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Mitteilungen

Thurgauischen

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Redaktion: 5. Wegelin und Dr. E. heisi = | 267/3%4%

Druck von Buber & Co. in Frauenfeld 1922

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Inhaltsverzeichnis.

l. Wissenschaftlicher Teil.

. Die Sinaiwüste, von Alfred Kaiser . Zur Flora von Dießenhofen und zur innefnng an

Friedrich Brunner, Apotheker, + 1898, und Dr. med. Hans Brunner in Dießenhofen, 7 1920, von Prof. Dr. 0. Nägeli

. Die Flora des Eırdelrooseh, Eine oekologische Studie

von Dr. Grete Josephy

. Blühende Früchte, von H. Wegelin . . Kleinere Mitteilungen ;

Alamanenknochen von von Prof. Dr.

O. Schlaginhaufen

Die Einbürgerung des Fasans im Thurgau, von Lehe er Stierlin ,

Hirschfund im Dauchetal, von H. Wesel

Die Milbenfauna von Drei von H. Wegelin

Volksnamen für die Tierwelt des Untersees, von J. Engeli

Das Pfeilkraut im Sommer 1921, von H. Wegelin .

Monsunartige Winde am Bodensee, von H. Wegelin .

Erratische Blöcke in der Umgebung von Hüttwilen, von E. Geiger, Sekundarlehrer

II. Vereinsnachrichten.

. Dr. Hans Brunner 7, von Dr. ©. Brunner . ; 2. Dr. Alfr. Debrunner-Albrecht 7, von Dr. H. Walde, . Auszug aus dem Protokoll:

Jahresversammlung in Frauenfeld: Die nordschwed. Eisenerzlagerstätten, von Prof. Grubenmann . Jahresversammluns in Arbon .

. Mitgliederverzeichnis . . Statuten : . Reglement für die Nirkleilngen

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issenschaftlicher Teil.

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Die Sinaiwüste.

Von Alfred Kaiser, Arbon. Alle Rechte vorbehalten.

Geschichtliches.

Es wird unter den Kulturmenschen des Abendlandes nur wenige geben, die nicht schon vom Sinai gehört haben, von der biblischen Ueberlieferung, nach welcher vor zirka 32 Jahr- hunderten, unter Führung von Moses, das Volk Israel der Knechtschaft der Aegypter sich entzog. Es soll geflohen sein, um auf asiatischem Boden ein eigenes, neues Reich zu gründen, um nach eigener Weltanschauung, und nicht nach den Vor- schriften eines, fremder Rasse angehörenden und ihm daher ' verhaßten Herrschers, leben zu können.

Viele haben auch von den christlichen Einsiedlern, den sog. Anachoreten, gelesen, die zu Beginn unserer Zeitrechnung aus Aegypten und andern Ländern der Levante nach der Sinaihalbinsel zogen, um sich dort in Weltabgeschiedenheit, Armut und Entbehrungen frommen Betrachtungen hinzugeben.

Manchem wird auch das Katharinen-Kloster bekannt sein, das im Auftrage des Kaisers Justinian zum Schutze solcher Anachoreten auf dem Sinai erbaut wurde und heute noch von zirka 40 griechischen Mönchen bewohnt ist.

Ueber die Tradition des Auszuges und der Wüsten- wanderung Israels haben zahlreiche Forscher umfangreiche _ und feindurchdachte Werke geschrieben. Besonders die Eng- länder brachten diesem Teile der Bibelforsehung großes Interesse entgegen. Ich nenne von ihnen nur Beke, Flinders Petrie, Palmer, Robinson, Wilson und die Damen Agnes Smith . und Margaret Gibson. Von Deutschen möchte ich Brugsch, Ebers und Oskar Fraas erwähnen. Auch die Schweizer. sind der Verarbeitung dieser biblischen Berichte nicht ganz fern ge- blieben. Vor bald 50 Jahren schon hat unser Dichter J. V. Wid- mann die Lebensgeschichte von Moses und seiner Frau Zipora

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in poetische Form gekleidet. Nach ihm, vor zirka 4 Jahren, hat Frau Jacot-des Combes, eine in Alexandria wohnhafte Schweizerin, dasselbe Thema zu einem sehr lesenswerten Romane ausgearbeitet.

Titus Tobler von Horn, der bekannte Libanonforscher, hat Einiges über das sinaitische Anachoretenleben ge- - schrieben. Er schöpfte dabei aus der Reisebeschreibung des Antoninus Martyr, der die Oase Pharan besucht haben soll, wo zahlreiche Anachoreten eine Kolonie gegründet hatten.

Ueber das Katharinen-Kloster haben fast alle schreib- kundigen Sinaibesucher berichtet. Die einen sind etwas mehr, die andern etwas weniger erbaut über den Empfang, der ihnen dort wartete. Von neueren schweizerischen Beschrei- bungen möchte ich nur der „Sinai-Fahrt“ des Theologen Adolf Keller (1901) und der Reiseschilderung von Leon Cart (1915) Erwähnung tun.

Es liegt nicht in meiner Aufgabe, die zirka 700 Jahre von Mund zu Mund herumgetragenen und erst nachträglich niedergeschriebenen Berichte über den Auszug der Juden aus ; Aegypten oder gar die ethische Bewertung der ehemaligen Anachoreten und der heutigen Sinaimönche einer Kritik zu unterziehen. Diejenigen, die das tun wollen, werden anderswo reichlichen und sehr verschiedenartigen Stoff dazu finden. Ganz beiläufig möchte ich hier aber bemerken, daß die biblischen Berichte in gewissen Teilen von namhaften Forschern in Zweifel gezogen werden, daß die Reisebeschreibung des Antonin sich als eine Fälschung aus der Zeit der Kreuzzüge erwiesen hat und daß den Darstellungen der heutigen Kloster- brüder, insofern sie sich in biblischen Deutungen versuchen, aus verschiedenen Gründen kein großer Wert beizumessen ist.

Wir wollen uns also mit der Frage nicht befassen, ob und in welcher Absicht die Juden auf den Sinai gekommen seien, ob sie in geschlossener Masse auswanderten oder in kleinen, zeitlich von einander getrennten Reisetrupps. Wir wollen auch die Frage nicht erörtern, ob die auf strenge Rassenreinheit haltenden Aegypter Interesse daran gehabt "hätten, die nach der Isthmuswüste geflohenen Israeliten wieder in ihr Land zurückzubringen. Eines nur will ich hier betonen: daß die biblische Ueberlieferung den heutigen Verhältnissen der Sinaihalbinsel wenig entspricht. Wenn ich auch zugebe,

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. daß das Gedächtnis von Halbkulturvölkern in vielen Teilen ein besseres ist, als das von uns Kulturmenschen, so möchte ich doch auch hervorheben, daß die große Phantasie der Orientalen und die Vieldeutigkeit ihrer Sprachen exakten Darstellungen von weit zurückliegenden Begebenheiten umso hinderlicher entgegenstanden, je verschiedenartiger das Auf- fassungs- und Wiedergabevermögen der auf mündlichem Wege überliefernden Personen gewesen sein muß. Dies zum Kapitel Bibelforschung, das wir im folgenden nur selten berühren werden, so sehr das tiefe Schweigen der Wüste, ihre Rein- heit und der Zug von Bescheidenheit bei allen ihren Be- wohnern, Menschen, Tiere und Pflanzen, Anlaß zu religiösen Betrachtungen bieten mögen.

Die Landschaft.

Isthmuswüste. Den nördlichsten Teil der Sinaihalbinsel bildet die sog. Isthmuswüste, die den afrikanischen Köntinent mit dem asiatischen verbindet und eine Wanderung der Lebe- wesen von Osten nach Westen, von Norden nach Süden und in entgegengesetzter Richtung ermöglicht. Auf dieser Land- brücke vollzog sich vermutlich die Mischung von persisch- arabischen, indischen und nordafrikanischen Tier- und Pflanzen- typen und von echten Tropenbewohnern mit Lebewesen aus der nördlichen Kälteregion. Wir dürfen das mit ziemlicher Sicherheit annehmen; streng beweisen läßt es sich nicht; denn es fehlt die Ueberlieferung von sicheren Bastardformen und Neubildungen, wie die Vererbung bei Kreuzungen und die Singularvariation sie eigentlich massenhaft in diesem Gebiete hätten schaffen und erhalten sollen. Auf graue Urzeiten hinaus läßt sich das Bestehen dieser Kontinentalbrücke nicht verfolgen. Sie reicht offensichtlich nur bis in das Paläolithicum hinein. Für eine noch ältere Urzeit ist eine ungestörte Ver- bindung des asiatischen mit dem afrikanischen Kontinente an dieser Stelle nicht zu erkennen. Gewisse Sedimentbildungen, die sich am Aufbau der Isthmuswüste beteiligen, sprechen ' eher dafür, daß ‘von Zeit zu Zeit tiefes Wasser über der Brücke stand, und ein freies Hin- und Herwandern der Land- bewohner dadurch erschwert oder ganz verunmöglicht war. In solchen Zeiten der Isthmusüberflutung hat allem Anscheine

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nach dann aber eine Vermischung nördlicher und südlicher Wasserbewohner stattgefunden. Es ist dies ein Vorgang, wie er sich heute wieder auf dem Wege des Suezkanales abspielt, wo unser Landsmann, Prof. Conrad Keller in Zürich, zehn Jahre nach dem Kanaldurchstich schon eine „Diffusion der mediterranen und erythräischen Tierwelt“ feststellte. Nur eine „Diffusion“, wohlverstanden: eine Mischung verschiedener Faunen und Floren, nicht aber eine Verbastardierung ver- schiedener Arten, wie sie hier selten vorzukommen scheint.

Tihwüste. Von der Mittelmeerküste her greifen wandernde Sandmassen über die Isthmuswüste bis tief in das Tihgebirge hinüber. Sie bilden in der Nähe der Küste eine schwach gewellte Flugsanddecke, dann größere Vordünen und zuletzt haushohe Dünenberge. Vereinzelte Wasserstellen mit Palm- gruppen und kleinen Pflanzungen bilden in dieser trostlosen Wüstenei die Schutzhorte der wandernden Tier- und Pflanzen- welt. Die aus dem vorrückenden Flugsand herausgewehten Staubmassen lagern sich tiefer landeinwärts ab, in küsten- fernen Talweiten und hinter isolierten Gebirgszügen, welche dem weiteren Vordringen der Dünenwälle Einhalt gebieten. Mit Flußschutt und vom Binnenland hergewehtem Staub vermischt bilden sie die von verschiedenen Beduinenstämmen besetzten Kultur- und Weideflächen des Tihgebirges. Es ist die deckende Kraft des Windes, die hier Neues schafft, eine neue Wüste, wo Altes zu schwinden bestimmt ist. Jede Sturmflut des östlichen Mittelmeerbeckens und jede von Aegypten, Palästina oder Nordarabien gegen die Sinaihalbinsel gerichtete Luft- strömung trägt neue Aufschuttmassen zur Tih. Das entgegen- wirkende Agens des Sand- und Schlammtransportes durch Wildbäche und seewärts gerichtete Landwinde kann den Schlußeffekt dieser Arbeit, die Verschüttung der Tih durch Seesand und Seeschlamm, nicht aufheben, sondern nur auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Die erst in neuerer Zeit durch den Geologen Johannes Walther so recht bekannt gewordenen „Gesetze der Wüstenbildung“ schaffen hier also mehr, als alle erodierende Kraft des Regenwassers und alle seewärts gerichteten Landwinde zu leisten’vermögen. „Aus dem Ufergelände steigt die Sandwüste hervor“, sagt Walther bei Besprechung der Aralseewüste, und diesen Lehrsatz finden wir hier in der neu entstehenden Tihwüste bestätigt.

BEIN US

Nutzwert der Tih- und Isthmuswüste. Vom wirtschaftlichen Standpunkte aus betrachtet, bilden die Isthmuswüste und die Tih entschieden den wichtigsten Teil der Sinaihalbinsel. Während der Herbst-, Winter- und Frühjahrsmonate, aus- . nahmsweise sogar im Sommer, erhalten sie vom Mittelmeer- becken her große Niederschlagsmengen. Diese strömen nur zum geringen Teile auf oberirdischem Wege dem Meere zu. Es ist zwar keine große Seltenheit, daß nach heftigen Regen die Haupttäler der Tih und die mit ihnen in Zusammenhang stehenden Talweiten der Küstenregion tagelang unter Wasser stehen und so den Karawanenverkehr hindern. Im allgemeinen aber versickeru die gefallenen Niederschlagswasser in Schutt und Felsspalten. Sie kehren nur auf unterirdischem Wege, als langsam, aber breitspurig fließender Sickerwasserstrom, zum Meere zurück. Wo im Schutt und zerklüfteten Gesteine undurchlässige :Schichten zutage treten, wie das häufig der Fall ist hier im Norden, da erscheinen auch die Sickerwasser wieder an der Bodenoberfläche oder in Horizonten, die durch künstliche Wasserlöcher, Biar,! zu erschließen sind. Um solche Wasserstellen herum gruppieren sich denn auch die Wohngebiete der Beduinen: die Lehmhüttenweiler des seßhaften Ahl el Tin (Dorfbewohner) und die Zeltlager des Ahl el Schäar (Nomaden). Selbstverständlich finden sich solche Sammelplätze des Beduinenlebens besonders häufig in der küstennahen Isthmuswüste, wo das Grundwasser an und für sich schon nahe an die Bodenoberfläche herantritt. Wir be- gegnen solchen Stellen aber auch in den großen Talläufen der Tih, wo das Gestein tief angenagt ist, oder wo Bruch- linien das Tiefenwasser erschließen. Da wo die Verhältnisse es erlauben, treiben die Beduinen etwas Ackerbau. Er be- schränkt sich auf Pflanzung von Gerste und etwas Weizen, von Wassermelonen, Dattelpalmen, Feigenbäumen und einigen andern Gartengewächsen. Als „Sonnensohn“, Ibn el Schems, will der Beduine aber nie viel Zeit und Arbeit auf solche Pflanzungen verwenden. Er verläßt sich auf die gütige Fügung seines Schicksale, auf seine Fastenkunst und

! Im folgenden werden alle arabischen Namen den Sprachlauten

und nicht der gebräuchlichen Transkription entsprechend wieder-

gegeben, also ohne Berücksichtigung der arabischen Lautzeichen und ihrer internationalen Umschreibung.

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auf die Fürsorge von Seite seiner Frauen und Töchter, so- weit diese der Arbeit zugänglicher sind. Es ist möglich, daß die während des Weltkrieges erbaute Palästina-Aegypten-Bahn einzelne Familien dieser Beduinen zu produktiverem Wirt- sehaftsleben führt. Man darf diesen Einfluß aber nicht über- schätzen; denn es stehen einer gesteigerten Nutzung des Landes so viele Hindernisse entgegen, daß die Erleichterung des Verkehrs allein diese Hemmungen nicht alle überwinden wird. Zur Bewässerung der geeigneten Kulturböden genügen gewöhnliche Brunnenanlagen nicht. Das Wasser müßte auf kostspieligerem Wege gefaßt und verteilt- werden. Man hat schon von der Erstellung eines Süßwasserkanals gesprochen, der das Wasser vom Nil her in die Isthmuswüste führen sollte. Es wurde dabei aber übersehen, daß die ägyptischen Kulturen selbst oft unter Wassermangel leiden, und daß unter der bäuerlichen Bevölkerung Aegyptens große Unzufriedenheit entstehen könnte, wenn sie bei Bestellung ihrer teuern Kultur- böden durch Wasserentzug zugunsten eines wüstenhaften Neu- landes beeinträchtigt würde. Solange nomadisierende Beduinen ihr Vieh in denselben Gebieten auf die Weide bringen, in denen Kulturen angelegt werden sollten, läßt sich Ackerbau von größerer Bedeutung überhaupt nicht leicht einführen. Man kann wohl kleine Parzellen und Gartenanlagen durch Steinwälle und Dornenhecken vor den hungrigen Viehherden schützen, nicht aber große Kulturflächen. Ich zweifle auch daran, daß sich in absehbarer Zeit eine Besiedelung der Isthmuswüste durch zionistische Kolonisten durchführen läßt. Ein solches Unternehmen würde enorme Geldopfer fordern, und die Israeliten hätten wohl bald mit heftigen Anfeindungen von Seite der ägyptischen Fellahen und der Beduinen zu‘ rechnen. |

Kranzwüste. Das Tihplateau ist gegen Westen, Süden und Osten von einem breiten Kranze kleiner Taielberge be- grenzt. Sie verraten auf den ersten Blick hin ihre Zugehörig- keit zur großen Tih-Platte.e Weiße Kalke, gelbe und blaue Mergel, sowie buntfarbige Sandsteine bauen beide Landschaften auf. Sie erinnern in ihren Farben und Verwitterungsformen an die Wüstenbilder, die uns von Aegypten her bekannt sind. Tafelartige Aufsätze, Pilzfelsen, senkrecht abschließende Zirkus- mulden und gesimsartig ausmodellierte Galleriewände sind

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die charakteristischen Formen dieser Kranzwüste. Die Sand- steine fesseln durch ihren auffallenden Farbenwechsel, der von reinem Schneeweil in Ocker, Orange und Siena, von Englisch- rot in braune Tinten, von Grau in weiches Ultramarinschwarz und dunkles Blau hinüberspielt. Es ist aber nicht nur Farben- pracht, sondern auch eine wohltuende Farbenharmonie, mit welcher die Natur eine tiefe Bewunderung vor dem Zauber der Wüste zu wecken vermag.

Ich habe von der Tih gesagt, daß sie eine alte Wüste darstelle, über welche sich eine Neuwüste hinschiebe. Auch in der Kranzwüste ist ein solcher Vorgang zu beobachten. Es handelt sich hier aber nicht um ein vom Meere hergewehtes Aufschüttungsprodukt, sondern um ein an Ort und Stelle ent- stehendes Gebilde. Seinen Ursprung findet es in dem an- stehenden Sandsteingebirge, das im Wüstenklima zerbröckelt und zu feinem Sand und Staub verwittert. Wo der Wind den losen Sand hinträgt, da finden wir die bevorzugten Kamel- weiden der Beduinen. Da, wo er den feinen Staub anweht, werden im Winter und in den Frühjahrsmonden die Klein- viehherden hingetrieben. Die Sinaiten nennen diese Sand- und Staubwüste Debbet el Ramle (Sandschlauch). Sie wollen damit als gute Beobachter andeuten, daß hier der Sand wie in einem Schlauche aus der Wüste dem Meere zu- geführt wird, im Gegensatz zur Isthmuswüste und zur Tih, wo der Sand in breiter Front und in unzähligen Dünenzügen vom Meere her landeinwärts strömt. Es würde zu weit führen, das Wie dieser Vorgänge, den Kampf zwischen Fels und Zeit, in diesem Schriftchen näher zu beschreiben. Er spielt sich in einer erstaunlichen Fülle von unscheinbaren, in ihrer Masse aber sehr wirksamen Einzeloperationen ab und wiederholt sich in ebenso mannigfacher Form, nachdem die kampferlegenen und abgefallenen Teile des Gesteins auf dem Wege des Wind- und Wassertransportes entfernt worden sind.

Wirtschaftlicher Wert der Kranzwüste. Wenn die vom Tihplateau abgesprengte Kranzwüste auch viel wasserärmer ist, als ihr Mutterstück und die weiter nördlich gelegene Isthmuswüste, so liegt doch auch in ihr eine gewisse wirt- schaftliche Bedeutung. Auf der Debbet el Ramle finden sich, wie bereits angedeutet, die höchstbewerteten Weideplätze für ' Groß- und Kleinviehherden und da, wo geologische Ver-

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werfungen die verschiedenen Gesteinshorizonte erschließen, hat sich mancherorts Anlaß zu bergbaulicher Nutzung geboten. Ueber letztere werde ich an anderer Stelle berichten. Größere Pflanzungen können wegen Mangels an hiefür geeigneten Böden und Bewässerungsmöglichkeiten im ganzen Gebiete der Kranzwüste nicht angelegt werden.

Zentral-Massiv. Ich verstehe unter diesem Teile der Sinai- halbinsel jene Berglandschaft, die südlich der Kranzwüste zwischen dem Meerbusen von Suez und Agaba bis zu den Talläufen des Wadi Isle und des Wadi Kid sich erstreckt. Das Auge, welches das Tihgebirge und die Kranzberge ge- sehen hat, muß hier in doppelte, fast dreifache Höhe schweifen, um die wilden Gipfel und Kammlinien zu erreichen, die dieser wunderbaren Wüstenformation eigen sind.

Nutzungswert. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß in einzelnen seiner Talschaften in historischer Zeit noch ein reicherer Baum- und Buschbestand anzutreffen war, als dies heute der Fall ist. Man findet daselbst auch Reste von Kulturanlagen, die auf eine ehemals intensivere Bebauung des Landes hinweisen. Größere Gärten besitzt gegenwärtig nur das Kloster. Wo Beduinen noch kleine Kulturen hegen, da handelt es sich nur um Gruppen von Dattelpalmen, Feigen- und Sidre-Bäume (Zizyphus Spina Ohristi), um Rettig- und Tabakbeete und ertragarme Weizenparzellen, die selten mehr als eine Ar Ausdehnung haben.

Die Ansicht ist weit verbreitet, daß das Schwinden des Holzbestandes und der Rückgang der Gartenkulturen, Kurum, einer ungünstigen Veränderung des Klimas zuzu- schreiben sei. Ich kann mich dieser Auffassung nicht an- schließen, möchte die Verarmung des Landes vielmehr auf Zufälligkeiten zurückführen, die mit klimatischen Einflüssen in keinerlei Zusammenhang stehen. Für den Rückgang des Baum- und Buschbestandes mache ich den Brennholz- und Holz- kohlenbedarf der Hafenstadt Suez und der seit Jahrhunderten den Sinai passierenden Mekka-Karawanen verantwortlich. Suez hat schon vor Erbauung des Kanales große Mengen von Brennholz und Holzkohlen benötigt; denn das waldlose Aegypten konnte ihm solehes Material nicht liefern. Es handelte sich dabei nicht nur um den Eigenbedarf der Stadt, sondern auch um die Versorgung der Schiffe, die von hier aus ins rote

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Meer und nach Indien fuhren. Ueber Suez ist auch der Tribut an Brennmaterialien bezogen worden, welchen die ägyptische Regierung den sinaitischen: Beduinen zur Sühne für Karawanenplünderungen jahrelang abnahm. Sehr große Mengen von Brennholz und Holzkohlen wurden auch während des Kanalbaues benötigt und vom Sinai her bezogen. Dann folgte die Einrichtung von Quarantänenlagern der heim- kehrenden Mekkapilser, die wiederum große Mengen von Brennholz beanspruchten. So wurden die Tamariskenhaine bei Aiun Musa und bei el Tor gelichtet und stellenweise völlig zerstört; unzählige Akazien des Gebirges wurden geschlagen, und es wurde gerade da am meisten mit dem Baumwuchse aufgeräumt, wo die Beduinen am seltensten Lager beziehen. Die Gartenanlagen sind zurückgegangen, weil seit der Sara- zenen- und Anachoretenzeit ein Wechsel der Bevölkerung stattgefunden hat. Die Seßhaftigkeit wurde durch das Nomaden- tum verdrängt, das nur für wenige Kleinkulturen Interesse hat, sich mit geregeltem Bodenbau auch nicht gut beschäftigen kann, weil seine Viehherden bald hier-, bald dorthin getrieben werden müssen, je nach der Verteilung der Winterregen, die nicht vorauszusehen ist. Serbal. In über 2000 m Seehöhe zieht sich der wild- zerklüftete Zackengrat des Serbalstockes hin, in zarte Rosa- und Purpurtöne gebadet, wo die Sonnenglut sich über das Gestein ergießt. Bei der Abenddämmerung verwandelt sich sein Kolorit in ein mystisches Schiefergrau, das in schwarze Sternennacht versinkt oder in hellem Mondlicht aufleuchtet, ‘wie der Gang der Gestirne es gerade mit sich bringt. Ein zartes Blau markiert die Felsscharten und Schattenpartien, wenn volles Tageslicht die Sonnenhalden trifft. Und dabei steigt dieser geheimnisvolle Gebirgsstock fast unvermittelt aus einer flachen Sandwüste auf, welche vom Meere her mit kaum merkbarer Steigung sich zu seinem Fuße hinzieht. Man kann begreifen, daß dieser Wunderberg im frühen Altertum schon von den Menschen gefürchtet, verehrt und angebetet wurde, daß Einheimische und Fremde Wallfahrten zu ihm ausführten, um . auf den erhabensten Gipfeln den Göttern und Dämonen zu opfern.

Sina. Dem Serbal reiht sich nach Südosten hin der eigentliche Sinai, der Djebel Sina, an. Seine Höhen über- ragen diejenigen des Serbal, imponieren aber doch nicht in

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dem Maße, wie diese. Es fehlt an scharfer Modellierung und vielfach auch an Farbenpracht, so bunt die Gesteine, in der Nähe betrachtet, auch sein mögen.

Die Tradition der Klostermönche verlegt den Hauptschau- platz der biblischen Legende, d.h. den Ort der mosaischen Gesetzgebung, in die Sinagruppe,. nicht an den Serbal, im Gegensatz zu den Deutungen mancher Gelehrter, die dem

Katharinen-Kloster (Der es Sina) am Fuße des Moses-Berges.

Das Eingangstor wurde erst in jüngster Zeit gebaut; Personen und Waren wurden früher durch den Aufzug rechts in das Kloster befördert, um Ueberfälle von Seite der Beduinen zu verunmöglichen.

letzteren den Vorrang geben und dem Sinagebirge geringere Bedeutung beimessen. Sei .dem, wie ihm wolle: Serbal und Sina sind zwei wunderbare, zauberhafte Bergmassive, die jede Phantasie im höchsten Grad anregen, von welchem religiösen Standpunkte aus man sie auch betrachten mag. Süd-Massiv. Tiefe Talschluchten, in ihren Schattenpartien mit Indigo lasiert, trennen die Serbal- und Sinagruppe von

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einem dritten, gegen das Ras Mohammed und gegen den Golf von Agaba sich verflachenden Gebirgsmassive. Auch dieser Teil der Halbinsel ist im Sonnenlichte von einem warmen, verklärenden Farbenschimmer überzogen, unter welchem ein- fachste Effekte und bunteste Kontraste wechsellagern. Wie viel fremdartiges Sein und befremdendes Werden drängt sich in diesen Tälern und Bergen dem aufmerksamen Beobachter auf! Und doch findet er auch hier wieder so viel Bekanntes und Heimatliches, daß er bisweilen die öde Wüste fast ver- gessen könnte. Es ist ein Stück richtiges Hochgebirge, das, wie am Serbal und am Djebel Sina, unser Denken neu beansprucht und uns an Alpenbilder erinnert. Aber kein ewiger Schnee, keine Gletscher lagern sich über diese Höhen, Keine saftigen Wiesen und keine Nadelholzwälder garnieren die Felsgehänge. Keine goldigen Getreidefelder und keine blauen Seen leuchten aus den Taltiefen heraus. Und doch möchte man hier jauchzen, jubeln und jodeln, wie wenn man in der schönen Schweiz wäre und lauter alte, gute Bekannte um sich herum hätte. Es ist das nackte, felsige, vegetations- arme Hochgebirge, das sich uns in diesem südlichsten Zentral- teile der Sinaiwüste eröffnet. Ein Hochgebirge, wie es uns von schwierigen Alpentouren her gut bekannt ist. Hier türmt es sich aber über einem tropischen Korallenmeere auf, das, von hellgrünen Riffbänken und einer lichtstrahlenden Sand- wüste eingesäumt, in tiefstem Blau mit dem rosafarbenen Ge- birge kontrastiert.

Forschungsreisen,

Im vorhinerwähnten südlichen Zentralgebirge habe ich einen großen Teil meiner Sinaitage verbracht, erst unter einem zu Tal gestürzten Felsblocke wohnend, dann im Schutze einer kleinen Steinhütte, die ich eigenhändig in einem stillen Wüstentale, im Wadi Bedr (Tal des Vollmondes), erbaut hatte. Die Tage und Nächte sind mir noch in frischer Er- _ innerung, welche ich in der großen Sommerhitze und im Winter bei Gewitterstürmen und im Wildbachrauschen in dieser Wüste verlebte. Ich lernte vom Bedr aus den größten Teil der Sinai- halbinsel kennen, auf eigenen, unbetretenen Pfaden und in ungestörter Betrachtung der großartigen Wüstenszenerie.

END ne

Vor mir hatten schon viele wissenschaftliche Reisende den Sinai besucht. Von unsern Landsleuten nenne ich den Orientalisten Burckhardt aus Basel und den Mineralogen Ginsberg aus Genf, der den bekannten Botaniker Bove hier- hin begleitete. Von deutschen Forschern seien nur erwähnt: Niebuhr, Seetzen, Hemprich und Ehrenberg, Rüppel, Lepsius, Brehm, Brugsch, Oskar Fraas, Ebers, Haeckel und Euting; von Oesterreichern: Anelli, v. Frauenfeld, Erzherzog Ludwig Salvator, Heuglin und Ransonnet; von Franzosen: der bereits erwähnte Bove, Lenoir, Lesseps und Letourneux; von Italienern: Sigali und Figari; von Holländern: Tristram, und von Engländern: Wellstedt, Newbold, Hamilton, Hull, Holland, Redhead, Palgrave, Drake, Lord, Wilson, Palmer, Burton und Hornby.

Nur wenige dieser Forscher haben die Halbinsel durch- quert. Die meisten hielten sich an das westliche Küstengebiet und an die vielbegangenen Pilger- und Touristenwege im Norden. Fast keiner von ihnen hat den Sinai während den beschwerlichen, entnervenden Sommermonaten kennen gelernt, und keiner hat einen jahrelangen Aufenthalt in dieser Wüste gewagt. Am eingehendsten wurden von diesen Forschern die biblischen Fragen behandelt, dann auch die Anachoreten- und Klostergeschichte, während das Naturwissenschaftliche nur eine lückenhafte Beachtung genoß.

Wenige Jahre vor meinem ersten, im Sommer 1886 an- getretenen Sinaibesuche hatten die Engländer unter der Führung des erfahrenen Orientalisten Palmer eine große Expedition dorthin ausgerüstet. Diese endete leider aber mit einem sehr traurigen Ausgange, indem der Expeditionsführer mit seinen militärischen Begleitern in der Nähe von Suez, im Wadi Sidre, ermordet wurde. Wohl hätte ich bei meiner ersten Reise schon, und noch viel leichter bei meinem letzten Sinaibesuche, ausgeraubt werden können; denn ich war fast immer als Einzelgänger auf den Wegen und suchte die abgelegensten Gebirgsteile auf, wo Verbrechen nicht so leicht aufzudecken sind. Auch auf mein Bedrhüttehen, wo ich mit meiner ver- storbenen ersten Frau zusammen in aller Einsamkeit lebte, wäre ein Ueberfall von Seite der Beduinen mit Leichtigkeit auszuführen gewesen. Wohl wurde einmal, allerdings aus Mißverständnis, die Büchse auf mich angelegt. Zur Recht-

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fertigung der als Räuber und Mörder verschrienen Beduinen muß ich hier aber bemerken, daß ich die vielen Jahre meines 'Wüstenaufenthaltes hindurch stets im besten Einvernehmen mit ihnen lebte und während der ganzen Zeit mich auch nieht einmal über den kleinsten Diebstahl zu beklagen hatte. Die Rafaga, Schutzfreundschaft, die ich mit ihnen ge- schlossen hatte, sicherte mich vor jedem Uebergriffe, nicht nur von Seite der betreffenden Stämme, sondern auch der fremden, arabischen, Beduinen, mit denen ich im Wadi Bedr häufig zu verkehren hatte.

Meine erste Reise. Ich habe, wie bereits bemerkt, die Sinaihalbinsel im Sommer 1886 zum erstenmal besucht, als Arbeitsloser, da ich meine Stelle am vizeköniglichen Naturalienkabinett in Kairo infolge eingetretener Finanznot des regierenden Chediven verloren hatte. Ich wußte im Moment nichts Gescheiteres zu tun, als diese Reise anzutreten, zu der mich der bekannte Nestor der Afrikaforschung, Professor Dr. G. Schweinfurth, ermutigte. Die Gastfreundschaft mir ganz unbekannter Leute beanspruchend zog ich im Juli in diese Wüste, für Studien wenig vorbereitet und mit lächerlich kleinen Geldmitteln ausgerüstet. Ich glaube, mit zirka 500 Franken die ganze sieben Monate in Anspruch nehmende Reise bestritten zu haben, mit Einschluß der Ausrüstung, die den größten Teil! des Geldes verschlang. Ich kam aber auch in entsprechendem Zustande nach Kairo zurück: an Malaria erkrankt und in Fetzen gekleilet, die mich von einem bettelnden Derwisch wenig unterschieden.

Meine zweite Reise. Im Frühjahr 1887 unternahm ich die zweite Reise nach dem Sinai, diesmal als Begleiter von Professor Johannes Walther, der dort Studien über Riff- bildungen zu machen wünschte, zugleich aber auch seine ersten Beobachtungen auf dem Gebiete der Wüstenbildung sammelte. Ueber diese beiden Reisen habe ich in dem Jahresberichte 1887/88 der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft St. Gallen berichtet. Die Ergebnisse von Walthers Forschungen wurden ‘in einem Büchlein „Die Korallenriffe der Sinaihalbinsel“ (1888) zum erstenmal niedergelegt, begleitet von hübschen, aus des Autors Künstlerhand stammenden Aquarellen, welche Bilder der Riffzone und der südlichen Wüste darstellen.

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Meine dritte Reise. Zum dritten Male, jetzt für einen langjährigen, festen Aufenthalt eingerichtet, kam ich im Jahre 1890 auf den Sinai, begleitet von meiner ersten Frau, einer

A. Kaiser 1890, in /ul/ dress. : -

Das Schwert wird nach Beduinenart auf der rechten Seite getragen. Kopftuch (Kuffie), Stirnstrick (Agal), Ziegenhaarmantel (Abaie), für das Strandgebiet weite Schlappschuhe (Bälrha).

MASSTAB 5 0 » 20 18 s0 35 KILOMETER

Alfred Kalser, Arbon! Die Sinaiwüste, 1922.

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Zürcherin, die mir nach zirka zwei Jahren mitsamt einem dort geborenen Knäblein durch die Cholera entrissen wurde.

Ueber die bei diesem langen Aufenthalte gemachten Be- obachtungen habe ich erst Weniges veröffentlicht. Es findet sich in den „Mitteilungen der Östschweizerischen Geographisch- Kommerziellen Gesellschaft, St.Gallen, 1908*, in den „Monats- heften des Deutschen Vereins zum Schutze der Vogelwelt, 1891“, in der „Ornis, Organ des Internationalen Ornithologischen Komitees, 1890“ und im „Ornithologischen Jahrbuch, 1892.“ Der Rest meiner Beobachtungen und Erkundigungen liegt in einer Notizensammlung vor, die ich auf einer neugeplanten Reise zu vervollständigen hoffe.

Der Hauptzweck meines letzten Sinaiaufenthaltes war die Gründung einer wissenschaftlichen Arbeitsstation, in welcher Sinaiforscher aller Richtungen Erleichterung für ihre Studien finden sollten. Was es für einen fremden, mit den örtlichen Verhältnissen wenig vertrauten Forscher heißt, in so unwirtlichen Gebieten, in kurzbemessener Zeit und bei geringem Kostenaufwand mit befriedigenden Resultaten zu arbeiten, das weiß nur der zu beurteilen, der schon einmal in solcher Lage war und darunter sicherlich auch zu leiden hatte.

Ich richtete mich zuerst in dem mohammedanischen Dörf- chen el Kurum, einige Kilometer südlich von el Tor, ein. Dort befand sich mein Hauptlager und zugleich ein kleines Laboratorium für Meeresforschung. Bald darauf machte ich mich an den Bau einer kleinen Zweigstation im Zentralgebirge, im Wadi Bedr, wo ein Stützpunkt für geologische, meteoro- logische und botanische Studien geschaffen wurde. Von hier aus durchstreifte ich in der Folge das Gebirge nach allen Himmelsrichtungen. Mein Unternehmen wurde in vielen Kreisen der Wissenschaft, besonders von Naturforschern, freudig begrüßt. Bekannte Forscher, wie Karl Vogt, Ernst Haeckel, Arnold Lang, Fürbringer, Liebe, Schinz, Johannes Walther und Karl von Zittel sprachen sich sehr vorteilhaft über meine Idee aus. Sie unterstützten mich durch Bekanntgabe meines Unternehmens in Fachzeitschriften, durch Zuweisung von Freunden, die auf dem Sinai Studien zu machen gedachten, oder durch Bezug von naturhistorischen Sammlungsobjekten. Ein lukratives Geschäft war diese „Wüsten-Hotellerie* für

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mich allerdings nicht. Ich mußte alles aus eigenen Mitteln, ohne Subventionen, bestreiten und hätte den Plan nicht durch- führen können, wenn mir nicht der Verkauf von Sammlungs- gegenständen einige Einnahmen verschafft hätte. So lebte ich lange Zeit, vom Sommer 1890 bis zum Jahre 1898 auf der Sinaihalbinsel, mit einem Unterbruch von zirka 2 Jahren, die ich auf Reisen in der Kolonie Erythraea, in Ost- und

Bir Omrat bei meiner Station in Kurum. Palmen und Sidre-Bäume.

Südafrika und Europa verwendete. Nebenzweck dieses Sinai- aufenthaltes war die Aufzeichnung aller von mir gemachten Beobachtungen, die Sammlung von Notizen und Zeichnungen, welche zu einer Sinaimonographie dienen sollten.

Wie schon bemerkt, war Johannes Walther, Geologie- professor in Halle, der erste, der mit mir zusammen einen Teil der Halbinsel bereiste. Ihm folgte in zwei verschiedenen Besuchen der kürzlich verstorbene Physiologe und Archäologe Max Verworn, dem sich bei seiner letzten Reise noch der

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Physiologe Paul Jensen-Breslau anschloß. Auch die Geologen Rothpletz und Eberhard Fraas von München kamen nach Tor, die Zoologen Hofer und Knickmeyer, sowie eine Anzahl Jäger und Touristen, die sich für das wenig erforschte Gebiet des Sinai interessierten.

Ungefähr zur selben Zeit, als ich meine erste Reise nach der Halbinsel machte, beschäftigten sich Cooke, Post und Ascherson mit der Erforschung der nördlichen Gebiete. Auch unser Landsmann, Prof. Rütimeyer aus Basel, machte zu jener Zeit seine im „Jahrbuch des 8.A.C. 1889“ publizierten „Tal- und Bergfahrten auf der Sinaihalbinsel.“ In meinen dritten Aufenthalt fallen die Studien der beiden Bibelforscherinnen Agnes Smith Lewis und Margaret Gibson, der Aufenthalt von Grote, die Publikationen von Hull, Hart, Selater, Haig und Kaufmann, sowie die Expedition des österreichischen Schul- schiffes „Pola“ in die Gewässer des roten Meeres.

Nach mir, d.h. in der Zeit zwischen 1898 und heute, besuchten den Sinai der Neuenburger Professor Leon Cart, die Deutschen Guyot, Kneucker, Schönfeld, Graf von Zedlitz, König, Plate, Hartmeyer, Schrader und Range, die Kairener Gelehrten Innes-Bey, Moritz und Fourteau. Auch eine kleine Expedition, veranstaltet vom zionistischen Siedelungskomitee für Palästina, fällt in diese Zeit, sowie die Forschungen der Engländer Chapman, Hume, Flinders Petrie, Barron und Oarutter. Alle die Genannten haben sehr interessantes Material vom Sinai mitgebracht. Auf topographischem und geologischem Gebiete zeichnen sich aus die Arbeiten von Hull, Hume, Barron und Range, auf zoologischem die von Hart, Sclater, König, Plate, Hartmeyer, Zedlitz und die Expeditionen der „Pola.*“ In botanischer Richtung haben wir die wichtigsten Resultate Ascherson, Post, Rütimeyer, Barbey, Kneucker, Fourteau und Range zu verdanken. Die bisher bekannt ge- wordenen meteorologischen Beobachtungen leiden bedauer- licherweise an großer zeitlicher Lückenhaftigkeit und an dem Umstande, daß mit Ausnahme der von Range und mir ge- machten Aufzeichnungen alle nur Itinerarbeobachtungen dar- stellen, die heute an diesem, morgen an einem andern Orte gemacht wurden.

Geologisches.

Ueber die geologischen Verhältnisse der Sinaihalbinsel ist durch Ehrenberg, Newbold, Hogg, Tissot, Oskar Fraas, Hol- land, Lartet, Hull, Palmer, Milne, Raboisson, Walther, Roth- pletz, Blankenhorn, Fourteau, Depecet, Barron, Hume und Range geschrieben worden. Ein flüchtiger Blick auf das Gelände zeigt sofort, daß der Aufbau der Halbinsel ein sehr verwickelter ist, und daß ein genaues Studium dieser Ver- hältnisse große Fachkenntnis voraussetzt. Faltungen, Brüche, Verwerfungen, Abtragungen und diskordante Ueberlagerungen bilden das Charakteristische in der sinaitischen Gebirgs- Tektonik. Ob man von der Höhe in die Tiefe oder von der Tiefe nach den Höhen blickt, überall hat man ein Bild vor sich, als hätten ungezogene Kinder der Natur, mit Giganten- kräften ausgerüstet, ein Musterwerk der Zerstörung und des Chaos. angerichtet. Die tiefst gelegenen Gesteinshorizonte, die Granite, kristallinischen Schiefer und Gneise,. sind bis auf 1000 m Höhe hinauf zerrissen, zerklüftet und kilometerweit auseinander gedrängt.

Und doch ist anderseits wieder ein bestimmtes System in dieser Zerklüftung zu beobachten. Die Tih ragt wie ein künstlicher dreieckiger Ausschnitt aus ihrer Umgebung heraus. Ihren Südseiten entlang streichen die Grabenversenkungen der Meerbusen von Suez und von Agaba. Ein ähnliches Dreieck, mit seinem Scheitel um zirka 130 km nach Süden und schwach nach Osten verschoben, taucht unter der Tih empor. Es ist der eigentliche Sinaistock, der Djebel el Tor (Kranzwüste, Zentralmassiv und Südmassiv), der dieses Dreieck darstellt.

Zahlreiche Bruchlinien durchziehen die großen Haupt- stücke der Halbinsel, Tih und Djebel el Tor. Besonders das letztere ist durch tiefgehende Klüfte gelockert und durch Gangausfüllungen in seinem Zusammenhange nachträglich wieder gefestigt worden. Wenn man die Profile durchgeht, welche die sinaitischen Sedimentgesteine offenbaren, so finden wir Bruchlinien und Verschiebungen des Gebirges vom tiefsten Horizonte des Paläozoikums weg bis hinauf in die oberen Schichten des Tertiärs. Erst bei den pliocänen Riffkalken, im jungen Dünensandstein und in den Trockenbeekenablage- rungen der letzten Erdperioden hören diese Störungen auf.

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Vielleicht aber nur scheinbar, da die Forschungen über den geologischen Aufbau der Halbinsel noch keineswegs ab- geschlossen sind.

Von Erdbeben habe ich während meines Sinaiaufenthaltes nie etwas verspürt. Die Bewohner von el Tor erzählten mir aber von einem Seebeben, das einige Jahre vor meiner An- kunft dort stattgefunden haben soll. Das Meer sei hiebei bei ruhigstem Wetter, also nicht etwa bei einer Sturmflut, plötz- lich über die Ufer getreten und habe die Hauptstraße des Dorfes überflutet. Eine besondere Benennung hatten die Tauara für diesen Vorgang nicht.

Im Wadi Bedr habe ich mehrmals, aber immer nur am Tage und in den Hochsommermonaten, ein kanonendonner- artiges Geräusch vernommen, dessen Ursprung ich mir nie erklären konnte. Es wäre möglich, daß es sich um Donner- schläge ferner Tropengewitter handelte, obschon zur betreffenden Zeit der Himmel in meinem Beobachtungsgebiete ganz wolkenlos war. Sprengschüsse von dem auf der afrikanischen Seite ge- legenen Petroleum-Distrikte Setie her konnten es wohl nicht sein, da zu jener Zeit nach meinen Erkundigungen die Arbeiten dort eingestellt waren. Ebensowenig wird es sich um Kanonen- donner im Golfe von Suez oder in dem nördlichen Teile des roten Meeres manöyrierender Kriegsschiffe gehandelt haben. Die Beduinen versicherten mich, daß solche, nach ihrer Ansicht nicht von Gewittern herrührende Geräusche hie und da zu vernehmen seien. Es wäre umso interessanter, ihren Ursprung kennen zu lernen, als bekanntlich auch am Genfersee „Seeschießen* unbekannten Ursprungs beobachtet wurden.

Die sinaitischen Sedimentgesteine sind im allgemeinen nicht so reich an Versteinerungen, wie die ihnen ent- sprechenden Horizonte der ägyptischen Wüsten. Die Sand- steine, welche auf der Halbinsel große Verbreitung haben, sind in ihrer Hauptmasse als Wüstenbildungen aufzufassen und schließen daher wenig organische Reste ein. Der harte, alles zerreibende Quarzsand hat auch dort die Entfaltung üppigen Lebens verhindert, wo Wasser ihn zu Fels aufbaute. Eine entsprechende Hemmung organischen Lebens darf auch bei der Bildung der sinaitischen Mergel- und Trockenbecken- ablagerungen angenommen werden. Hier dürfte es aber weniger

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das mechanische Agens des schleifenden Sandes als der giftige Salzgehalt der Lagunen und Bitterwassersümpfe gewesen sein, der das Leben erstickte, wo nicht Anpassung und glückliche Mutationen arterhaltende Ausnahmestellungen schufen.

In vereinzelten Gesteinsschichten der sinaitischen Sediment- bildungen lassen sich immerhin Fossilien auffinden. Am interessantesten sind die Versteinerungen aus der Karbon- und Jura-Formation, die in Aegypten bis jetzt noch nicht nach- gewiesen wurden. Das sinaitische Karbon ist eingelagert zwischen dem sog. „Wüstensandstein“, in welchem sich die Kupfer- und Türkisminen finden, und dem sog. „Nubischen Sandstein“, der zu den Kalken uud Mergeln der Kreide- formation überführt. Bemerkenswert ist es, daß das Karbon in gewissen Schichten die Reste einer Landflora aufweist, während es in andern Horizonten wieder Fossilien einer typischen Tiefsee-Fauna einschließt. Auf dem Lande gediehen Lepidodendren, und im Meere bauten Korallen, Seelilien und die Gehäuse von Armfüßern tropische Riffe auf, die das Fest- land umsäumten.

Die Jura-Formation wurde vor kurzem durch Douville und Range in den Marharabergen, östlich von Ismailie, entdeckt. Ihr Leitfossil ist eine kleine Terebratel, die auf das ehemalige Bestehen eines tiefen Isthmusmeeres hindeutet. Die Kontinental- brücke, die in späterer Zeit Afrika mit Asien verband, war während der Juraperiode also von einem tiefen Meere über- flutet.

Auch für die Kreideperiode ist eine solche Ueberflutung nachzuweisen. Ihre untersten Gesteinsbildungen setzen sich aus Rudisten- und Austerbänken zusammen, während nach oben hin Flintkalke und marine Mergel den Abschluß dieser Periode kennzeichnen.

Ueber der Kreide beginnen die Tertiärkalke mit Ein- schlüssen von kleinen Wurzelfüßern, die sich allmählich zu stattlichen Formen entwickeln. Man findet darunter Nummu- liten von der Größe eines Frankenstückes und darüber. Da- neben bilden Mollusken, Gastropoden und Stachelhäuter die gewöhnlichsten Fossilien.

Mit den miocänen Ablagerungen setzt eine üppige Ent- faltung der Korallenriffe ein. Diese überlagern mantel- artig die älteren Gesteine und sind bemerkenswert wegen der

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sog. „Naturselbstdrücke“, welche diese Riffgesteine charak- terisieren. Die Fauna geht allmählich in Formen über, die ganz an diejenigen der Jetztzeit erinnern, mit ihnen sogar identisch sind. Schon während der Bildung dieser jung- tertiären Korallenriffe scheint eine Verlandung der Küsten- zone mit ihren Buchten und Lagunen eingetreten zu sein. Es macht sich für diese Periode zwar noch ein schwaches Ansteigen des Meeres bemerkbar; im allgemeinen ziehen sich die Wasser aber immer mehr auf jene Gebietsteile zurück, die heute noch von ihnen überflutet sind. In der Küstenzone bildeten sich Braekwasser- und zuletzt Trockenbecken, die den Uebergang zur vegetations- und tierarmen Salz- wüste vermitteln. In dieser Zeit der Verlandung scheinen sehr auffällige Verschiebungen im Küstengebiete stattge- funden zu haben. Es wurden dabei die Abflußwasser des Zentralgebirges gestaut und jene mächtigen Schutt-Terrassen aufgebaut, welche heute als Adjraf oder Djuruf fast alle Talgehänge des westlichen Zentralgebirges bordieren. Oskar Fraas hat diese Schuttmassen irrtümlicherweise als Gletscherbildungen gedeutet. Johannes Walther hat sie da- gegen als Trockenseeablagerungen beschrieben, die nicht ein- mal eine Pluvialperiode und noch viel weniger eine eisige Gletscherzeit für ihre Bildung voraussetzen. Um Mißverständ- nissen vorzubeugen, würde man diese Schutt-Terrassen wohl besser als tektonische Stauungsprodukte der alten Talläufe bezeichnen.

Bergbau.

Vom bergbaulichen Standpunkte aus kann man der $Sinai- halbinsel nur einen kleinen Nutzwert beimessen. Wie bereits bemerkt, hat die Kranzwüste Anlaß zu diesbezüglichen Unter- nehmungen geboten. Sie wurden schon durch die alten Aegypter eingeleitet, die hier einige Türkis- und Kupferminen in Betrieb setzten. Es konnten aber nicht einmal freiwillige Arbeitskräfte für die Gewinnung dieser Mineralien interessiert werden. Man mußte Strafgefangene dorthin sehleppen und sie die mühevolle Arbeit des Minenbetriebes ausführen lassen. Sogar die bezahlten Minenaufseher klagen in Inschriften, die sich der Nachwelt erhalten haben, über die Entbehrungen und Prüfungen, die

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sie in dieser Wüste zu ertragen hatten. Wie viel mehr mußten die armen Gefangenen hier leiden, die in den dumpfen Schacht- gruben dem Mißsmut und der Rohheit ihrer Aufseher und Wächter preisgegeben waren! Nur wenn von den Bewachungstruppen Siege über die umwohnenden Ureinwohner, die „Mentu“, er- fochten wurden, oder wenn ein König oder höherer Regierungs- beamter zur Inspektion der Minen hierher kam, herrschte festliches und frohes Leben bei diesen Gruben. Es wurden Dankestempel erbaut und an Opferaltären neue Minenschätze erbeten. Dann aber wurde bei der grausigen Minenarbeit alles wieder still, bis ein Zufall neues Leben brachte. Aber auch dieses Wechselspiel von Leid und Freud fand endlich sein natürliches Ende. Die Gruben wurden von den Aegyptern verlassen und nur gelegentlich noch von den Eingeborenen des Landes abgebaut.

Es ist bekannt, daß der Türkis einer der beliebtesten Schmucksteine der Orientalen ist. Seine Fundstätten wurden daher am häufigsten und am längsten von den Sinaiten ab- gesucht, erst mit Hammer und Meißel, dann auch noch unter Zuzug des Sprengpulvers, das teils in Aegypten und Palästina gekauft, zum Teil aber auch von den Eingeborenen selbst hergestellt wurde. Etwas mehr Leben kam in die Türkisminen aber erst, als ein schottischer Kavalleriemajor, Macdonald, Mitte des vorigen Jahrhunderts sich im Wadi Ginne, im Südosten der Marchaebene, niederließ. Er tauschte die von den Beduinen gewonnenen Steine gegen Korn, Textilstoffe, Pulver ete. ein und verkaufte das so erstandene Material

nach Aegypten-und England. Ihm selbst aber trug das Geschäft

wenig ein. Er mußte nach langjährigem Aufenthalte im Ginne- tale sein Wüstenheim wieder verlassen und starb verarmt in seiner alten Heimat. Nach ihm kam ein Italiener, Filosa, auf den Gedanken des Türkistauschhandels. Dieser fand es indessen nicht für nötig, Freuden und Bequemlichkeiten des Stadtlebens gegen die Wüsteneinsamkeit zu vertauschen. Er

hatte seinen festen Wohnsitz in Suez, kam nur gelegentlich einmal in das Minengebiet und ließ sich in der übrigen Zeit durch einen schwarzen Sklaven bei den Beduinen vertreten. Filosa starb in den neunziger Jahren, und da in jener Zeit. gerade das Spekulationsfieber in Aegypten einsetzte, fand sich bald eine Gesellschaft, welche die sinaitischen Türkisminen

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zum Objekt ihrer Unternehmungen wählte. Sie nahm die bis dahin ergiebigste Fundstelle, die Gruben des Wadi Ginne, in Angriff, wirtschaftete aber sehr unrentabel und mit solcher Rücksichtslosigkeit gegen Wissenschaft und Landesinteressen, daß sie eigentlich nur durch die Zerstörung der altägyptischen Tempelbauten und Felsinschriften in weiteren Kreisen bekannt wurde.

Dasselbe Spekulationsfieber hat europäische Glückssucher auch an die längst verlassen gewesenen Kupferfundstellen ‘der Ostküste geführt. Der erhoffte Segen blieb aber auch hier aus, sodaß die Arbeiten bald wieder eingestellt werden mußten. Der Versuch hat für uns Schweizer nur insofern einiges Interesse, als einer unserer Landsleute dort in führender Stellung tätig war.

Seit einiger Zeit hat die Arcy Exploration Co. Untersuchungen über die am Djebel Abu Derba (Ras Djehen) entdeckten sinai- tischen Petroleum-Spuren eingeleitet. Wie ich hörte mit gutem Erfolge. Es war schon vor mehr als 20 Jahren bekannt, daß an genannter Stelle dem Oberflächengesteine ein starker . Petrolgeruch entströmt. Man legte dieser Entdeckung aber keinen Wert bei, da die unrentablen Oelbohrungen am Djebel Set, auf der gegenüberliegenden afrikanischen Küste, noch in jedermanns Erinnerung waren. Die sehr ergiebigen Bohrungen, die in der Folge dann am Djimsche, etwas südlich vom Djebel Set, gemacht wurden. verliehen den sinaitischen Petroleum- spuren aber neues und größeres Interesse.

Zinnober. Ich habe bei der Aufzählung schweizerischer Sinaireisender den Orientalisten Burckhardt erwähnt, der anfangs des letzten Jahrhunderts die Halbinsel bereiste und sehr wertvolle Forschungsresultate von dort mitbrachte. Seine Reisebeschreibungen waren die ersten, welche ich über den Sinai las. Es fiel mir dabei eine Stelle auf, wonach am Djebel Scheger natürlicher Zinnober zu finden sei. Ich machte mich bald auf die Suche nach diesem wertvollen Minerale. das nach Burckhardt von den Beduinen für die Herstellung einer Augen- salbe verwendet wurde. Ein mir befreundeter Beduine kannte die Umgebung des Djebel Scheger und behauptete, daß er ein von den Beduinen Gubie genanntes und für Augensalbe verwendbares Mineral gefunden habe. Er führte mich zum Ridjem el Menater (Gedenkstein des Arbeiteraufsehers),

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wo sich deutliche Spuren alten Bergbaues erkennen lieben. Bald hatten wir auch die Lagerstelle der Guble gefunden. Es war aber kein Zinnober, wie ich nach den Angaben von Burckhardt erwartet hatte, sondern ein wertloser, als sogenannter „Glaskopf“ ausgebildeter Brauneisenstein. Sein Abbau konnte sich wohl im Altertum lohnen, besonders in der Periode der ägyptischen Eisenzeit. Für die Neuzeit ist dieses Erz aber ebenso belanglos wie dasjenige anderer Wüstenfundorte. Kurze Zeit vor Ausbruch des Krieges wurde im Hinterlande des Landungsplatzes Abu Selima (Marchaebene) durch die Sinai Mining Company ein Magnesitlager in Abbau genommen. Hafenanlage, Förderbahn und Gebäulichkeiten wurden dann aber durch türkische Truppen zerstört, sodaß weitere finanzielle Opfer gebracht werden müssen, ehe eine Rentabilität dieser Minen erhofft werden darf. Ich habe gehaltreiche Hisenerze aus dem Tahamagebiete (el Wudj) zur technischen Begut- achtung nach Europa geschickt, bei Berechnung der Abbau- und Transportkosten aber konstatieren müssen, daß wohl für kein Eisenerz des Rotmeergebietes ein bergmännischer Abbau sich lohnen könnte.

Es sind schon Phosphate auf der Sinaihalbinsel gefunden worden und zwar gehaltreiche Sorten. Die geringe Schichten- mächtigkeit der betreffenden Fundstellen ließ bis dato aber auch bei diesem Minerale noch keinen Abbau zu. Die Auf- findung ergiebiger Stellen ist um so weniger ausgeschlossen, als die im Nordosten der Halbinsel gelegenen Gebiete der Tih- und Isthmuswüste bis jetzt noch ziemlich unbekannt geblieben sind.

Für Architektur und Bildhauerei geeignete Gesteine findet man unter den prachtvoll gefärbten Graniten am Ras Djehen und im Süden des Zentralmassives, unter den feinkörnigen Biotitgraniten und Riebekiten des Ostens und unter den Gneisen der Serbal- und Sinagruppe.

Klima.

Durch Veröffentlichung zusammenhängender Terminbeob- achtungen über die meteorologischen Verhältnisse der Sinai- wüste hat sich bis jetzt nur Bergrat Dr. Range bekannt ge- macht. Aubert-Roche und Kostlivy haben bei Port-Said, Rayet

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und Anelli im Kanalgebiete, also nicht in der eigentlichen Wüste, beobachtet. Wertvolle Mitteilungen über die Wetter- verhältnisse in der Kanalzone finden sich auch in den Annales du Bureau Central Meteorologique de France (1882) und Itinerarbeobachtungen in den Tabellen von Rüppell, die als Manuskript in der Stadtbibliothek Frankfurt a. M. aufbewahrt werden. Diese Beiträge finden ihre Ergänzung durch die Terminbeobachtungen, welche ich in den Jahren 1890, 1893 und 1894 in el Tor gemacht habe, sowie durch die voll- ständigen Beobachtungsreihen aus dem Wadi Bedr, die sich auf die Zeit vom 1. August 1890 bis Juli 1892 verteilen. Alle übrigen, von andern Reisenden auf der Sinaihalbinsel angestellten meteorologischen Beobachtungen sind ohne engeren Zusammenhang. Sie wurden auf dem Wege aufgenommen, bald an diesem, bald an jenem Orte und in unregelmäßigen Zeitintervallen. Sie werden eine größere Bedeutung für Be- urteilung der sinaitischen Klimaverhältnisse erst erlangen, wenn sie mit neuen Beobachtungen verglichen werden können.

Die Aufzeichnungen von Range wurden bei Hemme, in der Isthmuswüste angestellt vom September 1915 bis August 1916. Die Beobachtungsstation lag in 195 m Seehöhe, un- gefähr 4 km südwärts vom Fuße der Marharaberge. Als absolute Temperaturextreme notiert er + 1°C und + 46°C. Sie fielen auf Januar und Februar, bezw. Mai und Juni 1916. Der Regenmesser zeigte eine Niederschlagsmenge von nur 87 mm, wovon 62 mm auf den Januar entfielen. Am 27. Januar 1916 soll das Wadi Hemme bei einer Breite von 20 m und bei einer Tiefe von 30 cm etwa 4 Stunden lang geflossen

sein, am 15. April bei 15m Breite und 25 cm Tiefe wieder

2 Stunden lang. Hagelschauer wurden zwischen dem 25. und 29. Januar beobachtet und Schneefall am 27. Januar auf den Marharabergen bis auf 400 m Seehöhe herunter. Die Regen- zeit begann Ende November und endete Mitte April. Der Winter war viel stürmischer als der Sommer. Besonders häufig waren westliche Luftströmungen mit starkem Sand- treiben. Mitte April war eine heiße Chamsin-(Schirokko)- Periode zu ertragen, welche die Berge in leichten Dunst hüllte und in wasserarmen Gebieten unter den Truppen Hitzschlag verursachte. Sehr interessant ist die Rangesche Mitteilung, daß Ende Januar im Wadi Arisch, bei zirka 50 km Küsten-

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entfernung, während 2 Tagen bei einer Talweite von 100 m und bei einer Tiefe von 1m ein Wildbach floß, der erst in den nächstfolgenden Tagen im Sande zu versickern begann. Tau war fast regelmäßig zu verzeichnen und in den Winter- nächten kam es auch häufig zu Frostbildung.

