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B y - ß \ e a Be u \ “ F # [7 vr.» - F r ie u E % = = 2 2 ’ MercE, nz - j De > Y rn R I - ‚ ü h er, _ ı “ f 7 R f PR” ’ N ‘ . » = ” pe I “ hl a f - nf Be rt 2 ‚ . i 5 Prpurs * g } ) ar" N % S Y B \ L \ 7 » ] .. = Br 4 ar f ni d z “ .% af I & * u, - Dr" Due ne ze u EHER ee ee ‘ . N a f . ER e 4 u „> Mittheilungen der Naturforschenden Gesellschaft in Bern aus dem Jahre 1885. nn IL.öBelt; - Redaktion: Dr. phil. I. M. Graf. ee I . Bern. (In Commission bei Huber & Comp.) Buchdruckerei Paul Haller, vormals Haller'sche Buchdruckerei. DR 1 885. ne Er a er - VoRsL r Be i 2 i 3 AU ET a . a | Urs f % ' F a Wr * 4 x ? = B Pi $ vX In ER ve # k: = z % : N, $ 3 “,t k R . ı 5 ax ; r I 2 Hr % 2 Ir R >. 4 ;F u > PER “ ‚ Be Kr % Ä #,% ar Be. | > x ch Ku; EEE BUND f ER r ä 4 Pepe ar Pat Ei ip Br RE "y „ ir 24 fer > Ber ; Er r c = j : er E X; ”” BE KR: . $ Ar P er ? Fi A : S ME 5 Fu + « \; k Dr, Familien, L Vitoria, Dr. ie, Mr 3 . Beiträge zur ne der Birnfurchen. bei den Eee Br Carnivoren und den Primaten im Anschlusse an » u . Untersuchung eines Löwen-Gehirns. Mit 33 aren. £ 14 22 ® z 2 nee ‚Edm., Dr. phil., Bergingenieur, RR Ss ; Ueber ein neues nee von Berskrgeta in der 1% ‚Schweiz En h er). > en E Fhietey. Schnell, 2 Apotheker ne Gr ser ee) r e Aus dem Gebiete te der ns chemie N AR Se . Mützenberg, Ernst, Dr. med., ss. Ueber das Vorkommen ib, realen Welle i in der i & 2: Garotiseurve. Mit 2 Tafeln " . .......; VE Ad . Thiessing, Dr., Journalist, sk are im Jura er. RN a im Kanse an ‚der Di N er beginnen. wieder mit pag. 1, 0 1885 Auen, ze zu beac len & Bes Om A Ernst Mützenberg. Ueber das Vorkommen der vascul&ren Welle in der Carotiseurve *). Theilweise vorgetragen in der Sitzung vom 9. Mai 1885. Während in der Diagnostik der alten Aerzte der Puls eine Hauptrolle gespielt, ja zur Erkennung der ver- schiedenen Krankheitsphasen beinahe den einzigen An- haltspunkt geboten, trat derselbe nach der Einführung der Thermometrie hinter diese zurück, da letztere für die Erkenntniss einer Menge pathologischer Zustände, vorab aller fieberhaften, viel sicherere und objektivere Zeichen gewährte, als die damals allein gebräuchliche palpatorische Untersuchung des Pulses, die ausser der Grösse und Frequenz der Pulswelle dem nicht sehr ge- übten Untersucher wenig Sicheres leistete. Erst nachdem die Medicin sich neue Hülfsmittel zur Beobachtung des Pulses verschafft hatte, als man im Stande war, denselben als objektives Bild zu fixiren, hat sich die Pulslehre eines neuen Aufschwungs zu erfreuen gehabt; namentlich ist es der Sphygmographie gelungen, das treueste Abbild der Pulsschwankung zu liefern. Diese besonders von Marey geförderte Art und Weise, die Ar- terienbewegung als eine Curve zu fixiren, die in ihren auf- und absteigenden Schenkeln sämmtliche Bewegungs- *) Die der vorliegenden Arbeit zu Grunde gelegten Unter- suchungen wurden im Laboratorium der Irrenanstalt Prefargier (Kt. Neuenburg) unter der Anleitung von Herrn Dr. G. Burckhardt, Direktor der Anstalt, aufgenommen. Ich benutze hier die Gelegen- heit, ihm dafür, sowie für das gütigst überlassene Material, die aus- giebige mir zur Verfügung gestellte Literatur und die vielfachen Rathschläge meinen wärmsten Dank abzustatten und ebenso alien 'Uebrigen, die mir das Zustandekommen der Arbeit erleichtert haben, namentlich Herrn Prof. Kronecker in Bern, für seinen mannigfachen Rath meine tief empfundene Erkenntlichkeit auszusprechen. Der Verfasser. Bern. Mittheil. 1885. Nr.: 1119; I ER vorgänge im Arterienrohr, seien sie lokal oder central bedingt, auf’s Genauste wiedergibt, hat die Pulslehre wieder gehoben und zu einer Menge neuer Beobachtungen, neuer Ergebnisse geführt. Wenn auch praktische Gründe die Sphygmographie noch nicht so verallgemeinert haben, wie es ihre Wichtigkeit erheischte, so haben doch die damit in physiologischen und pathologischen Laboratorien gemachten Experimente ihren Werth allseitig anerkennen lassen, zumal der Cirkulationsapparat mehr ais irgend ein anderes organisches System die allgemeine Körper- beschaffenheit wiederspiegelt. Besonders aber hat die Psychiatrie, diejenige medieinische Disciplin, die bisher noch am Meisten der pathologisch-anatomischen Grund- lagen entbehrt, die namentlich in den letzten Jahrzehnten nach Massgabe ihrer inneren Entwickelung und der Zu- nahme ihres wissenschaftlichen Charakters um so eifriger nach objektiven Grundlagen gesucht, mit Begierde nach der Sphygmographie gegriffen und dieselbe in ihren Dienst gezogen. Von der Thatsache ausgehend, dass die Cirku- lation für die Ernährung des Gehirns das massgebende Moment ist, dass von dem Ernährungszustand desselben dessen physiologischer, event. pathologischer Charakter abhängt, glaubte man aus der Art und Weise, in der .ie Blutbewegung vor sich geht, aus den Erscheinungen, die dabei an Herz und Blutgefässen zu beobachten sind, auf die die Cirkulationsorgane beherrschenden Innervations- centren und aıf das von jenen mit Blut versorgte Gehirn rückschliessen zu dürfen. Von diesem Gedanken geleitet, hat namentlich Wolff*) genaue Beobachtungen über den Charakter des Pulses beim gesunden und kranken, spe- *) Wolff, Beobachtungen über den Puls bei Geisteskranken. | Be Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie, Bd. 24—26. Kr} nr 2 RR ziell geisteskranken Menschen angestellt, und ist dadurch zu neuen interessanten, freilich vielfach bestrittenen Schlüssen gelangt. Nach ihm ist der Puls bei normaler Temperatur trikrot; steigt die Temperatur, tritt Fieber auf, so verliert derselbe seinen trikroten Charakter und geht über in den dikroten, der um so ausgesprochner wird, je höher die Temperatur. Dieser Parallelismus zwischen Puls und Temperatur charakterisirt den nor- malen Verlauf akuter fieberhafter Krankheiten. Ist dieser Parallelismus gestört, so haben wir es mit einer Krank- heit oder Krankheitsperiode zu thun, in der die Bethei- ligung des Centralnervenapparats ungewöhnlich gross und gefahrbringend ist. Gestört finden wir dieses gegenseitige Verhältniss mehr oder weniger bei fieberhaft verlaufenden Krankheiten des Nervensystems. Dauernd bleibt die Störung bei den zur Rückbildung unfähig gewordenen Psychosen, indem der Puls eine vom normalen ganz ab- weichende Form annimmt und zum Pulsus tardus, dem Normalpuls der unheilbaren Psychosen wird. Letzterer kommt zwar, wenn auch allerdings weniger vollkommen, auch im Verlaufe anderer Krankheiten vor; dabei bietet aber der Nichtgeisteskranke zahlreiche pathologische Er- scheinungen vom Centralnervensystem aus dar und klagt, während sich der unheilbare Geisteskranke bei diesem Pulse relativ am Wohlsten befindet und dem oberfläch- lichen Beschauer sogar psychisch gesund erscheinen kann. Ueberhaupt ist bei allen Geisteskranken, seien sie körper- lich gesund oder krank, der Puls bloss vorübergehend normal, meist trägt er den Charakter mehr oder weniger ausgesprochener Tardität, selten ist er so, wie er einem geistig Gesunden während einer Krankheit zukommt, im Gegentheil charakterisiren die dem Psychotischen eigenen pathologischen Pulsphasen den Grad der Geisteskrankheit, Be wie weit dieselbe fortgeschritten, so dass die von der Norm am meisten abweichenden Pulsbilder am Ende der Krank- heit, in dem Stadium anzutreffen sind, wo die akute Krankheit abgelaufen, die psychische Schwäche, der Blöd- sinn eingetreten ist. Da mit der völligen Genesung völlig normaler Puls eintritt, und auch bei Fällen von wirklicher Heilung die tarden Pulsformen nie andauernd vorkommen, so folgt, dass aus dem Puls der Geisteskranken sich deren Prognose ergibt. Diese pathulogische Umgestaltung des Pulsbildes ist um so leichter begreiflich, wenn man be- denkt, welch’ zahlreiche Alterationen das Gefässsystem der Geisteskranken aufweist, wie hier ein Gefässbezirk gelähmt ist, dort, wie z. B. oft im Gehirn, der pathologisch- anatomische Befund in Erweiterung der grossen und kleinen Arterien besteht, in Metamorphosen der Gefässwände bis zu den Capillaren oder Entartung des Herzmuskels, wie leicht die Gefässe auf Temperatureinwirkungen reagiren, Kälte zu Stauungen im Venensystem, unregelmässsiger Blutvertheilung, Wärme zu übermässigen Blutwallungen und allgemeiner Hyperaemie führt, wie überhaupt als Folge träger Cirkulation mannigfache Ernährungsstörungen auf- treten, die sich namentlich auf nervösem Gebiet äussern und speziell die Leistungen der vasomotorischen Nerven vermindern. Dieses gemeinsame Abweichen der meisten Geisteskranken vom Normalen charakterisirt jene mit völliger Umwandlung der Nervenfunktionen einhergehende, so häufig vorkommende und daher auch forensisch wichtige Zustände, welche Griesinger konstitutionelle Neuropathieen nennt. Wenn auch Wolff’s Sätze auf vielfachen und ener- gischen Widerspruch stiessen, wenn sie sich auch in der Allgemeinheit, wie er sie ausgesprochen, nicht bewährten, so gebührt ihm doch das grosse Verdienst, auf den Um- de X , Ei £ ER 2 ER EEE N ale zT ARE ar stand aufmerksam gemacht zu haben, dass ein gewisser und vielfach sehr enger Zusammenhang besteht zwischen den Cirkulationserscheinungen an den Gefässen und ge- wissen cerebralen, respective psychischen Zuständen. Er hat auf neue Bahnen hingewiesen, auf welchen ein er- folgreicher Schritt in der Erkennung der pathologischen Grundlagen vieler cerebraler Erscheinungen und der rich- tigen Wahl der Methode, gegen dieselben anzukämpfen, gethan werden kann. Uebrigens haben sich auch verschiedene Forscher den AusführungenWolff’s in weitgehender Weise angeschlossen. So glaubte Schröter”) die Wolff’schen Angaben wenigstens dahin bestätigen zu können, dass der Puls der Geistes- kranken bloss vorübergehend normal sei. Auf die entgegengesetzte Seite stellte sich Grashey**), der Wolff’s Ansichten verwarf, weil er die Pulscurven unrichtig erkläre. Der Pulsus tardus sei nicht bedingt durch verminderte Leistung der vasomotorischen Nerven, — letztere führe zu dikroten Curven mit spitzen Gipfeln — sondern durch vermehrten Widerstand im Verästlungs- gebiet der Radialis, gestatte also trotz seines häufigen Vorkommens bei Geisteskranken den Rückschluss nicht, dass es sich bei den constitutionellen Neuropathieen Griesinger’s um eine verminderte Leistung des vaso- motorischen Nervensystems handle. Noch vorher hatte in einer Versammlung des psy- chiatrischen Vereins der Rheinprovinz, Juni 1877, Nötel***) *), Vortrag in Berlin, Juni 1868. Referat in Zeitschrift für Psychiatrie, 5. und 6. Heft. #=®) Grashey. Ueber die sphygmographischen Pulscurven Geisteskranker. Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. VIII. Band, 2. Heft. #*#) Nötel, Vortrag: Referat in Zeitschrift für Psychiatrie. I. Heft 1878. rn sich dahin geäussert, dass Wolff mit der Ansicht, der Pulsus tardus sei das Charakteristikum einer neuropathi- schen Constitution, deren gründliche Heilung nicht mehr möglich, zu weit gehe. Richtig sei, dass bei unheilbaren Geisteskranken meist Pulsus tardus vorkomme, doch habe er auch bei Gesunden denselben oft beobachtet; um dessen Ursprung sicher zu ergründen, müssten verschiedene Ge- fässgebiete untersucht, und um ihn auf centrale Ursachen zurückzuführen, peripher liegende eliminirt werden können. Ebensowenig positiv haben sich, gestützt auf ihre Kuntrollversuche Jolly und v. Rinecker*) ausgesprochen, während Clauss**) Wolff’s Beobachtungen theilweise be- stätigte. Er findet bei Geisteskrankheiten selten normale Pulsbilder, hat sie jedoch ausnahmsweise schon bei Manie, Epilepsie und erregten Paralytikern gesehen, stellt aber nicht in Abrede, dass das Vorhandensein trikroter, resp. das Fehlen dikroter, tarder Pulsbilder in vielen Fällen eine günstige Prognose ergebe. Hingegen findet er in seinen Untersuchungen den Wolff’schen Satz nirgends bestätigt, dass bei Psychosen das regelmässige Zusammen- gehen von Temperatur und Puls gestört sei, und nament- lich bei veralteten Psychosen trotz hohen Fiebers der Puls nicht in gewöhnlicher Weise dikrot werde, sondern trikrot bleibe; er hält dafür, dass der Puls Geisteskranker im Fieber dieselben Veränderungen eingehe, wie derjenige anderer Individuen ; nur bei senilen Personen sah er keine wesentliche Veränderung der stationären Pulsbilder, nicht einmal für die Paralyse hat er in allen Fällen eine Lähmung des vasomotorischen Nervensystems nach- *%) v. Rinecker, Vortrag in Karlsruhe. Referat in Zeit- schrift für Psychiatrie. 1878. **) Zeitschrift für Psychiatrie und gerichtliche Medizin. Lx&hr 1883. a Mel de gewiesen, und schliesst, dass es jedenfalls nicht allein das vasomotorische System ist, welches die Entstehung und den Verlauf der Psychosen bedingt Mehr Zustimmung erhielt Wolff in den Beobachtungen Rothhaupt’s,”) der aus sechs bei Paralytikern aufgenommenen Üurven schliesst, dass bei der Paralyse eine allmählich fortschreitende Läh- mung des vasomotorischen Nervensystems bestehe. Andererseits hat Mendel”*) weder an den vielen vor- liegenden Carotis- noch Radialiscurven von Maniacis und Paralytikern Abweichungen vom normalen Pulsus trikrotus gesehen. Siemens fand bei gesunden rüstigen Individuen Tar- dität und hinwiederum bei kräftigen Geisteskranken nor- malen Puls. Uebrigens hatten schon Marey und später Riegel gezeigt, dass der normale Puls Schwankungen in Betreff der Dikrotie mache und der Greisenpuls normaliter ein taraus sei. Ausserdem beweisen die Tabellen von Clauss, dass auch prognostisch die tarde Pulsform die ihr zugeschriebene ungünstige Bedeutung nicht habe. Cougnet und Lombroso”**) richteten bei ihren sphygmographischen Untersuchungen bei Geisteskranken ihr Augenmerk dahin, ob gewisse schmerzhafte oder an- genehme Ausdrücke an ihrer Pulscurve anders sich äussern, als bei Gesunden, und gelangten zu dem Resultat, dass Eindrücke, welche in der Pulscurve normaler In- dividuen markante Aenderungen hervorbrachten, bei De- *), Rothhaupt. Die Pulsformen der Paralysis progrediens, Referat im Centralblatt für mediz. Wissenschaften. #%) Mendel. Die progressive Paralyse der Irren. Berlin 1880. *=#) Cougnet und Lombroso. Sphygmographische Unter- suchungen an Geisteskranken und Verbrechern. Archiv für Psy- chiatrie, Bd. II, Heft 2. DR WERE menz und moralischem Irrsinn keine augenfälligen Er- scheinungen aufwiesen. Eugene Gley,*) der mit dem Kardiographen die Func- tionen von Herz und Blutgefässen bei geistiger Thätigkeit untersuchte, fand, dass mit der Intensität der Aufmerk- samkeit die Zahl der Pulse zunehme, an der Carotis Di- latation und Zunahme des Dikrotismus, an der Radialis das Gegentheil stattfinde. Ebenso hat Ragosin **) graphische Untersuchungen über Puls und Athmung bei Geisteskranken angestellt, indem er die Veränderungen betrachtete, welche unter dem Einfluss von durch Faraday’sche Ströme von mässiger Stärke hervorgerufenenSchmerzen bei verschiedenenKrank- heitsformen auftreten würden; kurz, nachdem einmal durch Wolff die Idee durchgedrungen war, dass die genaue Unter- suchung circulatorischer Vorkommnisse vermittelst des Sphygmographen und Vergleichung der unter verschie- denen Bedingungen, bei verschiedenen Personen und ver- schiedenen Krankheiten gewonnenen Resultate am ersten ein Einblick in das dunkle Gebiet der Hirnphysiologie und Pathologie gewonnen werden könne, hat sich die Forschung nit aller Gründlichkeit auf dieses Gebiet ge- worfen. Freilich sah man bald ein, dass vom Verhalten der Gefässbewegung an der Radialis z. B. nicht auf diejenige im Gehirn geschlossen werden dürfe, dass für diese und jene eben ganz verschiedene Bedingungen massgebend sein können, die verschiedenen Gefässgebiete von ver- schiedenen Centren aus innervirt und daher, weil eventuell *) Eugene Gley, Archive de physiol. et pathol. 1881, 54. #=#) Leo Ragosin. Die Resultate graphischer Untersuchungen von Puls und Athmung bei Geisteskranken. Dissertation, St. Pe- tersburg 1882. RER EV. We u 753 ee ganz anderen Reizen ausgesetzt, auch ungleich reagiren werden. Das sicherste Vorgehen, um über die Gehirn- functionen Aufschluss zu erhalten, ist demnach die Unter- suchung der Hirngefässthätigkeit. Zu diesen Zwecke suchte Fischer”) auf experimen- tellem Wege an Pferden die. Innervation der Piagefässe zu ergründen, faradisirte Vagus und Sympathicus, ohne zu bestimmten Schlüssen zu gelangen. Naunyn und Schreiber**) bemerkten, dass durch Compression des Gehirns curarisirter Thiere jene rhyth- misch wiederkehrenden Druckschwankungen der Gefässe (spontane Undulationen, vasculäre Welle) auftreten, von denen unten weiter die Rede sein wird. Salath&***) schloss aus seinen weitläufigen Forschungen über Gefässbewegungen im Gehirn, dass dieselben an den Einfluss der Herzthätigkeit und Respiration gebunden sind, und stellt den Satz auf, dass die in einem total ver- knöcherten Schädel befindliche Flüssigkeitsmenge stets dieselbe bleibe, dass jeweilen bloss ein Wechsel stattfinde zwischen der Quantität des Blutes und der im Gehirn- Rückenmarkskanal enthaltenen Flüssigkeit. Namentlich aber hat Mosso nicht nur schon früher den engen Zusammenhang zwischen Hirn-, Herz- und Gefässthätigkeit nachgewiesen und u. A. graphisch de- monstrirt (Diagnostik des Pulses in Bezug auf die lokalen Veränderungen desselben, Leipzig 1879) welch’ tief grei- fende Aenderungen der Puls auf direktem Wege, ohne Vermittlung des Herzens erleidet, sondern auch neuer- *) Fischer. Therapeut. Galvanisat. des Sympath. Leipzig, 1875. *#) Naunyn und Schreiber. Ueber Gehirndruck. Leipzig, 1881. *#%), Salathe. Mouvement du cerveau. Paris 1877. Bern. Mittheil. 1885. Nr. 1120. ER dings darüber sehr instructive Arbeiten*) aufzuweisen: Sphygmographische Aufnahmen des Hirnpulses an einem Individuum, das in Folge von Syphilis, und zweier anderer, welche durch Traumata an bedeutendem Defekt der Schädeldecke litten, gaben ihm die interessantesten Auf- schlüsse über das Verhalten des Blutkreislaufes im Ge- hirn. So zeigen seine Sphygmogramme, dass für ihre Form bloss zum geringern Theil der Einfluss des Herzens mass- gebend ist, dass wohl Rhythmus und einigermassen die Pulshöhe darauf zurückzuführen eind, hingegen alle übrigen charakteristischen Zeichen des Pulses lediglich von den Gefässen abhängen, worin nach dem jeweiligen Zustand der Gefässwände des arteriellen Röhrensystems die vom Herzen verursachte Blutwelle ihre mannigfachen Modifi- kationen erfährt. In der Weise liessen sich die Altera- tionen beobachten, welche das Hirnvolumen und die Pulshöhe unter der Einwirkung der Vorstellungsthätigkeit, der Sinnes- und Gemüthseindrücke durchmacht, welche der Schlaf, das Erwachen, vermehrte oder verminderte geistige Thätigkeit, Veränderungen der Respiration auf die Hirn- pulscurve ausüben. Durch gleichzeitiges Kontrolliren der Gefässerscheinungen am Arme vermittelst des Plethysmo- graphen und am defekten Schädel durch den Sphygmo- graphen ergab sich die wichtige Thatsache, dass, während die Arterien sich in einer Provinz des Gefässsystems er- weitern, sie zur Erhaltung des Volumens sich in einer andern zusammenziehen, dass also das Gefässsystem in fortwährender Bewegung begriffen ist. Auch Burckhardt**) betont, dass häufig grosse Gegen- sätze in den Sphygmogrammen verschiedener Arterien *) Mosso. Ueber den Kreislauf des Blutes im menschlichen Gehirn, Leipzig, 1881. =*) Burckhardt, Ueber Gehirnbewegungen. Bern, 1881. N r ) WERE. h N er RE N f y a EEE NE ae ae bestehen, z. B. der Radialis und Carotis, und weist darauf hin, dass das Pulsbild der Carotis äusserst wichtige Auf- schlüsse über den intracraniellen Gefässzustand gibt. Letzteres ist von um so grösserer Bedeutung, als der Forscher auf diesem Gebiet selten offene Schädel zur Ver- fügung hat: nur etwa bei Kindern mit noch vorhandenen Fontanellen oder bei pathologischen Individuen mit auf irgend eine Weise aquirirten Schädellücken, und daher meist durch Experimente am thierischen Körper sich Kenntniss verschaffen muss, wobei er zu Resultaten gelangen kann, die den Verhältnissen am menschlichen Körper nicht oder nur theilweise entsprechen. Der Diagnostiker vollends gelangt-gar nie dazu, durch unmittelbares Anschauen sich das richtige Bild von dem intracraniellen Gefässzustände zu entwerfen. So bedeutend daher auch die durch die mannigfachen Versuche und Arbeiten über Bewegung der Hirngefässe gewonnenen Resultate waren, so genügen sie doch nicht, um der von Wolff gegebenen Anregung gerecht zu werden; vielmehr muss man im Bestreben, aus den Gefässbewegungen etwelchermassen auf den Zustand des Gehirns schliessen zu können, auf eine Weise vorgehen, die allgemein an- wendbar ist. Wir wissen, dass die Innervation der Gefässe von verschiedenen Gefässnervencentren aus regiert wird, die mehr oder weniger miteinan der verbunden sind, dass Grosshirnrinde, medulla oblongata und medulla spinalis solche enthalten, der Sympathicus, der hauptsächlichste Ge- fässnerv, mit jenen Gentren in Verbindung steht, und jeden- falls einzelne Gefässprovinzen gesondert und in verschiede- nem Sinne von diesen Centren aus beeinflusst werden können. Nun richten sich die Gefässbewegungen jeweilen nach dem Charakter und den Bedürfnissen des zu versorgenden Ge- bietes. Ist z. B. im Arm ein gewisser Reiz vorhanden, so ker 12 = wirkt dieser auf reflectorischem Wege auf die Blutbahnen des Arms zuerst contrahirend; nachher erweitern sich diese, lassen in ihrem Tonus nach und es findet nach dem alten Erfahrungssatz „ubi stimulus, ibi affluxus“, dahin ein erhöhter Zufluss statt. Wollen wir uns also über intracranielle Gefäss- zustände unterrichten, so liest uns zunächst ob, das Ver- halten der zuführenden Gefässe zu prüfen, drehen also obigen Satz um und suchen aus dem affluxus auf den stimulus zu schliessen. Da die Vertebrales ihrer Unzu- gänglichkeit wegen nicht untersucht werden können und in ihrem Verhalten sich vermuthlich von den Carotiden nicht wesentlich unterscheiden, so halten wir uns an die Letzteren mit um so mehr Recht, als sie beson- ders die uns interessirenden Theile mit Blut ver- sorgen und daher wohl für die motorischen, sensiblen, sensorischen und psychischen Aeusserungen des Gehirns massgebend sind. Der Einfluss der Nerven auf die Ge- fässe wird durch die Muskulatur der Letztern vermittelt und äussert sich in Contraktionen und Dilatationen des Gefässrohrs. Je nachdem diese vorhanden oder fehlen, stark oder schwach sind, überhaupt je nach ihrem Auf- treten lässt sich ein Rückschluss machen auf die Energie der nervösen Centren. Nun kommen aber Alterationen der Gefässweite auch auf mechanische Weise zu Stande. Be- kanntlich gilt als eine der charakteristischen Eigenschaften der Gefässwand die Elasticität. Die Contraktion des Herzens treibt die Blutsäule in’s Gefäss; letzteres dehnt sich vor der andringenden Gewalt vermittelst der Nach- giebigkeit seiner Wände, contrahirt sich nach Aufhören des einfliessenden Blutstroms der elastischen Eigenschaft wegen, ohne dass irgend ein nervöser Einfluss mitzuhelfen braucht. Letzterer kann vorhanden sein, lässt sich aber re et nicht ohne Weiteres von der Wirkung der Elastieität trennen und als gesonderte Kraft betrachten. Zur Er- kenntniss der Muskelwirkung bei der Gefässcontraktion, deren genaue Beobachtung allein uns über den Zustand der sie bedingenden Hirn- und Rückenmarksparthien auf- klärt, zu gelangen, dazu hat Traube*) den Weg gezeigt, indem ‘er bei einem curarisirten Thier, dem beide Vagi durchschnitten waren, bei künstlicher Respiration regel- " mässige grosse, wellenförmige Schwankungen des Blut- drucks nachwies. Seine Curven zeigen bis 7 Wellen in der Minute, was beweist, dass weder respiratorische noch cardiale Einwirkung dieselben erzeugte, sondern, wie er richtig erkannte, es sich hier um eine selbstständige eigen- artige Aeusserung des Gefässnervencentrums handle, eine Erscheinung, die seither vielfach beobachtet auch an Hirn- pulscurven des Menschen als normales Vorkommen sicher- gestellt und als sog. vasculäre Welle, eine Bewegung der Gefässe anzeigt, die von sensiblen Fasern auf reflectorischem Wege angeregt durch Vermittlung der Gefässnerven in den Gefässmuskeln ausgelöst wird. In den vasculären Wellen also haben wir den Ausdruck der arteriellen Muskel- erregungen; sie spielt