PHYTO-ICONOGRAPHIE BROMELIACEEN DES KAISERLICHEN KÖNIGLICHEN HOFBURG-GARTENS IN WIEN FRANZ ANTOINE Einleitung. Die Bromei iaceen sind terrestrische oder epiphytische Gewächse, welche theils auf Bäoraen befestiget sind, theils an Felsen haften, Rasen bilden oder in Savannengegenden Dickichte formiren, die viele Morgen Landes überziehen«). Ihre Wurzeln sind im Allgemeinen faserig, sie bringen sich aber auch ganz ohne Wurzeln fort a ). Sehr häufig sind sie staminlos oder mit sehr verkürztem Stamme versehen, andere werden baumartig und bilden mehrere Meter hohe Stämme 3 ). Eine eigenthümliche Form ist jene, wo die Ausläufer wie dünne Fäden erscheinen und von den Aesten der Bäume in bis 4 Fuss langen Büscheln herab hängen 4 ). An der Stammbasis oder ans den Blatt- achseln treten Proles hervor, welche sich sogleich zu neuen Pflanzen ausbilden oder mehr als 1 Meter lang, abwärts gesenkt oder hingestreckt fortwachsen und dann erst ihre Blattrosette entfalten und emporrichten *). Die Blattrosette variirt sowohl in der Form und Grösse, als auch in der Zahl der Blätter wesentlich. Die Form der Blattrosette ist cylindrisch, bauchig erweitert, becherförmig oder nestartig und strahlenförmig verflacht oder tischförmig. Die Anzahl der Blätter beläuft sich bei den armblätterigen auf 5 bis 10, bei den vielblätterigen aber übersteigt sie sogar die Zahl von fünfzig. Die Blattform ist zungenförmig, riemenförmig, pfriemlich, lanzettlich, an der Basis in einen Blattstiel verengt oder verbreitert, bauchig erweitert, umfassend. Die Blattspitze ist entweder lange vorgezogen und weich, oder sie zieht sich plötzlich in eine kurze, oft zurückgekrümmte Stachel- spitze zusammen; daselbst ist sie oft mit einem violettrothen, bläulichen oder braunen, halbmond- förmigen Makel versehen. Der Consistenz nach sind die Blätter weich, dünnhäutig, papier- oder leder- artig und gehen bis in das starre und hornartige über. Der Blattrand ist entweder ganz oder mit feinen, manchmal aber auch mit sehr groben, meist dunkelfarbigen Säge- oder Dornzähnen bewehrt, dabei flach oder wellig gebogen. Die Färbung der Lamina ist ein in verschiedenen Nuancirungen auftretendes Grün, entweder einfärbig oder mit ausfliessenden dunkelgrünen Flecken übersäet, oft mit netzartiger Zeichnung oder mit geschlängelten Querlinien in grünlicher, röthlicher oder bräunlicher Färbung durchzogen, bei einigen ist namentlich das Blatt von der Basis an mit zahlreichen rothen, fadenförmigen Linien der Länge nach durchlaufen. Die Rückseite ist in den meisten Fällen etwas blässer grün, aber auch violett, weinroth oder bräunlich. Sowohl die Ober- als auch Unterseite nmgürten oft in verschiedener Breite Querbänder von weisslicher Färbung. Die weinrothe oder violette Färbung *) Tillandaia argentea wächst in der feuchten Atmosphäre der auch bei Tilld. Lindeni und bei Anoplophytum tritt dieser Fall ein. *) Queanelia rufa. Glashäuser ungehinder IV der Rückseite bleibt entweder constant oder sie verschwindet periodisch und geht in den grünen Ton zurück *). Die Basis der Blätter ist fast umfassend oft bauchig erweitert, theils lichter als der übrige Blatttheil, theils aber auch dunkelbraun, ja selbst beinahe schwarz. Die Blätter des Centrums oder Herzblätter färben sich bei einigen prachtvoll roth, violett oder elfenbeinweiss und es tritt sodann die Blüten-Ent wicklung ein; manchmal tritt diese Färbung allmälig wieder in die normale zurück, ohne dass sich ein