Diesen in der Isthmuswüste, also im Norden der Halb- insel gemachten Erfahrungen kann ich die meinigen vom Wadi Bedr, aus dem Südteile der Halbinsel, gegenüber- stellen. Die Station lag in ungefähr 700 m Seehöhe in einer muldenartigen Talerweiterung und vom Gehänge wenig beeinflußt. Ich fand hier etwas tiefere Temperaturextreme: 0°C und 43°C. Sie fielen auf den Januar des Jahres 1891 und auf Juni 1892. Ueber einen Regenmesser habe ich nicht verfügt. Ich notierte mir aber alle Niederschläge nach ihrer Verteilung auf die Tages- und Jahreszeit. Die Regenzeit meldete sich im Jahre 1890 mit heftigem Donner- rollen am 12. September an. Das Gewitter entlud sich aber nicht im Wadi Bedr, sondern in dem weiter nördlich davon gelegenen Wadi Feran, wo es zur Bildung eines 2 Tage hindurch fließenden Wildbaches kam. Anfangs Oktober war die große Sommerhitze gebrochen, so daß von diesem Zeit- punkte ab die in der Umgebung des Wadi Bedr weidenden Kamele nur noch alle 7, statt alle 4 Tage zur Tränke ge- trieben wurden. Die Regen setzten in Bedr erst am 13. und 14. Oktober ein, mit schwachem, für den Pflanzenwuchs und für das Tierreich belanglosem Tropfenfall. Es folgten dann ebenso unergiebige Morgen- und Abendregen am 17. Oktober, 9. und 12. November. Ein kräftiges Gewitter brach erst in den Nachmittagstunden des 13. November los. Es hatte im Oberlaufe und in sämtlichen Nebentälern des Wadi Bedr die Bildung von Wildbächen zur Folge. Am 18. November war ein neues, etwas schwächeres Gewitter zu verzeichnen, ohne Wildbachbildung. Noch unbedeutendere Regenschauer, meist auf die Nachmittagsstunden verteilt, folgten am 27. November, 7., 8., 10.,, 11., 21. und 22. Dezember, sowie am 1., 20, 22. und 26. Januar. Im Jahre 1891 begann die Regenzeit mit dem 24. Oktober. Ferngewitter habe ich in jenem Jahre . vor dem 26. Oktober keine verzeichnet. Die nächsten Nieder- schläge verteilten sich auf den 26. Oktober und 135. Dezember. Sie waren aber alle sehr schwach und benetzten kaum den

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ausgetrockneten Talboden. Die wenigen hRegenpflanzen, Aeschb, welche nach den ersten Niederschlägen zum Sprießen kamen, wären denn auch verkümmert, wenn nicht am 7. April noch ein kräftiges Gewitter Rettung gebracht hätte. Das Wildbaehwasser des Wadi Bedr vereinigte sich dabei mit den Abflüssen des Wadi Mahasch und Wadi Gargir und floß bei den in Gebirgsschutt und Flugsand eingebetteten Vorbergen, Nassalat, vorbei bis tief in die Gaa-Ebene hinein. Es können Jahre vergehen, bis hier im Süden so große Wasser- massen die Vorwüste erreichen. Dass dies aber in der Jetzt- zeit noch vorkommt, das beweisen die tief im Gebirge los- gerissenen Schilf-Wurzelstöcke und Palmstrünke, welche bis in die salzigen Küstenstriche hinausgeschwemmt werden. Die 'Beduinen erzählten mir sogar vom Kadaver eines in solcher Flut ertrunkenen Leoparden, den sie ganz in der Nähe der Küste vorgefunden haben wollten. Starken Hagelfall habe ich während meines Sinaiaufenthaltes ein einziges Mal be- obachtet, auf der Ostseite der Halbinsel, im Abrißgebiete des Wadi Adaui. Schnee habe ich dagegen sehr häufig gesehen, im Gebirge von zirka 1000 m Seehöhe an aufwärts. In den hohen Lagen des Sinamassives mußte ich sogar mehrmals, ohne Zelt, nur durch den Ziegenhaarmantel geschützt, in handhohem Schnee nächtigen. Im Dezember sieht man die Gipfel des Südmassives ausnahmsweise bis in die Breite des Wadi Mahasch hinunter verschneit. Im Wadi Bedr selbst kam es nie zu Schneefall; doch habe ich hier mehrmals Eisbildung beobachtet. Ueber die Verhältnisse der atmosphärischen ' Strömungen kann ich mich nicht äußern, da ich das hierüber gesammelte Notizenmaterial noch nicht so zusammengestellt habe, daß es eine klare Uebersicht und ein Urteil über die allgemeinen Verhältnisse gestattet. Eine oberflächliche Zu- sammenstellung derselben findet sich in einer von mir stam- menden kleinen Arbeit über die Ornis des Sinai im Ornitho- logischen Jahrbuch 1892. Ich machte dort den Versuch, den Wanderzug der Vogelwelt mit den Witterungsverhältnissen in Parallele zu stellen. Die lästigen Flugsandtreiben, welche im Norden der Halbinsel, auf der Debbet el Ramle und in der Gaa-Ebene charakteristisch sind, lassen sich selbstverständlich nur auf kurze Distanz in die Bergtäler hinein verfolgen. Sie werden durch die Vorberge abgehalten, die das Zentralgebirge

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flankieren. Dagegen habe ich häufig eine bis über die Kamm- höhen des Südmassives hinauf reichende, starke Trübung der Atmosphäre beobachtet, die seltener im Zusammentreffen kalter und warmer Luftströmungen, als im Auftrieb feinen Staubes begründet war. Von Hitzschlag habe ich im südlichen Teile der Halbinsel nie gehört; ich selbst hatte nur einmal,: bei meiner ersten Reise im Jahre 1886, unter solchen Erschei- nungen zu leiden, später aber nie mehr, obschon ich bei den Jagdtouren in der Regel nur eine leichte Mütze, Tagie, trug und einmal ohne Nahrung und Wasservorrat von morgens 4 Uhr bis zum andern Abend um 6 Uhr, also 36 Stunden, in der Wüste herumirren mußte. Es war mir das Reitkamel ausgerissen, das ich vergeblich wieder einzuholen versuchte.

Ich möchte zur Vervollständigung der meteorologischen Mitteilungen nur noch die diesbezüglichen Arbeiten von Hume und Barron (1898/99) erwähnen, die ihre Beobachtungen. im Zentralmassive und an den Küsten der Meerbusen von Suez und Agaba angestellt haben.

Hume, bezw. sein Begleiter Skill, hält die Westseite der Halbinsel für wärmer als die Ostseite, wo Nordostwinde die Temperaturen herunterdrücken. Er war von Oktober 1898 bis Mai 1899 in jenen Gebieten und hat dabei 39,5°C als höchsten Wärmegrad im Schatten konstatiert, im Wadi Nasb (östlicher Teil des Zentralmassives) bei zirka 240 m Seehöhe. Als Minimum der Schattentemperatur verzeichnet er 0 für 235 m Seehöhe. Hagelfall hat Hume ein einziges Mal erlebt, im Februar 1899 in demselben Gebiete, wo auch ich das Phänomen beobachtet hatte. Die Regenzeit setzte in seinem Beobachtungsdistrikte im Jahre 1898 am 31. Oktober ein, also etwas später, als ich es in den Jahren 1890 und 1891 im Süden notiert hatte. Dem ersten, schwachen Regen folgten andere am 15. Januar 1898, 10. und 11. Februar, 4., 19. und 28. März. Dann war es aber vorbei mit den himmlischen Spenden; denn Hume war, ohne weitere Niederschläge zu verzeichnen, bis zum 28. Mai auf dem Sinai, nach welchem Datum wohl kaum mehr Frühjahrsregen gefallen sein werden.

Sommerregen sind sehr seltene Erscheinungen. Sie kommen :

nur im Norden der Halbinsel und ganz ausnahmsweise auch in den höchsten Lagen des Zentralmassives vor. Die Beduinen

sprechen ihnen eine besondere Kraft zur Belebung des Pflanzen-

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wuchses und für das gute Gedeihen ihrer Herden zu. Humes Reisebericht enthält nur zwei Notizen über Schneefall im Zentral- gebirge. Den ersten Schnee beobachtete er am 27. Dezember auf den Höhen des Djebel Sabarrh im Abrißgebiete des Wadi Mahasch, und den zweiten am 9. Januar auf dem Katharinen- berg im Sinamassive. Es ist normalerweise nicht angängig, aus Beobachtungen, die bei Gebirgstouren in ganz verschieden verlaufenden Talsystemen angestellt werden, Verallgemeine- rungen abzuleiten. So haben nach meiner Ansicht auch die von Hume im Zentralgebirge gemachten Windbeobachtungen nur einen sehr beschränkten Wert. Doch möchte ich der Humeschen Behauptung, daß für das Zentralgebirge im Sommer Calmen, im Winter aber plötzlich einsetzende Windstöße charakteristische Erscheinungen seien, immerhin beistimmen. Im Osten fand dieser zuverlässige Forscher die Atmosphäre fast immer in südwestlicher Richtung bewegt, besonders häufig im Frühjahr, während von Mitte Januar bis Ende Februar Westwinde und vom November weg Südwestwinde den täglichen Wechsel von See- und Bergwind verschleierten.

Barron hat seine Beobachtungen im westlichen Teile der Sinaihalbinsel angestellt, zur gleichen Zeit, als Hume die meteorologischen Verhältnisse im Zentralgebirge verfolgte. Er gibt in seinem Berichte leider keine Tabellen bekannt. Nach seinen Beobachtungen soll sich die Temperaturabnahme im November bemerkbar gemacht haben. Der tiefste Temperatur- grad wurde von ihm am 4. Januar 1899 notiert. Während den 5!/a Monaten, die er auf der Halbinsel mit Reisen zubrachte, hatte er 20 Regentage, darunter 8 mit starken Niederschlägen, . zu verzeichnen. Gewitter waren besonders häufig in den Monaten Oktober und November, dann wieder im Frühjahr, vom März ab. Die Regen sollen gewöhnlich aus südwestlicher Richtung angetrieben worden sein. Nord- und Nordostwinde waren die charakteristischen Luftströmungen in Barrons Beobachtungs- gebiet. Nach heftigen Küstenwinden im Dezember unterbrachen mit Jahresbeginn heiße Südostwinde, im März starke Sand- treiben den gewöhnlichen Verlauf der Atmosphärenströmung. Schneefall hat Barron ein einziges Mal beobachtet; er gibt aber zu, daß solcher in der Sinagruppe keine Seltenheit ist.

Aus diesen, im Auszug wiedergegebenen Beobachtungen ist leicht ersichtlich, daß die Sinaihalbinsel für die Lebewelt

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des Festlandes ein nicht sehr günstiges Wohngebiet darstellt, im Gegensatz zu dem sie umgebenden Meere, wo Regenmangel, Lufttrockenheit und Sonnenbestrahlung keinen oder nur einen sehr beschränkten Einfluß auf Tier- und Pflanzenwelt ausüben.

Die Bevölkerung.

Die Ungunst der sinaitischen Klimaverhältnisse bedingt nicht nur ein kärgliches, auf Entbehrung und Genügsamkeit eingestelltes Tier- und Pflanzenleben, sondern auch ein ärm- liches, in Anspruchslosigkeit sich abspielendes Volksleben. Feste Siedelungen sind klein und selten; Nomadentum ist das Charakteristische auf der Halbinsel.

Ahl el Tin (Hüttenbewohner). Diese Leute rekrutieren sich zum großen Teile aus verdrängten oder verarmten Beduinen- stämmen und sind von den Nomaden daher nicht sehr geachtet. Ihre Lehm- und Steinhüttenweiler finden sich besonders häufig im Küstengebiete, daneben aber auch etwas tiefer im Inland, wo die Kultur von Dattelpalmen und Gartenanlagen möglich sind. Die Küstenbeduinen sind die ärmeren, fast nur von Fischfang sich ernährend und in primitiven, mit Palmwedeln gedeckten Steinhütten, Aeschäsch, lebend. Die Palmen- und Gartenbesitzer, welche wir nicht nur an der Küste, sondern auch tiefer im Innern, besonders in der Isthmuswüste antreffen, sind dagegen besser situiert und bewohnen auch etwas komfortablere, aus an der Sonne getrockneten Lehm- ziegeln erbaute Hütten, sog. Kurum.

Hadar (eingewanderte Nichtbeduinen). Da, wo sich gute Ankerplätze finden und die Anlage von Brunnen möglich ist, . haben sich auch fremde Zuzügler, sog. Hadar, niedergelassen. Sie sind von verschiedener, meist aber ägyptischer Abstam- mung und oft schon seit mehreren Generationen hier an- gesiedelt. Als Mohammedaner haben sie leichten Verkehr mit den Beduinen, Arab, unter deren Schutzherrschaft, Rafaga, sie sich gestellt haben. Wenn ihre Gehöfte, Biut, zwischen Palmen oder in der Nähe von Gartenanlagen sich finden, so heißen sie Kurum (was auch nichts anderes als „Pflanzstellen* bedeuten will); wenn die Siedelungen aber den Charakter von offenen Dörfern haben, so wird ein solcher _ Hüttenkomplex Belled genannt. Seine Insassen leben dann

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allein nur vom Handelsverkehr zwischen den sinaitischen Beduinen einerseits und den Hafenplätzen von Aegypten, Palästina und Arabien anderseits. :

Hadar-Familie.

Aus Oberägypten eingewanderte Mohammedaner. Mischen sich nicht mit Beduinen, sprechen andern Dialekt und tragen andere Tracht. Handwerker, Fischer und Schiffleute.

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Askar und Hukuma (Militär- und Zivilpersonen). Nechel, Agaba, Arisch und el Tor sind alte Militärstationen, ursprüng- lich also nicht durch natürliche Siedelungsmöglichkeit, sondern durch äußere Umstände bedingte Niederlassungen. Sie wurden von den Regierungen der Nachbarstaaten zum Schutze der Pilgerkarawanen und des Handelsverkehres gebaut und mit Militär, Askar, besetzt oder von Zivilpersonen, Hukuma, verwaltet. EI Tor ist als Kastell, Gälaa, schon lange ge- schleift und nur zur Zeit der Pilgerquarantäne, el Karan- tina, einer größeren Garnison unterstellt. Agaba und Nechel sollen während des letzten Weltkrieges ihre Befestigungen eingebüßt haben; sie werden als offene Ortschaften aber weiter bestehen, wie dies bei Arisch und el Tor schon seit langem der Fall ist. Die vom Militärdienst befreiten Leute gehen bei solcher Gelegenheit in der Regel zum Bevölkerungs- elemente der Hadar über.

Nassara (Christen). Sie setzen sich aus grie- chischen Mönchen des Katharinenklosters und aus einigen griechischen Familien zusammen, die in engem Verhältnis zu den Klosterbrüdern sich in el Tor niedergelassen haben. In mancher Be- ziehung dem Leben der

mohammedanischen Hadar und Beduinen angepaßt, pflegen diese Leute (mit Ausnahme der Mönche) fast nur noch in der Kirche ihre Muttersprache. Da sie viel Verkehr mit Suez, den von der Regierung nach el Tor beorderten Beamten und auch mit

Griechischer Mönch vielen Touristen haben,

aus dem Katharinenkloster. ist manchen von ihnen

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auch Italienisch, Französisch und Englisch geläufig. Sie ge- nießen ihren Schulunterricht bei einem in Aegypten aus- gebildeten Lehrer, Moallem, und sind in dieser Richtung den Hadar überlegen, da diese ihre Ausbildung nur durch einen Koranrezitator, Figi, erhalten, bei dem sie Lesen, Schreiben und das Hersagen von Koranversen lernen müssen.

Arab (Nomaden). Wir finden sie hauptsächlich da, wo Futterpflanzen für die Herden häufig sind und wo die Ver- sorgung mit Trinkwasser nicht zu schwierig ist. Dies ist der Fall an den Wasserstellen der Isthmuswüste, in den Tal- schaften der Tih, auf der Debbet el Ramle, auf der ihr be- nachbarten Oedjre el Adjramie und in den Bergen des Zentral- massivs. {

Im Norden begegnen wir den stärksten und verwegen- sten Stämmen, den Tiaha, Tarabin,

Heiwat und Hauetat, den Sauarka, Asasme und andern, etwas syrischen Einschlag aufweisenden No- maden. Sie bean- spruchen sämtliche Nutzungsrechte auf die in ihrem Okku- pationsgebiete ge- legenen Weiden und Wasserstellen. Früher haben diese Araber den Kara- wanenverkehr zwi- schen Aegypten, Pa- lästina und Arabien vermittelt; heute, wo dieser Verkehr infolge der Entwick- lung der Schiffahrt

und des Bahnbaues Haueti, Kamelhirt von der Debbet el Ramle. zurückgegangenist, Lebt fast nur von Milch und Wild.

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ziehen einzelne ihrer Familien periodisch auch nach Aegypten, um dort an den Transporten der Baumwollernte sich zu beteiligen. Das Verzeichnis, das Range von den Beduinenstämmen der Isthmuswüste gibt, läßt der Vermutung Raum. daß während des Weltkrieges noch ein Zuzug fremder Stämme stattgefunden hat. Sie kamen wohl, um an Militärtransporten teilzunehmen und um sich auf den verlassenen Schlachtfeldern Waffen und andere Gebrauchsgegenstände anzueignen.

Tauara. Den Nordstämmen der Sinaihalbinsel stehen die Südstämme, die sogenannten Tauara (Tor-Beduinen) gegen- über. Sie sind an Kopfzahl jedenfalls viel geringer als die ersteren. teilen sich aber ebenfalls in eine Anzahl von selbst- ständigen oder unter sich verbündeten Stämmen ab.

Wie alleBeduinen, so haben auch die Tauara ihre Genealogie, aber eine sehr unzuverlässige, da sie sich wenig daraus machen, verwandtschaftliche Beziehungen zu leugnen oder zu erdichten, wie gerade die Verhältnisse es erfordern.

Der Beduinenanstand fordert, daß Unbekannte und Un- verdächtige nicht nach ihrer Stammeszugehörigkeit gefragt werden. Das ist für diese Leute so selbstverständlich, als sie sich auch nicht fragen, ob dieser oder jener noch am Leben sei. Man würde auf solche Fragen doch meist nur die Antwort erhalten: „Du lebst und bist gesund“ oder „Chaif Allah“ (Ich fürchte Gott). Leute, die auf eine große und gefürchtete Verwandtschaft zurückblicken und dadurch Steigerung ihres Ansehens erwarten, könnten ihre Abstammung wohl verraten. Sie tun es aber meist nur dann, wenn sie Rechtsansprüche zur Geltung bringen oder sich mit Freierabsichten tragen. Wenn aber Blutrache gewittert wird, so tun diese Leute, wie wenn sie den Namen ihres Stammes noch niemals gehört hätten. Dies ist besonders häufig der Fall bei den Nord- stämmen und denen aus Arabien, die mit den Tauara nicht selten in Fehde stehen.

Es ist aus diesen Gründen schwierig, Personen heraus- zufinden, welche zuverlässige Kenntnis der verwaniltschaft- lichen Beziehungen der verschiedenen Beduinenstämme haben. Nach meinen Aufzeichnungen, die keinen Anspruch auf Voll- ständigkeit und absolute Zuverlässigkeit machen können, haben die Tauara folgende Geschichte hinter sich:

Die ältesten Stämme, Arab el Auel, sind dieBeni Neam,

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die Aulad Sliman, die Beni Ugba und Beni Wasel. Vor ihnen war die Halbinsel von Heiden, Djahlie, und Christen, Nassara, bewohnt. Ueber die Beni Neam konnte ich leider nichts Näheres erfahren. Die Aulad Sliman, oder auch Beni Sliman genannt, sollen aus Arabien eingewandert sein und von den Harb abstammen, die heute in der Nefudwüste und

Areini, Perlfischer. Diese Leute leben fast ausschließlich von Fischerei.

in der Umgebung von Hail, im nördlichen Arabien, ihre Weideplätze haben. Sie sollen den größten Teil der Halb- insel besetzt und nur die wilden Hochgebirgstäler den Nassara und ihren Dienern, Djebelie, überlassen haben. Nachkommen der Aulad Sliman finden sich heute noch in einem südlich von el Tor gelegenen Beduinenweiler. Sie betreiben Fischerei und etwas Kleinviehzucht und verdingen sich gelegentlich als Schiffleute den Christen und Hadar von el Tor.

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Verwandt mit diesem alten Araberstamme sind die Htem oder Tehem, die sich in Abs, Areinat und Geseise auf- gelöst haben. Es ist das ein Fischervolk, das sich ohne feste Wohnsitze auf Inseln und abgelegenen Küstenstrichen des nördlichen Teiles des Roten Meeres herumtreibt. Wenn Wasser- mangel sie zum Aufsuchen der sinaitischen Brunnen und der um sie herumliegenden Weideplätze zwingt, so erheben die Tauara von ihnen einen Tribut in Ziegen und Silbergeld. Man nennt dies Verhältnis Sug el Schaa und macht von ihm gerne Gebrauch, wenn man anderseits den Htem auch nicht viel Gutes nachredet und behauptet, daß sie die nichts- nutzigsten der Araber seien (achass min el Arab), irreligiös und lasterhaft, so etwa, wie der Prophet Mohammed die Thamudäer geschildert hat, welche Allah mit seinem großen Zorne bestrafte. Ich kann mich diesem Urteile nicht ganz anschließen; denn die Areinat, welche ich aus eigenem Um- gange kennen lernte, waren durchwegs rechtschaffene Leute, physisch gut entwickelt, kräftiger und intelligenter als die Tauara. Sie waren auch von aller Vertrauenswürdigkeit, wenn sie ihre Freundschaft durch den gemeinschaftlichen Genuß eines Stückehens Brot zugesichert hatten. Auf religiöse Aeußerlichkeiten gaben sie allerdings sehr wenig; sie ließen sich im Koran verbotenes Jagdwild ebenso schmecken, wie Fische, Schildkröten, Seekühe und Seeschwalbeneier, die ihre gewöhnlichsten Nahrungsmittel bilden. Mit Leuten aus dem Stamme der Geseise kam ich seltener zusammen. Ich habe aber auch von ihnen nur einen guten Eindruck gewonnen, so weit es sich um den Verkehr mit Bekannten und Freunden handelte. Gegen Fremde sind diese, hauptsächlich mit Perl- fischerei beschäftigten Araber jedenfalls rücksichtsloser als die gutmütigeren Areinat.

Von.den Beni Ugba, mit denen wohl auch die bei el Tor, am Suezkanal (Schett) und in der östlichen Isthmuswüste wohnenden Bedara verwandt sind, hörte ich, daß ein Teil des Stammes im Norden der Halbinsel, der Rest aber im nörd- liehen Arabien wohne. Die bei el Tor und am Schett sich aufhaltenden Leute leben mit Alegat und Saualha zusammen, die wir im Folgenden kennen lernen werden.

Die Beni Wasel wurden mir als ursprüngliche Verbündete der Aulad Sliman bezeichnet. Heute sind sie Verbündete der

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Saualha. Sie waren die ehemaligen Besitzer der Palmenhaine von el Tor, Nabk und Dahab, haben diese Besitzungen aber verkauft, da sie befürchteten, dal die Regierung sie mit Abgaben belegen könnte. Es leben nur noch wenige Leute von ihnen mit Alegat, Saualha und Emsene zusammen. Man behauptet, daß sie von Nubien nach dem Sinai gekommen seien; niemand konnte oder wollte mir aber sagen, ob sie mit den Barabara identisch seien, von denen man behauptet, daß sie einst die sinaitischen Anachoreten überfallen hätten.

Die älteren Reiseschriftsteller berichten nicht gerade günstig über die sinaitischen Küstenstämme, zu welchen die Nachfolger der Aulad Sliman, die Beni Ugba, Beni Wasel, Bedara und Areinat gerechnet werden müssen. Niebuhr behauptet, daß sie die von den Schiffen sich entfernenden Reisenden über- fielen und sich gelegentlich sogar auf die Schiffe wagten. Sie machten speziell die Umgebung von el Tor so unsicher, daß man, ohne von ihnen angefallen und beraubt zu werden, nicht einmal einen Ausflug nach den Palmenhainen des Wadi, an den Fuß des Hammam Seidne Musaberges, machen konnte. Diese wilden Beduinen sollen sich auch an Ueberfällen von Regierungskarawanen beteiligt haben, die vom Ras Mohammed nach Suez und von dort nach Kairo geführt wurden. Ein gewisses Etwas von üblen COharaktereigenschaften lag auch zur Zeit meines Sinaiaufenthaltes noch im Blute einiger Tauara- familien. Ihre „seetüchtigen Jungens“ und alten „Seebären* waren an mancher Plünderung gestrandeter Segel- und Dampf-

schiffe beteiligt. In völliger Unkenntnis der modernen Rechts- auffassung und der Gesetze sahen sie ihre Handlungsweise aber als ein zu recht bestehendes Privilegium an, wie die euro- päischen Küstenbewohner einst das Strandrecht, das ja auch erst verhältnismäßig spät durch das moderne Seerecht und die Bergevorschriften geregelt und eingeschränkt wurde. Der bekannte englische General Kitchener-Pascha war der erste, der diesem Treiben in sinaitischen Gewässern Einhalt tat.

Ich habe an anderer Stelle bemerkt, dab die höheren Lagen des Zentralmassives zur Zeit der arabischen Invasion den Anachoreten (Nassara) und ihren Dienern (Djebelie) über- lassen blieben.

Die Djebelie sind sehr wahrscheinlich ein Mischvolk von zum Christentum bekehrten, dann aber zum Islam übergetretenen

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Ureinwohnern der Halbinsel und von fremden, weißen Sklaven, welche die Klosterbrüder für die Pflege ihrer Gärten benötigten. Sie stehen dem Katharinenkloster gegenüber auch heute noch in einer Art Leibeigenschaft, arbeiten um geringe Löhnung und fordern von den Mönchen materielle Unterstützung, wenn Not an sie herantritt. Sie haben es in ihren Unterstützungs-

Djebeli. Diese von den echten Beduinen verachteten Leute reisen oft nach Aegypten, wo sie Dattelwürste und Steinbockhörner vom Sinai, sowie Muscheln aus dem Roten Meere feiltragen.

forderungen soweit gebracht, daß im Klosterhofe eine Moschee für sie erbaut wurde. Dessenungeachtet sehen sie die übrigen Beduinen aber immer noch mit scheelen Augen an. Sie trauen ihnen nicht und halten sie für verkappte Christen. Heiraten zwischen Djebelieleuten und echten Beduinen sind ausgeschlossen. Beim Kampfe werden die ersteren nicht einmal des Schwertschlages, sondern nur der Prügelhiebe gewürdigt.

ae Wenn ein Djebeli zur Bestrafung herbeigeschleppt wird, darf er mit Strieken gebunden werden, was einem freien Araber . gegenüber nie gemacht würde. Es wäre höchst interessant, diese Djebelie einmal vom rassenbiologischen Standpunkte aus zu studieren, um festzustellen, ob die enge Inzucht, die sie zu treiben genötigt sind, eine schädigende Wirkung auf sie

Muatri. Lehmhüttenbewohner, Arzneimann, Beschneider und Gärtner.

ausübt, oder ob ihre konstitutionelle Kraft, ihre Fruchtbarkeit und ihre geistigen Fähigkeiten sich ohne Degenerations- erscheinungen zu erhalten vermögen.

Mit den Djebelie verwandt sind die Muatra, welche in der Umgebung von el Tor wohnen, dort als Gärtner und Wächter im Dienste der Klosterleute stehen, nebenbei aber auch die Knabenbeschneidung der Hadar und Beduinen und die künstliche Befruchtung von Dattelpalmen als Erwerb be-

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treiben. Wie die Djebelie, so haben auch die Muatra den Islam angenommen. Sie werden von den Arabern etwas höher eingeschätzt, als die ersteren, stehen aber doch noch so tief in der Achtung, daß keiner der besseren Beduinenstämme ihnen eine Tochter zur Ehe überlassen würde.

Alegat und Saualha. Sie bilden die beiden Großstämme der Tauara. Nach der Tradition sollen sie ursprünglich in Aegypten ansässig gewesen sein. Sie hätten in Jahren, wo die ägyptischen Wüsten wenig Regen erhielten, dafür aber die Sinaihalbinsel reichliche Futtermengen aufwies, ihre Vieh- herden hieher getrieben. Die Saualha sollen die ersten ge- wesen sein, die dann nicht mehr nach Aegypten zurückkehrten und ständigen Aufenthalt am Sinai nahmen. Sie schreiben diesen Entschluß einem Schech Aid zu, während Nebi Saleh, den man manchmal auch als Stammesführer der sinaitischen Saualha ausgibt, und dem im Wadi el Schech eine geheiligte Grabhütte erbaut wurde, mit diesem Stamme über- haupt nichts zu tun haben soll. Das betreffende Grab scheint älteren Datums zu sein, eventuell sogar der nabatäischen Geschichte anzugehören. Der heutige Großstamm der Saualha setzt sich aus Kleinstäm- men zusammen, die nicht alle gleichen Ursprungs zu sein scheinen. Von dem Unterstamme der Siri heißt es, daß er von einem ägyptischen Flücht- ling gegründet wurde, der in einem Wasserkrug (Sir) über den Golf von Suez geschwommen sei und bei den Saualha . Schutz gefunden habe. Gararsche Mädchen: Die Seherat sollen von

Mit Stirn-Chignon. einem Wahrsager und

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Regenmacher abstammen, der sich im Zentralgebirge aufhielt, und nach seiner Beschäftigung zu schließen, mit jenen Ein- gebornen in Beziehung zu bringen sein dürfte, von denen ein Teil _ der Djebelie abstammen wird. Andere, nicht sicher von den Saualha abstammende, diesen heute aber zugehörende Klein- stämme sind die Auamre, Rhasana, Radesat, Nuheilat und Bischarin, die alle auf .der Sinaihalbinsel wohnen, von den übrigen Tauara aber gewöhnlich als Melemm, zusammen- gewürfelte Gesellschaft, bezeichnet werden. Die stärksten und angesehensten Unterstämme der Saualha bilden die Gararsche, Aulad Said und Beni Mohsen (Auamre). Ihnen ist die Führerwürde unter sämtlichen sinaitischen Beduinen übertragen. Die Gararsche sind die reichsten unter ihnen, da sie sich immer etwas Erwerb aus dem Abbau der Türkisminen zu verschalten wissen. Sie behaupten, von den Omejaden der Blütezeit des Islam abzustammen; der Altertumsforscher Flinders Petriv fand aber, daß ihre Physiognomie große Aehnlichkeit hätte mit derjenigen der sinai-

tischen Ureinwohner, _ -

‚welche die alten Aegypter bei Besitz- nahme der Türkis- gruben zu bekämpfen hatten. Auch unter den DBeduinen ist vielfach die Ansicht verbreitet, daß die Gararsche in ver-

wandtschaftlicher

Beziehung zu den Djebelie stünden. Das Richtige ist schwer heraus zu finden; denn es hat sich wohl in den ältesten Zeiten schon verschiedenstes Blut auf dem Sinai ge-

mischt. Die Garar- Alegi aus dem Wadi Adaui. sche bilden jedenfalls Vortrefflicher Jäger.

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den europäischem Einfluß am besten zugänglichen Stamm der Tauara und sind unter diesen auch bekannt als gute „Spre- cher“, Avokatia, wie man sie spottweise auch nennt. Die Aulad Said setzen sich wieder aus verschiedenen Unter- stämmen zusammen: Aulad Sef, Aulad Bedr, Abu Sebaa, Sehebeiba und Nasseira. Sie bewohnen das Zentralmassiv

Alegat und Emsene vor ihren Ziegenhaarzelten im Wadi At esch-schergi (Südosten). Typischer Jagdhund (Selega), Artemisiabusch (Bataran) und Akazie (Sejale).

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und die Kranzwüste bis hinauf an den Fuß des Tihgebirges. Ihr Erwerb liegt in der Viehzucht; doch beteiligen sie sich mit den Gararsche und Auamre zusammen auch an der Aus- beutung der Türkisminen.

Wenn zwischen den Urbewohnern der Sinaihalbinsel und den zugewanderten Arabern und Aegyptern keine schweren Kämpfe stattgefunden haben sollen, so wurde den Saualha das Weiderecht auf sinaitischem Boden doch nicht ganz kampf- und mühelos zugestanden. Kaum hatten sie sich festgesetzt, so kamen die Alegat, ein aus Oberägypten und Nubien stammendes Beduinenvolk, um von den besseren Weideplätzen Besitz zu ergreifen. Es setzte zwischen beiden Stämmen harte Kämpfe ab. Einer der letzten Ueberfälle fand am Hügel Lantusch bei el Tor statt, wo die Saualha siegten und den Alegat schwere Verluste beibrachten. Zufälligerweise hatten aber nicht alle der letzteren an dem Kampfe teilgenommen. Einige Alegat waren im kritischen Momente bei den Bedara von Gebeli (einem Beduinenweiler südlich von el Tor) zu Gast geladen und hörten von dem Kampfe erst, als die Niederlage bereits stattgefunden hatte. Um sie vor dem Schicksale der Stammesangehörigen zu schützen, verbargen sie die Bedara unter ihren Kamelsätteln und verhalfen ihnen dann zur Flucht, als alle Gefahr der Verfolgung vorüber war. Die Alegat flüchteten über-Scherm el Moje und trafen dort mit Emsene- beduinen zusammen, die von Arabien hergekommen waren, um sich auf dem Sinai ebenfalls Weiderechte zu erwerben. Die beiden Teile verbündeten sich gegen die Saualha und unternahmen nun gegen diese einen Gom (Ueberfall). Sie trafen mit ihnen auf der Farha-Ebene, in der Umgebung des Schech-Grabes Nebi Saleh, zusammen und brachten ihnen eine so entscheidende Niederlage bei, daß für ewige Zeiten Frieden geschlossen und die Eidesformel aufgesetzt wurde: „Heli la jumen u dama laman el schaar manebet el kaii“, was so viel heißen will, daß kein Blut mehr fließen soll, so lange die innere Handfläche unbehaart bleibt. Ein Eidesspruch, den sich der Völkerbundsrat zum Motto wählen sollte!

Nach diesem Friedensvertrage haben sich Saualha, Alegat und Emsene freies Weiderecht auf der ganzen Halbinsel zu- gestanden, mit Ausnahme der Isthmuswüste und der Tih, wo die nicht zu den Tauara gerechneten Tiaha, Tarabin ete.

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ihre Reservate haben. Ueber die alten Weiderechte anderer Stämme setzte man sich hinweg, d.h. sie wurden dahin beschränkt, daß diesen, ohne das Mitnutzungsrecht der Saualha, Alegat und Emsene zu schmälern, die schlechtesten Gebiete im Süden der Halbinsel überlassen wurden. Was die Bedara für ihren Schutz der Alegat erhielten, blieb Geheimnis; jeden- falls nicht sehr viel, sonst müßten sie nicht in so großer Armut leben, wie dies heute noch der Fall ist. Alegat und Saualha haben sich nach den Vorgängen auf der Farha auch in das Transportwesen geteilt, das den Tauara einigen Verdienst bringen kann. Die Alegat müssen sich ihrerseits aber wieder mit den Emsene in diese Einnahmen teilen. Bei Regierungs- transporten (Miri) haben sie den Letzteren die Hälfte ihres Anteiles abzutreten, bei Einkünften aus Pilgertransporten (Rukab) ein Drittel, bei Touristen- (Sauahin-) und Kloster- transporten (Kamh elDer) ein Fünftel. Durch den betreffenden Vertrag ist das Transportwesen auch inbezug auf die Aufbruchs- stellen und auf die Aufbruchszeit der Karawanen geregelt, sowie in Hinsicht auf die Zahl der Last- und Reittiere, die jeder Stamm zu stellen hat. Diese Vertragsbestimmungen sind aber leider auf einer Basis aufgebaut, welche den verschiedenen Stämmen ganz ungleiches Recht zuteilt und es dem Einzelnen nicht ermöglicht, intellektuelle Anlagen, körperliche Leistungs- fähigkeit und moralische Vorteile in vollem Maße zur Geltung zu bringen. Der Minderwertige wird dem Vollwertigen nicht nur gleich, sondern in mancher Beziehung noch vorangestellt. Ein Vergleich der sinaitischen Beduinengesetze mit den Pro- grammen unserer Parteipolitik wäre sehr belehrend; da er aber nicht in den Rahmen dieses Schriftchens gehört, kann hier auf dieses Thema nicht weiter eingegangen werden.

Ich habe im Obigen die Emsene erwähnt. Es ist dies ein dritter Großstamm der Tauara, doch nicht von jener Bedeutung, wie die Alegat und Saualha. Sie sind geringer an Kopfzahl, als diese, und nur auf den Osten der Halbinsel, besonders auf die Umgebung von Dahab verteilt. Sie sollen aus dem südlichen Arabien stammen und sprechen einen etwas andern Dialekt als die übrigen Tauara.. Auch in der Form ihrer breiten Schwerter unterscheiden sie sich von diesen, so daß man annehmen darf, daß sie wirklich die letzten der ins Zentralgebirge eingewanderten Beduinenstämme sind.

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Tier- und Pflanzenleben des Meeres.

In den beiden Meeresarmen, welche die Sinaihalbinsel umspülen, begegnen wir einer Lebensentfaltung, wie sie sich in so hoher geographischer Breite sonst nur selten zeigt. Wir finden eine ähnliche Ueppigkeit und ähnliche Bilder nur im Bereiche der südlichen Passat-Trift, bei den Bahamainseln, und auf den südlichen Ausläufern des australischen Barriere- Reefs. Das Rote Meer wimmelt von allen erdenkbaren Plankton- und Nektonformen des Tier- und Pflanzenreichs. Es beherbergt ungeheure Scharen farbiger und fremdartig gestalteter Tropen- fische, Riesenschildkröten, Walfische und Seekühe, die vom indischen Ozean her bis in den Meerbusen von Suez hinauf ihre Vorposten entsenden. Auf seinen Fluten und an seinen Ufern tummelt sich ein leichtbewegliches Heer von Seevögeln, die der orientalischen und äthiopischen Region angehören. In den Herbst- und Frühjahrsmonaten finden wir hier aber auch zahlreiche gefiederte Zuzügler aus dem palä- arktischen Faunengebiete. Die Korallenriffe, zur Winterszeit etwas abgemattet in ihrer Farbenpracht, erblühen im Sommer in herrlichsten Farben und Formschöpfungen. Wir begegnen dort den merkwürdigen Seeanemonen, Seenelken und Seerosen, wie sie uns in gleicher Pracht und gleicher Mannig- faltigkeit von keiner nördlicher gelegenen Küste her bekannt sind. Diese Pflanzentiere bemänteln ihre tierische Freßgier mit einem Blumenkleid, das ihnen die harmlosen Namen eingetragen hat. Im warmen Sommerwasser verraten bunt- farbige Nacktschneeken, in Form- und Farbenfülle mit den Blumentieren wetteifernde Gehäuse-Mollusken, See- igel und stachelhäutige Seesterne, Holothurien und Seewürmer den Tropencharakter dieses Meeres. Die Krebse überraschen uns wit einem erstaunliehen Formenreichtum und mit Lebensgewohnheiten, die uns stundenlang fesseln können. Auch Sehwämme und Meerespflanzen verschiedenster Stammes- angehörigkeit nehmen unsere Aufmerksamkeit in Anspruch. Von ersteren finden wir alle Ordnungen vertreten, während der bekannte Badeschwamm hier zu den großen Seltenheiten gehört. Viel häufiger sind die wertlosen, im Aufbau der Korallenriffe aber eine große Rolle spielenden Kalk- und Kieselschwämme. Die Pflanzenwelt flottiert mit einer großen Zahl mikroskopisch

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kleiner Formen, aber auch mit einigen Riesen. Wir ent- decken hier die violett und blaugrün gefärbten, des Chloro- phylis entbehrenden Cyanophyceen, die mit Kieselschalen ausgezeichneten Diatomeen, zahlreiche Grün- und Braun- Algen, Florideen und selbst hochentwickelte Pflanzenarten, einige Laichkrautgewächse. Von dem großen Heere der Bakterien nicht zu sprechen, die als „Marinäre* und „Flieger“ in und über dem Wasser ihre Dienstzeit bis zum Erwerb des Allerweltsbürgerrechts ausdehnen. Dies alles zu einer Zeit, wo auf dem Festlande ein großer Teil der Lebewelt in Dürre verschmachtet oder durch Reduktion der Lebensfunktionen sich vor dem „Wüstensterbet“ rettet. Die Flutwälle der Küste, auf denen der Wellenschlag Myriaden von überflüssig gewordenen Organismen ablagert, erscheinen unergründlich, wenn Zoologen und Botaniker sie auf dieses Leichenheer hin untersuchen.

Es ist eine dankbare Arbeit, über den Artenreichtum, die Formenmannigfaltigkeit und Farbenpracht des Roten Meeres zu berichten. Ihre Reize haben auch schon zahlreiche Forscher und Sammler an die Gestade der Halbinsel gelockt. Sie haben eine volle Befriedigung gefunden, auch dann, wenn sie nicht gerade in jener Jahreszeit hinkamen, wo das Leben sich in seiner höchsten Entwicklung, in der Reproduktionsperiode, befand.

Die Wüstenflora.

Vorland-Wüste. Auf Reisende, welche sich nicht speziell mit Botanik befassen, macht das sinaitische Festland in der Regel den Eindruck großer Lebensleere. Die nervenlähmende Ausübung des sogenannten „Berufes“ hat vielen Menschen das Auge für Naturbeobachtung so geschwächt, dab sie manches ungenau und vieles gar nicht sehen, wenn die Natur nicht in auffälligen Kontrasten ihre Mannigfaltigkeit verrät. Eine instinktive, wohl noch aus dem Vorkulturleben ererbte Neigung zur Naturbeobachtung findet sich freilich bei allen noch, insofern es sich um Dinge handelt, die dem Menschen Bequemlichkeit und materiellen Nutzen versprechen. So erspähen denn auch die, welche auf Naturbeobachtung sonst schlecht eingestellt . sind, bald die ersten Palmen, welche hinter den Hügelketten des Wüstenvorlandes oder weiter hinten, am entfernten Hori- zont aufsteigen.

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Bei den Gruppen dieser Dattelpalmen, Phoenix dactyli- fera L , erwarten sie Schatten, wenn die unbarmherzige Sonne auf sie einbrennt, und Wasser, wenn Durstgefühl sie beängstigt. Ihre Hoffnungen gehen auch in der Regel in Erfüllung, wenn sie recht bescheiden sind in ihren Ansprüchen auf ein Plätzchen neben der Sonne und auf Trinkwasser, das in der Nähe von Palmen nicht immer das beste und reinste ist. Mit der Zeit ermüden aber diese Palmenhaine mit ihrer Monotonie, mit ihren ungezieferreichen Schattenplätzen und mit ihren ver- sandeten oder durch Vieh und Menschen verunreinigten Wasser- stellen. Sonne und Durst werden nach einigen strapaziösen Tagen zur Gewohnheit. Man möchte die Palmen bald lieber nicht mehr sehen und schaut sich nach andern Charakter- pflanzen der Wüste um. Solche finden sich schon im Küsten- gebiete, wo Dünen den Pflanzenwuchs gefährden.

Im Norden und Westen der Halbinsel bildet Nitraria retusa (Forsk.) Aschers., eine von den Arabern Rherdeg oder Rherged . genannte Zygophyllee, einen der gewöhnlichsten Typen des Dünengebietes. Der Busch heißt „Rherdeg“, weil der Flugsand sich um ihn ansammelt und ihn zu „begraben“ droht. Er muß sich lebhaft wehren, um dem Andrang des Sandes standzuhalten und immer wieder über das angewehte Material herauszuwachsen. Dem Wanderer verspricht er keinen Schatten, keine Wasser- stelle, die ihm Erquickung bieten könnte. Salziger Küsten- boden und Sonnenbrand sind die Elemente, in denen dieser Halophytenbusch sich wohlbefindet. Er versteigt sich hie und da zwar bis tief in das Gebirge hinein; wo er vorkommt, da herrscht aber in der Regel große Trockenheit. Von Großtieren findet man nur die durstgewöhnten Gazellen im Nitrariagebiet und Ziegenherden, die es einige Tage in ihm aushalten. Wenn der Mensch sich in diesen Busch verirrt, ist er schlimmer daran als die Hinsiedlerkrebse (Paguriden), welche den Strand verlassen, um an den säuerlich schmeckenden Beeren der Nitraria sich zu erlaben. Burckhardt hat in seinem Reisewerke über den Sinai die Frage aufgeworfen, ob Moses wohl das Bitterwasser der Küstenbrunnen mit den Beeren des Rherdeg- busches versüßt und trinkbar gemacht hätte. Ich habe nie gehört, daß irgend ein Teil dieser Pflanze von den Beduinen zu solehem Zwecke verwendet würde. Die Blätter schmecken recht bitter, und die Früchte, welche im Sommer reifen, wo

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das Trinkwasser der Wüste am schlechtesten schmeckt, werden von den Beduinen stets nur gegessen, nie aber, wie etwa die Kappernfrüchte zur Bereitung eines Getränkes oder zur Verbesserung des Brunnenwassers verwendet. Im. Osten der Sinaihalbinsel, längs der Küste des Agaba- meerbusens, durchsetzt Salvadora persica Garecin den Nitraria- busch. Hier bieten sich größere Chancen für Auffindung von Trinkwasserstellen, als in der Rherdeg-Formation der west- lichen Küstengegenden. Die Salvadora kommt auch nur da vor, wo das kristallinische Gebirge nahe an das Meer heran- tritt, und der Grundwasserstrom nicht zu tief im Schutte ver- sinkt. Hier finden sich auch wieder einige schattenspendende Palmgruppen und Brunnen für kleine Beduinenlager. Es sind aber meist nur Fischer, die ihre Haarzelte und Korallen- blockhütten in dieser Zone aufschlagen. Beliebte Weideplätze bietet auch der Salvadorabusch nicht. Der Araber bezeichnet den Strauch vom Nützlichkeitsstandpunkte aus, wenn er ihn einem Fremden benennen soll. Er belegt ihn dann mit dem Namen Miswak, weil er aus seinen Zweigen die Misawik schneidet, welche an Stelle von Zahnbürsten Verwendung finden. Diese Misawik sind noch bei den meisten Moham- medanern gebräuchlich; denn ein frommer Muslim wird sich mit den europäischen Zahnbürsten nie befreunden, weil er in ihrem Kopfteile Schweinsborsten vermutet, die für ihn den Inbegriff alles Unreinen darstellen. Der eigentliche Name der Salvadora persica ist bei den Sinaibeduinen Arag, was so viel wie Wurzelbusch bedeuten will. Der Strauch hat diese Benennung wohl deswegen, weil er höchst auffällige, wie Schlangen aus dem Sande hervortauchende und dann wieder unter ihn sich verkriechende Bandwurzeln hat, die sich über die Dünen spannen. Das Wort „Arag“ ist von Botanikern dann mit „Irak“ (Persien) verwechselt und der Busch daher mit dem lateinischen Artnamen „persica“ belegt worden. Zygophyllum-Flor. Der unerfahrene und an Bequemlich- keiten gewöhnte Wanderer wird vielfach enttäuscht, wenn er die grünen Talmulden und Wildbachbetten passiert, die zwischen Küste und Inlandwüste sich ausbreiten. Es ist ein merk- würdiges Grün, das hier Wasserreichtum vortäuscht, derweil nur harter Lehm und trockener Sand die Bodenvertiefungen anfüllen. Der Kenner läßt sich von diesem Flor nicht täuschen.

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Er weiß, daß es nur ein salzschleimiger, der Verdunstung widerstehender Zellsaft der betreffenden Pflanzen ist, der in den chlorophyllreichen Blättern sich langsam ansammelt und Ueppigkeit vormalt, wo große Not herrscht. Es sind ver- schiedene Zygophyllumarten, welche diesen grünen Schimmer hervorrufen: kleine Büsche mit wurstförmigen Fettblättern und unscheinbaren, gelben oder weißen Blüten, die eine große Anziehungskraft auf verschiedene Wüsteninsekten besitzen. Die schönste unter den Zygophyllumarten, merkwürdiger- weise gerade die, welche die Botaniker „simplex“ die „Ein- fache“ nennen, bildet hübsche Buschrosetten und schmiegt sich wie ein Netzpolster dem Lehm- und Sandboden an. Der Beduine vergleicht ihre kriechenden Zweige mit einem „Locken- bande*, Germel, das die Mädchen sich zum Schmucke über das schwarze Haupthaar binden. Neben dem „Germel“, der sich auf dem fahlgelben Wüstenboden wie ein Smaragd in matter Fassung abhebt, gedeihen noch andere, durch größere Individuenzahl und kräftigeren Wuchs sich auszeichnende Zygophyllumarten, oft dicht nebeneinander, in ihrer Farbe aber bescheidener, als das vorhin erwähnte „Lockenband.* Tamarisken. Wer in den breiten Tälern bergwärts zieht, in denen hie und da größere Wassermengen die dem Gebirge vorgelagerte Schuttwüste durchströmen, wird mit den Ta- marisken bekannt, die sich in mehreren Arten zu dichtem Buschwerk entwickeln. In der Küstennähe vermischen sich diese Sträucher mit Nitraria, Zygophyllum und anderen Salz- pflanzen, während sie gegen das Gebirge hin und in diesem selbst si:h mit Akazien, Ginster und typischen Gewächsen der salzarmen Bodenarten vergesellschaften. Der Sinaite nennt diese Büsche Tarfa, in selteneren Fällen Etel, je nach den Eigenschaften, welche die Pflanze seinem Auge offenbart. Tarfa heißt die „Tränende“, „Blitzende“, „Funkelnde“, weil die Tamariskenzweige eine Flüssigkeit ausscheiden, die wie Tränen perlt und im Sonnenlicht wie feurige Edelsteine er- glänzt. „Etel“ (der Festwurzelnde) wird der Strauch wegen seiner enorm langen Wurzeln genannt, die weit in die Horizontale sich erstrecken und der Pflanze große Widerstandskraft gegen das heranströmende Wildbachwasser verleihen. Im Westen der Halbinsel ist es nieht die mannaproduzierende Gebirgstamariske, sondern eine etwas feiner gebaute Art, Tamarix tetragyna

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Ehrbg., welche in isolierten Exemplaren oder in dichten Be- ständen die Vorwüste schmückt. An Stelle des biblischen, süßen Honigtaues (Manna) trägt sie am frühen Morgen bittere Salztränen an ihren Zweigen. Nach brennendem Sonnenschein aber, wenn das der Nacht- und Morgenluft entnommene Tau- wasser absorbiert ist, sehen ihre Zweige wie kandiert aus. Sie verdanken dies unzähligen Salzkriställchen, die beim Ein- trocknen der Tränen auf der Blattfläche zurückbleiben, um neue Feuchtigkeit anzuziehen, wenn die kühle Nacht- und Morgenluft wieder hygroskopische Arbeit gestattet. Die Be- duinen nützen die Eigentümlichkeit dieser Vorland-Tamarisken insofern aus, als sie ein oder zwei Tage vor Reiseantritt die mit Salz kandierten Zweige ihren Kamelen verfüttern, um die Tiere damit durstig zu machen und zur Einnahme einer mög- lichst großen Quantität von Trinkwasser zu veranlassen.

Wenn es auch häufig zutrifft, daß Tamarisken sich da finden, wo Grundwasser in der Nähe ist, so darf man sie doch nicht als ganz zuverlässige „Wasserzeiger“ einschätzen. Sie versagen so häufig wie unsere Wünschelruten und deuten auch Stellen an, wo kaum genießbare Bitterwasser den Boden be- feuchten.

Seltener als die Tamarisken sind im Vorland der Felsen- wüste die Ginsterbüsche. Sie kommen in ziemlich ge- schlossenen Beständen nur in den nördlichen Teilen der Halb- insel vor. Man findet sie aber auch noch in höheren Lagen des Zentralgebirges.. Forskal hat ihren arabischen Namen, Retem, als wissenschaftliche Benennung übernommen und den Busch Retama Raetam getauft. Ich weiß nicht, was das arabische Wort eigentlich zu bedeuten hat. Es ist mir nur der Ausdruck ertam bekannt, der gebraucht wird, wenn man sich zur Erinnerung an irgend eine Begebenheit einen Faden um den Finger wickelt. Vielleicht ist es mit dem Beduinen- brauche in Verbindung zu bringen, nach welchem Ginster- zweige zusammengebunden werden, um zu erfahren, ob einem ein langes Leben beschieden sei. Je nachdem die verknüpften Zweige schnell oder langsam verdorren, soll dem Fragesteller ein kurzes oder ein langes Leben zuteil werden.

Akazien. Gegen das Gebirge hin werden sie die typischen

Bäume der Vorlandwüste. Sie kommen in verschiedenen

Arten vor, die vom Laien schwer zu unterscheiden sind.

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Nicht überall zu Bäumen auswachsend, fallen sie dem Reisenden oft lange nicht auf. Wenn sie aber Pflaumenbaumhöhe er- reichen und eine grüne Sehirmkrone entfalten, sind sie die willkommensten und nie übersehenen Schattenbäume für die Reisekarawanen. Im Sommer verbringt man in ihrem Halb- schatten gerne die erfrischende Mittagsrast, el Gaila, wie die Beduinen das dolce far niente nennen. Die Akazien siedeln sich in den trockensten Talläufen an, wenn vor der Keimung nur starke Regen gefallen sind und anhaltende Bodenfeuch- tigkeit die Jungwurzeln zu speisen vermochte. Man sieht sie daher in langen Reihen vom Gebirge her in die Vorwüste eindringen, dem Verlaufe der periodischen Wildbäche folgend und durch ihre Größe und Frische den Feuchtigkeitsgehalt ihres Nährbodens verratend. Sie liefern ein ausgezeichnetes Brennholz für Beduinen- und Karawanenlager und eignen sich auch für die Herstellung von Holzkohlen, was in gewissen, abgelegenen Gebieten schon die Vernichtung ganzer Bestände veranlaßt hat. Die Rinde liefert ein ausgezeichnetes Gerb- material, das, wie übrigens auch die Akazienschoten, Allei, zur Herstellung von Wasserschläuchen, Girab, und Rucksäcken, Sufer, aus Steinboeckhäuten verwendet wird. An Orten, wo die Beduinen häufig Lagerplätze für sich und ihre Herden aufschlagen. steht es nicht schlimm mit der Ausrottung der Akazienbäume. Wenn im Frühjahr die Kronen dieser Bäume grünen, werden die äußersten Sprosse, Taraf, mit großen, starken Messern abgeschlagen und den Kamelen als Futter vorgelegt. Es ist überraschend wie diese Tiere mit verblüf- fenden Lippengriffen und Gaumenverenkungen die stacheligen Zweige zu fassen, zu kauen und zu verschlingen verstehen. Blüten, Barram, und grüne Schoten bilden ein nahrhaftes Schaf- und Ziegenfutter. Im Sommer, wenn die großen Zelte abgeschlagen und die kleinen Laubhüttenlager im Gebirge bezogen werden, dienen die verlassenen Akazien der Ebene auch als Lagerbäume zum Aufhängen der unnütz gewordenen Haarzelte und anderer entbehrlicher Gerätschaften. Es genügt dies, um das Zurückgelassene nicht nur vor Insektenfraß, sondern auch vor Diebstahl zu schützen. Kein Unbefugter wird solches Gut sich aneignen, denn es würde von ihm oder von seinem Stamme ein unverhältnismäßig großer Schaden- ersatz eingetrieben. Die Gewinnung von arabischem Gummi,

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den die Wüstenakazien ausschwitzen, spielt auf der Sinai- halbinsel keine große Rolle. Er wird nur verwertet, wenn er sich in ansehnlicher Menge für den Handel sammeln läßt, oder wenn er hungernden Jägern und Hirten als Nahrung dienen muß. Reichlicher Genuß dieses Harzes, Samarh, soll übrigens sehr schwere Verdauungsstörungen zur Folge haben. Um sich vor ihnen zu schützen, bezw. um nicht zu viel von solchem Gummi zu essen, binden sich die Hungernden einen Stein über die Magengegend.

In sandigen Haupttälern der Vorwüste, besonders im Süden und Osten der Halbinsel, aber auch in den sogenannten Wadian zwischen den Mosesquellen und dem Rherandeltale, auf der Debbet el Ramle ete., begegnen wir dem blaugrünen, sparrigen Busch, Aerta, Oalligonum comosum L’Herit. Er gehört zu den Polygonoideen, ist also mit unsern Ampfergewächsen ver- wandt. Als typischer Strauch der ostmediterranen und asia- tischen Steppen- und Wüstenflora paßt er ausgezeichnet auch in die Sinailandschaft. Der botanisch Ungeschulte kann ihn leicht übersehen, wenn er nicht in großen Beständen vor- kommt, wie dies z.B. im Wadi Aerta der Fall ist, wo er der Talschaft den Namen verliehen hat. Aerta ist ein beliebtes Kamelfutter und sein Holz eignet sich für Kohlenfeuer zum Backen des Gurs genannten Beduinenbrotes.

Ein anderer, etwas seltener vorkommender Strauch der sinaitischen Vorwüste ist Zeptadenia pyrotechnica Forsk., eine Asclepiadee, welche vom tropischen Afrika bis in die libysche Wüste und von dort über Aegypten und Palästina bis in die Trockengebiete von Indien hinein verbreitet ist. Die Beduinen nennen sie March, was bedeuten soll, daß sich sein Holz ausgezeichnet als Brennmaterial für „Nachtlager“ eignet.

Viel zahlreicher als die vorhin erwähnten Sträucher sind in der Vorlandwüste Haloxylon und Artemisia, die oftin großen Beständen die Talsohlen besetzen.

Haloxylon kommt in zwei sich wenig unterscheidenden Arten vor: das silberglänzende Haloxylon articeulata Cav. und das mattere Haloxylon Schweinfurthii Aschers. d& Schwfth. Letzteres ist für den Osten der Halbinsel charakteristisch, scheint gegen die Tih hin aber zu verschwinden. Die Beduinen vermögen die beiden Arten in der Regel] nicht zu unterscheiden und nennen sie beide dann Rimit, irrtümlieherweise auch

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Adjram, mit welchem Namen sie indessen immer nur H. artieulata bezeichnen. Ich habe den Rimft häufig meinem Reitkamele verfüttert, besonders wenn ich in der vegetations- armen Gaawüste auf Jagdtouren war und. über kein anderes Futter verfügte. Die Beduinen warnten mich aber immer vor dieser Fütterung, indem sie behaupteten, daß der Rimft, von hungrigen Kamelen in den leeren Magen hineingefressen, lebensgefährliche Blähungen verursache. Diese Behauptung hat sich bei meinem Kamele indessen nicht bestätigt. Ein Haueti machte mich auf eine honigsüße Ausschwitzung des Busches aufmerksam, die er mit Men, also „Manna“ be- - zeichnete. Ich habe dieses Exsudat nur im Sommer beobachtet und glaube mich darauf erinnern zu können, daß es an Zweigen vorkam, die von Kamelen und Gazellen angefressen waren. Diese Haloxylon-Manna sieht wie kleine Würstchen weißen Vogelmistes aus, wenn sie eingetrocknet ist, sonst aber hängt siein Tropfen an den Zweigen, wie die echte Tamarisken- Manna. Sie schmeckt sehr süß und war mir stets ein will- kommenes Naschwerk (nicht etwa Nahrungsmittel!) in der heißen Sand- und Schuttwüste. Sie kommt nirgends in großen Mengen vor; doch hat sie eine größere Verbreitung als die Tamarisken-Manna, die nur im Wadi el Schech und im Wadi Tarfa (in der Umgebung des Katharinenklosters) gesammelt wird. Ich könnte mir nicht denken, wie das Volk Israel von soleher Manna „gelebt“ haben sollte, es sei denn, daß zu der betreffenden Zeit ein außerordentlich starker Mannafluß statt- gefunden hätte, und daß nicht nur die Tamarisken und Haloxylon, sondern auch Artemisia herba-alba und andere Gewächse auf solchen Honigseim abgesucht worden wären. Die Artemisiabestände, welche für das Vorland der sinaitischen Felsenwüste noch typischer sind als Haloxylon, setzen sich nur aus einer Art: Artemisia judaica L., zusammen. Sie heißt bei den Arabern Bataran, was mit „Arzneipflanze* übersetzt werden kann. Sie durchduftet ganze Gebiete, die Kamelherden, die sich zwischen diesen Büschen herumtreiben, und jedes Beduinenlager, in welchem Bataran als Heilmittel gegen Blähungen und Wurmseuche aufgehängt ist. Jedes Brot, das im Kohlenfeuer ihrer Wurzelstöcke gebacken wurde, riecht nach ihrem ätherischen Oele. Dieser Duft ist ein so eigenartiger, dab er einem jahrelang in Erinnerung bleibt.

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Kaum einem Reisenden werden die rosettenförmigen Bilsenkrautbüsche, Hyoscyamus, entgehen, die für viele Talschaften der Vorlandwüste sehr charakteristisch sind. Der Botaniker unterscheidet mehrere Arten dieses Krautes, das der Beduine mit dem Sammelnamen Sakaran (der Betäubende) belegt. Es ist zweifellos, daß alle sinaitischen Hyoseyamus- arten giftige Wirkung haben und sich für Herstellung von Hyoscyamin und Skopolamin verwerten ließen. Ich wurde von einer chemischen Fabrik beauftragt, größere Mengen der Pflanzen einzusenden, fand leider aber nie die nötige Zeit, diesem Wunsche gerecht zu werden. Wie ich später hörte, hat ein Deutscher, Herr Guyot, nach meiner Abreise von Tor dann große Mengen des Krautes nach Europa geschickt. Da der Sammler bei Ausbruch des Krieges ausgewiesen wurde, wäre es empfehlenswert, daß irgend eine andere in Suez oder in el Tor wohnende Person solehen Medizinalpflanzen Interesse widmete und den Versuch wagte, sie durch Beduinen zu sammeln und in Europa auf ihre pharmazeutische Verwend- barkeit hin untersuchen zu lassen. Bei dieser Gelegenheit könnte auch der sinaitische Mannahonig gewonnen und von einem Chemiker einmal gründlich untersucht werden. Es würde sich dann wohl zeigen, in welehen Mengen die ver- schiedenen Arten dieses Honigs zu gewinnen wären, und ob dem Produkte ein volkswirtschaftlicher Wert inneliegt.