zweifelsohne eine besondere Rolle is der Physiologie und Pathologie der Hirnblutbahnen, indem sowohl Mosso wie Burckhardt dieselbe in ihren Hirnpulsbildern ausnahmslos und sehr deutlich ausgedrückt vorfinden. Letzterer hat sie bei einigen daraufhin ge- stellten Untersuchungen auch an der menschlichen Carotis gesehen, und gibt dem Gedanken Raum, dass sie dort normales Vorkommniss sei und als allgemeine Gefäss- bewegung durch Vermittlung der Gefässcentren hervor- gerufen, einen ganzen Gefässbezirk von seinem Ursprunge an beherrschen, also z. B. von der Carotis ausgehend *) Traube, Gesammelte Beiträge, I. Bd. Berlin 1871. NEE über die Hirngefässe sich ausbreiten könne, demnach beider Bewegungen sich mehr oder weniger entsprechen, so dass man von dem einen auf die andern schliessen dürfe. Wollen wir also Aufklärung über cerebrale Vor- gänge, so prüfen wir, gestützt auf obige Auseinander- setzung, die Erscheinungen an der Carotis, vor Allem auch ihr Verhalten zur vasculären Welle und entscheiden auf experimentellem Wege endgültig die Frage: Ist die vasculäre Welle an der Carotis des gesunden Menschen wirklich vorhanden und als regelmässige Er- scheinung sphygmographisch nachweisbar ? Zur Lösung dieser Frage hat Verfasser im Labora- torium der Irrenanstalt Prefargier an zahlreichen mehren- theils gesunden Individuen eirca 40 Curven aufgenommen, die zu analysiren und namentlich auf vasculäre Schwan- kungen hin zu prüfen, Gegenstand der folgenden Er- örterung bildet. Zur Aufnahme wurde der Registrirapparat Marey benutzt und zu einer Umdrehung von einmal per Minute eingestellt. Die Befestigung der Kapsel am Hals geschah vermittelst eines von Hipp in Neuchatel nach den Angaben Burckhardt’s ausgeführten Apparats auf folgende Weise: Der zu Untersuchende lag auf einer auf den boden hingelegten Matraze horizontal ausgestreckt; der Kopf ruhte auf einem ausgepolsterten Brett und wurde von zwei Klammern festgehalten, die an seitlich vom Brett aufsteigenden Balken befestigt waren. Mit einem von der Basis aus nach aufwärts gerichteten Eisenstab war durch eine Schraube ein drehbarer Hebelarm fixirt, welcher vermittelst eines Kugelgelenks die Aufnahmskapsel (Tam- bour r&cepteur”*) trug. Von der die letztere bedeckenden *) Marey, La methode graphique dans les sciences experimen- tales et particeulierement en physiologie et en medecine (page 447). re Membran aus reichte ein Stift auf die Arterie und ruhte darauf vermittelst eines 5 Centimesstückgrossen, der Ar- terienform entsprechend gebogenen Metallplättchens. Der von der Arterie durch den Stift nach der Aufnahmskapsel geleitete Stoss wird durch Lufttransmission einer zweiten Kapsel (tambour ä levier inscripteur) mitgetheilt und von derselben durch eine Hebelvorrichtung auf die rotirende Trommel übertragen, und dort auf das berusste Papier aufgeschrieben. Eine am beweglichen Tisch angebrachte Feder beschreibt die Grundlinie, eine andere als Elektro- magnet mit einem elektrischen Secundenpendel in Ver- bindung stehende schreibt die Zeit nach Sekunden auf. Die Trommel wird durch ein Gewichtsuhrwerk gedreht. Bedeutende Schwierigkeiten bot anfangs das Fixiren der Aufnahmskapsel an die Arterie; die erste Methode (nach Verdin), durch ein Kautschukband die Kapsel, resp, das Metallplättchen an derselben an die Carotis zu drücken, erwies sich in den meisten Fällen als unpraktisch, indem durch den zu starken Druck, der auf diese Weise auf den Kehlkopf ausgeübt wurde, reflektorisch eine Schluck- bewegung nach der andern sich auslösste, so dass der dadurch weggeschobene Apparat jeden Augenblick wieder in die richtige Lage gebracht werden musste. Das neue Vorgehen (nach Burckhardt und Hipp), das Metallplättchen auf der Carotis nur leicht aufliegen zu lassen und die Kapsel nicht am Individuum, sondern auswärts an einem nicht leicht verrückbaren Stützpunkt zu befestigen, erwies sich in unsern Fällen als viel günstiger, indem durch den zuweilen fast unmerklichen Druck, der auf dem Blut- gefässe lastete, dessen Bewegung auch keinen daherigen Alterationen ausgesetzt war; andererseits war der Apparat viel weniger von den Bewegungen ‘des Halses abhängig, wenn auch z. B. Schluckbewegungen noch markant genug — 16 — in der Pu!scurve sich ausdrückten und die Metallplatte verschoben, bot also möglichst objektive Bilder, und drittens war der zu Untersuchende von jeder Belästigung frei, sobald die Kapsel einmal ihre richtige Stellung inne hatte, so dass er jeweilen während der Aufnahme sich einem süssen Schläfchen hingeben konnte. So waren die Bedingungen zu einer ungestörten, continuirlichen Auf- zeichnung vorhanden, indem ein ganzer Bogen ohne Unter- brechung geschrieben werden konnte und darauf die Wand- lungen leicht zu verfolgen waren, die der menschliche Puls seiner Form und Frequenz nach ohne Einwirkung äusserer Reize in einem bestimmten Zeitraum, hier '/„—1 Stunde, erleidet. Die Untersuchung wurde mit wenig Aus- nahmen an gesunden, kräftigen Individuen vorgenommen, meist Nachmittags von 2—3 Uhr an, zuweilen Abends von 7'/, oder 8 Uhr, jedesmal so, dass kein unmittelbarer Einfluss frischer Nahrungsaufnahme oder anderer Stimu- lantien der Herzthätigkeit vorauszusetzen war. Am Besten zur Untersuchung erwiesen sich die Individuen geeignet mit magerem, nicht zu kurzem Hals, nicht allzu vor- springenden Muskeln und mit oberflächlich liegender Carotis. Das Instrument wurde im Trigonum inframaxillare applicirt, an der innern Seite der Clavicularparthie des Sternocleido mastoideus, in der Höhe des obern Randes des Schildknorpels, eventuell bis 3 cm. höher, da, wo die Carotis nur von der Fascia colli bedeckt, am leichtesten durch die Haut palpirt wird. Da die linke Carotis meist zugänglicher war als die rechte, so wurde entsprechend mehr auf dieser Seite operirt. Zuweilen zeigte sich kein wesentlicher Unterschied in den Pulsbildern beider Seiten, während in andern Fällen an der rechten Carotis nur mit Mühe‘ eine gelungene Curve zu erhalten war. Dr aaa Beispiel 1. Vorliegende Curve (Fig. 1, Taf. I) ist am 15. Oktober 1883 auf genommen und muss von rechts nach links gelesen werden. Das einzelne Pulsbild setzt sich aus verschiedenen Parthieen zusammen: Durch die Contraktion des Herzens wird eine gewisse Blutmenge in die Arterie geworfen und dehnt dieselbe; dadurch wird die auf ihr ruhende Metall- platte gehoben, und beschreibt auf dem oben bezeichneten Wege auf der von links nach rechts rotiren den Trommel das Curvenbild, zuerst die sog. Ascensionslinie a 5: eine leicht gebogene, der Senkrechten nahe kommende ungebrochene Linie. Je rascher die Ausdehnung der Arterie erfolgt und je langsamer die Trommel rotirt, desto verticaler wird die Ascension und umgekehrt; nun bleibt aber die Umdrehungsgeschwindigkeit der Trommel dieselbe, so dass aus der Neigung der Linie ad direkt auf die Energie der Herzsystole und andererseits auf die Dehnbarkeit der Arterien geschlossen werden kann. Ist die Herzcon- traktion energisch und erreicht die Arterie mit grosser Geschwindigkeit das Maximum ihrer Ausdehnung, so wird die Ascensionslinie hoch und zugleich steil erscheinen und kaum eine nennenswerthe Abweichung von der Geraden darbieten; bei geringer und langsamer Erweiterung bleibt die Ascensionslinie niedrig und geneigter und weicht concav nach der Abscisse ab. Die Carotis liegt von Allen zur Sphygmographie benutzten arteriellen Gefässen zu- nächst dem Herzen. Die Kraft der primären Pulswelle ist noch sehr stark und gibt daher, sowie namentlich auch ihres weiten Lumens wegen, bei richtiger Anlage des Auf- nahmeapparates, eine steilere und höhere Curve als andere Arterien. bg ist die Descensionslinie. In b auf der Höhe seiner Bern. Mittheil. 1885. Nr 1121% ve Ausdehnung strebt das Gefäss kraft seiner Elastieität, seine frühere Gestalt wieder anzunehmen, sich zu- sammen zu ziehen, die empfangene Blutmasse fortzu- schaffen. Die dabei entstehende Linie ist gebrochen, 3—4-theilig, polykrot und beweist, dass zu ihrer Ent- stehung nicht bloss der momentane Herzstillstand und darauf folgende Diastole massgebend sind, sondern noch andere sekundäre Einflüsse in Betracht kommen. Der Gipfelwinkel ist, wie überhaupt immer an der Carotis bei normalen Verhältnissen, sehr spitz, die Descensionslinie bg fällt spitzwinklig, gegen die Ascensionslinie geneigt, ab. Bei ce tritt die erste Unterbrechung auf, das senk- rechte Stück geht in die Horizontale cd über, beschreibt nach manchen Autoren die „erste sekundäre Erhebung“, entstanden durch die ruckweise Contraktion der Arterie; Andere sehen sie als „erste Elasticitätselevation“ an, während die Dritten, wie namentlich Grashey,”) darin, und jedenfalls, wie auch vorliegende Öurve anzeigt, mit grösserem Recht, den Rest der Gipfellinie der primäreu positiven Welle sehen. Wäre nämlich der Zufluss von der Aorta ein constanter, so würde auf der Höhe des Gipfels, respective, da der zeichnende Hebel etwas zurückschwingt, etwas tiefer, eine horizontale Linie, hier Verlängerung von dc entstehen, welche, sobald der Zufluss aufhört, in den zweiten Theil der Descensionslinie übergeht. Ist die Ascensionslinie mit einer grossen Geschwindigkeit ge- zeichnet, so entsteht der künstliche Curvengipfel (Wurf- curve) d, durch Eigenschwingung des Zeichnungshebels, und dem entsprechend die künstliche Descensionslinie be, wesshalb de als Rest der Gipfellinie aufzufassen ist. Dieser künstliche Curvengipfel wird um so höher, je *) Grashey, Wellenbewegung elastischer Röhren. Leipzig 1881. La eg schneller und kräftiger die einzelnen Blutswellen in die Carotis geworfen werden und je geringer die Reibung des zeichnenden Stifts an der Russfläche ist, was aus andern aufgenommenen Curven sehr deutlich hervortritt. Grashey’s Ansicht trifft in vielen Fällen zu; doch gibt es Curven, wo trotz langsamer Stiftbewegung dieselbe Erhebung auftritt und desshalb auf andere Einflüsse zu- rückzuführen ist, sei es auf Rückstoss durch Klappen- schluss, sei es auf folgendem Umstand: Die Descensionslinie entsteht in Folge des durch Kontraktion der Arterienwand bewirkten Abflusses der Blutsäule, welche schon vor gänzlichem Aufhören der Herzsystole vor sich gehen, kann da letztere nicht während des ganzen Verlaufes gleich stark ist, sondern gegen das Ende zu entschieden an Intensität abnimmt, was sich an den meisten Ascensionslinien einigermassen markirt, und nicht, wie Grashey ausführt, allein in Folge Unterbrechung des Zuflusses vom Herzen her, wobei sich die Arterien- wand bloss wegen des beim Abfluss nachlassenden Seiten- drucks contrahirt. Hingegen helfen allerdings die durch Unterbrechung des Herz-Aortenstromes und durch Zurück- weichen des Blutes nach den Klappen bei beginnender Arteriencontraction entstehenden zwei negativen Wellen mit zur Bildung der Descensionslinie, während der Wellen- berg der ersten Welle, der sich wieder herstellende Druck auf die Arterienwand in den oben abgegrenzten Fällen als „erste sekundäre Elevation“ *) auftritt, derjenige der zweiten als „Rückstosselevation“, „dikrotische Erhebung“ seinen Ausdruck findet. Bei f findet nämlich eine neue Unterbrechung statt, die sog. „Grossincisur“, eine Erscheinung, die mit der *) Wolff, Charakteristik des Arterienpulses. Leipzig 1865. EN folgenden zweiten Erhebung, wie keine andere Gegen- stand der Forschung und verschiedenartiger Erklärung geworden. Als sog. dikrotische Erhebung in jeder Gefäss- physiologie angeführt, bei gewissen Krankheitszuständen mit dem Finger palpirbar, wird sie trotz der vielfachen daraufhin angestellten Untersuchungen in ihrer Entstehung noch ganz verschiedenartig beurtheilt. Albers glaubte, der dikrotische Puls rühre von zwei schnell sich folgenden Systolen des linken Ventrikels her. Traube*) war der Ansicht, er entstehe durch absatzweise Contraktion des Herzens, ebenso der trikrote; wirklich war er auch im Falle, an einem Patienten, dessen Puls Trikrotie zeigte, dieselbe durch Palpation der Herzgegend wahrzunehmen; doch kommt das selten vor und ist nicht als allgemeine Regel aufzufassen, da gründliche Experimentalunter- suchungen zu total anderen Resultaten geführt haben. Nach Volkmann bewegt sich die primäre systolische Welle rascher in der Mitte des Blutstroms, als an den Wandtheilen, dadurch entstehen zwei Wellen; diejenige der Gefässwand entlang bleibt etwas zurück und bildet die dikrotische Elevation. Rive, Onimus und Viry lassen dieselbe durch Reflexion der primären Welle an der Peripherie auf eine Art und Weise entstehen, die Marey folgendermassen erläuterte „L’onde lanc&e par le ventricule se porte vers la peripherie et arröt6e par l’etroitesse des arteres qui lui fait obstacle, elle reflue vers l’origine de l’aorte, mais cette voie est ferm&e par les valvules sygmoides, nouvel obstacle, nouvel reflux et parsuite nouvelle ondulation. Ces oscillations alter- natives se produisent jusqu’ä ce qu’une nouvelle contraction du ventricule vienne y mettre fin en produisant une nou- velle pulsation.“ *) Traube, Beiträge zur Pathologie und Physiologie, 3 B. 1878. Be Landois*) schenkt der Rückstosselevation ebenfalls grosse Aufmerksamkeit und gelangt, gestützt auf zahl- reiche Beobachtungen der daherigen Verhältnisse im elastischen Rohr zu der fast allgemein herrschenden An- sicht, die Rückstosselevation komme dadurch zu Stande, dass nach Unterbrechung des Zuflusses die elastische Wandung sich zusammenzieht und das Lumen der Röhre verengert; die ausweichende Flüssigkeit prallt, gegen die centrale Verschlussstelle geworfen, ab, wodurch eine positive Welle zu Stande kommt, welche von der schliessenden Klappe weg das ganze Rohr entlang läuft; nach ihm ist also die dikrotische Erhebung das Produkt einer Reflexwelle; je nachdem diese nun schwach, stärker oder sehr stark ist, heisst der Puls unterdikrot, dikrot oder überdikrot. Im Allgemeinen erhöht verstärkte Systole, verminderte Blut- masse und namentlich verminderte Spannung die Rück- stosselevation, wesshalb der dikrote Puls fast der constante Begleiter sehr hohen Fiebers oder tiefer Narkosen ist. Eine andere durch Moens**) und Naumann vertretene Ansicht geht dahin, dass die primäre Welle unaufhaltsam nach der Peripherie fortgepflanzt, dort erlösche, aber in Folge des Schlusses der Semilunarklappen entstehe eine zweite positive Welle im Arteriensystem, die dikrotische Erhebung der Pulscurve. Grashey*”*) unterzieht in seiner „Wellenbewegung elastischer Röhren“ die bisher ge- äusserten Anschauungen einer gründlichen Kritik, und kann sich zu keiner derselben ganz bekennen. Dem wirk- lichen Sachverhalt am nächsten kommt ihm Moens; doch ergänzt er ihn dahin, dass er sagt: die dikrotische Welle *) Landois, Die Lehre vom Arterienpuls. Berlin 1872. **) Moens, Die Pulscurve. Leiden 1878. ##*%) Grashey, Wellenbewegung elastischer Röhren und der Arterienpuls des Menschen. Leipzig 1881. a der Pulscurve ist. allerdings bedingt durch die positive Klappenwelle, hingegen ist ihre graduelle Entwicklung nicht bloss von der Grösse derselben abhängig, sondern auch von der Interferenz der im Arterienrohr entstehenden Wellen; denn wäre sie bloss von der Klappenwelle ab- hängig, so hätten Leute mit starkem Semilunarklappenton auch eine starke positive Klappenwelle, also auch eine starke dikrotische Pulscurve und umgekehrt. Allein in Wirklichkeit besteht gerade das Gegentheil: gesunde kräftige Leute mit starken Herztönen weisen sehr oft schwach dikrote Pulscurven auf, während fiebernde Kranke mit schwacher Herzkraft in Folge der Welleninterferenz hochgradig dikrotische Pulscurven haben. Beim Fieber sind nämlich die kleinsten Arterienzweige erweitert und dehnbar in Folge Schwächung der vasomotorischen Nerven. Erweiterung der Gefässe und erhöhte Dehnbarkeit haben aber das Auftreten ungleichnamiger Reflexwellen im Ge- folge; diese rufen durch Welleninterferenz Vergrösserung der Dikrotie hervor, während bei kräftiger Gefässinnerva- tion und geringer Dehnbarkeit gleichnamige den Dikro- tismus verkleinernde Wellen entstehen. G. v. Liebig*) kam durch Nachahmen des Kreislaufs vermittelst Pumpen und elastischer Röhren zu folgender Idee: Durch das Pumpen entsteht beim Eingang des Rohrs eine positive Welle, welche das ganze Rohr durchläuft, und, sobald durch ihre Annäherung am Ende des Rohrs ein Ausfluss aus demselben stattfindet, dort zur Bildung einer nach dem Anfangsstück des Rohrs sich bewegenden negativen Welle den Anstoss gibt; positive und negative Welle verbinden sich nun so, dass die Form des oberen *) G. v. Liebig, Weitere Untersuchungen über die Puls- curve. Archiv für Physiologie. Supplementband 1883. et ae Theiles der entstehenden Curve hauptsächlich der posi- tiven, die des untern Theiles mit der dikrotischen oder Abflusserhebung der negativen Welle zuzuschreiben ist. Die Ascensionslinie im Pulsbild entsteht demnach durch den Wellenberg der Zuflusswelle, die Descensionslinie durch das Wellenthal der Zufluss- und das Wellenthal der Abflusswelle und ist unterbrochen durch den Wellen- berg der Abflusswelle, durch die Abfluss- oder dikrotische Erhebung. Letztere kann er sich desswegen nicht durch den Klappenschluss (Grashey) entstanden denken, weil auf den nicht elastischen Klappen im Augenblick des Schliessens der gleiche Druck lastet, wie auf den übrigen Wandungen der Aorta und demnach von den Klappen aus kein stärkerer Druck auf den schon im Abfluss begriffenen Inhalt ausgeübt werden könne, wie es doch der Fall sein müsste, wenn von ihnen aus eine neue positive Welle ent- stehen sollte. Dass, wie viele Autoren annehmen, sowohl in Folge Anstossens an den Theilungsstellen der Arterien, als wegen der allmählichen Verengerung derselben die Welle zurück: geworfen werde und diese Reflexion einen bestimmten Antheil an der Pulsform habe, verneint er, findet vielmehr, dass die Wirkung derartiger Reflexion im Arteriensystem keine andere sein könne, als eine Vergrösserung der Curven, indem erwiesenermassen Enge der Strombahn die Curve vergrössert. Demnach muss auch die Belastung der Arterie durch die Pelotte oder Platte, die das Arterien- rohr verengt, eine für die Erkenntniss nöthige deutlichere Entwicklung und Abgrenzung der Vorgänge herbeiführen, die sich beim Vorüberziehen der Pulswelle am Ort des Pulshebels ereignen. Wirklich konnte ich auch bei meinen Aufnahmen beobachten, dass die Curve bei stärkerem Druck auf die Carotis zunahm und in ihrem ganzen Ver- laufe deutlicher ausfiel. Pe Set Wir sehen, welch’ eine Summe von Forschungseifer und Arbeitskraft darauf verwandt wurde, zur richtigen Deutung der durch den Sphygmographen gegebenen Bilder zu gelangen, dass namentlich über die grosse Ascension im absteigerden Schenkel, wie die verschiedenen Bezeich- nungen, „Rückstoss-, Abfluss-, dikrotische Elevation etc. schon beweisen, noch getrennte Anschauungen existiren und es erst genauen Controlversuchen vorbehalten bleibt, der einen oder andern das Uebergewicht, die ihr gebührende allgemeine Geltung zu verschaffen. Uebrigens bewegen sich die meisten Forscher, welche durch Versuche am elastischen Rohr sich die Circulations- verhältnisse im Organismus veranschaulichen wollten, in dem Irrthum, dass sie die dabei gefundenen Resultate gleich auf die Biutbahn übertragen und nicht bedenken, dass ein elastischer Schlauch dem Arterienrohr nicht ganz ent- spricht und z. B. durchschnitten sein Lumen beibehält, während die Arterie sich schliesst. Es scheint mir, dass es so complicirter Erklärungen für die dikrotische Erhe- bung nicht bedarf. Ungezwungen ergibt sich die Vor- stellung, dass mit dem Beginn der Diastole des linken Herzventrikels die Aortenklappen plötzlich auf der Herz- seite entlastet werden, während sie auf der Aortenseite durch den hohen arteriellen Druck gespannt sind, nach- dem zuvor der Druckunterschied auf der Herzseite und Arterienseite nur gering gewesen war. Die plötzliche Spannung wirkt wie ein Stoss, ohne dass es hiezu beson- derer Contraktion der gedehnten Arterienwände bedarf. Die zurückschwingenden Klappen erzeugen die dikrotische Erhebung (während der Klappenton durch eine Reihe von Vitrationen der gespannten Klappe erzeugt wird), welche sich um so deutlicher markirt, je weniger zur Zeit der centripetalen Fortleitung die Arterienwände gespannt sind. vr ER N a e Die Intensität des Klappenstosses zeigt sich deutlich an dem von Mosso*) sphygmographisch aufgnommenen negativen Jugularpulse. Dieser lässt eine Hauptsenkung erkennen, die erzeugt wird durch die Aspiration der Ju- sulariswand, inlem das vom linken Ventrikel aus dem Thorax geworfene Blut eine Luftverdünnung bewirkt. Der Hauptsenkung folgt eine kleine Erhebung gleichzeitig mit der dikrotischen Erhebung des Oarotispulses. Durch blosse Erschütterung seitens der nicht ferngelegenen Arterien scheint diese Erhebung nicht bedingt zu sein, da sie stärker sein kann, als jene. Sie wurde also verursacht durch den Rückstrom aus dem Aortenrohr nach den Klappen und die dadurch bedingte Stauung des venösen Rück- flusses nach dem Herzen. Unterhalb der dikrotischen Erhebung verläuft die Descensionslinie nur selten gerade ihrem Tiefpunkt zu, sondern beschreibt noch vorher eine oder mehrere ge- ringere, zuweilen fast unmerkbare Elevationen, wie z. B. in e, Fig. 2, wo vielfach auf eine Descensionslinie zwei Elevationen kommen, die nach Landois von den durch ihre Elasticität bedingten Schwingungen der Arterienwand herrühren und daher „Elasticitätselevationen“ genannt werden. Sie treten um so zahlreicher und sichtbarer auf, je stärker die Spannung und der arterielle Blutdruck ist, weswegen gerade in Fig. 2, dem Anfangsstück einer grössern halbstündigen, ohne Unterbrechung aufgenommenen Cur- venreihe, zu einer Zeit, da der zu Untersuchende, aufge- regt über die ungewohnten Manipulationen an seinem Halse, das psychische Gleichgewicht noch nicht wieder ge- *) Mosso, Sul polso negativo e sui rapporti della respi- razione addominale e toracica nel uomo (pag. 34, Fig. 12). Torino 1878. Bern. Mittheil. 