34€ Pflanzen und Thiere .. f des tropischen America, N aturgemaäalde Dr. C. F. Pu. von Marrtivus Mo. Bot. Garden 1897. Mit vier lithographischen Tafeln. (Besonders abgedruckt aus der grössern Ausgabe der Reise in Brasilien, HI. Theil.) München, 1831, bei dem Verfasser. Leipzig, in Comm. bei Friedr. Fleischer. Die Pflanzen und Thiere des tropischen America. Die Natur, wie sie sich vor dem Auge des Betrachters entfaltet, kann nicht ohne den . Menschen gedacht werden. In ihm hat sie das herrlichste Werk ihrer Schöpfungen auf Erden dargestellt. Als Maassstab und Gesetz ragt er über Alles und Jedes hervor, und ge- gen ihn, als das edelste Vorbild, drängen sich alle Gestalten heran, beherrscht von dem eingebornen Triebe nach unendlicher Entwickelung und Veredlung. Dieser Trieb ist die Wehmuth der Schöpfung, von der ein tiefer Denker unserer Zeit gesprochen hat, und Je- der, der mit freiem Auge sieht, wird sie anerkennen. Nur wenn sich der Blick zur-Un- endlichkeit des Sternenhimmels .aufrichtet, wenn er an dem fernen Lichte der Sonnen haf- tet, oder sich in jenen dunklen Räumen verliert, aus denen das Geheimniss ewiger, uner- forschlicher Nacht auf uns herniederschaut — fühlt sich der"Mensch der Sphäre dieser irdischen Sehnsucht entrückt, und der Eindruck höchster Ordnung, reinster Harmonie, un- begrenzter Grösse hebt ihn in jene heitere Region, die, unberührt von Schmerz und Lust, Ziel und Hoffnung unseres Geschlechtes ist. Die Theile der Naturforschung, welche jene Bewohner der Erde, Pflanzen und Thiere, zum Gegenstande haben, müssten daher eine dauernde Quelle schwermüthiger, ja ‘schmerzlicher Betrachtung seyn, wohnte nicht in jedem Geschöpfe ausser jener Sehnsucht nach einem höhern, mehr entwickelten. Wesen eine so ruhige und kräftige Freude an dem Daseyn. Diese ist es, welche der Form besondere Hal- tung und Kusdrackg der Gebärde einen eigenthünlichen Sinn, dem ganzen Leben und Thun einen vollständigen Charakter, eine specifische Physiognomie verleiht; und in der Darstel- lung dieser Beiönderlieiren zeigt sich jedes organische Geschöpf gerade so, als wäre es nur für sich, nur um seiner selbst willen, . vorhanden, als hätte es allein sich des Lebens zu erfreuen. Der Mensch, durch seine Gegenwart gleichsam das rd zu allmäliger ‚Verän- Mo. Bot. Garden, 1897. 2 derung und Veredlung dessen vorbildend, was er in geistiger Ueberlegenheit beherrscht, tritt hier den übrigen Geschöpfen feindlich entgegen; scheu ziehen sich diese vor ihm zurück, und solche, die längere Angewöhnung an ihn gefesselt hat, erscheinen, der freien derben Lust des Daseyns verlustig, oft wie krankhaft in seiner Nähe, indem an ihnen das Streben noch um so offenbarer wird, ein unerreichbares Vorbild darzustellen. So entsteht ein un- ‚ abweisslicher Gegensatz zwischen der Geschichte des Menschengeschlechts und dem Suill-le- ben der vielartig;ı Gestalten des Thier- und Pflanzenreiches. Je vollkommner und mensch- licher sich jene in der Bildung, Entwickelung und im Conflicte der Völker gestaltet, um so gewaltiger zerstört sie das ursprüngliche Leben dieser, Die Civilisation, welche die Oberfläche des Erdbodens umformt, sie vertreibt zugleich, sie verändert, vernichtet die schwächeren Geschöpfe ; unersättlich, am Ende selbst dieHumanität bedrohend, reisst sie die ganze Natur um sich her in ihren mächtigen Strudel hinein. Wir kennen gegenwärtig nicht einmal das Vaterland jener dem Menschengeschlechte befreundeten Pflanzen und Thiere, welche sich uns im Laufe der Jahrhunderte zinsbar unterworfen haben. Europa, der Heerd gewaltiger Er- schütterungen in der Geschichte der Völker, besitzt gleichsam nur Flüchtlinge und Reste aus an ‚dem ursprünglichen Leben seiner Pflanzen- und Thierwelt. Ganze Formationen des frühe- ren Lebens hat der Zorn himmelstürmender Giganten, verkohlt oder versteinert, der Erde wiedergegeben; jene Kinder früherer Jahrtausende ‚hingegen, welche, der furchtbaren Kata- Ps strophe entronnen, noch jetzt auf dem europäischen Boden hausen, wir finden sie harmlos und sich selbst angehörend nur noch auf den Höhen der Alpen, wo die Freiheit wohnet, oder zu dunklen Urwäldern vereinigt, und in den Sümpfen, die bis jetzt der umgestaltenden Menschenhand getrotzt haben. Gering nur an Zahl sind jene Pflanzen, die, auf andere Weise selbstständig, gleichsam den menschlichen Fleiss verhöhnend, als Unkräuter in seine Culiuren sich eingedrängt, und da ein neues Vaterland erworben haben. America dagegen ist ein unberührter Boden. Hier hatten nur wenige Bergvölker, zu Monarchien und Hierarchien entwickelt, angefangen, einen umbildenden Einfluss auf ihre Erde und deren Bewohner zu äussern; sie selbst sind jetzt verdrängt, ja verfolgt von den Ankömmlingen aus Osten, und noch unentweiht von -Civilisation liegt der grösste Theil des ungeheuern Continentes vor uns; auf ihm erneuern von Jahr zu Jahr Pflanzen und Thiere in angestamm- ter Weise die ruhigen Begebnisse ihres einförmigen Lebens, bis die Geschichte des Men- schen, unaufhaltsam voranschreitend, auch ihnen ein Schicksal anweissen wird. Man kann daher jetzt noch von einer ursprünglichen Physiognomie Ameri- ca's sprechen; und insbesondere ist es das grosse, die verschiedensten Rlimate umfassende Brasilien, wo sich die eingebornen Schöpfungen in ihrer vollen Eigenthümlichkeit darstel- len. ‘Die Pflanzen sind das Kleid der Erde; durch die Unveränderlichkeit ihres Wohnorts, durch die Leichtigkeit ihrer Vermehrung und die Fülle, womit sie sich hier ausbreiten, endlich durch den magischen Einfluss, welchen sie überhaupt auf das Gemüth des Menschen aus- üben, werden sie gleichsam der Abdruck des ganzen Lebens in diesem Welttheile. Die Thiere, unstät hin und her schweifend, fesseln nur vorübereilend in dem dichten Urwald öder auf der unübersehlichen Grasilur die Blicke des Beobachters; sie vollenden zwar das Bild dieser eigenthümlichen Schöpfung, aber in dem gewaltigen Sull-leben der Vegetation scheinen sie mit @iner untergeordneten-Rolle zufrieden. 3 Wie das Pflanzenreich in der Vereinigung seiner verschiedenen Gestalten der Erde Brasiliens einen allgemeinen landschaftlichen Charakter verleiht, wie Wal d Flur, aus dem Zusammentritte der vielseitigen Menge gebildet, unter besondern Einflüssen des Klima und des Bodens sich zu gewissen Hauptformen entwickeln, in welcher Ausdehnung und un- ter welchen Verhältnissen diese in gegenseitiger Begrenzung wechseln, habe ich bereits an einem Orte darzustellen versucht*); — hier nun möge mir der freundliche Leser auf entge- gengesetziem VVege folgen , und diejenigen Pflanzenformen im Einzelnen kennen lernen, welche, bezeichnend für die Physiognomie Brasiliens, und somit gewissermaassen des gan- zen tropischen America, vor allen eine genauere und von der Phantasie fassliche Beschrei+ bung verdienen. € ©: Jede Gestalt im Pflanzenreiche, die einfachste wie die zusammengesetzteste, wird durch dasjenige Organ bestimmt, welches wir mit einem allgemeinen und vieldeutigen Na- men das Blatt nennen. Nicht nur, dass esBlätter sind, die, nach einer wundervoll gesetz- mässigen Metamorphose umgebildet, sich zu den zarteren Formen der Blumen gestalten, und aus denen endlich die Frucht hervorgeht, die, ebenfalls ein oder mehrere umgewan- delte Blätter, den Bildungsgang des Gewächses momentan oder für immer hemmt, so ist auch das gesammte Gerüste, an welchem sich die Blätter erheben: — derHalm des Gra- ses, der Strunk des Farnbaums, der Schaft einer Palme, der Stamm des Eichbaumes, — das naturgemässe Resultat eben jener vielgestaltigen, sich in mancherlei Successionen überein- ander erhebenden Blätter. Da wo diese Blätter mit der sie tragenden Achse (bei der er- sten Entwickelung,, aus dem Saamen, mit dem Mittelkörper des Keims) verbunden sind, aus. dem sogenannten Knoten, entwickeln sie, jedes für sich, eine neue Succession ähnlicher, nach Oben hin metamorphorsirter Blätter, und Stamm und Aeste, nach und nach durch gleichzeitige Ablagerung vonZellen, Esch und Gefässen zu festem Holze verdichtet, mächtig in Länge und Breite gedehnt, sind der derbere, beständige Grundbau, erzeugt zugleich mit dem gesetzmässigen Spiele der Wanderung und des Wandels vorübergehender Blätter. So . erscheint uns jede Gestalt im richt als das verkörperte Bild einer geheimnissvollen Magie, womit, in jedem Gewächse nach eingebornem Drange, die hinfälligen zarten Blätter hervortreiben, und, verwandelt oder nicht, aus ihrem Schoosse zeugend oder unfruchtbar, wieder vergehen. Ein grosses Gesetz der Bewegung des ursprünglich Einförmigen schafft jenes bunte, heitere, Gemüth erhebende Kleid der Erde — die unschuldige Pflanzenwelt. Wenn somit unser Sinn von dem allgemeinen Umrisse des mächtig verästeten Ulmbaums, der freiemporstrebende Palme, des im Winde schwankendenRohres gefesselt wird, wenn die Farbe in der überschwenglichen Fülle grünen Laubes oder in der - Pracht schimmernder Blumen auf unser Gemüth wirkt, so liegt unserer Anschauung ein dunkles Gefühl von der herrlichen Einheit er: Harmonie der Architectur zum Grunde, womit . Pflanzen sich aufbauen. Diese allgemeine Betrachtung dürfte einleitend hier am rechten Orte seyn, wenn wir die Hauptformen des Pflanzenreiches genauer bezeichnen wollen, die den landschaftlichen *) Die Physiognomie des Pflanzenreichs in Brasilien, eine akademische Rede. München 1324. u: - Du 4 Charakter im ‚tropischen America, insbesondere in Brasilien, bestimmen. Ihr Totaleindruck hängt zuerst van der Grösse und dem Umfange des ausdauernden Gerüstes, von seiner Ver- theilung (Verästelung) und Richtung, dann von der Belaubung, dem hinfälligen Kleide ab, womit manche Gewächse ohne Ihieibrödiass, andere nur zu gewissen Zeiten+geschmückt sind. Blüthen und Früchte, nur periodisch an der Pflanze erscheinend, nehmen nur dann an dem malerischen Charakter (an dem Habitus oder der Tracht) Theil, wenn sie in grosser Zahl und Masse hervortreten, - Bekanntlich theilen die Botaniker das gesammte Gewächsreich nach der des Saamens in drei grosse Gruppen: die Dicotyledonen, Mono - und Acotyledonen, d. h, Pflanzen mit zwei, mit einem Keimlappen und ohne denselben. Von den letzten, grossen- theils kleinen, unansehnlichen und holzlosen Gewächsen, wie die Moose, die Flechten und Pilze sind, kann hier keine Rede seyn, denn sie bestimmen den landschaftlichen Charakter nicht. Die andern Hauptabtheilungen werden auch Exogenen und Endogenen genannt: ‚erstere "Gewächse, die ringsum in der Peripherie des EEE und der Aeste mit Jahrringen wachsen, letztere solche, die ohne getrennte concentrische Lagen anwachsen. Jene sondern eutli lich =” N von en Holz und Mark von einander ab; diese enthalten die ein- zelnen Y lexe) von Zellen, Fasern und Gefässen Se organische Grenzen unter einander. Der he Ha der Posi, d. h. die Art in welcher sich die Elementarorgane gegenseitig verbinden und ausschliessen, steht in einer wefentlichen Beziehung namentlich zu der Stellung und dem Baue der Blätter und dadurch zu der äussern Tracht, so dass wir Ä füglich die physiognomische Betrachtung der Hauptformen auf jene Grundabtheilung in Mono- und Dieotyledonen zurückbeziehen. Folgende Pflanzenformen nun treten in dem landschaft- lichen Gemälde des tropischen America am bedeutungsvollsten und am häufigsten hervor: aus der Glasse der Monocotyledonen oder Einsaamenlappigen Gewächse: die kraut- und baumartigen Gräser, die baumartigen Lilien und Agaven, die Ananasstauden (Bromeliaceae), die Orchideen (Stendeln), die Arongewächse (Aroideae), die Würzschilfe (Scitamineae), die Bananen- oder Pisanggewächse, die Palmen; — aus der Classe der Dicotyledonen oder Zweisaamenlappigen Pflanzen: die (Zapfenbäume Nadelhölzer), die Bäume der Sceufer - oder Mangrovewaldung,, die Nopaleen (Cactusgewächse) , die Kürbissbäume und die baumartigen Nesseln (Urticaceae), die verschiedenen Buschtaue oder Lianen, die Lorbeer- und Myrten- bäume, die parasitischen Gutti-Gewächse ;' die dickstämmigen Wollbäume (Bombaceae) , und die fiederlaubigen Hülsenfrüchter. Hier sind endlich noch die Farn zu nennen, jene in der Bildung seltsam schwankenden Gewächse, die von den meisten Botanikern zu den Acotyle- donen gerechnet werden, Die Gräser (Gramina, Plantae gramineae). Wem wären wohl diese Gewächse Anbekannt: welche in der innigsten Beziehung zu der historischen Entfaltung unseres Ge- schlechtes stehen? Der Dienst jener sanften, Swahlhälgen Ceres, deren Pflug die früheste Menschheit zu Geselligkeit und Sitte verband, ist seit Jahrtausenden die Aufgabe der Staa- ten geworden, und jene an Nahrungsstoff reichen Gräser, die Gerealien, erneuen in jedem Frühlinge den alten Bund der ‚Völker mit der Erde. Die grünende Saat und das goldne Erndtefeid, bedeutungsvolle Anschauungen für Sinn undGemüth, symbolisiren in ihrem jähr- [4 i 5 lichem Wiederkehren die fortschreitende, mehr und mehr sich ausbreitende Civilisation, Stetigkeit, Frieden und Glück der Nationen. Die Cultur dieser segensreichen Pflanzen ver- liert sich im fernsten Dunkel der Mythe. In diesem schon Jahrtausende alten Umgange mit den Menschen scheinen sie die ursprüngliche Selbstständigkeit verloren zu haben: sie vermehren sich unter der pflegenden Hand des Ackerbaues, und erhalten sich nur mit Mühe im Zu- stande der Verwilderung. Bemerkenswerth ist hiebei, dass in demselben Maasse, als That- sachen bekannt werden, die auf die Existenz mehrerer Uryölker in den verschiedenen Welt- theilen hinweissen,, auch als Begleiter derselben verschiedene Cerealien erscheinen. So sehen wir in frühster Zeit bei den Völkern Nordasiens und Europa’s, die Cultur des Hafers, der Gerste und des Weizens; gleiche Stelle vertreten Reis und Hirse im südlichen Asien und dessen Archipel, von wo aus sie sich über die andern Welttheile verbreitet haben; in Africa herrscht seit undenklichen Zeiten der Anbau der Mohrenhirse (oder des Sorggrases, Sorghum), und in America ist das sogenannte türkische Korn (Zea Mais) von den antilli- schen Inseln (wo es in der Sprache von Cuba. Maiz hiess) bis auf die Hochgebirge am See Titicaca, der Wi iege einer uralten Civilisation rother Menschen, schon längst verbreitet ge wesen, als die neue Welt sich dem Osten aufschloss. Ein gemeinschaftlicher Charakter alle dieser Culturpflanzen ist die Mannichfaltigkeit in ihrer Bildungsrichtung , wodurch, wie bei allen übrigen Gewächsen und Thieren mit denen sich die Menschen schon lange be- schäftigen, so zahlreiche Varietäten entstanden sind. Bei diesem verjährten Umgange mit -den ‚Cerealien könnte es auffallen, dass Manches in der organischen Bildung der Gräser erst neuerlich richtig aufgefasst und gedeutet worden ist, — wäre diess nicht überhaupt der Fall mit allen Pflanzen, denen sich lange Zeit hindurch die phantasievolle Anschauung der Forscher, bewundernd vielmehr und liebend, als durchdringend und erklärend zugewendet hatte... Ein Halm, durch solide, hervorspringende HKnoten gegliedert, an diesen besetzt mit abwechselnd stehenden, scheidigen, nach Oben bandförmig gestreckten Blättern; statt wahrer Blumen: Spelzen, d.i. eine Metamorphose der Blattscheiden, die, an sehr zusammengezoge- nen Achsen in einander gefügt, Staubfäden und Griffel enthalten — diess ist die organische Bildung der Gräser. Das Wesentliche ihres Totaleindruckes beruht daher nicht in der Fülle und Grösse der Blätter oder in dem Glanze der Blumen, sondern in der Schlankheit und Schmiegsamkeit der Halme, in dem weichen oft bläulichen Grün der schmalen Blätter, und in der Gruppirung jener bescheidenen, aber körnerreichen, Aehren und Rispen, zu welchen die Spelzen vereinigt sind. Bei uns erreichen diese- Pflanzen nur eine geringe Höhe; sie sterben alljährig ganz oder doch im oberirdischen, krautartigen Theile ab. So erhält die europäische Landschaft einen eigenthümlichen Charakter durch die Vereinigung vieler Individuen zu Wiesen, Triften oder Feldern. Im tropischen America hingegen erweckt eine kräftige Sonne die Halme zu baumartigem Wuchse; bald ragen sie senkrecht auf dreissig und mehr Fuss in die Höhe, bald krümmen sie sich, unter der Last ihrer Blätter, oder niedergedrückt vom „benachbarten Walde, gleich ländlichen Triumphbögen, abwärts. Diese Grasschafte von hellem Eee Grün oder fast weiss wie Elfenbein, vom Ansatze der Blätter geringelt, erhalten bisweilen, die Dicke eines Mannsschenkels, und ihr Holz wird fest und dichte, wie das unserer Bäume, Der Bewohner der Tropenländer kann sie zu Pfosten und Dachsparren verwenden. Nach Durchbohrung der Querscheidewände, als Röhren zu unterirdischen Wasserleitungen tiage- graben, dauern sie viele Jahre lang aus. Die Lymphe, welche sich im Innern der Schäfte * ’ Di 6 ansammelt, verdichtet sich zuweilen zu einem harten Kiesel, dem sogenannten Tabaschir. Die Glieder dieser colossalen Rohre (in der Tupisprache Tagodras), wechseln in der Länge von einem zu drei Fuss. Im Hausrathe der Indianer dienen sie mancherlei Zwecken, zur Aufbewahrung von Flüssigkeiten und F ederschmuck, als Köcher, Zunder - Tabaksbüchsen u. s. w An den Quellen längs der Strassen durch die Urwälder findet man oft ein solches Rohr, von einem bedächtigen Reisenden statt des Bechers für die Nachkommenden gestiftet, Durch junge Triebe und unterirdische Seitensprossen — Bildungen, denen ähnlich die wir unter dem Namen der bengalischen Rohre von Bambusa arundinacea ($. unsere Abbild. Tab. II. F. xım.) aus ÖOstindien erhalten, — oder durch dichte im Quirl stehende Aeste erwachsen die Baumgräser zu undurchdringlichem Gebüsche. Oft verkümmern die, seitlich oberhalh der Ringe ausbrechenden, Aeste zu mächtigen Stacheln, wodurch das Eindringen in diesen vegetabilischen Wall noch mehr erschwert wird. Onzen und andere Raubthiere. wählen darum dichte Rohrgebüsche zum schützenden Aufenthalte, und die Indianer umgaben ehemals ihre Wohnungen mit solchen Hecken, durch welche sich der überfallende Feind schwerlich Bahn machen kann, ohne entdeckt zu werden. So sind die Gräser, bei uns Pfleglinge des Friedens, in den üppigen Tropenländern zum Schutz gegen Mord und Krieg erwachsen, Die grössten und festesten dieser Baumgräser gehören der Gattung Bambusa an. Bambusa Tagoara*) (S. Tab. 1. Fig. ıx.) bildet hohe Gebüsche im Urwalde, wo sie nicht in den tie- fen Niederungen, sondern in einer beträchtlichen Erhebung über dem Niveau des Meeres, zwischen 1800 und 2000 Fuss hoch, gleichsam eine Zone bildet, bald allein, bald mit baum- artigen Farn vereinigt. Bumbusa latifolia (Tab. I. v. £. 