Eine andere, weit verbreitete Giftpflanze der sinaitischen Talschaften ist die Koloquinte, (itrullus colocynthis L., der Handal oder Hamdal der Beduinen. Man findet sie auf der ganzen Halbinsel überall, wo sandige Wildbachbetten durch die Wüste führen. Im Zentralgebirge und im Süden ist die genannte Art aber mehr durch die kleinere und mit krallen- förmigen Stacheln besetzte Propheten-Melone, Oueumis prophetarum L., den Handlan oder Hamdlan vertreten. Die Koloquinte fällt dem Reisenden sofort auf, nicht nur durch ihre orangengroßen Kugelfrüchte, sondern fast mehr noch durch die viele Meter lang werdenden kriechenden Stengel, die mit dreilappigen, sehr zierlich ausgeschnittenen Blättern und schwefelgelben Blüten besetzt sind. Die Früchte werden von den Beduinen als Wurmmittel verwendet. Sie werden aber auch verkohlt und zur Herstellung von Schießpulver und Zündsehnüren gebraucht. Vom pflanzenbiologischen Stand-

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punkte aus ist die Frucht insofern interessant, als sie sich ausgezeichnet für die Samenvertragung durch Wildbäche eignet. Sie schwimmt wie ein leerer Ball auf dem Wasser, zerschellt beim Abtreiben an Felsblöcken und streut dann ihre Samen schließlich an einem neuen Standpunkte aus. Der Handlan, der das Gebirge liebt und nicht so weit in die Schuttwüste hinaus verschleppt werden soll, hat diese Eigenschaft in ver- mindertem Maße. Er schützt sich durch die bereits erwähnten Krallendornen vor zu weitem Wassertransporte und wirft seine Samen schon im Ober- und Mittellaufe der Wildbachbetten aus. Zilla spinosa (Forsk.) Prantl, die Sılla, ist ein anderer häufiger Wüstenbusch, wie ihr lateinischer Name andeutet, dornig, wie fast alle zweijährigen Wüstenpflanzen, und wie ihr arabischer Name besagt „mager“, als Ausdruck ihrer Bedürfnislosigkeit. Sie gedeiht tatsächlich in allen Wüsten- gebieten, in der Tiefe so gut wie in der Höhe, auf reinem Sand, wie auf steinigem oder staubigem Substrate. In ihrer Jugend zeichnet sie sich durch fleischige, grüne Blätter aus, die sie aber später verliert und durch Dornenbildung ersetzt. In letzterem Stadium steht der Busch wie eine Lanzenburg da, nur in seinen violetten Blüten noch einige Zartheit ver- ratend.. Wenn die Silla als echter Wüstentyp auch aller Trockenheit widersteht, so ist ihre Lebensdauer doch beschränkt, nur etwa zwei Jahre umfassend. Mit diesem Zeitpunkte ver- holzen alle ihre Triebe; sie wird als ein Spielball der Wüsten- winde mit anderem Buschwerk zusammen haufenweise in geschützte Talnischen vertragen. Das Ideal wäre, daß sie hier wieder neue Wurzel faßte und mit neuer Lebenskraft ergrünte. Dem ist aber nicht so; sie bleibt jahrelang hier liegen, bis sie zu Staub vermodert oder von Beduinen als bequem gesammeltes Brennmaterial in ihr Lager geschleppt wird. Unter den Glumaceen der sinaitischen Vorlandwüste finden sich viele, zum Teil recht häufige und für den Beduinen wichtige Gräser und Cyperusarten. Sie werden von den Reisenden aber selten beachtet, da sie fast nie in größeren Beständen vorkommen und sich vom Kolorite des Wüstenbodens wenig abheben. Ich erwähne von ihnen nur den Htam (Panicum turgidum Forsk.), den Had (Pennisetum dichotomum (Forsk.) Del.), den Nussi (verschiedene Aristida-Arten), den Muasel oder Schedjeret el Djemel (Danthonia Forskali (Vahl.)

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Trin.), den Nedjil (Cynodon dactylon Perr.) und den Semur (Oyperus). Alle sind ausgezeichnete Futterkräuter für die Beduinenherden, besonders der im Osten und Süden häufige Htam und der Nussi. Aristida plumosa L. ist eine der seltenen Grasarten, die in den südlichen Teilen der Halbinsel weite Flächen in diehterem Wuchse bedeckt. Sie kleidet die Wüste erst in das Hellgrün ihrer lockig gewundenen Blätter, später dann in das Silberweiß ihrer langen Grannenhaare ein. Wo sie in großer Menge vorkommt, da wird sie zu Vorratsfutter gesammelt und in meterlange und armsdieke Zöpfe, sog. Hebal, gefloehten. Die durch regelmäßig gelagerte Steinblöcke sich verratenden alten Lagerplätze von Beduinen, denen man hie und da in der menschenleeren Gaawüste begegnet, deuten darauf hin, daß zu gewissen Zeiten, in regenreichen Jahren, wo der „Nussi“ erwacht, auch in diesem: sonst ziemlich wertlosen Gebiete Kleinvieh-Herden zur Weide getrieben werden.

Nach solchen Regenjahren, Sanawat el Baraka, wie die Beduinen sie nennen, sprießt dann auch der Aeschb, der Regenflor, in dieser Wüste. Der Nomade versteht darunter die vielen kräftigen Futterkräuter, deren Samen von Wind und Wasser, von Tieren und Menschen vom Gebirge in die Ebene hinausgetragen werden. Es können Jahre und Jahrzehnte vergehen, bis Winter- und Frühjahrsregen in solcher Menge fallen, daß der „Nussi“ in dichten Beständen die Vorland- wüste überzieht und der „Aeschb“ in den gebirgsfernen Torrenten und Sandmulden erblüht. Wenn der Segen, „el Baraka“. aber eintrifft, so ist für den Beduinen der Zeitpunkt gekommen, wo er seine Herden aus dem Gebirge in die ebenere Vorwüste führt.

Ich kann die Kräuter leider nicht alle aufzählen, die zu diesem Regenflor gehören. Sie bilden eine stattliche Zahl; denn die Natur hat dafür gesorgt, daß die Pflanzen der Gebirgswüste für die Verbreitung ihrer Samen ebenso gut organisiert sind, wie gegen die Gefahr des Verhungerns und Vertroeknens.. Nur der Mensch greift bei Verbreitung der Gebirgspflanzen über die küstenwärts führenden Ebenen hindernd ein, indem er viele der Ansiedler für medizinische und technische Zwecke aussticht und hungrige Herden dahin treibt, wo eben montaner Regenflor sein Verbreitungsgebiet erweitern wollte.

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Nördliche Kalk- und Sandsteinwüste. Wenn man diese "Wüste betritt, macht sich ein großer Wechsel der Landschafts- bilder bemerkbar. Die Wege führen in tiefe Talschluchten, an stagnierende und fließende Oberflächenwasser, auf steile Talterrassen, denudierte Felsplateaux, an steinige Berghalden und auf luftige Höhengipfel. Die großen Ebenen, wo das Flugsandtreiben den Pflanzenwuchs gefährdet, wo die Ober- flächenwasser versalzen oder versickern und Schatten zur größten Seltenheit gehört, treten gegen die Felsformation zurück, die dem Reisenden eine neue Charakterform der Wüste eröffnet, wenn er von der Küste her dem sinaitischen Zentral- gebirge sich nähert. Auch diese Kalk- und Sandsteinwüste hat ihre eigenartige floristische Ausschmückung, bedingt durch das Wechselspiel seiner Existenzfaktoren. Wo Wildbachwasser häufig nach dem Tiefland fließen, da mehren sich Busch- und Baumwuchs nicht nur in der Zahl, sondern auch in der Größe der Einzelindividuen. Neue Formen, die wir in der Vorwüste nie angetroffen, steigen aus höheren Lagen in tiefere hinab. Die Dattelpalmen gruppieren sich mit malerischer Schönheit in den farbigen Landschaften, an Felswände angelehnt oder hinter Steinmauern künstlich vor der Gewalt der Wildbäche geschützt. Die Tamarisken wachsen sich zu üppigem dichtem Buschwerk aus und bordieren kristallklare Bächlein, die recht günstig von den schmutzigen Brunnenlöchern des Vorlandes abstechen. Die Natur hat sich hier so gereinigt, daß wir keinen Anstand mehr nehmen, an jedem Wässerchen uns zu erquicken und unser Brot auf jedem beliebigen Sandfleck zu backen. Blattsträucher mischen sich unter die sparrigen Dorn- büsche der Trockenwüste. Neue Duftpflanzen durchwürzen die herrliche Gebirgsluft und das Kronenwerk der Akazien bietet fast überall reichlichen Schatten.

Da hat sich ein großblühender Kappernstrauch (Oapparis galeata Forsk.) in der Nische einer Felswand angesiedelt. Er prangt in lebhaftem Grün, hat seine Blätter aber so gestellt, daß nur ein unbedeutendes Maß von direktem Sonnenlicht sie treffen kann. Dem Beduinen ist diese biologische Eigentüm- lichkeit der Blattstellung zum Schutze gegen zu kräftige Bestrahlung nicht verborgen geblieben. Er nennt den Kappern- strauch daher Lassaf, den „Ordner“, weil er eben seine Blätter je nach dem Sonnenstand in bestimmte Ordnung bringt.

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Die fleischroten, viel von Wespen besuchten Scheinfeigen des Lassaf sind ein Leckerbissen für den Wüstenwanderer. Sie reifen im Hochsommer, gerade dann, wo man sich saftige Früchte besonders gerne schmecken läßt. Vom Beduinen werden sie auch zur Bereitung eines erfrischenden Getränkes verwendet, das Gelenk und Knochen stärken soll. Die Früchte werden zu diesem Zwecke der Länge nach aufgeschnitten, leicht gesalzen, mit Datteln vermischt und dann für kurze Zeit ins Wasser gelegt. Zur Gährung darf es bei diesem Getränke natürlich nicht kommen; denn der Islam verbietet - ja den Genuß alkoholhaltiger Getränke. Die Feigen, Tin el Lassai, werden aber auch in unreifem Zustande gewonnen und anstelle von Pfeffer als Gewürz verwendet. Zu diesem Zwecke werden sie getrocknet und gemahlen.

An manchen Stellen, seltener im Westen als in den übrigen Teilen der Halbinsel, wird oben genannte Kappernart durch den viel dürftiger entwickelten, hellblättrigen Leisuf, Capparis spinosa L., vertreten. Auch dieser hat süße, für die Herstellung eines erfrischenden Sommertrankes verwend- bare Früchte, von dem der Beduine behauptet, daß er alle Sommersorgen vertreibe (El Lassaf u el Leisui eddaua el Meisuf)..

Auch Lyeium arabieum L., den Aussedj der Araber, findet man in der nördlichen Felsenwüste. Es ist dies eine unserem Teufelszwirn verwandte kleinblättrige Solanacee mit rötlich-violetten Trichterblüten und karminroten Beeren. Der Strauch kommt überall auf der Halbinsel vor und fehlt im Süden und Osten kaum einer Talschlucht.

Sehr ergiebige Fundstellen für Regenflorpflanzen der sinaitischen Kalk- und Sandsteinwüste sind die Debbet el Ramle und die Hügelgesgend Adjramie, deren vegetations- reichster Fleck, wo eine viel frequentierte Wasserstelle sich findet, von den Beduinen kurzweg el Achdar, der „Grüne“ genannt wird. Nach einem Verzeichnis, das ich von- der Florula der nördlichen Felsenwüste angelegt habe, kommen hier wenige Arten vor, die nicht auch im benachbarten Pa- lästina anzutreffen wären. Es ergibt sich aus dieser Liste aber auch eine große Uebereinstimmung mit der ägyptischen Isthmus- und Rotmeerwüste, sowie mit dem als pelusische und marmarische Küstenregion bezeichneten nordägyptischen Küsten-

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streifen. Diejenigen Arten, welche in Palästina fehlen, sind sämtlich in Aegypten vertreten. Viele Beziehungen weist diese Florula auch mit denjenigen der libyschen Wüste und der Barbareskenstaaten auf. Weniger Annäherung zeigt sie zur tropischen und subtropischen Afrikaflora und seltene Anleh- nungen nur an die Floren von Mitteleuropa, Kleinasien, Mesopotamien, Persien und die Trockengebiete von Vorder- indien. Sie erweist sich dadurch als ein echtes Glied der mittelländischen, speziell der südostmediterranen Wüstenregion. Ich möchte hier immerhin beifügen, daß sich mein Verzeichnis nur auf den westlichen und südlichen Teil der sinaitischen Kalk- und Sandsteinwüste bezieht, also auf denjenigen Teil, den ich bei Besprechung der geologischen Verhältnisse als „westliche Randwüste der Tih“ bezeichnet habe. Die östliche Kranzwüste und das Tihplateau, von seiner Südspitze bis zu den Karawanenstraßen, die über die Wasserstellen Hassana, Hudera und Kosseima führen, ist floristisch noch fast unbekannt. Auch über die erwähnten Brunnengebiete, die Berggegenden Jelleg, Hemma, Hellal ete., liegt sehr spärliches botanisches Sammelmaterial vor. Es ist jüngst darüber durch Dr. Range, Berlin, berichtet worden, in einer „Die Flora der Isthmus- wüste“ betitelten Arbeit. Auch Fourteau-Kairo soll in diesem Gebiete gesammelt haben (1920).

Südliche Felsenwüste (Kristallinisches Massiv). Dieses Gebiet beginnt mit der Serbalgruppe, die zwischen der Gaa-Ebene und der Hügellandschaft el Adjramie sich auftürmt. Es zeigt schon auf seinen nördlichen Zugangsstraßen, im Wadi Sidre und im Wadi Barag, einige botanische Merkwürdigkeiten.

Im Wadi Sidre findet sich, wie sein Name schon andeutet, als erster Vorbote aus dem Süden der Sidrebaum, Zizyphus Spina-Christi W. Im Koran wird von ihm erzählt, dal Gott ihn zur Strafe der Sabäer aus einem Baum mit süßen Früchten zu einem solehen mit bitteren Früchten verwandelt habe. Als Entgelt für die ihm unverdienterweise zugedachte Degradation steht er nun aber auch im siebenten Himmel, gleich neben dem Throne Allahs. Die Araber haben daher eine grobe Verehrung für diesen Baum und pflanzen ihn überall an, wo die Wasserverhältnisse es gestatten. Ohne solche Fürsorge würde der Baum auf der Sinaihalbinsel kaum anzutreffen sein. Ich glaube, daß da, wo er auf dem Sinai vorkommt, überall

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der Mensch die Hand im Spiele hatte, daß er von den Ana- choreten, vielleicht sogar von den Sarazenen, als Trocken- fruchtbaum hier eingeführt wurde und nachträglich auch von den Beduinen weiter gezüchtet wurde. Die Frucht, von den Sinaiten Näbg oder Näbega genannt, ist gar nicht so schlecht, daß sie von einem anspruchslosen Wüstenbewohner verschmäht werden sollte. Die Kultur hat sogar schon einige bessere Sorten dieser Frucht hervorgebracht, wie z.B. die Djami, welche wie die gleichnamige Dattelsorte den Inbegriff alles Guten darstellt. Es gibt aber auch saure, apfelduftige und trockenfleischige Näbgfrüchte, die entweder frisch gegessen oder in trokenem Zustande vermahlen und mit Milch vermischt genossen werden. Dem europäischen Gaumen schmeckt die Näbega erst nach längerer Wüstenbummelei; denn frisch vom Baume gepflückt stört das schleimige Fruchtfleisch und in getrocknetem Zustande der große Kern, dem nur eine magere Hülle süßlicher Zellulose aufliegt.

Das Wadi Barag ist in botanischen Kreisen durch das im Jahre 1889 durch Professor Rütimeyer, Basel entdeckte Lasiospermum brachyglossum var. sinaitica Aschers. bekannt geworden. Ascherson hat die sinaitische Art als eine vom südafrikanischen Urtypus durch purpurfarbene Blüten ab- weichende Varietät beschrieben, „die für die längst bemerkten pflanzengeographischen Beziehungen zwischen den mediterranen und orientalischen Flora einerseits und der des extra-tropischen Südafrika anderseits ein weiteres ausgezeichnetes Beispiel bietet.“ Wir haben in dieser neuen, dem Sinai eigenen Form also eine Wüstenpflanze vor uns, deren Stammform über den beiden afrikanischen Tropengürteln, in einer Distanz von über 6500 km zu finden ist. Das Merkwürdigste dabei ist aber, daß auf dem ganzen überwanderten Gebiete bis jetzt noch keine andere der Brachyglossumart verwandte Lasiospermumform gefunden wurde. Wenn Rütimeyer nicht ausdrücklich vermerkt hätte, daß die Pflanze sich massenhaft im Wadi Barag fand, hätte ich an eine Verwechslung von Herbarienmaterial geglaubt, wie solehe sich schon häufig eingeschlichen haben. Das Vor- kommen von Lasiospermum brachyglossum var. sinaitica wurde neulich aber auch noch von Kneucker und Guyot bestätigt. Es ist in den betreffenden Berichten allerdings nur von zwei Exemplaren die Rede, von denen das eine später verloren

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gegangen, das andere sehr schmächtig gewesen sei. Beide Funde wurden am Fuße des Serbalstockes gemacht, also etwas südlich des Wadi Barag. Es wäre äußerst interessant zu erfahren, ob Lasiospermum auch schon von andern Sinai- reisenden gefunden wurde, und wo diese Exemplare heute aufbewahrt werden. Ich selbst habe dieses Pflänzchen nie gesehen, obschon ich im Wadi Barag und am Fuße des Serbal botanisiert habe. Ich konnte leider auch nicht in Erfahrung bringen, ob es auf einer botanischen Sammeltour gefunden wurde, die ich seinerzeit mit Erneste Cramer aus Kairo nach der dortigen Gegend machte.

Das nordwestliche Florengebiet des Serbalstockes war zur Zeit meines Sinaiaufenthaltes noch unbekannt. Ich war der erste, der in den Gebirgstälern botanisierte, die vom West- abhange der Serbalberge her in die Gaa, speziell in die Migra- ebene einmünden. Nach einem Verzeichnis der anfangs der Neunzigerjahre dem botanischen Museum in Zürich abgetre- tenen Pflanzen und nach einem kleinen Handherbarium, das sich noch in meinem Besitze befindet, habe ich dort folgende . Arten eingesammelt: Atriplex parvifolium Lowe, Sawignya parviflora (Del.) Webb., Diplotaxis acris (Forsk.) Boiss., Diplo- taxis harra Boiss., Mathiola acaulis D.O., Malcolmia aegyptiaca Spreng., Sehimpera arabica H.St., Astragalus sparsus Bar., Trigonella stellata Forsk., Salvia spinosa L., Plantago ovata Forsk., Anthemis melampodina Del., Odontospermum graveolens Sch. Bip., Zollikoferia spinosa Boiss., Centaurea pallescens Del. und Phoenix dactylifera L. Nach mir hat Barron noch einige Arten aus diesem Florengebiete bekannt gegeben.

Der Ostabhang des Serbal weist in seinen niederen Lagen eine Mischflora auf, die sich aus Typen verschiedener Gebiete zusammensetzt. Ich verstehe unter dieser Mischflora diejenige des Wadi Feran, das wohl wie kein anderes Tal der Sinai- halbinsel von häufigen und hochgehenden Wildbächen durch- tobt wird. In. seinem eingeengten Mittellaufe, der die Gebirgs- tälehen des östlichen Serbalabhanges und die westlich fließenden Wasser des Djebel el Benat aufnimmt, können sich peren- nierende Pflanzenarten nur an besonders geschützten Orten halten. Alles andere wird früher oder später vom Wildbach weggeschwemmt. Es findet hier ein ununterbrochenes Kommen und Gehen der einjährigen Pflanzen statt. Wir begegnen

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hier selten einer Dauersiedelung, wo der ausgestreute Samen jedes Jahr an derselben Stelle einen neuen Nachwuchs hervor- bringt. Einigen Schutz findet die wilde Flora nur dort, wo der Mensch in den Kampf eingreift, um Kulturen vor den Winterfluten zu schützen. Der Botaniker, der in diesem Ge- biete sammelt, wird sein Augenmerk daher gerade auf diese Stellen richten und weniger auf die Wildbachrillen, welche wie Pflugscharspuren die Talsohle der Länge nach durchziehen. Noch reichere und originellere Ausbeute findet er aber auf den Talterrassen, die dem Pflanzenwuchs mehr Sicherheit bieten als die kleinen Kulturflächen in der Talsohle. Hier trifft er eine ganz auserlesene Gesellschaft von Wüstenpflanzen, die große Trockenheit ertragen. Bov& sammelte hier, hatte aber nur eine magere Ausbeute zu verzeichnen. Im Jahre 1902, also vier Jahre nach meinem Wegzug vom Sinai, hat dann Kneucker, der Herausgeber der bekannten „Allgemeinen Botanischen Zeitschrift“ (Karlsruhe) eine zeiche Ausbeute von dort mitgebracht.

Di höheren Berglagen des Serbal sind steil und „boden- arm.“ $ie sind daher mit der Pflanzenmappe schwer zu be- En und sehr sparsam mit Vegetation bedeckt. Umso inter- essanter ist aber diese Flora. Schon der vortreflliiche Ehrenberg (1820) hat hier oben eine Anzahl von Moosen gesammelt, die in den tieferen Regionen der Sinaiwüste natürlich keine Verbreitung finden. Nach ihm hat Kneucker als Zweiter dieser Mikroflora eine verdankenswerte Beachtung geschenkt. Er hat die Pflänzchen in einer Seehöhe von 1500—2100 m gesammelt und nachgewiesen, daß sie mit der nord- und süd- afrikanischen, südeuropäischen, west- und innerasiatischen, nord- und südamerikanischen, tasmanischen und neuseeländischen Moosflora Uebereinstimmungen aufweisen.

Wenn ich die Pflanzen der Listen von Bove und Rütimeyer durchgehe und mit den von mir gesammelten Arten vergleiche, so sind es nur wenige Spezies, die ich nach diesen Forschern dort gefunden habe: Phragmites communis Trin., Anabasis articulata (Forsk.) Mogq., Aerva javanica Juss., Zilla myagroides Forsk., Malcolmia aegyptiaca Spreng., Schimpera arabica Hochst: d& Steud., Retama Raetam Webb, Reaumuria sp., Mentha syl- vestris L., Verbascum sp., Citrullus colocynthis Schrad., Arte- misia herba-alba Asso., Centaurea scoparia D.C. und Iphione

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seabra D.C. Lasse ich die von Ehrenberg und Kneucker gefundenen Moose und Flechten unberücksichtigt, so sind es im ganzen nur 172 Arten, die ich bis jetzt für das Serbal- gebiet verzeichnet habe. Darunter befinden sich 74 Arten aus der ägyptischen und 138 Arten aus der Palästina-Flora. Nur wenige Formen sind diesen beiden Florengebieten wahr- scheinlich fremd: Ziquisetum ramosissimum f. Firanensis, Bromus mazximus Desf., Juncus bufonius L. f. fasciculiflora und var. subauriculata, Silene arabica Boiss., Arenaria graveolens Schreb., Matthiola acaulis, Sisymbrium Kneuckeri f. aprica Kn., Cotyledon umbilicus L., Crataegus sinaicus Boiss., Astragalus corrugatus Bert. f. brevipes, Erodium laciniatum Willd. f. pulverulenta, Primula Boveana Cee., Trichodesma africanum v. homotricha Born d Kneuck. und v. heterotricha Born. & Kneuck., Salvia aegyptiaca L. v. glandulosissima, Origanum maru v. sinaica, Anarrhinum pubescens F'res., Galium Decaisnei Boiss., (2) Cen- taurea araneosa Boiss., Cent. scoparia D.O. v. canescens und v. virescens, Iphione montana Vahl. und Lasiospermum brachy- glossum D. 0. v. sinaica. Die wenigen Kulturgewächse, welche im Wadi Feran angepflanzt werden, sind wohl durch die Anachoreten, vielleicht sogar früher schon nach dem Serbal- gebiete gebracht worden. Sie setzen sich zusammen aus: Triticum durum v. Megapolitana, Hordeum sativum, Fieus carica v. rupestris, Brassica Tournefortü, Zizyphus spina Christi und Nicotiana rustica.

Einer viel reichhaltigeren Flora begegnen wir in den Bergen der Sinagruppe, zu weleher nicht nur die Gebirgs-. stöcke des Djebel Musa, Dj. Katarina und Umm Schomer, sondern auch die Landschaften zwischen Wadi Hebran und Wadi Isle, die Rahaba-Ebene und die obersten Teile des Wadi Selaf und Wadi el Schech gerechnet werden dürfen. Nach meinem Artenverzeichnis, das natürlich auch für dieses Gebiet noch unvollständig ist, setzt sich seine Flora aus 279 Arten zusammen. Sie weist 205 Arten auf, die in Palästina vorkommen und 180 ägyptische. Von Kultur- gewächsen sind außer den Gemüsepflanzen der Klostergärten _ für dieses Gebiet folgende zu nennen: (upressus sempervirens, Phoenix dactylifera, Olea europaea, Populus alba, Orataegus . sinaica, Mespilus aronica, Ficus communis, Amygdalus com- munis und Vitis vinifera. Unter den wildwachsenden Pflanzen,

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welche weder in Aegypten, noch in Palästina vorkommen, sind zu erwähnen: BDromus tectorum L. v. antiantha, Brom. Japonicus Thunb. v. sinaica, genuinus und incanus, ein Hybrid zwischen Dr. tectorum und Br. japonieus, Oyperus juneiformis Desf., Alsine brevis Boiss. und Als. pieta Sibth. & Sm. v. sinaitica, Buffonia multiceps Dec., Dianthus sinaicus Boiss., Holosteum liniflorum Stev., Paronychia lentieulata Asch. & Schwfth., (nicht Spergula flavida Nußb.!), Sılene eremophila Bienert und Si. leucophylla Boiss., Alyssum marginatum Steud., Ulypeola miero- carpa Boiss., Sisymbrium Kneuckeri Bornm.. Rubus fruticosus Feuerb., Astragalus F'ressenii Dec. und Kneuckerie Freyn., Tephrosia purpurea Pers., Erodium laeiniatum Cav. (triangulare Forsk.) v. pulverulenta Boiss., Euphorbia obovata Dee., Abutilon sinaicum, Primula Boveana Dee., Lithospermum orientale L. Trichodesma africanum L. v. homotricha und v. heterotricha, Ballota Schimperiana Bth., Mieromeria myrifolia Boiss., Mentha silwestris L. v. angustifolia und v. lavandulifolia Boiss., Nepeta septemeren ıta Ehrbg., Otostegia moluccoides (Vahl.) Jub. & Sp., Anarrhinum pubescens Fres., Linaria macilenta Dee. und Lin. simplex D.C, Verbascum Schimperianum Post und eine neue, von mir Herrn Prof. Schweinfurth übermittelte Verbaseumart, Veronica macropoda Boiss., Asperula sinaica Dee., Orueianella eiliata L. v. hispidula, Galium sinaicum Boiss. und Gal. tenerum Gaund., Erigeron Bovei (D.C.) Borss., Zollikoferia (Launaea) deserti D.O., Centaurea scoparia D. (0. v. virescens, Pyrethrum santalinoides D.C., Senecio Decaisnei D.C. f. subsimplex Bornm. und Scorzonera mollis M. B. v. glabrata Bornm. & Kneuck.

Es erübrigt, alle Arten aufzuzählen, die vor der Anlage meines Herbariums aus der Sinagruppe noch nicht bekannt waren. Sie decken sich zum größten Teile mit denjenigen, die nach mir Kneucker, Barron und Hume, in diesem Gebiete gesammelt haben. Ich möchte hier nur diejenigen aufführen, welche von mir für die Sinagruppe neu festgestellt wurden. Es sind: ‚Juncus maritimus Lm., Salsola foetida Del., Anabasis articulata Moq., Paronychia lentieulata Asch. d& Schwfth., Coceulus Leaeba D.0O., Diplotaxis acris. (Forsk.) B., Schouwia purpurea Forsk., Zilla myagroides Forsk., Pagonia arabica L. und Pag. glutinosa Del., Zizyphus spina Christi L., Abutilon sinaicum, Lithospermum orientale L., Lycium arabieum Schwfth., Linaria floribunda Boiss., Verbascum sp. nov., Philipea lutea Desf. und

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Phil. tubulosa Schenk., Echinops spinosa L. und Reichardia tingitana Benth. :

In dieser höchsten Region der Sinaihalbinsel, wo, wie bereits angedeutet, ein bekannter Gelehrter Spuren einer alten Gletscherzeit entdeckt zu haben glaubte, möchte man vielleicht Anklänge an die Flora unserer Alpenwelt vermuten. Ein flüchtiger Blick auf die vorstehenden Pflanzenlisten zeigt aber sofort, daß in dieser Richtung nicht viel zu erwarten ist. Mannigfaltigkeit der Pflanzenwelt, d.h. große Artenzahl, dafür aber eine sehr geringe Individuenzahl der vorhandenen Arten, das ist das Typische der Sinaflora.. Wir finden in diesen Bergen tatsächlich nirgends Pflanzenpolster, wie sie uns aus der Nivalregion der Alpen zur Genüge bekannt sind, - nirgends eine geschlossene Grasflur, nirgends einen Baum- bestand, den man ohne Uebertreibung auch nur ein „Hölzchen* nennen könnte. Keine der niedlichen Steinbrecharten, keine Enziane, keine Rapunzeln und Glockenblumen und kein Edel- weiß sind in diesen Bergen zu finden. Es fehlen die Knaben- kräuter, die Studentenblümchen, Veilchen und Cyelamen, die Nadelhölzer, Birken und Erlen, Alpenrosen und andere Ericaceen. Dafür finden wir in überwiegendem Maße Pflanzentypen des ariden Mittelmeergebietes; ja sogar einige Typen aus dem tropischen Afrika und aus dem südlichen Arabien haben sich hier angesiedelt. Nur die wasserführenden Talsohlen sind an einzelnen Stellen mit dichterem Busch- und Schilfwerk verbarrikadiert. Niederes Artemisiagebüsch wandert aus der Vorwüste in das Gebirge hinein und wird in höheren Lagen von einem verwandten Zwergwermut abgelöst. An Oertlich- keiten, wo Wasser in stillem Plätschern über die Felsen rieselt, hat sich der Frauenhaarfarn, Adiantum eapillus Venerüs L. als Fremdling, zugleich .aber auch als Weltbürger unter die. Wüstenflora gemischt. Aus den Halbwüsten der Tropen ist Oalotropis procera R. Br., ein baumartig entwickeltes Seiden- pflanzengewächs, in einzelne Täler eingedrungen, wohl aus Samen hervorgegangen, die in Sattelpolsterungsmaterial aus Arabien und aus dem Sudan hieher verschleppt wurden. Im Vergleich zur Serbalgruppe und zu den Kalk- und Sandstein- gebieten des Nordens und Westens sind die Gräser in der Sinagruppe reichlich vertreten. Allerdings nicht in jener großen Artenzahl, wie sie aus der Isthmuswüste bekannt ge-

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worden sind. Mit Ausnahme der Schilfbestände tun sie sich nirgends in gedrängtem, üppigem Wuchse zusammen. Sie stehen meist vereinzelt, höchstens zu kleinen Büschen gruppiert, und, was alle Wüstenpflanzen als Charakteristikum aufweisen, weite Räume für Zufallssiedelungen zwischen sich freilassend. Das Rispengras, Poa, welches in unseren Alpen eine so wichtige Rolle als Futterpflanze spielt, kommt hier in einer spezifischen Form, Poa sinaica Steud., vor, aber so ver- einzelt, daß es von den andern Grasarten an wirtschaftlicher Bedeutung weit übertroffen wird. Unter den Öyperaceen fehlt das bekannte Wollgras unserer alpinen Sumpfwiesen. Dafür haben sich Gattungsverwandte aus tropischem und sub- . tropischem Klima hier festgesetzt. Die Dattelpalme behauptet bis hoch in das Sinagebirge hinein ihr mediterranes Wohn- recht; sie bringt es hier sogar zu einer der besten Frucht- sorten, der sogenannten Djami-Dattel, degeneriert allmählich aber zu einer Zwergform. Die Liliengewächse sind in den Sinabergen viel spärlicher verbreitet als in der Alpenkette. Es fehlen die „Bränderli* und der Frühlingssafran. Nur ein Gelbstern, Gagea retieulata Pall., erinnert lebhaft an die Blumen unserer Alpenwelt. Die übrigen im Sinagebiete vor- kommenden Liliaceen gehören der mediterranen und tropischen Flora an. Die Weide, der wir im Sinamassive begegnen, ist zum Vollstrauche, nicht zur verkürzten Gletscherweide aus- gewachsen. Sie liefert dem Beduinen das brauchbarste Material für Pfeifenrohre und Reitstöcke, findet für die Herstellung von Flechtwerk aber keine Verwendung. Als guten Bekannten aus dem Serbalgebirge finden wir in der Sinagruppe den wilden Feigenbaum, Ficus pseudosycomorus Dec., wieder. Er ist häufiger als dort und wächst an manchen Stellen zu großen, malerischen Büschen aus. Man könnte glauben, daß dieser Strauch das Relikt einer regenreicheren Periode wäre; denn seine dunkelgrünen, großen Blätter stechen auffallend ab von dem grauen, sparrigen und kleinblättrigen Wüsten- gestrüpp. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich aber auch der von den Arabern im Gegensatz zum echten Feigenbaume Hamad genannte Strauch als ein echtes Wüstengewächs mit Wollbehaarung und milchigem Zellsafte, die vor zu starker Transpiration schützen. Die Gänsefußgewächse, Cheno- podiaceen, welche den Sinabergen eigen sind, weisen auf die

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Floren der Mittelmeerregion und der Tropen hin. Neben unserm „guten Heinrich“ wären die sinaitischen Verwandten schwer zu erkennen. Nur unter den Nelkengewächsen begegnen uns einige Formen, die an die Alpenflora erinnern: zwei Mierenarten, ein Sand- und ein Hornkraut, zwei echte Nelken (Dianthus libanotis Lab. und Dianth. sinaicus Boiss.) sowie ein Gipskraut, das sogar zu einer Varietät „alpina“ sich entwickelt hat. Auch Bergnelkengewächse, die vom Niehtbotaniker ihrer reduzierten Statur wegen leicht übersehen werden, finden sich auf Sinas Höhen, darunter aber nicht eine einzige Art, die unsern Alpen eigen wäre. Die Mohn- und Erdrauchgewäche, von denen sich 6 Arten im Gebiete des Sinamassives vorfinden, gehören fast alle der Mittelmeerflora ' an. Einige von ihnen sind bis nach Abessinien, Mesopotamien, Afghanistan und Indien hinein verbreitet. Ebenso ausgespro- chene Typen der mediterranen Flora sind die meisten Kreuz- blütler, von denen merkwürdigerweise gerade die Gattung Arabis, also eine nach ihrer arabischen Heimat benannte Gruppe, unserer Alpenflora zugehört. Die Jerichorose, Anastatica hierochuntica L., die sich gelegentlich in den Sina- bergen findet, ist ein Wüstentyp, wie ihn der raffinierteste Pflanzenbiologe nicht besser ausdenken könnte; desgleichen die stachlige Zilla, die keine Doppelgängerin in unsern Alpen hat. Die Capparideen, welche uns aus den Sinabergen bekannt sind, gehören zu den typischen Formen der benach- barten Tropen- und Subtropengebiete.e Die Resedaceen: Caylusea canmescens St. Hil., Ochradenus baccatus Del. und Reseda pruwinosa Del. sind auch keine Alpenpflanzen, ebensowenig, als Moringa aptera Gart., Cotyledon umbilicus L. und Neurada procumbens, die einzige wildwachsende Rosacee unseres Ge- bietes. In den Klostergärten finden wir viele kultivierte Rosengewächse: Birnen, Mispeln, Quitten, Kirschen, Weißdorn, Pfirsiche, Mandeln und Himbeeren. Unter den Leguminosen spielt das artenreiche Genus Traganth die bedeutendste Rolle. Es ist den Mittelmeergebieten und den asiatischen Steppen eigen. Eine typische Mediterranpflanze ist der Ginster, Retama Raetam Forsk., der dem ganzen Sinai- gebiete eigen ist und hier oben mancherorts fast geschlossene Bestände bildet. Auch die Akazien, unter welchen Acacia tortilis Hayne vorherrscht, sind nordafrikanische Charakter-

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pflanzen. Sie kommen meist vereinzelt vor, selten zu kleinen Hainen gruppiert. Die Storchschnabelgewächse sind in der Sinagruppe nicht sehr artenreich. Charakteristisch sind die Gattung Erodium und Monsonia nivea Boiss., welch letztere nahe Verwandte in Südafrika und Persien hat. Unter den Zygophyllaceen, die keine Vertreter in den Alpenketten haben, sind die Gattungen Fagonia und Zygophyllum je mit einigen Arten am Aufbaue der Sinaflora beteiligt. Es sind die gewöhnlichen Formen, die von Palästina und Aegypten her bekannt sind. Desgleichen sind Peganum harmala L. und Tribulus alatus D.C. der weiteren Umgebung des Sina- stockes eigen. Bove hat im Sinagebiete auch eine Raute, Ruta tubereulata A. Juss. entdeckt, die von Marokko bis in die persischen Wüsten hinein ihre Verbreitung hat. Sie wurde von Kneucker in der westsinaitischen Felsenwüste gefunden, so daß man annehmen darf, sie komme, wenn auch nirgends häufig, auf der ganzen Halbinsel vor. Unter den Wolfs- milchgewächsen ist die Gattung Buphorbia mit den Arten chamaepeplus Boess., cornuta Pers. und ovata Dec. vertreten. Keine von diesen findet sich aber im mittleren Europa wieder. Kneucker verzeichnet Andrachme telephoides L. als ein Gewächs der Sinagruppe. Ich habe im Serbalgebirge und in den Süd- und Ostbergen des Zentralmassives nur Andrachne aspera Spreng. eingesammelt. Von den Malvengewächsen habe ich drei Arten in meine Sinaliste aufgenommen: Malva parviflora L., Abutilon fruticosum D.C. und Abdutilon sinaicum. Die be- kanntesten Pflanzen des Sinagebietes sind wohl die Tama- risken, welche das biblische Manna liefern. Es handelt sich wahrscheinlich um Tamarix nilotica Bunge., welche Ehren- berg als mannifera bezeichnet hat. Wie bereits bemerkt, ist man noch im Unklaren über die Entstehung dieses Tamarisken- honigs. Selbst seine Herkunft ist noch nicht sicher bestimmt. Er wurde bis jetzt nur im Wadi Tarfa (Oberlauf des Wadi Isle) und im Wadi el Schech gesammelt, scheint also nur unter ganz besonderen Bedingungen vorzukommen. Worin diese. Bedingungen bestehen, weiß man bis jetzt noch nicht. Manche schreiben das Exsudat dem Stiche von verschiedenen Insekten, andere einer Flechte zu, die sich auf den Tamarisken ansetzen soll. Ich neige zu der Ansicht, daß der Mannafluß gesteigertem Wurzeldruck zu verdanken ist, der in- wasserreichen Tälern

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während den heißen Sommermonaten eher zu erwarten ist, als an Stellen, wo das Grundwasser spärlich und in größerer Tiefe abströmt. Ob es aber nur innere, durch den Bau der Zellgewebe bedingte Ursachen sind, die den Honig aus den Zweigen treiben, oder ob das Zutreten äußerer Faktoren (Insektenstich, Insektenfraß ete.) für den Ausfluß nötig ist, darüber möchte ich mich vorderhand nicht äußern. Vielleicht ist es auch nur eine der Sinagruppe eigene Lokalform der Tamariske, die Mannabildung ermöglicht. Aehnliche Honig- bildungen habe ich, wie schon angedeutet, bei Haloxylon und Artemisia herba-alba. beobachtet. Biblische Manna könnte also auch von diesen Sträuchern gewonnen worden sein. Sehr gesucht erscheint mir die Uebersetzung des hebräischen Wortes Manna mit „Schnee“, weil dabei von „schmelzen“ (oder fließen) die Rede sei. Zur Zeit des Exodus waren doch keine wasser- losen Schnee- bezw. Firnfelder vorhanden, auf denen man, wie bei uns in den Alpen, Schnee und Eis zum Stillen des Durstes zu verwenden gezwungen war. Wo Schnee auf dem Sinai liegt oder in historischer Zeit schon gelegen hat, da ist und war immer auch Trinkwasser zu finden. Die Israeliten hätten sicher keinen Anlaß gehabt, mit Schnee oder Eis sich zu be- helfen. Daß sie, oder wenigstens einzelne von ihnen, Schnee und Eis nicht gekannt und nicht mit einem besonderen Worte hätten bezeichnen können, ist ebenso unverständlich. Warum haben denn die aus viel wärmeren und schneeärmeren Gebieten stammenden Araber ein Wort dafür? Und daß der hebräische Fragepartikel „Man“ („was ist das?*) von den Israeliten zur Bezeichnung des fremdartig erscheinenden Naturphänomens verwendet worden wäre, ist unwahrscheinlich. Es mußten ihnen in der ägyptischen Gefangenschaft und auf der Wüsten- wanderung, bevor sie die höchsten Gipfel des Gebirges er- reichten, unzählige Dinge unbekannt vorgekommen sein, ohne daß sie dieselben mit „Man“ bezeichnet hätten. Warum hätten sie denn gerade hier den alltäglichen Fragesatz zur Bezeichnung einer Sache verwenden sollen, von welcher sicher- lich doch recht viele zum mindesten schon gehört hatten? Zwei bemerkenswerte Pflanzen der Sinaberge sind Promula Boveana Dee. und ein Tausendguldenkraut, Zrythraea spicata Pers. Die Primel wurde von Bove entdeckt und von Decaisne beschrieben. Ich kenne ihre verwandtschaftlichen

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Beziehungen zu den Alpenprimeln nicht, nehme aber in An- betracht, daß der Sinai so wenig Arten mit der Alpenflora gemein hat, an, daß sich die sinaitische Primel eher den asiatischen Formen nähert. Erythraea spicata ist eine Pflanze, welche sich von Mittel- und Südeuropa über Aegypten nach Arabia Petraea bis in das nördliche Ostafrika hinein ver- breitet hat. Neben dem seltenen Calotropisstrauche, den ich früher schon erwähnt habe. sind Daemia cordata R. Br. und Gomphocarpus fruticosus Dec. die sinaitischen Vertreter der Seidenpflanzengewächse. Letztere beide sind typische Mittelmeerpflanzen, die erstere bis nach Nubien, Abessinien, Arabien und Persien hinein verbreitet. Die Windengewächse sind durch den stachlichen Oonvolvulus hystrix Vahl. vertreten. Er ist nur in seinem typischen Blütenbau als ein Verwandter unserer zarten Winden zu erkennen. Auf den ersten Blick hin hält man ihn für ein Stachelgeschöpf der Wüste ohne verwandtschaftliche Beziehungen zu unserer heimischen Fiora. Sehr zahlreich sind im Sinagebiete die Boretschgewächse vertreten, nämlich in 8 Gattungen mit zusammen 18 guten und 2 Unterarten. Die meisten von ihnen gehören der nord- afrikanisch-orientalischen Region an, einzelne auch dem tro- pischen Afrika. Trichodesma africanum finden wir sogar im Kaplande wieder. Eine auch über Südeuropa verbreitete Form der Boretschgewächse ist Lithospermum tenwiflorum L., eine typische Pflanze des Mittelmeergebietes. Selbstverständlich geht das Sinamassiv auch nicht leer aus inbezug auf die Lippenblütler. Wir finden daselbst viele von Palästina und Aegypten her bekannte Arten: an den Bachläufen die aromatische Mentha, welche der Beduine zum Parfümieren seiner Dattelwürste und als Arzneimittel verwendet; unter schattenspendenden Felsblöcken eine graufilzige Ziestart; auf steinigem Gehänge den Ysop der Klosterbrüder, eine dem Sinai eigene Teueriumart; in den steinigen Nebentälern ein Lavendelkraut mit fast ebenso starkem Aroma wie die vorhin erwähnte Wasserminze. Die Familie der Nacht- schattengewächse ist besonders durch Hyosceyamus muticus L., Lycium arabieum L. und Solanum nigrum L. vertreten. Sie gehören alle der mittelländischen Flora an und beleben die Wüste nicht nur durch das dunkle Grün ihrer Blätter, sondern auch durch das blaue und violette Kolorit ihrer Blüten.

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Ihrer Auffälliskeit wegen würden sie leicht den pflanzen- fressenden Tieren zum Opfer fallen, wenn sie sich nicht durch Giftstoffe vor ihnen schützen könnten. Unter den Braun- wurzgewächsen sind die Königskerzen als die schönsten und größten zu nennen. Ich erwähne aus dieser Gruppe das großblättrige Verbascum Schimperianum B. und eine ihm ähn- liche, durch spitzgezahnten Blatitrand ausgezeichnete neue Art, die ich im Jahre 1886 im Wadi Isle gefunden habe. Daneben kommt noch eine kleinere Form, Verbasc. sinaiticum Benth., mit zierlich gekräuselten Blättern vor. Ein anderes, durch tiefes Blütenblau aus seiner Umgebung hervorstechendes Braun- wurzgewächs ist Veronica anagallis L., unser zierender Ehren- preis, der fast nirgends fehlt, wo Wasser in den Talsohlen fließt. Die Beduinen benutzen ihn als Gemüsepflanze. Ver- schiedene Zinariaarten und Zöndenbergia sinaica Benth. sind geschätzte Futterkräuter für die Kleinviehherden. Im Früh- jahr, nach dem Verblühen des Regenflors, findet sich häufig eine Phelipea unter den Tamariskenbüschen. Sie wird 20 bis 30 cm hoch und entwickelt buntgefärbte Stengel mit schuppen- förmigen Blättern und braungefleckten Blütenständen. Die Beduinen nennen sie Daualil, „Vagabund“, weil sie arbeits- scheu auf Kosten ihrer Wirte lebt. Sie schmarotzt auf den Wurzeln der Tamarisken und der Artemisia judaeica’ Der südeuropäischen und der nordafrikanischen Flora an- gehörend, zeugt auch sie für die Zugehörigkeit der Sina- gruppe zum mediterranen Florengebiete.. Die Bärenklau- gewächse, die hier nur durch eine einzige Art, den Zwerg- strauch Dlepharis edulis Pers. repräsentiert werden, sind im Süden und Osten der Halbinsel etwas häufiger, als in den Sina- bergen. In ihrem Stachelschutze gräbt sich die Dornschwanz- eidechse ihre verborgenen Schlupflöcher. Die Wegerich- gewächse, die im benachbarten Aegypten und Palästina eine sehr artenreiche Gruppe bilden, finden wir im Sinagebiete in nur vier Arten vor: Plantago amplexicaulis Cav., Pl. arabica Boiss., Pl. Psylium L. und Pl. ovata Forsk. Der Alpen- wegerich, der von Mitteleuropa bis in die Pyrenäen hinein beheimatet ist, hat seinen Weg so weit nach Süden, über das mittelländische Meer hinaus, nicht gefunden. Verhältnismäßig gut vertreten sind im Sinagebiete die Krappgewächse, welche etwas weiter im Norden, in den Bergen von Palästina,

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noch viel häufiger sind. Ich erwähne von ihnen nur Olden- landia Sehimperi Boiss. und Callipeltis als sinaitische Formen. Unter den Galiumarten sind Gal. tenerum Gaud. und Gal. sinaicum (Dec.) Boiss. spezifische Typen der Sinaflora. Ihnen schließen sich als Lokalformen an Asperula sinaica Dec. und Orueiamella L. v. hispidula. Die Sinaihalbinsel und speziell das Sinamassiv sind arm an Gurkengewächsen. Die beiden einzigen wildwachsenden Formen, die aus diesem Gebiete bekannt geworden sind, habe ich bereits erwähnt: Koloquinte und Prophetenmelone. Speisegurken, Wassermelonen und andere Kulturformen dieser Gruppe scheinen weder in den Klostergärten noch in den Kleingärten der Beduinen gezogen zu werden. Ihr Anbau ist auf die Küstengebiete beschränkt; sie haben in Arisch sogar die Bedeutung eines wichtigen Aus- fuhrartikels gewonnen. Die Kompositen des Sinamassives sind nach meinem Verzeichnis durch etwa 40 Arten vertreten. Unter ihnen sind Artemisia, Francoeuria, Pulicaria, Iphione und ZLaunaea (Zollikoferia) die vorherrschenden Gattungen. Artemisia judaeica L. findet sich in fast allen Talläufen bis zu mittlerer Seehöhe hinauf, wo dann Artemisia herba-alba Asso an ihre Stelle tritt. Die beiden Arten durchduften ihre Standorte intensiv, ebenso wie Pulicaria undulata Boiss., die kaum einer Talschaft fehlen dürfte. Iphione scabra D.C. mischt sich oft in großer Zahl zwischen diese beiden Gewächse. Sie verbreitet aber einen widerlichen Geruch, weshalb die Beduinen sie als „Stinkkraut* (Dafara) bezeichnen. Die stachlige Zawunaea« kommt in mehreren Arten vor: Laumn. nudicaulis Boiss., Laun. deserti D.C. und Zaun. spinosa Boiss., die alle felsige Talnischen bevorzugen, gelegentlich aber auch in offenen Wildbachbetten vorkommen. Die Art spinosa sondert einen guttaperchaartigen Saft ab, der sich eventuell für tech- nische Zwecke verwenden ließe. Ich habe eigroße Ballen dieses allerdings wenig elastischen Exsudates an einzelnen Stämmen gefunden. Die meisten Kompositen der Sinagruppe sind auch über Aegypten und Palästina verbreitet. Manche, wie Iphione scabra, HEechinos spinosa L., Centaurea . scoparia D.O. und Reichardia tingitana Roth. sind sogar bis in das tropische Afrika, Arabien und Indien hinein verbreitet. Brigeron alpinus L., von welchem Muschler behauptete, daß es der ägyptischen Flora angehöre, ist bis jetzt auf der Sinaihalbinsel

noch nie beobachtet worden. Varthemia montama Vahl, die in Aegypten und in Palästina vorkommt, und das kosmopolitische, im Süden der Halbinsel vorkommende Gnaphalium luteo-album L. scheinen der Flora des Sinamassives ebenfalls zu fehlen.

Südlichstes Granitgebirge. Es reiht sich dem Sina- massive an. An seinem Westabhange habe ich folgende Pflanzen gefunden: Andropogon hirtus L., Aristida plumosa L., Oynodon daetylon L., Panicum Teneriffae Bth. und Pan. turgidum Forsk., Penmisetum orientale Rich., Phragmites communis Trin. v. isiaca, Polypogon monspeliensis Df., Cyperus laevigatus L., Phoenix dactylifera L., Asphodelus tenuifolius Cav. v. mierantha, Salix safsaf Forsk., Ficus pseudosycomorus Dee., Forskahlea tenacissima L., Parietaria alsinifolia Del., Calligenum comosum L’Herit., Rumex vesicarius L., Anabasis articulata Moq., Haloxylon articulatum Bunge, Halox. Schweinfurthi Aschers., Aerva javanica Jus. v. Bovei, Boerhavia ascendens Willd. v. vis- cosa, Gymnocarpus decander Forsk., Gymn. fruticosus Boiss. und Gymn. sinaieus Boiss., Gypsophila rokejeka Del., Silene linearis Dee., Cocculus Leaeba G. P., Glaucium arabicum F'res., Farsetia aegyptiaca F\., Malcolmia africana (L.) R. Br., Schowwia purpurea (Forsk.) Musch. v. Schimperi, Zilla myagroides L., Cap- paris galeata F'rs., Oleome droserifolia Del. und Ül. trinervia F'res., Caylusea camescens St. Hil., Ochradenus baccatus Del., Oligomeris subulata Well, Acacia spirocarpa H., Ac. tortilis Hayne, Ac. seyal Del. und Ac. Ehrenbergiana Hayne, Orotalaria aegyptiaca Benth., Lotus arabicus L. und Lot. ornithopoides L., Lotononis dichotoma Boiss., Retama Raetam Webb., Psoralea palaestina L. (= bituminosa L.), Tephrosia apollinea Del., Astragalus prolixus Sieb., Fagonia Bruguweri D.C., Fag. mollis Del., Zygophyllum simplex L., Andrachne aspera Spr., Oro- zophora obliqua Vahl., Rhammus disperma Ehrbg., Abutilon sinaicum, Hibiscus mieranthus L. (— ovalifolius Vahl.), Reau- muria hirtella Joub. & Sp., Tamarix nilotica Ehrbg. (Bunge), Helianthemum wentosum (Boiss.) Bornm., Bupleurum glauceum R.d& 0., Deverra triradiata Hochst. (— Pithyranthus tortuosus), Pyenoeyela tomentosa Dee., Calotropis procera R. Br., Daemia cordata Br., Solenostemma arghel Del.) Hayne, Cuscuta brevistyla A. br., Anchusa Milleri Willd., Heliotropium arbainense Frs. und Hel. persicum Lm., Paracaryum mieranthum Boiss. (— Boissieri Schwfth.), Trichodesma africanum Br., Ballota undulata (Frs.)

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Bth., Lavandula coronopifolia Poir., Mentha silvestris L. v. lavandulifolia, Otostegia mierophylla Dec. (— Schimperi), Salvia lanigera controversa Poir.,. Stachys affinis Frs. (— aegyptiaca Pers ), Teuerium sinaicum boiss. pilosum Asch. & Schwfth.), Hyoseyamus muticus L., Lyeium arabicum Schwfth., Solanum nigrum L., Withania somnifera Dum., Linaria aegyptiaca Dee., Lin. elatine Mell. v. villosa und Lin. macilenta Dee , Linden- bergia sinaica (Dec ) benth., Serophularıa deserti Dee., Verbas- cum sinaiticum benth. (— faseiculatum Ehrbg.), Veronica anagal- lis L., Orobanche cernua Loefl. Berthelotii Webb. & Benth.), blepharis edulis Forsk., Plantago strieta Schomb., Gaillonia calycoptera Joub. d Sp., Oldenlandia Schimperi (Presl.) Boiss., Oitrullus eolocynthis Schrad., Cucumis prophetarum L., Artemisia herba-alba Asso und Art. judaica L., Erigeron Bovei D.C. v. pubescens, Francoeuria erispa Forsk.. Echinops spinosa L., Gnaphalium luteoalbum L., Launaea (Zollikoferia) spinosa Sch. & Bip., Laun. fallax Boiss., Pulicaria undulata D. O., Senecio flavus Sch. & Bip. (— Decaisnei D.(.), Warthenia montana Vahl und Iphione scabra D.C.

Kneucker, der einige Jahre nach mir auf den Sinai kam, hat meine Liste durch folgende 8 Arten ergänzt: Tetrapogon villosus Desf. v. pallidior, Sisymbrium rigidulum Dee., Astragalus Sieberi D.C., Trichodesma africanum Br. v. homotrieha, Salvia aegyptiaca L. v. glandulosissima, Hyoscyamus Boveanus Asch. & Schwfth., Linaria Kneuckeri Bornem. und Pyrethrum santa- linoides D.C. i

Der englische Geologe Hume, welcher in sein Verzeichnis sinaitischer Pflanzen die Listen von Kneucker und Post auf- nahm, hat an botanischem Materiale aus diesem Gebiete eigentlich nichts Neues mitgebracht. Er hat nur das Vor- kommen von Gymmocarpus decander und von Sösymbrium rigidulum. bestätigt.

Im ganzen sind es 120 Arten und Varietäten, die ich ‘vom westlichen Abhang des Südmassives aufzählen kann. Davon kommen fast alle in Aegypten oder in Palästina oder in beiden dieser Florengebiete vor. Nur 12 Arten sind hier allein, bezw. auch im Sinamassive beheimatet. Gegenüber dem letzteren zeigt der Südwesten des Zentralgebirges eine auffallende Abnahme der Gräser, der Liliaceen, Chenopodiaceen, Nelkengewächse, Papaveraceen, Cruciferen, Leguminosen,

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Zygophyllaceen, Boretschgewächse, Lippenblütler, Serophu- lariaceen und Compositen. Dafür treten einige neue, stark verbreitete Arten auf: Oalligonum comosum, Boerhavia ascendens, Gymnocarpus sinaieus, Oligomeris subulata, Acacia spirocarpa, Orotalaria aegyptiaca, Tephrosia apollinea, Fagonia Brugwieri, Andrachne aspera, Orozophora obliqua, Rrhamnus disperma (nur vereinzelt, auf der Wasserscheide halbwegs zwischen den Sinabergen und dem Ras Mohammed!), Hebiseus micranthus, die Doldenblütler Bupleurum, Deverra triradiata und Pyenocyela tomentosa, ferner Solenostemma arghel, Cuscuta brevistyla, Anchusa Milleri, Ballota undulata, Otostegia mierophylla, Hyosceyamus Boveanus, Withania somnifera, Linaria elatine und Lin. Kneuckeri, Orobanche cernua, Plantago stricta, Gaillonia calycoptera, Gnaphalium luteo-album, Senecio flavus und Warthenia montana.

Der Ostabhang des Südmassives umfaßt ein Florengebiet, das etwas weiter nördlich reicht und näher an die Küste herantritt, als dasjenige des Westabhangs. Eine Vorwüste, wie die Gaaebene sie darstellt, fehlt diesem Gebiete. Nur zwischen Nabk und Scherm breitet sich ein schmaler, der Gaa ähnlicher Wüstenstreifen aus. Er hat aber mehr Aehn- lichkeit mit dem von Einzelkuppen und isolierten Felsgräten, Nassalat, besetzten, gebirgsnahen Teile der Gaa, den ich bei Betrachtung des Westabhanges des Zentralgebirges zu diesem gerechnet habe. Man kann seine Flora, mit Ausnahme einiger im Strandgebiete vorkommenden Arten, in entsprechender Weise dem Ostabhange des Südgebirges zurechnen.

Die Haupttäler der östlichen Felsenwüste verlaufen offener zum Meere, als diejenigen der westlichen Abdachung. Sie weisen infolgedessen eine auffallende Mischung von Gebirgs- und Küstenpflanzen auf. Die Ostseite des Zentralgebirges scheint auch regenreicher zu sein als der Westen. Man findet hier immer einige Beduinenlager, während solche auf der Westseite nur nach besonders regenreichen Wintern anzutreffen sind. Ein Hindernis für das üppige Gedeihen des Regenflors bildet in diesem Gebietsteile aber der von Nord nach Süd gerichtete Verlauf der Haupttäler. Es finden hier die trockenen Südwinde offenen Eingang, was der Entwicklung mancher Pflanzen sehr hemmend entgegenwirkt. Wir finden aus diesem Grunde wohl so wenig Gräser, Lippenblütler und Serophu-

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lariaceen im östlichen Florengebiete. Bemerkenswert ist die große Artengemeinschaft mit Aegypten und Palästina. Unter den 76 Arten, die ich für den Ostabhang des Zentralgebirges bis jetzt verzeichnet habe, finden sich nur 12, die nicht allen drei Gebieten eigen sind. Diese letztere Gruppe setzt sich zusammen aus: Arzstida hirtiglumis, Oyperus laevigatus, Matthiola acaulis, Schouwia purpurea, Cleome chrysantha, Astragalus prolixus, Orotalaria thebaica, Tephrosia apollinea, Paracaryum mieranthum, Phagnalon nitidum, Malva rotundi- folia und Erigeron trilobus (letztere zwei Arten sind die einzigen, die aus dieser Gruppe der Palästina-Flora angehören). Das von mir in diesem Ostteile der Halbinsel gesammelte Pflanzenmaterial umfaßt die folgenden Arten: Aristida coeru- leseens Desf., Brachypodium distachyum Bv., Panicum Teneriffae Br., Pan. turgidum Forsk., Phoenix dactylifera L., Asphodelus tenuifolius Cav. v. mieranthus, Ficus pseudosycomorus Dee., Forskahlea tenacissima. L., Parietaria alsinefolia L.,. Cheno- podium murale L., Gypsophila Rockejeka Del., Polycarpaea fragilis Del., Diplotaxis harra Boiss., Matthiola acaulis D.O., Schimpera arabica H. Sch., Schouwia purpurea (Forsk.) M.Sch., v. Schimperi Musch., Sisymbrium erysimoides: Des., Zilla mya- groides L., Oapparis 'galeata F'rs., Cleome chrysantha D. C., Caylusea canescens St. Hil., Ochradenus baccatus Del., Oligomeris subulataW., Astragalus prolixus Sieb., Astr. Sieberi D.C., Cassia obovata Ooll., Lotus ormithopoides P., Tephrosia apollinea D.C., Aizoon canmariense L., Erodium laciniatum Wla., Tribulus alatus D.C., Zygophyllum coceineum L. Andrachne aspera Spr., Malva parviflora L., Tamarix nilotica Bg., Bupleurum glaucum R.d& 0, Oalotropis procera R. Br., Solenostemma arghel Hayne, Convolvulus hystrixVahl., Heliotropium arbainense F'res., Heltr. persieum Lm., Paracaryum micranthum Boiss., Hyoscyamus muticus L., Solanum villosum Lam. Linaria aegyptiaca D. (., Lin. elatine Mill., Artemisia judaica L., Erigeron trilobum D.O., Ifloga spicata Sch. Bip., Phagnalon nitidum Fres., Pieris- sul- phurea Del., Pulicaria undulata Boiss., Senecio flavus Sch. Bip. Dagegen Avicennia offieinalis L. und Salvadora persica Gare. habe ich in die Florenliste der östlichen Felsenwüste nicht - aufgenommen, da sie typische Küstenpflanzen sind. Kneucker hat meine Liste durch folgende für das Ost- gebiet bisher sonst nieht nachgewiesene Arten ergänzt: Arostida

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hirtiglumis Steud., Oyperus (?laevigatus), Calligonum comosum L’Herit., Suaeda monoeca Desf., Acacia tortilis Hayne., Cro- talaria thebaica Boiss., Trichodesma Ehrenbergü Schwfth., Blepharis edulis Pers., Launaea (?spinosa), Phagnalon sinaieum Bornem. und Phagn. viridifolium Dee.