Blütenstand entfaltet. Der centripetale oder centrifugale Blütenstand besteht aus einer Aehre, Traube, Rispe, einem Knäuel öder Kopf und variirt ungemein in seiner Grösse. Er erhebt sich selbst bis 12 Fuss Höhe und ist entweder central, selten lateral, aufrechtstehend oder überhängend. Der kopfförmige Blütenstand sitzt im Centrum der Blattrosette vertieft. Die Aehre ist fast rund oder zweischneidig, dabei ihre Blüten oft einseitswendig zweizeilig oder ringsum vertheilt. Die Blüten sind mit einer deutlichen, meist gekielten, oft Stachel spitzigen Stützschuppe umgeben. Den Schaft des Blütenstandes zieren von unten nach oben in der Grösse abnehmende Brakteen oder Hochblätter, welche dünnhäutig, flatterig, hinfällig oder steif, von reicher oder fahler Färbung sind und nicht selten zur Schönheit des ganzen Blütenstandes den wesentlichsten Beitrag abgeben. Es gibt Fälle, dass die Blütenstände viele Monate lang in ihrem Farbenschmucke an der Pflanze prangen *), andere hingegen sind schnell vergänglich. Die Blüten zerfallen in gamopetale und dialypetale Blumenkronen. Der Form nach sind diese röhrenförmig 8 ) und oben offen, manchmal beinahe rachig oder kappenförmig und fast geschlossen, andererseits sind sie vom Grunde an auseinandertretend und zurückgebogeu, oft sind sie mehrere Centimeter lang, oft aber sehr klein. Die Blütendauer ist gewöhnlich 12 Stunden bei der einzelnen Blüte und zwar von Früh bis Abends, in Einzelfallen aber bis 4 Tage, nur zwei unter den jetzt bekaunten Bromeliaceen öffnen ihre Blüten während der Nacht 4 ). Die Blütenfarbe ist gelb, lederbraun, weiss, grün, blau, violett und in verschiedenen Nuan- cirungen roth. Nach dem Verblühen werden einige dunkelbraun oder schwarz, welken ganz ab und hängen schlaff herab, während andere (die mit kappenförmig zusammenneigender Corolle) lange Zeit in aufrechter Stellung verbleiben. Wieder andere ziehen sich am darauffolgenden Tage nach dem Verblühen in der Weise in den Kelch zurück, dass schon nach dem nächsten Tage von den Petalen nichts mehr zu sehen ist. Der Wohlgeruch mangelt im Allgemeinen, und nur sehr wenige geben einen angenehmen Duft ab 5 ); ein unangenehmer, brenzlicher Geruch kommt bis jetzt nur in einem einzigen Falle vor *). Bei einigen Arten sind die Blumenblätter von einem Gummi- schleim umgeben, welcher in grösserer oder geringerer Menge vorhanden ist 7 ). Die Petalen sind zusammen verwachsen, fest angedrückt 8 ) oder bis zum Grunde frei, gerade, übergeneigt oder schneckenförmig eingerollt, bandförmig, dünnhäutig oder fleischig und dabei der Länge nach ausgefurcht. Die Spitze ist stumpf, ausgerandet oder auch lanzettlich zugespitzt. An der Basis der Fetalen finden sich zu beiden Seiten des epipetalen Staubfadens zwei Ilonigschuppen vor oder sie fehlen gänzlich. Im ersteren Falle sind sie mit dem Petalum halbverwachsen, oben abgerundet, zugespitzt, fransig oder ausgebissen. Der Kelch spaltet sich in drei Kelchzipfeln, welche höher oder tiefer miteinander verwachsen und oft ineinander gerollt sind, entweder lanzett- förmig oder mit zwei ungleich hohen, am Rande dünnhäutigen, flügelartigen Lappen enden, zwischen welchen sich versenkt ein Mucro oder eine Borste erhebt. Diese Kelchzipfeln sind theils weich oder von derber Consistenz, gekielt oder abgerundet, glatt und glänzeud oder schülferig. Von den sechs Staubfäden stehen drei den Petalen gegenüber und drei zwischen den Petalen. Die epipetalen sind häufig