2.) ist es vorzugsweise, die die vegetabilischen Wälle am Amazonenstrome und am Yupurä ausmacht. Andere Arten woh- nen in minder heissen Gegenden; sie steigen in die Hochgebirge hinan, und bilden dichte Gehäge auf den Bergmatten: so der Chusque (Chusquea scandens, Runth.) in Bogotä und Quito; Rettbergia bambusoides Raddi, auf den granitischen Gipfeln der Seecordillere, und Arundinaria pinifolia, Nees. auf den goldreichen Quarzschiefergebirgen im Innern Brasi- liens., Minder colossale Formen sind jene Arten von Rohren (in der Tupisprache Tabocas), aus denen die Indianer ihre Pfeile bereiten (Gynerium saccharoides, RKunth. und G. par- viflorum, Nees. Tab. I. v. £. 1.); doch bilden die, gleich Federbüschen herabnickenden Rispen, am Ufer der Gewässer oft in unabselibaren Reihen vereinigt, einen ganz eigen- thümlichen Zug in der Physiognomie jener Landschaften. Yon ähnlicher Bildung ist das Zuckerrohr (Saccharum officinarum, L., Tab, I, ı? 3.), und seine Pflanzungen, von Wei- tem unsern Aechrenfeldern gleichend, erfreuen den Blick des europäischen Wanderers, in- dem sie ihm ein Bild vaterländischen Fleisses vorführen. Wahr singt ein Dichter Brasi- liens (Prudentii Amaralii de sacchari opifieio carmen): — Juvat arva videre Consila arundinibus, vento crispante procaci ” ®) Nees ab Esenbeck, Agrostographia brasiliensis (oder Martius ‚ flora brasil. Vol, Das Vorkommen dieses Bambusrohrs in einer bestimmten Höhe auf der Serra doM zen von Rio de Janeiro, Espiritu Santo und S. Paulo haben wir auf der Vegetation die den 2ten Theil unseres Reiseberichts begleitet. 2.) p. 532. — ar in den Provin- skarte dargestellt, % * # Undantem segetem, sinuosa volumina toto dequore ut agglomerent, vel cum flat mollior aurä, Et leni aspirans ludit per inane susurro Campus ut obstreperis nutans horrescat avenis. In = Feldern von Reis und Mais begegnet dem Europäer keine ungewöhnliche An- schauung, und in den künstlichen Pflanzungen des sogenannten Angola-Grases (Panicum spectabile, Nees.) findet er ein Bild unserer Wiesen; aber eigenthümlich sind jene dichten, oft mul, Reihen weicher, schmiegsamer Gräser, die an den sandigen Ufern der Flüsse her hen, sobald die Gewässer fallen, bei neuem Ansteigen der Fluth hingegen wieder unter Wasser gesetzt werden. Doch, es würde die Grenzen dieser Darstellung überschreiten, wollten wir uns hier auch über den physiognomischen Eindruck verbreiten, welchen die Formation der Gräser in der Vereinigung zahlreicher Individuen bedingt, woll- ten wir also von dem verschiedenartigen Charakter der sogenannten rauhen, der schö- nen und der sumpfigen Wiesen (Campos agrestes, mimosos, Perizes) in Brasi- lien, oder von den Eigenthümlichkeiten der Pampas in Buenos-Ayres, der Llanos am obern Orenoco und in Venezuela, der Pajonales zwischen dem Ucayale und Guallaga sprechen. Nur das Eine fügen wir hier bei, dass in der Vereinigung dieser Gewächse zu ‚Fluren, neben den eigentlichen Gräsern und mancherlei verschiedenartigen Kräutern, noch eine andere verwandte Pflanzenfamilie auftritt, ebenso mannichfaltig an specifiken Formen und eben so üppig in Erzeugung von Individuen: die Riedgräser (Cyperaceae), die in Eu- ropa am stärksten durch die Gattung der Seggen (Carex), vorzugsweise Bewohner von Sumpfwiesen und Brüchern, repräsentirt werden *). 2 Die Baumlilien und Agaven. Wir vereinigen hier einige Gewächsformen, die von den Botanikern zu. verschiedenen Gruppen oder Familien gerechnet werden, aber in ihrer Tracht vielfach übereinstimmen. Einsaamenlappige Pflanzen (Endogenen), bald ohne Stengel, und aus einem grossen Busche dicker, fleischiger oder faseriger Blätter einen baum- artigen Schaft treibend, dessen Aeste, gleich Candelabern ausgebreitet, zahlreiche lilienar- tige Blumen tragen; — bald einen einfachen oder unregelmässig verästeten Stamm bis auf zwanzig Fuss Höhe erhebend, der an seiner Oberfläche mit den Resten abgefallener Blätter versehen und davon geringelt ist, und zwischen langen, zu Büscheln vereinten Blättern stattliche Blumen trägt. Hierher gehört als die bekannteste Form die Agave americana, (gemeiniglich Alo& genannt, Tab. I, f. xyv.), welche, aus Mexico und den Antillen nach *) Viele Arten dieser Riedgräser gleichen im Wuchse unseren Binsen; andere, die Geiselgräser, Scleriae, schlingen sich bisweilen im Dickicht zu zähen, schneidenden Ranken auf; aber zur Baum. "form erheben sich diese Gewächse nicht. In Africa und Neuholland bilden auch die Restiaceen, eine dritte, den genannten ähnliche Pflanzengruppe, einen wesentlichen Zug in der Physiognomie; allein in America werden sie durch keine hervorragende Bildung repräsentirt. Die auffallendste Form kommt im Diamantendistriete vor: elesehsam ein strauchartiges Gras, mit stattlichen kugelrunden Dolden klei- ner weissen Blumenknöpfe. Wir haben sie, eine Art der Gattung Eriocaulen, L., auf der Tafel: Diamantenwäscherei Curralinho im Atlas abgebildet. ED Alm re s Europa gebracht, am Ende des sechszehnten Jahrhunderts zuerst von Cortusus in Padua gebaut, Zierde unserer Gärten geworden ist, und sich in den wärmern Ländern unseres Welttheils eingebürgert hat. Das eigentliche Mutterland der Agaven ist Mexico; dort herr- schen zahlreiche Arten in den heissen Landstrichen der Tierra caliente wie im gemässigten Hochlande (Tierra templada). Die gemeine Alo&, Maguey, vom Meere bis über 9000 Fuss Höhe ansteigend, liefert, reihenweise angebaut, das Nationalgetränk, Octli oder Pulque, der Mexicaner. In Südamerica, dessen Bewohnern jene Bereitung des gegohrnen Saftes un- bekannt ‚war, treten ähnliche Formen (Fourcroya gigantea und cubensis) häufiger auf. Aus den colossalen Schäften aller dieser Gewächse bereiteten die Tupi- und Caraibenstämme grosse Tabacksrohre, deren sie sich bei festlichen Gelegenheiten und Exorcismen bedienten, und die Pflanzen heissen davon (vom Tupiworte piter, rauchen) Pita, ein Name, der nach Europa übergegangen. Man findet diese grossen Liliengewächse nicht im Schatten feuchter. Urwälder, sondern auf sonnigen Höhen, auf steinigen heissen Ebenen, bald einzeln, bald zu grossen Haufen vereinigt. Ihre dicken, fleischigen Blätter, auf allen Flächen mit ein- saugenden Poren versehen, stehen einem kräftigen Athmungsprocesse vor, und erscheinen gleichsam als Behälter der nährenden Stoffe, während die, verhältnissmässig schwachen, Wurzeln nur wenig Nahrung aus dem festen Gesteine ziehen können. So wohnen die Aga- ven | Mexico's vorzugsweise auf den Malpays, schwarzen, zu Stein erhärteten und in langsa- mer Verwitterung begriffenen Lavaströmen. In Brasilien herrscht diese Pflanzenform, zu- gleich mit den Caetus, auf dürren Granit- und Kalkplatten in den Provinzen Pernambuco, Rio Grande do Norte und Ciara, wo die Decke von Dammerde wahrscheinlich durch eine allgemeine Katastrophe hinweggerissen worden ist. Eine verwandte Gewächsform, ebenfalls EI Cultur in unsern Gärten verbreitet, ist die der Yuccg (Y. Draconis, L., Ta b: 2; xıv. X, aloaefolia, L. Tab. I. £. üır.): einfache-oder verästete Stämme, dicht beschuppt mit Blattresten, an den Enden steife schwertförmige Blätter tragend, aus denen endlich grosse Trauben tulpenähnlicher Elumen hervorbrechen. Sie erscheinen nur nördlich vom Aequator, wie die Agaven vorzüglich in Mexico, auf den Antillen und den Bahamainseln, von wo aus sie sich weiter gegen Norden nach Carolina und Virginien erstrecken. Im südlichen Africa und auf den benachbarten Inseln waltet die Gattung Alo&, deren bitterer Saft das bekannte Heilmittel liefert. Diese Gewächse vereinigen den Blatibau. der Agaven mit dem Stamme und der Tracht der-Yucca; aber sie fehlen ursprünglich dem neuen Continente, wo sie nur hie und da, wie auf den Antillen, durch Anbau verbreitet worden sind. Auch die verwandte Form der Drachenbäume (Dracaena), deren colossale Gestalten auf die ältesten Perioden der jetzt bestehenden Pflanzenbildung zurückweisen, theilt America nicht mit dem alten Festlande; aber es besitzt dagegen ausschliessend andere grotteske Formen in den baumartigen Geschlechtern der Vellosia und Barbacenia. Die dicken, ungleich verästeten Stämme, gleieh den Yuccen mit steifen Blattbüscheln versehen und grosse Blumen von man- nichfaliiger Färbung tragend, fallen mächtig in die Augen in dem lachenden Bilde der bra- silianischen Bergfluren, durch deren Brände sie, an der Oberfläche verkohlt, um so ernster, gleich Zeugen einer frühern Schipfungsepoche, dastehen *). % *) Vellosia aloaefol:a: Tab. I. vn. 3.5 Vell, incurvata Tab. I. vır. . Barbacenia rubrevirens eben- da 4, — In Brasilien nennt man diese Lilienbäume von der Aehnlichkeit der beschuppten Aeste mit ; d) An diese Pflanzen schliessen sich einige Formen von Ananasgewächsen an, die ebenfalls durch dicke, beschuppte Stengel, grosse, harte, meist gezähnte Blätter und durch stattliche Rispen oder Aehren vielfarbiger, zarter Blumen ausgezeichnet sind. Die Achupal- la der Hochgebirge von Peru und Popayan (Puya Bonplandiana, Schult., Tab. 1. X. ı.), * deren gewundene, unförmliche Stämme ein nahrhaftes Mark enthalten, ist die grösste der bis jetzt bekannten Arten aus der Familie der Bromeliaceen. Andere, minder grotteske, aber dennoch bedeutsame Formen dieser Pflanzengruppe treten in den übrigen Tropenlän- dern America's bald parasitisch an Bäumen auf, bald einzeln oder in zahlreichen Haufen über Felsen oder den kahlen Erdboden verbreitet. Die Ananas unserer Treibhäuser (Bromelia Ananas, L., Tab. I. X. 6.) ist der bekannteste Repräsentant dieser Gruppe, aber viele an- dere Arten übertreflen die köstliche Fruchtpflanze an Grösse, wie an Farbenpracht der Blü- then. Bromelia Pinguin, L. (Tab. I. ı. 3.) breitet ihre mächtigenBlätterbüschel auf zwölf Fuss im Durchmesser aus, und, selbst wieder mit Moosen und andern Pflanzen überzogen, giebt sie einen ungeheuren Maassstab für das Alter jener riesenhaften Stämme, an welchen sie als Schmarotzer hafıet. Von Felsen und Bäumen hängen jene bunten Geschlechter der Guzmannia, Aechmea, Nauia, Billbergia, Pitcairnia, Bromelia, Tillandsia herab, an de- nen Flora gleichsam versucht hat, was sie im Reiche der Farben Glänzendes und Mannichfa- ches vermöge. Selbst in der dürren Jahrszeit verlieren sie den Glanz ihres Laubes nicht, und wenn, während der dürren Jahrszeit, die Wälder blattlos dastehen, erhalten sie im Grunde ihrer Blattscheiden, gleich vegetabilischen Brunnen, noch kühles Wasser, oft die einzige Labung des Menschen. Aber auch zum Bilde der Trauer verwendet Flora verwändte Gewächse. Das graue, feine Kraut der Tillandsia usneoides, LI. verbreitet sich, gleich dem nordischen Baumbart (Usnea) oder andern Flechten, weithin über die Bäume, welche wie umflorte Gestalten, zwischen dem lebensreichen Grün der Nachbarn hervorschauen. Bis- weilen bemäcktiget sich der heisshungrige Parasit vollständig eines grossen Baumes, der, vom Verbande der Urwaldung getrennt, auf freier Ebene steht. Im Mondenscheine, wenn der Wind die Flocken dieses vegetabilischen Mantels hin- und herjagt, wähnt die aufgeregte Phantasie des WVanderers eine bleiche, gespenstige Riesengestalt, den traurenden Gott vom Ankömmling entweihten Wälder, zu erblicken. Nicht minder wirksam sind in der tro- pischen Landschaft jene Strecken, welche in weiter Ausdehnung mit dichten Gehägen von Ananasstauden bekleidet sind. Das Blaugrün und die Form der starren Blätter contrastiren mit dem geschmeidigen Teppich der Fluren und mit dem glänzenden Laube der Waldung. Fällt ein heftiger Wind ein, so entsteht ein seltsames Rauschen der an einander bewegten Blätter, keinem ähnlich erzeugten Laute in Europa vergleichbar. Solche Ananashecken erscheinen in den brasilianischen Provinzen S. Paulo, Pernambuco und Ciara, und. ihre *Früchte sind das gewöhnliche Labsal der Reisenden, die sich mit dem Jagdmesser zu ihnen Bahn machen. Minder dicht .gesellig wachsen die Bromeliaceen auf Felsen hervor; aber bis- den Füssen des Strausses Canela de Ema. Auch am Orenoco ist eine Art der Gattung gefunden worden; aber die meisten gehören dem Hochlande der Minas Geraös an, wo man sie als ein Anzei- chen von Gold- oder Diamantenformation betrachtet. Vergl. Mart. Palm. t. 78. Nov. Gen. et spec. tr zw fl % 10 a * $ weilen bilden ihre gleich Lanzen emporragenden Aehrenschafte einen ielniche, Zug in der Physiognomie der Landschaft *)._ Dr kin Vorsicht der Tropenländer, jene reiche und üppige Vegetation, die dort von einer mächtigeren Sonne hervorgerufen wird, nicht blos über die Erde zu verbreiten, sondern auch hoch in die Luft, auf die Stämme der Urwälder zu erheben. Nichts vermag ein wahreres Bild von der Fülle und Kraft des americanischen Bodens zu gewähren, als ein dichtbelaubter Stamm, den parasitische Gewächse im bunten Wechsel der Farben und Ge- stalten überziehen und ausschmücken. Unter den Monocotyledonen sind es neben den, so eben betrachteten, Ananasgewächsen, vorzüglich noch zwei Pflanzengruppen,. wodurch sol- che hängende Gärten gebildet werden: die Orchideen und die Aroideen oder Pothos gewächse, beide höchst ausgezeichnet: jene durch die wundervollen Formen und den Far- benschmelz ihrer Blumen, diese durch die colossalen und seltsamen Umrisse ihres saftiggrü- nen Laubes. Auch in Europa sind manche Arten der Orchideen bekarnt: fast alle (soge- nannte Satyrionen) wachsen hier in der Erde; aber in den Tropen beider Welthälften wu- chern die meisten und prächtigsten Formen (die sogenannten Epidendreen **) auf Bäumen, gleichsam erhaben über andere Filinasifeschtächten. Der phantasievolle Natursinn des Orients hat diese Eigenschaft ergriffen; die Javaner behaupten, jene Gewächse, Bon ga Boki, d.,j. Blumen der Fürstinnen”*), bezeichneten schon durch diesen Standort ihr adeli- ges Geschlecht, und’seyen würdig, ausschliesslich den Frauen der Herrscher zum Schmucke zu dienen. Man mag von der seltsamen Gestalt unserer Frauenschuh - Blumen (Cypripedium Calceolus, L.) und unserer Ragwurzarten (Ophrys) auf den Luxus der Formen schliessen, welchen die Orchideen in heissen Ländern entwickeln. Gleichsam als strebe die Natur in ihnen das Fremdartigste nachzubilden, gleichen ihre Blumen bald Fliegen, bald Schmetter- lingen oder Vögeln, in den wunderlichsten Stellungen am saftiggrünen Laube aufgehangen, a zwischen fleischigen Knollen aus der Erde hervorbricht, oder mit dicken Büscheln lan- ger silberweisser Worzela sich an Stämmen und Aesten festklammert. Ja manche dieser blumenreichen Parasiten (4erides), eines sehr lebhaften Athmungsprocesses mittelst der flei- schigen Blätter fähig, grünen, ihrer Unterlage beraubt