ABHANDLUNGEN DER KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN ZU GÖTTINGEN. SECHSTER BAND. VON DEN JAHREN 1853 — 1855. MIT ZWEI KUPFER- UND DREI STEINDRUCK - TAFELN. GÖTTINGEN, IN DER DIETERICHSCHEN BUCHHANDLUNG. 1856. Mo. Not. Garden, PLUS ~Ji. VORREDE. In diesem sechsten Bande der Schriften der Königlichen Ge- sellschaft der Wissenschaften zu Göttingen sind die Abhand- lungen enthalten, welche in dem Zeitraume von Michaelis 1832 bis dahin 1855 theils in den Versammlungen der Societät vor- gelesen, theils derselben vorgelegt worden. Rleinere, in jenem Zeitabschnitte der Königlichen Societät mitgetheilte Aufsätze, finden sich in den Nachrichten von der G. A. Universität und der Königlichen Gesellschaft. der Wissenschaften zu Göttingen von den Jahren 1852 bis 1855, entweder vollständig, oder im Auszuge abgedruckt. | Eine kurze Uebersicht von der Geschichte der Königlichen Societät in dem obigen Zeitraume liefert das Nachfolgende. Das jährlich unter den ältesten Mitgliedern der drei Classen wechselnde Directorium der Königlichen Gesellschaft der Wis- senschaften, welches zu Michaelis 1852 von dem Herrn Pro- fessor Ewald in der historisch- philologischen Classe übernom- men worden war, gieng um Michaelis 4855 auf den Herrn Obermedicinalrath Conradi in der physikalischen Classe über. Zu Michaelis 1854 übernahm das Directorium Herr Geheime Hofrath Gauss in der mathematischen Classe, nach dessen am 25. Februar 1855 erfolgtem Tode, jenes Amt auf Herrn Pro- fessor Weber übergieng. a2 IV VORREDE. Die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften hat in dem obigen Zeitabschnitte viele und zum Theil unersetzliche Ver- luste erlitten. Im Jahre 1854 verlor die Societät ihr sehr ge- schätztes Mitglied, den Consistorialrath Johann Carl Ludwig Gieseler, der seit 1844 als ordentliches Mitglied der historisch- philologischen Classe angehörte, und am 8. Juli 1854 nach langem, schwerem Leiden sein thätiges Leben endete. Sein Tod lässt nicht allein den Verlust eines sehr ausgezeichneten Gelehrten beklagen, der nach dem Zeugnisse competenter Rich- ter, als Bearbeiter der Kirchengeschichte eine der ersten Stellen einnahm, sondern zugleich einen vielseitig thätigen, höchst gewandten und gewissenhaften Geschäftsmann vermissen „der um so schwerer zu ersetzen ist, je seltener ein solches Talent in dem Grade bei einem Gelehrten angetroffen wird. Durch diese ausgezeichnete Gabe hat der Verewigte gerade auch um unsere Gesellschaft sich grosse, unvergängliche Verdienste er- worben, indem durch ihn die wichtige Angelegenheit der We- dekind’schen Preisstiftung für deutsche Geschichte geordnet wurde, deren Directorium er bis zu seinem Ende mit höchster Sorgfalt und Treue führte. Aber nicht bloss wegen dieser bedeutenden und vielseitigen Leistungen werden wir uns stets mit Bewunderung und Dankbarkeit an den dahin Geschiedenen erinnern, sondern unvergesslich wird auch in den Herzen Vieler, seine hohe Vortrefflichkeit als Mensch, seine Biederkeit, seine Anspruchslosigkeit, seine Treue in der Freundschaft bleiben, — Zu Anfange dieses Jahres traf die Societät der harte Schlag, ihren zeitigen Director und ihr ältestes ordentliches Mitglied, den Geheimen Hofrath Carl Friedrich Gauss zu verlieren, der am 25. Februar Nachts um 1 Uhr nach längerem Leiden, im beinahe vollendeten 78sten Jahre seines Alters, seine ruhmvolle VORREDE. y irdische Laufbahn endete. Die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften nannte ihn seit 4802 mit Stolz den: ihrigen. Seinem seltenen Geiste verdankt sie eine lange Reihe der ausser- ordentlichsten Arbeiten, welche die grösste Zierde ihrer Schrif- ten sind, und ihnen einen unvergänglichen Werth verleihen. Der gerechte tiefe Schmerz, den grossen Mathematiker, Astro- nomen und Physiker nicht mehr zu besitzen, kann nur durch das Gefühl des Dankes gemildert werden, dass es der Societät vergönnt gewesen, den einzigen Mann länger als ein halbes Jahrhundert zu den ihrigen zählen zu dürfen. Von den Assessoren der physikalischen Classe verliess im J. 1855 der Professor G. Staedeler, der seit 1851 mit der Societät verbunden war, Göttingen, indem er seine hiesige Stelle mit einer Professur in Zürich vertauschte. Am 10. Fe- bruar d. J. entschlief der Professor Dr. Johann Friedrich Osian- der, der seit 1810 Assessor der Societät war. Von der kleinen Anzahl ihrer Ehrenmitglieder hatte die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften schon vor längerer Zeit verloren: den Baron Marlin Wilhelm von Fietinghof zu St. Petersburg. Am 21. Mai 1854 wurde ihr der vormalige Königlich Sächsische Staatsminister, Freiherr Bernhard von Lindenau entrissen, der schon seit dem Jahre 1809 als Cor- respondent mit ihr verbunden war, und seit 1857 zu ihren Ehrenmitgliedern gehörte. In ihm waren auf eine sehr seltene Weise der ausgezeichnete Gelehrte, der bewährte Kunstkenner, und der grosse Staatsmann vereinigt. Dabei musste Jeder, der so glücklich war dem vortrefflichen Manne näher treten zu dürfen, durch seine Liebenswürdigkeit, durch seine ächte Hu- manität, im hohen Grade sich angezogen fühlen. Nachdem der Verewigte früher als Astronom sehr thätig gewesen — bekannt- VI VORRED E. lich war er eine längere Zeit Director der Sternwarte bei Gotha — bekleidete er später, zum Theil unter sehr schwierigen Verhält- nissen, die höchsten Staatsümter, in ‚welchen er sich um die Sächsischen Lande die grössten Verdienste erworben hat. Auch durch die von ihm hinterlassenen Stiftungen für Kunst und Wissenschaft, hat er sich in seinem Vaterlande ein unvergäng- liches Denkmal gesetzt. Von ihren auswärtigen Mitgliedern hat die Königliche Societät verloren: aus der physikalischen Classe, im J. 1852, Johann Gadolin, vormals Professor der Chemie zu Åbo, der seit dem. Jahre 4804 ihr angehört hatte; i. J. 1855, den Königl. Preussischen Cammerherrn, Leopold von Buch, und den Königl. Preussischen Geheimen Oberbergrath Dr. Karsten )), *) Der Unterzeichnete kann es sich nicht versagen, hier dasjenige mitzuthei- len, was von ihm bei Gelegenheit des in der öffentlichen Sitzung. der So- eietät am 12. November 1953 erstatteten Jahresberichtes, zum Andenken an drei dahin geschiedene Freunde, die unserer Gesellschaft angehörten, Leopold von Buch, Leopold Gmelin und C. J. B. Karsten, gesprochen wurde. »Je seltener es in Deutschland ist, dass durch Geburt hoch gestellte und durch Vermögen unabhängige. Männer, aus reiner Liebe zu den Wissen- schaften diesen ihr ganzes Leben widmen und ihr Vermögen opfern, um so mehr verdient es unsere Anerkennung, wenn solche Männer unter uns auftreten. Es war eine lange, schöne Gewohnheit, in Alexander von Humboldt und Leopold von Buch zwei auf solche Weise durch die Vor- sehung hoch begünstigte, eng verbundene Gelehrte zu verehren „ welche den Ruhm deutscher Wissenschaft über den ganzen Erdkreis verbreitet haben. Der Verlust des Letzteren muss uns schon aus dem Grunde schmerzlich seyn, weil der Erstere ihn so tief empfindet. Möchte dieser doch: noch lange die Krone deutscher Wissenschaft tragen! Wie sehr man Leopold von Buch in Deutschland vermisst, beweisen die zahlreichen Gedächtnissreden, welche sein Andenken in den verschiedensten Gegenden Deutschlands gefeiert haben. Er war ja auch in ganz Deutschland, ja in ganz Europa zu Hause; und freudig wurde er überall begrüsst, wo er als VORRED E. vil Beide zu Berlin; aus der mathematischen Classe, im J. unermüdlicher Wanderer mit seinem Hammer eintrat. So sahen wir ihn hier zuletzt im vorigen Jahre; und wiewohl er uns körperlich nicht mehr in der früheren Kraft erschien, so war er doch geistig noch so frisch, dass wir nicht ahneten, dass er uns seinen letzten Besuch schenkte. Leopold von Buch hatte eine kräftige, höchst geniale Natur; er war in einem Grade eigenthümlich, wie man es selten findet; sehr entschieden in seinen Mei- uungen, abstossend und selbst wohl krünkend, wenn seinen Ansichten widersprochen wurde; dabei aber von so tiefem Gemüth und so hohem Edelsinn, dass er bald die geschlagenen Wunden wieder heilte, und die Verletzten mit sich versóhnte. Wie der Bergbau überhaupt als die Wiege der Geognosie zu betrachten, und in Deutschland diese Wissenschaft vorzugsweise von Männern bear- beitet worden, die sich dem Bergbau widmeten; so war dieses auch bei Leopold von Buch der Fall, der sich, eben so wie Alexander von Hum- boldt, ursprünglich für den Bergwerksdienst bestimmte, aber bald von der praktischen Laufbahn sich abwandte, und mit grossem Enthusiasmus sich ganz der wissenschaftlichen Geologie in die Arme warf, welcher er wäh- rend seines ganzen Lebens treu geblieben ist, und in deren Dienst er nach allgemeinem Zeugnisse den ersten Rang behauptet hat. Diese Liebe gab ihm Ersatz für die Entbehrung des Glückes eines háuslichen Familienkreises. Das wissenschaftliche Feuer wurde in Leopold von Buch durch seinen grossen Lehrer Werner in Freiberg angezündet, und schon früh zeigte er, wie tief er iu die Lehren desselben eingedrungen war, und wie viel man sich für die Wissenschaft von ihm versprechen durfte. Schon in sei- nen ersten Arbeiten über die Gegenden von Carlsbad und. Landeck ver- kündete sich der ausgezeichnete Geist, welcher in allen seinen Schriften lebt, und seinem ersten grösseren Werke, den geognostischen Beobachtungen auf Reisen dureh Deutschland und Italien, wovon der erste Band 1909, der zweite 1906 erschien, schnell einen so grossen Ruf erwarb. Anfangs schritt Leopold von Buch getreu auf der von Werner vorgezeichneten Bahn fort, indem er die geologischen Ansichten seines Lehrers eifrig ver- theidigte. Aber ein genaueres Studium der italienischen Vulkane, und besonders sein Aufenthalt in Auvergne, in dieser für das Studium der er- loschenen Vulkane so klassischen Gegend, erschütterte bald sein früheres geologisches Glaubensbekenntniss. Dieses stürzte vollends zusammen, als er in Norwegen, wo ich das Glück hatte i. J. 4806 mit dem hell sehenden vill VORRE D E. 1855, den beständigen Secretair der Akademie der Wissen- Forscher zusammenzutreffen, und meine Beobachtungen mit den seinigen auszutauschen, sich von dem Vorkommen. der ausgezeichnetsten Granite, Syenite, Porphyre, über Versteinerungen führenden Schichten überzeugte. Durch seine wiederholten Besuche von ltalien, seine vielen Wanderungen in den Alpen, seine Reisen durch Griechenland. nach den Kanarischen Inseln, die von ihm so unübertrefflich geschildert worden, bildete sich seine Erhebungstheorie, in welcher er mit Elie de Beaumont im Wesent- lichen übereinstimmte, immer mehr aus, und Niemand hat wohl auf die Umwandlung der geologischen Ansichten, auf die allgemeinere Anerkennung der Wirkung des Feuers, zumal in Deutschland, einen grösseren Einfluss geübt, als Leopold von Buch. Er verbreitete seine Lehren nicht vom Katheder ; auch hat er sie in keinem umfassenden, systematischen Werke dargelegt; überhaupt oft mehr angedeutet als ausgeführt; aber dadurch, dass er in jedem Sommer, nach beendetem Wollmarkt, den Wanderstab ergriff, und ohne zu sagen wohin er ihn setzte, bald hier, bald dort, gleich einem Kometen unerwartet erschien, und wo möglich an jeder Naturforscher- Versammlung, mochte er sie in Deutschland, iu Frankreich, in der Schweiz oder in Italien aufsuchen müssen, Theil nahm, sind seine Ansichten schnell in grossen Kreisen Gemeingut geworden. Leopold von Buch hat indessen nicht einseitig nur das Feuer in der Geologie aufs Neue angeschürt, sondern er hat auch dem Wasser, freilich in ganz anderer Art als solches von Verner geschah, sein Recht widerfahren lassen. Seitdem zuerst durch Blumenbach’s glücklichen Griff, und durch Cuvier's und Brongniart’s, so wie dureh von Schlotheim's gründliche Untersuchun- gen, das genauere Petrefactenstudium eine so hohe Bedeutung für die Be- stimmung der Altersfolge und die Unterscheidung der neptunischen For- mationen gewonnen hatte, hat Leopold von Buch in schon vorgerücktem Alter, mit bewundernswürdiger Energie, auch diesem Studium sich bin- „ und in seinen zahlreichen paläontologischen Arbeiten denselben Séhapfeinn bewährt, den man in seinen Untersuchungen über die vulkani- schen Erscheinungen der Erde, über die Erhebung der Gebirgsketten, be- wundern muss. Um in dieser Andeutung der grossen Verdienste, welche sich Leopold von Buch um das gesammte Gebiet der Geologie erworben, nicht parteiisch zu erscheinen, darf ich nicht verschweigen, dass er ohne Zweifel wenigeren Widersprüchen sich ausgesetzt haben würde, wenn er die Lehren der Chemie, denen er auffallender Weise in so fern abhold VO RR E D E. IX schaften zu Paris, Francois drago; i. J. 1854, ihr ältestes aus- war, dass er ihnen keinen günstigen Einfluss auf die Bearbeitung der Mineralogie und Geologie zutrauete, mehr berücksichtigt hätte, und wenn er weniger geneigt gewesen wäre, eine einmal aufgefasste Idee zu sehr zu generalisiren, wie er solches bei seinen Lehren von dem Verhältnisse des Trachytes zu den Vulkanen, von den Erhebungskrateren, von dem Einflusse des Melaphyrs auf die Erhebung der Gebirge, bei seiner Hypothese über die Bildung des Dolomites, bei seiner Annahme von nur einer Braun- kohlenformation, gezeigt hat. Ich würde aber auf der anderen Seite den Vorwurf von Ungerechtigkeit auf mich laden, wenn ich unberührt lassen wollte, welche grosse Verdienste sich Leopold von Buch auch indirect um die Erweiterung der Geologie dadurch erworben, dass er jüngere Männer, von denen er sich gute wissenschaftliche Leistungen versprach, für seine Lieblingswissenschaft entflammte, und oft auf die grossmüthigste und un- eigennützigste Weise unterstützte. Der von ihm auch dadurch ausgestreuete Saame wird für die Geologie ohne Zweifel noch reiche Früchte tragen. — Sehr verschieden von Leopold von Buch als Menschen und als Gelehrte, waren Leopold Gmelin uud C. J. B. Karsten, die aber in Ansehung ihrer Studien und wissenschaftlichen Leistungen grössere Aehnlichkeit unter ein- ander hatten. Der erstere stand uns besonders nahe, da er der Sohn des in unserer Gesellschaft langjährig thätigen Chemikers, Johann Friedrich Gmelin, war; da er seine klassische Bildung auf dem Göttinger Gymnasium empfing, sich für das chemische Studium der Leitung unseres Stromeyer’s . erfreuete, und auch noch für seine akademische Laufbahn sich in Göttingen vorbereitete, in welcher Zeit ich selbst die Freude batte, ihn zu meinen eifrigen Zuhörern zu zählen. Leopold Gmelin und Karsten waren durch umfassende Kenntnisse, durch Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit im Forschen, so wie durch eine unermüdliche Arbeitsamkeit gleich ausge- zeichnet. Beide richteten ihre Hauptstudien auf Chemie, Karsten zumal auch auf die teebnischen Zweige derselben , Metallurgie und Halurgie. Beide haben die Wissenschaft weniger durch neue Ideen und glänzende Entdeckungen bereichert, als durch ihre systematischen Arbeiten das Stu- dium der reinen und angewandten Chemie befördert. Es verdient besondere Anerkennung, dass die vollständigste Kenntniss der Thatsachen, die Liebe zur Theorie bei ihnen nicht erdrückte. Die Werke Beider zeichnen sich durch grosse Wissenschaftlichkeit aus, und von Karsten rühren ein Paar g ganz theoretische Schriften her, die Revision der Affnitätslehre und die b x VORREDE. wärtiges Mitglied, den Französischen Ingenieur hydrographe en chef, C. Fr. Beautemp Beaupré; i. J. 1855, den Kais. Russischen Staatsrath und beständigen Secretair der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg, L. H. von Fuss; aus der historisch-philologischen Classe, i. J. 1854, Norvins de Montbreton zu Paris, den Chevalier Raoul Rochette, Mitglied des Französischen Institutes zu Paris, den verdienstvollen, bis in sein hohes Alter rastlos thätigen Schulrath G. Fr. Grotefend zu Hannover, der mit der Societät seit 1820 als Correspondent, seit 1848 als auswärtiges Mitglied verbunden war, und von dem die Schriften unserer Gesellschaft noch in der letzteren Philosophie der Chemie, welche indessen in der jetzigen Zeit, wegen der exelusiven Herrschaft der atomistischen Ansicht in der Chemie, weniger Anerkennung gefunden haber, als sie es wohl verdienen dürften. Ganz einstimmig ist dagegen die Bewunderung, welche man dem Gmelin’schen Handbuche der Chemie, der Lebensarbeit ihres Verfassers schenkt, dessen "ollstindigkeit von keinem ähnlichen Werke des In- und Auslandes erreicht wird. Wenn man bedenkt, wie viel Gmelin zugleich als Lehrer leistete, und wie zahlreich die eigenen, von ihm durchgeführten Untersuchungen waren, so muss man um so mehr über sein Werk erstannen, zugleich aber tief es beklagen, dass die übergrosse Anstrengung, welche es erheischte, das Leben seines Urhebers wahrscheinlich verkürzt hat. Eben so unge- theilt ist der Beifall, womit die drei Hauptwerke Karsten’s, sein System der Metallurgie, sein Handbuch der Eisenhüttenkunde, von welchem drei Auflagen erschienen sind, und sein Lehrbuch der Salinenkunde, im In- und Auslande aufgenommen worden, welche ebenfalls einzig da stehen, und die grosse Gelehrsamkeit und Sachkenntniss ihres Verfassers in das glänzendste Licht stellen. Kaum begreift man es, wie ein Mann bei seinem grossen praktischen Wirkungskreise, so umfangreiche Werke zu Stande bringen, und selbst noch Zeit zu vielen eigenen Untersuchungen erübrigen konnte. Leopold Gmelin und Karsten verbanden mit ihrem ausgezeichneten Wissen. den liebenswürdigsten Charakter. Beide waren treffliche Familienväter, und haben bei Allen, die ihnen nahe zu stehen das Glück hatten, die reinste Verehrung und das liebevollste Andenken hinterlassen.“ — VORREDE XI Zeit mehrere Beiträge über den Lieblingsgegenstand seiner For- schungen, die Reilinschriften, erhalten hat, und Se. Exc. den Rais. Russischen wirkl. Staatsrath und Präsidenten der R. Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg, Sergius von Ouwaroff. Von den Correspondenten der Societät sind dahin ge- schieden: aus der physikalischen Classe, i. J. 1855, der Doctor Johann Ludwig Jordan zu Osterode, vormals Münzwar- dein zu Clausthal, der Königl. Preussische Geheime Hofrath und Professor zu Bonn, Dr. Johann Christian Friedrich Harless, der Grossherzoglich Baden'sche Geheime Hofrath und Professor zu Heidelberg, Leopold Gmelin, und der Raiserl. Russische Staatsrath zu Moskau, Gotth. Fischer von Waldheim, der seit 1802 der Societät angehörte; i. J. 1854, der Raiserl. Russische Staatsrath und Director des botanischen Gartens zu St. Peters- burg, Dr. J. E. L. Fischer; aus der historisch-philologi- schen Classe, i. J. 1855, der Königl. Hannoversche Lega- tionsrath Hestner zu Rom; i. J. 1854, der Graf Maxim. von Choiseul M Aillecourt, Mitglied des Französischen Institutes zu Paris, der Conservateur der Handschriften an der Kaiserlichen Bibliothek zu Paris, Benjamin Guerard, und der Geheime Archiv- rath und Professor zu Breslau, Gust. Ad. Harald Stenzel, von welchen die beiden letzteren erst seit einigen Monaten unserer Gesellschaft angehört hatten; i. J. 4855, der Präsident des Cassationshofes zu Neapel, Xaver Agresti, der Freiherr Joseph von Lasberg zu Meersburg, der Geheime Regierungsrath a. D. zu Hannover, G. H. JF. Blumenbach. Schon vor längerer Zeit war der Societät durch den Tod entrissen: Stellio Doria Pros- salendi, Secretair der Jonischen Academie auf Corfu. Die Rónigliche Gesellschaft der Wissenschaften hat durch folgende Wahlen von neuen Mitgliedern und Correspondenten b 2 XII VO RRE D E. in ihrem Kreise entstandene Lücken auszufüllen sich veranlasst gesehen. Im Jahre 1855 ist zum hiesigen ordentlichen Mit- gliede in der physikalischen Classe erwählt und vom Königlichen Universitäts-Curatorio bestätigt worden, Herr Hof- rath und Professor Dr. Henle. Zu Ehrenmitgliedern sind ernannt und vom König- lichen Universitäts-Curatorio bestätigt worden: im Jahre 4855, der Herzog de 1 Mitglied des Fran- zösischen Institutes zu Paris; im Jahre 1854, Se. Exc. Andreas von Siegen Kaiserl. Oesterreichischer Finanzminister a. D. | Zu auswärtigen Mitgliedern wurden erwählt und vom königlichen Universitäts-Curatorio bestätigt: für die physikalische Classe, im Jahre 4855, Herr Wilhelm Haidinger, k. k. Sectionsrath e Director der k. k. geologischen Reichsanstalt zu Wien; Herr Carl Friedrich Naumann, Professor zu auge: Für die nid tbe Mat nahe: bu im Jahre 1954, d Herr Charles Wheatstone, — am Kings je zu las: Für die historisch-pbilologische Classe, | im Jahre 1855, Herr Justus Olshausen , Broßüecen! zu Königsberg | im Jahre 1854, Herr Dr. Franz Bopp, Professor zu Berlin, Don Celestino Cavedoni, Vorsteher der Herzoglichen Sammlun- gen zu Modena, Herr Dr. Ludwig Döderlein, Hofrath und Professor zu Erlangen. VORREDE XIII Zu Correspondenten wurden von der Königlichen So- cietät ernannt: für die physikalische er im Jahre 1855, Herr Theodor Schwann, 8 zu Lüttich, Herr Theodor Ludwig Wilhelm Bischoff, Professor zu Giessen, Herr Theodor Scheerer, Professor an der Bergakademie zu Freiberg, Herr Wilhelm Dunker, Professor zu Marburg, Herr G. Staedeler, Professor zu Zürich, früher Assessor der Societät. Für die mathematische Classe, im Jahre 1854, Herr Dr. Thomas Clausen, Observator an der Sternwarte zu Dorpat, Herr. Johann Christian Poggendorff,. Professor zu Berlin, Herr -Carl Rümker, Director der Sternwarte und der Naviga- tionsschule zu Hamburg, Herr Ludwig Seidel, Professor zu München. Für die historisch- philologische wände im Jahre 4855, Herr Joh. Friedr. Böhmer, Stadtbibliothekar zu F rankfurt a. M. Herr Benjamin Guérard, Conservator der Handschriften an der Raiserl. Bibliothek zu Paris (i. J. 1854 verstorben); Herr John Mitchell Kemble, zu London, Herr Rud. Roth, Professor zu Tübingen, . Herr Adolf Friedr. Heinrich Schaumann , Bibliothekar und Ar- chivar zu Hannover, | | Herr Gust. Adolf Harald Stenzel, Geh. Archivrath und Professor zu Breslau (i. J. 1854 verstorben). Herr Friedr. Tuch, Professor zu Leipzig; XIV VORREDE. im Jahre 1854, Herr Gottfried Bernhardy, Professor zu Halle, Herr Eduard Meier, Professor zu Halle, Herr Friedrich Ritschl, Professor zu Bonn. * * * Bei der Wedekind's chen Preisstiftung, für deut- sche Geschichte ist durch den Tod des Consistorialrathes Gieseler i. J. 1854, sowohl eine Stelle im Verwaltungsrathe, als auch das Amt des Directors erledigt worden. In Gemäss- heit der Statuten ist nun Herr Professor VMaitz als fünftes Mit- glied in den Verwaltungsrath eingetreten, und von demselben auch zum Director erwählt worden. (Nachrichten 1854. S. 169.) * * * In der Zeit von Michaelis 4852 bis dahin 1855 wurden folgende Abhandlungen theils in den Versammlungen der So- cietät gelesen, theils derselben vorgelegt. Im Jahre 1832. er. Am 12. Oct. Wöhler, über das Telluräthyl. (Nachr. 1852. S. 165.) Am A. Decbr. Schneidewin, de hypothesibus tragoediarum graecarum Aristophani Byzantio vindicandis Commentatio. (Nachr. 1832. S. 945.) : Im Jahre 1855. i Am 1. Februar. Weber, über die Anwendung der magnetischen Induction zur Messung der Inclination mit dem Magnetometer. | (Nachr. 1855. S. 17.) Am 8. März. Grotefend, Erläuterung der Babylonischen Reilinschriften aus Behistun. Am 11. Mai. Groteſend, Erläuterung zweier Ausschreiben des Róniges Nebukadnezar in einfacher babylonischer Reilschrift mit einigen Zugaben. Am 12. Novbr. Am 17. Decbr. Am 25. Januar. Am 15. März. Am 17. Juni. Am 6. October. Am 25. Novbr. Am 27. Novbr. Am 20. Juni. VORREDE XV Conradi, Bemerkungen über die gastrischen Fieber. (Nachr. 1855. S. 225.) Berihold, der Heerwurm gebildet von Larven der Thomas- Trauermücke (Sciara Thomae). (Nachr. 1854. S. 1.) Im Jahre 1854. E Ewald, Abhandlung über des äthiopischen Buches He- nókh Entstehung, Sinn und Zusammensetzung. (Nachr. 1854. S. 46.) Waitz, über die altdeutsche Hufe. (Nachricht. 1854. S. 116.) Schneidewin, über die Trachinierinnen des Sophokles. (Nachr. 1854. S. 156.) Grisebach, systematische Bemerkungen über die beiden ersten Pflanzensammlungen Philippi's und Lechler’s im südlichen Chile und an der Maghellan-Strasse. (Nachr. 1854. S. 195.) Hermann, über Grundsätze und Anwendung des Straf- rechts im griechischen Alterthume. (Nachricht. 1854. S. 201.) ! Weber, Bestimmung der rechtwinkeligen Componenten der erdmagnetischen Kraft in Göttingen in dem Zeitraume von 1854 — 1855. (Nachr. 1854. S. 217.) Im Jahre 1833. i Hausmann, über die durch Molekularbewegungen in starren leblosen Körpern bewirkten Formveränderungen. (Nachr. 1855. S. 145.) Ausserdem sind der Königlichen Societät folgende Aufsätze übergeben worden, die sich in den Nachrichten von der G. A. Universität und der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen abgedruckt oder im Auszuge mitgetheilt finden. Am 14. Ocibr. Im Jahre 1852, Hausmann, neue Beiträge zur metallurgischen Krystall- kunde. (Nachr. 1852. S. 177.) s - XVI Am 14. Oetbr. Am 30. Novbr. po 22. Febr. Am 15. März. Am 31. März. Am 4. April. Am 21. April. Am 2. Mai. Am 4. Novbr. VOR R E D E. & Herbst, zweiter Bericht über die Natur und die Verbrei- tungsweise der Trichina spiralis. (Nachr. 1852. S. 185.) Waitz,- über die Lebensbeschreibungen der Königin Mathilde. (Nachr. 1852. S. 209.) Im Jahre 1855. | Hausmann, über eine pseudomorphische Bildung des Brauneisensteins vom Silberberge bei Bodenmais in Bayern. (Nachr. 1855. S. 55.) Wagner, Untersuchungen über Fettbildung in Protein- stoffen besonders in Krystalllinsen, im physiologischen Institute der Universität angestellt von Herrn Husson aus Brüssel. (Nachr. 1855. S. 57.) a Wagner, neurologische Untersuchungen. Sechste Fort- setzung. (Nachr. 1855. S. 57.) Waitz, über Paulinis Arbeiten zur Geschichte des Klo- sters Corvei. (Nachr. 1855. S. 91.) Staedeler, über die Constitution des Acetons, nebst einer im chem. Laboratorium des physiologischen Instituts von Hrn Dr. Lohmeyer ausgeführten Untersuchung über den Jodgehalt der Luft und verschiedener Nahrungsmittel. (Nachr. 1853. S. 121.) Wagner , Beobachtungen des Dr. Th. Bilharz in Cairo über den Zitterwels, mitgetheilt vom Prof. 4. Ecker in Freiburg. (Nachr. 4835. S. 154.) Hausmann, über das Vorkommen des Dolomits am Hain- berge bei Göttingen. (Nachr. 1855. S. 177.) Im Jahre 1854. > Wagner, über die Elementar- Organisation. des Gehirns. Als Fortsetzung der neurologischen Untersuchungen. - (Nachr. 1854. S. 25.) Am 22 Januar. Hausmann, über die blaue Färbung der Eisenhohofen- Schlacken. (Nachr. 4854. S. 57.) Am 27. Febr. XVII Wagner, neurologische Untersuchungen. Achte Fort- Weber den Bau des Rückenmärks und die daraus VO RR E D E. setzung. resultirende Grundlage zu einer Theorie der Reflexbewe- gungen, Mitbewegungen und „ (Nachr. 1334. S. 89.) Am 25. März. Am 1. * Am 15. Mai. > 20. Juni Am 3. Novbr. Am diea. . Am 22. Januar. Hausmann, Kalktuff Br 3 steinerne Axt. 138554. S. 139.) Wi öhler und J. Dean, über das De Scheerer,. über die angebliche re des Serpentins nach Amphibol, Angit wid Olivin.’ (Nachr. 1854. S. 103.7 Wagner, län EEE Neunte Fort- setzung. Experimente über die Innervation dés Herzens. (Nachr. 1854. S. 121.) Wöhler, über das sogenannte 1 und einige andere gepaarte Verbindungen von Dr. K. List und Dr. H. Limprieht. (Nachr. 4854. S. 137.) Fuchs, Beiträge zur Histologie und Aetiologie der erwor- benen Linsenstaare von Dr. Lohmeyer. (Nachr. 1854. S. 141.) J l über eine bei "— unter dem ( Naehr. Berthold, über die fiiisse nach ihrer Wirkung auf den Thierkörper und als Mittel bei Menschen die Frost- beulen nicht nur zu verhüten, sondern auch binnen kurzer Zeit zu beseitigen. (Nachr. 1854. S. em) Im Jahre 1855. | en 1833. S. 2.) ; Hermann, über einige numismatische Seltenheiten der hiesigen akademischen ‚Sammlung, von dem Assistenten Institut, Collaborator (Nachr. 1855. 8. 17.) še T. nd = am Else Schmidt. Scheerer, über eine auf metallurgischem -Wege gebildete, —eigenthümliche.. Art von Magneteisen - Krystallen, und c XVIII Am 19. Februar. Am 29, März. Am 4 Apii Am 16. April. Am 21. April. Andi dieb Am 45. Sept. Was die VORREDE. über das Vorkommen ähnlicher Krystallgebilde in der Natur. (Nachr. 1855. S. 55.) Hausmann, über die Krystallisation des Bleioxydes. (Nachr. 1855. S. 40.) Ewald, über das Zeitalter der ächten Münzen althebräi- scher Schrift. (Nachr. 4855. S. 109.) Hermann, über eine neuentdeckte kretische Inschrift. (Nachr. 1855. S. 101.) Scheerer, über zwei Freiberger Hüttenproduete. (Nachr. 1855. S. 125.) Rümker und Dr. Rlinkerfues, Beohícliio yen über den am 6ten April dureh Chacornac entdeckten Planeten, so wie über den von Dr. Luther am A9ten April entdeckten Pla- neten. (Nachr. 1855. S. 127.) Weber, ein Aufsatz des Assistenten der hiesigen Stern- warte, Dr. Rlinkerfues, über die Bahnen der Doppelsterne w Leonis und c Coronae; und Beobachtungen desselben und des Hrn Dir. Rümker zu Hamburg, über den am 4. Juni von ersterem entdeckten Rometen; nebst Beobach- tungen des Hrn Dir. Rümker über den Rometen 1833, I (entdeckt von Schweizer zu Moskau). (Nachr. 1855. S. 156.) Waits, Ueber die angeblichen Reden der Churfürsten bei der Wahl AN: * 1833. " 181.) * von der Königlichen Gesellschaft der Wissen- schaften aufgegebenen Preisfragen und den Erfolg derselben betrifft, so ist darüber Folgendes zu berichten. Für den November 1855 war von der historisch- -philo- logischen Classe folgende Preisfrage gestellt: Eine Geschichte der Ausbildung des Kirchenstaates, in welcher sowohl die erste Bildung utd allmälige V. ergrösserung desselben mit Berücksichti- gung der vorhandenen kaiserlichen Schenkungsurkunden und einer Beurthei- lung ihrer Echtheit und Bedeutung, als auch das Verhältniss der päpstlichen VORREDE XIX Herrschaft in demselben zu der kaiserlichen Hoheit und zu der Macht der Städte und der Barone nach den verschiedenen Zeiträumen nachgewiesen werde. Zur Lösung dieser Aufgabe waren zwei neee einge- gangen; die eine mit dem Motto: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt, Joh. 18,56. Weiche von mir, Satan, du sinnst nicht auf's Göttliche, sondern auf's Menschliche. Marc. 8, 35.“ Die andere mit dem Motto: „Operae pretium est diligentiam majorum recordari.** Der Verfasser der ersten Abhandlung bemerkt in dem Vorworte, in welchem er, obwohl nicht vollständig, seine Quellen auf- führt, dass er zum Theil auch handschriftliche Hülfsmittel be- nutzt und ausserdem durch einen zweimaligen Besuch des Kir- chenstaates eine selbstindige Vorstellung von Land und Leuten gewonnen habe. Nichtsdestoweniger entspricht die Abhandlung den Anforderungen, welche man an dieselbe stellen muss, kei- nesweges. Sie ist grossentheils nur eine Zusammenstellung von historischen Notizen, von denen zwar viele auch für die Ge- schichte der Ausbildung des Rirchenstaates von Bedeutung sind, welche aber keinesweges das gesammte historische Material für dieselbe genügend erschópfen, und welche eben so wenig für den vorliegenden historischen Zweck gehörig benutzt sind, um die wechselnden Besitzverhältnisse im Kirchenstaate mit ihren Ursachen, jede in ihrer Eigenthümlichkeit zu erörtern, und in ihrem Zusammenhange mit den allgemeinen Ereignissen und Zuständen nachzuweisen. Wie der Verfasser auch sehr Wich- tiges zuweilen wenig berücksichtigt, zeigt sich besonders darin, dass die für die Bildung des Kirchenstaates so bedeutende Mathildinische Schenkung nur einigemal vorübergehend erwähnt wird. In den späteren Abschnitten, welche sich mit der neueren c2 XX VO RRE D E. Zeit beschäftigen, verliert die Abhandlung immer mehr ihren eigentlichen Gegenstand aus dem Auge, und gibt Mittheilungen aus der Papstgeschichte überhaupt, insbesondere mit Beziehung auf die Verwaltung des Kirchenstaates, um die Verderblichkeit der pepettehen Regierung für die Interessen des Volkes nach- zuweisen. Hin und wieder merkt män es dem Verfasser an, dass ihm manche Gegenstände der Rirchengeschiehte nieht be- sonders geläufig sind. So glaubt er, dass die vom Kaiser Leo eingezogenen Patrimonien 5% Talente gewesen seien, welche man ‚der Kirche gezahlt habe, da sie doch Besitzungen der römischen Kirche in Unteritalien waren, von welchen jährlich 9/5 Talente gezahlt wurden. Er wird durch den Missverstand des Ausdrucks Ordinare sedem apostolicam sogar zu der Mei- nung verleitet, die fränkischen ‚Könige hätten i. J. 774 das Recht erhalten, die Päpste zu weihen. Auffallend ist es auch, wenn der Papst Johann IX., welcher übrigens nicht im Jahre 888 auf dem päpstlichen Stuhle sass, ohne Weiteres als Erfin- der der Schenkung Constantins bezeichnet wird. Nach dem Gesatzten ist es unnöthig, auf alle Einzelnheiten der Abhand- lung einzugehen: die Societät musste nien zu ihrem Wedauern als verfehlt bezeichnen. doni; Die zweite Abhandlung, mit ges Mus j^ amend — est diligentiam: p ters recordarist,,. ‘erzählt die Geschichte der Ausbildung de: enstaates in zehn Hauptstücken, welche die Zeitfolge-f lesthaltend, eben 80 viele Zeitabschnitte von einander abgrenzen Das erste Hauptstück beschäftigt sich mit der Entstehung des Kirehenstaates, Worauf im zweiten die Ge- schichte desselben nach dem Umsturze des fränkischen Reiches bis auf Gregor VII. erzühlt wird, in welcher Zeit die päpst- liche Herrschaft bald durch die zur Macht gelangenden Adels- VORREDE. XXI familien ganz zerstört, bald durch das Einschreiten der Kaiser und unter deren Hoheit wieder hergestellt wird. Es folgen alsdann im dritten Hauptstücke die Mathildinische Schenkung, die Ansprüche der Kaiser auf dieselbe, und die verschiedenen Verträge, welche den Päpsten noch längere Zeit die Besitz- nahme derselben entziehen; bis (viertes Hauptstück) Innocen- tius HI. die förmliche Abtretung der Mathildinischen Länder von den Kaisern erhält. Zwar wird der ruhige Besitz derselben alsdann noch von Friedrich II. gestört, aber (fünftes Haupt- stück) Rudolph von Habsburg gibt alle Ansprüche auf dieselben rückhaltslos auf, wogegen die Päpste durch die sich nun bil- denden Dynastengescblechter oft in ihrem Besitze gestört und beschränkt werden. Das sechste Hauptstück schildert die Verhältnisse des Rirchenstaates während des Aufenthaltes der Päpste in Avignon, wie dieselben in der ersten Hälfte dieser Zeit mehr Gehorsam im Kirchenstaate fanden, als in der vor- hergegangenen Zeit, wie aber alsdann die Bedrückungen der Statthalter Empörungen der Städte veranlassten, und wie Ludwig der Baier den grössten Theil des Rirchenstaates an ghibellinische Adelsfamilien vergabte. Darauf werden im siebenten Haupt- stücke die traurigen Verhältnisse Roms während dieser Zeit, das Auftreten und die Wirksamkeit Colas di Rienzo dargestellt, ferner die Wiedergewinnung des grössten Theils des Kirchen- staates durch den Cardinal Albornoz, und die Bedeutung der Condottieri für den Rirchenstast. Das achte Hauptstück führt alsdann aus, wie bereits seit Urban V. in Folge des Druckes der Statthalter die meisten Theile des Kirchenstaates wieder in Empörungszustand traten, und wie die Päpste während des Schisma genöthigt wurden, theils die zur Herrschaft gelangten Dynasten in den einzelnen Landestheilen als päpstliche Vicare XXII VORREDE. anzuerkennen, theils mehreren Städten einen hohen Grad re- publikanischer Selbständigkeit zuzugestehen, bis es Marün V. gelang, einen grossen Theil des Kirchenstaates wieder unter seine unmittelbare Herrschaft zu bringen, welche nach man- cherlei Kämpfen auch Eugenius IV. festhielt. Im neunten Hauptstück folgen die wechselnden Schicksale des Kirchen- staates von Nicolaus V. an bis auf Alexander VI., welcher mit seinem Sohne, Cäsar Borgia, die Dynastenfamilien theils aus- rottete, theils vertrieb, um aus deren Besitzungen für den letz- teren einen grössern Staat zu bilden. Das zehnte Hauptstück beginnt mit Julius II., welcher jene Arbeiten der Borgias dazu benutzte, den Kirchenstaat wieder unter seine unmittelbare Herr- schaft zu bringen, und zeigt dann, wie die Nachfolger desselben auf jener Bahn fortgingen, so dass am Ende des sechzehnten Jahrhunderts der Kirchenstaat die Gestalt erhielt, welche er im Wesentlichen seitdem beibehalten hat. Am wenigsten befriedigt das erste Hauptstück, insofern die Herrschaftsverhältnisse, wie sie theils als rechtlich begründet anerkannt wurden, theils factisch bestanden, nicht zur rechten Klarheit gebracht werden. Sofern nämlich im achten Jahrhun- derte zwar den regierenden byzantinischen Kaisern in dem griechischen Italien der Gehorsam versagt, die Hoheit des Kai- serthums aber stets anerkannt wurde; so konnte der Papst nur als. Stellvertreter des Raiserthums oder der respublica romana Hoheitsrechte ausüben, nicht aber zu dem unabhängigen Eigen- thume auch nur einzelner Landestheile zu gelangen meinen. So kann also weder Sutri i. J. 728 noch können die vier Städte Amelia u. s. w. i. J. 742 zu einem unabhängigen Eigenthume des Papstes geworden sein, und auch die Pipinsche Schenkung konnte ein solches nicht gewähren wollen. Auch würde es VORREDE XXII nicht zu erklären sein, wie der Papst, welcher nach dem Ver- fasser bis dahin als souverain in seinen Landschaften betrachtet werden musste, nach der Wiederherstellung des weströmischen Kaiserthums ohne Weiteres in die Abhängigkeit von demselben zurücktrat. Ferner nimmt der Verfasser mit Cenni an, dass die Würde eines Patricius Romae dem Pipin als blosses Schutz- und Schirmreefft über die Römer übertragen sei. Es ist aber gar kein Grund anzunehmen, dass diese Würde damals in einem andern Sinne übertragen sei, als in welchem sie die früheren von den Kaisern ernannten Patricier besassen, nur dass dieselbe jetzt, wo die kaiserliche Macht suspendirt war, factisch auch diese vertrat. Dass sie in dieser Weise von Pipin aufgefasst wurde, dafür gibt der Verfasser selbst Beweise: dasselbe lässt sich aber auch. von Karl d. G., noch bevor er die Kaiserkrone annahm, darthun. Dass der Papst unter den einheimischen Mächten, welche in Rom im achten Jahrhunderte walteten, die schwächste gewesen sei, kann nicht wohl zugegeben werden, und widerspricht auffallend der Annahme des Verfassers , dass der Papst allein Karl d. G. zum Raiser erhoben habe. Einzelne für die Geschichte entschieden bedeutende Momente sind über- gangen, namentlich die Vorgänge bei der Kaiserkrönung Karls des Rahlen, später die bei der Krönung Otto’s I.: nicht min- der wird auch eine genaue Untersuchung darüber vermisst, wie die Päpste ihre Macht über die Stadt Rom allmälig erweiterten, bis sie endlich eine Herrschaft über dieselbe gewannen. Noch ist zu bemerken, dass Anastasius bibliothecarius nicht ohne Weiteres für Angaben der vita Stephani II. im liber pontificalis verantwortlich gemacht werden kann, da er nicht Verfasser derselben war. | j Weit befriedigender ist die Geschichte der auf die Caro- XXIV VO RR E D E. lingische Periode folgenden Zeit und ihrer Rämpfe, in welchen es dem Papstthum endlich gelang, einen unabhängigen Kirchen- staat zu bilden. Der Verfasser entwickelt aus den Quellen mit grosser Klarheit die Zustände der verschiedenen Zeiten, schil- dert die einander entgegenstehenden Parteien und deren Interes- sen, und stellt die wechselnden Machtverhältnisse der Päpste nicht nur im Allgemeinen dar, sondern weiset "dieselben auch jedesmal in Beziehung auf die einzelnen Landestheile des Kir- chenstaates nach, indem er so viel als nöthig auf die Geschichte der städtischen Republiken und der Dynastengeschlechter in demselben eingeht. Allerdings findet sich auch hier Veranlas- sung zu Ausstellungen. Wie der Verfasser überhaupt hin und wieder eine Neigung zeigt, bei geschichtlichen Vorgängen nie- drige Beweggründe und Zwecke anzunehmen, so will er auch, dass die zweite Schenkung der Mathildis sich von der unbe- kannten ersten durch eine arglistige Unbestimmtheit des Aus- drucks unterschieden habe, so dass man aus derselben nicht einmal ersehen könne, ob die Markgräfin bloss ihre Allodial- besitzungen oder auch ihre Lehen verschenke. Aber man sieht durchaus keinen Vortheil, welcher dadurch gewonnen werden könnte, da es feststand, dass Lehne ohne Einwilligung des Lehnsherrn nicht verschenkt werden dürften. Wenn aber als- dann auch darin eine böse Absicht gesucht wird, dass die Ur- kunde keine Auskunft über das gebe, was Allodium und was Lehn sei; so würde doch durch diese Auskunft der Lehnsherr nicht gebunden, und sonach die Lage der Sache gar nicht ver- ändert sein. Die Wahrheit ist vielmehr die, dass das Lehns- verhältniss in Beziehung auf manche Besitzungen verdunkelt war, und dass Mathildis dasselbe überhaupt nieht. erwähnte, um nicht durch Eingeständnisse die Schenkung zu schmälern, VORRED E XXV da sie eben Alles zu schenken beabsichtigte, was sie mit Aus- sicht auf Erfolg schenken konnte. . Unter den beiden Päpsten Innocenz H. und Anaclet U. glaubt der Verfasser nach den Rirchengesetzen den letzteren für den rechtmässigen erklären zu müssen, weil er von der Mehrheit der Cardinäle gewählt war: vergisst aber, dass damals noch die Wahlordnung Nico- laus II. bestand, nach welcher die Mehrheit keinesweges entschied. Als ein wesentlicher Mangel ist es zu bezeichnen, dass der Verfasser auf die kaiserlichen Schenkungsurkunden gar nicht eingeht, ungeachtet dies doch in der F rage besonders verlangt war. Man hatte erwartet, dass die unechten und verfälschten als solche nachgewiesen, diejenigen aber, über welche das Ur- theil noch nicht feststeht, genauer geprüft wären, dass die Zeit, in welcher jede derselben abgefasst ist, festgestellt, die Zeit- folge und Abhängigkeit derselben von einander ermittelt, und alsdann das Verhältniss einer jeden zu den wirklichen Verhält- nissen ihrer Zeit erörtert worden wäre. Die beiden letzten Jahrhunderte sind mit Recht schr kurz behandelt: doch hätten die Besitzveränderungen, welche mit dem Kirchenstaate während der französischen Revolution vor- gegangen sind, erwähnt werden müssen. Dem Verfasser muss das Zeugniss gegeben werden, dass er für seine Aufgabe die ganze einschlagende Literatur, sowohl die Quellensammlungen als die Bearbeitungen in sehr umfassen- der Weise benutzt hat, und sich namentlich in der italiänischen Literatur, auch in der neuesten, sehr bewandert zeigt. Auf- fallend ist es um so mehr, dass er einzelne wichtige Werke, z. B. die Ausgabe der leges von Pertz, nicht benutzt hat und dass er einigemal die Quellen nach neueren Schriftstellern citirt, so 2z. B. eine Aeusserung Constantins nach der französischen d XXVI VORRE D E. Uebersetzung bei Thierry angibt, und wegen einer Stelle Wil- helms v. Malmesbury auf Locherers Rirchengeschichte verweiset. Was den Ausdruck betrifft, so werden theils manche der höheren Sprache angehórige Bezeichnungen durch ihre stete Wiederholung lástig (so heisst Rom stets die Siebenhügelstadt, oder die ewige Stadt, sieben Jahre werden stets als Jahrwoche bezeichnet): theils erregen Ausdrücke, welche der niedern Sprache angehören (z. B. in den Klauen haben, Herzblatt, mucksen, zu Wasser werden), Anstoss. Nach reiflicher Erwägung hat indessen die Königliche So- cietät keinen Anstand genommen, dieser Arbeit wegen ihrer grossen Vorzüge den Preis zu ertheilen. Als Verfasser der Schrift nannte sich auf dem in der öf- fentlichen Sitzung der Königlichen Gesellschaft der Wissen- schaften am 12. November 1855 entsiegelten Zettel: S. Sugenheim. zu Frankfurt am Main. Der bei der zuerst erwähnten Concurrenzschrift befindliche versiegelte Zettel mit dem Namen ihres Verfassers, wurde in derselben Sitzung uneröffnet verbrannt. | | Die gekrönte Schrift ist im Jahre 1954 unter dem Titel: » Geschichte der Entstehung und Ausbildung des Kirchen- staates. Von Samuel Sugenheim « zu Leipzig in Octav gedruckt erschienen. Für den November 1854 war von der physikalischen Classe folgende Preisfrage gestellt: Ueber die Anwendung der narkotischen Mittel in der Geburtshülfe, be- sonders des Chloroforms, sind die Ansichten bis jetzt noch getheilt, und es ist noch nicht zu einer vollständigen Uebereinkunft unter den Fachgenossen der verschiedenen Länder gekommen. Während die eine Partei der Nar- kose unbegrenzte Anwendung in allen geburtshülflichen Fällen gestattet, VORREDE. XXVII verdammt eine andere dieselbe unbedingt, oder erlaubt nur ausnahmsweise für gewisse Fülle ihre Anwendung. Die Kön. Societüt wünscht eine Unter- suchung über diesen Gegenstand; sie verlangt nicht allein eine historisch- kritische Darstellung der bis jetzt darüber angestellten Beobachtungen und Erfahrungen, sondern sie wünscht ein wo möglich auf eigene Erfahrungen basirtes Urtheil über die Zulässigkeit oder Verwerfung der Narkose in der Geburtshülfe. Leider ist die Lösung dieser Aufgabe nicht versucht worden. Für die nächsten drei Termine sind von der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften folgende Preisfragen bestimmt. Für den Novbr. 1855 von der mathematischen Classe: Exstant quidem experimenta nonnulla circa mutationem, quam patitur elasticitas corporum. rigidorum , dum temperatura variatur: nihilominus mullum in hoc campo agendum superest. Quum enim illa experimenta sola phaenomena acuslica in corporum vibrationibus sonoris respexerint, magnopere optandum est, ut mutationes elasticitatis per mutatam tempera- turam in aliis quoque modis, quibus elasticitas se exserit, explorentur, praesertim. in corporibus flexis et torsis, quae per methodos subtiles sum- mamque in experimentis praecisionem admittentes tractare licet. Postulat ilaque Societas regia, ut tali via in nexum inler mutationes coéfficientis elasticitatis alque mutationes temperaturae inquiratur, per experimenta ac- curata, copiosa et apte variata, ila quidem ut de numerorum prodeuntium certitudine, et de proportionalitate illarum mutationum saltem intra certos limites judicare liceat. | Experimenta ad statum elastieitatis perfectae limi- tentur, sed praeter metalla tali statui accommodata etiam vitrum com- plectantur. Obgleich wir über den Einfluss der Temperatur auf die Elasticitüt fester Körper einige auf Schallschwingungen beruhende Versuche besitzen, so bleibt hier doch noch ein weites Feld für die Forschung übrig. Die Kö- nigliche Societät wünscht daher, dass dieser Gegenstand auf andern Wegen sorgfältig bearbeitet werde, namentlich bei festen Körpern im Zustande der Biegung und der Torsion, durch Anwendung von Metho- den, welche die Veränderungen der Elastieität bei veränderten Tempera- turen mit grosser Schärfe erkennen lassen. Die Versuche dürfen nicht über die Grenzen der Elastieität hinausgehen, müssen aber zahlreich und mannichfaltig genug sein, um über das gleichmässige Fortschreiten der Werthe des Elasticitätscoöffieienten mit der Temperatur, und über den d2 XXVII VO RRE D E. Grad der in den Resultaten erreichten Zuverlässigkeit ein bestimmtes Urtheil zu begründen. Es wird gewünscht, dass ausser den einer voll- kommenen Elastieität fähigen Metallen auch das Glas den geeigneten Versuchen unterzogen werde. (Nachrichten 1852. S. 242 Für den November ee von der historisch-philolo- gischen Classe: Quum nostra aetate scriptores. rerum Germanicarum antiquiores cum editionibus ad librorum manuscriptorum fidem exactis tum commentariis singulisque disquisitionibus de rebus dubiis institutis, sint illustrati, jam optandum est ut quae adhue sint prolata denuo pertractentur , suppleantur atque ila componantur, ut quid in historia scribenda Germani praestiterint, plene et lucide perspici possit. Ibi exponatur necesse est, quid singuli qui exstant libri ad res ipsas cognoscendas faciant quidve arte historica valeant, scriptores quo consilio ducti sint, quomodo alter alterum secutus, quam quisque apud posteros nactus sil auctoritatem. In medio vero saeculo XIII. nunc subsistendum erit, quum inde ab eo tempore diversam historiae tractandae rationem invaluisse constet, de qua, nisi codieibus in bibliotheeis latentibus plenius examinatis, vix accuratius agi possit. Postulat igitur Societas ut historiographiae apud Germanos initia atque incrementa usque ad medium saec. XIII. exponantur. Nachdem in den letzten Jahren über die Geschichtschreiber des deut- schen Mittelalters durch kritische Ausgaben und — Erlüuterungsschriften vielfach ein neues Licht verbreitet worden ist, erscheint es als 8 werth, dass die Resultate dieser Arbeiten zusammengefasst, ergänzt, und ein vollständiges. genaues Bild von dem e en Geschichtschreibung bei den PIA ‚gegeben werde. Dabei ist Rücksicht zu nehmen sowohl auf den rise als den literarischen Werth der einzelnen JVerke , ihren Zusammenhang unter einander, die Absicht der Autoren, den Einfluss auf spätere Zeit. Bei dem jetzigen Stand der Vorarbeiten wird es möglich sein, auch ohne gerade selbst ‚handschriftliche Untersuchungen vorzunehmen, eine solche Darstelluny wenigstens bis zur Mitte des 43ten Jahrhunderts hin zu geben, also bis zu einer Zeit, wo die Geschichtschreibung in Deutschland einen andern Charakter annahm. Die Gesellschaft wünscht daher : eine kritische Geschichte der. Historiographie bei den Deutschen, bis zur Mitte des 43ten Jahrhunderts. (Nachrichten 1853. S. 207.) VORREDE. XXIX Für den Novbr. 1857 von der physikalischen Classe: Quum etiam novissimae investigationes de Fluore locum dubitationi relin- quant, num re vera contigerit illum per se solum et integrum oculis pro- ponere, certumque sit ejus qualitates, quatenus extra mixtionem per se solus appareat, fere omnino ignotas esse, optat Societas Regia, ut de in- signis illius elementi integritate nova experimenta instituantur. Quibus experimenlis etiam si ipsum propositum non efficiatur, ea vero quaestio ad liquidum perducta fuerit, utrum Fluor inter hydrogenica an inter oxygenica acida habendus sit, simulque contigerit Fluorem cum oxygenio ceterisque metalloidibus, quae cum Fluore jungi posse nondum constat, jungere, Societas Regia etiam tali opere, dummodo. accuratis observationibus innita- tur, proposito suo salisfactum esse existimabit. Da auch die neuesten Untersuchungen über das Fluor es noch durchaus zweifelhaft lassen, ob dessen Isolirung wirklich gelungen ist, jedenfalls seine Eigenschaften im angeblich isolirten Zustande so gut wie noch ganz unbekannt sind, so wünscht die Königliche Societät, dass über die Isoli- rung dieses merkwürdigen Grundstoffs neue Versuche angestellt werden. Sollte der eigentliche Zweck nicht erreicht, durch diese Versuche aber mit Gewissheit die Frage entschieden werden, ob die Flusssäure eine Wasserstoffsäure oder eine Sauerstoffsäure ist, und zugleich die Hervor- bringung von Verbindungen des Fluors mit Sauerstoff und den anderen Metalloiden, von denen man noch keine Fluor -F. erbindungen kennt, ge- lingen, so würde die Kön. Societüt auch eine solche Arbeit, wenn sie sich auf exacte Beobachtungen gründet, als eine genügende Beantwortung der Frage betrachten. (Nachrichten 1854. S. 209.) Die Concurrenzschriften müssen vor Ablauf des Septem- bers der bestimmten Jahre an. die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften portofrei eingesandt sein. Der für jede dieser Aufgaben ausgesetzte Preis beträgt funfzig Ducaten. Göttingen, im September 1855. Joh. Friedr. Ludw. Hausmann. Berichtigungen und Zusätze. Abhandlungen der historisch-philologischen Classe. Ewald, über Henökh : Seite 477. Zeile 2 von oben lies auch für das in viele Abdrücke gekom- mene auf. — 3 von unten lies Auch für Auf. Waitz, über die a altdeutsche Hufe: Seite 183. Zeile 3 v. u. und im Folgenden öfter ist zu lesen: Kleimayrn. 901. — 9 v.o. 1. 53. We griech. Strafrecht : Seite 275. Z. 4 v. u. füge zu: Xenoph. Hellen. VII. 3. 7. — 278. Zeile 13 l. den statt dem früheren. — 301. — 11. positiv statt positio. — — -— 951. nage dots statt nagsdodr. — 308 « am n Ende ak zu: Für en Gebrauch der Geissel gegen Freie r d zeugt selbst der Gegensatz bei Plutarch eX e e. 33: xal ovi naorıyog dAevócpoc Ótoptevoc, d TÜS QOTQUYUÄWTIE Eusivng x. v. J. — 311 am Ende füge zu: Hesych. IL, p. 390: »vooyjvn viov iv à uag- varovGut ai nopvaı 2Óecgiev ovato. Vom Bogen Z an ist die Paginirung falsch, indem statt 177, Ai gesetzt werden muss u.s. w. | XXXI Verzeichniss der Mitglieder der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Góttingen am Schlusse des Jahres 1855. Ehren- Mitglieder. Graf Wenzel von Rzewusky zu Wien, seit 1910. Stephan von Stratimirowitsch zu Carlowitz, seit 1917. Prinz Maximilian von Wied, seit 1826. Herzog de Luynes zu Paris, seit 1853. Andreas von Baumgartner zu Wien, seit 1854. Ordentliche Mitglieder. Physikalische Classe. J. Fr. L. Hausmann, seit 1814. (Zuvor Correspondent, seit 4804.) Prov. be- ständiger Secretair, seit 1840. J. W. H. Conradi, seit 1823. C. F. H. Marx, seit 1833. E. C. J. von Siebold, seit 1934. Fr. Wóhler, seit 1837. A; A. Berthold, seit 1837. G. F. W. Meyer, seit 1843. (Zuvor Assessor, seit 1821). F. Gottl. Bartling, seit 1943. C. H. Fuchs, seit 1943. R. Wagner, seit 1943. A. Grisebach, seit 1851. Fr. G. J. Henle, seit 1953. XXXII ee Classe. W. E. Weber, seit 1831. G. C. J. Ulrich, seit 1845. G. Lejeune-Dirichlet, seit 1855. (Zuvor auswärtiges Mitglied, seit 4846.) Historisch- —— Classe. H. Ewald, seit 1833. H. Ritter, seit 1840. €. Hoeck, seit 1841. R. F. Hermann, seit 1843. G. Waitz, seit 1849. F. W. Schneidewin, seit 1850. W. Havemann, seit 4850. (Zuvor Re ‚seit 1941. ) Assessoren. 5 uena E. F. G. Herbin seit 1835. Historisch- kiste voor Gire H. F. Wüstenfeld, seit 1841. J. E. Wappäus, seit 1851. Auswärtige Mitglieder. Physikalische Glasse. Alexander von Humboldt zu Berlin, seit 1803. John Drayton zu Charlestown, seit 1804. H. Lichtenstein zu Berlin, seit 4830. L. J. Thenard zu Paris, seit 1830. Sir James Clark zu London, seit 1937. C. M. Marx zu Braunschweig, seit 1937. m Joh. Müller zu Berlin, seit 1837. SN a RE rs J. C. Jörg zu Leipzig, seit 4837. Carl Ernst von Baer zu St. Petersburg, seit 1951. Jean Baptiste Dumas zu Paris, seit 1851. (Zuvor desc) seit 1949.) Christian Gottfried Ehrenberg zu Berlin, seit 4851. — Carl Friedrich von Martius zu München, seit 1954. Justus Freiherr v. Liebig zu München, seit 1851. (ii iria pid ov seit 1840.) XXXIII Heinrich Rathke zu Königsberg, seit 1851. Friedrich Tiedemann zu Frankfurt a.M., seit 1851. (Z (Zuvor € dent, seit 1916.) Ernst Heinrich Weber zu Leipzig, seit 1951. Christian Samuel Weiss zu Berlin, seit 4951. Carl Friedrich Theodor Krause zu Hannover, seit 1959. Wilhelm Haidinger zu Wien, seit 1953. Carl Friedrich Naumann zu Leipzig, seit 1953. Robert Bunsen zu Heidelberg, seit 4855. Élie de Beaumont zu Paris, seit 1955. Mathematische Classe. Sir David Brewster zu Edinburgh, seit 1826. J. F. Encke zu Berlin, seit 1930. F. G. W. Struve zu St. Petersburg, seit 1935. Mich. Faraday zu London, seit 1835 Joh. Plana zu Turin, seit 1937. Sir John Herschel zu Collingwood, seit 1840. (Zuvor Correspondent, seit 1815.) Augustin Cauchy zu Paris, seit 1840. U. J. Leverrier zu Paris, seit 1846. P. A. Hansen zu Gotha, seit 1849. Francesco Carlini zu Mailand, seit 1851. George Biddell Airy zu Greenwich, seit 1851. Charles Wheatstone * Seit 1854. Historischs scripla do Classe: Fr. Gottl. Welcker zu Bonn, seit 1819. (Zuvor hiesiges ordentl. Mitglied, seit 1817.) Jacob Grimm zu Berlin, seit 1837. (Zuvor Correspondent, seit 1825; hiesiges ordentl. Mitglied, seit 1830.) Wilhelm Grimm zu Berlin, seit 1837. (Zuvor Görresponächt, seit 1825; hie- siges ordentliches Mitglied, seit 1830.) A. Boeckh zu Berlin, seit 1930. F. C. Dahlmann zu Bonn, seit 1937. (Zuvor — ordentliches Mitglied, seit 1839. ) Em. Bekker zu Berlin, seit 1835. Ed. Gerhard zu Berlin, seit 4835. Fr. von Thiersch zu München, seit 1835. G. H. Pertz zu Berlin, seit 1837. C. B. Hase zu Paris, seit 1837. XXXIV Francois Guizot zu Paris, seit 1841. Friedr. Creuzer zu Heidelberg, seit 1844. Horace Hayman Wilson zu Oxford, seit 1850. Christian August Brandis zu Bonn, seit 1851. Victor Cousin zu Paris, seit 1951. Graf Bartolomeo Borghesi zu San Marino, seit 1851. Christian August Lobeck zu Königsberg, seit 4851. Carl Ritter zu Berlin, seit 4851. (Zuvor Correspondent, seit 1820.) J. M. Lappenberg zu Hamburg, seit 4851. (Zuvor Correspondent, seit 1937.) Leopold Ranke zu Berlin, seit 1951. Justus Olshausen zu Königsberg, seit 1953. Franz Bopp zu Berlin, seit 1954. Celestino Cavedoni zu Modena, seit 1854. Ludwig Dóderlein zu Erlangen, seit 1954. C. C. J. Bunsen zu Heidelberg, seit 1955. Correspondenten. Physikalische Glasse. Francesco Marabelli zu Pavia, seit 1795. Joh. Jer. Santorelli zu Rom, seit 1796. Graf C. Philibert de Lasteyrie zu Paris, seit 1801. Mart. Christ. Gottl. Lehmann zu Ropenhagen, seit 1804. Wilhelm von Freygang zu Venedig, seit 1805. C. A. Gaillardot zu Paris, seit 1805. Wilh. Gottl. Tilesius zu Leipzig, seit 1806. Carl Cäsar von Leonhard zu Heidelberg, seit 1806. Jens Weibel Neergaard zu Kopenhagen, seit 1906. J. Izarn zu Paris, seit 1807. J. Garnier zu Paris, seit 1808. D. G. Rieser zu Jena, seit 1908. i J. L. C. Gravenhorst zu Breslau, seit 1809. (Zuvor Assessor, seit 1907.) Sir Alexander Crichton zu London, seit 1814. August von Vogel zu München, seit 1816. J. G. C. Schweigger zu Halle, seit 1816. Wilhelm Sachse zu Ludwigslust, seit 1993. Benjamin Travers zu London, seit 1896. W. Lawrence zu London, seit 1035. | XXXV G. H. Bergmann zu Hildesheim, seit 1837. E. Eichwald zu St. Petersburg, seit 4841. John Forbes zu London, seit 1842. Robert Willis zu London, seit 1844. Spada di Medicis zu Rom, seit 1947. Carl Theodor von Siebold zu München, seit 1850. Hermann Stannius zu Rostock, seit 1850. Theodor Schwann zu Lüttich, seit 1853. Theodor Ludwig Wilhelm Bischoff zu Giessen, seit 1853. Theodor Scheerer zu Freiberg, seit 1853. Wilhelm Dunker zu Marburg, seit 1853. G. Andr. Carl Staedeler zu Zürich, seit 1853. Hermann Kopp zu Giessen, seit 1855. Paul Partsch zu Wien, seit 1855. Mathematische Classe. Ran. Gerbi zu Pisa, seit 1795. Carl von Hadaly v. Hada zu Presburg, seit 1801. Athanasius Stoikowitz zu Charkow, seit 1909. C. W. Gottl. Kastner zu Erlangen, seit 1812. Edward Sabine zu London, seit 1823. C. W. Gerling zu Marburg, seit 1830. A. Quetelet zu Brüssel, seit 4837. C. A. Steinheil zu München, seit 1937. A. Th. Rupffer zu St. Petersburg, seit 1940. Chr. Hansteen zu Christiania, seit 1840. Carl Rreil zu Wien, seit 1841. N. Lobatschewsky zu Rasan, seit 1842. Heinr. Buff zu Giessen, seit 1942. Humphrey Lloyd zu Dublin, seit 1943. A. F. Möbius zu Leipzig, seit 4846. F. G. A. Argelander zu Bonn, seit 1846. C. A. F. Peters zu Altona, seit 1951. John Couch Adams zu Cambridge, seit 1851. F. F. Kummer zu Berlin, seit 1851. Thomas Clausen zu Dorpat, seit 1854. Johann Christian Poggendorff zu Berlin, seit 1854. XXXVI Carl Rümker zu Hamburg, seit 1854. Ludwig Seidel zu München, seit 1854. Historisch-philologische Classe. Sir William Ousely zu London, seit 1799. Rudolph von Bosse zu Braunschweig, seit 1805. Freiherr von Hammer Purgstall zu Wien, seit 1811. J. Jac. Champollion Figeac zu Paris, seit 1819. Wuk Steph. Karadehitsch zu Wien, seit 1895. G. Dorn-Seiffen zu Utrecht, seit 1896. Freiherr C. L. von Lützow zu Schwerin, seit 1935. G. L. von Maurer zu München, seit 1935. J. H. W. Küper zu London, seit 1837. A. Huber zu Wernigerode, seit 1937. G. W. Nitzsch zu Leipzig, seit 1937. Ferd. Jos. Wolf zu Wien, seit 4941. F. E. G. Roulez zu Gent, seit 1844. Jacob Geel zu Leiden, seit 1850. Christ. Lassen zu Bonn, seit 1850. G. Fr. Schömann zu Greifswalde, seit 1850. Joh. Friedr. Böhmer zu Frankfurt a. M., seit 1853. John Mitcheil Kemble zu London, seit 1953. Rud. Roth zu Tübingen, seit 1953. Adolf Friedr. Heinr. Schaumann za a dp seit 1953. Friedrich Tuch zu Leipzig, seit 1353. Gottfried Bernhardy zu Halle, seit 1854. Eduard Meier zu Halle, seit 1954. Friedrich Ritschl zu Bonn, seit 1954. Emil Braun zu Rom, seit 1955. b Paul Joseph Schafarik zu Prag, seit 1855. Wilhelm Wackernagel zu Basel, seit 1955. Caspar Zeuss zu Bamberg, seit 1855. XXXVII INHALT. Vorrede, von Joh. Friedr. Ludw. Hausmann Seite III Verzeichniss der Mitglieder der Königlichen Gesellschaft der Wissen- schaften zu Göttingen am Schlusse des Jahres 1855 Abhandlungen der physikalischen Classe. F. Wöhler, über das Telluräthyl Joh. Wilh. Heinr. Conradi, Bemerkungen über die gastrischen Fieber 1 Arnold Adolph Berthold, der Heerwurm gebildet aus Larven der Thomas- Trauermücke (Sciara Thomae) 39. ; A. Grisebach, systematische Bemerkungen über die beiden ersten Pflan- zensammlungen Philippis und Lechlers im südlichen Chile und an der Maghellans- Strasse 89 . Joh. Friedr. Ludw. Hausmann, über die. durch Molekularbewegungen in starren leblosen Körpern bewirkten Formveränderungen. Erste Abhandlung 139 Abhandlungen der mathematischen Classe. Wilhelm Weber, Bestimmung der rechtwinkeligen Componenten der erd- magnetischen Kraft in Göttingen in dem Zeitraume von 1834 bis 1853 8% Abhandlungen der historisch-philologischen Classe. F. G. Schneidewini de Hypothesibus Tragoediarum graecarum Aristophani Byzantio vindicandis Commentatio 3 Georg Friedrich Grotefend, Erläuterung der babylonischen Keilinschriften aus Behistun 39 QU oo XXXVIII INHALT. Georg Friedrich Grotefend, Erläuterung zweier Ausschreiben des Königes Nebukadnezar in einfacher babylonischer Keilschrift mit eini- gen Zugaben Seite 65 . Heinrich Ewald, Abhandlung über des üthiopischen Buches Henókh Entstehung Sinn und Zusammensetzung 107 Georg Waits, über die altdeutsche Hufe 179 Fr. W. Schneidewin, über die Trachinierinnen des Sophokles 229 Karl Friedrich Hermann, über Grundsütze und Anwendung des Straf- rechts im griechischen Alterthume 267 Die bei diesem Bande befindlichen Tafeln gehören zu folgenden Abhand- lungen: der physikalischen Classe, A. A. Berthold, der Heerwurm gebildet von Larven der Thomas-Trauermücke (Sciara Thomae), A Grisebach, systematische Bemerkungen über die beiden ersten Pflanzen- sammlungen Philipps und Lechler’s im südlichen Chile und an der Maghellans- Strasse ; der ae cda Classe, : W. Weber, Bestimmung der rechtwinkeligen Componenten der erdmagneti- schen Kraft in Göttingen in dem Zeitraume von 1834 — 1853; der historisch- -philologischen Classe, 6. Fr. Grotefend, Erläuterung der babylonischen Keilinschriften aus Behistun, C. Fr. Grotefend, Erläuterung zweier Ausschreiben des Königes Nebukadnezar in e babylonischer Keilsehrift mit einigen Zugaben. ABHANDLUNGEN DER PHYSIKALISCHEN CLASSE DER KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN ZU GÖTTINGEN. SECHSTER BAND. Phys. Classe. VI. A Ü ber das Tellurä ithyl; von F. Wöhler. Der K. Gesellschaft d. W. vorgelegt am 12. October 1852. Bereis im J. 1840 habe ich gezeigt, dass das Tellur die Fähigkeit besitzt, mit dem Radical des Alkohols eine Verbindung zu bilden 1). Es war diess die erste Thatsache, die bewies, dass dieser merkwürdige, in seinen physikalischen Eigenschaften den Metallen so ähnliche, in den chemischen aber den Schwe- fel vollkommen nachahmende Grundstoff als Element in die organische Zusam- mensetzung eingehen kann. Diese Verbindung, das Telluräthyl, C*H5Te, wurde durch wechselseitige Zersetzung von Tellurnatrium und äthyloxyd - schwefel- saurem Baryt erhalten, indem sie in Auflösung mit einander destillirt wurden. Es ist ein tief gelbrothes, in Wasser untersinkendes, damit nicht mischbares Liquidum von einem höchst widerwärtigen Geruch. Es ist leicht entzündlich und verbrennt mit einer weissen, leuchtenden, hellblau gesäumten Flamme und unter Verbreitung eines dicken weissen Dampfs von telluriger Säure. Bei der Analyse zeigte es sich, dass es unter Bildung von Stickoxydgas leicht in Salpetersäure auflöslich war und dass sich aus dieser Auflösung bei Zumischung von Chlorwasserstoffsäure ein schweres, farbloses Liquidum, aus- schied. Die kleine Menge des zu Gebote stehenden Materials gestattete damals nicht, diese auffallende Erscheinung weiter zu verfolgen und zu erklären, es musste zunächst zur Feststellung seiner Zusammensetzung verwendet werden. Später, im J. 1851, wieder mit einem kleinen Vorrath von Tellur verse- hen, veranlasste ich Dr. Mallet aus Dublin, der damals im hiesigen Laborato- l) Annal. d. Chemie und Pharmacie B. 35 p. 111. A? 6 F. WÖHLER, aufgelost. Tropft man Chlorwasserstoflsäure hinzu, so wird letzteres zersetzt und noch ein Mal so viel Telluräthylehlorür gefüllt. Eben so verhalten sich die anderen Sauerstoffsäuren. Schwellige Säure fällt aus seiner Lösung ein schweres, dunkelgelbes, kla- res Liquidum, ein Gemenge von Chlortelluräthyl und Telluräthyl. Die Zusammensetzung dieses Salzes konnte nach diesem Verhalten vor- ausgesehen werden; sie war durch die Analyse leicht zu bestätigen. 0,667 Grm. Salz, bei 1009 getrocknet, wurden so lange mit rauchendem Königswasser digerirt, bis das anfangs ausgeschiedene Öl sich aufgelöst hatte, . die Lösung im Wasserbade zur Trockne verdunstet, der weisse Rückstand in concentrirter Salzsäure gelöst und die Lösung mit gesättigter schwefliger Säure versetzt und digerirt. Nachdem alles Tellur redueirt zu sein schien, wurde es auf einem bei 1009 getrockneten und gewogenen Filtrum abfiltrirt, anfangs mit schwefliger Säure, zuletzt mit Wasser gewaschen und bei 100? getrock- net. Es wog 0,349 Grm. — Die abfſiltrirte Flüssigkeit wurde durch Abdam- pfen: sehr coneentrirt und von Neuem mit schwefliger Säure behandelt, wodurch noch 0,026 Tellur, also im Ganzen 0,375 Grm. oder 56,22 Procent erhalten wurden. Bei einer drilten — der ated wurde kein Tellur mehr gefällt. Zur Bestimmung des Chlorgehalts wurden -0,533 Grm. getrocknetes Salz in warmem Wasser gelöst und mit salpetersaurem Silber gefällt. Es wurden 0.334 Chlorsilber — 0,08257 oder 15,49 Proc. Chlor erhalten. di Die Bestimmung des Kohlenstoffs und Wasserstoffs geschah, durch eine gewöhnliche EN im — zuletzt mit Anwendung von Sauerstoffgas. i 0,6687 Grm. Salz jabs 0,489 oiam und 0,2505 Wasser, ent- sprechend 19,94 Proc. Kohlenstoff und 4,96 Wasserstoff. Hiernach hat dieser Kórper folgende Zusammensetzung: Gefunden Nach Cs Hie €l O. Ko ‚lenst | 19,94 1544,20) 89 | piene 4,96 — 4,35 Chlor 15,49 — 15,43 Sauerstoff 3,39 — 3,43 ÜBER DAS TELLURATHYL. 7 Die Abweichung im Kohlenstoff- und Wasserstoff-Gehalt ist elwas gross; allein die Entstehungsweise und das ganze Verhalten dieses Kórpers sind eben so sichere Bestütigungen dieser Zusammensetzung, als eine zweite, besser stimmende Analyse gewesen sein würde. Er entsteht also dadurch, dass von 2 Atomen Tellurüthylchlorür durch das Alkali 1 Aeq. Chlor weggenommen und gegen Sauerstoff ausgewechselt wird. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, dass es diese Verbindung war, welche bei den Versuchen von Mallet durch Einwirkung von Telluräthyloxyd auf Sal- miak unter Entwickelung von Ammoniak gebildet „aber damals nur unvollstän- dig untersucht wurde 1). Auch stimmt damit nahe der gefundene Chlorgehalt = 19,00 Proc. Bei der Tellur- Bestimmung ‚dagegen muss, wie leicht aus Versehen geschehen kann, die Hülfte des Tellurs unausgefällt geblieben sein. Telluräthyl- Bromür, C Hs e Br. Es entsteht, wenn man die Lösung der vorhergehenden Verbindung. oder die des salpetersauren Tellurüthyloxyds mit Bromwasserstoffsüure vermischt. Aus dem milchig werdenden Gemische schei- det es sich in Gestalt eines blassgelben, geruchlosen, in Wasser untersinken- den Ols ab, welches einen sehr hohen Siedepunkt zu haben scheint. —.. Telluräthyl- Oxybromür, C*W5TeO -L-C*H5TeBr. Man erhalt es durch Auflösen des Telluräthylbromürs in kaustischem Ammoniak. Es krystallisirt in farblosen, glänzenden Prismen von der Form der Chlorverbindung, der es sich in allen Stücken analog verhält. Telluräthyl-Jodür, C*45Tel. Es wird gebildet, wenn man die Lösung des salpetersauren Telluräthyloxyds oder die der Oxy - Chlorür- oder Oxy- Bromür - Verbindung mit Jodwasserstoffsäure vermischt. Auch entsteht es au- genblicklich, wenn man das freie Telluräthylehlorür mit Jodwasserstoſfsaure übergiesst, ‚woraus es erklärlich ist, warum bei der Zersetzung des Oxychlo- rürs nicht eine Verbindung von Telluräthylehlorür mit Telluräthyljodür, sondern letzteres allein entsteht. Es scheidet sich in Gestalt eines sehr schón orange- gelben Niederschlags ab. i os Nach dem Auswaschen und Trocknen bildet es ein orangegelbes Pulver. In Wasser erhitzt, schmilzt es bei 509 zu einem schweren , gelbrothen Liqui- 1) A. a. O. p. 227. 8 a F. WÓHLER, dum. Nach dem Erstarren ist es eine rothgelbe, undurchsichtige, sehr gross- blättrig krystallinische Masse, die sich, wie ein Glimmer, sehr leicht nach ei- nem Blätterdurchgang zerbrechen lässt. In heissem Alkohol ist es mit gelb- rother Farbe löslich. Beim Erkalten krystallisirt es in langen, dünnen, orange- gelben Prismen. Sätligt man aber die Lösung im Sieden, so scheidet sich zu- erst ein Theil amorph in Tropfen aus. Auch in Wasser ist es in kleiner Menge löslich. Uber seinen Schmelzpunkt erhitzt, zersetzt es sich, gibt ein rothgel- bes Öl, ein schwarzes Sublimat und hinterlässt geschmolznes Tellur. Wendet man bei der Bereitung dieser Verbindung eine braun gewordene Jodwasserstoflsäure an, so entsteht ein fast blutrother Niederschlag, der nach dem Schmelzen zu einer schwarzrothen, ebenfalls sehr grossblättrigen Masse erstarrt, die ohne Zweifel eine höhere Jod- Verbindung eingemengt enthält. Telluräthyl- Oxyjodür, C*W5TeO + C*H5Teı. Man erhält es durch Auf- lösen des Telluräthyljodürs in Ammoniak und freiwillige Verdunstung. In dem Maasse wie letzteres verdunstet, krystallisirt das Salz aus; denn es ist in Am- moniak sehr leicht, in Wasser nur wenig löslich. Es bildet blassgelbe, durch- sichtige Prismen, isomorph mit der entsprechenden Chlor- und Brom- Verbin- . dung. An der Luft, wenn sie Säuredämpfe enthält, wird es orangegelb. Aus seiner Lösung in Wasser fällt Chlorwasserstoffsäure ein rothgelbes, schweres Liquidum, ein Gemenge von Chlor- und Jod-Telluräthyl. Schwe- felsäure * aus der Lösung des Salzes orangegelbes Telluräthyljodür. Aus der davon abfiltrirten Flüssigkeit wird dann durch Chlorwasserstoffsäure farblo- ses Telluräthylchlorür EEE Schweflige Säure fällt aus seiner Lösung ein sehr leicht schmelzbares, beim Erkalten halberstarrendes Gemenge von Telluräthyljodür und Telluräthyl. Die Analysen dieser Brom- und Jod- Verbindungen habe ich für über- flüssig erachtet, denn ihre Zusammensetzung geht mit Sicherheit aus ihrem Verhalten und ihrer Entstehungsweise hervor. Cyanwasserstoffsäure ist ohne Wirkung auf das Oi dti Es krystal- lisirt unverändert wieder heraus. Eben so wenig konnte mit dem freien Tel- luräthyloxyd eine Verbindung hervorgebracht werden. Flusssäure fällt aus der Lösung des Oxychlorürs Telluräthylchlorür, und in der Flüssigkeit bleibt eine lósliche Fluor- Verbindung, aus welcher Salzsäure ÜBER DAS: TELLURÄTHYL. 9 Telluráthylehlorür fallt. Die Lösung des salpetersauren Tellurüthyloxyds wird nicht durch Flusssüure gefüllt, und das freie Tellurüthyloxyd. bildet mit dieser Säure eine krystallinische, leicht lösliche Verbindung, — ein Verhalten, worin das Fluor ebenfalls auffallend von den andern Salzbildern abweicht JP Durch Zersetzung: der oben beschriebenen Verbindungen mit Silberoxyd- Salzen musste es möglich sein, Sauerstoffsalze des Telluräthyloxyds von be- stimmter Zusammensetzung hervorzubringen. Diess hat sich vollkommen be- stätigt; aber aus Mangel an Material konnte ich diese Verhältnisse nur unvoll- stándig verfolgen. . Schwefelsaures | Tellurüthylozyd ;. C O + €*H5 TeOS. Dieses Salz wurde dadurch erhalten, dass in eine Lósung des krystallisirten Telluräthyl- Oxychlorürs so lange eine heiss gesättigte Lósung von neutralem schwefelsau- rem Silberoxyd getropft wurde, als noch Chlorsilber niederfiel. Die abfiltrirte Lösung schied beim Verdunsten zuerst noch etwas schwefelsaures Silberoxyd aus; dann krystallisirte das neue Salz in Gruppen von kleinen, kurzen, farblo- sen Prismen. Durch Umkrystallisiren wurde es vollkommen rein erhalten. Es ist in Wasser leicht löslich. Beim Erhitzen für sich entwickelt es ein Gas und Telluräthyl unter Zurücklassung von metallischem Tellur. m pon fällt aus seiner Lösung ölförmiges Telluräthyl. 0,432 Grm. Salz, bei 1009 getrocknet, gaben mit Chlorbarium 0,190 schwefelsauren Baryt, entsprechend 15,10 Proc. Schwefelsäure. Aus der ab- filtrirten Lösung krystallisirte nach dem Verdunsten regenerirtes weak Oxychlorür. | Nach der Formel ?C*H5Te 0 L $ müsste das Salz 16,5 Proc. Schwefel- säure enthalten. Nimmt man aber darin 1 Aeq. Wasser an, welches die Stelle des zweiten Sáureatoms vertreten würde und nicht ohne Zersetzung des Pater I) Dazu gehört namentlich, wie Louyet zuerst hervorhob, die grosse Verschie- denheit in den Löslichkeits-Verhältnissen. der Yerbindangen des Silbers und Cal- ciums mit Fluor und der derselben Metalle mit den anderen Salzbildern. Ferner ist es auffallend, dass chlorsaures Kali und die Superoxyde auf Flusssäure ohne Wirkung sind. Eben so wenig wird glühender Flussspath durch wasserfreie Schwefelsäure zersetzt, während diese das Kochsalz, unter Freimachung des Chlors, in. e ee Salz verwandelt. Ph ys. Classe. VI. B 10 F. WÖHLER, abscheidbar wäre, so würde der en 15,91 Proc. betragen, was mit dem gefundenen besser stimmt. Ocalsaures Telluräthyloxyd, CHs Te OH + C*H5TeO €. Es wurde er- halten durch Digestion des zerriebenen Oxychlorürs mit Wasser und über- schüssigem oxalsaurem Silberoxyd. Die Zersetzung trat augenblicklich ein. Aus der abfiltrirten Lösung krystallisirte das Salz in kleinen Gruppen von kur- zen, klaren Prismen. Es ist in Wasser schwer löslich. Beim Erhitzen schmilzt es, kocht, entwickelt viel Telluräthyl und ein krystallinisches Sublimat und hin- terlässt metallisches Tellur. 0,458 Grm. Salz, bei 1009 getrocknet, in Wasser aa und durch neu- wales Chlorcalcium zersetzt, gaben nach dem Glühen des gefällten oxalsauren Kalks 0,095 kohlensauren Kalk, entsprechend 0,06806 oder 14,86 Proeent Oxalsüure. Die von dem Niederschlage abfiltrirte Lösung wurde durch Abdampfen concentrirt, mit etwas chlorsaurem Kali und dann mit überschüssiger concen- trirter Salzsäure versetzt, bis zur Zerstörung des ausgeschiedenen Telluräthyl- chlorürs digerirt und durch Abdampfen concentrirt. Das Tellur wurde dann durch. schwefligsaures Ammoniak gefällt. Es betrug 0,235 Grm. oder 51,31 Procent. Nach der Formel 2C*H5TeO + € müsste das Salz 53,83 Proc. Tellur und 15,10 Proc. Oxalsáure enthalten. Nimmt man.aber auch hier 1 Aeg. i in des Misa, nicht abasta Wasser an, so muss es 51,87 Tellur und 14,56 Oxalsäure enthalten, was mit der 55 Formel nahe genug stimmt, um über die wahre Zusammen- setzung keinen Zweifel zu lassen. Dem zufolge würden also diese Salze, Ah der zevrhlinlieken Ansicht, als Doppelsalze zu betrachten sein, bestehend aus dem neutralen schwefelsau- ren oder oxalsauren Salz 5 mit dem llydrat des Telluräthyloxyds. Ubrigens ist hervorzuheben, dass beide auf Lackmus sauer reagiren. Ob die darin Silke Base identisch ist mit der, welche bei den Ver- suchen von Mallet durch unmittelbare Oxydation des Tellurüthyls mit Salpeter- säure oder durch Zersetzung des Tellurüthylehlorürs mit Silberoxyd erhalten wurde, oder ob sie davon verschieden ist und ein doppelt so hohes Atom- ÜBER DAS TELLURÄTHYL. 11 gewicht hat, dem gemäss die Zusammensetzung jener Salze durch Cs H1⁰ Te202 + #5 ausgedrückt werden müsste, lasse ich dahin gestellt sein. Was die Isolirung der Base selbst betrifft, so scheint sie nicht ohne par- tielle Zersetzung derselben möglich zu sein. Ich habe darüber folgende Beob- achtungen gemacht: | Als eine gesättigte Lösung des krystallisirten Oxychlorürs mit frisch ge- làlllem Silberoxyd digerirt wurde, entstand sogleich Chlorsilber. Allein die Masse liess sich nicht filtriren, das überschüssige Silberoxyd lief mit durch. Sie wurde. daher im Wasserbade bis zur Syrupdicke eingedampft, wobei sie stark nach Telluräthyl zu riechen anfing und alles Ungelóste schwarz wurde. Nach der Verdünnung mit Wasser liess sich die Flüssigkeit nun klar abfiltriren. Als sie im Wasserbade wieder zur Syrupdicke concentrirt wurde, roch sie wieder nach Telluräthyl und fing plötzlich an. unter Aufbraussen ein Gas (aufgenommene Kohlensäure?) zu entwickeln. Sie hinterliess zuletzt eine weisse, amorphe Masse, die bei der Auflösung in Wasser eine weisse Sub- stanz (tellurige Säure?) zurückliess. Die Lösung reagirte alkalisch, und Salz- säure füllte daraus Chlortellurüthyl. Aus Salmiak entwickelte sie Ammoniak. Ein zweiter Versuch bestand darin, dass eine Lösung des schwefelsauren Telluräthyloxyds mit einer heiss gesättigten Lösung von Barythydrat zersetzt, der überschüssige Baryt durch Kohlensäure gefällt und die Flüssigkeit, zur Ent- fernung der letzteren, vor dem Filtriren längere Zeit digerirt wurde. Beim Abdampfen im Wasserbade roch sie beständig nach Tellurüthyl. Als sie ter- penthindick geworden war, trat auch hier plötzlich eine. scháumende Gasent- wickelung ein, ganz so wie wenn das kohlensaure Telluräthyloxyd die Eigen- schaft hätte, unter solchen Umständen die Kohlensäure zu verlieren. Dabei war es sonderbar, dass die Gasentwickelung selbst in der erkalteten Masse von Neuem eintrat, sobald diese berührt wurde. In dieser terpenthindicken Masse zeigten sich allmälig Spuren von Kry- slallisation. Sie reagirie stark alkalisch, wiewohl sie frei von Baryt war. Kurz nach der Darstellung brausste sie mit Säuren, aber nach 24 Stunden that sie diess nicht mehr. Mit Salpetersäure gab sie ein: krystallinisches Salz. Chlorwasserstoffsüure schied sogleich liquides Telluräthylchlorür daraus ab. Das Telluräthyloxyd scheint demnach halb liquid, alkalisch reagirend, leicht B2 12 PF. WÖHLER, zersetzbar und nur schwierig in fester Form darstellbar zu sein. In sehr con- centrirter Kalilauge ist es unlöslich; denn erwärmt man das salpetersaure Salz oder das krystallisirte Oxychlorür mit concentrirter Kalilauge, so wird das Tel- luräthyloxyd in farblosen, nach Telluräthyl riechenden, ölförmigen Tropfen ausgeschieden, die bei Zumischung von Wasser wieder aufgelöst werden. Es ist vorauszusehen, dass sich alle hier beschriebenen Verhältnisse mit dem Methyl und den anderen Alkohol- Radicalen wiederholen werden, und in Betracht der viel versprechenden Fruchtbarkeit dieses Feldes will ich für dieje- nigen, die es bearbeiten wollen, noch einige Bemerkungen über die Darstel- lung des Telluräthyls und ähnlicher Körper mittheilen. um ; Das dazu erforderliche Tellurkalium bereitet man am besten durch Glü- hen von 1 Th. Tellurpulver mit der Kohle von 10 Th. Weinstein. Wegen der pyrophorischen Eigenschaft des so erhaltenen Tellurkaliums ist es nicht rathsam, diese Operation in einem Tiegel vorzunehmen. Am sichersten ge- schieht sie in einer Porzellänretörte die man mit einem langen, rechtwinklig gebogenen Gasrohr versieht. Man erhält die Retorte 3— 4 Stundenlang in Rothglühhitze, nämlich so lange, als noch Kohlenoxydgas entwickelt wird. Dann senkt man das Gasrohr in einen grossen, mit getrocknetem Kohlensäure- gas gefüllten Kolben, damit sich die Retorte und die poröse Masse darin wäh- rend des Erkaltens mit Kohlensäuregas ausfüllen können. Nach dem völligen Erkalten giesst man in die Retorte den grössten Theil der erforderlichen concentrirten Losung von 'ätliyloxydschwefelsaurem Kali, be- reitet nit vorher ausgekochtem Wasser, Verschliesst die Retorte sogleich wie der luftdicht und erwärmt sie längere Zeit unter häufigem Umschütteln bis zu 40 500. Auf je 1 Th. angewandtes Tellur nimmt man 3 — 4 T. festes ütliyl-- oxydschwefelsaures’ Salz. Während dessen füllt man den Kolben, worin man“ die Destillation vornehmen will, durch eine bis auf den Boden reichende Gas- röhre mit Kohlensáuregas. In diesen giesst man hierauf so rasch wie möglich aus der Porzellauretorte die purpurrothe Flüssigkeit sammt dem Ungelósteti, - füllt die Porzellanretorte rasch von Neuem mit Kohlensäuregas und giesst dann; um sie auszuspülen, den Rest des aufgelösten äthyloxydschwefelsauren Salzes hinein, womit man sie verschlossen von Neuem digerirt. Diese Umstündlich keiten sind erforderlich, wenn man nicht einen grossen Theil des bei Lufizu- BER DAS TELLURÁTHYL. I. 13 tritt so leicht oxydirbaren Tellurkaliums verlieren will. Alsdann verbindet man den Kolben mit dem Kühlrohr und unterwirft die Masse, worin schon die Bil- dung des Telluräthyls begonnen hat, der Destillation, indem man sie ununter- brochen in gelindem Sieden erhält. Der Kolben erfüllt sich dabei mit gelbem Telluräthylgas, ganz von der Farbe des Chlors. Das Telluräthyl destillirt mit Wasser über und sinkt in Tropfen darin unter. Zuletzt, wenn ungefähr 5% vom Einfach- Telluräthyl übergegangen sind, kommt noch etwas Nol" ver- schieden von dem anderen durch seine schwarzrothe Farbe 1). Um aus dem Teilurüthyl: das Chlorür zu bereiten, löst man es, nachdem man das meiste Wasser davon abgegossen hat, in einem langhalsigen Kolben in mässig starker Salpetersäure auf, was bei gelindem Erwürmen unter starker Erhitzung und Entwickelung von Stickoxydgas in wenigen Augenblicken statt- findet. Ist die Säuremenge unzureichend, so entsteht eine gelbe Lösung, weil das noch unoxydirte Telluräthyl in dem entstandenen salpetersauren Salz lös- lich ist. Durch Zusatz einiger Tropfen Salpetersäure wird die Lösung farblos. Das beigemengte Bitelluret widersteht länger der Auflösung. Wird die erhaltene Lösung im Wasserbade zur Trockne verdunstet, so erhält man das salpetersaure Telluräthyloxyd in fester, krystallinischer Form Zur Bereitung des Chlortelluräthyls hat man nicht nöthig abzudampfen, sondern man vermischt unmittelbar die Lösung, die jedoch nicht zu viel freie Salpeter- säure enthalten darf, in einem schmalen Cylinder mit concentrirter Salzsäure. Aus dem milchigen Gemische scheidet sich das Telluräthylchlorür als ein farb- loses, schweres, klares Ol ab. Man hebt die Flüssigkeit davon ab und wäscht es wiederholt mit Wasser. Dabei ist jedoch zu bemerken, dass es sowohl in Wasser als auch in concentrirter Salzsäure etwas löslich ist. Beim gelinden Verdunsten dieser Lösung scheidet es sich wieder in Öltropfen ab. Bei der Seltenheit des Tellurs ist es wichtig, bei solchen Untersuchungen so wenig wie möglich zu verlieren. Am besten ist es, in die gesammelten tellurhaltigen Flüssigkeiten und sonstigen Abfälle Chlorgas zu leiten oder die Masse in einer Schaale mit chlorsaurem Kali und roher Salzsäure zu behandeln, 1) Wahrscheinlich ist dieses Bitelluret am richtigsten als die dem Telluräthyloxyd entsprechende Verbindung des Telluräthyls mit Tellur, als das Telluret des Tel- luräthyls = C*H5Te + Te zu betrachten. 14 F. WÖHLER, ÜBER DAS TELLURÄTHYL. zu filtriren, durch Abdampfen zu concentriren und das Tellur dann durch schweflige Säure zu fällen. So lohnt es sich namentlich auch den kohligen Rückstand von der Bereitung des Telluräthyls nach dem Abfiltriren zu behan- deln, da er ungeachtet aller Vorsicht stets gefälltes Tellur enthält. Nach der Reduction durch schweflige Säure muss man die vom Tellur abfiltrirte Flüssig- keit stets von Neuem eindampfen und von Neuem mit schwefliger Säure bé- handeln, da gewöhnlich beim ersten Mal nicht alles Tellur gefällt wird. In Bezug auf die Reinigung des Tellurs durch Destillation, namentlich bei seiner Darstellung aus den Erzen, kann noch bemerkt werden, dass diess nicht in einem Strom von Wasserstoffgas zu geschehen braucht, sondern dass es sich bei guter Rothglühhitze in einem gewöhnlichen Zugofen aus einer kleinen Porzellanretorte für sich leicht überdestilliren lässt. : Bemerkungen über die gastrischen Fieber von Dr. Joh. Wilh. Heinr. Conradi. Vorgelesen in der Sitzung der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften am 12ten November 1853. E einigen früheren,. der Königlichen Gesellschaft der: Wissenschaften über- gebenen, Abhandlungen, besonders in der, worin ich die Selbstständigkeit der Fieber zu vertheidigen suchte, wie auch in der über die von Hippokrates geschilderten Fieber mit Rücksicht auf Litire's Meinung von denselben, habe ich bereits einige Bemerkungen über die gastrischen ‚Fieber kurz mitgetheilt, will mich aber über diesen wichtigen und in der neuesten Zeit so verschieden beurtheillen und dargestellten Gegenstand hier etwas weiter auslassen. Es ist zwar die von mir!) schon vor 30 Jahren bestrittene Meinung, dass es über- haupt keine selbststándigen Fieber gebe, dass jedes Fieber nicht nur sympto- matisch, sondern insbesondere als die Wirkung der Entzündung irgend eines Organes anzusehen sei (welcher Meinung gemäss man dann die Fieber ganz aus dem Systeme der Pathologie verbannen wollte) selbst von franzósischen Ärzten wieder aufgegeben worden, und hat man.sich doch bewogen gefunden den Fiebern wieder einen Platz in den nosologischen Systemen einzuräumen. Die Darstellung derselben ist indessen in manchen Punkten selbst in mehreren der ausführlichsten neueren französischen und deutschen Handbücher dürftig ausgefallen und besonders ist die der gastrischen Fieber sehr mangelhaft und 1) In der Kritik der medicinischen Lehre des Dr. Broussais 2. verm. Ausg. Hei- ` delb. 1823. 8. S. 23 fg. und in der Recension von Meuth über das Fieber in den Heidelberg. Jahrb. d. Literat. 1823. H. 7. S. 657 flg. 16 JOH. WILH: HEINR. CONRADE, - einseitig, wie ich im Folgenden eee und gegen diese einseitige Ansicht, auch gestützt auf meine zahlreichen in den früher von mir dirigirten klinischen Instituten!) wie in der Privatpraxis gemachten Beobachtungen, die frühere nach meiner Überzeugung in pathologischer und therapeutischer Rücksicht bes- sere Darstellung des Gegenstandes vertheidigen werde. Wenn ich übrigens auch in dieser Abhandlung, wie früher in einigen anderen, manche ältere Leh- rer vertheidige, so geschieht diess keineswegs aus übertriebener Anhänglich- keit an das Alte, sondern, weil ich bei aller Anerkennung wirklicher Bereiche- rungen der Wissenschaft, welche wir. manchen Neueren verdanken, doch durch vieljährige Erfahrung bewährte Grundsätze nicht ohne Weiteres aufzugeben I) Dass die gastrischen Fieber zu den besonders häufig darin vorgekommenen ge- hörten, habe ich in den von Zeit zu Zeit in den Góttingischen gelehrten Anzei- gen über meine Klinik erstatteten Berichten schon bemerkt. Dass aber mehre- ren dieser Berichte auch überhaupt summarische. Angaben der in dem Institute behandelten Krankheiten beigefügt wurden, geschah nur, insofern sie, die. Pflicht gegen das Institut mitzutheilen gebot, damit man wenigstens ersehen könne, welche Gelegenheit zur Beobachtung von Krankheiten den Studirenden durch dasselbe dargeboten werde (wie ich anch in dem Berichte von 1845 Göting. gel. Anz. St. 9—11. mit Rücksicht auf Himly's sonst viel Wahres enthaltende Ausse- rung über diesen Gegenstand erklärt habe). Ein umständliches Tage- oder Jahr- buch über das Institut mitzutheilen ist aber (wie ich auch längst ganz mit dem von J. P. Frank besonders in der Vorrede zu seiner Interpretat. clinic. obser- "vat. select: p. m-vır, wie auch in seinem System der medicinischen Polizei B. 6. Th. 2. S. 251 fg. über diesen Gegenstand Geäusserten übereinstimmend erklärt habe) nie meine Absicht gewesen, und nie habe ich das Beispiel derjenigen be- folgen mógen, welche in ihren Annalen umständliche Krankheitsgeschichten über die gemeinsten Fälle mittheillen, die zwar in der Klinik für die Anfünger sehr nützlich, aber einer uligemeincà Mittheilung nicht würdig sind. Dagegen habe ide nicht bloss in mehreren Berichten über meine Klinik, wie früher in der Schrift über die Einrichtung der Klinik in dem akademischen Hospitale zu Heidelberg, kurze Bemerkungen über darin vorgekommene Krankheiten beigefügt, sondern " mich auch in besonderen, meistens der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaf- ter n, Abkändlungen über so manche wichtige Krankheiten umständ- licher doni und dabei theils von interessanten Fällen auch besondere Krankheitsgeschichten theils nur die Resultate meiner Beobachtungen mitgetheilt, wozu ich in dieser Abhandlung einen weiteren Beitrag geliefert habe, und was ich ferner in Bezug auf andere wichtige Gegenstände zu thun gedenke. BEMERKUNGEN ÜBER DIE GASTRISCHEN FIEBER. 17 mich bewogen finden und überhaupt die leider! immer mehr zunehmende Ver- achtung der alten Medicin nicht billigen kann. Die gastrisehen Fieber überhaupt haben bekanntlich zuerst von Ballonius (Baillou) diese Benennung erhalten und sind nach der Verschiedenheit der da- bei hervorstechenden Materien Gallenfieber , Schleimfieber (wovon das Wu m- fieber als eine Unterart angesehen wurde) und Saburralfieber (welche von Unreinigkeiten, die aus unverdauten oder verdorbenen Nahrungsmitteln entstan- den sind, abhängen) genannt worden. Wiewohl aber bald der gallichte Zu- stand hervorsticht und manchmal reine Galle in die ersten Wege ergossen wird, bald bei dem eigentlichen Schleimfieber besonders Ueberfluss an Schleim sich zeigt, so wird doch oft oder meistens die krankhaft abgesonderte Galle mit Schleim oder anderen Unreinigkeiten vermischt: gefunden und so auch das Wort Gallenfieber von Manchen im weiteren Sinne genommen, und auch an dem Saburralfieber nimmt, leichte einfache Fälle, die schnell vorüber zu ge- hen pflegen, ausgenommen, oft die Galle Theil. Unter den gastrischen Fiebern sind aber insbesondere die Gallenfieber schon in den Hippokratischen Schriften selbst unter dem Namen T'UQéTOi amd oN (febres ex bile), oft auch unter dem von xc boss oder auch dem von ccd es wuperoi geschildert, später aber, besonders seit Galenus, meistens unter dem Synochus und insbesondere dem Synochus putris 1) oder auch unter der febris ardens (Causus) begriffen, nur von Wenigen, namentlich Fr. Ho ff- mann, Joh. Juncker u. A., unter dem Namen febris cholerica s. biliosa be- sonders abgehandelt worden. Es ist jedoch auch von denen, welche das Gal- lenfieber unter den Synochis begriffen haben, die Art desselben „ welche mit gallichtem Zustande zusammenhängt oder dadurch erregt wird, wohl unter- schieden, von Manchen auch Synochus biliosa s. cholerica genannt, dem Fie- ber selbst aber keineswegs wie von vielen Neueren ein bloss typhöser Cha- l) Hierbei ist zu bemerken, dass bei den Alten das Wort o, (putredo) nicht bloss wirkliche Fäulniss, sondern überhaupt auch bedeutende Ausartung der Säfte von ihren natürlichen Eigenschaften bedeutete. — Es ist auch das Gallenfieber wie das Schleimfieber wegen des remittirenden Verlaufes unter die NUVQETOL ovyeyeig (continuae remiltentes) gestellt, oder für eine ovveyns erklärt worden, wiewohl von den Alten die ovrezeis auch für überhaupt anhaltende Fieber ge- nommen worden sind.“ Phys. Classe. VI. € 18 JOH. WILH. HEINR. CONRADI, rakter zugeschrieben, und bei der Cur ebenfalls auf den gallichten Zustand ge- hörige Rücksicht genommen worden !). Nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts, wo sitem schon. Ti ssot in der berühmten Diss. de febribus biliosis sive. historia epidemiae biliosae Lau- sannensis die Gallenfieber näher betrachtet und freilich auch die Benennung auf diejenigen, wobei zugleich faulichte und bösartige Beschaffenheit des Fiebers Statt findet, ausgedehnt hatte, wurden die eigenen Verhältnisse derselben be- sonders von Phil Geo. Schroeder in den zu der Zeil, wo er zu den grossen Zierden der hiesigen Universität gehörte, geschriebenen vorlrefflichen Dissertationen de amplitudine generis febrium biliosarum und de febrium putri- darum differentiis genauer erörtert und bestimmt, die reinen einfachen von gemischten, sagenannien faulichten , gehörig unterschieden 2). Hiernach wur- 1) Von Boerhae ve, welcher auch das Gallenſieber nicht besonders e und unter Febris ardehs (wie schon Tissot diss. de febribus biliosis p. 15 be- merkte) vielmehr den Causus phlogistieus als den Causus biliosus verstanden hat, ist jedoch sowohl bei der Angabe der Ursachen der Fieber überhaupt. (A phor. $. 586.), als bei der besonderen Betrachtung der einzelnen in Fiebern vorkom- menden Symptome, besonders der Nausea febrilis (S. 642 sq.) und des Vomitus febrilis ($. 652 sq.), vorzüglich auch die bilis accensa beschuldigt, dessgleichen bei der Cur berücksichtigt worden, und ebenso von seinem vortrefflichen Com- mentator Van Swieten, von welchem (Commentar. in Boerhaave: Aphor. Ti. U. p. 44. 225. 229.) ^ alae die nach sehr heissen Sommern entstehenden : Febres autumnales ausdrücklich als biliosae bezeichnet worden sind, und welcher ~ auch (daselbst p. 451.) die häufige Verbindung gallichter Zufälle niit der Febris -cı ardens wohl erkannt, sowie (p. 454.) die durch grosse Hitze verdorbene Galle unter den Ursachen doron herv hat. 2) J. C. 6. Ackermann, der sich später als einen der gründlichsten Literarhisto- riker wie als vol chen Pathologen und Therapeuten gezeigt hat, sagte selbst in der Vorrede zu seiner Ausgabe von Schroeders opuse. eib, wo er nur dessen vorzüglichste Verdienste anführen wollte, in Bezug auf diesen Gegen- stand p. 5: „Inceria fuit ante Schroederi aetatem febrium divisio et omnes fere aut ad ae: aut ad eas, quae cum inflammatione. quadam conjunctae ~ .sunt,aut ad malignas medici referebant. Gastricas aut mesentericas febres, sive . biliosas recentiorum raro. medici. accusabant , quoniam earum indoles iis haud Satis perspecta ipsaque earum. curatio nondum salis trita erat, nec tula satis vi- debatur. Ipsi Brendelio non satis de hisce febribus constitit. Amplum esse hoc febrium genus et quam latissime patere Schroederus praeclare demon- stravit, eL medendi iis methodum a Ballonio et Baglivio excogitatam ac in- BEMERKUNGEN ÜBER DIE GASTRISCHEN FIEBER. 19 den diese Fieber als wichtige besondere Arten immer mehr anerkannt und auch in den darauf folgenden classischen Handbüchern der Pathologie und Therapie von Sele (Rudim. pyretologiae und Medic. clin.) Stoll, ( Aphor.), S. i ventam, a Friderico Hoffmanno aliisque usu confirmatam introduxit et suis "observationibus stabilem ac constantem fecit.“ Schon früher hatte besonders Baldinger in der schönen Commentatio (Rauert de febrium acutarum thera- pia) Schroeders Abhandlungen das verdiente Lob ertheilt und darin selbst das Gallenfieber als eine Hauptart der Fieber gut dargestellt. Dagegen ist Schroeder von dem berühmtesten neueren Geschichischreiber der Medicin, Kurt Sprengel, in seinen Institut. patholog. spec. $. 129. als der bezeich- net worden, qui amplitudinem febrium biliosarum nimiam praedicavit, und hat die- ser auch in seiner Geschichte der Arzneikunde Th. 5. S. 519. behauptet, dass durch Schroeder die Meinung von der Allgemeinheit der gallichten Constitution und Verwickelung in Deutschland so herrschend geworden sei, dass man fast kein nachlassendes Fieber, worin eine belegte Zunge im Anfange bemerkt wurde, anders als mit auflösenden und ausleerenden Mitteln behandelt habe (welcher Vorwurf übrigens hernach von Sprengel selbst wie von Anderen mehr einem Stoll gemacht worden ist). Wenn. aber auch besonders von so manchen seiner Nachfolger eine zu weit JR m thun. u ist aus den angeführten Abhandlungen selbst 3 lich zu ersehen, dass er auch auf andere Verhältnisse der Fieber und die Unterschiede ihrer brachen und die diesen entsprechenden Mittel wohl Rücksicht genommen, ja dass er selbst (de amplitudine generis febrium biliosarum pag. 51 sq.) gegen die von Manchen zu sehr ausgedehnte Annahme des gallichten Zustandes sich ausdrück- lich erklärt, und dass. er selbst (de febrium putridarum differentiis. p. 196 sq.) die Zustände bestimmt hat, wo die bekanntlich zu jener Zeit von De Haen so ein- seitig bestrittenen und zu allgemein in Fiebern verworfenen Brechmittel und abführende leicht schaden könnten und vielmehr andere angewendet werden müssten. So hat auch Aug. Gottl Richter, welcher das glänzende Beispiel der Vereinigung eines vortrefflichen Arztes und eines ausgezeichneten Chirur- gen in seiner Person dargestellt hat, nach dem von dem verewigten Blum en- bach in der Memoria desselben Mitgetheilten besonders Schroeders Grundsätze und Heilart (die er zwar nicht als Schüler, sondern als College desselben ken- men gelernt hatte) befolgt, aber ER in seiner vorirefflichen Abhandlung von den Gallenfiebern nicht nur die Wichtigkeit der Brech- und abführenden Mittel in denselben gehörig gewürdigt, ‚sondern auch den Missbrauch derselben ` bekämpft. c 2 20 JOH. WILH. HEINR. CONRADI, 6. Vogel, Borsieri, J P. Frank u. A. ihnen besondere Capitel der Fie- berlehre gewidmet. Cüllen dagegen, welcher in seiner Synopsis Bosülogie methodicae ne- ben der Synocha und dem Typhus noch einen sogenannten Synochus, welcher aus der Synocha und dem Typhus zusammengesetzt sein sollte , angenommen, jedoch dabei schon bemerkt hatte, dass er keine genauen Grenzen zwischen dem Typhus und diesem Synochus bestimmen könne, hat hernach in seinen Anfangsgründen der practischen Arzneikunst es für schicklich gehalten, die an- haltenden Fieber in solche einzutheilen, bei denen man einen inflammatorischen Reiz bemerke, und bei denen die Reaction widernatürlich schwach sei, was mit der zu seiner Zeit fast durchgängig in England angenommenen Eintheilung in inflammatorische und Nervenfieber übereinkomme, und er hat denn auch hier die erste Gattung Synocha, die andere Typhus genannt. Er hat zwar auch bei der Betrachtung des Typhus der ausserordentlich. grossen Menge von Galle, welche bei Vielen in dem ganzen Verlaufe der Krankheit bemerkt werde, ge- dacht, dabei aber geäussert, dass dieser Ueberfluss der Galle vielleicht auch zuweilen in anhaltenden Fiebern vorhanden sein kónne, weit óflerer aber bei den Wechselfiebern gefunden werde, dass derselbe, wenn er auch in anhal- tenden Fiebern bemerkt werde, ebenso wie in Wechselfiebern bloss als etwas Zufüliges, eine Wirkung dér Jahreszeit anzusehen sei und bloss eine Spielart und Abänderung des Typhus hervorbringe. Er hat selbst noch bemerkt, dass wahrscheinlich der grösste Theil von den anhaltenden Fiebern, die man mit dem Namen der Gallenfieber belegt habe, in der That solehe gewesen seien, die zu der Abtheilung der Wechselfieber gehören. Diese Bemerkung ist frei- lich, wenn auch (wie längst anerkannt worden) eine gewisse Verwandtschaft zwischen remittirenden und intermittirenden Fiebern Statt findet, eben so unbe- gründet, als es einseitig ist, die gallichte Complication vorzüglich" auf den Ty- phus zu beziehen. Brown und die Anhänger desselben. nahmen. natürlich ee. einseitigen Systeme gemäss nur sthenische ( willkührlich Pyrexien genannt) und astheni- sche Fieber an, betrachteten den gastrischen Zustand als Wirkung der Schwä- che, und gingen vollends in therapeulischer Hinsicht soweit, dass sie auch den hervorstechenden gastrischen Zustand nur mit excitirenden und stärkenden Mit- BEMERKUNGEN: ÜBER DIE GASTRISCHEN FIEBER. 21 teln behandelten, die dabei so wichtigen ausleerenden Mittel ganz verwarfen und vernachlässigten 1). So wie aber schon im Alterthume Diokles von 5 das Fieber für ein Sr ον,EEt gehalten, Erasistratus aber behauptet hat, dass kein Fieber ohne Entzündung Statt finde, so wurde nun auch in der neueren Zeit wieder sowohl besonders von Broussais als auch von manchen deutschen Aerzten die Meinung aufgestellt, dass jedes Fieber nicht nur symplomatisch, sondern insbesondere als die Wirkung der Entzündung irgend eines Organes, nach Broussais insbesondere der Schleimhaut des Magens und der Gedärme (Gastro -enterite) anzusehen sei, welcher Meinung gemäss man dann keine selbstständigen Fieber. gelten lassen, ja die Fieber überhaupt ganz aus dem Systeme der Pathologie verbannen wollte. Dass diese schon vor vielen Jah- ren von mir bestrittene Meinung selbst von französischen Aerzten wieder auf- gegeben worden ist, und dass man sich doch bewogen gefunden hat, den Fiebern wieder einen Platz in den nosologischen Systemen einzuräumen, habe ich oben schon bemerkt. Sie hat übrigens besonders in Ansehung der ga- strischen Fieber noch die Folge gehabt, dass diese immer mehr von Neueren übertriebener Localisationstheorie zu Gefallen unter die Krankheiten einzelner Organe, der Leber, des Magens und der Gedärme gestellt, unter dem Magen- katarrh, Intestinalkatarrh etc. begriffen worden sind. Die Stellung könnte an sich gleichgültiger sein, wenn bei dieser Zersplitterung nur nicht der so wichtige allgemeine Zustand einseitig beurtheilt und zu sehr in den Hintergrund gestellt worden wäre. Es hatte zwar schon früher auch Reil 2) das Gallenfieber unter den kranken Ab- und Aussonderungen und zwar unter der von ihm so- A) Sowohl wenn die gastrischen Unreinigkeiten (Ores der Affection der gastri- schen Organe und des Fiebers als wenn sie Ursache derselben sind, kommt es auf ihre Entfernung durch ausleerende Mittel immer sehr an, da sie immer nach- theilig einwirken, die Reizung und das Fieber vermehren baer unterhalten, und auch selbst die Wirkung der excitirenden und stärkenden Mittel hindern können. Vortrefflich hat sich hierüber, sowie über das Vorurtheil, dass Purgirmittel im- mer schwächten und bei Schwäche schadeten, schon geäussert Richter in der Abhandlung von der Heilung der Nervenfieher, durch Purgirmittel in seinen medicinischen. und chirurgischen Bemerkungen B. 2. S. 27 fg. 2) Ueber die Erkenntnis und Cur der Fieber B. 2. 8.5 ; 162 fig. 22 JOH. WILH. HEINR, CONRADI, genannten Gallsucht abgehandelt und es für eine Zusammensetzung der Gall- sucht mit dem Gefässfieber (welches er als eine der Fundamental-Krankheiten in der Fieberlehre betrachtete und nach alter Weise darin zuerst abhandelte) erklärt 1). Ich selbst hatte es in der ersten 1813 — 1816 erschienenen Aus- gabe meines Handbuches der speciellen Pathologie und Therapie ebenfalls in dem Capitel von der Polycholie oder dem gallichten Zustande als ein zusam- mengesetates Fieber abgehandelt, habe es aber in den folgenden Ausgaben für zweckmässiger gehalten die gastrischen Fieber überhaupt, welche zu den wichtigsten und häufigsten zusammengesetzten Fiebern gehören, gleich in der Lehre von den Fiebern zusammen abzuhandeln. Ich ziehe diess auch jetzt noch vor, weil der allgemeine Fieberzustand doch überhaupt und auch hier oft besonders wichtig ist, derselbe auch oft keineswegs bloss von dem ürtli- chen gastrischen abhängt, selbst auch diesen bewirken kann, und weil ausser- dem meistens mehrere gastrische Organe zugleich bei dem gastrischen Fieber afficiri, mehrere Arten von gastrischen Unreinigkeiten mit einander verbunden sind, so wie auch der gastrische Zustand sich so leicht mit vielen anderen Krankheiten verbindet und daher die Kenntniss der gastrischen Fieber auch für das Studium von diesen wichtig ist. Viele neuere franzósische Aerzte haben aber bekanntlich nach dem Vor- gange von Louis und Chomel besondere gastrische, Gallen-, Schleimfieber u.s.w. eben so wenig als einfache entzündliche gelten lassen, sondern sie sämmtlich unter der sogenannten Fièvre iyphoide oder der maladie ou affection typhoide begreifen, oder als Varietäten der Form derselben betrachten 'wollen, welche Ansicht bis zur neuesten Zeit in Paris die herrschende gewesen ist, und wozu sich leider auch in Deutschland schon eine Hinneigung gezeigt hat. In dieser Hinsicht beziehe ich mich hier theils auf das, was ich über diese höchst einseitige und verkehrte, durchaus nicht gehörig begründete Ansicht, welche auch ebenso wie die, wornach immer entzündliche Reizung der Schleim- 1) Dass übrigens seine Ausdehnung des Begriffes des Fiebers auf alle sogenannte dynamische Krankheiten nur für willkührlich erklärt werden konnte, und dass auch gegen seine Eintheilung desselben nach dem Character in Synocha, Ty- phus und Láhmung Manches mit Grund eingewendet worden ist, kann ich hier als bekannt voraussetzen. BEMERKUNGEN ÜBER DIE GASTRISCHEN FIEBER. 23 haut des Magens und der Gedürme (Broussais Gastro-entérite) dem Fieber zum Grunde liegen soll; zu einer ‚verkehrten Behandlung und besonders der Vernachlässigung‘ der nach. den Erfahrungen der grössten Praktiker in wahren Gallen- und anderen gastrischen Fiebern so wichtigen antibiliösen und antiga- strischen | Mittel überhaupt verleitet, schon in meinen Bemerkungen über die von Hippokrates geschilderten Fieber S. 29 flg. und in den Bemerkungen über: die Selbsiständigkeit der Fieber S. 30 flg. geäussert. habe, theils wird sich das Falsche dieser Ansicht auch aus meiner weiteren Darstellung ergeben. Andere neuere französische Aerzte haben doch ausser der Fièvre typhoide und dem Typhus selbst noch einige andere Arten der Fieber wieder aufge- nommen. Grisolle insbesondere (von dem ich schon in der Abhandlung über die. Selbststándigkeit der Fieber S. 4 gesagt, dass er ebenso wie An- dral die: Fieber wieder als eine wichtige Classe von Krankheiten, welche man aus dem nosologischen Systeme zu streichen vergebens bemüht gewesen sei, anerkannt habe) hat in seinem Traité élémentaire et pratique de Patholo- gie interne. IV Edit. Paris 1850 Tom. I p. 16 ausdrücklich erklärt, dass man, um die Kenntniss der anhaltenden Fieber unseres Klima's zu vervollständigen, ausser der Fievre typhoide auch die Ephemera und das entzündliche Fieber (synochus simplex] zulassen müsse. Dabei hat er jedoch p. 17 nicht verhehlt, dass man sehr häufig in der Praxis fieberhafte Zustände treffe, welche es durchaus unmöglich sei unter jene Arten zu bringen. Als diese fieberhaften Zustände werden dann von ihm diejenigen angegeben, worin die Unordnungen in den Verdauungswerkzeugen vorherrschten, welche die schleimige oder gal- lichte Form des Embarras gastrique charakterisirien. Er habe daher auch erst . daran gedacht sie besonders zu studiren und nach dem Beispiele der Nosogra- phen, die sich bis zu Pine gefolgt seien, ein gastrisches oder gallichtes Fie- ber aufzustellen. Indem er aber die berühmtesten Schriftsteller über die Fie- ber zu Rathe gezogen, habe er sich überzeugen kónnén, dass nichts dunkeler und. hypothetischer(?) sei, als die Lehre von den Gallenfiebern. Ich übergehe hier, was er über Stoll und Andere gesagt hat, da die Vertheidigung dersel- ben hier theils nicht nóthig ist, theils mich zu weit führen würde, und be- merke nur, dass er auch die in den Hippokratischen Schriften und denen an- derer allen und neueren Aerzte enthaltenen Darstellungen dieses Gegenstandes, 24 i JOH. WILH. HEINR. CONRADI, selbst die in den classischen Handbüchern von Selle, S. G. Vogel, Bor: sieri, J P. Frank ete. gegebenen, mir entweder nicht gehórig berücksichtigt oder nur mit vorgefasster Meinung gelesen zu haben sclieint. Wiewohl er aber die schweren Krankheiten, welche unter dem Namen der Gallenfieber von Tissot u. A. beschrieben worden und epidemisch geherrscht haben 1), ebenso wie viele neuere Schriftsteller auf die fievre typhoide bezogen hat, so hat er doch auch dabei gestanden, dass die fievre typhoide nur von den schwe- ren Füllen der Art Rechenschaft geben, nicht aber die leichten, welche ver- mittelst einer passenden Behandlung nach zwei oder drei und Spátestens zehn Tagen wichen, in sich begreifen könne. Letztere glaubt er aber nicht unter die Zahl der wesentlichen Fieber setzen „sondern als symptomatische fieber- hafte Zustände, die von einem Leiden des Magens oder der Gallenwege, des- sen Natur noch unbestimmt sei, abhängen, betrachten zu müssen. Die Sache schien ihm unbestreitbar zu sein, indem diese gastrischen Unordnungen oft ohne Fieber beständen , dieses, wenn es hinzukomme, nur ein Epiphaenome- non, ein accessorischer Act sei, der ausserdem so von dem krankhaften Zu- stande der Verdauungswerkzeuge abhängig wäre, dass es hinreiche diesen aufhören zu machen, um augenblicklich die fieberhafte Bewegung sich bessern und meistens sogleich verschwinden zu sehen. Alle diese Betrachtungen hät- ten ihn verhindert für dieses Land ein gastrisches oder gallichtes Fieber anzu- nehmen, und der krankhafte Zustand, welcher diese Benennung erhalten kónnte, soll nach ihm schicklicher unter die besonderen Krankheiten des Magens (in den Artikel Embarras gastrique) gestellt werden. | ! oben Ob diese Sache so unbestreitbar ist, wie Grisolle meint, mag sich aus meiner weiteren Darstellung ergeben. Ich bemerke hier nur vorlaufig, dass der Embarras gastrique für sich keine wegs zur Erklärung der verschiedenen Arten der gastrischen Fieber hinreicht, dass mahches von Grisolle Gesagte mehr von dem sogenannten Saburralfieber, welches von Unreinigkeiten, die aus unverdauelen oder verdorbenen Nahrungsmitteln entstanden sind, abgeleitet 1) Es waren diess Febres biliosae putridae. Dass einfache Gallenfieber (die auch schwer genug sein können) davon zu unterscheiden sind, hat schon Schroeder (de ampliludine generis febrium biliosarum p. 54. und de febrium putridarum differentiis p. 167, 176; 177 sq. bemerkt. | ! BEMERKUNGEN ÜBER DIE GASTRISCHEN FIEBER. 25 wird, gilt, dass in Gallenfiebern und anderen gastrischen der fieberhafte Zu- stand auch durch allgemeiner einwirkende Ursachen erregt werden kann, dass derselbe oft vor dem gastrischen hergeht, auch wohl nach gehobenem gastri- schen Zustande noch fortdauert, sowie umgekehrt auch dieser nach gehobe- nem Fieber noch fortdauern kann, und dass Gallen- und andere gastrische Fieber, auch wenn sie durchaus nicht den typhösen Charakter haben, nicht immer so leicht sind und so schnell, wie Grisolle meint, durch die von ihm gegen den Embarras gastrique ausser den verdünnenden säuerlichen Ge- tränken vorzüglich empfohlenen Brechmittel gehoben werden, und dass sie ausserdem oft auch andere Mittel erfodern. . Auch V alleix, der früher als ein Anhänger von Louis bezeichnet worden, hat zwar in seinem Guide du Médecin prat, wovon die zweite Ausgabe 1850—51 erschienen ist, Tom. V. p. 439. seine Darstellung der Fieber mit der Erklärung angefangen, dass vor kaum einigen Jahren es lächerlich würde geschienen haben, sich mit den Fiebern zu beschäftigen, dass das Fieber nur noch als ein Symptom angesehen wurde, für welches man eine entsprechende Verletzung finden müsse ; dass man nicht angenommen habe, dass dasselbe eine Krankheit constituiren könnte, dass aber heut zu Tage-ähnliche Ideen nicht mehr gangbar sein könnten (ne — plus avoir cours), dass eine exactere Beobachtung, als die, welcher ich in den vorhergehenden Epochen hingegeben, sie vollkommen ver- bet. habe. Man erkenne jetzt die Existenz der Fieber an, wovon zwar mehrere besondere Verletzungen zu anatomischen Characteren hätten, andere aber nichts ähnliches unserer Untersuchung darstellten u. s. w. Er hat nun auch die Ephemera und den Synochus simplex wieder aufgenommen. Aber seine Darstellung der gastrischen Fieber ist ebenfalls höchst mangelhaft und einseitig, indem er sie auch theils besonders unter die bei ihm noch eine so grosse Rolle spielende Fièvre typhoide, theils unter den Embarras gastrique gebracht hat. — Und auf ähnliche Weise haben es auch Andere gemacht 1). 1) Dass aber auch mehrere französische Aerzte, namentlich Gen drin, Gibert und Cayol (die beiden letzten mit unter bitterem Spott gemachten Bee sich gegen die übertriebene Annahme der fièvre typhoide erklärt haben, ist von mir schon in den Bemerkungen über die von Hippokrates e eee Fie- ber angeführt worden, und hat auch Gendrin in seinem Traité philos. de Mé- dec. prat. den astrischon Fiebern die verdiente Aufmerksamkeit gewidmet. Phys. Classe. VI. 26 JOH. WILH. HEINR. CONRADI, Nach der von mir schon oben S. 22 und früher geüusserlen Mei- nung gehört das gastrische Fieber zu den aus dem Fieber und einer andern Affection zusammengesetzten Krankheiten, und zwar zu den wichtigsten und häufigsten, deren Kenntniss auch für das Studium anderer Krankheiten, mit denen sie sich verbinden kónnen, wichtig ist, und die daher besonders in der Classe der Fieber abgehandelt zu werden verdienen. Es ist dasselbe als ein mit hervorstechendem gastrischen Zustande verbundenes anzusehen. Ein gastrischer Zustand kommt freilich nicht nur häufig in Wechselfiebern vor, sondern kann auch zu vielen anderen anhaltend nachlassenden, einfachen oder zusammengesetzten Fiebern im Verlaufe derselben, selbst auch nach un- zeitiger und übertriebener Anwendung von Digestiv -, Brech - und Purgirmitteln, sich gesellen. Unter dem gastrischen Fieber wird aber besonders ein anhal- tend-nachlassendes Fieber verstanden, wobei der gastrische Zustand hervor- stechend ist, welches dadurch erregt oder wenigstens unterhalten wird 1j, 1) Es kann auch wohl in Reizfiebern oder entzündlichen Fiebern bei der grossen Sympathie der gastrischen Organe mit anderen erhóhte Reizbarkeit derselben und nicht bloss Mangel an Esslust, schlechter Geschmack, weiss belegte Zunge, sondern zuweilen selbst etwas Ekel und Erbrechen vorkommen. Aber bloss wegen dieser Symptome wird nicht leicht ein Kenner ein gastrisches Fieber annehmen. Von Valleix (Guide du Médec. prat. T. I. p. 443.) ist zwar wenigstens als eine der verschiedenen Benennungen der fièvre simple continue (synoque) die Fievre gastrique angeführt worden, und auch Wunderlich (Handb. der Pathologie und Therapie B. 2. S. 174.) sagt, dass das einfache, müssige oder Reisfieber oft auch das gastrische genannt werde, und S. 176., dass, der Ausdruck gastrisches Fie- ber von der alten Terminologie für leichte Fiebergrade angewandt worden sei. Allein die älteren Aerzte, welche den Synochus simplex so vortrefflich geschil- dert, haben keineswegs die Benennung gastrisches Fieber dafür gebraucht und ebenso wenig ihn für ein solches gehalten. Es ist freilich auch eine Art unter dem Namen Synochus cholerica (oder mit einem Barbarismus Synocha cholerica) geschildert worden. Aber diese Schilderung ist gerade auf schwerere theils durch auf besonderes Temperament heftiger einwirkende Ursachen, theils durch Zusammensetzung bestimmte Fälle zu beziehen, und wo dabei die Zeichen von Anhäufung gallichter Unreinigkeiten in den ersten Wegen Statt finden, ist die Krankheit, wie Borsieri (Institut. medic. pract. Vol. I. P. I. $. CCXXXIX.) wohl mit Recht bemerkt hat, vielmehr zu den remittirenden gastrischen Fiebern zu en. pe uy — BEMERKUNGEN ÜBER DIE GASTRISCHEN FIEBER. 27 Zur gehörigen Beurtheilung und Behandlung des gastrischen Zustandes halte ich es aber für wichtig, dass dabei nicht bloss, wie es von Vielen ge- schehen ist, die gastrischen Unreinigkeiten (Sordes gastricae, Cruditates, Ca- cochylia), welche aus unverdauten oder verdorbenen Nahrungsmitteln, fehler- haftem Chymus und Chylus, Magen- und Darmsafte, pankreatischem Safte und Galle, angehäuftem und verdorbenem Schleime und andern auch aus dem Blute in die Gedärme abgesetzten Stoffen, und zwar bald aus einzelnen der- selben, bald aus mehreren zugleich, bestehen können, berücksichtigt werden, indem jener nicht bloss in den Unreinigkeiten, sondern auch in der damit verbundenen Affection der Eingeweide selbst, der krankhaften Reizung oder Schwäche u.s.w. derselben besteht und diese zwar die Wirkung von aussen aufgenommener schlechter, unverdaulicher Stoffe sein kann, oft aber vielmehr durch Bewirkung abnormer Secretion, schlechter Verdauung u.s. w., die Ent- stehung der Unreinigkeiten veranlasst. Wiewohl aber bei den gastrischen Fiebern das Fieber selbst, welches dem Charakter nach sich bald wie ein Reizfieber, bald auch wie ein entzünd- liches verhält und auch nervös werden oder in ein sogenanntes Faulfieber übergehen kann, durch den gastrischen Zustand, wenn derselbe bedeutend ist und auf das Blutgefässsystem und Blut selbst irgend stark einwirkt, erregt und unterhalten wird, oder dann die Wirkung desselben ist, so geht doch (wie ich schon in der Abhandlung über die Selbstständigkeit der Fieber S. 29 be- merkt habe) auch oft das Fieber vorher oder wird gleichzeitig durch Ursa- chen, welche sowohl eine allgemeine Affection des Nerven- und Blutgefäss- systems und des Blutes selbst (wobei denn auch wohl ein Uebermaass der entfernten Bestandtheile der Galle in demselben und die davon abhängende Polycholie entsteht) als eine Affection der gastrischen Organe bewirken kón- nen, als grosse Hitze der Atmosphäre, öftern Wechsel der Kälte und Hitze, feuchte Luft, eigene epidemische Constitution, heftigen Zorn u.s.w. erregt und dauert auch wohl nach gehobenem gastrischen Zustande noch fort, oder es wird bei der in schweren Fiebern Statt findenden allgemeinen Affection und Störung der Verrichtungen natürlich auch Veränderung der Secretionen in der Leber und dem Darmcanale und dadurch der gastrische Zustand erzeugt !) 1) Vgl. ausser dem, was (wie ich schon in der Abhandlung über die Selbstständigkeit D2 28 JOH. WILH. HEINR. CONRADI, oder es kommt derselbe auch wohl durch andere zufällige Ursachen bewirkt später hinzu, und in solchen Fällen ist also das Fieber (wie überhaupt der allgemeinere Zustand) als ein Hauptbestandtheil der Krankheit, nicht bloss als ein symptomatisches, nicht bloss als Wirkung des gastrischen Zustandes anzu- sehen, wenn es auch durch diesen unterhalten und verschlimmert werden kann. Das Gallenfieber im weiteren Sinne, wobei überflüssige oder verdorbene Galle, meistens mit Schleim oder anderen Unreinigkeiten vermischt, vorhanden ist, verhält sich auch nach meinen Beobachtungen überhaupt auf folgende Weise. Mit dem Fieber, welches gewöhnlich täglich deutliche Remissionen und Exa- cerbationen hat, und wobei der häufige Puls manchmal hefüg, doch selten hart, manchmal ungleich und aussetzend ist, verbinden sich und gehen auch oft schon mehrere Tage vor dem Ausbruche desselben her gelber oder brau- ner oder weisser, oft zäher Ueberzug der Zunge, verdorbener Geschmack, Abscheu vor Speisen, dagegen oft starker Durst und Verlangen nach säuer- lichen Dingen, übles, bitteres oder saueres oder faulichtes Aufstossen, übler Geruch aus dem Munde, Gefühl von Druck, Vólle, Spannung in der Herzgrube, Ekel, Neigung zum Erbrechen und auch wohl wirkliches Erbrechen von gal- lichten und anderen Unreinigkeiten, Knurren im Leibe, übelriechende Blähun- gen, Leibschmerzen, bei Manchen Verstopfung, bei Vielen ófterer, nicht er- leichternder, gallichter, oft scharfer, stinkender Bauchfluss, wobei der Harn safrangelb oder anfangs dünn und hell, dann dick und trübe, die Haut bald wocken und rauh, bald weich und duftend, aber ohne dass desshalb Erleich- terung folgt, zu sein pflegt 1), und wozu dann oft Kopfschmerzen, besonders der Fieber S. 29. 30. angeführt habe) Duretus in Beziehung auf des Galenus Ausspruch, wornach es kein Wunder ist, wenn in hitzigen Fiebern Galle er- zeugt wird, geäussert, dass nämlich die Galle ebensowohl in einem. hitzigen Fieber entstehen, wie ein solches zuerst erzeugen könne, das von Van Swie- ten (Commentar. in Boerhaave Aph. 739) über die Entstehung des gallichten Zustandes in der Febris ardens Gesagte. 1) In manchen Gallenfiebern hat man auch ein sehr roihes Antlitz, mennigfarbige Röthe der Wangen bei gelblicher oder grünlicher Blässe um die Mundwinkel und Nasenflügel, gelbliche Farbe des Weissen in den Augen, die übrigens oft glänzend sind und gleichsam in Thränen schwimmen, beobachtet, und es hat besonders Stoll (Rat. medendi P. I] p. 127) diese Beschaffenheit des Antliizes BEMERKUNGEN ÜBER DIE GASTRISCHEN FIEBER. 29 vorn in der Stirne, oder Schwere des Kopfes, Schwindel, grosse Matligkeit, Angst, die aus der Herzgrube entspringt, Unruhe, öfteres Aufschrecken im Schlafe und selbst im Wachen durch leichte Ursachen erregtes Zittern, Deli- rium, Schlaflosigkeit oder Schlafsucht, Zuckungen etc. kommen. Wenn es in schweren Fällen der Natur allein überlassen, oder verkehrt, besonders ohne gehórige Anwendung ausleerender und anderer passender Mittel mit hitzigen und schweisstreibenden, oder mit ohne Noth vorgenommenen Aus- leerungen, behandelt wird, oder wenn ein schlimmer Charakter der Epidemie die Neigung zum Uebergange in den nervósen Zustand mit sich führt, werden nicht nur die Zufälle heftiger, sondern es kommen auch oft Schwümmchen oder Petechien, Friesel oder auch schlimme Entzündungen der Gedürme oder anderer Theile hinzu und es kann dann in ein Nerven- oder Faulfieber und in den Tod übergehen. Oft geht es aber in Genesung über, wo dann die Entscheidung des ga- strischen Zustandes vorzüglich durch Erbrechen oder Durchfall (wovon oft die bekannten Zeichen der Turgescens nach oben oder unten hergehen), die des Fiebers oder allgemeinen.Zustandes aber durch kritischen Schweiss und Harn, zuweilen auch mit Ausfahren an den Lippen etc. erfolgt. Die gewöhnlichen Gallenfieber wurden nun von mir, wenn sie nicht vor- her vernachlässigt oder verkehrt behandelt worden waren, in der Regel nach der alten bewährten Methode mit nach nöthigenfalls vorausgeschickten Dige- stivmitteln angewandten Brechmilteln, kühlenden Abführungen aus Tamarinden, Weinsteinrahm etc., kühlenden und eröffnenden lystieren und daneben gegen die krankhafte Reizung der Leber sowohl als des Magens und der Gedärme, wie gegen das Fieber gegebenen temperirenden, demulcirenden und säuerlichen Dingen, besonders der Potio Riverii, Getränken aus Wasser oder Gerste etc. mit Sauerhonig, Himbeersaft etc., dessgleichen sehr dünner Kost, Wassersup- pen, Obsispeisen in einer oder einigen Wochen bezwungen. Nur in Fällen, wo nach hinreichend vollzogenen Ausleerungen noch das Fieber anhielt, wur- den Mineralsäuren, die verdünnte Schwefelsäure und öfter auch die Salzsäure, zumal mit dem eigenen Glanze der Augen unter die sichersten Zeichen einer in den Präcordien stockenden Galle gesetzt. 30 JOH. WILH. HEINR. CONRADI, und bei nach gehobenem Fieber zurückgebliebener Schwäche Carduus bene- dictus oder auch rein bittere und tonische Mittel zu Hülfe gezogen. Durch diese Behandlung wurden nun diese Gallenfieber in der Regel ge- heilt, ohne dass ein Uebergang in ein Nervenfieber oder Faulfieber erfolgte, der allerdings , wie ich oben (S. 29.) schon bemerkt habe , bei Vernachlässi- gung oder verkehrter Behandlung der Krankheit oder wenn ein schlimmer Charakter der Epidemie denselben begünstigt und selbst vom Anfange an die Neigung dazu mit sich führt, erfolgen kann. Da aber die gewöhnlichen und reinen Gallenfieber nach den Beobachtungen so vieler grosser Aerzte für sich bestehen und bei angemessener Behandlung ohne einen solchen Uebergang verlaufen kónnen, müssen sie auch als besondere, obgleich zusammengesetzte, Arten der Fieber anerkannt werden und kann ich es auch jetzt wie früher 1) nur für durchaus willkührlich und verkehrt halten, wenn man sie, wie andere gastrische Fieber, nach dem Vorgange vieler neueren französischen Aerzte nur unter der von Louis, Chomel u. A. sogenannten Fièvre typhoide begreifen oder als Varietäten der Form derselben betrachten will, wie es auch in Deutsch- land namentlich von Heidenhain, dem auch Oppolzer?) beigestimmt hai, bereits geschehen ist. Warum sollte auch nicht ein gallichter oder überhaupt gastrischer Zustand sich eben so gut mit einem Reizfieber oder auch entzünd- lichen Fieber verbinden können? Längst ist es dargethan, dass es selbst schwere entzündliche Gallenfieber giebt, die man auch unter dem Namen x- cos, febris ardens, begriffen hat, die wohl auch Aderlässe erfodern kónnen, wiewohl bekanntlich im Allgemeinen reichliche und wiederholte Blutausleerun- zen bei dem hervorstechenden gallichten Zustande nicht sowie bei einfachen entzündlichen Fiebern vertragen werden, ja manchmal, selbst wo Peripneumo- nie mit jenem verbunden war, vielmehr geschadet haben 3) Seltener sind mir vorgekommen die von früheren Aerzten eigentlich so- genannten Schleimfieber, welche besonders bei kalter und feuchter Luft, in niedrigen feuchten, sumpfigen Gegenden, bei ungesunder Nahrung etc. entste- 1) Bemerkungen über die Selbstständigkeit der Fieber S. 30—32. 2) Prager Vierteljahrschr. f. d. prakt. Heilk. B. 2. S. 25. 3) Vgl. meine Kritik der medic. Lehre des Dr. Broussais S. 68—69. BEMERKUNGEN ÜBER DIE GASTRISCHEN FIEBER. 31 hen, wobei nicht bloss grosse Anhäufung von Schleim in den ersten Wegen Statt findet, die Zunge mit weissem, zähem, in Fäden zu ziehendem Schleime, oder mit einer klebrigen, weissen, gleichsam speckartigen Substanz überzogen ist, manchmal auch Anhäufung von Schleim zwischen den Zähnen, im ganzen Munde und Rachen sich zeigt, fader Geschmack und Mangel der Esslust, Völle in der Herzgrube, Blähungen, Ekel, Erbrechen von Schleim, manchmal auch Abgang desselben durch den Stuhl vorhanden sind, sondern auch die Ver- schleimung oft über die Lungen und durch den ganzen Körper verbreitet wird, das Fieber aber nicht stark, mehr schleichend ist und sehr oft den Charakter des schleichenden Nervenfiebers annimmt. Sie sind auch schon früher von Manchen unter dem schleichenden Nervenfieber begriffen oder als eine Art desselben angesehen worden. Allein es giebt auch Schleimfieber, die nicht nervös sind, und schleichende Nervenfieber, wobei auch nach meinen Beob- achtungen durchaus keine Verschleimung zu bemerken ist. Viele Neuere ha- ben auch den sogenannten Abdominaltyphus Schleimfieber genannt. Bei jenem findet aber oft gar keine eigentliche Verschleimung Statt, und während bei ihm besonders die Peyerischen Drüsen verändert werden, sind bei diesem die Schleimdrüschen im Magen und den Gedärmen überhaupt sehr vergrössert, wie Schwümmchen aussehend, mit einer grauen dicklichen Materie etc. gefüllt gefunden worden, wie schon Roederer und Wagler in der Schrift de morbo mucoso bemerkt und durch schöne Abbildungen erläutert haben. Uehri- gens können auch diese Schleimfieber wegen der bei ihnen hervorstechenden allgemeinen Affection und Neigung zur Verschleimung nimmermehr mit Recht bloss auf den Embarras gastrique bezogen werden. Und. sie können auch in den Fällen, wo sie nicht nervös sind, nicht so schnell, wie Grisolle meint, durch die von ihm gegen den Embarras gastrique empfohlenen Brechmittel, denen er hier noch bittere Tisanen beigefügt hat, geheilt werden, sondern er- fordern, ausser den allerdings auch hier wichtigen und oft mehrmals zu wie- derholenden Brechmitteln, oft noch ganz andere, worüber ich mich auf mein Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie beziehe. Oft ist aber auch in Fiebern eine Reizung des Magens und der Gedärme, welche besonders auch die Schleimhaut derselben betrifft und der katarrhali- schen ähnlich ist, mit weissem Ueberzuge der Zunge, verdorbenem Geschmack, 32 JOH. WILH. HEINR. CONRADI, Mangel der Esslust, Druck im Magen und andern gastrischen Symptomen, aber ohne wirkliche Verschleimung wie bei dem eigentlichen Schleimfieber, hervor- stechend, und diese können wohl auch, wenn man nach der obigen Bestim- mung des gastrischen Zustandes (S. 27.) dabei nicht bloss die Unreinigkeiten, sondern auch die Affection der Eingeweide selbst berücksichtigt, als gastrische Fieber angesehen werden. Diese Fälle haben natürlich Broussais und seine Anhänger besonders auch für eine Gastro-entérite erklärt 1), sie werden auch wohl unter dem Namen des Gastro - Intestinalkatarrhes begriffen; und (sowie auch schon Broussais die Gallenfieber vielmehr von der Gastro-entérite ableitete als auf ursprüngliche Reizung der Leber dabei Rücksicht nahm ) man hat selbst die verschiedenen Arten der gastrischen Fieber darauf bezogen oder darunter ab- gehandelt 2), was indessen nach meiner Ueberzeugung weder in pathologischer noch in therapeutischer Hinsicht gehörig begründet und zu billigen ist 3). Es gilt auch hier, was ich oben S. 27 fg. schon bemerkt habe, dass das Fieber oft vor dem gastrischen Zustande hergeht, oder gleichzeitig durch Ursachen, welche sowohl eine allgemeinere Affection des Nerven- und Blutgefässsystems als eine Affection der gastrischen Organe bewirken können, erregt wird, oder dass der gastrische Zustand erst später hinzukommt, sowie er auch ohne Fie- ber vorkommen oder nach gehobenem Fieber fortdauern kann. Auch in die- sen Fällen ist also das Fieber nicht bloss als Wirkung des gastrischen Zustan- des anzusehen. | In solchen Fiebern nun, wobei jene der katarrhalischen ähnliche Reizung besonders der Schleimhaut des Darmeanals ohne besondere Ansammlung von Unreinigkeiten Statt findet, sind auch nach meinen häufigen Erfahrungen mil- dere temperirende, demulcirende Mittel allein hinreichend und leistet besonders auch die Potio Riverii die herrlichsten Dienste, dagegen Brech- und Purgir- 1) Das ist auch noch in den Nouveaux Eléments de Pathologie médico-chirurgicale par L. Ch. Roche, L. J. Sanson et A. Lenoir 4. Edit. à Paris 1844. Tom. I p. 486 sq. geschehen. 2) Vgl. Wunderlich s Handb. d. Pathologie u. Therapie B. 3. S. 923 fig. 3) Vgl. was ich hierüber schon geäussert habe in der Kritik der medicinischen Lehre des Dr. Broussais 2te Ausg. Heidelb. 1823. S. S. 40 fg. S. 67 fg. BEMERKUNGEN ÜBER DIE GASTRISCHEN FIEBER. 33 mittel (zu denen unter diesen Umständen die Aerzte, welche sie bloss von Unreinigkeiten ableiten, oft verleitet werden), wie überhaupt schärfere Salze leicht nachtheilig wirken, indem sie die Reizung im Darmkanale vermehren und unterhalten, stärkere krankhafte Absonderung verursachen und die Krise hindern, ja selbst solche leichtere Fieber in schlimme gastrische und nervöse verwandeln können. Und in solchen möchte die von de Haen so einseitig empfohlene Behandlung der Fieber, vorzüglich mit kühlenden und demuleiren- den Mitteln ohne die Anwendung von Brech- und Purgirmitteln, eher zu rechtfertigen sein. In Ansehung der Fälle, wo aus den oben (8. 29.) angegebenen Ursachen ein Uebergang in den nervösen Zustand erfolgt oder wegen der epidemischen Constitution selbst vom Anfange an die Neigung dazu vorhanden war, beziehe ich mich hier auf das, was ich schon früher und besonders in den Bemer- kungen über die Selbstständigkeit der Fieber S. 21 fg., zum Theil auch in der Schrift über Schönleins klinische Vorträge, über den nervösen Zustand und das Nervenfieber überhaupt, über die eigene Art der Affection des Nerven- systems bei demselben, die nicht bloss von der Heftigkeit und Ausbreitung abhängt, über die auf der besonderen Art der Affection des Nervensystems beruhende Unterscheidung einiger Arten des Nervenſiebers, über den soge- nannten Abdominaltyphus und über die Wichtigkeit der Nervenmittel bei wirk- lich eingetretenem nervösen Zustande, sowie ihrer, der jedesmaligen Art desselben entsprechenden Auswahl geäussert habe. Ich füge hier nur Fol- gendes hinzu. In den meisten von mir beobachteten gastrischen Fiebern „ wo ein Uebergang in den nervösen Zustand erfolgt war, fehlten doch die dem Abdominaltyphus zugeschriebenen Zeichen und konnten sie recht wohl unter dem gewöhnlichen Namen der gastrisch-nereösen Fieber begriffen werden. In manchen Fällen wurden aber jene Zeichen allerdings mehr oder weniger hervorstechend und auch in den unter diesen tödtlich abgelaufenen bei der Leichenöffnung die bekannten Veränderungen der Peyerschen Drüsen etc. ge- funden. Wenn sie aber auch wirklich in manchen Epidemien öfter vorkom- men, so ist man desshalb doch nicht berechtigt den Abdominaltyphus so häufig oder so allgemein, wie es von vielen Neueren geschieht, anzunehmen und die gastrisch-nervösen Fieber und andere darunter zu begreifen. Ich be- Phys. Classe. VI. E 34 JOH. WILH. HEINR. CONRADI, merke aber auch hier, dass, so sehr der Missbrauch der Nervenmittel (wie er in der Brownischen Periode Statt fand), ihre alleimige oder zu frühe An- wendung in Fállen, wo das Fieber, der gastrische oder entzündliche Zustand noch andere Mittel erfodert, oder wo auf die Veränderung des Blutes, oder schlimme Affection des Darmcanals (wie bei dem sogenannten Abdominal- typhus) noch besondere Rücksicht genommen werden muss, zu tadeln ist, sie doch durch den ausgebildeten wahren nervósen Zustand oft dringend angezeigt werden und dabei nach den Erfahrungen der grössten älteren und neueren !) Aerzte und auch meinen zahlreichen wenigstens oft heilsam, ja oft die ein- zigen Rettungsmittel sind. Ich freue mich, diess auch durch meine weiteren Erfahrungen bestätigt gefunden zu haben und versichern zu können, dass ich auch seit der Zeit, wo ich jene Aeusserung gemacht, in sehr vielen und auch sehr schweren Füllen von der zur rechten Zeit, mit schicklicher Aus- wahl und sonst gehörig vorgenommenen Anwendung der Nervenmittel den besten Erfolg erhalten habe, wie auch meine Zuhörer in der Klinik oft mit Freuden bemerkt haben. Um so mehr muss ich es bedauern, dass die An- wendung dieser Mittel in Nervenfiebern von manchen Neueren überhaupt verworfen oder vernachlässigt und nicht gehörig vorgenommen wird. Es hat dazu, wiewohl diese Vernachlässigung sich schon früher bei neueren Aerzten gezeigt hat und namentlich von Stieglitz in dem oben angeführten Aufsatze getadelt worden ist, wohl auch noch die zunehmende übertriebene, 1) Und unter diesen eines Hensler, Selle, S. G. Vogel, J. P. Frank, Hufe- land, Reil, Kreysig, Stieglitz, Valent. von Hildenbrand, Clarus u. A. deren Schriften jetzt freilich von den Meisten nicht mehr beachtet „ für veraltet angesehen werden. Vergl. besonders, was Stieglitz in seinen pathologischen Untersuchungen Bd.2. $.353 fg. über die neueren englischen Aerzie in dieser Hinsicht gesagt hat, wo er auch S.425. über die oft sich aufdringende Anzeige zur Anwendung der Nervenmittel sich ausgelassen und wo er, was er gewiss nach sehr reicher Erfahrung thun konnte, S. 432—433. behauptete, dass der- jenige, welcher unter den nervinis eine den verschiedenen Umständen ent- sprechende Auswahl und Mischung zu treffen gelernt habe, und den richtigen Zeitpunkt, in welchem sie anzuwenden sind, nicht verfehle, in unserem Klima eine überaus grosse Anzahl von diesen Kranken, eine viel grössere, als bei jedem andern Verfahren, reite und überdiess noch weniger mit Rückfällen, Nachkrankheiten und Beschwerlichkeiten der Reconvalescenz zu kämpfen habe. BEMERKUNGEN ÜBER DIE GASTRISCHEN FIEBER. 35 zu häufige Annahme des sogenannten Abdominaltyphus beigetragen und zwar (abgesehen davon, dass Manche die Krankheit nur von Entzündung der Schleimhaut der Gedärme ableiteten und desshalb vorzüglich Blutausleerungen und andere antiphlogistische Mittel für angezeigt hielten und missbrauchten, Andere durch besondere Mittel, als den Silbersalpeter, Alaun, Bleizucker etc. die Darmgeschwüre zur Vernarbung bringen zu können glaubten) besonders weil man in der Idee, dass die Krankheit ihre bestimmten Zeiträume durch- laufen müsse, mehr eine exspectative oder höchstens exspectaliv - symptoma- tische Cur für angemessen hielt. In Bezug auf die zuletzt angeführte Idee und die dadurch veranlasste exspectative Cur und Vernachlässigung der Nervenmittel will ich (da ich hier keine umstündliche Darstellung des Abdominaltyphus beabsichtige) nur noch Folgendes bemerken. Es hat nach meiner und vieler Anderen Erfahrung der Abdominaltyphus keineswegs immer einen so bestimmten Verlauf, wie Manche angenommen haben, sondern ist oft sehr unordentlich wie die meisten Nervenfieber, die daher auch von Selle als atactae bezeichnet worden sind. Es ist auch die Diagnose desselben bekanntlich besonders in der ersten Zeit der Krankheit oft sehr schwierig, es sind die Symptome desselben dann oft denen in gewöhnlichen gastrischen Fiebern ähnlich), und es können überdiess . die bei dem Abdominaltyphus vorkommenden Veründerungen der Peyer'schen Drüsen etc. oft secundür nach anderen gastrischen Fiebern bei Vernachlässi- gung oder schlechter Behandlung derselben, Stórung der Krise etc. entstehen. Diejenigen nun, welche zu sehr geneigt sind, gleich den Abdominaltyphus — 1) Wenn man behauptet hat, dass bei dem Abdominaltyphus gleich grosse Mattig- ~ keit mit jenen Symptomen verbunden sei, so ist zu bemerken, dass nicht bloss Mattigkeit überhaupt ein gewöhnlicher Zustand in Fiebern ist, sondern auch sehr grosse Mattigkeit im Anfange anderer nervóser Fieber vorkommt, ja dass auch in Gallenfiebern durch die angehäufte Galle Niedergeschlagenheit der Kräfte (sogenannte falsche Schwäche) bewirkt werden kann, wo dann die unterdrück- ten Krüfte oft auf wunderbare Weise durch ein Brechmittel aufgerichtet werden. Vergl. Selle’s Rudim. pyretolog. p.215 und die daselbst angeführten Schrift- steller. Mit Recht setzt er hinzu: „Male ergo hoc phaenomenon (Prostratio „virium) ad malignitatis signa generatim numeratur. Sub hac conditione saltim „ei tantum malignum est, cui ejusdem ratio latet.“ E2 36 JOH. WILH. HEINR; CONRADI, anzunehmen, und sich dabei auf eine bloss exspectative Cur beschränken, werden dann in Fällen, wo durch angemessene Behandlung des gastrischen Fiebers der Uebergang in den Abdominaltyphus wohl hätte verhütet werden können, durch Unthätigkeit und Vernachlässigung jener Behandlung eher scha- den. Im Gegentheil wird es dann auch wegen jener Schwierigkeit der Diagnose in Ansehung der zum Abschneiden der Krankheit empfohlenen Brechmittel und grosser Gaben von Calomel oft mit Grund zu bezweifeln sein, ob wirklich der Abdominaltyphus dadurch in der Geburt erstickt worden sei. Aber auch wo schon neben sehr rother und trockener Zunge die Schmerzen in der rechten Unterbauchgegend (Regio ileo- coecalis), die Auftreibung derselben, die serösen gelbgrünlichen etc. Durchfälle, die Roseolae oder andere Aus- schläge und andere hier als bekannt vorausgesetzte dem Abdominaltyphus zugeschriebene Zeichen (von denen freilich auch manche nicht immer sicher und beständig sind) auf die wirkliche Ausbildung desselben hinweisen, kann man allerdings auch den wesentlichen Verhältnissen der Affection entsprechende Mittel anwenden, also der Indicatio causalis (insofern sich diese nach der alten Bestimmung nicht bloss auf die entfernten Ursachen „sondern auch auf die sogenannte nächste bezieht) s. Indicatio essentialis gemäss verfahren !). . So kann man (um nur Einiges gerade diesen Gegenstand betreffende anzu- führen) z. B. der sich anfangs äussernden Reizung, Congestion oder selbst enizündlichem Zustande (der nur nicht so allgemein und ohne Weiteres anzu- nehmen ist) erweichende, besünftgende Umschläge und. Einreibungen, oder Blutigel und Schröpfköpfe auf die schmerzende Stelle applicirt, oder Senf- pflaster, Blasenpflaster etc., innerlich aber demulcirende , besänftigende, gelind temperirende Dinge, Emulsionen, Abkochungen von Altheewurzel mit Oxymel simplex, Potio Riverii, bei krampfhaftem Zustande einen Aufguss der lpeca- m 1) Dass man solchen Grundsätzen gemäss (also: nicht nach der gewöhnlicheren Ansicht Vieler bloss symptomatisch) hier verfahren könne ‚ haben schon früher mehrere deutsche Aerzte, namentlich. Be rndi (specielle Pathologie und Therapie Th. I. S. 377 fg), Bartels (die gesammien nervösen Fieber B. 2. $. 137 fg.) wohl erkannt, und lit besonders auch Clarus (Adversar. clinic, Part. VI. de Enterohelcosi Spec. IV. p. 6 sq.) die darauf sich beziehenden Anzeigen und diesen entsprechenden Mittel umstündlicher und genau bestimmt. BEMERKUNGEN ÜBER DIE GASTRISCHEN FIEBER. A cuanha in kleinen Gaben für sich oder mit Liqu. C. C. succin., Aqu. Lauro- cerasi oder etwas Opiumtinctur versetzt, ausserdem das Calomel in kleinen Gaben auch wohl mit etwas Opium verbunden und Einreibungen der Queck- silbersalbe, sowie dem Fieber und überhaupt dem allgemeinen Zustande der Veränderung des Blutes etc. das Chlorwasser und die Salzsäure mit schlei- migen Abkochungen oder arabischem Gummi versetzt, und dann dem ausge- bildeten nervösen Zustande, grossem Sinken der Kräfte die der Art des nervösen Zustandes, soweit sie bekannt ist 1), entsprechenden nervina (unter denen ich in Fällen, wo irgend noch Hülfe möglich war , besonders den Campher in der Form einer Emulsion mit arabischem Gummi versetzt ófter sehr nützlich befunden habe ?) entgegensetzen. Eine solche den bekannten wesentlichen Verhältnissen der Affection entspechende Cur kann durchaus nicht mit Grund für eine symptomatische erklärt werden. Wenn dagegen einzelne Symptome sehr gefährlich oder beschwerlich sind, so erfodern sie allerdings dem wahren Begriffe der symptomatischen Anzeige gemäss eine besondere Behandlung, un so müssen hier insbesondere gegen die Durchfälle (welche sonst überhaupt nicht zu schnell unterdrückt werden dürfen und oft schon durch die anfangs gegen die krankhafte Reizung angewendeten schlei- migen Mittel oder den Aufguss der Ipecacuanha beschränkt werden), wenn sie im weiteren Verlaufe zu stark werden, Dovers Pulver (dem hier statt 1) Dass wir diese bei der Dunkelheit, in welche die innere Natur des Nerven- systemes noch eingehüllt ist, nicht näher angeben können „sondern uns auch hier an die offenbaren Aeusserungen des Lebensvermögens oder an dynamische Verhältnisse halten müssen, deren gehörige Berücksichtigung uns auch in praktischer Hinsicht bis jetzt eher leiten kann, als die der ganz zweifelhaften materiellen Verhältnisse, habe ich schon in der Abhandlung über die Selbst- ständigkeit der Fieber S.27. erklärt und daselbst auch eine diesen Gegenstand betreffende Aeusserung von Clarus angeführt. E 2) Die von Manchen hier besonders empfohlenen Flores Arnicae und ähnliche schärfere Mittel möchten wohl wenigstens in den Füllen, wo irgend eine wunde innere Fläche der Gedürme zu besorgen ist, besser vermieden werden, wie ich auch schon in der Commentat. sist. animadversiones medic. de febris, prae- sertim nervosae, ad inflammationes et ulcera intestinorum relatione. Gott. 1830. p. 10 bemerkt habe. 38 J. W. H. CONRADI, BEMERKUNGEN ÜBER DIE GASTRISCHEN FIEBER. des Salzes Pulv. gummos. zuzusetzen ist) und besonders auch Sacch. Saturni zu Hülfe gezogen werden. Es haben aber selbst Manche, welche überhaupt die exspectative oder auch exspectativ- symptomatische Cur des Abdominaltyphus empfehlen, nicht umhin gekonnt, bei ausgebildetem nervösen Zustande, grossem Sinken der Kräfte, zu den nervinis und tonieis ihre Zuflucht zu nehmen ; was freilich weder der bloss symptomatischen Cur im eigentlichen Sinne noch der ex- spectativen entsprechen möchte. Denn da die nervina, wenn der nervóse Zusland einmal ausgebildet worden und hervorstechend ist, der Beschaffenheit desselben, so weit sie bekannt ist, also der Indicatio essentialis gemäss ange- wendet werden kónnen, und diess, wie oben schon bemerkt worden, auch von anderen gegen die in der ersten Zeit der Krankheit Statt findende Reizung, Congestion oder selbst entzündlichen Zustand, sowie gegen das Fieber und die freilich auch dureh die Chemie noch wenig aufgeklärte Dyskrasie des Blutes empfohlenen Mitteln gilt, so ist auch hier nicht bloss eine symptomatische Cur anzunehmen. Da übrigens nicht allein (wie tm Vorhergehenden schon angegeben worden) durch gehórige Behandlung des anfangs Statt findenden gastrischen Fiebers wenigstens oft der Uebergang in den Abdominaltyphus verhütet werden kann, die Ausbildung desselben auch bei der besonders in der ersten Zeit der Krankheit Statt findenden Schwierigkeit der Diagnose oft nicht mit Sicherheit anzunehmen ist, und auch der von Manchen angenommene bestimmte Verlauf desselben durch gewisse Stadien sich durchaus nicht allge- mein bestätigt, vielmehr in sehr vielen Fällen sich ganz anders gezeigt hat, sondern da auch durch den oben angegebenen Anzeigen entsprechende An- wendung passender Mittel die Krankheit nicht bloss gelindert, sondern wirklich in gar manchen Fällen, wo irgend noch Hülfe möglich ist, die Heilung der- selben befördert werden kann, so möchte wohl die Beschränkung auf eine bloss exspectative Cur (so angemessen diese sonst in manchen Krankheiten ist) hier um so weniger zu rechtfertigen seyn. Der Heerwurm gebildet von Larven der Thomas - Trauermücke (Sciara Thomae). Von Arnold Adolph Berthold, Der Königlichen Societät der Wissenschaften mitgetheilt am 17. December 1853. Vor acht Jahren legte ich der Königl. Gesellschaft Untersuchungen über den Heerwurm und namentlich über diejenige Fliegenart vor, deren Maden denselben bilden 1). Die Fliege bestimmte ich als Trauermücke, Sciara Tho- mae, Meig., und glaubte dadurch ein Problem gelöset zu haben, welches Jahrhunderte hindurch Gegenstand des Aberglaubens und der Furcht für das Volk, für den Naturforscher aber des ernsten Nachdenkens gewesen war. Der Umstand jedoch, dass ich im verflossenen Sommer durch meinen Freund Hrn. Hofchirurgus Dr. Hahn von einer feuchten Stelle der Eilenriede bei Hannover Heerwurmlarven erhielt, und dass Hr. Ludwig Bechstein 2) aus den Larven eines Heerwurms bei Oberhof im Gothaischen Fliegen gezogen hatte, die scheinbar ein anderes Resultat, als das von mir ermittelte lieferten, veranlasste mich den so wichtigen Gegenstand, und zwar in ausführlicherer Weise von Neuem der Untersuchung zu unterwerfen. 1) Nachrichten von der G. A. Universität und der ES Gesellschaft der Wissen- schaften zu Göttingen. 1845. Nr. 5. 2) Der Heerwurm, sein Erscheinen, seine Naturgeschichte und seine Poésie. Mit Abbild. Nürnb. 1851. 40 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, #: Die erste Nachricht über den Heerwurm 1) stammt aus Schlesien her. Caspar Schwenckfelt?) sagt, Heerwürmer seien sehr kleine haarfórmige Würmchen, welche im Sommer, wie eine Kette zusammenhängend, umher ziehen, gleichsam als wenn sie ein Heer bildeten. Der nächste Schriftsteller, der dieser Erscheinung erwähnt, ist der Norweger Ramus; jedoch hat Lud w. Bechstein 5) aus einer von Ch. Juncker im Beginn des 18. J. h. ver- fassten, aber nicht gedruckten physicalischen und: geschichtlichen Beschreibung „Ehre der gefürstelen Grafschaft Henneberg“ Nachrichten über Heerwürmer mitgetheilt, welche bei Ilmenau und bei Ohrdruf vorgekommen sind. Sie seien 3 Finger breit, in einander geschlungen wie Weiberzöpfe, schwarzgrau; es ziehe das Sine zugleich fort; wenn es zerstossen (unterbrochen) werde, schliesse es sich wieder; man sage, dass es ganze Berge einnehme, zu 15 bis 20 Klafter (90 bis 120 Fuss) lang. Die einzelnen Maden seien, wie einer weiter beschrieben habe, von der Grösse einer kleinen Käsemade „grau, und ziehen bei so vielen tausenden mit einander, dass der Zug wohl 2 bis 24 Ellen Länge und 2 Zoll Breite habe, und nicht anders als eine Schlangen- haut anzusehen sei. Juncker hat den Heerwurm nicht selbst gesehen; er theilt mit, was ihm Förster und Waldleute erzühlten; ob er aber bei der eee der einzelnen Maden auf Erzählungen, oder auf einen Schriftsteller sich bezieht, ist nicht klar; mir ist jedoch ein Schriftsteller, auf den er sich in der Weise hätte beziehen. ‚können, nicht bekannt geworden. Jonas Ramus 2! beschreibt den Heerwurm in einer Weise, dass man annehmen muss, er habe ihn gesehen: » Dragfae oder Ormedrag ist eine Art kleiner Würmer von wasserühnlicher Farbe mit einem schwarzen Flecken auf dem Kopfe, nicht länger als ein Haferkorn, auch nicht dicker als ein grober Zwirnsfaden; aber zu vielen tausenden kriechen sie über einander, und be- wegen sich vorwärts, wie ein langes Seil von einigen Faden (Klaftern), und 1) Auch Kriegswurm, Heerschlange, Wurmdrache, Ormedrag, Dragfae, Gärds-Drag, Härmask. 2) Theriotropheum Silesiae. Lign. 1603. p. 511. 3) O. a. ©. p. 9. : 4) Norriges Beskrivelse. Kopenh. (1715) p. 240. DER HEERWURM. 41 mitunter zwei Finger dick über einander.« Ponto ppidan i) giebt an, der Orme-Drag 2) sei eine seltene, Norwegen eigenthümliche, Naturerscheinung; er sei wie ein Seil von der Länge einiger Klafter, und 114 bis 2 Zoll dick, be- stehe aus einer grossen Menge wasserfarbener, mit einem grossen schwarzen Fleck auf dem Kopfe versehener Würmchen, von der Länge eines Haferkorns und von der Dicke eines starken Zwirnfadens, welche zu Millionen und Mil- liassen über einander wegkriechen, doch so, dass die ganze Gesellschaft be- ständig vorwärts sich bewege und auf weichem Boden eine Spur wie eine lange Linie hinter sich zurücklasse. Die genauesten und ausführlichsten Beobachtungen an im Freien sich be- findenden und an eingefangenen Heerwürmern hat Kühn 5) in Eisenach be- kannt gemacht. Er fand die Maden bald in kleinern Gesellschaften, bald in einem grossen Zuge vereint; in derselben Gegend fand er junge kleine, und alte ausgewachsene Maden, aber in den grössten Zügen waren sie alle aus- gewachsen. Eine klebrige Feuchtigkeit sei das Vereinigungsmittel. Der grösste Zug, den Kühn sah, war 12 Ellen lang, handbreit und daumensdick; Jäger und Holzleute erzählten aber von Zügen bis zu 30 Ellen Länge. Vorn ist er meist breiter als an seinem hintern Ende, welches manchmal nur von einzelnen nachziehenden Maden ebildet wird. Er sei kalt anzufühlen, und wandere langsam wie eine Schande. Merichmel werde er dadurch 5 dass ein bedeutender oder geringerer Theil unter Laub oder in die lockere Erde sich verkrieche. Trifft das vordere Ende des Zuges ein Hinderniss, etwa einen Hügel oder einen Stein, so findet entweder eine Übersteigung, oder ein Ausweichen statt; unter leichten Körpern, Holz, Blättern, schleicht er weg; ein kleiner Stein ist oft Veranlassung, dass der Zug sich der Länge nach spaltet, indess vereinigen sich die so getheilten Glieder bald wieder. Wird durch Wegnahme eines Theils aus der Mitte des Zuges dieser in eine vordere 1) Naturgeschichte Norwegens. Engl. Übersetzung. Lond. 1754. T. II. p. 41. 2) Dieser Name ist als Wurmdrache ins Deutsche übersetzt und durch. Walch, Götze und Andere in Deutschland eingeführt, indess hat L. Bechstein (a.a. 0. p. 62) nachgewiesen, dass er Wurmzug bedeutet. 3) Naturforscher. Halle. Bd. 1. 1774. p. 79. Bd. 15. 1781. z 96. Ba. 18. 1782, p. 226. Tab. V. Phys. Classe. VI. 1 42 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, und hintere Hälfte getheilt, so stellt sich die Vereinigung durch Nachrücken des hintern Theils bald wieder her. Trifft zufällig das vordere Ende des Zugs mit dem hintern Ende zusammen, so bildet das Ganze einen Ring, welcher Zustand wohl einen ganzen Tag dauert. Im Schatten zogen sie ruhig; Son- nenschein und helles Tageslicht konnten sie nicht wohl ertragen; auch werde bei Regen- und überhaupt bei schlechtem Wetter der Heerwurm nicht an- getroffen. Diejenigen Wr nir; welche Kühn in einem Kasten eingeschlossen hielt, bildeten bald grössere oder kleinere ruhende Klumpen, bald aber einen abe eden den Zug. Manchmal fand die Wanderung nur des Tags, manch- mal nur des Nachts statt, und dauerte oft die ganze Nacht hindurch ununter- brochen fort; die Züge konnten auch an den Wänden des Kastens empor- klimmen. Bei den Wanderungen starben viele. Besprengen mit Wasser konn- ten sie nicht ertragen. Kühn meint, dass das Ziehen und Wandern desswe- gen geschehe, um Nahrung zu suchen; als er nämlich in eine Ecke des Ka- stens, wo der Heerwurm sich nicht befand, frischen Laubdünger brachte, ver- liess der in einer andern Ecke befindliche Heerwurmklumpen seinen Platz und quoll gleichsam wie Quecksilber schnell dem frischen Dünger zu; diesen Ver- such wiederholte Kühn und fand, dass wenn er frischen Dünger brachte der Heerwurm darin sich verbarg und darin blieb. Bald nach Kühns ersten Mittheilungen im J. 1774, wurde der Heer- wurm auch in Schweden zu Eckholmsund Mitte Sommers von Ziervogel beobachtet, und die Nachrichten darüber von De Geer!) bekannt gemacht. Die Maden gleiten truppweise so langsam auf dem Boden hin, dass sie wäh- rend einer Viertelstunde nur etwa eine handbreite Strecke zurücklegen, hän- gen mittelst einer klebrigen Materie zusammen, trennen sich jedoch von ein- ander wenn man sie berührt. Hundertweise vereinigen sie sich zu fingerbrei- ten und 1 bis 2 Ellen langen Streifen, welche in eimger Entfernung von einander sich befinden. Die Larven waren in ununterbrochener Fortbewegung, ohne sich von einander zu trennen. Da es Abend war als Ziervogel sie antraf, so machte er ein Zeichen um zu sehen, wie weit sie bis zum andern I) Mémoires pour servir à T hist. des incid T. VI. Stockh. 1776 p. 338. DER HEERWURM. 