Dieser Liste hat schließlich auch noch Hume zwei neue Arten zugefügt: Pennisetum elatum Hochst. und Aerva javanica Wight.

Die Tierwelt.

Säugetiere. Wenn wir die nur etwa 30 Arten zählenden Säugetiere der Halbinsel ins Auge fassen, so haben wir das Gefühl, daß besonders unter den Dämmerungs- und Nacht- tieren noch manche neue Form zu finden sein wird. ‚Die meisten der bis jetzt bekannt gewordenen Arten sind durch die Napoleonische Expedition nach Aegypten, durch Ehrenberg und Hemprich, Rüppell, Heuglin, Wyatt- und Tristram be- schrieben worden. Die. Ehrenbergsche Sammlung wurde neuestens durch Matschie, Berlin, einer Revision unterzogen. Ein Verzeichnis der in den Jahren 1886/87 von mir beob- achteten Tiere liegt in.den „Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft von St. Gallen“ vor. 2

Ich will über die bekannt gewordenen Sinai-Säuger nur soweit berichten, als sie den Jäger interessieren.

Löwen muß der Nimrod in der Sinaiwüste keine mehr suchen. Sie sind schon in vorhistorischer Zeit verschwunden, vielleicht gar nie auf der Halbinsel heimisch gewesen. Wenn unser Landsmann Burckhardt glaubte, die Bezeichnung des Wadi Labua. (Lebwe) auf das ehemalige Vorkommen von Löwen zurückführen zu dürfen, so ist dieser Vermutung die Möglichkeit entgegen zu halten, daß die betreffende Orts- bezeichnung auch von einer Löwenstatue (Sphinx) abgeleitet werden könnte. Der Sarbut el Chadem mit seinen altägyp- tischen Denkmälern und Felszeichnungen liegt nicht so weit vom Wadi Labua entfernt, als daß man nicht annehmen dürfte, die alten Aegypter hätten Löwen- oder Sphinxfiguren oder Felszeichnungen von solchen auch im Wadi Labua an- gebracht.

Vom Panther, Nimr, hat Burckhardt berichtet, daß man

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sich bei seinem Sinaibesuche seit Menschengedenken eines einzigen Individuums erinnerte, das sich aus Syrien in die Berge zwischen Dahab und dem Ras Mohammed verlaufen hatte. Diese Behauptung bestätigte sich zur Zeit meines Sinai- aufenthaltes nur insofern, als in dem bezeichneten Gebiete die meisten Panther anzutreffen waren. Es gab im Süden und Osten der Halbinsel kaum einen Tallauf, kaum eine Pab- höhe, die nicht ziemlich regelmäßig von Panthern besucht wurde. Auch im Südwesten der Halbinsel fanden sie sich häufig. Das Wadi Mear, südlich des Wadi Hebran, hat sogar seinen Namen vom Panthergebrüll (Maar), das an seinen Felswänden widerhallt. Ein besonders frecher Geselle kam mehrmals bis an mein Stationshäuschen im Wadi Bedr, ließ’ sich aber durch Flintenschüsse vertreiben. Er zeigte sich nie, wenn ich in der Nähe war, sondern immer nur dann, wenn ich meine Frau allein in Bedr zurückgelassen hatte. Seine Pfoten- abdrücke führten bis in die nächste Nähe des Häuschens hin und einige Male erschien das Tier sogar am hellen Tage. Der Panther durchwandert in einer Nacht mehrere Talschaften. Er dehnt seine Streifzüge von den höchstgelegenen Bergpässen - bis zum Meeresstrande aus. Den Tag über scheint er mit Vorliebe auf den Paßhöhen zu lagern, um von hier aus freie Aussicht auf Beute zu haben und das Wild auf dem Wechsel zu überraschen. Er schleicht sich aber nicht nur an Wild, wie Steinböcke, Klippschliefer und Vögel heran, sondern er überfällt auch Ziegen, Schafe und Kamele, die ohne Aufsicht weiden. Es ist eine Musadafe, eine ernsthafte Begegnung, wenn der Mensch ihm an Stellen in die Quere läuft, wo ein Rückzug nicht leicht möglich ist. Es gibt denn auch nur wenige von den Tauara, die ihm mit der Büchse nachstellen, und ihn gar offen in einer Talenge angreifen. Sie fangen ihn bequemer und ohne Lebensgefahr mit der Nugra (Stein- falle), in die er leicht geht, wenn ein meckerndes Zicklein oder junges Steinwild als Köder benutzt wird. Man findet solche Fallen, die übrigens auch für Hyänen und Wölfe er- baut werden, überall auf dem Sinai, besonders häufig in der Umgebung von viel besuchten Lagerplätzen. Mit Jagd- - hunden läßt sich der Panther nicht gut hetzen, da er solche angreift und meist auch überwältigt, wenn sie ihm zu nahe auf den Pelz rücken. Auch Nestjunge, sogenannte Frach,

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sind schwer zu erlangen, da sie meist in unzugänglichen Felsspalten versteckt sind. Will man sie ausräuchern, so stürzt sich das alte Tier mit großer Wut auf den Jäger.

Die sinaitische Hyäne, von welcher Pfarrer Lavater in der „Neuen Alpenpost“ 1882 behauptete, dal sie zur „ge- fleeckten“ Art gehöre, ist die gewöhnliche „gestreifte“ Hyäne, die in ganz Nordafrika und auch in Palästina vorkommt. Die viel stärkere und gefährlichere gefleckte Hyäne kommt auf dem Sinai nicht vor. Die gestreifte ist hingegen über die ganze Halbinsel verbreitet, im Norden etwas häufiger als im Süden. Weil sie ein schlechter Kletterer ist, wagt sie sich selten tief in das Gebirge hinein. Sie ist im Laufen dafür umso ausdauernder, wenn es heißt, die großen Hochplateaux und die weiten Küstenebenen zu durchwandern. Da sie manch- mal wochenlang einem bestimmten Gebiete fern bleibt, ist sie für den Jäger auf dem „Anstand“ nicht so leicht zu erlegen, wie man annehmen könnte. Sie ist auch schwer zu über- listen, da sie lange und auf allen Umwegen „äugt“ und Witterung sucht, bevor sie sich an ein ausgelegtes Aas heran- wagt. Man redet ihr nach, daß sie Leiehen ausgrabe. Während meines ganzen Sinaiaufenthaltes habe ich aber nie etwas von solchen Graäbplünderungen gehört, obschon Hyänen häufig in die Nähe von el Tor kamen, wo die in der Quaran- täne verstorbenen Pilger oft nur sehr oberflächlich im Sande begraben waren. Die Pariahunde, welche sich in den Dörfern herumtrieben, waren in dieser Beziehung viel unverschämter, als die Hyänen. Die Dabaa, wie dieses Raubtier bei den Beduinen heißt, wird gewöhnlich zwecks abergläubischer Ver- wendung gejagt. Ein Hyänenbein sucht der in Besitz zu bekommen, der über andere Menschen eine besondere Macht auszuüben oder die Geburt eines Kindes zu fördern hofft; mit Hyänengalle oder Hyänenfett schmiert der Beduine sich die Augen ein, wenn eine Entzündung behoben oder die Sehkraft gestärkt werden soll; über Hyänenhaaren wurde ich geräuchert, als Malariafieber meine Kräfte reduzierte; das Hyänenherz, einem Knaben um den Hals gehängt, verleiht diesem Ver- stand und Jugendkraft.

Der Wolf, el Dib, ist auf der Sinaihalbinsel seltener als die Hyäne.. Er kommt in 'größeren Rudeln nur auf dem Tihplateau vor, von wo Einzelindividuen sich in die

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Vorwüsten und selbst bis in das Zentralgebirge hinein wagen. Ein solcher Stroleh war es wohl auch, dessen Fährte ich einst im Wadi Isle fand und zirka 180 km weit verfolgen konnte, ohne dal das Tier einmal ausgeruht oder eine Beute erwischt hätte. Ich habe Wölfe mehrmals auf dem Anstand erlegt. Sie trippeln unter großem Gepolter, Dägdäga, an und lassen dem Jäger alle Zeit, sie gut auf das „Korn“ zu nehmen. Ich glaube nicht, dafs der Wolf gesunde, wehrhafte Menschen anfällt; doch habe ich im Jahre 1895 von einem alten Beduinen gehört, der auf der Tih von drei Wölfen zerrissen worden sei. Fällt er in Herden ein, so begnügt er sich in der Regel nicht mit einem einzigen Opfer; er reißt gleich mehrere Tiere nieder und überläßt die Kadaver dann den Füchsen und Geiern zur Nachmahlzeit.

Unter den Pflanzenfressern reizen den Naturforscher die Klippschliefer, Hyrax syriacus Schrb., wegen ihrer sonder- baren Stellung in der Systematik des Tierreiches. Man hat sie früher zu den Huftieren gestellt, während der Laie darauf geschworen hätte, daß diese Tiere zu den Nagern gehören. Die neuere Systematik hat sich vom alten Standpunkt etwas entfernt und wieder mehr Wert auf die äußere Erscheinung dieses merkwürdigen Wesens gelegt. . Sie trennt den Hyrax von den eigentlichen Huftieren ab und räumt ihm eine eigene Stellung ein, zwischen Rüsseltieren und Nagern. Das Tier ähnelt in der Tat sehr unserem Murmeltiere, nicht nur ın seinem Aeußern, sondern auch in seinen Gewohnheiten und Bewegungen. Es lebt nie vereinzelt, sondern immer in Kolonien und bevorzugt die hohen Bergregionen. Der Hyrax stellt Wachen aus und warnt sein Volk vor herannahenden Gefahren durch schrille Pfiffe, wie die „Munken“ es tun. Er klettert so gewandt, wie die Marmotte, und verkriecht sich in Fels- spalten und unter Felsblöcke, bis die Gefahr vorüber ist. In seinem inneren Baue weist der Klippschliefer aber große Ab- weichungen vom Murmeltier und allen Nagern auf. Er be- sitzt ein ganz anderes Gebiß, mit dreieckigen, großen Hauern im Oberkiefer und kleineren, ebenfalls aus Schneidezähnen hervorgegangenen äußeren Stoßzähnen im Unterkiefer. Der Jäger hüte sich, lebende Klippschliefer mit den Händen zu fassen. Sie beißen mit großer Wut um sich und reißen tiefe, schwer heilende Wunden in das Fleisch. Der Hyrax hat eine

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viel längere Tragezeit als alle Nager. Ich habe Embryonen von Ende Oktober bis Mitte Februar eingesammelt und zwar meist zwei in einem Weibchen. Die Jungen zeichnen sich schon vor der Geburt durch einen gelben Haarfleck auf dem Rücken und durch die merkwürdigen Grannenhaare aus, welche auch den alten Tieren eigen sind. Wo sich Akazien und Feigenbäume im Gebirge finden, da trifft man meist auch den Hyrax an, den Wabr, wie die Beduinen das Tier nennen. Zur Zeit der Dattelreife steigt er oft in tiefer gelegene Tal- schaften hinunter, um sich dort die süßen Früchte schmecken zu lassen. Nachher wandert er wieder bergauf, in die kleinen, felsigen Talschluchten, wo Akazien und Feigenbäume ihm die nötige Nahrung- bieten. Das Tier wird von den Beduinen viel gejagt und gegessen, weil der Genuß seines Fleisches im Koran nicht verboten ist. Man kommt leicht zum Schub auf ihn, wenn man das leise Pfeifen junger Tiere nachahmt und in der Nähe einer Kolonie ruhig auf der Lauer liegt. Sehr häufig wird der Wabr von den Beduinen in Schlagfallen gefangen, die mit Feigen oder Datteln beködert sind. Nicht gar selten wird er auch aus seiner Felsenwohnung ausgeräuchert. Außer den Menschen sind Falken und Panther seine ärgsten Feinde. Ich vermute, daß er unter Bandwürmern leidet, die ich häufig, einmal sogar in der Zahl von 80 Stück, in seinem Vormagen fand. Das Tier ist jedenfalls nicht selten von diesen Parasiten befallen; denn die Beduinen nennen den Vormagen des Klippschliefers, wo diese Würmer sich finden, Umm el Dud (die Mutter der Würmer).

Das klassische Jagdwild der Sinaihalbinsel ist der Stein- bock, Ibex beden Wagn. oder Ibex sinaitica Ehrbg. Wer aus dem Sinai kommt, will einen Steinbock gesehen, und wer dabei noch ein Jäger ist, der will gewöhnlich auch einen Steinboek geschossen haben. Oft sind es freilich Ziegen, die aus der Ferne für Steinböcke gehalten werden, und manch- mal Beduinen, die gegen ein schönes Trinkgeld den von ihnen, nicht vom Europäer (Choadja), geschossenen Bock ins Lager tragen. Jedenfalls bleibt es eine unvergeßliche Erinnerung, den ersten Steinbock gesehen oder sogar erlegt zu haben. Die aussichtsvollste Jagd eröffnet sich im Sommer, wenn die Liebe zu den Geißen die Böcke hitzig macht, wenn in den höheren Gebirgslagen die Kräuter verdorren und die Quell-

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wasser versiegen. Dann kann man sich unter guter Deckung, d.h. in einem niedern, aus Steinen und Laubwerk erbauten, von den Beduinen Chuss genannten Jagdschlupf an einer Quelle auf den Anstand legen und warten, bis das Steinwild zur Tränke kommt. Sind mehrere.Quellen in der Umgebung, so lappt man alle bis auf eine mit kleinen Tuchfetzen, Cheiıala, so ab, daß die Tiere sich fürchten, ans Wasser zu gehen. Sie sind dann gezwungen, da an die Tränke zu kommen, wo der Jäger sich zum Schusse bereit hält. Die großen Böcke, Bedun oder Aschariat, erscheinen gewöhn- lich zuletzt an der Quelle. Nur in der Brunstzeit sind sie die ersten, welche dem Wasser zustreben. Aber im Süden, wo Steinböcke am häufigsten und Quellen am seltensten und daher auch von Wild am besuchtesten sind, ist die heiße Sommerszeit für den Europäer schwer zu ertragen. Er hat dann unter allerlei Ungeziefer zu leiden: giftige Schlangen, Skorpione und Spinnen schleichen sich in den „Chuss“, und Fliegen setzen sich aufs Korn der Büchse, gewöhnlich im Moment, wo man schießen sollte.e Angenehmer, dafür aber nicht so ergiebig, ist für den Europäer der Birschgang im Winter. Da muß man jedoch ein guter Läufer und Kletterer sein und bloßfüßig gehen können, wenn man auf Erfolg rechnen will. Mit europäischem Schuhwerk bekleidet, ver- scheucht man die Tiere, die nicht, wie unser Alpenwild, an Steinschlag und Lawinendonner gewohnt sind. Filz- und Bastschuhe sind auf dem scharfkantigen Granit und Porphyr bald zerrissen. Die Jagdriehtung wird durch die allgemeine Regel bestimmt, daß man frühmorgens nie talabwärts und nachmittags nie talaufwärts jagen soll. Hat man den Wind im Rücken, jagt man, wie die Beduinen sagen, taht el Rih, so wird man die Tiere nie zu Schuß bekommen, jagt man aber min fog el Rih, hat man den Wind im Gesichte, so ist mehr Aussicht auf Beute vorhanden. Das Steinwild war früher auf der Halbinsel weiter verbreitet als heute. Es stieg vom Gebirge bis in die Vorwüste herunter, war sogar in der zwischen el Tor und Wadi Feran gelegenen Arabakette an- zutreffen und verschmähte im Süden auch die als „Nassalat“* bezeichneten, isoliert stehenden Felsgräte in der Gaa-Ebene als normale Standorte nicht. Der starke Rückgang des Stein- bockbestandes ist zweifellos dem Umstande zuzuschreiben, dal

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die Sinaibeduinen heute viel mehr Hinterladergewehre besitzen als früher. Der Weltkrieg, von welchem sich ein kleines Stück ja auch auf der Sinaihalbinsel abspielte, wird dazu bei- getragen haben, daß gute Schußwaffen und dazu gehörende Munition bei den Beduinen nun noch häufiger in Gebrauch sind. Das Steinwild tut sich im Vorwinter zusammen, kurz nach der Brunstzeit, Habbat el Bedun. Es ist dann herrlich, die gemischten Herden wie Ameisenzüge an den Berghängen hinwandern zu sehen. Der Großbock, Aschari, geht ge- wöhnlich hinter der Herde her. Ihm voran geht EI Sed, das gewöhnliche Jagdwild. Es setzt sich zusammen aus Geißen und mittleren Böcken, die je nach ihrem Alter verschiedene Namen tragen. Eine ganz alte Geiß heißt Geraba, eine mittlere Ans und ein trächtiges Tier Aschra. Der junge Bock heißt im allgemeinen Teddal oder Atud. Man unter- scheidet dabei aber wieder den zwei- bis dreijährigen Tenni, d.h. den, der zweispannenlange Hörner hat, den Talati, der drei bis vier Jahre alt ist, und den Arbai, der vier und mehr Lenze hinter sich hat. Junge Tiere sind gewöhnlich wach- samer als alte. Starke Böcke benehmen sich manchmal sehr dreist, ja sogar bösartig. Der Panther ist wohl der gefähr- lichste Feind des Steinwildes. Er umschleicht und umlauert es fortwährend und richtet namentlich unter dem jungen Nachwuchs großen Schaden an. Aber auch Krankheiten liehten den Bestand der Herden. Man findet nicht selten verendete Tiere mit Bezoarkugeln, Deladem, im Magen, die angeblich vom Genusse der Iphione- und Pulicariakräuter her stammen. Oestruslarven, Sarai, schmarotzen in den Nasenmuscheln, Fliegen, Schädaba, und Räude zerfressen das Fell. Das Fleisch des Steinwildes ist schmackhaft und eignet sich gut zur trockenen Aufbewahrung. Wenn man es in handgroße Stücke zerschneidet, etwas einsalzt und vor Hornissen und Fliegen geschützt im Schatten zum Trocknen aufhängt, so läßt es sich monatelang konservieren. Ich habe solches Trocken- tleisch, Gedid, wie die Beduinen es nennen, auf größere Touren mitgenommen und es immer sehr gut und nahrhaft gefunden. Fette Tiere habe ich nur unter den mittelstarken Böcken beobachtet. Solche eignen sich zur Bereitung eines Ragoüt „a la Bedouine*, d.h. ohne Pfanne. Die Kunst be- steht darin, den entleerten und umgestülpten Magen des erlegten

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Tieres mit zerschnittenem Muskelfleisch, Herz und Nierenfett und etwas frisch gebackenem Brot zu füllen, Wasser, Salz und Pfeffer beizufügen, den Magen alsdann mit der Speise- röhre zuzubinden und das Ganze in einen aus großen Steinen erbauten und gut erhitzten Ofen zu hängen, der mit dem Mageninhalt des Tieres abgedichtet wird. Diese Manipulation: die Errichtung des Ofens, dessen Durchglühung und die Auf- bereitung des Ragoüts nimmt etwa zwei Stunden in Anspruch, kann also leicht in jedem Nachtlager ausgeführt werden.

Die Gazelle, Antilope dorcas L., el Rhasala der Araber, ist zu gut bekannt, als daß über sie viel Neues zu berichten wäre. Sie kommt überall vor, wo die Wüste ihren Anfang nimmt. Man findet sie daher schon in der Umgebung des Suezkanales, bei Aiun Musa. Selten geht sie weit ins Gebirge hinein. Nur an Stellen, wo sie leicht passierbare Uebergänge von einem Tal ins andere findet, wagt sie sich in die Berge. Sie liebt Calligonum- und Haloxylongebüsch, Nitraria und Akazien. Die Jagd auf sie hat am Morgen früh die beste Aussicht, wenn sich die niedrig stehende Sonne im Rücken des Jägers befindet und wenn dieser guten Gegenwind hat. Dann sieht die Gazelle den heranschleichenden Jäger sehr schlecht und läßt sich leicht erlegen, wenn starke Bewegungen vermieden werden. Wer eine Gazellengegend gut kennt, kann die Tiere auch bei der Mittagsrast, im Schatten, überraschen. Sie suchen gerne Talwände auf, die etwas Schatten werfen. Man nähert sich den betreffenden Stellen von oben und wirft dort, wo man die Tiere vermutet, kleine Steinchen in die Tiefe, bis das Wild, vom Geräusche beunruhigt, in die offene Talsohle hinaus tritt. Nur ganz ausnahmsweise geht einmal in menschenleerer, ausgetrockneter Gegend eine Gazelle an die Tränke. Man wird sie daher nicht an solchen Stellen erwarten, sondern die Jagd stets in die wasserarme Wüste verlegen.

Das Stachelschwein (Hyströx eristata L. oder Hystrix hirsutirostris Hemp. d& Ehrb.?), der Nis, kommt heute nur noch auf der Tih vor. Im südlichen Teile der Halbinsel ist es entweder nie heimisch gewesen oder schon seit Menschen- gedenken verschwunden. Ich hörte aber, daß dieses Tier vor einigen Jahrzehnten noch im Wadi Hebran erlegt worden sei.

Die Hasen haben auf dem Sinai für den Jäger wenig

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Interesse. Sie sind so klein und fleischarm, daß es sich kaum lohnt, einen Schuß auf sie abzugeben. Der Systematiker wird sie eher beachten; denn sie sind wahrscheinlich durch mehrere Arten und wohl auch durch mehrere geographische Varietäten vertreten.

Auch die Füchse kommen in mehreren Arten vor. Im Süden habe ich eine Varietät des Großohrfuchses beob- achtet. Man fängt sie am leichtesten in kleinen Tritteisen und langen Holzfallen, wie ich sie mir dort an Ort und Stelle hergestellt habe.

Wildkatze. Während meines Sinaiaufenthaltes hat sich im Wadi, in Msaat und in el Kurum bei Tor ein katzenartiges Raubtier herumgetrieben und die dortigen Hühnerhöfe beraubt. Es wurde dann gefangen, kam aber leider nicht in meinen Besitz, so daß ich nicht bestimmt sagen -kann, ob es sich um Felis maniculata oder um einen Sumpfluchs handelte. Die Araber, die das Tier tot geschlagen und ins Meer geworfen hatten, behaupteten des bestimmtesten, dal es eine Wildkatze, Gutt berri, gewesen sei.

Vögel. Die Vogelwelt des Sinai ist, wie schon angedeutet, ziemlich gut bekannt. Ich nenne von den Ornithologen, die darüber geschrieben haben, nur die Engländer Selatter, Wyatt, Shelly, Kennedy, Palmer, Hornby, Hart und Carutter, von den Deutschen Rüppell, Hemprich & Ehrenberg, Schubert, Brehm, Hartert, König, Reichenow, Graf von Zedlitz und Schrader (ein wertvolles Manuskript soll auch von le Roi vor- liegen). Unter den Oesterreichern sind Heuglin und Erzherzog Salvator, unter den Holländern Tristram und unter den Fran- zosen Savigny und Innes-Bey die hervorragendsten Forscher, die über die sinaitische Ornis geschrieben haben. Auch von mir liegen einige Beiträge zur Ornithologie der Halbinsel vor. Sie stammen aus den Jahren 1886/87 und 1890/93 und wurden zum Teil auf der Reise, im Gebirge, geschrieben. Man wird wohl entschuldigen, wenn mir damals, in Ermanglung von Literatur und Vergleichsmaterial, einige Fehler unter- laufen sind, die später von Prof. Koenig und Graf v. Zedlitz korrigiert wurden. Dem Reisenden fällt es äußerst schwer, die vielen Untergattungen und Unterarten zu unterscheiden, die im Lauf der Jahre aufgestellt wurden. Wie unsicher oft die hinter manchen Vögeln neu erlassenen Steckbriefe sind,

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das zeigen am besten die diesbezüglichen Aeußerungen der kompetenten Fachornithologen. Ich halte mich auch heute noch an die Ratschläge, die mir einst der verstorbene Ornithologe und Diluvialforscher Th. Liebe erteilte, als ich die Frage an ihn richtete, ob ich mich wegen der Bestimmung der von mir gesammelten sinaitischen Vögel mit einem Fachmann in Ver- bindung setzen solle. Er riet mir des entschiedensten ab und bemerkte zu der damals einsetzenden neuen Systematik: „Der Krempel um Kleinigkeiten dreht sich um die Subspezies, und da gibt es manchen Sturm im Wasserglas. Verschiedene unserer jungen Freunde spendieren dieser Sache ihre Kraft und ihren Enthusiasmus. Sobald sie die Entwicklungsgeschichte, die Entstehung (d.h. die entwicklungsgeschichtliche) der Arten außer acht lassen, werden die Arbeiten und Untersuchungen hohl und inhaltlos.“ Ich werde mich aus diesem Grunde auch in den folgenden Mitteilungen stets der alten, besonders - von Heuglin und Brehm gebrauchten Namen beJienen, die Zweifel aber gerne berücksichtigen, welche die Herren Koenig und Graf v. Zedlitz meinen früheren Publikationen gegenüber zum Ausdruck gebracht haben.

Von den zirka 190 Vogelarten, die ich für den Sinai ver- zeichnet habe, kommen 126 auch im europäischen Faunen- gebiete vor. Nur drei Arten: Drymoeca inqwieta (Rüpp.), Carpodacus synaicus (Licht.) und Cacabis chukar sinaica Bp., sind für die Halbinsel spezifisch. Etwa 76 Arten scheinen hier zu brüten; der Rest aber setzt sich aus Zugvögeln zu- sammen, die nur auf ihrer Wanderung den Sinai berühren. Zuzügler aus fremden Gebieten finden sich auch unter den sinaitischen Zugvögeln, besonders unter den Falken, Würgern, Reihern und Wasservögeln. Die nur im Norden und Nord- osten der Halbinsel vorkommenden Arten sind mir aus eigener Beobachtung leider nicht bekannt und wurden aus diesem Grunde hier nicht berücksichtigt. Dagegen habe ich fast alle südlichen Arten selbst erlegt oder doch so sicher erkannt, daß deren Bestimmung kaum Zweifel entgegengebracht werden darf. Wo mich die Literatur im Stich ließ, hatten Fach- ornithologen die Güte, Belegstücke zu bestimmen. Nur bei Bubo ascalaphus, Noctua nilotica, Syrnium funereum, Turtur senegalensis und Pterocles alchata fühle ich mich nach den Einwänden von Prof. Koenig und Graf v. Zedlitz nicht voll-

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kommen sicher. Fehlerhafte Bestimmungen könnten auch bei einigen Arten des Genus Saxicola vorgekommen sein.

Zu den Brut- und Standvögeln meines Beobachtungs- gebietes rechne ich auch diejenigen Arten, welche ich häufig im Sommer beobachtete, von denen ich aber nicht sicher weiß, daß sie dort wirklich nisten. Die Araber nennen sie Auabid. Nach meinen Notizen dürften folgende Arten an dieser Gruppe beteiligt sein: Gänsegeier (Vultur fulvus occidentalis Schleg.), Aasgeier (Neophron percnopterus L.), Bartgeier (Gypaekus barbatus atlantis Erl.), Berberfalke (Falco darbarus L.!), Feldeggfalke (F'. lanareus ? Erlamgeri Kischdt.), Eleonoren- falke (F. concolor Temm.), Rotfußfalke (F. vespertinus L.), Turmfalke (F. tennuneulus L. und F. cerchneis Naum.), Seeadler (Haliaetus albieilla L.), Fischadler (Pandion haliaetus L.), Schlangenadler (Üircaetus gallicus Gm.), Wander- und Schmarotzermilan (Milvus migrans Bott. und M. parasitieus Br.), Bubo ascalaphus Aud. oder eine andere, dem europäischen Uhu nahestehende Art (Ströx Butleri Hume ?), Rauchfußkauz (Syrnium funereum L. Nyetale Tengmalmi meiner früheren Mitteilungen), Noctua nilotica Br., Mauer- segler (Üypseius murinus Br.), Felsenschwalbe (Cotyle rupestris Sw.), Buschschlüpfer (Drymoeca inquieta Rüpp., Dr. eremita Tristr. und Dr. graeilis Rüpp.), Baumnachti- gall (Aedon galactotes Temm.), Grasmücke (Sylvia cinerea Bechst.), Steinschmätzer (Saxicola deserti Rüpp., Sax. leu- copyga Br., Sax. pleschanka Gm., Sax. lugens Licht., Sax. monacha Rüpp., Sax. canthomelaena Hemp. & Ehrb. und Sax. melanura Hemp. & Ehrb.), Amydrus Tristrami Selat., Pyeno- notus nigricams Vieill., Würger (Lanius rufus Briss. v. nilo- ticus Bp.; L. minor Gm., L. collurio L., L. meridionalis Temm. (2) und Z. nubicus Licht.), Raben (Corvus umbrinus v. infumatus und (. affınis Rüpp.), Sperling (Passer hispaniolensis Temm.), Gimpel (Carpodacus synaicus Licht. und Erythrospiza githa- ginea Licht.), Wüstenlerchen (Ammomames deserti Licht. und A. ceinetura Gould., Alaemon desertorum Stanl.), Felsen- taube (Columba livia Schimperi Bp.), Turteltaube (Turtur auritus Hgl.),, Wüstenhuhn (Ammoperdix Hayi Temm.), Steinhuhn (Caccabis chukar Bp.), Kragentrappe (Otis Hu- bara Gm.), Regenpfeifer (Oharadrius Geoffroyi Wagl.), Reiher (Ardea Goliath Oretsch. nur auf Inseln! —, A. pur-

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purea L., A. einerea Hogl., A. gularis Bose., A. intermedia Wagl. (2), A. garzetta L., A. comata Pall.) und Löffelreiher (Platalea leucorodia L.), Brauner Ibis (Ibis faleinellus L.) —. Ibis religiosa L. ist wohl nur ein ganz seltener Sommer- gast ausıdem Sudan! Stelzenläufer (Himantopus autum- nalis Hasselqu.), Strandläufer (Tringa minuta Leisl. oder Tr. alpina L., Tr. Temmincki Leisi. und Tr. subarguata Güld.), Ohrentaucher (Podiceps nigricollis Heugl.), Möven (Larus leucophthalmus Licht., Hemprichii 2, L. ridibundus L. und L. gelastes Licht.), Seeschwalben (Sterna media Horsf., St. caspia Pall., St. Bergiüi Licht. und St. minuta L.).

In dieser Gruppe finden sich natürlich viele Arten, die nicht immer das gleiche Revier bewohnen. Je nach der Futterausgiebigkeit und nach der Nistgelegenheit müssen die Standorte verschoben und scheinbar ungeeignete Nistplätze auf- gesucht werden. Manche Falkenarten, Seeschwalben und Möven begleiten die großen Heuschreckenzüge; der Bartgeier verläßt sein Lieblingsrevier, wenn Panther und Wölfe an andern Orten viel Wild niederreißen; die Mönchsgeier nisten auf Akazien, wenn sie in ihrem Rayon keine raubtiersichere Horste finden, und auch den Gänsegeier habe ich schon auf so ungewöhnlichen Nistplätzen beobachtet. Nahrungs- und Brutsorgen spielen überhaupt eine große Rolle bei den sinai- tischen Wüstenvögeln.. Vom festen Beduinenlager aus, wo Raben und Geier dem Menschen und seinen Herden sich zu- gesellen, fliegen die beschwingten Landstreicher oft stundenweit in die lebensarme Vorwüste hinaus, um Gäste zu empfangen. Im Gekreische und plötzlichen Abstreichen der Raben sehen die Beduinen geradezu die Prophezeiung eines baldigen Be- suches. Diese Vögel sollen es von sich aus merken, daß es bald mehr Leben in der Männerherberge, el Arischa, gibt und aus diesem Grunde schon ein Vorfest mit Lärm und gymnastischen Uebungen, eine sogenannte Fantasia, ver- anstalten. In Wirklichkeit beobachten sie die Heranziehenden eben vor dem Menschen. Sie fliegen ihnen entgegen, um zeitig schon von ihrer vorübergehenden Anwesenheit Nutzen zu ziehen; denn auch der Beduine macht seine „Toilette“, bevor er seine Gastgeber besucht. Der häufige Hunger ver- anlaßt die Raben sogar, weidenden Kamelen große Fleisch- stücke aus dem Rücken zu reißen. Sie hacken ihnen die

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Satteldruckbeulen mit soleher Gründlichkeit auf, daß die armen Tiere oft ihr Leben darüber einbüßen. Der Schlangenadler hat harte Arbeit, um seine Lieblingsnahrung, Echsen und Schlangen, in der sinaitischen Wüste zu finden. Sie heben sich so wenig von der Bodenfarbe ab, daß selbst ein geübtes Adlerauge sie aus der Vertikalen schwer entdecken kann. Ich sah den Uhu und den Steinkauz im grellen Sonnenschein ihrer Beute nachgehen. Die Buschschlüpfer suchen vom frühen Morgen bis zum späten Abend das Talgestrüpp nach Nahrung ab. Die Steinschmätzer nehmen den Kampf mit bissigen Walzenspinnen und giftigen Skorpionen auf, um den Hunger zu stillen. Die Brutgeschäfte aller Wüstenvögel spielen sich in großer Verborgenheit ab. Ich fand selten einmal den versteckten Nistplatz eines Trauersteinschmätzers oder einer ihm verwandten Schmätzerart, eine Kolonie brütender Felsen- schwalben oder das Gelege des kleinen Wüstenhuhnes. Nur die niedlichen Buschschlüpfernestehen habe ich häufig entdeckt, wenn ich in den Artemisiabeständen nach Brennholz suchte. Die Beduinen lassen sich schwer für das Sammeln von Ge- legen gewinnen; denn sie wissen, daß dies Geschäft ein sehr mühsames und selten lohnendes ist.

Die Zugvögel, arabisch Guata, welche alljährlich den Sinai passieren, gehören größtenteils der mediterranen Ornis an. Wir finden unter ihnen aber auch viele, die uns von unserer Heimat her bekannt sind. Nur wenige Arten sind in südliceheren Gebieten zu Hause, wie die Kapohreule (Phasmoptery& capensis Wyatt), die im Norden der Halbinsel angetroffen wurde, der grüne Bienenfresser (Merops su- pereiliosus L.), Lamiarius aethiopieus G@m., Emberiza striolata Licht., Turtur decipiens Finsch., heiliger Ibis (Ibis religiosa Lath.) und einige andere. Auch der Tropikvogel, den Graf v. Zedlitz zwischen Suez und el Tor gesehen haben will, gehört wohl zu diesen südlichen Gästen. Es wurde mir im Jahre 1893 ein von der Insel Scheduan stammendes Ei über- bracht, das ich unter der Ueberschrift Phaeton aethereus L. in meinen Notizen beschrieben habe: 58 mm lang, 41 mm dick, rostrot und violett getupft. Sollte dies, wirklich das Ei eines Tropikvogels gewesen sein, so dürfte die Art also zu den Brutvögeln des Sinaigebietes gerechnet werden.

Zu den Zugvögeln der mediterranen und europäischen

Ornis rechne ich folgende Arten: Mönchsgeier (Vultur monachus L.) ein einziges Mal nistend angetroffen! Steinadler (Agwla fulva L. chrysaetos L.), Wander- falke (Falco communis Hgl.), Sperber (Nisus communis Cuv.), Keilschwanzsperber (Nösus badius brevipes Zedl.), W üsten- bussard (Buteo desertorum Vieill.), Wespenbussard (Pernis apivorus L.), bis jetzt nur von Schrader gefunden, der merk- würdigerweise mehrere Exemplare bei el Tor geschossen hat, während ich trotz der vielen Jagdtouren, die ich in der Um- gebung dieses Ortes machte, den Vogel dort nie zu Gesicht bekommen habe, Schelladler (Agwla rapax Temm.), eben- falls nur einmal und zwar von Schrader bei Tor erlegt und von Graf v. Zedlitz als „unsicher erkannter Raubvogel“ im Serbalgebiete beobachtet, Agueila Bonelli d. |. Mar., von Brehm bei el Tor erlegt! Zwergadler (Agwla pennata Gm.), von Kennedy im Norden der Tih beobachtet, Gleitaar (Zlanus melanopterus Daud.), Circus aeruginosus L., O. cinerascens Mont. und (©. Swainsoniü A.Sm., Zwergohreule (Scops zorca Cetti), Caprimulgus europaeus und CO. aegyptius Licht, Rauch- schwalbe (Hirundo rustica L. und H. cahirica Hogl.), Ufer- schwalben (Riparia riparia L. und R. obsoleta Reichenowi Zal.), Hausschwalbe (Chelidon urbica L.), Mandelkrähe (Coracias garrula L.), Eisvogel (Alcedo ispida L.), Grau- fischer (Halcyon fusca Bodd.), Bienenfresser (Merops apiaster L.), Wiedehopf (Upupa epops L.), Fitislaub- sänger (Phyllopneuste trochilus L.), Grasmücken (Sylıa melanocephala Gm., S. cwrruca Bechst., S. atricapilla L.), Bach- stelzen (Motaeilla alba L. und M. flava L.), Pieper (Anthus pratensis L., A. cervinus Pall. und A. campestris Hgl). Garten- rotschwanz (Rutieilla phoenicura L.), Rotkehlchen (Zry- thacus rubecula L.), Blaukehlehen (Cyanecula suecica L. und leucocyana Brehm.), Steinschmätzer (Saxicola esabellina Oretsch., S. oenanthe L., S. stapazina L. und $. deserti Rüpp.), Blaudrossel (Monticola cyana L.), Goldamsel (Oriolus galbula Briss.), Fliegenfänger (Muscicapa atricapilla L., M. collaris Bechst. und M. grisola L.), Würger (Lanius ex- cubitor L.), Star (Sturnus vulgaris L.), Buchfink (Fringilla coelebs L.), Haubenlerche (Galerita cristata L., Otocorys bilopha Temm.), Kuckuck (Ouculus canorus L.), Sporen- ‚kuekuck (Centropus senegalensis Gm.), Wendehals (Jynx

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torgwilla 2.), Hohltaube (Columba oenas L., von Schrader bei Tor erlegt),. Turteltaube ( Turtur decipiens Finsch& Hart!l.), Pterocles alchata Lath., (von mir im Wadi Sahara, Wadi Rherandel und am Hemmahügel beobachtet, nach der Ansicht von Graf Zedlitz aber mit Pt. guttatus verwechselt), Pterocles guttatus Hgl., Wachtel (Coturnix coturnix L.), Wüsten- läufer (Oursorius gallicus Gm.), Steppenkibitz (Hoplopterus spinosus, Hasselqwist), Regenpfeifer (Charadrıus morinellus L., Ch. hiatieula L., Oh. helvetieus Briss., Oh. fluviatilis: Bechst. und Oh. peeuarius Temm.), Zwergrohrdommel(Ardetta minuta Z.), Hausstoreh und Schwarzstorch (Ciconia alba L. und ©. nigra L.), Brachvogel (Numenius arquatus Lath.), Ufer- läufer (Totanus ochropus L., T. glareola L. und T. calidris L., Tringoides hypoleucos L.), Avocette (Kecurvirostra avo- cetta L.), Sanderling (Calidris arenaria L.), Gallinago major Gm., @G. scolopacina Hol. und @. gallinula L., Fulica atra L., Wachtelkönig (Ortygometra crex L.), Flamingo (Phoeni- copterus roseus Pall.), Rotente (Casarca rutila Pall.), Spieb- ente (Dafila acuta L.), Knäckente (Wuerquedula eircia L.) und Knickente (Querquedula erecca L.), Löffelente (Spatula elypeata L.), Bergente (Fuligula marila L.), Zwergsteißfuß (Podiceps minor Lath.), Lachseeschwalbe (Sferna anglica Mont.), Pelikan (Pelecanus onoerotalus L.), Scharben (Phalacrocorax carbo L. und Ph. pygmaeus Pall.).

Es ist selbstverständlich, daß sich manche der erwähnten Vogelarten noch als Stand- bezw. Brutvögel erweisen werden oder als solche sich bereits erwiesen haben. In der Literatur über Vogelzug zu wenig bewandert und über. die Resultate der „Beringung“ gar nicht orientiert, kann ich mit Bestimmt- heit auch nicht sagen, ob alle im Herbst den Sinai passierenden Vögel im Frühjahr auf gleichem Wege wieder zurückkehren. In der mir zugemessenen kurzen Beobachtungszeit konnte ich ebenso wenig feststellen, ob die typisch südlichen Arten regel- mäßig nach dem Sinai kommen oder ob sie (wenigstens ein- zelne von ihnen) nur als Irrgäste zu betrachten sind. Ich war im Frühjahr häufig verhindert, ununterbrochene Beob- achtungen über den Vogelzug anzustellen; doch will es mir scheinen, als schlügen manche im Herbst vorbeikommende Arten im Frühjahr einen andern Weg zur Rückkehr nach dem Norden und Osten ein. Sicher ist es, daß manche Zug-

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vögel am Sinai die Zugrichtung wechseln. Störche und ziehende Wandermilane verlassen die Halbinsel gleich nach ihrer An- kunft, indem sie sich nach Osten oder Westen wenden. Man sieht sie nur ausnahmsweise in den höher gelegenen, zentralen Teilen der Wüste. Von einem großen Wachtelzuge habe ich während der ganzen Zeit meines dortigen Aufenthaltes nichts entdecken können. Ich weiß wohl, dab diese Vögel in großen Flügen regelmäßig an der Mittelmeerküste eintreffen, von den dortigen Beduinen in Masse gefangen und als Handels- artikel exportiert werden. Ob sie sich von der Küste weg aber nach Osten oder nach Westen wenden, konnte ich bis jetzt nicht in Erfahrung bringen. In den südlichen Teilen der Halbinsel sind sie nur vereinzelt oder in kleinen Flügen anzutreffen. Wenn es richtig ist, daß die hungernden Israeliten auf ihrer Flucht aus Aegypten sich von Wachteln ernährten, so würde das nur die von Brugsch und Ebers ausgesprochene Vermutung bestätigen, daß das fliehende Volk seinen Weg längs der Mittelmeerküste gewählt habe. Viel wahrschein- licher waren es aber Heuschrecken, von denen die Flüchtlinge sich ernährten, und in diesem Falle wäre es dann eher möglich, daß der Exodus über den mittleren und südlichen Teil der Halbinsel stattfand. Sehr ermüdete Wachteln habe ich im März schon am Südwestfuße des Zentralgebirges und anfangs April auch bei el Tor beobachtet. Am häufigsten aber habe ich diese Vögel in den betreffenden Gebieten im August an- getroffen. Ausnahmsweise bin ich ihnen auch Ende Oktober begegnet. Auf der Ostseite des Zentralgebirges sind mir keine Waechteln zu Gesicht gekommen; doch hat sie Graf v. Zedlitz Ende April im’ Wadi Nasb, südöstlich vom Katharinenkloster, gesichtet. Ich schließe mich seiner Vermutung an, dab die Zugstrabe dieser Vögel in der Regel nicht über das Gebirge der Halbinsel führe.

Unser Hausstorch, den ich auf dem Herbstzuge am Sinai schon anfangs August, häufiger aber erst Ende dieses Monats sah, könnte eher noch als willkommene Jagdbeute der südlichen Küstenbevölkerung betrachtet werden, als die Wachtel.

In häufigen Flügen, aber doch nicht so zahlreich, dab sie für die Küche eine Rolle spielten, kommen Tauben nach dem Sinai. Schrader will im November eine Hohl-

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taube (Oolumba oenas L.) beim Dorfe Tor erlegt haben. Ich habe diese Art auf dem Sinai nie gesehen, wohl aber die Felsentaube (Columba livia L.), welche Brutvogel ist, aber sich nicht selten auch von Aegypten her nach dem Sinai verfliegt. Ich beobachtete sie Mitte April im Wadi Mokatteb (in der Nähe der Türkisminen) und im September in den südlichen und östlichen Teilen der Halbinsel. Regelmäßig scheinen nach meinen Aufzeichnungen aber nur Turtur deei- piens Finsch. & Hartl. und Turtur senegalensis aegyptiacus Lath. nach der Halbinsel zu kommen. Die Fachornithologen Koenig und Graf v. Zedlitz glauben zwar, daß ich mich bei der dies- bezüglichen Bestimmung getäuscht und den Standvogel Trurtur turtur L. Turtur auritus Hgl.) mit T. senegalensis ver- wechselt habe. Ich habe die Turteltaube in den Jahren 1886 und 1887 im Wadi Schidek und im Wadi Feran ge- schossen und später auch im Wadi Bedr, Wadi Selaf und bei el Tor beobachtet. Es bleibt also späteren Beobachtungen vorbehalten, festzustellen, ob diese Taubenart nieht doch auf dem Sinai vorkommt. Solange kompetente Ornithologen gegenteiliger Ansicht sind, muß ich annehmen, daß ich mich beim Bestimmen getäuscht habe, oder daß eine nichtägyptische Varietät, die mir unbekannt war, nach der Sinaihalbinsel zieht.

Echsen und Schlangen. Es ist begreiflich, daß Tiere, welche in unseren Breiten dem strengen Winter trotzen, auch die Unbilden des Wüstenklimas zu ertragen vermögen. Sie halten Durst und Hunger, übermäßige Sonnenbestrahlung und Kälte aus und erlahmen hier bei Frost nur, ohne in eigent- lichen Winterschlaf zu verfallen. Dem Verhungern beugen sie durch eine erstaunliche Nahrungsaufnahme und durch eine unübertreffliche Verdauungskunst vor, wenn reichliche Beute zu finden ist, gerade so, wie die Hyänen, Geier und Beduinen in guten Zeiten für die schlechten vorsorgen.

Schleuderschwanz, Agame und Wühlechse trifft man in der trockensten Wüste, wo kilometerweit kein Wasser zu finden ist. Das sinaitische Chamäleon begnügt sich mit dem salzigen Tranke, den die „Tränen“ der Tamarisken ihm bieten, und der fettleibige Dornschwanz (Uromastix) findet den ganzen Sommer über nur in den seltenen grünen Pflanzen- sprossen das zu seinem Leben nötige Naß. Kaum dringt ein

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warmer Sonnenstrahl durch den Wolkenhimmel, so leben die Wüsteneehsen auf. Sie genießen erst Licht, möglichst viel Licht, ehe sie ihrer Nahrung nachgehen. In scheinbar in- differentem Grau liegen, hängen und kleben sie da, bis die Sonne etwas lebhaftere Färbung in ihre Haut gebracht hat. Es ist, als ob manche sogar das Sonnenlicht abwarten müßten, um Farbe für ihr Liebeswerben zu gewinnen. Nur das kleine sinaitische Chamäleon, von dem ich anfangs glaubte, daß es wie seine Artverwandten in andern Erdstrichen beliebig seine Farbe wechseln könne, nimmt keine ausgesprochene Um- färbung vor. Es bleibt grünlichgrau, im Kolorit der Tama- risken, aus denen es in bedächtigen Greifschritten seiner Beute, den Fliegen und Mücken, nachgeht.

Auch unter den Schlangen gibt es solche, welche trotz aller Sonnenbestrahlung keine sattere oder buntere Färbung annehmen. Die eigentlichen Sands:hlangen, Eryx und Horn- viper, könnten ein auffälliges Hautkleid nicht brauchen. Auf der Lauer auf Mäuse, Vögel und Kerfe decken sie sich sogar noch mit einer feinen Sandschieht zu, um ja nicht die Auf- merksamkeit ihrer Opfer zu wecken. Nur das geübte Auge des Beduinen vermag ihre spähenden Augen, die Adesat („Linsenkörner“, von den Arabern so genannt, weil die . Aeuglein die Farbe von gelben Linsen haben), wahrzunehmen. Auch die Sandrasselnatter (Echis) weiß sich der Entdeckung ausgezeichnet zu entziehen, wenn sie regungslos im Sande zwischen Steinen liest. Fast wäre ich von einer solchen Giftschlange gebissen worden, wenn sie vor dem Sprung nicht noch ihr fremdartiges Rasseln, das Vorzeichen des Angriffs, hätte vernehmen lassen. Man hört auf dem Sinai selten von Schlangenbissen. Das hat seinen Grund aber nur darin, dab die Beduinen die Lieblingsplätze der Schlangen, deren Fährten und Gewohnheiten kennen und sich von ihnen nur selten überraschen lassen. Es gibt aber sehr viele Giftschlangen dort, so daß man den Fremdling nicht genug zu größter Vorsicht anhalten kann. Am gefährlichsten sind sie bei heißem Wetter und wenn man sie mit Stöcken erschlagen oder sogar lebend fassen will. Da springen die Vipern meterweit nach ihrem Angreifer und beißen sich mit größter Sicherheit in seinem Gesichte, an seinen Händen oder an seinen Füßen fest. Man soll aber auch des Nachts auf der

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Hut sein, wenn die Hornviper ans ungewohnte Lagerfeuer kommt und sich in ausgezogenen Stiefeln oder andern Klei- dungsstücken vor der Nachtkälte schützt. Das Lagern in der Nähe von Palmendickichten und das Erklettern von Akazien ist sehr gefährlich, weil sie sehr oft Giftschlangen beherbergen. Die Echsen sind auf dem Sinai artenreich vertreten. Man findet sie in menschlichen Ansiedelungen, auf dem Flutwall der Küste, auf Sand- und Kiesebenen, in buschbestandenen Talsohlen und im nackten Felsgebirge. Die größten unter ihnen sind die Waraneidechse (Varanus griseus Daud.), der Stachelschwanz (Uromastix spinipes Merr. und U. ornatus Rüpp.), der Schleudersehwanz (Stellio cordylina Laur.) und der Apotheker-Skink (Seincus offieinalis Laur.). Der Waran, dessen Name aus dem Arabischen über- nommen ist, bewohnt die sandigen und kiesigen Ebenen des Nordens und ist wegen seiner Angriffslust von den Beduinen sehr gefürchtet. Viele behaupten, daß sein Biß giftig sei. Der Stachelschwanz (Uromastix), der, wie oben ange- deutet, in zwei Arten vorkommt, ist ein harmloserer Geselle. Er nährt sich meist von Pflanzenkost und hat daher kein so hitziges Temperament, wie der Waran, der Mäusen, Vögeln und sogar jungen Hasen nachgeht. Wenn man ihn regungs- los vor seinem Schlupfloch liegen sieht, könnte man eher glauben, eine panzerlose Schildkröte vor sich zu haben, als einen Verwandten unserer lebhaften Eidechsen. Kann man sich an ihn heranschleichen, was übrigens nicht so leicht gelingt, so verteidigt er sich mit scharfen Krallen und mit kräftigen Hieben seines Stachelschwanzes. Er kann dabei so empfindlich kratzen und schlagen, daß ihn mancher lieber wieder losläßt. Der Beduine freilich ist so erpicht auf sein Fleisch und seine Haut, daß er sich durch solche Wehrhaftig- keit nicht zurückhalten läßt. Er zieht ihm die Haut, dienlich zur Herstellung eines dauerhaften und geräumigen Tabak- beutels, über die Ohren und schmort sein Fleisch zu einem schmackhaften Braten im Kohlenfeuer. Daß man ihn gefangen hält und mästet, wie Brehm berichtet, habe ich auf dem Sinai nie gehört. | Der Apotheker-Skink (Seineus ofieinalis Laur.) ist ein wunderbares, auf dem Sinai ziemlich seltenes Geschöpf. Man sieht ihn nur ausnahmsweise einmal, wenn er sich mit

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seiner breiten Schnauze aus dem Sande herausgräbt und in der Sonne sein buntes Schuppenkleid funkeln läßt. Bei Ge- fahr gräbt sich diese Echse plötzlich wieder in den Boden ein. Fühlt sie sich aber ganz sicher, so geht sie sofort ihrer Nahrung nach, den Rüssel in den Sand steckend (wie ein Schwein, das nach Schwämmen sucht) und besonders gerne die Triehterlöcher von Ameisenbären auf Beute untersuchend. Ich habe mich öfters gefragt, was das speckig glänzende, bunte Schuppenkleid dieser Wüstenechse für einen Zweck erfüllt. Sind es Schreckfarben, welche den Skink .vor der Verfolgung seiner Feinde schützen sollen, weil er nicht rasch laufen kann? Fast sollte man es glauben, denn das giftige Schwefelgelb seiner Grundfarbe und das ungewohnte Orange- rot seiner Bänderung müssen stutzig machen, wenn diese Wühlechse plötzlich aus dem matten und fahlen Sandboden hervortaucht. Nur in Bezug auf die Verfolgung durch den Menschen hätte die Natur dann wieder einmal eine falsche Richtung eingeschlagen. Dem „denkenden“ Menschen ist der Skink wohl gerade wegen seiner auffälligen Erscheinung als mysteriöser Zauberer vorgekommen. Man mutet ihm allerlei wunderbare Kräfte zu und hät ihn daher in den Medikamenten- schatz aufgenommen. Er wird gefangen, geschmort, getrocknet und pulverisiert und als Wundermittel den Zauberern und Quack- salbern verkauft. Der Gläubigen gibt es ja heute noch genug, die solches Zeug verschlucken, wie anno dazumal, als die Heilkünstler ihren Patienten noch „Mumienerde“ verschrieben.

Die übrigen sinaitischen Wüstenechsen haben für den Be- duinen wenig Bedeutung. Er geht am Schleuderschwanz (Stellio), Fransenfinger (Acanthodactylus), Fächerzeher (Ptyodactylus), Wüstenrenner (Zremias), Schlangenauge (Ophiops), an Johannisechsen (Ablepharis), Geckonen (Stenodactylus und Platydactylu), Agamen (Trapelus), gewöhnlichen Echsen (Zacerta) und am Chamäleon achtlos vorüber oder wirft sie mit Steinen tot, wenn ihn Mordlust ankommt. Wer sich für Kriechtiere näher interessiert dem ist die Lektüre der Werke von Forskal, Geoffroy, Ehrenberg, Rüppell, Heuglin, Günther, Tristram, Carrucio, Anderson und. Werner zu empfehlen. Vor zwei Jahren hat zudem Adolf Andres die Lacertiden- und Reptilien-Ausbeute der Kneuckerschen Expedition beschrieben.

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Das Geschlecht der Schlangen ist auf dem Sinai in vielen Arten vertreten. Wir finden hier mehrere Formen® der Zornnatter (Zamenis), die Eidechsennatter (Coelopeltis), die Sandschlange (Eryx jaculus L.), die ägyptische Brillenschlange (Naja haje L.), die Bergviper (Vipera ammodytes L.), die Hornviper (Cerastes), die Levante- natter (Daboia) und die Sandrasselnatter (Zchis arenarius Boie). Ich glaube, dort auch schon die österreichische Kupfernatter (Coronella austriaca Dum. d: Bebr.) beobachtet zu haben. Die Bergviper, arab. Djebeli, und die Hornviper, arab. Aefa oder Umm-Geren, sind die gefürchtetsten und bekanntesten unter ihnen. Die beiden Varietäten der Brillen- schlange, die helle Haje und die dunklere Sued el Lel werden ebenfalls sehr gefürchtet, sind aber viel seltener als die vorhin genannten Vipernarten. El Ham und EI Barram sind un- schuldige Kleinschlangen, die zum Genus Eryx gehören.

Kleintierwelt. Sie zeigt einen großen Artenreichtum, denn zu ihr gehören ja die Conchylien, Insekten und Würmer, über die hier wegen Raummangel leider nur sehr unvoll- ständig berichtet werden kann.

Ueber die Landeonchylien der Sinaihalbinsel haben Martens und Tristram sehr umfangreiche Abhandlungen geschrieben. Neben ihnen sind noch die Beiträge von Somerville, Schneider, Westerland und Reinhart zu erwähnen.

Die Wüste, arm an fließenden Gewässern, Sümpfen und perennierenden Regenwasserbecken, beherbergt nur eine kleine Zahl von Süßwasser-Öonchylien, lange nicht so viele, wie das benachbarte Aegypten oder gar wie Palästina. Ich habe nur Melania fasciculata Lam., eine Pupa- und eine Succineaart gefunden, die ich s. Z. in meinem „Verzeichnis ägyptischer Tiere* erwähnt habe. Alle drei Arten gehören Gattungen an, die in Palästina ziemlich gut vertreten sind. Es liegt daher nahe, daß sich bei einer genaueren Unter- suchung der sinaitischen Küstensümpfe, der Quelltümpel und fließenden Talgewässer manche neue Art aus dieser Gruppe wird finden lassen.

Noch größere Aussicht für die Auffindung neuer Arten bieten aber die Landconchylien und unter ihnen besonders die Gattung Helix. Wenn man einen Blick auf die dies- bezüglichen Artenlisten von Aegypten und Palästina wirft, so

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überzeugt man sich sofort von der großen Formenmannig- faltigkeit dieser Schneckengattung und von ihrer Vorliebe für die Wüste, besonders der Kalksteinwüste. Keine Tiergruppe neigt so sehr zur Bildung von Lokalformen, wie diese Gehäuse- schnecken. Man muß es daher der Vernachlässigung dieser Mollusken durch die Sammler zuschreiben, wenn bis jetzt nicht viel mehr Arten solcher Schnecken vom nördlichen Teile der Halbinsel her bekannt wurden.

Die Insekten bieten dem Sinaibesucher, wenn er nicht gerade Naturforscher ist, wenig Anlaß zu angenehmen Er- innerungen. Kleinheit und Unscheinbarkeit entziehen viele den Blicken, und diejenigen, die sich durch große Individuen- zahl hervortun, sind nicht geeignet, Liebe zur Insektenwelt zu wecken. Die Wüste entpuppt sich als ein Gebiet von ver- hältnismäßig großem Ungezieferreichtum. Auf dem Marsche, besonders in den heißen Sommermonaten, begleitet uns ein Heer lästiger Stubenfliegen. Sie verfolgen uns kilometer- weit über die Trockenebenen, von der Küste ins Gebirge und von dort wiederum an den Meeresstrand zurück. Selbst auf den höchsten Berggipfeln wird man diese ungebetenen Tra- banten nicht los. In der Umgebung von größeren Beduinen- lagern sind sie nicht nur lästig, sondern auch geradezu ge- fährlich. Sie set,en sich auf jeden Abfall und auf alle Aus- wurfprodukte, auf krankes Vieh und kranke Menschen und übertragen von dort die aufgenommenen Bakterien und Toxine auf gesunde Körper. Die Beduinen sind weit davon entfernt, diese Gefahr zu erkennen und ihr entgegenzuarbeiten. Sie setzen Kranke und Kinder absichtlich den ekelhaften Plage- geistern aus, im Glauben, daß diese alle Krankheitskeime entfernen und umso wertvoller für Genesung und Gesundheit seien, je zahlreicher sie sich auf den armen Geschöpfen an- sammeln. Für gewisse Bakterien ist die Möglichkeit der Uebertragung durch Fliegen zwar eine geringe. Das erkennt man am besten in den Quarantänelagern bei el Tor, Ras Maleb und Aiun Musa, wo die Cholera selten von einem Campement ins andere übertragen wird, obgleich die Fliegen hier in ungeheurer Zahl vorkommen. Es ist dies sicherlich der geringen Widerstandskraft der Cholerabakterien gegenüber der großen Lufttrockenheit zu verdanken. Andere Krankheitserreger besitzen aber diese Hinfälligkeit nicht und

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lassen sich durch Fliegen leichter übertragen. Der Vorsichtige wird aus diesem Grunde die Nähe von großen Beduinen- oder gar von Pilgerlagern möglichst meiden.

Wenn man in Tälern nächtigt, wo stagnierendes Wasser vorhanden ist, wie z.B. im Wadi bei el Tor, im Wadi Rherandel, Wadi Araba ete.. so wird man in der Regel durch unvermerkt anfliegende Steechmücken belästigt. Ihre Stiche sind ungefährlich, wenn keine Malariakranke in der Umgebung wohnen, d.h. wenn die Mücken nicht selbst als Zwischenwirte von solchen Kranheitserregern infiziert sind. Sie sind immerhin schmerzhaft und können böse Hautentzündungen hervorrufen, wenn man sich nicht allmählich an sie gewöhnt. Der Beduine ist kein Freund von solchen Angriffen. Er sucht in mücken- reichen Gegenden daher immer die höheren Bodenlagen für Schlafstellen aus und wird lieber auf und zwischen harten Steinen nächtigen, als auf weichem Sandboden, der in den Talgründen zu finden ist.

Sehr unangenehm sind auf dem Sinai an manchen Orten und zu gewissen Zeiten die kleinen Fliegen (vielleicht Kribbel- oder Kolumbatscher-Mücken), welche in großen Schwärmen die Reit- und Lasttiere belästigen, in ihre Nüstern fliegen und große Unordnung inden Karawanen anrichten können.

In der Umgebung von alten Siedelungen und Lagerplätzen machen sich oft hungrige Zecken bemerkbar, die mit Raffine- ment an Körperstellen sich festsaugen, wo der Kulturmensch sie am wenigsten vermutet. Der Mensch kann sich vor ihnen wehren, die Kamele aber tragen oft vollgesogene Zecken als eichelgroße Klunker auf sich herum.