1884. Nr: 1192. ET funden hatte, die Elastieitätselevationen verhältnissmässig deutlich und doppelt und dreifach vorkommen, während die zweite Hälfte der Reihe dieselben nur mehr schwach andeutet oder gar nicht mehr zeigt. Zuweilen treffen die Elastieitätserhebungen mit der dikroten Welle zusammen und wirken je nach dem Verhältniss, in welchem Wellen- berg und Wellenthal zusammen kommen stärkend oder schwächend auf dieselbe. Sie sind viel häufiger am ab- steigenden Schenkel der Pulscurve als am aufsteigenden, weil die Ausdehnung der Arterie viel kürzere Zeit in An- spruch nimmt als die Contraktion. Denn anakrote Erhe- bungen können nur entstehen, wenn die Zeit, in welcher das Gefässrohr die grosse Ausdehnung erfährt, länger ist als die Schwingungsdauer der gespannten elastischen Röhren- wand, also z.B. bei sehr langsamer Systole oder bei starrer atheromatöser Gefässwand, wie uns dieses eine spätere Curve vorführen wird. Weniger bestritten als die Deutung der einzelnen Theile des Pulsbildes ist die an sämmtlichen meiner Cur- ven beobachtete, der Pulswelle übergeordnete, mehrere derselben in sich enthaltende sog. respiratorische Welle. Schon längst ist es bekannt, dass die normale Respiration ihren Einfluss auf eine grössere Reihe von Pulsen dadurch äussert, dass sie einer Pulsgruppe höheren Mitteldruck gibt, als der benachbarten, so dass eine die Maxima oder die Mi- nima der Curven verbindende Linie eine mehr oder weniger gebogene Wellenlinie darstellt, und dass an dem einzelnen Pulsbild, je nachdem es höher oder tiefer in der Reihe zu stehen kommt, auch die sekundären Erhebungen wech- seln, höher oder tiefer auftreten, grösser oder kleiner ausfallen. (Siehe Figur 4, Tafel I.) Vasomotorisches und respiratorisches Centrum, beide im verlängerten Mark, liegen bekanntlich bei einander, so dass der Gedanke der beiderseitigen Aufeinanderwirkung (Fredericq, Meltzer) nahe lag, und in der That wirkt z. B. Dyspnoe oder Einathmung kohlensäurereicher Luft nicht bloss erregend auf das Athmungscentrum, sondern auch zugleich kontrahirend auf die Gefässe. Allgemein wurde angenommen, dass in Folge des durch die Inspiration im Thorax entstandenen negativen Druckes eine Aspiration des Blutes nach der Brusthöhle stattfinde, dadurch der Blutdruck abnehme und so die Curve während der Inspiration sinke; entsprechend sollte umgekehrt die Ex- spiration den Blutdruck steigern und die Curve heben, der sinkende Theil der Welle wurde also der Inspiration, der steigende der Expiration zugeschrieben. Genaueres Vor- gehen in der Untersuchung dieser Frage, namentlich das gleichzeitige Registriren der Puls- und Athembewegungen haben gezeigt, dass die daherigen Verhältnisse nicht so einfach sind. Allerdings entsteht bei jeder Inspiration ein negativer Druck im Thoraxraum;; aber es ist wesentlich das venöse Blut, welches hierdurch in Herz und Lunge aspirirt wird. Wenn nun das Herz schon einen bedeutend vermehrten Blutzufluss empfangen hat, muss es auch wieder mehr da- von abgeben. Dadurch erhöht sich der Blutdruck und erfährt noch eine Steigerung am Anfang der Exspiration, da das Zusammensinken der Thoraxwand einen positiven Druck auf die Brustorgane ausübt. Während der Ex- spiration vermindert sich der Zufluss des Venenblutes zum Herzen, so dass trotz des positiven Druckes der Thoraxwand der Blutdruck im zweiten Theil der Ex- spiration wieder abnimmt, an der Curve wieder die ab- steigende Welle auftritt. Somit ist die Wirkung der Respiration auf die Re- spirationswelle so zu vertheilen, dass — wie Fig 3, Taf I NOS EE zeigt — die Inspiration z den zweiten Theil der Thal- welle und den ersten Theil der Bergwelle, die Exspi- ration e den zweiten Theil der Berg- und den ersten der Thalwelle umfasst. Im Uebrigen lassen sich da keine be- stimmten Grenzen aufstellen; denn je nachdem die Re- spiration frequent oder langsam, forecirt oder seicht ist, treten allerlei Modificationen auf: der erhöhte Blutdruck tritt etwas früher oder später ein, nimmt früher oder später ab, und macht sich daher in der Curvenreihe nicht immer genau an derselben Stelle geltend. Einige Autoren sahen die respiratorische Welle an den Sphygmogrammen nur bei ziemlich starker Respira- tion, während sie bei schwacher zu fehlen schien. Es kann sein, dass bei einigen Individuen sich diese Welle sehr schwach ausprägt, an der Radialis und andern Ar- terien schwächern Kalibers sogar ganz fehlt. Hingegen zeigt sich an der dem Thorax so nah gelegenen Carotis mit ihrem meist starken Blutdruck dieser Einfluss deutlich genug, wenn er sich auch bei verschiedenen Aufnahmen sehr verschieden markirt. Im vorliegenden Falle (Fig. 4 Taf. I) haben wir das Theilstück der Curvenreihe von der rechten Carotis eines circa 40jährigen schlanken Mannes, dessen Puls an der rechten Carotis gespannt und voll er- scheint, während er an der linken kaum zu fühlen ist und keine brauchbare Öurve liefert. Die Zeit der Aufnahme dauert 28,5 Sekunden für 35 einzelne Pulsbilder, dies er- gab 73 Pulse in 1 Minute. Vor Allem fällt die verschiedene Länge der Wellen in die Augen; die einen dauern 2'/,, die andern 3, 3'/, und mehr Sekunden, was sich leicht durch die Verschiedenheit der Athemzüge erklären lässt, da ja selten der eine genau so lang und so tief ist wie der an- dere, und gleiche Respirationen auf den Blutdruck ver- schiedenartig wirken können, wenn noch andere Reize ER RER hinzutreten. Ebenso ist das Längenverhältniss vom ab- steigenden zum aufsteigenden Wellentheil sehr wechselnd und hängt auch von der Intensität der jeweiligen In- und Exspirationen ab. Im aufsteigenden Theil, der also meist in der Exspirationsphase liegt, stehen die einzelnen Curven einander etwas näher als im absteigenden, was beweist, dass mit dem vermehrten Blutdruck zugleich eine Be- _ schleunigung der Herzschläge aufgetreten; im letzteren ist die Descensionslinie länger und ausgebildeter als im ersteren. Auffallende Erscheinungen bietet die folgende Curve eines circa 60jährigen, noch ziemlich rüstigen Menschen, dessen dreitheilige Struma die Carotiden nach aussen drängt und ein wenig auf die Trachea drückt. Die linke Carotis pulsirt deutlicher als die rechte, und mit vieler Mühe wird auf dieselbe, am inneren Rand des Sternocleido- _ mastoideus, zwei Finger breit unter dem Unterkiefer der Sphygmograph applicirt. Der Hals arbeitet bei der Re- Spiration energisch mit, schwillt auf, sinkt wieder zu- sammen und beeinflusst durch direkten Druck auf den Sphygmographen die respiratorische Welle, indem die acces- _ sorischen Inspirationsmuskeln der seitlichen Halsgegend scaleni, sternocleido-mastoidei etc. an der Respirations- bewegung participiren und durch ihre rhythmische Con- traktion auf die nahe liegende Halscarotis einen an- und _ abschwellenden Druck ausüben, wie es bei dyspnoischen Zuständen (Struma, Emphysem etc.) vorkommen kann, wobei also der Sphygmograph nicht die genaue Arterien- - curve wiedergibt. Die Wand der Arterie kann jeweilen im Inspirationsstadium so rasch und tief zurücksinken, dass die anliegende Pelotte nicht schnell und weit genug - Ve 4 folgt, und wenn zugleich auch der Blutdruck geschwächt ist, der in diese Zeit fallende Puls bedeutend kleiner als ar N ’ e v> u I a a; ee die anderen oder nur andeutungsweise verzeichnet wird. (a Fig. 5, Tafel I.) Wir sehen also, dass der Einfluss der Respiration auf die Gefässthätigkeit, speziell auf die Carotisbewegungen, namentlich dadurch ausgeübt wird, dass In- und Exspira- tion hauptsächlich auf die Vertheilung des Blutes und den Blutdruck vom Thoraxraum aus einwirken, andererseits aber auch die andere oben angedeutete und namentlich von Schiff hervorgehobene Wirkungsweise in Betracht kommt, nach welcher vom Athmungscentrum aus rhyth- mische Impulse nach dem Gefässcentrum strömen, zu einer Verstärkung des Tonus und so zu einer wechselnden Con- traktion und Dilatation der Gefässe führen. Ausser diesen zwei Wellenarten, der einfachen Puls- und der respiratorischen Welle, besteht noch eine dritte in der Pulscurvenreihe, die für uns wichtigste vasculäre oder vasomotorische Welle. Betrachten wir Fig. 6, Tafel I genau, so springt sofort in die Augen, dass die Curven- reihe in ihrem Verlaufe durchaus verschiedene Höhen- niveau’s aufweist, dass dieselbe bei aihren Tiefstand hat, dann steigt bis 5, allmählich sinkt bis c, bei d wieder ihren Höhepunkt erreicht, bei jedem + tief steht u. s. w., kurz dass sie eine wellenförmige Linie beschreibt, deren Wellentheile ziemlich lang, die eine gewisse Anzahl ein- zelner Pulsbilder und Respirationswellen enthält und diesen beiden also übergeordnet auf eine abwechselnde Con- traktion und Dilatation der Arterie zurückzuführen ist. 5 Mit vielen Anderen machte vorzüglich Henle auf diesen neuromusculären Einfluss der vasomotorischen Nerven auf die Arterienwand und damit auf die Vertheilung des Blutes im Organismus aufmerksam. Neuerdings hat besonders Vulpian*) sich Mühe gegeben, die Reactionsweise der 3 *) Vulpian, L’appareil vasomoteur. Paris 1878. Tome L, page 87. N IT | ch ul, + Ze A Fe Fear. =, A contraktilen Arterienelemente auf verschiedenartige Reize hin einer genauen Prüfung zu unterziehen und gefunden, dass Volumenveränderungen der Arterien nicht bloss in Folge mechanischer, chemischer, thermischer oder anderer Reize stattfinden, sondern dass sie auch ohne sichtbare Ursache vorkommen können, dass gewisse Gefässe ohne jeden experimentellen Eingriff und unabhängig von der Herzthätigkeit in ihrem Kaliber regelmässige Veränderungen erleiden und mehr oder weniger rhyth- mische Bewegungen aufweisen, dass sie also, einigermassen analog der Herzthätigkeit, unter nervösem Einfluss sich ausdehnen und wieder zusammenziehen. Doch sind nach Vulpian diese Art Gefässbewegungen sehr un- regelmässig, inconstant, und hängen, so wenig er. das nachweisen kann, vom Herzen ab, indem sie, als undeut- lich gewordene Fortsetzung der durch die Herzbewegung entstandenen Blutwelle zu betrachten seien. „Ces reserre- ments sont en effet“, führt er weiter aus, „des reactions provoquees par la distension que produit dans toutes les arteres l’entr&ee des ond6es cardiaques dans l’aorte. O’est un ressort elastique qui agit dans les grosses arteres; c'est un ressort musculaire, dans les arteres plus petites mais le resultat est le m&me.“ Seine Ansicht ist widerlegt und kann, schon weil sie sich auf obigen Schluss stützt, nicht richtig sein, denn ein elastisches Rohr reagirt anders auf andringende Gewalt, als ein Muskelrohr, auch wenn in letz- terem der Elasticität noch ein gewisser Antheil zukommt. Ein elastisches Rohr wird durch eine andringende Welle sedehnt und kann sich kraft seiner Elasticität wieder auf sein ursprüngliches Volumen kontrahiren, aber nicht weiter, während ein Muskelrohr nicht nur über das gewöhnliche Volumen sich erweitern, sondern auch darüber hinaus sich verengern kann. Auch ist nicht abzusehen, wie die durch Sp Hase den Herzstoss erzeugte Arterienbewegung in jene Undu- lationen übergehen sollte, und schliesslich ist der Haupt- grund dagegen der Umstand, dass die vasculäre Welle neben der noch deutlichen Herzwelle vorkommt und durch Aenderungen des Herzschlages nicht unmittelbar beeinflusst wird. Uebrigens haben in neuerer Zeit eine Menge von Autoren diese Wellenbewegung als eine vom Herzen unabhängige an Thieren und Menschen gesehen und beschrieben. So theilen Legros und Onimus”“) den Arterien das Vermögen zu, auf zwei Arten sich zu verengern: die spa- stische, wobei eine Unterdrückung des Blutlaufes statt- findet, indem das Kaliber des Rohrs in seiner ganzen Länge verengert wird und die peristaltische, die nach und nach einzelne Theile kontrahirt und dadurch den Blutlauf befördert. (Contraction p£ristaltique autonome favorisant le cours du sang et le r&eglant suivant les fonctions a rem- plir et suivant l’activit& propre de chaque organe.) Die peristaltische Bewegung äussert sich in Hebungen und Senkungen, welche in ihrer Anzahl variiren, mit dem Herzstoss nicht isochron sind, aber theilweise noch seiner Einwirkung zugeschrieben werden, während analoge Be- wegungen ganz unabhängig vom Herzen rein auf nervösem Wege ausgelöst, ebenfalls vorkommen. Bestimmtere Angaben über diese Eigenthätigkeit der Gefässe finden wir in deutschen Autoren. Naunyn und Schreiber ”*) konnten Folgendes beobachten: Wird am curarisirten Thier der energisch wirksame Druck auf das Gehirn in dem Moment unterbrochen, in dem 2—3 Herz- actionen den Beginn der erregenden Vaguswirkung auf *) Legros, Les nerfs vasomoteurs. Paris 1873, *%) Naunyn und Schreiber, Ueber Gehirndruck. Leipzig 1881. eg das Herz andeuten, dann geht der durch die primäre Er- hebung geänderte Blutdruck im Verlaufe der nächsten 100—120 Sekunden allmählich zur Norm zurück; allein ausser der durch Hebung und Senkung des Blutdrucks bedingten Schwankung der gewöhnlichen Curvenlinie zeigt sich noch ein Wellensystem, welches beginnt, während der Puls noch verlangsamt ist und aus etwa 6—12 Sekunden langen, zunächst aber noch sehr flachen Bögen besteht. Diese kurz dauernden regelmässigen Wellen, welche zu- gleich die Tendenz der rhythmischen Wiederkehr erkennen lassen, scheinen zeitweise, namentlich wenn sie schwach sind, von den Schwankungen der primären Curve ganz verdeckt werden zu können. Hering (Ueber Athembewegung des Gefässsystems, Wiener Sitzungsberichte Bd. 60, 1869) sah, dass sie mit Vorliebe auftreten, wenn das Blut eine venöse Beschaffen- heit angenommen. Schiff beobachtete ähnliche Erschei- nungen am Kaninchenohr. Zu derselben Traube’schen oder vasculären Welle gehören offenbar auch die Schwankungen der Pulscurve des Frosches, die Rokitansky *) bei Gelegenheit der Unter- suchung des Blutdrucks während häufiger Lufteinblasungen beobachtet hat; dieselben entsprechen weder dem Rhythmus der Einblasungen noch demjenigen der Herzthätigkeit, wesswegen er vermuthet, dass es nervös ausgelöste Schwan- kungen in der Weite der kleinen Arterien seien. Genauere Aufschlüsse über diese eigenthümlichen 2 Blutdruckschwankungen erhalten wir erst durch S. Mayer in den Wiener Sitzungsberichten von 1877. Er sah die- selben am ruhig athmenden, absolut keiner Operation 5: *) Rokitansky, Wiener Sitzungsberichte. 24 Bde. II. Ab- theilung. 1876. Bern. Mittheil. 1885. Nr. 112% BE gr unterzogenen Thier (Kaninchen), aber nur so lange wie das cerebrale vasomotorische Centrum funktionsfähig und in unversehrtem Zusammenhang mit den nach der Peripherie leitenden Bahnen war und bestreitet deswegen die Cyon- sche Behauptung, dass sie durch rhythmische Vorgänge von den irritablen Stellen der peripheren Gefässwand aus entstehen könnten. Er glaubt vielmehr, dass vom Athmungs- centrum rhythmische Impulse nach dem Centrum für die Gefässinnervation abströmen, welche durch ihre Ansamm- lung rhythmisch eine Verstärkung des Tonus dieses Cen- trum hervorbringen, schliesst aber eine direkte Erregung der Gefässnerven vom Athmungscentrum her mit Be- stimmtheit aus. Verhältnissmässig selten ist die vasculäre Welle am Menschen beobachtet und beschrieben worden, wahrschein- lich weil man wenig daraufhin untersucht und ohne Grund- linie gezeichnet hat, so dass die Niveauunterschiede der Curvenreihe weniger hervortraten. Mosso hat sie beim Registriren von Hirnbewegungen gesehen, und, da ihm keine sichere Ursache ihrer Entstehung bekannt war, sie als spontane Bewegungen der Gefässe bezeichnet. Da, wie wir wissen, dieselben durch die Arterienmuskulatur vermittelt werden und als Folge der abwechselnden Con- traktion und Dilatation derselben auftreten, so sind wir berechtigt, auch am Menschen sie überall da zu erwarten, wo das muskuläre Element eine besonders wirkungsfähige Entwickelung zeigt, wie namentlich an der Carotis. Fig. 7, Tafel I bildet die Curvenreihe der linken Carotis eines gesunden mittelkräftigen Mannes ab. Die Aufnahme, | (Abends 8 Uhr begonnen), dauerte 20 Minuten und wurde nur einmal unterbrochen, um die Kapsel, welche wie dieCurve anzeigt, der Carotis lose auflag, besser zu befestigen, was zur Folge hatte, dass der Charakter der einzelnen Curven- ERR BERND theile viel mehr hervortrat (n). Kleine Lücken von circa 3 Sek. Zeitdauer blieben am Ende jeder Curvenreihe, weildort aus technischen Rücksichten das Papier nicht geschwärzt worden war; doch hat das nichts zu sagen, da, was wir suchen, die vasculäre Welle, sonst deutlich ausgeprägt ist, und deren Hoch- und Tiefstand selten gerade in jene Lücke fällt. Die Pulsfrequenz bleibt, wahrscheinlich in Folge der mit der Aufnahme oft verbundenen psychischen Erregung, hoch: 80 C. per Minute und darüber; dem entsprechend fällt auf die einzelnen vasculären Wellen eine bedeutende Anzahl einzelner Pulsbilder. Die erste Senkung findet bei a statt, die Welle steigt darauf bis b, um bei c wieder ihren Tief- stand zu erreichen; so lässt sich die Schwankung durch die ganze Aufnahme hin verfolgen; die tiefste Stelle ist jeweilen mit einem + bezeichnet. Es ist übrigens zu- weilen nicht leicht, die Wellen genau abzugrenzen, da zwischen hinein kleinere Schwankungen vorkommen, eine starke Exspiration vielleicht eine einzelne Pulscurve herab- ziehen, eine entsprechende Inspiration sie erhöhen kann, so dass die ganze Welle zu steigen oder zu fallen scheint, auch wenn die betreffende Schwankung bei genauem Nach- sehen sich bloss auf ein Pulsbild beschränkt. Im ersten Theil sind die vasculären Wellen vie] leichter zu erkennen, die Niveauunterschiede bedeutender, ihre Längen durch- schnittlich geringer als im zweiten Theil; hier fallen 40 bis 60 Pulsschläge auf eine Welle, während es oben 25 bis 40 sind, was wahrscheinlich von der anfangs vorhan- denen psychischen Erregung und den damit vom Gehirn ausgehenden Reizen abhängt, dabei sind die plötzlichen - Tapiden Curvenerhöhungen (o, 8 etc.) auffällig, die mehr oder weniger rasch wieder in’s alte Niveau übergehen. Dass hier, respective überall wo der Hochstand der vas- RE ER culären Welle sich vorfindet, das Blutgefäss erweitert, erschlafft ist, beweist der Umstand, dass die einzelne Curve grösser, höher, nach dem Tiefstand der Welle hin kleiner, niedriger wird: eine Aenderung der Form, die darauf hin- weist, dass nicht Aenderung der Blutzufuhr, des Herz- schlages, sondern Alteration des Arterientonus sie bedinge. Bei 1, 2, 3, 4, 5 haben wir den Effekt von Schluck- bewegungen; zweifelsohne bewirkte die am Hals fixirte Aufnahmekapsel dort einen Reiz, der auf reflektorischem Wege die Schluckbewegungen auslöste: ein Vorgang, der bei weniger empfindlichen Individuen seltener vorkam, als hier, oder bei irritablen häufiger wiederkehrte und zu- weilen das Pulsbild verunstaltete oder in Folge jedes- maliger Kapselverschiebung die Aufnahme der Curven hoch- gradig erschwerte. Interessanter Weise trat diese Reflex- bewegung jeweilen am Ende der Arteriendilatation oder im Anfang der Contraktion ein, so dass es den Anschein hat, als ob diese gleichzeitigen Reizwirkungen auf Schling- organe und Gefässwand nicht ganz unabhängig von ein- ander wären: eine Erscheinung, welche auch Kronecker und Meltzer bei ihren Versuchen beobachtet haben. Die Aufnahme der Pulse von der rechten Carotis des- selben Individuum bot einige Schwierigkeiten; um einen Ausschlag des zeichnenden Hebels zu erhalten, musste ich die Kapsel bei etwas zurückgebogenem Kopf ganz am Unterkieferrand und ziemlich tief eindrücken, erhielt aber dafür eine sehr schöne, nie unterbrochene Curvenlinie mit namentlich gegen das Ende hin sehr deutlicher vasculärer Welle, im Gegensatz zu verschiedenen anderen Fällen, wo bei gelungener Aufnahme der linken Carotis die rechte ihren Dienst versagte und wegen zu tiefer Lagerung absolut kein deutliches Sphygmogramm gab. Fig. 8, Tafel I wurde an einem mittelgrossen gesunden ® r Y Dun he EI r " ME Da a la nn a na al an a u A nn alla 2 Jap Ken Sea ME v ‚ L; f LITE ne By Mann von 28 Jahren Abends um 5 Uhr genommen. Hinder- lich war dabei eine ziemlich entwickelte Struma, welche beide Carotiden nach der Tiefe drückte und namentlich an der rechten eine gute Aufnahme unmöglich machte; links gelangte man erst nach starkem Druck in die Tiefe dazu, deutliche Ourven zu erhalten; allein jedenfalls ist hier das Sphygmogramm nicht der reine Ausdruck normaler Herz- und Gefässthätigkeit, dazu sind die Druckschwan- kungen zu lebhaft und die vasculären Wellen (+) von einer Deutlichkeit und Kürze, wie sie bei keiner anderen Curvenreihe vorkommen. Offenbar hat der starke Druck auf's Gefäss auf reflektorischem Wege stark erregend gewirkt, so dass dasselbe sich energisch zusammen ge- zogen und nachher bei eintretender Ermüdung ebenso ausgiebig sich erweitert hat, eine Erscheinung, die be- sonders im zweiten Theil der Curvenlinie auffällig wird, nachdem der Reiz eine Zeit lang gewirkt hatte und dort vasculäre Wellen von nur 10—30 Pulsationen hervorbringt, während andere Aufnahmen deren von 40-60 Pulsationen enthalten. Andererseits kommt dabei wahrscheinlich auch dem Kropf eine gewisse Bedeutung zu. Mit seinem Reichthum an Blutgefässen bildet er gewissermassen einen Schwamm, dessen einzelne Röhren an der allgemeinen Gefässbewe- gung Theil nehmen, der also auf- und abschwillt. Trifft nun dessen Füllung oder Diastole, mit derjenigen der ihm an- gelehnten Carotis zusammen, so wird letztere um so mehr der Aufnahmekapsel entgegengedrängt den Zeichenhebel heben, somit die Curve erhöhen, während bei gleichzeitigem Zusammensinken von Struma und Arterie auch das Curven- niveau mitsinkt. Letzterer Umstand trägt zweifellos viel bei zum Auftreten der ungewöhnlich grossen Unterschiede im Curvenniveau. Bei 1, 2 und 3 sind Schluckbewegungen. a Während die früheren Aufnahmen bei erwachsenen Per- sonen vorgenommen waren, stammt Fig. 9, Tafel I von einem in der Mutation begriffenen kräftig entwickelten 16jährigen Knaben, doch bietet sie keine wesentlichen Aenderungen. Die vasculäre Welle ist, wie zu erwarten, sehr gut ausgeprägt und kürzer als gewöhnlich, 2, 3-5 auf die Minute. Wie schon andere Male, so sank auch hier nach einiger Zeit das ganze ÜCurvenniveau, ohne dass manuell an der Aufnahmskapsel etwas verändert worden war. Offenbar lagen dem verschiedene Ursachen zu Grunde. Einmal wurde durch die horizontale Lage die Blutvertheilung eine andere, die Blutfülle des Halses ver- minderte sich zugleich mit der Energie des Pulsschlages, ausserdem sank die Arterie in Foige der beim Liegen eintretenden Erschlaffung der Halsmuskulatur, vorab des Sterno-cleido-mastoideus nach rückwärts: alles Gründe, die ein allmähliches Weggleiten der Carotis von der Kapsel zur Folge hatte, und so nach einer gewissen Zeit eine neue Einstellung des Apparates erforderten, oder es par- ticipirten dabei möglicher Weise auch die während des Experimentes erschlafften elastischen Membranen des Inscripteur und des Recepteur. Der vasculären Welle ge- schieht dadurch kein Eintrag, indem ihr Auftreten gleicher- weise erkannt wird, sei das Curvenniveau etwas höher oder tiefer; auch hier tritt sie in Form rhythmischer Schwankungen auf, die aber in Bezug auf Länge, Höhe und Häufigkeit kein festes Gesetz erkennen lassen. Der Höhenunterschied zwischen Wellenberg und Wellenthal beträgt selten mehr als '/),—1lmm, zuweilen nicht einmal so viel; ebenso variabel ist die Pulszahl im auf- und ab- steigenden Schenkel der Welle; durchschnittlich ist der absteigende Schenkel deutlich kürzer als der aufsteigende, d. h. die Welle fällt, nachdem sie ihren Gipfelpunkt er- a Lg reicht hat rapider als sie gestiegen ist; vielfach ist der letztere schwer zu bestimmen, da mehrere Pulswelien- gipfel dasselbe Niveau haben und zwischen denselben unter dem Einfluss der respiratorischen Wellen sich wieder niedrigere befinden. Ausserdem vermindert die respira- torische Welle die Klarheit der vasculären, lässt deren Verlauf, deren Hoch- und Tiefstand nicht so genau er- kennen, da sie selbst eher in die Augen fällt, wie z. B. in Figur 5. In Fig. 10, Tafel II betrachten wir noch die Curven eines circa 52jährigen italienischen Arbeiters. Derselbe verunglückte im September 1883, indem ihm während der Arbeit ein Ziegel auf den Kopf fiel und an der Vereinigungs- stelle der Coronar- mit der Sagittalnaht ein dreieckiges Loch schlug; letzteres war zu klein, um, wie zuerst be- absichtigt war, Hirnbewegungen aufnehmen zu lassen ; daher beschränkte man sich auf die Carotis. An der Sinistra des etwas decrepiden, magern, mit geringer Struma versehenen Individuums liess sich der Apparat nicht zu einer gelungenen Anfnahme einstellen; um so leichter geschah dieses an der Dextra. Landois lässt, wie schon oben erwähnt, den Anakrotismus in der Pulscurve dann auftreten, wenn die Zeit, innerhalb welcher das elastische Rohr den höchsten Grad seiner Ausdehnung erfährt, länger Ist als die Schwingungsdauer der gespannten Röhrenwand d. h. also, wenn das Gefässrohr sich langsam ausdehnt. Alle Momente, welche die Ausdehnungszeit verlängern, werden demnach den Anakrotismus begünstigen ; dazu gehört vor Allem Atherom der Arterien. Der hier auf- tretende ausgesprochen anakrotisch tarde Puls ist ge- nügsam begründet, wenn wir erwägen, dass das Unter- suchungsobjekt ein Mann von 52 Jahren ist, der in Folge schwerer Arbeit und überstandener Krankheit alt und FERN ge schwach aussieht, dass an der Carotis Atherom verhältniss- mässig frühe auftritt, und schliesslich der Greisenpuls ein Pulsus tardus ist. Die atheromatöse Arterienwand ist zu steif, um der andringenden Blutwelle gleich nachzugeben, vielmehr braucht ihre Ausdehnung eine gewisse Zeit zur Ueberwindung des Widerstandes, dessgleichen die Con- traktion, daher die gebrochene Ascension und der runde Gipfel. Die Curvenreihe ist auch desswegen sehr lehrreich, weil sowohl respiratorische als namentlich die vasculäre Welle leicht kenntlich sich abheben. Die Minute enthält 68—70 Pulswellen und circa 18 respiratorische; letztere sind von ungleicher Länge, ent- halten 3 oder 4 Pulswellen, und zwar so, dass auf eine Welle von drei Pulsen eine solche von vier folgt; ziemlich häufig kommen zwei-, drei-, vierpulsige Wellen nach ein- ander vor; zuweilen ist auch der Rhythmus der, dass auf zwei Wellen mit vier Pulsschlägen eine drei Pulse zählende folgt. Die Länge der vasculären Welle wechselt wieder in so weiten Grenzen, dass auch hier die Annahme richtig erscheint, es sei durch Interferenz das eine oder andere Wellenende verwischt worden. Wenn auch in Folge der central durch allerlei in ihrer Intensität variable Reize bedingten Auslösung die Welle ungleich mächtig und ungleich lang auftreten kann, so ist doch seltsam, dass so ohne sichtbare Ursache Wellen von 10—30 Pulsen ab- wechselten mit solchen von 60, 80 und mehr. Jedenfalls ist die Welle als solche auf dieser Tafel sehr ausgeprägt, sind die Niveaudifferenzen bedeutend und in Bezug auf die einzelnen Schwankungen betrachtet, vielfach um so grösser, je kürzer die Welle, wie dieses z. B. bei x, der 17 Pulse enthaltenden, gegenüber w mit 62 Pulsen der Fall, doch nehmen auch viele Ausnahmen dem Satz seine allgemeine Geltung. nl a le TE et Bi a a Pr nach ho ee Die vasculäre Welle ist bei den meisten der bisher unter- suchten Curven so deutlich ausgeprägt, dass auch der ober- flächliche Beobachter sie leicht erkennt; bei wenigen, wo flache Wellen auftreten, ist dieses schwieriger; doch wird der des Lesens sphygmographischer Aufnahmen Kundige, eventuell mit Hülfe des Lineals und Betrachtung von der Seite her, auch die leichteren Schwankungen mühelos sehen. Müssen dieselben nun demjenigen, welcher das Unter- suchungsobjekt, den Apparat, die Entstehung der Welle vor Augen hat, welcher das Experiment leitet, gleich als etwas Neues, Fremdartiges auffallen, so kann doch der damit weniger Vertraute sich fragen, ob nicht andere mehr zufällige Umstände einmal das Curvenniveau heben, das andere Mal es senken können, ob nicht eine tiefe Inspiration, ein Seufzer z. B., eine starke Exspiration oder psychische Ursachen, der Eintritt einer Person in’s Laboratorium, Geräusche etc., Ursachen jener Niveau- veränderungen sein können; allein derartige Einflüsse wur- den jedesmal sorgfältigst zu vermeiden gesucht und wo sie sich dennoch äusserten, geschah das so deutlich, dass sie nicht zu verwechseln waren. Psychische Regungen, Gedankenarbeit, können mitgewirkt haben, das lässt sich ja nicht kontrolliren, aber nicht als Ausschlag gebendes Moment, denn die betreffenden Wellen traten auch während des Schlafes auf und zwar meist schöner und regelmässiger als beim Wachen. Und dass die Respiration direkt mit der vasculären Welle nichts zu thun habe, sondern dass letztere eine periodische Thätigkeitsäusserung des vasomoto- rischen Centrum ist, das beweisen sämmtliche Beobach- tungen, bei denen Carotis- und Respirationsbewegungen zu- gleich registrirt wurden. Zu letzterem Zwecke verband man einen auf dem Epigastrium liegenden Gummiballon durch Kautschukschläuche mit einer Kapsel, deren elastische Deck- Bern. Mittheil. 