43 Morgen sich fortbewegt haben würden, er fand dann aber weder an der Stelle, noch in der Nachbarschaft, noch in der Erde, wo er sie bis zu einem Fuss Tiefe aufsuchte, eine Spur von ihnen. Die Landleute sagten, dass sich diese zu Zügen vereinigten Larven oft zeigen, und nennen sie Gárds- Drag, weil sie langsam den Wohnungen zu ziehen. F. S. Voigt!) schreibt 1840, dass er vor etwa 20 Jahren eine Heer- wurmporlion aus Wilhelmsthal bei Eisenach zugeschickt erhalten habe. Als er dieselbe in ein Glas mit Erde brachte, rottirten sich die Maden sogleich in eine etwa einen Zoll dicke Schlange zusammen, welche einen Ring bildete, der am Boden des Glases in unaufhörlicher een wie ein Rad, sich fortbewegte. Nach einer Stunde (Mittag) hatten sich die sämmtlichen Larven über die innere Fläche des Glases zerstreut. Abends waren sie wieder zu einem Ganzen vereinigt und in derselben Kreisbewegung begriffen; doch wa- ren viele von den zerstreut gewesenen angeklebt geblieben und vertrocknet. Als ein Stück Rasen mit frischer Erde in das Glas gelegt wurde, frassen sie gierig an den Wurzeln. Der Heerwurm hielt sich, immer schwächer werdend und mit nochmaliger Zerstreuung an den Glaswänden, noch einige Tage; ein- mal bildete er bloss auf der Erde im Glase dawag eine Sfórmige Figur, so dass auf der Kreuzungsstelle die einen über die andern ununterbrochen hin sich bewegten. Dem Herrn Förster Raude 2) in er bei llefeld hatten schon im Juli 1844 einige Leute erzählt, dass sie / Stunde von Birkenmoor auf einem Fahrwege im dichten schattigen Buchenhochwalde ein wunderbares Thier in Gestalt einer Schlange gesehen hätten, welches sich ganz langsam bewegt und aus Millionen kleiner Maden bestanden habe. Obgleich Herr Raud e den Heer- wurm bei dieser Nachricht, so wie bei einer spätern, dass er sich abermals gezeigt habe, an der beschriebenen Stelle aufsuchte, so fand er ihn doch nicht. Als er aber im nächsten Jahre, am 21. Juli 1845, durch Arbeiter von dem Erscheinen desselben wieder benachrichtigt wurde, traf er ihn wirklich an. Er fand an verschiedenen Stellen, 10 Schritt von einander, 3 etwa l5 Zoll l) Lehrbuch der Zoologie. Bd. 5. Stuttg. 1840 p. 248. 2) Nachrichten der G. A. Universität a. a. O. p. 69. F2 44 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, dicke und 4 Fuss lange aus Maden bestehende Züge 1), welche sich langsam fortbewegten. Eine Stunde später war der Zug schon 12 Fuss lang; es hatten sich nämlich die verschiedenen Züge in einen einzigen verwandelt und waren eben’ im Begriff in Erde und Laub sich zu verkriechen. Von den von Herrn Raude mir 2) in einem Topfe mit Erde übersandten Larven waren die meisten gestorben; die noch lebenden bewegten sich nur wenig, waren sehr matt und schon am zweiten Tage todt. — Herr Raude suchte auf meinen Wunsch, um die Metamorphose der Maden zu verfolgen, den Heerwurm an- fangs August wieder auf, und fand denselben noch an der Stelle, wo er sich bis dahin tüglich gezeigt hatte, brachte mehrere Maden mit Erde und Wurzeln in eine blecherne Botanisirbüchse, welche an einem Baume aufgehängt wurde. Am andern Tage begannen die in der Büchse befindlichen Maden ihre Wan- derungen, in der Weise, dasssie durch eine kleine Ritze aus der Büchse ent- wichen, auf der Aussenfläche derselben herum wanderten und, endlich wieder durch dieselbe Öffnung einzogen. Diese kreisfórmige Wanderung wurde noch einmal von einer geringern Anzahl wiederholt, wobei übrigens einige abstar- ben und ganz vertrockneten, bis die Maden sich endlich im Innern der Kapsel ruhig verhielten. Nach 8 Tagen bemerkte Herr Raude, dass sich einige Maden verpuppt hatten und am 30sten August sah er eine Menge kleiner Flie- ded d = 9 der Büchse kommen, und überzeugte sich, dass die Flie- | t ausschlüpften. Diese Fliegen nebst Puppen sandte Herr Raude n "dn. 1 meiner frühern Mittheilung Herr Förster Buchenröder 5) sah dei Heerwurm am 3ten Aug. 1850 beim Herzogl. Jagdschloss Oberhof, als eine graue Schlange, 12 bis 14 Fuss lang, 3 Finger breit und 1 Finger hoch langsam quer über die Hochstrasse ziehen. Pferdefüsse und Wagenrüder, welche darüber weggegangen waren, hatten. oiii nicht gestört, indem die ‘getrennten Theile sich wieder ver- igten. PME Toae Ende war en zu 2, 3, 4 Gliedern ausgebrei- * 1) Also ähnlich wie De Geer es beschreibt. 2) Nachrichten p. 70. | 3) L. Bechstein a. a. O. p. 5. DER HEERWURM. 45 tet, und die Millionen Köpfehen waren in stäter Bewegung, die dem unsichern Suchen des vordern Endes glich. Ein matt silbergrau glänzender Streif zeigte sich an der Stelle des Weges, über welche der Heerwurm gekrochen war !). Ein Stück dieses Heerwurms erhielt Herr L. Bechstein?) am Aten August in einer Schachtel mit Moos zugeschickt. Als derselbe die Papierhüllen von der Schachtel lóste, fand er in ihnen viele durch die Fugen der Schachtel herausgekrochene todtgedrückte Einzelnmaden und eine fingerbreite zusammen- hängende 6 Zoll lange Kette, ebenfalls todt. In der Schachtel waren die Ma- den aber noch am Leben, und wurden in eine Schüssel mit Moos und feuch- ter Erde gethan, und darin bis zum 22sten Aug. beobachtet. Die Thiere bil- deten bald Züge, bald eine oder mehrere Ketten, bald Klumpen, bald auch ruhende Streifen. Im Verlauf der Zeit starben und vertrockneten viele. Die Larven bewegten, wenn sie einzeln oder gemeinschaftlich in Zügen krochen, den Kopf und die Ringe des Vorderleibes lebhaft mit einem beständigen Su- chen und Tasten nach allen Seiten hin, während der Hinterleib, wenn sie nicht zogen, ruhig blieb. Herr Bechstein beobachtete auch eine Larve im Act des Fressens; sie frass Moos, wobei der Kopf vorgeschoben und zurück- gezogen und die Fresswerkzeuge lebhaft bewegt wurden. Am 16ten wurden die ersten Puppen gesehen, und am 21. Aug. krochen 2 Mücken langsam und schwerfällig am Boden eines Zuckerglases, in welches der Heerwurm spüter gethan war; die am Morgen ausgeschlüpfte war am Abend des 22. August gestorben. 9 m Lange bevor der Heerwurm von Naturforschern beobachtet und beschrie- ben worden war, war er dem Volke, besonders den Waldbewohnern bekannt, und die ersten Beschreiber sagen, dass er beim Volke Gegenstand des Aber- glaubens sei, und dass sein Erscheinen als Vorbedeutung von schlechter oder guter Erndte, von Krieg und dgl. angesehen werde. Schwenckfelt 5) schreibt, dass die schlesischen Bergbewohner es als ein Vorzeichen einer 1) Ahnliches giebt Pontoppidan an. 2) A. a. O. p. 6 u. 40 u. f. 3) A. a. O. p. 511. 46 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, schlechten Erndte betrachten, wenn der Heerwurm bergan zieht, dass sie hin- gegen aus einer Wanderung von Berg: zu Thal ein fruchtbares Jahr prophezeien. — Nach Juncker!) wird der Heerwurm auch Kriegswurm genannt; es sei die gemeine Rede, dass er Krieg bedeute. Man habe im J. 1701 keinen ge- sehen, aber wohl in dem vorhergehenden Jahre, wo sie stark gezogen, nie- mals aber einigen Schaden gethan hätten. — Ramus 2) berichtet: „Wenn gemeine Leute sie gewahr werden, so halten sie das für einen Glücksfall. Sie werfen ihnen dann ihre Kleider und Bänder in den Weg; kriechen sie dar- über, so halten sie den für glücklich, dem das Kleid gehört; weichen sie zur Seite und wollen nicht darüber gehen, so glauben -sie, dass der, dem das Kleid gehört, übel daran sei und bald sterben werde.« — Kühn 3) berichtet, dass als im J. 1774 ein grosser Heerwurm in der Gegend von Eisenach sich gezeigt habe, die meisten Leute vor Krieg zitterten, wie auch im J. 1756, wo ein Heerwurm den siebenjährigen Krieg angedeutet habe. Es zog täglich viel Volk in den Wald, um diesen ominösen Wurm zu betrachten; man schil- derte ihn als eine 2 Ellen lange Schlange mit vielen Köpfen, worauf viele tausend Maden herumkröchen; das Volk meinte, er liesse sich nur des Morgens von 8—9 Uhr sehen, um an der benachbarten Quelle seinen Durst zu lóschen, und sein Zug gehe stets von Morgen nach Abend. — Nach L. Bechstein!) kündigt der Heerwurm den Thüringerwäldnern Krieg an, wenn er bergauf, Frieden, wenn er bergab zieht; ag ist er überhaupt — als Kriegsbote ls Friedensbot Manner und Frauen legen ihre iig dicke oder Schürzen dux 3 in den Weg, auf dass sie darüber hinkrieche, und es bedeute Glück wenn sie dieses thun, besonders aber den unfruchtbaren Frauen Fruchtbarkeit und den Gesegneten in Hoffnung leichte Geburt. — Boheman s) theilt mit, dass in Schwedens bergigen und en Gegenden der Heerwurm unter dem Namen Hi ärm ask den Land- n . a. a. O. p. 9. 2) A. a. O. p. 240. 3) A. a. O. B. I. p. 79. 4) A. a. O. p. 71. 5) 3 om zoologiens aeg under Ären 1845 och 1846. Stockholm p DER HEERWURM. 47 leuten wohl bekannt sei; sie glauben, dass sein Erscheinen Krieg und Noth bedeute, erzählen furchtbare Dinge davon, und verbinden ihre Erzählungen mit abenteuerlichen Übertreibungen. 5. Wenn nun aus dem bisher Gesagten das allgemeine Erscheinen des Heer- wurms und das Wunderbare in der Geschichte desselben einleuchtend ist, so war man doch über das Thier, welchem derselbe seinen Ursprung verdankt, und welches wieder aus ihm hervorgeht, in vólliger Ungewissheit, bis ich !) dasselbe im J. 1845 als Thomas- Trauermücke oder Sciara Thomae bestimmte. Anfangs hielt man die einzelnen Thierchen des Heerwurms für wirkliche Würmer; solches geschah von Schwenckfelt, welcher sie Ascarides mili- tares nennt. Auch Ramus und Pontoppidan meinten, sie seien Würmchen, und der erfahrne Gótze?) war noch im J. 1791 zweifelhaft, ob die Thiere Würmchen oder Insektenmaden seien, nachdem sie schon längst von Mehrern als letztere erkannt worden waren. — Der Erste, welcher sie richtig deutete, war De Geer5); obwohl er sie lebend nicht gesehen habe, und er also Un- tersuchungen über ihre Metamorphose nicht habe anstellen kónnen, so lasse doch ihre Gestalt deutlich erkennen, dass sie von einer Tipula herrühren müss- ten. Und allerdings hatte De Geer insofern Recht, als das Genus Sciara über- haupt zu der grossen Tipulaabtheilung der Zweiflügler gehórt, obwohl ihm die Trauermücke überhaupt gänzlich unbekannt war. Kühn “) war im J. 1781, nachdem er die Puppen, die „ungefähr die Grösse eines Rockenkorns“ hätten, beobachtet hatte, der Ansicht, dass daraus wohl ein Insekt aus der Classe der Hymenoptera, also ein vierflügeliges In- sekt, hervorgehe. Aber im J. 1782 sah er eine kleine schwarze Mücke aus den Puppen hervortreten, die er als Tipula erkannte und dadurch De Geers Vermuthung thatsächlich bestätigte. Ich komme auf seine Tipula noch aus- führlicher zurück. | ]) Nachrichten a. a. O. p. 73. 2) Naturforscher Bd. 9. 3) A. a. O. p. 339. 4) A. a. O. Bd. 15. 18. 48 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, Seit dieser Zeit nun, und da man die Kühnsche Fliege nicht weiter zu deuten wusste, wurden die Heerwurmmaden nur im Allgemeinen als Tipulamaden bezeichnet, und mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit zu dem einen oder andern Genus der Tipulae gerechnet. Johann Matthaeus Bechstein!) gab der Heerwurmschnake einen Namen — Tipula mirabilis — und sagt: „Im Juli sitzt diese kleine schwarze Schnake, die nieht viel grósser als ein Floh ist, in den Waldungen, wo es feucht ist, schaarenweise an den Bäumen und Stämmchen; auch fliegt sie ge- sellschaftlich in der Luft herum.« Der von Bechstein gewählte Name und seine Schilderung stimmt so sehr mit dem Kühnschen Namen und dessen Schilderung überein, dass es mir zweifelhaft ist, ob Bechstein selbst eine Tipula mirabilis gesehen habe; hätte er sie gesehen, so würde er sie sicherlich wissenschaftlicher bestimmt haben. Kühn?) schreibt: „Es flog das längst ge- wünschte Wunderthier ( — mirabilis — ) als eine kleine elende schwarze Fliege, die nicht viel grösser als ein Floh war.. „Ich sah, dass sie unter die Erdschnaken Tipulas ( — also Tipula mirabilis — ) gehörte“. . „Ich. eille in dieser letzten Woche des Juli (I-) zu der Gegend des Waldes hin, wo man jederzeit den Heerwurm hat suchen müs- sen, und entdeckte gar bald, dass die Schnaken nicht allen an Bäumen und Sträuchen gleich einem Bienenschwarm in grosser Menge sassen, sondern dass sie auch in der Luft ihren Zug in Gesellschaft hiel- ten.“ Kühn 5) selbst war aber schon früher von dem Förster des Orts, wo die Würmchen gemeiniglich sich aufhielten, in Kenntniss gesetzt worden, dass derselbe in den Jahren, in welchen es Heerwürmer gebe, jederzeit auf seinem Forst im Anfange des Septembers an alten Eichen sehr grosse Klumpen schwärz- licher kleiner Fliegen angehängt finde, die, nach Art schwärmender Bienen, dick aufeinander sässen. Auch die spätern Dentungen der Heerwurmmücke sind blosse Vermu- lungen, yi von enen einige der Wahrheit mehr sich nähern, andere davon 1) de e pes elde ds In- und „ Leipz. 1794. Bd. 1. Abth. 2. p. 1095. 2) A. a. O. Bd. 18 p. 228. 3) A. a. O. St. 15. p. 110. DER HEERWURM. 49 sich entfernen. So schreibt Blumenbach?), dass der berüchtigte sogenannte Heerwurm aus Maden eines Zweiflüglers (etwa von Tipula oder Asilus) bestehe. — Thon?) war der Wahrheit jedoch viel näher gekommen. Derselbe fand nämlich die Kühnsche Abbildung der Larven mit einer von Host5) abgebil- deten Larve, aus der, wie die Zeichnung des ausgeflogenen Insekis nicht in Zweifel lässt, eine Sciara ausgekommen war, so übereinstimmend, dass er meint, die Heerwurmmücke sei eine Sciara und vielleicht die Sciara nemoralis Meij. Da indess letztere nur ?/5 Linien lang ist, blassgelbe Schwingen hat, und da die Fühler beim Männchen fast so lang sind als der Körper, so ist diese Annahme. der Species irrthümlich, obwohl Thon das Genus richtig ver- muthet hat. — Weiter von der Richtigkeit wich Oken *) wieder ab, welcher bei der Beschreibung der Johannisschnake (Bibio Johannis) die Meinung äussert, dass die Larven ähnlicher Mücken es wahrscheinlich seien, welche unter dem Namen Heerwurm bekannt sind. Derselbe hat aber durch einen Auszug aus Kühns Arbeiten die Heerwurmgeschichte in neuerer Zeit wieder ins Andenken zurückgerufen und allgemeiner bekannt gemacht. — F. 8. Voigt) glaubt, dass der Heerwurm vielleicht der Bartmücke (Ceratopogon) gehöre; ich selbst rechnete ihn früher 6) zu den Tipularien, deren Larven in der Erde ubringen, und H. Leunis?) spricht sich dahin aus, dass der Heer wurm ieinlich von Culex, Anopheles, Corethra, Chironomus oder Ceratopogon herrühre, führt aber in seiner spätern Schrift 8) meine und L. Bechsteins Erfahrungen an, ohne jedoch für die eine oder die andere sich zu entscheiden. 1) Handbuch der Naturgeschichte (seit der 4. Aufl. Gött. 1791 p. 387 des Heer- wurms erwühnend). 2) Ersch und Gruber, alg end der Wissenschaften und Künste. Sect. 2. Thl. 4. Leipz. 1828. p. 7 3) N. T. Jacquin, o aad ad Botanicam, Chemiam et Historiam naturalem ; spectantia, Vol 3. Wien 1789 p. 300 tab. 23 fig. 7 4) Allgemeine Naturgeschichte Bd. 5. Abth. 2. Stutig. 1835 p. 740. 5) A. a. O. p. 248. 6) A. A. Berthold, Lehrbuch der Zoologie. Gött. 1845. p. 366. 7) Synopsis der drei: Naturreiche. Thl. 1. Hannov. 1844. p. 284. 8) Schulnaturgeschichte. Thl. 1. Hannov. 1851. p. 193. Phys. Classe. VI. G Mo. Bot. Garden, 901, 50 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, 4. Nachdem ich nachgewiesen hatte, dass das in Frage stehende Insekt kein anderes als die Sciara Thomae sei, und diese Ansicht in viele Schriften des In- und Auslandes übergegangen war, widersprach derselben nach sechs Jahren Herr L. Bechstein!), gestützt auf eigene Beobachtungen an zwei Mücken, welche er aus Heerwurmlarven erhalten hatte. In. seiner sehr in- teressanten Schrift gelangt er zu dem Resultate, dass die Mücke der Gattung Sciara am nächsten stehe, da hauptsächlich ihr Flügelbau und der Aderlauf in den Flügeln, vóllig mit dieser Gattung übereinstimmen. Doch habe sie nur 14 Fühlerglieder, während die Gattung Sciara deren 16 besitzt. Die Form der Fühler würe ausserdem dieselbe; die Augen aber stünden viel weiter aus- einander als bei jener. Die Fortsätze am letzten Bauchringe des Männchen seien insofern von denen der Sciara unterschieden, dass sie weder zangen- förmig noch zweigliedrig sind. Auch am Ende der Schienen seien keine Spornen vorhanden. — Die Einreihung der Mücke in das System bleibe daher noch vorbehalten. Zur Aufklärung des wahren Sachverhalts hinsichtlich der Heerwurmmücke, würden zunächst die von Kühn, so wie die von L. Bechstein beschriebenen und abgebildeten Mücken einer genauern Kritik zu unterziehen, sodann aber unsere - socie in grosser Anzahl gezogenen Mücken einer aus- ; ter: —2 zu ona sein, als solches bei Kühn?) nennt sein Thier eine Elio: elende — Fliege, nicht viel grösser als ein Floh, die sitzend ihre Flügel längs dem Rücken zusammenlegte, mit Berichfärähälicheh Fühlhörnern; die Flügel hatten starke schwarze Adern und schwarze Häärchen. Das Bruststück war ganz glatt; das Schienbein der Vorderfüsse mit spitzem Dorn. Die Augen hufeisenfórmig; die Palpen ge- mn Das Männchen mit kürzerem dünneren Leib; das Weibchen auf je- bschnitt des Hinterleibs mit einem grünen fallen Quadratfleck. Die Antennen werden in der Figur eines Männchen perlschnurförmig und 11 glied- 1) A. a. O. p. 68. 2) Naturforscher Bd. 18. DER HEERWURM. 51 rig abgebildet, und am Ende des Leibes befindet sich eine starke gekrümmte Zange. Heben wir aus dieser Beschreibung systematisch die Hauptcharactere her- vor, so ergeben die Flügel und vielgliedrigen Fühler, dass das Thier zunächst zu den Langhórnern oder Macroceren gehórte. Der Umstand aber, dass der Mund nicht verlängert, die Palpen gekrümmt und beim Männchen die Fühler nicht federbuschfórmig erscheinen, gilt als Beweis, dass das Thier aus der Familie der Tipularien ist, und nicht zu den Culiciden gehören kann. Da die Fühler beim Männchen nicht federbuschfórmig, und auch überhaupt nicht ge- körnt oder durchblättert erscheinen, sondern vielmehr perlschnurfórmig waren, so konnte das Thier nicht zu den Tipulariae culiciformes gehören; und da die Schienen (wenn auch nur an den Vorderschienen beobachtet) einen spitzen Dorn hatten, so unterschied sich das Thier wesentlich von den. Tipulariae gal- licolae. Der Thorax war glatt, also ohne Quereinschnitt, und dieser Umstand schliesst das Thier von den Tipulariae terricolae aus. Demnach gehórte es zu den Tipulariae fungicolae. Die hufeisenfórmigen Augen passen hier nun aber nur auf die Gattungen Asindulum, Ceroplatus, Mycetobia, Macroneura und Sciara. Dass das Thier jedoch zu keiner der vier ersten Gattungen gehörte, wird dadurch bewiesen, dass der Bauch weder von oben nach unten abge- plattet, noch seitlich beigedrückt, die Antennen nicht sehr beigedrückt, und der Schienendorn nicht besonders lang waren; auch kennt man seit Réaumur die wunderbaren hinten vielgeringelten Larven von Ceroplatus zu gut, als dass da- mit eine Verwechselung möglich wäre. — Demnach war das Küh nsche Thier wirklich eine Sciara, womit es auch seinen Gesammtcharacteren nach übereinstimmte. — Die grünlichen Quadratflecke auf jedem Abschnitt des Hinterleibes des Weibchens passen zu keiner andern Sciaraart als zur Sciara Thomae, bei der, wenn der Leib ausgedehnt ist, die Hinterleibsringe wegen der gelben Seitenbinde und der gelben vordern und hintern Randeinfassung, allerdings das Ansehen haben, als wenn ein fahles Quadrat auf einem gelben Grunde läge, was an der untern Seite des Bauchs noch viel merklicher ist. Diese Quadrate bleiben besonders alsdann, wenn das Thier gestorben und bald nach seinem Tode die gelben Zeichnungen grösstentheils verloren hat. — Was die geringe Gróssenangabe der Fliege betrifft, so móchte dieselbe theils durch G2 52 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, Kühns mangelhafte systematische Kenntniss der Zweiflügler, theils aber durch seine Enttäuschung zu erklären sein, indem er sich wunderte, dass aus einem in damaliger Zeit die dortigen Einwohner in hohem Masse ängstigenden Heer- wurm eine kleine. elende ‚schwarze: Mücke hervorkam. Es ist aber, besonders bei überhaupt kleinen Thieren auf ungefähre Gróssenangaben überall kein Ge- wicht zu legen, wie denn auch Kühn die Heerwurmlarven bald so gross als ein Roggenkorn, bald hingegen so klein als ein halbes Kümmelkorn taxirte. Was die zwei aus Heerwurmpuppen gewonnenen, von Bechstein be- schriebenen und abgebildeten Fliegen betrifft, so ist, da eine, wenigstens in Betreff der Flügel characteristische, Abbildung vorliegt , die Deutung viel leich- ter als die des Kühnschen Insekts, wo die Flügel ganz characterlos gezeich- net sind. Als wesentliche Unterschiede zwischen seiner Fliege und der Sciara nennt Bechstein die Zahl 14 der Antennenglieder. Dieser Punkt kann aber im vorliegenden Falle nicht in Betracht kommen, da in Fig. 15 an der rech- ten Seite eine 14gliedrige, an der linken hingegen eine 15gliedrige Antenne abgebildet ist. Als ein fernerer Unterschied wird der Spornmangel an den Schie- nen angeführt. Indess sind in der 10ten und 11ten F igur die Schienenspornen sehr gut abgebildet; da aber bei der Ansicht von Oben der 21e Sporn ver- deckt ist, so konnte er nicht mit abgebildet werden. Was sodann den Unter- achideh; der Fortsätze am letzten Bauchringe des Männchen betrifft, die nicht lórmig und nicht zweigliedrig seien, so ist zuerst zu 8 dass unter Bochsteins Hes: n kein Männchen war, wie aus den Abbildun- hreibung sich ergiebt, wo es p. 67 heisst, din die- e e 1 in den Mille schwarzhraun mit gelb eingefasst wen): was nur. inh die weibliche Sciara Thomae sich bezieht. Aber auch die | idententakeln am Ende des Leibes beim Weibchen sind, "- ine má 180 1 V res rung bei genauerer Beobachtung ergiebt, wirklich eigliedrig, wie wir es auch noch bei so vielen andern weiblichen Tipularien Pee Die Zangen der Männchen sind hingegen grosse von den Seiten ab- gebogene Anhängsel und haben mit den bei Bechstein Fig. 10 und 12 ab- gebildeten Theilen nicht einmal. eine entfernte Ähnlichkeit, Hinsichtlich des Um- standes, dass die Augen weit auseinander stehen, und dass keine Nebenaugen gesehen werden, so ist es eine Thatsache; dass es überall keine Insekten DER HEERWURM. 53 giebt, welche wahre characteristische Sciaraflügel besitzen und dabei weit aus- einanderstehende Augen hätten und ohne Nebenaugen wären. Abbildungen wie sie bei Bechstein Fig. 9. 10 und 11 von der Mücke gegeben sind, können nur durch Wenden des Insekts während des Zeichnens hergestellt wer- den, weil wegen des hochgewölbten Rückens bei der Ansicht des Abdomen und des Rückens von Oben, weder der Kopf noch der Vordertheil des Thorax gesehen werden können; wird dann aber die Mücke nicht ganz richtig ge- dreht, so kommt es leicht vor, dass der Kopf, statt von oben, von vorn ge- sehen wird. Bei dieser Ansicht stehen dann allerdings die Augen weit aus- einander, indem sie nur oben mit ihren Hörnern gegeneinander gebogen sind. Bei der Ansicht von Vorn sind dann aber auch die Nebenaugen nicht so leicht wahrnehmbar, weil sie auf dem Kopfe hinter den Augenhörnern liegen. Ist es nun hiernach unzweifelhaft, dass Bechstein 2 weibliche Thiere aus dem Genus Sciara beschrieben und abgebildet hat, so würde die nächste Frage sein, welcher Species dieselben angehörten? Wenden wir unsere Auf- merksamkeit auf die, Figur 10. 11. 14, abgebildeten Flügel und fassen die Adern derselben ins Auge, so ergiebt sich, dass die Hülfsader bis zum Beginn der Theilung der Gabelader sich erstreckt. Durch pce Umstand, sowie durch die p. 67 als dunkelbraun bezeichnete Farbe der Schwingkolben wird aber unzweifelhaft erwiesen; dass das Bechsteinsche Thier zu einer gewissen Haupt- abtheilung der Gattung Sciara gehört, wovon auch die Sciara Thomae ein Glied ist. Nun sagt aber Bechstein p. 25, dass seine Thiere 2 pariser Linien gross seien. Es giebt jedoch nur wenige bekannte deutsche Sciaraarten, welche eine so bedeutende Länge erreichen. Da aber p. 67 behauptet wird, dass die einzelnen Ringe des Leibes in der Mitte schwarzbraun mit gelb eingefasst seien, so ist dieses ein Character, welcher ganz bestimmt das lebende oder frische Weibchen der Sciara Thomae von allen übrigen Sciaraarten unterscheidet. Nach Allem diesen ist aus den Heerwurmmaden von Eisenach und Ober- hof dieselbe Mückenart hervorgegangen, welche ich aus den Heerwurmmaden : von Birkenmoor erhalten hatte. a. 3 GU Um nun aber mit mehr Ausführlichkeit, als bei meiner frühern Mittheilung, 54 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, das Insekt zu characterisiren und über seine Natur tiefere Aufschlüsse zu ge- ben, damit nicht abermals die wahre Heerwurmmücke in Frage komme, habe ich eine detaillirtere Untersuchung der Made, Nymphe und der daraus ent- standenen Fliege vorgenommen. Die Made. — Larva cephala, oculata, albido -grisea hyalina, cuspidata, cotylis ambulatoriis utrinque tribus, capite atro subgloboso, occipite repando, maxilis triangulis, sulcatis serratis. 3½ — 4 lin. Par. longa, catervatim pro- cessionea. Larve mit schuppenfórmigem, länglich rundem, schwarzem Kopfe, 2 Au- gen; weisslich grau durchsichtig, hinten zugespitzt; jederseits mit 3 napffórmi- gen Scheinfüssen an der Brust; Hinterhaupt ausgeschweift; Unterkiefer drei- eckig, gefurcht, geságt; heerartig umherziehend. | De Geer, Mem. des Insectes T. VI. tab. 18. fig. 10. 11. i Kühn, Naturforscher St. 18. tab. V. A. B. Bechstein, Heerwurm Fig. 1—4. Im lebenden Zustande glasig, durchsichtig, im Spiritus halbdurchscheinend ; bald nachdem die Maden in Weingeist gelegt werden, strecken sie sich und werden dabei 4½ bis 5 Linien lang. Der hornige Kopf lässt, wenn er mit dem Hinterhaupte aufliegt, vorn jederseits ein rundes Auge (4) erkennen !). Unmittelbar vor dem Auge befindet sich eine ähnliche hornlose Stelle (e), welche der Fühlergegend entspricht. Die Kopfschuppe besteht aus einem keil- förmigen Mittelstück (Clypeus a), dessen Spitze nach hinten gerichtet ist, und aus zwei Seitenstücken (b). Der Hinterhauptsrand (Fig. 2) ist mit 2 Aus- schnitten und 3 Lappen versehen. Die Seitenstücke laufen unten mit einem nach Innen gerichteten schmalen Fortsatze (Mentum) gegeneinander, ohne dass sich jedoch die Fortsátze berühren; ein zweiter ähnlicher minder starker Fortsatz (Submentum) befindet sich hinter demselben (Fig.4.5). Der vordere Rand des Kopfs zeigt einen schmalen Ring (Oberlippe, Labrum c), der jedoch aus 2 Halbringen besteht 2). Diese Oberlippenbögen liegen der Kopfschuppe 1) Léon Dufour (Ann. des Sc. nat. 2 Ser. t. 12. 1839 p. 30) sagt, dass die Sciara ingenua keine Spur von Augen habe; von oben angesehen nimmt man auch bei der Heerwurmlarve keine wahr. 2) Léon Dufour (daselbst) beschreibt die Fresswerkzeuge von Sciara ingenua als DER HEERWURM. 55 (seitlich jedoch nicht ganz dicht) an, krümmen sich mit ihrem Seitentheile unten gegeneinander und enden unten mit 4—5 sehr feinen aber langen und weichen, zahnförmigen, nicht hornigen Fasern, welche hauptsächlich die weichen Theile des Mundes mit bilden helfen (Fig. 3). Das wesentlichste Kauorgan (Fig. 4.5) bilden aber die Unterkiefer (Maxillae), welche verhältnissmässig sehr stark und breit sind, den Mund von unten gänzlich bedecken und aus 2 Gliedern bestehen, Das Basalstück (Cardo) ist kürzer (h), halbmondfórmig und legt sich dem innern untern Rande des Seitentheils der Kopfschuppe an. Das Kau- stück (Stipes) ist aber dreieckig (i), auf der untern freien Flüche mit einer starken Längenvertiefung versehen, wodurch es fast bis zur Hälfte in 2 Ab- theilungen gespalten wird, und am innern vordern freien Rande mit 6— 7 star- ken Hornzähnen bewaffnet; der Zahnrand ist dunkler. In der Mundhóhle ver- borgen, mit dem äussern Ende dem vordern innern Rande des Seitenkopfstücks eingelenkt, liegen die mit den Zahnründern gegeneinander gerichteten einglied- rigen Oberkiefer (Mandibulae Fig. 5 und 6 g); sie sind mit 5 Zähnen verse- hen und werden unten von den Unterkiefern verdeckt; obgleich sie kleiner und schwücher sind als die Unterkiefer, so sind ihre Zühne doch merklich stärker. — Hinten zwischen dem Basalstück der "Unterkiefer und vor. dem : Querri. — des Seitenkopfstücks liegt (von unten gesehen) in der fórmiges Hornstückchen (Fig. 4. 5. f), dessen Spitze nach hin- en n gerichtet ist; die beiden Schenkel legen sich nach vorn auf die obere Fläche der Unterkiefer; es besteht aus einem kleinen Mittelstück (Unterlippe, Labium), und an jeder Seite aus einem eingliedrigen Fortsatz, welcher Lippentaster an- zudeuten scheint. Eigentliche Palpen sind nicht vorhanden. Der Körper besteht ausser dem Kopfe aus 13 Ringen, von denen aber der letzte sehr unbedeutend und eigentlich nur das Körperende ist. Jeder der 3 vordern (Brustringe) lässt unten, jederseits eine weisse runde verkehrt tel- lerförmige Fleischwarze erkennen; diese Papillen sind fussartige Gebilde, welche allen übrigen Ringen fehlen; bei Fig. 7 l sind sie von Innen zu sehen. Auf den Ringen, jedoch fast in der Seite, liegen 8 Paar schwarze Luftlócher (Stig- schmale, lángliche, an der Spitze zweispaltige unter dem vordern Rande des Kopfs verborgene Mandibeln; die von ihm geschilderten Theile sind aber die . Maxillen. 56 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, mata m). Dem 2. 3. 11. 12. und 13. Ringe fehlen dieselben. Das des ersten Ringes ist viel grósser als die übrigen, welche nur bei sehr genauer Betrach- tung erkannt werden, und springt mit seinem Hornrande etwas vor. Die bei- den Haupitracheenäste sind verhältnissmässig sehr schwach. Haarartige Theile, wie sie Léon Dufour bei der Sciara ingenua nn hal, kommen nicht vor. Was den innern Bau betrifft, so ist der Eingang (a) in die Speiseröhre rund und etwas faltig, die Speiseröhre (p) selbst aber cylindrisch und geht plötzlich in den derben dickwandigen rundlichen und stark abgesetzten Vormagen (Proventriculus q) über. Von diesem geht jederseits ein langer weiter dem Chylusmagen dicht anliegender Magensack (r) ab, der sich bis zum Anfange des 10. Ringes erstreckt. Der auf den Vormagen folgende Chylusmagen (Ven- triculus s) erstreckt sich bis zum 10. Ringe, wo der Krummdarm (Ileum) beginnt. Dieser Krummdarm (t) bildet eine Schlinge und verläuft dann als enger Mastdarm (a) in gerader Richtung bis zum After, der sich am Körper- ende befindet. Die Krummdarmschlinge ist aber keine constante Erscheinung, denn oft fehlt dieselbe, oder sie ist nur schwach schraubenförmig angedeutet; sie verzieht sich nàmlich wenn Koththeile hindurch bewegt werden, und be- sonders wenn das hintere Kórperende behuf der Darmausleerung spitz her- vortritt, indem durch dieses Vortreten der Darm lang gezogen wird und dabei tsächlich. auf Kosten des Krummdarms geschieht. efásse (v) verlaufen bis zum 3. Kör- ringe ^ - sie nur einen gemeinschaftlichen Gang zu u bilden ng von hier a an 1 weichen sie aber auseinander und verlaufen einzeln mit verschied mungen und en elungen bis zum 11. ne wo jedes Gefäss blind endet, del a Die Harngefässe (w), deren es 5 zwei giebt, gnti - iger ^" ES i vier Mündungen am Ende des Chylusmagens, sind gegeneinander geboger ben vier blinde Enden, und ihre Länge ist der zweier K rrin An der innern Flache des Rückenbogens der Körperringe befindet sich jederseits ein flacher spitzeiförmiger Körper (n), an dessen vorderem breitem Ende das Stigma sich zeigt Diese Körper fehlen dem ersten und den drei letzten Ringen; am zweiten und dritten Ringe sind sie nur rudimentär. DER HEERWURM. 57 Ein Netzwerk sehr feiner Fasern bildet die Grundlage, in welcher viele Fett- zellen und Fettbläschen enthalten sind. Das Nervensystem besteht ausser der Halsschlinge (k) mit dem obern und untern Gehirnknoten, aus den gewöhnlichen 11 Bauchganglien, von denen einige auf der Grenze je zweier Ringe, andere auf den Ringen liegen. Die grossen Hirnknoten sind nicht von der Kopfschuppe eingeschlossen, sondern liegen unmittelbar hinter derselben (Fig. 1), wesshalb der Kopf nicht die Be- deutung hat wie bei den Larven anderer Insektenordnungen, sondern vielmehr nur als ein fester Apparat erscheint, um den Fresswerkzeugen auf eine zweck- mässige Weise eine gehörige Grundlage und Stütze zu gewähren. Der Ner- venstrang ist zwischen dem Halsknoten und dem ersten Bauchknoten, so wie zwischen diesem und dem zweiten doppelt, zwischen dem 2. und 3. anfangs doppelt, dann ‚aber, wie zwischen den übrigen Knoten einfach. Vom End- knoten läuft jederseits der ziemlich starke Nervenstrang nach aussen und hin- ten und verbreitet sich in die im UNION liegenden Theile mit zahlreichen Ästen. Über die Larven der Sciara ingenua hat Léon Dafont?) 2 Beob- achtungen mitgetheilt, aus denen e eine gewisse nühere Ubereinstimmung im Bau beider Arten hervorgeht sitzen dieselben auch die — neben den Luftlöchern. Aber auch en bedeutende Unterschiede vor, in- dem bei der von Dufour beschriebenen Art der Kopf länglicher ist, der Hinterhauptsrand eine lang vortretende Mittelspitze hat und an den Seiten we- niger tief ausgeschnitten ist. Besonders merkwürdig ist aber die gänzlich ab- weichende Form der Unterkiefer, welche sehr schmal und nur zweispitzig sind, während hingegen die Heerwurmlarve breite vielzähnige Unterkiefer hat und hinsichtlich dieser Bildung sehr mit Macrocera hybrida und Mycetophila amabilis übereinstimmt. Ob bei Sciara ingenua wirklich die Augen fehlen, scheint mir zweifelhaft. Varietäten. — Bereits bei meiner ersten Mittheilung 2) habe ich mich dahin ausgesprochen, dass es möglich und sogar wahrscheinlich sei, dass die Maden der Sciara Thomae nicht allein Heerwürmer bilden, sondern dass sol- 1) A. a. O. p. 30. 2) Nachrichten a. a. O. p. 74. Phys. Classe. VI. H 58 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, ches auch von andern Sciara- und verwandten Mückenarten geschehen könne; und Herr L. Bechstein !) macht darauf aufmerksam, dass es einen dunklern und einen hellern Heerwurm gebe. Namentlich wolle der Herr Förster Bu- chenróder im Sommer 1850 die Maden bräunlich von Farbe und fast 1 Zoll lang gesehen haben. Da jedoch diese Lüngenangabe, wie es scheint, nur auf allgemeiner Schätzung und nicht auf bestimmten Messungen beruht, so ist die- selbe auch ohne besondere Bedeutung. Was aber die Färbung betrifft, so kommt in der Hinsicht allerdings eine Verschiedenheit vor, und dass überhaupt ‚eine Grössenverschiedenheit obwalten müsse, — schon das verschiedene Alter der Maden mit sich. Das hiesige academische Museum besitzt fögenwärtig 3 Heerwurmstücke, sämmtlich aus dem Königreich Hannover, — eins von Birkenmoor, eins aus der Eilenriede und eins aus Mollenfelde; dieses letztere ist dasjenige, von dem ich früher glaubte, dass es von Kühn herrühre. Diese 3 Exemplare sind der Grösse und der Färbung 'nach verschieden, und werden in der genannten Rei- henfolge kleiner; das kleinste ist auch dunkler. Von den Birkenmoorer Lar- ven gehen 9 auf 98 Millimeter oder auf 44% par. Linien; demnach sind die einzelnen Maden etwa 11 Millimeter oder 5 Lin. lang; ihre Dicke beträgt 11% Millimeter. ‘Von den Eilenrieder Larven gehen 10 auf 102 Millimeter oder auf ELA Keep sie sind also durchschnittlich etwa 10 Millimeter oder 4½ Lin. lang, ihre Dicke geht bis zu 114 Milinetbn:: Von den Mollenfelder Larven gehen 10 auf 97 Millimeter, oder auf 43½ Linie; sie sind also einzeln etwa 92% -Millimeter- 60 1 417, Linie l ihre Dicke ist 1 Millimeter. — Bei allen 3 Exemplaren zeigen Re einnöinem: Tired. nicht die gleiche Grösse, indem es unter einer viel bedeutendern Anzahl von grossen eine geringere Anzahl klei- nerer, und zwar etwa in dem Verhältniss von 25 : 1, giebt „welche letztere die Maden der männlichen Mücken sind. Hinsichtlich der Farbe stimmen die hellern Birkenmoorer und Eilenrieder vollkommen überein, während die Mollen- felder merklich dunkler sind. Es würde nun allerdings der fernern Beobach- tung überlassen bleiben müssen das eigentliche Verhältniss einer etwaigen spe- cifischen Verschiedenheit nach ausgekommenen Mücken zu ermitteln. Dass aber verschiedene Färbungen sehr häufig nur als Varietätserscheinungen Gül- |. M) A. a. 0. p. 59. DER HEERWURM. 59 tigkeit haben, dafür liefert das gesammte Thierreich Beweise genug, wie man auch besonders an Nacktschnecken und Regenwürmern wahrnimmt, auf deren Färbung namentlich die Verschiedenheit der Nahrung einen wesentlichen Ein- fluss ausübt; und dass auch sogar die Thomastrauermücke selbst in genannter Beziehung, namentlich hinsichtlich der intel der Beine merklich varürt, ist eine 6 bekannte "Thatsache. Inn Die genaueste — des innern Baues, e iini auch die Beschaffenheit des Kopfs und der Kauorgane haben auch nicht den mindesten wesentlichen Unterschied bei allen drei Heerwürmern erkennen lassen. — Die mindere Grösse deutet im Allgemeinen an, dass die Thiere jünger, d. h. noch nicht ausgewachsen sind; solches geht auch aus Kühns Beobachtungen hervor, welcher in derselben Gegend junge kleine und alte ausgewachsene Maden fand; aber in den grössten Zügen, sagt er, waren sie alle ausgewach- sen. Wahrscheinlich hat Juncker, welcher die Maden so gross als eine kleine Käsemade angiebt, jüngere Thiere vor sich gehabt, während dagegen Ramus, der ihre Grösse mit der eines Haferkorns vergleicht, De Geer, Kühn und Voigt, welche die Länge zu ½ Zoll angeben, ältere Maden be- schrieben haben. BEER waren As Bechsteinschen. Maden alte, wie aus : 721. a 12 11. "AT. GR. F 8 am va gaben hr — — indem die Maden im 1 ae Seite 41 auf 6—7 Linien, Seite 66 aber auf 5—6 Linien angegeben werden, während Figur 2 die in natürlicher Grösse gezeichneten Maden nur 4—4½ Par. Lin., oder genauer 9 — 10 Millimeter betragen. Hinsichtlich der Dicke variren Bechsteins Angaben noch bei weitem mehr, indem dieselbe S. 66 zu 1½ bis 1%, Linie angegeben werden, während die richtige Zeichnung in na- türlicher Grösse Figur 2 nur etwa ½ Linie, oder genauer 1 Millimeter beträgt. Die Nymphe. — Nympha oblonga, isabellina, thorace: convexo, oculis rotundatis, antennis arcuatis ad primum, alis lamellaceis ad secundum, pedibus subaequalibus ad tertium segmentum porrectis. — — 2 — 3, latitudo ½ —?/; Lin. par. : - - Lànglich, schmutzig gelb, Rücken gewölbt, Aiii een Antennen gebogen bis zum 1sten, Flügel blattähnlich, nach hinten und unten gerichtet bis zum 2ten, Füsse fast gleich lang, bis zum 3ten Abschnitt sich erstreckend. H2 60 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, Kühn, Naturforscher St. 18 Tab. 5 Fig. C. L. Bechstein, der Heerwurm, Fig. 6. 7. Die Nymphe (Fig. 8) besteht ausser dem Kopf und dem sehr gewölbten Thorax aus 9 Ringen, von denen der erste aber der Metathorax ist, so dass zum wirklichen Bauch nur 8 Ringe gehören, von denen 7 ein deutliches Stigma haben. Von den Beinen ist das letzte oder äusserste Paar das am meisten, das vorderste oder innerste Paar das am wenigsten nach hinten sich erstre- ckende. Die Grösse der Nymphen ist verschieden; die grössten sind bis 6 Millimeter lang und 1%, bis 1%, dick. Der Austritt der Fliege geschieht aus einer Längenspalte auf dem Pro- und Mesothorax. Dauer der Puppenzeit zu 12 Tagen angegeben. Die Nymphe von Sciara ingenua Duf. unterscheidet sich besonders durch die Lànge der Glieder, namentlich erstrecken sich die Antennen fast bis zum ‚sten, die Flügel bis zum Aten Ringe, die Füsse aber bis zum Körperende. Sie ist in einen weisslichen Cocon eingeschlossen, der aber auch fehlen kann. — Westwood!) beobachtete die Nymphen verschiedener Sciaraarten, aber sie waren nicht in Cocons eingeschlossen, während Bouché 2) fand, dass Sciaranymphen sich theils geklebte „theils gesponnene Hüllen bildeten. Die Mücke. — -Sciara , Meig. — Parva. Caput deorsum versum. An- nulatum. Alae incumbentes, parallelae, nervis longitudinalibus subquinque, quo- rum medius obsolelus furcatus, ramis furcae subaequalibus. Halteres puberuli. Tibiarum apex intus bicalcaratus. :; i | HoH Die Trauermücke. — Klein. Kopf fast unter dem Thorax; Antennen — 1) An introduction to the modern classification of Insects. Vol. 2. 7 bon 1840. p. 523. 2) Bemerkungen über die Larven der zweiflügeligen Insekten, in Nova acta phys. meld. A. C. L. C. Naturae Curiosorum T. XVII. P. 1. Bresl. 1835. p. 496. — In „seiner Naturgeschichte der Insekten, besonders in Hinsicht ihrer ersten Zustünde als Larven und Puppen, Hft 1. Berl. 1534. hat er Tab. 3 Fig. 10—15 die Larve und Puppe von Sciara vitrepennis abgebildet, | DER HEERWURM. 61 vorgestreckt, eingebogen, cylindrisch, fein behaart, bei beiden Geschlechtern 16 gliedrig, mit 2 dickern Basalgliedern. Nebenaugen 3, im Dreieck, das vordere unpaare kleiner. Schnautze kurz; Palpen vortretend, eingebogen, 3gliedrig. Rücken gewölbt mit kurz behaarten Längenstreifen, ohne Quernath. Leib 8 ringelig. Flügel aufliegend, parallel mit 5 Lüngenadern, von denen die mittlere verwischte mit einer fast gleichschenkligen Gabel endet. Schwinger fein behaart. Schienenenden an der Innenseite doppelt gespornt. Fabricius, Systema antliatorum. Braunschw. 1800 p. 15. Meigen, europ. zweiflüglige Insekten. Theil 1. p. 276. Macquart, Dipteres. T. 1. p. 147. Zetterstedt, Diptera Scandinaviae. T. X. p. 3711. Aus diesem Gattungscharacter, wodurch alle übrigen Dipterngattungen ausgeschlossen werden, erhellt, dass das Insekt eine Sciara Meig. oder Trauer- mücke ist. Sciara Thoin Meig. — Sc. atra, thorace nitido; abdomine ad latera flavo; alis fuliginosis irisantibus; nervo auxiliari: usque ad basin furcae nervi intermedii extenso; halteribus nigricantibus. Long. 2—2%, Lin. paris. o Thomastrauermücke. — Schwarz, Thorax glänzend, Bauchseiten gel. Flügel russfarbig, regenbogenschillernd. Hülfsader bis zur Bgsis der Gabel der Mittelader reichend. Schwinger schwarzbraun. z Linné, Syslema naturae. Bd, 12. T. I. P. II. Holm. 1767. p. 976. Kühn im Naturforscher. St. 18. 1782. Taf. 5. D. E. (Männchen). Schaeffer, Icones insectorum. Vol. 3. (1796) Tab. 2. Fig. 6. 7 (Weibchen). Panzer, Fauna insectorum Hft 59 (1798) Tab. 9. (Weibchen). | Meigen, europ. Zweiflügler. Thl. 1. (1818) Tab. 4. Fig. 3 (Weibchen), Fig. 4. (Afterzange des Männchen). Bechstein, der Heerwurm. Fig. 8. 9. (Weibchen). Der Kopf schwarz, rundlich und vorn unter den Thorax gebogen; 2; Lin. lang (von vorn nach hinten). Die Antennen braun, 9/45 Par. Lin. lang und reichen, nach hinten gerichtet, bis zum Anfang des Abdomen; sie sind fa- denfórmig, vorgestreckt, schwach gebogen, fein behaart und gegen das Ende hin etwas verdünnt, bestehen aus 16 Gliedern, von denen die beiden ersten 62 ARNOLD.ADOLPH BERTHOLD, dicker, und mit spärlichen aber etwas stärkern Haaren besetzt sind. Die in- nen ausgeschnittenen Augen nähern sich mit ihren obern dünnern Hörnern, ohne jedoch zusammenzustossen. Nebenaugen (d') im Dreieck, das vordere unpaare kleiner. Oberlippe (o) kurz, länglich viereckig, Unterkiefer (h) ru- dimentäre dreiseitige Blättchen zum Ansatz der Palpen, welehe braun, 2/55 Lin. lang, etwas nach innen gekrümmt sind ; vorstehen und aus 3 fast gleich langen Gliedern bestehen. Der Mund unten von 2 kurzbehaarten Unterlip- pen (f) bedeckt, welche in der Nähe herzförmig dicht neben einander liegen aber vorgestreckt werden können (Fig.11) und dabei schmaler werden. Über und zwischen den Unterlippen eine dreieckige Zunge (Y, welche eine spitze zweischenkelige Stechborste (Fig. 10) trügt; — Thorax hochgewölbt, & ; Lin. lang; oben glänzend schwarz, ohne Ouernath und mit 4 Längenstreifen feiner abfälliger Häärchen, welche schwache Furchen zwischen sich lassen. (Fig. 12). Prothorax und Mesothorax innig mit einander verbunden, Meta- thorax aber leicht trennbar und einen ganz selbstständigen, nur mit den Schwingkolben und dem dritten Beinpaar versehenen schmalen Ring (Fig. 13) bildend. — Bauch 294; Lin. lang, braun, Sringelig; die Ringe bestehen aus einer obern breiten und untern schmalen fein behaarten Chitinplatte und aus weicher verbindender Seitenhaut; die Zahl der obern Chitinplatten beträgt 8, die der untern 6. In der Seitenhaut, gegen den vordern Theil der obern Platten Sé, login n 6 ele. (Fig. 9) 1). Diese Seitenhaut, welche, da die alten viel breiter sind, als die untern, mehr nach unten sich erstreckt, ist ge b. Das Gelb aber, welches en — verschwin- det meist bald nach dem Tode. Das Bauchende bildet ine igliedrige Spitze. Flügel 1845 Lin. lang, 944 Lin. Deng russſarbig, stark irisirend (auch bei lange trocken aufbewahrten an mikroskopisch behaart. t — 1) Réaumur (mem. pour servir à l'hist. (m Insectes T. V. Par. 1740. = 7) sag: »Les stigmates des anneaux du corps doivent étre extrömement petits, car je les ai cherehés avec une assés forte ise e —- avoir pü les découvrir“, = Leon Dufour (Recherches anatomiques et sur les dipte , in Mémoi- res présentés par divers Savants à eee des Sciences de ciis national de France T. II. Par. 1851. p. 189) wiederholt: „Je n'ai pas découvert, non plus que Réaumur, les sligmates abdominaux des tipulaires (wozu auch die Sciara gehört); j'en le à de nouvelles explorations.“ i DER HEERWURM. 63 ausser der Flügelrippe und der Achselader, 5, von denen die mittlere, von der 2ten Làngenader enispringendé einen dünnen verwaschenen Stiel hat und mit einer fast gleichschenkeligen Gabel von !945 Lin. Länge endet; vier Längen- adern erreichen den freien oder innern Flügelrand. Die beiden äussern stärk- sten Adern sind mittelst einer kurzen Querader verbunden. Schwinger (Fig. 13) braun, 545 Lin. lang, am Rande fein behaart. Beine braun, vorderste 1545 Lin., zweite (kürzeste) 1545 Lin., dritte (längste) 19,5 Lin. lang. Hüfte, besonders der Trochanter, etwas dunkler. Schienen am Ende doppelt gespornt; Spornen der Hinterschienen längste, !4 9 Lin. lang; Vorderschienen nur mit einem Sporn. Letztes Tarsenglied (Fig. 14) zwischen den Krallen, mit fácherfórmig gestelllen Borstenbüscheln. Männchen : Kleiner, 2 Lin. lang, stärker behaart; Kopf dicker und inniger dem Prothorax angefügt. Leib schmächtiger, am Ende stumpf; am. achten Ringe eine starke zweigliedrige Zange von *45 Lin. Länge mit steifen spitzen Haa- ren, aber ohne Kralle; jeder Zangenarm ist Yız Lin. dick; zwischen den Zan- gen befinden sich noch zwei feine Endspitzen (Fig. 15). Seiten mit gelben käpkiehen, , aber nicht ee Es eium aber auch meglio 8 und " N gh abe ppt: auf eas Sten Ring folgt. sic eine aus 3 feinen ran be- stehende Röhre, welche jederseits mit einer kurzen zweigliedrigen Spitze endet; unten neben dem After befindet sich jederseits eine kleine dunkel- braune vorspringende Längenleiste. Beim Legegeschäft tritt ein kurzer, be- haarter 2gliedriger Legebohrer hervor, welcher zu andern Zeiten im Leibe verborgen ist (Fig. 16). Seiten mit gelber Làngenbinde; vorderer und hinte- rer Rand. der Leibesringe, oder vielmehr. Verbindungshaut dazwischen, eben so gelb gesüumt. — Auch gibt es merklich grössere und kleinere Weibchen. 6. > Eine Verwechselung der Sciara Thomae mit andern Sciaraarten ist bei aufmerksamer Betrachtung nicht leicht möglich, denn sie ist die grösste und die einzige Art mit gelben Seitenfärbungen. Sie ist von J. C. Fabricius bei Upsala entdeckt, und im J. 1767 von Linné unter dem Namen Tipula 64 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, Thomae in das System eingeführt worden. Der von Linné gegebene Cha- racter ist: „Tipula atra glabra, alis nigris, abdominis lateribus linea crocea. Antennae longitudine thoracis. Distinctissima linea abdominis utrinque crocea.“ Hieraus leuchtet hervor, dass Linné nur das Weibchen kannte, und in allen entomologischen Schriften, namentlich in denen des Fabricius, von der er- sten Auflage seiner Species insectorum (Tom. 2. 1787. p. 327) an bis zu sei- nem letzten Werke, Systema antliatorum (1805. p. 16), hat dieser weibliche Character für die ganze Species gegolten. Erst Meigen (1818) hat den Geschlechtsunterschied hervorgehoben, und die Species ausführlicher geschildert. Panzer hat zuerst die Bemerkung gemacht, dass die gelbe Farbe nach dem Tode verschwindet. Bei länger im Spiritus aufbewahrten Exemplaren geht dieser Character so günzlich verloren, dass man keine Spur mehr davon wahrnimmt; auch schwindet die dunkle Farbe solcher Thiere und ihrer Theile überhaupt, indem sie abblassen; die obere Seite des Thorax behält verhältniss- mässig am meisten und längsten die dunkle Farbe. Die trocken aufbewahrte Mücke bleibt aber dunkel oder schwarz, und die gelben Seitenfärbungen ver- schwinden meist gänzlich; Spuren davon erhalten sich aber mitunter recht gut, namentlich alsdann, wenn die weiche Seitenhaut unter den obern und untern Schildern sich zurückgezogen hat und der Lichteinwirkung nicht ausgesetzt ist. Aus diesen Ursachen sind wohl schon ältere aufbewahrte Exemplare als be- sondere Arten aufgestellt worden, z. B. die Sciara lateralis, Megerle. — Was die Grösse betrifft, so misst die Abbildung bei Schäffer!) mit den Antennen 9 Linien, während die von Panzer?) gegebene, sehr gute Abbildung (ohne Antennen) 22/, Linien beträgt, was auch als die wahre durchschnittliche Grösse der Weibchen betrachtet werden muss. Meigen hat als Grösse 4 Linien angegeben, und eben so Macquart. Wegen dieser bedeutenden Grösse zweifelt Zetterstedt5), ob die Sciara Thomae dieser beiden Dipterologen mit der wirklichen identisch sei. Ein solcher Zweifel löset sich aber durch 1) Icones insectorum circa Ratisbonam indigenorum, Regensb. 1766—1796. Vol. 3. Tab. 209. Fig. 6. 7. „Erste Erdfliege mit aufliegenden Flügeln.“ 2) Faunae insectorum Germaniae initia. Hft 59. Tab. 9. Nürnb. 1798. „Thomas- erdfliege*. 3) Diptera Scandinaviae T. X. p. 3715. DER HEERWURM. 65 Meigens Abbildung (Tab. 4. Fig. 3), wo die wahre Grösse richtig zu 22/ Lin. angezeichnet ist. Demnach hat sich Meigen im Text geirrt, und Macquart, so wie verschiedene andere Zoologen haben wahrscheinlich den Irrthum aus Meigens Text entlehnt. Es könnte nun noch eine ‚Verwechselung der Sciara Thomae mit den übrigen über 2 Linien grossen europäischen Sciaraarten Statt finden. Da je- doch die hier in Betracht kommende Sciara ruficauda und Se. carbonaria an- dere Antennenverhülinisse und nicht regenbogenschillernde Flügel haben, so kónnen selbige nicht weiter berücksichtigt werden. Anders verhält es sich mit der Sciara Morio, Meig., welche aus der Tipula foreipata Fabr. (einem Männ- chen) und aus dem Rhagio Morio Fabr. (einem Weibchen) gebildet ist. Der sehr erfahrne Dipterolog Zetterstedt hatte früher 1) die Sciara Thomae Sciara Morio genannt, in seinem neuesten Werke 2) aber hegt er Zweifel darüber, ob die Sciara Morio eine wirkliche besondere Art sei, meint jedoch im Frühjahr 1851 ein Weibchen gefunden zu haben 5). — Mir scheint die Tipula forcipata Fabr., welche in Fabricius entomologischen Schriften seit dem J. 1787 vorkommt als T. abdomine cylindrico atro, alis fusco - hyalinis, ano appendiculato, oder ano appendiculis duobus clavatis, nichts anderes als. ET | 'homae zu ein welches im trocknen Zustande cha- racterisirt ist. Was aber Rhagio Morio Fabr. betrifft , dem ein Weibchen zu Grunde liegt, so kann ich weder in dem Character atra pedibus piceis, alis fuliginosis, besonders da nach Meigen auch die Flügel mit Regenbogenfar- ben spielen, noch in der einzigen mir bekannt gewordenen Abbildung eines Weibchens bei Macquart*) irgend einen Character finden ‚ welcher einen auch nur einigermassen merklichen Unterschied von trocken aufbewahrten weiblichen Thomas- Trauermücken beurkundete. Zu solchen trocknen Exem- plaren passt auch die Grösse von 2½ Linien sehr gut, ja es giebt sogar trockne weibliche Exemplare der letztern Art, welche 2 volle Pariser Linien nicht erreichen. 1) Insecta lapponica. Leipz. 1838— 1840. 825. 1. 2) Diptera Scandinaviae T. X. p. 3716. 3) Diptera Scandinaviae T. XI. 1852. p. 4354. 4) Insectes Diptéres T. 1. Par. 1834. Tab. 4. Fig. 1. Phys. Classe. VI. I 66 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, F Was nun die Verbreitung der Mücke betrifft, so ist dieselbe ohne Zwei- fel die gemeinste und bekannteste Sciaraart. Sie ist in Schweden, namentlich bei Upsala von Fabricius entdeckt !) und findet sich in ganz Scandinavien auf Gräsern und Sträuchern in Gärten, Wiesen und auf Weiden im Sommer sehr häufig. In Norwegen und Lappland ist sie nicht selten; eben so in Dä- nemark und Finnland. In Deutschland und auch zum Theil in Frankreich gilt sie als gemein; bei Aachen fand sie Meigen, von Wien stammt Megerle's Sciara lateralis, bei Regensburg fand sie Schäffer, bei Nürnberg Panzer, von Birkenmoor aus Heerwurmlarven erhielt ich sie. Demnach fehlt sie nicht in denjenigen Ländern, in welchen man Heerwürmer beobachtet hat. Jedoch scheint sie in den bergigen kältern Gegenden besonders häufig vorzukommen, wie denn auch Fabricius den Norden Europas als ihr Vaterland bezeichnet, und das sind ja auch die Länder — Norwegen, Schweden, Schlesien, Thü- ringen, Hannover — wo der Heerwurm häufiger vorzukommen pflegt. 8. In [o5 Ziehen und Wandern des Heerwurms, so wie in der massenhaf- ten Vereinigung der denselben bildenden Maden, ^e sich der Instinkt als Geselligkeitstrieb. aus, wie wir ihn in dem Thierreiche in gar mannigfaltigen Formen und zu verschiedenen Zwecken beobachten. Obwohl wir uns von solchen Zwecken nicht immer eine klare Vorstellung zu machen im Stande sind, indem manche Geselligkeitsverhältnisse so unmittelbar mit dem Wesen der Geschöpfe verknüpft sind, dass sie auch ohne einleuchtenden besondern Zweck als nothwendige Lebensäusserungen derselben betrachtet werden müssen m so bezieht sich doch die Bedeutung der Geselligkeit im Allgemeinen zunächst entweder auf das. Individualleben, oder auf das Gattungsleben 2). Möge sie nun aber j jener oder dieser Lebensform angehören, so wird durch den Trieb entweder eine Abwehr nachtheiliger Einflüsse, oder die Herbeischaffung posi- 1) Das hat Meigen übersehen, wenn er sagt, dass sie in Bütrodes nicht einhei- misch zu sein scheine. 2) A. A. Berthold, Lehrbuch der Physiologie 3te Aufl. Gött. "dis Bd. 1. p. 335. DER HEERWURM. 67 tiver Vortheile erzielt. Da die Heerwurmlarven nur ein auf die Entwicke- lung und weitere Ausbildung sich beziehendes Individualleben führen, aber zu einer eigentlichen Fortpflanzungsfunction nicht befähigt sind, so kann ihr Geselligkeitstrieb nicht von der Art sein, wie wir ihn bei so vielen fort- pflanzungsfähigen Insekten, z. B. bei den Bienen in ihren Schwärmen, den Ameisen bei ihren Ausflügen, den Mücken bei ihren Lufttänzen, den Termiten bei ihren Auszügen, den Landkrabben bei ihren Wanderungen zum Meere um ihre Eier abzulegen, und bei noch vielen andern Geschópfen wahrnehmen. Es kann also in Bezug auf den Heerwurm nur von Geselligkeit zu Individualzwe- cken die Rede sein. Aber dieser Individualzweck bezieht sich nicht auf das vollendete Insekt, sondern vielmehr nur auf die Kindheit desselben, und zwar zunächst auf den Larvenzustand, in welchem ja, wie der Wurm- und Amei- senlöwe beweisen, oft die wunderbarsten Instinkterscheinungen vorzukommen pflegen; dass aber beim Heerwurm der Zweck des Geselligkeitstriebes sich auch auf den Puppenzustand beziehe, ist zwar bereits erw ähnt, wird aber noch weiter erörtert werden, da gerade den Puppen aus dem Geselligkeitstriebe der Heerwurmlarven der hauptsächlichste Vortheil erwächst. d | Was nun die Abwehr eines äussern Nachtheils, einer äussern Gefahr be- trift, so kann dieselbe beim Heerwurm wohl kaum in Betracht kommen, da dessen Maden nicht das Vermögen besitzen hinlänglich schnell zu wandern, um Nachstellungen anderer Thiere oder allgemeinen für sie schädlichen Naturer- eignissen zu entgehen. Die Vermuthung des Herrn Guérin 1), dass die Ver- einigung dieser Larven zu so bedeutenden Massen von ihrem Bedürfniss her- rühre, sich einander vor dem Vertrocknen zu schützen, indem diese kleinen nackten und weichen Thiere einzeln der Luft und äussern Hitze ausgesetzt in grosser Gefahr seien umzukommen, wührend hingegen dieselben durch Hülfe einer klebrichten Materie zu gróssern Massen vereinigt einem solchen Ver- trocknen besser zu widerstehen vermóchten, ist allerdings durch physikalische Gesetze begründet. Dass solches aber nicht der eigentliche Grund, sondern mehr eine zufällige Folge der Geselligkeit dieser Maden sei, leuchtet schon daraus ein, dass, wie Kühn ausdrücklich hervorhebt, das hintere Ende manch- po 1) Revue zoologique 1846. p. 14. E. 6, 12 68 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, mal nur von einzelnen nachziehenden Maden gebildet wird, so wie daraus, dass es Zeitmomente gibt, wo die Massen sich auflösen, die Larven sich zerstreuen und einzeln ihr Leben fortzuführen gezwungen sind. — Obwohl, wie schon Kühn bemerkte, Heerwürmer vorkommen, die aus kleinern Maden bestehen, und andere, deren Maden grösser sind, so ist doch von keinem genauern Beobachter die Grösse geringer als 3 Linien angegeben, Aus diesem Um- stande wird es wahrscheinlich, dass der Geselligkeitstrieb in den Larven erst erwacht, nachdem sie einen bedeutendern Entwickelungsgrad und ein vorge- rückteres Alter erreicht haben. Es müssen also solche Maden eine Zeitlang einzeln, und demnach auch ohne sich gegenseitig vor dem Vertrocknen schü- izen zu können, ihr Leben geführt haben. Ja sogar müssen in solchen Jahren und in solchen Ländern, in welchen es keine Heerwürmer giebt, alle Maden ihr Leben einzeln verbringen; und dass sie dabei dennoch nicht vertrocknen, geht schon daraus hervor, dass Thomas-Trauermücken, welche aus solchen Maden entstehen, in keinem Jahre fehlen. Demnach würde ein positiver Vortheil übrig bleiben, den die Heerwurm- larven durch ihren Geselligkeitstrieb als wandernde und massenhaft angehäufte Heerwürmer erreichen. Leider fehlt es uns noch sehr an Beobachtungen über das Larvenleben der zum Genus Sciara überhaupt gehörenden Fliegen. La- treille?) rechnet sie zu den Schwammfressern, während Macquart?) be- hauptet, dass sie = im Humus entwickeln. Wir kennen aber nur den Lar- venzustand von wenigen Sciaraarten, deren Lebensweise sehr verschieden ist. Die Sciara, welche Host5) Tipula paradoxa genannt hat, ist in der Lohe warmer Gewächshäuser beobachtet worden, von deren feinern Theilen sie sich nährt, bis sie ausgewachsen an die Oberfläche kommt und zur Puppe sich verwandelt. Meigen*) sah die Sciara hyalipennis im März in Menge aus der Erde eines Blumentopfs, der vor dem Fenster seines Wohnzimmers stand, — M Die Erg blieb halb in der Erde stecken, war sta- 1 N Natürliche Familien des Thierreichs, aus dem Franz. übersetzt von A. A. Bert- hold. Weimar 1827. p. 494 2) A. a. O. p. 126. 3) Jacquin a. a. O. p. 300. 4) A. a. O. B. I. p. 285. DER HEERWURM. 69 chellos, mit gelber Brust. Die Mücken paarten sich schon nach einigen Stun- den, und im Anfange des Juni erschien ebendaselbst die zweite Generation. Stäger!) fand die Larven von Sciara praecox in der Wurzel von Arctium lappa überwinternd; ihr Körper war citrongelb, der Kopf glänzend schwarz. Im Mai kommen die Insekten aus und ihr Puppenzustand dauert 3—4 Wochen. Zetterstedt?) fand am 4— 15. Juni 1821 mehrere Larven und Puppen von Sciara nitidicollis unter der Rinde faulender Fichten; von diesen Larven ver- wandelten sich mehrere vom 11—12. Juni in verkehrt kegelförmige, weiss- liche sehr spärlich beharrte Puppen, aus denen nach 3—4 Tagen (14—15. Juni) die Fliegen hervortraten. Westwood?) fand Larven und Puppen verschie- dener Sciaraarten unter der Rinde gefällter Bäume und an den Wurzeln ver- dorrter Pflanzen; Olivier ) zog drei Arten aus Weizen. — Dagegen hat Léon Dufour$5) die Larven seiner Sciara ingenua in verschiedenen Schwüm- men und Pilzen gefunden. Kühn 6) hielt einen Heerwurm drei Wochen lang in einem grossen Zu- ckerglase mit feuchter Walderde. Die Züge trennten sich sogar bei dem Pro- cess der Verpuppung nicht. ;Ohngeachtet sie Raum, Erde und Düngung ge- nug hatten, um sich darin zu zerstreuen und wie andere Larven einzeln zu verkriechen, so bleiben sie doch, da den 24. Juli, bei sehr grosser Gewitter- hitze, die wichtige Epoche ihrer Verwandelung erschien, an einem Fleck dicht neben und an einander, unter einer dünnen Decke von Misterde, wie zerstreut liegen, verloren ihre Pellueidität, wurden gelblich, krümmten sich etwas, wur- den kürzer, streiften wie die Raupen ihre äussere dünne Haut, von hinten rückwärts mitsammt dem schwarzen Hirnschädel ab, und waren in Zeit von 2 Tagen insgesammt in gelbe Püppchen von der Grösse eines halben Kümmel- * korns (oder vielmehr wie er Bd. 15 p. 96 richtiger angiebt von der Grösse I) Zetterstedt Dipt. Scand. T. X. p. 3736. 2) Daselbst p. 3738. 3) A. a. O. p. 523. 4) Daselbst p. 496. 5) Ann. des Sc. nat. 2. Sér. T. XII. Zool. Per. 1839. p. 29. 6) Naturforscher Bd. 18. p. 228. 70 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, eines Roggenkorns) verwandelt“. Die Dauer des Puppenzustandes giebt Kühn auf.12 Tage an. Auch dem Herrn R aude?) gelang es eingefangene Heerwurmlarven zur Verpuppung zu bringen; diese Larven hatte er etwa 8 Tage in einer Botani- sirbüchse mit Erde und Wurzeln gehalten, bis sie sich verpuppten, die Dauer des Puppenzustandes hat er nicht genau beobachtet, jedoch kann er nicht über 20 Tage gewährt haben. L. Bechstein?) hatte seinen Heerwurm am Aten August 1850 erhalten; am 16ten fand er die ersten Puppen. Die Larve er- starrt und verkürzt sich, verliert das halbdurchsichtige glasige Ansehen, wird weissgelblich wobei die Ringe deutlicher sich zeigen; das Schwanzende kriecht ein, dann streift die Larve die äussere Haut ab, woran das schwarze Köpf- chen hängen bleibt. „Die Verpuppung selbst aber erfolgte mitten unter noch muntern Larven, mitten im Zuge, auf dem Rücken anderer und war innerhalb 12 bis 16 Stunden vollendet. Die nachkriechenden trugen theilweise auf sich und unter sich die Verpuppten“. Am 21sten kamen 2 Mücken zum Vorschein, wonach die Puppenzeit nur 5 Tage gedauert hätte, was mit Zetterstedts Beobachtung von 3—4 Tagen bei Sciara nitidicollis, übereinstimmt. Hiernach leben 2 Sciaraarten in ihrem Larvenzustande in der Erde oder in Lohe, mehrere in Wurzeln oder unter Rinden oder im kranken Weitzen, und eine in Schwämmen. Zu den erstern muss auch wohl die Sciara Thomae gezählt werden. Aber man kennt ihren frühesten Larvenzustand noch nicht, sondern erst von der Zeit an, wenn die Larven eine Länge von mehr als 3 Linien erreicht haben und dann ihre Heerwurmzüge ausführen. Bis man ihr frühestes Larvenleben kennen gelernt haben wird ; wird noch immer eine be- deutende Lücke in ihrer Naturgeschichte, namentlich in Bezug auf die genauere Bedeutung ihrer Geselligkeit und ihres Wanderungstriebes obwalien. Auch ist direct noch nicht beobachtet, wohin Seiaramücken ihre Eier legen; jedoch lei- dei es | wohl keinen Zweifel, dass die Sc. ingenua dieselben auf oder in Schwàmme, die Sc. nitidicollis auf Fichten legt, während die Sc. praecox, da sie doch unmöglich in die Wurzeln des Arctium lappa unmittelbar gelangen kann, ihre Eier wahrscheinlich in die Erde oder unten an die genannte Pflanze 1) Nachrichten a. a. O. p. 71. 2) A. a. O. p. 49. l DER HEERWURM. 71 ablegt. In die Erde oder Lohe legen sowohl die Sciara hyalipennis, als auch die von Host beobachtete Art ihre Eier ab. Raudes Beobachtung aber, dass in der Botanisirbüchse, worin die Mücken ausgekommen waren, eine Menge klei- ner Eier sich befand, wovon er vermuthete, dass sie wohl schon von den Fliegen wieder entstanden seien, machen es wahrscheinlich „dass auch die Heerwurmmücke ihre Eier in die Erde legt. Dass aber die Thiere sehr bald nach ihrer Entstehung legen, geht sowohl aus der Beobachtung von Meigen hervor, als auch aus dem Umstande, dass ich Weibchen ; Welche bald nach ihrer Entstehung gefangen waren, im Zustande des Eiausleerens antraf. Ziehen wir nùn die geselligen Vereinigungen und Wanderungen anderer Thiere in Betracht, um damit die Heerwurmzüge melir oder weniger in Ver- gleich zu bringen, so würden wohl zunächst die verwandtesten Geschöpfe, also die übrigen Insekten und namentlich deren Larven oder Raupen zu berück- sichtigen sein. Dabei können jedoch solche Larvenvereinigungen nicht in Be- tracht kommen, wie wir sie bei der Markusmücke und bei so vielen andern antreffen, welche aus der Erde den Kuhfladen zuziehen und des Fressens we- gen oft in grossen Schaaren darin sich ansammeln. ü Réaumur?) theilte die geselligen Raupen in solche, welche nur wäh- rend eines Theils ihres Lebens in Gesellschaft zubringen, und in solche, welche während ihrer ganzen Lebensdauer gesellig sich verhalten. Zu den erstern gehören die Goldschwanzraupe ( Bombyx chrysorrhoea), der Fichtenspinner (Bombyx pithyocampa), der Wegerichfalter (Papilio cinxia), der Archelaus- falter (Pap. Archelaus); zu den letztern hingegen die Processionsraupe (Bom- byx processionea), die Faulbaummotte (Tinea pedella) , die Spindelbaummotte (Tinea evonymella). — Unmittelbar nachdem die Raupe von Bombyx chry- sorrhoea ihr Ei verlassen hat, ruht sie ein wenig aus, und fängt dann auf den Blättern an zu fressen. Das nächste Räupchen, welches ausgeschlüpft ist, nimmt seine Stelle dicht neben dem ersten, das dritte neben dem zweiten ein, und so geht es ganz regelmässig fort, bis die Breite des Blattes ganz besetzt ist. Ist die erste Reihe fertig, dann bildet sich hinter ihr in derselben Weise eine zweite, hinter dieser eine dritte, und so fort, bis das ganze Blatt, mit 1) Mémoires pour servir à T hist. des Insectes T. II. Par. 1736. p. 121. 179. 72 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, Ausnahme der vor der ersten Reihe befindlichen Stelle, bedeckt ist. Nun rücken die Räupchen, auf dem Blatte fressend, allmählich vorwärts, bis die erste Reihe am Ende ist und das nächste Nachbarblatt zu erreichen sucht. In dem Verhältniss wie die Raupen wachsen, vertheilen sie sich auf eine grössere Anzahl von Blättern, spinnen über sich Sicherheitszelte, bis sie sich später ein grösseres Nest machen. Vor dem Verpuppen aber zerstreuen sie sich und leben einzeln. — Die Fichtenspinnerraupen verlassen bei Sonnenaufgang ihr gemeinschaftliches Nest, kriechen schaarenweise des Fressgeschäfts wegen umher und kehren nach einigen Stunden zum Neste zurück. Aber im näch- sten Frühjahr hört ihr Geselligkeitstrieb auf, indem sie sich zur Verpuppung einzeln in die Erde verkriechen. -— Der Wegerichfalter bildet nur kleinere Gesellschaften zu etwa 100 Stück; sehr merkwürdig ist aber die Beobachtung Réaumur's, dass die Raupen verschiedener Nester zusammengebracht sich in ihren Wanderungen vereinigen und dann gemeinschafliche Züge bilden. Hierin giebt sich eine gewisse Übereinstimmung mit dem Heerwurm zu erken- nen, welcher verschiedenen, mehr als tausend Müttern seinen Ursprung ver- dankt, während die übrigen Wanderraupen nur einzelne Raupenfamilien, d. h. Nachkommen einer Mutter sind. Indess ist die genannte Erscheinung von Vereinigung mehrerer Familien zu einem gemeinschaftlichen Zuge beim We- gerichfalter eine Ausnahme von der Regel, und nur durch Réaumur's Ex- periment bewirkt, Mun sie hingegen beim Heerwurme festes Gesetz ist, indem dieser nur aus Larven verschiedener Eltern besteht. — Der Papilio Archelaus!) im heissen Amerika legt die Eier zerstreut auf die Blätter des Citronenbaums. Wenn die Räupchen ausgekommen sind, vereinigen sie sich sämmtlich auf einem Blatt, am Tage ruhend, des Nachts aber, um zu fressen, in Bewegung. Sie bilden gedrängte Colonnen, alle mit dem Kopfe nach der- selben Richtung gewandt. Wird eine Raupe angerührt, so bewegt sich der vordere Theil ihres Körpers sehr lebhaft, und alle übrigen Räupchen ahmen augenblicklich dieselbe Bewegung nach. Wenn die Raupen so sehr sich ver- grössert haben, dass die Gesellschaft auf einem Blatte keinen hinlänglichen Raum mehr findet, so breiten sie sich auf den kleinen Zweigen und endlich auf dem Stamme aus, wobei sie fortwährend dieselbe Ordnung beibehalten, bis I) Lacordaire, Introduction à l entomologie T. 2. Par. 1838. p. 492. DER HEERWURM. 73 sie sich zur Zeit der Verwandlung über den ganzen Baum zersireuen. Auch diese Form der Geselligkeit zeigt eine merkwürdige Übereinstimmung mit der der Heerwurmmaden. Indem nämlich die übrigen Wanderraupen von einem gemeinschaftlichen Neste aus ihre Züge beginnen, vereinigen sich bei Arche- laus auf verschiedenen Blättern isolirt entstandene Räupchen auf einem Blatte zu einer allgemeinen Gesellschaft; und da nicht anzunehmen ist, dass bloss ein Elternpaar einen Citronenbaum ausschliesslich für sich mit Eiern belegt habe, so sind es auch hier Unchkomman verschiedener Ehe: welche ein geselliges Leben führen. Von dem Geselligkeitsverhältniss aller dieser a ist "- des Heer- wurms aber dadurch wesentlich verschieden, dass dieselben sich vor der Ver- wandlung wieder vereinzelnen, wührend die Heerwurmmaden gerade in der Geselligkeit sich in Nymphen verwandeln. Die Processionsraupen, welche Colonien von 200 bis 800 Stück bilden, leben als Raupe und als Puppe gesellig, aber als vollkommnes Insekt ein- zeln. Die Raupen ziehen zu gewissen Zeiten aus ihrem Neste und kehren später dahin wieder zurück. Was die Anführerin beginnen mag, vorwärts- kriechen oder ruhen, die Nachfol ı ahmen es nach. Im Zimmer gehalten tubrencsio dio Mengen eben: so aus wie in der freien Natur. Sie ziehen so dicht hinter- und nebeneinander, dass die in den Quereihen befindlichen mit ihren Seiten sich berühren, mit ihren Kópfen aber an den Hintertheil von Rau- pen einer vorhergehenden Reihe stossen. Es kommt vor, dass der Anfang eines Zuges auf eine Lànge von 2 Fuss aus einzelnen hintereinander her wan- dernden Raupen besteht; dann folgen 2 Lüngenreihen nebeneinander, dann 3, und so fort bis zu 20 und darüber. Manchmal liegen die Larven dicht neben- einander, ohne sich zu bewegen; selten sind sie. übereinander gehäuft; mitun- ler theilen sich die Züge in Abtheilungen, wobei es vorkommen kann, dass sich solche Abtheilungen -nicht wieder zusammenfinden. — Das Ausruhen, Übereinanderkriechen und Theilen der Züge sind Erscheinungen, welche auch beim Heerwurm vorkommen. Aber das Übereinanderkriechen geschieht bei den Processionsraupen nur selten, auch ist solche Übereinanderhäufung nur sehr unbedeutend, und sowohl jenes als dieses kommt nur alsdann vor, wenn die Raupen ausruhen und ermattet sind, also besonders bevor -a sich häuten. Phys. Classe. VI. 74 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, Nie aber verwandeln sie sich dabei in Puppen, sondern letzteres geschieht erst im gemeinschaftlichen Neste, worin jede Raupe ihre besondere Zelle hat. Die Heerwurmlarven, wie die Larven der Zweiflügler überhaupt häuten sich während ihres Wachsthumes nicht, und die mit Köpfen versehenen streifen nur beim Übergange der Larve in die Nymphe ihre Haut ab. Wichtige Unterschiede zwischen den Heerwurmlarven und den genann- ten vereinigten Raupen sind folgende: 1. Letztere liegen während ihres Ziehens dem Fressgeschäfte ob, während erstere beim Ziehen grösstentheils gänzlich ausser Stande sind Nahrung zu sich zu nehmen, indem bei weitem die grösste Zahl mitten im Zuge eingeschlossen ist; ja sogar müssen aus diesem Grunde die Maden von Zeit zu Zeit ihren Geselligkeitszustand aufge- ben, um einzeln zur Nahrung gelangen zu können. 2. Die Züge der Raupen stammen nachweisbar, wenigstens in den meisten Fällen, von einem Eltern- paare ab, während die Heerwurmzüge niemals von einem Paare abstammen können. 3. Die Raupen offenbaren, so wie sie das Ei verlassen, ihren Ge- selligkeits- und Wanderungstrieb, während ein solcher Trieb in den Heer- wurmlarven erst erwacht, nachdem sie bei vorgeschrittenem Alter einen höhern Grad ihrer Ausbildung erlangt haben und der Metamorphose entgegen- schreiten. 4. Die Raupen kriechen nicht über- sondern nur nebeneinander us -— Murs ein Übereinanderkriechen beim Heerwurm constante und te ing des kräftigsten Lebensprocesses der Larven und erwandlungsactes ist. 5. Die Raupen machen alle Jahre ihre Züge, eee kleinerer Anzahl ihrer Individuen; die Geselligkeit gehört also so constant zu ihrer Lebensweise wie die übrigen gewöhnlichen Lebensfunctionen auch, was sicher davon abhängt, dass sie nur Nachkommen eines und desselben Paares sind. Dagegen gehören die Heerwurmzüge zu den ausnahmsweisen und seltenen Naturerscheinungen, so dass man die Jahre 1756. 1773. 1777. 1780. 1781. 1826. 1844. 1845. 1850 und 1853 als solche bezeichnen kann. Obwohl es nun nicht zu bezweifeln ist, dass es häufiger Heerwürmer giebt, als sie beobachtet sind und die allgemeine Auf- merksamkeit auf sich gezogen haben, so steht doch so viel fest, dass sie keine alljährlichen Erscheinungen sind, was sicher nur davon abhängen kann, dass der Geselligkeitstrieb nur unter gewissen Umständen in den Heerwurmmaden erwacht. f DER HEERWURM. 75 Von den genannten Eigenthümlichkeiten des Geselligkeitstriebes der Heer- wurmlarven treffen wir aber mehrere bei noch andern wandernden Thieren an, und zwar bei denjenigen, welche nur in einzelnen Jahren, die zugleich solche ihrer excessiven Vermehrung sind, in Gesellschaft zubringen. Wie sehr aber der Trieb von der Zahl der Thiere abhängt, beweisen auflal- lendsten die Biber an Deutschlands Flüssen; seit diese Thiere so selten ge- worden sind, haben sie mit dem Geselligkeitstriebe zugleich den damit in . innigster Verbindung stehenden Bautrieb eingebüsst. Und wie sehr sich der Trieb nach den Jahren, welche der Vermehrung solcher Thiere günstig sind, richtet, davon haben wir unter den Säugethieren das merkwürdigste Beispiel an den Lemmingen, welche historisch nachweisbar nur in den Jahren 1580, 1648, 1697, 1739, 1743, 1757, 1770, 1823, 1831, 1833 und 1839 Wan- derungen vornahmen. Ähnlich wandern in einzelnen Jahren die für gewóhn- lich einsam lebenden Eichhörnchen, — so die virginischen im J. 1808 in der Nähe von Albany; sie durchschwammen an verschiedenen Stellen den Hudson, setzten aber ihre Wanderungen nicht weiter als zum Gebirge von Vermont for. Auch wandern in einzelnen Jahren zahlreiche Schaaren von Bären aus dem nördlichen Theil Nordamerikas in den Staat New-York. Ähnlich wandern in einzelnen Jahren die Nussheher in unglaublicher | er Gebirgsregionen in Gegenden, wo sie sonst ganz unbekannt sind. — Unter den Insekten sind solche Wanderungen in einzelnen Jahren besonders auffal- lende Erscheinungen. Die Zugheuschrecken, welche einzeln in jedem Jahre auch in Deutschland angetroffen werden, ziehen nur in Gegenden und Jahren, welche ihrer Vermehrung günstig sind; oft beginnen sie springend ihre Wan- derungen schon, noch bevor sich ihre Flügel entwickelt haben. Verschiedene Arten unserer Libellen, so Libellula depressa, ziehen in einzelnen Jahren hin und wieder in Zügen, welche mehrere Stunden andauern; im J. 1816 beob- achtete ich einen solchen Zug in Soest von Osten nach Westen, und 8 Tage darauf kam, wahrscheinlich derselbe Zug in entgegengesetzter Richtung, aber an Zahl sehr vermindert, zurück; 1838 kam ein ähnlicher Zug von Südosten nach Südwesten über Göttingen. Im Juni 1823 flog ein Zug von Libellula quadrimaculata von Osten nach Westen über Hildesheim. Im J. 1853 fand ein Libellenzug im Erzgebirge statt. Mein Freund Dr. Hahn schreibt mir K 2 76 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, darüber: „Ich war eben in der Nähe von Schneeberg gegen Mittag an einem schwülen Tage in einem Gebirgsthale der Mulde, welches sich zuletzt so verengt, dass nur das Flussbett seine Basis ausmacht, neben welchem nicht einmal ein Weg herführt; nach oben sind die Abhänge mit Hochwald, mei- stens Fichten und Tannen, seltener auch Buchen bewachsen; ich kam auf einem von der Höhe sich herabsenkenden Fusspfade schräg herab durch einen Bestand von jungen Fichten und Tannen nach dem Punkte, wo das Thal sich erweitert, und wo eine Fabrik liegt. Zuerst war der Bestand noch dicht und ich hörte grössere Insekten schwirren; ohne sie sehen zu können. Nachher als der Bestand kleiner und weniger dicht wurde, fand ich das ganze Thal mit bräunlichen Libellen angefüllt, welche sämmtlich in der Richtung von Südost nach Nordwest flogen, oder auch auf den Pflanzen umhersassen und beim Herannahen aufflogen. Das Ziehen dauerte über 1% Stunde.“ Auch unter den Käfern beobachtet man in einzelnen Jahren solche aug Die Sandlaufkäfer (Harpalus vulgaris) bilden manchmal solche Züge, dass sie besonders im August, Abends zu Tausenden wie Platzregen an die Fenster schlagen. Zwei Jahre hinter einander, im Frühling, jedesmal 8 Tage lang, beobachtete Hr. Lacordaire Züge von Millionen von Harpalus cupripennis, welche beim Eintritt der Nacht die Stadt ee e gewissermassen über- —— Die geselligen Züge en dieser Thiere haben offenbar den veli anai: ifetitero) "Weideplätze: aufzusuchen, und zwar in solchen Jahren, wenn ihre Vermehrung in gewissen Gegenden relativ zu bedeutend ist. Aber von diesem Zwecke kann bei den Heerwürmern wohl nicht die Rede sein, und zwar theils desshalb, weil die Nahrungssubstanz für diese Larven in allen feuchten schattigen Wäldern in sehr grosser Quantität: vorhan- den ist, so dass sie wohl schwerlich Mangel daran leiden können, theils aber auch, weil die — nur ein — unbedeutendes Locomotionsvermögen besitzen. eis li hen Wid he darüber, was für Nahrung die Heer- maden zu sich TERE so viel geht aber aus ihrer Kieferbildung her- vor, dass sie von Vegetabilien leben. Kühn beobachtete, dass ihre Nahrung in Walderde, d. h. hauptsächlich in mehr oder weniger verwesten Pflanzen- theilen bestehe; auch meinte derselbe, dass Viehdünger eine passende Nahrung DER HEERWURM. 77 für sie sei; Voigt sah, dass sie gierig Graswurzeln frassen, und L. Bech- stein bemerkte eine Larve Moostheilchen fressen. Diese Beobachtungen würden ergeben, dass die Larven nicht auf eine einzelne besondere Pflanzenart behuf der Nahrung angewiesen sind. Ich fand den Darminhalt grösstentheils aus zerfallenen, oder im Zerfallen begriffenen Pflanzentheilen bestehen, an denen Zellen und Spiralgefässe sich zu erkennen gaben; auch zahlreiche isolirte Pflanzen- Zellen von ½2 — ½4 par. Lin., und Spiralgeſüsse von 132 Dicke und bis 20% 32 Länge waren im Darminhalt vorhanden. Diese Spiral- gefüsse liefern den Beweis, dass die Larven nicht allein von Moostheilen leben, weil dieselben bekanntlich keine solche Gefässe enthalten. Dass die Larven der verschiedenen Arten der Gattung Sciara überhaupt verschiedenartige Pflanzennahrung zu sich nehmen, ist durch die Beobachtungen von Host, Meigen, Stäger, Zelterstedt, Westwood, Olivier, Bouché und Léon-Dufour erwiesen; auch lebt die Larve der Sciara ingemua nicht. etwa in einer einzigen, sondern in verschiedenen Schwammarten. Ist demnach die Heerwurmlarve auf eine Mannigfaltigkeit von Nahrung angewiesen, so móchte es 2 eee eine ent schen; welche nicht‘ 5 "adi E si 1 Pi i. — sind. Freilich könnte, wenn der He aus Milliassen 9 stände, wie Ponioppidan lieháupléte, allerdings vielleicht auch für diese kleinern Thierchen in bestimmten Revieren Nahrungsmangel eintreten; indess sind solche Heerwürmer noch nicht beobachtet worden. Der grösste mit Zuverlässigkeit beobachtete Heerwurm ist derjenige, den Kühn 12 Ellen lang, handbreit (3 Zoll) und daumensdick (1 Zoll) angiebt; die von Raude und Buchenróder beobachteten waren nur etwa halb so gross. Nur Land- leute und Waldbewohner sowie Schriftsteller, welche denselben nacherzählen, — von 26 bis 60 Ellen. Nehmen wir aber an, dass die einzelne Made 4½ par. Lin. lang und ½ Lin. dick ist, so würde jener Kühnsche Heerwurm doch nur aus 1,689,700 Larven bestanden haben. Ich habe das Gewicht von 5 Larven des birkenmoorer Heerwurms zu 1 Gran gefunden, wonach das Gesammtgewicht des Kühnschen Heerwurms 58 @ 73:13 4 Gr. betragen haben möchte. Da nun aber die Zahl der im Leibe enthaltenen Eier 250 — 300 beträgt, so würden zu jenem Zuge etwa 5600 bis 6700 Weibchen 78 ! ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, die Veranlassung gegeben haben. — . Leuchtet nun hieraus hervor, dass der Heerwurm nicht wegen Mangels an Nahrung zum Wandern getrieben wird, so ergiebt sich als damit übereinstimmend auch aus seiner verhältnissmässig be- schränkten Locomotionsfähigkeit ein Unvermógen behuf eines Suchens neuer Weideplätze, hinlänglich schnell zu wandern. Auch berichten fast alle Beob- achter, besonders aber Kühn und Raude, dass der Heerwurm fast immer in derselben beschränkten Gegend umherschleicht. Wenn Ziervogel die Langsamkeit des Ziehens mit dem Fortrücken eines Zeigers an der Uhr, womit eigentlich gar nichts gesagt ist, vergleicht, genauer aber ihr Fortrücken wäh- rend ½ Stunde zu einer Handbreite angiebt, so hat derselbe den Wurm in einem sehr trägen Zustande angetroffen. Raude fand 3 Heerwürmer, jeden von 4 Fuss Länge, 10 Schritt von einander entfernt; nach 1 Stunde hatten sich die 3 Züge zu einem einzigen von 12 Fuss Länge vereinigt. Eine solche Fortbewegung muss allerdings eine bedeutende genannt werden, aber was will auch sie in Bezug auf Wandern behuf des Nahrungssuchens be- deuten, besonders da ja doch die * immer in derselben beschränkten Gegend bleiben. Wenn nun aber die Heerwurmmaden erst nachdem sie eine gewisse Grösse erreicht haben, ihren ursprünglichen Entstehungs- und Aufenthaltsort nee so stimmt das mit Host's Beobachtung an seiner Sciara (Tipula paradoxa) . enen die meme aus der Tiefe gegen fläche n sich hinl um sich dm zu verpuppen. de sich icht gleich nachd m sie den frü- hern Aufenthalt verlassen bebes beide ziehen zuvor Mates oder kürzere Zeit gesellig umher. Wodurch sich jedoch die Heerwurmmaden von allen geselig wandernden Raupen unterscheiden, ist, dass jene wührend des Wan- derns und Ziehens in Puppen sich verwandeln. Kühn und L. Bechstein haben solches beobachtet: „Die Züge trennten sich bei dem Process der Verpuppung nicht, die Maden blieben dicht neben einander.“ „Die Verpup- pung erfolgte mitten im Zuge“ 1). Vergleichen wir mit diesem Umstande die Nniphenbildung der übrigen Sciaraarten, soweit n Entwickelung bekannt ist, so findet dieselbe in der N Bechstein a. 2.0. p. 5. DER HEERWURM. 79 Lohe, Erde, in Pflanzenwurzeln, unter faulenden Baumrinden und in Schwäm- men, also innerhalb feuchter Umgebungen statt. Solche feuchte Umgebungen verschaffen sich die mehr frei lebenden Heerwurmlarven, nachdem sie ein gewisses Alter erreicht haben und ihrer Verpuppungszeit sich nähern, durch ` ihren Geselligkeitstrieb. Die feuchte Materie, welche die Maden zusammen- hält und die auf dem Wege wo sie kriechen, wie Pontoppidan und Buchenröder bemerken, eine Spur oder einen mattsilbergrau glänzenden Streifen zurücklässt, ist das Absonderungsproduct der Speichelgefässe, welche bei Sciara ingenua und bei fast allen mit einem Kopf versehenen Dipternlarven, die feine Cocons spinnen, auch die Spinnmaterie liefern. Eine solche Speichelmaterie giebt auch die Larve von Ceroplatus Réaumurii Duf. beim Fortkriechen von sich, die dann bald trocknet und Spuren zurücklässt, wie sie Schnecken beim Kriechen hinter sich her ziehen. Von solcher feuchter Materie des Speichel- oder Spinnorgans umgeben findet die Nymphenbildung der Heerwurmlarven in ihrer massenhaften Anhäu- fung statt. Man kann demnach-den Heerwurm als eine Vereinigung von Maden zum en * — dennen de Mar puta durch d. h. unter der der > O > j| oO o Þ 3 Momente geschieht. Diese Vereinigung löset sich jedoch bevor die ER wirklich: eintritt von Zeit zu Zeit behuf des Fress- geschäfts in ihre einzelnen Glieder auf. — Beispiele von Vereinigungen von Larven behuf der Verpuppung kommen aber auch noch anderweit bei Diptern vor. Die Larven der Weidenschnake (Cecidomyia salicina) bilden kleine Gesellschaften in einem Neste, um sich darin zu verpuppen. Die Larven der Federschnake (Chironomus plumosus), welche in grossen Schaaren das Wasser der Regentonnen bewohnen, halten sich als einzelne Gesellschaften in erdförmigen Klumpen auf dem Boden und an den Wänden der Tonnen zu- sammen, welche sie von Zeit zu Zeit verlassen; sie kehren dann aber wieder zu denselben zurück und verpuppen sich in den Klumpen. Wenn die Nymphen darin zeitig geworden sind, verlassen sie ihre gemeinschaftliche Wohnung, gelangen an die Oberfläche des Wassers um am folgenden Tage die Mücken ausschlüpfen zu lassen. — Bosc!) beobachtete in Carolina in Nordamerika 1) Dictionnaire des Sc. naturelles, Strasb. T. VIII. 1817. p.8. 80 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, die Larven von Ceroplatus carbonarius, welche vom Juni bis Ende August in ziemlich grosser Gesellschaft auf der Unterseite der Schwämme an Bäumen in feuchten und schattigen Gegenden angetroffen werden, ohne an den Schwämmen zu fressen. Gegen Ende des Wachsthums bilden sie aus der Materie ihrer Speicheldrüsen ein laxes weisses Gewebe, in dessen Maschen sie sich verbergen wenn sie beunruhigt werden. Wenn sie sich aber ver- wandeln, dann bilden sie, die einen dicht an den andern liegend, etwas dichtere Cocons aus derselben Materie. Léon- Dufour 2; erzählt ähnliches von den Larven des Ceroplatus tipuloides in den Pyrenäen. Bekanntlich giebt es eine Abtheilung der Diptern, deren — die Eigenheit haben, dass sie sich bei der Verwandlung aus ihrer eigenen Haut eine Hülle bilden, welche das Grab der Larve und die Wiege der Nymphe ist; so geschieht es bei den Pupiparen, Notacanthen und Athericeren. Da- hingegen streifen die Larven anderer Zweiflüglerfamilien, namentlich die der Tanystomen und Nemoceren, zu welchen letztern die Culiciden und Tipularien, also auch die Sciarae gehören, vor der Verwandlung die Hülle ab, und ver- wandeln sich dann frei, meist in einem Cocon. Die Sciara Thomae würde nun gewissermassen einen Mittelzustand zwischen jenen beiden Verwandlungs- formen andeuten, indem die Bildung der Puppe zwar nicht innerhalb der eigenen Haut D Devin wohl aber in einem Raume vor sich — der von einer gewissen Anzahl anderer Larven gebildet wird. en aber nur in einiges ‚Jahren den EV Ii 4 „ N 3 E Ld. N 1 o aad e solche Instinkte wach tiger Weise entsprechend sind, ung von Nahrung rens werden schen. n aber in einzelnen. Jahren efwacnen sollen, so setzt d aas voraus, dass eselben überhaupt zur Natur der Thiere, bei denen ird sie beobachten, gehören. Liegt s ein ee — — überall ag vor, so wird er sich 35 Agios xn 8 2. Ser. T. II. Par. 1839. p. 207. Reaumur Mem. T. V. p. 24. DER HEERWURM. 81 auch nie entwickeln können, auch alsdann nicht, wenn die Vermehrung der Individuen ungeheuer ist. Solches beweisen die Larven der Strahlenmücke (Dilophus vulgaris), welche im J. 1835 zu Millionen am Fusse der Kiefern unter dem Moose überwinterten !), ohne dass man je gehört hätte, dass diese Larven zu irgend einer Zeit Züge wie die Heerwürmer bildeten. In ungünstigen Jahren und Gegenden entwickeln sich aber die Larven der Sciara Thomae einzeln und bei schlafendem oder latentem Geselligkeitstriebe, und zwar wahrscheinlich mehr an der Oberfläche der Erde unter Moos und Wald- laub, also unter ähnlichen Verhältnissen, welche Host und Meigen bei den genannten Sciaraarten wahrnahmen. Dass aber die Verwandlung bei Larven überhaupt, und namentlich bei Sciaralarven auf mehr oder weniger verschie- dene Weise vor sich gehen könne, geht aus Léon-Dufour's?) Beobach- tungen an der Sciara ingenua hervor. „Die Nymphe ist in einen weisslichen sehr zarten Cocon eingeschlossen, welcher, oft von Excrementen umgeben, in der Substanz der Schwämme liegt. Zuweilen scheint die Nymphe aber ohne Cocon in einem eylindrischen Raum der Schwämme zu liegen, und zwar nahe der äussern Oberflache.“ kill uid Obwohl der Geselligkeitstrieb, wie er sich bei den Larven von Sciara Thomae unter gewissen Umständen offenbart, die Entwickelung und Vermeh- - rung begünstigt, so lüsst derselbe doch auch eine Zerstórung in nicht unbe- deutendem Grade zu, ja führt wohl gar die Ursachen einer Verminderung und Zerstörung in grossartigem Massstabe mit sich, wodurch die Natur ihre er- weiterten Schranken wieder zweckmässig zu verengern weiss. x Eine gross- artige Vernichtung der wandernden Lemminge wird durch die ihren Zügen folgenden Marder, Hermeline, Vielfrasse, Füchse, Habichte, Eulen, Raben und Möven bewirkt; sogar die Rennthiere verfolgen dieselben und greifen sie an; noch grösser ist aber die Zahl derer, die in Flüssen und Seen, welche sie durchschwimmen und im Meere, in welches sie blindlings hinein eilen, ersaufen. Die wandernden Eichhörnchen kamen meist im Hudson um, und diejenigen, welche das andere Ufer erreichten, waren so matt, dass sie kaum 1) J. Th. Ch. Ratzeburg Die Fortstinsekten. Thl. 3. Berl. 1844. p. 158. 2) Ann. des Sc. nat. 1839. T. 12. p. 90. Phys. Classe. VI. L 82 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, weiter konnten. Die Wandertauben werden durch Baumäste, auf welche sie sich setzen, und die dann durch das ungeheuere Gewicht der Massen abge- brochen werden, zu tausenden erschlagen. Die Zugheuschrecken zerstossen sich bei ihren Zügen die Flügel und fallen vor Mattigkeit zur Erde; sie fressen sich einander auf, nachdem sie die Gegend verwüstet haben und keine Nah- rung mehr finden, und Millionen und Milliassen von ihnen werden durch Sturm und Wind ins Meer getrieben, um nie, oder nur todt wieder ans Land ge- schwemmt zu werden. So segelte der Cap. Hoger im J. 1844 5 Tage lang durch ein Heuschreckenfeld, welches bis zur Tiefe von einigen Zollen in das Meer hineinragte, und nach dem Laufe des Schiffes eine Strecke von 400 Meilen einnahm; die Thiere waren wahrscheinlich aus den Wüsten Afrika’s westlich in das Meer getrieben. Auch die Libellen werden bei ihren Zügen. durch Verletzung ihrer Flügel und durch die Angriffe der insektenfressenden Vögel stark deeimirt. Der ungeheuere Schwarm kolumbatscher Mücken (Si- mulia maculata), welcher im J. 1785 durch Sturm aus Serbien nach Sieben- bürgen verschlagen war, wurde, nachdem er binnen wenigen Stunden 11 Stück Rindvieh getódtet hatte, durch einen Wolkenbruch zerstreut und vernichtet. Und so mag es denn auch sein, dass von den Maden des herumschlei- chenden Heerwurms, durch Vertrocknen, mechanische Zerstörung — waren doch über den Heerwurm, der bei Oberhof quer über die Heerstrasse hin zog, schon Pferdehufe und Wagenrüder hingegangen —, durch Angriffe von Vögeln, von zahmen und wilden Sauen, von Igeln, ERBEN und Am- phibien eine nicht geringere Zahl umkommt, als diejenige ist, welche von Julus, Scolopendern und ähnlichen Thieren vernichtet werden ; wenn der Heerwurm nach längerm oder kürzerm Wandern, zeitweise seinen Geselligkeits- zustand aufgiebt, und um dem Weide- oder Fressgeschäfte — in seine einzelnen Maden sich zerstreuet. DER HEERWURM. 83 Erklärung der Abbildungen. Figur 1 bis 7. Larve. Fig. l. Larve mit dem durchscheinenden Darm und dessen Inhalt, mit Luftlóchern und hinter der Kopfschuppe mit den Gehirnganglien. Fig. 2. Kopf von oben. a. Mittelstück. b. Seitenstück. c. Oberer bogenfórmi- ger Theil der Oberlippe. Fig. 3. Kopf von vorn. a. Mittelstück. b. Seitenstück. c. Oberlippe. d. Auge. e. Stelle, welche den Antennen entspricht. Fig. 4. Kopf von unten. b. Seitenstück mit dem vordern und hintern Querriegel (Mentum und Submentum), vor welchem erstern sich die Unterlippe befindet. h. Grund- glied des Unterkiefers. i. Endglied desselben. | Fig. 5. Dieselben Theile von oben gesehen, nach Wegnahme des Mittelstücks und obern Theils der Seitenstücke der Kopfschuppe. b. Unterer Theil des Seitenstücks mit den beiden Querriegeln. h. Grundglied, i. Endglied des Unterkiefers, — innen mit dem Kaustück, aussen mit dem nicht selbstständigen Tasterstück. g. Oberkiefer, mit dem (üussern) Gelenkende von dem vordern untern Theile des Seitenstücks der Kopfschuppe entfernt. f. Unterlippe, aus einem Mittelstück und 2 Seitentheilen (Lippen- tasterrudimente) zusammengesetzt. : Fig. 6. Kopf von unten, um den vordern untern seitlichen Rand des Kopfseiten- stücks zu sehen; an der einen Seite ist das Endglied des Unterkiefers entfernt, wo- durch der Oberkiefer derselben Seite frei geworden ist. b. Seitenkopfstück. h. Grund- glied, i. Endglied des Unterkiefers. g. Oberkiefer. Fig. 7. Larve von oben zergliedert, die Verdauungsorgane zur Seite gezogen. k. Nervenhalsband, von welchem der aus 11 Bauchganglien bestehende Bauchnerven- strang nach hinten sich fortsetzt. l. Die 3 Fusswarzen einer Seite an den 3 ersten Ringen (von innen gesehen m. Stigmata. n. Fetikörper hinter denselben. o. Ein- gang in die den Halsring durchsetzende Speiseröhre p. — d. Vormagen. r. Die beiden Magensäcke. s. Chylusmagen mit dem Inhalt. t. Krummdarm. u. Mastdarm. v. Die Anfangs neben einander liegenden, dann aber getrennten Speichelgefässe. w. Die 4 Harngefässe. x Fig. 8. Die Puppe mit den Augen, Fühler- Flügel- und Fussscheiden und 7 sichtbaren Luftlöchern. ; ue 84 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, Figur 9 bis 16. Mücke. Fig. 9. Männchen von der Seite mit den Luftlöchern und der Afterzange. Fig. 10. Kopf von vorn. d. Augen. di. Nebenaugen. e. Antennen. c. Ober- lippe. f. Unterlippe, auf welcher die zweischenkelige Stechborste sichtbar. h. Unter- kiefer mit der 3gliedrigen Palpe. Fig. 11. Mund von unten. f. Vorgepresste doppelte Unterlippe. h. Unterkiefer mit der Palpe. x. Kinn. y. Zunge, welche die Stechborste verdeckt. Fig. 12. Kopf mit den Augen, Nebenaugen und Antennen, nebst dem Rücken mit den 4 Haarstreifen. Fig. 13. Ganzer Metathorax mit den Schwingern und dem dritten Fusspaar. Fig. 14. Letztes Tarsenglied mit den auseinandergepressten Klauen und den unter ihnen befindlichen fächerförmig gestellten Haftborsten.. Fig. 15. Bauchende des Männchen mit der doppelgliedrigen Zange und den bei- den Afterspitzen. j Fig. 16. Bauchende des Weibchen. z. Legescheide. «. Die zweigliedrigen Schei- dententakeln. F. Die vorgeschobene Legeröhre. * DER HEERWURM. 85 Nachsehrift. In Folge der am 2. Jan. d. J. (in den Nachrichten von der G. A. Univer- sität und der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften) gegebenen Nachricht über die am 17. Dec. v. J. der Königl. Gesellschaft von mir vorgelegte Ab- handlung, erhielt ich vom Hrn. Rentamtmann Hahn in Ichtershausen bei Neudietendorf einige Heerwurmlarven (von hellgrauer Farbe), Puppen und Mücken, nebst schriftlichen Bemerkungen über dieselben zugeschickt. Diese Mücken habe ich mit denen von Birkenmoor verglichen und mit denselben übereinstimmend gefunden. Hr. R.-A. Hahn hält dieselbe für eine besondere, bis dahin unbekannte Art und nennt sie Sciara thuringiensis; indess lassen Grösse, Gestalt und Färbung keinen Zweifel übrig, dass auch sie Sciarae Thomae sind. An mehrern trocken eingesandten Exemplaren sind noch die Spuren der gelben Seitenfärbung zu erkennen. Das Weibchen ist nach Hrn. R-A. Hahn braun, Kopf, Rücken und Schildchen glänzend schwarz, Flügel schwärzlich, Hinterleib schmutzig gelb, oben schwarzgrau. Genau genommen ist aber der Hinterleib nicht überhaupt unten gelb, sondern nur so weit als die weiche Seitenhaut sich erstreckt, welche, da die obern Bauchsegmente viel breiter sind als die untern, auch weiter unter den Leib sich ausdehnt. Hr. H. bemerkte, dass die Mücken gesellig truppweise zusammen, aber nur wenige Tage leben, das Licht scheuen, sich verkriechen, und nicht fliegen kónnen, was jedoch mit Kühn's Beobachtungen nicht übereinstimmt, welcher die Fliegen im Herbste schaarenweise an Bäumen und Sträuchern sitzen und in der Luft fliegen sah. Das Verhältniss der Männchen zu den Weibchen giebt Hr, H. wie 1:10 an. Die Weibchen sollen ihre Eier gemeinschaftlich auf Lauberde legen und dieselben mit soleher umwickeln, jedoch wird nicht gesagt, wie sie das machen. : 7 „Die Eier sind perlenartig, durchscheinend weiss, liegen haufenweise zusammen, bei ansehnlicher Vergrösserung denen der Helix pomatia gleichend, 86 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, später, ob durch den Einfluss des Lichts oder der Zeit, schwärzlich werdend und dem Kaviar zu vergleichen 1). Aus ihnen entschlüpft — wahrschein- lich (1) im Mai — die Larve.... In den Waldungen (Buchenwaldungen) des Thüringer Gebirges an nördlichen Abhängen leben die Larven zu vielen Tau- senden gesellig, zusammenhängend, bewegen sich kaum merklich (?) in Zügen von einem bis mehrern Zollen Breite, und bis acht Fuss und darüber lang, mehrfach übereinander, ‚den Boden vollkommen deckend. Sie erscheinen als schmutzig weisses Band, werden nur in nassen Sommern im Juli bis zu An- fang des Augusts auf Wegen angetroffen, und bilden den bekannten Heerwurm. Dieser findet sich an verschiedenen Stellen des Thüringer Waldes, namentlich bei der hohen Sonne, beim Sperrhügel, bei Oberhof, Dörrberg, Ilmenau etc. und hält sich allem Anschein (IJ) nach unter dichtem Buchenlaube auf, welches er bei grosser Nässe verlässt, weil diese ihm wohl (T) den zur Verwandlung nóthigen Schleim entzieht. Zu Ende des Monats Juli oder zu Anfang des Augusts spinnen sich die Larven gemeinschaftlich und zu gleicher Zeit unter der obersten Erdschicht ein?), und verwandeln sich zur Nymphe. In 2 Tagen ist die Metamorphose vollendet. Die Nymphen sind 114” M. bis 2" W. im Yo bis 3/4” breit, oval anfangs platt, die Hörpertheile, der Fliege wenig erkennen lassend, schmutzig- weiss, dann | b , Augen schwarz, später wird der Körper mehr walzenförmig , ee und zuletzt ‚schwärzlich, man nimmt die künftigen Fühler, Mundtheile, Augen, Flügel. und Beine nach Farbe und Gestalt unter der Hülle deütlich wahr; an den letzten Leibesringen . hängt die Haut der Larve mit Exkrementen. Am 6 — 8. Tage tritt die vollkommne Fliege hervor. I) Die reifen noch nicht gelegten Eier fand ich oval und blassgelb. B. 2) Wie diese Gespinnste beschaffen sind, ist nicht angegeben; soviel ist aber aus Bechstein's Beobachtungen einleuchtend, dass auch ohne dergleichen die Verwandlung vor sich geht, indem er solche mitten im Zuge wahrnahm. Wahrscheinlich war das vom Hrn. Hahn beobachtete Gespinnst nur zufällig erhärtete Speichelmasse, wie sie die Maden beim Kriechen auf der Erde zu- rücklassen. B. DER HEERWURM. 87 Auf eigne vielfache Beobachtungen, Untersuchungen und Forschungen gründet sich die vorstehende Beschreibung. Ein Heerwurm, welchen ich im Jahre 1849 aus der Nähe von Dörrberg (zwischen Arnstadt und dem Schnee- kopf) erhielt, und dessen Exemplare ich fast sämmtlich zur vollständigen Ver- wandlung brachte, bildete den Schluss der angestellten Forschungen. Bei der Ankunft desselben (eines Klumpens in einem linnenen Tuche, welches von seinem Schleim oder Speichel feucht geworden) brachte ich ihn sogleich auf feuchte Buchenlauberde aus dem nahen Walde unter eine grosse Glasglocke, deren Tubulus offen blieb, und erhielt die Erde fortwährend feucht. Die Larven hatten nach dem mehrstündigen Transport keine Nahrung im Darmkanal (?); sie bildeten jedoch sogleich einen Zug innerhalb des Glocken- randes, und verkrochen sich bald unter die Erde, von dieser gierig fressend, wobei der Kopf und die ersten Leibesringe in lebhaften Bewegungen heraus- traten. Da seine mir bis dahin bekannten Fundorte Buchen- Waldungen an nördlichen Bergabhängen waren, so erkannte ich diese Erde und beständige Feuchterhaltung derselben als erste Lebensbedingnisse, und scheine mich — nach dem Erfolge zu urtheilen — nicht geirrt zu haben. Am 5. August fand ich — nach einer anderthalbtägigen Abwesenheit von meinem Wohnort Lie- benstein — keine Spur vom Heerwurm, nahm aber bald wahr, dass unter einem gemeinschaftlichen Gespinnste innerhalb des Glasglockenrandes die Me- tamorphose vor sich ging. Ich lösste daher mit Vorsicht das Gespinnst vom Rande ab, und nahm die Glocke weg, um ungehindert meine Beobachtungen fortsetzen zu können. Bis zum 7. August war die Verpuppung sämmtlicher Exemplare beendigt, und von da ab war an Farbe und Gestalt eine tägliche Veränderung der Chrysalide bemerkbar, und vornehmlich der Übergang der weissen Larve (?) in die schwarze Mücke. Schon am 13 und 15. August erschienen die Fliegen sämmtlich zu vielen Tausenden, aber dabei ausserordent- lich wenige Männchen. Beide Geschlechter hielten sich ruhig, so dass nur sehr wenige ihren offenen Behälter verliessen, und kriechend über den polir- ten Tisch zur Erde fielen. Ich habe nicht bemerken können, dass auch nur eine Fliege geflogen wäre, selbst nicht zur Nachtzeit. Das Licht scheueten sie. Wahrscheinlich erfolgt in der freien Natur ihre letzte Verwandlung unter dem dichten Laube, und treten dann die Fliegen gar nicht heraus (?). Die 88 ARNOLD ADOLPH BERTHOLD, DER HEERWURM. Paarung dauerte nur kurze Zeit, und 5 — 8 Weibchen legten ihre Eier so aneinander, dass sich kugelfórmige mit Erdtheilchen vermischte Klümpchen bildeten. Nach 5—6 Tagen lebte kein Insekt mehr. Diese Beobachtungen mógen einigen Aufschluss geben über die Erschei- nung der Larven in einem zusammenhängenden Zuge; namentlich sind als Ursache und Folge desselben. anzusehen: das Legen der Eier an eine ge- meinschaftliche Stelle, die Nymphen unter einem gemeinschaftlichen Gespinnst, die Polygamie und die Ruhe der Fliege.“ H. Systematische Bemerkungen über die beiden ersten Pflanze lungen Philippi’s und Lechler’s im südlichen Chile und an der Maghellans - Strasse. Von Dr. A. Grisebach. Der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften am 6. October 1854. überreicht. y e grössere Pflanzenwerke der neueren Zeit, D. Hooker's Flora antarctica und Gays Flora chilena, beschäftigen sich mit den vegetabilischen Erzeug- nissen des südlichsten und südwestlichsten Theils von Amerika. Es war bei dem Umfang von Materialien, aus denen diese reichhaltigen Werke hervorge- gangen sind, nicht zu erwarten, dass die Ausbeute von zwei deutschen Rei- senden, welche gegenwärtig dieselben Landschaften in botanischer Beziehung untersuchen, reich an neuen Formen sein würde: indessen kann man doch annehmen, dass in den bisher nach Europa gelangten Samimlungen sowohl Philippis als Lechlers etwa der zehnte Theil aus unbeschriebenen Arten be- steht. Ich würde es beanstandet haben, diese neuen Formen gleichsam bruch- stückweise zu publiciren, deren Beschreibung künftigen monographischen Ar- beiten überlassen oder bis zu weiteren Sendungen aufgespart bleiben könnte, wenn nicht ein zwiefacher Grund mich bestimmt hätte, auf diese ersten Samm- lungen schon jetzt genauer einzugehen. Die chilenische Flora, an Eigenthümliehkeit und Reichthum der Pflanzen- formen den Gebieten Australiens und Südafrikas weit nachstehend, hat die Systematiker vielleicht aus diesem Grunde weniger angezogen und seltener zu monographischen Untersuchungen den Stoff geboten. Sie enthält daher noch eine Reihe von Gattungen, deren systematische Stellung ungewiss oder be- Phys. Classe. VI. 90 A. GRISEBACH, stritten ist. Dahin gehören z. B. Aristotelia, die man den Elaeokarpeen ver- wandt hält, Decostea, die zwischen den Corneen und llicineen schwankt, Desfontainea, eine unvollkommen untersuchte Gattung, ferner die Gruppe der Conanthereen, welche Kunth ungeachtet ihres am Grunde angewachsenen Pistills zu den Liliaceen zieht und die daher als ein Übergangsglied zu den Amaryllideen betrachtet werden kann. Es ist nicht die Richtung von Gays Flora chilena, die sich besonders der Beschreibung neuer Arten zuwendet, solche Fragen zur Entscheidung zu bringen; allein es ist klar, dass die schärfere Analyse zweifelhafter Gattungen von einem allgemeineren Interesse für die Ausbildung des Pflanzensystems ist, als die Vermehrung des descripti- ven Materials. Schon einmal!) haben solche Untersuchungen aus dem Gebiete der chilenischen Flora Adr. Jussieu veranlasst, sich über einige schwierige Punkte ihrer Systematik auszusprechen, und dieser Abhandlung wünschte ich mich durch die folgenden Bemerkungen anzuschliessen, insofern sie sich über die in dieser Beziehung merkwürdigsten Pflanzenformen der oben erwähnten Sammlungen verbreiten. | Diese Arbeit bot mir aber auch zugleich den Anlass, mich mit der Un- tersuchung einer anderen Frage aus dem Gebiete der Pflanzengeographie zu beschäftigen, welche durch D. Hooker in seiner vortrefflichen Flora antarctica angeregt worden ist. Sie bezieht sich auf das Problem der Pflanzenwande- rungen von einem ursprünglichen Schópfungscentrum zu fern gelegenen Ge- bieten. Es ist bekannt, dass die entferntesten Punkte der Erdoberfläche eine gewisse Anzahl ubiquitärer Pflanzen gemeinschaftlich besitzen, die vorzüglich in drei Kategorien zerfallen, in Kryptogamen, deren Sporen beweglicher sind, als die Samen der höheren Gewüchse, in Wasserpflanzen, deren Keimkraft, wenn sie durch oceanische Strömungen zu den Antipoden geführt werden, der Einwirkung des Wassers zu widerstehen scheint, und in sogenannte Ru- deralpflanzen und Unkräuter, welche mit den Kulturgewächsen dem Menschen auf seinen Wanderungen gefolgt sind. In allen diesen Füllen sind demnach exceptionelle Ursachen thätig, um die Wanderung von Gewächsen unbestimmter I) A. de Jussieu, observations sur quelques plantes de Chili (Ann. sc. nat. Vol. 25. p. 1—30). | s SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPIS U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 91 klimatischer Sphäre über die grössten oceanischen Schranken hinaus möglich zu machen. Wenn aber hochsüdliche Länder auch Pflanzen des Nordens auf- weisen, die keiner der genannten Gruppen angehören und deren Areal durch die Breiten des halben Erdkreises in zwei entlegenste Bezirke gesondert wird, so scheint ihr Ausgangspunkt von einem gemeinsamen Centrum um so leichter bestritten werden zu können, je weniger die Organisation der Samen in be- stimmten Familien, z. B. die Zersetzbarkeit der als Nahrungsstoff abgelagerten Fette, eine langdauernde Unterbrechung der vegetativen Processe zulässt. Ich habe selbst durch eine in meiner Schrift über die Gentianeen enthaltene Be- merkung über den Verbreitungsbezirk von Gentiana prostrata, worüber D. Hooker sich ausführlicher und beistimmend verbreitet hat!), eine der be- stimmtesten Angaben über das Vorkommen arktischer Gewächse an der Maghellans-Strasse mitgetheilt und dadurch vielleicht dazu beigetragen, dass man auch in anderen Fällen die specifische Verschiedenheit nahe stehender arktischer und antarktischer Arten angezweifelt hat. Gegenwärtig stehen mir die damals verglichenen Exemplare von Gentiana prostrata, welche Darwin im südlichsten Gebiete von Amerika gesammelt hatte, nicht mehr zu Gebote, und ich kann daher diese Untersuchung nicht erneuern. Aber in einer Reihe anderer Fälle, in denen D. Hooker ebenfalls eine solche Identität alpiner For- men in beiden Hemisphüren angenommen hat, gaben mir die vorliegenden Sammlungen Gelegenheit, bestimmte und, wie ich von der Mehrzahl derselben annehmen darf, specifische Unterschiede zwischen diesen nahe verwandten Formen aufzufinden. Ich halte es nun im Interesse jenes pflanzengeographi- schen Problems für wichtig, die Ergebnisse meiner Untersuchung ausführlich mitzutheilen und dadurch eine weitere Discussion über diese Frage einzuleiten. Dieser systematischen Erörterung, welche den Schluss meiner Abhandlung bildet, habe ich zugleich die Beschreibung der neuen Formen von der Maghellans-Strasse und vom südlichen Chile, die in Philippis und Lechler's Sammlungen mir vorlagen, hinzugefügt. Zu Gunsten ursprünglicher, durchgreifender Sonderung der antarktischen und arktischen Floren sprechen folgende statistische Angaben über die in D. Hooker's Flora der Maghellans-Länder aufgenommenen europäischen Ge- DM. antarct. I. p. 56. M2 92 A. GRISEBACH, wüchse. Die Anzahl phanero gamischer Formen beträgt 47, denen aus Lech- lers Sammlung nur noch Capsella Bursa und Urtica urens hinzuzufügen sind. Sie zerfallen dem Obigen zufolge in drei Kategorien, von denen die beiden ersten auf Einwanderung zurückgeführt werden können, die dritte hingegen der systematischen Kontroverse anheimfillt. 1. Europäische Formen, deren Vorkommen in hohen Breiten der süd- lichen Hemisphäre durch die Einführung europäischer Kulturgewächse oder durch Schiffsballast zu erklären ist: 22 Arten. Sisymbrium canescens Nutt. (S. Sophia var. Hook.). Capsella Bursa pastoris Mch. Sagina procumbens L. Stellaria media With. Cerastium arvense L. — vulgatum L. Potentilla anserina L. Gnaphalium luteoalbum L. Senecio vulgaris L. Taraxacum laevigatum DC. (1.4 dens leonis Desf. var. Hook.) Sonchus oleraceus L. Calystegia sepium R. Br. Rumex: Acetosella L. Aira ae Bent “= Deschampsia flexuosa Tr. (nach Hook. vielleicht D. discolor R. S. Syn. Aira uliginosa Wh., und in diesem Falle zu der zweiten Reihe gehörig). Poa pratensis L. (zweifelhaft; von Urville zu P. compressa L., von Brongniart zu P. alpina L. gezogen). Festuca duriuscula . — bromoides L. Triticum repens L. Lolium perenne L. SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 93 2. Europäische Formen, deren feuchter Standort oder deren Verbrei- tung an der Meeresküste auf Unabhängigkeit von der Einwirkung des See- wassers auf die Keimfähigkeit der Samen schliessen lässt: 10 Arten, von denen ich die mit einem “ bezeichneten selbst verglichen und mit den euro- päischen Arten identisch gefunden habe. Spergularia marina Gr. (Arenaria media D. Hook.). Pisum maritimum L. Hippuris vulgaris L.* Callitriche verna L. Montia fontana L. * Apium graveolens L. Limosella aquatica L.“ Polygonum maritimum L.* Scirpus palustris L. Carex curta Good. (C. similis Urv.: nach Boott mit der europäischen Art identisch). 3. Arten der nördlichen Hemisphäre in Hooker's Flora antarctica, deren Identität ich — werde vun weiterer Untersuchung anheim stelle: 17 Arten. ' Anemone PER N Hook.* = A. multifida Poir. Cardamine hirsuta Hook.“ = C. antiscorbutica Bks. Sol. (s. unten nr. 2). Draba incana var. Hook.“ = D. magellanica Lam. (s. unten nr. 3). Geum magellanicum Commers.*, wozu Hooker das europäische G. coc- cineum Sibth. als Synonym zieht, obgleich Fischer und Meyer einen nach meiner Untersuchung unveränderlichen diagnostischen Charakter nachweisen. Epilobium tetragonum var. Hook.*— E. denticulatum R. P. Saxifraga exarata var. Hook.* = S. magellanica Poir. (s. unten nr. 20). Galium Aparine Hook.“ = G. pseudaparine Gr. (s. unten nr. ie Erigeron alpinus var. Hook. (E. pauciflorus Bks. Sol.). Gentiana prostrata Hk. Primula farinosa var. Hook.“ = P. Angeles Lehm. Statice Armeria Hook.“ = Armeria chilensis Boiss. 94 A. GRISEBACH, Plantago maritima Hook.“ = P. juncoides Lam. Decs. - Rumex crispus Hook.“ = R. magellanicus Gr. (s. unten nr. 11). Carex ovalis var. Hook. — €. Macloviana Urv. Alopecurus alpinus var. Hook. = A. antarcticus Vhl. Phleum alpinum Hook. = P. Haenkeanum Prl. Agrostis alba var. Hook. = A. caespitosa Gaud. Flacourtianeen. Ein niedriger Baum Valdivia's, daselbst nach Philippi's Angabe unter dem Namen Chinchin bekannt, gehórt zu der Gattung Azara, in welcher er.ein für die systematische Stellung der. Flacourtianeen wichtiges Glied bildet. Ich wage nicht, ihn als besondere Art von D. Hookers Azara microphylla (Fl. antarct. 2. p. 244) zu trennen, wiewohl dessen Beschreibung in der Stellung und Form der Staminen von unserer Pflanze abweicht. Sie hat námlich die Eigenthümlichkeit, nur einen einzigen Wirtel von Staminen auszu- bilden, der mit einer gleichen Anzahl von Drüsen abwechselt, welche sich denen der Homalineen analog verhalten. D. Hooker beschreibt diesen Bau folgendermassen: the stamens are definite and invariably four or five in number, alternating with as many conspicuous obcordate fleshy flattened glands, placed rather externally to them and alternating also with the segments of the calyx, to which the stamens are opposite. Bei unserer Pflanze dagegen sind die Drüsen den Kelchsegmenten opponirt und die Staminen alterniren daher mit den letzteren: wenn Azara eine Corolle besásse, so würden sie dieser gegen- überstehen und in der That gleicht diese Blüthe äusserlich aufgefasst, einer apetalischen Rhamnee. Ferner bemerkt Hooker, dass die Filamente seiner Azara microphylla abgeplattet sind und die Antheren sich nach aussen óffnen. Bei unserer Pflanze sind die Filamente schmal und die Antheren öffnen sich schrág nach oben und aussen, so dass durch eine Beugung des Filaments gegen die Narbe bei der Befruchtung der Pollen den Ort seiner Bestimmung mit Leichtigkeit erreichen kann. Wenn durch die Polyandrie der Flacourtianeen die Stellung der Staminen gegen die äusseren Blüthenwirtel ungewiss blieb und durch die Reihenfolge SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 95 ihrer Entwickelung bis jetzt nicht aufgeklärt: ward, so gewährt die vorliegende Azara den Vortheil, die Alternanz der fruchtbaren Staminalblätter mit dem Kelche unmittelbar nachzuweisen und dadurch einen Schluss auf den Typus der Familie zu begründen. Die Übereinstimmung dieses Charakters mit dem Blüthenbau der Rhamneen, so wie eine gewisse Analogie, welche sich aus den asymmetrischen Nebenblättern von Azara und den ungleichen Stipular- Dornen von Zizyphus herleiten lässt, könnten zu einer von den bisherigen Auf- fassungen sich weit entfernenden Ansicht über die Stellung der Flacourtianeen verleiten. Auch würde man gegen eine solche Combination die parietale - Placentation dieser Familie als ein entscheidendes Argument nicht benutzen können, da Bixa und Oncoba, zwei ebenfalls parakarpische Gattungen, deren nahe Beziehung zu Cochlospermum Planchon nachgewiesen hat, habituell dem Verwandtschaftskreise der Malvaceen sich anschliessen, zu welchem, wie R. Brown zuerst bemerkte und wie durch Duchartres Beobachtungen über die ursprüngliche Stellung der Staminen bei den Malvaceen bestätigt ward, auch die Rhamneen gehören. Dagegen würden wir den Gedanken an eine Verwandtschaft der ächten Flacourtianeen, von denen Bixa wahrscheinlich aus- zuschliessen ist, mit den Rhamneen durchaus aufgeben müssen, wenn die Alter- nanz von Kelch und Staminen in beiden Gruppen nicht auf demselben Bildungs- typus beruht. Dies würde der Fall sein, wenn die Drüsen in der Blüthe von Azara microphylla, ebenso wie bei den Homalineen, als ein äusserer Kreis von sterilen Staminen zu betrachten wären. Hiefür aber spricht eine Beob- achtung, welche ich an Kiggelaria machte, einer Gattung, die Bennett!) zwar von den Flacourlianeen ausschliessen wollte, die aber doch jedenfalls demselben Verwandtschaftstypus angehört. Über ihre Charakteristik habe ich anzuführen, dass dieselbe in Bezug auf die Stellung der Drüsen und die Antherendehiscenz bei De Candolle und Endlicher fehlerhaft ist, dass ich jedoch die Angaben, welche sich in Harveys Werk über die Capflora finden, nur bestütigen kann: hiernach óffnen sich die Antheren durch zwei runde Poren, wodurch Kiggelaria von den übrigen Flacourtianeen abweicht, und fünf einfache Drüsen stehen in beiden Geschlechtern der Blumenkrone gegen- 1) Pl. javan. I. p. 189. 96 A. GRISEBACH, über. Dieser letztere Umstand kann ebenfalls und mit grösserem Gewicht für Bennetts Meinung geltend gemacht werden: denn da diese Drüsen, wie ich sogleich zeigen werde, sterile Staminen sind, so gehören sie, wiewohl denen von Azara: microphylla durchaus in ihrer Form und Grösse gleichend, ihrer Stellung nach einem anderen Wirtel an, und, da die Unterscheidung der Homalineen von den Passifloreen wesentlich darauf beruht, dass bei den ersteren der äussere Staminalwirtel sich in solche Drüsen umwandelt, der bei den letzteren fruchtbar ist, so kann man behaupten, dass Kiggelaria sich in dieser Beziehung zu unserer Azara gerade so verhalte, wie Passiflora zu Homalium. Wie wenig Gewicht aber auf diese Verschiedenheit in der Fruchtbarkeit äusserer oder innerer Staminalwirtel zu legen sei, beweist eben meine Beob- achtung über den Formenkreis der männlichen Blüthen von Kiggelaria africana. Ich fand in ihnen von fruchtbaren Staminen bei vollständiger Ausbildung der- selben 10, also zwei der pentamerischen Blüthe entsprechende Wirtel: häufiger aber waren nur 9 und in einzelnen Fällen sogar nur 7 zur Entwickelung gekommen und alsdann zeigte sich zuweilen ausser den 5 der Blumenkrone gegenüberstehenden Drüsen eine sechste von übereinstimmender Gestalt, die einem der Kelchblätter opponirt war, also hier unzweifelhaft als ein abortirtes Staminalblatt zu betrachten ist, welches die Natur der Drüsen von Azara microphylla aufklärt. Es lässt sich hiernach die nahe Beziehung nicht ver- kennen, welche sowohl zwischen Kiggelaria und Azara als zwischen diesen Gattungen und den Homalineen stalt findet und die in der Tendenz gewisser, bald äusserer bald innerer Staminen, sich in Drüsen von eigenthümlicher Form umzuwandeln, zu erkennen ist Don hat in einer scharfsinnigen ere e 5! eine. eigenthümliche, An- sicht über die Stellung von Azara aufgestellt, indem er ihre nahe Verwandi- schaft mit Pineda nachweist und beide. Gattungen zu den Homalineen versetzt. Er hätte, da die Verbindung derselben mit den Flacourtianeen sich nicht zer- reissen lässt, einen Schritt weitergehen und die Homalineen als selbständige Familie aufgeben sollen, da die einzigen Charaktere „ nach welehen man beide Gruppen gegen einander begrenzen könnte, entweder auf fehlerhafter Beob- 1) Edinb. n. phil. Journ. 1830. 19. p. 117. SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 97 achtung oder auf unvollständiger Vergleichung beruhen. Dass die Angabe Richard' s, nach welcher den Flacourtianeen eine den Butomeen analoge Placentatión zukommen sollte, durch keine einzige wirkliche Beobachtung zu begründen ist, hat Bennett (a. a. O.) nachgewiesen und ich kann in Bezug auf Kiggelaria seine Erklärung bestätigen. Ein durch den angewachsenen Discus mit dem Kelch verbundenes Ovarium kommt, wie schon R. Brown anführte, als er die Gruppe der Homalineen aufstellle, diesen nicht allgemein zu und die perigynische Insertion ist wenigstens als typisch auch für die Flacourtianeen anzusehen, die allgemein einen Discus besitzen, der in den meisten Fällen dem Kelche anwächst. Dass aber die Unterscheidung einer perigynischen oder hypogynischen Diseusinserlion von geringer Bedeutung sei, zeigt der Bau von Kiggelaria, wo ich den Discus, der die Blumen- blätter trügt, in der weiblichen Blüthe vom Kelche geschieden, in der männlichen dagegen mit dem Kelche verschmolzen finde. Dagegen möchte die Insertion ohne Vermittelung eines Discus zur Unterscheidung derjenigen Verwandtschaftskreise nicht ohne Werth sein, mit denen das System die Denen bisher in — ment hat. Dahin gehören einerseits die Malva and die Vi aber Bennett hat sich das unleug- bare «Merilionst erworben, dureh Ausscheidung von Gattungen, die wirklich eine solche Verwandtschaft ausdrücken, den Begriff der Flacourtianeen jenen Bildungskreisen weiter entrückt zu haben. Namentlich schliesst er Bixa und Oncoba aus, von deren Stellung oben die Rede war, so wie Melicytus, eine Gattung, die D. Hooker in seiner Flora von Neuseeland mit Recht zu den Violaceen zieht: dagegen glaube ich der eee von ae und Kiggelaria nicht beistimmen zu dürfen. . Über die Nebenblätter von Azara, deren nimi Bildung ‚dieser Gat- tung eigenthümlich ist und sie in dem kleinsten Bruchstück eines Zweiges zu erkennen gestattet, finde ich die Angaben. der. Schriftsteller mit der Natur nicht ganz übereinstimmend und unter sich widersprechend. Im entwickelten Zustande schien mir ihre Stipularnatur Anfangs zweifelhaft: indessen habe ich mich durch Untersuchung junger Knospenzustände von Azara dentata über- zeugt, dass die beiden blattartigen Organe, welche oft allein zur Entwiekelung gelangen und die De Candolle als Folia geminata inaequalia bezeichnet, in Phys. Classe. VI. | N 98 A. GRISEBACH, der That ächte Nebenblätter sind, die als seitliche Segmente einer ursprüng- lichen Blattanlage, ähnlich wie bei Viola, hervortreten. Bei Azara dentata kommt diese Blattanlage häufig zur vollendeten Ausbildung, aber doch bleibt das Blatt immer noch dadurch ausgezeichnet, dass die Nebenblätter asymmetrisch, von ungewöhnlicher Grösse und im entwickelten Zustande vom Blattstiele ge- trennt sind; bei A. microphylla ſinde ich nur solche Nebenblattpaare, deren Hauptblatt fehlt, aber kein Beispiel ist mir bekannt, wo, wie man aus E n d- lichers Charakter von Azara schliessen sollte, eins der beiden Nebenblätter fehlschlägt und das andere sich nebst dem Hauptblatte entwickelt. Polygaleen. Bei Valparaiso sammelte Philippi sehr vollständige Exem- plare der Monnina linearifolia R. P., von welcher Sir W. Hooker eine Ab- bildung gegeben hat 1), die zwar über die Identität von Beechey’s und unserer Pflanze keinen Zweifel übrig lässt, aber einige Eigenthümlichkeiten ihres Baus nicht berücksichtigt oder doch unvollkommen wiedergiebt. Aus der Analyse von vier Blüthen und einer Knospe ergiebt sich nàmlich zuerst, dass diese Art nur 6 Staminen besitzt, wodurch sie von den übrigen bisher ge- nauer beschriebenen Monninen, die sämmtlich octandrisch sind, abweicht; an der Vexillarseite des Staminaltubus befindet sich bei M. linearifolia ein starker Haarschopf, der jedoch nach dem Verlauf der Gefässbündel nicht als ein Überrest abortirter Staminen betrachtet werden kann. Sodann hat der Griffel die eigenthümliche Gestalt eines Hebels, dessen langer nach abwärts gerich- leter Arm der unteren Lippe an den Narben anderer Arten entspricht, während der zweite kürzere und breitere Arm, der mit jenem einen spitzen Winkel bildet, aus dem unteren Theile des Griffels selbst besteht; die zahnförmigen Anhänge am Grunde des Griffels, so wie die Suppression der oberen Narben- lippe sind in H/s Abbildung genauer angedeutet. ! Die der Blüthe von Polygala widersprechende Stellung. eher Organe bei Monnina hat durch Asa Gray's Bemerkungen über Krameria 2) ein neues Interesse erhalten, indem fast dieselben Gründe, die diesen Botaniker veranlassten, Krameria zu den Leguminosen zu versetzen; auch für Monnina I) Bot. Beech. I. t. 6. 2) Gen. bor. amer. 2. p. 225. SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 99 geltend gemacht werden könnten, wiewohl hier eine Absonderung von den Polygaleen unzulässig sein würde. Die erste vollständige, von Endlicher nur sehr ungenau wiedergegebene Beschreibung von Monnina hat Kunth geliefert 1), und diese Darstellung ist so treffend und erschöpfend, dass ich sie nach meiner Untersuchung der vorliegenden Art bis auf deren Hexandrie und mit Ausnahme der irrthümlich beschriebenen Narbe, bei der nicht die obere, sondern die untere Lippe stärker entwickelt ist, nur einfach zu bestä- tigen finde. Seinen Beobachtungen. hat Kunth. zugleich in Bezug auf zwei Punkte Hypothesen hinzugefügt, die eine nähere Erwägung erheischen. Aus seiner Analyse ergiebt sich, dass das fünfte Kelchblatt, wie bei den Legumi- nosen der Bractealseite, die Carina daher der Axenseite entspricht: diese Stellung, die der von Polygala gerade entgegengesetzt ist, sich aber auch bei Trigonia wiederholt, sucht er durch eine Drehung der Blüthe (Flos resupina- tus) zu erklären. Von einer Drehung des Blüthenstiels ist aber nicht bloss an der entwickelten Blüthe nichts zu bemerken, sondern auch an jungen Knospen, deren Stiel sich noch nicht ausgebildet hat, finde ich schon die spätere Stellung der Organe. Man müsste also entweder annehmen, dass der Typus der Polygaleen beide entgegengesetzte Blüthenstellungen gegen die- Axe zulässt, oder dass Drehungen in früheren Entwickelungsperioden statt finden, als die Untersuchung bis jetzt erreicht hat: in beiden Fällen aber kann die Stellung der Blüthenorgane bei Krameria nicht benutzt werden, um die Ver- setzung dieser Gattung von den Polygaleen zu den Leguminosen zu rechtferti- gen. Im Göttinger Garten wird eine Monnina kultivirt (M. polygaloides H. Gott.), bei welcher die Kelchblätter ebenso gestellt sind, wie bei Polygala: sollte man aus diesem Umstande auf eine Drehung der Blüthe bei den übrigen zu schliessen um so geneigter sein, so ist wenigstens kein in den Beobachtungen liegender Grund vorhanden, hier eine Resupination der Blüthe anzunehmen und sie bei Krameria zu verwerfen. — Die zweite Bemerkung, durch welche Kunth sich bemüht hat, den Abstand zwischen dem Blüthenbau von Monnima und Polygala zu verringern, besteht darin, dass er, freilich selbst zweifelnd, die innere, weisslich gefärbte Schicht der Testa als Endosperm betrachten 1) Nov. gen. 5. p. 410. N? 100 A. GRISEBACR, möchte. Wiewohl sich auch dieser Punkt mit Schärfe nur durch die Ent- wickelungsgeschichte würde aufklären lassen, so spricht doch die Vergleichung mit dem Endosperm von Polygala und namentlich der Umstand, dass der Embryo von Monnina sich mit Leichtigkeit von der locker anschliessenden Testa abheben lässt, ebenso wie der übereinstimmende Bau von Securidaca mit Entschiedenheit gegen Kunth’s Deutung, und es kann daher auch der ebenfalls eiweissfreie Samen von Krameria nicht gegen ihre Stellung neben den Polygaleen geltend gemacht werden. Dasselbe gilt von dem einfachen Karpell, welches den meisten Arten von Monnina „ so wie Securidaca mit Krameria gemein ist und nach diesen Gesichtspunkten ist folgende Bemerkung Asa Gray's zu würdigen, in welcher er die Gründe für die Versetzung der letzteren Gattung zu den Leguminosen zusammengefasst hat (a.a. 0. p. 228): „From Polygaleae Krameria is plainly excluded by the monocarpellary pistil, the relation of the sepals and petals to the aris, the posterior situation of the stamens, the collateral ovules and the exalbuminous seeds. « ^ "Allein bei dieser Frage darf die merkwürdigste Eigenthümlichkeit im Bau von Monnina nicht unberücksichtigt bleiben, wodurch diese Gattung allerdings sehr bedeutsam von Krameria abweicht. Dies ist die von Kunth nachge- wiesene und zur Unterscheidung von den Leguminosen benutzte Anheſtung des Eis an der vorderen oder Braktealseite des Ovariums bei Monnina, die bei unserer Art zugleich dem langen Hebelarm der Narbe entspricht, während bei Krameria zwei Eier an der Axenseite, wie bei den Leguminosen inserirt sind. Saint-Hilaire bearbeitete in seiner brasilianischen Flora 1) später als Kunth den Gattungscharakter von Monnina, aber weniger naturgemäss: denn einmal ist er ungenau in der Darstellung des Situs, indem er bei dem Kelche eine Resupination anzunehmen scheint (sepalum V superius in flore nutante) und dann die Carina ebenfalls ein Petalum superius nennt, sodann führt er Kunth's Hypothese über die Testa als direct beobachtete Thatsache an (Perispermium parcum). Die einzige Erweiterung, welche der Kenntniss von Monnina durch wärtige Frage wichtigen Entdeckung, dass zwei brasilianische Monninen (M. 1) Fl. Brasil. merid. 2. p. 59. SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 101 cardiocarpa und resedoides) das zweifächerige Ovarium von Polygala- besitzen. Hiernach war Saint-Hilaire allerdings berechtigt, in seinen Charakter die Deutung aufzunehmen, dass bei den übrigen Monninen eins der beiden Karpelle durch Abort verloren gegangen sei Über die Stellung. dieses verloren ge- gangenen Karpells aber fügt er hinzu, dass das obere, das der Axenseite in der Mehrzahl der Arten fehle (Ovarium abortu uniloculare, loculo carinaé opposito: superstite). Wäre diese Meinung begründet, so würde die Stellung des Ei's noch viel auffallender, ja vielleicht einzig in ihrer Art sein: sie würde nicht dem eingeschlagenen Rande, sondern der Mittellinie des Karpophylls entsprechen, also der von Polygala sich entgegengesetzt verhalten. So wie aber eine solche Ansicht morphologisch unmöglich genannt werden kann, so wird sie auch durch die vom Verfasser mitgetheilten und von Moquin-Tandon trefllich abgebildeten Analysen der beiden zweifächerigen Monninen selbst völlig widerlegt: denn bei diesen stimmt die Placentation genau mit der von Polygala überein und es ergiebt sich also hieraus, dass in den übrigen Arten das untere, der Bractealseite entsprechende Karpell verloren gegangen ist, übereinstimmend mit der an dieser Seite stärker ausgebildeten Narbe. Nehmen wir nun an, dass auch bei Krameria der Anlage nach zwei Karpelle vorhanden sind, dass aber in dieser Gattung das obere, der Axenseite zugewendete abortirt sei, so würde die entgegengesetzte Placentation beider Gattungen hierin ihre Erklärung finden und auch Krameria auf den Typus der Polygaleen-Blüthe zurückgeführt werden. Diese Ansicht findet in der Stellung der Staminen ihre Bestätigung, die in beiden Gattungen die nämliche ist. Nur ihre Anzahl ist bei Krameria verringert, so wie Monnina linearifolia ebenfalls zwei Ongane weniger besitzt, als die übrigen Arten. A. Gray führt selbst an, dass nach einer Beobachtung A. Braun's bei Krameria zuweilen ein fünftes Stamen sich entwickelt, welches nicht die Stellung des zehnten Stamens der Leguminosen hat, sondern an der entgegengesetzten Seite der Bluthe steht. Krameria kann daher nicht in den Verwandtschaftskreis der Leguminosen gestellt werden, da auf der Anlage von zwei synkarpen Karpellen, der hypogynischen Insertion und dem abso- juten Mangel der Nebenblätter die drei wesentlichsten Gegensätze der Poly- galeen und Leguminosen beruhen und diese Charaktere auch bei Krameria vorhanden oder doch anzunehmen sind. „ ae aal 102 A. GRISEBACH, Elaeagneen. : Aexioxicum punctatum R. P. ist ein unter dem araucanischen Namen Tique, so wie in spanischer Bezeichnung als Palomuerto bekannter Baum, der nach Bridges in Valdivia. ausgedehnte Wälder bildet. Hooker hat von diesem dioecischen, zweifelhaft zu den Euphorbiaceen gestellten Ge- wüchse eine Abbildung und richtige Analyse der männlichen Blüthe mitge- theilt 1): von der weiblichen Pflanze stand ihm nur eine Steinfrucht zu Gebot, aus welcher er den sehr entwickelten Embryo dargestellt hat. Die von Philippi aus Valdivia eingesendeten Exemplare tragen ebenfalls nur männ- liche Blüthen, und ich kann daher keinen Beitrag zu dem unvollständig ge- kannten Bau des Gewächses liefern. Indessen genügen die vorhandenen Thatsachen, um zu beweisen, dass Aextoxicum nicht zu den Euphorbiaceen gehören könne, von denen sie der Bau der Frucht ‚so weit Ruiz und Pa von denselben beschrieben haben, ausschliesst. Die genaue Ubereinstimmung der im Mittelpunkt befestigten Schüppchen, welche die untere Blatiseite, so wie die Axenorgane in ihrer Jugend bedecken, mit der eigenthümlichen Bekleidung der Epidermis bei den Elaeagneen legt den Gedanken nahe, dass Aextoxicum zu dieser Familie gehören möge, die durch die ebenfalls unvollständig be- kannte Gattung Conuleum in Südamerika vertreten ist. Die analoge Bildung und Gestalt der Blätter, ihre Stellung , die ähnliche Beschaffenheit des äusseren Deckblatts der Blüthe, welche der Braktee von Hippophae zu entsprechen scheint, die auffallenden Torusdrüsen, welche innerhalb der Stamina das Ru- diment des Pistills umgeben und, wenn meine Deutung des Perigoniums be- gründet ist, alternirend gegen das letztere gestellt sind , wie in der weiblichen Blüthe von Shepherdia (wo sie paarweise aus einander ireten, während sie bei Aextoxicum aus 10 paarweise verschmolzenen Gliedern bestehen), die Alternanz der Stamina mit dem Perigonium, die einsamige Steinfrucht und der Bau des Samens, so weit derselbe bekannt ist: alles dies sind Momente, welche jener Idee eine bestimmtere Stütze verleihen. Hiernach müsste nun aber eine andere Auffassung der Blüthenorganisation, als die bisherige, ange- nommen werden. Der fünfgliedrige Wirtel, den man als Corolle betrachtet hat und den ich so eben als Perigonium bezeichnete, stimmt in seiner Textur — HÀ Y — $ 1) Ic. plant. t. 12. SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 103 mit dem Perigonium der Elaeagneen überein: zwischen ihm und der äusseren Braktee sind zwei dreigliedrige, imbrikative Wirtel von Blättern eingeschaltet, die nach meiner Auffassung als Involucralbildungen oder Systeme von Knospen- schuppen aufzufassen sein würden. Für diese Deutung spricht einmal, dass sie bei dem Aufbrechen der Blüthe abgeworfen werden, während das festere Perigonium sich erhült, sodann ihre asymmetrische Zahl, indem kein Beispiel bekannt ist, wo eine pentandrische Blüthe mit fünf Petalen von sechs Kelch- blättern umgeben wäre. Es braucht kaum erinnert zu werden, dass die Stellung von Aextoxicum unter den Elaeagneen so lange eine provisorische bleiben muss, bis die weibliche Blüthe genauer bekannt ist. Sollten sich die Angaben von Ruiz und Pavon bestätigen, nach denen der Griffel zweispaltig und die Radicula nach oben gerichtet sein soll, so würde sich durch diese Eigenthümlichkeiten die Gattung von den übrigen Elaeagneen entfernen und in der letzteren. Beziehung an die Phytokreneen anschliessen, deren aus zwei Wirteln zusammengeseizter Kelch einige Analogie mit dem en 3 von Aextoxicum darbietet. Lythrarieen. Die Exemplare von Pleurophora — Hook. Arn. (Syn. Lythrum divaricatum Colla) !), welche Philippi bei Valparaiso gesammelt hat, scheinen zu berechtigen, diese beiden, unabhängig von einander aufgestellten Arten als identisch zu betrachten, von denen die erstere im J. 1833, die zweite im J. 1835, aber beide ohne Kenntniss der Frucht beschrieben worden sind. Zwar ist die Insertion der Staminen in Colla's Abbildung fehlerhaft und dem Charakter der Lythrarieen widersprechend, auch die Darstellung des . Kelchrandes ungenau: aber schon Endlicher2) hat in seiner Figur eine Pleurophora- erkannt, ohne sich über die Art auszusprechen. In der Flora chilena scheint Colla's Tafel nicht beachtet zu sein: ng wird sie bei den Lythrarieen nicht angeführt: Den Charakter von Pleurophora hat Den , der Begrunder dieser Gattung, zwar richtig aufgefasst 5), aber, da die Frucht ihm unbekannt blieb, und da die Beschreibung derselben in der Flora chilena, die einzige, welche wir 1) Mem. Torin. 37. t. 14. EL 2) Gen. pl. p. 1201. 3) Edinb. n. phil. Journal. 12. p. 112. aoa AA: IM y A. GRISEBACH, von derselben besitzen, ungenau ist, so habe ich unten (nr. 18) das Er- gebniss meiner Untersuchung von Pl. pusilla mitgetheilt. Ich mache besonders auf die rein -parietale Placentation dieser Gattung aufmerksam, die man: durch den Verlust eines der beiden Karpelle von Lythrum zu erklären um so mehr geneigt sein dürfte, als die schiefe Stellung des Ovariums auf einen Abort dieser Art hinweist. Unter einem anderen Gesichtspunkte aber könnte man die suturale Placentation von Pleurophora als ein Moment benutzen, um die Verwandtschaft der Lythrarieen mit den Onagrarieen auch aus dem Pistill ab- zuleiten: aber bei Epilobium erreichen die eingeschlagenen Karpellränder im jüngeren Zustande des Ovariums die Axenlinie nicht, indem die parietalen Placenten sich daselbst fast berühren, aber nicht verwachsen sind, während die Verbindung der beiden Karpellränder an der Placenta von V— en sich näher an den Bau der Lythrarieen anzuschliessen scheint. | Crassulaceen. Hooker und Arnott stellten ihr Cryptopetalum pusil- lum 1) nicht ohne Zweifel zu den Saxifrageen, indem sie bemerkten, dass die loculicide Dehiscenz der Kapsel ihre Gattung von dieser Familie entferne. Man kann hinzufügen, dass die geringe Ausbildung des Albumens, indem der Embryo den gróssten Theil der Samenhóhle ausfüllt; dem Typus der Saxifrageen in weit höherem Grade widerspricht, denen nach Ausscheidung der Cunoniaceen | und anderer fremdartiger Bestandtheile stets ein wenig entwickelter, während der Keimung auf die im Albumen enthaltenen Nahrungsstoffe angewiesener Embryo zukommt. Späterhin hat Endlicher Cryptopetalum mit Elliott’s Lepuropetalum, einer nordamerikanischen Gattung, welche bei De Candolle |. ebenfalls unter den Saxifrageen neben Donatia steht, für identisch erklärt und Asa Gray ist ihm hierin nicht bloss gefolgt, sondern hat auch die chilenische Art als Synonym zu der nordamerikanischen gezogen 2). Nach Exemplaren des Lepuropetalum spathulatum Ell., welche Drummond in Texas gesammelt und die ich der Güte des jüngeren Hooker verdanke, fallen beide Gattungen in der That zusammen: allein als Art unterscheidet sich die nordamerikanische Pflanze von der chilenischen (L. pusillum Hook. Arn. 822 durch grössere, 1) Bot. Misc. 3. p. 344. 2) Fl. bor. amer. 1. p. 590. SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI’S U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 105 das halbe Filament an Länge übertreffende Blumenblätter, breitere und zahl- reichere Blätter und ästigen Wuchs. Hierbei ist zu bemerken, dass Elliott seiner Pflanze weisse Blumen zuschreibt, während Hooker und Arnott zu Gunsten der Verwandtschaft ihres Cryptopetalum mit den Saxifrageen an- führen, dass man die im Kelch eingeschlossenen Blumenblätter als aborlive Stamina betrachten und dadurch die Zahl derselben auf den Blüthenbau von Chrysosplenium zurückführen könne. Dieser Bemerkung entspricht durchaus die von Philippi bei Concepcion gesammelte Pflanze, deren Petala so klein sind, dass die Blüthe, die an dem oft nur 2“ langen Pflänzchen reichlich 1^ misst, von aussen betrachtet, apetalisch und grün erscheint: sieht man aber in das Innere der geöflneten Blume, so fällt die Orangefarbe der Antheren, die Hooker und Arnott schon bemerkt haben, weit mehr in die Augen, als die einem weisslichen Schüppchen gleichenden Petala, die nur mit Mühe zu unterscheiden sind. Wie nun diese chilenische Pflanze schon dadurch ein besonderes Interesse erregt, dass sie, so viel ich weiss, unter allen annuellen und phanerogami- schen Landpflanzen die kleinste ist, so bin ich doch auch über ihre wirkliche und merkwürdige Verwandtschaft nicht in Zweifel geblieben, auf welche mich zuerst eine gewisse habituelle Ähnlichkeit mit Thisantha geführt hat. Die etwas fleischigen, mit ‚oberflächlichen braunen Flecken versehenen, spatelfor- : migen Blätter, die Anordnung der Blüthen, die, wo axilläre Knospen zur Entwickelung gelangen, auf die Cyma zurückzuführen ist, die perigynische Insertion, die pentamerische Blüthe, die Sonderung der Griffel und der Bau des Samens: alles dies sind der Stellung unter den Crassulaceen günstige Momente. . Aber in einer engeren Verbindung würde sie mit Diamorpha stehen, deren Capsel-Dehiscenz nach Asa Gray zwar nicht loculicid ist, aber doch einem ähnlichen Typus folgt. Lepuropetalum unterscheidet sich nur dadurch von den bis jetzt zu den Crassulaceen gerechneten Gattungen, dass das Ovarium nach unten mit der Kelchröhre verwächst und dass die Ränder der drei Karpelle, statt sich nach eimwürts zu schlagen, in der Aussenwand des Ovariums sich verbinden, wodurch die Placentation parietal wird. Wenn nun die Crassulaceen und Saxifrageen als zwei parallele, besonders durch den Bau des Samens geschiedene Entwickelungsreihen betrachtet werden kónnen, Phys. Classe. VI. 106 A. GRISEBACH, so ist zu erinnern, dass dieselben Verschiedenheiten der Fruchtanlage, welche zwischen Lepuropetalum und den übrigen Crassulaceen bestehen, unter den Saxifrageen längst nachgewiesen sind. So kommen bei Saxifraga sowohl freie als unten dem Kelche angewachsene Ovarien vor und bei Heuchera hat die innigere Vereinigung der beiden Karpelle die parietale Placentation von Lepuro- petalum zur Folge. Die analoge Verbindung der Karpelle von Diamorpha und Penthorum hat in diesen Gattungen keinen Einfluss auf die Placentation, sondern auf die Dehiscenz, die durch dorsale Klappen erfolgt, während bei den Saxifrageen dieselbe marginicid ist, und eine dorsale, medianicide Dehiscenz der Kapsel charakterisirt Lepuropetalum. Eine andere abnorme Crassulaceen- Gattung ist nach meiner schon frü- her!) ausgesprochenen Ansicht Tetradiclis, deren Verwandtschaft wegen ihrer abweichenden Insertion unter einem hypogynischen Discus nicht erkannt zu sein scheint. Ich führe diese Gattung hier als ein zweites Beispiel für. den Parallelismus der- Crassulaceen und Saxifrageen an, indem bekanntlich auch bei Saxifraga Fälle von hypogynischer Insertion vorkommen. Der succulente Stengel giebt eine erste Andeutung der Verwandtschaft, der eingerollte Blü- thenstand von Tetradiclis erinnert an die Verzweigungen der Cyma von einigen Sedum- Arten. Der Bau des Ovariums stimmt mit Diamorpha, die loculicide . Dehiscenz der Capsel mit Lepuropetalum überein, aber die Vereinigung der Griffel entfernt Tetradiclis weiter von dem Typus der Familie, als dies bei hen einer der genannten Gattungen der Fall ist. llicineen. In Philippi' s und in b Leebker, s Sammlungen finden dd * Exemplare eines an der Seeküste von Valdivia wachsenden Baums, dessen merkwürdige, an Ilex Aquifolium erinnernde, in drei breite, stechende Zähne auslaufende Blätter, wie von einem Firniss überzogen glänzen. Diese Blattbildung stimmt mit der Beschreibung von der in Uruguay einheimischen Jodina rhombifolia Hook. Arn. 2) überein. Uber diese Gattung bemerken ihre Begründer, dass sie sie nur als eine muthmasslich neue aufstellen, die zu den Celastrineen AGE. und sie ziehen es vor, die Art als Celastrus? rhom- 9 3 Jahresb. f. 1843. S. 379. 2) Bot. Misc. 3. p. 171. SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 107 bifolius im vorhergehenden Texte zu bezeichnen: allein sie führen selbst an dass sie durch hängende Eier yon den Celastrineen abweiche, und, da sie also nach dem Begriffe, weichen R. Brown für diese Familie bestimmt hat, von derselben ausgeschlossen werden muss, so hat Endlicher sie zu den Ilicineen gestellt, an welche in der That ihre Blattbildung sie anschliesst. Da es mir unwahrscheinlich schien, dass ein so auffallender Baum, wie der von Valdivia, zumal da er an der Küste wächst, noch unbeschrieben sein sollte, so vermuthete ich in ihm die Jodina von Montevideo, deren Blüthenbildung unter der Voraussetzung auf meine unten (nr. 22) beschriebene Pflanze be- zogen werden könnte, dass sie auch mit hermaphroditischen Blumen vorkäme und in dieser Form Hooker und Arnott vorgelegen habe. Allein diese Vermuthung, welcher auch die habituellen Charaktere widersprachen, hat sich nach der Vergleichung eines von D. Hooker mitgetheillen Exemplars von Jodina nicht bestätigt. | Die Blüthe unseres Baums stimmt nun aber ferner genau mit einem anderen, ebenfalls nur in männlichen Exemplaren von Lechler auf Chiloe gesammelten Holzgewüchse überein, welches der Beschreibung von Decostea scandens R. P., die nach der Flora chilena!) bis Chiloe verbreitet ist, voll- ständig ‚eier “Namentlich ist der ausgezeichnete Discus, der in der männlichen Blüthe die Kelchröhre vollkommen ausfüllt und innerhalb des Sta- minalwirtels gleich einer Mamilla vorspringt, in beiden Gewächsen auf dieselbe Weise gebildet. Auch der Blüthenstand ist derselbe und Gay hat eine andere Decostea abgebildet 2), welche durch drei kleine Terminalzühne ihres Blatts an den ausgezeichnetsten habituellen Charakter unseres Baums einigermassen erinnert. Aus diesen Gründen habe ich ihn als neue Art provisorisch zu Decostea gestellt. Wird diese Annahme in der Folge durch die Entdeckung. der weiblichen Pflanze bestätigt, so ergiebt sich hieraus ein weit grósserer Abstand zwischen unserer Decostea und Jodina, als aus ihrer habituellen Ähnlichkeit und der —À neni drei äusseren Blüthenwirtel en n en konnte. 1) Fl. chilen. 8. p. 395. i [922 i | 5 cim 70 2) Das. t. 33. ter. ! yn 108 A. GRISEBACH, Hiedurch fand ich mich bewogen, Decostea und einige andere Gattun- gen, welche man den Corneen zunächst verwandt hält, mit den llicineen genauer zu vergleichen, mit denen ihr Habitus räher, als mit Cornus über- einzukommen scheint. Das Ergebniss war, dass Decostea und Griselinia (diese von jener nach der schönen Analyse in D. Hookers Flora von Neu- seeland ‚vorzüglich durch. nicht apetale weibliche Blüthen unterschieden) von den llicineen nur durch ein unteres Ovarium abweichen. Da auch Cassine einen starken, irrthümlich von Kunth den llicineen abgesprochenen Discus entwickelt, durch dessen Mitwirkung das Ovarium in jenen Gattungen der Kelchröhre anwächst, und da auch in anderen Familien, wie den Rubiaceen und Ericeen, das Verhältniss des Ovariums gegen die Kelchröhre einem ähn- lichen Wechsel unterworfen ist, so kann gegen die Vereinigung jener beiden Typen mit den llicineen kein wesentlicher Einwand erhoben werden. Aucuba, eine Gattung, deren Verwandtschaft mit Decostea und Griselinia nicht be- zweifelt wird, entfernt sich von den llicineen. durch einen einfachen Griffel: aber da diese Abweichung hier mit der Reduction des Ovariums auf ein ein- ziges Karpell in Verbindung steht, so kann auf diesen Umstand ebenfalls kein Gewicht gelegt werden. Die llicineen zeigen schon in der Form , wie sie das System bisher begrenzt hat, einen hohen Grad von Wandelbarkeit in denjenigen Charakteren, welchen man in anderen Verwandtschaftskreisen einen 1 Werth für ihre Diagnose beilegen muss: sie enthalten monope- ypetalische Gattungen, es kommen hypogynische, perigynische ische Insertionen der Staminen vor. Werden nun auch Gattungen. ee welche, wie die obigen, ein unteres Ovarium und. in Folge dessen eine epigynische Insertion besitzen, so bleiben zur Unter- scheidung ihrer monopetalischen Bestandtheile von den Sambuceen nur habi- tuelle Kennzeichen, wie die abweichende Blattbildung der letzteren, oder sehr künstliche Merkmale, wie die Verbindung des unteren Ovarium mit epipetali- scher Staminalinsertion übrig. Ich führe diesen Umstand an, weil es auf die Deutung des einfachen Pistills von Aucuba ein besonderes Licht zu werfen scheint, dass diejenigen Viburnum- Arten, welche ein reducirtes, einfücheriges Ovarium und in Folge dessen eine einfache Narbe zeigen, sich. in dieser Beziehung gerade so zu Sambucus verhallen, wie Aucuba zu Decostea. SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 109 Als gemeinsame Charaktere der Ilieineen in der hier vorgeschlagenen Umgrenzung würden vorzüglich folgende zu betrachten sein: verticilli floris tres exteriores symmetrici, alternantes, sepalis basi connatis; pistillum stylis v. stylodiis. distinctis, ovario pluriloculari (v. abortu uniloculari), ovulis in loculo solitariis pendulis anatropis; embryo minutus, juxta hilum endospermio magno carnoso inclusus, radicula supera; — arbores v. frutices, foliis coriaceis exstipulatis. Für die von den llicineen schwierig zu unterscheidenden Familien können nach diesem Charakter folgende Momente zur Begrenzung benutzt werden: für die Corneen, mit denen nach Bennetts Bemerkung die Alangieen iden- tisch sind, der einfache Griffel, wobei jedoch zu erinnern, dass Jodina und Corokia hiernach zweifelhaft werden, indem sie nach diesem Charakter, ob- gleich anscheinend den llicineen nüher stehend, zu den Corneen gehóren wür- den; für die Lonicereen oder Caprifoliaceen im Sinne R. Browns das seiner Anlage nach aufrechte Ei der Rubiaceen, auf welches die von der Axe ab- gewendete Raphe hinweist; für die Escalloniaceen die grössere Zahl der Eier; für die Araliaceen die abweichende Blattbildung, indem ihnen das inter- calare Wachsthum der Umbelliferen- Vagina zukommt; endlich für die Cela- strineen sowohl das aufrechte Ei und in Folge dessen die nach unten gerichtete Radicula, als auch die im Verhältniss zum Eiweiss stärkere Ausbildung des Embryo. ) Loranthaceen. Bei Valdivia sammelte Philippi die von D. Hooker aufgestellte, aber ihm nur unvollständig bekannt gewordene Gattung Lepidoceras, und zwar in derselben Art, welche King auf Chiloe entdeckt hatte und deren Namen (L. Kingü D. Hook.) Clos in der Flora chilena obne hinlänglichen Grund und tautologisch abändert (L. squammifer Cl.). Wiewohl Clos voll- ständigere Materialien vorgelegen zu haben scheinen und in Folge dessen eine Analyse der beiden Blüthen beider Geschlechter abgebildet werden konnte I), so ist es ihm doch nicht gelungen, den Bau des Ovariums zu eniráthseln. Wir finden indessen diese Lücke anscheinend durch Miquel ergänzt, indem derselbe weibliche Blüthen aus Lechlers Sammlung untersuchte und, da ihm 7 ; 1) Fl. chilen. t. 422.12. 110 A. GRISEBACH, die Aufstellung von Lepidoceras entgangen zu sein scheint, auf deren Bau seine Gattung Myrtobium 1) begründete. Er behauptet, dass Lepidoceras mit Myzodendron iu der Bildung einer freien Centralplacenta mit mehreren hän- genden. Eiern übereinstimme, wonach diese Loranthacee sich weiter von Tupeia entfernen würde, als D. Hooker geglaubt hatte. Nach den mir vor- liegenden Exemplaren des Myrtobium microphyllum Miq.! in der Lechler- schen, so wie in der Philippischen Sammlung, welche mit Lepidoceras Kingii D. Hook.! übereinstimmen, kann ich die Darstellung Miquel's nicht bestätigen. Die beerenartige, Viscin-reiche Frucht von Lepidoceras hat in ihrem Bau keine Ahnlichkeit mit Myzodendron: namentlich fehlt die eigenthüm- liche, der Wand des Perikarpiums angedrückte Centralplacenta, von welcher der Samen in dieser Gattung herabbängt 2) und die, wenn die Verwandtschaft dieser Gattung mit den Loranthaceen begründet ist, das schärfste Argument gegen diejenige Theorie ihrer Blüthe darbietet, welche das Ovarium als Ei, den Griffel als Nucleusfortsatz deutet und die Weddell auch auf den Bau der Balanophoreen ausdehnen wollte. Die Samenbildung von Lepidoceras ist so eigenthümlich, dass dessen Organisation sowohl den Loranthaceen als R. Brown's Myzodendreen fremdartig gegenübersteht. In der innern Viscin- Schicht der Frucht liegt ein globóser, grün gefärbter, fast 1“ messender Körper, der aus zwei verklebten, wie fleischige Kotyledonen an einander liegenden Hälften besteht, welche nach oben in einen kurzen, linearen Fortsatz vorspringen, der den beiden Halbkugeln gemeinsam angehört, aber sich leicht von ihnen ablóst. Es ist wohl keine andere Deutung möglich, als dass dieser Körper ein entwickelter Embryo mit einer oberen Radicula sei. | Hienach würde sich Lepidoceras zu den Loranthaceen ähnlich verhalten, wie die Cruciferen zu den Papaveraceen, d. h. die Nahrungsstoffe für die Keim- pflanze wären in den Kotyledonen abgelagert, es fehlte dagegen das grosse Endosperm, welches übrigens für den ganzen Verwandtschaftskreis der Loran- thaceen so charakteristisch ist. Gerade Myzodendron würde sich durch seinen sonderbaren mee am weilesten von — — Aber auch ]) Linnaea, 25. p. 652. 2) Vgl. Fl. antarct. 2. t. 104. fig. 17. 18. SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPIS U. LECHLER’S PFLANZENSAMMLUNGEN. ill diese Gattung scheint mir noch nicht richtig verstanden. So müsste man aus Hookers Darstellungen, wonach eine persistirende, den Embryo umhüllende Membran zwischen diesem und dem Albumen !) sich befinden soll, folgern, dass das letztere ausserhalb des Embryosacks gebildet werde: aber in wel- chem Widerspruch stände ein Perisperm gegen den Bau der Loranthaceen, wo. das Ei auf den Embryosack reducirt ist? Von einer solchen den Embryo im reifen Samen einschliessenden Membran finde ich bei M. linearifolium DC. keine Spur, sondern hier ist ein eifórmiger Embryo einfach in die obere Spitze des Albumens eingebettet. i Während Clos die beiden von D. Hooker aufgestellten Arten von Lepidoceras auf eine einzige zurückführen will, ohne dazu durch authentische Exemplare berechtigt zu sein, hat er eine andere Loranthacee als neue Art dieser Gattung beschrieben und durch eine schöne, bis auf den Bau des Ovariums vollständige Abbildung erläutert, die jedoch durch abwechselnd ge- stellte Blätter und durch den Mangel der eigenthümlichen Schuppe am Ende ihres Mediannerven, so wie durch eine trimerische Blüthe bedeutend von Lepidoceras abweicht. Auch diese Loranthacee hat Lechler in Valdivia, jedoch nur in männlichen Exen aplaren | gesammelt. Eine nahe verwandte Pflanze , in welcher ich. früher dieselbe Art Zu. erkennen. glaubte, von der sie sich jedoch durch eine ausgezeichnete, dicht gedrängte Warzenbildung auf der Rinde auffallend unterscheidet, liegt in weiblichen Exemplaren, von Philippi bei Niebla gesammelt, vor. Der junge Zustand des Ovariums lässt im Innern desselben nur ein lockeres, bald verschrumpfendes Gewebe erkennen. Clos hat bei seiner Art ebenfalls die Eier nicht aufgefunden (Ovario no ofrece jamas vestijio. de ovulos 7)): aber, so lange der wahre Bau der Frucht unbe- kannt ist, könnte man sie nur als einen zweifelhaften Bestandtheil der Gattung Lepidoceras betrachten. Die Verwandtschaft mit Antidaphne und Eubrachion, Gattungen, die in der Trimerie der Blüthe übereinstimmen, machen es räth- lich, jene beiden Gewächse von Lepidoceras auszuscheiden und als eine be- 1) Das. t. 104. f. 19. und t. 105. f. 19. 