und in Körben aufgehangen, Jahre hang fort, und erneuen auch hier ihre buntfärbigen Blüthen. Unter diese Baumwurzler ge- hört auch die Vanille (Vanilla aromatica, Sw. Tab. I. ı. 4.), ausschliesslich den america- nisehen Tropen eigen, und wie durch die Blumen, so durch das edle Arom ihrer Früchte ausgezeichnet. In heissen Schluchten überziehen andere Gattungen (z. B. Oncidium, Tab. I. x. 2.) mit silberglänzenden, weitverbreiteten Stengeln die Flächen des dürren Gesteins, durch die bunteste Farbenpracht ihrer Blumen verherrlichet, ”% So erhebt sich das Encholirium spectabile (Tab. I: X. 4.) über. die Granitfelsen in der Provinz Bahia. Wir haben dieser Pflanze (S. 757.) bereits als Puya saxatilis erwähnt, sowie einer andern, ver- - ‘wandten : Bromelia (Billbergia) tinctoria (Tab. I. x. 5.) als einen tauglichen gelben Farbestoff liefernd. *»*) Du Petit Thouars, der die Orchideen der Mascarenhas-Inseln beschrieben, unterscheidet alle Gewächse der Familie nach dem Standorte in jene beiden Hauptg gruppen: die Satyrionen und die ren - *#, Der Name der Blume der Fürstianen gilt vorzüglich von dem Angraecum scriptum, Rumph. . Amboin. VI. t. 42 11 Wenn in den Orchideen Alles auf eine sorgfältige Ausarbeitung des pflanzlichen Stof- fes zu eigenthümlichen Formen hindeutet, so hat dagegen die Natur in der Schöpfung der Aronstauden (Aroideae) nach grossartigem Maassstabe gearbeitet. Unbekümmert um das Spiel zarter, zu seltsamen Blüthen gleichsam verwebter und verschmolzener Blätter, den Effect des bunten Farbenschmelzes verachtend, hat sie hier grosse grüne Massen zu grot- tesken, bald einfachen, bald*zweitheiligen, gefingerten oder gefiederten Blättern von man- cherlei Umrissen ausgebreitet. Das Blatt unter dem kolbigen Blüthenstande ist in eine ro- he, oft gefärbte, Tute zusammengerollt. Wie solches auch bei andern trübgefärbten Blumen bemerkt wird, giebt diese Hülltute ( Spatha), bisweilen einen aösartigen Geruch von sich (Arum cumpanulatum, Roxb., Dracontium Joetidum, L.); auch eine eigenthümliche Wär- me-Entbindung aus diesen Scheiden ist (z. B, bei Arum italicum, L.) wahrgenommen wor- den. Bei manchen Aroideen, wie z. B. dem gemeinen Aron (drum maculatum, L.) Eu- ropa’s, birgt sich der Stamm unter der Form von mehlreichen Knollen, die in tropischen Ländern ein wichtiges Nahrungsmittel geworden sind (so die Inhame , Calladium esculen- tum, Vent,). Bei andern klimmt er gewunden, und strickartige Luftwurzeln aussendend, an den Bäumen hinan, oder er steht, von elfenbeinweisser Farbe, in die (uere geringelt (Calladium arborescens Vent., liniferum, Nees. Mart.) mit grossen pfeilförmigen Blättern gekrönt, gleich Palisaden in dichten Reihen am Ufer der Gewässer (Tab. I. vıı. 2.*) Würz schilfe und Bananen (Pisang). Diese beiden Pflanzenfamilien gehören fast ausschliesslich den Tropenländern an, und wenn jene in der alten "Welt vorzuhe scheinen, dürfte die neue ein Uebergewicht an diesen enthalten. Das Blumenrohr (Canna) und der gemeine Pisang (Musa paradisiaca, L., die Pala des Plinius) sind bekannte Re- präsentanten der schönen Gewächse in unsern Gärten. Auch in ihnen, wie in den Aroi- deen, hat sich das Blatt zu grosser Ausdehnung entfaltet, ja die Musa zeigt fast von allen Pflanzen die grössten einfachen Blätter; aber dieser Theil ist hier zarter, weicher als bei den Aroideen organisirt, von einer eigenthümlichen milden Färbung und einem seidenarti- gen Glanze, zum Theil der Wirkung, seiner eigenthümlichen Berippung, denn von den star- ken Mittelnerven laufen fast rechtwinklich zahlreiche Adern parallel mit einander nach dee, Blattrand hin. Der Scheidentheil dieser Blätter bildet bei vielen gleichsam vorzugsweise den Stamm, der aus dicht über einander gerollten Blattscheiden besteht, und desshalb schwach. und saftreich ist: so verhält es sich unter anderm bei dem Pisang. Bei vielen Würzschilfen (Curcuma, Amomum, Alpinia) erreicht das Stammgebilde nur da, wo es un- ter der Erde bleibt, eine gewisse Festigkeit und Ausdauer: ästige, beschuppte und gerin- gelte Triebe, vorzüglich reich anSatzmehl, und an einem eigenthümlichen, auch dem oberir- dischen Kraute zulommenden, Aroma (wie beim Ingwer), oder an lebhaften Farbestoffen (Curcuma). Andere (Maranta, z. B. M. Tonkat, Aubl. Tab. I. vı. 3.) erheben ihre Sten- *) Folgende sind die auf unsern Tafeln abgebildeten Aroideen , deren Grösse zwischen zeha und zwei Fuss wechselt. Tab. I. vi. 2. Calladium liniferum, N. M.; vırı. 4, Pothos crassinervius, Jacg. vır, 5, Calladium grandifolium, MW. Tab. II. vır. 1. Dracontium polyphyllum, L. vı. 2. Calladium esculentum, Vent. 3. C. erythropus, Mart. 4. C. sagittaefolium, Vent. 5. Die auf Felsen wachsende Carludovica (Salmia) acuminata, Ruiz. 6. Pothos acaulis, L.- 7. Calladium violaceum. ** & 5 12 3 i gel, ähnlich denen der Gräser, glatt und knotig, und bilden, nach allen Seiten hin regellos verästelt, undurchdringliche Hecken. Höchst mannichfach entwickeln sie ihre Blumen von schimmernden Farben, bald auf kurzen, aus dem Boden bervortretenden Stielen (z.B. Al- pinia occidentalis, Sw. Tab. I. vr. 1.), bald auf langen, beblätterten Schaften, am Ende . oder aus den Seiten der Stengel. Jene grossen Blüthenscheiden der Aroideen treten auch hier auf, doch nicht blass oder trüb gefärbt, sondern im schönsten Grün, Gelb und Roth prangend, nicht vereinzelt, sondern in Köpfe (Musa paradisiaca, L., Tab. I. vı. 4. und Costus arabicus, L., I. vı. 5.) zusammengehäuft, oder zweizeilig zu uralten Blumenris- pen vereinigt (Heliconia psittacorum, Sw., Tab. I. vır. 3.); und aus ihrem Schoos erhebt sich nicht ein unförmlicher Kolben aufeinander gedrängter Staubfäden und Fruchtknoten, sondern eine eigene Formation zarter, buntfärbiger Kronen umhüllt jene Organe, welche als Schluss aller vegetabilischen Entwickelung hervortreten,. Nur wenige der zahlreichen Scitamineen und Musaceen sind bis jetzt bekannt geworden, welche die sumpfigen Gründe americanischer Urwälder bewohnen, aber alle machen sich durch das schöne Grün ihres aubes, durch den Farbenschmelz der Blumen als eine der wesentlichsten Bildungen im Gemälde der americanischen Flora geltend. Auf feuchten Wiesen, am Rande der Bäche und Weiher gruppiren sie sich zu üppigen Massen zusammen, deren lebensfrohes Colorit noch keines europäischen Künstlers Pinsel erreicht hat. Die sogenannten Tococads des nördlichen Brasiliens sind solche Gehäge, in denen sich die saftigen Stengel des Costus mit zähen Gewinden von Maranta, mit Geisselgräsern und Röhricht bis zur Undurchdringlich- keit verweben. Die Pisang‘gehören auch dem neuen Continente an. Die Banane mit drei- eckiger Frucht (Musa paradisiaca, L.) ist schon vor der Entdeckung America's von der rothen Menschenrace ‚angebaut worden, während die mit runder Frucht (Musa sapientum, .L.; Banana de S. Thom£) aus den Inseln von Guinea eingeführt wurde. Aber man findet gegenwärtig auch jene Pflanze nicht mehr im Zustände ursprünglicher Freiheit. In den heissen und feuchten Gründen dem Amazonenstrome entlang tritt ein malerischer Repräsen- tant der Musaceen zwischen dem dichten Urwalde hervor: die sogenannte Bacoba Sororo- ca, d. i. Banane zum Dachdecken (Urania amazonica, Mart. Tab, 1. vı.2.). Kühn erhebt sie zwischen stacheligen Palmen oder aus demDickichte überwachsener Dümpfel (Mondon- g0s) eine gewaltige Aehre kahnförmiger Scheiden auf einem dreissig Fuss hohen Stamme, zwischen Blättern von so ungeheurer eng ‚ dass wenige hinreichen, um eine india- nische Hütte zu decken. So mächtig nun aber auch die Wirkung der bis jetzt erwähnten Monocotyledonen in der tropischen Landschaft seyn mag, wird sie doch weit übertroffen durch die der Pal- men, jener erhabenen Gewächse, die man nicht mit Unrecht die Fürsten des Pflanzenrei- ches nennt.. Die grottesken Aroideen, die bunten Orchideen, selbst die massigen Geschlech- ter der Agaven und Aloestämme sind mit einer untergeordneten Rolle in jenem sinnigen Drama der schweigenden Schöpfung zufrieden, aber die Palmen verlangen für sich die erste Stelle: sie treten im Einzelnen als die frappantesten Gestalten hervor, und wo sie sich in grösserer Anzahl vereinigen, sind sie es ganz ausschliessend, welche den Charakter der Ge- gend. bestimmen. Nur Eine Art, die fächerblättrige Zwergpalme (Chamaerops humilis, L.) gehört ursprünglich Europa an; sie bedeckt in dichten Schaaren die heissen Ebenen von 15 Valenzia, Süditalien und Sicilien, und hebt nur selten, wie besonders unter der Pflege unserer Treibhäuser, den Stamm baumartig empor. Die Dattelpalme (Phoenix dac- tylifera, L.) ist Europa fremd; sie erscheint, schon frühe eingeführt, nur spärlich und meistens verkümmert im südlichsten Theile unseres Festlandes, wo sie kaum Früchte aus- bildet. Das Land, wohin unsere ältesten Urkunden der Menschheit Wiege versetzen, Sy- rien, ist das Vaterland dieses nützlichen Baumes. Dort erblicken wir die ersten Menschen umgeben von Palmen; Palmen gewähren ihnen Obdach, Kleidung und Speise, und sind Zeu- gen jenes glücklichen Zustandes, da unsere Uryäter in harmlosem Vereine mit der Natur lebten. So sehen wir ferner, im sinnigen Verständnisse der Naturandeutungen, Säulen und Gapitäler von den Palmen in die Baukunst übergetragen; — Hallen und Tempel erheben sich nach dem hier dargestellten Typus, und der Mensch führt den Palmbaum, dessen reich- liche Früchte seine Ahnen nährten, dankbar in die Nähe der Götter. Die Palme wird das Symbol ewiger Jugend, unveräusserlicher Kraft und Stärke, Symbol des Sieges, den Kraft *und Stärke verleihen. Jene sinnige Lehre von dem Geschlechte und der Liebe der Blumen ward schon im Alterthume auf die Palmen bezogen: Vivunt in venerem frondes, omnisque vicissim Felix arbor amat, nutant ad mutua palmae Foedera — sang schon Claudian; und ähnliche Klänge vernehmen wir aus dem Mittelalter*), wo sie bezeugen, wie die, in dunklen Gefühlen der Natur hingegebene Zeit sympathetisch von dem edlen Eindrucke dieses Gewächses ergriffen worden. Im Oriente ist der Dattelbaum von jeher als Wohlthäter der Menschheit gerühmt worden. Um den Dattelbaum dreht sich das Leben jener wandernden Hirtenvölker. in der Wüste; und eine so hohe Bedeutung schrei- ben ihm die arabischen Dichter zu, dass sie fabeln, der edle Baum sey nicht mit den übri- gen Pflanzen, sondern aus der Erdscholle gebildet worden, die nach Adams Erschaffung übrig geblieben (Ibn-al-Vardi Charidat-al-adschiaib,, d.i. Perlenschnur merkwürdiger Dinge). DerPerser schreibt seiner Palme dreihundert und sechzig Eigenschaften zu, wahrscheinlich mit Rücksicht auf den Sonnenlauf, denn der Sonne ist der Baum geheiligt, und Belach, Son- nenfrucht, "heisst jenem die Dattel. In der uralten Mythologie der Hindus finden wir die manchfaltigsten Beziehungen zu den Palmen, vor allem zu der edlen Tala (Taliera Tali), auch Trinaradschan, d. i. König der Gräser, genannt. Gott Siva ist von so starkem Bo- gen, dass seine Pfeile den festen Stamm durchbohren, und wie er heisst Talanıka, Palm- merkmaltragend, ein Jeder mit glücklichen, erhabenen Gaben. Je mehr man sich dem Aequator nähert, desto häufiger begegnet man, nicht dem Dattelbaume, sondern vielen andern Palmenarten. Wo der Beisönde innerhalb der Tropen vom flüssigen Elemente an’s Land heraufsteigt, da begrüsst ihn fast überall die Cocospal- me (Cocos nuecifera, L.). Diese Seeuferpalme, ursprünglich auf dem Archipel Ostindiens heimisch, hat sich über alle tropischen Küstenlande Asiens, Africa's und America's verbrei- tet. Auf den Südseeinseln ist sie Baum des Lebens geworden: sie liefert alles Nöthige zu Wohnung und Speise, zu Kleidung und Hausrath; bedingt dort die Existenz jener leichtbe- *) So z, B, das schöne Gedicht von Jovianus Pontanus. 14 weglichen, Seefahrt treibenden Völker; ja sie macht die Inseln urbar und bewohnbar, wel- che der erstarrte Bau zahlloser Corallenthiere aus der Tiefe des Oceans erhebt. Hoch ragt. der sanft geschwungene Stamm in die klare Luft auf, und seine gefiederten Blätter, ‘sich zum leichten Spiele den Winden Preis gebend, scheinen den Ankömmling gleichsam von Ferne zu begrüssen. Wandert er nun landeinwärts, so begegnen ihm mancherlei Ge- stalten dieses königlichen Geschlechtes, bald einzeln, bald zahlreich zwischen andern Bäu- men hervorragend, oder auch als herrschende Form zu einem Walde vereinigt. : Hier ste- hen die Stämme gleich gewaltigen Säulen einer unbekannten Ordnung umher, und die Blät- ter wölben sich zu einem leichten Dache, durch welches nur spärlich das Licht der tropi- schen Sonne sich Bahn macht. Eintöniges Blättergelispel und fernes Rauschen verkündigte die Nähe Odins in der gastlichen bee des deutschen Eichenhaines; aber ein erhabene- res, wechselvolles Rauschen wird in den Hallen des Palmenwaldes vernommen: bald rollt es wie ferner Donner, bald schwebt es wie Klänge fremdartiger Lieder einher; zagende Ehrfurcht durchzuckt den europäischen Wanderer, er fühlt die Nähe eines wilden, blut* dürstenden Gottes, und er erinnert sich an den heimischen Dichterspruch: nicht ungestraft wandert man unter Palmen. Alle Formen dieser Gewächse erscheinen fremdartig seinen Bli- cken, und das Helldunkel des heiligernsten Ortes vermehrt sie unter der Mitwirkung seiner erregten Phantasie. Kahl und glatt, gleich einer polirten Säule erhebt sich dieser Stamm, jener ist mit den Resten früherer Blätter beschuppt oder in die Quere geringelt; ein Drit- ter mit grossen, glänzendschwarzen Stacheln bewaffnet, und mit parasitischem Farnkraut und Orchideen überdeckt, gleicht einer vegetabilischen Ruine, eines Vierten Scheitel, zu mächtigem Capitale ausgedehnt, trägt eine Krone von weithin überragenden Ananasstauden. Die Blätter, gefiedert, fächerförmig oder selten einfach, erscheinen in den verschiedensten Perioden des Wachsthums. Die jüngsten .aus dem Centrum des Stammes hervorbrechend, ihre Fiederblättchen noch vereinigt tragend, stehen, gleich Speeren, aufrecht; andere brei- ten sich unter verschiedenen Winkeln aus, und ihre gelösten Blättchen spielen säus- selnd im Winde; andere, abgestorben, hängen welkend am Stamme herab oder liegen, ab- geworfen, in Haufen durch die Waldung umher, wo sie den Nachwuchs anderer Pflanzen unterdrücken, Die Blüthen, zwischen oder unter den Blättern aus Mächtigen Scheiden bre- chend, in Kolben vereinigt oder zu vielästigen Rispen ausgebreitet, schimmern in weissli- cher oder gelblicher Farbe zwischen derı Grün hervor, und ergiessen oft eigenthümliche Wohlgerüche durch die Waldung. Am häufigsten erscheinen sie in den letzten und ersten Monaten des Jahres, doch wohl auch vereinzeltzu andern Zeiten ; und dadie Früchte langsam und in mehreren Stadien reifen, so nimmt Alles an denPalmen den Ausdruck unversiegbarer Jugend- fülle und Zeugungskraft an. Diess erfasste der sinnige Grieche, da er jenen unsterblichen, aus der eigenen Asche wiedererstehenden Vogel, und den sich stets verjüngenden Palmbaum mit gleichem Namen belegte. In der That giebt es auch kein anderes Gewächs, in dem die MPEIERGRS ohn’ Unterlass nach Oben forttreibende Thätigkeit so unbedingt und gleichmäs- sis jene andere, die hemmende, besiegte, deren Resultat Blüthen- und Fruchtbildung ist. . - ‘*) Hievon macht die einzige bekannte Ausnahme die ägyptische Doumpalme. (Cuciphera), welche ihre Krone, gleich alten Aloestämmen, verästelt, $ 15 Die Krone des Palmbaums wird gleich einer einzigen Knospe durch den Schaft in die Luft getragen. Im Schoosse ihrer Blätter birgt sie die Anlagen zu neuen Aesten; doch entwi- ckeln sich diese nicht zu Laubästen, sondern, lediglich. dem Geschlechte und der Fort- pflanzung dienend, werden sie in Blüthenkolben und Blüthenrispen (Spadices) verwandelt: sie blühen, tragen Früchte, und werden endlich abgestossen, indem die Endknospe den ganzen Bildungstrieb in Einer Richtung versammelt und äufwärts weiter führt, So wach- sen manche Palmen Jahrhunderte lang bis zu schwindelnder Höhe himmelan, und beherr- schen, nicht durch die Fülle eines domartigen Laubgewölbes, sondern durch die edle Ein- fachheit, die ernste Majestät ihres Baues die Phantasie des Menschen. Wo ihre Gipfel kühn über die Nacht der Urwälder in lichte Sonnenhöh'n emporragen, da begrüsst er in ihnen ein Bild jener geistigen Freiheit, zu welcher sein Geschlecht allmälig heranreift*). Jene einfache Richtung des Längenwachsthums, welche in den Monocotyledonen über- wiegt, hat in den Palmen gleichsam ihren Gipfel erreicht. Der Stamm vermag in seiner. Dehnung nach Oben nichts Vollkommneres hervorzubringen, So