1885. ‚Nr. 1124. Ep membran vermittelst eines Zeichenhebels der Trommel die Athembewegungen mittheilte. Hochstand der Curve (Fig. 11, Tafel II) fällt auf Inspiration, Tiefstand auf Exspiration; der die Respiration zeichnende Hebel wurde unter dem Puls- hebel befestigt, wesshalb die Respirationscurve unter der ihr zugehörigen Pulscurve verläuft, und musste, um den Pulshebel in seinen Bewegungen nicht zu stören, circa '/, cm. vor demselben die Trommel berühren, so dass überall die Respirationscurve '/, cm vor der ihr entsprechenden Puls- curve verläuft. Der eigentlich richtige Verlauf ist durch die punktirte Curve (ce, 8, y) angedeutet; dabei bestätigt sich ad visum (Figur 11) der vorher schon (Seite 33 unten) aufgestellte Satz, dass die Inspiration die zweite Hälfte der Thal- und erste Hälfte der Berg-, die Exspiration die zweite Hälfte der Berg- und erste Hälfte der Thalrespira- tionswelle umfasst. Da die Art und Weise der Application der Aufnahme- kapsel auf die Carotis sich von entschiedenem Einfluss auf die Deutlichkeit der vasculären Welle gezeigt hatte, so wurde die Kapsel dieses Mal möglichst lose aufgelegt Dem entsprechend erhielt ich sehr übersichtliche vasculäre Wellen. Ihr Tiefstand, mit einem + bezeichnet, tritt ein, ohne dass an der begleitenden Respirationscurve irgend welche Veränderungen sich zeigen, die in ursäch- lichen Zusammenhang damit gebracht werden konnten, selten fällt derselbe, was ja leicht möglich wäre, mit einer besonders tiefen Inspiration zusammen. Wo die Respira- tion unregelmässig, markirt sich dies in der Pulswelle anders; so markirt letztere einen Seufzer mit plötz- lichem Fall und nachherigem Steigen. Gegen das Ende der Tafel sinkt, wahrscheinlich ebenfalls in Folge von Er- schlaffung der Kapselmembran und der unter dem Ballon befindlichen Museulatur die Respirationscurve allmählich, ER hingegen zeigt sich an ihr von Anfang an ein eigenthüm- liches, interessantes Phänomen, indem auch hier ein Auf- und Niedergehen stattfindet, und die Respirationscurve der vasculären Welle ähnliche Schwankungen macht. Ver- folgen wir die Curve, so fällt in die Augen, dass der der Inspiration entsprechende Hochstand sehr ungleich ist, und in rhythmischer Weise steigt und wieder sinkt (1.2.3... . bezeichnen eine Reihe von Tiefständen), dass also hier wieder neue Wellen in der Respirationscurve auftreten, deren jede eine Reihe Respirationen einschliesst. Woher diese Erscheinung rührt, darüber behalten wir uns bei der verhältnissmässig geringen Zahl derartiger Aufnahmen die Entscheidung noch vor; vielleicht hängt sie von der Gefässfüllung des Abdomen ab, vielleicht von centralen Ursachen und ist wohl gar ein Anklang an das Cheyne-Stokes’sche Athmungsphänomen, wie es Mosso *) allerdings ausgesprochner in der Respirationscurve des gesunden schlafenden Menschen beobachtet hat. Jeden- falls steht sie in keinem Zusammenhang mit der vascu- lären Welle, da, wenn bei beiden auch ungefähr gleich lange Schwankungen (von 15—40 Pulswellen-Arten) vorkommen, doch weder Hoch- noch Tiefstand der Wellen je zusammen- fällt, und die gleich langen Wellen einander kaum je ent- sprechen. Demnach ist neben der Puls- und respiratorischen Welle die vasculäre Welle als eine eigenthümliche regel- mässig in dem Sphygmogramm der Carotis vorkommende Erscheinung nachgewiesen. Mosso nennt diese rythmischen Schwankungen die er ausgesprochen an Thieren, z. B. der Carotis des Hundes, sowie an den Hirngefässen des Menschen beobachtete, *, Mosso, Ueber die gegenseitigen Beziehungen der Bauch- und Brustathiınung. Archiv für Anatoınie und Physiologie 1878, pag. 452 u. folg. a spontane Undulationen, weil er keinen sicheren Grund für ihr Entstehen nachweisen konnte; hingegen äussert er die Vermuthung, dass es nicht nur von der Peripherie her angeregte reflectorische Bewegungen seien, sondern ihre Rhythmicität auf gewissen in mehr oder weniger gleichen Intervallen einwirkenden Gehirnreizen beruhe, welch’ letztere auf chemische Umsetzungen im Bereich einzelner Hirnabschnitte zurückzuführen seien. Sehr wahrscheinlich führt die chemische Umgestaltung, welcher die stofflichen Bestandtheile des Gehirns bei der Thätigkeit der Hirn- zellen unterliegen, zur Entstehung von Producten, deren Gegenwart genügt, das Innervationscentrum der Carotis- muscularis zu reizen und rhythmische Bewegungen der- selben auszulösen. Sicher ist jedenfalls, dass wir in der Gefässthätigkeit einen Schlüssel besitzen, um die Erkenntniss physiologischer und pathologischer Gehirnfunctionen zu eröffnen. Wenn wir erwägen, welch’ lebhaften Einfluss Veränderungen in der Zusammensetzung des Blutes, Reize psychischer Natur, pathologische Zustände aller Art, Geisteskrankheiten ins- besondere, im Zustand der Gefässe hervorbringen, wie ein Maniacus in einem Augenblick enorme Fluxionen zum Kopf zeigt, bald nachher wieder bleich, blutarm scheint, wie Epileptiker ihre Farbe verändern, Melancholiker rasch- wechselnde Circulationserscheinungen aufweisen können, nicht zu sprechen von den hochgradigen Störungen der Paralytiker, so bleibt kein Zweifel, dass das Gefässnerven- centrum in seinen einzelnen Parthieen (in der Hirnrinde, medulla oblongata und spinalis) auf obige Zustände hin leicht reagirt, und in seinen Aeusserungen gewisser- massen ein Spiegelbild derselben vorstellt. Wo der Reiz, dahin die Blutwallung, wo der Bedarf, da die Zufuhr, oder auch, wo die Störung, da der Spiegel nah r . ws rn BEE derselben an den zuführenden Gefässen ; wissen wir ja doch, dass verschiedene Gefässgebiete von einander un- abhängig innervirt sein und daher ganz verschiedene Füllungszustände haben können. Haben wir also Stö- rungen im Gehirn, so müssen sich diese irgendwie an den zuführenden Gefässen, den ÜCarotiden offenbaren, und dieses geschieht sehr wahrscheinlich in der vasculären Welle. Nachdem deren regelmässiges Vorkommen nun con- statirt worden, bleibt es Aufgabe neuer Experimente und neuer Erfahrungen, die Veränderungen derselben ausfindig zu machen, welche sie unter diesen oder jenen patholo- gischen Verhältnissen eingehen wird. Wirklich verspricht auch vermehrte Forschung auf diesem Gebiet nicht ganz aussichtslos zu sein, das beweisen die bisher gewonnenen Resultate. Schon Mendel *) hat in Fällen halbseitiger Erkrankung verschiedene Carotis-Bilder auf beiden Seiten gefunden. In Nr. 9 des Korrespondenzblattes für Schweizerärzte 1884 ist ein Fall beschrieben, wo Burckhardt in Pre£fargier aus der Verschiedenheit der linken und rechten Radialis- curve mit Sicherheit auf einen Fremdkörper im Daumen- ballen der linken Hand schloss, der vorher vermittelst vorgenommener Incisionen umsonst gesucht worden war. Wirklich gelang es daraufhin Prof. Kocher in Bern in einer 3. Operation denselben zu finden und zu extrahiren. Es zeigen nicht nur die beiderseitigen Radialiscurven der betreffenden Patientin charakteristische Verschiedenheiten sondern es ist dasselbe auch bei den von Burckhardt mir gütigstüberlassenen Carotiscurven der Fall und bezieht sich da namentlich auf die vasculäre Welle. Auf der gesunden *), Mendel, Ueber sphygmographische Untersuchungen der Carotis. Referat in der Zeitschrift für Psychiatrie. 1877. N ee Seite haben wir eine gleichartige pulsatorische und regel- mässig flache vasculäre Welle, links sind letztere viel kürzer, unregelmässiger; plötzlichen Curvensenkungen folgen ebenso plötzliche Erhebungen; erstere bieten un- gleiche Zeitfolge und ungleiche Formen. Derselbe Unterschied zwischen links und rechts liegt in den Carotiscurven eines anämischen Epileptikers mit unregelmässigen täglichen und nächtlichen Anfällen und einer empfindlichen Stelle links am 4. Brustwirbel; ein Hinweis, wie energisch periphere Störungen im gleich- seitigen Gefässsystem sich fühlbar machen können. Eine hübsche Illustration zu diesem Satz bilden auch folgende bei einem Geisteskranken gefundenen Verhältnisse (Fig. 12 a und 5 Taf. II): W.,cephalopathisch, mit äusserlich sichtbarer Ungleichheit beider Gesichtshälften und Depres- sionszuständen hypochondrisch-melancholischen Charakters trägt auf der rechten Stirnhälfte eine empfindliche Narbe; dem entsprechend zeichnet sich die rechtsseitige Carotis- curve (vor Exstirpation der Narbe) (Fig. 12a) durch unregelmässigen Gang, stark respiratorische und ein- zelne ungewöhnlich hervortretende vasculäre Wellen aus, ein Vorkommen, das seltner ist, da sonst beim Hervor- treten der respiratorischen Welle (im Schlaf normaler und ganz besonders epileptischer Individuen) die vasculäre Welle flacher wird und zurück tritt. Die linke Carotis- curve (Fig. 12 b) desselben Patienten ist dagegen mit weni- ger ausgeprägten respiratorischen Wellen und durchschnitt- lich auch mit flacheren vasculären Schwankungen versehen. Die einige Monate nach der Exstirpation der Narbe re- gistrirten Carotisbewegungen (Fig. 13 a und 5b Tafel II) zeigen diese Unterschiede nur noch in bedeutend ge- ringerem Grade. ME ER Ebensosehr wie periphere zeichnen sich centrale Ner- venreize in der Pulscurve ab; nur dass hier zum Unter- schied von jenen die Gefässe beiderseits betheiligt sind und dieselben Modificationen eingehen. Mir liegen noch verschiedene Curven aus dem Burckhardt’schen Labora- torium vor, die von körperlich Kranken (z. B. nicht psy- chotischen Neurosen), wie von Geisteskranken herrührend, von der normalen Form wesentlich abweichen und nament- lich in der vasculären Welle bemerkenswerthe Verschieden- keiten darbieten. So liefern sämmtliche bis jetzt unter- suchte Epileptiker ungewöhnlich lange flache vasculäre Wellen. Fig. 14 Tafel II stammt von einem an Folie circulaire leidenden Manne im Depressionsstadium. Das Pulsbild ist sehr regelmässig, die Pulswelle niedrig, die vasculäre Welle» fast bis zur Unkenntlichkeit flach, fällt zuweilen mit einer Schluckbewegung zusammen, die respiratorische fehlt ganz. Fig. 15 Tafel II wurde vom gleichen Patienten R. im Stadium der Aufregung genommen. Derselbe ist vor einer halben Stunde aus dem Bad gestiegen, hat ein rothes Gesicht, Fluxionen zum Gehirn, aber verspricht, ruhig zu sein und schläft während der Aufnahme ein. Augenschein- lich ist gegenüber der ersten Curve hier ein Nachlass des Tonus vorhanden; starke respiratorische und noch stürmischere vasculäre Schwankungen weisen auf einen alternirenden Contractionszustand, auf heftige ungleich- mässige Einwirkungen auf das Gefässcentrum hin. Ebenso interessant ist der Unterschied, den ich in den Curven eines acut primär Verrückten in den ver- schiedenen Stadien seiner Krankheit bemerke. Patient hallueinirt lebhaft, hat Wahnideen, Impulsionen zu Homi- cidium, Suicidium, heissen, rothen Kopf, sehr wechselnde Grössen in der Höhe der Pulsation, starke respiratorische a und kurze vasculäre Wellen. Im Stadium der Reconvales- cenz treten alle die aufiallenden Erscheinungen zurück, und die Carotis nimmt in ihren Wellen wieder einen gleichmässigen, der Norm entsprechenden Gang an. Solche Eigenthümlichkeiten zeigen sich noch bei vielen anderen Erkrankungen; allein sie sind noch wenig erforscht, und weiteren Beobachtungen bleibt es vorbehalten, deren Aeusserungen im Carotisbilde zu verfolgen, und zu sehen, ob sie sich nicht in der Form der vasculären Welle cha- rakterisiren, bis man am Ende dazu gelangen wird, aus ihrer Gestalt mit Sicherheit auf bestimmte intracranielle Vorgänge schliesen zu dürfen und so eventuell eine Reihe noch ungenügend erklärter Erscheinungen zu erläutern, vielleicht noch die eine oder andere functionelle Erkran- kung hinüberzuziehen in’s Lager der organischen, wie dieses schon mit vielen anderen, z. B. der progressiven Pa- ralyse gelungen ist. Damit wäre der Psychiatrie jene durch- sichtige pathologisch-anatomische Basis zu geben, wie sie durch eifrige Forschung den meisten übrigen Zweigen der medicinischen Wissenschaft zu Theil geworden. Ist nur erst der Sphygmograph ein unentbehrliches Inventarstück der Spitäler, ein regelmässig zu Rathe ge- zogenes diagnostisches Hülfsmittel der Irrenanstalten geworden, so wird manch neues Licht aufgehen über bis- her noch dunkle Erscheinungen, manch neuer Stein dem aufzurichtenden Forschungsgebäude beigefügt werden Kön- nen. Erst wenn Hirnphysiologie und -Pathologie ver- vollkommnet sein werden, wird zu hoffen sein, dass auf exakte Untersuchungsmethoden gestützt die Therapie neue Bahnen einschlage. — nu n— Re BET Vietoria Familiant. Beiträge zur Vergleichung der Hirnfurchen bei den Carnivoren und den Primaten Im Anschlusse an die Untersuchung eines Löwen-Gehirnes In der Sitzung vom 3. Nov. 1883 vorgetragen von Hrn. Prof. Dr. Flesch. nn I. Einleitung. Die Nachfolgende Arbeit bringt eine Beschreibung des Gehirnes einer Löwin, welches in ziemlich frischem Zu- stande einem in der Böhme’schen Menagerie an einer Knochenkrankheit gestorbenen, 5 Jahre alten Thiere ent- nommen wurde. Letzteres war in der Menagerie geboren und ein von der lokalen Erkrankung abgesehen vollständig normales prächtiges Exemplar. Die Beschreibung kann zwar nichts absolut neues, auch nichts wesentlich von den existirenden Darstellungen von Gehirnen der gleichen Art abweichendes ergeben. Immerhin dürfte gegenüber den von verschiedenen Seiten nachgewiesenen Varietäten der Gehirnfurchung bei den Carnivoren das Bedürfniss festgestellt sein von den einzelnen Arten möglichst zahlreiche genaue Beschrei- bungen zu gewinnen und daraus die normalen Typen zu construiren. Im Anschlusse an die Beschreibung soll ver- sucht werden, die bis jetzt sicher zu stellenden Homologien zwischen den Furchen des Carnivoren- und des Menschen- Gehirnes klar zu stellen. Neben der eigenen Untersuchung einiger Hunde- und Katzengehirne bilden das Material dazu Beobachtungen über Varietäten des Menschengehirnes, welche mir Herr Dr. Flesch aus seinen Notizen üherlassen hat. Die Rechtfertigung für unseren Versuch Homologien auf descriptif vergleichendem Wege ohne concrete ent- Bern. Mittheil. 1885. Nr.4125. gr wicklungsgeschichtliche Begründung zu prüfen, bildet das behandelte Thema selbst. Es fehlt ja nicht an entwick- lungsgeschichtlichem Material. Für den Menschen ist die Kenntniss der foetalen Gehirnfurchung jetzt durch eine ganze Reihe von Arbeiten *) hinlänglich klar gestellt; ebenso existiren für das Carnivoren-Gehirn aus neuerer Zeit aus- reichende Angaben von Krüeg”*) und Pansch”*"\. Der Vergleich ist indessen schwer zu führen. Die Furchen der Gehirnoberfläche gehören zu den am spätesten zur Ausbildung gelangten morphologischen Characteren. Das beweist uns ihr spätes Auftreten in der embryonalen Entwicklung, ihr Fehlen bei den niederen Vertebraten. Erst bei den Säugethieren finden wir das Auftreten regel- mässiger Furchen, das, allerdings schon bei der tiefstehen- den Gruppe der Monotremata characteristisch genug ist, indem schon hier ein tiefgreifender Unterschied zwichen den beiden Familien dieser Ordnung besteht. Während nämlich Echidna reiche Windungen zeigt, sind die Hemis- phären von Ornithorhynchus vollkommen glatt. 7) Ebenso wie bei den Monotremen, lässt sich aber auch bei den höher stehenden Ordnungen der Säugethiere nach- weisen, dass dem Auftreten der Hirnfurchung jene Regel- mässigkeit abgeht, welche bei allen anderen Organen be- *) Vgl. u. A. Kölliker, Grundriss der Entwicklungsgeschichte 2. Auflage. S. ferner die unten eitirten Schriften von Bischoff, Ecker, Pansch sowie Reubold „zur Entwicklungsgeschichte des menschlichen Gehirnes“. Festschrift zur 3. Säcularfeier der Universität Würzburg, gewidmet von deren medie. Facultät. I. Band. S. 169. *#) S. Krüeg. Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der Zonoplacentalen Säugethiere, (Zeitschrift für wissenschaftliche Zoolo- gie. Bd. 33. S. 595. *#%) A. Pansch. „Beiträge zur Morphologie des Grosshirnes der Säugethiere“* (Morpholog. Jahrbuch Bd. V. S. 19.) +) Dr. F. H. Huxley „Handbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere“. Deutsch von Ratzel. S. 277. SIERT. SL steht, deren Bildung eine feste Grundlage durch weithin zu verfolgende Vererbung erhalten hat. Bei nahe ver- wandten Thieren kann sehr wenig ausgebildete neben ver- hältnissmässig reich entwickelter Hirnfurchung gefunden werden. Innerhalb einer Art zeigen sich sehr grosse Schwankungen, welche für den Menschen bereits vielfach bearbeitet sind, für die Carnivoren neuerdings von Mic- lucho-Maclay*) an einem besonders eclatanten Beispiel dargestellt worden sind. Je später morphologische Charac- tere in den Bauplan des thierischen Körpers eingeführt sind, je weniger sie durch Vererbung fixirt sind, desto grösser ist ihre Variabilität. **) il. Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen. Das späte Auftreten der Hirnfurchung beim Embryo der Mangel derselben bei verhältnissmässig hochstehenden Säugethieren (Nager, Fledermäuse), ihre verhältnissmässig reiche Entwicklung schon bei den niederen Säugern (Echidna), ihre grosse Variabilität innerhalb der Art wirken zusammen, um uns nahe zu legen, dass die Furchen des *) De Miclucho-Maclay. Remarks about the Circumvolutions of the Cerebrum of canis Dingo. Proceedings of the Linnean Society of New South-Wales. Vol. VI. S. 624—627. 1. Pl. Sidney 1881 ref, u.a. im biologischen Centralblatt. III. Jahrg. S. 182. **) Ein besonders schönes Beispiel für die Leichtigkeit, mit welcher der Entwicklungsgang gerade des Gehirnes aus seiner Bahn abgeleitet werden kann, bieten Gehirne, welche während des em_ bryonalen Lebens eine krankhafte Störung erfahren haben. Die Ge- hirne von Microcephalen weisen nicht selten Charactere auf, die in dem Schema der menschlichen Gehirnwindungen nicht Platz fin- den, wohl aber in manchen Fällen leicht auf typische Bildungen bei Thieren zurückgeführt werden können. Ein besonders schönes Beispiel dafür wird in der demnächst erscheinenden Dissertation von Frau Steinlechner (Untersuchungen am Micreeenhalen-Rücken- mark) veröffentlicht werden. NER ER Säugethiergehirnes nur innerhalb relativ enger Grenzen auf gemeinsame Typen zurückgeführt werden können; selbst früh in der Entwickelung nachweisbare Furchen müssen möglicherweise als neu hinzugekommen und nur der unter- suchten Art eigenthümlich angesehen, und desshalb bei der Aufstellung von Homologien nur mit grösster Vor- sicht verwerthet werden. Zur thatsächlichen Begründung sei versucht, diejenigen Daten, welche über die Reihenfolge der Entstehung ein- zelner Gehirnfurchen bekannt sind, so weit sie für unseren Zweck in Betracht kommen, hier zusammen zu stellen. Wir sehen dabei ab von den nicht permanenten primitiven Furchen, welche im dritten Monate entstehen und später wieder verschwinden, — obwohl wir nicht verkennen dürfen, dass möglicherweise die Einfügung solcher vergänglicher Furchen die Lücken in der Vergleichung der verschieden- artigen Bildungen im bleibenden Zustande ergänzen kann. Zum Belege lässt sich anführen Bischoff’s*) Fissura occi- pitalis perpendicularis externa, (allerdings keine Primitiv- furche im eigentlichen Sinne des Wortes), welche nach Bischoff s Angaben, die wenigstens theilweise von Ecker **) bestätigt sind, zu Ende des 7. Monats entstehen und später verschwinden soll. Gerade diese Furche lässt sich aber *) Th. S. W. Bischoff. „Die Grosshirnwindungen des Menschen mit Berücksichtigung ihrer Entwicklung u. s. f.“ (Aus den Ab- handlungen der k. bayer. Akademie der W. II. Cl. X. Bd., II. Abth, Ss. 58—60.) *#=) A. Ecker. „Zur Entwicklungsgeschichte der Furchen und Windungen der Grosshirn-Hemisphären im Fötus des Men- schen“ (Archiv für Anthropologie Bd. III, Heft 3 S. 210.) Ecker’s Angaben weichen nur insofern von jenen Bischoff’s ab, als er eine transitorische Querspalte im 5. Monate der Entwicklung hin und wieder entstehen, jedoch schon im 6. oder 7. Monate wie- der verschwinden lässt, um einem später entstehenden Suleus ocei> pitalis transversus Platz zu machen. verwerthen zum Vergleiche des Menschengehirnes mit dem Affengehirne in Rücksicht auf die bei letzterem so cha- racteristische Querfurche des Hinterlappens. Bei den Menschen finden sich die wichtigeren Hauptfurchen in folgender Reihenfolge ein.*) 4. Monat: Sulcus parietooceipitalis mit seiner Fort- setzung, dem Sulcus calcarinus. 5. Monat. Anlage des vorderen Schenkels der Fossa Sylvii, etwas später Sulcus centralis; letzterer wächst von der Mittel-Ebene nach aussen hin, nach Hamy in der Weise, dass seine Stellung im Laufe der Entwickelung bis zum Er- wachsenen sich der Queren nähert (ihr Winkel mit der Medianlinie beträgt beim Kinde 52°, beim Erwachsenen bis 70°.) **) 6. Monat: Sulcus Praecentralis (Anlage der unteren Stirnfurche), danach der Sulcus interparietalis in zwei Ab- schnitten: zuerst als obere Hinterhauptsfurche, dann als eigentliche Parietalspalte ; gleichzeitig entstehen der Sul- cus callosomarginalis, die obere Schläfenfurche und die Oceipitotemporalfurche. 7. Monat: Obere Stirnfurche. 8. Monat: Dritte Schläfenfurche, quere Hinterhaupts- furche. Aus der eitirten Untersuchung Reubold’s sei noch er- wähnt, dass er bereits im 7. Monat eine sehr deutliche H förmige Orbitalfurche antraf. Im 8. Monate findet er, dass der Sulcus Callosomar- *) Es folgt diese Uebersicht den Darstellungen Ecker’s (1. c.