hob dies bereits bei Besprechung der Auffangstangen hervor und äusserte mich dahin, dass ich jene Auffassung nicht theile. Vielleicht wurden solche Verbindungen auch deshalb häufiger gewählt, weil man der Lage der Leitungen eine geringere Aufmerksamkeit schenken wollte, da eine weniger geeignete Lage, nicht immer, aber doch häufig durch eine entsprechende Verbindung auszugleichen ist. Ich glaube jedoch aus den obigen und den bereits früher angeführten Gründen, dass es richtiger 69 ist, solche Verbindungen so viel als möglich zu beschränken, und um hierfür einen Anhalt zu geben, will ich die wesent¬ lichsten Stücke, welche überhaupt in Betracht kommen können, ausführlicher besprechen. Kein innerlich gelegene Stücke ratlie ich nicht mit dem Blitzableiter zu verbinden, mit Ausnahme von Pum¬ pen, deren Wasser bassin zugleich im Innern liegt. Man könnte zwar die Leitung selbst nach solcher Pumpe führen; und sind zwei Leitungen mit einander verbunden , so mag dies mit der einen auch immer geschehn. Einer einzelnen Leitung gebe man jedoch lieber ein aus s erlich gelegenes Ziel, weil sic nach innen geführt einen verhältnissmässig grossen Umweg machen müsste, und wende dann unterhalb der Erde eine Zweigleitung an, welche möglichst grade aber in beliebiger Tiefe nach dem fraglichen Orte strebt. Ist das Pumpenrohr von Holz, oder will man den Drath mit einem metallenen Kolire nicht verbinden, weil jener aus Kupfer und dieses vielleicht aus Eisen wäre, so führt man die Leitung mit einer Platte versöhn in’s Wasser, da nicht eigentlich die Ver¬ bindung mit der Pumpe, sondern vielmehr mit dem Wasser¬ bassin in Betracht kommt. Was die Plattengrösse betrifft, so würden sich hier, wie in allen ähnlichen Fällen Haupt- und Zweigleitung in das sonst für die Hauptleitung allein gültige Maass zu theilen haben. Mit andern Worten: es ist gleichviel Kupferblech erforderlich, ob die Hauptleitung für sich allein , oder noch mit Zweigleitungen in die Erde zu führen sei. Wenn ich andre rein innerliche Stücke von der Verbin¬ dung ausschliesse , so ist dies im Hinblick auf gewöhnliche Gebäude und Kirchen gemeint. Bei Fabriken mögen immer¬ hin noch andre Stücke mit der Leitung zu verbinden sein. Es möchten namentlich solche in Betracht kommen, welche tief in die Erde und gleichzeitig weit in die Höhe reichen. Ein sicheres Urtheil hierüber aber lässt sich nur an Ort und Stelle fällen. Halb äusserlich und innerlich gelegene Stücke ratlie ich gleichfalls nicht mit dem Blitzableiter zu verbinden, mit Ausnahme der Gas- und Wasserleitungsröhren. 70 Zu diesen muss jedoch ohnehin schon nach Früherem die Leitung geführt werden und deshalb fallen sie für die vor¬ liegende Betrachtung fort. Mit den gedachten Stücken sind übrigens solche gemeint, welche nicht bloss für sich, sondern auch in ihrem Zusammenhänge mit andern von innen nach aussen oder von aussen nach innen reichen. Hierhin gehört z. B. bei Kirchen die Stundenglocke, das Zifferblatt, bei Ge¬ bäuden eine Regenrinne, welche in einen sogenannten Regen¬ bach führt. Die letzte Regel gilt gleichfalls nur für gewöhnliche Ge¬ bäude und Kirchen, während bei Fabriken vielleicht in ge¬ wissen Fällen anders zu urtheilen ist. Die leitenden Bezie¬ hungen sind hier jedoch so mannigfaltig, dass sich für diesen Fall gar keine Vorschriften geben lassen. Mit rein äuss erlich gelegenen Stücken sind diejenigen gemeint, welche höchstens ihrer Befestigung halber in’s Innere des Gebäudes reichen. Von diesen ratlie ich die folgenden unter folgenden Bedingungen mit dem Blitzableiter in Verbindung zu setzen. Firstverzierungen, überhaupt Alles, was die First überragt, sind im Allgemeinen keiner Verbindung benöthigt; sie müssen ja auch nach Früherem innerhalb des Schutz¬ raumes liegen, oder selbst die Spitzen von Blitzableitern sein. Ja eine Verbindung könnte hier sogar bedenk¬ lich sein, wenn jene nämlich verhältnissmässig tief in 3* Ge¬ bäude hineinträten, oder sie könnte den Zweck sonstiger An¬ ordnungen vereiteln, wenn man die Leitung nämlich vom Dache möglichst fern halten wollte. Es wäre jedoch möglich, dass es unter gewissen Verhältnissen schwer wäre, jene Stücke in den fraglichen Schutzraum zu bringen, und dass man ihnen auch der Kosten halber nicht gern eine besondere Leitung geben wollte. Es möchte zufällig auch kein besonderes Ge¬ wicht darauf zu legen sein, dass die Leitung vom Dache fern gehalten würde , wenn die Auffangstange des Blitzableiters nämlich eben so weit, als jene Stücke ins Gebäude reichte. In solchem Falle mag denn die fragliche Verbindung allen¬ falls den Mangel eines genügenden Schutzraumes ersetzen. Die Zweigleitung wäre alsdann an dem untersten Theile des- 71 Stückes oberhalb cler First, so wie früher angegeben, zu be¬ sagen. Xach der Hauptleitung hin wäre sie in horizontaler Richtung zu führen, oder mehr oder weniger abwärts, so dass das letzte Ende nach unten gerichtet ist (Fig. 20). Eine Metallbedachung ist allemal mit dem Blitzab¬ leiter zu verbinden, doch wird es hier in den wenigsten Fällen einer Zweigleitung bedürfen. Meistens wird die Leitung über das Metalldach fortlaufen, oder dasselbe doch wenigstens an irgend einer Stelle berühren. Ein Weiteres wird dann kaum nöthig sein, doch mag man der grösseren Vorsicht halber lieber noch eine Yerlöthung eintreten lassen. Bei Kirchen aber kann es geschehen, dass die Bedachung des Kirchenschiffes der Leitung des Thurmes fern liegt, oder dass man dieser, einer Annäherung zu Gefallen, keine grössere Krümmung vorschreiben möchte. Alsdann würde, wenn nicht vielleicht schon eine Firstleitung die nöthige Verbindung böte, eine Zweigleitung, etwa von der mittleren Höhe des Daches aus, in horizontaler Richtung zu verwenden sein. Bei stück weisen Metallbedachungen, wohin auch metallische Bekleidungen der First oder der sonstigen Dach¬ kanten zu rechnen sind, ist die Grösse ihres Abstandes vom Blitzableiter zu erwägen. Führt die Leitung über sie, so bedarf' es keiner weiteren Verbindung, ich meine, dass in diesem Falle höchstens eine Verlöthung nöthig wäre. Treten jedoch an ein solches Stück andere, welche eine von der Leitung abweichende, abfallende Kette bilden, so wäre das unterste in horizontaler Richtung mit dem Blitzableiter zu verbinden. Bleibt die Leitung über 2 Meter entfernt, so be¬ darf es überhaupt keiner Verbindung, es sei denn, dass das Stück etwa mehrere Quadratmeter gross wäre, ln allen andern Fällen mag eine Zweigleitung verwandt werden, welche von der Mitte des fraglichen Stückes aus in horizontaler Richtung läuft. Treten jedoch mehrere Stücke derartig an¬ einander, dass sie eine längere abfallende Kette bilden, so müssten beide Enden eine besondere Zweigleitung haben. Hierbei wäre es zweckmässig, wenn man den oberen Dratli, in seinem letzten Verlauf nach oben, den untern nach unten gerichtet, an die Hauptleitung schlicsscn wollte. Der untere Drath könnte aber bedingungsweise fehlen, falls sich eine ab¬ fallende Dachkante etwa unmittelbar an eine Regenrinne schliessen sollte. Die wichtigsten aller in Betracht kommenden Stücke sind die Dachrinnen, weil sie der Erdoberfläche am nächsten treten, und diese in ihrer Nachbarschaft am besten leitet. Ich meine natürlich nur^dioj eiligen Rinnen, welche selbst zur Erde führen, oder sich solchen nähern. Alle übrigen brauchen nicht weiter beachtet zu werden. Jene ersten, die senk¬ rechten, sind in sofern die wichtigeren, als der Blitz sie vorzugsweise erstreben wird. Es ist daher wiederholt schon darauf aufmerksam gemacht , dass die Leitung ihnen thunlichst genähert werden muss. Zum wenigsten ist dies unter solchen Verhältnissen Bedürfnis, wo die Leitung unter¬ halb jener Rinnen ihre Ableitung finden soll. Sonst mag es genügen, wenn sie über eine horizontale Rinne fortläuft, falls diese wieder in eine senkrechte mündet. In allen diesen Fällen ist es sicherlich am besten, wenn man die Leitung mit den Rinnen, und diese miteinander verlöthet. Unterbleibt dies, so kann es jedoch keinen weiteren Nachtheil bringen, als dass die Stücke eine geringe Beschädigung erleiden. Es ist selbstverständlich, dass, um eine exacte Berührung zu er¬ möglichen, die Leitung an der betreffenden Stelle keine scharfe Biegung machen darf, und damit dies nicht geschehe, wird wohl an der horizontalen Rinne häufiger ein kleiner die Biegung abkürzender Draht zu verwenden sein. Es kommt jedoch vor, dass man die Leitung einer senkrechten Rinne nicht nähern, und auch über keine horizontale führen kann, welche in jene mündet. Soll trotzdem eine Verbindung statt¬ finden, so ist alsdann eine längere Zweigleitung nöthig, welche am besten oberhalb der Dachkante nach dem oberen Ende der Rinne führt und am richtigsten an dieser bogenförmig nach unten, an der Hauptleitung bogenförmig nach oben ge¬ wendet ist. Solche Verbindung könnte jedoch höchstens Be- dürfniss sein, wenn die Rinne an einer der Ecken derjenigen Seite des Gebäudes läge, an welcher die Leitung zur Erde führt, und auch dann nur bei weniger als etwa 8 Meter Ent- 73 fernung, oder bei der Voraussetzung, dass die Hauptleitung nicht genügend abgeleitet sei. Hiermit glaube ich die wesentlichsten Stücke, um deren Verbindung es sich handeln könnte, erörtert zu haben. Über das Bedürfniss einer zeitweisen Prüfung der Blitzableiter. Ein Blitzableiter kann seine guten Eigenschaften ver¬ lieren, sei es, dass er selbst hinfällig wird, sei es, dass er den veränderten Verhältnissen nicht mehr ent¬ spricht. Hieraus folgt, dass eine Anlage zeitweise zu prüfen ist, wenn man will, dass sie dauernden Schutz gewähren soll. Ein Blitzableiter wird um so eher hinfällig, je ungünsti¬ ger das Material, und je weniger Sorgfalt auf die Verbindung seiner Stücke verwandt ist. Bei vielen älteren Anlagen liegt kein besonders günstiges Material vor, und ist auch der frag¬ lichen Verbindung nicht die nöthige Aufmerksamkeit geschenkt. Aber auch das beste Material schwindet alhnählig, und die beste Verbindung wird allmählig lockrer, und schon aus die¬ sem Grunde sind im Laufe der Jahre verschiedene Erneue¬ rungen angezeigt. Manches Stück jedoch, wie z. B. die Spitze, oder was vorwiegend äussern Angriffen ausgesetzt, kann viel¬ leicht schon früher einer Reparatur bedürftig sein. Ein Blitzableiter wird um so eher den veränderten Ver¬ hältnissen nicht mehr entsprechen , als durch diese leitende Beziehungen im Innern des Gebäudes oder in dessen Nähe geschaffen sind. Sehr viele ältere Anlagen entsprachen wohl den Verhältnissen, unter welchen dieselben entstanden, aber sie entsprechen nicht mehr den heutigen , welche den Blitz leichter von dem vorgezeichneten Wege abziehn. Ein dünner Leitungsdrath mochte früher z. B. an einem bestimmten Orte genügen , falls sich hier nur ein verhältnissmässig geringes Stück der Erdoberfläche entladen konnte. Er genügt nicht mehr, wenn inzwischen Anordnungen getroffen sind, in Folge 74 deren eine stärkere Entladung möglich geworden ist. Eine schlechte Erdleitung mochte früher für ein bestimmtes Ge¬ bäude genügen, falls im Bereiche desselben nicht andre Leiter besser mit der Erde in Verbindung standen. Sie genügt nicht mehr, wenn inzwischen Umstände geschaffen sind, durch welche der Blitz auf andern Wegen leichter zu Erde gelangen kann. Aber auch was heute entsteht und den Be¬ dürfnissen der Jetztzeit Rechnung trägt, braucht deshalb noch nicht für kommende Jahre zu genügen , denn jede Anlage kann , wenn man die Anlagekosten nicht unnöthig erhöhen will, nur unter Berücksichtigung der grade vorliegenden Ver¬ hältnisse geschaffen werden. In Etwas mag der Fabrikant zwar auch bevorstehende Einrichtungen in Betracht ziehn, nämlich diejenigen, welche sicher und in kürzester Zeit zu erwarten sind. Er mag sich erkundigen, ob der Besitzer einen innern Brunnen zu graben, Gas- oder Wasserleitung einzu¬ führen , Regenrinnen anzulegen beabsichtigt. Er mag nach dieser Informirung in der Stärke und Vertheihing der Lei¬ tungen gewisse Rücksichten walten lassen. Aber im Ganzen gelten für ihn Verhältnisse, wie sie sind, nicht wie sie wer¬ den, und daraus folgt, dass das Geschaffene nicht allemal so bleiben kann, wie es ist. Es ist selbstverständlich, dass eine Anlage, wenn sie auch keine volle Sicherheit mehr bietet, doch noch in vielen Fällen den Blitz sicher zur Erde geleiten kann. Es brauchen nicht immer alle Ursachen, welche eine Abirrung des Blitzes zur Folge haben müssten , zusammen zu treffen ; es können günstige Umstände obwalten, welche den fraglichen Unglücks¬ fall verhüten. Wenn ein Blitzableiter also in einem Falle seinen Zweck vollkommen erfüllt, so ist dies noch kein Be- / weis, dass man demselben unter allen Umständen vertrauen darf. Eine Anlage kann z. B. nach drei Himmelsgegenden hin vollständig gerüstet sein, während ein Blitz aus der vier¬ ten Gefahr bringen würde. Eine Anlage kann vollkommen zuverlässig sein , so lange der Blitz vom Regen durchnässte Erde findet, während nach trockner Zeit vielleicht eine Be¬ schädigung des Gebäudes erfolgte. Eine Anlage kann sichern Schutz gewähren, so lange eine bestimmte Regenrinne auf die Erde führt, während, wenn man sic in die Küche leitete, eine Abirrung des Blitzes zu gewärtigen stände. Kurz es sind viele Bedingungen möglich, unter welchen ein Blitzableiter noch zweckentsprechend wirken kann, wäre er auch mit Feh¬ lern behaltet, welche unter andern Bedingungen sehr nach¬ theilig werden könnten. Wer jedoch einen Blitzableiter besitzt, verlangt einen unbedingten, keinen bedingten Schutz und er wird zur Erlangung desselben geringen Umständlichkeiten und Kosten gewiss nicht aus dem Wege gehn. Hierhin gehört, dass er in kürzeren Zwischenräumen selbstständig untersucht, ob die wesentlichsten Tlieile keine Beschädigung erlitten haben, und dass er in grösseren durch Sachkundige feststellen lässt, ob die Anlage nicht vielleicht änderungsbedürftig sei. Aber auch der Staat, die Gemeinden, die Feuer- versicherungs-Societäten haben ein Interesse daran, dass jeder Blitzableiter vollkommen sicher geschützt , nicht weil der Schade eines bestimmten Unglücksfalls für sie eine wesent¬ liche Rolle spielte, sondern weil ein solcher Fall die Ver¬ mehrung der Blitzableiter ausserordentlich erschwert. Das grössere Publicum ist nicht so von dem Eutzen dersel¬ ben überzeugt, als es die Gelehrten oder überhaupt diejenigen sind, welche ihre Wirkungsweise verstehn. Es nimmt wohl hie und da die neue Einrichtung an, weil sie von maassge¬ bender Seite empfohlen wird, aber es bleibt misstrauisch gegen dieselbe und wird in diesem Misstrauen bestärkt, wenn sich in einzelnen Fällen, gleichviel aus welchen Gründen, der ver- heissene Schutz nicht sicher erfüllt. Ein solcher Fall — und stände er auch noch so vereinzelt da — geht schnell von Mund zu Mund, und bleibt lange Jahre im Gedächtniss, während man diejenigen, wo der fragliche Schutz eingetroffen ist, nicht so unmittelbar erkennt, oder leichter wieder vergisst. Ich erwähnte bereits, dass in Folge des Blitzschlags an der Kirche zu Gar ding die Bewohner eines grösseren Districtes ihre Blitzableiter wieder zerstörten. Wie viele neue Anlagen aber mögen in Folge dieses einen Falles unterblieben sein! Ist dem aber so, und erheischt zugleich das Interesse jener Körperschaften, dass die Blitzableiter sich vermehren, anstatt 76 sich zu vermindern, so wäre es folgerichtig, wenn auch von dieser Seite aus entsprechende Maassnahmen für die Controlle solcher Anlagen getroffen würden. Es ist gewiss anerkennens- werth, dass manche Feuerversicherungs- Societäten der Ver¬ mehrung der Blitzableiter dadurch Vorschub leisten, dass sie eine Vergütung für dieselben gewähren, aber mehr noch würde wohl in diesem Sinne erreicht, wenn dahin gewirkt würde, dass jene allemal einen sichern Schutz gewähren. Bisher freilich stehn dergleichen Maassnahmen noch sehr vereinzelt da; und in meinem engeren Vaterlande weiss ich nur, dass eine solche innerhalb der Grenzen Schlesweg- Holsteins ver¬ sucht ist. Wie sehr aber im Allgemeinen eine zeitweise Con¬ trolle der Blitzableiter Bedürfniss ist, glaube ich am besten zu zeigen, wenn ich mittheile, was ich hierüber aus eigner Erfahrung weiss. Ich untersuchte im vorigen Sommer 4 — 500 verschiedene Anlagen, von welchen die Hälfte wohl schon seit länger als zehn Jahren bestand. Bei dieser letztem Hälfte fehlten fast überall die Erdplatten, und bei vielen war die Leitung gar nicht bis ins Gr und was sei* geführt. Etwa fünfzehn fand ich, bei welchen der Drath nur wenige Cen- timeter in die Erde reichte, und vielleicht eben so viele, wo er oberhalb der Erde abgerissen war. Bei neueren Anlagen waren zwar meistens Platten vorhanden , aber sie waren in vielen Fällen zweifellos zu klein. Neuere Anlagen waren ferner dadurch häufig fehlerhaft, dass der Drath zu dünn, zu straff gespannt, zu scharf gebogen oder durch seine Befestigungsstücke beschädigt war. Bei der Mehrzahl aller Anlagen war zu schab lonenmässig verfahren; es waren die grade vorliegenden Verhältnisse zu wenig beachtet. Alles in Allem genommen liess sich kaum von der Hälfte der An¬ lagen behaupten, dass sie unter allen Umständen einen sichern Schutz bieten würden. AVenn man die Frage stellt, wie oft wohl ein Blitzab¬ leiter gründlich zu prüfen sei, so meine ich, dass Solches etwa von zehn zu zehn Jahren geschehn müsse. Hierbei setze ich voraus, dass nicht grössere bauliche Veränderungen getroffen werden , dass nicht Gas- oder Wasserleitung oder 77 ein Brunnen ins Gebäude eingeführt wird. Ich setze zugleich voraus, dass jeder Inhaber eines Blitzableiters die etwa leich¬ ter einer Beschädigung zugänglichen Theile selbst häufiger untersucht. Wäre es anders, so könnte die in Rede stehende Prüfung schon in kürzeren Zwischenräumen nothwendig sein. Wenn man die Frage stellt, welchem Berufe die Prü¬ fung der Blitzableiter wohl am nächsten liege, so lässt sich nicht verkennen, dass es derjenige der Blitzableiter¬ fabrikanten selbst ist. Es lässt sich jedoch andrerseits nicht verkennen , dass es einen gewissen Widerspruch in sich scldiesst, wenn man seine eigne oder die Arbeit eines Con- currenten prüfen soll. Zum wenigsten lassen sich Verhältnisse denken , in welchen eine anderweitige Prüfung richtiger er¬ scheint. Hiernach wären gewiss die Bau beflissenen die nächsten, weil sie am besten mit der Eimichtung der Ge¬ bäude vertraut sind, oder die Lehrer, sofern sie sich für Naturwissenschaft interessiren , weil das vorliegende Feld zu eben dieser Wissenschaft gehört. Ich zweifle auch nicht, dass aus letzteren Berufsklassen in jedem Districte eine Per¬ sönlichkeit zu finden sei, welche sich jener Aufgabe gern als einer Nebenbeschäftigung unterzöge. Endlich kann ich nicht unterlassen , mich über eine ge¬ wisse Prüfung der Blitzableiter, welche fasst zur Modesache geworden ist, in tadelndem Sinne zu äussern. Ich meine, dass es verkehrt ist, wenn der Fabrikant seine eigne Ar¬ beit kurz nach ihrer Fertigstell ung mit Hülfe des galvanischen Stromes prüft. Ich meine auch, dass der Inhaber des Blitzableiters einer solchen Prüfung durch¬ aus keinen Werth beilegen kann. Denn abgesehn davon, dass eine galvanische Prüfung überhaupt nur sehr wenig über die Tauglichkeit einer Anlage entscheidet, hat sie zu solcher Zeit in den Händen desselben Fabrikanten, welcher die Anlage geschaffen, auch gar keinen Zweck. Das Wenige, was jene ihm anzeigen kann, muss dieser viel besser aus eigner Anschauung wissen, und er könnte höchstens in seinem Urtheile zweifelhaft werden , wenn das Resultat der Prüfung seinen Erwartungen nicht entspräche. 78 Nach welchem Maassstabe zu prüfen ist. Was den Maassstab betrifft, nach welchem man eine fertige Anlage zu prüfen hat, so muss ich im grossen Ganzen auf das verweisen, was ich über die Herstellung derselben gesagt. Ich muss jedoch an die Benutzung dieses Maassstabes einige Bemerkungen knüpfen, muss auch das Frühere noch nach einer bestimmten Seite hin ergänzen. Wer einen Blitzableiter prüft, hat einen etwas andern Standpunkt, als derjenige, unter dessen Händen ein solcher entsteht; er hat wenigstens einen andern, wenn die Prüfung jenes Ziel verfolgt, welches im vorigen Kapitel angedeutet ist. Der Fabrikant hat neben der Sicherheit, welche die Anlage bieten soll, zugleich den Kostenpunkt zu berücksichtigen, so¬ weit er berücksichtigt werden darf. Dem Prüfenden kann es gleich sein, wie theuer die Anlage ist; er hat einfach zu ent¬ scheiden, ob sie sicher genug sei. Der Fabrikant muss danach streben, soweit er sich im Einvernehmen mit dem Besitzer weiss , dass die Anlage auch möglichst lange wirkungsfähig bleibt. Der Prüfende muss dieselbe für genügend erklären, falls sie für den Augenblick, oder voraussichtlich bis zur nächsten Prüfung genügt. Der Fabrikant hat zu sorgen, dass die Anlage nicht das Gebäude bloss, sondern sich selbst auch — die Spitze ausgenommen — vor der Wirkung des Blitzes schützt. Der Prüfende kann in die Lage kommen , dass er nur den ersteren Schutz zu erwägen hat, falls Solches seiner Instruction oder dem Willen des Besitzers entspräche. Der Fabrikant muss Manches zu erreichen suchen, weil er es mit leichter Mühe erreichen kann, wenn es auch nicht durchaus nötliig, sondern nur wünschenswert!! erscheint. Der Prüfende muss sieh für befriedigt erklären, wenn er erreicht sieht, was durchaus nötliig ist, da eine spätere Ergänzung, wenn bloss wünschenswerth, den Kosten nur selten entspricht. Um das Letztere zu würdigen, vergegenwärtige man sich die Arbeit, welche Dies oder Jenes vor und nach Fertig¬ stellung der Anlage bedingen würde. Wie leicht ist manche 79 Verlöthung, solange die Leitung noch auf der Erde ist, und wie schwer, wenn sich dieselbe bereits in grösserer Höhe be¬ findet! Wie leicht ist manche Befestigung , solange wir die nöthigen Hülfsmittel zur Hand haben, und wie schwer, wenn dieselben erst aus grösserer Ferne zu beschaffen sind! Wie leicht ist es, manche Leitung an einer bestimmten Stelle zu befestigen, und wie schwer, die bereits befestigte nach einer andern Stelle zu verlegen ! Her Prüfende hat also weniger das womöglich noch Erreichbare, als vielmehr das allenfalls noch Zulässige als Maassstab zu betrachten. Legteereinen andern Maassstab an, so könnte er vielleicht unnöthigc Kosten verursachen , oder dem Besitzer möglicherweise die gange Anlage verleiden. Solches dürfte aber weder im Interesse des Einzelnen, noch in jenem der früher bezeichneten Körper¬ schaften liegen. Hiernach würde ich für mein Theil, wenn ich eine Blitzableiter-Anlage zu prüfen hätte, im Allgemeinen nach folgenden Grundsätzen verfahren. Ich Hesse jede Spitze gelten, wenn sie scharf zugespitzt wäre, jede Auffangstange, wenn sie annähernd den früheren Kegeln entspräche, jede Leitung, wenn sie die unten bezeiclmete Stärke hätte, wenn sie keine Lücke zeigte lind sonst den früheren Regeln ge¬ nügte, jede Platte, wenn auch aus Eisen, wenn sie die früher bezeiclmete Grösse und Lage hätte, jede sonstige Verbindung mit dem Blitzableiter, wenn sie annähernd beschaffen, wie angegeben ist. So würde ich wenigstens in der Mehrzahl der Fälle verfahren, d. h. überall, wo das Gebäude nicht be¬ sondere Anziehungspunkte böte, und überall, avo nicht der Besitzer der Anlage ausdrücklich eine möglichst strenge Be- urtheilung wünschte. Was die Stärke der Leitungen betrifft, so liesse ich jeden massiven Kupferdrath gelten, wäre er auch 1 Millimeter dünner, als früher vorgeschlagen ist, weil für jene Vorschläge, wie ich speciell bemerkte, zum Theil die grössere Hauer der Anlage maassgebend war. ich liesso also einen Ijrath , wo er nach Früherem eine Hicke von 6 — 10 Millimeter beansprucht, passiren, wo er nur 5 — 9 Millimeter dick wäre, vorausgesetzt, dass an dieser Dicke keine namhafte 80 Oxtidschicht theil hätte , dass die Anlage etwa erst seit 8 Jahren bestände. AVer aber Blitzableiter prüft, begegnet selten massivem Knpferdrath und wird demselben auch künftig noch nicht sehr häufig begegnen. Er muss daher auch über die sonst ge¬ bräuchlichen Leitungen soweit informirt sein, dass er weiss, in welcher Stärke dieselben genügen. Es wäre einfach, wenn man sich in Anbetracht dieser Frage allein nach der galvanischen Leitungsfähigkeit richten könnte. Dieselbe verhält sich bei gleichen Stoffen, wie der Querschnitt des betreffenden Stückes , und bei ver¬ schiedenen sonst wie' das specifische Leitungsvermögen der¬ selben. Das Letztere ist für Eisen 5 — 6 mal so gering , als für Kupfer, und andre Stoffe bedürfen wohl kaum einer Er¬ wähnung. Hiernach würde, wo ein massiver Knpferdrath eine Dicke von 5 — 9 Millimeter bedarf, ein massiver Eisen¬ drath eine solche von 11 — 21 Millimeter bedürfen. Ein 1 Millimeter dicker Kupferstreifen müsste unter denselben Verhältnissen 19 — 63 Millimeter breit und ein Eisen streifen bei derselben Breite 5 — 6 Millimeter dick sein. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass sich die Elektricität, wo sie sich in längern Funken entladet, mehr nahe der Oberfläche, als in der Mitte der Stücke bewegt, und dass sie alsdann einen um so grösseren AViderstand findet, je kleiner diese Oberfläche bei sonst gleicher Beschaffenheit ist. Hiernach würde es sich in unsrem Falle nicht um die galvanische Leitungs¬ fähigkeit allein, sondern ausserdem noch um die Dicken¬ oder Breitendimensionen handeln, und hiernach würden die eben gegebenen Zahlen dann theilweise zu verklei¬ nern sein. Ich für mein Theil liesse für 5 — 9 Millimeter starke Kupferdräthe 9 — 19 Millimeter dicke Eisendräthe gelten , desgleichen auch für Streifen entsprechend kleinere Dimensionen, wenn sie wenig gestückt und noch wenig von der AVitterung angegangen wären. Der AVerth geflochtener Leitungen ist kaum nach dem Durchmesser des Ganzen , vielmehr nach der Dicke und Zahl der Einzeldräthe zu schätzen. Der Gesammtquerschnitt. nach welchem sich die galvanische Leitungsfähigkeit ergäbe. 81 — würde hier gleich der Summe der Querschnitte der Einzel- dräthe sein. Es mag zum Anhalt dienen, dass hiernach ein 5 Millimeter dicker Drath etwa mit fünfundzwanzig 1 Milli¬ meter dicken gleichwertig ist, desgleichen mit ei lf von 1^, desgleichen mit sechs bis sieben von 2 Millimeter Dicke. Dies jedoch nur, solange sie neu sind. Bei mehr und mehr vorgeschrittener Oxydation ist ein Drathseil um so weniger wertli. aus je mehr Strähnen dasselbe besteht. Vielleicht dient es auch zum Anhalt, wenn ich hinzufüge, dass jedes Drath¬ seil um so weniger wertli ist, je mehr Strähnen es bei gleichem Durchmesser enthält. Die solchergestalt nach der galvanischen Leitungsfähigkeit zu bestimmenden Dimensionen dürften übri¬ gens für den vorliegenden Fall eher zu klein , als zu gross bemessen sein, da die Begünstigung , welche die elektrische Bewegung sonst durch den vergrösserten Durchmesser des Ganzen erfahren möchte , durch die Beschränkung dieser Be¬ wegung auf bestimmte und vielfach gekrümmte Linien mehr als aufgewogen sein mag. Nach welcher Methode zu prüfen ist. Wie der Fabrikant, welchem die Anfertigung eines Blitz¬ ableiters übertragen ist, bevor er seine Dispositionen trifft, vor Allem an Ort und Stelle erscheinen muss, so muss, wer ein Urthoil über eine bestehende Anlage Lilien will, dieselbe vor Allem persönlich besichtigen. Ich meine hiermit, dass eine Prüfung aus der Ferne nach eingezogenen Be¬ richten kaum statthaft ist. Denn solche Berichte sind erfahrungsgemäss nie ganz erschöpfend und können es nicht sein, wenn der Absender sie auch nach ganz bestimmten Fragen formulirte. Ein einziger Blick sagt mehr, als Seiten voller Worte, und er sagt oft, was sich überhaupt nicht in Worten ausdrücken lässt. Ich erwähne dies, weil ich aus eigner Erfahrung weiss , wie leicht man nach eingezogenen Berichten in der fraglichen Sache irrt. Wer an Ort und Stelle ein Urtheil über die Tauglichkeit 0 82 einer Anlage fällen will, hat zunächst Alles zu untersuchen, was der Fabrikant vor Beginn seiner Arbeit untersuchen muss. Er hat ausser den Dimensionen des Gebäudes seine äussere und innere Einrichtung zu berücksichtigen in besonderer Erwägung der verschiedenen metallischen Theile, ferner die leitenden Beziehungen dieser zum Erdinnern und zur Erdoberfläche, endlich die leitende Beschaffenheit der Erde in grösserer oder geringerer Entfernung. Grenzte das Gebäude an ein andres, so wären die eben genannten Punkte auch für das letztere mehr oder weniger sorgfältig zu erwägen. Alles das wird man freilich nicht immer mit eignen Augen prüfen können, man wird sich häufig auf die Aussagen Andrer verlassen müssen. Wie wüsste man z. B. sonst, wenn man nicht zufällig in der trockensten Jahreszeit zugegen wäre, wie für diese Jahreszeit der Wasserstand in diesem oder jenem Brunnen sei? Oder wie wüsste man z. B. sonst, ob ein Dach ganz oder nur stückweise mit Drath durchzogen wäre, da man doch unmöglich das ganze Dach mit den Händen unter¬ suchen kann ? Hierin liegt auch nichts Bedenkliches , wenn man nur die Glaubwürdigkeit der Aussagen prüft, indem man thunlichst die Aussagen verschiedener Personen mit einander vergleicht. Denn man kann doch unmöglich annehmen, dass man absichtlich in einer Sache getäuscht wird, wo das Inter¬ esse jedes Einzelnen gegen eine solche Täuschung spricht. Man wird jedoch Manches nicht sehn und über Manches Nichts erfahren , wenn man nicht von vorneherein einige Kenntniss in der Einrichtung der Gebäude hat. Man muss z. B. wissen , dass jede Gipsdecke mit Drath durchzogen ist, und dass die Dräthe so laufen , wie in dem darüber befind¬ lichen Raume die Bohien, dass die Miihlenflügel, wo sie mit Windklappen ausgerüstet sind, zur Stellung derselben eiserner Stangen bedürfen, dass man in Kirchen, wo neben der Stun¬ denglocke keine andre Glocke besteht, zur eventuellen Ab¬ stellung des Hammers meist eine längere Drathleitung ver¬ wendet, dass die Leitstange, welche das Uhrwerk mit dem Zifferblatt verbindet, meist ihrer hölzernen Umkleidung halber unsichtbar ist. Man muss ferner , bevor man an einem be¬ stimmten Orte prüft, im Allgemeinen wissen, ob man diese 83 oder jene Einrichtung hier eher zu erwarten hat, ob es z. B. Mode ist, mehr äussere oder innere Pumpen zu haben , oder die Strohbedachung durch Drath oder durch sonstige Mittel zu befestigen. Erst nachdem man solcher Gestalt einen Über¬ blick über die baulichen und örtlichen Verhältnisse gewonnen, kann man sich die Frage vorlegen, ob die Anlage solchen Verhältnissen entspricht. Eine Aus¬ nahme von dieser Regel würde bei Kirchthürmen zu machen sein, oder allgemein dort, wo man hochgelegene Theile eines Gebäudes besteigen muss. Hier spart man Zeit, wenn man neben jenen Theilen zugleich die nahe gelegenen Stücke des Blitzableiters untersucht. Was nun die letztere Untersuchung des Weiteren anlangt, so verfahrt man im Allgemeinen am richtigsten, wenn man zunächst diejenigen Punkte erwägt, deren etwa nöthige Ände¬ rung am ehesten den ganzen Bestand der Anlage gefährden würde. Denn wäre wirklich eine Änderung nöthig, so würde alsdann häufig die Erwägung weiterer Punkte überflüssig sein. Hiernach frage man sich zunächst, ob Länge, Zahl und Vertheil ung der Auffangstangen , ob Dicke, Zahl und Vertheilung der Leitungen eine richtige ist. Über die Mehr¬ zahl dieser Punkte kann das Auge ohne Weiteres entscheiden, und es wird um so sicherer entscheiden, je häufiger es bereits in ähnlichen Fällen entschied. Ich bemerke jedoch, dass man die Länge der Auffangstangen nicht anders, als aus grösserer Ferne schätzen darf, da senkrechte Stücke, wenn sie hoch ge¬ legen sind, aus der Nähe von unten betrachtet, wesentlich verkürzt erscheinen. Um die Dicke der Leitungen festzu¬ stellen , bedarf es ferner eines geeigneten Messinstruments. Am besten ist ein solches mit gegen einander verschiebbaren Backen , zwischen welche das fragliche Stück eingeklemmt wird. Es ist selbstverständlich, dass man bei etwa unebner Oberfläche nicht grade an den hervortretendsten Punkten misst, und dass man auch etwaige Überzüge, seien sie von Farbe, seien sie von Rost, in Abrechnung bringt. Bei einem Drath- seile würde man womöglich Dicke und Zahl der Einzeldrätho zu bestimmen haben, was freilich sehr oft nicht angehn mag. 6* 84 Die Messung des Gesammtdurchmessers aber könnte nur den nöthigen Anhalt bieten, wenn man die Gebräuche des Fabri¬ kanten kennt, oder sonst eine grosse Erfahrung in der Sache hat. Hiernach frage man sich, ob die sonstige Beschaffen¬ heit der Spitzen, der Auffangstangen, der Leitungen eine statthafte ist, und ob auch die erforderlichen Stücke des Gebäudes mit dem Blitzableiter regelrecht verbunden sind. Für solche Untersuchung muss man vor Allem ein gutes Fernrohr besitzen, da man die Leitung nicht überall mit den Händen verfolgen kann, und bei diesem kommt es wesentlich auf eine grosse Lichtstärke an, weil man im Schatten gelegene Theile sonst doch nicht deutlich erkennt. Will man mit dem Fernrohre Dimensionen schätzen , so muss man die Stücke, wo sie sich befinden, mit andern vergleichen, deren Dimen¬ sionen man kennt, oder an einer leichter zugänglichen Stelle bestimmen kann. Will man die Schärfe einer Spitze richtig beurtheilen , so ist es jedoch nothwendig, dass man aus Er¬ fahrung weiss , wie eine vollkommen scharfe Spitze in dem¬ selben Fernrohr bei annähernd gleicher Entfernung erscheint. Ferner timt man gut, sowohl die Spitze, als andre zu prüfende * Stücke , zumal bei verschiedenartiger Beleuchtung von ver¬ schiedenen Seiten aus zu beobachten. Auch wird der Stand¬ punkt nicht immer auf der Erde, sondern häufig besser in grösserer Höhe des Gebäudes zu wählen sein. In allen Fällen, wo man den Zusammenhang einer Leitung durch das Fern¬ rohr nicht constatiren kann, ist es dringend wün sehen swerth, dass man sich auf andre Weise von diesem Zusammenhänge überzeugt. Hierbei kann es nöthig sein, dass man das Ge¬ bäude mit Hülfe von Leitern besteigt , sei es , um aus grösser Nähe zu beobachten, sei es, um eine galvanische Prüfung zu ermöglichen. Eine galvanische Prüfung wird je¬ doch unter Umständen auch zu verwenden sein , ohne dass man das Gebäude grade äusserlich besteigt. An einzelnen Orten, z. B. dicht unterhalb der Bedachung der Kirchthürme, kann man den fraglichen Zusammenhang zuweilen von innen heraus mit Hülfe der Finger constatiren. An andere Orten, z. B. an oder oberhalb der Bedachung der Kirchthürme, würde 85 er, wenn nicht mit dem Fernrohr, nur nach sehr kostspieligen Zurüstungen zu constatiren sein. Endlich suche man sich zu vergewissern, ob eine Erd- platte vorhanden, ob sie gross genug ist, ob sie feucht genug liegt. Läuft die Leitung in einen Brunnen oder ein sonstiges Gewässer, so kann man sich von dem Vorhanden¬ sein der Platte leicht durch den Augenschein überzeugen. Läuft die Leitung in Erde, so erkennt man den Mangel jener häufig daran , dass die Leitung , wenn man sie ein wenig zu heben sucht, sich dieser Bewegung leicht fügt. Sonst genügen, bei ältern Anlagen wenigstens, auch häufig schon einige Spatenstiche, um das unterste Ende der Leitung aufzudecken. Wo dies Alles nicht zulässig oder nicht ausreichend ist, um die obigen Fragen hinreichend sicher zu entscheiden , wird man am weitesten kommen , wenn man sich Zeugen ver¬ schafft , welche bei der Legung der Leitung zugegen waren. Beim Graben der Grube werden meistens Leute aus demsel¬ ben Orte benutzt, und diese werden am besten über die frag¬ lichen Punkte orientirt sein. Auch hier ist es jedoch wesent¬ lich , dass man namentlich rücksichtlich der Plattengrösse, welche sich weniger dem Gedächtnisse einprägt, die Aussagen verschiedener Personen mit einander vergleicht. Ist auch dieser Weg ausgeschlossen, oder das Resultat nicht genügend sicher, so bleibt nur noch der Versuch einer galvanischen Prüfung übrig, denn eine tief reichende Leitung auszugraben würde sich jedenfalls nicht empfehlen, da dies annähernd so viel kosten würde, als eine neue Leitung zu legen. Es ist selbstverständlich, dass der Prüfende zuweilen in seiner Arbeit der Unterstützung Anderer bedarf, wenn sich die Prüfung , zumal die galvanische Prüfung nicht ausser¬ ordentlich in die Länge ziehn soll. Über den Werth der galvanischen Prüfung. Es ist gewiss eine lobenswerthe Eigenschaft eines Blitz¬ ableiters, dass sich alle Theile der Leitung im Zusammenhänge befinden. Gleichwohl kann ein Mangel im Zusammen- 86 hange unter Umständen andern Fehlern gegenüber sehr unbedeutend erscheinen. Für gewöhnlich wird dies auch in Wirklichkeit so sein, da den meisten sonstigen Feh¬ lern der Anlagen gegenüber Lücken, welche höchstens 1 Milli¬ meter gross sind , wie man deren am häufigsten trifft, mehr oder weniger verschwinden. Ich zum wenigsten hätte lieber eine solche Lücke in einer Anlage , als eine Auffangstange, welche zu tief ins Gebäude reichte, als einen Drath, welcher nicht von der Stange an gleich abwärts ginge, oder scharfe Biegungen hätte , oder etwa einen Klingelzug berührte. Ich hätte lieber eine Lücke, und wäre sie auch ein gut Theil grösser, als eine Leitung, welche einem Hauptanziehungspunkte abgewandt verliefe, oder nicht zur Gasleitung ginge, wenn solche in meinem Hause, oder ohne Platte oder nicht tief genug in die Erde reichte. Würde ich anders urtheilen, so würde ich eine Lücke zu sehr nach dem schätzen, was sie für die galvanische Elektricität ist. Ich würde vergessen, dass, wenn auch letztere kaum den hundertsten Theil eines Millimeters überspringen kann , die atmosphärische doch er- fahrungsgemäss Hunderte von Metern überspringt. Ich würde aber auch sonst den Character der beiden Elektricitäten, wie solcher bereits früher gekennzeichnet wurde, mit einander verwechseln. Hiermit sage ich nicht, dass, falls ich eine solche Lücke wüsste, ich dieselbe in einer Anlage bestehen lassen würde. Ist eine 1 Millimeter grosse Lücke schon unbedeutend den meisten sonstigen Fehlern gegenüber, so wird eine hun¬ dertmal kleinere noch unbedeutender sein. Um eine solche handelt es sich jedoch meistens nur, falls metallische Stücke nicht anders, als durch eine Oxüdschicht von einander ge¬ trennt sind. Auch ist eine solche Schicht für die athmosphä- rische Elektricität nur noch theilweise eine Lücke, da sie für diese zu den sogenannten Halbleitern gehört. Hiermit sage ich nicht, dass ich eine solche Lücke, falls ich sie in einer Anlage wüsste, allemal bestehen lassen würde. Betrachten wir hiernach, was die galvanische Prüfung einer Blitzableiter-Anlage für Yortheile gewährt. Die galvanische Prüfung des oberirdischen Theils sagt Nichts über alle sonstigen Fehler der Anlage, wie 87 sie eben berührt und früher ausführlich besprochen sind, sagt ferner Nichts über die Stärke der Leitung innerhalb des¬ jenigen Spielraums, welcher hier allein in Frage kommen kann, sagt endlich Nichts darüber, ob sich die an einander gesetzten Stücke in wenigen, oder in vielen Punkten berühren. Die galvanische Prüfung sagt einzig und allein, ob sich in der Leitung irgend eine Lücke befindet, wobei selbige Lücke ebenso gut den hundertsten Theil eines Millimeters, als Hundert Millimeter gross sein kann. Hieraus folgt, dass man den oberirdischen Theil einer Anlage am sichersten mit den Augen prüft und dass man nur hinsichtlich des Zusammenhanges der Leitung unter Umständen besser der galvanischen Prüfung vertraut. Zeigte diese alsdann keine Lücke an, so könnte man mit diesem Resultat zufrieden sein. Zeigte sie eine solche an, so würde womöglich nachzuforschen sein , an welcher Stelle und wie gross dieselbe wäre. Die galvanische Prüfung des unterirdischen Theils sagt Nichts über die sonstigen Fehler der Anlage, Nichts über die Stärke und Führung der Leitung, Nichts dar¬ über, ob die richtige Stelle der Erde gewählt ist. Sic sagt auch Nichts darüber, ob sich in der Leitung eine Lücke befindet, wenn man nicht zufällig woiss, dass jene nicht in absolut trockner Erde liegt. Die galvanische Prü¬ fung sagt nur, ob irgend wo ein grösserer Widerstand vorhanden ist, ein grösserer etwa, als die Sicherheit der Anlage gestattet, aber auch dies nur bestimmt, wenn man neben jener Prüfung noch andre Verhältnisse, nament¬ lich Boden- oder Witterungs Verhältnisse in Betracht zieht. Sie sagt also nichts Gewisses über das Vorhandensein einer Platte, noch über deren Grösse, noch über deren Lage. Man kann jedoch, wenn man Einzelnes über diese Verhältnisse weiss, über das Andre doch einen gewissen An¬ halt gewinnen. Hieraus folgt, dass man auch den unterirdischen Theil einer Anlage am sichersten mit den Augen oder nach Zeugen¬ aussagen prüft und dass man, falls man sich an die galvanische Prüfung wendet, dieselbe nicht für sich allein betrachten darf. 88 Wollte man einfach wissen, ob die ganze Erdleitung genügt, so könnte man sich am ehesten mit dem Resultat derselben begnügen; wollte man jedoch über Einzelheiten urtheilen, so würde man sich anderswo weitere Stützen suchen müssen. Bei der galvanischen Prüfung wird also nur sehr w enig gewonnen, und es würde noch weniger gewonnen, wollte man den oberirdischen zugleich mit dem unterirdischen Tlieile prüfen. Bei 200 oberirdischen Prüfungen fand ich nur etwa in fünf, bei 300 unterirdischen nur etwa in dreissig Fällen mehr, als ich auf andre Weise ergründen konnte. In vielen Fällen aber würde ich mich groben Täuschungen hin¬ gegeben haben, wenn ich nur nach dem Resultat dieser Prüfung geurtheilt hätte. Die galvanische Prüfung erfordert daneben viel Zeit, und, wenn sie Werth haben soll, verhält- nissmässig tlieure Apparate. Es kommt aber auch vor, dass eine galvanische Prüfung namentlich des unterirdischen Theils der Anlage gar nicht ausführbar ist. Nach Alledem möchte man sich mit Recht dar¬ über wundern, dass der galvanischen Prüfung bisher ein so grosser Werth beigelegt ist, und dies nicht bloss von Seiten mancher Gelehrten, sondern ebenso — und viel¬ leicht mehr noch — von Seiten der Fabrikanten. Ich weiss wenigstens, dass in Lehrbüchern der Physik, wo es sich um die Prüfung der Blitzableiter handelt, fasst ausschliesslich der galvanischen Prüfung gedacht wird. Ich weiss auch , dass man sich in der Wirklichkeit — soweit meine Erfahrung reicht — meist mit dieser Prüfung begnügte. Aller Wahr¬ scheinlichkeit nach hatten auch die Blitzableiter am Schulhause zu Elmshorn und an der Kirche zu Garding die galvanische Prüfung bestanden, was natürlich aber nicht verhindern konnte, dass der Blitz die ihnen unterstellten Gebäude beschädigte. Ich weiss übrigens , dass die galvanische Prüfung auch be¬ sondere Verehrer in den Besitzern der Blitzableiter findet, weil mir von dieser Seite oft genug vorgehalten wurde, die Anlage sei galvanisch geprüft, und müsse daher genügen. Die Überschätzung der galvanischen Prüfung erklärt sich jedoch, wenn man bedenkt, wie oft noch heutigen Tages der Blitz nach galvanischem Maasse 89 gemessen wird, was sich auch darin documentirt, dass man die galvanische Isolirungsweise nachahmt, dass man nur dann von einer „Verbindung“ spricht, wenn sich Stücke metallisch berühren. Ich gedenke hierbei einer Entgegnung, welche mir vor längerer Zeit zutheil wurde, als ich, einen Blitzfall be¬ sprechend, jenes Wort in einem etwas andern Sinne ge¬ brauchte. Die Wissenschaft steht freilich heutigen Tages auf diesem Standpunkte nicht mehr, aber von manchen ihrer Anhänger wird derselbe noch immer vertreten. Trotzdem behält die galvanische Prüfung doch einen ge¬ wissen Werth, und sie soll deshalb im folgenden Kapitel aus¬ führlich besprochen werden. Über die Methode der galvanischen Prüfung. Für die galvanische Prüfung bedarf es vor Allem eines galvanischen Elementes, eines Galvanometers und langer kupferner Dräthe. Daneben aber ist, zumal rück¬ sichtlich des unterirdischen Theiles der Anlage, wenn die Prüfung von Nutzen sein soll, noch besonders ein sogenann¬ ter Widerstandskasten nöthig. Das Element eignet sich um so besser, je consta nt er es wirkt; aber eine constante Wirkung ist hier schwer zu er¬ reichen. Man muss nämlich darauf gefasst sein , dass das Element saimnt den andern Apparaten , da sie mit Dräthen verbunden werden, weiche mehr oder weniger die Passage sperren, öfter heruntergerissen wird. Der Gebrauch von Sal¬ petersäure ist daher kaum statthaft, man könnte statt deren eher Kupfervitriol oder doppelt-chromsaures Kali benutzen. Man wird aber lieber die Anwendung zweier Flüssigkeiten vermeiden, da man so das Element eher schliessen und weni¬ ger zerbrechlich machen kann. Ein Element mit einer Flüs¬ sigkeit ist zwar sehr wenig constant, aber wenn man die nöthigen Versuche schnell anzustellen weiss, wird man doch mit einem solchen reichen. Auf die Stromstärke kommt es weniger an, aber angenehm ist es, wenn sich die- 90 selbe variiren lässt, um die Einwirkung auf das Galvanometer bis zu einem gewissen Grade in der Hand zu haben. Das Element muss aus letzterem Grunde womöglich so beschaffen sein, dass man das eine Metall mehr oder weniger tief in die Flüssigkeit senken kann. Ich habe längere Zeit mit Vortheil ein kleines Element benutzt , dessen Hülle ein bis auf zwei obere Öffnungen geschlossenes Hartgummikästchen war (Fig. 24). In der einen sass eine Klemme fest, welche mit einer Kohlen¬ platte communicirte. In der andern war ein Zinkstab auf einfache Weise verschiebbar. Die letztere Öffnung wurde für gewöhnlich durch einen Gummistöpsel verschlossen , um der Flüssigkeit während der Reise den Austritt zu verwehren. Als solche benutzte ich eine Mischung aus doppelt-chromsau¬ rem Kali und verdünnter Schwefelsäure, der noch etwas schwefelsaures Queksilberoxyd beigefügt war. Ich bemerke hierzu, dass die Wirkung kurz nach Schluss der Kette an¬ fänglich einwenig ansteigt, bevor sie successive fällt. Das Galvanometer (Fig. 25) eignet sich um so besser, je leichter die Nadel beweglich ist, während der Grad ihrer Magnetisirung und die Zahl der Dratli Windungen eine geringere Rolle spielt. Denn es handelt sich hier weniger darum, einen möglichst grossen Ausschlag, als vielmehr unter sonst gleichen Verhältnissen allemal denselben Ausschlag zu gewinnen. Die Nadel darf jedoch nur auf einer Spitze schwingen, eine subtile Aufhängung wäre nicht angebracht, da Alles, wie bemerkt , häufiger eine Reihe von Stössen vertragen muss. Eine grössere Länge der Nadel ist deshalb erwünscht, damit man genauer beobachten kann , eine solche hat