vertauschen denn die Dicotyledonen jene organische Richtung mit einer andern, mehr zusammengesetzten, und indem sich die Knospen, Anlagen neuer Zweige und Aeste, oberirdisch nach allen Sei- i ten hinrichten, zerfällt der einfache Stamm in eine vielfach verästete Krone. Die Stellung der Blätter, die Entwickelung oder das Fehlschlagen der Knospen überhaupt ertheilen dem starren Pilanzengerüste der Dicotyledonen jene Mannichfaltigkeit an Ausdehnung, „Umriss und vor Allem jene Fülle des Laubes, wodurch sie sich in der Landschaft als die volleren und grossartigeren Gestalten geltend machen. Man bemerkt, dass Gewächse, deren Blätter sehr dicht stehen, verhältnissmässig weniger Knospen zu Zweigen und Aesten entwickeln, und hiedurch wird ein Vorherrschen der Hauptachsen, eine minder häufige und scheinbar minder unregelmässige Astbildung bewirkt. So findet es sich ganz besonders bei den Za- pfenbäumen (Nadelhölzern, Coniferae), und die Tracliäggdieser im Norden überwiegen- *) Die Palmef# bieten eine grosse Mannichfaltigkeit sowohl als der Grössenverhältnis- se dar: die aufrechten oder niederliegenden, säulenformigen und rohrartigen, ja bisweilen mittelst Hacken an den Blättern klimmenden Stämme wechseln in einer Höhe von drei bis zu hundert und fünfzig Fuss. Welch’ grosser Unterschied zwischen einer stammlosen Feldpalme (Diplothemium cam- pesire, IM. Tab. I. vu. 1.) und derAssai (Euterpe oleracea, M. Yab.I. ın.), die ihre zarten kammarti- ‚gen Fiederblätter hundert Fuss hoch in die Luft trägt, zwischen der Rohrpalme (Geonoma Spixiana, M.) Tab. IL. vo. 8. und der colossalen Iriartea ventricosa, M. Tab. I. ı., deren Stamm ape einem Kegel oberirdischer Wurzeln ruhend, in der Mitte so stark ausgedehnt ist, dass er Ma | für ei- nen Kahn gewährt, zwischen der gewundenen, dicehtbeschuppten, zwölf Schuh hohen Chcos ER MM. (Tab. I. ıv.) und der Cocos coronata, M. (Tab. U. ıv.), deren Stamm dreimal so hoch ansteigend am Ende mit stehenbleibenden Blattstielen, gleich einem Säulencapitale gekrönt ist, zwischen /Mau- ritia aculeata, H. (Tab. II. ı1.), welche am Stamme mit kurzen Luftwurzeln besetzt, eine Krone von Fächerblättern ausbreitet, und den noch höheren und schlankeren Astrocaryum Jauari, M. (Tab. H. xır.), das mit langen ebenholzschwarzen Nadeln bewaffnet ist und gefiederte Blätter trägt. — Man vergleiche über die Palmen: Martius Genera et species Palmarum, Fol,, worin viele Arten dieser schönen Gewächse in ihren landschaftlichen Umgebungen dargestellt sind. 16 den Pilanzenform ist so eigenthümlich, dass kaum ein landschaftlicher Contrast stärker seyn mag, als der zwischen einer Landschaft voll eintöniger, düsterer Tannen und der heiteren Ansicht eines Eichenwaldes, eines Buchenhaines, oder silbergrauer Weidengebüsche. Unter allen Dicotyledonen stellen die Zapfenbäume die steifsten Conturen, die ernsthaftesten Ge- stalten dar. Im tropischen America erscheint diese Pflanzenfamilie nur selten, wenige Arten sind uns bis jetzt bekannt geworden; dennoch bilden sie auch dort die Hauptzüge der Phy- siognomie des Landes mit, In Mexico, wo eine beträchtliche Erhebung der Gebirge die verschiedensten Rlimate übereinander bedingt, erscheinen Eibenbäume, Fichten und Tannen mit Eichen, Erlen und mit tropischen Pflanzenformen wechselnd; in Südamerica ist bis jetzt noch keine Art dieser Gattungen entdeckt worden, aber eine andere, Araucaria, tritt als Repräsentant der Form, nicht in heissen Aequatorialländern, sondern in kühleren Gegenden, auf. In Chile und Südperu wohnt auf den Abhängen der Andes Araucaria chilensis, Juss., im südlichen Brasilien die verwandte A. brasiliana, Lamb. (Tab. I. ı.). Der senkrecht auf- steigende Stamm breitet gewaltige Aeste aus, welche an ihren Enden dichtbeblätterte Zwei- ge in grossen Büscheln vereinigen. Wie in heisseren Gegenden die königliche Palme, ragt hier die ernste Tanne über die Kronen der Nachbarbäume hervor, und die düstre Färbung ‚ ihrer, gleich Trauercandelabern ausgeschweiften, Laubäste bildet die dünkelsten Schatten in dem lachenden Grün der Umgebungen. Mit schwermüthiger Feierlichkeit fühlt sich der Wanderer begrüsst; wenn er die Waldung dieser colossalen Tannen betritt, und, von an- genehmer Kühle angeweht, weithin den kahlen Boden überblickt, der, eben so wie in un- sern Nadelgehölzen, dicht mit gefallenen Nadeln besät, nur sparsames Unterholz hervor- treibt. Die düsteren Bäume, statt mit bunten Parasiten behangen, nur von den flechtenar- tigen Tillandsien umflort, scheinen das Spiel heiterer Blumen und Kräuter weder um sich noch auf sich dulden zu wollen. Diese erhabenen Nadelbäume gehören allerdings unter die geselligen Pflanzen, doch gilt von ihnen, wie von tropischen Gewächsen überhaupt, dass sie in minder dichten Beständen , und häufiger mit andern Bäumen wechselnd vorkommen; denn jene Einförmigkeit, womit in höheren Breiten VYälder lediglich aus einer einzigen Baumart — Fichten oder Birkem u. a. — bestehend ungeheure Strecken überziehen, kann sich. in Gegenden zwischen den Wendekreisen nicht behaupten. » Von diesem Wechsel pflanzlicher Gestalten macht keine tropische Vegetationsform eine so entschiedene Ausnahme, als.diejenige, welche wir die Se eufer- oder Mangro- vewaldung heissen wollen; sie besteht oft in meilenweiter Ausdehnung nur aus einer ein- zigen Pflanzenart, vorzüglich aus dem Wurzelbaume: Rhizophora: Mangle, L. (Tab. 1. ıx.), dessen seltsame Organisation die Bildung eines ganzen Wailes von einem einzigen Indivi- "duum in verhältnissmässig kurzer Zeit gestattet. Der Saame fällt nämlich nicht ab, um sich im. Erdboden zu entwickeln, sondern er keimt aus der stehenbleibenden Frucht, indem sich sein Wurzelende gleich einer ungeheuren Keule oft auf vieler Fuss Länge ausdehnt, bis es endlich ‚den morastigen Grund erreicht hat. So erzeugt sich aus jeder Blume alsbald ein Stamm, es entsteht ein Wald aus zahlreichen, zu Spitzbögen verbundenen Stämmen, an welchen sich lederartige, saftig grüne Blätter zu einem dichten Laubwerk zusammenwölben. Fast überall da, wo das tropische ‚Festland nicht in steilen, unfruchtbaren Felsklippen oder in sandigen Dünen an die Grenze des Weltmeers vortritt, wo es vielmehr durch Reichthum 17 an Dammerde die Bildung eines feinen Schlammes gestattet hat, der durch Ebbe und Fluth periodisch bewegt wird, da erhebt sich dieser Uferwald, wie ein grüner Gürtel um die Kü- . sten ausgebreitet. Tritt das Meer in der Ebbe zurück, so entblössen sich die untern, un- regelmässig verwebten oder gleich Palisaden eingepflanzten wurzelartigen Stämme, auf de- nen man über dem, von Krabben und Seespinnen bewohnten, Moraste weithin hinauswandern kann; kehrt es zurück, so beugt sich der ganze Wald gleich einem einzigen Baume unter dem Anwogen der Fluth. Zugleich mit diesem seltsamen Geschlechte der Stammwurzler bilden die Mangrovewaldung noch einige andere Gattungen, welche sich zwar nicht auf glei- che Weise aus den Blüthen vervielfältigen, aber durch zahlreiche Luftwurzeln oder durch kriechende und in Bögen aus dem Grunde hervorbrechende Triebe ein ähnliches Geflecht über dem Moraste darstellen *) Die GCactus- oder Nopalgewächse, indianische Feigen, Cacteae. Vor der Eroberung America’s waren diese Pflanzen in der alten Welt gänzlich unbekannt, und es mag für die Gewalt des Eindruckes sprechen, den ihre seltsamen Formen auf den Betrach- ter ausüben, dass sie durch Cultur so schnell und so weit verbreitet worden; denn man findet sie jetzt im nördlichen Europa überall als Zierde der Gärten, im südlichen aber und im tropischen Asien und in Africa sind sie verwildert und, wegen der essbaren Früchte, in die Zahl der Nutzpflanzen aufgenommen. Cactus Opuntia hat sich in der Nähe von Deutsch- land, auf den Felsen des Walliser Landes, angesiedelt. In der neuen Welt findet man die Nopaleen mit einer gewissen Gesetzmässigkeit verbreitet. Nicht diejenigen Yanser; welche, von zahlreichen Flüssen und Seen bewässert und einem starken Wechsel atmosphärischer Feuchtigkeit unterworfen, von einer kräftigen Vegetation bedeckt werden, sind das Vater- land dieser grottesken, gleichsam unausgebildeten Pflanzengestalten, sondern solche, welche in einer dünnen Schichte von Dammerde nur wenige Nahrungsstoffe darbieten, und deren Jahreszeiten, stets heiss und trocken, fast ohne Periodicität verlaufen. Die Cactusfofm fehlt '*) Nur wenige Gewächse scheinen in den verschiedenen Welttheilen diese eigenthümliche Vege- tationsform der Manglewaldung zu bilden. In America sind es ausser der erwähnten Rhizophora Mangle, L. (und Rh. racemosa, Mey.) die Avicennianitida und tomentosa, L., Laguncularia racemosa, Gärtn., Conocarpus erectus, Jacg., Bucida Buceras, L.; und bisweilen vereinigen sieh damit die para- sitischen Bäume und Gesträuche der Gattung Ruyshia, Arten von Jacquinia , Seetrauben (Coccoloba); landeinwärts schliessen sich dieser Formation die stacheligen Ranken eines Hülsenbaumes , Guilandina, und, unter andern Leguminosen, die Gebü von Mimosa Habbas, L., an, welche, wie die vorige, durch Meerströmungen über alle Tropenlä verbreitet worden ist, An den heissen Küsten Africa’s herrschet vorzüglich der Rakbaum (4vicennia tomentosa) und Rhizophora; an denen von Östindien und Neuholland treten Arten von Rhizophora, von Avicennia, Aegiceras und Bruguiera zu ähnlicher Uferwaldung zusammen, welchen sich die prächtigen Bäume von Barringtonia und Son- neratia, und die sumpfliebende Fächerpalme Nipa zugesellen. — Dort bilden Ficus benjamina, L., und einige andere Feigenbäume eine ähnliche Pflanzenform auch im Innern des Continentes nach, indem sie aus den Aesten Luftwurzeln herablassen, welche allmälig zu gewaltigen Stämmen anwach- sen. Ein solcher Baum war es, in dessen Schatten Alexander ganze Legionen seines Heeres konnte lagern lassen. x pr 18 | > daherfast gänzlich imSchatten derUrwälder, wo nur einige Arten von Rhipsalis und Epiphyl- lum parasitisch auf Bäumen erscheinen; dagegen herrscht sie in steinigen, von Waldvege- tation entblössten Landschaften, sowohl in geringer Erhebung über dem Ocean, als in be- trächtliche Höhen ansteigend. Die kurzen Wurzeln drängen sich in die Klüfte der verhär- teten Lavaströme, welche von den Vulcanen Mexico's ausgegossen worden sind, sie haften auf den Trachytfelsen von Quito oder umklammern das Kalk- und Granitgestein der kahlen Ebenen von Venezuela, Ciara und Pernambuco. In diesen trocknen Gegenden, über wel- che ein reiner und tiefblauer Aether ausgespannt ist, erheben sich die unförmlichen Stäm- me, vielmal die Höhe eines Menschen überragend; regungslos starren die blattlosen Massen empor, und ihr bläuliches Grün contrastirt ebenso mit dem warmen Colorit der Landschaft als die steifen Umrisse selbst gegen die schmiegsamen, milden Formen der übrigen Tropen- vegetation abstechen. Blätter sind bei diesen Gewächsen gar nicht, oder nur unter der Form kleiner Schuppen vorhanden, aber die gesammte Oberfläche der Stämme, mit zahl- reichen Spaltöffnungen in der Oberhaut versehen, besorget einen thätigen Athmungsprocess, und die Gewächse erfüllen sich, obgleich die Wurzeln nur wenig Feuchtigkeit zuführen kön- nen, mit einem überaus saftigen Zellgewebe, Dieses Pflanzenfleisch ist oft die einzige Nah- rung für das Rindvieh, welches in den dürren Fluren weidet, und die Wanderer pflegen solche vegetabilische Brunnen Mit dem WValdmesser zu öffnen, damit sich die durstigen Thiere nicht durch die furchtbaren Stacheln verwunden mögen, womit die meisten Cacteen besetzt sind. Wundersam mannichfaltig sind diese Waffen, wie überhaupt die einzelnen Formen, unter denen das WVesentliche dieser Pflanzenfamilie stets wiederkehrt. Die Melo- nen- und die Sternnopale (Melocactus, Echinocactus) gleichen plumpen Scheiben, vom Centrum aus in regelmässige Furchen vertieft, und mit einem Apparate hornartiger Stacheln besetzt, die in Form, Richtung, Grösse und Farbe wechseln. In einem gewissen Alter füllt sich der Mittelpunct mit einem purpurrothen Filze, aus welchem Blumen hervorbrechen. Die Saulennopale ragen bald, colossalen Candelabern vergleichbar, mit mächtigen Armen empor, bald vereinigen sie sich, in dichten Reihen zusammengedrängt, zu senkrechten Wän- den, mit weissen Zotten oder langen Stacheln bekleidet, bald hängen sie, zu schlanken, biegsamen Formen zusammengezogen, bewaffnet mit scharfen Borsten, Schlangen oder Stri- cken ähnlich, von Felsen und Gemäuer herab. Nicht minder frappant treten die Tunas { Opuntia) auf, jene unförmlich dicken, gegliederten Gesträuche, die, nach allen Richtungen hin verästelt, sich zu undurchdringlichen Wällen und Hecken ausbreiten. Diese Formen sind es, welche wie im südlichen Europa so in den Tropenländern zu Befriedigungen ge- pflanzt werden. Auf den Antillen hat man sie auch statt der spanischen Reuter in grosser Ausdehnung um Befestigungen vervielfältigt. Auf den Tunas lebt das kleine Insect (Coccus Cacti, L.), welches getrocknet den edlen Farbestoff der Cochenille liefert. Alle diese Gestalten sind geziert mit grossen Blumen, die in dem entschiedensten Gelb, Roth und Weiss prangen. Zwar minder augenfällig, aber vielleicht noch wunderba- rer, wegen des Reichthums von Combinationen, in denen sich die Architectur gefällt, er- en die Warzennopale (M illarid): kuglige oder cylindrische Massen, mit dichten „. Spiralen vielfachgeformter Warzen und Stacheln besetzt, und hie und da mit einem Kranze zarter Blumen gekrönt. Mexico scheint das Land, worin die zahlreichen Formen der Nopa- 19 le am Besten gedeihen; von dort her stammt der Name dieser Gewächsgruppe und die Cul- tur der Cochenille, womit schon die alten Azteken den Saum fürstlicher Gewänder färbten. Fast möchte man behaupten, dass die Denkmäler einer frühen Gesittung, welche von jenem Volke übrig geblieben sind, mit dem seltsamen Charakter übereinstimmen, den die Cactus- pflanzen der Landschaft verleihen. Mexico hat einen Nopalstamm, über dem ein Adler em- porschwebt, zum Wappenbilde genommen, und wenn diess Gewächs die Kraft symbolisirt, wodurch beharrlicher Fleiss auch das todte Gestein zu vielgestaltigem Leben erwecken kann, so erscheint das Sinnbild gut gewählt für einen jugendlichen Staat, der sich aus un- günstigen Elementen zur Selbstständigkeit entwickeln muss *). An den Cactusgewächsen bewundern wir vor Allem die eigenthümliche Gestalt; an- dere Pflanzen der Tropenländer imponiren uns durch die Gewalt ihrer Masse. Wir treten in einen jener Urwälder, worin die Natur noch ungestört ihre Riesenkraft dem Baue pflanz- licher Ungeheuer widmet, und, wie sonst beim Anblicke des Elephanten oder des Wallfi- sches, werden wir auch hier vom Bilde überschwenglicher Zeugungskraft niedergedrückt. Da stehen sie, diese himmelhohen Stämme, neben welchen unsre Eichen wie Zwerge ver- kümmern, Zeugen einer undenklichen Vorzeit, felsenfest in den Boden gewurzelt, und mit tausend Aesten ein Labyrinth von Gewölben ausbreitend, durch dessen Dunkel kein senk- rechter Sonnenstrahl dringet! Sollen wir mehr die Fülle des immergrünen Laubes bewun- dern, mehr die Masse und Härte des Stammes, der, wie ein ungeheuerer, vielgestaltiger Krystall aus dem lebensreichen Erdreich aufgeschossen, an Schwere und Dichtigkeit mit dem Gesteine selbst zu wetteifern scheinet? Wie hat dieser majestätische Bau sich Jahrhunderte hindurch entwickelt, wie wird er noch Jahrhunderten trotzen! Wie eng und kurz für die Tebensäusserungen eines solchen Riesenbaumes sind die Perioden, die wir in der Geschich- te unseres Geschlechtes kennen! Bis mancher dieser uralten Stämme, seine volle Gestal- tung gewinnend, vom Gipfel an bis zu den untersten Aesten sich mit Blüthen und Früchten bedeckt"), mögen nicht nur Generationen — mögen ganze Völker vergangen, Sprachen ent- *) Wir führen von den verschiedenen Formen der Nopalgewächse. folgende vor: Tab. II. vı. ı. Cereus scopa, Dyk., ein vielkantiger, aufrechtstehender,, einfacher Säulennopal, mit langen Haaren und Stacheln überdeckt. ereus Jamacarı, DC., einer der gemeinsten und grössten Nopalbäume in Brasilien, mit grossen, essbaren Früchten. 