Eine weitere Wüstenplage bilden die Pedieuliden, denen man kaum entgehen kann, wenn man längere Zeit mit Beduinen reist. Man gewöhnt sich zwar nach und nach an sie, bringt es aber nie zu jener stillen Seelenruhe, welche die Araber an den Tag legen, wenn sie große „Lausung“ vornehmen.

In el Tor und seinen Nachbardörfern, besonders aber im Katharinenkloster, findet der Reisende auch Gelegenheit, mit Bettwanzen Bekanntschaft zu machen. Der Rekord der Baronin Kefferbrinek-Ascheraden, die s. Z. mit Burgsch im Kloster wohnte und in einer Nacht 38 Bettwanzen, 3 Heu- schrecken und einen Skorpion zur Strecke brachte, ist schon lange überholt. Neuere Reisende verzeichnen reichere Beute.

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Wer sich im Sommer auf der Sinaihalbinsel aufhält, der hat auch unter den vielen Wespen zu leiden, die an Kappern- früchten, Feigen und Datteln, sowie am Fleisch geschossenen Jagdwildes sich gütlich tun. Sie haben mir mehr als einmal das Fleisch von ganzen Steinböcken weggetragen, das ich zum Trocknen an Akazien aufgehängt hatte.

Reis- und Kornkäfer verderben häufig die Lebensmittel, die in der Wüste aufgespeichert werden. Wenn man die Schädlinge indessen rechtzeitig entdeckt und die Vorräte dann an der Sonne ausbreitet, kann man sie leicht wieder ver- treiben. Beduinen aber, die solche Vorräte oft monatelang unbeaufsichtigt in ihren Kastellen, Kusur, liegen lassen, er- leiden durch diese Käfer manchmal bedeutenden Schaden.

Es kommt auch eine Termitenart (Aerda) auf dem Sinai vor. Diese Insekten sind hier aber nicht so schädlich, wie im Sudan und in andern Gebieten der arabischen Welt.

Die Wanderheuschrecke gelangt in gewaltigen Schwärmen fast alle Jahre nach dem Sinai. Sie wird ge- wöhnlich von Südwinden hierher verschlagen und zerstört dann alles, was ihren Kiefern nicht zu widerstehen vermag: die Vegetation ganzer Landstriche, die Takelage der ver- ankerten Segelschiffe und sogar die gefüllten Kohlensäcke, die zur Verschiffung am Strande liegen. Der Mensch kann sich gegen diese Tiere nicht wehren; er sieht immer neue Heere heranfliegen, bis sie gegen Abend, oft auch erst nach einigen Tagen plötzlich wieder verschwunden sind. Ein- gesammelt, getrocknet, gemahlen und für die Küche ver- wendet, könnten sie einem hungernden Volke schon zur ret- tenden Nahrungsquelle werden, namentlich dann, wenn Gärten und Weideplätze durch sie zerstört sind und das ganze Land in Kahlheit starr. Die Tahama-Araber verwenden sie in solcher Aufbereitung als Viehfutter; ich habe aber nie gehört, daß die Tauara sie so zu Nutzen ziehen.

Ueber das Vorkommen schmarotzender Würmer habe ich in früheren Publikationen berichtet. Ich möchte hier nur nochmals auf die Blutegel aufmerksam machen, die sich

bei unvorsichtigem Trinken aus fließenden und stagnierenden -

Gewässern leicht in Nase und Rachen festsetzen und auf die Dauer gefährliche Blutverluste verursachen können. Den Medinawurm habe ich nur bei Schiffsleuten, be-

108 sonders Perlfischern, beobachtet. Er wird vorsichtig auf Holzstäbehen aufgewickelt und durch sanftes Ziehen langsam aus den Beingeschwüren entfernt.

Die Insektenwelt der Wüste bietet aber nicht nur Lästiges und Unerwünschtes; sie kann auch angenehme Unterhaltung schaffen und namentlich dem Naturforscher interessanten Stoff zum Sammeln und Studieren gewähren. Das hat der schon mehrmals erwähnte Karlsruher Botaniker Kneucker erfahren, der neben seinem reichhaltigen Herbar noch eine große Insektensammlung von seinen Sinaireisen mitbrachte. Wir finden in seiner Liste ungefähr 120 Käferarten, 60 Fliegen, 70 Schmetterlinge und 60 Halb- und Geradflügler verzeichnet. Ich selbst habe dieses Verzeichnis durch 75 Arten vermehrt und weitere Ergänzungen wird es erfahren durch die Samm- lungen von Peyerimhoff, Koenig und anderen. An wichtiger Literatur möchte ich die Arbeiten erwähnen von Savigny, Ehrenberg, Motschalsky, Sauley, Girard, Cambridge, Walker, v. Heyden, Klug, Stierlin (der einen Teil meiner entomolo- gischen Ausbeute beschrieben hat), Peyerimhoff, Reuter, Royer, Weise, Rebel, Zimmermann, Andres, Hermarn, Ville- neuve, Schmidt und Bickhardt. Nebenbei lieferten Beiträge zur Kenntnis der Insekten: Morozzo, Guerin, Bugnion, Spinola, Osculaty, Wedl, Schaum, Stal, Vogel, Zeller, Tournier, Walker, Kirsch, Kraatz, Capiomont, Löw. Baudy, Radoskowsky, Douglas, Costa, Saunders, Leprieur, Simon, Wallace, Krauß, Demaison, Pocock, Morice, Naumann, Nuttall, Bulivar, Werner und Rebel-Staudinger.

Ganze Gruppen sinaitischer Insekten sind indessen trotz der vielen wissenschaftlichen Arbeit, die auf ihr Studium ver- wendet wurde, noch unbekannt geblieben. Besonders mangel- haft sind diejenigen Arten bekannt, die im Hochsommer ihre Flugzeit haben oder ein verborgenes Leben führen.

Sehr auffallend ist für den Sinaibesucher der fast gänz- liche Mangel an farbigen Großschmetterlingen. Nur ausnahms- weise sieht er einmal einen Danaisfalter, einen Weißling oder Gelbling in der Wüste sich wiegen. Schwalbenschwanz, Perlmutter-, Schiller-- und Alpenfalter sind nirgends zu be- obachten. Hie und da nur winkt uns ein kleiner Bläuling einen Heimatgruß zu. Es fehlen auch die bunten Widderchen und die Spinner. Nur Eulen sind in zahlreichen, merkwürdig

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gezeichneten Individuen und Arten vorhanden. Wenn man das Sammeln der Nachtschmetterlinge nicht auf die zu- fälligen Funde beschränkt, die beim Abendessen in Speise und Trank entdeckt werden, sondern mit Käscher und Blend- laterne arbeitet, so findet man in kurzer Zeit eine Menge solcher Tiere.

Auch bei den Käfern vermissen wir die imponierenden Riesenformen. Hirsch- und Bockkäfer finden in diesem baum- armen Gebiete kein Auskommen. Nicht einmal der Elefanten- kotkäfer der nubischen Steppengebiete hat auf dem Sinai Heimat gesucht. Von großen Käferarten finden wir hier nur den Nashornkäfer (Oryetes grypus IU.), der im Hochsommer schwärmt, und eine buntschillernde Buprestide (Steraspis squamosa Klug.), welche um Tamarisken und Akazien ihr Liebesspiel treibt. Von einiger Größe sind auch die licht- scheuen Schwarzkäfer (Ocnera hispida Forsk. und Blaps polychresta Forsk.). In tiefgründigen Wassertümpeln des Zentralgebirges taucht der gelbrandige Fadenschwimmkäfer (Oybister africanus L.) als Größter seines Geschlechtes auf und unter.

Von den Hymenopteren sind Xylocopa valga Gerst., Vespa orientalis Fabr., Sphex mazillosa Fabr. und Evania dimidiata Sp. die größten Formen.

Besonders interessante Form- und Farbenkünstler sind wenige zu entdecken. Die sinaitischen Wüstenpflanzen bringen nur selten eigentliche Blumen, sondern meist nur unscheinbare Blüten hervor. Aus diesem Grunde sind auch die über- raschenden Anpassungsformen und Anpassungsfarben unter den Insekten selten. Nur die Buckelzikade (Centrotus cornutus L.) weist eine merkwürdige Formanpassung an ihre Umgebung auf. Sie sitzt an den Zweigen der Akazien und hat zwei Hörnchen auf dem Rücken, die sie ihrem Sitzplatze um so ähnlicher machen, als sie auch seine Farbe nachahmt. Dem isabellfarbenen Sandboden hat sich Zophoses testudinaria Fbr. durch einen gleichfarbigen Staubbelag in vorzüglicher Weise angepaßt, während ihre nächste Verwandte, Z. com- planata Sol. schwarz geblieben ist. Farbenübereinstimmung - mit der Umgebung weist auch die Wasserskorpionwanze (Laceotrephes fusca L.) auf. Sie stimmt mit dem rostroten Granitgrus der Bachbetten bestens überein.

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Vergebens sucht man in der sinaitischen Wüste nach den hohen Termitenhügeln der südlicheren Gebiete, nach den Ameisenhügeln unserer Wald- und Alpengegenden, nach dem kunstvollen Wabenbau eines fleißigen Bienenvolkes. Die Bau- kunst wird hier wenig gepflegt, das zeigt sich ja auch im primitiven Zeltbaue des Beduinen. Nur tiefe Röhrenbauten der Xylocopa finden wir nicht selten in den hohen Blüten- stengeln einer Verbascumart. An überhängenden Felswänden entdecken wir wohl auch einfache Triehterbauten einer Faltenwespe und in den Hütten von Eingebornen die Lehm- zellen einer Kumenesart, welche eine erzschillernde Chrysalide mit ihren Kuckuckseiern beschenkt. Interessante Bauwerke sind schließlich noch die Fangtrichter der Ameisenlöwen.

Einige musizierende Insekten sind uns unter den Zikaden, Grillen und Schreeken bekannt, während Leuchtinsekten dem sinaitischen Faunengebiet ganz zu fehlen scheinen.

Schlußbemerkungen.

Wie aus den vorstehenden Mitteilungen hervorgeht, gibt es in der Sinaiwüste und an ihren Küsten noch recht Vieles zu sehen, Vieles zu sammeln und Vieles zu ergründen, das der Zukunft vorbehalten ist. Die verschiedenen Kapitel, die über Land und Leute, Tiere und Pflanzen, Klima und geo- logische Verhältnisse handeln, sollen aber auch keine ein- gehende Zusammenfassung des bereits Bekannten darstellen, sondern nur einen Wegweiser für die, welche die Eigentüm- liehkeiten der Sinaiwüste und des sinaitischen Korallenmeeres aus eigener Anschauung kennen lernen wollen. Sie sollen in erster Linie dem Naturfreunde dienen, dem es nicht möglich ist, vor Antritt der Reise im umfangreichen Materiale der sehon publizierten Spezialstudien sich zu orientieren, in zweiter Linie aber auch dem Naturforscher, der in den gedrängten, ohne verwirrende Ausschmückungen aufgestellten Listen ein brauchbares Vademecum auf seinen Wanderungen finden möge. Die Lückenhaftigkeit dieses Schriftehens ist nicht nur durch meine beschränkten Kenntnisse des Landes und der ein- schlägigen Literatur bedingt, sondern auch trotz des sehr verdankenswerten Öpfersinnes der Thurgauischen Natur- forschenden Gesellschaft durch die hohen Satz- und Druck-

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kosten, welche in der heutigen Zeit leider die Veröffentlichung mancher geographischen Arbeiten verunmöglichen. Möge diese Lückenhaftigkeit durch die Berichterstattung über eine neue Reise, welche ich für das nächste Jahr geplant habe, einigermaßen behoben werden; möge sie aber auch Anregung bieten zur Bereisung der Sinaihalbinsel durch jüngere und leistungs- fähigere Kräfte und besonders auch zur Gründung einer staatlich unterstützten zoologisch-botanischen Arbeitsstation, die in Anlehnung an die Naturhistorischen Museen von Kairo, an den so gut gepflegten zoologischen Garten von Gizeh und an das im Werden begriffene ägyptische Aquarium von hohem Werte für sämtliche Gebiete der Naturwissenschaften werden könnte.

Inhalts-Verzeichnis.

Seite Geschichtliches. . . . & RE 3 Die Landschaft: Tem wuste "Tihwüste Nateweit der Tih- und Isthmuswüste Kranzwüste Wirtschaftlicher Wert der Kranzwüste Zentralmassiv und dessen Nutzungs- WERKE BR perl Deren see Korschunesreisen:.i. she her ee ee Geologischesi. Ne... eek Bershal ca sänger Klima EI N N ER N Die Bevölker ung: al el Tin Hadar Askar und Hukuma- Nassaraı Arab 200 Se Tier- und Pflanzenleben des Meeres. . . 47 Die Wüstenflora: Vorlandwüste Nördliche Kalk- ad Sandsteinwüste Südliche Felsenwüste . . . SIE SAS Die Tierwelt: Säugetiere —- Vögel Echsen und Schlangen _ Kleintierwelt: .. 2 Nina 32: anne

Schlußbemerkungen. .. 1. u. 2 ie

Zur Flora von Dießenhofen

und zur Erinnerung an Friedrich Brunner, Apotheker, + 1898 und Dr. med. Hans Brunner in Diessenhofen, + 1920,

Von Prof. Dr. ©. Naegeli (Zürich).

Vor 40 Jahren hat Friedrich Brunner im 5. Heft der Mitteilungen der Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft 1882 die Pflanzenwelt seiner engern und weitern Heimat in sorgfältiger Weise zusammengestellt und damit den ersten zuverlässigen und außerordentlich wertvollen Beitrag zu einer thurgauischen Flora geliefert. Als Hauptzweck seiner Arbeit, so schreibt er selbst in den einleitenden Worten, wollte er ein möglichst vollständiges und sicheres Verzeichnis der Pflan- zen geben, die in den letzten 50 Jahren von Dr. Benker, Dr. Brunner und Dr. Hanhart und vor allem ihm selbst gesammelt und im Herbar aufbewahrt worden waren.

Ich selbst habe einmal im Jahre 1891 einen Tag mit ihm in seiner Dießenhofer Pflanzenwelt verlebt und so auch mündlich noch viel Interessantes erfahren. Und reich ist dieser kleine Bezirk heimatlicher thurgauischer Erde wie kein zweiter der Nordostschweiz, und es lohnt sich, darauf hinzuweisen . und die Gründe anzuführen,. wieso eine derartig interessante Flora hier zusammenflutet.

Später, 1916, hat in Heft 21 der gleichen Mitteilungen Dr. med. Hans Brunner die Arbeit fortgesetzt und zahl- reiche weitere Funde bekannt gegeben. Auch ihn habe ich kurz vor seinem Tode kennen gelernt und seine Freude an der Natur und vor allem der heimischen Pflanzenwelt be- wundert. In seinem Herbarium habe ich dann noch manchen bisher nicht bekannten Fund aufgestöbert.

Meine eigenen Forschungen im Gebiet von Dießenhofen gehen bis aufs Jahr 1889 zurück. In sehr zahlreichen und systematischen Exkursionen habe ich weitere Dutzende von

OB

Pflanzen (86) für das fast unerschöpfbare Gebiet nachgewiesen, namentlich durch die Untersuchung der Torfsümpfe bei Schlattingen (Sürch) und der dortigen Moränenlandschaft mit ihren Drumlinen, dann aber auch am Rheine, Gebiete, die bisher noch zu wenig ausgebeutet worden waren.

Vielfache Unterstützung habe ich durch Walo Koch, zurzeit Apotheker in Schaffhausen, Reallehrer Kummer in Schaffhausen und Dr. Eugen Baumann in Zürich gefunden, und einiges andere ist auch durch Dr. Kelhofer und seine Schüler entdeckt und in der Flora von Schaffhausen nieder- gelegt worden, wie ich überhaupt in Bezug auf Funde aus früherer Zeit auf diese Studie verweise, sowie auch auf die Literaturnachweise.

Als Grundlage der Aufzählung der Neufunde seit 1882 nehme ich die Publikation von Friedrich Brunner aus dem Jahre 1882 und füge in jener Reihenfolge die seit- herigen Neuentdeckungen bei.

Fr. Brunner hat 826 Pflanzen durch vorgedruckte Ziffern der Gremlischen Flora als in seinem Gebiet Dießenhofen wachsend (nicht 846, wie er am Ende der Arbeit schreibt) angegeben. Dabei hat er den Kohlfirst, das anliegende Etz- wilerriet und die Abhänge des Stammheimerberges und meist auch das Gebiet der Hüttwilerseen eingerechnet.

Ich möchte jedoch mich zunächst auf den Bezirk be- schränken und nur das ganz direkt anliegende Etzwilerriet und das Rheinufer bis Wagenhausen hinzunehmen, weil diese vollkommen zur eigentlichen Dießenhofer Flora gehören.

Von der Zahl der nachgewiesenen 826 Pflanzen müssen aber noch einige Abzüge gemacht werden. Bei der vor- gesetzten Ziffer von Anemone nareissiflora lag ein Druckfehler vor und bei Thalictrum flavum, Erucastrum Pollichii, Epilobium palustre, Seseli annuum, Peucedanum palustre, Arctostaphylos uva ursi, Eleocharis pauciflora lagen zur Zeit von Fr. Brunner bekannte Standorte erst wesentlich außerhalb der Dießenhofer Grenzen vor.

Als Bestimmungsfehler erwiesen sich Cerastium glutinosum (war ©. semidecandrum), Myosotis strieta (war M. collina),,. Scleranthus perennis (war S. annuus), Rumex Hydrolapathum, Arabis sagittata (= A. hirsuta) und Thymus Serpyllum (— Th. Chamaedrys) und als zweifelhaft erscheinen mir Cheno-

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podium murale, Alectorolophus major (von Fr. Br. nicht im Bezirk gefunden), Alopecurus geniculatus, Agrostis canina und Poa bulbosa (am Rhein wohl alles Deschampsia caespitosa sspec. litoralis var. rhenana).

Damit sinkt die Zahl der nachgewiesenen Arten auf 806. Fr. Brunner hat aber selbst in späteren Jahren noch 25 Pflanzen neu entdeckt und in das mir gegebene Exemplar seiner Studie eingetragen. Sie sind in die folgende Liste ein- gefügt, wie auch die publizierten und nicht publizierten Funde von Dr. Hans Brunner und dessen Sohn Fritz Brunner und diejenigen von Dr. Eugen Baumann (letztere mit B bezeichnet).

Verzeichnis der Neufunde seit 1882: Nomenklatur nach Schinz & Keller, Flora der Schweiz, 3. Aufl. (1909).

* für das Gebiet des Bezirks (+ Rhein bis Wagenhausen und Etzwilerriet) neu. ** für die engste Nachbarschaft hinzuzuzählen. Für manche von Fr. Br. nicht genauer angegebene Pflanzen folgen hier belegende Fundorte.

Thalictrum Bauhini var. galioides (pontische Einstrahlung) auch Schaarenwiese, seit Hegetschweiler bekannt, ferner

Kintschersbuck und Steigbuck bei Schlattingen N. In Schaffhausen heute erloschen, bei Helfenberg-Hüttwilen

noch 1896 N. * flavum. Schaarenwiese 1904 B., oberhalb des Schaaren- waldes: Schweizer. Bodenseepflanze.

Anemone Pulsatilla, nur im Moränengebiet um Schlattingen häufig, sonst lediglich bei Willisdorf und am Rodenberg N.

Adonis aestivalis und flammea, beide früher im Ratihard (Fr. Br. mdl.), in neuerer Zeit nie mehr gefundene Archaeophyten (— Getreideunkräuter, die seit Jahr- tausenden die heimische Kultur begleitet haben und jetzt durch andere Bebauung und Aufgeben der Dreifelder- wirtschaft aussterben).

* Ranuneulus fluitans. Paradies: Koch 1917! B.,N. bei deı Rheinmühle in Dießenhofen: Hs. Br. 1919. Westliche Ein- wanderung, fehlt der N. O. Schweiz. |

seeleratus, bei Basadingen 1910 wieder gefunden N., also nicht erloschen. Etzwilerried : Meister. Schaaren- weier : Bahnmeier.

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Ranunculus auricomus, im Schaaren 1895 wieder gefun- den N., also nicht erloschen. 1922: Kummer, Koch. Sürch: 1906 N.,. Hs. Br. 1915.

breyminus (— R.nemorosus), bei Willisdorf 1914 wieder gefunden N. Nicht erloschen! Lutwies Schlatt in Menge N. Sürch : Hs. Br. Schaarenwald: Fr.Br., N., sicher ganz verbreitet.

Delphinium Oonsolida, in letzter Zeit nie mehr gefunden, ebensowenig Nögella arvensis (Archaeophyten), beide früher (Fr. Br. mdl.) im Ratihard.

* Actaea spicata, von F.Br. vergessen, ist verbreitet.

Nuphar luteum, gibt F.Br. im Sandweier als erloschen an. Ich halte es für unmöglich, -daß in dem fast völlig ver- landeten Moränensee ohne freie Wasserfläche die Pflanze in den letzten hundert Jahren hat gedeihen können. Fehlt auch im Hb. Fr. Br.

Corydalis cava. In Dießenhofen: Hs. Br.

* Fumaria Vaillantii, reichlich bei Paradies und im Ratihard. 1909 N.

koripa prostrata ssp. stenocarpa (— Nasturtium riparium), Paradies: Appel. Dießenhofen: Appel, N.

amphibium, im Gries in Menge N. Beim Bootsteg Dießenhofen B. Beides Bodenseepflanzen.

Turritis glabra. Schaarenwiese und -wald 1904 B. Schaaren- wald : Koch 1922.

* Arabis hirsuta ssp. planisiligua (— A. Gerardi), Schaaren- wiese 1900 N.

* Sisymbrium Sinapistrum. Kundelfingen: Hs. Br. Ruderal.

=* Irio. Bahnhof Feuerthalen 1920: Kummer.

* Eirysimum cheiranthoides. Paradies1889: Appel. Archaeophyt.

* Erucastrum Pollichü. Breitbühlbuck bei Schlattingen 1894 N. Bahnhof Etzwilen: Meister, N., Hs. Br.; erst in neuerer Zeit eingewandert.

Diplotaxis muralis, auch Eiehbühl 1891 N. und vielfach auf Aeckern. Um Schlattingen 1894 N. Hat auch erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts sich bei uns ausgebreitet.

Camelina sativa. Schlattingen: Hs. Br.

dentata, um Schlattingen im Lein mehrfach 1906 N.

* Iberis amara, nahe dem Neutal (Grenze Schlattingen- Sanmmheim) seit 1895 N.

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* Tepidium ruderale. Bahnhof Etzwilen: N., Hs.Br. Bahnhof Dießenhofen B., Schutt westlich Paradies: 1920 Kummer. Vogelia panieulata. 1894 Bahnhof Dießenhofen N. Ruderal. Als Archaeophyt nie mehr gefunden, außer 1895 am Hügel Furt N. * Laelia orientalis. 1909 reichlich in Getreidefeldern östlich Paradies N. aus Kultur.

Isatis Tinctoria, seit 1894 Steigbuck Schlattingen N.

* Rapistrum perenne. Bahnhof Schlatt 1904 B. Ruderal.

** Helianthemum Fumana. Trüllikon 1904 N.

* Viola montana (Teste Becker). Schaarenwiese 1895 N.

mirabilis, im Buchberg sicherlich nieht erloschen.

* —_ hirta>< odorata. Rodenberg ob Schlattingen: W.Koch. * Drosera rotundifolia. Schaaren : Appel, Meister, Kelhofer.

Polygala Chamaebuxus. Sehlatt : Meister.

Gypsophila muralis. Paradies und Schaaren : Appel, aber längst nicht mehr gemein wie Fr. Br. angibt. Schaaren: Hb. Muret.

* Silene Armeria. Rodenberg, wohl Gartenflüchtling: Fr. Br. * Spergularia rubra. Bahnhof Etzwilen 1899: Dr. Sulger-Büel.

Sagina apetala.. Waldblöße zwischen Dießenhofen und Schaaren : Appel.

** _ ciliata. Trüllikon : Schalch.

Holosteum umbellatum, reichlich um Schlattingen N. Paradies: Meister, Bahnhof Etzwilen N.

Oerastium semidecandrum. Ebnet: Fr.Br., N., Koch. Toten- mann: N., Koch. Sehlattingen (Steigbuck, Kintschersbuck)N.

* glutinosum (— pumilum ssp. obscurum). Furt, Breit- bühlbuck, Hohbüel, Felder nahe Neubrunn, Hügel an der Guntalingerstraße N. Bahnhof Dießenhofen 1922: W.Koch und Kummer.

* _ pallens. Raine nahe dem Bahnhof Schlatt 1905 N. Paradies : Kelhofer.

Linum tenuifolium. Moränen hinter Schlattingen vielfach N. Willisdorf N.

** Hypericum pulchrum, früher am Kohlfirst im Kühweg: Schalch, Br. ob Uhwiesen: Hausammann. Atlantisch-westliches Ele- ment, verschwindet oft vorübergehend, wenn der Wald hoch wächst.

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* Hypericum humifusum. Katharinental: Fr. Br. Buchberg: Hs.Br. Rodenberg N. Schaarenwald : Appel, B.

* Desetangsü. Teuerwies 1916 N., Paradies 1922 N., bisher übersehen!

Geranium rotundifolium. Ebnet 1905, Roseliberg 1906 N. Paradies 1921: B., W. Koch. Stadtmauer Dießenhofen: Fr. Br. mdl.

silvaticum, kein sicherer Standort bekannt, aber 1922 reichlich auf Waldwegen am Kohlfirst zwischen Dorf und Station Schlatt N.

* _ sanguineum. Steigbuck bei Schlattingen N. Stamm- heimerberg etc. N. ** _ pratense, an einer Hecke in Guntalingen N.

* Oxalis strieta. Dießenhofen seit 1914 von Hs. Br. nach- gewiesen. Neueinwanderung.

** Sarothamnus scoparius. Kohlfirst: Hs. Br.; aus Kultur.

* Oytisus nigricans, die Charakterpflanze der pontischen Einstrahlung. Waldrand Klettenacker ob Schlatt 1895 bis 1921 N. Kohlfirst vielfach N. Staffelwald am Rhein- abhang gegenüber Schupfen: Kummer.

* Ononis spinosa. Paradies: Meister, Hb. Schalch! Schaaren- wiese und Schaaren B.

* Lupinus polyphyllus. Schaarenweier: Hs. Br. Ruderal, auch als Bienenpflanze kultiviert.

* Medicago varia. Eichbühl N.

* —- minima. Typische pontische Einstrahlung. Ueterenbuck Schlattingen N. 1905.

* Trifolium aureum. Schaarenwald N., seit 1889.

* T.hybridum, bei Katharinental: Fr.Br., aus Kultur stammend. Eiehbühl,. Totenmann, Paradies N.

* incarnatum. 1889 bei Katharinental N., aus Kultur stammend.

* Lotus tenuis. Sandgrube bei Etzwilen: Wegelin im Bericht schweiz. bot. Ges. Ruderalpflanze.

Ooronilla varia. Nicht wie Fr. Br. meinte, Aüchtig und vorübergehend, sondern ganz konstant und reichlich, seit 30 und mehr Jahren um Etzwilen, Schlattingen, am. Rodenberg N. In Nordzürich und wohl sicher auch um D. schon um 1830 verbr.

O. Emerus. Vereinzelt im Schaarenwald, eingegangen. Fr.

ar

Br. zeigte mir die frühere Fundstelle. Ausstrahlung aus dem Schaffhauser Areal. Könnte vereinzelt doch noch vorkommen.

* Vieia Gerardi. Totenmann 1922: W. Koch.

* /utea. Wilenbodenbuck Schlattingen 1906 N. Feuer- thalen 1905 N. Archaeophyt, oft auch Neueinschlep- pung.

*= angustifolia. Paradies: Bahnmeier, 1909 N. Bahn- hof Schlatt 1909 N.

* villosa. Ratihard in Kulturen von Pächter Faber, schon Fr. Br. 1904 Ratihard B. reichlich. 1905 Toten- mann N., Basadingen N. Kultureinschleppung.

* varia. 1913 am Totenmann N. Kultureinschleppung.

* _ ovannonica. Paradies: Kelhofer. Feuerthalen 1905 N. Kaltenbach B. Kultureinschleppung.

* —_ tenuifoha. Paradies: Probst in Kelhofer.

Lathyrus Aphaca. Feuerthalen 1905 N. Neueinschleppung.

tuberosus. Etzwilen : Meister. Rodenberg ob Schlat- tingen 1906 N. Ob Mettschlatt reichlich, 1912 N. Schlatt- Paradies: Hs. Br. Archaeophyt.

* heterophyllus. Wagenhausen 1901: A. Keller.

* silvestris. Rodenberg N., Stammheimerberg 1906 N., nie erloschen.

* Nissolia. Schlatt: Pupikofer, Gemälde des Kantons Thurgau 1837.

—- hirsutus, zwischen Schlatt u. Schaffhausen : Pupikofer. Diese zwei Pflanzen, Archaeophyten unserer Flora, sind heute nur höchst selten zu finden und flüchtig.

palustris. Aut der Schaarenwiese nicht mehr gefunden, aber im Sürch Schlattingen: Hs. Br. mündl.

* Prunus Cerasus. Rodenberg N. Die v. caproniana wahr- scheinlich bei uns einheimisch, schon in der Flora von Kölliker 1839 in N.-Zürich mehrfach; wächst heute in diesem Gebiet völlig wie eine einheimische Art.

Spiraea Filipendula, auch Schaarenwald N.

Von der Gattung Rubus habe ich 1891 nachgewiesen: R. * bifrons, "thyrsoideus, * candicans, * flexuosus, * tomen- tosus, "vestitus, "brevis, "rudis, *pseudopsis, * elatior, * cgesius X Idaeus, * caesius tomentosus, * caesius X thyrsanthus.

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Von Prof. Dr. R. Keller sind entdeckt am Rodenberg: * sulcatus, " albiflorus, * Merecieri, bifrons, * procerus, thyr- soideus, "thyrsanthus, candicans, * hirtus X tomentosus, vestitus, * Gremlü, flexuosus, * bregutiensis, * Schleicheri, *serpens, "longisepalus, * flaceidifolius, * chlorostachys, * hirtus, "Güntheri, "erassus, * caesius X albifolius, * cae- sius X thyrsanthus, *caesius X constrietus, * caesius X serpens und am Kohlfirst ** alternifolius.

* Agrimonia Eupatoria, in Fr. Br. vergessen.

* Fragaria collina. Ueterenbuck N. Schaarenwald: Schalch.

* elatior. Schaarenwald: Hb. Hs. Br., W. Koch. Küh- weg am Kohlfirst 1921 N.

Potentillu rupestris. Auch am Rodenberg: Hs.Br., äußerste Stelle der pontischen Einstrahlung.

micrantha. Weder bei Büsingen, noch im Staffel erloschen, entgegen Fr. Br. Von dieser westlichen Ein- strahlung hat Kummer über 80 Fundorte im Schaff- hauserbecken nachgewiesen, fehlt aber Zürich und Thurgau.

argentea. Viel seltener als Fr. Br. angibt, der wohl da und dort zu sehr verallgemeinert hat. Ebnet und Schaaren: Hs. Br. Petri bei Paradies N.

canescens. NRheinhölzlii bei Katharinental: Hs. Br. Typische pontische Einstrahlung.

* heptaphylia (— P. rubens P.opaca). Um Schlattingen mehrfach N. 1895. Im der Schweiz nur in N.-Zürich, Schaffhausen, und im Thurgau bis Steckborn, Weinfelden und Immenberg gehend.

* aurulenta. Bei der Klosterlinde: Hs. Br.

* _- verna v.pseudoineisa. Dießenhofen : Hs. Br. in Kelhofer.

* Rosa lutea. Paradies aus Kultur : Meister.

* _— rubiginosa. Willisdorf 1906 N. Totenmann 1918 N. Ob der Wanne Schlatt 1922 N.

* dumetorum. Rodenberg N. Schlattingen: Hs. Br.

* Jundzilli. Belzhalden Basadingen: Hs. Br.

* tomentella (— R. obtusifolia). Rosiliberg: Hb. Beck in

*

Kelhofer. * _ tomentosa. Rheinhölzli bei Katharinental: Hs. Br. * —. vosagiaca glauca. Breitbühlbuck N.

** _ meerantha. Oberhalb Wildensbuch: R. Keller. ** __ ellöptica. Oberhalb Wildensbuch: R. Keller.

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* Sorbus Aria. Hochmarkstein ob Paradies N. Kühweg N.

: ** Amelanchier ovalis. Rheinfall und ob Uhwiesen N. Stein-

hölzli Feuerthalen : Kummer.

* Epilobium rosmarinifolium. Totenmann: Fr. Br., seither konstant: N., Hs. Br.

adnatum. Teuerwiessee u. bei Schlatt N. Buchberg: Hs. Br. Kohlfirst N. Ratihardweier N.

** _ Lamyi. Kohlfirst: Hb. Schalch.

* Jenothera biennis. Rhein bei St. Katharinental, schon vom Vater von Hs. Br., Dr. Joh. Br., gesammelt; dann 1875 Hs. Br.

Bryonia dioica. Die Bezeichnung „gemein“ ist unrichtig. Hecke in Dießenhofen: N., B. Paradies und Langwiesen: 1920 Kummer.

* Scleranthus perennis. Adventiv Bahnhof Schlattingen: Hs.Br.

Sedum maximum. Buchberg: Hs. Br.

* purpureum. Ob Schlatt 1912 N.

* —- album. In Fr.Br. vergessen. Katharinental: Fr.Br. Dießenhofen N.

* Ribes grossularia. Schaarenwald wild, wie vielfach um Schaffhausen : Kummer 1922. Galgenholz B., Kohlfirst ob Feuerthalen und reichlich Lindenbuck b. Langwiesen: Koch 1922.

Ohrysosplenium alternifolium ist im Schaaren wohl sicher nicht erloschen.

* Hydrocotyle vulgaris. Schaarenweier: Fritz Br., Koch 1921 reichlich. Hüttwilersee nie erloschen! N.

Falcaria vulgaris. Straße von Basadingen nach . Kundel- fingen 1915: Hs.Br. Eichbühl 1850: Benker. Wilerfeld bei Paradies: Kummer in Kelhofer.

* Ammi majus. Paradies: Hb. Schalch!

Oenamthe Phellandrium. Teuerwiessee 1905 in Menge N. Bildet eine typische, stark besiedelte Randzone des Sees als Oenanthetum, war also nie erloschen.

* Seseli annuum. Große Kolonie am Hochmarkstein Schlat- tingen (400-500 Ex. seit 1905): N., B., Willisdorf 1906 N. und später Hs. Br., laut Pupikofer früher am Eichbühl, dort wohl durch Gartenanlagen zerstört, im Buchberg: Hs. Br. Herb.

* Peucedanum palustre. Sürch 1894: N., Hs. Br.

2

* Peucedanum ÖOreoselinum, sehr häufig in der Moränenland- schaft südl. Schlattingen: N., schon Pupikofer 1837.

* Cervaria. Schaarenwiese 1889 N., später Hs.Br., B. immer in Menge. Schlattingen, Steigbuck: N., schon Pupikofer, b. d. Furtmühle N.

Orlaya grandiflora. Eichbühl 1906 N.

Scandix pecten Veneris. 1889 im Ratihard u. b. Katharinental noch reichlich N. Fr. Br. schrieb noch „gemein“, von Hs.Br. nie mehr gefunden. Archaeophyt.

* Chaerophyllum aureum. Steigbuck u. Furtbuck Schlattingen N.

* Oonium maculatum. Paradies: Fr. Br., M., Hb. Schalch, Kel- hofer.

* Sambucus Ebulus. Kohlfirstabhang bei Paradies N. DiekihofN.

Lonicera Caprifolium. Die Pflanze wächst wie wild. Paradies, Schaarenwald, Schaarenwiese N. Fr. Br. hielt sie auch für ursprünglich wild.

** _ alpigena. Steinhölzli Feuerthalen 1922: Kummer.

* Asperula glauca. Bichbühl auf Heideboden, hier ursprüng- lich wild, nicht Ruderalpflanze. 1906 N.

arvensis. Früher im Ratihard. Archaeophyt: Fr.Br. mdl. * Galium maximum. Kötschnerbrunnen Basadingen N. Graben. zwischen Dießenhofen und Schlattingen: Hb. Hs. Br.

boreale, auch Kleewies im Schaaren N. 2 uliginosum. Belzhalde und Eschenriet: Hs.Br. Lutwies

Sehlatt 1922 N.

® rotundifolium. Rodenberg 1922: W.Koch.

* _— spurium. Felder bei Schlatt 1889 N. Paradies im Klostergarten: Schalch. Schlattingen (Steigbuck) 1906 N.

tricorne. Bahnhof Etzwilen 1893 N.

Dipsacus pelosus. Ein sicherer Standort ist zurzeit nicht bekannt.

* Eupatorium cannabinum. In Fr. Br. vergessen.

* Aster parviflorus. Am Paradieserbach 1903: Hb. Hs. Br., schon Schalch.

** Bellidiastrum Michel. Am Rodenberg oder im Mooshölzli zu suchen. Stammheimerberg: Fr. Br., N.

* Solidago serotina (nicht canadensis!) Am Rhein bei der Rheinsäge 1921 B.

= graminifolia. StammheimerrietinMenge: W.Koch 1922.

* Stenactis annua. Schon von Fr.Br. als eingewandert notiert, seither verbreitet auf Oedland, an Bahndämmen ete.

11T

Filago apiculata. Dießenhofen : Meister, Gremli. Gailinger Berg 1877: Fr. Br.

camescens. Dießenhofen: Meister. Paradies auf Aeckern: Hb. Schalch.

Filago arvensis. Paradies: Meister. Gailinger Berg1 877: Fr.Br. Für alle drei Arten hatte Fr. Br. s0 (— nicht selten) an- gegeben. Sie sind aber wohl seit mehr als 40 Jahren

‘wie in der ganzen Nordschweiz erloschen. (Ausnahmen nur für F. canescens auf gerodetem Wald bei Eglisau und Weiach). Hs. Br. fand auch nie mehr ein Exemplar, ebensowenig Kelhofer. Fr. Br. gibt auch F. minima für den Bezirk an ohne Standort. Diese Pflanze, wie F. arvensis und canescens, liest reichlich, aber leider ohne Stand- ortsangabe im Hb. von Dr. Joh. Brunner. Sie waren zur Zeit der Brachen (vor 1840) offenbar nicht selten.

Antennaria dioica. Dießenhofen und Schaaren: Appel. Rodenberg : Meister und Hb. Dr. Joh. Br. Egg ob Schlat- tingen N. Schaarenwiesen: N., Hb. Hs. Br.

Anthemis Cotula. Dießenhofen : Meister.

Matricaria inodora. Im Ratihard : Fr. Br. schriftl. Bahn- hof Etzwilen 1901 N. Felder beim Bahnhof Schlatt N.

* discoidea. Bahnhof Etzwilen: N., Hs. Br. Paradies, massenhaft bei der Station Schlatt 1921: Kummer, N. Bahnhof Dießenhofen 1922: Koch und Kummer. Neu- einschleppung. Bahnhof Feuerthalen 1920: Kummer.

** Teucanthemum corymbosum. Stammheimerberg (Fuchslen) N. Kohlfirst N.

* Senecio viscosus. Bahnhof Etzwilen 1915 sehr reichl. N., schon seit 1898 N.

* spathulifolius. Rheinufer bei Schupfen : Hs. Br.

* .Jacobaea. Basadingen : Meister. Cirsium acaule. Auch Eschenriet : Hb. Hs. Br. und Schaaren- wiese N.

tuberosum, auch Sürch: N., Hs. Br. mit 0. tuberosum x oleraceum N. Die Hybride auch im Eschenriet 1914:

Hb. Hs. Br.

* palustre X oleraceum. Schaarenwiese: Hb. Schalch.

* opalustre X tuberosum. Schaarenwiese: Hb. Schalch, B. 1904.

* oleraceum X rivulare. Schaarenwiese: Hb. Schalch.

a

Oirsium palustre X rivulare. Schaarenwiese: Hb. Schalch, ist C. palustre X tuberosum ! (andere Ex. von dieser Stelle aber richtig). :

* tuberosum X rivulare. Schaarenwiese: Hb. Schalch, ist richtig.

* palustre X arvense. Sürch 1915: Hs.Br. Sumpf gegen Schlattingen 1917: Hb. Hs. Br.

* Silybum Marianum. In einem Garten in Dießenhofen spon- tan aufgetreten: Hb. Hs. Br.

Onopordon Acanthıum. Paradies : Meister. 1905 in einem Garten in Dießenh.: Hb. Hs.Br. Bahnhof Schlatt 1904: B.

Arctium Lappa (= Lappa offie.). Dießenh. : Meister. Parad.N.

** Oontaurea nigra. Reichlich an Waldrändern auf der Höhe des Kohlfirsts: Kelhofer u. a.

* Taraxacum paludosum X offieinale. Schaaren: Appel.

Ohondrillajuncea. 1905 Schlattingerstr.:N. 1906: Hb. Hs.Br.

* Lactuca Serriola. Linkes Rheinufer, wohl verschrieben in Fr. Br.. wächst am rechten Ufer bei der Trotte: Hs. Br.; ferner Willisdorf: Hs.Br. Von 1901 an schon zeitweise auf dem Bahnhof Etzwilen N.

* Orepis tectorum. Bahnhof Etzwilen in neuerer Zeit reich- lich : Dr. Sulger-Büel !

** —_ praemorsa. Stammheimerberg N.

* ajlpestris. Schaarenwald: v. Stengel in Flora von Jak. Trüllikon 1904 N.

* Hieracium pratense. Bahndamm gegen Schlattingen und bei Kundelfingen 1914: Hb. Hs. Br.

vulgatum. Kintschersbuck N. Kratzern bei der Hoch- wacht ob Wildensbuch reichlich N.

** _ rigidum. Stammheimerberg (Fuchslen) N.

* Zizianum. Bahndamm gegen Schlattingen 1914: Hb. Hs.Br. Totenmann 1922: Koch.

* Guizotia abessynica. Ruderal 1921 bei Paradies N.

** Phyteuma orbieulare. Kohlfirst: Hb. Beck, wohl ob Schlatt.

* Arctostaphylos uva ursi. Am Langbuck zwischen Schlattingen und Girsberg bei 430 m reichlich N.

* Erica carnea. Schaarenwald. Von einem Förster entdeckt, . seither N., Hs. Br. und andere. Ganz eigentümlicher Standort in einem kleinen Moossumpf, unter Frangula Alnus.

* Pirola chlorantha. Furt Schlattingen im Föhrenwald N.

. 119

* Tlex aquifolium. BRodenberg: Hs. Br. mündl.

* Lappula echinata. Rheinsäge: Hs. Br. Ruderal.

* Symphytum offieinale. In Fr. Br. vergessen.

Myosotis strieta ist zu streichen. Alle Exempl. in Hb. Fr. Br. M. collina! Echt aber bei Ramsen und Buch: Ehrat.

versicolor (= lutea) 1909 beim Galgenbuck Schlatt N. Archaeophyt.

Anchusa arvensis. Mehrfach in Aeckern um Paradies und Schlattingen N. Archaeophyt; nicht, wie Fr. Br. schreibt, selten und unbeständig.

* Pulmonaria offieinalis var. immaculata (— P.obseura). Kohl- first ob Paradies und um Schlatt N. Rodenberg N. Ob auch P. offieinalis s. str. vorkommt, ist zu prüfen.

* Solanum rostratum. \Vorübergehend Ruderalpflanze Rhein- säge: Hs. Br.

Verbascum phlomoides. Steigbuck Schlattingen N. Schaaren- wald : Ing. Keller. Willisdorf N.

Gratiola offieinalis ist nicht erloschen. In des Schaaren- wiese 1889 massenhaft N. und seither immer.

Veronica prostrata und V. austriaca (— V.dentata). Beide nicht erloschen! Fr. Br. erzählte mir, beide Pflanzen seien vor langen Jahren aufgefunden worden, dann er- loschen, dann wieder gefunden und zurzeit (1891) wieder verschwunden. Ich konnte 1905 V.prostrata wieder finden, aber spärlich, ebenso später Hs. Br. V. austriaca traf ich aber 1905 reichlich. Wegen frühen Grasschnittes wird sie oft nicht mehr gesehen.

qustriaca ist das größte botanische Kleinod der Dießen- hofer Flora. Hier liegt die einzige Stelle der Nordost- schweiz. Die Pflanze (siehe O0. Naegeli, Ueber die pflanzengeographischen Beziehungen zwischen der Flora der Nordostschweiz und Süddeutschlands) ist pontische Art, geht in vielen Kolonien längs der Donau (wie Cytisus) westwärts, hält sich aber nur an den Flußlauf und ist um Beuron noch reichlich und verbreitet: N. Ihr Vor- kommen im Hegau ist nicht gesichert; ihr letzter abgesprengter Standort ist Dießenhofen. Die Pflanze

. zeigt in der klarsten und eindringlichsten Weise den Weg der pontischen Einstrahlung in das Schaffhauser- becken. Sie fehlt aber Schaffhausen selbst und hat

120

in der Schweiz nur noch einen Standort bei La Brevine (Neuenburg) und offenbar in einer andern Varietät und durch andere Siedelungswege dahin gelangt. Der thur- gauische Standort sollte für alle Zeiten geschützt werden!

* Veronica montana. Waldwege am Kohlfirst ob der Station Schlatt 1922 N.

Die beiden Archaeophyten V. triphyllos und V. praecox gibt Fr. Br. als gemein an. Davon ist längst keine Rede mehr. Persönlich sagte er mir, sie fänden sich im Rati- hard. Dort sind sie seit langer Zeit nie mehr gefunden worden. Die Bewirtschaftung ist zu intensiv geworden.

triphyllos gibt Meister für Paradies an. Dort fand ich sie 1909 im Petri und ebenfalls 1909 nahe Schlattingen.

praecox. Zwischen Paradies und dem Schaaren ver- zeichnet, konnte ich sie nicht mehr finden. Sie ist reich- lich in der Schlattinger Moränenlandschaft vertreten.

** Limosella aquatica. Früher am Rhein bei Langwiesen:Schalch.

* Rhinanthus major. Am Rheinufer bei Wagenhausen B. In Menge in der Lutwies ob Schlatt und bei Schupfen N. 1922.

* stenophyllus. Rheinufer Wagenhausen B. Schupfen N.

* Melampyrum ceristatum s. 1. . Schaarenwiese schon in den 80er Jahren: Fr. Br. N. seit 1900, B.

* Huphrasia: stricta. Massenhaft am Totenmann, Ebnet bis Klosterlinde N.

** /utea. Gailingerberg: Fr.Br.; laut Pupikoferbei Dießen- hofen, gemeint ist aber sicher der badische Standort.

** Lathraea squamaria. Kohlfirst: Pfähler.

Orobanche ramosa. 1843 Schlattingen: Hasler, Hb. Polyt.

coerulea. Eichbühl : Pupikofer,

epithymum. Ob Schlatt N., reichlich um Schlattingen N.

caryophyliacea. Schaaren und zwischen Katharinental und dem Schaaren : Appel. Schaarenwiese N.

* Mentha verticillata. Schaarenwiese 1915: Hs.Br. Teuer- wiessee und Hanhartenweierli 1916 N.

* Salvia vertieillata. Paradies schon Fr. Br., auch N. 1889. Außerdem um Schlattingen mehrfach N.

Lamium amplexicaule. Nach Fr.Br. gemein, z.B. im Rati- hard. Ich fand sie noch 1889, Hs. Br. nicht mehr. Reichlich um Schlattingen: N., Hs.Br. Grieshalde: Hs. Br. Ratihard reichlich 1922: Koch.

121

** Leonurus cardiaca, früher wie ** Calamintha offieinalis an der Straße n. Dießenhofen v.d. Laag her: Merklein in Kelhofer.

* Teuerium montanum. Um Schlattingen auf Moränen vielf.N.

Scordium. Paradies : Muret. Teuerwiessee N., b. Dicki- hof N. * Utrieularia minor. Etzwilerriet 1893: N., Hs.Br. Sürch 1894 N. * Primula elatior X offieinalis. Schaarenwiese: Appel 1889. Globularia Willkommüi. Schlattingen vielfach N. Willisdorf N. Litorella uniflora. Rheinufer Wagenhausen 1921: B. Amaranthus retroflexus. Eichbühl N. 1889. Katharinental N. zw. Paradies und Schaaren: Appel, N. Paradies 1921 N.

Polyenemum arvense ssp. majus. Alle Pflanzen gehören hieher. Archaeophyt in den Feldern von Schlattingen (Breitbühlbuck, Furtbuck). Furt 1894 N.; früher bei Dießenh: Meister, u. Paradies: Schalch.- Ruderal Bahnh. Etzwilen: N., Sulger-Büel. Bahnhof Dießenh.: Hs. Br.

Chenopodium hybridum. Willisdorf, Totenmann, Eichbühl, Rodenberg ob Schlattingen N.

** _ Vulvaria. Bahnhof Feuerthalen 1920 : Kummer. -

* Fagopyrum sagittatum bei Schlatt : Hs. Br. Unter Hafer 1921 beim Weieracker im Schaaren : Kummer.

'* Thesium pratense. Eichbuck zw. Schlattingen u. Girsberg N. * Aristolochia Olematitis. Hecken Dießenhofen 1889 N., später Hs.Br. Vordermühle: Hs.Br. Schlattingen: Hs.Br.

Passerina anmua. 1905 Furt bei Schlattingen N.

* Euphorbia duleis. Rheinabhang Wagenhausen: B. Kohlfirst.

* Ulmus campestris. Mehrfach neben montana am Kohlfirst ob Paradies 1921 N.

Quercus sessiliflora. Die seltene var. typica am Galgen- buck Schlatt 1921 N.

* Oastanea sativa. Im Rodenberg 1905 N. Wild wie in den

Schluchten des Seerückens N. Salix daphnoides. Etzwilerriet N.

* caprea X viminalis. Totenmann Hs. Br.

* Alisma gramineum. In allen 3 Standortsformen im Weiher am Rhein bei Paradies seit 1917: W.Koch, B., N. Bei Dießenhofen im Rhein: Schalch. Fast sicher gehört auch eine als A. graminifolium oder lanceolatum 1889 von der Schaarenwiese von Appel angegebene Form hieher

.122

und die als pumilum bezeichnete von der gleichen Stelle; möglicherweise auch das „lanceolatum* von Fr. Br. einmal im Gries. Bodenseepflanze.

* Elodea canadensis. Rhein bei Dießenhofen: Hs. Br., N. Neu eingewandert.

Triglochin palustris. Sürch: N., Hs.Br. Schaarenwiese und Willisdorf: Hb. Hs. Br.

* Potamogeton Zizü P. angustifolius. Schaarenwiese schon Fr.Br., dann N. 1909. Wäre nach Fr.Br. erloschen ge- wesen (mündl. Mitteilung). Von Schaaren mehrfach bis Rheinklingen: B., Paradies: B.

flwtans. Sehlattingen N. Schlatt-Paradies N. Willis- dorf: Hb. Hs.Br. Im Rhein bei Katharinental und Lang- wiesen 1921: W. Koch.

gramineus. Massenhaft längs des ganzen Ufers Wagen- hausen-Langwiesen: B., N.

* coloratus. Sürch 1894: N., Hs.Br. Etzwilen: Hs. Br. Beim Hügel an der Guntalingerstraße N. Paradies: Kel- hofer. Schlattingen, Booßenriet: N., W.Koch. Furtmüller- weg N.

* filiformis. 1909 bei der Schaarenwiese N. Schupfen in Menge 1921 N. Darauf von Baumann und W. Koch an zahlreichen Stellen des Dießenhofer Rheins, bei Rhein- klingen B. und von mir im Oktober auch auf beiden Seiten des Rheinfalls entdeckt.

mitens (— P. gramineus X perfoliatus). Schupfen in Menge 1921 N. Ob Büsingen badisch 1917: Hs.Br. Ende 1921 von B. und W.Koch an vielen Stellen des Rheins mit P. filiformis aufgefunden und von mir auch unterhalb des Rheinfalls ob Wörth nachgewiesen.

* decipiens (— P. lucens X perfoliatus). Vielfach im Rhein, zuerst 1917 bei Paradies und Schaaren: W.Koch.

vaginatus. In Menge unterhalb Stein im Rhein: B. Wagenhausen: B. Dann bei Dießenhofen: Hs. Br.-

* filiformis X peetinatus. Schupfen 1921 N.

pusillus ssp. * Panormitanus var. vulgaris. Rheinklingen, Schupfenziegelhütte, Schupfenbleiche, Schaaren mehrf. B.

* Zanmichellia palustris var. repens. Schupfen 1921 N. Rhein- klingen B. Wagenhausen in Menge B. Paradies B. Katharinental B.

*

*

123

Bei dem günstigen Wasserstand des Sommers 1921 ent- deckte ich die seltenen Potamogeton nitens, filiformis und andere, nebst Zannichellia repens in großer Zahl als Ausläufer der Bodenseeflora und konnte sie bis unter- halb des Rheinfalles nachweisen. Dr. E. Baumann und W. Koch, die auf meine Veranlassung dann die Ufer systematisch absuchten, konnten sehr zahlreiche Fundstellen hinzufügen, sodaß jetzt die Potameenflora des Dießenhofer Rheins als ganz außerordentlich reich bezeichnet werden kann. F

Lemna trisulca, b. Diekihof N. südl. Schlattingen: N., Hs. Br.

* Typha angustifolia. Gries 1854: Muretu. Schaleh. Schupfen: Hs. Br., N. 1916.

* Shuttleworthiü. Etzwilerriet: Schalch auch Hb. Hs. Br. ohne Standort 1903 Dießenhofen.

* Shuttleworthü X latifolia. Grüt N.

* angustifolia‘x< latifolia. Weiher b. Paradies 1921: B.,N.

Spar ganium simplex. Schlattingen 1904 N. Rottmühle: Hs.Br.

* Orchis coriophorus. Schaarenwiese: schon Hb. Schalch, dann 1903 Meyer-Dareis. 1921 wieder gef.

* _ Traunsteineri. Etzwilerriet: Hs. Br. * incarnatus X latifolius. Wagenhausen am Rhein: B.

* Anacamptis pyramidalis. Schaarenwald 1905 B. Südseite des Schaaren: Hs. Br., Kelhofer.

Loroglossum hircinum, am Totenmann, nie mehr gefunden. N. Wuchs dort, wie mir Fr. Br. sagte, als sie noch Orchis hireina hieß. Gailingerberg: Fr.Br., Meyer-Dareis, B. Es ist aber bekannt, daß die Pflanze oft viele Jahre aus- setzt, bes. auch nach meinen Zürcher Erfahrungen.

* Aceras anthropophorum. Nach Hs. Br. (mündl.) am Roden- berg von einem Förster gefunden. Atlantisch westliches _ Element wie Loroglossum.

* Gymnadenia odoratissima. Eschenriet: Schweizer, Hs. Br. Lutwies ob Schlatt N.

Ophrys Arachnites. \orderhölzli Dießenhofen: Hb. Hs. Br.

‚= _— apifera. Schaarenwiese 1916: Fritz Br.

** Ppipactis violacea und ** Epipogon aphyllum. Gailingerberg 1877: Hs. Br.; am Rodenberg zu suchen.

Goodyera repens, im Schaaren 1916 wieder gefunden: Fr. Br. Furtbuck 1895N. Hügel a.d. Guntalingerstr.reichl.1915N.

124

Spiranthes aestivalis. Sürch: N., Hs.Br. Schupfen, Eschen- riet: Hs. Br.

* Liparis Loeseli, am Hüttwilersee, entgegen Fr. Br., nie erloschen, sondern dort stets reichlich N. Etzwilen : Schalch 1873, Vetter, 1893 N., Hs.Br. 1914. Sürch: 1894 N., Hs. Br. Schaaren 1915: Hs. Br. Furtmühle: Hs. Br. Eschenriet: Hs. Br. Neubrunn 1917 1 Ex.: Hs. Br.

Herminium monorchis. Uerschhauserhölzli bei Hüttwilen: Hb. Fr. Br., N. Eschenzerriet Be Wäldehen bei Ober- gailingen 1850: Fr.Br., gegen die Ziegelhütte 1850: Hb. Er. Br.

* Nareissus poeticus. Rheinwiesen gegen die Bleiche: Hs. Br. verwildert.

Tamus communis. Das Erloschensein am Rodenberg halte ich für ausgeschlossen.

* Lilium Martagon, im Buchberg: Hs.Br.; am Kohlfirst ob Schlatt 1921 N.

Gagea arvensis. Felder bei Schlattingen 1907 N.

* Ornithogalum narbonense. Eichbühl: Hs.Br. reichlich im Hb.

*=* Wuscari neglectum. Trüllikon N. Stammheim-Nußbaumen N.

* Tuneus bulbosus (— J.supinus). Schaarenwiese 1889: Appel an beschränkter Stelle, Hb. Polyt., fast einziger Fundort der NSchweiz, sonst in Torfmooren der Zentralschweiz.

* alpinus. Schaarenwiese 1889: Appel, 1909: N., Hs.Br. Rheinklingen: B. Bodenseepflanze.

* Tuzula silvatica L. maxima). Rodenberg: Fr.Br. 1891. Seerückenpflanze. i

Mariseus Oladium. Süreh: N., Hs.Br. Eschenriet: Hs. Br.

Rhynchospora alba. Sürch: Hs. Br.

Eleocharis acicularis, nicht vorübergehend (Fr. Br.), sondern konstant, Schaarenwiese: N., Hs. Br., Schupfen, Rhein- klingen: B., Wagenhausen: B. Bodenseepflanze.

* __ paueiflora. Etzwilerriet 1893 N. Sürch 1894 N. Schaarenweiher massenhaft 1921: W. Koch.

* Schoenopleetus Tabernaemontani. Rhein b. Wagenhausen B.

Blysmus compressus, zw. Paradies und Schaaren: Appel. Etzwilerriet N. Sürch: Hs. Br., nahe Etzwilen N.

* Friophorum gracile. Etzwilerriet: Sulger-Büel.

* Oarex paradoxa. Sürch u. Etzwilen: N., Hs. Br. Kötschen- brunnen: Hs. Br.

125

* Qarex diandra (— (0. teretiuscula). Etzwilerriet 1893 N. Sürch 1894: N., Hs. Br.

* dioica. Sürch 1895 N. Schaaren: Hb. Beck u. Kelhofer. * Leersii. Schaaren: Appel. Schaarenwald gegen Para- dies 1894 .N., Kohlfirst ob Paradies: W.Koch 1922.

* Pairaei. Kohlfirst ob Paradies: W.Koch 1922. * nemorosa. Straßbengraben bei Dießenh.: W.Koch 1922. * echinata. Etzwilerriet: Meister. pendula. Kohlfirst ob Paradies N. * limosa. Sürch 1895: N., Hs. Br.

** humilis, ob Uhwiesen N. Stammerberg: Kölliker, N. * _— lasiocarpa (= C. filiformis). Sandweiher Basadingen LOEO N:

ericetorum, sehr reichlich und verbreitet in der Moränen- landschaft hinter Schlattingen N. Willisdorf N. Roden- berg N. Totenmann: N., Hs. Br.

* pilulifera, reichlich im Schaarenwald 1922: W.Koch.

* zanthocarpa (— 0. flava X Hostiana und X 0. Horn- schuchiana X lepidocarpa). Schaaren: Appel.

* riparia. Graben an einer Feldstraße Dießenhofen- Schlattingen 1895 N.

** Oynodon Dactylon, in Feuerthalen 1917—1921. Gassen- unkraut wie im Tessin: W. Koch.

* Panicum filiforme. Totenmann 1913 N.

* capillare. Ruderal Dießenhofen: Hs. Br. Paradies: Kummer, N.

Setaria vertieillata. Paradies, Dießenhofen: Meister. Eich- bühl N.

Phleum asperum. WHichbühl: Fr. Br. mündl.

* Phalaris canariensis. Scehlatt: Hs. Br. Ruderal. Paradies 1921.N.

* Alopecurus pratensis, seit 1895 vielfach um D.: N. Mit Grassamen eingeführt, ursprünglich nicht einheimisch.

aequalis (— A. fulvus). Teuerwiessee N.

"* Oglamagrostis Pseudophragmites (— C. litorea), am Rhein

Rauschenberg: Fr. Br. |

epigeios. Rodenberg, Furt, Hochmarkstein nahe Girs-

berg N., Schupfen B.

arundinacea. 2 Stellen auf thurg. Gebiet am Kohl- first ob Paradies 1921 N., damit für den Thurgau mit

*

126

Sicherheit nachgewiesen, Fr. Br. hat die Pflanze erst außerhalb D. gesammelt.

* varia. Eschenriet: Schweizer, Hs. Br.

"* Sesleria coerulea. Ob Uhwiesen und Rheinfall N. Steinhölzli Feuerthalen : . Kummer.

* Koeleria gracilis. Totenmann 1913 reichlich N.,. 1922: Koch. Hügel an der Guntalingerstraße N. Rosiliberg: Koch.

* Deschampsia caespitosa, ssp. litoralis, var. rhenana, am Rhein sehr verbreitet: N., Appel, B.

* Avena pratensis. Schaarenwald: Hb.Schalch! Steigbuck bei Schlattingen 1902 N.

* Dactylis Aschersoniana, neu für Thurgau: Buchenwald ob der Station Schlatt 1922 N.

Aira caryophyllea, am Rodenberg gewiß so wenig als bei Eglisau erloschen.

* Sieglingia decumbens. Schaarenwiese seit 1889: N., B.