jedoch den Übelstand, dass die Nadel verhältnissmässig langsam schwingt. Um die Schwingungen am besten abzukürzen, muss die Arre- tirung alsdann so beschaffen sein, dass man die Nadel schon durch den Druck eines Fingers in ihrem Laufe unterbrechen kann. Gestattet die Arretirung diese Vergünstigung nicht, so wäre — wo eine schnellere Beobachtung Bedürfniss ist — ein kleiner Magnetstab, mit dem man geschickt manipulirt, als Aushülfe zu verwenden. Um das Galvanometer allemal so zu richten, dass die Nadel in horizontaler Ebene schwingt, bedarf es dreier gegen die Unterlage wirkenden — am besten 91 zugespitzten — Schrauben. Alsdann bedarf es für dessen Aufstellung aber keines weiteren Stativs, da, wo ein Blitzab¬ leiter zu prüfen, auch stets ein Tisch vorhanden, oder wenig¬ stens aus nächster Nähe zu beschaffen ist. Ich bemerke noch, dass man grössere Ausschläge als 50 — 60° besser ver¬ meidet , soweit man den Einfluss verschiedenartiger Verhält¬ nisse mit einander vergleichen will , weil sich die Nadel bei geringerer Abweichung von ihrer normalen Stellung der eventuellen Einwirkung gefügiger zeigt. Ferner bemerke ich, dass man sich nicht wundern darf, wenn sich der Magnetis¬ mus der Nadel unter der Wirkung des galvanischen Stromes allmählig ändert, desgleichen nicht über einen gewöhnlichen Fehler solcher Apparate, wonach der Ausschlag in der einen Richtung von dem in der andern ein wenig differirt. Für die Dräthe, deren man bedarf, um einerseits ver¬ schiedene Punkte des Blitzableiters, andrerseits einen Punkt dieses und zugleich einen Punkt der Erde mit gedachten Apparaten zu verbinden, ist vor Allem eine besondere Vor¬ richtung nötliig, welche das Auf- und Ab wickeln jener in geeignetster Weise gestattet. Denn wo es sich um die Bewältigung von Hunderten von Metern handelt, ist — wenn man seine Zeit ausnutzen will — die grösste Bequemlichkeit geboten, und um so mehr, als man häutig während der Arbeit von Regen oder von Gewittern befallen wird. Ich bediente mich für diesen Zweck einer Rolle (Fig. 26), welche in einem Kasten lief, wovon der Deckel und eine Längsseite, um den Drath bequemer passiren zu lassen, fehlte; oder ich hatte viel¬ mehr zwei solcher Vorrichtungen zur Verfügung, um mit Hülfe Andrer schneller operiren zu können. Ausserdem war der Raum einer jeden Rolle der bessern Sonderung verschie¬ dener Dräthe halber mit Unterabtheilungen versehn. Der Durchmesser des Cylinders betrug 16 Centimeter; bei einem kleineren würde der Drath eine zu scharfe Biegung erfahren haben. Die hervortretenden vertikalen Wände waren in vielen Punkten durchbohrt; hier galt es beim Aufwickeln die Enden zu befestigen. Die Axe endlich war mit einer Kurbel ver¬ sehn, welche nach Bedürfniss auch leicht zu entfernen war. Die D rathstärke betreffend, rathe ich im Allgemeinen nicht, 92 Dräthe über li und unter 1 Millimeter Dicke zu verwenden. Eine grössere Stärke würde der Handhabung willen sehr un¬ bequem werden. Eine geringere könnte die Versuche ungenau machen, oder andernfalls zur Bedingung haben, dass der Wider¬ stand des benutzten Stückes festgestellt würde. Das Letztere wäre jedoch umständlich, da es alsdann häufiger geschelm müsste, weil man an verschiedenen Orten auch meistens ver¬ schiedener Stücke bedarf. Man möchte freilich glauben, dass, wofern nur die ursprüngliche Länge eine genügende wäre, man diese Länge ein für allemal unverändert lassen könnte. Man könnte dies wohl, aber man wird im Allgemeinen doch nicht so verfahren, da man allemal froh ist, wenn man nicht mehr auf- und abzuwickeln braucht, als der betreffende Fall grade erfordert. Übrigens müsste man auch bei demselben Stücke den Widerstand doch wiederholt bestimmen , soweit man von der Bestimmung nicht ganz Abstand nehmen dürfte, da der Widerstand in Folge der unausgesetzten Auf- und Ab¬ wickelungen allmählig geändert wird. Übersponnene Dräthe bieten zwar manche Bequemlichkeit, trotzdem em¬ pfehle ich sie nicht, weil sie sehr viel theurer sind, und die im Gebrauch befindliche Menge, weil sie mehr und mehr zer¬ schnitten und immer steifer wird, doch bald der Erneuerung bedarf. Übrigens nutzt sich der Überzug auch sehr leicht ab, da er während des Auf- und Abwickelns fortgesetzt auf der Erde schleifen muss , und ist zuweilen auch unbequem , da er manchen Schmutz mit sich schleppt, der weniger leicht an anderem Dräthe haftet. Ich bemerke noch, dass man, behufs der Stückung von Dräthen , die zuvor blank geschabten Enden, wofern man ein sicheres Resultat erwartet, mindestens, 3 Centimeter lang fest an einander drehen muss. Die bisher genannten Hülfsmittel reichen wohl aus, um zu erkennen, ob in der oberirdischen Leitung eine Lücke sei, sie reichen aber nicht aus, um den A\ iderstand zu schätzen, welchen der galvanische Strom in dieser oder in der unterirdi¬ schen Leitung findet. Man möchte auf den ersten Blick glauben, und Mancher, der eine solche Prüfung anstellt, glaubt es auch wirklich, dass der grössere oder geringere Ausschlag der Nadel an und für sich schon entscheidend genug sei. « 93 Solches ist jedoch nicht der Fall , wenn man auch sonst die¬ selben Apparate gebrauchen wollte, weil der Ausschlag wohl mit jenem Widerstande, aber in einem ganz andern Verhält¬ nisse, als dieser, abnimmt, ferner, weil die Apparate, mögen sie auch äusserlich dieselben bleiben, sich doch ihrer inneren Natur nach in Stunden , ja schon in Minuten verändern. Es bleibt deshalb kein andres Mittel übrig, als einen bestimm¬ ten Ausschlag, welchen man erhält, wenn der Strom die Anlage passirt, unmittelbar darauf nach Ausschluss dieser, ohne dass sonst Etwas geändert würde, von Neuem durch Einschaltung eines bekannten Widerstandes zu erzeugen. Man weiss dann, dass der fragliche Widerstand gleich dem be¬ kannten ist, weil beide unter sonst gleichen Verhält¬ nissen dieselbe Wirkung äusserten. Da aber der frag¬ liche Widerstand sehr verschieden sein kann , so muss man auch sehr verschiedene bekannte Widerstände zur Verfügung haben, und dies ist der Grund, weshalb man einen sogenannten Widerstandskasten braucht (Fig. 27). in einem solchen sind eine Reihe von Widerständen in Form dünner Dräthe vorhan¬ den, und ist die Einrichtung getroffen, dass man sie nach und nach durch Ausziehen von Metallstöpseln in den Kreis des Stromes schalten kann. Sind alle Stöpsel an ihrer Stelle, so wäre der Widerstand des Widerstandskastens — 0, sind einige ausgezogen, seist er gleich der Summe der betreffenden Ortes verzeichneten Zahlen. Diese Zahlen beziehen sich auf eine bestimmte Einheit, neuerdings allgemein auf die sogenannte Siemen s'sche Einheit, deren Werth für den vorliegenden Fall gleichgültig ist. wenn man nur weiss, wie viele solcher Einheiten man zulassen darf. Ausser dem Genannten braucht man noch einige andre Gegenstände. Erstens muss man kurze Dräthe haben, um die Apparate mit einander zu verbinden. Hierfür eignen sich solche in Spiralform am besten, weil sie weniger steif und auch der Länge nach gefügiger sind. Zweitens ist für die Prüfung des unterirdischen Theils als Abschluss des einen Ver- suchsdrathes eine grössere Platte erforderlich, oder besser deren zwei, eine aus Kupfer, eine aus Eisen, die man je nach Bedürfniss abwechselnd verwendet. Ich ratho solche Platte bei 94 beliebiger Dicke etwa \ Quadratmeter gross und der grösseren Bequemlichkeit halber in Cylinderform zu gebrauchen. Ferner bedarf es noch womöglich einer besonderen Au s schal tun gs- Yorrichtung (Fig. 28), eines kleinen Magnetes, wozu man auch ein magnetisirtes Messer gebrauchen kann , oder statt jenes vielleicht besser einer Stromwendevorrichtung, endlich einer kleinen schweren, am einfachsten aus Eisen be¬ stehenden Kugel. Bei der Verpackung aller dieser Gegenstände muss darauf Rücksicht genommen werden, dass man oft in der Lage ist, mit einem Wagen fürheb nehmen zu müssen, welcher nicht auf Federn ruht. Um die oberirdische Leitung ganz oder innerhalb ge¬ wisser Grenzen zu prüfen , handelt es sich zunächst darum, den einen Versuchsdrath an einer mehr oder weniger hoch gelegenen Stelle zu befestigen. Die Auffangstange selbst braucht natürlich nicht geprüft zu werden; auch ihre Verbin¬ dung mit der Spitze zu prüfen ist ziemlich zwecklos. Wollte man dies, so würde man hierzu noch einer Aveiteren Vorrichtung bedürfen; und, wäre die Spitze eine Nadel, so würde sie bei dieser Gelegenheit leicht verbogen werden. Die häufig ge¬ fundene Verbiegung solcher Nadeln, welche Mancher dem Blitz zuschreibt, dürfte meistens auf solche Weise entstanden sein. Hiernach brauchte man höchstens die Befestigungsstelle der eigentlichen Leitung zu überschreiten, was natürlich auch nicht immer nöthig und unter gewissen Verhältnissen auch nicht zu erreichen ist. Um den Drath bis zu der fraglichen Stelle hin auszuspannen , nimmt man entweder gleich das dort zu befestigende Ende mit; oder man nimmt die ganze Dratbrolle mit, indem man sich den Kasten um den Leib schnallt, und lässt oben mit Hülfe der gedachten Kugel das nöthige Ende ablaufen. Unter Umständen kann es aber ge¬ eigneter sein , falls man eine besondere Bindfadenrolle zur Verfügung hat, erst einen Bindfaden ablaufen zu lassen und an diesem das fragliche Drathende in die Höhe zu ziehn. Hierauf handelt es sich darum, den andern Versuchsdrath an einer tiefer gelegenen Stelle zu befestigen, welche man je nach Bedürfniss in grösserer oder geringerer Nähe der Erde 95 wählt. Ein bequemeres Verfahren ergiebt sich, falls zwei Leitungen mit einander in Verbindung stehn, wobei man noch den Vortheil hat, dass man beide Leitun¬ gen gleichzeitig prüfen kann. Man braucht alsdann nur beide Versuchsdräthe an niederen Punkten beider Leitungen zu befestigen, um alles höher Gelegene sammt der Verbindung in den Kreis des Stromes zu zielin. Dies Verfahren würde wenig¬ stens ausreichen, falls die fragliche Verbindung eine Verbin¬ dung der Auffangstangen wäre, und sich im Zusammenhänge des Ganzen keine Lücke erkennen liesse. Im letzten Palle würde man zur Aufsuchung der Lücke doch wie bei einer einzelnen Leitung verfahren d. h. den einen Dratli an einer hoch ge¬ legnen Stelle befestigen müssen. Sind mehr als zwei Leitun¬ gen mit einander verbunden, so untersucht man je zwei und zwei nach einander, wobei man jedoch den einen Dratli, so¬ fern sich keine Lücke zeigt, stets an derselben Stelle lassen kann. Ist der Zusammenhang zwischen einer Leitung und einem metallischen Stücke des Gebäudes zu prüfen , so ist der eine Dratli irgendwo an jener, der andre irgendwo an diesem zu befestigen. Hiermit reicht man, sofern sich keine Lücke zeigt, oder sofern man weiss, dass nicht innerhalb der Theile selbst eine solche vorhanden ist. Sonst würde man die Dräthe möglichst nahe der Verbindungsstelle zu befestigen haben. In den wenigsten Fällen wird übrigens der Strom die verschie¬ denen Stücke einer Regenrinne und nicht in allen diejenigen einer Gas- oder Wasserleitungsröhre passiren. Die Befesti¬ gung geschieht so, dass man zuvor die in Betracht kommen¬ den Oberflächen genügend blank schabt, den Dratli mehrmals fest um das fragliche Stück herum schlingt und eine Drel- lirung bewirkt. Die noch freien Enden der beiden Versuchsdräthe würden hierauf mit den Apparaten, und diese zugleich mit einander zu verbinden sein. In welcher Reihenfolge dies geschieht , ist vollkommen gleichgültig , wenn der Strom nur die Versuchsdräthe und zugleich alle Apparate passirt. Man könnte also etwa das freie Ende des unteren Versuchs- drathes zunächst mit der einen Klemme des Elementes, hierauf die andre Klemme dieses mit der einen Klemme des Galvano- 96 meters, hierauf die andre Klemme dieses mit der einen Klemme des Widerstandskastens oder — falls man des letzteren nicht benöthigt wäre — mit dem freien Ende des oberen Versuchs- drathes verbinden (Fig. 29). Eines Stromwenders bedarf man je¬ denfalls für die Prüfung der oberirdischen Leitung nicht, ich will jedoch gleich an dieser Stelle bemerken, wie man bei Einschal¬ tung: eines solchen verfährt. Ein Stromwender hat nämlich vier Klemmen , deren beziehungsweise Zusammengehörigkeit man leicht durch die gesonderte Steilung erkennt. Man ver¬ fährt nun am besten so , dass man die beiden Klemmen des Elementes mit zwei zusammengehörigen Klemmen des Strom¬ wenders verbindet und die andern Klemmen desselben Apparats rücksichtlich der weiteren Verbindung so betrachtet, als ob sie die Klemmen des Elementes wären (Fig. 30). Bevor jedoch die Kette geschlossen d. h. die eben gedachte Verbindung vervollständigt ist, muss das Galvano¬ meter allemal so gestellt werden, dass die Nadel nach den Nullpunkten der Theilung zeigt, Schliesst man die Kette alsdann, so wird die Nadel eine Ablenkung erfahren, falls in der Leitung keine Lücke vorhanden ist. So wird es wenigstens geschehn , soweit die Witterung trocken, und soweit nicht das Gebäude noch von früherem Regen durchnässt ist. Zum wenigsten dürfte man sich, soweit dies beides nicht der Fall, mit dem fraglichen Ausschlage zufrieden geben, da eine etwaige Lücke, wenn solche wirklich existirte, dann doch höchstens in einer sehr dünnen Oxüdschicht be¬ stände. Bei Regenwetter jedoch, oder falls das Gebäude noch von Regen durchnässt ist, kann auch bei grösserer Lücke ein Ausschlag der Nadel erfolgen , sei es, dass eine Wasser- schicht die von einander getrennten Stücke verbände, sei es, dass das Gebäude selbst theilweise als Leiter zu betrachten wäre. Unter solcher Voraussetzung muss dann genauer fest- gestellt werden , ob der fragliche Ausschlag wirklich einen metallischen Zusammenhang der Leitung bedeutet. Dies ge¬ schieht, indem wir ihn mit demjenigen Ausschlage vergleichen, welcher erfolgt, wenn wir beide Versuchsdräthe durch einen kurzen andern Drath überbrücken. Denn hierdurch schliessen wir die zu prüfende Leitung aus und stellen eine andre her, I 97 — welche sicher ohne jede Lücke ist. Sie ist freilich kürzer, als die frühere, und desshalb wird der Ausschlag auch allemal wachsen, aber doch wenig, kaum merklich, falls nicht in jener wirklich eine Lücke vorhanden war. Will man gedachte Ausschliessung möglichst schnell und sicher ausführen, so ist es zweckmässig, wenn man hierzu eine besondere Vorrichtung verwendet (Fig. 28), bestehend in zwei Klemmen, welche mit jenen Dräthen communiciren und mit einander durch einen Stöpsel in Verbindung gesetzt werden können. Will man genauer den Widerstand feststellen, welchen der Strom aus irgend welchen Gründen in der Leitung findet, so muss man unter Einschaltung des Widerstandskastens so verfahren, wie unten angegeben ist. Hierfür mag als Anhalt dienen, dass der Widerstand einer ganz guten Leitung für sich allein noch keine Siemens'scbe Einheit betragen darf. i' LTm die unterirdische Leitung zu prüfen, d. h. den gesammten Widerstand zu ergründen , welchen einmal die Leitung selbst, dann die Erde in grösserer oder geringerer Nähe der Leitung bietet, handelt es sich zunächst darum, den einen Versuchsdrath nebst früher erwähnter Platte nach einem Brunnen oder grösseren Gewässer zu führen. An Stelle des letzteren genügt auch ein Graben, wenn er mit einem grösseren Gewässer communicirt und selbst nicht zu wasser¬ arm ist, während ein Teich, wenn er klein ist und für sich allein besteht, im Ganzen besser vermieden wird. Wäre das Alles nicht erreichbar, aber wäre zufällig eine metallische Pumpe oder Gas- oder Wasserleitung vorhanden , welche nicht bereits mit der Leitung in Verbindung ständen, so könnte man den Drath allenfalls auch zu diesen Stücken führen, dürfte das Resultat der Prüfung aber nur gelten lassen, falls sich ein geringer Widerstand ergäbe. Denn ergäbe sich ein grösserer, so könnte derselbe auch dadurch bedingt soin, dass jene Stücke, wie bereits früher hervorgehoben, der vorlie¬ genden Prüfungsweise nicht entsprächen. Verkehrt wäre es na¬ türlich, wenn es sich um eine metallische Pumpe handelte, und man den Drath nicht möglichst an der unterirdischen Saug¬ röhre befestigen wollte. Denn die Kolbenröhro ist von dieser meist durch eine Lederscheibe getrennt, und nur wenige ver- 7 98 rostete Schrauben pflegen den Zusammenhang zu vermitteln. Wo auch solche Stücke unerreichbar, wäre eine Prüfung nicht anders möglich, als wenn man sich mit Hülfe eines Bohrers Zugang zum Grundwasser verschaffen wollte. Dies hört sich jedoch leichter an, wie es ist, da man ohne sehr umständliche Vorrichtungen nur wenige Meter tief und nur bis auf eine durchlässige Sandschicht bohren kann. Im letzteren halle mag man freilich einigermaassen auskommen, wenn man die in das Loch versenkte Platte während der Prüfung künst¬ lich unter Wasser erhält. Im Allgemeinen aber ist es rich¬ tiger, dass die Prüfung unterbleibt, wo man die Platte nicht ohne’ Weiteres in Wasser versenken kann, weil abgesehn von der grösseren Umständlichkeit das Resultat auch wenigei zu verlässig ist. Andrerseits würde, da ein längeres Stück feuc ter Erde bei den hier in*§etracht kommenden Dimensionen den Widerstand nicht vermehr^s£jne grössere Entfernung c er Versenkungsstelle für das Resulta^i^A111^ für sich nie lt nac 1 theilig sein. Man würde nur betrefieV^ij^y ^ a^s denjenigen Widerstand, welchen die vergrösserte DraS^V^ r bedingen würde, in Abzug bringen müssen. Der andrl^. G1S ^ drath muss an der oberirdischen Leitung befestig f _ y ^ oder kann an derselben befestigt bleiben, wie man il Prüfung dieser Leitung benutzte. Unter Umständen kann es erwünscht sein , denselben möglichst tief, ja gungsweise noch unterhalb der Erde zu befestigen. Eü:fl Resultat der Untersuchung ist es nämlich von Wichtig^ dass man von vorneherein jede Lücke auszuschliessen sucl und bei älteren Leitungen aus Eisendrath sind erfahr uni gemäss Lücken sehr häufig dicht unterhalb der Erde. Hl hat man den oberirdischen Theil mit dem unterirdischen ver¬ kettet und meist solchergestalt, dass der Strom die Stelle nicht passirt. Bei Kupferstreifen findet man auch sonst solche Stel¬ len häufiger, aber leicht auch eine dicht unterhalb der Erde. Man hätte also bei dergleichen Leitungen womöglich hiernach zu forschen und demgemäss die Befestigungsstelle zu wählen. Die Verbindung der noch freien D rathenden mit den Apparaten und dieser unter sich kann bleiben, wie sie 99 war, nur dass man in diesem Falle notkwendig den Wider¬ standskasten mit einschalten muss (Fig. 31). Wird die Kette geschlossen, so ist es ein äusserst seltner Fall, dass die Kadel gar keine Abweichung zeigt, denn, ist auch in der Leitung eine Lücke vorhanden , so wirkt doch noch meist der oberhalb derselben befindliche Tlieil. Gar keine Abweichung erfolgt, wenn entweder die Leitung ganz, oder der oberhalb einer Lücke befindliche Tlieil in absolut trockner Erde liegt. Diesem Falle bin ich überhaupt nur dreimal begegnet, und zwar in Zeiten, wo tagelang kein Regen gefallen war. In gebirgiger Gegend und nach längerer Dürre mag sich derselbe jedoch immerhin häufiger ereignen. Hier¬ aus folgt aber zugleich, dass man nie mit Sicherheit weiss, ob ein gefundener grösserer Widerstand nicht einer Lücke zu verdanken ist, und dass, soweit man hiervon nicht absehen kann, man überhaupt keinen Überblick über die sonstige Be¬ schaffenheit der Leitung gewinnt. Man mag jedoch im Allge¬ meinen annehmen dürfen, dass die Mehrzahl der Leitungen — ausgenommen Kupferstreifen und gewisse eiserne — in der Erde ohne Lücke sind; und, dies vorausgesetzt, wäre als¬ dann der fragliche Widerstand nur noch durch die Grösse der Platte und ihre mehr oder weniger feuchte Lage bedingt. Wie gewinnt man aber einen Überblick, welcher von diesen beiden Factoren die Schuld an einem etwaigen grösseren Wider¬ stande trägt? Durch die galvanische Prüfung allein nicht, aber durch gleichzeitige Erwägung der Boden- und Witte¬ rungsverhältnisse, der Gebräuche bekannter Fabrikanten und dessen, was man über die Versenkung der Leitung erfährt. Gesetzt, man fände in einer Marschgegend, oder nach anhal¬ tend feuchter Witterung einen grossen Widerstand, so dürfte man annehmen, dass die Platte klein oder gar nicht vorhanden sei. Gesetzt, man fände einen grossen Widerstand, wüsste aber, dass der Fabrikant nur grosse Platten gebrauche, so dürfte man schliessen, dass die Platte nicht feucht genug liege. Ge¬ setzt, man fände einen kleinen Widerstand, erführe aber, dass gar nicht bis ins Grundwasser gegraben sei, und es wäre nicht anhaltend Rogen gefallen , so dürfte; man eine grosse Platte voraussetzen. Alles dies jedoch ist mehr oder weniger trtige- 7* 100 risch und, wo nicht mehrere Gründe für dieselbe Sache sprechen , wird man gut thun , lieber gar kein specielles Ur- tlieil zu fällen. Man wird sich einfach damit begnügen, den Gesammt widerstand zu constatiren und hiernach zu urtheilen, ob die Leitung einer Abänderung bedürfe. Um den Gesammtwiderstand zu constatiren, merke man sich zunächst genau die Abweichung der Nadel; hierauf überbrücke man beide Yersuchsdräthe und ziehe aus dem Widerstandskasten soviel Stöpsel aus, dass genau wieder die¬ selbe Abweichung erfolgt; hierauf summire man die betreffen¬ den Ortes verzeichneten Zahlen. Hat man Übung, so dauert diese ganze Operation nur wenige Sekunden, und während dieser Zeit bleibt auch ein weniger constantes Element noch immer constant. Braucht man längere Zeit, so überzeuge man sich zur grösseren Sicherheit noch einmal, ob man unter den ersteren Bedingungen noch denselben Ausschlag erhält. Hat man verhältnissmässig lange oder dünne Yersuchsdräthe be¬ nutzen müssen, so bestimme man ihren Widerstand nachträg¬ lich, und ziehe ihn von dem gefundenen Widerstande ab. Man bestimmt ihren Widerstand, indem man ihre respectiven Enden, welche mit der Platte und der Leitung verbunden waren, mit einander verbindet und hierauf auf obige Weise verfährt. Nach der bisher beschriebenen Methode muss man den Widerstandskasten notli wendig zur Hand haben. Derselbe könnte jedoch für einen bestimmten Ausflug einmal vergessen sein. Oder man könnte ihn im Falle von Begenwctter nicht gern der Gefahr des Verderbens aussetzen wollen. Alsdann verzeichne man am Yersuchsorte die ursprüngliche Abweichung und diejenige, welche erfolgt, wenn man die Yersuchsdräthe überbrückt. Zu Hause angekommen aber suche man , nur das Galvanometer und den Widerstandskasten einschaltend, durch Verschiebung des Zinkstabes zunächst wieder die letztere Abweichung zu gewinnen und schalte hierauf soviel Wider¬ stand ein, dass die Nadel die erstere Abweichung zeigt. Dabei muss man freilich voraussetzen , dass sich der Magnetismus nicht geändert hat, und da diese Voraussetzung nicht immer zutrifft, so mag man höchstens ausnahmsweise so verfahren. Um nach dem so gefundenen Widerstande ein Urtheil 101 über die Tauglichkeit der Leitung fällen zu können, muss man wissen , wie gross eine solcher überhaupt zulässig ist. Soweit meine Erfahrung reicht, lässt sich bei Anwendung einer 4 Quadratmeter grossen Platte erreichen, dass der Wider¬ stand n icht mehr als 30 Siemen s’sche Einheiten beträgt. Fände man einen grösseren Widerstand, so dürfte also wohl anzu¬ nehmen sein, dass die Platte nicht gross genug sei, oder dass sie nicht feucht genug liege. Gleichwohl würde ich, falls ich eine Anlage prüfte, einen Widerstand bis zu 40 Siemen suchen Einheiten passiren lassen , da man gewisser unbestimmbarer Bodenverhältnisse halber nicht allzu sehr an den erwarteten Zahlen hängen darf. Auf Prüfungsreisen wird man jedoch viel grössere Widerstände linden , zumal bei Anlagen aus früherer Zeit, und ganz besonders grosse, wo zugleich das Grundwasser tief steht, oder wo man nach regenlosen Tagen revidirt. Ich fand von dreihundert Anlagen wenige, wo der Widerstand nur 40, die Hälfte etwa, wo er 50 — 80 Siemens' sehe Einheiten betrug ; in hundert Fällen schwankte er zwischen 80 und 200, in manchen stieg er bis zur Zahl 500 hinauf. Alles dies jedoch bezieht sich nur auf den Wider¬ stand von Leitungen, welche für sich bestehn, welche nicht mit einander communiciren. Communiciren sie mit einander , so darf der Widerstand einer jeden sovielmal grösser sein , als ihre Anzahl ergiebt. Communicirten z. B. .zwei, so könnte man jeder allenfalls 80, communicirten drei, allenfalls 120 Siemen s’sche Einheiten gestatten. Der ge¬ meinsame Widerstand würde in beiden Fällen nämlich, annähe¬ rungsweise wenigstens, der Zahl 40 entsprechen. Man könnte daher auch der Bequemlichkeit halber mehrere solche Leitun¬ gen auf einmal prüfen , weil im Wesentlichen doch nur ihr gemeinsamer Widerstand in Betracht kommt. Man könnte es wenigstens, wo man voraussetzen dürfte, dass die Beschaffen¬ heit aller, der Hauptsache nach, dieselbe sei. Rücksichtlich der Bestimmung des Widerstandes sind noch für einen gewissen Umstand besondere Maass¬ nah men zu treffen, wenn man nicht einen Fehler begehen will. Dieser Umstand besteht darin , dass die Leitung des Blitzableiters in ihrer Verbindung mit der Versuchsplatte 102 selbst einen galvanischen Strom erzeugt. Auch dieser Strom wird auf die Magnetnadel wirken, und der erste Ausschlag also nicht auf Rechnung des Elementes allein zu stellen sein. Nachher jedoch, wo wir die Versuch sdräthe überbrücken und denselben Ausschlag von Neuem erzeugen , fällt jener Strom fort; und doch bedürfen wir hinsichtlich dessen, was die Nadel bewegt, derselben Verhältnisse, wenn wir den einen mit dem andern Widerstande vergleichen wollen. Es handelt sich also- darum, jenen Strom entweder gar nicht entstehen zu lassen, oder seine Wirkung in irgend einer Weise zu eliminiren. Ich will jedoch gleich bemerken, dass Beides überhaupt nur nähe¬ rungsweise erreichbar ist. Um den Strom möglichst gar nicht entstehen zu lassen , wende man bei einer eisernen Leitung eine eiserne, bei einer kupfernen eine kupferne Versuchsplatte an. Ein schwacher Strom entsteht freilich dennoch, weil beide Metalle, sei es ihrer Masse, sei es ihrer Oberfläche, sei es ihrer Umgebung nach, doch immer verschieden sind. Derselbe ver¬ schwindet jedoch bald ganz, wie man leicht erkennt, wenn man das Galvanometer mit Ausschluss des Elementes zwischen beide Versuchsdräthe schaltet. Aber auch ein stärkerer Strom ist nicht bleibend, nur dass man eine grössere Zahl von Minuten zu warten hat, wobei selbstverständlich die fragliche Kette- constant geschlossen bleiben muss; und hat man keine ent¬ sprechende Versuchsplatte, oder fehlen die weiteren Hiilfs- mittel, so kann man sich dieses Verfahrens auch immer be¬ dienen. Sonst lege man einen kleinen Magnetstab, dem Gal¬ vanometer nicht zu nahe, so, dass sich die Nadel wieder auf den Nullpunkt stellt und hebe ihn erst fort, nachdem man die erste Abweichung der Nadel in gewohnter Weise beobachtet hat. Oder man schalte gleich anfangs einen Stromwender ein (Fig. 30): dergestalt, wie es früher beschrieben wurde, und be¬ stimme die erste Abweichung dadurch, dass man das Mittel aus zwei Abweichungen nach entgegengesetzten Seiten nimmt. Rücksichtlich des Urtheils, Avelches man nach der Be¬ stimmung des Widerstandes fällt, darf man die sonstigen obwaltenden Verhältnisse nicht unbeachtet lassen. Ein kleiner Widerstand könnte z. B. trügerisch sein, wenn er nach an¬ haltendem Regen bei sehr durchlässigem Boden gefunden würde. 103 Ich habe unter solchen Verhältnissen öfter kleine Widerstände gefunden, wo ich zugleich erfuhr, dass die Platte gar nicht im Grundwasser lag. Auch fand ich einmal nach einem Re¬ gentage einen sehr kleinen Widerstand bei einem langen Kupferstreifen , welcher dicht unter der Erdoberfläche lag. Jene Zahl, welche ich gab, um die Grenze des noch Zulässi¬ gen zu bezeichen, kann daher auch nur als ungefährer Anhalt dienen. Sie mag nach längerem Regen zu verkleinern, nach längerer Dürre zu vergrössern sein. Am sichersten aber urtheilt man, wenn man das, was man findet, zugleich mit dem vergleicht, was man durch Zeugenaussagen erfährt. Ich möchte nicht unterlassen, noch einer besonderen Ein¬ richtung zu gedenken, welche die in Rede befindliche Prüfung mit betrifft, und welche sich bei neueren Anlagen häufiger findet. Es ist ein dünner Dratli, welcher mit der Platte in Ye r b i n d u n g stehen, und neben der Leitung, diese nichtbe- rührend, bis an die Erdoberfläche reichen soll. Wer bestimmt wüsste, dass der Drath diesen beiden Bedingungen entspräche, der könnte mit Hülfe dieser Einrichtung sicher wenigstens über den Zusammenhang der Leitung entscheiden. Der Fa¬ brikant selbst mag wohl wissen , dass der Drath die Leitung nicht berührt, und er weiss dann, falls der Strom passirt, dass Alles noch in guter Ordnung ist. Passirto der Strom nicht, so könnte er freilich auch nicht wissen, ob die Lücke im Drathe oder in der Leitung zu suchen sei. Ein Fremder aber weiss weder das Eine, noch das Andre; und für ihn hat also die fragliche Einrichtung kaum irgend welchen Werth. Nach dem Gesagten empfiehlt es sich wohl, dass Jeder, der sich einen Blitzableiter anschafft, bei Versenkung der Erdleitung möglichst anwesend sei und die Platten¬ grösse, worüber eine spätere Prüfling nur Wenig, und die Plattendicke, worüber sie gar Nichts sagt, nach genauem Maasse verzeichne. 104 Wie ein Blitzableiter eventuell zu verbessern ist. Wer einen Blitzableiter prüft, wird gleichzeitig darüber zu bestimmen haben, wie derselbe zu ver¬ bessern sei, wenn er seinem Zwecke nicht entspricht. In sehr vielen Fällen wenigstens wäre die Prüfung vollkom¬ men unnütz, wenn der Prüfende sich nur mit einer Beur- th ei lung begnügen wollte. Aber auch der Fabrikant, welcher einen Blitzableiter betreffenden Falls verbessern soll, muss wissen, wie er hierbei am richtigsten verfährt. Es mag da¬ her, was ich im Folgenden sagen will, für beide Theile die¬ selbe Bedeutung haben. Wer eine fertige Anlage richtig beurtheilt, braucht des¬ halb noch nicht zu wissen, wie sich ihre etwaigen Fehler am besten beseitigen lassen, da es jedenfalls leichter ist, Gutes zu schaffen, als Fehlerhaftes möglichst entsprechend zu ver¬ bessern. Freilich lassen sich hierfür am wenigsten umfas¬ sende Vorschriften geben , da zu der Mannigfaltigkeit aller sonstigen Verhältnisse hier noch die Mannigfaltigkeit der respectiven Anlagen tritt. Ich will es jedoch versuchen, ver¬ schiedene Pegeln zu geben, welche unter gleichzeitiger Berücksichtigung des früher Gesagten einigen Anhalt bieten mögen. Vor Allem bedenke man, dass eine durchgreifende Ver¬ änderung an bereits vorhandenen Stücken gewöhnlich eben¬ soviel kosten würde , als wenn man neue Stücke anlegen wollte, und bedenke zugleich, dass die vorhandenen, wenn sie auch nicht vollkommen genügen, doch gewöhnlich noch mehr oder weniger wirkungsfähig sind. Hieraus folgt, dass man überhaupt ein bestehendes Stück möglichst un¬ verändert lassen und lieber durch Hinzufügung von Stücken ergänzen muss. Aber es ist klar, dass dies um so rathsamer ist, je mehr die Veränderung eines Stückes zugleich die Veränderung andrer Stücke bedingen würde. Von diesem Gesichtspunkte aus stelle ich die folgenden Ke¬ geln auf. 105 Genügt die B e s c h a f f e n h e i t einer Spitze nicht , und ist sie nicht abnehmbar, oder nicht leicht erreichbar, so suche man durch eine über das normale Maass hinausgehende Ver¬ besserung der sonstigen Leitung dahin zu wirken, dass der Blitz sie doch sicher trifft. Genügt die Höhe einer Auffangstange nicht, und ist sie, wenn auch erreichbar, so doch schwer abnehmbar, so verfahre man auf dieselbe Weise, oder lasse sie durch einen der Länge nach angelegten , entsprechend verketteten Eisen¬ stab, soweit als möglich, erhöhen. Genügt die Zahl der Auffangstangen nicht, so mögen die vorhandenen thunlichst verlängert, oder es mag eine neue, ohne jene zu verrücken, an eine entsprechende Stelle ge¬ setzt werden. Genügt die Lage oder sonstige Beschaffenheit einer Auffangstange nicht, so mag sie doch, wenn möglich, un- geändert bleiben, und dem Mangel lieber dadurch begegnet werden, dass man tiefer gelegenen Stücken eine um so grös¬ sere Aufmerksamkeit schenkt. Genügt die Dicke einer Leitung nicht, so ordne man, falls zwei Auffangstangen vorhanden und noch unverbunden sind , eine Verbindung derselben an. Sonst lasse man von derselben Auffangstango eine zweite Leitung legen, unmittel¬ bar neben jener, oder, wenn ein besseres Ziel erreichbar, mehr oder weniger von derselben getrennt. Genügt die Zahl der Leitungen nicht, sei es, dass zwei Auffangstangen nur eine Leitung haben, sei es, dass verschiedene Seiten des Gebäudes deren mehr bedürfen, als vorhanden sind, so suche man die fehlenden, sofern eine Verbindung zweier Auffangstangen nicht mehr helfen kann, durch neue vollständige Leitungen, oder durch stückweise von Auffangstangen nach Regenrinnen hin zu ersetzen. Genügt die Lage einer Leitung nicht, und ist sie der ganzen Länge nach verfehlt, so schreibe man, wenn auch hier die Verbindung zweier Auffangstangen überhaupt nicht zulässig, oder schon verbraucht ist, für den richtigen Weg eine zweite vollständige Leitung vor. Ist die Länge jedoch nur rücksichtlich des untern Theiles verfehlt, so lasse man 106 eine zweite kürzere Leitung nur von der fraglichen Höhe an verlaufen. Ist eine Leitung rücksichtlich der Kürze des Weges schlecht geführt, und ist auch hier nicht, oder nicht mehr durch eine Verbindung zweier Auffangstangen zu helfen, so mag von dort an, wo der Fehler beginnt, eine zweite Leitung gelegt, oder, läge der Fehler in der Mitte, das betreffende Stück durch eine Zweigleitung überbrückt werden. Ist eine Leitung in sofern mangelhaft, als sich an ihr oder an andern Stücken, welche mit ihr in Verbindung' stehn, unzulässige Spitzen befinden, so mag, falls der Übel¬ stand auf andre Weise schwer zu beseitigen ist, durch eine um soviel bessere Erdleitung dahin gewirkt werden, dass der Blitz die Leitung doch nicht verlässt. Ist eine Leitung in sofern mangelhaft, als sie allzu s c h ar f e B i e g u n g e n , als sie L ü c k e n oder namhafte Be¬ schädigungen zeigt, so mögen die fraglichen Stellen durch kurze Drathenden überbrückt, verstärkt, oder auf andre Weise ausgebessert av erden. Ist die Erdleitung verfehlt, weil die Leitung nicht nach der richtigen Stelle der Erde führt, oder nicht tief genug in letztere hineinreicht, oder eine zu kleine Platte besitzt, so sehe man, ob dieser Mangel durch eine Verbindung zweier Auffängstangen zu heben sei; wenn nicht, schreibe man eine zAveite Erdleitung mit den ergänzenden Eigenschaften vor. Ist nur die Platte nicht gross genug, und liegt diese in einem Brunnen oder sonstigen GeAvässer, so dass man sie leicht erreichen kann , so lasse man sie durch Hinzufügung eines entsprechenden Stückes vergrössern, Avelches nicht — wie es wohl geschieht — der Leitung nebenbei an zu hängen, sondern mit der Platte zu verniethen ist. Ist die Verbesserung der Erdleitung nothwendig, aber betreffenden Ortes schwer auszuführen, so suche man sich durch eine Verbindung mit Regenrinnen zu helfen. Sonst lasse man die Zahl der etwaigen Leitungen vermehren und diese möglichst verschiedene Seiten des Gebäudes berühren. Fehlt eine nothwendige Verbindung zwischen dem Blitz¬ ableiter und andern Stücken , so ordne man dieselbe an , so 107 gut sie nach Lage der Dinge zu bewirken ist. Besteht jedoch eine Verbindung, welche im Allgemeinen besser fehlte, so lasse man sie, falls sie schwer zu beseitigen wäre, bestehn. Hierzu bedarf es jedoch noch einer Ergänzung rücksicht¬ lich der Frage, wieweit man die hinzuzufügenden Stücke aus Eisen oder Kupfer wählen darf. Es ist früher zwar vom Gebrauch des Eisens abgerathen worden, aber es ist zu¬ gleich hervorgehoben, dass Leitung und Platte aus gleichem Stoffe zu fertigen sei. Man würde also selbstverständlich einer eisernen Leitung, wo eine solche bestände, keine kupferne Platte zuertheilen dürfen. Allein es gilt mehr zu be¬ achten , weil es sich in sehr vielen Fällen nicht bloss um eine Leitung, sondern zugleich um mehrere Leitungen han¬ delt. Man darf aber auch nicht mehrere Leitungen, wenn sie mit einander in Verbindung stehn und alle in die Erde reichen, aus verschiedenem Stoffe bestehn lassen, zum wenig¬ sten nicht, soweit sie das Grundwasser oder ein andres Ge¬ wässer oder constant feuchte Erde berühren. Es wäre also verkehrt, wenn man an eine bestehende Leitung von Eisen, welche tief in die Erde führte, eine gleich tief führende Zweig¬ leitung aus Kupfer legen wollte. Desgleichen , wenn man mit derselben Auffangstange, welche bereits eine eiserne Lei¬ tung besässe, eine kupferne Leitung verbände. Desgleichen, wenn man eine kupferne Leitung wählte, welche durch eine Firstverbindung irgend wie mit einer eisernen Leitung in Verbindung stände. Sehr wohl jedoch dürfte dies Alles ge- schehn, wenn man nur den oberirdischen Theil aus Kupfer fer¬ tigen wollte. Auch wäre zwischen eisernen Leitungen sehr wohl eine kupferne Firstverbindung statthaft, und man dürfte eine solche vorzielm, weil sie das Auge weniger unangenehm be¬ rührt. Diese verschiedenen Eventualitäten brauchten früher nicht weiter erwogen zu werden, da man bei der Neuanlage eines Blitzableiters selbstverständlich verschiedene Leitungen nicht mit einander vermischt. Ferner bedarf es noch einer Ergänzung rücksichtlich der Frage, wie stark eine Leitung zu wählen sei, welche zur Verstärkung einer andern dienen soll. Unter gewissen Verhältnissen kann man neben dieser Verstärkung als dem 108 Hauptzweck noch den Nebenzweck im Auge haben, dass sie auch einen etwas bessern Weg verfolge. Dann würde sie sich mehr oder weniger von der andern Leitung entfernen, und es würde zugleich anzunehmen sein, dass der Blitz sie bevorzugen würde. Unter solcher Yoraussetzung möchte es gerathen sein , ihr diejenige Dicke zu geben , welche jeder andern Leitung unter sonst gleichen Verhältnissen entspräche. Dient sie jedoch nur zur Verstärkung, lässt man sie dem¬ gemäss dicht neben der andern laufen, zum wenigsten so weit, bis sie dem Auge verschwindet, so braucht sie, zumal, wenn man sie noch stellenweise mit jener verlöthet, in ihrer Stärke nur die dort fehlende Stärke zu ersetzen. Gesetzt z. B. ein Eisendrath wäre 9 Millimeter dick und seine Dicke müsste für einen bestimmten Fall 12 Millimeter betragen, so würde, dem fehlenden Querschnitt entsprechend, ein 8 Milli¬ meter dicker zweiter Drath angemessen sein. Endlich bedarf es noch einer Ergänzung rücksichtlich der Dicke neu anzulegender Eisenplatten, nicht ihrer Grösse, welche von der Grösse kupferner Platten nicht differirt. Es handelt sich hierbei um ihre grössere oder geringere Vergäng¬ lichkeit, und ich meine , wenn ich es auch nicht bestimmt weiss, dass dieselbe mindestens doppelt so gross, als diejenige kupferner Platten sei. Ich rathe demgemäss eine eiserne Platte mindestens 4 Millimeter dick zu wählen, wenn sie eine län¬ gere Reihe von Jahren ausreichen soll. Die obigen Regeln dürften jedoch nicht immer an ihrer Stelle sein, weil bei gewissen Anlagen eiue Änderung des Bestehenden weniger schwer ist. Hierin gehören jene Blitzableiter mit frei schwebenden Dräthen, zumal, wenn diesen die Platte fehlen sollte. Eine solche Leitung lässt sich mit grosser Bequemlichkeit von hier nach dort verlegen, und wäre ihr Fehler nur eine verkehrte Lage, so würde dieser so auf die beste Weise beseitigt. Man würde jene Regeln aber auch deshalb zuweilen verlassen müssen, weil das Bestehende nicht immer erhaltenswerth ist. Einzelne Leitungen aus älterer Zeit werden schon, wenn man sie antrifft, vollständig wertlilos sein; anderen wird man esansehen, dass sie binnen wenigen 109 Jahren doch einer Erneuerung bedürften. Ich habe dergleichen gesehn aus Eisendrath, der kaum 4 Millimeter dick war, des-, gleichen aus Zinkstreifen von 1 Millimeter Dicke und 12 Milli¬ meter Breite. In solchen Fällen mag höchstens die Auffang¬ stange noch zu gebrauchen sein , aber auch diese wird man dann nöthigcnfalls leicht aus ihrer Stelle verrücken können. Ob unser Wissen bezüglich der Blitzableiter schon abgeschlossen ist. In unserm Wissen von dem, wie ein Blitzableiter wirkt und wie er beschaffen sein muss , ist noch hie und da eine Lücke. Diese Lücken hindern uns zwar nicht, schon jetzt einen Blitzableiter allemal so zu fertigen, dass er sicher schützt. Aber sie hindern uns vielleicht, ihn allemal so zu fertigen, dass er nicht mehr, als grade nöthig, kostet. Wir verwenden vielleicht zu viel Mühe auf die Ge¬ staltung der Spitzen ; wir ziehn vielleicht die Grenzen des Schutzraumes allzu eng; wir sind vielleicht zu vorsichtig rücksichtlich der Beschaffenheit der Leitungen; wir über¬ schätzen vielleicht den Erdwiderstand, vielleicht die Vergäng¬ lichkeit des Materials. Aber wir verfahren so, weil wir so verfahren müssen, bevor wir nach bestimmteren Anhaltspunk¬ ten urtheilen können, als wir deren zur Zeit besitzen. Gedachte Lücken bedeuten, dass die Natur der Wolken- elektrieität, dass die Eigenschaften des Blitzes noch nicht voll¬ ständig bekannt sind. Wir kennen sie nicht so, als wir die Natur einer andern Elektricitätsart, als wir die Eigenschaften andrer elektrischer Funken kennen; und zwar deshalb nicht, weil wir die Wolkenelektricität nicht erzeugen, weil wir den Blitz nicht willkürlich unter willkürlich gewählten Bedingun¬ gen studiren können. Wir müssen uns in unsrer Forschung auf Schlüsse beschränken, welche wir aus dem ziehn, was wir selbst, oder was andre zufällig fanden; und dieser Weg der Forschung ist mehr oder weniger unsicher, und man schreitet auf demselben nur langsam vor. Ein einziges Ex- 110 periment kann oft eine Frage entscheiden , wenn es so an¬ gestellt wird, dass in demselben nur eine unbekannte Grösse "vorhanden ist. Um dieselbe Frage auf dem Gebiete der Sta¬ tistik zu lösen , kann es möglicherweise jahrelanger Ermitte¬ lungen bedürfen. Ich will nun nicht behaupten, dass es ganz unmög¬ lich sei, auch auf dem vorliegenden Gebiete den Weg des Experimentes zu beschreiten. Man könnte gewisse Vorrichtungen so aufstellen, dass sie häu¬ figer vom Blitze getroffen würden, man könnte sie so organisiren, dass man eine grössere Zahl unbe¬ kannter Grössen eliminirte. Solche Vorrichtungen könnten nebenbei zum Schutze eines Landes, eines Ortes dienen, insofern sie die Blitzgefahr überhaupt innerhalb gewisser Grenzen verringerten. Solche Vorrichtungen sind jedoch bisher nicht vorhanden, und sie werden auch in Zukunft nicht leicht vorhanden sein , wenn der Staat nicht vielleicht, um zugleich die Wissenschaft zu fördern, ihre Entstehung einmal begünstigen sollte. Wir werden uns daher auch fernerhin zur Erweiterung unsrer Kenntnisse vorwiegend mit der Ermittlung und Vergleichung von Thatsachen begnügen müssen. Aber es wäre wünschens werth, dass die Thatsachen gründ¬ licher verzeichnet, und dass mehr Thatsachen verzeichnet würden, als dies bisher wohl im Allgemeinen geschehn ist. Ein Factum hat wenig Werth, wenn es aus seinem Zusammenhänge gerissen, wenn es seiner wichtigsten Nebenumstände entkleidet ist. Es nutzt nicht, zu wissen, dass eine Spitze in gewisser Zeit durch das St. Elmsfeuer eine gewisse Abstumpfung erlitt, wenn man sonst Nichts über die Spitze, über die Beschaffenheit der Ableitung, über die respective Häufigkeit der Gewitter erfährt. Es nutzt nicht, zu wissen, dass ein Blitz in gewisser Entfernung von einer Auffangstange fiel, welche eine gewisse Länge besass , wenn Nichts über die Beschaffenheit der Ab¬ leitung, über die sonstigen Anziehungspunkte des Gebäudes und der nächsten Erdoberfläche bekannt ist. Es nutzt nicht, zu wissen, dass der Blitz einen Dratli von bestimmtem Ma- 111 terial und bestimmter Dicke schmelzte, wenn weitere Nach¬ richten über etwaige formelle Fehler des Drathes, über die Ableitung, über die Leitungsfähigkeit der Erdoberfläche fehlen. Es nutzt nicht, zu wissen, dass eine Platte von bestimmtem Stoff und bestimmter Dicke innerhalb einer Reihe von Jahren aufgezehrt wurde , wenn im Übrigen kein Aufschluss über ihre Umgebung, ihre Verbindungen, über die sonstige Be¬ schaffenheit des Blitzableiters gegeben ist. Ein Factum hat aber auch dann wenig Werth, wenn es für sieh allein besteht, wenn wir es nicht mit an¬ dern ähnlichen vergleichen können. Der Grund ist, dass es sich hier um Effecte handelt, deren sämmtliche Fac- toren gar nicht immer festzustellen sind. Gesetzt z. B. wir wüssten, dass eine bestimmte Leitung nicht geschmolzen sei, und kennten die Sachlage, soweit sie irdische Verhältnisse beträfe, ganz genau, so wüssten wir doch nicht, ob die Wolken- elektricität, welche sich entlud , die grösste war, welche sich unter denselben irdischen Verhältnissen überhaupt entladen kann. Ganz anders, wenn wir wüssten, dass in zwanzig ver¬ schiedenen Fällen eine gleiche Leitung unter annähernd glei¬ chen irdischen Verhältnissen nicht geschmolzen sei. Wir dürften alsdann, wenn auch nicht mit voller Sicherheit, so doch mit grosser Wahrscheinlichkeit, den Schluss ziehn, dass die Stärke der Leitung unter selbigen Verhältnissen über¬ haupt genügt. Von einer speciellen Behandlung aller noch nicht genügend aufgeklärten Punkte muss ich absehen. Sie würde mehr Raum beanspruchen, als cs der Rahmen dieser Schrift gestattet. Da die Schmelzung von Leitungen aber ein besonderes In¬ teresse beansprucht, so will ich genauer bezeichnen, was rück¬ sichtlich einer solchen zu beachten wäre. Vor Allem wäre anzugeben , ob eine geschmolzene Lei¬ tung für sich bestand, oder ob sie mit anderen Leitungen ver¬ bunden war, im letzteren Falle auch, ob die geschmolzene Stelle oberhalb oder unterhalb der betreffenden Verbindung lag. Es wäre auch anzugeben, ob die Leitung einer Regen¬ rinne nahe trat, oder ob der Blitz überhaupt nach einer solchen abgewichen ist, wobei wiederum festzustellen wäre, ob die 112 geschmolzene Stelle oberhalb oder unterhalb der eventuellen Abweichung lag. Ferner würde der Metallgehalt der geschmolzenen Lei¬ tung und der mit dieser etwa Verbundenen genau zu be¬ stimmen sein, was bei einem Drath seile nur möglich, wenn man ein bestimmtes Stück von demselben absclmitte und neben der Länge dieses Stückes gleichzeitig das Gewicht desselben verzeichnete. Natürlich wäre auch anzugeben, aus welchem Materiale die Leitung bestand, ob sie an der frag¬ lichen Stelle scharf gebogen , oder durch zu tief geschlagene Krampen beschädigt, ob sie hier vielleicht zusammengesetzt, und ob in Folge dessen vielleicht eine Lücke vorhanden war. Desgleichen müsste, wenn auch nur nach Zeugenaussagen, constatirt werden, ob die geschmolzene Leitung und die etwa mit ihr verbundenen bis ins Grundwasser reichten , ob sie eine Platte besassen und wie gross dieselbe etwa war. ob sie nach einer Gas- oder Wasserleitungsröhre führten, oder ob eine solche überhaupt in der Nähe des Ge¬ bäudes lag. Auch müsste erwähnt werden, ob sich der fragliche Fall an einem besonders tief, oder besonders hoch gelegenen Orte ereignete, ob in der Nähe ein grösserer Fluss oder ein andres grösseres Gewässer vorhanden , ob die Oberfläche der Erde verhältnissmässig trocken, oder durch voraufgegangene reich¬ liche Regengüsse getränkt war. Endlich wäre, falls derselbe Blitz, wie es durchaus nicht ungewöhnlich ist, gleichzeitig in mehrere Auffangstangen ge¬ fallen wäre, auch dies nicht zu verschweigen und alsdann an¬ zugeben, ob die betroffenen Auffangstangen mit einander in irgend einer Weise communicirten. Ich schliesse diesen Abschnitt mit einer Bitte an Alle, welche Thatsachen über Blitzschläge, wenn auch ohne Bezug auf Blitzableiter verzeichnet haben. Ich bitte, falls sie hierfür keine bessere Verwendung wissen , mir solche gütigst zu eventuellem Gebrauche mittheilen zu wollen. Ich bemeike zugleich, dass mir aile Nachrichten willkommen sind, mögen sie auch weniger eingehend , wie angedeutet wurde . abge- fasst sein. IIP) Wo ein Blitzableiter am meisten Bedürfnis ist. Wie die Blitzgefahr im Laufe der Zeit gewachsen, in welchen Ländern und Orten sie gegenwärtig am grössten ist, bei welcher Lage und Einrichtung der Gebäude man am ehe¬ sten einen Blitzschlag zu gewärtigen hat, das gedenke ich unter Benutzung des mir von verschiedenen Seiten gütigst dargereichten statistischen Materiales in einer besondern Bro¬ schüre zu behandeln. Andeutungen hierüber sind jedoch be¬ reits gefallen; und ich mochte noch einige Bemerkungen hin¬ zufügen, da diese in einer Schrift über Blitzableiter auch jedenfalls an ihrer Stelle sind. Es galt wohl bisher ziemlich allgemein die Ansicht, dass eine Ortschaft, wenn sie hoch läge, besonders gefährdet sei. Nach meiner Erfahrung ist eher das Gegcnthoil der Fall, und was mir aus verschiedenen Ländern vorliegt, stimmt hiermit überein. Nach Letzterem ist die Blitzgefahr im Grossherzog¬ thum Oldenburg fünfmal so gross, als im Grossherzogthum Sachsen, und ein ähnliches Verhältniss ergiebt sich, wenn wir die Provinz Schleswig -Holstein mit der Provinz Hessen -Nassau vergleichen. In Schleswig-Holstein selbst aber ist die Blitzgefahr entschieden in den Marschdistricton am grössten. Ich glaube auch, dass die Blitze in den Niede¬ rungen im grossen Ganzen häufiger zünden, dass hier die Entladungen stärker sind, weil sich liier ein grösseres Stück der Erde entladet. Ich glaube auch, dass die Blitze häutiger und stärker an Orten sind, welche in der Nähe des Meeres, in der Nähe grösserer Gewässer liegen, und an Orten, welche Gas- oder Wasserleitung besitzen. In einem Lande ferner, welches viele Waldungen besitzt, dürften Blitze an bewohnten Olfen weniger häufig fallen. Das Vorhandensein von Flüssen, Eisenbahnen, Telegraphenlinien dürfte für entferntere Orte ebenso die Blitzgefahr verringern. Büeksichtlich der Gebäude selbst nahm man bisher gleichfalls an, dass sie an einer höhern Stelle einer Ortschaft eher gefährdet seien. Ich möchte hier wieder das Gegcnthoil 8 114 behaupten, was nach dem Obigen ja zu erwarten stand. Dem widerspricht nicht, dass ein Gebäude, welches hoch liegt und zugleich mit dem Grundwasser in guter Verbindung steht, am meisten gefährdet ist. Auch die Höhe der Gebäude an und für sich betrachtet ist nach meiner Ansicht nicht so wichtig, als man anzunehmen pflegt. Dem widerspricht nicht, dass ein hohes Gebäude, wenn es zugleich seiner innern Be¬ schaffenheit nach ein guter Leiter ist, einen Blitzschlag am ehesten zu gewärtigen hat. Kirchen haben meist eine hohe Lage und ebenso eine grosse Höhe; aber sie werden nicht deshalb so häufig vom Blitz getroffen , sondern deshalb, weil gewöhnlich von der Spitze des Thurms bis nahe zur Erde ein Zusammenhang von Leitern besteht. Der Kirchthurm der Stadt Heide blieb Jahrhunderte lang — soviel mir bekannt — vom Blitze verschont, weil dieser Zusammenhang fehlte. Nach¬ dem letzterer jedoch 1865 durch Tieferlegung des Uhrwerks geschaffen, war 1871 und 1872 schon je ein Blitzschlag zu verzeichnen. Überhaupt muss ich die leitende Beschaffenheit der Gebäude, wie bereits im Eingang dieser Schrift hervor¬ gehoben, als den wichtigsten Factor bezeichnen, zumal, wenn leitende Stücke, wie innere Pumpen, wie Gas- oder Wasser¬ leitungsröhren, zugleich mit der Erde in guter Verbindung stehn. Auch glaube ich nicht, dass bei solcher Beschaffen¬ heit der Gebäude die Nähe von Bäumen einen wesentlichen Schutz gewährt. Ich glaube aber, dass Bäume, wenn sie unmittelbar neben dem Gebäude liegen, die Gefahr alsdann noch vergrössern können. Dass isolirt liegende Gehöfte, isolirt liegende Gebäude eher vom Blitze getroffen werden , als andre , ist hinlänglich bekannt, desgleichen, dass eine Zündung am ehesten erfolgt, wenn das Gebäude ein Strohdach oder zündbare Waaren- vorräthe besitzt. Endlich ist selbstverständlich , dass die Blitzgefahr an einem Orte geringer ist, wo verhältnissmässig viele Blitz¬ ableiter bestehn, und dass sie sich für ein einzelnes Gebäude in dem Maasse verringert, als dieses einem Blitzableiter näher gelegen ist. ✓ I 7V/Y: //. rn/:m. /’ /if* /v/v//// /. . tf» Die Foraminiferen der weissen Schreibkreide der Insel Rügen von Dr. Th. Marsson in Greifswald. Hierzu Tafel I-V. Die ausgedehnten und mächtigen Kreidelager der Insel Hilgen, die besonders auf der Halbinsel Jasmund mit ihren malerisch-schönen, weissen Wänden, als hoho, schroffe Ufer- abstürze zu Tage treten und die Halbinsel gegen die Ostsee abgrenzen, sind in paläontologischer Beziehung durch die umfassenden Arbeiten , welche v. Hagen ow in seiner „Mono¬ graphie der Rügenschen Kreide Versteinerungen“ (Leonhard und Bronn, Heues Jahrbuch für Mineralogie, 1839. 