fast bis zu den Antheren mit den Petalen verwachsen oder in der Weise in die fleischige, verdickte Masse der Petalen eingedrückt, dass sie wie verwachsen erscheinen: sie sind kürzer oder länger als die Blumenkrone, meist etwas flachgedrückt, gleichbreit oder in der Mitte verbreitert, bandförmig, dünnhäutig, gerade oder S-förmig übereinander geschlungen *). Die Antheren sind länglich, oben abgerundet oder etwas zugespitzt, zweifächerig der Länge nach aufspringend und mit den Staubfäden am Rücken entweder in der Mitte oder au der Basis verwachsen. Der Griffel ist kürzer, gleichlang oder länger als die Staubfäden und manchmal über die Blumenkrone hinausreichend, gerade, meist aber spiralig gewunden, in drei fleischige, weichwarzige Narben theilbar, welche sich pyramidenförmig oder kopfförmig verschlingen und von gelblicher, grünlicher oder blauer Farbe sind. Das Ovarium ist entweder oberstäudig, halboberständig oder unterständig und oben manchmal trichterförmig vertieft. Es ist im Querschnitte mehr oder weniger stumpf dreieckig oder abgerundet, glatt oder schülferig, oft gefärbt, dreiiächerig und die Placenta verschiedengestaltig eingerollt. Die Ovula sitzen der Läuge nach reihenweise an derselben, sind oft in sehr grosser Anzahl vor- handen oder nur sehr wenige und entferntstehende. Theilweise füllen sie die ganzen Fächer von oben bis unten dichtgedrängt aus oder sitzen auf einem Knäuel über der Mitte der Placenta beisammen. Die Ovula sind stets anatrop, verkehrt eiförmig, keilförmig, selten kugelig, horizontal oder spitzwinkelig von der Placenta abstehend, am oberen Ende abgerundet oder mehr oder weniger langgeschwänzt. Die Länge des Nabelstranges ist verschieden, oft aber sehr verkürzt Die Früchte bestehen aus länglichen, holzigen, loculiciden Kapseln, die der Länge nach aufspringen, oder aus rundlichen, elliptischen, gelben, weissen und bläulich gefärbten, sitzenden oder gestielten, am Scheitel mit den Resten der Kelchzipfeln besetzten Beeren, die entweder einzeln stehen oder zur Sammel- oder Haufenfrucht *) verschmelzen und in diesem Falle am Scheitel oft mit einem Laub- büschel gekrönt sind. Der Same ist rund, verflacht, länglich, an der Basis mit Zasern besetzt. Der geographischen Verbreitung nach sind sie vorzugsweise nur auf den tropischen Theil Amerika's angewiesen, doch sind auch welche in Florida und Mexico einheimisch. Das Vegetations- Centrum dürfte allem Anscheine nach am Amazonen-Strome liegen. Von einigen Antoren wird das alleinige, ursprüngliche Vorkommen in Amerika in Frage gestellt, aber es ist doch aller Grund vorhanden, dass, namentlich der wohlschmeckenden Früchte wegen, die Ananas in Asien und Afrika, in Gegenden, welche ihrem Gedeihen zusagten, eine schnelle Verbreitung fanden. In Amerika kommen sie in den Ebenen und Savannen vor, bilden daselbst Dickichte oder Rasen in verschiedener grüner Färbung und überdecken oft viele Morgen Landes in grösster 1) Ob der Zustand der S-förmigen Verschlingung ein normaler ist, oder ob dies nnr in cnltivirten Pflanzen auftritt, ist mir nicht völlig klar. 2) Bei der wildwachsenden Ananas besteht diese Sammel- oder Hanfeafrucht nnr ans wenigen, locker gestellten Beeren, die herb and bitter schmecken and am Scheitel ebenfalls ein Blattbüsehei tragen. Üppigkeit. Von den Ebenen steigen sie aber weiter bis zu einer absoluten Höhe von 10.000 Fass hinan ‘). Viele leben epiphy tisch auf den Wurzeln der Bäume oder haften an den