3. Opuntia Tuna, Mill. und Ficus indica, Haw. 4. Mammillaria coronata, Haw. 5. Cereus pentagonus, Haw. 6. Opuntia minosissima, Mill. Daneben haben wir noch jene Euphorbia phosphorea (Reise II. S. 612. u. 726.) abgebildet, deren ausströmende Milch einen Phosphorschein von sich giebt. Diese blattlose und strauchartige Form der Wolfsmilch- gattung schliesst sich an die Cacteen an. Ihr ähnliche Gestalten machen einen Hauptzug in der Phy- siognomie der africanischen Flora aus, und vertreten dort die, ursprünglich fehlende, Form der Nopale, *) Auch in unsern Wäldern mächt man die Bemerkung, dass der ganze Baum, vom Gipfel bis zu den untersten Aesten, nur selten blühet und Früchte reift. Gewöhnlich ist es nur die Krone, wel- che, zur erregenden Einwirkung der Sonne hindurehgedrungen ‚ die Fortpflanzung übernimmt, und je dichter der Wald, um so höher muss der Stamm treiben, um so mehr der unteren Aeste muss er abwerfen, bis er Saamen auszubilden vermag. (Ein Baum im Freien, überall der Sonne ausge- setzt, wirft minder ab, und trägt eher reifen Saamen.) Nun aber gelangt in den Tropenländern je- ; x* 20 Eu standen und verklungen seyn! Fremd der Lust und dem Wehe des menschlichen Geschlech- tes, sich selbst genug und seiner Entwickelung Gewährschaft und Messer, knüpft solch’ ein Baum seine Geschichte, gleichsam jenseits der Menschengeschichte, an jenen Katastrophen an, die der jetzt lebenden Pflanzenwelt Boden bereitet haben. Nur wenige Successionen seiner Vorgänger reichen über das Weltalter hinaus, in dem er grünet und blüht; ja viel- leicht gewährte sein Geschlecht einst jenen Thiercolossen, dem Mastodon und dem noch grösseren Megatherium, Nahrung und Obdach, deren Gebeine, weithin zerstreut durch die Sümpfe Südamerica’s, von keinem Reste einer untergegangenen Pflanzenschöpfung begleitet ‚werden. Bei dem, Jahrhunderte hindurch erneuten Wachsthum solcher Bäume tritt der un- terste Theil des Stammes sternförmig in ungeheuern Flächen auseinander, und bildet eine breite, vieleckige Grundfeste, auf der sich der übrige cylindrische Schaft erhebt *)..Auf den Sinn des Betrachters wirkt ein solcher Baum der Urwaldung mit der Kraft und Fülle eines Elementes: einfach, riesenhaft. Wie in der unübersehbaren Fläche des Oceans verliertsich der Blick hier in ein Meer von Blättern, wie von einem kühn aufgethürmten Felsen prallt das Auge von der ungeheueren Masse des Stammes zurück. Auch gebärden sich diese Rie- sen des Pflanzenreiches wie ein Element, werden sie mit den feindlichen Kräften um sie her in Kampf versetzt. Wer vermag das Grausen jener Nächte zu schildern, wenn der Orcan auf die Urwaldung fällt, Laub und Stämme aufwühlt, und wenn tiefes Brausen und Aech- zen und Donner den zornigen Streit dieser grünen Titanengeschlechter gegen Jupiters Sturm- wind und Blitze verkündigen! ‘Wessen Muth beengt nicht: die furchtbare Scene, wenn ein wildes Feuermeer, von zerstörender Menschenhand in die Laubgewölbe geschleudert, den widerstrebenden Bau’in Asche legt! Der Brand eines tropischen Urwaldes ist eines der . grossartigsten Naturschauspiele. Wer den vollen Eindruck von der Grösse und dem Ernste dieser uralten Gewächse erhalten will, der muss sich weit in das Dunkel der Urwälder ver- tiefen; dort, in stiller Einsamkeit, reden sie, dort erfüllen sie die Brust des Menschen der Baum in eine Periode der vollsten Lebenskraft, wo er auf allen Aesten Saamen ausbildet; und von diesem Höhenpuncte altert er, im langsamen Nachlasse der Kräfte, noch volle Jahrhunderte hin- durch, bis er, wie alles Irdische, der Herrschaft des Todes verfällt. Diese Betrachtung und die un- geheueren Grössenverhältnisse mögen darthun, dass zehn Successionen eines Wepwschen Urwaldban- mes schon bis zur ersten Epoche unserer schriftlichen Urkunden eichen. “Ich habe in den Urwäldern Brasiliens viele Stämme gesehen, die 120 bis 180 Fuss, ur is zu den ersten Aesten 80 bis 120 Fuss in der Länge, am dicksten Theile 45 Fuss im Durchmesser massen. In Europa rech- nen wir Stämme von solchen Dimensionen unter die seltnen Wunder, aus einer frühen Vergangen- heit übrig; so z. B. den dicksten Baum in Europa, die Castanie auf dem Aetna, von 160 Fuss Um- fang, die Linden in Lithauen von 82 Fuss Umfang, mit 315 Jahrringen, die Eichen in den polni- schen Wäldern von 49 Fuss Umfang, mit 710 deutlichen Jahrringen, welche daher tausend Jahre alt geschätzt werden. In den Tropenländern sind Jahrringe minder deutlich, und nach ihnen ist jede Altersbestimmung ar E 5 € 7 Bi ER de = . 7* q nqz PR — Je älter in den Er penländerä FEESES angestellt, die ein fortschreitendes ne des EEE gegen die Wurzel nachweisen. Vergl. Tab. I, ı. einen tausendjährigen Stamm der Bertholletia excelsa, H. 21 mit einer Ahnung vom geheimnissvollen Wechsel und Wachsthum der Dinge, seine Phan- tasie mit Bildern einer überschwenglichen Grösse. Höchst mannichfach im Bau ihrer Blu- men und Früchte und ausserdem überzogen mit dem Schmucke zahlreicher Parasiten, sind sie Maassstab für die Vielartigkeit der Richtungen, nach welchen der Pflanzenstoff in diesen. üppigen Ländern ausgeprägt worden. Diese Urwaldbäume gehören mancherlei und den ver- schiedenartigsten Gattungen an, und die’ Tracht der einzelnen ist so verschieden, dass von ihr nur wenig auf gleichartige Bildung der Blumen und Früchte mag geschlossen werden. Eine Gewächsgruppe jedoch, welche sich auch durch ein gleichmässiges Aeussere verkündigt, ist die der Wollbäume (Bombaceae). Ihre Stämme sind nicht mit fester Holzsubstanz er- füllt, sondern eine überwiegende Entwicklung, des Markes nimmt den grössten Theil des Innern ein; demgemäss dehnen sie sich übermässig in die Dicke, und verlassen die gewöhn- liche Cylindergestalt, statt welcher sie ungeheuere Tonnen, von dreissig bis vierzig Fuss Höhe, bei verhältnissmässigem Umfange, darstellen. Ein kurzer, aber gewaltiger Astwuchs krönt diese seltsame Bildung: welche sich vorzüglich in solchen Wäldern hervorthut, wo, gleich dem Laubfalle in unseren Wäldern, die Blätter während der trocknen Monate abge- ee Die Rinde ist oft mit Warzen oder mit gewältigen Stacheln, von dunkler Fär- bung, und glatt, als wären sie polirt, bewaflnet. Von den Aesten hängen Büschel parasi- tisoher Riemenblumen (Loranthus) herab; andere starren von schwarzen, gestreiften Kugeln: den labyrinthischen Wohnungen der Ameisen und VYespen. Auch das Laub dieser Pflanzengruppe ist ausgezeichnet: grosse, gemeiniglich gelappte Blätter, von steifen Haaren und Borsten rauh, stehen um die Enden der Zweige her, und bilden eine dünne aber weit ausgebreitete Krone. Die Blüthen, den Malvenblumen ähnlich, mit schönen Farben Geschuinent, ä erhöhen die Pracht dieser Gewächse. Die Früchte gleichen kleinen Kürbissen; eröffnen sie sich, so treten Bündel einer weisslichen Wolle hervor. Seltsam wird der Baum mit diesen Flocken übersäet, bis sie sich, mit den darin eingehüllten Saamen, im Fluge über die Gegend ver- breiten *). Im Allgemeinen bemerkt man, ‚dass die Gewächse heisser und feuchter Länder vor- zugsweise saftiggrüne und unbehaarte Blätter darbieten. Die Erzeugung vieler Haare an ®) Diese dreifache Ansicht, beim Blühen, der Fruchtreife und bei dem Saamenfalle gewähren die co- lossalen Gattungen von Ochroma, Bombax, Eriodendron und Chorisia, Bewohner der dichten Wäl- der. Am Ufer der Flüsse und Sümpfe erscheint die prächtige Carolinea, ein niedriger Baum mit glänzenden, gefiederten Blättern und spannenlangen Blumen, zwischen deren weissen oder purpurnen Blättern ein Büschel goldner Staubfäden winket. In Mexico tritt das Chirostemon platanoides, H. auf, verrufen durch die seltsame Bildung des Staubfadenbündels, der einer fünffingrigen Tatze gleicht. In Peru und Brasilien wachsen die unförmlichenStämme der Pourretia (P.tuberculata, M., Tab. XI. xvı.) nach dem Blätterfall weithin durch die Waldung dunkelnd. In Afriea ist es der berühmte Baobab, der diese Pflanzengruppe repräsentirt. Von ihm, den oft mehrere Negerfamilien bewohnen, will man berechnen, dass er bei 530 Fuss Dicke und 73 Fuss Höhe über 5000 Jahre alt sey. Ostindiens maje- stätische Urwälder sind ebenfalls reich an diesen Riesengewächsen; überdiess herrscht dort die ver- wandte Bildung der Stereuliaceen vor, die auch in Südamerica einzelne Repräsentanten hat, .(So z. B. Sterculia Ivira, deren Kapsel mit ge versehen ist, und St. Chicha mit essbarer Frucht. Vergl. Mart. Palm. t. 62.) 22 den Blättern steht mit dem Bedürfnisse in Verbindung, sich durch diese, insbesondere der Einsaugung bestimmte, Organe zu ernähren. Daher finden wir starkbehaarte Pflanzen am häufigsten in der leichteren Atmosphäre der Hochgebirge und in der heissen trocknen Luft- schicht, welche auf den dürren Sandsteppen Africa’s liegt. Im tropischen America ist die, Entwickelung eines solchen Saugapparates auf eine verhältnissmässig geringere Anzahl von Gewächsen (vorzüglich aus den Familien der Lippenblumen, der Korbblüthen, Verbenaceen, Euphorbiaceen und Nesseln) beschränkt. Die Euphorbiaceen (wolfsmilchartige Pflanzen) bilden bisweilen einen wesentlichen Zug in der Landschaft eben durch ihre, das gesammte Laub in ein weiches Silbergrau hüllende, Behaarung. So sind die Hochebenen von Brasi- lien, Quito und Mexico oft in grosser Ausdehnung mit geselligen Stauden der Gattung Croton bedeckt, die vom Winde wie ein graues Blättermeer hin und hergewiegt werden. Dasselbe ist von zahlreichen Gesträuchen aus der grossen Familie der Korbblüthen (Compositae) zu berichten. In denHochebenen von Minas Gera@s sind insbesondere die Paineiras, Wollstauden, (Lychnophora, Tab, II. x.) von auffallender Tracht: niedrige Bäume, deren aufwärts stre- bende Aeste mit einem so dichten weissen Filze überzogen sind, dass sie wie Lampendoch- te brennen. Unter den Nesseln (Urticaceae) erscheinen grossartige Formen, ausge- zeichnet sowohl durch die Gestalt und Fülle ihres Laubes als durch dessen weissliche Behaa- rung; -so vor allem die Cecropia-Bäume (C. peltata, L., und palmata, illd.), welche, der neuen Welt ausschliesslich eigen, auch eine ganz entschiedene Stelle im Gemälde der ame- ricanischen Tropennatur einnehmen. Ein schlanker Stamm, gleich unserer Birke mit weis- ser Rinde bekleidet, in die Quere geringelt, streckt die leicht geschwungenen Aeste wage- recht von sich, und die Blätter, oft so gross, dass ein einziges zum Sonnenschirm dienen mag, gelappt, oben hellgrün, unten mit weissem Filze überzogen, breiten sich, auf langen Stielen, am Ende dieser Aeste aus. An den lichten, sandigen Ufern der Flüsse, zwischen Gebüsche und niedriger Waldung, vertritt dieser seltsame Baum die Stelle der europäi- schen Pappel und Erle. Im Dunkel der Urwälder sind es mancherlei Feigenbäume, welche die Gruppe der Nesseln repräsentiren. Ihre Stämme wachsen zı gewaltiger Höhe.und Di- cke an, und in dichtem dunkelgrünen Laube prangend, sind sie eine Zierde der Gegend. Klein und ungeniessbar, ja manchmal giftig sind die Früchte dieser tropischen Feigenbäume, aber ihr weiches Holz liefert mancherlei Hausgeräthe. Die gigantischen Stämme sind er- füllt mit Milchsaft, der, von selbst aus der Rinde hervorquellend, sich zu langen Schnüren und Seilen von Federharz verdichtet und wie ein Mantel herabhängt”). — Zu der Familie * *) Ein solchen Ueberfluss des organischen Bildungssaftes ist gewöhnlich in den Tropenländern und bezeichnend für die Thätigkeit der hier waltenden Lebenskräfte.. So ergiessen der Kuhbaum (Brosimum Galactodendron, Don.) in Carracas, der Hya-Hya in Demerary eine Fülle süsser, genies- barer Pflanzenmilch, die Sorveira am Amazonas, Collophora utilis, Mart., einen zähen Milchsaft, der zur Bindung der Farbstoffe verwendet wird. In Ostindien bieten die merkwürdigen Wasserschläuche des Nepenthes dem Wanderer ein süssliches Wasser an, und ein vegetabilischer Born ist in der Phy- tocrene giganlea, Wall. (aus der Gruppe der Araliaceen) verschlossen, welcher, eröffnet, in reichli- chem Maasse einen trinkbaren Saft ausgiesst. Wir schweigen von dem ähnlichen, den in geringerer Fülle die Thoa urens, Aubl,, im Amazonaslande und in Gujana, ergiesst, oder von dem Milchsafte des Sandbüchsenbaumes Hura crepitans, L.), womit die Indianer die Fische betäuben, und von dem der Siphonia elastica, Rich., welcher verdichtet unser gewöhnliches Federharz darstellt. 23 der Nesseln*) gehört auch der Brodbaum (Artocarpus), an dessen colossalem Stamme und dicken Aesten jene kugelrunde grosse Frucht hängt, welche die Hälfte des Jahres hindurch fast ausschliesslich die Nahrung mancher Südsee-Insulaner ausmacht. Zwar ist der Brod- baum der neuen Welt ursprünglich fremd, jedoch haben die Portugiesen vorzüglich die aciatische Art (4. integrifolia, L.) häufig nach Brasilien verpflanzt, und in der Nähe der Hauptstädte wird das Auge des Fremden nicht selten vom Anblicke des merkwür- digen Baumes überrascht. America besitzt aber ein Gegenstück in den Papayas (Carica Papaya, L. Tab. U. f. vu), Bewohnern seiner heissen Urwälder, aus welchen sie schon seit undenklichen Zeiten in die Hütten der Indianer auf den Antillen, wie in Peru, Vene- zuela uud Brasilien, verpflanzt worden. Diese rohen Urmenschen scheinen sogar den Unter- schied zwischen männlichen und weiblichen Pflanzen bemerkt zu haben, indem sie vorzüg- lich die leiztern ihrer Pflege würdigten. Zwar erhebt sich der Papayabaum nur zu einer unbeträchtlichen Höhe von zwanzig bis dreissig Fuss, dennoch aber gehört er unter die be- zeichnenden Formen der americanischen Pflanzenwelt. Ein einfacher oder wenig getheilter Stamm, an den Enden grosse, tieflappige, denen des Feigenbaums ähnliche Blätter, und unter diesen, dicht angedrängt, kürbissartige Früchte tragend, scheint gleichsam das We- sen der Kürbisspflanzen und der Passifloren an sich zu vereinigen. Diese Gewächse mögen uns Veranlassung geben, hier auch von der allgemeinsten Nahrungspflanze des neuen Con- tinentes, der Juca oder Mandiocca (Manihot utilissima u. M. Aypim, Pohl. Tab. II. £. v.) zu sprechen. Es scheint jetzt ausser allem Zweifel zu liegen, dass diese nützliche Pflanze ursprünglich im tropischen America zu Hause sey”'). \WVenn sie auch in Africa cultivirt wird, so hat man doch keine Spur, dass sie dort einheimisch und mit den Negern nach America verpflanzt sey, vielmehr weist die grosse Zahl von mehr als vierzig, mit indiani- schen Namen bezeichneten, Spielarten, deren Anbau hier üblich ist, und die Auffindung einer kleinen, ärmlichen Form, welche wild vorkommt (Manihot pusilla, Pohl.) darauf hin, dass diese Pflanzenarten nicht nur schon vor der Entdeckung America's dort gewach- sen, sondern auch von den Ureinwohnern schon sehr lange angebaut worden seyen. YVVenn man bedenkt, wie geringe die Sorgfalt und Pflege ist, welche diese ihren Pflanzen zuwen- den, so wird man anerkennen müssen, dass nicht Jahrhunderte, dass nur Jahrtausende jene vielen Abänderungen in der Organisation der Pflanze hervorbringen konnten, die man jetzt zum Theile erblich an ihr wahrnimmt. Die freien Indianer pflanzen die Mandiocca nur un- regelmässig hie und da in ihren Waldschlägen, und erndien die Stöcke einzeln nach Be- *) Die Gruppe der Pfeffergesträuche (Piperaceae), welche mit den Nesseln verwandt ist, verdient hier auch Erwähnung; denn diese knotigen, mit abwechselnden Blättern besetzten Bäumehen und Stauden nehmen vorzugsweise Theil an der Bildung des dichten Unterholzes in den Wäldern. An sie reihen sich im tiefsten Schatten, an Felsgehängen, über welche kühle Quellen herabträufeln, die Gruppe der Begonien, Bewohner der beiden Welthälften. Ihre saftigen , an Oxalsäure reichen, Sten- gel, die Blüthenrispen von zartem Weiss oder Roth, und die am Grunde ungleichen Blätter machen sie zu einer der seltsamsten tropischen Pflanzengestalten. **) Dahin berichtigt sich die zuerst von Raysar aufgestellte, von uns (Reise, 1. S.507.) berührte Meinung, dass die Mandiocca africanischen Ursprungs sey. - Bo - ' dürfniss. Wo sie nach N Weise angepflanzt wird, gleichen die Felder von Weitem unserenHanffeldern; doch werden die Stengel höher, die Aeste länger und stärker. Wenden wir uns von der indianischen Pilanzung wieder in den dichten Urwald zu- rück, um hier die seltsame ‚Bildung der Schlingpflanzen*) zu bewundern! In Europa, und selbst in den aussertropischen Ländern der andern Welttheile findet man diese Ge- wächsform gar nicht; um so mehr fesselt sie die Blicke des Ankömmlings. Hier sind es blattlose Seile, welche, einfach oder über einander gedreht, wie Schifftaue, von den Stäm- men und Aesten der Urwaldung nach dem Boden hin ausgespannt und festgewurzelt sind, — dort hängen andere Stränge und dünnere Schnüre herab, die den Grund noch nicht er- reicht haben, und zwischen dem bewegten Laube hin- und herschwanken. Eine andere . Form, zum Baume erwachsen, gewaltiger wie an Masse so auch anLebenstrieb, verschmäht die Bestimmung, den uralten Stämmen eine Stütze zu bieten, und wird vielmehr deren unversöhnlicher Feind. In