* Poa bulbosa, ob Katharinental: Hb. Schalch., also dieser Standort richtig. Fr. Br. 1873.

* Melica picta, nach Appel am östl. Waldrand des Schaaren- waldes.

* Fragrostis minor, seit 1889. Etzwilen N. Schlattingen seit 1900: N.. Hs.Br. Dießenh.: Hs. Br. Bahneinwanderung.

Poa palustris = P.serotina). Schaarenwiese u. Paradies: N.,B.

Glyceria aquatica. Die angeblich erloschene Stelle im Schaaren bezieht sich wohl auf das Bächlein unterhalb Paradies, wo schon Schalch die Pflanze fand, die ich seit 1894 stets reichlich traf. Bodenseepflanze.

Oatabrosa aquatica. Schaarenwiese 1909 N. Bodenseepflanze.

Festuca heterophylla. Buchberg N. Kohlfirst ob Station Schlatt N.

* o»seudomyurus. Bahnhof Etzwilen 1892 N.

* Bromus tectorum. Etzwilen seit vielen Jahren N. Bahnhof Schlattingen: Hs.Br. Bahnhof Dießenhofen 1922: Koch und Kummer, früher zwischen Dießenhofen und Paradies: Meister. Bahnhof Schlatt seit 1909 N.

"* Agriopyrum caninum. Feuerthalen: Rau in Kelhofer.

* Lolium remotum, zwischen Schlattingen und Stammheim - 1906 reichlich N.

® Lycopodium amnotinum. Rodenberg (Stocker) N.

& clavatum, ob Kaltenbach: Sulger-Büel.

127

* Equisetum variegatum. Schaarenwiese und Paradies: Appel, N. Rheinhölzli: Hs. Br. silvaticum, bei Paradies am Kohlfirst: Schalch. * hiemale. Rheinufer oberhalb dem Schaaren: Appel, N. Kohlfirst ob Paradies 1896 N. Rheinhölzli: Hs. Br. ** trachyodon. Rheinufer beim Bahnhof Dachsen 1921: W.Koch. Fr _ ramosissimum. Bahnhof Feuerthalen: Kummer 1921. * Ophioglossum vulgatum. Schupfen: Hs.Br. Wagenhausen: B. * Polypodium vulgare. Rheinhölzli: Fr. Br., Hs. Br. * Dryopteris phegopteris (= D. polypodioides). Rodenberg: Fr. Br. ®= Linnaeana (= Aspidium dryopteris). Rodenberg: Fr.Br., Hs.Br. * Robertiana. Rheinufer gegenüber Laag im Schaaren: Hs. Br. Thelypteris. Sürch: Hs. Br. Etzwilerriet: Fr.Br., N. Lutwies Schlatt N. spinulosa. Schaarenwald: Meister, Hs. Br. Paradieser- weiher 1917: Hs. Br. Rodenberg: N., Hs. Br. * —— aculeata ssp. lobata. Schlatt: Hb. Beck. Rodenberg 1917: Hs. Br. .Rheinhölzli: Hs. Br. schriftl. * Oystopteris fragilis. Rheinhölzli: Fr.Br., Hs.Br. Rottmühle: Hs. Br. Rodenberg ob Schlattingen (Stocker): N., Hs. Br.

Der Reiz des Studiums der Dießenhofer Flora liegt vor allem in ihrem ganz ungewöhnlichen Reichtum. Auf der un- geheuer kleinen Fläche von 45 km? finden wir, obwohl die Höhenunterschiede nur zwischen 396 und 588 m schwanken, über 1000 Pflanzen, eine Zahl, wie sie selbst von einem so viel größeren, überaus reichen und so gewaltig in der Höhen- lage gegliederten Gebiet wie das Saastal und vielleicht auch von dem Zermattertal nicht erreicht wird.

Selbst der um das Mehrfache größere Kanton Schaffhausen (298 km?) läßt trotz seines Pflanzenreichtums und seiner Höhen, die 900 m überschreiten, und trotz seiner Ausspannung von Eglisau bis Singen und von Stein bis Hallau, vieles vermissen, was in Dießenhofen vorkommt, so Arabis Gerardi, Viola pumila und montana, Filago apiculata, Crepis teetorum, Arctostaphylos uva ursi, Erica carnea, Veronica prostrata und austriaca, Pota- mogeton deeipiens, Potamogeton coloratus, Typha Shuttle-

1283

worthii, Orchis coriophorus, Ornithogalum narbonense, Iris sibirica, Juncus bulbosus, Lathyrus paluster, Carex dioica und limosa, Aira caryophyllea, Melica pieta, Vieia Gerardi, Rosa elliptica, und bietet heute auch keine Standorte mehr für Thalietrum Bauhini, Roripa prostrata ssp. stenocarpa, Chon- drilla juncea, Alisma gramineum.

Den übrigen thurgauischen Gebieten fehlen zirka 50 der Dießenhofer Arten, vor allem die pontischen Einstrahlungen, von denen in Cytisus nigrieans, Veronica austriaca, Potentilla alba und canescens, Medicago minima ganz besonders typische Vertreter zum Teil ja erst in den letzten Jahren nachgewiesen werden konnten.

Von besonderem Reiz ist ferner das Studium der Ver- änderungen in der Pflanzendecke, die hier in seltener Genauigkeit fast seit 100 Jahren in den Herbarien und Auf- zeichnungen vorliegt, und dafür können wir Fr. Brunner nicht dankbar genug sein.

Wir sehen, daß sich fast alle Befürchtungen über das Aussterben wirklich einheimischer Arten nicht erfüllt haben, wie das im Verzeichnis eingehend dargelegt ist. Wohl aber ist, wie überall in unserer Gegend, die Zahl der Archaeo- phyten zurückgegangen, und manches Glied dieser bei uns eben auch nur künstlich, wenn auch vor Jahrtausenden, ein- geführten Gesellschaft ist erloschen.

Gerade diese Aenderung der Flora ist kaum irgendwo anders so klar und sicher zu beweisen, wie in dem so lange und so gründlich studierten Gebiet von Dießenhofen.

So haben sich aus den Vergleichen von einst und jetzt Schlüsse von allgemeiner Bedeutung ableiten lassen, die zweifel- los als interessant bezeichnet werden können.

Durch die hier vorliegenden Neufunde ist die Zahl der Dießenhofer Pflanzen auf über 1000 Species gebracht worden. Ich zweifle aber nicht, daß ihre Zahl bei systematischem Studium sich noch um zirka 100 erhöhen läßt, insbesondere in Wald- und Sumpfpflanzen. Jede Exkursion, selbst nur von zwei Stunden Dauer, hat mir in letzter Zeit noch regel- mäßig drei oder mehr neue Vertreter der Dießenhofer Flora. ergeben, sodaß also wirklich der Reichtum kaum auszu- schöpfen ist.

Die Flora des Hudelmooses.

Eine oekologische Studie von Dr. Grete Josephy (Zürich).

Die nachfolgenden Ausführungen sind meiner größern Arbeit: „Pflanzengeographische Beobachtungen auf einigen schwei- zerischen Hochmooren mit besonderer Berücksichtigung des Hudelmooses im Kanton Thurgau (Diss. Zürich 1920)“ ent- nommen. In jener Arbeit werden die im Hudelmoos gemachten Beobachtungen mit denjenigen anderer Moore verglichen, während hier nur die für den Kanton Thurgau wichtigen und interessanten Resultate angeführt sind.

N > IS Er $ = 7% % N AN BEN A eTn [ A

Das Hudelmoos östlich Zihlschlacht (top. Atl. Bl. 74 Bischötszell) 1: 25 000. Mit Bewilligung der Eidg. Landestopographie vom 25. VII 1922 reproduziert.

%)

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Allgemeine Uebersicht über das Gebiet.

Das Hudelmoos ist das größte und interessanteste Moor im Ober-Thurgau. Es liegt zirka 3 km südlich der Bahnstation Amriswil und zirka 2 km östlich von Zihlschlacht (Siegfried- karte Blatt 74) und reicht mit etwa dem vierten Teil in den Kanton St. Gallen hinein. Seine Höhe ist 520 mü.M., seine Fläche etwa !/a km?.

Geologischer Ueberbliek. Das Moor liegt auf einem ziemlich ausgedehnten Hochplateau ohne nennenswerte Boden- erhebungen. Im Süden fällt das Plateau gegen das Sittertal ab. Dort beginnt eine typische Drumlinlandschaft mit vielen kleinen Mooren. Im Norden reicht es noch ungefähr 1 km weit bis Räuchlisberg; dann geht es durch einen ziemlich steilen Absturz von etwa 70 m Höhe in eine ausgedehnte Schotterebene über, die sich nach Norden bis über den See- rücken erstreckt. Dieses Plateau ist aus Grundmoränenmaterial der letzten Eiszeit aufgebaut. Das ganze Gebiet war vom Rheingletscher bedeckt.

Die Entstehung des Moores läßt sich folgendermaßen er- - klären: der Rückzug des Gletschers ging unregelmäßig vor sich; es lösten sich einzelne Teile los. Solch ein zurück- gebliebenes Stück des Gletschers blieb wohl in der Gegend des Hudelmooses liegen. Durch das Gewicht des Eises ent- stand eine Einsenkung in der Grundmoräne. Das Eis schmolz dann langsam ab, und die Wanne füllte sich mit Wasser. Es entstand also ein See, dessen Boden die Grundmoräne bildete. Diese besteht zum größten Teil aus sandigem, leh- migem Schottermaterial, das der Gletscher mitgebracht hatte. Der See hatte daher undurchlässigen Grund. Im Laufe der Zeit wurden dem See von den Ufern her feiner Sand und Lehm zugeführt, welche die Undurchlässigkeit des Bodens noch verstärkten. Dann begann die eigentliche Verlandung durch Pflanzen, die sich wohl in ähnlicher Weise vollzog, wie die im folgenden beschriebene Verlandungsreihe vom Torfstich zum Callunetum.' Die ursprüngliche Verlandungsreihe kann nicht mehr festgestellt werden, da das Moor durch den Abbau: stark verändert ist.

Die Art des Abbaus. Das Moor ist aufgeteilt an die umliegenden Dörfer Zihlschlacht, Riet, Wilen, Hub, Hagen-

151

wil, Muolen und Räuchlisberg. Jede dieser Ortschaften betreibt den Abbau auf eigene Faust und nach eigenen Regeln. Meistens geschieht die Ausbeute durch Korporationen. In der Gemeinde Muolen zum Beispiel hat jedes Mitglied der Kor- poration 2 Ziel = 1 Recht zum Ausbeuten (1 Ziel ist ein Stück von 2 m Länge, 2 m Breite; in die Tiefe wird immer 4 Fuß = 1,2 m gegraben). Die Gemeinde Zihlschlacht steckt jedes Jahr so viel Ziele aus, als Gemeindebürger da sind; die Parzellen werden dann durch das Los den Bürgern zu- geteilt. Wieder eine andere Art des Betriebes haben die Weiler Riet und Wilen, und zwar das sogenannte „Ofenrecht“. Zu jedem Ofen gehören als Stammgut 3 Ziel, mit denen der Besitzer nach Belieben schalten kann. Erwirbt man also hier ein Haus, so kauft man zugleich das dazugehörende Stück des Moores.

Bis jetzt ist im Hudelmoos nur Handbetrieb eingeführt, und zwar wird der Torf mit einem Spaten gestochen. Am Rande des Moores wird er „gemodelt“, d. h. er wird zuerst mit Wasser gemengt und geknetet, dann in Formen gepreßt, aus den Formen herausgenommen und getrocknet.

Seit dem Sommer 1917 ist der Abbau vorübergehend intensiver geworden. Die Hälfte der Ausbeute mußte dem Bund abgetreten werden. Es wurde entsprechend mehr ge- graben, zum Teil bis auf den Untergrund, sodaß hier die Möglichkeit einer Regeneration wegfällt.

Das Moor in seiner heutigen Gestalt ist also nicht mehr ursprünglich. Seine Flora wird durch den Torfstich ernstlich gefährdet. Fast ringsum ist es von jung aufgefor- steten, einförmigen Rottannenwäldern umgeben. Innerhalb dieser Wälder findet sich an den meisten Stellen ein Gürtel von jüngeren Bäumen und Sträuchern, die auch in der Floren- liste erwähnt sind. Diese dringen an trockenen Stellen gegen das Moor vor.

Durch die starke Ausbeute gewinnt das Moor ein sehr heterogenes Aussehen. Callunetum, Magno-Caricetum, Parvo- Caricetum usw. sind in buntem Durcheinander zu finden, ein wahres Mosaik. Dadurch ist es unmöglich, das Moor als Ganzes zu charakterisieren. Es ist nirgends mehr die typische Physiognomie: Flachmoor, Uebergangsmoor und Hochmoor, zu finden. Die Frage, ob wir es mit einem Hochmoor oder

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einem Flachmoor zu tun haben, ist überhaupt schwer zu ent- scheiden. Sie ist in diesem Falle auch nieht von grundlegender Bedeutung, da ja das Moor nicht ursprünglich ist.

I. Die wichtigsten Pflanzengesellschaften im Hudelmoos.

Die Ungleichförmigkeit des Moores erleichtert die Ver- folgung der Verlandungsreihe vom Torfstich (oder von Pflanzengesellschaften mit freier Wasserfläche) bis zum Cal- lunetum. Es lassen sich folgende sechs Stadien der Verlan- dung erkennen:

1. Pflanzengesellschaften mit offener Wasser- fläche (Potamogeton natans, Potamogeton pusillus, Nymphaea alba usw.).

2. Verlandungszone:

a. mit nacktem Torf (Bidens cernuus usw. sind erste Besiedler);

b. Moose wachsen gegen das Wasser vor;

c. Rhynchosporetum.

3. Seggenmoor: a. Equisetum limosum-Bestände; b. Carex inflata-Bestände.

4. a. Trichophorum alpinum-Molinia coerulea-Bestände. b. Molinietum (Calamagrostidetum).

5. Eriophorum vaginatum-Bestände. 6. Callunetum.

Man wird in dieser Aufstellung das eigentliche Sphagnetum vermissen. Das hat seinen Grund in der zu starken Ver- änderung des Moores durch menschliche Einflüsse. Die Sphagneen sind beschränkt auf die eigentlichen Hochmoor- inseln, die Bülten. Außerdem kommen sie mit anderen Moosen zusammen auch beim Seggenmoortypus vor, gelangen aber nie zum Vorherrschen. Wie ich beim Vergleich mit anderen, noch unberührteren Hochmooren und aus der Literatur sah, haben die sechs Typen auch in der Verlandungsreihe der un- berührten Hochmoore ihren Platz.

-- 133

1. Pflanzengesellschaften mit freier Wasserfläche.

Dieser Typus bewohnt verschiedene Standorte: Torflöcher, Entwässerungsgräben und Schlenken. Gemeinsam ist eine zusammenhängende Wasserfläche und die dadurch bedingte Pflanzengesellschaft. Durch den Abbau entstehen die typischen, mit braunem, humusreichem Wasser gefüllten Torfstiche von einer Tiefe von 1—1.5 m. Der tiefe Wasserstand und die auf allen Seiten senkrecht abfallenden Wände machen die Besiedelung durch Blütenpflanzen in diesem Stadium unmög- lich. Die ersten Besiedler der Torfwände sind Moose, vor allem Dieranella cerviculata und Ceratodon purpureus. Die älteren und größeren Torfstiche, wie auch die künstlichen Ent- wässerungsgräben, besitzen meist nur auf einer Seite die steilen Torfwände, auf der anderen gehen sie allmählich in die um- gebende ältere Pflanzengesellschaft über. Die Schlenken sind größere und kleinere Tümpel, die nicht direkt auf Abbau zurückzuführen sind. Es sind Einsenkungen in der natürlichen Vegetationsdecke, die entweder mit Wasser gefüllt oder in Verlandung begriffen sind. Im Hudelmoos ist die Schlenken- bildung zum großen Teil auf menschliche Einflüsse zurück- zuführen. Kleinere Schlenken können sich aber auch auf verschiedene andere Arten, z.B. durch Pflanzen wie Leber- moose und Algen bilden, welche die Vegetation zerstören.

Ich kann diesen Typus nur unvollständig charakterisieren, weil die Plankton-Organismen, die die Hauptrolle spielen, nicht berücksichtigt wurden. Bei einer genauen Untersuchung würden. sich wahrscheinlich Unterschiede zeigen, die eine Trennung in verschiedene Untergruppen rechtfertigen dürften. Auch bei rein makroskopischen Untersuchungen treten Unter- schiede auf; so finden sich z. B. Rhynchospora alba und Drosera anglica nur in den typischen Schlenken. Im all- gemeinen sind aber die Konstituenten der verschiedenen Pflanzengesellschaften so zufällige, daß mir nach diesen ober- flächlichen Gesichtspunkten eine Trennung nicht ratsam schien. Die meisten Pflanzen wandern aus der umgebenden Formation ein und können infolge der geringen Konkurrenz ganz gut an den sonst ungünstigen Standorten fortkommen. Es ist natürlich unmöglich, eine scharfe Grenze zwischen Typus 1 und dem folgenden, der Verlandungszone, zu ziehen. Die

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Scheidung wurde nach den vorkommenden Pflanzen vorge- nommen, und zwar in der Art, daß alle Pflanzengesellschaften, in denen mindestens eine typische Wasserpflanze (wie Pota- mogeton natans, Potamogeton pusillus, Lemna minor, Nym- phaea alba, Utrieularia vulgaris und‘ minor) vorkommt, zum Typus 1 gehören.

2. Die Verlandungszone.

Dieser Typus wurde in drei Unterabteilungen eingeteilt, entsprechend den in Typus 1 beschriebenen verschiedenen Arten der Gewässer, aus denen sie entstehen.

Typus ist im Hudelmoos nur vertreten durch die Verlandung der größeren Torfstiche und Entwässerungsgräben. Ich möchte dieser Pflanzengesellschaft deshalb keine größere Bedeutung beimessen, sondern sie nur festhalten als Ueber- gang vom Torfstich in die Sumpfwiese. Vom Torfstich unter- scheidet sie sich dadurch, daß sie nicht untergetaucht ist, vom Typus 3 dadurch, dass sie nicht eine geschlossene, sondern eine offene Vegetation besitzt. Zwischen den zersteuten Pflanzen ist der schwarze, nasse Torfboden mit nur spärlichen Moos- anflügen zu sehen. Als erste Besiedler können sehr ver- schiedene Pflanzen in Betracht kommen. Meist sind es an- spruchslose, ziemlich indifferente Arten, die überall dort vorkommen, wo die Konkurrenz fehlt. So war z.B. solch eine Stelle von nacktem Torf nur von zerstreut stehenden Stöcken von Molinia eoerulea besiedelt. An anderen Stellen ist wieder Equisetum palustre der erste Besiedler.

Zu den charakteristischen Arten gehört vor allem Bidens cernuus, der allerdings auch hie und da im Wasser vorkommt, trotzdem aber auf dem nackten, nassen Torf seinen bevor- zugten Standort hat. Dann finden hier sehr günstige Lebens- bedingungen: Equisetum palustre und limosum, Typha latifolia, Alisma Plantago aquatica, Rumex Acetosella, Mentha aquatica, doch können alle diese Pflanzen auch auf den Standorten 1 und 3 vorkommen.

Die Typen 25 und 2c sind die Verlandungstypen der Schlenken.

Die Verlandung durch Moose tritt hauptsächlich bei klei- neren Schlenken auf, die mit Wasser gefüllt sind. An diesen Standorten kommen Phanerogamen nicht oder nur vereinzelt

ee

fort, die Moose sind hier also die Pioniere der Vegetation. Die wichtigsten dieser Schlenkenmoose sind: Calliergon tri- falium und Scorpidium scorpioides, die fast immer eine As- soziation bilden. Die Ufer von seichten Schlenken sind meistens durch einen dichten, goldgrün glänzenden Teppich von Drepanoeladen, hauptsächlich Drepanocladus intermedius. und exannulatus gebildet. Es treten noch hinzu: Chrysohyp- num stellatum und polygamum, Philonotis marchica und fontana und Fissidens adiantoides. Von den Sphagneen spielt in den Schlenken die Hauptrolle Sphagnum cuspidatum; ge- legentlich wandert auch Sphagnum recurvum von den Rand- partien in die seichten Schlenken ein. Sphagnum contortum und subsecundum finden sich oberhalb des permanenten Wasser- spiegels. |

Typus 2c. Der typische Verlander auf den natürlichen sowie auf den abgebauten Mooren ist Rhynchospora alba. Das Rhynchosporetum bildet auf den unberührten Mooren die großen Schwingrasen zwischen Hochmoor und Flachmoor. Auch im Hudelmoos spielt es die Rolle des Uebergangsmoores, aller- dings im kleinen. Es findet sich hauptsächlich zwischen den Schlenken, in kleinen Vertiefungen zwischen den Bülten, dann auch sehr häufig an nassen Stellen im Trichophoretum.

Beim Rhynchosporetum im Trichophoretum fällt die scharfe Abgrenzung der beiden Bestände gegeneinander auf. Die Zeiehnung 1 stellt eine kleine Wiese von zirka 20 bis 30 m? Fläche dar. Die Aufnahme wurde am 16. Juni 1917, also noch im Frühsommer, gemacht. Trichophorum alpinum war schon in voller Frucht, während Rhynchospora alba eben erst zu sprießen anfıng. “Um so auffälliger wirkten deshalb die Flächen des Trichophoretums, die den Eindruck von kleinen Inseln machten.

Ueberhaupt ist die Abgrenzung des Rhynchosporetums gegen andere Bestände verhältnismäßig scharf. Den Grund für dieses merkwürdige Verhalten stelle ich mir folgender- maßen vor: Rhyncehospora ist sehr abhängig von den Feuchtig- keitsverhältnissen. Die günstigsten Standorte sind eben ver- landete Schlenken, die noch viel Feuchtigkeit besitzen. Die Schlenken können aber auch in ziemlich trockenen Pflanzen- gesellschaften, wie z. B. im Trichophoretum vorkommen. Rhynehospora kann nicht auf den umgebenden trockenen

136

Boden auswandern und ist deshalb auf die kleinen nassen Flächen beschränkt, die es dann aber fast ausschließlich be- siedelt. Das Rhynchosporetum im Trichophoretum, das Zeich- nung 1 darstellt, ist wohl aus dem Seggenmoor entstanden. Es bildeten sich durch lokal schnelleres Wachstum der Moose Anfänge von Bülten, auf denen sich Triehophorum ansiedelte. Dadurch entstanden auf dem schon ziemlich trockenen Boden Vertiefungen zwischen den Bülten, die zu Wasserreservoiren wurden. Vielleicht bildeten sich nicht eigentliche Wasser-

Fig.1 - Verteilung von Trichophoretum und Rhynchosporetum.

schlenken; doch war immerhin so viel Feuchtigkeit vorhanden, daß sich Rhynchospora ansiedeln konnte. Dieses Beispiel zeigt eine natürliche Regression, auf die ich im Kapitel über die Bülten zurückkomme.

3. Das Seggenmoor.

Ich verstehe darunter eine Pflanzengesellschaft, die in der Verlandungsreihe eine Mittelstellung einnimmt. Im Hudelmoos ist sie die häufigste Formation.

Es soll zuerst an einem Beispiel ihre Entstehung und ihr Charakter erläutert werden: Nehmen wir an, es werde an einer Stelle mit der Abtorfung begonnen, so wird im ersten

Carex elata-Bestand

137

Jahre ein Graben von zirka 2 m Tiefe, 2 m Breite und be- liebiger Länge gemacht. Im zweiten Jahr wird in der Breite 2 m (ein sogenanntes Ziel) weitergegraben usf., bis der ganze Komplex auf die bestimmte Tiefe abgetorft ist. Nun sammelt sich im jüngsten Torfstich Wasser an; es entsteht der Typus 1; darauf folgt im Torfstich vom zweit- und drittletzten Jahre die Verlandung, gewöhnlich mit nacktem Torf, und hierauf das Seggenmoor. Dieses weist oft zwei Teile auf: an den feuchteren, jünger abgetorften Stellen den Equisetum limosum- Bestand, an den älteren Stellen den Carex inflata-Bestand; doch tritt diese Teilung nicht immer auf. Typischer und wichtiger ist der Carex inflata-Bestand.

Schon aus der Entstehungsweise läßt sich erkennen, daß der Seggenmoor-Typus nicht einheitlich ist, sondern verschiedene Stufen enthält. Wenn man wirklich einheitliche Formationen vergleichen wollte, müßte man Streifen von der Breite des Torfstiches eines Jahres nehmen. Dann bekäme man aber unzählige Abstufungen, die unter sich kaum verschieden wären. Ich habe deshalb unter Seggenmoor alle die Formationen zu- sammengefaßt, die auf dem Niveau des mittleren Wasser- standes liegen. Sie besitzen während des größten Teiles der Vegetationsperiide keine zusammenhängende Wasserfläche, sind aber bei starkem Regen und in sehr nassen Sommern, wie der Sommer 1916 war, unter Wasser. Es handelt sich also um Pflanzen, die viel Feuchtigkeit beanspruchen.

Der Typus 3a spielt eine untergeordnete Rolle. Er ist nur an ganz wenigen Stellen zu finden, dann aber in sehr typischer Ausbildung. Carices sind in dieser Formation häufig, wenn auch nicht so überwiegend wie in Typus 35. Die wichtigsten Vertreter des Typus 3a sind: Equisetum palustre, Lysimachia vulgaris, Typha latifolia, auch Carex inflata kommt schon häufig vor. Von den Moosen spielen die Hauptrolle Acrocladium cuspidatum und Drepanocladus exannulatus.

Der Typus 35 ist charakterisiert durch Carex inflata; sehr häufige Begleiter sind Typha latifolia, Peucedanum pa- lustre, Eriophorum angustifolium. Von den Moosen kommen hauptsächlich vor Acrocladium cuspidatum, Aulacomnium palustre, verschiedene Sphagnumarten wie Sphagnum ceymbi- folium, subseeundum und acutifolium.

133

4. Der Trichophorum alpinum-Molinia coerulea-Bestand.

Diese Pflanzengesellschaft sehe ich als jüngste Stufe des Hochmoors an. Sie liegt schon über dem Niveau des Grund- wasserspiegels, beansprucht also ziemlich trockenen Boden. Doch auch der Uebergang zum Flachmoor ist noch deutlich vorhanden in den in Typus 2c beschriebenen Flächen von eingesprengter khynchospora.

Im Juni und Juli bieten diese ausgedehnten Trichophorum- rasen einen wunderbaren Anblick. Von weitem hat man den Eindruck, es liege Neuschnee auf der Wiese. Im Näher- kommen bemerkt man die durch den leichten Sommerwind hervorgerufene Bewegung der unzähligen kleinen, glänzenden Köpfchen, die Leben in das Bild bringt.

Als ich dagegen im August die schönen Trichophorum- rasen aufsuchen wollte, fand ich anstatt der leuchtenden weißen Flur eine gelbe bis rötliche Fläche. Trichophorum alpinum hatte seine Fruchtköpfchen schon verloren, die Blätter waren verwelkt, gelblich. Dazwischen sproßten überall die dichten Horste von Molinia coerulea mit ihren violetten Blüten- ständen. Aus dem Trichophoretum alpini war also im Herbst- aspekt ein Molinietum geworden.

Als Untergruppe füge ich hier das Molinietum im weiteren Sinne (Typus 45) bei. Molinia coerulea ist, wie schon erwähnt, in seinen Standortsansprüchen sehr bescheiden. Sie kann überall vorkommen. Immerhin bevorzugt sie, um größere Komplexe zu besiedeln, trockenere Standorte, denen des Trichophoretums entsprechend. Besonders günstige Stand- orte für das Molinietum sind: trockene, magere Wiesen am Rande des Moores und Torfauslegeplätze.

Mit dem Molinietum habe ich das Molinieto-Calamagrosti- detum vereinigt. Calamagrostis tritt, wie Molinia, an Torf- auslegeplätzen, überhaupt an den ausgetrockneten Stellen des Moores auf, ist aber nicht so anspruchslos und deshalb lange nicht so verbreitet und häufig wie Molinia.

Das Trichophoretum alpini und das Molinietum haben also, da es nur zeitlich getrennte Aspekte derselben Formation sind,

eine sehr ähnliche Zusammensetzung. Charakteristische Arten

für diese Bestände sind, außer Trichophorum alpinum und Molinia, Eriophorum angustifolium, Salix aurita und repens, Potentilla erecta, Calluna vulgaris, Lysimachia vulgaris.

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139

5. Der Eriophorum vaginatum-Bestand.

Im Werke von Früh und Schröter über „Die Moore der Schweiz“ folgtin der „typischen Schichtenfolge“ das Eriophoreto- Sphagnetum zwischen Uebergangsmoor und Callunetum. Es spielt in den natürlichen Hochmooren eine große Rolle. Eriophorum vaginatum wird sogar als einzige typische Hoch- moor-Oyperacee bezeichnet. Im Hudelmoos ist es jedoch von geringer Bedeutung. Es kommt in vereinzelten Stöcken an trockenen Standorten vor, ähnlich wie Molinia und Calluna. In größerer Ausdehnung habe ich das Vaginetum jedoch nur an einer Stelle gefunden.

Ich traf dort: Eriophorum vaginatum, Oxycoceus quadri- petalus, Calluna vulgaris, Anthoxanthum odoratum, Potentilla erecta, Carex elata, Sphagnum cymbifolium, Aulacomnium palustre, Polytrichum strietum.

Dieses Vaginetum lag in einer Sumpfwiese, in der es eine beginnende Bülte von größerer Ausdehnung bildete. Gegen den Rand hin traten Anthoxanthum odoratum, Eriophorum angustifolium, Carex elata, Parnassia palustris, Hydrocotyle vulgaris, Cirsium palustre hinzu, und hierauf folgte das Seggenmoor.

6. Das Callunetum.

Das Callunetum, das älteste und letzte Stadium im Hudel- . moos, ist entweder als Reinbestand von Calluna vulgaris aus- gebildet oder vermischt mit den Sträuchern Pinus silvestris, Betula pubescens, Salix aurita und repens nnd Frangula Alnus. Hier kommen, wie überall, noch viele Allesbewohner hinzu. Wäre das Hochmoor nicht so stark verändert, so träte als Schlußglied der eigentliche Hochmoorwald auf. Sein Ent- stehen wird hier durch den Abbau verhindert; denn sobald ein älteres Stadium des Bodens wieder abbaufähig ist, wird es durch den Torfstich beseitigt. Es bleibt also keine Zeit zur Waldbildung, obgleich sich in jedem Callunetum fast von Anfang an Bäume und Sträucher ansiedeln.

Das Callunetum als Reinbestand ist eine uninteressante und eintönige Pflanzengesellschaft. Es erstreckt sich gewöhn- lich auch nur auf kleine Flächen. Die Sträucher stehen so dicht, sie beschatten den Boden so sehr, daß daneben und

140

darunter nichts mehr fortkommen kann. Hie und da findet sich an einer etwas lichteren Stelle ein kleines Polster von Leucobryum glaucum oder Dieranum. Auffallend ist überhaupt

ErsteBesiedlung von nacktem TorfimCallunetum

Fig.2 Ä Junges Stadium Pa £ | ei h ı En Calluna vulgaris

ul Cladonia spee.

2 ee m vv Polytrichum strietum

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Fig.3 3 nn. Alteres Stadium u, a X,

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die große Zahl der Moose im Verhältnis zu den Blütenpflanzen. Es läßt sich dies aus der Anspruchslosigkeit der Moose in Bezug auf Raum und Licht erklären. : Eine rätselhafte Erscheinung im Callunetum sei hier noch erwähnt. Bei einer Exkursion am 5. Mai 1917, also früh in der Vegetationsperiode, fiel mir auf, daß die Callunabüsche

141

nur kleine Strecken bedeckten und zwischen sich häufig schwarze Flecken von nacktem Torf ließen. Diese Stellen waren 0.5 bis 1m? groß. Besonders auffallend war dies natürlich im Frühling vor dem Erwachen der Vegetation. Später ver- wischte sich die Erscheinung, weil die anspruchslosen Arten jedes Fleckchen freien Bodens besiedeln. Es macht den Ein- druck, als ob hier und dort Feuer angelegt worden wäre, das einige Callunastöcke vernichtet und so Raum geschaffen hätte. Eine befriedigende Erklärung für das Phänomen habe ich nicht finden können. Interessant ist die Wiederbesiedelung dieser nackten Stellen, die durch die Zeichnungen 2 und 3 illustriert sind. Es kommen vor allem Moose und Flechten in Betracht. Zeichnung 2 zeigt ein ganz junges Stadium, in dem die Wiederbesiedelung hauptsächlich durch Dicranella cerviculata geschieht. Dieses Moos ist überhaupt typisch für nackten Torf; es kommt auch häufig an den steilen Wänden junger Torfstiche vor. Daneben treten sehr bald Polytrichum strietum und Cladonia fimbriata und pyxidata auf. Ein älteres Stadium zeigt die Zeichnung 3, Hier ist vom Rande her schon ‚hie und da ein Sträuchlein von Calluna eingewandert. Poly- trichum strietum und Cladonia sind häufiger, während Dieranella zurücktritt. Polytrichum wird immer häufiger, bis eine typische Polytriehumtundra entsteht. Der Bestand der Polytrichum- tundra ist folgender: Polytrichum strietum und gracile bilden einen Teppich. Dazwischen kommen noch vor: Pohlia nutans, Dieranella cervieulata und Cladonia. Calluna und Vaceinium Myrtillus wandern ein. Diese Polytrichumtundra würde in nicht allzu langer Zeit wieder zum Callunetum, und damit wäre der Kreislauf geschlossen.

II. Florenliste.

Ich habe die Gefäßkryptogamen und Phanerogamen nach der „Flora der Schweiz“ von Schinz und Keller, I. Teil, 3. Auflage, und II. Teil, 3. Auflage, geordnet. Die Nummern vor jeder Art entsprechen den Nummern in der Flora (I. Teil). Diejenigen Arten, bei denen keine näheren Angaben stehen, waren in der Literatur für das Hudelmoos noch nicht an- geführt. Bei denen, die ich in den Literaturangaben gefunden

142

habe, gebe ich die Autoren in Klammern an, ein Ausrufzeichen will sagen, daß ich die betreffende Art auch gefunden habe.

Abkürzungen: N. Nägeli. N.u. W. Nägeli und Wehrli. B. Boltshauser.

Es wurden in der Florenliste auch die Pflanzen der Rand- zonen, die, streng genommen, nicht zum Moore gehören, berück- sichtigt. Hauptsächlich habe ieh die Sträucher in Betracht gezogen, die das Moor fast ringsum gegen die umgebenden Rottannenwälder abgrenzen.

A. Gefässkryptogamen.

1. Athyrium Filix femina (L.) Roth zerstreut an trockenen Stellen.

12. Dryopteris ceristata (L.) Gray ziemlich verbreitet auf Bülten. (Wegelin nach N. u. W.,!)

13. Dryopteris spinulosa (Müller) O. ae, ssp. euspinulosa (Ascherson) Schinz u. Thellung ziemlich häufig im Oallunetum (B.,!); ssp. dilatata (Hoffm.) C. Oasen hie und da auf feuchtem Torf (N.,!).

29. Pteridium aqwilinum (L.) Kuhn häufig an den Rand-

partien.

50. Zquisetum palustre L. -— häufig und verbreitet an- nassen Stellen.

51. Equwisetum limosum L. bestandbildend in jungen Verlandungszonen.

55. Lycopodium Selago L. N.

57. Lycopodium amnotinum L. zerstreut im Callunetum.

58. Zycopodium inundatum L. zerstreut als erster Ver-

lander der Schlenken auftretend. N., Sulger-Büel in Ber. d. Schweiz. Bot. Ges., Heft XXIV/XXV,)).

B. Gymnospermen.

2. Picea excelsa (Lam.) Link hie und da an trockenen Stellen, auf Bülten.

7. Pinus ls L. verbreitet im Callunetum und an trockenen Stellen.

C. Angiospermen.

1. Typha latifolia L. häufig und verbreitet an nassen Stellen, im Uebergang vom Torfstich zum Seggenmoor.

114.

121. 133. 135.

152. 172.

196. 220.

223.

224.

143

. Spargamium erectum L. ssp. neglectum (Beeby) Schinz

u. Thellung vereinzelt am Rande von Torfstichen.

. Sparganium minimum Fries selten, in größeren

Schlenken. (Wegelin nach N. u. W.,!).

. Potamogeton natans L. häufig und verbreitet in

künstlich vergrößerten Schlenken.

. Potamogeton pusillus L. zerstreut in Entwässerungs-

gräben.

. Alisma Plantago aquatica L. selten, in Torfstichen

oder am Rande derselben.

. Oryza oryzoides (L.) Schinz u. Thellung (N. u. W.). . Anthoxanthum odoratum L. häufig und verbreitet

an trockenen Stellen und an den Randpartien.

. Alopecurus aequalis Sobolewsky (Wegelin nach N.u.W.). . Agrostis alba L.. zerstreut an feuchten Standorten. . Agrostis tenuis Sibth. ziemlich häufig an trockenen

Stellen, Torfauslegeplätzen und im Callunetum.

. Calamagrostis Epigeios (L.) Roth -— zerstreut an

trockenen Standorten, meistens mit Molinia coerulea.

. Holeus lanatus L. zerstreut, in den Randpartien des

Moores. Sieglingia decumbens (L.) Bernh. selten, an trockenen Stellen, auf Wegen.

. Trichoon Phragmites (L.) Rendle nicht verbreitet,

am Nordrand bestandbildend.

Molinia coerulea (L.) Mönch häufig und verbreitet, nicht wähleriseh inbezug auf den Standort.

Briza media L. zerstreut, in den Randpartien. Oynosurus eristatus L. zerstreut, in den Randpartien, Poa trivialis L. hie und da in den Randpartien. Festuca rubra L. var. commutata Gaudin verbreitet an trockenen Stellen, Torfauslegeplätzen, im Trieho- phoretum.

Nardus strieta L. hie und da auf Torfauslegeplätzen. Eriophorum vaginatum L. verbreitet an trockenen Stellen, gewöhnlich mit Molinia coerulea, selten be- standbildend.

Eriophorum angustifolium Roth sehr verbreitet und häufig an nassen Stellen, jung verlandenden Torfstichen. Eriophorum gracile Roth sehr selten, gefunden in

226.

238. 250.

Dal 278. 29. 283. 291. 294. 296. 302. Soll, Sr, 320. 332= DIE

334. 335.

346. 30. 37. 367. 368.

144

wenigen Exemplaren im nordöstlichen Teil des Moores mit Eriophorum angustifolium. (Schuppli nach N.u. W.!). Trichophorum alpinum (L.) Pers. an ziemlich trockenen Standorten ausgedehnte Bestände bildend. (B.,N.u.W..!). Schoenopleetus lacustris (L.) Palla selten, in Schlenken. Rhynchospora alba (L.) Vahl häufig als Verlander von Schlenken. (N.,!).

Oarex diandra. Schrank. nicht häufig, hie und da Bülten bildend. (N.,)).

Carex echinata, Murray ziemlich häufig an nassen Stellen mit Carex flava. (B., N.,!).

Oarex elongata L. (B., N.,!).

Oarex canescens L. zerstreut, im Seggenmoor. (B.,N..!).

Carex elata All. verbreitet, an nassen Standorten bültenbildend.

Carex fusca All. zerstreut, im Seggenmoor.

Carex pilulifera L. (W.).

Carex ornithopoda Willd. vereinzelt, in den Rand- partien.

Carex panicea L. selten, an trockenen Stellen der Randpartie.

Carex pallescens L. selten, in der nördlichen Rand- partie.

Carex flava L. häufig und verbreitet, hauptsächlich im Trichophoretum.

Carex lasiocarpa Ehrh. (am Rande von Torflöchern nach N.).

Carex hirta L. vereinzelt, in der östlichen Rand- partie.

Carex flacca Schreber selten, an den Randpartien. Carex inflata Hudson bestandbildend an nassen Standorten. |

Lemna minor L. häufig in Entwässerungsgräben. Junecus efjusus L. häufig an nassen Standorten. Juncus compressus Jaeq. selten, auf den Moorstraßen. Juncus alpinus Vill. selten, im Trichophoretum alpini. ‚Juncus artieulatus L. ziemlich häufig am Rande von Schlenken.

Juneus alpinus Vill. X artieulatus L. selten, an den

gleichen Standorten wie die vorigen Arten.

369.

380.

442. 4795. 488. 489. 490. 492. 07. 810. 512. 514. 528. 934. 541. 943. 545. 946. 94T. 957.

958.

145

Juncus acutiflorus Ehrh. häufig im Rhynchosporetum und am Rande von Torfstichen. Juncus acutiflorus Ehrh. X alpinus Vill. selten, an

den gleichen Standorten wie die Stammarten.

Luzula campestris (L.), Lam. u. DC.; ssp. multiflora (Ehrh.), Buchenau häufig an ziemlich trockenen Standorten, in den Randzonen, im Trichophoretum.

Majanthemum bifolium (L.) F.W. Schmidt zerstreut, unter Sträuchern.

Orchis Morio L. verbreitet, an den Randzonen, Weg- rändern, Trichophoretum.

Orchis incarnatus L. ziemlich verbreitet an feuchten Stellen.

Orchis Traunsteineri Sauter selten, an feuchten Standorten.

Orchis maculatus L. zerstreut, im Trichophoretum. Orchis latifolius L. —— zerstreut, an feuchten Standorten. Gymnadenia conopea (L.) R. Br. ziemlich verbreitet an Torfauslegeplätzen.

Platanthera bifolia (L.) Rich. vereinzelt an nassen Standorten.

Helleborine palustris (Müller) Schrank verbreitet an feuchten Standorten.

Helleborine latifolia (Hudson) Bruce zerstreut, im Gebüsch der Randzonen.

Liparis Loeseläi (L.) Rich. auf Sphagnum, im nord- östlichen und im südwestlichen Teil des Moores, nicht selten.

Salöix alba L. im Gebüsch der nördlichen Randzone. Salie purpurea L. hie und da an trockenen Stellen und an den Randzonen.

Salix repens L. häufig, am Rande von Schlenken, auf Bülten, im Triehophoretum (B.,!).

Salöix cinerea L. zerstreut, in den nördlichen Rand- zonen.

Salix aurita L. häufig Bülten bildend. Salix caprea L. vereinzelt, in der nördlichen Randzone.

Salix nigricans Sm. zerstreut, in der nördlichen Randzone. Populus tremula L. vereinzelt, auf trockenem Torf.

10

‚967.

572.

77.

610.

612. 621.

681.

712.

718.

Gulklio 820.

856. 951.

980.

1018.

1019.

1077. 1103.

1105. 1106.

1116.

146

Betula pubescens Ehrh. häufig, auf Bülten und trockenen Standorten. (B., N.,!)

Almus glutinosa (L.) Gärtner häufig, in der nörd- lichen Randzone.

Quercus Robur L. zerstreut, an trockenen Stand- orten und in der Randzone.

Rumex Acetosella L. zerstreut, auf nacktem, trockenem und nassem Torf.

Rumex Acetosa L. verbreitet, an trockenen Standorten.

Polygonum. Persicaria L. hie und da, am Rande von Torfstichen.

Lychnis Flos euculi L. zerstreut, im Carex inflata- Bestand.

Stellaria graminea L. hie und da, in den trockenen Randwiesen.

Oerastium caespitosum Gilib. zerstreut, in den öst-

lichen Randpartien. Nymphaea alba L. häufig, in groß. u. klein. Schlenken.

Ranuneulus Flammula L. vereinzelt, an feuchten Standorten.

Berberis vulgaris L. häufig, in den Randpartien. Cardamine pratensis L. zerstreut, an nassen Stand-

orten, im Carex inflata-Bestand.

Arabidopsis Thaliana (L.) Heynh. vereinzelt, an den trockenen Randpartien mit Cerastium caespitosum. Drosera rotundifolia L. sehr häufig, und verbreitet auf Sphagnumbülten. (B., N. u. W.,!)

Drosera anglica Hudson em. Sm. verbreitet, in seichten Schlenken, seltener als vorige Art. (N. u. W., Schlatter in Ber. d. Schweiz. Bot. Ges., Heft XXIV/XXV.). Drosera anglica Hudson em. Sm. X rotundifolia L. sehr selten, im südlichen Teile des Moores. Parnassia palustris L. häufig, an nassen Standorten. Rubus idaeus L. häufig, auf trockenem, nacktem Torf, im Callunetum.

Rubus nessensis W. Hall (N. u. W.).

Rubus suleatus Vest verbreitet, an trockenen Stand- orten. (N. u. W..!).

Rubus bifrons Vest häufig und verbreitet, auf trockenem, nacktem Torf mit Frangula Alnus.

1163.

1191.

1200. 1218. 1247. 1249. 1313. 1314. 1416. 1428. 1430. 1437. 1445. 1466. 1470.

1482. 1487.

1504.

1518. 1535. 1538.

1548.

147 0

Comarum pulustre L. verbreitet, an nassen Stand- orten, in seichten Schlenken. (B.,!).

Potentilla erecta (L.) Hampe häufig und verbreitet, bevorzugt trockene Standorte, kommt aber auch an nassen fort.

Filipendula Ulmaria (L.) Maxim. zerstreut, haupt- sächlich in den feuchten Randpartien.

Rosa canina L. vereinzelt am Rande der Moorstraßen. Prunus avium L. im nördlichen Randgebüsch. Prumus Padus L. vereinzelt, in d. nördlich. Randzone. Lotus uliginosus Schkuhr zerstreut, an feuchten Standorten.

Lotus corniculatus L. vereinzelt, in den trockenen Randwiesen.

Linum cartharticum L. —- zerstreut, in trockenen Randwiesen.

Polygala amarella Orantz ziemlich häufig, an trockenen Randpartien.

Polygala vulgaris L. zerstreut, an trockenen Standorten. Euphorbia strieta L. vereinzelt, in den Randpartien. Euphorbia Cyparissias L. ziemlich häufig, an trockenen Stellen, im Callunetum.

Rhamnus cathartica L. zerstreut, in der nördlichen Randzone.

Frangula Almus Miller sehr häufig und verbreitet, bevorzugt trockene Standorte.

Hypericum humifusum L. (Schuppli nach N. u. W.) Hypericum perforatum L. -- ziemlich häufig, an trockenen Stellen, Wegrändern.

Viola palustris L. verbreitet, an feuchten Standorten. (N., N. u. W., Schlatter, in Ber. d. Schweiz. Bot. Ges., Heft XXIV/XXV,)

Viola canina L.em. Rehb. ziemlich häufig, an trockenen Standorten, im Callunetum.

Lythrum Salicaria L. häufig, an feuchten und trockenen Standorten.

Epilobium angustifolium L. ziemlich verbreitet, an trockenen Standorten, Brandstellen.

Epilobium palustre L. ziemlich häufig, an nassen

Standorten, im Carex inflata-Bestand. (B.,!)

148

. Myriophyllum vertieillatum L. —- zerstreut in Torfstichen und Entwässerungsgräben.

. Hydrocotyle vulgaris L. ziemlich häufig, auf nacktem Torf. (B., N. u.W.,!)

. Angelica siwestris L. ziemlich häufig, an feuchten Standorten.

. Peucedanum palustre (L.) Mönch verbreitet, an feuchten Standorten. (B.,!)

. Cornus sanguinea L. —- zerstreut, im Gebüsch der nördlichen Randzone.

. Pyrola rotundifolia L. verbreitet, aber nicht häufig, an feuchten Standorten.

. Andromeda polifolia L. beschränkt auf den südwest- lichen Teil des Moores, auf Sphagnum, im Rhyncho- sporetum. (B., N. u. W..!).

. Vaceinium Vitis idaea L. (B., N.).

. Vaccinium Myrtillus L. häufig an trockenen Stand- orten, mit Calluna vulgaris.

Ä een uliginosum L. nur ehr an trockenen Standorten. (B., N. u. W.,N.

. Oxycoceus quadripetalus Gilib.— ein typischer Sphagnum- begleiter, überspinnt die Sphagneen und auch andere Moose der Bülten. (B., N. u. W..!).

. Calluna vulgaris (L.) Hull an trockenen Standorten bestandbildend.

. Lysimachia vulgaris L. häufig und verbreitet im Seggenmoor.

. Ligustrum vulgare L. verbreitet, im Gebüsch der Randpartien.

5. Menyanthes trifoliata L. —- ziemlich häufig in größeren Schlenken.

. Oentaurium umöbellatum Gilib. zerstreut an nassen Standorten.

. Ajuga reptans L. ziemlich verbreitet in den feuchten Randwiesen.

. Seutellaria galericulata L. zerstreut, an feuchten Standorten im Gebüsch. (Schlatter in Ber. d. Schweiz. Bot. Ges., Heft XXIV/XXV.)).

. Galeopsis Tetrahit L. an trockenen Standorten mit

Epilobium angustifolium und Rubus bifrons.

149

. Thymus Serpyllum L. ssp. ovatus (Miller) Brig. und

ssp. subeitratus (Schreber) Brig. sehr häufig und verbreitet an trockenen Standorten.

. Lycopus europaeus L. ziemlich häufig im Carex

inflata-Bestand.

. Mentha aquatica L. häufig und verhreitet.

. Solanum Dulcamara L. im Gebüsch der Randpartien.

. Veronica scutellata L. (B.).

. Veronica offieinalis L. ziemlich häufig auf trockenem, nacktem Torf.

. Euphrasia Rostkoviana Hayne häufig an trockenen Standorten.

. Pedieularis palustris L. (B.)

. Pinguicula vulgaris L. -—— sehr selten, im Seggenmoor.

. Utrieularia vulgaris L. häufig, in groß. Schlenken usw.

. Utricularia minor L. seltener als vorige Art, in kleinen Schlenken.

. Galium uliginosum L. verbreitet an feuchten Stand- orten.

. Galium palustre L. häufig, an nassen Standorten,

auch untergetaucht.

. Galium Mollugo L. ssp. elatum (Thuell.) Brig. und

ssp. dumetorum (Jordan) H. Braun verbreitet an trockenen Standorten.

. Viburnum Lantana L. im Gebüsch der nördlichen Randzonen.

. Viburnum Opulus L. im Gebüsch der nördlichen Randzonen.

. Lonicera Xylosteum L. im Gebüsch der nördlichen Randzonen.

. Valeriana dioecea L. zerstreut in den feuchten Randwiesen.

. Knautia silvatica (L.) Duby var. dipsacifolia (Host)

Godet häufig an trockenen Standorten.

. Suceisa pratensis Mönch verbreitet in den Randwiesen

und im Molinietum.

. Campanula rotundifolia L. hie und da aufnacktem Torf. . Campanula patula L. selten in den Randzonen. . Eupatorium cannabinum L. sehr häufig und verbreitet

an nassen Standorten.

150

2189. Soldago Virga-aurea L. in den Randpartien in zer- streuten Beständen auftretend.

2202. Erigeron annuus (L.) Pers. selten, unter Sträuchern.

2227. Imula salicina L. (nach Schlatter in Ber. d. Schweiz. Bot. Ges., HeftXXIV/XXV, am Südrand d. Hudelmooses.)

2237. Bidens eernuus L. erster Besiedler von nacktem,

nassem Torf. (B.,!)

2296. Senecio silvatieus L. (N. u. W.).

2329. (irsium palustre (L.) 8cop. häufig an feuchten Standorten. 2365. Hypochoeris radieata L. verbreitet an ‚trockenen

Stellen und an den Randpartien. 2371. Leontodon hispidus L. var. glabratus (Koch) Bischoff u.

var. vulgaris (Koch) Bisehoff zerstreut, an trockenen Standorten.

2416. Orepis capillaris (L.) Wallr. hie und da an trockenen Standorten.

2423. Hieracium Pilosella L. verbreitet und häufig auf troekenem, nacktem Torf.

2429. Hieracium pratense Tausch ssp. pratense Tausch & gen. 2 brevipilum N.P. u. ssp. pratense Tausch 5 subeollinum N.P. nur in zwei Exemplaren gefunden, neu für das Gebiet. (det. Käser.)

2442. Hieracium vulgatum Fries ssp. Lachenalii Cmeb. B ar- gillaceum Jord. u. ssp. irriguiceps Zahn ziemlich häufig in den Randpartien. (det. Käser.)

2451. Hieracium sabaudum L. ssp. virgultorum Jord. ziem- lich häufig, auf nacktem Torf. (det. Käser.)

2452. Hieracium umbellatum L. ziemlich häufig im Rhyn- chosporetum, an Wegrändern. (det. Käser.)

D. Moose.

Die systematische Anordnung und die Nomenklatur der Laubmoose stützt sich auf die Flora von Amann und Meylan „Flore des Mousses de la Suisse“, Geneve 1918 (die Autor- namen wurden nach den internationalen Nomenklaturregeln ergänzt); die der Lebermoose auf Rabenhorsts „Kryptogamen- - flora“, Leipzig 1906—1916 (bearbeitet von Karl Müller). Sphagnum cymbifolium Ehrh. (B., Knüsel)! Sehr häufig.

Besonders am Rande von Schlenken zuweilen große

151

Rasen bildend. _ Im Carex inflata-Bestand und Vaginetum. Häufig mit anderen Sphagnumarten, z.B. Sphagnum cuspidatum, acutifolium, subsecundum.

Sphagnum papillosum Lindb. -—- ziemlich häufig am Rande von Bülten, oit vermischt mit Sphagnum acutifolium, wird hie und da durch Aulacomnium palustre und Poly- triehum strietum verdrängt.

Sphagnum medium Limpr. ziemlich häufig am Rande von Schlenken, auf Bülten mit Sphagnum acutifolium, Aula- comnium palustre und Polytrichum strietum, welche es zuweilen verdrängen.

Sphagnum cuspidatum Ehrh. em Russ. et Warnst. (B.)! häufig in Schlenken und alten Torfstichen, oft Rein- bestände bildend.

Sphagnum cuspidatum Ehrh. var. laxifolium C. Müll. (B.)

Sphagnum recurvum Pal. nicht selten, aus dem Wasser zwischen den Bülten hervorwachsend, vermischt mit Sphagnum acutifolium f. laxum und Drepanocladus ex- annulatus.

Sphagnum rubellum Wels. var. versicolor Wels. (Knüsel).

Sphagnum aecutifolium Ehrh. (B.)! sehr häufig, besonders auf Bülten. Oft vermischt mit Polytrichum strietum und Aulacomnium palustre. Wird zuweilen von diesen beiden Moosen verdrängt.

Sphagnum acutifolium Ehrh. f. versicolor Warnst. zerstreut, in Konkurrenz mit Acrocladium cuspidatum.

Sphagnum acutifolium Ehrh. var. purpureum Schimp. (B.)

Sphagnum acutifolium Ehrh. f. laxum Warnst. zerstreut zwischen Bülten mit Sphagnum recurvum, Drepanocladus exannulatus. Teilweise untergetaucht.

Sphagnum contortum (Schulz) Limpr. Sph. laricinum Spr. (Knüsel)! zerstreut, am Rande von kleinen Schlenken.

Sphagnum subsecundum Nees. hie und da auf Sumpfwiesen mit Chrysohypnum polygamum stellenweise Sphagnum eymbifolium.

Dieranella cerviculata (Hedw.) Schimp. (B.)! Tritt fast immer als erster Besiedler von trockenem oder feuchtem, nacktem Torf auf. Die steilen Wände der jungen Torf- stiehe überzieht es mit einem grünen Ueberzug und bildet oft diehte Rasen auf Torfstücken. In Bezug auf

ES

Feuchtigkeit ist es ziemlich indifferent. Es bildet Asso- ziationen mit anspruchslosen Moosen, wie Pohlia nutans und Polytrichum strietum.

Dieranum Bergeri Bland. (Knüsel).

Dieranum Bonjeani de Not. zerstreut auf nassem Boden zwischen Callunastöcken.

Campylopus turfaceus br. eur. (B.)

Dieranodontium longirostre (Starke) Schimp. (B.)! zerstreut an feuchten Standorten.

Leueobryum glaucum (L.) Schimp. bildet zerstreut kleine Polster im Callunetum, im Trichophoretum alpini, im Molinietum.

Fissidens adiantoides (L.) Hedw. (B.)! an feuchten Stellen häufig und verbreitet, oft in Gesellschaft von Chrysohypnum stellatum und Acrocladium cuspidatum.

Ceratodon purpureus (L.) Brid. auf nacktem Torf, vereinzelt.

Orthotrichum tenellum Bruch (B.) an einer Birke.

Leptobryum piriforme (L.) Wis. (B.)

Pohlia nutans (Schreb.) Lindb. (B.)! an trockenen Stellen ziemlich häufig mit Dieranella cerviculata, Dieranum Bonjeani und Polytrichum strietum. Anspruchsloses Moos, in Bezug auf Feuchtigkeit ziemlich indifferent.

Pohlia nutans (Schreb.) Lindb. var. sphagnetorum Schimp. einmal gefunden auf einer Bülte mit Sphagnum acuti- folium, medium und Polytrichum strietum.

Bryum turbinatum (Hedw.) Schwaegr. (B.)

Bryum bimum Schreb. (B.)! vereinzelt an ziemlich feuchten Stellen mit Chrysohypnum stellatum.

Bryum ventricosum Dicks. Anflüge auf nasser Sumpfwiese.

Aulacomnium palustre (L.) Schwaegr. (B.)! sehr häufig und verbreitet. Typisch in seinem Vorkommen an feuchten Stellen auf Bülten, im Callunetum oft bestandbildend. Verdrängt die Sphagneen in den oberen Teilen der Bülten und tritt in Konkurrenz mit Polytrichum strietum, dem es aber meistens unterliegt. Kommt auch vor im Carex inflata-Bestand mit Acrocladium cuspidatum an sehr feuchten Standorten. Ziemlich anspruchslos und typisch für Torfboden.

Philonotis marchica (Willd.) Brid. vereinzelt an sehr nassen Standorten mit Amblystegium riparium, Chrysohypnum polygamum, Acrocladium cuspidatum.

153

Philonotis fontana (L.) Brid. vereinzelt an sehr nassen, jung verlandenden Torfstichen.

Polytrichum formosum Hedw. vereinzelt an trockenen Standorten.

Polytrichum gracile Dieks.. (B.)! vereinzelt an ziemlich

trockenen Stellen.

Polytrichum strietum Banks. -- (B.)! sehr häufig und verbreitet an ziemlich trockenen Standorten, in den oberen Teilen der Bülten, im Callunetum, auf nacktem Torf. Verdrängt auf den Bülten die Sphagneen und oft auch Aulacomnium palustre. Typisches, weit verbreitetes Moos des Hoch- moores, die Polytrichumtundra ist die anspruchsloseste Pflanzengesellschaft des Moores.

Thuidium tamariscinum (Hedw.) Br. eur. an trokenen Stellen, hauptsächlich der Randpartien, mit Eurhynchium striatum, Hylocomium splendens.

Olimacium dendroides (L.) Web. u. Mohr. nicht sehr häufig, an ziemlich feuchten Stellen, oft mit Acrocladium cuspidatum.

Seleropodium purum (L.) Limpr. ziemlich verbreitet an trockenen Standorten, auf Bülten, im Callunetum mit Hylocomium Schreberi.

Eurhynchium striatum (Schreb.) Schimp. vereinzelt in Rand- partien. (Vgl. Thuidium tamariseinum).

Plagiotheeium denticulatum (L.) Br. eur. vereinzelt, an ziemlich feuchten Standorten.

Amblystegium riparium (L.) Br. ewr. vereinzelt, an nassen Stellen.

Oratoneurum commutatum (Hedw.) Roth. sehr selten an

feuchten Stellen.

Ohrysohypnum stellatum (Schreb.) Loeske sehr häufig und verbreitet am Rande von Schlenken, im Carex inflata- Bestand mit Fissidens adiantoides, Calliergon trifarium, Acroeladium euspidatum, Scorpidium scorpioides.

Ohrysohypnum polygamum (Br. eur.) Loeske ziemlich häufig an sehr nassen Standorten, verlandenden Torfstichen, Schwingrasen, mit Sphagnum subsecundum, Acrocladium euspidatum.

Drepanocladus intermedius (Lindb.) Warnst. (B.)! tritt nicht selten als Verlander an jungen Torfstichen, am Rande von Schlenken auf und bildet oft Reinbestände.

154

Drepanocladus exannulatus (Gumb.) Warnst. vereinzelt am Rande der Schlenken gegen das Wasser vorwachsend mit Sphagnum recurvum und Sphagnum acutifolium f. laxum.

Drepanocladus flwitans (L.) Warnst. (B.).

Drepanium cupressiforme (L.) Roth (— Stereodon cupressiformis (L.) Brid. an den Randpartien ziemlich häufig.

Calliergon cordifolum (Hedw.) Kindb. (B.).

Calliergon trifarium (Web. u. Mohr) Kindb. ziemlich häufig und verbreitet, als Schlenkenverlander auftretend, auch hie und da im ÜCarex inflata-Bestand und im Rhyn- chosporetum. Es kommt entweder allein, meistens aber mit Scorpidium scorpioides vor.

Aecrocladium cuspidatum (L.) Lindb. eines der häufigsten und verbreitetsten Moose der Flachmoorbestände, häufig in Gesellschaft von Fissidens adiantoides, Chrysohypnum stellatum. Es kommt aber auch im Trichophoretum alpini und auf Bülten vor, im letzteren Fall oft mit Aulacomnium palustre oder in Konkurrenz mit Sphagnum acutifolium var. versicolor.

Scorpidium scorpioides (L.) Limpr. häufig und verbreitet als Schlenkenverlander. Es kommt fast immer in Ge- sellschaft von Calliergon trifarium vor. (Vgl. Calliergon trifarium.)