40 u. 42) veröffentlicht hat, in weiteren Kreisen bekannt geworden. Auch den Foraminiferen hatte v. Hagenow einen Platz ein¬ geräumt und eine Anzahl beschrieben , wovon der grössere Theil von ihm als neu angesehen und benannt, aber nur der kleinere Theil abgebildet wurde; man kann daher bei der nicht immer ausreichenden Beschreibung heute kaum noch entscheiden, was darunter von ihm verstanden wurde. Es war damals v. Hagenow auch noch nicht die nur wenige Jahre früher erschienene Arbeit von d'Orbigny über die Pariser Kreide bekannt gewesen, die eine grössere Anzahl von Foraminiferen enthält, welche mit den von v. Hagenow in der Rügenschen Kreide aufgefundenen übereinstimmen, und für die daher die d ’Orbign y'schen Benennungen die Priorität besitzen. Später hatte v. Hagenow mehrere von ihm gesammelte Foraminiferen sowie auch Proben von Sehläm- 116 ]\f a r s s n n : kreide-Rtickständen an Reuss mitgetheilt, woraus dieser selbst eine Anzahl auszulesen im Stande war und ein Verzeichniss der bis dahin aus der Rügensclien Kreide bekannt gewordenen Arten zusammen stellen konnte. (Wien. Sitzungsber. 1861, Jßd. 44, 1, p. 324). Die Liste der von Reuss aufgeführten Rügensclien Foraminiferen umfasst 37 Arten, worunter Reuss 9 Arten als auf die Rügen sehe Schreibkreide beschränkt ansieht. Dass dies Verzeichniss keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen konnte, gab Reuss schon damals selbst zu. Wenn wir nun die in neuerer Zeit bei sorgfältiger Unter¬ suchung der Tertiärschichten zu unserer Kenntniss gekommenen, zahlreichen Arten in Betracht ziehen, so schien es nicht un¬ wahrscheinlich, dass auch bei einer sorgfältigeren Unter¬ suchung der Rügensclien Kreide sich die Zahl der Arten und Formen bedeutend vermehren würde. Solche genauere Unter¬ suchungen der verschiedenen Schichten der Formationen haben nicht allein unsere Kenntniss der Arten und ihrer Formen¬ kreise bedeutend gefördert, sondern auch über ihr Alter uns neue Aufschlüsse gegeben, die so manche Art uns jetzt schon von der Kreide an durch das Tertiär selbst bis zur Jetztzeit verfolgen lassen. Koch einen anderen Gesichtspunkt bietet die genauere Kenntniss dieser kleinen Organismen. Die verschiedenen äquivalenten Schichten führen in verschiedenen Gegenden doch auch wieder einzelne verschiedene Formen, die ein be¬ schränktes Vorkommen besitzen , gewissen Lokalitäten eigen- thümlich sind und daher als lokale Formen bezeichnet werden können. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, dass bei genauerer Durchforschung einer Schicht wohl manche für lokal gehaltene Form als weiter verbreitet erkannt whd; um so grösser ist aber das Interesse, ihren Verbreitungsbezirk zu erkennen, um wiederum Schlüsse auf lokale Bildung der sie führenden Schichten zu ziehen. Wenn schon Reuss in der Rügen sehen Kreide mehrere ih" eigenthümliche Arten aufführt, so ist die Zahl durch meine Untersuchungen nicht unerheblich gewachsen, und es ist von Interesse, festzustellen, ob die baltische Kreide nicht lokale 'Verschiedenheiten in dieser Thierklasse von der Pariser oder Englischen zeigt. o o Foraminiferen der Riigenschen Schreibkreide. 117 Um eine möglichst vollständige Sammlung der Rügen- schen Kreide-Foraminiferen zu erhalten, habe ich selbst eine grössere Anzahl von Schlämm- Versuchen mit der Kreide aus- geführt, aber ausserdem Hunderte von Pfunden der Schlämm¬ rückstände, wie sie in den Schlämmkreide-Fabriken, welche sich in grösserer Zahl auf Rügen befinden, in Menge abfallen, in mehrjähriger Arbeit mit dem einfachen Mikroskop durch¬ mustert. Hierdurch ist es mir gelungen, die Zahl der bisher gefundenen Arten und Formen in erheblicher Weise zu vor- grössern, ganz ähnlich wie es v. Schlicht gelang, aus dem Septarienthon von Pietzpuhl zu den bekannten 78 Arten noch 86 neue hinzuzu fügen. Trotz aller dieser sorgfältigen Unter¬ suchungen ist diesen Zahlen jedoch noch kein bleibender Werth einzuräumen, und werden, sie durch fortgesetzte For¬ schungen fortwährend Aenderungen erleiden. Auch habe ich einige von v. Hagenow und Reuss in der Riigenschen Kreide aufgeführte Arten nicht wieder finden können , so grosse Schlämmrückstände auch von mir durchsucht wurden. Es beweist dies aber nur, dass die Foraminiferen nicht gleicli- mässig durch die Kreide verbreitet sind, dass eine Art in gewissen Zeiträumen der Kreidebildung häufiger gewesen ist als in andern, vielleicht zu Zeiten fast ganz verschwunden war, um in anderen dem Leben der Art günstigeren Zeit¬ räumen wieder häufiger zu werden. Man kommt zu diesem Schluss, wenn man sicht, dass aus den Schlämmrückständen derselben Schlämmkreide-Fabrik das eine Jahr eine Art ziemlich häufig gefunden, während sie das nächste Jahr vergeblich gesucht wird, obgleich die Fabrik das Material von derselben Lokalität verarbeitete. Es war also die eine Schicht von der daneben liegenden Schicht in Beziehung auf Anzahl und Häufigkeit der Arten verschieden. Ueber die Menge der noch jetzt in der Schlämmkreide vorkommenden Foraminiferen herrschen sehr übertriebene Vorstellungen. Bedenkt man dass die Kreide über die Hälfte eines feinen Mulms enthält, der durch die Proccdur des Schlämmcns als Schlämmkreide gewonnen wird, und dass diese, wenn sie sorgfältig bereitet ist, nur eine geringe Menge der aller kleinsten Foraminiferen aus den Gattungen Orbulina, 118 Ala r sson : Textilaria, Globigerina mit sich führt, und dass im Schlämm¬ rückstande grosse Mengen von Bruchstücken von Schalthieren, Bryozoen, Corallen und Spongien Zurückbleiben , so ist der dann noch in der Kreide übrigbleibende Theil von Foraminiferen keineswegs so bedeutend, wie er gewöhnlich angegeben wird. Die kleinsten Arten hauptsächlich aus den schon angeführten Gattungen bilden in diesem Theile die Hauptmasse, die ansehn¬ licheren Arten sind viel seltener und überhaupt nicht häufiger, als sie sonst selbst in dem foraminiferenreichen Tertiärthone von Pietzpuhl Vorkommen. Dass dennoch die Foraminiferen den Hauptantheil an der Bildung der Kreide genommen haben, ist sehr wahrscheinlich, und wenn wir die neueren Untersuchungen über den Tiefseeschlamm von W. Thomson auf der Challenger- Expedition zu Käthe ziehen, so dürfte der grösste Theil des coceolithenreichen feinen Mulms auch nur als Trümmerschlamm von Foraminiferen aufzufassen sein. In der systematischen Andordnung habe ich das auf den Aufbau der Schale begründete d ’Orbigny 'sehe System, wie es durch neuere Forscher mehr der natürlichen Verwandschaft angepasst und demnach verändert ist, berücksichtigt, ohne die Unvollkommenheit desselben zu verkennen. Aber auch die anderen Versuche von AVilliamson, Car p enter, Parker und Jones sowie von Reuss, auf die mikroskopische Schalen- Structur eine systematische Anordnung zu gründen, haben bis jetzt noch nicht zu einem besseren Ziele geführt, und es werden dabei sehr natürliche Gattungen auseinander gerissen, ohne dass die einzelnen Glieder wie z. B. bei Bulimina oder Textilaria durch die mikroskopische Schalen-Structur sicher unterschieden werden könnten. Die Uebergänge von der so¬ genannten sandig-kieseligen Schale der Gattung Ataxoplirag- mium Kss. bis zu den fein porösen Buliminen sind so allmälig, dass die Grenze nicht zu finden ist. Kur wenn die Schalen- Structur mit einem eigenthümlichen Aufbau zusammenfällt, kann sie wesentliche Hülfsmittel zur Begründung von Gat¬ tungen darbieten. Doch hat andrerseits die mikroskopische Untersuchung der Schale uns manche Verhältnisse in ihrem Bau aufgedeckt, die äusserlich nicht zu erkennen sind ; es ist deshalb für gewisse Foraminiferen-Gruppen die mikroskopische Foraminiferen der Rügenschen Schreibkreide. 119 Untersuchung vermittelst Dünnschliffe geradezu eine Notli- wendigkeit geworden. Bei der Unterscheidung der echten Kotalien im Sinne von Parker und Jones, welche durch Canäle getheiltc, also doppelte Scheidewände besitzen , sind Dünn¬ schliffe zur Bestimmung der Arten nicht zu entbehren, und müssen die meisten Allen aus der Verwandtschaft der Rotalien aufs Neue mikroskopisch untersucht werden. So erkennt man z. B an Dünnschliffen der Rosalina Bosqueti Rss. ebenfalls Canäle in den Scheidewänden, die bisher übersehen waren, und die Art gehört daher auch zur Gattung Rotalia P. u. J. Erst durch die Untersuchung viel zahlreicherer Dünn¬ schliffe der verschiedensten Arten werden wir in den Stand gesetzt werden, sowohl manche Gattung wie Art besser zu¬ begründen, als es bisher geschehen konnte. Spezielle lTebersicht der gefundenen Foraminiferen. Lagenidea. La gen a Walk. A. Schale glatt, ohne alle Verzierung. 1) L. gl ob os a Walk. Reust, Die Foraminif .-Familie der Lagenideen, in Sitzungs- ber. der Kais. Academie d. Wissenschaften in Wien, Dd. 46. Abtli. 1, p. 618; Taf. 1, Fig. 1 — 3. — Oolina simplex Rss., Haid, naturw. Abhandl. IV, 1, p. 22; laf. 2. Fig. 2. In Grösse und Gestalt sehr veränderlich, eiförmig bis kugelförmig, unten breit gerundet, oben sich allmälig zur kurzen stumpfen Spitze zusammenziehend. In der Rügenschen Kreide verbreitet. 2) L. apiculata Rss. Rss., Wien. Sitzungsber. J3d. 46, p. 618; Laf. 1, Fig. 4—8, 10, 11. Mehr eiförmig, selten fast kugelförmig, in Grösse und Gestalt ebenso veränderlich wie die vorhergehende Art, aber 120 ü f a r s .. 331; Taf. 4, Fig; 53 — 61; Taf. 5, Fig. 62. — v. Schlicht, Taf. 2, Fig. 10, 20, 24 u. 25. Sehr schmal elliptisch- linienförmig, an der Spitze stark verdünnt, unten bald in eine Spitze auslaufend und dadurch fast spindelförmig, bald abgerundet-stumpf und dann oft unten etwas verbreitert. Rippen nicht zahlreich, doch in Zahl und Stärke veränderlich, zuweilon fast verschwindend. Gehört zu den kleinsten Arten, nur 0,20 m,n- — 0,36 m,n- lang. — Hat in der Gestalt auch grosse Aehnlichkeit mit L. clavata (d'Orb.) (Wien. Becken p. 21. Taf. 1, Fig. 2,3), doch ist diese ganz glatt, ohno 122 il / a r s ,s o n : Kippen und Streifen. — Lagena amphora Rss. (ibid. p. 330, Taf. 4, Fig. 57) kann ich auch nur für eine Form mit etwas breiterer, abgerundeter Basis halten. Sehr selten. 9) L. tri co st ul ata Marss. Völlig kugelrund, 0,34 mm* — 0,40 mra- im Durchmesser, an der Spitze plötzlich in einen ganz kurzen, röhrenförmigen Schnabel zusammengezogen, von drei einander genäherten, aber parallelen, feinen Rippen umzogen, wovon die mittlere kaum bis zum Schnabel verläuft, die seitlichen sich aber unter der Spitze, ohne sich der Mittelrippe oder dem Schnabel zu n ähern , verflachen . Sehr selten. Tafel I, Fig. 2, a: von der Seite, b: von oben. Yergr. sr°* C. Schale mit körnigen oder stacheligen Erhöhungen bedeckt. 10) L. oxystoma Rss. Wien. Sitzungsb. ßd. 46, p. 335; Taf. 5, Sehr selten. Fig. 66. 11) L. hystrix Rss. Wien. Sitzungsb. ßd. 46, p. 335; Taf. 6, Fig. 80. Sehr selten. 12) L. aspera Rss. Wien. Sitzungsb. ßd. 44, p. 305 ; Taf. 1, Fig. 5 und da¬ selbst ßd. 46; Taf. 6, Fig. 81. Von dieser Art lässt sich L. rudis (daselbst Taf. 6, Fig. 82) nicht gut trennen. Sehr selten. Capitellina Marss. Von Lagena durch einen von dem Gehäuse abgeschnürten Schnabel, der gewissermassen die Anlage zu einer zweiten Kammer bildet, verschieden. Parker hat auch monströse Lagenen beobachtet (Carpenter Introduction to the study of the Foraminifera , London, 1862, p. 158), die einen Ansatz zu einer zweiten Kammer besassen, der bald schief auf einer Seite, bald in der Achse des Originals sich befand. Durch die netzförmige Sculptur der Schalen- Foraminiferen der Riirjenschen Schreibkreide. 123 Oberfläche konnte die Monstrosität anf die dazu gehörige Art bezogen werden; bei einigen gerippten ist es Parker zweifel¬ haft geblieben, ob es monströse Lagenen oder verkümmerte Nadosarien gewesen sind. Es beweisen diese Fälle überhaupt nur die grosse Gattungsverwandtschaft von Lagena und Nodo- saria. Ob nun die Gattung Capitellina wegen der beobachteten Monstrosität eine Existenz-Berechtigung besitze, wird davon abhängen, ob fernere Beobachtungen nach weisen, dass wir es auch hier mit einer Monstrosität freilich von einer bisher noch unbekannten Art zu thun haben. Alle von mir bis jetzt ge¬ sammelten Exemplare etwa 20 hatten den Ansatz. 1) C. multistr iata Marss. Yollig kugelrund, 0,43 mm- — 0,50mm im Durchmesser, dicht mit zahlreichen, 40—50 feinen Rippen bedeckt. »Der Schnabel eine kurze, abgeschnürte pyramidenförmige, unge¬ streifte Spitze mit runder Oeffnung. Die Abschnürung ist bald seicht, bald tiefer und demnach der Schnabel mehr oder weniger von der Schale getrennt. Selten in der Kreide bei Sassnitz. Tafel I, Fig. 3, a: von der Seite, Vergr. ST°, b, c: die Spitzen zweier anderer Exemplare, Vergr. 6rs. Fi ss u rina Reuss. 1) F. gl ob os a Born. Septarienthon v. Ifermsdorf in Zeüschr. der deutsch, geolog. Gesellsch. Bd. 7 , p. 317; Taf. 12, Fig. 4. Die hiesigen Exemplare haben an der Basis eine etwas hervorspringende Ecke, wie Bornemann angiebt und abbildet. Ob die von Reuss dazu citirte Abbildung in v. Schlicht’s Foraminiferen Taf. 5, Fig. 4 und 6 hierher gehört, scheint mirwegen der kleinen, fast rundlichen Mündung sehr zweifelhaft. 2) F. laevigata Rss. Wien. Denksclir. Bd. 1, p. 366; Taf. 46, Fig. 1. — Wien. Sitzungsh. Bel. 46. p. 338; Taf. 6, Fig. 84. Sehr selten. 3) F. alata Rss. Zeitschr. d. deutsch, geolog. Gesellsch. 1851, p. 58; 'l'af. 3. 124 J\I a rsson: Fig. 1. — Wien. Sitzungsb. Bd. 46, p. 339 ; Taf. 7 , Big. 37. — v. Schlicht, Taf. 4. Fig. 7 — 9 u. 13 — 16; Taf. 5, Fig. 19 — 21. Sehr selten. Nodosaridea. Glandulina. d’Orb. 1) 01. obtusissima Rss. Wien. Sitzungsber. Bd. 48, p. 66; Taf. 8, Fig. 92, 93. Sehr selten. 2) CIl. concinna Rss. Zeitschr. der deutsch, geolog. Gesellsch. Bd. 7, p. 263; Taf. 8 , Fig. 1. Der Vorigen sehr ähnlich, nur mehr elliptisch oben und unten verschmälert, aber stumpf und ohne Stachelspitze. Sehr selten. 3) CI. parallel a Marss. Schale 0,82 nßm— 1,66 lang und 0,50 mm— 0,70 n,m- dick, meist nur zweikammerig , das untere Ende breit gerundet, sich in einen Cylinder mit parallelen Wänden verlängernd, welcher in der Mitte eine dunklere Nathlinie erkennen lässt. Die oberste Kammer aus cylindrischem Anfänge sich in eine etwas strahlige Mündung zusammziehend. Sehr selten. Tafel I, Fig. 4, a und b: zwei verschiedene Exernpl. Vergr. 2T°. 4) Cl. c and ela Egger. Foraminiferen der Miociin- Schichten bei Ortenburg , in Neues Jahrb. f. Mineralogie 1857 , p. 304 Taf. 15, Fig. 28, 29. Schale verlängert, 0,90 mm— 2,50 mm- lang, unten und oben stumpf, einen gegen die Mitte sanft zusammengezogenen Cylinder darstellend, mit 2—3, kaum erkennbaren Kathlinien. — Verhält sich zu Gl. cylindracea Rss., wie Gl. obtusissima Rss. zu Gl. laevigata d’Orb. Sehr selten. Reuss hat neuerdings (Wien. Sitzungsb. Bd. 62, 1, p. 478) vorgeschlagen, die ungerippten und glatten Glandulinen sämmt- lich in einer zusammenhängeden Reihe der Gl. laevigata d'Orb. Foraminiferen der Rägenschen Schreibkreide. 125 unterzuordnen. Es wird dabei die Stachelspitze am unteren Ende der untersten Kammer bei Gl. laevigata als ein unter¬ geordnetes Merkmal ohne spezifischen Werth angesehen. Mir scheint Reuss hierin zu weit gegangen zu sein. Wenn die Stachelspitze mitunter auch fast verschwindet, so erkennt man doch immer eine Zuspitzung, die das Fehlschlagen erkennen lässt. Bei den Formen mit abgerundetem, unterem Ende bemerkt man niemals nur eine Andeutung zu einer Spitze. Man könnte daher besser, wenn man die einzelnen Arten schwer auseinander halten kann, zwei Reihen unterscheiden die eine vom Typus der Gl. laevigata d'Orb., wozu sämmtliche stachel¬ spitzigen gehören würden, die andere vom Typus der Gl. obtu- sissimaRss., wozu die unbewehrten und so auch dievier vorher¬ gehenden Arten zu rechnen wären. Eine stachelspitzige habe ich in der Rügenschen Kreide bisher nicht beobachtet. 5) Gl. manifesta Rss. Haid, natui'w: Abliandl. I V, 1 , p. 22; Taf. 1, Fig. 4. Käthe kaum vertieft. Steht der folgenden, sehr veränder¬ lichen Kod. humilis Rom. nahe, ist aber durch die zugespitzte erste Kammer verschieden. Sehr selten. Nodosaria Lam. A. Schale glatt, ohne Spur von Längsstreifen oder Rauhigkeiten. 1) humilis Röm. Die Versteinerungen des norddeutsch. Kreidegeh. p. 95; Taf. 15, Fig. 6*. — Glandulina mutabilis Rss., die Foramin. d. norddeutsch, llils und Gault, in Wien. Sitzungsh. Fd. 49, p. 58; Taf. 5, Fig. 7 — 11. Dieser vielgestalteten Art, welcher der ältere Karne K. hu¬ milis verbleiben muss, sind noch einige andere Arten hinzu¬ zurechnen, die sich so unwesentlich unterscheiden, dass die Unterschiede kaum mit Worten anzugeben sind. So gehören dazu : N. Beyrichii Neug. (Wien. Denkschr. Bd. 12, p. 72 ; Taf. 1, Fig. 29; N. incerta Neug. (ibid. Fig. 10 und 11) und K. lepida Rss. (Wien. Sitzungsb. Bd. 40, p. 178; Taf. 1, Fig. 2). Sehr selten. 126 ]\f a r s .9 o n : 2) marginata Marss. Schale 5 — Gkammerig, mitunter schwach gebogen, aus abgerundet-stumpfer, ziemlich breiter Basis sich nach oben allmälig verdickend. Die untersten Kammern kaum, die übrigen nur durch flache Einschnürungen getrennt, breiter als hoch, die Scheidewände auf der Oberfläche zwischen je zwei Kammern in den Einschnürungen als niedrige Ränder deutlich hervortretend. Die oberste Kammer war an den ge¬ fundenen Exemplaren abgebrochen. Mit keiner anderen Art zu verwechseln. Sehr selten. Tafel I. Fi". 5, a und b: zwei verschiedene Exemplare, die oberen Kammern adgebroehen, Vergr. 2T°. 3) N. calomorpha Rss. Wien. Denkschr. Bd. 25, p. 12.9 ; Tafel 1, Big. 15 — 17. Besteht aus 2 — 4 grossen, mehr oder weniger kugeligen, selbst etwas niedergedrückten Kammern, wovon die untere Kammer meist etwas grösser als die übrigen ist. Die End¬ kammer ist bald gerade bald etwas schief. Selten. 4) N. grau «1 i s Rss. Wien. Denkschr. Bd. 25, p. 131 ; Taf. 1, Big. 26 — 28. Verhält sich zur vorigen Art wie Lagena apiculata zu L. globosa und ist nur dadurch verschieden, dass sich die unterste Kammer in einen kurzen Centralstachel zusammen¬ zieht. Die Anzahl der Kammern variirt von 2—9. Die kurzen 2 — 3kammerigen Exemplare werden von Reuss als eine be- stachelte Form der N. calomorpha angesehen. Selten. 5) N. limbata d’Orb. Mein, de la soc. geolog. de Brance IV, I, 1840, p. 12; Taf. 1, Big. 1. Von der vorhergehenden Art durch die in den tiefen Käthen als Saum hervortretende Kammerwände verschieden. Ist mitunter schwach gebogen. Sehr selten. Foraminiferen der Hiigenschen Schreibkreide. 127 6) \. moiiile v. Hag. Leonhard und Brom u , Aeues Jahrbuch f. Minerolagie 1842 , p. 508, die Beschreibung sehr unvollständig und ohne Ab¬ bildung. — Reuss, Verstein. d. Böhm. Kreide f. p. 27; Taf. 8 , big. 7. — A. globifera Rss. in Wien. Sitzungsb. Bd. 18, p. 223; Taf. 1 , Big. 3. Gehäuse meist gekrümmt, durch die nach unten an Grösse abnehmenden, aber durch tiefe Käthe getrennten Kammern kenntlich. Selten und meist zerbrochen. 7) >. oligostegia Rss. Versteifter, d. Böhm. Kreidef. 1 , p. 27; Taf. 13, Big. 13, 20. — Reuss in Haid, natunc. Abhandl. IV, j>. 27), Taf. 1. Big. 10. — Reuss in Geinitz Blbthalgebirge II, p. 83; Taf. 20. Big. 13 — 18. Von dieser Art lassen sich Dent. discrepans Rss. (Wien. Sitzungsber. Bd. 40, p. 184; Taf. 3. Fig. 7.) sowie Dent. distincta Rss. (ibid. p. 184, Taf. 2, Fig. 5) nicht trennen. Auch die sehr nahe stehende Kod. cvlindrioides Rss. und «/’ cognata Rss. dürfte in der Folge auch wohl noofy damit ver¬ einigt werden müssen. Sehr selten. 8) >. an nu lata Rss. Versteht, d. Böhm. Kreidef. 1, p. 27; Taf. 8, Big. 4; Taf. 13, Big. 21. — Reuss, in llaid. naturw. Abhandl. IV, I, p. 2fr, Taf. /, h ig. 13. — Reuss, in Geinitz Blbthalgebirge II, )>. 87) \ 'Taf. 20, Big. W, 20. Die letzte Kammer hat mitunter einen etwas verlängerten Schnabel und dann sind die oberen Kammern auch meist durch tiefere Käthe geschieden. Selten und fast immer zerbrochen. 9) > app roxi m ata Rss. Wien. Henhschr. Bd. 23, p. 134; Taf. 2, Big. 22. Die von Reuss später (v. Schlicht Taf. 9, Fig. 13) zu citii-te Abbildung hat nicht die geringste Aehnlichkeit der ersten und lässt sich nicht damit vereinigen. da¬ mit Die 128 ]\[a r s s o n : hiesigen Exemplare sind fast immer zerbrochen. Die Käthe sind nicht vertieft und scheinen nur als dunkle Linien durch. Sehr selten. 10) N. pan per ata d’Orb. Wien . Bechen , p. 46; Taf. 1, Big. 57 , 58. Sehr selten. 11) N. Lorneiana d'Orb. Mem. de Ja soc. geolog. eie France 1\\ 2, p. 14; Taf. 1 , t ig. 8, 9. — iieu ss , Ver stein, der Bölnn. Kreidef. p. 27; Taf. 8, Big. 5. Sehr selten. 12) N. abnormis Ess. Bleut, ahn. Bss. Wien. Sitzungsb. Bd. 48, 1, p. 46; Taf. 2, Big. 24. Die erste Kammer ist nach der Beschreibung und Ab¬ bildung stumpf. Später hat Keuss (Septarienthon p. 134; Taf. 2, Fig. 10) eine Abbildung gegeben, die mit der ersten Abbildung gar nicht übereinstimmt und eine stachelspitzige erste Kammer besitzt. Auch die in v. Schlicht (Taf. 9, Fig. 20) citirte Abbildung ist gänzlich von der ursprünglich gegebenen verschieden. Die hiesigen Exemplare entsprechen der zuerst gegebenen Abbildung. Sehr selten. 13) >. mcgapol it an a Ess. Dental, megap. Bss. in Zeitseh. d. deutsch, geolog. Gesellsch. Bd. 7 , 1855, p. 267; Taf. 8, Big. 10. Sehr selten. B. Schale der Länge nach mit Kippen, Streifen oder erhabenen Linien. 14) N in fl ata Ess. Versteht, d. Böhm. Kreidef. 1, p. 25; Taf. — Bss. in Zeitschr. d. deutsch, geolog. Gesellsch.. Taf. 8, Big. 2, 4. Kommt öfter nur zweikammerig vor. Selten. 13, Big. 3, 4. 1855, p. 263; Foraminiferen der Riigenschen Schreibkreide. 129 15) N. paupercula Rss. Ver steiner. der Böhm. Kreidef. 1 , p. 26; Taf. 12 , Fig. 12. — Reuss in Geinitz Klbthalgeb. p. 81; Taf. 2 , Acy. 5 — 7. Auf der letzten Kammer sind bei den hiesigen Exemplaren die Rippen weniger deutlich und verschwinden zuweilen gegen die Oeffnung hin gänzlich. Auch X. bactridium Rss. (Wien. Denkschr. Bd. 25, p. 130; Taf. 1, Fig. 24, 25) ist ausser der Grösse kaum davon zu unterscheiden. Hin und wieder. ^ # 9 * 16) N. prismatica Rss. Wien. Sitzungsb. Bd. 40, p. 180; Taf. 2, Fig. 2. — Reuss, Wien. Sitzungsb. Bd. 46, 1, p. 36; Taf. 2, Fig. 7 . Die hiesigen Exemplare klein, 3 — 4kammerig, mit wenigen starken Rippen, die nicht bis auf die letzte Kammer verlaufen. Sehr selten. 17) .V flarcki Rss. Wien. Sitzungsb. Bd. 40, p. 188; Taf." 2, Fig. 7. Die letzte Kammer ist rippenlos. Hin und wieder. 18) N Zipp ei Rss. Versteht . d. Böhm. Kreidef. 1, p. 25; Taf. 8, Fig. 1 — 3. Letzte Kammer gerippt. Hin und wieder, aber meist immer zerbrochen. 19) X. sul rata Nilss. Retrificata Suecaua p. 8; Taf. 0, Fig. 10. Zu dieser Art sind wohl auch die tertiären X. (Dent.) microptycha Rss. u. D. Konincki Rss. (Wien. Sitzungsb. Bd. 42, p. 365; Taf. 1, Fig. 4 und p. 365; Taf. 1, Fig. 3) zu ziehen. Auch dürfte X. sulcata d'Örb. aus der weissen Kreide von Frankreich, die Reuss mit der Nilsson’schen nicht für identisch hält und sie desshalb X. Steenstrupi (Zeitschrift d. deutsch, geolog. Gesellsch. Bd. 7, p. 268; Taf. 8, Fig. 14a) nennt, kaum verschieden sein. Hin und wieder und fast immer zerbrochen. 0 130 M a r s so n : 20) N. laevipes Marss. Schale gebogen, ohne äusserlich erkennbare Käthe, aus der untersten, breit abgerundeten Kammer sich allmälig auf- wärts verdickend, mit dicht stehenden, dicken, sicli zuweilen spaltenden und dann schärferen, aber erst oberhalb der ersten Kammer entspringenden Rippen. Bis jetzt ist nur die untere Hälfte der Schale gefunden, doch ist dieser Bruchtheil durch die dicken, vor der Spitze der untersten, breiten Kammer ver¬ schwindende Rippen so charakteristisch, dass die Art mit keiner bis jetzt bekannten zu verwechseln ist. Selten. Tafel 1, Fig. G. a und b : zwei verschied. Exempl. wobei der obere Theil abgebrochen ist. Vergr. 2T°. 21) N h allen ensis d’Orb. Wien. Becken p. 38; Taf. 1, Big. 34, 35. Die hiesigen Exemplare haben mehrere bis 7 Kammern, doch ist die Endkammer stets abgebrochen und daher nicht zu ermitteln, ob diese mit der Endkammer der N. badenensis übereinstimmt. Itt einer anderen bekannten Art lässt sie sich nicht vereinigen. Bis ganz vollständige Exemplare gefunden sind, muss sie unter N. badenensis bestehen bleiben. Sehr selten. 22) V majusciila Marss. Die oberen Kammern gross, bis 0,80 min- dick, fast kugelig, durch tiefe Käthe geschieden, mit ziemlich dicken aber flachen Rippen locker bedeckt, die Endkammer ohne Rippen, kugelig- eiförmig, nur wenig gegen die Mündung verdünnt. Die unterste Kammer kugelig-abgerundet, cylindrisch, allmälig in die folgende, nur wenig weitere, durch eine flache Nath geschiedene Kammer übergehend, die flachen Rippen an der Basis der untersten Kammer allmälig verschwindend. Selten und stets zerbrochen. Tafel 1, Fig. 7, a: der obere Theil, b: der untere Theil eines an¬ deren Exemplars, Verg\ 2T°. 23) IV capitata Boll. Geognoscie d. deutsch. Ostseeländer 1846, p. 177; Taf. 2, Big. 13. — Reuss in Wien. Sitzungsb. Bd. 18, p. 223; Taf. Foraminiferen der Rügenschen Schreibkreide. 131 1, Fig. 4. — Reust , Wien. Denkschr. Rd. 25, />. 134. — v. Schlicht, Septarienthon, Taf. 3, Fig. 9, u. 11. Sein’ selten und meist zerbrochen. 24) >. clausa Marss. Klein, schwach gebogen, cylindrisch , unten und oben gleich dick, in der Mitte etwas verdünnt, von 6 — 7 niedrigen Rippen kanntig; Näthe kaum erkennbar; die erste Kammer stumpf abgerundet, die oberste Kammer eine kleine, kurze, schiefe, rippenlose Pyramide. Sehr selten. Tafel I, Fig. 8. Vergr, 2T°. 25) y. lati costa Marss. Von den gefundenen Exemplaren fehlt das untere Ende ; das obere ist an den Käthen kaum zusammengezogen. Eie zahlreichen Längsrippen sind ganz flach, und 2 — 3 mal so breit als die feinen Furchen zwischen ihnen, daher fast dicht zusammenstossend, und ist hieran die Art leicht zu erkennen. Selten. Tafel 1, Fig. 9. Yergr. 26) y multilineata Rss. Rss. in Geinitz Flbthalgeh. fl, y. H3; Taf. 2t), Fig. 13. Die kleine Schale ist gerade oder fast gerade, diinn-cylin- drisch, nur oben sehr wenig dicker, bis 1,5 mm- lang, an den Käthen kaum vertieft, die unterste Kammer fast kugelig-abge¬ rundet, meist ein wenig dicker als die nächste kurze Kammer, die meist breiter als lang ist, die folgende länger als breit, die Endkammer elliptisch. Die ganze Schale ist mit ausser¬ ordentlich zarten, besonders an den Käthen hervortretenden Streifen, die erst bei stärkerer Vergrössorung sichtbar werden, bedeckt, die letzte Kammer fast streifenlos — Reuss hat nur den oberen Theil der Schale beschrieben und abgebildet, den unteren nicht gekannt. Sehr selten. Tafel I. Ffg. 10, a und b: zwei verschiedene Exemplare >2r°, c: eine Nath aus dem mittleren Theilo der Schale 132 M a r s s on : 27) N inlerliitcata Rss. Dent. interim. Rss. in Zeitschr. d. deutsch, geolog. Gesellsch. Bd, 7, 1855 , p. 287; Taf. 11, Big . 2. Re u ss hat zwar nur den oberen Theil der Schale ge¬ kannt und abgebildet , doch dürfte • es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass auch die hiesigen Exemplare darauf zu be¬ ziehen sind. Schale lang, über 13kammerig, gebogen, aus einer sehr kleinen aber nicht spitzen ersten Kammer sich all- mälig nach oben zu verdickend, die untersten Kammern kaum unterscheidbar, nur durch schwache Rathlinien angedeutet, breiter als hoch, die oberen Kammern etwas höher, durch seichte Rathfurchen geschieden. Sämmtliehe Räthe mit ausser¬ ordentlich zarten, nur bei stärkerer Yergrösserung erkennbaren, dicht stehenden Streifen, die auch über die unteren Kammern verlaufen , besetzt. Die oberste Kammer, welche bei den hiesigen Exemplaren abgebrochen war, verschmälert sich nach Reuss zu einer ziemlich langen und feinen Spitze, welche die ungestrahlte Mündung trägt. Hat in der Gestalt Aehnlichkeit mit D. pungens Rss. (Zeitschr. d. deutsch, geolog. Gesellsch. 1851; Taf. 3, Fig. 13, oder D. intermittens Bronn (Wien. Sitzungsb. Bd. 18, p. 224; Taf. 1, Fig. 7), doch sind bei Beiden die Streifen rippenartig hervortretend. Sehr selten. Tafel I, Fig. 11, a: ein Ex., wovon die oberste Kammer abgebrochen ist, Yergr. 2t°, b: eine Natli aus dem mittleren Theil der'Schale, Yergr 6y5. C. Schale mit stachelartigen, höckerigen oder warzigen Erhaben¬ heiten besetzt. 28) N. aculeata d’Orb. ^ Wien. Becken, p. 35; Taf. 1, Fig, 26, 27 . Die letzte Kemmer ist bei dem einzigen hier gefundenen Exemplare weniger zugespitzt als die Abbildung es zeigt. — Hiermit nicht zu verwechseln ist Dentalina aculeata d'Orb. (Mem. de la soc. geol. de France, 1Y, p. 13; Taf. 1, Fig. 2, 3.) Sehr selten. Foraminiferen der liügenschen Schreibkreide. 133 29) > horrida (Scliwag.) Ilaplosticlie horrida Schwager , Beitr. z. Kenntniss d. mikrosk. Fauna jurassischer Schichten in Wärtember gischen Jahresheften , 1865, J. 21, p. .92. Bis lmra- lang. Durch die knotig-körnige , fast sandige Beschaffenheit der Schalen -Oberfläche von den Verwandten leicht zu unterscheiden. — Kaum verschieden davon scheint IST. agglutinans Terq. (Mein, sur los Boraminif. du Systeme oolithique, 1870, p. 252; Taf. 29, Fig. 18), nur dass Terquem die Schale „etwas zusammengedr tickt“ beschreibt. Sehr selten. PleurostomelSa Rss. 1) PI. subnodosa Rss. T Vien. Sitzungsb. Bd. 40. p. 204; Taf. 8, Fig. 2. Erinnert durch die abwechselnd schiefen Kammern mehr an eine Polymorphina als an eine Kodosaria, ist aber be¬ sonders ausgezeichnet durch die eigentümliche Lage der Mündung. Es befindet sich nämlich unmittelbar unter der Spitze und auf einer Seite der letzten Kammer eine kleine breit-ovale Grube, die oben und seitlich von einem scharfen Rande eingefasst ist und in ihrer Spitze die kleine quer¬ elliptische Mündung trägt. Schale gerade , bis 0,80 mm- lang, nach unten und oben nur wenig zu einer stumpflichen Spitze verdünnt, durch die etwas gewölbten Kammern mit schwach eingezogenen , alternirend schiefen Käthen etwas kantig erscheinend. Sehr selten. F r o n d i c u 1 a r i d c a . Frondicularia Dfr. A. Oberfläche der Schale der Länge nach mit zuweilen unter¬ brochenen Rippen, Streifen oder Linien. 1) Fr. sei ca v. Hag. Leonhard und Bron, Jahrburch f. Mineralogie 1842, p. 560; Taf. 0, Fig. 20. 134 M a r s so n : v. Hage no w hat diese Art nur auf ein einziges von ihm gefundenes Exemplar gegründet, von dem der untere Theil abgebrochen war; bei der Abbildung fehlt daher die unterste Kammer. Ich fand die grösseren Exemplare auch stets zer¬ brochen, nur die kleineren unverletzt. Die unterste Kammer ist sehr gewölbt, in eine kurze Stachelspitze zusammengezogen, beiderseits mit zwei starken, scharfen Längsrippen, zwischen denen mitunter eine schwächere Rippe erscheint. Die rippen¬ förmigen, ziemlich dicken Streifen der Kammeroberfläche sind unregelmässig vertheilt und lösen sich hin und wieder in Körner auf und verflachen sich auch ebenso wie die Gruben im Winkel der Käthe. — Ist in Grösse und Gestalt sehr ver¬ änderlich und kommt auch mit wenigen, 3—4 Kammern vor. Nicht selten, aber die grösseren Exemplare stets zerbrochen. Tafel II, Fig 12, a: ein vollständiges Ex. b: der obere Theil eines anderen Exemplares, bei dem die Rippen sich mehr verflachen und in Körner auffösen, c: Umriss-Zeichnung eines kleineren Ex. Yergr. ’2T°. 2) Fr. striatula Rss. Verst. d. Böhm. Kreide f. II, p. 107 ; Taf. 43, Fig. 11. Ist der vorigen Art sehr ähnlich aber durch die mit drei Hauptrippen und meist auch mehrere Seitenstreifen versehene erste Kammer verschieden. Kommt auch nur 2 kammerig vor. Sehr selten. 3) Fr. mit Ui striata Marss. Elliptisch-rhombisch, lmra- — 2,5mm- lang, die grösste Breite über der Mitte. Ist kleineren Exemplaren der Er. solea, bei der sich die Kammern mehr verflacht haben, nicht unähnlich, aber durch die zahlreichen, regelmässigen, dicht und parallel gezogenen Streifen verschieden. Die Nathleisten sind nur wenig vorstehend, verflachen sich aber oft und gehen dann die Streifen über ihnen hinweg. Die unterste Kammer meist hoch gewölbt mit mehr oder weniger tiefer Mittelfurche. Selten. Tafel II, Fig. 13, a: vollständiges Ex., b: Umriss-Zeichnung eines anderen Fxemplares, Yergr. 2T°. 4) Fr. microsphaera Rss. lieuss in Geinitz Flbthalgebirge II, p. 34; Taf. 21, Fig. 4. Foraminiferen der Rügenttchcn Schreibkroide. 185 Ziemlich klein, bis lmm- lang, sehr selten langer, eiförmig- rhombisch, die grösste Breite in der Mitte, sehr flach, in der Mitte meist mit einer seichten Längsfurche, 6 — 10 kammerig, die schmalen Kammern durch hervorragende Fürth leisten ge¬ trennt, die unterste Kammer klein, gewölbt, mit einer feinen Mittelrippe und einer nur angedeuteten kleinen Spitze; die Oberfläche der übrigen Kammern mit kurzen, dicklichen Streifen besetzt. — Die Art bildet auch eine monströse, dreiseitige Form. Selten. 5) Fr. suigiistissinia Rss. II len. Sitzungsb , Bd. 40, p. 107; Tctf. 4, Fig. 0. Unterscheidet sich von Fr. angusta Rss. (NilssV) durch die beiderseits mit 2 Längsrippen versehene erste Kammer. Die Fr. angusta Rss. (was Filsson unter seiner Planularia angusta verstanden hat, geht weder aus der dürftigen Be¬ schreibung noch der viel dürftigeren Abbildung in Petrificata suecana p. 11, Taf. 9, Fig. 22, hervor), deren erste Kammer eine sehr kleine Flügel darstellt, welche am unteren Ende in einen kurzen Centralstachel ausläuft, beiderseits aber drei feine Längsrippen trägt, habe ich in der Rügenschen Kreide mit Sicherheit noch nicht beobachtet, wenn auch einzelne Bruchstücke mit sehr tiefen Furchen dazu gehören möchten. Reuss giebt bei Fr. angustissima und angusta an, dass die Kammern durch Fathfurchen geschieden wären ; das ist aber ein Irrthum; die Furchen bilden die Kammern, und die wulst¬ förmigen Erhabenheiten sehliessen die Kammcrwände ein, sind also bei diesen Arten auch als Fathleisten aufzufassen. Nicht selten. b) Fr. liugui formis Marss. Bis 2min* lang, drei bis sechskammerig, zungenförmig , nach oben zu sehr wenig oder auch garnicht an Breite zu¬ nehmend, zugespitzt, auf der Oberfläche etwas gewölbt, mit Ausnahme der letzten glatten oder fast glatten Kammer mit feinen Rippchen dicht bedeckt, die mehr oder weniger über die breiten, nur wenig erhabenen Käthe und auch die Ränder verlaufen. Die erste Kammer verhältnissmässig gross, kugelig, 136 M a r s $ o n : in eine ganz kurze Spitze auslaufend, beiderseits mit 3 starken, aber nicht scharfen Rippen. — Ich würde sie für Fr. eapil- laris Rss. halten, wenn Reuss diese nicht lanzettlich, über der Mitte am breitesten, sehr zusammengedrückt nnd die Käthe linear beschreibt (Haid, naturw. Abhandl. IY, 1, p. 29; Taf. 1, Fig. 20). Reuss giebt an, dass er in der Rügenschen Kreide auch Bruchstücke von Fr. capillaris gefunden habe, die sich aber wahrscheinlich auf unsere Art beziehen. Auch bei dieser Art kommt eine dreiseitige monströse Form vor. Sehr selten. Tafel II, Fig1. 14, a, b: zwei verschiedene Ex., c: Umriss-Zeichnung eines anderen Exemplares Yergr, 2T°. 7) Fr. affinis Marss. Drei- bis sechskammerig , sowohl der Fr. capillaris wie der Fr. linguiformis nahe verwandt. Ton letzterer hat sie den Habitus, unterscheidet sich aber von Beiden durch die beiderseits 2rippige erste Kammer, deren Rippen stark und scharf sind und durch die bis zur Spitze der letzten Kammer gehenden Streifen. Die Mittelfurche der ersten Kammer hat meist auch einige Streifen, die anf der letzten Kammer sehr zart sind. Sehr selten. Tafel II. Fig. 15, a: ein vollständiges Ex., b, c: Umriss-Zeichnung verschiedener Exemplare, Yergr. 2T°. B. Oberfläche ohne Längsstreifen und Linien, also ganz glatt. 8) Fr lat* vis Marss. Schmal zungenförmig, nach unten verschmälert, oben sich allmälig zuspitzend, etwas dick, mit gewölbter Oberfläche, nach den Rändern mit Ausnahme der letzten Kammer sich ab¬ schüssig zuschärfend, in der Mitte meist mit einer schwachen Furche, sonst ganz glatt, ohne Streifen und hervorragende Käthe. Die Kammern durch etwas dunklere Winkel ange¬ deutet, die erste unten in eine ganz kurze Spitze auslaufend, beiderseits mit zwei schwachen Rippen. Erinnert sonst im Habitus an Fr. angustissima. Selten und immer zerbrochen. Foraminiferen der Itügenschen Schreibkreide. 137 Tafel II. Fig-. 16, a, b: Der obere Theil zweier verschiedener Ex., c: der untere Theil eines anderen Exemplares. Yergr, 2T°. 9) Fr. simplex Rss. Versteht, d. Böhm . Kreidef. I, p. 31; Taf. 8 , Fig. 30. ■ Steht der Fr. turgida Rss. und Fr. angulosa d’Orb. sehr nahe, ist aber durch die stark gewölbte erste Kammer, die kaum Andeutungen von 2 Rippchen zeigt und nicht in einen Stachel ausläuft, verschieden. Sein- selten. 10) Fr. mueronata Rss. Versteht, d. Böhm. Kreidef. p. 31; Taf. 13, Fig, 43, 44. — Beit ss in Geinitz Klbthalgehirge II, p. 30; Taf. 21, Fig. 14—16. In Grösse und Form des Umrisses sehr veränderlich, lram- — 3mm- lang, drei bis vielkammerig, die erste Kammer bald zu einem scharfen Rücken gewölbt, bald sich verflachend ohne eigentliche Rippen oder Streifen. — Fr. Goldfussi Rss. (Wien. Sitzungsb. Bd. 40, p. 192; Taf. 4, Fig. 7) ist sehr nahe verwandt und nur durch die beiderseits schwach dreistreifige erste Kammer verschieden und vielleicht doch nur Form der Fr. mueronata. Selten. 11) Fr. biforinis Marss. Schale 0,70mm- — l,70,nu'- lang, länglich, zugespitzt, bald oben, bald unten breiter, flach und dünn, in der Ritte zuweilen etwas vertieft, ganz glatt, die Käthe nur wenig und flach hervortretend, aber über die Seitenränder sich abrundend, so dass die Ränder etwas gekerbt erscheinen. Die erste Kammer klein, ohne Spitze, entweder gewölbt und mit schwacher Mittel¬ rippe, oder siel) ganz verflachend, wobei dann die zweite Kammer sich zu beiden Seiten der ersten mit je einer Spitze verlängert, so dass die erste Kammer innerhalb eines Aus¬ schnittes der Schale zu liegen kommt. Man kann diese letzte Bildung nur als eine monströse auffassen, aber unter den ge¬ fundenen Exemplaren ist die grössere Zahl von dieser Gestalt und die Neigung zu dieser Bildung für die Art charakteristisch. 138 3/ a r s s o n : Diese monströse Form erinnert an Fr. tricuspis Rss. (Wien. Denkschr. Bel. 1, p. 368; Tat' 46, Fig. 13), die wohl auch nur eine monströse Form einer anderen Art ist. Selten. Tafel II, Fig. 17. a, b: normale Exempl., c, d: monströse Exempl. Yergr. 2T°. Fla belli na d'Orb. 1) FI. elliptica (Xilss.) Planularia elliptica Nilsson, Petrifcata Suecana , 1827 , p. 11 , Taf. 9, Fig. 21, 22. Der Xilssonsclie Xame hat die Priorität und muss daher den übrigen vorangestellt werden. Die Schale ist ausseror¬ dentlich veränderlich, in Grösse, Umriss und Oberflächen-Be- schaffenheit. Grosse Exemplare erreichen eine Länge von 5mm-, während die kleinsten kaum lmrn- lang sind. Die Schale wechselt in ihrem Umrisse vom Elliptischen durch das Eiförmige bis zum Breit-herzförmigen oder beinahe Dreieckigen oder auch Rhombischen, so dass die grösste Breite von der Basis bis über die Xlitte hinaus vorrückt. In allen Formen bewahrt die flache Schale eine dickliche Beschaffenheit. Die Xäthe der Kammern sind bald nur durch Linien äusserlicli ange¬ deutet, bald ragen sie dagegen als mehr oder weniger hohe Leisten hervor. Zuweilen zieht sich eine flache Längsfurche durch die Mitte der Schale. Die ersten Kammern bilden eine oft unregelmässige kleine Spira, die meist über die Umgebung etwas hervorragt und in den verlängerten Varietäten zu¬ weilen als stumpfe Spitze aus der Mitte der Basis hervortritt. In der hiesigen Kreide lassen sich folgende Formen unterscheiden: a) ov ata v. Münst. Frondicularia ocata Pom. in Peonh. u. Promi, Jahr¬ buch f. Mineralogie, 1838, p. 382; Taf. 3, Fig. o. — Flab, cordata Peuss , Verstein. d. Böhm. Kreidef. p. 32; Taf. 8, Fig. 37 — 46. Breit-eirund, an der Basis meist gerundet oder rhom¬ bisch und durch das Keilförmige allmälig in die folgende Form übergehend. Foraminiferen der Riiyenschen Schreibkreide. 