2) Fl. chilen. 3. p. 164. 112 A. GRISEBACH, sondere Gattung zu betrachten, wofür ich den Namen Eremolepis gewählt habe (s. unten nr. 27). | | Gentianeen. Die in Valdivia einheimische Desfontainea, welche Philippi bei 2000“ Meereshöhe in der Cordillere sammelte, hat Dunal 1), jedoch nur nach Vergleichung der Abbildungen bei Hooker?) und bei Ruiz und Pavon 5), als D. Hookeri von D. spinosa R. P. getrennt: D. Hooker ver- einigt 4) dagegen und, wie mir scheint, mit Recht alle bisher beschriebenen Formen dieser merkwürdigen Gattung unter dem letzteren Namen zu einer einzigen Art, die in isoklimatischen Regionen die Anden von ganz Südamerika bewohnt und die Lisianthus- Form auch noch im äussersten Süden von Staten- Island vertritt, indem sie hier nach Hooker’ s Beobachtung zur Seeküste herabsteigt. Es giebt wohl keine monopetalische Pflanze, über deren systematische Stellung so viel Zweifel und Ansichten geäussert wären, deren A. De Can- dolle 5) nicht weniger als sieben aufzählt, eine Reihe höchst verschieden- artiger Meinungen, die noch vermehrt werden könnte. Er führt unter Anderm an, dass D. Don Desfontainea zu den Gentianeen zähle, aber dass ich sie bei meiner Bearbeitung dieser Gruppe nicht aufgenommen habe. Ich war allerdings geneigt, der Ansicht zu folgen, welche früher Lindley geäussert ‚hatte und die in der Folge auch Meissner zu der seinigen machte, aber nur, weil ich die Pflanze nicht kannte und weil ihr Bau fehlerhaft beschrieben ist. So findet sich noch in den, beiden neusten Bearbeitungen der Gattung von Dunal und von Rémy p die Angabe einer imbrikativen Corollenaestiva- tion wiederholt, die ihrer Ve 'einigung mit den Gentianeen entgegenstehen würde: allein Philippi's wohl erhaltene Exemplare zeigen auf das deutlichste die Aestivatio dextrorsum contorta, welche für die ipse so charakte- ristisch ist, 1) Prodr. 13. p. 676. 2) Hook. ic. i. 33. 3) R. P. Fl. peruv. t. 186. 4) Fl. antarct. 2. p. 332. 5) Prodr. 13. p. 675. 6) Fl. chilen. 5. p. 98. SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 113 Ich halte es für eine unnöthige Weitläuftigkeit, die über die Verwandi- schaft von Desfontainea geäusserten Meinungen im Einzelnen zu widerlegen, indem ich hoffe, die Richtigkeit von D. Don's Ansicht auf einen verbesserten Charakter der Gattung zu begründen. Wären die Angaben Don’s über den Bau des Pistills begründet, welche ich in der Flora chilena wiederholt sehe, so würde die Zusammenselzung desselben aus fünf Karpellen, auf welche man aus seinen fünf nach innen scheidewandähnlich vorspringenden Parietalplacenten schliessen müsste, der Verbindung mit den Gentianeen am meisten entgegen- stehen. Von drei mir vorliegenden Exemplaren, die nur wenige ausgebildete Blumen iragen, habe ich eine 2" lange Knospe und das ausgewachsene Ovarium von zwei Blüthen einer vorsichtigen Analyse unterworfen und den Bau auf so verschiedenen Entwickelungsstufen übereinstimmend, aber von den bisherigen, auch einander widersprechenden Beschreibungen durchaus abwei- chend gefunden. Schon der Umstand, dass das Ovarium von der Seite flach zusammengedrückt ist, sprach gegen die Zusammensetzung desselben aus mehr als zwei Karpellen. Den innern Raum der Höhlung nimmt fast vollständig eine dicke, dem grösseren Querdurchmesser entsprechende Scheidewand ein, welche, in ihrer Nito mib, den Seitenwänden verbunden, das Ovarium in vier sehr schmale Fächer theilt, die von den zahlreichen, der Scheidewand überall eingefügten Eiern so ‘yoliständig ausgefüllt werden, 1358 dieselben gegen die innere Seite der Aussenwand angepresst erscheinen: auch ſindet man an der letzteren kleine Foveae, die einem von den Eiern her vorgebrachten Eindrucke entsprechen und vielleicht zu der Annahme einer rein parietalen Placentation Veranlassung gegeben haben. Nähme man an, dass zufällig noch an irgend einer anderen Stelle, als an der oben bezeichneten ) die Scheidewand zwischen den Eiern stärker entwickelt wäre und dadurch die Aussenwand berührte, so liessen sich hiedurch vielleicht die irrigen Angaben bei Ruiz und Pavon, so wie bei Kunth erklären, nach denen die Frucht fünffächerig sein sollte. Der Bau des Ovariums nun, wie ich ihn eben beschrieben habe, ve. durchaus nicht wesentlich von dem der Gentianeengattung ERR ab, welcher durch die eingeschlagenen Karpellränder nicht bloss eine u dewand gebildet wird, sondern, indem dieselben sich im Centrum wieder nach den Seiten zurückbiegen, auch noch zwei oder zuweilen vier unvollständige | Phys. Classe. VI. P 114 A. GRISEBACH, Nebensepta entstehen können, ohne dass durch solche Verschiedenheiten ge- nerische Absonderungen gerechtfertigt werden könnten. Ebenso hat auch Desfontainea eine schmale, aber vollständige, und eine breite unvollständige Scheidewand (Ovarium. compressum, biloculare, loculis semisepto ovuligero ad angulos cavitatis producto fere bilocellatis). Vergleichen wir nun den Blüthenbau von Lisianthus und Desfontainea vollständig, so ergeben sich folgende Unterschiede von generischer Bedeutung, welche sich auch bei anderen Gentianeen wiederholen: Stamina fauci corollae inserta, filamento abbreviato; stigma capitatum; pericarpium baccatum. Über den Samen, dessen Embryo kleiner sein soll, als bei den Gentianeen, habe ich keine Beobachtung. Die Gründe, weshalb Don’s Ansicht über die Stellung von Desfontainea wenig Beifall gefunden hat, liegt demnach vorzüglich in der fehlerhaften Analyse der Gattung begründet, aber die so ‚abweichende Gestalt der Blätter hat gewiss nicht wenig dazu beigetragen. Diese Abweichung aber beschränkt sich auf die grossen Dornenzähne des Blattrandes, während die Nervatur der Blätter, ihre lederartige Textur, so wie ihre opponirte Stellung und die An- ordnung der Blüthen durchaus an ähnliche Sträucher aus der Gruppe der Lisiantheen erinnern. Feine Blattserraturen aber sind den Gentianeen keines- wegs fremdartig und jedenfalls weicht das dreitheilige Blatt von Menyanthes viel weiter von dem Typus der Gentianeen ab, als das gezahnte Blatt von Desfontainea. — Auf den ausgezeichneten Bitterstoff in den Vegetationsorganen, der sich auch noch beim Zerkauen des getrockneten Blatts von Desfontainea erkennen lässt, hat schon Don hingewiesen und dieser chemische Charakter ist gewiss als ein wichtiges Moment zu betrachten, um die nahe Verwandt- schaft zwischen Desfontainea und Lisianthus zu. beweisen. SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER’S PFLANZENSAMMLUNGEN. 115 DIAGNOSES. ET SPECIERUM EMENDATIONES. CRUCIFERAE. 1. Cardamine rostrata Gr. perennis, glabra, ramosa, foliis indivisis longe petiolatis cordato - orbiculatis dentato -repandis, racemis laxifloris, siliquis erecto - patentibus complanatis utroque margine juxta placentam latiusculam subbicarinatis pedicello. 4plo longioribus in stylum filiformem apice obtusiusculum latitudine valvae ter longiorem sensim attenuatis. — — Proxima C. cordatae Barn., distincta: stylo. 3“ longo rostriformi. Valdivia: in Cordillera. de Ranco ad rivulos, fructiferam leg. Lechler m. Martio (coll. ej. nr. 841). 2. Cardamine antiscorbutica Bks. mser. Syn. C. hirsuta D. Hook. Fl.antarct. 2. p. 232. Species media inter C. hirsutam L. e C. sylvaticam Lk., ab illa distincta. rhizomate ramoso ubique radicellifero, petalis majoribus calyce plus duplo longioribus , staminibus. 6, ab hac racemo sub anthesi contracto, pedunculis fructiferis erectis internodium aequantibus, corolla majori, ab utraque praeterea stylo longiori latitudinem siliquae saepius. aequante; a chilensibus C. affini Hook. Arn. et C. tenuirostri Hook. differt stylo crassiusculo. Peninsula Brunswick ad frétum magellanicum: pr. Sandy Point in T leg. Lechler m. Nov. Dec. (coll. ej. ur. 1116. 1161). 3. Draba magellanica Lam. Syn. D. incana var. ud Hooker Fl. antaret. 2. p. 233. His notis a D. incana L. hemisphaerii borealis recedit: prae- cipue stylo distincto tenui Ya” longo, deinde foliis integerrimis, rarius utrinque unidenticulatis, pube. caulis biformi, stellata adpressa, simplici patula (in D incana pubes stellata ipsa laxior est), petalis siccis pallide flaventibus (nec candidis); magis accedit ad D. Gilliesii Hook. Arn., differt vero nostra stylo breviori, siliculis dense stellato- pubescentibus strictis (nec contortis). Penins. Brunswick: pr. Sandy Point fl m. Sept., fructif. m. Wow leg. Lechler (coll. ej. nr. 974). P2 116 A. GRISEBACH, 4. Hutchinsia reticulata Gr. annua, nana, diffusa, glabra, foliis imis longe petiolatis pinnatisectis, segmentis inui obtusis remolis, saepius unijugis, caulinis oblongis basi biauriculatis integrisve, racemo laxo paucifloro, corolla alba inclusa, siliculis oblongis obtusis utrinque 6 -Sspermis, valvis laxe reticulato- venosis, septo oblongo -lanceolato, glandulis valvariis utrinque gemi- nis, stigmate sessili, cotyledonibus accumbentibus. — Sectio generis propria, Antidraba dicenda, hac stirpe determinatur, embryone pleurorrhizeo aliisque nolis circumscribenda, habitu vero cum .H. procumbente Desv. conveniens. Penins. Brunswick: ad sinum Pecket- Harbour m. Nov. er Lechler (coll. ej. nr. 1115). 9. Lepidium racemosum Gr. QDileptiuin) annuum, diffusum; iddle puberulo, foliis glabris pinnatisectis, : segmentis paucijugis oblongo - linearibus aculiusculis, inferiorum dente brevi antico basi saepe appendiculatis, superio- rum integerrimis, racemis densifloris, pedicellis arcuatis siliculam aequantibus, floribus (superioribus) apetalis diandris, siliculis ovali-orbiculatis breviter emar-- ginatis, stigmate sessili incluso, valvis demum tenuissime reticulatis. — Habitu accedit ad L. Menziesii DC. Penins. Brunswick: ad sinum Oazy-Harbour et pr. Sandy Point flor. m. Nov., fructif. m. April. leg. Lechler. VIOLACEAE. 6. Viola Lechleri Gr. (Nominium) herbacea, perennis, rhizomate tenui descendente pluricauli ,. caulibus. foliatis adscendentibus , foliis cordato- . subrotundis crenatis utrinque nigro - .punctatis - lineolatisque , stipulis subulato- lanceolatis longe acuminatis serratis petiolo duplo brevioribus, pedunculis late- ralibus, sepalis lanceolatis corollam coeruleam dimidiam aequantibus, petalis glabris calear crassum obtusum parum superantibus, stylo uncinato crassiusculo subtus marginato. — Specimen incompletum. .. Valdivia: ad fl. Futa flor. m. Dec. leg. Lechler (coll. ej. nr. 305). ji CARYOPHYLLEAE. jos vf 7. ER lycopodioides Gr. Ae pallide nitens, densissime caespitosus, caulibus erectis basi et apice ramosis fastigialis, foliis minutis imbricatis basi connatis ovato -lanceolatis acutis: supra concavis subtus: SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 117 convexis, peduneulis brevissimis unifloris, etiam fructiferis folio brevioribus, floribus pentameris, calycis segmentis subulatis acutiusculis inaequalibus capsu- lam subduplo superantibus. — Flos sub anthesi non exstat. Proximus C. muscoidi D. Hook., foliis adpressis supra concavis facile dignoscendus; habitu plane convenit cum Donatia et cum C. crassifolio D. Hook. pedunculis demum exsertis dislincto. Insula freti magellanici Elisabethae: fructif. m. Octobr. leg. Lechler (coll. ej. nr. 1078). 8. Montia gibba Gr. foliis spathulato-lanceolatis peduneulum cernuum subaequantibus, calycis segmentis dorso gibbis piliferis obsolete trilobis, stylo apice trifido, capsula hexasperma, seminibus minute tuberculatis opacis. — Habitu et testae fabrica cum M. fontana L. (M. minori Gm.) convenit: flos examinatus 5 stamina praebuit. Chile austr.: leg. Philippi (coll. ej. nr. 293). RHAMNEAE. i ; i 9. Colletia? maytenoides Gr. fruticosa, inermis, ramis teretibus alternis, foliis alternis v. suboppositis ellipticis lanceolatisque utrinque acutius- culis rigentibus margine tenui recurvis supra medium serrulatis brevissime petiolatis glabris, floribus axillaribus solitariis hermaphroditis pedicellum aequan- tibus, calyce breviter campanulato 5fido, lobis ovato-acutis genitalia superan- tibus, petalis nullis, antheris subrotundis, loculis distinctis. — Congener et proxima videtur Rhamno diffusae Clos (Fl. chil. 2. p. 219), sed a descriptione ejus recedit vegetatione humili, caule ubique folioso et praecipue foliis con- spieue serrulatis (in illa »integris“). Rhamno adscribere nolui, etsi folia ple- raque allerna a Colletia aliena sunt, quia stylus integer apice triglobosus et fabrica floris plane congruit cum Colletia discolori Hook. (ic. t. 848): fructu cognito cum Rhamno diffusa Cl. novum genus facile formabit. — „Frutex vix orgyalis« (Phil. in Sched.). Folia majora 10— 12“ longa, 5 — 6“ lata, inter- nodia fere excedentia, patentia. Stamina calyei alterna, disco tubum ejus vestienti infra loborum originem inserta, antheris filamento duplo brevioribus, loculis rima introrsa curvata dehiscentibus. Ovarium N xxm uniovu- latis, ovulis erectis, "e simplici apice trigloboss. g supe: 118 . A. GRISEBACH, | Valdivia: prope urbem m. Nov. flor. leg. Lechler (coll. ej. nr. 221), in nemoribus leg. Philippi (coll. ej. nr. 231). | LINEAE. 10. Linum chironioides Gr. (Linopsis Planch.) suffruticosum, gla- brum, caulibus humilibus caespitosis erectiusculis 1-paucifloris, foliis confertis sparsis rigentibus breviter lanceolato-linearibus acuminatis sessilibus basi bi- glandulosis, sepalis ovatis cuspidato- acutis margine subglandulosis, corolla flava calycem quinquies superante stylum ad quartam partem usque öfidum paullo excedente, staminibus stylo superatis, stigmatibus globosis. — Differt a L. Macraei Pl. glandulis stipularibus, corolla multo major! (petalis 10“ longis), ` stylo 5fido corolla superato. Chile austr.: pr. Valparaiso m. Dec. flor. leg. Philippi (coll. ej. nr. 398). POLYGONEAE. ‚28 | 11. Rumes magellanicus Gr. (Lapathum) perennis, foliis lanceo- latis acutiusculis margine undulato-crispis crenulatisque, petiolo canaliculato, ochreis elongatis, racemis paniculatis aphyllis, verticillastris densifloris approxi- matis, inferioribus remotiusculis, perigonii segmentis interioribus fructiferis late ovato -rhombeis obtusis subintegerrimis, callis obsoletis v. nullis. -— Syn. R. Patientia Gaudich., Ure., nec L. R. crispus D. Hook. Fl. antarct. 2. p. 341, nec L. Differt enim a R. eene L. et R. domestico Hartm. (magis affini) perigonii segmentis non « cordatis, ochrea longiori, ab hoc praeterea petiolo canaliculato, a R. erispo L. et R. verticillato L. (ochreis similibus instructo) ceterisque callis nullis v. obsoletis oblongatis. Penins. Brunswick: pr. Sandy Point in arenosis maritimis fructif. m. Dec. leg. zen 9 ej. nr. 1175). ROSACEAE. ane es: initiis foliis 4- 6jugis , foliolis Pod v. vias tundo- obovatis superne pinnatifido- crenatis utrinque glabris coriaceis venosis, crenaturis 9-7 -(3)obtusatis, venis supra impressis subtus. prominulis, calyce corollaque glabris apice bracteisque piliferis, staminibus 2 brevibus, antheris SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 119 rotundatis, stigmate brevi dilatato fimbriato, aristis 4 elongatis patentibus calyce duplo longioribus. — Proxima A. laevigatae Ait., aristis calycinis elongatis et glabritie calyceque apice pilifero distinguenda. — Penins. Brunswick: in collibus pr. Sandy Point m. Octobri leg. Lechler (coll. ej. nr. 978. c.). LEGUMINOSAE. 13. Adesmia retusa Gr. suffruticosa, inermis, diffusa, virens, sparsim pilosiuscula, ramis continuis foliosis adscendentibus palmaribus, foliis 7-5-(3)jugis, foliolis minimis cuneato-obovatis retusis nervo mediano impresso plicatis glabriusculis subcarnosis, stipulis ovatis aculiusculis petiolum brevem subaequantibus, pedunculis unifloris ex axillis supremis oriundis florem sub- aequantibus, calyce campanulato 5fido pubescente, lobis inaequalibus ovatis acutis, vexillo inferne extus puberulo calycem duplo superante, ovario tomen- toso pluriovulato. — Species generi juxta A. monospermam. Clos inserenda, foliolis emarginatis et ovarii fabrica distinclissima. Valdivia: in Cordillera de Osorno alt. 1500 — 2500’, in arenosis volcanieis, m. Mart. leg. Philippi (coll, ej. nr. 91). MYRTACEAE. Tepualia n. g. Calyx limbo supero Opartito, tubo oai isip, supra capsulam seminiferam producto, demum foraminibus 5 transversis dehiscente. Stamina 15 — 20, cum petalis fauci calycis inserta, filamentis filiformibus lon- gissime exsertis distinctis, antheris incumbentibus. Ovarium inferum, triloculare, stylo filiformi, stigmate simplici; capsula loculis sub dehiscentia superne di- stinctis loculicidis semina linearia simul per foramina calycis. emittentibus. — Frutices, ramulis tetragonis glabris, foliis oppositis glandula stipulacea basi utrinque stipatis, floribus axillaribus pedicellatis, pedicellis foliis 5 medio bibracteolatis, bracteolis rudimentariis. | 1. (14.) T. stipularis, elata, foliis arenas obtasiusculis dense punctatis brevissime petiolatis petiolum octies superanti deros stipularis D. Hook. Fl. antarct. 2. p. 275. et Fl. chilen. 2. p. 378: Tepual Chilensium. Valdivia: in isla del Rey » fruticem 10- 1 pedalem m. ind I Phi- lippi (coll. ej. nr. 205). 120 A. \GRISEBACH, 2. (19.) T. Philippiana Gr. humilis, foliis elliptico-lanceolatis obtu- satis laxe punctatis petiolatis petiolum quater superantibus, epidermide subtus demum relaxata laevi. Valdivia: in Cordillera. ;fruticem orgyalem« m. Martio leg. Philippi (coll. ej. ur. 89). 16. Myrtus leucomyrtillus Gr. (Leucomyrtus * DC.) trunco ad- scendente ramoso, ramulis puberulis, foliis minutis ovalibus v. orbiculari- ovali- bus nitidis glabris oppositis breviter petiolatis petiolum quater — sexies superan- tibus, pedunculis axillaribus unifloris folio brevioribus, calycis limbo Apartito, segmentis lanceolatis obtusis, baccis „albis« (ex sched. Phil). — Syn. M. nummularia 3. major D. Hook. Fl. antarct. 2. p. 276. A proxima M. iummularia Poir. differt trunco adscendente ;bipedali«, foliis: paullo majoribus longius pe- tiolatis neque orbiculatis et inprimis baccis albis: (nec rubris). Calyx, quem Barnéoud (Fl. chil. 2. p. 379) contra ceteros auctores 5fidum in M. nummu- laria statuebat, in nostra planta limbo Apartito instructus est. Valdivia: in Cordillera alt.'2000'— 2500° „fruticem baccis sapidis utilem« m. Martio leg. Philippi (coll. ej. nr. 92). Ins. Chiloe: pr. Ancud m. Jul. bacciferum leg. Lechler (coll. ej. nr. 872). 17. Luma baeckeoides Gr. — Syn. Eugenia Gr. in pl. Lechler. E. leptospermoides Barn. (Fl. chil. 2. p. 386): nec DC., quae foliis 4 — 5“ longis cum Puit: 9. tab. 31. fig. sinistra comparatur; ihre enim plantae a : Barnéoud . escrij is e folia 8 — 10“ longa exhibet nec ullo modo p pr. Adeud: m. - leg. Pe (coll. ej. nr. nenn LYTHRARIEAE. 15 | 18. Pleurophora pusilla Hook. Arn. . Calyx tubulosus, apice Gerenatus, suturis u plica. sub aestivatione profundiori introflexis apice muerone fusco cartilagineo basi scabro appendiculatis, erenaturis late truncato- rotundatis subretusis OR herbacea basi scabra abruptim terminatis. Corolla in nostris speciminibus nulla. Stamina 6, cum pistillo inclusa, imo calyci in- seria, filamentis filiformibus elongatis, antheris erectis didymis, loculis subro- tundis rima dehiscentibus, connectivo inani. Ovarium liberum, oblique oblon- SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 121 gum, juxta fundum calycis toro insertum, ad basin usque uniloculare, placenta suturali crassiuscula, ovulis compluribus adscendentibus, stylo brevi simplici, stigmate capitato; utriculus membranaceus, sub anthesi latere rumpens et semina emiltens; semina 4— 5, erecta, funiculis brevibus e placenta spongiosa oriundis supra basin inserta, obovata, utrinque convexa, testa nitide atra tenuissime areolata subcrustacea; embryo exalbuminosus, radicula brevissima infera, coty- ledonibus carnosis convexo - planis obovatis. : Chile: pr. Valparaiso leg. Philippi m. Dec. (coll. ej. nr. 409). CRASSULACEAE. 19. Bulliarda moschata Urv. lc. Hook. ic. pl. t. 035. — Syn. Tillaea chiloensis Gay Fl. chilen: 2. p. 532. ex descr. et loco nat. Chiloe: ad saxa litorea pr. Ancud flor. m. Jul. leg. Lechler (coll. ej. nr. 885). SAXIFRAGEAE. 20. Saxifraga magellanica Poir. — Syn. S. exarata D. Hook. Fl. antarct. 2. p. 280 (nec Vill). Species, intermedia inter S. exaratam Vill. et S. muscoiden Wf., differt ab illa: petalis late obovatis calycem tertia parte excedentibus, petielo latiori 7-Önervi in limbum aequilongum sensim ampliato; ab hac petalis obovatis nervisque petioli arcte prominulis: S. exaratae Vill. sunt petala obovato - linearia calycem duplo excedentia, petioli tenues 3- Sner- ves; S. muscoidi Wf. petala linearia, petioli non exarati. Restat, ut semina utriusque comparentur, quae in S. magellanica ovalia utrinque rotundata, testa laevi.. Penins. Brunswick: pr. Sandy Point flor. m. Oct, fructif. m. Dec. leg. Lechler (coll. ej. nr. 969). ; ESCALLONIACEAE. 21. Escallonia rosea Gr. ramis patulis, junioribus parce puberulis, demum foliisque glaberrimis, his parvis spathulato-lanceolatis acutiusculis (v. obtusis) argute serrulatis basi attenuata integerrimis brevissime petiolatis, pe- duneulis axillaribus unifloris folio brevioribus medio bibracteolatis in racemos terminales breves ubique dispositis, bracteolis setaceis, calycis glabri lobis rotundatis integerrimis apice cuspidatis, petalis ungue erecto oblongo - lineari Phys. Classe. VI. 122 A. GRISEBACH, limboque quadruplo breviori versus apicem spathulatis (6% longis) calycis limbo sexies fere longioribus. — „Frutex 6-8pedalis et ultra, flore pallide roseo“ (sched. Phil.). Proxima E. alpinae Poepp. (ic. 1. t. 13), cui flores breviores 4“ longi et folia subtus pubescentia dicuntur; E. Carmelita Mey. petalis obovatis ex descr. recedit. Valdivia: in Cordillera alt. 3000'— 3500“ flor. m. Martio leg. Philippi (coll. ej. nr. 54); ibidem leg. Lechler (coll. ej. nr. 781). ILICINEAE. 22. Decostea? jodinifolia Gr. arborea, foliis coriaceis nitentibus ovato -rhombeis apice in angulos tres late patentes spinoso-mucronalis pro- ductis margine versus basin integerrimis (v. dente subsolitario spinoso instructis ) . brevissime petiolatis, petiolo crassiusculo, racemis axillaribus d' compositis, ejus axi medio folium excedente, limbi calycis segmentis minutis corolla qua- druplo superatis. — „Arbor trigintipedalis« (ex sched. Lechl.), ramis tere- tiusculis dense foliosis ramosis, ramulis ferrugineis vernicoso nitentibus glabris rugulosis. Folia rigida, 1” fere longa, 8“ lata, utrinque laevia, alterna, petiolo 1“ longo, vaginante. Racemorum axis ferrugineus, tenuissime puberu- lus, ramos inferiores longiores excedens, pedunculis 2-3” longis 1-3 floris, bracteolis minutis subrotundis ciliolatis. &: Calycis tubus brevis, glaber, florem dimidium fere aequans, disco ex centro floris prominulo convexo. accretus, limbo partito, segmentis minutis rotundatis. Petala 5, expansa, 1” longa, obovato-oblonga, basi lata, crassiuscula, calyci alterna, (sicca luteo-fuscescen- tia), cum staminibus summo tubo calycis circa discum inserta. . Stamina 5 corolla superata eique alterna, filamentis linearibus erectis, antheris. flavis subrotundis erectis, loculis rima introrsa dehiscenlibus. Rudimentum . pistilli nullum. Flos 9 ignotus. Valdivia: in rupibus litoralibus m. Oct. flor. leg. Philippi (coll. ej. nr. 284), ibi pr. Chayguin m. Nov. leg. Lechler (coll. ej. nr. cg UMBELLIFERAE. 23. Asorella utriculata Gr. suffruticosa, caespitosa, foliis imbri- catis recurvis, limbo nitido ad medium trifido, lobis linearibus mueronato acutis patentibus margine recurvato subtus canaliculatis, ^ vaginis dilatatis ciliatis, ] SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER’S PFLANZENSAMMLUNGEN. 123 umbella pedunculata, involucro 5-6phyllo, foliolis brevissime lanceolatis obtusis basi connatis, pedicellis pedunculum subaequantibus, fructiferis longe exsertis, fructu laevi nitido utriculari ovoideo obsolete tetragono, calycis dentibus ab- breviatis obtusis demum cum epicarpio a nucleo vittis 5 jugiformibus instructo secedentibus, carpidiis a dorso complanatis parum convexis axi filiformi con- nexis. — Seetionis generis distinctae (Taeniophorae Gr.) est, quae fructu jugis destituto utriculari vittisque 5 jugorum locum tenentibus internis distincta est: quo spectant. praeterea A. Gilliesii Hook. Arn. et ex ic. Kunthiana fortasse etiam Bolax aretioides Kth. lla, species proxima nostrae, recedit foliis opacis apice tridentatis, dentibus brevioribus minus acutis et inprimis (ex ic. Bot. Misc. 1. p. 63) carpidiis a dorso vix compressis. Penins. Brunswick: in arenosis maritimis pr. Sandy Point m. April. fructif. leg. Lechler (coll. ej. nr. 1184. b). 24. Pozoa incisa Gr. rhizomate descendente apice diviso, scapis brevibus rosulam vix aequantibus, foliis longe petiolatis cuneato - subrotundis Onerviis antice inciso-lobatis, lobis dentatis, involucro polyphyllo pedicellos aequante. — Proxima P. coriaceae Lag., quae involucro monophyllo dignoscitur. Valdivia: in Cordillera alt. 3500', in arenosis volcanicis, m. Febr. fructif. leg. Philippi (coll ej. nr. 53). 20. Eryngium crantzioides Gr. rhizomate fasciculato, caule sim- plicissimo monophyllo, foliis imis rosulatis gramineis attenuatis integerrimis remote septatis caule multo brevioribus, caulino vaginante conformi v. abbre- viato (quandoque supra basin utrinque unidentato), capitulo terminali ovoideo densifloro involucrum 6-Sphyllum membranaceum superante, bracteolis ovatis acutis membranaceis florem subaequantibus, calycis dentibus ellipticis trimu- cronatis corolla alba vix superatis, stylis erectis demum divergentibus, petalis lacinula inflexa brevi obcordatis, staminibus longe exsertis corollam ter su- perantibus. — Fructu cognito forsan, suadentibus breviori petali lacinula habituque singulari, genus distinctum formabit. Caulis tenuis, gracilis, spitha- meus. Folia Crantziae lineatae, caulinum medio cauli insertum. Capitulum habitu quasi Plantaginis insigne, 4“ fere longum, staminibus exsertis undique tectum. Ovarium apice vesiculis dentiformibus auctum, facile in carpidia . Secedens jugis primariis instructa. 02 124 A. GRISEBACH, Valdivia: Laguna de Ranco, in arenosis inundatis, m. Martio flor. leg. Lechler (coll. ej. nr. 829). LORANTHACEAE. Eremolepis n. g. Flores dioeei, apetali. g Calyx tripartitus. Stamina 3, toro inserta, calyci opposita. 2 Ovarium inferum, ovulis in cellulam reductis centralibus, limbo calycis tripartito, stylo brevi stigmateque simplici. Fructus —. Frutices corticicolae, foliis alternis squamula terminali destilutis, floribus masculis amentaceis, foemineis fasciculatis. — Affine videtur Eubrachion D. Hook., amento „hermaphrodito et singulari ramificatione« Fl. antaret. 2. p. 291 alienum, fructu Eremolepidis adhuc ignoto vix consociandum. 26. E. punctulata, ramis junioribus scabriusculis, vetustioribus lae- vibus, foliis ovatis lanceolatisque obtusiuscnlis subsessilibus, calycis d' segmentis ovatis. — Syn. Lepidoceras punctulatum Clos (Fl. chilen. 3. p. 165. t. 32. 2.51707 ; Valdivia: in Cordillera de Ranco m. Mart. flor. leg. Lechler (coll. ej. nr. 843). 27. E. verrucosa, ramis ubique dense verrucosis , foliis ovali-rotun- datis brevissime petiolatis, calycis 9 limbo abbreviato ; Segmenlis ovalis. — Syn. Lepidoceras punctulatum Griseb. in pl. Philipp. (non Clos). Chile australis: in variis arboribus pr. Niebla m. Majo flor. leg. Philippi „„ | ; » Lepidoceras D. Hook. Flores dioeci, apetali & Calyx quadripar- titus. Stamina 4, toro. inserta, calyci opposita. 9 Ovarium inferum, ovulis in cellulam reductis centralibus, limbo calycis quadripartito, stylo stigmateque simplici. Pericarpium drupaceum, semine erecto, endospermio tenuissimo evanido, embryone. maximo, radicula brevi supera, cotyledonibus dorso convexis car- nosis, plumula inconspicua: — Frutices corticicolae, foliis oppositis squamula terminali mucronatis, floribus: amentaceis. 28. L. Kingii D. Hook.! (Fl. antarct. 2. p.293), foliis ellipticis. v. elliptico-lanceolatis brevissime petiolatis, calycis ꝙ segmentis breviter oblongis. — Syn. L. squammifer Clos (Fl. chilen. 3. p.166. t. 32. f. 2). Myrtobium micro— phyllum Mig.“ (Linnaea, 1852. p. 652). SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 125 Valdivia: & pr. urbem flor. m. Sept. leg. Philippi (coll. ej. nr. 240); 9 ibi flor. m. Jan. leg. Lechler (nr. 461), pericarpio maturo m. Aprili leg. Phi- lippi (nr. 146). Chiloe: 9 leg. King (herbar. Hook.!: specimen a valdiviensi parum recedit foliis angustioribus). RUBIACEAE. 29. Galium pseudaparine Gr. (Euaparine), annuum, caule debili diffuso elato aculeolis reversis aspero, nodis aequalibus glabris, foliis 6 —8 lanceolato-linearibus mucronatis margine et supra aculeolis antrorsum versis asperis subtus carinaque laevibus, inflorescentia axillari, pedunculis divaricatis folio longioribus rectis v. demum apice parum cernuis, fructu globoso - didymo hispido , p» basi incrassatis apice uncinatis. — Syn. G. Aparine D. Hook. Fl. antarct. 2. p. 302 (non L.). Habitu G. Aparini L. simillimum, differt nodis aequalibus rid incrassatis) glabris, foliis carina laevibus, Aalen margina- libus omnibus antrorsum versis (neque aliis retrorsum aliis antrorsum versis): cf. de G. Aparine L. Gren. Fl. de France, 2. p. 43. Penins. Brunswick: in sylvis pr. RE Point m. Jan. fructifer. leg. Lechler (coll. ej. nr. 1207). SYNANTHEREAE.- 30. Nassauvia dentata Gr. suffruticosa, glabriuscvla v. sparsim pilosula, caule adscendente dense folioso, foliis ovato-lanceolatis ovatisque acutis nervosis planiusculis argute serratis, serraturis patentibus spinescentibus, nervis subtus prominulis, capitulis in glomerulum tèrminalem ovoideo-globosum coa- cervatis. — Affinis videtur N. revolutae Gill., quae ubique villosa dicitur. Valdivia: in Cordillera alt. 3500° m. Mart. flor. leg. Philippi (coll. ej. nr. 125). CALYCEREAE. Acarpha n. g. Involucrum squamis 10 — 12 ad medium connatis. Receptaculum paleis destitutum. | Capitulum homogamum „ floribus distinctis, limbo calyeino 5lobo, corolla infundibuliformi, limbo dentato. Stamina tubo glandulis 5 filamentorum basi alternis instructo, filamentis supra tubum distinctis. Stylus exserius. Achenium pentagonum, inferne transverse rugosum. — A 126 A. GRISEBACH, Boopide et affiniori Gamocarpha differt receptaculo nudo , achenio prismatico et forsan tubo filamentorum intus glandulifero, quo charactere habituque species generis primaria erit Boopis leucanthema Poepp.: sed de paleis ejus silet editor. — Syn. Boopis sp. Decs. Voy. Pole Sud. Bot. 2. p. 87. t. 18. B.: ubi analysis generis optima exstat. 31. A. australis Gr. perennis, carnosula, caulibus inferne ad medium concrelis superne corymbi densiflori instar divergentibus monocephalis, foliis imis rosulatis caulinisque linearibus subintegris v. superne segmentorum rudi- mentis minutis quandoque appendiculatis, involucri lobis integris ovato -lanceo- latis obtusiusculis capitulo superatis. — Varietas v. species proxime affinis est Boopis australis Decs. (l. c.), non satis distincta caulibus in caespite di- stinctis, foliis superne pinnatim lobatis, involucri lobis lobatis integrisque. Penins. Brunswick: ad sinum Pecket Harbour flor. m. Nov. fructif. m. Febr. leg. Lechler (coll. ej. nr. 1143); stirps a Decaisneo illustrata ibidem: »Havre Pecket, Port Galant in arenosis maritimis« : Hombr. et Jacquin. VALERIANEAE. 32. Valeriana cordata Gr. perennis, herbacea, glabra, caule erecto, foliis inferioribus late cordato-ovatis obtusiusculis petiolo tenui suffultis serratis v. repando - denticulatis, mediis acutis ; Supremis sessilibus ovato- lan- ceolatis in acumen elongatum productis, venis supra pilosiusculis, panicula trichotoma, ramis laxifloris, bracteis lanceolato - linearibus apice glanduloso obtusis achenium glabrum 6striatum subaequantibus, pappo abbreviato. — Flos ignotus. Species media inter V. lapathifoliam Vahl, quae foliis subintegerrimis, petiolo dilatato, corymbis demum. divaricatis et pappo elongato achenium aequante differt, et V. urticifoliam Kth. ; pube tubereque distinctam. | Valdivia: in Cordillera de Ranco, in scaturiginosis pr. Sichahue, m. Mart. fructif. leg. Lechler (coll. ejB nr. 780). PRIMULACEAE. Theopyzis n. g. Calyx 5-6partitus, segmentis extus glanduliferis. Corolla ignota. Stylus indivisus. Capsula ö-6valvis, valvis sursum dehiscen- libus integris bipartitisque, placenta centrali globosa polysperma, seminibus trialatis, alis longitudinalibus, binis lateralibus, tertia placentae contigua. Embryo SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPIS U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 127 placentae parallelus, axilis (ovulum inde hemianatropum). — Herba perennis, caule folioso, floribus umbellatis, umbellis in laxam paniculam digestis. Nomen ab affinitate cum Dodecatheo derivatur: genus seminum fabrica, calyce glandulifero et habitu fere Cynoglossi plane diversum et a Dodecatheo el a Cortusa. | Obs. Ex floribus nondum evolutis 1" longis florem apetalum esse, conjici haud licet, etsi staminum vestigia imo calyci inserta et cum eo alternantia vidi: nam gemmae serotinae saepe monstrosae sunt nec corollae cito deciduae eliam in juniori capsula Primulacearum vestigium restare solet. 33. Th. chilensis Gr. — . Rhizoma fasciculatum. — Caulis erectus, sesquipedalis, pilis septatis parce adspersus, infra paniculam simplex, internodiis plerisque 1^ fere longis, foliis imis sub maturatione fructus emarcidis. Folia elliptica, acuta, integerrima v. crenulato -repanda, in petiolum latiusculum atte- uuata, alterna, penninervia, 2" longa, 1“ lata, superiora decrescentia elliptico- lanceolata, panieulae minuta. Umbellae 3— 6 pedunculatae, ex axillis superio- ribus oriundae, 6-10florae, pedunculis sursum brevioribus, omnibus tenuibus, pedicellis bracteola minuta suffultis inaequalibus 6—8” longis. Calycis segmenta lanceolata ` acuminata, glandulis minutis 6 — 8 Hyperici ad instar adspersa. Capsula ovoidea, 3— 4” longa, calycem duplo superans. Valdivia: in Cordillera de Ranco, ad rupes humidas, m. „ Mart. fructif. leg. Lechler (coll. ej. nr. 840). 34. Primula pistiifolia Gr. rhizomate crasso, foliis rosularibus expansis deltoideo-spathulatis antice truncato-rotundatis breviter retusis inte- gerrimis in petiolum latissimum sensim ab apice attenuatis 5- 7nerviis crassis glabris farina vix adspersis nec marginatis, majoribus scapum dimidium aequan- tibus, scapo apice in racemum pauciflorum exinvolueratum abeunte, pedicellis florem subaequantibus supra medium bracteola oblongo-lineari obtusa instructis apice incrassatis, calycis profunde fidi segmentis ovato- lanceolatis acutiusculis corollae tubo parum superatis, corolla hypocraterimorpha, tubo cylindrico lobos oblongos rotundatos duplo superante, staminibus fertilibus summo tubo inserlis breviter exsertis, antheris ovoideis flavis, totidem filamentis anantheris cum corollae. lobis alternantibus sub ipsorum origine insertis dentiformibus pro- minulis, stylo simplici incluso, capsula globosa calyce inclusa, seminibus minutis rer 128 A. GRISEBACH, indefinitis. — Folia majora cum petiolo 2" longa et apice 1” lata. — Sectio generis distincta, ex analogia cum Lysimachiae Steironemate Steirostemon di- cenda, specie hac notabili formatur, calyce profunde Ofido, staminibus e fauce prominulis et filamentis 5 sterilibus interjectis distinctissima, ex habitu tamen a | P. integrifolia aliisque non separanda. Penins. Brunswick: ad sinum Oazy-Harbour in pratis salsis m. Febr. leg. Lechler (coll. ej. nr. 1258). SOLANEAE. 35. Himeranihus magellanicus Gr. rhizomate napiformi, caule prostrato a basi diffuso abbreviato cum petiolis lanuginoso-piloso, foliis runcinato- pinnatisectis longe petiolatis, lamina glabriuseula subcarnosa, segmentis costaque angulato- dentatis, dentibus mucronatis, pedunculis extraaxillaribus aggregatis simplicibus bifidisque, bacciferis deflexo-cernuis petiolo brevioribus, bracteolis minutis subulatis piliferis, calyce Opartito abbreviato, corollae limbo tubo duplo longiori, segmentis ovato-oblongis acutis glabriusculis genitalia superantibus, filamentis fauci insertis et ad tubum medium decurrentibus basi adnata sub- ciliatis, antherae didymae loculis rotundatis, stylo apice clavato rotundato, bacca biglobosa laevi calyce duplo longiori longitudine duplo latiori, loculis poly- spermis, seminibus reniformibus. — Baccae forma et laevi superficie a notis speciebus recedit : habitu convenit plane cum Dorystigmate caulescente Mrs., genere vix admittendo, sed ob stigma subindivisum filamentisque elongatis linearibus et antherae fabrica nostra est vera species Himeranthi; Trechonaetes laciniata Mrs., genus ex habitu aeque huc revocaudum, differt staminibus pro- fundius insertis et pube corollae. Penins. Brunswick: ad simum Pecket-Harbour in litore fl. m. Nov. fruetif.- m. Febr. leg. Lechler (coll. ej. nr. 1145). 36. Lycioplesium pubiflorum Gr. spinosum, ramis rugoso - striatis asperiusculis, foliis juxta axillam spinae fasciculatis ellipticis acutis in petiolum brevem latiusculum attenuatis nitidis margine pubescentibus spinam vix aequan- tibus, pedunculis solitariis v. in apice rami congestis e ramulo abbreviato oriundis patentibus calycem subaequantibus calyceque et corolla extus pube ferruginea densa et brevi tomentosis, corollae (1" longae, 4—5” latae) tubo SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 129 campanulato calycem 5fidem patulum intus glabrum limbumque Oparlitum sub- inaequalem quadruplo superante, lobis rotundato -acutiusculis intus glabris. cum plicis minutis alternantibus, staminibus basi pilosis styloque exsertis. — Proxi- mum L. fasciculato Mrs., calyce et corolla extus pubescentibus intus glabris facile recognoscendum. — Truncus fruticosus, spinis rigentibus ubique onustum, ramis laxe palentibus, internodiis plerisque 3—6% longis spinam patentem validam tenuem subaequantibus, ramulis floriferis spina destitutis, secundariis pedunculo terminatis, floribus speciosis »eoceineis« (ex sched.), (siccis fulvo- ferrugineis). Foliorum fasciculi plerique minus evoluti, minuti. Corollae limbus sub aeslivatione plicativo- valvaris. Stamina 5 inaequalia, omnia exserta et fertilia, anthera biloculari ovali-oblonga, loculis basi rotundata distinctis. Ova- rium biloculare, disco glanduloso a calyce distincto basi cinctus eique adhae- rens, loculis multiovulatis. - Chiloe: in sylvis montanis pr. Ancud m. Jul. flor. leg. Lechler (coll. "à nr. 880). Incolis Tajo (ex sched.). POLEMONIACEAE, Collomia Nutt. Sect. Myotoca. Calyx tubulosus ad medium Sſidus, tubo Ocarinato versus suturas demum fissas membranaceo, lobis integris. Co- rolla hypocraterimorpha, tubo tenui cylindrico, limbi abbreviati segmentis ob- longis aestivatione imbricativo-contorüis. Stamina tubo infra faucem inaequaliter inserta, brevia, inclusa, antheris oblongis. Ovarium disco minuto cupuliformi cinctum, stylo apice trifido, loculis tribus uniovulatis, ovulo suspenso. Capsula ovoidea, valvis ovalibus utrinque obtusis, testa mucilaginosa „ libris cellularum tenuissimis. — ^ Herbae annuae, pilosiusculae, foliis inferioribus v. omnibus oppositis integris, floribus terminalibus bibracteatis axillaribusque subsolitariis v. fasciculatis. — Syn. Myotoca m. in pl. Philipp. Collomia sect. Gilioides Benth. partim (Prodr. 9. p. 308). — Nomen sectionis a similitudine speciei primariae quadam cum Myosotide datur. Obs. Genera Polemoniacearum nondum penitus definita sunt: nostra sectio, in literis olim a Collomia generice separata, mediantibus ob inflorescentiam C. erythraeoide et ob semen exalatum C. gracili jam ad eandem reducta, insertione staminum consona, sui juris est habitu tenello, foliis oppositis Phys. Classe. VI. 130 A. GRISEBACH, integris, staminibus inclusis capsulaeque forma, valvis ejus non oblongatis nec apice rotundato- truncatis. A Gilia staminibus medio corollae tubo inaequaliter insertis, corollae limbo brevi expanso et a plerisque speciebus ovulis solitariis magis removetur. Stamina nostris speciebus inclusa cum stylo characterem genericum prae- bere non videntur, obstante Collomia glutinosa Benth., staminibus exsertis ab affini specie distincta. Aestivatio corollae, quam Polemoniaceis Endlicher imbricativam, Bentham dextrorsum contortam adscripsit, ad stabilienda genera adhiberi potest: nam limbum dextrorsum contortum video in Polemonio, Phloce et Leptosiphone, imbricativo-contortum in Collomia, Gilia, Navarretia, ita ut aut lobus interior exteriori juxtaponatur ceteris tribus dextrorsum contortis, aut binis dextrorsum contorlis exterior ab interiori per — eumque sinistrorsum contortum re- moveatur. 37. Collomia eritrichioides Gr. nana, simpliciuscula, gate pilosiuscula, foliis oppositis subsessilibus Wender obtusis imisque latioribus, floribus paucis coeruleis, axillaribus breviter pedunculatis, terminali bibracteato, calycis lobis linearibus obtusis patulis, corollae tubo (4“ longo) filiformi caly- cem tertia parte excedente limbum quadruplo superante, seminibus ala tenui - einctis venire carinato dorsoque convexo trigono-fusiformibus. — Herba annua, strictiuscula, bipollicaris, pedunculis florum axillarium folio wi bre- vioribus calyceque duplo superatis. Valdivia: in collibus . pr. S. Juan m. Jan. leg. Philippi — ej. nr. 326). 98. Collomia stýlhrádosdčs Gr. gracilis, simpliciuscula, eglan- duloso - -pilosiuscula, foliis oppositis subsessilibus lanceolato-linearibus obtu- siusculis, imis petiolatis ellipticis sub anthesi emareidis, floribus in fasciculum terminalem dispositis v. terminalibus subsolitariis purpurascentibus, calycis lobis lanceolatis obtusis erecto-patentibus, corollae tubo (6% longo) tenui calycem duplo excedente limbum triplo superante, seminibus —. Herba annua, quadri- pollicaris -spithamea, floribus subsessilibus. | Valdivia: in collibus apricis pr. S. Juan m. Jan. leg. Philippi (coll. ej. nr. 323. 329). SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 131 39. Collomia gracilis Dougl. diffusa, pilosiuscula, foliis inferioribus oppositis, superioribus plerisque alternis oblongo-linearibus oblusiusculis, imis subrotundis, floribus purpurascentibus, axillaribus breviter pedicellatis, calycis lobis linearibus obtusiusculis patulis, corollae tubo (3° longo) tenui calycem aequante limbum triplo superante, seminibus ovoideis exalatis. Syn. Gilia gracilis Hook. Bot. mag. t. 2924. Penins. Brunswick: pr. Cabo negro m. Nov. leg. Lechler (coll. ej. nr. 1119). 40. Gilia valdiviensis Gr. (Eugilia), annua, glanduloso-pilosiuscula, caule humili adscendente ramoso, foliis pinnatisectis, segmentis breviter lineari- lanceolatis acutiusculis integris v. divisis, cymis subtrifloris, calycis lobis lan- ceolatis acutis tubum subaequantibus, corolla calycem duplo superante, tubo pallido ` sensim ampliato breviter exserto limbum coeruleum duplo superante, lobis ovato-subrotundis apiculatis. — ^ Proxima G. laciniatae R. P., corolla exserta dignoscenda. Valdivia: in herbosis pr. S. Juan m. Jan. leg. Philippi (coll. ej. nr. 333). 41. Polemonium antarcticum Gr. annuum, nanum, diffusum, glanduloso-pubescens, foliis pinnatisectis, segmentis minutis obovato - subro- tundis spathulatisque, floribus remotiusculis breviter pedicellatis, calycis 5partiti laxi segmentis ovatis obtusiusculis corollam paullo superantibus, ejus lobis late obovatis apice brevissime trilobis, ovarii loculis biovulatis, seminibus ovoideis exalatis. — Habitus Eutocae. Differt a Polemonio filamentis glabris medio tubo corollae insertis. Corolla (sicca) alba. Capsula globosa, 6sperma, testa mucilaginosa. Embryo axilis, teres! Penins. Brunswick: pr. Cabo negro m. Oct. flor., m. Nov. fructif. leg. Lechler (coll. ej. nr. 1000). BORAGINEAE. . 42. Eritrichium albiflorum Gr. — Syn. Myosotis albiflora Bks. Sol. in Fl. antarct. p. 328. Eritrichium est ob nuculas supra basin areolae minutae insertas ovato-irigonas acutiusculas dorso exsculpto-rugosas opacas intus carinatas, angulis integerrimis: itaque ad sectionem pertinet Eueritrichii. Peninsula Brunswick: pr. Sandy Point m. Nov. leg. Lechler (coll. ej. nr. 1132). R2 132 A. GRISEBACH, PIPERACEAE. 43. Peperomia nummularioides Gr. herbaceo-succulenta, ramosa, ramis junioribus petiolisque pube crispa canescentibus, foliis oppositis petiolatis ovali- v. obovato-orbiculatis utrinque rotundatis punctatis ciliatis glabriusculis nervo mediano excurrente notatis, nervis lateralibus obsoletis , amento terminali solitario tenui subsessili petiolum superante densifloro, bracteis imbricatis sub- rotundis. — Genitalia nondum evoluta erant. Proxima P. rotundatae Kth., quae amentis pedunculatis confertis et foliis 5nerviis differt. Valdivia: ad arborum truncos in Cordillera de Ranco m. Mart. leg. Lechler (coll. ej. nr. 838). SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 133 Niue tpe Da mein Freund, W. Hofmeister, sich mit Untersuchungen über die Bildung des Ovariums bei den Loranthaceen beschüftigt hat, nach denen er die dieser Familie eigenthümlichen, nackten Embryosücke auf ein aufrechtes, atropes Ei bezieht, so ersuchte ich ihn, das oben besprochene Material ebenfalls seiner mikroskopischen Analyse zu unterziehen. Seine erst nach dem Druck meiner Bemerkungen über Lepidoceras mir übersandten Ergebnisse, welche er mir geslattet nebst seinen Zeichnungen mitzutheilen, bestätigen, aber erweitern auch zugleich meine Angaben über den von anderen Loranthaceen, in weit hóherem Grade aber von Myzodendron abweichenden Bau dieser Gattung: 1. Lepidoceras besitzt keine freie Centralplacenta, sondern stimmt im Bau des Ovariums mit Loranthus bis auf Nebenpunkte überein. Gewöhnlich sind 3 Embryosäcke vorhanden, von denen einer befruchtet wird. Im unteren Theile der Griffelaxe befindet sich ein Cylinder härteren Gewebes, der mit einer stumpfen Kegelspitze nach unten frei endet. — In der Zeichnung der fast reifen Frucht entspricht der von einer sehr dünnen Schicht Endosperm umhüllte Embryo etwa der halben Grösse des Perikarpiums. 2. Das unbefruchtete Ovarium von Eremolepis stimmt ebenfalls mit anderen Loranthaceen überein. | 3. Dagegen verhalten sich junge Ovarien-von Myzodendron quadriflorum mit Thesium ganz übereinstimmend, auch darin, dass der unbefruchtete Em- bryosaek im Gewebe des nackten Ei's eingeschlossen bleibt und nur im Falle der Befruchtung blasenfórmig aus dem Nucleus hervortritt. — Der Embryo 134 A. GRISEBACH, ist nicht, wie R.Brown meinte, ein Embryo indivisus, aber die Kotyledonen, die bei Lepidoceras den grössten Theil des Embryo bilden, sind hier rudi- mentär und im gereiften Samen verklebt. Das Stámmchen ist sehr entwickelt und seizt sich unten in ein zu Haaren aufgelöstes Gewebe fort, welches die Radicula mantelförmig umgiebt und nach aussen von einem Anhange der Epidermis verdeckt wird, der dasselbe wie eine Halskrause umfasst. Die Darstellungen in der Flora antarctica, nach denen der Embryo von einer be- sonderen Hüllmembran umschlossen. wäre, werden auch von Hofmeister als irrthümlich bezeichnet. Diese Mittheilungen beschliesst H. mit folgender Bemerkung über die Stellung der Myzodendreen: „ich muss gestehen, dass ich im Parasitismus und im Bau der Anthere von Myzodendron keinen genügenden Grund sehe, die Pflanze aus der Nachbarschaft von Santalum und Thesium zu entfernen. Ihrem Ausspruch, dass keine nahe Verwandtschaft zwischen Myzodendron und Lepidoceras bestehe, wird nichts Triftiges sich enigegnen lassen. Aber die nothwendige Konsequenz davon dürfte sein, dass Myzodendron keine Loran- thacee ist.“ Erläuterung der Kupfertafel von W. Hofmeister. — Fig. 1.— 4. Lepidoceras Kingii. Fig. 1. !45. Längsdurchschnitt der jüngeren Frucht (von Lechler ge- sammelt). a. Äussere Schicht des Perikarps, die in den peripherischen Theil des Griffels sich fortsetzt. — al. Unteres Ende des die Griffelaxe durch- ziehenden Cylinders härteren Gewebes, welcher in die zweite Gewebschicht des Perikarps vorragi und mit stumpfer Kegelspitze völlig frei endet. — b. Mittlere Gewebschicht des Perikarps: im unteren Theile sind die radial ge- streckten Zellen verhältnissmässig weit, mehr aufwärts (bei b? und höher) er- scheinen sie in Folge wiederholter Theilung durch in Bezug auf die ganze Frucht radial gestellte Wände eng; schon jetzt haben die Zellen sich stark zu * i SYSTEM. BEMERK. UBER PHILIPPS U. LECHLER’S PFLANZENSAMMLUNGEN. 135 strecken begonnen und, durch die äussere und innere Schicht in ihrer Längs- dehnung gehindert, einen welligen Verlauf anzunehmen; die Membranen quellen in Wasser stark auf und bestehen aus Visein oder einem ähnlichen Stoffe. — c. Innerste Schicht des Perikarps, aus platt tafelförmigen Zellen gebildet, deren Wände bereits etwas verdickt sind. — d.e.f. Die. lufterfüllte Höhle des Perikarps (d), in deren Mitte eine schlank kegelförmige Masse gestreckter Zellen (e) sich erhebt: aus diesem Gewebe), welches in seinem unteren Theile halb aufgelóst ist, lassen sich die Embryosücke (f) leicht heraus- prápariren. Fig. 2. Yıo. Längsschnitt durch die fast reife Frucht. Die Zellen der mittleren Perikarpialschicht (b) haben sich excessiv verlüngert und sind viel- fach gekrümmt: befeuchtet quillt ihr Gewebe stark auf. Die innerste Schicht des Perikarps (c) ist verholzt und umschliesst jetzt genau den grossen Embryo, von dem sie nur durch eine sehr dünne Endospermlage getrennt ist. Fig. 3. Yıso. Ausschnitt aus dem vorigen Präparat. b und c, wie in Fig. 2: die Tüpfel der Holzzellen entsprechen den Ansatzstellen der gestreckten Viscin- Zellen. — x. Endospermschicht. — y. Embryo. Fig. 4. so Längsschnitt von Fig. 1. f. Ein befruchteter Embryosack ist für sich dargestellt. Der obere, bei Weitem grössere Theil ist zellenleer und enthält nur den langgestreckten Embryoträger, der, da wo er in das dreieckige, schildförmige Endosperm eindringt, die Anlage des Embryo ent- wickelt. Neben dem befruchteten Embryosack waren die übrigen leer. Fig. 9. ½0. Eremolepis verrucosa. Längsschnitt durch das unbefruch- tete Ovarium. Fig. 6 — 8. Myzodendron quadriflorum. Fig. 6. Yo. Längsschnitt durch das Ovarium. Fig. Y. Yıoo- Placenta daraus. a. Embryosack, im nackten Nucleus eingeschlossen. b. Derselbe in Folge der Befruchtung aus dem Nucleus bla- senförmig hervorwachsend. 1) Ich halte dieses Gewebe, welches wahrscheinlich zur Annahme einer Central- placenta Veranlassung gegeben hat, für den Rest eines schwammigen Zellge- webes, welches im jüngeren Zustande (zur Zeit der Befruchtung) die Höhle des Ovariums ausfüllt. Gr. 136 A. GRISEBACH, Fig. 8. ½ % Samen, von der Placenta herabhängend. Fig. 9. 10. Myzodendron linearifolium. Fig. 9. ½0. Junger Embryo. Fig. 10. !/5g. Längsdurchschnitt durch den reifen Embryo. cula, von dem sonderbaren Anhange des Stämmchens umschlossen. — Kotyledonen. — pl. Plumula. rad. Radi- cot. SYSTEM. BEMERK. ÜBER PHILIPPI'S U. LECHLER'S PFLANZENSAMMLUNGEN. 137 ee I.» d sx. Aéaena laevigata Ait. 119. A. venulosa Gr. 118. Acarpha Gr. 125. A. australis Gr. 125. A. leucanthema Gr. 126. Adesmia monosperma Cl. 116. A. retusa Gr. 119. Aeztozicum R. P. 102. Araliaceae 109. Aucuba 108. Azara 94—95. A. microphylla D. Hook. 94. Azorella sect. Taeniophora Gr. 123. A, Gilliesi Hook. Arn. 123. A. utriculata Gr. 122. Bolax aretioides Kth. 123. Boopis australis Decs. 126. B. leucanthema Poepp. 126. Boragineae 131. Bulliarda moschata Urv. 121. Calycereae 125. Caprifoliaceae 109. Cardamine affinis Hook. Arn. 115. C..antiscorbutica Bks. 115. C. cordata Barn. 115. C. hirsuta L. 115. C. hir- suta D. Hook. 115. C. rostrata Gr. 115. C. sylvatica Lk. 115. C. tenuirostris Hook. 115. Caryophylleae 116. Cassine 108. Celastrineae 107. 109. Celastrus rhombifolius Hook. Arn. 106. Colletia. discolor Hook. 117. C.? maytenoides Gr. 117. Collomia Sect. Myotoca Gr. 129. C. eritrichioides Gr. 130. e erythraeoides Gr. 130. C. gracilis Gr. 130. Colobanthus crassifolius D. Hook. 117. C. lycopodioides Gr. 116. C. muscoides D. Hook. 117. Corneae 108. 109. Crassulaceae 104—106. 121. Cruciferae 115. Cryptopetalum pusillum Hook. Arn. 104. Decosted 107. 108. D.? jodinifolia Gr. 122. D. scandens R. P. 107. Des- fontainea 112—114. D. Hookeri Dun. 112. D. spinosa R. P. 112. Draba Gilliesii Hook. Arn. 115. D. incana L. 115. D. incana D. Hook. 115. D. magellanica Lam. 115. Elaeagneae 102. Eremolepis Gr. 112. 124. E. punctulata Gr. 124. E. verrucosa Gr. 124. Eritrichium albiflorum Gr. 131. Eryngium crantzioides Gr. 123. Escalloniaceae 109. 121. Escallonia alpina Poepp. 122. E. Carmelita Mey. 122. E. rosea Gr. 121. Eubrachion D. Hook. 124. Eugenia baeckeoides Gr. 120. E. leptospermoides DC. 120. E. leptospermoides Barn. 120. Flacourtianeae 94—97. Galium Aparine L. Gren. 125. G. Aparine D. Hook. 125. G. pseudoaparine Gr. 125. Gentianeae 112. Gilia gracilis Hook. 131. G. laciniata R. P. 131. G. valdi- viensis Gr. 131. Griselinia 108. Himeranthus magellanicus Gr. 128. Homalineae 95—97. Hutchinsia sect. Antidraba Gr. 116. H. procumbens Desv. 116. H. reticulata Gr. 116. Phys. Classe. VI. S 138 A.GRISEBACH, SYST. BEM: UB. PHILIPPYS U. LECHLER'S PFLANZENSAMML. Ilicineae 106—109. 112. Jodina 106. 107. Kiggelaria 95—97. Krameria 98—101. Leguminosae 119. Lepidium Menziesii DC. 116. L. racemosum Gr. 116. Lepidoceras 109. 110. 124. L. Kingii D. Hook. 109. 110. 124. L. punctulatum CI. 111. 124. L. punctulatum Gr. 124. IL. squammifer Cl. 109. 124. Lepuropetalum 104—106. L. spathulatum Ell. 104. L. pusillum Hook. Arn. 104. 105. Lineae 118. Linum chironioides Gr. 118. L. Macraei Pl. 118. Loranthaceae 109—112. 124. Luma As. Gr. 120. L. baeckeoides Gr. 120. Lycioplesium fasciculatum Mrs. 129. pubiflorum Gr. 128. Lythrarieae 103— 104. 120. Lythrum divaricatum Coll. 103. Metrosideros stipularis D. Hook. 119. Monnina 98—101. M. linearifolia R. P. 98. M. polygaloides Ht. Gott. 99. Montia fontana L. 117. M. gibba Gr. 117. M. minor Gm. 117. Myosotis albiflora Bks. 131. Myotoca Gr. 129. Myrtaceae 119. Myrtobium Mig. 110. M. microphyllum Mig. 110.124. Myrtus leucomyrtibus Gr. 120. M. nummularia Poir. 120. M. nummularia var. major D. Hook. 120. M. stipularis Hook. Arn. 119. Myzodendron 110. 111. Nassauvia dentata Gr. 125. NS — Gill. dede Onagrarieae 104. Passiflorineae 96. eee nummularioides Gr. 132. e 132. Pleurophora 103. 104. P. pusilla Hook. Arn. 103. 120. Plumbaginede 129. Polemoniaceae 129. Polemonium antarcticum Gr. 131. Polygaleae 98—101. Po ly gone de 118. Pozoa coriacea 123. P. incisa Gr. 123. Primula sect. Steiro- stemon Gr. 128. P. pistiifolia Gr. 127. Primulaceae 126. Rhamneae 117. Rhamnus diffusa Cl. 117. Rosaceae 118. Rubiaceae 109. 123. Rumex crispus L. 118. R. crispus D. Hook. 118. R. domesticus Hartm. 118. R. magellanicus Gr. 118. R. Patientia L. 118. R. Patientia Gaud. 118. R. ver- ticillatus L. 118. Sambuceae 108. SN éxeruta Vill. 121. S. exarata D. Hook. 121. S. magellanica Poir. 121. S. muscoides Vill. 121. Sazifrageae 104—106. 121. Solaneae 128. Synanthereae 125. Tetradiclis 106. Tepualia Gr. 119. T. Philippiana Gr. 120. T. stipularis Gr. 119. Theopyxis Gr. 126. T. chilensis Gr. 127. Tillaea chiloensis aud 121. Umbelliferae 122. Valeriana cordata Gr. 126. V. lapathifolia Vahl 126. V. urticifolia Kth. 126. Valerianeae 126. Viburnum 108. Viola Lechleri Gr. 116. Violaceae 116. : Über. die durch Molekularbewegungen in starren leblosen Körpern bewirkten Formveränderungen. | Von Joh. Friedr. Ludw. Hausmann. Erste Ablkandlung: Der Königlichen Societät überreicht am 20. Juni 1855. Einleitung. Da die Form’ rigider lebloser Körper 1) unter gewissen Umständen, ohne Aufbebung ihres starren Zustandes, sich verändert, ist keine seltene Er- scheinung, die aber bis jetzt weniger beachtet worden, als sie es ver- dient. Molekularbewegungen und Rigidilät scheinen nach der gewöhnlichen Vorstellung, nach welcher man sich die letztere als einen Zustand vollkom- mener Ruhe gedenkt, mit einander im Widerspruche zu stehen. Man ist ge- wohnt den flüssigen Zustand als den Vermittler von Veränderungen der Form starrer Körper zu betrachten, und die ältere Chemie nahm bekanntlich den Satz, „corpora non agunt, nisi fluida“, als allgemein gültig an. Man schmilzt die Körper, man löst sie in einer Flüssigkeit auf, man verwandelt sie in Dampf, und sieht bei der Rückkehr derselben in den rigiden Zustand, bald Krystallisationen hervorgehen, bald nicht krystallinische Körper entstehen. Aber auch ohne Aufhebung des rigiden Zustandes bilden sich zuweilen aus einem starren Körper Krystallindividuen, welche früher nicht vorhanden waren; 1) Absichtlich bediene ich mich des Ausdrucks „starr oder rigide da, wo im ge- meinen Leben gewöhnlich der Ausdruck „fest“ gebraucht wird, indem die . Festigkeit oder der Zusammenhalt eine der Starrheit oder Rigidität gei eet nete Eigenschaft der Körper ist. Vergl.-Karsten’s Revisi on der Affinitütslehre S. 210 und mein Handbuch der Mineralogie. 21e Ausg. I. S. 351. S? 140 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, und noch häufiger gehet ohne Aufhebung der Rigidität das krystallinische Ge- füge in einen unkrystallinischen, zerfallenen Aggregatzustand, oder der mu- schelige Bruch in eine blätterige Textur, der splitterige Bruch in einen erdi- gen über. Ohne Bewegungen der kleinsten Theile sind solche Veränderungen nicht denkbar. Aber die Bewegungen durch welche sie hervorgebracht werden, sind gewöhnlich so langsam, oder auch wohl so schnell, dass sie sich dadurch dem Auge entziehen. Hierin liegt unstreitig ein Hauptgrund, dass solche Erscheinungen zum Theil übersehen worden sind, oder dass man bei ihnen eine andere Ursache angenommen hat. Wenn rigide Körper Mi- schungsveränderungen erleiden, ohne dass ihr starrer Zustand aufgehoben wird, gehen mit ihnen sehr gewöhnlich auch wesentliche Formveränderungen vor. In solchen Fällen hat man oft nur die chemische Umänderung einer be- sonderen Beachtung gewürdigt, die Veränderung des Aggregatzustandes da- gegen wenigstens nicht aus dem Gesichtspunkte betrachtet, von welchem hier die Rede ist. Bei den Veränderungen welche das Volumen rigider Kör- per durch Erwärmung oder Abkühlung, durch Aufnahme oder Entziehung von Feuchtigkeit erleidet, ohne dass die Rigidität aufgehoben wird, gehen auch Molekularbewegungen vor. Aber theils sind solche Veränderungen nicht blei- bend, theils haben sie auf die Form der Körper keinen Einfluss. Die kleinsten Theile werden dadurch entweder weiter von einander entfernt , oder mehr einander genähert, ohne dass ihre gegenseitige Lage eine bleibende Umän- derung erleidet. Von solchen Molekularbewegungen in rigiden leblosen Kör- pern, wird mithin im Folgenden nicht gehandelt werden. Der Gegenstand welcher hier einer näheren Betrachtung unterworfen werden soll, gewährt ein mannichfaltiges Interesse; nicht allein in allgemein physikalischer Hinsicht, sondern besonders auch für Chemie und Mineralogie. Nächstdem verspricht die genauere Erörterung desselben der Geologie sehr förderlich zu werden, und über manche Erscheinungen, welche die Bildung und die Veränderungen der Erdrindemassen betreffen, ein helleres Licht zu verbreiten, welches u. a. besonders hinsichtlich der Metamorphose von Ge- birgsarten, der in neuerer Zeit vorzügliche Aufmerksamkeit zugewandt wor- den, der Fall seyn dürfte, Ausserdem verdient jener Gegenstand auch in technischer Beziehung besondere Berücksichtigung, indem die durch Molekular- ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND. 141 bewegungen in rigiden Körpern bewirkten Formveränderungen auf die Eigen- schaften des Darzustellenden, so wie, auf dasjenige, was zuweilen mit dem Producte nach der Vollendung desselben vorgeht, einen entschiedenen Ein- fluss hat. Und selbst in agronomischer Hinsicht verdient jener Gegenstand mehr, als es bisher geschehen, beachtet zu werden, weil Manches was die Bildung des fruchttragenden Bodens und die mit demselben vorgehenden Ver- änderungen betrifft, in der durch die Bewegungen der kleinsten Theile in der rigiden Masse bewirkten Umänderung der Form begründet ist. Frankenheim hat sich das Verdienst erworben, in seinem Werke über die Cohäsion, die Elementarbewegungen in dem Innern rigider Körper zuerst im Zusammenhange und umfassend erörtert, und dadurch die Bahn zur weiteren Bearbeitung dieses Gegenstandes gebrochen zu haben!). Von einer Erschöpfung desselben kann für jetzt auch nicht entfernt die Rede seyn. Diese Arbeit hat nur den Zweck, neben einer allgemeinen Betrachtung der durch Molekularbewegungen in starren leblosen Körpern bewirkten Formver- änderungen, theils neue Beiträge zur Kenntniss dieses viel umfassenden Ge- genstandes, theils weitere Untersuehungen über einige, bereits bekannte, dahin gehörige Erscheinungen zu liefern. Es wird kaum nöthig seyn zu be- merken, dass hier unter Form nicht etwa bloss die äussere Gestalt der Körper, sondern Alles verstanden wird, was sich auf die Art ihrer Ausdehnung im Raume beziehet, mithin auch die Structur, oder die innere Form der Körper. Unerwähnt darf ich es aber nicht lassen, dass von Formveränderungen, welche in rigiden Körpern durch Molekularbewegungen bewirkt werden, die von äusseren mechanischen Kräften, namentlich von einem Drucke, einem Zuge, einer Biegung abhängig sind, im Nachfolgenden nicht gehandelt werden wird. I) S. die Lehre von der Cobäsion. Von M. L. Frankenheim. Breslau, 1835. Seite 392 u. f. i i ; 142 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, I. Von den durch Molekularbewegungen in starren leblosen Körpern bewirkten Form veränderungen im Allgemeinen. è "Y eS Von den Umständen, unter welchen in starren leblosen Körpern auf die Form verändernd einwirkende Molekularbewegungen eintreten. Es wird bei diesen Betrachtungen wichtig seyn, zuerst die Umstände zu berücksichtigen, unter welchen in starren Körpern auf die Form verändernd einwirkende Molekularbewegungen eintreten. Dass bei Körpern, deren chemische Zusammensetzung eine pacama erleidet, auch mit dem Aggregatzustande irgend eine, wenn auch noch so geringe Veründerung vorgehen muss, bedarf bei dem Abhängigkeitsverhältnisse, in welchem der Aggregatzustand zur Mischung steht, keiner weiteren Erörte- rung. Wenn nun ein starrer Körper eine Mischungsveründerung erleidet, ohne dass die Rigidität aufgehoben. wird, so kann solches ohne Molekularbewegun- gen nicht geschehen, indem keine chemische Action ohne eine Bewegung der kleinsien Theile gedacht werden kann; wodurch also zugleich die Bedin- gung irgend einer Formveründerung gegeben ist. Diese kommt nun an dem Körper, der die chemische Veränderung erleidet, in verschiedenem Grade zum Vorschein; und je weiter die Mischungs veränderung fortschreitet, um so auffallender pflegt auch die Umänderung der Form zu seyn. Viele Körper erleiden im rigiden Zustande durch Einwirkung des Sauerstoffes der Luft, oft unter Mitwirkung der Feuchtigkeit, oder der Kohlensäure, eine Zersetzung. Eisen rostet, Schwefelkies wird in Eisenoxydhydrat verwandelt , Kupfer in Kupfergrün umgeändert. Bei Weitem in den mehrsten Fällen beginnen diese Umwandlungen an der Oberfläche der Körper, und schreiten allmälig von Aussen nach Innen weiter fort, bis sie mit der vollständigen Zersetzung des Körpers enden. Dabei zeigt sich dann hinsichtlich der Formveränderung der Hauptunterschied, dass entweder der zersetzte Körper seine frühere äussere Gestalt beibehált, und nur die innere Form, die Structur eine Umänderung erleidet; oder dass die äussere Gestalt zugleich zerstört wird. Dieser Unter- schied zeigt sich am Auffallendsten bei den Krysiallisationen, bei welchen die ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND. 143 merkwürdige Erscheinung der Erhaltung der früheren krystallinischen äusseren Gestalt bei veründerter Mischung, mit dem Namen der pseudomorphischen Bildungen oder Pseudomorphosen belegt wird, die in neuerer Zeit die beson- dere Aufmerksamkeit der Mineralogen mit Recht auf sich gezogen haben. Wie' die Structur rigider Körper bei einer Mischungsveränderung derselben modificirt werden kann, ohne dass die äussere Form eine wesentliche Ver- änderung erleidet, wird zuweilen besonders auffallend bei dem Process der Cämentation, z. B. bei der Bereitung des Cámentstahls, wahrgenommen. Wenn nun gleich die Formveränderung im Gefolge einer chemischen Umänderung häufig sich auf den Raum beschränkt, den der Körper im ursprünglichen Zustande einnahm, so überschreitet doch auch sehr oft die umgeänderte Masse die Gränzen des früher von ihr eingenommenen Raumes, oder es zieht sich dieselbe auf einen kleineren Raum zusammen; in welchen Fällen es sich am Unzweideutigsten herausstellt, dass Molekularbewegungen statt fanden, für deren Grösse man auf diese Weise sogar ein Maass erhält. Die höchst verschiedenen Arten von Mischungsveränderungen der leblo- sen Körper lassen sich auf drei Classen zurückführen, indem bei ihnen ent- weder eine Ausscheidung von Bestandtheilen, oder eine Aufnahme von sol- chen, oder Beides, also ein Austausch von Bestandtheilen statt findet !). Die verschiedenen Arten von Mischungsveränderungen haben natürlicher Weise auch auf die Veränderungen der Formen besonderen Einfluss, wiewohl doch nicht selten dieselbe Art von Formveränderung bei verschiedenen Arten von Mischungsveränderungen vorkommt. Denn eben so wie sich z. B. bei dem Rosten des Eisens ein erdiger Kórper zu bilden pflegt, gehet ein sol- cher auch aus der Zersetzung des Feldspathes hervor. Mischungsveränderungen können indessen keinesweges als einzige Be- dingung für Molekularbewegungen in starren leblosen Körpern gelten; denn auch ganz unabhängig von ihnen entstehen oft solche Bewegungen in rigiden Körpern, welche auf ihre Form verändernd einwirken, ja dieselbe zuweilen I) S. mein Handbuch der Mineralogie. 2te Ausg. I. §. 405. Von dieser Hauptver- schiedenheit der Mischungsveränderungen hat auch Blum in seinem schätzbaren Werke über die Pseudomorphosen des Mineralreichs bei der Classification der- selben zweckmässige Anwendung mee 144 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, auf die auffallendste Weise umwandeln. Mannichmal ist allerdings die Ent- scheidung schwierig, ob man bei der Erscheinung einer Veränderung der Form.die Abwesenheit einer Mischungsveränderung annehmen dürfe; und es können auch die Ansichten in dieser Hinsicht abweichend seyn, indem z. B. der Eine etwas für eine Mischung hält, welches der Andere für ein Gemenge anspricht; oder es können gegenwärtig zwei Körper für gleichartig in Anse- hung der chemischen Constitution gelten, welche später als verschiedenartige erkannt werden. Aber abgesehen hiervon, wird man doch bei zahlreichen Formveründerungen, welche an rigiden Kórpern wahrgenommen werden, an- nehmen müssen, dass sie ohne gleichzeitige Mischungsveränderungen erfolg- ten, wie solches u. a. bei isomeren Substanzen der Fall ist, indem sie von dem einen Zustande in den anderen übergehen, welches ohne Elementarbe- wegungen nicht geschehen kann. Dass bei den Veränderungen, welche mit einem Gemenge vorgehen, auch Molekularbewegungen erfolgen, welche auf die Form verändernd einwirken, zeigt sich u. a. bei dem Wasser welches aus einem rigiden Körper entweicht, in welchem es mechanisch enthalten ist. Der gelbe Eisenocher enthält als Eisenoxydhydrat zwischen 18 und 19 Procent Wasser chemisch gebunden; er vermag aber ausserdem eine bedeutende Menge Wasser mechanisch aufzunehmen. Gewöhnlich erscheint er als eine lockere erdige Masse; aber durch starkes Austrocknen eines frisch gewonnenen Niederschlages desselben, wobei jedoch von dem Hydratwasser Nichts ent- weicht, ziehet sich derselbe stark zusammen, berstet auf „ und verliert zu- gleich das ochrige Ansehen, indem er einen muscheligen Bruch, verbunden mit wachsarligem Glanz und brauner Farbe, die wohl bis in das Pechschwarze verläuft, annimmt 1). Die durch das Entweichen von beigemengtem Wasser bewirkte Formveränderung wird am Häufigsten bei dem Thon wahrgenommen; und bei diesem Körper ist zugleich der Unterschied zwischen dem Einflusse der Entfernung des mechanisch darin enthalienen und des chemisch gebunde- nen Wassers besonders auffallend wahrzunehmen. Zuweilen bewirkt die Aus- scheidung anderer Beigemengtheile eine Umänderung der Form bei rigiden Körpern. Es gehören dahin die Kohle und das Bitumen, welche, wenn sie 1) S. meine Abhandlung über den gelben Eisenocher, in Gilbert’s Annalen der Physik. Band 38. Seite 28, ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND. 145 u. a. mit dem kohlensauren Kalke, mit dem Gypse, mit dem Baryte verbun- den vorkommen, doch gewiss nur mechanisch in der Masse dieser Körper enthalten sind. Durch das Entweichen jener Substanzen werden die sie ent- haltenden Kórper nicht immer nur gebleicht und aufgelockert, sondern zuweilen erleidet zugleich ihre Structur eine Veránderung, indem z. B. der ursprünglich splitterige Bruch dadurch in einen unebenen oder erdigen umgewandelt. wird. Wie die Wärme bei Mischungsveründerungen so häufig thätig ist, und daher auch oft da von Einfluss sich zeigt, wo im Gefolge von Veründerun- gen der chemischen Constitution rigider Körper, Umänderungen ihrer Form wahrgenommen werden, so ruft sie auch sehr oft ganz unabhüngig von Mi- schungsveründerungen in rigiden Körpern Molekularbewegungen hervor, welche Umänderungen ihrer Form bewirken. Erscheinungen dieser Art kom- men eben so wohl bei Zuführung, als bei Entziehung von Wärme vor; und sowohl der Grad, als auch die Geschwindigkeit der Erwärmung oder Abküh- lung bewirken Modificationen solcher Erscheinungen. Wie ausgezeichnet zeigt sich dieses z. B. bei dem Eisen, bei dem Stahl, wovon später ausführlich gehandelt werden wird. Der Uebergang isomerer Substanzen aus dem einen Zustande in den anderen, ist häufig durch eine Temper ifferenz bedingt, wie solches z.B. bei den Schwefel, bei dem kohlensauren Kalke der Fall ist. Von den Inponderabilien gehört unstreitig die Elektrieität zu den Dingen, welche auf Molekularbewegungen in rigiden Körpern, und dadurch auf Ver_ änderung ihrer Form von Einfluss sind. Die Elektrieität übt dadurch wohl am Häufigsten diese Wirksamkeit aus, dass sie eine so treue Begleiterinn des chemischen Processes ist; und in dieser Verknüpfung ist sie oft Ursache der merkwürdigsten Bewegungen rigider Körper. Die durch Elektricität bewirkte Wanderung der Stoffe ist vermuthlich weit häufiger, und veranlasst weit grö- ssere Formveränderungen in rigiden Körpern, als für jetzt mit Sicherheit nachgewiesen werden kann. Einige später zu beschreibende auffallende Er- scheinungen, deren vollständige Erklärung ich mir noch nicht getraue, dürf- ten in Wirkungen elektrischer Ströme begründet seyn. Aber auch unabhän- gig von chemischen Actionen scheint die Elektrieität auf die Umänderung der Form rigider Körper von Einfluss seyn, und dadurch sogar grosse Verän- derungen in der Structur von Gebirgsmassen bewirken zu können, wie Phys. Classe. VI. 146 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, die besonders von Fox, Jordan und Robert Hunt über die lange Ein- wirkung Voltaischer Elektrieität auf verschiedene Körper, namentlich auf Thon, Gyps, Sandstein, angestellten Versuche wahrscheinlich machen +). Ausser den durch Molekularbewegungen in rigiden Körpern bewirkten Formveränderungen, bei welchen die eine oder andere der bisher aufgeführten Ursachen angenommen werden darf, kommen manche vor, bei welchen die eigentliche Veranlassung noch ganz verborgen ist. Problematisch ist z. B. die allmählige Umwandlung der glasigen Arsenigen Säure in krystallinische, welche erfolgt, ohne dass irgend ein äusserer Einfluss wahrgenommen wird. Es scheinen hier, wie auch in einigen anderen Fällen, die Theile des Körpers in einer Spannung sich zu befinden, von deren durch eine noch unbekannte Ursache bewirkter Aufhebung, die Umwandlung der Form Folge ist. E: uid j id Verschiedenheiten der — in starren leblosen Körpern. - Schon aus den bisherigen Betrachtungen geht hervor, dass den Moleku- larbewegungen in starren leblosen Körpern mannichfaltige Verschiedenheiten - eigen sind. Diese werden sich auf folgende Kategorieen zurückführen lassen, indem sie betreffen: 1. die Richtung der Bewegung; 2. die Grösse der Bewegung; 3. die Geschwindigkeit der Bewegung. Was zuvörderst die Richtungen der Molekularbewegungen in starren leb- losen Körpern betrifft, so lassen sich bestimmte und unbestimmte unterscheiden. Bei den ersteren findet eine wesentliche Verschiedenheit statt, je nachdem die Molekularbewegungen entweder krystallinischen oder nicht krystallinischen Bil- dungen angehören. Im ersteren Falle machen die Richtungen bestimmte Win- kel mit einander, indem man sich dieselben normal gegen die Krystall- oder Texturflächen denken muss; wobei dann die Normalen entweder auf die Kry- stallláchen und die Blütterdurchgünge einzelner Individuen, oder auf die Ab- 1) Memoirs of the geological Survey of Britain. Vol. I. 1846. pag. 433. Vol, II. - 1848. pag. 631. (Góttingische gelehrte Anzeigen. 1849. S. 998. 1551. S. 349). ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND. 147 sonderungs- und Texturflächen in Aggregaten vollständiger oder unvollstän- diger Individuen zu beziehen sind. Jm letzteren Fall ist die Bildung der einzelnen Theile des Aggregates zwar von bestimmten, nach den Gesetzen der Krystallisation sich richtenden Bewegungen abhängig, wogegen die Bildung des Aggregates selbst sich oft nach anderen Gesetzen richtet, oder überall nichts Bestimmtes oder Geregeltes erkennen lässt. Wenn bei nicht krystallinischen Bildungen bestimmte Richtungen der Mo- lekularbewegungen statt finden, so zeigen sie entweder ein bestimmtes Ver- halten zur äusseren Begrünzung der Körper, und zwar bald zur gesammten Oberfläche, bald nur zu einem Theil derselben, oder sie sind central; und oft findet eine Combination unter diesen Verhältnissen statt. Wenn in gewissen starren Körpern durch eine von Aussen auf sie ein- wirkende Temperaturänderung Molekularbewegungen veranlasst werden, so wird ihr Umfang bald vergróssert bald verkleinert, wobei die äussere Gestalt keine wesentliche Veränderung erleidet, in welchem Fall also die Richtung der Bewegung von der Oberfläche abhängig ist. Dieses zeigt sich z. B. bei Kórpern die aus Thon geformt sind, welche durch das Brennen ein Schwin- den erleiden. Dasselbe findet auch zuweilen ohne Veränderung der Tempe- ratur stalt, bei Körpern, die ohne dass ihre Rigidität aufgehoben wird Zerse- izungen erleiden, die gewöhnlich von Aussen nach Innen fortschreiten. Es entstehen dabei nicht selten schaalige Absonderungen die der Oberfläche ent- sprechen, wie man dieses z. B. oft bei dem Rosten des Eisens, bei der Zer- setzung des thonigen Sphärosiderites sieht, an welchen erkannt wird, dass die Bewegungen normal gegen die Oberfläche gerichtet waren, mochten die sich bildenden Schaalen von einer ausdehnenden, oder von einer zusammenziehen- den Bewegung herrühren. Dasselbe was sich mannichmal bei dem Übergange eines u Körpers in den starren Zustand zeigt, dass die Masse in Prismen sich sondert, welche bei vollkommen regelmässiger Bildung regulär - sechsseitig sind, erfolgt auch zuweilen bei starren Körpern, die entweder durch Temperaturerhöhung eine Misehungsveründerung erleiden, oder bei denen ohne Veränderung der Temperatur ein Bestand - oder Gemengtheil sich ausscheidet. Man nimmt jene Erscheinung z. B. wahr, wo Braun- oder Schwarzkohle durch Einwirkung 2 148 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, eruptiver Massen in Anthracit umgewandelt worden. Sie kommt oft vor, wo thoniger Sphärosiderit, sei es durch Erdbrand, sei es absichtlich, z. B. bei dem Rösten, in thonigen Rotheisenstein umgewandelt wird. Dieselbe Prismenbil- dung, nur gewöhnlich weniger regelmässig, erfolgt bei dem Austrocknen feuch- ter Körper, u. A. bei dem Austrocknen des Thons, des Eisenoxydhydrates. Die Ursache dieser Bildung liegt in der vereinigten Wirkung von Centralattractio- nen und tangentialen Abplattungen, welche in der den benachbarten Attractions- Sphären angehörenden Masse vorgehen, wie solches zuerst von Poulett Serope in Beziehung auf die Entstehung sechsseitiger Prismen bei dem Er- starren von Lava dargelegt worden !). Bei vollkommen gleichmässigem Er- folge dieser Bildung sind die Attractionssphären von gleicher Grösse, und be- finden sich in grösstmöglicher gegenseitiger Annäherung, wobei ihre Mittel- punkte so gegen einander stehen, dass durch dieselben gelegte Linien mit einander gleichseitige Dreiecke bilden. Nur unter dieser Bedingung kann das Resultat der gegenseitigen Abplattung, die Entstehung regulär-sechsseitiger Prismen seyn. Unregelmässigkeiten gehen hervor, wenn entweder die be- nachbarten Attractions-Sphären von ungleicher Grösse sind, oder die ge- genseitige Stellung nicht die angegebene ist. Übrigens können bei gleicher Grösse der Attractions- Sphären wohl andere regelmässige Prismen entste- hen, wenn nur die gegenseitige Stellung eine regelmässige ist, indem z. B. quadratische Prismen gebildet werden, wenn die Mittelpunkte der Anziehung so gegen einander stehen, dass ihre Verbindungslinien Quadrate darstellen. Was die Stellung der Prismen betrifft, welche in Folge der durch Abkühlung oder Austrocknung veranlassten Zusammenziehung der Theile einer Masse ent- stehen, so gilt dafür das allgemeine Gesetz, dass sıe rechtwinkelig gegen die Flächen gerichtet sind, von welchen die Abkühlung oder Austrocknung ausge- het, welches bald die freie Oberfläche, bald die durch eine andere Masse ge- — Fläche ist. Die verschiedene Beschaffenheit der a gegen wel- " 8 on Volcanos. By G. Poulett Scrope. 1523. p. 134 fl. Die- selbe Erklärung obiger Erscheinung, wie sie bei dem Basalte und anderen Säu- len-Gebirgsarten so gewöhnlich ist, und im Kleinen nicht selten an dem gefrit- teten Sandstein aus den Gestellen von Schmelzöfen vorkommt, ist von mir be- reits seit 1811 in meinen Vorlesungen über Geognosie gegeben worden. ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRK TEN FORMVERÄND. 149 che die Prismen rechtwinkelig gerichtet sind, ist dann Ursache, dass solche bald eine parallele Stellung haben, bald auf verschiedene Weise convergiren und divergiren, womit es denn auch oft zusammenhängt, dass die Prismen ent- weder ihrer ganzen Lànge nach eine gleiche Stürke haben, oder dass ihre Stärke ungleich ist, dass sie sich z. B. gegen das eine Ende verjüngen. Der Einfluss der Oberflüche auf die Richtungen der Molekularbewegun- gen in starren Kórpern macht sich auch in solchen Massen zuweilen bemerk- lich, in welchen übrigens die mit der Form vorgehenden Veründerungen den Krystallisationsgesetzen gehorchen. Dieser Einfluss trifft bald die krystallini- sche Bildung selbst, indem z. B. die Richtung der Krystallachse, oder gewis- ser krystallinischer Absonderungen dadurch bedingt wird, bald die Masse, ab- gesehen von der darin vorgehenden krystallinischen Bildung. Das Erstere zeigt sich z. B. in der Richtung der krystallinisch stänglich abgesonderten Stücke, die bei der Umwandlung der amorphen Arsenigen Säure in krystalli- nische, so wie bei dem Übergange des amorphen Gerstenzuckers in krystallini- schen entstehen, welche gegen die Oberfläche, von welcher die Metamorphose ausgeht, normal gestellt erscheinen. Das Andere anm u. A. in den der Oberflä- che entsprechenden schaaligen Absonderung g n, welche zu- weilen Körper erlangen, die in eine krystallinische Masse umgeänd — Auch centrale Bidbténgen: weiche den Molekskirbeweguigen bei nicht kry- stallinischer Bildung oft eigen sind, zeigen sich zuweilen bei einer Umformung starrer Körper, die übrigens einem Krystallisationsgesetze folgt. So bemerkte ich, dass bei starker Rothglühhitze gebrannter dichter Gyps, der dadurch in Karstenit umgewandelt wurde, eine versteckt-faserige Structur annahm, wobei die Fasern concentrische Gruppen bildeten. So beobachtete ich, dass bei der Umwandlung von amorpher Arseniger Säure in — aus der Ober- fläche allmälig concentrisch gruppirte Krystalle hervortraten. - Es wurden oben bestimmte und unbestimmte dete der in starren Körpern vorgehenden Molekularbewegungen unterschieden. Ohne Zweifel kommen die letzteren bei Weitem am Häufigsten vor. Auch sind sie nicht allein unabhängig, sondern auch in Verbindung mit bestimmten Richtungen den Bewegungen der kleinsten körperlichen Theile eigen. Unabhängig von an- deren Richtungen finden sie namentlich überall statt, wo ein krystallinischer 150 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, Körper Zerseizungen erleidet, und dadurch in einen zerfallenen oder erdigen Aggregatzustand umgewandelt wird; oder wo ein dichter Körper von musche- ligem oder splitterigem Bruch, durch Veränderung der Mischung oder Ausschei- dung eines Gemengtheils, einen unebenen oder erdigen Bruch annimmt. Mo- lekularbewegungen in unbestimmten Richtungen fehlen gewiss sehr sellen, wo übrigens bestimmte Bewegungsrichtungen die Umformung starrer Körper be- wirken. Wenn ein amorpher Körper in einen krystallinischen verwandelt wird, oder ein krystallinischer Körper eine andere krystallinische Form animmt, so be- kommt er nicht selten zugleich in unbestimmten Richtungen Risse und Sprünge. Wenn bei einem Körper durch den Übergang aus einem Aggregatzustande in einen anderen Absonderungen entstehen, die der Oberfläche entsprechen, zu- gleich aber auch der Bruch eine Aenderung erleidet, so sind den Bewegun- gen welche das letztere bewirken, unbestimmte Richtungen eigen, während in der Bildung der Absonderungen bestimmte Richtungen sich zu erkennen geben. Auch sind die bestimmten und unbestimmten Bewegungs-Richtungen nicht im- mer scharf von einander gesondert, sondern zuweilen durch Übergänge ver- knüpft. Denn wie die Bildung eines splitterigen Bruches sich der einer kry- stallinischen Textur nähert, so wird in den Bewegungen, von welchen die Bildung eines muscheligen Bruches abhüngl, schon eine Hinneigung zu centra- len Richtungen erkannt. Was die Grósse der Molekularbewegungen in starren leblosen Körpern betrifft, so lässt sie sich freilich in vielen, ja wohl in den mehrsten Fällen, nicht genau bestimmen; doch kann man sich mannichmal eine Vorstellung da- von verschaffen, und in manchen Füllen dieselbe sogar messen. Die einfachsie Art die Grüsse der Molekularbewegungen kennen zu lernen, besteht in der Beachtung der Volumenveränderung, welche der Kórper durch die Bewegungen der kleinsten Theile erleidet. Es ist, wie oben bereits bemerkt worden, hier nicht die Rede von vorübergebenden Volumenveränderungen, wie sie namentlich in starren Körpern durch Erbóhung oder Erniedrigung der Temperatur be- wirkt werden. Bekanntlich sind diese Veränderungen bei einer grossen An- zahl von Körpern genau ausgemittelt. Aber auch die Grösse bleibender Vo- lumenveränderungen lässt sich in manchen Fällen genau bestimmen; und manche dieser Bestimmungen haben nicht allein einen wissenschaftlichen , sondern zu- ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND. 151 gleich einen, oft sogar bedeutenden, praktischen Werth. Dahin gehört das Schwinden des Thons und der Töpferwaare bei dem Austrocknen und dem Brennen, worüber Al. Brongniart so genaue und umfassende Untersuchun- gen mitgetheilt hat); die Volumenveränderung, welche bei der Verkohlung des Holzes erfolgt, worüber vielfache Untersuchungen angestellt worden, deren Resultate sich in verschiedenen technologischen und forstmännischen Schriften aufgezeichnet finden ?). Nicht selten gehen Molekularbewegungen in starren Körpern vor, ohne dass das Äussere eine Veränderung des Umfanges zeigt. In solchen Fällen kann man oft durch die Bestimmung des specifischen Ge- wichtes auf gewisse Weise ein Maass der Grösse der Bewegung erhalten, von welchem Mittel bei den nachfolgenden speciellen Untersuchungen zuwei- len Gebrauch gemacht worden. Oft erhält man aber auch bestimmte Vorstel- lungen von der Grösse der Bewegung der kleinsten Theile, durch die Grösse der mit dem Körper vorgegangenen Veränderung der äusseren Gestalt oder der Structur. Wenn man z. B. sieht, dass feinkörniges Stabeisen dadurch, dass es eine lange Zeit einer hohen Temperatur ausgesetzt bleibt, ein grossblütte- riges Gefüge annimmt; dass "iem —— odes amorpher Gersten- zucker nicht allein allmählig ein kry ü sondern dass sogar vollständige Krystalle aus "n berfläche . wenn man beobachtet, dass dichter Karstenit durch TE von Feuchtig- keit aus der Luft sich in späthigen Gyps umwandelt, dessen Blätter oft eine bedeutende Ausdehnung erlangen; wenn man dann ferner wahrnimmt, dass die mit der Umwandlung von wasserfreiem in wasserhaltigen schwefelsauren Kalk verbundene Bewegung der kleinsten Theile, die Struciur ganzer Felsen und Bergmassen umzuändern im Stande ist, Absonderungen und Zerklüftungen der Masse bewirkt, die früher nicht vorhanden waren, und dadurch oft die gróss- ten Zerrüttungen von Felsen und Bergmassen ‘zu Wege bringt; — so wird man wohl auf recht anschauliche Weise von der Grösse der Bewegung, wel- che mit den kleinsten Theilen vorging, überzeugt werden. — Die Grösse 1) Traité des Arts céramiques ou des Poteries, par Alex. Brongniart. 2. Edit, par Alph. Salvétat. Paris 1854. T. I. p. 262. Atlas. Tabl. no. VII. 2) S. u. a. Handbuch der Eisenhüttenkunde von Dr. E. J. B. Karsten. 3. Ausg. Zweiter Theil. 1841. S. 264 ff. j 152 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, der Molekularbewegung ist bei derselben Beschaffenheit der Bedingung, durch welche sie hervorgerufen wird, nach der Natur der Kórper oft abweichend; sie kann also speeifisch verschieden seyn. Auffallend zeigt sich dieses bei dem Schwinden des Thons und der Töpferwaare, nach den verschiedenen Be- standtheilen des ersteren und der abweichenden Zusammensetzung der Masse der letzteren. Nach Brongniart's Erfahrungen schwinden z. B. die sehr plastischen und leichtflüssigen Massen am Stärksten, die sehr mageren und zu- gleich strengflüssigen dagegen am Schwächsten. Welch’ eine auffallende Ver- schiedenheit zwischen dem Thon oder einem wasserhaltigen Thonerdesilicat und dem Meerschaum, oder einem wasserhaltigen Talkerdesilicat! Wenn nach den zu Sevres angestellten Versuchen, der plastische Thon von Dreux im natürlichen Zustande im stärksten Porzellanofenfeuer 10 bis 11 Procent an Volumen verliert , so beträgt dagegen das Schwinden des Meerschaums von Vallecas bei Madrid bei gleichem Hitzgrade, 40 Procent!). Dass bei ein und demselben Körper die Grösse der Bewegung nach der verschiedenen Wir- kung dessen, wovon sie abhängt, sehr abweichend seyn kann, versteht sich von selbst. Hängt z. B. die Bewegung von einer Temperaturerhöhung ab, so wird ihre Grösse nach dem verschiedenen Hitzgrade sehr abweichend seyn, wie sich solches bei dem Thon und der Töpferwaare so auffallend zeigt, und worüber oboufalis die von Brongniart mitgetheilten Untersuchungen so viel . Licht verbreitet haben. Bei einer aus reinem Thon von Dreux geformten Platte: von 1 Decimeter im Quadrat, betrug z. B. das Schwinden durch das ‚ufttrocknen 0,99, durch das Verglühen bei 400 Wedgwood 0,94, durch das Brennen im stärksten Porzellanofenfeuer 0,85. Auf solche Weise lässt sich - also zuweilen das Verhültniss, in welchem die Grósse der Bewegung zur Stärke der sie bedingenden Einwirkung steht, durch das Maass genau bestim- men, welches für technische Zwecke von Bedeutung seyn kann. — Bei ein und demselben Kórper ist die Grósse der darin vorgehenden Bewegung der kleinsten Theile zuweilen verschieden, nach den abweichenden kórperlichen Dimensionen, welches in manchen Fällen, aber durchaus nicht immer, von der Wirkung der Schwere herrührt, welche die Bewegung entweder befördert, 1) A. a. O. Tabl. VII. p. 19. ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND. 133 oder ihr entgegenwirkt. Wenn eine Kugel von Thon in der Hitze nach al- len Richtungen gleichmässig schwindet, so ist dieses nicht der Fall, wenn die Gestalt eine zylindrische ist, oder überhaupt, wenn der Thonkórper ungleiche Dimensionen hat. Brongniart bemerkt, dass bei den Thonwaaren im All- gemeinen das Schwinden in senkrechter Richtung grösser als in horizontaler ist, und hat auch darüber lehrreiche Erfahrungen mitgetheilt. Bei einem hoh- len Zylinder mit einem Boden aus Porzellanmasse zum gewóhnlichen Service von 1 Decimeter Hóhe und 1 Decimeter Durchmesser, betrug z. B. das Schwin- den der Höhe nach 13 Procent, in horizontaler Richtung nur 9 Procent 1). Etwas ganz Ähnliches bemerkt man bei der Verkohlung des Holzes, welches in der Richtung der Fasern eine weit grössere Zusammenziehung erleidet, als senkrecht dagegen. Nach der Länge der Holzfasern beträgt die Zusammen- ziehung 11 bis 12 Procent 2). Über die Geschwindigkeit der Molekularbewegungen in starren leblosen Körpern lässt sich am Wenigsten sagen, weil hier die Beobachtungen am Mehr- sten im Stiche lassen. Doch wird man auch darüber in manchen Fällen et- was Genaueres erfahren können, wenn man diesen Gegenständen eine grössere Aufmerksamkeit als bisher zuwenden wird. So viel ist aber schon jetzt zu erkennen, dass hinsichtlich der Geschwindigkeit der Molekularbewegungen in starren Körpern die mannichfaltigsten Modificationen und die grössten Extreme statt finden, indem die Bewegung so schnell sein kann, dass sie sich dadurch dem Auge entzieht, aber auch so langsam, dass ein Menschenalter nicht hin- reicht, um die dadurch bewirkte Veränderung wahrzunehmen. Zu den auffal- lendsten Beispielen einer ausserordentlichen Geschwindigkeit der Bewegung der kleinsten Theile und dadurch bewirkten Formveränderung, gehört die höchst merkwürdige Erscheinung an dem einfachen Jod- Quecksilber, wenn solches durch Sublimation in höherer Temperatur in schwefelgelben- rhombischen Ta- feln sich darstellt, die bei der schwächsten Reibung oder bei Berührung mit einer Spitze, sich an der berührten Stelle augenblicklich scharlachroth färben, welche Färbung sich unter einer Bewegung, wie wenn die Masse belebt wäre, 1) A. a. O. Tabl. VII. p. 21. 2) Karsten, a. a. O. S. 267. Phys. Classe. VI. U 154 : JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, foripflanzt. Die Krystalle des klinorhombischen gelben Jod-Quecksilbers wer- den auf solche Weise in einem Moment in das monodimetrische rothe Jod-Queck- silber umgewandelt, und aus den wesentlichen Krystallen des ersteren sind nun Afterkrystalle des letzteren geworden. Andere Beispiele für eine so rasche Bewegung der kleinsten Theile in einem starren Kórper, dass das Auge nicht im Stande ist sie zu verfolgen, haben meine Versuche über das Ablóschen von Stücken gebrannten Gypses in Wasser gegeben !), wobei sich zeigte, dass Stücke dichten Gypses sich augenblicklich in schuppig-körnigen ver- wandelten, und dass Stücke von spüthigem und fasrigem Gyps sich bei der Berührung mit Wasser augenblicklich mit kleinen Gypskrystallen bekleideten, de- ren Form deullich zu erkennen war. Dagegen vergehen Monate, bis Stücke von Gerstenzucker eine krystallinische Rinde erlangen; Jahre können verge- hen, bis ein Stück amorpher Arseniger Säure sich mit einer krystallinisch- stänglichen Rinde von der Stärke einer Linie bekleidet; und wie viele Hun- derte, ja vielleicht Tausende von Jahren mögen verstrichen seyn, bis Gypsfel- sen, wie die von Osterode am Harz, aus dem früheren Karstenite sich gebildet und die Structurbeschaffenheiten angenommen haben, welche sie gegenwürtig zeigen, deren Entstehung ohne bedeutende Bewegungen im Innern der star- ren Masse nicht denkbar sind. $. 3. Verschiedenheiten der durch Molekularbewegungen in starren Komm bewirkten Form- s veründerungen. Die Veründerungen der Form, welche durch Molekularbewegungen in starren leblosen Körpern bewirkt werden, sind überaus mannichfalüg. Es las- sen sich indessen zwei Hauptelassen derselben unterscheiden, indem die Form- veründerung enlweder nur in einer Modificirung eines gewissen Aggregatzu- standes, oder in einer wesentlichen Umwandlung desselben besteht. Wenn Stabeisen einer hohen Temperatur eine längere Zeit ausgesetzt ist, so erlei- det seine Textur allmählig eine Umänderung; die körnige Structur geht in eine blätterige über, und es kónnen zollgrosse Blütter entstehen, wenn die Einwir- 1) S. meine Bemerkungen über Gyps und Karstenit, i. d. Abhandlungen der Kön. Gesellschaft der Wissenschaften zu Góllingen. Dritter Band. 1847. S. 65. ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND. 155 kung eine sehr lange Zeit dauert. Dabei bleibt aber der dreifache, rechtwin- kelige Blätterdurchgang derselbe, der auch den kleineren Körnern eigen ist. Anders verhält es sich, wenn die glasige Arsenige Säure in krystallinische um- gewandelt wird, oder wenn aus der Zersetzung des Feldspaths Kaolin hervor- geht. Bei der Umwandlung des einen Aggregatzustandes in einen wesentlich davon verschiedenen kommen Unterschiede vor, die sich auf folgende Haupt- arten zurückführen lassen: 1. Ein krystallinischer Körper nimmt einen krystallinischen Aggregat- zustand von anderer Art an. Aus Krystallen von Schwefel- oder Wasser- kies gehen z. B. Krystalle oder krystallinische Massen von Eisenvitriol her- vor. Es zeigt sich hierbei der Unterschied, dass die Umwandlung entweder nur die Structur, oder auch die äussere Gestalt betrifft. Es kann das krystal- linische Gefüge des Karstenites durch Aufnahme von Wasser in das des Gyp- ses sich verwandeln; es können aber auch auf diese Weise aus Karstenitkry- stallen Gypskrystalle entstehen. Zuweilen ändert sich die Structur, ohne dass die äussere Krystallgestalt eine Umänderung erleidet, wie bei der Bildung mancher Afterkrystallisationen. ^ Krystallindividuen von blätteriger Kupferlasur werden in Malachit umgewandelt, wobei im Innern sich Strahlenbüschel bilden, während die äussere Krystallgestalt unverändert bleibt. 2. Der krystallinische Aggregatzustand wird in einen nicht a schen verwandelt, wie bei einer sehr grossen Anzahl von krystallinischen Mineralkörpern, welche durch Zersetzung in einen zerfallenen oder erdigen Aggregatzustand übergehen. Dahin gehören also z. B. die Umwandlungen des Feldspathes in Kaolin, des Eisenspathes in Brauneisenstein, des Antimon- glanzes in Antimonocher, des Wismuthes in Wismuthocher. Dieselbe Erschei- nung zeigt sich bei Kunstproducten, z. B. bei der Umwandlung des Roh- und Stabeisens in Eisenoxydhydrat. Bei dem Ubergange des krystallinischen Ag- gregatzustandes in einen nicht krystallinischen, erhalten sich zuweilen noch mehr und weniger deutliche Spuren des ersteren, die dann Absonderungen darstellen. So sieht man nicht selten an dem dichten oder ochrigen Braun- eisenstein, der aus Eisenspath sich gebildet hat, Absonderungen, welche den Blätterdurchgängen des letzteren entsprechen. Etwas Aehnliches bemerkt man zuweilen an dem aus Antimonglanz entstandenen Antimonocher. War der kry- U2 156 JOH. FRIEDR; LUDW. HAUSMANN, stallinische Körper dureh Krystallflachen begrünzt, so zeigt sich die äussere Gestalt unverändert, während die krystallinische Structur in eine nicht krystal- linische umgewandelt worden, wie solches bei vielen Afterkrystallisationen sich zeigt. Es brauchen hier nur die Umwandlungen von F eldspathkrystallen in Steinmark, von. Eisenspathkrystallen in Brauneisenstein als Beispiele erwähnt zu werden. 3. Aus einem nicht krystallinischen Körper wird ein krystallinischer, wohin die Umwandlungen der glasigen Arsenigen Säure in krystallinische, des amorphen Gerstenzuckers in krystallinischen, die Entglasung des Glases gehö- ren. Hierbei erleidet entweder und zwar am Häufigsten, nur die Structur eine Umänderung, oder es gehen aus dem nicht krystallinischen Körper Krystallin- dividuen hervor, wie es von mir bei der Arsenigen Säure und dem Gersten- zucker beobachtet worden. Ein besonders merkwürdiger Ubergang aus einem nicht krystallinischen in einen krystallinischen Aggregatzustand zeigt sich bei gewissen Gehäusen von Schaalthieren und einigen anderen Thiergehäusen, de- ren kohlensaurer Kalk in Kalkspath umgeändert erscheint, 4. Aus einem nicht krystallinischen Körper geht ein nicht krystallinischer von verschiedenem Aggregatzustande hervor. Dieses kann sowohl bei ur- sprünglich unorganischen, als auch bei ursprünglich ‘organischen sich zeigen, und kommt eben so wohl bei Naturproducten, als bei Kunstproducten vor. Dahin gehört die Structurveränderung, welche mit dem dichten thonigen Sphä- rosiderite vorgeht, wenn er durch Zerselzung bei gewöhnlicher Temperatur in thonigen Braun- oder Gelbeisenstein sich umwandelt und schaalige Abson- derungen bekommt; oder wenn er durch Erhitzung in thonigen Rotheisenstein umgeändert wird, und dabei stängliche Absonderungen erhält. Dahin ist die Veränderung zu zählen, welche mit dem gewöhnlichen Glase durch Zersetzung vor sich geht, wobei die glasige Beschaffenheit verloren geht, und eine Ab- blätterung erfolgt. In diese Kategorie gehört die Umwandlung, welche das Holz bei der Verkohlung erleidet, mag diese in der freien Natur, oder künst- lich geschehen. Es ist dahin die Umänderung des Aggregatzustandes zu rech- nen, welche bei dem fossilen Elfenbein und anderen Zahn- und Knochenre- sten zuweilen wahrgenommen wird, wenn eine chemische Veränderung damit vorgegangen. T HB wd | ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND. 157 r . 4. Durch Molekularbewegungen in starren — Körpern bewirkte Volumenveränderungen. Als von der Grösse der Molekularbewegungen in starren Körpern die Rede war, sind beiläufig auch die dadurch bewirkten Volumenveränderungen erwähnt worden, die hier aber auch noch eine besondere Betrachtung verdienen. Bei den Volumenveränderungen in Folge von Molekularbewegungen hat man die Umünderung; welche das Volumen des Körpers im Ganzen, sein äusserer Umfang erleidet, wohl zu unterscheiden von der Veränderung der Dichtigkeit seiner Masse. Beides kann von einander unabhängig, Beides aber auch auf verschiedene Weise verbunden seyn. Es sind Molekularbewegungen in star- ren Körpern möglich, wodurch die kleinsten Theile nur in eine andere ge- genseitige Lage kommen, aber weder die Dichtigkeit, noch die äussere Be- gränzung eine Änderung erleidet. Gewöhnlich bewirken aber solche Moleku- larbewegungen bald das Eine, bald das Andere, bald Beides gemeinschaftlich. Es finden hierbei folgende Haupt- Unterschiede statt. 1. Es gehen Molekularbewegungen in starren Körpern vor, wobei das Volumen des Ganzen bleibt, aber die Dichtigkeit der Masse eine Änderung erleidet. In diesem Falle kann entweder eine Verdichtung, oder eine Auf- lockerung erfolgen. Das Erstere findet u. a. in geringer Maasse statt, wenn Magneteisenstein mit Beibehaltung der äusseren Krystallgestalt durch. Auf- nahme von Sauerstoff in Eisenglanz umgewandelt wird, wie sich solches an den schönen Pseudomorphosen aus Brasilien zeigt, an welchen das regu- läre Oktaeder des Magneteisensteins unverändert, selbst noch mit glatten und glänzenden Flächen sich erhalten hat, wenn gleich die Masse als Eisenglanz sich darstellt. Eine grössere Verdichtung erscheint u. a. an den aus Pyro- morphit hervorgegangenen Pseudomorphosen des Bleiglanzes, an dem soge- nannten Blau-Bleierz. Eine Verminderung der Dichtigkeit findet dagegen u. a. bei der Umwandlung des Schwefelkieses in Brauneisenstein statt, wel- che oft mit vollkommenster Erhaltung der äusseren Krystallgestalt erfolgt. 2. Es finden Molekularbewegungen in starren Körpern statt, wobei das Volumen des Ganzen sich ändert. Es kann dann entweder eine Vergrösse- rung des Raumes, den der Körper einnahm, oder eine Verkleinerung dessel- hen erfolgen, und in beiden Fällen die Masse bald aufgelockert, bald verdichtet 158 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, werden. Wenn das Volumen des Ganzen eines Körpers durch Molekularbe- wegungen umgeändert wird, so erleidet die äussere Gestalt zuweilen keine merkliche Veränderung. Wenn z. B. Bleiglanz durch Oxydation in Bleivitriol umgewandelt wird, so erhält sich mannichmal die Würfelform; nur erscheinen die Krystalle auſgetrieben, Kanten und Ecken oftmals zugerundet. Ein Eisen- stab, eine gusseiserne Kanonenkugel, können in Eisenoxydhydrat umgeändert werden, ohne dass die Form des Stabes oder der Kugel wesentlich verändert sich zeigt, wenn gleich der äussere Umfang eine Erweiterung erlitten hat, und dadurch das Ganze mehr und weniger aufgequollen erscheint. Etwas Ähnliches zeigt sich oft in den Fällen, wenn eine Volumen - Ver- minderung eintritt, wie bei dem Verkohlen des Holzes, dem Brennen aus Thon gebildeter Gegenstände, indem, wenn gleich die Dimensionsverhältnisse wohl eine kleine Änderung erleiden, doch die äussere Gestalt im Ganzen dieselbe bleibt. Nicht selten wird indessen auch die ursprüngliche Körperform zerstört, wenn durch Molekularbewegungen das Volumen des Ganzen eine Änderung erleidet. Dieses ist besonders bei manchen chemischen Zersetzungen der Fall, die mit Körpern im rigiden Zustande vorgehen, z. B. bei dem Vitrioleseiren des Schwefel- und Wasserkieses; zeigt sich aber auch zuweilen, ohne dass die chemische Constitution verändert wird, z. B. bei der Umwandlung die der Arragonit durch e nm and von Hitze erleidet. II. ; Von gewissen, durch Molekularbewegungen in starren leblo- sen Körpern bewirkten Formveränderungen im Besonderen. l. Molekularbewegungen ohne chemische Veränderungen, | A. Molekularbewegungen ohne Temperaturveründerungen. Umwandlung der amorphen drin Säure in ou ache Zu den auffallendsten Erscheinungen von Formveränderungen , welche . durch Molekularbewegungen in starren leblosen Kórpern bewirkt werden, ge- ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND. 159 hört unstreitig die Umwandlung der amorphen Arsenigen Säure in krystallini- sche, weil hier weder eine Mischungsveränderung die Umänderung des Ag- gregatzustandes hervorruft, noch eine andere veranlassende Ursache experi- mentel nachgewiesen werden kann. Schon bei einer früheren Gelegenheit habe ich Beobachtungen über jene höchst merkwürdige Erscheinung mitgetheilt !), die ich hier, durch neuere Wahrnehmungen vermehrt, wieder zu geben mir erlaube. Es ist eine längst bekannte Erscheinung, dass das vollkommen klare Ar- senikglas allmälig entglaset und dem Porzellan ähnlich wird. Der zuvor far- benlose Körper wird weiss; die Durchsichtigkeit verschwindet, indem der Kör- per zuletzt ganz opak wird. Der lebhafte und reine Glasglanz verwandelt sich in einen schwächeren Glanz, der dem Wachsartigen hinneigt. Nach den Un- tersuchungen von Taylor ?) und Guibourt 5) vermindert sich dabei das eigenthümliche Gewicht. Der Erstere fand das des durchsichtigen Glases 3,798, des undurchsichtigen dagegen 3,529. Der Letztere bestimmte das spe- eifische Gewicht des durchsichtigen Arsenikglases zu 3,7385, des undurchsich- tigen zu 3,695. Mit der erlittenen Auflockerung ist eine mehr und weniger bedeutende Verminderung der Härte verbunden. Jene kann so weit gehen, dass das feste Glas in eine zerreibliche Masse sich verwandelt, wobei der Bruch erdig wird und der Glanz ganz verschwindet. Fuchs hat in seiner schönen Arbeit über den Amorphismus die Ver- muthung geäussert, dass die glasige Arsenige Säure darum mit der Zeit ihre Durchsichtigkeit verliert, weil sie sich allmáhlig in eine krystallinische Masse verwandelt +). Entschiedener hat derselbe diese Meinung in seiner Naturge- schichte des Mineralreichs S. 250 ausgesprochen, wo sich die Bemerkung fin- det: dass die amorphe Arsenige Säure mit der Zeit weiss, undurchsichtig und porzellanartig wird, auch zum Pulver zerfällt, indem sie wiewohl kaum kennt- | 1) Bemerkungen über Arsenige Säure, Realgar und Rauschgelb (Auripigment), i. d. Nachrichten v. d. G. A. Universitát u. d. Kón. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen v. J. 1850. S. 5—9. 2) Phil. Mag. J. IX. 482. 3) Journ. de Chim. med. II. 55. 4) N. Jahrb. d. Chem. u. Phys. v. Schweigger-Seidel. Bd. VII. S. 429. 160 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, lich krystallinisch wird. Um zu sehen, ob an dem umgewandelten Arsenik- glase etwas Krystallinisches erkannt werden könne, habe ich die aufgelockerte Rinde desselben unter einer etwa 400fachen Vergrösserung betrachtet, aber keine Spur bestimmter krystallinischer Bildung daran wahrnehmen können. Wenn nun gleich diese Beobachtung gegen jene Ansicht zu sprechen scheint, so bin ich doch später auf eine eben so ausgezeichnete als überraschende Weise von der Richtigkeit derselben überzeugt worden. Im Jahre 1835 er- hielt ich von der Silberhütte bei St. Andreasberg durch die Güte des Hrn Hüttenmeisters Seidensticker, dem das dortige Arsenikwerk seine treffliche Einrichtung verdankt, ein Probestück des daselbst fabricirten Arsenikglases von etwa 2 Kubikzoll Grösse, welches von demselben gleich nach dem Öffnen des noch warmen Apparates eigenhändig ausgeschlagen und sogleich verpackt wor- den war, um es mir möglichst unberührt zukommen zu lassen. Das Stück hatte, als ich es erhielt, frische muschelige Bruchflächen, ohne eine Spur von etwas Krystallinischem; es war durchsichtig und farbenlos, und von durchaus glas- arligem Ansehen. Es wurde von mir in ein durch Papier verschlossenes Glas gelegt, und in einer Schieblade meiner metallurgischen Sammlung, die sich neben meinem Wohnzimmer in einem trocknen Locale befindet, aufbewahrt. Es verging eine längere Zeit, ohne dass ich Veranlassung fand, jenes Stück wieder zur Hand zu nehmen. Als dieses aber etwa 10 Jahre nach dem Em- pfange geschah, hatte sich das äussere Ansehen: des Arsenikglases auffallend verandert. Nicht allein war die Haupimasse porzellanartig geworden, sondern es hatte auch an zwei enigegengesetzten Seiten die der Oberfläche zunächst befindliche Masse den rein muscheligen Bruch eingebüsst, und stalt dessen bis auf ein Paar Linien Tiefe, eine dünnstängliche Absonderung angenommen, wobei die Oberfläche rauh und hin und wieder aufgeborsten erschien. Diese Veränderung erregte mein Erstaunen; aber wie sehr wurde dieses noch ge- steigert, als ich etwa 5 Jahre später jenes Stück einmal wieder betrachtete, und nun nicht allein die dünnstängliche Bildung weiter fortgeschritten fand, indem sie an manchen Stellen bis auf 4 franz. Linien eingedrungen war, son- dern sogar die eine frei liegende Oberfläche der stänglichen Masse mit einer grossen Anzahl grósserer und kleinerer, zum Theil sehr deutlicher oktaedri- scher Krystalle besetzt fand! Unter den Krystallindividuen haben manche die ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND. 161 Grösse einer halben franz. Linie. Sie sind zum Theil zu kleinen Büscheln vereinigt, wodurch die ganze Oberfläche ein drusiges, zerborstenes, hin und wieder aufgeblühetes Ansehen erhalten hat. Es war zugleich eine halbkugel- förmige, mit kleinen Krystallen bekleidete Masse von 2½ Linien Durchmesser aus der Oberfläche hervorgetreten. Die stänglich abgesonderten Stücke der unter. den Krystallen befindlichen Rinde, welche gegen die Oberfläche senk- recht stehen, verlaufen in die sie berührenden Krystalle; deren Gruppen wie aus der Oberfläche hervorgetrieben erscheinen. Die. Krystalle sind weiss wie die übrige Masse, aber stärker glänzend und durclischeinender als diese. Um von der sehr langsam fortschreitenden Umänderung einen entschiede- neren Eindruck zu erlangen, betrachtete ich das beschriebene Stück, welches un- ter denselben Verhältnissen wie früher aufbewahrt wurde, erst jetzt nach dem Verlaufe von 5 Jahren wieder, und erkannte eine neue, merkliche Verände- rung desselben. Die krystallinisch - stängliche Rinde hatte sich zwar nicht be- sonders erweitert, aber die freie Oberfläche hatte dadurch ein anderes Anse- hen gewonnen, dass mehrere halbkugelförmige Massen, die jetzt zu grösse- ren, nierenförmigen, mit Krystallen bekleideten Massen vereinigt erscheinen, hervorgetreten waren, wodurch das Stück noch stärker als früher aufgebor- sten sich darstellt, und dass sich auf der Oberfläche eine noch grössere An- zahl von oktaedrischen Krystallen ausgebildet hat. Was ist es nun, wodurch die in der amorphen Masse schlummernde Ten- denz, aus dem Stande der Spannung, in den des ruhigen, dauernden Gleich- gewichtes des krystallinischen Zustandes überzugehen, geweckt wird; darf man mit Graham annehmen, dass das Freiwerden von latenter Würme die Ursache dieser Erscheinung ist? Und wie mag es zugehen, dass bei glei- cher Beschaffenheit der äusseren Umstände, doch verschiedene Stücke von Arsenikglas sich hinsichtlich der damit vorgehenden Umänderung sehr abwei- chend verhalten können? In einem späteren Jahre erhielt ich auf der Silber- hütte bei St. Andreasberg ein Stück Arsenikglas von völlig frischer Beschaf- fenheit, welches in meiner Sammlung neben dem zuvor beschriebenen aufbe- wahrt wurde. Es hat jetzt ebenfalls ein porzellanartiges Ansehen angenom- men, aber eine völlig glatte Oberfläche behalten. Um die innere Beschaffen- heit zu untersuchen, wurde jenes Stück durchgeschlagen. Das Innere war Phys. Classe. VI. à 162 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, noch vollkommen glasig, und nur das Äussere verändert. Dabei ist es aber auffallend, dass die von Aussen nach Innen fortschreitende Umänderung an verschiedenen Stellen sehr abweichend eingedrungen ist. An einem Theile der Oberfläche ist die Stärke der umgeänderten Rinde kaum messbar; wogegen an anderen Stellen die porzellanartige Masse, in welcher der früher grossmu- schelige Bruch in einen kleinmuscheligen, theilweis unebenen, verwandelt wor- den, ein Paar Linien dick ist. Dabei zeigt sich die Begrünzung derselben nach Innen sehr unregelmássig. Es scheint hieraus zu folgen, dass in der sehr gleichartig erscheinenden Masse des Arsenikglases doch gewisse Verschieden- heiten des Aggregatzustandes vorhanden sind, welche ein ungleiches Fortschrei- ten der Entglasung bewirken. Auch mag es darin, so wie in anderen be- fördernden oder hemmenden Umständen liegen, dass überhaupt die Grösse der Umwandlung des Arsenikglases nicht allein von der Zeitdauer abhängig ist. Denn es mag wohl oft das Arsenikglas ein höheres Alter erreichen, als das oben beschriebene Stück in meiner Sammlung gegenwärtig hat, ohne eine so auffallende Umänderung zu zeigen, als von mir an jenem beobachtet worden. Wenn bei dem gewóhnlichen Glase, welches nicht gehórig abgekühlt worden, zuweilen wahrgenommen wird, dass es eine lüngere Zeit sich erhält, ohne zu zerspringen; dass dann aber plötzlich einmal die Spannung in ihm aufgehoben wird, und ein Zerspringen erfolgt; so wird man bei einiger Aufmerksamkeit doch irgend eine äussere Veranlassung, einen, wenn auch sehr geringen, z. B. durch Luftzug bewirkten, Temperaturwechsel als die Ursache erkennen; so wie bei den gelben Krystallen des Einfach - Jod -- Quecksilbers eine wenn auch noch so geringe mechanische Einwirkung erforderlich ist , um die Bewegung der kleinsten Theile, und dadurch die plötzliche Umänderung in die rothen Krystalle einzuleiten. Bei der Umwandlung der amorphen Arsenigen Säure in krystallinische ist dagegen bis jetzt die ‚Veranlassung noch gänzlich verbor- gen. Denn wenn man auch mit Graham annehmen will, dass das Frei- werden von latenter Wärme die Umänderung bedinge, so ist damit doch nicht erklärt, wodurch dieses Freiwerden bei der amorphen Arsenigen Säure her- vorgerufen wird. ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND. 163 $. 6. Umwandlung des amorphen Rohrzuckers in krystallinischen. Die allmáhlige Umwandlung des amorphen Rohrzuckers oder sogenann- ten Gerstenzuckers (Bonbons) in krystallinischen Zucker hat grosse Ähnlich- lichkeit mit der im vorhergehenden Paragraphen beschriebenen Umänderung der amorphen Arsenigen Säure in krystallinische. Der frisch bereitete Ger- stenzucker hat einen muscheligen, glasartig glänzenden Bruch, und ist mehr und weniger durchsichtig, wobei er bald farbenlos, bald gelblich ist. Nach einiger Zeit verliert er die Durchsichtigkeit. Er bekommt ein trübes, mil- chiges Ansehen, welche Umänderung sich von Aussen nach Innen verbrei- tet, indem zugleich der glasartige Glanz des Bruches in einen wachsartigen sich verwandelt 1). Dieser Zustand dürfte schon eine Veränderung in der Lage der kleinsten Theile, den Anfang von Molekularbewegungen in der Masse, andeuten. Später zeigt sich eine auffallende Umänderung der Structur, indem an der Oberfläche die Bildung einer faserigen oder krystallinisch - stänglichen Absonderung beginnt. Die krystallinische Bildung schreitet nicht selten so weit fort, dass deutliche Krystallindividuen sich von einander sondern, an welchen eine prismatische Form, mit einem vertikalen Blätterdurchgange zu erkennen ist 2). Die Fasern, Stängel und Prismen sind rechtwinkelig gegen die äusseren Begränzungsflächen gerichtet. Mit der faserigen Absonderung ist seidenartiger Glanz verbunden, der bei der Erweiterung der Krystallflächen in Glasglanz übergehet. Die Fasern, Stángel und Prismen nehmen an den Bonbons, die gewóhnlich eine viereckige, flache Form haben, von Aussen nach Innen allmählig an Länge, bis zur gegenseitigen Berührung zu. Alsdann tritt 1) In diesem Zustande ist der Gerstenzucker oft der molkenfarbenen nn des Nephrites, dem Stein Yü der Chinesen, sehr ähnlich. 2) Dem Rohrzucker ist bekanntlich ein klinorhombischeg Krystallisationssystem ei- gen, mit einem ausgezeichneteren, vertikalen Blätterdurchgange nach B. Die gewöhnlichste Form ist ein irregulär sechsseiliges, durch 4 Flächen E und 2 Flächen B gebildetes, an den Enden durch 2, gegen B unter verschiedenen Winkeln geneigte Flächen zugeschärftes Prisma. Vergl Wolf, im Journ. für prakt. Chemie. XXVII. 129. Hankel, in Poggendorff’s Peste Si XLIX. 495. Rammelsberg's Handbuch der krystallographischen Chemie. 1855. S. 397. Fig. 387—394. L X2 164 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, eine Sonderung der beiden krystallinischen Lagen ein, und in dem zwischen ihnen entstehenden Raume bilden sich nun auch an den Enden der prisma- tischen Krystalle Zuschärfungsflächen aus, die sich oft vollkommen nett und glasartig glänzend darstellen. Auch ausserdem entstehen zuweilen in der Masse des Gerstenzuckers einzelne Hóhlungen, in welchen ausgebildete Krystallenden wahrgenommen werden !). 5 Diese Umänderung erfolgt an dem Gerstenzucker bald rascher, bald lang- samer. Ich habe gesucht die Bedingungen für den ungleichen Verlauf dieser merkwürdigen Erscheinung aufzufinden, bin aber in dieser Hinsicht bis jetzt zu keinem sicheren Resultate gelangt. Sowohl die Bereitungsart, als auch die verschiedene Stärke der Stücke, so wie die Temperatur und der Feuchtig- keitszustand der umgebenden Luft, scheinen von Einfluss darauf zu seyn. Mit Gewissheit glaube ich aber gefunden zu haben, dass die Umänderung des Aggregatzustandes von einem Gewichtsverluste begleitet ist, und dass dieser von der Ausscheidung des Wassers herrührt, welches der Gerstenzucker bei der Bereitung aufgenommen hatte, das doch aber ohne Zweifel nur mecha- nisch in ihm enthalten ist, und nicht zu seiner chemischen Constitution gehört. Diese Wasseraufnahme scheint zu schwanken , und selbst in verschiedenen, gleichzeitig bereiteten Stücken etwas verschieden zu seyn. Um die Verände- rungen welche mit dem Gerstenzucker allmählig vorgehen genauer verfolgen zu können, liess ich mir einzelne Platten von der Stärke von 3—4 Par. Li- nien verferligen. Herr Doctor Wicke hatte die Güte den bei der Bereitung aufgenommenen Wassergehalt zu bestimmen 2), welcher im Mittel 2,13 Pro- 1) Die Entstehung von Lücken in der Masse des Gerstenzuckers, welche vorher fehlten, hat bereits Braconnot beobachtet. Vergl. Frankenheim a. a. 0. S. 399 2) Herr Doctor Wicke hat die Güte gehabt, mir Folgendes über seine Versuche milzutheilen. „Der geschmolzene Zucker fing auf 1009 im Luftbade erhitzt, zu schwitzen an. Er wurde weich, und bei einer Temperatur von 100% war er ganz flüssig. Bei dieser Temperatur wurde der Wassergehalt bestimmt. Er be- trug im Mittel von mehreren, mit verschiedenen Stücken vorgenommenen Be- stimmungen 2,13 Procent. Höher durfte die Hitze nicht steigen, wenn nicht Zersetzung eintreten sollte. Wurde der von seinem Wasser befreiete Zucker noch warm mit wenig Wasser übergossen, so wurde dieses vollkommen gebun- ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND, 163 cent betrug. Die zur Beobachtung der Umänderung bestimmten Stücke wur- den in einem trockenen Local, unter Glas, bei einer Temperatur von etwa 15—179 R. aufbewahrt. Erst nach einem Monate wurde der Gerstenzucker trübe. Nach zwei Monaten hatten sich auf der rauhen Oberfläche der Stücke und auf muscheligen Bruchflächen, einzelne, concentrische, krystallinische Grup- pen gebildet, welche weniger glänzende Flecken darstellten, die sich allmäh- lig erweiterten, und zum Theil in einander verliefen. Erst nach fünf Mona- ten zeigten sich deutliche Spuren von der Bildung einer krystallinischen, stäng- lichen Rinde. Auch hatten sich im Innern einzelne Höhlungen gebildet, in welchen Spuren von Krystallen zum Vorschein kamen. Nach dieser Zeit hatte ein Stück 2,42 Pret., ein anderes 2,75 Pret., ein drittes 3,31 Pret. an Gewicht verloren. Später nahmen sämmtliche Stücke wieder etwas an Gewicht zu, woraus auf eine Einsaugung von Feuchtigkeit aus der Luft zu schliessen sein dürfte, welches sich auch in dem Schwitzen und Klebrigwerden der Oberfläche zu of- fenbaren schien. Dass die Umänderung dieser Stücke ungleich langsamer er- folgte, als ich sie sonst bei anderen, dünneren Stücken beobachtet hatte, mochte wohl mit in der grösseren Stärke jener, und der daher langsameren Ausscheidung des Wassers liegen, vorausgesetzt, dass diese wirklich zu den Bedingungen der Umänderung des amorphen in den krystallinischen Aggre- gatzustand des Zuckers gehört. Einige Stücke zeigten die merkwürdige Er- scheinung, dass sich aus der Oberfläche kleine Halbkugeln erhoben, an wel- chen zum Theil Spuren von Krystallflächen sichtbar wurden. Ausserdem tra- ten einzelne Krystallindividuen und auch Krystallgruppen mit mehr und weni- ger deutlichen Flächen, aber mit gerundeten Kanten und Ecken, bis zur Grösse von mehreren Linien aus der Oberfläche hervor, welches um so auffallender sein musste, da andere Stücke, die unter denselben Verhältnissen neben jenen aufbewahrt wurden, diese Umänderung nicht zeigten. den. Es wurde aufgesogen und der Zucker wurde fest. Es bedurfte einer grossen Menge Wasser um ihn dann aufzuweichen. Die Lóslichkeit des Zuckers in Wasser schien eine ganz andere zu seyn. Etwas Ähnliches ist von Städler und Krause (Pharmac. Central-Blatt. Nr. 59. 1854.) an dem entwässerten Milch- zucker beobachtet worden. War der geschmolzene Rohrzucker bis auf 140° gebracht, so hatte er nach dem Erkalten seine — verloren. Er sah aus, wie der an der Luft blind gewordene Gerstenzucker‘ 166 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, Alle diese Erscheinungen zeigen viel Ähnliches mit denen, welche in Ansehung der Umwandlung der amorphen Arsenigen Säure in krystallinische von mir beobachtet worden. Bei dem Gerstenzucker scheint indessen die Ausscheidung von mechanisch darin vorhandenem Wasser die Umwandlung wo nicht zu bedingen, doch wenigstens zu begünstigen. Nach Graham's Versuchen kann unter gewissen Umständen auch eine plötzliche Umänderung des amorphen Zuckers in krystallinischen erfolgen, welche von beträchtlicher Wärmeentwickelung begleitet ist; daher derselbe auch bei der allmähligen Um- wandlung das Freiwerden von latenter Wärme als Ursache derselben ansieht, wiewohl man nicht im Stande ist, dieselbe zu erkennen 1). Die von ihm be- schriebene Umänderung des amorphen Zuckers in krystallinischen erfolgt bei dem Ubergange einer geschmolzenen und noch weichen Masse in den starren Aggregatzustand, und gehört daher nicht in die Kategorie der Erscheinungen, welche hier betrachtet werden. B. Molekularbewegungen welche durch Temperaturveränderungen veranlasst werden. 1. Umänderung des Arragonites durch Erhitzung. Der Arragonit ‚bietet ein merkwürdiges Beispiel von Molekularbewe- gungen im starren Zustande dar, welche durch Erhitzung veranlasst werden. Berzelius hat zuerst ‚auf den Unterschied aufmerksam gemacht, der zwischen Kalkspath und Arragonit stait findet, wenn Beide etwa bis zum Rothglühen erhitzt werden, wobei der Kalkspath keine Veränderung erleidet, während der Arragonit zerfällt. Richtet man die Löthrohrflamme auf einen grösseren Ar- I) „Lässt man geschmolzenen Zucker bis auf ungefähr 389 C, abkühlen und zieht man ihn dann, während er noch weich und zähe ist, rasch und öfters aus, in- dem man ihn stets doppelt zusammenlegt, bis er endlich aus einer Masse von Fäden besteht, so steigt die Temperatur so hoch „dass sie der Hand unerträg- lich wird. Mittelst des Thermometers fand Graham, dasssich in einer betrücht- lichen Masse in weniger als zwei Minuten, die Temperatur von 40? auf 809 er- hob. Nach diesem Freiwerden von Wärme bildet der Zucker beim Abkühlen nicht mehr eine glasartige Masse, sondern er besteht dann aus kleinen Kórnern von Perlglanz'. Graham-Otto’s Lehrbuch der Chemie. 2. Aufl. I. S. 61. ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND. 167 ragonitkrystall, so erfolgt an der getroffenen Stelle plötzlich eine Bewegung. Der Krystall bekommt Risse, er schwillt an, und zertheilt sich in kleine Split- ter von weissem, opakem, emailartigem Ansehn, in welche er bald gänzlich zerfällt. Haidinger hat es zuerst ausgesprochen !), dass bei diesem Vor- gange der Arragonit wahrscheinlich in Kalkspath umgewandelt werde, welcher ungefähr in dem Verhältnisse von 29:27 mehr Raum als der Arragonit erfordert, obgleich das Mischungsverhältniss im Wesentlichen bei Beiden gleich ist. Die von G. Rose angestellten gründlichen Untersuchungen haben diese Ansicht bestätigt 2). Es ist mir übrigens, selbst bei starker Vergrösserung, nicht ge- lungen, in den Theilchen in welche der Arragonit durch Erhitzung zerfällt, eine Spur von Kalkspathstruetur zu erkennen. Vielleicht ist die zu rasche Ein- wirkung der Gluth durch die Löthrohrflamme Ursache, dass die dem Kalk- spathe eigenen Blätterdurchgänge nicht zur Ausbildung gelangen konnten. Mit- scherlich fand am Vesuv in einem Gestein, auf welches die vulkanische Hitze eingewirkt hatte, einen Arragonitkrystall, dessen äussere Schicht in Kalk- spath umgewandelt war, während die innere Masse noch Arragonit blieb. Die Hitze hatte nach der Vermuthung Mitscherlich's, so langsam darauf ge- wirkt, dass, was sich in Kalkspath veränderte, die Form desselben annehmen konnte, so dass die Kruste des Arragonitkrystalls aus einer grossen Anzahl von Kalkspathkrystallen besteht, an denen sich die Rhomboederflächen erken- nen lassen 5). | Haidinger hat eine merkwürdige Pseudomorphose von Kalkspath nach Arragonit beschrieben *), deren Vorkommen zu der Annahme berechtigt, dass die Umwandlung durch Einwirkung einer hóheren Temperatur verursacht worden. . Bei Schlackenwerth in Böhmen finden sich nämlich zwischen den Schichten von mehr und weniger festem Basalttuff Massen, aus deren Gestalt und Ober- flache unzweifelhaft hervorgeht, dass sie von Baumstümmen herrühren. Der innere Raum den das Holz vorher erfüllte, ist durch strahlige Gruppen von Krystallen ersetzt, deren Gestalt zeigt, dass sie ursprünglich Arragonit waren, 1) Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie. XL 177. 2) Daselbst. XLII. 360 ff 3) Daselbst. XXI. 157. 4) Daselbst. XXXXV. S. 179. 168 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, die aber nicht den muscheligen Bruch dieses Minerals besitzen, sondern aus Kalkspathindividuen zusammengesetzt sind. Zu Hofgeismar unweit Cassel kommt im Basaltconglomerat eine verwandte Bildung vor. Das Gestein hüllt Stücke von holzförmiger Braunkohle ein, in welcher sich concentrisch gruppirte Pris- men von Arragonit finden. An anderen Stücken ist die Braunkohle mehr und weniger in Arragonit umgewandelt; es ist eine wahre Verdrängungs - Pseudo- morphose von Arragonit nach holzförmiger Braunkohle. Die Stelle der Holz- fibern nimmt Arragonit ein, an welchem die Holztextur sich vollkommen er- halten zeigt. Hin und wieder hat die Krystallisationstendenz dem Arragonite eine mehr selbständige Form ertheilt, indem seine Fasern concentrische Grup- pen bilden, und an freien Enden in deutliche Krystalle ausgehen; so wie ein- zelne, von einander gesonderte Fibern auch wohl bedrust erscheinen. Die zuvor erwähnten Arragonitkrystalle in der holzfórmigen Braunkohle sind zum Theil ganz unverändert. Manche sind aber von einer gelblichweissen, opaken, emailarligen Rinde bekleidet, während das Innere den ursprünglichen, mit Halb- durchsichtigkeit verbundenen Glanz besitzt. Der pseudomorphische Arragonit hat auch zum Theil noch in Ansehung des Bruches, des Glanzes und der Durchscheinheit das ursprüngliche Ansehen ; theilweise hat sich solches indes- sen nur im Innern der Fasern erhalten; oder es erscheint auch die ganze fa- serige Masse gelblich weiss, seidenartig schimmernd, nur an den Kanten durch- scheinend, und im Querbruche erdig und matt. Obgleich von Kalkspathtextur nichts sichtbar ist, so scheint doch der Arragonit von Hofgeismar theilweise gleich dem von Schlackenwerth, durch hóhere Temperatur eine Veründerung erlitten zu haben, welche derjenigen nicht —— ist, welche die Lóth- rohrflamme an Arragonitkrystallen bewirkt. Die von Haidinger erwähnten Pseudomorphosen von Kalkspath nach Arragonit von Herrengrund in Ungarn 1), welche zugleich mit ausgezeichne- ten Arragonitkrystallen auf solche Weise vorkommen, dass sie stets den obe- ren Theil der Druse einnehmen, während die unteren Partieen den Arragonit enthalten, begründen nach seiner Bemerkung die Annahme, dass eine von oben nach unten forigeschriltene Abkühlung, Ursache jener Bildung war. I) Poggendorff’s Annalen. LIII. S. 141. ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND. 169 Krystalle von Arragonit sind zuweilen von Kalkspathkrystallen überzogen. Ich besitze eine Druse mit grossen zusammengeselzlen, prismatischen Krystallen von Arragonit aus dem Basalte der Blauen Kuppe bei Eschwege, deren Ober- fläche mit Gruppen kleiner Kalkspathkrystalle bedeckt ist. Dem Herrn Hüt- teneleven Ulrich am Communion - Unterharz, verdanke ich Drusen von ein- fachen pyramidalen Arragonitkrystallen vom Iberge bei Grund am Harz, welche ganz und gar mit kleinen rhomboedrischen Kalkspathkrystallen bekleidet sind; wobei es auffällt, dass die Arragonitkrystalle klar, die Kalkspathkrystalle da- gegen trübe sind. Dieses Vorkommen könnte vielleicht auf den Gedanken führen, dass die Kalkspathrhomboeder durch Umbildung der Arragonitkrystalle entstanden seyen; zu welcher Annahme doch aber kein hinreichender Grund vorhanden seyn dürfte. Die Art wie die Arragonitkrystalle mit den Kalkspath- krystallen bekleidel sind, scheint mir nur anzudeuten, dass die ersteren frü- her als die letzteren sich ausbildeten. Bei dieser Gelegenheit möge auch die so häufig sich zeigende Umwand- lung der Schaalen von Conchylien, von Echiniten, der Gehàuse von Korallen und anderer Seethiere in Kalkspath erwähnt werden. Da die arragonitarlige Natur für die Conchylienschaalen durch die Untersuchungen von Necker und De-la-Beche, für die Korallengehäuse durch die Beobachtungen von Dana höchst wahrscheinlich gemacht worden, indem sowohl die Härte, als auch das specifische Gewicht weit eher auf Arragonit als auf Kalkspath schliessen lässt 1), so scheint bei jenen Thiergehäusen allmählig eine ähnliche Metamor- phose vorgegangen zu seyn, als bei dem Arragonit durch Erhitzung plötzlich erfolgt. Es scheint mir wenigstens wahrscheinlicher zu seyn, dass der Kalk- spath, welcher jetzt den Raum der Gehäuse jener vormaligen Thiere erfüllt, durch Umwandlung entstanden ist, und nicht durch Verdrängung der Theile der ursprünglichen Gehäuse, die Form derselben angenommen hat. Ob viel- leicht erhöhete Temperatur den Umwandlungsprocess begünstigt hat, mag dahin gestellt bleiben. Ohne Zweifel ist die Umänderung und die damit verbundene Bewegung der kleinsten Theile höchst langsam vor sich gegangen. Nur auf solche Weise konnte der Kalkspath vollkommen krystallinisch sich ausbilden, 1) Vergl. Naumann’s Lehrbuch der Geognosie. I. S. 747. Phys. Classe. VI. Y 170 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, wobei die in andere Lagen versetzten Theilchen sich regelmässig ordneten, und selbst in Beziehung auf die Form der Gehäuse bestimmte Lagen annah- men, worüber besonders Blum mehrere schätzbare Beobachtungen mitgetheilt hat 1). Für die lange Dauer des Umbildungsprocesses, und vielleicht auch für die Einwirkung höherer Temperatur, dürfte u. a. sprechen, dass die Umwand- lung der Gehäuse in Kalkspath vornehmlich in älteren Gebirgsgebilden, und nur selten in tertiären und noch jüngeren Formationen vorzukommen pflegt. Nicht immer hat sich aus den Thiergehäusen vollkommener Kalkspath gebil- det; mannichmal ist Faserkalk, oder schuppig - körniger Kalk, oder selbst dich- ter Kalkstein daraus geworden. In den beiden letzteren Varietäten stellen sich besonders oft die Korallenversteinerungen dar. Dass die Umwandlung der Gehäuse und die Ausfüllung der Räume, welche das Thier einnahm, oft gleich- zeitig erfolgte, wird angenommen werden müssen. Dass aber dennoch Beides als etwas von einander Unabhängiges zu betrachten ist, wenn es gleich häu- fig verbunden und, dann nicht selten auf solche Weise vorkommt, dass eine scharfe Gränze zwischen Beidem nicht wahrzunehmen, dürfte daraus hervor- gehen, dass die Gehäuse oft umgewandelt erscheinen, ohne dass der Raum, den das Thier selbst einnahm, ausgefüllt ist; oder dass eine solche Ausfüllung statt findet, während das Gehäuse entweder sich unverändert erhalten hat, oder zerstört worden. Nicht selten findet aber auch eine scharfe Gränze zwischen dem im Kalkspath umgeänderten Gehäuse , und der entweder völligen oder theilweisen Ausfüllung des inneren Raumes statt, und eine solche Verschieden- heit der Massen, woraus das vormalige Gehäuse und die innere Ausfüllung besteht, dass die Annahme einer ganz getrennten und verschiedenzeitigen Bil- dung zulässig ist. Auf der anderen Seite ist nicht wohl zu verkennen , dass die Gehäuse der Thiere, indem ihre kohlensaure Kalkerde von kohlensáure- haltigem Wasser aufgelóst wurde, oft das Material für die Ausfüllung der von den Thieren zuvor eingenommenen Räume dargeboten haben; dass damit die häufige Zerstörung der Gehäuse zusammenhängt; und dass der aus der Auf- lösung sich wieder absetzende Kalk dann mannichmal auch die Räume wieder erfüllt haben mag, welche früher von den Gehäusen eingenommen wurden. 1) Nachtrag zu den Pseudomorphosen des Mineralreichs. 1847. S. 161 fl. ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND. 171 4. Umwandlung des entwässerten Gypses in Karstenit durch hohe Temperatur. Wird der Gyps mässig gebrannt, so verliert er bekanntlich das in ihm enthaltene Wasser, erlangt aber zugleich die Eigenschaft, das verlorene wieder aufzunehmen, zu binden, und damit auf's Neue zu erhärten. Durch das Ent- weichen des Wassers erleidet die Masse des Gypses eine bedeutende Auf- lockerung, wobei sie in den Aggregatzustand übergeht, der von mir bei einer früheren Gelegenheit mit dem Namen des zerfallenen belegt worden 1). Wird aber die Temperatur über den Grad erhóhet, bei welchem das Wasser voll- kommen entweichen konnte, wird, wie man zu sagen pflegt, der Gyps todt gebrannt, so geht eine neue Veränderung in der Masse vor, indem solche sich vedichtet, und, bei angemessener Steigerung der Hitze, den krystallini- schen Zustand des natürlichen wasserfreien schwefelsauren Kalkes, des Kar- stenites oder Anhydrites annimmt. Nur diese letztere Umänderung gehört zu der Abtheilung von Erscheinungen, von welchen in diesem Abschnitte gehan- delt wird, nehmlich zu den durch Molekularbewegungen in starren Körpern bewirkten Formumänderungen, welche nicht durch Mischungsveränderungen bedingt werden. Über diese Umwandlung sind von mir bereits bei einer frü- heren Gelegenheit folgende Beobachtungen mitgetheilt worden ?). Wird reiner dichter Gyps oder sog. Alabaster, dessen specifisches Gewicht = 2,312, und der im natürlichen Zustande einen splittrigen Bruch und Durch- scheinheit besitzt, bei einer Temperatur gebrannt, welche hinreicht, ihm den Wassergehalt zu entziehen, so verliert er die Durchscheinheit; er nimmt zu- gleich einen erdigen Bruch an, und wird zerreiblich. Wird er dagegen eine längere Zeit einer starken Rothglühhitze, die zu etwa 6009 C. geschätzt werden kann, ausgesetzt, so verschwindet das erdige Ansehen wieder, und seine Lockerheit vermindert sich; es tritt in seinem Innern eine deutliche Anlage zur Faserbildung hervor, die theils verworren, theils in concentrischen Grup- pen erscheint, womit ein seidenartiger Schimmer verknüpft ist. Der zerfallene 1) Bemerkungen über Gyps und Karstenit i. d. Abhandl. d. Kón. Gesellsch. d. W. zu Gött. III. S. 59. 2) Daselbst S. 61. 12 * 172 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUS MANN, Zustand hat sich in einen unvollkommen krystallinischen verwandelt. Bei einem Stücke Alabaster, welches zwei Stunden lang in heftiger Rothglühhitze erhal- ten war, wurde das specifische Gewicht 1,849 gefunden, also zwar gerin- ger als das des rohen, doch aber schon etwas grösser, als das eines bei ge- ringer Hitze gebrannten Gypses, welches 1,829 betrug. Von demselben Ala- baster wurde ein Stück einige Zeit lang einer Temperatur ausgesetzt, bei wel- cher Kupfer schmilzt, die nach Daniell nahe an 1100? C. beträgt. Der Ala- ster halte in dieser Gluth keine Schmelzung erlitten, war aber etwas klin- gend, durchscheinend, sehr fein krystallinisch körnig, und leicht zerbrechlich geworden. Sein speciſisches Gewicht betrug in diesem Zustande 2,776, wel- ches dem mittleren eigenthümlichen Gewichte des natürlichen wasserfreien schwefelsauren Kalkes gleich kommt. Späthiger Gyps einer ähnlichen Hitze ausgesetzt, kam schneeweiss, schwach durchscheinend, wenig aufgeblättert, nach den Nebenabsonderungen sich zertheilend, auf den Flächen dieser matt, auf den dem Hauptblàtterdurchgange entsprechenden Absonderungen wenig fettartig schimmernd, leicht zerreiblich, und sandig anzufühlen aus dem Feuer. Das specifische Gewicht betrug 2,748. Vergleicht man die Molekularbewegungen, welche durch hohe Tempera- tur in dem Arragonite und in dem durch schwache Gluih entwässerten und aufgelockerten Gypse hervorgerufen werden, so ergiebt sich, dass indem bei beiden die kleinsten Theile in veründerte Lagen gebracht werden, bei dem Ar- ragonite durch Rothglühhitze zugleich eine plötzliche Ausdehnung, bei dem entwässerten Gypse dagegen eine Verdichtung aye i welche mit der Zu- nahme der Temperatur allmählig wächst. $. 9. Veränderung der Structur des Stabeisens durch Erhitzung. Das Eisen, welches sich vor allen anderen Metallen durch die Mannich- faltigkeit seiner Abänderungen und durch die grosse Veränderlichkeit seiner Beschaffenheiten auszeichnet, woraus für seine Nutzbarkeit eben so grosse Vortheile erwachsen als seine Behandlung für die verschiedenen Zwecke da- durch oft erschwert wird, hat auch die Eigenschaft vor allen übrigen Metallen voraus, dass sein Gefüge auf mannichfaltige Weise abändert, und dass die bei ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERAND. 173 einer gewissen Behandlung erlangte Structur, durch zufällige oder absichtliche Einwirkungen sehr leicht umgeündert werden kann. Solche Umänderungen sind natürlicher Weise ohne Bewegungen der kleinsten Theile nicht möglich, und diese erfolgen bald langsamer bald schneller oftmals, ohne dass der rigide Zustand aufgehoben wird, und die chemische Natur eine Änderung erleidet. Rinman hat bereits bemerkt !), dass wenn man zähes und sehniges Eisen langsam glüht und durchschlägt, ohne es vorher zu hämmern, das Fadige desselben verschwindet und der Bruch ein kórniges Ansehn erhält 2). Schon eine geringe aber dauernde Temperaturerhóhung vermag in der Structur des Stabeisens eine Veründerung hervorzubringen; starke Erhitzung ist dagegen im Stande in kurzer Zeit das Gefüge des Eisens merklich zu modificiren. Mit solchen Veränderungen der Structur sind oft die auffallendsten Umänderungen anderer Eigenschaften, namentlich der Ductilität, der Festigkeit verknüpft. Bekanntlich erleidet das Stabeisen, wenn es überhitzt und nicht unter ge- höriger Decke vor dem Gebläse geglühet wird, eine nachtheilige, die Ductili- tät zerstörende Umänderung, welche man das Verbrennen nennt. Das durch anhaltende, trockene Schweisshitzen erhaltene sogenannte verbrannte Stabeisen, ist, wie Karsten bemerkt 5), desshalb nicht mürbe und brüchig geworden, weil es — wie die Analysen von solchem Eisen ergeben, — seinen Gehalt an Kohle gänzlich verloren, sondern weil es eine Veränderung im Gefüge erlitten hat, indem die zackig-sehnige Bruchfläche verschwunden und statt derselben eine krystallinisch-körnige Textur eingetreten ist, welche, wenn das Verbren- nen in einem hohen Grade statt fand, sogar zu Rissen und Sprüngen in der Eisenmasse Veranlassung giebt, und den Zusammenhang theilweise aufhebt. Diese Aufhebung des Zusammenhanges steht mit dem Hervortreten der kry- stallinischen Textur in Verbindung. Schon Rinman hat die Ansicht geäussert *), dass sich die Stellung oder die Lage der Theilchen des Eisens durch die blosse 1) Geschichte des Eisens von Sven Rinman. A. d. Schwed. von Karsten. I. S. 494. 2) Alexander von Humboldt erwähnt im Cosmos (I. 271.) die Verschiebbarkeit der kleinsten Theile eines Körpers, ohne dass ein flüssiger Zustand eintritt, und führt unter den Beispielen den Übergang des fasrigen Gewebes des Eisens in körniges durch erhóhete Temperatur an. 3) Eisenhüttenkunde. 3. Ausg. I. S. 324. 4) A. a. O. S. 507. 174 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, Wirkung des Feuers so verändern kann, dass es dadurch ungeschmeidig wird. Dass schon eine geringe Temperaturerhöhung, wenn sie lange anhält, das Ge- füge und die Ductilität des Eisens zu ändern vermag, ergiebt sich aus folgen- den Erfahrungen. Ein aus dem fadigsten !), ductilsten Stabeisen mit grösster Sorgfalt ge- schmiedetes Grubenseil, dessen Haltbarkeit vor dem Gebrauch gehórig ge- prüft worden, kann eine lange Zeit sich unverändert erhalten; plötzlich erfolgi aber ein Bruch, gewóhnlich an einer solchen Stelle, wo ein Glied einer be- sonders starken Reibung und dadurch verursachten Erhitzung ausgesetzt war. Untersucht man die Bruchstelle, so findet man das Eisen gänzlich verändert. Die fadige Textur ist verschwunden, und ein grobes Korn an die Stelle ge- treten. Die frühere Ductilität hat sich in Spródigkeit verwandelt. Dasselbe ereignet sich dann und wann an Kettenbrücken, und macht bei manchen Vortheilen derselben, ihren Gebrauch doch immer unsicher. Denn waren die Ketten auch aus dem besten Eisen und mit der grössten Sorgfalt geschmiedet, und hatte man die Haltbarkeit der Brücke vor dem Gebrauch durch eine grosse Belastung geprüft, so ist doch, selbst bei der besten Con- struction, eine reibende Bewegung der Glieder unvermeidlich, welche wie bei Grubenseilen einen plótzlichen Bruch herbeiführen kann, in welchem Fall das Eisen an der Bruchstelle eine ähnliche Veránderung der Structur zeigt, als solches bei gebrochenen Grubenseilen wiederholt von mir beobachtet worden. Dana führt in der neuesten Ausgabe seiner reichhaltigen Mineralogie ein Paar Beispiele der Entstehung von Krystallisation, ohne Änderung des ri- giden Zustandes von Körpern an 2), und theilt die Erfahrung eines Herrn 1) Man sollte sich nie des Ausdruckes »laseriges Stabeisen bedienen. Die fa- « . Serige Structur gehört der Krystallisation an und ist nichts Anderes, als eine un- vollkommene prismatische Krystallbildung, die sich als Absonderung darstellt, und in das Krystallinisch - Stüngliche übergeht. Das Fadige oder Sehnige des Stabeisens ist dagegen nichts Krystallinisches, sondern eine Art von Structur, welche durch ein in die Länge Dehnen der Theilchen des Eisens bewirkt wird, daher sie dem duciilsten Eisen eigen zu seyn pflegt; mithin etwas Analoges von der fadigen Structur des Bimsteins, die auch oft irrig mit dem Namen des Faserigen belegt wird. ?) A System oft Mineralogy by James D. Dana. Fourth Edition. 1855. p. 138. ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND. 175 Ames mit, dem es vorgekommen ist, dass eine starke Eisenstange, die als Achse eines schweren gusseisernen Rades diente, zerbrach, nachdem sie we- nige Monate lang im Gebrauch gewesen war, wobei das Stabeisen sich gänz- lich verändert, und grob-krystallinisch im Bruche zeigte. Ähnliche Erfahrun- gen werden zuweilen bei dem plötzlichen Brechen von eisernen Achsen an den Eisenbahnwagen gemacht. Es ist eine bei Hüttenmännischen Arbeiten sich häufig darbietende Beobachtung, dass Gezähstücke aus Stabeisen, welche mehr oder weniger dem Feuer ausgesetzt werden, z. B. Rengel, Speite u. dgl. nach längerem Gebrauch ein grobkörniges Gefüge erlangen. Man hat oft die Bemerkung gemacht, dass Stabeisen welches eine lange Zeit im Gemäuer von Schmelzöfen einer hohen Temperatur ausgesetzt gewe- sen, eine auffallend veränderte Structur zeigt. Zinken beobachtete an Stücken von Roststäben aus einem Blechglühofen, welche lange Zeit im Feuer gewe- sen waren, dass das Stabeisen eine krystallinisch - grosskórnige Structur an- genommen hatte und Lamellen von / Zoll Durchmesser besass 1). Wöhler bemerkte an dicken Stüben aus Schmiedeeisen, die in einem Silberschmelz- ofen als Rost gedient hatten und also längere Zeit einer anhaltenden Glüh- hitze ausgesetzt waren, ein blätteriges Gefüge mit dreifachem, rechtwinkligem Durchgange der Blätter 2). Ich besitze mehrere Stücke eines ang Ankers aus einem im J. 1819 abgebrochenen Eisenhohofen zu Rothehülte am Harz, der 200 bis 250 Jahre lang im Gebrauche gewesen war. Das Eisen zeigt sich daran auf- fallend, aber auf verschiedene Weise verändert. An einem Stücke erscheint das Eisen grob- und unbestimmteckig-körnig abgesondert, mit wenigglän- zenden Absonderungsflächen und lässt im Innern der stark gesonderten Kör- ner, ein dem Ursprünglichen genähertes, feineres und glänzenderes Korn er- kennen. An einem anderen Stücke ist das ursprüngliche, feinere Korn, blätt- rig geworden. Die grössten, bis zu ½ Par. Zoll messenden, stark glänzen- den Blätter befinden sich in der Mitte des Stückes. Sie schneiden einander unter unbestimmten Winkeln, und die einzelnen Blätter lassen einen dreifachen 1) Breislak's Geologie. Übel von v. Strombeck. 1821. III. S. 691. D Dogs; Ann. XXVI. S. 183. 176 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, rechtwinkeligen Durchgang deutlich erkennen. Der Anker befand.sich in einer solchen Entfernung vom Kernschachte, dass er keiner sehr hohen Tempe- ratur ausgesetzt war. Die Länge der Zeit hat daher bei ihm hauptsächlich auf die Grösse der Umänderung Einfluss gehabt. An einem Stücke in meiner Sammlung von einem Anker des alten, vor vielen Jahren abgebrochenen Hohofens auf der Communion - Eisenhütte zu Git- telde am Harz, der 130 Jahre gestanden hatte, zeigt sich die Umänderung des Stabeisens abweichend. Nur das Innere des Ankers ist Stabeisen geblieben, wogegen die äussere Rinde bis auf höchstens ½ Par. Zoll, in Eisenoxyd- Oxydul umgewandelt worden. Die innere Masse hat noch an einer Seite feines Korn; der grösste Theil ist dagegen auffallend , aber auch nicht auf gleiche Weise verändert. Ein Theil erscheint grobkörnig, in einer Erstreckung stäng- lich abgesondert, die Stängel gegen die äussere Begränzungsfläche recht- winkelig gerichtet; ein anderer Theil ist grossblätterig, indem die sehr glat- ten und stark glänzenden Blätter die Länge von 1 Par. Zoll erreichen. Der Anker, von welchem dieses Stück herrührt, lag etwa in der Mitte des Ofen- gemäuers, dem Kernschachte nahe, und war daher einer höheren Temperatur ausgesetzt als der vorhin erwähnte Anker des Rothehütter Hohofens, woraus sich die abweichende und auffallendere Umänderung seiner Eisenmasse erklärt. Ein Stück von einem geschmiedeten Tümpeleisen des Eisen - Hohofens der Königshütte am Harz, welches ich i. J. 1820 erhielt, zeigt ebenfalls eine durch die Rothglühhitze, welcher dasselbe während einer làngeren Zeit aus- gesetzt gewesen, auffallend veränderte Structur. Diese ist blättrig- körnig und von sehr grobem Korn, indem die einzelnen Flächen 1—2 Par. Linien messen. Rinman hat mehrere Versuche über die Veränderung angestellt, welche die Dichtigkeit des Stabeisens durch das Glühen erleidet. Ganz wei- ches und zähes aus Osemund bereitetes und mehrere Male durchgearbei- tetes Eisen hatte ein specifisches Gewicht von 7,817. Es wurde unter der Muffel des Probierofens 10 Stunden lang in einer gleichfórmigen, lichtro- then Glühhitze erhalten ; Wobei es sich mit einer Glühspanrinde bedeckte. Nachdem diese abgeschlagen worden, wurde das specifische Gewicht des Eisens zu 7,794 gefunden ). Kaltbrüchiges Eisen aus Samland, dessen speci- 1) A. a. O. S. 290. ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND, 177 fisches Gewicht = 7,815, wurde auf ähnliche Weise dreimal geglühet, wo- durch es einen aus vielkantigen Körnern bestehenden Bruch angenommen hatte und so spröde geworden war, dass es bei den geringsten Schlägen brach. Das eigenthümliche Gewicht desselben betrug nun 7,630 1). Weiches, ge- gerbtes Eisen von der Graninger Hütte, dessen specifisches Gewicht — 7,815, wurde auf ähnliche Weise behandelt. Nach dreimaligem Glühen hatte es ei- nen aus kleinen platten und eckigen Kórnern bestehenden Bruch angenommen und war so spröde wie kaltbrüchiges Eisen geworden. Das eigenthümliche Gewicht betrug nun 7,529 ?). Aus diesen Versuchen geht hervor, dass das Stabeisen wenn es der Glüh- hitze ausgesetzt wird, nicht bloss in Ansehung der Textur und Ductilität eine Ánderung erleidet, sondern auch zugleich eine geringere Dichtigkeit annimmt. Da diese Erfahrung für den Zweck dieser Arbeit von besonderem Interesse ist, so lag mir daran, eigene Versuche über die durch Einwirkung hoher Tem- peratur bewirkte Veründerung der Dichtigkeit des Stabeisens anzustellen, wo- bei ich durch meinen Freund, den Herrn Oberfactor Seidensticker am Harz auf das Bereitwilligste unterstützt wurde. Auf Veranstaltung desselben wurde in einem Frischfeuer der Silbernaaler Hütte bei Clausthal sowohl fadiges, aus weissem Gittelder Roheisen, durch die sogenannte combinirte Frischmethode dargestelltes Stabeisen, als auch kórniges, aus grauem Roheisen von der Ro- thenhütte erzieltes, dem Verbrennen auf solche Weise ausgesetzt, dass die vorher im kalten Zustande auf ihren Bruch geprüften Stübe vor der Form eingehalten und beinahe zum Schmelzen gebracht wurden, worauf etwa 10— 15 Minuten vergingen. Von jedem Stabe welcher dem Verbrennen ausge- setzt worden, habe ich je zwei Proben des unveränderten, und verbrannten Eisens erhalten, deren Textur von mir untersucht, und deren specifisches Ge- wicht bestimmt wurde. ! Das fadige Stabeisen hatte im Querbruch ein feines Korn, von hóchstens Yo Par, Linie Grösse. Das spec. Gewicht war im Mittel = 7,7823. durch das Verbrennen war die fadige Textur ganz zerstört und zugleich das Korn 1) A. a. 0. S. 292. 2) Das. S. 293. Phys. Classe. VI. Z 178 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, sehr vergrössert, aber nicht überall in gleichem Grade. Die grössten Flächen maassen ½ Par. Linie. Das spec. Gewicht wurde im Mittel — 7,6653 ge- funden; Differenz — 0,1170. An dem körnigen Stabeisen war das Korn etwas gröber als bei dem fadigen, indem es durchschnittlich 240 Par. Linien maass. Das spec. Gewicht im Mittel = 7,7212. Das Korn war durch das Verbrennen gróber geworden als bei dem verbrannten fadigen Eisen. An manchen Stellen waren deutliche Würfel und den Würfelflächen entsprechende Blätterdurchgänge sichtbar. Die Flächen hatten durchschnittlich die Grösse von 1 Par. Linie, einzelne bis 1/5 P. Linien. Das spec. Gewicht wurde — 7,6865 gefunden. Differenz = 0,0347. , Diese Versuche bestátigen die von Rinman erlangten Resultate dass indem durch die Einwirkung hoher Temperaturen das Korn des Eisens sich vergróssert, die Dichtigkeit desselben abnimmt. Die Differenzen, welche sich bei meinen Versuchen ergeben haben, liegen zwischen der kleinsten und grössten Differenz, welche aus den Angaben Rinman's sich ergiebt. Meine Versuche haben gezeigt, dass das körnige, aus grauem Roheisen erzeugle Stabeisen bei dem Verbrennen eine geringere Verminderung der Dichtigkeit erleidet, als das fadige aus weissem Roheisen dargestellte, welches wohl daraus sich erklärt, dass das erstere im unverbrannten Zustande bereits ein gröberes Korn und geringeres specifisches Gewicht besitzt, als das letztere. Elie de Beaumont hat einen von Coste auf der Eisenhütte zu Creu- zot angestellten Versuch erwähnt 1), der einen Eisenstab mit dem einen Ende eine Zeit lang in geschmolzenes Roheisen tauchte, wodurch an jenem Ende die fadige Textur des Stabeisens in eine körnige umgeändert wurde. Mein Sohn hat diesen Versuch auf meinen Wunsch zu Josephshütte bei Stolberg am Harz bei dem von ihm betriebenen Hohofen wiederholt, und mir sowohl von den unveränderten Stäben, als auch von den eingetauchten, Stücke zur Untersuchung übersandt. Zu den Versuchen wurde fadiges, im Querbruche feinkörniges, auf dem Eisenhüttenwerke bei Thale dargestelltes Stabeisen ange- wandt, dessen specifisches Gewicht = 7,8027. Quadratstäibe davon wurden mit dem einen Ende in das mit Schlacke bedeckte Roheisen des Vorheerdes I) Mém. géol. II. p. 411. ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND. 179 des Hohofens eingetaucht. Nachdem es ½ Stunde lang mit dem Roheisen in Berührung gewesen war, hatte sich das Korn des Stabeisens kaum merklich veründert, das specifische Gewicht indessen etwas vermindert, indem solches — 7,1784 gefunden wurde. Differenz — 0,0243. Ein anderer Stab eine Stunde lang im Vorheerde erhalten, erlangte dadurch ein sehr wenig gróbe- res Korn, wobei die Verminderung des eigenthümlichen Gewichtes, welches, 7,6824 betrug (Differenz — 0,1203), zugenommen hatte. Bei beiden Ver- suchen hatte die fadige Textur des Eisens sich erhalten. Zu einem anderwei- tigen Versuche wurde ein Quadratstab von Thalischem Stabeisen angewandt, dessen specifisches Gewicht — 7,8805. Er wurde 4 Tage lang im Vorheerde des Hohofens erhalten. Die fadige Textur war dadurch zerstórt und das Korn im Ganzen gróber geworden, zeigte sich aber ungleich, indem die Grósse des Korns von ½ — ½ P. Linie, an einzelnen Stellen bis zu 1 P. Linie betrug. Das specifische Gewicht war 7,6812. Differenz = 0,1993. ! Aus diesen Erfahrungen geht nun als Hauptresultat hervor: dass in dem Stabeisen, ohne dass sein rigider Zustand aufgehoben wird, durch Einwirkung erhóheter Temperatur Molekularbewegungen erfolgen, welche eine Veründe- rung der Textur bewirken, wodurch das fadige Gefüge mehr und weniger ver- nichtet, das Korn in verschiedenem Grade vergrössert, und bis in eine vollkom- mene Blätterbildung umgewandelt wird, mit welcher Umänderung zugleich eine Verminderung der Dichtigkeit verbunden ist. Zugleich folgt aber aus dem Mitgetheilten: dass die Grösse der Veränderung der Textur weniger mit der Höhe des Hitzgrades, als mit der Dauer der Einwirkung im Verhältnisse steht, indem durch geringe Hitzgrade, denen das Eisen eine lange Zeit ausgesetzt ist, eine weit grössere Umänderung seiner Textur verursacht ‘werden kann, als durch hohe Temperaturen, die nur eine kurze Zeit auf dasselbe einwirken. | 5510 Umänderung der Structur > Stahls durch Temperaturwechsel. Es ist eine auffallende Erscheinung, dass der Stahl, der sich nur durch einen geringen Koblengehalt vom Stabeisen unterscheidet, ein so abweichen- des Verhalten bei abwechselnden Temperaturen zeigt. Der durch Ausschmie- den des rohen Cämentstahls erlangte hat eben so wie der Schmelz- und Guss- 22 150 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, stahl ein weit feineres Korn als Stabeisen, und zugleich die Eigenschaft, im glühenden Zustande in kaltem Wasser oder in anderen kalten tropfbaren Flüs- sigkeiten abgelöscht, das krystallinische Korn bald mehr bald weniger zu ver- lieren, und zugleich in verschiedenem Grade an Härte zuzunehmen. Die mit dem Stahle auf diese Weise vorgehende Veränderung ist von dem Unterschiede der Temperatur abhängig, und erscheint um so bedeutender, je stärker die Er-- hitzung und je kälter die Flüssigkeit ist, in welcher das Ablöschen geschieht. Auch ist die Veränderung welche das Gefüge des Stahls erleidet verschieden, nach der abweichenden Beschaffenheit des Stahls, indem derselbe das krystal- linische Korn um so vollkommner einbüsst, je vollkommner er ist und je gleich- mässiger sein Gefüge vor dem Härten war, daher der Gussstahl von allen Stahlsorten die auffallendste Veränderung erleidet, indem bei ihm durch ange- messenes Härten das Korn fast ganz verschwinden und der Bruch dicht und eben oder flachmuschelig werden kann. Dass bei dieser Umänderung des Ge- füges, auch Glanz und Farbe sich verändern, dass der erstere um so mehr verschwindet, die letztere um so lichter wird, je feiner das Korn wird, ver- steht sich von selbst. Lässt man den geglüheten Stahl langsam erkalten, so. behält derselbe sein ursprüngliches Gefüge. Auch kann der gehärtete Stahl solches wieder erlangen, wenn man ihn abermals erhitzt und dann langsam erkalten lässt. Wie das Gefüge des Stahls durch das Ablöschen sich ändert, so erleidet auch seine Dichtigkeit eine Änderung, und zwar nimmt durch das Här- ten gewöhnlich die Dichtigkeit ab, indem das Volumen sich vergrössert. Nach den Untersuchungen von Réaumur soll das Volumen des gehärteten Stahls das des ungehärteten etwa um ½ übertreffen 1). Rinman untersuchte das spe- cifische Gewicht von zwei Arten von weichem Brennstahl, und fand das des einen 7,751 und das des anderen 7,991. Nach dem Härten war das eigen- thümliche Gewicht des ersteren 7,553 und das des zweiten 7,708. Bei jenem betrug also die Differenz 0,198, bei diesem 0,283 2). Pearson hat das spe- cifische Gewicht von verschiedenen Englischen und Deutschen Stahlsorten vor und nach dem Härten untersucht, und stets eine Abnahme desselben durch 1) Réaumur, l'art de converlir le fer forgé en acier. p. 338. 2) Rinman, Geschichte des Eisens. A. d. Schwed. v. Karsten. I. S. 223, ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND. 181 das Ablöschen gefunden. Die Grösse der Verminderung änderte von 0,12 bis 0,15 ab, und die grösste Differenz ergab sich bei dem vollkommensten Stahl, dem geschmiedeten Hunzmann - Gussstahl 1). Ich selbst habe das eigen- thümliche Gewicht des Sollinger unschweissbaren und schweissbaren Guss- stahls im ungehärteten und gehärteten Zustande bestimmt und folgende Resul- tate erhalten 2): ungehärtet gehärtet Differenz unschweissbarer Gussstahl 7,8439 7,7670 0,0769 schweissbarer Gussstahll 7,8577 7,8012 0,0565 Karsten hat mit grosser Sorgfalt gehärteten Rohstahl durch Glühen und langsames Erkalten wieder weich gemacht, und dabei folgende Verschieden- heiten im specifischen Gewichte gefunden 5): gehärtet nach dem Härten erweicht Differenz Rohstahl Nr. 1. 7,7864 7,8112 0,0248 N. 2. 7,7451 7,8246 0,0795 eoo NE 7,7231 7,7847 0,0616 Es könnte auffallend erscheinen, dass bei dem Stahl die Dichtigkeit abnimmt indem das Korn feiner wird, während bei dem Stabeisen, wie oben gezeigt worden, mit der Vergrösserung des Korns das specifische Gewicht sich ver- mindert. Der hierin liegende Widerspruch ist indessen nur scheinbar. Indem der Stahl geglühet wird, dehnt er sich aus, und zieht sich bei dem plötzlichen Ablóschen nicht ganz wieder auf sein früheres Volumen zusammen. Es fin- det ein sogenanntes Schrecken statt, wobei die zur krystallinischen Anordnung der kleinsten Theile erforderliche Zeit so sehr verkürzt wird, dass das kry- stallinische Ansehn des Stahls beinahe ganz verschwindet. Die Angabe Rinman's ), dass bei gewissen Stahlsorten eine Ausnahme von dem gewöhnlichen Verhalten sich zeige, indem sie seinen Untersuchungen zu Folge durch das Härten ein grösseres speciſisches Gewicht erlangen als sie im weichen Zustande hatten, dürfte wohl noch der Bestätigung bedürfen. 1) Pearson, Exper. and Observ. on Wootz, im Repertory of Arts. V. 49. 2) Notizenblatt des Göttingischen Vereins Bergmännischer Freunde 1840. Nr. 31 S. 3. 3) Lehrbuch der Eisenhüttenkunde. 3te Ausg. I. S. 193. : 4) A. a. O. S. 228. 182 - JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, 14. Umänderung der Structur des Roheisens durch Temperaturwechsel. Karsten hat bemerkt 1): es sei höchst merkwürdig, dass das Härten bei dem Roheisen den entgegengesetzten Einfluss auf das specifische Gewicht zu haben scheine, wie bei dem Stahl, denn man könne die Umwandlung des weichen grauen, in das harte weisse Roheisen, ein Härten nennen, wobei dasselbe bedeutend an specifischem Gewichte zunimmt. Das Härten des Stahls unterscheide sich freilich von dem des Roheisens dadurch, dass letzteres vor- her wieder in den flüssigen Zustand versetzt werden muss, welches bei dem Härten des Stahls nicht geschieht. Weisses Roheisen erhält nehmlich durch Schmelzen und möglichst verzögertes Erstarren, eine graue Farbe, wobei so- wohl die Härte als auch das specifische Gewicht sich vermindert. Graues Roheisen wird dagegen durch Umschmelzen und möglichst beschleunigtes Er- starren, weiss, und erlangt dadurch nicht allein eine grössere Härte, sondern auch ein höheres eigenthümliches Gewicht. Bereits zu Anfange des Jahres 1805 wurden von meinem unvergessli- . chen Freunde, dem verstorbenen Oberfactor Frankenfeld und mir auf der Steinrenner Eisenhütte am Harz, wo Rotheisensteine mit Holzkohlen verschmol- zen werden, Versuche mit dem Ablóschen des Roheisens in Wasser ange- stellt, um den Einfluss desselben auf die Eigenschaften des Eisens und sein Verhalten bei dem Verfrischen, kennen zu lernen. Es wurde zu den Versu- chen ziemlich gahres, graues Rohe genommen, welches nach dem Erstar- ren im Heerde, aber im noch glühenden Zustande, in kaltem Wasser ab- gelöscht, ein feineres Korn, eine lichtere graue Farbe, und etwas grössere Härte annahm. Neuerlich habe ich nun die von diesen Versuchen in meiner metallurgischen Sammlung aufbewahrten Stücke benutzt, um das specifische Gewicht des auf gewöhnliche Weise im Heerde erkalteten und des abgelösch- ten Roheisens zu untersuchen. Das eigenthümliche Gewicht des ersteren wurde 7,1237, und das des letzteren 7,0560 gefunden. Die Differenz beträgt mithin 0,0677, und fällt zwischen die bei der mit dem Sollinger schweissba- ren und unschweissbaren Gussstahl von mir angestellten Untersuchung gefun- 1) A. a. 0.1. S. 193. ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERAND. 183 denen, oben angegebenen Differenzen. Es ergiebt sich hieraus, dass wenn graues Roheisen auf ähnliche Weise wie Stahl behandelt wird, zwischen Bei- den keine wesentliche Verschiedenheit hinsichtlich der Umänderung des Korns und der Dichtigkeit durch Ablöschen statt findet !). Es lag mir daran auch das weisse Roheisen hinsichtlich seines Verhal- tens bei langsamerer und rascher Abkühlung zu prüfen, wozu mein Sohn zu Josephshütte bei Stolberg am Harz im September 1854 mir behülflich war. Es wurde zu dieser Zeit in dem von ihm betriebenen Hohofen weisses Roh- eisen aus einer vorwaltend aus Spath- und Brauneisenstein bestehenden Be- schickung erblasen 2). Erkaltete dieses Roheisen auf gewöhnliche Weise im Heerde, so erschien es schmalstrahlig und von einer zwischen Stahlgrau und Silberweiss die Mitte haltenden Farbe. Hin und wieder schien es schwärz- lich gesprenkelt, durch Aussonderung einzelner, sehr kleiner Kugeln concen- trisch gruppirter, aber nur unter der Loupe erkennbarer Graphitschüppchen. Das specifische Gewicht dieses Roheisens wurde nach einem Mittel mehrerer Bestimmungen 7,6002 gefunden. Durch langsameres Erkalten in einer Sand- lehmform veränderte sich die Beschaffenheit des Roheisens auffallend. Die Sprenkelung nahm so zu, dass das strahlige ‚Gefüge dadurch zurückgedrängt wurde; die Farbe des Ganzen war Dunkelstahlgrau und der Glanz sehr ver- mindert. Das eigenthümliche Gewicht war zugleich bedeutend niedriger, in- dem es nur 7,4637 betrug. Aber eine noch ungleich grössere Veränderung zeigte das Roheisen, wenn es unter einer Schlackendecke höchst langsam er- kaltete. Es war hierdurch in graues Roheisen umgewandelt, indem von dem strahligen Gefüge jede Spur verschwunden und ein körniges Gefüge an die 1) Vergl. Studien des Göttingischen Vereins Bergmännischer Freunde. VI. S. 407 ff. 2) Die Beschickung war auf folgende Weise zusammengesetzt : Spatheisenstein 50 Cubikfuss pro Möller Brauneisenstein 6 ai 3 Thoneisenstein 30 — * Rotheisenstein 14 — E a Zerrennschlacke 10 — — ae Kalkstein 14 em Mem 128 Cubikfuss pro Möller. 184 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, Stelle getreten war, wobei die Farbe das Mittel zwischen dunkel Stahlgrau und Eisenschwarz hielt, und nur der Glanz der sehr kleinen Graphitschüppchen einen Schimmer verbreitete. Zugleich war das eigenthümliche Gewicht noch weit geringer, indem es nur 7,2187 betrug. Diese Versuche bestätigen voll- kommen die bereits von Pearson i), Stengel?) und Karsten 3) mitge- theilten Angaben: dass das specifische Gewicht des grauen Roheisens in der Regel geringer ist als das des weissen, dessen eigenthümliches Gewicht sich dem des Stahls mehr und weniger nähert; und dass, indem weisses Roheisen durch langsames Erkalten in graues umgewandelt wird, mit dieser Umänderung eine Verminderung seiner Dichtigkeit verknüpft ist. Um zu sehen, wie sich das weisse Roheisen verhält, wenn das Erkalten bei ihm beschleunigt wird, wurde zu Josephshütte auf ähnliche Weise verfah- ren wie bei dem oben beschriebenen, mit grauem Roheisen auf der Steinren- ner Hütte angestellten Versuche, indem es im erstarreten, aber noch glühen- den Zustande mit kaltem Wasser abgelöscht wurde. Textur und Farbe zeig- ten sich nicht merklich verändert. Auch die durch feine Graphitschüppchen bewirkte schwarze Sprenkelung war nicht verschwunden. Die Dichtigkeit ` war aber etwas vermindert, indem das specifische Gewicht im Mittel mehrerer Bestimmungen, 7,5894 gefunden wurde. Mit dem eigenthümlichen Gewichte des auf dem Heerde auf gewöhnliche Weise erkalteten Roheisens verglichen, beträgt die Differenz 0,0108, mithin weniger als die mit grauem Roheisen an- gestellten Versuche ergeben haben. Wurde aus dem Hohofen geschöpftes Roheisen in kaltes Wasser gegossen und dadurch granulirt, so zeigte sich das strahlige Gefüge sehr vermindert, und keine Spur von Graphitschüppchen. Die Graphitbildung erfordert also einen langsamen Übergang aus dem flüssigen in den starren Zustand *), und kann durch plötzliche Aufhebung des ersteren verhindert werden. Das specifische Gewicht des granulirten weissen Rohei- sens betrug 7,4086. Die Dichtigkeit war mithin gegen die des auf dem Heerde in Berührung mit der Luft erstarreten weissen Roheisens bedeutend a. 0. arsten's Archiv für Bergbau und Hüttenwesen IX. 243. ) A )K A. a. O. I. 188—191. 593. 595. DD — Vergl. meine Reise durch Skandinavien. IV. S. 162. — 0 ) ) ÜBER DIE IN STARREN LEBLOSEN KÖRPERN BEWIRKTEN FORMVERÄND. 185 vermindert, indem die Differenz = 0,1916. Die Härte zeigte sich dagegen bedeutend vergrössert. Aus diesen Versuchen geht hervor: dass das weisse Roheisen, wie das graue, durch Beschleunigung des Erkaltens eine geringere Dichtigkeit erlangt. Das Roheisen verhält sich daher in dieser Hinsicht ähnlich wie der Stahl; und die oben mitgetheilte Meinung Karsten’s, dass bei Roheisen und Stahl ein verschiedenes Verhalten statt finde, bestätigt sich nicht, wenn beide in An- sehung der Abkühlung auf gleiche Weise behandelt werden. Dass selbst Roh- eisen, welches bei gewöhnlichem langsamem Erstarren grau wird, durch plötz- liches Ablöschen weiss werden kann, zeigt das in Steyermark bei Blauöfen, in denen graues Roheisen erblasen wird, übliche Verfahren des Scheibenreis- sens oder des sogenannten Blatilhebens, um weisses Roheisen zum Verfrischen mittelst der Bratfrischschmiede zu erlangen !). Die Textur des Roheisens wird nicht bloss durch langsameres oder ra- scheres Erkalten bald mehr bald weniger verändert, sondern sie kann auch dadurch eine Umänderung erleiden, dass das Roheisen geglühet wird, oder während einer längeren Zeit einer hohen Temperatur ausgesetzt ist. Hierbei pflegt aber ein Theil seines Kohlengehaltes ausgeschieden und verbrannt zu werden, daher die auf diese Weise durch Molekularbewegungen bewirkten Formveränderungen erst bei einer späteren Gelegenheit zu betrachten seyn werden. Die Molekularbewegungen welche sich in den bisher erwähnten, durch Temperaturwechsel bewirkten Veränderungen des Roheisens zu erkennen ge- ben, beireffen, in so fern sie auf seine innere Form von Einfluss sind, theils die Graphitbildung, theils die krystallinische Textur, abgesehen von der Aus- sonderung des Graphits. Wenn in diesen Beziehungen die Bewegungen kry- stallinischer Natur sind, so machen sich doch auch zuweilen centrale Bewe- gungen durch die concentrische Gruppirung der Graphitschüppchen, so wie der Einfluss der Oberfläche auf die Richtung der Bewegung, durch die senkrechte Stellung der Strahlen des weissen Roheisens gegen die äusseren Begränzungs- 1) Vergl. Karsten's metallurgische Reise. S. 328 u. a. mehreren anderen Stellen. Desselben Eisenhüttenkunde. 3. Ausg. IV. S. 151. Phys. Classe. VI. . Aa 186 JOH. FRIEDR. LUDW. HAUSMANN, ÜBER DIE IN LEBLOSEN u.s. w. flächen bemerklich. Besteht die Ober- oder Abkühlungsfläche in zwei einan- der parallelen Hauptbegränzungsflächen, so erscheinen auch die Strahlen un- ter einander parallel; wogegen sie bei unregelmässigen, krummen Oberflächen, z. B. bei dem granulirlen Eisen „durch die Richtungen gegen dieselben mehr und weniger verworren werden. Die verschiedene Grósse der Molekularbe- wegungen giebt sich theils in den Differenzen der Ausdehnung der kry- stallinischen Flächen oder des Korns, theils in den Unterschieden der Dichtig- keit zu erkennen. Es darf aber nicht übersehen werden, dass von den im Obi- gen erwähnten Formveründerungen durch Temperaturwechsel diejenigen, wel- che bei dem Übergange des Roheisens aus dem flüssigen in den starren Zu- stand erfolgen Von denen unterschieden werden müssen, welche sich zeigen, ohne dass der rigide Zustand aufgehoben wird, und die daher zunächst zum Gegenstande dieser Betrachtungen gehören. Es kann übrigens in manchen Fällen zweifelhaft bleiben, ob die Molekularbewegungen welche gewisse Form- veränderungen bewirken, statt fanden, so lange das Roheisen noch im flüssi- gen Zustande sich befand, oder als bereits die Erstarrung eingetreten war. ABHANDLUNGEN DER MATHEMATISCHEN CLASSE DER KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN : ZU GÖTTINGEN. SECHSTER BAND. Mathem. Classe. VI. Bestimmung der Rn Componenten der erdmagneti- schen Kraft in Göttingen in dem Zeitraume von 1834 — 1853. Von ‚Wilhelm Weber. Der Königlichen Societät vorgelegt am 27. November 1854. J. der Abhandlung Intensitas vis magneticae terrestris ad mensuram. absolu- tam revocala. Auctore C. F. Gauss. Art. 3 werden die Magnete in beharr- liche und veränderliche eingetheilt und es wird vorausgesetzt, dass alle Beob- achtungen, welche zur Bestimmung der Intensität des Erdmagnetismus dienen sollen, mit beharrlichen Magneten gemacht, oder wenigstens auf diejenigen Werthe redueirt worden, welche man erhalten haben würde, wenn der Magnetismus der Nadeln beharrlich gewesen wäre. Die Erfahrung lehrt nun, dass es in der Natur keine vollkommen beharrlichen Magnete giebt, sondern dass der Magnetismus jedes Körpers Anderungen unterworfen ist, welche in regelmässige und unregelmdssige eingetheilt werden können. Zu den regel- mässigen Anderungen des Magnetismus rechnet man die von der Temperatur abhüngigen; es gehören dazu aber auch noch ausserdem die von der Lage zu andern Magneten, namentlich zur Erde, abhängigen. Zu den unregel- mässigen Änderungen gehören die durch heftige Erschütterungen, durch Be- rührungen- mit andern Magneten, durch. elektrische Entladungen u. s. w. her- vorgebrachten bleibenden Änderungen des Magnetismus. Vor Einflüssen der letzten Art lassen sich die zu feineren Messungen dienenden Magnetnadeln leicht so bewahren, dass daraus für die Messungen selbst kein merklicher Nachtheil entspringt, und dass also die mit diesen Nadeln gemaehten Beobach- tungen meist blos einer Reduction wegen der regelmässigen Anders bedürfen. 4 WILHELM WEBER, Diese Reduction ist nun verschieden, je nachdem es sich um Beobach- tungen handelt, welche die Bestimmung des absoluten Werths der Intensität des Erdmagnetismus, oder solche, welche blos seine Variationen beireffen. Die ersteren Beobachtungen lassen sich nämlich, wie schon von Gauss a. a. O. Art. 10 bemerkt worden, so einrichten, dass der Einfluss der von der Tem- peratur abhängigen Änderungen in der Berechnung des absoluten Werths der Intensität verschwindet, indem zwei Nadeln gebraucht werden, die gleichzeitig gleichen Änderungen unterworfen sind; ; sollten aber auch ihre Änderungen nicht ganz gleich sein, so würde doch jener Einfluss immer so- klein bleiben, , dass er kaum einer Berücksichtigung bedarf. Es ist daher bei diesen Beob- . achtungen nur eine Reduction wegen der von der Lage der Nadeln zur Erde abhängigen Änderungen ihres Magnetismus erforderlich. — Bei der Messung der Intensität des horizontalen Erdmagnetismus wird nämlich eine Magnetnadel 1) in einer. mit dem magnetischen Meridiane parallelen Lage beobachtet, während sie schwingt; 2) wird dieselbe Nadel in eine gegen den magnetischen Meridian senkrechte Lage gebracht und dadurch eine andere Nadel (Hülfsnadel) vom magnetischen Meridiane abgelenkt. Aus der Combination jener Schwin- gungsbeobachtungen und dieser Ablenkungsbeobachtungen wird sodann die Intensität des horizontalen Erdmagnetismus berechnet, was aber nur geschehen kann, wenn die Änderung des Magnetismus der Nadel bei ihrer Versetzung aus der dem magnetischen Meridiane parallelen in die darauf senkrechte Lage bekannt ist und demgemäss die Beobachtungen redueirt worden sind. — Die letzteren, die Variationen betreffenden, Beobachtungen werden dagegen mit einer Nadel gemacht, deren Lage gegen die Erde sich nur sehr wenig än- dert, so dass hier umgekehrt die von dieser Lage abhängigen Änderungen des Nadelmagnetismus unmerklich sind und keiner Berücksichtigung bedürfen und dass also nur eine Reduction wegen der von der Temperatur abhängigen Änderungen erforderlich ist, wenigstens wenn man von den unregelmássigen Änderungen absieht, die bei sorgfältiger Behandlung des Instruments erst nach einem längeren Zeitraume entschieden hervortreten und daher in den meisten Fällen, wo es sich nur um die Variationen ‘während einer mässigen Zeit, z. B. einiger Tage, handelt, unberücksichtigt bleiben können. Die letzteren Beobachtungen bedürfen daher in den meisten Fällen nur einer Reduction COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 5 wegen der von der Temperatur abhängigen Änderungen des Nadelmagnetis- mus; diese Reduction lässt sich aber so einrichten, dass dadurch zugleich auch aller Einfluss unregelmässiger Änderungen des Nadelmagnetismus eliminirt und vergleichbare Variationsbeobachtungen auch für längere Zeiträume ge- wonnen werden. — Diese beiden Reductionen bilden den aste te der folgenden Untersuchung. Der erste Theil handelt nämlich von der Bestimmung der von der Lage sur Erde abhängigen Änderungen des Nadelmagnetismus; im zweiten Theile ` werden sodann die rechtwinkeligen Componenten der erdmagnetischen Kraft in Göttingen für den Zeitraum von 1834 — 1853 aus den nach den Ergebnissen des ersten Theils reducirten Beobachtungen bestimmt; der dritte Theil handelt endlich von der Reduction der die Intensitütsvariationen des horizontalen Erd- magnetismus betreffenden Beobachtungen. I. Bestimmung der von der Lage zur Erde abhängigen Änderungen des Nadelmagnetismus. Die Untersuchung der von der Lage zur Erde abhängigen Änderungen des Nadelmagnetismus führt zur allgemeinen Betrachtung der Veränderlichkeit des Magnetismus in Körpern von grosser Coercitivkraft durch kleine Kräfte; denn die zu Beobachtungen des Erdmagnetismus gebrauchten Nadeln pflegen aus sehr hartem Stahle zu bestehen und besitzen also eine sehr grosse Coer- citickraft, während die Kräfte, mit denen die Erde bei verschiedener Lage der Nadeln auf deren Magnetismus wirkt, im Vergleich zu denjenigen Kräften, welche bei der Magnetisirung harter Stahlnadeln angewandt werden, um die Coercitivkraft zu überwinden, als verschwindend Alei» betrachtet werden kön- nen. Es ist daher die Thatsache schon an sich sehr interessant, dass über- haupt noch eine von so kleinen Krüften herrührende Änderung des Magnetismus solcher Nadeln wahrgenommen wird, und insbesondre, dass diese kleinen Änderungen regelmässige sind, d. h. dass die Nadel immer wieder denselben Magnetismus annimmt, so oft dieselbe Kraft auf sie wirkt. Es ist dieser interessante Gegenstand zuerst von Fechner in seiner Schrift: De magne- tismo variabili qui chalybi actione galvanica inducitur (siehe Poggen- 6 | WILHELM WEBER, dorff's Annalen 1842. Bd. 55) behandelt und durch die von ihm mitge- theilten Versuche ist sowohl das Faktum. der Anderung als auch das der erwähnten Regelmässigkeit ausser Zweifel gesetzt worden. Die von ihm gebrauchte Methode lässt sich aber nicht unter allen Verhältnissen und nament- lich nicht auf solche Nadeln, wie zur Messung der Intensität des Erdmagne- tismus gebraucht werden, anwenden; denn Fechner hai die Änderung des Nadelmagnetismus nicht durch die magnetische Kraft der Erde, sondern durch die Kraft eines galvanischen Stroms hervorgebracht; und zwar unter solchen Verhältnissen, wo letztere auf erstere nicht redueirt werden konnte: auch würde dabei die Anwendung grösserer Nadeln unzulässig gewesen sein. Es war daher nothwendig zu dem hier vorliegenden Zwecke eine neue Methode zu suchen. Der Magnetismus eines Körpers wird durch seine Wirkungen entweder auf den Magnetismus oder auf die Elektrieität anderer Körper erforscht, wo- von die letzteren in Bewegungen der Elektricität bestehen, die man mit dem Namen der inducirten Ströme bezeichnet. Nun hat die Methode, den Magnetismus durch die von ihm indueirten Ströme zu erforschen, im 5. Bde dieser Ab- handlungen schon Anwendung auf den Erdmagnetismus gefunden, nämlich auf die Messung der Inclination, wo sie sich praktisch als genauer und bequemer als alle andern Methoden bewährt. hat, weil dadurch die aus Umkehrung der Pole und aus der Friction entspringenden Hindernisse ganz vermieden wur- den. — Es würde sich nun dieselbe Methode auch auf Messung der Decli- nation anwenden lassen, Wo sie aber praktisch von keiner wesentlichen Be- deutung sein würde, weil hier die bisherigen Methoden weder an Genauigkeit noch an Bequemlichkeit etwas zu wünschen übrig lassen. — Dagegen lässt sich dieselbe Methode statt zur Erforschung des Erdmagnetismus auch zur Erforschung des Nadelmagnetismus gebrauchen, namentlich zur Erforschung der von der Lage zur Erde abhängigen Änderungen des Magnetismus der- jenigen Nadeln, welche zur Messung der Intensität des Erdmagnetismus ge- braucht werden, und liefert dadurch ein wichtiges Element zu dieser letzteren Messung, wodurch wir darin zugleich die gesuchte neue Methode finden, welche für den vorliegenden Zweck den Vorzug vor der Fechnerschen verdient. Es besteht nun diese Methode wesentlich darin, dass die Nadel fest in eine Kapsel eingeschlossen wird, die selbst mit einem isolirten Drahte um- COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 7 wickelt ist, dessen Enden zu einem in grosser Entfernung aufgestellten Gal- vanometer geleitet und mit den beiden Enden seines Multiplicatordrahts fest, verbunden werden. Es leuchtet dann ein, dass wenn man die Nadel mit der Kapsel senkrecht hält und plötzlich umdreht, in dem darum gewundenen Drahte nach bekanntem Inductionsgesetze ein galvanischer Strom -indueirt wird, der, indem er den Multiplieator durchläuft, die Galvanometernadel ablenkt. So schwach auch dieser indueirte Strom ist, so kann doch bei einem sehr em- pfindlichen Galvanometer die von ihm hervorgebrachte Ablenkung nicht blos wahrgenommen, sondern auch genau gemessen werden. Es wird aber bei der erwähnten Umdrehung ein doppelter Strom indueirt, nämlich erstens inducirt der vertieale Theil der erdmagnetischen Kraft unmittelbar einen Strom in dem um die Kapsel gewundenen Drahte; zweitens inducirt derselbe Theil der erd- magnetischen Kraft auch mittelbar einen Strom in demselben Drahte, indem er eine kleine Änderung des Nadelmagnetismus hervorbringt. Ausserdem findet aber keine Induction statt, denn der Magnetismus, welchen die Nadel unab- hängig vom Einfluss des Erdmagnetismus besitzt, ist darum wirkungslos, weil die Nadel bei gemeinschaftlicher Umdrehung mit der Kapsel gegen den um die Nadel gewundenen Draht unverrückt bleibt. Hierin besteht der wesent- liche Vorzug dieser Methode, dass die dabei beobachtete Wirkung blos von dem variabelen und nicht von dem constanten Theile des Nadelmagnetismus abhängt; denn sonst würde, da der letztere gegen den ersteren sehr gross ist, durch Elimination aus den vermischten Wirkungen beider Theile der erstere nicht genau ermittelt werden können. — Die Wirkungen der beiden oben erwähnten Ströme, welche gleichzeitig inducirt werden, lassen sich aber leicht seheiden, wenn man die Beobachtungen mit der Kapsel und dem darum ge- wundenen Drahte allein wiederholt, nachdem die Nadel aus der Kapsel her- ausgenommen worden ist. | Der zu den folgenden Versuchen gebrauchte Inductor bestand aus einer 21 Millimeter dicken, 151 Millimeter langen Messingröhre, um welche ein mit Baumwolle umsponnener, mit gutta percha überzogener, 24 Millimeter dicker Kupferdraht in 10 Lagen übereinander 420 Mal herumgewunden war. Der Durchmesser einer diese Rolle umschliessenden Cylinderfläche war 79,2 Millimeter. Dieser Inductor war durch zwei 6 Meter lange Kupferdrühte mit 8 WILHELM WEBER, dem Multiplicator des Galvanometers verbunden. Der als Galvanometernadel dienende Magnet war sehr stark, aber nur 28 Millimeter lang: er war zu feinerer Beobachtung mit Spiegel versehen und mit einem starken Dämpfer umgeben. Die magnetometrische Beobachtung der Nadel mit Fernrohr, Spiegel und Skala, in Verbindung mit der Stärke des Multiplicators und mit einem gün- stigen Verhältniss seines Widerstandes zu dem des Inductors ; gab dem Instru- mente einen hohen Grad von Empfindlichkeit, die auf folgende Weise noch vermehrt wurde. Die Schwingungsdauer der Nadel betrug nämlich bei unge- schwächter erdmagnetischer Directionskraſt 9 Secunden; bei den folgenden Versuchen wurde aber die Einrichtung getroffen, dass die erdmagnetische Di- reclionskraft durch einen aus der Ferne auf die Nadel wirkenden Magnet ge- schwächt wurde, so dass die Schwingungsdauer der Nadel auf 19 Secunden stieg, wodurch die Empfindlichkeit nach dem Verhältniss der Quadrate 92: 192 vergrössert wurde. | Es wurden nun hiemit zwei Beobachtungsreihen ausgeführt, wobei der Inductor immer senkrecht stand, bald aber das eine, bald das andere Ende seiner Axe nach oben gekehrt, indem er jedesmal in dem Augenblicke, wo die schwingende Galvanometernadel den magnetischen Meridian passirte, um- gekehrt wurde. Vor und nach jeder Umkehrung wurde die Elongation der schwingenden Nadel beobachtet. In der ersten Beobachtungsreihe war es der Inductor allein, mit dem diese Versuche gemacht wurden ; in der zweiten waren es der Inductor nebst dem in der Mitte befestigten Magnetstab Nr. I (153,4 Millimeter lang und 12,6 Millimeter dick ; dessen Masse — 151360 Milligramm war), die beide nur zusammen bewegt und umgedreht werden konnten. In der ersten Columne der folgenden Tafel sind die Inductionsstósse (Umkehrungen des Inductors) gezählt; in der zweiten Columne ist der Stand der Nadel bei ihrer jedem Inductionsstosse zunächst vorausgegangenen und zunächst nachgefolgten grössten Elongation bemerkt; in der dritten Columne ist der für die Zeit der grössten Elongation geltende Ruhestand der Nadel, mit Zuziehung der vorausgegangenen und nachgefolgten grössten Elongation und mit Rücksicht auf den Einfluss der Dämpfung berechnet, angegeben wor- den; endlich ist in der vierten Columne die jeder grössten Elongation ent- sprechende Ablenkung der Nadel von ihrem Ruhestande beigefügt. COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 9 Tafel I. Tafel II. Inductor allein. Inductor nebst Magnetstab. Stand der Stand der Inductions- Nadel im Ruhestand Induetions-| Nadel im Ruhestand stoss. | Augenblicke Ablenkung. sloss, ugenblicke der Ablenkung. der grössten Nadel. der grössten Nadel., Nr. Elongation. ! Nr. Elongation. 514,5 517,9 513,9 | 521,7 5154 | 5144 | + % 5187 | 5199 |— 12 $ 5204 | 514,2 | + 62 | 2. | 5393 | 5199 |+ 194 * | 8024 | 5144 120 5° | 4860 | 519,7 — 337 * .| o91;t | 5145 | +166 4. 5646 | 519,7 | + 449 4 | 4946 | 5148 | — 202 5. 4658 | 519,6 |— 53,8 9- .| 5380 514,7 | + 23,3 6. 9803 | 5194 |+ 609 9. | 4890 | 514,7 — 37 7 .| 4928 | 5194 |— 66,6 © | 5422 | 5145 | +277| % | 5906 | 5191 |+ 715 9. 4850 | 8143 | —293 | 9. | 4434 | 5190 |— 75,6 ?- | 5447 | 59141 | +30,6 | 10. | 5979 | 519,1 |+ 78,8 10. | 4823 | 5140 | —317 | 1, | 4378 | 519,1. — 813 ti | 8464 | 5139 | + 325 | 12. | 6026 | 5191. |+ 8355 1*- | 4806 | 5138 — 33,2 13. | 4340 | 5191. — 85,1 14.5476 | 513,7 | -- 339 | 1j | 6053 | 519,1 |+ 862 14 | 4792 | 5136 | —344 | 1. | 4319 | 5191. | — 872 15. 5499 | 513,5 +34,7 16. 6072 | 5192 |+ 88,0 19. 4787 | 5135 | —348 | 17. | 4305 | 5194. | — 88,6 t7. 21 5485 | 513,4 | +35,1 8. | 608,1 | 5190 |+ 89,1 18. | 4758 | 0134. | — 353 | 19. | 4293 | 5189 |— 89,6 19. 5482 | 512,6 | + 35,6 20. 9089 | 5190 |+ 899 20. | 4763 | 5126 | — 36,3 = | 4289 | 5190 |— 90,1 541,7 | 5126 | 291 | „, | 591,1 | 8190 [4- 72,1 21. | 4963 | 5122 | —159 | 22. 4794 | 5185 |-- 89,1 22. 517, | 0123 | +04 23. 9322 | 19,1 + 13,1 33. | 515,1 | 9120 | + 31 24. 9262 | 5184 |-- 7,8 24 5022 | 9120 | — 98 | 25. | 4944 | 5188 |— 244 28. 5970 | 5118 | 152 | 26. 9061 | 5186 |+ 375 20. 4922 | 6115 — 19,3 57" | 4112 | 519,1. | — 479 2. | 5335 | 0110 4 225 28. 575,2 518,8 564 28. 4858 | 5109 — 25,1] 29. | 4956 | 5190 — 63,4 29. | 5378 | 8107 +271| 30 | 5878 | 518,8 |+ 690 30. 481,8 | 5104 | —286 | 31. | 4453 | 5188 |— 73,5 31. | 3397 | 5098 4 299 „ 5959 5188 |-- 721 B Mathem. Classe. VI. : 5 WILHELM WEBER, Tafel I. Tafel II. Inductor allein. Inductor nebst Magnetstab. tand de Stand der Inductions- Nadel im | Ruhestand Inductions- | Nadel im | Ruhestand stoss, Auge blic e Pied Ablenkung stoss Augenblicke a Ablenkung. der grósste adel. der gróssten adel. Nr. Elongation. Nr. Elongation. 32. 4785 | 5097 | —812 | 32 4390 | 5189 |— 19,9 33 542,0 | 5098 | 4-322 | 35 601,1 | 519,0 | + 82, 24 77,1 | 5098 | — 32, | 34. 435,22 | 519,1 |— 83,9 dg 542,9 | 5097 | + 33,2 | 35. 604,5 | 519,1 | + 85,4 PAESE E e 37 544, 0 | +34, 37 606,4 | 519,1 | + 87,3 as 475,2 | 509,9 24,28. 431,2 519,1 — 87,9 ag, | 9446 | 5098 J 348] 39. 607,5 519,1 | + 88,4 10. 474,7 | 5096 | — 349 40. | 4903 | 519,1 — 88,8 m 5372. | 5094 | + 278 [ 47 590,4 | 5192 [ 71,2 Ay 494,2 | 5092 | — 15,0 49 | 4804 | 5189 |— 38,5 iz 5144 | 5092 | + 5,2 43. 532,5 519,6 |F 12,9 3 511,5 | 5089 | + 26 | 44. 526,7 | 5188 |+ 79 45 5064 un —190 I: HE 494,7 | 5192 |— 24,5 23,6 | 50 + 142 ES 556,6 | 5188 |+ 37,8 47 491,3 5096 | — 183 | 4% | 470,2 | 519,1 484 „ Bi | aa | tael. a MEAE |+ .29. | 5364 | 5094 26,749. ^ g. 4 50. 483 | 5094 | 281 50. rare 215 Sf | sa 200% f % 3086 2180 p 7 52. 38, 094 | + 29, 32. 595,6 | 518,6 |+ 77,0 53. Md: 5096 — 304] 53. 4389 | 5187 79,8 54. bi | 3097 FB 334 8 | 5187 |+ 824 a5 777. 3099 | —322 | 55. 4348 | 518,6 — 83,8 56; 3,0 | 5100 | + 33,0 603,7 | 518,5 |+ 85,2 56 57. | 4163 | 5099 | — 33,6 | 57. | 4322 | 5186 |— 86,4 58. | 243,9 | 5099 7 34,0 58. | 6059 | 5186 |+ 873 59. #756 | 5098 | —342 | 59. | 4306 | 9185 |— 87,9 60. | 9342 | 5098 | -+344 | 60. 607,1 | 5185 |+ 886 | 475,3 | 9098 | — 34,5 '" | 4993 | 5185 |— 89,2 ) 537,6 | 509,9 27,7 | 61. 8 | + 27, 590,1 | 5186 |+ 71,5 62. 4949 | 509,7 | — 14,8 T 4794 | 5180 |— 38,6 63. | 94145 | 9098 | + 47 63. 5843 | 9186 |-- 12,7 64. 9190 | 5095 | + 35 64. | 5261 | 5181 |+ 80 COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 11 Tafel I. Tafel II. Inductor allein. Inductor nebst Magnetstab. Stand der Stand der Inductions-| Nadel im | Ruhestand Inductions-| Nadel im | Ruhestand Augenblicke der Ablenkung. stoss. |Augenblicke der Ablenkung. der grössten Nadel. er grössten Nadel. Nr. Elongation. Nr. Elongation. as. | 4994 | 5086 | — 102 | gs | 4942 | 5186 |— 244 66. 9250 | 5096 | 4-154 66. 555,9 | 5182 |+ 37,7 67. 4902 | 5099 | — 197 | 67. 4:03 | 5186 |— 48,3 68. 533,2 | 5100 | +23,2 | 68. | 575,2 | 5184 |+ 56,8 69. 4942 | 5104 | — 259 | 69. | 4552 | 5187 |— 63,5 70. 5382 | 5103 | +279 | 70. | 587,5 | 5185 |+ 69,0 4812 | 5103 | — 294 4452 | 5185 |— 73,3 Bezeichnet man irgend eine in der Tafel angegebene Ablenkung mit z, und mit 1:0 das von der Dämpfung abhängige Verhältniss zweier auf ein- ander folgenden Schwingungsbögen; so ist die nächstfolgende Ablenkung, falls dazwischen kein Inductionsstoss eintritt, = — g; falls aber ein Inductionsstoss dazwischen eintritt, = — 29 = y, wo y die Ablenkung be- zeichnet, welche der ruhenden Nadel durch einen Inductionsstoss ertheilt werden würde. Ist aber + y die Ablenkung der ruhenden Nadel nach dem ersten Inductionsstosse; so ist die Ablenkung derselben nach dem zweiten Inductionsstosse (welcher in entgegengesetzter Richtung in dem Augenblicke statt findet, wo die zurückschwingende Nadel die Gleichgewichtslage passirt) -—y9—y=—y(1+9); nach dem dritten Inductionsstosse = +y (12-0)80-ry = +y (i+ 9 + 0?) u. s. f. und PE sich immer mehr dem Grenzwerthe a -y(1-o 0 + 0 E05... )—1— T aus welchem y = a (1 — 0) erhal- ten wird. Mit diesem Werthe Er y ergiebt sich die auf æ folgende Ablenkung, wenn ein Inductionsstoss dazwischen statt gefunden hat, = — a9 = a (1 — 8) —-a—(-a-4c)6. Hiernach ist nun in Tafel I, wo die Ablenkung vor dem ersten Inductionsstosse x = 1 war, die Ablenkung nach dem 1. Inductionsstosse —. fara — (a4-1)0 — 2. =—a—(—a+[+a- (a 1)]0-— at(a P — — 3. E =+a—(+4+[—a+ (0+ 100 ) % +a— (a 4- 1)05 u.s.w. Auf diese Weise erhält man für die in Tafel I und II angeführten Ablenkungen folgende Gleichungen. = EET GILT a FEE 4:73 Br u open Bi sagen ee E OI Ta A i i E p dcus WILHELM WEBER, | | I3 E] I Fate rr e Lee ce E ~ e». j 3 03 io SS SS SSS D s D — E^ ww ww SSS SSS Tafel I — 27,8 = a — (a + 34,96)00 — 15,0 — a — (a + 3496)9! — 5,2 = a — (a + 34,90) 0? 2,6 = a + 34,90)065 9,0 = a — (a + 34,9000 142 — a — (a + 349 0) 05 183 = a — (a + 34,90) 66 21,8 = a + 34,96) 07 246 = a — (a + 34,96)68 20,7 = a + 34,90)09 28] = a — (a + 34,90% 29,3 = a — (a + 34,9011 304 = a — (a + 34,96)0'2 31,44. — a + 34,990)0!5 32,2 = a — (a + 34,9004 33,0 = a — (a + 34,96)0'5 33,6 — (a + 34,90)0!5 34,0 = a — (a + 34,96)0'7 34,2 = a — (a + 34,9616 344 = a — (a + 34,90)0'9 34,5 = a — (a + 34,96) 620 — 27, = a — (a + 34,5 00 00 0! — 148 =a — (a + 34,500 0? — 41 = a — (a +. 3450)0? 05 3,5 = a — (a + 34,56)65 4 10,2 — a — (a + 34,50)0+ 05 15,4 = a — (a + 34,50)05 NE 19, = a — (a + 34,56)66 s 23,2 — a — (a + 34,5667 0 EHE 25,9 = a — (a + 34,56) 08 21,9 — (a ++ 34,50)09 29,1 = a — (a 34.500 912 913 ) 015 918 919 520 13 COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. II. Tafel Saw + on e A t We t. o o — — F1 SOSETIETLTT TEILS SS SS 5 5 5 5 STITTSTisTivsisss—sssssssssas D.D D D D dO DD aD aD JD ob dO dO do do do do dO DD m ^ — [oJ m A - 5 2 5 5 K 5 5 K E EE EE Dee SSS MOS MOS MOS MOS MO) MOS MOS MOS MOS MOS MS MÓN a u —— —j——k—- — — — e u s Ag Eur Bones aO nO aO So ze N LOS MO MO MO MO MO MO Mm oM oS NUN EI — nn m Eda T kE AOO MO oM aD nO HS on MS MANMANM 1$ CD t» C rs cS 00 165 C 6S [51.4 8 mw 40 SALLSEAR 222230 DDD DDD DDD DDD DSS SD ——— — — — —. — — — nu un FF „ M M Wa I e ð , 1 LT IS AITA MO) MO) MO HOS MOS MOS MOS Cy MC MOS MOS MOS MOS MOS MC MO HOS MOS MOS | un Den In un TI TI N A. ZI OBEREN: MO ^O MO MOS MOS MO MO cS MOS MO MO MOS RESET S S MO MO MS HS IAEA ERE EE EE DEDE E EE EE TEE LABEL eC oc me APT NOR io^" EP er Ur WAT Nw wm nts mici ige SEL eee & SR — m | " LM O m d c tt HH HH MC) MOS MOS m SS nn MOS MOS MOS MOS ROS MOS MOS MOS MOS MOS MOS MCA Ba re Ua tace cqui Up Be ee ti tms Re Ads ten ff. I I EI IN UM HN UR e SSS ASS S STC WS r1 14 WILHELM WEBER, In Tafel II ist in den Formeln für die Ablenkung der in Tafel I mit a bezeichnete Grenzwerth 5 genannt worden. Die für Tafel I aufgestellten Gleichungen enthalten nur die beiden un- bekannten Grössen a, 0; die für Tafel II aufgestellten nur b, 4. Diese drei unbekannten Werthe a, b, 0 würden sich nun daraus nach der Methode der kleinsten Quadrate am genauesten bestimmen lassen; doch genügen zu dem vorliegenden Zwecke folgende Näherungswerthe: a = 35,7 = H3 E- 0,8, wie man aus folgenden daraus berechneten Werthen der Ablenkung ersieht, neben denen die Unterschiede von den beobachteten bemerkt sind. Tafel L Berechnete [Berechnete „Berechnete „Berechnete n Ablenkung, Unterschied, | Ablenkung. Unterschied. Ablenkung. Unterschied. | Ablenkung. Unterschied. 1,0 0° | 29,0 9 |— 279 — 01 |— 2776 42.01 64 4021-2161 92 |— 152 % 1.5 449 —1^51 J..!!! 55.09 1 48 — 10 169 . -- 0,3 26 — 05 31 -- 05 3: T 20,7 05 92 — 06 9,6 + 0,6 08 4 23,7 4 04 14,5 — 07 149 + 0,7 15,0 — 0,4 261 4 04] 187 06 | 190 4 07 19,1 — 0,6 JT 29,5 6027 e — 03 250 . 0% 25,1 — 0.8 308 +02 270 — 01 27,2 4. 05 27,2 0,7 B +04) 87 00 289 7 08 28.9 — 02 32,5 0 301 --02 | 302 4. 09 TTW si — 03| 328 + 01 | 32934407 3144 - — 03 | 934 4 02 335 4-08 347 — 0,1 338 0 33,9 + 03 349 02 342 — 01 343 J. 0,3 / | MO 4 04 352 — 04 | 347 .. 01 - 948 + 0,4 7 35,3 — 1,0 349 0 390 + 05 | COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 15 Tafel II. er Unterschied. wen Unterschied. Aalen Unterschied. Beer Unterschied. — 12929. I F II 4 192 — 02 |— 395 — 04 — 3886 — 01 |-— 389 0,3 335 — 02 |— 134 — 03 |— 12,7 + 02 |— 1229 — 02 450 J 0, 1 7.5 — 0,3 80 + 01 78 — 02 542 4-94-|-— 249 — 02 240 0 24.5 + 0,1 61.6 + 0,7 37.6 + Oil 37,9 + 04 37,8 + 01 G79 F99 48,2 + 0,3 48,5 + 04 484 + 01 723 + 0,7 968 + 04 57,0 + 0,1 56,9 + 041 759. + 03 63,6 + 02 63,8 + 0,1 63,7 + 0,2 789 + 041 691 + 01 694 + 0,1 UU T 0,2 814 9, 73.5 0 73,6 0 736 + 03 83.8 4502 770 0,1 W. ach! 848 — 0,3 10,5. -—r 0,4 199 + 04 86,1 c 0 87.0 — 02 898 01 839 + 0,1 87,8 1 85.2 0 88,5 0.1 884 0,1 86,4 0 FFF 87.3 0 da — 0Q9 1. S81. +02 | 884, d Do 89.7 — 02 | 88.6 4. 02 886 0 900 — 0,1 892 + 04 89,2 0 Mit einem zweiten Magnetstabe Nr. II, der gleichfalls zur Messung des Erdmagnelismus als Ablenkungsstab gebraucht worden war, wurden dieselben Beobachtungsreihen gemacht und ebenso berechnet, woraus sich die Werthe von a und b, welche von den vorigen durch Accente unterschieden werden sollen, Jano BB ergaben. Diese Werthe von a und b sind nun den inducirten Strömen propor- tional 1 oder, weil die geschlossene Leitungskette bei allen Versuchen unver- ändert blieb, der Induction selbst proportional. Es war aber bei den Ver- suchen Tafel I blos die unmittelbare Induction wirksam, welche die Erde auf die Inductorrolle bei einer Umdrehung ausübte und die mit T; bezeichnet werden soll; bei den Versuchen Tafel II dagegen wirkte ausser der Induction 16 WILHELM WEBER, T. auch noch die Induction, welche der im Magnetstabe durch Umdrehung erzeugte Magnetismus auf die Inductorrolle ausübte und die für den Stab Nr. I mit M., für den Stab Nr. II mit M; bezeichnet werden soll. Hienach ergeben sich folgende Proportionen : Te; + Mic a: u 35€: 91,0 LSG-n-M —a:4$0— 3505; 87,75, woraus . 1,949 . T; A, = 1,507 T; b gefunden wird. ; Die Induction der Erde bei der beschriebenen Umdrehung der Inductor- rolle — T; wird aber gefunden, wenn man den verticalen Erdmagnelismus = T.tang i (wo T den horizontalen Erdmagnetismus und i die Inclination bezeichnet) mit 2 und der Summe der von allen Inductorwindungen umschlos- senen Kreisebenen multiplicirt. Siehe Elektrodynamische Maassbestimmungen S. 219. Nun war i i T & 1,8014 ( 670 147^ 40" und der mittlere Werth der von den Inductorwindungen umschlossenen Kreis- ebenen ergiebt sich aus dem Durchmesser der beiden Cylinderflächen, zwischen welchen alle Windungen eingeschlossen waren, von 21 und- 79,2 Millimetern, — 2193 Quadratmillimeter ; folglich, wenn man mit » die Zahl der Umwindungen = 420 bezeichnet , so war die Induction. der Erde ES T, 2 2.18014. tang 670 17 40". 21903. % = 18884 . n. Mit diesem Werihe findet man : 29251. „ i ; — 28458.m. Es bleibt nun endlich noch übrig, aus dem gefundenen Werthe der uten die Veränderung des magnetischen Moments beider Stäbe selbst zu esiimmen und mit der Grösse der erdmagnetischen Kraft, durch. welche sie ee worden war, zu vergleichen. Eine genaue Bestimmung hievon zu, geben, würde andere Einrichtungen nöthig gemacht haben, welche mit den vorhandenen Mitteln nicht hergestellt werden konnten; es genügt aber für den vorliegenden Zweck eine genäherte Bestimmung, welche auf doppelte COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 17 Weise gewonnen werden konnte, nämlich erstens a priori aus den bekannten Gesetzen der Induction; zweitens a posteriori aus der Vergleichung mit der beobachteten Induction eines bestimmten beharrlichen Magnets. Beide Metho- den sind in der beigefügten Note“) beschrieben und es hat sich daraus im *) Erste Bestimmung aus dem FE — Die elektromotorische Kraft eines inducirenden Theilchens des magnetischen Fluidums „, auf einen Ring vom Halbmesser — a ist, wenn «u mit der Geschwindigkeit =u in der Ring- axe bewegt wird, beim Á tande von der Ringebene — b, den Elektrodynami- schen RER S. 365 gemäss, = 2% . (aaa + 650% Hieraus folgt der Integralwerth der elektromotorischen Kraft für den Weg von b = a bis b = u + 85 9, 42 + 6 “ } = — nu — — . : Viar «+89, vaa + ac) „Für » parallele Ringe, welche gleichförmig auf die Länge y und symmetrisch gegen die Endpunkte der Bahn « und « + vertheilt sind, ist dieser Werth n . = — 2an = fV Caa + cano „die (6-4). Bewegt sich ein Theilchen des andern magnetischen Fluidums — % auf demsel- ben Wege rückwärts, so ergiebt sich daraus dieselbe elektromotorische Kraft, Es wird hieraus gefunden, dass, wenn „em gesetzt wird, m dasjenige magne- tische Moment bezeichnet, duh dessen Umkehrung die elektromotorische Kraft ELI an + (E + 32) — v (ea + (6 — erhalten wird. Sind endlich die Ringe in Lagen von verschiedenen Halbmessern von a = d bis a — d gleichförmig vertheilt, und setzt man Kürze halber da e ars e Fe dnb qu aa + (È + 4) =p'p a + (e — 2 2 2 9 so erhält man die elektromotorische Kraf) gleich 25 mn m "on a” i E. 6 a | q uL. anui Pot tad --T(p'p—a'al —a Eg * > Erle” "E (p" q ') 4t —4) (pp ) og f atp gus q a jlog- 7 (Wenn hierin & gegen y verschwindet, so erhält man folgenden von E Md hängigen Ausdruck, worin a = c Ve ad + Ar, a = s (a a + 127) gesetzt ist, IT 27 mn 21 E 1 ne — un. 4 (IK) 4 2 + ne al+c)eJ Hienach würde sich die Induction für einen Magneten, age Dimensionen Mathem. Classe. VI. 18 WILHELM WEBER, Mittel ergeben, dass die gesuchte Aenderung des magnetischen Moments der gegen die der Inductorrolle sehr klein würen, genau bestimmen lassen. — a” ; Wenn ausserdem noch — ein kleiner Bruch wäre, so würde die Induction ganz y einfach durch — 8 bestimmt werden.) Im vorliegenden Falle, wo die Länge des Magnets der Länge der Inductor- rolle y fast gleich war, kann nach der idealen Vertheilung des Magnetismus das magnetische Moment m durch eine Vertheilung der beiden magnetischen Fluida entstanden gedacht werden, bei welcher der Werth von & in Beziehung auf die verschiedenen Theile dieser Fluida von 0 bis zur Länge des ganzen Magnets y wächst. Nimmt man daher für & näherungsweise einen Mittelwerth zwischen 0 und y, z. B. Ẹ = iy; so findet man die elektromotorische Kraft, wenn v (aa + 77) = A' und Va + yy) = A” geschrieben wird, 4rımn y aV = Sie Ad), 8 tt oder, wenn man die oben angeführten Werthe a — 10,5, a” = 39,6, y=15l substituirt, — — 0,1413 . nm. Diese elektromolarische Kraft ist aber oben für den Stab Nr.L, für en 2m — 2M die Änderung seines magnetischen Moments bei der Umdrehung be- zeichnen möge, mit M, für den Stab Nr. IL, für welchen 2» = 2M’ die Ande- rung seines magnetischen Moments bei der en bezeichnen möge, mit M'j bezeichnet worden, woraus sich also ergiebt Mj = 0,1413 . nM M; = 01413 . M. a ist aber oben schon gefunden worden 9251 . n Mj; = 28458 . n, folglich ist das bei an der Piho: Nr. I und Il. umgekehrte magnetische Moment 29251 Es coo 128458- Ola ^ 207000; 1 "Sui 201400. Zweite Bestimmung aus der Vergleichung mit der Inductionswirkung eines be- stimmten beharrlichen Magnets. — Es wurde zu dieser Vergleichung der be- harrliche Magnetismus der Stäbe Nr. I und I. benutzt, welcher mit B und B bezeichnet werden soll, wofür nach absolutem Mänsse folgende Werthe ge- funden worden waren: 38 19100000 B. — 19000000. Bei den Beobachtungen der von diesem beharrlichen Magnetismus hervorge- brachten Inductionswirkungen erhielt die Inductorrolle eine feste gegen den magnetischen Meridian senkrechte Aufstellung, wührend der Magnet mit einem hólzernen Handgriffe * wurde, mit dem er leicht in die Mitte der Rolle mu COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 19 Stäbe Nr. I und IL, welche bei ihrer Umkehrung durch die erdmagnetische Kraft horvi wurde, 2M = 390000 21 — 312000 betrug. Die erdmagnetische Kraft aber, durch welche diese Änderung im magnetischen Momente. des Stabs Nr. I und II. hervorgebracht wurde, war der Unterschied des verticalen Erdmagnetismus von seinem entgegengesetzt gleichen Werthe, oder, wie schon angeführt worden ist, 2T tang — 2. 1,8014 . tang 670 1740“ = 8,6106. Hieraus würde sich unter der Voraussetzung, dass die Grösse des magnetischen Moments mit der Kraft, von der es hervorgebracht wird, stets proportional wüchse, ergeben, dass der ganze beharrliche Magnetismus der Stäbe Nr. I und IL, welcher in der Note mit B und B’ bezeichnet worden ist, hinein und herausgeschoben werden konnte. Die einzelnen Inductionsstösse erfolgten dann jedesmal in dem Augenblicke, wo die schwingende Magnetome- ternadel den magnetischen Meridian passirte, und bestanden darin, dass der in der Mitte der Rolle befindliche Stab schnell herausgezogen und in umgekehrter Lage von dem andern Ende der Rolle aus wieder in die Mitte der Rolle hinein- geschoben ward. Aus diesen Beobachtungen ergab -— die Inductionswirkung des beharrlichen Magnetismus der Stäbe Nr. I und Bj — 1618; 7; Base 1687 Ti, wührend die Inductionswirkungen der Ánderungen im magnetischen Momente der Stäbe Nr. I und II. oben M; — 1,549 Ti EM. LL gefunden worden sind. Doch ist hiebei zu bemerken, dm die Inductions- wirkungen des beharrlichen Magnetismus zu stark waren, um mit dem nümlichen Galvanometer ohne Einschaltung eines grósseren Widerstandes gemessen zu werden; obige Resultate sind daher durch eine Reduction der Beobachtungen erhalten worden, durch welche die Sicherheit dieser Werthe etwas vermindert wurde. Aus der Proportionalität des inducirenden Magnetismus mit seiner Inductionswirkung ergiebt sieh sodann { M; : B =M: B = 1,549 : 161,8 ES — N: B — 1507 1687, folglich ist aus dieser zweiten Bestimmung M = 183000. .M' = 170006 oder im Mittel aus beiden Bestimmungen ? M — 195000 M' — 186000. . C2 20 WILHELM WEBER, im Stabe Nr. I. durch eine Kraft = 422 im Stabe Nr. II. durch eine Kraft = 440 hätte erzeugt werden können, eine Kraft, deren Wirkung der Wirkung der Coercitivkraft gleich zu setzen ist, durch die der Magnetismus in jenen Stäben beharrlich erhalten wird. Wendet man endlich auf die cylindrischen Stäbe Nr. I und IL, welche 12,6 Millimeter dick und 153,4 Millimeter lang waren, näherungsweise die von Neumann in Crelle's „Journal für die reine und angewandte Mathe- malik“ Bd. 37 für ellipsoidische Stäbe aufgestellte Regel an, indem man für den Cylinder ein Rotations- Ellipsoid von gleichem Rauminhalte setzt, dessen Axen sich wie 12,6 : 153,4 verhalten; so erhält man folgende Gleichungen: NE a RP aios . T tang i ago D D T tangi worin k, * die Werthe der Neumannschen magnetischen Constante be- zeichnen, oder die Grenzwerthe der von der Einheit der magnetischen Kraft hervorgebrachten Änderung des magnetischen Moments in der Volumeneinheit des Stahls, denen man sich desto mehr nühert, je mehr man die Dicke des Stabes gegen seine Länge verschwinden lässt. v bezeichnet den Rauminhalt = 4 . 12,6? . 153,4, und ist folglich | ur 49128. S bezeichnet einen von dem Verhältnisse der beiden Axen des Ellipsoids abhängigen Faktor, nämlich, wenn 153,4 mae — 12 $5 Sc cR h * = 1) = 001405, Hieraus ergiebt sich der Werth der magnetischen Constante für den glasharten und schon magnetisirten Stahl, im mn aus den —— der Stübe Nr. I und H, = 1,00339, o = 05. COMPONENTEN DER ERDMA HEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 21 Zur Vergleichung hiemit mögen noch erstens die Resultate angeführt werden, ‘welche durch ganz ähnliche Versuche mit denselben glasharten Stahlstäben Nr. I und II. erhalten worden sind, ehe sie magnetisirt wurden. Es ergab sich nämlich, dass die Inductionswirkung bei gemeinschaftlicher Um- drehung mit der Inductionsrolle für den Stab Nr.L, als er noch keinen be- harrlichen Magnetismus besass und als er den beharrlichen Magnetismus = B besass, sich verhielt wie 1,723: 1,549, und für den Stab Nr. IL, als er noch keinen beharrlichen Magnetismus besass und als er den beharrlichen Magne- tismus = B’ besass, sich verhielt wie 1,660: 1,507. Hieraus folgt der Werth der magnetischen Constante für gläsharten Stahl, der keinen beharrlichen ann besitzt, im Mittel aus den Beobachtungen der Stäbe Nr. I und II., k = 4,934. Zweitens für einen Stab von derselben Stahlsorte und fast gleichen Di- mensionen als die Stäbe Nr. I und II. (er war 153,4 Millimeter lang, 12,85 Millimeter dick und seine Masse war — 157500 Milligramm) von weichem Stahle ergab sich das Verhältniss der Inductionswirkung bei gemeinschafllicher Umdrehung desselben mit der Inductorrolle zu dem für die glasharten S Nr. I und II. gefundenen Mittelwerthe, als dieselben noch keinen beharrlichen Magnetismus besassen, wie 1,8457: 1,6915. Hieraus folgt der Werth der magnetischen Constante für weichen Stahl E oM. Drittens ergab sich für einen Stab von weichem Eisen, welcher 153,1 Millimeter lang, 11,5 Millimeter dick und dessen Masse — 125020 Milligramm ar, das Resultat, dass die Inductionswirkung bei gemeinschaftlicher Umdre- hung desselben mit der Inductorrolle sich zu der des vorhergehenden weiche Stahlstabs verhielt wie 2,868 : 1,8487. Hieraus folgt der Werth der magneti- schen Constante fu weiches Eisen k = 35,64. Dieses Resultat gilt zunächst blos von der hier gebrauchten Er und es fragt sich noch, ob nicht grössere Unterschiede im Werthe dieser Con- stanten zwischen verschiedenen Eisensorten vorkommen. In der That hatte sich aus früheren Versuchen, welche in den ;Elektrodyaamischen Maassbe- 22 WILHELM WEBER, stimmungen“ S. 577 beschrieben worden sind, der Werth der magnetischen Constante für weiches Eisen 4 = 43,57 ergeben; abgesehen aber davon, dass sich diese Angabe auf eine ganz andere Eisensorte bezieht, war dort, auf ganz anderem Wege, der durch sehr grosse (180 bis 740 Mal gróssere als die hier gebrauchten) Kräfte im Eisen erzeugte Magnetismus beobachtet und daraus eine Regel abgeleitet worden, welche auch zur Berechnung des durch kleinere Kräfte erzeugten Magnetismus und zur Berechnung des Werths der magnetischen Constante benutzt wurde. Es leuchtet aber ein, dass eine An- wendung einer solchen Regel, so fern von dem Kreise der Beobachtungen, auf welchen sie beruht, keine vollkommene Sicherheit gewühren kann. Eine nähere Prüfung, welche Unterschiede im Werthe der magnetischen Constante für verschiedene Eisensorten wirklich vorkommen, muss daher künftigen Unter- suchungen vorbehalten werden. Bei der Feinheit der Beobachtungen, welche die beschriebene Inductions- methode gestattete, wurde endlich eierfens auch noch der Versuch gemacht, ob nicht auf diese Weise auch eine Ánderung des Magnetismus bei Krystallen von Magneteisenstein durch den Erdmagnetismus wahrgenommen werden könne, wenn dieselben vor der Erde gedreht werden. Es wurden drei grosse Kry- stalle von Magneteisenstein untersucht, welche Hr. Geheime Hofrath Haus- mann die Güte gehabt hatte aus seiner Privatsammlung zu diesem Zwecke zu leihen, und es wurde eine besondere mit dem Inductordrahte umwundene Kapsel angefertigt, in deren Mitte die Krystalle bei Ausführung der Versuche fest eingeschlossen werden konnten. Es ergab sich aus einer mit dem gröss- ten dieser drei Krystalle, welcher 9760 Cubikmillimeter Rauminhalt und 48260 Milligramm Masse hatte, ausgeführten Versuchsreihe eine Anderung seines Magnetismus nach absolutem Maasse durch die Einheit des Erdmagnetismus 2400, wihrend der beharrliche BE welchen dieser Krystall durch starke Magnetisirung annahm, = 317700 gefunden wurde. Ein ganz ähnliches Resultat lieferten auch die beiden klei- neren Krystalle. COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 23 Dieses Resultat ist darum merkwürdig, weil dadurch die Ansicht wider- legt wird, dass die Ursache von der Änderung des Magnetismus in Kórpern von grosser Coercitivkraft durch kleine Kräfte darin liege, dass diese Kórper weiche Eisentheilchen (oder überhaupt Theilchen von sehr geringer Coercitiv- kraft) eingeschlossen enthielten. Wäre eine solche Beimischung der wahre Grund jener Aenderung, so dürften in einem homogenen Kórper, wie die zuletzt untersuchten Krystalle, wo allen Theilchen eine gleiche Coercitivkraft zugeschrieben werden muss, solche Aenderungen gar nicht statt finden. Lehrt nun aber die Erfahrung, dass sie dennoch statt finden, so lässt sich daraus folgern, dass überhaupt die Annahme unrichtig sein müsse, wonach die Magnelisirung der Körper auf Scheidung magnetischer Fluida in ihren Mole- culen, und der beharrliche Magnetismus der Körper auf ihrer Coercitiekraft beruht. Es ergiebt sich also daraus ein neuer Grund, auf Ampöre’s An- nahme zurückzukommen, wonach die Magnetisirung der Körper nicht auf Scheidung magnetischer Fluida in ihren Moleculen, sondern auf Drehung ihrer Molecule beruht. Denn nach dieser letzteren Annahme- befindet sich jedes Molecule, wenn keine äusseren Kräfte darauf wirken , sowohl in Beziehung auf seinen Orf, als auch in Beziehung auf seine Lage (Richtung seiner magnetischen Axe) in einem durch alle Kräfte der molecularen Wechsel- wirkung bedingten stabilen Gleichgewichte, welches durch die geringste magnetische Kraft, die von aussen darauf wirkt und ein Drehungsmoment auf die einzelnen Molecule ausübt, gestört werden müsse, und sich unter dem Einflusse dieser äusseren Kraft nur nach einer, wenn auch noch so wenig, veränderten Lage der Molecule oder Richtung ihrer magnetischen Axen wie- derherstellen könne, womit nothwendig eine Aenderung des Magnetismus. des Körpers verbunden ist, wonach also die Aenderung des Magnetismus durch die geringsten Kräfte nicht blos möglich, sondern nothwendig erscheint. Nach Ampere’s Annahme: findet also zwischen Beharrlichkeit eines Theils und Veränderlichkeit eines anderen Theils des Magnetismus eines und des- selben Körpers auch bei vollkommener Homogeneität kein Widerspruch statt. Der Unterschied zwischen hartem Stahl und weichem Eisen, den man sonst in der Coereitivkraft suchte, ist aber nach Ampère darin zu setzen, dass es für die Eisemmolecule nur eine einzige stabile Gleichgewichtslage, für die 24 WILHELM WEBER, Stahlmolecule dagegen mehrere giebt, und dass beim Stahle durch grössere Kräfte eine grössere Anzahl Molecule aus ihrer ursprünglichen Gleichgewichts- lage so weit entfernt werden können, dass sie nicht wieder in dieselbe zurückkehren , sondern zu einer andern Gleichgewichtslage umschlagen. II. Bestimmung der rechtwinkeligen Componenten der erd- ‚magnetischen Kraft in Göttingen von 1854 — 1855. Die im vorigen Abschnitte betrachtete Veränderlichkeit des Stabmagne- tismus hat auf die Messung des Erdmagnetismus Einfluss, weil bei dieser Messung die Schwingungsdauer des Ablenkungsstabes und das von ihm auf eine Hülfsnadel (Magnetometer) ausgeübte Drehungsmoment bei verschiedener Lage beobachiet wird, erstere nämlich während der schwingende Ablenkungs- stab dem magnetischen Meridiane parallel, letzteres während der fest aufge- stellte Ablenkungsstab senkrecht gegen den magnetischen Meridian gerichtet ist. Weil nun der Magnetismus des Stabes in diesen beiden Lagen verschieden ist, so leuchtet die Nothwendigkeit einer Reduction dieser Beobachtungen ein, ehe sie zur Berechnung des Erdmagnetismus gebraucht werden können. So klein nun auch der daraus entspringende Einfluss auf das Resultat der Messung ist, so sollen hier doch die im vorigen Abschnitte über die Veränderlichkeit des Stabmagnelismus gewonnenen Resultate zur näheren Bestimmung dieses Einflusses in Anwendung gebracht ünd daran die Übersicht der bisher ge- fundenen Werthe der magnetischen Elemente in Göttingen nebst ihren secularen Variationen geknüpft werden. Die im 5ten Bande dieser Abhandlungen mitgetheilten Inclinationsmes- sungen haben. durch Vergleichung mit den früheren von Humboldt und Gauss ausgeführten Messungen für die Inclination in Góllingen am Anfange - des Jahres 1850 den Werth von 67923'43" ergeben, mit der jährlichen Abnahme von 2“ 2“ 29 und mit der jährlichen Verminderung dieser Abnahme um 17337, wonach sich die Inclination 4 am Anfang des Jahres # durch fol- gende Gleichung darstellen lässt : i = 07923'43" — 122“ 29 . (t — 1850) + 17337 (4 — 1850)2. Ebenso hat sich aus den unter der Leitung von Gauss im magnetischen COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 25 Observatorium zu Göttingen ausgeführten und für den Zeitraum von April 1834 bis März 1845 vom Professor Goldschmidt berechneten Declinations- beobachtungen für die Declination in Göttingen zu Michaelis 1834 der Werth von 189 39° 32” 16 (westlich) ergeben, mit der jährlichen Abnahme von 3°7°77 und mit dem jährlichen Wachsthume dieser Abnahme um 14" 61, wonach sich die Declindtion d am Anfange des Jahres / durch folgende Gleichung darstellen lässt: à:z-:18039' 32", 16 — 187717 . (4 — 1834,75) — 14" 61 (t — 1834,75}. Zu einer vollständigen Kenniniss aller magnetischen Elemente in Göttingen wäre es endlich erforderlich und wünschenswerth, dass auch für die Aori- zonlale Intensität in Göttingen ausser der Bestimmung ihres Werthes für ein bestimmtes Jahr auch der diesem Jahre entsprechende Werth der jährlichen Änderung, nebst deren jährlicher Zunahme oder Abnahme, gegeben wäre, was aber jetzt, wo kaum 20 Jahre seit der ersten Ausführung einer Intensi- tälsmessung nach absolutem Maasse verflossen sind, noch nicht möglich ist. Es reicht indessen dieser 20jahrige Zeitraum doch hin, um ausser dem Werthe der horizontalen Intensität für ein bestimmtes Jahr auch die jährliche Aende- rung nach ihrem Mittelwerthe für diesen Zeitraum zu bestimmen. Dazu kónnen folgende von Prof. Goldschmidt in den „Resultaten aus den Beob- achtungen des magnetischen Vereins im Jahre 1840« S. 155 zusammengestellte Resultate der bisherigen Messungen benutzt werden. Zeit. Horizontale Intensitàt ^ in Göttingen. 1834. Jul. 19 1,77480 1839. Sept. 10 1,78200 1840. Sept. 10 1,78173 1841. Aug. 1 1,78477. Es fehlt nur noch an einer in den letzt verflossenen Jahren ausgeführten Messung, um den Werth der jährlichen Zunahme der horizontalen Intensität, die schon in den angeführten Resultaten deutlich hervortritt, genauer zu be- stimmen. : Eine solche Messung der horizontalen Intensität habe ich nun im Juli 1853 gemacht und habe dabei die beiden Magnetstäbe als Ablenkungsstäbe Mathem. Classe. VI. D 26 WILHELM WEBER, benutzt, deren vweränderlicher Magnetismus im vorhergehenden Abschnitte untersucht worden ist, wodurch es möglich wurde, den wenn auch geringen Einfluss, welchen dieser veränderliche Magnetismus auf das Resultat der Mes- sung hat, in Rechnung zu bringen. Ohne hier auf das Detail dieser neuen Messüng einzugehen, bemerke ich nur, dass zur Hervorbringung der Ablenkung die beiden eben erwähnten Magnetstäbe immer zugleich benutzt wurden und zwar so, dass sie auf ent- gegengesetzten Seiten der Magnetometernadel in einer gegen den magnetischen Meridian senkrechten Richtung immer ganz symmetrisch, aber mit gleich- gerichteten Polen, lagen. Die Beobachtungen der Schwingungsdauer dieser beiden Ablenkungsstäbe wurden so angeordnet, dass die des einen Stabs den Ablenkungsversuchen unmittelbar vorausgingen, die des andern den Ablen- kungsversuchen unmittelbar folgten. — Die Entfernung der Mitte der beiden Ablenkungsstäbe östlich und westlich von der Mitte der Magnetnadel (welche 100 Millimeter lang war) betrug bei den verschiedenen Ablenkungsversuchen entweder 800,455 Millimeter oder 600,39 Millimeter. Die bei der ersteren Entfernung von beiden Stäben hervorgebrachte Ablenkung ist in der folgenden Tafel mit v, die bei der letzteren Entfernung mit v bezeichnet; die unmittelbar vor und nach diesen Ablenkungen beobachteten Schwingungsdauern der bei- den Stäbe mit /' und 7". Die Trägheitsmomente der beiden schwingenden Stäbe nebst Spiegel und Schiffchen waren = 304769000 und = 305659000 gefunden worden, Millimeter und Milligramm zu Raum- und Massenmaass genommen. In der letzten Columne der folgenden Tafel sind endlich die aus gleichzeitigen Beobachtungen des Bifilarmagnetometers gefundenen Intensitüts- variationen beigefügt worden, welche zwei Tage lang, von Jul. 28. 22^ bis Jul. 30. 22^, von zwei zu zwei Stunden wiederholt für diesen ganzen Zeit- raum eee Mittelwerth ergaben: Jul. 29. 22^ . . 1.00405. COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 27 -Tafel der beobachteten Ablenkungen und Schwingungsdauern. Göttingen, 1853. Zeit Ablenkungen Schwingungsdauer Intensitüts- v v Ü I" variation Jul. 28 21^ . 4012'23" 9056 6" 9",5516 1073722 1,00344 23^ . 4011'40" 9954'20" | 9",55106 10"4014 1,00372 Jul 29% 48 — 4011 12" 9953'25" 9% 5506 104014 1,00450 3 4011107 90 53748“ 9% 5506 1073934 1,00430 19^ 401322“ 90 5733“ 9,5354 10",3634 1,00245 21 9991996 90 57 10“ 95354 10”,3710 1,00273 29^ ... *4042' 53" 90 56˙47“ 9,5329 10”,3710 1.00335 Jul. 30 1^ 40 12˙34“ 90 56˙31“ 985329 10,3787 1,00282 9^ 401156” 905441” 95411 107,3787 1,00371 54 — 4011'51" 9054'54" . 9",5411 103815 . 1,00425 19“ 491928" 905835" 9",5201 103507 1,00312 aP NOR QE. 905754” 9"5291 10,3697 1,00268. Fügt man endlich die aus den Beobachtungen des ersten Abschnitts erhaltene Bestimmung hinzu, dass nämlich die Stärke des Magnetismus eines der beiden Ablenkungsstäbe durch jede Einheit der nach der magnetischen Stabaxe ge- richteten Componente der erdmagnetischen Kraft im Mittel um £o TA ds — 44250 Einheiten wachse, und setzt ferner 800,4555 . tang e — 600,395 . tang v 2 (800,455? — 600,392) us 7304769000 305659000 pim x08 1 diim o adi orti so erhält man die horizontale Intensität des Erdmagnetismus T und den Magne- tismus der Ablenkungsstäbe M’ und M” F a E 2c o — an „ Üt T D2 28 WILHELM WEBER, M" — cT. 305659000 nn dod. Mil en Hienach sind die Werthe von 7, M’ und M" in folgender Tafel berechnet worden. Die so gefundenen in der zweiten Columne angeführten Werthe von T lassen sich nun noch leicht mit Hülfe der beobachteten Intensitütsvariationen so reduciren, dass sie dem Mittelwerthe der in dem Zeitraume von Jul. 28. 22^ bis Jul. 30. 22^ beobachteten Intensitütsvariationen entsprechen, und sind nach dieser Reduction in der ten Columne angegeben. In der letzten Columne ist der Unterschied der einzelnen Werthe der vorigen Columne von ihrem Mittelwerthe . bemerkt. r Berechnete Werthe der horizontalen Intensität des Erdmagnetismus T und des Magnetismus der Ablenkungsstäbe M’ und M”. Es war also die horizontale Intensität in Göttingen im Jahre 1853 Jul. 29. 224, T = 1,801445 Zeit T M’ M” T Unterschied . Göttingen 1853, mit Variation Se ohne Variation Jul. 28. 21^ 1,80010 18235900 15497800 1,80122 — 0,00022 23^ 1,80043 18232500 15407600 1,80105 — 0,00039 Jul. 29. 1^ 1,80224, 18218000 15392100 1,80145—0 * 3^ 1,80354 18204800 15390500 1,80313 + 0,00168 19^ 1,79730 18326800 15548600 1.80020 — 0,00124 21^ — 1,279811 18318500 15518700 . 1,80051 — 0,00093 23^ 1,199371 . 18315300 15507700 1, 80066 — 0,00078 Jul. 30. 1^ 1,80082 18300500 15472100 1,80306 + 0,00161 3^ 1,80152 18261800 15466100 1,80214 + 0,00069 9^ 1,80241 18252100 15450000 1,80208 + 0,00063 19^ 1,80019 18321500 15561800 1,80189 + 0,00044 21^ 1,79746 18349500 15528200 1,79995 — 0,00149 Mittel 1,80 1445. J befreiet von dem Einfluss der unregelmässigen und der regelmässigen täglichen Variationen, nämlich so wie sie dem Mittelwerthe der von Jul. 28. 22% bis Jul. 30. 22^ beobachteten Variationen entspricht, Es lassen sich nun hiermit die oben angeführten Resultate der früheren COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 29 Intensitätsmessungen vergleichen; nur ist es nöthig, den Einfluss welchen die Veränderlichkeit des Nadelmagnetismus hat, bei den früheren Messungen ebenso wie bei der letzten in Rechnung zu bringen, was unter der Annahme ge- schehen kann, dass der Stahl der zu den früheren Messungen gebrauchten Ablenkungsstäbe, in Beziehung auf beharrlichen und veränderlichen Magne- tismus, von dem Stahl der zuletzt gebrauchten Ablenkungsstäbe nicht wesentlich verschieden sei. Setzt man nämlich demgemüss das Verhältniss des mit c bezeichneten veränderlichen Magnetismus zu dem beharrlichen Magnetismus M bei den früheren Ablenkungsstäben dem für die letzteren gefundenen gleich, d. i. c 44250 1 M 19050000 — 430' so müssen die durch die früheren Messungen gefundenen Werthe von T mit c 1 Qu anm cam multiplicirt werden, woraus sich folgende Resultate ergeben: 1834 Jul. 19 T == LOE 1839 Sept. 10 T — 1,77462 1840 Sept. 10 7 = 1,77435 1841 Aug. 1 T= 1.77736. Fügt man noch das Resultat der letzten Messung hinzu, nämlich: 1853 Jul. 29 T = 1.80144, so ergiebt sich aus der Vergleichung der ersten und letzten die horizontale Intensität in Göttingen 1844 Jan. 24, T = 1,784455 mit der jährlichen Zunahme = 0,001785, d.i. nahe ug Procent, wonach sich die horizontale Intensität in Göttingen T am Anfang des Jahres / durch folgende Gleichung darstellen lässt: T = 1,184455 + 0,001785 (f — 1844,066). Berechnet man nun für die nämliche Zeit (1844 Jan. 24) nach den oben angeführten Formeln die Declination und Inclination und deren jährliche Ände- rung, so erhält man die Declination = 1704915” 36 mit der jährlichen Ab- nahme = — 1'39"95; die Inclination S 61936 35" 15 mit der jährlichen Abnahme = — 92'18"16, wonach sich die Declination d und die Inclination i in Göttingen im Anfange des Jahres # auf ähnliche Weise wie die horizontale 30 WILHELM WEBER, Intensität T darstellen lassen, nämlich durch folgende Gleichungen: ò = 17049'15"36 — 459",95 . (£ — 1844,066) i = 67036'35°75 — 138,16 . (f — 1844,066). Die ganze Intensität erhält man hieraus für die nämliche Zeit (1844 Jan. 24) — 4,684726 mit der jährlichen Abnahme — — 0,002931. Endlich werden daraus folgende Formeln für die drei rechtwinkeligen Componenten der erd- magnetischen Kraft in Göttingen abgeleitet: | X = 1,008833 + 0,002917 . (f — 1844,066) Y = 0,946117 — 0,003242 . (£ — 1844,066) Z = 4331558 -— 0,003906 . (4 — 1844,066). Bun Reduction der Variations - Beobachtungen des horizontalen Erdmagnetismus durch correspondirende Beobachtungen des Stabmagnetismus beim Bifilar -Magnetometer. Die Beobachtungen der Intensität des Aorizontalen Erdmagnetismus an einem Orte lassen sich in zwei Classen theilen, nämlich in solche, durch welche die absolute Intensitát zu einer gewissen Zeit für sich allein bestimmt wird, und in solche, durch welche die Intensitäten zu verschiedenen Zeiten nur verglichen werden. Die letzteren heissen, wenn sie in kürzeren Zwischen- zeiten ausgeführt werden, die Variationsbeobachtungen des horizontalen Erd- magnetismus und werden mit dem transversal gestellten Bifilarmagnetometer gemacht, womit aber Beobachtungen des Thermometers verbunden werden müssen, wegen der Veränderungen, welche der Magnetismus der Nadel durch die Temperatur erleidet. In der That erleidet der Stabmagnetismus (durch die Temperatur) mit der Zeit verhältnissmässig oft ebenso grosse Verände- rungen, als die für den Erdmagnetismus beobachteten, und es findet zwischen beiden nur der Unterschied statt, dass jene gewöhnlich sehr langsam, diese sehr schnell wechseln. Es genügt zum Beispiel ein Temperaturwechsel von 4—5 Graden im Laufe eines Tages, um eine Variation des Stabmagne- tismus hervorzubringen, die ebenso gross ist, wie die tägliche Variation des Erdmagnetismus. Hieraus folgt, dass die am Bifilarmagnetometer unmittelbar beobachteten Variationen ihren Ursprung fast gleichmässig in Variationen des COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 3l Stabmagnetismus wie in Variationen des Erdmagnetismus haben, und dass folglich aus den Beobachtungen des Bifilarmagnetometers, auch wenn man die aus den Temperaturbeobachtungen so genau wie möglich abgeleiteten Va- rialionen des Stabmagnetismus in Abrechnung bringt, die Variationen der Intensität des Erdmagnetismus doch bei weitem nicht mit solcher Sicherheit erhalten werden können, wie die Variationen der Declination aus den Beob- achtungen des Unifilarmagnetometers; denn dazu lassen sich die Variationen des Stabmagnelismus aus den beobachteten Temperaturen nicht genau genug bestimmen. Es ist daher schon in den „Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins im Jahre 1840« ein Vorschlag, die Variationen des Stabmagnetismus beim Bifilarmagnetomeler unabhängig von der Temperatur zu. bestimmen, gemacht worden, der aber bisher noch zu keiner praktischen Ausführung und Anwendung gekommen zu sein scheint. Hievon liegt wahr- scheinlich der Grund theils in den dazu erforderlichen Einrichtungen, theils aber auch darin, dass die Variationen des Slabmagnelismus, wenn sie auch ebenso gross sind wie die des Erdmagnetismus, doch gewöhnlich, wie schon erwähnt worden, sehr langsam und allmählig eintreten und daher in allen Fällen sehr schnell wechselnder erdmagnetischer Variationen für die kurze Dauer dieser letzteren wenig in Betracht kommen. Gerade diese Fälle aber haben bisher vorzugsweise bei den magnetischen Beobachtungen die Aufmerksamkeit gefesselt, z. B. die Erscheinungen der magnetischen Gewitter, welche gleich- zeitig mit Nordlichtern beobachtet werden. Zur Erforschung solcher Variationen ‚genügen die Beobachtungen des Bifilarmagnetometers allein und man bedarf dabei nicht einmal der Temperaturbeobachtungen. Auch in den gewöhnlichen magnetischen Terminen sind es in der Regel solche schnell wechselnde Varia- tionen, welche, wenn sie auch kleiner sind, doch vorzugsweise interessiren, besonders durch ihre genaue Correspondenz an weit entfernten Orten, und bei deren Beobachtung mit dem Bifilarmagnetometer die Variationen des Stab- magnelismus aus gleichem Grunde nicht in Betracht gezogen zu werden brauchen. j j vi | Anders verhält es sich aber, wenn die Variationen zu dem Zwecke beobachtet werden sollen, um magnetische Messungen, die an verschiedenen Tagen und zu verschiedenen Tageszeiten gemacht worden sind, auf einander 32 WILHELM WEBER, zu reduciren, um sie an einander zu prüfen oder zu genauen Mittelwerthen zu verbinden. Der schon früher gemachte Vorschlag, um diesem Zwecke vollständig zu genügen, besteht in einer Anwendung des Prineips, auf welchem die Methode der absoluten Intensitätsmessung beruht, nämlich darin, dass man mit der Beobachtung des Bifilarmagnetometers, welche den Erdmagnetismus durch sein Product in den Stabmagnetismus bestimmt, die Beobachtung einer Hülfs- nadel gleichzeitig verbindet, welche den Erdmagnetismus durch sein Ver- hältniss zu dem aus gegebener Ferne wirkenden Stabmagnetismus kennen lehrt. Soll nun die Ausführung dieses Vorschlags allen Bedürfnissen so wie der Bequemlichkeit des täglichen Gebrauchs und der Feinheit des ganzen Instru- ments entsprechen, so muss zweierlei vorausgesetzt werden können, nämlich ein Bifilarmagnetometer 1) mit sehr starker Nadel, 2) mit sehr hoher Auf- Die Nadel des Bifilarmagnetometers muss so stark sein, dass sie auf eine Hülfsnadel in beträchtlicher Entfernung dasselbe Drehungsmoment wie der Erdmagnetismus ausüben könne; denn müsste die Hülfsnadel dem Bifilar- magnetometer sehr genühert werden, so verliert das Instrument an Feinheit und Sicherheit und die vorgeschlagene Verbesserung selbst ihre praktische Bedeutung. Jene Entfernung soll deshalb wenigstens 1000 Millimeter betragen. Bezeichnet M den Magnetismus der Nadel des Bifilarmagnetometers, T den horizontalen Erdmagnetismus, so kann das Verhältniss M 1000 S zur ee des DN dienen; „ welches die Nadel des Bifilarmagnetometers aus 1000 Millimeter Entfernung auf die Hülfsnadel ausübt, mit dem von der Erde auf die Hülfsnadel ausgeübten Drehungsmomente, woraus hervorgeht, da T = 1,8 gesetzt werden kann, dass die Erfüllung obiger Bedingung eine Nadel — deren Magnetismus — 1800000000 ist, was nur mit einem 3 10 Pfund schweren Magnetstabe zu er- reichen ist. Es ist aber sehr vortheilhaft, noch stärkere Nadeln anzuwenden, wie z. B. die 25pfündige Nadel, welche Gauss zu dem in den „Resultaten COMPONENTEN DER .ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 33 für 1837“ beschriebenen Bifilarmagnetometer gebraueht hat, welches jetzt in dem Local des physikalischen ‚Instituts aufgestellt sich befindet. und mit dem hier die Intensitäts- Variationen an den magnetischen Terminen beobachtet werden. Die Hole der 8 des Bifilarmagnetometers is en um dem Abstande der beiden Aufhängungsdrähte eine angemessene Grösse zu geben, was nur bei einer beträchtlichen Länge der Aufhängungsdrähte möglich ist, und dabei noch hinreichenden Raum unter dem Bifilarmagnetometer für die Hülfsnadel und zu deren bequemer Beobachtung- frei zu behalten. In dem physikalischen Institute war zu diesem Zwecke durch die Durchbrechung zweier Fussbóden eine Aufhängungshöhe von 35 Fuss gewonnen worden, Die Hülfsnadel selbst ist ein zweites Unifilarmagnelomeler, mit Spiegel versehen und wird ebenso mit Fernrohr und Skale beobachtet. Rechnet man diese Hülfsnadel hinzu, so ergiebt sich, dass man dann im Allgemeinen zur Beobachtung der Variationen des horizontalen Erdmagnetismus, d.i. zur Beob- achtung der Variationen der Declination und horizontalen Intensität, zusammen dggi Magnetometer gebraucht, wovon das erste (Unifilarmagnetometer I.) das normale heissen kann, weil seine Nadel sich im magnetischen Meridiane be- findet; das zweite (Bifilarmagnetometer) das transversale heissen kann, weil seine Nadel senkrecht gegen den Meridian steht; das dritte (‚Unifilarmagneto- meter II.) das diagonale heissen kann, weil seine Nadel den Winkel der beiden erstern Nadeln halbirt. Es ist interessant, das Verhältniss dieser 3 Magnetometer näher zu betrachten. Nämlich erstens das normale Unifilarmagnetometer ändert seinen Stand nur mit der Declination; zweitens das transversale Bifilarmagnetometer ändert seinen Stand (wenn seine Suspension und sein Magnetismus constant bleiben) nur mit der Intensität; drittens das diagonale Unifilarmagnetometer würde (wenn die Richtung und Grösse der von der Nadel des Bifilarmagnetometers ausgeübten Kraft constant blieben) seinen Stand mit der Declination und In- tensität zugleich ändern und zwar so, dass seine Änderung der halben Summe der Änderungen der beiden ersteren Nadeln gleich wäre. Da aber die Rich- tung der von der Nadel des Biößlarmagnetometers ausgeübten Kraft: nicht con- stant bleibt, sondern sich mit dem Stande dieser Nadel ändert; 80 ergiebt . Mathem. Classe. VI. E 34 WILHELM WEBER, sich, dass dadurch der von der Intensität abhängige Theil der Standänderung des diagonalen Unifilarmagnetometers aufgehoben wird und dass folglich letz- teres seinen Stand, gleich dem normalen Unifilarmagnetometer, blos mit der Declination ändert, und dass diese Änderung für das erstere immer halb so viel wie für das letztere beträgt: also wenn æ die Declinationsänderung be- zeichnet, so ist die Standänderung des diagonalen Unifilarmagnetometers G, S — Jas Die Standänderung des transversalen Bifilarmagnetometers giebt aber dann (wenn nämlich der Magnetismus seiner Nadel constant bleibt) bei einer normalen Torsion der Aufhängungsdrähte um 450 die Änderung der horizon- talen Intensität in Theilen der ganzen horizontalen Intensität ausgedrückt, also wenn 7 jene Standänderung, in Theilen des Halbmessers ausgedrückt, bezeichnet: 3 Bleibt aber der Magnetismus der Nadel des transversalen Bifilarmagne- tometers nicht constant, so giebt sich jede Anderung desselben dadurch Lu erkennen, dass Gcr 2 T Cin ist, -— die Differenz G — ia selbst drückt dann den x von der Änderung des St tismus herrührenden Theil der Standánderung des transversalen Bifilar- aus, den man von der ganzen Standánderung y nur abzuziehen braucht, um die Änderung der Intensität des horizontalen wege in Theilen dieser Intensität ausgedrückt zu u nämlich: 1 i) = . F: Es ist hiebei aber vorausgesetzt worden, dass die statischen Elemente der Magnetometer constant seien. Nun ist bekannt, dass diese Elemente in Folge der Ausdehnung der Metalle durch die Temperatur Änderungen erleiden, wenn auch nur kleine. Es ist aber interessant und für die praktische Aus- führung wichtig, dass die Metalle, deren Temperaturänderungen auf jene Elemente Einfluss haben (die Metalle der Aufhängungsdrähte und der Stege, durch welche der Abstand der Aufhängungsdrähte von einander bestimmt wird), COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 35 so gewählt werden können, dass die von ihnen herrührenden Änderungen der statischen Elemente auf die Magnetometerstände sich in der Weise com- pensiren, dass die Änderung der Intensität des horizontalen Erdmagnetismus aus den beobachteten Magnetometerständen a, ©, y ebenso gefunden wird, wie wenn gar keine Ausdehnung der Metalle durch die Temperatur statt fände, nämlich nach der eben angeführten Formel: 1 — 6 1% F Zur nähern Begründung dieses Satzes ist es nothwendig auf die Gleichungen des Gleichgewichts des Bifilarmagnetometers und des damit verbundenen Uni- filarmagnetometers, welches kurz die Hülfsnadel heissen möge, zurückzugehen. Es bezeichne T den horizontalen Theil der erdmagnetischen Kraft, M den Magnetismus der Nadel des Bifilarmagnetometers, m den Magnetismus der Hülfsnadel, O die statische Directionskraft des Bifilarmagnetometers, x, den Winkel, welchen die Nadel des Bifilarmagnetometers mit dem magne- tischen Meridiane macht, Q den Winkel, welchen die Hülfsnadel mit dem magnetischen Meridiane macht, * den Winkel, welchen die Richtung der statischen Directionskraft des Bi- filarmagnetometers mit dem magnetischen Meridiane macht, r den Abstand der senkrecht über einander liegenden Mittelpunkte beider Nadeln. Die drei auf die Nadel des Bifilarmagnetometers wirkenden Directionskräfte sind dann: Hm TM; Q; z5 | Die Winkel, welche die Nadel mit den Richtungen dieser drei Kräfte macht, au x X U x—( t) folglich die Drehungsmomente dieser drei Kräfte ` Hm TM sin y; O sin (y — v); 2E sin (p — y), woraus sich die Gleichung des rare des Bifilarmagnetometers er- giebt, wenn man die Summe dieser drei Drehungsmomente = O setzt: E2 36 WILHELM WEBER i i Am j (1) - TM sin x + Q sin (y — v) + = sin (y — x) = 0. Die zwei auf die Hülfsnadel wirkenden Directionskräfte sind: Mm Tm; = Die Winkel, welche die Hülfsnadel mit den Richtungen dieser beiden Kräfte macht, sind: Ar Pe rm, folglich die Drehungsmomente dieser beiden Kräfte: . Mm Tm sin g; =: sin (y — ), woraus sich die Gleichung des Gleichgewichts der Hülfsnadel rec wenn man die Summe beider Momente =. O setzt: (2) Tm sin gi TS. sin (y — 0 = 0. Differentiirt man nun diese URL ue rh crime un (1) und (2) und l m dm beachtet dabei, dog. 3" und — 5 sehr klein sein sollen, wonach das Differential des dritten Gliedes in (1) ee, werden darf; so erhält man folgende beiden Gleichungen: (3) Msiny.dT+ Tsiny.dM+ sin (; — y). d + (TM cosz + Q cos(x — . dz — Q cos (x — v). * — 0 aq. sin». ar sin (ye). au (Teose ens [y e). de +Z cos ). dg sig o). dr — 0. Führt man nun in den Gleichungen (1) (2) (3) 57 für x den durch die geforderte transversale Lage gegebenen Werth ^- Momo 909 ein und setzt, indem man die am normalen‘ Uuifilarmagnetometer Mee Declinationsänderung mit c, die beobachtete Anderung des Standes der Hülfs- nadel mit & und die beobachtete Änderung des Standes des Bifilarmagneto- meters mit y bezeichnet, - ; ; i 2 Tes 92 —5 * 5 4 3 iL, so erhält man aus (1) und (2) ! -— 755 = ung 6, — — COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 37 Substituirt man diese Werthe in den ern (3) und (4) und vernach- lässigt die mil dem kleinen Bruch - multiplicirten Dilferentialien, so erhält man die beiden Gleichungen d + e 8 — yang 20 d—e 4 cot Ot E (lagg + cot) — y tang 9 + 3p — 0 — oder nne — 4 (ang g k,, E My Tr il 0 (5) e = — 4 colg . u + A (tang y + cot y). C — 4 (tang y — tang w). y + 4 (E + 30 (6) wo à und e die gesuchten Variationen des porc mes Erdmagnetismus und des Stabmagnetismus bezeichnen. Hat nun, wie leicht geschehen kann, 9 den normalen Werth von 450 und «p den normalen Werth von -- 1359 erhalten, so vereinfachen sich die beiden Gleichungen (5) und (6) und man erhält dafür jy —(6-32)4 ( 39 (1) e= d (5 be) + 3. (&+ 3). (8) des Abstands der Aufhängungsdrähte an ihrem en Eude Lok 4 und an ihrem unteren Ende — ia und y von der Änderung ihrer Länge — =e ab, nämlich £- a Ä Sind die Aufhängungsdrähte von Eisen und gehen ofen über eine Rolle von Messing und sind unten an einem Stege von Zink befestigt, so verhält sich für gleiche af aller Theile nahe A iE EX A Die Änderung der iilos d beiden Nadeln ọ hängt von der Ausdeh- nung des Drahts ab, welcher zur Aufhängung der Hülfsnadel am Bifilar- magnetometer ee wird. Ist dieser Draht von me so ist p folglich é! PER = 5 — 2: 2, woraus - F sich ergiebt. Es reduciren sich dann die RER M und Io aof: sm nen (9) 3e f (Bee) ee 10) 38 WILHELM WEBER, Statt die Aufhängungsdrähte oben über eine Messingrolle gehen zu lassen und unten durch einen Zinksteg zu verbinden, kann man sie auch oben über eine Zinkrolle gehen lassen und unten durch einen Messingsteg verbinden, ohne dass die Gleichungen (9) und (10) ihre Geltung verlören; es findet aber zwischen diesen beiden Fällen ein erheblicher Unterschied statt, wenn die Temperaturänderungen an den beiden Enden verschieden sind. Verhält sich nämlich die Temperaturänderung unten und oben wie und nimmt man als mittlere Temperaturünderung der Aufhängungsdrähte das arithmetische Mittel von beiden an; so findet man im ersteren Falle d = y — (6 — ia) + ike — + ( — $a) + @+ 10 im letzteren Falle à = y — (E — 4a) + ke te +) (Ee : d.i die wegen Ungleichheit der Temperatur an beiden Enden erforderliche Correction der Beobachtungen des horizontalen Erdmagnetismus beträgt in dem letzteren Falle doppelt so viel wie in dem ersteren und es verdient deshalb die erstere Einrichtung den Vorzug. Beträgt die Temperaturdifferenz an bei- den Enden 19 cent.; so ergiebt sich nach der ersteren Einrichtung eine Cor- rection, welche noch nicht den 200000sten Theil der ganzen Intensität er- reicht, also so klein ist, dass sie füglich ganz unberücksichtigt bleiben kann. Es móge hier noch zum Schlusse eine kurze Beschreibung der Einrich- tung selbst nebst der Regulirung, so wie ein "ke von den damit gemachten Beobachtungen gegeben werden. 1. Beschreibung der mit dem Bifilarmagnetometer in Góttingen verbundenen Hülfsnadel. Das Bifilarmagnetometer, mit welchem die Hülfsnadel in Göttingen ver- bunden worden ist, findet man in den ;Resultaten im Jahre 1840« genau beschrieben und abgebildet und es brauchen daher hier nur folgende kleine Abünderungen bemerkt zu werden, welche der damit zu verbindenden Hülfs- nadel wegen daran vorgenommen wurden. Erstens wurde der Eisendraht ; welcher zur Aufhängung des Bifilar- magnetometers diente, an der Decke statt über zwei kleine Rollen, welche COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 39 gegen einander verschoben und in schicklicher Entfernung fixirt werden konn- len, über eine einzige grosse und starke von Messing gegossene und genau abgedrehete Rolle geführt, durch welche die beiden herabhängenden Draht- enden in schicklicher Entfernung von einander gehalten werden. Diese Ent- fernung lässt sich allerdings nun gar nicht mehr verändern, was aber auch nicht nóthig ist, weil sich kleine Correctionen der statischen Directionskraft durch die Entfernung der Drähte unten am Schiffehen bewirken lassen; denn die beiden Drähte brauchen bekanntlich nicht genau parallel zu sein. Durch Leitung über eine so grosse Rolle erhält der Draht keine bleibende Krümmung und es findet eine vollkommene Ausgleichung der Spannung auf beiden Seiten immer statt. Der Abstand der beiden Aufhängungsdrähte an ihrem oberen Ende wird dadurch von der Temperatur- Ausdehnung des Messings abhängig gemacht. Diese Messingrolle ist mit einer langen und starken zwischen zwei festen Spitzen drehbaren Axe versehen. Zweitens wurde unten am Schiffehen das messingene Verbindungsstück der beiden Aufhängungsdrähte mit einem von Zink vertauscht, wodurch der Abstand der beiden Aufhängungsdrähte an ihrem unteren Ende von der Tem- peratur- Ausdehnung des Zinks abhängig gemacht wurde. Drittens wurde auf der untern Seite des Schiffchens die Spe den der Hülfsnadel angebracht, welche so eingerichtet war, dass sie eine feine He- bung, eine messbare Drehung (mittelst Torsionskreises) und Fixirung des - feinen Eisendrahts gestattete, an welchem die Hülfsnadel hing: die feine Hebung diente zur Regulirung des Abstands der Hülfsnadel von dem Bifilar- magnetometer, der Torsionskreis zur Einstellung des Nullpunkts der Torsion. Die Nadel des Bifilarmagnetometers hing etwa 1700 Millimeter über dem Fussboden, 1200 Millimeter (welches etwa die Entfernung war, in welcher die Nadel des Bifilarmagnetometers eine gleich grosse Directionskraft ausübte wie der Erdmagnetismus) darunter hing die Hülfsnadel. Der Spiegel des Bifilarmagnetometers war 1900 Millimeter, der Spiegel der Hülfsnadel war 400 Millimeter über dem Fussboden. In einer horizontalen Entfernung von 5000 Millimeter von der Verticale der beiden Spiegel stand ein steinernes Postament von 1150 Millimeter Höhe. Die beiden Spiegel wurden durch eine an jeder Spiegelfassung angebrachte Schraube so gegeneinander geneigt, dass 40 A30711 WILHELM WEBER, ihre Normalen im obern Rande des Postaments sich schnitten. Auf dem Po- stamente wurden die beiden Ablesungsfernróhre neben einander fest aufgestellt, das eine auf den obern, das andere auf den untern Spiegel gerichtet, und es wurden mit diesen beiden Ablesungsfernróhren die Spiegelbilder einer und derselben Skale beobachtet, welche am Postamente eben so weit unter dem obern Rande befestigt war, als die Fernröhre über diesem Rande. Die Hülfsnadel war 100 Millimeter lang und 12 Millimeter dick und der „daran befestigte Spiegel war um einen verticalen Zapfen fein drehbar. Beide Nadeln waren mit n "— 3 | l 2. n der Hülfsnadel. In dem „Resultaten im Jahre 1840« sind von Gauss die Vorschriften zur Besti v der Constanten des Bifilarmagnetometers und die Regeln ent- wickelt nonien, das Instrument so Sandee dass es für die Beobachtungen der Intensitäls- Variationen geeignet ist. Diese Vorschriften bleiben unver- ändert auch wenn das Bifilarmagnetometer mit einer Hülfsnadel verbunden wird. Nur ist darauf zu sehen, dass zwischen der statischen und magnetischen — Directionskraft das Verhältniss von v2 : 1 nahe hergestellt werde. Auch ist wührend der Zeit, wo die Beobachtungen zur Bestimmung der Constanten des Bifilarmagnetometers ausgeführt werden, die Hülfsnadel zu enifernen und mit einer. Fe ser von gleichem Gewichte zu vertauschen. Darauf wird. das ter transversal eingestellt und die Hülfsnadel daran aufge- e Um dann aber diese letztere Nadel für sich allein beobachten zu können, ohne dass die Nadel des Bifilarmagnetometers Einfluss darauf habe, wird die letztere entfernt und stalt ihrer ein Bleistab in das Schiffchen ein- gelegt und in derselben transversalen Lage, welche die Nadel vorher hatte, festgestellt, was sich durch die Beobachtung des Skalenbilds im- Spiegel des Biflarmagnelomelers genau prüfen lässt. Die ‚Hülfsnadel wird sich alsdann in den hen Meridian einstellen, wenn der Draht an dem sie hängt, keine — hekali Wäre eine Torsion des Drahts vorhanden; so lässt sich dieselbe mit Hülfe eines Torsionsstabs leicht erkennen und beseitigen. Dabei lässt sich auch der Torsionseoefficient, d. i. dus Verhältniss der Directionskraft des Drahts zu der des: eee. bestimmen. Es wird sodann ein COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 41 Hülfsfernrohr so aufgestellt, dass seine nach dem Spiegel der Hülfsnadel ge- richtete optische Axe und die vom Spiegel zum Nullpunkt der Skale gezo- gene Gerade mit der Spiegelnormale in einer und derselben Ebene liegen und gleiche Winkel bilden würden, wenn der Spiegel aus derjenigen Stel- lung, bei welcher im Ablesungsfernrohr der Nullpunkt der Skale einstand, 450 um eine verticale Axe gedreht worden wäre *). Der Spiegel wird hierauf wirklich um seinen verticalen Zapfen solange gedreht, bis in dem Hülfsfernrohre der Nullpunkt der Skale erscheint, die Hälfsnadel wird aber wührend dieser Drehung ihres Spiegels unverrückt im magnetischen Meridiane | festgehalten. Nachdem auf diese Weise die Torsion des Drahts aufgehoben, der Torsionscoefficient gemessen und die Stellung des Spiegels regulirt worden ist, wird nun endlich die Nadel des Bifilarmagnetometers wieder in ihr Schiffchen eingelegt, und weil alsdann die Hülfsnadel um 450 vom magneti- schen Meridian abgelenkt werden soll, wird sogleich der Torsionskreis der Hülfsnadel im voraus nach dieser Richtung um 450 gedreht, damit der Draht durch die mit der Ablenkung, der Hülfsnadel vom magnetischen Meridiane verknüpften Drehung keine Torsion Greg b er man sodann beide Nadeln mit den zugehörigen Ables en, so wird man noch eine che Differenz ihres Stunk von Nullpunkt finden, weil nämlich das Bifilarmagnetometer durch den Einfluss der hinzugekommenen Hülfsnadel ab- gelenkt wird und weil der Abstand der Hülfsnadel von dem Bifilarmagneto- meter noch nicht regulirt ist. Aus der am Bifilarmagnetometer beobachteten Differenz und der gegebenen Lage der Hülfsnadel kann aber die von der Hülfsnadel hervorgebrachte Änderung sowohl der Richtung als auch der Grösse der statischen Directionskraft bestimmt und erstere durch eine Correction der *) Bezeichnet & den Winkel, welchen 1 Normale des Spiegels, und y den Winkel, welchen die vom Spiégel zum Nullpunkt der Skale gezogene Gerade mit der Horizontalebene bildet, so ist der Winkel, welchen die optische Axe des Hülfs- fernrohrs mit der Horizontalebene bildet, = arc sin (sin 2g cosy y 4— cos 28 sin y), der Winkel, welchen die Yertiesiebene des Hülfsfernrohrs mit der Verticalebene der vom Spiegel zum Nullpunkt der Skale gezogenen Geraden bildet, sin 28 tang y V 2 + cos 28 +1 sin 28 tang y y 2 + cos 28 — V F = arc tang Mathem. Classe. VI. 42 WILHELM WEBER, Schiffehen- Alhidade, letztere durch eine Correction des Abstands der Auf- hüngungsdrähte am Bifilarmagnetometer berichtigt werden. Nachdem dies geschehen ist, wird auch die Entfernung der Hülfsnadel vom Bifilarmagneto- meter so regulirt, dass das Ablesungsfernrohr der Hülfsnadel auf den Null- punkt der Skale einsteht. Der Werth der Skalentheile, welcher nach bekannten Regeln berechnet wird, wenn die Spiegelnormale horizontal ist, bedarf bei der erwähnten Neigung der Spiegelnormale einer Correction. Bezeichnen & und æ’ die Winkel der optischen Axen der beiden Ablesungsfernröhre mit der Horizontal- ebene, und y und y’ die Winkel der vom Spiegel des Bifilarmagnetometers und vom Spiegel der Hülfsnadel zum Nullpunkt der Skale gezogenen Geraden mit der Horizontalebene, so ist der Werth der in Skalentheilen beobachteten co a Ablenkung des Bifilarmagnetometers mit m jdn ee ce = »y er zu multipliciren. Es ist | cos ' cos $ (æ + y) cos 1 (a — y). folglich der used eines Skalentheils, wenn h den Horizontalabstand der beide Spiegel verbindenden Verticallinie von der Skale in Skalentheilen ausgedrückt bezeichnet, " das Bifilarmagnetometer der Hülfsnadel mit gi ah cos y ib du cos 1 (a + y) cos 1 ( — y)’ für die Hülfsnadel : — — EU (e x) 3. eee Fe Declination und horizontalen Intensität in Göttingen 1854. Februar 24. 25. Als Beispiel der nach der beschriebenen Methode mit 3 een ausgeführten Variationsbeobachtungen der horizontalen Elemente des Erd- magnelismus, nämlich der Declination und der horizontalen Intensität sollen die im Februartermin 1854 gemachten Beobachtungen benutzt werden, die sich durch Schwankungen von ungewöhnlicher Grösse auszeichnen. Es sind an diesem Termine die Beobachtungen an allen 3 Magnetometern vollständig von 5 zu 5 Minuten immer gleichzeitig von 3 Beobachtern gemacht COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 43 worden. Künftig wird es, wenn es nicht mehr auf eine specielle Prüfung der Methode ankommt, genügen, das dritte Magnetometer oder die Hülfsnadel (auf ähnliche Weise wie sonst das Thermometer) nur von Stunde zu Stunde oder von 2 zu 2 Stunden zu beobachten, z. B. jedesmal bei der Ablösung der Beobachter, wo der neu eintretende Beobachter die Hülfsnadel beobachten kann, während der bisherige Beobachter noch einige Beobachtungssätze am Bifilarmagnetometer zu machen fortfährt. In der folgenden Tafel sind die Resultate dieser Beobachtungen zu- sammengestellt, und zwar sind für jede Beobachtungszeit 1) die Declination a nach Skalentheilen des Unöfilarmagnetometers I, 2) der Stand & des Uni- filarmagnetometers II, oder der Hülfsnadel, nach Skalentheilen desselben, 3) der Stand des Bifllarmagnetometers y gleichfalls nach Skalentheilen, 4) der Mittelwerth von (6 — 4) aus der laufenden Beobachtungszeit und aus den beiden vorhergehenden und nachfolgenden, welcher die mit & bezeichnete Variation des Stabmagnetismus in Skalentheilen ausdrückt, und endlich 5) die horizontale Intensität des Erdmagnetismus d = y — e in Skalentheilen angegeben worden. Der Bogenwerth der Skalentheile war für alle 3 Magne- tometer nahe gleich. In der beigefügten" prophischen Darstellung etel die erste Curve die Variation & verdoppelt dar, und die grosse Übereinstimmung dieser Curve mit der zweiten Curve, welche die Variation der Declination æ darstellt, veranschaulicht die Sicherheit und Prácision, mit welcher nach der beschrie- benen Methode die Variationen des horizontalen Erdmagnetismus von den Variationen des Stabmagnetismus geschieden werden können; denn diese Über- | einstimmung beider Curven hängt wesentlich davon ab, dass eine vollkommene Compensation der unmittelbaren Wirkung mit der mitlelbaren Wirkung der Intensitäts variation des horizontalen Erdmagnetismus auf die Hülfsnadel wirk- lich statt findet; die dritte Curve stellt die Variation des Stabmagnetismus durch die aus je fünf auf einander folgenden Beobachtungen abgeleiteten Mittel- werthe von (S — ia) dar; die vierte Curve endlich die Variationen des horizontalen Erdmagnetismus durch die Werthe von y + 3a — 6. n ; F2 WILHELM WEBER, Göttingen 1854. Februar 24. [eps Tw] 15 ka l 25 | 30 | as 40 45° | 50 55 | 64,42 104,27 116,32 75,30 81,18 51,04 22,51 3| 28,53 67,50 62 ,58 94,68 70,61 68,29 „nn 52. 24 5664 55,56 69,980 74,09 2141| 211202107 48,57 69,62 75 45,85 75,55 20, 57 | 45,39 | u 42,808 81,08 76,37% 20, 37 20, 285 49,17 44,96 20, 62 vet tdi e 54,6 60, 0.71 156, 09 0 ol „* JO 55,73 52,15:53,17 51 „02 53 7 58,7760 98 a 52.97 |45,55 52,53 - "mu 00 1488 45,0 8,82 1004 10, ? 72,36 19,59 19,25 53,73 53,11 55, 63 71,77 19, 22 525 55 68, 22 19, 18 49, 04 67056890 % 18,8918, 74 48,16 50, 16 0 | mi 1, 16!114,27 7 1113,65) 120,161114,27]109, 71 6 9,96 7 66 73˙90 60,35 € 4912| : 85,960 87,95 19,16 18,84 66,80| 9| 58,94| 62,02| 6680 69,11 ? 68,47 9940 94,02 7 70165 14 623 02 91878. 7,40168,27 68,63, 66,61 73,21 85,96 | a 85,96|« 62,97 6135 % 54 N 57, 32 58, 49 Ys 7 69 81 19,34 18,95 18,57 37,98 39, 54 H 5 18,15 68,04 50 17,72 1740|17 ‚00 54,38 61 69 71 78 45,06 5166 H 5032 7 52,13 52 "i - 53,34 53,05151,85 40.38 42,06 45,67 |57,57 42 44 425 25 80, 03 19. 48 41,50 81,48 35,86 37,86 | 44,22 379,02 73,77 67 28 15,990 15,6515,32 66,1606 1,12 15 04 15, 19 * Et 63 ,90 64,08| 6404| 63,83 ESSI. 53,30 E 5221/54 40 7 114101391 |e 14 42 l 14 52 ‚55 ins 3408 nd an |ð v 30,16]43,11,44,33 43,09) 3281 34,15 9606158 12 Hn 49 ‚08 EU 54,57 40,24 6231 6738| 1283 12,66 49,48 54,72 57,54 58,46 63,00 12,53 50,47 84 7 m 3 66, 1250 11 99 1170 11.47 11,37 546553 57, 63 34,77 3481 61,1 762,90 1260 12,75 12 16 4551] 501505186 S e 52,27 COMPONENTEN DER ERDMAGNETISCHEN KRAFT IN GÖTTINGEN. 45 Göttingen 1854. Februar 24. 148 43 AA 88 AG 6A AG 900 [o P TW, BARTH x IV 3.10 89 9 68,04 id 67,77 10,55/10,29| 9 47,23 47 : d 70 5205 94 ETE Mine 50,99 34.98 40904 66,72 65,02 70,447 9,09 57, 63 71 8,85 8,81 61,5 59 625 52 8,87 56,15 ‚33 64,33 907 72,16 9,16 61, | 20% 46,37 50, 93 51 100 4s 95 450 55 500 51 08 3,98 45.59 31,16 : 5039 4853457415 2092 EQ 39 qn 2974 31, 80 168,02 6400 8,740 8,79 59, 28 65; 74 69 45 7011 68/90 67.5 RA 95 64, rale? 3al 8978164 Al 8,84 8,86 Pul ora 61,25 3 L 8,80 5 60,10 8,70 8 58, 45 59 8,490 8,42] &40| 821 5636 56055496 — 370403188 48 87 18551049, 76046,87 4 31,8 45 50 51 4 56, 20,5! 45.24 50,43 42,02 40,00 43, 984] 61,19/61,64 820| 837| 62,27 | &31| 8 61 69 56, enle &alt 812 H R0 AA 8,17 58, E9 8,21 | 921 657 : 48,4150,57 50 1132,21 22.42 315 : dicc 7,90| 787 7,85 [2937 27,18 2403/3 20,8419, 7016,84] 50, 8848,80 49,7 27,86 4165875 56,63 57,73 5704 02 ) 49.92. 45,26 Al. 77 39,24 9,3105237 53,57 01/34,52/31,38/29,99 31,56 33,44 42 25 25,32 23,46 22,80 22,82 23,46 53,25 49,59 46,72 |41,49 36,89 7709 7,82 7,48 7,14 6,85 34, 35 ‚30, 04 E 26,45 24, 02 26,45 17 18 17 36 31,96|30,93 52 18,80 16,83 15,07 2013 Febr. 25. |15,95 | 2| 6, 25,09. 24 72 20, 18 595 5,60 1877 14,58 5,27 13, 53 10 53 5,01 11 82 11,84 15 70 19 20, ala 84 15 40 20,302 0h B 12,96 10, 10 11,88/13,40 1228| s 4,56 32.06 3 3, 11,14|12,28 2,73 E 428 403| 388 28 70 35, 10,92 10,32 12,16 34,40 39,52 14,98114,02 124 140 25 14 39,44 359 4l 9 36: iue )|25 ) | 3,55 „354 3 1^ Mathem. Classe. 12,0 8,96 50,57 3,28 47,29 VI. 31982899 TESI 15,94 17,02]15,70 46,31 48,02|49.33 325 3,40 345 43,06 44,62 45,88 30, 57 50,84 3,46 3 0/19,08 21,2 84/50 49 3,59 3,44 38 46,67 51, ‚17 56,77 62 5606050 63,51 à 46 WILH. WEBER, COMPONENTEN DER ERDMAGNET. KRAFT IN GÖTTINGEN. Göttingen 1854. Februar 25. x pes 10,15, 2o | 2s 31,74|28,84 18,44 16,58 25,43|22,80 15, 52 14, 20 67, ,88|68, 18 69 3270, 75 2,71 2,66 65, 17|65, 52 29,13 2817,15 — 29, — ed 61150, pA 59 55 30' | 35” | 40' E 50' 55 | 18,16|15,17 11,12/10,02 72,84 73,40 2.49 2,34 70, 35171 06 14,87) 12,95] 942 8,54 70,80 | 2,11 68,69 12, 24 7,77 62,00 1,94 60,06 6,34 67,29 AN TER 2,08 1,7 8 65,21 59,76 50,42|36,25 19,87 1 18 — 27 2 18, 42 19 1 87 25 32 16, 55 18, ‚94 25, 95 7 1 84 16,15 24,11 30 92 2,1 27,84 46,30 5| 2524 39,47 44,77 40,06] 33,11|34,09 225 72 55 20,00 38,77 42 10 46,13 2, 72 39,38 > DSS 2,37 01| 3,0 37,10 44,39 43,11 26 61 15,67 € 48, 03 5| 220 45,83 [24,55|21, 98| 1|13,74 11,66 475 14 725 1,63 12 45,51 417 17,45 9. a, ,86| 28 405 58 2 33,19 19, 41 35,03 20 36,62 37,16 20,82 11,50 — 3 40 88 3,14 2,98 36,87 35,69 7 42,23 45, 36 2, 59 2,37 39, 64 42, 99 41,81 140,52 2,18 2,15 39, 63 38, 37 45,91 34,22 26,161 19,44 30,83]42,87 18, 87 23, 90| a 48,85 51 47 89 41 AT 51,89|58,38 30,52|34,34| 30,10]28,67]« 18,19|17.97|E a, ‚10 42.01|7 326 7 3165 38,75 3 —. 35, 97 35, 56| 37, 16 38,08| 36,70,3 21,67| 19,70| € 78 38; 28| 212 2 ‚32 ’ 37,66 35, 96| 53,08 29,91 36,67 2,8 38,10 22,3 35,23 2,69 4,82 19,97 39,97 2,58 e co^ v Tye 37539 32,54 33,78 91,64 29, 04 325 14 48, 48 36, 20 31 89 553 DUE. 8, 25,58 4,20 21,38 TB 51 15 55.92 50,05 58,06 5180 26,76 2532 31 10 31,96 32. 570 31, 56 28,90 9h 159,556 u go 1 5749 61,58 3,80 50,66 62, TT 7 5594 5325 5209 sl 67 5374 57,78 59,10 110,61 | 54,04 1 72,28 51,13 111,07 80,85 31,94 37,3706 37 63,12 48, 56 19, 68 20, 58| 60,4294 ‚67 109, 23 93, 21 5.36 5,20 6,67 7,19 60,00 32,89 521 27,68| 55,06| 89! 47 102,56 86,02 94,440 72,72]47,76| 35,53 41,58 42,30 28,04 19,30 20,90 7785 90,5093, 80 87,86 5,57 4,94 3,71 2,52 8 2 Li 85,56190,09| 85,34 57,16|57,54| 51,30]46,87] 131,18 28702 25,60 60 62,55| 6 241 60, 241 Me E 5 Hil 6975 50,048, 8 360 28,78 28,38 60,02 59,62 59,80 66,09 7084 à ABHANDLUNGEN DER HISTORISCH-PHILOLOGISCHEN CLASSE DER KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN ZU GÖTTINGEN. SECHSTER BAND. Hist. - Philol. Chlasse VI. A F..G. SCHNEIDEWINI DE HYPOTHESIBUS TRAGOEDIARUM GRAECARUM ARISTOPHANI BYZANTIO _ VINDICANDIS COMMENTATIO. RECITATA IN CONSESSU PR REGIAE SCIENTIARUM GOTTINGENSIS D. IV. DECEMBR. MDCCCLII. 1. Argumentum Antigonae Sophocleae alierum, quod Aristophanis Byzantii nomen in.fronte habet, post Brunckium ita nunc editur: "Avrryórgy naga tav mossrabu Tis moX&ws H rov IloAvreix S Ocogel n. xai eis. seta xardyeiov &vreO eia magi ToU Koéovros dvi- parai EP I xai A s d TOV. Eis aurav Eget ipes i avrov 0 he TG Tete Sariro xai N untag Evpudiey cure dvete. To er. dun rav xaXXÍrcTOV ZopoxA éovs. crai gera dè Td "gi 1155 e een xoci ids dde pav auras Ihe, as ò uiv lav èv Tois di S vęciy irai Quoi auporegas év To 4008 ris Hęces vm nee TOU nca Aes. Miuveonos de One. Tv ui» Touren gogo is andie OsoxXvu£ro vno Tudéws xard AD &yxfXsvsiw feu. ric. TO de Ógdua 1 en so anmo ir Niger iv vmo- Deci AvTiyovas. Keira; day bises xai nag big, év Avrvyórg. rha Exer Oger Net pera ro Al] didorœ mroos vápov XOWVíky xc TINTE roy Mainova. H uà» own coU doduaros vmoxetei év Onßaıs Tais Buwriais: 0.08 xogos cvvéaTWXEV ud SNN Qiu yegóvTwy ` mooAoyigeı de 7 "Avriyorn‘ vmonsıras q Td mQd*yuara Pm) TOv Kopkovros Basiheilwr' 5 d edv cr; r TloAuveiwous, "Avrsyovns avaígecis, Suvaros Aduovos xα mopos Eugudixns rñs Aiuovos uargös- Oœo dè rar Topo? A? 4 F. G. SCHNEIDE WINI IE ct Ts iv Eduw oTgarnyias, evdomugcavre èv T didaszahig Tis Arriybvns. AÉXexra dà 1d dęchnæ ToUTO Tpaxoorov devregor. Horum partem primus Brunckius reliquis infarsit: deerant enim in anti- quioribus exemplaribus quaecunque legantur a vv. rò uiv doua usque ad vv. umogeow Avriyovns. Ista Brunckius „ex uno e regiis codicibus« pro- tulit. lam nihil suspicati qui haec. repetiverunt nomen Aristophanis universo argumento, quale Brunckius concinnavit, praefigunt cum reliqui tum Aug. Nauckius in docto libro de Aristoph. Byz. p. 256 sqq. Disci ex Bandini Catal. Codd. Laurent. Medic. II, 132 in alienam pannum istum possessionem ve- nisse potuerat. Nam in principe omnium Laurentiano libro Brunckianum addi- tamentum extat illud quidem, sed ut in fine tragoediae lateat tanquam Xi Aov- oriov Avrıyovns vmó Secus. Simul idem liber uberiora praebet haec, quae a Gust. Wolffio Berolinensi mecum liberaliter sunt communicata: re- Neuro. retũ ret ui» ovy koriw ta kvos "egi Té» digaiduv ed n pÉVTO nowy dba eovóaies (l. oro AVTU is eine ae CNC EA Dous daiuovius* $ xai oi fis rer: — Emonevor T. msg auras ire NN (l. di£Sevro). rò dè dopa rav ooa iy S d Tas megiexovons (mrmpex.) Twv vmoOecuw "Avrisóvus. Ude dn araor To copa lloXvvsíxovs, xai "Avrıyorn Iamrew arà TéiguuÉvy meg TOU Kęłorros xara QuoeOera dN avri Sanrovce anöAAvru. xal AL pda re 0.40 à Kofovros gar iris xai d Qopiirus xwv imi Ty TOVTE Tov dic eig. èp & ma didi er icd roy E i visi j Gould riet 3bowwsseu NE KN H uoTo»o M Ergo duorum prorsus diversa . ; ho Le ( ! gral | — si ultima Wale; Kae asd PE SERI C G or : 4 A ee den eoa, gehen habemus; quod ipsum effecisse videtur, ut librarius regii illius codicis resecaret ex Salustianis ea, quae in Aristophaneis iam dicta cerneret. - "Si aodo résecuiloilles num ſteri CCC ͤ ciii Musei n DE HYPOTHES. TRAGOED. GRAEC. ARISTOPH. BYZ, VINDICANDIS COMM. 5 neantur pleraque omnia ab Aristophane esse et sibi et aliis persuasit, veluti G. Wolffio de Scholl. Soph. Laurent. p. 27. Cuius ego opinionis non alium fontem reperire possum quam hoc ipsum argumentum, in quo quae de artificio Sophoclis perstringuntur non Aristophanis, sed Salustii esse nunc exploratum est. Ad duo illa argumenta Antigohae accedit dude prior, quae anonymi est, in sola illa enarratione fabulae occupata: sequitur vulgo Aristophanis ur- Qecs, quae in Laurentiano sola ab initio fabulae legitur: et prior illa et Salu- stiana in fine tragoediae suppleta est, ut dixi. Nunc disputationis nostrae ratio postulat, ut dum suum cuique reddimus utrumque argumentum ex libris Laur. et Parisino (illum A, hunc B notavi). emendatum, collocetur seorsum: | | Agicropdvovs y 9c uaTixoU. "Avrıyovn napa TOv , tiv TS moAews SuN/aca rov Io EDwgagn, xai cis uvmpeioy Xarayeııy Evregeioe maga ToU Ko£ovros davy- ge. 20 f xal Alan dus d noas die Tóv eis avTZY čpwTaæ Eier iav- roy biexsipisaro. &mi dè TQ ToVTov Jardrw xai N pim aut era Saurav5 vA. | Kerar 1 aiiin xai mapa- Eïgríðn dai £ QugaSeiza e ToU segue ng PM N e i Tieren ER, BER bf H nr p TOU x PELA Umsxsıras &v NE Tais . el 10 ó à Noęds gurkar uren Ec ego Yeocvrav' mooAoyiges 08 N Avrıyovn' Umixatas d ra modyuara émi Tv Kokovros BacıAsiuv. TO M x&a Xaióv Sor. rd [loAvveéxovs xai Avrerörns aunigeois, [Yavaros Asuovos] xci uogos Evgudiens ris Aipovos untos. Daol dà rov Door lc NC TAS iv Xduo crgamimyías. evdoxipXcarTa èv Tj OiaoxaXia Y — 15 XLN ENT d& rd dd TOUTO TQuexocTOV devreporn. | ^ESaXovoTíov AvTiyóOvms vatibus Ade ieu. 4% To uy. dou TÀV xaXXicTuv XooxAfovs. eranıdgera 92 Td mepi qav dowida inropovmera' xal Tav adeAQm» auris Me o uiv yap Tov i» rob de oou Bois ramoxsOüvdi Quow aporígas dv TQ iega TAS 20 “Hoas vac Mie kit ToU '"EcsoxAéovs. Méíuveguos dé Quoi Twv uiv Ieh moosouAovcdv OroxXvuévo v uno Tvoéus xara AN PFyxÉXsv- civ veXsvrPGG. rab r uiv ovv dorw Td ÉÍvus mepi TOW Tjuiduw i 6 F. 6. SCHNEIDEWINI goed. 9 ‚nepräi xow doéa cTovdaías avras vate e xai Sd adi h Dans 25 daimoriws’ 3 xai oi Tijs vpgavyodías momrai Emonevo, Ta regi avrds dis- Sevro. [r0 dè dodua TÀv Cvouacinv doxev A ris q'aüpexovows TAV - ec Avtiyóvys]: - varóxeiros dè &raQov rò cn IloAvreizovs" xai Av rıyovy JdrTew avrov mepwuiry mapa ro Kokorres zwÄvereL. wpa- gere dè auti Iamrovon dnöAAvran xal Alucw dè & Kofovros ¿gav 30 auräs: xai. og ros Exwv émi 25 raavrn RP arov daxsıyklerai. EP war Aẽjꝑue Eugudien reXevrg rov Biov dvxóvy. I. "Agrozopavovg yoeppuotiuoD "Aviiyóvgc notio B 3. «99029 Nauckius: «vyortor libri. Facilius correxeris dvargeiter. Sed Aristophanes aoristis in enarra- tione argumenti uti solet. — 5. ‚Hexergioaro A: reyorjooto B 6. aveilev A: dv- ee B T. weiven 02 Turnebus. (nagd A: mop. B 8.9. zéxvov tintet A: tintet B 9. tov Malo Nauckius: dor ainova A: tòp naipova R et m. rec. mar rgo A. i de his quae. ad Euripideam fabulam pertinent Philol. VI, 593 sqq. 1. PR m n. dè 5 Arr. delet Bothius. 02 om. B et pr. A, ubi in marg. m. rec. Mm 13. 2 "Avv. dvi. A: Arr. «velo. B 4 Havaroc Alu. om. AB 186. ro. dur. * AB 17. sqq. om. B 18. Ante oraoıdlere aliquid erasum in 4 19. 0 .piv.yap Tuv A: Gg d niv Ius vulgo. 20. xovosoroózvor A: xatostooio Ova. Brunckius. 21. Agoda uavtoç A (? ): Aaosedovzog codex Brunckii, v. Apollod. 3, 7, 3. 22. uno] xara A 24. onovduins A 25.26. Oe Oer scripsi: dinzedevze A. Ce- terum fallitur Salustius. Vera erunt ubi inverteris. Etenim „ xoi? doč repetenda est a poetis tragicis, non adoptata ab illis, de quo dixi in ea commentatione quam supra commemoravi. m. 26. Verba X" septa putidiora visa sunt Bothio quam quae pru- denti possint tribui gram stc ente poc epe | a Nisi Die omar quo. ag NM si ie ie Sd ostendunt argumenta Oedipi Colonei. Etenim post argumentum prin er, sequitur apud Elmsleium alterum, "esed TOP: * simpliciter AM illud ptaefigiinr. x Venit: e, A ab Col. p. — Aii Salnstio tribuit: XaAoj- DE HYPOTHES. TRAGOED. GRAEC. ARISTOPH. BYZ. VINDICANDIS COMM. 7 tianum a Cobeto accurate notatum praetermisisse, ex Paris. B nr. 2787, quem Thomae Magistri manum emendatricem passum esse alio loco docebo, attulit hanc inscriptionem: IaAovoriov llvSayogsíov. Sequitur postremo tertium argumentum, quod ex uno .4 editum est ab Elmsleio, postquam F. Thierschius ex apographo Victoriano ae primus. Sed Salustiana dd Oe appo- nenda est: Ta ngaxSévra meçi Tí» Oidimoda icusv ümıvra TG £v TQ iríQw Oidi- mode: menngwras yap xoi aurai eis av ATTE Rant èx pias TÀv Yvyarkowv, AT. xc C év ra Tepkves rav ceuvav [ Epi- púas], 0 écriv &v TQ x&Àovuéro inmiw KoAwrs, odr xANYErTı, E xai Tloosıdavos Gr lego émmíov xci llgouw9Qéws, xai auTov: oi ogewxóuo z rp . ori yap auro mudoxpnerov Evrauda deiv avrov aus rvxeiv ov un r &rÉQg SN Tomos, avTOOu xd e xai MATA: ,t avra Ta Tas VmoOÉícsus . Sc. OQ- ydQ Tis AVTOV TOP ÉVTEUJEV, xai regel ra- ayyekav Ti. TIS dg TO XWW TOUTO mesa N ra- xai exo ra. 01.89 TQ TNW ÈV: Xopoü oer . Ta mávra. r- ros ov ECTE T UY TAY dormrogian xai Ta Yuyargı os, d Qa- Tos dé dorı xa S áXov A oixovonía. iy TÀ daher, ws. deri prepa 'axedor. x His: guae in editis nunc edliaeserunt: H [adv addit A] cxx Toi dpd- pano vmóxeiToa ép Tjj Arrief &v TG inniy [Kohava] mois T v ry cejváiv' ò d x cut & Aer Wenge mooAoyiges Oil — haec igitur ab editoribus temere loco suo mola in A primi argumenti finem faciunt. Recte: haec enim Aristophaneam formulam referunt eique grammatico vindico infra... Eiusdem indolem videor mihi agnoscere in docta ubertate. te- stimoniorum tertii argumenti; quanquam illam ne a Salustio. en abhorrere fidem facit argumentum Antigonae. Nunc quo intentiore cura in Arie 5 profligahimus pri- mum Pythagoreum scilicet illum Salustium , docto orbi ignotum. Nam frustra quaesiverunt eruditi homines, qui quidem quaesiverunt: nam neque Jul. Rich- terus neque A. Nauckius ignobilem hominem in ordinem ray dm ee Sor retulerunt, ne Welckerus quidem mentione dignatus est. M qued sciam, Bothius Romanum hominem huc arcessivit, quem- lea ex Cicerone discimus, qui in Epist. ad Q. Fratr. M, 11 cen La: 3 Ml F. G. SCHNEIDEWINI Quod inventum equidem non invidebo si cui plausibile erit. Nobis Pythago- ricae disciplinae sectatorem vacavisse conscribendis argumentis dramatum mi- raculi instar videtur. Nimirum patientius tulimus Pythagoreum librarii Parisini: Laurentianus. liber, qui arg. Ant. simpliei: nomine XaXovcTíc) exornat, in Oed. Col. XixAovcTíov V mudayooa aAAws praebet: ita enim Bandinium ligaturam recle interpretatum esse arguit accentus in voc. mvĝaæyóp . appictus. Minus recte idem Tax. dn, IIvScsycoa. AXws distinxit; quasi librarius: inter Salustium et Pythagoran fluctuasset. Quid. quaeris? Pythagoreum librarius Parisinus, fortasse ipse Thomas Magister, exsculpsit ex corrupta scriptura libri Laurentiani, cuius. conatum. vel. positura- vocis: in codice reprimit. > Illa autem Scriptura quam originem habuerit videor mihi assecutus esse. Etenim vocà- bulum :jzró3ecis compendio. eo «exaratum. (7) quo Pythagorae nomen significari videretu mee: fuit librario, ut adderet quod sibi visus est videre nomen ipsum, eberet scribere: T NH To ure, EAA ws: Quisquis autem Salustium facit Pythagoreum, si modo cogitavit, de Salustio illo Cynicorum ra- tionem imitato cogitasse videtur, Procli: discipulo, a litteris: non prorsus averso, eo, cuius extat libellus de diis et mundo. Utut est, mihi Salustius hypothe- siographus non diversus videtur ab eo, euius Suidas meminit: Da Xot or ios voßıoras RSH eis Ayuoo$evav Hur "Hoodorov vaduvqua. xài A Aa. In quibus ZAAo;s fuisse: Uros dramatum Sophocleorum non abhorret a probabilitate. Paueis hunc Salustium attingit T. Hemsterhusius ad Scholl. Flut 726 et qui ‘Tiberii aetate: itise < oponie? M H. E. Meierus praef. De- mosth. Mid. p. XVI. Quid 1 seribendi potissimum se- wy Do ox Robs, in O. C. aParos de ioi xo N Mοο N cixovouie Ber handen D ed, 1 | meminisse | u ae, iwe anonyui argumentis ver Wii anden iis notis est, we au rg ‚signitum. ^ - dd m Ha D bg Jaigil ob ivp gumis DE HYPOTHES. TRAGOED. GRAEC; 'ARISTOPH: BYZ. VINDICANDIS COMM. 9 2. Misso igitur Salustio: redeamus ad , Aristophanem > Byzantium, cuius nomine: quae signata extant argumenta perlustranda singula sunt. Quorum illud, quod est Medeae Euripideae, pristinam speciem videtur sincerissimam conser- vavisse. Etenim argumentum prius, quod et fabulam enarrat. et de famae va- rietate Salustiano more erudite disserit; virtutes denique vitiaque tragoediae libere persequitur, «excipit alterum hoe 'Ap;croQavovs ToU y gappuaTixoU.: Mdee did lv oos Iacova £x Idar TQ éxcivor yeyayneévai Awy- xwv Tiv Kgéovros Ouyaríoa dmenrewe uiv DXàvxss xai Kotoyra: xci rovs dious vos, Exweiedn d "Iacovos Alys? covonnicovoa. «i Ilag ovde- reg ueiran nufomaica. Hiper oxyen ToU dodjTos Uatóxeiré: &y./Ko- ww, o dà xogos. unf èx ννͤCs mohstidwv , . mooAoyigei. dè ros Myudelcs. édidax Dn èni MuDodwgov coxorros OAvuriadosiióydon- xocTis ÈBdouns & Tre H. "moros EuPopiwr; dei repos ZopoxA ñs Toíros Evpmidns. Made, BiAoxraras, Aixtus, Oegio ral auTvQoi. | ov aderar. (Cfr. Matthiae T. VI, p. 423 sd. Vulgo editur xara mV oydoxxocrzr:&(26- um O vuridtda. Restitui scripturam accuratiorem, quacum ‘efr. argum. Aesch. Agam. et Eurip. Hippolyti, ducibus libris Hafn. et Romano.) biv Longe minus integrum ad nostram - aetatem. proditum est argumentum Baccharum, quod olim anonymum nunc -Palatini codicis testimonio inscribitur Ager Od eee m Aidvuoos r eο οο⏑ν un BovAouevov a Te Spi cu ro tvt- AuyıBavew, eis uαLç dyayavı rs TAS unrgos dN qvdyxace II ev E dino tcc. UA uv Sorroile xirar vr A én Here. Cum hac tenuitate similitudinem habet argumentum. Eumenidum Aeschyli quod nuper admodum auctoris sui, cuius certum indicium praebent vel ultima verba, nomen recepit ex fide membranarum Laurentianarum per Io. Franzium. Quanquam in Bandinii catalogo nomen dudum prostabat. Sed ne nunc quidem Nauckius in ordinem reliquorum ascivit, quem utrumque. testimonium Fani 1 Ypap kario? . nis) e Ev. AEN Qois; Y ,E)ue ros Un TOY... e gd Are Pacuv smageyéreTo kis: Adyvasineisiuroniegov N Aras! us Dau A f sixvOus xaT sv eis Agy6s T d nd pieta loc c Evpevidas.; magi ovóeríQw weite * uy Qoia gium Hist.- Philol. Classe. VI. B 10 03 F. G. SCHNEIDEWINI Praeter haec; quod norim, Aristophanis: nomen nullum argumentum gerit. Verum. ubi reputaveris, quam sit exigua in parte horum ipsorum. memoria vetustatis et obnoxia casui, cuius rei Eumenidum maxime et Baccharum argu- menta exemplo: sunt, singulorum singula librorum beneficio: ad parentem suum relata; facile suspicaberis, soli librariorum incuriae deberi, quod aliarum fabu- larum. argumenta: indice fontis sui hodie destituta sunt. Et fortasse ne desunt quidem penitus- vestigia. veri, modo codices Euripidis -potissimum vetüstiores ex tenebris eruantur.. Quid quod vel nunc memorabilis quaedam notitia su- -spicionem illam- confirmat? . Nam teste Cobeto scholia Troadum in cod. Nea- politano hunc habent. titulum : ^ AgizroQavové yoruuarızoo cXOXi. eis TO dod T&v ToU Ewgwmrídov Towadaor, v. post Geelii Phoeniss. p. 301. De quo titulo Nauckius p. 63: ;Nisi omnis iste titulus Aristotelis. splendorem mentitur, coniicias cum editore, subesse illis in scholiis- reliquias. commentario- rum Aristophanis, quibus deinde aliunde alia sint intermixta.4 Similiter F. Osannus Anecd. Rom. p. 98 arbitratur. Mihi vero titulus ipse ignorantiam librarii, qui scholiastis “scilicet aceenseat magistrum Alexandrinum, manifesto loqui videtur. ^ Nempe. etiamsi Euripidem recensuisse et annotavisse Aristo- phanem compertum est, illa quidem notatio in fronte fabulae antiquitus ad unam hypothesin pertinuisse videtur. ' Tametsi qualis nunc illa fertur vix umbram ingenui coloris ostendit, quae ultra enarrationem fabulae non excurrat. Ceterum fortasse similis error in fronte Oed. Regis effecit, ut metrica hypo- thesis nomine Aristophanis decoraretur, cum- debuerit. argumentum pedestri oratione scriptum.: Simile quid aceidisse cum alias. tum- in — fabularum an coniicio. > manii Opportune autem qm ut in hac testimoniorum paucitate- trium. tamen principum poetarum singula argumenta verum nomen auctoris sui conservaverint. Unde hoe certe consequitur, Aristophanem operam illam suam non in uno alterove horum poetarum consumpsisse. Immo vel formula illa rag ovderépo xerras evincit, tovs Tpeis rpoaywdoronvs, intra quorum fines se fere Aristo- teliorum discipulorum et qui eos aemulabantur Alexandrinorum grammaticorum studia continebant, complexum esse omnes. -Nanc cum comparatis inter se his argumentis Aristophanei moris proprietatem. perspexerimus; vindicare et * DE HYPOTHES. TRAGOED. GRAEC. ARISTOPH. BYZ. VINDICANDIS COMM. 11 alia eidem, quae nomine carent, poterimus. Veteres enim in eiusmodi rebus certae se cuidam normae constantique rationi solebant. astringere. Convenit igitur: aut — "d — —— aut. won, n in his, ut 1. auctor summam Terum; "n "poil in ‘tabula; — complectatur, oratione usus: membratim concisa; ut 2. annotet, solusne poeta ne in scenam: attulerit; an vel reli duo pariter vel alteruter. eorum: xerrar dè € uv9omoia x«i mad T diva vel rug ovóeTíQu xsire; ex formula dicitur. In Antigona discrepantiam fabulae Euripideae addit: idem fecisse alias consent est, v. ad arg. Philoctetae et Persarum. 3. Locum actionis, —— aber nen scii nominat, in quo negotio hac uti solet norma: 4 jw axyın Vmóxsitat u... 0 dè xogos cvvéoTaxev REl... mpoXoyiéer dèis. uu Etiam indices eap con- cinnavisse stop nen valde probabile: est. 4. ‘Apponit didascalica, quando primum docta sit fabula, quo ne qua | Obyuigiadei: quae una in cértamen delatae sint aliorum poetarum fabulae, quo eventu certatum sit, sed ut ultra Tc rpir« non progrediatur. : Haec didascalica argumentum Medeae reliquis integriora offert. Quanquam ne illud quidem temporum iniquitates effugere potuit. Nam Aristophanes vix dubitari potest, quin et festum, quo data fabula fuit, et actorem primarum, ut in Terentii fabulis factum est, choregum denique — qui semel nunc in dine Agamemnone, semel in Euripidis Alcestide comparet — Min Boeckh. Corp. Inscrr. I, 351*. 5. Postremo; si quidem ex Anligonae argumento coniecturam capere licet — id quod licere infra comprobabitur —, quota quaeque poetae fabula in numero operum esset indicavit. ldem factum novimus in didascaliis Roma- narum fabularum ad exemplum Graecorum confectis; in quibus sedulo annota- batur, quem locum in operibus poetarum ex ordine temporis compositis singulae fabulae sortitae essent, quorsum pertinet illud facta est. ., v. Ritschelii Parerg. I, 263. Eoque minus credibile est, numeros: ilos in Antigona et Aleestide. servatos solis alio spectare quam ad notationer temporis, de quo qui verissime. post Casaubonum statuit A. Boeckhius de Antig. p. 120. aliorum B 2 12 MNO 7 F. 6. SOHNEIDEWINI: errores verbo confutavit. Quod autem Iu l. Richterus de Aesch. Soph. Eur. interprett. graec. p. 68 eumque secuti alii numerum ad Lycurgeum illud exem- plum tragicorum poetarum , quod ab Aristophane in usum vocatum sit, referri arbitratur, cum id ordinem ſabularum ab antiquioribus scilicet grammatieis constitutum tenuisset: quid sibi velit non exputo. Non video enim quid inter- fuerit Aristophanis ordinem fabularum accurate perscribere; nisi ad definiendam aetatem ^ fabularum. attineret. In aliam partem aberravit F. G. Wagnerus Poeti. Trag. Fragmm. I, p.172, cum Antigonam drama tricesimum -alterum in vetusto codice Alexandrino, quo Aristophanes usus est“ fuisse pronunciat. Qui cum pergit, similiter in schol. Orest. 1481 Phoenissas tertiam fabulam dici, ac sane tertium locum eam etiam nunc in codieibus et editionibus. nostris obtinere; temere commiscet, id quod etiam O. Iahnio. accidisse video Mus. Rhen. Nov. III, p. 140, quae sunt diversissima. Ille enim numerus est Byzan- tinae aetatis; quae sélectas quasdam fabulas scenieorum poetarum | £rger ev, ut accurate demonstravit W elc k erus: Trag. Graec. I, p. 84. Ceterum nuper paucis: signifieavi in Introd. Aiac. edit. alt. p. 29, fabulas Sophoeleas in codicibus Laur. et Parisino ex- ordine temporum esse dispositas: addiderim, illum ordi- nem non a posterioribus grammalicis novatum, sed a vetustioribus traditum ee i Ut illue redeamus, praeter. argumentorum en illas numero quinque, quae fere certae fixaeque fuisse videntur, non negaverim, Aristophanem etiam aliis -notitiis scitu dignis ex re locum concessisse. Ita fortasse iudicia de praestantia fabularum appinxit, sed ea perbrevia, opinor, et cum memoria rerum coniuncta, veluti illud de Antigona: Pac} de tòr XoQoxA£a Id äs rs iy Dal u are de, evdomujedrro ivo T didageahig rs ^ Avti- Jöns. Nec dedecent Aristophanem: quae in argumentis. Euripideis et Aristo- ege de: "virtutibus ; earminum ` breviter. et eee py s „ V. quae P ON 1 ERES nl rales 8 Ira du arg. HEYA bg Hoc ee e iure en ee nee esse guis qui Ocypodi. ipse suo praefixit; hypothesin ad , celebratissimas Aristo- phanis hypotheses, ut opinor, per iocum: imat En ipsam: . 9 un Ds Hlodakeigiov' xub Arteciasiuids Server sc Les aeh! itu. drei, euuvatlér Te xal iveystiob. ui ajtXar. HANKS d ew pay DE HYPOTHES. TRAGOED; GRAEC. ARISTOPH. BYZ. VINDICANDIS COMM. 13 robs éxopté£yous UH r dT ˙ν Llood*ygas : xcreyéAa | doa. under dig eass 10 d Hes M Oeds roiviv a'yaVax TS: tali dia mod. eisthexen TOU. de: eb rev Q£gorros c atgyovu£yov vario Aus éd oun Helv. Hii» arira rοον , mos r ,, en Oii Dass: A d "o2 gun, SE cé mey api wr: módàvypáv cure Xe Xv Twr rór.GQxvTov»' T0 db dh mdvvdotciovs Td ToU d- ueros:mpöswmanllodayga. Qxvmous Tm sus diede Tlovss Ay,. Rhe dè J IIodd ig. Denique animum advertamus oportet quod est in arg. wer = eon partes «fäbulae notationemque scenae: rd d xep Naron cri. reges Ilokvrsizous c Ar Aνrnedis nc mögosi-Eupudseys Tis A⁰Yxs unrgös. Nam cum paene eadem recurrant in arg. Oed. Reg., Aeschyli Prom; Sept., Perss. — nisi quod in Sept. et Persis non mo * νjtñ, sed, quod eodem. redit M Uns Oegis legitur —, quae aliunde. docentur ab Aristophane fluxisse; in promptu. est suspicari, grammaticum praeter conlinuitatem actionis casus primarios seorsum enumeravisse. Cuiusmodi zedaA cr, wagoediarum. iam ante. Aristophanem composuerat, si non fallit opinio; Heraclides Ponticus. Ad eum enim spectare haec Antiphanis ép. Kagoiv Ath. IV, 134 B. (Meinek. Com. Gr. II, p. ide speciosa coniectura: est Ad. Trendelenburgii: r De Na ót OU dg G oi lenor ass 1 rats egoistov (üchemAow; ovd. aisxuvera:. e 6, Tav: "HoaxAsırov nay Erol heros. | ağ ru QiodéxTov. MOVOS- dvevpmaws TE, 7a.82daAaıa guy ypa ar Evgemrídg. Sen e verborum Casaubonus. hane esse. »dleliit - | qui Euripid fabulam. componere aggressuro summa. capita describit: et primam faciem tra- qoediae.. delineat... Quae sententia a Meinekio probata nune prorsus repu- dianda est, ex quo Trendelenburgius.a Meinekio consultus de Heraclide Pontico sermonem- esse perspexit! Is autem cum teste Diog. Laert. V. 87 reg TOV- mag Euęimidny Hei; Door od B Y et weg) ov r. Y domoudv d scripsit, in prioribus commentariis r ve O Awra. tragoediarim adumbravisse videtur, prorsus ut Dicaearchus: Messenius vo dees E comu 1 edidit, de quo dicemus i infra. Nerum; ut verba: Antiphanis berg aan 14 T. 1 3 F. G. SCHNEIDEWINT nem patiantur ,. Eugsmidov: reponendum erit. Ceterum fallitur G. Bernhardy, cum Hist. Litt. Gr. I, p. 76 ed. alt. Antiphani chrestomathiae poeticae- iuventutis usui destinatae auctorem. obversari putat. Quanquam non ignoro, oy póyov T& Aicamov jv9git aX Aa. xal Tas movrixds Ónod cesis dN . Tous có ga. véovs testari- Plutarchum de aud. poet. p. 14 E, h. e. breces-ac perspicuas narrationes: fabulae, quae: in poemate latius fusiusque- exposita. est, Wyttenbachii verba sunt p. 117 ed. Lips. Sed profecto neque Aristophanes neque Heraclides et Dicaearchus ii erant; qui puerorum ` usibus. prospectum irent. | T H ware aui mias 3. Ab nativa‘ illa specie, quam hypothesium integrarum olim fuisse dicebamus, aliquantum distant quae aetatem tulerunt argumenta ad unum omnia, sed ut vel pro arbitrio fortunae vel pro librariorum lubidine quaedam propius absint a forma pristina, quaedam longiuscule. "Minime: didascalicis pepercerunt saecula, saepissime illa zeiras ñ Auer et 4 ui» cxwwá rell. apparent, quibus nos hercle minus aegre: careremus. Universe aestimanti | singularem quandam fati“ iniquitatem passae sunt didascaliae cum ‘Graecorum tum Roma- norum poetarum. Nos nunc quaecunque certo aliquo signo Aristophaneam originem prodere videntur, percensebimus. 1. 2 Aeschyli Promethei: arg. prius. IIęoun gts év XxvOig dedeugvou dud 70 xtxAXoféva, TO mie muv- Suaveras Io mAaveufvz Ori. xar Alyumrov vevouévy éxT$s émaQucsos ToU Aus rekeras re Emaor Egnás db vrch er EN auto xegawvwängergas, dar u emp ra AM Ard koche TÈ Ali. mooeAsye ' ydg ô Ilgoungeus ws é&veSqcerai 6 Zeus. Tis dM Vro Tivos oixelov vion: ros dd Boovris vero dQavis ó YlgoysSevs Ene Kerar dè i uvIörola iv ragerſgdce ragd XoQoxXet tv KoXxtlei, rec de Evgimicy: oAws: oU K* UH. H m» ozna TOU doc ace Tos VTÜXEITGU &y Zxv9ia &mi TO Kavadowy. boos & dè Xopos cur£o t qus ££ " Ciesavidwy voa. sto d eeaXaiov- avroð: dci Ilgoug9évs-d£cié; 9 vo in llaec omnia Aristophanea. -Excidit autem post vouar- illud: mgoNoyige db. . De xefaXaío paullo ante diximus si ee - 2. Septem- contra» Thebas: 0 Detodg. -. 790 iv en In locum enarrationis fabulae suffecta novicia est eaque loquacitate magi- DE HYPOTHES. TRAGOED. GRAEC. ARISTOPH. BYZ. VINDICANDIS COMM. 15 stellorum Byzantinorum, qui hanc fabulam in paucis traclabant, insignis. Ari- stophanis haec sunt quae extant in fine prioris oed H adv [oov] cxqvi ToU dg&uaTos Ev Ong vVatómeiTOu" o à Xoęos er Our -écri (expectes 'surtorare) magYEvwv, (Ouod h. I. desideratur mooAoyigeı dè EreoxAfs, id nunc alienum locum occupavit in fine.) 1 2 VmoOEciS üTQaTiG ." Apysiav. moAnprovoa Onßasvs, rovs xai Yαεẽᷣ? rs, xai Dararos "ErsorAfovs xai HoAuveixovs. . non 5 iota sed TO xeQo Xov dici vidimus supra.) i= | om "EdidanIn en Osayevidov oAvumıaddı oi. Sv TEE Oidimeði Erd en Ong, TO caTvQueg. ^ devregos Apiorias Ilegoe?, Tar: re, llaXcio eis ocrvgixois tois Ilparivov margós. | TQgíros TloAvPodduwv Avxovpyeia TeTQaAosía. (émiyéypan rai: dè [umogeois Tiv] intrè èm OríBas ; did TO. ENTO CTQaTayoUS Puhaogew res muAas Tv Onar: eich dè avrai wi ee rr uu, as d EU Tf .AisyVmTO ovos a ovrastvA i.) - ‚HgoAoyiges de — ee e TOV TOV engste, ie eis Dpovgav TAS moAEws.) ~ Quae -uncis inclusi, abhorrent ab Arina e consentaneum est statuere, antiquitus didascaliam Laio, quod primum fuit Oedipodiae drama, praemissam ab iis demum tertio dramati praefixam esse, qui hunc Aeschyliarum fabularum- delectum - instituerunt. . 3. Persarum. DAaUxos év Toi$ mepi Aloxudov. uvQwv £x TOV — Quo; Qpvríxov Tous II or ache oi — JB xai Tav deir TOU dci ce ros rab rn. Tad écri Hegeir TaN: €— Bener ov. "s set EUVODXÓS e asyylXXuv iv dox$ TAV ToU ZfoÉov ATTAV, cToQrvs re S górovs TWAS TOS täs axis "ragídoos. évraUOu d argoXoyiges xogos mpesßurur. . (Haec prorsus eundem habent colorem atque ea, quae de diversitate Antigonae Eu- ripideae in arg. Sophocleae dicuntur: mAyv éx&..... , quibuscum cfr: infra arg. Philoctetae. ) soc [xai Sr 9 pni» cxwpw? ToU dare map Tg rei Aageiov, 7 dà et Efofws orgarevodnevos xaTd TAS N wech pèv 36 MO eee Ty6.S0HWNETDHRWANLGO3OOAUIT 2IHTOITZH ev /IAaraınis ininde,- vau ej Body N wat du: OsvaXis Oer Qiemegouo 9j eis Tow AE ire apum nec: Kris amm — es ‚absunt a Laurentiano. ) òb ME&vanos: ee Alien vina - due. ne. T Main Nene ni div ; Desunt suo diio © à Xogos . e. ed aerae per rei opportunitatem: praecepta prius. Quod. autem in didascalicis — quae olim in fronte Phinei lecta fuisse credibile est — post v. DI'A«vxo vulgo infertur llorvie7, non extat in Laurentiano. Quod si vel €ognitum habuissent vel reputavissent adversarii W elckeri, Pontium Glaucum intelligentis, fortasse minus confidenter praestantissimi viri: sententiam ; quae verissima: m Kom erant. Á. Agamemnonis. ec 1 GUNYA ^ Aventures eis "Dor adr Y ehren 85 Mee o, TO "Eod wmécxeTo TIS AUTAS Tfgus: 1 Macy > dict arvguoV.: 5 ge cxomüv Exadıcev éni uis9a Kivrasprgarge, ir Tupel TOV m UgOOV. . Y 0. er idav cima ysyesXev , auri: dè TOv rav- qtgecBvrv. Ox Xov ueramfumeTdi meo ToU rue égoUca' éÉ wu xai 6 Xopis cvvícrü Tau" ore "UXOUCRV TES r ,‚ g ue T. 0v mohi dà wal TN Ovis magaslveras xai TÉ xard TOM: m AGUVO disp Ei Tetl. i6 "Aveptuvov d- ni anne &oxeTou.. " EimeTO d avr &TÉpk cin, ra av Td: dev gar xai Kemodvóod. euros u ouv mgosisegxerai eis TóV oxov GUv Tj KXvrauiieair quj Khedsdps D —€—— ke eis Ta BaciAsıa eiseAdew, Op bavtES xal ToU EST Ev dee Oger ae xci est Hdd ws Berne blase N G au robro ds TO..uÉpó$ Mau dpanarös S'avuc£gera:i ws xai bern n xctl orxToY ixavòv umb. ids d Aioyuhos TOY. Ayumsurowa imi annvis wevatgetg Qai role. Toy di Kad ideas ciw- micas Oavaor, Cwengety c u. Nerat re Aly Sor xai Kv- ä BRD „ reg! n : tyctigéa us, &vi are Oc. Ac, ru ue rñ vi: ver [Qryevetus , >To] 2 Tais o Sree ad ere ee "Argews eunpogeR.. Nn inn 1i ja Edi dix Nn ro ide en apXovros P Ogden oora a Erw deorépg. ^ emrporos Aide at iid erede ns Einen. leere; ur ub. SxXopifyei Zr AOidveis. À 3517 sies TU DE HYPOTHES. TRAGOED. GRAEC. ARISTOPH. BYZ. VINDICANDIS COMM. 17 "TlgoAoyigeı dè ò CU, Yepanav '"Avyau£uvovos. Haec licet paullo verbosiora sint, tamen totum argumentum Aristophanis esse aio, cui vel longe sterilius argumentum Eumenidum vindicatur. Cum autem enarrationi fabulae ipsi commode interposuisset ££ wy (wgecBvrov) xai 0 xogos cwvicTaTo, poterat infra supersedere iis quae alias habet: I u onv ...., 0 d xogos cuvfoTuXxtv.... Ilis igitur occupatis prologi. perso- nam solam in fine supplevit, prorsus ut in arg. Septem factum est. Quorsum autem Jepanuv 'Ayautuvovos adiecerit, illustratur libro Laurentiano, in cuius indice personarum infra nomen Agamemnonis scriptum est: Osparwr "Ayaufu- vovos d mooAoyıgopevos, ovx; 0 und AiyicQov r Gels. Spectabant haec eo, ut Aeschylus ab Homerica narratione discessisse intelligeretur. In Odyssea enim Aegisthus custodem suum sibi conducit, h.l. oixorgsı) dovAos Atridarum aexovrı uua munere speculatoris fungitur. Ceterum mirum est, in Laurentiano argumentum deesse, hodie quidem. Nam cum extet in Wolfenbuttelano codice saec. XV ex Laurentiano ‘descripto, post illud tempus casu videtur perisse. Librarium enim Wolfenbuttelanum ex alterius classis codice supplevisse non credo: extat enim in libris Triclinianis. Similiter et personarum index et hypothesis Aiacis hodie in Laurentiano frustra quaeruntur: utrumque habet codex abbatiae Florentinae T, qui ex Laurentiano ductus est. Cum Choephororum atque Supplicum hypotheses interciderint, transitus ad Sophoclea dramata fieri potest. Et Aiacis quidem argumentum, doctum sane alque rerum uberiate excellens, nuper fuit qui Aristophanem auctorem habere iaceret. Credo, doctrinae exquisitae specie illectus ita statuit; quae fallax est, cum ne a Salustio quidem aliena sit. Aristophaneum ego morem desidero, quem una haec lacinia refert: 5 un ToU deadnaros &v TO vavotaguw moos Tf cxvá Tov Ailarros, Sed ea quoque mutila. Nam quod continuo sequitur comma: dasnoriws dè eise. mpoAoyigovoav Tz» An- „dy. , ita comparatum est, ut, quod nos sciamus, nihil habeat cum Aristo- phane commune. Porro etiamsi et illa o dà xogos cure ... abesse posse concedimus, quippe in superioribus non praetermissa (sregasyísera, dè Xogós De vavrGv), et doctrinam argumenti cadere in Aristophanem Hist. Philol. Classe VI. C 18 0) e i F.“ G. SCHNELDBYWINIGO9AAT .9:H1TO damus, tamen cum certa signa originis non compareant, a quo venerit largu- mentum. ab interpolatoribus Fam in medio relinquamus. _ 5. .Bleetrae: , Yrorerrar wde repel Hail Opern. Tc. èv sl bic: MiXQOV iyo auror ovra xXfxjaca 1 HXÉxwrQu,-wríxa d marno ésOdgero, dedwre TQ roodei,ideisag un wal avrov xT&ivocu. à de nett er &vróv, eis Dux(da moas TOY Ergópiov' vüv ÒÈ peT &ixociv Ty Emaviov cur fs TEOSTO 5 Agyos deierusw adto Ta Ae S H cv to óodu&ros vrt Ev ADE. “o * kogos rovers 8E Emıkwplwr rag d kr. oe de c 0- maidaywyös Obo ov. Ea ‘potissimum, quae in fine sunt, auctorem suum redolent: reliqua in hanc tenuitatem culpa excerptorum gos jt eo magis dolendum, duo minus aliunde de tempore primum doctae Electrae constat. Ut T perspiciatur, quam male vel in Laurentiano | habita argumenta Aristophanis sint, afferam scripturam huius libri, quacum fere ne codex T Dindorfii. Ille igitur haec: dedwxe T TjoQs; O Hoνẽ,Dũm un x avróv one io cu. cw TQ TATEK Toopevs koti ó rgoXotyigaw: mokoßuras: maidarywyos O vroXEiJaEVOS | £t Vrrex 9 £uevos tiv "Ogéc Tay els 1 Doxidda moos: Drip, -nai vrroósixvüs ,, Td EU Agye u ydo aros. xXédyas éx ToU. Agyovs: 0, made yuyos ÉQuysv xai did &ixoc. tav émavseKOgw sis TO "Agyos.9À (ex- punctum est) uer «urou fingit ing. vd Ev. VAR Salis apparet, duo argumenta. verbis paullum. v; Cum. Aldo, consentit B: librarius po cum n archetypi sui temeritatem vitare vellet, non, illepide xal GNA ante voc. Tgofeis . S0 de suo interposuit. dem cum APEPI, vitium Laurentiani in seqq. verbis: „ó Ümoxeinevos. xai, mex di. leres Tí» 'Ogéeruw . ita tollere conatus sit, ut à ra depuis vroreſleros rr Opera scriberet, abiecit quod sanum erat. Tu Umoreinevos xai deleto: nam priore „ vocabulo . exarato . librarius sentiens. peccatum ‚superaddidit xai imixSÍuevos: id enim. interpretatus erat perverse Vmoxeinevos, 6. . Philoctetae; deest Dietro ix uit eis reren d ums FREIE xai STERNE ag EXÉrov gayT&tiav, 0$ HATA MOWTELCV KaAxavros, ws "DE HYPOTHES. TRAGOED. GRAECI ARISTOPH: BYZ. VINDICANDIS COMM. 19 sides Komanous cvvreXoUvTas nois thv s Tolas dh, uno Oduco l vuxTwQ &vedgevfeis dec, AXIN ois EAN. I H dè (uir) osa ev Anuvw, & d xopos [cvvéo Taxes excidit] ¿x ye- govruv TOV TQ Neo ro ouumAsorrup' [excidit mgoAoyiges dà 'Odvc- vevs.] xerras à ral map. Aloxurg 7 oque Me di émi l'Aav- xímTov' Toros wv. BoßorAdsi.... l Ab initio argumenti valde: decurtati supple rd xedaAausov sive 1 vmo- Secis: reliqua enim interciderunt. Permirum autem videri debet, quod solius Aeschyliae Philoctetae grammaticus. mentionem fecerit. in tanta celebritate fabulae a tribus poetis: certatim elaboratae. Videlicet. librariorum ista culpa est. Nam cum Laur. Ker ws mepa AlcxvXg, non xeira; è xai maga Alox. offerat, haud difficile est ad intelligendum; dedisse auctorem fere xeFraæs [dè xal «wp Evpımidy,] cs warapa AloxvAc. Cui suspicioni: confir- mandae praesto est argumentum ex codice Flor. T plenius editum a Dindorfio in edit. Soph. a. 1825 p.x,vm, ex quo simul recuperare illud licet; quod supra signifieabam excidisse mgoAoyigeı 6 'Odvccsvs, quod indicem:persenarum etiam in edd. velt. subsequitur. llle igitur codex speia indicem iperüonarum. ita pergit: xai ma ToUTQ mgoAoyige xa greg xai Evgemrídons arva. exe pv dict ge, OTe 0 idi Evgimíógs avra TQ 'Odvocé? magarid tiw (leg. wegırignew). otros ds 1 NeomrroAÉuw Laps vg dit ToUTOV oixovo- ura. Door DiAoxriras.n mooAoyile: 0 "Odvocsvs,.. Quae verba male a librario: mulcata quam sententiam habeant non est obscurum. Obser- vaverat Aristophanes, et apud Aeschylum et apud Euripidem unum .. Ulixen prologum agere: cum illis autem Sophoclem discrepare eo, quod 7 'Odvccs? NeonröAsuovr Tupéisu*ye,. ^ Hanc esse óeconomiam m en pecu- liarem. P 7. Oedipi Regis 1181 air £ujuetoos in libris tribuitur — grammatico. Kaiser fide ` en codicum ita scribenda est: ( Ar Kiga on Oldious, margös BER St 20 100 qd pos Tüv ümdvrun Xoidopovpevos CE, eben Ir mvSícSu -Tvdirav SeemeudTov,; =o 00 tsaro chy re EmvTOP xai tyfvovs Durocmopor. : K 388 02 20 i21 F. G. SCHNEIDEWINI evgdv dà e èv orevais anafıroıs anwy ÉmtQve Ah, yevvyroga. Z9yyos: dè dewis Javasımor Auges uf io xure unręds dyvoovueıns Adıyos. Aouos dà Ones eNe xai vócos parod. Koéwv dà meuQSsis AEN D moos écríav, OTUS NUITA TOU XaXoU mauoTngion, nrovce Puväs navrınas Oso) mda; TOv Auieıov Erden vei Dovor. 09ev uaSOdy avrov Oldimovs dA dico Xegciv Gr ci d uc er ges, auth d& Ai,ẽ,ãẽÿ dyxovaıs diaAero. Haec- alque talia lusisse Aristophanem credat qui volet. Mihi nomen gram- malici, quod argumento pedestri sermone composito praefigendum fuerat, alie- num videlur in locum traiectum esse. Et plane similis dre gens &upergos Philoctetae sine nomine Aristophanis fertur: argumentum prosarium illius esse vidimus. Confidenter contra argumentum illud, quod est apud Dindorfium tertium, "AAAws inscriptum, Aristophane dignum esse statuo : O Tugavvos Oidízrovs rois avrıhaaroAnv ToU iy TQ Kohava Emi cr TÒ x&QaXaiov dè ToU Ógduaros yvacis TOW Idle xaxa Oilein don ig, Te TÀy (SaXpuóv xai di ayxarıs Javaros '"loxdcotus. //Bed.argumentuta: prins: copiis. éruditionis non de medio sumptae conspi- cuum non ad ph referre. Nam ne Salustio quidem indignum est. De Oedipi Colénel: creta — — I 8. Euripidis Hippolyti. Enarratio argumenti uberior quam pro Aristophane. Sed didascalica, quae exstant in fine ex Arsenii codicibus: hausta non alium habent auctorem: H cxwwü To) doduaros év Tom xerras: dod émi "Emausi- vovos apxovros O. oydonxoori EBdoun Ere Terdoro (scr. Ovu- ricidos ng’ črte: Terdgrw coll. Ritschelii cod. Vatic. Parerg. I, p. 323.). rg ros Eugen ions, deurepos lopov, voíros "Inv. ori dè ovros d ImwöAvros devregos, xai EreQavias mogosayopsvönevos’ EHu e r yd do regov DE HYPOTHES. TRAGOED. GRAEC. ARISTOPH. BYZ. VINDICANDIS COMM. 21 yeypanpevos’ TO *ydo dm n xai xaTyyopias d ÈV TOUTA p duigDurai TÀ dpdnarı. TO dꝭ doda TOV mpwTwv: Quod row Zredaviar a pies Hippolyto distinguit, idem fecit in O. R. Nec is sum, qui indicium illud 2 dè dedue rr mgurwv in Aristophanem cadere negem, cum et alia argumenta Euripidea (cfr. Alcest. Andromach.) et Aristophanea gemellas observationes ostendant. Et recordare Lucianei Ocy- podis, de quo superius diximus. Ceterum ab initio intercepta sunt illa 5 42 XOGOS uro, , Sed mooAoyiges dà vj "APpodiry conservatum est in indice personarum. Alcestidis. ja Aristophaneum haud dubie argumentum Romanum a Cobeto editum post Geelii Phoen. p. 273: "AAxnerıs 1 Ilex io Yuyarıp vatousivaca vmio ToU idiov dvdpós re- Asvräcas HoaxAéovs Emiöyuncarros év Tj Oerraiig dacwgerai Bia- cauévov TOUS KYoviovs Hes sai asXou£vov Tiv *yvraixa. Ilag ovóéré£Qo Neff 9» uu. To dpa Em g did x dn ini DLAavxivov &oxovros TÓ X. ch. e. OM ,,jmg ... Ér&i ...) "rQuiros Door NN, dere Exormíóns Kęicccis, "AXxpaiav T$ did. Wußidos, Tas, " AXxzc Tid. To dè dgãpa xwuinwtépav N TAV *r T . H cxw*vü ToU dd h Hes vmóxsirai èv Depas [mig H ν² ris Ostra- Alas’ ouv&ormxe 0b d Xogós Ex rive mpsoßvrar Evromiov, oi xal mapa- yivorras auumadnoovres Tais: AAxyorıdos cuuogatis. mooAoyice 6 AaróA- Xv. sioi: &xognyoi (cod.Havn. ic; dà xognyo cum quattuor circiter litterarum lacuna), h. e. non '[z/doros &xopyysı, ut G. Dindorfio placuit; nam nomina ab Iside repetita posteriore demum aetate provenerunt; sed, ut ali- quod nomen ponatur, "Icíes, Icio simm. &xopsyes,''quae sunt — nominis "cos, de quo alicubi admonuit A. Meinekius. Haec, etiamsi ordo. enunciatorum aliqua ex parte perturbatus est, loquun- tur auctorem suum. Sed quae in codice germanis verbis assuta sunt — 70 dè dodud b varvgrwrepoen . aXXov xwpwdias Éxousva — librarius aliunde mutuatus est. Ceterum de scriptura codicis Romani in quibusdam ali- ter testatur Cobetus, aliter Fr. Ritschelius Parerg. I, p. 323. Cfr, de illis TO dect ua nonon Welcker. Trag. II, P. 450. 22 0) ?IQZ A010VTV FIG.IBCHNEIDEWUNFIIOOLAT .23HTOTYH 10. Supplicum. * ub 2 év EA even 7 d xogos heren m — dyuvduxüv, «i unf Ni ray Ev hao TWETETGJÓ T GV vias iaa TÒ pe piro S piov A195)». bu BRhesicit ) 215 nil [rt bi Pñcos cis AY mv eee roũ r r,πιτ ο ] ia? ri Mot- Gar uids, Oc d inyovpevos eis "Av wageyiyveraivorerds, o- reuau t Tour maga reis vavoı TOV EN MH ToUTov- Odvoreds za) Aloundus xaTdoxoTo: ovres avasmovow, AO, avro VmoOsuívas ox uéyav écóusvov Tois ENA aivduvov éx Tovrov. Te, dà ra. veiga TO TOU maios wm: dvyeiXeTO. ws dy — h Wee xci megi TOU Gorov TOU AöAwros. H cαν rod dcr év. Tgog": & de Xogos. custe rn E DAL xwv. Toouxov, oi 2tcti-TQoXbyigavei* regal xe de vix revepaíay. | (SS TRA Te de dec vio: vodov Vmevoucav, «x our ðv- Eugimidov. Ton ydp Zopóxh sior : uc Xor vroßaiver W eu Ayr Tals didackkeAlaıs s Vriẽ⅝ eve rat (cc vayiyganraı recie cod. Havniensis), s; 7 regi rd meTag dà. Ev auto roh vt gary uo in rov Evomidav ojioA oy 6i. ‚HooAoyoı d dirroi Pe for rat 0 wis Auxaíapxos éxTiO sis Thy Ùn- Seciw Tot- Pycov.yodtQer xard D ovrus: - «Nr. &cÉXavor- Peyyos 4 bien aros. EY visis- d& r ergebe, PR Tis. Peperan rh; omegos mavi. ii où res rn Eugemidg: 1 — «V. TÜVES) TOV UTrOXQITGV ÜECXEUGXOTSE ELEV AVTOV” KEL dà OUTOS AA. In his licet insint qualia a more Aristophanéo; quem vulgo tenet, ablü- MER non audeo damnare in caussa singulari. : Illud certe non distat a probabilitate, Aristophanem ex Dicaearehi copiis profecisse. Postremo ut hoe moneam, vv. meguexen dè wunreyegoiany vel yuxreybesiap potius, eadem vis est; quae alias 2 ds UmróSrec;s sive 18 db xeQuXausv. ^ [Aecurátius de argu- mento Rhesi nuper egit-A.-Kirchhoffius Philol VIE p. 559 sqq. ls do- cuit, quod me fugerat, in eod. Vaticano Aristophanis ipsius: nomen praefigi ar- gumento a vy. Pics mer zw. Dirguuiöres usque ad zeg£xe; d Y Nuxre- yegcíar , post quae. er Td Tob UE ien poc Ergo opinio me fefellit. ] She 4 DE HYPOTHES. TRAGOED.. GRAEC. ARISTOPH: BYZ. VINDICANDIS COMM. 23 N VN. Ion e 5 iex os Koéoucáv 11 Epex las Arihu! "mon iic Emoingev ‚Ev. Adnvasıın dè ro yerındEr vro adv. digno iEEOue , Tdv avzov. tó- mon xci TotadixhuaTos: Kal Tas Aoxeias qud orvQa XafSoUra. rò pulv ovv. ges os Eguñs uveAöuevös eis AsAQovs. tweyxev^svgoUoa d^ 4 ments ant edle THV. Koécusav dà. Eod Sos nne sunuaxycas yap AH αj⁊M riv. aciXsiav xai TOv rs moosigmaerns clio Nude dapor. TouTw uiv oU» M mais ovg évéveto re d éxrQaQévra uro u opidi 0 AN Po vewxógoy Emoinsav. 6 dè ayvowy édovAevos TQ: — H mers tôt hal ros v rb xetr ips rivi t Ta.” Andromachae. > NeomToA&uos èv Tol végas N80 A. dec xn. Tv keene yuvaizay naida rexer EH auräs-rov MoXorTóv: ig reg da S,, Epuióvny Tiv. MeveAaov Juyartéga. dixas dÈ mgóTegov jrwxds TAS Ax Ne avaugkoews TOV èy EP, Arb, nad, amer -&mi TÀ xgmarngiov neravorcas, dre ro eov. ErAdonrau. Oporinus Ò E TQIS av Ardgopdxun. 1 Basihis ‚£BavAevere, XAT aUis, Hare gor Atera. meu U ανjEù T Mars aon; Y dà 70, raden . vet nxen, aum. dà xg ré Quy, mi TO. ARRON, Tis Qéridos.. oi P reg! ren MevéAaor. xai à r dior den go xal kx dnaricarres dH Eg xal SGE 4% ar- res duPorépovs éxoXvOucav IIgA£ws émigavérros. Mersch uèv ouv amnAger. eis Zomaora i ‚Egnıcvn de. ‚METeHüngen, Nee van magou, iv TOU NeorrroMÉ uav... magayevouevos d& d Ogee ru rar u dmayaye neigas, Neon roXÉug de Emeßoudeuser" Ov xci QorevSírza ra] α ol Qé- ganzes... jest dè NU. rer vengöv Hemel Qéris. abet. rei re- OTETA METÈ TOU PAL avroy dà Edo ei enge ae à TAUTNS gis Mazdgwy. vioous WHITEN, hia 'H udv oxn ToU dpauaros ép Dig K, o dà oh oy (hoc. om. Havn.) £x PYoridur. νονννẽH:yũ N- dà Ardgoudxn. TO dè- deua 1 deri L *tooAosyos. sapas xai evAoyws | eiguuévos, Cr. de xai 1d Ae, Td iv TQ Ogre rhs Avdgondxns Ev TQ devripw A mi F. G. SCHNEIDE WINI pépes’ Qicis Epuidvys To [Bacilixóv Eufaivovoe' xai 0 ngis ` Avdgouctomv Aöyos xaAcs Exo" sv dè xai IMyAevs à. rar " AvÓgouct xv a QeXópsvos.] Ultima tametsi. sobrietatem - Aristophanis excedere videntur, cui per me licet demat cui displicebunt , illa profecto 70 dà dp&ua rar evrípwv aucto- rem suum luculenter testantur, cfr. arg. Hippolyti. Nec enarratio fabulae pro- pterea ab Aristophane abiudicanda est, quod latior est et uberior Sophocleis enarrationibus. Reputabis enim, Euripideorum dramatum varietatem respuere simplicitatem illam, quae in Sophocleis locum habet. . e | * ý uiv cxwwwm ToU ÓgduaTos vmóxeiTa. èv cpiois Tis Agyeias yas" ö a£ xogos avvéaTuxev EE inixwpiwv yuvammav, [mgoAoyige, d ó avrovg- es.] Haec ultima age indicem yulge claudunt. 15. Herculis : MUN "HgaxAis yıruas Melon) 11D Kokorros nadas & auras s RD rr , db ToUrovs iv rats Oyßaıs autos eis "Ayos NN Her, Evovo ger Tous cQXAovs &xmOVNOwV. TüvTuy d megiyevönevos &mi Ad eis Aldov xaTTÀOs. xai moAvv xe? diatghpas Xgóvov. dokar dmÉA,mE maga TOS S. ciw ds ti TEQVWXws' cTacidcavTes dè oi OmnBajo v tòr duvdornv Koéovra , Avxov éx ris Evoías xaTüyayor * ** agoXovyicei dà ó AuQırgówv. Haec sola, vulgo subiecta indici persona- rum, Aristophanis officinam declarant. BS ce Hecubae | argumentum prius Thomae Magistro aseriplum aliquod famen vestigium fontis sui, unde hausit Thomas, retinuit in exitu uberrimae narrationis. H uiv xii TOU dean ro v Umdreiras èv Tj avrınkoav Tis Opgxns Xeggo rng Ò d Xogos owvloryeer x vue alu Nor in Tegado- enin adii ti Eragn, Leeden. BER 17. ` Orestis. Post enarratam Tope gr en haec, 1 Aristophanem con- suetudinem referunt: -+ H ai» cenh ToU ER? VmOXEtiTOi dy PAR 0 de opos ou. cTWXEV Ex yıvaav Apyeiov, MMI H "HAdxroas, ai xai mapayivov- Tai ung riis ro Opkorov muvSavóueva: cvuQooás. mooAoyldeı dè HA fe. DE HYPOTHES. TRAGOED. GRAEC. ARISTOPH. BYZ. VINDICANDIS COMM. 25 rò de denne wwmiewregan exe ra ,es SH. [y dà diacxevs roù dpduaTos écTi ro. & Ta TOU ` Ayauéurovos fBaoiXsim Umorerres "Opkoras ch,, xai xeiutvos Umso uavías e xAuvidiov, & "rposxa Se- To moos Tos mociw EM,. Haec et quae sequuntur, in cod. 18. Ab- bat. Flor. omissa, alium auctorem habuisse videntur: sed ultima ex more Ari- stophanis sunt: rò dd Td n oæxnvis svdoxiuovvTuwv^ Xsípia Tov d rois 195. mAnv yap IlvAddov marres Qator wav. — Cfr. arg. Hippol et Andromachae. Verba aj xci mapayivorres TA. plane gemella. iis quae in arg. Alcest. (cfr. Lucian. Ocyp.) leguntur; quid quod ad verbum n illa ro " Ww xojaxarÉouy Exe TAV xaTacTQouy? 18. Iphigeniue Tauricae.. Ogecrus xard xono Hr SX OD eis Taiçovs TÄS Xxv9Sias were Mý- Addov mapganırmJeis 1 mag avtos Timwpevov TÄS Aptéuidos Eievov ue Aíc Das moongeito‘ mooc Dwr d emo: r vede xak daveis vrè Tür évro- niwv dua Ta ON oN eis avy% 9 xard ry Tag evrois È Qio kov ds ToU Tis Agrfgudos. leg vena idet TOUS: v ra ram e- cuwras Éévovs amésQarrov. 09: fi ‘H uà» c»wvX ToU doduaTos vmóxe,Tci Ev „pIa Tas Savas: 4 de. Xopós cvvéerwuev EEEAAyvidam *yvyaaxv, Hegg vid Ts "pe veias ; [mpoAoyigeı 03... .. ] Reliqua. Euripidis dramata aut amiserunt argumenta aut ea Wed in qui- bus vix quicquam ab Aristophane acceptum hodie agnoscas, velut Heraclidae, Helena, Phoenissae, Cyclops. Peculiaris caussa est Troadum hypothesis, quam supra visum est operae prelium ad Aristophanem auctorem reirahere. Liquere iam existimo , artioribus quam pro re terminis Aristophanis ope- ram circumscripsisse Bo eckhium Corp. Inserr. I, p. 350, cui quae de super- _ stitibus tragicis et Aristophane didascalica supersunt, videantur magna ex parte Aristophanis Byzantii commentariis deberi. Tantum enim abest, ut sola didascalica ad Aristophanem redeant, ut illa ab aliis sumpta. particula quaedam doctae grammatici operae fuerint.: Et ne quis humilius de enarratione fabula- rum sentiat et quae grammaticus praestitit pusilla arbitretur, fuit profecto aliquid in tanta mole librorum ab Aristophane pervolutandorum — eum in finem Hist. - Philol. Classe VI. 26 F. G. SCHNEIDEWINI perlegere, ut animum ad summam rerum attentum haberet eamque accurate et eleganter perscriberet. -4.. His aulem ita percursis nen ut investigemus, utrum Are nes editis.a se triumvirorum fabulis comites esse iusserit quas ab eo confectas vidimus hypotheses, an eae post aetatem auctoris a grammaticis sint in com- modiorem legentibus: locum aliunde- translatae. lam si constaret, personam editoris in tribus poetis tragicis egisse Byzantium grammaticum, non esset crr quis alio potius loco, quam in fronte singularum fabularum ascripta ab ipso argumenta esse censeret. Verum id non constat praeterquam de Euripide uno, idque ita constat, ut qui de recensitis ab Aristophane et annotatis Euri- pidis tragoediis dubitationes moveat, verendum sit ne pro male incredulo ha- beatur. Nihil ergo obstat, quominus frontem Euripidearum quidem tragoedia- rum ab ipso fuisse exornatam argumentis statuamus Aristophane. Nec de Ari- stophane comico aliter sentiendum esse videtur: et similiter videtur in Hesio- diis tenuisse. Quod dum documentis corroboro, hane mihi veniam expeto, ut omisso parumper Aeschylo et Sophocle interrumpi tenorem disputationis non aegre ferant lectores: nam et ad rem pertinet, quam quaerimus, et praeteriit Nauckium, cuius docto Jibro hanc totam commentationem pro supplemento esse volui. Hesiodiis. carminibus quid praestiterit Aristophanes sententiae eruditorum in contrarias trahuntur partes. Et Nauckius quidem p. 59 concedit, Aristo- phanem censuram de Hesiodiis litteris genuinis an spuriis instituisse: abiudicavit enim ab Hesiodo et Scutum et "YwroS4xas Xeigwvos: de illo testem citavit Nauckius arg. Seuti p. 108 Goettl., de altero carmine Quintilianum Inst. Or. I, 1, 15 „Aristophanes grammaticus primus Tron Xeípwros negavit esse Hesiodi.« Utrumque testimonium: coniunctum Nauckius p. 247 ad com- , mentarios in Callimachi [Iivaxas aggregavit. Nec repugnarem, nisi edidisse Aristophanem et a fronte instruxisse argumento Scutum quidem demonstrari posset: unde idem de reliquis carminibus Hesiodi nomine olim cireumlatis non temere, opinor, suspicamur. Quanquam, ut Opera et Dies taceam, ne de Theogonia quidem res omni caret dubitatione: cuius cum Wolfius Proll. p. CCXX. noram recensionem: ab Aristophane curatam; Goettlingius autem e schol. ad v. 68 commentarium in Theogoniam prodire Praef. p. LXVII stä- DE HYPOTHES. TRABOED. GRAEC. ARISTOPH. BYZ. VINDICANDIS COMM. 21 tuisset, Nauckius seditionem criticam« ex eodem scholio exculpsit. Eadem fere G. F. Schoemanni sententia est commentatione de scholiis Theogoniae Hesiodeae Gryphisvald. a. 1848 edita p. 21, ubi vir praestantissimus de Schol. ad v. 126, in quo Nauckius p. 60 calidius videtur nomen. Aristophanis. ex- tirpare voluisse, ingeniosam coniecturam protulit. In alia omnia abiit S. M u e t z e l- lius de Emend. Theog. p. 283, cum canonem illum Aristophaneum -intuens non modo delectus sui rationem explicuisse illum. scripto, verum etiam suc- cinctam carminum interposuisse censuram comminiscitur de suo, Nam ut ca- nonem mittamus, quale extitisse sumit Muetzellius opus, eius nee vola usquam nec vestigium reperias. Ergo hoc manebit, aut edidisse Aristophanem Hesiodia carmina vzroSécsc;» instructa aut in commentariis Callimacheis indicia illa. sua. exprompsisse. Nos ut illud potius amplectamur movet. vrogecis Scuti quae hodieque extat, tertia numero apud Goettlingium p. 108. Cuius nisi primum enunciatum satis habuisset .Nauckius apponere. p. 247, quid rei age- retur perspecturum fuisse opinor. Exordium. igitur argumenti iam ab. Aldo publicati hoc est: M | Tas domidos 4 dox» èv TQ Ò KaraAoygo Pegeras ufxpui- oTi y xai cT. unumrevne OÈ "Apisroßavas, ovx, 6 xapuxós. AA Tis Eregos yoruuarırös, ws ovx ovcav aUTZV Haidov, XXX érígov Tivós Tiv OA pixy donida uiuMoao-das moocigovuévov. At addere debebat Nauckius. quae primus Heinrichius ex codice Rehdigerano p. 41 prodidit, Goettlingius antem ex Mediceo primo vel emen- davit. vel locupletavit, cum ad Aristophanem apertis verbis referantur: x & ð A- ra. dt rote roin Tm, scil Aristophanes. Disertius etiam codex Casanatensis, ex quo T. Mommsenius eandem hypothesin descriptam -edidit Nov. Mus. Rhen. VI, p. 299: xéxontær dè SA uro glg ToavTg. De quorum fide verborum cum quicquam caussae cur quis haereat non videa- tur esse, totum argumentum, satis illud doctum, in Aristophanis erat reliquias recipiendum. Sed quod Mommsenio codex suus argumentum Aristophanis ipsum continere visus est, erravit: sed erravit excusatus, quoniam recentiora exemplaria Hesiodia Romae scribens ad manus non habuit. Etenim. collato ar- gumento Rehdigerano cum Casanatensi protinus in oculos incurrit, in magno rerum narratarum consensu sermonem alterius ita depravatum esse et deprava- D2 28 F. G. SCHNEIDEWINI tum de industria ab librario aliquo Byzantino, ut ab auctoris sui elegantia miri- fice degeneraverit. Quae res cum longius nos ab instituto. abstraheret, ipsa iamen narrationis exordia exadversum collocare non gravabor, quae quam recte ita decreverim paucis doceant: K TEEN j e xai HREN TOUW vior AÀ- xaíov &yfvovro. rQ dè "HAsxrrpvwnı rosa (BvrÉoo ovi Tv wAuxlav droi Dy 6 AXxaios &réroedyev and- cap av ÉdvroÜU ovciíxv, Sees, ereida v ò adeps ar "Audi- rei, urodouvaı Tiv raraRE e. cv c νιν , uoTpar mepioviiaæs. ad- Hels dd 0 AHOrgE xal daavróv mapa ToU "HXexrQUGvos' dóEXQoU, TıguvYov rore (3acXsvovros, TÒ èni- G auro oos TAS Tra TQuxTS. 