kühnen Verschlingungen hat sie den saftigen Lorbeerbaum oder die ungeheuere Bertholletia (Tab. I. 1.) umgürtet, und indem sie sich von Jahr zu Jahr weiter über den geduldigen Baum ausbreitet, droht sie die Wege des Lebenssaftes zu hem- men, ihn endlich zu tödten. Einem andern Schlingbaum ist diess bereits gelungen; der überwundene Stamm eines Caryocar, von rascher Fäulniss ergriffen, ist hinweggefallen, und nun steht dieses abentheuerliche Gespenst für sich schräg aufgerichtet, im modrigen Dun- kel der Waldung. Die erregte Phantasie erblickt in solchen Ausgeburten des pflanzlichen Bildungstriebes bald riesenhafte Schlangen, bald andere gefrässige Ungeheuer, in'diese schauervolle Einsamkeit gebannet. Und, in der That, keine Gattung scheint so sehr von er friedfertigen Weise des sittsamen Pflanzenreiches abzuweichen, als diese tödtlichen Lianen, die anfänglich in ihren friedlichen Nachbarn nur Stützen zu suchen scheinen, dann sich gefrässig über ihre Oberfläche ausbreiten, und, in verderblicher Zuneigung sie enger und enger umgürtend, gleich gespenstigen Empusen, ihnen die Säfte und das Leben ausziehen. Die Entwicklung dieser Art von Schlingpflanzen ist in einer ganz eigenthünli- chen Lebensart begründet. Anfänglich wachsen sie als schwache Gesträuche loihrecht auf; sobald sie aber aneinem andern Baume eine Stütze erreicht haben, so verlassen sie den ur- sprünglichen Weg der Ernährung, und werden Parasiten, die sich, unmittelbar über die Oberfläche des andern Stammes STE und nach ihr sich modelnd, fortan vorzugsweise von diesem und endlich fast gar nicht mehr durch die eigene Wurzel ernähren. Wenn sonst die gesetzmässige Entwickelung eines Stammes erheischt, dass er sich concentrisch nach allen Richtungen gleichmässig in die Dicke ausdehnt, so wohnt diesen Stämmen der sonderbare Trieb inne, überall da, wo sie durch Berührung gereizt werden, sich der Rinde zu.entledigen, und sich über dem fremdartigen Rörper nach und nach gleichmässig, wie 'Flüssiges, auszudehnen. So verfliessen allmälig sogar die einzelnen Aeste des Parasiten mit einander. Ist in diesem Processe dieKraft der ursprünglichen VYurzel geschwächt worden, so setzt sich der Stamm dadurch ins Gleichgewicht, dass er neue Wurzeln (Luftwurzeln) von Oben herab zur Erde sendet, und so gewinnt dieses zähe, lebenskräftige Geschlecht, zum ” *) Schlingpflanzen heissen im spanischen America Bejuco, im portugiesischen Sipo. _ 25 Verderben der Nachbarn, immer neue Ausdehnung und Stärke. Wir finden diese Lebensweise bei Pflanzen aus den verschiedensten Familien, vorzüglich ausgebildet aber bei vielen Gutti- Gewächsen (Guttiferae), so genannt, weil sie dicke, dem Gummigut ähnliche Säfte führen. Es sind die Clusien, Havettien, Arrudaeen, und die verwandten Gestalten der Ruyshia, Norantea und Marcgravia, welche, an den Nachbarbäumen emporklimmend, ihre Stämme verflächen und ihr Holz mit dem der Unterlage verschmelzen. _Grosse Blumen von üppiger Färbung und glänzendes saftiggrünes Laub erhöhen die Eigenthümlichkeit dieser Gewächse, und wo sie, zu Massen ausgebildet, anderen Stämmen gleichsam einen fremden Baumschlag einimpfen, sind sie von mächtiger Wirkung in dem Helldunkel des tropischen Waldes. An ‚den Ufern des Rio Guamä sah ich ganze Reihen von Macaubapalmen (Acrocomia sclerocar- pa, M.) mit Clusia alba überzogen, so dass der Parasit ein ringsum geschlossenes Rohr um den dreissig Fuss hohen Stamm gebildet hatte, das an kurzen Aesten Laub und Blumen trug, und aus dessen Ende die erhabene Palmkrone hervorragte. (Tab. Il. f. x.) Auch mehrere Arten von Feigenbäumen haben diese den Nachbarn verderbliche Lebensweise“). Im Allge- meinen aber bemerkt man,. dass Gewächse, welche sich oberhalb der Erde auf andern pa- rasitisch niederlassen, innerhalb der Tropen viel häufiger vorkommen, als in kalten Län- dern **), und parasitische Gesträuche überziehen hier oft in solcher Anzahl andere Bäume, dass ihr üppiges Wachsthum endlich. die Unterlage zerstört, Sowohl diesen feindseligen Parasiten, als den vorher erwähnten Schlingpflanzen kommen besonders häufig gefärbte oder milchichte Säfte zu, die auf den thierischen Körper bald als scharfe, bald als betäubende Gifte wir- ken, und nur selten ganz unschädlich sind. Es ist daher gefährlich, sich in die Windungen dieser, bei der Verwundung milchenden, Buschtaue zu verwickeln: schmerzhafte Geschwulst der Glieder entsteht bisweilen von der Berührung, und ins Auge geträufelt haben solche Säfte Blindheit bewirkt. Die Liane der Bauhinia gujanensis, Aubl., welche seltsam im Zickzack gewunden an den dicksten Stämmen emporsteigt, enthält ein eigenthümliches Gift, womit die Indianer das Wasser schwängern, um die Fische zu betäuben. Andere sind reic - an Stoffen von drastischer Wirkung, und gehören dem Arzneischatze dieser Wildenan, oder liefern ihnen ein tödtliches Pfeilgift. Diese Gewächsform ist es übrigens vor allen andern, welche sich bis jetzt der genaueren Kenntniss der Botaniker entzogen hat; denn nur höchst selten erscheinen Blätter, Blüthen und Früchte an den, gleich Seilen ausgespannten, Busch- tauen, und die Verschlingung zwischen dem benachbarten Laubwerke macht es oft ganz un- möglich, die einzelnen Bildungen zu entwirren und zu unterscheiden. Wenn die Liane in schwindelnder Höhe, unter der Krone eines mächtigen Baumes ihre Blüthen entfaltet hat, — *) So Ficus dendrocida, Humb., am Magdalenenstrome, F. parasitica, W., in Ostindien. **) Wahre Parasiten sind Pflanzen, welche, unvermögend sich selbst die nothwendigen Nahrungs- säfte zu bereiten, auf andern lebenden Gewächsen sich einnisten, und deren Säfte im eigenen Haus- halte verwenden, Sie sitzen bald unterirdisch auf den Wurzeln, wie in Europa der Hypoeist, der Fungus melitensis und die Orobanchen,, in Africa die essbare Aphyteia, in America die pilzähnliche Helosis, bald oberirdisch an Stämmen und Aesten, wie die Mistel (Viscum) und die Riemenblumen (Loranthus), die in allen Welttheilen vorkommen. Auch die grösste aller bekannten Blumen, Raf- lesia Arnoldi, die drei Fuss im Durchmesser hat, ist ein Parasit; sie bricht ohne Stengel und ohne grüne Blätter aus dem wurzelartigen Stamme eines wilden Weinstocks in Sumatra hervor. FH s 26 was man oft nur durch die Luchsaugen es begleitenden Indianers entdeckt — so giebt es kein Mittel zu ihr emporzusteigen, ae selbst der kühnste Sohn des Waldes fürchtet die bösen Ausdünstungen und Säfte des Schlinggewächses, an dem er sonst wohl mit Gewandt- heit emporklimmen könnte, und die benachbarten Bäume starren von Stacheln oder wim- meln von Ameisen, deren bösartigem Bisse Geschwulst und Fieber folgen. Versucht man die Ranken herabzureissen, so erfährt man bald, wie eitel diese Anstrengung sey, denn in ungeheurer Ausdehnung hat sich das wuchernde Buschtau durch die benachbarten Wipfel verschlungen, und das gespannte Laubgewölbe wird von vieler Menschen Gewalt kaum in Bewegung gesetzt. Selbst die Wuth des Orcans versucht sich umsonst an diesem dicht verbundenen Blätterbau. — Es giebt endlich noch eine Form von Schlingpflanzen, den Ran- kengewächsen ähnlich, welche sich in nördlichern Breiten zu Hecken vereinigen, oder das Unterholz der Waldungen verflechten. So wie der wilde Weinstock, der Hopfen, die Zaun- rübe, die Trichterwinden in der europäischen Landschaft eine malerische Rolle übernehmen, treten in America's Tropenländern eine Unzahl rankender Gestalten auf, und die Schattirun- gen ihres vielförmigen Laubes, die Pracht ihrer feuriggefärbten und wohlriechenden Blüthen verleiht der Gegend ganz vorzüglich jenen Ausdruck von Fülle und Reichthum, den heisse Länder vor andern voraushaben. Wer mag sie alle nennen, diese üppigen Rinder einer schöpferischen Sonne: die Passifloren, auf deren Blumen jede Farbe verschwendet ist, die honigduftenden Paullinien mit zartem, vielgefiedertem Laube, die Bougainvilläen mit rosen- rothen Blüthentrauben, die Aristolochien*), deren düstergefärbte Blumen über das gewöhn- liche Maass bis zum Ungeheueren ausgedehnt sind, die zahllosen Arten von Winden, von Kürbisspflanzen, vonEchites und andern Apocyneen mit Milchsäften und mit stattlich gefärbten Blüthen, die Banisterien, deren Blumen, gleich farbigen Sternen, über das Laub ausgegossen sind, die blendend bunten Geschlechter von Alloplectus, Ulloa, Ecceremocarpus, Mendo- zia, Bignonia u. s. w., die sich bald, Parasiten ähnlich, über Stämme hinziehen, bald zu dichten Gehägen und Guirlanden verschlingen, und mit der Einfalt der Natur kunstreiche Wände und Tapeten wirken, auf denen sich die fröhlichen Sänger des Waldes schaukeln. In diesem bunten Gewirre von Formen hat die Schöpferkraft alle Stufen der Rankenbildung dargestellt: vom dünnsten Faden, der sich am Ende eines Blattes schraubenförmig zusam- menrollt, bis zum Baume, dessen gewaltige Aeste, gleich Riesenarmen, den Nachbar um- schlingen. Wenn an diesen Gewächsen die Mannichfaltigkeit in der Form eines jeden Organes ergötzt, so finden wir dagegen bei den Myrten- und Lorbeerbäumen geringen Wech. sel der Gestalten, ungeachtet einer grossen Zahl von Arten. Die bisherigen botanischen Entdeckungen im tropischen America lassen schliessen, dass jede dieser beiden Pflanzenfa- milien dort vielleicht durch mehr als tausend Arten repräsentirt werde; aber diese Arten sind sich in Bildung der Blätter und Blumen verwandt, und schmelzen in der Landschaft zu einem einzigen, um so frappanteren Zuge zusammen: das glänzende Laub zu weichen Um- *) Aristolochia gigantea, Mart. Nov. Gen. t. 48. hat eine fast Fuss lange Blume; am Magdale- ‚nenstrome wächst Aristolochia cordifolia, Humb., deren Blumen den Knaben statt Mützen zum Spiel- zeuge dienen. v. Hume. Ansichten S. 47. 27 rissen gruppirt, und wegen der Härte der Blätter und der kurzen Blattstiele ohne Bewe- gung, nur durch stavken Wind zu erschüttern; die Myrten, im Frühlinge mit zarten Ster- nen von weissen Blumen übergossen, ein Bild unserer blühenden Obstbäume; die Lorbee- ren, mit unscheinbaren Blüthen versehen, aber um so reicher glänzend im Schmucke des immergrünen Laubes. Diese schönen Bäume und Gesträuche vertreten die europäischen Weiden- und Oelbäume; aber sie verleihen der Landschaft noch mehr Ruhe uud Stille. Süsse Melancholie beschleicht den Reisenden auf den klaren Sandufern des Rio Negro, wo gewürzige Lorbeeren regungslos über die dunklen Fluthen in die heisse, stille Luft aufra- gen. — Wenn Jie Sonne untergeht, und ein milder Duft sich auf die Thäler und Hochebe- nen des brasilianischen Minenlandes herabsenkt, dann treten die Bilder der blühenden Myr- ten näher heran, welche die blumenreiche Flur umhegen, und die Schwermuth des Ortes versetzt uns nach jenen düstern Gefilden des Orcus, wo ein sinniger Dichter des Alterthums die Schatten der Liebesiechen unter Myrtengesträuche umherflattern lässt. (Virg. Aen. VI. v. 439. ff.) — America ist reich an köstlichenFrüchten aus der Familie der Myrten. Die Gojaven (Psidium) sind ein durch die Tropen der ganzen neuen Welt verbreitetes, eben so schmack- haftes als gesundes Obst. Die spanischen Conquistadores fanden sie auf den Antillen, und auch auf demFestlande istihre Cultur sehr alt beiden Urein wohnern, wofür man unter Anderm spricht, dass die Früchte bisweilen die Saamen gänzlich verlieren. Alle diese aromatısch- süssen Früchte werden durch die Künste einer fortgesetzten Cultur noch veredelt werden, und, gleich den ostindischen Obstarten, eine sorgsame Pflege durch erhöhteren VVohlge- schmack und reichere Formen belohnen*). Die Gruppe der Lorbeerbäume liefert den Ur- einwohnern vor Allem leicht zu bearbeitendes Holz, woraus sie Hausgeräthe und Rähne ver- fertigen und ihre Hütten zimmern; überdiess mancherlei köstliche Arzneien, und selbst Nahrung in dem erquickenden Fleische des Abacate (Persea gratissima, Gärtn.), und in den stärkmehlreichen Saamenkernen des Laurus Chloroxylon, Sw. 4 - Die Hülsenfrüchter (Leguminosae). Eine der grössten Pflanzenfamilien, reich an wechselnden Gestalten, über die ganze Erde verbreitet, aber zwischen den Wendekreisen an Form und Zahl am meisten entwickelt. Der neuste Monograph , Hr. DE CanpoLLE, zählt da- von 3725 Arten auf, von welchen nicht weniger als 1190 dem neuen Continente sukom- men. ‘In der alten Welt sind viele Hülsenfrüchter aus der Gruppe der sogenannten Schmet- terlingsblumen (Papilionaceae) seit Jahrtausenden Gegenstand der Pflege auf Feldern und in Gärten, und man kennt ihr ursprüngliches Vaterland eben so wenig, als das der Ge- treidearten. Dagegen haben die Urvölker America's niemals weder Bohnen, noch Faseln, *) America hat seine wohlschmeckenden Gojaven, Psidium pomiferum, pyriferum, L., aromaticum Aubl., Cattleyanum, Sabine, Eugenia cauliflora, M., E. Michelii, Lam., (die köstliche Pitanga Bra- siliens) u. s. f£ zum Theile. bereits an Ostindien mitgetheilt, und dafür zugleich mit der trefflichen Manga, auch den balsamischen Rosenapfel, Jambosa vulgaris, de Cand., erhalten, — Wenn die Früch- te der neuen Welt im Allgemeinen nicht so edel sind, als die der alten, so dürfen wir den Grund dieser Erscheinung lediglich in dem Mangel an Pflege erblicken, während die Obstarten Asiens bei den Hindus und Chinesen seit Jahrtausenden Gegenstand der Cultur sind. Kr 28 Lupinen und Wicken angebaut, und durch Cultur veredelt. Es ist diess um so bedeutsamer, als Pflanzen jener Gattungen gerade in den kälteren Gegenden, auf den Hochebenen von Mesi- co, Quito und Peru wildwachsen, wo eine gewisse Bildung der rothen Menschen herrschte. DieseRage hat also die Gemüsearten vernachlässigt, deren Genuss in der alten Welt von dem alten Cultus der Pythagoräer verboten war. Auch die andern Hauptgruppen jener grossen Pflanzenfamilie, die Cassieen und die Mimoseen, haben den Ureinwohnern America’s nur wenige Früchte zur Nahrung dargeboten. Die Hymenaeae gewähren ein zuckerhaltiges Mehl, welches die Saamen einhüllt,, die Cassienbäume (Bactrolobium) ein süsses Mark, die Ingae eine saftige Saamenschale. Der ganze Inhalt in den, oft Ellen langen, Hülsen der letzteren, längere Zeit hindurch in feuchtem Sande gerottet, ist eines der wenigen Nahrungs- mittel, dessen Gebrauch man allgemein bei den Ureinwohnern des tropischen America be- merkt. Vielleicht bringt dieser Welttheil auch den Tamarindenbaum ursprünglich hervor; wenn anders die Nachricht sich bestätigen sollte, dass man in den Wäldern von Mato Gros- so jenen nützlichen Baum wildwachsend antrefle. Der Indianer schmückt sich übrigens mit den schönfarbigen Saamen des Abrus und der Ormosia, die er statt Perlen an einander reiht, und die rohe Lust seiner Feste erhöht ihm der Genuss jenes erregenden Schnupfta- backs aus den Saamen der Acacia Niopo, Humb. Endlich dienen ihm die baumartigen Hülsen- früchter zur Bereitung seiner Waffen, und die Balsame, welche manchen Stämmen (z. B. des Copaiya- und peruvianischen Balsambaumes) entträufeln, sind seine ältesten Heilmittel für die Wunden, die er in mörderischen Kämpfen empfängt. So zahlreich nun auch diese Pflan- zen in America sind, so begegnet ihnen das Au vereinigt, denn sie stehen nicht zesellig, sondern einzeln zwischen andern Gewächsen zer- streut. Ein Irrthum ist es, wenn man an ganze Wälder von jenem Baume in Brasilien glaubt, dessen edles Farbholz dem Lande seinen Namen gegeben hat*). Er wächst nurein- zeln zwischen den vielartigsten Nachbarn im Urwalde, und ebenso die Andira, deren co- lossale Stämme zu Fässern ausgehöhlt werden, die luftiigen Copalbäume (Hymenaea), das Myrospermum, welches den köstlichen Perubalsam ausschwitzt, der Campecheholzbaum (Haematoxylon campechianum, L.), die Parauna (Melanoxylon Brauna, Schott.), de- ren Holz fast bis zur Dichtigkeit eines Steins erhärtet, oder die Stämme von Erythrina, welche, mit einem leichten Marke gefüllt, nicht selten tonnenartig anschwellen, und wie durch die hellbraune, stachlichte Rinde und die Trauben corallenrother Blumen so durch die grossen gedreiten Blätter schon von Weitem einen schlagenden Anblick gewähren. Un- endlich reich ist der Formenkreis, welchen die Natur an den Blättern, den Blüthen, Früch- ten und dem ganzen Wuchse der Hülsenfrüchter darstellt: riesenhafte Stämme, niedrige, ge doch nur selten zu eintönigen Massen ”) Schon vor der Entdeckung America’s führten Venetianer und Portugiesen ein Farbholz (von Caesalpinia Sappan, L.) aus Östindien nach Europa, welches in der damals allgemeinen italienischen Handelssprache Legno drasilo genannt wurde. Die ersten Entdecker Brasiliens erfuhren von