\ und Köllikers. (Entwicklungsgeschichte des Menschen“ 2. Aufl. Leipzig 1373, S. 563, ff.); beide differiren zwar hinsichtlich einzelner Zeitangaben, jedoch nicht hinsichtlich der Reihenfolge. *%) Citirt nach Schwalbe, Lehrbuch der Neurologie (2. Aufl. von Quain-Hoffmann’s „Lehrbuch der Anatomie“ Bd. II. S. 575.) Bu ginalis in weiterer Ausdehnung entwickelt ist und mit 2—3 grubigen dorsalwärts gerichteten Zügen in Verbindung steht; sein oberes Ende bleibt '/, cm. vom Hemisphären- rande entfernt und es fehlt desshalb jene Einkerbung der Mantelkante, welche am entwickelten Hirne hinter dem oberen Ende des Suleus centralis zum Vorschein kommt, und welche auch am 8-monatlichen foetalen Gehirne schon vorhanden sein kann. Es findet sich ferner im 8. Monate der Sulceus occi- pitalis transversus und, falls eine solche überhaupt deat- lich auftritt, eine weitere Schläfenfurche, so dass man nun- mehr im ganzen 5 Schläfenwindungen durch 4 Furchen getrennt sieht. Bezüglich des 9. Monats und der Verhältnisse bei Neu- geborenen sind die Einzelheiten noch viel zu wenig bekannt. Kölliker beschränkt sich darauf mit aller Reserve zu er- klären, dass beim Neugeborenen alle Hauptwindungen und auch alle Nebenwindungen angelegt sind, betont aber dringend, dass vor allem hier reicheres Material gesammelt werden müsse. Für die von uns zu besprechenden Fragen kommen indessen diese späteren Entwicklungsvorgänge kaum in Betracht, so lang wir davon ausgehen, dass für das Gehirn ebenso wie für alle andern Organe die Ver- gleichung von den einfacheren Verhältnissen der früheren Entwicklungszeit auszugehen habe. Die Reihenfolge des Auftretens der einzelnen Furchen bei dem Hunde gibt uns folgende Tabelle, in welcher zugleich die Nomenclatur der von uns weiter zu citirenden Autoren zusammengestellt ist: TIERE Bezeichnungen der Hauptfurchen nach Pansch und Krüeg Grenzfurche des Lobus Olfactorius... Fissura rhinalis. Grenzfurche des Lobus Hippocampi.. Fiss. rhinalis poste- rior. Mediale, Hauptfurche-. 7... 2...» . Fiss. splenialis und Fiss. cruciata zu- sammen. Obere Longitudinale Hauptfurche.... Fiss. coronalis, an- sata und lateralis. Laterale bogenförmige Hauptfurche. Fiss. suprasylvia und suprasylvia posterior Vordere senkrechte Hauptfurche..... Fiss. praesylvia. Secundäre unterste Bogenfurche ... Fiss. antica u. postica. Hintere laterale’ Eurche:.%.... ....- Fiss. ectolateralis. (wenn diese frei ist.) Am frühesten finden sich bei der Katze von 7,5 cm. Länge vom Kopf bis zur Schwanzspitze die Fiss. Hippo- campi, die für unsere Zwecke nicht in Betracht kommt, und die Fiss. rhinalis; ihnen folgt bei 14,5 cm. Länge die Fiss. Splenialis, die sich bei 15,5 cm. als Fiss. cruciata fort- setzt. Im letzteren Stadium finden sich auch die Fissura suprasylvia, praesylvia und die drei Abtheilungen der oberen Bogenfurche Pansch’s: Fiss. lateralis, ansata und coronalis. Bereits ist schon die vordere Abtheilung der unteren Bogenfurche angelegt, so dass alle Hauptfurchen vorhanden sind. Damit stimmt die Reihenfolge der Ent- wicklung bei dem Hunde sowohl nach den Angaben von Krieg als von Pansch im wesentlichen überein. Aus dem Vorhergehenden ist zu entnehmen, dass auf entwicklungsgeschichtlichem Wege der Nachweis spezieller Homologien zwischen einzelnen Hirnabschnitten der Säuge- thiere kaum zu erbringen ist, weil die topographisch am leichtesten zu vergleichenden Furchen nicht genau in der- selben Reihenfolge auftreten. Bei den späteren Vergleich- ungen werden wir mit Rücksicht auf die Centralspalte und andere Furchen im Einzelnen darauf zurückzu- kommen haben. Der Nachweis der physiologischen Gleich- wertigkeit der einzelnen Gehirnabschnitte, der von man- chen Seiten zur Lösung der uns beschäftigenden Fragen herangezogen worden ist,*) kann uns nicht zum Ziele führen. Gerade für die Gehirnoberfläche ist mehr als anderswo die Vermuthung erlaubt, dass eine Wandelung in den Functionen einzelner Stellen im Laufe der phylo- genetischen Entwicklung stattgefunden habe, wenn auch, wie es scheint, innerhalb gewisser enger Grenzen eine Substitution der benachbarten Regionen stattfindet. So lange wir uns nur auf die funktionelle Identität stützen können, dürfen wir wohl von einer Analogie aber nicht von einer Homologie sprechen.**) In diesem Sinne können die von Schwalbe gegen die Broca’sche Homologisirung des Sulcus praesylvius mit der Centralspalte geltend ge- machten Argumente nicht als durchschlagende angesehen werden. Durch die neueren Untersuchungen Munk’s***) hat übrigens der Nachweis analoger Bedeutung gerade der am meisten besprochenen Gehirnabschnitte ein gewisses End- ziel erreicht, insofern nicht nur für die motorischen Ge- biete in der Umgebung der Centralwindungen bei dem Menschen und des Suleus Cruciatus bei dem Hunde, sondern auch für die nach vorn gelegten Gehirntheile die physio- logische Gleichwerthigkeit klar gelegt worden ist. *) Vergl. Schwalbe „Nervenlehre“. S. 586. *=®) Gegenbaur „Grundzüge der vergleichenden Anatomie“. 8. 79 *==®) Hermann Munk. „Ueber die Stirnlappen des Grosshirns“ Sitzungsberichte der k. pr. Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1882 XXXVI. S. 759. So sind wir darauf angewiesen die Homologien so weit als möglich auf Grund des Nachweises gleichartiger Lager- ungsbeziehungen zu den benachbarten Organen zu bestim- men. Erschwert wird dieser Nachweis durch die grosse Zahl der caenogenetischen, complicirenden Bildungen, welche zu den ursprünglich die einzelnen Typen characterisirenden Furchen hinzutreten. Immerhin eröffnet uns dieser Weg die Möglichkeit, eine, wenn anch unvollständige morpho- logische Homologie der einzelnen Gehirntheile zu statuiren. Il. Furchen und Windungen des Fleischfressergehirnes. Untersuchung des Gehirnes einer Löwin. Den Ausgangspunkt für die Vergleichung des Carni- voren- mit dem Primaten-Gehirne bildet seit Leuret’s Untersuchungen zumeist das Gehirn des Fuchses; von diesem, sowie von den am leichtesten zugänglichen Carni- vorengehirnen — Hund und Katze existiren zahlreiche Beschreibungen; dagegen sind wegen der Seltenheit der Objecte von anderen Fleischfressern oft nur wenige Exem- plare zur Untersuchung gelangt. Dies mag es recht- fertigen, wenn ich hier das bekannte Material durch die Beschreibung des Löwen-Gehirnes zu vermehren versuche. Abbildungen und Beschreibungen eines solchen exi- stiren, so weit: mir bekannt, in dem mir leider nicht zu- gänglichen Werke von Leuret;”) ferner bei Tiedemann, ”*) Wilder’**) Krüegt) und Meynert.Yf) *) Deuret et Gratiolet. Anatomie comparee du systeme nerveux eonsideree dans ses rapports avec l’intelligence, accompagnee d’un Atlas de 32 planches dessinees d’apres nature et grav6es. Paris 1839—1857, Taf. 5, Fig. 2. (Citirt nach Krüeg.) **) Tiedemann. Jecones cerebri simiarum et quorundam mamma- lium rariorum. 1821. — Taf. 3, Fig. 3—5. (Citirt nach Pansch.) *==#) Wilder. The outre cerebral fissures of Mammalia (especial carnivora) and the limites of their homology. (Papers chiefly anat. Bern. Mittheil. 1885. Nr. 1126. a ee Das vorliegende Gehirn ist in seiner Form sehr gut erhalten, jedoch durch die mit der Erhärtung verbundene Schrumpfung etwas verkleinert. Seine Länge misst von dem Stirnende bis zum Uebergange der Medulla Oblongata in das Rückenmark etwa 100 mm., davon kommen auf - das Grosshirn 79 mm., von diesem wiederum 53 mm. auf das rückwärts von derSylvischen Spalte gelegene Gebiet. *) Das Kleinhirn überragt nach hinten das Grosshirn um 13 mm., seine sagittale Länge beträgt etwa 30 mm. Die Breite des Grosshirnes ist am grössten (73 mm.) hinter der Fossa Sylvi, — etwa zwischen mittlerem und hinterem Dritttheil der Länge des gesammten Gehirnes. Die Form des Gehirnes steht etwa in der Mitte zwischen Hund- und Katzengehirn. Mit dem Katzengehirne gemeinsam ist die scharfe Scheidung des vorderen schmäleren 64 mm. breiten Abschnittes von dem breiteren hinteren Theile an der Fossa Sylvii. Bei dem Hunde verjüngt sich das Gehirn allmälig von hinten nach vorn. Bei der Katze ist die Grenze durch eine tiefe winklige Einbiegung bezeichnet, an welcher die Breite plötzlich sich vermindert. (Beispielsweise, an einem gemessenen Präparate von 40 mm. auf 32 mm., also um !/. der Gesammtbreite; bei dem Löwen 73 mm. auf 64 mm. also um !),.) pres. at the Portland Meet., of the Amer. Ass. for the adv. of sc, August 1873. p. 214. (Cit. n. Krüeg.) +) Krüeg. Furchen der Zonoplacentalen Säugethiere u. s. f. Taf. XXXV. +r) Meynert. Die Windungen der convexen Oberfläche des Vorderhirnes bei Menschen, Affen und Raubthieren. Separatabdruck aus dem Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. *) Sämmtlichd Messungen mit Ausnahme einigerZahlen der auf S. 18 enthaltene Tabelle über die Lage des Suleus cruciatus be- ziehen sich auf das in Müller’schen Flüssigkeit und später in Al- cohol gehärtete Präparat. BERN Die medialwärts die grosse Längsspalte begrenzende Stirnspitze des Gehirnes ist als ein 5 mm. langer, an seiner Basis 10 mm. breiter Wulst nach vorn gewölbt. Bei der Katze ist diese Vorwölbung kaum angedeutet. Bei einem 76 mm. langen Grosshirn eines Hundes misst die Länge des Stirnlappens fast 12 mm. Die Anordnung der Furchen und Windungen ist im Ganzen eine symmetrische. Ehe wir zur speciellen Be- schreibung derselben übergehen, sei bezüglich der anderen Gehirntheile bemerkt, dass ebenso wie das Grosshirn, auch das Kleinhirn eine Mittelstellung zwischen dem Hunde und der Katze anzeigt. Dieselbe manifestirt sich allerdings nicht so sehr in dem Grössen-Verhältnisse, als in der eigenartigen Gestaltung des Mittellappens. Bezüglich der Grössenverhältnisse gelangen wir zu folgenden Resultaten: Bei der Katze überragt das Kleinhirn das Grosshirn nach hinten stärker als beim Hunde. An einem gemessenen Exemplare der Katze, beträgt die Länge von Grosshirn -+ Kleinhirn 52 mm, davon auf das Grosshirn 39 mm., — es überragt das Kleinhirn das Grosshirn um 13 mm., gleich !/, der Länge. Die entsprechenden Zahlen beim Hunde sind: 68, 57, 11 mm, beziehungsweise '/, der Länge; beim Löwen -— 92, 79, 13 = !).. Characteristischer für die Vergleichung sind dagegen die Formverhältnisse des Mittellappens: Betrachtet man das Kleinhirn von hinten, so sieht man 5 Windungsgruppen, von welchen die unpaare mediane eine S förmige Biegung darstellt, deren untere stärker aus- geprägte Convexität nach rechts gekehrt ist. Von den drei Thieren, welche wlr vergleichen, finden wir beim Hunde diese Biegung kaum angedeutet, während sie bei der Katze an allen vorliegenden ‚Exemplaren besteht, mit der einen Abweichung, dass anscheinend die Biegung auch im um- Be gekehrten Sinne erfolgen kann. Ausdrücklich sei hervor- sehoben, dass ihre Existenz bei der Katze auch an bei der Erhärtung frei aufgehängten Präparaten zu con- statiren war, also nicht etwa einer Druckwirkung durch das Aufliegen des mittleren Theiles des Kleinhirnes auf dem verlängerten Marke zuzuschreiben ist. Die Medulla oblongata erscheint bei dem Löwen sehr breit und verjüngt sich beim Uebergange in das Halsmark etwas weniger als beim Hunde. Die Pyramidenstränge treten sehr deutlich hervor. Das Corpus trapezoides ist verhältnissmässig breiter als bei dem Hunde. Es misst beim Hunde-Gehirn von 56 mm. Länge zwischen Stirn- spitze und Hinterende des Kleinhirnes die Brücke 10 mm, das Corpus trapezoides 4 mm.; die entsprechenden Zahlen bei dem Löwen sind 92, 14, 6; bei der Katze 46, 7, 3.5. Das Verhältniss zwischen der Breite des Corpus tra- pezoides und jener der Brücke ändert sich in der Weise, dass ersteres bei der Katze verhältnissmässig grösser ist, als beim Hunde, bei dem Löwen wiederum die Mitte einhält. Die Hirnstiele erscheinen beim Löwen verhältnissmässig langgestreckt. Der Ursprung des Oculomotorius liegt ziemlich weit (4 mm.) vor dem vorderen Brückenrand. Sehr deutlich ist der Ursprung des Abducens in zwei Bün- deln. Eine sehr grosse Strecke nimmt der Ursprung des Hypoglossus ein. Der Lobus Pyriformis (Gyrus Hippo- campi mit Uncus) erscheint nach der Präparation nicht so glatt, als andere Windungen; er ist verhältnissmässig schmal im Vergleiche mit der Gesammtmasse des Gehirnes, gegenüber der Katze ebensowohl als dem Hunde. Es verhält sich die doppelte Breite eines Lobus pyriformis zur gesammten Breite des Gehirnes bei dem Löwen, wie 33 zu 100, beim Hunde wie 44 zu 100, bei der Katze wie 45zu 100. Ebenso erscheint der Tractus nlfactorius verhältniss- ERSENTL mässig schmal, derart, dass beiderseits zwischen ihm und der Medianspalte ein etwa 3 mm. breiter Raum frei bleibt; ausserdem hebt er sich viel freier von der Gehirnbasis ab, als bei den Vergleichthieren. *) Die Furchen des Grosshirnes lassen sich am besten im Vergleich mit den beigegebenen Abbildungen untersuchen Die Betrachtung von oben zeigt einen sehr schön ausge- sprochenen Sulcus cruciatus (cr), beiderseits an seinem cen- tralen Ende umkreist von einer ganz selbstständigen Sulcus coronalis(co). Es liegt derSulcus cruciatus verhältnissmässig weiter rückwärts als bei der Katze, weiter vorn als bei dem Hunde, worauf wir später zurückkommen werden. Die obere Hauptfurche (Is) ist links ununterbrochen über die ganze Länge des Gehirneszu verfolgen. Sie beginnt hier vorn in einer Querspalte (Fiss. ansata Krüeg), biegt sich an der Hinter- hauptspitze um, verläuft dann nach vorn gewendet über die Schläfenkante bis nahe zur Fiss. suprasylvia. Rechts ist das hintere Endstück selbstständig geworden (Fiss. medila- teralis Äriüeg). Hinter der Fiss. ansata kreuzt links eine ziemlich tiefe kurze Furche die Mantelkante (Fig. 1e.), rechts entspricht derselben ein Aestchen, das aus der Verbindungs- stelle des queren und des sagittalen Theiles der oberen Hauptfurche hervorgeht. Eine andere kurze Incisur findet sich (Fig. 1. 3.) nahe der Hinterhauptspitze nur einseitig links, vielleicht als Andeutung der Fiss. occipitalis interna (Parieto-oceipitalis). Die Fiss. suprasylvia verhält sich nicht ganz symmetrisch, sie besteht aus zwei Theilen, einem vorderen vorwärts und auswärts concaven und einem hin- *) Ein Schluss auf geringere Entwickelung des Geruchsinnes darf daraus natürlich nicht gezogen werden. Es ist nur festgestellt, dass die Grössenentwicklung der dem Geruchsinne dienenden Hirn-Theile nicht proportional mit der Körpergrösse fortschreitet. ge teren, nach hinten und oben convexen, die sich hinter der Fiss. ansata fast rechtwinklig treffen. Das hintere Ende verläuft abwärts über die Schläfenkante weg und verbindet sich links spitzwinklig mit der Fiss. rhinalis posterior, während es rechts frei endet. Vorher zweigt eine rück- wärts gewendete kurze Längsfurche ab, welche beim Hunde überhaupt nicht angedeutet ist. Rechts existirt letztere als kurze ganz seichte Tertiärfurche; der absteigende Theil der Fiss. suprasylvia endet nahe derselben ohne Verbindung mit der Fiss. rhinalis posterior. Seichte Querfurchen zwei- gen mehrfach von der Fiss. suprasylvia ab. Die untere Bogenfurche (li; li‘) zeigt die für die Katzen characteristische Trennung in eine vordere und hintere Furche (Fiss. antica und postica Krieg). Beiderseits geht aus der Fiss. antica eine sehr gut entwickelte Fiss. diagonalis Krüeg (Fiss. or- bitalis des Menschen) hervor. Aufwärts verbindet sich rechts die Fiss. antica mit der Suprasylvia, links nimmt die postica das Ende der aufsteigenden Fossa Sylvii auf. Eine Insel am Grunde der Fossa Sylvii besteht nicht. Die Fiss. praesylvia geht aus der Fiss. rhinalis hervor, sie ist weiter nach aufwärts zu verfolgen als beim Aunde. Als Ergebniss unserer Beschreibung des Löwenge- hirnes können wir resümiren: 1. Die Form des Löwengehirnes nimmt in vielen Hin- sichten — Breitenverhältniss zwischen vorderer und hinterer Hälfte, Vorwölbung des Stirnlappens, Breitenverhältniss zwischen Corpus trapezoides und Brücke, Abstand des Sulcus ceruciatus vom Stirnende — eine Mhittelstellung zwischen Hund- und Katzen-Gehirn ein. 2. Das Löwengehirn schliesst sich dem Katzengehirne an, durch die vollständige Trennung der Fiss. antica und postica Krüeg, durch die eigenthümliche Krümmung des Vermis cerebelli. a 3. Von den Gehirnen des Hundes und der Katze gleich- mässig unterscheidet sich das Löwengehirn durch das ver- hältnissmässig geringe Vorstehen des Kleinhirnes hinter dem Occipitalende des Grosshirnes und die relative Schmal- heit des Lobus pyriformis. IV. Vergleichend-anatomische Besprechung der Haupt- furchen des Carnivoren-Gehirnes. Das Gehirn der Löwin hat uns übereinstimmend mit anderen Raubthiergehirnen gewisse besonders characterist- ische Furchen gezeigt. Wir besprechen zunächst den Sul- cus cruciatus. Wie bei anderen Oarnivoren ist derselbe die Fortsetzung einer von der medialen Fläche des Ge- hirnes aufsteigenden, entlang dem Balken verlaufenden primitiven Spalte. Die Stelle, an welcher diese Spalte die Mantelkante überschreitet liegt über dem Balken, rück- wärts von dessen vorderem Ende (Balkenknie), annähernd senkrecht über der Mitte des Zwischenhirnes; rückwärts ist diese Furche zu verfolgen zur Verbindung mit der Fissura Hippocampi. Entwicklungsgeschichtlich besteht sie aus zwei Theilen, einem vorderen und einem hinteren, für welche bei dem Hunde das Zusammenfliessen, bei der Katze das Getrenntbleiben die Regel ist. Die Kreuzungsstelle hat anscheinend nicht überall die gleiche Lage zum vorderen Ende des Balkens. Bei einer Gesammtlänge des Grosshirnes von 85 mm. finden wir sie beim Löwer am erhärteten Praeparate in vertikaler Projek- tion gemessen 18 mm. hinter der Spitze des Stirnlappens. Es fallen demnach 21°/, der Länge vor diese Stelle. Die folgende Tabelle gibt die entsprechenden Masse an einigen Gehirnen von Hunden und Katzen verschiedenen Alters und v°rschiedener Grösse. 2 des Gehirnos ehirnes hiesammtlänge des Grosshirnes Procentantheil des vor der Kreuzfurche Entfernung der Kreuzungsstelle des Suleus gelegenen Hirntheiles an der Länge des eruciatus mit der Längsspalte vom Slirnende Hund. Fötus 28 mm.- | 10 mm. | 36 %, 52 © | 15, „ Sense Erwachsene Thiere 60.2, 21 97, 50, a 73 3, 3 910, 20 oa Chromsäure- EN PATER a Härtung mit starker Schrumpfung D5 ,» 23 1 Dh 1000 Katze. | Neugeboren 23215 37: 131033 24.800 Halbwüchsig EHER IE. a TER Erwachsen 36, il On 1758 Eee 10 „ Die Lage der Kreuzungsstelle bei der Löwin hält so- nach die Mitte zwischen der Katze und dem Hunde. Schon Pansch macht übrigens darauf aufmerksam, dass die Kreuzungsstelle bei der Katze so weit nach vorne fällt. Das Löwengehirn steht hierin zwischen Hund und Katze, jedoch NE entschieden näher der letzteren, namentlich wenn wir die Abbildungen von Krüeg und Meynert”) mit heranziehen. Untersuchen wir das menschliche Gehirn auf eine ver- gleichbare Furche, so finden wir eine über dem Corpus callosum in analoger Weise verlaufende Furche, — es ist dies der Sulcus callosomarginalis. Derselbe unterscheidet sich indessen wesentlich von der medialen Hauptfurche, indem sein vorderes Ende abwärts gekrümmt dem Knie des Balkens folst, statt aufwärts gekrümmt die Mantel- kante zu überschreiten. Allerdings existirt eine Abzweigung dieser Furche — Sulcus paracentralis, die vorwärts auf- steigend die Richtung des Sulcus cruciatus andeutet, wenn sie auch gewöhnlich die Mantelkante nicht erreicht. Trotz dieser Verschiedenheiten findet die Annahme einer Homo- logie Unterstützung in dem Studium gewisser Varietäten. Zunächst kann eine Verlängerung der Balkenfurche durch Confluenz derselben nach rückwärts mit dem Sulcus sub- parietalis zu Stande kommen. Weiter kann aber der letz- tere sich verlängern fast bis zur Verbindung mit der Fiss. Hippocampi. Einen derartigen Fall theilt Schweken- diek mit.”*) Eine vollständige Communication des Sulcus callosomarginalis mit der Fissura Hippocampi beschreibt ferner Benedikt.”*”*) Andererseits kommt es vor, dass der Sulcus calloso- marginalis hinter dem Genu corporis callosi überbrückt *) Meynert’sche Löwenabbildung 75 mm. Länge, die Kreuzungs- stelle 13 mm. (17°/). Krüeg’sche Löwenabbildung (jedenfalls ver- kleinert) 49 mm. Gesammtlänge des Grosshirnes, Kreuzungsstelle 7 mm. hinter der Spitze des Stirnlappens (14°/,). **%) Ernst Schwekendiek. „Untersuchungen an 10 Gehirnen von Verbrechern und Selbstmördern“. (Verhandlungen der physikalisch- medieinischen Gesellschaft zu Würzburg. XVI. Bd. N. 7. Taf. 12. Fig. 14.) *2=) Moritz Benedikt. „Anatomische Studien an Verbrecherge- hirnen“. Wien 1870. Taf. 7. Fig. I. Bern. Mittheil. 1885. Nr. 1427. ist, so dass sein vorderes Ende in ganz analoger Weise, wie bei den Carnivoren in aufwärts gekrümmtem Bogen hinter dem Knie des Balkens sich findet.*) Die Häufig- keit derartiger Unterbrechungen am vorderen Ende kann als directer Hinweis dafür dienen, dass die Balkenfurche des Menschen aus getrennten Anlagen entstehe. Alle die hier ausgesprochenen Varietäten zusammen lassen den Vergleich des Sulcus callosomarginalis mit der medialen Hauptfurche als zulässig erscheinen. Dagegen scheint es, als ob eine dem eigentlichen Suleus cruciatus ho- mologe Bildung dem Menschen fehle. Von den verschie- denen Autoren sind mannigfache Versuche gemacht worden eine solche Homologie herzustellen. So hat man die Cen- tralspalte mit der Kreuzfurche vergleichen wollen. Unter anderen wird von Munk diese Auffassung vertreten. ”**) Gegen sie spricht aber die Thatsache, dass selbst bei Gehirnen von dem Benedikt’schen confluirenden Typus eine Verbindung der ÜUentralspalte mit dem Sulcus calloso- marginalis kaum je beobachtet wird. Gehört es doch schon zu den Seltenheiten, wenn diese Furche medialwärts die Mantelkante überschreitet. Hingegen findet sich nicht selten als Varietät bei dem Menschen eine Furche, welche vor der Centralspalte, quer oder vor- und lateralwärts ge- richtet, die Mantelkante kreuzt und zuweilen sich unmittel- bar mit der Paracentralfurche verbindet. Dieselbe grenzt den Stirnlappen vom Scheitellappen ab, in der Wurzel der medialen Längswindung des Stirnlappens. Da wo sie be- sonders gut ausgebildet ist, kann sie geradezu als Kreuz- *) Henle. Handbuch der Anatomie. Nervenlehre. I. Auf. S. 159. Fig. 99. A. **) Hermann Munk. Ueber die Stirnlappen des Grosshirnes. Sitzungsberichte der k. pr. Akademie d. W. zu Berlin. Bd. XXXVI 1882. S. 786. NO furche imponiren. Mit der Centralspalte verbindet sie sich nie, ausnahmsweise mit der oberen Präcentralfurche. Eine Abbildung dieser Spalte, welche von Dr. Flesch als x-Furche bezeichnet worden ist, findet sich unter anderen in der erwähnten Verbindung mit der vorderen Präcentralfurche an wiehreren der Figuren von Schwekendiek,”) ferner in sanz besonders guter Ausbildung an dem von Bischoff reproduzirten Microcephalen-Gehirn.”*) (Vgl. Taf. I. Fig. 3.) Messungen des Abstandes der Kreuzungsstelle von dem vorderen Ende des Stirnlappens ergeben an drei Ge- hirnen (Messung an der geometrisch projieirten Zeich- nung) folgende Zahlen: I. Gesammtlänge des in Spiritus erhärteten Grosshirnes 162 mm. Kreuzungsstelle hinter der Spitze des Stirn- lappens'. =. . USA ER: Procentantheil ds Si onpene an der Dance des Grassbirmes NW... au a, EenGesammtlangenı nn 2 0 man a er ICON TE Rreuzungsstelle IS an... 0, Dun Pan Dan D rogentantheilu Wu a a FIT Gesamımllangerr .