139 ß) el on gat a v. Miinst. Frondic. elong. Römer in Leonli. u. Bronn Jahrbuch für Mineralogie 1838 , p. 382 ; Taf. 3, Fig. 6. — Frond . lingula v. llagenow, ibid. Jahrgang 1842, p. 368 — Reuss, Wien . Sitzung sb. Bd. 44, 1, p. 326; Taf. 5, Fig. 6 — Fl. oblonga v. M., Reuss in Wien. Sitzung sb. Bd. 18, p. 226 ; Taf. 1, Fig. 14—16. Elliptisch, gegen die Basis mehr oder weniger lang keilförmig verschmälert, bis über 5raTn- lang. y) cristellarioides Klein, kaum lmm- lang, eiförmig, spitz, mit nur 3—6 Kammern, welche nicht winklig gebrochen, sondern nur bogenförmig sind, und zwar liegt die Höhe des Bogens nicht in der Mitte, sondern an einer Seite, so dass die Schale einer Cristellaria ähnlich sieht. Auf der untersten Kammer sind die Xathleisten zuweilen in Körner aufgelöst. Die Mannigfaltigkeit der Formen ist hiermit nicht erschöpft. So gehört auch Fl. striata v. M. (ibid. f. 9) hierher. Die Streifung ist höchst unbeständig, oft ist sie nur auf die unterste Kammer beschränkt, wie ich hier so auch einzelne Exemplare gefunden habe. Auch Fl. obliqua v. M. aus der Tertiärformation sowie Fl. Baudouiniana d’Orb. (Mem. de la soc. geol. 1840, p. 24; Taf. 2, Fig. 8 — 11) aus der Pariser Kreide weiss ich nicht zu trennen, gleichfalls dürfte auch Fl. pulchra d’Orb. (ibid. Fig. 13, 12) dazu zu rechnen sein. Ziemlich verbreitet. 2) Fl. reticulata Kss. Haid, natumc. Abhandl. 1 V, p. 30; Taf. 2, Fig. 22. Diese bis 2mra- lange, zierliche Art ist an der netzförmigen Sculptur der Oberfläche leicht zu erkennen und mit keiner anderen zu verwechseln. Die untersten kleinen Kammern bilden eine kleine Spira, die kaum dicker ist, als die übrige Schale, die andern Kammern sind winklig reitend, schmal, die Wände auf der Oberfläche nicht durch hervortretende Le/sten , sondern durch dio Grenze von Reihen paralleler, schmal länglicher, durch zarte Rippen geschiedener, maschen- 140 Ufa }• .s .. 23; Taf. 2, Fig. 4, 5, 7. — Wien. Becken, p. 93; Taf. 21, Fig. 13], 14. — lieuss in Verstein. d. Bölwi. Kreide/. 1, p. 33; Taf. 8, Fig. 31 — 34 und Taf. 13, Fig. 49, 33. Auf sämmtlichen citirten Abbildungen ist die rauhe Ober¬ fläche der Schale nicht ausgedrückt. Die Rauheit wird durch zahlreiche, kleine, körnige Punkte, die zwischen den hervor¬ tretenden Rathleisten ausgestreut sind , hervorge^racht. Im Umriss und in der Grösse ist sie der vorhergehenden Art ähnlich, wenn sie auch im Ganzen mehr Reigung zur rhom¬ bischen Gestalt besitzt. Flabellina interpunctata v. d. Marek (Verhandl. d. natur- hist. Vereins d. Rheinlande XV, p. 53; Taf. 1, iig. 5 und Reuss, Wien. Sitzungsb. Bd. 40, p. 216; Taf. 9, Fig. 1) kann ich nur für ein grosses Exemplar von Fl. rugosa halten. Selten . Foraminiferen der Rügenschen Schreibkreide. 141 Cristellamlea. Cristeliaria Lam. A. Schale schmal, die letzten Kammern mehr oder weniger gerade. 1) l’r. tri lob ata (d'Orb.) Marginulina trilob. d'Orb ., Mem. de la soc. geol. de France , IV, Taf. 7, Fig. 16, 17. Durch die nach der Basis verschmälerte und daselbst nur wenig eingebogene Schale, auf deren Oberfläche die Kammer¬ wände als Wulste hervortreten, ausgezeichnet. Sehr selten. 2) Cr. ensis (Rss.) Margimdina ensis Rss., 1 'erstein . d. Bölim. Kreide/ . p. -6; Taf. 13, Fig. 26, 27. — Haid, naturw. Abliandl. IV, p. 27; Taf. 2, Fig. 16. Meist immer gleich breit linienförmig, zusammengedrückt, vielkammerig, die Kammern sehr wenig schief und äusserlich kaum erkennbar, die oberen zuweilen mit etwas wulstigen Käthen und dann der vorigen Art sehr ähnlich und vielleicht in dieselbe übergehend. In der Länge sehr veränderlich ; kommt auch mit 3 — 4 Kammern in ganz kurzen Exemplaren, die nur wenig länger als breit sind, vor. Nicht selten. Zu dieser Art dürften noch mehrere Reuss'schc Arten zu ziehen sein. So aus der Kreide: Gr. bacillum (Wien. Sitzungsb. Bd. 40, p. 208; Taf. 6, Fig. 8), aus dem Oberoli- goeän: Cr. aequilata (Wien. Sitzungsb. Bd. 50, 1, p. 462; Taf. 2 , Fig. 13); vielleicht auch Cr. parallela (Wien. Sitzungs¬ bericht Bd. 46, p. 67; Taf. 7, Fig. 1, 2) aus dem nord¬ deutschen Hils. 3) Cr. clongata (d’Orb.) Marg. elongata d'Orb., Mem. de la soc. geol. 1 1 ”, p. 17; Taf. 1, Fig. 20 — 22. — Reuss , Verstehn, der Bölim. Kreide/, p. 2.9; Taf. 13, Fig. 28 — 32 u. p. 107; Taf. 24, Fig. 31 — 36. Die Beschreibung von Reuss passt besonders gut auf die hiesigen Exemplare. Nicht selten. 142 M ar&son: ♦ 4) Cr. bull ata Rss. Margin. bull. Rss. , Verstein. d. Böhm. Kreide f. p. 29; Taf. 19, Big. 94, 95. — Reuss, Wien. Sitzung sb. Bd. 40, p. 205; Taf. 6, Big 4 — 6*. Sehr veränderlich in Grösse und Zahl der Kammern, die sich mehr oder weniger der kugeligen Gestalt zuneigen. Die letzte Kammer hat auf der gewölbten Fläche einen ganz kleinen röhrenförmigen Fortsatz, in dem die Mündung liegt. — Margi- nulina pediformis Born. (Zeitschr. d. deutsch, geolog. Gesellsch. 1855 p. 22; Taf. 2, Fig. 13) gehört ohne Zweifel auch zu dieser Art. Selten. 5) Cr. comprcssiusrula Marss. Margin. compressa d'Orb., Mem. de la soc. geolog. I V, p. Taf. 1, Big . 18, 19. d'Orbignv hat schon eine Cristellaria compressa (Wien. Becken, p. 86; Taf. 3, Fig. 32, 33), die davon verschieden ist, und musste desshalb der Karne der Margin. compressa geändert werden. Cr. (Marg.) compressa (d'Orb.) Reuss in -Geinitz Elbthalgebirge II, p. 101 , Taf. 23, Fig. 5, hat gar keine Aehnlichkeit mit der d’Orbignv’schen Art, auch nicht mit der früher von Reuss selbst (Terstein. d. Böhm. Kreidef. Taf. 13, Fig. 33) gegebenen Abbildung, gehört vielmehr der Formenreihe der Cr. multiseptata an. Sehr selten. 5) Cr. cymboides d’Orb. Wien. Bechen, p. 85; Taf. 9, Big. 90, 91. Die hiesigen Exemplare in Bruchstücken , noch etwas schmäler als die abgebildeten. Sehr selten. 7) Cr. recta d’Orb. Mein, de la soc. geolog. de Brancs IV, p. 28; Taf. 2, Big. 29 — 25. — Reuss in Geinitz Blbthalgebirge II, p. 101; Taf. 22, Big. 2, 9. Wenn Reuss selbst zwei so verschiedene Formen, wie sie (Geinitz 1. c.) in Figur 2 und 3 dargestellt sind, zu einer Art rechnet, dann müssen noch mehrere Reuss’sche Foraminiferen der Rügen sehen Schreibkreide. 143 Arten dazu gezogen werden wie z. B. Cr. incurvata Rss. (Wien. Sitzungsb. Bd. 46, 1, p. 66; Tal', 6, Big. 18), ferner Cr. exilis Rss. (ibid. Big. 19) und Cr. angusta Rss. (Haid, naturw. Abhandl. IV, p. 32; Taf. 2, Big. 7). Sehr selten. 8) Cr. foliacea Marss. Schale bis 0,96mra- lang, eiförmig, oben spitz , flach blatt¬ artig zusammengedrückt, auf dem Rücken gestutzt. Kammern durch kaum erhabene Xathleisten gesondert, die unteren Käthe der Spira mitunter körnig; Mundfläche der letzten Kammer sehr lang, auf etwa -J der Schale herabreichend, schwach gebogen. Erinnert an Cr. tricarinella Rss. (Wien. Sitznngsb. Bd. 46, 1, p. 68; Taf. 7, Big. 9), doch fehlen die drei Rückenkiele. Sehr selten. Taf. II, Fig. 18, a: von der Seite, b: vom Kücken, c: ein Exemplar in Balsam. Vergr. 2r°. 9) Cr. multiseptata Rss. Jlaid. naturw. Abhandl. IV, p. 23; Taf. 2, Fig. 3. Unter diesem Kamen vereinige ich eine ganze Anzahl Arten, die so allmälig in einander übergehen, dass es unmöglich ist, sie zu unterscheiden. Ileus s hat später auch unter dem Kamen Cr. multiseptata eine Art beschrieben (Wien. Denk¬ schrift Bd. 25, p. 147; Taf. 3, Big 14, 15), die weit von der früher von ihm beschriebenen verschieden ist. a) nmla Rss. Wien. Sitzungsb. Bd. 44, 1 , p. 328; laf. 6, Fig. 1 — 3 und ibid. Bd. 43, p. 72; Taf. 8, Fig. 2. Sehr breit, schief oval, die Mundfläche mit bogen¬ förmigem Umrisse. [}) tr iinc ata Rss. Jlaid. naturw. Abhandl. IV, p. 33; Taf. 2, Fig. 8. Breit schief-eiförmig, innen fast gerade, die Mund¬ fläche der letzten Kammer die Spira oft nicht erreichend. y) grata Rss. Wien. Sitzungsb. Bd. 48, 1, p. 7U ; Taf. 7 , Fig. 14. 144 M ar sso n : Bald dicker, bald dünner (Cr. Strombecki Rss. ibid. Tai 7, Fig. 7), die letzte Kammer tief herabreichend, daher die Mundfläche sehr lang und die Spira mit den ersten Kammern kurz. &) crassiuscula Marss. Meist klein, auf dem Rücken scharf, immer stark ver¬ dickt und fast gerade. Hierher ist als Uebergangsform auch Cr. planiuscula Rss (ibid. Taf. 7, Big. 15) zu rechnen. z) plana Rss. Wien. Sitzungsb. Bä. 46, 1, p. 72; Taf. 8, Fig. 3. Verlängert, meist gross, flach zusammengedrückt, mehr oder weniger sichelförmig. Nicht selten in den verschiedenen Formen. 10) Cr. tri angularis d’Orb. Mem. de la soc. geolog. IV, p. 27; Taf. 2, Fig. 21, 22. Diese sehr veränderliche Art bildet mehrere bisher für eigene Arten gehaltene Formen, die darin übereinstimmen, dass sie eine mehr oder weniger 3seitige Gestalt und einen eigenthtimlichen Habitus besitzen. a) genuina Kurz und dick, die obersten Kammern verhältniss- mässig sehr gross. ß ar cu ata d'Orb. Wien. Becken p. 87 ; Taf . 3, Fig. 34 — 36. Etwas länger, die obersten Kammern nicht so stark hervortretend. y) subrecta. Sein verlängert, fast keilförmig, mit fast gerader Bauch¬ seite und kaum hervortretenden Umfangskammern. Wenn diese Form kurz und dick wird, so entsteht die Cr. tetraedra Born. (Zeitschr. d. deutsch, geol. Gesellsch. 1855; Taf. 2, Fig 15.) r^) curvata Sichelförmig gekrümmt, der untere Theil der Schale verhältnissmässig stärker hervortretend. Nicht selten in den verschiedenen Formen. Foraminiferen der Riiejenschen Schreibkreide. 145 11) Cr. naricula d’Orb. Mein, de la soc. geolog. I !r, p. 27; Taf. 2, Fig. 10, 20. Hierher gehört auch Cr. obliqua v. Hag. (Jahrbuch für Mineralogie 1842, p. 573; Taf. 9, Fig. 25.) Selten. 12) Cr. cxarata v. Hag. Jahrbuch f. Mineralogie 1842 , }>. 672. — Reuss , Wien. Sitzung sh. Bd. 44, p. 827; Taf. 6*, Fig. 6.) Sie nähert sich in ihrer Form sehr der Cr. navicula, ist jedoch meist dicker, der untere Theil verhältnissmässig grösser, die Kückenwand oft schmal geflügelt, und die Scheidewände treten als Rippen hervor. Cr. planicosta v. Hag. ist eine Cr. cxarata, bei der die Kippen nur wenig hervortreten. Selten. 13) Cr. rotulata (Lam.) d'Orb., Mein, de la soc. geolog. IV, 1, p. 26; Taf. 2, Fig. 16 — 18. Bis 3mm gross, sehr vielgestaltet, wie schon die d’Orbigny- sche Abbildung zeigt, bei manchen Formen sowohl zur Cr. navicula wie zur Cr. Spachholzi hinneigend. Sehr verbreitet. 14) Spachholzi Rss. Haid, naturw. Abhandl. IV, p. 33; Taf. 3, Fig. 10. Ob v. Hagen ow’s Cr. producta hierher gehört, ist aus der Beschreibung ohne Abbildung nicht mit Sicherheit zu er¬ sehen. — Steht gewissen Formen der Cr. rotulata sehr nahe, so dass sie vielleicht auch nur zum Formenkreise derselben gehört. Selten. 15) Cr. convcrgcns Born. Zeit sehr. d. deutsch, geolog. Gesellsch. 1866. j>. 23; 9 Fig. 17. Die von ßornemann gegebene Fig. 16, die als Jugend¬ zustand bezeichnet wird, kann ich nicht als zu dieser Art gehörig anschen. Selten. 10 146 ]\f ar s s on : 16) Cr. oligostegia Rss. Wien. Sitzung sb. Bd. 40 , p. 213; Taf. 8, Big. 8. Die hiesigen Exemplare sind etwas mehr zusammen¬ gedrückt als die von Reuss aus der Westphälischen Kreide beschriebenen; auch findet sich bei einigen eine deutliche Nabelscheibe, und geht sie dann in Cr. loba-taRss. (Geinitz, Elb¬ thalgebirge II, p. 109; Taf. 22, Fig. 12 u. Taf. 23, Fig. 1) über. Selten. 17) Cr. inornata (d'Orb.) Robulina inornata d'Orb. in Wien. Bechen , 102; Taf. 4 , Big. 25 , 26. Die Nabelscheibe ist bald höher, bald niedriger, oft kaum vorhanden, der Rand scharf, selbst sehr schmal geflügelt. Bei dieser grossen Veränderlichkeit lassen sich eine Anzahl von d'Orb igny, Reuss und Bornemann aufgestellter Arten nicht halten und müssen zu Cr. inornata gezogen werden. So: Rob. simplex d’Orb. (ibid. Taf. 4, Fig. 27, 28), Rob. austriaca d'Orb. (ibid. Taf. 5, Fig. 1, 2), Rob. intermedia d'Orb. (ibid. Taf. 5, Fig. 3, 4), Rob. neglecta Rss. (Zeitsclir. d. deutsch, geol. Gesellsch. 1855; Taf. 4, Fig. 11), Rob. deformis Born, nicht Reuss, denn die Abbildung von Reuss (Zeitsclir. der deutsch, geolog. Gesellsch. 1851, p. 70; Taf. 4, Fig. 30) ist nicht mit der von Bornemann (dieselbe Zeitsclir. 1855, p. 33; Taf. 3, Fig. 1 — 3) zu vereinigen; ferner Rob. navis Born, (ibid. p. 34; Taf. 3, Fig. 4, 5.) Nicht selten. 18) Cr. vortex (F. u. M.) Nautilus vortex Biclit. u. Moll. p. 33; Taf. 2 , Big. d — i. Robulina imperatoria di Urb., Wien. Becken, p. 104; Taf. 5, Big. 5 — 6. — Cr ist vortex. Reuss, Wien. Denksclir. Bd. 25, p. 146; Taf. 3, Big. 21. Gehört zu den kleineren Arten, selten über lmm- gross. Unsere Exemplare haben eine gewölbte Nabelscheibe, die häufig abgerieben ist, und bald einen ganz schmalen , bald breiteren und oft gezackten Flügelrand; die Kammerwände treten als erhabene Rippen zierlich hervor. Nicht selten. Foraminiferen cler liücjenschen Schreibkreide. 147 Die von Reuss in der Riigenschen Kreide entdeckten Cr. umbilicata Rss. (Wien. Sitzungsb. Bd. 44, 1, p. 327; Taf. 6, Fig. 6) und Cr. Williamsoni Rss. (ibid. p. 327 ; Taf 6, Fig. 4) sowie Cr. Marcki Rss. (Wien. Sitzungsb. Bd. 40, p 68; Taf. 9, Fig. 4) habe ich nicht wieder aufgefunden. Pullenia Park, und Jones. 1) P. bull oides (d’Orb.) j\ onionina Indio kl es di Orb. Wien. Becken , p. 107 ; Taf. 5 , Fig. .9, 10 — Non. quaternaria Rss., Ilaid. naturw. Abhandl. IV, 1, p. 34; Taf. 3, Fig. 13. Ist häufiger 5- als 4kammorig, und besitzt ganz kleine Poren, ähnlich wie Cristellaria, mit welcher Gattung sie auch in ihrem Bau am meisten übereinstimmt. Selten. 2) P. comprcssiuscula Rss. Nonionina quiuqueloba Iiss., Zeit sehr. d. deutsch, geolog. Gesellsch., 1851, p. 71; Taf. 5, Fig. 31. Stark zusammengodrtickt, mit fast kantigem Rücken, aber dennoch vielleicht nur Abart der Vorigen. Sehr selten. Pol} morp Siiiiidea. Polymorphina d’Orb. A. Oberfläche der Schale glatt. 1) P. gibba (d’Orb.) Globulina gibba dl Orb., Wien. Hecken , p. 227; Taf. 13, Fig. 13, 14. Bald im Durchschnitt ganz rund, bald nach oben zu ein wenig zusammengedrückt. Mehr oder weniger sich der Kugel¬ gestalt nähernd, doch zuweilen auch eiförmig, selbst verlängert- eiformig; diese Form bildet dann [ i) lacrinia Rss. Ilaid. na/unr. Abliandl. IV, I, }>. 43; Taf. 5, Fig. 9). 148 M ar ss on : Von dieser Art nicht verschieden sind ferner: Globulina inflata Rss. (Zeitsehr. d. deutsch, geolog. Gesellsch. 1851, p. 81 ; Taf. 6, Fig. 45), Globul. aequalis d’Orb. (Wien. Becken, p. 227; Taf. 13, Fig. 11, 12). Glob. globosa v. Münst. (Rss. in Wien. Sitzungsb. Bd. 44, p. 318 ; Taf. 3, Fig. 3). Verbreitet, ß, sehr selten. 2) P. rot» in! ata (Born.) Guttulina rotund. Born., Zeitsclir. d. deutsch, geolog. Gesellseh. 1855 , p. 346; Taf. 18, Fig. 3. Nicht wesentlich davon verschieden sind: Guttul. obtusa Born. (ibid. F. 2), Gutt. globosa Born, (ibid F. 1), Gutt. tur- gida Rss. (Wien. Sitzungsb. Bd. 18, p. 246; Taf. 6, Fig. 66 und v. Schlicht Foraminif. Taf. 29, Fig. 1—5) Nicht selten. 3) P. ovalis (Born.) Gutt. ovalis Born., Zeitsehr. d. deutsch, geolog. Gesellsch. 1855, p. 345; Taf. 17, Fig. 7, und Gutt. vitrea Born., ibid p. 346; Taf. 17,' Fig. 8. Sein selten. 4) P. ac u in in ata (d’Orb.) Pyrulina acumin. d ürb., Mein , de la soc. geol. de France IV, 1, p. 43; Taf. 4, Fig. 18, 13. Spindelförmig, bald länger bald kürzer, bald dünner, bald dicker, im Querschnitt rund, immer unten und oben allmälig in eine feine Spitze verdünnt und dadurch von P. lanceolata Rss. verschieden. Unter den von v. Schlicht auf Tafel 31 gegebenen Ab¬ bildungen, dieReuss zu seiner P. lanceolata rechnet, die aber zum Theil sehr schlecht damit übereinstimmen, dürften einige sehr gut auf P. acuminata zu beziehen sein. Nicht selten. 5) P. minuta Rom. v. Leonhard, u. Bronn, Neues Jahrbuch, f. Mineraloqie 1838, p. 386; Taf. 3, Fig. 35. — Polymorph, acuta Pss. non Foraminiferen der Riiyensclien Schreibkreide. 149 d'Orb ., Wien. Sitzungsb. Bd. 18, p. 245; Taf. 6, Big. 62. — v. Schlicht, Foraminiferen, Taf. 27, Fig. 19 — 21. Sehr selten. 6) P. problcm a (cl'Orb.) Guttulina problerna d Orb., Wien. Becken, p. 224; Taf. 12, Fig. 26—28. . Höchst veränderlich, entwickelt einen grossen Formen¬ kreis, wovon die hauptsächlichsten Formen: a) vera. Kammern sehr hervortretend gewölbt, die Endkammer stumpflick. ß) cretacea. Guttulina cretacca Alth, llaul. naturw. Abhandl. III, p. 262; Taf. 15, Fig. 14. — Reuss, ibid. IV, 1, p. 44; Taf. 4, Fig. 10. Schale breit-eiförmig, Kammern weniger stark hervor¬ tretend, Endkammer spitz. Y) communis. Guttul. communis d'Orb., Wien. Becken, p. 224; Taf. 13, Fig. 6—8. Schale breit-oval, Kammern nur durch schwach ver¬ tiefte Käthe gesondert. austriaca. Guttul. austriaca d'Orb., Wien. Becken, p. 223; Taf. 12, Fig. 23-25. Schale länglich-oval, Endkammer allmälig zugespitzt. e) leopolitana Rss. Haid, naturw. Abhandl. IV, 1, p. 44; Fig. 11. Bildet die längste Form. Sehr verbreitet, besonders in dor Form ß. 1838 Bd. 7) P. cy liiulroiiles Röm. v. TjPoh har d und Bronn, neues daerb. , p. 385 ; Taf. 3, Fig. 26. — Reuss, 18, p. 249; Taf. 8, Fig. 78. Sehr selten. /. Mi neralogie, Wien. Sitzungsb. 150 M a r. sso n : B. Oberfläche der Schale gerippt. 8) P. semico st ata Marss. Schale 0,60mm- — l,20mm- gross, häufig breiter als laug, nach unten zugespitzt, etwas zusammengedrückt, im Quer¬ schnitt abgerundet-3 seitig , bei sehr vielkammerigen Exem¬ plaren fast abgerundet-4 seitig, 7 — 12kammerig, die undeutlich schraubenförmig aufsteigenden Kammern gewölbt, durch ver¬ tiefte Käthe getrennt, die 3 obersten Kammern gross, die oberste stumpflich mit gestrahlter Mündung, die unteren klein, die unterste ziemlich spitz. Kammern sämmtlich mit dick¬ lichen Längsrippen versehen, die sicli bei den obersten Kammern über der Mitte verlieren , so dass die Schale nur zur Hälfte gerippt erscheint. In Grösse, Gestalt und Anzahl der Kammern sehr veränderlich, bald länger, bald breiter, bald mehr zu¬ sammengedrückt, bald nahezu kugelig , ebenso veränderlich in der Zahl und Stärke der Rippen, die bei einzelnen Exem¬ plaren nur auf die untersten Kammern beschränkt bleiben und dann fast zwei Drittel des Gehäuses frei lassen. Selten. Tafel II, Fig. 19, a und b: ein Ex. von beiden Seiten, c: dasselbe von oben. Yergr. 3TÜ. C. Oberfläche der Schale stachelig-rauh. 9) P. hirsuta Br., P. u. J. JBrachj , Parker u. Jones 4 a monograph. of tlie genus Polymorph ., in Transact. of the Linnean soc. Vol. 27, p. 243, Taf. 42, Fig. 37. — v. Schlicht, Foraminiferen, Taf. 34, Fig. 1 — 3, Aulostomellenform. Durch die stachelig-rauhe Oberfläche von allen übrigen Arten ausgezeichnet. Sehr selten. U v i g er i na d’Orb. 1) U. cristata Marss. Schale sehr klein , nur 0,24m,n- — 0,36'nm- lang , länglich , an beiden Enden stumpf. Kammern nur wenig gewölbt, durch deutliche aber nicht tiefe Käthe geschieden, in fast 3 zähligen Umgängen, so dass die Schale im Querschnitt fast Foraminiferen der Riigen&chen Schreibkreide. 151 3 eckig erscheint. Yon der obersten Kammer an verlaufen bis nach unten 6, zu je 2 genäherte, anfangs schmale, nach unten an Breite zunehmende Flügelleisten , die zugleich nach unten kammförmig gezähnelt und mit einzelnen Spitzen versehen sind; auch verlieren sich einzelne Spitzen und schmälere Flügelleisten zwischen den Hauptleisten auf die untersten Kammern, so dass die Schale unten von zahlreichen, hervortretenden Spitzen struppig erscheint. Röhrchen der Mündung kurz. Poren sehr fein. Nicht selten. Tafel III, Fig. 20, a und b: zwei verschiedene Exempl, c: Umriss eines Querschnitts, Vergr. 6T5> d: eine Flügelleiste, Vergr. 1-p. Bulimina d’Orb. 1) B. ovnliim Rss. Haid, naturic. Abliandl. IV, 1, p. 38; Taf. 3 , Fig. 9. Blendend weiss und glatt. Y erbreitet. 2) B. squamigera d’Orb. Forarninif. des des Canaries , in Webb et, Berthelot Hist, nat. des 'des Canaries, p. 137 ; Taf. 1, Fig. 23, 24. — Nicht davon zu trennen ist: ß. imbricata Rss. (Haid, naturw. Abliandl. IV, p. 37, Taf. 3, Fig. 7) sowie B. Puschi Rss. (ibid. Taf. 3, Fig. 6). Verbreitet. 3) B. acuta Rss. Haid, naturic. Abliandl. IV, I, p. 37 ; Taf. 3, Fig. 3. Vielleicht auch nur Form der vorhergehenden Art, doch durch eine stärkere Zuspitzung nach unten, grössere obere Kammern und kaum vertiefte Näthe zu unterscheiden. Nicht selten. 4) B. gihbosa (d’Orb.) I dlculina gihbosa d Orb., IV, I, p. 33; Taf. 4, Fig. v. Hageno tc , Leon har d u. 1842, p. 570. Mein, de la soc geolog. de France, 1, 2. — 1 alciil. quadribullata .Bronn, Jahrbuch f. Mineralogie 152 A f a r s s o n : ß) confliicns (y. Hag.) Globigerina confl. v. Ilagen. JLeonh. u. Bronn , Jahrb. f. Miner. 1842, p. 571. — Bulimina obesa Rss. 1851 Haid. not. Aldi. IV, 1, p. 40 ; Taf. 5, Big. 12 u. Taf. 4, Big. 1, — Ist nur eine verkürzte B. gibbosa. Dadurch, dass die ersten Kammern kleiner werden und mehr zusammen- fliessen, treten die oberen durch ihre Grösse vorhältniss- mässig mehr hervor und geben der ganzen Schale eine kugelig-4eckige Gestalt. Betrachtet man sie bei gleicher Lage wie B. gibbosa, so sicht man die Aehnlichkeit so¬ gleich und finden sicli auch die deutlichen Zwischen¬ stufen zwischen der verlängerten und der kurzen Form. Sämmtliche Exemplare der B. gibbosa haben stets eine etwas wachsgelbliche Farbe. Sehr verbreitet. 5) B. tri ImiII ata (v. Hag.) Valvulina tribullata v. Hag. Heonh. und Bronn, Jalirb. f. Miner. 1842, p. 570. — Bul. iritermedia Rss., 1851, Haid, naturw. Abliandl. / \ , 1, p. 50 ; Taf. 4, Big. 11. Die Exemplare der Bügen sehen Kreide sind sehr kurz, so dass die ersten Kammern nur ein niedriges Zäpfchen bilden. — Vielleicht ist die Art nur eine verkürzte B. Murchisoniana d'Orb. (Mein. p. 41, Taf. 4, Fig. 15, 16) und stellt in einem ähnlichen Verhältnisse zu derselben wie C. confl uens zu B. gibbosa. Nicht selten. 0) B. obliqua d’Orb. Mem. de la soc geol. de Brance IV, p. 40 5 Taf. 4, Big. 7, 8. — B. Bresli Rss. Haid, naturw. Abliandl. IV, 1, p. 50 \ Taf. 5, Big. 10. In der Grösse sehr verschieden, bald schlanker, bald kürzer und dicker, letztere Exemplare stellen die B. Bresli Rss. vor. Ziemlich verbreitet. 7) B variahilis d’Orb. Mein, de la soc. geol. de Brance, IV, 1, p. 40 ; Taf. 4, Big. 0—12. Selten. Foraminiferen der Rihjenschen Schreibkreide. 153 8) ß. globularis Rss. Wien. Sitzungxi). Bd. 50, 1, p. 449; Taf. 1, Big. 2. Ziemlich selten. 9) ß. rimosa Marss. Schale mit rissig-grubiger, rauher Oberfläche, fast kugelig und in der Anordnung der Kammern der B. globularis ähnlich; die Kammern äusscrlich gar nicht zu erkennen, die letzte Kammer auf der Mundfläche etwas platt. — Die Sculptur der Oberfläche ist ganz wie bei Lituola ovata (v. Hag.) Nicht selten. Tafel III, Fig. 31, a, b: zwei verschiedene Exemplare, von vorne Vcrgr. ar°. Tcxtilaridca. T e x t i I a r i a Defr. 1) T. co n ii Ins Rss. Versteiiul. Böhm. Kreide f. 1, />. dH ; Taf. 8, Big. 59 und Taf. Id, Big. 75. — Hierzu zieht Reuss selbst (Geinitz Klh- thalgrbirge p. 110) seine V. pupa (Wien. Sitzungsb. Bd. 40 , />. 202 ; Taf. 10, Big. 4 , 5.) Sehr selten. 2) T. ßaiiriouiiiiaiia d'Orb. Mem. de la soc. geol. de Brance, 1 1, p. 40 ; Taf. 4 , Big. 29, 00. — Hiervon ist kaum verschieden : 1\ deltoidea Rss. (Wim. Denksehr. Bd. /, p. OH 1 ; Taf. 49; big . 4. Sehr selten. 3) T. flcxuosa llss. 11 ien. Sitzungsb. Bd. 40, p. 205. — 1\ articuluta Rss. in Haid, naturw. Abhandl. IV, l, j>. 45; Taf. 4, Big. 14. Schmal, nur 0,18 Iu,n* — 0,24",,n- breit, zweischneidig, die oberste Kammer spitz. Ich habe gleich wie Ileuss nur immer Bruchstücke und zwar von der oberen Hälfte der Schale gefunden. Sehr selten. 10* 154 M a r .s- s o n : 4) T. striata Ehrnb. Khrenb. in Abhdndl. d. Akademie d. Wisseusch, in Berlin , 1838, p. 135 ; Taf. 4, Big. a. — Khrenb. Aller ogeologie, Taf. 30, Big. 4\ Taf. 27, Big. 3 ; Taf. 28, Mg. 6 ; Taf. 20, Big. 16 ; Taf. 31, Big. 0 u. 10. — . Text, globulosa Ras., Verstehn. <1. Böhm. Kreidef. 1, p. 30 ; Taf. 12, Big. 23. — Text, globifera Rss., Wien. Sitzungsb. Bd. 40; p. 232 ; Taf. 13, Big. 7, 8. — Text, qlobiqera Schivaqer, Borain. v. Kar Nicobar, p. 252 ; Taf. 7. Big. 100. Unter dem Namen T. striata ist eine grössere Anzahl von Ehrcnberg’schen Arten, die sich in den Abbildungen nicht unterscheiden lassen, zusammenzufassen. Es verlohnt nicht der Mühe die Namen besonders anzuführen, weil Ehren¬ berg keine Beschreibungen dazu gab und sie ohne nähere Untersuchung bei durchfallendem Lichte in Balsam-Präparaten abbilden liess. Wenn auch die Umrisse der Schalen in den Abbildungen naturgetreu ausgefallen sind, so lassen die Sculptur -Verhältnisse der Oberfläche oft viel zu wünschen übrig, und nur in seltenen Fällen ist cs möglich aufEhren- berg’sche Namen Bezug zu nehmen. Was nun die Ehren- berg’sche Textilaria striata sei, kann nach der gegebenen Ab¬ bildung und Beschreibung nicht zweifelhaft sein, zumal sie zu den häufigsten Kreideformen gehört, nur könnte man Be¬ denken tragen, die Reuss’sche F. globifera oder globulosa darauf zu beziehen. Untersucht man diese Reuss’sche Art aus den Kreidegebilden Westphalens, worin sie sehr verbreitet ist, und woher ich sie durch die Güte des Herrn Dr. v. d. Marek in Hamm mit vielen andern Foraminiferen empfing, so lassen sich keine Unterschiede von der T. striata Ehrnb. der weissen Schreibkreide wahrnehmen. Wenn die Streifung Reu ss entgangen war, so liegt dies wohl daran , dass er die Schalen nicht bei durchfallendem Lichte in Balsam beobachtete, bei welcher Beobachtungsweise man allein im Stande ist, zarte, bei stärkerer Vergrösscrung erst erkennbare Sculptur-Verhält- nisse zu erkennen. Die Streifungen sind durch körnige Er¬ habenheiten, die streifenweise und auch anastomosirend zu- sammenfliessen , bedingt, und je nachdem dies mehr oder weniger stattfindet, erscheint die Streifung auch mehr oder Foraminiferen der Jiih/enschen Schretbkreide. 155 weniger deutlich , ja mitunter ist sie kaum wahrzunehmen. Solche Exemplare scheinen dann die Text, globulosa Ehrnb. (Berlin, akadem. Abhandl. 1838, p. 135) darzustellen, deren Schale nach der Beschreibung glatt sein soll, in der Microgeo- logie aber ebenfalls körnig-rauh abgebildet wird. Eine in der Grösse ausserordentlich veränderliche Art, kleine Exemplare nur 0,05ram-, die grössten bis 0,36mln- lang, ausgezeichnet durch die keilförmige, zusammengedrückte Schale, deren Kammern breit-kugelig oder oval und durch tiefe Einschnürungen gesondert sind; die oberste Kammer ist besonders gross und fast kugelig, die Mündung eine kurze, breite, halbmondförmige Querspalte. Sehr häufig. Bolivina d’Orb. 1) B. elongata (v. Ilag.) Teatilaria elongata v. Hagenau', Jahrb. f. Miner. 1842 , j>. 470 — Folivina incrassata lins., Ilaid. naturw. Abhandl. 1840. IV, 1, p. 44; Taf. 4, Fig. 13. ß) tegulata Rss. Folie, tegul. Iiss. , Haid, naturw. Abhandl. 71, 1, p. 44; Taf. 4, Fig. 12. — Schmäler als die Hauptform und gegen die Basis mehr verdünnt, die Kammern bald mehr bald weniger schräge. Sehr verbreitet, ß etwas seltener. 2) B. linearis (Ehrenb.) 7 ewtilaria linearis Fhrenb., Microgeol. 'Taf. 23, Fig. 7; — Taf. 24, Fig. ltj, 17; Taf. 27, Fig. 7 a — d ; Taf. 20, 13g. 18; Inf. 30, Fig. (i a — d; Taf. 31, Fig. 14, 14. Mikroskopisch, nur 0,05mm- — 0,1 5ra,n lang, vom Verkehrt¬ eiförmigen bis zum Länglich-linienförmigen in der Gestalt variirend, doch ist letztere Form die häufigere, zart, flach zu¬ sammengedrückt ; Kammern auf jeder Seite 5 — fi, kaum ein¬ gezogen, in Balsam sehr durchsichtig erscheinend, die oberste gewöhnlich dunkler; Kammerwände stark gekrümmt. Poren sehr klein. - Ehrenberg, der diese Art vielfach abbildete 15(3 i\fa r s s o n : und auch die grosse Veränderlichkeit ihrer Gestalt bereits er¬ kannte. hat keine Beschreibung dazu gegeben. In der Riigenschen Kreide häufig. Scheint von der jüngeren Kreide an bis zur Jetztzeit zu gehen; Ehrenborg fand sie auch in den Meeresgrundproben der gemässigten und Aequatorial-Zone bis zu einer Tiefe von 10000'. Taf. III, Fig. 22, a und b: zwei verschiedene Exemplare von der Seite. Vergr. ’P0. 3) 1». tciiuis Marss. Grammostomum Mülepora Khrenb ., Microgeol. Taf. 30, Fig. 1 L. — Gramm, attenuatum Klirenb., ibul. Taf. 31, Fig. 22. — Foxostomum subrostratum Khrenb., Taf. 27, Fig. 10. — Foxost. rostratuni Khrenb., Taf. 27 , Fig. 20 und noch andere. Mikroskopisch, 0,10ra,n- — 0,23mm- lang, rhombisch, nach unten verschmälert, nach oben sehr verbreitert, stark zusammen¬ gedrückt. Kammern schmal und schief, mitunter am Rande etwas eckig, die oberste ziemlich lang über die übrigen her¬ vortretend; Käthe etwas eingezogen, zuweilen etwas hin und hergebogen. Schale mit sehr kleinen Wärzchen besetzt und sehr fein porös. — Wenn die Ränder der Kammern eckig vorgezogen sind, entsteht das Grammost. angulatum Ehrenb. Microg. Taf. 31, Füg. 16, wozu auch noch andere Ehren- berg’sche Abbildungen zu rechnen sind. Nicht selten. Tafel III, Ffg. 23, a: ein Exempl. von der Seite, Vergr. bT5. b: ein Ex. in Balsam. Vergr.1!0. 4) B. decurrens (Ehrenb.) Grammostomum ? decurrens Khrenb., Microgeol. Taf. 30, Fig. 17. Schale klein, 0,20,nm — 0,32mm- lang, länglich-spatelförmig, nach der Basis mehr oder weniger verschmälert und stumpf abgerundet, stark zusammengedrückt. Kammern schmal, sehr schräge, mit fast gradlinigen, in einen spitzen Winkel zusammen- stossenden Käthen, im Grunde des Randes durch einen kleinen, meist stachelförmigen Zahn über die nächst untere Kammer herablaufend, die oberste Kammer in eine stumpfliche Spitze Foraminiferen der /tiiyensche.n Schreibkreide. 157 verlängert, die unterste fast kreisrund und etwas gewölbt, verhältnissmässig gross, beiderseits durch die 2 spornlÖrmigen Spitzen der beiden nächstfolgenden Kammern geschwänzt. Poren sehr' klein. — Sehr charakteristisch durch die in einen stachelförmigen Zahn herablaufenden Kammern, so dass kein Zweifel über die Zugehörigkeit der Ehrenbcrg’schen Abbildung bestehen kann, obgleich Ehrenberg dazu keine Beschreibung gegeben hat. Sehr selten. Tafel Hl, Fig. 24: ein Exempl. von der Seite. Vergr. Y- 5) B. draco Marss. Schale 0,40mm* — 0,60mm lang, rhombisch-keilförmig, am Rande mit oft zalmförmig vorgezogenen Ecken, unten spitz, oben stumpf abgerundet (in der Gestalt einem Kinderdrachen nicht unähnlich), zusammengedrückt, in der Mitte der Länge nach erhaben, nach den scharfen Seitenrändern abschüssig. Kammern äusserlich nicht sichtbar, dagegen auf der Ober¬ fläche der Schale eine Längsfurche in der Mitte, auf die in spitzen Winkeln und auch fast parallel, der Kammerrichtung entgegengesetzt, eine grössere Anzahl tiefer, zuweilen unter¬ brochener und anastomosirender Furchen zulaufen, so dass die ganze Oberfläche, mit Ausnahme der beiden obersten, glatten Kammern wegen der tiefen Furchen gerippt erscheint. Kammern nur erst im Dünnschliff zu erkennen, die oberste auf der innern Seite mit kurzer, zum inneren Rande herab¬ laufender, spaltenförmiger Mündung. Poren-Canäle klein aber deutlich. Nicht selten. Tafel JII, Fig. 25, a und b: zwei verschiedene Ex. von der Seite, c: von oben, d: Umriss-Zeichnung eines anderen Excmplares, sämmtlicke Vergr. Y'- Sag ra i n a d'Orb. 1) S. as per» Marss. Tjo.vostoinum turnen s Khrenb., Microgeol. Inf. AS', Fiq. 25; laf. 51, I nj. 2!). — Lo.ro.s7. aculeaf.um Fhrenh. I '. crassa ist, bei der die oberen, 2zeilig angeordneten Kammern nicht zur Ausbildung ge¬ langt sind, und daher die Schale nur aus dem unteren, gewundenen Theile besteht. — Vielleicht gehört hierher auch Textilaria Trochus d’Orb. aus der Pariser Kreide (Mein, de la soc. geol. de France, IV, Taf. 4, Fig. 25), die sich nur dadurch unterscheidet, dass die kreiselförmige Schale sich unten zuspitzt, nicht aber wie bei den hie¬ sigen Exemplaren abrundet. Hie Fig. 26 stellt aller¬ dings eine Textilaria dar, nicht aber Fig. 25, bei der die Mündungsfläche mit 3 Kammern, wie bei unseren Exem¬ plaren dargestellt ist. Einen Dünnschliff des unteren Theiles der Schale hat d’Orbigny wohl nicht gemacht, da man bei den äusserlich nicht deutlich erkennbaren Kammern nur hierdurch Gaudryina von Textilaria unter- */ scheiden kann. Selten. Tafel. III, Fig. 17, a und b: zwei verseil. Exorapl. von der Seite, c: von oben, d und o: zwei kurze Ex. der Form trochoides von der Seite, f: von oben; Vergr. sämmtlich2T°. 160 Ma r s x o n : P I e c t i n a Marss. Eine Gaudryina, die statt der spalten förmigen Mündung am inneren Rande der letzten Kammer, an oder unter der Spitze der letzten Kammer eine runde Mündung besitzt. 1) PI. rutheiiica (Rss.) Gaudryina ruthenica Reims, Haid, natunc. Ablmndl. IV, p. 24; Taf. 4, lug. 4. Schale l,00mm- — l,30mm- lang, sehr rauh, unrein weiss, nach unten verschmälert und stumpf, nur wenig zusammen¬ gedrückt, die unteren Kammern äusserlieh kaum erkennbar, die oberen zweizeilig mit etwas vertieften Käthen, die oberste Kammer hervorragend , abgerundet, an der Spitze mit der rundlichen Mündung. Nicht selten. 2) PI irrcgitlaris Marss. Schale rauh, 0,90mm- — l,30mm- lang und 0,33Uim — 0,38mm- breit, weiss, dünn cvlindrisch , nach oben zu mitunter ein wenig zusammengedrückt, nach unten allmülig verdünnt und etwas zugespitzt, zuweilen mit verbogener Spitze. Kammern schraubenförmig aufsteigend , nach oben zu ins Zweizeilige übergehend, doch meist unregelmässig zweizeilig-schrauben¬ förmig, auch wohl, wenn sich noch eine 3. Reihe von unten fortsetzt, 3reihig schraubenförmig, sehr zahlreich, klein, durch ziemlich tiefe Näthe getrennt, die nur unten undeutlich werden, im Umrisse unregelmässig, der Quere nach breiter, in der Mitte eingedrückt oder runzelig; die beiden letzten Kammern abgerundet, die letzte etwas hervortretend, auf der inneren Seite neben der anderen Kammer in einer nieron- formigen Bucht die fast rundliche Mündung. — Wenn sich 3 Kammerreihen bis zur Spitze fortsetzen, stossen an der Mündung auch 3 Kammern zusammen, was jedoch nur selten vorkommt. Tafel III, Fig. 28, a, b: zwei verschied. Ex. von der Seite, c: ein oberes Bruchstück von der Seite, d u. c: von oben. Yergr, y>. 3) PI. clava Marss. Schale 0,30mm-— 0,60ram* lang, etwas rauh, schmal leisten- Foraminiferen der liüyenscJieu Schreibkreide. 1(31 förmig, etwas zusammengedrückt, nach unten eiförmig ver¬ dickt. Kammern abwechselnd-zweizeilig, über der Verdickung regelmässig in einer Fläche, die unteren ein wenig schrauben¬ förmig gedreht, daher der verdickte Theil der Schale vom Rücken her etwas zusammengedrückt; die oberste Kammer wenig hervortretend, mit rundlicher Mündung an der Spitze. Die kleineren verkürzten, verhältnissmässig dickeren Exemplare besitzen nur 3 — 4 Kammern über der Verdickung. Selten. Taf. III, Fig. 29, a: ein Ex. von der Seite, b: dasselbe vom Rücken, c: ein kleines Ex. von d. Seite, d: dasselbe vom Bauche. Vergr. 3p. \ ri tax i a Rss. 1) T. tricarinata Rss. \\ len. Sitzungsb. Bd. 40, p. 228; Taf. 12, Fig . 1 , 2. — Te.dilaria tricar. Itss., Versteht, d. Böhm. l\veide(. 1, j>. 20; Taf. 8, Fig. 60. — Verneuilina dubia Rss., Haul. natanc. Abh. IV, 1, p. 24; Taf. 4, Fig. 3. Selten. 2) T. fo vc« lata Marss. Schale sehr rauh, 0,45mm- — 0,90mra- lang, länglich-keil¬ förmig, mitunter etwas gekrümmt, 3 kantig, nach unten ver¬ dünnt, oben abgerundet-stumpf. Kammern mit Ausnahme der beiden obersten äusserlich nicht erkennbar, die beiden obersten abgerundet , die oberste über die Schale hervor¬ tretend, an der Spitze mit einer rundlichen Mündung. Kanten der Schale mit einer von erhabenen Rändern umsäumten Längsfurche versehen, in welcher sich eine Reihe von unregel¬ mässigen, oft zusammenfliessenden Grübchen befindet. Seiten der Schale ziemlich flach, unregelmässig rauh , zuweilen mit einzelnen Rippchen und Grübchen. Selten. Tafel III, Fig. 30, a und b: zwei Ex. von der Seite, c: von oben. Vergr. Y- 11 162 M ar sso v : 3) T. m i n !i 1 a Marss. Mikroskopisch, nur 0,1 5mm* — 0,26mm- lang, verkehrt-pyra¬ midal, nach unten verdünnt, zuweilen ein wenig gebogen, dreiseitig, die Seitenflächen hohl, die Kanten abgerundet. Die oberste Kammer mit abgerundeter, etwas seitlich vorgezogener Spitze , die übrigen Kammern flach , schief alternirend in 3 Längsreihen übereinander, nur durch schwache Käthe erkennbar. Von den Ehrenberg’schen Abbildungen in der Microgeol. dürften vielleicht folgende darauf zu beziehen sein: Grammo- stomum Platystigma, Taf. 27, Fig. 13. — Grammostomum di- vergens, Taf. 29, Fig. 26; — Gramm. Pinnula, Taf. 30, Fig. 14 und Proropus Clavulina, Taf. 30, Fig. 15. Kicht selten. Tafel IY, Fig. 31, a und b: von der Seite, c: Umriss-Zeichnung eines Querschnitts, Vergr, 6/h d: ein Ex. in Balsam, Yergr. Verneuilina d'Orb. 1) V. triquctra (v. Münst.) Testilaria triquetra v. Münst., Kölner in Beonh. u. Bronn Jahrb. f. Miner. 1838, p. 384; Taf. 3, Big. 13 — Vern. Münster i Kss., Wien. Denkschr.VII, 1854, p.71; Taf. 26, Big. 5. Selten. 2) V. R r o n ii i Rss. Haid, naturw. Abhandl. IV, 1, p. 40; Taf. 4, Big. 2. Sehr selten. 3) V. spinulosa Rss. Wien. DenJcschr. 1, p. 374; Taf. 47, Big. 12. Klein, nur 0,30mm’ — 0,50mm- lang, durch die mit Dornen besetzten Kanten und Flächen ausgezeichnet, nur die oberen Kammern sind an der Spitze glatt. Selten. Foraminiferen der Riigenschen Schreibkreide. 163 Orbulinidea. 0 rb u I i n a d'Orb. 1) ö. unirersa d'Orb. Foram. de Cuba , p. 3, Nr. I, Taf. 1, Fig. 1. — Wien. Becken, p. 21; Taf. 1, Fig. 1. — - Miliola Arcella Ehrenb. Microgeol. Taf. 30. Fig. 1. Die kleinen, fast kugeligen, nur 0,09,nm- — 0,12mTn- grossen Schalen haben nur selten eine grössere Oeffnung. Ist unter allen Foraminiferen die häufigste in der Kreide. Globigerisidea* Giobigerina d'Orb. 1) Gl. cretacca d'Orb. Altan, de la soc. geol. de France, IV, p. 34; Taf. 3, Fig. 12 — 14. - — Reuss, Versteht, d. Bölnn. Kreidef. 1, p. 36, Taf. 8, Fig. 33. Ausserordentlich veränderlich in Grösse und Oberflächen¬ beschaffenheit, bald nur 0,09mm-, bald selbst bis 0,61mm- im Durchmesser gross. Die Oberfläche ist mit mehr oder weniger spitzen Wärzchen besetzt, die mit der Grösse der Schale an Grösse zu oder abnehmen. Sehr häufig. Discorbina Dark. u. Jon. 1) ft. globosa (v. Hagenow.) Nonionina globosa v. llag., Feoidt. u. Bronn .Jahrbuch f. Miner. 1842, p. 374. — Reuss, Wien. Sitzungsb. Bd. 44, 1, p. 330; Taf. 7, Fig. 2. Eine unter den Gattu ngs- Verwandten sehr auffallende Aif, die einer Bulimina globularis Kss. in der Tracht nicht 11* 164 Af anson: unähnlich ist. — Schale in der Grösse sehr veränderlich, bis l,5rau)- im Durchmesser, fast kugelig, kaum zusammengedrückt, mit breit gerundetem Rücken und nur wenig verschiedenen Seiten. Nur der letzte Umgang sichtbar; die Kammern durch lineare aber deutliche Käthe gesondert, sich anf der Spiral¬ seite vollkommen umfassend, nur selten eine Spur der älteren Umgänge in der Mitte undeutlich erkennbar; die letzte Kammer der Quere nach breiter als die Schale, mit flacher, halbmond¬ förmiger, nach der Nabelseite zu etwas weiter herabreichender Mundfläche und einer langen gekrümmten, ziemlich weiten Mündungsspalte. Die Schale besitzt weder Löcher, noch Poren- Canäle, und nähert sich in ihrer Structur den kieselig-sandigen Buliminen, nur dass die Partikelchen, aus denen die Schalen¬ substanz besteht, ausserordentlich klein sind und keinen Sand oder Kieselerde einschliessen. Die Schale löst sich in Salz¬ säure, ohne Kieselerde zu hinterlassen. Die Abbildung von Reuss drückt nicht ganz den Charakter der Art aus, weil er gerade nur ein Exemplar, wie es selten vorkommt, abbildete, bei dem eine Andeutung der Spira in der Mitte des letzten Umgangs vorhanden ist. Sehr verbreitet und charakteristisch für die Rügensche Kreide. Tafel IY, Fig. 32, a: ein Exemplar von der Spiralseite, b: dasselbe von der Nabelseite u. c: von der Bauchseite, d: ein in entgegengesetzter Richtung gewundenes Ex. von der Bauchseite. Yergr. 2 3X°. 2) IE obtiisa (d'Orb.) Rosalma obtusa d'Orb. Wien. Recken p. 179 ; Taf. 11, Fig. 4 — 6. Unsere Exemplare stimmen sehr gut mit der von d’Or- bigny gegebenen Abbildung, nur fehlen die Höckerchen am Nabel, auch sind die Poren nicht so gross und zahlreich. Bei der Veränderlichkeit der Form der Schale schien mir die Abweichung zu unbedeutend, um beide zpezifisch zu trennen. Sehr selten. 3) D. exsculpta (Rss.) Rotalia exsculpta Rss., Wien. Sitzungsb. Rd. 40, p. 222; Taf. 11, Fig. 4. Foraminiferen der Riigenschen Schreibkreide. 165 Schale klein , 0,30mm- — 0,50mm* im Durchmesser, kreis- rundlich bis oval, an der Peripherie scharf gekielt, auf der Kabelseite stark gewölbt, auf der fast flachen Spiralseite mit leistenförmig hervortretenden Kammerwänden, die vielfach unregelmässig unterbrochen sind und woran die Art leicht erkennbar wird. Kicht selten. 4) D. Haidingeri (d'Orb.) Rotalia Haid. d'Orb., Wien . Becken , v. 1J4; Tat. 8, Big. 7-9. — Kicht verschieden davon ist: Rot. affinis Cz., Haid, naturw. Abh. II, p. 144; Taf. 12, Fig. 36 — 38 und Rot. propinqua Rss., Wien. Sitzungsb. Bd. 18, p. 241; Taf. 4, Fig. 53. Auch ist die auf der Spiralseite sehr flache Rot. Dutemplei d'Orb., Wien. Becken, p. 157; Taf. 8, Fig. 19 — 21, besonders wenn sie so abändert, wie Reuss sie aus dem Septarienthon ab- bildot, (Wien. Denkschr. Bd. 25, p. 160; Taf. 4, Fig. 16) nicht wohl davon zu trennen. Die hiesigen Exemplare sind auf der Spiralseite sehr ge¬ wölbt, mit äusserlich nicht unterscheidbarer Spirale, und ist der letzte Umgang verhältnissmässig schmal. Sehr selten. mm. 5) I). ilata Marss. Schale mehr oder weniger länglich auch rundlich, 0,36r — 0,90mm- im Durchmesser, zusammengedrückt, von einem unregelmässig gezackten Flügelrande umgeben. Spiralseite in der Mitte mehr oder weniger gewölbt, oft fast flach , die Spira und Kammern nur durch dunklere, zuweilen ganz ver¬ schwindende Linien angedeutet. Die obere Seite in der Mitte gewölbt, ohne Kabel, nur der letzte Umgang sichtbar, die Kammern durch etwas vertiefte Furchen erkennbar, nur wenig hervortretend und sich allmälig in den Flügel verflachend, die letzte Kammer etwas mehr hervortretend, auf der innorn Seite mit einer feinen Mündungsspalte. Poren gross. Sehr selten. 166 M a r s s o n : Tafel IV, Fig. 83, a: ein Ex. von der Spiralseite, b: dasselbe von der Nabelseite und c: vom Rande, d: ein anderes Ex. von der Spiralseite. Yergr. ST°. 6) D. gracilis Marss. Schale fast kreisrund, linsenförmig zusammengedrückt mit scharfem Bande, 0,50mm- — 0,60mm- im Durchmesser. Spiral¬ seite kaum gewölbt, der letzte Umgang verhältnissmässig schmal, ebenso wie die Kammerwände nur als dunklere Linien unterscheidbar. Nabelseite etwas gewölbt, in der Mitte ein¬ gedrückt, mit kleinem Nabel, die Kammern nur durch feine, undeutliche Nätho geschieden, längs derselben vom Nabel aus zuweilen sehr zarte Risse sternförmig auslaufend, die letzte Kammer stärker aufgeschwollen. Mündung eine feine Spalte auf der inneren Seite der letzten Kammer fast bis zum Nabel verlaufend. Poren ziemlich gross, zerstreut. Selten. Tafel IV, Fig. 34, a: ein Ex. von der Spiralseite, b: dasselbe von der Nabelseite und c: vom Rande. Yergr. 3T°. 7) \). pertusa Marss. Schale fast kreisrund, linsenförmig zusammengedrückt, 0 40mm- — o,60mm- im Durchmesser. Spiralseite flach, der letzte Lungang breit, die stark gebogenen Kammern nur durch dunkle Grenzlinien erkennbar. Nabelseite in der Mitte zu einer tiefen Grube eingedrückt, die von dem letzten Umgang ring¬ förmig eingeschlossen wird, die Kammern durch schwache Näthe getrennt, nach dem Rande zu abgerundet, die letzte stark aufgeschwollcn und aus dem Ringe hervortretend; die Mündung eine kleine Spalte im inneren Kammerrande. Die Nabelgrube lässt bei durchfallendem Lichte die Spira der anderen Seite durchscheinen. Poren ziemlich gross, sehr zerstreut. Sehr selten. Tafel 4, Fig. 35, a: ein Ex. von der Spiralseite, b: von der Nabel¬ seite, c: vom Rande, d: ein anderes Ex. von der Nabelseite mit tiefer Grube, e: dasselbe vom Rande. 8) I). Voltziana (d’Orb.) ltotalia Voltz. d'Orb., Mein. de la soc. geol. de France 1840 , IV, 1, p. 31; Taf. 2, Fig. 32—34. — Foraminiferen der Riigensch.cn Schreibkreide. 16 7 Eine etwas stärker zusammengedrückte Form ist Rot. constricta v. Hag., Heues Jahrb. f. Mineral, v. Leonh. und Bronn, 1840, p. 571 u. Reuss, Wien. Sitzungsb. Bd. 44, p. 329; Taf. 6, Fig. 7 u. Taf. 8, Fig. 1. Auch Rot. involuta Rss., Haid, naturw. Abhandl. IV, I, p. 35; Taf. 2, Fig. 14 und in etwas anderer Form abgebildet in Wien. Sitzungsb. Bd, 44, 1, p. 313; Taf. 2, Fig. 4; — ferner Rosal. complanata Rss., als Anomalina compl. in Haid, naturw. Abli. IV, I, p. 36; Taf. 4, Fig. 3, sind wohl kaum davon zu trennen. Wir würden demnach eine Reihe von Formen besitzen, von denen Rot. Voltziana und Ros. complanata die Endglieder sind und sich nur durch die Dicke und das stärkere oder geringere Hervortreten der Spira oder Habelscheibe unter¬ scheiden. Poren-Canäle gross. Sehr verbreitet. 9) !). bcmlnx Marss. Klein 0,27mm- — 0,33mm- im Durchmesser, kreiselförmig, mit abgestutzter Spitze und scharfem Rande, auf der flachen oberen Seite nur der letzte Umgang sichtbar, die letzten Kammern durch feine Käthe erkennbar; die Habelscheibe flach, kaum wenig hervortretend. Spiralseite stark kreisellörmig gewölbt, die Spira durch eine verhältnissmässig grosse, durch¬ scheinende abgestutzte Verdickungsschicht verdeckt, so dass nur der letzte Umgang sichtbar ist, in welchem die Kammern nur durch zarte Linien getrennt sind. Mundöffnung seitlich am Rande durch eine feine Spalte fast bis zur Verdickungs¬ scheibe reichend. Poren sehr klein. Kicht selten. Tafel V, Fig. 37, a: 8piralseite, b: Nabelseite, c u. <1: vom Rande. V ergr. . Truncatulina d'Orb. R> ss. 1) Tr. lobatula d'Orb. Wim. Hecken, p. 168; Taf. 6, Fig. 18 — 28. — Haid, naturw. Al>li. IV, j>. 86; Inf'. 4 Fig. 4. Tr. conce.ra 1(38 M arsson: Diese vielgestaltete Art sitzt ursprünglich auf der Spiral¬ seite fest, wosshalb diese sich mehr oder weniger dem Gegen¬ stände, auf welchem sie festsitzt, anschmiegt, so dass die Spiralseite bald flach, bald hohl ist, zuweilen so stark, dass die scharfen Ränder fast zusammenneigen. Die dadurch ent¬ stehende Furche verläuft nun bald der Länge, bald der Quere nach, und es entstehen dadurch die merkwürdigsten Form- Yerschiedenheiten der Schale. So erscheint die letzte Kammer bei den der Länge nach gefurchten Exemplaren, bei welchen die Furche durch die letzte Kammer verläuft, meist verlängert mit vorgezogener Spitze, bei den quergefurchten, bei welchen die Furche nicht durch die letzte Kammer geht, erscheint diese häufig sehr vergrössert und dick abgerundet. Poren- Canäle sehr zahlreich, gross, die Kammerwände und auch die Scheidewände der Quere nach durchsetzend. Sehr verbreitet. Tafel V, Fig. 38, a : ein Ex. von der Nabelseite, b: dasselbe von der Spiralseite, c u. d: ein anderes Ex. mit Längsfurche auf der Spiral¬ seite d; e u. f: ein anderes Ex. mit Querfurche auf der Spiralseite f; gs eine fast flache Spiralseite mit kaum erkennbarer Spira. Vergr. sämmtlich 2T°. * bezeichnet die letzte Kammer. liotalidca. R o t a I i a Lam. 1) 11. umbilicata d Orb. Mem. de la soc. geol. de France 1840 , 1 lg p. 22; Taf. 3 , Fig. 4 — 6. — R. turgida v. llagenow, Leonli. u. Bronn , Jahrb. f. Miner. 