den Ein. wohnern, dass sie die Federn zu ihrem Schmucke mit einem ähnlichen Holze färbten, und diess ward nun der wichtigste Handelsartikel, den Portugiesen und Franzosen von jenen Küsten holten. Bald wurde der Brasilholzbaum (Caesalpinia echinata, L.) zu einem Regale erhoben, sowie sich auch die Regierung das Eigenthum gewisser anderer edlen Holzarten (Pdos de Ley) in den Wäldern der Colonie vorbehielt. E- % . vielästige Bäume, Gesträuche und zarte Kräuter; einfache, gedreite, einfach und mehrfach gefiederte Blätter, Blüthen von allen Farben, regelmässig ausgebreitet, oder in verschiede- nen Abstufungen der Schmetterlingsblüthe abweichend; Früchte bald unansehnlich unter dem Laube verborgen, bald gewaltig an Grösse, und von den seltsamsten Formen zwischen ihm herabhängend. Was aber vor Allem den Hülsenfrüchtern eine bedeutsame Physiognomie verleiht, das ist die gefiederte Theilung des Laubes. { Vorzüglich sind es die Cassien, die Acacien, die Ingen gnd Mimosen, welche eine so zahlreiche Entwickelung zu Blättchen an einem einfachen Blattstiele darstellen. Es giebt Mimosen, bei denen sich die Natur in der Erzeugung unendlicher kleiner Blätter gefällt, so dass der Typus des einfachen Blattes an Einem einfachen Blattstiele tausendmal wiederkehrt. Hier ist der bildbare Stoff in den kleinsten Formen ausgeprägt, während manche Ingas die Blättchen zu ellenlangen Blättern vereinigen. Eine eigenthümliche Reizbarkeit waltet in diesen zarten Gebilden; sie empfinden lebhaft den Reiz des Sonnenlichtes, und sie stellen durch besondere periodische Bewegungen ihre Abhängigkeit von dem Gestirne des Tages dar; diess ist der sogenannte Pflanzenschlaf. Man "bemerkt zwar, dass alle beblätterten Gewächse in heissen Klimaten ihre Abhängigkeit von der Sonne durch bestimmte Lagenver- hältnisse beurkunden, welche die Blätter zu gewissen Zeiten des Tages und der Nacht re- gelmässig einnehmen; am deutlichsten aber finden wir diese Bewegungen eben bei den Hül- senfrüchtern mit vielfiedrigen Blättern. Durch die Richtungen der Blattstiele und der Blätt- chen, welche sich bald nach Oben bald nach Unten, vorwärts oder rückwärts, zusammen- falten, erhält jedes dieser reizbaren Gewächse einen andern Ausdruck zu verschiedenen Stunden, und der Unterschied ist oft so bemerkbar, dass er sich selbst dem flüchtigsten Blicke aufdringt. Hier hat eine Mimose, deren Laub bei Sonnenuntergang weit um Stamm und Aeste ausgebreitet war, während der Nacht begierig den T'hau aus der abgekühlten Atmosphäre eingesogen, und stehtjetzt, gesättiget, mit zusammengefalteten Blättern, so dass sie den Stamm und die drohenden Stacheln der Aeste zeigt; — dort winkt, in glühender Mittagsstunde, ein breitlaubiger Ingenbaum mit seinen weissen Staubfäden, welche, gleich zarten Federbüschen, über das ausgebreitete hellgrüne Laub hervorragen; aber mit heran- nahendem Abend verschwindet der Schmuck: er wird dann von den zum Schlafe aufgerich- teten Blättern eingehüllt und verborgen. Im Allgemeinen siad diese sensitiven Pflanzen Tagschläfer; sie ruhen während der heissesten Stunden des Tages, und spannen ihr Laub gegen Sonnenuntergang und während der feuchten Nacht aus. Nächst dem Lichtreize scheint auch der hygrometrische Zustand der Luft von entschiedenem Einflusse auf diese Bewegungen des Schlafes und Wachens: so verkündigt die Porliera hygrometra, ein peru- vianischer Strauch aus der Familie der Rauten, durch Eröffnung und Schliessung seiner ge- fiederten Blätter, in Voraus heiteres oder trübes Wetter. Bei feuchter Luft und bewölk- tem Himmel breiten viele ihre Blätter aus, während sie durch die sengenden Strahlen der Mittagsonne zur Faltung bestimmt werden; giesst aber heftiger Regen herab, so erfreuen sich dessen mit ausgespanntem Laube nur die minder reizbaren Arten, ‚die BArpBATEN legen eilig die Blätter zusammen, und geben nur die langen Staubfadenbüschel Preis. Manche, deren Blätter an langen Stielen befestigt sind, scheinen während des Schlafes von tiefer Erschlaffung ergriffen, so weit und nachlässig hängt ihr Laub herab; andere ragen, als 50 versuchten sie dem Reize zu trotzen, unter scharfen Winkeln nach Oben. Diess geheim- nissyolle Automatenleben gewisser Pflanzen erinnert an jene untergeordneten Thiergeschlech- ter, die Zoophyten, welche im Grunde des Meeres gleichsam nach vegetabilischen Gesetzen sich ernähren und wachsen. Wie dort'Tausende von Polypen, an einen gemeinsamen Stamm befestigt, ihre Arme strahlig ausbreiten und zurückziehen, so hier ein ähnliches Entfalten im Laube der Pflanzen. Noch mehr Anklang zwischen diesen verschiedenartigen Wesen finden wir, wenn wir an manchen Geschlechtern tropischer Hülsenfrüchter eine von der Periodieität des Gestirnes und von dem Dunstgehalt der Atmosphäre unabhängige Bewegung, ein anima- lisches Erzittern, Zucken und Zusammenziehen bei Berührung wahrnehmen. Die Sinnpflan- zen (Mimosa, Schrankia) zahlen jedem leichten Lüftchen Tribut, das durch die Hecken weht, und wunderbar verbreitet sich ‚dieses wechselnde Niederbeugen und Erstehen der Blätter bei gegenseitiger Berührung. An den Ufern des Rio de $. Francisco sind manche Landstrecken in beträchtlicher Äusdohages fast nur mit solchen Sinnpflanzen bewachsen. Der Tritt unserer Pferde brachte die zunächststehenden Stauden in Bewegung, und wie durch einen Zauberschlag pflanzte sich das schuldlose Spiel über den Teppich der kleinen graugrünen Blätter in weite Entfernung fort. So scheinen diese Gewächse gleichsam eine der Pflanzennatur ausserdem fremde Mimik zu übernehmen, und wenn die südeuropäischen Völker sie desshalb Mimosa genannt haben, so muss man ihrer Naturauffassung Gerech- tigkeit widerfahren lassen. Steigen wir von diesen schönen, blumenreichen Gestalten, in denen sich die ersten he thierischer Reizbarkeit regen, herab zu den gleichsam erstarrten, trocknen, saftlo- rn. Hier vermag sich das Blatt nicht mehr zu bunten Formen zu verklären: es ikea die Blumen, und jener Versuch, thierische Neigungen und Gefühle, wenn schon auf niederer Stufe, in dem Gegensatze pflanzlicher Gebilde darzustellen, erlischt in dem Dran- ge, das eigentliche Blatt in zahlreichen Wechselgestalten auszuarbeiten. Aber diese Mannich- faltigkeit in der Form des Laubes, von dem einfachsten Umrisse bis zur Zusammensetzung von tausend Fiederblättchen und Abschnitten, ist wahrhaft unübersehbar. Auf der Rückseite der Blätter brechen kleine braune Häufchen von Fruchtkörnern hervor, und säen einen fast unsichtbaren Staub in die Wälder aus, dem schnell und üppig die jungen Farnwedel ent- keimen. Desshalb hat das Mittelalter den Farnkräutern bald jeden Saamen abgesprochen, bald ihn während der warmen Nächte des Sommersolstitiums mit abergläubischer Furcht auf- gesucht, die Farn wurden als Pflanzen von geisterhaften Wirkungen geschätzt und gefürchtet; siestehen, so glaubte man, mit den Zauberern im Bunde, und die Kunde von ihrer imnissyol- len Erzeugung und Fortpflanzung wird nicht umsonst erkauft, sie verhängt über das schuldbe- wusste Haupt die Strafen eines dunklen Jenseits. — Die Familie der Farn ist über die gan- ze Erde verbreitet, aber am zahlreichsten erscheinen sie in der Nähe der VWYendekreise. . Die meisten lieben den ‚feuchten, schattigen Grund der Urwälder, andere haften mit ihren dünnen, fasrigen Wurzeln an Felsen oder Bäumen. Gewisse Arten*) verbreiten sich gesellig über Bergabhänge, über dürre, sonnige Flächen, oder dringen auf das urbar gemachte Land ein, wo sie sich üppig wuchernd ausbreiten, und des menschlichen Fleisses spotten. *) So innerhalb der Tropen: Gleichenia Hermanni, Mertensia dichotoma, Pteris caudata. 51 Der Stengel des Farnkrautes kriecht gewöhnlich auf oder unter dem Boden hin, bald mit den Spuren abgefallener Blätter besetzt, bald dicht bekleidet mit braunen, glänzenden Schüppchen. Dieser Ueberzug nimmt bisweilen das Ansehen eines thierischen Pelzes an; und die seltsame Verästelung eines so bekleideten Farnkrautes in der Bucharei (Aspidium Baromez) hat die abentheuerliche Fabel vom Schaafe Baromez erzeugt. In den Tropenlän- dern erheben sich manche dieser Farnstengel baumartig auf zwölf bis dreissig Fuss, bei zwei bis acht Zoll Durchmesser, und ihre grossen Laubwedel wölben sich, ein Nachbild der Palmen, zu ansehnlichen Kronen. Doch fehlt ihnen der edle, freundliche Charakter, der die Palmen zu den Königen der Pflanzen macht; denn die Stämme, von düsterer, dunkel- brauner Färbung, mit schuppiger und durch zahlreiche Blattnarben ungleich vertiefter Ober- fläche, oft ringsum von anwachsenden Luftwurzeln vergrössert, sind vielmehr ein Bild al- ternder, versiegender Lebenskraft als jenes jugendlich - kühnen Wachsthums, das wiran den Palmen bewundern. Auch ist ohne Zweifel diese Bildung des Farnbaumes viel älter auf unserer Erde, als die der Palmen. In den Kohlenflötzen der alten wie der neuen Welt fin- den wir keine Pflanzengestalt so häufig und so gross, wie die der Farnbäume. Farnstämme so dick wie die unserer höchsten Laubhölzer begegnen uns hier bisweilen noch im ganzen Umrisse kenntlich, und die Mächtigkeit der Kohlenschichten giebt ein ungeheures Maass von der Ausdehnung jener Farnwaldungen, die in einerfrüheren Epoche auf unserer Erde so herr- schend gewesen seyn mögen, wie jetzt die von Fichten und Tannen. Damals aber vermoch- te die Erde zwar colossale Gestalten zu erzeugen; doch fehlte jene Mannichfaltigkeit der Bildungen, welche sich in späteren Perioden des Erdelebens hervorthat. Der Fleiss der Naturforscher hat bis jetzt kaum hundert verschiedene Formen, welche den Farn angehö- ren, als Reste einer vorweltlichen Vegetation nachgewiesen, während man bereits wohl zwei tausend jetzt lebende Arten von Farn kennt. Damals mögen die gigantischen Thiere der Urwelt in dichten Farnwäldern geweidet haben. Jetzt sind Farnkräuter und Farnbäume in eine untergeordnete Rolle zurückgetreten; eine andere Pflanzenwelt hat sich über sie erho- ben, und sie dienen gleichsam nur, durch ihr trübes, melancholisches Bild den Glanz der heiteren Umgebungen zu erhöhen. Das tropische America hat auch von dieser Pflanzenform einen grossen Reichthum aufzuweisen; nicht nur, dass eine Menge krautartiger Gattungen den üppigen Boden und die Stämme bewohnen, so schlingen sich auch manche (Lygodium) als windende Gesträuche an andern Bäumen in die Höhe, und allerlei Baumfarn (Chnoophora, Didymochlaena, Alsophila, Cyathea; siehe Alsophila paleolata, Tab. I. ıx.) ragen zwi- schen dem Unterholze der Urwälder hervor. Diese letztern, die Baumfarn , scheinen nicht sowohl die höchste Temperatur des Aequators, als vielmehr ein milderes Klima, nördlich und südlich von demselben, zu lieben; denn sie wachsen am häufigsten und höchsten auf bergigen Gegenden in der Nähe der Wendekreise. Hier stehen sie einzeln zerstreut im Dickicht, besonders gerne da, wo ein Wasserfall die Luft mit feuchten Dünsten erfüllet, oder am Rande von Bergquellen und Teichen. Sie halten sich frei von Parasiten, und die 'Thiere verschmähen den Aufenthalt auf ihnen: kein Vogel nistet zwischen ihren Kronen, kein Säugthier lagert im modrigen Grunde, wo sie wurzeln; selbst die Ameisen vermeiden, sich auf. dem saftlosen Strunke anzubauen und so beurkunden sich die Baumfarn, die auch der Ureinwohner für ein unnützes Geschlecht hält, gleichsam als selbstsüchtige Fremdlinge in der Landschaft des tropischen Waldes. 32 Könnten wir die americanische Pflanzenwelt hier genauer ins Einzelne verfolgen, so würden sich uns noch zahlreiche Formen darstellen, weiche, der neuen Welt auschliesslich eigen, oder doch wenigstens der europäischen Flora fremd, den naturhistorischen Charak- ter jenes Festlandes bezeichnen helfen; jedoch der vorgesteckte Plan ruft uns weiter, auch dem americanischen Thierreiche einige allgemeine Züge abzugewinnen. Der Forscher findet vielfache Veranlassung, die gesammte Natur um sich her als ein grosses Kunstwerk zu betrachten. Ein frommes Gefühl mahnt ibn an den grossen Erzeuger und Ordner aller Dinge, und je mehr er sich durchdrungen fühlt von dem harmonischen Zusammenklange der Schöpfungen, und von ihrer Beziehung zu Jenem, um so lebhafter wird in ihm auch die Ueberzeugung von einer gewissen Uebereinstimmung zwischen Natur und Menschengeist. Wir erkennen an, dafs jene dichterischen Schöpfungen, die ein göttlicher Strahl in unserem Geiste entzündet hat, in der Gesammtheit der Natur um uns her nach einem höheren Maalsstabe ausgeprägt seyen, dafs die Natur, diese erhabenste Dichterin, in ihren Werken gewissermaassen- Analogien zu unseren po&tischen Hervorbringungen darstelle. Wer möchte wohl zweifeln, dafs es einen epischen, einen Iyrischen, einen dramatischen Ausdruck in der uns umgebenden Schöpfung gäbe? Wie ganz anders reden zu uns die Elemente, die Thiere oder die Pflanzen? Sind sie nicht lebendige, grosse Gedichte ver- schiedener Gattung? Jene, das Reich der sogenannten todten Stoffe, unter sich in einer ununterbrochenen Bewegung, gegen einander in einem unaufhörlichen Kampfe begriffen, stellen gleichsam ein untergeordnetes Epos, ein reges, nie rastendes, aber bewulstloses Handeln dar; in ihrem Waiten redet eine hohe, gewaltige Muse der Geschichte. Aus dem Pflanzenreiche kommen uns stille Klänge einer eigenthümlichen Lyrik entgegen; und das Thierreich entfaltet seine Natur dramatisch, in einem Wechselverkehre von Gefühlen, Lei- denschaften und Handlungen. Unendlich reich und mannichfaltig bewegt sich dieses Drama des Thierlebens durch die americanischen Tropenländer hin; — meine Feder ist zu schwach, ein getreues Bild davon aufzustellen; es mögen daher nur einige der allgemeinsten Andeu- tungen hier Platz finden. So wie jeder Welttheil einen historischen, po&tischen, sittlichen Charakter hat, so verleihet ihm auch seine eigenthümliche Thierwelt einen bestimmten, individuellen Ausdruck. Zu der eigenthümlichen Physiognomie Asiens gehören eben so sehr als die zahlreichen Anklänge an eine uralte Geschichte, als die gräulichen Ausgeburten der Hindureligion, als die Entwickelung des Despotismus und die troglodytischen Bau- w ‚— auch der Elephant, der Tiger, der Schakal, und der gefrässige Gavial des Ganges. In dem physischen Gemälde von Africa dürfen neben den Pyramiden und der Memnonssäule, neben dem Walten goldgieriger Negerhäuptlinge und dem verjährten Insti- tute des Sclavenhandels auch das Zebra, der Löwe, das Crocodil des Nils und die unförm- lichen Riesengestalten des Nashorns und des Flufspferdes nicht fehlen. Ganz andere Thiere sind es, die bezeichnend im tropischen America auftreten, Unter den Säugthieren, der bedeutsamsten Thierclasse, sind es vorzüglich gewisse Affenarten, die Faulthiere, Ameisenfresser, Beutel- und Nasenthiere, die Armadille, eine eigenthümliche Reihe von Stachelträgern und von Nagern, als deren bekanntester Repräsentant das Meerschweinchen auftritt, der Tapir, das Llama mit den verwandten Arten , endlich der Lamantin, ein Wasserthier, dessen zweideutige Gestalt die Brasilianer durch den Na- : 33 j men Peixe - Boy, Fisch - Ochs, bezeichnen. Wir bemerken an verhältnissmässig vielen er americanischen Säugthiere eine ungewöhnliche Lebhaftigkeit, eine planlose, unstäte, gleichsam flatterhafte Beweglichkeit. Ganz vorzüglich gilt diess von den Affen, deren man bereits über achtzig Arten in diesen Tropenländern kennen gelernt hat. An Grösse und Körperfülle stehen die americanischen Arten dieses menschenähnlichen Geschlechtes den asiatischen und africanischen im Allgemeinen nach, aber an körperlicher Rührigkeit, und geistiger Regsamkeit und Schlauheit thun sie es wenigstens den letztgenannten zuvor. Wäh- rend die Affen der alten Welt viel auf ‚der Erde wohnen, scheinen die americanischen vor- zugsweise auf die dichten Urwälder dieses fruchtbaren Continentes angewiesen, wo sich man- che eines musculösen Greifschwanzes als der fünften Hand bedienen können ‚ und mit unglaub- licher Schnelligkeit und Stärke durch die höchsten Aeste der Bäume hinschwingen. Bil- dung und Lebensart der einzelnen Affengeschlechter ist wiederum verschieden, und das Drama der 'Thierwelt erhält dadurch in den Gegenden, innerhalb deren Grenzen die ein. relnen Arten vorkommen, eine gewisse Abwechselung. Nur wenige Formen, wie die Heul- affen *), sind über das ganze tropische America verbreitet. * Von den Fledermäusen, die durch Vielerlei ihres Baues in die Verwandtschaft der Affen gestellt werden, hat America eine grosse Menge der seltsamsten Gestalten her- vorgebracht, Zwar flattert jenes gespenstige