Stämmen und Äesten der Laub- und Nadelbäume und ziehen durch die Farbenpracht ihrer Blütenstände die Aufmerksamkeit der Reisenden auf sich. Weiter bildet die schmutzig bleigraue Tillandsia usneoides etc. mit ihren zahllosen fadenförmigen Ausläufern Gehänge, welche von den Aesten der Bäume des in üeppigkeit schwelgenden Tropenwaldes gleich unserem Bartmoose herabhängen und aus der mit Feuchtigkeit gesättigten Atmosphäre ihre Nahrung aufnehmen. Was die Blütezeit anbelangt, so vertheilt sich diese bei den verschiedenen Gattungen und Arten auf das ganze Jahr. Das Alter aber, in welchem sie zu blühen beginnen, ist sehr variabel. Einige gelangen schon im zweiten Jahre ihrer Lebensdauer, andere aber erst nach vielen Jahren zur Blüte. Bei manchen wiederholt sich die Blütenentfaltung regelmässig alle Jahre, bei anderen hingegen tritt nach dem Verblühen eine Pause von vielen Jahren ein, bis sich die seitlichen Triebe wieder so weit ausgebildet haben, um neue Blütenstände hervorbringen zu können. Geniessbare Früchte liefert vorzugsweise die bekannte Ananas. Es werden von dieser Frucht ganze Schiffladungen nach England auf den Markt gebracht; und die Früchte von Jamaica zeichnen sich durch starken Zuckergehalt aus. Früchte, deren Gewicht mehrere Kilogramme beträgt, die änsserst saftreich und von bedeutender Grösse sind, werden in vielen Varietäten in den Glashäusern Europas gezogen. Auch die Früchte der riesigen Bromelia longifolia (Qnirebijure) sollen änsserst wohl- schmeckend sein, aber zu einer weiteren Verbreitung scheinen sie nicht zu gelangen. Im Haushalte des Menschen finden auch die Blattfasern eine hervorragende Verwendung und die Ananas-Faser soll durch eine schöne Weisse und durch Dauerhaftigkeit bevorzugt sein. Die Pflanze selbst dient in Amerika durch ihr grosses, starres, mit harten Randdornen besetztes Laubwerk als Heckenpflanze, um Grundstücke von dem Eindringen der Thiere abzuschliessen. Der edle, regelmässige Bau, welcher den Bromeliaceen eigen ist, ferner die Farbenpracht der oft grossartigen Blütenstände sichert dieser Familie einen Platz in der Cultur, welcher sie den Orchideen nicht nur gleichstellt, sondern diese auch, ihrer habituellen Beschaffenheit und grösseren Ausdauer wegen, überbietet. Der Drang zur Einführung erweitert sich mit jedem Jahre mehr, und da sie die trockene Atmosphäre unserer Wohnungen gut zu ertragen vermögen, so berechtigt dieser Umstand zur Annahme, dass sie sich in unseren bewohnbaren Räumen imme^ mehr einbürgern werden. Der schlauchförmige oder becherförmige Bau ihrer dichtgeschlossenen Blattrosette bildet einen Behälter für Wasser, welches sich durch Regen oder nächtlichen Niederschlag in denselben ansammelt und nicht selten den Reisenden eine Erquickung darbietet, ja selbst Wasserpflanzen (Utnculana nehimbifolia) sollen nach Gardner in diesem natürlichen Wasserbecken gefunden werden, indem sie ihre Ausläufer von einer Pflanze zur anderen ausbreiten. Die Literatur, welche über die Familie der Bromeliaceen besteht, ist sehr zerstreut und die Synonimie eine umfangreiche. Eines der ersten Werke, welches Bromelien beschrieb und abbildete, war Sloane’s History *L J iT Ä1Ca ^ Welcher Tülandsia usne °ides etc . als Viscum anführte. Ruiz und Pavon ») gaben Abbildungen im Folio-Formate und sämmtliche abgebildete Pflanzen dieser Familie sind unter dem Genusnamen Tilla ndsia zusammen gefasst; dasselbe ist auch bei Vellozo*) der Fall. Alle von ihm