ı 27... sa len: er uzimosstelle". u 0 RN N I Procentantheil \,..... . RR ARIURN Es ist also der vor der Kufche gelegene Abschnitt des Vorderhirnes ein sehr grosser, dabei auch grösseren Schwankungen unterworfen als bei Thieren einer Art, ent- *) ]. c. Fig. 7. rechts (Verbindung mit der Praecentralfurche) Fig. 5. Fig. 9. rechts und Fig. 14. (Verbindung mit der Paracentral- furche). Vgl. auch Taf. I. Fig. 5. *#) Anatomische Beschreibung eines microcephalen Sjährigen Mädchens, Helene Becker aus Offenbach. Abhandl. d. k. bayr. Ak- d. w. D. Cl. XI Bd. 2. Abt. Fig. 2. rechts. SE sprechend den grossen Ungleichheiten in der Entwickelung des Stirnlappens. Die Lagerungsbeziehung zum Balken- knie ist eine ähnliche, wie beim Hunde, nur liegt die Furche etwas weiter rückwärts als bei diesem. Aus den entwick- lungsgeschichtlichen Daten haben wir entnommen, dass sowohl der Sulcus calloso-marginalis des Menschen als die mediale Hauptfurche des Hundes zu den am frühesten auftretenden Furchen gehören. Für den über dem Balken gelegenen Theil beider Furchen besteht mithin unzweifel- haft vollkommene Homologie. Der vor dem Paracentral- lappen gelegene Theil des Sulcus calloso-marginalis ist seiner Lage nach selbstständig gebildet und kann, wie wir gesehen haben, dauernd von dem Stamme der Furche ge- trennt bleiben. Vor der Kreuzfurche gelegene 'Secundär- furchenbildungen an der medialen Fläche des Gehirnes finden sich übrigens auch bei Carnivoren (Fiss. genualis von Krüeg). Die durch Verschmelzung der beiden den Suleus calloso-marginalis constituirenden Bestandtheile re- sultirende Bogenwindung beim Menschen widerspricht sonach in keiner Weise der von uns gezogenen Parallele; es stimmt dies mit Meynert’s Auffassung überein. *) In der von uns als x-Furche beschriebenen Varietät möchten wir eine Thierähnlichkeit sehen, insofern ihr Auf- treten eine dem Sulcus cruciatus homologe Bildung dar- stellt. Eine Stütze‘ findet diese Auffassung in der Ent- wicklungsgeschichte insofern, als auch bei Thieren eine getrennte Entstehung der den S. Cruciatus darstellenden Abtheilung von der Hauptmasse der medialen Hauptfurche vorkommt. **) ®) Th. Meynert. Die Windungen der eonvexen Oberfläche des Vorder-Hirnes bei Menschen, Affen und Raubthieren. *#) (Vgl. die Abbildungen von Pansch 1. c. Taf. 15 Fig. 32 und 37.; Taf. 14. Fig 25.) ARE 5.0 Kan Nacbdem durch die vorstehenden Erörterungen eine Furche des Gehirnes festgestellt worden ist, welche als vollkommen homolog am Carnivoren- und am Pri- maten-Gehirne bezeichnet werden kann, können wir den Versuch machen, mit zu Grundelegung dieser, sowie einer anderen unzweifelhaft vergleichbaren Furche, der Sylvi’schen Spalte, die topographische Beziehung einiger anderen Furchen zu den beiden vorgenannten für die weitere Vergleichung zu benutzen. Am meisten Schwierig- keit hat diese Vergleichung immer geboten bezüglich der Centralspalte des Menschen. Meynert und Pansch sehen in ihr den vorderen Theil der oberen Hauptfurche (Sul- cus coronalis.) Broca den Sulcus präsylvius, Wernicke lässt die Centralspalte den Verlauf der bogenförmigen Urwindun- gen durchschneiden. Aus letzterer Auffassung müssten wir den Schluss ziehen, dass die Centralspalte etwas neu hinzu- gekommenes, dem Carnivoren-Gehirne fremdes sei, gleich- gültig wie nun diese cänogenetische Furche entstanden sein möge. Die Entwicklungsgeschichte, welche zeigt, dass die Cen- tralspalte eine der zuerst gebildeten Furchen der Gehirn- oberfläche darstellt, spricht gegen diese Annahme. Der Reihenfolge der Entwicklung nach würde die Broca’sche Deutung am meisten für sich haben, da nach ihr die beiden zuerst entstehenden Furchen homo- logisirt werden. Indessen lässt sich diese Annahme mit den topographischen Verhältnissen schwer in Ueberein- stimmung bringen. Es liegt die Fiss. präsylvia, (Pansch’s vordere Hauptfurche) mit ihrem der Mittelebene zuge- kehrten Ende vor dem S. cruciatus; ihr laterales Ende erstreckt sich rückwärts gewendet zur Grenzfurche des Riechlappens, fällt also vor die Sylve’sche Grube. — Die Fiss. centralis des Menschen beginnt nun aber medial hinter der Paracentralspalte, und endet vorwärts gerichtet über der N Sylvi’schen Spalte. Nicht nur ist die Lagerungsbeziehung zu der von uns als S. cruciatus gedeuteten Furche, falls die Broca’sche Auffassung aufgenommen wird, eine ver- änderte, sondern es müsste auch im Laufe der Entwick- lung eine Umlagerung in dem Sinne stattgefunden haben; dass das mediale Ende der Centralfurche eine Wanderung nach vorn vollzog; gewissermassen hätte sie eine Kreis- bewegung, bei welcher ihr laterales Ende an der Fossa Sylwii fest stand, ausgeführt. Von Wichtigkeit für die Kritik erscheint einmal die schon eitirte Angabe von Hamyy, wonach die Centralspalte an- fangs eine weniger starke Neigung zur Mittelebene hat, als später.) Allerdings muss wegen Mangel eigener Untersuch- ungen dieselbe mit grösster Vorsicht aufgenommen werden. Wie die Abbildung Ecker’s zeigt (1. c. Taf. 1. Fig. 10), kann schon in einem sehr frühen Stadium des Embryonallebens die Stellung der Centralspalte eine fast transversale sein. Andere Abbildungen (l. c. Taf. 2, Fig. 1, 7. Taf. 3. Fig. 1,2. Taf. 4, Fig. 1) lassen sich dagegen ohne weiteres zu Gunsten der Hamy’schen Ansicht aufführen. Wichtiger aber scheint uns, dass die Entstehung der Centralspalte an deren me- dialem Ende beginnt und lateraiwärts fortschreitet. Bei Gehirnen, die sehr frühe Entwicklungsstörungen erfahren haben, kommt es sogar vor, dass nur der mediale Theil der Gentralspalte zu finden ist, — so bei dem von Flesch **) *) Vgl. Schwalbe. Nervenlehre S. 575. — Da uns eigenes Material fehlte, so haben wir einige Messungen an den uns vorliegenden Abbildungen embryonaler Gehirne gemacht, bei welchen wir den betreffenden Winkel fast durchweg kleiner fanden, um 120° schwan- kend, während er bei den Erwachsenen (l. e. Angaben Hamy’s) bei 140% beträgt. *=#) M. Flesch. Anatomische Untersuchung eines mierocephalen Knaben (Festschrift zur Feier des 300jährigen Bestehens der Julius- Maximilians Universität zu Würzburg. Herausgegeben von der medicinischen Facultät. II. Bd. 8.9.) BESHNEN ulm beschriebenen Gehirne eines Microcephalen, bei welchem speciell noch durch mikroskopische Untersuchung (Nach- weis von Riesenpyramiden |. c. S. 13) die Deutung der Spalte als Centralspalte festgestellt worden ist. (Vgl. Taf- I. Fig. 4) Auck an den Gehirnen Erwachsener findet sich als Varietät ein Ende (der ÜOentralspalte bis 2 cm. über der Fossa Sylvü. (Beobachtungen von Prof. Flesch.) Wenn sonach die Topographie mit der Broca’schen Auffassung in entschiedenem Widerspruche steht, so bleibt uns noch die von Pansch angenommene Deutung, wonach die als Sulcus coronalis bezeichnete vordere Hauptabtheilung der oberen Hauptfurche sich zur Centralspalte umbilde. Auch sie gehört zu den am frühesten auftretenden Furchen des Fieischfresser-Gehirnes, wenngleich sie zeitlich hinter der vorigen zurücksteht. Die Vergleichung mit der Central- spalte wird indessen hierdurch nicht unmöglich, es ist mit unseren Auffassungen wohl zu vereinigen, wenn wir bei einer Bildung, die bei weiter vorgeschrittenen Organismen mehr und mehr in den Vordergrund tritt, deren erstes Auftreten in eine frühere Entwicklungsperiode zurückver- setzt finden. Nach Pansch ist der vordere Theil der oberen Hauptfurche, der uns hier allein in Betracht kommt, vor dem hinteren sagittalen Abschnitte derselben angelegt. Er kann isolirt in der zuerst entstehenden Form bleiben und verlängert sich nur etwas „arh vorn. Im allgemeinen tritt die Coronalfurche auf als lateralwärts das freie Ende des S. cruciatus umkreisender Bogen. Die bei den Primaten typische Anordnung der Centralspalte als ein hinter dem nach vorn aufsteigenden Ende der Balkenfurche beginnender, nach vorn lateralwärts verlau- fender Spalt ist leicht abzuleiten aus der grösseren Breiten- entwicklung des Stirnlappens: Bildungen, welche ursprüng- lich der Mittelebene vorn nahe gelegen waren, müssen El RER durch die Zunahme der Breite jener Region mehr und mehr nach aussen rücken. Bei Missbildungen mit hoch- gradiger Verkümmerung des Stirnlappens kann jauch bei dem Menschen die hier vorausgesetzte ursprüngliche An- ordnung der Oentralspalte bewahrt sein. So finden wir bei demivon Bischoff abgebildeten Gehirne *) (vgl. Taf. I. Fig. 3.) eines mikrocephalen Mädchens die Centralspalte der rech- ten Hemisphäre lateralwärts geradezu als einen convexen Bogen in den Stirnlappen vordringen. Es umkreist dieser Bogen das laterale Ende einer von der Mittelebene auf- steigenden Querspalte, deren Deutung nicht absolut fest- steht, wenngleich sie beim ersten Blick ganz die Richtung des S. cruciatus zeigt, und nach unseren früheren Er- örterungen als (S. 21.) solcher aufzufassen ist. Die nächste Furche, deren Deutung wir zu versuchen hätten, ist die Parietalspalte. Sie entsteht bei dem Menschen nach Ecker und Kölliker im 6. Monat in zwei Abschnitten, einem vorderen, Sulcus interparietalis anterior, einem hin- teren, Sulcus interparietalis posterior. Beide Theile können auch im ausgebildeten Zustande des Gehirnes getrennt bleiben. Ebenso kann die Verbindung mit einem vorderen aufsteigenden Aste fehlen. Lezterer kann, da sein Auf- treten überhaupt kein constantes ist, hier ausser Acht bleiben. Zuweilen kann die Parietalspalte das aufsteigende hintere Ende der oberen Schläfenfurche aufnehmen. Diese Verbindung erfolgt vor der Querbrücke, welche die Schei- dung beider Parietalspalten vollzieht.”*) In das Schema *) Th. L. W. v. Bischoff. Anatomische Beschreibung eines mi- krocephalen Sjährigen Mädchens, Helene Becker aus Offenbach (aus den Abhandlungen d. k. bayr. Akademie d. W. II. Cl. XI. Bd. II. Abth. Fig. 2.) ##) Ds kann nach Flesch wohl als Regel bezeichnet werden, dass wenigstens eine Tiefenwindung die Trennung andeutet auch der Furchung des Carnivonergehirnes lässt sich die Parie- talspalte leicht einfügen, wenn wir deren Entstehung aus zwei getrennten Abschnitten berücksichtigen. Der vordere Abschnitt gehört dem Sulcus suprasylvius, (Pansch’s late- Taler Hauptfurche) an; wo die aufsteigende Fortsetzung einer Schläfenfurche eine Verbindung mit der Parietal- Spalte angeht, ist diese Bogenfurche beim Menschen in der vollen Ausdehnung, wie bei den Carnivorengehirnen er- halten (Vgl. Taf. II. Fig. 8.). Der hintere Theil der Parietal- Spalte wäre sonach abzuleiten von dem hinteren der oberen Hauptfurche. Beidieser Auffassung fehlt uns am Menschen- Gehirne nur die dritte der drei Bogenfurchen, diejenige also, welche am engsten die Sylvische Spalte umkreist. An einem Tafel II. Fig. 8. abgebildeten Gehirne finden wir ein Rudiment auch dieser Furche erhalten, so dass wir dort die vier Urwindungsbögen in der concentrischen An- ordnung des Raubthiergehirnes wieder finden können. *) Die anderen Furchen des Raubthiergehirnes lassen sich nunmehr leicht mit solchen des Menschengehirnes ver- gleichen. Es entspricht wahrscheinlich die vordere Haupt- furche der unteren Präcentralfurche. Man kann ferner leicht eine Parallele ziehen zwischen der den Gyrus lingu- alis beim Menschen lateralwärts begrenzenden Oceipito- temporalfurche und der Grenzfurche des Lobus Hippocampi da, wo äusserlich die Parietalspalte ununterbrochen in die obere Hinterhauptfurche übergeht. *) Die vorstehende Darstellung findet ihre volle Bestätigung in dem reichen Material, welches Rüdinger zur vergleichenden Ana- tomie der Interparietalspalte beigebracht hat. Vgl. die Abbildungen ‚der Taf. 1. in Rüdinger’s „Ein Beitrag zur Anatomie der Aftenspalte ‚und der Interparietalfurche beim Menschen nach Race, Geschlecht ‚und Individualität. Sep. Abdr. aus „Beiträge zur Anatomie und Embryologie.“ J. Henle als Festgabe zum 4. April 1882 dargebracht von seinen Schülern. Bonn. 1882. Bern. Mittheil. 1885. Nr. 1128: BE 7 ya EA Pansch’s beim Raubthiergehirne. Eine Schwierigkeit er- gibt sich nur für die Furchen des Schläfenlappens. Beim menschlichen Embryo entstehen nach Kölliker und Ecker im 6. Monate ziemlich gleichzeitig der Sulcus interparie- talis, calloso-marginalis, temporalis superior und occipito- temporalis; erst später entsteht die dritte Schläfenfurche. Eine mittlere oder zweite Schläfenfurche fehlt vielen Ge- hirnen ganz. Ja es findet sich nach Beobachtungen von Prof. Flesch in dem zwischen oberer und dritter Schläfen- furche enthaltenen Gebiete so häufig eine mit dem Schema dreier parallel verlaufender Schläfenfurchen nicht in Ein- klang zu bringende Anordnung in typischer Wiederkehr, dass sie kaum als Varietät angesehen werden darf. Es wird nämlich das betreffende Gebiet von einer schräg aufsteigen- den Furche, die vor dem Präoceipitaleinschnitt beginnt und in der Nähe des vorderen Endes der oberen Schläfenfurche endet, durchschnitten, so dass man fast von einer Quer- theilung der zwischen oberer und unterer Schläfenfurche gelegenen Region sprechen kann. Für die Vergleichung in Betracht zu ziehen sind dennoch hier wohl nur die obere und die untere Schläfenfurche. Erstere ist cha- racterisirt durch ihren Verlauf, parallel der £ylvv’schen Spalte; ausnahmsweise biegt sie direct in die letztere ein. ”*) Die untere Schläfenfurche ist characterisirt durch ihren Verlauf entlang der Schläfenkante des Gehirnes, meist auf der Basalläche. Gehen wir von der Mittelebene aus, so ist sie die zunächst auf den S. Occipitotemporalis folgende Furche, die sich nicht selten vorn spitzwinkelig mit diesem letzteren vereinigt. Auf der entsprechenden Region des Carnivorengehirnes finden wir den hinteren Theil der unteren Bogenfurche, * ®) Dr. Richard L. Heschl. Ueber die vordere quere Schläfen- windung des menschlichen Grosshirnes. Wien 1831. der sehr oft von deren vorderem Theile getrennt ist; ferner eine absteigende und sich nach vorn wendende Fortsetzung der lateralen Hauptfurche. Wie uns das beschriebene Löwengehirn zeigt, kann letztere auf die Basisfläche über- greifend topographisch genau dieselbe Anordnung zeigen, wie die untere Schläfenfurche des Menschen, ja sie geht sogar dieselben Verbindungen mit der Grenzfurche des Lobus Hippocampi ein, wie sie häufig für die dritte Schläfen- furche und die Occipitotemporal-Furche constatirt werden kann. Die Entwicklungsgeschichte steht insofern in Ueber- einstimmung mit der hier vorgetragenen Auffassung, als ausschliesslich die zuerst entstandenen Hauptfurchen des Menschengehirnes hier in Betracht gezogen sind. Die Reihenfolge der Entwickelung stimmt hingegen nicht ganz mit der für den Hund von Pansch und Krüeg demonstrirten überein. Wir haben schon bei der Betrach- tung der Homologien der Interparietalspalte die Ver- muthung ausgesprochen, dass mit dem Prävaliren neu hin- zukommender Gebilde letztere auch entwicklungsgeschicht- lich in den Vordergrund treten. Auch für die Vergleichung der Schläfenfurche müssen wir diese Möglichkeit ins Auge fassen. Die Grenzfurche des Gyrus Hippocampi ist am menschlichen Gehirne ebenso wie dieser Gyrus selbst ver- hältnissmässig weit schwächer entwickelt als bei den Car- nivoren. Es mag dies vielleicht auf den Beziehungen dieses Gehirntheiles zu dem Riechlappen, die anatomisch ebenso sehr in den Vordergrund treten als sie physiologisch in einer Beobachtung Munk’s*) ihre Stütze finden, beruhen. Es geht die vorstehende Vergleichung von der An- nahme aus, dass die Entwickelung der Furchen des Gross- *) H. Munk. Ueber die Sehsphäre und die Riechsphäre der Grosshirnrinde. Verh. d. Berliner physiologischen Gesellschaft im Archiv für Physiologie. Jahrgang 1880. S. 456. DE ae hirnes bei den Hauptgruppen der Säugethiere jeweils einen selbtsständigen Gang nehme. Unter dieser Voraussetzung muss es uns eine gewisse Befriedigung gewähren, wenn e8 nur gelingt für den grössten Theil der in Betracht kom- menden Furchen bei zwei verchiedenen Typen eine homologe Anordnung zu ermitteln. Die Auffassung, zu der wir ge- kommen sind, stimmt fast vollständig mit der von Pansch und auch mit Meynert überein. Die grösste Lücke in dem hier vorgeführten Versuche ist der Mangel einer dem Sulcus Parieto-Oceipitalis irgendwie vergleichbaren Bil- dung am Carnivorengehirne. Diese entwicklungsgeschichtlich als permanente Primi- tivfurche*) so bedeutungsvolle Spalte ist das eigentlich cha- racteristische des Primatengehirnes gegenüber dem Carni- vorengehirne. Der $. cruciatus der Carnivoren, die Centralspalte der Primaten, welche dem Gehirne beider Gruppen einen typischen Character verleihen, erscheinen als verschiedenartige Differenzirung von Bildungen, die in beiden Gruppen angelegt sind. Die Parieto-Oceipitalspalte oder Fiss. oceipitalis interna der Primaten ist etwas neu hinzugekommenes. Es ist von grosser Bedeutung, dass diese so spät angelegte Bildung ontogenetisch vor den phylogenetisch weit nach rückwärts zu verfolgenden secun- dären Furchen des Gehirnes erscheint. Für künftige Ver- gleichungen wird es von grösster Bedeutung sein, wenn es gelingen sollte, an dem Gehirne irgend eines sehr nieder stehenden Thieres die Fiss. Occipitalis interna zu finden; sie wird vielleicht den eigentlichen Ausgang für künf- tige Vergleichungen bilden müssen. Was die Furchen des Stirnlappens, des Schläfenlappens #) A. Kölliker. Entwicklungsgeschichte des Menschen. Aufl. I. 560. BE en und des Hinterhauptlappens betrifft, so müssen sie theilweise als neuhinzugekommen angesehen werden; Homologien für dieselben innerhalb des einfachen Typus des Carnivoren- gehirnes werden daher nicht aufzustellen sein. Bedeutungs- voll genug ist es, dass gerade die Furchensysteme, um welche es sich hierbei handelt, den grössten Schwankungen bei dem Menschen unterliegen, sowohl hinsichtlich ihrer Zahl, als der Richtung der von ihnen begrenzten Wülste. Bedeutungsvoil ist es, dass auch die mannigfaltigen Variationen, die hier auftreten, eine gewisse Gesetzmässig- keit zeigen, die unter Anderem in der Aufstellung des Vierwindungstypus durch Benedikt zum Ausdruck gelangt ist. Wenn diese Variationen bei Angehörigen sogar ein und derselben Race verschiedene Typen bilden können;*) wenn ferner, sei es auch nur als seltene Ausnahmen, Anordnungen auftreten, welche in das gewöhnliche Schema, (zum Beispiel der longitudinalen Stirnfurchung) absolut nicht mehr passen, so beweist uns dies, dass die gewöhnliche zur Auf- stellung der bekannten drei Stirnwindungen führende Gruppirung noch nicht so weit durch Vererbung fixirt ist, wie diejenige der Hauptfurchen. Wenn gleichwohl die neu - hinzugekommenen Furchen des Gehirnes, von jenen seltenen Ausnahmen abgesehen, unabhängig von ihrer Anzahl, stets derselben, nämlich der sagittalen Richtung folgen, so weist uns diese Thatsache darauf hin, dass eine gemeinsame Ur- sache die Richtung der Furchen des Gehirnes bestimme. Die Ergebnisse der vorstehenden Vergleichungsver- suche lassen sich demnach in die folgenden Sätze zusammen- fassen: ®) Es handelt sich natürlich hier nur um morphologische Typen ‚ohne jede Beziehung zu psychologischen Characterisirungen, wie sie Benedikt versucht hat. BE We 1. Die Hauptfurchen des Carnivorengehürnes sind auch am Primatengehirne nachzuweisen. 2. Die wesentlichen Unterschiede zwischen den Fur- chen des Carnivorengehirnes und homologen Furchen des Primatengehirnes sind theils auf unvollkommene Ausbildung oder vielleicht Rückbildung einzelner Theile, theils auf Zusammenfliessen einzelner Abschnitte ursprünglieh ge- trennter Furchen zurückzuführen. 3. In gewissen Varietäten der Furchung des Menschen- Gehirnes kommen zuweilen die primitiven Verhältnisse des Carnivoren-Gehirnes wieder zum Ausdrucke. 4. Die Parieto-Occipital-Furche oder innere Hinter- hauptfurche ist eine selbstständige im Carniwvorengehirne nicht enthaltene Bildung. 5. Homologe Furchen sind folgende: a) Fiss. centralis und Fiss. coronalis; b) Fiss. splenialis und callosomar- ginalis; c) Fiss. rhinalis posterior und Fiss. oceipitotem- poralis; — d) Fiss. praesylvia und Fiss. frontalis in- ferior.”) Eine theilweise Homologie besteht: a) Zwischen Fiss. lateralis + ansata Krüeg (= hinterer lateraler Haupt- furche Pansch) und vorderem Theil der Fiss. suprasylvia einerseits, Fiss. parietalis andererseits, ferner b) Fiss. suprasylvia, hinterer Theil und unterer temporal-Furche. c) Fiss. postica Krüeg, (hinterer Theil der unteren Bogen- furche, Pansch) und oberer Schläfenfurche. 6. Die secundären Furchen, vor allem im Stirnlappen des Menschengehirnes beruhen auf einem selbstständigen =) Diese gewöhnliche Auffassung beruht auf dem frühen ent wicklungsgeschichtlichen Auftreten der Furche ; eine andere, topo- graphisch zu begründende Auffassung wird an anderer Stelle dis- cutirt werden. 4 RR Furchungsmodus der erst spät aufgetreten ist und daher weitgehenden Schwankungen unterliegt. Die vorstehende Arbeit wurde in dem anatomischen Institute der Thierarzneischule in Bern auf Anregung des Herrn Prof. Dr. Mas Flesch ausgeführt. Möge es mir an dieser Stelle gestattet sein, demselben für die mir bei meiner Arbeit so freundlich ertheilte Unterstützung meinen besten Dank auszusprechen. TEE Bier? ie. 3: Fig. 4. Pie. 5: fie: 6, Fig. 7. Fig. 8. ie, .9, Fig. 10 Erklärung der Abbildungen. Tafel I und I. Gehirn einer Löwin von oben. Dasselbe Gehirn von unten. Gehirn eines jährigen mierocephalen Mädchen. Copie nach Bischoff (aus den Abhandlungen der k. bayer. Akademie der W. UI. C1.XI. Ba. I. Abth., Fig. 2.) Gehirn eines 9 Jahre alten mierocephalen Knaben von oben. Verkleinerte Copie nach Flesch. (Festschrift zur Feier des 300jährigen Bestandes der Julius- Maximilians-Universität zu Würzburg, gewidmet von der med. Fakultät daselbst. I. Bd. Taf. 4, Fig. 1.) Gehirn eines eirca 50 Jahre alten Selbstmörders von oben Geometrische Projeetion auf die Hälfte verkleinert. Die Zahl der die Furchungszeichnung bildenden Linien gibt die Tiefe der Furchen wieder, indem je einer Linie eine Tiefe von 5 mm entspricht (Ver- fahren nach Jenssen) (zu 8. 21). Gehirn der Löwin. Profilansicht, linke Seite. Gehirn der Löwin, Profilansicht, rechte Seite. Menschliches Gehirn unbekannter Herkunft. Profil- ansicht von rechts, Zeichnung wie bei Fig.5 (zu 8. 27). Gehirn der Löwin von hinten. Gehirn einer Katze von hinten. Gehirn eines Hundes von hinten. — 80. — Bezeichnungen der Figuren. Fig. 1. 2. 6. und 7. (Gehirn der Löwin.) eo. — Suleus coronalis. er. — Suleus cerueiatus. ctr. — Corpus trapezoides. hy. — Hypophyse. li. — Untere Bogenfurche, hinter@r Theil. Is. — Obere Bogenfurche. ps. — Suleus praesylvius. rh. — Fiss. rhinalis anterior. 8. — Fossa Sylvii., ss. — Sulcus suprasylvius. a. — Vordere Ineisur der Mantelkante (s. o. S. 15) ß. — Hintere Ineisur der Mantelkante (s. o. S. 15) x. — Rissfläche, herrührend von dem abgetrennten Riechlappen. xx. — Gefässanastomose zwischen der Vertebral- und einem Aestehen der Basilararterie. V. — Stumpf des N. Trigeminus. 3, 4, 5 und 8. (Menschliche Gehirne. In Fig. 3 sind die Bischoff’schen Bezeichnungen abgeändert.) A. — Vordere Centralwindung. B. — Hintere Centralwindung. ec. — Centralspalte. fi. — Suleus frontalis inferior. fs. — Sulecus frontalis superior. F.I. — Mediale Stirnwindung. F. II. — Mittlere Stirnwindung. 0a. — Suleus oceipitalis anterior. oi. — 8. oceipitalis inferior. 08. — S. oceipitalis superior. otr. — S. oceipitalis transversus. p.p.‘p.“ — Parietalspalte und deren Aeste, bezw. selbstständig gewordene Theile. pei. — S. praecentralis inferior. pes. — S. praecentralis superior. BESTE TC Pi. — Lobulus parietalis inferior. po. — Fissura-parieto oceipitalis (oceipitalis interna). Ps. — Lobulus parietalis superior. 8.8.8.‘ — Fossa Sylvii mit ihren Aesten. ts. — Sulcus temporalis superior. y. — Inselartig aus dem Grunde der oberen Stirnfurche auf- tauchendes Läppchen. x — Schräg die Mantelkante schneidende, wahrscheinlich dem Suleus eruciatus homologe Furche. x. — Eindruck im Hinterhauptlappen vom Sinus longitudinalis superior herrührend. 9—11 (Darstellungen des Cerebellum des Löwen, des Hundes und der Katze von hinten.) v. — Medianer Wulst des Kleinhirnes. v.“ — Mittlerer Wulst des Kleinhirnes. h. — Seitenlappen des Kleinhirnes. x. — Bei der Präparation entstandene Laesion des Grosshirnes Fig. 5 und 8 sind von Herrn Rabus, Zeichner der anatomischen Anstalt in Würzburg, die anderen Figuren von den Herren Kiener und Stettler, Schülern der Kunstschule in Bern nach der Natur, bezw. den in der Erklärung genannten Vorlagen gezeichnet. Bern. Mittheil. 