2 2 £ 1 os, ónei ovx ŝAdubBavev dyvo- Hovouvros TOU uOSA(QoU, moAenor xiz , , , - vNcas xaT auto HAI TQocXxaAscd- pevos Tœꝙious xai TqXeB3oas sis ovp- ud xci xQaTXGaSs TOU dóEAQoU, - sin iv pip aveiis xai TOUS vioUS . oris d Quyarg- ne — l Casanatensis : ’Andırgvav xci "HAerrpvwr vio '"AXxatov. nv dè "ElXsxTQUew 6 yn- pai? (yepairegos Mommsen.) adeA- "Dos. Ovitoxov ðè 0 'AXxaves éxd- Xec& TOV viov aurod "HAcrrpvwve, Aéyav avr Edy avogw95 0 cid ex- Dos cov "Augirgéav; dos av TQ Tv tte gibt itv, qv 00 xaTÉX&i [a xdow &UTOU. cmoSavóvros di éxsivov wv. dowdy perd rara 0 '"AuQirovov xai iQWrzcs tiv maroımmv doe un didóvros d ToU "HXAexTQvovos, òs täs Tig Oov &8acíXsvev, xiv on xaTa ToU daÓsAQoU avrov HAs- x TQUaVos , mr Qosxa.eactusvos T o Qíovs xci Ta«As(2oas, xci dvete avrov xdi tovs vious aurot thv dè Juya- rig avroð AA, cs yvvaixa ! passis Rehdigeranus igitur fcn were verborum Ata ene, uni- verse quidem aestimanti, vindex habendus. est. Dost has ambages ut ad Aeschylum et Sophoclem, unde deflexit, rever- tatur disputatio, illi quid debuerint industriae Aristophanis in magna hominum doctorum versatur dubitatione. Ita F. V. Fritzschius praef. Arist. Thes- moph. p. XIII ab Aristophane Byzantio recensionem Sophoclis eam, quae aeta- tem tulit, profectam esse plures ob caussas se suspicari professus est. At nec attulit caussas ills nec afferre, opinor, poterat. Quid quod nemo veterum DE HYPOTHES. TRAGOED. GRAEC. ARISTOPH. BYZ. VINDICANDIS COMM. 29 Aeschylum. et Sophoclem a grammatico Byzantio tractatos testatur. Vel sic tamen Sophocli saltem ab eo curam ‘impensam fuisse, nisi per se credibile videatur, persuadere posse argumentum Antigonae sententia Nauckii est p. 62. At ex argumento jllo si quid coniectare liceret, poterat pari iure idem de Aeschyliis fabulis, si argumentum Eumenidum cognitum habuisset vir doctus, suspicari. Liberalius etiam Fr. Osannus Anecd. Rom. p. 81 in recensendis sllustrandisque Sophocle et Euripide — de Aeschylo enim non liquere — ali- qaam operam posuisse Aristophanem non dubiis testimoniis patere profitetur. Et Sophocleis vrouryuarıcrais cum Aristarcho Aristophanem accenset Fr. Ritterus Didymi Opuscc. p. 37. Ulterius etiam provectus Iul. Richterus p. 70 haec sibi excidere passus est: „Singulare vzoSécew»v opus eum com- posuisse significare videtur Athenaeus’(8, 336": at is de araypapars comi- corum loquitur, quae fuerunt év rors moos ToUs Kadkınaxov mivanas.), quan- quam si quis commentariis Aristophanicis eas praescriptas fuisse contendit, non magnopere refragabor.« Et rursus p. 71: Aristophanem in Aeschylum com- mentatum esse ipsa quidem scholia non tradunt. Nihilominus, qui tam sedulo fabularum Aeschylearum argumenta enarravit (id quod Riehterus certe non evicit ullo testimonio), eundem et ipsa poetae verba accurate tractasse atque explieuisse certum est: eoque magis opinor, quo certius est, eundem gram- maticum commentatum in reliquos esse.“ Similia haec Richterianis reliquis: quae a critica subtilitate semota ubi ad fidem testimoniorum explorate exegeris, fere dilabuntur atque pereunt. Ita enim vanis opinationibus indulget, ut quae recle et ordine scripta interdum eminent mirum in modum falsis et temere profusis obseurentur. Longe circumspectius Welckerus Trag. Gr. I, 79 haec pronunciavit: „Aus dem werke des Aristophanes, das sich berichtigend an des Kallimachos viva xai d ver D av didacxcXidy anschloss, rührt, wenigstens im wesentlichen, der ihm zugeschriebne inhalt der Antigone und vielleicht manches andre in den argumenten, wobei er nicht genannt ist, her.« Et infra: „Aus demselben werke mag auch die bemerkung des Aristophanes über einen Sophokleischen ausdruck sein fr. 911: denn von einem commen- tare des Arist. zu Soph. ist keine spur vorhanden.« Quibuscum congruit fere arbitrium O. Schneideri, qui in censura Nauckiani libri Nov. Diar. Litt. Jenenss. 1848, nr. 245 p. 976* ex argumento Antigonae neque commentarios 30 F. G. SCHNEIDEWINI: Sophocleos neque d;ógS'wciv Aristophani posse. vindicari admonuit... Idemque Schneiderus meus p. 980^ rem paene. acu tetigit his verbis: „Aus den be- merkungen (eas dicit, quas Aristophanes é reis moos rovs KY nivaxas sparserat) sind die prosaischen und metrischen uro te zu einigen stücken der dramatiker gemacht, welche unter dem namen des Aristophanes cursiren.« Satis haec recte, modo memineris, et metricarum hypothesium plane diversam a non metricis esse rationem, quod infra edisseram, et nonnulla dra- matum argumenta nimis caute posuisse Schneid erum, et non esse facta ex copiis Aristophaneis haec argumenta, sed plane ab Aristophane mutuo sumpta. Illam autem ræv dre ,n sedem atque originem non perspectam habuisse Nauckium valde miror: immo ille p. 254 Aristophanem „dedita opera com- plurium. fabularum argumenta enarrasse videri dicit, cuius ea in hoc genere fama extiterit, ut sequioris etiam aevi umo9£ce;s ad eundem: referrentur. Hoc simile veri est, alterum temere posuit Nauckius, cum Aristophanem in com- plurium fabularum. enarratione argumentorum acquievisse opinatur, quem com- prehendisse quotquot Alexandriae extabant trium poetarum tragicorum fabulas mihi non videtur excedere probabilitatem. Incautius denique idem Nauckius p. 255 in hanc sententiam delatus est: „Aristophanis dummodo : extiterint un- quam v0S9Écsis, nemo mirabitur, non integras. nobis servatas, el quae nunc splendido. nomine ornentur, fidei esse aut exiguae aut nullius.« Ultima quam non sint ex vero et aequo posita, modo ne quis ipsa Aristophanis verba cum religione ac fide conservata opinetur, videor mihi in superioribus declara- visse. Quod autem vir doctissimus de scriptis ab Aristophane argumentis du- bitantius loquitur, faetum id eo videtur, quod et iudiciis satis claris minus con- fidit et testimonium quoddam, quod infra expendetur, praeter rem elevat, deni- que quod ex metricis argumentis Aristophane | indiguis collegit, omnino prave abusos esse librarios splendidissimo nomine grammatici Alexandrini. Ut breve faciamus, quod attinet ad. Aeschylum et Sophoclem, ut res est, revolvimur ad illud opus Aristophaneum, esl a tabulis Callimacheis padri Eo igitur mentem applicabimus. 5. Alexandrinorum guiaieiós es studia littéraria quibus se invicem successionibus gradatim exceperint, complures hac aetate iique eruditissimi ho- mines post publicatam potissimum Tzetzianam illam narrationem Scholiumque DE HYPOTHES. TRAGOED. GRAEC. ARISTOPH. BYZ. VINDICANDIS COMM. 31 Plautinum ita executi sunt, ut res abunde illustrata videatur liceatque lectores ad illorum commentarios remittere, cfr. praeter Nauckium p. 243 sq. G. Bern- hardy Hist. Litt. Gr. I, 134 sqq. Frid. Ritschelii libellum de Bibl. Alex. cum Corollario Bonnae a. 1840 edito, postremo A. Keilii commentationes Nov. Mus. Rh. VI, p. 110 sqq. Et via quidem cum munita esset coniunctis Alexandri Aetoli, Lycophronis Chaleidensis, Zenodoti Ephesii studiis a poeta- rum carminibus ordinandis componendisque orsorum, Callimachus Cyrenaeus Ilvarxwr vasta volumina admirabili industria consignavit. Quorsum spectant haec Tzetzae apud Keilium Il 1 'O Ka AH? veréows perd Tw avopgQwou (émícxe potius vel cuvaywyny dicere debebat) rovs ,s avrav ameyparbaro. Rursus: T KaAXiudxov xai '"EparooOÉvovs perd ge riva xpovov &yfvero ris ovvayayıis TOv BiBNwv xai dioggwWcews. Callimachus autem arduum opus naviter aggressus cum latissimos omnis erudi- tionis campos pervagaretur ita, ut ne a miscellis quidem opusculis abstineret et pedestris orationis scriptores una complecteretur — vide quae composuit Blomfieldius in ed. Callimachi p. 220 sqq. —: nec comprehendere infini- tam copiam litterarum unus poterat: neque enim tune omnes libri in promptu erant Alexandriae: et multa aliis reliquit pertractanda, delibata a se potius quam exhausta. Veluti in scenicis fabulis ita rem gessisse videtur, ut enume- raret singularum fabularum titulos et, si forte, didascalica apponeret: ita nuper demum emersit studii in Euripide positi testimonium complures ob caussas mi- rabile in scholl. R Androm. 446 AA rovs ToU dodueros Xpóvovs ovx gor. ABE ov dedídax ros yap’Agnvnow' 0 d Kadkinaxos eniygaQsivai Quoi Ty Toaywdiæ AmpoxgdTmwr. Igitur partes a magistro derelictas ad- ministravit. Aristophanes Byzantius, editis commentariis uberrimis rcv Ilvdxav. Titulum operis. gravissimi servavit Athenaeus IX, 408 Aęigropdvns ó yogu- uaTixos E tois moos ro Kalksuaxov Tívaxas. De quo opere non satis magnifice sentit A. Heckerus Commentat. Callimach. p. 28, cum Aristopha- nem libros Callimacho non visos recensuisse et eius [livaxas ad sua tempora continuasse scribit. Rectius Nauckius p. 245 commentarium intelligit, sive malis supplementa et additamenta tum ad ditandam Callimacheorum rid materiem collata, tum paullo liberius evagata atque observationes sive histori- cas sive grammaticas complexa. Id autem opus cum Callimacheo coniunctum 32 F. G. SCHNEIDEWENIL.c hominibus. doctis tam Graecis quam Romanis Nee primarium fuisse ómnis litterarum historiae fundamentum. . Amplissimi operis octo qui emirposeit an Nnnchiäs „unde pri- mum tamen supra eliminavimus ad editionem Hesiodiam retractum, deinceps ad cognatam d u concinnandi operam gradum fecit. ` Qualem operam sceni- cis fabulis praestitam ubi ab Aristotelia aetate. repetiit vicissitudinesque huius generis litterarum docte illustravit, ultra tria illa argumenta (Antig. Med. Bac- charum) nominatim Aristophani attributa non assurgit, quippe qui vel dubitaret, an Aristophanes unquam vzo3Jéíce;s fecisset: rds éuuérgovs ad Tzetzarum Tricliniorumque aetatem deprimit. In hoc equidem assensus ‚res du tamen strenuo defendo ab Aristophane venisse. Fallitur Nauckius autem in eo, quod hypothesjum commentariorumque. Callimacheorum. di:cidium introducit. Quippe ditaverat Aristophanes praeceptoris rudimentum locupletioribus de sin- gulorum fabulis poetarum narrationibus. Quae hypotheses propter operis famam et suam praestantiam progressu temporis apponebantur editionibus poetarum ipsis, donec varie demutata ab ingenita elegantia. valde delaberentur, sed ut aperia tamen germanae manus vestigia resideant. Conseriptarum autem ab Aristophane. hypothesium imb testimonium quoddam, cui minus fidei habuisse Nauckium supra dicebam, extat in Et. M. p. 672, 27 0 Xuıgoßogss Aésyex mivanas, év ois cf avaypapal qoav TY ga li ron s our: KaAAuaxos o 0 ems moisi mivanas, év ois nocv ai avaypapai magd TÀy doxeiay' ois Er Nνν 6 YOA UUATIHOS EHH0e TO Tas vmoSÉces ray dgaudTwv. Haec verba, quibus ne Gaisfordii quidem copiae quicquam salulis. attulerunt, G. 8 Hist. Litt. Gr. I, 135 (158 ed. alt.) ita redintegravit, ut ó Yαν Vis Age fro des repone- ret, cui coniecturae caleulum adiecit Welckerus Ll e., oblocutus est post A. Heckerum Nauckius. De verbis non pugnabo: sive addendum Aristo- phanis nomen sive non est, sententiam elicio hanc: Callimachus in usum ad- hibitis quae vetustiores: ex documentis litteratis contraxissent didascalicis in Iva suis dvéygexpe: Td. dgauare: his supervenit deinde- discipulus, qui dc u r ctvotsygerQais: uberiores adderet modérés: didascalicis enim prae- misit enarrationem fabulae et reliqua. .. Neque igitur facio cum Bernhardio verba mepa rdv doxaíev in moi" TOY doxaíav mutante: nam id et per DE HYPOTHES. TRAGOED. GRAEC. ARISTOPH. BYZ. VINDICANDIS COMM. 33 se insolenter dictum foret et rdv Koxalar "romrav expectes; neque Hecke- rum p. 29 Jpo«p&rov aut r;⸗ut rav refingentem laudo 1). Mihi latere signi- ficationemi videri fontium, unde rœ did petivisset Se, n sigrii- ficavi. Sed de hoc dhicipità statuetur, hoc nemo inſitiabitur, eum ræs vro: Hegels rav doaparwr Choeroboseus ad Aristophanem accenseat, illius aetate has quas habemus Aeschyli Sophoelis Euripidis — —— fide antiquitus tradita celebratas esse pro Aristophaneis. Dico pedestri oratione conscriptas, quarum memoria in Aristophane qui- dem satis vetusta extat, quippe quarum vel antiqui vori mentionem miecerint, v. O. Schneiderum de Scholl. in Arist. fontt. p. 42. Quaeritur de metricis argumentis, quae infimi aevi esse supra assensi Nauckio: infimi autem aevi librarii quam fuerint proni ad eiusmodi miseros versiculos procuden- dos luculentissime ostendit argumentum metricum Philoctetae a vulgato prorsus diversum apud Dindorfium in edit. Teubneriana a. 1825 p.LV, quod totum barbarum est. Adde Elecirae argumentum tetrastichon, quod Dindorfius ibi- dem p. XVI ex codice Florentino A saec. I din e cuius unie versu statim n farinae sit pereipietur: e DUE TE poer — aci +6 —— Alia aliorum est opinio: quorum Welckérus T. c. argumenta Oed. Regis et Philoctetae septemque fabularum Aristophanicarum a crimine voĝelæs liberat, in eademque fuit sententia et Meierus commentat. de Andocid. or. Alcib. I, p. XII, et J. Richterus p. 69, qui universas quotquot extant dre Ee S r Aristophanis esse Publ. Quibus res didascalicas pedestri oratione scriptas auetorem adiecisse certissimum esse alt. Immo vero non fecisse rem porten- tosam certissimum est. Tametsi provideo fore qui ad Callimachi exemplum provocando laudes poeticas cum Aristophane communicandas defendant. Calli- machi enim quaedam epigrammata ita comparata sunt, ut operibus pöelarum i a I) Heckero vv. oic évivyov non videntur in n Aristophanem quadrare, quia operis notissimi non esset quare ille forfuitó notitiam nactus esset. At v. ifi es "ubi fortuiti significationem paene exuät, velut Scholl. Soph. El. 539 va dreykeió- | akoa Lor! và Yra xut joro:na yuv tois nz qui dramata legimus. À Hist.- Philol. Classe. VI. E 34 F. G. SCHNEIDEWINI se in tabulis suis commemoratorum pro commendatione esse possent, quippe quae. et argumentum carminum tangerent et singulares poetarum virtutes facunde praedicarent, velut supersunt epigrammata in OixaA/as Aws et in Aratum, ur. 6. 28. Haec el quaedam alia Welckero Cycl. Ep. I, p. 8 libris ipsis praeter titulos. a Callimacho inscripta fuisse rato adversatus est Fr. Ritsche- lius Bibl. Alex. p. 20 recte animadvertens, non posse istam operam Callimachi ad omnia volumina, quae in tabulis consignarat, pertinuisse, sed ad ea solum, quae singulari quodam honore distincta et ex universa turba exempla esse velle. Nuper autem O0. Schneiderus in subtili commentariolo, qui exhibet Prolegg. Callimachi . Airiav p. 3, recensitis iis quae ad Callimacheam poetarum censuram perlinent, — sunt autem frr. 223. 242. 254. 279. 319. 441. 498 epigrammata illa ab initio voluminibus poetarum in bibliotheca. Alexandrina servalis inscripta fuisse ponit; videri tamen Callimachum postea iterum edi- dne sive seorsum sive ut ILycxwr pars essent. Nec dubium Schneidero est, quin huc referendum sit fragmentum ab H. Keilio Analectt. Gramm. p. 6 editum, emendatum autem a me Philol. 3, 536, quod megi TOU ANN, dietum et &v TG yga(eio, qui inauditus titulus est, lectum grammaticus indi- cat. Sed Schneidero videtur potius ém;yoaeiov fuisse titulus libri, h. e. eriygadwr. collectio... Quae coniectura ut sollerter reperta est, ita in sententia persisto: mea, quam l. I. dixi, v rg y Arie scribendum esse. Ego epi- grammata a Callimacho utrum principio in fronte librorum inscripta fuerint an in miva&ı, nec scio nec sciri posse intelligo. Nec refert. Illud probe cayen- dum. est, ne. quis Ah renti meo aures praebeat Dial. Dor. p. 229, qui ut feli- citer versiculum in Scholiis Il. T, 1 Kakao „ quod fidem vix inveniat, tri- butum hunc: | doni die catis &XoveTE Xeigsyctaoy Callimacho potius vindicat ex epigrammate Epicharmi Sirenibus praeposito ex- cerptum: illud imprudentius dixit, Callimachum ;libris a se editis« haud raro en. praeposuisse, quo pertinere fr. 92 'AzojcaS' Imnovaxros' ov ydg & in. Verum OixaAí(as &Awciw, Aralum , Hipponaciem reliquos a Callimacho editos fuisse praeter fidem antiquitatis reique ipsius sumpsit amicus. Et Hipponacteus quidem choliambus quorsum pertineret demonstravi alio loco, v. Nunc. Litt. Gotting. a. 1845, 1 p. 8. *. DE HYPOTHES. TRAGOED. GRAEC. ARISTOPH. BYZ. VINDICANDIS COMM. 35 ` Nune ut respiciamus eum, cuius. caussa expatiati sumus in Callimachea; Aristophanem: -Callimachus praeter artem grammaticam factitabat poetam, a qua arte discipuli indoles abhorruisse videtur. Et ut ludere versibus : vel: potuerit vel voluerit, certe elegantius ille erat et doctius lusurus. Nunc’ manendum in eo, ut ab Aristophane syllogen iiis hypothesium aridis versiculis astrictarum picka habeamus. ^ Etenim Aristophanis Mdh doctrina verborum nitore een adsl cum reliquis omnibus, qui in eodem opere elaboravissent, longe praestaret, factum videtur, ut ad principem r&v vmodecsoypadwr vel ea referrentur. quae ab illo essent alienissima. Nam nisi quis, id quod non incredibile est, forti casui- que tribuet, ut Aristophanis nomen non argumentis cjuérgo;s, quibus deberet, sed rors &uu£rooıs praeligeretur: nihil restat, misi ut statuamus, propter in- signem famam, quam Aristophanes ista opera sibi conciliasset, nomen eius paene Serixov T, in hypothesibus omnis generis evasisse. Sed haec hactenus. 6. Aristophanes autem ut argumenta ex ipsis fabulis studiose lectitatis ducebat, ita in promenda didascalicorum docta supellectili ad superiorum. the- sauros laboriose congestos gradum poterat referre. Idque fecisse. cum res ipsa manifestum reddit, tum hypotheses arguunt, in quibus eliammunc abiectis tot testimoniis raor a Glauei, Dicaearchi tamen nomina enitent. 10 Circumspicientibus autem incunabula harum litterarum primus occurrit He- raclides Ponticus, auditor Platonis, quem supra coniiciebamus Euripidis argu- menta (rc xsa&Ac«;«) dramatum enarravisse. Aristoteles autem et ‚qui. erani ab eo, ante Dicaearchum puta, in didascalieis contrahendis videntur acquievisse: Dicaearchus enarratione fabularum, nec unius Euripidis, adiuncta: hoc genus litterarum studiose excoluisse videtur, quapropter Aristotelem Heracliden Dicae- archum coniunxerit Plutarchus Mor. p. 1095* ygaPew meg? "Oungov xai megi Evgmidov, ws "AgicroréAats xai HoaxAsíóns xai Aixaíagxos. Dicaearchum autem cum Nauckius p. 253 de argumentis Sophoclearum quarundam et Euripidearum fabularum disputasse narrat, in eundem incidit errorem quem cum alii tum Naekius Opusce. I, p. 326. Prave enim acceperunt verba Sexti Empirici p. 697 Bekker., qui de diversis significationibus vocis vmogenis locutus. moAAaxas mén, inquit, xal cA Aces. Tr Qosetyopev eroi, T VIN Ar- apxícs: , x Eva ev TONOV N dgumarınn METET EI E2 36 MNO Ge E76. BCHNELDBWINI. OAAT 2AHTOI rc Y v, T ety oem v nal opes y Omo Ne .;, xai Aux aad oXov rayds.vmoOÉceis Tdv. Evgrmidov aai:XiooxX£ovs uugan, ovx aXXo ke kovrTES; N- TAV: TOU- dgotjactros reg TE. Quae. yerba Sexti non aliquot Dicaearchum : confecisse. Euripidearum Sophoclearumque fabularum argumenta testantur, sed peculiare: quoddam. genus doctae. scriptionis. ab. illo. potissimum excultum esse, zy vzroSeciosygaQíav. Quarum Jzo£cecr reliquiis a.Naekio p. 324. compositis: nunc addendum argumentum: Rhesi ex palmari emendatione Nauck ii- Philol. 5, 683, quam supra exhibuimus; efr. Kir chhoffium J. e. Unde: simul. concidit. Reinesii opinio, vzoS£ce;s Dicaearcho tributas esse gram- matici cognominis, quem aliunde incognitum Suidas. Lacedaemonium vocat, au- ditorem Aristarchi. .. Nune enim Aristophanem. scimus usum. esse Dicaearchi opere, ut Messenium intelligendum esse pateat. Quem quicquid. didascalieorum superest per illum librum qui erat Bios EN Addo inscriptus. carptim. attigisse; quae Naekii erat, sed dubitanter. tamen proposita sententia, mullo pacto. ere- dere licet. Nee persuasit Naekius hominibus. doctis: ita Welckerus l c. p: 94 Fabricii. Woweriique sententiae patrocinium suscepit ex verbis Sexti- de titulo: ipso peculiaris: operis suspicantium, B o eckhi o Corp. Inserr. I, p. 850 Di- eaearchus singulari opere de didascaliis disseruisse, sed didascalica in alio libro nescio quo tractavisse videtur; postremo: Richterus p. 46 8d. Naekii opi- nionem laudabiliter impugnat. Sed is quod Dicaearchi operam etiam ad Aeschyli fabulas pertinuisse coniicit, ego rem amiy ‘testimonio stabilitam ut m com- t in medio relinquam. `- De hypothesibus Peru fabularum ned Comici, quas ex meo et ipsas a Byzantio grammatico —— esse veri simile est, dicere — ob ei in aliud — ^differo.: EU Allende et Cohrigehd Haec cum ego anno . superiore commentarer , scholia Aeschyli íi Sophoclis ; a 6. Dindorfio annis 1851 et 1852 Oxonii edita usurpare non licuit. Multum doctissimi hominis opera profuit et argumentis fabularum, quae ille primus ad oplimos codices ca- stigare potuit. ` Quapropter diligenter conferenda erunt harum litterarum studiosis cum nostris quae Dindorfi ius praestitit, quocum aliquoties mihi eaedem- sententiae commu- nes sunt, veluti; ut unum: exemplum ponam de Salustio isto Pythagoreo - prorsus idem DE HYPOTHES. TRAGOED. GRAEC. ARISTOPH. BYZ. VINDICANDIS COMM. 37 statuit quod ego. Sed. haec et talia singillatim. persequi, id quod Posa iam non -— cum operae urgeant.et. valetudine impediar afflicta „an Liu NV] Praeter Dindorfium nuper idem ille A. Kirehhoffius, vip. nn 55 tationem de argumentis Rhesi supra ciiabam, dignissimam quae accurate expendatur, argumentis Medeae et Troadum salutarem manum admovit in, editione illarum fabularum, quae nuper Berolini prodiit ls prius argumentum Medeae nunc inseripsit Arzaragyov undo che. Fecisse se id dicit testimonio codieis Florentini apud Bandin. II, p. 122. Thi haec reperio: „In cod. plüt. 32, 2: Medeae argumentum primum: est ex duobus editis, et in fine tragoediae reperies. . Alcestidis vero praefert nomen Arzerzoyov.* Ergo Ban- dinius cerle non testatur. de Medea, Nec potest argumentum, quale. quidem extat , Di- caearcho tribui, ad cuius. ipsius. Hoy, "Eldddos provocet qui id concinnavit. Ergo Vos- sius, qui, in libro Florentino árgumentum Medeae Dicaearcho ascribi dicit, aut erravit aut alium codicem habuit. Eidem Kirchhoffio in editione Troadd. ü 51 didascalia una cum argumento Aristophaneo intercidisse videtur. Ergo Kirchhoffius: quoque in eadem sententia fuerit, quam ego proposui supra, Neapolitani libri epigraphen, quam p. 7 tamen esse scioli cuiusdam ait, ad argumentum Aristophanis olim pertinuisse. Ego maneo in opinione mea, argumentum. Troadum quod exstat esse Aristophaneum, nisi quod de- tracta sunt didascalica, commode servata illa ab Aeliano V. H. II, 8 Postremo argumenta misella librariorum Byzantinorum supra perstricta qui augere volet, adeat Dindorfii Scholia p. VI et p. 407, ubi Electrae hypotheses prodierunt novae, p. 28 et 114 autem Philoctetae. — His dudum typothetae traditis ex peregrinatione domum revertenti mihi offertur libellus hic: „Zwei argumente des Aristophanes von Byzanz und eine didaskalie. Herausgegeben von Dr. A. Kirchhoff. Berlin 1853.“ Eruit enim vir doctissimus ex codicibus Marcianis hypothesin Orestis Euripideae et Phoe- nissarum Aristophaneam. Quas ego hypotheses, quoniam ne plura addam tem- pore excludor, satis habebo ita apposuisse, ut in libris scriptae extant. For- tasse per aliam opportunitatem experiar, ecquid ad difficultates, quibus Phoe- 'nissarum didascalia laborat, tollendas conferre possim, ubi per amicum codex Vatic. 909, unde aliquid salutis sperare licet, exploratus fuerit: nunc iis quo- rum interest, Kirchhoffii commentariolum commendo. 1. Orestis. "Agıoroßavous woauuaTixoU vmógscis. "Ogéerzws die Tiv TS Anrede odayıv apa xai vmó rv '"Egwrvaw deimarovneros xci 38 3 BG: SCHNEIDEWINE: DE HYPOTHES. ETC. COMM. Ü* UTO TOV Abvelor xarargıdeis Javaro pEAAwv Ooveν "EAdvy xai '"Eouióvgy d ov Mevf£A«os reg ovx iBond mcs iex v9 v umd Anú- Awvos. Tra oudev! (cuder £go ?) KEC A ub Hombie. 2. Phoenissarum. "Aga rofdyovs guam Umoógscus iml T ergareía (Y % TOU IIoAvrefaovs HETA TOV. "Agysior &mi On gas xai anmwAsıa TOV ] Qa HoAuveixous xci. ErsoxAlous xal ve os Ioxaorns.. Err! Nawawgeimous apXovros deiregos Eugen x O d dacxaXiav epi TOUTOU. xc yag ravra 0 Oivouaos xai Xion os xoi owgerei. 6 xopòs gurt r &v Dowiscav. mpoXosíge, 82 Ioxdory. Ta ToU dose Tos moücwna loxdorn‘ Koéor* cel dcr qe. Teigeclæs AvTwyóvg: Mevosxeus’ xopos éx Dawiccwv Yıraskav. de Ereox xi IloXvvei- ns ‚Erepos BOISE, Oidimous. : 8 | sd Erläuterung der babylonischen Keilinschriften aus Behistun Georg Friedrich Grotefend. Der Königlichen Societät der Wissenschaften vorgelegt am 8. März 1853. Vo rbemerkungen. De babylonischen Keilinschriften aus Behistun sind ungeachtet der vielfachen Verletzungen der grössern derselben, in welcher durch mehr als zweitausend- jährige Verwitterung der Anfang jeder Zeile mehr oder weniger bedeutend verschwunden ist, durch ihre nicht selten auf verschiedene Weise geschrie- benen Namen und Wörter eines durch den persischen Text gegebenen Inhalts so belehrend, dass sich meine Vermuthung, durch deren Entzifferung einen Schlüssel zum Verständniss aller noch vorhandenen babylonischen und assyri- schen Keilinschriften zu finden, vollkommen bestätigt hat. Ob ich gleich durch Entzifferung anderer Inschriften weiter fortschreiten würde, so glaube ich doch bei meinem hohen Alter, das leicht fernere Mittheilungen hindern könnte, den Kennern morgenländischer Sprachen. einen Dienst zu leisten, wenn ich schon jetzt den Verirrungen Rawlinson's ein Ziel setze. Die Abtheilung der Wör- ter durch Punkte und deren Uebertragung in die lateinische Sprache ist von Rawlinson. nur selten verfehlt, aber in der Bestimmung des Zeichenwerthes irrte Rawlinson: auf mehrfache Weise. Nicht beachtend, dass die assyrisch- babylonische Keilschrift im Verlaufe vieler. Jahrhunderte unter wechselnder Herrschaft verschiedener Völker mancherlei Veränderungen erleiden musste, mischte er Verschiedenartiges unter einander, und benutzte sogar Sanskrit und andere indoeuropaische Sprachen zur Vergleichung mit der semitischen. Tum 40 G. F. GROTEFEND grössten Irrthume verleitete jedoch das Vorurtheil, dass jedes Zeichen einen besondern Laut oder Begriff angedeutet habe, wodurch auch Westergaard ver- hindert wurde, die medische Keilschrift zu entziffern. Die Gewohnheit der Semiten, nur Mitlaute zu schreiben und die Selblaute selten besonders zu be- zeichnen, ganz verkennend, erlaubte er sich bei der grossen Anzahl der zu- sammengestellten Zeichen‘; re er vor seiner Erläuterung des Textes nach ihrer vermeintlichen Geltung unter 246 Nummern ordnete, die seltsamsten Lautbestimmungen, um für jedes Zeichen einen möglichst verschiedenen Laut zu gewinnen, während er ähnliche Zeichen für ganz verschiedene Laute fü- gleichbedeutend hielt. Weil in der altassyrischen Begriffsschrift Assyrien durch einen Querkeil angedeutet wurde, legte er demselben auch in der Inschrift aus Behistun den Laut as, bei, ungeachtet er darin die Partikel i» (= c») bezeichnet, wie der senkrechte Keil die Partikel a» (= >), und der Win- kel eine Verkijk (= wy Assyriens babylonische Bezeichnung (Z. 5.) zerlegte er daher. mit Westergaard in zwei Zeichen, deren letzteres, was sonst nicht vorkömmt, die Silbe sør andeuten sollte. Um nicht Fremdartiges mit einander zu vermengen, dürfen wir nur die gleichzeitigen Inschriften aus Persepolis zur Vergleichung benutzen, obgleich nicht nur diese, sondern selbst die Inschriften aus Behistun mancherlei Ver- änderungen erfahren haben, was mich veranlasst hat, in der beigegebenen Steindrucktafel nur solche Zeichen in deren Verzeichniss aufzunehmen, welche ^» den Inschriften aus Behistun enthalten sind. Vergleichen wir die kleinern Inschriften mit der grossen, wo sie dasselbe besagt; so finden wir sie später von einem Steinmetzen hinzugefügt, der nicht nur gleichbedeutende Wörter, sondern auch gleichlautende Zeichen auf eine sehr belehrende Weise mit ein- ander vertauschte. Aber auch die grosse Inschrift wurde von zwei verschie- denen Steinmetzen eingemeisselt, von welchen der erste im Namen des Aura- mazda, dem er nur viermal in den ersten zehen Zeilen ein a hinzufügte, in den beiden ersten Columnen nach medischer Sitte das m mit einem »w ver- tauschte, wogegen der zweite in den beiden letzten Columnen dem m nicht nur ein anderes r vorsetzte, sondern auch für die Silbe as ein zusammen- gesetztes Zeichen wählte, sowie er den verknüpfenden: Winkel durch ein zu- sammengesetztes Zeichen für zw (und) ersetzte. Mit Ausnahme der medischen ERLÄUTERUNG D. BABYLONISCHEN KEILINSCHRIFTEN AUS BEHISTUN. 41 Vertauschung des n mit u behielt der Name des Auramazda der verschiede- nen Schreibung ungeachtet denselben persischen Laut, aber in dessen Bezeich- nung herrschte eine solche Willkür, dass er in jeder Inschrift des Darius an- ders geschrieben erscheint. In der ältesten Inschrift zu Persepolis, Wester- gaard's H., ist nur das r auf neue Weise verändert, statt dass die von mir erläuterte Inschrift eines chaldäischen Sternsehers beiderlei r der Inschrift aus Behistun neben verschiedener Schreibung der Silben as und da mit einander vereinigte. In der Grabschrift N. R. dagegen wurde nicht nur dem d wieder das später beständig beibehaltene a hinzugefügt, sondern auch die Bezeichnung der Silben Aura also veründert, dass ihr das Zeichen, mit welchem der Name einer Gottheit angedeutet zu werden pflegte, ohne ausgesprochen zu werden, besonders vorgesetzt werden konnte. Diese Schreibeweise befolgten alle In- schriften des Xerxes, welche nur das v auf so verschiedene Weise schrieben, dass es in viererlei Gestalt einerlei Laut bezeichnete. Obgleich das Zeichen einer Gottheit ursprünglich al lautete, wie aus der Bezeichnung des Himmels in den Inschriften zu Persepolis durch miy (Ps. CIV, 3. 13.) erhellt; so galt es doch in der Mitte der Wörter, wie zu Aufange, auch als langes a, so wie dagegen das Schluss-a des Namens Auramazda' als ya, während das ursprüng- liche Sohneszeichen allgemein für à gebraucht wurde. Alle drei a enthält der Name Achamanishiya für eber mit uen chem die Inschrift aus Behistun nach vorangestelltem senkrechten Keile zur Andeutung eines Personennamens, der eben so wenig, wie das Zeichen vor einem Gottesnamen, besonders ausgesprochen wurde, beginnt. Wird gleich dieser Personenname in der Inschrift aus Behistun durchaus auf einerlei Weise geschrieben, so weicht diese doch in der Bezeichnung der beiden vorletzten Silben von der Inschrift des Kyrus bei Murghab (West. M.) eben sowohl ab, wie von der Grabschrift des Darius (V. R. 6.) Beiderlei v der vorletzten Silbe vereinigte die Inschrift des Darius (B. 5,) und schaltete, wie des Xer- xes Inschrift (G. 4.) in beiderlei Namensschreibung, vor dem u das Zeichen der Gottheit ein, während das Sohneszeichen zu Anfange des Namens dem Schluss-a nach der Silbe shi gegenüber stand. Den Namen des Kyrus, wel- chem in der Inschrift bei Murghab dessen erstes Zeichen sammt dem senk- rechten Keile zur Bezeichnung des Pronomens anku für gde voran und das Hist. Philol. Classe VI. F 422 a. 6. F. GROTEFEND, Zeichen eines Königs für un machgesetzt ist, finden wir in der grossen Inschrift aus Behistun (Z. 21.) und in No 7. der kleinern Inschriften auf gleiche Weise geschrieben; aber in No 1. sind die beiden Zeichen der Silbe resh mit einem andern vertauscht, das zwar in Z. 55. und mit dem Zusatze einer Gegenzeichnung nach zwei senkrecht über einander gestellten Keilen auch in Z. 51. das Wort vw* bezeichnet, aber in Z. 36. ohne die Gegen- zeichnung im Namen des Flusses „og nur das r vor einem ganz besondern & andeutet. Mit den beiderlei Schreibungen des Namens Auramazda habe ich auf der beigegebenen Steindrucktafel die Namen des Nabunid und Nabusha- dusar zusammengestellt, weil sie zwar in den Inschriften aus Behistun durch- aus auf einerlei Weise, aber von andern babylonischen Inschriften verschieden geschrieben sind, Beiden Namen ist zum. Beweise, dass weder das eine, noch das andere Zeichen ausgesprochen wurde, sowohl der senkrechte Keil zur Andeutung eines Personennamens als das Gottheitszeichen zur Andeutung, dass der Name mit dem Namen eines Gottes beginne, vorangestellt. Dagegen wurde im Namen des Nabunid das P, welches zugleich als B galt, wie Nabu, und das Z wie nid ausgesprochen, weil in dieser Namensverkürzung . zwei Querkeile zugleich als » und fünf derselben als d galten. Im Namen des Na- bushadusar ist das > mit einem W vertauscht, welches in der kleinern Inschrift No 3. nach dem Sohneszeichen, dem noch ein senkrechter Keil über einem entgegengesetzten Keilkopfe als w für den bestimmten Artikel hinzugefügt ist, einen Genitiv bezeichnet, und vor dem Zeichen der Schlusssilbe sar ein r, wie im Namen Parsa, ausgelassen. ^ Im Namen des Natitabel, welcher mit a Is rn Gottes. ‚Bel schliesst, ist das Gottheitszeichen in dessen Bezeichnung hineingeschrieben, aber das f davor in der grossen Inschrift anders geschrieben als in No 3. der kleinern Inschriften, während ein drittes f vor diesem steht, das Rawlinson, wie er in seiner Erläuterung selbst bemerkt, in der grossen Inschrift irrig mit drei Winkeln statt dreier Schrägkeile gezeichnet hat. Durch diese Vertau- schung der Schrägkeile mit Winkeln hat das , welches nach Rawlinson's Be- merkung, wie in Westergaards N. R. 15., dem Namen Babylon's vorgesetzt zu werden pflegte, und daselbst vielleicht ein Tel (Anhöhe): andeutete, gleiche Gestalt mit dem Landeszeichen erhalten, welches i (»w) lautend den längern ERLÄUTERUNG D. BABYLONISCHEN KEILINSCHRIFTEN AUS BEHISTUN. 43 der drei Schrägkeile nicht hinter , sondern vorsetzté, und mit einem langen Schrügkeile nach entgegen gesetzter Seite unterstrichen einen Mann (vn): bezeichnete. Im Sohneszeichen (72), welches die drei Schrügkeile grade stellte, während sie Layard im Landeszeichen der assyrischen Inschriften auch querstellt, wird von Layard der längere Keil auch zu einem kleinen verkürzt. Mit zwei Querkeilen davor bezeichnet die grosse Inschrift aus Behistun (Z. 87. 89. 91.) dadurch ein Thor (22), setzt aber gewöhnlich noch zweimal zwei Winkel davor, wobei sie ebenfalls den längern Keil zu einem kleinen ver- kürzt, aber auch sammt den beiden Querkeilen (Z. 39.) mit einem kleinen Winkel vertauscht, so dass das Thor auf viererlei Weise angedeutet wird. Dieser Bezeichnung eines Thores fügt der Name Babylon's mit Auslassung seines r nur ein / hinzu, welches drei Querkeile mit vier grade oder schräg gestellten Keilen umschliesst, und auch der Bezeichnung Assyriens durch Ash (Z. 5.), sowie der Bezeichnung Susa's, in Z. 40. hinzugefügt wird. Susa wird in Z. 40 f. durch zweierlei Namen angedeutet, von welchen der eine in Z. 41. vielleicht Eilam lautet, weil dessen erstes Zeichen meistens die Stelle eines e oder i vertritt, und das zweite einem 4. gleicht, der andere in Z. 40. aber dem / zwei Zeichen voranstellt, wiewohl die kleinern Inschriften (No 2. u. 5.) das zweite auch auslassen, deren erstes als h, das zweite als m oder b: gilt. Hiernach scheint Susa durch Shebat bezeichnet zu werden, welches dem hebräischen da.] entspricht. Aegypten wird in Z. 5. durch den Namen Wawesh angedeutet; welcher Memphis (72). zu bezeichnen scheint, weshalb der Zusatz in warrat mit einem Zeichen für die Silbe war und einem t, wel- ches der Name Gumdta mit den beiderlei t des Namens Natitabel vertauscht, am Nilstrome bedeutet, welcher Yaro oder Yarra (Hin) hiess. Die Bezeich- nung. Armeniens durch ‚Urshala (Z. 49. 53.) oder ‚Urshada (Z. 94.) würde un- erklärbar sein, wenn nicht in Z. 49. eine Stadt Sabus, welche in Klein- Ar- meniens Landschaft "Ogonvy lag, angeführt wäre. Dem Namen Mediens wird beständig die Endung dd sup t welche bei andern Ländernamen wie Parsa (Z. 1.) denselben eine adjectivische Be- deutung gibt, wie won» (Dan. VI, 29.), und dann auch im Namen Wargiya für Margia das Schlusszeichen mit -waa vertauscht. Im Namen Persiens, wel⸗ cher bei dem Ausfalle der Silbe ar (Z. 5.) das p etwas verändert, wird auch, F 2 44 KTT 6. F. GROTEFEND, sobald die Endung dd (Z. 1.) hinzutritt, das s mit veränderter Stellung der Keile geschrieben. Das p dieses Namens ist dem f im Namen Gamdta so ähnlich, dass es Rawlinson davon nicht zu unterscheiden wusste, und den Un- terschied in der Verlängerung des obern Schrägkeiles bei dem p, wie des un- tern bei dem f suchte, statt dass die vollständige Schreibung des Namens Parsa; sowie Westergaard's Zeichnung in H, 15. zeigt, dass im p beide Keile vor dem senkrechten von gleicher Länge waren. Bloss um der leichten Verwech- selung dieser beiden Zeichen vorzubeugen; ist im Namen des Istap (Z. 1.) dem p ein Querstrich beigegeben, während das 7 darin auf ähnliche Weise geschrieben ist, als das Zeichen der Silbe is. Die Geltung dieses Zeichens ist durch das Verbum issis von dog (aufrichten) in Westergaard's D, 19. ge- geben, welches mit demselben zugleich beginnt und schliesst, zu Anfange des Wortes das i vor s in D, 14. vertretend; die Geltung des f hingegen durch den Namen der Landschaft Zakartäd in Z. 93. der Inschrift aus Behistun, wo sich das s vom p im Namen Parúwartish (I. 92.), der in der kleinern In- schrift No 4. sein w verliert, nur dadurch unterscheidet, dass die beiden Quer- keile den senkrechten bloss berühren, statt ihn zu durchkreuzen. Das kim Namen Zakartaa, welches durch den Vorsatz eines kleinen Winkels zum “ wird, unterscheidet sich vom sh jenes Namens nur durch die Verbindung der bein senkrechten Keile vermittelst zweier Querstriche, während das k im Namen 'Uwakshatra (Z. 93.) zwei Querkeile mit vier längern umschliesst, die auch, wie im / mit drei Querkeilen, schräg gestellt werden konnten, wiewohl alsdann die beiden Querkeile wie Schrägkeile sich zu durchkreuzen pflegten. In Z. 34. ist nach dem Querkeile für die Partikel in, wie am Schlusse der vorhergehenden Zeile nach der Partikel an ein einzelnes J geschrieben, wel- ches nach dem Zusatze eines ch in Z. 21. zu urtheilen das Wort r^ bezeich- net. Das darauf folgende Wort, in welchem ich das zweite Zeichen zufolge seiner Aehnlichkeit mit andern eben sowohl für ein > halte, wie das erste, kehrt in der 35. Zeile durch ein 4 vervollständigt wieder, und muss demnach etwas bedeuten, was eben sowohl von den Truppen des Natitabel als vom Heere des Darius gesagt werden konnte. Ich betrachte daher n»5 als eine Zusammensetzung des Nomens n», welches von nn5 abgeleitet, wie nm von nnn gebildet wurde, einen Zusammenstoss der Truppen andeuten konnte, mit E6RLÄUTERUNG D. BABYLONISCHEN KEILINSCHRIFTEN AUS BEHISTUN. 45 der Präposition 2, und übersetze es vermöge eines rro der ness streuten oder in Masse. | Weil in Z. 35. vor kikat: dasselbe Wort dbal re was vor = Namen des Tigris in der- vorhergehenden Zeile und- des Euphrats in der fol- genden einen Fluss (28 ) bedeutet; so liess sich Rawlinson dadurch verlei- ten, den Tigris. auf zweierlei Weise bezeichnet zu glauben, ohne darüber Rechenschaft geben zu können, und sowie er den Namen des nə irrig las, so verkannte er auch die Bezeichnung des Tigris durch par. Sowie in der Inschrift aus Behistun die Durchkreuzung eines senkrechten Keiles durch einen Querkeil nie für sich allein steht, sondern, wie im Namen des Smerdis der zwölften Zeile Swersiſa und in dem darauf folgenden Worte m (einer und derselbe), mit dem Nebenstehenden ein zusammengesetztes Zeichen bildet; so besteht auch der Name des Tigris (Z. 34.) nur aus zwei zusammenge- setzten Zeichen, deren erstes chid, das zweite kel lautet. Sowie dieses letz- tere Zeichen ein k, welches drei Schrägkeile über einem längern schreibt, mit einem verkürzten / verbindet, so das erste Zeichen im Namen des Kam- byses (Z. 12 fl.) mit einem verkürzten ö, wornach es die beiden ersten Sil- ben des Namens Kabujiga andeutet. In den Bestimmungen der Monatstage steht dieses Zeichen immer nach der Zahl des Monatstages vor dem Genitive des Monatsnamens, weshalb Rawlinson dadurch eine Ordnungszahl angedeutet glaubt. Allein die Grundzahl galt zugleich als Ordnungszahl, nach welcher das einen Tag bedeutende Wort unbezeichnet blieb, und dafür ae (im Ab- lauf desselben) geschrieben wurde. Das zweite Zeichen im Namen des Ka- bujiga lautet demnach nicht bw, sondern ist ein s, das in Verbindung mit ei- nem z den fremdarligen Laut des persischen j andeuten sollte. Obgleich der Name des Smerdis mit derselben zweifachen Bezeichnung der Silbe 9 schliesst, wie der Name des Kambyses; so betrachte ich doch die Uebereinstimmung des vorletzten Zeichens nur als zufällig, weil ich es im Namen des Smerdis in zwei Theile auflöse, von welchen der zweite schon allein ein z andeutet, während der erste als verkürztes r mit der davorgesetzten Keildurchkreuzung das Zeichen der Silbe swer bildet. So vielerlei Zeichen auch die babyloni- sche Keilschrift für die Sauselaute enthielt und beliebig mit einander ver- tauschte, so vermochte sie doch einzelne persische Laute nicht vollkommen 46 6. F. GROTEFEND; zu bezeichnen. So. wird der fremdartige Laut zu Anfange der Namen Tshi- spish für Teionys und Tshitratakma für Teoravraixuns in Z. 2. u. 62., von welchen der letztere in No 6. der kleinern Inschriften das ir, wie die Silbe tak, durch ein besonderes Zeichen andeutet, wie das ti im Namen Atrind in No 2., nur durch ein s angedeutet, welches als ein ursprüngliches Zeichen der Tausendzahl (Y:) in einzelnen een wie «af und ar als a galt. de den p oria der Monatstage zeigt sich eine eee Ver- schiedenheit zwischen dem babylonischen und persischen Texte, welche be- sonders besprochen zu werden verdient. Nicht als ob ich alles zu erklären wüsste, sondern um andern Gelehrten die Mittel zum Weiterforschen zu bie- ten, stelle ich sämmtliche Angaben der Monatstage des Werl und . lonischen Textes, soweit es möglich ist, neben einander. 9 Am 14. des Wiyakhna erhob sich Gumäta — be XIV. kebu- she en 103. Tu. Z. 15. : 2) „ 9. „ Garmapada m er die niam Z. 17. 3) » 10. Bagayadish wurde er getödtet. Z. 23. 4) » 27. „ Afriydliya focht Darius am Tigris = be XXVI. kebu she | | yerach D. Z. 36. 5) „ 2. „ Andimala focht Darius am Euphrat. Z. 38. 6) „ 6. „ Andmaka focht Miderna in Medien = be XXVII. kebu she N ee a] | yerach N. Z. 46. A) sah u wink RR Dädar in ni 2: 00453 8) » 18. » Thurawdáhara focht Dádar. zum zweiten Male. Z. 51. Bet.“ nm focht Dädar zum dritten Male — be IX, kebu she geruch Hul. Z. 52. 10) » 152 „ ee focht: Wumisa in 3 Z. 55. irs in Wechsel des Thurawahara focht Wumisa zum zweiten Male — be XXX. | (ooo htebu she geruch J? J. 56. 12) am 26. de. 87 focht Darius in Medien. Z. 59. 13) » 22. „ Wiyakhna focht Hystaspes in Parthien — be XXII. kebu. Z. 65. 14) » 1. „ Garmapada focht Hystaspes zum zweiten Male. Z. 67. 49) „ 23. » .4triyátiya focht Dadarshish in Margien. Z. 70. | u ERLÄUTERUNG D. BABYLONISCHEN KEILINSCHRIFTEN AUS BEHISTUN. 47 16) Am 12. des Thurawahara focht Artawartiya in Persien. Z. 75. 17) » 6. „ Garmapada focht Artawartiya zum zweiten Male. Z. 77. 18) „ 13. „ Anamaka-focht Wiwäna in Arachosien. Z. 8 i. 19) » 7. „ Wiyakha focht Wiwána zum zweiten Male. Z. 82. 20017 22 5 h focht Widafrá in Babylonien. Z. 87. Nach Z. 90. fing Darius 9 Könige in 19 Schlachten ; aber in der baby- lonischen Keilschrift sind nur sechs Angaben von Monatstagen mit fünf Mo- natsnamen erhalten. i Ueberall steht vor der Zahl des Monatstages die Präposition 3, aber der Monatsname ist nur mit einem oder zwei Zeichen angedeutet, welche nie dem persischen Texte gleichlauten, obgleich mit Ausnahme zweier Fülle die Tages- zahl dieselbe ist. Dem Monatswechsel in der eilften Zeitbestimmung entspricht die Zahl XXX., welche auf ein persisches Sonnenjahr deutet, von dessen zwölf Monaten der persische Text sieben namhaft macht. Zwei Monate. Andmaba und Thurawahara, dessen Endung einen Frühlingsmonat anzudeuten scheint, werden viermal angeführt; aber nur Andmaka gehört in der 5. 6. 10. 18. Zeitbestim- mung vier verschiedenen Jahren an, da die beiden Schlachten des Dadar oder Dadarshish am 6. u. 18. des Thurawádhara (Z. 50 fl) in einerlei Jahre gelie- fert wurden. Zufolge der beiden Schlachten des Wamisa (Z. 55 f) folgten beide Monate unmittelbar auf einander, so dass, falls das Jahr mit dem Früh- lingsmonate begann; dasselbe mit dem Andmaka schloss; Im persischen Texte steht bei dem zweiten Gefechte des Wumisa' statt der Zahl des Monatstages ein zu Anfange verletztes Wort, welches Rawlinson ad inilium, Benfey aber vielleicht richtiger um das Ende übersetzt, weil dieses nicht nur der Zahl XXX. im babylonischen Texte besser entspricht, sondern auch der Anfang eines Mo- nates, wie in der 14. Zeitbestimmung, durch eine Zahl“ angedeutet’ wurde. Ausserdem war der erste Tag des Thurawdhara, falls mit demselben das Jahr begann, ein bei den Persern hochgefeierter Festtag. Nach dem Thurawcdhara folgte in der neunten: Zeitbestimmung der Monat Thaigartshish, während dem Andmaka zufolge der vierten Zeitbestimmung der Atriyatiya voranging, wie zufolge der ersten und dreizehnten Zeitbestimmung der Wiyakhma dem Gar- mapada. Der Wiyakhna der neunzehnten Zeitbestimmung konnte dem Anal maka erst nach dem Verlaufe des Thurawchara und Thaigartshish folgen, was 5,8 v | 8. F. GROTEFENJo 0570 mit der Benennung des Garmapada als eines Wärmemonats sehr zusammen- stimmt. Denn wenn wir den Thwrawdhara mit unserm März - April, den Thai- gartshis mit April- Mai, den Wiyakhna, mit Mai- Junius vergleichen; so trifft der Garmapada mit der Wärme des Junius - Julius zusammen. Nach dieser ruhten die Heere bis zum Monate Bagagcidish, welcher der drittletzte des Jahres vor dem Atriyatiya und Andmaha², unserm December - Januar entsprechend gewesen sein muss, weil Gumäta, welcher sich im 'Wiyakhna- erhob und im Garmapada die Herrschaft ergriff, im Bagayddish aber getódtet wurde, nach Herodot III, 68. nur sieben bis acht Monate den ‚König spielte. Sowie des Baägayadish Name als einer Götter verehrung mit dem grossen Feste der von Herodot. ML 79. erwähnten Magiertödtung zusammenstimmt, so ist die Benen- nung des Atriyatiya, der unserm Januar -F. ebruar — als einer. oMeteb« rung. des Feuers angemessen. Inwiefern sich hiernach die verkärkten Namen der N Keil- schrift mit den abweichenden Zahlen der Monatstage erklären lassen, mögen andere untersuchen; wichtiger für die Entzifferung der Keilschrift ist die Zu- sammenstellung der mannigfaltigen Bezeichnungen einer Schlacht, welche ich auf der beigegebenen Steindrucktafel der Verzeichnung aller Zeichen der ba- bylonischen Keilinschriften aus Behistun hinzugefügt habe. Sind es gleich nur zwei Wörter, welche eine Erhebung des Schlachtrufes andeuten; so belehren sie doch eben so sehr durch ihre verschiedene Schreibung, wie durch den Wechsel zweier Nomina und der Personalformen des Verbums. Das Nomen, welches dem Verbum eben sowohl nachfolgt als vorangeht, ist von zweierlei Art, aus zwei oder drei Zeichen bestehend und mit einem dreifachen schliessend, dem das aus zwei Zeichen gebildete Nomen in Z. 38. u. 50 f. ein n vorsetzt. Das aus drei Zeichen bestehende Nomen schliesst zwar nur mit zweierlei n; schreibt aber das erste Zeichen auf zweierlei „und das mittlere sogar auf dreierlei Weise, wenn auch nur in kalligraphischer Hinsicht. Ver- gleichen wir dieses Wort, das zakat lautet, mit dem hebräischen nr oder mx, so muss das eie beddentende Wort nat, wie my oder d, von mm abgeleitet werden. Das Verbum ist in der dritten Person des Singulars in beiderlei Schreibung dasselbe, welches in Westergaard’s C, 18 u. 23. das hinzugefügte Zeichen am Schlusse auf zweierlei Weise also schreibt, dass man ERLÄUTERUNG D. BABYLONISCHEN KEILINSCHRIFTEN AUS BEHISTUN. 49 es dem nach dem ersten Zeichen eingeschalteten gleich. für ein s erklären und das Wort in G 18., wie in D, 19., ississ lesen muss, ‚während in D, 14. da- für nur isiss und in B, 6. isis geschrieben ist. Sollen diese Wörter mit denen aus Behistun gleiche Bedeutung haben, so können sie nur von oo» (erhöhen) abgeleitet werden, welches zu Persepolis in die Bedeutung errichten, in Be- bıstun in die Bedeutung erheben überging. In der ersten Person tritt an die Stelle des i in West. C, 21. D, 14. E; 8 ff. ein Zeichen, welches neben è zugleich die Geltung e hatte; im Plurale der Inschrift aus Behistun dagegen ein „, wie an die Stelle des Zeichens für die Silbe is am Schlusse ein . welches in der dritten Person des Plurals mit einem andern wechselt, das statt des Keilkopfes unterhalb eines senkrechten Keiles diesem drei kürzere Quer- keile über einem längern vorsetzt. Während diesem u auch noch ein a hin- zugefügt wird, ist vor ihm noch ein anderes u eingeschaltet, welches auch als w- galt, und dafür das zweite s. der ersten Person des Plurals ausgelassen. Hiernach kónnen die F ormen. des, Plurals nicht, wie der Singular, von 002 abgeleitet werden, sondern müssen von Nw» stammen, das gleiche Bedeutung hatte, und in der dritten Person des Plurals.»w* lautete, aber fur 305 (Ezech. XXXIX, 26.) auch die Form ww) (Ps. XXXIX, 20.) zuliess. Es muss je- doch bemerkt werden, dass die erste Person des Singulars in der Bedeutung ich habe aufgestellt in Z. 27 u. 103. gerade so geschrieben ist, wie in We- stergaard's D, 12., während in Z. 25. das letzte Zeichen mit einem u ver- tauscht wird. Mit «. schliesst uh de: ER asu (Z. 89. 98. 104.) mit der Bedeu- tung ich habe eingerichtet. von nu», bei andern Verbum vertritt aber das suf- fixe u das Pronomen dritter Person (hn). . Auf diese Weise ist dem Verbum «dak mit zweierlei a in Z. 29 u. 33. von pi. (aufreiben) in Z. 33., wo, das k mit dem 9 des Landesnamens Sugd (Z. 6.) vertauscht ist, ein hinzugefügt, sowie in Z. 83. der dritten Person desselben Verbums.itduk (Z. 65.) , worin jede Silbe ein besonderes Zeichen hat, während in Z. 42. itdahn ein Verbum dritter Person des Plurals bezeichnet. Das Pronomen dritter Person des Plu- fals (sie) ist in Z. 83 u. 87. durch ein u angedeutet, welches einen Winkel oder; Schrägkeil durchkreuzt: im Imperative wird der Plural dubd (79.) vom Singulare dúk (L. 48 u. 86.) ausser der veränderten — der Silbe u& Hist. - Philol. Classe VI. S) TEMAS EUA YOTUGUROGROTEEEND,O.! durch ein hinzugefügtes æ unterschieden. In Z. 83 bildet das u vor itdukun mit den beiden vorhergehenden den Relativsatz sWitú (welche bei ihm waren), worin die Partikel it (mit) statt der beiden Zeichen in Z. 77., welche in Z. 23 u. 82. auch allein ein Wort bilden, nur durch ein einzelnes Zeichen an- gedeutet ist. Ob in Z. 12. das suffixe ] nach dem Zeichen eines Bruders für sein geschrieben sei, kann bezweifelt werden, weil jenes Suffix auch die Stelle des hebräischen: Präfixes 1 vertritt; aber un ist nach den Bezeichnun- gen des Vaters und der Mutter in derselben Zeile das Suffix des Plurals ihr. Sowie aus dem Suffixe 4 das Pronomen «at (Z. 106.) für sma gebildet wurde, so aus dem Suffixe ún das Pronomen únút (Z. 480) fur pan. Sowie ferner aus dem Suffixe & das in zweierlei Weise geschriebene Pronomen «wa (Z. 90 f., wo wir das Suffix v» auch der Pluralbezeichnung von 9 p beigegeben finden) für n hervorging, so aus ddá für mn (dieser), mit welehem alle kleinern Inschriften beginnen, das ebenfalls auf zweierlei Weise geschriebene Pronomen día (Z. 94) für now (diese). Wenn Rawlinson das d dieser Pronomina für ein g erklürt, so bewog ihn dazu vermuthlich die ähnliche Gestalt des zweiten Zeichens in den Namen der medischen Landschaft Ragá und der Stadt ' Agbatana (Z. 59 f.). Allein entweder übersah er irgend eine kleine Verschiedenheit, oder die medischen Namen, welche man bei Isi- dor “"Parıevy und "Aroßdrava geschrieben findet, wurden mit einem zu- sammengesetzten Laute ausgesprochen, welchen die Griechen nur durch ein 9. die Babylonier aber durch ein d andeuteten: denn die Geltung des d erhellet aus Westergaard's C, wo am Schlusse der 7. 10. 25. und zu Anfange der 21. Zeile das Pronomen 77, dessen » nur wegen seiner leichten Verwechse- lung mit einem ähnlichen b in zweierlei Schreibung zusammengestellt wurde, mit demselben Zeichen beginnt, welches zu Anfange der 17. Zeile im Prono- men add die Mitte einnimmt. In der Inschrift aus Behistun vertritt am —— der vierten- Zelle das Pronomen ddd die Stelle des weiblichen Plurals «danit (E. 7 fl.) dessen Sin- gular (Z. 10.) dat lautet, wie man im Deutschen dies sind die Lander statt diese Lander sind es sagt; am Schlusse der 106. Zeile ist aber ddanit mit demselben Zeichen geschrieben, wie ddan: (Z. 12.) fur Try (darauf), wäh- rend der . Plural (Z. 3. am Schlusse der überstrichenen eee wie * ERLÄUTERUNG D. BABYLONISCHEN KEILINSCHRIFTEN AUS BEHISTUN. 51 in Z. 46 u. 65y das d des Singulars beibehält, welches im weiblichen Plurale ancit (L. 40.) ausgelassen ist, wofern man nicht nach dem Gottheitszeichen ein J ergänzen will, wie in der Bezeichnung des Himmels durch ‚> zu Per- sepolis. Wie auch wegen der Aehnlichkeit zweier Zeichen eines: übersehen wurde, beweiset das Wort ahbe (mein) vor died (Vater) in Z. 1., von wel- chem in Z. 3. das d, in Z. 95. dagegen das f ausgelassen ist, wührend in Z. 64. vor dem verschieden geschriebenen dwa: Vater) dio ganz fehlt. So- wie (à aus ú und ddiwa aus «dd gebildet wurde, so died aus der Bezeich- nung eines Vaters durch á (Z. 1 f. u. 12.) und djƷin aus der Partikel ny für Me (mir eigen), wie der Plural &tanú (Z. 18.) für hoi (bei uns) beweiset und dian (unser) in Z. 27. Mit einem andern £ geschrieben heisst «ta (Z. 101 u. 105.) du, und wieder mit einem andern 7, für welches in Z. 18. ein es dem hebräischen m (von Alters her). entsprechend geschrieben ist, bedeutet dt die Zeit (n») und mit kulat (Z. 3.) verbunden allseit, während das unzählig oft wiederkehrende bet (darauf) mit einem besondern h und f geschrieben wird, welches mit folgendem W (Z. 11. 66.) nachdem dass, aber mit dem Suf- fixe i (Z. 105.) nach mir bedeutet. Vor. mir wird in Z. 3. durch in pan (@)twa und in Z. 9. durch lepani átwa oder bloss lepani (Z. 30. 85.), wie cor ihm durch lepanú (Z. 20.) von lepan (vor) in Z. 16. 24. ausgedrückt. Sowie dabei die Partikel in mit le wechselt, so vor kem (Z. 51. 55 f.) mit an (Z. 2.); wiewohl in ken hier in Wahrheit, wie kulat ken (Z. 15.) ganz so, und dn ken ada für mn 33 ^» aus diesem Grunde bedeutet. In Z. 3. fehlt. dem Worte 32. das letzte Zeichen, welches in Westergaard's H, 22. 24 u. 3. D, 19. E,9. mit einem d verbunden diese (77) bedeutet. In der Inschrift aus Behistun finden wir (Z. 16. 77.) dasselbe Wort, wo es jedoch, da p in Z. 96. mit zwei andern Zeichen geschrieben ist, daselbst das Adverbium pw (sofort) zu vertreten scheint. Wenn wir das » auch für b gebraucht finden, so wurden vielleicht zwei ähnliche Zeichen, von welchen im » die beiden Winkel von den Querkeilen durchkreuzt, im 5 aber nur berührt wurden, mit einander verwechselt. Um einer solchen Verwechselung vorzubeugen, ist in Westergaard’s C, 15. dem letzten Zeichen von yedin, mit welchem der übliche Vorsatz jedes neuen Ab- schnittes schliesst, wie dem Pronomen den, ein anderes » vorgesetzt. Ob- G2 52 G. F. GROTEFEND,; O Ad A DAUA JAJAA gleich dieses Verbum nur spricht bedeutet, muss es doch von p" oder y" (entscheiden) abgeleitet werden, während das Verbum des oft wiederholten Satzes Auramasda verlieh Hülfe (Z. 10.) fur ] tan zu lesen ist, wenn gleich das erste Zeichen desselben im Namen des Wahyazdata der kleinern Inschrift No 7. die Stelle eines d vertritt: denn das vorhergehende Verbum ittan (ver^ schaffte) ist vermuthlich dasselbe, welches in Persepolis (E, 1 fl.) in der Be- deutung schuf mit einem f vor n geschrieben ist „ und mit einem Verbum nba von 22 (C, 2 fl.), wie im Hebräischen jn: mit 27», wechselt. Für den Wechsel eines 2 mit y spricht das Verbum ax) für 3x» und für das Abwer- fen des » und y das Verbum 7:25 (Hos. VIII, 10.). Nur durch das Abwerfen eines y vermag ich das Nomen ssa für v, (Hülfe) uu erklären, "während zaw von mx (beschliessen) vor dem Genitive des Auramazda dessen Beschluss andeutet. Vergleichen wir Z. 4 mit Z. 10, so finden wir das Pronomen Anu (ieh) indeelinabel, da “Airawasdd'hsiut an ld ifftin nur Auramazda verschaffte mir die Kónigswürde bedeuten kann, während der vorhergehende Satz i» zaw sh Aurawazda anku nsi zu übersetzen ist nach dem Beschliss des Auramazda bin ich Honig; das Verbum sein: wird nie besonders bezeichnet: Nach diesen allgemeinen Vorbemerkungen können die übrigen; welche nur einzelne Fälle betreffen; am besten der Erklürung der Inschrift im Zusammenhange: beigefügt werden: ich muss nur noch bemerken, dass sogleich nach dem Anfange der Inschrift eine Verschreibung Statt findet, da die beiden Ouerkeile mit dem Winkel und Manneszeichen nach dem ersten Königszeichen, sowie es Rawlin- son in einer Anmerkung angedeutet hat, mit einem zweiten Königszeicheh vertauscht werden müssen, wenn der Text einen angemessenen Sinn erhal- "tem; soll. .doohsj es -ow iio W dios; N) in abe nuleidotl eng (3 i PH 1115 K üb jedlesnh fai rid Nagios mobis wer. dug BEN ) Oo Y - lows idoiollorz nalyare oe iuo W oline ash noy 10 lui t nobisd a * mf nodolow. nor asien odoilgr à I 3 i ia y 359415 yH iays PNR f ih iH i ) &b4 325 f Ni ail ) 415 , 102 Lh. > f |] f i > $851 ne Hoy Í N 15 0 2 / MOD Hi asb- siw 8911. i ERLÄUTERUNG D. BABYLONISCHEN KEILINSCHRIFTEN AUS BEHISTUN. 33 Die grosse babylonische Keilinschrift aus Behistun. Erste Columne, x d & b "Achamanishiya nsi nsiun, ish Pa(r)sád nsi i Pa(r)sa. (Ich Darius bin) als Achämenide Konig der Kónige, als persiscer que Kónig von Persien. . 2. | Daryawesh nsi tám yedin "Atwd d(b)wd | Istazp, áb) sh azp Darius als, rechne ge Konig spricht: Mein Vater (ist) Mane Vater des n (ist) 777 8 | Aryaramndá , á(b) sh’ | Aryaramnd | Shish pish, d(b) she Shishpish (Arsames, Vater des Arsames) Ariaramnes , Vater des Ariaramnes Teispes, Vater des Teispes | "Achama nishiya. F. 3. | Daryawesh nsi tüm yedin. An ken ädä Z. ein A chámonide- eel als rechtmässiger König Due jun aeos ru ag wir Achämeniden). Kulat dt inun ddan, di ninún nsiun un. |. Daryawesh nsi tám ye Allzeit 0 170 diese mächtig, allzeit (war) unser Stamm Kónige dedi. Due als Fochungssiger König spricht: III. in k(en) nini átwd in pan (d)twd nsiat isúú. 8. yedin Acht in Wahrheit meines Stammes vor mir übten Künigswürde (Darius als rechtmüssiger Konig) «cani In zaw sh’ 'Aúrawazdá anku nsi, Aurawasdd nsiut anku itt $. 6. Daryawesh nsi tim Nach dem Beschlusse des Auramazda 5800 ich König, Auramazda hat die Königswürde mir verschafft. Darius als rechtmässiger König spric "tw ww boa M E.» O * ee nsi ún dbar! 1 Parsa, i Schebat, ( Bab-t, i Asz(t) i Arab, Dies sind die. Lánder, in welchen) igh König, derselben wurde: Persien, Susien, Babylonien, sro Arabien, í&.Wawesh in Warrat, i Spa(r)da, i Ydwan, Z. G6. Ariwa, i "Uwaraz zm, i Bakira ugd, Aegypten am en Sparda, [onien X. Arien, Chorasmien, Baktrien, Sogdien n, i Parüparisdn, i Kawar, à ding, zaia ban- Land der Paropanisaden , Be "Satagydien T MITT ‚Anmerkungen: Nuts Bas zum Verständniss. s Notbwendigse ist in Klammern eingeschlossen; wenn aber Dou von acht Königen, die vor jam 1a bm: = DN) waren, nur fünf mit Namen nennt; so lernen "i aus. Herodot VII, 11. dass dem Teispes noch ein Kyros, Kamby. Teispes , herging ,. und demnach durch ' icht sondern ein Achämenide bezeichnet wird. Da PR Darius orta ren, wie Herodót von Er ausdrücklich meldet (III, 70) nur Statt halter waren; rhellet daraus, dass diese den | führten, aber r Oberherrscher König d(ies)er Könige hiess, Das dem Königsieichen‘ nur in dieser Inschrift in jedem Vorsätze eines neuen E hinzugefügte Adjectiv En elbe an Darius als rechtmässigen König bezeichnen. Von der dreifachen Bezeichnung der Silbe un (Z. 3.) ist die mit dem Zeichen eines Stammes (153) ene — Suffix m unser, m Zeichen des wre Könige — dagegen: Wie. in 5. nach dem Singulare, das Suffix für ihr e rg "Suffizes i für mein ist dem Worte nini noch das Pronomen áhcá, hinzugefügt. p die dritte pegel ar Plutals des Verbums Ties, dessen erste Person im n Singulare E m eon ésú lautet: ábar mit dem Sohneszeichen (*3) ist die 2 Person des Verbums C22, welches wie 702 auch wählen beden- tete, im passiven . ie die dritte Person ithar (Z. 12. 19.). Unter Arab, dessen letztes Zeichen als gilt, ist der Strich d am Euphra zu verstehen, unter Sparda aber der östliche Theil von Vorderasien, wie unter Taran der westliche. beginnt in u Wes s M. R. 12. nach i Pafwa, dessen Name in ‚unserer laschrift (Z. 64.) wie : Parsa (Z. 5.) A am Schlusse von lautet, fu dla schlieent dagegen in Z. 41, sow ias Re alp, 2 * in mit einem u, welches beweiset, dass auch rn er 9 welchem dieser e in Westergaard's N. R. 13. schliesst, als u ans Die reg des Namens Kawar für mi mit Parúparísán ‚als einer zu verstehen -s Die durch Verwitte- i in lon durch ügung gebracht , cis der ge Text Agibé, watar wenn aan wich noch die ge angeführten a z 41.) Hezeichnet an ist i ien in do e inue Wir Bel daraus, dass Mie ei ur Landsc ed ' grósserer. A putet w tt dass andere a n 9e 8 i - ‚wo en ine ö "E | mod dr rien "IT Ta 0 vie | Landschaften in Medien. Herodot III. trapien — vade vd pins diese Einrichtung za P in doch in eine spätere at Ars stimmt demnach mit dem Adverb bins serer Inschrift ebenso wenig zusammen, w s Länderverzeichniss ü em Grabe des Darius in Nakshi Rustam oder das frühere auf der Südwand in Persepolis. 54 AUTH UDGGSESGROTEFEND, "Adanit.iye,,sh’ anku, yishammd sarun: in zaw sh’ | Aürawazdá Diese Lünder (sind es), Er mir dicenda als eee pesas nach dem Besen dès Auramazda (waren sie) in ánku dinun; ittrun nedát LI. S8. n sh’ unsd. F. 8. | Daryawesh nsi tám ye gegen — unterthänig: dió emn reichlich Geschenke: was. ich begehrte, geschah. Darius als Fechimsiger nig s In bein iye ddanit ish, ba it amen dn sh dio Z. 9h)... "Aurawazdd Inmitten dieser Länder (ist) der Mann, der Aging mit Treue in das, was ich 0055 behandelt: nach dem Beschluss des re 45 kandt dtwd in bein ige ddanit üshazag: she lepani did.... Z. 10. $. 9 | (Daryawesh nsi Däm hatte mein Aufgestelltes Troc dieser Lünder Bestand: was vor mir Pech schien, geschah. Darius als hier ónig spric azdd nsiut ittan j Aura zsa tan: dkald she nsiut ddat , (errungen ward), besitze jg sie. dug. ; m . Anmerkungen: Sowie der Schluss dieser Sätze wegen Verletzung desselben nur errathen werden kann, so vermag ich auch anderer Wörter Erklärung nicht als 7 515 zu verbürgen. Det Anfang macht wenig Schwierigkeit, weil sich davon auch die Dann; she la yishammá sarun (Z. 48.) findet, wodurch w r anku als einen Accusativ kennen lernen, auf ee sich "WD bezieht. In der Mie des davorstehenden ei weichen in Z. 48. as beiden rem mU , dass man 2 8 Zeichen nicht als m verkennen kann; das drittletzte Zeichen in 2. 48. wi iiie in Z. 7. dur Pond Zeichen er- setzt, welche die Silbe sham bilden: das Verbum gen demnach yishammá und muss wie ? von — abgeleitet ges 8 ist im folgenden Satze, in welchem änku mit der Partikel dn als Accusativ nervi d "irs dinun der Plural v 13 (Recht) mit der Bedeutung das Recht übend. fis stammt von n (reichlich geben) für 09935 mit b 7 und nedát entspricht dem hebräischen 7772 (Geschenk). Durch die Partikel án wird she zum Accusativ, der von wa für IN (begehren) regiert wird; únsá ist aber dasselbe Passiv für Nu von e, welches am Schlusse in Wesi» L ohne das ele 2 gemacht bedeutet, Das Wort nach dem Querkeile, welches mit einem 5 beginnt und in der folgenden Zeile vor iye (var) wiederkehrt, muss 572 gelesen und mit der Partikel in verbunden durch inmitten übersetzt werden. Ba nach ish ist das Particip von N73, weshalb it amen, dessen letztes Zeichen mit zweimal zwei Querkeilen geschrieben sein sollte, für Te — (mit Treue) puni zu sein scheint. Wenn kandt als ein von 732 (aufstellen) abgeleitetes Nomen etwas Aufgestelltes p so steht üshasag vielleicht als Shaphel für 2X^ Qua Bestand) von 32). Was auf die neunte Zeile folgte, kann nur vermittelst des er Textes errathen werden; dass aber die zehente Zeile mit dem Schlusse des urn None eines neuen Absehnittes sitate begin „ist augenscheinlich. Die Midi ersten Sätze dieses Abschnittes sind schon in den Voi — d des Nonens 7122 (Vollendung) mit der: Partikel PA und. dem. Zusätze der Conjuneti she die Bedeutung EU verletzten Stelle der eilften Zeile ist nur das Pronomen anku (ich) naar erhalten : die Silbe sit ist 8 dir 2 des Verbunis — mien ich sie) von 787; ob sich aber aus dem Schlusse dieser Zeile bet sh án msi dtar (nachdem ich sum Kön ) von m? schliessen lasse, dass auch nach dem Schlusse der zehn- ten — eine ähnliche Bezeichnung fis. P dign nicht mit Sicherheit ' tet eden Mit diese ware en m schliesst übri- gens die ‚ Einleitung, in welcher der Name des Auramazda mit einem a schliesst: mit dem zehnten Abschnitte beginnt des Da- rius Bericht von der pis und Weise, wie er zur Herrschaft: „und — seine erg te. Da in — Bars hte i de | äuchlich. wurde. In e eee, Hinsicht pes zu bemerken, dass k, wenn es statt der sich durchkreuzenden —— ! | ee Das t dagegen, welches drei rkeile jn seiner Mitte, hatte, wurde in spätern Abschnitten immer mit Schrägkeilen Meis e oo M NA Namen Babylons schon in A einmal geschah, aber im to tE bet (darauf) mit Ausnahme von Z. 69. in EMIL 2 í chen we n der vii i a ERLÄUTERUNG D. BABYLONISCHEN KEILINSCHRIFTEN AUS BEHISTUN. 55 Z. 11: $. 10. | Daryawesh nsi tím yedin: Add, sk anku ési in saw S "Auramazda , bet sh’ Darius als rechtmàssiger 3 spricht: Dies (ist) was ich that nach dem — bap Auramazda, Bahie an nsi dtar: LTES W. „ 3 Dos úwa ddan dn nsi itbar. Sha | Kabuszi twa ash, ich zum Könige den . gewann. (Kambyses war des Kyrus Sohn); pue wurde darni zum Könige deen Jenes Kambyses Bruder (war | Swerziya: chad á(b)ü ot amáu. Z. 13. .| Kabusziya itduk an Swerziya: án umm e(njat - Smerdis: eins (war) En Vater mit vies Mutter, Kambyses tödtete den Smerdis: im ganzen Volke wap] Memes she Swerzıya kit. t| Kabusziya án i Waw MAH. diia; Nane it hend ile bet ú des getödteten Serie Darauf being iren — Aegypten: (als er nach) Aegypten gegangen war, als- dann wurde das Volk ken biu itrad. Bet pezdt in iye, kem i wad , in i Pa(r)sa, i Madad. Z. 15. f. II. 8. deshalb in seinem Lande zügellos. — (war) "Bösthun in den Ländern, soviel genug des Maasses aria: ersien, Medien 2 . itbá kulat i Pishiyainada , Arakd(driya tü(r) shemü kulat ken b. XIIII. kebu she Gum durchzog ganz Pishiyadwada, den A Arakátriya genannt, Suns so am 14. im Ablaufe des Monats Tu | Kabuszi Bet imma den lepan | Kabusziya itsekard: an leuchü itrekd í Pa(r)sa, i Madda, mum s . Ka bu usziya. Darauf eee sich das Volk sofort gegen Kambyses: mit seiner Frische wapnete sich Persien, Medien ren... (ya)zzan. Bet | Ka busziya wat ranni wit. $. 12. | | Daryawesh nsi tam yedin: Z. 18........ * Darauf starb Kambyses wegen seiner jme, A Darius als rechtmässiger König spricht: (Diese Are (ba)d kulat as(z) dtanu she ninun s Bet | Gumáta ddiwa magá 2.19. 2... wu sur X Herrschaft cum von er vordem bei uns unsers Stammes Gabe. Darauf (riss) jener Magier am a Herrschaft an dl ac M ud dwa an nsi ilbar. dist ubi at NU DU S e: er wurde zum Künige . erkungen: In diesen Abschnitten sind mehre Stellen wegen Verletzung der Inschrift nicht erklärbar: der Anfang ist schon früber [pecie nas und verstándlich. Wenn "u Lücke der dreizehnten Zeile durch ein » ergänzt werden darf, so ist menat durch Theilnahme zu erklären: kit von NNI kehrt später mit der Bedeutung getödtet öfter wieder. In der vierbehntem Zeile weiss ich biv nur als "N (Land) mit dem Präfixe b und Suffixe 4 zu deuten: itrad stammt von rúd (zügellos umherschwei- fen). Pezät entspricht dem I — 2 und kema EM wad steht für 72 *7 722. Das erste Zeichen der funfzehnten Zeile scheint der Schluss des Zeichens it zu sein, und in Aratkatriya ist das t ausgelassen , wie in tür das r. In shemá für TX gilt das m zugleich für dasjenige a welches den vordern Querkeil wegliess. Das Zeichen am Schlusse der funfzehnten Zeile ist ein n, — n der Partikel an Z: 11 fl. ee Ae Itsekarä ist von 121? oder ^29 abzuleiten, aber itraka von PN, welches 1. Mos , 14. wapnen bedeutet. Das Verbum zu Anfange der siebenzehnten Zeile, welches in Z. 32. wiederkehrt, ist vermuchlich die pale Person desjenigen Verbums, welches in Z. 39. zweimal in der ersten Person assan geschrieben ist. Seine Bedeutung nahm für sich ein oder ergriff führt darauf, ee von DXN abzuleiten, da 7 oft in n überging. So steht bald darauf frannu für 7 von * (beben); abhängig von wat für NN”) (von Seiten oder von Wegen), sowie kit für 22 (starb) geschrieben ist. Das d zu Anfange der achtzehnten Zeile kann zu bad für 722 (in langer Zeit), das mit kulat verbun- den die stärkere Bedeutung in ewiger Zeit gewinnt, ergänzt werden, während ász für vordem, sonst, bedeutet. Atanu steht für NA und shai für , welchem der Genitiv vorangesetzt ist, wie in der zwölften Vide £i jenes Kambyses dem Zeichen eines Bruders vorherge Zu "Anfange der neunzehnten Zeile ist die überstrichene Stelle so sehr verletzt, dass es als idera Mühe erscheint, die ae erhaltenen Zeichen zu Wörtern erglasón zu wollen, obwohl der Sinn derselben den. persi- xt Text ge bla "Der Magier Gumäta, welchen Justin I, 9, 7. Cometes nennt, Ma beständig mags st pafen vie in No 3 der kl kleinern Inschriften am Schlusse bars für bir. in No G geschrieben ist. Dieses suffixe. u vertritt die Stelle dis" hebräischen Präfixes N, welches der babylonischen Sprache fehlt, sowie wa zu . der zwölſten Zeile die Stelle des . a —M er vertritt. Eben dieses w finden wir daselbst dem Zeichen des Bruders beigegeben, während ún ach den — des Vaters und der Mutter als Suffix für den Plural . derselben. betrachtet; werden muss. Die Endung ún in — Venio — ipi. 18. ist mit ganz andern Zeichen geschrieben, statt dass &ar& in Z. 21. mit demselben Zeichen schliesst, wie c ops in Z, 56 AU h ÁFAUIUIRESRVE.DIGROTEDEND.TGAS d OZUASSTUZ.IAS Z. 19. $. 13. | Daryawesli nsi tim yedin: Ein mi van Z. 20. «|: Gumdáta: ddiwa magü Darius als reehtmässiger König spricht: Nicht war, der deshalb (entgegentrat): jener: Magier Gumäta nsiút chetam. mma. mád lepaná ütab. Z. 21. (um) ma (mcd tewá, (im lú mazsan vollendete die Herrschaft. Das Volk litt sehr vor "ihm: ssa das Volk zitterte sehr, ob nicht von Nachtheil sei, she la Swerziya anku, barü she Kuresh. Ein mi kul yachshab in leach...Z. 22 dass ich nicht Smerdis, der Sohn des Kyrus (sei). Nicht war, der etwas unternahm mit Entschlossenheit Be ürawazda itaná: Aurawazda ssa tan: in saw sh! "Aurawazda, L. 23. Darauf. flehte ich zu. Auramazda: Tue verlieh Hülfe: nach dem Beschluss des; ‚Auramazda (GFuma)ta ddiwa isi bardun, si it) in ir Sik(t)uwdtya (todteto ich) jenen Magier Gumäta und " ep "die mit ihm (waren) in der Stadt Skuwatya i Nissdd shemu, sh’ in i Maddd Z. 24. . . e Adrawasda nsiüt: anku ittan. der Landschaft Nizsa pa Namen. in Medien: e verschaffte mir die Herrschaft. $. 14. | Daryawesh nsi tám yedin: Nsiút, she lepan Z. 2. Darius als rechtmässiger. König spricht: Die Herrschaft, die vor (mir entrissen war, bestellte ich) t di azs: anku ésisú batun sh" ú(lah)unş she | : Gumdta. ddiwa magı ushak: ganz wie sonst: idh richtete auf die Häuser der Götter, weiche jener Magier ee; bedrückte: barti. somia | @umdta ddiwa magú yit(er, in)ün ku umma ich (erneuerte die, weiche) jener Napier Guidi. aur liess mit | Versündigungen | „ich (stellte. eden das Volk in sein Recht i l o ee eee a a a ME Pr NR ganz wie sonst, in Persien, ‘Medien u 0 0 Nach dem Beschlüsse des Annal: habe. ich [oaa asina: she beit: átun in shar bad . 98: In zaw ish‘, ich allein setzte es durch, bis dass (ich) unser Haus in sein | Recht bartl, Nach dem Beschlusse des Auramazda keshü, she | Gumata ddüwa magu beit dtun la shesü. brachte ich es dahin, dass jener Magier Gumata unser Haus nicht N Anmerkungen: In diesen beiden Abschnitten ist die Abschrift zufolge der Erläuterung Rawlinson’s oft fehlerhaft, und der Anfang am Schlusse der neunzehnten Zeile nach dem üblichen Vorsatze vor yaán für JZ? nur durch die Wiederkehr der beiden Leichen in Z. 21. erklärbar. Hiernach ist zu vermuthen, dass die beiden Winkel das hebräische Wort 1^W oder TR bezeichnen und das darauf folgende m: durch 7 u erklären sei. für ZH macht keine Schwierigkeit und mád scheint dem hebräischen Nu zu zu entsprechen ; tab ich aber nur als 3X, (war — zu deuten. Zu Anfange der 21. Zeile gibt Rawlinson's ‚Erläuterung zwei Zeichen We er der erg welche ich: durch umma mad ergänze, und dem folgenden Zei- chen einen Querkeil mehr gebend mit tewa für Y) verbinde, worauf in Rawlinson’s ‚Eaauterung G „n lú: mazsan folgt, dessen Lace Wat durch THONI (von Nachtheil) sich denten lässt. Vor gachshab: für E71) (gedachte zu thun) schaltet Rawlinson' Erl: rung das Zeichen für kul (irgend eticas} ein, demol nach itam gebe ich Se vorn. zwei Querkeile, um das Ver bum ita von e dessen Hichpael Dan. X. 12. sieh vor Gott demüthige r ihn anrufen en bedeutet. Die 23. Zeile, in welcher das We h ich zu ergänzen ist, beginnt mit dem sraon ira des Namens Gumála , mit welchem durch die Verknüpfungspartikel die iasoichnnng der. Edeln verbunden. wird m welche die Bibel Fauna Nach üt ne Rawlinson's Erläuterung das ME: nzu; im Namen der. Stadt Siktuwatya ist aber das f 2 ergánzen. Die Wo kulat di dss für I8 ^3 nis in. d. 25 E dada gana wie, sonst, ushak entspricht aber dem. hebräischen PUY, wie yiter, wor- nach noch in vor «mat für nib ( Versündigungen) zu ergänzen ist, dem In. Sharu in . 26 f. We ich A he- bräischen WGT von ^X^, da das "zu Anfange der Wörter öfter- wegfällt; das zweifelhafte Zeichen in Z. 2 gleigh ber dem d, welches in der ebe des ehaldäischen Sternsehers den Namen des Auramazda schliesst. Mit d 5 avor "bildet es das Wort bad allein); das darauf folgende Wert setit vermag ich aber nur durch DAX in, der Dodentang durchsetzen zu P. wie kesh& in Z. 28. durch Ableitung von TLP oder Pep, wofür auch DIR geschrieben- wurde, in der et siiis da s hesá am Schlusse des vierzehnten 'Abschiiittes von mad oder d (berauben) dem Stammworte von Y ĵe. EC dus E = det ist. Beit dtun in Z. 27 f. bedeutet unser Geschlecht von dtwa (mein) “batan sh’ ag in Z. 25. aber die . ERLÄUTERUNG D. BABYLONISCHEN KEILINSCHRIFTEN AUS BEHISTUN. 57 5. | Daryawesh Z. 299 d. 16. | Daryawesh nsi tám yedinz: Kala sh’ anku dduk Darius (spricht: Folgendes that ich als I Darius als eem i Kónig spricht: Nachdem ich tödtete dn | Gumáta ish magá, bet ish Z. 30. emam; yedin uma: Anku nsi i Shebat: den Magier: Gumäta, alsdann erhob an ein Mann in Susien Atrina): er "ghe so: Tl e Kónig von Susien: Z bet ish Shebatun itsekard lepani Z. » «| Natitabel shemü, barú sh’ |" Anir Darauf verdungen sich ihm die Susier gegen mich. 883 erhob sich Natitabe mit Namen, der Sohn des Anirä: er in i Bab-t itbemam: an mma ipras uma: Anu Z. Sen ag itsekará :. i erhob sich in Babylonien: im Volke breitete er also aus: Ich (bin . dw Volk) verdung sich: Babylonien |j itselar: nsiüt % Bab-t iszan. $. 17. | Daryawesh nsi tám yedin: I. 339. | riss er ab: aet Herrschaft N DER ergriff er. ee als rechtmässiger König spricht: (Atrina ward mir in Fesseln eführt): zuge anku ddukü. F. 18. | Daryawesh nsi tám yedin: Bet anku an i Bab-1 kareb dn leach Z. 34: ich todtete ihn. Darius als rechtmässiger König spricht: Darauf rückte ich gegen veh eigen. mit Raschheit. . UY. (üm)ma she | Natitabel in leach kika(t) beü(n)it sámeh xu, kd dbal Chidkel mi(l)it. Bet das Heer des ver floh mit = t in Masse auf Schiffen sich schützend ganz decim zum eps Tigris. Darauf anku ámma Z. 35. 'Aurawazda zsa tan: im saw sh’ 'Aürawazda dbal kikat (sammelte ich) ini Heer: Ness verlieh Hülfe: nach dem Beschlusse des 1 den Fluss in amc s überschreiten :b I. hebu she yerach D. zakát nissá. F. 19. | .Daryawesh nsi tim yedin: dduk Z. 36. X zerstiebte ich (das feindliche Heer): am 26. im Ablaufe des Monats D. erhoben wir den Schlachtruf. Darius als sis müssiger Kónig) spricht: Bet anku an 4 Bab-t dtah, an i Bab-t lek she dai. In ir Zazánshemit, she. gai dbal Prát; Z. 37. Darauf dut ich nach Babylonien: nach Babylonien gehend zur Genüge. Bei der Stadt, — genannt, der Niederung s Flusses Phrat, „0 ee (ppra)sh uma: Anu Nabushadus t niss: (zog gegen miċh Heel. welcher) also — Ich (hin). 8 Gabel ene erhoben wir den Schlachtruf: 'Aŭúrawazda zsa —— in zaw- sh’. Aurawasda ümma she | Natitabel Z. 38. Auramazda verlieh Hülfe: nach dem Beschluss des rer (zerstiebte ich) das Heer des Natiabe: "den Schlachtruf „„ Zweite Columne. $. 1. | Daryawesh nsi tám yedin: Bet | Natitabel ddilio pre wir am. .. Darius als rechtmässiger König spricht : Darauf (eilte) jener Natitabel mit ish reun itt reitya she Z. 39. (merka)bd . o (Bab-)t ätah: den Gefährten sammt der Genossenschaft des Wagenzuges flüchtend nach (Babylon: darauf) kam ich nach Babylon: in zaw sh’ 'Aurawasda Bab-t azzan we | Natitabel assun: bet anku in tel Bab-t dn Z. 410. nach dem Beschluss des Auramazda nahm ich Babylon ein und ergriff den Natitabel: darauf (tödtete) ich in Babylon den (Natitabel). Anmerkungen: Vom 15. Abschnitte hat sich nur der Name des Darius erhalten, Kira zu Anfange des 16. dee Kalashe „ wie betshe Z. 11. nac dass, und itbemam scheint von einem Verbu 22 für a (erheben) zu stam- s hebräische 727 (also), úmma dagegen & (Volk oder Heer): ipraz v UM bedeutet, wie iprash oder Zeile Aa ya. und itsetar von And riss ab). Zu Anfange d 33. Zeile ist ein "iri Keil EA 2 din LS am Schlusse dieser Zeile, wie in 5 ee das ch 15 am Schlusse der 21. Zeile hinzuzufügen, K as Particip von 272 (herannahen),, wie lek (Z. 36.) von 7727 (gehen). Nach der Rem der 34. Zeile, welche, wie die Teige Zeile zeigt, mit einem t auszufüllen ist, muss man vor dem Zeichen der Sil n ergänzen, wenn unit dem MON ( Schiffe) im Ktib zu 2 Chron. VIII, 18. gleich lauten soll: sámek lässt sich als — von 7720 (sich worauf‘ stütsen) aout. wie ndr für TND (versagt) und milet für Ob ER ttete mice! wenn man vor dessen letztem Zeichen ein / erganzt. Nis- *2 (eilends) u und 129 (übersetzend) zusammengesetzt zu sein. Das Zeichen vor der Bezeichnung des Flusses Phrat (Z 6.3 30) 8 sich vom ersten Zeichen dee. Chidkel 5 Fd: den Mangel der Keildurchkreuzung davor und scheint wie das hebräische ”3 eine Le zu bezeichnen. Das Folgende ist meist schon in den Vorbemerkungen erläutert, die 38. Zeile schliesst aber mit einem Worte, welches zu Anfange der 59. Zeile wiederkehrt, wo das Zeichen der P Silbe it nur einen senkrechten Keil statt der beiden über einander gestellten hat. Hiernach ist zu vermuthen, dass auch e dav vitari Zeichen nicht verschieden sei von dem, welches auf das Zeichen eines Mannes folgt. enn reun durch Gefährten 2^ erklärt wird, so bedeutet reitya die Genossenschaft. Die beiden ersten Zeichen der 39. Zeile können der Sin des Were tes 7122372 2 (Wagenzug) sein. Nis stammt von y? (fiehend ee en) wie O^? von D” (fliehen). Da nach diesem Worte von der Stadt Babylon die Rede ist, so habe ich das Landeszeichen mit tel vertauscht, dessen Unterschied von í - linson durch die Vertauschung dreier Schrügkeile mit drei Winkeln erwischt hat, In der Mitte der 39. Zeile fehlt sogar das Landeszeichen vor dem auf besondere Weise era aue, Namen Babylon Hist. - Philol. Classe VI. H 58 G. F. GROTEFEND, | . Z. 40. $ Dane anku in . . , dtar dndt iye, 3 (als rechtmässiger ne spricht: Während) ich in agen (war), an - ‚Orte (waren es) diese Länder, itr c ‘ Pa(r)sa, i Shebat, i Maddd, í Ash-t, 2.41..... í Sal i Kawa Heike sich auflehnten gegen ihren Bane: Persien, Susien, Medien, Assyrien . das jg seines Gomer. ee ' Wartiya shemü, baru she Shiszikrish , (Darius als rechtmässiger König spricht) 5 mit Namen, der Sohn In ann in “ Stadt ugannaka in í Pa(r)sa : dwa in i Eilamat itbemam oem : Anku nsi í She eee in Poren war unde er e pee in Eilam (und sprach) also: Ich (bin) König von Susien; kú. F. 5. 7 r . (yau) zsd án | Wartiya ddiwa, she in leachün rab in ramnün itd (aber die Susier) besiegten Martiya, welche mit ihrer Frische der MEM mit aen Bogenschüssen tödteten: Daryawesh nsi Z. 439. Pariwartish ........22.. : Anku Kshaftyrit Gene als en l 3 (spricht): Phraortes (sprach in Malen. due: Ich (bin) Xatrites, ’ "Uwakshatr ma, sh’ i Maddd mela, in beit leshiya: Z. 44. Nachkomme des un Dane empörte sich das Volk, welches Medien füllte, zu Hause: des Heer bei mir dai. Bet anku ümma ketäb an i Madád: | "Uwidarnd shemü, ish ra(g)la í Pa(r)sd war zur Genüge deer Darauf beorderte ich ein Heer nach Medien: Hydarnes mit ses, ein Mis des Fuss- volks in Persien D ME Bei u, | "Uwidarnd itt imma ittah an í Maddd an leach she dai: in ir Ward (wurde) zum (Führer bestellt). ‘Hydarnes kam jera dem Heere nach Medien mit Frische zur Genüge: bei — Stadt Wera shemü she , Madda h’ "Aurawazda mma dtwa itduk nekrut -ddü genannt in Medien schlug er sich: a pn Beschlusse des Auramazda zerstiebte 1 ei diese Feinde: be XXVII. kebu she yerach N. zakat íswüd. Z. 47. . Kamba(de)n, s dd, am 27. im Ablaufe des Monats N. erhoben sie den Schlachtruf. n der Landschaft e der die in Medien (ist), in ken yechadkd panya, dkala sh'anku helekh an E Maddd. Z. . 41 i. aa verschanzten sie deshalb die Fronte, bis nachdem ich ging nach Medien. en —— ^i Dadar, einem Armenier :): she la yishammá sarun, dúk ünüt. Z. 499. "Umma nekrut, (Da ist) ein Heer von Feinden, die nicht gehorchen ihrem Herrn, Rh gayi sie. (Sie zeigten sich) vor seinem Angesichte stolz. | Bet | Dadará zakat itan issis in ir Sabus shemi in í 'Urshala. Z. 50. 8. Sg. Darauf erhob Dadar ved eega mit ihnen bei der Stadt Sabus genannt in Klein- Armenien ee inc nekrut úw shab: ürekd an taraz | Dadarú an spid tachaz. (Das Herr der) Feinde kehrt ] Angriffe des Dadar vor seinem Angesichte stolz Bet iswú nat I. 51. itduk in ken ún DXXXXVI we telah beweshebitun DXX Darauf erhoben sie den Sehlachtruf ... (Dadar) eg in Wahrheit ihrer 546 und erhenkte von Gefangenen 520. Bet inshanat rash nekrüt Z. 52. .:ü& sh’ '"Aurawasda imma diwd an nekrut itdu Darauf (kamen) mit gen, des Frühern d die Feinde: nach dem Beschlusse des 1 zerstiebte mein Heer die Feinde: be IX. kebu she geruch Kul Tet ole am 9. im Ablaufe des Monats Kul erhoben sie den Schlachtruf. pu : 'Atar ist das aramäische SNN und kitrá der Plural für n von "2 (feindlich umringen) : ám ist von C222 (unbekannt oder von dunkler Herkunft sein) abzuleiten und yaussá von "s Yobsiegen). 3^7 bezeichnet einen Anführer, ramun ee €— der Plural eines Nomens von 7122 (mit dem Bogen schiessen). N 22 bedeutet füllte und ig für zw ji ; VN d n war treu, weshalb ich. kein Bedenken trage, die üb erstrichene Stelle also zu lesen 2 (sch ben) ging g auch in die edeutung vorschreiben oder beordern über, und ish ragla mit ausgelassenem g entspricht "dw s obere mr (Fussgänger). Tit heisst 8225 sammt, aber ittah soviel als MN (kam). Wera ist ist vermuthlich die Hauptfestung in der nordwestlichen Landschaft Medi en Amenipa welche Strabo Origa nennt. Nekrut ist der Plural von 122, welches einen Fremden ea" Feind bezeichnete. In Kamban scheint ein d ausgefa 22 5 zu sein, weil Isidor js Aic acie südwestlich von Ag- batana durch Kambadene bezeichnet. rur dem Schlusse der 33. Zeile erkennt man leicht , n der 45. vor d m k nach Maddd ein petes Winkel end hen wurde: nach dem folgenden she dai habe ich auch das ns Wort der 44. Zeile ergänzt. Yechadkä ist der Pus von PIN (verschanzen) , panya aber der Singular von C272; wofür bald nachher & gesagt wird in ut an épiú für "BR. — zu erklären, weiss ich kein anderes Wort aufzufinden als 15 in der „ des Siegs gewiss vergleiche ich aber dem hebräischen 22 ^22, und taraz s scheint mir wie 71% von 777 (feindlich 85 anrennen) eg zu sein. Zu Anfange der 51. Zeile habe ich das f nicht übersetzt, welches das TR des Wortes .. dst, womit die vorhergehende Zeile schliesst. 7727) (aufhängen) ist aus Esth. VII, 10. V. 14. als persische Sitte der Hinrich- * tung bekannt, und weshebitun ist medische Aussprache für meshebitun, welches als Plural von non eben sowohl die Gefan- - die Vae um bezeichnete, "IË bedeutet die Wiederholung und UN” das Erste zu Anfange. ERLÄUTERUNG D. BABYLONISCHEN KEILINSCHRIFTEN AUS BEHISTUN. — 00 Z. 53. §. 10. | Daryawesh nsi tdm yedin: | Wuwizsa shemú , ish ra(g)l& i Pa(r)sdd Darius als rechtmüssiger Kónig spricht: impian mit Namen, ein Mann T" — in Persien, (wurde) la Z. 54 Er. VAT vv v. scu nekrut üwer shab: itreka án taraz | W nach Klein - Armenien ig condit das — der) Feinde kehrte desi e ipsi sie rüsteten sich zum An- griffe des Wum dn éniú lachas. Bet iswú pee 5 bor EGEE- itduk in ken un MMXXIII: In shanat vor seinen Augen stolz. Darauf erhoben sie den Schlachtruf: (Wumisa) tödtete in Wahrheit ihrer 2024. Mit iederholun resh nekrut úwer shab: ürekd án taraz | Wuwizsa din éniú tachaz. Z. 5660œ. «adieibslk gb an nekrut. itduk: be XXX. kebu she yerach I íswá nat: itduk (Wumisa) Meer sag die Feinde: am 30. im Ablaufe des Monats I erhoben sie mos Schlacht: Jar tödtete in ken un MMXXXXV. we telah bi weshebit MDLIX. Z. 57. ii é Madád , in Wahrheit ihrer 2045. und erhenkte von engen 1559. (Darauf Me ich) nach Medien, = Verschanzung dn i Madad. In ir Kuwidar shemi in i Mad "Aur in Medien. Bei der Stadt Kuwidar genannt in en (kam es zur Schlacht): ee — —— in zaw sh’ "Aurawazda umma she | Paruwartish Z. 59. . S. 13. it reitya she nach dem Beschlusse des Auramazda (zerstiebte ich) das Heer des Phraortes: mit der. Genossenschaft pm daselbst erstreuten itram in í Raza shemú in í Maddd. Bet anku imma Z. 60. (Demakya mina; doh Lin Medien. Darauf el ein Heer (nach): es —— das Heer sofort hemaru. Bei I in ir Asmatan katdú: I. 6. yedin dn umma beim Erblicken. Darauf tódtete ich ihn mit Aufpfühlung in der Stadt Agbatana, Iohan. in Sagartien) sprach zum 0 uma: Anku nsi, nin sh’ "Uwakshatra. Bet anku imma í Maddd. Z.62........... also: Ich (bin pes Nachkomme des s drei Darant (sandte) ich das Heer Mediens: (Kamaspada) erhob itt | Shitrátakma isis ú: 'Aúrawazda zsd tan: sh’ 'Aurawasda Z. 6. mit Shitratakma (fes Sehlachtruf: Auramazda ja i “Hülfe: nach um Beschluss des Auramazda (ing ihn) umma den kemarü. Bet in ir Arbirdt in zakap sakirun kit we telah. Z. 64. $. 15. Wok NE er n das Heer sofort beim Erblicken. Darauf tödtete ich in der Stadt Arbira ihre Miethlinge nd 23 ee sie mit plählung. adale df. $. 16. | Parúwartish keshaw: | Istaspa d(b)wa in i Partoa dmam Z. 65 " Aüirc —— 3 sich des Phraortes an: der Vater Hystaspes * in E dicem (ein Heer): Auramazda zsa t sk 'Aúrawazda | Istazpa itduk án nekrut ddán be XXII. kebu Z. 66. eetas Hüte: nach dem Beschluss Frege Auramazda zerstiebte Hystaspes diese Feinde am 22. im Ablaufe (des Dritte Coka. 8. l. (án) épi(ú): bet sh’ úmma an leach | Istazpa ka sad, | Istazpa úmma saga. (Aufs nae iaa cn sie) vor seinem Angesichie: indess dass ein Heer mit Frische jetzt verstärkte, ver- 1 s das va Z5... duk in ken VI DLX. af telah be weshebit IV CLXXXII. Z. 68. $. 2. Sie erhoben ox Schlachiraf: er tödtete M "Wahrheit ihrer 6560. und erhenkte von Gefangenen 4182. Anmerkungen: Diese eheu belehren durch ns eg gleicher Wörter und Sätze. Arien man die letztere Hälfte der 53. Zeile mit dem Schlusse der 44., findet man bei aller Gleichheit des Uebrigen / nach den Namen. der beiden Feldherren in 8 eee a n dec t so * nur in den Worten an Angesichie) n en Namen der bei eldherren rs Worte ee 50, mur i Zusatze am iae 441 55 55. "7 cile abermals anders geschrieben wieder... In der 54. Zeile scheint das erste Zeichen des Wortes nach der Partikel án bloss verschrieben zu sein, aber die drei Winkel lassen sich nur wie niü sen, und da 372% vor seinen Augen bedeutet, so führet dieses darauf, auch das zusammengesetzte IW der 55. Zeile in vez) aufzulósen , wührend das darauf folgende Zeichen dem Worte tachaz entspricht. Die Kees 35, Wen. in der 54. u. 55. Zeile zeigt verschiedene Schreibung der beiden ersten Zeichen, deren ere jedoch in | Abweichung erkannt wird, da es wie das erste Zeichen lie ilbe it zeichnet, Eben zeigt 3 mit der 45. in den Worten án kazak die Vertauschung eines d mit k, was nur r Ahe ist, wenn man die orte als ganz verschieden betrachtet, und án kazak durch [237] DN, erklärt. Pusirun lässt sich als Nomen von ^s (serstreuen) deuten, wie sakirun in Z. 63., wo ich im r einen senkrechten Keil = viel gesetzt glaube, als Miethlinge von "21; tam ist die chaldài- sche Form für ZU. tram von C2727] heisst er machte sich auf zur Flucht, und temakya kann von i (ergreifen und fesi- halten) abgeleitet sein. Kemará ist das Nomen 7872 mit dem Präfixe 2 und Suffixe » ya kat dú, das in Z. 88. ohne sein Suffix wiederkehrt, scio ür ta geschrieben zu sein, sowie ich in zatap dar — glaube , weil Hr das ee an einem aufge ri "Pfahle bedeutet. Der Name (T)shitrátakma ist Vielleicht der derselbe mit Tb. rarraixhye bei Herodot VM, 82. Telah entspricht dem hebräischen an und keshaw. dem Zug (sich wohin neigen): dmam lässt sich durch ZN (versammeln) verklären, und ka sad durch 72 CLER wie sága durch NäW. Weshebit mit dem Zeichen eines Hanses am Schlusse zeigt wie af für wa die veränderte SENE in der dritten Columne. | | H2 60 G. F. GROTEFEND, Z. 68. $. 3. | Daryawesh nsi tdm yedin: "I Wargud shemi gat ran me(rad): Darius als Fechtmässiger König spricht: Die Landschaft Margia genannt rae N jubelnd ab: ish | Pradá sem Z. (9. Bet Dadarú ittah itt imma: íswii ein Mann, Pirates mit Namen 3 der Führer). Darauf kam Dadar mit d Heere: er erhob den Schlachtruf. it 1 Warguwa TEARI ER E n ken ún IIIICCHI. af telah be weshebit VIDLXII. mit der Landschaft Margia ^W tödtete) in Wahrheit ihrer ew und erhenkte von Gefangenen 6562. $. 4. | Daryawesh nsi tám Z. 31. . ... 8:87: Judo (Y)d(tiya) shemi in í Pa(r)sa ásheb : Darius als rechimässiger König (spricht: 3 e in Yütiya mit Namen in Persien úwa itbemam in í Pa(r)sa: yedin dn imma: Z. 72. $.6. | Daryawesh nsi tdm edin: er erhob sich in ron: er sagte zum Volke (Ich bin eisen 3 als rechtmässiger pae cem (Pa(r)sá wayá(r) Z. 73. sh’ i Pa(r)sa itti itrekd (in) í Darauf (sandte) ich — der Sg sog (ein anderes] Heer Persiens bei mir wapnete Ae in Medien: B awarziya itt umm q4 ^. uodad1o, EL «Inno H (d)n (epi tacha)z? Darauf (kam) Artawarziya a dem Heere (nach. Persien): die Feinde rüsteten sich vor seinem Angesichte stolz: inv, zakat: Auramasdd zsa tan: in saw sh’ 'Auramasda Z. 755. sie erhoben den Schlachtruf. Auramazda verlieh esa nach es Beschluss des Auramazda (siegte sein Heer). izdáta ddiwa itt umma it reitya she pas , Vän AE . d Jener Wahyazdata machte sich sammt dem 1 mi pe t ata F dèr Zerstreuten auf nach (Pishiyauwada: . Sala, úra 354 in zaw sh’ 'Auramazda mit einem andern Heere eges er den Kamp). uec verlieh Hülfe: nach dem Beschluss des Auramazda imma átwá itduk dn imma she | Wawizdaäta. Z. 77. 8. | Daryawesh nsi tám yedin: are mein Heer das Heer des 8 Darius als rechtmässiger König mean Darauf anku (dn) | Wawizdäta ddiwa af ish bardun, sh’ itti, den in in zakap 78. 3 (&)n i Pac msd ketsü ; (erhenkte) ich 8 und die Edeln, die mit iui (waren), sofort am Pfahle. (Dies ist, was lieh in ersien vo $. 9. | Daryawesh nsi tám yedin: | Wawizddta ddiwa, she kisab , Z. 19. . i ' Arachát zn als rechtmässiger könig spricht: Jener Wahyazdata, welcher log, (sandte auch ein Heer nach) Arachosien | Uwiband. duká w dn Z. S0. sui üramazda ssa tan: "s so sprechend: Auf! den Wibana vernichte und das (Heer). Sie erhoben gs pe Auramazda verlieh Hülfe: zaw sh’ "Auramazda imma Z. l. iswú : C Adr, nach d — ime des — (siegte mein) Heer. (Aufs neue) erheben sie o 120 emer een Auramazda zaw sh’ 'Aáramasda Z. 82. ....... ll. Bet ish ddiwa, in ken ra(b) úm vere Hülfe: n. nach dem Beschluss des Auramazda (siegte mein Heer). Darauf (oh) jener Minh, in Wahrheit 8, rishü she Wawizddta . PT umma it reitya Z. 88. eshebit: . m Oberst des Wahyazdáta, sammt dem Heere mit ix Genossenschaft. (Darauf gerieth er in) Gefangenschaft: 3 w' ish ukun kit we telah sh’ ámma Z. 81... ........ be 25 ie und die Edel, die mit ihm (waren); de schlug sie todt und aia des Heers 3 12. 4 'Archát ésú. 13. | Daryawesh nsi m yedin: "Akala sh’ dnku i i Pa(r)sa w (Dies ist, E ich a i 8 that. Darius Mr Rate eae Kónig spricht: Seitdem ich in dena Und 28. imma she (Bab gt ima: 'Anku | Na abushadusar, barú she | Nabunid. ige sich Arawa and fr sprach zum) Volke Babyloniens also: Ich (bin) ERBE, der Sohn des Nabunid. úmma sh i Bab-t (epani Z. 8868. ee E G (shufe) tin, keteb ler (rennte ich] das ASR VOR mir. (Da sandte ich ein Heer, den Widafra)ná, ihren Führer, SES beordernd: Hakem! dúk dn ámma nekrut. Z. 87. (dn) imma she Bab-t nehrut: itdukun: (be) weshebit Aufl mern das Heer der en. 15 zog gegen) das Heer Babylons, der Feinde: er zerstiebte sie: unter den angenen ünut ümma, sh’ in ken ún !.! da buschetü. Bet dnku makim ke ihres Heers, s, die my Wahrheit von ihnen (mir vorgeführt wurden, war Arawa) zu seiner Send. Darauf 1 ich ehend 2% (dm) | Arosa w ik bardus. Z 80 EEE ee e. opa esh nsi tdm yedin: : 8 den Arawa e die Edeln. rius als rechtmässiger König spricht: 5 in. Ba Die Ausfüllung der Lücken in Z. 68. durch 715 41^ DW3 kann ich so wenig verbürgen, als zu Anfange "Asheb in Z. 71. leite ich von au ab, und nach wayd am Schlusse von Z. 72, Koran ich ein r, m hebräischen, "13 cha eni Vor Madáá in rA 13. — ein Querkeil für i Ls en zu sein: vor | Araca, m der persische Text i ‚ ein senkrechter Keil. Zu Anfange der Z. 78. fehlt offe — ein a, kelsú nicht zu erklären, wenn es nicht etwa für 5X5 von YEP (zu Ende big geschrieben ist. Für yarum in num, wie für hakem von Up (Z. 79.) in Z. 86. nach Rawliuson's Vermuthung atem. Kisab für A verkennen, wie das r der Lücke (Z. 82.) das Wort 27 andeutet: rishu steht auch in Westergaard's Tep aber shasir weiss ich nur als Shaphel von “aW (zum Befehlshaber bestellen) zu deuten. Die Ergänzung zu = kann nicht verbürgt werden; das erste Wort der Z. 88. vergleiche ich mit dem hebräischen nüz; aber : ar ee ungewiss. ERLÄUTERUNG D. BABYLONISCHEN KEILINSCHRIFTEN AUS BEHISTUN. 61 Z. 89. $. 2. | Daryawesh nsi tdm yedin: Add sk anku Z. 90. : Darius als rechtmássiger Kónig eke 1 (ist), was ich gethan habe. 9 —— von inen -—. weshebit. | Gumáta shemü, ish magá: úwa betarraf yedin uma: Z. 8 l. 9 (1) EE mit Namen, der aer: er sprach frisch weg also: (Ich bin Baird y dein) machte usien abtrü | Natitabel shemü, ish Bab- tád: üwa betarraf yedin uma: Anku | Nabushadus ect ET (3) Natitabel mit Namen, ein Babylonier: er sprach frischweg also: Ich (bin) — x "(Martiya) machte usien begad. | Parüwartish shemú í Maddd: üwa betarraf yedin uma Anku Lari. Z. 93 übtrünnig. (5) Phraortes mit Namen aus Medien: er sprach isolog also: Ich (bin nee 0 e erue et T re | "Uwakshatra: ddiwa Zakartdd begad. Prudd s sprach: Ich bin Nachkomme) des Kyaxares: dieser machte Sagartien abtrünnig. ( Phraates mit Nabin, ein Margier: ma 2: 94... 7. 2... ddiwa i Pa(r)sa begad. |'Arawa shemú, i er r (machte Margien abtrünnig. (8) Wahyazdita): dieser machte Persien ( (9) Arawa mit Namen aus Armenien r NOTE Ir: EP See Ze samt we ddekd umm a a(twd in bein Z. 968. dieser (machte Babylonien abtrünnig. Diese Könige) tilgte und unterdrückte mein Heer inmitten (dieser Länder). : bet " Auramasda dn -sunat. Z. 9 Die Lüge táuschte « dii Volk: darauf 3 Auramazda den reissenden Sturm dieser Feinde. (Du Kónig, k úbr d, shechú kit E a a sh s emad, s der nach mir herrschen wird, hüte dich vor Sünde). Den Mann, der Uebermuth erstrebt, wirf ihn getödtet nieder. Anmerkungen: Der grossen erg wed ne lassen un. die Lücken dieser Abschnitte leicht ergänzen, weil s das Verzeichniss der gefangenen Könige in gleicher Weise liefern, mit ne de kleinern Inschriften verglichen —. — iese setzen natürlich als „ jos Abbildungen ee das Pro en ádá (dies ist) voran zer als die grosse Inschrift abgefasst und weichen in der Schre ener brian, iam is Auch die Folge der 'Kónigsnamen ist nicht ganz dieselbe: der Magier Gumata eröffnet dies ese, und dara olgen Atrina und Natitabel ; Pi geht in in den kleinern Inschriften dem Martiya voran, währen Phraates ans Ende gestellt ist. Diesen zum Theil Magen Namen fügt die grosse Inschrift beständig das Wort shemá in zweierlei Schreibung hinzu, und statt. sh’ ürah für. i schreibt sie úwa betarraf yedin, worin betarraf das hebräische tg mit der Präposition 3 zu sein e und Rawlinson's * mit Schrágkeilen zu vertauschen ist. Der Aussage, mit welcher alle kleinern Inschriften schliessen, fügt die grosse Inschrift noch die 3 des Landes Fe welches der falsche König abtrü machte (732), sowie sie 3 König ausser dem — — ta als Mann seines Landes bezeichnet, sei es im Genitiv oder mit der adjectivischen Endung dd. Ds Lede n Shebat 2 die kleinern Inschriften No 2 u. 5. i. egen No 9. dem Namen Wargua ein Teiche en vorseizt, wel- — 5 nur . die Präposition 5e erklären lässt, v ermuthlich aber als blosser Querkeil die Partikel in andeutete. Dem Na- en Chamaniá für 'Umani des persischen Textes, in welchem jedoch das erste Zeichen zweifelhaft ist, "füg gt No 5. ein ú hinzu, wie die 9 Inschrift immer Dadará für Dadar schreibt. In der 95. Zeile entspricht das erste Wort dem hebräischen DX, sowie das zweite Verbum mit 974 verglichen werden müsste, wenn man dessen erstes Zeichen für ein g erklären wollte: als d, welchem noch ein anderes d hinzugefügt werden konnte, wie wir so oft das t doppelt geschrieben finden, muss das Wort mit N27 verglichen werden. Erklärt man das erste Zeichen der 96. Zeile für ein 2, so kann es das Schlusszeichen des Wor- tes 312 sein, und lässt man das von Rawlinson als unbekannt angemerkte Zeichen a t gelten, so entspricht án sat sar, dem * d n (Ps. LV, 9.) gleich, den Worten 928 DIO NN (den den Sturm). Bei sünat für nmi" T sich noch £ r Bezei ichnung der feindlichen Länder nebst dem Verbum für vereitelle hinzudenken, sowie s fünften Abschaities in der 97. Zeile dem persischen Texte zufolge aus der 105 Zeile ergänzt werden kann, in welcher og die drei Worte nach dem a des nicht mehr zu errathenden Wortes enthalten sind, obgleich das Wort 77227 mit verschiedenem f ge- schrieben ist, und weil das Verbum 727} in Z. 105. fehlt, die Partikel- daselbst als Zeichen des Genitivs gedeutet werden muss. Shechá ist der Imperativ von mé, ten in Hiphil (Jes. XXVI, 5.) niederwerfen bedeutet, und dash mag ein Particip von Ban sein, welches im Dan. VII, 23. mit Füssen treten heisst, aber auch von der an Gefangenen ame Tödtung gebraucht wurde, wobei man einen Dr eschwagen dis eisernen Zacken über sie hinzog. Im vorhergehenden Worte kit ist das k, weiches nur zwei panog enthielt, mit einem t verwechselt, statt dass aesir Z. 83. dem t mit drei 8 * 63.) nur zwei gege- ben sind. Das f, mit welchem in Z. 97. das Wort übrat schliesst und auch in it zu Anf. n Z. 59 und am Schlusse von von 2. 82. gefunden wird, gilt in die (Z. 50. 54 f.) wie im Worte sakart (2. 36.) für Ken rei Ta 3, Td mag aher für das- jenige Zeichen verschrieben sein, welches Rawlinson in der Note 1 r als unbekannt erklärt, 62 G. F. GROTEFEND, 4d .* 7. k anku ésá, shedar, sh’ in htab nudd tarat pana. Z. 999. 1 N . dieses was ich piren habe. „suche zu bewahren, auf die Belehrung des in. der Seni Bezeugten blickend. Bu Eus iosi (d)mitan. $. 8. | Daryawesh nsi tdm. gedin: In zaw si Auramazda Z. 100. . (Es sind) Wahrheiten. Darius als rechner Kónig spricht: Nach dem Beschlusse des Auramazda (ist anderes 7 FFV na it ús ) den uma pazat shena. gelhan, — - do ail ist, — nicht er Leser es) fahren lasse mit dem Gelhanen, als ob dieses also Gelüuterte | Sei pa m (yedin): Z. 101. ..... » 10: .. nsi tám yedin: Ala tekap, sh’ anku ésú, we la bitta d(n) .. Darius als e all qe 87 (spricht: Du bestätige, was ich gethan habe, und zerstöre es nicht Z. 102. nka itrebii; P ili ken anat lapas sana án imma, ' deine Jahre. seien zahlreich; aber wenn. du dieses Richtige tilgest als Feind (dann mehre sich dein e gegen das n . In ' Aüramasda essis; ' Aáramasda zsa tan w d(lahjun Z. 104. $. Nach ich dem e des Auramazda reg ich es aus: Auramazda verlieh Hülfe uud die (andern) (Na zu pes Be 12. „ . In saw. sh "Auramasda essis; 'Aúramazda zsa tan w dllah)un Z. 104. C. 13. dann nicht). Gölte ie sie e 56 c LIN C UR UE. kul anku, kul nini: in kinat dskag án rat we wesht(at).. Z. 1 dem Beschlusse der Götter) handelte ich, sowie ich, so mein Stamm: mit 7575 e ich die N und Missethat. EIER o rs os yedin: Anna láta nsi, she beld bel til ish sh’ 0 (Dérius als rechtmässiger Konig spricht: O! du König, Mann der Sün m 15. p ab nudei dt tabar we namdn ddanit, Z. 107). $16... lied Wenn du pr ard bezeugten Schrift ER und vor diesen Abbildungen, (verletzte si sie "nicht: dann seien) zah af e kushra n nas. Z. 108 - bne(ka) la bit shlama, imu Gin seien) deine Kinder nicht ein i wohlerhaltenes HL d, ' anku án | Gumdta ddúwa Z. 110. . Mit. mir E seitdem ich jenen Gumata ee e), 2 1 5 Paír)sdá. (strafe). ittunka, ^ 4 abs itrar. Z. 109. . e Auramazda leere e es. „ Die Damen der sechs s Darius sind leider in allen Inschriften so "ine verletzt, und TEEN e» wA o£. eut rei - | Uzprá; (1) ( Widafranä mit Namen, der Sohn des Uzpra, ein Pe willand shemi, bari she | Sakrd, ish Pa(r Dad. (2) Uwittaná mit Namen, der Sohn des Sakra, ein Perse. mmen lässt. (3) (Gubaruwa mit Namen, der Sohn des Marduniya, ein Perse.) ‚(Aspatin)& shemu, hará she | Zd . td, i. dá. No 1. Gaby e n D fe 4) N mit Namen, der Sohn | des Za . ta, ein Perse. Ni Malis ba ot Aaanu fur , bari sh "Uskaka , 21i: Megaby pros eine dessen nach Herodot III, . Zopyros hie (5) Äsrkunnich mit Nod. ‚der Sohn. dei Uskaka, ; (ein Perse. Das wei Wort un Sebi as “220 (s Ichriftnetz); in nsiút ist das ú irrig wie n geschri ieben (6) ends mit Namen, Je Sohn d Á ‚ein Périel 3 d nsiut pot ad sebakat. M o Thatenberichl ivon) dieser Herrschaft R Ge) wie das Maass des Schrifinetzes. 8 Diese 5 Ben $ d Sow Lücken, und einzelne Zeichen sind so zweifelbaft, — Es nicht mit Sicherheit zu entziffern sind. Sogleich das rt der 98. Zeile wird von — linson als 3 anged willkürlich übersetzt, als wenn es ent; geheissen hätte, Ob shedar durch suche zu bew oye werden mt entscheiden, Das Zeichen nach dem Querkeile für die Partikel in in ie ich 1 4 eine Bezeichnung Tarat entspricht dem hebräischen 71357, und pána scheint das T von Ad ini ] zu sein. Die | drei ersten Zeichen der 99. Zeile betrachte ich als hein), u und den | Asi der 100. Z was vor dem ers en n Zei- 107. mit ee Wortfolge also wieder, ‚Wen n iti für "MI das es & (du): bela stammt von Ber, 3 Verbums 23, und namán scheint der Plural v 232 (erhöhen) zu vergleichen. Dasselbe Zeithen ma das weibliche Adjectir 7725: zu bilden; US itrar leite ich von ERLÄUTERUNG D. BABYLONISCHEN KEILINSCHRIFTEN AUS BEHISTUN. 63 So wenig diese Erläuterung der babylonischen Keilinschriften aus Behistun auf eine vollkommene Eni- zifferung Anspruch machen darf, weil es mir als einem der semitischen Sprachen nur vermittelst eines Wör- terbuches Kundigen an den erforderlichen Kenntnissen der Grammatik fehlt; so glaube ich doch die Entzilfe- rung so weit vollendet zu haben, dass die Sprachkenner dasjenige leicht ersetzen können, was mir versagt ist. Mögen sie daher das noch Mangelhafte mit Nachsicht aufnehmen und bessern! 64 6. F. GROTEFEND, ERLAUTER. D. BABYLONISCHEN KEILINSCHRIFTEN AUS BEHISTUN. er 11 Bemerkungen zur Steindrucktafel. Auch die beigegebene Steindrucktafel bedarf noch der Verbesserung, weil nicht alle Zeichen mit enge NNI gedeutet sind; sie ist gleichwohl eine nothwendige Grundla age zum Weiter forschen und gibt Aufschluss über Vieles ógli i abe ich oc n glichs ommen weiche ein Inschriften aus Behistun enthalten sind, dieselben aber u ordnen gesucht, dass sie Aufschluss über das Entstehen der Keil- schrift geben, welche dem Ursprunge aller Loutichrillen . ng. In der ersten Zeichenreihe habe ich die ben ai 3 * : : 3 r B ; n sieht, wie dem Zeichen des Plurals als der Bezeichnung einer unbestimmten Vielheit aus den drei Grun ndzügen der Keilschrift. bildete me ei darauf dieselben Grundzüge zur Bildung der en Partikeln benutzte. , Der senkrechte Keil bezeichn = dabei ein i i i i r Wink dungen jener Grundzüge kamen, aus welchen — re — geringe Veränderungen die Andeutungen eines Sohnes, Vaters mmes bildete, während das eichen der Einheit zugleich eine Person andeutete. Die drei Winkel habe ich in Klam- höhe geschrieben sin us dem Landeszeichen, welchem man eine S rägste ung des Sohneszeichens gab, bildete man durch die Zugabe eines entgegengesetzten Schrágkeiles die Bezeichnung eines Menschen, wie aus der Zugabe eines senkrech- ten Keiles zu zwei Querkeilen das Zeichen einer Gott eit: um eine Stadt zu nen fügte man dem a pe Làn- deszeichen zwei senkrechte Keile hinzu, wo egen man zur u das senkrecht lit ichen einer h ei Querkeilen umschloss. Die u, deren letzteres een den als Keilkopf gezeichneten. Winkel mit einem senkrechten Keile überschrieb, oder, wenn der Keilk pf 5 einem — vertauscht wurde, mit drei kleinern Quer- keilen den leeren Raum ausfüllte, bildete man aus den Prà an, in, u, durch Vervielfachung ihrer PENNE Für das » durchkreuzte man entweder einen Winkel oder aufwärtsgeiichleten Keil, oder ein durch zwei senkrechte Keile durchkreuzter Querkeil wurde mit einem andern Querkeile übe rschriehen während man für ein t zwei Schrägkeile von verschiedener Länge mähli i ie and gab, und als man sich gezwungen sah, zu einer 3 überzugehen, N man zur Bezeichnung der Selblaute einzelne Begriffssymbole, wie das Zeichen eines Sohnes, Vaters und Gottes für a, deren erstes als Suffix dem a gleichlautete, = : fitam > — s “ E E Jr c - eg & 5 bildet, wie für alle ü n Laute, zu denen die ipri lichen, ee e nur Zeichen für I, m, n, sh, Ob ich gleich alle diese yr um sie em citiren zu kónnen, durch besondere Zahlen von einander 3 habe. so sind doch viele derselben nur dente late, Verschiedenheiten, während man einzelne Zeichen einander so ähnlich bildete, í , i n als- es Thores bab uem, dia on dem e end zugleich als e galt, eben so wenig zu unterscheiden war, wie das Zeichen für das Wort rea (Gefährte). Nicht nur 5 von welchen man zuweilen, besonders um einen fremdar- tigen S-laut anzudeuten, zwei für einen . 1 Busse. g gegen see ausgetauscht, sondern auch Laut- nd Wörterzeichen zugleich als Silbenzeichen benutzt, e bestimmte Regel einer willkürlichen Orthographie ein Ziel setzte. Belege zu diesen 8 geben die Sete e nebst 5 Götter- und Personen -, Län- der- und eee bee che dem Verzeichnisse ‚aller Zeichen hinzugefügt habe, in welchen man einzelne Zeichen auf L e. Erläuterung . zweier Ausschreiben des Königes Nebukadnezar in einfacher babylonischer Reilschrift mit einigen Zugaben von Georg Friedrich | Grotefend. Der Königlichen Societät der Wissenschaften vorgelegt am 11. Mai 1853. — —— Vorwort. W ie die Entzifferung der grossen babylonischen Keilinschrift aus Behistun das Verständniss anderer bisher unerklärbaren Keilinschriften erleichtere, mag die Erläuterung zweier Ausschreiben des Königes Nebukadnezar in einfacher babylonischer Keilschrift zeigen, von welcher ich die Copie zweier nur wenig verschiedenen Exemplare in sorgfältigster Abzeichnung von Hrn. Bellino be- sitze. Das kleinere dieser Ausschreiben ist eine achtzeilige Backsteininschrift, welche ich ‘schon nebst einem Bruchstücke aus der Mitte eines Ausschreibens von gleichem Inhalte im zweiten Hefte des sechsten Bandes der Fundgruben des Orients bekannt gemacht habe, und welche mit der vor funfzig Jahren von der ostindischen Compagnie herausgegebenen grossen Inschrift in verzierter Keilschrift so vieles gemein hat, dass ich eine Uebertragung derselben in die verzierte Schriftart ‘versuchen konnte. Obgleich das vollständige Exemplar dieser Inschrift noch einige kleine Ergänzungen erforderte, weil nicht nur ein Theil der ersten Zeile und die untere Hälfte der letzten auf dem mit einer feinen Glasur überzogenen Backsteine durch Erdharz überdeckt, sondern auch ein Theil des vordern Endes abgesägt war; so liessen sie sich doch durch Vergleichung ähnlicher Stellen in andern Inschriften leichter ermitteln als die Woörterabtheilung in den langen Zeilen. Das wenige vorn Abgesägte liess sich meistens durch die Wiederkehr gleicher Wörter in. derselben Inschrift, sowie die kleine Lücke der ersten Zeile durch Vergleichung des Bruchstückes 66 G. F. GROTEFEND, ergänzen, wobei jedoch zu bemerken ist, dass sich die beiden Exemplare durch verschiedene Schreibung einzelner Zeichen unterscheiden. Sogleich das erste Wort des Bruchstückes nach den beiden senkrecht über einander ge- stellten Keilen unterscheidet sich von dem des vollständigen Exemplares vor der Lücke durch sein drittes Zeichen eben so, wie in der Mitte der zweiten Zeile. Dieses Wort bildet, wie aus meiner Zusammenstellung aller babylonischen Backsteininschriften im J. 1840 erhellet, mit dem vorhergehenden Zeichen ei- nes Thores (32) den Namen Babylon's, ohne mit einer der viererlei Bezeich- nungen in der babylonischen Keilinschrift aus Behistun übereinzustimmen. Dem Zeichen eines Thores ist in dieser Inschrift am ähnlichsten dasjenige, welches dem aus zwei Querkeilen und drei senkrechten Keilen gebildeten Zeichen vier Winkel vorsetzt, anstatt sie ober- und unterhalb desselben zu schreiben. In dem Zeichen, welches Westergaard am Schlusse von D, 10. aus Persepolis vermuthet, fehlen nur die beiden untern Winkel, während die verzierte Schrift- art der grossen Inschrift des ostindischen Hauses, wie im Zeichen eines Hau- ses ohne die vier Winkel, die Querkeile vervierfacht und mit vier senkrech- ten Keilen vorn verbindet. Sowie es sich hieraus ergibt, dass nicht nur zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Schriftarten, sondern auch zu einer- lei Zeit und in einerlei Schriftart einzelne Zeichen auf verschiedene Weise ge- schrieben wurden; so ist auch in derselben Inschrift der Name Babylon's, in der dritten Zeile nur durch drei Zeichen getrennt, in zweierlei Schreibung enthalten, deren letztere das Zeichen eines Thores durch zweierlei B ersetzt, und dann mit Auslassung des Gottheitszeichens auch das R verändert. Dass durch beiderlei Schreibung, deren erstere, sofern sie Babylon als Pforte einer Gottheit bezeichnet, als die heilige, die zweite als die profane betrachtet wer- den kann, derselbe Name angedeutet werde, daran lässt ihr Wechsel in ver- schiedenen Inschriften nicht zweifeln, wenn man in meiner Zusammenstellung aller babylonischen Backsteininschriften vom J. 1840, in welcher der Anfang der achtzeiligen Inschrift unter No XXII. enthalten ist, die Namen unterhalb der Zahlen 5 und 16 mit einander vergleicht. Eben daselbst finden wir den Namen Nebukadnezars, mit welchem die Inschriften beginnen, ganz verschie- den geschrieben. > ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÖNIGES NEBUKADNEZAR. 67 I. Die achtzeilige Inschrift. Sowie allen Ausschreiben Nebukadnezar's sein Titel vorangesetzt wird, so beginnt auch die achtzeilige Inschrift mit dem unter No XXIII. der vorer- wähnten Zusammenstellung in einzelne Worte abgetheilten Titel. Der Anfang lässt drei Zeichen des Königsnamens vermissen, wovon die beiden ersten sich durch den Anfang der zweiten Zeile im Namen Nabopolassars ergünzen las- sen, wührend bei dem dritten Zeichen die Siegelinschriften aushelfen müssen, obgleich der letzte Theil des Namens mit der Inschrift des ostindischen Hau- ses unterhalb der Zahl 3 bei No VIL zusammenstimmt. Die beiden ersten Zei- chen bezeichnen den Gott Nebu vermittelst einer Abkürzung des Namens, wel- chen andere Inschriften durch die Buchstaben Nbw andeuten, sowie ihn auch die Inschrift des ostindischen Hauses in der sechsten Zeile schreibt, in Bw, woraus sich vielleicht die arabische Verkürzung des Königsnamens in Bochto- nassar erklärt, derzufolge das dritte Zeichen einem Ch oder K entspricht. Das vierte Zeichen ist ein D, das fünfte ein U, das sechste ein S, das siebente ein R, wornach der Name Nebukadásar lauten würde, wenn nicht die Inschrift aus Behistun durch die Schreibung Nebushadásar im dritten Zeichen ein w er- kennen liesse. Auf diesen Namen folgt das Königszeichen mit dem Namen Babylon's, welcher nach der Bezeichnung einer Pforte und Gottheit mit den Zeichen eines ? und n schliesst, und demnach nicht Bab-Bel, sondern Bab- Rut lautete, wodurch Diodors “Péœ als mas oder m»* für m» angedeutet wird. Die darauf folgende Lücke lässt sich durch das Bruchstück ausfüllen, in welchem jedoch auch das dritte Zeichen undeutlich ist. Sind die drei Zei- chen ein x, >, p, so muss zonek als Partieip von pix durch Zusammenschlie- sser oder Verbinder erklärt werden, weil die beiden folgenden Namen in der Inschrift des ostindischen Hauses verschiedentlich als Theile Babylon's bezeich- net werden, und vermuthlich die beiden königlichen Paläste sind, welche nach Diodor II, 8. zu beiden Seiten der Brücke über dem Euphrat erbauet waren, wodurch Nebukadnezar nach Joseph. (in Apion. c. 19.) und Dan. IV. 27. die ältere Stadt mit seiner königlichen Burg verband. Lesen wir die beiden Na- men 777 2 und dr 2, so bezeichnen sie das Herrscherhaus und die Nah- rungsstadt. 68 S. 6. F. GROTEFEND, ^ Das erste Zeichen der zweiten Zeile war zufolge anderer Inschriften ein n, um Nebukadnezar als Nachkommenschaft (123) des Nabopolassar oder Nebupalásar , Königs‘ von Babylon, zu bezeichnen, worauf alsdann das Prono- men aufn für D (bin ich) den Titel schliesst. Das Ausschreiben selbst be- ginnt wie die vorerwähnten beiden Namen, mit der Bezeichnung eines Hauses, worauf aber das Wort nis folgt, um das Höhenhaus der sogenannten hàn- genden Gärten zu bezeichnen , welches Nebukadnezar seiner medischen Ge- mahlinn zu Liebe aufführen ilas denn das darauf folgende N mit dem Zusalze des in der Inschrift des ostindischen Hauses vielfach wiederkehrenden Wortes "nv steht für DN3 oder 772 (Wohnung meiner Gemahlin oder Fürstin), und ist das Object des Verbums ésis am Schlusse der dritten Zeile von 00) (habe ich aufgerichtet). Darum lüsst sich nach den Worten ín terot Bab-Rut (nebst den Pforten Babylons) zu Anfange der dritten Zeile, welche auch die Inschrift des ostindischen Hauses VII, 40. enthält, der Ausdruck zu Anfang von VII, 41. teteruma, wofür die achtzeilige Inschrift teluda schreibt, mit den Worten 25 7:1 (zu Ehren meiner Herrlichkeit) vergleichen, mit welchen der König bei Daniel IV, 27. sein Eigenlob schliesst: denn n ist in der babylonischen Mund- art aus der Prüposition nw gebildet, wie das hebräische 2 aus ow, und NYAN von Da bedeutete zur Erhöhung, wie NTAN von NT) zum Lobpreise. Durch diese Erklärung erkennt man zugleich, warum die "achtzeilige Inschrift die Na- men Babylon's so nahe hinter einander verschieden schreibt: durch die heilige Schreibung Bab-Rut sollte die von Nebukadnezar verschónerte, durch die profane Schreibung Babrut die ültere Nahrungsstadt bezeichnet werden. Durch wie viele Pforten oder Tempel und Paläste Nebukadnezar die ältere Stadt sowohl als die von ihm neuhinzugefügte schmückte, berichtet er selbst in der von mir vor fünf Jahren bekannt gemachten dielij digi Inschrift eines Thongefässes mit babylonischer Keilschrift, aus welcher ich eine Stelle zu erläutern mir erlaube, weil sie vielfache Belehrung gibt. Schon die erste Spalte der dreispaltigen Inschrift erwähnt in mehren Zeilen, von welchen die 38 und 39., wie der eben erläuterte Anfang der achtzeiligen Inschrift, mit der Geste ilb eines Hauses beginnen, und die 40. mit dem Verbin esis, dessen mittleres Zeichen nur anders geschrieben ist, schliesst, die von Nebukadnezar aufgebauten Paläste und Tempel; ein be- ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÖNIGES NEBUKADNEZAR. 69 sonderes Interesse gewährt aber die zweite Spalte in derjenigen Stelle, welche von Z. 40, bis 49. die Erbauung von fünf: Tempeln in je zwei Zeilen mit gleichem Anfange und Schlusse aufzühlt, und auf diese Weise fünf Parallelen enthält, die sich gegenseitig erläutern. Die beiden ersten Parallelen II, 40 f. und II, 42 f. sind einander mit Ausnahme zweier Wörter völlig gleich, von welchen das erste in IL 40. den Euphrat (nw*2) eben so bezeichnet, wie die babylonische Keilinschrift aus Behistun Z. 36. Da das davorstehende Wort, dessen erstes Zeichen vom P nur dadurch abweicht, dass es den obern Schrägkeil wie das letzte Zeichen dieses Wortes mit einem Winkel vertauscht, terat (Thor) gelesen werden muss; so erfahren wir dadurch, auf welche Weise diese Inschrift die sehr ähnlichen Bezeichnungen eines T und P unter- schied, obgleich in Z. 42. dieser Unterschied kaum zu erkennen ist, und da- her der Name des Gottes nach der Präposition dn eben sowohl mit P als mit T geschrieben scheinen kann. Wie jedoch die beiden Götternamen in der verzierten Keilschrift geschrieben wurden, lernen wir aus No 30. der Orien- tal Cylinders by A. Cullimore, wo sie die bildliche Darstellung als Benennun- gen des Gottes der Abendsonne und der Mondgöttinn (vgl. No 132.) andeu- tet. Hiernach lautete der Gottesname, welcher auf No 55. auch dem Mor- gengotte beigegeben ist, 52 und der Göttinnname m oder W (Gíanz), welchen die dreispaltige Inschrift, wie die Cylinder No 23. 25 und 57 mit den Fund- gruben des Orients IV, 2, 6., mit zwei 4 andeutet. Statt dass der Tempel dieser Götter zufolge der Wörter nw*5 nA & am Euphratthore stand, war ein anderer Tempel für sie zufolge der Wörter in Z. 42. nn 9 bei dem Thore aufgeführt, welches dem Todeslager oder Grabfelde nahe lag. Nach den verschiedenen Platzen, wo die Tempel standen, wird auch den beiden Gottheiten ein verschiedenes Beiwort hinzugefügt: denn in Z. 41. lesen wir beitea, in Z. 48. belunéd. ‘Eá ist die Endung eines Duals, wie id eines Plurals, weil überall, wo diese Endung steht, zwei Götternamen vorhergehen, wie L 27 f. A Illai (zv) af A Sukot benot (m33 nio) belunea, M, 34. A. Nebá (»33) af A. Nana (N33) belunéd, ML 5. A. Nebú af A. Illai béitéd. Durch dieses letzte Wort scheinen zwei Haus- (n»2) oder Familien- götter angedeutet zu werden, durch beluméd dagegen, worin merkwürdiger Weise die Endung éd dem Plural belun für wwa angehängt d zwei Herren Hist.- Philol. Classe VI. 70 G. F. GROTEFEND, oder Landesgötter. Auf diese beiden Beiwörter folgen diejenigen Worte, welche nicht nur zu Anfange von M, 19. und am Schlusse von III, 31., son- dern auch in der hier zu erläuternden Stelle Zeile um Zeile stehen. Das erste Zeichen dieser Worte ist das E der Endung éd und des Schlusswortes esis, und das zweite dasselbe, welches in der Inschrift aus Behistun Z. 54., wie ni gelesen, das Wort v» (in seiner Aussenseite) bildet. Da hierauf noch zwei w für ww (weisser Marmor) folgen, so lauten die Worte éniú shesh ésis (habe ich in seiner Aussenseite von weissem Marmor aufgeführt). Sowie die beiden Tempel der Sonne und des Mondes im ältern Babylon erbauet wurden, so stiftete Nebukadnezar in dem von ihm hinzugefügten Stadttheile drei Tem- pel für die von seiner Gemahlinn und ihm selbst besonders verehrten Schutz- gótter. Denn in der 44. Zeile folgt auf die Bezeichnung eines Hauses das Zeichen der Silbe az, wodurch hier eine Holzung (y») angedeutet zu werden scheint, weil damit die Worte namat shel metá für sw» ow yz verbunden sind, wodurch ein Lusthols der Pflanzung bezeichnet wird. Für diese Erklä- rung spricht das Folgende, welches dn 'A. Bel Saba narim sarati éniú shesh ésis (habe ich für den Gott Bel Saba aus der Jugendzeit meiner Fürslinn in seiner Aussenseile von weissem Marmor aufgeführt), worin narim dem he- bräischen ©>33»3 entspricht. Der Gott Bel Saba oder da bya (Gott des Weintranks) ist der nach dem medischen Nysa benannte Dionysos oder Sabus nach Hesychius, von welchem Ezechiel XXIII, 42. spricht. Statt dieses Gottes führt Nebukadnezar als seinen Schutzgott (0%) in Z. 46. den Gott Nebu und in Z. 48. den Gott Bel Sukot b(enot) an. Dürfen wir imaz A. álat in nat für oy n'^w ' ye ni? geschrieben glauben, so bezeichnet der König seinen Schutzgott Nebu - als einen starken Gott der Kraft mit Anstand, den Tempel des Gottes Bel Sukot benot (Gemahles der Sukot benot) dagegen als kizonat shebaz (an der äussersten Einfassung) gelegen: denn nach HerodotI, 181. war die königliche Burg von einer grossen und festen Mauer umgeben. Kehren wir nach diesem Abschweife zur achtzeiligen Inschrift zurück, so spricht auch die vierte Zeile aus, was in VIII, 60 f. der Inschrift des ostindischen Hauses ohne das in VII, 62 enthaltene Verbum nde steht, und in ir atrah istam betar setum (Mv n D0 »nz d TMUN) in der geschlossenen Stadt ist ein verborgener Theil ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÖNIGES NEBUK ADNEZAR. 71 abgesperrt lautet. Die Worte der fünften Zeile, welche die Conjunction af nach der Präposition in mit einander verbindet, schreibt zwar die Inschrift des ostindischen Hauses in der letzten Zeile der siebenten Spalte anders, aber die öftere Wiederkehr von beiderlei Schreibungen an verschiedenen Stellen der Ausschreiben Nebukadnezars lässt vermuthen, dass die verschiedenen Worte das Ausschreiben selbst andeuten. Die letzte Zeile der siebenten Spalte ent- hält die Inschrift des ostindischen Hauses auch in IV, 23. 33. 42. VI, 2. 31. 61. VIII, 50. 56. IX, 20., und in V, 3. mit einem andern Zeichen für in, in V, 29. auch mit verschiedener Schreibung des ersten Wortes, wührend in IV, 12. das zweite Wort vielleicht nur eine andere Schreibung für dasjenige ist, mit welchem III, 16 und 69 beginnt und V, 7. 34. IX, 22. schliesst. Alle diese Wörter schliessen mit demselben R, und lauten vielleicht mamar (DD für azn» und van oder Yan, wofür die achtzeilige Inschrift in amrd af tam émer (vow OXY) zufolge mündlichen und schriftlichen Befehles schreibt, da das vorletzte Zeichen der Bezeichnung einer Mutter gleicht. Den Schluss der fünften Zeile der achtzeiligen Inschrift enthält die Inschrift des ostindischen Hauses sowohl in den beiden ersten als in der vor- und drittletzten Zeile der achten Spalte, worin nur die drittletzte Zeile das n vor dem U auslässt, und dadurch das vorhergehende Wort als weibliches Nomen bezeichnet. Hiernach lautet der Schluss bizbi kirya(! oder keret) úram nisa (Nw On np oder map »3x3) zur Zierde der Stadt ist er hoch erhöht. Der Anfang der sechsten Zeile sieht auch zu Anfange der zehnten Spalte in der Inschrift des ostindischen Hauses, welche zugleich den Schluss derselben in Z. 2. 3. 5. und den Anfang der siebenten Zeile in Z. 6, sowie den Schluss derselben in Z. 7 f. nebst der ganzen achten Zeile in ihren drei letzten Zeilen, mit geringen Abweichungen enthält: nur sind die Wörter in der Mitte der sechsten und siebenten Zeile mit andern vertauscht. Hiernach lautet der An- fang der sechsten Zeile tebit azra für nyx man (am Eingange der Terrasse) von nxa mit dem Vorsatze eines n für nw. Die folgenden vier Zeichen welche shiach A. A. für "M. N. mw (mit Gestráuch der Götter) lauten, feh- len zwar in der zehnten Spalte der Inschrift des ostindischen Hauses, kommen aber in andern Spalten, wie II, 8. III, 3. mit einem » dahinter, und in IX, 47. mit einem ^ davor ófter vor, weit mehr jedoch der folgende Gottesname Ma .H ! 6. F. GROTEFEND, sw “n, welchem die zehnte Spalte der Inschrift des ostindischen Hauses ein Wort vorsetzt, das von der Bezeichnung des höchsten Gottes in Westergaard's H, 1. jvów* sich nur durch einen anderen Beisatz rebar für 72» zu unter- scheiden scheint. Da diesem die dritte Zeile noch das Zeichen eines Tempels mit dem Verbum ésu (habe ich gemacht) von Nwy hinzugefügt, so besagt der vordere Theil der sechsten Zeile in der achtzeiligen Inschrift: am Eingange der Terrasse mit Gesträuche der Götter habe ich für den höchsten Gott einen Tempel gebauet. Diesem fügt die achtzeilige Inschrift die Worte lulat kissa für nod nn? (mit Schleifen für einen Thron), die Inschrift des ostindischen Hauses X, 5. aber noch das Wort bama für Nn (Höhe) hinzu. Da jedoch die Schleifen oder Schlingen dazu verwandt wurden, um ver- mittelst eingehängter Haken mehre Teppiche mit einander zu verbinden; so erklart man «25 vielleicht richtiger durch Ueberdeckung. Noch schwieriger ist die Erklärung des Schlusses in der siebenten Zeile, welche mit Ausnahme der Worte in Babrut (nach Babylon zu) in der Inschrift des ostindischen Hauses drei Zeilen füllen (X, 6. 7. 8.), da er nach den Worten Kissa bá ein vierfa- ches T enthält. Der Anfang dieser Zeile vor in Babrut, welcher im zweiten Worte der folgenden Zeile wiederkehrt, lautet in tarbit (zum Gewinn), das Nachfolgende dagegen sheshot kazát (die Alabasterplatten des Umkreises), wor- auf ich kissa bd ittetat nicht anders zu erklären weiss, als iftefa! für ifshetat von nhw geschrieben zu glauben, da dann die ganze Zeile zu übersetzen ist: zum Gewinn habe ich nach Babylon su die Alabasterplatten des Umkreises mit einer Ueberdeckung desselben besetzt. Gleich schwierig ist die Erklärung der letzten Zeile, welche ich mur versuche, um nichts. unbesprochen zu lassen. Sie bildet den Schluss der Inschrift des ostindischen Hauses in X, 17. 18. 19. und beginnt vor in tarbit mit dem Worte teshiä (Hülfe). Darauf folgt als Accusaliv an ditat für nyna (junges Grun); statt der beiden folgenden Zei- chen enthält aber der in den Fundgruben des Orients beigegebene Schluss der dreispaltigen Inschrift nur ein einzelnes Zeichen, welches der chaldüischen Bezeichnung des Genitivverhältnisses »7 zu ie scheint. Wenn das darauf folgende Wort mit Rücksicht auf die Schreibung am Schlusse der In- schrift des ostindischen Hauses daddot für a2 (Ranken des Weinstocks) ge- lesen werden darf, so sind die beiden Zeichen der achtzeiligen Inschrift x und ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÖNIGES NEBUKADNEZAR. 13 » als zwei besondere Wörter zu erklären, deren erstes dem hebräischen Parlieip do (Herrorgesprosst) mit Abwerfung der ersten Silbe, das zweite aber der Präposition pa entspricht. Das letzte Wort des Ausschreibens lautet alsdann ibék: (habe ich wuchern lassen) von ppa, wovon der Prophet Hosea X, 1. einen weitgespreizten Webicionk ppa nennt; die ganze Inschrift aber lautet : bi 2. N i£ N Q N d N aJ No oo m Nebushadásar , nsi Bab — Rat, zonek Betradah af Betseda, Nebukadnezar, König von Babylon, Verbinder von Betradah und Betzeda, t(olda) Nebupalüsar, nsi. Bab — Rut , dnku. : Betramot, na sarati, Sohn des Nabupolassar, Königs von Babylon (bin) ich. Betramot, die Wohnung meiner Fürstinn, in terot Bab Rut tetuda. Babrut ésis. habe ich mit den Palästen Babylon's zum Ruhme Babylon's aufgeführt. . In ir atrah istam betar setum: In der abgeschlossenen Stadt-ist ein verborgener Theil abgesperrt: in amra af tam emer bizbi kéret rum nisa. zufolge mündlichen und schrie ein Befehles ist er zur Zierde der Stadt hoch erhöht. | Tobit vera shitok-/ de. She d. dll dol di lot itd x Am Eingange der Terrasse mit Gesträuch der Götter habe ich dem höchsten Gotte einen Tempel erbauet mit Schlingen zur Uberdeckung, . dn tarbit in Babrut sheshot kazüt kissa bá ittitat: Zum Gewinn nach Babylon zu habe ich die Alabasterplatten des Um- kreises mit einer Überdeckung desselben besetzt: | . leshüd in tarbit dn: didt si mibáddot itbék als Hülfe zum Gewinn habe ich zartes Grün aus uc. wine lassen. Schluss der dreispaltigen Inschrift eines babylonischen Thon- gefässes. Die vor fünf Jahren von mir bekannt gemachte dreispaltige Inschrift eines babylonischen Thoncylinders enthält in ihrem Schlusse so viele belehrende 74 i G. F. GROTEFEND, Zusätze zum achtzeiligen Ausschreiben Nebukadnezar's, dass er besonders er- läutert zu werden verdient. Dessen Uebereinstimmung mit jenem Ausschrei- ben nach dem uns hier nicht kümmernden Titel beginnt in der 27. Zeile der dritten Spalte nach den drei ersten Zeichen derselben, wo nur das R auf eine etwas verschiedene Weise geschrieben ist; aber das dazu gehörende Verbum &sis folgt erst am Schlusse der 31. Zeile, und statt dessen, was die dritte Zeile des achtzeiligen Ausschreibens davor enthält, lesen wir etwas ganz Verschie- denes. Die 28. Zeile beginnt mit dem Worte barka für naya (Teich), wor- nach ich das Folgende nur in nibeha ramáh (mit einem Sprudel der Höhe) zu deuten weiss, wovon das zweite Wort für N3323, 0223 oder w»25 auch in der Mitte der 24. Zeile enthalten ist, sowie das letzte Wort am Schlusse der achten Zeile ohne das A vorkómmt. Durch die Worte der 29. Zeile úbárat dt af chadáh für ayin 7M nn may (eine Fähre des Wunders und der Freude) wird eine wundervolle Gondel zur Lustfahrt bezeichnet. Die 30. Zeile lautet ása kárah az idmá für »A yy np m» (das starke Gebälk von Holz zu ihrer Wohnung), dem die 31. Zeile die Worte in Babrut und was in II, 41 bis 49. Zeile um Zeile steht (kabe ích für Babylon in seiner Aussenseite von weissem Marmor machen lassen) hinzufügt. Die 32. Zeile ist in zwei Theile geschieden, vielleicht weil das erste Wort mit zweierlei R schliesst, und das zweite mit einem dritten R beginnt. Betrachtet man die beiden R des ersten Wortes als eine überflüssige Verdoppelung, so lautet es seterr für "no (Schutz) ; die folgenden Worte weiss ich aber nur als qh Dwy (ihres Grüns der Mitte) zu deuten, und die 33. Zeile erkläre ich, bis jemand etwas Bes- seres findet, durch shérd tazah rab shah für DNU a) nin wY"v oder m N] (eine Mauer schneidet ab die grosse Verwüstung zum Schutze ihres Grüns des Innern). Die 34. Zeile entspricht, wie die 39. dem Anfange der fünften Zeile des achtzeiligen Ausschreibens, nur die Präposition /n mit einem W ver- tauschend. Beide Male beginnt nach den gleichlautenden Zeilen (34 und 39) die folgende mit zwei Zeichen, welche úła lauten, und dem hebräischen Adver- bium A» (gegenwärtig) zu entsprechen scheinen. In der 35. Zeile folgen darauf die Worte arshet smikat für DD nwan, mit welchen noch die Worte der 36. Zeile eres dewih -kolat lena masa kisseh verbunden werden ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÖNIGES NEBUKADNEZAR. 75 müssen, damit der ganze Satz durch gegenwärtig ein Sessel der Wohnung gänzlich das Verlangen eines Teppichs zum Lager der Mittagsruhe übersetzt werden kann. ‘Eres für w» bedeutet das Lager und dewih für œa die Mit- tagsruhe: kolat entspricht dem hebräischen Adverbium 52 und lena ist die Bezeichnung der Wohnung mit dem Vorsatze eines > zur Andeutung eines Dativs: vesa steht für ww» und kisseh für mos (Sessel). Das erste Wort der 37. Zeile lautet eshitah für mus (glänzend gearbeitet ist), worauf an siku- tot den Plural von n»sc zu bezeichnen und unter den Zelten zu bedeuten scheint. Das Subject dazu ist alsdann nebst dem Zusatze der 38. Zeile kadwi für pf (das vorderste) kuba kar für 4p xp (kühle Schlafzimmer). In der 40. Zeile ist aber das, was auf «la folgt, vielleicht in chodá für sn c (ist in ihrer Pracht) zu lesen, und der Inhalt der 41. Zeile perazsa matotü koach nekoh für 153 nə unser nya (eine Fläche mit ihren Anpflanzungen ver- möge des Wohlgeruchs) zu deuten, weil damit die Schilderung der hängenden Gärten beginnt, wie aus den Worten der 42. Zeile erhellt: in tekunat úta bama für a2 zy» NADA qu (auf dem Baue der unterstützten Höhe). Sowie N10 als Singular von miņa eine ‚Fläche bedeutet: so na) für nw53 oder nm Wohlgeruch und nna» von m» Unterstützung, nəv» dagegen als Plural von »un Anpflanzungen: r2 bedeutet die Kraft und 73:25 oder and der Bau. Dass vom Wohlgeruch die Rede sei, bezeugt das erste Wort der 43. Zeile kida für mp, wodurch die arabische Casia oder Cassia (Wx Mutterzimt) bezeichnet wird, deren zimtartige Rinde schon Theophrast unter den Würzen wohlriechender Salben anführt. Nach den Worten tum meld für na cm (in vollem Maasse) folgen drei gleiche n, wodurch das Verbum nnn oder n^n angedeutet wird, welches wie j2n oder p»n und 3m oder vn umkreisen bedeutet. Das Object dazu lautet in der 44. Zeile an A. Ilai rewani (den höchsten Gott) d. h. das Bild des Gottes, von welchem bei dem Propheten Daniel im dritten Capitel die Rede ist, wo er im 26. und 32. Verse ww» wq genannt wird: der Bei- satz *333, mit welchem die zweite Zeile der zehnten Spalte in der Inschrift des ostindischen Hauses beginnt, bezeichnet ihn als den Grossmächtigen. Sollte jedoch in der dreispaltigen Inschrift das Zeichen nach dem ; ein N sein, so wird er richtiger nur reban genannt: denn obgleich Nebukadnezar auch bei ". 68. F. 'GROTEFEND;. | T dem Propheten Daniel III, 14. das goldene Bild meinen Gott nennt, so. fehlt doch dem i für diese Bezeichnung der Zusatz dreier senkrechten Keile, wäh- rend in meta hissdd für N ww» tov sich sammt dem Polster des Thrones deuten lässt. Die Worte. der 45. Zeile scheinen kabad bad A. Illai ( eine Pracht allein des höchsten: Gottes), sowie die der 46. shemashot bid für wi nw (sind die Sonnenstrahlen oder Mauerzinnen des Eingangs), zu lauten. Was von der 47. Zeile au bis zum Schlusse der Inschrift folgt, stimmt mehr oder weniger mit dem achtzeiligen Ausschreiben und der Inschrift des ostindischen Hauses zusammen. Die 47. Zeile entspricht dem Schlusse der sechsten Zeile jenes Ausschreibens bis auf den Zusatz bama (der Höhe) in den beiden letzten Zeichen, was eben so in der dritten und fünften Zeile der zehnten Spalte der Inschrift. des ostindischen Hauses gelesen wird, wo nur nach den beiden 5 ein 4 eingeschaltet ist. Die Inschrift des ostindischen Hau- ses lässt darauf in der sechsten Zeile die Worte folgen, mit welchen die sie- bente Zeile des achtzeiligen Ausschreibens - beginnt, statt dass die 48. Zeile der dreispaltigen Inschrift mit den Worten in Babrut beginnt, und für /n tar- bit die Worte she tarbü hinzufügt. Die 49. und 50. Zeile entspricht ganz dem Schlusse der siebenten Zeile des achtzeiligen Ausschreibens, wie der 7. und 8. in der zehnten Spalte der Inschrift des ostindischen Hauses, wo auch die 9. und 10. Zeile der 51. u. 52., die 11. der 53. und 54. die 12. der 99. entsprechen, wührend die 17. 18. 19. Zeile mit der ersten des achtzei- ligen Ausschreibens zusammen stimmen, wovon die dreispaltige Inschrift, wie oben schon bemerkt wurde, in ihren vier letzten Zeilen etwas abweicht. Wenn das erste Wort der 51. Zeile teninit gelesen werden darf, so erhellet daraus, dass sowohl das Königszeichen in der verzierten Keilschrift, wie in der einfachen babylonischen, und die beiden: Winkel in den Inschriften G und M bei Westergaard, ni für nsi ausgesprochen wurde: £eninit kann dem Adverbium mm (wiederum) bei Daniel II, 7. entsprechen. In der Inschrift des ostindischen Hauses fehlt sowohl diesem Worte das T am Schlusse, wie dem folgenden das P zu Anfange, wofür vor dem N ein solches Zeichen steht, welches in der Inschrift aus Behistun im Namen des Euphrat (Z. 36.) das R bezeichnet. Sollten die beiden fehlenden Zeichen durch ein Versehen ausge- fallen sein, so würde durch Prat oder Parrät der Euphrat bezeichnet. In ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÜNIGES NEBUKADNEZAR. 77 diesem Falle könnte vielleicht die 52. Zeile durch fila tam set für on nen nwv (zu völliger Vollkommenheit des erhabenen Baues) und die 53. durch bal sone für myb ox von Du oder 52 (übergiesst sich erhebend) erklärt werden, woran sich die 54. Zeile durch kubatot für. MD reihet, welches von yap (hohl sein) abgeleitet Rinnsale bezeichnen kann. Die 55. Zeile PT hält die Worte kebükat rahat. für vn nypa (wie die Vertiefung einer Pas- serrinne). Wenn die Inschrift des ostindischen Hauses statt des = im letzten Worte dieser Zeile zwei S schreibt, so 'mögen diese das x vertreten „ und nx) von y»» oder wx» mit vma gleichbedeutend sein. Eben so scheint für DA in der 52. Zeile die Inschrift des ostindischen Hauses N geschrieben zu haben. Die vier letzten Zeilen bedürfen keiner weitern Erläuterung ; damit man aber die ganze Schilderung der wundervollen hängenden Gärten im Zu- sammenhange überschauen könne, füge ich den bisher erläuterten Text nebst der Übersetzung desselben hinzu, wiederholt bemerkend; dass ich als der semitischen Sprachen wenig Nnti nicht sie als vollendet annehmen kann, aber doch als eine wichtige Grundlage zum Weiterforschen betrachten darf, da sie durch mehrfache Ubereinstimmung mit der Inschrift des oslindischen Hauses zugleich zeigt, wie sich deren verzierte Schriſtart zu der einfachen babylonischen Keilschrift verhält. Z. 27. 'Betramot, na sarati, NEIN pi af tam emer Beinen die Wohnung meiner Fürstinn; Zufolge mündlichen und schriftlichen Befehles Z. 28. -barka in nibcha ramdh Z. 35. dla arshet smikat einen Teich mit einem Sprudel der Höhe, | hat jetzt das Verlangen eines Teppichs Z. 29. übdrat dt af chadah, Z. 36. éres dewih kolat lena nesa hiseh. eine Führe des Wunders und der Freude, zum Lager der Mittagsruhe gänzlich der Z. 30. ása kdrah as tan | "Wohnung ein Sessel gehoben das starke Gebälk von Holz zu ihrer Wohnung Z. 37. 'Eshitah án sikitot kuba kar Z. 31. in Babrut émiú shesh ésis,. ... Glänzend gearbeitet ist unter den Zelten habe ich nach Babylon zu in seiner Aussen- 2. 38. kadwi. . seite von weissem Marmor. aufgeführt, das vorderste kühle Schlafzimmer. 2. 32. Seterr réniu tok Z. 39. Sk dmra af tam emer — Zum Schutz ihres Grüns im Innern . | Zufolge mündlichen und schriftlichen Befehles Z. 33. shira tazah rab shah. ` ` ' Z. - dta in chodü schneidet eine Mauer grosse Verwüstung ab. ist jetzt in ihrer Pracht Hist. - Philol. Classe VI. K LT 6. F. GROTEFEND, Z. 41. perassa matotü koach neon Z. 50. kisa bd ittetat. eine Fläche mit ihren Anpflanzungen mit einer Ueberdeckung desselben e ‚vermöge des Wohlgeruchs ctn Z. 51. Teninit Prat Z. 42. in tekunat úta bama. N Wiederum übergiesst der ‚Euphrat E auf dem Baue der unterstützten Hóhe. Z. 52. tikla tam set Z. 43. Kida tüm meld chechach : zu völliger Vollkommenheit des erhabenen B Kassia umkreiset in vollem Maasse \ Z. 53. bal sone Z. 44. an 4. Ilai rewan ín meta: kissdd . e sich erhebend den höchsten Gott sammt dem Polster des Z. 54. kubatot _ Thrones. ar die Rinnsale Z. 45. Kabad bad 'A. Illai Z. 55. kebükat rahat Zur Pracht allein des höchsten Gores wie die S. einer t Wasserrinne. Z. 46. shewashot — Z. 56. Tested sind 1 die trahle Mauerzit i ] j Als Hülfe . 47. B(et) ésú lulat kisa bama `: Z. 57. in tarbit ai Tempel habe ich erbauet,. |, | ‚zum Gewinne anis ich. mit Schlingen zur Ueberdeckung der Hohe. Z. 9t d ditt Z. 48. In Babrut she tarbü _ TA Nach Babylon zu habe ich zu 1 dessen Gewinn 7. 80. P bäddot itbék Z. 49. sheshot kazút E aus "Zweigen wuchern lassen. die Alabasterplatten des Umkreises i BASE II. Die zweispaltige Inschrift. Nur wenig grösser, obgleich in zwei Spalten von 20 bis 22 Zeilen ent- halten, ist das Ausschreiben Nebukadnezar s, von welchem ich die Abzeich- ` nung zweier vollständigen Exemplare in etwas verschiedener Schreibung. hier- i bei mittheile. Um deren Vergleichung zu erleichtern, habe ich sie auf der beigegebenen Steindrucktafel neben einander gestellt, getrennt durch. die Zeich- nung des Thoncylinders nach seiner wirklichen Grösse und Form; wornach sich die Vergrösserung der Schriftzeichen der von Hrn. Beilino vermittelst einer e abgezeichneten Inschriften beurtheilen lässt. Den Thoncylinder hat Hr. Rich gezeichnet, welcher auch die mit A. überschriebene Inschrift seines Besitzthumes schon. im Second Memoir on Babylon. unter No 4. bekannt machte, wührend die mit B. bezeichnete Inschrift eines fremden Besitzihumes i hier mit Ausnahme des Titels zu Anfange, den ich auf der Vergleichungstafel ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÜNIGES NEBUKADNEZAR. 79 aller babylonischen Backsteininschriften vom J. 1840. unter NO XXV. bekannt gemacht habe, von mir zuerst mitgetheilt wird. Der leere Raum des Thon- cylinders zwischen dem Schlusse und Beginne der Inschrift hat im Originale eben so Statt, wie der leere Raum in vielen Zeilen der Inschriften; weggelas- sen ist von Bellino nur die Linie zwischen den beiden Abtheilungen der In- schrift, an deren Statt die Inschrift nur. einen schmalen Zwischenraum zeigt, der an der Stelle, wo das Thonstück am dicksten ist, noch dadurch erhöht erschien, dass die letzten Keile der ersten Spalte und die ersten der zweiten sehr tief eingedrückt waren. Den kleinen Ausbruch zu Anfange des zweiten Exemplares habe ich selbst in unausgefüllten Zeichen ergänzt. Bei der Ver- gleichung beider Exemplare wird man leicht bemerken, dass sie sich eben so, wie das Bruchstück des achtzeiligen Ausschreibens vom vollständigen Exem- plare, durch eine verschiedene Schreibung einzelner Zeichen von einander unterscheiden, und dass die zweite Inschrift einzelne Wörter, welchen die erste Inschrift eine besondere Zeile widmet, noch in die vorhergehende Zeile aufgenommen hat, woraus sich die geringere Anzahl der Zeilen bei yo — eritar; da 8 A ee seh nur einzelne Zeichen betrifft. 1363 Bijë Mei nes iion Zeilen. sind zwar idtdunehs — 3 le babylonische Keilschrift nicht nur keine Wortbrechung am Schlusse der Zeilen gestattete, sondern auch ungern Verschiedenartiges in eine Zeile aufnahm, aber keine Zeile mit einem leeren Raume schloss, welchen die erste unserer In- schriften auch nur allein zu Anfange einer Zeile zuliess; da jedoch Nebukad- nezars und Nabopolassars Name in der ersten und achten Zeile so weitläuftig geschrieben sind, dass sie kaum eine einzelne Zeile zu fassen vermochte, so muss die Schreibung“ einzelner Wörter der Inschrift A. in besondern Zeilen, wobei man vor dem vierbuchstäbigen Worte der Z. 1,13. wie in Z. 7. einen leeren Raum zuliess, die dreibuchstäbigen Wörter in Z. I, 10. und II, 22. da- gegen in drei verschiedene Stellen vertheilte , nicht ohne einen besondern Grund geschehen sein. Die Entzifferung wird zeigen, dass durch den leeren Raum zu Anfange der Zeilen die darauf folgenden Worte nur besonders aus- gezeichnet werden sollten, die Vertheilung der dreibuchstäbigen Wörter in drei verschiedene Stellen der Zeile dagegen den Schluss des vorangesetzten Titels, K 2 80 /OLAJ33/. 2391703 F 8 ROT EREND;. wie. der ganzen Inschrift, andeutet. Der Titel des Königs, welcher nach dem verschiedenen Umfange der Inschriften kürzer oder länger zu sein pflegt, füllt in unserm Ausschreiben neun bis zehn Zeilen, weil nach der Bezeichnung Nebukadnezar's in der ersten Zeile als eines Königs von Babylon in der zwei- ten noch drei Zeilen in Bezug auf den dreifachen Inhalt des Ausschreibens eingeschaltet sind. Bemerkenswerth ist es dabei, dass die Namen der Könige so weitläuftig, wie in der dreispaltigen Inschrift, geschrieben wurden, obgleich die schmäleren Zeilen kaum Raum genug darboten. Es mag dabei ein ähn- licher Grund obgewaltet haben, wie bei der zweifachen Schreibung des Na- mens Babrut im achtzeiligen Ausschreiben, die auch in der zweispaltigen In- schrift Statt findet, da sie in der sechsten Zeile der zweiten Spalte Bab Hul statt der buchstäblichen Bezeichnung Babylons im Titel der ersten Spalte schreibt. Dagegen beginnen alle drei Zeilen, welche nach der Bezeichnung eines Königs von Babylon eingeschaltet sind, und deren dritte der fünften Zeile in der Inschrift des ostindischen Hauses entspricht, mit einem einzelnen P. . Dieses mehrfach wiederholte Y scheint, wie 2 Mos. IV, 16., einen Wort- führer (75) als höchsten Entscheider zu bezeichnen. In der dritten Zeile folgt darauf der Querkeil für die Präposition in (bei) und das im zweiten Exemplare mit einem verschieden geschriebenen T enthaltene Nomen nipnY (Ketten oder Fesselungen); in der vierten und fünften Zeile aber tok rar für m Ta (bei Bedrückung Durfliger) und seter er für m» no (im Schutze der Stadt). Bei dem ganz gewöhnlichen Titel bis zum Schlusse mit dem Pronomen ánka (bin ich), welches das erste Exemplar der Inschrift in der zehnten Zeile be- sonders schreibt, brauche ich nur noch zu bemerken, dass die Namen: von Beizeda Z. 7. und Babrut Z. 13. durch einen leeren Raum zu Anfange der Zeile ausgezeichnet sind. Die beiden Zeilen; welche in A. I. auf den Titel folgen, und in B. J. den Namen Babylon's der 13. Zeile noch in ihrer 11. Zeile hinzugefügt enthalten, stehen auch in VII, 43 f. der Inschrift des ostin- dischen Hauses unmittelbar. vor den beiden Zeilen „welche den beiden letzten der ersten Spalte unserer Inschrift entsprechen. Während der Name Babylon's daselbst fehlt, ist der ersten jener Zeilen noch ein Z am Schlusse hinzugefügt. Dieses lässt vermuthen, dass die 10% Zeile df tab ragla oder ragli. für ^" NINA nN (bei dem Verlangen des Fussvolk&) zu lesen sei, woran die ‚ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÖNIGES NEBUKADNEZAR. 81 172 Avily , deren erste drei Sachen am Schlusse det hanid Zeile bror Maasses idit il iden parih Babylons für. an Babylon. reihet. Zufolge der drei besondern Titel, welche in der 3. 4. 5. Zeile eingeschaltet wurden, lässt sich erwarten, dass dieses Ausschreiben- dreierlei Bestimmungen enthält, in welchen Nebukadnezar seine Entscheidung aussprach. Darum lese ich die 12/4. Zeile teshut tok. retikot für p jd n»wn (sur Abhülfe des Drucks der Fesselungen), ob ich gleich gestehen muss, dass keines dieser Wörter, in welchen sowohl das zweite als das letzte Zeichen der Zeile in A. und B. verschieden geschrieben ist, den Schreibungen in andern Stellen entspricht, Die 15⁄5 Zeile enthält nur die zwei Wörter sin mima für NAND po (an der Beinschiene von Seiten des Kriegsvolks), sowie die 16 Zeile die Wörter sekacha dshka für w2ww w229 (will ich. die Umschliessung aufheben oder stillen (wie das Hiphil von 32: 4 Mos. XVII, 20.). In welchem Falle die Umschliessung unterlassen werden solle, T die 1547 Zeile mit den Worten 'bez(d)n umd für NIN (bei einem ee Kriegsvolks) ; ausserdem solle die Fesselung, wie sie Botta in Khorsabad ab- gebildet fand,. beibehalten ‚werden, wofern man die 16,3 Zeile kekúmetot. für Dp Ge ich dies Zusammenbinden der Hände und Füsse), die 1749 Zeile atarti für H (übriglassen oder beibehalten will), und die 155, Zeile in sátum für omo (im Verschlusse) lesen und deuten darf. Wenn ich schon die ebengegebene Erläuterung nur für eine unsichere Vermuthung ausgeben muss, so ist das noch mehr der Fall bei den beiden letzten Zeilen der ersten Spalte, obgleich nicht nur beide in der Inschrift des ostindischen Hauses ent- halten sind, sondern auch die letztere in der fünften Zeile der zweiten Spalte unsers Ausschreibens mit dem Vorsatze in statt ák wiederkehrt. Durch Ver- gleichung aller dieser Stellen erhalten wir jedoch einige Winke, wie die Wör- ter zu lesen und zu deuten seien. Das erste Zeichen der 19/51 Zeile ist in den beiden Exemplaren auf gleiche Weise verschieden, wie das zweite in der 7/4 Zeile, mithin ein W, und das dritte Zeichen ist in der Inschrift des ost- indischen Hauses einem 5 gleich. Dem zufolge lautet das Wort shoter für (Ordner), anstatt dessen sich Nebukadnezar zu Anfange der dritten Spalte * des dreispaltigen Ausschreibens, wenn wir das erste Zeichen für dasselbe er- 84 6. F. GRO Erste Spalte. Z. 3. Pe in relikot, Entscheider bei Fesselungen, Z. 4. Pe tok drur, Enischeider der Bedrückung Dürftiger, Z. 5. Pe seter ir, Entscheider im Schutze der Stadt, 2. 6. Zonek Betradah Verbinder von Betradah Z. 1. af Betzeda und Betzeda, Z. 8. t(olda) Nene bee Sohn des Nabupolassar, Z. 9. n(si Babrut, (10) ánku. Königs von napa (bini) ien Z. 1943. ' At tab ra $ Bei dem. e des — Z. 112. pe mad dbbod a3) Babrut. will ich Babylon als Entithellór im Masse | behandeln. Z. 1244. Teshut tok retikol Zur Abhülfe im Drucke der er Z. 3. nand Z. 10. Beterem TEFEND, Zweite Spalte. tief gebeugt Z. 4. zirtot dureh die Heuschrecken Z. 5. in dd isher teshawa mit Lust gerecht machen das frevelhafteHandeln Z. 6. zotot Bab-Rut bei den Drangsalen Babylon's. Z. 7. An mindacha (8) nin Zur Vertreibung (will ich) einen Sohn Z. 8. romem A. Illai darbringen dem höchsten Golte Z. 9. teshúra pe mad, zur Opfergabe als Entscheider im Maasse. Bevor. 2. 11, ia FE i die Niederdrückung vom feindlichen Golte Z. 12. tam lebat, ein Ziel setzt der Flamme, Z. 13. A. Mai nin romeni, af. Z. 5555. sin mima an der Beinschiene von Seiten des — Z. "A5. sehacha dshká will ich die Umschliessung 3 8 2. 15/7. beslü)n imd, bei dem Auszuge des, Kriegsvolks, Z. 10% 3. kekümetot E sowie ich das Zusammenbinden (der Hände und Z. 19/51. Shoter dkot rá(t), ; Als Ordner will ich schlechte Behandlung zer- schlagen, Z. 90/55. dk dd isher teshawa. * ja vielmehr gern gerecht machen das frevel- hafte Handeln. Z. 17. shawat it will ich dem höchsten Gotte einen Sohn dar- bringen, und zwar 2. 14. in tat mit dem Begehren ' Z. 15. den id tam, dieser frommen Bestimmung, Z. 16. bilti dimma ohne dass sie vernichtet tishta ein Hülferuf bei dem Dulden Z. 18, kewi begoz des Brandes zum Enikommen Z. 19. af lebar (petut) und aur a der Bethórung 2. oat. 0 n arkat unter längerer Dauer Z. 2½. úr kabu. des ihm Schmerz verursachenden Pikas. BZ HAX G. F. GROTEFEND, klären, mit welchem die vierte Zeile daselbst beginnt, Ws x» ( Kadi) ars Ausschreiben und Richter der Stadt vgl. 2 Cron. XXVI, I. ) nennt. Am Schlusse der 19/,. Zeile fügt die Inschrift des ostindischen Hauses noch ein n hinzu, woraus hervorgeht, dass die Zeile mit einem Nomen schliesst. Dem nach mag dkot rut) für (m) Dod (will ich eine schlechte Behandlung Ser- schlagen) geschrieben sein. In der letzten Zeile deutet die Schreibung in für dk an, dass dk das Adverbium qÑ (ja vielmehr) und dd das Nomen NN (mil Lust, gern) sei. Darum mögen die folgenden Worte das Verbum #sher für WN, (will ich gerecht machen) und das Nomen feshawa für nw (das frevelhafte Handeln), gleichbedeutend mit NYU, sein, wobei das * als Mit- laut gilt. vie sad | ^^ Während sich hiernach die beiden letzten Zeilen der ersten Spalte. auf den zweiten Titel beziehen, der in der vierten Zeile eingeschaltet ist, enthält ö die ganze zweite Spalte, deren erste zwei Zeilen als zusammenstimmend mit dem Anfange der fünften Zeile des achtzeiligen Ausschreibens keine weitere Erläuterung bedürfen, des Königes Entscheidung in Bezug auf den dritten Ti- tel (Z. I 5.). Demnach mag das Wort der dritten Zeile wand für 1355 (ge- beugt oder mich demüthigend als Niphal von Nov), sowie der vierten Zeile zirtot für den Plural von n oder n»»x sein, wodurch eine Landplage durch Hornisse oder Heuschrecken angedeutet wird, und der Anfang der zweiten Spalte in den ersten fünf Zeilen also lauten: Schriftlichen und mündlichen Be- fehls zufolge will ich lieſgebeugt durch Heuschrecken gerecht machen oder sühnen das Ungemach. Dem fügt alsdann die sechste Zeile noch die Worte sotot Bab-Rut hinzu, deren erstes dem arabischen BA zufolge die Drangsale Babylons bezeichnet. In der siebenten Zeile schreibt das zweite Exemplar unsers Ausschreibens das Schlusszeichen der Worte an mindacha für oe NTT (sur: Vertreibung) von r3 verschieden, und fügt die beiden Zeichen, mit welchen das erste Exemplar die folgende Zeile beginnt, noch in derselben Zeile hinzu, woraus es sich ergibt, dass sie eben sowohl mit den vorherge- henden als folgenden Worten‘ in Verbindung gebracht werden konnten ; wie- wohl dadurch; dass sie in der 13. Zeile zwischen den im umgekehrter Ord- nung folgenden Worten stehen eine engere Verbindung mit diesen angedeu- . tet wird. Ich lese daher die beiden Zeichen nin für p3 Ceinen Sohn) und er- ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÖNIGES NEBUKADNEZAR. 