1842 , p. 570 ; Taf. .9, Fig. 22. — R. nitida Rss. Verstein. d. Böhm. Kreide f. 1 , p. 35; Taf. 8, Fig. 52; Taf. 12, Fig. 20. — R. Girardana Rss. Zeitsehr. d. deutsch, geolog. Gesell. 1851, Bd. 3, p. 73; Taf. 5, Fig. 34 gehört offenbar auch hierher, der etwas schärfere Rand ist ein zu geringer Unter¬ schied zur spezifischen Trennung. Kbenso verhält es sich mit R. Soldani dl Orb,, Wien. Becken, p. 155 ; Taf. 8, Fig. 10 — 12 n. R. nitidida Schwager, Fossile Foramiu. v. Kar- Nikobar, in Novara K.vped. TI, 2, p. 263; Taf. 7 , Fig. 110. Foraminiferen der Iiügenschen Schreibkreide. 169 So sehr die Art sonst auch abändert, ist sie doch durch einen eigentümlichen Habitus, der besonders durch die auf der Nabelseite stark hervortretende letzte Kammer mit senk¬ recht abgeschnittener, ganz flacher Septalfläche , bedingt wird, in all ihren Formen unschwer zu erkennen. Die Scheide¬ wände werden von einem feinen Canale der Länge nach durch¬ setzt. Diese Canäle vereinigen sich in den Kammerwänden zu einem gemeinschaftlichen, ebenso feinen, aber nicht ver¬ zweigten Canale. Poren-Canäle sehr fein und dicht. Sehr verbreitet. 2) R. ßosqucti (Reuss.) Rosalina Bosqueti Rss., 1 Vien. Sitzungsb. Rd.44, 1 , p. 3 16 \ Taf. 3 , Fig. 1. Schale länglich oder kreisrundlich zuweilen etwas eckig, 0,7 0m,n’ — l,00mm- im Durchmesser, stark zusammengedrückt, mit ziemlich scharfem Rande. Spiralseite etwas gewölbt, der letzte Umgang sehr breit, die Kammern durch mehr oder weniger tiefe Furchen getrennt. Kabelseite in der Mitte ein¬ gedrückt, die Kammern sich daher nach der kleinen Nabel¬ grube verflachend, durch seichte Furchen getrennt. Die letzte Kammer aufgeschwollen und stark hervortretend, oft fast drei¬ eckig. Poren-Canäle gross. Die Scheidewände besitzen einen einfachen Canal, die Wände der Spira hingegen zahlreiche, dicht aneinander liegende Canäle, die parallel den Windungen verlaufen, sich aber nicht verzweigen. Selten. Tafel IV, Fig. 36. a: ein Ex. von der Spiralseite, b: dasselbe von der Nabelseite und c: vom Lande, d u. e: ein anderes fix. von beiden Seiten. Vergr. Y- Soroidca M. Sch. Acervulina M. Sch. Die Gattung wurde zuerst von M. Schnitze (Ueber den Organismus der Polythalamien 1854, p. 07) aufgestellt und 170 Atf a r .. — Ilaplophrag- mium ovatum liss. Wien. Sitzung ab. 18t) 1, Bd. 44, 1, p. 528, t. 5, Fig. 8—9. Auf diese zu den charakteristischten Formen der Schreib¬ kreide Rügens gehörende Art gründete v. Hagenow seine Gattung Orbignvna, welchen Namen später Reuss ohne Grund mit Haplophragmium vertauschte. Reuss unterschied sein 172 ü / a r s s o n : Haplophragmium von Spirolina durch die nicht glatte und durchaus kalkige, sondern sehr rauhe und unebene, grössten- theils aus Kieselkörnern zusammengesetzte Schale, von Lituola dagegen, welche ebenfalls mit einer vorwiegend kiese- ligen Schale versehen ist , durch die einfachen Kammer¬ höhlungen, die bei Lituola durch zahlreiche, sehr regellose und anastomosirende Scheidewände vielfach unterabgetheilt sind und dadurch ein- zelliges Ansehen erhalten (Rss. Wien. Sitzungsb. Bd. 40, p. 218). Später zog Reuss (Wien. Sitzb. Bd. 44, 1, p. 381) die Gattung Haplophragmium wieder ein und betrachtete sie dann als eine Unterabtheilung von Ijituola mit einfachen Kammerhöhlungen. Aber selbst als Unterab¬ theilung lässt sich Orbignvna nicht halten, weil die einfachen Kammerhöhlungen keineswegs eonstant sind, denn an unserer Art kommen häufig, wie auch bei manchen Buliminen, be¬ sonders die oberen Kammern durch unregelmässige Scheide¬ wände abgetheilt vor, von denen die Höhlungen oft in einer gemeinschaftlichen Oeffnung ausmünden. Die Gattung Lituola der unsere Art jetzt zuzurechnen ist, würde hinsichtlich ihres Aufbaues der Gattung Cristellaria verwandt sein, aber sowohl durch die in der Mitte, nicht an der Spitze der Mundfläche befindliche Mündungsöffnung, als auch durch die Neigung der letzten Kammern sich in gerader Richtung über einander zu stellen, also eine Spirolinen-Form anzunehmen und endlich durch die Struktur der Schale verschieden sein. Die Schale ist nicht glatt , compact-kalkig und von feinen Porencanälen radial durchsetzt wie bei allen Criste llarien, sondern rauh, oft unregelmässig, grubig, rissig-porös, und diese Gruben, ja selbst die Kammerhöhlungen, werden Öfter mit Kiesel- oder Kalkmasse ausgefüllt, doch ist diese "Verkieselung keineswegs durchgreifend und für den Gattungs-Charakter massgebend, denn gerade unsere L. ovata hat eine durchaus kalkige Schale, die nur Spuren von Kieselerde enthält, die als ein sehr geringer Rückstand in der Form von Kieselflitterchen beim Auflösen in Salzsäure zurückbleibt, dagegen enthält die Schale zahl¬ reiche, scharfkantige, fast krystallinischc Kalkkörner, die die Wände der Kammerhöhlungen oft dicht überziehen. L. ovata (v. Hag.) ist l,10mm — l,60mm lang, in ihrer Ge- Foraminiferen der Riigenschen Schreibkreide. 173 stalt sehr wandelbar, und hat eine grosse Neigung zur Spiro- linen-Form. Doch beschränkt sich die gradreihige Richtung immer nur auf wenige Kammern und bleibt die Schale daher stets kurz. Die Schale ist oft sehr rauh, meist rissig- grubig, wodurch die Oberfläche ein eigentümliches, bei manchen Exemplaren auffallend hervortretendes Aussehen erhält. Kammern 5 — 6, die ersten spiralig eingerollt, äusser- lich oft kaum erkennbar, die folgenden durch schmale, in ge¬ bogenen. zuweilen zickzackartigen Linien verlaufende Näthe gesondert, über welche die Kammerwandung nach unten zu mehr oder weniger flügelig-schalenförmig hervortritt, die letzte Kammer besonders gross und gewölbt, bei der Spirolinen- Form oft breiter als die Uebrigen, so dass die Schale eine fast kreiselförmige Gestalt annimmt. Mündung in der Mitte oder oder nahezu der Mitte der grossen gewölbten Mundfläche, länglich, auch rundlich mit ungleichem Rande und sehr unregel¬ mässig bei den Exemplaren mit abgetheilten Kammern, so dass man hier wohl ein Zusammenflüssen mehrerer Oeffnungen annehmen muss. Rücken der schwach zusammengedrückten Schale abgerundet, an den ersten mehr zusammengedrückten Kammern stumpfwinklig, bei der Spirolinen-Form nach oben zu immer runder werdend, so dass die letzte terminale Kammer der kreiselförmigen Schale im Querschnitt oft ganz rund er¬ scheint. Die bisherigen Abbildungen dieser Art sind sehr wenig der Wirklichkeit entsprechend und besonders ist die von Reuss gegebene durchaus schematisch gehalten. Ich versuchte daher auf Taf. V eine charakteristische Formenreihe darzustellen, um einen Begriff von der Wandelbarkeit der Gestalt dieser Alt zu geben. Sehr nahe verwandt und vielleicht dazu gehörig sind die im Lemberger Kreidemergel vorkommenden Spirolina Saccheri und Sp. inflata Reuss (Haid, naturw. Abhandl. IV, I, p. 31 — 32; Taf. 3, Fig. 3, 6.) Die Abbildungen scheinen auch hier mehr schematisch gehalten und bei ihrer grossen Aehnlichkeit mit der Rouss’schen Abbildung von Haplophragmium ovatum gewinnt die Vermuthung, dass diese Arten auch nur Formen unserer L. ovata sind, an grosser Wahrscheinlichkeit. 174 JJ/ a r s ft o n : Sehi1 häufig in der Rügenschen Kreide, doch ist die aus¬ geprägte Spirolinenform nur selten. Tafel V, Fig. 40, a: ein Ex. von (1er Seite, b: dasselbe vom Bauche, c: ein anderes Ex. von der Seite, d: dasselbe vom Bauche, e: ein anderes Ex. von der Seite, f: dasselbe vom Bauche, g: ein Ex. zur Spirolinen¬ form neigend von der Seite, h: dasselbe vom Bauche, i: dasselbe von oben, k: eine Spirolinenform von der Seite, 1 : dieselbe von oben, Yergr. 2T°, m : ein stärker vergrösserter Schalen-Theil, um die rissig-grubige Sculptur zu erkennen. Yergr. t-0. Fassen wir nun die Resultate zusammen, welche wir durch die Untersuchung der Rügenschen Kreide erhalten haben, so kommen wir zu folgenden Ergebnissen. Die Anzahl der ge¬ fundenen Arten erreicht die Zahl 142, wobei aber der Art¬ begriff häufig weiter gezogen wurde, wie bei Reuss, so dass die Anzahl der Arten im Reuss’schen Sinne die Zahl 150 noch überschreiten würde. Aber auch diese Zahl kann noch immer kein vollständiges Bild der Rreideforaminiferen-Fauna geben, weil nicht allein eine Anzahl von bis jetzt unbestimmbaren Bruchstücken, sondern noch manche mikroskopische Form, die ihrer Kleineit wegen der Untersuchung grosse Hinder¬ nisse bereitet, der weiteren Bestimmung entgegen sieht und nur beweist, dass noch immer eine Nachlese zu halten ist. Das Verhältnis der verschiedenen Gattungen und Arten zu einander dürfte durch diese künftigen Ergebnisse nur wenig alterirt werden, da gewisse Gattungen schon jetzt entschieden durch ihre Artenzahl in den Vordergrund treten, andere durch ihre gänzliche Abwesenheit unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Stellt man die Gattungen nach der Anzahl der Arten zu¬ sammen, so erhält man folgende Reihenfolge. Die artenreichste Gattung ist Nodosaria mit 2 9 Arten, dann folgt Cristellaria mit 18 Arten, Lagena mit 12, Frondicularia mit 11, Polymor- phina, Bulimina und Discorbina mit je 9, Glandulina und Bo- livina mit je 5, Textilaria mit 4, Fissurina, Flabellina, Gau- Foraminiferen der Jiiigenschen Schreibkreide. 175 drvina, Plectina, Tritaxia, Yerneuilina mit je 3, Pullenia und Potalia mit je 2 und Capitellina, Pleurostomella, Uvigerina, Sagraina, Orbulina, Globigerina, Truncatulina, Äcervulina und Lituola mit je 1 Art. Berücksichtigen wir die Verwandtschaft der Gattungen, so führt uns diese zu folgenden Betrachtungen. Zuerst fällt das gänzliche Pehlen der Alilioliden auf, deren Auftreten zwar schon in früheren Formationen beginnt, aber doch erst in der Tertiärformation häufiger wird. Auch Cornuspira cretacea Kss., welche in der Senonischen Mucronatenkreide der AYest- phälischen Kreideformation sehr verbreitet ist und selbst bis zum Gauit hinabgeht, habe ich bis jetzt in der Rügenschen Kreide vergeblich gesucht. Dagegen haben mir die Lagenideen, die in der AVestphälischen Kreide noch gar nicht, sonst aber nur in wenigen Arten in der Schreibkreide gefunden wurden, eine reichliche Ausbeute, wenn auch nicht an Individuenzahl gegeben : sie sind mit 16 Arten vertreten (Lagena: 12. Capi¬ tellina: 1, Fissurina: 3), wovon 3 Arten neu, die übrigen aber in der Tertiärformation gefunden wurden. Am zahl¬ reichsten treten die Kodosarideen mit 35 Arten auf (Glaudu- lina: 5, Nodosaria: 29, Plcurostomella: 1), wovon 6 Arten bisher nicht bekannt waren. Die Frondicularideen haben 14 Arten (Frondicularia: 11, Flabellina: 3) und darunter 5 neue. Die Cristellaridecn zählen 20 Arten (Cristellaria: 18, Pullenia : 2) mit einer neuen. Aron Polymorphinideen, worunter die Gattung Polvmorphina bisher in der Kreide nur in wenigen Arten gefunden war, besitzen wir 19 Arten (Polvmorphina: 9, Uvi- gerina: 1, Bulimina: 9) und sind von diesen 3 Arten neu. Die Textilarideen sind mit 22 Arten vertreten (Textilaria: 4, Bolivina: 5, Sagraina: 1, Gaudryina: 3, Plectina: 3, Tritaxia: 3, Verneuilina: 3), worunter 9 Arten neu sind. Die Orbulinideen haben nur eine Art, die häufigste, in der Kreide aufzuweisen. Aron Globigerinideen haben wir 16 Arten zu verzeichnen (Globigerina: 1, Discorbina: 9, Trancatulina: 6), worunter 3 neue Arten. Die echten Rotalideen besitzen dagegen 2 Arten (Rotalia: 2,) die Acervulinideen und Lituolideen je 1 Art, wo¬ von Äcervulina neu ist. Fine Vergleichung der Foraminiferen der verschiedenen 176 M ar s s on : Gebiete der weissen Schreibkreide würde noch von grossem Interesse sein, wenn diese Gebiete hinreichend untersucht wären, was leider noch nicht der Fall ist. Benutzt man das vorhandene Material, so erkennt man doch schon manche lo¬ kale Arten, die auf gewisse lokale Verschiedenheiten bei der Bildung unserer Nordeuropäischen Schreibkreide schliessen lassen. Unter den 54 von d’Orbiarnv in der Pariser Kreide gefundenen Arten vermissen wir über ein Drittel in der Rügenschen Kreide, während diese wiederum eine grosse An¬ zahl von- Arten und Formen enthält, die aus der Pariser Kreide noch nicht bekannt sind. Wenn es sich hierbei nur um seltene Formen handelte, so würde man leicht an ein Ueber- sehen denken können, allein in der Rügenschen Kreide giebt es zwei von den grössten Arten, Discorbina globosa und Lituola ovata, die so häufig und charakteristisch sind und noch nirgends weiter nachgewiesen wurden, dass man sie als Leit-Foraminiferen für die Baltische Kreide bezeichnen könnte. Unter den von mir aufgeführten 142 Arten befinden sich 30 neue. Diesen sind noch einige früher von Reuss ge¬ fundenen zuzurechnen, die wieder aufzufinden mir noch nicht geglückt ist, so grosse Quantitäten Kreide ich auch untersucht habe. Es sind Cristellaria umbilicata Reuss (Wien. Sitzungsber. Bd. 44, 1, p. 327; Taf. 6, Fig. 6), Cr. Williamsoni Rss. (ibid. p. 327, Taf. 6, Fig. 4) Cr. Marcki Rss. (ibid. Bd. 40, p. 68; Taf. 9, Fig. 4), Rosalina ammonoides Rss. (Haid, naturw. Abhandl. IV, 1, p. 36; Taf. 4, Fig. 2). Zur besseren Vergleichung des Vorkommens der Rügen¬ schen Foraminiferen -Species in anderen Formationen folgt eine tabellarische Zusammenstellung. Foraminiferen der Rügen sehen Schreibkreide . 177 Tabellarische Zusammenstellung der beobachteten Foraminiferen -Spezies Rügens im Vergleich zu ihrer Verbreitung in den vorhergehenden Schichten der Kreideformation sowie in den nachfolgenden des Tertiär bis zur Jetztzeit. Durch das Zeichen -f- wird das gleichzeitige Vorkommen einer Art in den verschiedenen Schichten angezeigt. Kr e i d e f o r m a t i o n Tertiär O SehreiVkreide o <• % ' § r~~l c o ~ - 55 • o H m P j o u *— 1 55 03 Lageua globosa Walk apiculata Rss. ovum (Ehrb.) . . acuticosta Rss. . Isabella (d’Orb.) lilicosta Rss. . . mucrouulata Rss. gracilis Williams, tricostnlata Marss oxystoir.a Rss. . bystrix Rss. . . aspera Rss. . . Capitellina multistriata Ma Fissurina globosa Born. . „ laevigata Rss. . „ alata Rs$. . . . Glaudulina obtusissima Rss concinna Rss. parallela Marss. candela Egg. . „ manifesta Rss. Nodosaria humilis Rom. . 33 33 >3 33 33 33 33 33 33 33 33 33 33 33 marginata Marss ss + + + + + + + + 1 + + + + + + + ; + + + ! + + + + + + + :+ i + + + + _L + ~F ! • + + + • + ' • + ; • + • + + + • - + • + + + + + 12 178 Ma r sson : Kreideformation Tertiär Lebend Untere u. mittlere Turon Senon Frankreich « C* i eibkr 'fl h fco W eide fl ö to :fl PH Unteres Oberes Nodosaria calomorpha Rss. . . • • + 5? grandis Rss. . . . • • • + + • » limbata d’Orb. . . • + . + • • 11 monile v. Hag. . . + + + • + + • 11 oligostegia Rss. . . + + + + • 11 anuulata Rss. . . . + • + • 11 approximata Rss. . • • + + • 11 pauperata d’Orb. . • • + + 11 Lorneiana d’Orb. . + + + + • 11 abnormis Rss. . . • • + + • 11 megapolitana Rss. + • + • 11 inflata Rss . + + • + • 11 paupercula Rss. + • + • 11 prismatica Rss. . . + • + . 11 Marold Rss. . . . + • + • 11 Zippei Rss. . . . + + + + • 11 sulcata Nilss. . . . + + + + • 11 laevipes Marss. . . + • 11 badenensis d’Orb. . + + 11 majuscula Marss. . + • 11 capitata Boll. . . . + + • 11 clausa Marss. -f • 11 laticosta Marss. . . + • 11 multiliueata Rss. . + + • 11 interlineata Rss. . + 9 + • 11 aculeata d’Orb. . . • + + 11 liorrida (Schwg.) Jura • + • PleurostomelJa subnodosa Rss. + + + • Frondicularia solea v. Hag. . • + • ii striatula Rss. . . + + + • ii multistriata Marss. • • + • ii microsphaera Rss. + • 4~ • Foraminiferen der Rügenschen Schreibkreide. 179 K r e i d e f o r m a t i o n Tertiär Lebend Uutcre u. mittlere uojnx ö o r—* Frankreich « reibk rÖ c3 ’S) — W reide CS CD tc :5S rr* HH Unteres Oberes Frondicularia angustissima Rss. + + linguiformis Marss. • + affinis Marss. . . • + laevis Marss. . . • 4* sirnplex Rss. . . + + mucronata Rss. . + biformis Marss. . • + Flabellina elliptica (Nilss.) . . + + + + + + reticulata Rss. . . + • • + rugosa d’Orb. . . + + + + + Cristellaria trilobata (d’Orb.) . + + + + ensis (Rss.) .... + + + + clongata (d’Orb.) . . + + • + bullata Rss . + • • + ■» comprcssiuscula Marss. + + + cymboides d’Orb. . . • • • + + recta d’Orb . + + + 1 ~r foliacea Marss. . . . • , + multiseptata Rss. . . + + • • + + triaugularis d’Orb. + + + + + ?? navieula d’Orb. . . . + + 4" + • ?? exarata v. Hag. . . . • + • r) rotulata (Lam.) . . . + + 4- 4“ + + • Spachholzi Rss. . . . ~h + • convergens Bora. . . . • + + oligostegia Rss. . . . + + + • }} inornata d’Orb. . . . • + + + vortex (F. & M.) . . • + -b + + Pullcnia bulloidcs d’Orb. . . . + + + + -b comprcssiuscula Rss. + 4* + + + Polymorphina gibba (d’Orb.) . + + + + • rotundata Born. . + 4- • • 12* 180 M a r s s on : Kreideformation Tertiär Lebend Untere u. mittlere 0 o 1 ! H ö o 53 m Frankreich • r-H o P o - ■ © rp m © Sh o p-, rp H © rP © • Untere u. p pH o m >> *—• r~ £3 Rügei o a Ö © ro o h-1 Plectina clava Marss . • Tritaxia tricarinata Rss. . . . + + + + foveolata Marss. . . + „ miiiuta Marss. . . . + Yerneuilina triquetra (v. Münst.) + + + „ Bronni Rss. . . . . + + „ spinulosa Rss. . . + + Orbulina universa dOrb. . . . . • + + + + + Globigerina cretacea d’Orb. + + + + + 4“ • Discorbina globosa (v. Hag.) . • • • + • „ obtusa (d’Orb.) . . • • • • + + + „ exsculpta (Rss.) . . • + . • + ,, Haidingeri (d’Orb.) • • • • + + + „ alata Marss. . . . • • # . + # „ graeilis Marss. . . • • • • + • „ pertusa Marss. . . • • • . + • „ Yoltziana (d’Orb.) . • + + + + • „ bcmbix Marss. . . + • Truncatulina lobatula d’Orb. . • • + + 4- + Rotalia umbilicata d’Orb. . . . + + + + + + + + + „ Bosqueti (Rss.) . . . • + • • + • . Acervulina cretae Marss. . . + . . Lituola ovata (v. Ilag.) . . . • • • • • • • 182 Ma r s s on : Literatur - Verzeichnis . 1826 d’Orbigny , Ale., Tableau methodique de la classe des Cephalopodes (Annal. des scienc. natur. Tom. VII, p. 96, 129 u. 245). 1827 Nilsson , Petrificata Suecana formationis cretae. Londini Goth. 1828 Deshayes, Memoire sur les Alveolines et Monographie de ce genre. (Annal. des scienc nat. Tom. XIV, p- 225). 1829 Fischer v. Waldheim. 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Glandulina parallela Marss 5. Nodosana marginata Marss . 6 N. laevipes Marss 7. N. majuscula Marss ö N clausa Marss 9 N laficosfa Marss. 10. N mulnlineala Rss 11. N interlineafa Rss. Mittheil, a d nafurvv. Verein v Neu Vorpommern u. Rügen. 7vdjVal yez v Tk Mowjson C F ScÄmult Itfh ^Frondicularia solea h Hag) 13 F. multishiafa AU* 14 1' . . . ..... ... H>. f larvis Marss 17 F tiiPoriiiis Uirc* ik r , ,, • « . •) ,s ',',rS!> l > F alfims Marx 'lareS «« f^trJUina l„l,.-,cea AI;, ras. 10. r»lv,„„,1,l„„a senuroalala AI.,. Milllicl ;i il. naliirw. \ crom v. ,\>u Vorpommern n . . . Th.Marsson: Foraminiferen d.Rügenschen Kreide f ■ Üs*r . ■ KÜ •77 ■V* Taf. III ( - ? £T3 Sk D.dfcurrens Kl„b?2s'li draeo' Mara^V'r* " BuJivi,u' lmcal1s fö"*.) 2.) B ttirais Mais* * . . . . * *- » P. rfav7C S,“rfovfo7laraa£s . . a- d- na",rw Vom" V Sen Vorpommern u Rügen >ci*v / ui 31 IYitaxia rniruila IV'Ia rss 35. 3“ Discorhina jjlohosa l \ llan D.perlusa IVLirss 3f, Kot.ilia ) 33. I) alati \Iars.s Hosqiicli (Rss.) 34 I). (jr.ir der durch dasBoln- t. 00 m 2. Unteres Diluvium: a. ? ( lodl verticft wurde. 64 Scholz : Miltheilungen über einige in neuerer Zeit 7.00 m b. Grauer Sand . 9.50 c. Gesehiebemergel mit Kreidetrümmern . . 6.00 d. Grand . 3.50 e. „Blauer Thon“ (geschiebearm?) .... 9.50 f. Sand, wasserführend . 1.50 Sa. 37.00 m Um die Menge des vom Bohrloch gelieferten, über die Tagesoberfläche aufsteigenden und noch gegenwärtig (Novbr. 1879) überlaufenden Wassers annähernd kennen zu lernen, wurde durch eine mittelst Locomobile getriebene Pumpe er¬ mittelt, dass das (dreizöllige) Bohrloch pro Stunde 14000 Liter zu liefern im Stande war. Das Wasser (von einer Temp. von 9.4° C. im Juli) hatte 9 französ. Härtegrade. Das Bohr¬ loch steht c. 0.5 Kilometer südsüdwestlich vom vorigen. C. Bohrlöcher auf dem Plateau von Helmshagen. Stehen ebenfalls nur im Diluvium resp. Quartär über¬ haupt und führen süsses, meistens hartes Wasser. I. 1. Alluvium: * a. Moorerde 0.3 m b. Ortstein 0.5 c. Gelber Sand 0.5 2. Unteres Diluvium: a. Thonmergel, feinsandig, geschiebefrei, ge¬ schichtet und mit parallelen papierdünnen Sandschichten durchsetzt, — vom Habitus des Glindower Thons und sehr wasserreich 1.60 m b. Geröllschicht . 0.20 c. Thonmergel gleich a . 4.50 d. Geschiebemergel, nach unten zu sehr sandig 7.00 e. Sand, Wasser führend — Wasser von ziem¬ lich geringer Härte . 8.50 f. Geröllschicht . 0.30 g. Geschiebemergel . 4.00 Sa, 26.10 m Das nach der älteren Methode gestossene Bohrloch musste eines nicht zu beseitigenden grossen Geschiebes wegen auf- di der Stadt Greifswald und deren Umgegend eingestellte Tiefbohrnngen. ß5 gegeben werden. Es liegt 200 Schritt südlich vom Wege nach Potthagen und 500 Schritt westlich der Helmshagen- Potthagener Feldmarksgrenze. II. 1. Alluvium (Moor und humoser Sand) . . . 1.00m 2. Unteres Diluvium: a, Thonmergel . 6.00 i b. Geschiebemergel, sehr steinig, . 0.60 ' c. Grandiger Sand . 0.60 f d. Sohr sandiger Geschiebemergel, fast Sand . 8.00 i e. Sand . 10.50 } f. Geschiebemergel . 0.60 lg. Sand (wasserführend) . 2.20 Sa, 24.50 m Steht in der Nähe der Helmshagener, auf Thonmergel bauenden Ziegelgruben , 500 Schritt östlich von Nr. I. und musste wegen Unzulänglichkeit der gelieferten Bohrvorrich¬ tungen (ältere Methode) ebenfalls aufgegeben werden. III. 1. Alluvium (Moor und Sand) . 0.50m 2. Unteres Diluvium: a. Thonmergel . 3.30 ^ b. Sandiger Geschiebemergel . 0.60 ! c. Sand, in den unteren 4 m grandig, . . . 24.25 d. Geschiebemergel . 3.75 e. Sand mit Mergelbänkchen . 4.00 f. Geschiebemergel . 4.00 g. Sand . 1.00 h. Geschiebemergel mit vielen Kreidetrümmern 6.00 i. Sand, geschiebereich, nach unten in wasser¬ reichen groben Grand übergehend . . 12.50 Sa. 59.90 m Stellt 500 Schritt südwestlich von Nr. I. und ist mittelst Spülverfahren ausgeführt. Das in den oberen Thonmergeln und auch noch tiefer sehr harte Wasser (55°) wird nach unten zu weicher (20 — 21°) und hat aus 56 m Tiefe eine Tempera¬ tur von 9° C. (Kunstmann). Es steigt im Bohrloche bis zu 7 m unter Tage. 66 Scholz: Mittheilnngen über einige in neuerer Zeit Ueberb lickt man die vorstehend angeführten Bohrprofile noch einmal, so ergiebt sich, dass die Kreideformation klippen¬ artig unter dem Diluvium mit einem starken Einfallen von NO zu SW ansteht, da sie in der „Selma“ erst bei 53 m, bei Hinrichs dagegen schon bei 26 m Tiefe getroffen wird, woselbst auch die untersten (Gault-) Schichten bei geringerer Bohrlochs¬ tiefe in viel grösserer Mächtigkeit aufgeschlossen sind. Weiter nach Norden, und zwar schon in geringer Entfernung (Saline) erlangt das Diluvium grössere Mächtigkeit (mindestens 44 m), ebenso nach Osten zu (Rossmarkt, mindestens 91 m). Erst in einer Entfernung von 15 Kilom. nach Osten zu, bei Conerow und Gustebin, tritt die oberste Abtheilung der Kreide in Flint-führenden Mergeln zu Tage. Es befindet sich sonach zwischen diesen beiden Vorkommnissen eine tiefe, mit Dilu¬ vium ausgefüllte Mulde, da Nichts bis jetzt für ein Zwischen¬ vorkommen in geringer Tiefe gesprochen hat. Nach Westen zu lassen sich in der Voraussetzung, dass die Soole in den salzhaltigen Diluvialschichten aus darunter liegenden Kreide-Mergeln stammt, Spuren zunächst bis Jeser verfolgen. Eine Beziehung dieses Punktes zu anderen salz¬ haltigen Diluvialparthieen in Neuvorpommern und zu dem Vorkommen von Sülz in Mecklenburg kann zunächst nur erst vermuthet werden. Das Diluvium zeigt auch im Osten von Greifswald grosse Schwankungen in der Mächtigkeit seiner Schichten, wie eine Vergleichung der nahe beiander liegenden Bohr¬ löcher B. I — IV. ergiebt, insbesondere die nur 150 Schritt von einander entfernten II. und III. Die erste durch die Bohrungen getroffene Bank des unteren Geschiebemergels z. B. erreicht bei Hinrichs 5.5 m, am Rossmarkt dagegen 50 m Mächtigkeit und nimmt nach Osten zu wieder ab, wo sie nur in Bohrloch II. durch einen eingeklemmten mächtigen Kreide- Goschiebe-Block verstärkt wird. Unter dom Plateau von Helmshagen kann man unter einer gemeinschaftlichen Decke von geschiebefreiem Thon- mcrgel von 4 — 6 m Mächtigkeit eine obere , nach Westen zu aussetzende, und eine untere Geschiebemergelbank, beide mit eingelagerten dünnen Sandschichten, und zwei mit dem Ge¬ schiebemergel alternirendc Sandablagerungen verfolgen , von in der Stadt Greifswald und deren Umgegend an gestellte Tiefbohrungen. (>7 denen die unterste vorzugsweise wasserreich zu sein scheint und möglicherweise den wasserführenden Sanden am Plateau- fusse bei Greifswald correspondirt. In unserer Nachbarstadt Stralsund zeigt sich im Gegen¬ satz zu den vorstehend erwähnten Verhältnissen nach den daselbst in jüngster Zeit ebenfalls zum Zwecke der Wasser¬ versorgung für die Stadt ausgeführten Bohrversuchen eine grössere Gleichmässigkeit. Es findet sich dort durchgehends unter der ganzen Stadt unter durchschnittlich 1 m Cultur- schicht resp. Alluvium und 1.5 — 3 m Geschiebemergel des oberen Diluviums eine mit einzelnen Sandadern durchsetzte etwa 50 m mächtige Ablagerung des unteren grauen Geschiebe¬ mergels auf einer 2 — 5 (am Bahnhofe 9) m mächtigen, Flint und Kreidetrünnner führenden wasserhaltigen Grandschicht, welche am Semlower Tliore angeblich soolehaltig ist, worauf Kreide mit Flint folgt, welche bis jetzt noch nicht durch¬ teuft ist. 68 Sc hw aner t : Ueber die Bestandtheile der Greifswalder Soole. Ueber die Bestandtheile der Greifswalder Soole. Von Prof. H. Schwanert. Die Greifswalder Soolquelle tritt in diluvialen Ablage¬ rungen unter Geschiebethon und Sand in einer mehrere Fuss mächtigen Schicht groben Sandes , etwa 14 m. tief im sog. Rosenthale auf. Es ist dieses ein links vom Pvkflusse nord- «/ östlich von der Stadt liegendes Terrain, welches höchst wahr¬ scheinlich vor mehreren Jahrhunderten bewaldet gewesen ist, später als Weideland benutzt wurde, jetzt zum Theil sumpfig und moorig, zum Theil zu Ackerland urbar gemacht ist. Die sooleführende Schicht hat Aehnlichkeit mit der diluvialen Schicht, aus welcher bei 14 — 18 m. Tiefe die Soolquellen von Sülz in Mecklenburg nahe der preussischen Grenze , und bei 11 und 14.8 m. Tiefe beginnend die Soolquellen von Colberg entspringen. Schon im 13. Jahrhundert ist die Greifswalder Soole auf- gefunden worden. Nach Mittheilungen des Herrn Prof. Hüne¬ feld von hier*) wird in pommerschen Urkunden von 1267 eines dem Kloster Eldena gehörenden Salzwerkes bei Greifs¬ wald gedacht, dessen Salzkoten dem Ryk entlang bis nach Wiek hin lagen und ein gesuchtes Salz lieferten. Sein Be¬ trieb ist ein unregelmässiger gewesen ; zeitweise ist er in Ver¬ fall gerathen, sogar für längere Zeit unterbrochen, aber wieder *) Greifswalder Tageblatt 1879, Nro. 196. Schwa nert: Ueber die Bestandtheile der Greifswalder Soole. 69 aufgenommen , mehr oder weniger erweitert und verbessert, ohne dass jedoch bis Mitte des vorigen Jahrhunderts die Salz- produc-tion einen bedeutenden Umfang genommen zu haben scheint. Einen Aufschwung nahm diese erst, als die Sool- quellen 1764 in den Besitz eines Kaufmanns Dommes in Greifswald gekommen waren, dieser das Salz werk in besseren Stand setzte , namentlich mehrere Gradirwerke errichtete und nunmehr durch Gradiren concentrirte Soole zum Yersieden verwendete. In den letzten Jahrzehnten ist das Salzwerk im Besitz eines Barons von Waiz in Hannover gewesen. An¬ fang lieferte es mehr als je jährlich etwa 6 — 7000 Tonnen sehr geschätzten Salzes, dann aber sank die Production mehr und mehr, da einerseits der Salzgehalt der Soole gegen früher etwas geringer geworden war, andererseits auch wohl die Her¬ stellungskosten des Salzes so hoch wurden, dass es mit an¬ derem , aus reicheren Soolen billiger zu beschaffendem Salz nicht concurriren konnte. 1872 wurde der Betrieb des Salz¬ werks ganz eingestellt, die dicht vor der Stadt am Rvk lie¬ genden Gradirwerke sowie das Sied- und Lagerhaus wurden abgebrochen (Siehe Hünefeld, 1. c.). Bald darauf dachte man von mehreren Seiten an eine anderweitige Verwendung der Soole: ein Project, die Soole aus dem vorhandenen abgeteuften Salzbrunnen zu Heilzwecken zu verwenden tauchte auf, man wollte ein Soolbad, und zu¬ gleich bei der dafür günstigen Nähe eines ausgedehnten Moores im Rosenthal , ein Moorbad ins Leben rufen. Schon vor einigen Jahren trat hier in Greifswald ein Comitee zur Er¬ richtung eines Sool- und Moorbades zusammen, dem die Kennt- niss der Bestandteile der Soole erwünscht war. Auf seinen Wunsch habe icli im Juni 1878 die chemishe Untersuchung der Greifswalder Soole ausgeführt, deren Ergebnisse ich hier vor lege. Die von mir untersuchte Soole ist von Herrn Senator Kunstmann hier am 24. April 1878 aus dem mittleren der alten, theilweis zugedeckten Salzbrunnen im Rosenthale ge¬ schöpft worden; es ist die Soole, welche direct einem alten, mit einer eisernen, inwendig stark mit kohlensaurem Kalk inkrustirten Röhre ausgekleideten Bohrloch entquoll , welches in den etwa 3 m. abgeteuften Salzbrunnen gestossen war. 70 Sch w an er t: Ueber die Bettandtheile der Greifswalder Soole. Eine Analyse der Greifswalder Soole ist bereits 1800 — 1802 von dem damals liier lebenden Prof, von Weigel aus¬ geführt, der 8.43 und 4.22 Proc. Salz in der 6 — 7.5Ü warmen Soole von 1.025 und 1.03 spec. Gewicht gefunden hatte. Eine 1829 — 1830 von dem Herrn Prof. Hünefeld hier (1. c.) ausgeführte Analyse der Soole von 1.012 spec. Gewicht hatte •ergeben, dass sie 3.593 Proc. Salze, unter anderem 3.060 Proc. Kochsalz, enthielt, also ihr Salzgehalt und ihr spec. Ge¬ wicht seit 1802 geringer geworden waren. Auch meine Ana¬ lyse ergiebt wiederum eine kleine Verminderung des Salz¬ gehalts der Soole seit 1830 , aber auffallender Weise wieder eine Erhöhung ihres spec. Gewichts, das mit dem der 1800 von von Weigel untersuchten schwächeren Soole fast genau übereinstimmt. Die Bestandteile der Greifswalder Soole sind nach mei¬ ner Analyse : in 1000 Gramm: in 1 Liter Chlornatrium . Chlorkalium . Chlorcalcium . Chlormagnesium . Brommagnesium . . Schwefelsaurer Kalk . . . Kohlensaurer Kalk .... Eisenoxydul *) .... Kieselsäure Halb gebundene Kohlensäure Jodmagnesium } Chlorlithium i Phosphorsäure ( Salpetersäure j bei 17.5° : 30.046975 g. 30.764797 g. 0.099492 g. 0.101869 g. . 1.338106 g. 1.370086 g. . 0.108990 g. 0.111593 g. . 0.025419 g. 0.026026 g. . 0.177223 g. 0.181458 g. 0.213796 g. 0.218905 g. 0.053287 g. 0.054561 g. 0.014249 g. 0.014589 g. 0.094070 g. 0.096318 g. geringe Mengen Spuren Summa der Salze: 32.171607 g. 32.940202g. Specifisches Gewicht der Soole bei 17.5° C. — 1.02389. *) Das Eisenoxydul war zu Eisenliydroxyd oxydirt, dieses in der auf¬ bewahrten Soole ausgeschieden; es konnte von der halb gebundenen Kohlensäure Nichts für Eisenoxydul verrechnet werden, da bei längerem Sieden der Soole sich nur kohlensaurer Kalk abschied. also nur dieser als saurer kohlensaurer Kalk gelöst war. Schwanert: Leber die H es ta n dt heile der Greifsiealder Soole. 71 In 1000 g. Soole sind gelöst : a) Nach Bestimmung jedes einzelnen Salzes : b) Nach der Gesammtbestimmung der Salze, die bei 180° getrocknet waren = 31.834203 g. c) Nach Verrechnung des in den bei 180° ge¬ trockneten Salzen enthaltenen kohlensauren Kalks als in der Soole gelösten sauren kohlen- saurcn Kalk . . 32.171607 g. 32.135171 g. Für 1000 g. Soole Differenz - 0.036436 g. Die Ursache dieser sehr geringen Differenz zwischen Einzelbestimmung und Gesammtbestimmung der Salze liegt darin, dass Chlor-, Jod- und Brommagnesium ihr Gewicht bei 180° vermindern, weil sic theilweis in Magnesia verwandelt werden ; es muss also die Einzelbestimmung der Salze notli- wendig eine wenig grössere Gesammtsumme der Salze er¬ geben, als die Gesammtbestimmung der Salze. Greifswald, den 15. November 1879. 72 H . Iloltz: Zur Lonstruction der Influenzmaschine. Zur Coustruction der Influenzmaschine. Von Dr. W. Holtz. In einer früheren Mittheilung über die Influenzmaschine führte ich diesen Apparat in einer Reihe verschiedener Formen vor, indem ich namentlich hervorhob, was für die Theorie desselben interessirte*). In der heutigen Mittheilung möchte ich einige Formen, welche für den praktischen Gebrauch die ge¬ eignetsten scheinen, mehr in ihren mechanischen Einzelheiten diskutiren. Eine weitere Mittheilung mag dann später diesem Gebrauche selbst bezüglich der Anstellung diverser Experi¬ mente gewidmet werden. Man kann alle Formen der Influenzmaschine zunächst danach unterscheiden , ob sie schon für sich allein, oder nur mit Hülfe andrer constantcr Elektricitätsquellen wirkungsfähig sind. Man kann die ersteren dann wieder in zwei grössere Klassen theilen , indem man Maschinen mit festen und Ma¬ schinen mit beweglichen influenzirenden Flächen sondert. Man kann die ersteren von neuem in zwei Gruppen von einander halten, indem man solche mit unipolarer und solche mit bi¬ polarer elektrischer Erregung unterscheidet. Die letzteren sind es, welche sich vor allen als die vortheilliaftesten bewährt haben, und von ihnen soll im Folgenden ausschliesslich ge¬ handelt werden. Unter ihnen sind aber die zweckmässigsten *) Diese Mittlieihmgen vom Jahre 1877. 73 IT. Holtz: Z)ir Constrnctiou der Influenzmaschine. wieder die Scheiben- und ganz besonders die Glasscheiben¬ maschinen, und sie sind es, weiche ich in erster Linie be¬ rücksichtigen will. Heber dio bauptsäclilieHsteii Tlieile und die An fertigung derselben. Bei Glasscheibenmaschinen mit selbstständiger elektro¬ motorischer Kraft, festen influenzirenden Flächen und bipolarer elektrischer Erregung lassen sich folgende Haupttheile unter¬ scheiden. 1. Ein oder mehrere Paare von Glasscheiben, von denen je eine fest, die andere beweglich ist, erstere mit gewissen Belegungen und üeffnungen versehen, sanimt ihren Bcfesti- gungsstücken. 2. Zwei Paare metallischer Ableiter mit sogenannten Einsaugern, der beweglichen Scheibe zugekehrt, von denen die beiden stromgebenden die Haupt-, die andern die Xeben- conductoren licissen, sammt ihren Befestigungsstücken. 3. Zwei Wellen respective drehbare Hülsen mit je einem Schnurrade, jene für die bewegliche Scheibe die centrale Axe, diese die Kurbclwclle genannt, sammt ihren Befestigungs¬ stücken. 4. Zwei sogenannte Entladungsstangen aus Metall, in den Hauptcond uctoren gegen einander verschiebbar, nach aussen mit isolirenden Griffen, nach innen mit metallischen Kugeln, welche Elektroden heissen, versöhn. 5. Zwei Metallsäulehen mit Klemmschrauben und bis an die Entladungsstangen verschiebbaren Hülsen, auf isoliren¬ den Untersätzen, den sogenannten Einschaltungsapparat bildend. b. Zwei eigenartig geformte Leydener Flaschen , welche Condensatoren heissen, zu zeitweisem Gebrauche in ihrer Ver¬ bindung mit den Hauptcond uctoren bestimmt. Die Glasscheiben werden am besten vertikal gestellt, und es soll im Folgenden nur von solchen Constructionen die Kode sein, wo diese Stellung zutreffend ist. Bei horizontaler Stellung der Scheiben nimmt der ganze Apparat einen viel grösseren Raum ein. Auch wird durch solche Anordnung die Handhabung der Kurbel, der Entladungsstangen, der Conden¬ satoren sehr erschwert. 74 II. Holtz: Zur Construction der Influenzmaschine. Bei der Wahl der Glasscheiben ist das Wesentlichste, dass man eine gute Glassorte zu gewinnen sucht d. h. eine solche, welche möglichst wenig die Feuchtigkeit condensirt. Man vermeide aus diesem Grunde alles Spiegelglas, ferner solches Glas, welches einen bläulichen Schein hat, desgleichen alle bleihaltigen und überhaupt alle leicht schmelzbaren Sorten. Kann man sich vorher einige Probestückchen verschaffen, so überziehe man dieselben mit Schellack, lasse sie einige Tage im Wasser liegen und wähle diejenige Sorte, bei welcher der Ueberzug am längsten haftet. Man kann auch grössere Glas¬ stücke dadurch prüfen, dass man sie auf einen Tisch legt und mit einem Tuche reibt und hierauf untersucht, welches Stück am stärksten oder am längsten eine elektrische Wirkung äussert. Nach der Masse des Glases handelt es sich vor allem um die Ebenheit der Flächen , namentlich für solche Stücke, welche man zu beweglichen Scheiben wählt. Kleinere Un¬ ebenheiten spielen hierbei keine Rolle, wenn nur die Stücke im Ganzen möglichst wenig krumm und windschief sind, da¬ mit später die festen Scheiben den beweglichen recht nahe gebracht werden können. Endlich ist es wünschens werth, dass o die beweglichen Scheiben , damit sie bei schneller Bewegung recht gleichmässig laufen, aus möglichst gleich mässig dicken, überhaupt aber möglichst dünnen Glase geschnitten werden. Die festen Scheiben mögen immerhin ungleichmässig dick sein, und dass sie sehr dünn seien, ist gar nicht einmal wünschens- werth, weii sie dann zerbrechlicher sind und sich auch mehr unter der elektrischen Anziehung verbiegen. Die festen Scheiben brauchen nicht nothwendig rund ge¬ schnitten zu werden, doch ist die runde Form am gefälligsten und auch für die spätere Handhabung der Scheiben am be¬ quemsten. In jedem Falle müssen sie grösser sein, als die beweglichen und zwar, wenn rund geschnitten, etwa um | des Durchmessers der letzteren. Die festen Scheiben brauchen auch nicht nothwendig aus einem Stücke zu bestehn, obwohl die Befestigung zweier von einander getrennten Stücke un¬ gleich grössere Schwierigkeiten bietet. Bestehn sie aber aus einem Stück, so sind sie mit einer centralen und zwei ein¬ ander diametral gegenüberstehenden peripherischen Oeffnungen zu versehn. Die centrale Oeffnung muss rund sein und If". Ho/tz: Avr Constrnction der Infiuentmaschine. 75 grösser, als die Fassung der beweglichen Scheiben, weil diese durch jene hindurch treten soll. Die peripherischen Oefinun- gen können rund sein, doch ist es besser, wenn sie eine längliche Form haben, und zwar so, dass sie sich nach der Peripherie hin successive erweitern. Am besten ist es, sie beginnen noch innerhalb der halben Länge des Halbmessers, reichen bis an den Rand der beweglichen Scheiben und um¬ fassen einen Winkel von 34°. Führte man sie ganz bis an den Rand der festen Scheiben, so würde zwar die Wirkung der Maschine nicht geringer werden, aber die Scheiben würden zerbrechlicher und auch sonst nicht so bequem zu handhaben sein. Ausgeführt werden dergleichen Oeffnungen , nachdem die betreffende Scheibe bereits rund geschnitten, indem man innerhalb der maassgebenden Linie zunächst noch diverse andere Schnittlinien zieht, und hierauf mit Hülfe eines kleinen Hammers und einer als Unterlage dienenden Spitze das Glas allmählig von der Mitte aus zerbröckelt. Jeder festen Scheibe kommen ferner noch zwei eigenartig geformte Belegungen zu, und zwar an derjenigen Glasseite, welche der beweglichen Scheibe abgekehrt ist. Sie schliessen sich im Rotationssinne der letzteren unmittelbar an je eine der peripherischen Oeff¬ nungen an. Ihre Ausdehnung in circularer Richtung ist grösser, als diejenige der Oeffnungen; sie umfassen am besten einen Winkel von 70°. In radialer Richtung aber beginnen sie erst mit der halben Länge des Halbmessers und reichen in jedem Falle nur bis an den Rand der beweglichen Scheibe. Man schneidet sie, die Ecken wohl verrundend, aus möglichst dünnem Briefpapier und klebt sie mit Leim auf, der am besten kalt und dünnflüssig ist. Hierbei ist namentlich zu beachten, dass die Ränder des Papiers recht innig und fest an der Glas¬ fläche haften. Auf jede Belegung aber klebt man noch eine Spitze aus Karton, welche später so zu biegen ist, dass sie die bewegliche Scheibe fast berührt. Man klebt sie so , dass sie etwa bis in die Mittellinie der betreffenden Oeffhung reicht, aber doch mehr dom peripherischen als centralen Ende ge¬ nähert ist. Endlich überzieht man die ganze Scheibe, nach¬ dem man sie sorgfältig gereinigt, mit Ausnahme der mittleren Theile der Belegungen mit einer Auflösung von Schellack. Die beweglichen Scheiben müssen vor allem recht rund und 76 \\r. Iloltz: Zur Construction der Influenzmaschine. recht genau een tri rt sein, damit sie sich recht schnell bewegen lassen. Um solches zu bewirken, dürfen sie nicht früher rund geschnitten werden , als bis das Loch in ihrer Mitte hinein¬ geschliffen ist. Das Schleifen geschieht mit Hülfe einer kupfer¬ nen Röhre, indem man als Schleifmittel Sand oder Schmirgel mit Wasser oder Oel verwendet, nachdem man zuvor eine dünne Holzschablone auf die obere und ein Pappstück auf die untere Fläche des Glases gekittet hat. Ist das Loch ge¬ schliffen, so fertigt man für dasselbe zunächst ein genau pas¬ sendes Metall- oder Ebonitscheibchen an, dessen sorgfältig ad- justirter Mittelpunkt dazu bestimmt ist, eine Spitze aufzuneh¬ men , welche an dem einen Ende einer Leiste befestigt ist. Das Rundschneiden der Scheibe geschieht hierauf in der Weise, dass man den Demant an das andre Ende gedachter Leiste hält, während man rückwärts um einen Tisch , auf welchem die Scheibe liegt, schreitend, jene langsam im Kreise herum bewegt. Kur so, und niemals auf einer sogenannten Rund¬ schneidemaschine lässt sich eine genaue Centrirung der Schei¬ ben bewirken. Die beweglichen Scheiben rathe ich lieber nicht zu lackiren, wenn nicht etwa die Glassorte schlecht ist, oder die Maschine häufiger in ungeheizten Räumen wirken soll. Eine lackirte Scheibe wirkt zwar in der ersten Zeit alle¬ mal besser, als eine un lackirte. Aber sie wird unter dem Einflüsse dieser Wirkung eher leitend, und überhaupt muss der Lacküberzug von Zeit zu Zeit erneuert werden. Statt der Glasscheiben lassen sich auch Ebonitscheiben (Hartgummischeiben) benutzen und sie haben den Vortheil, dass sie weniger zerbrechlich und auch weniger hygroscopisch sind. Aber sie haben den Nachtheil, ganz abgesehn von ihrem ungleich höheren Preise, dass sie den Apparat undurchsichtig machen, sich leicht verziehn, wenn man sie erwärmt, «ich unter dem Einfluss der elektrischen Anziehung leicht verbie¬ gen. Die Ebonitmasse der verschiedenen Fabriken ist sehr ungleich. Es ist diejenige die beste, welche am stärksten ge¬ schwefelt ist, und zugleich eine möglichst schön polirte Ober¬ fläche hat. Das Rundschneiden der Platten und die Her¬ stellung der verschiedenen Oeffnungen geschieht in der Weise, dass man mit einem Stichel das Material successive durch¬ furcht. Hierbei ist grosse Vorsicht anzuwenden , namentlich TP. Holtz: Zur Construction der Influenzmaschine. 