1885. Nr. 1129. P. Fueter-Schnell, Aus dem Gebiete der Lebensmittelehemie. Vorgetragen in der Sitzung vom 6. Juni 1885. I. Der Wein. Es geht eine Sage, dass der Kaiser Karl der Grosse alljährlich zur Zeit der Rebenblüthe aus dem Grabe steigt und die Reben segnend längs dem Rheine dahinwandelt. Durch Gesetze und Verordnungen sorgte er zuerst für den deutschen Weinbau und das Volk bringt ihm noch heute in dieser schlichten und sinnigen Weise seinen Dank dafür dar. Vor ihm und seit ihm hat die Kultur des Weinstockes, dessen Vaterland wir ursprünglich in den Gegenden südlich vom Kaspischen Meer suchen müssen, der aber von Syrien über Kleinasien, Griechenland und Italien allmählig weiter vordrang, alle einem edleren und verfeinerten Genusse zustrebenden Völker beschäftigt und einen regen Wetteifer hervorgerufen, die Gabe des Dyo- nysos nach Gebühr zu würdigen. So sei es mir denn heute, verehrte Herren, vergönnt, Ihnen aus dem Gebiete der Oenologie und Oenochemie, mit welcher ich mich seit Jahren beschäftigt habe, theils Neueres vorzuführen, theils Aelteres in’s Gedächtniss zurückzurufen. Drängen sich mir auch berechtigte Zweifel auf, ob für alle Anwesenden die Wahl des Thema’s eine ansprechende ist, so hoffe ich doch in dem Grundsätze: „Wer Vieles bringt, wird Jedem etwas bringen“, ein all- semein versöhnendes Moment gefunden zu haben. Die ungeheuren Verwüstungen, welche jener winzıge amerikanische Halbflügler nach seinem ersten Besuche 1863 in den Treibhäusern bei London machte, dadurch, dass er die Weinernte Frankreich’s in wenigen Jahren um mehr als ein Drittel reduzirte, sowie die dagegen er- griffenen energischen internationalen Massregeln haben das Studium des Weinbaues und des Weines überhaupt in den Vordergrund der Lebensmittelfragen gedrängt; in keinem Lande aber wird der Sache mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als in Frankreich und wohl mit Recht. Wenn wir die durchschnittliche Jahresproduktion an Wein für Frankreich auf 56,000,000 Hektoliter veranschlagen müssen, so folgen Italien erst mit 27, Spanien mit 22, Oesterreich- Ungarn mit 14, Deutschland mit 5 und die Schweiz mit nicht ganz 1'/, Millionen Hektoliter. Vor ungefähr 100 Jahren produzirte Frankreich jähr- lich 25 bis 28 Millionen Hektoliter; diese Produktion stieg successive auf 71 Millionen Hektoliter im Jahre 1869 und erreichte ihren höchsten Punkt mit 83 Millionen Hekto- liter im Jahre 1875, um von da an in Folge der Phylloxera in erschreckender Weise wieder abzunehmen. Trotz des allmählig bedeutend erweiterten Weinbauareals ist die Produktion von Frankreich in den letzten Jahren wieder auf dem gleichen Punkte wie vor 100 Jahren (nämlich auf 23 bis 30 Millionen Hektoliter) angelangt. Der Export Frankreichs aber an Wein ist nie im Verhältniss zu diesen Thatsachen zurückgegangen und es ist dies zurückzuführen theils auf den Import ausländischer, besonders spanischer, österreichischer und italienischer Weine, je nachdem sie sich zum Verschneiden (Coupage) eigneten, theils auf andere Manipulationen, welche wir im Verlaufe dieses Vortrages auseinandersetzen werden. Nach- frage und eigene Produktion standen und stehen in keinem AT Verhältnisse mehr zu einander und so werden für die feinen Weine der Gironde, die wir als Bordeaux kennen, Ersatz- weine eingeführt aus Alt-Castilien, aus der Umgegend von Miranda, Rioja-Weine, welche in Geschmack und in che- mischer Zusammensetzung mit den bessern Produkten der Gironde auffallende Aehnlichkeit haben. Dieses führt uns auf die chemische Zusammensetzung des Weines: „Was ist der Wein und welches sind seine charakterischen Be- standtheile ?* Als Wein, sagt unsere Verordnung über die Unter- suchung geistiger Getränke vom Jahr 1879 in ihrer puri- tanischen Auffassung, wird anerkannt der freiwillig ver- gohrene unveränderte Traubensaft; er führt den Namen Naturwein. Rothe Weine sollen ihren Farbstoff der blauen Beerenhülse verdanken. Die Auffindung jedes andern künstlichen oder natürlichen Pigmentes konstatirt eine betrügerische Handlung. Es ist somit auch das sogenannte Auffärben verboten. Wenn wir nun diesen ächten vergohrenen Trauben- saft analysiren, so finden wir darin Wasser, Alkohol, Ex- traktivstoffe, theils eiweissartig, Pectinkörper, Gummi, Zucker (Glycose und Levulose) Glycerin, Weinsäure, Gerb- säure, Aepfelsäure, Bernsteinsäure, Essigsäure; ferner Farbstoffe, Mineralbestandtheile und endlich in minimen Quantitäten zusammengesetzte Aetherarten und Muskel- zucker oder Inosit. Von diesen werden gewöhnlich quantitativ bestimmt: 1. Der Alkohol durch Destillation von 100 cc. Wein oder mittelst des Geissler’schen Vaporimeters; in Frank- reich dient dazu vielfach das Maligan’sche Ebullioskop. 2. Das Extrakt, d.h. die Summe der festen Bestand- theile entweder durch Austrocknen des Abdampfrück- NER UN standes von 50 cc. Wein bei 100° C. bis zum constanten Gewicht, oder indirekt durch genaue Bestimmung des spezifischen Gewichts der entgeisteten und auf das ur- sprüngliche Volum gebrachten Flüssigkeit. 3. Die Acidität durch Titration mit '/,, Normal-Lauge, / wobei Cyanin als Indicator empfehlenswerth. 4. Der Zucker nach Fehling, wobei rothe Weine vorher mittelst Bleiessig entfärbt werden müssen; ein Zusatz von Traubenzucker wird mittelst des Polaristrobo- meters erkannt. 5. Der Weinstein durch Ausfällen mit Aether-Alko- hol und Titration des ausgeschiedenen Weinsteines mit /ıoo? Normal-Alkali. 6. Das Glycerin durch Behandeln mit Aetzkalk und wiederholtes Ausziehen mit Aether-Alkohol. 7. Die Gesammtasche durch Glühen des Extraktes und in dieser die Phosphorsäure durch Titration mit '/,, Normaluranlösung bis zur braunen Uroferrocyanidreaction. 8. Schwefelsäure, Kalk und Kali nach den gewöhn- lichen Methoden; bei approximativer Schwefelsäurebestim- mung mittelst Titration mit Chlorbariumlösung. 9. Der Gerbstoff nach der Neubauer’schen Chamleon- methode oder durch das Titriren des zuvor mit Alkali abgestumpften Weines mit Eisenchlorid im Gerbstoff- reagenzröhrchen. 10. Der Farbstoff. Die Untersuchung der Farbstoffe eines Rothweines bietet grosse Schwierigkeiten; der ursprüngliche Saft der rothen Weintrauben ist farblos mit Ausnahme einer ein- zigen Sorte, der Färbertraube (Teinturier) und der Farb- stoff wird erst allmählig aus den Hülsen gelöst durch gene gleichzeitige Einwirkung der Säure und des sich bilden- den Alkohols, wesshalb die Rothweine stets mit den Tre- stern vergähren müssen. Der Farbstoff der Heidelbeeren ist identisch oder wenigstens ausserordentlich nahe ver- wandt mit dem Oenolin, der Zusatz von Malvenblüthen in Frankreich, namentlich in Bordeaux, allgemein und un- schädlich, und was die übrigen Farbstoffe, wie Kermes- beeren, die Beeren von Phytolacca decandra, Cochenille, Campeche u. s. w. anbetrifft, so ist dies ein Kampf gegen Windmühlen. Man findet in den Lehrbüchern ellenlange Tabellen über die Farben der feuchten oder getrockneten Niederschläge, welche Bleiacetat oder Thonerdelösung mit diesen Farbstoffen hervorrufen, eine wahre Chromokata- rakte, deren Farbenspiel selbst an der Hand der interna- tionalen Rade’schen Farbenscala schwer zu verfolgen ist. Es erinnern mich diese fremden Farbstoffe im Wein stets an jenes berühmte zerriebene Pferdehirn, das in Paris ein- mal in einer Milch gefunden worden sein soll und das noch jetzt von Zeit zu Zeit in einem Lehrbuch über Milch- analyse seine Auferstehung feiert. Wenn ein Wein, mit Salpetersäure behandelt, sich nicht entfärbt, wenn er, mit Brechweinstein gekocht, seine Farbe nicht verändert, wenn er, mit Schwefelammon behandelt, ein grünes Filtrat liefert und wenn er endlich keine leicht nachzuweisenden Theerfarben enthält, so liegt des Farbstoffs halber ein Grund zur Beanstandung nicht mehr vor. Nur aus dem Gesammtbild, dem relativen Verhält- nisse der obgenannten einzelnen Faktoren zu einander kann der Chemiker ein Urtheil abgeben, ob ein Wein Naturwein ist oder nicht. Eine oft schwierige Aufgabe, das muss man sagen, ja sie ist manchmal nur da- durch zu lösen, dass das Resultat mit den Analysen von Weinen unzweifelhaft ächter Provenienz aus gleichen ER EN Ländern und Lagen verglichen wird. Darum ist es auch so wichtig, dass ein möglichst grosses Material von ver- schiedenen chemischen Stationen gesammelt werde und es ist das eidgenössische Polytechnikum in Zürich in dieser Richtung in anerkennenswerther Weise seit Jahren vor- gegangen. Im Allgemeinen dürfen wir folgende Grund- sätze festhalten: Je niedriger der Säuregehalt eines Na- turweines, um so grösser dessen Alkoholgehalt. Ein zuckerreicher Weinmost muss nach der Gährung einen Wein geben, der reich an Alkohol, aber arm an Säure ist und umgekehrt. Bei den edelsten Weinsorten, Bordeaux, Burgunder, Deidesheimer, Liefrauenmilch, wo nicht nur die Trauben vom Kamm gesondert, sondern theilweise der höchste Grad der Reife, die Edelfäule mit beginnender Zersetzung der Schalenoberhaut abgewartet wird, den Firneweinen, den feinen südlichen und Orientweinen finden wir das Verhältniss von 9 bis 11°/, Alkohol und 4,5 bis 4,7 go Säure. Ein Extraktgehalt von unter 16 Gramm im Liter ist verdächtig und den Tresterweinen, den petiotisirten und gallisirten Weinen eigenthümlich; infolge dieses ge- ringen Gehaltes an Eiweissstoffen werden solche Weine, in offenen Gefässen der Luft ausgesetzt, weit weniger rasch kahmig oder schimmelig. Nach Abzug der nichtflüchtigen Säuren soll der Ex- traktgehalt bei Naturweinen mindestens 11 Gramm im Liter, nach Abzug der sämmtlichen freien Säuren min- destens 10 Gramm im Liter betragen. Das Verhältniss von Extrakt zu Asche soll 10 : 1 sein und der Gehalt von Phosphorsäure circa '/, der Gesammt- asche betragen. Auch das Verhältniss von unvergohrenem Zucker zum Alkoholgehalt, vom Weinstein zum Alkoholgehalt und EI ag ne andere Momente mehr sind von Wichtigkeit. Ohne des Nähern dies zu erörtern, will ich nur die Zusammen- setzung einiger der uns bekanntesten Weine skizziren. In dem hübschen lateinischen Rezepte zum Vinum Hypocratis (Ularet) heisst es über den bei uns so be- liebten Waadtländer Wein *): Vinum purpureis generosum et limpidum ab uvis, Littora qu& eingunt Lemani semper ameena, Effluat in eyathös gratus Bernensibus haustus, Mensas dum onerant dapibus epulisque festivis. Ein solcher gratus bernensibus haustus enthält nebst dem nöthigen Bouquet etwa 10 Volumprozente Alkohol, 6'/g°/o Säure, 13—19 gr Extrakt, etwa 1—2 gr Zucker, 2'/;, gr Weinstein und 1.8 gr Aschenbestandtheile im Liter. Bei einem feinen ältern Bordeauxwein (St-Julien, St-Estephe, St-Emilion) finden wir 12 bis 13°/, Alkohol, 4'/; bis 5°/,, Säure und 23 bis 25 gr. Extrakt im Liter. Unsere gewöhnlichen französischen rothen Tischweine, meist eine Coupage verschiedener Weine, enthalten 9°/, Alkohol, 6 bis 7°/,, Säure, 17 gr. Extrakt und 0,5 bis 1'/, gr. Zucker im Liter. Nehmen wir dagegen einen südlichen süssen und der Haltbarkeit wegen mit etwas Feinsprit versetzten Medizinalwein, z. B. Malaga, so finden wir 18°/, Alkohol, 4°/,, Säure und 180 gr. Extrakt im Liter, wovon 110 gr. unvergohrener Zucker sind. An diese Andeutung der Zahlen und Verhältnisse, welche je nach der Provenienz eines Weines zur Consta- tirung seiner Aechtheit als Wegleiter dienen müssen, reiht sich die Betrachtung der verschiedenen Manipula- tionen, welche theils zur Veredelung und Verbesserung, *) Dr. Fueter: Tentamen pharm. Bern. BR theils zur Vermehrung angewendet werden, organisch an; dabei sind die Grenzen zwischen Erlaubtem und Verwerf- lichem oft sehr schwer zu ziehen. 1. Zu den Verbesserungen gehört das Chaptalisiren, eingeführt um’s Jahr 1500 vom französischen Minister Chaptal; es besteht darin, einem zu sauren Moste den Ueberschuss an Säure durch Marmorstaub zu entziehen und ihm gleichzeitig einen Zusatz von Rohrzucker zu geben. Diese Methode ist namentlich in Burgund im Schwunge, dessen vortreffliche an der Cöte d’or gereiften Weine, wie Pomard, Baune, Nuits, Chablis und als primus inter pares der Chambertin stets freundliche Erinnerungen in uns wach rufen. 2. Zu den berechtigten Vermehrungen gehört das Petiotisiren (so benannt nach dem Erfinder Petiot, einem burgundischen Landmann), sofern es innert vernünftigen Grenzen stattfindet. Es gründet sich dies auf die Thatsache, dass in den Trebern (Schalen, Grappen und Kernen viele noch bis jetzt unbekannte Stoffe enthalten sind, welche selbst durch die stärkste Presse nicht in den ursprünglichen Most übergehen, sondern erst durch wiederholtes Gähren lös- lich werden. Nachdem der ursprüngliche Saft von der Presse abgelaufen, lässt man die Treber wiederholt, mit Zuckerwasser übergossen, vergähren; diese Weine, de 2., 3., 4., 5. cuv6e, werden zusammengegossen, mit Malven oder Heidelbeeren gefärbt und auf passende Weise ge- klärt. Man erhält dadurch eine Vermehrung bis zu 400 °/, und es erklärt sich daraus zum Theil, warum Frankreich bei einer durchschnitttlichen jährlichen Produktion von 50,000,000 Hektoliter über 90,000,000 als eigenes Produkt ausführen konnte. Diese petiotisirten Weine (la piquette) Bern. Mittheil. 1885. Nr. 1130 RE Dan 1, zeichnen sich aus durch feurige Farbe, angenehmen Ge- schmack, grosse Haltbarkeit, sind aber arm an Körper (Extrait) überhaupt und speziell im Verhältniss zum Al- koholgehalt. 3. Das Gallisiren, hauptsächlich in Deutschland ver- breitet, bezweckt ebenfalls eine Verminderung der freien Säure und Erhöhung des Alkoholgehaltes, ergibt aber eine Vermehrung auf Kosten der Zusammensetzung des ur- sprünglichen Weines. Ohne Rücksicht auf alle übrigen einem Naturweine zukommenden Bestandtheile wird aus dem Most nach Bestimmung seines Zuckers und Säure- gehaltes ein Normalmost dargestellt, welcher vor der Vergährung 20°/, Zucker und 5°/,, freie Säure enthält; man erhält dadurch enorme Quantitäten eines wässerigen und körper- (extract-) und bouquetlosen Weines, und die ganze Operation artet oft, besonders bei Anwendung von unreinem, Schwefelsäure und allerlei intermediäre Produkte enthaltendem, Kartoffelzucker in Pantscherei aus. 4. Das Scheelisiren besteht in einem Zusatz von Gly- cerin zum fertigen Most im Verhältniss von 1 bis 3 Vo- lumprozenten, um denselben süsser und vollmundiger zu machen. 5. Eine der wichtigsten Weinoperationen, welche eine tief eingreifende chemische Veränderung des Traubensaftes nach sich zieht und welche auch vom medizinischen Stand- punkte aus nicht ohne Bedeutung ist, bildet das in Spa- nien, Italien und Südfrankreich übliche Plätriren (Gypsen) des Weines, und zwar wird diese Operation nicht nur ausschliesslich mit Rothwein, sondern aueh mit Weisswein vorgenommen. Es besteht in einem Zusatz von Gyps; bald in der Weise, dass die Trauben gleichmässig mit Gyps überschichtet werden, so dass der Gyps nicht nur Bar mit dem Safte, sondern auch mit den Schalen und dem Fleische der Beeren in Berührung kommt, bald jedoch nur als Zusatz zu der bereits vergohrenen Flüssigkeit; in letzterem Falle dient es nur als mechanisches Klärungs- mittel, bei der Ueberschichtung aber, um ihm eine leb- hafte Farbe und jungen Weinen das Aussehen von alten gelagerten zu geben, um durch Wasserentziehung den Alkoholgehalt zu erhöhen, verschiedene Krankheiten zu verhindern und die Hefe abzuscheiden. Mit der innigen und anhaltenden Berührung des schwefelsauren Kalkes mit dem Most geht aber eine be- deutende Veränderung der Natur des Weines Hand in Hand. Der für denselben so charakteristische Weinstein wird zersetzt, die Weinsäure scheidet sich aus als wein- saures Calcium und an seiner Stelle tritt in Lösung Ka- liumbisulfat; ebenso wird das schwefelsaure Kali zersetzt, indem sich unlösliches Kalkphosphat ausscheidet. Gleich- zeitig hat man schon das Auftreten von Schwefelwasser- stoff und die Bildung von Aethylmercaptan beobachtet, ersterer entstanden durch Reduktion des Gypses. Ueber diese Plätragefrage, welche auch in Frankreich schon seit 40 Jahren, besonders seit Erkrankungen der französischen Armee in Oran, sowie anderweitig im Departement der Loire, wiederhult ventilirt wurde, liegt ein im Auftrage unserer Direktion des Innern verfasstes Gutachten der Herren Professoren Nencky, Luchsinger und Lichtheim vor und ich erlaube mir aus dieser besonders in che- mischer Richtung interessanten Arbeit einige Momente hervorzuheben. „Die Asche gegypster Weine enthält der Natur der chemischen Zersetzung nach, welche während der Gährung des Mostes mit Gyps vor sich gegangen, kein kohlensaures Kalium mehr, sondern an seine Stelle ist IR: das Sulfat getreten. Der Säuregrad des Weines wird durch das Gypsen nicht wesentlich verändert, aber das ursprünglich gebildete neutrale schwefelsaure Kali wird schon durch die organischen Säuren des Weines: die Weinsäure, Aepfelsäure, Bernsteinsäure, ja schen durch die Essigsäure in das Bisulfat verwandelt, welches als dem Organismus Alkali entziehend schädlich wirkt. Des Fernern ist bekannt, dass Schwefelsäure und Alkohol schon bei gewöhnlicher Temperatur Aethylschwefelsäure (H,SO, C, H,) bilden; diese Affinität ist so gross, dass schon 10prozentiger Alkohol in längerer Berührung mit saurem schwefelsaurem Kalium neutrales Salz und freie Aethylschwefelsäure bildet. Der Kaligehalt als solcher kann an den constatirten nachtheiligen Folgen fortgesetzten Genusses stark platrirter Weine nicht schuld sein, denn er übersteigt den Gehalt an Kali der gewöhnlichsten Lebensmittel nicht, sondern es sind dieselben zurückzuführen auf das saure Salz, eventuell auf die daraus gebildete freie Aethylschwefel- säure, welche bekanntlich auch die Reaction der freien Mineralsäuren gibt; z. B. Methylviolett beim Erwärmen entfärbt.“ Natürliche Weine enthalten höchstens 0,5 bis 0,6 schwefelsaures Kali im Liter, einige seltene Fälle ausge- nommen von Weinen, welche auf vulkanischem Boden in der Provinz Catania wachsen; es findet sich darüber ein Gutachten unter dem Titel „I vini gessati* von einem Professor in Palermo. In der Schweiz und in Deutschland ist die Operation des Gypsens unbekannt oder doch nirgends gebräuchlich und es ist vor kurzer Zeit bei einer gerichtlichen Ohm- geldfrage ein als Schweizerwein declarirtes Getränk auf diese Weise als Wein südlicher Provenienz erkannt worden. EU TE AEES, Ein Gehalt von über 2 gr schwefelsaurem Kali im Liter wird auch bei uns als verwerflich angesehen und solche Weine durch den amtlichen Experten mit einem andern nicht plätrirten verschnitten. 6. In let-ter Zeit hat die Weinfabrikation aus ge- trockneten Weinbeeren, herstammend aus dem Orient, aus Cypern und besonders von den griechischen Inseln Zanthe und Kephalonia, grossartige Dimensionen angenommen. Die Fabrikation dieses Vin de raisins secs geschieht in ziemlich einfacher Weise, indem die Weinbeeren oder Corinthen bei 30° Celsius mit Wasser zur Gährung an- gesetzt werden; gleichzeitig findet ein Zusatz statt von 2'/, bis 4 Kilos Weinsteinsäure und 1 bis 2 Kilo reinstem Tannin auf 100 Hektoliter Ansatz. Nach vollendeter Gäh- rung wird die Flüssigkeit von den Trestern gesondert, die Rückstände ein- oder mehrmals durch beträchtlichen Zuckerzusatz petiotisirt und die letzten Rückstände aus- gepresst. Diese werden noch auf einen cognacähnlichen Branntwein verarbeitet. Die vereinigten Auszüge werden nun auf passende Weise geschönt und filtrirt. In einzel- nen Fabriken wird das Filtrat noch pasteurisirt, d.h. die Flüssigkeit durchläuft von einem Reservoir aus einen ein- fachen Heizapparat, den sie auf 65° erwärmt sofort wieder verlässt. Eine sonderbare Erscheinung ist es, dass in diesen fertigen Trockenbeerweinen trotz des Weinsteinsäurezu- satzes freie Weinsäure nie oder nur spurweise nachweis- bar ist; ihr Alkoholgehalt beträgt durchschnittlich 7—10 Volumprozent, meist aber 8. Die Extraktzahlen gehen von 17—21 und sind normal; infolge unvollstädiger Gäh- rung findet sich stets verhältnissmässig zu viel unver- gohrener Zucker. Die Asche zeigt einen übermässig hohen EN Ra Kalk-, Chlor- und meist auch Eisengehalt, während der Gehalt an Phosphorsäure ein unverhältnissmässig geringer ist. Sind diese Weine schon an und für sich nur von geübter Hand mit Bestimmtheit als solche zu erkennen, so wird leider ihr Nachweis zur Unmöglichkeit, wenn sie mit einem reinen Naturwein vermischt sind. Diese Sache hat aber eine grosse national-ökono- mische und fiscalische Tragweite für den Weinbau über- haupt, weil der Winzer, der im Schweisse seines Ange- sichts und mit grossen Kosten seinen Weinberg hegt und pflegt, durch diese billigen Fabrikate, die doch meist unter der Hand als ächt verkauft werden, auf’s Empfindlichste geschädigt und vollständig entmuthigt wird, für den Kan- ton Bern besonders durch die Schädigung des Ohmgeldes. Wie die Pilze aus dem Boden sind in der letzten Zeit solche Fabriken von Trockenbeerweinen entstanden in Genf, in Freiburg und zur Zeit schon 7 im Kanton Bern, wovon 5 im Jura. Verschiedene Interessen stehen sich hier schroff gegenüber, auf der einen Seite die Schädigung des Weinbaues, des Fiskus und des gewissenhaften Han- dels mit Naturweinen, auf der andern Seite aber Anprei- sung dieses Produktes, an welches das Volk sich jeden- falls nur allmählig und indirekt gewöhnen wird, als beste Prophylaxis gegen den Branntweingenuss; ist ja doch selbst im Nationalrathe von einem „sachverständigen Mit- gliede“ dieses Banner entfaltet worden. Freiburg, Genf und Neuenburg haben bereits diesbezügliche scharfe Ge- setze, man könnte sagen Polizeimassregeln, erlassen, aber während in Freiburg die ganze Frage rein vom fiskalischen Standpunkt aus behandelt wurde und in der Besteurung des Kunstweines ihren Schwerpunkt fand, hat der Genfer G:osse Rath einzig und allein ohne fiskalische Rücksichten die Begünstigung des ehrlichen Handels und die Ver- ne NE SEEN a OR hinderung des unehrlichen im Auge gehabt und dem Noth- schrei der weinbauenden Bevölkerung Gehör leihend den Trockenbeerwein überwacht von der Fabrikation weg bis zum Momente des Konsums. Welche Schwierigkeiten sich bei diesem Gesetz aufthürmten, zeigen die interessanten Debatten des Genfer Grossen Rathes, bei welchen 2 der hervorragendsten Mitglieder der Regierung eine durchaus ablehnende Stellung gegenüber dem Entwurf einnahmen, so sehr sie dessen Berechtigung offen anerkannten. Das eingeholte Gutachten der Genfer Chemiker, weiche die Schwierigkeiten der Erkennung solcher Weine mit Recht betonten und die Möglichkeit der Handhabung des Gesetzes, eben nicht auf die erwartete Wissenschaft, sondern auf die strenge polizeiliche Kontrolle basirten, sowie ihre gleichzeitigen Controverse in Analysen von ungarischen Weinen mit einer deutschen Versuchsstation brachten das Gesetz beinahe zu Falle. Gleichwohl wurde unter dem Drucke der öffentlichen Stimmung gegen das vom Grossen Rath angenommene Gesetz das fakultative Referendum nicht ergriffen. Einen Punkt möchte ich noch berühren, welcher zeigt, wie vielfach verschlungen oft die Pfade der Umgehung gesetzlicher Zollschranken sind: Der Eingangszoll auf Sprit beträgt in Frankreich 0 Fr., dazu kommen 156 Franken inländische Steuer, zusammen 186 Franken pro Hektoliter 95 prozentigen Sprits. Es wurde nun in spanischen und schweizerischen Weinfabriken ein solcher Beerenwein mit 15°/, Alkohol (unter Sprit- zusatz) als Wein nach Frankreich gesandt und zur Dar- stellung grober Weine in dieser Weise der nöthige Spi- ritus den Gebühren entfremdet. In letzter Zeit ist aber auch diesem Manöver von Frankreich aus der Riegel ge- steckt worden. RUE Dies, meine Herren, sind die wesentlichsten Manipula- tionen, welche theils in redlicher, theils in gewinnsüchtiger Absicht im Stillen vorgenommen werden; von den eigent- lichen plumpen Kunstweinen, dargestellt durch Vergähren einer Mischung von Rohrzucker, Weinsäure, Tamarinden und Weinbeeren mit Bierhefezusatz, von den mit Salicylsäure behandelten und den sonst noch getauften Weinen können wir uns für heute nicht weiter befassen. Es ist alles alt und schon da gewesen, sagt ja doch schon Sebastian Brand, der Rath des Kaisers Maximilian, in seinem Narren- schiff, das 1494 in Basel erschien und das eine derbe Per- siflage der Gebrechen seiner Zeit darstellt: « Betrüger sind und Fälscher viel, Die tonen recht zum Narrenspiel, Falsch Lieb, falsch Rott, falsch Fründ, falsch Geld, Voll Untrew ist jetzt ganz die Welt, Brüderlieh Lieb ist blind und tod — » und dann speziell von den Lebensmitteln heisst es: « Vorus lat man den Winum bliben Grotz Falschheit thut man mit ihm trieben, Salbeter, Schwebel, Todtenbein, Senfkraut, Widesch, viel Zeug unrein, Steckt man zum Spunden in das Fass Die kranken Frowen trinken das *)». Wenden wir lieber noch den Blick auf die Weine, welche zwar auch Kunstprodukte, aber solche mit vor- trefflicher Grundlage sind, nämlich die Champagner- oder Schaumweine. Sie werden bereitet aus dem farblosen Safte blauer Trauben; die Hauptgährung wird durch einen Zusatz von Cognac gemässigt, die bei der Nachgäh- rung erzeugte Kohlensäure sammelt sich unter einem Drucke von 4 bis 5'/, Atmosphären an. Nach der Klä- ®) Wassermann, der Kampf gegen die Lebensmittelfälschung. ARE rung füllt man die Flüssigkeit unter Kandiszusatz auf verschlossene Flaschen, die sich unten ansammelnde Hefe wird aus den verkehrt stehenden Flaschen geschickt aus- gespritzt (degorger) und der entstandene leere Raum mit aromatischer Liqueurlösung, deren Zusammensetzung ein Geheimniss des Fabrikanten bildet, nachgefüllt und die Flaschen mit auserlesenstem Kork verschlossen. Natür- liches und künstliches Bouquet und wahrscheinlich auch angenehm riechender Kohlensäureäther bilden das Aroma der feinen Champagner-Weine und dieses bringt mich zum Schluss auf das Bouquet der Weine überhaupt. Lei- der wissen wir darüber zur Zeit noch sehr wenig, denn der Ausdruck Oenanthäther umfasst eine ganze Gesell- schaft von Fermentoelen von Caprin-, Caprylsäure- und andern Aetherarten; die Säuren der Fettsäurereihe spielen jedenfalls dabei eine wichtige Rolle und es ist bekannt, dass nach dem Zusatz von einer Oelemulsion zu einer gährenden weinsauren Zuckerlösung oder zu gährendem Most ein penetranter Weingeruch auftritt. Grösserer Kali- gehalt des Bodens, längeres Stehen der Maische vor der Gährung, sowie langsamerer Verlauf derselben sind der Bildung von Bouquet förderlich. Schon beim Aufbewahren im Fasse findet eine Veränderung des Weines, eine Oxy- dation unter gleichzeitiger Abnahme des Volumens um 4 bis 5°/, statt. Sauerstoff wird absorbirt und gebunden, während sich etwa 16 cc. Stickstoff im Liter Wein auf- lösen; dadurch wird der neue Wein zum alten. Beim Nachreifen in den Flaschen bildet sich in den ersten Jahren beständig neues Bouquet, an dessen Stelle bei zu alten Weinen Acetal tritt. An Feinheit, Kraft und Fülle des Bouquets werden die feinen Rhein- und Moselweine von keinem Weine der Erde übertroffen. Es sind dies jene Weine, welche zu den lieblichsten Blüthen deutscher Bern. Mittheil. 