Hylocomium splendens (Hedw.) Br. eur. in den Randpartien, auf Bülten, im Callunetum nicht selten. Oft mit Thui- dium tamariseinum, Eurhynchium striatum, Hylocomium Schreberi.

Hylocomium Sehreberi (Willd.) de Not. ziemlich häufig und verbreitet an den Randpartien und auf Bülten mit Leuco- bryum glaucum und Scleropodium purum.

Preissia commutata Nees. selten, mit Marchantia polymorpha.

Marchantia polymorpha L. zerstreut, mit Preissia commutata.

Pellia epiphylla (L.) Lindb. auf nacktem Torf, meistens in Gesellschaft von Dieranella cerviculata.

Pellia Neesiana (Gottsche) Limpr. auf nacktem Torf mit Cladonia digitata.

Oephalozia pleniceps (Austin) Lindb. auf nacktem Torf ver- einzelt.

Cephalozia connivens (Dicks.) Spruce auf nacktem Torf vereinzelt.

155.

N Ill. Die Bülten.

Düggeli definiert in seiner „Pflanzengeographischen Mono- graphie des Sihltales bei Einsiedeln“ die Bülten folgender- - maßen: „... Eigentümliche, 30 bis 60 em hohe Erhebungen mit ziemlich gleichem Durchmesser nach allen Seiten hin.“ Ihre Entstehung erklärt er: „Die Bülten sind entweder ein reines, mit unbeschränkter Wachstumsfähigkeit ausgestattetes Torfmoospolster, das auf dem Längsschnitt schöne radiale Anordnung der einzelnen Individuen zeigt und nach innen in Torf im Status nascendi übergeht, oder sie bilden sich um eine Moorkiefer oder einen mächtigen Callunabusch, ihn als Kern benützend, und sind dann gewöhnlich von Pinus mon- tana var. uncinata oder von Heidekraut gekrönt.“

Beide Entstehungsarten konnten im Hudelmoos festgestellt werden. Diejenigen Bülten, die keine oder nur ganz kleine Sträucher tragen, haben sich wohl durch Wucherung der Sphagneen gebildet; erst nachträglich siedelten sich die Sträucher an. Die auf diese Art entstandenen Bülten be- zeichne ich als Typus 1; den Typus 2 repräsentieren diejenigen Bülten, die von großen Sträuchern oder Bäumen bewachsen sind, welche wohl primär den Kern bilden.

Damit ist aber noch keine Erklärung gegeben, auf welche Art die Bültenbildung überhaupt zustande kommt, wieso an der einen Stelle die Sphagneen stärker wuchern, als an der an- deren. Im allgemeinen kann man wohl sagen, daß die Kuppen der Bülten das normale Wachstum des Moores darstellen, daß also ohne regressive Entwicklung die geschlossene Oberfläche des Moores auf der Höhe der Bülten läge. Durch Rück- bildungen aber entstehen immer wieder Einsenkungen in der normalen Hochmoordecke. Die Schlenkenbildung ist also der anormale Vorgang, der zur Bültenbildung führt. Das ist die Erklärung der Entstehung der Bülten von Typus 1; für die- jenigen von Typus 2 ist der Grund zur Bildung wohl ein anderer. Durch die Beschattung entsteht ein lokal günsti- gerer Standort für die schattenliebenden Moose; sie siedeln sich im Schutze der Bäume an und können intensiver wachsen als die ungeschützten Moose der Umgebung. Außerdem haben sie einen Vorsprung über ihre Umgebung schon dadurch, daß sie sich auf den etwas erhöhten Wurzeln der Bäume und

Fig." NUR, Bi Bülte im Audelmoos \ Profil T.

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Eriophorum Salix aurita Rubuck IE fol Ss ) angustifolium Sphagnum cymbifoliam

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157

Sträucher ansiedeln. Als zweiter Faktor kommt natürlich wieder die Schlenkenbildung dazu, die durch das Abfließen des Wassers an den Wänden der Bülte begünstigt wird. Noch eine dritte, allerdings seltene Art der Bültenbildung können wir unterscheiden, nämlich durch polsterbildende Moose.

Die Bülten sind besonders interessant, weil die typischen Hochmoorinseln in stark abgebauten Mooren, wie z. B. dem Hudelmoos, sind. Jede Bülte für sich stellt ein kleines Hoch- moor für sich dar, auf dem die verschiedenen Stadien der Verlandung zum Teil oder vollständig zu konstatieren sind. Wenn man eine ganze Reihe von Bülten, von der erst be- ginnenden bis zur voll ausgewachsenen, betrachtet, kann man die Entwicklung vollständig verfolgen.

Zuerst sei die Verlandungsreihe, wie sie im Hudelmoos vom Torfstich bis zum Calunetum verläuft, an einigen typischen Bülten dargestellt.

An der hier dargestellteu Bülte mit einem Strauch im Mittelpunkt erkennen wir folgende Stadien der Verlandung:

1. Die Pflanzengesellschaft mit offener Wasserfläche ist repräsentiert durch Eriophorum angustifolium, Carex inflata, Nymphaea alba, Utricularia vulgaris in einer größern Schlenke.

2. Die Verlandungszone enthält Moose, die gegen das Wasser vorwachsen (Typus 25), hier Sphagnum ceymbifolium, Aulacomnium palustre.

3. Der Seggenmoortypus wird repräsentiert durch Erio- phorum angustifolium, Carex inflata, Juncus effusus, Drosera rotundifolia, Peucedanum palustre, Aulacomnium palustre.

4.u. 5. Trichophoretum Molinietum und Vaginetum fehlen.

6. Callunetum, also die letzte Stufe, ist vertreten durch die Sträucher Salix aurita und Calluna vulgaris, die Moose Polytrichum strietum und Aulacomnium palustre, sowie einige zufällige Beimischungen, wie Rubus spec., Hypericum per- foratum, Lythrum Salicaria, Eupatorium cannabinum.

Wenn die Wasserverhältnisse für die Anordnung der ver- schiedenen Pflanzenvereine ausschlaggebend sind, so ist zu erwarten, daß die einzelnen Formationen in Gürteln angeordnet sind. Bei Profil I zeigt sich wirklich die Anordnung in Gürteln. Rubus spec. bevorzugt allerdings im allgemeinen trockenere Standorte, er kommt aber auch oft auf nassem Boden vor, scheint also in Bezug auf Feuchtigkeit ziemlich indifferent

158

zu sein. Profil II stimmt schon weniger mit dem Erwarteten überein, weil Calluna ganz nahe dem Wasser vorkommt. Wir sehen nun aber einen ziemlich steilen Absturz vom Callunetum zum Wasser, so daß gerade diese Stelle stark ent- wässert wird und dadurch ein trockenerer Standort entsteht.

Zu erklären bleibt noch in der Oberflächenansicht das Vorkommen von Polytrichum strietum direkt neben Sphagnum

Fig.5

“% ; xy Polytrichum strietum Profil einer Bülte = Sphagnum medium

im Hudelmoos Sphagnum acutifolium

EDDIE SE

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cymbifolium und ganz nahe dem Wasser. Die Verhältnisse liegen hier ganz ähnlich wie beim Callunetum: der Polytri- chumrasen bildet eine kleine Bülte für sich, die günstige Abflußverhältnisse hat und deshalb trocken ist.

Im folgenden sollen an einer Reihe verschiedener alter Bülten die Entwicklungsstadien festgestellt werden.

Als erstes Stadium ist die reine Sphagnumbülte zu nennen. Den Typus einer solchen stellt Zeichnung 5 dar. Die Sphagneen, die hauptsächlich in Betracht kommen, sind Sphagnum cymbifolium, Sphagnum medium und Sphagnum acutifolium. Meistens ist die Anordnung so, wie sie die Zeichnung zeigt, also Sphagnum medium unten, Sphagnum acutifolium oben, oft schon untermischt mit Polytrichum stric- tum. Häufig finden wir auch Bülten, die bis auf den Unter- grund von einer Sphagnumart gebildet sind, doch fand ich nie Sphagnum acutifolium unter Sphagnum eymbifolium oder medium.

Die Sphagneen werden bald übersponnen von Oxycoceus. quadripetalus, der ein ziemlich regelmäßiger Sphagnumbegleiter ist, Drosera rotundifolia stellt sich früh ein. In einem etwas späteren Stadium gesellen sich zu diesen drei Komponenten

Ze

noch Equisetum limosum, Molinia coerulea, Eriophorum an- gustifolium, Rhynchospora alba, Potentilla ereeta, Calluna vulgaris. Alle diese Pflanzen wandern vereinzelt aus der um- gebenden Pflanzengesellschaft ein. Auch Polytrichum strietum tritt schon hie und da auf.

Wieder ein etwas älteres Stadium stellt das folgende Beispiel dar: Die Bülte befindet sich in einer Sumpfwiese, deren Hauptbestandteile sind: Acrocladium cuspidatum, Equisetum palustre, Carex canescens, Carex inflata, Hydrocotyle vulgaris.

Die Bülte selbst trägt die Moose: Sphagnum eymbifolium und Aulacomnium palustre (beide häufig), Polytrichum strie- tum und Sphagnum spec. (beide spärlich).

Weitere Komponenten, zum großen Teil aus der um- gebenden Pflanzengesellschaft eingedrungen, sind folgende: Equisetum palustre, Eriophorum angustifolium, Carex inflata, Juncus effusus, Luzula multiflora/; Polygonatum multiflorum, Potentilla erecta, Hydrocotyle vulgaris, Peucedanum palustre, Lysimachia vulgaris. Zu oberst findet sich ein ganz jugend- liches Exemplar von Betula pubescens. Das nächste Stadium ist die voll ausgewachsene Bülte mit drei Gürteln. Der unterste Gürtel enthält: Sphagnum spec., Drosera rotundifolia und Oxycoccus quadripetalus als Hauptbestandteile. Es wan- dern vereinzelt ein: Aulacomnium palustre, Polytrichum strie- tum, Molinia coerulea, Drosera rotundifolia, Potentilla erecta, Andromeda poliifolia, Calluna vulgaris. Im zweiten Gürtel in der Mitte verdrängen die Moose Polytrichum strietum und Aulacomnium palustre die Sphagneen mehr und mehr. Oxy- coecus quadripetalus überspinnt auch diese Moose. Calluna vulgaris ist häufiger. Der dritte Gürtel (oben) ist bewachsen von Salix aurita, Calluna vulgaris, Lysimachia vulgaris. Die Moose treten zurück, weil sie von den Sträuchern zu sehr beschattet werden.

Es läßt sich also beim Betrachten der voll ausgewachsenen Bülten sowie der Bülten in verschiedenen Entwicklungsstadien erkennen, daß die Sphagneen wohl den erst Anstoß zur Bil- dung geben, daß sie aber bald von anderen Moosen verdrängt werden.

Immer wieder bilden sich neue Sphagnumbülten, die sich durch Regression ziemlich lange erhalten können, aber schließlich doch von robusteren Laubmoosen verdrängt werden.

160

Ursache davon ist die allmähliche Abnahme der Feuchtigkeit; denn durch rasches Wachstum der Bülten wird erstens die Entfernung vom Grundwasserspiegel größer, und zweitens wird durch die Wölbung der Bülte die Drainage erleichtert.

Es darf aber auch die Konkurrenz, die hier wie überall eine große Rolle spielt, nicht außer acht gelassen werden. Es steht außer Zweifel, daß einige Sphagnumarten eine zeit- weise Austrocknung sehr wohl überdauern können. Aber in den ungünstigen Zeiten dringen die viel robusteren Polytri- chaceen, oft auch Aulacomnium palustre und Hylocomium Schreberi vor, die zusammen mit dem Wassermangel das Absterben der Sphagneen herbeiführen. Diese Verhältnisse zeigen sich deutlich in der Kampfzone. Auch gegen ein- dringende Lebermoose und Algen sind die Sphagneen gar nicht widerstandsfähig.

Die auf dem Hudelmoos gemachten Wahrnehmungen wurden kontrolliert durch Beobachtungen auf andern, durch menschliche Einflüsse weniger veränderten Hochmooren. Da- bei bestätigte sich das hier festgestellte Verhalten der Sphag- neen: sie werden allenthalben in der Folge durch Laubmoose und Phanerogamen verdrängt. Durch den Abbau wird also auf dem Hudelmoos die progressive Entwicklung nur be- schleunigt, aber nicht prinzipiell geändert. Somit ist das Bild von der Entwicklung der Flora, das wir für das größte thur- gauische Hochmoor zu entwerfen versucht haben, mulatis mutandis das Bild der schweizerischen Moorflora im all- gemeinen, und diese Allgemeingültigkeit gibt der vorliegen- den Untersuchung ihren eigentlichen Wert.

Ein vollständiges Verzeichnis der vorhandenen Literatur befindet sich im Anhang der oben erwähnten Dissertation: Grete Josephy, Pflanzengeographische Beobachtungen auf einigen schweizerischen Hochmooren mit besonderer Berücksichtigung des Eintelmaasss im Kanton Thurgau. Zürich 1920.

Blühende Früchte.

Von H. Wegelin (Frauenfeld).

Die Kaktusgewächse haben so viel Fremdes, Eigenartiges an sich, daß sie für den aufmerksamen Betrachter stets eine kleine Wunderwelt darstellen. Sie sind keineswegs schön zu nennen; es fehlt ihnen die zierliche Zerteilung und große Oberflächenentfaltung, die uns an den Pflanzen gewohnt sind; sie haben im Gegenteil etwas Starres, Massiges; sie sind bald stachelige Knollen, Kugeln oder Walzen, bald gleichen sie dürrem Geäste, bald bilden sie aus kuchenförmigen Gliedern zusammengesetzte Sträucher und Bäume; nur ausnahmsweise stellen sie beblätterte Pflanzen dar. Aber ihre Blüten sind meist entzückend in Größe, Form und Farbe, so daß die Zahl der begeisterten Kakteenfreunde ständig wächst.

Die Kakteen sind eine Spezialität Amerikas, wo sie als Charakterpflanzen in den Gebieten .sommerlicher Trockenheit von Kanada durch die Tropen hindurch bis nach Patagonien vorkommen. Zum Aushalten monatelanger Dürre befähigt sie die Reduktion der wasserverdunstenden Oberfläche das Mindestmaß wird bekanntlich bei der Kugelgestalt erreicht die Kleinheit und das Fehlen der Blätter, die undurchlässige dicke Haut und der Schleimgehalt des Ihsmienin.

Man kennt über 1300 Arten, die sich in 3 gruße Gruppen ordnen lassen:

l. Die Peireskien mit normalen Blättern und gestielten Blüten.

2. Die Opuntien oder Feigenkakteen mit hinfälligen, kleinen Diekblättern und sitzenden Rosettenblumen.

3. Die Cereen oder Fackeldisteln (Säulen-, Kugel-, Schlan- gen-, Blattkakteen) ohne Blätter und mit sitzenden Röhren- blüten.

Bei uns bekannt sind namentlich die Blattkakteen, die, wenn sie den Winter über hell am Fenster im warmen

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Zimmer stehen, nachher durch herrlichen Flor für die auf- gewandte Mühe entschädigen, und einige Igelkakteen, die sich im frostfreien Raum mühelos trocken überwintern lassen. Mehr und mehr kommen aber auch die Feigenkakteen zur Geltung, die ebenfalls wenig Fürsorge im Winter bean- spruchen, ja in mehreren Arten denselben im Freien aus- halten; es sind das die Arten, welche ihre Heimat in den nördlichen Staaten der Union haben, wo sie sogar an recht strenge Fröste gewöhnt sind.

Die Opuntien fordern durch manche Eigentümlichkeit unser besonderes Interesse heraus. Sie sind die Kakteen, die man freilebend zuerst kennen lernt, da Opuntia Opuntia (L.) schon im Wallis und Tessin verwildert auftritt und Op. ficus indica (L.), die Indianerfeige, im ganzen Mittelmeergebiet eine gemeine Nutzpflanze geworden ist, geschätzt für undurchdrifgliche Hecken, als Obstlieferant und als saftige Viehfutterpflanze im trockenen Sommer.

Unter den 280 bekannten Opuntienarten gibt es solche, die sich fast rasenartig dem Boden anschmiegen und kriechend sich ausbreiten; die meisten jedoch sind strauchartig, einige bilden sogar stattliche Bäume. Stamm und Aeste setzen sich aus einzelnen Gliedern zusammen, die blatt- oder vielmehr kuchen- artig (Platopuntien) oder aber prismatisch -zylindrisch sind (Cylindropuntien). Jedes Glied ist der Sproß einer Wachs- tumsperiode.

. Die erste nähere Bekanntschaft mit den Opuntien ist nicht gerade angenehm und vertrauenerweckend: Nicht bloß den scharfspitzigen spreizenden Stacheln gilt es auszuweichen, auch die Berührung neben denselben hinterläßt eine dauernd plagende Erinnerung durch die feinen Nädelchen, Glochiden, die bündelweise die Hand bespicken, schwer zu fassen und, weil mit Widerhaken versehen, ebenso schwierig zu entfernen sind.

Hat man sich aber mit dieser Untugend einmal abgefunden, so entdeckt man bald, daß sich hinter dem „Stachelzaun“ ein interessantes Geschöpf befindet, das der aufmerksamen Beobachtung und Pflege wert ist.

Als Beispiel möge die Opuntia vulgaris Miller = 0. mona- : cantha Haworth dienen, von der ein etwa 20jähriges Exemplar den Sommer auf der sonnigen Südseite der thurgauischen Kantonsschule blühend und fruchtend verbringt. (Fig. 3)

lo

Die Pflanze hat ihre Heimat in Südamerika, von den Küsten Brasiliens und Uruguays bis nach Paraguay hinein; kultiviert und jetzt auch verwildert trifft man sie in Kuba, Südafrika, Ostindien und Australien. Der Anreiz für ihre Verbreitung lag in ihrer Eignung für die Kultur der Cochenille-Schildlaus, die aber nunmehr durch die Erfindung der Anilinfarben ihren Wert fast ganz eingebüßt hat.

Weil diese Opuntia im 18. Jahrhundert schon über viele tropische und subtropische Länder verbreitet war, nannte sie Miller im Jahre 1768 Opuntia vulgaris, die gemeine Opuntia. Gebräuchlicher geworden ist aber der Haworthsche Name von 1819: O. monacantha, die einstachelige O.

Sie ist eine Platopuntia, strauchartig von Grund an ver- zweigt; bei älteren Exemplaren hängen die schweren Aeste über. Die verkehrt eiförmigen Glieder erreichen im ersten Jahre 9—25cm Länge und 6cm Breite bei 1 cm Dicke; später vergrößern sie sich bis auf 30/12/1,5 cm. Jedes der- selben ist mit 40—50 hellen, filzigen Höckerchen besetzt. den Areolen, die sich am Scheitel dicht zusammendrängen, und die ursprünglich stets in der Achsel eines Blattes stehen. ‚Dieses ist nur 3—5 mm lang, kegelförmig stachelspitzig, rot oder grün mit brauner Spitze. Es trägt wenig zur Ernährung der Pflanze bei, sondern überläßt dies den Flachsprossen und fällt schon im ersten Sommer ab. (Fig. I)

Die Areole (area Platz, areola Plätzchen) (Fig. 1—3) stellt ein graugelbes, lang- oder kreisrundes Polster dar, dessen Oberfläche aus den gekräuselten Enden gegliederter Haare gebildet wird, die anfangs alle andern Elemente umhüllen und deren Filz ein vorzüglicher Schutz gegen Vertrocknung . ist. Aus der Mitte des Polsters erhebt sich dann bald ein fester Stachel und um ihn herum einige ganz kurze. Auf seiner Innenseite befindet sich ein Haarkegel, der den Vegeta- tionspunkt umschließt und innerseits von diesem ein Bündel Spießnadeln, Glochiden (richtiger wäre die Mehrzahl „Glo- chinen“ von yAwyxic, YAwyivog Pfeilspitze).

Der Stachel der jungen Areole mißt 1—1!/a cm; später entsteht meist ein zweiter, kräftigerer, der sich bis auf 41/a cm streckt und den ersten rechtwinklig zur Seite drängt. Er ist im obern Viertel strohgelb bis braun, unten weiß von luft- haltigen Öberhautzellen.

ER EN Se

Die Glochiden (Fig. 4) sind gelb, widerhakig, leicht 2 äblösbar, etwas aus dem Haarpolster herausragend. Die Wider- haken werden von den diekwandigen Oberhautzellen gebildet, deren unteres Ende scharf abwärts vortritt. Der Grund ist

Fig. 1-3. Areole von Opuntia monacaniha Haw. 1 von der Seite. 2 Grundriß. 3 schematischer Längsschnitt.

B Blatt, D Stachel, Gl Spießnadeln, H Haare, VP Vegetationspunkt, Fig. 4. Spiessnadeln (Glochiden) festgewachsen und abgelöst 50:1. Fig.5. Querschnitt durch die Rinde der Frucht von 0. fulgida nach Johnson zirka 100 :1.

E Epidermis, H Hypoderm, P Palisaden, K Kristalle, SchlZ. Schleimzellen.

kegelförmig, und sein lufthaltiges Gewebe zerreißt leicht, sobald die befestigte Spitze einen Zug ausübt.

Als Herd der Neubildung bedarf die Areole starken Saft- zuflusses. Die zuführenden Gefäße versorgen dabei aber zu- gleich auch das umliegende Gewebe, sodaß unter dem Blatt- grund ein Vorsprung, ein Höcker, entsteht als Schutz für die Areole.

Der Querschnitt durch einen Zweigsproß (Fig. 5). zeigt von außen nach innen:

1. eine einschichtige Oberhaut mit eingesenkten verschließ-

baren Luftspalten;

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2. eine vier- bis fünfschichtige Unterhaut, deren äußere Zellen eine Unzahl von Caleiumoxalat-Kristalldrusen speichern als Abfallprodukte des Lebensprozesses, und deren innere Lagen aus quellbarem Leimgewebe (Kol- lenchym) bestehen;

3. das Ernährungsgewebe, Palisadenparenchym mit radial gestreckten, Blattgrün und Stärke enthaltenden Zellen, untermischt mit zahlreichen sehr großen Schleimzellen.

4. Innerhalb dieser Rinde ist der Kranz der Gefäßbündel, deren radiale Vergrößerung das nachträgliche Dicken- wachstum der Stengelglieder bedingt.

5. Er umschließt das saftige, stärkereiche Mark mit vielen Schleimzellen.

Dieser Bau erklärt ohne weiteres, warum die vegetative

Vermehrung der Opuntien äußerst einfach ist: In die Erde gesteckte Sprosse treiben aus den untern oder seitlichen Are-

- olen Wurzeln, aus den obern bald darauf Knospen. Haut

und Schleim schützen vor Vertrocknung, Stärke ist Bildungsstoff.

Die Knospenbildung in den Areolen beruht auf Zell- vermehrung am Vegetationspunkt. Kegelförmig wölbt sich der Herd der Neubildung vor und erzeugt, in Spiralen angeordnet, Blatt um Blatt, je mit der Areole in der Achsel, während der neugebildete Stengelteil sich stark nach der Breite, wenig nach der Dicke vergrößert. Der Jungsproß richtet seine Flächenentwicklung auffallend gerne nach der des Tragsprosses, sodaß die ganze Pflanze sich in einheitlicher Ebene dem Lichte aussetzt. Bevorzugt wird dabei die Nord-Süd-Richtung.

Wenig anders verläuft wenigstens im Anfange die Bildung einer Blütenknospe, und man weiß lange nicht, welcher Art das Ergebnis sein wird.

Auch hier entsteht Blatt um Blatt mit Areolen- und Höckerbildung. Später aber verflacht der Vegetationskegel und senkt sich weiterhin zum Trichter ein. Dabei werden Blätter anderer Form und ohne Areolen erzeugt, Kelch-, Kron-, Staub- und Fruchtblätter, während das Wachstum des Sprosses weiter schreitet, sein grüner Teil die eigentliche Blütenknospe umwächst. Die Blüte ist schließlich dem obern Ende des Sprosses triehterförmig eingesenkt, am tiefsten die

‘Fruchtblätter, und der Sproß ist damit zum „unterständigen

Fruchtknoten“ geworden.

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Dieser Fruchtknoten ist in der Regel verkehrt kegelförmig, in jedem Querschnitt annähernd fünfeckig durch die Höcker- bildung, ausnahmsweise aber auch flach wie ein Grünsproß. Bei 5—4jährigen Stecklingspflanzen kommt es nicht selten vor, daß ein schon 5-—-6 em langer und 3—4 em breiter Flachsproß sich schließlich noch die rote Kappe einer Blüte aufsetzt und im obern Teil zum Fruchtknoten wird.

Die schüssel- bis radförmige, 4'/.—7 em breite Blüte ist freiblättrig, spiralig gebaut und sieht außen rot, innen gelb aus. Ihre zirka 14 Kelchblätter nehmen von Laubblatt- bis Kronblattgröße (25/10 mm) zu. Die äußern’ sind. völlig rot, nach innen zu erhalten sie einen fortschreitend breitern gelben Seitenrand; aber selbst noch die äußern der S—10 Kronblätter besitzen einen roten Rückenstreifen.

Die zirka 250 Staubgefäße sind grünlichweiß und haben halbe Kronblattlänge. Sie werden überragt vom weißen Griffel. dessen 9—6 Narben anfangs kegelförmig zusammenneigen, später etwas spreizen.

Die Blüte dauert 2—4 Tage, während denen Hummeln, Kleinbienen und Fliegen nach Nektar und Pollen suchen; an sonnigen Tagen ist der Beflug zahlreich, so daß es also der Blüte durchaus nicht an Bestäubern fehlt.

Die verblühte Blume bleibt geschlossen und schrumpft in der Folge zum trockenen Kegel zusammen, und nach einigen weitern Tagen löst sie sich als Ganzes ab, eine weibliche, fünfeckige Trichternarbe hinterlassend.. Das Abscheren der Blüte geschieht durch die Bildung einer Korkschicht, ähnlich wie beim Abfall reifer Früchte und herbstlicher Blätter.

Nach dem Abfallen der Blüte hinterbleibt der verkehrt kegelförmige Fruchtknoten als 3—4 cm lange, 2—2,5 em dicke Jungfrucht. Die in Spiralen stehenden Areolen entwickeln nur ausnahmsweise und dann nur schwache Stacheln, enthalten aber reichlich Spießnadeln.

Dem innern Bau nach ist die Jungfrucht durchaus ein Grünsproß, abweichend bloß dadurch, daß dem Mark die Fruchtblatthöhlung eingesenkt ist. Diese besitzt farblose, saftige Haarfilzauskleidung und 5—6 Samenleisten mit je. einer Doppelreihe von Samenanlagen.

Die junge Frucht wächst nun in die Länge und Dicke, von 3/2 cm zu 6/2,5 em. Ihre endgültige Form ist recht

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mannisfaltig: birn- bis tonnenförmig und kugelig; aber reif wird sie nie, nicht gelb oder rot, weichsaftig, etwa wie die Indianerfeige, und im Innern findet man nur taube, verkümmerte Samen. Sie bleibt grün, fest mit dem Tragzweig verbunden und das durch Jahre hindurch.

Fig.6. Fruchikette an einem Fig. 7. Blühende O. monacantha. Fiachspross von O. monacantha Die selbständige Pflanze besteht nur hängend. aus Wurzeln, Früchten und Blüten.

Statt des Reifens beobachten wir an der Frucht nach einigen Wochen oder erst im Folgejahr das Anschwellen einer oder zweier der obern Areolen. Es entsteht eine kleine Knospe, die nach und nach das rote Käpplein einer neuen Blüte erhält, und im Nachsommer schon oder dann im folgenden Sommer stehen auf der Frucht 1—2 normale Blüten: Der Kaktus trägt also blühende Früchte!

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Auch diese Blüten setzen wieder Frucht an und zwar selbst dann, wenn sie sich etwa wegen herbstlich trüb und kühl gewordener Witterung nicht mehr voll zu entwickeln vermögen. Das geht von Jahr zu Jahr fort, so daß schlieb- lich ganze Ketten und Büschel von grünen Früchten an den Zweigen hängen (Fig. 6u. 8). Dabei wachsen die älteren Früchte noch in die Dieke mittelst der Vermehrungsschicht (Kambium) in den Gefäßbündeln, verlieren die Höcker und werden rund und prall. Ausnahmsweise entsteht auch einmal ein Grün- sproß an der Frucht.

Wird nun aber früher oder später eine solche Frucht ab- gebrochen und kommt sie auf feuchte Erde zu liegen, so sprossen aus den untern „Augen“ (Areolen) won und bald nachher aus einem der obern die Scheibe eines Stengel- triebes. So wird die Frucht zum Anfang einer neuen Par und später zu einem Glied des Stammes.

Ausnahmen sind selten, kommen aber vor: Als im Früh- ling 1921 eine beim Verpflanzen des Mutterstockes abgefallene Frucht, die bereits zwei neue hervorgebracht hatte, in einen Topf gesetzt wurde, trieb sie Wurzeln und ihre Sprößlinge setzten nacheinander drei normale Blüten an, so dab also tatsächlich im August die ganze lebendige Pflanze aus Wurzel, drei Früchten und drei Blüten, später nach dem Abwelken der letztern aus Wurzeln und sechs Früchten bestand! (Fig. 7.) 1922 trat dann aber nicht weiteres Blühen ein: Jede der drei untern Früchte trieb einen Flachsproß, jede der drei Jungfrüchte deren zwei, sodaß jetzt im August 1922, neun Grünsprosse emporstreben. Der weitaus stärkste ist der an der untersten, bewurzelten Frucht; er wird wohl die Führung bei der künftigen Stammbildung übernehmen.

Weitere Versuche in dieser Richtung hatten wenig Erfolg: Ketten von 2—4 Früchten zeigten eingesetzt Flachsproßbildung; nur in einem Fall ergab eine Seitenfrucht nochmals ein „Rot- käppchen“ und in einem andern trieb eine bewurzelte Einzel- frucht eine Blüte neben einem Grünsproß.

Daß die Kaktusfeige von Opuntia monacantha Blüten treibt und daß sie als Steekling der vegetativen Vermehrung dienen - kann, scheint auf den ersten Blick etwas Naturgesetzwidriges zu sein, ist aber bei näherem Zusehen leicht zu erklären:

Der unterständige Fruchtknoten der Opuntia ist ja ein

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grüner, beblätterter und mit Knospen (Areolen) versehener Zweig, dem am Scheitel der Fruchtblattwirtel eingelassen ist. Da es aus noch unbekannten Ursachen nicht zur Ausbildung keimhaltiger Samen kommt, wird das hiezu im obern Zweig- teil angesammelte Bildungsmaterial nieht verbraucht; der Zweig wächst darum weiter und macht, dem Fortpflanzungs- trieb wie alle Lebewesen folgend, einen neuen Versuch zur Samenerzeugung.

Entsprechendes kommt auch bei andern Pflanzen mit unter- ständigem Fruchtknoten vor, z.B. bei Birnen und Quitten. Hier ist das Kernhaus die wirkliche Frucht, Birne und Quitte selber sind der fleischig gewordene Stiel, d.h. die blatt- und knospen- freie Verlängerung des Tragzweiges. Man findet ja nicht all- zuselten Birnen und Quitten mit Blättchen am Stiel oder gar an der Frucht selber; nicht selten sind auch Doppelbirnen, Doppelquitten, bei denen sich aus dem auseinandergedrängten Kelchbecher eine neue Frucht drängt, wie es auch „Rosen-

Fig.8. Alte Pflanze von O. monacantha auf der Südseite des Hauses im Sommer 1921. Aufnahme von Prof. C. Decker.

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könige“ gibt, d.h. Rosen, aus deren Mitte sich eine zweite Blüte erhebt.

Der Botaniker nennt ein solches Weitersprossen aus der Blüte heraus eine Versprossung, Durchwachsung, Proliferation

(proles Nachkommenschaft, fero ich bringe). Bei Rose, Birne und Quitte wuchert der Wachstumsbezirk des Scheitels weiter Gipfelversprossung beim Doppelapfel und bei

Opuntia sind es seitliche Bezirke, Seitenaugen, Areolen Achselversprossung.

Die Eignung der Kaktusfeige als Steckling ist ohne weiteres klar, da sie ja gleichen Schutz vor Vertrocknung (Haut, Schleim) und gleiche Ernährungsmöglichkeit (Blattgrün, Stärke) hat wie der Flachsproß.

Um keinen Irrtum aufkommen zu lassen, sei noch bemerkt, daß die Proliferation keine allgemeine Eigentümlichkeit der einstacheligen Opuntia darstellt, indem verschiedene Autoren (Schumann, Britton und Rose) rote, saftige, samenreiche Beeren- früchte von ihr beschreiben, sondern daß es sich bei unserer Pflanze um eine samenlose Form der alten Kulturpflanze handelt.

Einschlägige Literatur.

Brırron, N.L. and Rose, J. N. The Cactaceae. The Carnegie In- stitution of Washington, No 248, I. Vol., 1920.

Jonunson Duncan S. The fruit of Opuntia fulgida. Carnegie-Institut. Washington 1918,

Penzıe O. Pflanzenteratologie. Genua 1890—1894.

Schumann K. Gesamtbeschreibung der Kakteen. 2. Auflage, Neu- damm 1903.

SoRAUER, P. Handbuch der Pflanzenkrankheiten, I. Bd., Berlin 1909.

Srauı, Ernst. Ueber die Pflanzenfamilie der Kakteen. Naturw. Wochenschrift Nr. 46, 1920. °

Kleinere Mitteilungen.

Alamanenknochen von Rheinklingen.

Die menschlichen Körperreste aus alamanischen Gräbern von Rheinklingen, die mir im Juni 1921 zur Bearbeitung übergeben wurden, bestehen aus fünf fragmentären Schädeln (Rh. 1—5), je einem Atlas und Epistropheus, die zu Rh. 1 gehören, und ferner neun von einem einzigen Individuum stammenden Röhrenknochen; von den letzteren ist nicht fest- gestellt, welchem der fünf Schädel sie zugehören.

Die fünf Schädel erweisen sich als mesokran; aber während vier Objekte (Rh. 2—4) sich mehr oder weniger eng an die Dolichokranie anschließen (Index 74.9— 76,8), so tendiert Rh. 1 mehr zur Brachykranie (79,4). Dieser Schädel unterscheidet sich von den übrigen auch dadurch, daß er höher gebaut (hypsikran) ist, während die anderen soweit sie meßbar sind orthokrane Ziffern aufweisen, die sogar gegen die Uhamaekranie, d.h. die niedrigere Form, hintendieren. Ferner ist seine Stirn relativ zur größten Sehädelbreite schmäler als bei den übrigen drei meßbaren Objekten, so daß sein transversaler Fronto-parietal-Index 66,7 beträgt gegenüber 68,3— 73,3. Mit Ausnahme von Rh. 5, der infolge seines Erhaltungszustandes die am wenigsten zu- verlässigen Resultate ergab, ist der sagittale Bogen des Scheitel- beins größer, als derjenige des Stirnbeins, ein Verhalten, das bei der gegen die Langform strebenden Gestalt der Schädel zu erwarten ist. Die Gesichtsform, die nur bei Rh. 1 bestimmt werden konnte, ist ausgesprochen hoch (hyper- leptoprosop), wogegen die einzelnen Teile sich dieser Gesamt- form nieht anzuschließen scheinen. Rh. 1 zeigt neben einer wahrscheinlich niedrigen (ehamaerrhinen) Nase eine Orbita von mittlerer Höhe. Bei Rh. 2 sind Leptorrhinie, Chamae- eonchie und Brachyuranie, d.h. eine schmale Nase, eine niedrige Augenhöhle und ein kurzer, breiter Gaumen mit- einander vergesellschaftet.

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An den Gebissen fiel die sehr starke Abschleifung der Zähne auf und zwar ist sie am Oberkiefer erheblich stärker als am Unterkiefer. Bei Rh. 1 und 2 war je ein Praemolar und ein Molar cariös.

Im vorderen Teil des linken Scheitelbeins von Rh. 2 war, unmittelbar angrenzend an die Kranznaht und diese noch um 'ein weniges überschreitend, eine etwas eingesenkte Partie von elliptischer Umgrenzung (23/31 mm) zu beobachten, in deren Bereich unregelmäßig gestalteter, anscheinend neugebildeter Knochen sich findet. Es ist unentschieden, ob diese Erschei- nung von einer verheilten Verletzung oder einem pathologischen Prozeß herrührt.

Eine nicht häufig auftretende Variation findet sich an Rh. 1. Auf der rechten Jochbogenwurzel senkt sich ein 2 bis 3 mm weites Foramen supraglenoidale ein; es führt in einen Kanal, der an der Innenseite des Temporale, vor dem Felsenbein. in die mittlere Schädelgrube einmündet. Im Leben diente es einem venösen Blutleiter zum Durchtritt.

Die Gliedmaßenknochen sind sehr kräftig entwickelt. Aus den an Oberarm-, Oberschenkel- und Schienbein genommenen Längenmaßen ließ sich eine Körpergröße von 171,4 cm berechnen. Der Wuchs des Trägers dieser Knochen erhob sich somit wesentlich über die durchschnittlicke Körpergröße der gegenwärtigen Bevölkerung der Schweiz.

Prof. Dr. Otto Schlaginhaufen.

Die Einbürgerung des Fasans im Thurgau.

Zu Beginn unseres Jahrhunderts war der Bestand an Feld- hühnern im Thurgau wie anderorts auf ein bedenkliches Minimum zurückgegangen Diese Erscheinung, deren Ursachen sowohl Hühnerseuchen, als auch ungünstige Brutzeiten sein konnten, mußte dem Naturfreunde wie dem Jäger in die Augen springen. Gegenden, wo früher volkreiche Rebhühnerketten aufgebirrt waren, standen öde, und das schmachtende „Aerr- äch“,. mit dem der Rebhahn an lauen Frühlingsabenden seine Geliebte lockt, war verstummt. Der Feldgänger bedauerte das Verschwinden einer Zierde seiner Heimatflur, und dem Jäger war eine der schönsten Seiten seines Sports, die Reb- huhnjagd, entwunden.

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Da reifte in einem großen Tierfreunde und „gewaltigen Jäger vor dem Herrn“ ein fruachtbarer Gedanke. Herr Häberlin- Werner, Müllheim, der Nestor der Thurgauer Jäger, hatte beobachtet, wie sich im Kanton Aargau und im Bernbiet an Stelle des aussterbenden Feldhuhns der Fasan eingebürgert hatte. Er entschloß sich zu einem Akklimatisierungsversuch mit dem ungarischen Jagdfasan (Phasianus eolchieus Linn.).

Im umzäunten Gehege gedieh sein importiertes Volk, be- stehend aus sieben Hennen und einem Hahn, ganz vorzüglich, und die Kolonie lohnte Kosten und Mühe ihres Herrn durch rasche Vermehrung und manche sehr interessante Beobachtung. So lernte Herr Häberlin gleich die verschiedenen Feinde seiner Sehützlinge kennen, als da sind: Fuchs, Marder, Iltis, Wiesel, Krähen, insbesondere aber Katzen. Der erste Fasanen- hahn fiel einer solchen Schleicherin zum Opfer, so daß Herr Häberlin einen andern beschaffen mußte. Daß er seither ein besonders wachsames Auge auf die verschiedenen „Büsi“ richtet, ist begreiflich.

Als die Kolonie auf zirka 50 Tiere angewachsen war, wurde sie in die freie Wildbahn ausgesetzt. Die Besorgnis, daß die Gehegefasanen ihren Feinden, sowie den Witterungs- unbilden nicht würden standhalten können, erwies sich als unbegründet. Die Fremdlinge paßten sich den Gelände- und Ernährungsbedingungen unserer Gegend so gut an, als wären sie seßhafte Bürger des Landes,

Erfreut und ermutigt durch den Erfolg, entschloß sich Herr Häberlin nun, den Versuch dem thurgauischen Jäger- . verein vor Augen zu stellen. Die Folge war, daß dieser im Jahre 1911 aus dem Elsaß 300 Fasanen, Männchen und Weibchen, bezog. Man setzte sie im Verhältnis 1:7 im Thurgau aus, d.h. auf je sieben Hennen einen Hahn. Dies war aber nicht die Spezies Phas. colchieus, sondern Phas. torquatus Gmel., der Ringhalsfasan, im Unterschied zum grün- rückigen Ungarfasan, mit einem weißen Halsring geschmückt.

Das Aussetzen geschah an verschiedenen Stellen des Thur- tales von Bischofszell bis Neunforn, sodann bei Romanshorn. am Untersee und Rhein, im Murg- und Lauchetal. Im Hinter- land, am See und Rhein scheint es den Neubürgern nicht behagt zu haben. Bis auf spärliche Einsiedler sind die Be- stände verschwunden. Ganz anders dagegen gestaltete sich

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die Fasanensiedelung an der Thur. Hier boten die lichten Auwälder, die undurchdringlichen Dorn- und Schilfgebiete einerseits, sowie die fetten Wiesen und Ackerzelgen ander- seits die idealen Lebensbedingungen für den neuen Hühner- vogel. Es ist wohl nicht zu hoch gegriffen, wenn behauptet wird, daß sich der Fasanenbestand im Thurgebiet in der zehnjährigen Schonzeit 1911—1920 verzehnfacht habe.

Während im Thurgau hauptsächlich der elsässische Ring- hals ausgesetzt wurde, stieß ohne menschliches Hinzutun aus dem badischen Oberland eine zweite Fasaneninvasion der Thur nach flußaufwärts vor. Es war dies der grünrückige Jagd- fasan, Phas. colehicus. Die Bastardierung, die sich ja bekannt- lich bei den Hühnervögeln sehr leicht vollzieht, erfolgte auch sofort bei den zwei Spezies. In der Gegend von Frauenfeld muß der Berührungspunkt derselben liegen; denn hier finden sich beringte und ringlose Hähne. Bei Ueßlingen schon finden wir solehe ohne Ring, und im Thurvorland bei Felben kommen Tiere vor mit schöner Halsbinde. Präparator Leu- mann, Winterthur, behauptet, daß bei Bürglen die reinsten Torquatushähne geschossen werden. Als ein Kreuzungsprodukt spreche ich auch einen auffallend hellen Hahn an mit Kenn- zeichen sowohl von Phas. coleh. wie auch von Phas. torquatus. Und als Merkwürdigkeit soll noch ein fast weißes Exemplar erwähnt werden, über das ich mir sagen ließ, es habe im Sommer 1921 in der Nähe der Murgmündung gehaust.

Es ist eine Freude, daß sich Thurgaus Fauna um solch ein prächtiges, farbenfrohes Glied bereichert hat. Einen grünen Bruch dem Weidmannsgreis in Müllheim auf den Hut! Das Reislein sei ihm ein Symbol des warmen Dankes von allen denen, die ihre Augenweide haben an unserm stolzen Neubürger, dem buntfarbenen, goldrotschillernden Fasan.

4A.F. Stierlin, Lehrer.

Hirsehfund im Lauchetal.

Bei den Entwässerungsarbeiten im Lauchetal kamen in der „Herte“ SE Kalthäusern im Juli 1922 die Ueberreste. eines Edelhirsches zum Vorschein und gelangten durch - Vermittlung der Herren Vorsteher Krebs und Kulturteehniker Bolli in den Besitz des kantonalen Museums. Sie lagen unter

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einer zirka 1 m mächtigen Schicht eines Bachschuttkegels, der sich vom Buchholz her nordwärts ausbreitet, eingebettet zum Teil in feinen, zähen, dunkelgrauen Teichschlamm, zum Teil in Häckseltorf, neben einem Erlenstamm.

Leider ist das Skelett nicht vollständig: vom Kopfe sind nur die beiden Unterkiefer und einige Oberkieferzähne vor- handen, vom Rückgrat wenige mürbe Wirbel, ferner eine Anzahl Rippen und einige Extremitätenknochen; die der Hinterbeine steckten bis zur Tiefe von 1,5 m senkrecht im Schlamm.

Nach Lage und Einbettung zu schließen, muß der Hirsch durch einen Sprung in den Weiher gelangt und dort stecken geblieben sein. Scheitel und Rücken ragten wohl aus dem Wasser heraus, und um sie sammelte sich eingeschwemmtes, planzlicehes Geniste. Fäulnis und Verwitterung besorgten dann rasch den Zerfall der auftauchenden Teile, während die im Schlamm steckenden erhalten blieben und später vom Bachdelta überdeckt wurden. Da vom Geweihe keine Spur gefunden wurde, handelt es sich wohl um ein weibliches Tier.

Besonderes Interesse fordert der nur selten zur Beobach- tung gelangende Häckseltorf, der sich aus pflanzlichem Geschwemmsel gebildet hat. Er gleicht auffallend dem Kuhkot und ist von den Findern für Pansen-Inhalt gehalten worden. Feucht bildsam und schleimig, trocknet er zur harten, sich rauh anfühlenden Masse aus, die man für Preßtorf halten könnte. Er besteht aus lauter kleinen und kleinsten erweichten Bastfasern, Stengel - und Blattstückchen, untermengt mit Astmoosblättehen und durchsetzt von zahlreichen hellbraunen, zweiteiligen Blättchen. Diese wurden durch Herrn Dr. E. Bau- mann in Zürich als Früchte von Maßholder (Acer campestre) bestimmt, die durch Zersetzung auf die hornige Innenschicht der eigentlichen Fruchtschale reduziert sind. Der Häckseltorf ist auf den ehemaligen Umfang des Tieres beschränkt und hat eine Mächtigkeit von 3—4 cm.

Der Edelhirsch ist schon 5—-7 Jahrhunderte aus unsern Wäldern verschwunden; in frühern Zeiten aber war er im Thurgau ein häufiges Wild. Das beweisen die Flur- und Ortsnamen „Hirschensprung“, wie die Geweih- und Knochen- funde in den Torfmooren von Wängi, Mörischwang, Sulgen,

Moorwilen u.a. 0. H. Wegelin.

Tee

Die Milbenfauna von Dießenhofen

hat Herr Dr. Josef Schweizer von Dießenhofen in Birsfelden studiert und die Ergebnisse in den „Verhandlungen der Basler Naturforschenden Gesellschaft“ Band 33, 1922, veröffentlicht. Seine Arbeit umfaßt als Beitrag zur Kenntnis der ter- restrischen Milbenfauna der Schweiz die freilebenden Landmilben unseres Vaterlandes von der Niederung bis in die Schneeregion hinein. Früher waren aus diesem Gebiet nur 31 Arten bekannt; jetzt sind es 304, von denen noch ' 67 Arten der nivalen Region angehören; 28 Arten und Varie- täten sind neu für die Wissenschaft. In der Gegend von Dießenhofen sind 102 Arten festgestellt. Sie verteilen sich in 47 Gattungen auf die Unterordnungen der Käfermilben, Zecken, Grasmilben, Samtmilben und Krätzmilben.

Die überaus fleißige Arbeit zeigt durch die interessanten reichen Ergebnisse, daß selbst in unserem Mittellande noch viel Unerforschtes vorhanden ist, noch viele naturwissenschaft- liche Schätze zu heben sind. H. Wegelin.

Volksnamen für die Tierwelt des Untersees.

Da die früher durchgehend gebrauchten Volksnamen unter dem Einfluß von Schule, Fachliteratur und Zeitschriften all- mählich verschwinden, so ist es von Interesse, die bei den Fischern und Jägern am Untersee, speziell in Ermatingen, heute noch gebräuchlichen Namen für Fische und Wasservögel festzulegen. Die Vergleichung mit denjenigen im „Versuch einer Beschreibung des Bodensees“ von G. L. Hartmann, 2. Auflage 1808, erzeigt, dab schon manche dieser alten Fischernamen verschwunden sind.

l. Huischie: Flußbarsch, Egli Perca fluviatilis Chretzer m., junge: Hürlig m. Kaulkopf, Groppe Cottus gobio grobe Groppen: Meu- chel m. Schleihe Tinca vulgaris kleineSchleihen: Müsli Barbe Barbus fluviatilis kleine Barben: Zäpfli _ Brachsen Abramis brama Einz. Braxma, Mehrz.

Braxmanne (ä-ä), m.

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Laugeli, Laube Alburnus lueidus Lögele, w. (9) Rotauge, Rotfeder Scardinius erythrophthalmus: Rotte, w.

Schwal Leueisceus rutilus Furn, m., Mehrz. Fürn Elritze, Pfrile Phoxinus laevis Bachbute, w. (ü) Aesche Thymallus vulgaris kleine Aeschen: Boll- äugli s., Iserli, s. (1-1) Forelle Salmo lacustris mittelgroße: Förmli, s. kleine: Sprützerli, s. Hecht Esox lueius mittelgr: Schnäbeli, s. kleine: Spitzli, s. Wels Silurus glanis Wellere, w. Trüsche, Quappe Lota vulgaris kleine Trischen: Mo- serli, 8.

Für die Felchen (Blaufelchen, Sandfelchen, Gangfisch, Kilchen), Karpfen (Leder- und Spiegelkarpfen), für Aal, Alet, Nase, Grundel werden die allgemeinen deutschen Namen gebraucht, doch ist das A in Alet im Thurgau kurz, in der übrigen Schweiz lang.

Als Köder für die Zockfischer dienen neben den Regen- würmern die „Röckli“, die im ganz weichen, halbflüssigen Schlamm des Seebodens in Röhren leben und mit einem genügend weitmaschigen Netz in beliebiger Menge ausgesiebt werden können. Diese mit Tracheenkiemen atmenden und mit drei gefiederten Schwanzborsten versehenen „Würmer“ sind nach gütiger Auskunft durch Herrn Dr. F. Ris in RheinauLarven der Eintagsfliege Ephemera, gleich- viel welcher der drei bis vier Arten; am häufigsten scheint bei uns Ephemera danica zu sein. Die daraus hervorgehenden Vollkerfe, die „Röcklimugge“, erscheinen im Sommer in ungeheuren Schwärmen. Ihr Hochzeitstanz geht am Untersee namentlich um die großen Birnbäume am Ufer, weshalb die Insekten auch „Biremugge* (Birnmücken) heißen.

2. Vögel. Kormoran Phalacrocorax carbo Seerab, m. (irrtümlich _ auch Seeadler)

Stockente Anas boschas 'Wildente, Moosente, w. Mittelente Chaulelasmus

streperus Schnätterente, w. Krickente Nettium crecca Grizzeli, s. Pfeifente Mareca Penelope Goldente, w.

12

18 E

Spießente Dafila acuta Schwalmente, w.

Kolbenente Netta rufina Bismatente, w.

Tafelente Fuligula ferina Rotmoor

Schellente Glaucion elangula d Baggema, Ö Nie-

derländer Tauchente -

Reiherente Fuligula fuligula Strusmoor, m., Mehrz. Strusmoore.

Großer Säger Mergus merganser Aeschente, w. (ä)

Kleiner Säger Mergellus albellus Gäsli, s. 'ä)

Möven Larus ridibundusu.a. Einz. Alebock, m. (&-8), Mehrz. Aleböck.

Fluß-Seeschwalbe Sterna hirundo Spitzaleböckli, s.

Haubentaucher Podiceps eristatus Ganne,w.Mehrz.Ganne Zwergsteißfuß Podiceps fluviatilis Tucherli, s. (u)

Teichhuhn Gallinula chloropus Rohrhüenli, =. Wasserhuhn,

Bläßhuhn Fulica atra Belche, Beleche, w. Fischreiher Ardea cinerea Fischroagel, m. (08) Brachvogel Numenius Grüeye, w.

Kibitz Vanellus ceristatuss Chlewitz, m. (®) Seetaucher Colymbus Ruech, m., Mehrz. Rueche.

Die Bezeichnungen für seltenere Vögel schwanken. Nach dem Schweizerischen Idiotikon wurde mit „Ganner* oder „Ganne“ auch schon der große Säger (Mergus merganser) oder der mittlere Säger (Mergus serrator) oder der Eissee- taucher (Colymbus glaeialis) benannt. Gegenwärtig ist in Ermatingen nur die Form „Ganne“ bekannt. Ebenso be- zeichnete „Ruech“ nach dem Idiotikon außer dem Seetaucher früher den rothalsigen Steißfuß (Podiceps griseigena) oder den Kormoran (Phalacrocorax carbo).

J. Engeli

nach den Angaben der Herren Fischereiaufseher Ribi, Fischhändler Läubli, Dr. Ammann und Stemmler-Vetter.

Das Pfeilkraut im Sommer 1921.

Das Pfeilkraut (Sagittaria sagittifolia L.), eine sonst nicht häufige Seichtwasserpflanze, welche durch Eugen Baumann (Die Vegetation des Untersees, Stuttgart 1911) eingehend studiert und beschrieben worden ist, bildet im Bodensee (Arbon, Alt-

}

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nau, Landschlacht, Konstanz) und Untersee (Gottlieben, Erma- tingen) starke Bestände, die aber von Jahr zu Jahr, je nach dem sommerlichen Hochstande des Sees, ihr Aussehen un- gemein wechseln. Im trockenen Sommer 1921 war die Ent- wickelung außerordentlich üppig. Herr a. Sekundarlehrer Engeli berichtet über die Ermatinger Kolonie:

„Zwischen dem Ufer und unserer Seebadanstalt besteht schon lange eine schöne Kolonie des Pfeilkrautes, Sagittaria sagittifolia, dessen Wachstum und Gedeihen vom Wasserstande des Sees abhängt und das in den verschiedenen Jahren recht auffallende Unterschiede zeig. Die Pflanze hat nämlich dreierlei Blätter: Bandblätter, Schwimmblätter und Pfeil- blätter. Die beiden ersten sind Wasserformen, die Pfeil- blätter dagegen Landformen. Im Frühling zeigen sich am Boden des Sees zuerst die grundständigen Bandblätter, so genannt, weil sie die Form zarter, 10—20 cm langer und 1-—-2 cm breiter Bänder haben, die in einer Rosette am Boden des Sees ausgebreitet liegen. Bei steigendem Wasserstande erheben sich aus der Rosette lange, zarte Stiele mit den Schwimmblättern, die mit ihren 3-4cm breiten, am Grunde in zwei Spitzen auslaufenden, oberseits glänzend grünen Blatt- flächen auf dem Wasser schwimmen. Gewöhnlich gegen den Herbst hin, wenn das Wasser sinkt, kommen die schönen, starken, pfeilförmigen Luftblätter, zwischen denen sich die blütentragenden Triebe mit ihren großen, weißen Blüten über das Wasser erheben. Diese Luftblätter sind also eine aus- gesprochene Landform; in den Jahren, wo der Seespiegel hoch bleibt, können sich nur die Bandblätter und die Schwimm- blätter entwickeln; die pfeilförmigen Luftblätter bleiben zurück, und nur ganz selten erreicht ein blütentragender Stiel die Oberfläche und kündet sich durch ein armseliges Blümchen an.

Im vergangenen Nachsommer betrug die Wassertiefe neben der Badanstalt nur noch 30—40 em; jetzt konnten sich die Pfeilblätter und Blütenstiele schön entwickeln und boten in ihrer reichen Fülle ein prächtiges Bild kraftvollen Wuchses; es erinnerte an ein üppig blühendes Gartenbeet, wie ich es noch nie gesehen hatte.

Mit Eintritt der kalten Jahreszeit verschwindet rasch all die Pracht, und in der Zone, wo das Wasser gänzlich schwindet, bleibt über dem Boden nichts mehr von der Pflanze sichtbar.

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Im Grunde des Schlammes jedoch ruhen die Knollen, aus denen im Frühling bei steigendem Wasserstande neues Leben sprießt.

In ähnlicher Weise berichtet Herr Sekundarlehrer Oberholzer in Arbon über den dortigen Bestand:

„Die Pfeilkrautkolonie befindet sich am Ausfluß der Aach, wo sie eine Fläche von etwa 36 a einnimmt. Ich habe die Pflanzen bei der Aachbrücke schon 42 Jahre, während meines ganzen Hierseins, aber meist nur in wenigen Exemplaren beobachtet, nie in der großartigen Ueppigkeit dieses Jahres. Das Mündungsgebiet der Aach ist das Dorado der Wasser- und Sumpfvögel, der Möven, Enten, Taucher und Wasserhühner, der Regenpfeifer und Kiebitze, namentlich seit die Kloaken der Stadt in die Arboner Bucht geleitet sind, wo ihre Düng- stoffe eine solehe Algenentwicklung verursachen, daß letzten Sommer wegen des unerträglichen Geruches der Algenschlamm fuderweise entfernt werden mußte.“ H. Wegelin.

Monsunartige Winde am Bodensee.

Monsune heißen bekanntlich die besonders über Ostafrika, Süd- und Ostasien wehenden und längst bekannten, je ein halbes Jahr andauernden periodischen Winde (arab. mausim Jahreszeit, port. moncoe, engl. monsoon). Sie beruhen auf dem periodischen barischen Gefälle zwischen der Luft über dem- Ozean und derjenigen über Zentralasien. Dieses hat geringe Bewölkung, deshalb kräftige Bestrahlung und Aus- strahlung, so daß im Sommerhalbjahr, etwa Mitte April bis Mitte Oktober über dem gewaltigen Binnenland eine große Erwärmung des Bodens, dadurch auch der Luft und Verminde- rung des Luftdruckes eintritt gegenüber der Atmosphäre über dem relativ kühlen indischen Ozean. Deshalb besteht ein Druckgefälle vom letzteren nach Zentralasien, welches sich durch einen feuchten SW-Monsun ausgleicht. Im andern Halbjahr wehen bei umgekehrten Verhältnissen ablandige und relativ trockene Wintermonsune. Das sind in Wirklichkeit die N-E Passate. Der SW-Monsun ist ein um 180° ab- gelenkter Passat. Aus denselben Gründen haben die austra- lischen Nordküsten Monsune, ferner das Umland des Kaspi- schen Meeres.

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An Meeresküsten und über den Ufern größerer Landseen gibt es namentlich in der wärmern Jahreszeit periodische Winde von je einem halben Tag. Das sind die Brisen, Tag- und Nachtwinde. Erstere wehen als Seewinde auf das Land, letztere umgekehrt als ablandige, Fischerboote hinaus- treibende Winde. Solche sind seit alten Zeiten auch am Bodensee bekannt. Nun macht jedoch ein Meteorologe von Ruf, Prof. @. Hellmann, in der Meteorolog. Zeitschrift 1922, S. 16 auf einen monsunartigen Windwechsel am N-Ufer des Bodensees aufmerksam.

Der Luftschiffbau in Friedrichshafen veranlaßte im letzten Jahrzehnt die genaue Untersuchung der Windverhältnisse in dieser Gegend. Dabei stellte es sich heraus, daß im nörd- lich anstoßenden Württemberg in den Monaten November bis Februar allgemein SW und W Luftströmungen vorherrschen, während am Bodenseeufer bei Friedrichshafen die mittlere Windriehtung fast genau N ist. Offenbar beruht dies auf dem Einfluß des Bodensees, der in der Richtung nach Ror- schach und Romanshorn die größte Wassermasse besitzt. Die über ihr lagernde Luft hat nach Kleinschmidt (Das Wetter 1921, S. 38) eine Temperatur, die wahrscheinlich 1—2 ° höher ist als die Luft über dem erkalteten nördlichen Gebiet, so daß die Mitte des Sees ein. Aspirationszentrum darstellt, das die Luftströmungen über dem nahen ebenen Gelände am N-Ufer des Sees in der angegebenen Weise beeinflußt. Das „mahe dem W-Ende des Sees am N-Ufer liegende Meersburg und das am E-Ufer gelegene Lindau zeigen nur schwächere Andeutungen einer derartigen Beeinflussung der Windrichtung durch den See. Wenn umgekehrt im Sommer der Tem- peraturgradient die umgekehrte Richtung hat, weil die Luft über dem See um 2—3° kühler ist als über dem Lande, dreht die mittlere Windrichtung nicht bis nach S, sondern nur nach nach W.z.N bis W 2.5, was wohl z. T. damit zu- sammenhängt, daß das Gebiet höchster Temperatur NE vor Friedrichshafen liegt. In den Uebergangsjahreszeiten ist die mittlere Windrichtung: im Frühling WNW, im Herbst NNW, also immer noch abweichend von der Umgebung.“

Leider fehlt am mittleren thurgauischen Bodenseeufer eine Station für Windbeobachtung, so daß wir nicht sagen können, ob auch hier der Landwind monsunartigen Charakter annimmt.

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Hellmann vermutet, daß das gegen S ansteigende Gelände ohnehin modifizierend wirke. Die meteorologische Station Kreuzlingen am untern Seeende ist allzu sehr von der großen Wassermasse abgerückt, als daß noch analoge Wirkungen erwartet werden könnten.

Das „Klima der Schweiz“ I 8. 125 (Maurer, Billwiller und Heß) verzeichnet für die Jahre 1864—73 im Winter 50,7 %/ SW- und W- neben 21.4 NE- und E-Winden, im Sommer 38,1% SW- und W-, neben 36,9 °/) NE- und E- Winden, aus welchen Zahlen nur auf die regulären sommer- lichen See- und Landwinde zu schließen ist.

Auch am Genfersee, zwischen Ouchy und Rolle, wo das schweizerische Flachland an den See stößt, finden sich An- deutungen von monsunartigen Winden: Wenn im Herbst das Lander kaltet, während der See noch wärmer bleibt, so strömt bei ruhiger Witterung die Luft von allen Seiten dem See zu und der „Morget“ (Landwind aus N) weht dann beinahe beständig. Dasselbe ist der Fall und zuweilen mit noch größerer Intensität im Winter, wenn das Land mit Schnee bedeckt ist (Forel, Le Leman I p. 309). H. Wegelin.