77 bei dünneren Scheiben, wenn man ein Zerbrechen oder Ein¬ springen der Masse vermeiden will. Damit das Papier auf derselben besser hatte, thut man gut, den Leim mit einigen Tropfen venetianischen Terpentins zu versetzen. Als Curiosum mag erwähnt werden , dass auch Papp¬ scheiben, wenn man dieselben von Schellack, Wachs oder Fett dnrchziehn lässt, nicht absolut unwirksam sind. Doch muss die bewegliche Scheibe für diesen Zweck besonders schnell rotiren, und die feste muss aus zwei ganz getrennten Stücken bestehn. Natürlich bedarf es alsdann überhaupt keiner Be¬ legungen, weil die Stücke selbst als solche wirken ; wohl aber sind die Kartonspitzen nöthig. Die Befestigung der festen Scheiben muss in jedem Palle eine solche sein , dass man ihre Stellung den beweglichen Scheiben gegenüber ein wenig ändern, sie überhaupt ein wenig vor- oder rückwärts stellen kann. Dies ist einmal nöthig, weil sich das Brett verzieht , und sich die Lage der beweg¬ lichen Scheiben hierdurch ändert, aber auch deshalb, weil die elektrische Anziehung und hiermit die Biegung der festen Scheiben nicht immer dieselbe ist. Daneben ist es wünschens- wertli, dass man die festen Scheiben einwenig drehen, und dass man sie behuts ihrer Reinigung auch ganz aus der Ma¬ schine nehmen kann. Um solches zu erreichen, lässt man am einfachsten die betreffende Scheibe zunächst auf einer ver¬ stellbaren Unterlage ruhen in einer Nute, welche dem Um¬ fänge jener angepasst ist, während zugleich eine mit einer dünnen Nase in ihre mittlere Oeffnung greifende Strebe ein Umfällen der Scheibe nach vorne oder hinten verhindert. Um eine genauere Einstellung zu ermöglichen aber bringt man ausser dem unteren noch zwei in Höhe der Axe liegende variable Stützpunkte an, indem man Schrauben nahe dem Rande gegen die der beweglichen Scheibe zugekehrte Fläche, oder verschraubbare Rollen oder verschiebbare Gummiringe gegen den Strand selber wirken lässt. Alle Befestigungs¬ stücke müssen Isolatoren sein, und gut ist es, wenn noch eine grössere isolirende Platte die Scheiben vom Brett der Ma¬ schine trennt. In letzterem Falle muss jene verstellbare Un¬ terlage, weil man diese Platte nicht durchbohren darf, mittelst einer längeren Strebe einstellbar sein. 78 W. Hallt: stur Constrnction der Influenzmaschine. Audi die beweglichen Scheiben dürfen nicht unabänder¬ lich befestigt werden , weil man sie behufs ihrer Reinigung häufiger von ihrer Axe nehmen muss. Daher ist es noth- wendig, dass iiire Fassung aus einer auf der Axe fest sitzen¬ den und einer auf dieser verschraubbaren Platte bestellt. Beide Platten dürfen nicht zu klein sein, damit sie die Scheibe fest halten, und diese eine bessere Führung hat, auch nicht zu dünn, damit sie sich unter der Anziehung beider Scheiben nicht verbiegen. In jedem Falle aber müssen sie aus Ebonit bestehn, wenn man nicht einen grossen Theil der sonst erreich¬ baren Funkenlänge einbüssen will. Wollte man sie wirklich aus Holz anfertigen, so müssten die Holzfasern parallel der Axe laufen , weil die Scheibe sonst bald ihre Lage ändern würde, und die Kanten müssten wohl verrundet sein, nicht bloss die äussern, sondern auch die innern, um solchergestalt den Elektricitätsverlust möglichst zu beschränken. Damit letzte¬ res selbst bei Anwendung von Ebonitplatten geschehe, ist es rathsam zuvor die ganze Axe mit eben dieser Masse zu bekleiden. Die Conductoren sammt ihren Einsaugern müssen nicht grade nothwendig aus Metall , sie können auch aus festem Holz bestehn, sofern nur die Entladungsstangen die Conden- satoren berühren. Aber die Maschine ist dann etwas schwerer erregbar und wirkt auch nicht ganz so kräftig, als bei metalli¬ scher Leitung. Zudem lässt sich bei der Weichheit und Ver¬ änderlichkeit des Holzes die Ineinanderfügung der einzelnen Theile nicht so sicher bewirken. Am zweckmässigsten ist es jedenfalls, wenn man Messingröhren verwendet, welche man in den verschiedensten Weiten und Wandstärken im Handel vorräthig findet, und zwar Röhren, weil diese besonders leicht und auch besonders geeignet sind, gewisse Theile so zusam¬ menzufügen, dass sie sich rück- und vorwärts stellen lassen. Damit aber an den Endflächen solcher Röhren keine elektri¬ sche Ausströmung entstehe, muss man diese mit halbkugel- lormigen Kuppen versöhn , sofern man sie nicht , was noch geeigneter ist, durch grössere Kugeln verschliessen will. Jene Kuppen werden am einfachsten durch Einlöthen und nach- heriges Abdrehen massiver Stücke gewonnen, doch ist es wesentlich, dass sich die Rundung der Kuppe genau an die Rundung der Röhre schliesst, damit nirgends eine hervor- w. Holtz: Zur Conxtruction der Influenzmaschine \ 79 tretende Kante entstehe. Aber auch sonst müssen hervor¬ tretende Kanten möglichst vermieden werden, und, wo Röhren über einander verschiebbar sind, muss die äussere demgemäss abgerundet werden. Ueberhaupt aber dürfen die Röhren nicht zu eng sein, wenn nicht doch an ihnen elektrische Verluste entstehn sollen. Um hierfür Anhaltspunkte zu bieten sei be¬ merkt, dass man bei Scheiben von 3, 4 und 500mm Durch¬ messer am besten Röhren von 10, 13 und 16,n,n Weite verwendet. Kür den, welcher mit der Bearbeitung solcher Röhren weniger vertraut ist, will ich noch hinzufügen, dass man an gewissen Stellen massive Stücke einlöthen muss, wenn es sich nämlich darum handelt, für einen senkrecht zur Wandung eingeführten Schraubengang eine bessere Führung zu gewinnen. Auch mag nicht unerwähnt bleiben, dass man diejenigen Röhren, welche sich über einander verschieben sollen , so zu wählen hat, dass sie sich im rohen Zustande noch nicht vollständig über einander verschieben, ferner, dass man der einen, wo¬ möglich der innern , durch Schlitze eine gewisse Federkraft geben muss. Kleine Kugeln werden am besten als Hohl¬ kugeln gegossen mit einer innern Verstärkung an jener Stelle, wo sie befestigt werden sollen. Grösse Kugeln setzt man zu¬ sammen aus gedrückten Halbkugeln , gleichzeitig eine Röhre einlöthend, welche für die Befestigung die nöthige Führung geben soll. Da sich die Entladungsstangen nicht gut anders, als in horizontaler Richtung verschieben lassen, so müssen auch die Hauptconductoren womöglich in horizontaler Ebene liegen und zwar mit dem Centrum der Scheiben in gleicher Höhe, weil ihre Spitzen nach diametral gegenüber befindlichen Punkten zeigen müssen. Nach der Lage der Hauptconductoren aber richtet sich die Lage der festen Scheibe, oder richtiger die Lage ihrer unterschiedlichen Theile, weil jene Spitzen, wenn man diese Theile im Rotationssinne der beweglichen Scheibe verfolgt, mehr oder weniger nach den Anfängen der Belegungen zeigen müssen. Man wählt nämlich der Anfangskante dann, wenn es sich mehr um intensive Wirkungen handelt, während man die feste Scheibe besser um einige Grade rückwärts dreht, wenn die quantitative Leistung vorherrschen soll. Nach der Lage der festen Scheibe aber richtet sich wieder die Lage der 80 0 . Iloltz: Zur Construction der Influenzmaschine. Nebenconductoren, da die Spitzen dieser im Allgemeinen nach den Enden der Belegungen zeigen müssen , für gewöhnlich nämlich nach der Endkante und überhaupt allemal, so oft man die Maschine erregen will, während man speciell für die Vermeidung von Stromumkehrungen die Endkante besser über¬ schreitet. Da die Hauptconductoren nothwendig von den Scheiben abstreben, und sich somit von ihren Einsaugern entfernen müssen, so ist es angezeigt, letztere ans gesonderten Stücken anzufertigen. Wollte man es nicht, so müsste man gebogene Röhren in Anwendung bringen, welche zwar sehr gut aussehen, aber auch verhältnissmässig theuer sind. Bei der Zusammen¬ setzung gesonderter Stücke aber bietet sich ein doppelter Weg, jenachdem man die Hauptconductoren ihre Einsauger, oder diese die Hauptconductoren tragen lässt. Noch nach einer andern Richtung hin bietet sich ein doppelter Weg in der Anordnung jener Stücke, jenachdem man die einen oder die andern mit zur Haltung der festen Scheibe benutzen will. Jedenfalls ist es einfacher, jene früher genannten Befestigungs¬ stücke dieser Scheibe, welche ja doch in grösserer Höhe liegen müssen, von den Conductoren oder ihren Einsauger, als von besonderen Stützen tragen zu lassen. Sollen nun die Conduc¬ toren hierzu verwandt werden, so wählt man ihre gegenseitige Entfernung grösser, als den Durchmesser der Scheiben, damit sie selbst oder ihre etwaigen Verlängerungsstücke die Peri¬ pherie jener mehr oder weniger streifen. Sollen die Einsauger verwandt werden , so verlängert man diese (aber natürlich nicht ihre Spitzenreihen) soweit nach aussen, dass man in der einen oder andern Weise jene Befestigungsstücke an¬ bringen kann. Endlich bietet sich ein doppelter Weg, je nachdem man die Conductoren selbst, oder lieber ihre Ein¬ sauger der beweglichen Scheibe gegenüber verstellbar machen will. Irgend eine Verstellbarkeit ist nämlich nothwendig, um bei etwaigen unberechenbaren Veränderungen in der Lage der verschiedenen Theile, die Spitzen immer wieder so richten zu können, dass sie der Glasfläche möglichst nahe stehn, ohne dieselbe zu berühren. Anders ist es bei den Neben conductoren , welche sich nicht wesentlich von den Scheiben zu entfernen brauchen, IV. Holtz: Zur Constrnction der Influenzmaschine . 81 da man ihre Ströme nicht ausserhalb der Maschine benutzen will, und welche auch gar nicht isolirt sein brauchen oder vielmehr dürfen, wenn sie ihren Zweck erfüllen sollen. Hier ist es jedenfalls am einfachsten, wenn man nicht bloss jeden Conductor und seinen Einsauger, sondern beide Conductoren sammt ihren Einsaugern aus einer einzigen Röhre herzustellen sucht. Diese Röhre müsste einwenig gebogen sein , wenn die bewegliche Scheibe auf einer durchgehenden Welle sässe, sie kann aber grade sein, wenn jene um einen festen ein¬ seitig unterstützten Zapfen schwingt. In jedem Falle müssen die Neben conductoren, sogut wie die Hauptconductoren, der beweglichen Scheibe gegenüber verstellbar sein, doch ist wi'in- schenswerth, wie bereits früher angedeutet, dass man sie auch in circularer Richtung ein wenig verschieben könne. Schwingt die bewegliche Scheibe um einen festen Zapfen, so lässt sich beides am besten erreichen , wenn man in diesen eine cen¬ trale Oeffnung bohrt, und in die Mitte gedachter Röhre, senk¬ recht zu dieser, eine kleine Stahlhülse setzt, welche in jene Oeffnung passt. Selbige Arbeit bedarf freilich einer besonders sorgfältigen Ausführung; die Stahlhülse muss eingeschliffen und nebenbei aufgeschlitzt werden , wenn sie sich sanft und sicher verschieben lassen soll. Auch mag man für diesen Fall, damit die Röhre möglichst leicht sei, die Nebenconduc- toren dünner wählen, als die Hauptconductoren, was eher geschehn kann , da an diesen weniger eine Ausströmung zu befürchten ist. Die Länge der Hauptconductoren darf nicht zu klein sein, damit die Entladungsstangen in gehöriger Entfernung von den Scheiben bleiben. Eine zu grosse Länge ist wieder aus ver¬ schiedenen Rücksichten nicht bequem. Man wird im Allge¬ meinen das Richtige treffen , wenn man die fragliche Länge so wählt, dass jener Abstand der Entladungsstangen gleich \ des Durchmessers der beweglichen Scheibe ist. Die Länge der Einsauger lichtet sich in soweit nach der Länge der Spitzenreihen, als, wo nicht andre Gründe vorliegen, wie sic oben hervorgehoben sind, am besten eben nur die halbkugel- förmigen Kuppen der Einsauger die Reihen der Spitzen über¬ ragen. Die Spitzenreihen aber müssen sämmtlich etwas kürzer sein, als die Belegungen breit oder in radialer Ausdehnung <; 82 \V. Holt z : Zur Construclion der Influenzmaschine. lang sind, zum wenigsten nach aussen, damit die äusserste Spitze den Rand der beweglichen Scheibe noch nicht voll¬ ständig erreicht. Als Spitzen sind am besten zugespitzte Drathstifte zu verwenden, welche man durch Verschraubung befestigt, weil man ihre Länge so besser egalisirt. Diese Länge mag all¬ gemein 10ram betragen, und sie mögen allgemein in einem Abstande von 5mra zu einander stehn. Nur bei den Neben- conductoren , sofern man diese aus einer einzigen Röhre be¬ stehn lässt, wird man eine grössere Länge in Anwendung bringen müssen, weil diese Röhre nothwendig um mehr als die Dicke der Scheibenfassung von der Glasfläche abstehn muss. Natürlich kann man auch Stecknadeln benutzen und kann sie auch auf einfachere Weise, als durch Verschraubung, befestigen. Wer seine Conductoren aus Holz bestehn lässt, verfährt wohl am richtigsten, wenn er den Einsaugern Nuten giebt und in diese Korkstreifen klemmt, welche mit Nadeln besetzt sind. Im Nothfalle können auch Quäste von Silber¬ schnur oder ausgezackte Bleche die Stelle der Spitzen ver¬ treten. Als Stützen der Hauptconductoren respective deren Ein¬ sauger lassen sich eben so gut Glas- als Ebonitsäulen ge¬ brauchen. An den letzteren werden die fraglichen Stücke sehr einfach befestigt, indem man die Säulen seitlich durchbohrt und die Röhren an einer Stelle conisch verstärkt. Auf Glassäulen müssen zuvor Kugeln oder cylindrisehe Stücke von Holz oder besser von Ebonit aufgesetzt werden, um die Röhren hierauf in ähnlicher Weise an diesen befestigen zu können. Um die Ebonitsäulen auf dem Brett der Maschine zu befestigen, schraubt man in jene einen Eisenbolzen ein, der mit einer Mutter versehn ist. Glassäulen kittet man in eine Fassung von Me¬ tall, welche oben mit einem Ansätze und unten gleichfalls mit einer Mutter ausgerüstet ist. Die Anwendung von Glas¬ säulen ist hiernach etwas unbequemer, aber sie bietet wieder den Vortheil, dass solche Säulen stabiler sind, wenn sie nicht etwa zerbrechen, und dass sie auch besser isolirend bleiben. Noch mag erwähnt werden, dass derjenige, welcher vielleicht eine Schwierigkeit darin findet, die Verstellbarkeit der Conductoren innerhalb ihrer einzelnen Theile zu bewirken, sich damit hei- \V. lloltz: Zur Cou.struclion der Influenzmaschine. 83 fen kann, dass er die Träger derselben, wenn er die Löcher im Holze entsprechend erweitert, verstellbar macht. Die centrale Axe kann entweder eine durchgehende Welle sein d. h. eine solche , welche sowohl vor als hinter den Scheiben unterstützt ist. Dann müssen ihre Träger, wenn auch nicht ganz, so doch in ihren oberen Theilen Isolatoren sein, wenn man die Entladungsstangen nicht besonders weit vom Ende der Welle abrücken will. Am zweckmässigsten ist es jedenfalls, wenn man in solchem Falle die eine Stütze zugleich zur Befestigung der Haupt- sowohl als der Neben- conductoren benutzt. Die Axe kann ferner eine Welle sein, welche allein hinter den Scheiben, nämlich an der den Con- ductoren abgewandten Seite, ihre Stützpunkte findet. Dann läuft sie am einfachsten in einer längeren Röhre von Metall, welche ihrerseits, von Ebonit umgeben, im Kopfe einer höl¬ zernen Säule sitzt, nur so viel aus der Röhre hervortretend, dass vorne die Scheibenfassung, hinten das Schnurrad zu be¬ festigen ist. Für die Haltung der Nebenconduetoren würde in diesem Falle am besten durch eine besondere vor der Axe aufgestellte Glas- oder Ebonitsäule gesorgt. Die Axe kann endlich eine Hülse sein, welche um einen festen Bolzen läuft, welcher mit seinem hinteren Ende in einer hölzernen Säule sitzt. Dies Arrangement ist das geeignetste von allen , weil es am einfachsten die Befestigung der Nebenconduetoren ge¬ stattet in der bereits früher besprochenen Weise. Jenen Bol¬ zen aber lasse man aus Stahl bestehn und sich nach vorne hin mehr oder weniger verjüngen. Man gebe ihm hinten, wo die bewegliche Hülse aufhört, eine Verstärkung und vorne eine Mutter, welche sich gegen einen Ansatz anziehn lässt. Von der Holzsäule aber isolire man ihn durch ein Ebonit¬ stück, welches am besten aus einer Röhre besteht, an deren vorderem Ende eine Scheibe angegossen ist. Ist diese Scheibe grösser, als das Schnurrad, so kann sie sehr einfach zur Hal¬ tung jener Strebe dienen, welche in die mittlere Oeffnung der festen Scheibe greift. Um die Beweglichkeit der drehbaren Hülse zu erleichtern, wähle man sie etwas weiter und setze vorne und hinten Stahl- oder Hartgussringe ein. Die Länge der Hülse wähle man so, dass die Scheiben etwa ebensoweit von der Holzsäule, als von den Entladungsstangon entfernt 84 W. Holtz: Zur Constnrctioi) der Influenzmaschine. sind. Will man die Holzsäule durch eine Mutter befestigen, so gebe man dem Fussende zur grösseren Sicherheit zwei Stifte, damit sie sich bei einer etwaigen Lockerung nicht drehen und eine Beschädigung der Scheiben herbeiführen kann. Hie Kurbel welle läuft am besten in einer langen Bohre aus Messing, aus der sie nur soweit hervorragt, dass man die Kurbel und das Schnurrad befestigen kann. Wünschenswerth ist cs jedoch, dass sich die Kurbel sowohl am vorderen als hinteren Ende befestigen lässt, damit derjenige, welcher sie bewegt, betreffenden Falles den Anblick der Lichterscheinungen nicht verdecke. Für diesen Fall darf sie nicht selbst mit einem Gewinde, sondern muss mit einem viereckigen Loche versehn und durch eine Mutter festgezogen werden , weil sie sich sonst bei der entgegengesetzten Bewegung, welche am hintern Ende der Welle nöthig wäre , abschrauben würde. Auch jene Röhre muss man von vorneberein etwas weiter wählen, als die Welle dick ist, damit man ihre Enden mit Stahl- oder Hartgussringen ausfüttern kann, doch mögen an dieser Stelle auch ebensogut Messingeinsätze an ihrem Orte sein, weil es sich hier um keine grosse Geschwindigkeit handelt. Hie Röhre wird in ihrer Mitte von einer niedrigen Holzsäule getragen, welche wieder am Ende einer Leiste be¬ festigt ist, welche sich unterhalb des Brettes zwischen zwei Holzschienen verschieben und oberhalb mittelst einer Hruck- schraube festspannen lässt. Hiese Druckschraube wirkt in der Weise, dass sie eine Mutter, welche sich nicht drehen lässt, gegen ein federndes Metallband drückt, welches beide Schienen mit einander verbindet, und solchergestalt die Leiste selbst je nach dem Sinne der Drehung an das Brett der Ma¬ schine festklemmt, oder von demselben lockert. Es ist nicht grade nothwendig, aber immerhin gut, wenn die Welle ein¬ wenig isolirt ist, damit es auch die Schnur sei, und damit diese so der Elektricität der Belegungen weniger schade. Des¬ halb empfiehlt es sich, die Röhre mit einer kurzen Ebonithülse zu bekleiden und auch die Kurbel aus eben dieser Masse an¬ zufertigen. Wäre dies zu umständlich . so könnte man sich auch allenfalls damit begnügen, die Schnur, statt aus Hanf, aus Seide bestehn zu lassen. Beides wäre jedoch überflüssig, falls man das Schnurrad nicht aus Holz, sondern aus Ebonit u; lloltz: Zur ( 'onstruction der I nfhiruzmascltine . 85 anfertigen wollte, was freilich theurer wäre, aber noch den besondern Yortheil böte, dass es sich nicht verziehn und auch nicht unrund werden könnte. Das Grössen verhältniss der beiden Schnurräder muss so gewählt werden, dass die bewegliche Scheibe so schnell rotirt, als dies nur irgend ohne namhafte Erschütterungen möglich ist. Denn nur hierin findet der Yortheil einer schnelleren Bewegung eine Grenze, nicht darin, dass etwa die Elektricität der Bewegung nicht schnell genug folgt. Die Grösse des kleinen Schnurrades aber richtet sich in soweit nach der Grösse der Scheiben, als man es bei grösseren Scheiben gros¬ se]- wählen muss, wenn die Schnur nicht schleifen soll. Um letzteres möglichst zu verhüten, müssen die Nuten auch nicht rund, sondern winklig und zwar lieber einwenig spitzwinklig sein. Die Schnur kann nicht anders, als durch ein soge¬ nanntes Schlösschen geschlossen worden, aber diejenigen, welche man im Handel vorfindet, sind hierfür ganz unbrauch¬ bar. Sie müssen ganz ausserordentlich dünnwandig sein und dabei verhältnissmässig kurz, wenn sie, sobald sie das kleine Sclmurrad passiren , nicht stossen sollen. Man nehme die Schnur so dick, dass sie gleich der äusseren Dicke des Schlöss¬ chens ist. und suche sie drehend in das Gewinde der beiden Scldosstheile zu zwängen, indem man diese zugleich vorsich¬ tig erwärmt, damit der Siegellack, womit man die Schnürenden vorher getränkt hat; weich gehalten werde. Es mag noch erwähnt werden, dass diese Operation am besten gelingt, wenn man die mit Lack getränkten Ende zuvor mit der Feile einwenig spitzt. Auch mag daran erinnert werden, dass man die im Handel gangbaren Schnüre meistens nicht gebrauchen kann, weil sie in einem Sinne drellirt-sind, welche]- dem Sinne des Schraubenganges widerstrebt. Die Entlad ungsstangen müssen annähernd so dick sein, wie die Uouductorcn. Hieraus folgt, dass man sie nicht in den Röhren dieser selbst verschieben kann. Aber die Ku¬ geln. welche man für diesen Zweck den Conductoren giebt, müsse]] auch entsprechend gross sein , damit jene in diesen eine bessere Führung finden. Am nothwondigsten ist letz¬ teres, je länger die Stangen sind, und sie sind am längsten, wenn man die Conductoren bis an den Band der Scheiben ]\ . Jlo/fz: Zur Constrnction der Influenzmaschine. 8(3 verrücken will. Denn sie müssen allemal so lang- sein, dass sie eine vollständige Berührung der einander zugekehrten Enden gestatten. Als eine zweckmässige Grösse der Kugeln mag bei Scheiben von 3, 4 und 500mm Durchmesser ein Durch¬ messer von 40, 45 uud 50nun bezeichnet werden. Die Grifte der Entladungsstangen bestehen am besten aus Ebonit. Nur im Nothfalle könnte man sich mit Glasröhren begnügen. Sie müssen bedeutend dicker sein , als die Ent¬ ladungsstangen , und etwa -§ so lang, wie diese, wenn man sie von elektrischen Schlägen unbehelligt handhaben will. Die Stangeu reichen in diese Griffe nur mit einem kurzen Ende hinein; im Uebrigen sind letztere nicht hohl, sondern massiv. Wollte man Glasröhren verwenden, so müsste man sie an ihrem einen Ende zuschmelzen, oder die überflüssige Höhlung sorgfältig mit Siegellack verschliesscn. Sehr -wesent¬ lich aber ist es, und solchen Vortheil gestattet nur die Ebonit¬ masse, wenn man nicht etwa entsprechende Gebilde aus Glas herstellen lassen wollte, dass die einander zugekehrten Enden der Griffe bedeutend erweitert und höhlenförmig ausgedreht sind. Fehlt diese Form, so wird eine Maschine, zumal eine grössere, niemals so lange Funken geben, als sie dieselben sonst geben könnte. Als Elektroden gelten sowohl die einander zugekehrten Enden der Entladungsstangen selbst, als die für gewöhnlich auf diese gesteckten Kugeln. Die ersteren dienen mehr zur Gewinnung der verschiedenen Büschel-, die letzteren mehr zur Darstellung der verschiedenen Furkengebilde. Für jenen Zweck erscheint es am vortheil hattesten , die fraglichen End¬ stücke nach der Form eines rechtwinkligen Kegels abzudrehen. Für diesen sind Kugeln verschiedener Grösse und womöglich auch eine grössere Hohlscheibe wünschenswerth. Es giebt jedoch nur eine bestimmte Grösse der Kugeln, bei welcher eine Maschine von bestimmter Grösse die längsten Funken liefert, und zwar hat sich für Scheiben von 3, 4 und 500mm Durchmesser ein Durchmesser von 21, 25 und 30mm als das beste Maass ergeben. Neben solcher aber mögen behufs anderer Effecte norh verschiedene andere Kugeln bis zu einem Durchmesser von 100“m empfohlen werden. Die Hohlscheibe hat für Scheiben von 3, 4 und 500imn Durchmesser am besten W. Holt-: Zur Construction der Influenzmaschine. 87 einen Durchmesser von 95, 120 und T70mm. Ihre Dicke mag“ zwischen 20 und 30mm variiren. Der Durchschnitt ihres Randes aber muss möglichst halbkreisförmig sein. Die Befestigung dieser verschiedenen Stücke lässt sich auf angemessene Weise nicht anders bewirken , als dass man die Enden der Stangen schwach verjüngt und hiernach die betreffenden Oeffnungen egalisirt. Der Einschaltungsapparat ist dazu bestimmt, den Funkenstrom durch irgend welche Körper zu schicken, welche man nicht direct mit den Entladungsstangen verbinden will oder kann. Die verschiebbaren Hülsen müssen vor allem so genau gepasst sein , dass man sie leicht verschieben kann, und dass sie sich doch zugleich in jeder gewählten Lage be¬ haupten. Der ganze Apparat muss aber leicht zu entfernen sein , weil er für gewöhnlich die Funkenlänge einwenig be¬ einträchtigt und weil er auch manchmal hinderlich ist, wenn man gewisse Gegenstände auf das Brett der Maschine stellen will. Treten die isolirenden Untersätze weit vor, so muss man diese mit entfernen können , und sie müssen daher so in das Holz eingepasst sein, dass sie, wenn man will, fest¬ sitzen. und dass sie auch leicht abnehmbar sind. Treten sie nur wenige Millimeter hervor — aber in diesem Falle muss das obere sichtbare Ende eine grössere Fläche bilden — so genügt es, wenn man nur die Säulehen mit ihren Hülsen entfernen kann. Die Condensatoren dienen dazu. Funken, und nament¬ lich recht lange Funken zu erzeugen. Aus letzterem Grunde ist nur etwa ihrer Länge belegt, sie selbst aber müssen möglichst hoch sein, so hoch, dass sie sich eben noch unter die Köpfe der Conductorcn stellen lassen. Für die Weite der Gläser ist ein Durchmesser von 40 — 50mm der geeignetste, doch ist es wünschenswert!], wenn man neben solchen noch ein Paar weitere Gläser hat. Die Glaswand aber muss 3— 4mi" dick sein, wenn die Elektricität sie nicht durchbrechen soll. Damit letzteres nicht geschehe, ist es auch am besten, die Gläser, wenn sie nur irgend so brauchbar sind, lieber nicht zu lackiren. Im Innern erhebt sich, durch Korkscheiben gehalten, eine Messingröhre , oben verrundet und mit einem kleinen Stifte versehn, welcher letzterer in eine entsprechende 88 W. Holtz: Zur Construetion der Influenzmaschine. Oeffnung der betreffenden Kugeln einzusetzen ist. Um die Verbindung der äussern Belege zu ermitteln, sind auf dem Brett der Maschine zwei Metallscheibchen befestigt, welche in metallischem Contacte mit je einem Häkchen stehn , über welche man unterhalb des Brettes eine Drathstange legen kann. Bas letztere Arrangement ist namentlich deshalb zu empfehlen, weil man für manche Versuche eine andere Verbindung nöthig hat. Mail braucht dann nur jene Stange abzunehmen und sie durch das zu ersetzen, was man einschalten will. I>ic* einfache Maschine. (Tafel 1). Zu einer einfachen Maschine gehören eine feste und eine bewegliche Scheibe, vier Einsauger und im Uebrigen die früher bezeichneten Theile. Damit man sich die Zusammensetzung der einzelnen Theile besser vergegenwärtigen könne, führe ich die Maschine in mehreren Construetionen vor, welche so ausgewählt sind, dass jede nach der einen oder andern Seite hin characteristiseh ist. Ich verweise hierbei in der Hauptsache auf die Zeich¬ nungen der Tafel I, mich im Uebrigen damit begnügend, mm die wesentlichsten Unterschiede anzudeuten, oder Einzelheiten zu erörtern, welche ich im ersten Abschnitte aus verschiede¬ nen Gründen übergangen habe. Von den verschiedenen Formen, welche ich der Maschine im Laufe der Zeit gab, hat diejenige, welche Fig. 5 veran¬ schaulicht, die weiteste Verbreitung gefunden. Es ist auch ohne Zweifel diejenige, welche am gefälligsten ist, und ich bin nur in neuester Zeit davon abgegangen, weil sie dem Maxi¬ mum der Funkenlänge nicht mehr entsprach. Diese Form characterisirt sich dadurch , dass die Hauptconductoren an die Mitte ihrer Einsauger angesetzt sind , und dass sich die Träger dieser in ihren eigenthümlichen Untersätzen sowohl drehen, als auch verschieben lassen. Die Drehung bezweckt, dass man die Scheiben leichter aus der Maschine entfernen, die Verschiebung, dass man die Spitzen nach Bedürfniss der Glasscheibe mehr oder weniger nähern, könne. Den Mecha¬ nismus beider Bewegungen veranschaulicht Fig. 16 , wo der fragliche Untersatz, eine Erfindung des Herrn Mechaniker II. lJolt.z: /.nr ('on.struct.iOH der Influenzmaschine. 89 Bore har dt, in seine drei Theile zergliedert ist. Der unterste Theil ist eine Scheibe, mit einem Loche, einem Schlitze und einem hochstehendem Rande, auf welchen letzteren aussen ein Gewinde geschnitten ist. Der mittlere Theil ist eine Hülse, welche bedeutend kleiner ist, wie jenes Loch, mit einer Scheibe, an deren unterer Seite zwei Stifte befestigt sind. Der oberste Theil endlich ist eine Scheibe, grösser, als die erste, mit einem Loch und einem niederwärts ragendem Rande, an welchen innen ein Gewinde geschnitten ist. Der Stahlzapfen der Ebonit¬ säule ist nun in das Mittelstück conisch eingeschliffen und hat eine Nase, welche gegen einen Stift stösst, der innerhalb desselben Stückes befestigt ist, damit man bei unvorsichtiger Handhabung der Entladungsstangen die Spitzen nicht in Be¬ rührung mit der Glasscheibe bringe. Die übrigen Theile der Maschine bedürfen nach dem Früheren keiner weiteren Er¬ klärung, doch verweise ich bezüglich der Haupt- und Neben- conductoren noch auf die Figuren 8 und ö , bezüglich der centralen Axe und ihrer Stütze auf die Figuren 13, 14 und lo: bezüglich der Kurbelwelle auf die Figuren 11 und 12, bezüglich des Einschaltungsapparats auf Figur 10. Alle bis¬ her genannten Figuren mögen gleichzeitig zur Erläuterung der analogen Stücke der übrigen Formen gelten , soweit sie in den betreffenden Abhandlungen, sei es wirklich vorhanden, sei es, weil leicht ergänzbar, fortgelassen sind. Gedachte Anordnung setzt voraus, dass die Funkenlänge nicht grösser werden kann, als die gegenseitige Entfernung der Conductoren, wenn hiervon noch die Grösse der Elektroden abgerechnet wird, welche ja nothwendig innerhalb dieses Ab¬ standes bleiben müssen. Neuere Versuche aber haben er¬ geben, dass, wenn man die Scheiben durch eine grössere Glas- oder Ebonitplatte vom Brett der Maschine isolirt und die einander zugekehrten Enden der beiden Haupteinsau¬ ger mit Kugeln versieht, die Funkenlänge grösser werden kann. Jene bessere Isolirung der Scheiben ist nun zwar bei bereits fertigen Maschinen nicht gut ausführbar, oder man müsste sich einer besonders dünnen Ebonitplatte bedienen; sehr gut ausführbar aber ist eine nachträgliche Hinzufügung der Kugeln, und dann ist es immerhin wünschenswert!!, wenn man bei einer solchen Maschine nun auch diu Conductoren 90 W. Holtz: Zur Construction der Influenzmaschine. weiter von einander rücken kann. Für diesen Fall nament¬ lich halte ich diejenige Anordnung geeignet, welche Fig. 9 und Fig. 4 in der Befestigung der Hauptconductoren bezeich¬ net, wo diese nicht mehr in der Mitte ihrer Einsauger, son¬ dern unmittelbar neben den Ebonitsäulen angebracht sind. Eine Veränderung in diesem Sinne bietet an bereits fertigen Ma¬ schinen keine grosse Schwierigkeit, und ich möchte sie dort namentlich empfehlen, wo die Maschine auch sonst solide ge¬ arbeitet ist. Natürlich müssten gleichzeitig die Entladungs¬ stangen entsprechend verlängert, und die Metallcontacte der Condensatoren auseinander gerückt werden. Aber auch für neue Maschinen ist das eben besprochene Arrangement durchaus empfehlenswerth, wenn man keinen An- stoss an der etwas schwierigen Herstellung jener Borchard- schen Metalluntersätze nimmt, da eine grössere Funkenlänge, als gedachtes Arrangement gestattet , doch schwerlich in Zu¬ kunft zu erwarten steht. Gleichwohl mag noch einer andern Anordnung gedacht werden , welche in so fern einfacher ist. als sie jener Untersätze entbehrt, und doch bei noch grösserem Abstande der Conductoren auch sonst allen übrigen Erforder¬ nissen entspricht. Die Träger der Conductoren stehn hier an derselben Stelle, wie in Fig. 5, nur sind sie etwas weiter nach vorne gerückt , so dass sich zwischen ihnen und den Glasscheiben eine Kugel von dem 2 — 3 fachen Durchmesser der Einsauger noch vor- und rückwärts bewegen lässt. Diese Kugel, in welcher der betreffende Einsauger steckt, sitzt gleich¬ zeitig am Ende einer längeren Bohre , welche sich innerhalb der ganzen Röhre, welche den Hauptconductor repräsentirt und fest im Kopf der Ebonitsäule steckt, drehen und verschieben lässt. Dreht man den Einsauger nach oben, so lässt sich die bewegliche Scheibe entfernen , verschiebt man ihn , so kann hiernach die Spitzen richtig stellen. Die Säule selbst darf also auf irgend welche Weise unabänderlich im Holze be¬ festigt sein. Jene Ebonitschraube aber, welche in Fig. 5 im Kopf dieser Säule steckt, ist nun von hinten in gedachte Kugel eingeführt, und statt des Endknopfes befindet sich in ihrer Mitte eine kleine Scheibe, mittelst deren sie leicht gedreht werden kann. Diese Art der Regulirung der festen Scheibe ist zwar nicht sehr bequem , weil zwischen der Kugel und II . Holtz: Zur Construction (irr Influenzmaschine. 91 jener nur wenig Platz vorhanden ist. Es ist jedoch die einzig mögliche, wenn man die Ebonitsäulen nicht noch weiter nach aussen rücken will. Geschieht letzteres, so kann man einen in der Kugel festsitzenden Ebonitstift, welcher den Pand der Scheibe streift, dort mit zwei verschiebbaren Gummi¬ ringen versehn, oder man kann auf selbigem Stifte einen Ring verschraubbar machen, welcher mit einer dem Scheibenrande angepassten Nute ausgerüstet ist. Die zuletzt besprochene Anordnung bietet noch einen ge¬ wissen Vortheil, auf den ich aufmerksam machen möchte, ob¬ wohl derselbe bisher wohl noch keine Anwendung gefunden hat. den Vortheil nämlich, dass man die Einsauger, weil sie ihrer ganzen Länge nach frei sind, nun so herrichten könnte, dass sie sich verlängern und verkürzen Hessen. Für grössere quantitative Wirkungen würde nämlich die gewöhnliche Länge geboten sein, während sieh grössere intensive Effecte erzielen Hessen, wenn die Einsauger weniger weit bis in die Mitte der Scheibe ragten. Und bewerkstelligen Hesse sich eine solche Modificirung, wenn man die ganze Spitzenreihe auf zwei über einander verschiebbare Röhre vertheilte (Fig. 7 ). Das ver¬ schiebbare Stück müsste einen Schlitz haben und die Spitzen müssten bei diesem in einer selbigem Schlitze nahe befind¬ lichen Linie sitzen, während gleichzeitig von jenem bis zu eben dieser Linie mitten zwischen den Spitzen noch eine gleiche Zahl kleiner Furchen gezogen wären. Die letzteren wären, schöbe man beide Stücke übereinander, zur Aufnahme der Spitzen des festen Stückes bestimmt. Nach den eben besprochenen mehr vollkommenen Con- structionen will ich kurz einiger anderer gedenken, welche weniger vollkommen , aber auch leichter auszuführen sind. Vielleicht, dass ich dem Einen oder dem Andern, dem es vorzugsweise an einer vereinfachten Herstellung gelegen ist, hiermit einen Gefallen erzeigen könnte. Figur 1 zeigt eine Maschine mit einer festen Scheibe, welche peripherische Oeffnungen hat, wie solche besonders leicht ausführbar sind. Auch die Befestigung der Hauptconductorcn und die Verschiebbarkeit ihrer Einsauger ist hier auf eine möglichst einfache W eise bewirkt. Desgleichen die Verstell¬ barkeit der festen Scheibe, welche4 zwei Fbonitschrauben er- 92 H. Iloltz: Zur (onstnictiou der Influenzmaschine- möglichen, die eben jenen Ein Saugern eingelugt sind. AVer noch Schwierigkeiten in der centralen Haltung der Neben- conductoren findet, mag letztere an einer dritten vor der Axe aufgestellten Ebonitsäule befestigen. AVem die Ebonitmasse zu theuer ist, nehme Alles, was hieraus bestehn sollte, aus Holz, kitte aber die Hauptconductoren zunächst in längere Glas¬ röhren ein. Die Maschine wird trotzdem wirken . und quan¬ titativ vielleicht sehr gut; aber eine grosse Funkenlänge darf man bei so mangelhafter Isolirung nicht erwarten. Figur 2 zeigt eine Maschine mit einer festen Scheibe, welche runde peripherische Oeffn ungen hat, und mit einer centralen Axe, welche eine durchgehende Welle ist. Gestützt wird letztere durch zwei Holzständer, welche womöglich wenig¬ stens in ihren oberen Theilen durch Ebonit vertreten sind. Die Lager sind 6mm dicke Stahlscheiben mit einem Loch, welche mittelst Holzschrauben an den einander zugekehrten Flächen jener Stützen befestigt, nach oben aber, und zwar mehr nach der linken Seite hin, so weit geöffnet sind, dass man dieAYelle bequem aus- und ein heben kann. Das obere Ende des vorderen Ständers ist ein Querbalken, welcher gleichzeitig zur Haltung der Hauptconductoren dient. Bestände er aus Holz, so müsste man die letzteren zum wenigstens mit einer zugleich , wie man eine feste Scheibe peripherisch stützen muss, wenn man aus irgend welchen Gründen von jener in ihre mittlere Oeffn ung greifenden Strebe absehn will. Es ge¬ nügen dann natürlich keine Druckschrauben, welche nur gegen ihre vordere Fläche wirken . sondern der Rand selbst muss in irgend ein verschraub- oder verschiebbares Stück einge¬ klemmt sein. Wie die Hauptconductoren , so sind auch die Nebenconductoren hier aus zwei über einander verschiebbaren Röhren gebildet, die in Kugeln endigen , welche ihrerseits durch eine längere Röhre mit einander verbunden sind. In der Alitte sitzt ein Ebonitstück . drehbar um einen dünnen Zapfen, welcher am gedachten Querbalken befestigt ist. Figur 3 zeigt eine Maschine mit einer festen Scheibe, welche aus zwei vollständig gesonderten Hälften besteht, die durch ein System von Stützen gehalten werden, welches gleich¬ zeitig zur Haltung der Hauptconductoren dient. Dies System H . Holtz: Zur Construction der Influenzmaschine. 93 besteht zuuächt aus zwei längeren Säulen , welche sich in ihrer Stellung noch über die feste Scheibe erheben. An jeder sitzen zwei Querstäbchen, ein oberes und ein unteres, welche noch über den Rand der Scheibe hinweg geführt sind. Die letztere sitzt fest eingeklemmt zwischen zwei verschraubbaren Ebonitringen oder verschiebbaren Gummiringen, wie man letztere zu verschiedenen Zwecken im Handel findet. Damit das obere Stück aber nicht herabfalle , und das untere sich nicht neige, greifen zwei Ebonitstreben von hinten in die mittlere Oeffnung ein. Die Querstäbchen könnten statt aus Ebonit auch als Glasstäben bestehn für den Fall, dass man sich verschiebbarer Gummiringe bedienen wollte. Die Säu¬ len könnte man im Nothfälle auch aus Holz bestehn lassen, wenn man die Hauptconductoren in Glasröhren kleiden wollte. Die ganze Construction hat manches Unbequeme, aber ich führe sie doch an . weil für Manchen die Beschaffung ganzer fester Scheiben vielleicht noch eine grössere Schwierigkeit bieten möchte. \ Endlich bleibt noch ein Arrangement zu erwähnen, welches nicht eigentlich eine Maschine für sich bildet, sondern viel¬ mehr als Zugabe zu jeder andern Maschine angesehn werden kann. Der Zweck ist. die quantitative Wirkung einer Ma¬ schine auf Kosten der intensiven zu verdoppeln , wie es für manche Versuche , z. B. das schnellere Laden von Flaschen, die Beleuchtung der Geissler 'sehen Röhren, die Nachahmung der physiologischen Wirkungen eines Inductionsapparates im¬ merhin wünschenswertlf ist. Es bedarf hierzu vor allem einer andern festen Scheibe (Fig. 4), nämlich einer solchen mit der doppelten Anzahl von peripherischen Oeffnungen und Be¬ legungen, welche man am besten so vertheilt, dass in circu¬ larer Richtung immer annähernd gleiche Räume von Oeff- nungen , Belegungen und unbelegter Glasfläche aufeinander folgen. Natürlich aber müssen immer je zwei analoge Stücke genau mit demselben Diameter beginnen. Im Uebrigen gilt Alles, was früher über die am meisten wünschenswerthe Be¬ schaffenheit jener Theile gesagt ist. Ausser der neuen festen Scheibe bedarf cs ferner eines Leiters, am besten einer Röhre, mit verrundeten Enden . welcher die beiden Hauptein Sauger berührt und welcher wohl am einfachsten an diesen mittelst 94 W. Iloltz: Zur Constrnction der Influenzmaschine. zweier Stifte, welche in entsprechende 0 eff n ungen passen, zu befestigen ist. Der Leiter aber muss, so weit er die Einsauger nicht berührt, mit einer dünnen Ebonit- oder Glasröhre be¬ kleidet sein , welche ihn von den Nebenconductoren isoliren soll, vorausgesetzt natürlich, dass diese wie in Fig. 4 so be¬ festigt sind , dass er ihre Oberfläche streifen würde. Hat die Maschine eine durchgehende Welle, wie in Fig. 3, so müsste man den Leiter um diese herumführen und gleichzeitig von dieser isoliren. Des Weiteren muss die eine Entladungsstange, am bequemsten die rechte, in zwei von einander isolirto Stücke geschieden sein. Dies bewirkt man am besten durch eine kleine Ebonitscheibe mit centraler Verstärkung, in welche von beiden Seiten Löcher gebohrt werden, so dass noch eine mittlere Scheidewand bleibt. Endlich ist das Elektrodenstück der Ent¬ ladungsstange durch einen entsprechend gebogenen Drath mit den Nebenconductoren zu verbinden. Der Drath darf nicht zu dünn sein, um eine elektrische Ausströmung möglichst zu verhüten. Man führt ihn am besten in die Nebenconductoren hinein, und zur Hälfte um die Entladungsstange herum. Jene Conductoren sind aber im wahren Sinne nicht mehr Neben- conductoren, sie sind vielmehr mit zu Hauptconductoren ge¬ worden, während die eigentlichen Nebenconductoren fehlen. Dies hat zur Folge, dass man die Maschine immer nur mit geschlossenen Elektroden erregen , und dass man diese auch nur eine gewisse Strecke von einander entfernen darf, wenn sich die Wirkung nicht verlieren soll. Ich schliesse diesen Abschnitt mit der Bemerkung, dass die besten einfachen Maschinen im Maximum ihrer Wirksam¬ keit eine Funkenlänge geben, welche etwa gleich dem Halb¬ messer ihrer beweglichen Scheiben ist, und dass sich im all¬ gemeinen ein Scheibendurchmesser von 300 — 500mm für den gewöhnlichen Gebrauch als die geeignetste Grösse erwiesen hat. Die Doppelmascliine. (Tafel II). Zu einer Doppelmaschine gehören zwei feste und zwei bewegliche Scheiben, acht Ein Sauger und im übrigen die früher bezeichneten Thoile. Nicht unbedingt nothwendig sind alle diese Stücke, wenn \V. Iloltz: Zur Construction der Influenzmaschine. 95 eine Doppelmaschine nicht mehr, als die doppelte Elektricitäts- menge einer einfachen Maschine geben soll. Dies beweisen die Constructionen von Kaiser, Stau di gl und Bleekrode, in welchen nur eine einzige feste Scheibe vertreten ist *). Eine solche ist dann an beiden Seiten belegt und von zwei beweglichen Scheiben eingeschlossen, während an den Aussen- seiten der letzteren die Einsauger angebracht sind. Bei ein¬ zelnen jener Constructionen sind aber auch letztere nicht einmal vollzählig , nach Analogie der einfachen Maschine, welche in früherer Zeit des einen Nebenconductors entbehrte. Aber noch ein anderer Punkt ist wesentlich, wenn eine Doppelmaschine das Maximum ihrer überhaupt erreichbaren Wirkung zeigen soll. Beide Scheibenpaare müssen einander so nahe als möglich stehn, damit sie unmittelbar auf einander einwirken und sich gegenseitig verstärken können. Deshalb konnte auch jene Doppelmaschine nach Poggendorff **), obwohl alle oben genannten Stücke vollzählig waren, doch nur die doppelte Elektricitätsmenge einer einfachen Maschine geben, weil der Abstand der Scheibenpaare 300mm betrug. Bei der CarPschen Doppelmaschine endlich waren zwar die Scheiben vollzählig und zu gleicher Zeit einander ziem¬ lich nahe gerückt, aber es waren nur die Einsauger der Haupt- conductoren vertreten ***). Vielleicht war letzterer Umstand, vielleicht waren sonstige Mängel in der Construction die Ur¬ sache, dass der Erfinder auch diese Maschine nur als eine „doppeltwirkende“ bezeichnen konnte. Im Folgenden soll nun einmal die volle Zahl gedachter Stücke, ferner eine möglichst grosse Annäherung der Scheiben¬ paare vorausgesetzt werden. Wenn ich von letzterer Voraus¬ setzung in den Zeichnungen der Tafel II. mehr oder weniger abwich, so geschah dies nur, weil ich selbige möglichst über¬ sichtlich machen wollte. Eine Doppelmaschine lässt sich selbstredend eben so vielseitig gestalten, als eine einfache Maschine, wohl noch *) Les Mondes, t. XX; Carl’s Report, d. Phys. Bd. 0; Poggend. Ann. Bd. 156. **) Poggend. Ann. Bd. 141. ***) Carl’s Report, d. Phys. Bd. 6. 96 H. Holtz: Zur Constmction der Influenzmaschine. vielseitiger deshalb , weil man über eine grössere Zahl ein¬ zelner Theile disponirt. Gleichwohl will ich mich darauf be¬ schränken, nur zwei verschiedene Constructionen anzuführen, welche mir am meisten characteristisch erscheinen. Wer bei der Ausführung einer solchen Maschine dies oder jenes an¬ ders machen möchte, wird nach dem Früheren leicht beur- theilen können, wie weit solches als statthaft gelten kann. Fig. 1 stellt eine Maschine dar, bei welcher die festen Scheiben zwischen den beweglichen liegen, und die Einsauger dem entsprechend ausserhalb beider Scheibenpaare aufgestellt sind. Fig. 2 zeigt ein Stück der Scheiben und der Einsauger, wie sie sich in seitlicher Ansicht repäsentiren. Die centrale Axe, ihre Einrichtung, lsolirung und Befestigung ist ganz, Avie bei der einfachen Maschine (Taf. I, Fig. 5). Kur muss Alles, damit es hinreichend stabil sei , einwenig stärker genommen Averden , auch ist es gut , Avenn die Axe einwenig länger ist. Für die Haltung der beAveglichen Schei¬ ben bedarf es neben einem auf der beAveglichen Hülse fest sitzenden und einem verschraubbaren Stücke noch eines Mittelstücks, das so dick ist, als die Entfernung jener von einander betragen soll. Es ist nicht verschraub-, sondern nur verschiebbar, und es ist gut, Avenn man eine etwaige Drehung desselben mittelst Nute und Stift zu verhindern sucht. Jeder Haupteonductor besteht aus einer längeren Röhre, Avelclie durch zwei Ebonitsäulen gehalten wird, von denen die eine vor, die andere hinter den Scheiben aufgestellt ist. Da auch das hintere Röhrenende aus der ihm zunächst stehenden Säule hervorragt, so ist auch dieses, gleich dem vorderen, mit einer grösseren Kugel versehn. Noth wendig ist jedoch diese grosse Länge der Hauptconductoren nicht, noch die zAveite Ebonit¬ säule, da man die Röhre vorher abbrechen und in eine Kugel endigen lassen könnte. Es ist jedoch für manche Versuche bequem noch einen ZAveiten Schliessungsbogen zu geAvinnen oder einen Raum , an dem man noch ein zAveites Paar von Condensatoren aufstellen kann. Die Einsauger der Haupt¬ conductoren sind an kurzen Röhrenstücken befestigt, welche sicli auf der längeren Röhre mit sanfter Reibung drehen und verschieben lassen ; sehr gut ist es jedoch , wenn da¬ für gesorgt ist, dass eine unbeabsichtigte Drehung nieder- W. Holtz: Zur Construction der Jnfluenzmaschine. 97 wärts überhaupt nicht statthaben kann. Zwischen beiden Röhrenstücken sind vier Gummiringe verschiebbar, von denen je zwei den Rand einer festen Scheibe umfassen; oder es befindet sich auf der Hauptröhre ein dünner Ebonitüberzug, auf dem man zwei Ebonitringe verschrauben kann , welche an ihrer Peripherie eine Xute besitzen. Im letzteren Falle ist es zweckmässig, die äussere Rundung an einer Stelle bis auf diese Xute fortzufeilen, damit man die Scheiben bequemer aus der Maschine heben kann. Die Xebenconductoren des vorderen Scheibenpaares bilden eine längere Röhre, welche diesmal den Rand der festen Scheibe überragt und in Kugeln endigt , an welche nach hinten ein kurzes Röhrenstück an¬ gesetzt ist. In dieses lässt sich ein gleiches Stück verschie¬ ben, welches seinerseits wieder in eine gleiche Kugel endigt, und hieran ist der betreffende hintere Xebenconductor oder Einsauger befestigt. Für gewisse Versuche, welche für die Theorie der Maschine Interesse haben, ist es jedoch wünschens- wertli, dass die vorderen und hinteren Xebenconductoren nicht mit einander communiciren. Dann ist ein anderes Arrange¬ ment geeigneter, wie es Fig. 3 kennzeichnet, und wie ich es früher zuerst bei der Maschine mit zwei entgegengesetzt roti- renden Scheiben verwandte. Hier sind die hinteren Xeben¬ conductoren in den Rand einer Ebonitscheibe gesteckt, welche zwischen dem Schnurrade und jener zur Isolirung der Axe dienenden grösseren Ebonitscheibe mit einiger Reibung dreh¬ bar ist, und leitend mit einander verbunden durch einen dickeren Drath , welche)- zur Hälfte um selbige Scheibe in einer Randnute läuft. Einfacher ist es freilich, wenn man statt einer Ebonitscheibe eine kleinere Metallscheibe wählt, aber dann sind die vorderen mit den hinteren Conductoren, wenn sie auch unabhängig von einander beweglich, doch im¬ mer noch leitend mit einander verbunden. Als Maximum für die gegenseitige Entfernung der festen Scheiben möchte ich einen Abstand von 5,nm bezeichnen , als Minimum einen solchen, bei welchem sich die erregende Ebonitplatte noch eben bequem in den Zwischenraum bringen lässt. Fig. 4 repräsentirt eine Maschine, bei welcher die festen Scheiben ausserhalb der beweglichen liegen, so dass die Einsauger innerhalb der beiden Scheibenpaare ihre Stel- 7 98 \V. lloltz: Zur Construction der Influenzmaschine. lung finden müssen. Fig. 5 veranschaulicht die Anordnung gedachter Stücke von der Seite gesehn. Vor allem fällt in die Augen, dass bei dieser Maschine nicht eigentlich acht Einsauger, sondern vielmehr vier Doppeleinsauger vorhanden sind, ein Umstand, welcher die Ausführung bedeutend er¬ leichtert, da die Beschaffung der Ein Sauger und ihre Befesti¬ gung allemal eine unbequeme Aufgabe ist. Dafür wirkt die Maschine aber auch nicht ganz so kräftig, als die erste und ist auch nach der theoretischen Seite hin insofern weniger instructiv, als man die analogen Theile der beiden Scheiben¬ paare nicht gegen einander verstellen, auch die Nebenconduc- toren unmöglich von einander isoliren kann. Für die Be¬ festigung der Nebencond uctoren aber bietet sich ein doppelter Weg dar, je nachdem man als Stützpunkt lieber den vorderen, oder den hinteren Theil der festen Axe wählen will. Fig. 4 zeigt die letztere, Fig. 6 die ersterc Befestigungsweise. Die¬ jenige der Hauptfigur ist die bessere, weil der Abstand von den Belegungen ein grösserer ist. Die Anordnung im Uebrigen trifft so wesentlich mit derjenigen in der ersten Maschine überein, dass ich hierüber Nichts weiter hinzu¬ zufügen brauche. Die Entfernung der beweglichen Scheiben von einander aber nehme man nicht geringer, als 15mm, weil man sonst die Spitzen allzusehr verkürzen müsste, wodurch sie weniger wirksam würden. Entsprechend der grösseren quantitativen Leistung einer Doppelmaschine, muss man beide Schnurräder bei einer sol¬ chen einwenig grösser wählen, als bei einer einfachen, weil sonst die Schnur auf dem kleinen Bade schleifen würde. Entsprechend der grösseren intensiven Wirksamkeit , welche einer solchen Maschine, wenigstens ihrer inneren Organisirung nach, innewolmt, muss man alle Röhren und Kugeln der Haupteon ductoren etwas weiter, respective grösser, als bei einer einfachen Maschine wählen. Hiervon ausgenommen sind die Ein Sauger der Haupteon ductoren der zweiten Maschine, weil diese zwischen den Scheiben liegen müssen, und allgemein die Elektroden, welche man umgekehrt einwenig verkleinern muss, wenn sie das Maximum der Funkenlänge geben sollen. Auf derselben Tafel sind noch zwei Figuren unberück¬ sichtigt geblieben, welche veranschaulichen sollen, wie man \V. Holtz: Zur Constniction der Influenzmaschine. 