1885. Nr. 1131. Enge Poesie die Dichter begeistert haben, — Waldmeister’s Brautfahrt — jene Weine, die man nirgends besser trinkt, als im Rathskeller zu Bremen, von denen schon Heine daselbst gesungen: «e Wie doch die Welt so traulich und lieblich Im Römerglase sich wiederspiegelt, Und wie der wogende Micerocosmus Sonnig hinabfliesst in’s durstige Herz. » u, Mr AT v } N BRETT) BARARR Dr. Edm. v. Fellenberg. Ueber ein neues Vorkommen von Berekrystall in der Schweiz. Theilweise vorgetragen in der Sitzung vom 20. Dez. 1884. Allen Mineralogen und Sammlern sind die sogenannten gefensterten Bergkrystalle mit Einschlüssen von Thon wohlbekannt, welche seit langer Zeit in Poretta bei Bo- logna vorkommen und in keiner grösseren Mineralien- sammlung fehlen. Die interessanteste Erscheinung bei diesen Porettaquarzen ist, dass vorherrschend die Pyra- midenflächen, weniger häufig die Flächen des Prismas unterbrochene Raumerfüllung zeigen; d. h. „man sieht nicht selten Krystalle, deren Substanz den von den Um- rissen des Kantennetzes vorgeschriebenen Raum nicht vollständig erfüllt, sondern nur die unmittelbar an den Kanten und von diesen aus nach dem Mittelpunkte zu liegenden Theile ausgefüllt sind. Die Flächen erscheinen dabei trichterförmig vertieft oder ausgehöhlt, mit treppen- artigen Absätzen und dies findet bisweilen in dem Grade statt, dass nur noch gleichsam Skelette von Krystallen übrig bleiben.“ (Naumann und Zirkel, Elemente der Mi- neralogie, X. Ausgabe, 1877, pag. 75.) Da nun diese aus Mangel an Substanz auf den Flächen der Krystalle gebildeten Höhlungen eine den Umrissen der Fläche parallel-geradlinige Form haben und Fenster- höhlungen an einer Hausfront nicht unähnlich sehen, hat man solche Krystalle „gefensterte“ benannt. Eine weitere interessante Erscheinung bieten diese in Poretta (Lizzo) —-» 100° — bei Bologna vorkommenden Quarzkrystalle dadurch, dass sie meistens schalenförmig gebaut sind; besonders die Pyramiden derselben zeigen eine Aufeinanderfolge dünner Krystallschichten, die sich leicht durch Druck oder Schlag von einander zwiebelschalenähnlich ablösen. Diese Schicht- flächen, welche einer momentanen Ruhe im Kıystalli- sationsprozess entsprechen, sind nun ausgefüllt oder überdeckt mit mehr oder weniger dicken T’hon- oder Lehmschichten, anhängendem Residuum aus der thonig- kalkigen Mutterlauge, in welcher sich die Krystalle ge- bildet haben. Später trat ein neuer Krystallisationsprozess ein und über der den älteren Krystallkern bedeckenden feinen Thon- oder Lehmschicht bildete sich wieder eine durchsichtige Lage Bergkrystall, so dass nun der Lehm auf dem innern Krystallkern durchscheint. So gestalten sich die berühmten gefensterten Bergkrystalle mit Thon- einschlüssen von Poretta, dem bis jetzt bedeutendsten Fundort dieses interessanten Naturspiels. In Nordamerika kommen auch sehr schöne Bergkrystalle mit gefensterten Flächen und Thoneinschlüssen in Catawba County, N.- Ca- rolina vor und kommen unter dem Namen: Clay shot crystals, in den Handel. Neuerdings nun tritt ein schweizerisches Vorkommen nicht nur ähnlicher, sondern mit Poretta beinahe iden- tischer Art auf, ein Vorkommen, welches so ähnlich mit Poretta ist, dass wenn man einzelne Individuen beider Vorkommnisse mit Entfernung der Etiquetten zusammen- werfen würde, man schlechterdings nicht im Stande wäre, zu unterscheiden, welche Individuen gehören Poretta, welche dem neuen Vorkommen an. Letzten Herbst hielt sich Herr Prof. Theoph. Studer mit Familie in den Herbstferien in Bex, Kt. Waadt auf. De Eines Tages führte ihn ein Spaziergang nach der roman- tisch gelegenen „Tour de Duin“, einer das ganze Thal- becken von Bex dominirenden alten Burgruine, als in der Nähe der Ruine, bei der obersten Häusergruppe, welche „La Tour“ heisst, ein Arbeiter unserem Freunde hübsche Bergkrystalle brachte, die er behauptete in der Nähe gefunden zu haben. Professor Studer hatte zuerst Zweifel an der Aecht- heit des angegebenen Fundortes, da bis jetzt im ganzen Umkreis von Bex ein Vorkommen von Bergkrystall un- bekannt gewesen war”); ferner wären ja um Bex herum nirgends Feldspathgesteine, wie Gneiss oder Granit, kry- stallinische Schiefer, Hornblende- oder Sericitgesteine an- stehend. Der Ueberbringer, Christian Lauber, ein dort angesessener Berner (von der Lenk) gab an, er grabe für Herrn Grenier in Bex am Nordabhang des Burghügels einen Untersuchungsstollen nach Wasser und bei dem Aushub des Materiales, eines harten Kalksteins, stosse er auf lehmige Klüfte, in welchen sich die Krystalle be- fänden. Im Herbste des letzten Jahres schrieb ich besagtem Chr. Lauber, er möge Alles, was er an Krystallen seither gefunden, zur Einsicht einsenden und stellte ihm für hübsche Exemplare einen angemessenen Preis in Aussicht. Unter der ersten grösseren Sendung, die letzten Winter an mich gelangte, wurde ich angenehm über- rascht durch einige sehr schöne wasserhelle Bergkrystalle mit gefensterten Flächen welche ringsum, den Krystall- kern grossentheils bedechend, Einschlüsse eines grau-gelb- lichen und weisslichen Thones zeigten. *) Bekannt von Bex sind die schönen Gypskrystalle, ein- gesprengter gediegener Schwefel mit Kalkspath und krystalli- sirtes Steinsalz aus den Salzgruben daselbst. — 102 — Die Durchsichtung der ersten Sendung ergab auch manches Interessante; so stenglige Krystallaggregate und Scepterkrystalle. Von unserem naturhistorischen Museum aus wurde dem Ch. Lauber ein aufmunternder Preis ge- macht und in späteren Sendungen an das mineralogische Kabinet in Bern wie an Herrn Hoseus in Basel, kamen eine Menge schöner und merkwürdiger Formen und Ver- zerrungen des Bergkrystalls zum Vorschein. Es war nun wichtig genug, die interessante Fundstätte zu besichtigen; um die geologischen und minerogenen Verhältnisse zu studiren. In den letzten Tagen Aprils dieses Jahres begab ich mich nach Bex und suchte Christian Lauber in der kleinen Häusergruppe nordöstlich von der Tour de Duin auf. Unter seinem Vorrath zu Hause waren nur wenige brauchbare Exemplare. Einige kleinere anormal-ausgebildete Kry- stalle fielen mir auf, nachdem sie von der anklebenden zähen grauen Lehmmasse durch Waschen befreit worden. Die Fundstelle ergibt folgende Charaktere: | Nach der geologischen Aufnahme des Blattes XVII des Dufour-Atlasses, durch Professor E. Renevier, ist der ganze Burghügel von Duin Neocom-Kalk und -Schiefer, welche Schichten ein kleines, über den Thalgrund sich erhebendes Gewölbe bilden. Der kaum begonnene Wasser- stollen ist auf der Nordseite des Hügels von Tour de Duin angefangen, etwa 30 m unter der Basis des alten Thurms in circa 540 m Meereshöhe (Thurm von Duin 563 m) (Dorf Bex 435). Die Schichten fallen hier mit 25—30° nach Norden ein und gehören einem dickbankigen, in Bänken von 30—40 em Mächtigkeit abgesonderten, quarzigen, dunkel rauch- grauen, sandigen Kalkstein an, der stellenweise durch Eisen- oxydflecken wie rostroth gesprenkelt erscheint. Zwischen dickbankigen, sandigen und quarzreichen Schichten schieben K — 18 — sich verworren-schiefrige, vielfach verknitterte, blätterige Kalkschiefer ein, welche auf den Absonderungsflächen Glimmerblättchen führen und im Querbruch ebenfalls ein sandiges Ansehen haben und sich körnig angreifen. Diese Neocomschiefer sind vielfach gefältelt und zwischen die massigen Schichten eingequetscht und zeigen daher häufig glänzende Harnische. Quer durch beide Facies des Neocoms, welche hier wechsellagern, schneiden zahllose Querklüfte durch, welche meist mit 60—70° nach Süd- west einfallen und die Schichten des Neocoms in vielfache Blöcke von ziemlich regelmässiger Form absondern. Zwischen den Schieferschichten und dem massigen Kalk nun treten zahlreiche Linsen und Kluftausfüllungen eines feinen, weichen, zart anzufühlenden grauen Lehms auf, der sich immer feucht anfühlt und stellenweise ganz eigentlich Wasser ausschwitzt. In diesen Lehmlinsen und mit Lehm erfüllten Klüften fand Chr. Lauber die wohl ausgebildeten, meist doppelt-pyramidalen Bergkrystalle, lose liegend» nicht am Felsen haftend, in den Lehm gebettet. Sie waren daselbst am schönsten ausgebildet, meist gefenstert, und zeigten Lehmeinschlüsse. In ebendenselben Lehmlinsen sind viele Zafelförmige, bruchstückähnliche Bergkrystallindiwvi- duen, die wie Trümmer und Splitter aussehen, jedoch bei näherer Besichtigung als auf allen Seiten krystallisirt sich erweisen. Sie sehen aus, wenn gewaschen, wie Glasscherben: die man in den Thon gemengt hätte; sieht man näher nach, so sind es Alles verzerrte Einzelindividuen des Bergkrystalles.. Nicht nur die Schieferparthien, sondern hauptsächlich der dickbankige Kalkstein ist durchsetzt von Kalkspath- und Quarzadern, welche sich am Contact mit den Schiefereinlagerungen und am Rand der Thon- linsen zu Drusen ausweiten, welche meistens mit feinen langstengligen Krystallen bekleidet sind. ua Diese stengligen Qaarze, deren Spitzen einem sehr steilen Rhomboöder angehören, sind meist weiss und opak und bekleiden liegend die mit Kalkspath besetzten Drusen des compakten Kalkes. Sie unterscheiden sich durchaus von den meist auf allen Seiten ausgebildeten Fenster- krystallen. Es kann nicht meine Aufgabe sein, das reiche Ma- terial, das mir vorliegt (mehr als 500 Stück) krystallo- graphisch zu beschreiben, ich hoffe, ein Krystallograph wird diese nicht uninteressante Aufgabe übernehmen, obgleich ich bis jetzt wenig ausserordentliche Flächen entdeckt habe. 1) Am schönsten treten die eigentlichen Fenster- krystalle auf in Grössen bis zu S Centimeter Länge, sei es in einzelnen Individuen, sei es in auf einander gewach- senen, an einander gereihten Gruppen, wobei jedes Indi- viduum doppelpyramidal ausgebildet erscheint. Einzelne dieser Fensterkrystalle sind so schalenförmig konstruirt, dass ein leiser Druck oder Schlag genügt, um selbige in eine Anzahl dünner Schaalen auseinanderfallen zu lassen. Zwischen jeder Schicht liegt eine dünne Lage Thons. Bei einem vorliegenden Exemplare, welches bis in seinen innersten Kern „gefenstert“ ist, kann ich 7 Schichten von 0,5—1,3 mm Dicke zählen. Alle diese Fensterscheiben sind durch Lehmüberzug getrennt. Einzelne Krystalle hatten nicht mehr Stoff genug, um sich um und um auszubilden und bildeten lediglich eine vielfache Krystall- schale um einen Thon- oder Lehmkern, den man mit der Hanı entfernen oder durch Wasser auslaugen kann. 2) Scepterkrystalle. Prächtige Exemplare liefert die „Tour de Duin“, wie ich sie schöner nirgends beobachtet. Auf 2—3 mm dickem Stiel sitzeu wohlausgebildete Doppel- krystalle von 10—12 mm Durchmesser. Manchmal ist der ==. Stielkrystall dunkel gefärbt und der Scepterkopf hell manchmal umgekehrt. Alle sind doppelpyramidal ausge- bildet. Der grösste Scepterkrystall, den ich vor mir habe, misst 115 mm Länge und bei 45 mm grösste Breite des Stiels, der sich gegen den aufsitzenden Krystall zu 15 mm verjüngt. Mehrere der Scepterkrystalle zeigen gefensterte Kopfkrystalle, kein einziger zeigt einen gefensterten Stiel- krystall. 3) Scherben. Mit diesem ungewöhnlichen Namen be- zeichne ich eine Anzahl kleinerer Individuen, bei denen theils Prisma, theils Pyramide in einer Richtung unge- bührlich ausgedehnt sind und daher meist tafelförmig, splitterförmig, wie Eisstückchen aussehend, erscheinen. Sieht man genauer nach, so sind diese Scherben alle von Krystallflächen begrenzt. Sie sind im Lehm suspendirt, wie die Einschlüsse in der Grundmasse des Porphyrs. 4) Stenglige Krystalle. Meist aufsitzend auf Drusen des festen kärnigen Bankneocoms. Sie liegen meistens in den Drusen auf dünnblättrigem Kalkspath und sind oft zu stengligen und garbenförmigen Aggregaten grup- pirt. Manche dieser stengligen Krystalle liegen lose in den mit Lehm gefüllten Drusen des festen Gesteins und sind doppelt ausgebildet. Viele zeigen das Prisma als Säule, manche aber haben statt des Prisma’s eine sehr steile Pyramide, welche einem spitzen Rhomboäder ent- spricht und sind analog gewissen Vorkommnissen im Ober- wallis, (im Gerenthale,) und den „Dents de porcs“ aus der Dauphine. 5) Endlich muss ich noch krystallinischer Massen Erwähnung thun, die keine mathematische äussere Form mehr haben erlangen können. Vor mir liegt ein unförm- licher Thonklumpen, der durch und durch in unreinen Quarz gehüllt ist. Der Quarz ist so gesättigt von Lehm, Mittheil. Bern. 1885. Nr. 1132. 21000, dass er kaum noch den Glasglanz des Bergkrystalles be- sitzt. Nur die Härte gibt Auskunft über die Matrix, in welche der Lehm eingehüllt ist. Die Krystallmasse hat sich angestrengt, Individuen herzustellen; einzelne gerad- linige Hohlräume zeigen die Richtung an, in welcher die Kiesellösung sich den Krystallisationsgesetzen. unterwerfen wollte, aber hier blieb der zähe Lehm Meister. „Das Phlegma ist geblieben“. Ist nun, fragen wir, der Fund von „La Tour de Duin“ in der Schweiz einzig in seiner Art des Vorkom- mens, so kann ich glücklicherweise nach eingehender Be- sichtigung der aus dem Nachlass des Herrn Stadtrath Fr. Bürki acquirirten Mineralien behaupten: nein, son- dern es finden sich nicht nur Analogien, sondern geradezu Identisches und aus der nämlichen Gebirgsart. Aus der prachtvollen Quarzsammlung des Hrn. Bürki, der reichsten in Bezug auf verzerrte, anormal-ausgebildete, seltene Flächen und sonstige Eigenthümlichkeiten-zeigende Quarze, finde ich in einer Schachtel vier vorzügliche, gefensterte Bergkrystalle, wovon der grösste 50 mm Länge, 30 mm grösste Breite misst; an einer Stelle dringt der Hohlraum inmitten der Pyramidenfläche bis in den Kern des Krystalls und lässt 8 auf einanderliegende Krystallschichten ab- zählen, die obersten zwei enthalten Thoneinschluss. Diese Krystalle tragen die Etiquette: „Bergkrystall, Tückenhaft ausgebildet, sog. Rahmenkrystalle. Gegend des Aermig- horns im Kienthal. Eine andere Schachtel enthält 17 kleinere, beidseitig ausgebildete (doppelpyramidale) Krystalle, worunter zwei sehr hübsche Scepterkrystalle, dabei einen grösseren aus einer Reihe aneinandergewachsener kleiner, doppelpyra- 107. — midaler Individuen gebildeten, mit Thoneinschluss. Es liegt die Etiquette dabei: Bergkrystull und Gruppen beidseitig ausgebildet. Gegend des Aermighorns im Kien- thal. 1877. Ferner enthält eine andere Schachtel: Einen prächtigen kleinen doppelpyramidalen Krystall, stark gefenstert und mit Thoneinschluss und eine Anzahl prächtiger doppelt ausgebildeter Gruppen und Einzelkrystalle mit der Eti- quette: Bachalpfluh, Aermighorn ( @umpelschafberg, Aer- migen), von der Hand Prof. J. Bachmann’s geschrieben und wenn ich nicht sehr irre, von stud. phil. Ed. Fischer (jetzt Privatdozent für Botanik) an Ort und Stelle ge- sammelt und zurückgebracht. Sehen wir uns nun auf Blatt XVIII der geologischen Karte der Schweiz (Dufour, geolog. colorirt), die Gegend des Aermighornes an und speziell der Bachalpfluh, so finden wir hier angegeben: Neocomien. Un. wie an der „lour de Duin“. Ferner besitzt das Museum in einer Schachtel eine Reihe wasserheller, doppelpyramidaler Gruppen und Einzelkrystalle mit der Fundortsangabe: „Bergkrystall aus Adern schwarzen Neocomkalkes. Düär- ligen-Bödelibahn. Hr. Prof. Burckhardt. Basel.“ Es ergibt sich uns nun die höchst interessante Thatsache, dass an verschiedenen Orten der Alpen der grobbankige kieselige Neocomkalk in Wechsellagerung mit Schiefern von vielem Kalkspath und Quarzadern durchsetzt ist und wahrscheinlich überall in Thonmassen der Kluftausfüllungen gefensterte thonhaltige Bergkrystalle führt, und zwar mei- stens bipyramidal ausgebildete Einzelindividuen und Grup- pen, ferner Scepterkrystalle und sogenannte „Wasserdia- manten“, d. h. kleine, wasserhelle, doppelt ausgebildete Bergkrystalle. Sind nun diese Bergkrystalle in allen ihren interessanten Formen und Varietäten durch ganze — 108 .— Neocomgebirge gleichmässig zerstreut oder gehören sie nur gewissen Zonen an? Das lässt sich jetzt noch nicht entscheiden. Sollten sie sich in den sandig-kieseligen, körnigen Kalken, welche mit Schieferschichten und Thon- linsen wechsellagern, überall in derselben Schicht wieder- finden, also das ganze Gebirge durchsetzend, so müssten sie geradezu wnerschöpflich sein. Hat doch Christian Lauber in „La Tour de Duin“ bei seinem Wasserversuchs- stollen von noch kaum 2 Meter Tiefe und 1m 50 Höhe in den Berg hinein schon weit über 500 Krystalle ge- funden *). Wie viele Millionen mögen unsere alpinen Neo- comgebirge noch enthalten? Mit dem Hinweis auf das Interesse, welches weitere ähnliche oder analoge Funde in unseren Alpen hätten, empfehle ich diese geologische Skizze der Berücksichtigung aller schweizerischen Mineralogen und Geologen mit der Bitte, diesem Vorkommen von Bergkrystall in den Kalk- alpen ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die krystallogra- phische Bearbeitung des reichen Materials muss einem Spezialisten überlassen werden, obgleich, wie oben erwähnt, die flüchtige Durchsicht keine grosse Ausbeute an seltenen Flächen und Kombinationen erwarten lässt. Noch wäre es interessant, zu vernehmen, in welchem Terrain die be- rühmten Porettaquarze vorkommen, die jetzt in denen von „La Tour de Duin“ würdige Rivalen gefunden haben. Es ist mir bei”der Durchsicht des ganzen mir vor- liegenden Materiales noch nicht gelungen, Wassertropfen- *) Eine neue Sendung Lauber’s gelangte an mich Ende Juli, Der Wasserstollen ist jetzt etwas über 3 Meter fortge- trieben. Die thonigen Klüfte und Lehmlinsen setzen sich fort und lieferten wieder eine Menge der oben erwähnten Vorkomm- nisse von allen Varietäten. Die Verhältnisse bleiben sich ganz gleich wie oben beschrieben. Im August 1885. E. v. F. =. 109. — oder Luftblasen-Einschlüsse in den „La Tour“ - Quarzen zu finden, obgleich ich nicht daran zweifle, dass sie vor- kommen werden, so gut wie in den Kıystallen von Poretta, wo sie auch nicht selten sind. Ueber die Bildungsweise dieser verschiedenen Facies des krystallisirten Kiesels lässt sich mit Bestimmtheit an- nehmen, dass wohl hohe Temperaturgrade bei der Bildung ausgeschlossen waren, dass das Material aus der Gebirgs- art selbst, dem kieseligen Kalke, geliefert wurde nnd durch Auslaugung des letzteren, in Klüften, am Contact mit den Schieferschichten sowohl wie in Querklüften auf schon vorhandenem Kalkspath sich die stengligen Individuen wie auch einzelne adhärirende, doppelt auzgebildete Fenster- krystalle gebildet haben. Wahrscheinlich später, nach- dem der Schiefer ausgelaugt und das Zersetzungsprodukt desselben, der feine Lehm, in Hohlräumen und Kluft- flächen abgelagert worden war, hat sich in demselben die alles durchdringende Kiesellösung zu einzelnen wohlaus- gebildeten Individuen, sowie in der ganzen Masse ver- theilten Scherbenkrystallen concentrirt und musste desshalb bei der Sättigung der Lösung mit Thon naturgemäss solche mit Thoneinschlüssen, bei Stoffmangel gefensterte, und unter günstigen Bedingungen allseitig ausgebildete und Scepterkrystalle liefern. Dem neuen Fundort des Bergkrystalls muss der Name „lour de Duin bei Bex“ verbleiben, weil die blosse Be- zeichnung „La Tour“ zu leicht einer Verwechslung mit „La Tour (de Peilz) bei Vevey“ rufen würde. (Hiezu ein Profil siehe folgende Seite.) 110 Profil am Eingang des Stollens unterhalb der Tour de Duin. alk. K ieseliger fer. ger, ki i ‚ körn ssiger a Ma 1e b Thoniger Kalksch gen. c Thonlinsen und Kluftausfüllun 23 En = ro © [ed P} rS = 3 nn I] So i Fr . [eb & ® m, a ra ng HERE oc Es$ Sn ZH oOKnM SE nn — X — Sitzungsberichte. 762. Sitzung vom 6. Juni 1885. Abends 8 Uhr bei Webern. Präsident: Prof. Dr. L. Fischer, Sekretär: Steck. — Anwesend 20 Mitglieder und Gäste. 1. Das Protokoll der letzten Sitzung wird verlesen und nach Anbringung einer kleinen Ergänzung genehmigt. Prof. Theoph. Studer stellt überdiess den Antrag, die Hauptpunkte in der Diskussion auch im Protokoll aufzunehmen. 2. Als Delegirter für die Versammlung der schweiz. naturforschenden Gesellschaft in Locle wird Prof. Theoph. Studer gewählt. Ein Aufruf zur Anmeldung neuer Mit- glieder wird kurz vor der Versammlung in den Tages- blättern erlassen werden. 3. Dr. Thiessing spricht über Höhlenfunde im Jura. Der Vortrag (siehe Abhandlungen) wird durch Vorzeigung eines ansehnlichen Materials erläutert. In der Diskussion hebt Prof. Theoph. Studer hervor, dass sich neben den Resten vieler auch aus ähnlichen Höhlen bekannter Thiere, Stücke einer Wiederkäuerart vorfinden, die er in die Verwandschaft der Säugantilopen stellen möchte, ebenso verhältnissmässig sehr viele Knochen von Vögeln, speziell Schneehühnern. TE Dr. Em. v. Fellenberg macht einige ergänzende Be- merkungen in Betreff der arch&ologischen Funde vom historisch-antiquarischen Standpunkt aus. Es betheiligsen sich ferner an der Diskussion die Herren Jenner und der Vortragende. 4. Herv Fueter-Schnell bringt Mittheilungen aus dem Gebiete der Lebensmittelchemie und hat zum Gegenstand seines ersten Vortrages den Wein gewählt. (Der Vortrag erscheint in den Abhandlungen). An der Diskussion über den von der Gesellschaft mit sich steigerndem Interesse angehörten Vortrag knüpft sich eine lebhafte, von den Herren Prof. Dr. Nencki, Dr. Schaffer, Apothoker Bernh. Studer, jun., und Dr. Edm. v. Fellenberg und dem Vortragenden geführte Diskussion, in der hauptsächlich das Petiotisiren, das Erkennen der Trockenbeerweine von Naturweinen und Mischungen bei- der, die Farbstoffe der Heidelbeeren, Chermesbeeren und rothen Traubenbeeren zur Besprechung gelangen. Herr Apotheker Bernh. Studer jun. spricht überdies die Hoffnung aus, Herr Kollege Fueter möchte die Ge- sellschaft mit weitern derartigen Vorträgen erfreuen. 5. Herr Dr. Edm. v. Fellenberg legt das geologisch colorirte Blatt 18 der Dufourkarte und eine Karte vor, worin seine Begehungen in diesem Gebiete eingetragen sind, und macht einige anschliessende Bemerkungen. —7Fr 9 —— Familiant Löwengehirn Berner Mitteilungen 1883, 2. Heft FE S S a Is S R 8 >] R EN 5 = 2 N g [3 u 1 iliant Löwengehirn. Lips,Lit.Bern. Jäbus, Stettler,Kiener gez. ? RR TE - Ki aid Fig. £ TAFEL 1. Fig .10 r VIII VD’ ITWVDIDYV rwvmmvmvmerwwr UAyAVANAVSYATATAYAYAT BAYIVAN, DyvVvVv vanvavwemwrmvrvrDVvVwvVvrvv AL ATV TRUG DER TAG 14714447244724:77249 400 TER AARAU AAN AA RE Rasa RUNWUANVUBNEEN EN) VNA BRAIN SUN GEN SUR | RE ee RR Raz a ner u BE dee ee: IINNUNUNNINIHUN | 3 2044 106 3 Date Due MAY 31 1956 Ar TURN ve R De Se nr 09 75 a en TE Den na u , oe ' a. ING 1 a £ VE : ne = en = B Kr Br) 4 e) \ N en ge 3 ID 3 II u - \ >. - ER a Fer - “vr \ 5 > We or ng La 25 > ae DEE ei / Tr x - ® S si TR Pass ne | N K Pr f N % rn AR N ‘ h a7 £ ja. ee A er DI u oe De So 2 VER. - ne ke a de % . ’ R - 2 nei # hal a Te w ei ah - Zr Baar Fahr im m END: zi a. TEN - r N) 3) DA Ne N EN ST EN VAN IN (gs N \ AR; N 7 VRR IA u. een j \ \ LAN, n N Ur D-' vs