83 kläre das folgende Wort romem für Syn als Futurum von Sry oder 23 um so mehr durch will ich darbringen, weil darauf die Bezeichnung des höch- : sten Gottes durch A. Illai und in der neunten Zeile teshüra für NDUN (zur Opfergabe vgl. 3 Mos. IL, 9.) folgt. Die drei letzten Zeichen der neunten Zeile sind dieselben, mit welchen die 1½ Zeile der ersten Spalte bognar. , und "welche den König als Entscheider über das Maass bezeichnen. Als solcher wiederholt er W^ 18. seinen Entschluss mit dem. Vorsatze, be- terem für v3 (bevor) Z. 10., n A. heri (die Unterdrückung des feindli- chen Gottes) 2. 11., tam lebat für nan? OA (ein Ziel setzt der Flamme) Z. 12; wovon die letzte Zeile ‚auch in der Inschrift des ostindischen Hauses ` III, 54. und V, 53. enthalten ist. Zur Bekrüfügung dieses Entschlusses fügt die 13. Zeile noch die Conjunction af in der verstärkten Bedeutung und zwar hinzu mit den Worten in tat für MNA c» (mit dem Begehren) Z. 14., den ta tam für OA NND y3 (dieser frommen Bestimmung). Dem setzt der Schluss des Ausschreibens noch ferner hinzu: Z. 16. bilti für "n (ohne dass) dew | für 097 (vernichtet) , Z. 17. shawat- für Dy (ein Geschrei um Hülfe), lishta für unum oder n^n nx (bei dem Trinken oder Dulden), Z. 18. m S für Be (dew Brandes), begoz für 7512 (um zu entkommen), 2. 3959 af les mara ra pelut für eng 22 AN (und zur Widersetzlichkeit gegen die Be- thörung oder richtiger vielleicht lebar für 35 zur Beseitigung der. Einfalt), Z. 2%, dn arkat für N ow (unter längerer Dauer), Z. 2/2 úr kabu für Jana ww (des ihm Schmerz verursachenden Feuers). Das letzte Wort von ans mit dem Suffixe des Pronomens dritter Person ist durch ein einzelnes Zeichen angedeutet, mit welchem in der babylonischen Keilinschrift aus Behi- stun der Name des Kambyses Kabushiya beginnt, wogegen mit dem R davor die Namen des Nebukadnezar und Nabopolassar schliessen. Das gone Aus- schreiben lautet dieser Erläuterung zufolge also: Erste Spälte. ee ee Zwei Spalte. Z. I. Nebukadarrüsar, „a. Wenn in 2. 4 1 ámrá 3 Nebukadnezar, N Zufolge En A e * d Z. 2,, Ni) Babtat, suos 1 h, 428i afstam ae König von Babylon, und viua Befehles (vil id) ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÖNIGES NEBUKADNEZAR. 85 Erläuterung babylonischer Cylinder in Bezug auf Kindesopfer. Habe ich den Schluss des zweispaltigen Ausschreibens seinem Sinne nach richtig aufgefasst, so erbietet sich der König Nebukadnezar dem Moabitenkö- nige 2 Kon. III. 27. gleich zum Schutze der von ‘Heuschrecken mit Verwü- stung bedrohten Statt dem höchsten Gotte ein Kind zum Brandopfer darzu- bringen, welchem dieses freiwillig sich hingeben musste, wenn dadurch der zürnende Gott gesühnt werden sollte, weshalb man ihm die Wonne der Wie- derbelebung nach dreien Tagen mit so reizenden Farben schilderte, wie wir sie bei dem Propheten Hosea VI; 2 fl. lesen, und die Verbrennung nur einen Durchgang durch das Feuer nannte, um den irdischen Leib zur himmlischen Verklärung von allem anhaftenden Unreinen zu läutern. Während die Religion assyrischer Hirten, welche allen widerwärtigen Naturereignissen durch Aus- wanderung in andere Gegenden auszuweichen wussten, und gleich heiter wie ihr Himmel, in dessen blaue Farbe sie sich nach Ezechiel XXIII, 6. kleideten, von ihren Góttern nur Heil und Segen erwarteten, ebenso wenig wie die per- sische Feuerverehrung eine Kinderverbrennung zuliess, schrieben die in Babylon ansässigen Chaldäer, die nach Ezechiel XXIII, 14. in die rothe Farbe des Feuers gekleidet waren, alles sie betreffende Ungemach einer wegen Versün- digung zürnenden Gottheit zu, und in trüber Stimmung, nach Baruch VI, 31. mit zerrissenen Rócken und geschorenem Kopfe wie bei Leichenfeiern heulend und schreiend, suchten sie die Gótter, welche sie mehr fürchteten als dankbar verehrten, wenn das Unglück gross war, selbst durch Aufopferung eines ein- zigen Kindes zu versöhnen. So greuelvoll uns ein solcher Entschluss erscheint, so wurden doch dazu die Aeltern durch den Glauben ermuthigt, mit welchem der Prophet Jesaias XXVI, 19. sein Volk tröstet , dass das verbrannte Kind neubelebt und, wie wir es bei Jamblichus (de mysteriis Aegypt. V, 12.) lesen, zur Gemeinschaft mit den Göttern im Himmel verklärt würde, daher nach Pausanias IV, 32. 4. die Chaldäer nebst den indischen Magiern die ersten wa- ren, welche die Unsterblichkeit der Seele lehrten. Man verbrannte deshalb die Kinder nicht nur zur Beseitigung grosser Noth, sondern suchte n - überhaupt die ‚Gunst der Götter zu gewinnen. | Wie gewöhnlich die Kindesopfer in Babylon waren, Aiai man coi Hist. - Philol. Classe VI. L 86 G. F. GROTEFEND, dass sich auf sie die Hälfte der Oriental Cylinders by A. Cullimore, welche man zur Besänfligung der Götter vermittelst einer Schnur am Leibe trug, mit so mannigfaltiger Darstellung bezieht, dass sie eine vollstándige Belehrung über den greuelvollen Aberglauben gibt, sobald man sie richtig zu deuten weiss. Darum füge ich der Entzifferung des zweispaltigen Ausschreibens den Versuch einer Erlüuterung jener Cylinder hinzu, ob ich gleich nur wenige der Inschriften, von welchen die Hälfte derselben begleitet wird, zu erklären weiss, mein vorzüglichstes Augenmerk auf die Deutung der beigegebenen Sym- bole richtend, durch welche auch solche Cylinder verständlich werden, die von keiner Inschrift begleitet sind. Die wichtigste Belehrung, welche uns die In- schriften geben, soweit man sie bis jetzt erforscht hat, ist die, dass man durch deren Schriftart den Unterschied assyrischer, babylonischer und persischer Cy- linder kennen lernt, da die babylonischen Cylinder sämmtlich die verzierte Schriftart enthalten, welche sich gleich sehr von der einfachen assyrischen, wie von der persischen i:eilschrift, unterscheidet. Da in den Inschriften ba- bylonischer Cylinder, welche sich auf die Kindesopfer beziehen, nieht leicht der Name einer Gottheit fehlt, welchem deren Bezeichnung durch einen von dreierlei Keilen durchkreuzten Querkeil vorangestellt wurde; so erkennt man hieraus sofort den babylonischen Ursprung der damit. verbundenen Darstellung, für welche man meistens den Hamatit oder Blutstein wählte. Die bildliche Darstellung der Götter solcher Cylinder lehrt uns in der Sammlung von 4. Cullimore, auf deren Erläuterung ich mich hier beschränke, NO 132. kennen, wo ein Babylonier den Gott der Morgensonne begrüsst, dem der Gott der Mittagssonne entgegen reitet, wie dem Gotte der Abendsonne die Göttinn des die Nacht erleuchtenden Mondes entgegentritt. Nur drei dieser Götter kommen hier in Betracht, weil der Mittagsgott bei dem Kindesopfer nicht betheiligt war, wogegen die nächtliche Göttinn der Unterwelt auf No 120. die zn des Granatbaums, mit welcher jener Babylonier den Morgengott Ben, grässlicher Gestalt verzehrt. Sowie sich im Vogelkopfe aller Figuren dieses Cylinders eine Anspie- lung auf das Verbum ^5» ausspricht, von welchem sowohl die Benennung ei- nes Vogels (v) als der Finsterniss (mwy Hiob X, 22. XI, 17.) stammt; so lassen sich manche Symbole als Wortspiel deuten, wie die Fische auf No 88 ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÖNIGES NEBUKADNEZAR. 87 wo der threnenden Mondgöttinn zur Bezeichnung ihrer Kraft (1 Kön. XXII, 11.) nebst ihrem Priester eine Kopfbedeckung mit eisernen Hörnern gegeben ist, durch ihre Benennung (pa) auf Anwachs und Nachkommenschaft (3) anspielen. Bevor ich jedoch dergleichen Wortspiele aufzähle, will ich, um einen Begriff davon zu geben, wie sich. die Inschriften zu den Darstellungen der Cylinder verhalten, diejenigen Inschriften erläutern, deren Sinn durch ihr Vorkommen in andern Inschriften mehr oder weniger klar geworden ist. Da- him gehórt vor allem die aus dem dreispaltigen Ausschreiben bekannte Be- zeichnung der beiden Gottheiten der Sonne und des Mondes, welchen Nebu- kadnezar am Euphratthore einen Tempel erbaute. Am deutlichsten ist diese auf No 30. enthalten, wo der Abendgott und die Mondgöttinn einander gegen- über stehen, wie auf No 132; dem Abendgotte ist aber mit Anspielung auf den Namen 5»z ein Kugelstab als Scepter in die linke Hand gegeben, und die Mondgöttinn steht wie auf No 55., wo vor dem Morgengotte die Bezeichnung des Sonnengottes, wie auf No 57. steht, über einem Flammen sprühenden Lö- wen, dessen Bezeichnung »25 eine Anspielung auf des Mondes Beiwort 1325 zuliess. Weniger deutlich ist dieselbe Inschrift, wie in den Fundgruben des Orients IV, 2, 6., auf No 23.25. der thronenden Mondgöttinn beigegeben, welche auf No 23. durch einen Wasserkrug als durch Thau befeuchtende, auf No 25. aber durch einen Hund als wachsame Nachtgottheit bezeichnet zu werden scheint. Des Sonnengottes Name allein steht auf No 95. mitten in der bild- lichen Darstellung hinter dem Abendgotte, wie auf No 35. dem über einer ‚Höhe stehenden Morgengotte gegenüber. Sollte auf No 24., wo der Mond- göttinn das markige Glimmrohr in die Hand gegeben scheint, in welchem Pro- metheus nach Hesiod's Theogonie 560. das Feuer vom Himmel stahl, deren Name mit der Bezeichnung des Bel beginnen; so lautet er mit dem folgenden n verbunden nwa. Nur wenig davon verschieden ist der Gotiesname der ersten Zeile auf No 26. und in der zweiten Zeile auf No 136, wo in der ersten Zeile der Name des Sonnengottes vorhergeht, welcher auf No 146. in der dritten Zeile folgt. Demnach kónnte die dreizeilige Inschrift auf No 146. erklürt werden: 1. le A. Belat. 2. yizat reshef 3. le A. Bel (Für die Mondgöttinn wird die Glutflamme. sich entzünden dem Sonnengotte. Hiernach würde die Verbrennung L2 88 G. F. GROTEFEND, der Erstgeburt bezeichnet, für welche man nach No 88. von der Mondgöttinn doppelten Ersatz erwartete. Auf einen solchen Aberglauben beziehet sich Esech. XX, 26.; dass man aber die Kinder vorher schlachtete, ehe sie ver- brannt wurden, kann aus Ezech. XVI, 21. nicht geschlossen werden. Viel- mehr begleitete man das Kindesopfer, bei welchem die Mutter so wenig wie das Kind, dessen verzogene Mienen man für ein Lächeln ausgab, eine Klage oder einen Weheruf hören lassen durfte, nach Plutarch (de superstit. c. 13.) und Philo (bei Euseb. praepar. evang. I, 10.) mit der schallendsten Musik, um unwillkürliches Aufschreien des verbrennenden Kindes zu übertónen. Die Inschrift auf No 136. lautet vielleicht: 1. Ashat A. Bel, 2. yishrá 'A. Belat, 3. P A. A. tishar (das Brandopfer des Sonnengottes, die Gebühr der Mond- gottinn, möge den beiden Göttern gefallen); auf No 135. dagegen: 1. A, A. Belat, 2. k A. Miu) tisat, 3. le A. Lat. (für 35) das Brandopfer der Mondgóttinn wie der Gótlinu der Nachkommenschaft wird dem Flammengotte sich entsunden. Es muss jedoch bemerkt werden, dass das Zeichen, welches ich als Bezeichnung der Nachkommenschaft erklärt habe, weil in dem dreispal- tigen Ausschreiben Il, 34. die Göttinn Nana mit dem Gotte Nebu verbunden ist, auf No 42. neben dem Morgengotte steht, woraus sich die grosse Unsi- cherheit einer Deutung der abgekürzten Götternamen ergibt. Unverkennbar ist der Name des Gottes Webu oberhalb der Inschrift auf No 46., wo: die bild- liche Darstellung nur den Abendgott mit dem betenden Priester AERO dem auf No 56. ein ganz verschiedener Name beigegeben ist. Darf man aber aus gleicher Inschrift auf Gleichheit des dabei dargestellten Gottes schliessen, so ist der thronende Gott auf No 75. nicht kei. vom Mim auf No 50. ^ Sowie diese Namen auch in der Inschiift des bed che Hauses 8. den werden, so liessen sich aus derselben noch manche andere Götternamen anführen; es ist jedoch um so mehr rathsam, mit der Erklürung derselben zu ' warten, bis die Inschrift des ostindischen Hauses in grösserm Zusammenhange gédbatot werden kann, da die Inschriften. der Cylinder nur wenig zum Ver- ständnisse der bildlichen Darstellung beitragen. Diese ist von zweierlei Art, da darin entweder nur Götter und Menschen dargestellt sind, oder zugleich al- lerlei Symbole dieselben begleiten. Nur Götter enthalten NO 44. und 69., wo ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÖNIGES NEBUKADNEZAR. 89 sich der Morgengott entweder durch sein flammendes Opfermesser oder durch die erhobene Lichtfackel vor dem Abendgotte bei dem Kindesopfer als Flam- mengott betheiligt. Auf No. 69. sind beide Götter sowohl an ihren Füssen als an ihren obern Theilen mit Sternkugeln geschmückt; auf No 54. ist aber dem Morgengotte ein flammender Leuchter, und dem Abendgotte ein betender Prie- ster beigegeben. Diesen könnte man auch für eine Priesterinn erklären, weil er bartlos gezeichnet zu werden pflegt; allein dessen Bart ist nur geschoren, bärtig führt er nicht nur auf No 93. ein Kind zum Opfer, sondern auch auf No 88. einen Mann mit dem Ziegenopfer, den dessen Frau mit einem Speise- korbe begleitet, der Mondgóttinn vor, deren bartähnliches Läppchen unterhalb des Kinnes nach der Zeichnung der Mondgöttinn auf No 55., wo die Frau zur Andeutung ihres Schweigens mit untergeschlagenen Händen über einer Terrasse steht, beurtheilt werden muss. Da ein Ziegenopfer nicht ohne Beisein eines betenden Priesters, wie es Herodot L 132. von den Persen meldet, gebracht werden durfte; so muss auch die Figur, welche auf No 137. das Ziegenopfer mit einem Trankopfer begleitet, für einen Priester erklärt werden. Wiewohl sonst den betenden Priester auch ein verschnittener Opferdiener mit Speise- korbe und Becher begleitet, dem auf No 30. ein Fliegenwedel in die Hand gegeben ist; so darf doch die nackte Figur auf No 137. nicht als ein solcher gedeutet werden. Diese stellt vielmehr ein nach seiner Wiederbelebung ver- klärtes Kind dar, welches sich auf No 135. von dem verbrannten Kinde nicht nur durch seine Grósse, sondern auch durch ein mit Sternkugeln verziertes Haupt unterscheidet, statt dass demselben auf No 125. eine aufgerichtete Horn- schlange als Symbol der Verjüngung beigegeben ist. Sowie jener Sternkugeln auf jeder Seite drei gezeichnet sind, so flattert auf No 117., wo wie auf No 125. beide Sonnengötter vor einander stehen, von den Armen des Verklärten ein dreifach gewundenes Band herunter, wel- ches gleich den drei Stufen der das Lichtgestell oberhalb des geopferten Kin- des schmückenden Leitern dessen Wiederbelebung nach drei Tagen andeutet. Eben darauf beziehen sich die drei Marken auf dem linken Arme des thronen- den Gottes auf No 86., wo das Läppchen der schweigenden Frau irrig wie ein Bart gezeichnet ist. Zum Beweise, dass der thronende Gott den Abendgott vorstelle, ob ihm gleich ein r in die Hand gegeben ist, kann No 90 G. F. GROTEFEND, 115. angeführt werden, wo die Art und Weise angedeutet ist, wie beide Son- nengötter sich bei dem Kindesopfer betheiligen. Während vor dem Abendgotte mit dem Bewillkommungsbecher zwischen dem die schallende Musik andeuten- den Schallrohre und dem aufrechtsitzenden Hunde, der dem persischen Sagdid gleich auf die scheidende Seele eines Sterbenden achtet, der Vater des ver- brannten Kindes schweigend steht, bittet er zugleich den Morgengott mit dem Opfermesser um des Kindes Auferweckung nach drei Tagen, welche durch drei kleine Kreise bezeichnet werden, da ihnen auf No 93. ein gleicher Kreis zur Andeutung eines vollen Tages gegenüber steht. Hiernach betheiligt sich der Abendgott bei dem Kindesopfer durch gütige Aufnahme desselben, der Morgengott dagegen durch Wiederbelebung des verbrannten Kindes, welche No 119. durch mannigfache Symbole verdeutlicht. Während der Morgengott mit hocherhobener Rechte und aufflackerndem Lichte in der Linken über einer den Erdenschmuck bezeichnenden Gazelle zu dem Grabe vorschreitet, in wel- chem das Kind zwischen seinen Aeltern in umgekehrter Richtung und dreifa- cher Windung ruht, fliegt über einem Kopfe ein Kranich oder eine wilde Gans zum Himmel empor, wobei zu bemerken ist, dass sich die Symbole auf dem obern Theile der Cylinder auf den Himmel, auf dem untern dagegen auf die Erde beziehen. Eben dem Morgengotte, welcher auf No 117. das Lichtgestell über dem verbrannten Kinde hält, wird durch die vom Kopfe des Verklärten ihm zugerichtete Lotosblume die Verklärung zugeschrieben, wogegen auf No 55., wo der Vater dem Morgengotie eine Ziege zum Br bringt, die Mutter von der Mondgöttinn neue Befruchtung erwartet. Da ein Ziegenopfer, wie auf No 49., dem Mbrgángote dargebracht zu werden pflegte; so ist das kniende Thier vor dem Abendgotte auf No 136. als Gazelle zu deuten, welche auf NO 26. mit dreizackiger Krone gezeichnet ist. Dagegen muss auf No 107. der zwischen einer Ziege und dem Zauberer, der mit doppeltem Zauberrohre über einer Terrasse sieht, auf einem Stiere mit doppelter Flamme reitende Gott für den Gott der Morgensonne erklärt werden, statt dass der Gott auf No 62, wo der Pfau, auf dessen Schwanz er tritt, die Unterwelt, die ruhende Gazelle die Oberwelt, und das umschlossene Kreuz den Himmel zu bezeichnen scheint, von weichem sich die beiden Rhom- bus abwärts neigen, als Abendgott zu deuten ist, der auf No 22. unter drei ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÖNIGES NEBURADNEZAR. 91 gleichen Kreuzen innerhalb seines Tempels vor dem durch eine Pyramide be- zeichneten Feueraltare unter dem Zeichen des Firmamentes thront. Unum- schlossen steht ein solches Kreuz auf No 65., wo auch der Kopf der mit den Füssen übereinander gestellten Kinder durchkreuzt ist, über dem Feuerzeichen vor dem Abendgotte, dem auch auf No 95., wo die beiden Kinder mit den Köpfen übereinander stehen, oberhalb eines Sehallrohres, wie auf No 31. ober- halb einer emporgerichteten Hornschlange, ein solches Kreuz beigegeben ist. Der hier, wie auf No 29. 32. 71. und 93., mit dem Fischschwanze gezeich- nete Steinbock des Thierkreises deutet auf ein herbstliches Fest, sowie die kopflose Jungfrau auf No 95. auf ein sommerliches und der Stier auf No 106 und 91. auf ein Frühlingsfest, an welchem man die Erstgeburt zu verbrennen pflegte. Denn sowie man den zwölfstündigen Tag in Morgen, Mittag und Abend theilte, so das Jahr in drei viermonatliche: Jahreszeiten mit einem be- sondern Feste. Nach Athenäus XIV, pag. 639. berichtete Berossus im ersten Buche seiner babylonischen Geschichte, dass am 16. des Monates Loos , dem neunten Julius des julianischen Kalenders entsprechend, in Babylon das Fest der Sakeen gefeiert sei, bei welchem ein zum Feuertode verurtheilter Sklave nach fünftägigem Schwelgen verbrannt zu werden pflegte. Eben dieses war die Jahreszeit, in welcher die unerträgliche Sonnenglut die Luft mit verpesten- den Dünsten füllte und der Schilderung des Elends vom Propheten Joel I, 10. entsprechend das Feld so verwüstete, dass man zur Verhütung grössern Un- glücks eine Kindesverbrennung veranstaltete. Eben diese Jahreszeit scheint auf No 94. durch den Flammen sprühenden Löwen angedeutet zu werden, welcher die ruhende Gazelle anfällt „ wo der aufrecht sitzende Hund auf die Seele des Sterbenden achtet, der als Verklär- ter über der Gazelle steht, während über dem Löwen ein Stiermann mit lan- gem markigen Feuerrohre, und über dem Hunde ein Lichtgestell gezeichnet ist. Auf No 93. bekämpft ein solcher Stiermann den Löwen über einem Todtengerippe, während hinter ihm ein Kind mit dem Kopfe über einem Schall- rohre steht, welches auf No 95. über ein anderes Kind gestellt ist, um den Uebergang vom Leben zum Tode anzudeuten, wie auf No 94. die umgekehrte Stellung der beiden Kinder den Uebergang vom Tode zum neuen Leben be: zeichnet. Wenn man auf No91. durch veränderte Abwickelung der Cylinder- 92 | 6. F. GROTEFEND;, l fläche die beiden übereinander gestellten Kinder, wie auf No 94., mit dem be- tenden Priester verbindet; so bezeichnet der Kopf über dem knieenden Kinde nebst Hunde und Schallrohre den Tod des verbrannten Kindes, der- Kreis- tanz des Sliermannes dagegen mit einem andern Manne, welcher mit Stierhür- nern auf dem Kopfe rückwärts blickt, die Vertauschung des Erdenlebens mit dem Himmel, wie auf No 123, wo die Frau, wie auf No 23— 25. ihren Mann der Mondgótünn. vorführt, den Ersatz der geopferten Erstgeburt durch neue Befruchtung. Auf No 92. wo ein Schlangenbeschwörer den Wechsel des Zu- standes vermittelt, deutet der dem knieenden Hercules auf No 39. gleichende Lówenschwinger dem Kinde mit dem fhegenden Kranich auf dem Kopfe gegen- über etwas Aehnliches an; auf diesem Cylinder hat aber der Synkretismus späterer Zeit, in welcher man assyrische und babylonische mit persischen und ägyptischen Symbolen verband, dem Löwen unterhalb. des himmlischen: Stieres den Kopf eines Mannes gegeben, während er auf No 121. ebenso den Rachen sperrt, wie auf No 94., wo er, wie „ax zugleich eine Gazelle und den Schmuck der Natur bezeichnet, zugleich als '3» auf 525 (Flamme) und als "wx auf e (Feuer) anspielt, daher bsx sowohl als Löwe Gottes (2 Sam. XXIII, 20. Jes. XXIX, ff.) einen Helden, wie als Feuer Gottes ( Ezech. XLI, 15 f.) einen Brandopferaltar bezeichnet. Der dem hebräischen 79e gleich benannte Molch deutet aber auf No 53. 74. 93. als Salamander (ow »x$) unversehrten Durchgang durch das Feuer an. Auf No 74. scheint auch der. Widder, über welchem der Verklärte steht, auf einem Wortspiele zwischen > ( Widder) und “yx (Kraft) zu ‚beruhen, sowie auf No 129. dem Abendgotte als erzürnt, weil der Vater mit geschore- nem Kopfe seine Traurigkeit über das Kindesopfer bezeigt, mit Anspielung auf das Verbum.» (aufgeregt sein) der Kopf eines Esels (vx) gegeben sein mag. Wegen der Unentschlossenheit des Vaters scheint auch der Fisch, wel- cher auf No 106 und 113. aufwürts strebt, niederwärts gerichtet zu sein, so- wie die beiden aufrecht sitzenden Hunde nicht aneinander hängend, wie auf No 11., sondern getrennt und dickleibig ihre Sorglosigkeit dadurch bezeugen, dass die als Biene dargestellte Seele hinter ihrem Rücken vom Auffluge zu- rückgehalten wird. Vielleicht reitet auch der Morgengott auf No 96 und 107. auf einem Stiere vermöge eines Worlspieles zwischen Spa. und opa, obgleich ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÖNIGES NEBUKADNEZAR. 93 die lodernde Flamme über demselben auf No 60. und 67. , wie auf No 106. unterhalb des himmlischen Stieres, eben sowohl dem Abendgotte als dem Mor- gengotte, der auf No 133. als über dieselbe gebietend dargestellt ist, auf No 70. beigegeben wird. Wenn der Dämmerungsvogel (e) 3 Mos. , 17. 5 Mos. XIV, 16. Jes. XXXIV, 11. als der Kranich gedeutet werden darf, wel- cher auf No 89. 93. und 97. zugleich als Vogel der Erde und des Himmels den Abendgoit begleitet, und auf No 66. denselben, wie das verklärte Kind, zu beiden Seiten umgibt; so findet auch bei diesem ein Wortspiel mit 21-2] CAbenddámmerung) Stat. Wenn der Kranich gleich der wilden Gans von seinem Geschrei auch $3» (Jes. XXXVIII, 14.) genannt sein sollte, so deutete er nach Jerem. VII, 7. ein geregeltes Leben an, statt dass die Landschildkröte auf No 113., wie nach Niebuhr zu Surat, das Symbol der Glückseligkeit war. Das diesem gegenüberstehende Symbol, welches auf mehren Cylindern, wie No 13. 24. 26. 92. 122. 130 f. 146. theils oberhalb des Schallrohrs, theils davon getrennt oder auch ohne dasselbe, mehr oder weniger einer Schale mit der Frucht vom Baume des Lebens (1 Mos. III, 22.) gleicht, galt nach No 115., wie das Kreuz auf No 95., als ein Sinnbild der Unsterblichkeit, welche nach No 146. durch den dieselbe bekränzenden Morgengott dem auf- erweckten Kinde verliehen wurde. Auf No 60. vertritt das Gottheitszeichen der verzierten Keilschrift, welchem das Zeichen vor dem Abendgotte auf No 49. eben sowohl, wie dem Lichtgestelle auf No 115. gleicht, die Stelle eines Kranzes. Das Zeichen des Himmels erscheint auf babylonischen Cylindern in so mancherlei Gestalt, dass es einer umständlichern Erläuterung bedarf. Die ein- fachste Zeichnung ist ein nach oben gerichteter, dem Zeichen des Mondes gleicher, Halbkreis, der auf No 114. und 127 f. auch eckig erscheint. In diesen den sichtbaren Himmel andeutenden Halbkreis wurde das Weltall zum Theil als voller Kreis hineingezeichnet, wie auf No 32. und 70., welcher zur An- deutung der vier Enden durchkreuzt zu werden pflegte, wie auf No 45. und 95., dabei jedoch meistens als dunkele Scheibe dargestellt wurde, wie auf No 132 und anderwärts bei dem Morgengotte, während die mondähnliche Ge- stalt am meisten der Mondgöltinn beigegeben erscheint, und auf No 126. noch von einer achtstrahligen Sonne begleitet wird. Auf No 92. 93. 96. ist das Hist. - Philol. Classe VI. M 9 G. F. GROTEFEND, Weltall im Halbkreise nur als Kreuz auf dreifach verschiedene Weise gezeich- nei, welches auf No 45 und 71. noch mit einem vollen Kreise umgeben ist. Auf No 86. und 130. vertritt eine achtstrahlige Sonne das Himmelszeichen; wührend sie auf No 26. der Halbkreis. umschliesst, in welchen auf No 50. neben dem gewöhnlichen Himmelszeichen mit dunkeler Scheibe eine fünfstrah- lige, und auf No 48. eine sechsstrahlige von einem vollen Kreise umschlossene Sonne gezeichnet ist. Auf diesem Cylinder ist zugleich das dem Feuertode unter sonnigem Himmel geweihte Kind dem Abendgotte gleich dargestellt, statt dass es auf No. 90., unter dem gewóhnlichen Himmelszeichen, von der schwei- genden Mutter begleitet mit gefalteten Händen, wie auf No 117. unter dem Lichtgestelle des Morgengottes, und auf No 31. unter dem Steinbocke des Thierkreises , unter welchem es auf No 32. dem Priester gleich gekleidet auf einem Stuhle sitzt, ohne von{der Mutter begleitet zu werden, nackt dasteht, während es auf No 51. und 112. mit einem aufrecht sitzendem Hunde, auf No 35. auch ohne denselben kauert, auf No 95. und 135. bittend knieet , auf No 66. aber unter einem Kranichskopfe auf blosser Erde sitzt. Sowie hierdurch eine gróssere oder geringere Entschlossenheit des Kindes angedeutet zu sein scheint, so wird auf No 93. ein jüngeres Kind, das sich noch nicht entschliessen konnte, vom Priester unter einem Molche mit schwarzer Maske am Seile vorgeführt, und auf No 120. ein älteres Kind, das sich nicht entschliessen wollte, ungeachtet der trauernde Vater der Göttinn der Nacht einen Sühntrank bietet, den Rich- tern der Unterwelt zur Bestrafung übergeben. Diese Erläuterungen reichen hin, um die Mehrzahl der als Amulete oder Sie- gel an einer Schnur getragenen babylonischen. Cylinder genügend zu erklüren, um aber auch einige Erklärungen derselben zu liefern, wähle ich die achtzehnte Seite der Oriental Cylinders by A. Cullimore, welche für jedes der drei Feste im Jahre zwei Cylinder verzeichnet. Auf No 91. bittet am Frühlingsfeste un- ter dem Zeichen des Stiers, vom betenden Priester und der schweigenden Frau begleitet, ein Babylonier den mit markigem Feuerrohre thronenden Morgengott um die, Versetzung des durch das Schallrohr- angedeuteten verbrannten Kindes unter die Unsterblichen, und auf No 96. gelobt er demselben Gotte als Feld und Vieh befruchtend ein Speisopfer. Auf No 95. bittet der Priester den Abendgott am sommerlichen Feste unter dem Zeichen der Jungfrau um die ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÖNIGES NEBUKADNEZAR. 95 Aufnahme der scheidenden Seele des dem Feuertode geweihten Kindes durch den Wechsel seines irdischen Leibes mit einem himmlischen in die Gemein- schaft der Götter, und auf No 94. bittet er zugleich um dessen Verklärung und Milderung der das Feld verwüstenden Sonnenhitze durch das wärmende Licht des Himmels. Auf No 93. bewillkommt der Abendgott am herbstlichen Feste unter dem Zeichen des Steinbocks die Mutter der zum Durchgange durch das Feuer bestimmten Erstgeburt mit der Zusage, dass die vom irdischen Leibe des durch das Feuer geläuterten Kindes scheidende Seele nach dreien Tagen zum Himmel emporfliegen werde, und auf No 92. entbietet ihm ein Schlan- genbeschwórer, wie dergleichen schon Jeremias VIII, 17. und der Psalmist LVIII, 6. kennt, für die wohlwollende Aufnahme der scheidenden Seele des durch den Löwenschwinger bei dem Feuertode von der Vergänglichkeit des durch den Lówenmann angedeuteten irdischen Lebens befreieten Kindes, wel- ches mit der wilden Gaus auf dem Kopfe dem durch den Stier bezeichneten unvergänglichen Leben der Unsterblichen entgegenfliegt, ein Dankopfer dessel- ben. Dabei mag noch bemerkt werden, dass dem Morgengotte, welcher bei einem Ziegenopfer ein flammendes Opfermesser zu schwingen pflegt, bei der Verklärung eines verbrannien Kindes irgend eine Lichtbezeichnung in die Hand gegeben wird, und. der Abendgott zur Bewillkommung anders gekleidet thront, als er mit gesenkter Rechte gewóhnlich steht. M2 96 G. F. GROTEFEND, Nachtrag zum achtzeiligen Ausschreiben Nebukadnezar's und über assyrische Cylinder. Vorstehende Aufsätze waren schon zum Abdrucke nach Göttingen gesandt, als ich unter Bellino’s Abzeichnungen babylonischer Backsteininschriften ein drittes Bruchstück des achtzeiligen Ausschreibens von Nebukadnezar erkannte, welches ich auf der beigegebenen Steindrucktafel noch dem zweispaltigen Aus- schreiben vorgesetzt habe. Eine Vergleichung desselben mit den in den Fund- gruben des Orients bekannt gemachten zeigt, dass es zwar zu beiden Seiten bedeutend verletzt, aber doch noch einmal so gross ist als das kleinere Bruch- stück, mit welchem es in der Schreibart so übereinstimmt, dass darnach das unkenntlich gewordene Zeichen in der Mitte der ersten Zeile berichtigt wer- den kann, wogegen das dritte der darauf folgenden Zeichen in beiden Exem- plaren der Fundgruben durch dieses Bruchstück berichtigt wird. Da jedoch der völlig gleichlautende Inhalt nicht weiter besprochen zu werden braucht, so füge ich dafür eine Besprechung der assyrischen Cylinder hinzu, durch deren gegenseitige Vergleichung die Alterthumsforscher, wie ich selbst, ein solches Verständniss ihrer Darstellungen gewinnen werden, dass. darnach beurtheill werden kann, inwiefern die religiösen Vorstellungen der Assyrier und Baby- lonier zusammenstimmen oder sich von einander unterscheiden. Wenn ich dabei manchen früheren Äusserungen widerspreche, so mag man in diesen Widersprüchen den gewonnenen Fortschritt erkennen, der auch in dem, was ich noch nicht befriedigend zu erlüutern weiss, einen fernern Fortschritt durch die Prüfung der Alterthumsforscher erwarten lässt. Sogleich zu Anfange muss ich bemerken, dass zwar kein assyrischer Cylinder eine Inschrift mit verzier- ter babylonischer Keilschrift hat, aber die entsprechende einfache Keilschrift auch babylonisch sein kann. Eben so lässt sich auf assyrischen Cylindern keine Nachahmung babylonischer erwarten, wogegen die assyrischen auf frü- ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÖNIGES NEBUKADNEZAR. 97 heren babylonischen nachgeahmt sein können, wie später die Perser viel As- syrisches in ihre Darstellungen aufnahmen. Sowie wir in den Inschriften assyrischer und babylonischer Könige gleiche Götternamen finden, wie m» und ners in der Inschrift des Obelisken aus Nimrud (Br. M. Pl. 87, 2 f.) und in der zehnspaltigen Inschrift Nebukadne- zars, welche die ostindische Compagnie vor funfzig Jahren bekannt gemacht hat (Sp. IV. Z. 10.); so sind auf den Cylindern No 39 und 41 mit einfacher und verzierter Keilinschrift bei A. Cullimore gleiche Lówenschwinger darge- stellt, von welchen gerade der mit einfacher Schriftart begleitete mehr als der andere demjenigen gleicht, der auf No 92 einer auf die babylonische Kinderverbrennung sich beziehenden Darstellung beigegeben ist. In der natur- getreuen Zeichnung des Löwen spricht sich eben sowohl ein assyrischer Ur- sprung aus als in dem Lockenhaare und bunten Schurze des knieenden Her- cules; aber die verkehrt beigegebene Inschrift hat das Eigenthümliche, dass jede der drei Zeilen mit ‘einem senkrechten Keile beginnt, als ob darin lauter Personennamen enthalten wären, da dieser Keil auch am Schlusse der beiden ersien Zeilen vor dem Zeichen einer Gottheit steht. Die Götternamen zu An- fange der Zeilen lassen sich jedoch sämmtlich als babylonische Bezeichnung des Sonnenhelden oder Simson betrachten, dessen Löwenerdrückendes Stand- bild aus Khorsabad Hr. Raoul- Rochette auf Pl. I. seines Mémoire sur l'Her- cule assyrien et phénicien hat nachbilden lassen. In der ersten Zeile können die beiden Zeichen des Gottesnamens a gelesen werden, wodurch die In- schrift aus den Oberzimmern in Nimrud den Sonnengott in verschiedener Schrei- bung bezeichnet; die zweite Zeile lüsst aber auf den senkrechten Keil das Zeichen eines Mannes (ws) mit der babylonischen Bezeichnung der Mond- göttinn folgen, sowie auf den Gottesnamen ^x am Schlusse der zweiten Zeile in der dritten Zeile das Wort w zu folgen scheint, womit sich eben sowohl der Apollo Chomaeus, welcher dem Ammian. Marc. XXIII. 6 f. zufolge zu Se- leucia bei Babylon verehrt wurde, als der zweite babylonische König Comes- Belus bei Berosus und Syncellus vergleichen lässt, so dass der Cylinder als aus Seleucia stammend betrachtet werden darf. lei Der Name Wo, der gleich dem syrischen nwo für Alp von v» (zusammendrücken) abgeleitet eben sowohl den Löwenerdrücker bezeichnen 98 G. F. GROTEFEND, kann, als den Greifenerfasser auf ROH H. El. VII, 14. und den Einhornbezwin- ger auf Pl. VIL 2. (vgl. Oriental Cyl. No 37 f.) würde um so mehr auf den Gott zu beziehen sein, der auf der zu Khorsabad gefundenen Thonkugel bei Raoul-R. Pl. VII, 1. wie der Rustem zu Persepolis bei Niebuhr Tub. XXV. c. d. einen Löwen erdolcht, wenn sowohl der Gottesname am Schlusse der ersten Zeile auf No 39 der Orient. Cyl. als der Name vor Kemosh auf den ebenerwähnten Cylindern assyrischen Ursprungs 5w3:5 (1 Mos. XXXII, 31.) gelesen. werden dürfte. So ähnlich aber noch der Löwe des Thierbekämpfers auf der Thonkugel aus Khorsabad dem des Löwenschwingers gezeichnet ist, so weicht schon. das geflügelte Einhorn auf No 10 der Oriental Cylinders von dem. auf No 38, obwohl dem Thierbekämpfer dieselbe Peitsche in die Hand gegeben ist, eben so bedeutend ab, wie des Thierbekämpfers Beklei- dung trotz des langen Gewandes. Weit mehr unterscheidet sich jedoch der Gott, welcher auf dem persischen Cylinder NO 11. einen männlichen Sphinx am Kopfe erfasst, von dem, welcher auf dem assyrischen Cylinder No 37 zwei Greife am Kopfe ergreift. Beiden Göttern fehlen die Flügel, mit welchen nur assyrische Götter dargestellt zu werden pflegen, und statt der assyrischen Perrücke trägt der Gott auf No 10 eine babylonische Kopfbedeckung und auf No 11 eine gezackte Tiare, welcher nur auf Raoul-Roch. Pl. VIL 12. nicht vom mondfórmigen Symbole des Himmels begleitet ist, das auf assyrischen Cylindern zwischen Sonne und Siebengestirne des grossen Bären den Mond andeutet. Die zweiblättrige Pflanze unterhalb des Himmelszeichens kónnte man vielleicht auf den Dualismus der persischen Gótterlehre beziehen , der zufolge der himmlische Gott die Geschöpfe des bösen Princips bekämpft: auf Raoul- R. VII, 9 ist sie jedoch als Frucht bringend gezeichnet. , Wo das mondförmige Himmelszeichen allein steht, wie auf Raoul- Roch. VIL. 7. 11. 15., darf man eben sowohl einen persischen Ursprung des Cylin- ders vermuthen, wie bei der gezackten Tiare; dem Überwurfe des langen Ge- wandes und der Bewaffnung mit einem Dolche, wogegen auf assyrischen Cy- lindern, wie auf Raoul-R. VII, 16, wo bei dem aus lauter Sternkugeln gebildeten Gotte die Pflanze unterhalb der assyrischen Bezeichnung des Himmels einem sechsarmigen Leuchter gleicht, die Befruchtung durch einen schwimmenden Fisch und das Zeichen der Empfängnis angedeutet wird. Statt des sechsar- ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÖNIGES NEBUKADNEZAR. 99 migen Leuchters sind auf VII, 13. dem assyrischen Himmelszeichen sechs Sternkugeln also gegenüber gestellt, dass man darin eine fehlerhafte Zeichnung des Siebengestirns, dem auf No 104. der Oriental Cylinders sieben Sterne gegeben sind, vermuthen darf. Auf VIL 10., wo die assyrische Zeichnung des Weltalls von einem Stiermanne getragen wird, steht dem Monde eine sechs- oder siebenstrahlige Sonne gegenüber. Aber obgleich der zum Gotte redende Magier, der auf assyrischen Cylindern allein von menschlichen Figu- ren den Göttern beigegeben zu werden pflegt, ganz verschieden vom baby- lonischen Priester nach assyrischer Weise dargestellt ist, scheint doch die weibliche Sphinx auf die Zeit hinzudeuten, in welcher Kambyses den Südwest- palast in Nimrud ausbauen liess: denn nur da fand Layard den geflügelten Löwen (Fig. XIII) bartlos dargestellt, während der bei dem Obelisken in Nimrud gefundene Löwe männlich war, wie zu- Persepolis (bei Niebuhr Tab. XX. B.) Damit stimmt die ähnliche Darstellung auf No 100 der Oriental Cylinders, wo der Stiermann in ähnlicher Weise auf Lichtkugeln fusst, wie die zwergarlige Figur auf dem persischen Siegel des Arshaka im siebenten Bande.von Lassen’s Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes unter No 5. Ob aber die geflügelten Sphinxe unter den Füssen des zwei geflügelte Anti- lopen am Horne fassenden Gottes mit gezackter Tiare auf No 103. weiblich seien, ist sehr zu bezweifeln, weil auf einem Stuhle sitzend ein behelmter Bogenschütze darnach schiesst, gegen welchen in den Proceedings of the nu— mismatic society 1838. pag. 146. auf Dr. Lee's Cylinder ein geflügelter Lö- wenmann eine Lanze wirft. Sowie hier der Bogenschütz oberhalb eines schon debel Steinbocks knieend seinen Pfeil absendet, so schiesst er auf dem Leyden Cylinder ober- halb einer zweiblättrigen Pflanze nach einem zurückgewandt fliehenden Stein- bocke. Auf No 101 der Oriental Cylinders ist dieser Steinbock über der zweiblättrigen Pflanze neben einem Palmbaume aufspringend dargestellt, wie auf Raoul- Roch.. Pl. VII, 19, wo der Gott mit gezackter Tiare, der auf No 101 der Or. Cyl. einen ungeflügelten Löwen mit Manneshaupte oberhalb des Zeichens der Empfängniss zu erdolchen droht, zwei solche geflügelte Löwen unterhalb des Ormuzdsymboles mit weit ausgebreiteten Flügeln, wie auf dem Siegel des Arshaka, am Vorderfusse ergriffen hat. Dass durch den aufsprin- 100 G. F. GROTEFEND, genden Steinbock und den Palmbaum Fruchtbarkeit bezeichnet werde „die der Sonnenheld durch Unterdrückung alles dessen, was Unheil bringt, bewirkt, be- weiset der von mir im vorigen Jahre auf der Steindrucktafel zur Erläuterung der Keilinschriften babylonischer Backsteine unter No 4 bekannt gemachte Cylinder, auf welchem zwei geflügelte Götter einen Palmbaum aus ihrem Speisekorbe befruchten. So selten daher diese Darstellung auf assyrischen Cylindern ist, auf welchen vielmehr meistens der Sonnenheld in sehr ver- schiedener Weise dargestellt wird; so erhellt doch, dass die Assyrier ihre Götter nur als Segenspender verehrten, statt wie die Babylonier deren Zorn durch Opfer zu versöhnen. Von der auf babylonischen Cylindern vorherrschen- den Beziehung auf ein Kindesopfer finde ich bei den Assyriern ebenso wenig eine Spur, als vom persischen Feuerdienste ; obwohl die Parsen auf ihren Cylindern vorzüglich assyrische Darstellungen nachbildeten. Ohne alle solche Nachbildungen des assyrischen Hercules anzuführen, welche Raoul - Rochette in ihrem ganzen Umfange bespricht, begnüge ich mich mit der Erwähnung solcher persischer Cylinder, durch deren Vergleichung mit assyrischen deren Verständniss gefördert wird, mit denen beginnend, welche mit den bereits er- wähnten die grösste Aehnlichkeit haben. Der assyrischen Ueberschrift auf No 64 der Oriental Cylinders ungeach- tet halte ich doch den ungeflügelten Thierbekümpfer zwischen den zweiblätte- rigen Pflanzen der weiblichen Sphinxe wegen nur für eine persische Nachbil- dung aus der Zeit des Kambyses, sowie den knieenden Hercules auf Raoul- Roch. Pl. VI, 11., der nur von Sonne, Mond und Zeichen der Empfängniss begleitet mit der einen Hand am Hinterfusse den Steinbock, mit der andern am Vorderfusse die weibliche Sphinx ergreift. Auch auf No 155 der Or. Cyl. ist dem geflügelten Bekämpfer zweier geflügelter Einhorne, die auf Raoul-R. Pl. VII, 13. den Buckelochsen gleichen, nur das Zeichen der Empfängniss nebst dem Bilde des höchsten Gottes über einer Lichtsäule beigegeben, und obgleich die Zeichnung des Sonnengottes ganz derjenigen entspricht, mit welcher der Straussbekämpfer auf No 40. der Or.-Cyl. und Raoul-R. Pl. VII, 17, aber am schönsten im ersten Hefte von Dorow's morgenländischen Alterthü , neben einer siebenzeiligen Inschrift dargestellt ist, so verräth doch die ähnliche Zeich- nung des höchsten Gottes mit der auf dem von mir im J. 1840 bekannt ge- ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÖNIGES NEBUKADNEZAR. 101 machten Siegel des Darius, wo neben einem Palmbaume der Bogenschütz mit gezackter Tiare zu Wagen den aufspringenden Löwen bekämpft, die persische Nachahmung. Statt des persischen Bogenschützen zu Wagen ist auf No 61 der Oriental Cyl. neben einer sechszeiligen Inschrift der assyrische Hercules als rei- tender Jäger mit langem Speere den Löwen bekümpfend dargestellt; der Löwe ist aber eben so gezeichnet, wie der des Löwenschwingers auf No 39, und die Inschrift beginnt auch, wie auf No 39, mit einem senkrechten Keile. Des Löwen Stelle vertritt auf No 162. ein unterhalb des abgekürzten Symboles des höchsten Gottes vom Hunde angebissener Steinbock. Vergleichen wir da- mit die Autonomenmünzen der kilikischen Stadt Kelenderis, die einen unbeklei- deten quer zu Pferde sitzenden Reiter darstellen, während auf der Kehrseite ein zurückblickender Bock das vordere Knie beugt; so ist Sandakus, der nach Apollodor III, 14, 3. von Syrien aus Kelenderis erbauete und mit der Phar nake den kyprischen König Kinyras erzeugte, eben jener assyrische Hercules Die vollständigste Darstellung des behelmten Reiters -in assyrischer Be- kleidung mit dem Schwerte umgürtet befindet sich auf No 21, wo er auf feu- rigem Rosse, vom Hunde begleitet, einen Steinbock, der zu einer ihr Junges säugenden Gazelle seine Zuflucht nimmt, mit der Peitsche verfolgt, welche in der Hand des Perseus oder des Reiters (w9) auf dem Pegasus (090-923) zu einem Sichelschwerte (c gn, 23m) umgestaltet wurde. In den Oriental Cylin- ders ist zwar. diese Darstellung richtiger als in den Fundgruben des Orients III, 3, 12. oder im Second memoir on Babylon by Rich unter No 11. also abge- theilt, dass auf die assyrische Bezeichnung des höchsten Gottes die Zeichen der Sonne, des Mondes und Siebengestirns, welches den Hımmelswagen be- zeichnet, folgen; aber der assyrische Pferdeschmuck ist davon getrennt; als ob dadurch das Siebengestirn der Gluckhenne angedeutet würde, und vor dem redenden Magier fehlt bei der Feuersáule oberhalb des das Wasser bezeich- nenden Dreizacks der hóher stehende Leuchter zur Andeutung des Sternen- himmels, wiewohl in den Fundgruben des Orients III, 3, 7 und IV, 1, 3. über der Feuersäule das Zeichen der Sonne und über dem Leuchter das Zeichen des Mondes steht, als ob dadurch des Tages Sonnenhitze und die Nachter- leuchtung durch den Mond angedeutet würde. Im vierten Bande von Lassens Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes habe ich mit diesem "2x m Hist.- Philol. Classe. VI. 102 G. F. GROTEFEND, AN OWUSATUA andern zusammengestellt, der auf einer babylonischen Urkunde als Siegel ab- gedruckt ist, aber weil ich dessen bildliche Darstellung als aus der Zeit des ältern Darius stammend für persisch hielt, mich also darüber ausgesprochen, dass ich die auch durch Druckfehler, wie Hund einmal statt Mond, entstellte Erläuterung‘ für eben so verfehlt erklären 'muss, als was ich darüber im zwei- ten Bande von Böttiger’s Amalthea S. 100 gesagt habe. Gleich irrthümlich ist es vielleicht, wenn ich auch die beiden Säulen, die eine von lauterem Golde; die andere aus Smaragd, der die ganze Nacht durch strahlte, im Tempel dés tyrischen Hercules (Herodot: II, 44.) auf die Wirksamkeit dieses Gottes bei Tage und bei Nacht beziehe; aber minder zweifelhaft erscheint es mir, dass der jugendliche Gott, welcher auf No 19. der Orient. Cyl., von dem Zeichen der Sonne irischen dem Monde und Siebengestirne begleitet, unterhalb der Sonne unter der Bezeichnung des sonnigen Himmels mit dem Helme auf dem Haupte, den Köcher auf dem Rücken und dem beilfórmigen Blitzstabe in der Hand über einem ruhenden Einhorne steht; während’ die Feuersäule und der Leuchter oberhalb einer geradhörnigen Antilope“ mit flammender Mähne, Scorpionen- schwänze und: bestirnten Füssen vom schwimmenden Fische und Zeichen der Empfängniss umgeben sind, die befruchtende Kraft des — bei Tage und bei Nacht bezeichne. Auf Habul-Hoch. Pl. IV, 16, wo derselbe bartlose Held mit achtstrahli- ma Sonne über der Kopfbedeckung und statt des beilförmigen Blitzstabes mit bestirntem Bogen und Pfeilen bewaffnet über einem zurückblickenden Panther steht, sind ihm unterhalb des einem assyrischen Ohrringe gleichenden Symboles des höchsten Gottes hinter dem mit einem Schwerte umgürteten Magier zwei kreuzweise über einander springende Steinböcke neben einem befruchteten Palmbaume beigegeben. Auf No 158. der Orient. Cyl. vertritt des höchsten Gottes Bild neben Sonne, Mond und Siebengestirne, unter welchen eine ge- flügelte Figur mit Blumenhaupte, sprossenden Fingerspitzen auf beiden émpor- gehobenen Händen und eng an einander geschlossenen Beinen, zwischen einer Feuerpyramide und dem Zeichen der Empfängniss steht, des bartlosen Sonnen- gottes Stelle. Auf No 157 steht dagegen über einem * feuerspeienden Thiere ein bärliger Gott mit einer Sternkugel über der Kopfbedeckung und mit sie- benstrahliger Thronlehne statt des Siebengestirns, von zwei Dolchen über zwei ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÖNIGES NEBUKADNEZAR. 103 Heuschrecken zu beiden Seiten eines laublosen Zweiges unterhalb der Sonne und einem leeren Tische unterhalb des Mondes begleitet; Eben dieser Gott thront auf NO 156, wo alles möglichst mit Sternkugeln ausgeschmückt ist, mit einem Blitzstabe zwischen einem Blumengestelle, welches in den Rundgruben des Orients IV, I, 2. neben einer laufenden Figur zierlich gezeichnet ist, und einem überwölbten Tische unterhalb der Sonne, des Mondes, der fünf Wan- delsterne und dreier Querstriche zur Andeutung der dreifachen Jahreszeit, wührend vor dem Magier eine auffliegende Gans und hinter demselben unter- halb des Siebengestirns ein wie ein Richtscheit gestalteter Leuchter und auf- springender Steinbock gezeichnet ist. Auf No 153 thront der bàrtige Gott vor strahlender Stuhllehne zwischen Fische und Zeichen der Empfängniss, von welchen jener Sonne, Mond und Siebengestirn von den fünf Wandelsternen und drei Ouerstrichen zur Andeutung einer dreifachen Jahreszeit oberhalb des überwölbten Tisches trennt, mit demselben strahlenden Gestirne über der Kopfbedeckung, mit welchem der bartlose Gott hinter ihm einer Gazelle nach- schreitet, aber sowie der Kranz in des bartlosen Gottes Hand mit vier Licht- kugeln ausgeschmückt ist, so zieren vier ee ee anden dessen Bes : waffnung mit Bogen, Köcher und Schwerte. b ^^ dm vierten Bande von Lassems Zeitschrift REN des habe ich der Urkunde in babylonischer Keilschrift unter I aus Ker Por- ters Travels Vol. II. Pl. 80. einen assyrischen Cylinder beigegeben, auf wel- chem zwar keine sechssirahlige Sonnen die Bewaffnung des bartlosen Gottes schmücken, während ihm gegenüber auf ruhendem Einhorne stehend der bär- tige Gott ausser der gleichen Bewaffnung mit Bogen und Schwerte noch einen Kugelstab mit Schlangenwindung und beilfórmigen Blitzstab statt des Sternen- . kranzes in der Hand hat; aber dem überall mit Lichtkugeln ausgeschmückten Bilde des höchsten Gottes oberhalb des Magiers, zu dessen Füssen einerseits das mit Lichtkugeln verzierte Blumengestell, andererseits die fünf Wandelsterne stehen, sind Sonne, Mond und Siebengestirn also beigegeben, dass die acht- strahlige Sonne die Kopfbedeckung des bartlosen Gottes schmückt, während das Zeichen des Mondes über dem bärtigen Gotte steht. Beiden Göttern ist eine Inschrift beigegeben, deren Zeichen aber zum Theile zu unkenntlich sind, als dass sie sich mit Sicherheit deuten liessen; im bärtigen Gotte erkennt man N2 104 G. F. GROTEFEND, jedoch leicht das Vorbild des karischen Jupiter Labrandeus ( Plin. N. H. XXXII. 2. Lactant. I, 22.) sowie im bartlosen Gotte den nach Homer's Od. VI, 162 f. unter einem Palmbaume geborenen ’AröAAwr Avænyerns xpvcdo- gos (II. IV, 101. V, 509.). Gleich schwer sind die Inschriften auf Raoul- Roch. Pl. IV, 17. zu erklären, wo des bartlosen Gottes Kopfbedeckung und Bewaffnung mit achtstrahligen Sonnen geschmückt ist, deren Stelle bei dem bärtigen Gotte, der ebenfalls einen Sternenkranz in der Hand hat, Lichtkugeln vertreten, und die beigegebenen Symbole also vertheilt sind, dass das Bild des höchsten Gottes und die achtstrahlige Sonne oberhalb der zweiblättrigen Pflanze, neben welcher einerseits ein Embryo die animalische, andererseits der aufspringende Steinbock die vegetabilische Befruchtung anzudeuten scheint, vor dem bartlosen Gotte, der Mond mit der Segenverkündenden Figur in sei- nem Innern und die Feuersäule neben dem Leuchter oberhalb des Zeichens der Empfängniss vor dem bärtigen Gotte, das Siebengestirn endlich oberhalb eines Zweizacks zwischen beiden Göttern stehen. Auf No 28 der Orient. Cyl., wo Sonne, Mond und Siebengestirn also geordnet sind, dass das Zeichen der achtstrahligen Sonne die Kopfbedeckung des bartlosen Gottes schmückt, während unter dem Monde vor ihm das Zei- chen der Empfängniss und der Fisch, unter dem Siebengestirne dagegen vor dem bärtigen Gotte, der statt des Sternenkranzes des jugendlichen Gottes einen Blitzstab in der Hand hält, ein der Blitzröhre ähnliches Zeichen steht, ist nur dem bärligen Gotte eine Inschrift beigegeben, welche dem mit einem senk- rechten Keile beginnenden Worte py2 (Blitz) ein w für du (Schalter) vor- zusetzen scheint. Auf No 20, wo der bartlose Gott über einem ruhenden Einhorne steht, der bärtige Gott dagegen auf den Kopf eines Feuerspeienden Thiers, welches er am Seile führt, vorschreitet, ist die Kopfbedeckung des bartlosen Gottes, vor welchem nur das Zeichen der Empfängniss steht, mit einer strahlenden Lichtkugel geschmückt, während eine sechsstrahlige Sonne zwischen das Siebengestirn oberhalb und eine Gazelle über der zweiblättrigen Pflanze gestellt ist. Statt dass auf den angeführten Cylindern der bärtige Gott als alter Bel mit dem jugendlichen zusammengestellt ist, sitzt er auf No 16 mit einem Kranze in der Hand auf einem Stuhle mit strahlender Sehne, wäh- rend ihm zwei Diener einen Becher und eine: Schale bringen; auf No 18. sitzt ERLÄUTERUNG ZWEIER AUSSCHREIBEN D. KÖNIGES NEBUKADNEZAR. 105 ihm aber eine Göttinn, über welche eine Dienerinn den Fliegenwedel hält, wie auf einem Siegel in den Fundgruben des Orients IH, 3, 13., mit einem gleichen Becher in der Hand vor einem Tische gegenüber, über welchem unter dem Zeichen einer achtstrahligen Sonne und des Mondes ein Tisch der Góttinn zu- gekehrt ist, während hinter ihr das Zeichen der Empfängniss unterhalb des Siebengestirnes und des abgekürzten Symboles des höchsten Gottes steht. An- dere Cylinder mit den Symbolen der Sonne, des Mondes und Siebengestirnes, wie No 14., sind so schlechte Nachahmungen unter der persischen Herrschaft spüterer Zeit, dass sie kaum erwühnt zu werden verdienen, wogegen ich auf Tab. II. des ersten Heftes von Dorow's morgenländischen Alterthümern einen vom Abte Lichtenstein bekannt gemachten Cylinder wiederholt habe, der als einzig in seiner Art noch besprochen zu werden verdient. Auf einem Felsen steht der bärtige Gott, dessen gehórnte Kopfbedeckung und Bewaffnung mit achtstrahligen Sonnen ausgeschmückt ist, mit einem Ster- nenkranze und beilfórmigen Blitzstabe in der Hand vor einer Licht strahlenden Feuersäule, über welcher der Magier mit ihm redet, während hinter ihm das böse Princip mit Scorpionenschwanze und weitausgespreizten Pfauenhahnsfüssen, dessen gehórnte Kopfbedeckung zwischen den Zeichen der Sonne und des Mondes die Stelle des Siebengestirns vertritt, dem Magier einen seinem ge- öffneten Speisekasten entnommenen Apfel zeigt, durch dessen Genuss er zur Sünde gegen den guten Gott verleitet werden sol. Dem bösen Principe so- wohl als dem guten Gotte ist eine zweizeilige Inschrift beigegeben, deren Zei- len mit gleichen Zeichen beginnen. Die erste Zeile beginnt mit dem w für "uw (Schalter) und dem senkrechten Keile; aber bei dem guten Gotte folgt darauf die Bezeichnung des Bel und grossem Gottes, bei dem bósen Principe dagegen das Wort ed (struppig) und das Zeichen eines Gottes. Die zweite Zeile beginnt mit einem Monogramm, das einen Fürsten als xp zu bezeichnen scheint, und schliesst bei dem guten Gojte mit denselben Zeichen, welche in meinem Aufsatze über die Tributverzeichnisse des Obelisken aus Nimrud auf der ersten Tafel den Schluss der Backsteininschrift zum Obelisken (Z. 7. No 48— 50.) bilden, und demnach mit dem vorgesetzten w und Landeszeichen den Genitiv des Gebietes der Stadt Rebakh andeuten, bei dem bösen Principe da- gegen mit dem Zeichen für 52 und einem andern, wodurch das Wort 2 106 6. F. GROTEFEND, oder e gebildet zu werden scheint. Hiernach leidet es keinen ‚Zweifel, dass der Mythus vom Sündenfalle der. ersten Menschen und dem Paradiese aus Assyrien stammt, und von da zu den Babyloniern und Persern überging; ‚dass aber die bis jetzt mir bekannt gewordenen assyrischen Cylinder keine Spur von der Kinderverbrennung -der Babylonier oder dem Feuerdienste der Persern, wie No 159 — 161 der Orient. Cyl. zeigen, sondern mit wenigen Ausnahmen sich nur auf die Verehrung des heilbringenden Sonnengottes in der dreifachen Gestalt eines bewaffneten Helden (Bellerophon), jagenden Reiters (Perseus) und Thierbekämpfers (Hercules) beziehen.. : Hannover den 16. Jun. 1853: Abhan dlung über des äthiopischen Buches Hen kh Entstehung Sinn | unt Z e g ndi ieiunio End. Der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften am 25. Januar. 1854 überreicht. e Unter den so zahlreichen Feldern neuer Entdeckung Untersuchung und Wis- senschaft, welche sich seit den letzten Jahrzehenden unsern, morgenländischen Arbeiten geóffnet haben und noch fortwährend" öffnen, nimmt das äthiopische Schriftthum keinen der geringsten Plätze ein, obwohl es noch immer zu wenig beachtet und bearbeitet wird. Eine Wissenschaft des äthiopischen Schriftthumes sowie der äthiopischen 'Güschiieto und Erdbeschreibung ward, wenigstens ih- ren nächsten und unentbehrlichsten Grundlagen und Hülfsmitteln nach, zwar schon vor anderthalb bis zwei Jahrhunderten in Europa von unserm deutschen Lands- manne Hiob Ludolf gestiftet: einem Manne, dessen Wesen und Verdienste um diese Sache stets desto höher zu schätzen sind, da er, trotz seines sehr verschiedenartigen öffentlichen Amtes (denn er war Staatsmann eines kleinen deutschen Hofes und meist in Staatsgeschäften verwandt), dennoch diesem da- mals so gänzlich neuen und schwierigen Fache menschlicher Wissenschaft alle seine Kräfte aus reinster Liebe zur Sache und mit vielfacher seltener Aufopfe- rung widmete, und dafür bei seinen Lebzeiten wenig anderen Lohn fand als dass er ein gutes und ein nothwendig gewordenes schweres Werk anzufan- gen sich bewusst war und die achtungsvolle Freundschaft der besten Männer seiner Zeit, eines Leibniz u. a. genoss. Allein über hundert Jahre nach seinem Tode hindurch ward das von ihm so kräftig angefangene Werk weder inner- halb noch ausserhalb Deuschlands in irgend einer namhaften Weise fortgesetzt 108 HEINRICH EWALD, und weiter gefördert: bis es endlich in der neuesten Zeit durch einen Zusam- menfluss glücklicher Verhältnisse und Antriebe, welche näher zu erklären uns hier zu weit führen würde, mit ganz neuen Aussichten und Hoffnungen, Mitteln und Krüften wieder aufgenommen wird. Insbesondere ist als ein jün- gerer Gelehrter A. Dillmann hier zu nennen, welcher auch in den übrigen morgenländischen Wissenschaften nach der genaueren und erspriesslicheren Weise wie diese gegenwärtig getrieben werden können nicht ohne die viel- fachsten und gründlichsten Kenntnisse, doch diesen besondern Zweig der so weit ausgedehnten und täglich wie an Ausdehnung so an Schwierigkeiten aller Art wachsenden morgenländischen Wissenschaft mit seltener Liebe ebenso wie mit glücklichstem Erfolge ergriffen hat und darin auch künftig noch vieles zu leisten verspricht. Indessen ist es in diesem äthiopischen Schriftthume vorzüglich éin etwas grösseres Buch, welches seit über einem halben Jahrhunderte die Aufmerksam- keit und die Arbeiten vieler auf sich gezogen hat ohne dennoch schon hinrei- chend verstanden und gewürdigt zu seyn, obgleich auch für sein sicheres Verständniss die sorgfältigen Arbeiten Dillmann's in der neuesten Zeit eine neue Bahn geöffnet haben. Dies ist das Buch Henókh, einst Hiob Ludolf en noch ganz unbekannt und erst durch den berühmten üthiopischen Reisenden Bruce nach Europa gebracht. Aber es ist seltsam und nur aus der allgemei- nen Theilnahmlosigkeit für die etwas schwierigere äthiopische Wissenschaft er- klärbar , dass dieses Buch, auch nachdem es endlich nach Europa gekommen war, erst 1821 durch Richard Lawrence Englisch übersetzt, und erst 1838 durch denselben Aethiopisch herausgegeben wurde, während sowohl jene Uebersetzung als diese Ausgabe so höchst ungenügend waren dass schon des- wegen die weitern Untersuchungen und Arbeiten, welche man in Deutschland und England darauf bauete, sehr unvollkommen und von vielfachen Irrthümern schwer durchzogen werden mussten. Als ich infolge anderer grósserer Ar- beiten in den letzten Jahren nicht mehr umhin konnte dieses Buch etwas nà- her zu besprechen, suchte ich wenigstens sein Zeitaller nach den sichersten Kennzeichen genau zu bestimmen, und erörterte diese schwierige Frage an zwei verschiedenen Stellen 1). Indessen erschien gegen das Ende des J. 1851 1) In der Geschichte des V. I. Bd. IV S. 397 fl. und in der einige Zeit später ge- ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 109 Dillmann's Ausgabe des äthiopischen Wortgefüges, viel genauer zuverlässiger und nützlicher als die Lawrence's, ja so gut als die erste lesbare Ausgabe zu nennen 1). Und so eben erscheint von demselben auch eine Uebersetzung und Erklürung des Buches, welche zum ersten Male mit wissenschaftlicher Schürfe im des Buches Sinn eingeht, vieles für uns Dunkle und Seltsame in ihm aus einer Fülle richtiger Erkenntnisse aufhellet, und auch die allgemeine- ren Fragen welche sich bei ihm häufen richtiger zu beantworten den Anfang macht. Es muss ein gutes Vorurtheil für die in diesen dunkeln Fragen doch noch immer erreichbare Sicherheit erweeken, dass Dillmann in der Bestim- mung des Zeitalters des Buches, nach eignen genaueren Untersuchungen, mit den Ergebnissen wesentlich zusammentrifft welche ich gewonnen hatte. Dage- gen sind die Fragen über die Urbestandtheile die Entstehung und Zusammen- setzung des Buches, trotz vieler sehr richtiger Bemerkungen welche sich dar- über bei ihm finden, von diesem genauen Kenner noch nicht só entschieden dass für alle Map beben Sicherheit erreicht wäre und die 5 im Grosser nun ruhen könnte. Es ist aber in alle r dass, m Alterthumes nur irgend voll r wieder entdeckt und sicherer veröffent- licht ist, die allgemeinen Fragen über sein Zeitalter seine Theile seinen höch- sten Sinn und seine Kunst und Zusammensetzung so richtig als möglich beant- wortet werden, damit es sodann im Einzelnen leicht überall richtig nsn und angewandt werde. — ^" Das B. Henökh gehört zu . wenn man alles übersieht, gar nicht so wenigen Schriften des Alterthumes bei denen die Fragen, ob sie wie wir sie empfangen haben von einer oder von mehreren und von welchen Händen ver- fasst seien, sich bei jeder näheren Betrachtung unwiderstehlich aufdrängen. Es scheint beim ersten Blicke von éinem Verfasser zu seyn: allein ein Paar einzelne Anzeichen die sich sehr unwillkührlich fühlbar machen, lassen den 1 Leser bal bald daran wieder nen und so eröffnen sich weiterhin fast _ sehriebenen ipe an „über das Zeitalter des B. H.“ in der Allgemeinen. Mo- natsschrift für Wissenschaft und Literatur 1852 Juni; Einiges von den dortigen "Annahmen wird unten noch näher bestimmt. 1) S. darüber weiter Gött: gel. Ans. 1852. S. 344 f. : Hist.- Philol. Classe. VI. 0 KD .Niderdgut og ^i HEINRIGIKEWADbDiu 4 30014 .d g un, unabsehbar viele Möglichkeiten sich die Entstehung und Zusammensetzung ei- nes solchen Werkes zu denken. Sind nur ein paar spätere Zusätze wie ab- sichtlos eingeflossen? haben wir blosse Bruchstücke einer oder mehrerer frü- herer Schriften? sind mehrere frühere Schriften in der gegenwärtigen zusammen verarbeitet? welcher Art ist eine solche Ineinanderverarbeitung? Diese und unabsehbar andre Fragen thun sich in solchen Fällen auf; sie ruhen nicht leicht ehe sie sicherer entschieden sind, und ihre Lösung bringt erst dann vielfachen wahren Nutzen wenn sie sicherer gelingt: aber welche Mittel stehen uns bei solchen Untersuchungen im Allgemeinen und dann bei jedem Werke im Be- sondern zu Gebote? | 38 8 he og Solche Fragen mit ihrem Reize und ihrer Qual, vor allem aber mit ihrer Unumgünglichkeit und Nothwendigkeit, drängen sich bei vielen der grössten und gewichtigsten Werke aller alten Völker auf, bei allen den ältesten und hochbedeutsamen Werken der Inder und Perser wie bei den Homerischen und Hesiodischen Schriften, bei den Büchern des A. wie des N. T., bei kanoni- schen wie apokryphischen und sogenannten pseudepigrapbischen, Auch ist richtig dass nirgends leichter für die widersprechendsten Ansichten und luftig- sten Vermuthungen so viel fruchtbarer Boden erscheint als hier, da die Mittel der Untersuchung in den meisten Fällen, ehe man tiefer alles ergründet, so gering schwach und unzuverlässig, die Leichtigkeit aber an einzelne abgeris- sene Anzeichen lang und weit ausg poi Einbildungen zu knüpfen so gross ist Das Ungenügende und Leichtfertige solcher Vermuthungen erregt dann bei anderen desto grössere Bedenken überhaupt in diese wie unterirdisch ver- borgenen Gänge sich einzulassen, und leicht verwerfen manche wieder alle solche Untersuchungen oder ersinnen neue Gedanl n um dá ursprünglichen Zu- sammenhang, ja Einheit des Verfassers zu beweisen wo gewisse Merkmale auf das Gegentheil hinführen wollten. So. wird dies ganze Gebiet von Untersu- chung und Wissenschaft leicht äusserst getrübt und verwirrt, so dass schwü- cher Gesinnte Wohl gar wünschen können es sei nie betreten. Was ist über die homerischen Schriften in neuern Zeiten nicht hin und her geredet und ge- p fi ROI BJ 11 BI 1 y sind darüber auf ABH. ÜB. D. ATHIOP. B. HENOKH’ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. III meinend alle solche Erforschungen seien unter uns erst durch dies Beispiel der homerischen Fragen angeregt: denn alle welche über den engen Kreis des griechisch-lateinischen Schriftthumes weiter hinaus blicken können, haben dies längst viel besser gewusst. Und doch können alle solche Fragen nie zu einer fruchtbaren Ruhe gelangen als bis sie soweit sicher beantwortet sind als unsre Mittel reichen: es ist aber hier so wie auf jedem ächtwissenschaftlich behan- delten Gebiete, dass wenn nur einige Erkenntnisse sicher gewonnen sind, diese immer weiten: führen können, und mit der fortschreitenden Erkenntniss auch leicht die Mittel der Untersuchung immer zahlreicher und zuverlässiger werden. Führen die Untersuchungen aber zu bleibenden Ergebnissen, so reicht der Nutzen davon weit, und leicht werden uns dadurch ganz neue Erkennt- nisse der gewichtigsten Art aufgeschlossen an welche man früher‘ nicht ent- fernt denken konnte. Ja die Frage nach dem ursprünglichen und vollen Sinne aller Worte und Sätze eines Werkes hängt endlich aufs unzertrennlichste mit allen diesen Fragen zusammen; sowie auch die nach dem nn immer durch sie mitbestimmt wird. Leicht versteht sich dass hierin keine Schrift der andern uni kein Schrift- thum dem andern zum Muster dienen und Vorbilder sich willkührlich übertra- gen lassen konnen jede Schrift in ihrem Kreise oder ihrem -Velke ist hier streng für sich zu untersuchen, ohne alle Rücksicht auf andre. Doch kann es nicht anders seyn als dass die Fertigkeit im Untersuchen und Erkennen welche man sich auf andern Gebieten solcher Erforschungen schon etwas si- cherer erworben hat, auch bei jedem neuen förderlich seyn muss. Auch kann hier die Untersuchung bei der einen — aus ee nn weil schwieriger seyn als bei der andern. Das äthiopische B. Henökh ist nun der Art dass es eine bela 8 chung von mancher Seite her sehr erschwert. Ich will hier nicht reden von der Nothwendigkeit vor allem eine Sprache selbst richtig zu verstehen welche so wie die äthiopische bis jetzt unter uns noch so wenig nach allen ihren Seiten hin genau gekannt und leicht gehandhabt wird: diese Schwierigkeit ver- steht sich von selbst. Aber das Aethiopische in welchem wir jetzt dies Buch allein besitzen und dessen Wortgefüge selbst schon wieder in der langen Reihe von Jahrhunderten manche Wechsel erfahren haben kann, ist nur eine Leber- 02 a 112 l HEINRICH EWALD, setzung aus dem Griechischen, woraus sich nur einige längere Bruchstücke in Georgios Synkellos Chronographie 1) erhalten haben; und das Griechische war sicher nur Uebersetzung aus einer aramäischen oder hebräischen Urschrift aus welcher sich, so viel wir bis jetzt ſinden, nichts erhalten hat. Welche Ver- änderungen‘ hat also dieses Buch möglicherweise durchlaufen. ehe es in dieser Afterübersetzung erschien und ehe es in den äthiopischen Handschriften so er- scheint wie es jetzt in ihnen meist wenig veründert zu lesen ist, da doch unsre äthiopischen Handschriſten höchstens bis in das spätere Mittelalter reichen. Scheint es da überhaupt noch der Mühe werth solche Untersuchungen anzu- stellen, und können diese zu irgend einer höhern Sicherheit führen? Wirk- lich mag das äthiopische Worigefüge, abgesehen von kleineren Veränderungen, auch einige stärkere erlitten haben: wir erkennen dies wenigstens sicher an einem ziemlich grossen Stücke welches nach G. Synkellos im Griechischen wie dieser es las noch stand, auch gewiss zum ursprünglichen Buche gehörte, jetzt aber in den äthiopischen Handschriften fehlt: wie unten weiter gezeigt werden wird 2). Allein, 80 sehr n man bei diese Untersuchung diese wirklichen Zu- stünde und Möglichkeiten. sich immer. gegenwärtig halten muss, so zeigt doch eben auch das Ergebniss aller Untersuchung dass das Buch auch in dieser verhältnissmässig so wenig ursprünglichen Gestalt dennoch in den wesentlich- sten Dingen ziemlich gut erhalten ist und wir durch die uns jetzt vorliegende Hülle hindurch noch ziemlich sicher seine Urgestalt erkennen können. Die Vergleichung aber der ziemlich langen Stücke welche sich Griechisch bei G. Synkellos erhalten heben; Denk nur. * im ganzen günstige Verhältniss zu bestätigen und übertri Be ngen zu zersireuen.. Freilich würden wir, hätte sich die Urschrift erhalten. die nr Schaltungen in der Sprache der verschiedenen Urwerke aus welchen das vorliegende grosse Buch erwachsen ist, wohl noch viel vollständiger und leichter erkennen können: doch haben sich manche solcher verschiedener Farben sogar in der äthiopischen Ueber- setzung noch erkenntlich genug erhalten; so dass auch von dieser Seite die e übertrieben werden könnte. ELLO LT 2023 der Bonner Miijibe 012) S. unten beim zweiten Henokh-Buche. ABH. UB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 113 Gehen wir aber an die Untersuchung dieses Buches, so müssen wir uns freilich: auch bei ihm wohl hüten irgend etwas sogleich auf den ersten Blick waährscheinliches oder unwahrscheinliches só. vorauszusetzen dass wir davon allein ausgingen. Betrachten wir das Buch z. B. seinem äussern Umfange nach und vergleichen es mit andern ähnlichen Inhaltes: so kann uns sogleich auf den ersten Blick unwahrscheinlich seyn dass es von Anfang an nur ein Werk im strengen Wortsinne seyn sollte. Werke dieser Art, sofern sie in éinem Flusse aus der Hand der ursprünglichen Verfasser hervorgehen, pflegen aller- dings nicht so weiten Umfanges zu seyn. Wie sie anfangs wohl alle mitten aus grossen Zeitbewegungen hervortauchten, so geben sie, wenn auch noch so bestimmt ausgeführt und deutlich, doch nur springende Gedanken und scharf treffende Reden; es können dann wohl verschiedene Werke der Art, wenn sie zu verschiedenen Zeiten von demselben Verfasser erschienen, zu einem grössern Werke zusammengestellt werden, aber als ein solches gibt sich ja unser Buch nicht. Allein so richtig dies im Allgemeinen seyn mag, so müssen wir uns doch hüten davon auszugehen, da ein Werk solchen Inhaltes aus- nahmsweise wohl aueh einmal in einem weiteren n" angelegt und. a. geführt seyn könnte. #13 noleiv aus b dhil Wir gehen RRRS in. Mem . Pe? "ähnlichen. Falle a RU dem Streben nach richtigem Verstándnisse des Einzelnen aus: und wenn wir etwas voraussetzen, so ist es die Einheit des Werkes. Treffen. wir bei die- sem Verfahren Merkmale welche auf das Gegentheil hinweisen, so verfolgen wir sie allerdings so weit unsre Mittel reichen, ob sich vielleicht eine tiefer zurückgreifende aber richtige Vorstellung über das nun in Frage Gestellte er- reichen und aus den Trümmern in welche sich zunächst ein solches Werk aufzulösen scheint, ein neues vielleicht sogar schöpnten: ‚Gebäude wiederher- stellen lasse. Ist durch solche neu ee tiefere a eine on Vor- stellung von der Entstehung dem Sinne und der Zusammensetzung eines sol- chen Werkes erreicht: so ist es doch nicht nothwendig den Weg der Unter- suchung durch welchen das Ergebniss allmälig gewonnen ist, in aller Ausführ- lichkeit aufzuweisen. Denn es gibt, was den Ausgang betrifft, sehr viele sol- cher Wege: und von jedem aus kann man, sobald nur erst irgend elwas rich- 114 side “ars CI HEINRICH EWALD)! tig erkannt ist, weiter in das Ganze vordringen. Viel bündiger können wir also in diesem Falle des B. Henókh wie in jedem ähnlichen sogleich mit der Auseinandersetzung der letzten Ergebnisse anfangen; und daneben die Haupt- beweise so kurz als möglich einstreuen: denn es kommt auch zuletzt nicht därauf an alle möglichen Beweise vorzubringen, da wenn das Ergebniss richtig ist auch der Beweise dafür eine schwer erschöpfliche Zahl seyn muss, sondern leicht: mögen einige der nächsten und kürzesten Beweise schon zur Andeutung der Richtigkeit der ganzen Vorstellung hinreichen. Am Ende kommt es nur dárauf an etwas gefunden zu haben was sich durch jede weitere sichere Be- obachtung stets neu bestätigt, obwohl jede solche Beobachtung — auch es immer bestimmter und richtiger zu "vam dienen mag. Ich mag indessen diese Vorb nicht schliessen ohne noch zu sagen dass ich die folgenden Vite übungen nicht so kurz und doch, wie ich hoffe, so in sich selbst deutlich vorlegen könnte wenn ich nicht voraussetzte dass alle die Leser welchen das Aethiopische unzugünglich ist, wenigstens die genaue Uebersetzung Dillmanns immer leicht vergleichen würden. Zwar ist die vollkommen richtige Uebersetzung eines äthiopischen Werkes, und vorzüg- lich dieses aus vielen Ursachen so besonders schwierigen B. Henókh, keine leichte Sache: doch kann ich versichern dass die genannte Uebersetzung im Allgemeinen die äthiopischen Worte sehr hg ausdrückt und ihre Vor- ide eese weit übertrifft 1). : Ausserdem scheint es mir zur richtigen Würdigung solcher Werke noch nützlich; voraus zu bemerken dass man Vieles was die’ Späteren von solchen Männern des hohen oder höchsten Alterthumes wie Henökh melden, heute viel zu allgemein und unklar auf den weitschichligen Begriff der „Sage (Tradition) zurückführt , als hätten sich solche Stoffe wirklich durch die blosse Macht der Sage so lange erhalten und etwa bloss in gelehrten Schulen fortgebildet. Die uralten Sagen über diese Urväter, wie sie unstreitig einst in reicher Fülle n waren in diesen — Zeiten quier schon auser schwach und idi3 15950 WU d ih HT A E 10 T in 121 if; | dj ‚Auch, Aue ich Mec 4 die Worte da B. Pau Ag immer wa p Zahlen der Cu ‚ pitel und Verse in Dillmann’s Ausgabe an, da die ‚früheren darin ziemlich ab- weichen. ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENT STEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 115 leblos geworden: an eine gelehrte Sammlung und Wiederbelebung solcher Sa- gen aber, wie wir sie jetzt elwa wissenschaftlich im Auge haben, dachten die Verfasser solcher Werke wie wir sie bald näher erkennen werden, sieher sehr wenig. Es ist vielmehr die sehr frei, waltende, nicht selten auch sehr schöne und höchst ergreifende Dichtung welche wir in den Werken dieser Art wie- derfſinden: sie konnte, ja sie musste desto freier sich regen, je karger der streng geschichtliche Stoff. war welcher den Verfassern zu Gebote stand. Was wir also. in spülern Zeiten oft so ausführlich über. Henókh erzühlt finden, geht nicht auf „Sage“, sondern im Wesentlichen auf solche Bücher zurück wie wir sie hier im Einzelnen sehen werden; und man sollte überhaupt mit dem Be- griffe und Worte „Traditions weit genauer umgehen und weniger in ihr ver- wirrtes Reich schieben als man gewöhnlich, thut, wenn man irgend die leben- digen ‚Quellen selbst aus denen doch zuletzt alle Sage fliesst wieder auffinden kann. Vielmehr ist aueh düs ein Vortheil und Gewinn dieser genaueren Un- tersuchungen dass wir durch sie in die lebendige Werkstätte solcher neuer Gedanken Vorstellungen Sennen. und Erzählungen eingeführt werden welche, einmal in s höpferisch . lichkeit gebildet und durch solche schnell viel- gelesene ‚Schriften verbreitet, dann leicht, zu stehenden Erinnerungen werden und so sage zuletzt ER: wieder A" der Machin der. PR anheim- t usa i s'cnuaTQgcln2 ano N esib siih bs 3 Te 3 Wir können nun zum Glücke aus der ganzen Breite und dunkeln Ver- flechtung des Jett en grossen Buches noch hell und leuchtend genug éin Werk wieder erkennen welches allen Zeichen zufolge das erste wenn nicht der Zeit!) doch sicher dem Gehalte nach und das ursprünglichste seiner Art ‘War ein Werk zu seiner Zeit aus einem einfachen aber wahren kerngesunden trei- benden und nothwendigen Gedanken entsprossen, auch der Kunst nach (soweit seine Zeit solche leicht hervorbringen konnte) eng in sich geschlossen und fest vollendet, aber vorzüglich von einer edelsten innern Gluth in allen seinen Theilon durchwärmt und n . man bin dioec wie tief es bern die 1 i 1 — Bo - — ni go weiter unten. ER 116 i HEINRICH EWALD, Zeitgenossen ergreifen musste und wie leicht es eine Menge von andern Schrift- stellern zum nachahmenden Versuche sehr ähnlicher Werke anreizen konnte. Inderthat ist es höchst belohnend, auch abgesehen von den vielfachen wei- teren Folgen welche sich an dieses Werk knüpfen, ein Schriftstück genauer wiederzuerkennen welches an reiner Gluth und wunderbarer Kraft des Ge- dankens ebenso wie an hinreissendem Zauber der Rede zu den schönsten und sicher. wirksamsten des zweiten Jahrhunderts vor Chr. gehört, und ohne dessen richtige Würdigung man kaum das edelste und geistigste Ringen jener ganzen . Zeit hinreichend genug verstehen kann. Dieses Werk ist uns zwar nicht mehr ganz vollständig erhalten: aber es findet sich jetzt zwischen c. 37— 71 doch noch in só grossen wichtigsten Be- standtheilen und auch seiner ganzen äussern Gestaltung nach noch só deutlich wiedererkennbar erhalten, dass wir sogar was von ihm jetzt verloren gegan- gen oder verrückt und versión ist ziemlich sicher erkennen kónnen. Zwar haben dieselben Hände welche es an dieser Stelle nur noch unvollstándig und theilweise ungeordnet erhalten haben auch manche ursprünglich fremde Zusätze ihm gegeben, wie unten erhellen wird: allein sondern wir diese richtig, so leuchtet der erste durchsichtige Glanz dieses Werkes nur desto reiner und schöner wieder empor. 1. Das Volk aus dessen Mitte dies Werk entsprang und für welches es zunächst bestimmt war, hatte damals vorzüglich nur gegen äussere Uebermacht und schädliche Gewaltthat zu "Kämpfen: gegen die Könige Machthaber und sonst Gewaltigen der Erde sind seine Drohungen und gesammten Ahnungen allein gerichtet 1), und wenn sonst in ihm allgemeiner von Sündern die dem göttli- chen Gerichte verfallen seien oder von Verbrechern von Ungerechten in den mannichfaltigsten Wendungen die Rede ist, so muss man dabei nach dem gan- zen Zusammenhange und Sinne aller Worte vorzüglich nur immer an diese äussern Volksfeinde denken. Wir wollen hier nicht sogleich untersuchen welche besondre Zeit in der Geschichte des alten Volkes damit allen sichtbaren Zeichen e gemeint sei: die Mae selbst ist uns hier vor allem wichtig, 1) 38, 4 f. 46, 4—7. 48, 8—10. 53, 5.255, 62, 1f 63, I ff. vgl. 69, 27 f., auch ähnlich 56, 5—8. ABH. ÜB. D ÁTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG 'SINN U. ZUSAMMENSETZ. 117 und wir werden unten weiter sehen wie sehr dieses Werk sich auch. durch diese allein herrschende scharfe Beziehung auf die äussern Volksfeinde von andern unterscheide. Gegen die von diesen schon lange ausgehende Gewaltthat und schwere Verwüstung soll das Volk der Getreuen getröstet werden und ihren Untergang, wenn nicht sogleich in der irdischen Wirklichkeit und Sichtbarkeit, doch desto sicherer als innerlich nothwendig und sehon bei Gott beschlossen im Geiste und im Himmel erschauen. : Da nimmt der Verfasser als den ihm am eee erscheinenden Mund, durch welchen er künstlich die gewaltigsten Worte und die schlagendsten Ahnungen für diesen Zweck ausspreche, den aus den heiligen Erinnerungen und Sagen der Urgeschichte bekannten Hen kh zu Hülfe: zwar einer Sitte seiner Zeit folgend, welche das Ergreifendste und Höchste für die Zeitgenossen durch die künstliche Wiederbelebung der Worte und Thaten alter Weisen und Heiligen auszusprechen längst sich gewöhnt hatte, aber auch hierin so schöpferisch und so kühn alles angreifend wie wir ihn sonst kennen. Denn einen solchen Urvater aus der denkbar entferntesten Vergangenheit so neu- einzuführen hatten gewiss bisdahin nur sehr wenige und gerade in dieser Art und Amn mee so beliebt diese Art von künstlicher Schriftstellerei später wurde: die Stimme der Erfahrung und Weisheit eines solchen Urvaters aus dem geheimniss vollsten Schosse einer schlechthin als die noch reinste und erhabenste gedachten Zeit kann aus einer Höhe herab klin- gen wie keine andere menschliche; und wenn ein Schriftsteller sie wohl zu handhaben versteht, kann er den wunderbarsten Zauber in sie hineinlegen: aber einem so kühnen Wagnisse können stets nur wenige genügen, und leicht sinkt die Darstellung aus dieser künstlichen Höhe zu einem desto geistloseren Spiele herab. Unser Verfasser wagte aber nicht umsonst zuerst hier eine so ungemeine Darstellung, und bei ihm bleibt die Ausführung nirgends hinter der künstlich angenommenen Höhe zurück. Auch lässt sich leicht begreifen, warum er unter den Urvätern gerade Henökh’en auswählen mochte. Ich will hier nicht dás abhandeln was man über die zehn vorsintfluthlichen Urväter und insbesondere über Henökh heute noch etwas näher und sicherer erkennen kann, da darüber bereits sonst geredet ist 1): galt dem Verfasser ‚Henökh 1) S. die Geschichte des V. I. I. S. 355 fl. der 2ten Ausg. Hist.- Philol. Classe. VI. | P 118 .'U36E43VWARUX U VVEEINBEGIEEW ren SOIHTZ G .dd ı unter den zehn Urvätern wiederum als der gebeimnissvollste und frómmiste; so konnte er ihn schon deswegen als den geeignetsten auswählen. Denn dieser Frömmigkeit entsprach der eigne Sinn des Verfassers wie er sich hier in seltener Innigkeit und Tiefe erklürt; und das Geheimnissvolle stimmt gut zu der ungewöhnlichen Kraft — et und Rede: un er seine Zeit treffen wollte. doa b Aber als ein solcher heiliger Mund, AS iummitielbar aus. iden nes Geheimnisse entferntester Urzeit über die eigentlich erst der Zeit des wirk- lichen Verfassers: entsprechenden weltlichen Verhältnisse redet, genügt Henókh auch dem Verfasser noch ganz. Sollte die Küristlichkeit, welche allerdings von Anfang an in solchen Darstellungen liegt, folgerichtiger ausgebildet wer- den, so musste der Verfasser eines solchen Werkes eine Lage und Veran- lassung zur prophetischen Rede ausdenken, welche in die Zeit des alten Heiligen oder Propheten selbst fiele und die doch der welche zum wirklichen Abfassen des Buches antrieb sehr ähnlich wäre: so dass der künstlich redend eingeführte alte Heilige über seine Zeit redend dennoch fur jeden sorgfältigen Leser fühlbar genug vielmehr für die späte Zeit redete; für welche das Buch eigentlich bestimmt ist. In dieser ausgebildeteren Haltung bewegen sich andre Werke dieser Art, ja auch die späteren Umbildungen und Nachahmungen des ursprünglichen B. Henókh sind eben dahin gekommen, wie unten erhellen wird. Allein das enden B. didit: bei welchem wir hier stehen, ist bis soweit garnicht vorgeschritt Es war nicht leicht in den fernen, sehr leeren Räumen. jener Maite ebe lebend gedacht wurde etwas hieher gehörendes zu finden : und von der andern Seite war idie- innere Glut des Gedankens und der en welche den Verfasser trieb so gewaltig und so unmittelbar zum entspreel Worte treibend, dass er gewiss die Künst- lichkeit der Se een folgerichtiger ‚auszubilden | keine Nöthigung verspürte. Also wendet sich : Henókh. hier sogleich von e mit seinem Worte sowohl an die Frübàren "us an die enn 9» kaum perg die ace ins- T Es Tn een eg vorausgesetzt was | unten, weiter im * bewiesen wird, dass die Worte 39, 1 - 28. 54, 7—55, 2. c. 66, A—10. a f. c. 64—69, 14 nicht ursprünglich zu unserm Werke gehören: 2) 37, 2f. womit die Worte 70, 4 völlig übereinstimmen: koewi} ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG 'SINN U. ZUSAMMENSETZ. 119 besondre auch der 'Späteren an die späte Zeit selbst erinnernd für welche das Buch eigentlich bestimmt ist, und ohne ängstlich nachzurechnen ob man in jener Urzeit sich wirklieh schon an viele Frühere wenden konnte 1). Und so spricht er überall sogleich von den Königen und Machthabern und andern Erscheinungen der späten Tage, ohne zu "am ob diese denn ea in _ Urzeit schon dagewesen Indessen fand der Verfasser nicht so schwer in der sonst so kahlen in an den uralten Henókh' dennoch ein Mittel diese so öden Räume seiner wirklichen Geschichte in der Darstellung und Schilderung etwas mehr mit Leben auszufüllen. Denn in jener Erinnerung an Henókh fand sich vor- züglich auch der Begriff‘ eines geheimnissvollen nähern Umganges mit Gott, endigend mit seiner schliesslich ewigen Aufnahme in den Himmel: und welche höhere Schilderungen liessen sich in der vielfachsten Weise auch an diesen kurzen Begriff knüpfen! Wir müssen inderthat bewundern wie schöpferisch der Verfasser dieses ihm sich darbietende Mittel benutzte. Alles rein Geistige und Göttliche schien in dieser späten Zeit längst von der Erde verschwunden, aber nur desto sicherer gebeimniasveli im Himmel Miet um erst am Ende der Geschichte von dort wieder auf die Erde he j)nmen: aber desto eifriger hatte man jetzt längst gelernt nicht nur nach jenen geheimnissvollen rein göttlichen Dingen, sondern auch nach allen Geheimnissen auch der ganzen Welt und ‘Schöpfung (Natur) zu forschen; und die Weisheit in diesem dop- pelten Sinne, wonach sie auch alles Dunkle der Welt und der täglichen irdi- schen Erscheinungen: zu durchdringen sucht, war damals längst in dem Volke ein W —À —— "M katin ms Verfasser Henókt'en die 1) Nämlich nach den Zählen der Lebensjahre der zehn Urväter Gen. c. 5 lebte zwar Adam noch bis nahe an das Ende der Lebensjahre Henókh's::so wenigstens nach den Lesarten des Hebr. und des Samaritanischen Textes; aber nach den = grössern Zahlen der LXX würde Henókh sogar noch wenigere „Frühere“ gehabt "haben an die er sich mit solchen Worten wenden konnte. Allein wie wenig der Verfasser dies alles näher nachrechmete, beweist vorzüglich die Stelle 70, 4: wogegen aus der dieser letzteren widersprechenden Stelle 32, 6 eben so deut- lich erhellet wie der Verfasser des dritten Henökh-Buches (über welchen s. unten) - alle diese Zahlen genauer Berta und insofern mit era geschichtlicher Treue schreibt. ra 120 HEINRICH EWALD, Himmel durchfahren lassen um dort alle Arten von Geheimnissen zu erspähen, die. der rein geistigen Welt wie die der sichtbaren und. dennoch in ihrem Innern leicht so dunkeln; jene sind mit einem hier noch bezeichnenderen Namen die Messianischen, und sie gehören allerdings zunächst hieher, da hier in den sichern ewigen Sieg der Gerechtigkeit der Blick geöffnet werden soll; aber auch ein Blick in die Geheimnisse der Kräfte der sichtbaren Welt ist hier nicht fremd, da auch diese Kräſte zu demselben letzten Zwecke dienen müssen und éin Zusammenwirken aller Kräfte und Geister, wie es von vorne an möglich ist, so sich zum vollen Heile endlich verwirklichen soll. Es ist nach allem was wir bisjetzt wissen unser Verfasser, der zuerst so kühne Zeichnungen. zu entwerfen wagte: aber indem er init schöpferischem Blicke diese Möglichkeit ergriff und mit kunstvoller Hand sie durchführte, belebt er nicht nur sogar die sonst so öden Räume der Geschichte eines solchen Urvaters, sondern giesst dadurch auch uber das ganze Werk einen neuen Zauber, welcher wie die weitere Entwickelung dieses ganzen Schriftenthumes lehrt, auch bald genug den Geist stärker fesselte und zu zahlreichen Nachahmungen anreizte. | 2. Dies sind die Gegenstände welche der Verfasser schildern „ und dies zugleich die grossen Mittel zu ihrer lebendigen Zeichnung deren er sich be- dienen wollte; die Ausführung ist nicht minder schöpferisch. Die Drohungen gegen die Machthaber der Erde und die Schaugesichte ihres letzten Gerichtes sowie des ganzen Messianischen Endes bilden den festesten und geradesten Stoff; welcher vorgeführt werden soll; aber seinen reizenden Einschlag geben die Geheimnisse doppelter Art, welche dabei erschlossen werden sollen; und die ächte Weisheit zu lehren muss zuletzt als der höchste Zweck des ganzen Buches erscheinen. Aber die allseitige Zeichnung der Messianischen Ausgänge aller Dinge muss wie das Höchste so. das Letzte in diesem Werke: werden, worauf alles andre nur vorbereitet. So zertheilt der Verfasser das Vielfache was er geordnet vorführen will in drei Theile, welche er selbst Bilderstücke nennt, weil ihm die Vorführung kunstvoller Bilder ‚die Hauptsache der pro- phetischen Rede und Darstellung werden muss 1). Und wirklich lasst sich in 1) Den Anfang dazu sehen wir bei Hezegiel, 17, ini i ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 121 diesen drei Theilen ein passender Fortschritt: erkennen. Denn dieses Werk trägt: zwar unverkennbar das Gepräge aller auch der besten Werke der spä- teren Zeit därin ‚dass der ganze grosse Gegenstand sich etwas schwer: mit springender Kürze und scharfer Ordnung erklärt, während der Gedanke an einzelnen Stellen dafür desto gedrängter und spitzer sich darlegt; dazu dürfen wir in allen solchen Fällen ja nicht die scharfe Abtheilung der einzelnen Stoffe nach Art eines Schulbuches erwarten. Doch ist ein richtiger Fortschritt im Grossen hier ebenso unverkennbar. | | Aber leider ergibt sich bei näherer Einsicht, dass von diesen drei Theilen nur der mittlere vollständiger erhalten ist, der erste und der dritte Verkür- zungen gelitten hat, deren Inhalt wir jetzt nur annüherungsweise deutlich er- kennen und mit ziemlicher Sicherheit wiederherstellen können. Wir wollen hier nur kurz sogleich am ersten Theile die Nothwendigkeit einer solchen Annahme darthun. Nach c. 45 und c. 58 trug jeder Theil eine kurze passende Bezeichnung seines Hauptinhaltes an der Spitze, so dass sich daran in leichtem Uebergange die Auseinandersetzung des näheren Inhaltes anschloss: diese fehlt jetzt sichtbar an der Spitze des ersten Theiles 38,1. Vielmehr fängt jetzt der erste Theil 38, 1 sehr abgerissen an: und wenn 39, 4 ein anderes Ge- sicht als nun folgend eingeführt wird, so fehlt vor der Rede 38, 1 jetzt eben das erste, worauf sich dieser zweite: Ausdruck allein hinreichend deutlich be- ziehen kann. — Dieses also vorausgesetzt, versuchen wir nun eine möglichst sichere Wiederherstellung des ganzen Inhaltes des 9 nach seinen 3 Theilen und seinem Vor- und Nachworte. In dem kurzen Vorworte c. 37 kündigt sich das Werk Slak als ein Buch von Weisheitsgesichten 1) an: so wichtig erscheint hier also zwar die Weisheit, und es wurde schon oben angedeutet in — Sinne — hier vornehmlich zu denken sei. Doch ist wahrscheinlich dass alsdann der erste Theil c.38—44 sogleich seiner Ueberschrift nach wieder insbesondre über die Geheimnisse der Weis- heit ‚handeln sollte: denn soviel wir noch von seinem Inhalte — kón- D Des 89. R. E 37, 1 und ähnlich 1, 2 1 ganz din hebr. vb in D e schriften wie us. V l vgl. Dan. I, 17, so dass man schon aus diesem ersten Worte auf das Hebräische als Unsprether des Buches schliessen muss. 122 GIEXSKM LEON U VATHEINEIDHTEWAEO A! IOIHTA d AÜ Ha, nen, soll er den Leser erst im Allgemeinen in das Gebiet dieser Geheimnisse versetzen. Das erste Gesicht welches dem zweiten 39, 3 f. entsprechend aber noch auf der Erde selbst Henókh'en: erschien, war wohl der Engel selbst welchen wir ihn nachher beständig begleiten sehen 1): er erschien ihm um ihm eben die Geheimnisse der Weisheit zu erklären, und hier zu Anfange stand Wohl auch das herrliche Stück über die von der Erde jetzt in den Himmel entflohene Weisheit, welches jetzt c. 42 steht, wo es allen Zusammen- hang übel unterbricht; sowie sich dann an die Erklärung des Gegentheiles der Weisheit 42, 3 leicht das weitere Stück knüpfen konnte, welches jetzt c. 38 an der Spitze gelassen ist 2). Alsdann aber in den Himmel selbst er- hoben 39, 3 f. schauet er zum erstenmale die reizenden Wohnungen der Seligen 39, 3— 14 und die des Herrn der Geister selbst mit den vier obersten Engeln c. 40: bis er von da weiter gehend, wie nun schon einge weihet in den Geist es solcher. Geheimnisse und wie — ruhiger. ;gewoidem;i; auch daiat dàn: in der Wan nn r o Pag " UUU Blitze Wolken — u. S. W. erap in grosser Reihe und Folge aberschiabl und näher: zu erkennen beginnt c. 41.43 f. 5). Maii wird finden; dass dieser Theil auf diese Art sowohl seiner Stellung als seinem einzelnen Inhalte nach sehr passend ist: zwar ist er unverkennbar gerade wieder gegen das Ende hin stärker verstümmelt Kain doch wohl nur so dass kei wesentliches Stück hier ganz ee ist. | Ä D Nach 40, 2. 8. 43 43,3. 46, 2 52,3—5. 53,4. 54,4. 56, 2. 61, 1. 3: ‚in allen diesen | Stellen redet dieser Engel nachdem er einmal Henökl’en begleitet. nur auf sein (anders 64,2 und sonst, s. unten); und 46, 2 halte ich die Lesart einer der Engel für verdorben ins der einfachen der Engel. Wenn er aber oft der Friedensengel genannt wird, so muss der Sinn dieses seines besondern Namens an der jetzt verlornen Stelle erklärt seyn wo er zuerst eingeführt wurde. 2) Aber die Worte 39, 2b gehören dem Sinne nach offenbar eng zu 38, 6: so dass die Worte 39, 1. 2. auch insofern als blosse spätere Ei nschaltung erscheinen. ^ 8) Eben dahin gehörte ursprünglich auch wohl dás wás T in einen a andern Zusammenhang: aufgenommen ist 60, 11-23. 4) schon weil hinter c.44 die Bezeichnung des Kadai: eines dee drei Theile fehlt, welche nach 57, 3. 69, 29 nicht fehlen darf. Ferner gehört das kurze Stück von dem Orte des Brunnens der Gerechtigkeit 48, 1 offenbar richtiger hinter c. 44, da es an seiner jetzigen Stelle allen Zusammenhang stört. ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 123 Der zweite‘ Theil c. 45 — 57 führt dann schon viel nüher in die grosse Sache selbst ein, indem er, wie seine Veberschrift richtig sagt, vorzüglich nur über die handelt „welche den Namen der Wohnung der Heiligen (d. i. des Himmelreiches) und des Herrn der Geister läugnen.“ Aber da in dem ganzen Werke doch vorzüglich nur die Gewissheit dargestellt werden soll, dass diese „Könige und Machthaber“ bald genug dem gerechten Richter unter- liegen werden, so schauet Henôkh nach der allgemeinen Vorbereitung auf diesen Inhalt c. 45 alsbald ihnen gegenüber den Messias selbst in seiner rech- ten Art und Weise sowie mit allen die zu ihm gehören, wobei die Rede weil sie so rasch bis zu ihrem Mittelorte gekommen ist mit grosser Inbrunst verweilt c. 46 — 50 ); aber schon beginnt auch die Rede den ganzen Verlauf der Entwickelung der letzten Dinge zu schildern, bis sie bei einem passenden Abschnitte zur vorläufigen Ruhe kommt e. 51 — 572). Wir haben hier nicht Raum ; auch hac es weniger zu unserm Zwecke, solche Einzelnheiten weiter zu verfolgen: im Ganzen aber leuchtet leicht ein, wie passend dieser Theil so in zwei — Na zerfalle. Von Gel(dimpidnino der Weih: ist hier überall wenig Rede. » ^: Hamo owi Sieden een Der dritte "e iei ‚Theil handelt nach der Ueberschrift 58, 1 im gera- den Gegensatze zum vorigen von den „Gerechten und Auserwühlten«; aber er ‚gibt, auch die Bilder ‚sowohl der vollendeten Seligkeit der Gb lofiten als der vollführten Strafe und zu späten Reue der Ungerechten zu schauen €. 61— 63; wie denn sogleich vorne hervorgehoben wird dass dann auch die geheimen Kräfte der Welt dem vollendeten Heile entsprechen c. 58 f. Aber leider zeigt sich dieser Theil besonders gegen das Ende hin, vielfach ver- stümmelt; soviel sich. jedoch aus. Bruchstücken erkennen lasst, war das Ende etwa dieses. Gott selbst schwört zuletzt vor Mikhael . dass. dieses. ‚so ge- schauete Heil ewig seyn werde 5): und nachdem er den Messias mit seinem py Nämlich ohne 48, 1 welches. Stück —3 deme kurz zuvor en — in den ersten Theil gehórt. ^ 9) Ohne den spätern Zusatz 54, 2 857257 s— s. unten. 3) Die Zeichnung des göttlichen Wortes und Schwures, wie e die ganze Welt von jeher in allen ihren Theilen zubiminengeliblten wird 69, 15 —25, ist zwar jetzt vorne an ein späteres Stück angeknüpft worüber unten zu redes, o7 amsich aber unsres Verfassers ganz würdig, und sie bildet hier einen entspre- 128 Aae HEINRICH EWALD, neuen Namen als wirklicher König dieses Himmelreiches kund gethan 1), be- steht dieses Reich nun unvergänglich 2). Inderthat ist dieses das letzte was der begeisterte Blick in der Zukunft vorausschauen kann; und so erhaben als dieser letzte Ausgang aller Zukunft ist hier seine Zeichnung, in welcher sich noch alles Höchste sammelt was gedacht und geschildert werden kann. Aber dem Vorworte muss noch ein Nachwort entsprechen, welches sich weil wir nun den Seher als einen durch solche höchste Erfahrungen sehr umgewandelten Mann erblicken können und in diesem Falle also Henókh erst jetzt als seine höchste Stufe im irdischen Leben erreicht habend betrachtet wer- den kann, ganz angemessen etwas weiter ausdehnt c. 70 f. „Nachher ward Henókh. als bei dem Messias und bei Gott lebend von den Menschen gerühmt: sein Ruhm verbreitete sich zwischen ihnen 3), aber er selbst liess sich immer weniger in ihre Mitte ziehen, zog sich immer mehr in die Einsamkeit zurück: 50 führt hier der Verfasser fort, und knüpft daran sofort eine Schilderung wie Henókh in dieser schon auf Erden erreichten höhern Verklä ng noch einmal von den „Wagen des Geistes“ 4) in den Himmel erhoben ward und dort nun auch persönlich die höchste Ehre empfing 5), ein Vorbild und Beginn chend erhabenen Schluss. Dass die grossen Theile der Welt diesem göttlichen ‚Schwure getreu ihre ewige Ordnung einhalten, sagt unser Verfasser auch. 41, 5. Wir können also hier das Übrige hinzudenken. Mikhael wird von jetzt an auch . 771, 3. 14 hervorgehoben. ji - T) Was hier ergänzt ist muss fast von selbst gerade so aus den Worten 69, 26 ff. F werden: zwischen v. 25 u. y. 26 muss eben vieles ausgefallen seyn. 29 69, 27.—29. Ich würde jedoch sowohl v.27 f, als ve quien. ve MEE welche Dillmann nur am Rande bemerkt hat. 3) OA 70,2 kann wo vom Namen oder Rufe die Rede ist nur dasselbe be- deuten was das entsprechende wx* in solchem Zusammenhange, wie Num. 14, 36 f. Deut. 32, 14. 19; und für I wäre nach v. 1 doch wohl leichter IIc zu lesen. 2 4) Diese Erwähnung von „Wagen in bildlichen Schilderungen liebt unser Verfasser auch 57, 1 f. in demselben Ausdrucke. IT he 5) Der Sinn der äthiopischen Worte 70, 1— 3 ist zwar sehr schwierig, und die unrichtigen Uebersetzungen der früheren Ausleger sind von Dillmann richtig zurückgewiesen: allein ich bin überzeugt dass nie ein klarer Sinn in jenen Worten sich finden lässet als bis man erkennt dass der erste Satz v. 2 vielmehr hinter den ersten Satz v. 3 zu stellen und dem gemäss auch die ganze Vers- ABH. ÜB D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 125 seiner letzten ewigen Aufnahme in den Himmel, aber noch nicht diese selbst. Denn leicht versteht sich nach dem Sinne des wirklichen Verfassers von selbst, dass Henókh dieses sein ganzes Buch nicht erst nach seiner ewigen Aufnahme in den Himmel, sondern noch vor dieser aber in der letzten Stufe seines irdischen Lebens geschrieben haben muss: das Gegentheil sich zu denken liegt kein Grund vor, und würde zu den unnóthigsten Vorstellungen seltsamster Art hinführen. Das Buch schliesst 71, 14 — 17 mit der Anrede eines Engels an Henókh und zwar jetzt Mikhaels, wie es nach meiner hievon ganz unabhängig gebildeten obigen Vermuthung damit anfing. Hiermit ist dieses Grundwerk in sich vollkommen abgeschlossen, und es liegt kein einziges Anzeichen vor dass es nach dem Sinne des Verfassers irgendwo am Ende oder vorne oder in der Mitte noch weiter ausgedehnt werden sollte. 3. Aber so schöpferisch wie dies Werk seinem Gedanken und seiner Ausführung nach ist, ist es endlich auch seiner Sprache und der Farbe seiner Rede nach. Überall fühlt man dass die frische Begeisterung, welche den Verfasser von einem so schöpferischen Grundgedanken aus beseelte, auch seine Sprache me Ame neu nee während zugleich niemand leicht aus den unmit Begegnissen und Antrieben seiner Zeit heraus so treffend reden und älteres so entsprechend umgestalten kann wie er. Zwar merkt man, dass ausser den andern ältern Büchern vorzüglich das B. Daniel auf ihn stark einwirkte: und frischere Eindrücke aus dem B. Daniel als hier kann man m nirgends erblicken *). Aber nichts liegt unserm Verfasser abtheilung zu verbessern sei; auch kann ja das Grundwort zu DAZNZZ v. 3 mur AI der Geist seyn. Hinzunehmen muss man dann was sich eigentlich. vonselbst ergibt, dass eine Schilderung der letzten ewigen Aufnahme Henókh's in den. Himmel weder hieher gehórt noch in den Worten 70, 1—4 liegt. Und so haben wir auch keine Ursache an der Abkunft dieses Stückes c. 70 von demselben Verfasser zu zweifeln, da sie sich vielmehr auch sonst aus ‚vielen Anzeichen als gewiss ergibt. Nur Mud wohl für D’TAUA v.2 ur- - . Sprünglich sogleich die erste Person: ich ward erhoben. I) Z. B. bei dem Bilde des Alten der Tage 46,1. 47,3. 48,2. 71, 10. 13; ferner bei der schónen Vergleichung der hesyorragondsien Helden mit Sternen 43, 3 f. 46, 7 nach der kurzen Andeutung Dan. 12, 3. Hist.- Philol. Classe. VI. 0 126 HEINRICH EW ALD, ferner als Nachahmung und künstliche Wiederholung: überall ist er so eigen- thümlich schöpferisch gestaltend und sich selbst so gleichbleibend, aber auch bei aller Strenge des Urtheiles von einem so zarten Geisteshauche belebt, dass man zugleich nicht leicht etwas gewisser wiedererkennen kann als was aus dem festen und doch so durchsichtigen Gusse seines Geistes hervorgebildet ist. Wir wollen dies hier nur an einigen men oder auch schwierigeren Stücken beweisen. Mitten in die Geister des prophetischen Wirkens aber auch der ganzen Schöpfung nach allen ihren Theilen soll das Buch den Leser versetzen: so ist es denn ganz entsprechend dass der Verfasser den wahren Gott selbst, in dem sie alle doch wieder ihre Einheit haben müssen, von vorne an als den Gott der Geister bezeichnet und diesen Namen hier fast überall ohne Unter- brechung am liebsten beibehält; eine Bezeichnung welche so neu und so stehend wie hier in keinem einzigen ältern Buche vorkommt, und insofern allerdings recht zur Kennzeichnung dieses Verfassers dient; sogar seine Nach- ahmer haben ihn wenig wiederholt. Auch die Art wie unser Verfasser die Ausgiessung des Geistes der Weisheit oder der Gerechtigkeit schildert, zeichnet ihn aus 1). Zeichnet er erhabene Bilder des göttlichen Thrones und alles dessen was zu ihm gehört, so kann fast nichts reiner und zugleich herrlicher gehalten gedacht werden. Namentlich zeichnet er die 4 höchsten Engel Mikhael Rafael Gabriel Phanuel 2) und die drei höchsten Heerscharen die Cherubin Seraphim und Ophanim 5) als die 7 Gott zunächst stehenden Geisterwesen mit einer Erhabenheit und insbesondre mit einer Gleichmässigkeit und Klarheit, dass er I) 49, 1. 62, 2: denn dass an jener ersten Stelle diese Lesart vorzuziehen sei, habe ich schon in den Gött. G. A. 1852 S. 350 erklärt; die zweite Stelle dient zur Bestätigung, während die Stelle 39, 5 nicht ganz ähnlich ist. ibu 2) 40,4— 10. 54, 6. 71,8—13. 3) 61,10. 71,7: wir können sehr gut annehmen dass sie mit den vorigen 4 zusammen die P Golaidonad sollen, zumal die Ophanim selbst wohl nur um wiederum diese Dreizahl zu füllen aus Hezeqiel künstlich aufgelesen sind. — Ausserdem erwähnt das Werk von Geistern nur noch die Satane 40, 7, an deren Spitze eben Satan auch "Azäzel genannt sieht 54, 5. 6. 55, i und die Strafengel 53,3 f. 54, 3. 56, 1. 62, 11. 63, 1. 69,28. ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG: SINN U. ZUSAMMENSETZ. 127 hierin für uns ganz einzig dasteht und sich damit sowohl vor andern spätern Schriftstellern als auch insbesondre vor seinen eignen Nachahmern (worüber , unten) sehr zu seinem Vortheile auszeichnet. Es sind die welche nicht schla- fen 1): ein bei ihm ebenfalls eigenthümlicher und schöpferischer Ausdruck, entlehnt von dem beständigen Dienste der —— 2), aber nirgends so klar gehalten wie bei ihm. Keiner kann ferner die göttliche eee aller Dinge überall stärker und wärmer hervorheben als unser Verfasser 3): aber desto verständ- licher zwar und doch höchst eigenthümlich ist es, dass er die Glieder der wahren Gemeinde immer schlechthin als die Erwühlten bezeichnet *), womit ähnliche Namen abwechseln. Unter diesen aber ist es wiederum nur éiner den er als den Erwählten schlechthin zu bezeichnen für genügend hält, den- selben bei dessen Gedanken seine Seele vom höchsten Entzücken ergriffen wird, der Messias 5): und nirgends weder von einem vor seiner Zeit soviel wir wissen noch von seinen eignen Nachahmern ist dieser während aller dieser letzten Jahrhunderte v. Ch. mit solcher Glut des Geistes ersehnt und mit solcher alles fortreissenden Gewalt und Rede gezeichnet als von ihm. Doch wer könnte zuletzt mit kurzen Worten den ganzen ebenso eigen- thümlichen als mächtigen Zauber hinreichend beschreiben, welcher aus dem ganzen Werke hervorströmt und jeden Leser unwillkührlich tief ergreift. Ist es zuletzt das Höchste bei einem solchen Kunstwerke, dass es den Leser über alles Gerüste und alles Schauwerk und über alle Erzählung hinweg zu den erhabenen Wahrheiten selbst rein erhebe und ihn darin wie aller Welt 1) 39, 12 f. 61, 12. 71, 7; dagegen fehlt hier der schon im B. Daniel und dann in den Nachahmern unsres Grundwerkes so oft wiederkehrende allerdings eigent- lich gleichbedeutende Name der Wächter. 2) Ps. 134, 1 und sonst. 3) s. vorzüglich 37, 4. 39,8. 11. 46, 3. 48, 3. 6. 58,5. 62,7; eben dahin gehört auch die hier so es Vorstellung vom göttlichen Wagen 38, 2. 40, 5. 41, 1. 43, 2. 46, 8. 61, 8 u 4) 38, 2 f. 41, 2. 45, 5. t 5. 61, 12 u. sonst. 5) 45, 3 f. 49, 2. 51,3.5. 52.6.9. 53, 6. 55, 4. 61, 5. 8. 10. 62,1 vgl. 9. 14. 63, 11. 69, 26 f. 29. 70, 1: den Zusammenhang "Michel dem Erwählten und den Er- wählten sieht man am deutlichsten 40, 5 vgl. 56,3 f. 61,4. Q* 128 | "HEINRICH EWALD, vergessen mache: so fühlt sich der Leser hier über alle Zeiten und Örter weg wie mit unwiderstehlichster Gewalt von den erhabensten Gedanken und reinsten Hoffnungen selbst festgehalten; und das Feuer womit der Verfasser für die Treue des Lebens und das Nichtverläugnen 1) aller Wahrheit redet, theilt sich ihm so glühend mit wie es sicher in dem Verfasser selbst sich regte. Es ist inderthat überraschend noch in verhältnissmässig so späten Zei- ten einem solchen Schriftsteller zu begegnen, welcher sich was die ebenso tiefe als ächte Gluth der Rede und die Reinheit der Gedanken betrifft, nur etwa mit dem Verfasser des B. der Weisheit vergleichen lässt, und dessen hinreissende Kraft wir noch weit leichter richtig schätzen würden wenn seine Schrift sich vollständig und in ursprünglicher Ordnung erhalten hätte. Soviel aber begreifen wir nun leicht dass dies für die folgenden Zeiten ein Grundwerk werden musste welches einen neuen Zweig von Schriftenthum geschaffen hatte und bei der mächtigen Wirkung die es unstreitig auf seine Zeit ausübte bald auch zu einer Menge von Nachahmungen anreizte. Wir können nun mehrere dieser nächsten Nachahmungen noch ziemlich gut er- kennen, da sie sich eben mit den Uberbleibseln des Grundwerkes im jetzigen grossen B. Henökh erhalten haben: sie sind unter sich wiederum auch an innerer Kraft und äusserer Schönheit sehr verschieden ; während keine‘ ihr Muster erreicht wievielweniger übertrifft. 2. Das zweite Henókh - Buch. Ein zweites Werk, an Zweck Geist innerer Kraft und Güte sowie an Kunst und Bildung dem vorigen noch ziemlich nahe stehend und doch sehr verschieden und schon weit geringer, können wir nach Bruchstücken unter- scheiden welche freilich in dem jetzigen grossen B. H. sehr zersireut und zum Theil sehr schwer erkennbar sind. Dieses Werk zerfiel, soweit wir es 1) Beide 8 sind wieder für unsern Verfasser sehr bezeichnend, vgl. 41,5. 43,2. 61,11; 38,2. 41,2. 45,1.2. 46,7. 48,10 u. 8.— Ahnlich unterscheidet die halb dichterische Sprache ER: Verfassers der bei ihm stehende Name „das Trockne“ oder „das Feste“ für die Erde: wir haben aber nicht Raum alles der Art hier auseinanderzusetzen. ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 129 jetzt noch sicher wiederfinden kónnen, in zwei an Inhalt sehr ungleichartige Hülften, von denen gerade die erste nur in solchen schwerer erkennbaren Bruchstücken erhalten ist: die andere findet sich dagegen jetzt ziemlich noch in ihrer ersten Ordnung beisammen 91, 3 — c. 105. 1. Man kann nun dieses Werk auch seiner Eintheilung und seiner Er- findung und Kunst nach nicht richtig schützen wenn man nicht vorallem seinen letzten Zweck sicher ins Auge fasst. Es gleicht dem vorigen noch ganz dárin dass es zunächst drohend und tröstend auf die Zeitgenossen wirken wollte, ja es hält sich wo möglich noch näher an diesen durch die sittlichen Zustände seiner Ursprungszeit bestimmten Zweck allein. Man merkt für wie wirksam es damals schon galt durch den Mund eines Henökh für die Mitwelt zu reden: aber die Menschen gegen welche damals eines Henökh drohendes Wort zu richten nützlich schien, waren für diesen Verfasser schon ganz andre. Wenn das Grundwerk nach obigem sich mit aller Gewalt seiner Rede und seiner Bilder nur gegen die das Volk heftig bedrängenden Heiden und heidnische Machthaber hinwandte, so hat unser Verfasser vielmehr nur innere Feinde und Spaltungen im Volke selbst im Auge, so sehr dass er kaum darüber hinaus zu blicken für der Mühe werth hält 1). Das Volk der „Gerechten«, wie es in diesen Jahrhunderten ganz gewóhnlich in etwas hóherer Rede bezeichnet wurde, hatte sich damals, kaum nach aussen etwas gekräftigt und gesichert, bereits in zwei sehr weit aus einander gehende und einander sogar tódlich befeindende ‚Richtungen gespalten, die wir in der Kürze als die strengere und die minder strenge Theilung bezeichnen kónnen. Die strengeren beschul- digten die andern mehr oder weniger vom heidnischen Wesen sich nicht fern genug zu halten, das Gesetz nicht recht zu halten 2), keine wahre Lehre und üchte Weisheit zu haben 5), die leichtsinnige um die Zukunft und Unsterb- lichkeit des menschlichen Geistes unbekümmerte ja diese wohl sogar frech 1) Ich spreche hiemit nur den Eindruck und Sinn aus welchen das Werk meiner Einsicht nach auf den Leser machen muss und zu machen auch bestimmt war. 2) 3,4. 99,2. 104,9 f. vgl. 93, 4. 6 mit v. 9. 3) s. besonders 94, 5. 98, 3. 99, 1 f. 7. 9. 11. 14; A——— — lebendig zusammenfassen. aan | HEINRICH EWALD; läugnende Lebensansicht zu theilen !) und infolge von alle dem sich der vielfachsten und schwersten Vergehen schuldig zu machen: und schon standen die beiden Theilungen sich höchst erbittert und tiefverfeindet einander gegen- über, ja auch über tödliche Verfolgungen klagten die strengeren 2). Wenn früher z. B. in dem Grundwerke die Namen Sünder und Heiden fast gleich- bedeutend waren „ so werden hier von einem Verfasser welcher unter den Sirengeren gewiss als einer der strengsten dachte und lebte, die leichter lebenden meist auch durch Reichthümer und Macht ausgezeichneteren Glieder seines eignen Volkes als „Sünder“ bezeichnet, entweder schlechthin oder als den sonst so genannten doch als ganz ähnliche zur Seite stehend 5); während diese damals herrschenden ihrerseits die ihnen gegenüberstehenden gern als „Sünder“ z. B. durch den Bann und sonst durch übermüthige Behandlung zu kennzeichnen liebten ^). Wir wollen hier noch nicht näher fragen welche besondre Zeit dies war, da dieses besser unten berührt wird: aber die hier geschilderte Zeillage selbst leuchtet unverkennbar aus dem ächten Inhalte und Sinne dieses Werkes hervor. Sein Verfasser, welcher nach allen Merkmalen dicht von dém des Grund- werkes sehr verschieden war, trifft nun die leichtgesinnte Theilung mit einem Strome von scharfen. Worten und Drohungen welcher im Ergusse nur immer unerschöpflicher und gewaltiger zu werden scheint, während er die mit ihm I) Dies wird besonders gegen das Ende hin aufgespart näher zu erörtern, 98,7 ff. 102, 4 — 104, 7 2 s. besonders 94, 1. 95, 3 ff. 96,5. 102, 5 ff. Nüher wird auch angedeutet das ; in Palästina freilich so häufige Verireiben in die Zufluchtsörter der Höhlen und Felsen (s. noch zuletzt über Ps. 141,6 f. Jahrbb. der B. W. V. S. 178): aber hier erscheint es sogar als ein willkommnes Glück 96,2; ferner das Verbrennen 100, 7. 3) Solche Aussprüche wie 5,6. 97,4 sind sprechend genug; auch erklärt sich wohl daraus die Redeweise 94, 11. 4) 96,4; die 95, 4 erwähnten Bannflüche haben erst so einen Sinn; und dass diese Leute ebenso wie ihre Gegner auch durch prophetisch gehaltene Schriften zu wirken suchten, erhellt aus 99,8 vgl. 98,15. 104,10.. Von Königen und Für- sten gegen welche das vorige Werk gerichtet war, ist hier gar keiné Rede: nur den Missbrauch des Reichthums und Wohlleben aller Art kann unser Ver- fasser in weltlicher Hinsicht den Gegnern vorwerfen. ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 131 strenger gesinnten im Volke durch alle Gründe von Trost und Verheissung in ihrem Kampfe neu zu beleben noch eifriger bemühet ist; Und wollte er zu diesem letzten Zwecke in Henókh's Namen schreiben, so versteht sich vonselbst warum ihm jenes erste Werk ungenügend schien: es enthielt ja fast nichts von dem was ihm allein die grosse Hauptsache war; und das geheim- nissvolle Wort Henókh's vielmehr nach dieser sehr verschiedenen Richtung hin erschallen zu lassen, musste seine neue Absicht seyn. Wir kónnen hier in die Tiefe der Entstehung dieses zweiten Werkes hineinschauen: aber wir müssen auch sofort weiter bemerken, dass sein Verfasser den alten Henókh bei weitem nicht mehr so unbefangen und doch so ücht künstlerisch für seinen Zweck benutzte wie dér des Grundwerkes. Er geht über dies Grundwerk schon insofern weiter hinaus als er in Henókh's Zeit selbst eine Lage auf- sucht wo der Urvater über solche die von ihrer eignen hóhern geistigen Bestimmung und ihrer demgemäss einmal schon gewonnenen hóhern Lebens- siufe herabsanken, ähnlich reden konnte: damit will er also eine in dem Grundwerke noch unberücksichtigt gebliebene Seite in der Kunst solcher Schriftwerke ergänzen. Aber indem er seine zu diesem Zwecke künstlerisch erfundene Annahme künstlerisch vollkommner auszuführen und das grosse dichterische Bild mit der Sache selbst von vorne bis zum Ende innig zu verflechten zu schwach ist, zerfällt ihm sein ganzes Werk in zwei losere Hälften. à 2. Der Verfasser fand nämlich über Henökh selbst zwar nichts weiter vor als was man zu seiner Zeit theils aus den uralten dürftigen Sagen wissen theils aus dem vorigen Werke bereits ableiten konnte. Er lässt Henókh'en nach dem Muster des vorigen Werkes auch übér die Dinge der todten Welt gern reden und daraus Lehren und Bilder entlehnen 1): jedoch ist dies keines- 1) 2,1— 5,3. 14,8. 100, 11 — 13. 101, 1— 9. In jener ersten längeren Stelle ist aber der Wechsel zwischen dem Imperative und der ersten ps. sg. pf. hóchst störend, und auch nach 101,1 sollte man dort überall [I. E lesen; gerade in der Äthiopischen Schrift liegt diese Verwechselung so sehr verschiedener Wörter sehr nahe, und ausser diesem Worte hätte man nur das eine CA, r 3,1 etwas stärker zu ändern. Allerdings ist dieser Fehler jetzt in dem Äthiopi- schen Wortgefüge c. 2— 5 völlig eingerissen: doch scheint es mir sicher ein Fehler. 132 HEINRICH EWALD, wegs bei ihm irgend eine Hauptsache wie in dem vorigen Werke, auf welches er vielmehr als in dieser Art ausgezeichnet nicht undeutlich zurück- weist!), da er ja keine Ursache hatte das vorige Werk welches auch in dieser Hinsicht so neu und schópferisch gewesen war verdrüngen zu wollen. Neu bei ihm ist nur dass er Henókh'en gern „den Schreiber der Gerechtigkeit « oder kürzer den Schreiber nennt?) und sich ihn in jeder Weise am liebsten als durch Lesen und Schreiben thütig denkt5). Dies leitete er, nach allem was wir jetzt wissen können, erst aus dem vorigen Werke ab, welches Henókh'en bei seinem Wandern durch den Himmel auch das ihm geoffenbarte Geheimnissvolle niederschreibend dargestellt hatte), aber dies unbefangen und nur wie es die Sache selbst mit sich brachte: während unser Verfasser daraus schon eine stehende Eigenschaft und eine Auszeichnung Henókh's macht, und ihn gewiss auch deshalb gerne immer só beschreibt weil er selbst nach der Sitte seiner Zeit Schriftstellerei für ein Höchstes hielt und so den Urvater zugleich als Muster für die Schriftstellerei seiner spätern' Zeit aufstellen konnte. 1) nämlich 93, 10 — 14 in den Worten über die 7fache Belehrung von der ganzen Schöpfung des Messias und Gottes welche am Ende der 7ten Weltwoche den. „Auserwählten Heiligen“ gegeben werde, und wobei, wie ich jetzt sehe, Dillmann vollkommen richtig an solche Theile des B. Henókh denkt wo die Dinge der, Schöpfung erklärt werden. Nur hat dieses erst dann rechten Sinn wenn der Verfasser welcher dieses als so wichtig mit grossem Lobe hervorhebt v. 11—14, dabei an das damals schon bekannte vorige Werk erinnert: dieses lehrt nach S.113f. vieles über diese Dinge auf eine ganz neue Art, und in einem jetzt verlornen Stücke desselben konnten eben 7 Theile dabei unterschieden seyn, da dies Buch nach S. 126 überhaupt gern diese Zahl hat. Freilich handelt das 3te B. Henókh wovon bald zu reden ist, noch mehr über die Schópfungsdinge, und eben dieses künnte gemeint seyn wenn es früher als unser 2tes B. wäre. Allein sein hóheres Alter ist mir unwahrscheinlich; und kann man an das Grundwerk denken, so ist das sicher in jeder Rücksicht vorzuziehen. TE 2) „Der gerechte Mann, der Schreiber der Gerechtigkeit“ Là M ub Mu. 92,1 war gewiss ursprünglich der volle Ehrenname Henókh's bei unserm Verfasser und ihm eigenthümlich. iis IE 14,1. T. 15,1 8.01 15-4 9, 193, 1 anb: din bes diesem Verfasser oft vom Lesen und Schreiben entlehnt, auch so grossartig treffende wie 98, 7 f. 104,1. 4) Vgl. 40, 8 jetzt die einzige aber hinreichend wichtige lehrreiche Stelle der Art. ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH. ENTSTEHUNG :SINN U. ZUSAMMENSETZ. 133 Auch in der Einführung der Thaten und Worte Henókh s. leistete ihm diese Vorstellung viele leichte Dienste, wie bald weiter erhellen Wird. Kung Aber in der Urzeit Henókh's selbst fand er suchend auch im möglich weitesten Umſange doch auch gar nichts was er als eine Ahnlichkeit mit dem Wesen seiner eignen Zeit tragend benutzen konnte, wenn er nicht die Er- zählung - Naubder Entstehung: der Riesen vor der. distin aus einer Vermi- schung der Göttersöhne mit den Menschentöchtern hieber ziehen wollte 1). Diese Erzählung stell- war in wem — Sinne sicher in gar kei- nem Zusammenhange mit der Sage über Henókh 2): aber man fand sie jetzt nicht weit von den paar Worten über Henókh; und da dieser der siebente von den 10 Urvätern vor der Sintfluth ist, so konnte man annehmen der Fall jener Göttersöhne und das daraus über die Erde gekommene sittliche Verderben habe sich erst kurze Zeit vor Henökh ereignet. Damit war nun eine treffende Verknüpfung zwischen jener Urzeit und einer ähnlich sittlich gesunkenen Gegenwart gegeben: wie damals das Verderben der Erde däraus entsprang dass die zum höhern Leben bestimmten Geister von ihrer eignen schöneren Bestimmung abſielen, so sinkt auch noch immer in einem schon eee ge eine sittlich entartende Theilung von einer höhern isstufe herab; und welche Ausführung der erhabensten Wahrheiten lässt ‚sie iesen Faden anknüpfen! Unser Verfasser war nun sichtbar der erste, — so. Hen ken i in eine nähere Verbindung mit jenen gefallenen Geistern brachte: allein weil er Kunstspiel (Drama) und Wirklichkeit völlig in einander zu ` verflechten "und die Gegenwart: mitten im Spiele der Darstellung einer fernen Vergangenheit hinreichend, zu treffen zu Schwach ‚war, so zerfällt ihm das ganze Werk, wie oben bereits deset, in asi, osere, ‚Hälften , mit einer no lose vorangesetzten Einleitung. Bar Diese Einleitung findet Sich jetzt ziömlieh ürspfünglich « cibos 1— 5: Pr weist wesentlich nur auf dasselbe hin was die zweite Halfte weiter aus- Führen, wird, ind was. sem, s Veris, als die volle, "ts so, ‚unmittelbar í H y Bom 10 8 1 j9ib ug as! 19b bitu mes b lobuno 131100 t asia seolt E 1 1 — 6, m Ne 2) Der Kürze wegen verweise d. auf, in dn Geschichte des, V. 73 41 s. 355 ff. und 367 ff. weiter ausgeführte. 6 Hist.- Philol. Classe. VI. R 134 STIERIMMABEN U REN AAN FH g JOHTA a. Hai als möglich treffend: bei weitem "- sect tn iium auf! das: — be- reitet sie noch gar nicht vor: otillojeyo V. : Vielmehr beginnt dieses die erste ane ausfüllende iKmioisphd ganz lose mit der Erzählung des Falles der Geister der Urwelt, um daran ein ent- sprechendes Wirken und Reden Henókh's zu knüpfen. Aber leider ſindet sich diese erste Hälfte im jetzigen grossen B. nur mit Stücken anderer Werke zusammen verarbeitet, ziemlich weit auseinander gerissen, und nicht ohne Verstümmelung. Die ächten Bestandtheile und die wahre künstliche Annahme dieser Hälfte richtig: wiederzuerkennen ist daher schwierig: doch scheint mir die ars nn zu n" — wunden — ng | ^ Die: Erde; verstört und e n die Ubelhsten der bas "i der gefallenen Geister, klagt endlich laut um Hülfe zum Himmel ): da ben die pies oder die nie schlafenden himmlischen Geister die Klage für die Unschadhchmachung (Fesselung) "Azazel's und seiner Genossen und fur die neue Heilung der Erde zu sorgen, ein anderer Gabriel den die Riesen sich unter- C eintder: 3 zu "anre ^£ Aber da auch die — nicht iB T4 . bann iin en die Wa 6, y 2. 7,1—6. 8,4: die dazwischen stehenden Worte üssen vom letzt 4 diei sro entlehnt seyn, wie aus allen An- T9081 € erhellt. ei nur eins dieser Anzeichen zu erklären!: unser Ver- fasser nennt den obersten bösen Geist noeh ganz wie. das; Grundwerk 'Azázel: aber etes in dem anzen grossen tücke e 6—16 als solcher vielm na M zä, wennáuch. biswi ik nur a A Jia] vgl. . 5. 7. SP pe Pul 10, 48 jt. 13, 1 mit einander. Man muss also auch hienäch die Urbstand- theile dieser ganzen Erzählung gehörig sonderü. 5056s osol gems 6 E Dahin 9, 16. 8 1. 10,440. 12— 11,2, vgl. 100 5. | p nach 12, T inis e die wise überhaupt, die Klage hören, und vor. Sat ae x alb sind di 4 Erzengel wie sie 9, 1 genann nt werden h rünglich indlozi n; ul Jap nich noch manches‘ pater umgearbeitet seyn! Bat führt Verfasser statt der 9, 1 genannten 4 Erzengel nach 10, 4— 10 vielmehr iiiv: Raphael'en und Gabriel'n handelnd ein; und der Gottes an diese 10, 4 —10 setzt sich offenbar v. 12— 11,2 fort; das Heilen und Reinigen ist eben auch dieser beiden ursprünglichem Begni ni - Wal. Aueh" ds Grundwerk 40, 9) ge ihr Geschat. — — lik U4 pis old. aH ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH, ENTSTEHUNG: SINN U. ZUSAMMENSETZ. 135 ohne vorhergehendes Urtheil und Recht gestraft werden dürfen, so entsenden diese Wächter den nach seiner Gewohnheit eben in ihren Sinn und ihr Lob versenkten .:Henókh. jenen abgefallenen Wächtern ihren frühern Brüdern ihre Strafe anzukündigen: getroffen vom bösen Gewissen wagen sie sich nicht zu vertheidigen, ersuchen aber Henökhien schriftlich eine Fürbitte für sie vor Gott selbst einzureichen. So verfasst er für sie eine solche Bitischrift, und wird alsdann in einem tiefen Traume der ihn überfällt in den Himmel ja vor den göttlichen Thron selbst. erhoben; aber dort hört und empfängt ur er anh das rechte Wort der ernsten Zurechtweisung der nicht mehr zu b Sünder, wie er es ihnen als göttlichen Beschluss auf ihre.Bitischrift. verkünden und zugleich urkundlich aufschreiben soll, und es später wirklich ihnen vor- liest; und dort schaut er auch im ee wie. die: gedroheten Strafen. yoat werden 1).« - kN Man merkt leicht, wie in - IER Db peo inh folgerichtig. fie künstliche Darstellung ist. Die Klage der Erde, der Auftrag an Raphael und Gabriel alles Böse in ihr zu vertilgen um sie neu zu heilen und zu reinigen, die. dp Nuts von. erschein. an ‚die een ‚Würde un- niet Ä were a wirklichen eren, — leicht ber- tragen Werden konnten: man fühlt wenigstens deutlich genug dass es derselbe Verfasser sei welcher dort und hier sein heisses Wort gegen die „Sünder“ ergiesse. Auch genügt es dem Verfasser hier überall in den Sundern der Urzeit eben die Urbilder aller ähnlichen zu ‚zeichnen: auf die Sintfluth als die Strafe der damaligen spielt er nicht einmal. an und ‚wagt. dieses noch eine viel grossartigere Schilderung erlaubende ja hervorfordernde Ereigniss noch nicht in die Zeichnung einzumischen 2), auch darin n: dem — des I) Dieses Stück c. 12 — 16 ist weit reiner: und * Saber pent leichter verständlich erhalten: aus seinem Inhalte md intihen Wates kann-daher auch © oiam sichersten auf die vorigen beiden: werden. — Einiges was allen Kennzeichen zufolge ursprünglich hier stand, kann man auch aus einer Schilderung des. dritten enten, 87, 2 ff. etwas n ee S8. unten. 2) Am en Zu: itt ist petis disi Stllé 10, dit der; ntm zu be- schreibenden spätern Schrift eingerückt wurde, also hier nicht in Betracht R2 Kj STSEZSMMAZUS U OBBENTIEOHOENE ADU IN a JONTA a ad Hi Grundwerkes ähnlich. Vielmehr gilt ihm noch gegenseiti — M —— als dis entsprechende Strafe jener alten Sunder ajoe nob WEN ses Doeh beachten wir jetzt wie der Verfasser diese; erste: Halte: seines Werkes zu Ende führte und zur zweiten sich den Ubergang bahnte. — der Haupttheil der ersten Hälfte mit der obigen Zeichnung wenigstens im Wesentlichen zu Ende war, ist me zu verkennen: der Verfasser brauchte Henökh’en' seine von Gott Entscheidung den Wächtern nicht noch einmal in aller Umstindlichkeit — zu lassen, da er seiner beliebten Vorstellung gemäss schon zum voraus "beiläufig “ " bemerkt hatté, dass Henókli sie später aueli niedergeschrieben oder vielmehr sogleich niederge- schrieben vorgelesen habe 2): denn eben nach diesem Verfasser ist der Urvater sogar für solche Dinge überall sogleich mit der Feder bereit, und der Leser des Buches weiss jetzt schon alle die scharfen Zurechtweisungen welche — M von höchster Stelle zu Theil werden; ^^! iom set Sehr vieles nun und wichtiges fehlt Zwar aus unserm Werke hinter debi einiges aber sicher, schen weil ein weiteres Stück aus ihm erst 81 t in einem ganz andern Zusammenhange erscheint Und hier gerade können wir diesen Mangel auf überraschende Weise noch aus einer andern — "- ponte "Unter den oben EINE Brenn en dla — uou doiligoh 52 5^5 Kommen kann! Dann kann aber ‚der letzte Verfasser des iniu grossen: pe H. auch die kurze Erwähnung der Sinifluth; 10, 225 MA eingeschaltet haben...-In- ih ela AU id rde sich diese, ‚ganze Darstellung. sehr hieden gestaltet ha s ‚hätte uns ur Yale er die roux [oce auch (gd 1 nsi ue e aus den und v. Vorstellungen heraus welche diese ihm ge ht haben würde: 93,4 erwähnt er sie vielmehr nur ganz kurz weil er sie getohidin- lich erwähnen A ohne alle Anspielung eiwa darauf dass er Selbst sie vorausgesagt habe ahi is cn 12412, 6. 14 6 vgl. auch das unten zu besprechende Bruchstuek bei 6. Synkellos p. 47. Ja da in diesem deutlich den Riesen von Henokh nur noch d ia ae guttas gegeben „ so kann schon deshalb garnicht an die erst n Sintfluth als hier beabsichtigte Strafe gedacht werden. Und dazu stimmt ganz was 10,9 f. aus diesem Werke sich erhalten hat. P 13, 8—14, 7; die Ueberschrift 14,1 als würe hier ein kleines Buch einge- ^" o: sehältet entspricht ihrer Art pd — der - 92; ap auch hier überall fühlt Mew 3 Verfasser. ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 137 aus unserm jeizigen B. Henókh welche sich bei G. Synkellós erhalten haben, ist nämlich ein ziemlich langes von dem ich nach wiederholter Uberlegung nicht zweifle dass es gerade in die hier klaffende Lücke gehöre: einmal weil es bei G. Synkellos selbst die letzte Stelle ist welche er aus dem ersten Buche Henôkh's über. die Wächter- gibt (s. über diesen Namen unten), So- dann aber und vornehmlich weil es dem Sinne sowie seiner Sprache nach ganz hieher gehört und nirgends sonst einen Zusammenhang haben konnte. Dieses ansich freilich etwas schwerer zu verstehende Bruchstuck steht zwar auch bei G. Synkellos, wie er selbst erläutert, völlig abgerissen; und kann sich allerdings, wie es dort abgerissen erscheint, nicht unmittelbar an 16, 4 anschliessen: aber es enthält nichts was sich aus den vorigen Andeutungen unseres Werkes nicht als weitere Fortsetzung verstehen liesse. Nach 13, 7—9 hatte Henökh auf seiner göttlichen Sendung die gefallenen Engel nahe am Gebirge Hermon verweilend getroffen: sie hofften vorher noch von seiner Bittschrift für sich etwas, aber nachdem er ihnen als letzten göttlichen Ent- schluss angekündigt dass „für sie kein Heil mehr sei“ 16, 4, ist es "ic Wunder dass sie in die entsetzlichste Raserei ausbrechend dén Berg verw schen bei welchem Henókh sie quim "davon “ging dann die Erzählung weiter, habe der Hermon seinen Namen empfangen 1). Als Henokh dies alles 4 den verzweifelten Engeln ri te T gehört (konnte dann die Erzählung fortfahren), habe er sich an die von ihnen verführten Menschen gewandt, um die von jenen verschmähete weitere Warnung gegen diese zu richten: gerede hier a am Hermon Werde einst der Messias zum Gerichte 4 EFT | tg FER $^ - t | 1^ iuc dSoriaons How tis: een ida? aldi gpi IE E dto T Der r Boc Gwari id — 6. petes — — dane; lörnion genannt, aber schon der Ableitung von n mach: kann kein anderer gemeint seyn. — Die Moslimischen Erinnerungen versetzen die wichtigsten Thatsachen aus dem Leben der ersten zehn Urväter sowie ihre riesenhaſten Gräber gerade nin diese Gegend der hohen Gebirge zwischen dem Hermon und Damasq: auch den Rabbinischen Sagen liegt dies nicht so fern, wie das Beispiel in Carmoly's I Iinéraires de la Terre Sainte K 450 akigt. ten letzten Grund müssen diese auf den ersten Blick so seltsamen Vorstellungen doch in irgendwelchen älteren Dichtungen haben: und gerade unsre —Á und — ic dazu die erste Veranlassung gegeben haben. 138 IeZAHEELEUS 9 VARRTINRIOTE EM ALDYIE a JONTA a dii Hi herabfahren 1). Man wird finden‘ dass die Worte ei! nme weiteren Verlauf ich nicht hieher setzen mag, nl tändlich sind. Allein es ist durchaus passend dass Henókh nach vollbrachtem Aufträge zum Auftraggeber zurückkehre und ihm berichte: diess musste dann noch mit wenigen Worten erzühlt sein. Und da er so noch einmal im Himmel ver- weilt, empfängt er wie zum gnädigen Abschiede noch die Erlaubniss die himm- lischen Sehicksalsplatten 2) zu betrachten; nachdem er sich aber deren schrift- lichen Inhalt wohl gemerkt, scheidet er unter lautem Danke und Lobe sowie mit der Bitte um gen ae seiner Nachkommen" "-— — — Strafgerichte 35 )07 od 9 Damit ist ein leichter Uehergung z zu dor zweiten : — deban, weiche "- mit einer solchen Zahl b zu seyn dennoch ansich so zu denken ist, Si ist fedilich: jetzt an einer Stele des grossen B: 1 so vollständig und im Ganzen so wohl im ursprüngli Worte — dess man: star leicht! wersucht werden könnte si für ein lan HaH niox die "ls up Jaib mirdoour 5 Wie später oft wenigstens im Allgemeinen geglaubt wurde der Meisies werde auf einer hohen Spitze jener nördlicheren Gegenden herabfahren. i 2) d.i, die Platten welche den h. Gesetzestafeln ähnlich im Himmel aufbewahrt, ge- dacht wurden mit der in sie eingegrabenen Schrift über alle (von. Gott voraus- Lewussten) Schicksale und Geschichten der Menschen; das Aethiopische Wort welches sie bezeichnet, hat fruheren Missverständnissen gegenüber zuerst Dill b rigen 8. Jahrbb. d. B. M. II. S. 83 f. 96% M Dies ‚sind nämlich die jetzt sehr zerstreut, stehenden Worte 81, 1 4 u welche ihrem Sinne sowie der Farbe ihrer Sprache und ihrer Bilder nach ganz hieher gehören; auch kann c. 84 ursprünglich sehr wohl sogleich auf 81, 1—4 gefolgt seyn, da es nur das 81,3 vorlüufig angekündigte gewichtige Schluss- gebet enthält. Alsdann entspricht, diesen: Pe 93, e . 2 — im i Grossen der ganze zweite Theil. | hà 91, 3— c. 105; insbesondre sind einige: iérscmim ipod — en "inci 91, 12 > bis 19 gehört ursprünglich hinter c. 93, wie ich schon in der oben unten Abhandlung der Allgem. M. Schr. S. 510 bemerkte; 93, 4 ist bei der Beschrei- bung der Weltwoche in deren Mitte Noah und dié Sintlluth fällt, der Satz 5 (A09 P7: rA: rap: Oo sicher am o Orte, und man könnte zunächst sogar vermuthen ér müsse in dém Sinne vund nach- dem das Unrecht bis zum äussersten (letzt hsen ist“ wohl in diesem Sinne den beiden vorigen voranzustellen Gen; „so wird in ihr kommen das ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENORH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 139 besonderes kleines Werk in Henökh’s Namen geschrieben zu halten, wenn nicht die stärksten Gründe zeigten dass wir in diesem grossen Stücke eben nur die nme des hiet nihan ittersuchéen : Beier mates ane vor uns haben. i 50 W tn ai icr tede u un dar. * treffende: Wort gegen die Abtrünnigen seiner eignen Gegenwart am Herzen, welehe wie er wohl fühlt dureh Henökh’s Worte in der ersten künstlicheren Hälfte sich noch wenig getroffen finden konnten: er hat jetzt alles vorbereitet ein solches sehr einfaches und leicht verständliches :Henökh- Wort zu reden. Er hat Henókh'en auf den Schicksalsplatten die göttliche Schrift lesen lassen so kann er ihn desto leichter die ganze Geschichte der Menschheit durch alle die unermesslichen Räume der Zukunft von Henókh's Zeit an bis zur Gegen- wart ja bis zur Messianischen Vollendung aller Weltgeschichte vorherwissen und hinreichend deutlich bezeichnen; insbesondre auch die Zeit verständlich genug beschreiben lassen für welche das Werk eigentlich bestimmt ist, da in ihm der wirkliche Verfasser mit seinen Lenin lebt. Ist sodann unter dieser künstlichen Hülle die Zeit genug unverl bezeichnet für welche das Henökh-Wort eigentlich gelen sil eee edbuinicaien Mund des Urvaters weiter in aller Kraft und in vollem Strome über die Dinge reden lassen; welche ihm allein die Hauptsache ausmachen und in deren Abhandlung sich erst der wahre Trieb und Zweck des Werkes erschöpft. Und das alles lässt er Henökh’en zwar passend an seine Söhne und Nachkommen reden, für deren Wohl der Urvater schon am Ende der ersten Hälfte geflehet hatte 84, 5 fi: denn es steht jedem Leser frei unter diesen Nachkommen auch noch die — des ern würdigen Glieder AN wunden Gemeinde sich 2u ps Md erste Ende (die Sidi), 5 in ihr d ein qom (Noah) sich retten und ein Gesetz stiften ^; doch vgl. darüber das weiter unten zu erörternde; ferner ist der ganze Vers 102, 11 woll einfach hinter Vers 8 zu stellen und mit jenen Worten zu eee Solche Versetzungen können theilweise sehr alt seyn, 44. i. älter als alle unsre jetzigen verhältnissmässig jüngeren Handschriften : ja ^4 ides bleibt bei jeder noch die besöndre Frage e ob eee der land des letzten Verfassers selbst herrühre? 1100ob HEINRICH EWALD 4OIHTÀ d un ga, stimmt. Aber um die Kunst der Darstellung etwas mehr zu vollenden, lässt der Verfasser den Urvater alles dies in einem besondern Buche wohlver- zeichnet der Nachwelt übergeben: während er in dieser zweiten Hälfte seines Werkes auf die Geister und Riesen der Urwelt zurückzukommen für über- Bad hält. Das Ganze gestaltet sich also hier im Einzelnen sos Nach der Uberschrift und der nach Sitte vieler Schriftsteller jener Zeiten ire icon satis enger verflochtenen kurzen Einleitung in den Haupt- inhalt e. 92; beginnt sofort die Übersicht aller Geschichte der Menschheit durch ihre versehiedenen grossen Zeiträume und Weltalter c. 93. 91, 12— 17. Der Verfasser zeichnet diese Wersen aber so kurz als möglich; um nur bei seiner wirklichen Gegenwart etwas länger zu verweilen und diese so deullich als möglich 1 beschreiben 93, 9 — 14; auch die wirkliche Zukunft kann er deshalb nicht s führlich schildern 91, 12 — 17. Dem Verfasser zerfällt nümlich die ganze denkbare Weltgesehi ht in zehn grosse, Weltwochen oder in eine iankiieilondt: einander ‚folgende Reihe von 10 lu donate Geschlechtern, unter dér Voraussetzung dass solche 7 grosse chlechter sich auch wohl in Zeiten wo das einzelne 1 kürzer ist in a elemseinon diir schlechter ausdehnen lassen; daher er kurz auch wohl statt der ganzen Dauer der Weltgeschichte bloss 70 Geschlechter nennt 1). Wie eine 80 ganz besondre Vorstellung sich bilden konnte und wie sie dann im Einzelnen hier dedita sei, habe ich schon cilio anderswo. ei ‚soviel ,H9091 . Í. HII as bau nns e n as Nn qi C ewe 10, 12. 14 können nämlich, wie auch vitia angenommen würde, sehr doon dwrohlzvon:unsérm/Verfasser seynt wür wäre dort strenggenommen nur von 70 weniger 7 oder 6 Geschlechtern zu en we zur wirklichen Zeit, Henókh's gui - Geschlechter schon gekommen waren: doch ein so feiner Unterschied konnte desto leichter übergangen werden jemehr es nach S. 119 allerdings a ich noch die früheren Geschlechter p. zu sese zi dee sich zu denken er- in laabt war. e sib, ohne 20 l. der erwühnten daiira. E 4 MS., (manini man ı eut —— Dilmanns bers. S. 294 fl. Ob der Rechnung nach Geschlechtern auch eine nach Jahres- zahlen zur Seite ging (nämlich wahrscheinlich dann sd dass für die ersten 4 Weltwochen ein Geschlecht zu 100, für die drei folgenden eins zu 70 Jahren gerechnet wurde), ist insofern: zweifelhaft als unser Verfasser dies nicht be- stimmt andeutet: doch hat man schwerlich dies fast vollkommne Zutreffen über- ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 141 wir bisjetzt wissen, erscheint sie hier zum erstenmale schriftlich dargelegt; und wenn unser Verfasser sie nicht selbst erfand, so war sie doch sicher sehen. Eine andre hier sehr wichtige Erscheinung muss ich aber hier ergän- zend hervorheben, weil sie die einzelne Berechnung im Sinne unsres Verfassers am genauesten erkennen lässt. Es ist nämlich unverkennbar dass der Verfasser bei allen diesen 7 Wochen gerade das Ende jeder sehr stark hervorhebt und etwas eben diese Endzeit einer jeden sehr bezeichnendes andeutet. Aus der Mitte hebt er nur bei der ?ten die Sintfluth (weil diese ganze Woche durch weiter nichts sehr ausgezeichnet ist), und bei der 6ten die Auffahrt Elia's her- vor: bei diesen beiden lag also dafür ein besonderer Grund vor, aber man merkt dass ihm vielmehr überall vorzüglich nur die Endzeit jeder über alles wichtig scheint. Eine Ausnahme davon würde nach dem jetzigen Wortgefüge nur bei der ?ten Woche stattfinden: allein dass bei dieser das jetzige Wort- gefüge überhaupt verdorben sei, wurde schon oben S.138 bemerkt; und es ist wohl möglich dass der Satz üher dessen nothwendige Versetzung dort éine mögliche Vermuthung ausgesprochen wurde, vielmehr eigentlich ganz an das Ende geworfen werden und dass es statt der jetzigen Aethiopischen Uebersetzung mit geringer Veränderung eigentlich lauten sollte „und bei ihrem Ende wird die Ungerechtigkeit wachsen “, was idi wh Pup die Erzählung i — dass, wie am Mas fe den nun A Sabbat, so hier gerade jedes letzte © Geschlecht der 7 das wichtigste und in irgend einer Hinsicht entscheidende werde: also muss sogar nothwendig immer das auszeichnendste hier auf die Endzeit fallen. Ist dies so, so versteht sich dass in der Reihe der Ge- schlechter die je 7te Stelle nothwendig folgende einnehmen müssen: 1) Henókh; 2) Shélach; 3) Abraham, welcher demnach, was die bekannte Streitfrage über die ihn in seiner Reihe treffende Zahl betrifft, hier nicht als der 20ste son- dern als der 21ste erscheint; 4) Amminadab, welcher nach den Merkmalen Ex. 6,23. Num. 1,7. 2,3 sehr wohl als 3 des Auszuges und der Gesetzgebung lebend betrachtet werden konnte; 5) Salomo; 6) Iojakhin. Man wird finden dass damit die Andeutungen welche unser Verfasser gibt vollkom- men übereinstimmen. Und da Iojakhin bis zur Zeit wo Iosua als Hohepriester (zuerst in Babel) aufstand lebend gedacht werden konnte, so folgen dann 14 Hohepriester gerade bis auf Joh. er dieses nämlich wenn man sie (wie allerdings richtiger ist) streng unter Ausschliessung | ach Ge- schlechtern von Vater auf Sohn zählt, 3 dum statt der eingedrungenen von Onia HI sogleich auf den (freilich nur in Aegypten recht zur e ge- kommenen) Onia IV, von diesem auf Jonathan und Joh. Hyrkanos zählt. Hist. Philol. Classe. VI. S 142 i HEINRICH EWALD, zu seiner Zeit noch ganz neu. Bemerken wir hier nur dass der Verfasser gerade die 7 ersten dieser Wochen als wirkliche Vergangenheit bereits ge- kannt haben muss, und gerade die 3 letzten in die wirkliche Zukunft setzt: só nämlich dass er sich die Ste als die der Ankunft des Messias, die Ote als díe der grossen Ausbreitung des Reiches der Gerechtigkeit, die 10te als díe der letzten Vollendung und Abschliessung aller Geschichte denkt. Die 7te Weltwoche bezeichnet er als die eines thatensüchtigen aber höchst gewaltthä- tigen abtrünnigen Geschlechtes, und fügt hinzu dass an ihrem Ende die nach S. 132 von ihm hochgelobte Wissenschaft auch über alle todte Schöpfung sich ausbreiten werde: beides führt aber auf die Zustände der Gegenwart des Verfassers, und man kann nicht zweifeln dass er sich am Ausgange des durch die 7te Weltwoche von ihm gemeinten Zeitalters, noch nicht aber in der Sten oder der ersten Messianischen Weltwoche lebend fühlte. Aber kaum hat er so für feinere Augen hinlänglich klar die: Zeit durch- blicken lassen welche er unter der Hülle des zur „Gerechtigkeit“ ermahnen- den Henökh wirklich meine 1), so lässt er ihn diese Ermahnung selbst in vollem Strome ergiessen, und es folgt der grosse Haupttheil dieser letzten Hälfte des Werkes 91, 3 — 11. 18 f. 94, 1— 10, 4, 6. Er schliesst mit einigen móglichst erhabenen Worten, dabei vorzüglich auch das falsche Schriftenthum der leichtsinnigen Theilung. und den Zweck seiner eignen hier zu Ende ge- henden Henókh-Schrift berücksichtigend 104, 7— 105, 22). Das ganze Werk kann hier wirklich zu Ende seyn: der Wunsch dass eine solche Weissageschrift durch Leser und Schreiber nicht verändert werden möge, wie er hier 104, 11 — 18 allerdings sehr eigenthümlich ausgedrückt wird, findet sich auch sonst gerne am Ende solcher Werke. 3. Der Verfasser dieses Werkes zeigt sich überall mehr als ein inner- lich tief bewegter und rednerisch eben so als schriftstellerisch gewandler denn als ein dichterisch begabter und die dichterische Kunst leicht hand- habender Mann: wodurch er sich vom Verfasser des Grundwerkes sehr unter- à f Doch mee er nicht alsbald zu Anfange 94, 2 auch dk. eiwas deutlicher dies alles durchblicken zu lassen: ganz ebenso wie er schon an der Spitze des ganzen Buches 1, 2 mit ühnlichen Worten darauf hingewiesen hatte. 2) vgl. ähnlich schon etwas früher 100, 6. ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 143 scheidet. Das Wesen eines solchen Werkes bringt es z. B. mit sich dass eine Schilderung des himmlischen Thrones mit aller seiner Herrlichkeit darin nicht wohl fehlen darf: auch unser Verfasser entwirft eine solche 1), bleibt aber darin weit hinter den entsprechenden Stücken anderer Werke dieser Art zurück. Auch begnügt er sich mit viel grösserer Einfachheit: wo andere Verfasser, wie z. B. der des Grundwerkes S. 126, alle möglichen Arten himmlischer Gestalten einführen, begnügt er sich von der einen Seite mit dem Cherübe 2) von der andern mit Raphael und Gabriel 5). Dagegen wiederholt er gewisse schlagende und kräftige Worte oder Bilder stets mit dem stärksten Nachdrucke, und nichts ist rednerisch oft so überwältigend als sein sanfter Trost oder auch seine noch gewaltigere Drohung; nichts ist z. B. bezeich- nender als das „ihr werdet keinen Frieden haben!« welches er so oft den Ungerechten niederschmetternd entgegenwirft *). Aber während der geistige Kampf welcher damals im Innern des Volkes selbst verzehrend wogte nach allen seinen Antrieben und Waffen und seiner ganzen heissen Gluth aus keinem einzigen Werke uns so hell entgegenscheint als aus dieran, zeigt. ben dieses leider auch sivi wie sich auch von Seiten der Strenger. 1 Begehren und unversöhnliches Verl: 'inmischte ; snchigthon inodoro; Ge- danken und Bildes Wangen sieh aer eu in dio -stürmischen Reden unsers Verfassers 5). Er hat inderthat sehr vieles feiner und tiefer Gedachte, wie 1) Nämlich in der Stelle 14, 8—25: wo auch das himmlische Heiligthum nach Art des zweigetheilten irdischen beschrieben wird. Es versteht sich aber von selbst dass nicht ursprünglich zwei oder gar drei Beschreibungen solcher erhabener Dinge in demselben Werke ausgeführt seyn konnten. 2) 14, 11. 18. 3) Nach den oben S. 134 gegebenen Erláuterungen darüber. 4) Man sehe besonders die Stellen 1,8. 5,4. 12,5 f. 16,4. 94,6. 98, 11.15. 99,13f. 101,3. 102,3. 103,8 in ihrem ganzen TEUER genau an und nehme damit auch solche wie 10,17. 11,2. 105,2 zusammen, und man wird gestehen dass nichts einen 8 Schriftsteller auszeichnender seyn kann als diese só stets wiederklingende Redensart mit dem ganzen Grunde worauf sie ruhet. Auch was bei andern Verfassern z.B. im Grundwerke 45, 6. 58,4. 61, 11 ähn- lich anklingt, ist doch nur entfernt ähnlich. 5) Man nehme z.B. die Gedanken und Redensarten 94,10c. 98,12; e ühnliches bei dem Verfasser des dritten Henókh- Buches 89,59. S 2 144 HEINRICH EWALD, wenn er den göttlichen Zweck der Gabe menschlicher Rede erklärt +): aber doch beherrscht die steigende Verwilderung des inneren Kampfes jener Zeit seinen Geist oft zu sehr. Dass er das vorige Werk näher kannte und manches aus ihm in seinem eignen Werke wiederklingen lässt, versteht sich leicht vonselbst: doch ist er wie in dem Sinne und Zwecke seines Werkes so auch in der Farbe seiner Ausdrücke zugleich sehr selbständig und bildet sogar manches neu. Er ge- braucht z. B. nach des Grundwerkes Vorgange (S. 127) die Namen „die Er- wählten, Heiligen «: aber gewöhnlicher nennt er sie die 5; Gerechten.« Den Namen „Herr der Geister“ vermeidet er gänzlich, und bezeichnet Gott meist nur als „den Mächtigen, Grossen, Heiligen.« Vom Messias an den rechten Stellen zu reden vermeidet er nach dem gau Vorgange des Grundwerkes zwar keineswegs, obgleich er solche bestimm wie sie in jauns Werke ihm vorlagen n it "en rfen nicht entfernt versucht: aber er nennt ihn 1 ganz anders, na mlich nbestim del n Spross (oder die Pflanze) der Gerechtigkeit oder die Wurzel der Gerechtigkeit 2), welches ihm eine liebe Bezeichnung ist, bestimmter aber das Wort Gottes 5), auch den Sohn Gottes 4), und denkt ihn gewiss als in der achten Weltwoche erscheinend 5). 1) Die. beiden Stellen 14, 2 f. 84, 1 erläutern sich gegenseitig und entstammen gewiss demselben Verfasser. 2 vgl. 10,16. 93, 2. 5. 8. 10: es mag nämlich seyn dass man später diese Namen ohne Unterschied vom ganzen Volke verstanden hat (s. der B. der Jubiläen c. 1 in den Jahrbb. d. B. W. II. S. 232): allein 92, 2. 10 wird diese Pflanze deutlich vom Volke unterschieden, und an sich führt der Name am nächsten auf den Messias, nämlich auf einen einzelnen ebenso wie auf Abraham 92,5: Aller- dings kiat auch das Volk, aber nur das Messianische, als „Pflanze des ewigen Samens“ gedacht werden 84, 6 und unser Verfasser liebt auch sonst dies Bild von der Pflanze 103,8 (vgl. 52,5 im Grundwerke): am richüigsten also denkt man sich dass das Messianische als Ganzes darunter verstanden werden solle, T! man am rechten Orte wie 10, 16. 93, 55. 8 auch das Volk verstehen Kann. Ganz ähnlich für das Messinnische Vol ist der Po Gerechte * 5 e EE IR 3) 14, 24. 102, 1: der Logos ist an beiden Stellen zu deutlich 4) 105, 2. 5) Die Andeutung 91,12 genügt für den Zweck; jenes Schwert der Gerechtigkeit wird aber der Mesins führen, weil nur er es kann. ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG: SINN U. ZUSAMMENSETZ. 145 9. Das dritte Henókh- Buch. In den bisher erkannten zwei Werken war nun der eine und zwar der Hauptzweck zu welchem in jenen Zeiten Henókh-Bücher dienen konnten, bereits só vollständig und só kraftvoll erreicht dass darin nicht viel neues weiter gethan werden konnte: wie der heilige Mund eines solchen Urvaters gegen die Ungerechten nach aussen und nach innen rede und wie er die Gerechten erhebe und warne, war in den beiden vorigen Werken só tief ergreifend dargestellt dass ein neuer Schriftsteller darin kaum noch mit ihneu wetteifern mochte; denn so verschieden übrigens die beiden vorigen Werke sind, so stehen sie sich doch in dieser Hinsicht gleich. Aber der zweile Zweck eines Henókh- Buches welcher oben besprochen wurde, dér die Ge- heimnisse der grossen Welt auch nach allen ihren entferntesten Örtern und letzten Wundern- zu öffnen, war zwar vom Grundwerke schon erfolgreich begonnen, von dem zweiten Werke aber sehr wenig weiter verfolgt. So ist es denn gerade dieser zweite fiath und mögliche inei; eines Henóhh- Buches welchen ein neuer Verfasse inse ; dritten Werkes mit fri- schen Kräften aufnimmt und mit nicht ringer gt. Wirklich liess sich in dieser Hinsicht noch viel leisten. Daea alle die Geheimnisse der Schöpfung só zu erklären wie es der wahren Religion des Volkes ent- sprechend und daher am besten vom Munde eines Urvaters hervorgesprochen schien, war in dem Grundwerke bei weitem noch nicht erschöpft, während die Lust solche tiefere ; Weisheit: zu erkennen auch nach dieser Seite hin längst mächlig angeregt war. Freilich wird dadurch dieses Schriftenthum immer mehr dém der Indischen Puränen ähnlich: wie in diesem die Erklärung aller Physik der drei Theile der Welt in die Geschichte der Schöpfung und noch mehr in die Unterweisungen der Rishis der fernsten Urzeiten verlegt wird, ebenso will sich nun ganz unabhängig davon und doch aus ähnlichen Antrieben hier eine Henókh'ische Physik ausbilden, als erster Trieb und Vor- bild der so äusserst mannichfachen und reichen sogenannten Gnostischen Lehr- gebäude, deren Anfänge man deshalb auch (um dies hier beiläufig zu er- wähnen) gar keine Ursache hat erst in das zweite Jahrh. n. Ch. hinab zu werfen. Und wie in den Puränen, weil sie auch für die Geschichte lehrreich 146 HEINRICH EWALD, seyn wollen, die ganze Geschichte von einem Standorte in der Urzeit aus als ` Weissagung eingeschaltet wird, ebenso finden wir hier Weltgeschichtliches erklärt. Zwar versteht sich leicht dass dieser dritte Verfasser, wenn er nach dem Vorgange und Anreize der beiden früheren Henökh-Bücher ein ähnliches schaffen wollte, sich auch an das Äussere eines solchen strenger binden und deshalb auch gegen die „Sünder“ und über die „Gerechten“ viel reden und die sittlichen Zustände und höheren Hoffnungen seiner Zeit in prophetischer Hülle zeichnen musste. Allein die grosse Hauptsache war ihm dies nicht, wie wir aus deutlichen Merkmalen der Überbleibsei seines grossen Werkes schliessen müssen; er folgt darin nur dem gegebenen Muster der beiden vorigen Werke, welche er wie sich aus den sichtbarsten Spuren ergibt sehr wohl kannte und deren Inhalt er theilweise noch viel weiter ausführt. Das wahrhaft Neue und ammeiste Anziehende was er gibt ist- vielmehr die Er- klärung der Geheimnisse der Schöpfung (oder Welt) nach ihrem theils ur- sprünglichen theils geschichtlichen Bestande: und vorzüglich ist was er über den Sternenhimmel und die Gesetze aller himmlischen Kräfte welche die viel- fachen Zeitwechsel bestimmen in grosser Ausführlichkeit vorbringt só eigen- thümlich und so genau erörtert auch offenbar sö absichtlich in grosser Um- ständlichkeit beschrieben dass man wohl merkt wie er eben mit diesen Fragen seinen Geist ganz besonders beschäftigt hatte und darin als Lehrer für seine Zeitgenossen auftreten wollte. Es ist weder das ächt Dichterische noch das Rednerische was in ihm vorwaltet, so wie bei den beiden vorigen Werken: vielmehr ist seine Darstellung weit ruhiger ebenmässiger und, wenn man so sagen soll, wissenschaftlicher in belehrender Sprache gehalten. Doch waren ihm ja schon durch die beiden vorigen Werke künstlerische Handhaben in reicher Mannichfaltigkeit gegeben, und diese gebraucht er weder ohne Ge- schick noch ohne Gleichmässigkeit und Ebenmass. Sodass man sein Werk, wenn in vieler Hinsicht schon unter die vorigen stellen, doch gerade nach dem ihm Eigenthümlichen noch zu den besseren dieses ganzen Schriftenthumes zühlen muss. | Dazu kommt aber dass man unsern Verfasser auch deswegen den eigentlich gelehrten unter den Verfassern von Henókh- Büchern nennen kann, ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 147 weil er auch wo er Geschichte berührt dies überall mit seltener gelehrter Kenntniss thut, wie unten an einem grossen Beispiele erhellen wird. So verselzt er denn auch die Leser weit mehr in die Zeitverhältnisse und. das ganze Haus des Urvaters, soweit er es zum Behufe der künstlerischen Zwecke seines Werkes für nóthig hielt; und nichts ist sogleich bezeichnender als dass er sein Werk als ein ;Buch von Reden Henókh's an seinen Sohn Methusa- lah« verfasste und gewiss auch so überschrieb 1). Der Urvater verzeichnet hier gegen die Neige seines Lebens?) für seinen Sohn was er in seinem Le- ben Denkwürdiges und Lehrreiches von göttlichen Geheimnissen zu verschie- denen Zeiten geschauet: dies ist das leichte Gerüst des ganzen Werkes, und da ein so gelehrtes Buch wirklich mehr für den einzelnen Leser als für die grosse Menge ist, so begreifen wir warum dies Henókh-Buch zum ersten Male wie von einem Vater bloss an seinen Sohn gerichtet wird. Das Werk war, vielen unverkennbaren Zeichen zufolge, weit grüsser angelegt als eins der beiden vorigen: auch sein Zweck und Inhalt sowie die ehrhalle Art der. Darstellung drängte hier zu einem etwas gröpsergn, Umfange ast die Häl on diesem ihm an. D — a gewiss auch sehr vieles von ihm jetzt verloren 3 vorzüglich € vorne zu: und so viel sich über alles Einzelne zu ihm gehörende noch sicher urtheilen lässt, bestand es aus folgenden Theilen: 1. Das Werk mochte etwa so wie das vorige mit der Geschichte des Falles der Engel anfangen: wie wir überhaupt sehen werden dass es in der äussern Gestaltung sich das vorige mehr als das Grundwerk zum Muster nahm. Wie sein Verfasser: aber allen Stoff fester zu gestalten sucht, so wis- sen wir noch aus einem erhaltenen Stückchen 5) dass er diesen Fall, wie 1) Wenn dieses sich nicht von selbst verstände, so ergibt es sich schon aus der ‚Überschrift des Anhanges zu dieser Schrift 108, 1: der Verfasser dieses Anhan- ges oder dieses „neuen kleinen Buches an Methusalah“ ist zwar ein anderer, er kannte aber sicher noch vollkommen das hier zu erklärende Werk. Sonst * 83, 3. 