99 eine Maschine mit vier Scheibenpaareil zu organisiren hätte. Fig. 8 zeigt sämmtliche Scheiben mit den entsprechenden Xebenconductoren von der Seite gesehn, Fig. 7 perspectivisch nur die beweglichen Scheiben, aber mit sämmtlichen Conduc- toren. Fs mag jedoch dahin gestellt bleiben, ob es rathsam ist, eine einzige einseitig unterstützte Axe solchergestalt, wie es gezeichnet ist, mit vier beweglichen Scheiben zu belasten. Vielleicht würde man für eine derartige Constniction doch besser zwei einseitig unterstützte, oder eine beiderseitig unter¬ stützte d. h. eine durchgehende Axe verwenden. Bei zwei einseitig unterstützten Axen würde man freilich an Wirksam¬ keit nicht unbedeutend verlieren. Bei einer durchgehenden Axe aber würde namentlich das Aus- und Einsetzen der Scheiben sehr unbequem sein. Um noch einen Anhalt zu bieten für das, was eine gute Doppelmaschine leisten kann , will ich das Resultat einiger vergleichenden Versuche mittheilen, welche ich mit einer einfachen Maschine und mehreren Doppelmaschinen anstellte, oder, richtiger gesagt, mit einer Universalmaschine, welche man in verschiedenen Formen benutzen konnte. Als einfache Maschine gab dieser von Herrn Borehardt angefertigte Ap¬ parat 250mm lange Funken und eine Elektricitätsmenge, welche ich = 1 setzen will. Mit einer festen und zwei beweglichen Scheiben wurden die Funken 260mm lang, und ich gewann die Elektricitätsmenge 2. Mit zwei festen und zwei beweg¬ lichen Scheiben erhielt ich, wo letztere innen lagen (Fig. 4), 290,mn lange Funken und die Elektricitätsmenge 2|. Mit zwei festen und zwei beweglichen Scheiben endlich, wo die beweglichen Scheiben aussen lagen (Fig. 1), wurden die Fun¬ ken 300mm lang, und ich erhielt die Elektricitätsmenge 3. Die beweglichen Scheiben hatten einen Durchmesser von 400mm. Es wurde also im günstigsten Falle eine Funkenlänge = j des Scheibendurchmessers gewonnen. I>i<‘ Kasten uiascliiiic. (Tafel 111). Die Kastenmaschine ist noch nicht ausgeführt, sondern vorläufig nur erdacht. Sie ist für rein praktische Zwecke, etwa für ärztlichen Gebrauch oder für die Zündung von Minen 100 IV. Holtz: Zur Constrnction der Influenzmaschine. bestimmt. Man benutzt für diese Zwecke namentlich in neuerer Zeit sehr vielfältig den Inductionsapparat. Aber die Influenz¬ maschine kann letzteren vielleicht mit einigem Vortheile er¬ setzen, da sich mit selbiger nicht bloss die Wirkungen eines Inductionsapparates vollständig nachahmen , sondern nach mancher Richtung hin auch vielseitiger gestalten lassen. Der Kasten hat einmal den Zweck, die Maschine bei sol¬ chem Gebrauche vor Beschädigungen zu schützen. Zugleich soll er dieselbe aber auch unabhängiger von Witterungs¬ einflüssen machen. Letzteres würde gewiss um so vollkom¬ mener erreicht, wenn man dem Kasten noch einen beliebigen Trockenapparat ein verleiben wollte. Wollte man die Maschine noch sicherer vor Beschädigungen schützen, als die feste Um¬ hüllung solches vielleicht vermag, so müsste man die Glas¬ scheiben wie die verschiedenen Verstärkungsflaschen durch entsprechende Ebonitstücke vertreten lassen. Eig. 7 zeigt die Maschine in ihrer einfachsten Gestalt und zwar so, als ob sie sich in einem Glaskasten befände. In Wirklichkeit jedoch ist ein Holzkasten vorausgesetzt, und Eig. 8 zeigt die Maschine so, von der entgegengesetzten Seite aus gesehn. Bezüglich der inneren Organisirung der Maschine selbst verweise ich auf Tafel 1, Eig. 2, sowie überhaupt auf das , was früher bezüglich der einfachen Maschine gesagt ist. Es mögen hier nur diejenigen Abänderungen erörtert werden, welche nöthig waren , jene Form dem vorliegenden Zwecke zu accommodiren. Beide Schnurräder bestehn in diesem Falle am besten aus Ebonit, weil sie verhältnissmässig nahe der festen Scheibe liegen müssen. Sie stehn einander so nahe, dass sie sich gegenseitig fast berühren ; aber es bedarf noch zweier Hiilfs- rädehen , damit die Schnur nicht gleite und damit sie nach Bedürfniss straff' gespannt werden könne. Wie dieser dop¬ pelte Zweck erreicht ist, erkennt man wohl deutlich genug aus der Zeichnung, nur mag hinzugefügt werden, dass sich der Halter der Hülfsrädchen nicht selbst mit der Verstellungs¬ schraube drehen darf. Statt der ganzen Vorrichtung könnte man auch zwei Zahnräder wählen (Fig. 9), wozu die Ebonit¬ masse gleichfalls sehr gut geeignet wäre. Zahnräder haben den Vorzug, dass sie, wenn einmal eingestellt, keiner weiteren \V. Holtz: Zur Construction der Influenzmaschine. 101 Verstellung bedürfen, aber den Nachtheil, dass ihre Bewegung von Geräusch und Stössen begleitet ist. Die Entladungs¬ stangen sitzen in Messingröhren, welche dort, wo sie den Deckel des Kastens passiren , auf eine grössere Strecke mit Ebonit bekleidet sind, und die Ebonitstücke sind mittelst einer kleinen Fassung, analog derjenigen der beweglichen Scheibe, sicher an der Holzdecke befestigt. Die Länge jener Röhren ist so abgeglichen, dass sie, wenn der Deckel geschlossen ist eben, aber sicher, die beiden Hauptconductoren berühren. AVer sich hiermit nicht begnügt, mag für eine bessere Ga¬ rantie der Berührung noch irgend welche andere hier nicht näher zu erörternde Hülfsmittel in Anwendung bringen. Zur besseren Isolirung der Axe ist an die hintere Wand des Ka¬ stens zunächst eine Ebonitscheibe befestigt, an welche das ringförmige Lager angesehroben ist. Es ist selbstredend, dass die betreffenden Schraubenlöher jene Ebonitscheibe nicht voll¬ ständig durchbrochen dürfen. AVer den Querbalken, an wel¬ chem das vordere Lager sitzt, nicht aus Ebonit bestehn lassen will , muss sich zur Isolirung der Axe an dieser Stelle eben jenes Alittels bedienen, muss natürlich dann auch die Haupt¬ conductoren, wie schon früher bemerkt, zunächst mit Glas¬ oder Ebonitröhren bekleiden. Die Axe , um welche sich die Xebenconductoren drehen, kann diesmal eine metallische Hülse sein, und kann auch weiter vorstehn, wie sonst, so dass die Führung besser wird, weil hier, wo sich die Entladungs¬ stangen an einer ganz anderen Stelle befinden, keine Aus¬ strömung von diesen nach jenen zu befürchten ist. Der Zapfen aber, um welchen sich die fragliche Hülse dreht, muss, wenn der Querbalken aus Holz besteht, von diesem wieder durch Ebonit geschützt sein. Ueberhaupt müssen die Xeben¬ conductoren von dem Querbalken oder dem ganzen Ständer, soweit Holz gewählt ist, in einem Abstande von mindestens 10""" stehn. Auch ist es gut, die Kanten des Holzes zu Vor¬ runden , um eine elektrische Ausstrahlung noch weiter zu erschweren. Am ehesten von allen aber ist eine elektrische Ausgleichung zwischen den Haupteinsaugern und den Seiten¬ wänden des Kastens zu befürchten. Deshalb müssen, wenn man den Kasten nicht unnöthig gross machen will, hier grös¬ sere Ebonitplatten am Holze befestigt werden. Diese Platten 102 JI. Holtz: Zur C-on&truction der Influenzmaschine. mögen eine Dicke von 2inin haben, und ihre Befestigung mag durch zwei Ebonitschrauben am äussersten Rande derselben geschehn. Für gewöhnlich wird man bei einer solchen Maschine nur Eunkenentladungen gebrauchen, und für diesen Zweck könnten die Condensatoren c-onstant mit den Hauptconductoren ver¬ bunden sein. Vielleicht möchte man aber, für ärztliche Zwecke wenigstens, auch einmal Büschelentladungen verwenden, und daher ist es wünschenswert!», dass man jene Verbindung nach Belieben unterbrechen kann. Gedachtem Zwecke entsprechen die an den Seitenwänden angebrachten eigenthümlichen Leiter, in Ebonitröhren sitzend und mittelst dieser am Holze befestigt, ausserhalb mit einem Knopf zum Drehen, innerhalb mit einem .Querstäbchen verselm, dessen Länge so abgeglichen, dass es gleichzeitig den betreffenden Hauptconductor- und den betref¬ fenden Condensatorkopf berührt. Für Zündungen dürften im Allgemeinen stärkere Ladungen erforderlich sein; deshalb ist für die Condensatoren hier eine grössere Glasweite gewählt. Aber stärkere Ladungen werden auch dadurch gewonnen, dass man die Wanddicke verringert, und die Gläser weiter belegt. Beides ist auch im vorliegen¬ den Falle ganz an seiner Stelle, da man besonders lange Funken weder braucht, noch überhaupt erhalten würde. Koch stärker aber wird die Ladung, Flasche verwendet und Fig. 4 wenn man nur eine einzige zeigt die nöthige Anordnung für einen so gewählten Fall. Die Stützen , auf welcher die Flasche liegt, sollen Ebonitstützen, und das Band, welches dieselbe umschlingt, soll ein Gummiband sein. Gleichstarke Ladungen würde man erhalten, wenn man wieder die frühere Anordnung adoptirte , aber jeden Conductor mit der inneren Belegung zweier Flaschen communiciren liesse. Vor der letzten Anordnung böte dies den Vortheil, dass man dann nach Bedürfniss wieder je eins der Gläser ausschalten könnte. Die Benutzung von vier Flaschen mit den nöthigen Aus- oder Einschaltungsvorrichtungen veranschaulicht Fig. 6, doch ist die mittelste Ausschaltungsvorrichtung nur aus V ersehn mit in die Zeichnung aufgcnommen worden. Bei einer noch grösseren Zahl von Flaschen würde man die Stärke der Ladungen bei derselben Funkenlänge natürlich noch weiter variiren können, W. Jioltz: Zur Construction der Influenzmaschine. 103 doch würde die nöthige Aus- oder Einschaltung dann besser so bewirkt , dass man sämmtliclie Flaschenknöpfe oberhalb des Deckels miteinander und mit den Conductoren verbände. Dann dürfte man auch höhere Flaschen wählen und könnte somit eine grössere Oberfläche gewinnen , aber das Arrange¬ ment würde dadurch erschwert sein, dass man die Stangen der Flaschen aus zwei von einander abhebbaren Theilen be¬ stelle lassen müsste, ln Fig. 5 ist ein solches gezeichnet, nur dass die Verbindungen zwischen den Flaschen köpfen und den Conductoren fortgelassen sind. Um der Mühe überhoben zu sein, bei jeder neuen Er¬ regung der Maschine den Kasten zu öffnen, ist eine dünne Ebonitplatte so angebracht, dass man mittelst dieser die Er¬ regung von aussen bewerkstelligen kann. Die Platte lässt sich an einem Knopfe aus einer entsprechenden Spalte des Holzes hervorziehen , und hat eine derartige Führung, dass sie, wenn zurückgeschoben, grade den untersten Theil der rechten Belegung bedeckt. Bei gedachter Bewegung aber wird sie durch zwei an der inneren Kastenwand befindliche und durch eine gemeinsame Feder angespannten Reibkissen elek¬ trisch gemacht. Ein besonderer Einschaltungsapparat ist für diese .Ma¬ schine nothwendiger, als für irgend eine andere, da man ihre Wirkungen ja mehr oder weniger in die Ferne leiten will, und man die Leitungsdräthe nicht direct mit den Conductoren, zum wenigstens nicht gleichzeitig mit beiden, verbinden dürfte, sofern man überhaupt eine Ladung der Flaschen bewirken wollte. Der Einschaltungsapparat in Fig. 8 ist jedoch in so fern nicht ganz richtig, als die verschiebbaren Hülsen in ihrer niedrigsten Stellung noch die Entladungsstangen überragen. Sie, oder ihre Ständer müssen vielmehr so kurz sein, dass man die Elektroden in einer Entfernung von 10min etwa über sie fortschieben kann. Vielleicht möchte es sich empfehlen für besondere Zwecke die Maschine so auszurüsten, dass sie sich von selber erregt, wobei man jedoch mit einer sehr geringen Schlagweite und auch geringeren quantitativen Wirkung fürlieb nehmen müsste. Dann wären beide Flächen der beweglichen Scheibe mit kreis¬ runden (oder auch sectorenförmigen) Stanniolstücken zu be- 104 W. Holtz: Zur Construction der Influenzmaschine. kleben, und je ein vorderes Stück mi dem dasselbe genau deckenden hinteren durch einen über den Scheibenrand lau¬ fenden Stanniolstreifen zu verbinden. Auch die Belegungen der festen Scheibe müssten von Stanniol sein , und statt der Kartonspitzen und der Einsauger müssten feine schleifende Dräthe angewendet werden. Fig. 1 veranschaulicht eine derartige Anordnung , in welcher jedoch die über den Schei¬ benrand führenden Streifen fehlen. Eine ähnlich wirkende Vorrichtung ist in Fig. 3 dargestellt. Aber hier ist die be¬ wegliche Scheibe nur an ihrer vorderen Seite belegt. Hier sind auch jene Randstreifen überflüssig, weil von den Belegun¬ gen der festen Scheibe directe Verbindungsdräthe nach der vorderen Glasfläche geführt sind. Endlich zeigt Fig. 2, wie sich eine Doppelmaschine wohl am einfachsten für den fraglichen Zweck organisiren liesse. Unirersit itsbuchd rucke rei (F. IV. Kunike), Greifswald. TÖo v P J^Xange. Ötvu.'sc^* c: J[ Taf. II J. / mumm Taf. U Hof-LitlivF R Lange Brauuscrwe:.: Taf. iE Huf Utlv/.F. R.L Mitteilungen aus dem naturwissenschaftlichen Vereine Neu-Vorpommern und Rügen in Greifswald. Redigirt von Dr. Tb. Marsson. Zwölfter Jahrgang. Mit 6 Tafeln. BERLIN. Vorlag von R. Gärtner. 1880. Inhalt. Seite. Verzeichnis der Mitglieder . I Rechnungs-Abschluss für das Jahr 1879 . IV Sitzungsberichte . V Verzeichniss der Akademien und Gesellschaften, mit denen der Verein in Schriften-Austausch steht . XXVI Th. Marsson: Die Cirripedien und Ostracoden der weissen Schreibkreide der Insel Rügen . 1 v. Feilitzsch und W. Holtz: Ein Elektromagnet von unge¬ wöhnlicher Grösse . 51 W. Holtz: Ueber elektrische Figuren pulverartiger Körper in isolirenden Flüssigkeiten und eigenthümliche polarunterschied¬ liche Anhäufungen beider unter dem Einfluss strömender Elektricität . 57 C. Plötz: Nachtrag zum Verzeichniss der Schmetterlinge von Neu-Vorpommern und Rügen, im IV. Jahrgang dieser Mit¬ theilungen 1872 78 L. Landois: Brutapparat mit elektromagnetischer Vorrichtung zur Regulirung eines constanten Temperaturgrades . 81 * . m ' ' ' Andershof: Anclani : Böhlendorf: Bonn : Clausthal: Divitz: Frankfurt a Frankfurt a (ircifswald: Vereins-Angelegenheiten. i. Verzeichniss der Mitglieder. Herr Dr. Kämmerer, Gutsbesitzer. - Dr. Tramm, Oberlehrer. - Freiherr v. Bohlen, Erbkämmerer. - Dr. Troschel, Professor. - Westphal, Kreisbaumeister. - Graf v. Krassow. M.: - Dr. Albrecht, Oberlandesgerichts-Präsidont. 0.: - Busse, Betriebs-In spector. - Dr. Arndt, Professor. - Dr. Baier, Professor. - Dr. Baron, Professor. - Dr. Barten, pract. Arzt. - Bath, Syndikus. - Dr. Baumstark, Professor. - Dr. Bengelsdorf, Sanitätsrath. - Bindewald, Buchhändler. - Böckler, Rentier. - v. Brunn, Hauptmann. - Dr. Budge, Privatdocent. - Freiherr v. Bülow, Landgerichts-Präsident. - Dr. Eichstedt, Professor. - Engelko, erster Staatsanwalt. - Dr. Eulenburg, Professor. - Dr. Freiherr v. Feilitzsch, Professor. - Dr. Fischer, Amtsrichter. - Fischer, Lehrer. l II Verzeichniss der Mitglieder. Greifswald : Herr v. Foller, Oberst z. D. - Dr. Goeze, Königl. Garten-Inspeetor. - Goos, Baumeister. - Graedener, Senator. - Graul, Rector. - Dr. Grobe, Professor. - Dr. Häckermann, Prof, und Kreisphvsikus. - v. Hageno w, Hauptmann a. D. - Dr. Hänisch, pract. Arzt. - Dr. Hanne, Professor. - v. Hellfeldt, Premier-Lieutenant. - Hoffmann, akadem. Baumeister. - Holst, Senator. - Ludwig Holtz. - Dr. W. Holtz. - Kettner, Senator. - Kirchhoff, Justizratb. - Dr. Köbnk, Sanitätsratb. - Kolbe, Hauptmann. - Dr. Krabler, Professor. - Krause, Gymnasiallehrer. - Dr. Krev, Gymnasiallehrer. - Kruska, Hauptmann. - Kunstmann, Apotheker und Senator. - Labahn, Rentier. - Dr. Landois, Professor. - Dr. Limpricht, Professor. - Dr. Loose, Lehrer. - Dr. Marsson. - Dr. Medern, Landgerichtsrath. - Dr. Minningerode, Professor. - Dr. Mosler, Professor. - Müller, Premier-Lieutenant. - Freiherr v. Oer, Hauptmann. - v. Oldershausen, Hauptmann. - Ollmann, Kreisthierarzt. - Dr. Pernice, Prof, und Geh. Medizinalrath. - Dr. Pietruskv. - C. Plötz. Verzeichniss der Mitglieder. III Greifswald : Halle: Helinshagen: Kan/in : Sehmoldow: Stralsund : Herr Pflugradt, Premier-Lieutenant. - Pogge, Kontier. - Dr. FreiheiT v. Preuschen, Privatdocent. - Pütter, Landgerichtsrath. - Dr. Quistorp. - Dr. Reinhardt, Oberlehrer. - Dr. Rolide, Prof, und Oekonomierath. - Dr. Schirmer, Professor. - Schmidt, Syndikus. - Dr. Scholz, Professor. - v. Schubert, Oberst a. D. - v. Schultz, Rittmeister a. D. - Dr. Schüller, Professor. - Schtinhof, Eisenbahn-Ingenieur. - Dr. Schuppe, Professor. - Dr. Schwanert, Professor. - Seefisch, Postdireetor. - Dr. Sommer, Professor. - Freiherr v. Steinäcker, Major a. D. - Stoll, Senator. - Dr. Thiede, Gymnasiallehrer. - Dr. Thome, Professor. - v. Yalil, Justizrath. - Dr. Vogt, Professor. - Dr. Weitzel, Oberlehrer. - Wendorf, Landgerichts-Director. - Weyland, Maler. - Wiese, Reg.-Rath und akad. Forstmeister. - Woltersdorf, Pastor. - Wuthenow, Amtsgerichtsrath. - Frantz, Landgerichts- Präsident. - Drewitz, Pächter. - v. Homeyer, Ritterguts!), und Ook.-Rath. - v. Behr, Königl. Kammerherr. - Graf v. Behr-Negendank, Reg. -Präsident. Dr. Heclit, Sanitätsrath. - Dr. Kleine, pract. Arzt. - Dr. Passow, Oberlehrer. - Dr. Rollmann, Professor. IV Rechnung s- Abschluss. Stralsund: Herr Wellmann, Regierungs- und Baurath. Wollin: - Schmurr, Apotheker. In diesem Jahre verlor der Verein durch den Tod zwei Mitglieder, den Bergamts-Assessor Hau ss mann in Berlin und den Apotheker Schenk in Greifswald. Vorstand für 1880. Herr Dr Loose, Landgerichtsrath Dr. Medern, Professor Schwanert. II. Rechnungs-Abschluss für das Jahr 1879. Einnahme. Beiträge der Mitglieder . 312, — Verlagsbuchhändler Gärtner in Berlin für verkaufte Vereinsschriften . 45, — Zuschuss Seiner Exellenz des Herrn Cultusministers v. Puttkammer . 300, — Sparkassen-Zinsen . . . 2, — Summa Mk. 659, — Ausgabe. Zur Deckung des Deficits aus dem vorhergehenden Jahre . 143,24 Für Herstellung der Tafel . ... 124,20' Druckkosten . 314, — Porto und Diversa . . 21,45 Buchbinder . 18,75 Remuneration an den Vereinsboten . 36, — Summa Mk. 657,64 Einnahme . Mk. 659, — Ausgabe . „ 657,64 Kassen-Bestand . Mk. 1,36 Sitzung s- Berichte. V III. Sitzungs-Berichte. Sitzung vom 11. Juni 1879. Vorsitzender Prof. v. Feilitzsch. Herr Dr. Quistorp hielt einen Vortrag über das Wandern der Vögel. — Erst in neuerer Zeit ist die Ursache des Wandertriebes der Vögel richtig erkannt. Es ist dies weniger die Winterkälte als vielmehr der Hunger. Es fehlen die Nahrungsmittel, ganz besonders für die Insectenfresser. Nur solche Vögel wie die Amsel, die Drossel, die auch von andern Substanzen leben, halten im Winter aus, die Spechte ebenfalls, weil sie die in der Baumrinde sich bergenden Insecten vorholen können. Aber wesshalb kehren die Vögel wieder, wesshalb bleiben sie nicht an jenem Orte, nach welchem sie die bessere Nah¬ rung hingezogen hat? Weil die bessere Nahrung auch dort nur eine vorübergehende ist. So trocknet ein grosser Theil Afrika’s im Sommer mehr oder weniger aus, so dass z. B. die Kraniche dort keine Nahrung finden würden. Woher wissen aber die Vögel von der besseren Nahrung im fremden Lande, bevor sie dasselbe überhaupt besucht. Die Vögel streifen zunächst in grosser Nähe ihres Standortes nach besserer Nahrung umher, und die Gewohnheit dieses Streifens geht durch Vererbung auf spätere Generationen über. Diese Gewohnheit ist aber nur dem Namen, nicht dem Wesen nach von dem eigentlichen Wandern verschieden. Wesshalb er¬ folgt aber das Streifen, resp. Wandern vorzugsweise in süd¬ licher Kichtung? Weil die Vögel, welche nach andern Rich¬ tungen zogen, weil sie dort keine Nahrung fanden, successive zu Grunde gegangen und nur Geschlechter übrig geblieben sind von jenen, welche nach Süden gegangen sind. Mit dem Streifen, resp. Wandern in unmittelbarem Zusammenhänge steht auch die allmälige Veränderung des Standortes gewisser Vogelgeschlechter. So hat z. B. der Seidenschwanz früher ein anderes Gebiet und diessmal ausnahmsweise ein mehr südliches gehabt. Je nachdem sich nun der Wandertrieb noch gar nicht oder mehr oder weniger ausgebildet hat, kann man Stand-, Strich- und Zugvögel unterscheiden. Pis giebt aber auch Vögel, welche an gewissen Orten Stand-, an anderen VI S i tzungs-Beri ch te . Strich-, an anderen Zugvögel sind. Zn diesen kann z. B. die Eiderente gerechnet werden. Man kann weiter fragen, mit welchen Mitteln die Vögel vorzugsweise ausgerüstet sein müssen, um für eine Wanderung in ferne Länder fähig zu sein, insbesondere wie sie den richtigen Weg in diese Länder, gleichsam den Rückweg iirs Heimathsland finden. Metten¬ dorf meinte, dass die Zugvögel ein Organ besässen, welches magnetische Eigenschaften habe. Doch lässt sich wohl das Wiederfinden früherer Wege am einfachsten auch auf die Vererbung der Gewohnheiten zurückführen. Uebrigens ist zu beachten, dass die Vögel keinesweges immer eine bestimmte Richtung einhalten. Andererseits giebt es bestimmte Strassen namentlich über das Mittelmeer, weiche aller Wahrscheinlich¬ keit nach in früherer Zeit Landstrassen waren. Ueberhaupt dürfte in den Meereszugstrassen heutiger Vogelgenerationen ein Anhalt für den ehemaligen Zusammenhang der Länder zu finden sein. Interessant ist, dass jede Vogelart im All¬ gemeinen ihre besonderen Wege hat. Die nordischen Gänse (Rottgänse) ziehen von Spitzbergen nach Afrika, die Strand¬ läufer von den Grenzen des Eismeeres bis nach dem Cap der guten Hoffnung. Die Kraniche passiren beim Wandern nie¬ mals ein Gebirge, weil sie hierbei gewohnheitsgemäss der Sümpfe entbehren müssten. Die verschiedenen Organe, welche vorzugsweise bei der Wanderung eine Rolle spielen, bilden sich aber von Geschlecht zu Geschlecht mehr und mehr aus, weil nur bei denen eine Eortzüchtung stattfindet, bei denen sie bereits verhältnissmässig weit ausgebildet waren. So ge¬ schieht es, dass alle Zugvögel mit scharfem Gesicht, grosser Ortskenntnis und starkem Flugvermögen ausgerüstet sind, und dass speciell diejenigen, welche grössere Meeresstrecken zu überschreiten haben, auch verhältnissmässig lange Hunger ertragen können. Uebrigens geschieht das Wandern immer gemeinschaftlich, damit sich die Vögel gegenseitig unterstützen können. Voran ziehen die erfahrenen Alten, welche die Reise schon öfters gemacht haben. Auch geht der Zug wo¬ möglich allemal so, dass die Vögel das Land nicht ganz aus den Augen verlieren. Diejenigen, welche gezwungen sind die ^Nacht durchzufliegen, suchen sich durch Rufen und Schreien gegenseitig zu orientiren. Sitzungs-Berichte. VII Sitzung vom 5. November 1879. Der Vorsitzende Prof. v. Feilitzsch tlieilt zunächst mit, dass Se. Excellenz der Herr Cultusminister wieder die Summe von 300 Mark zur Förderung der Vereinszwecke bewilligt habe. Hierauf erläutert der Herr Vorsitzende einen grossen Electromagneten, der im physikalischen Institut construirt war. Ein massiver Eisenkern zu demselben war wegen der Kosten und wegen anderweitiger Schwierigkeiten nicht herstellbar ge¬ wesen. Desshalb hatte man 28 Eisenlamellen von successiv verschiedener Breite derart einzeln gebogen und demnächst zusammengesetzt, dass sie sich zu einem gemeinschaftlichen Hufeisen von 127 cm- Höhe und 20 cm- Poldurchmesser ver¬ einigten. Circa 350 Kilogramm iibersponnener Kupferdraht dienen als Umwindungen und Leitung des magnetisirenden Stromes. Mit diesem mächtigen Apparat und mit Hülfe eines Stromes von 54 grove-poggendorfschen Elementen wurden alsdann die folgenden Fundamentalversuche angestellt: 1. Anziehungen von starken Eisenstäben, deren zwei und mehre aneinander haften, so lange sie sich unter Einfluss des Magneten , sogar in fussweiter Entfernung von diesem befinden. Dessgleiehen wurden magnetische Curven mit Eisen- und Nickelspänen dargestellt. — Eine Stange Postlack- Harz mit Eisenoxyd gefärbt — an einem Seidenfaden im Magnetfeld aufgehängt stellte sieh von Pol zu Pol. 2. Die magnetischen Abstufungen von nur einem Pol oder aus dem Magnetfeld wurden mittelst eines Wissmuth- stiickes sowie eines Krystalles von Blutlaugensalz dargestellt, welche an einer Drehwage aufgehangen waren. Eine Wiss- muthstange, eine Stange von Wachs an einem Faden horizon¬ talschwebend aufgehangen, stellten sich diamagnetisch. Alkohol in einem aus Glimmer dargestellten Schälchen über die Pole gebracht, wurde sichtlich abgestossen, dagegen Eisenchlorid¬ lösung stark angezogen. Eine cy limbische Petroleumflamme wurde zwischen den thätigen Magnetpolen abgestossen und in Folge dessen schwalbenschwanzartig verbreitert. 3. Die Wirkung der Magnotkrystallaxen wurde an einem Wissmuthkrystall, an einem Kalkspath und an einem Eisen- spath nachgewiesen. VIII S itzungs- Berichte. 4. Die bekannte Wirkung des Magnetismus auf Leiter elektrischer Ströme fand eine Darstellung durch die Licht¬ erscheinungen in einer Geissler’schen Röhre, welche mit Hülfe der Holtz'schen Maschine hervorgebracht wurden. 5. Inductionserscheinungen und zwar Contraströme wurden dargestellt durch Auflegen und Abheben einer Kupfer¬ drahtspirale, deren Enden mit einem Galvanometer in Ver¬ bindung standen, der Extrastrom wurde in der von Faraday angegebenen Weise durch Verflüchtigung eines etwa 40 Centimeter langen sehr dünnen Platinadrahts nachgewiesen. Ingleichem liess der Vortragende eine Kupferscheibe von etwa 25 Centimeter Durchmesser in verticaler Ebene zwischen den angenäherten Polspitzen mit Hülfe eines auf deren Axe wir¬ kenden Gewichtes rotiren. Sobald die Pole geschlossen wurden, verlangsamte sich die Rotationsgeschwindigkeit fast bis zum Stillstehen. Die Herren Vereinsgenossen überzeugten sich von der mächtigen Inductionswirkung, indem sie eine Kupfer¬ scheibe zwischen den unthätigen und den thätigen Polen mit der Hand in sägende Bewegung versetzten. 6. Endlich wurde die Earadaysche Drehung der Polari¬ sationsebene des Lichtes mit Hülfe einer 10 Centimeter langen mit Zuckerlösung gefüllter Röhre dargestellt. Der Wechsel zwischen rothem und blauem Lichte beim Umlegen der Stro¬ mesrichtung liess keinen Zweifel an der Thatsache übrig. Sitzung; vom 3. Dezember 1879. Vorsitzender Prof. Schwanert. Bei der statutenmässi- gen Neuwahl dos Vorstandes wurden für das nächste Jahr gewählt: die Herren Dr. Loose, Dr. Medern und Professor Schwanert. Als neue Mitglieder treten dem Verein bei die Herren Amtsrichter Dr. Fischer und Justizrath Kirchhoff. Hierauf hielt Herr Schünhof einen Vortrag über die Einrichtung einer e lectrisclien Eisenbahn. An¬ knüpfend an eine von Siemens & Halske in Berlin auf der dortigen Gewerbe-Ausstellung vorgeführte electrische Eisen¬ bahn hob der Vortragende hervor, dass bei einer solchen das Princip der Kraftübertragung durch dynamoelectrische Ma¬ schinen auf die Bewegung von Wagen angewendet werde. Sitzungs- Berichte. IX Bei der genannten 0,33 Kilometer langen in sich zusammen- laufenden Eisenbahn bestand der Zug aus einer Locomotive und 3 sechssitzigen Wagen, ihr Betrieb erfolgte durch einen dvnamoelectrischen Inductor, eine electrodvnamische Loco- motive und eine continuirliche Leitung des Inductionsstromes nach einem Motor der fahrenden Locomotive. Der dynamoelectrisehe Inductor ist eine Maschine, welche durch äussere Kraft Electricität erzeugt, die äussere Kraft war eine Dampfmaschine, die einen mit vielfachen Draht¬ windungen umgebenen Cvlinder von weichem Eisen in schnelle Umdrehungen versetzte und so in dem geschlossenen Draht¬ leiter einen starken electrischen Strom erzeugte. Denn der kleine Rest Magnetismus, welcher in dem weichen Eisency- linder zurückbleibt, wenn die den Magnetismus ursprünglich erzeugende Batterie längst zu wirken aufgehört hat genügt, um im bewegten Tlieil der Maschine einen electrischen Strom zu erzeugen, der wiederum den Magnetismus der feststehen¬ den Magnete verstärkt und so wiederum zur Verstärkung des Stromes beiträgt. Die electrodvnamische Locomotive, in der durch Electricität die treibende Kraft erzeugt wird, zeigt auf einem mit Laufaxen versehenen eisernen Unterbau einen electrody mi¬ mischen Motor, zu dem vom clectrodvnamischen Inductor Inductionsströme durch Bürstenhalter in die Drahtbündel eines Ankers treten, der dadurch in Drehung versetzt wird. Seine drehende Bewegung wird wie die des Eisencvlinders mit seiner Umhüllung durch ein Zahnrad und ein Wechselrad auf ein dem ersteren gleiches Rad übertragen, dessen Axe unter der Locomotive liegt und die Bewegung auf conische Räder überträgt, von denen die Bewegung auf eine Quer welle, von dieser durch Zahnräder auf die Triebaxe übergeht. Mit einem Hebel wird die Locomotive gesteuert, hinter ihm ist in einen Rahmen eine Kupferplatte eingelassen, eine zweite Kupferplatte sitzt am beweglichen Hobel fest; berühren sich diese Platten, so nimmt der electrische Strom seinen Weg durch den Contact der beiden Platten, werden diese von ein¬ ander getrennt, so wird der Strom unterbrochen ; in ersterem Falle wird die Locomotive in Bewegung gesetzt, in letzterem zum Stillstand gebracht. Die continuirliche Leitung vom X S itz nngs-13 er ich te. Inductor nach der fahrenden Locomotive wird durch die Fahr¬ schienen und eine besondere auf Holz isolirte Mittelschiene vermittelt, indem sich ein Leitungsdraht an letztere anschliesst, während ein anderer an die Fahrschienen angeschlossen ist und so durch die Locomotivräder und den Rahmen mit dem entsprechenden Draht des Locomotivmotors in ununter¬ brochener Verbindung steht. Zwei Bürsten, welche aus je 15 Kupferdrähten von lj mm- Dicke und 200 ram- Länge be¬ stehen und in geneigter Stellung an einem gemeinsamen isolirten Bocke unter der Locomotive befestigt sind, führen mit ihren Saugenden die Mittel schiene berührend, deren electrischen Strom nach dem Drahtanschluss des Motors. Uebrigens sind auch die Wagen, resp. deren Axen durch Drähte mit einander verbunden, da alle Räder den Endpunkt des einen Leitungsdrahtes bilden. Zur Erläuterung seines Vortrages hatte der Vortragende Querschnitt und Längsschnitt der Locomotive, Grundriss ihres Unterbaues, Steuerung der electrischen Ströme und eine Ansicht der Wagen aufge¬ zeichnet. Herr Prof. v. Feilitzsch weist darauf hin, dass schon Steinheil die Electricität von einer Schiene zur andern über¬ führen wollte, aber der Leitungswiderstand im Erdboden das nicht gestattete. Er zeigt die Einrichtung von Electromotoren an einem Apparat, wie sie ähnlich bei den electromagneti- schen Eisenbahnen in Anwendung kommt, nur dass in diesem Apparat statt der Electromagneten 25 einfache permanente Hufeisenmagnete neben einander stehen. Er zeigt und er¬ klärt die Entstehung des Stromes, seiner Verstärkung durch auf den Stirnseiten der Magnete befindliche Drahtbürsten und -Pinsel, durch einen Cylinder von weichem Eisen; die mit diesem Apparat erzeugte Electricität genügte, einen Draht glühend zu machen, eine Rotationsmaschine mit 6 festen und 6 beweglichen Magneten in Bewegung zu setzen. Dr. Marsson zeigt sodann zwei ihm von Prof. Landois in Münster zugesandten Photographien von dem Skelet eines Gorilla und eines Menschen vor. Dr. Weitzel wünscht Näheres zu erfahren über das in der Seite eines in Papenburg eingelaufenen Schiffes in den tropischen Meeren von einem grossen Thier eingestossenen Sitzungs-Ber ic hte. XI Stück Horn, und verspricht Herr Hauptmann v. Oer darüber Erkundigungen einzuziehen. Prof. v. Eeilitzsch spricht noch über die Entstehung von transversalen und longitudinalen Schwingungen und zeigt ein von Mach in Prag gebauten Apparat, mit dem er ein¬ fachster Weise transversale Wellen erzeugt, die in longitudi¬ nale übergeführt werden können, transversale stehende Wellen in transversale dauernde Wellen übergehen, auch die Wellen¬ länge gut zu messen ist. Sitzung vom 7. Januar 1880. Vorsitzender Prof. Schwanert. Zum Eintritt in den Verein wird angemeldet Herr Landgerichts-Präsident Franz. Zur Revision der Rechnung pro 1879 werden die Herren Senator Kettner und Prof. Scholz gewählt. Herr Hauptmann v. Oer macht Mittheilung über die von ihm eingezogene Erkundigung, betreffend das in der vorigen Sitzung erwähnte, in einen Schiffskörper eingebohrte Horn eines Seethieres. Etwas Näheres über die Abstammung des Horns haben die Erkundigungen nicht ergeben. Darauf hielt Herr Senator Baumeister Stoll einen Vor¬ trag über ,, Wellen im Allgemeinen und Meeres wellen im Be- sondernL Vortragender erörtert die Natur der Wellen, ihre Ent¬ stehung durch die plötzliche Störung des Gleichgewichts einer ruhenden Wassermasse, die Erscheinung der Brandung, den Einfluss des Windes auf die Wellenbewegung, die Höhe und Tiefe der Wellen und ihre zerstörende Gewalt bei Wasser¬ bauwerken. Zu Letzterem führt Vortragender einige Bei¬ spiele von der Ostseeküste an. Als die Swinemünder Ostmolo noch mit keiner Brustmauer versehen war, brachen sich zwar die Wellen an den Dossirungen und schlugen bei hohem Seegange, ohne hoch aufzuspritzen über die Krone der Mole in den Hafen. Nachdem nunmehr eine 5' hohe Brustmauer an der Seeseite aufgestellt ist, hebt sich die Welle, zum Theil aufgelöst in Tropfen, so hoch, dass sie oft die um 60' höhere Winkbaake ganz umgiebt. Auf der Rhede von Pillau lief eine Brigg bei einem Sturm auf das Riff und indem sie den Grund berührend plötzlich Stillstand, erhob sich das Wasser XII *S itz nngs-Ber ic hte. in der nächsten Welle so hoch, dass es die Bramstangen überragte, also über 70'. Diese Welle warf aber das Schiff zugleich glücklich über das Riff'. Vielfach hat man auch anderswo ein so hohes und noch bedeutend höheres Auf¬ spritzen des Wassers bemerkt. Schliesslich führt Vortragender noch eine höchst eigen- thümliche Wirkung der Wellen bei dem Leuchtthurm Eddy- stone unfern Plymouth an, wo bei einem heftigen Sturm im Jahre 1840 eine 27* hoch über dem Hochwasser befindliche Thür eingedrückt wurde, aber nicht nach Innen sondern nach Aussen. Hiernach demonstrirte Prof. v. Feilitzsch noch eine Wellenmaschine, welche durch die sich bewegenden Stäbchen mit Köpfen in sichtbarer Weise die betreffende Bewegung der Wassertheilchen anschaulich machte. Sitzung vom 4. Februar 1880. Vorsitzender Prof. Schwanert. Herr Stoll knüpft an den letzten Passus seines Vortrages in der vorigen Sitzung, betreffend das Herausschleudern der nach Aussen anfgehenden Eingangsthür des Eddystone-Leuchtthurms durch Wellenschlag die Frage nach einer Erklärung dieser Erscheinung, worauf Prof. Peil itz sch erwidert, dass die Thür wohl in Eolge der beim Zurückgehen der Welle vor der Thür entstehenden luftverdünnten Raumes durch den Luftdruck von innen her¬ ausgetrieben sein müsse. Dr. Holtz weist darauf hin, dass ähnliche Erscheinungen auch bei Blitz Wirkungen Vorkommen. Dr. Weitzel erwähnt den Betrieb einer electrischen Eisenbahn in der Stadtgrube zu Sperenberg und berichtet nach einer Zeitungsnotiz, dass hier eine Locomobile von 15 Pferdekräften den electrischen Strom erzeugt und 49 pCt. der eingeleiteten Arbeitskraft wiedergegeben werden können. Die in voriger Sitzung gewählten Rechnungsrevisoren erklärten den Jahresabschluss der Vereinskasse für richtig, worauf dem Kassenführer Decharge ertheilt wird. Darauf giebt Herr Dr. Goeze „Mittheilungen über Pflan¬ zengifte im Allgemeinen und speziell über einige Strychnos- Arten, welche das Curare liefern.“ Vortragender bezieht sich zunächst auf die Schrift von Rieh. Schomburgh in Adelaide: Sitzung. s- Berichte. XIII „On the Urari, the deadly Arrow Poison of the Mocusis an Indian tribe in British Guvana.“ Es war Sir Kob. Schom- «/ burgh, welcher zuerst genaue Mittheilungen über dieses Pflan¬ zengift lieferte, den dasselbe liefernden Baum als eine neue Strychnos-Art erkannte und sie als Strvchnos toxifera beschrieb. Die Wilden lassen es sich angelegen sein, die Zubereitung dieses fürchterlichen Giftes möglichst geheim zu halten, auch verknüpfen sie damit eine Menge abergläubischer Ceremonien und halten das Hinzufügen verschiedener anderer vegetabili¬ scher wie auch animalischer giftiger Stoffe für unumgänglich nothwendig, um die ganze Wirkung hervorzurufen. Nach den beiden Schom burgh ’s wie auch aus Prof. Baillon’s Vortrag „Sur quelques plantes ä Curare“ scheint es erwiesen, dass verschiedene Strvchnos- Arten Süd-Amerika's dieses tödtliche, schnellwirkende Pfeilgift liefern und dass das Hinzuthun ver¬ schiedener anderer giftiger Ingredienzien auf die erhöhte Wirkung keinerlei Einfluss ausübt. Sehomburgh bereitete das Gift aus der frischen Kinde durch 7 ständiges Kochen. Die Indianer gebrauchen dazu 48 Stunden und ist es wahr¬ scheinlich, dass durch längeres Kochen, welches das Extract mehr concentrirt, auch ein heftigeres, schneller wirkendes Gift erhalten wird. Dr. Sehomburgh brachte von dem Urari der Macusis-Indianer ein kleines Quantum mit nach Berlin, ein Theil desselben diente Prof. Heintz zu einer Analyse, die allerdings noch nicht ganz befriedigend ausfiel, mit dem Kest machte eine von der Regierung ernannte Commission verschiedene Experimente an lebenden Thieren. Neuerdings in der Medicin verwendet, soll das Curare namentlich bei Starrkrampf und Hydrophobie erfolgreich gewesen sein. Sir K. Sehomburgh benutzte die Kinde des Strvchnos toxifera innerlich bei Fieberanfällen statt des Chinin, eine allerdings etwas gefährliche Praxis, wenn man daran denkt, wie die geringste Verletzung im Munde oder dem Kehlkopfe die schlimmsten Folgen nach sich ziehen würde. Zum Schlüsse weist Vortragender auf die geographische Verbreitung der wichtigsten Giftpflanzen hin. In Dr. Kosenthal’s Werke: Systematische Uebersicht der Heil-, Nutz- und Giftpflanzen aller Länder werden 600 Arten genannt, die vorzugsweise einzelnen Familen, wie Schwämmen, Loganiaceen, Apocyneen XIV Sitzungs- B erichte. Solaneen, Moreen , Euphorbiazeen und anderen angehören. Doch darf man nicht glauben, dass hiermit die Zahl der Gift¬ pflanzen erschöpft sei, da eine Menge solcher Arten, die nur im geringen Grade giftige Eigenschaften besitzen, gar nicht aufgeführt worden sind. Australien ist jedenfalls der an Giftpflanzen ärmste Welt- theil und heftige Pflanzengifte kommen überhaupt nicht vor. Bis.jetzt weiss man nur von einigen Leguminosen, die für Schafe und Rinder verderblich werden sollen. Unter den schon zahlreicheren Giftpflanzen Europa’s, die 12 natürlichen Familien und 21 Gattungen an gehören, machen wir nur noch auf den südeuropäischen Goldregen Cvtisus Laburnum aufmerksam, weil er von so Vielen als unschädliche, schöne Blüthenpflanze in Gärten und Anlagen gepflanzt wird. In der Flora Afrika’ s finden sich etwa 12 natürliche Fa¬ milien mit 17 Gattungen, die sich durch ihre heftigen Gifte auszeichnen. Als die giftigste von allen sei hier die Apocynee Tanghinia madagascariensis genannt, von welcher ein einziger Same 20 Menschen den Tod geben soll. Asien und insbe¬ sondere die tropischen Länder, wie Ostindien und die Sunda- Inseln liefern ein schon sehr reiches Contingent von heftigen Giftpflanzen, die von 22 natürlichen Familien und 34 Gat¬ tungen vertreten sind. Hier sei nur der berüchtigte Upas Baum, der Antjar, der Javaner erwähnt, Antiaris toxicaria, einer Familie der Artocarpeen angehörend, welche anderswo auf den Südseeinseln Millionen von Menschen in dem Brod- fruchtbaum eine der grössten Segnungen geworden ist. Bei der Familie der Urticaceen, der Brennnesseln, die in Ost¬ indien und den Sunda-Inseln ihre höchste Gift-Potenz ent¬ wickeln, liest Vortragender einige Stellen aus Schleiden „Ueber den Milchsaft der Pflanzen“ vor. Zum giftreichsten Welttheil, Amerika, übergehend, finden sich dort 23 Familien mit 59 Gattungen vor, die sehr giftige Vertreter besitzen. Zwei Drittel gehören den heissen Gegen¬ den des Festlandes und Westindiens an. Unter ihnen machen sich die Loganiaceae mit ihren verschiedenen Strychnos- Arten und die Euphorbiaceae mit dem gefahrdrohenden Mancinellen- baum, Hippomane Mancinella L. gegenseitig den Rang streitig. Hierauf erläuterte Dr. Holtz durch Experimente die Sitzungs-Berichte. XV Entladungsweise eines Inductionsapparats indem derselbe an einer leicht beweglichen Scheibe die Funkenstrecke während der Entladung selbst rotiren lioss. Hierbei zeigte sich, dass jeder Inductionsstoss eine sehr grosse Zahl partieller Entla¬ dungen erzeugte, und dass jeder Partial-Entladung wieder zwei getrennte Lichterscheinungen, eine helle vorangehende von kurzer Dauer und eine dunklere nachfolgende von längerer Dauer angehörten. Dasselbe hatte vor Jahren bereits Perrot an einem ähnlichen, aber einfacher ausgerüsteten Apparat bewiesen. Eine Modifizirung der Erscheinung wurde nun dadurch bewirkt, dass die Funken strecke , sei es auf der Scheibe selbst, sei es an irgend einer andern Stelle vergrössert wurde. Die Zahl der Partial-Entladungen wurde hierdurch bedeutend verringert, vermuthlich weil die durch Induction nach den beiden Spiralenden getriebenen Electricitäten nur im Anfänge die nöthige Intensität hatten, die grössere Funken¬ strecke zu durchbrechen. Eine weitere Modifizirung wurde dadurch gewonnen, dass die Spiralenden mit den Belegungen einer Leydener Flasche in Verbindung gesetzt wurden. Auch hierdurch wurde die Zahl der Partial-Entladungen verringert, desgleichen ihre Dauer, weil sich die früheren Lichtlinien nun zu Punkten verkürzten. Hieraus lässt sich zugleich der Schluss ziehen, dass die Entladung überhaupt nur deshalb eine intermittirendc sei, weil die Spiralenden gewissermassen stets als Ansammlungs-Apparate für die stetig zufliessenden Electricitäten zu betrachten seien. Sitzung vom :t. Harz 1SSO, Vorsitzender Landgerichtsrath Dr. Modem. Zum Eintritt sind angemeldet Landgerichtsrath Pütter und Prof. Schüller. Darauf hielt Herr Dr. Loose einen Vortrag „über die strahlende Materie von W. Crookes“ d. h. über Licht¬ erscheinungen in Räumen, in welchen die Luft im äussersten Grade der Verdünnung sich befindet. Da Crookes diese Er¬ scheinungen als einen 4ten Aggregatzustand ansieht und ver¬ meint in diesen „bisher noch nicht erforschten und erschlosse¬ nen Gebieten glänzender Lichterscheinungen den Uebergang von Stoff zu Kraft belauscht zu haben“ so nimmt der Vor¬ tragende Veranlassung über die jetzige Kenntniss in der XVI Sitzurif/s- Berichte . Wissenschaft von der Structur der Materie sich ausführlicher zu verbreiten und aus dem Beigebrachten den bisher gelten¬ den Begriff des Aggregatzustandes abzuleiten. — Darauf führte der Vortragende, da die betreffenden Apparate noch nicht zur Hand waren, der Gesellschaft durch grössere Tafel- Abbildungen die Lichterscheinungen der „strahlenden Materie“ vor und suchte die von Crookes aus diesen Erscheinungen gefolgerten Eigenschaften der str. Mat. besonders die phosphorogene Wirkung, die Bewegung in gerader Linie, die Schattenwerfung, die mechanische Wirkung, die Ablenkung durch den Magneten, die Erzeugung von Wärme etc. in dem Crookes'schen Sinne zu erörtern. Bei der hierauf erfolgenden Debatte kam vornehmlich zum Ausdruck, dass es nicht ungewagt erscheine, auf die in einem ganz bestimmten Gebiet gemachten Experimente eine allgemeine Hypothese für die gesammte Lehre vom Stoff bauen zu wollen. Sitzung vom 7. April 1880. Vorsitzender Prof. Schwanert. Dr. Weitzel referirt aus Stanlev’s Reise durch Afrika, dass Stanley die tödtlichen Wirkungen des Pfeilgiftes der dortigen Eingebornen, das diese für sehr gefährlich halten, durch Behandlung der durch ver¬ giftete Pfeile erzeugten Wunden mit Silbernitrat beseitigt hat, so dass das Gift zwar Anschwellungen aber nicht den Tod herbeigeführt hätte. Dr. Goeze bemerkt dazu, dass seine Mittheilungen sich auf das amerikanische Pfeilgift bezogen haben und dass die afrikanischen sowie die asiatischen Gifte ganz allgemein schwächer seien, als die ihnen entsprechenden amerikanischen. Dr. Weitzel regt ferner noch die Frage an, wo und in welcher Art der Tanganyika-See seinen Abfluss habe: in den letzten Jahren sei sein Wasser stetig im Steigen begriffen, so dass die Anwohner ihre niedrig gelegenen Wohnungen verlassen und sich höher hinauf anbauen mussten, von Zeit zu Zeit scheine ein Abfluss durch eine sumpfige Strecke nach dem Congo hin stattzufinden. Sitznil gs- Berichte. XVII Darauf spricht Landgerichtsrath Dr. Me dem über „die Mechanik des Vorstellen su. Das Unternehmen, in einem naturwissenschaftlichen Verein das Problem des Vorstellens zu erörtern setzt voraus, dass es gelungen oder wenigstens versucht ist, dieses Problem der Psychologie anstatt auf Metaphysik auf Physiologie zu gründen. Ein solcher Versuch ist für das Gebiet der auf sinnlichen Empfindungen beruhenden Vorstellungen vom Ref. gemacht in seiner „Mechanik der Empfindungen“ *). Es ist dort ausgegangen von der Erwägung, dass, wenn die sämmtlichen Empfindungen in uns als Wirkungen der Sinnesreize ausser uns anzusehen sind, es plausibel erscheint, sich die Reizvorgänge in uns auch der Form nach als ho¬ molog den Reizbewegungen ausser uns zu denken, und dass also, wenn nach der Lehre der Physik die Reizbewegungen des Lichtes und Schalles (und nicht minder die des Druckes und der Wärme) in Wellenform an unsre Sinnesorgane ge¬ langen, es plausibel erscheint, auch die Sinnesempfindungen als Wellenbewegungen in unserem Sinnesapparate aufzufassen. Von dieser Annahme aus ist nachgewiesen, dass die Phänomene des sinnlichen Empfindens in bester Ueberein- stimmung mit den Gesetzen der Wellenlehre stehen. Un¬ schwer ist die Intensität der Empfindungen zurückzu- führen auf die Amplitude der Reizwelle, die Qualitäten der Empfindungsspecies (Tonhöhe, Farbe [Farbenblindheit]) auf die Phänomene des Mitschwingens, die Form der Em¬ pfindungen (Klang, Flächendimensionen) auf die Komplexion mehrerer Wellen, die unwillkürliche Lenkung der Auf¬ merksamkeit (das Uebersehen und Ueberhören der weniger hervortretenden Objekte hinter mehr hervortretenden **), auf die Phänomene der Interferenz ; ja selbst die Empfindungen von Zeit und räumlicher Bewegung scheinen im Zu¬ sammenhang zu stehen mit den Wellen des Norkenstromes. A eifolgen wir nun diese Phänomene weiter, so bleiben, *) Grundzüge einer exakten Psychologie von Rudolf Me de m, Dr. jur. I. Die Mechanik der Empfindungen, gegründet auf die Lohre von den Wellenbewegungen. Leipzig 1S76. Erich Koschny. **) Von dein psychologischen Phänomen der Unaufmerksamkeit, welche das gleiche Resultat hat, ist liier noch nicht die Rede. 9 XVIII Sitzungs-Berichte. sobald die Reizung des Sinnesorgans aufgehört hat und damit auch die sinnlichen Empfindungen , von diesen letzteren Empfindungsreste zurück (Erinnerungen, Gedächtniss- bilder, Vorstellungen), die ihre besondere Entwickelung nehmen (Behalten und Vergessen; Wiedererinnern; Wiedererkennen; Verkennen; induktives Schliessen). Auch hier erscheint es wiederum plausibel, anzunehmen, dass die Empfindungsreste in ihrer Fortentwickelung den Wellengesetzen folgen, nach denen sie entstanden sind. Wenn aber die sinnlichen Empfindungen sich uns darstellten als fortschreitende Wellen (fortschreitend von den Nerven- endorganen durch die Nervenleitungen bis zum Gehirn), so haben wir die nicht mehr sinnlichen Empfindungsreste, deren Sitz wir hier zunächst in dem Gehirn zu suchen haben, mit den stehenden Schwingungen , den Oscillationen i. e. S. in Vergleichung zu setzen. Dieselben finden wir bei Weber*) so beschrieben: Wenn man in ein Bassin mit einer Flüssigkeit ein Brettchen ein¬ setzt, und dies in einem gewissen Rhythmus hin und her be¬ wegt, so entstehen dadurch fortschreitende Wellen, welche von dem Brettchen aus nach den Wänden des Bassins hin verlaufen, hier zurückgeworfen werden und mit den inzwi¬ schen neu erregten Wellen sich durchkreuzen. Hat man diese Bewegung eine Zeit lang fortgesetzt, so hört mit einem Male das Eortschreiten der Wellen auf, und stattdessen zeigt die Oberfläche eine gewisse Anzahl trichterförmiger Erhebungen und Vertiefungen, die isochronisch mit einander wechseln; die kleinsten Theilchen, die sich bisher in horizontalen Linien oder Kurven hin und her bewegten, bewegen sich nunmehr in vertikaler Richtung auf und ab; aus den fortschreitenden Wellen sind stehende Schwingungen geworden, und diese dauern auch noch eine Zeit lang fort, wenn man aufhört das Brettchen zu bewegen. Die selben Oscillationen können wir auch so erzeugen, dass wir mit dem Bassin Röhren (Wellenrinnen) verbinden, in denen wir Wellen erregen. Diese gelangen dann durch die Röhren in das Bassin und werden hier zufolge der Re- *) E. H. Weber und H. Weber. Wellcnlelire. 