Unthier, der grosse Vampyr Ostindiens nicht durch die americar ische Tropennacht, aber Schwärme zahlloser Blutsauger: der Phyllosto- men und Glossophagen, verdunkeln bisweilen die Luft, wenn sie aus den Kalkhöhlen am Rio de S. Francisco oder von den Granitwänden des Parimegebirges aufsteigen. Die Heer- den der aus Europa eingeführten Hausthiere werden von diesen blutgierigen Tyrannen oft so anhaltend verfolgt, dals die Pflanzer, um sie gänzlicher Vernichtung zu entreissen, ihre *, Die Heulaffen (Mycetes; IM. barbatus, Spix. fig. 17.) sind dureh eine starke Entwickelung des Stimmapparates, durch den unten an der Spitzenackten Greifschwanz und eine gewisse ernsthafte Lang- samkeit vor den übrigen Affen America’s ausgezeichnet. Sie leben gesellig in grossen Banden und erfüllen vor Sonnenauf - und Untergang die stille Einsamkeit mit ihrem weithin schallenden heulen- den Geschrei. An Muth und an-Stärke des Gebisses kommen sie am ersten den kurzschwänzigen Pavianen mit der Hundeschnauze nahe, welche die alte Welt bewohnen. Kleiner, beweglicher, von lebhaftem , gleichsam zänkischem Naturell sind die Rollschwanzaffen (Cebus; C. xanthosiernos, Neuw. f. 30, robustus, Neuw, f. 12. €. gracilis, Sp. f. 10.) Noch zarter von Bau, furchtsam und sanft sind die kleinen Krallen- oder Seidenäffchen Midas und Jacchus (Hapale), die einzigen , welche am äussersten Ende der Zehenspitzen Krallen wie Eichhörnchen haben, und damit im eigentlichen Sinne klettern. Sie kommen in der Zahl der Backenzähne mit den Affen der alten Welt überein, so dass sie, wie der Mensch, 32, nicht, wie die andern americanischen Affen, 36 Zähne haben, So wie diese Gattung in der neuen Welt die Eichhörnchen ersetzt, wovon bier nur wenige Arten wohnen, finden sich in den Gattungen Lagothrix (L. canus, Geoffr. f. 3.) und Ateles Repräsentanten der Meer- katzen (Cercopithecus), welche in Asien und Africa hausen. In hohlen Bäumen nisten die nied- lichen, scheuen Nachtaffen (Nyctipithecus felinus, Sp., oder Aotus trivirgatus, Humb, f. 9.) Gleich den Aeffern (Lemures) der alten Welt, kommen sie bei nächtlicher Stille aus ihren Schlupfwinkeln hervor, und gehen, den Mardera an List und Verschlagenheit vergleichbar, auf Raub aus, ErrrE 5 Tr Wohnorte zu verlegen gezwungen sind. Was kein Schrecken reissender Thiere, keine Drohung menschenfressender Urbewohner vermag, bewirkt die unaufhaltsam wiederkeh- rende Plage jener Blutsauger. Die Kantenlefzer (Noctilio) und mehrere Arten der ge- schwänzten Gattung Dysodes, beide vorzüglich von Insecten lebend, gehören ebenfalls dem tropischen America zu. Diess Continent besitzt im Vergleiche der alten Welt minder furchtbare Katzenarten; die grössten und gefährlichsten von ihnen sind Felis discolor, in Peru Puma oder Löwe genannt, die Onze (Felis Onga, L..5.), oder Jaguaret&in Brasilien, und insbesondere deren schwarze Varietät, der Tigre der Brasilianer (f.4.). Biutgierig, keinen Raub verschmähend, schleichen sie während der Nacht aus ihrem Schlupfwinkel von Röhricht oder Gestrüpp hervor, undüberfallen die harmlosen Heerden oder die andern Thiere des Waldes, welche furchtsam ihr Uebergewicht anerkennen. Fast alle bestehen nicht im ungleichen Kampfe ; nur das Krokodil trägt bisweilen den Sieg davon, und der grosse Ameisenfresser schlägt, auf dem Rücken liegend, seine langen Rlauen so tief in die Seiten des Angreifers, dafs beide Thiere miteinander als besiegte Sieger fal- len. Die andern americanischen Katzenarten, kleiner und schwächer, unserm Luchs oder ‚der wilden Katze vergleichbar, z.B. der Ocelot (Felis pardalis, L. f. 26.) theilen mit jenen Sitten und Lebensweise. Man kann somit sagen, dafs diese Gattung der Thierwelt des tropischen America keine besondere Physiognomie verleihe. Diess ist dagegen ganz vorzüglich mit den Faulthieren (Bradypus tridactylus, L. fig. 2. ete.,) der Fall, einem höchst eigep- thümlichen, bloss auf America beschränkten Geschlechte, das seinen Namen von der ausser- ordentlichen Langsamkeit seiner Bewegungen erhalten hat. Sein klägliches, nur selten hör- bares Geschrei, der greisenhafte , ängstlichmürrische Ausdruck des flachen von dicken stei- fen Haaren umgebenen Gesichtes, der wehmüthigmatte Blick des dunklen Auges, die ge- spensterhaften Bewegungen des vorgestreckten Halses und der mit langen Klauen bewaffne- ten Greifarme, die unordentliche Bekleidung mit struppigharten Haaren — vereinigen sich zu einer höchst seltsamen, gleichsam alterthümlichen Thiergestalt, und Alles giebt der Meinung Eingang , dass die Gattung, aus der Zahl früherer Erdbewohner übrig geblieben, nur noch einen Rest ihrer ehemaligen Lebenskraft besitze, und so, gleichsam erkrankt an der langen Zeit, durch sie ihr Daseyn hingefristet habe, zu beständigem Siechthum verurtheilt sey- Ehemals wurde America von dem Megatherium bewohnt, einem giganti- schen Ungeheuer, grösser als der Elephant, das, nach der Bildung seines Knochengerüstes, keinem Thiere näher verwandt war, als dem Faulthiere, und desshalb auch von Einigen Riesenfaulthier genannt wird. Das Skelet desselben, in Sumpf versenkt, hat man in den Fluren von Paraguay u. s. w. gefunden. Diese Colossen einer früheren Bildungszeit konnten wohl nicht die Bäume besteigen, wo ausschliefslich das noch existirende Faulthier sein Leben zubringt; sie weideten mit dem verwandten Megalonyxe und mit dem Mastodon, der unter- gegangenen Elephantenart jenes Welttheiles, in den Fluren und Urwäldern. Wahrschein- lich sind alle diese Thiere mit einander durch eine gewaltige Katastrophe vernichtet wor- den; eine allgemeine Dürre suchte das Land heim, und trieb die dürstenden Thiere in die letzten Gewässer der Sümpfe zusammen, worin sie endlich den Tod fanden; darauf hat vielleicht eine grosse Wasserfluth die meisten ihrer Reste in Flussmulden und Höhlen ge- führt, wo sie der staunenden Nachwelt sind erhalten worden. Jene frühere Bildungs- 55 epoche scheint die Masse in den thierischen Gestalten America's erschöpft zu haben, denn die dort jetzt noch lebenden Thiere sind im Vergleiche viel kleiner als die der übrigen Welttheile; "America hat keinen Elephanten mehr, kein Hippopotamus oder Rhinoceros, keinen Löwen, Elenn, noch die grossen Antilopen Africa's: der Tapir, die Onze, rehartige Hirsche vertreten jene Thiergestalten, und das nützliche Cameel, das Schiff der africani- schen und asiatischen Wüsten, wird auf = esen von Peru durch das bei weitem kleinere und chere Llama repräsenlirt, Es wirft der Vorwurf der Rohheit und Unbehülflichkeit, wie einer dunklen Schatten, auf die americanische Urbevölkerung, dass die Zahl der Hausthiere bei ihr vor der Eroberung so äusserst geringe gewesen ist. Nur von dem Hunde, dem getreusten Begleiter des Men- schen, ist es mit Sicherheit anzunehmen, dass er den Urstämmen America's bereits vor der Ankunft der Europäer gedient habe. Von ihm gab es und giebt bei den Indianern mehrere Varietäten, und die alten Mexicaner pflegten ihn zur Nahrung zu mästen*). Lastthiere wa- ren den Mexicanern, geschweige denn den rohen Wilden der Tierra firme und Brasiliens, unbekannt ; nur bei den Bewohnern der hohen Gebirgsthäler der Andes fanden die Conqui- stadores von den cameelartigen Wiederkäuern jener Gegenden zwei, das Llama und das Paco **) gezähmt. Ueberhaupt aber bemerken wir, dass die Zahl der Wiederkäuer im tro- pischen America nur geringe sey. Ein ausgezeichneter Naturbeobachter ***) macht die Be- merkung, dass das an Laubwäldern so reiche America der Organisation dieser Thiere bei weitem minder zusage, als die grasreichen Steppen und Fluren von Africa und Asien, und allerdings finden wir hier, ausser den genannten, nur noch die Gattung der Hirsche hei- misch, deren Arten jedoch schwächer und kleiner als der europäische Edelhirsch und Damm- *, Man findet bei den Ureinwohnern America’s mehrere, heglich unserm Schäferhunde ver- wandte, Varietäten dieses Hausthieres. Den Conquistadores fiel insbesondere eine stumme Hunderace auf, doch ist diess gewiss nicht die einzige, welche die Einwohner beim Eintritt der Euro- päer besassen. Ihre Sprachen haben Worte für Hunde; so heisst ein Hund bei den Mexicanern Te- chichi, bei den Peruanern Alco, bei den Chilesen Thegud und die kleinern (selten bellende) Race Kiltkho, bei den Tamanacos Veröro, bei den Maipures 4uri, bei den Juris a bei den Tu- pis Guard, bei den Coropös Tschoktodn u. Ss. w, **) Das Llama (Camelus, oder duchenia, Ill., Glama, L. fig. 35.) hat seinen Namen nach dem Peruanischen, wo Llamscani Thier der Last heisst, eben so das Paco oder Alpaca (Cam. Paco, L.), peruanisch: Thier des Landes. Beide sind gezähmt, und finden sich nur äusserst selten im Zustande der Freiheit. Vielleicht ist es das Paco noch nicht so lange als das Llama, denn man sieht es noch bisweilen wild, und es ist störrischer von Naturell als dieses. Beide Thiere haben sich noch nicht mit einander vermischt. Die andern Wiederkäuer jener Hochgebirge, das Huanaco (Cam. Huanacus, L.) und die Vicunne (Cam. Vicugna, L.) leben noch frei, und werden wie unsere Gemsen gejagt, wo jenes, seinem Bau N eyes bergabwärts zu fliehen sucht, während die andern Arten leichter bergan flüchten. ’***) Max. Prinz zu Wied, Beiträge zur Naturgeschichte von Bras. II. S. 573. Wenn wir uns bei der Schilderung der americanischen Thierwelt kurz fassen, so ist es, weil wir,den Leser insbe- sondere auf jenes, an Thatsachen reiche Werk hinweisen können. ’ WEFrF Ei 30 hirsch sind. Diese schönen, flüchtigen Thiere scheinen zwar in grosser Ausdehnung durch die neue Welt verbreitet, doch unter dem Erdgleicher minder häufig als gegen die Wen- dekreise hin. In Mexico pflegten die ehemaligen Einwohner ihre hieroglyphischen Malereien auf gegerbte Hirschhäute zu malen. Diese Thiere kommen in Sitten und Lebensart mit unsern Hirschen überein. Der Stier und das Ross, welche in der alten Welt im Verkehr und der Entwickelung der Völker eine so wichtige Rolle erhalten haben, fehlen ursprüng- lich den americanischen Ländern zwischen den Tropen (ausserhalb derselben besitzt Nord- america VWViederkäuer oder Zweihufer in seinem bucklichten Bison und in dem Moschussstier, Bos Bison und B. moschatus). Es muss jedoch bedeutsam für die neue VWVelt erscheinen, dass sich jene nützlichen Hausthiere hier im Zustaude der Freiheit so ausserordent- lich schnell vermehrt haben , dass jetzt Tausende derselben in den Fluren am Paraguay, am Uruguay, Rio Branco und Carony weiden. Auch der europäische Esel und der Maul- esel sind in den kühleren Gegenden America's heimisch geworden, dagegen haben die Ver- suche, die nützlichsten Lastthiere des Orients, das Cameel und Dromedar, zu verpflanzen, vielleicht wegen der Behandlungsart, minder günstige Folgen gezeigt. America bewährt sich auch in dieser Beziehung als Colonie Europa’s, in dessen Dienste es die Keime zahl- reicher Nutzpflanzen geduldig aufgenommen hat, und, reich vervielfältigt, dem Handel der betriebsamen weissen Völker zurückgiebt. An die Gruppe der Wiederkäuer schliessen sich in mancher Beziehung die sogenann- ten Vielhufer oder Dickhäuter (Pachydermen) an. In der alten Welt erheben sich die hierher gehörigen Geschlechter zu colossalen und seltsamen Gestalten: so das Flusspferd, das Nashorn, der Elephant. America hingegen hat ähnliche Riesenformen durch gewaltige Naturereignisse verloren, und gegenwärtig sind es nur der Tapir und Arten vom ‘Schwein, die, jenen Thieren und unter sich an Sitten und Lebensweise ähnlich, als han- delnd im Naturgemälde auftreten. Der Tapir (Tapirus americanus, L., fig. 20.), das grösste Landsäugethier America's, lebt in sumpfigen Fluren und Wäldern. Dort trabt er langsam und stille einher; verfolgt, bricht er mit vorgerecktem Kopfe in gerader Richtung, Alles niedertretend, durch Gebüsch und Röhricht; aber wo_er sich sicher weiss, weidet er en am grasigen Ufer der Flüsse, in die er sich, ein geschickter Schwimmer, ht, wenn ihn die Stechfliegen peinigen, oder er wälzt sich wie das Nashorn im Schlamme. Wie der Elephant ist er leicht zu zihmen, wenn man ihn jung gefangen hat, allein es fehlt ihm der ruhige helle Verstand jenes edien Thieres. Die Schweine des tropischen America werden von unserm Eber an Stärke und Grösse weit übertroffen; sie unterscheiden sich überdiess durch einige Verschiedenheit im Zahnbau, vorzüglich aber durch den Mangel der inneren Afterklaue an den Hinterfüssen und durch eine Fettdrüse auf dem Rücken in der Kreuzgegend. Man hat bis jetzt zwei Arten von diesen Bisam- oder Nabel- schweinen im tropischen America kennen gelernt (Dicotyles torquatus, Cuv., das Pecari, und D. labiatus, Cuv. fig. 6.). Sie leben dort, zu grossen Rudeln vereinigt, wie die wil- den Schweine unserer Wälder; sind jedoch von den Ureinwohnern nicht gezähmt worden. Die meisten dieser Wilden schätzen die Schweine als das beste Wildpret, und erlegen sie häufig auf ihren Jagden; manche Stämme jedoch meiden das Fleisch derselben immer oder « Fe 5 37 zu gewissen Zeiten, wodurch sich einige ältere Schriftsteller zu dem Schlusse berechtigt hielten, dass die Urrace der Americaner kzenge jüdischen Stamme angehöre. An diese Pachydermen schliesst 2a durch den Bau der fast hufartigen Zehen, durch. die harmlose Lebensweise auf der Erde in der Nähe von Gewässern und Sümpfen, durch die vegetabilische Nahrung, welche sie, eifrig mit den Pfoten wühlend, im Boden suchen, eine eieenihinnliche Reihe der Nager, mit hufartigen Krallen, die Cavien, an. Die Sit- ten dieser, im Allgemeinen als wohlschmeckende Speise von den Urbewohnern verfolgten, Thiere stellen sich uns am deutlichsten in dem sogenannten Meerschweinchen (Cavia Co- baya, L J: ar ,. weiss, aus America zu uns gebracht, sich vielfach vermehrt und in Va- € — Unter den Raubthieren macht das Katzengeschlecht, wie wir bereits bemerkt haben, a weder durch ausserordentliche Grösse noch durch besondere Sitten bemerklich. Gleiches gilt auch von dem der Hunde. Zwei Arten desselben, Dani Azarae, Neuw., und jubatus, Desm. (fig. 7.) schweifen in Südamerica umher; in hauset der Coyote (Lupus mexicanus), Er die alten Azteken als heiliges Thier ver- ehrten, und, wie die Aegyptier ihren Ibis, in besondern Grabmählern bestatteten. „Noch ‘weiter gegen Norden kommt der dreifarbige Fuchs (C. cinereo -argenteus) vor. Alle diese Thiere sind- schwächer und minder muthig, als unser europäischer Wolf. Sie vereinigen sich nicht zu zahlreichen Banden, wie die "Wölfe und Schakale der alten Welt; sie meiden den Kampf mit stärkeren Thieren, und verschmähen dem Inhalte der Gräber nachzuspüren. re '— Bedeutsamer sind die bärenartigen Thiere, wovon eine nicht unbeträchtliche Anzahl innerhalb der Wendekreise wohnet”*). Der wahren Bären Vaterland sind höhere Breiten; nur auf den kalten Gebirgen der Andes erscheint der Ucumari (Ursus ornatus, F. Cuv.), welcher in der Neigung für Honig, in der Gewohnheit, sich bei Verfolgung zusammenge- rollt von Höhen herabzulassen, und in allen Zügen seiner Lebensweise mit den nordischen Gattungsyerwandten übereinstimmt, Eigenthümlich dem tropischen America ist das Stinkthier . Mephitis foeda, Ill. fig. 21.), in Peru Annas, in Brasilien Maritacaca genannt, dem Mar- der an Gestalt und Lebensweise ähnlich, und statt der Waffe mit einer stinkenden tigkeit i in einem Beutel unter dem Schwanze versehen, die es auf den Verfolger schleu Auch die Nasenthiere (Nasua socialis, Neuw. Er 14.), der Gestalt nach zwischen dem Marder und dem Dachse schwankend, ‚gehören unter die charakteristischen Thiere der ame- ricanischen Tropen aus der Sippschaft der Bärenartigen oder Sohlengänger (Plantigruda). Sie wohnen in Höhlen auf der Erde, besteigen aber auch geschickt die Bäume, und verei- ) Man hält gewöhnlich das Meerschweinchen (in ae Tupisprache Sabujd, woraus Cobaya) für eine Ausättung der Cavia Apered, L., welche überall im tropischen America vorkommt; viel- leicht aber gehört jenes Thier einer noch aufzufindenden Urform an. Die kleineren Cavien vertreten in America die Stelle der Gattung Hyraz von Africa. Die übrigen Gattungen aus der Gruppe der Cavien oder Ferkelmäuse sind: das, durch seine äusseren Backentaschen ausgezeichnete, Backenttier oder die Paca, Coelogenys, Cuv., das Aguti, Dasyprocia, Zll., und dieCapybara, Hydrochoerus, Ba; die letzte von der Grösse eines Schweins, und das grösste aller bekannten ai Capybara heisst im. Tupı: Grasherr. si -**) Die Gattungen: Bär, Ursus, Vielfrass, Gulo, Naseuthier, Nasua, Waschbär, Procyon, Hin- kaju, Cercoleptes, Stinkthier, Mephitis. ; Be %