6. 2) Nach der Andeutung 81, 6 vgl. mit 83, 1 f. 85, 1—3. 3) Ganz am Ende 106, 13. 148 HEINRICH EWALD, schwerlich Jemand vor ihm so bestimmt behauptet hatte, in die Zeiten láred's des Vaters Henókh's verlegte. Dieser Anfang ist nun zwar ausser dem kleinen Stücke c. 8 (worüber unten) bis ziemlich weit hinein verloren: wir können ihn jedoch aus einigen Anzeichen etwas wiederherstellen. Nach der Erzählung vom Falle der Engel und dessen traurigen Folgen auf Erden erscheinen Henökl’en drei der hóchsten Engel!) ihn in den Himmel zu heben: ja da er zu etwas so ungemein Hohem von Gott bestimmt wird, so wollen eigentlich alle die nach S. 126 im Grundwerke genannten vier hóchsten Engel ihm entgegen auf die Erde fahren als einer von ihnen zurückbleibt und die drei für hinreichend ge- halten werden ?). Von diesen dreien in den obersten Himmel gehoben, schauet er den göttlichen Stuhl (der hier gewiss ausführlich beschrieben war, s. oben S. 143), und empfängt Aufschluss über den Zweck seiner Erhebung: zwei der vier höchsten Engel zeigen ihm im Himmel schon bildlich dasselbe an den Abtrünnigen zur Strafe zu thuende was nach S. 134 auch der Ver- fasser des vorigen Werkes als von Gott diesen befohlen geschildert hatte; ein dritter muss ihm das ganz neue Geheimniss der kommenden Sintfluth und Noah’s als des aus ihr zu errettenden offenbaren 5). Unser Verfasser ist so der erste welcher die Sintfluth in eine nähere Beziehung zu Henókh setzte, indem er sie ihm im Himmel geweissagt werden liess: sie wird ihm aber hier erst noch als ein blosses Geheimniss eröffnet was er für sich 1) Nach. 8l, 5 aes mit. 8, 2 . 90, 31 (87, 2. 88, 1. 89, D; . werden aber nachher ‚näher Uriel 21, 5 und weiter noch s oft, Rafael 22, 3. 6. 32, 6, Mikhael 24,6 ff. und doped 23, 4 als Führer Henókh's im Bürge und da un- ser Verfasser nach 87, 2 ff. 3 mit dem Grundwerke auch von vier höchsten Engeln redet, so könnte Raguel einerlei etwa mit Gabriel zu seyn scheinen: allein dass dies eben nur Schein ist, wird bald erhellen. und 3) Dies alles ist vorzüglich aus 87, Ris 89, 1a abzuleiten 8 mit 106, 13 fl.: hienach leidet es keinen Zweifel dies bei den Worten 89, 1 auf Henókh selbst als einen der weissen Farren angespielt wird; der dem dies Geheimniss gelten soll, wird ja erst nachher geboren; auch 85, 10 rechnet Henókh.sich in jenem "dient ntm zu den 7 ersten weissen Farren. Wohl aber ist möglich dass der jetzige Wortlaut 89, 1 an Deutlichkeit etwas gelitten hat. Dass er in jenem Jugendtraume c.85— 90 schon auch dás vorausschaut was er selbst spä- ter im Himmel schauen wird, liegt dort bloss in der einmal angenommenen künstlichen Darstellung. i ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 149 behalten solle: denn erst im fünften und letzten Theile des Buches wird davon weiter die Rede seyn. So verknüpft sich auch hier nicht ‚ohne Kunst der Anfang und das Ende des Werkes. Aber dà er nun einmal im Himmel ist, empfängt er die Erlaubniss alle Geheimnisse desselben im weitesten Sinne und Umfange näher zu betrachten: gehört doch zu diesen auch nicht zum mindesten der Ort an welchem künftig die „Abtrünnigen seyn werden oder zumtheil schon jetzt sind 1); und zu Begleitern und Deutern gesellen sich als die besten Kenner aller Theile der Schöpfung auch alle die 7 höchsten Engel zu ihm 2); nachdem ihm noch (wie man sich nothwendig denken muss) zum Voraus geboten ist alles was er im Himmel schaue später für seinen Sohn niederzuschreiben. Dieser Theil des Werkes hat sich jetzt wiewohl vorne nicht vollständig und zusammenhangend genug erhalten c. 20— 36. Das Verstündniss freilich dieser hier als Ge- heimnisse geschilderten Dinge ist uns theilweise sehr schwer, doch ist eine Erörterung darüber hier auch weniger am Orte. Der Fortschritt der Dar- stellung ist hier im Grossen passend der dass erst elei: < c. 33—36 von den Geheimnissen der Sterne und allen weiteren Lufterscheinung rex wird. Denn eben damit ist der Verfasser .3. gerade zu dém gekommen was ihm der ee ee Inhalt seines Baches werden soll, und was er daher nun in sehr ausführlicher Erklärung zu einem besondern Theile seines ganzen Werkes erhebt. Es ist der Theil 1) c. 21 f. vgl. mit den späteren Nachbildungen 18, 11 — 19,3. 67,4. 2) Da wir nämlich noch ausser den 4 Hauptengeln des Grundwerkes andere sicher nicht viel tiefer geltende bei unserm Verfasser erblicken (s. oben), und da das allerdings jetzt sehr abgerissene c.20 Namen und Wesen von 6 Engeln erklärt welche ganz zu unserm Buche stimmen, also c.20 gewiss aus unserm Buche abstammt: so muss man annehmen dass unser: Verfasser ausser jener nächsten Reihe von 4 noch eine grössere von 7 kannte, indem statt der S. 126 erwähn- ten 3 Halbengelwesen noch 3 wirkliche Hauptengel angenommen werden konn- ten; dies bestätigt sich auch dureh 90, 21; aber an eben dieser Stelle des Buches wurden dann passend diese 7 näher erklärt, wovon c. 20 noch ein Überbleibsel ist. Die Zahl 7 war aber gewiss 90, 21 ursprünglicher als die jetzt auch in den Handschriften vorkommende 6; und c. 20 wo ime nur 6 beschrieben werden, kann einer ausgefallen seyn. x Hist.- Philol. Classe. VI. 150 HEINRICH EWALD, welcher von 73, 1 an bis c. 82 sich ziemlich vollständig und geordnet erhal- ten hat, mit der besondern Überschrift „Buch des Umlaufes der Lichter des Himmels.“ Hier wird einer der vier Hauptengel, Uriel welcher (wie schon sein Name sagt und auch dies Werk andeutet) vor allen andern über die Himmelslichter gestellt ist und ihre Gesetze sämmtlich kennt, sein alleiniger Begleiter: ja die Kunst vollendet sich erst durch die Annahme Uriel habe alle diese so bestimmten Erklärungen der schwer zu verstehenden Erschei- nungen am Sternenhimmel selbst aufgeschrieben und Henökh’en überreicht 19. Eines näheren Eingehens in den Inhalt dieses Versuches einer Erd- und Himmelsphysik aus dem zweiten Jahrh. v. Ch. können wir hier umso mehr überhoben seyn, da Dillmann auf die Erörterung gerade dieses Abschnittes viel Fleiss verwandt hat: wir bemerken jedoch hier ausdrücklich dass auch dieser Theil unserer Schrift, obwohl verhältnissmässig gut erhalten , doch keineswegs ohne Verstümmelungen und Umsetzungen geblieben ist2). Der Theil schliesst sehr bezeichnend mit Klagen über die jetzige Störung der Zeitordnung 3), sowie mit dér Bemerkung dass hiemit die Himmelsreise He- nökh’s zu Ende sei und er nun die Aufzeichnung alles dort geschaueten be- 1) s. vorzüglich 75,3. 79, 2—6. 82, 7 f. vgl. mit der Bemerkung schon gegen Ende des vorigen Theiles 33, 3 f. 2) Ich hebe nur Folgendes hervor. Das Stück über die Gesetze des Auf- und Niedergangs der Sterne ausser Sonne und Mond 82, 9 — 20 steht hier ganz am unrichtigen Orte, und gehórte ursprünglich etwa hinter c. 78: eine so grosse . Unordnung kann in keiner irgend guten Schrift ursprünglich walten, und wir haben keine Ursache sie bei unserm so geordneten und gelehrten Verfasser vorauszuseizen. Dazu fehlt an dem Stücke jetzt deutlich wenigstens die ganze zweite Hälfte: auch diese Unordnung haben wir keinen irgend sichern Grund dem Verfasser selbst zuzuschreiben. Übrigens wüsste ich auch keinen billigen Zweifel an der Abkunft dieses Stückes von demselben Verfasser und seiner ursprünglichen Zugehörigkeit zu dem vorliegenden Theile; die Rose 2. B. (über deren merkwürdige Geschichte im Alterthume in den Jahrbb, d. B. W. IV. S. 71 geredet ist), erscheint zuerst in diesem Henókh-Buche, 82, 16 ebenso wie 106,2.10. — Dagegen gehört das Stück 81,1— 4 nach S. 138 ursprünglich in das zweite Henókh - Buch. n 3) s. diese Klagen in sehr verschiedenem Z vgl. mit dem ile v. 3 f. ; ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 151 gonnen habe !). Auch wird die Rede gegen das Ende hin unvermerkt wieder auf das sittliche Gebiet hinübergeleitet 2): denn 4. ein Henókh-Buch muss doch vorzüglich ein prophetisches werden, was das unsrige in seinen bisherigen Theilen noch zu wenig war. Also folgt jetzt ein rein prophetischer Theil: aber es ist für unsern weit mehr von Gelehrsamkeit als von prophetischem Geiste erfüllten Verfasser sogleich wieder sehr bezeichnend dass er hier fast nur wie ein zum Propheten umgekehrter Geschichtserzähler zu Werke geht. Der Urvater will nämlich, so spinnt der Verfasser den Faden fort, an dieser Stelle seiner „Worte an Methusalah« die Erzählung von zwei Träumen aufnehmen welche er schon in früher Ju- gend hatte 5). Der Inhalt des ersten dieser zwei Träume ist sehr kurz: der Urvater erblickte in ihm schon früh ein Bild des Unterganges der Erde, wie ihm nach dem zuvor erläuterten ersten Theile seines Werkes später im Himmel ein deutlicherer Wink über das Kommen der Sintfluth gegeben wurde, und wie unser Verfasser überhaupt nach S. 148 zum erstenmale das Bild der Sintfluth als das Vorbild der kommenden letzten Zerstórung und Umwandlung der Welt in ein Henökh-Buch überträgt. Dies ist das kleine Stück 88, 1—9; unser Verfasser verläugnet zwar auch hier sich nicht als der am liebsten bei den Sternen verweilende, da er Henókh'en darauf voll hóheren Dankes in die Sterne blicken lässt 83, 11 *): doch hält er es für gut hier mit einem eigent- lichen Gebete zu schliessen als welches Henókh damals sogleich niederge- schrieben habe c.84 vgl 83, 10. Allein er entlehnte das mit so leichter Wendung hier aufgenommene Stück c. 84 nach S. 138 gewiss dem vorigen Werke. Desto gedehnter ist die Erzählung a zweiten Traumes, zu welchem jener sichtbar nur eine Vorbereitung seyn soll, c. 85 —90. Hier wird die 1) 81,5 —82,9 wo der deutliche Schluss dieses ganzen Theiles seyn soll. 2) 80, 2—8. 81, 7—9. 82, 4. 3) 83, 1—3. 85, 1 f. vgl. den Schluss des ganzen Theiles 90, 39 — 42. 4) Diese sehr belebte Zeichnung 83, 11 erklärt sich zwar so vollkommen aus der Eigenthümlichkeit unsres Verfassers und aus der Stelle worin sie in seinem neuen Henókh - Buche nach dessen Anlage und Eintheilung steht: dennoch aber erinnert sie unwillkührlich an Essenische Sitten und Meinungen, s. die Ge- | schichte aa F. IL. IV. S. 428. T3 152 HEINRICH EWALD, ganze Menschengeschichte von Anfang an bis zu dem Augenblicke gezeichnet wo der wirkliche Verfasser lebte 85, 3 — 90, 13, woran sich dann vonselbst die Messianischen Hoffnungen reihen 90, 14 — 38: das Ganze an einen Faden gereihet, alsob Henókh diese ganze nur irgend denkbare Geschichte der Menschheit von ihrem Ursprunge an bis zu ihrem möglichen letzten Ende damals im Traume vor seines Geistes Augen vorüberziehend geschauet habe, sodass er alles, auch die (zur Zeit des wirklichen Verfassers noch rein ge- hoffte) Zukunft, wie etwas schon im Himmel geschauetes und daher unzwei- felbar gewisses erzühlen und auch die reinste Zukunft insofern als eine Ver- gangenheit darstellen kann. Nur versteht sich leicht dass der wirkliche Verfasser hier, weil er doch die prophetische Hülle und den Zeitort des Urvaters irgendwie festhalten muss, auch mitten im reinen Erzählen dessen was ihm Vergangenheit und wohlgekannte Gegenwart war, wenigstens - rein geschichtlichen Namen und Zahlen vermeiden muss, demit diese irzühl doch noch etwas anderes sei als eben eine gemeine und leicht bekannte Erzählung. So wählt er denn gewisse Bilder und Umschreibungen sowie gewisse helldunkle Andeutungen und zu errathende Rüthsel, und zeigt in deren Durchführung wirklich viel Folgerichtigkeit und geschickte Kunst, so wenig ihm übrigens auch hier wahre dichterische Belebung und Verklärung . zu Gebote steht. Was uns aber hier besonders wichtig scheint, ist dass der Verfasser, da er nach Obigem auch sonst wo er kann gerne dem vorigen Werke ea 80 e e e in diesem wegen seiner räthselhaften Einkleidung sehr schw lichen und doch wegen seiner geschichtlichen Bedeutung so wichtigen grossen Stücke kein früheres Werk só durchgehends zu Grunde legt und nur weiter ausführt als dás des vorigen Verfassers. Nur wenn man dieses richtig erkennt, kann man vieles hier sonst weit eh s sicherer betrachten und geschichtlich anwenden. Denn nach S. 139 f. hatte auch der Flle des vorigen: end bereits in einem besondern Stücke alle denkbaren Zeiträume der we ltgese! einem grossen Bilde zu umspannen und prophetisch dem Auge des vorzuführen gesucht. Aber jenes prophetische. Gemälde. ist gegen das hier vorzuführende sehr kurzgedrängt und doch für alles wesentlichste genügend, obwohl es durch seine grosse Gedrängtheit weit räthselhafter bleibt als das ’ABH. ÜB. D. ATHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U, ZUSAMMENSETZ. 153 hier viel ausführlicher entworfene. Ferner geht jenes so nahe als möglich von dem Vorbilde des B. Daniel aus, um mit der Vorstellung von 7 höheren Wochen oder 7 mal 7 grossen Zeitwenden die ganze weite Weltgeschichte in einen möglichst engen und doch klaren Rahmen zu spannen: unser Stück aber ist im Ganzen nichts als ziemlich ausführliche Erzählung der wichtigsten Erscheinungen und Ereignisse der Weltgeschichte unter einigen prophetischen Hüllen und durchgeführten Bildern. Und während jenes Stück mit dem hei- ligen 7 mal 7 alle erlebte Geschichte bis zur wirklichen Zukunft und mit 7 mal 10 sogar diese mitumspannt, gibt unser Stück diese grossartig folgerichtige h. Zahl zu einem solchen Zwecke ganz auf!), um nur die blosse Zahl 70 für einen kleineren Theil aller Weltgeschichte beizubehalten, indem es 70 Heidenfürsten als für die letzten Jahrhunderte zur Herrschaft über das h. Volk göttlich vorherbestimmt setzt. Aber obschon die Zahl 70 auch in Bezug auf ein Ganzes von Herrschern schon früher heilig war ?), sodass insofern diese neue Anwendung derselben nicht zu fern lag: so erscheint sie doch hier nur noch als ein vereinzeltes Überbleibsel aus den weit bedeutsameren b ‚näher liegenden 70 des. 2 Werkes und des B. Daniel. Beweist nun schon n Stück h r dies alles Stück, „ später seyn muss als das oben S. 130 fl. weiter beschriebene, hò toigh sich noch mehr im Einzelnen wie gewiss unser Verfasser auch hier das vorige Werk wo es ihm irgend passend schien zu Grunde legte. Wir können bei dieser überaus langen Darstellung aller denkbaren Weltgeschichte passend 4 grössere Zeit- räume unterscheiden: bei jedem dieser 4 Zeiträume leuchtet aus der Zeichnung unseres Verfassers das vorige Werk als letzter Grund hervor. Den ersten Zeitraum können wir bequem bis zur Sintfluth e er wird sehr ausführlich gezeichnet, schon weil hier die Grundbilder für das ganze grosse Gemälde zu entwerfen sind, 85, 3 — 89, 1; und die Ebenmässig- keit des ganzen grossen Gemäldes forderte dass hier 5) unter den neuen von I) Vielmehr gelten diesem Verfasser 10,000 Jahre als der Kreis der Weltgeschichte, nach 21, 6. à 3) Etwas anderes als dies habe ich in der Geschichte EV: OW 287 M e 8. L3 nicht Sagen wollen. 3) Nämlich 86, 1 — 89, l? vgl. auch 90, 21. 154 j HEINRICH EWALD, hier an die ganze lange Darstellung fesselnden Bildern vorzüglich doch dasselbe erzählt wurde was nach S. 147 f. bereits im ersten Theile dieses ganzen dritten Henókh-Buches freier und ausführlicher dargestellt war. Aber wir sahen auch bereits dort wie der Verfasser die für diese Geschichte vom vorigen Werke gegebene Grundlage nur neu gestaltete und weiter ausführte. Als zweiten Raum unterscheiden wir hier die Zeit vom nahenden An- fange der Sintfluth bis zum nahenden Anfange der Heidenherrschaft 89, 1'— 58. Die Erzählung hält sich hier sehr einfach an die bekannte Geschichte bis in das 7te und 8te Jahrh. v. Ch., und hat sehr wenige Auffälligkeiten. Aber gerade das wenige was darin auffällt und nicht so ganz gewöhnlich ist, er- innert näher betrachtet desto stärker an das genannte Grundstück c. 93. Warum 89, 10 f. die Zeit ziemlich bald nach der Sintfluth als die der Entstehung der verschiedensten und zwar wildesten zerstörerischsten Völker beschrieben wird, erhellet nur aus der S. 141 erörterten Zeichnung des Endes der zweiten Weltwoche und der darauf bis Abraham folgenden Zeit; und warum 89, 48—50 in der Zeichnung David fast vor Salómo ganz in Schatten tritt , lässt sich wiederum nur aus dem Vorgange des Stückes 93, 7 erklären. Auch sonst lässt sich der Einfluss jenes älteren Stückes auf dás dieses dritten Henókh- Buches erkennen. Als ein dritter Zeitraum erscheint nun 89, 909 — 90, 13 die Herrschaft der 70 Hirten über das der gerechten Strafe verfallene A olk, oder die Zeit etwa vom Sten und 7ten Jahrh. bis zu der wirklichen Gegenwart des Ver- fassers. Eben hier beginnt für diesen Verfasser erst eine heilige Zahl, und nichts ist ihm in diesem ganzen langen Stücke so eigenthümlich als die Schö- pfung dieser 70 Hirten und die weitere Anwendung welche er von dieser Zahl macht. Allein bedenken wir dass ihm diese ganze Zeit doch nur die Tte Weltwoche des vorigen Verfassers mit einiger weiteren Ausdehnung nach vorne hin ist, so begreifen wir wie ihm sogar auch damit schon eine Hand- habe gegeben war gerade hier die h. Zeitzahl anzubringen: und ein Neben- blick auf das B. Daniel genügte ihm um vollends aus 7 hier 70 zu bilden. Aber er wollte sichtbar vermittelst dieser geheimnissvollen Zahl für nach- rechnende kundige Leser den Augenblick. der Gegenwart nach allgemeiner Zeitrechnung noch sicherer errathen lassen als er in dem’ Kunstbilde des ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 155 vorigen Verfassers angegeben war: so gesellt sich seine weite Gelehrsamkeit auch hier zum Geheimnissvollen, und er zeichnet in grosser Ausführlichkeit ein helldunkles Bild dieser ganzen eben der Gegenwart wegen wichtigsten Zeit, welches doch gewiss für jeden tiefer Nachdenkenden und mit der gehö- rigen Geschicklichkeit Nachrechnenden dennoch sich in reines helles -Licht verklären soll — Eben dies ist der aus dieser und vielen andern Ursachen üusserst schwierige Abschnitt den ich bereits früher zu einem sicheren Ver- stündnisse zu führen mich bemühete !): indem ich zeigte einmal dass diese 70 Hirten nur Heidenkónige seyn. kónnen, zweitens dass die Zahl 70 nach dem ächten Sinne des Verfassers in 12 +23 + 23 + 12 zerfallen solle 2), drittens dass mit diesen ebenmässig 4 künstlichen Zahlenreihen die 4 grossen Zeitwechsel in der Herrschaft dieser Könige (oder mit andern Worten, 4 ge- schichtlich bedeutsame grosse Wendungen in der fremden Herrschaft über das Volk) gemeint seyn müssen, und endlich viertens dass die 12 letzten dieser Kónige die Seleukiden von Antiochos M. bis zum zurückgekehrten Démétrios II seien, wodurch sich denn auch das Zeitaller des Buches so scharf als nur möglich bestimmt. Alles dies scheint mir noch jetzt völlig sicher, und damit ein heller fester Grund in diesen sonst leicht so gänzlich schlüpfrigen dunkeln Gebieten gewonnen zu seyn. Nur meine ich jetzt die Rechnung des Ver- fassers noch vollstándiger nachrechnen und damit jenes Ergebniss noch weiter bestätigen zu können. Wie ich nämlich dort gezeigt habe dass die 12 letzten der 70 Könige auch wirklich 12 Könige der Reihe nach waren, so scheint es nur entspre- chend dass der Verfasser unter den drei vorigen Reihen von 12 + 23 + 23 ganz genau nachzurechnende geschichtliche Könige geben wollte, nicht aber etwa bloss runde Zahlen durch eine Theilung aus der grossen runden Zahl 70. Zwar würde es nur ein seltsamer Zufall seyn wenn die Zahl der fremden 1) In der Geschichte des V. I. IV. S. 398 f.: zu den dort ausgesprochenen Er- kenntnissen und Ergebnissen führen im Wesentlichen jetzt auch die ausführ- lichen Erörterungen Dillmann’s. 2) Hätte der Verfasser 72 Könige setzen wollen, so würde er unstreitig 12 +24 + 24 + 12 abgetheilt haben, um den Stufengang zu — bei 70 konnte er zweimal nur 23 ism. 156 Al ] HEINRICH EWALD, Herrscher bis zur Gegenwart des Verfassers wirklich gerade 70 wäre; wir können uns vielmehr; da die Heiligkeit dieser 70zahl ihm entgegenkam und er nun in der wirklichen Geschichte ihre Erfüllung suchte, auf einige kleinere Willkührlichkeiten: im Auswählen der Könige gefasst machen: allein von der andern Seite ist doch einleuchtend dass er sein eignes Kunstspiel zerstören würde wenn er ein Nachrechnen nicht auch dem kundigen Leser gestatten wollte, wenn er also nicht seiner Rechnung sicher genug war; woraus folgt dass die Willkührlichkeiten im Auswählen von Kónigen welche er sich etwa erlaubte überhaupt nicht gross seyn konnten und jede wieder ihre leichte Entschuldigung haben musste, sodass jeder andre leicht etwa auf dasselbe kommen musste. Und inderthat bewährt sich dies im Einzelnen. Als die ersten 12 Könige müssen wir nämlich theils und vor allem Assyrisch- Babylo- nische theils neben ihnen auch Ägyptische suchen, weil ihre Herrschaft nach 89, 65 — 67 bereits vor der Zerstörung des Tempels anfing. -Nehmen wir also nach Gründen die ich hier als bekannt voraussetze, zuerst die Assyri- schen 1) und Babylonischen Könige soviele auch nach dem AT. hieher gehören und dort ausdrücklich genannt werden, nämlich die 5 Assyrischen von Phül bis Asarhaddon und die 3 Chaldäischen welche man bis zur Zerstörung Babel's gewöhnlich allein rechnete 2), und fügen die 4 Ägyptischen von Nekhö bis Amasis hinzu nach dessen Tode Ägypten sobald erobert ward dass Amasis Sohn kaum in Anschlag kommt, so haben wir gerade die 12 ersten welche der Verfasser unterscheidet. Die genannten Ägyptischen 4 gehören aber ganz hieher, weil sie theils im h. Lande wirklich herrschten, theils eine sehr grosse Menge Israeliten zu Unterthanen hatten: wie denn überhaupt von jetzt an die Herrschaft über das h. Land immer zwischen Ostasien und Ägypten pne .1) Die piina auszuschliessen haben wir derbe: keinen Grund; auch scheint mir jetzt der Ausdruck 12 Stunden 89,72 in dichterischer Abwechslung nicht teen zu seyn von dem sonst hier ger er vgl besonders 8.90, 1. 2) vgl. die Geschichte des V. I. IV. S. 85 nt. und dazu weiter Jer. 27, 7. Seder Olam c. 28; auch Herod. 1, 188. Soweit die Geschichte aus dem AT. zu er- kennen war, richtete man sich offenbar immer am liebsten nach ihm: aber vom Anfange der Persischen Zeiten an musste man andere: Quellen benutzen, und besass sichtbar auch viele gute. ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 157 war, die Könige der beiden fremden Länder also, wenn diese getrennt waren, immer hier zusammengezählt werden können. Damit sind denn inderthat die 23 der folgenden Persischen Zeit schon sogut wie bestimmt: denn rechnet man, wie billig, von dem Meder Dareios!) und Kyros alle weiteren Persi- schen Könige welche in der Reihe angeführt werden können, so wie sie z. B. im 27sten Manethonischen Königshause stehen 2), und fügt zu diesen 15 die 8 welche die Manethonischen Verzeichnisse für das 28ste bis 30ste Königs- haus nachweisen: so zeigen sich für diesen Zeitraum wirklich 23; und gewiss war es dies seltsame Zusammentreffen von 12 + 23 d.i. der Hälfte von 70, welche den Verfasser bewog die Rechnung nun auch wo möglich weiter zu führen, da vor allem von unten die Reihe der 12 Seleukiden welche unmit- telbar über das h. Land herrschten ebenfalls einmal feststand. Es fielen nämlich nun gerade 35 auf die Griechische Zeit, so zu berechnen dass 23 von ihnen vor jene letzte und wichtigste Reihe der 12 zu stehen kommen. Nun war die Griechisch-Makedonische Herrschaft trotz ihrer bald eingetretenen Spaltung doch im Ganzen gleicher Art, und nur Könige von ihr konnten hier in Rech- nung kommen; wenn t maneio Ptolemäisch und $ Seleuk ische, doch auch Alexanders Haus und als dessen Fortsetzung die folgenden Makedonischen Könige. Rechnen wir also, unter Auslassun; der schnell wieder erloschonon oder zu kleinen Griechisch- Makedonischen Herrschaften, 1) Alexander und die beiden nächsten Nachfolger aus seinem Hause, Cassander als den Erben dieses Hauses, dann statt der 3 kaum in Anschlag kommenden Söhne dieses sogleich Antigonos und Démétrios als die mächtigen Gründer des nun in 5 Königen folgenden neu-Makedonischen Hauses; nehmen wir sodann 2) die 7 ersten Ptolemáer dazu, und gehen 3) vonda zu den 5 ersten Seleukiden fort, so haben wir nicht nur die 23, sondern auch die rechte Brücke zu den oben bezeichneten letzten 12. Und wirklich liegt diese ganze Berechnung só nahe und ist in sich selbst so wohl zusammenhangend dass wir nicht zweifeln sie sei die ursprünglich von unserm Verfasser bezweckte gewesen. Abgesehen indess von dieser unserm Verfasser ganz eigenthümlichen Erfindung und Vertheilung der 70 Hirten trágt auch hier bei dem dritten Zeit- J s. die Geschichte IV. S. 81. 2 Jedoch mit Im den Africanus auslässt aber PE br Hist. Philol. Classe. VI. U 158 HEINRICH EWALD, raume unser Stück unverkennbare Spuren einer Abhängigkeit von dem we- sentlichsten Inhalte des Stückes des vorigen Henökh-Buches. Wie dieses nach S.142 alle diese Jahrhunderte als eine Zeit der Abtrünnigkeit (d. i. des Eindranges insbesondre des Griechischen Heidenthumes) betrachtete: ebenso unser Verfasser, nur dass er ergänzend und verdeutlichend seit dem Anfange der 12 letzten Hirten d.i. seit der Zeit Antiochos Epiphanes’ und schon einige Zeit früher das Aufkommen neuer gläubiger aber leider nur zu oft von ihren Zeitgenossen verlassener Helden (der Makkabäer) annimmt 90, 6— 13. Unter diesen Makkabäern ferner zeichnet er nur zwei vor allen andern aus, nämlich den Fürsten lonathan und noch mehr den Joh. Hyrkanos: damit trifft er wieder mit dem vorigen Stücke só vollkommen zusammen dass nichts ähnlicher seyn kann. Auch reicht er uns späten Lesern dadurch einen inderthat höchst will- kommnen Beweis dass wir uns in der oben S. 140 ff. mitgetheilten Erklärung dieses etwas älteren Stückes nicht irren. Auch unser Verfasser schrieb dem- nach unter Joh. Hyrkanos 1): und nach dem letzten was er von der Gegen- wart zu sagen weiss, kam dieser Fürst eben damals in eine neue grosse Gefahr durch Griechische Angriffe erdrückt zu werden; welches nur auf die -Zeit passt da Démétrios II zum zweitenmale Syrischer König geworden mit neuen Kriegen drohete. Denn von der einen Seite muss Joh. Hyrkanos damals schon etwas länger geherrscht haben; dies war ja schon das 21e Henókh- — aus seiner Zeit: von der andern wurde seine Herrschaft seitdem nie er ernstlich von den Griechen angefochten. Und ganz unabhängig davon weist uns ja nach obigem auch die Reihe der 70 Hirten auf diesen Zeitort. Endlich bildet nach obigem einen vierten Zeitraum die Schilderung der wirklichen — 90, 13—38 pa hier verlässt unser "— zwar das an Es scheint mir indessen beim Rückblicke‘ auf meine zu sehr ——À Zeiten . angestellten Untersuchungen nützlich hier kurz zu erwühnen dass ich zuerst bei c. 89 f. das Richtige über die jüngste Gegenwart des Verfassers fand, dann pater und ‚ganz ng davon. auch das S. 140 ff. über | e. 92 ausgesprochene noch bestimmter auffand. 2) Dass von 90, 14 ‚an die Schilderung der wirklichen Zukunft í loptic, lässt sich als im Sinne aller Worte sowie in der ganzen Anlage des grossen Stückes lie- gend beweisen. Zwar möchte Dillmann v.14 auf den Ausgang des Krieges wegen Samariens und auf die in Jos. arch. 13: 10,3 aufbewahrte Volkserzäh- ABH. ÜB. D. ATHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 159 entsprechende Stück des vorigen wiederum was die Eintheilung. in Wochen betrifft, folgt ihm aber sonst in den wesentlichsten Dingen, und führt nur seiner Gewohnheit gemäss auch hier alles weiter aus. So kehrt hier 90, 19 das oben S. 144 besprochene grosse Schwert wieder: nur wird dieses hier weniger treffend vom Messias getrennt, welcher vielmehr bei unserm Ver- fasser erst ganz am Ende 90,37 f. und zwar wenig klar und lebendig er- scheint, wiewohl er ihn auch das Wort nennt ). — ren alles dies wird für Methusalah geschrieben. 5. Doch der Schluss muss dem Anfange eee Henökh. erlebt noch die Geburt seines Urenkels Noah, und gibt bei dieser unter den. selt- samsten Zeichen vorgehenden Geburt nun erst der Menschheit den Aufschluss über diesen Helden der Sintfluth, welchen er selbst nach dem ersten Theile schon früher vom Himmel aber damals als ein Geheimniss bloss für sich em- pfangen hatte, c. 106 f. 2). Damit war dieses ganze grosse Buch völlig abge- schlossen. — In der Farbe der einzelnen Worte und Begriffe schliesst sich dies Werk zwar gerne nahe dem vorigen; an, an aber doch a — ; über « ein wre dem bejahrten Hyrkanos j im Tempel zugekommenes Orakel : beziehen , sodass die Zeichnung der wirklichen Zukunft erst mit v. 16 begónne: allein jener Krieg um Samariens Besitz war nicht so äusserst gefährlich für den Bestand der Herrschaft Hyrkanos' selbst, und die letzten Reste der Syrischen Herrschaft waren damals lüngst 1 8. vor allem aber scheint mir unver- kennbar dass die wirkliche Zukunft mit v. 14 beginnt, nicht mit v. 16. 1) 90, 38: denn obgleich 770. das gemeinere Äthiopische Wort für den Begriff des Griechischen Aóyec ist und die Äthiopische Kirchensprache für Christus das alterthümlichere höhere Wort PA vorzieht, so verstand doch der Äthiopische Übersetzer unsres B. jenes Wort hier offenbar vom Logos, und fand es im Griechischen Wortgefüge hier vor; dazu fand unser Verfasser den Ausdruck sogar in dieser auf den ersten Blick uns auffallenden ganz kurzen Fassung das „Wort“ (Gottes) nach S. 144 schon im vorigen Werke vor. Wir können daher an der Ächtheit dieses Wortes hier und an seiner Bedeutung nicht wohl zweifeln. T7 vu beginnt nämlich das neu zu sagende unläugbar mit 106, 155, weil sonst eben über das neue nichts neues gent würde was man nicht schon. hätte ‚leicht: errathen können 1 D. 2 IUE U 2 160 HEINRICH EWALD. vorigen Werken 4 Hauptengel an als bei gewissen hóchsten göhtlichen Auf- trägen zunächst sich betheiligend, dehnt aber ihre gesammte Reihe doch schon anders als das Grundwerk S. 126 bis zu 7 unter sich gleichartigen aus !). Und ebenso nimmt er gerade 7 böse Hauptengel an 2). Die guten höchsten Engel bezeichnet er gern als weissgekleidet, nennt sie auch wohl kurz die Weissen 3); sonst aber nennt er Engel auch die bösen gerne schlechthin Sterne 4), was sich aus seiner Liebhaberei für Sternenkunde leicht erklärt. Das h. Land nennt er gern „das gesegnete > schöne“, und spricht überhaupt gern von ihm, sowohl wie es bis jetzt ist als wie es in der Vollendung der Dinge seyn werde 5). Anderes ist oben berührt. Das Werk empfing später von der Hand eines uns sonst gänzlich Unbe- kannten den Anhang welcher jetzt als c. 108 noch immer am Ende des ganzen grossen B. H. erhalten und als ein solcher fremdartiger Zusatz leicht erkennbar ist. Allein es ist wohl zu bemerken einmal, ee ue uiam Zusatz zuerst eben nur zu unserm besondern Buche hinzukam (S. 147); und zweitens, dass das Essenische Wesen welches in unserm dritten Henókh- Buche nach S. 151 zum erstenmale wiewohl noch ziemlich leise hervortritt, in diesem etwas spätern Zusatze ähnlich aber bereits viel stärker und ausge- bildeter erscheint. Woraus sich denn auch leicht ergibt unter welcher Art von Lesern das dritte Henókh-Buch von den ersten Zeiten an am meisten verbreitet war. 4. Das Noah- Buch. Mit Besen drei Henökh Dudeh war nun sicher alles erschöpft was auf diesem Gebiete unter dem Namen des Urvaters leicht N werden I!) s. darüber weiter oben S. 148 f. Anders wird wieder das folgende —-— Werk diese himmlischen Gestalten auffassen. 2) Nach c.8 vgl. mit 21,3. 18,13; das Wortgefüge ist bei c. 8 weit besser im : Äthiopischen als im Grisolia: (bei G. Synkellos) erhalten; und on c. 8 aus diesem Werke stamme lüsst sich auch sonst 1 ; 3) 87, 2. 9, 3L J. . 4) Nach 21, 3. 6 (18,13. 18 s. unten). 86, 3. 87, 4. 88.1.3. 90,2 ep" 5) 26,1. 27,1. 89,40 vgl. v. 75. 90,16. Auch der Nane „das Erythräische Meer“ 32,2. 77, 6 f. weist auf Gleichheit des Verfassers. ABH. ÜB. D. ATHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 161 konnte; und ein neues mit selbständigem Inhalte konnte unter dieser Hülle kaum noch weiter verfasst werden. Allein der Trieb unter der leichten Kunst solcher wie aus den unschuldigen Räumen der Urwelt kommenden Bücher die Zeitgenossen zu belehren und zu unterhalten war damit erst recht erwacht: und er suchte desto stärker neue nicht zu weit von dem mit Henókh bereits gebahnten abliegende Wege, jemehr der Geschmack an Geheimnissen aller Art und vorzüglich an solchen aus der Urwelt erschallenden im Steigen war. So ergriff denn ein gegen die drei vorigen gehalten ziemlich späterer Schrift- steller den Namen Noah's als den in jeder Rücksicht an den Henökh’s zunächst grenzenden zur Ausführung eines ähnlichen Kunstwerkes, nachdem das dritte Henókh-Buch nach S. 159 bereits einen Übergang dazu gebahnt hatte. Dieses ist dás Buch von welchem sich im jetzigen B. H. ebenfalls noch Bruchstücke erhalten haben, aber wenigere als von irgendeinem der 3 Henökh- Bücher, und dazu sehr zerstreute: wie sogleich zum deutlichen Zeichen dass man dieses jüngste Werk bald weit weniger der vollständigeren Aufbewahrung werth fand. Wir können es BR pe seiner üussern ehe. - vae derung nach weniger lil er 80 aber ur u Der Verfasser batte diret seine f areiiatuifino vonselbst die Möglichkeit den ersten Weltuntergang mit dém der Zukunft so eng als möglich zusam- menzustellen: und wirklich ist dies nun, nach den im dritten Henókh- Buche dazu gegebenen Vorbereitungen, das erste Werk in welchem diese beiden Weltuntergänge nach ihrer Ähnlichkeit und Verschiedenheit ganz in einander verarbeitet wurden, wie wir noch aus seinen Überbleibseln deutlich ersehen können. Welche wunderbarste Zeichnungen und Schilderungen waren dadurch einem solchen geschichtlichprophetischen Werke möglich! wir zweifeln aber dass unser Werk der ihm dadurch vonselbst gegebenen Erhabenheit entsprach. Vielmehr war diesem Verfasser offenbar eine sehr umfassende Zeichnung recht vieler und grosser Geheimnisse der Engel- und Himmelwelt von der einen und vieler menschlicher Künste Irrthümer Zaubereien und ahnlicher übler Geheimnisse von der andern Seite eine Hauptsache: und wir. begreifen wie abschüssig diese vorzüglich von dem dritten Henókh-Buche geöffnete Bahn 162 HEINRICH EWALD, ist. So führte er die Siebenzahl der bösen Hauptengel welche wir im dritten Henökh-Buche fanden, bis zu 21 verdreifacht fort, mit einem neuen Namen Semjäzä für ihren Obersten 1); und dazu erzählte er noch sonst sehr vieles von den Reihen Arten und Erfindungen der bösen Geister 2), alles dies auf sehr eigenthümliche Weise, mit einer Menge neuer und meist wohl erst von ihm selbst gebildeter Eigennamen. Denn irgend jemand muss doch solche künstliche Namen und Namenreihen und sonstige feste eara t zuerst gebildet haben. Dabei benutzte er wohl alle drei obigen Henókh-Bücher, am meisten aber das Grundwerk, dessen sehr eigenthümliche Sprachfarbe er sich sogar nachzubilden befleissigt, Auch nahm er gewiss aus diesen früheren Büchern sehr vieles in sein eignes Werk auf, theilweise dies auch wenn der Kunst- anlage nach etwas verhüllt doch offen genug eingestehend 5). Da er aber den Stoff der vorigen Werke wenig mit eignem Geiste verarbeitete, so ent- stand schon dädurch das Schwerfällige und Gesuchte in der Darstellung wel- ches noch jetzt in den wenigen Bruchstücken dieses Werkes unverkennbar ist. Sein höherer oder sittlicher Zweck war übrigens dém der beiden ersten Henökh-Bücher sehr ähnlich. Das Werk mochte sehr ausführlich seyn, und zerfiel wohl nach der Annahme in mehrere lose Theile dass Noah'n während seines langen Lebens die göttlichen Ankündigungen der Sintfluth immer näher kamen: wobei denn in jedem Abschnitte die göttlichen Geheimnisse nach der Reihe immer näher aufgeschlossen werden konnten. Diese Theile des Buches wurden wahrschein- lich Bilderstücke benannt *), auch dies nach dem Vorgange des Grundwerkes. 1) 6, 7 f., ein Stück welches mit seinem ursprünglichen weiteren Verlaufe erst 69, 2— 16a wieder aufgenommen und dort, obwohl jetzt ohne ein richtiges Ende, vollstándiger gegeben wird. Wir Khansn aber wohl annehmen dass es in seinem vollen Umfange ursprünglich hier vorne stand. 2) Was sich jetzt, wie oben gesagt, c. 69 weiter findet, aber 6, 8 schon ange- deutet wird. 3) Nach den Worten 68, 1: worüber weiteres unten. 4) Man kann nämlich die Worte 60, 1» nur so leicht verstehen, zumal wenn man damit 68,1 vergleicht. Zwar steht dort für Or Wülibes sonst solche Bil- dersilibho: bezeichnet, das etwas anders gebildete Ari: allein einen wesentlichen Unterschied soll dies wohl nicht ausmachen. ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 163 1. Vorne stand gewiss eine Geschichte des Falles der Engel, wovon sich noch ein Bruchstück 6, 3—8 erhalten hat 1). Diese Geschichte war danach hier sehr weit ausgeschmückt gegeben. 2. Als die Erde bitter unter den Folgen des Abfalles der höheren Geister leidend endlich zum Himmel ruft, und die vier Hauptengel, hier etwas anders als in den vorigen Werken benannt 2), ihre Klage dem göttlichen Stuhle vortragen, entsendet Gott einen Engel an Noah ihm das göttliche Gericht und seine eigene bessere Bestimmung anzukündigen, und gibt zugleich im göttlichen Rathe den Hauptengeln seinen Beschluss und die von ihnen dabei zu leistenden Dienste weiter kund. So etwa leitete dieses Werk, hier an die beiden letzten der drei vorigen vorzüglich eng sich anschliessend, die Darstellung weiter 5): und dichterisch genommen musste dieser Theil die ganze Vorbereitung aller folgenden Entwickelung bis über die Sintfluth hinaus in éinem grossen Bilderstücke geben. 3. Von den Engeln zum erstenmale in den Himmel aufgenommen, em- mah nun Noah dort eine Übersicht aller seiner ne Geheimnisse: hier Har og H3 34 1 ‚wo. vom "dimi Za al) Wani die aid Stellen, zusamm Bereit ced M 4:05 11. 69, d "eh : 2 5 1 so wie wir sie noch "ur 9, 1 im eoo m Wortgefüge sehen, während das Griechische bei G. Synkellos auch hier das Eigenthümlichste ver- wischt hat. Der Süriel welcher hier statt des oben S. 126 beschriebenen Phanüel erscheint, sollte wohl diesem der Bedeutung entsprechend ursprünglich NY seyn, nicht bya wie die Späteren wohl erst wieder der Schreibung Griechi- scher Bücher folgend den Namen ausdrücken. 3) Bruchstücke dieses Theiles finden wir jetzt von c.9 bis c. 11 sehr zerstreut und schwer zu scheiden: ausser den oben besprochenen Namen 9, 1 gehören aber sicher dahin die Worte 9, 7. 10,1 3. 11. 22». Wir können $édüch eben dahin auch das jetzt weit versdidágen stehende Stück 54, 7 — 55,2 ziehen. denn einmal steht es nach S. 123 sicher an diesem Orte nicht ursprünglich, obwohl es schon durch den letzten Verfasser des ganzen grossen H. B. dorthin versetzt seyn mag; und zweitens schliesst es sich dem Inhalte nach ganz an die Worte 10,22» an. Es mochte die letzten Entschlüsse und Worte der Rede Gottes in jener Rathsversammlung enthalten, wogegen die Fassung der Worte 55, 1 schwerlich Einspruch erheben kann: und den kurzen Sinn der Worte hatte der letzte Verfasser schon 10, 22» donum; als er hier de u Stelle voller zu au für gut fand E à 164 i HEINRICH EWALD, folgte das Werk wohl überall sehr wörtlich dem ersten und noch mehr dem dritten der Henókh-Bücher, sodass was in diesen zuerst aus guten Gründen nur von Henókh geschildert war, jetzt auf dessen Urenkel übertragen wurde; wie dieses Werk ja überhaupt so zwischen Urgrossvater und Urenkel man- nichfach spielt und diesen als den wahren Erben fast aller Herrlichkeiten jenes setzt. Das Stück c. 17 — 19 im jetzigen H. B. ist nämlich allen Umständen nach ein Bruchstück aus diesem Theile des Noah-Buches, wo der Stammvater der neuen Menschheit von sich selbst erzählend eingeführt war: zwar fehlt hier der Name Noah oder „Lamecks Sohn«: allein man sieht nicht ab woher der letzte Verfasser des grossen H. B. dieses Stück, welches vorzüglich nur ein kürzerer Auszug aus dem oben beschriebenen zweiten Theile des dritten Henókh- Buches ist, anders als aus dem Noah-Buche haben könne. 4. Während dessen rückt im langen Leben Noah's die Frist der Sint- fluth immer näher: im 500sten Jahre dieses Lebens, welches schon nach alter Sage für seine höhere Bestimmung so entscheidend war 1), erzitterte Erde und Himmel schon im Voraus wie im Vorgefühle des nahenden Endes der Dinge. Aber der gleichfalls erzitternde Noah empfängt in diesem Augenblicke nur höhere Stärkung und weiteren näheren Aufschluss über die Art wie Gott selbst nach dem zerstörenden Ende der Wiederkehr künftiger ähnlich grosser Zerstörung abhelfen werde 2). So leitet sich hier alles an einem losen Faden fort: und sicher konnte an dieser Stelle noch weit mehreres dargestellt seyn als wir jetzt hier lesen 5). 5. Wieder später, als die grosse Frist bereits nahe genug gekommen 1) Nach Gen. 5, 32; dass der Name Henókh im Äthiopischen Wortgefüge 60, 1 . unrichtig für Noah stehe, hat Dillmann schon erklärt. n 2) Dies das Stück über Leviathan und Behemoth 60, 1— 10. 24 f. (über v. 11—13 oben S. 122), dessen richtige Erklärung durch Dillmann sehr erleichtert ist. Die Ansicht selbst dass die jetzige Erde unten auf einer wie über dem tiefen Weltwasser liegenden und deren neuen Ausbruch verhütenden ungeheuern Schild- war unser Verfasser vielleicht der erste welcher sie auf den Leviathan übertrug, da dieser in frühern Zeiten (nach dem B. Ijob) vielmehr als an den Himmel wie ein Gestirn versetzt galt. "em 3) c. 64 stand vielleicht hier irgendwo. ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 165 und Noah ein seltsames Erkranken und Schwachwerden der Erde unter unt willkührlichem Schaudern erlebt, empfängt er von dem in. Angst aus seiner Ruhe im Paradiese herbeigerufenen Henókh sowie zuletzt von Gott selbst die letzten Aufschlüsse über das nun unabwendbar alsbald kommende Ende, sowie die letzte und kräftigste Mithülfe zu seiner eignen Rettung. Dieses ist noch das längste und zusammenhangendste Bruchstück aus unserm vierten Werke welches sich erhalten hat, 65, 1 — 69, 1 !). 6. Es versteht sich vonselbst dass zuletzt die Beschreibung des wirk- lichen Einbruches des Endes der ersten Welt aber auch der Errettung Noah's mit seinem Hause sowie der daran sich eng anschliessenden Drohungen und Verheissungen für die ganze neue Welt bis zu dem auch ihr zuletzt bevor- stehenden Ende folgte. Allein von diesem ganzen, vielleicht dem in mancher Hinsicht wichtigsten Abschnitte des Buches hat sich im jetzigen B. H. nichts gerettet: offenbar bloss deswegen weil der letzte Verfasser diese letzten Stücke des Noah-Buches mit Recht für zu fremd hielt um mit Henókh- Büchern irgendwie enger verbunden zu werden. Über ein kleines Bruchstück welches sich dennoch wahrscheinlich aus cm shear hal; wird unten ques ^um FFF ihe ofa nette 8 „Dal 1 a grosse p c Buch. Wir hahon nun in den bisherigen Schriften von vier oder (da man den S. 160 besprochenen. Anhang mitrechnen kann) vielmehr fünf verschiedenen Verfassern den Anfang und die weitere Entwickelung einer ganz besondern Art von Schriftthum gesehen, welche sichtbar ihre Zeit hoher und vielfältiger Blüthe hatte bis sie unter veränderten Verhältnissen wieder verwelkte und erlosch. Und wie nicht leicht irgendeine Art von nnen „ und dazu von 1) Aber 68, 2 Mod wohl die Namen Raphael und Mikhael umgesetzt, und die kurze geschichtliche Nachricht 68, 1 stand zwar sicher in unserm Buche, aber ur- ` sprünglich nicht hier, wo sie allen Zusammenhang unterbricht. Sie mag etwa zuerst hinter 69, 1 irgi Stelle gehabt haben: denn sehr passend schloss dieser Abschnitt mit der Nachricht dass Henókh sein Buch der Bilderstücke zuletzt seinem Urenkel übergeben habe, damit er sich über das letzte Gericht weiter . Dass das Stück 69, 2— lé ursprünglich weiter vorne stand ist Hist. Philol. Classe. VI. X 166 HEINRICH EWALD, künstlicherem und ungewöhnlichem, sich rasch und reich entwickeln kann wennnicht éin Werk höherer Vollendung und gewaltigen Reizes den unwider- stehlichen Antrieb dazu gegeben, so sahen wir das auch hier. Denn nie hätte diese ganze in ihrer Zeit offenbar so ungemein wirksame und so beliebte Art von Schriftthum sich so ausbilden können, wenn nicht däs ungewöhnlich anziehende kraftvolle Werk welches wir hier der Kürze wegen das Grundwerk genannt haben, das Vorbild aufgestellt und die allgemeine Vorliebe für solche wie aus der letzten geheimnissvoll reinen und kräftigen Urwelt kommende Werke geschaffen hätte. Wir wollen hier, weil es unserm Zwecke ferner liegt, nicht weiter verfolgen wie diese Art von Schriftstellerei noch weit über ihre nächsten Grenzen und über ihre ersten Zeiten hinaus sich fortbildete, und wie man viele Erscheinungen in den etwas späteren Zeiten nicht wohl verstehen kann wenn man das erste Keimen und Blühen dieses endlich nur zu fruchtbar ne überaus künstlichen Schriftthumes nicht "— er- kannt hat. z Allein selbst die Me dieser Schriften musste sich bald ee machen, und der Wunsch das Wichtigste und Beste aus ihnen allen so kurz und gedrängt als möglich zusammen zu haben musste, je gesuchter dies Schrift- thum wurde, desto schnelle? entstehen. Es kehrt hier daher zuletzt dieselbe Erscheinung wieder welche wir bei ähnlichen Fällen im Alterthume fast überall finden können, wenn wir solche uns auf den ersten Blick vielleicht etwas dunklere Verhältnisse näher betrachten und richtig auffassen. Ein noch jün- gerer Schriftsteller, wie ein Ausläufer und vorläufiger Beschliesser dieses ganzen besondern Henökh-Schriftenthumes, hat endlich das Bedeutendste aus ihm in einem neuen grossen Werke so vollständig und so leicht als es ihm irgend gut schien zu vereinigen gestrebt, nicht ohne bei dieser Mühe auch nach seiner eignen Ansicht einiges zu dem künstlerischen Ganzen hinzuzuthun und alles sonst noch so Verschiedenartige doch durch eben diesen seinen neuen Gedanken auch zugleich neu zu gestalten und fester zu verbinden. Sein neuer künstlerischer Gedanke ist nämlich der die Erinnerung an das auch in vorbildlicher Rücksicht für die späteren Zeiten so ungemein wichtige Ereigniss der Sintfluth so eng als möglich mit allem Henókh'ischen Schriftthume zu verschmelzen und dadurch sowohl den wichtigsten Inhalt der ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 167 einzelnen Henökh-Bücher enger in einander zu verarbeiten als auch in vielem, namentlich sogleich im Anfange, eine noch höhere und kraftvollere Darstel- lung zu erreichen. Wir sahen oben wie das Grundwerk von einer Einmi- schung der Dinge der Urwelt sich noch ganz fern hielt, und wie nur sehr allmählig die Sagen von den Riesen und endlich die von der Sintfluth in dieses ganze Schriftthum sich einmischten. Allein der letzte Verfasser des jetzigen grossen Buches ging nun eben von dem jüngsten künstlerischen Gedanken auf diesem Gebiete am lebendigsten aus, und konnte allerdings schon durch die Anwendung dieses einen neuen Gedankens aus den vorzüglich ihm gemäss ausgewählten und verarbeiteten Haupitheilen aller vorigen Werke ein neues schaffen welches nicht ganz ohne nnn. und neuen Reiz war. Hieraus erhellt auch warum ihm die drei Henókh-Bücher zwar die wich- tigsten und am wenigsten abzukürzenden Stoffe reichen, das Noah-Buch aber doch auch einige Stoffe beitragen zu müssen schien. Denn erst dieses hatte, wie oben gezeigt, jene Verschmelzung in einem Sinne vollendet den unser Verfasser nun vielmehr auf Henökh selbst anwenden wollte. Daher er denn ee Buche qu een Buch treffen und einigen andern die sich leicht einfügen liessen und dazu dem steigenden Geschmacke der Spätern an der Kenntniss von Geheimnissen am meisten behagten, nimmt er aus ihm fast nur díe Stellen auf wo Noah von Henókh redet 1), als gehörten diese schon deshalb auch in ein Henókh - Buch. So wollte demnach der letzte Verfasser die wichtigsten Stellen aus drei bis vier frühern Schriften so geschickt als móglich zusammengestellt und hie und da etwas mehr in einander verarbeitet zu einem neuen grösseren Werke umschaffen. Es liegt im Wesen solcher Sammler und Umbildner dass sie so wenig als möglich vom eignen geben, zerstreut wohl einzelnes von sich selbst . aus hinzufügen um die neu ausgewählten und zusammengesetzten Stücke etwas fester neu zu kitten, im ganzen aber lieber die Worte und Stücke der Ur- peng de Sn u n und 08,1 t: e Mo Vt nur 10, 1— 3. X2 168 HEINRICH EWALD, werke unverändert lassen. Zum 'Glücke hat letzteres auch unser jüngste Verfasser meist sehr gewissenhaft gethan. Übersehen wir sein ganzes Werk wie er es schuf, und vergleichen damit die vier bis fünf Urwerke die sich eben aus dem seinigen bei genauerer Untersuchung noch herausfinden und dann jedes in seinem besondern Wesen wiedererkennen lassen: so können wir ihm zwar nicht gerade ein sehr hohes Geschick im Zusammenstellen und neuen Verbinden der Theile eines solchen neuen grösseren Kunstwerkes zu- schreiben; er waltet mit eigenthümlicherer Kunst und Kraft mehr nur in den ersten Theilen, schon weil er die verschiedenen Anfänge seiner Urwerke wenig gebrauchen konnte und ihnen allen die Köpfe ausser einem entweder ganz abschneiden oder doch unkenntlicher machen musste. Allein gerade für unsre wissenschaftlichen Zwecke können wir ihm desto mehr danken dass er im Ganzen so wenig von sich selbst aus umänderte. Diaass freilich ein mit so einfacher Kunst zusammengesetztes, nur an den nothwendigst scheinenden Stellen mit neuem Kitte etwas enger verknüpftes Werk ziemlich grossen Umfangs nicht ohne schroffe Übergünge oderauch etwas unglatte Nähte und mancherlei sonst unebenes und auffallendes blieb, ist nicht anders zu erwarten. Zwar muss man sich wohl hüten alles Unebene Abge- rissene und Unvollkommne was sich im jetzigen B. H. nach dem Äthiopischen Wortgefüge findet, ohne weiteres dem létzlen Verfasser selbst beizulegen: manches kann erst certi durch ie Verschlimmerung des ursprünglichen — ineing 1 seyn !), wie wir bei den Stellen welche sich T Dillmann hat das era Wortgefüge , wie es sich mit 9 1 einstimmung in den jetzigen Handschriften findet, möglichst ohne alle weitere Veränderung oder Vermuthung zu übersetzen and zu erklären gesucht: und wirklich ist eine solche treue Mühe das erste und nothwendigste bei einem kaum wieder bekannt werdenden alten Buche. Doch haben wir oben beiläufig , . einige Stellen gesehen die man kaum ohne die Annahme einer Versetzung von Worten oder Sätzen im ursprünglichen Sinne des Verfassers verstehen känn. E uia Auch gleich vorne 1,2 f. halte ich das jetzige Äthiopische Wortgefüge für ver- dorben, weil ein silibar verworrener Wechsel zwischen erster und dritter Person wie sonst überall so namentlich auch bei dem Verfasser des zweiten Henókh-Buches gar nicht zu erwarten ist (vgl. den sehr ühnlichen Anfang der Rede bei demselben Verfasser 93, 2). Setzt man die Worte HA€90: B IH. ^d: hinter Rn: so lautet das Ganze: ,Henókh redete und ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMEN SETZ. 169 nach S. 112 auch Griechisch erhalten haben deutlich sehen. Denn dás Grie- chische Wortgefüge welches dem Äthiopischen Übersetzer vorlag, war in manchen Stellen noch weit ursprünglicher als däs bei G. Synkellos, wie oben beiläufig an meheren Beispielen erhärtet ist; sowie umgekehrt dieses bisweilen besser erhallen ist als jenes war. Und dazu konnte auch in dem Äthiopischen Wortgefüge manche spätere Freiheit übel walten. Dennoch aber trug das grosse Buch gewiss schon so wie es aus des letzten Verfassers Hand hervorging die Spuren seiner künstlichen Zusammensetzung fühlbar genug an sich, wenngleich die Finger welche dies fühlen wollen hier wie in ähn- lichen Fällen fast überall etwas feiner seyn müssen. Aber da der letzte Verfasser dennoch, wie oben Shia bali ohne einen ihm eigenthümlichen neuen Gedanken noch sonst ohne Selbständigkeit im Auswählen und Verbinden verfuhr und ein soviel möglich innerlich zusam- menhangendes neues grosses Werk schaílen wollte, so kann man auch die Gründe seines Verfahrens im Einzelnen ziemlich weit erkennen, und vorzüg- lich die grossen Theile in welche er nun das Ganze sammelte nach den Ur- sachen ihrer Aufeinanderfolge deutlich genug übersehen. I. Die Einleitung c. 1—5 nahm der letzte W aus siehe ten Henökh-Buche auf, gewiss weil dieses Buch rednerisch die beste ent- hielt; und zwar fast unverändert: denn was im jetzigen Wortgefüge hier nach S. 168 zu verbessern ist, entstand erst durch Fehler Äthiopischer Abschreiber. 2. In der Erzählung vom Falle der Engel der Ankündigung der Sini- fluth und der Sendung Henökh’s an jene c. 6—16 bewegt er sich, aus der oben angegebenen Ursache, am freiesten, und setzt aus allen vorigen Büchern mit Ausnahme des hier ganz unanwendbaren ersten ein höchst buntes, viel- fach sehr wenig enger zusammenhangendes, in einigen kleinern Stücken sich sogar etwas —— Gemälde zusammen: n sperren sich Sprach, während seine n geöffnet... waren und er heilige Gesichte sah: . was von Gott, was in den Himmeln, was die Engel mir zeigten und ich von innen hörte alles und selbst erfuhr, was ich sehe aber nicht für dieses Ge- . Schlecht sondern für künftige ferne Geschlechter über die Erwählten, das rede aich; und ich sprach über sie mit u.s.w.^ Diese Worte sind wie sonst bei diesem Verfasser rednerisch sehr bewegt, doch nicht unklar. ali us d 170 HEINRICH EWALD, sehr die verschiedenen Engelnamen gegen einander, die Erwähnung Noah's 10,1—3 kommt zu unerwartet eingeflochten, und der Übergang zu Henókh 12, 1 bleibt zu schroff. Doch sind vorzüglich nur vorne c. 6 11 die Erzählungen der verschiedensten Quellen sehr in einander verarbeitet, und bisweilen schwer trennbar: von c. 12 bleiben sich dagegen die Auszüge aus dem zweiten He- nókh-Buche sehr gleich. Sonst ist über das Einzelne schon oben verhandelt. 3. Da der Leser sich nun Henókh'en von c. 12 an als im Himmel an- wesend oder doch zwischen Erde und Himmel verhandelnd denken kann, so lässt ihn unser Verfasser länger in jenen hohen und fernen Ràumen, und schildert wie er an der Hand von Engeln die himmlischen Räume und Aus- sichten und übrigen Geheimnisse schauete. Er nimmt hier also zuerst c. 17 —19 ein Stück aus dem Noah- Buche, dann aber c. 20— 36 viel umfassen- dere Auszüge aus dem dritten Henókh- Buche auf: obgleich so einige Wieder- holungen eintreffen, die indessen nicht sehr stark fühlbar sind wenn man nicht genauer liest. Dazu klingt der Anfang 17, 1 sehr abgerissen: doch fehlt eben vor ihm nach S. 136 f. unstreitig meheres im jetzigen Äthiopischen Wortgefüge. Das Verzeichniss der 6 oder vielmehr 7 guten Hauptengel c. 20 schaltet er aber hier von der vierten zur dritten Quelle übergehend offenbar deswegen aus der letzteren ein, weil er die verschiedenen bald nachher vorkommenden Engel zuvor etwas näher zu erklären für gut hielt. 4. Aber an dieser Stelle meinte er mit Recht nicht länger mit der Auf- nahme der wichtigsten Stücke des Grundwerkes zügern zu dürfen: er nimmt es nicht zusehr veründert und verstümmelt hier auf , und beweist in- derthat durch die fast vollstándige Aufnahme dieses wichtigsten Werkes, wel- ches nun wie die helleste Perle mitten in dem grossen Buche glänzt, einen guten Geschmack. Ja er lässt ausnahmsweise bei ihm auch den Kopf stehen c. 37, verkeitet das Werk mit seiner Überschrift und Einleitung jedoch dä- durch etwas enger mit dem Ganzen dass er 37, 1 das Wörtchen „zweites“ zu „Gesicht« hinzufügt, da das Werk so im Gegensatze zu 1,1 leicht als eine zweite Reihe von Gesichten Henókh's gebend gellen kann. Allein weil das Grundwerk ansich garkeine Rücksicht auf die nähere Geschichte der Urwelt und am wenigsten auf die Sintfluth nahm ; 80 Schaltet unser Verfasser hier mancherlei ein um den Leser desto leichter immer wieder an diese ihm so - ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 171 vorzüglich wichtig scheinende Dinge zu erinnern und diesen Theil den übri- gen gleichmässiger zu machen. So nimmt er alsbald 39, 1 einige Worte auf welche den Fall der Engel weissagen, alsob Henökh diese Weissagung im Himmel empfangen habe: daher weiter v. 2*!) mit dém Hinzufügen, damals habe Henókh schwerdrohende Bücher empfangen. Aber freilich ist die Farbe dieser Worte sehr seltsam, schon weil nach S. 133 der Fall der Engel, w er mit Henókh in Verbindung gebracht wird, als ihm gleichzeitig oder viel- mehr als bereits eine längere Zeit vor ihm geschehen erscheint Wenn wir jedoch die S. 165 weiter besprochene Stelle 68, 1 vergleichen wo ebenfalls von Büchern die Henókh empfangen und übergeben habe die Rede ist; wenn wir ferner erwägen dass der Ausdruck „die erwählten und heiligen Kinder“ für die Engel ebenfalls auf den die Sprache des Grundwerkes nachahmenden Verfasser des Noah- Buches hinweist: so ist uns überwiegend wahrscheinlich dass dieses Bruchstück 39, 1. 2* einem grósseren Stücke des Noah- Buches entstammt wo eine Weissagung über den Verlauf der ganzen Weltgeschichte nach Art des Stückes c. 85—90 enthüllt und auf das zweite Henókh-Buch als damals entstanden angespielt ward. Witch entstammen ja anchis die b Einschaltungen welche der letzte V. rfa im Umfange de für gut hielt, demselben Noah- Buche; und dn den Nochs-Bachssich Bach Obis gem dem Geiste und der Sprache des Grundwerkes so nahe als möglich an- schloss, leitete den letzten Verfasser hierin ein gutes Gefühl. Die Stelle 54, 7—55, 2 ist nach S. 163 dem Noah-Buche entnommen; und noch mehr entlehnt unser Verfasser diesem von c. 60 an. Aber die en- gere Einverarbeitung beider Werke die er c. 60 und c. 69 wagt, ist etwas steif geblieben. Merkwürdig ist besonders wie er 69, 2 ff. die Namen und Reihen der bósen Engel, die er schon 6, 7 f. zu geben angefangen hatte, noch einmal ausführlicher gibt, wohl weil er, um bequem zu dem unterbro- chenen Faden des Grundwerkes zurückzuleiten, hier bis auf den bösen Engel kommen wollte welcher den hóchsten heiligen Namen und Schwur dem Mi- Menon entreissen die böse Kunst trieb: denn damit konnte er 69, 19e - 3) Dass die Einschaltung hier nur v. 2* gehe und = letzte Hälfte ‚dieses Verses vielmehr zum Grundwerke gehöre, ist schon S. 122 erörtert. * 172 HEINRICH EWALD, durch eine freilich etwas — Dane Naht - den Inhalt oi Grund- werkes zurückkommen. 9. Da nun nach dem Schlusse des Grundwerkes Henókh noch als im Himmel anwesend gedacht werden kann, so fügt der letzte Verfasser hier weiter sogleich von c. 72 an den grössten und besten Haupttheil des dritten Henókh-Buches an, ohne viel zu bedenken dass von 76, 14 an oft Methusalah angeredet wird. Und da es von jetzt an nur noch das zweite und das. dritte Henókh-Buch sind deren ferneren Inhalt er so vollstándig als móglich aufneh- men wollte und ihrer Wichtigkeit wegen aufnehmen musste: so schaltet er schon hier die Stelle 81, 1—4 über die himmlischen Schicksalsplatten aus dem zwei- ten H. B. ein. Man kónnte zwar vermuthen diese Stelle habe schon der Ver- fasser des dritten H. B.s aus dem zweiten hier aufgenommen, weil er nach S. 152 auch sonst wohl eine Stelle ihm entlehnt und dazu wenigstens einmal später 106, 19 f. wirklich der Schicksalsplatten erwähnt. Allein diese Vermu- thung trifft nicht richtig zu. Denn das zweite H. B. lässt Henókh'en nach c.93 die ganze Zukunftsgeschichte aus Büchern wissen, das dritte aber nach c. 83 —90 aus blossen Gesichten oder Träumen. Es ist also nur eine Art von leicht erklärlicher Vermengung wenn das dritte H. B. dennoch in einem späte- ren Stücke 106, 19 f. sich auf diese Platten berief. — Die S. 150 bespro- chene Verrückung des Stückes 82, 9—20 aus seiner ursprünglichen Stelle kann umsomehr vom letzten Verfasser herrühren da es jetzt an das Ende die- ses Abschnittes geworfen und doch nicht vollständig mitgetheilt ist, 6. Auch bei der Zusammenstellung der Weissagungen über die Welt- — c. 83—91 fährt er fort die Stücke dieser beiden Werke etwas en- ger in einander zu verarbeiten. Er wusste dass in dem weiterhin folgenden grossen Ermahnungsstücke des zweiten H. B.s, welches er seiner Wichtigkeit wegen ganz aufnehmen wollte, Henókh sich stets im Allgemeinen an „seine Sóhne« wendet: so leitet er denn 91, 1—3, wo die Stücke mit der Anrede an Methusalah zu Ende gehen, durch díe geschickte Einschaltung zum zweiten H. B. über, als habe Henókh am Schlusse selbst Methusalah aufgefordert um das Weitere zu vernehmen alle seine Brüder und Verwandten herbeizurufen. Und so theilt er von 91, 3 an schon einiges Wichtige aus der letzten Hälfte des Aten H. B.s mit; wobei es wohl möglich ist dass er die Stelle über die ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 173 letzten 3 der 10 Weltwochen 91, 12--17 bereits selbst an diesen Ort rückte: als er fühlte dass es doch passender sei diese letzte Hälfte jenes Buches mit ihrer Überschrift und Einleitung voller aufzunehmen. 7. So lässt er denn c. 92 — 105 noch fast unverkürzt und unverändert diesen ganzen wichtigen grossen Abschnitt des zweiten H. B/s folgen; und dasselbe Werk von dem er die Einleitung -ganz vorne an die Spitze des grossen Sammelbuches setzte c. 1 — 5, schliesst dasselbe auch mit seinen gewaltigen Endworten. Doch hält es der letzte Verfasser i 8. richtig für gut, ganz ans Ende noch den Schluss des dritten Henökh- Buches zu stellen c. 106 — 108, weil ihm ja die Einmischung der Sintfluth ebenfalls von vorne an eine Hauptsache war. Der Anhang zu diesem dritten H. B. c. 108 war demnach zur Zeit des letzten Verfassers sicher schon ihm beigefügt: welches zu beachten nicht ohne Nutzen ist. — Dies ist die Entstehung und Zusammensetzung des jetzigen grossen H. B.'s. Und wir können nicht sehr zweifeln dass der letzte. Verfasser auch gerade diese freilich sehr ungleichmässigen 8 Abschnitte unterschieden wissen wollte; auch würden sie alle vorne leicht kenntliche Zeichen eines neuen Anfanges tragen, wenn c. 17, 1 jetzt nicht gar zu abgerissen klänge: doch wir sahen schon S. 136 aus ganz andern Gründen dass dort etwas ausgefallen seyn muss. Man konnte den ersten dieser Abschnitte als eine blosse Einleitung auch zum folgenden ziehen: dies geschah einst in den Griechischen Hand- schriften wohl häufig, da G. Synkellos die Auszüge welche er gibt und die (bis auf den letzten) von c. 6 bis c. 16 reichen, als aus dem „ersten Buche Henókh's über die Wächter“ geschöpft angibt: woraus man zugleich sieht wel- chen nicht gerade unpassenden Namen man damals dem ersten Buche bis c. 16° beilegte. Die 20 Abschnitte in welche das Buch jetzt nach einer alten Äthio- pischen Überkommniss zerfällt, stimmen im Ganzen gut mit den S Urabschnit- ten zusammen, und mögen schon in verhältnissmässig alter Zeit dädurch ent- standen seyn dass man bei einem so grossen Buche mehr als 8 Abschnitte zu unterscheiden bequem fand: doch sind sie theilweise zu ungeschickt als dass auch nur der letzte Verfasser sie eingeführt haben könnte. Dagegen sind die jetzigen Capitel und Verse meist so völlig verkehrt bestimmt dass ich mich noch lebhaft der schon etwas länger verflossenen Zeit erinnere wo ich meine Hist. Philol. Classe. VI. >i 174 HEINRICH EWALD, Äthiopischen Zuhörer sowohl bei dem B. Henökh als bei andern auf ein völ- liges Verlassen dieser Eintheilungen als einen ersten Grund für ein sicheres Verständniss der Worte Sätze und Abschnitte aufmerksam machte. Wie man aber so noch recht deutlich erkennen kann wie der letzte Ver- fasser die früheren Werke im Grossen neu ordnete: so bleibt uns nicht völlig unklar wıe er im Einzelnen verfuhr. Oft hatte er z. B. die Worte einer Quelle schon ausgelassen oder abgebrochen, als er nachher an einem ihm passend scheinenden Orte doch wieder auf sie zurückkam, auch wohl von einem neuen Anfange ausging. So nimmt er 69,2 ff. wieder auf was er c. 20 nicht weiter verfolgt hatte; c. 42 holt er eine wunderschöne Stelle nach die er früher übergangen; und nachdem er 91, 3— 19 Manches aus der letzten Hälfte des zweiten Henókh- Buches bereits anderweitig angereihet hatte, holt er von c. 92 an diese Hälfte fast ganz nach. Dass die ursprünglichen vier Werke desto leichter bald verloren gingen jemehr sich dies neue grosse H. B. verbreitete, begreift sich leicht. Und wirklich war es dies grössere Buch, welches vielen Zeichen nach in jenen Jahrhunderten bald am liebsten gelesen wurde und die früheren kleineren oder doch weniger mannichfaltiges enthaltenden Werke vollends verdrängte. Gerade was das Jüngste und am spätesten Ausgebildete in diesem ganzen Schrifithume war, die Einmischung der Riesen und noch dazu der Sintfluth, gefiel vielen Spuren zufolge den Lesern bald ammeisten, offenbar wegen der seltenen un- geheuern Schilderungen welche dadurch möglich waren. Wir können lebhaft bedauern dass das Grundwerk in seinem vollen Um- fange verloren gegangen ist und sich für uns nur vermiltelst des jetzigen H. B.s in grossen Bruchstücken erhalten hat: es ist seinem ganzen Geiste nach so ungemein herrlich und schöpferisch dass es wohl dieselbe Ehre wie das nicht viel ältere B. Daniel verdient hätte; während dass das jetzige grosse H. B., obwohl längere Zeit offenbar sehr eifrig gelesen und vielfach angewandt, doch auf die Dauer keine allgemeinere Anerkennung fand, sich schon aus manchen von ihm aufgenommenen unedleren Bestandtheilen der auf das Grund- werk gefolgten Bücher erklärt. Doch ist von der andern Seite ebenso gewiss dass die meisten oder alle diese Werke den Spätern leicht völlig verloren ge- gangen wären wenn sie nicht wenigstens sehr wichtigen Theilen nach in die- ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 175 sem grössern Schlusswerke sich fester erhalten hätten. Dieses jetzt erhaltene grössere B. Henókh gewährt uns dazu sobald wir es wieder völliger verste- hen und seiner Bildung nach sorgfältiger verfolgen, den besondern Vortheil dass wir in ihm den Ursprung und die Fortschritte die Blüthe und den allmäh- ligen Verfall dieser ganzen eigenthümlichen Art von Schriftthum noch sehr vollständig und sicher übersehen können; ein Vortheil welcher grösser ist als wenn uns nur etwa eins aus der Zahl dieser Werke ganz vollständig erhal- ten wäre. Es trifft daher bei diesem Schlusswerke, was seinen Werth ebenso wie seinen Ursprung angeht, dasselbe ein was wir bei andern der unendlichen Zweige von Schriſtthum in der Geschichte der alten Völker auch sonst oft wiederkehren sehen können; und der Fall welcher insofern hier vorliegt, ge- hórt sicher zu den lehrreichsten. Wir können aber, nach dem Gewinne aller dieser Erkenntnisse, schliesslich auch 6. das Zeitalter aller besondern Bücher noch viel genauer erkennen. Denn den nächsten festen Grund für alle diese Untersuchungen über das Zeitalter sei es des jetzigen grossen Buches oder der von ihm vorausgesetzten früheren Bücher dieses Schriftthumes, bilden zwar fortwährend die oben schon mehrfach besprochenen richtigen Erkenntnisse über den Sinn der Schilderungen der wirklichen Gegenwart der Verfasser. Wir wissen danach dass das zweite und dann das dritte H. B. von zwei verschie- denen Verfassern wührend der ersten Jahre der langen Herrschaft Johannes Hyrkanos’ geschrieben wurden: und diese Erkenntnisse müssen uns auch für alles andre die sicherste Handhabe gewähren. Wollte man von andern Merk- malen ausgehen, so würden diese uns nach den bisher offen stehenden Er- kenntnissquellen nur weit unsicherer führen können. Der Widerstreit z. B. der ; inneren Spaltungen im Volke welchen das zweite Henókh- Buch so gewaltig vor die Augen führt, und die bitteren Klagen der dem Gesetze ängstlicher Er- gebenen welche aus ihm so laut emporschallen, kónnten uns leicht verleiten zu meinen das Buch sei erst unter der Herrschaft Alexander lannáos ge- schrieben. Die seltsame Beschreibung des Noah-Buches wie die wollüstigen 2 176 HEINRICH EWALD, y Grossen der Gegenwart des Verfassers in den warmen Wassern und Bädern der Jordanstiefe Heilung für ihre Leiber suchten aber durch deren unerwarte- tes Ausbleiben auch wohl bitter getäuscht wurden 1), könnte auf die Zeiten Herodes’ d. G. hinzuweisen scheinen, aus welchen wir sonst geschichtlich über den häufigen Gebrauch dieser Bäder am besten unterrichtet sind. Allein alle solche Schlüsse wären zu unsicher. Es ist z. B. jetzt leicht einzusehen welche Fehlschlüsse Lawrence und seine Nachfolger aus der Erwähnung der Parther im B. Henókh zogen. Aber so unvergleichlich sicher und fest nun auch jene Zeitbestimmungen sind von denen wir ausgehen müssen, so erhellet doch nun auch dass sie sich zunächst nur auf die beiden genannten Werke beziehen. Für die übrigen hier in Betracht kommenden drei bis vier Werke fehlt uns ein ähnlicher fester Grund welcher aus ihnen selbst zu entnehmen wäre. Bei ihnen sind wir also bisjetzt auf allgemeinere Wahrnehmungen und entferntere Kennzeichen ange- wiesen. Doch haben wir auch bei ihnen bereits den Vortheil dass wir ihren verhältnissmässigen Abstand von den zwei mittlern Werken deutlich einsehen, ihr Alter also nach diesen deren Gegenwart wir bestimmter kennen schon etwas näher schützen können. Wir haben zwar alle Ursache vorauszusetzen dass alle die Werke welche wir nun in ihrer ersten Einzelnheit oder ihrem gegenseitigen Unterschiede von einander kennen gelernt haben, zeitlich nicht sehr weit von einander entstan- den, weil sie ja sämmtlich einer ganz besondern Art von Schriftthum angehö- ren welche erst in einer bestimmten Zeit sich bilden, dann aber rasch sich hochausbilden konnte. Es liegt im Wesen solcher ganz besondern Zweige von überkünstlichem Schriftthume dass sie, einmal entstanden, dann rasch ein hochblühendes aber kurzes Leben haben, zumal wenn es gar nur éin einzel- ner seltener Name ist der aus dem Grabe wiedererweckt sie tragen soll. Al- lein von der andern Seite haben wir auch keine Ursache vorauszusetzen dass es nur ein ganz kurzer Zeitraum war in dem ein solcher Zweig von Schrift- thum sich hoch ausbildete. 1) Nach 67, S—11 vgl. mit 10, 15. ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 177 Dies alles vorausgesetzt, können wir nun 4. vom Verfasser dés Werkes welches wir oben sogleich das Grund- werk nannten, mit Recht annehmen dass er zwar nicht zulange aber doch wohl immer mehrere Jahre vor dem des zweiten Henökh-Buches schrieb. Der Abstand zwischen beiden ist nicht bloss in Rücksicht auf die Kunst und Sprache, sondern besonders in Rücksicht der Zeitverhältnisse sehr weit. Als das Grund werk erschien, war die tiefste Volkskraft noch nach Aussen hin in Anspruch genommen, und es galt allein gegen die Übermacht und List der fremden Könige und Machthaber allen höheren Muth zu richten: wie ganz an- ders war aber schon alles als der Gedanke zur Abfassung des zweiten He- nókh-Buches gefasst wurde! Der Gegensatz in den tiefsten Bestrebungen eines Volkes, wie diese als die wirkliche Gegenwart der Verfasser ausfüllend hier in beiden Werken klar hervorleuchten, kann nicht grösser seyn; und eine Zeit wo mit dem Verfasser des Grundwerkes aller edle Zorn wie alle hóhere Hoffnung nach Aussen zu kehren war, muss sehr verschieden von der Zeit offenster und unseligster innern Spaltung gewesen seyn in welcher das zweite Henókh-Buch nur für die eine innere dee gem die andre die gewaltig- sten Worte zu scharfen Waffen macht. Ist nun ee stie eee ee P aber wie: bald weiter gezeigt werden soll, ganz in deren Anfange geschrieben: so kónnen wir wohl annehmen dass das Grundwerk acht bis zehn Jahre früher, nümlich nach der gewaltsamen Gefangennahme dessen Oheims Jonathan von Seiten der Syrer um das Jahr 144 v. Ch. verfasst wurde. Damals schienen noch einmal die Syrische und alle übrigen Griechischen Herrsehaften und Mächte den vollständigsten Sieg errungen zu haben, während im Inneren eine plötzliche Verzweiflung und Muthlosigkeit eintrat welche das Schlimmste be- fürchten liess 1). Einen nach Aussen schon gehobeneren kräftigen Geist, der aber plötzlich gegen einen unerwarteten Schlag sich nur noch desto kräftiger und entschiedener zurückwendet, wie die Stimmung damals unter den Besten des Volkes seyn musste, athmet dieses durchaus schöpferisch neue Werk; es yn also ganz auf diese seltene et metum erklärt sich so wie dies 1) S. die weitere Beschreibung der Zeitlage in der Geschichte IV. S. 383. 178 HEINRICH EWALD, Werk zwar erst nach dem B. Daniel verfasst seyn kann und gegen dieses einen schon viel siegesgewohnteren freier sich erhebenden Geist verräth, aber doch ihm verhältnissmässig noch so nahe stehen kann wie es inderthat ihm nahe steht; denn unter allen uns bekannten Schriften steht jenem an Geist keine so nahe als unsere, aber keine reicht auch der Zeit nach so nahe an den Kreis jener. Die Erwähnung der Parther aber mit ihren Kriegsrossen, wie sie im jetzigen B. H. bloss bei unserm Verfasser erscheint 56, 5 — 7, passt auch sehr gut in diese Zeit: denn noch bekannter wurden sie zwar in Palüstina erst seit dem Parthischen Kriegszuge Antiochos Sidétes auf welchem diesen Joh. Hyrkanos begleiten musste: aber só bekannt wie sie in unserer Schrift vorausgesetzt werden, waren sie dort sicher schon seit Antiochos Epiphanes Tode. 2. Die folgenden acht Jahre brachten unter Simon’s Herrschaft uner- wartet bald mehr Macht und Ehre nach Aussen sowie Ruhe und Freiheit im Innern. Aber in dieser Ruhe bildeten sich auch gewiss die inneren Streitig- keiten und Spaltungen rasch aus, von denen wir zwar aus andern Schriften nichts Näheres wissen weil sich aus diesen 8 Jahren keine gleichzeitige Schrift erhalten hat, deren Daseyn und deren Art man aber aus den Ereignissen am Schlusse dieser kurzen Zeit sehr deutlich erkennen kann. Simon selbst fiel 135 v. Ch. als ein Opfer dieser schnell wieder heftig entbrannten inneren Streitigkeiten: es war die an das Ausland sich anlehnende leichtsinnigere Spal- tung welche ihn gewaltsam stürzte, und die zwar von seinem Nachfolger Jo- hannes Hyrkanos lange Zeit nicht begünstigt sich dennoch während seiner lan- gen Herrschaft immer erhielt ja zuletzt wieder zur vollen Macht gelangte. Ge- rade um die erste Zeit der Herrschaft dieses Joh. Hyrkanos können wir nun sehr wohl den Verfasser unsres zweiten Henókh- Buches mit ihm hervortre- tend uns denken, als die inneren Feindschaften eben glühend ausgebrochen waren, das Ausland aber sich noch nicht wieder eingemischt hatte. Und wenn díe Spaltung welcher Hyrkanos vom Anfange seiner Herrschaft an sich an- schloss und bei der er lange Zeit hindurch treu blieb, anfangs von so stren- gen feurigen und rechtschaffenen Geistern getragen wurde wie der Verfasser unseres Buches unstreitig einer war, so begreifen wir dass diese Herrschaft unter dem Walten solcher Geister längere Zeit krüftig genug blieb. Die ge- ABH. ÜB. D. ATHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U. ZUSAMMENSETZ. 179 fallenen Engel gegen welche nach unserm Verfasser Henókh zuletzt predigt, sind díe an Macht Kunst und Wissenschaft zum Theil sehr ausgezeichneten Geister jener Tage welche von den Strengeren beschuldigt wurden doch wie- der allerlei Unlauteres aus dem kaum überwundenen Heidenthume eingemischt und die Höhe der Zeit wieder verlassen zu haben. 3. Dass das dritte Henökh-Buch ebenfalls unter Johannes Hyrkanos’ Herrschaft aber etwas später als das vorige und von einem andern Verfasser geschrieben ward, sahen wir oben: wir sahen aber auch schon dass es nach sehr bestimmten Anzeichen doch noch ziemlich früh unter dieser Herrschaft geschrieben seyn muss. Der beliebte Herrscher war damals wiederholt von Aussen her in Bedrängniss gerathen, und noch einmal sammelten sich wie alle Unholde um ihn zu seinem Verderben. Ich meine daher auch deshalb noch jetzt dass dieses Buch erschien als Démétrios II. zum zweiten Male nach längerem Zwischenraume Syrischer König geworden die alten Eroberungspläne noch einmal wieder aufnahm, um 128 n. Ch.; und auf diese Zeit führen nach S. 156 fl. bei ihm sogar die Merkmale seiner eignen Zeitbestimmung. Das Buch ist danach doch um mehrere Jahre später als das vorige. 4. Zu einer gleich genauen Bestimmung des Alters des Noah Buches fehlt es uns in den wenigen Bruchstücken desselben an gleich deutlichen An- zeichen. Dass es jünger ist als alle drei vorigen Werke, ist aus dem oben Erórterten einleuchtend; und erwägen wir dass es schon in den wenigen Bruchstücken welche wir von ihm besitzen so vielerlei neue Namen und Vor- stellungen gibt, so mag es leicht einige Jahrzehende jünger seyn als das dritte H. B. 5. Wieder um 20 bis 30 Jahre später mag der letzte Verfasser des jetzigen grossen Buches sein Werk vollendet haben, weil es schon aus dem Streben alle zerstreuten und verschiedenen Henókh- Bücher durch das leichte Band éines noch neu hinzutretenden Gedankens fester zu verknüpfen entstan- den ist. Eine ziemlich geraume Zeit musste verfliessen ehe ein neuer Schrift- steller dies wagen und für nützlich halten konnte: denn wir haben hier nicht elwa Schriften desselben Verfassers welche er selbst oder ein Schüler für ihn zuletzt sammelte. Doch brachte dieser letzte Verfasser auch noch nichts ganz Fremdes weder in Gedanken noch in Worten in dieses Gebiet hinein, 180 HEINRICH EWALD, und war noch wie einer der letzten Schriftsteller welche aus demselben Geisie schrieben der dieses ganze Schriftenthum geschaffen hatte. Dass der Verfasser des Anhanges zum dritten Henökh-Buche schon vor diesem letzten Verfasser schrieb, ist bereits oben erörtert. Und so können wir, wenn nicht sämmtlich nach Jahren, doch nach deutlichen Stufen sehr wohl die 6 verschiedenen Verfasser unterscheiden aus deren: Arbeit das Buch wie es jetzt ist erst hervorging. Das Buch wie es jetzt sich erhalten hat, kann nach allen diesen Ergeb- nissen nicht vor der ersten Hälfte oder der Mitte des letzten Jahrh. v. Ch. veröffentlicht seyn. Es mag dann nicht zu lange darauf ins Griechische über- setzt seyn, und dadurch erst die ungemein weite Verbreitung erhalten haben welche ihm unstreitig einst Jahrhunderte hindurch zutheil wurde. Wir besitzen nun aber noch ein sehr denkwürdiges Zeugniss woraus wir schliessen können dass zwar nicht das jetzige grosse Buch aber desto gewisser das oben als das dritte Henókh-Buch bezeichnete Werk schon am Ende des 2ten Jahrh. v. Ch. sehr weit bekannt seyn musste. Alexander Po- lyhistor erzählte nach Eupolemos in seinem grossen zu Sullas Zeit geschrie- benen Geschichtswerke, nach Einigen habe Henókh die Astronomie erfunden, derselbe den Manche mit dem Griechischen Atlas für einerlei hielten; sein Sohn sei Methusalah gewesen, welcher alles, (Astronomische) durch Engel Gottes erfahren habe, und so sei die Kenntniss der Gestirne zu den Spütern gekom- men!). Man sieht wie viel diese Ansicht über Henókh damals schon unter Griechen besprochen gewesen seyn muss: dazu kann, wie aus allem Obigen folgt, nur der Inhalt unsres Buches die Veranlassung gegeben haben. Aber indem dort mit Henókh bloss Methusalah als der Vermittler der Kenntniss der Gestirne zusammengestellt wird, kann nicht unser jetziges Buch gemeint seyn, in welchem Methusalah garnicht so durchgüngig und am wenigsten gleich von vorne an so leicht erkenntlich als der einzige Vermittler sölgher geheimer Wissenschaften erscheint; wozu kommt dass es uns nach allem Obigen durch- awahrscheinlich seyn muss dass dies Buch auch nur zu Sulla' s Zeit schon so bes verbreitet oder auch nur schon verfasst gewesen sei. Nur auf das 1) Bei Eusebius in der praep. ev. 9: 17, 8f. ABH. ÜB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEHUNG SINN U, ZUSAMMENSETZ. 177 oben beschriebene dritte Henökh-Buch, solange dieses noch vollständig erhal- ten und dazu auch noch ziemlich neu und die Neugierde anregend war, kann diese ganze Nachricht zurückgehen: aber auf dieses besondre Buch, wie wir es uns nach Obigem denken müssen als es noch unverstümmelt fürsich bestand, passt die Nachricht auch vollkommen. Wir haben dabei freilich zu bedauern dass wir das Zeitalter Eupolemos des Gewührsmannes unsres Polyhistor, nicht ganz genau wissen: doch haben wir keine Ursache anzunehmen dass er lange vor dem Anfange des letzten oder vor dem Ende des Aen Jahrh. v. Ch. schrieb. So ist dies eins der merkwürdigsten und lehrreichsten Zeugnisse aus dem Alterthume: selten wissen wir von einer Schrift zumal dieses Alterthumes Näheres aus einem so allen Zeugnisse; und zugleich dient diese Erzählung nicht wenig zur Bestätigung aller obigen Ergebnisse. Nicht alswenn die obi- gen Erforschungen und Ergebnisse von dieser áussern Erzühlung ausgegangen würen: ich muss vielmehr sagen dass dieses nicht entfernt der Fall war; aber es hat sich in dieser ganzen Untersuchung gar nicht selten getroffen dass sich mir die durch die 8 Mittel EA poe s Erkenntnisse alsdann durch entferntere ea een Zum Schlusse dürfen wir wohl nicht umsonst hoffen dass das Beispiel solcher Untersuchungen und Ergebnisse wie sie bei diesem schwieriger zu ver- stehenden Buche hier vorgelegt sind, auch für viele andre Fälle sehr unter- richtend sei. Wir wollen dies hier nicht weiter ausführen, da die Sachkenner leicht vielfache Anwendung auf andre Gebiete machen können. Auf die Frage ob es ausser unserm Buche und seinen Quellen einst noch andre Henökh-Schriften gegeben habe, kann jetzt richtiger und kürzer beant- wortet werden. Wenn däs Henökh-Buch welches wir oben das Grundwerk nannten sicher eins der ersten war welches in des Urvaters Namen geschrie- ben wurde: so kann doch eins oder das andre ähnliche sehr wohl schon etwas früher verfasst worden seyn. Und so finden wir wirklich einige Vor- stellungen über Henökh welche, unserm Buche und sicher auch seinen Quel- len fremd, doch schon in einem vielleicht 100 Jahre älteren Werke ausein- Hist.- Philol. Classe. VI. Z 178 H. EWALD, ABH. UB. D. ÄTHIOP. B. HENOKH ENTSTEH. SINN U. ZUSAMMENS. andergesetzt gewesen seyn müssen 1). Umgekehrt lässt sich nun auch leich- ter beweisen ob noch nach unserem jetzigen Werke ein späteres unter He- nókh's Namen verbreitet TE Doch lassen wir dies alles jetzt, da es von dieser gung ferner liegt. | Hip 1) Zu. den) in wm Hinsicht in der Geschichte IV.. S. 399 nt. de Belegen kann man noch Philon’s Schrift de .Abrah. c. 3 f. (vgl. daselbst Mangeys An- merkung), besonders aber die Stelle bei Eusebios hinzufügen yov PEU 07- naive‘ Exo zovvoue, praep. ev. 7: 8, 15; denn unserm B. H. ist eine solche Erklärung und Vorstellung fremd, sie a aber gut zu den dort bemerkten Stellen. Leider lässt uns Kustbiok diesmahl über seine Quelle im ungewissen: dieselbe Namenserklürung findet sich aber noch deutlicher bei Philon, de poster. Caini c. 11; vgl. auch Philonis Parilipomena Armena ed. Aucher (Ven. 1822) "p. 57. Sicher konnte nur ein Hellenist oder sonst ein später Gelehrter eine solche halbgelehrte Namenserklärung geben: aber ob Philon sie zuerst gab, ist eben die s Der nw dachig bunc an. ET pe T x F Zusatz und Verbesserung. S. 112 Anmerk. I) ist zu lesen: T. I. p. 20—23. 42—47. 60%ler Bonner Aus- gabe; die kurze letzte Stelle bezieht sich auf den astronomischen Abschnitt des jetzi- gen Buches. . j t t i SPRAIN 9 i 10 190 j HNIN| i (1r 8 { 1190 7/99 d & allen 19 dotis | (die p Hute: yes lee, RIT Von launti. denol KET Georg Waits uoan: bri (d ^ Der — nn = Wissenschaften” überreicht am 15. März 1854; ys 4 E i De eee. welche in ee Zeit, allen Theilen des deutschen Alterthumes zugewandt worden sind, haben auch angefangen über die agrarischen Zustände unserer Vorfahren ein helleres Licht zu verbreiten. Lange genug freilich hat es gedauert ehe man sich hier von vorgefassten Meinungen und eingewurzelten Irrthümern losgesagt hat. Der grosse Einfluss, den Möser durch seine Osnabrückische Geschichte, lange Zeit auf die Auf- fassung der alldeufachan Nerhiltnisee, 3 ist is 2 SOWERER,. dass man ind dort die icu RS Ferber 3 ee er, Tee haben sollten. Damit verbanden sich Irrthümer, wie sie nur bei einer völligen Unkenntniss der Dinge, von denen man handelte, erklärlich sind, die aber von einem Buch ins andere übertragen wurden ). So hat es geschehen müssen, 1) Landau sagt in dem gleich anzuführenden Buch (S. 61 n. 6) ganz mit Recht: „Die Angabe mancher Schriftsteller, dass Karl der Gr. die Dreifelderwirthschaft eingeführt habe, eine Angabe, für die sich auch nicht einmal ein scheinbarer Beleg anführen lsst, ist — man verzeihe mir das Wort — zu lächerlich, als dass sie einer Widelegüng bedürfte.© Die Sache wird auch nicht viel besser, wenn wissenschaftliche Schriftsteller, wie Knaus, der Flurzwang S.1, die Sache so modificiren, dass ,seit Karl des Gr. Zeiten und durch dessen auf seinen Gütern gegebenes Beispiel der sogenannte dreiflurige Anbau der Felder fast allgemein heimisch geworden sei.“ Auch dass Karl neue Villen angelegt, mit denen eine neue Epoche beginnen soll, wie noch G. L. von Maurer in sei- nem gleich zu nennenden Buche sagt (S. 253), beruht auf einer unrichtigen Z2 180 GEORG WAITZ, dass wir in Deutschland aus den Arbeiten über die Zustände fremder Völker Licht gewannen über die der eigenen Vorzeit. Die genaueren Nachrichten dänischer Quellen und die darauf gestützten Untersuchungen von Olufsen (Bidrag til Oplysning om Danmarks indvortes Forfatning i de ældre Tider, in Det Kongel Danske Videnskabers Selskabs phil. og hist. Afhandlinger Deel L) und namentlich Hanssen (Ansichten über das Agrarwesen der Vor- zeit, in Falcks Neuem staatsbürgerlichen Magazin Bd.IV. und VL, die längst einen neuen besonderen Abdruck verdient hätten) gaben zuerst ein deutlicheres Bild von dem Agrarwesen der Germanen überhaupt. Eine Anzahl einzelner wichtiger Punkte aber erhielt seine Erläuterung und nähere Bestimmung in der gelehrten Arbeit, zu welcher die Erklärung des alten Güterverzeichnisses vom französischen Kloster St. Germain dem eben der Wissenschaft entrissenen treff- lichen französischen Akademiker Benjamin Guérard den Anlass gab (Po- lyptyque de Tabbé Irminon Tome I. Paris 1844) und die er später sowohl in der Einleitung zu dem ähnlichen Polypticum von Rheims (Polyptyque de l'abbaye de St. Remi de Reims Paris 1853) wie in seinem Commentar zu dem Capitulare de villis (in der Bibliotheque de l'école des chartes und besonders abgedruckt 1853) vervollständigt hat. In Deutschland haben zu- nächst die Verhältnisse der Markgenossenschaften eine besondere Theilnahme er- regt, und vor allem Grimms Arbeiten, die Rechtsalterthümer und die schöne Sammlung der Weisthümer, haben darüber die reichsten Aufschlüsse gegeben; mit den Dorfgemeinden hat sich Eichhorn bei Gelegenheit seiner berühmten Abhandlung über die Anfänge der städtischen Verfassung schon früher etwas eingehender beschäftigt; über die eigentlichen Agrarverhältnisse der älteren Zeit sind in Deutschland vorzugweise von Haxthausen in seinem anregenden Buch (Uber die Agrarverfassung in den Fürstenthümern Paderborn und Corvey Berlin, 4829) einige treffende Bemerkungen gemacht worden, welche nur nicht ung fanden welche sie verdienten. In neuerer Zeit hat man aber auch. diesem Gegenstand eine erhöhte Aufmerksamkeit zugewandt. Jacobi Erklarung der Anfangsworte des. Capitulare de villis, die Guérard in seinem Commentar ganz richtig übersetzt: Nous voulons que mos terres, dont nous avons affecté les revenus à notre profit, servent integralement à notre usage, et non à celui d'autrui. ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 181 (Forschungen über das Agrarwesen des altenburgischen Osterlandes Leipz. 1845) gab die genauere Beschreibung einzelner Dorffluren und regte die Frage an nach der Verschiedenheit derselben bei den verschiedenen Nationen, zunächst den Deutschen und Slaven; Langethal (Geschichte der teutschen Landwirth- schaft Jena 1847 ff.) bemühte sich die neueren historischen Untersuchungen auch für dieses Gebiet nutzbar zu machen, und lieferte eine Arbeit die freilich keineswegs als erschöpfend gelten kann, aber doch das ältere Buch von Anton bedeutend hinter sich zurücklässt. Um dieselbe Zeit führten mich die Arbeiten für die Deutsche Verfassungsgeschichte dazu, den Verhältnissen des Grundbesitzes bei den alten Deutschen näher nachzuforschen, und ich über- zeugte mich, dass es möglich sei, aus den bis dahin nie genügend benutzten älteren Urkunden ein viel deutlicheres und vollständigeres Bild sowohl von diesen wie von den agrarischen Zuständen überhaupt zu gewinnen, als man es bis dahin angenommen hatte. Die beabsichtigte Mittheilung dieser Unter- suchungen in einer Beilage zum zweiten Bande der Verfassungsgeschichte unterblieb und ward auch bis jetzt durch mancherlei andere Arbeiten hinaus- geschoben. Da sind fast gleichzeitig zwei grünsére Werke erschienen, welche i Meme enne eine ähı liche ufgabe stellen: 6. tz > | desse erster Abschnitt (S. 1—102), die Flurverfassung, ganz, die beiden dolens, über Hofverfassung und Marken, theilweise diesen Gegenstand betreffen; und G. L. von Maurer, Einleitung zur Geschichte der Mark- Hof- Dorf- und Stadtverfassung München 1854, wo hauptsächlich über Markgenossenschaft und Feldgemeinschaft gehandelt, aber in Zusammenhang damit auch viele andere Fragen der Rechts- und Verfassungsgeschichte ent- weder näher erörtert oder doch kürzer berührt werden 1). Neben ihnen muss das etwas ältere Werk von Stüve, Wesen und Verfassung der Land- gemeinden und des ländlichen Grundbesitzes in Niedersachsen und Westphalen Jena 1851, genannt — das in seinen historischen Abschnitten manche B Ich verweise auf die mehr allgemeinen ee die ich über diese Bücher in einem Aufsatz der EB Monatsschrift für Literatur 1854, Februar, niedergelegt habe. 182 GEORG WAITZ, Beiträge zur bessern Kenntniss dieses Gegenstandes giebt und jedenfalls dazu beigetragen hat, ein allgemeineres Interesse. für denselben zu erwecken, ein Interesse, welches vorher. schon die Königl. Societät der Wissenschaften bethä- tigte, da sie eine Beschreibung der wendischen Niederlassungen im Lüneburgischen zum Gegenstand einer Preisfrage wählte, welche wohl eine nicht uninteressante Bewerbungsschrift veranlasste, aber doch keine genügende Lösung fand. ‘Wenn. durch diese Arbeiten manche wichtige Frage zur Erledigung ge- bracht worden ist, so lassen sie gleichwohl Raum für weitere und genauere Ausführungen einzelner Punkte. Die Grundlage für alles andere, für die wirth- schaftlichen und rechtlichen Verhältnisse des Grundbesitzes, war den alten Deutschen die Hufe; alles was sich auf sie bezieht verdient die sorgfältigste Beachtung: es scheint der Mühe werth und es ist möglich, die Zustände, wie sie in den àlteren Zeugnissen sonia: im vollen Detail zur Anschauung zu bringen. Dabei habe ich pomis PUR auf die älteren Ünalan d. i die ia bis zum 10ten Jahrhundert hin, beschränken zu sollen, während diese früher gerade weniger beachtet, von Landau und Maurer wenigstens nur neben den späteren benutzt worden sind. Die Zusammenstellung von Zeugnissen verschiedener Zeit hat allerdings, bei der grossen Stätigkeit aller agrarischen Verhältnisse, hier geringeres Bedenken als auf andern Gebieten der Rechts- und Culturgeschichte. Doch wird es immer eigenthümliche Vorzüge haben, sich genauer zu vergegenwärtigen, wie der Zustand in einer bestimmten Pe- riode war, und nur ausnahmsweise habe ich deshalb hie und.da ein spilleres Zeugniss berücksichtigt. à; Es ist für jene ältere Zeit nicht über Mangel an Quellen zu klagen. Besonders die Schenkungen an die verschiedenen Klóster und Kirchen mit den anderen verwandten Urkunden über Precarien, Tausch und dgl. kommen hier in Betracht, und gerade ihrer ist aus dem 9ten Jahrhundert eine grosse Zahl erhalten. Einzelne gehen bis zum 7ten, mehre bis zum Sten Jahrhundert zurück. In einigen Beziehungen zeigt sich bis zum 10ten Jahrhundert hin wenig oder gar kein Wechsel der Verhältnisse; in anderen freilich tritt er hervor, namentlich in der Vertheilung des Besitzes. Hier ist auch die Ver- schiedenheit nach den einzelnen Gegenden Deutschlands grösser; die Dinge ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 185 haben sich anders gestaltet in den eroberten römischen Provinzen als da wo die Deutschen schon von älterer Zeit her sesshaft waren. Im allgemeinen be- schränke ich mich auf die Gebiete welche wirklich deutsch geworden sind, denen die einwandernden Stämme ein deutsches Gepräge dauernd aufgedrückt haben; doch für einzelnes schien es unbedenklich, selbst geboten, die Urkunden be- nachbarter Gegenden namentlich Nordfrankreichs zur Vergleichung heranzuziehen. Manches Eigenthümliche bietet Sachsen dar, doch vielleicht mehr in den Namen als in den Sachen selbst. Aber die sächsischen Quellen sind aus dieser Zeit die dürftigsten, da namentlich die Klosterstiftungen erst in der Zeit beginnen, wo ich im allgemeinen die Grenze für diese Arbeit gezogen habe, ausserdem nur von wenigen reichere Sammlungen von Traditionen erhalten sind. Die ältesten und meist auch wichtigsten besitzen wir aus Alamannien. Obenan steht der Schatz des Klosters Sangallen, vollständig mitgetheilt in dem Codex traditionum monasterii Sancti Galli, einzelnes auch bei Goldast in den Scriptores Rerum Alamannicarum (ed. Senkenberg Vol. II.), ungenü- gende Auszüge bei Neugart (Codex diplomaticus Alemanniae Vol. L), neuer- dings eine Anzahl nach Vergleichung der Originale neu gedruckt in dem Wirtembergischen Urkundenbuch (Bd. I. 1849); ich benutzte früher auch eine Sammlung von Originalen aus Goldasts Nachlass auf der Bremer Stadt- bibliothek sowie die sogenannten Formeln des Iso in den Sammlungen der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde; die letzten hat jüngst Ro- zieres in der Bibliotheque de lécole des chartes und besonders Paris 1853 abdrucken lassen. An Alter und Werth wetteifern hiermit die Urkunden des Klosters Weissenburg im Elsass, die Zeuss herausgegeben hat (Traditiones possessionesque Wizenburgenses 1842). — Auch Baiern ist nicht arm an alten und bedeutenden Urkunden: die Traditionen von Passau (Monumenta Boica XXVIII, 2.), Regensburg (Pez, Thesaurus anecdotorum I, 3.), namentlich aber Freising (Meichelbeck, Historia Frisingensis Vol. L; vgl. die Schrift von Häberlin, Systematische Bearbeitung der in Meichelbecks H. Fr. ent- haltenen Urkundensammlung Thl. I. Berlin 1842), und Salzburg sowohl des Erzbisthums wie des Klosters St. Peter (Kleinmayr, Juvavia) kommen hier in Betracht, an die sich die des Klosters Monsee anschliessen (zuletzt in dem Urkundenbuch des Landes ob der Ens Bd.I. 1852). Bei den letzten fällt auf, 184 GEORG WAITZ, dass sie in den Ausdrücken vielfach mit den niederrheinischen Denkmälern Übereinstimmung zeigen. — Das fränkische Land am Mittelrhein hat die rei- chen Sammlungen von Lorsch (Codex diplomaticus Laureshamensis ed. Lamey 3 Voll.) und Fulda (zuletzt bei Dronke, Codex diplomaticus Fuldensis 1850, und Traditiones et Antiquitates Fuldenses 1844) aufzuweisen, während die Gegenden am Niederrhein spärlicher bedacht sind, die am rechten Ufer be- sonders durch die allerdings sehr interessanten älteren Urkunden von Werden an der Ruhr (zuletzt bei Lacomblet, Urkundenbuch des Niederrheins Bd. I.), das linke Ufer durch die von Epternach (aufgenommen in Bréquignys Samm- lung der Diplomata et chartae... ad res Franco-Gallicas spectantia, neue Ausgabe von Pardessus 2 Voll. 1843. 1849, die auch sonst manche für deutsche Verháltnisse bedeutende Urkunde zuletzt mitgetheilt hat; einzelne Nachträge giebt Bordier, Du recuei des chartes Merovingiennes Paris 1850). Auf die altsalischen Gebiete an der Schelde beziehen sich die Char- tulare von St. Peter zu Gent (Van de Putte, Annales abbatiae S. Petri Blan- diniensis 1842) und St. Omer (Guérard, Chartularium S. Bertini 1840). — Am ärmsten, wie schon bemerkt, ist Sachsen bedacht; von allgemeineren Sammlungen ist fast nur die der Traditiones Corbejenses (Ausgabe von Wi- gand 1843) zu erwähnen, die aber schon in spätere Zeiten hinabreicht und zudem durch grosse Kürze der Auszüge manches vermissen lüsst, was andere gewähren, welche die vollständigen Schenkungsurkunden aufgenommen haben. Einigen Ersatz geben die andern Sammlungen der Urkunden, so weit sie in eine so frühe Zeit hinaufreichen, namentlich die kritisch zuverlässige im Anhang zu den Regesta historiae Westphaliae (Vol. I. 1847), Ebenso sind auch aus andern Gegenden Deutschlands die allgemeinen Urkundensammlungen wohl zu Rathe gezogen, doch ohne Streben nach Vollständigkeit, da sie theils: aus alter Zeit immer nur einzelne Privaturkunden, welche für diesen Zweck als die ausgiebigsten erscheinen, bieten, theils der Stoff im ganzen reichlich genug vorliegt, und ganze Massen von Urkunden sich gerade in den hier einschla- genden Angaben fortwährend wiederholen, so dass an eine erschöpfende Aufzählung fast nirgends zu denken ist, und es im allgemeinen nur darauf ankommt, die Verbreitung derselben Verhältnisse durch die verschiedenen Provinzen nachzuweisen oder abweichende Erscheinungen oder doch Benen- * ÜBER DIE ALTD EUTSCHE HUFE. 185 nungen vorzuführen. Auf eine genauere Vergleichung der angelsächsischen Urkunden, wie sie Kembles Codex diplomaticus allerdings jetzt leicht möglich macht, habe ich hier verzichtet. Vieles hat der Herausgeber selbst in seinem spätern Werke (The Saxons in England 2 Voll. 1849) erörtert und theilweise das berichtigt, was Leo in seiner Einleitung zu den Rectitudines singularum personarum (Halle 1842) nicht eben genau und zuverlässig dargelegt hatte. Wo einer der Neueren, besonders Guérard, Landau oder Maurer, einen Gegenstand erschöpfend behandelt und hinlängliche Belege angeführt haben, durfte ich mich begnügen auf sie zu verweisen. Einzelne Wiederholungen dessen was auch jene haben waren des Zusammenhanges wegen nicht zu vermeiden. Im ganzen aber geht diese Darstellung ihren eigenen Gang. Sie hat übrigens nicht die Absicht, die rechtlichen und politischen Beziehungen weiter zu verfolgen, die bei der Hufe wie beim Grundbesitz überhaupt in Betracht kommen. Davon habe ich Gelegenheit gehabt in der Verfassungs- geschichte zu handeln, und nur einzelnes war auch von dem Standpunkt aus zu berühren der hier inne gehalten worden iei nad den ich wohl am vt amier d als des einer euni minem Beschreibung bezeichnen mag. ue u " de E s nbn ques teet „ E — PTT Tu No Cour 3T 82 F alten 1 we Sch. nicht zurück 1), Ich halte mich an die Thatsache, dass zu der Zeit, da wir nähere Kunde von ihnen und ihren Verhältnissen erhalten, überall eine offenbar in bestimmter Gleichmässigkeit durchgeführte Eintheilung des Grundes und Bodens besteht. Die einzelnen Theile werden am häufigsten von den Deutschen Hufen, von den Angelsachsen Hyden, von den Dànen Boole, lateinisch aber Mansi genannt. Die Besitzer. der Hufen wohnten regelmässig nicht zerstreut jeder auf seinem Gute, sondern in grösserer Zahl zusammen, in Dörfern, wie wir sagen. Die entgegengesetzte Ansicht, die eben unter Mösers Vorgang | aus den eigenthümlichen Verhaltnissen Westphalens abgeleitet, porle kem kann jetat als. ene angesehen werden. Vgl. Verf- G. L, E RER ‚darüber ee ee is in ee eee in a hie. Monatsschrift für anser 1854. Febr. mit Rücksicht auf. die verschiedenen Ansichten der Neueren ge- handelt. ; Ó 1498. Hist. Philol. Classe. Vi. 43 N 186 GEORG WAITZ, S.22 f. II, S. 261 fl. Landau!) S. 75. Maurer S. 6 ff. Nur in einzelnen Gegenden, eben in Westphalen, hie und da im südlichen Deutschland, aber auch sonst mitunter, namentlich in Thälern, findet sich der Anbau auf Einzel- höfen überwiegend; aber auch dann herrscht eine Vertheilung des Grundbe- sitzes nach Hufen vor. Allerdings wird die Hufe in dem einen oder dem andern Fall einen verschiedenen Charakter an sich tragen. Doch anderes ist gemeinsam, und auf dieses kommt es zunächst an. | Vielleicht wird man hoffen aus dem Worte gli die maringliche Bedeutung zu erkennen. Aber bisher ist über die Ableitung, die Grimm (Rechtsalt. S. 535) für dunkel erklärt, kein Einverständniss erreicht. Die alten Formen sind koba, huoba, huba; auch oba, hopa, hova, begegnet, das letzte besonders in Sangaller Urkunden; anderswo hobo: Trad. Sang. S. 340 N. 37: hobones serviles. Vgl. über die Formen hobonia, hobunna . yntgp. . Dass das Wort mit dem. denisehen: Hof identisch. ist, wie Jandan, (S. 4) will, mus man entschieden Abrede stellen; die Sprache ist d ider 2); allerdings 2 e n die. Formen aiuit i iuander Ali aber genauere Denkn aler | den zwischen beiden. Mones Ableitung (Badens Urgeschichte II, 8. 50) von uoban wird auch nicht zutreffen; das % fehlt doch nur in wenigen Denkmälern und scheint wurzelhaft 5). Eher dürfte man geneigt sein, wie auch Graff zu- giebt (IV, S. 753), an eine Verbindung mit dem Stamme hab- zu denken, in Er hat doch kaum noch Grund zu sagen, dass er mit seiner Behauptung einer : s beinahe allgemein verbreiteten Ansicht entgegentreie. Auch andere haben das ichtige erkannt und ausgesprochen. Y Eine Ableitung von derselben Wurzel, wie mir Müllenhoff mittheilt, ist allerdings möglich, „der, welche im Griechischen 26 ν, Litthauisch kapoti (hauen, hacken), Sis: Serbisch kopati (hacken, graben) vorliegt. Damit hängt Litth. kapas (auf- geworfener Erdhügel) zusammen, welchem Griechisch «joe (Garten) vollkommen entspricht, und hiermit stellt Pott, Etymol. Forschungen I, 141 mittelhochd. Auobe, Grimm, Gesch. d. D. Spr. S. 407 hof zusammen Die Zusammenstellung von „nos und hof ist aber wegen der Verschiedenheit des Vokals sehr zweifel- haft... während die Gleichheit desselben für die von GAOS, kápas, und huobe spricht; denn goth. ó, althochd. uo —— griechisch 7 (a) — glaube ich ist diese Vergleichung unhaltbar. 3) Ganz unbegründet sind Haxthausens Erklärungen (Agrarverfassung S. 95) das Ausgehobene oder der Haufen, oder gar die von Weyer: (Das € —— S. 19) das zum Hauen (Abhieb) angewiesene Land. ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 187 vielleicht das Wort geradezu erklären als das was einer hat, besitzt. Müllen- hoff aber schlägt eine Ableitung von hefan, huob, gihoban (heben) vor: dann trifft der Name damit zusammen, dass die Hufe zunächst das Ackerland be- zeichnete (s. unten), erst in übertragener Bedeutung den Gesammtbesitz, der mit dem Ackerland regelmässig verbunden war. »Jenes, wovon die Erndte erhoben wird, konnte man ebenso gut kuobe nennen, wie man das Korn Getreide (gitragidi) oder *ein Grundstück das einen Ertrag abwirft oder auch das Einkommen, den Ertrag selbst, urbor nannte.“ Das Wort ist übrigens ein neues, dem Angelsächsischen und Nordischen fremd. Dort sagt man eben hida (hyde), hier bôl; vgl. Grimm Rechtsalt. S. 538. Lateinische Quellen brauchen ganz in derselben Weise den Ausdruck sors, dem wieder das deutsche Alus (Loos) entspricht; wofür die Belege schon Verf.-G. II, S. 654. Landau S. 11. Maurer S. 79 angeführt worden sind 1). Ebenso wird das unbestimmte portio. pars, verwandt2). Der Antheil, oder genauer der regelmässige, ein für alle Mal feststehende Antheil, den der einzelne am Lande hat, wird gemeint. Auch ändere ee — =. — wie Bun meam — —— eee nd dazu gehörigen Rechten, den regelmässig 2 einzelne hat und dessen er We Bedürfnisse als fubit: bedarf, wie ich mich früher ausgedrückt habe (Verf.-G. 8. 185) „genug um die Arbeit eines Landbauers mit einem n den: N zu nehmen und um ihn und die Seinen aus- eee e 1 i Mode Deutschen: in den Provinzen des römischen Westreiches hiermit in Verbindung. bringt. Dass sors und porto auch häufig nur den Erbtheil bezeichnet, habe ich Verf.-G. II, S.194 n. bemerkt. Vgl. jetzt über die Bedeutung »Theil* die feinen und ein- dringenden Untersuchungen Homeyers Über das germanischen Loosen (Aus den Monatsberichten der Berl. Akademie 1853, Dec.) S. II ff., der freilich auch Be- lege beibringt S. 29, wie spät noch gerade bei gewissen Vermessungen von Land (Gemeinwiesen) die: toos — zwar . ih der Hausmarke versehene ge- braucht worden ist. 2) aprisio, mee bezeichnet dagegen nur eine besondere Art des Landbesitzes, von der er selbst S. 184. 187 handelt. 188 GEORG WAITZ, reichend wie es die Gewohnheit forderte zu ernähren.< Vgl. Landau S. 4: „Das Wort Hufe bezeichnet ein landwirthschaftliches Gut, welches mit einem Pfluge bestellt werden kann und demnach der Arbeitskraft einer Familie entspricht.« Die Vergleichung sowohl der Verhältnisse, wie sie sich bis zur Gegen- wart erhalten haben, wie unzählige Stellen in den Urkunden aller Gegenden, lassen keinen Zweifel, dass zu einer Hufe in diesem weitern Sinn regelmässig ein dreifaches gehörte, der Hof mit dem Wohnhaus, das Ackerland und das Nutzungsrecht an einem ungetheilt belassenen Theil des Grundes und Bodens. So ist es wenigstens wo sich Dörfer finden; über die Abweichungen bei den Einzelhöfen soll später die Rede sein. Vgl. Stüve S. 25. Landau S. 11 ff. Maurer S. 125. Es wird darauf ankommen die einzelnen Theile Wir: zu betrachten. Zuerst die Wohnung oder Tiektiger: de Hof. dssdo nterlieg am Aaea der Ausdruck dan dia 1 bd r> Pere. -— 1 y» TT. 6 E "3 jus 1. 3 1 Rn Tu ‘g XE e a; wird, ». Die: — von einem eee e latan, als " Gi: eines Laten, hätte Maurer nicht nach Schaumann aufnehmen sollen, S. 273. 2) arealis und mansus wird unterschieden Trad. Fuld. N. 94: unam arialem cum duabus mansis id est cum duabus casis. Es ist die Rede von einer Stadt und der Fall der, dass auf einem Wohnplatz zwei Wohnhäuser erbaut sind. ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 191 und so ist es auch in manchen älteren Urkunden der Fall; Trad. Eptern. Bréquigny ll, S. 300: casales cum edificiis desuper positis; Trad. Sangall. S. 174 N. 318: casale cum 20 juchos; Trad. Fuld. N. 179: schenkt Knechte cum casalis et aedificiis eorum; ja man hat Grund es für die ältere Bedeutung zu halten !); es bezeichnet den Platz. zur casa, wie areale eigentlich. den. Platz zur area, und wie der Platz zu einer vinea auch vineale genannt wird (Trad. Laur. N..1000: vineale unum et in ipso vineali vineam factam; vgl. N. 1008). Oft aber bezeichnet es auch blos das Haus; Trad. Weiss. N. 121: casale cum curtile; oder die Nebengebäude; Trad. Sang. S. 60 N. 11: casa cum casale uno; bei Goldast N. 69: casa cum casalibus; vgl. Bréquigny II, S. 407: hobam unam ... cum casalibus. Für den Hof, den mansus, wird auch casata ge- braucht; Trad. Sang. S. 259 N. 73: unam casatam cum pomario et terram; vgl. S. 176 N. 100. S. 287 N. 122; Formel eines Rheinauer Codex (heraus- gegeben von Wyss, Mittheilungen der Antiq. Gesellschaft in Zürich VII, S. 26): casadam unam sepe circumcinctam cum una domo et uno granario vel scuria. Andere Stellen auch aus den Capitularien s. Ducange a. a. O. S. 212. Auch 2 n Landau anführt S. 8. es Wind oyohluso maten boneichoet Mon mit ann «ma mb ande Hörigen we - as vorher über den Übergang der einen Bedeutung. in die andere in an, Urkunden beigebracht ist), und auch casata steht fast immer mit Beziehung eben auf diese Art der Höfe; vgl. Verf.-G. II. S. 153. 154 n. 1 und unten. Die meisten der angeführten Worte bezeichnen sonst einen Hof oder Hofplatz, wie er sich auch bei den alten Völkern fand; sie werden in den lateinischen Urkunden auf die deutschen Verhältnisse angewandt. Die deutsche Benennung aber war hovastat, hovesteti, auch hubestat, die sich bei fast allen Stämmen findet, namentlich bei Franken, Schwaben und Baiern. Zu den Beispielen aus Sangaller und Fuldaer Urkunden bei Landau füge ich hinzu: Trad. Frising. N. 242 S. 140: duo loca quod dicimus hovasteti ... hovasteti una; Trad. S. Petri Salzburg. S. 294 N. 22: quemdam locum curtilem id est howastat. „ nn gene Jgutéhototuses n In italienischen Urkunden dagegen bezeichnet es einen kleinen Ort, iles, . Ducange ed. Henschel II, S. 212. | 192 GEORG WAITZ, N. 1266. 1557. 1565. 1599. 1726 etc. locus curtis, curte locus (id est hovastat, Trad. Fuld. N. 180) ist offenbar nichts als wörtliche Übersetzung. — Hofraite, das später in Gebrauch ist, habe ich in keiner älteren Urkunde ge- funden. Die Ausdrücke Niederdeutschlands für die Hofstätte giebt Stüve an; eins der ältesten ist wohl Wurth. Die Nordländer sagen Toft. Zu einer solchen Hofstütte gehórten nun verschiedene Stücke, wie Maurer S.23, kürzer Landau S. 12 anführen. Die Sache verdient noch eine etwas nähere Darlegung. Die Hauptsache ist eben das Haus mit den Made beten „Scheuern und Ställen, insofern diese nicht, wie in einem grossen Theil des nördlichen Deutschlands, mit dem Wohnhause verbunden waren. Beispiele sind zum Theil schon vorgekommen und lassen sich aus allen Urkundensammlungen zahl- reich anführen. Trad. Weiss. N. 228: curtile ad sahne da et casa aer * ae presens commanere videor; N. 185: manso ad comman gas mi he dificio- l pso stabilitas W fi: areale 1 cum casis et casalis èt: quicquid snpra üpen.arealorntäbilitn ety Trad. Sang. S. 56 N. 5: casas cupinia spicarium curii clausa cum domibus edificiis et officinis earum; ebend. S. 59 N. 9: casa casale cranarium his edificiis con curtes cinclis; ebend. S. 397 N. 26: curtile cum domo et foenile; Trad. Patav. N. 11: terram domoque et horreo cum curte cum casale; Trad. Lauresh. N. 763: et duas casas in ipsis mansis et 1 cellarium et quidquid in ipsis mansis constructum est; N. 1068: i mansum cum casa et scuria. Vgl. Maurer S. 270 n. pro Haus, welches der Herr bewohnt, heisst mit dem i tech- per sala; Trad. Weiss. N: 17: de intus sala mea; Trad. Sang. S.22 N. 15: dono sala mea cum curtile eireumcinetum cum omnis edificiis qui ibidem esse videntur; Trad. Eptern. Brequieny II, S. 280: cum sala et curticle meo quem ad praesens habere visus sum, und so öfter; vgl. S. 284: casa eum curticle meo; Trad. Fuld. N. 59: aream in qua ego commanere videor eum sala desuper stabilita; ebend. N. 145: aream unam cum sala ét omni aedificio. Vgl. Guérard S. 488. Man sagt auch casa salica, Trad. Sang. S.205 N. 5. 206 N.6; domus salica, ebend. S.324 N.9. In demselben Sinn scheint in einigen Denkmälern curia gebraucht zu werden; Trad. Laur. N.952: mansum cum curia et aedificio; ebend. N. 1186: mansum cum casa desuper ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 193 et curia el campis; N. 1238: 1 mansum cum casa et curia; N. 926: f petiolam ubi nostra curia est; N. 1591: 1 domum et curiam; vgl. N. 1250. 1340. 1366 etc. Oft aber steht auch blos casa; Trad. Sang. S. 24 N. 18: quidquid in Chisincas habeo, hoc est casa curtile; Trad. Fuld. N. 39: curta dominicato et casa ubi ego manere videar; und ähnlich häufig. Über hoba salica, terra salica s. unten. Die Gesammtheit der Baulichkeiten wird auch mit dem Worte castitia bezeichnet, das jedoch meist nur in westfrünkischen Gegenden vorkommt. Chart. S. Bertini S. 59: manso cum omnia castitia superposita; form. Bign. 9: mansus ad commanendum cum castitia superposita; vgl. ebend. 14. 16. Ducange ed. Henschel a. a. O. S. 225. Mitunter werden aber ebenso wie unter dem Ausdruck casale nur die Nebengebäude verstanden; Trad. Sang. bei Goldast N. 68: casa dominicata casticiis; Trad. Lauresh. N. 1608: cum domo et caeteris aedificiis et casticiis. Zu dem Hause kommt der Garten und in den südlichen und westlichen Gegenden Deutschlands nicht selten ein Weinberg. Trad: Weiss. N. 148: curülia 1 cum casa super ipsa stabilita et ortum excultum; die angeführte Stelle der Trad. Patav. kanten an wien n.. pomerio; Trad. Laur. N. e nansum cum 0 curi pomario; — ebe " N. 443: unum BB ds ci 3 ER pa 0; N. 595: mansos 2 et in ipsis mansis vineam 4 et pomaria — N. 1068: 1 mansum cum casa et scuria et omni aedificio et 1 vinea et pomifera. Die Stellen sagen nicht alle deutlich, dass der Weinberg auf der Hofstätte lag, doch bei igen is cdsnanndzicklich angegeben; bei andern aus der Art der Aufzählung deutlich oder doch wahrscheinlich. | te a Trad. Fuld. N. 52: ecclesiam S. Salvatoris ... cum ipsa areola in qua aedificata est; ebend. N. 181: illam arialem id est hovastat et ipsam ecclesiam et omnem aedificium quod ibi constructum est; Trad. Laur. N. 1862: mansum in quo ipsa basilica sita est. Das ist wohl die ursprüngliche Bedeutung von Kirchhof. Es kann aber eine Hofstätte noch unbebaut sein, gleichwohl wisi sie schon als solche bezeichnet; denn sie ist einmal abgesteckt, und die Anlage der Häuser oder der andern Einrichtungen kann in jedem Augenblick erfolgen. So heisst es Trad. Weiss. N. 148: 2 curtilia ubi potes casa et scuria super Hist.-Philol. Classe. VI. Bb 194 GEORG WAITZ, ipsas stabilire et ortus excoli; ebend. N. 83: manso 1 ubi casam et scuriam vel ortum stabilire potest, und in diesem Sinn ist wohl von einer arealis vacua die Rede, Trad. Weiss. N. 167. Dagegen muss ich entschieden widersprechen, wenn Landau (S.8.9) den Gegensatz der mansi absi und vestiti hiermit in Verbindung bringt, den mansus absus oder die hoba deserta für die Hufe oder Hofstátte ohne Gebäude hält; s. unten. Die Hofstätte war regelmässig umzäunt und auf die Weise geschlossen, wie. die Urkunden aller Orten es hervorheben und Maurer S.23 es weiter ausgeführt hat, mit Rücksicht auf die Verhältnisse, welche sich in manchen Gegenden spáter eben hieraus entwickelt haben. Des Zaunes (sepis) wird schon in der Lex Salica gedacht, XVI, 4. XXXIV, 1, vgl. LVII, 1. Statt des- selben kommt auch schon frühe eine Mauer vor; Trad. Sang. S. 240 N.35: curtem cum casa ceterisque n muro sepeque circumdata. Darum heisst die curtis clausa, circumelausa., circumcincta; der eingehegte Platz wird als > 4, ER x a ee 2 8 Massi? — PUO us 4:27 s N.133: curtile- unn vum clausura ad ipseioeunile; pertinente.:: "Wohl mit Recht bringt Landau S. 13 hierher den deutschen Ausdruck piunt, Beunde; eine Glosse bei Graff III, S. 342 giebt es als Übersetzung von clausura; doch bezeichnet es dann jedes umschlossene Land, und scheint nach den von Landau und Graff angeführten Stellen häufig von einer Wiese oder später von einem Garten vor dem Dorfe gebraucht zu werden; vgl. Maurer S. 262. Ein anderes deutsches Wort für clausura ist bizuns, Graff V, S. 678. Trad. Fuld. N. 413 nennt neben der area: unam. — cujus longitudo 30 virgarum et latitudo vero 15. = Es wird ei ů ne freilich in nne Urkunden eine verschiedene 2). Et ipse cortilus habet in ongitudine pedes 120 et in latitudine en 56, heisst es Trad. Werth. La- esiti N. 30, das sind 6720 D Fuss. Dageger : 36 Pda v imi Quadrat; gedacht Trad. Dan N. 505, eines en tenentem ) N hat falsch un drucken lassen, wie schon Rol | in seiner Anzeige, Münch. Gel. Anz. 1849 S. 79. gerügt hat. 2) Eine Maassbestimmung einer arealis, die zugleich auf die Verhülinisse zu einer Kirche Rücksicht nimmt, Trad. Fuld. N. 259, ist mir nicht ganz deutlich. | ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 195 in longitudine pedes 35 et in latitudine 24, ebend. N. 1347; einer ist 19 Ruthen lang und breit: mansum unum 19 perticas in longum et latum similiter habentem, ebend. N. 3741. Die Tradd. Fuld. N. 303 erwähnen: unam areolam in longi- tudine 17 et in latitudine 4 virgarum; N. 408 dagegen: unam areolam in lon- gitudine 24 virgas, in latitudine 7 virgas habentem; N.413 gar: unam aream habentem in latitudine virgas 24 et in longitudine 35; N. 463: aream unam 70 virgas longum et unius virgae latam. Vgl. Trad. Weiss. N. 169: ariolo .. habet in mn pertegas 14 et in latitudinem 6. Damit können . gundische Grössel verglichen werden: 16 Ruthen 3 Fuss lang, 5 Ruthen breit; 10 Ruthen Jig? 9 breit; in einer Urkunde 4 Mansen zugleich, der erste 19 J. 11 br. 1), der zweite 12 J. 5% br., der dritte 20 J. 3 br., der vierte 371. 1%, br. (Guérard S. 607 n.23 aus Pérard). Wir sehen wohl, dass es weniger auf die Gestalt als auf den Flücheninhalt ankam; doch will sich auch für diesen kein bestimmtes Maass ergeben. Ich weiss nicht wie weit eine Notiz hierher gehórt, dass zu Salmansweiler und Überlingen in Baden das Sechstel eines Morgens Hofstatt hiess (Mone I, S. ay — en sind einige Hofstätten die in einer Freisinger Urkunde erw 7 een — 8.114) ermittelt, dass in England bei einer Grösse der Hyde von durchschnittlich 33 Acres auf die Hofstütte etwa 3 gekommen sind. Über die eigenthümlichen und wenig deutlichen Stellen schwedischer Gesetze, nach denen das Maass, die Vertheilung des Ackers nach dem Toft bestimmt werden, oder wie res En Mutter werden sollte, und die dabei — Sonner — s. Grimm, Deutsche Grenzalterthümer S. 16. ptite dim Auf eine in bestimmten Gegenden mee uds sich wohl der Ausdruck — legitima (Trad. Weiss. N. 167: arealem legitimam, casam in ea et granicam), curtile legitimum, casata legitima (vgl. Maurer S. 21), areola legalis i ae Fuld. N. T Doch können die Worte auch einen weiteren T Ich iei glauben , dass statt xI zu an sei III. TP Bb 2 196 GEORG WAITZ, Sinn haben, indem sie sich darauf beziehen, dass der Hof, wie wir für das Gut überhaupt sagen, im Besitz der vollen Gerechtsame ist die ihm zustehen. Trad. Sang. S. 381 N. 1: de ... legitimis curtilibus talem usum habuimus. Darauf komme ich noch zurück. Aber mansus legitimus (s. unten) bezeichnet wohl einfach die volle Hufe. Hier ist zu bemerken, dass eine solche Hofstätte getheilt werden konnte; absque una dimidia areola legali, Trad. Fuld. N. 379; tertiam par- tem unius mansi, Trad. Laur. N. 176; quartam parlem unius curtis, Trad. Sang. S. 248 N.50; quartam partem unius areae, ebend. N.381; areae unae sextam partem et aliae areae tertiam partem, Trad. Fuld. (ed. Schannat!) N.139; unam peliam de curtili, Trad. Laur. N. 320; unam petiolam de uno manso, ebend. N.327; vgl. N. 334. 346. 594. 604 etc., auch 657: 1 perdicam de uno —— mea p enum ten adit we pan N. 354: ai. adi en s A eo A AM s hierauf zu beziehen. t Doeli — die Theilung Theilung der Hufe.zusammen; z. B. Trad. Laur. N. 344: dimidiam hubam in D. et dimidium mansum. Aber immer war es nicht der Fall. j Die Hofstätte wird regelmässig nach ihrer Lage genau bestimmt, und zwar so, dass die Nachbarn aufgeführt werden an die sie grenzt. Auch dies — ii fure AA — und ist von Wichtigkeit um die vohnens zu erkennen. Trad. Weiss. 190: areale uno latus tenit Sigibaldus, ab alio latus pergit in campo, a nee a bebe in fronte tekt cipe hende ture; ebend. N. 215: manso 1 et habet ipse mansus exterminacionem, de uno latus Gaussaltus tenet, de alio latus racio ad Sancta Maria, de uno fronte fluvius Sala currit, de alio vero fronte strata puplica; Trad. Fuld. N. 15: aream unam cum casa et aedificia in quibus ego visus sum habitare, hec an ders de una parte strata, de alio latere Pippini regis, re Hagilgaucii comi m 32x E: Aer area una cum € ubi ks intus manere videor, hec I) In dem Abdruck bei Dronke N. 156 scheint diese en. durch ein Versehen ausgefallen zu sein. ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 197 sunt fines, de una parte Rötpoten, de alia parte Witharii, tertia parte ipsius Sancli Bonifacii, quarta parte Hrihboto; Trad. Laur. N. 183: unum mansum, cui subjungitur ex uno latere ratio Sancti Nazarii, de alio Erlolfi, de tertio Racholfi; ebend. N. 348: mansum meum .... et idem mansus situs est in Mannenheim, de cujus uno latere tenet Folcholdus, de alio ipsius fratris, de prima fronte ipse donator, de al fronte adjungitur dominicum beneficium; — N. 597. 602. 636. | Hieraus ergiebt sich, — — —— längs einer Strasse, einige auf allen vier Seiten von anderen begrenzt, so dass nur ein Nebenweg zu ihnen hingeführt haben kann. Die Landbesitzer wohnen nicht auf ihren Feldern, rings von dem eigenen Land umgeben, sondern nur der Hof und Garten und was der Art mehr ist, liegt bei den Häusern. Wo aber Einzelhöfe vorkommen, werden diese mit denselben Aus- drücken bezeichnet, haben auch, so viel wir erkennen, im ganzen dieselbe Einrichtung. Giebt es von jeher grössere Höfe oder werden solche später sebilieh; so deere, man hier mit Vorliebe, dashes nie 55 die dee — zeichr das Ackerl — nennen die Quellen Hof und Hufe neben einander, indem sie bald das eine bald das andere als das Hauptstück betrachten: die Hufe gehört zum Hof oder der Hof zur Hufe, je wie man es ansieht. Beispiele giebt Landau S. 4 n. 2. 5 n. 1, die sich leicht vermehren liessen. Dabei kann man Maurer (S. 127. 136) zugeben, dass die eee een eee, bee wis der sagt, ange- sehen wurde. Jedenfalls ist es eine Verrücl hä , wenn Mansen und Hufen in verschiedener Zahl zusar nei dulgaftbet: werden; wie es freilich sn r n.. idi * den Hof, die Hofstätte, in Gegensatz gegen des Ackerland bezeichnet hoba nie. Die Stelle, welche Landau i 5 n.3) dafür anführt: mansum unum an em habe ei hominem qui in ipsa n , beweist. das nicht, da manere nicht blos von dem eigentlichen Wohnen, döndern überhaupt von dem Innehaben, Besitzen, gebraucht wird. Vgl. über andere Stellen, wo quaeve Hufe die Rede ist, Maurer S. 272 n. 70. | oh 198 GEORG WAITZ, und zwar nicht blos in der Weise, wie Landau S. 10 anführt, dass zu weni- ger Höfen (Mansen) mehr Hufen genannt werden (Trad. Fuld. N. 249: unam arialem et tres hobas; ebend. N.267: duas hobas et unam arialem), sondern auch umgekehrt; Trad. Laur. N. 213: 3 curtes et 2 hubas; Trad. Fuld. N. 289: duas huobas et tres ariales. Ein Ausdruck für Hufe, der sich vorzugsweise auf das Ackerland be- zieht, ist Pflug, aratrum, der mir freilich in keiner ganz alten Urkunde vor- gekommen ist, sich später aber ziemlich häufig findet (in Holstein ist er später allgemein). Die Beispiele, welche Landau S. 11. Maurer S. 133 anführen, sind aus Sachsen, vom Niederrhein und aus dem benachbarten Gebiet an der Mosel und weiter westlich; dem entspricht der Gebrauch bei den Angel- sachsen und im nördlichen Frankreich. Die älteste Stelle scheint die aus einer eue für das Kloster Móllenbek an der Weser zu sein vom J. 896, Wi nn Reg. Schaumbui eg "Vgl. jedoch Trad. Fuld. N. 323 (vom J. 816): in villa quae dieitur .hestat quod constat ex suis propriis ara- tris, acceptis (exeeptis?) servorum suorum bonis, wo der Sinn mir nicht ganz deutlich ist. Das Wort bezeichnet eben das Land, welches mit éinem Pflug bestellt werden kann. Trad. Salzb. S. 15 1 c. 55 steht: territorio ad aratrum unum. Es frägt sich wie das Land das zu einer Hufe gehörte beschaffen war. Besonders auf seine Lage und seine Grösse kommt es an. Man wird von vorne herein geneigt sein anzunehmen, dass hier bedeutende Verschiedenheiten stattfinden konnten, vielleicht dass hier überhaupt alles dem Zufall, der Will- kühr überlassen war. Bei einer näheren Betrachtung der Verhältnisse in älterer und neuerer Zeit wird sich aber bald ergeben, dass das keineswegs der Fall war, sondern eine gewisse Regehmiseigkeit der Verhältnisse — m dass freilich alle Unterschiede fehlten. Landau hat gerade diesem Gegenstand eine besondere Meet en iiaii und hat geglaubt, eine fünffache Form der Hufe unterscheiden zu müssen (S. 15 fl.). Ich habe aber schon an einer anderen m T) bemerkt, dass mir diese Aufstellung nicht der Lage der Dinge entsprechend erscheint, indem Landau auch selbst zu dem W gelangt; dass | bei den Germanen 1) Allgem. — 1854. Febr. S. n. ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 199 in älterer Zeit eine bestimmte Form die allgemein vorherrschende war, die anderen dagegen mehr oder minder als Ausnahmen oder spätere Zustände er- scheinen oder gar nicht als eigentliche Hufe angesehen werden können, son- dern nur auf einer abgeleiteten Bedeutung des Wortes beruhen. Jene ältere und sehr allgemein verbreitete, auch bei den Dänen und anderen germanischen Völkern sich findende, Beschaffenheit der Hufe beschreibt Landau (S. 32): „Das gesammte Pflugland ist in eine bald grössere bald kleinere Anzahl von Vierecken getheilt, und zwar dergestalt, dass der Boden jedes derselben möglichst von gleicher Beschaffenheit ist, und jedes dieser Vierecke ist in ebenso viele Ackerstreifen zerschnitten, als die Flur Hufen enthält.“ Vgl. Haxthausen S. 28 (über die Paderbornische Hufe): „Die um das Dorf liegende Feldmark von Ackerland, Wiesen und Kampen ist in lauter kleine, 1— 3 Morgen grosse Stücke zerschnitten, und wird nach der alten Dreifelderwirth- schaft in Winterfeld, Sommerfeld und Brachfeld eingetheilt. Eine gewisse Anzahl dieser kleinen Stücke, in allen drei Feldern zerstreut, bildet ein un- zertheilbares Ganzes, einen Complexus, und wird Hube genannt.... Am gleichen Orte sind sie einn von ag Getdi: rhis nnn A a. O. VI, 8. 21 fl. Knaus Ge der | drei Fel ds VVV , während allerdings die kleineren nach ... “gebildeten Acker sgiich nach der algenei üblichen Dreifeld üssig in drei gróssere Felder zusammen- gefasst werden. Landau S.31. 521). Den Gegensatz gegen diese gewóhn- liche Hufenart bilden alle die Fälle, wo das Ackerland ein zusammenhängendes Ganzes bildet, mag es nun bei einem Einzelhof liegen, oder nach der eigen- thümlichen Weise des Baues einzelner Dörfer, besonders in Thälern, in langen Streifen sich von dem Hofe aus in das Feld erstrecken. n In den letzteren Fällen bietet die Ackerſſur ‚wenig — dar. Mehr nimmt jene — — mmm unsere enn in An- spruch. Sie ist ohne Zweiel der Grund, dass wohl der Hof, die Hofstätte, nach 3 be ich schon Monachi a a. 0. S. 112 bemerkt. 200 GEORG WAITZ, den Nachbarn bezeichnet wird, nie die Hufe!). Nur bei kleineren Landbe- sitzungen, die sich neben dem. eigentlichen Hufenland finden konnten (s. unten), werden hie und da, doch auch verhültnissmássig selten, Grenzen angegeben; eines campus, Trad. Weiss. N. 230, eines campus und einer silva, ebend. N. 244. 263, einzelner (2. 3. 4) jurnales, ebend. N. 206. Trad. Laur. N. 181. 212. 237. Dass das nicht zufällig ist, dürfte sich schon daraus ergeben, dass bei Weinbergen, Gärten, welche bestimmte Nachbarn haben, diese auch regel- mässig aufgeführt werden, wie namentlich die Urkunden von Fulda unzählige Belege geben. l Auf ein bestimmtes zusammenhängendes Gebiet könnte man wohl den Ausdruck territorium beziehen, der sich mitunter besonders in bairischen Ur- kunden findet. Trad. Salzb. S. 127 c.3: hobam I cum territorio et pratis et . — eee eee ee e obie zu haben, son- dern bl g | niii dier nen ar a e e [^ 154 N AQ. aleman 3E 7 E s. a ; 8.208 N. 10: me m 888 Fü eee 8. 250 N. 56: de optimo et medio quod habuit territorio juechos 4. In den Salz- burger Urkunden steht auch S. 172 c. 89: territorii hobas 3 et dimidium sil- vamque pascualem porcorum; S. 175 c. 95: territorii hobas 4 et jugera 20. Als Glosse für territorium finde ich erdmarcha 2), Graff II, S. 848, aus den Glossen des Hrabanus; Trad. Fris. N. 242 aber: territorium nn dicimus n dies Wort kennt Graff nicht. wöhnlich wird ganz allgemein von der £erra tor akatisi arabilis, gesprochen - nie juger, 1 eee auch heisst es wohl ai Man könnte dagegen Trad. Fuld. N. 147 anführen: áream unam cum omni aedi- ci oficio et illam hobam quam noster homo Adalhartus habuit, quod est tribus ` lateribus. meum; quario latere via publica, et quicquid ad illa. area el ad illa hoba pertinet, terris araturiis campis silvis pratis pascuis etc. Aber offenbar beziehen MR Se pubes auf die Hofstütte. , 2) Man vgl. ho 1 für ambitus (= captura, bifang) in "Trad. Fuld. N. 317, wäh- rend die Glossen des Hraban nach Graff a. a. O. dafur areale, prata geben. 3) terrae, campi sationales, finde ich nur in angelsächsischen Urkunden, Kemble N. 27. 52. ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 201 agricultura; Trad. Fuld. N. 212: tertiam partem omnis agriculturae suae; ebend. N. 166: quidquid .. in villa .. et in marcu ejus de possessione agricultura proprietatis habemus; vgl. N. 215: de agricultura terra; — oder cultura, culturae; Trad. Lunael. N. 1: casa mea cum cultura mea; Trad. Bland. S. 103: cum culturis, pratis; ebend. S. 104: in domibus, culturis, pratis etc. Von den deutschen Bezeichnungen der Felder, in denen das Ackerland der gewöhnlichen Hufe vertheilt liegt, kommt am häufigsten in älteren Quellen das Wort zelga vor: es bedeutet das grössere Feld, welches einer und der- selben Bestellung in einem Jahr unterliegt. Ausser den von Landau S. 33 aus Neugart und Kleinmayr angeführten Stellen giebt der Codex tradd. Sangall. auch noch andere Beispiele, wie S. 69 N. 25: ad proximam cortem vestram in unaquaque zelga ebdomedarii jurnalem arare debeamus; vgl. Goldast N. 69: in omne zelga jornale uno arare. Ganz ebenso wird dort aber aratura gebraucht. S. 52 N. 1: per singulas araturas singulas juches arare et seminare et colle- gere; S.346 N.47: et in unaquaque aratura jurnalem unam aramus. In einer interessanten Urkunde, die eine bedeutende. amn dnn, ebenda: Á 212 N.18, behält sich der Schenker einen Thei herigen Bes vor, Ke dodi 1 r O mz , ade n en E ^ L4 >” ái " " 2ardvurd sicio. Trai Bose Po x oa ANE aJ. z 1 PE PE pa it und. m ares et he " edas (über saigata s. s. unten). sick pipaita llerdi ht deutlich die die Vertheilung des Landes nach diesen drei Fel- . angiebt; Trad: Fris. N. 1412: hobam 1 legalem, id est in tribus plagis jugera 15. Auch campus scheint mitunter so gebraucht zu sein, Maurer a.a. 0.; oder ager, Trad. Salzb. S. 293 N. 15: sex jugera in unoquoque agro; wieder anderswo wird blos gesagt, es liege das Land in tribus locis, Landau S. 35 n.2. Das schwäbische Oesch (essisc) habe ich in alten Urkunden nicht gefunden. Jetzt braucht man häufig Schlag in dieser Bedeutung. — Da- gegen heissen die kleineren nach der Beschaffenheit des Bodens gebildeten Äcker, von denen regelmässig mehrere zu einer Zelge gehören, Gewanne, in Norddeutschland Kamp. Man kónnte meinen, jenes in dem Worte wanc (wang) zu finden, von dem Graff bemerkt (I, S.894), dass es nur in der Composition holzwanga und in Ortsnamen vorkomme (vgl. Grimm Rechtsalt. S. 499), das aber auch in einer Formel, die neulich Rozieres aus einer € Hist.- Philol. Classe. VI. Cc 202 GEORG WAITZ, burger Handschrift hat abdrucken lassen (Bibliothèque de l'école des chartes 3. série II, S. 519), erhalten ist: unum -wanc qui in occidentali parte ipsius rivi ... adjacere videtur. Hier bedeutet es aber ein Feld, das ganz in dem Besitz éines Mannes sich befindet, also weder das was Zelge noch was Gewanne ausdrückt. — Bemerkenswerth ist die Bezeichnung analies terris in einer Urkunde des Cod. tradd. Sang. S. 123, auf die Maurer S. 8 aufmerksam macht. Schon Neugart versteht, wie es auch wohl nicht anders möglich ist, annalis terra, und erklärt es für das jahrweis in Anbau genommene Land im Gegensatz des Gemeinlandes. Eine andere Frage, welche die Aufmerksamkeit fast noch mehr in An- spruch nimmt, ist die nach der Grösse der Hufe. Man könnte freilich, gerade bei der Beschreibung welche wir von der Beschaffenheit der älteren germani- schen Hufe gegeben haben, zu der Meinung veranlasst sein, dass von einer bestimmten Grösse derselben immer nur in einem bestimmten Dorfe die Rede A Join könne. Je nach 1, Fahl A, Ggwanng ndar Kamna die im. Anbau ge nommen, nach der Grösse: die sie hatten, scheint es hat der Besitz selbst verschieden sein, auch im Fortgang der Zeit in einem und demselben Dorf fortwährend wechseln müssen. Dennoch ergiebt sich leicht aus älteren und späteren Nachrichten, dass fast überall eine bestimmte Grösse vorausgesetzt wird. Wir lesen von koba legalis, Trad. Frising. N. 1098 S. 467. N. 1112 S. 471; mansus legitimus, Bréquigny II, S. 346; hoba legitime dimensa, Trad. Sang. S. 363 N. 9; hoba plena et legitime mensurata, ebend. S. 322 N. 5; hoba pleniter emensa, ebend. S. 336 N. 29; hoba plena, ebend. S. 266 N. 86. 331 N. 22. 363 N. 9. Lacombl I, S. 5; mansus plenus, Trad. Patay. N. 72. Trad. Ratisbon. S. 49. Vgl. auch Trad. Fuld. S. 288: quicquid in illa mensura proprietatis habeo in villa, und im allgemeinen Maurer S. 78. 135. Die Grösse wird auch regelmässig in bestimmten Zahlen angegeben. Landau sagt S. 36: „Bei dieser Hufenart zeigt sich ein bestimmtes ziemlich allgemein durch ganz Deutschland übliehes Normalmaass«, und er setzt hinzu: ;und dieses Maass sind 30 Morgen.“ Ich muss dem ganz beistimmen, nur so dass ich, wie früher (Verf.- Gesch. II, S. 185) so auch jetzt daneben 40 Morgen als eine in gewissen Gegenden vorherrschende oder doch ebenfalls häufig vorkom- mende Grösse nenne, und dem noch das Maass von 20 hinzufüge. ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 203 Landau giebt (S. 36) aus verschiedenen Theilen Deutschlands Beispiele für die Zahl 30; vgl. Maurer S.129. Stüve S.26. Ich will ein paar beson- ders aus älteren Urkunden nachtragen. Trad. Weiss. N. 156: hobam 1 idem (id est?) jurnales 30 ... curtil. 2 et ad ipsas jurn. 60; Trad. Sang. S. 278 . N. 108: 15 juchos et dimidium casata; Not. don. Salzb. c. 15: jugera in agris 30. Vgl. namentlich die Stelle der Trad. Fuld. N. 66: una arialis et una hoba, quod est 30 jugera terrae araturiae. Ein besonders sprechendes Zeugniss aber mag hier ausnabmsweise aus einer spüteren Urkunde Platz finden; Walken- rieder Urk. vom J. 1217 (Urkundenbuch des hist. Vereins von Niedersachsen II, N. 100): 1 mansum in Otstede 30 jugerum, quae secundum communem legem mansum constituunt. Die Zahl der Urkunden, in denen 30 Morgen als Grösse des Landbesitzes genannt werden, ist sehr bedeutend; aus den Tradd. Laur. aus denen Landau ein paar spätere Nummern anführt, habe ich mir bemerkt N. 226. 482. 491. 515. 518. 690. 691. 793. 830. 873. 893. 965 u.s. w.; aus den Tradd. Corb. N. 24. 30. 31. 42. 44. 45 (60 für 2 familiae). 53. 54. 58. 59. 63. 64. 69. 75. 93 etc. Aber auch die iin 20 und 40 kommen so diim -— 1 1. 1. dii. Glo N : B nen oder in späterer Zeit un — vieta mds nicht als blosse Ausnahn 3 pe — 20; a 8.320 N. 1. terrulam meam hoc est 20 jugera; ebend. S. 318 N. 174: casale cum 20 jugos; Trad. Laur. N. 412: et quidquid ad ipsam hobam attingit et 20 jurnales de terra oratoria; hier sind die Beispiele besonders häufig N. 359. 473. 614. 645. 670. 681. 682. 713. 736. 855. 882. 905. 946. 992 etc. — Für 40 füge ich Landaus Beispielen noch bei Trad. Sang. S. 413 N.50: hobam 1 hoc est 40 jugera; auch diese Zahl ist in den Lorscher Urkunden nicht selten, N. 470. 492. 582. 897. 629. 630. 689. 692. 776 etc.; vgl. Trod eee. N. 43. 44. 18. 83.94. Unter den Zahlen die sonst v } ur 36 (in Sachsen), 45 und 60 in einer gewissen Regelmässigkeit. Bun Es frügt dà. we ae Verleih elek ist. Nach einer vorher angeführten Freisinger Urkunde, die einer hoba legalis von 45 Morgen ge- denkt, lagen hier in jeder plaga (Zelge) 15 Morgen; und auch in einigen Cc 2 204 GEORG WAITZ, anderen Stellen wird eines gleichen Ackermaasses in jedem der drei grossen Felder gedacht, Das war dann ohne Zweifel der Fall, wenn diese wirklich von gleicher Grösse waren, was sich aber häufig anders fand; s. Landau S. 38. Schwieriger war ohne Zweifel die Vertheilung auf die einzelnen Gewanne, die wir doch, nach dem übereinstimmenden Zeugniss aller die sich näher mit der Beschaffenheit der alten Feldfluren beschäftigt haben, nicht wie Maurer thut, mit den Zelgen verwechseln dürfen; ihrer waren regelmässig mehr, sie - waren nach der Bodenbeschaffenheit angelegt, und zwar so, dass Stücke von ungefähr der gleichen Lage und Qualität dazu genommen wurden und dann an jedem derselben jede Hufe ihren Antheil hatte. Dabei ist schwerlich daran zu denken, dass ein solches Stück immer eine in Morgen ausdrückbare Grösse enthalten habe. Die Hauptsache "ben au dass es offenbar eigenthümliche Schwierigkeiten hatte, in den Dörfern bei einer ‚solchen Ver- theilung zu der ungefähr gl gleichen Grósse des 8 la le zu ge „ da 1 ein räumlich gleiches Mi. nur har * 2» = Zi te 3. 1 3 i xx» T E Y ein sehr glich Verhältniss engbbau: hätte. rer Es kommt darauf an was man unter einem ren yes AR (S. 44 fl.) und Maurer (S. 129) haben darüber schon befriedigend gehandelt. Offenbar hat bei allen deutschen Stämmen ursprünglich eine Bestimmung der Landmaasse nicht nach reinen Messungen und Zahlen, sondern nach ge- wissen natürlichen Verhältnissen stattgefunden: was man an einem Tage oder Morgen mit einem Pfluge und einem Joch beackern konnte, nahm man als Maass; dafür werden die lateinischen Ausdrücke jugum, jugerum, jurnalis, diurnalis, auch terra boum, deutsch Morgen, Tagewerk, Mannwerk und an- dere kh verwandt. In Urkunde 0a vor beh 1 tten dehrhunderk sind mir die d) Dahin gehört das auffallende wera in 5 rg dee 8. 47. Andere Ausdrücke, die dasselbe wie Morgen zu bedeuten scheinen, die ich aber bei Landau und Maurer nicht berücksichtigt ſinde, sind: Trad. Fuld. N. 128: 20 motales id est jugeres; ich weiss nicht ob man damit zusammenstellen darf Trad. Weiss. N.181: de terra araturia mitus 1; — Trad. Sang. $.19 N.10. in quisqua sicione saigata una ares et hoc medas et intus ducas; S. 26 N. 21: mihi tradiderunt ad pertica mensurata saicadas 23, eine Stelle die Guérard S. 178 ganz missverstanden hat, wenn er meint, es sel von Bust perlics zu 23 salcadae die Rede; Neugart (Cod. dipl. Alam. I, 8.95 erklärt saicada als das, was der » ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 205 deutschen Ausdrücke allerdings nicht begegnet, allein keiner, der ihre spätere allgemeine Verbreitung sieht, kann bezweifeln, dass sie uralt sind, und dass nur deshalb, weil man die entsprechenden lateinischen Worte vorfand, die Schreiber der Urkunden hier weniger als anderswo Anlass fanden die deutschen zu verwenden. Auch ist es durchaus wahrscheinlich, dass die Deutschen diese Art der Messung mit andern Völkern, den Römern und Kelten, gemein gehabt haben, ohne dass deshalb Grund ist an eine Entlehnung von den einen oder andern zu denken, wie Mone anzunehmen geneigt ist. Die Römer haben später allerdings eine bestimmte Grösse, 3600 DFuss, 240 lang, 120 breit, zur ge- setzlichen Norm gemacht, und es ist möglich, dass diese in einigen der von den Deutschen eroberten Provinzen beibehalten wurde, oder wenigstens Einfluss auf spätere Grössenbestimmungen gewann. Im ganzen aber zeigt sich in Deutschland wie in Frankreich die grösste Verschiedenheit in dem wirklichen Flächenraum der Morgen. Guérard (S. 173 fl.) hat einen Versuch gemacht denselben für Gallien in frünkischer Zeit zu bestimmen und sich dabei besonders der An- gaben bedient, welche burgundische ren darbieten. . Allein diese stim- mn kitschig vim Ma RM ARM: ein 80, bald von 106½½, 140, 152 D Ruth. deni disci Ville ndi Ea > und Breite zeigt, dass sich mit dem Worte selbst kein fester‘ Begriff verband. Ich kann daher auch keinen en Werth auf Aden legen, — — ru —— — ber serie ee her (sur) in eee eee Möglicher Weise kann das Wort auch ein anderes Ackermaass bezeich- € —— die andecinga von 160 [Ruthen nach Lex Baj. Il, 14, 2; vgl. Guérard 8. 176. 640; die furlanga in fränkischen und Süchsischen Urkunden, Landau S. 49; "t Trad, Corb. "ur Nur auf dem linken 'inufe erscheint das die mappada, riga und and : aber die ausführlich /Cuérard gehandelt ha, iier die mappada besonders in in dem Commentar zum Polypticum S. Remigii S. xxxvi ff. In den Tradd. Bland. S. 76 steht: et sunt ibidem inter "rH ram arsbüom et siam ét pratum plus quam capita 100; vgl S.77: et PPP eee, E am capita 10. 206 GEORG WAITZ, vom Jahr 849: unum juchum 30 virgis in longitudine mensuratum et 3 in latitudine; Not. don. Salzb. c. 14: jugera 5 in longo et in lato virgas 12; Trad. Fuld. N. 349: unum jugerum 6 virgarum latum 30 longum; also einmal 90, das andere Mal 60, das dritte Mal 180 [JRuthen. Die virga, Ruthe, wofür anderswo pertica steht, war selbst von sehr verschiedener Grósse, bei den Baiern betrug sie 10 Fuss, Lex Bajuv. II, 14, 2, anderswo aber 12. 15. 20 und mehr (Guérard S. 177. 909); in der Not. don. Salzb. wird kurz vorher c.13 einer Ruthe zu 2615 Fuss erwähnt. Ich will bemerken, dass pertica selbst mitunter als Flüchenmaass gebraucht wird; Trad. Weiss. N. 244: de ipso silva sua portione perticas 91; Trad. Laur. N. 832: dimidiam partem de illo prato ... quod continet simul 15 perticas; vgl. Guérard S.178. Doch ist es Ausnahme und kommt nur bei Wäldern und Wiesen vor, bei denen sonst wohl Länge und Breite in Ruthen angegeben wird; Trad. Laur. N. 956: pratum unum tenentem in longo perticas 30 et lato perticas 20. ; — . — Wiesen und Wald, und es ist auch nicht richlig, wenn Grimm (Rechtsalt. S. 951) mit Wigand behauptet, dass dies nur bei jurnalis der Fall sei, jugerum dagegen nur von Ackerland gebraucht werde. In den Tradd. Corbej. werden allerdings beide unterschieden; neben einer grossen Zahl (30 etc.) jugera finden sich wohl einzelne jurnales, doch ohne Angabe der Verschiedenheit des Landes auf die sie sich beziehen. Aber es heisst Cong. Arn. S.21: jugeres vinearum duas; Trad. Patav. N. 65: de pratis jugeras 12; Trad. Sang. S. 416 N. 56: 14 jugera silvae; vgl Trad. Fuld. N. 352: 30 jugera, 15 jam stirpata et ad arandum in planitiemque campi parata et alia 15 adhuc silvis occupata. Dies setzt allerdings voraus, dass man nun unter Morgen ein be- stimmtes Flüchenmaass verstand, welches man auch da anwandte, wo an die ursprüngliche Bedeutung nicht gedacht werden konnte. Wir werden nachher demerken, dass selbst mit dem Worte Hufe pwes shalies en ist. Aber das Maass war offenbar in verschied Dörfern ein ve schiedenes, und man Naben, ob "das nicht belbet in einer und derselben Dorffl ur der Fall war. Spa: wir an dem ursprünglichen Begriff des Morgens fest, so ergiebt sich, dass er auf schwerem Boden, der sich minder leicht pflügen lässt, kleiner ausfallen musste, als auf leichtem. Es ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 207 wäre nicht uninteressant zu wissen, ob die hieraus entspringende Differenz vielleicht. mit der Differenz des Werthes in Verhältniss stand, so dass was man vom leichten Boden an einem Tage mehr zu pflügen vermochte, an Werth dem gleich kam was auf dem schweren die gleiche Arbeitskraft und Arbeits- zeit erforderte. Ganz kann das bei den mannigfachen Abstufungen schwerlich zugetroffen haben; aber war es auch nur annüherungsweise der Fall, so erklürt es sich, wie eine solche Gróssenbestimmung aufkommen konnte, spüter aber als die Verhältnisse stütig und starr wurden, grosse Ungleichheiten hervor- traten, wührend es ursprünglich gerade auf eine wenn auch vielleicht etwas rohe Ausgleichung abgesehen war. Unter einer solchen Voraussetzung würde eine Hufe von 30 Morgen ur- sprünglich einen allerdings sehr verschiedenen Flüchenraum, vielleicht in jedem Dorfe einen andern gehabt haben; allein die Meinung wäre doch immer ge- wesen, bei der Vertheilung jedem eben einen solchen Besitz zuzuwenden, der ungefáhr denselben Werth hatte und den er mit der gleichen Arbeitskraft bestellen konnte; die 30 oder 40 Morgen sollten eben das sein, was einer mit einem Pflug und einem Gespann und den dabei üblichen Knechten be- wirthschaften konnte, die Gru aner einer einfachen dts Mibi py wie es der Begriff der Hufe ist. l | Es ward. aber das Wort Hufe — auf —.—— Land 1 Md nicht der Cultur unterlag, ganz in derselben Weise, wie es mit dem Ausdruck Morgen der Fall war. Hatte die Hufe einer Gegend oder doch eines Dorfes eine bestimmte Zahl Morgen, wie wir sahen häufig 30, so konnte man ein Land von der Grösse dieser wohl unbedenklich als eine Hufe bezeichnen. So finden sich zunächst Bezeichnungen wie Trad. Laur. N. 410: occupationem ad decem hubas, ein Land wo 10 Hufen angelegt werden können. Ziemlich häufig ist dann die Anwendung auf Waldland; Trad. Sang. S.216 N.25 (Wirt. Urk.104): hobae duae de arabili terra et octo in silva .. ., vertauscht gegen: hobae 2 ... de estimata silva hobe duae et dimidium et ad L. silvam unam habentem hait 5 et in O. ad sublementum hobae decimae jurnales 10 de arabili terra mensuratae ..., zusammen: sicut probatissimi et fidelissimi viri nostris et vestris partibus estimaverunt in arabili terra et silvis incultis hobe 10; eine Stelle die sich selbst und andere erläutert; vgl ebend. S. 263 N. 10: 208 GEORG WAITZ, unam hobam in silvis; Trad. Fuld. N.300: duas hobas unam in silva et alte- ram in terra ei unam areolam; ebend. N.310: duas hobas unam in campis et alteram in silvis. Man wird auch hier die Hufe noch nicht als eigentliches Landmaass betrachten können, und auch andere Stellen beweisen das nicht, 2. B. die welche Guérard (S. 578 n. 5) anführt aus Kleinmayr S. 196: hobam 1 jugere excepto, oder Trad. Laur. N. 1603: unum mansum de terra aratoria, was allerdings ein ungewóhnlicher Ausdruck ist, aber doch nur heisst: das Maass einer Hufe in Ackerland. Schon Landau bemerkt (S.36), dass die 30 Morgen, wo diese vorkommen, nicht immer blos aus Ackerland bestehen, sondern mitunter die Wiesen eingerechnet werden; ebenso dürfen wir vielleicht annehmen, dass, wenn wir einmal lesen, Trad. Sang. S. 393 N.19: 5 juchos de silva et 25 juchos inter arativa terra et pratis, wir hier die durchgehenden 30 Morgen wiederfinden, aber noch vertheilt auf Ackerland Wiesen und Wald, allerdings dann Wiesen und Wald die im Privatbesitz waren. Als reines Land- maass begegnet die Hufe erst später in einzelnen Gegenden; vgl. Landau S. 38. Ebenso erscheint als späteren. Ursprungs die grössere Hufe von 60 Mor- gen, die als Königshufe, Hagenhufe, Marschhufe, vorkommt (Landau S. 21 fl.), alles offenbar spätere Anlagen. Das älteste Beispiel der ersteren das mir vor- gekommen, ist Trad. Fuld. N. 329: Adalbert schenkt sex regales mansos cum vinea ... et cum 66 mancipiis; da es sich aber auf das „oppidum Cobe- lenze« bezieht, kann man vielleicht zweifeln, ob hier shon die. spätere Be- deutung des Wortes stattfindet. Der Bestand der Hufen blieb nun uel nicht immer unverändert. Man hebt es hervor, wenn sie noch ganz ist: Trad. Weiss. N.19: hobas integras; . Trad. Werth. bei Lacomblet I, N. 7: hovam integram. Häufig genug finden sieh on in alten Urkunden halbe 1), drittel, zweidrittel Hufen; Trad. Weiss. d 1 LI die scoposa, Schupose, in Schwaben, gerade so. viel ist wie eine halbe " nm .wie Landau 8 $.41 annimmt, bleibt döch sehr anoion vgl. Mone in Pei S von eee, 8. auch Nördewierg "Nederduitsche Kigkönde heden e 1853) S. 231. ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 209 N. 54: dimidia hoba ad W.; ebenso Trad. Sang. S. 97 N. 70. Trad. Laur. I, ö. N. 78. 1771 etc.; Trad. Weiss. N. 19: tertiam partem de una hoya; — Trad. Sang. S. 72 N. 31: duas partes de una hoba. Vgl. die vorher angeführten Stellen über halbe, drittel u.s.w. Mansen. Daraus erklärt es sich auch, dass wir oft eine kleinere Zahl von Morgen zusammengenannt finden: wie 20 Morgen, die als die Hälfte von 40 erscheinen können, auch 10, 2. B. Trad. Laur. N. 191. 204.211.398.468, 487. 545. Wir sehen aber auch, dass der Verkauf einzelner Morgen nicht verwehrt war und: wenigstens später oft genug vorkam. Mögen es auch häufig solche sein die ausser‘ der alten Feldgemeinschaft lagen, so scheint es doch nicht ganz an Veräusserungen auch hier gefehlt zu haben; dabei ist dann freilich vorauszusetzen, dass solche einzelne Morgen mit dem Antheil an einem oder ein paar Feldern (Gewannen) zusammenfielen. Auf Solche Weise aber konnte eine Hufe vermindert werden, eine andere Zuwachs erhalten, und die alte Regelmässigkeit der Zustände ward durchbrochen; so dass es fast mehr zu verwundern ist, dass aus späterer und selbst neuerer Zeit noch so viele Belege von spent K. sind, m dee sich re Abweichungen une ‚Zone fi =v Über die B des Ackerla "t s nach Er eh doi FREE aba ee pense dons dipdbr. älteren Zeit keinen bestimmten Aufschluss; da sie mit der Art der Vertheilung des Landes in engstem Zusammenhang steht, kann aber kein Zweifel sein, dass die Zustände, die wir später finden, bis in die frühste Zeit hinaufreichen. Ich kann denen freilich nicht beistimmen, welche die Feldgemeinschaft ausdrücklich schon von Tacitus beschrieben finden, aber ich bin allerdings der Meinung, dass seine Beschreibung der deutschen Agrarverhältnisse ihre volle Erläuterung nur unter der Voraussetzung dersel- ben erhält, und zwar unter Voraussetzung der gewöhnlichen Feldgemeinschaft, bei der jeder an dem einzelnen Felde (Gewanne) seinen ein für alle Mal be- stimmten Antheil hat, nicht der sogenannten strengeren, nach welcher nur, so oft ein Feld in Anlfau genommen wurde, der gleiche, nicht nothwendig derselbe Antheil dem einzelnen zugewiesen wurde. Vgl. Allg. Monatsschrift, 1854. Februar. S. 112. Die Urkunden dieser Zeit geben darüber keinerlei Aufschluss, dagegen enthalten sie wohl einzelne Notizen; welche bestimmter auf die Drei- felderwirthschaft himweisen, und die von Landau 8. 56 ff. schon zusammenge- Hist.-Philol. Classe. VI. Dd 210 GEORG WAITZ, stellt worden sind; vgl. auch das Güterverzeichniss von Medlach, bei Höfer Zeitschrift für Archivkunde II, S. 120 fl. Neben dem Ackerland finden sich häufig auch Wiesen im Privatbesitz. Mitunter werden sie dann auch in die Gesammtzahl der Morgen eingerechnet, wie oben bemerkt ward. Häufiger aber sind sie für sich aufgeführt und ihre Grösse nach dem Ertrag gemessen: wie viel Fuder (carradae) Heu sie lie- fern. Es giebt aber auch eine Grössenbestimmung die ganz der nach Morgen auf dem Ackerlande entspricht: wie viel einer in einem Tage mähen kann; das heisst Tagmath, bei den Friesen Demath, das Landau S. 45 nicht richtig mit Morgen zusammengestellt hat; vgl. Heimreichs Nordfries. Chronik, herausg. von Falck II, S. 201. Noordewier S. 231; ebenso wird Mannmath gebraucht, Landau S.47. Solche Wiesen bilden dann ein zusammenhängendes Gebiet, dessen Lage man näher bezeichnen kann, während das bei dem rings auf den Gewannen zerstreut liegenden Ackerland einer Hufe nicht möglich ist. Bei- spiele finden sich Trad. Sang. S. 258 N. 69: uno prato inter etc.; ebend. S. 257 N.68: uno prato juxta casam Adalfridi; Trad. Laur. N. 195. 197. 235. 236.240 elc. Damit steht es weiter in Zusammenhang, dass, wie oben bemerkt ward, piunti (clausura) öfter von Wiesen, die eingehegt waren, gebraucht wird. Auch Wälder kommen früh schon im Privatbesitz vor, wie schon die vorher angeführten Stellen zeigen, in denen eine Messung des Waldes nach Morgen vorkommt; vgl. Trad. Lunael. N. 49: silvam hereditatis meae; Landau S.174.175. Doch ist es im ganzen als Ausnahme, als — von dem alten Zustand zu betrachten. Ein dritter Hauptbestandtheil der Hufe im weitern Sinn des Wortes ist aber die Theilnahme an der Nutzung des gemeinen Landes. Sehr ausführlich hat darüber Maurer S. 138 — 171 unter Eingehen auf manche rechtliche Ver- hältnisse, kürzer Landau S. 163 — 185 gehandelt. Beide berücksichtigen auch das was spätere Quellen in reichem Maasse über die Bedeutung und die ein- zelnen Verhältnisse der Markgenossenschaft ergeben; aber es wird nicht ohne besondere Vortheile sein, auch hier einmal nur das zusammenzustellen was schon die älteren Urkunden enthalten, was vielleicht nicht ausreicht um ein vollstándig deutliches Bild von der Sache zu geben, aber doch jedenfalls bestätigt, wenn es denn dafür noch eines Beweises bedürfen sollte, dass das ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 211 meiste schon in dieser früheren Zeit vorhanden war, was uns dann in reichem Detail in den späteren Quellen, den Weisthümern u. s. w. entgegentritt. In verschiedener Weise führen die alten Urkunden das Zubehör einer Hufe auf. Beispiele giebt Maurer S. 125 n.20. Ich hebe ein anderes hervor, Trad. Sang. S. 397 N.26: curtile cum domo et foenile, vinea et marchis, pratis et. agris, pascuis et silvis, cum omnibus videlicet quae ad possessores ipsius curtis jure legali pertinere debent. Wie hier wird auch anderswo neben Weiden (pascuis oder pratis) und Wäldern (silvis) von marchis gesprochen. Marcha ist im allgemeinen die Grenze oder vielmehr das begrenzie Land, das Gebiet; es wird aber das Wort oft mit Vorliebe da gebraucht, wo es sich von dem noch ungetheilten Lande handelt, und zwar eben dem welches mit Wald bedeckt ist, obgleich Maurer S. 41 mit Recht bemerkt, dass dies nicht als die ursprüngliche Be- deutung angesehen werden kann; vgl. Landau S.111 fl. 163. -Hier sind eine Anzahl Stellen anzuführen, wo es in der angegebenen Weise begegnet: pascuis marchis silvis, Trad. Sang. S. 213 N. 20. S.217 N. 1. S. 222 N. 4; pratis marchis silvis, ebend. S. 282. N. 31; silvis marchis viis, oder silvis viis marchis, end. S.