1825. 8. 285. Sitzungs-Berichte. XIX flexion von den Bassinwänden und der Durchkreuzung in stehende Oscillationen umgestaltet. Einem solchen Bassin mit Wellenzuleitungsröhren scheint das Gehirn vergleichbar, in das die Sinnesnerven münden. Die Theilung des Gehirns in seine verschiedene Glieder sowie der Umstand, dass die Anatomie des Gehirns noch wenig im Stande ist, die Einmündungen der Sinnesnerven ins Gehirn darzulegen, stehen dem Vergleiche nicht entgegen ; dagegen spricht sehr wesentlich für ihn die minutiöse Ver¬ zweigung der Gehirnmasse , die eine Verbindung aller Tlieil- chen mit einander und die Uebertragung der Bewegung jedes Theilchens auf alle anderen nicht nur zu ermöglichen sondern sogar zu erheischen scheint *). Von dem Standpunkt dieser Vergleichung aus lassen sich zwischen den Oscillationsgesetzen und den Phänomenen unseres Vorstellungslebens folgende Parallelen ziehen. 1. Jede Oseillation in irgend einem Medium, sicli selber überlassen, wird im Verhältniss zu der verlaufenden Zeit all- mälig schwächer und erlischt zuletzt. — So unterliegen alle unsere Erinnerungen dem Vergessen, nicht eine ausgenommen. 2. Wenn aber in dem Medium die selbe Welle wiederholt erregt wird, so erhält hierdurch die Lebensdauer der daraus entstehenden Oseillation einen Zuwachs. — Dem entspricht die ulte Regel: repetitio mater studiorum. 3. Die Lebensdauer der Oscillationen hängt nicht bloss ab von der Wiederholung, sondern auch von der Intensität der einzelnen Welle ; — und daraus folgt, dass, wenn eine Mehr¬ zahl Wellen aufeinander trifft und sich zu einer Komplexion ver¬ einigt. die Einzelwellen aber von verschiedener Intensität sind, dass dann die schwächeren Oscillationen früher erlöschen, als die stärkeren, die Komplexionsoscillation also unvollständig wird. — Darum vergessen wir von unseren Erlebnissen das Unwesentliche viel eher als das Wesentliche**), nach einer Begegnung mit einem Bekannten z. B. sehr leicht seine '*) Mechanik d. Empfind. 3. 17. 3. 31 — 34. **) Dass wesentlich und unwesentlich jo nach Verschiedenheit der Umstände Verschiedenes sein kann, bedarf kaum der Erwähnung, die Er¬ örterung dieser Verschiedenheit aber gehört erst in viel spätere Kapitel. 2* XX Sitzung s- Berich te. Kleidung, von einem Ereignisse das Datum. Dies ist einer der Wege, wie sich Allgemeinvorstellungen , Allge¬ meinbegriffe in uns bilden*), wenn wir z. B. nach Besichti¬ gung einer Heerde Vieh zwar wohl im Allgemeinen wissen, wie das einzelne Stück ausgesehen hat, aber keins von den andern (im Gedächtniss) unterscheiden können , von allen Stücken vielmehr nur ein einziges Bild in uns aufgenommen haben. 4. Wie zwei fortschreitende Wellen, wenn sie mit ungleichen Phasen auf einander treffen (Wellenberg auf Wellenthal), sich ins Interferenz niveau stellen, so müssen auch, wenn mehrere Oscillationen mit ungleichen Phasen auf einander treffen, sich Zeiten der Interferenzruhe ergeben, in denen an Stelle der vielfachen Bewegung sich scheinbare Ruhe zeigt, die aktuellen Oscillationen nur noch als potentielle fortexistiren. — So hemmen sich und halten sich auch unsre Vorstellungsoscillationen im Interferenzniveau fest, so dass Vieles von dem, was wir wissen, uns keineswegs stets gegen¬ wärtig ist (Enge des Bewustseins, unbewusstes Wissen). 5. Indess die interferirte, gehemmte Oscillation ist nicht erloschen, sondern erscheint wieder, wird aus einer bloss potentiellen wieder zur aktuellen und tritt über das Interferenz- niveau, entweder wenn die sie hemmenden Oscillationen schwächer werden, oder sie selber stärker. — - Von dem ersten Palle ist es ein Beispiel, wenn in der Bestürzung wir gar oft auf das Bekannteste uns nicht besinnen können, das- später uns von selber wieder einfällt. 6. Viel interessanter aber ist der zweite Pall, den die Psychologie passive Reproduktion nennt. Neh¬ men wir an, mehrere Wellen in einem Medium, A, B, C, D,. hätten sich zu einer Komplexion AB CD vereinigt und eine Oscillationskomplexion ab cd hinterlassen; und diese be¬ fände sich im Interferenzniveau. Tritt nun ein zweites Mal die Welle A in das Medium hinein, so ist die Polge, dass nicht bloss die Oscillation a, sondern die ganze Komplexion ab cd wieder aktuell und über das Interferenz niveau gehoben wird. Dies *) Der andere Weg ist das unvollständige Wahrnehmen (Mechanik d. Empfind. S. 23), der dritte Weg die spontane Abstraktion. Sitzung s-B er ich te . XXI hat schon Herbart in grandioser Weise herausgerechnet. Uns erscheint der Satz, dass liier die Kraft A eine Wirkling, die grösser als sie selbst ist, hat, kaum noch verwunderlich, da uns das Wirken der Spannkräfte, bei deren Auslösung sich das selbe zeigt, täglich vor Augen liegt. — Wenn nun die Yorstellungskomplexion eine s. g. simultane ist d. h. das Oedächtnissbild von einem Dinge, an dem wir mehrere Merkmale zu gleicher Zeit wahrgenommen haben, so wird das ganze Bild durch jedes seiner Glieder uns ins Gedächt- niss zurückgerufen ; so fällt uns, wenn wir einen Bekannten sehen, sofort sein Name ein, und wenn wir seinen Namen hören, so steht seine Gestalt vor unserem geistigen Auge War aber ab cd eine s. g. Succes sivkomplexion d. h. das Oedächtnissbild eines Ereignisses, bei dem die einzelnen Wahrnehmungsglieder sich in einer Nacheinandesfolge an einander reihten, so kommt diese Zeitfolge auch bei der Re¬ produktion zum Ausdruck, die Komplexion tritt wieder in der Reihenfolge a— b — c — d und nur in dieser über das Niveau; und nur die Welle A vermag die ganze Komplexion ab cd wiederzubeleben, die Welle B nur bcd, die Welle C nur cd und das letzte Glied übt gar keine reproducirende Wirkung. Darauf beruht es z. B., dass von einer Melodie, die uns voll- « ' ständig im Gedächtniss ist und die wir mühelos nachzusingen wissen, wir nicht im 8 tan de sind, auch nur ein Dutzend Töne in umgekehrter Reihontolge zu singen. Darauf beruht es ferner, dass wenn wir den Blitz gesehen, wir den Donner erwarten und nicht umgekehrt. Und hierauf beruht weiter all unser Sch Hessen. Der Urschluss, den wir {unbewusster Weise) machen (und nicht bloss wir Menschen, sondern auch die Thiere, soweit dieselben mit Gedächtniss versehen sind) vollzieht sich in der Form Darii: Wenn es geblitzt hat, so wird es donnern; jetzt hat es geblitzt: also wird es jetzt donnern. Und diese Form des induktiven Schliessens liegt allen andern Schlüssen zu Grunde, so deduktiv, so künstlich und abstrakt sie immer sein mögen. Darauf beruht dann weiter XXII Sitzungs-Berichte. alles Fürchten und Hoffen, aller Unterricht und alle Willenserziehung, von der Dressur der Thiere bis zu den höchsten Aufgaben der Pädagogik, insofern sie darauf abge¬ zielt, dem Zögling zum Bewustsein zu bringen, dass Lohn und Strafe die Folgen guten und schlechten Handelns sind. 7. Aus dem Pendelgesetz, dass die Dauer „kleiner“ Os- cillationen von ihrer Amplitude unabhängig ist, folgt, dass nahezu gleiche Kräfte gleiche Oscillationen erzeugen. Wenn nun die reproducirende Welle nicht die ursprüngliche A, son¬ dern eine ihr nahezu gleiche Welle A' ist, so wird auch durch diese letztere die Komploxion ab cd reproducirt. — Darauf beruht alles Verkennen d. i. die Selbsttäuschung beim Wiedererkennen, und aller Irrthum in der Induktion. 8. Das bisher Uorgetragene scheint zu genügen, um die¬ jenigen Erscheinungen unseres Vorstellungslebens zu erklä¬ ren, die wir auch an den Thieren beobachten und die wir mit dem Thier gemein haben. An uns selbst aber beobach¬ ten wir auf dem uns hier beschäftigenden Gebiet der passiven Reproduktion (von anderen abgesehen!) noch eine Erschei¬ nung, die zu erklären die bisherigen Mittel nicht ausreichen, die vielmehr uns zu einer weiteren Hypothese zu greifen und unsern Apparat zu erweitern zwingt. Gar oft ereignet sich’s, dass ein Gedächtnissbild, ein Name etwa oder sonst dergleichen, uns nicht einfallen will, obwohl wir wissen, dass wirs wissen, und es uns quälend auf der Zunge schwebt. Wir selber, oder ein Anderer nennt uns verschiedene Namen, ob unter ihnen sich vielleicht der uns entfallene befindet. Wir prüfen diese Namen, vergleichen sie mit dem gesuchten, verwerfen die unrichtigen, bis uns der richtige genannt wird, den wir mit einem erleichternden „der ist es!“ acceptiren. Während dieses Vorgangs nun befand sich der gesuchte Name nicht in unserm „Bewusstsein“; denn wir konnten uns auf ihn nicht besinnen. Und dennoch befand er sich in unserm Bewustsein ; denn wir vermochten ihn mit anderen zu vergleichen. Ja, dieser unbewusst bewusste Name übte eine so starke Wirkung auf uns aus, dass wir gar oft in höchst quälende Unruhe dadurch gerathen. Sitz u m/s- 13 eric h te . XXIII Verfolgen wir dies Phänomen an unserm Apparat, so ist der Name, der uns nicht einfallen will, eine bloss poten¬ tielle Oscillation , die sich im Interferenzzustande befindet : — und diese soll zu einer neu auftretenden Oscillation sich in einen Gegensatz setzen, der wahrnehmbar ist und etwa gar die ganze Masse in Unruhe setzt?! Dass ist so nicht zu begreifen. Wohl aber wird es begreiflich, wenn wir unsern Apparat nicht bloss mit einer, sondern mit zwei Flüssigkeiten füllen, von denen die eine in die andere gemengt ist, oder auf ihr schwimmt. Wenn wir nun wie vorhin in der ersten Flüssigkeit Wellen erregen und diese in das Bassin gelangen und hier zu stehenden Oscillationen werden lassen, so wird dadurch auch die zweite Flüssigkeit in Oscillationsbewegung kommen müssen, welche einerseits der der ersten Flüssigkeit homolog, und andererseits davon verschieden sein muss, weil sie einer¬ seits in Abhängigkeit steht von der sie erregenden Oscillation der ersten Flüssigkeit, und andererseits in Abhängigkeit von dem verschiedenen Stoff der zweiten Flüssigkeit. Diese Verschiedenheit lässt insbesondere das als möglich denken, dass die Interferenzerscheinungen in der zweiten Flüssigkeit andere sein können, als in der ersten; oder viel¬ mehr es muss in der zweiten Flüssigkeit die Interferenzruhe später eintreten, als in der ersten; denn der Eintritt der¬ selben hängt u. a. ab von der Komplicirtheit der Bewegung, und die Bewegung der zweiten Flüssigkeit ist komplicirter als die der ersten, weil der Bewegungsanstoss dort kompli¬ cirter ist als hier. So lange aber in der zweiten Flüssigkeit die Interferenzruhe noch nicht eingetreten ist, so lange findet jede in die erste Flüssigkeit, mag diese selbst sich auch in Interferenzruhe befinden, eintretende Oscillation immer noch ein Objekt, mit dem sic sich in einen wahrnehmbaren Gegen¬ satz setzen kann. Setzen wir nun an die Stelle des ersten Mediums das Gehirn und nehmen wir an, dass ausser diesem noch ein zweites Medium in uns existirt, das an den sinnlichen Er¬ regungen Theil nimmt, so ist es nun nicht mehr unbegreif¬ lich, dass eine neu gemachte Sinneswahrnehmung sich in XX IV Sitzim gs-Beriehte. spürbaren Gegensatz setzen kann zu einem Gedächtnissbild, das augenblicklich lins nicht zum Bewusstsein kommen will. Wir brauchen nur anzunehmen, dass das, was wir unter „Bewusstsein“ verstehen, der gleiche Erregungszustand in beiden Medien zu gleicher Zeit ist. Was wir uns dann unter den Erregungszuständen zu denken haben, die nur in dem Gehirn allein verlaufen ohne Theilnahme des zweiten Mediums, dies zu erörtern gehört nicht hierher; — indessen liegt es nahe, an sinnliche Beize zu denken, die uns nicht zum Bewusstsein kommen, z. B. weil wir unaufmerksam auf sie sind (das Ueberhören einer neben uns schlagenden Uhr z. B. u. dergl.) (Hypnotismus?!) Diejenigen Erregungszustände aber, die auf das zweite Medium allein sich beschränken, die repräsentiren unser s. g. unbe¬ wusstes Wissen. Dies zweite Medium nennen wir Seele. — Indem wir aber dieses Wort aussprechen, verlassen wir schon das Ge¬ biet, auf welchem wir uns hier bewegen dürfen, und treten über in das der Psychologie, das dem naturwissenschaftlichen Erkennen noch nicht zugänglich ist, demselben vielmehr erst zugänglich werden wird, wenn die Physik den Weg wieder- aufnimmt, welchen die Brüder Weber genial bahnbrechend ihr gewiesen, und, wie jene an der Wellenrinne die Gesetze der fortschreitenden Wellen, so nunmehr die Gesetze der stehenden Oscillationen an dem Oscillationsbassin durch Beobachtung feststellt. Dann, wenn die Psychologie statt blossen mathe¬ matischen Kalküls, auf welchen die vorstehende Erörterung sich stützen musste, realen Boden der exakten Forschung*) unter den Füssen hat, dann erst darf man der Hoffnung sich hingeben, dass sich das Dunkel löse, welches noch immer lagert über den Begriffen, mit denen die Psychologie arbeitet, über dem Geheimniss unseres eigenen Selbst ! Der Vortrag ruft eine lebhafte Discussion hervor, woran die Herren Prof. Baier, Dr. Weitzel und Rector Graul theilnehmen. *) Es wird kaum nöthig sein, ausdrücklich zu betonen, dass die hier erwünschte Forschung absolut nichts zu thun hat mit dem Gegensatz von Spiritualismus und Materialismus, sondern vielmehr beiden in durch¬ aus gleichem Masse dient. S itzungx-B er ich te . XXV Sitzung vom 5. Mai 1SSO. Vorsitzender Landgerichtsrath Dr. Modem. Vor Eintritt in die Tagesordnung stellt Dr. Modem den Antrag zu be- schliessen: dass längere Vorträge aus den zur Genehmigung der Versammlung vorzulegenden Sitzungsprotokollen nicht zu verlesen sind, wenn ein Antrag darauf nicht gestellt wird. Der Antrag wird angenommen. Zum Eintritt in den Verein werden angemeldet : Herr Prem. -Lieutenant Müller und Landger.-Direktor Wendorf. Dr. Weitzel erwähnt im Anschluss an seine neuliehen Mittheilungen bezüglich des Tanganyika, dass am 1. April d. J. von Berlin aus eine Expedition zur weiteren Erforschung jener Gegenden und zur Vorbereitung etwaiger Kolonisation abgegangen und die Aufklärung der angeregten Fragen daher demnächst wohl zu erwarten sei. Dr. Loose theilt im Anschluss an seinen Vortrag vom 3. März mit, dass nach neuerlich von ihm gemachten Versuchen ein Radiometer in die Nähe einer Holtz’sc-hcn Electrisirma- schine gebracht, in Bewegung gerathe und in um so schnellere, je grösser die Annäherung ist. Bei längerer Dauer der elek¬ trischen Einwirkung nimmt die Empfindlichkeit gegen Licht und Sonnenstrahlen ab. Die Wiederholung der Crookes’schen Experimente werden anstatt der theuren luftleeren Röhren mit eingeschmolzenen Poldrähten luftleere Röhren mit Stanniol¬ stückchen, äusserlich aufgeklebt empfohlen. Rector Graul besorgt, dass durch die Bestimmungen der §§ 18, 19 der Feld- und Forstpolizeigesetze vom 1. April 1880 die botanischen Exkursionen und damit der botanische Unterricht erheblich gefährdet sei. In der Debatte wird auf die Verhandlungen in den Sitzungen vom 5. Februar und 5. März 1879 verwiesen und die Hoffnung ausgesprochen, dass die Behörden in richtiger Auslegung des Wortes „Entwenden“ (§§ 18, 19) das wissenschaftliche Botanisiron nicht als unter das Strafgesotz fällend ansehen werden. Hierauf setzt Dr. Medern seinen bereits unter der vori¬ gen Sitzung im Zusammenhänge mitgetheilten Vortrag über die Mechanik des Vorstellens fort. Auf eine Fragekasten frage : „Welche Glassorten eignen XXVI Verzeichniss eingegangener Schriften. sich besonders zu elektrischen Zwecken?“ giebt Dr. Holtz die Antwort: Nicht besonders geeignet seien Spiegel-, weiche und bleihaltige Gläser, sowie alle, die auf der Bruchfläche einen bläulichen Schein zeigen, besser geeignet seien die mit einem gräulichen Scheine auf der Bruchfläche. Eine Prüfung der Gläser sei so vorzunehmen, dass man dieselben zu glei¬ cher Zeit und unter gleichen Verhältnissen mit einem Lack überziehe und alle sodann ins Waser lege; in Wasser ver¬ schwinde nach und nach der Lack und zwar um zo schneller je hygroskopischer das Glas sei, daher seien diejenigen Gläser am besten geeignet, auf denen der Lacküberzug am längsten hafte. Verzeichnis der Akademien und Gesellschaften, mit denen der Verein in Schriften- Austausch steht und der von diesen bis zum Dezember 1880 eingegangenen Schriften. I. Deutschland. Altruburg: Mittheilungen aus dem Osterlande. Neue Folge. Bd. 1. 1880. Augsburg: Naturhistorischer Verein. Bericht 25. 1879. Bamberg: Naturforschende Gesellschaft. Schriften nicht ein gegangen. Berlin : Acclimatisations- Verein. Schriften nicht eingegangen. — Deutsche geologische Gesellschaft. Bd. 21, Heft 3, 4. Bd. 32, Heft 1 u. 2. — Königl. Akademie der Wissenschaften. Monatsberichte. 1879 Mai-Dezbr. 1880 Jan.-Aug. — Botanischer Verein für die Provinz Brandenburg. 20ter Jahrgang 1878. Bonn: Naturhist. Verein der Pr. Rheinlande u. Westphalens. Jahrg. 35, 2 te Hälfte, Jahrg. 36, Jahrg. 37, 1 te Hälfte. Braiinschwcig: Verein für Naturwissenschaft. Jahresber. 1879 — 80. Brrmni: Natur wissen sch. Verein. Abhandlungen. Bd. 6, Heft 2 nebst Beilage 7, Heft 3. Verzeichniss einejeyanyener Schriften . XXYII Cassel: Verein für Naturkunde. Bericht 26 u. 27 u. 7 Abhandlungen. Chemnitz: Naturwissenschaft!. Gesellschaft, Schriften nicht eingegangen. Danzig: Naturforschende Gesellschaft. Neue Folge. Bd. 4, Heft 4. Danzig in naturwissenschaftlicher und medizinischer Beziehung, Festschrift 1880. Dessau: Naturhistorischer Verein für Anhalt-Dessau. Schriften nicht eingegangen. Donaiiesehitigen : Verein für Geschichte und Naturgeschichte der Baar und der angrenzenden Länder. 3tes Heft. 1880. Dresden : Naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis. Sitzungsberichte Jalirg. 1879. — Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. Schriften nicht ein gegangen. Dürkheim a. 11.: Naturw. Verein „Pollichia“. Schriften nicht eingegangen. Elberfeld!: Naturwiss. Verein. Jahresber. 1878 u. 79. Emden: Naturforschende Gesellschaft. Jahresbericht 64. 1878. — Kleine Schriften 18. Prestel Temperaturen 1836 — 77. Erlangen : Physikalisch-medizinische Societät. Sitzungsber. Heft 11. Nov. 78 — Aug. 79. Frankfurt a. 1: Physikalischer Verein. Jahresbericht 1878 — 79. — Senkenbergische Gesellschaft. Bericht 1879 — 80. Freilmrg im Dreisgau: Naturforschende Gesellschaft. Berichte. Bd. 7, Heft 4. Fulda: Verein für Naturkunde. Bericht 1 — 6, 1880. liera: Gesellschaft von Freunden der Naturwissenschaft. Schriften nicht eingegangen. (.icssHi: Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. Bericht 18 — 19. XXVIII I rerzeichniss eingegangener Schriften . Görlitz: Naturforschende Gesellschaft. Schriften nicht eingegangen. Göttinnen: König1!. Gesellschaft der Wissenschaften. Nachrichten, 1879. Halle: Naturforschende Gesellschaft. Bericht, 1879. — Giebel u. Sie wert. Zeitschrift für die ges. Naturw. 3te Folge. 1879. Bd. 4. Hamburg: Naturwissensch. Verein zu Hamburg- Altona. Verhandl. 1879, Abhandl. 7, lte Abth. — Verein für naturwissensch. Unterhaltung. Schriften nicht eingegiingen. Ilanan: Wetterauische Gesellschaft für Naturkunde. Bericht von 1873 — 1879. Heidelberg : Naturhistorisch-medizinischer Verein. Verhandl. Bd. 2, Heft 5. Kiel: Naturwissensch. Verein für Schleswig-Holstein. Bd. 3, Heft 2. Königsberg i. Pr. : Königl. physikal. -ökonomische Gesellschaft. Jalirg. 18, 19, 20, 21. Abth. 1. Landshut: Botanischer Verein. Bericht 7, 1878 — 79. Leipzig: Naturforschende Gesellschaft. Schriften nicht eingegangen. Lüneburg: Naturw. Verein für das Fürstenthum Lüneburg. Schriften nicht eingegangen. Magdeburg: Naturwissenschaftl. Verein. Schriften nicht eingegangen. Mannheini: Verein für Naturkunde. Sc' riften nicht eingegangen. Marburg: Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Natur¬ wissenschaften. Bericht 1878 u. 79. Metz: Societe d’histoire naturelle du Dep. de la Moselle. Schriften nicht eingegangen. Müuehen: Akademie der Wissenschaften math.-physik. Klasse. Sitzungsber. 1879, Heft 2 u. 3. 1880, Heft, 2, 3 u. 4. Münster: Westphälischer Verein für Wissenschaft lind Kunst. 8ter Jahresbericht, 1879. Verzeichnis* ein '. c', d' : Dieselben von der Unterseite. i Scalpellum fossula Darw. a: ein linksseitiges Scutum von der Oberseite. | 0, ° Yergr. 2 i a': Dasselbe von der Unterseite. 1 1 b: ein rechtsseitiges Tergum von der Oberseite.'« b‘: Dasselbe von der Unterseite, c: ein rechtsseitiges Carinal-Latus von der Oberseite. t* : Dasselbe von der Seite gesehen, d. e: Stielschuppen verschiedener Form von der Oberseite. d', e': Dieselben von der Unterseite. Scalpellum depressum Marss. a: Tectum vom Bruchstück einer Carina, b: Durchschnitt des unteren Theils. c: Durchschnitt aus dem oberen Tlieil eines anderen Bruchstücks. Scalpellum solidulum (Steenstr.). a: ein Carinal-Latus von der Oberseite, a' : Dasselbe von der Unterseite. Taf. 11. Pollicipes fallax Darw. a, b, c : untere Latera in verschiedener Form von der Oberseite. a', b‘, c': Dieselben von der Unterseite, d. e, t : Stielschuppen von der Oberseite. d\ c‘, f' : Dieselben von der Unterseite. Pollicipes cancellatus Mrss. a: eine Carina von der Oberseite. \ y. 0 a' : Dieselbe von der Unterseite. ) 6 > Yergr. f. i Yergr. -f. Yergr. f. Yergr. > Yergr. -f. 50 M ar s s on : Die Cirripedien und Ostracoden etc. Vergr. 3 0 T ‘ V ergr. 3 0 T 4_Ü \ * Yergr. 3i°. Fig. 8. Cytherella William soniana Jones, a: glatte Form, rechte Klappe, b: linke Klappe. c: linke Klappe vom Rückenrande gesehen, d: var. Bosqueti, rechte Klappe, e : linke Klappe derselben. Fig. 9. ßairdia subdeltoidea (v. Miinst.). a: rechte Klappe der var. denticulata. Vergr. 3T° b: oberer Rand derselben stärker vergr. 7T5. Taf. III. Fig. 10. Cythere saccata Marss. a: rechte Klappe von aussen, b: dieselbe von innen, c: dieselbe vom Rückenrande gesehen, d : linke Klappe von innen, e: rechte Klappe von vorne gesehen, unten er¬ kennt man daran den obersten Zahn, f : der vordere Zahn stärker vergr. Fig. 11. Cythere acutiloba Marss. a: linke ^Klappe. 1 b: Schale vom Bauche gesehen. i Fig. 12. Cythere l'iiicosta Marss. a: linke Klappe. ( b: Schale vom Rücken gesehen. j Fig. 13. Cythere chelodon Marss. a: rechte Klappe. b: linke Klappe. f c: die Schale vom Rücken gesehen. ) ^ eror- d: die Schale von vorne gesehen, e: die rechte Klappe vom Schlossrande gesehen f: der vordere Schlosszahn stärker vergr. 7T5. Fig. 14. Cythere acanthoptera Marss. a: linke Klappe. j b: rechte Klappe vom Rückenrande gesehen. Vergr. \° c: rechte Klappe von vorne gesehen. ) Fig. 15. Cythere umbon ata (Will.) a: rechte Klappe. j b: dieselbe vom Rückenrande gesehen. J Yergr. 3r° c: dieselbe von vorne gesehen. 7 Fig. 16. Cythera pedata Marss. a: rechte Klappe b: linke Klappe der var. laevis. } Yergr. 3r° c: Schale der var. laevis vom Rücken gesehen. V ergr. 3 0 r • 3 0 I' Ein Elektromagnet von ungewöhnlicher Grösse. Von Prof. Di. v. Feilitzsch und Di. W. Holtz. Hierzu Taf. IY. Durch einen Gelegenheitskauf war das physikalische In¬ stitut hiesiger Universität in Besitz einer grösseren Quantität Kupferband und Kupferdraht gekommen. Dieses Material glaubten wir nicht besser verwenden zu können als zur Her¬ stellung eines möglichst grossen Elektromagneten. Unser Vorhaben wurde jedoch lange verzögert durch die Schwierig¬ keit, einen geeigneten Eisenkern zu gewinnen, denn diejeni¬ gen Werkstätten, welche überhaupt die Bestellung annehmen wollten, veranschlagten die Kosten auch für ungleich geringere Dimensionen, als wir in’s Auge gefasst hatten, zu solcher Höhe, dass wir nicht glaubten, die Ausgaben unserem, mit recht geringen Mitteln ausgestatteten Institut zumuthen zu dürfen. Es lag nahe, den Eisenkern aus drei Stücken zu konstruiren, so zwar, dass zwei massive Cylindor auf eine starke eiserne Basis aufgeschraubt, statt der gewöhnlichen Hufeisen zur Verwendung kommen. Doch nahmen wir davon sofort Abstand, denn es zeigten uns in kleinen Dimensionen ausgeführte Vorversuche, dass an den, auch mit grösster Vor¬ sicht hergerichteten Berührungsstellen zwischen den mit dem magnetisirenden Spirale umwundenen Cylindern und dem davon frei gebliebenen Querstück sich stets Pole nachweisen ö* 52 Fr. v. Feilitzsch und Fr. Uoltz: Hessen. Es liegt aber auf der Hand, dass dadurch die beab¬ sichtigte Wirkung eine erhebliche Einbusse erleidet gegenüber solchen Magneten, bei denen ein ununterbrochener hufeisen¬ förmig gebogener Cylinder verwendet wird. Endlich ent¬ schlossen wir uns, den Kern aus einzelnen Eisenlamellen herstellen zu lassen, die in ihrer ganzen Länge ohne Unter¬ brechung verlaufen, und glauben dadurch mit den, verhält- nissmässig nur geringen Kosten von beiläufig 500 Mark, Xach- ahmenswürdiges in folgender Weise erreicht zu haben. Es wurden 28 Streifen von bestem 7 mm dickem Eisen¬ blech in solcher Breite geschnitten, dass dieselbe jeweilig den auf der beabsichtigten Hufeisenfläche senkrechten Sehnen eines Kreises von 195 mm Durchmesser entspricht. Diese Streifen wurden im Feuer sprenkelförmig gebogen und sorgfältig gegeneinander gefügt, so dass sie in ihrer Gesammtheit ein cvlindrisches Hufeisen von 195 inm Durchmesser und 125 cm Höhe, gemessen von der untersten Biegung bis zur gemein¬ schaftlichen Ebene beider freier Enden, darstellen. Der von Mitte zu Mitte gemessene Abstand der freien Polflächen be¬ trägt 596 mm. Besteht nun aber demgemäss der Magnetkern nicht aus einem massiven Stück, so war es wünsc-henswerth, auch die dadurch erwachsenden Vortheile bezüglich der Extra¬ ströme nicht zu vernachlässigen. Desswegen waren die ein¬ zelnen Lamellen vor ihrer Zusammenfügung auf den einander zugewandten Flächen lackirt worden, und wurden zunächst, um ein Verschrauben derselben zu vermeiden, nur interimi¬ stisch mit starken Drahtbändern an verschiedenen Stellen gegeneinander gepresst und so die Gesammtform gewahrt. Dann wurden die mit der Magnetisirungsspirale zu umlegen¬ den Theile unter geeignetem Lösen und Wiederherstellen der Bänder mit der Feile bearbeitet, bis durch Beseitigung der vorspringenden Kanten die beabsichtigte Cylinderform erreicht war. Das Gewicht des derart gewonnenen Eisenkernes be¬ trägt 628 Kilogramm. Dieser Eisenkern wurde nun mit der Biegung nach unten in einem Kasten von 50 mm starken eichenen Bohlen, der im Lichten 870 mm lang, 255 lum breit und 295 mra tief ist, aufgerichtet und in demselben nach Wegnahme der daselbst vorhandenen Drahtbänder mittelst Cement und Ziegelsteinen eingemauert. Ein Elektromagnet von ungewöhnlicher Grösse. 53 Der Kasten steht behufs leichteren Transportes auf eisernen Kadern mit breiten Reifen, und aus demselben ragen die graden Schenkel des Hufeisens 960 mm weit hervor. Demnächst wurden auch die provisorischen Bindedrähte an den freien Enden nach einander beseitigt, und durch einen sehr festen Hanfgurt ersetzt, welcher, Lage bei Lage aufgewunden, die ganzen Cy linderflächen bedeckt, und mit Siegellacktirniss getränkt, noch den weiteren Vortheil bietet, dass er jede Be¬ rührung zwischen dem Eisen und der Magnetisirungsspirale sicher verhindert. Anlangend ferner die Magnetisirungsspirale, so sollte so¬ wohl Kupferband als Kupferdraht zur Verwendung kommen. Das Bandkupfer im Gewicht von 100 Kilogramm wurde in Ringe zu je 15 Windungen mit zwischengelegten Guttapercha¬ streifen vertheilt. Diese wurden über die Eisencylinder ge¬ streift und nachmals ihre Enden so mit einander verlöthet, dass alle eine fortlaufende Leitung bildeten. Der vorhandene Draht im Gewicht von 175 Kilogramm war tlieils mit Wolle, theils mit Baumwolle umsponnen, und tlieils in Schellack tlieils in Wachs getränkt. Er hat 2 mm Durchmesser, und es wurden immer zwei Drähte neben einander aufwärts und ab¬ wärts gewunden , mit Zwischenfügung von starkem Papier zwischen jede Lage. Derart entstanden ausser den Bandrin¬ gen 5 Doppellagen, jede von 2 Drähten, und jede derselben bietet ungefähr den gleichen Widerstand dar, wie die ge¬ lammten Kupferbandwindungen. Um nun alle diese Draht¬ schichten nach Bedürfniss mit einander verbinden zu können, stehen auf dem Kastendeckel zwischen den Magnetschenkeln zwei Säulen, welche je 9 (sieben derselben sind jedoch nur verwendet) durch Holz von einander isolirte Metallringe tra¬ gen, deren jeder mit zwei Klemmschrauben zur Aufnahme der Drahtenden versehen ist. Die letzten führen zu einem Kommutator, der dem magnetisirenden Strom Existenz und Richtung verleiht. Auf die Polenden sind 2 Eisenplatten von 33 mm Dicke aufgeschliffen und sind behufs Veränderung des Magnetfeldes gegen einander verstellbar. Sic laufen nach innen verjüngt zu und können noch mit eisernen Spitzen versehen werden. Längs derselben sind lln,m breite und tiefe Rinnen einge- 54 l)r. v. Fe ilitz s c h und Dr. Holtz: hobelt, und an den äusseren Enden tragen sie Klemmschrau¬ ben zur Befestigung verschiedener Utensilien, z. B. nicol’scher Prismen, bei Anstellung des faraday 'sehen optischen Versuchs. Eigur 1 auf Tafel IV stellt den so gewonnenen Elektro¬ magneten in etwa TV der Abmessungen dar. Zur besseren Vergleichung mit den grössten bisher beschriebenen Magneten, nämlich denen von Faraday (Exper. Res. N. 2192, 2246 und 2247) und dem, welchen Plticker konstruiren liess (Poggen- dorffs Annalen Bd. 72, S. 315 (1847) und Bd. 73, S. 549 (1848)), diene die folgende Zusammenstellung. Polab¬ stand. Mittlere Länge des Kerns. Durch¬ messer des Kerns. Gewicht des Kerns. Querscli. des Drahts. Zahl der Draht¬ schich¬ ten. Gewicht des Drahtes. mm. mm. mm. Kilo. [] mm. Kilo. Earadav’s Wool- wich-Rolle. Stab¬ magnet. 711 63,5 17,8 14,52 4 19,5 Faradav's Hufei- t / senmagnet. 152 1168 95,25 64,8 14,52 3 20,3 Pliicker 's Hufeisen¬ magnet. v84 1320 102 84 14,93 3 35 Greifswald er Huf¬ eisenmagnet. 596 2706 195 628 6,28 25*) 275 Zur bequemeren Anstellung verschiedener Versuche wur¬ den noch weitere Einrichtungen getroffen, die in den Neben¬ figuren der Tafel IV dargestellt sind. Wie in Eig. 4 befindet sich zwischen den Magnetschenkeln ein möglichst stabiler eichener Tisch, bestehend vorn und hinten aus massiven Brettern, welche oben und in der Mitte durch zwei ebenfalls starke Bretter verbunden sind. Letztere sind dreieckig durch¬ brochen zur Aufnahme und Führung eines starken dreieckigen Holzprismas; welches seinerseits eine kleine Tischplatte trägt, und mit derselben nach Bediirfniss gehoben und gesenkt und mittelst einer starken Metallschraube in jeder Lage fest¬ gestellt werden kann. Auf der obersten festen Platte befindet sich noch ein zweiter Kommutator, der ebenfalls mit der *) Und zwar 15 übereinander liegende Windungen der Bandspirale und 10 Drahtlagen. Ein Elektromagnet von ungewöhnlicher Grösse. 00 Batterie und den Drahtlagen in Verbindung steht, und dann bequem gehandhabt werden kann, wenn ein häufigerer Strom¬ wechsel wünschen s werth wird. Um sehr rasche Rotationen im Magnetfeld hervorzubrin¬ gen, dient die in den Figuren 3 und 5 dargestellte Vorrich¬ tung. An dem vorderen Tischbrett befindet sich ein mit der Hand in vertikaler Ebene drehbares Messingrad von 355 ram Durchmesser, welches mittelst Schnurlauf seine Bewegung auf ein zweites darunter befindliches Rad mit doppelter Ge¬ schwindigkeit überträgt. Von der grösseren Peripherie des letzteren geht abermals eine Schnur über Rollen zu einem (in Fig. 3 dargestellten) horizontalen Rad, auf dessen vertikaler Axe die unter Einfluss des Magnetismus in Bewegung zu setzenden Körper aufgeschraubt werden und mit einer gegen die ursprüngliche Bewegung verzehnfachten Geschwindigkeit rotiren. Wird zum Beispiel ein kleiner Kupfercvlinder mit 40 Gramm leichtflüssigem Wood’schen Metall aufgeschraubt, so schmilzt das letztere bei Anwendung von etwa 50 kleinen grove-poggendorff’schen Elementen in weniger als 2 Minuten. Werden bei diesem Versuch die Polenden zu sehr (etwa bis auf 2 oder 3 Millimeter) angenähert, so ist der durch die Induktionsströme hervorgerufene Widerstand so erheblich, dass auch bei stärkster Spannung die Schnüre in den ausgekerb¬ ten Radkränzen schleifen, und eine raschere Rotation unmög¬ lich wird. Um die Wirkung des Rotationsmagnetismus einer grösseren Zuhörerschaft augenfällig zu machen, wurde der kleine Apparat Fig. 2 construirt. Auf die angenäherten Polplatten wird ein kleiner Tisch gesetzt, und dieser trägt eine um eine horizon¬ tale Axe drehbare mit schwarzen und weissen Sektoren be¬ male Kupferscheibe. Dieselbe wird mittelst einer um die Axe laufenden Schnur und durch ein Gewicht in rascheste Drehung versetzt, und bewegt sich ungehindert zwischen den unthätigen Polen. Sobald aber der Strom geschlossen wird, verfällt die Scheibe in eine so langsame Rotation, dass sie fast stillzustehen scheint. An Axe und Umfang der Scheibe können schleifende Federn mit Klammerschrauben angelegt werden, um die ursächlichen Induktionsströme am Multipli¬ kator nachzuweisen. 56 Fr. v. Feilitzsch und Fr. Iloltz etc. Von anderen Versuchen mögen nur die folgenden er¬ wähnt werden: Zur Magnetisirungsspirale wurde eine Neben¬ schliessung angebracht und in diese ein etwa -J Meter langer Platinadraht von 0,065 mm Durchmesser eingeschalten. Der Widerstand desselben war so erheblich, dass er unter diesen Umständen und bei Anwendung von 50 der genannten Ele¬ mente kaum eine durch die Hand wahrnehmbare Erwärmung erfuhr. Bei Unterbrechung des primären Stromes wurde je¬ doch der Drath in Folge des Extrastromes unter heftigem Funkensprühen sofort verflüchtigt. Die magnetische Drehung der Polarisation sebene im fa- raday'schen Flintglas ist bekanntlich schwierig, bisweilen nur nach mehrmaligen Reflectionen zu sehen. Wir bedienten uns eines prismatischen Stückes von 97 mm Länge mit paral¬ lelen Endflächen, und konnten die gewünschte Drehung mit der grössten Deutlichkeit bei nur einmaligem Durchgang des polarisirten Lichtes beobachten. Bei Anwendung von Zucker¬ lösung in einer 20 cm langen Bohre drehte sich die Polarisa¬ tionsebene beim Stromwechsel aus Roth in helles Blau. Die magnetische Wirkung auf Flüssigkeiten, Gase und Flammen, sowie die gewöhnlichen Erscheinungen des Dia- magnetismus, die Einstellung der Magnekrystallaxen gegen nähere und fernere Pole, die Anziehungs- und Abstossungs- erschein ungen bei Anwendung der Drehwage u. s. w. können mit so voluminösen Objekten dargestellt werden, dass sie im grössten Auditorium sichtbar werden. Greifswald, 1. Nov. 1880. Ueber elektrische Figuren pulverartiger Körper in isolirenden Flüssigkeiten und eigenthümliche polarunterschiedliche Anhäufungen beider unter dem Einfluss strömender Elektricität. (Hierzu Tafel V.) Von Dr. W. Holtz. Die nachfolgenden Versuche sind von mir vor längerer Zeit bereits, freilich nur andeutungsweise, an einem andern Orte besprochen*). Inzwischen habe ich mich bemüht, die¬ selben zu vervollständigen und die am meisten characteristi- schen Erscheinungen in einer Reihe von Abbildungen zu fixircn. Eine speciellere Betrachtung möchte um deswillen wohl erwünscht sein, weil die Versuche so einfach sind, dass sie Jeder leicht mit geringen Mitteln wiederholen kann, wäh¬ rend andrerseits die fraglichen Erscheinungen durch ihre Ver¬ wandtschaft mit anderen noch ungelösten Problemen ein grösseres Interesse beanspruchen dürften. Literatur. Elektrische Figuren pulverartiger Körper sind meines Wissens bisher nur in luftförmigen Medien beobachtet, und hier sind es die sogenannten Lichten b er g’schen Figuren, denen namentlich eine grosse Zahl von Untersuchungen ge¬ widmet ist. Dieselben galten in der gewöhnlichen Art ihrer Darstellung lange als ein sicheres Unterscheidungszeichen *) PoggendorfT, Annalen, Ergänzungsbd. 7 ; 1876. 58 JE Holtz: lieber elektrische Figuren pulverartiger Körper etc. der beiden Elektricitäten, bis von Bezold zeigte, dass man die ringförmige Figur durch Verzögerung der Entladung mehr oder weniger vollkommen mit beiden Elektricitäten gewinnen könne*). Freilich war schon früher von Schneider, aber unter eigenthümlichen Versuchsbedingungen, constatirt, dass wenn auch nicht die gewöhnliche strahlenförmige, so doch eine formell verwandte Figur gleichfalls mit beiden Elektrici¬ täten zu gewinnen sei**) Ueber Bewegungen von Flüssigkeiten unter den Einfluss lströmender Elektricität liegen eine grosse Zahl von Abhand¬ ungen vor, wenn wir die bekannten Erscheinungen der „Endosmöse“ mitrechnen wollen. Hiervon sehe ich jedoch ab, da es sich im Folgenden weder um eine galvanische Strömung, noch um besser leitende Flüssigkeiten, noch um die Abschliessung zweier Flüssigkeitshälften durch Diaphragmen handeln soll. Viel näher dem Folgenden stehen die Versuche von Quincke, welcher neben galvanischen auch reibungs¬ elektrische Ströme wirken liess und neben besser leitenden auch mehr oder weniger isolirende Flüssigkeiten benutzte, welche in enge Glasröhren eingeschlossen, aber durch kein Diaphragma geschieden waren***). Derselbe fand, dass sich die Flüssigkeit nicht immer im Sinne der positiven Elektricität, wie man bisher an nahm, sondern je nach ihrer eigenen und der Natur der Röhrenwand auch im entgegengesetzten Sinne bewege, und dass die bewegte Menge im Uebrigen, wie es VViede- mann schon für die „Endosmose“ erwiesen f), in gleichem Verhältniss mit der Stromintensität und dem Widerstande der Flüssigkeitssäulen wachse. Derselbe Forscher untersuchte gleichzeitig die durch strö¬ mende Elektricität bewirkte Bewegung respective Fortführung von in Flüssigkeiten suspendirten pulverartigen Substanzen, und fand, dass auch diese je nach ihrer eigenen und der Natur der Flüssigkeit sowohl im Sinne der positiven Elektri¬ cität, als in entgegengesetzter Richtung fortführbar seien. *) Poggondorff, Annalen, Bd. 14f, 1861. **) Be figuris elcctricis; dissertatio ; Bonn, 1840. ***) Poggendorff, Annalen, Bd. 113, 1861. f) Wiedemann, Galvanismus, 1, S. 378. W. Iloltz: Leber elektrische, Figuren pulverartiger Körper etc. 59 Auch bei diesen Versuchen wurden galvanische, wie reibungs¬ elektrische Ströme, leitende wie mehr oder weniger isolirende Flüssigkeiten, und zur Aufnahme letzterer, wie oben, enge Glasröhren benutzt. Zur Erklärung gedachter Erscheinungen glaubt Quincke annehmen zu sollen, dass sicli in den beweglichen Theilchen fort¬ während Contactelektricität erzeuge, in den Flüssigkeitstheil- chen durch ihre Berührung mit der Röhrenwand, in den suspendirtcn pulverartigen Substanzen durch ihre Berührung mit der Flüssigkeit, in welcher sie schwimmen. Ein solcher¬ gestalt elektrisirtes Theilchen werde voraussichtlich in dem¬ selben Sinne fortgetrieben, als die gleichnamige Elektricität der äussern Elektricitätsquelle die Flüssigkeitssäule durch¬ ströme. Von einer weiteren Betrachtung der Qui nc-ke’schen Versuche meine ich Abstand nehmen zu dürfen, da es sich im Folgenden weniger um eine Fortführung beweglicher Theilchen, als vielmehr ihre eigenthümliche Gruppirung in der Nähe der Elektroden handeln soll, auch die hier vorlie¬ genden Versuchsbedingungen wesentlich von den dortigen ab weichen, sofern ich die betreffenden Substanzen nicht in engen Röhren, sondern in weiten Gelassen der Elektrisirung unterwarf. Vorbemerkungen. Zur Elektricitätsqm Ile bediente ich mich einer gewöhn¬ lichen Influenzmaschine d. h. einer solchen, welche eine constante und nicht etwa eine discontinuirliche Strömung liefert. Disruptive Entladungen dürften möglichst zu vermei¬ den sein, weshalb man bei den Versuchen auch keine Con- densatoren benutzen darf. Andererseits dürfte man die meisten Versuche, wenn auch unbequemer und weniger vollkommen, auch mit einer Reibzeugmaschine anstellen können. Im Ganzen handelt es sich weder um grosse Quantität noch um hohe Intensität der elektrischen Wirkung. Die meisten Erscheinungen lassen sich ganz im Gegentheil am besten gewinnen, wenn man die Maschine so langsam, als nur irgend möglich dreht. Man wird durchschnittlich das Richtige treffen, wenn man die Kurbel in drei Sekunden etwa 60 w. iio Itz: Lieber elektrische Figuren pulverartiger Körper etc. mir eine einzige Umdrehung machen lässt. Wohl aber ist eine Hauptbedingung, dass die Bewegung eine möglichst gleichmässige ist, und dass die Scheibe nicht etwa auf kurze Zeit eine rückgängige Bewegung macht. Um diese Bedin¬ gung bei so langsamer Rotation zu erfüllen, ist freilich — bei Anwendung einer Influenzmaschine wenigstens — eine gewisse Uebung erforderlich. Will man bei verschiedener Form der Elektroden ihre Polarität wechseln, so kehrt man den Strom der Maschine in bekannter Weise um, oder man dreht die Kurbel rückwärts, was, auf kurze Zeit wenigstens, dieselbe Wirkung zur Folge hat. Zur Aufnahme der Flüssigkeit wandte ich Glasgefässe von 6 — 9 Centimeter Weite und je nach Umständen von 3 — 15 Centimeter Höhe an. Es ist nicht unwesentlich, dass dieselben gute Isolatoren sind; deshalb rathe ich die Versuche nur mit erprobten Gläsern und auch dann nur in geheizten Räumen zu wiederholen. Da isolirende Gläser in der Neuzeit immer seltener werden, so mag es nicht überflüssig sein, auf die Firma Warmbaum & Quilitz in Berlin als Bezugs¬ quelle für gedachte Zwecke zu verweisen. Statt der flachen Glasgefässe kann man sich übrigens auch aushülfsweise dieser oder jener Porzellan schalen und selbst der gewöhnlichen Untertassen bedienen. Der Mangel genügender Höhe oder der Mangel einer graden Bodenfläche tritt hier freilich mancher Erscheinung erschwerend in den Weg. Leicht verdampfende Flüssigkeiten muss man behutsam eingiessen, auch darf man sie nicht zu lange dem Versuche unterwerfen, wenn sie nicht ihre sonstigen characteristen Ei¬ genschaften verlieren sollen. Dies geschieht daher, weil sich an ihnen leicht Wasserdampf condensirt, der sie selbst und zugleich die innere Gefässwand ihrer Isolationsfähigkeit be¬ raubt. Durch mehrfaches Umgiessen werden solche Flüssig¬ keiten natürlich noch in höherem Grade leitend. Zuweilen sind sie es auch schon frisch bezogen, weil der Verkäufer nicht immer absolut reine und trockene Behälter wählt. Eine ge¬ wisse Flüssigkeit aber, nämlich Schwefeläther, findet sich nur selten wasserfrei im Handel vor. Man muss für den vor¬ liegenden Zweck ausdrücklich wasserfreie Waare fordern. Aus ähnlichen Gründen muss man die zu benutzenden W. Holtz: lieber elektrische Figuren jnilver artiger Körper etc. Ö | piüverartigen Substanzen, welche ja sämmtlic-h mehr oder weniger hygrosc-opisch sind, vor jedem Versuche erwärmen, aber selbstverständlich nicht erhitzen, da sie, theilweise wenig¬ stens, hierdurch andere Eigenschaften gewinnen würden. Die meisten Pulver darf man in der Flüssigkeit nicht längere Zeit aufbewahren, da sie auch dort, wo sie sich nicht auf- lösen , doch eine gewisse Aenderung zu erfahren scheinen. Sie zeigen sich dann mehr und mehr indifferent, einmal in ihrem Leitungsvermögen, dann in ihrem polarunterschiedlichen Verhalten Bei einzelnen findet eine derartige Veränderung schon während der kurzen Zeit ihrer Anwendung statt. Zur Einführung der Elektricität in die Flüssigkeit sind je nach Umständen verschieden geformte Ueberleiter nöthig. Dieselben wählt man am besten von 4 — 6 Millimeter Dicke damit in der Luft zwischen ihnen möglichst keine Aus¬ gleichungen entstehn. Letztere haben einmal den Nachtheil, da s sie die Constanz der Strömung unterbrechen, dann, dass sie bei leicht entzündlichen Flüssigkeiten eine Zündung be¬ wirken können. Will man nur einige oberflächliche Versuche anstellen, so mag man sich gleichwohl gewöhnlicher Drähte bedienen, welche leichter zu beschaffen und bequemer zu formen sind. Sollte bei solcher Gelegenheit eine Flüssigkeit entzündet werden, so braucht man nur vorsichtig die Drähte herauszuheben und die Schale zu verdecken. Bei manchen Versuchen ist es nicht wohl zu umgehen, dass Flüssigkeitstheilchen durch elektrische Einwirkung staub¬ förmig aus dem Gelasse geworfen werden. Ich möchte nicht unterlassen, daran zu erinnern, dass man unter Umständen die Politur der Maschine vor deren Einwirkungen schützen muss. Figuren in . Th Marssurv. C F Schmidt. Lüh Th. AlarssoR: Cirripedieu u.Ostracoden d. Rügens chen Kreide. Taf. E. 6. Polliripes lallax Dam 7. P. cancellatus Marss. 8. Cvlhrrella Williamsoniana .Ion. 9 Bairdia subdclloidea (Münsl.) var. M i Itheil . a. d. naturw. Verein v. Neil Vorpom morn u. Rügen. 7i d Mtiur yc*. v Jh Mas'son. q jr Schmidt, Jäh. Taf.UL Th.Marsson. Ostracoden d. Rügenschen Kreide. 10. (’vfherc saccata Marss. 11. (’. •aruliloba. Marss. KM filicosta Marss. 13 (' rhelodon Marss 11. C aeanlhoptrra Marss. IM umboiiata (Willi Ifi.l pedata Marss. Miltheil. a. d. nalurw. Verein v. Neu Vorpommern u. Rügen. n d Natur jrr v Th Marrson O.Feilitzsch u.Bolfz. Ein Elektromagnet von nn gewöhnlicher Gröfse Mi tt heil. a. d. naturw. Verein v. Taf. 11 i -Vorpommern u. Rügen C. F. Schmidt lith. W. Holtz. Elektrische polarnntersehiedliclie Anhäufungen and Fi Mit (heil. a. d. naturw. Ver Taf.V. f\9 -9- Fic/ /£ F Scbntid * litJi L.Landois, Brütapparat , Taf.rn Mittheil. a. d.naturw. Verein v. Neu Vorpommern u. Rügen. 41. (