Erratische Blöcke in der Umgebung von Hüttwilen.

a. Im Debrunnertobel.

1. Dort wo auf Siegfriedblatt 56 östlich Schalmenbuck die Kurve 435 den Bachlauf schneidet, liegt im Bachbett ein Block von der Form einer Platte und der Größe 160%xX130xX70 Centimeter. Er ist schwach kantenbestoßen, also vom Glet- schereise unmittelbar hier abgesetzt worden. Das grauweiße Gestein ist dünnblättrig geschiefert, etwas linsig und enthält neben weißgrauen Quarzkörnern und gelblichweißen Kalzit- körnern feine Lagen von weißschimmernden Serizit- und Muskovitschüppehen. Es handelt sich um ein, dem Casanna- schiefer ähnliches, altes Sediment, das durch Metamorphose, namentlich einseitigen Druck zum Paragneis umgewandelt worden ist, wobei Serizit und Muskovit aus Feldspatkörnchen entstanden sind. . Brauchli und Leupold verzeichnen solche Gesteine im Profil der Aroser Schuppenzone.

2. Nur wenige Meter weiter oben liegt ein zweiter Block. Er mißt 150x120 160 Centimeter und ist auch nur schwach

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kantenbestoßen. Das rote, schiefrige Gestein enthält Kaolin, Ton und Limonit in mikroskopisch feiner Verteilung mit Kalzit als Bindemittel und Quarz in millimetergroßen Körnern. Dann finden sich grüne, linsige und fetzige Partien eingelagert, die wohl als Chlorit zu deuten sind, wenn man bedenkt, daß das Gestein unter hohem Druck stand und die Mineralkomponenten in feiner Verteilung zur Chloritbildung vorhanden waren. Nach Zyndel kommen rote Tonschiefer und rote feinkörnige Sandsteine im Triashorizont der untern ostalpinen Decke vor. Der Findling stammt also aus einem Gebiete, wo großer Druck wohl eine Mineralneubildung be- wirken konnte.

3. Wieder nur wenig weiter oben liegt ein ellipsoidischer Block mit einem Ausmaß von 200100100 Centimeter. Er besteht aus grobem Muschelsandstein, stammt also vom Molassesporn oberhalb Rorschach und seine Rundung weist neben dem Eis- auch auf Wassertransport hin.

"b. Im Geiselbachtobel.

4. Im Walde östlich Weiningen-Haslibuck, 440 Meter über Meer, liegt im Bett des Geiselbaches in Grundmoräne eingebacken ein eckiger Block von 421 Meter. Es ist ein graubläulicher feinkörnigerKalksandstein mitGlimmer- blättehen und stammt wohl aus der Flyschzone des St. Galler Oberlandes oder des Werdenberg.

e. Im Steinbachtobel.

5. 8. W. Schloß Steinegg in der Höhe von 560 Metern ist neben Trümmern von kubikmetergroßen Verrucanoblöcken in der Uferwand ein gutgerundeter Stein zu sehen, der 211 Meter mißt. Es ist ein Ophikalzit, also ein Gestein bestehend aus Kalk und Serpentin, die sich durch Kontaktwirkung durchdrungen haben. Als Heimat kommen die Berge zwischen Oberhalbstein und Oberengadin in Betracht.

d. Im Heerenberg.

6. Da woN der Straße Kalchrain-Steinegg die Kurve 610 die Ordinate schneidet liegt ein 321 Meter großer Block flach in Grundmoräne eingebettet und ist zum Teil mit Humus überdeckt. Er ist noch kantig und in seiner Zusammensetzung ein typischer Verrucano. Die Trümmer sind grob und

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eckig mit Quarz und roten Tonschieferbrocken; das Binde- mittel, aus Quarz und Tonschiefer bestehend, gibt ein hartes Gefüge. Die Blocktrümmer im Steinbachtobel zeigen Verrucano von gleicher konglomeratischer Zusammensetzung. Die Heimat dieser Verrucanoart ist das Gebiet von Davos bis Lenzerheide den rätischen Alpen entlang. Hinsichtlich der Zerstörung dieser Findlinge durch Menschenhand besteht gegenwärtig keine Gefahr, da sie sich an wenig zugänglichen Orten beflnden. Bei der Bestimmung der Gesteine erhielt ich freundliche, wertvolle Unterstützung durch die Herren Professoren Grubenmann und Niggli in Zürich, denen ich auch an dieser Stelle meinen verbindlichen Dank abstatte. E. Geiger, Sekundarlehrer.

II. Vereinsangelegenheiten.

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Dr. med. Hans Brunner.

'„Wunderbar sind der Menschen Schicksale und das Schei- den aus diesem Leben, tausendfältig die Todesarten; früher oder später eilen wir dem Endziel entgegen.“ So heißt es im Nekrologe J. J. Wepfers, jenes berühmten Gründers der Schaffhauser medizinischen Schule im 17. Jahrhundert. Wun- derbar ist das Scheiden aus diesem Leben! Das unergründliche Rätsel des Menschendaseins mit seiner Hinfälligkeit, das „Woher kommen wir und wohin gehen wir?“ es kommt auch dem Arzt, der dem Tod in so mancher Gestalt ins Antlitz sehen muß, dann am meisten zum Bewußtsein, wenn er mit rein menschlichem Empfinden an der Bahre eines lieben Angehörigen, eines teuren Freundes steht und der Schmerz des Abschieds sein Herz beklemmt.

Unter den „mille mali species*, die als der Menschheit Erbteil des Lebens Endziel herbeiführen, hat zu allen Zeiten die Arteriosklerose einen Hauptanteil gehabt. Ihr ist auch Dr. Hans Brunner erlegen, von dessen Leben, Wirken und Schaffen etwas zu erzählen und aufzubewahren eine Pflicht der Pietät ist, welcher wir gerne nachkommen. Im thur- gauischen Städtchen Dießenhofen, wo mehrere Generationen schon die Familientradition des ärztlichen Berufes hochhielten, wurde er im Jahre 1855 als Sohn des verdienten Dr. med. Johannes Brunner geboren. Das väterliche Haus, in dem er daselbst aufwuchs, ist der uralte Unterhof, wo so viele historische Erinnerungen mannigfachster Art auf Bewohner und Besucher einwirken. Da erzählen das Rudiment eines megalithischen Turmes und ein einstiger Rittersaal vom frühen Mittelalter, da wohnten einst die Truchsässen von Dießenhofen, da schaut das steinerne Wappen der Herren von Greuth von hoher Mauer herab. An vergangene medi- zinische Phasen erinnert im Innern manch altes Porträt, und eine wertvolle Bibliothek medizinischer Werke reicht in frühe Zeiten zurück. In einem unbewohnten Flügel des Hauses sind noch die Dunkelzimmer vorhanden, in denen einst

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Staroperierte lagen, die der Großvater des Hans Brunner operiert hatte. Dr. med. Joh. Brunner, geb. 1786, j 1842, unterhielt hier eine kleine Privataugenklinik." Als sehr talentierter Schüler durchlief nun der junge Hans die ver- schiedenen Etappen üblicher Schulausbildung. Er genoß den

Unterricht der Elementar- und Sekundarschule und nahm, zu einem gelehrten Berufe prädestiniert, Latein bei dem feingebildeten katholischen Pfarrer Fröhlich, den er sein Leben lang in gutem Angedenken bewahrte. An Frauenfelds Kantonsschule, wo er dann hinkam, gab man sich Mühe, den Forderungen der Zeit gerecht zu werden und Schritt zu halten mit der Entwicklung des modernen Geistes. Man

1 Vergleiche Dr. v. Mandachs Jubiläumsrede. Schaffhauser Blindenverein 1911.

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nahm den richtigen Standpunkt ein, den jungen Leuten eine möglichst vielseitige allgemeine Bildung mit an die Universi- tät zu geben, sie nicht mit Griechisch und Latein bis zum Ekel zu übersättigen, sondern auch den neuen Sprachen und den immer mehr aufstrebenden Naturwissenschaften Raum zu geben. In besonders guter Erinnerung behielt er den Unterricht im Deutschen, den Dr. Jaekel. ein vertriebener _ Aechtundvierziger, gab. Unter den Naturwissenschaften hatte nachhaltende Wirkung Wolftgangs Botanik mit prävalierender Biologie und Morphologie. Hier fand die schon durch das väterliche Vorbild geweckte Neigung zu diesem Fache reiche Anregung. Zu Hause in den Ferien wurde dann systematische Botanik getrieben; es wurden Pflanzen, Mineralien, Käfer, Schmetterlinge gesammelt und damit ein schon vom Großvater angelestes Naturalienkabinet bereichert. Die Basaltkegel des Höhgaus mit ihrer interessanten Geologie und seltenen Flora waren oft besuchte Anziehungspunkte.e Im Jurakalk des Randen wurden Versteinerungen gesammelt. Auch zu den berühmten Oehninger Steinbrüchen führten die Exkursionen, in deren Süßwasserkalk organische Reste von subtropischem Charakter gefunden wurden, und wo einst der „Andreas Scheuchzeri* das Licht erblickt hatte, d. h. ein Riesensala- mander, den der verdiente Zürcher Naturforscher Scheuchzer für einen antediluvianischen Menschen hielt.

Der Entschluß, Mediziner zu werden, war früh schon ge- faßt, und nach ausgezeichnet bestandener Matura begab sich Brunner an die Universität Zürich, um da mit Feuereifer zunächst dem Studium der propädeutischen Fächer sich hinzugeben. Er präparierte bei Hermann Meyer, dem hoch- verdienten Anatomen, hörte klar vorgetragene Physiologie bei dem bedeutenden Hermann. Die klinische Ausbildung fand er bei Huguenin, an dessen lebendigem Vortrage, vor- züglicher Demonstration von Nervenfällen und prächtiger Perkussion er sich freute. Der originelle Verfechter der offenen Wundbehandlung, Rose, führte in die Chirurgie ein. Eben war die Zeit gekommen, wo Listers antiseptische Wundbe- handlung ihren Siegeszug begann. Wer diese Uebergangs- periode mitgemacht hat, weiß, welchen Eindruck diese Um- wälzung damals auf die Studenten ausübte. Die glänzenden Wundheilresultate imponierten auch Brunner, und da wurden

190.

denn bald in des Vaters Praxis in den Ferien. Verletzungen mit den vielen Schichten des Listerverbandes verbunden und bei kleineren Operationen der Karbolsprühnebel in Bewegung gesetzt. So drangen Listers Ideen in die Landpraxis ein. und so wirft jede kleine Aerztebiographie ein Licht auf die Ent- _ wicklung der Medizin und wird ein Indikator ihrer Ent- wicklungsphasen; denn nicht nur die Großen im Reiche der Wissenschaft, auch die kleineren Arbeiter helfen am Ausbau, an der Popularisierung der Ideen und Entdeckungen, an der Hebung des Niveaus. 1880 absolvierte Brunner das Staats- examen, um jetzt zur Vervollständigung der Ausbildung für einige Monate nach Wien zu gehen. Er nahm hier verschiedene Spezialkurse, sah und hörte Billroth, Breisky, Hebra, Arlt und andere hervorragende Vertreter der Wienerschule. Den Doktortitel erwarb er sich wieder in Zürich mit einer unter Horner verfaßten Dissertation über Chininamaurose. Fälle von Erblindung infolge Verabreichung größerer Chinindosen, unter dem charakteristischen Bilde der retinalen Ischämie verlaufend, gaben dazu die Veranlassung. Klinische Beobach- tung sowie Experimente an Kaninchen und Hunden boten Anhaltspunkte für die Genese dieser seltenen Amblyopie; es schien gerechtfertigt, der Chininerblindung in der Reihe der auf Ischämie beruhenden Amblyopien eine gesonderte, scharf abgegrenzte Stellung einzuräumen, ihre Entstehung als Folge reiner Ischämie der Netzhautgefäße aufzufassen. Die Arbeit hat bleibenden wissenschaftlichen Wert, womit sie genügend qualifiziert ist.

Es kam die Zeit der Praxis (1884). Der alternde Vater, der unterdessen die Direktion des Krankenasyls St. Katha- rinenthal übernommen hatte, war froh, Hilfe und Entlastung zu finden. Rasch dehnte sich des jungen Brunners ärztliche Tätigkeit auf die umliegende Landschaft aus; noch gehörte damals nach alter Tradition ein gutes Stück jenseits des Rheins zum Rayon der Dießenhofener Aerzte. Mit größter Sorgfalt stellte Brunner seine Diagnosen, mit ängstlicher Ge- wissenhaftigkeitund Gründlichkeit behandelte er seine Patienten, über jeden genaue Tagebuchnotizen führend. Er war der. Kranken Freund, nicht nur ihr Arzt. Nicht nur viel Wissen und Können bot er ihnen, sondern auch wohltuendes Mit- gefühl ging von ihm aus. Nach dem Tode Dr. Christingers

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übernahm er die Direktion des Asyls St. Katharinenthal (1912); vorher schon wurde er Bezirksarzt. Alle Obliegenheiten dieser Aemter besorgte er mit pflichtgetreuer Hingabe, und sein wissenschaftlicher Sinn verließ ihn auch da nicht. Als Leiter der Pflegeanstalt ließ er es nicht dabei bewenden, die Säle der Unheilbaren zu durchschreiten und den Speisezettel zu unterschreiben, sondern er studierte interessante Fälle, führte sogar darüber Krankengeschichten, machte genaue Sektionen. Nebenbei nahm er sich Zeit zu mühevollen wissenschaftlichen Arbeiten. Mit Zähigkeit verfolgte er dabei ein schwieriges Problem, das Studium der Krankheits-Disposition nach einer ganz speziellen Richtung; d. h. er erforschte den Einfluß der Witterungsverhältnisse zunächst auf die Entstehung der kru- pösen Pneumonie. „Ueber das zeitliche Auftreten der kru- pösen Lungenentzündung und die Beziehungen der Disposition zu atmosphärischen und kosmischen Verhältnissen“ hieß der Titel der Arbeit, in welcher er (Arch. f. klin. Medizin 1898, Band LX) die Ergebnisse dieser Studien niederlegte. Auf Grund einer Analyse von 2140 Pneumoniefällen aus seiner Praxis und den Kliniken von Eichhorst und Sahli und auf Grund eines genauen meteorologischen Studiums kommt er zu dem Ergebnisse, daß der Ausbruch des Krankheitsprozesses öfters in unverkennbarem Abhängigkeitsverhältnisse zu gewissen Schwankungen der Witterung stehe. Schroffer Witterungs- wechsel erfolge aber dann am häufigsten, wenn der Einfluß der Gravitation des Mondes auf das Luftmeer der Erde ver- stärkt sei; man müsse deshalb an einen indirekten Einfluß der Mondstellung auf die Disposition denken. In einer fol- genden Arbeit sucht Brunner den Einfluß der durch den Mondlauf veranlaßten Witterungseinflüsse auch für die Krisen der Pneumonie nachzuweisen und gibt hier der Möglichkeit Raum, daß die Gravitation, welche die Fluten des Meeres in regelmäßige Bewegungen bringe, auch die Lebewesen, d. h. die Mikroorganismen direkt beeinflussen könne. Spätere Publikationen befassen sich mit dem Einfluß der Gezeiten- schwankungen auf die Ermüdung des Herzmuskels und auf den epileptischen Anfall. Alles merkwürdige Arbeiten, deren Schlüsse einen zum Teil recht seltsam anmuten, da und dort sehr gewagt erscheinen, dem Bakteriologen ein Lächeln entlocken. Aber sie enthalten doch manch Originelles,

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Beachtenswertes, aetiologische Daten und Relationen, die man nicht ignorieren darf und die vielleicht erst später richtig gewürdigt werden. Uebrigens ist der Wert der Pneumonie- arbeiten von autoritativer Seite anerkannt worden (Vierordt).

Eine liebe Erholung war Brunner das Botanisieren. Auf den Wanderungen der Praxis führte ihn, wenn die Zeit es erlaubte, der Weg abseits in Feld und Wald, und an Sonntagen machte er öfters weitere Exkursionen. Als Kenner der Flora und der Standorte seltener Pflanzen in Dießenhofens weiterer Umgebung trat er in die Fußstapfen des verdienten Botanikers Friedrich Brunner, Apotheker. Neu gefundene Genera und Spezies teilte er in den Publikationen der 'Thur- gauischen Naturforschenden Gesellschaft mit. Ein wertvolles Herbarium, an dem drei Generationen gearbeitet, liegt von seiner Hand schön geordnet im väterlichen Hause. Er hat, wie Walder ausführt, die große Pflanzensammlung, die sein Vater und Großvater angelegt hatten, vollständig neu nach Engler klassifiziert und sie in jeder Beziehung erweitert und vervollständigt, so daß das Herbarium jetzt die Flora Dießen- hofens mit angrenzenden Gebieten der Kantone Thurgau, Zürich und Schaffhausen sowie des Hegaus vollständig reprä- sentiert: eine ausgesprochene Trockenflora, die sich in vielen Beziehungen durchaus in Gegensatz stellt zu derjenigen der übrigen Gegenden der Kantone Thurgau und Zürich. Im Anschluß an diese Tätigkeit hat Brunner dann auch das Verzeichnis der Flora des Bezirkes Dießenhofen, das Apo- theker Brunner in den „Mitteil. der Thurg. Naturf. Gesellsch.* begonnen hatte, im Jahre 1915 revidiert und ergänzt. Auch seine Naturschutzbestrebungen dürfen hier nicht vergessen werden. Namentlich die Schaarenwiese gegenüber Büsingen, jenes merkwürdige Anschwemmungsgebiet des Rheins mit seiner interessanten Flora, die er seinen Freunden so gerne zeigte, hatte er ganz in sein Herz eingeschlossen. Daneben teilten verschiedene kleine Torfmoore in der Umgebung von Dießenhofen seine erhaltende Fürsorge.

„Einem solchen Tagewerke wäre ein ruhiger Lebensabend zu gönnen gewesen“, sagt Dr. Walder in einem warmen. Nachruf der Thurgauer Zeitung von seinem Studienfreunde. Leider war ihm dies nicht beschieden. Als Mitglied des Verwaltungsrates der Leihkasse Dießenhofen suchte er seit

Br

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Jahren mit der ihm eigenen Gewissenhaftigkeit der Heimat zu nützen. Da brach die Valutakatastrophe herein, und daraus hervorgehende, ihn schwer kränkende Anfeindungen trafen tief sein empfindsames, arteriosklerotisch verändertes Herz, Der Kummer gab ihm den Todesstoß. Nicht nach langer Qual mit Dyspnoe und Anasarka ging er zur ewigen Ruhe ein. Wenige bange Stunden, und er schlief sanft hinüber. Am Allerseelentag, als man die Gräber schmückte, begleitete ein großer Leichenzug den blumenbedeckten Sarg zum Fried- hof. Tausend dankbare Patienten trauerten um ihn; in dauernder Erinnerung behalten ihn alle, die ihn kannten

und besonders diejenigen, die dem lieben Menschen nahe

standen. 20 > Conrad Brunner.

Dr. Alfred Debrunner-Albrecht.

In der Morgenfrühe des 13. Juli 1921 ist unser weit herum bekannter und beliebter thurgauische Gynäkologe Dr. Alfred Debrunner-Albrecht, erst 63 Jahre alt, plötzlich von uns geschieden. Ein schon lange im Verborgenen glimmendes Feuerchen wurde zum verzehrenden Brande, der die Kräfte des noch so rüstigen und lebensfrohen Mannes rasch konsu- mierte. Eine seit einigen Jahren fast beschwerdelos bestehende, nur mit physikalischen: Symptomen sich manifestierende Aortenaffektion gestaltete sich plötzlich, angefacht durch wiederholte eiterige Katarrhe der Respirationsschleimhäute, zur bösartigen Endocarditis uleerosa mit rheumatoid-septischem Krankheitsverlauf, dem, nach verschiedenen miliaren Embolien

der Haut und der Retina von nur monitorischem Charakter,

eine letale größere Hirnembolie rasch ein Ziel setzte.

Dr. D. war eine ausgesprochene Individualität. Auf ihrem Grunde lag eine entschieden künstlerische Veranlagung verankert, die sich nicht nur in den Liebhabereien seiner

Mußezeit und in seiner ganzen Lebensanschauung äußerte,

sondern auch deutlich in der Hauptleistung seines Lebens, seiner operativen Tätigkeit, zum Ausdruck kam. Es war eine Freude, Dr. D. beim Operieren zuzusehen. Seine Hand-

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194

bewegungen hatten etwas Abgemessenes, Wohlüberlegtes, fast Harmonisches und Zierliches. D. war überhaupt ein geborener Operateur. Jeschwieriger die Verhältnisse, desto zuversichtlicher wurde seine Stimmung. Seine Assistenten erinnerten sich zeit- lebens gerne der mit ihm. z.B. bei einer schweren Geburt, verlebten Stunden. Eine schöne künstlerische Abrundung zeigten jeweilen auch die vielen Vorträge, die er im Schoße unserer kantonalen ärztlichen Vereinigungen gehalten hat. Vor allem aber ist eine Arbeit charak- teristisch für D., die einzige größere Pu- blikation, die wir von ihm haben: Die „Be- richte und Erfahrun- gen“ des Jahres 1901, in denen er die Resul- tate seiner operativen Tätigkeit in den Jah- ren 1888—1900 den Kollegen vorlegte. Dieses nur 128 Seiten starke Büchlein zeigte neben einer sehr über- sichtlichen Anordnung des Stoffes alle Vor- züge der Debrunner- schen Schreibweise: Kürze, Klarheit und Prägnanz. Und noch eine andere Haupt- eigenschaft seines Charakters offenbarte sich hier in glänzender Weise: Seine große Offenheit und Ehrlichkeit. Es ist wohl selten ein ehrlicheres medizinisches Buch geschrieben worden. Es wurde später ergänzt durch die von dem Sohne, Dr. Hans D., als Dissertation veröffentlichte Fortsetzung: „Berichte und Er- fahrungen“ der Jahre 1900—1914, womit eine lückenlose Darstellung einer 26jährigen operativen gynäkologischen Erfahrung aus der Privatpraxis vorliegt. Wer sich als prak- tischer Arzt über (lie Prognose eines ihm anvertrauten gynä- kologischen Falles zuverlässig unterrichten will, kann keine

de a na nr A A re Da RE N, bi En zit

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bessere Orientierung finden, als wie sie ihm hier geboten wird. Das Werkehen dürfte daher mehr gelesen werden. Nirgends

-aber trat die offene Geradheit im Wesen Dr. D’s schöner

zutage, als im Verkehr mit seinen Patienten und Kollegen. Neben seiner Tüchtigkeit hatte er wohl diesem Charakterzug den Haupterfolg seiner Praxis zu verdanken. Da gab es kein spezialistisches Ueberheben bei Konsultationen, kaum daß er seine eigene Meinung stark in den Vordergrund stellte. Mit dem einfachen Manne hatte er eine ausgezeichnete Art des Verkehrs. Das Bild der Persönlichkeit D’s, das ich zu geben versuche, wäre unvollständig, wenn ich nicht noch beifügte, daß D. in jüngeren Jahren ein ausgezeichneter Reiter und treffsicherer Schütze war, der viele Gaben „heimbrachte vom

-Freudenschießen“. In den letzten Jahren hat er es in der

schon früher geübten Aquarellblumenmalerei zu schönen Leistungen gebracht und sich und andern viel Freude damit gemacht.

D. hatte sich ursprünglich nicht zum Mediziner bestimmt. Er wollte Mathematiklehrer werden und hatte schon ein Jahr am Polytechnikum studiert, als ihn ein Kehlkopfleiden (das auf eine Kinderkrankheit zurückdatierte, sich später aber wieder ganz verlor und nur eine starke Disposition zu Katarrhen zurückließ) zwang, dem Lehrerberuf zu entsagen. Diese mathematisch-technische Bildungszeit war aber für unsern Freund nicht verloren. Er hat mir später einmal gesagt, daß er von der darstellenden Geometrie her ein aus- gezeichnetes Raumvorstellungsvermögen behalten habe, das ihm in der Geburtshilfe sehr zu statten gekommen sei. Mit vorbildlicher Energie wurde nun der Pegasus umgesattelt. Nicht viel später als seine Altersgenossen machte D. ein sehr gutes Staatsexamen, wurde dann für zwei Jahre Assistenzarzt bei Professor Frankenhäuser, um sich nachher noch bei Czerny

in Heidelberg in gleicher Eigenschaft in der operativen

Chirurgie zu vervollkommnen. Auf diese Weise vortrefflich ausgerüstet ging es nun los in die Praxis, die D. in Frauen- feld begründete. Es wurde mit Schneid geheiratet und eine bald vielbesuchte Privatklinik eröffnet. Hier hatte unser Freund in seiner Gattin, Adele Albrecht, mit der er sich trefflich verstand, eine ausgezeichnete Stütze. Leider wurde ihm diese unvergeßliche Frau nach schwerem mehrjährigem

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Krankenlager, das auch die Kräfte des Gatten und Arztes stark in. Anspruch nahm, schon vor sechs Jahren durch den Tod entrissen, worauf er die Klinik schloß. Den Riß, der hier durch sein Leben ging, vermochte der Verstorbene nie mehr ganz zu überwinden. Etwelchen Ersatz fand er freilich in seiner Spitaltätigkeit und in dem schönen, nie getrübten Ver- hältnis, in dem er mehr als ein Dezennium zu seinem Freunde Spitalarzt Dr. Isler stand, als dessen Stellvertreter und gynäkologischer Kollege er nach dem Tode von Dr. Elias Haffter selig gewählt wurde. Es liegt nicht in meiner Absicht und steht auch nicht in meinem Vermögen, D.’s ganze opera- tive Tätigkeit hier zu beurteilen. Was ich aber immer an ihm bewunderte, das waren in der Geburtshilfe seine hohen „Tarniers“ und in der Gynäkologie seine vag. Uterus- Exstirpationen, die er beide mit einer eigentlichen Eleganz ausführte. Charakteristisch für das manuelle Geschick D.’s ist auch der Umstand, daß er seinerzeit von heute auf morgen ohne irgendwelche Anleitung ein eifriger Anhänger der Intubation wurde und dieselbe eine Zeitlang regelmäßig in der Privatpraxis ausübte. Er hat 1899 in einem Vortrag über 10 Fälle referiert und hat eine weitergeführte Tabelle hinterlassen, auf welcher von 15 Intubierten 7 als genesen aufgeführt werden: ein schönes Resultat, wenn man bedenkt, daß es sich durchwegs um diphteritische Fälle in der Vor-

serumszeit handelt. e

D. hat nicht gerade viel publiziert. Außer dem oben erwähnten Klinikbericht und einer sehr gediegenen Arbeit im schweizerischen Aerztekalender über „Verhütung und Be- handlung der Verletzungen an den unteren weichen Geburts- wegen“ sind es hauptsächlich folgende Publikationen im „Korrespondenzblatt für Schweizerärzte“*, die anzuführen sind: 1890: „Zur vaginalen und ventralen Fixation der rückwärts- gebeugten Gebärmutter“ und 1894 „Kasuistische Mitteilungen“ über einen geburtshilflichen Porro und einen Fall von ange- borener Ectasia vesicae mit doppelseitiger Hydronephrose und Phimose als Geburtshindernis. Dazu kommt in der „Gynae- cologia helv.“ 1909 „ein Fall von Uterusperforation mit der Curette.“ Dagegen hat D. sehr viel für das „Korr.-Bl.“ und für das „Zentralbl. für Gynäkol.“ referiert und in den kan- tonalen ärztlichen Gesellschaften mindestens 17 Vorträge

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1917

gehalten aus allen Gebieten der Geburtshilfe und Gynäkologie. Hr bevorzugte aber namentlich Themata, die den praktischen Arzt interessieren und belehren konnten, und er unterdrückte

‚auch eine gewisse Lehrhaftigkeit bei seinen Vorträgen nicht.

So sprach er auf dem Gebiete der Geburtshilfe gern über Verhütung und Behandlung von Verletzungen, Behandlung der Nachgeburtsperiode ete., auf demjenigen der Gynäkologie mehrmals über Behandlung der Myome und über die Krebs- frage. Der Strahlenbehandlung hat er schon sehr früh eine eingehende und kritische Betrachtung gewidmet, die auch von seinen intimen physikalischen Kenntnissen Zeugnis ablegten.

In der Thurg. Naturf. Gesellsch., der D. 1887 beitrat, verbreitete er sich namentlich über hygienische und die Volkswohlfahrt im allgemeinen .betreffende Fragen. So sprach er 1889 über „Tuberkulose“ und 1892 besonders ausführlich

_ und. interessant über „Desinfektion“ bei Gelegenheit der An-

schaffung von Gemeinde-Desinfektionsapparaten. D. war zufolge eines ausgesprochenen Reinlichkeitssinnes ein geborener Asep- tiker, aber auch durch seine umfassenden chemischen Kennt- nisse ein vorzüglicher Antiseptiker.

Die sterbliche Hülle unseres verstorbenen Freundes, die auch im Tode ihre Schönheit nicht verlor, wurde in

. Winterthur kremiert. Vor der Kremation richtete Spitalarzt

Dr. Isler schöne, tiefempfundene Worte des Abschiedes und Dankes an den neben ihm im Sarge ruhenden Freund. Und in. den Semester-Nachrichten des Studenten-Gesangvereins Zürich, dessen Mitglied D. seit der Studentenzeit war, hat ihm sein. langjähriger intimer Freund und gelegentlicher Privat-Assistent Dr. Heußer von Winterthur ein ebenso warmes Nachwort gewidmet. Auch ist seit dem Tode. des Unver- geßlichen fast keine Woche vergangen, in der wir nicht mit ehemaligen Patienten oder Freunden vor seiner so wohl- gelungenen letzten Photographie gestanden und bedauert hätten, daß dem so lebensfrohen Manne nicht noch einige Jährehen einer wohlverdienten Muße vergönnt waren. Doch: „Was vergangen, kehrt nicht wieder; aber ging es leuchtend nieder, leuchtet’s lange noch zurück.* H. Walder.

Auszug aus dem Protokoll

der

Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft.

Jahresversammlung 1920 Samstag den 6. November 1920, im Hotel „Bahnhof“ in Frauenfeld.

Anwesend: 23 Mitglieder und zirka 80 Gäste.

Der Präsident, Herr Prof. Wegelin, begrüßt die zahlreiche Gesellschaft und erteilt das Wort Herrn Prof. Grubenmann von der Eidg. Techn. Hochschule, Ehrenmitglied unseres Vereins zu seinem Vortrag über die nordschwedischen Eisenerzlager- stätten.

Die wichtigsten Eisenminen des hohen Nordens sind Kiruna und Gellivara.. Man bekommt einen Begriff von der ungeheuren Mächtigkeit dieser Erzlager, wenn man hört, daß der bei Kiruna gelegene Berg Kirunavara fast ausschließlich aus Magneteisenstein besteht und seine Eisenmenge durch magnetometrische Messungen zu 215 Millionen Tonnen be- stimmt worden ist. Dieser Eisenberg, der schon im Jahre 1736 von dem Lappen Ammund Anderson entdeckt wurde, lohnte jedoch früher die Ausbeutung nicht, da dem Erz Apatit bei- gemengt ist. Dieses Mineral enthält Phosphor, der sich schwer aus dem Eisen entfernen läßt und es spröde macht. Erst die Entdeckung des Thomasprozesses zur Beseitigung des Phosphors ermöglichte die Ausbeutung dieses reichsten Eisenlagers der Erde. Es ist das Verdienst des schwedischen Staatsgeologen Hjalmar Lundbohm, dazu die nötigen Kapitalien aufgebracht und sodann die großartigen technischen Anlagen für den Bergbau ausgeführt zu haben. Jährlich werden nun- mehr in Kiruna zirka zwei Millionen Tonnen Erz gefördert, die sogleich auf einer eigens dazu erbauten Bahn über die schwedische Grenze nach dem nächsten norwegischen Hafen

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Narvik transportiert werden, um erst in England oder Deutsch-

land verhüttet zu werden. Gellivara liefert sein Erz auf einer gleichfalls um der Bergwerke willen erstellten Bahn- linie an die Hochöfen von Lulea am bottnischen Meerbusen ab. Eine schöne Reihe von Lichtbildern ergänzte die lebhafte, anschauliche Schilderung und zeigte die felsige Inselgruppe der Lofoten, das Hafenstädtehen Narvik, die kühn angelegte Erzbahn und endlich die Bergwerke selber. Reicher Beifall belohnte den fesselnden Vortrag.

Es folgen die Vereinsgeschäfte.

1. Jahresbericht des Fräsidenten. Wir entnehmen dem- selben folgendes: Trotz Teuerung und schwieriger politischer und wirtschaftlicher Lage kann das Geschäftsjahr als normales bezeichnet werden.

Der Mitgliederbestand beträgt 197. Leider hat der Tod wieder einige böse Lücken gerissen. Besonders schmerz- lieh ist das Hinscheiden von Lehrer Roman Weber in Bußwil und der plötzliche Tod von Dr. Hans Brunner in Dießenhofen.

Der Vorstand versammelte sich zur Beratung der Geschäfte dreimal.

Das Naturwissenschaftliche Kränzchen hörte im Winter 1919/20 vier Vorträge an.

1. Dr. Wartenweiler von Weinfelden: Ueber biologische

- und systematische Untersuchungen an Pilzen.

2. Dr. Walder: Was soll der Laie von Hals- und Nasen-

krankheiten wissen?

3. Inspektor Wild: Physikalische Untersuchung der natür-

Jiehen und künstlichen Asphalte.

4. Dr. Philippe von Zürich: Die Milchtrocknungsanlage ° in Sulgen und ihre wirtschaftlichen und technischen Grundlagen.

Es wurden ferner zwei Exkursionen ausgeführt, nämlich

eine nach Schloß Eugensberg zur Besichtigung des wunder-

‚vollen Parkes unter der kundigen Führung von Obergärtner Oettli und eine in die Gerberei Kappeler unter Führung der

Herren Hans und Fritz Kappeler.

Ende Juli konnte Heft 23 unserer „Mitteilungen“ heraus- gegeben werden. Im Lesezirkel machen 20 Zeitschriften und div. Publikationen von mehr als 100 befreundeten Gesellschaften

bei 96 Mitgliedern die Runde.

0

Die Bestrebungen der Gesellschaft sind auch im Berichts-

jahr in verdankenswerter Weise durch die Beiträge der .

Regierung und der Gemeinnützigen Gesellschaft unterstützt worden.

Seit Neujahr 1920 bildet die Thurg. Naturf. Gesellsch. eine Zweiggesellschaft der Schweizerischen . Naturforschenden Gesellschaft und wird im Senat der letztern durch den Präsi- denten vertreten. Sie hat Anspruch auf zwei Stimmen an der Hauptversammlung.

2. Die Jahresrechnung 1919 wird unter bester Verdankung an-den Kassier Herrn Hans Kappeler genehmigt. Sie zeigt an Einnahmen %. 2. 2.7... 2010.50 Er.

Ausgaben ......85.2003,22903.592 70:

Vorschlag 1919. 1107.18 Fr. Abzügl. Passiv-Saldo 1918 263.10 -

Vermögensbestand 844.08 Fr.

3. Ueber die Tätigkeit der Naturschutzkommission referiert

deren Präsident Dr. Heh. Tanner. Sie hatte wiederholt zu- handen der Regierung Gutachten über Tier- und Pflanzenschutz abzugeben.

4. Statutenrevision. Dieselben müssen den heutigen Ver- hältnissen angepaßt werden und finden in beigedruckter Fassung die Genehmigung.

5. Als neuer Reehnungsrevisor wird Herr Sekundarlehrer Stark in Frauenfeld gewählt.

Ein einfaches Nachtessen zu Ehren von Herrn Professor Grubenmann vereinigte am Abend nicht wenige Mitglieder in der „Krone“. Es wurden mehrere Reden gehalten und nur allzufrüh machte die Abfahrt des Zuges nach dem obern Thurgau der schönen Tagung ein Ende.

Der Aktuar: C. Decker, Professor.

Jahresversammlung 1921 vom 24, September 1921, im Hotel ,„Bär‘ ‘in Arbon, Anwesend sind 27 Mitglieder und Gäste.

Der Präsident, Herr Professor Wegelin, eröffnet die Sitzung durch ein kurzes Begrüßungswort. Dann heißt Herr Pfarrer

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'Wuhrmann im Namen des Ortsverwaltungsrates die Gäste

willkommen. Hierauf erhält Herr Alfred Kaiser das Wort zu seinen Mitteilungen und Vorweisungen über den Sinai.

Es erübrigt sich, an dieser Stelle näher auf diese lebendigen Schilderungen aus dem Forscherleben einzugehen, da der Leser den erweiterten Vortrag in den vorliegenden Mitteilungen findet. Reicher Beifall belohnte den Referenten, und der Dank des Präsidenten war wohl verdient.

Es folgen die Vereinsgeschäfte.

1. Jahresbericht des Präsidenten. Demselben ist folgendes zu entnehmen: Die Gesellschaft zählt heute 228 Mitglieder. Es ist dies der größte Bestand seit der Gründung. Leider verloren wir im Berichtsjahre, durch den Tod zwei lang- jährige beliebte Mitglieder nämlich Herrn Dr. A. Debrunner in Frauenfeld und Herrn Apotheker Pischl in Steckborn.

Der Vorstand. versammelte sich zur Beratung der laufenden Geschäfte viermal. Haupttraktandum bildete die Gründung eines thurgauischen Naturschutzgebietes im Winkel zwischen Murg, Thur und großer Allmend, das inzwischen Dank dem Ent- gegenkommen der em der Bürgergemeinde Frauenfeld und der. eidgenössischen Militärverwaltung, zur Tatsache ge- worden ist.

. An Exkursionen wurde im Berichtsjahr eine gemeinsam

mit der Zürcher Botanischen Gesellschaft nach Ossingen-

Neunforn ausgeführt, während sich das Naturwissenschaftliche

Kränzchen siebenmal versammelte.e. Es wurden folgende

Themata behandelt:

3. Dezember: „Die Welt des Mondes“, mit Lichtbildern, von Herrn H. Jahn .aus Gerlikon.

17. Dezember:. „Schaffung einer Tier- und Pannen in der Gemeinde Frauenfeld“ von Herrn Architekt Freyenmuth.

11. Januar: „Die ansteckenden Haarkrankheiten* von Herrn Dr. Walder.

21. Januar: „Bilder von der Nordsee“, mit Lichtbildern, von Herrn Dr. Leisi.

4. Februar: „Die Anpassung der Alpenpflanzen. Eine Wan- derung ins Hochgebirge“, mit Lichtbildern, von Herrn Dr. Günthart.

22. Februar: „Gemeinverständliche Einführung in die Rela- tivitätstheorie* von Herrn Seminarlehrer Bachmann. 4. März: „Ueber Säuglingsernährung“ von Herrn Dr. Böhi. Der in zehn Kreise geteilte Lesezürkel besitzt ungefähr den gleichen Bestand wie im Vorjahr. Die naturwissenschaftliche Sammlung, die bisher in der Kantonsschule untergebracht war, soll im künftigen Sommer

vereinigt mit der historischen Sammlung ein eigenes Heim .

beziehen. Diese Heimatsammlung soll alles vereinigen, was der Thurgau selbst an Naturalien birgt und hervorbringt, und es werden unserer Gesellschaft dadurch verschiedene Aufgaben erwachsen, deren sich der Vorstand im kommenden Jahr an- zunehmen hat, um an der nächsten Jahresversammlung mit bestimmten Anträgen aufwarten zu können.

Auch dieses Jahr ist die Gesellschaft in verdankenswerter Weise durch Beiträge von der thurgauischen Regierung, der Gemeinnützigen Gesellschaft und von privater Seite unterstützt worden.

2. Herr Dr. Hch. Tanner verdankt dem Herrn Präsidenten seinen Bericht und referiert sodann als Präsident der Natur-

schutzkommission über deren Tätigkeit. Sie konnte sich in

mehreren Fällen der schätzenswerten Unterstützung des thur- gauischen Polizeidepartements erfreuen. Hauptaufgabe war in Verbindung mit der Naturforschenden Gesellschaft, der kantonalen Vogelschutzkommission und dem ornithologischen Verein Frauenfeld die Gründung der schon erwähnten Reser- vation im Thur-Murg-Dreieck.

6. Die Jahresrechnung 1920 wird verlesen und unter bester Verdankung an den Kassier genehmigt. Sie erzeigt an Einnahmen‘. .. 2 234200. 3119229# Bm Ausgaben! , nr ran, Saga

Passiv-Saldo 673.84 Fr. 7. Es folgen die statutarischen Wahlen, die in Bız dem Sinne bald erledigt sind. 8. Zum Schluß erfolgt die Besichtigung des rss der sich noch eine Stunde gemütlichen Beisammenseins im Römerhof anschließt.

Der Aktuar: C. Decker, Professor.

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Mitgliederverzeichnis

der

Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft. (Abgeschlossen am 31. Aug. 1922.)

Vorstand. H. Wegelin, Präsident u. Kurator. A. Brodtbeck, Zahnarzt. Hch. Tanner, Dr., Professor, E. Leisi, Dr., Professor. Vizepräsident. E. Österwalder, Sekundarlehrer. Hs. Kappeler-Leumann, Quästor. V. Schilt, Apotheker. K. Decker, Professor, Aktuar. A. Weber, Kulturingenieur.

Naturschutzkommission. Dr. Hch. Tanner, Präsident. Dr. Leisi, Aktuar. E. Osterwalder.

V. Schilt. Ehrenmitglieder (10).

-Keller C., Dr., Professor der Zoologie an der Technischen Hochschule

in Zürich 7 (seit 1880).

Müller-Thurgau, Prof. Dr., Direktor der Weinbau-Versuchsstation in Wädenswil (seit 1388).

Grubenmann U., Dr., a. Professor der Mineralogie an beiden Hoch- schulen in Zürich 7, (seit 1893).

Früh J., Dr., Professor der Geographie an der Technischen Hochschule in Zürich 7, Freie Straße 6 (seit 1904).

Engeli J., alt Sekundarlehrer, in Ermatingen (seit 1912).

Graf F., alt Sekundarlehrer, Weinfelden (seit 1914).

Bächler E., Dr., Museumsdirektor, St.Gallen (seit 1916).

Schmid A., Kantonschemiker in Frauenfeld (seit 1917).

Ammann Ad., zum Algisser, Frauenfeld (seit 1918).

Guhl Ed., a. Bezirksarzt, in Steckborn (seit 1918).

Ordentliche Mitglieder (215).

Eintritt

Aebli-Iselin, Fabrikant, Sirnach . : Ä ; 1916 Ackermann, Kantonsrat, Neukirch- Egnach i : 1921 Altwegg, Dr., Regierungsrat, Frauenfeld . ; : 1918 Ammann-Bolli, Frauenfeld . I, 5 3 5 ; 1920 Ammann, Tierarzt, Frauenfeld . : - ; h 1908 - Ammann, W., Ermatingen . : 3 : : i j 1911

Annasohn, Kantonsrat, Uttwil . $ i E 3 Ä 1921

204

Ausderau, Dr. med., Märstetten .

Bach, Inspektor, Kefikon

Bach, Sekundarlehrer, Romanshorn : Bachmann E., Seminarlehrer, Kreuzlingen . Baldin, Lebensmittelinspektor, Frauenfeld . Bauer E., Dr. med., Sirnach

Bäumli, Kantonsrat, Oberhausen

Bäumlin J., Dr. med, Altnau

Berger, Dr., Zahnarzt, Frauenfeld

Beuttner E. Dr., Zollikon-Zürich

Binswanger L,, Dr. med., Kreuzlingen. Binswanger Kurt, Dr. med. Bellevue Kreuzlingen Bischof, Kantonsrat, Buhwil i ; Böhi, Dr. med., Frauenfeld .

Böhi, Kantonsrat, Au.

Bornhauser, Dr. vet., Weinfelden

Bovet F., Dr. med., Neukirch 1. Bons Brauchli, Dr. med., " Kreuzlingen 5

Brauchli Robert, zum „Ziegelhof“, Berg Brenner W., Architekt, Frauenfeld

Brodtbeck A, Zahnarzt, Frauenfeld

Brunner K., Dr. med., a. Spitaldirektor, Münsterlingen Brunnschweiler E., Artillerie-Hauptmann, Hauptwil Büchi, Kantonsrat, Aadorf .

Collaud 1b; DB, Bezirkstierarzt, Dießenhofen Dannacher" S, Prof. Dr., Frauenfeld

Debrunner H., Oberstlieutenant, Ermatingen Debrunner, Telephonchef, Frauenfeld .

Decker, K., Professor, Frauenfeld

Deppe H., Stadtgeometer, Frauenfeld .

Deutsch, Kantonsrat, Romanshorn : 5 Eberli, Dr. phil., a. Seminarlehrer, Kreuzlingen . Egloff, Dr. med., Kann

Eisenhut, Bezirkstierarzt, Affeltrangen

Elsener, A, Direktor, Arbon i

Enz, Dr. med,, Weinfelden 3

Etter P., Forstmeister, Steckborn

Fehr, Nationalrat, Mannenbach .

Fehr, Kantonsrat, Amriswil

Fehr V., Oberst, Karthause Ittingen

Fischer, Forstmeister, Romanshorn .

Fischer H., Sekundarlehrer, Bischofszell

Forster M., Lehrer, Basadingen . -

Frey, Dr. vet, Weinfelden .

Freyenmuth Ö,, Architekt. Frauenfeld

Fritschi, Dr. med., Kradolf..

Gamper, Kantonsrat, Sulgen

Gebhart, Dr. med., Emmishofen

Gebhart, Kantonsrat, Wigoltingen

Eintritt 1919 1911 1915 1902 1909 1915 1921 1902 1905 1921 1912 1920

1921 -

1919 1921 1919 1919 1919 1908 1897 1892 1896 12

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1919 1905 1921

1899

1918 1913 1921 1594 1905 1919

1919

1919 1900

1921:

1921 1886 1908

-1905

1921 1919 1919

19198

1921 LEG) 1921

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205

Eintritt

Geiger E., Sekundarlehrer, Hüttwilen 3 3 1916 Geißbühler, Sekundarlehrer, Amriswil - 4 { : 1920 Gremlich, Sekundarlehrer, Arbon : ; Ä : » 1918

Greyerz Th., Dr., Professor, Frauenfeld . R : 1914

Gsell J., Dr., Bezirkstierarzt, Romanshorn . R ; : 1901

Gubler, Bezirkstierarzt, Frauenfeld . r \ ; ! 1908 Günthart Dr. Professor, Frauenfeld . 5 : J E 1920

Gyr, H., Fabrikant, Frauenfeld . ; ; \ E 1918

Haab, Dr. med., Romanshorn . i ß £ ; 1919

Haffter, Apotheker, Weinfelden . : $ 1918 Hagenbüchle, Obergerichtspräsident, Frauenfeld . ; : 1921

Halter A., Oberst, Grüneck Ä ; Ä ; 1920 Hanhart, Bezirksstatthalter, Steckborn ; . $ ; 1908 Hanselmann, Sekundarlehrer, Aadorf . Ä i 3 i 1915 Hartmann C, Dr., Chemiker, Frauenfeld . ! ; 1920

Herdi, Dr., Prof., Frauenfeld . s ; 1919 Hofmänner, Dr» Prof, La Chaux-de- Fonds b i ! 1918 Holzgang, Dr. med., Eisschlikon . ; : $ 1919

Huber, Ad., Bezirkstierarzt, Kreuzlingen . ; Ä ; 1919

Huber, Gemeindeammann, Heldswil . ; - - 1919

Huber, Notar, Erlen . s ; x : : 1592

Huber, Sekundarlehrer, Wattwil . 2 £ ; A 1911

= Huber, Th., Postbeanter, Frauenfeld . : i : 1920 Br Hugentobler, Bezirkstierarzt, Birwinken . : h ; 1919 Huggenberger, Kantonsrat, Gerlikon . s Ä 2 £ 1921 E; Jahn Hermann, Gerlikon . 3 2 : ; 5 3 1919 h Joachim, Drogerie, Ermatingen . ; ; 3 : ; 1919 2 Joß, Pfarrer, Koppigen (Bern) . i : E L ; 1911 = Isler, Dr. med., Frauenfeld . 3 } B 2 1890 ee - Kaiser-Saurer A., Arbon . : : e $ i S 1920 e:’ Kappeler-Ammann, Frauenfeld . ; x ; h 1902 Ei Kappeler-Leumann Hans, Frauenfeld . 2 i 5 e 1908 e: Kappeler Otto, Kaufmann, Frauenfeld ae IRA USDEL 3 . Kätterer, Prof., Frauenfeld . . 3 \ i : 1919 = Keller, Kisenhändler, Frauenfeld Ä : - 1386 b Keller-Bösch A;, Neuhausen am Rheinfall . } R £ 1916 Keller Jakob, Professor, Frauenfeld . 5 . z 5 1915

Keller Heinrich, Sekundarlehrer, Arbon . Ä : 1919

Keller Karl, Inspektor, Frauenfeld . ; ; 5 1920 Kesselring, Oberst, Bachtobel bei Weinfelden . i i 1358

Kim.K., a. Bahnmeister, Kurzdorff . : 3 3 { 1919 Klauser, Direktor, Eisenwerk, Frauenfeld . ; : 1920

: Kocherhans I Sekundarlehrer, Neukirch- Egnach , : 1918 Krayenbühl, Dr. med., Zihlschlacht . Ä 5 1919

Kreis E., Seminarlehrer, Kreuzlingen . { : ß 1900

Kriesi, Kantonsrat, Bischofszell . 5 | : $ 5 1921 Kübler-Wegelin E., Frauenfeld . : Ä ö ı i 1920 Kuchenbecker, Dr., Affeltrangen . \ , N 1919

Küng A., Dr., Luterbach (Solothurn) . ; h i i 1906

206

Laager, Major, Bischofszell .

Labhart, Dr., Chemiker, Basel, Missionsstraße 53 Lauchenauer, Prof., Frauenfeld 5 : i Leisi, Prof. Dr., Frauenfeld.

Leumann, Dr., Rektor, Frauenfeld

Leutenesger, Dr., Seminarlehrer, Kreuzlingen Leutenegger, Prof., Frauenfeld ü

Leuw, Dr. med., Bezirksarzt, Frauenfeld

List A., Sekundarlehrer, Birwinken

Löhle, Lehrer, Müllheim

Luder-Wiesmann, Bernrain .

Lüthi, Bezirksarzt, Bürglen .

Lüthi, Kantonsrat, Liebenfels

Meier, Dekan, Frauenfeld

Meier Emil, Dr., Ermatingen

Meier, Sekundarlehrer, Dußnang .

Meier R., Tierarzt, Amriswil ;

Merian, Oberstlieutenant, Frauenfeld .

Michel, Pfarrer, Märstetten .

Montigel, Dr., Wängi .

Mötteli, Frl. Olga, Frauenfeld .

Müller, Pyrotechniker, Emmishofen Müller-Sauter, Kantonsrat, Ermatingen

Nägeli, Dr. med. Ermatingen

Nägeli. Dr: med., Professor an der Universität Zürich Nägeli, Kantonsrat, Berlinsen .

Nagel, Dr, Gerichtspräsident, Bischofszell . Nater A, Major, Kurzdorf . 3 5 Oehninger, Privatier, Frauenfeld .

Oettli, Obereärtner, "Eugensberg .

Osterwalder, Dr. A., Weinbau- Versuchsstation, Wädenswil.

Osterwalder” 19% Sekundarlehrer, Bischofszell Österwalder I Ingenieur, F rauenfeld Pfister, Kantonsrat, Frauenfeld

Popp, Kantonsr at, Bischofszell

Reese, Dr. med., Rütlistraße 47, Basel Ribi, Sekundarlehrer, Amriswil

Ritzler, Dr. med., Münchwilen

Rüeger, Apotheker, Bischofszell .

Rüegger, Kantonsrat, Märstetten Rutishauser, Dr. med, Ermatingen . Rutishauser, Prof., Konviktführer, Frauenfeld Sarasin G. K Buchhändler, Frauenfeld Saurer, Hippolyt, Schloß Eugensberg ; Sauter P., Dr., Zahnarzt, Arbon

Schachtler W., Kaufmann, Bürglen Schellenberg E., Fabrikant, Bürglen Schenkel, Kantonsrat, Wellenberg

Scherb A., prakt. Arzt, Bischofszell

Eintritt 1918 1884

. 1919

1906 1911 1901 1919 1919 1915 1900 1908 1906 1921 1915 1904 1885 1919 1918

1896. =:

1919 1917 1919 1921 1884 1891 1921 1921 1921 1885 1919 1898

1892:

1894 1921 1921 1915 1904 1919 1916 1921 1919 1922 1920 1920 1921 1920 1908 1921 1901

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207

Scherb-Sallmann, Fabrikant, Häusern . Scherrer, Dr., Seminarlehrer, Kreuzlingen Schilt V., Apotheker, Frauenfeld Schiltknecht, Dr. med., Weinfelden Schiltknecht E., Elektrotechniker, Zürich Schirmer A., Dr. med., Eschenz .

‚Schläpfer, Dr. med., Tägerwilen i ? h Schmid E., Dr. phil., Prof. a. d. Kantonsschule St. Gallen .

Schmid, Regierungsrat, Frauenfeld

Schmidle, Prof. Dr., Direktor d. höhern Bür gerschule, Konstanz

Schmidlin O., Dr., Zahnarzt, Kreuzlingen Schönenberger, Tierarzt, Wänei : Schönholzer-Gremlich, Langdorf .

‚Schönholzer, Tiefbautechniker, Frauenfeld .

Schüepp, a. "Professor, Frauenfeld Schümperli J., Kulturingenieur, Frauenfeld

Schuster, Seminardirektor, Kreuzlingen Schweizer, Sekundarlehrer, Romanshorn

Schweizer J., Dr. phil., Dießenhofen Schwyter P. Rn Forstmeister, Frauenfeld Setz, Ingenieur, Arbon ; Spengler, Dr. med., Arbon .

Spengler, Kantonsrat, Lengwil

Spühl, Drogerie, Weinfelden

Spühler, Dr. med., Frauenfeld

Stark, E., Sekundarlehrer, Frauenfeld Stehrenberger, Kantonsrat, Affeltrangen Stein, Kantonsrat, Steckborn 5 Stierlin, Lehrer, Frauenfeld

Stierlin P., Fabrikant, Wängi . Stierlin, Dr., Chemiker, Münchwilen Straub, Kantonsrat, Hefenhofen . Studer Me Dr. med., Arbon

Tanner Heh,, Dr Professor, Frauenfeld Thalmann, E., Postbeamter, Frauenfeld Thalmann, Julius, Wannenfeld, Frauenfeld Thomann, Kantonsrat, Münchwilen Tobler, D., Konservenfabrik, Bischofszell Ullmann, Dr. med., Nationalrat, Mammern .

Vogler Otto, Dr. med., Frauenfeld

Vogt-Gut, Kantonsrat, Arbon 3 Wagner, Sekundarlehrer, Alterswilen . Walder, Dr. med., Frauenfeld

Wälli- -Sulzberger, "Direktor, Lenzburg

Wartenweiler, Dr., Sekundarlehrer, Weinfelden .

Waser, Kantonsrat, Altnau. Weber N, Kulturingenieur, Frauenfeld

Wegeli U, Dr., Bezirksstatthalter, Dießenhofen .

Wegelin H., 2. "Professor, Frauenfeld .

Eintritt 1918 1918 1882 1891 1917 1915 1919 1919 1920 1911 1919 1919 1921 1921 1583 1917 1908 1556 1919 1920 1921 1919 1921 11918) 1912 1918 1921 1921 1918 1918 1919 1921 SS) 1909 1918 1920 1921 1918 1906 1896 1921 1555 1908 1908 1919 1921 1908 1916 1874

Wehrli J., Gemeindeammann, Eschlikon, Wehrli 'Th., Sekundarlehrer, Thayngen, Widmer E., Dr., Tierarzt, Roggwil . Wild L., Straßeninspektor, Frauenfeld Wildbolz, Dr. med., Amriswil . Seh Wille, Dr. med., Direktor der Irrenanstalt Münsterlingen Wirz, Dr. med., Frauenfeld. FE na ERS Wüger, Kantonsrat, Hüttwilen . . & wz Zeller, Apotheker, Romanshorn N Zimmermann, Apotheker, Frauenfeld . . Zwweifel- Iselin, Fabrikant, Sirnach- ?

Zwicky- -Schieß, Fabrikant, Frauenfeld

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Statuten

der

Naturiorschenden Gesellschait des Kis. Thurgau.

$ 1. Zweck der Gesellschaft ist: Naturwissenschaftliche Erforschung des Thurgaus und Verbreitung naturwissenschaft- lieher Kenntnisse im Vereinsgebiet.

$ 2. Diesen Zweck sucht die Gesellschaft durch folgende

_ Mittel zu erreichen:

a. Abhaltung von Hauptversammlungen mit Vorträgen an wechselnden Orten des Kantons, von Exkursionen und von Vorträgen im naturwissenschaftlichen Kränzchen.

b. Ausgabe von „Mitteilungen“, von denen womöglich alle zwei Jahre ein Heft erscheinen soll, und. in denen naturwissenschaftliche Arbeiten über den Thurgau vor- zuwalten haben. Die Mitteilungen dienen auch zum Austausch gegen Publikationen anderer, ähnlicher Ge- sellschaften.

c. Unterhaltung von Lesezirkeln mit naturwissenschaftlichem und geographischem Lesestoff.

$ 3. Die Gesellschaft besteht aus ordentlichen und Ehren- Mitgliedern. Ueber die Aufnahme der erstern entscheidet der Vorstand, die letztern werden von der Gesellschaft ernannt.

$ 4. Die Höhe des Jahresbeitrages und der Entschädigung für Benutzung des Lesezirkels werden von der Hauptver- sammlung festgesetzt.

Durch Bezahlung eines einmaligen Beitrages von mindestens 150 Franken wird die lebenslängliche Mitgliedschaft erworben und nach 40jähriger ununterbrochener Mitgliedschaft hört die Verpflichtung zur Leistung der Jahresbeiträge auf.

- $ 5. Die Gesellschaft wählt auf die Dauer von zwei Jahren einen Vorstand von neun Mitgliedern in geheimer

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Abstimmung. Die Wahl des Präsidenten geschieht durch die Gesellschaft, im übrigen konstituiert sich der Vorstand selbst.

$ 6. Es liegt in der Kompetenz des Vorstandes, älteren Lesestoff zu Gunsten der Gesellschafts-Kasse zu veräußern und mit andern Vereinen oder Behörden Verträge über Benützung und teilweise Abtretung der Bibliothek abzuschließen.

$ 7. Jedes Jahr findet eine Hauptversammlung statt. Zu derselben werden die Gesellschaftsmitglieder persönlich ein- geladen. Auf Begehren eines Viertels der Mitglieder ist der Vorstand gehalten, eine außerordentliche Versammlung ein- zuberufen.

8 8. Zur Gültigkeit eines Beschlusses ist die absolute Mehrheit der anwesenden Mitglieder erforderlich; bei Gleich- heit der Stimmen entscheidet der Präsident.

$ 9. Gäste können von jedem Mitgliede der Gesellschaft in die Versammlungen eingeführt werden.

$ 10. Die Gesellschaft bildet eine Zweiggesellschaft der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft; sie anerkennt deren Statuten als für sich verbindlich und ordnet in den Senat derselben ihren Präsidenten ab.

Die Mitglieder der Thurgauischen Naturforschenden Ge- sellschaft sind als solehe nicht gleichzeitig Mitglieder der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft. Die Aufnahme in die letztere erfolgt unabhängig von der Mitgliedschaft der Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft.

$ 11. Im Falle einer Auflösung der Gesellschaft geht das gesamte Vermögen ins Eigentum des kantonalen Museums über. Die Gesellschaft wird als bestehend betrachtet, so lange fünf Mitglieder derselben angehören.

8 12. Gegenwärtige Statuten können nach vorausgegangener Beratung durch den Vorstand in jeder Hauptversammlung abgeändert werden.

Angenommen in Frauenfeld am 6. November 1920.

Der Präsident: H. Wegelin. Der Aktuar: C. Decker.

Reglement für die Mitteilungen.

1. Die Naturforschende Gesellschaft veröffentlicht in der Regel alle zwei Jahre ein Heft ihrer Mitteilungen.

2. Der Vorstand entscheidet auf Antrag des Redaktors über Umfang und Kosten des Heftes und die Aufnahme der einzelnen Arbeiten, insbesondere über die Anzahl der aufzunehmenden Bilder und Verteilung der bezüglichen Kosten,

3. Die Mitteilungen veröffentlichen naturwissenschaftliche Ori- ginalarbeiten ihrer Mitglieder, ausnahmsweise auch solche von Nicht- mitgliedern, sofern deren Inhalt das Gebiet des Thurgaus betrifft oder von allgemeinem Interesse ist.

4. Die für den Druck bestimmten Arbeiten müssen in leicht lesbarer Schrift in fertiger Form und mit zugehörigen Bildern recht- zeitig dem Redaktor eingeliefert werden.

5. Für den Inhalt der einzelnen Arbeiten ist der Verfasser ver-

antwortlich.

6. Der Verfasser besorgt die Korrektur seiner Arbeit selbst und trägt die durch seine nachträglichen Aenderungen oder durch un- deutliche Schrift entstehenden Kosten.

7. Jeder Verfasser hat Anspruch auf 50 Sonderabzüge ohne

- Neupaginierung und Umschlag.

® Der Verkaufspreis einzelner Hefte ist mindestens einem Jahres- beitrag gleichzusetzen.

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