“ 237 N.30. 8.238 N. 32. 8.258 N. 70. S. 283 N. 117. 8.284 N. 118. 8.205 N. 136. 8.312 N. 163. S. 318 N. 173. Bestimmter heisst es: silvis atque silvarum marchis, ebend. S. 371 N. 22. S. 424 N. 71; silvaticis marchis, ebend. S. 331 N. 22; marca silvatica, Trad. Weiss. N. 69; marca de va, ebend. N. 186. Vgl. auch Mon. B. XI, S. 14: cum omni marca seu silva. In andern Gegenden ist von communis die Rede. So in den Urkunden von S. Bertin, communiis perviis, S. 59; pascuis communiis perviis, S. 61. 62; farinariis communiis, Bouquet IV, S. 665. Auch in den Tradd. Werth. und anderswo stehen die Worte in solcher Weise zusammen: communiis pascuis, Lacomblet I, N. 3; perviis communi(i)s que ad illas villas adtinent, ebend. N.8; vgl pascuis communiis, form. Lind. 57.58. Vielleicht ist hier eine Bei- behaltung römischer Formeln anzunehmen!); auch wird das Wort ‚weniger auf Wald als auf Weide oder andere Gerechtsame zu beziehen sein. 1) Eine Stelle der Lex Burg. Add. 1, b 6: Silvarum montium ei pascuorum uni- cuique pro rata suppetit esse communionem, ist aus der Lex Romana Burg. XVII, 6 entlehnt. Vgl. Gaupp Ansiedelungen S. 346 n. i Dd 2 212 GEORG WAITZ, In soweit diese in der Benutzung von Wegen, Wassern und dergleichen bestehen, haben sie für unsere Betrachtung ein geringes Interesse. Ich mache hier nur aufmerksam auf den Ausdruck: cum waterscapis, Trad. Werth. Lacomb. N. 3; wadriscapis, Chart. S. Bertini N. 59. 61. 62. 66, neben perviis und dgl.; et uatriscampis, Trad. Bland. S. 75 vgl. 76; egressu vel ingressu et watrischafo, Trad. Eptern. Bréquigny IL, S.280; et watriscafo, ebend. S. 284. 291. 293; cum watriscapo S. 289; cum widriscapis, Trad. Prum. ebend. 8.329; vel vatriscafa S8. 512. Im innern Deutschland finde ich das Wort nur in den Tradd. Lunael., wo es aber unrichtig in zwei Worten geschrieben wird: wadris, capis, com- muniis, N.98; vgl. 116.124. 134. Es scheint Zugang zum Wasser, Wasserlauf oder dgl zu bedeuten. So heisst es Trad. Weiss. N. 127: viam publicam de curtile nostro indominicato exire in — ad n" et — voluerint servitores ejus usque in evum. dius bbs. T ^. Mehr kommt die Weide in Besch; aber genauere Besti ül diese finden sich selten. In einer Urkunde K. Ludwigs Trad; Sang. 8. 304 N. 150) heisst es: ut ipsa familia in illa cellula manens potestatem habeat - materiam et ligna cedendi et pasturam animalibus qui in eadem cellula sunt, hoc est in jumentis et bubus et ovibus et porcis aique capris; ähnlich, doch weniger ausführlich, ebend. S. 235 N.26: pastum porcorum aliorumque peco- rum seu incisionem ligni omniaque necessaria in diversis utilitatibus pleniter habeat; vgl. ebend. S. 256 N. 66: ut habeamus in ipsa marcha licentiam et potestatem. ad ligna cedenda et aedificia construenda ac pascua necessaria et omnia talia quibus indigemus; Trad. Bland. S. 79: et pascua vel alia communia; s. auch eine Dotalurkunde, Rheinauer Formeln N. 16, wo der Aussteller sagt, er gebe de silva proprii mei juris "men 150, und weiter: communem pascuam communesque silvarum usus !). Viel et noch ist in manchen Stellen von dem Recht an dini Ge- I) Man könnte zweifeln, ob hier von wahren Gemein- weiden und -wäldern die Rede ist, oder blos von der Gemeinschaft zwischen dem Schenker und der Empfängerin (so theilen einmal zwei Erben, excepto ut pascua communia in agris habeamus, Trad. Sang. S. 236 N. 28; ja es kommt vor, Trad. Fuld. N. 445: unius pueri communis duae partes. Doch SOBRE bed erste nach den Aus- drücken entschieden der Fall. $ ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 213 meinwäldern die Rede. Schon die Lex Rib. 76 nennt eine communis silva; häufiger sind die Zeugnisse der Urkunden; Trad. Weiss. N.200: silva in com- muniis que possunt porci saginari numero 200; Trad. Sang. S. 419 N.60: et in silva usus ad focos et ad sepes et ad aedificia, quantum sufficerent ad curtile, quod concambiavi, porcis eliam in ipso curtili enutritis saginam quan- documque provenerit; ebend. S. 244 N. 44: ut in praefato saltu .. . omnem utilitatem, id est in pascuis, in aedificationibus, in lignis caedendis et in omnibus quibus homo in communi saltu uti potest utendi potestatem habeamus, et-si quid in eodem saltu adhuc minime sit comprehensum, absque ullius infe- statione comprehendi potestatem habeamus; Trad. Salzb. S. 227 N. 17: cum omni communione adjacentis silvae novalibus pro voluntate capiendis ... et communione simili adjacentis silve novalibus capiendis; Trad. Laur. I, S. 69: et sylvam in quam mittere possumus mille porcos perfecte saginari ....... et nullam aliam utilitatem sive ad extirpandum sive in usura ligni; (ebend. N. 1236: de illa silva communi quantum jure hereditario ad me pertinere . videtur, gehört wohl nicht hierhin); Trad. Bland. S. 78: et communitatem sil- vae; dedi Lunael. N. 130: et ibn inpia a els orod d simos en Bartl Saba ka ft all Trad. n N. 146 | 20 porcos pascendos de silva; ebend N. n it silva ibidem ee NEED 15; ebend. N. 273: silva quarte partis .... juris mei .... ad saginandum 200 porcos; Trad. Werth. Lacomb. N. 45: tradimus ad saginandum porcos 20; vgl. ebend. N. 47. 49.56.65. Das be- zeichnet mastunga, Landau S. 176, wahrscheinlich auch in folgender Stelle, Trad. Laur: N. 245: unum bivangum vel n" wo man das »vel« nicht erklärend nehmen darf. Die verschiedenen Rechte, die dergestalt vines eee veiba ver- steht man wenn von dem usus communium silvarum gesprochen wird; Trad. Sang. S. 415 N. 55; vgl S. 296 N. 137. Das nennt man geradezu com- munionen in silvam; Trad. Werth. Lacomb. N. 6; vgl N.8: et in omnem communionem mecum in silvam que dicitur Suiftarbant. Das heisst auch stas in silva, dominatio in siloam; Trad. Sang. S. 287 N. 122: omnem potestatem quam habuerunt in Goldahummarcha et in eadem silva; Trad. Werth. Lacomb. N. 5: dominationem in silvam que dicitur Sitroth; ebend. N-20: domi- - 214 GEORG WAITZ, nationemque in silvas ad supradictam villam pertinentes. Vgl. Landau S.171. Anderswo wird der Ausdruck scara gebraucht, als Bezeichnung bald eines bestimmten Antheils am Walde (Lacomblet N. 65: scaras 28, scaras 60; vgl. Landau S. 170) bald des allgemeinen Rechts (Lacomblet N. 7: illam hovam integram ... et scara in silva juxta formam hovae plenae !). Jederzeit wird ein solches Recht eben an die Hufe oder an den Hof ge- bunden (vgl. Grimm Rechtsalt. S. 505). Diesen steht dasselbe zu und geht mit ihnen, wenn es nicht besonders vorbehalten wird, auf jeden Besitzer derselben über. Dies wird in verschiedenen Stellen aufs deutlichste gesagt. Trad. Werth. Lacomblet N.22: curtile unum et duodecimam partem in silvam quae dicitur Braclog cum pascuis et plena dominatione quae jure legali ad illud curtile pertinere compertum est; ebend. N.20: cum celeris omnibus que ad ipsum curtile legaliter respiciunt, hoc est pascuis, perviis, usibus aquarum dominationemque in silvas ad supradictam villam pertinentes, cum pastu ple- nissimo juxta modulum curtilis ipsius; Trad. Sang. S.381 N.1: de justis et publicis traditionibus atque legitimis curtilibus talem usum habuimus, qualem unusquisque liber homo de sua proprietate juste et legaliter debet habere, in campis, pascuis, silvis lignorumque suceisionibus atque porcorum pastu, pratis, viis, aquis aquarumque decursibus, piscationibus ?), exitibus et reditibus. . . Diese Behauptung des Klosters, dass demselben die Rechte anderer freier Grundbesitzer rece j béstitigen die Aussagen von Zeugen; sie sagen: quod de legitimis curtilibus usus omnes isti, ut praedicti sunt, et nobis ad mona- sterium nostrisque mansis in nostris territoriis in pago praenuncupato com- manentibus cum illis ubique civibus absque contradictione esse communes...... Andere Stellen drücken die Sache anders aus; Trad. Sang. S. 296 N. 137 Ii) Das Wort bezeichne! auch die Arbeit oder Leistung eines Hörigen, Grimm Rechtsalt. 5.317. Graff VI, 5.528. Damit hängt es wohl zusammen, wenn es heisst "m Boica IX, S. 532: portio agri que waiscare dicitur, dazu die Glosse: kisker, jugeris, unius diei opus aratoris. Vgl. die scharhube, die arum a. a. O. aus Gudenas anführt. 2) Diese werden auch sonst erwähnt, z.B. Trad. Sang. S. 331 N. 22: 2 hobas et casas cum curlis caeterisque aedificiis atque unam silvulam ad eundem locum pertinentem necnon et Lemara usum illius a i qui supradicto loco contiguus fore videtur. BER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 215 et de communi. silva quantum ad portionem nostram pertinet .... el de silva juxta estimationem nostrae portionis in communi silva; ebend. S. 331 N. 22: 9 hobas de terra arabili et casas cum curtis caeterisque aedificiis atque cum silvaticis marchis ad easdem pertinentibus. Unter den verschiedenen Rechten, die der Hufenbesitzer am Gemeinwalde hat, nimmt eins aber am meisten die Aufmerksamkeit in Anspruch, die Be- fugniss einen gewissen Theil zu roden und in Ackerland zu verwandeln, worüber Maurer S. 157 fl. auch aus anderen Quellen interessante Zeugnisse beibringt; vgl. Grimm Rechtsalterthümer S. 525. Allerdings kann es nie ohne alle Beschränkung gegolten haben, und je mehr der Wald sich lichtete, desto grósser musste diese werden. Die allmühlige Verwandelung der gemeinen Mark in Ackerland durch Ro- dung und Einhegung ist auch sonst ein Gegenstand von grossem Interesse, indem sie am meisten dazu beitrug, die alten Besitzverhültnisse und Zustünde überhaupt zu veründern. Es gab den Anlass zur Entstehung von Ackerland das nicht in der Feldgemeinschaft begriffen war, deshalb für die Bewirthschaf- tung und den Verkehr minderer Beschränkung unterlag. Es sind auch nicht blos einzelne Morgen oder kleinere Landstücke urbar gemacht, sondern ganze Hufen wurden auf solche Weise neu angelegt, ja ganze Dörfer neu begründet. Des letzten Falles ist hier nicht weiter zu gedenken; aber auch wegen der andern kann ich auf Landau und Maurer verweisen, von denen jener (S. 153 fl.) die wirthschaftlichen Verhältnisse ausführlich behandelt und die einzelnen Aus- drücke erläutert, dieser (S. 183 fl.) besonders die rechtliche Bedeutung der neuen Anlagen ausgeführt hat. Die Gesammtheit der zu einer Hut gehórigen Racbie und e am Gemeinlande wird in sächsischen Denkmälern später mit den Worten Were, Echtwort bezeichnet. Es ist möglich, dass Schaumann Recht hat, wenn er (Gesch. des niedersächsischen Volks I, S. 65) annimmt, dass dies ursprünglich das ganze Besitzthum im Dorfe, in der Mark bezeichnete, wenn auch weder die Ableitung die er vorschlägt, noch andere Beziehungen die er daran knüpft, sich bewähren. In älteren Quellen ist mir kein entsprechender deutscher Ausdruck vorgekommen. Lateinisch wird in niederrheinischen Urkunden der Ausdruck dominatio gebraucht, wie speciell von dem Recht am Walde (s. oben) 216 GEORG WAITZ, e so allgemein von dem am Gemeinlande; Lacomblet I, N. 13: excepto quod ego L. dominationem, que ad illam hovam respexit, mihi retinui, seu in silva sive in aquis et pastu vel in conprehensione cum omni integritate; ebend. N. 22: cum pascuis et plena dominatione quae jure legali ad illud curtile pertinere conpertum est 1). Das erste ist zugleich ein Beispiel von der früh schon vor- kommenden Trennung des Echtwortes von der Hufe, Landau S. 184. Stüve S. 34. lone Andere Ausdrücke beziehen sich auf die Gesammtheit dessen was über- haupt zu einem Landbesitz gehórt, wenn auch wohl mit besonderer Rücksicht auf die Rechte am Gemeinland. So heisst es: quaecunque ad ipsam hobam pertinent cum omni scilicet integritate, Trad. Sang. S. 285 N. 119; aream unam cum casa cum omni stabilitate, Trad. Fuld. N.26; mansus cum silva vel omni termino suo, Mon. B. XI, S. 15. Hier sind Worte auf die Hufe oder die Hofstätte übertragen, die anderswo häufig von einer villa oder auch einem grössern Gut gebraucht werden; z.B. cum omni integritate vel merito, Bou- quet IV, S. 629; cum omni integritate vel adjacentiis, Bouq. IV, S. 630; cum integritate. et soliditate sua, Bouq. IV, S. 650; cum omni merito vel soliditate ad se pertinente, Bouq. IV, S. 696; cum omni merito vel adjacentias, Bouq. IV, S. 638; cum omni merito et termino, Trad. Weiss. N. 2. Bezeichnender ist: cum omni lege, Trad. Salzb. S. 192 c. 5. 196 c. 14; cum omni legalitate, ebend. S. 229 c. 27. — Dem Worte terminus entspricht es, wenn in einzel- nen Stellen von der marcha: der Hufe gesprochen wird. Trad. Sang. S. 258 N. 70: unam hobam in Hohinco cum omni marcha ad eandem tantum hobam pertinente; ebend. S. 314 N. 167: Et ut manifestiora forent adjacentia illius hobae ... decreverunt idem "A praedicti monasterii, ut sicut a Thiedolfo in en adjacentiis ad marcham illius hobae comprehensum fuerat, meae subjacere potestati; vgl. Trad. Lunael. N. 29: schenkt sein Gut in villa Ch. cum omne marcha atque jacenciis suis, casatis, servis, mansis etc., wo man meinen kónnte, dass die ganze villa geschenkt sei; dass dies nicht der Fall, zeigen aber andere Schenkungen in demselben Ort; ebend. N.38 heisst es: er schenke cidla- rios meos La T unus est P et aller est servus . eum ipsa marca 1) Maurer S. 282 n.27 deutet es unrichtig von der mcs eben * , ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 217 qui ad ipsum locum (d.h. den Besitz der beiden, was aber nicht ausgespro- chen) pertinet, hoc est de Gaginpah usque in Chaftorapah; und ähnlich öfter in den Urkunden dieses Klosters; vgl. N. 39. Dass einzelne Hufen auch eigene Namen führen nach einem früheren Besitzer oder anderen Umständen, bemerkt Landau S. 39, und zeigen die Namen, welche Graff IV, S. 829. 830 verzeichnet, einige freilich von - hof, nicht von -hufe (hoba) abgeleitet. Jener geht aber gewiss zu weit, wenn er dies als allgemeine Regel ansieht; würe das der Fall gewesen, so würde in den unzähligen Urkunden, die sich auf Verkauf, Schenkung u.s. W. einzelner Hufen beziehen, ohne Zweifel ófter der Name genannt, als es nun — Am — finde ich es in den Traditionen von Werden. ; Ich habe früher (Verf.- G. II, S. 186) die Vermuthung geäussert, dass zwischen dem Werth der Hufe und der Grósse des Wergeldes ein Zusam- menhang bestand; meines Wissens ist sie seitdem in Deutschland weder be- stritten noch bestätigt worden, nur aus den angelsächsischen Verhältnissen hat sich einiges dafür anführen lassen; vgl. Kemble, The Saxons in England I, 8.156. Satin ue Anz. irme BB 8.889. Es hat allerdings grosse r3 «x n T E- RE Ar NE m NT T i 233 Gan 1. n Hofe‘ der gemeinen Mark bedeutet, Landau S. 170, muss wohl dahingestellt bleiben!). Dagegen schlagen hier vielleicht die schönen, nach so vielen Seiten hin Licht verbreitenden ‚Untersuchungen Homeyers über das Handgemahl ein. Man könnte wohl geneigt sein, die hobam compositionis meae (Trad. Sangall. S. 229 N.16) dem praedium libertatis, das jener aus einer spütern Urkunde beibringt (S. 19), an die Seite zu stellen, bei dem „freien mit einem etwa wehrhaften Wohnsitze versehenen Grundstück eines Vollfreien, welches als Haupt- und Stammgut des Geschlechtes« galt, an die ursprüngliche Hufe zu denken, und dafür einen Werth zu fordern, der wenig- stens dem Betrag des Wergeldes gleichkam. Zu den RA welche für diese Art des Grundbesitzes erfordert E “Fr Y $ a ew ware vgl. auch Noordewier, S. 214. Man unterscheidet den „volwarigen und halfwarigen“ wie den Voll- dnd Halbspänner. Hist.-Philol. Classe. VI. Ee 218 GEORG WAITZ, werden, gehört auch, dass der Eigenthümer ihn selbst bewohnt und bewirth- schaftet, im Gegensatz gegen den welchen er an Hörige oder Knechte gegen Zins und Dienste überträgt. Über diese Verschiedenheit, die bis in die Zeiten des Tacitus zurückreicht (Verf.-G. I, S. 183) und später fortwährend an Be- deutung gewinnt, sind hier noch einige Bemerkungen hinzuzufügen. An sich ist eine verschiedene Art der Landanweisung an Hórige' und Knechte möglich, bald so dass ein Theil des zur Hufe gehörigen Ackers einem solchen übertragen wird, der dann auf dem Hofe des Herrn neben diesem wohnt, oder in der Weise, dass ihm spüter urbar gemachtes gerodetes Land zutheil wird, wo er dann entweder auf diesem auch seine Wohnung empfängt, oder gleichwohl ein Haus auf der alien Hofstätte im Dorfe hat. Das erste hat für uns geringeres Interesse, da es in den alten Verhältnissen wenig änderte; oft kann es nicht vorgekommen sein, da die Hufe ja doch nur éinem Haushalt genügle, eine solche Theilung also nur durch besondere die Wohnung auf der Hofstätte des Herrn erhielt und dazu etwa Land das durch Rodung neu gewonnen war!); ein solcher Fall scheint in der oben an- geführten Urkunde der Tradd. Fuld. N. 147 vorzuliegen, wo die Hofstätte des Knechts auf drei Seiten an die des Herrn, auf der vierten an die Strasse stösst. Ebenso häufig war ohne Zweifel das andere, dass beides, Land und Haus, vor dem Dorfe lagen: auf solche Weise entstanden wohl neue Hufen, die dann aber nicht in dem Verband der Dorfschaft, der Feldgemeinschaft standen. Es ist wahrscheinlich, dass einzelne Ausdrücke, die mit Vorliebe für den Besitz höriger Leute gebraucht werden, sich vornemlich hierauf be- ziehen, casata, colonia, auch hobunna. — Von der casata war schon oben die Rede; recht deutlich ist freilich die Bedeutung nicht, und oft scheint eben nur der Besitz in den Händen eines Hörigen überhaupt so ideo zu wer- I) Ich "- nach zu dem, was oben über die haapii pis p m sie Mone jetzt, Zeitschrift v, S. 130, als den Besitz eines solchen Häuslers, wie er sagt, deutet, der dann Feile auch anderswo seine Wohnung haben konnte. Zu beachten ist auch was er S. 131 über eine eigenthümliche Art der Theilung von Haus und Hofstätte isis wo die n mitten durch das Haus hindurchlief. ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 219 den; z. B. Trad. Sang. S.9 N.8: casatus undecim cum omne quomo(do) vestiti sunt ... servientes casatus quindeci(m) quomodo vestiti sunt. — Dasselbe ist bei colonia oder colonica der Fall; Guérard S.624. Maurer S.274. Landau S.6 n.10. Obschon das Wort, das sich am häufigsten in früher römischen Gegenden findet, offenbar von colonus abgeleitet ist und zunächst den Besitz eines solchen bezeichnet, so wird es doch auch in allgemeinerer Bedeutung verwandt; ich finde einmal bei Bréquigny Il, S. 373 eine colonia dominicalis. — Ähnlich wird auch sedile gebraucht in einem Güterverzeichnisse von S. Vannes zu Verdün (bei Guérard, Polypticum S. Remigii) S. 117: de aliis mensis (I. mansis) et de sedilibus .... sedilia 27 .. .; vgl. S. 119. 120: 11 sedilia excepto indominicato. — Eine Stelle der Tradd. Fuld. N.85 giebt die Bemerkung: novem trado colonias, hoc sunt hobunnae, integras, cum omnibus adjacentiis et fini- bus suis in arialis, in terris araturiis, in silvis, in campis. Hier sind es offen- bar Hufen der Knechte, bei denen es freilich immer noch zweifelhaft sein kann, ob sie ausser einem Dorfverband liegen oder einem solchen angehören; die Aufzählung des Zubehörs scheint aber für das letztere zu sprechen. Diese hobunnae dienen auch anderswo vor. Tied. deli, BA una hobunne; eme ne tribus hobunnis; N. 143: extra duas hobu Trad. Eptern. bei Bréquigny II, S. 332: - duabus hobinnas 1). Dasselbe ist wohl Aobonia, Trad. Lunael. N. 17. 19. 130. 134, obschon dies auch einfach für hoba stehen kann. Deutsche Glossen geben für colonia hreiti huoba, reiti huoba, GralTIV, S. 753. ‚Unzählige Male wird aber der Besitz des Hörigen oder Knechtes geradezu Hufe, hoba, genannt, ja dieser Ausdruck wird sogar mit einer gewissen Vor- liebe hierfür verwandt Man schenkt zusammen die Hufe und den Knecht, 1) Auch II, S. 289 in dem wenig verständlichen: 10 servienles gafergarias hoc hofinnas, dürfte vielleicht hieran zu denken sein. — Ich will hier einen Ausdruck anführen, den ich nirgends anders erläutert finde, haftunna. Trad. Fuld. N. 185 exceptis vero haftunnis; Trad. Laur. N.256: excepta una haftunna; Trad. Weiss. N.69: excepta illa ecclesia et illa haftunna et tres partes de illa marca silvatica. Was das Wort bedeutet weiss ich nicht. Graff übergeht es ganz; Grimm Rechts- alt. S. 535, der nur eine Stelle anführt, hält es für eine andere Schreibung als hobunna, schwerlich richtig. In derselben Weise werden von grösseren Schen- kungen wohl einzelne Besitzstücke, auch Hufen ausgenommen. Trad. Laur. N 524 steht: excepto uno warido, was ich ebenso wenig verstehe. Ee 2 220 GEORG WAITZ, den Knecht und seine Hufe. Genügende Belege sind schon Verf.-G. II, S. 653 angeführt. Diese Hufen sind nun offenbar häufig genug solche, die sich ur- sprünglich in den Händen eines Freien befunden haben, nun aber bei der Vereinigung grösseren Grundbesitzes in einer Hand von dem Eigenthümer an abhängige Leute ausgethan werden. Das erhellt deutlich aus der Angabe, dass jemand seinen Besitz, auch wohl, wie es ausdrücklich heisst, seinen ganzen Besitz in einem Dorfe schenkt, der dann aus solchen einem Knecht. oder Hörigen überlassenen Hufen besteht. Trad. Sang. S. 10 N.12: quicquid. in istas villas visus sum habere ... servum meum nom. Nandeng et oxorem ejus - Bruna et cum oba sua et cum omnia quo vestiti sunt ... et alium servum meum nom. ... cum oba sua et cum omnia quo vestitus est. Solche Hufen heissen dann hobae (mansi) serviles, oder, nach der Verschiedenheit der In- haber oder doch ihrer ursprünglichen Bestimmung für verschiedene Inhaber, hobae ae er, n auch iributaiss; Ausdrücke, über deren Ge- brauch am ger uérard S. 584 ff. gehandelt hat; vgl. Verf.-G. IL, S. 167 n. An einer EEE a eee e un sein, Kleinmayr S. 191: cum hobis mansionariis ad illas duas cortes pertinen- tibus, was wohl damit zusammenhüngt, dass mansuarius und mansionarius den Knecht als Inhaber einer Hufe bezeichnet. Hierhin gehört der Gegensatz zwischen dem mansus vestitus und absus. Wenn früher oft und auch neuerdings von Landau unrichtige Ansichten über die: wahre Bedeutung dieser Ausdrücke aufgestellt worden sind, so hat da- gegen Guérard S.589 das Richtige ım ganzen genügend dargelegt; vgl. auch Häberlin S. 189. Henschel in der neuen Ausgabe des Ducange I, S. 36. Der mansus absus ist derjenige, welcher keinen festen regelmässigen Inhaber hat, der vestitus dagegen umgekehrt derjenige, bei welchem dies der Fall ist. Auch abgesehen von dem ausdrücklichen freilich spätern Zeugniss des Caesarius Heisterbacensis (bei Guérard S. 591 n.13), ergeben das manche Stellen der Urkunden, z. B. das Congestum Arnonis bei Kleinmayr S. 24: territorium. quan- tumcumque possidere visus fuit quod nunc jacet apsum, weil der bisherige Besitzer es nicht mehr hat und auch kein anderer noch an seine Stelle ge- treten ist. Vgl. auch Capit. de villis c. 67, wo der Gegensatz der ist: Hufen ohne Knechte und Knechte «ohne: Land. Diese heissen: beim Caesarius aber ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 221 homines 1). Manche Stellen zeigen, wie ohne weiteres angenommen wird, dass sich auf einem mansus vestitus Hórige befinden; Trad. Fris. N. 280: duos mansos vestitos cum omnibus utensiliis, quorum servorum (von solchen war vorher gar nicht weiter die Rede) nomina Hiltifrid et alius Vulfilo. Allerdings kommt vestitus auch in anderer mehr allgemeiner Bedeutung vor, z. B. Trad. Laur. N. 1077: mansum indominicatum cum edificiis vestitum (eine Stelle die mit einigen ähnlichen Landau zu seiner oben angeführten Ansicht gebracht haben mag); allein dann ist stets angegeben, worauf sich das „vestitus« bezieht, während in hunderten von Stellen der mansus vestitus, die hoba vestita, ohne weiteren Beisatz steht, weil hier jeder die Bedeutung wusste. Ich bemerke noch, dass nie die Hufe eines Herren so heisst, wohl aber eine colonia (s. oben), hobae servorum (Trad. Weiss. N. 19), mansi serviles (Mon. B. XI, S. 108). In derselben Bedeutung steht koba possessa. während koba deserta mitunter dasselbe ist wie absa. Deutsch wird sie legarhwoba genannt, Grall IV, S. 753. Sie kann wüste liegen, aber auch in Cultur sein. Wenn ein Hóriger oder Knecht eine alte Hufe in einem Pario, pins, eli er ohne tel neee wenigstens in alle Nutz vgl. Landau PW Osn 13 icht te S. 76. LI E VV Weben hier Be inkungen e wes — seinem Belieben ein grösseres oder geringeres “Recht zu übertragen. So schenkt ein Graf Ansfrid einen bedeu- tenden Besitz, exceptis tribus hobis, deren Inhaber das Recht haben, 10 Schweine in den Wald zu schieken, et nullam aliam utilitatem sive ad extir- pandum sive in cesura ligni, Trad. Laur. I, S.69. Ebenso scheint es sich zu. erklären, wenn auch sonst schon früh nur ein beschränktes Recht einer Hufe vorkommt, z. B. Wirtemb. Urk. N. 176: curtile unum ... duo jugera continens, cum via, exitu et aditu, talique usu silvatico, ut qui illic sedent sterilia el jacentia ligna licenter ies das Die abhängigen: Inhaber der Hufen waren lien Herrn regelmässig zu d) Der Ausdruck e e ee erst, dum so viel ich weiss nur, in der falschen Constit. de exped. Romana vor, Pertz Legg. Il, 2, S. 4. Es bein natürlich nicht den Inhaber eines mansus ben. zu bezeichnen, sondern kann sich auf den beziehen der entweder gar kein Land hatte oder keins, in regelmässigem festem Besitz. 222 GEORG WAITZ, gewissen Leistungen und Diensten verpflichtet, über die ich hier nicht zu handeln habe. Diese waren aber später wohl in solcher Weise an den be- stimmten Besitz, den Hof des Herrn, geknüpft, dass die hörigen Hufen selbst als ein Zubehör von diesem angesehen wurden. So heisst es in der vorhin angeführten. Urkunde der Tradd. Laur. I, S.69: mansum indominicatum cum aedificiis atque omnibus utensilibus, habentem hobas 3 et hobas serviles 19; oder in einer auch schon angeführten Stelle bei Kleinmayr S.191 c. 1: cum hobis mansionariis ad illas duas cortes pertinentibus; vgl. Trad. Laur. N. 1077: et ad ipsum mansum dominicum pertinet de terra arabili jurnales 36 et serviles mansos duos; Trad. Fuld. N. 188: curtile indominicato et ad ipsa curia perti- nent homines 13 hobas 20; Wirt. Urk. N. 147: et ad eandem curtim dominicam pertinent jurnales 80, insuper hobae serviles 19 ... et ad extirpandum hobas 14; Reg. hist. Westf. I, N. 15: mansum dominicatum ... cum aliis mansis viginti ibidem aspicientibus ac deservientibus; ebend. od 23: casas dominicatas duas cum territorio dominicali ... necnon et tinentes ad loca prae- nominata. Besonders iip und. wichtig — a ‚Verhältnisse, wo ein grösserer Grundbesitz in einer Hand vereinigt war, besonders bei den Kirchen und Klöstern, die bald zahlreiche Güter zusammenbrachten und nun regel- mässig eine Anzahl zinspllichtiger Hufen zu einem solchen Haupt- oder Herren- hofe legten. Doch sind dies immer abgeleitete Verhältnisse, die man nicht in die älteren Zeiten setzen darf 1). Der Besitz des Herrn, der Hof, ist in vielen Fällen nichts anders, als eine der mehreren Hufen iii Dorfe; weder eine andere Grösse noch sonst eine Ausnahmsstellung wird sich in früherer Zeit nachweisen lassen. Ältere Urkunden führen deshalb auch oft genug beide einfach neben einander auf, die Hufe des Herrn und der Hörigen, z.B. Trad. 1) Ich kann nicht ganz mit Landau in der Schilderung übereinstimmen, die er S. 103 ff. von dieser Sache giebt, sehe freilich nicht einmal deutlich, wie er sich das Verhältniss der von ihm sogenannten Hofmarken zu den Dörfern und Dorf- ken denkt. Unter Hofmark versteht er nämlich den Complex von Land der mit einer Herrenhufe verbunden war, theils so, dass er von dieser bewirth- ` schaftet, theils in der Weise, dass von ihm an den Hof Zins gegeben ward. Aber se bildete natürlich kein zusammenliegendes Gebiet, sondern bestand doch nur aus so und so vielen Antheilen an einer oder eren Dorfmarken, wie Hufen einem Herrn gehörten. ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 223 Sang. S.22 N.15: dono in villa que dicitur Agringas casatus tuos (für: duos) cum hubas suas et cum omni peculiare eorum, et similiter dono sala mea cum curtile cireumcinctum. Die Herrenhufe wird aber wohl ind besondere Namen unterschieden. Mitunter umschreibt man: ubi ego commanere videor, oder in ähnlicher Weise. Dann scheint der Ausdruck mansus ad commanendum (s. oben) hierhin zu gehóren und wenigstens vorzugsweise denjenigen Hof zu bezeichnen, den der Herr bewohnt. Vgl. Trad. Weiss. N. 228: curtile ad commanendum et casa desuper ubi ego ad presens commanere videor. Bestimmter ist die Be- nennung mansus (curtis, hoba etc.; der Ausdruck wird angewandt auf alle möglichen Gegenstände des ländlichen Besitzes: terra, inen, pes, aun, a bei Guerard, Pol. S. Remigii S. 117) dominicus, indominicatus, oder wie die Ausdrücke ähnlich lauten +); vgl. Guérard S. 482. 579. Maurer S.227. Sie sind, wie dieser bemerkt, allerdings häufiger in karolingischen als merovingischen Urkunden; doch finden sie sich auch hier noch in andern als den angeführten Beispielen; z. B. Bréquigny II, S. 155: mansos dominicos ubi ipsa A. mansit; S. 184: curtes nostras indominicatas; S. 356: loca indominicata; S. 366: domibus in is; S. 373: in colonia minicale et extr: t terras et vineas dominical ; Bordier- S. 60 (vom J. 149): le cum ipsa easa indominicata; Trad. Weiss. N. 3 (vom J. 739): excepta terra indominieata; ebend. N. 1 (vom J. 742): et terras indominicatas; ältere Urkunden, die den Ausdruck haben und den früheren merovingischen Königen beigelegt werden (Bréquigny I, S. 35. 38. 39. 132), müssen freilich für unecht gelten 2). Man wird jene Worte alle wohl nur von dominus ablei- ten können; obschon man allerdings geneigt sein möchte, an einen directeren Zusammenhang mit domus zu denken. 1) Wenn später mitunter wieder mehrere hobae dominicales zu einer curtis ge- hören (Mone, Reg. Bad. N. 17: in villa K. curtem unam cum decem dominicalibus hobis in eodem loco et in aliis locis ibi in circumcirca jacentibus iHuc perti- nentibus, in einer königlichen Schenkung), so ist das wohl so zu erklären, dass diese Hufen von der curtis aus bewirthschaflet wurden, keine Besitzer hatten. 2) Dass das Güterverzeichniss von Oulx, welches Troya in den 2. Band seines Codice diplomatico Longobardo (Storia d'Italia IV, 2) S. 489 aufgenommen hat, nicht der Mitte des 7. Jahrhunderts angehört, bedarf für den Kundigen keiner Bemerkung 224 GEORG WAITZ, Denn ganz in derselben Weise wird nun koba salica, terra salica. abgeleitet von sala, Haus, gebraucht. Es ist bekannt genug, wie viel über die Bedeutung des Wortes seit lange verhandelt worden ist. Nach meiner Ansicht hat Guérard S. 482 fl. völlig überzeugend nachgewiesen, dass es nichts anders bezeichnet, als die Hufe des Herren, das Land, welches von diesem, von seiner sala aus, bewirthschaftet wird; ein Paar besonders schlagende Stellen habe ich nachgetragen Verf.-G. II, S. 653; und Walter, Deutsche Rechtsgeschichte F. 84, auch Landau S. 104 und andere sind dem beigetreten. Maurer ist nicht eben anderer Meinung, nur kehrt er zu der alten verwirren- den Ansicht zurück, dass der Ausdruck zugleich das Stammland, die terra aviatica, oder wie sie sonst heisst, bezeichnen könne; er findet hier zugleich einen Gegensatz gegen das Gemeinland (S. 15-17. 79. 82. 228). Auch Grimm hat mit Rücksicht auf die Stelle der Lex Salica noch einmal der lange üblichen Auffassung das Wort geredet (Vorrede zu Merkels e 338 und es scheint mir deshalb nicht unnöthig, die frühe lichere Darlegung des — der danan: Quellen auch — PM nachzutragen. Die Urkundensammlungen sind fast überreich an Bee ‚für die ange- gebene Bedeutung, keine mehr als der Codex traditionum Sangallensium, in dem der Ausdruck sich fast in allen möglichen Beziehungen findet. Terra salica, als Land das von der sala aus bewirthschaftet wird, steht in der Urkunde S. 22 N. 15: dono sala mea cum curtili circumcinctum ... et terram salicam et (que ad?) ipsam salam colitur, neben 2 casati mit ihren Hufen in einem und demselben Dorf; ebenso S. 24 N. 18 (Wirt. Urk. N. 9): casa eurtile et terra salica, neben 2 Knechten; S. 205 N. 5 (Wirt. Urk. N. 98): curta clausa, casa salica cum terra sua salica, hobas tres vestitas; S. 206 N. 6 (ebend. N. 99): curiam clausam cum casa atque cum lerra salica, dazu extra curtam in eadem villa hobas duas vestitas; der es als Precarium em- pfängt, soll einen Zins zahlen ad eandem praefatam casam salicam; S. 324 N. 9: excepta domo salica, nachher: excepta salica terra, uisi 4 jugera ex ipsa; S. 424 N. 71: | quicquid nos juste et legitime in illa curte ... habere videbi- mus ... cum ... terra salica ei: omnibus juste et legitime ibidem aspicientibus ; Mone Reg. Bad. N. 7: curtem cum sepe circumcinctam, casam dominicam - ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 225 cum celeris aedificiis ibi adsistentibus el terram salicam seu mansos 18; vgl. Wirt. Urk. N. 121: capellam unam cum terra salica et hobas vestitas quinque, wo die Capelle gewissermaassen die Stelle der curtis einnimmt; s. auch die Formel aus der Sangaller Handschrift des Iso, in der Bibliotheque de l'école - des chartes IV, S. 474: curtem clausam cum ceteris edificiis cum terra salice. Andere Stellen geben blos den Gegensatz der terra salica und der hórigen Hufen; Trad. Sang. S. 47 N.60: 2 Knechte, jeder cum hoba sua et de terra salica juches 30; S.251 N.57: terra salica und dann eine Anzahl Knechte mit ihren Hufen, zuletzt et inter salika terra et hopas 40 jurnales (d. h. Sal- land und Hufen zusammen 40 Morgen); S. 295 N. 136: duorum annorum fructum de terra salica el tributa servorum ad omnia supradicta loca perti- nentia; S. 354 N.64: in Mechingun eum salica terra el hobis el in Hem- minhovun cum salica terra el hobis et in Goldahun de salica terra simul cum illa hoba quae ibi adjacet. Ahnlich steht im Gegensatz gegen mehrere im Besitz von anderen befindliche Hufen S. 181 N. 108: unum agrum salicam, und ebenso S. 246 N.46: alium agrum ad salica, in dem romanischen Raetien, wo auch die hekeiptl Urkunde des Binlischef Hatto (zuletzt: bei Mohr, Cod. aner von v Coid indten S. 59) salicarum terrarum possessores und alpes salici ahnt. Be ist die Bezeichnung hoba salica, so viel ich ge- por nur in einer früher (Verf. -G. II, a. a. O.) angezogenen, aber beson- ders lehrreichen Sangaller Urkunde S. 84 N. 50 (Wirt. Urk. N. 44): hobas 5 excepto ea que in usus proprios colere videlur quod dicitur hoba siliga. In anderen Denkmälern findet sie sich mehrmals, z. B. Mon. B. XXVIII, 2, S.202: hoba salica 1 ... hobas salicas novem; Lacomblet I, N. 81: hobam salicam et ecclesiam et 11 mansos serviles ... hobam salicam cum aliis 12. hoba salica et alios 20. — Wie terra salica deutsch als sellant gegeben ward, Not. don. Salzb. bei Kleinmayr S. 46: dimidietatem territorii sui quod dicitur sellant, Lacomblet N. 189: cum 2 mansis et tertia de sellande, so sagt man für hoba salica entsprechend sel/hoea; Lacomblet N. 14: tres hovas ... altera in Manheri illa selibova; vgl. N. 211: ad dominicatos mansos quod vulgo dicitur selehova; Reg. hist. Westf. I, N. 40: quidquid ad ipsum mansum pertinet qui dicitur selibova ... cum omni integritate illius selihova quae ad ipsam curtem pertinet, 4 Vielleicht ist an eine Zusammensetzung mit -hof zu denken; vgl. Hist.-Philol. Classe. VI. Ff 226 GEORG WAITZ, die Stelle, welche Maurer S. 246 n. anführt: curtis que Francorum lingua selehof dicitur. Allein im Cod. iradd. Laur. steht auch selehuba, selhuben. Davon abgeleitet ist ohne Zweifel die Ortsbezeichnung die sich in einer Ur- kunde bei Kleinmayr S. 165 N. 78 findet: ad Selihobon. — Einzelne Urkunden geben statt terra salica auch ferra (vinea) salaritia; Trad. Lunael. N. 19: kasas cum salaricias ... kasa scuricia cum ierra salaricia; ebend. N. 70: casas cum terra salaricia cum mansibus ibidem manentibus vel aspicientibus; ebend. N. 130: ecclesia et curte cum casa et orrea el terra salaricia. Andere Bei- spiele, die schon Maurer a.a. O. anführt, sind aus etwas spätern Urkunden bei Lacomblet ). Dass bei dem so allgemeinen und constanten Gebrauch des Ausdrucks terra salica in dem angegebenen Sinn daneben die ganz andere Bedeutung als Erb- land, terra aviatica, sich finden sollte, scheint mir durchaus nicht wahrschein- lich 2); ebenso wenig aber, dass das Pete Maurer annimmt, beides neben einander bedeutet habe 3). Das Hofland war nicht immer Erbland « oder um gekehrt, und wenn auch anzunehmen ist, dum man Jenes weniger deieht: als anderes verüussert haben wird, so finden sich doch auch davon eben in den Urkunden Beispiele genug: der Begriff der terra, hoba salica erhielt sich auch wenn sie in die Hände eines Stifts oder des Königs übergegangen war; hier ward sie auf ihre Besen a im Gegensatz gegen die, welche T a) Merkels .sigenthümlichor Ansicht, zur Lex Alam. S. 83 n. 96, dass das e auch in der Malbergschen Glosse vorkommende Wort texaga dasselbe sei wie = salland, hat schon Walter, Rechisgesch. S. 425 n. 5, widersprochen. 2) Wenn Grimm a. a. O. sagt, die Urkunden berücksichtig ibn den späteren Sprach- gebrauch, nicht den des 4ten Jahrhunderts, so erinnere ich, dass eben die äl- testen Handschriften der Lex Salica den . nicht heben: überhaupt keine die so alt ist wie die älteren hier angeführten Urkunden. 3) Maurer S. 17 führt auch den Ausdruck vernacula terra an, der sich in 3 San- galler Urkunden findet (Cod. S. 3 = Neugart 7. Goldast 41; S. 4 = Neug. 9. Gold. 36. Wirt. Urk. 3; S. 8 = Goldast 38). Er scheint mir aber blos allge- mein das Eigenthum zu bezeichnen; es heisst stets: vernacula ierra juris mei; einmal, S. 4, wird besonders hervorgehoben dass der Schenker das Land als Erbgut besessen, in einer andern Stelle, S. 8, wird es geschenkt cum servis et ancillis, so diss: weder der — des Erbgutes n noch des Hoflandes in jenem Worte enthalten sein kann. ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. 227 an Ziuspflichtige verliehen waren; und auch ein reicher Weltlicher konnte im Besitz mehrerer solcher Hufen sein, wie wir das aus manchen Schenkungen sehen. Darum fällt auch die hoba salica nicht mit dem Handgemahl zusam- men, wenigstens nur bei solchen, die eben in alter Weise nicht mehr als eine Hufe besitzen. Das Handgemahl muss immer Erbland sein, aber natür- lich hat auch nicht alles Erbland diesen Charakter. Dass alles drei zusam- menfällt, ist ein Zufall, auf den man kein Gewicht legen kann. Mehrere Hufen in éiner Hand werden später übrigens fast als Regel oder doch als sehr häufig angesehen werden müssen. Nur so erklärt es sich, wenn in den bekannten Gesetzen Karls des Grossen über den Kriegsdienst die persönliche Verpflichtung an einen Besitz von 3—5 Hufen gebunden wird. Diese Verhältnisse selbst liegen aber ausserhalb der Grenzen die diese Ab- handlung innezuhalten hat. Sie mag noch daran erinnern, wie in mancher Beziehung eigenthümliche Verhältnisse sich da haben ausbilden müssen, wo von Anfang her eine zahl- reiche Bevölkerung von Hörigen, Liten, vorhanden war, wie es namentlich von ne Theilen des Sächsischen Londes betotgt wird, und überall da an- genommen werden muss uss, WO. unter den Deutschen eine ältere Bevölkerung im Lande s esshaft blieb, aber von ihrem Grund. und Boden eine Abgabe an die Sieger zahlen musste. Wie sich da im einzelnen die Verhältnisse gestaltet haben ist freilich wenig deutlich; ; ob auch dann die letzteren einen Theil des Landes für sich bauten, ob Liten und freie Eigenthümer neben einander in ei- nem Dorfe wohnten, ob sie gleiche Hufen hatten oder ob von vorne herein eine Anzahl Litenhufen an einen grösseren Hof gebunden wurden, wird sich jetzt nicht mehr mit Sicherheit ermitteln lassen. Vgl. Verf. G. I, S. 179 fl. II, S. 161 fl. 270 fl. ue Über die Zahl der Hufen in einem Dorfe finden wir wenig bestimmte Zeugnisse. In den Salzburger Urkunden werden ófter villae genannt mit ei- ner Anzahl Mansen, die aber sehr verschieden ist, 10, 14, 15, ófter 20, auch 24, 30, 38, 40, einmal 60, Kleinmayr S. 21— 98; es ist aber auch dann nicht klar, ob nun damit alle Hufen in dem Dorfe aufgezählt sein sollen, doch scheint das allerdings meistens der Fall zu sein; es sind dann aber sol- che die dem Herzog gehórten und an Knechte oder Hórige, einige auch an Ff2- 228 GEORG WAITZ, ÜBER DIE ALTDEUTSCHE HUFE. Freie ausgethan waren (inter tributales et serviles; inter servos et liberos; inter exercitales et barscalcos). Bestimmter heisst es in den Tradd. Fuld. N. 84: locum nuncupatum Biberbah cujus marca sunt 30 hobae; aber in einer andern Stelle bei Dronke, Antiq. Fuld. S. 125, steht: in villa Tinninga familiae sunt 23 el dominicales hubae 50 . . . lidi cum hubis suis 28, molendine 9, ecclesiae 3 cum hubis suis. Stellt man die Nachrichten zusammen über Er- werbungen welche ein Stift in einem und demselben Dorfe gemacht hat, so ergeben sich gleichfalls sehr verschiedene Resultate. Doch ist man, nach den Verhältnissen die wir noch in späterer und neuester Zeit finden, zu der An- nahme genöthigt, dass im ganzen die Zahl der Hufen ursprünglich so sehr gross nicht war, und wo von 50 und mehr die Rede ist, wird man wohl voraussetzen müssen, dass hier auch solche verstanden werden die durch Ro- dung entstanden und dem ursprünglichen Bestand später hinzugefügt worden sind. dS CARO. dE Rep a: Ei 1 AC x ^ is poA LEN T en cia ute add nr PAR " 5 Es i N ; DS 5 A A E. x 2E pt. Ai "p AE ET INTE D p eges 3 N Über p: die Trachinierinnen des Sophokles. Von Fr. W. Schneidewin. Der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften am 17. Juni 1854. überreicht. Die Trachinierinnen haben das Schicksal gehabt, lange Zeit so zu sagen als das Aschenbrödel unter den Sophokleischen Dramen zu gelten. Keinem der sieben Stücke ist es übler ergangen, als diesem früherhin gleichgültig bei Seite geschobenen, schon von den alten Erklärern, wie es nach unsern Scho- lien scheinen will, stiefmütterlich behandelten Drama. Allerdings hat die neuere Zeit das Unrecht einigermassen gut zu machen sich angelegen sein lassen und die Erhai gien djs Ganze lauten im Algem ne günstiger. Allein die Schwi it i thümlich gearteten Stücks sind so gross oder die ihm m—— &afifóskseilitdt ist trotz anerkennenswerther Leistungen doch so we- nig ausreichend und dermassen in traditionellen Vorurtheilen befangen gewesen, dass bis auf den heutigen Tag nicht nur die gróssten Schwankungen in der Kri- tik und Erklárung des Einzelnen herrschen, sondern auch an sichrer Auffassung und Beurtheilung der Ökonomie und Intention des Ganzen viel vermisst wird. Das ist freilich sehr erklärlich. Ein Gesammturtheil, welches darauf Anspruch macht, massgebend und allgemeingültig zu sein, muss sich herausbilden aus der feinsinnigsten Interpretation des Einzelnen und Einzelsten. Von einer ei- gentlichen Kunst der Erklärung aber, der höchsten und schönsten Aufgabe des Philologen, von welcher freilich die wenigsten Münner des Faches auch nur eine Ahnung haben, kann bei den Trachinierinnen noch kaum die Rede sein: dergestalt ist man unvermógend gewesen, die oues über das Rohe und Handwerksmässige hinauszubringen. Unter diesen Umstánden kann es nicht befremden , — schwerlich ein antikes Kunstwerk fortwährend so verschiedne und schiefe Urtheile erfährt, 230 ~ FR. W. SCHNEIDEWIN, wie die Trachinierinnen. Die Einen finden das Stück eben so vorzüglich wie die übrigen Dramen *), Andre drücken sich flau und unbestimmt aus, Andre können nicht Schwächen genug in Form und Inhalt aufdecken, dergestalt, dass man nicht bloss den Prologos der Deisnira "E sondern gar das Ganze des Dichters hat unwürdig erkliren mógen. Versteht man sich aber dazu, das Stück dem Sophokles zu lassen — wie man denn jetzt wohl allgemein von A. W. Schlegels Einfall zurückgekommen ist, und fürwahr nur gleissender Dilettantismus konnte darauf verfallen, das durch und durch Sophokleische Drama, welchem das unverkennbare Gepräge des Dichters in jedem Verse aufgedrückt ist, seinem Verfasser streitig zu machen —, so meint man sich doch nach allerlei Entschuldigungen umthun zu müssen, welche die Besonder- heiten o amie machen sollen. Da meinen denn die Einen 5), die Trachi- en So z.B. G. — Übers: 2, 59. 0. Gruppe Ariadne S. 179 fl. K. Schwenck, J. A. Hartung Einl. 8. 13: „Diese Tragödie steht an wahrhaft dichterischen Schönheiten hinter keiner anderen zurück, ‚ja sie gehört geradezu zu den vollkommensten.“ Ähnlich schliesst C. V olc Ti ar seine Disputatio de Sophoclis Trachiniis im Programm von Ilfeld (Nordhusae 1839) p. 38: „Omnia in Trachiniis omnibus numeris absoluta sunt, et si qua alia, haec Sojlibelis tra- goedia animos ad omnem nobilitatem confirmat, devota pietate imbuit.“ Dass die zweite Abtheilung dieser vorzüglichen Schrift, worin Herr Dr. Volckmar de mythi tractatione, de actae fabulae tempore, de oratione zu handeln sich vorge- nommen hatte, bis jetzt vergebens erwartet ist, muss ich recht beklagen. Aus ‚dem vorliegenden Theile, welcher eine Analyse des Drama's enthält und zu dem Besten gehört, welches über Sophokles neuerdings geschrieben ist, habe ich vielfach gelernt, was dankbar anzuerkennen mir Freude macht. | Mor. Axt: Comment. crit. in Trachin. Soph. prologum. Cliviae 1830. Andre ermüssigen ihr Urtheil und beschrünken sich auf die verkehrte Behauptung, So- phokles habe hier einen Euripideischen Prolog vorgesetzt. So wenig sind die, welche über antike Dichterwerke sich eine Stimme verstatten, im Stande einzu- sehen, quid distent aera lupinis. Wollten sie consequent verfahren, so müssien sie auch den Prolog des Wächters im Agamemnon, des Orestes in den 8 phoren, der Pythia in den Eumeniden euripideisch nennen. .3 So urtheilte Lud. Dissen Kl. Schrr. S. 342: „Auch uns scheint C dass die Trachinierinnen offenbar in Composition, Kraft der Gedanken und Aus- druck den übrigen Dramen des Sophokles nachstehen. Denn um nur von dem letzten zu reden, während der Stil des Sophokles in den übrigen Tragödien kunstreich ist, und zwar in gesuchteren, aber wohl niemals zwecklos künstlichen 29 ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. 231 nierinnen seien eine Jugendarbeit des Dichters und müssen als dessen ältestes Stück unter den uns erhaltnen gelten, wodurch die mancherlei Härten im Sprachlichen und die Gebrechen der Composition sich hinlänglich erklärten; oder aber das Stück wird dem höhern Alter zugeschoben, um das schwächre Product obenein unausgearbeitet aus dem Nachlasse des Dichters hervorkom- men zu lassen 1). So wenig wie über Anderes hat man 4 gar über die Hauptperson iiio Stücks verständigen können. Lebhaft wird immer noch gestritten, ob Hera- kles oder ob Deianira die tragischste Person sei oder, wenn man sich ent- schliesst von der vermeintlich nothwendigen Einheit der Hauptperson abzulas- sen, ob nicht vielmehr beide in gleicher Weise dafür anzusehen seien. Je nach der Entscheidung aber dieser Frage stellt man die heterogensten Sätze als Ziel und einheitlichen Grundgedanken der Dichtung hin. Um nur einige Belege dieser Ansichten zu geben, so schlägt sich Süvern (über hist. und polit. Anspielungen S. 22) auf Seiten G. Hermanns, nach welchem „das Ende der arbeitvollen irdischen Laufbahn des Heros« der Endzweck wäre. Hingegen P. J. Uylenbroek (de choro tragico Graecorum, ame: Bat. — 8. 31 hült hah mit den meine N eutschen Gelehrt: n, de. vay : T Wendungen sich bewegt, ist in dieser allein mehrmals eine falsche Künstlichkeit, die keine Vertheidigung zulässt, und ohne Vortheil für den Gedanken die Kraft desselben schwächt und bricht. Da man nun aber nicht wohl glauben kann, dass Sophokles später einmal, nachdem er schon ein besseres Mass seines Stiles gefunden, auf diesen Abweg gerathen sei, so ist auch uns wahrscheinlich, diese Tragódie die früheste der vorhandenen sein móchte und in jüngern Jahren von dem Dichter verfasst.“ 1 1) Al. Capellmann Allg. Schulzig 1832, II nr. 111 8. 901: „Diese und ähnliche Mängel haben in mir die Vermulbung erzeugt, dass Sophokles diese Tragódie vielleicht in den letzten Jahren seines Lebens gedichtet habe und die letzte Hand an dieselbe zu legen wer weiss durch welche Umstände gehindert worden sei.“ Ganz ähnlich G. Bernhardy Gr. LG 2, 817: „Unverkennbar, wenn nicht unvoll- kommen aus dem Nachlass der letzten Periode überliefert, doch das schwüchste Drama des Sophokles.“ Und S. 818: „Alles berechtigt anzunehmen, dass | Trach. ein unausgeführtes Werk der späten Lebensjahre seien,“ Redet B. auch vom „oberflächlichen Bau“ des Stückes, so entspringt dieser ganz unverdiente ME hauptsächlich aus irriger Auffassung des Prologs. —. 232 FR. W. SCHNEIDEWIN, und G. W. Nitzsch (Sagenpoesie S. 551), Deianira für die Hauptperson und spricht sich über die Absichten des Dichters so aus: „ Mihi videtur poeta egisse poenam Deianirae, propier nimium studium quo propositum suum, quam- vis bonum, inconsiderate persequitur, ipsa Deianira indicante v. 663« 1). Rich- tiger suchen Andre den Schwerpunct des Ganzen anderswo und zwar da, wo sich ein organisches Band zwischen beiden Hauptpersonen des Stücks wahr- nehmen lässt. Am wenigsten richten Diejenigen aus, welche dem Sophokles ganz unpoetische Abstractionen oder moralische Zweckdichtung unterlegen, wie A. Jacob (Ouaestt. Soph. I, 268) die grosse und unheilbringende Gewalt der Liebe als Grundgedanken annimmt, während K. Schwenck (Die sieben Trag. des Soph. S. 48) als Grundidee erscheint, dass Herakles durch die Liebe den Untergang findet: Sophokles mahne aber durch dieses Drama, „mit strenger Vorsicht den Weg der Sittlichkeit zu wandeln, auf nichts allzufest zu bauen und zu pam e: wir in der pis einer aeg stehen, die da fügt, d XA O wer thi t id was lar EN t pi "it ("T me. o w- ab u kleinsten un- rechten Thun und di y inesten Unvorsichtigkeit das te Verderben ent- springen kann.« Bergisichen Wahrheiten und Leb zieht sich doch wohl Jedermann unschwer aus jedwedem Drama, gleichwie aus den manchfa- chen Vorkommnissen des wirklichen Lebens. Dem Dichter lagen so nüchterne Warnungen sicherlich so weit ab, wie der von L. Oxé S. 10 aufgestellte Fundamentalsatz der Trachinierinnen: „mortalium neminem, ne optimum quidem ac genes a temeritate liberum esse, unde maximae oriantur calamitates. < di y * ms Die P ums gdt Andrer werden in der Schrift von Lud. Oxé de Soph. Trachi- niis (Kreuznach 1850) angeführt und beurtheilt. Gut bemerkt Volckmar S. 28, die Einheit der Handlung concentrire sich in der Absendung des Gewandes an Herakles: „Demonstrandum erat, primum qua necessitate Deianira cogeretur phil- trum adhibere, deinde quinam eius rei eventus esset. Quare illa in priore fabu- ^ Tae parie primas agere debebat, non item in posteriore: eventus enim proxime pertinet ad Herculem, philtro ipso intereuntem; huius demum. mors Deianirae ne- cem adducit: ergo Herculis obitus in posteriore parte res principalis est, Hercu- les autem ipse primas agere debet. Hinc patescit simul, eum ipsum in scenam fuisse producendum, nec licuisse lantummodo referre eius morlem atque apo- ~ theosin(?). id quod respueret dramatici Sic postremus actus tan- tum abest ut non necessarius sit, ul unitate fabulae ipsa requiratur.“ ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. 233 Endlich hatte Thielemann (im Progr. von Merseburg 1843) die Heiligkeit der Ehe als Motiv zu erkennen geglaubt, so übertrügt Herr Hartung (Einl. S. 11) diesen Gedanken in sein Idiom so, dass er ihn mit den Worten eines Volksliedes ausdrückt: »Wenn ein Knab zwei Mädchen liebt, das thut halt selten gut.« — N Man müsste ein Buch schreiben, wollte man das unerfreuliche Geschäft übernehmen, alle Puncte, über welche Zwiespalt der Meinung obwaltet, genau zu prüfen und das Wahre durch gründlichen: Beweis festzustellen. Das ist für jetzt meine Absicht nicht, da ich zu hoffen wage, dass in der Einleitung zu meiner Bearbeitung der Trachinierinnen gezeigt ist, wie ungenügend man das Ganze bisher gewürdigt und wie wesentliche Puncte für die richtige Auffas- sung namentlich der zweiten Hälfte des Drama's man fast ganz und gar hintan- gesetzt hatte. Wer vorurtheilsfrei über die Trachinierinnen urtheilen will, darf sich nicht beikommen lassen, gleich von: vornherein dieses Drama mit einer Anti- gone, Elektra, einem Odipus Tyrannos zu vergleichen. Ihnen steht es ohne Frage weit nach. Überhaupt, die sien uns eee aus einer ungeheuern i doch xvnhl 1. rn — dicheje wiehsöhr: kahl: "pnt dass joller mythische Stoff nicht zu vollkommenster dramatischer Gestaltung und gleich bedeutsamer Durchbil- dung geeignet war. Einen Odipus Tyrannos giebt es in der dramatischen Litteratur der Welt nur einmal. Die Wahrheit jenes Satzes dürfte sich noch weit deutlicher ergeben, wären uns manche von den verlornen Dramen auf- bewahrt. In nicht wenigen, will uns bedünken, kann die tragische Handlung kaum die Fülle und Bedeutsamkeit der Trachinierinnen gehabt haben. Ferner- soll man, so trivial es klingen mag, auch nimmer vergessen, dass Sophokles nicht für uns Hyperboreer, sondern für Hellenen und zumal die Athener der Perikleischen Zeit dichtete. Daher muss man die Kraft haben, sich deren Ge- sichtskreis anzueignen und mit ihrem Ohr zu hören. Lässt uns der zweite Theil des Drama's kalt, so waren die Zuschauer der attischen Bühne dem He- rakles gegenüber in einer ganz andern Lage. Diese lebendig sich zu verge- genwártigen hat man allgemein verabsáumt. Gegenwürtige Abhandlung hat den Zweck, den einen und "- Punct Hist.-Philol. Classe. VI. Gg 234 | FR. W. SCHNEIDEWIN, der Forschung, welcher dem Plane der Ausgabe gemüss dort nur kurz oder gar nicht berührt werden konnte, möglichst aufs Reine zu bringen. I. Doppelte Bearbeitungen der Trachinierinnen. Interpolationen und Corruptelen. G. Hermann hatte in seiner ersten Ausgabe der Trachinierinnen vom Jahre 1824 die Hypothese durchzuführen gesucht, unser Drama liege in zwei- ter Überarbeitung des Dichters vor, mit welcher indess manche Verse der er- sten Fassung vermischt worden seien. Hiergegen haben mehrere Gelehrte Widerspruch erhoben und jene Muthmassung als unbegründet zu erweisen ge- sucht, namentlich Al. Capellmann in einer umsichtigen Abhandlung ( ; Erklà- rung der Stellen, durch welche G. H. eine doppelte Recension der Trach. zu erweisen gesucht hat«, Allg. Schulztg 1831, II, nr. 24 fl.), Val. Raymann eios " ini es ee ecarum recensione memoriae pro- , ut ad iudicium de Trachinüs et de Hermanni sententia ad eam fübolam: pertinente adhibeantur.“ Marienwerder 1841.), end- lich Ed. Wunder Emendatt. Trach. p. 174 sqq. Freilich begegnet man doch noch hin und wieder Äusserungen, welche auf dem Glauben an die Wahrheit jener Ansicht fussen. Indess G. Hermann selbst hat in der Ausgabe von 1848 darüber tiefes Stillschweigen beobachtet und über diejenigen Stellen, welche ihn früher auf jene Meinung gebracht hatten, anders geurtheilt. Be- weises genug, dass auch er sich von der — einer so selisamen Vorstellung allmälig um hatte. Allein — xoswerws \deAmror ode écTiv od amwuorov. Ohne. Her- -manns Hypothese und der darüber gepflogenen Verhandlungen auch nur mit einem leisen Wórtchen zu gedenken, warf Herr Th. Bergk im J. 1849 ge- legentlich hin (Hall. ALZ. S. 1086): „Die Alten hatten von den Trachinierin- nen zwei in vielen Partieen abweichende Textrecensionen, aus denen unser Text entstanden ist, der oft eine ganz abenteuerliche Gestalt gewonnen hat: so sind von 878 an beide Recensionen bunt durch einander geworfen.“ Etwas minder zurückhaltend lässt Herr B. sich einige Jahre später über seine An- sichten aus (Neue Jahrbb. für Phil. und Pädag. 1851, Bd LXI, 3 S. 243): »Die Trachinierinnen sind offenbar in einer Gestalt überliefert, welche von sunt AJJRJYIVOR ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. 235 der ursprünglichen weit abweicht; nichts spricht mehr dafür, als der Schluss des Stückes; denn abgesehen davon, dass man dem feinen Gefühl des Dich- ters nicht zutrauen kann, er habe, der gewöhnlichen epischen Sage folgend, die Iole dem Hyllus vermählt, giebt es nichts armseligeres, als die beiden pa- rallel laufenden Scenen, wo Hercules unter Drohungen vom Sohne erst ver- langt, er solle ihn auf dem Öta bestatten, dann die verlassene Iole heimfüh- ren; die Anapästen endlich, mit denen das Drama schliesst, stehen im grell- sten Widerspruch mit der ganzen religiösen Anschauungsweise des Dichters. Aus Seneca Herc. Ot. Vs 1489 fl. kann man nicht einmal mit Sicherheit schliessen, dass der rómische Tragiker unser Drama in dieser Gestalt vor Augen hatte; und selbst diess zugegeben, würde es eben nur beweisen, dass, was sich übrigens von selbst.versteht, schon eine der unsrigen ähnliche Bear- beitung des Stückes existirte.« Fangen wir mit dem letzten Salze an, Herrn Bergks apodiktisch hinge- stellte, durch nichts erwiesene Behauptungen zu untersuchen. Seneca lässt gleichfalls den Hyllos von seinem Vater angegangen werden, die Jole zu hei- rathen. Herr B., so unklar er den Gedanken gefasst hat, giebt höchstens den Schluss zu, niin damals schon „eine der unsrigen ähnliche Bearbeitung des Stückes existirte.« Hier wird Herr B. sich unvorsichtig ausgedrückt haben. Denn fasst man ihn beim Worte, so würden sich drei Bearbeitungen der Tra- chinierinnen ergeben, einmal die ursprüngliche des Sophokles selbst, sodann die etwa dem Seneca bekannte und ‚endlich die dieser ähnliche, welche auf uns gekommen ist. Indess sieht man aus dem Übrigen, dass Herr B. in der That nur an zwei Bearbeitungen glaubt. Der Unterschied von Hermanns ehe- maliger Hypothese besteht also darin, dass Herr B. nicht eine nochmalige Re- vision von Seiten des Dichters selbst statuirt, sondern sich denkt, Spätre ha- ben sich damit befasst, das Drama — und gleich ihm wohl auch andre? — so oder so umzugestalten. Schweigen wir vor der Hand von der Wahr- scheinlichkeit, welche eine so singuläre Vorstellung an und für sich habe; las- sen wir die auf Herrn Bergks Kunsigeschmack ‚beruhenden und die aus der Denkart des Dichters hergeleiteten Gründe vorerst bei Seite; fragen wir nicht, ob die Ókonomie des Drama's gegen die Voraussetzung eines „ganz andern « Schlusses nicht laut protestirt und ob nicht ein solcher an das humano capiti Gg 2 236 FR. W. SCHNEIDEWIN, cervicem equinam erinnern möchte: so wollen wir zunächst das aufs Korn nehmen, was Herr B. dem Obigen unmittelbar anfügt und zu weitrer Bestäti- gung seiner Muthmassung herbeizieht. Diese Mühe uns nicht verdriessen zu lassen, veranlasste ausser der Liebe zur Wahrheit an sich die leidige Erfah- rung, dass Dieser und Jener das von Herrn B. Hingeworfne gläubig hingenom- men hat. Geht man der Sache auf den Grund, so zerstiebt der verführerische Schein augenblicklich. „Aber ausserdem“ — fährt Herr B. fort, „muss es noch eine andre Recension gegeben haben, worin namentlich der Schluss in ganz anderer und des Sophokles würdiger Weise herbeigeführt war; hierauf bezieht sich deut- lich Lucian im Peregrinus Proteus c. 36, wo der Tod dieses Abenteurers, der den Ötäischen Hercules sich zum Vorbilde nahm, geschildert wird: efræ fre Außarurör, ws Emißaioı émi TO TQ, xal avadövros Tivos émíDaXÉ re xai emey ds av —X nt xai yap xai ToUTO THOS rij reas oot 74 nr ik xai maTpdoi dé- go O Ae sUpsveTs. raUTa 9 Ae een és TÓ nDo; oU uiv Empire ye, dAAd meoisoxegn un ris PAoyos moXX Ss mouívus' avus dpa ye- Advra 05,0 xaXb Koovie, Tiv xaTacTQoQurv ToU doxuaTos xTA. Hier ist nicht. nur der Zug, dass der sterbende Peregrinus sich mit dem Angesicht nach Süden wendet, der Tragödie entlehnt, sondern auch die — der Kauen. nur eine ee des Tragikers; Sophokles mag gesagt haben: Seo wrd nils d ανα Dé we.“ | I iE wir i den Ungrund dieses Raisonnements nachweisen, amtes wir es nicht unterlassen, einen Blick in Lucians Peregrinus zu thun. Er schildert seinem Freunde Kronios das von ihm selbst mitangesehene Schauspiel, wel- ches der Wundermann Peregrinus, der sich Proteus zu nennen beliebte, den in Olympia zahlreich versammelten mene zum Ben gab. Nach einem bunten Leben von Gaunereien und abenteuerli S deleien aller: Art er- klärte Proteus in Diympie; nach 33, xoja: Tv Eh Bediwrore hpa- xAsíus amodareii xIAva TG al: Jedermann müsse sein Phi- loktetes werden. dis peines ‚schon hieraus zu folgen, dass weder Proteus noch Lucianus. die Trachinierinnen vor Augen. hatten, da die Einmischung des Philoktetes nach der herkömmlichen Sage (zu Trach. 1214) mit dem Plane ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. 237 des Sophokleischen Drama's sich nun und nimmermehr verträgt, gesetzt auch, der Schluss wäre jemals ein anderer gewesen. Höchstens hätte Philoktetes’ Liebesdienst durch einen Boten gemeldet werden können. Durch diese Vor- aussetzung aber wird die Anlage des Sophokleischen Drama’s, welches die Apotheose des Herakles durchaus nicht zum Ziele hat, vernichtet. Die bei Lucianus vorschwebende Tragödie kommt auch c.21 auf Philoktetes zurück. Dort sagt jener nüchterne Mann, welcher den in Olympia Versammelten über das Treiben des Abenteurers klaren Wein einschenkte und jenen schonungslos entlarvte, nachdem er kurz vorher den Proteus lächerlich gemacht,. dass er durchaus darauf verpicht war, mug) xai tois dmo Tas rpayadias ToVTOIs xo da, folgendes: & d xai To rip we "HoaxXeóv Ti domalera, Ti dý nore o xard oyy EAöuevos Coos südevdgor Ev ẽ xe bavrüv Eno jióvos Eva Tiva oiov Oeayévy torov — den begeisterten Verehrer seines Meisters — BiAoxritav magaXa(3ov; folglich muss Proteus sich den Herakles auf dem Öta nach einer nicht-sophokleischen Tragödie zum Muster erkoren haben. Auf diese weiset auch jener Widersacher des Helden 25: AMAG TE Ô ne HeaxMis, elmeg dpa xai ibrah ao: Ti perennes d vnd vocov avro vnd roi Kevravgeíov alnaros, de Quow 1 Toayadıa, en Herr B. freilich leitet auch diese Äusserung aus Sophokles her, ohne dass sich eine Stelle angeben liesse, welche gemeint sein könnte, vorausgesetzt, dass der Schriftsteller nicht ganz im Allgemeinen von der Sache geredet, sondern auch den Ausdruck der Tragödie entlehnt hat. Von denjenigen Stellen aber, wo. Lucianus. oder jener Unbekannte redet, sind wohl zu scheiden die vom Schriftsteller referirten Äusserungen des Pro- teus selber, worin dieser die Sprache der Tragödie nachäfft. Es ist gar nicht glaublich, dass er irgend eine bestimmte Tragödie vor Augen hatte, am wenigsten eine anders gewandte Bearbeitung der Trachinierinnen. Sagt doch Lucianus sehr verständlich dem Kronios c. 3: ró» gà» moıyryv ol olös re Av xai N Erpayadsı map N D (ior vTig TOY ZoPoxAta xai Tov AicxUXov. Hiernach leuchtet ein, der poetische Mann hat etwas von seiner eigenen Fabrik zum Besten gegeben und an Pathos hochtrabender Redensarten die erhabensten Meister zu überbieten gesucht Als nach c. 36 der Mond aufgegangen ist, zieht Proteus mit seinem Anhange LJ 238 A FR. W. SCHNEIDEWIN, auf in der Nähe Olympias — eder «dg xai riv csXXvw»v Jedoacdaı TO xc. XugTov TOUTO ÉQsov —, fordert Libanotos, wirft ihn ins Feuer und spricht gen Mittag gewandt jene Worte: Adinores untoõoi xai margwoı, dééar9é ue gumeveis. Dann springt er ins Feuer. Gesetzt nun, eine bestimmte Tra- gödie schwebte ihm dabei vor, auf keine Weise konnte der Vers lauten, wie Herr B. conjectirt, da ja der Zeussohn Herakles nur den Zeus ^reTgoes an- rufen konnte, nicht aber da/uovas unrowovs xal marpwovs oder auch SeoUs zaTQovs. Mit jenen Dämonen meinte Proteus Manes parentum, vgl. Lobeck Aglaoph. II, 916, welcher nachweist, dass jene Richtung moòs nernußgiav keineswegs überall beobachtet wurde. Aber der Sophokleische Heros konnte auch desshalb sich an keine Götter irgend welcher Art wenden, ihn gnädig zu empfangen, da er keine Ahnung davon hat, dass ihm der Olympos bestimmt war. Diess ist ein so wesentlicher Zug, dass er auch bei anders gewandtem Schlusse schwerlich hätte verwischt werden dürfen. Noch weit weniger Schein hat es, wenn Herr B. c. 39 auf Sophokles bezieht. Er sagt S. 244: „Wie bei Seneca zuletzt Hercules selbst von Neuem auftritt und die trauernde Alkmena beruhigt, so mag auch bei Sophokles am Schlusse des Drama's der Heros in verklärter Gestalt erschienen sein. Hierauf wird sich auch Lucian c. 39 beziehen.« Dort erzählt nämlich Lucianus, der sich das seltsame Schauspiel mitangesehen hat, denen, welche ihm unterwegs begegnen und zu spät kommen, je nachdem sie närrisch oder verständig sind, in verschiednen Tonarten: e uiv ouv Id tiva Xaglevra, UA dv wore coi r mrQa x Sérra. dinyovunv, mois dà ros BAuxas xai S r axgoaciy re N Erpaywdovv Ti map ÉpavTOU, ws émeid dvi Om uiv h . qvod , év£BaXe d QÉpuv. Eavrov 6 Igwreus, Ceir H0U ah reges neyakov yevouévov cur ar TAS YIS, y dvamransvos eu nEons TIS quim ore és ry ovgavoy avYowmirg ,ein Tj Quvj Akyar“ "EAimov yav, Baiv ð ès "OXvyusor. Kane Herr. B. selbst nun nicht umhin einzugestehen, dass den Geier Lucianus selbst hal fliegen lassen — denn c. 41 sagt er ausdrücklich: Gr yo cQzxc mírec Dai waraysAavı TOV. dvorrav xai Baimov TOP TQOTOV =, S0 »Scheinen. doch die Worte selbst der Tragödie des Sophokles entlehnt zu seyn; denn Hercules selbst konnte diesen dorischen Anapäst sprechen, vgl. E ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. 239 Seneca Vs 1943. Es ist aber auch nicht unmöglich, dass Lucian den Vers etwas umänderte, indem bei dem Tragiker entweder der em. oder auch Athene von dem verklärten Heros sagte: EAlxes yatan, Baive d' ae Hiermit thut Herr B. dem Schwank des Lucianus zu viel Ehre an. Dieser hat sich, wie er ja klar genug bekennt, den Scherz gemacht, ganz im Geiste des dofoxomos zu reden, wobei er gaywdar Ti mag &avrov nicht entfernt daran dachte, einen Vers aus einer Tragödie, geschweige aus den Trachi- nierinnen zu entlehnen, vielmehr jenes einfach variirte heilige Wort parodirte: Quyor xaxóv, sügov dpeiwov! Damit verschwinden denn alle weitre Folge- rungen für den vermeinten üchten Schluss der Trachinierinnen. Auf das monströse Stück des Seneca sollte man sich übrigens gar nicht berufen, um danach Rückschlüsse auf ein griechisches Vorbild zu machen. Die Feinheiten in der Anlage der Trachinierinnen, die Seneca in einzelnen Scenen vor Augen hat, hat er mit plumpster Rohheit nicht begriffen und durchgängig vernichtet. Bei Sophokles konnte unter keiner Bedingung Herakles so reden, wie Herr B. muthmasste: denn ihm kommt keine Ahnung vom Baivew és "OAyumor, vgl. die Einleitung S. 24. Ubrigens hätte Sophokles jenen „dorischen Anapást « nicht einmal machen dürfen, da das augmentlose Baæfye unzulässig wäre. Die ganze Vorstellung aber, wonach dem Lucianus eine ganz andre Fassung des Schlusses vorgelegen haben soll, entbehrt an sich jeder Proba- bilität. Wer will es glaublich finden, dass eine solche sowohl allen übrigen Schriftstellern wie auch den unsern Scholien zu Grunde liegenden alten alexan- drinischen Forschern gänzlich verborgen geblieben wäre, und dass Alle jene angebliche Umgestaltung statt der ächten Schlusspartie für Sophokleisch ge- halten hätten? Gar Manches führen alte Schriftsteller aus unserm Drama an, mehr als die Herausgeber angemerkt haben: Alles aber findet sich in unserm Texte wieder, kleine Varianten abgerechnet. So wird, um nur ein Beispiel aus dem zweiten Theile zu geben, V.1089 ff. von Longinos bei Walz Rhett. 9,588 angeführt.. ^ Inzwischen hat Herrn Bergks Scharfsinn nicht unterlassen, auch einige andre herrenlose Anführungen bei alten Schriftstellern zu Gunsten seiner Hypothese zu verwenden. Zunüchst zieht er als zu der von ihm angenom- 240 FR. W. SCHNEIDEWIN, menen Sterbescene gehörig die Verse bei Dio Chrysost. LXXVII, 271 Emper. heran: roy Hoaxhéa Qaciv. Sed oUx Eduvaro idcacSa To one vo vooov dewijs KATEXOMEVOV, TOUS VIOUS xa XÉccu TrQaiTOVS XEX&vOrTO. v ronja. Aaumgotatw mugi’ TOV d Oxvovrraw xai amootgePonevan Aosdopeiv aurovs ws naanovs TE nai avakious auto xal TÄ unrel ud Xov e,, dra ws o on Quoi Ilo? uyeracTQéQecO', o xaxoí xai avakıoı TAS NS ono AirweXídos ayaApara pitos!) Die Dichtung, woraus Dion schöpft, setzt eine ganz andre Sanne voraus, die ich nicht anstehe als ganz unsophokleisch zu bezeichnen. So- phokles liebt Schaustücke der Art nicht: ein Scheiterhaufen auf der Bühne und Herakles Abschied ist gegen Sophokles Geschmack. Aber überhaupt die Apotheose geht nimmermehr in den Plan der Trachinierinnen ein, ohne dass das Ganze von Grund aus anders gebaut würde. Ferner sind bei Sophokles die Geschwister des Hyllos abwesend: bei jenem Dichter stehen sie dem Vater zur Seite, weigern aber die Anzündung des Scheiterhaufens. Man sieht aus Allem, dass wir nicht befugt sind, die Verse dem Sophokles zuzu- 1) Emperius vermuthete : zavakıoı onogác Tag mae i ^ AivwAidog uatoos dyakuara In den Gött. Gel. Anzz. 1845, 174 S. 1734 behielt ich AízwAidoc dd naroog bei. Herr B. dagegen decretirt 5. 244: noi noi peraotoégegóov , O axol zarot avafıoı v irte onogäg, Aèltwhiðoe uyalma ie,? „denn so ‚sind. diese Verse zu schreiben, wenn man nicht vielleicht voi -noi petugtoépsoÓs Neides w xaxoí vorzieht. 0 Ob die Verse eines unbekannten Dichters so oder so zu schreiben sind, das zu sagen überschreitet die mensch- liche Kraft. Nur Vermuthungen kann man aufstellen und da wüsste ich nun nicht, wodurch sich der Dualis uetaoToépecÓoy rechtfertigen liesse. Herakles hatte ja mehrere Söhne mit Dejanira, vgl. zu Trach.. 54. Trimeter aber her- zustellen scheint nach der Überfieferung nicht rüthlich: der zweite wäre kein sonderlicher Vers. Den Plur. cy&Apeta hätte Herr B. wohl gewähren lassen, ware es ihm nicht um einen Trimeter zu thun gewesen. ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. 241 weisen und zur Unterstützung einer Hypothese zu nutzen, welche sich uns von keiner ‚Seite hat empfehlen können. Übrigens hat Wagner jene Verse unter die incertorum poetarum gesetzt, fr. 77. p. 199, Reiske dachte, was bei namenlosen tragischen Versen das Nächste ist, hier aber aus mehrern Gründen unstatthaft dünkt, an Euripides, W elcker Gr. Trag. 3, 1234 gar an den Tyrannen Dionysios, der nach Scholl. Il. A, 515 einen voroövr« Hex xai XuAavov aAvlew avrov mepwpevoy gedichtet. Von einem solchen Thema liegt aber doch Herakles auf dem Ota allzu weit ab und obenein hat Meineke Hist. Crit. Com. p. 420 jenes corrupte Scholion so verbessert, dass Aivos als Titel des Drama's erscheint. Derselbe Gelehrte Comic. III, 554 berichtigt selbst die Annahme, als sei der Comiker Dionysios von Sinope gemeint und nimmt vielmehr ein Satyrdrama an. Beistimmend O. Jahn „über einige Abenteuer des Herakles auf Vasenbildern« (Vhdll der Ges. der Wissensch. zu Leipzig 14. Nov. 1853) S. 147. Noch eher als ich an Dionysios von Syrakus düchte — den Dion schwerlich mit dem Titel 6 romrys beehrt haben würde —, griffe ich zu dem "HgaXzs egixeusonuevos des Spintharos (Welcker Trag. 3, 1034), schiene es nicht gerathuer, alle Vermuthungen zu unterdrücken. Nur möchte ich doch zu bedenken geben, dass man schwerlich Grund hat, an eine Tragödie zu denken. Ich glaube vielmehr, dass ein Dithyramben- dichter der mimischen Art zu verstehen ist. Freilich liesse sich auch denken, dass schon Stesichoros einen 'HoaxAss Oira:ics gedichtet hätte. Endlich móchte Herr B. noch. eine namenlos überlieferte Anführung dem Schlusse seiner Trachinierinnen einverleiben. „Trat,« meint er, „Hercules selbst am Schlusse des Drama's nochmals auf, so können vielleicht hierher gehören die von Aristoteles Ethic. Nicom. 8, 10 erhaltenen Verse: Co Ov. ydp: 14. os 164 dcsdeíx Qa duQoiv d& mathe autos. LEE Zeus, s us d RI. | dito dem, was Aristoteles Eth. Eudemi — nicht oe wie Herr B. mit Wagner angiebt, welcher die Stelle unter den poett. incert. nr. 11 p. 184 aufführt — p. 1242, 35 Bekker. voranschickt: f röv dàeXQGv N) mgös s ragen nalıcra * xaT iooryra' Ov ydo xTÀ. TAUTA Ye ws TÒ icov Kurowrwv Akyeraı, ergiebt sich allerdings, dass von zwei Hisi.-Philol. Classe. VI. Hh 242 FR. W. SCHNEIDEWIN, gleichartigen Brüdern die Rede war. Allein sehr unglaublich klingt was Herr B. vermuthet: „Hercules mochte im Rückblick auf die zurückgelegte Helden- laufbahn auch des Iphikles gedenken, und diesen mit brüderlicher Liebe als ebenbürtig, als ächten Sohn des Zeus bezeichnen.“ Iphikles liegt dem Sagen- kreise, in welchem die Trachinierinnen sich bewegen, ziemlich fern: von ihm konnte aber, gesetzt er dürfte eingemischt werden, in keiner Weise als von einem dem Herakles ebenbürtigen Bruder. geredet werden, da ja nach allgemeinem Glauben die zaoıyvyrw für ovxé9' ouc Qooríovre galten, Scut. Herc. 48 ff. Ferner liefe der Schluss des Drama's wiederum auf eine Apotheose des Herakles aus, die Sophokles nicht beabsichtigte, auch bei andrer Anlage des zweiten Theils nicht beabsichtigen konnte. Meineke hat (Ztschr. für Alterthumsw. 1846. nr. 138 S. 1099) die Vermuthung aufgestellt, die Verse möchten der Antiope des Euripides beizu- legen sein; zugleich hilft Meineke dem Übelstande ab, dass zwischen dem ersten und zweiten Verse ein unerlaubter Hiatus stattfindet, weshalb Herr B. den Ausfall eines oder des andern Verses annahm. Meineke schreibt ære- deix Ons, und schon Casaubonus schrieb dwedeix Iyv, welchem A. Th. A. Fritzsche Eudemi Rhod. Eth. p. 227 gefolgt ist. So sehr aber Meineke’s Vermuthung auf den ersten Blick besticht, so viel Zweifel steigen auf, wenn man sich fragt, wie wohl eine solche Äusserung des Amphion oder Zethes im Drama des Euripides Platz gefunden haben móchte. Dazu kómmt eine mpi — Herrn decem d welcher den letzten Vers ergünzt: Zeus Epos agxwv, Ivyrav à ovósis, und sehr wahrscheinlich macht, dass die Stelle dem Sophokles gehört durch Vergleichung des Philon Il, 448 Mang. dy anbevdas éXevSspor dvalyruner, S uórg TÒ avToxgaris mooceotiw. dva SÉsyEeroi «ydg éxeivo rò ZoPoxAcıov oudèy TOV mu Moxgiia ron da bh ; Oeds Epos dgxov, Nr dk ovdà eis!). Gern. pet wir ims dass Philon willkürlich Oesés gesetzt hat; ja auch das ET Vulg. inoiz T. Medic. 2 inis, wie gleich nachher: 2wrs6c« Bei papiy fr. 769, Wagner inc. 116. Stände nur der Inis des Sophokles etwas fester und dürfte man darunter den Bruder des Herakles verstehen, so wäre das Bruchstück untergebracht. Doch vgl. Welcker Trag. I, 430. ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. 243 scheint uns sehr wahrscheinlich, dass die Stelle bei Aristoteles durch die Anführung des Philon als Sophokleisch erwiesen wird; allein für die Haupt- sache, dass sie in den Schluss der ächten Trachinierinnen gehöre, gewinnen wir nicht den mindesten Anhalt, so scheinbar Herr B. bemerkt, im Munde des Herakles, mit Beziehung auf dessen Verhältniss zu Eurystheus gewännen die Worte besondre Bedeutsamkeit. — Nunmehr können wir zur Beleuchtung der Ausstellungen schreiten, welche Herr B. an dem vorliegenden Schlusstheile des Drama's macht. Zuvörderst traut Herr B. dem feinen Gefühl des Dichters nicht zu, er habe die lole dem Hyllos verlobt. Herr B. begnügt sich einfach damit, seinem Geschmack zu folgen. Aber eine Decision des Geschmacks ist kein historischer Beweisgrund und es bleibt immer eine missliche Sache, um Lessings Worte zu gebrauchen, Facta durch Geschmack entscheiden wollen, wenn er noch so sicher wäre. Und wenn nun der Geschmack der Athener ein andrer in diesem Falle ge- wesen wäre? Der angeregte Punct hat auch bei Andern längst Scrupel erregt, die ihrem modernen Gefühle Gehör gaben: so ohne Weiteres abzu- — - sich Niama herausgenommen- dina ay feinsten Beurtheiler ii dili dé rPhiloli-@: 103) e | A 1. 05 Zur Einführung der Befehle- über Iole, well die dunkelste und abstossendste Scene im ganzen Stücke ist, kann ein angemessner Beweggrund vorhanden, gewesen sein, den wir nicht vollständig begreifen können.“ Göttling (de loco Antig. Jena 1853 p. 4) äussert gelegentlich „Mirus locus — non in- dignus est Sophocle, quo moriens Hercules Hyllum filium iuramento obstringit se Iolen patris pellicem in coniugium accepturum, de quo loco alio tempore viderimus quid statuendum sit.“ Ungenügend sind die Bemühungen Andrer, die Stelle zu rechtfertigen. So meint Bernhardy Gr. L.G. 2,818: „Die flüchtig hingeworfene Verbindung des Sohnes mit der lole, eim Versuch die gestörte Harmonie des Familienlebens herzustellen, schliesst nur äusserlich ab.« Noch weiter verirrt sich in unnütze Spitzfindigkeiten Gruppe Ariadne S. 183 und auch Volckmar S. 36 fasst die Sache einseitig und unrichtig auf 1). h K schwenck in der Holl. ALZ. 1839, nr. 142 S. 524; »Die Sage gab dies an die Hand, und es war eine Sitte unter Völkern gewesen, dass gerade die nächsten wenden im Fall der Verlassenheit einander heiratheten, selbst Ge- Hh 2 ~ 244 FR. W. SCHNEIDEWIN, Mir scheint die Ehestiftung aus dreifachen Gründen erklärlich und in den Augen der Athener vollständig gerechtfertigt: diese Gründe sind psychologischer, historischer und dramaturgischer Natur. Den ersten giebt Herakles selbst an: er kann nicht mit dem Gedanken scheiden, dass Iole, die Er seiner Umar- mung gewürdigt hat, einem andern Mann zu Theil werden soll als seinem Erben, dem er sterbend seine Rechte abtritt. Noch wichtiger scheint der dritte Grund: Die unglückliche Jungfrau von Öchalia spielt im Drama trotz ihres unverbrüchlichen Schweigens auf der Bühne eine bedeutsame Rolle. Sie ist es, deren Ankunft in Trachis Deianira zu ihrem Schritte veranlasst, der so tragische Folgen für beide Ehegatten nach sich zog. Nach dem Ge- fühl des Alterthums durften die Zuschauer über das endliche Schicksal der unschuldigen Veranlasserin so schweren Unheils nicht wohl im Dunkeln blei- ben: es würde ein Missklang nachhallen, wäre von ihr mit keiner Silbe weiter die Rede. Endlich aber ist wesentlich in nun zu bringen, dass dem alten Mythus zufolge Hyllos mit Iole den Kleadaios und die Euaichme erzeugt, welche als Stammmältern der den Peloponnes mit den Doriern wiedererobernden Herakliden galten, vgl. Paus. 4, 2, 1. Dem Volksglauben aber bleibt Sophokles gern treu. Nun schien aber die tragische Umgestaltung der Heraklessage in unserm Stücke einer Verbindung der lole mit Hyllos zuwiderzulaufen, nach- dem der seiner en in treuster mie —À4 es von den uc oU E MENS schwister. Auch dieser Zug der Sage (2) ist von Sophokles in das Gebiet des menschlichen Gefühls gezogen, und verschönert das Ende dieser Tragödie, wie denn überhaupt dieser Dichter auch sonst die Züge der Sage in den vorhan- denen Tragödien nie äusserlich bestehen lässt, sondern immer in unser Gefühl in Übereinstimmung mit der fortschreitenden Handlung einzuführen weiss, so dass bei ihm alles menschlich ergreifend wird, wodurch eine ‚gewisse Lieblich- keit und Sanftheit sich mit seiner aligemesdenoh. Form und der feierlichen Strenge seiner tragischen Würde vereinigt. Durch die Benutzung dieses ‚Zuges . der Sage erscheint uns der gewaltige Heros mitten im schwersten Leiden, im Begriff auf dem Holzstoss durch die Flammen zu sterben, menschlich und unsern sanfteren Gefühlen verwandt. Er hatte Iole geliebt. - denkt ihrer auch jetzt in der Qual, sie soll kein Leid erfahren und nicht ausgestossen oder zur die- nenden Selavin herabgewürdigt werden. Nein die seiner Liebe Gewürdigte soll dem lieben Sohne verbunden werden, damit es ihr wohlgehe, und er von dieser Seite m von hinnen sctiefdd: Msg ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. 245 Motiven derselben unterrichtet allen Hass auf Iole: werfen musste. Sinnreich weiss daher Sophokles die einmal im Volksglauben vorhandne Verbindung trotz der Neuerung aufrecht zu erhalten und das bei den Zuschauern leicht auftauchende czópzuc selbst zu lösen. Möglich, dass hierbei wie in einigen andern Zügen des Drama's speciellere Beziehungen des Mythus zu Attika und den Vorfahren des Landes ins Spiel kamen, worüber Näheres Einl. S. 10. Den weitern Ausspruch Herrn Bergks, es gebe nichts armseligeres, als die beiden parallel laufenden Scenen, wo Hercules unter. Drohungen vom Sohne verlangt, er solle ihn auf dem Ota bestatten, dann die Iole heim- führen, — diesen Ausspruch dürfen wir füglich auf sich beruhen lassen, da er eben nur ein Ausspruch individueller Stimmung ist. Andre urtheilen an- ders, indem sie sich mühen, die poetischen Motive unbefangen zu erkennen und dem Dichter gerecht zu werden. Die ganze Stelle, wo Herakles dem Hyllos vorschreibt, wie er ihn verbrennen soll, ist nach G. Thomas (Münchn. GA. 1843, nr. 257 S. 1032) gerade „dem Sophokles vortrefflich gelungen.“ Noch aber liegt uns ob die schwere Anklage Herrn Bergks eingehend zu erörtern, dass ee . ci a Widerspruche mit der ganzen re des Dichters stehen. Nach Hermann Janten die Verse, welche Hyllos spricht, ipe: ager, GmudoÍ, peydàny AE. S 1265 ^rovrie» OÉutvo, ovyyvwnocvvyv, "aed 02 Geos dyvwuoovrıy — eidores eren TOv TQacOOuÉVOV ^ . oi Qucavres, xci wAnLomevos mareges ToT popso: mu. 1270 r A ob LEX xor oudeis . perl ord d vür so rar, oixrQd. A ue aioxpa d Exeivas, Kakerurara d our Br mavrav TE rd Arm vmexorri. 1275 Asimon, unde cv, rag Ey, em olzwv, ueydäovs ply dodo véovs Javdrovs, o de nipata xai xaworayi" xovühv rourwr O Ti un Zeus. 246 FR. W. SCHNEIDEWIN, Hiergegen müsste die Vertheidigung verstummen, hätten diejenigen Heraus- geber Recht, welche, wie ausser Hermann Dindorf, Wunder u.a. die sämmtlichen Verse dem Hyllos geben, ohne sich darum zu kümmern, dass sie damit der Sitte, den abziehenden Chor die Dramen schliessen zu lassen, untreu werden. Folgt man aber ihnen, so verstósst der Schluss nicht bloss gegen die religióse Anschauungsweise des Sophokles, sondern überhaupt gegen den Charakter des antiken Drama’s, ja der antiken Poesie insgemein, welche unaufgelóste Missklänge nicht duldet. Hyllos, so verlangt der Dichter ver- Standen zu werden, in seinem frischen Schmerz um den doppelten Verlust des Vaters und der Mutter im Tiefsten des Herzens verwundet, erdreistet sich in jugendlicher Unbesonnenheit, den Göttern bittre Vorwürfe zu machen. Dabei hat der Dichter namentlich durch V. 1270 den athenischen Zuschauern recht nahe gelegt, die Kurzsichtigkeit auch. des Hyllos stillschweigend zu berichtigen. Fasst man nun die Endworle xovóàv rovrwv & ti uy Zeus so auf, wie Hermann ihut: „sunt haec congrua iis, quae Hyllus modo pluribus declaraverat,“ d.h. und das Alles hat keiner angestiftet wie Zeus, so verkennt man das Wahre gänzlich und läuft Gefahr zu einem Urtheil verleitet zu wer- den, wie Herr Bergk es ausgesprochen hat!). Allein die Überlieferung war wenigstens schwankend; die Scholien sagen, raüra Nel ó xogos N O TNA, der Par. A sagt zu 1275 »xopós ] "YAXos und nach Cobet steht auch im Laur. A vor demselben Verse xogós, rs "YAXos. Jene waren demnach in der Mehrheit und zu ihnen hielt der alte verstündige Triklinios : æi ToU xoge d re 2 en die Chorführerinn fordert » 1) Die Trugschlüsse Bài He PREGA, dem die Schlussverse ganz zu verwerfen beliebte, können nicht in Betracht kommen. Nur er kann sagen (Einl. S. 12): »Der Schluss enthält geradezu. eine Lästerung: der Götter und der göttlichen Davon ist gerade das Gegentheil wahr. Freilich Fr. Lübker (Die Sophokleische Theologie und Ethik 1,12) findet das ganz in der Ordnung: „Ihre (der Gótter) Unmilde ist zuweilen. defremdend sogar; sie handeln, wie Hyllos sagt, ganz nachsichtslos, es ist ihnen selbst eine Schande!!* So werden un- er und missverstandne Äusserungen poetischer Personen zu einem dogmatischen Mischmasch zusammengebraut, den man für Sophokleische Theo- logie und Ethik verkauft. Dem Philologen ist dergleichen jetzt so beliebte gottselige Litteratur von Grund der Seele zuwider. ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. 247 die Freundinnen auf, nunmehr gleichfalls sich hinwegzubegeben: sie redet im Singular, indem sie sich selbst und damit die ganze orac,s anredet. Dem Chor aber steht es wohl, als Organ des Dichters zu dienen und die Gottes- lästerung des Hyllos zu berichtigen. Er setzt also gerade jenem. entgegen, in allen den schweren Schicksalsschlägen des Tages walte doch die göttliche Weltordnung, Zeus habe es wohl gefügt. Und die Athener, welche weiter sahen, verfehlten nicht, aus ihrem Sagenbewusstsein die Wahrheit des Wortes zu bestätigen. Sprachlich ist die von Wakefield beigebrachte Stelle Lucan. 9, 150 ähnlich: | luppiter est quodcunque vides, quodcunque moveris. Auch können die Wendungen ov rade Bpöwos, ToUT écTiv AxaóWuta, rod ro Zevoxgarys und ähnliche bei Meineke Com. 3, 421 verglichen werden. — Hiermit hätten wir den Ausstellungen Herrn Bergks, soweit. sie den Schluss des Drama's betreffen, ein Genüge gethan. Indess sucht derselbe Gelehrte seine Vorstellungen auch von anderer Seite zu empfehlen. „Auch sonst,“ behauptet er, »ſinden sich überall die deutlichsten Spuren einer dop- sonders gehören dahin 880 fl., wo die beiden Bearbeitungen, obwohl bunt durch einander gewürfelt, sich ganz bestimmt von einander scheiden lassen.“ Es ist das eine Partie, an welche Ed. Wunder Emdit. p. 97 —110 viel Scharfsinn verwendet oder, ohne Hehl sei es gesagt, vergeudet hat. Dessen gelehrter Recensent, H. Köchly, hat (Zischr. fur Alterthumswiss. 1842, S. 774 fl.) dem haltlosen Schalten Wunder's längst Einhalt geboten, scheint auch sein Verfahren nicht überall zu genügen. Ich bin fest überzeugt, dass die Überlieferung im Ganzen vollkommen zuverlüssig ist, fasst man die Situa- tion des Chors mit offenem und geübtem Sinn poetisch auf und nimmt sich die Mühe, den Dichter erst zu begreifen, ehe man ihn hofmeistert. Die ein- dringende Erklärung ist aber auch hier gänzlich- verkümmert. So hat z. B. aart viel Worte eene: i sqq.) über 884: as. éuxcaTo noos Savére OvaTor ` ` dysga ova; 248 i FR. W. SCHNEIDEWIN, indem er ova für sinnlos erklärt, welches auch Kóchly (S. 777) irrig deutet = allein, ohne Zuthun eines andern. Vielmehr besagen die Worte ganz einfach dim Aot y Idvarıv dvvoaca ua, indem sie den Herakles und sich selbst, Zwei in Einer Person, gemordet hat. Doch da Herr B. es verabsäumt hat, mit jener angeblich ganz bestimmten Aussonderung ans Licht zu treten, so ist eine weitre Polemik unthunlich. Nur müssen wir gestehen, dass wir im Voraus misstrauisch sind nach der einzigen Probe, die Herr B. giebt: „An V. 883 K, dimiorwoe muss sich die zweite Hälfte von V. 886 mas &unoaro anschliessen.« Das ist unmöglich. | Ferner soll V. 88 ff. Arbeit der Diaskeuasten verrathen. Ich bin völlig einverstanden, wenn Herr B. Hermanns jetziges Verfahren, mit Brunck durch Umstellung der Verse die Schwierigkeiten der Stelle zu beseitigen, verwirkt und (mit Vauvilliers) s in eig zu verwandeln räth. Dass aber im Übrigen kein Grund ist, die Stelle für interpolirt anzusehen, liesse sich leicht zeigen, wenn nicht H. Köchly (a. O. 794) bereits darüber verhandelt hätte. So verweise ich einfach auf die Bemerkungen in der Ausgabe. Interpolirt soll ferner 523 ff. sein. Der Schluss des Chorgesanges ist allerdings sehr schwierig, aber doch auf keinen Fall interpolirt. Nachdem die Kämpfer um Deianira’s Besitz und die Art ihrer Kämpfe in kurzen Skizzen geschildert sind, kommt der Chor schliesslich auf die Lage und Stimmung der den Bee zuschauenden Deianira ‚selbst zu sprechen: d ò evamis gg oli Top mag 2 i Joro, rov ôr een arotar. ` ey dd udtag uiv ol Odi gο „ 0 auDwelunrtor 0 2 vu EAsıwov duufvg —- amd nargös pap Pv Gore mOpris egi ud. hier diem pic Wakefield an, weil von Deianira ital . ge- sagt werde: Hermann sah früher auch hier einen Beweis fur seine doppelte Recension, Wunder (Emdit. p.180 sq.) gab die Erweiterung des Textes den Histrionen schuld, da sich nicht absehen lasse , auf welchem Wege die ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. i 249 Worte genügend. verbessert werden können. Neuerdings ist Hermann zu einer eben so kühnen Umstellung wie unglücklichen : Conjectur geschritten. Er stellt die Verse 523— 25 (& d’vämıs . Goff) an die Spitze der Epode und schreibt 526.4 douari uiv oit, Qodgw, d.h. „coniunetim ei summatim (?) quale fuerit illud certamen dico.“ Was Hermann zur An- empfehlung dieses Verfahrens sagt, ist nicht geeignet, dafür zu gewinnen. Alle mir bekannte Interpreten versehen es darin, dass sie die Schluss- verse geradezu auf Deianira beziehen, von der in der That schon genug gesagt war. Vielmehr enthalten jene eine allgemeine Reflexion der Mädchen, die freilich auf die geschilderte Lage der Deianira Anwendung findet, aber absichtlich helldunkel gehalten ist. Dass aber in den Worten eine sententia generalis liegt, zeigen die Präsentia č yuévei und g gane: denn dass diese nicht als historische Prüsentia: aufgefasst werden dürfen, leuchtet ein und ist auch Herrn Wunder nicht entgangen. ' Verschrieben muss aber auf jeden Fall das unerklärliche Aru sein: die Versuche es zu deuten verdienen keine Erwähnung. Mir scheint unverkennbar, dass die Mädchen schelmisch zurück- blicken auf ies was Deianeira’ in den schönen‘ Worten veo — i m 8 v ; " PUT "IPSUM PW SAT 4 Mail Esp. ai T hs ww 10 N vedon dy confide Böoxeras WERTET aUTOD XTÀ. ^^ | Danach vermuthe ich: yod’ &rsıgos ibi oit Ogg, ich bin freilich noch mit dergleichen Dingen, wie ich sie zu sprechen im Begriff bin, unbe- kannt, aber (das muss ich doch sagen, dass) das Auge der umworbnen Jungfrau harrt — worauf? gewiss nicht EA (EN codd.), was weder sachlich noch sprachlich angeht, da c&j£pe; ein Object fordert. Hier ist mir meines Freundes H. Lotze Scharfblick zu Hülfe gekommen, welcher die richtige Lesart & X vo glücklich erkannt hat. Nun gewinnen wir den geo Zusammenhang: »Ein Mädchen in solcher Lage harrt immer auf endliche feste Entscheidung: dann zieht sie, ergeben und gefasst, flugs von 3 wie ein der Mutter entführtes Külbchen.« Ist das Loos einer Jung- frau einmal entschieden, so folgt sie dem Gatten und ist nun, mütterlicher Pflege und mütterlichen Trostes beraubt, ganz an Jenen gewiesen, rathlos und Hist.-Philol. Classe. VI. li 250 i FR. W. SCHNEIDEWIN, verlassen, wofern er ihr nicht treu bleibt. Die Anwendung der allgemeinen Bemerkung auf Deianira und Herakles liegt nahe genug. — Als Belege für eine doppelte Bearbeitung führt Herr B. ferner an V. 801 ff. Herakles, erzählt Hyllos, bittet ihn auf dem Kenaion: c Taj, mQocEA. De, pu Quyys ToUpOv xaxov, und el ce xen Savóvri; cuvOavéiv. &uot* AAN &gov éw, xai pdàiora uiv uíOss 800. érra)9' Omov us Ai Tis Wer (Apordv* | el d' oö laxes, , u E ys rasde ys rg Hh euοον, ws TAXTA, und aurov Java. Herr B. muss danach der Meinung sein, die Bitte des Herakles 799. 800 laufe auf das Nämliche hinaus wie die im folgenden Distichon. Das aber ist ein ‘Irrthum, da vielmehr Herakles von einem hóhern Verlangen zu einem geringern herabsteigt, wie ja j&A;cTc ev aufs Handgreiflichste beweist. Er möchte am liebsten in eine öde Gegend geführt werden, um der lästigen Menge gaffender Neugieriger und Schadenfroher zu entgehen. Denn Herakles hat eben noch Euböa als gewaltiger Kriegsheld bezwungen, nun aber wird er selbst vom bösen Gifte schmählich überwältigt. Empfinde aber Hyllos Mit- leid und schmerze es ihn, den Leidenden hülflos sich selbst zu überlassen, so solle er ihn wenigstens von Euböa wegschaffen. In der Einöde sähe kein menschliches Auge sein Elend, ausserhalb Eubóa's würden wenigstens die Feinde sich nicht an dem Anblicke seiner Qualen weiden. Auch auf 817 fl. erstrecken sich Herrn Bergks Verdächtigungen. Hyllos spricht dort zum Chor, dessen Führerin der stumm enteilenden Deianira nach- ruft, sie "ge sich gegen die Ansshuldigungin des Sohnes — dar du ob opSaXudv a ^ Lipi | auri yérur damwDtv grove xaXós^ — v4 saben usb abu lan Sy vag GA. bd fer Ti de? — yu Aeurgcßor, qris undꝭr ds TeXOUCa dgds 0050 eh NN og ere r ci o? TAV dè Téo junii: ell ekdi bioi rau dídwci maTQi, tiv d avrS AA j, is = ‚Man kann nur ahnen, dass Herrn B. die Wiederholung dob: XX: ids "€ édr d Oi so befremdlich klang, dass er an die Einschiebung eines ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. 251 Distichons und zwar des zweiten dachte, die er dann auf Rechnung der ver- meinten zweiten Bearbeitung setzte. Nichts hat weniger Schein als dieses. Denn erstlich liebt Sophokles 'Oyxgixcs dergleichen nachdrückliche Wieder- holungen des Hauptgedankens nach eingelegter Begründung ganz ausserordent- lich (zu O. R. 338. Ant. 426. 465 f. u. sonst), sodann sagt das zweite Di- stichon, womit Hyllos zornige Rede aufs Krüftigste schliesst, weit mehr als das erste. Denn mit gesteigerter Bitterkeit wünscht Hyllos r$ dead avrırivsıv, indem er der üblichen Abschiedsformel eine sarkastische Wendung giebt und das Xi in seinem Sinne ausdeutet. Wollte man nach dem Princip Herrn Bergks verfahren, so müsste z.B. gleich V. 1227 ausgewiesen werden. Nachdem dort Herakles dem n aufgegeben hat, rar arpóo Nov ddpapra, führt er fort: und dos avdan Tois Emois mAeupois opot xAıdeisav auray avri coU AdBy more, AAN avTós, w mal, roro deve Afxos. Eben so wenig Grund scheint endlich vorhanden, mit Herrn B. 1145 ff. zu en, Sabel. Hyllos dem Herakles erklärt hat, dass Deianira den 4 i ü i at Attn von den Angen un or ilt in dio Klagen ats: Y | do loù duornvos, ox. e, GA, Awg, Peyyos ovx ÈT écTí uo. oiuos, Qgova d ÉvuQogás iv £crayuev. 1145. 19, & Téxvov' mario ydp ovx ÈT écTí co. dt TÒ NAV u, OTEA TOV ÖMAIMÓVONV . Meines Erachtens kann hier auch nicht der leiseste Verdacht 1 als ob etwa die eine Recension nur 1145, die andre dagegen 43. 44 gekannt hätte. Bei dergleichen plötzlichen- avayvwgiceıs sparen die Tragiker, die ja überhaupt nichts weniger als worlkarg sind, Ausrufungen und Jammerklagen nicht, wie vornämlich der Philoktetes gt An unsrer Stelle möchte ich n nicht ein Wörtchen missen. Allein mit den „deutlichsten ate. einer eee Bearbeitung, über welche jeder Unbefangne nach dem Gesagten urtheilen wird, sind Herrn Bergks Ausstellungen an dem überlieferten Text noch nicht erschöpft. „Da- 12 252 3, FR. W. SCHNEIDEWIN, zwischen ‚# fährt er fort, „finden sich handgreifliche, oft ganz unverständige Interpolationen, wie V. 17. 46 fl. 169 fl. 252 fl. 264 (wo die Worte e 0t ego piv zu streichen sind), 356 fl. 585. 1167.4 Zum Theil haben schon Andre, namentlich Wunder, die angezognen Stellen mit gleichen Augen angesehen und es klingt in der That komisch, wenn Herr B. in einer Recension Wunders Stellen für seine Sätze anführt, welche eben von dem recensirten Auctor in gleicher Weise aufgefasst sind. Ich werde mich über diejenigen Stellen kurz fassen, welche schon von Wunder für interpolirt ausgegeben, dagegen von H. Köchly, dessen gründ- liche Recension Herr Bergk nicht zu kennen scheint, gerechtfertigt sind. An V. 17 hat nun gleich schon Wunder angestossen, doch hat Köchly S. 751 dessen Conjectur gut widerlegt. Für ei hat: ihn aber noch Niemand erklärt. Die Stelle heist: iav oua à; 15 tuos e uur en 0X ^ ^ dveravos, tel xr Daveiv émsvxóum, ^ or le TüsÓE oiTa ui TOTE. Disco ini Vers unentbehrlich ist für den Zusammenhang springt in die Mere und schwerlich wird Herrn Bergks Obelos Gläubige finden, so wenig wie Dobree's Verdächtigung von V. 24— 25, wegen vermeinter Tautologie nach &ragßss! Aber sehr bedenklich‘ scheint mir der Genitiv bei E Aue. R , zumal keinerlei metrischer Anlass vorlag, die gewöhnliche Syntaxis zu verlassen, vgl 745 oj d EumeAdgeis dvd; Obgleich man nun den Genitiv zur Noth eee kann, nn die Anm., ‚so zweille ich doch kaum, das Sophokles geschrieben hat: r . KAN xlr ratsie air aus more more sonio So der Plur. Trach. 918 g OUTOTE — — "^ be. v-— eivi- we El. 187 év »eíreis aT Us. li "Über V. 46 fl. hat bereits Wunder Vel, e und 44 48 aus- stossen wollen. Nach dem was Köchly S. 792 f. dagegen gesagt hat, sind nach meiner Ansicht die Acten geschlossen. Ein Gleiches muss ich hinsicht- lich V. 169 fl. bemerken, wo nach Köchly’s guten Erörterungen S. 795 auch nicht ein Iota zu ändern ist. Verweilen müssen wir aber einen Augen- blick bei V. 252 fl., obschon auch hier wieder Herrn Bergks Athetese mit ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. 253 Wunder zusammentrifft, dessen Scheingründe ihre gebührende Widerlegung doch schon bei Köchly S. 795 f. gefunden hatten. Deianira fragt den Lichas, ob Herakles die ganze Zeit Seiner — vor Ochalia etin habe, und erhält zur Antwort: us er DOT n "— ev Minn pisos r , de Ono AUTOS; ovx heel Depos | 250 AN EumoAndeis. Tod Apyov d' ov. xe? Q9óvor, VvJurœs, moooeivan,’ Zevs otov mpodxTup Qari, | xeTvos dè ces Ouparn ti Bapßapw &yitv TOV één Nyon; ws autos Agyei. | Hier schreibt Hermann xeíyov:03;.. und bemerkt darüber: »Debebat Lichas declarare quid esset quod dixerat, Zeus Srov vrpdkxTwo f. Aliter enim vana dixisse ei videretur. Ex quo apparet) xeivov scripsisse Sophoclem.« Gewiss nicht. Sondern die eingeschobne Sentenz ToU Xóyov .... Qavf wird leiser gesprochen und bleibt. für sich, worauf Lichas zu Herakles zurückkehrt, auf den er, weil Zevs unmittelbar . os. mit einem betonten xeivos si zurücklenkt. So Antig. 1192 fl.: jm cum (ossia A eee Kal ilie dg shaft ah ijir sb wal, wagen var huge Ses s OEE eom T nil | rt i ydo ce uA Occ! dv cv és oraque ^wvpevore:s Qurovue9 5 opr aX Se^ A iyd d cQ rode Sc miseris.: Ai. 485 fl. w décmor Als, Tas arvayraits Ts ovx Er oudey percor aot garmois : taxi. T yw d éXevOfgov. piv: e. magis. ein Ganz besonders aber gehört V. 358 hierher, wo 8 auf . ER nach eingelegtem Zwischensatze, ganz wie an unsrer Stelle. Das, was Her- mann vermisste, folgt ja ausführlich V. 274 fl.: tisi | ego Ò ÉxaTi rohe Anvil "nm l v 6 rap dmavran Zeus nar ONúutios, - moarov vir EEemeunber ..... e dürfte es nicht so leicht "as den Genitiv x&vov. angel ausrei- chend zu rechtfertigen. — | 254 FR. W. SCHNEIDEWIN, V. 264 f. ist vom Eurytos und den von ihm dem Herakles zugefügten Beleidigungen die Rede: 86 0s avTOv éXOóvr és domovs Pe Evov malaıcv ovra, moAAd iy Aoyois Emegpodnoe, oA d arnod Qpevi, Ne, xegoiv piv ws d H Exam BEAN TÀV Qv TÉxVwY Asımoızo moos ToEov xpiciw. Hier verlangt Herr B. mehrere Worte" als T" auszuscheiden, so dass nur bliebe: moAAd HA dyes émsppóOqosv, ws aQuxT. Üxov Bein .... Zu einem solchen gewaltsamen Schritte liegt aber keinerlei Nöthigung vor, sobald man die Worte richtig erklärt, vgl. die Ausgabe. V. 356 fl., bereits von Wunder angegriffen, dem W. Dindorf bei- tritt, sind von Kóchly S. 796 so treffend in Schutz genommen, dass jedes weitre Wort unnütz wird, zumal Herr B. auf eine Beweisführung sich nicht eingelassen hat. Nur eine ganz äusserliche Lectüre, welche Colorit und Charakter der Rede nicht unterscheidet, kann auf den Gedanken gerathen, die beiden Verse 356. 57 seien untergeschoben. . In derselben Rede des dienstbeflissnen verrätherischen Boten hat W. Dindorf (praef. ed. Oxon. p. XI) über V. 362.63 den Stab gebrochen, wie vor ihm bereits Dobree, wegen angeblicher Tautologie. Wir lesen AAA qvi ovx Eee rov — 77 mada doüvar, xoUQuoy. ws Exot A, 360 [émucroaTsve: TaTQlda tiv TaUTUNS, ÉV M av Evgurov TóvÓ" sims decmigew Ob- xreives T avaxta markga THS jeg. Warum dieses Heilmittel unstatthaft sei ist von Köchly S. 797 klar genug dargethan. Ich würde daher die Stelle nicht berühren, wenn nicht Hermann eine ganz unzulässige Versumsetzung vorgenommen hitte: Er stellt V. 362 hinter 368 | | ovd eixos, elmeg irriDl guarras BR paaa rav Ò Euro rd sime decmócew Y ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. 255 „Non ut servam huc misit, minime, siquidem eius amore incaluit: sed dixit hanc Euryti solio reginam fore.« Jeder Schein von Probabilität zerrinnt auf der Stelle, sobald man Zusammenhang und Verhältnisse nicht verkennt. Hermann lässt das Subject von erme Herakles sein. Woher hätte denn der Bote Kunde haben kónnen von dem, was Herakles über diess Verhültniss äusserte? Was er wusste, wusste er lediglich vom Lichas und der hatte davon nichts gesagt. Ferner: zu welchem Zwecke hätte denn Herakles die arme Iole mit den übrigen Gefangnen nach Trachis bemüht, wenn er sie für den erledigten Thron des Eurytos bestimmt gehabt hätte? Sondern, da Lichas die Sache so dargestellt hatte (257. 283), als sei es dem Herakles darum zu ihun gewesen, sich die Burg und das Land des Eurytos unterthan zu machen, so erinnert auch der Bote nachdrücklich daran, um seine Berichti- gung der Lüge des Lichas desto eindringlicher zu machen. Der Vers ist so zu lesen: rà» Eipvreiwv sime deomogew Yoovar. Die V. 356 f. und 362 f. schützen einander gegenseitig. Wer sie verdächtigt, begeht einen starken Verstoss ipud. den Charakter der Rede, einen Verstoss, der in meinen Augen weit hóher anzurechnen ist, als wenn ein Philolog ein- mal das Unglück hat, in gra i n Bagatellen sich zu versehen. Dasselbe gilt von V. 684, den ander, md Dindorf tilgen wollen, Hermann aber irrig corrigirt hat. Die leidenschaſtliche Erregtheit der Deianira wird dort höchst naturtreu und anschaulich durch die häufigen Wiederboinngen derselben Gedanken gonali: xai uoi reid iv TroógguTa xai ToitUT kopar: — Noch zwei von Herrn B. für interpolirt gehaltne Verse bleiben uns übrig. Beide weckten schon den Verdacht andrer Gelehrten: über V. 585 hat Köchly gegen Wunders Obelos S. 798 genügend gesprochen, weshalb ich auf ihn und Hermann verweise. Endlich V. 1165 missfiel auch Dobree. Wer erst den Weg gesunder und eindringender Interpretation betritt, ehe er dergleichen Urtheile fällt, wird auch hier sich auf Seite der Were zu stellen keinen Augenblick zweifeln. Vgl. die Anm. „Anderwärts e, fährt Herr B. fort;.5finden sich Lücken, die man nicht erkannt hat; oder sind Verse verstellt, wie 2. B. V. 488. 89 nach V.478 um- 256 . FR. W. SCHNEIDEWIN, zustellen sind; vielleicht fehlten diese beiden Verse in einigen Handschriften ganz.“ Dass hin und wieder in den Trachinierinnen Lücken sich finden will ich weit eher glauben, als dass masslose Interpolation statt gefunden hat. Allein die bis jetzt als lückenhaft bezeichneten Stellen kann ich als solche nicht gelten lassen. So hat Hermann jetzt hinter V. 443 einen Ausfall angenommen: i od ros ydg dN xa] Qedr onrus SX Kanu yE mas d' ov xáTípas olas y épo; Er rechtfertigt sein Verfahren damit, dass es ganz ungehörig sei, wenn Deianira hier von ihrer eignen Liebe und der der. Iole rede, zumal sie gar nicht wisse, ob diese den Herakles wirklich lieb habe. -Deianira würde angemessen ge- sprochen haben, wenn sie etwa sagte: r; 0; ovX; xeivov molv mor eix Aay pws KG e; müs d ov xarÉQas olas y êpot; Warum indess Deianira von ihrer Zuneigung zu Herakles, dem sie ja im ganzen Drama mit wahrhaft leidenschaftlicher Liebe anhängt, nicht reden solle, ist nicht abzusehen. Dass ferner Iole den Herakles liebe, durfte sie in dieser gewinnenden Ansprache an Lichas um so eher voraussetzen, je fester sie überzeugt war, dass Herakles der Mann sei, die Liebe eines Weibes an sich zu fesseln. Beide, den Herakles und die Iole, entschuldigt Deianira mit der Betrachtung, -dass Eros nicht allein Götter, sondern auch Menschen be- wältige. Aber die allgemeine Sentenz bekommt gleich eine innigere Färbung dadurch, dass sie statt der Menschen im Ganzen geradezu von ihrer eignen Person redet — daher xao) ye, und natürlich auch mich — und damit die Liebe der Iole nachdrücklich- aniechuldigt.;: Ganz ebenso Ai. 154 f. T ydg peyda hwv VMI tels Ovx dv dudoro xard d dv tió épo? Toadre Aéywv ovx dv nedor, vgl. dort und zu O. R. 500. 618. Phil. 299. Trach: 1228. Somit können wir hier eben so wohl der Annahme Hermanns ent- rathen, wie Wunders Gründe gegen die Ächtheit des V. 444 von Kóchly S. 797 schlagend widerlegt sind. Da nun Herr B. nur eine Behauptung auf- gestellt, Acht aber‘ auch nir: 8 so müssen wir diese Frage dahin gestellt sein lassen Dagegen Verstellungen von Versen muss ich entschieden lin. bis ein besserer Beleg dafür vorliegt als die von Herrn B. verlangte Transposition ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. 257 von V. 488 f. Lichas gesteht endlich zu, dass Liebe zu lole den Zug gegen Öchalia veranlasst habe und dringt in Deianira; die Iole um ihrer selbst und um des Herakles willen ihrem Versprechen gemäss freundlich zu behandeln. Das xeívov Nag wird dann zum Schluss motivirt 488 ff. us TAAN Éxsivos wart ag rei Xepoiv ToU rñd Epwros eis anav? Wocoww Qv. So rundet Lichas seine Ansprache mit einer bedeutungsvollen Schlusssentenz ab. Jeder mag nun selbst versuchen, ob die Verse hier fehlen und ob sie nach 478 gestellt werden könnten. Dass sie dort nicht bloss müssig, sondern geradezu an verkehrter Stelle stehen würden, springt in die Augen. — Unter den S. 245 f. beigefügten menm über einzelne Stellen der Trachinierinnen finde ich nicht eine, welche ich für zutreffend halten künnte, so entschieden auch Herr B. redet. Gehen wir die Stellen durch. Zuerst 77 ff. Nachdem Hyllos der Deianira gesagt hat, Herakles solle Evoida xev belagern, theilt jene ihrem Sohne, den sie zu M Auf- brechen nach Euböa bewegen wb mit : : n eia ins -o réxvov, ws EE, por ise nord TésÓs rãs Xogas ies Hieräber: dir Herr B.: — geht über das ganz widersinnige räsde TÄS Xwpas ruhig hinweg. Es ist, wie ein ehemaliges Mitglied des — philologischen Seminars, Hr. Dronke, richtig erkannt hat, rüsde TÄS wpas zu schreiben; ; dam aber ist aus dem Cod. La herzustellen ds oi reAsuryv ToU Blov ANN TsAeip, nämlich ide 1 wpa.“ Dagegen behaupte ich, dass weder die Änderung von xwpas noch die Lesart des Laur. statt haben kann. Jenes schon darum nicht, weil Sophokles nicht Gg gewählt haben würde, wolle er auch den Sinn ausdrücken, Herakles habe - — über eben diese Zeit hinterlassen. Nun ist freilich V. 79 as P Rev rg ToU [Mov MERKEN reer en À ToUroP doas G N els tó y do regor iia tov Aoımov Mon Biorov svaiwv xew ^ e ER die itin ws oí; auch dem Scholion des Laur. vorgesetzt: "Os oi Te- Asutav rot (iov: eyer, Quir, ori év OixaXia T D n gels eudamorgow. róv EmiAomor xpövov. Allein abgesehen von dem Hist.- Philol. Classe. VI. Kk 258 FR. W. SCHNEIDEWIN, wunderlichen Ausdruck de 7 xoa oder wow TeAsurnv Tot Biov N auto rekt, so musste Deianira beide Fülle, welche das Orakel andeu- tete, berühren durch ein aut — aut. Hätte sie erst nachträglich einfaches J gebraucht, so träte das erste Glied als Hauptsache voran. Das aber hätte des dvsQwuov halber der Dichter die Deianira auf keine Weise thun lassen. Gesetzt nun, ca wäre das Subject zu AEN Nel TEN, so würde die Rede kraus und unsophokleisch, da im zweiten Gliede . . uéAXe; vóv Blorov el xsv nicht eben jenes doa, sondern Herakles Subject sein würde. Ist auf die Variante o; etwas zu geben, so habe ich in der Ausgabe angege- ben, wie man dieselbe zur Auffindung einer andern Fassung verwerthen kann. Die „ganz widersinnige« Vulgate xwoas aber ist vortrefflich und unabweisbar richtig. Denn wenn allerdings von Eubóa nicht ausdrücklich im Orakel die Rede war, hier in der Exposition durfte Deianira rasch combiniren, die jetzt abgelaufne Zeit ziele auf den gegenwärtigen Kampf, da ihr daran gelegen ist, den Hyllos ohne Umschweife auszusenden und der Dichter nähere Mittheilun- gen über den Inhalt des Orakels auf die Gegenwart des Chores zu verschieben Ursach hatte. Dass endlich xwoas allein richtig ist, lehrt nicht allein 74 Eufojda xwpav, sondern auch 80 ro H das agAor. — V. 396 ws dx Taxeias, cvv xgóvg Herder n, doctis, ugly juis xavveccac as Aoyous; haben die Bücher xæ? v&Xcac 9c, Eustathios aber führt dvavesoao gas Acyovs an, wornach evident richtig Hermann gebessert hat, vgl. die Scholien. Herr B. dagegen findet dieses doch bedenklich und schlägt selbst d vd s- cacSO a, vor: mediale Formen liebe Sophokles und ganz so stehe O. C. 1485 voovusvos. Statt dessen hätte uns Herr B. verrathen sollen, was doch æra- voeiv Aóyovs bedeuten könne? Sollte es ihm denn auch gar keinen Serupel machen, dem Sophokles ein Wort unterzuschieben, welches die Lexika allein aus einer einzigen Stelle des Xenophon Ephesios beibringen? Schlägt man die Stelle nach, so liest man 1, 11 p.19, 9 c2Du/Aos meuPürres ere noAAd dvavooüvTEs, rous TaTÉQus oinreigovres, Tis margidos émidv- po)rrts xTÀ. Allein nicht bloss Abresch zweifelte an der Zulässigkeit des Verbum, indem er &yayeoUvTes , dv ro, S vvoobyres in Vorschlag brachte, sondern auch Locella, der sich S. 163 mit Recht für die letzte ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. 259 Verbesserung ävvoovüvres entscheidet, zumal da Xenophon dieses Verbum so überaus häufig gebraucht. Auch Fr. Jacobs ad Philostr. Imagg. p. 527 rieth ca Evvooövres zu schreiben und mag auch ein Theodoros Prodromos, wie Peerlkamp anführt, cvavos;» einmal gebraucht haben, so kommt das für Sophokles nicht in Betracht. Auch würde ich doch nicht so ohne Weiteres die ionische Contraction in einem Trimeter zulassen, hat Sophokles immerhin einmal in '"EAérzs yduw, einem Satyrdrama, die Form vérwra; gebraucht (fr. 191 Dindorf.). — V. 408 rovr aur E, ToUVTO cov nafeir. Nach Herrn Bergk „wird wohl zu schreiben sein: roUT' avr EN cov ud ef roUmos.« Der Angelos triumphirt, dass Lichas ihm mit der Sprache endlich herauskommt. Daher ist nichts passender als die Anaphora des roöro, nämlich deomörw unv. Ganz ähnlich O. R. 1013 oír! avro, u, rovro u eisael Coe. i | V. 460. ob xl xd H ce mAsioras davno eis HaxAd$s Éywus à; „Diese antithetische Wendung, die man in einem Satyrdrama vielleicht unbe- denklich inden ue BR deni Ep Min alas wid quéiuatrardig ; das Scho- lion lautet: dyng eis’ Tis. ravdgous reg g lxovs, ws Mader nv DuAavros, Aùynv T$» 'AXÉov, Meyagav T3v Koéorros, rds Oscríw OuyarÉoas, '"Aervddpeity Tiv "Aprrogos. Es ist nämlich zu schreiben: ovx xdrégas mAsioras dvapsıs HpaxAñs čynue dy; Auf diese Stelle bezieht sich die Glosse des Et. M. P. 108, 5 c % advavdgous q xxgas 2 mag9Érovs, ws EiDrons, éx To) dv TO ro. Dieser letztere Zusatz bezieht sich wohl auf die vorhergehende Glosse: c» 4 ons’ dyà gione" oi dè divciguoc Tos, welche aus Aschylus entlehnt ist, wie Hesychius zeigt: c» Z975' andgudys. Aicxv- Ve Zaharias, indem einige cvzexs in der Bedeutung dvdewdns nicht von vage, sondern von «vw ableiten mochten.« So weit Herr Bergk S. 246. Den letzten Worten zufolge muss man wohl glauben, Herr B. billige die Ab- leitung des Wortes, welches er dem Sophokles schenken möchte, von avag. Das Richtige aber deutet ja schon die eine Glosse an, 9 dàvdguocros. Natür- lich kann œyygys nicht herausgerissen werden aus der natürlichen Genossen- schaft der Adjective eugoys wegingns &gmpys u. s. w., worüber pd Prolegg. 260 FR. W. SCHNEIDEWIN, Pathol. p. 268 Näheres giebt. W. Dindorf dagegen wird schwerlich erwei- sen können, was er Scholl. vol. II, p. 71: sagt, ieee könne nur «dvdewdys bedeuten. Auch dieser Gelehrte hat übrigens erinnert, dass der Scholiast auf dvigeis geht, inzwischen warnt er vor Aufnahme dieses »ineptum commentum grammatici, qui scripturam antiqudm ANHPEIZ, quam vel oppositum mAsioras ostendere poterat nihil aliud quam «ng eis significare, pro dvi accepit.“ In Wahrheit ist es kaum zu begreifen, wie ein Kenner des Sophokles jene Antithesis des Dichters „ganz und gar unwürdig« nennen konnte, da Sophokles dergleichen Wendungen mehr als einer der Tragiker liebt. Um nur das zu- nüchst Liegende anzuführen, so wurde oben die Stelle noos Javarw SOuvaror avvcace wove als eine ganz ähnliche Zusammenstellung erklärt, V. 539 steht àv ovcci uíuYoutv uid vmo XN, anderes giebt die Ausgabe. Seltner hat Äschylos solche Verbindungen, doch steht ganz ähnlich wie hier Perss. 322 eis ang m XsicTov mövov éxOgois mapaoxav, auch Sen. 6 eis movus lässt sich vergleichen. Agam. 199» ebat di dene xgdros, '"EAXcdos Bas Eva Qgora réyav. — V. 748 moi j iret dea rende) xal mapioracdız Herr B. verlangt die Herstellung des Medii E A .. Möglich allerdings, dass Sophokles so schrieb, doch würde ich anstehen gegen die Bücher zu ändern, da der intransitive Gebrauch, der in der spätern Gracität verbreitet ist, für die ältere Zeit doch durch den mà Mersi 523 ann TOT "ictum TX Gi douo gesichert wird. V. 826 verwirft Herr B. len Recht Blot Bde ia wo- tch REN rr MEN laborum bedeuten soll. Er selbst schreibt "id ore reeoumvos Ol go. À | EN dgoros, TÓT: dvoxar reer nova. Beech oder. mit noch leiserer Anderung «dp dvoxar T. ume für e hibo :wofern kisa Abweichung dem do T. m. Bas. ca. N F Em o s Rae ??k- 22 NM NR hrs &viaurös — Tore dale gener dat vn rivum vd Vier- e Arvedoxdr» d avdmavcw , drani vc d, U Natür- lich kann das letzte Wort nicht fur richtig gelten. Brunck schrieb drezu. Herr B. meint, See antichi ändern, indem vielleicht der ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. : 261 Schol. die richtige Lesart cyoxc» vor Augen gehabt, welche er nur unge- schickt durch cradoxsr erklärt habe. Umgekehrt, dächte ich: es ist dvoxxy zu schreiben, wodurch &vadoxyv ganz richtig erklärt wird. Übrigens beharrt sowohl Hermann als Welcker Kl. Schrr. 1, 85 auf der grundfalschen Annahme, der Chor beziehe sich auf das nach Apollod. 2, 4, 12 dem Hera- kles gegebene Orakel. Dieses ist aus mehrern Gründen undenkbar, schon darum, weil jenes sich auf die zwólf Athlen im Dienst des Eurystheus bezieht, die der Herakles des Sophokles längst überstanden hat. Auch darin hat Her- *mann sich versehen, wenn er gegen die Hdschrr. und Scholien V. 824 ör’ ÉXexev in dT ZXaxs»v verwandelt, nüml. morore; denn die erste Länge der Antistrophe bürge, dass auch hier eine Länge stehen müsse. Gerade im Ge- gentheil, die corrupte Antistrophe muss geändert werden nach der festen Überliefrung unsrer Stelle, in welcher die Verbindung rovzos Tò Qeomgómor ... 5 7 axey unmöglich verwischt werden darf. In der Antistrophe ist zu lesen: ôv Erene Yavaros, ÉrgeQe d' aióXos dνẽ,;, zum Theil mit Lobeck, zum Theil mit dem neuesten ehem det Her- mann selbst äussert zu 824: „poterat p" Ov Erene“ E Ki t viv d dd aaf ges xai PxaTeppuxonévos ^ ooo mqvQXSS vm drys ÓememópOmuai Tias ` Herr B. sche XarmvIoarwuevos vor. Allein das würde doch wohl zu viel gesagt sein, vergleicht man El. 58 Zope; déuas DAoyıorov Ay xal xar- mwIganwuervor. Und warum von dem Gegebnen abweichen, dessen richtige Erklärung die Scholien geben und welches ähnliche Bezeichnungen der Qualen des Herakles schützen? V. 1255 mavAd Toi e atty rex euνν roõde Tavdoos drt. Nach Herrn B. bemüht sich Hermann vergeblich durch 3 die von Wunder angefochtne Vulg. zu retten. Wenn auch diese ganze Partie nicht von Sophokles herrühre, so dürfe man doch von der — der —— _ tpe denken. Daher vermuthet Herr B. | auın xéA ev Sos rode rdvdpos vVorarı. RH: hoc n so gefällig sie scheint, fällt; sobald das — friedigende Erklärung gestattet. Dass dem so ist, habe ich in der Ausg. bemerkt. , 262 FR. W. SCHNEIDEWIN, IL Zeit der Trachinierinnen. Ad. Schöll hat in seinem Werke über Sophokles’ Leben und Wirken S. 236 zu zeigen versprochen, dass die Trachinierinnen jedenfalls zu einer grössern Composition gehörten. Sie möchten nicht lange vor Aristophanes’ Rittern gegeben sein. „Es lassen sich,“ sagt Schöll, „um das sechste Jahr des peloponnesischen Krieges manche besondre Anlässe, die gerade zur Wahl einer solchen Composition führen konnten, in Betracht nehmen: die Gründung von Herakleia in Trachinien (Thuk. 3, 92), wo die Trachinierinnen spielen und von wo, nach Herakles Tode die Herakliden vertrieben, in den Schutz Athens flüchten, — gegen welches jetzt ihre Nachkommen, die Spartaner, diese Vestung in dem Lande erbauten, das ihre Ahnen vertrieben hatte und nun ihren Ansiedlern auch kein Glück bringen sollte« u. s. w. Noch specieller führt C. Volckmar (Philol. 6, 359 f.) aus, dass nach dem Zusammenhange der Stelle des Thukydides Sophokles, welcher sein Stück wohl im Gründungs- jahre von Herakleia (Ol. 88, 3) aufgeführt habe, „periculum quod Euboeae. insulae simulque patriae rebus ab Heraclea recens condita immineret, luculen- tissimo Herculis ipsius, Doricae gentis patroni, exemplo civibus demonstraret.« Ich gestehe, dass ich zu sehr in der heroischen Welt der Dichtung heimisch zu werden trachte, als dass ich für dergleichen Bezüglichkeiten von aussenher oder nach aussenhin Sinn und Geschmack hätte. Für die von jenen Gelehrten den Trachinierinnen untergelegten Beziehungen scheint mir aber ` auch nicht das Mindeste zu sprechen. Setzt doch, was Volckmars Parallele verlangen würde, Herakles gar nicht von Trachis aus nach Eubóa über! Und überhaupt, hätte Sophokles wohl es der Mühe werth halten mögen, seinen politischen und strategischen Landsleuten dergleichen praktische Fingerzeige unter dem Deckmantel seiner tragischen Poesie zu bieten? Ich glaube das nicht. Chronologische Unt hung uber Abfassungszeit und erste Aufführung „ hie wäre es auch nur, um falsche Unterstel- lungen vermeinter Anspielungen damit kurzweg abzuschneiden. Von höherer Bedeutung sind diese Forschungen, wenn wirkliche Beziehungen auf Zeitver- hältnisse ans Licht treten oder gar die Möglichkeit gewonnen wird, der fort- schreitenden Kunstvollendung der Dichter nachzuspüren. iege: sind der- / ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. 263 gleichen Quästionen für Äschylus und Euripides ausgiebiger als für Sophokles. Denn Sophokles ist nun einmal, wie Ion ganz richtig und unzweideutig be- merkt, kein Politikus gewesen, und gerade darin sehen wir ein wesentliches Merkmal, das ihn von Äschylus und Euripides sehr unterscheidet, dass ihm die Poesie an sich in ihrer hohen Reinheit und Vollendung genügte und er weder Lust und Neigung hatte, wie der ganz in den religiósen und sittlichen Grundideen staatlicher Ordnung lebende Marathonomache, sich nach Anknü- pfungspunkten des heroischen Mythus an gegenwärtige Verhältnisse umzuthun; noch es für nóthig erachtete, Reizmittel von aussen zu entlehnen, wie sein populärerer Kunstgenoss Euripides that. Dieses ist von Denen nicht wohl erwogen, welche so viel Scharfsinn und Gelehrsamkeit aufgewandt haben, um aus politischen Andeutungen und unpoetischen Tendenzen die Zeit der Sopho- kleischen Dramen zu ermitteln, über welche wir gar wenig unterrichtet sind. Diese Illusionen zu zerstören habe ich mir mit Eifer angelegen sein lassen und glaube damit der rechten Würdigung der Sophokleischen Dichtungen in die Hand gearbeitet zu haben. Wer jetzt noch fortfährt, an politische Hinter- gedanken Sophokleischer Dramen zu glauben, der ist entweder meiner Erklä- rung nicht so gefolgt, wie es verlangt werden muss, oder aber meine ganze Methode und ihre Anwendung ist falsch und verunglückt Letztres zu glauben wird mir schwer. | E Zur Abweisung unbegründeter chronologischer Ansätze habe ich daran erinnert, in den beiden ältesten, allein bei dieser Frage in Betracht kommenden Urkunden scheinen die Dramen in chronologischer Ordnung überliefert zu sein. In der Einl zum Aias S.29 sagte ich: „Im Cod. Laur. ist die Reihenfolge: Aias. Elektra. Ödipus Tyr. Antigone. Trachiniä. Philoktetes. Ödipus Koloneus. Hiervon weicht der Paris. A nur ab, insofern der Philoktetes dem Ödipus Kol. nachgestellt ist. Die drei Stücke, deren Aufführungszeit wir sonsther wissen, Ant. Phil. Ö. Kol. stehen in chronologischer Folge. Daher liegt es nahe, ein Gleiches bei den übrigen Stücken um so mehr vorauszusetzen, als andre Gründe auch dahin führen und wir wissen, dass die Dramen des Sophokles im Alterthum nach der Zeitfolge gezählt wurden, Einl. zur Ant. S.30. Nur ist die Mee ülter als Üdipus Tyr, dem sie des €— Stoffes halber 264 FR. W. SCHNEIDEWIN, Hiergegen hat sich ein Mann ausgesprochen, dessen Stimme mit vollem Recht in Fragen des Alterthms viel gilt, in einem kleinen Aufsatze „Zur Rei- henfolge der Sophokleischen Dramen“ (Berliner Zeitschrift für das Gymnasial- wesen 1853, Nov. S. 866). Seine Gegengründe scheinen mir nicht der Art, dass sie meine Behauptung umstiessen und da wir beide lediglich darauf aus- ` gehen, die Wahrheit zu finden, so kann es mir schwerlich verargt werden, wenn ich mir selbst den Schutz nicht versage, auf den ich ein Recht habe. Mein verehrter Gegner sagt, ;man habe bekanntlich neuerdings angefan- gen „ zur Zeitbestimmung der Sophokleischen Dramen auf die handschriftliche Reihenfolge Gewicht zu legen und namentlich auch den Gebrauch davon ge- macht, im Gegensatz mit der bekannten Beziehung des Od. Tyr. auf Perikles und die athenische Pest diesem Stücke die Priorität vor der Antigone zu vin- diciren.« Ich hätte gern gesehen, dass der Herr Verf. diesen aus der ersten Ausgabe des Od. Tyr. S. 28 stammenden Irrthum um so mehr mit Stillschwei- gen übergangen hätte, als ich ihn nicht bloss im J. 1852 in der Einl. zum Aias, sondern auch in der Einl. zur zweiten Ausgabe des Od. Tyr. S. 30 zurückgenommen hatte. Darum herrscht also keine Meinungsverschiedenheit zwischen uns. Übrigens habe ich (Philol. 6, 609) wahrscheinlich gemacht, dass schon Äschylus eine Pest in Theben als Anlass der Enthüllung der Ver- hältnisse dichtete, womit denn der Grundpfeiler politischer Ausdeutung des Öd. Tyr. fallen dürfte. Gegen meine Bühne „ Sophokles lebe und webe ganz in seiner idealen Welt der Dichtung, soll vor der Hand nur ein neuer Beweis für die mit Unrecht angefochtne politische Thätigkeit des Dichters in die Wagschale geworfen werden, den Böckhs Staatshaush. 2, 462 bringe. — Die polh- tische Thätigkeit des Dichters anzufechten ist mir nie beigekommen: nur von seinen Poesieen halte ich fern was ungehörig zu sein scheint. Jener neue Beweis war mir aber seit einer Reihe von Jahren aus Rangabé bekannt, ber Philol, 1,761. Allein was doch verschlägt es für die vorliegende Frage, Sophokles einstmals das Amt eines Hellenotamias verwaltet hat, gleichwie er hes hat bequemen müssen, einmal, müglicherweise mehrmals, als Stratege zu fungiren? Ich zweifle, ob die Wagschale hierdurch nach irgend einer Seite sich neige. ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. 265 Nachgehends will der Herr Verf. die Aufmerksamkeit „der Unbefang- nen , zu denen ich mich zählen zu dürfen glaube, darauf hinlenken, ob nicht die Reihenfolge auf einfacherem Grunde ruhe, d. h. ob sie nicht alpha- betisch sei. " Zur Empfehlung dieser Ansicht wird zuerst hervorgehoben, dass „die Stellung des O. Col. in den verschiednen Handschrr. so schwanke, dass dieser in der Frage gar nicht in Betracht kommen kónne.« Die übrigen Tragódien folgen sich alphabetisch, ausser dass Antigone dem O. R. nachgestellt werde, weil Ödipus hier schon blind sei, was er in dem alphabetisch spätern Stücke erst werde. Allein nicht blind allein ist Ödipus in der Antigone, sondern längst todt, vgl zu V. 50 f. Hat der alphabetische Ordner aber bei der Antigone auf die Reihenfolge der Begebenheiten gesehen, so möchte ich doch wissen, warum hat er nicht den Ödipus auf Kolonos mitten zwischen den Tyr. und die Ant. gestellt? Auf jeden Fall hat er sich damit einer Inconsequenz schuldig gemacht. Doch dieses ist Nebensache. Zu erinnern habe ich zuvórderst, dass kein Grund ersichtlich ist, von der Stellung des Ödipus auf Kolonos bei dieser Frage zu abstrahiren. Denn wenn junge Copieen, welche beliebig einzelne Dramen auswählen, die ihnen bloss aus Abschriften der beiden !) einzigen alten, vollständigen Codices zuflossen, den Ödipus auf Kolonos stellen, wie es ihnen eben recht war, so kann das doch nicht in Rechnung kommen, wo es sich um alte Überlieferung handelt. Ich halte mich vor allen Dingen an den Laurentianus, in welchem der nach allgemeiner Tradition des Alterthums 1) Vielleicht würde sich als dritten selbständigen Zeugen der codex Chigianus er- weisen, welchen N. Schow in der Schrift: Charta papyracea Musei Borgiani eic. Romae 1788 S. 82 „eximium ilum codicem, qui ex optimo exemplari descriptus textum Sophoclis variis in locis eg" egie illustrat atque emendat,“ nennt. Mein Freund L. Bethmann, welcher auf meinen Wunsch dem Codex nachgeforscht hat, theilt mir mit, dass jetzt nur noch der Platz, wo er ge- standen, gezeigt werde, dass der Codex selbst aber unter dem Vorgünger des jetzigen Bibliothekars Fea, Amati, abhanden gekommen, ohne dass auch nur eine Spur vorhanden, wohin? Übrigens ist es sehr möglich, dass der Codex nur Abschrift des Laur. war: denn nach Harles Introductio in Hist. Ling. Graec. I, 67 war der auch die Scholien enthaltende Codex chartaceus saec. XIV. Hist.-Philol. Classe. VI. 266 FR. W.SCHNEIDEWIN, ÜBER DIE TRACHINIERINNEN DES SOPHOKLES. dem höchsten Alter des Dichters angehörende Öd. auf Kolonos seinen ihm gebührenden Platz einnimmt. Stände er dagegen gleich nach dem Tyrannos, so müsste ich mich gefangen geben. So aber halte ich die richtige chrono- logische Stellung dreier Dramen, deren Zeit wir sonsther kennen (Antigone. Philoktetes. Öd. Kol.), für massgebend, um das Princip der Anordnung zu er- kennen. Hiernach glaube ich, dass die Trachinierinnen vor den Philoktetes und wohl nicht lange vor denselben fallen. Freilich thut es wahrhaftig wenig zur Sache, ob wir das Drama in dieses oder jenes Jahr verlegen, da poli- tische Beziehungen nicht vorhanden sind. Wenn schliesslich der Herr Verf. für seine Annahme geltend macht, dass in keiner der sonst überlieferten Anordnungen antiker Dramen die Zeitfolge der Aufführung berücksichtigt sei, die folglich auch für Sophokles von der Hand zu weisen sei: so muss ich gleich die Richtigkeit des Thatbestandes bezweifeln. Wer könnte denn wohl vom Euripides sagen, nach welchem Princip seine Dramen gestellt sind? Nur von Aschylus und Aristophanes kann die Rede sein, da von beiden alte, alle Dramen umfassende Hdschrr. vor- handen sind. Freilich ist dort die chronologische Anordnung nicht beliebt. Aber, frage ich, was beweist das gegen mich? Oder könnte der Herr Verf. für sich anführen, dass auch bei Áschylus und Aristophanes das Alphabet die Richtschnur abgebe? Perser Agamemnon Choephoren Prometheus Eumeniden Sieben Hiketiden ist die Stellung im Mediceus. Diese beweist weder für mei- nen Herrn Gegner noch für mich. Aber vom Sophokles: wissen wir bestimmt, nicht so vom Äschylus, dass Aristophanes. von Byzanz, welcher die Didaska- lieen beifügte, chronologisch die Dramen ordnete. Mit seinen Hypothesen scheint auch seine Ordnung die gene geblieben zu sein!). 1) Vgl. die Abhandlung de Hypothesibus Tragoediarum Graecarum Aristophani By- zantio vindicandis, aus dem Jahre 1852. Über Grundsätze und Anwendung des Strafrechts im griechischen Alterthume. Von Karl Friedrich Hermann. Vorgelesen in der Sitzung der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften am 25. November 1854. S irate ist ein Übel, das jemandem von Rechtswegen zugefügt wird — in dieser Definition wird wohl für alle Völker und Zeiten das thatsächliche Fundament und die Voraussetzung enthalten seyn, worauf sich eben so wohl die Grundsätze als die Anwendung des Strafrechts beziehen müssen; -— in allen weiteren Fragen aber, wer und in welchen Fällen dieses Recht habe, und welche Übel in den. einzelnen Fällen zugefügt werden sollen und dürfen, gehen die Ansichten und Maassstäbe der einzelnen Zeiten und Völker eben so sehr auseinander, als die Sitten und Gebräuche, in welchen sich das allge- mein menschliche Bedürfniss je nach der individuellen Conformation des Me- diums verschieden reflectirt und bricht; — und wenn sich auch in diesen einzelnen Brechungen die sittliche Gemeinschaft der menschlichen Natur nie verkennen lässt, so sind jene Verschiedenheiten doch theils überhaupt, theils namentlich gerade bei denjenigen Völkern, die wie das griechische eine organische Stelle in der Culturgeschichte einnehmen, nur eben so viele Ver- puppungen oder Entwickelungstufen des sittlichen Begriffs, in welchen es oft schwer hält, unter den menschlichen Zuthaten und Factoren den gött- lichen Keim wieder zu erkennen, der allen diesen Erscheinungen des geselli- gen und bürgerlichen Lebens zum Ausgangspuncte dient. Auch ist das gar nicht die eigentliche Aufgabe der Geschichtsforschung, die es vielmehr haupt- sächlich eben mit den örtlichen und nationalen Elementen zu thun hat und erst wenn sie diese in möglichstem Umfange mit Sicherheit festgestellt sieht, daran denken kann, gleichsam durch Division mit ihnen in das Product der 268 KARL FRIEDRICH HERMANN, thatsächlichen Erscheinung den höheren Factor zu gewinnen, den sie dann aber sofort wieder der Philosophie oder ‚sonstigen Wissenschaft als Gemeingut überlässt; ja wenn sie umgekehrt verfahren und den wissenschaftlichen Factor als Divisor gebrauchen wollte, um auf diesem scheinbar kürzeren Wege die historischen Elemente als Quotienten zu erlangen, so würde sie bei näherer Betrachtung nur dem Cirkelschlusse verfallen, einen Factor zu Grunde gelegt zu haben, der in den meisten Fällen selbst erst das Product einer andern vielleicht ganz fremdartigen Entwickelung oder Forschung würe. Wenn ich daher jetzt von meinem philologisch-antiquarischen Standpuncte aus eine Darlegung der Grundsätze und Anwendung des Strafrechts im griechischen Alterthume versuche, so sehe ich zunächst von allen modernen Strafrechts- Iheorien und rechtswissenschaftlichen Kategorien ab, um die thatsächliche Erscheinung rein aus den Begriffen und der Denkweise des griechischen Volkes selbst auf den verschiedenen Stufen seiner Geschichte abzuleiten; in wieweit sich dann gleichwohl auch auf diesem Gebiete der eigenthümliche Vorzug jenes Volkes bewahrheite, die höchsten Aufgaben des menschlichen Geistes wenigstens geahnt und anbahnend formulirt zu haben, wird sich aus dem Fortschreiten meiner quellenmässigen Darstellung schon von selbst er- geben. Nur die Unterscheidung werde ich mir zur schärferen Abgrenzung meiner Aufgabe von vorn herein zu machen erlauben müssen, die ohnehin auch der griechischen Wissenschaft nicht fremd geblieben ist 1), dass ich das Züchti- gungsrecht von dem Strafrechte trenne und letzteren Begriff auf die Fälle beschränke, welchen ein wechselseitiges Rechtsverhältniss des Strafenden und Bestraften zu Grunde liegt, während ersteres mehr den ee e Cha- RJ Aristot. Rhetor. L 10. 17: dagegen de o cep xai xoÀaotg" 5 uiv ydp voy fi tod nG0yovtoc Epexo ko, v) O} Tıpogia toU nowüvıog, iva anoninondj: vgl. Xenoph. Cyr. I. 2. 7: ovg d d» yyaor tovtov ti dGdιẽ,je2e- tue; TiogoU vtr, .xoÀüGovot.ÓÀ xal Ov av doi cyxaAoUvta U,, und Gell, N. A. VI. 14. mit Ast ad Plat Plat. Protag. p. 93 und Wytt. ad Select. histor. p. 452: % refertur. ad ezigendam vindictam legibus debitam $ 20Àa0tc ad cohibitionem et ; lationem peccantis. Dass xoletew — den I — Schmerzes enthält, zeigt Pollux Onom. II. 209. GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 269 rakter trägt, der dem physischen oder moralischen Übergewichte des Stra- fenden nur in der Selbstbestimmung des eigenen Interesses an dem Bestraften eine Schranke setzt. Dass allerdings auch die Magistratur in Griechenland auf diese patriarchalische Seite ihres Begriffs nie ganz verzichtet hat, werden wir später noch wahrnehmen und dieselbe namentlich in deren polizeiliche Functionen hereinspielen sehen, die ohnehin mitunter schwer von den richter- lichen zu trennen sind; inzwischen auch da bleibt sie mehr ein thatsächlicher Ausfluss und eine unerlässliche Zugabe der Auctorität, als ein Recht, das auch wo es als selbstverstanden zu gelten aufhórte „erzwungen werden könnte; oder wo letzteres, da gilt es doch wieder nur gegen die Rechtlosen, wie Fremde, Sclaven, oder sonstige abhängige Menschenclassen, welchen dann im häuslichen Leben die Unmündigen entsprechen. Gegen diese letzteren freilich hat. das Züchtigungsrecht in Griechenland eine Ausdehnung und Be- deutung angenommen, die sich nur dadurch erklürt, dass es gleichsam als Abhärtungsmittel für Körper und Charakter angesehn ward +); aber selbst den Selaven gegenüber hält sich das griechische Haus in den Schranken grosser Mässigung 2); in Beziehung auf das schwächere Geschlecht ist es nur in dem halbbarbarischen Macedonien nachweislich 5); und was das gróssere Volks- leben schon in der homerischen Zeit betrifft, so habe ich in meiner Abhandlung de sceptri regü antiquitate el origine (Gött. 1851. 4) den, wie ich glaube, ziemlich sicheren Beweis geführt, dass auch der Königstab nicht, wie manche I) Plat. Protag. p.325: ei dè ji (neidereı To nadir), wonsg EvÀov diaorgeyo- heros zul zauntójğvov eUOvvovow Anstkaic nat nAyyaic: vgl. Menand. Sent. ^ 421: 6 jn daoil &v99gonoc ov aer, mit m. Privatalterth. $. 34, n.13 fgg. 2) Vgl. Aristot. Politic. I. 5. 11: 0 Afyovotv ov value oi Aoyov tovg dov iove dno- ore go xol qigxovrec nitratet yoro9at uóvor* vovdernteov yd nallov tobe doviove 7 tovg naidec: und doch hat Plato, den er tadelt, auch nur verlangt: zo àv ðizy dorkov: G 26} m Werl wg Heu epovs 9 ntονj norir, Leg. VI, p. 777 E. Dass Homer wohl peinliche Strafen (Odyss. IV. 743, XXII. 465) aber keine Züchtigung gegen Sclaven kennt, ist eine alte Bemerkung; s. Friedreich Realien S. 224; aber auch später wird des unleugbaren Züchtigungsrechts viel seltener als seiner Ausnahmen (Aristoph. ^" Nub. 5) und Einschränkungen gedacht; vgl. Becker Charikl. III, S. 28 | fgg. 3) Curtius VIII. 26. 3: hoc et oportet fieri et ut a tutoribus pupilli a maritis uxores, servis quoque pueros hujus aetatis verberare concedimus. | 270 KARL FRIEDRICH HERMANN, geglaubt haben, als Züchtigungsinstrument, ‚sondern vielmehr als Symbol der geraden und ungebeugten Rechtspflege betrachtet werden müsse. Fragen wir nun aber, was dieser-als Maassstab des Rechts, dem Andern Übles zuzu- fügen, gegolten habe, so liegt die einfachste und klarste Antwort in dem alten Dichterspruche: Leidet er was er gethan, so ists der geradeste Rechtsweg !): mit anderen Worten: Vergeltung ist der älteste Grund alles griechischen und wohl überhaupt alles antiken Strafrechts; und weit entfernt darin das Anstössige zu sehen, was für unsere Moral darin liegt, bedarf es kaum des Beweises, dass das griechische Alterthum diesen Begriff nicht allein mit seinem Rechts- gefühle, sondern auch mit seinen sittlichen Ansichten in vollem Einklange fand. Es musste eine lange Reihe geistiger und geselliger Umgestaltungen voraus- gegangen seyn, bis Sokrates oder doch Platon den grossen Satz aufstellte, dass Unrecht Unrecht bleibe, es möge durch vorausgegangenes Unrecht moti- virt seyn oder nicht 2), und noch eine längere, bis Seneca schreiben konnte: inhumanum verbum est ultio nec differt a contumelia nisi ordine ); die Volks- moral spricht sich vielmehr in Archilochos Worten aus ^): I) Aristot. Eth. Nic. V. 5. 3: 20 '"Padepár8voc j, «i xs nador vá Lebe, Jiny x’ ide, yévorto, nach Schneidewin's Lesart Conjectan. crit. p. 69; vgl. dens. de Pittheo p. 12 und Paroemiogr. Gott. I, p. 396; auch Stanl. ad Aesch. Choeph. 311 und Wyttenb. ad Plutarch. Ser. num. vindict. p. 126. ?) Crito p.47; vgl. Republ I, p. 335: ovx d toù Ouxciov Phunzsıv é. | oUte pilov oUTt &AÀor ovdere, mit m. Gesch. u. System d. platon. Philos. I, S. 474; auch A. Veder Histor. philos. juris apud veteres, L. B. 1832. 8, p. 162 fgg. und Welcker ad Theogn. 431. Desshalb aber sagt Buch Athen. XI. 115 von Platon: ó Koívov avrov Xoqoxi£zovc 1 %ELo #aradooımv, weil eben dieser Dichter wiederholt das Naturrecht der Rache seinen Personen in den Mund legt; vgl. Behaghel das Familienleben nach Sophokles, Mannheim 1844. 8, S. 63. 3) Sen. de ira II. 32; vgl. Plut. V. Dion. c. 47: «6 rde dytitiigeiodas TOU ngoa- Irneiv vorw Dinotóteoov wgioder, piore yrvónevoy. and mag dosevsiug: auch Arrian. Diss. Epictet. II. 10. 26 und Appul de habit. doctr. Plat. II. 20: non solum inferre, sed nec referre quidem Aportet injuriam, . 4) Bei Theophil, ad Autolyc. II. 37: % he au} Ao £v 8 bend ue, TOV ang T! (Bergk ne) doo»vzc dervois ) ansiBeoduı xaxoic: Vgl. Aeschyl. Choephor. 20 und Philodem. in Anthol. Pal. V. 107: xe? nake yıyrmarn 20 pe daxovta dazzir, freilich getadelt von Musonius b. Stob. Serm. XIX. 16, p.170. GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 271 — eins versteh' ich- Grosses, dem, der mir Böses that, mit Bósem voll Erwiderung zu thun; und noch in Sokrates eigener Zeit galt es als des Mannes Tugend, dem Freunde so viel Gutes, dem Feinde so vielen Schaden zuzufügen als mög- lich 1). Das Recht bestand eben darin, dass jedem werde was ihm gebührt; und dass dem Feinde vom Feinde Böses gebühre, haben im ganzen Alter- thume nur Wenige bezweifelt 2); Unrecht tritt erst da ein, wo der Freund, der Mitbürger, der Gleiche den Gleichen wie einen Feind und Ungleichen behandelt; und auch dadurch wird dieser nur berechtigt, ihm Gleiches mit Gleichem zu vergelten, so dass selbst in dem späteren geordneten Rechtszu- stande der Ankläger eines Staatsverbrechers sich weniger mit dem gemeinschaft- lichen Rechte und der Verpflichtung aller Bürger über die öffentlichen Interessen zu wachen, als mit irgend welcher Privatfeindschaft rechtfertigt 5), die er wie der Gläubiger eine Schuld an der Person des Gegners verfolge “). Denn auf dieses, wenn ich mich so ausdrücken darf, mathematische Privat- verhältniss reducirt sich zuletzt auch jener älteste Strafrechtsbegriff: auf jede 1) Plat. Meno p. 71 E: aum oriy avdoog doeın, Inavov sivut za tů ni, nouıTev xol siii coorta tovg uiv qíÀovg eù noriv, tove d Pyógovc xoxOc, nel evrov evAefticO«at ud torttov napsir: vgl. Epist. VIII, p.352 D, an M. Socr. II. 3. 14, Isocr. ad Demon. S. 26, Lysias pro milite $. 20 u. s. w. | 2) Plat. Republ. 1 „ p. 332 C: Aa en de ys, olnut, nuga ye tov &yÓgoU rw 2900 oneg ža) mgooyxti, xaxó» vi: Vgl J. C. Chr. Fischer quid de officiis et amore erga inimicos Graeci et deals senserint, Hal. 1789. 8; L. Ph. Hüpeden Comm. qua comparatur doctrina de amore inimicorum Christiana cum ea, quae tum in nonnullis V. T. locis tum in libris philosophorum Graecorum et Roma- norum iraditur, Gott. 1817. 4; Funkhaenel in Mützell’s Zeitschr. f. d. Gymnasial- wesen, Berl. 1848. 8, $. 737 — 742; Schaubach in Ullmann's Theol. Studien 1851 I, S. 64 fgg. 3) 1 c. Eratosth. S. 2: nporegov này ydg čer 29 e o XGt5yopoUytac entdelsur, rte siy nde tovg Qevyortac: vgl. Demosth. Aristocr. init. und m. Staatsalterth. $. 135 n. 6. 4) Daher O agel lo N, vgl. Herod. V. 82 oder Demosth. Mid. S. 77: „ nerd don tvog ovtoc 6. euro ngowgeilsro, d.h. ohne dass der Andere vorher bei ihm durch eine schwere Kränkung in die Schuld gekommen war, die durch die Rache gleichsam compensirt wird; also die Feindschaft selbst eh Strafe, wie dianv opleiv U. dgl. 272 KARL FRIEDRICH HERMANN, Verschuldung folgt die Strafe. mit. derselben Nothwendigkeit, wie es sich ge- bührt, dass uns ein Darleihen zurückbezahlt, ein materieller Schaden voll- ständig vergütet werde; die Gerechtigkeit, wie sie noch die Pythagoreer de- finirten, liegt in dem &avrımenov$os!), in dem Gleichgewichte von Geben und Empfangen, von Thun und Leiden, und die einzige Beschränkung, die unter diesem Gesichtspuncte das Sirafrecht erleiden kann, besteht darin, dass die Rache dem Übel auch wirklich äquivalent sey, ebensowenig ihrerseits über dasselbe hinausgehe als hinter demselben zurückbleibe — also Talion 2) — obgleich auch in dieser Beziehung das Rechtsgefühl eben so wenig peinlich wird gedacht werden dürfen, als es noch später in der solonischen Gesetz- gebung eine Einschränkung des Zinsfusses für nöthig hielt. Wie stellt sich nun aber zu allen diesen Ansichten und Äusserungen des ältesten — wenn ich es so nennen soll — Naturrechts der Staat, den wir gerade in Griechenland am wenigsten als blosses Agglomerat der Einzelnen, sondern als den sittlichen Organismus betrachten dürfen, dem alle Einzelnen nur als unselbstàndige Glieder angehóren und der nicht etwa bloss zum Schutze ihrer Rechte gebildet, sondern selbst gewissermaassen die alleinige Rechtsquelle ist, aus welcher alle erst ihre Persönlichkeit und die mit dieser verknüpften Ansprüche empfangen? Dass jene Ansichten, an sich betrachtet, dem Wesen des griechischen Staatsprincips keineswegs zuwiderlaufen, dass sie im Gegentheil auch zur Erklärung des öffentlichen Strafrechts wesentlich vorausgesetzt werden müssen, ergibt sich schon aus der friedlichen und ver- träglichen Gleichzeitigkeit, in welcher sie bis in die geschichtliche Zeit neben diesem hergehen; wen selbst die Sophistik, die den Staat aus einem blossen 1 Aristot, Eth. Nic. V. 5. 1: donet de tior. xoi to dytinenovóóc eivat «nioc dixarov, oneg oi [lvĝayógiroi padar: woijorro yeo dne tö ðižarov To aramenovdog «ÀÀo: vgl. Magn. Moral. I. 34: éxeivor niv yap orto dixarov sivat & Tig énoígoe taùt «runiudsir, und: Alex. Aphrod. ad Metaph. I. 5, p. 985 b mit F. H. Th. Allihn de idea justi; qualis fuerit apud Homerum et He- siodum et quomodo a Doriensibus veteribus et a Pythagora 1 sit, Halle 1847. 8, p. 65 fgg. 2) "Avua dre = @rrrumoonte , ` Biad; XXIV. 213, ira v5 loy ovupogg am- gor ego. youvtar, wie in dem bekannten Beispiele aus der lokrischen Gesetz- gebung bei Demosth. Timocr. $. 140; vgl Diodor. Sic. XII. 17 und Diog. E LSL GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 273 Vertrage durch die Freiheit menschlicher Vereinbarung entstehen lässt, thut dieses gerade nur aus dem Gesichtspuncte, dass auch die Rechtsidee, welche den unmotivirten Angriff als strafwürdiges Unrecht brandmarke, die Ausgeburt menschlicher Schwäche sey, um dem natürlich berechtigten Stärkeren den Wall des bürgerlichen Rechts entgegenzusetzen 1); und so absurd und empö- rend auch diese Theorie war, so enthielt sie doch vom griechischen Stand- puncte selbst aus die Anerkennung, dass von einem Rechtsbegriffe und folglich auch von einem Strafrechte nur innerhalb der Staatsgemeinschaft eine Rede seyn könne. Nur ist diese Gemeinschaft eben desshalb auch lediglich die Trägerinn des zeitlichen Gesammtbewusstseyns ihrer einzelnen Glieder, und weit entfernt, in ihr als Ganzem eine höhere Rechtsanschauung zu erwarten, werden wir auch in den Strafen, die von dem ältesten griechischen Staate direct ausgehen, nur die Vergeltung erlittenen oder Abwehr drohenden Übels erkennen. Von einer geordneten Strafrechtspflege, wie sie die spätere atheni- sche oder sonstige Gesetzgebung kennt, ist ohnehin hier noch keine Spur; jedes Unrecht, das dem Einzelnen zugefügt ist, bleibt auch diesem zu ver- gelten oder vergelten zu lassen anheimgestellt und nur wo sich über diese Vergeltung selbst Streit erhebt, wird sie wie jeder andere Privathandel vor den ordentlichen Richterstuhl zum Austrage gebracht 2); wo aber das Volk als Ganzes bei einem Verbrechen gefährdet oder verletzt erscheint, da lässt man es auch als solches seine Rache nehmen, die nur durch diese Solidarität den Rang einer Strafe erhält. So gegen den Hochverräther, der sich ge- - wissermaassen als persönlicher Feind dem Ganzen gegenüber gestellt und dadurch dessen Rechtschutz verscherzt hat 5); oder gegen den Beleidiger der I) Plat. Gorg. p. 483 B: G Eu oi zi9£jievor tove voptove oí aoĝevsis avdgnnoi ciot xai oi s0AAoí* noos cUTOUC ovv xol 10 oUrOic OUJtQéQorv tovs te vóuovg tidevrar xoi tovs Énaivovg dncıyodor: vgl Republ II, p. 359 und Veder a. a. O. S. 130 fgg. 2) II. XVIII. 497 fgg.; wozu Nägelsbach homer. Theol S. 249: „dieses ist also ein aus einem Todischlage erwachsener Civilprocess; aber höchst merkwürdig ist es, dass es Criminalprocesse auch gar nicht gibi^; vgl. Platner Notiones juris et justitiae ex Homeri et Hesiodi carminibus explicitae, Marb. 1819. 8. p. 115— 117, Müller z. Aeschyl. Eumen. S. 130, Wachsmuth Hell. Alterth. II, S. 118 fgg. 3) Vgl. Rubino Unters. über róm. Verfassung, Cassel 1839. 8, S. 477 fgg. Hist.- Philol. Classe. VI. Mm LI 274 KARL FRIEDRICH HERMANN, Götter, der nach dem Begriffe des Alterthums das ganze Volk in seine Strafe zu verwickeln droht, wenn dieses nicht der göttlichen Rache zuvor- kommt und ihn selbst ausstósst!); und auch was. die Art der Strafe betrifft, so trägt sie in ihrer gewöhnlichsten Form, der Steinigung ?), lediglich das Gepräge der unmittelbaren Aufregung, der der Richter vielmehr ihren freien Lauf lässt als sie positiv hervorruft oder gar vorschreibt. Ja noch in späterer Zeit und in Athen selbst, lange nachdem die solonische Verfassung zwischen dem Volke als Bürgerschaft und demselben als Inhaber der Richtergewalt die ideale Gränze gezogen hatte, die ersteres selbst in wichtigen und ausser- ordentlichen Fällen durch erwählte Anwälte als Partei vor letzterer aufzutreten nöthigte, wirkte noch ein Rest jener alten Ansicht in der Ausnahme fort, dass wer das Volk als solches beleidigt oder getäuscht hätte, der Volksver- sammlung persönlich in Fesseln vorgeführt und von dieser gerichtet 3), das 1) Aeschyl. Sept. c. Theb. 590, Eurip. Suppl. 240, Babr. fab. 117; vgl. Schneidewin Conjectan. p. 95 u. d. Erkl. zu Horat. Od. HI. 2. 30. Hochverrath und Sacrileg verbinden auch Antipho de caede Herod. $. 10, Demosth. Aristocr. $. 26, Xenoph. Hellen. I. 7. 23, Plat. Leg. IX, p. 853. 2) Ovid. Nux 3: obruere ista solet manifestos poena nocentes, publica quum len- iam non capit ira moram. Vgl. Weisse div. naturae et rationis in constituendis civitatibus indoles, Lips. 1823. 8, p. 137: transitus ex vetustissimo illo jure ultionis in jura poenarum . significatur more illo in priscis urbibus pervulgato, ut ipse populus eos, qui aliquid contra se commisissent, lapidibus necaret, wobei nur das falsch ist, dass sich bei Homer noch keine Spur davon fände; denn dass der Aaivog yw» liad. III. 57 von Steinigung zu verstehen ist, kann jetzt als ausgemacht gelten; s. auch Welcker alte Denkm. III, S. 435 fgg. und Rh. Museum IX, S. 288, im Allg. aber Wachsmuth II, S. 120 u. 793 und Mercklin die Talossage in Mem. d. Petersb. Akad. 1851, S. 64. Xenoph. Hell. I. 7. 20: /ore navrss öte v0. Kavvovov wyrqroga otev loyvoo- tatov, 0 nelsver, ede tig tov MOmqvalov Onpov adıny, Ósücnévov anodıneiv iy tà Inn, nal ddv xatayrocÓOT jn, unodavovra tie To Bága9gor eh: vgl. Schol. Aristoph. Eccles. 1089: (Küvrovoc) t,: yeyodpeı nareyosevov Euarigwdev anoloysiodar 109 wav elowyyehiav wenotnevor, also was Polyaen. Strateg. II. 21 auch als spartanische Sitte nennt: Auredar- moving «giorv Unogytiv, dg vonınov otiw iv Ty Inaprieridı, dedevrag, fesselt und von beiden Seiten gehalten, wie auch die Worte des jungen Mannes bei Aristophanes selbst, um den sich zwei Weiber reissen, zu ver- stehen sind — nicht nach Grote's unbegreiflich verſehlter Auslegung Hist. of Z GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 275 heisst ihrer Rache preis gegeben werden sollte, —- ganz wie wir in Lacedämon sehen, dass der Unbesonnene, der Lykurg durch einen Steinwurf verwundet hat, diesem überantwortet wird, damit er sich selbst seines Rechts an ihm erhole 1); — und aus keinem andern Gesichtspuncte kann auch alles das ge- würdigt werden, was wir wiederholt von der Volksjustiz gegen gestürzte Tyrannen griechischer Städte hören. Der Tyrann, indem er seinerseits alles Recht mit Füssen getreten und seinen Privatwillen zum Gesetze erhoben hat, scheint eben dadurch auch gegen seine Person jede Gewaltthätigkeit von sei- nen Unterworfenen gerechtfertigt zu haben; die Formen des Rechtsganges, auch wo solche bestehen, sind für ihn nicht vorhanden; er wird nicht ge- richtet, nur gestraft, und auch wo es keiner offenen Gewalt mehr gegen ihn bedarf, wo er oder die Seinigen sich in den Händen des Volks befinden, wird nicht einmal der Schein eines gerichtlichen Verfahrens für nöthig gehalten, : um sie jeder Misshandlung und Grausamkeit zu unterziehen ?). Dass endlich Greece VIII, p.268: the psephisma of Kannonus directed that each defendani should be tried separately: accordingly if it happened that two defendants were presented for irial and were both to be tried without a moments delay, the dikastery could only effect this object by dividing itself into two halves or por- tions; which was perfectly practicable, as it was a numerous body! Insbe- sondere scheint es als eine solche directe Krünkung des Volks betrachtet worden zu sein, ed vic Tor b vsoojópevoc ££anatzor, Demosth. c. Timoth. $. 67, vgl. Leptin. S. 100 und 135, wo zu «give und Javurw Cruov» aus d Vorhergehenden prov als Subject wird gedacht werden müssen; denn dass dergleichen Vergehen wirklich die Volksversammlung richtete, zeigt der Fall des Miltiades, von dem Plato Gorg. p. 516 D sagt: MAI d zóv iv Ma- gaguyt zig tà BáguÓgoy ipfaAeiv Oyrqicevto, xol ei ur; dia tov stQUzaviv, événegev dv, vgl Grauert im Ind. lect. Monest. 1844 — 45, p. 15 und ähnliche Beispiele mehr bei Platner Process u. Klagen b. d. Attikern I, S. 375. 1) Plut. V. Lycurg. c. 11. 2) Plat. Gorg. p. 473 E: éav adixov avógunoc A799 avoarridı énifovistoy xol Au ovo Biden: xal èxtéuvytar nal TOUG ópóoànovc unayta xal did ne zul peyakaç xal narrodunus koßas ovTog 26 ale nal TOUS abro inıdar nuidag Te xol yvvaixa tO foyatoy «rectovQuÓg T AUTANT- 1595: vgl. Plut. philos. c. princ. c.3: zoUc F "Anoklodugov Tod Tugurvov nat Dakuordog xol ovvýðsrs ‚gneiyunanıdov, io19£BÀovv xai dveniungeoer, ivaytic $uotoUyvo xai xüTaQatovc , und mehr bei Ebert zei. p. 101; insbes. das Verfahren der Lokrer gegen die Familie des Dionys bei Aun. XIL 58 oder Mm * 4 276 KARL FRIEDRICH HERMANN, selbst das Strafrecht der öffentlichen Beamten, das nach griechischem Begriffe von jedem Zweige der Verwaltung unzertrennlich war 1), ursprünglich kaum eine andere Quelle als die des Vergeltungszweckes hat, ist bei Homer ent- schieden zu erkennen: die Bussen, welche die Häupter des Staats ansetzen 2), gelten ihrer persönlichen Genugthuung oder Entschädigung für verkannte und verletzte Auctorität 5); und wie weit die Sage einem Könige der Heroenzeit in dieser Rache gegen die Verächter seiner Befehle zu gehen zutraute, zeigt das Verfahren Kreon's gegen Antigone, wenn auch dieses als ein vereinzelter Fall eben so wenig für legitime Strafjustiz wie Odysseus Misshandlung des Thersites für das gewóhnliche Auftreten eines Feldherrn oder die grausame Bestrafung der Tochter des letzten Archonten aus Kodros Stamme in Athen ^) für den Umfang der váterlichen Gewalt maassgebend seyn soll; zumal da Solche Einmauerung bei näherer Betrachtung fast mehr unter den Gesichts- punct eines Gottesurtheils als einer strafrechtlichen Handlung fallen dürfte. Für das Herabstürzen vom Felsen, das als Strafe für Sacrileg gewiss auch in die ältesten Zeiten hinaufreicht, habe ich bereits in meinen gottesdienstlichen Alterthümern aufmerksam gemacht, wie dasselbe auf der Idee beruht , dass, wenn der Hinabgestürzte unschuldig sey, der Gott schon seine Hand über Aelian. V. Hist. VI. 12 und der Lacedaemonier gegen Kinadon bei Xenoph. Hell. III. 3. 11: e «0vsov piriá: 70 dedegiévoc xal T0 pns xat TOV toayyhov Ev Aοt piaotryovgévoc HUL HEVTOVNLEVOg OUTOS TE nal OË MET GUTOU XATA ayv nóÀty negımyorro E. . J. I) Plat. Leg. VI, p. 767 A: s&vto doyorsa dvayraiov nat Ótxaotiv eivar tiwar: vgl. m. evést de jure et auctor. — apud Athenienses, Heid. 1829. 5, p. 54 fgg. und Abhh. d. K. Gesellsch. d. Wissensch. IV, S. 75 RE 2) Dr Il. 192: ooi de, ygor, sr inidijoopnev, qv x ivi Dvno vívoy G0y&ÀÀotc*. yaÀertÓV. DÉ vos ' T€ vgl. Nitzsch erkl. Anmerk. I, S. 96 und Grote Hist. of Greece II, p. J 3) Gell. N. A. VI. 14: ea causa 3 est, quum dignitas auctoritasque eus, in quem est peccatum, tuenda est, ne praetermissa animadversio contemptum ejus pariat et honorem levet, — id ei vocabulum uat a conserva- tione honoris factum putant. 4) Aeschin. c. Timarch. $. 182: dvro eie 16 nohtov, svonv ımV ER vyu- reg died %, uv o. Eyuurwuodonnoev vrv pe? Inmov eig Eonuov oiniav, Up ov TE ziehen anoleiodu deu keow ovyuadeıonuern: vgl. Schneidewin ad Heracl. Pol. p. 36 und Paroemiogr. Gott. I, p. 214. GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 277 ihn halten und ihn vor dem Tode retten werde !); und je charakteristischer es auch für die Einmauerung ist, dass sie ihrem Opfer gleichwohl noch einige Speise mitgibt, um die Blutschuld von dem, der sie verhängt, abzuwenden ?), desto deutlicher verbirgt sich hier die Rache vor ihren eigenen Consequenzen hinter den Lauf der Natur, den die Gottheit, wenn der Verurtheilte es ver- dient, noch immer eben so zu seinen Gunsten lenken kann, wie Krösos auf dem Scheiterhaufen durch Regen vom Himmel gerettet worden seyn soll. In demselben Maasse übrigens, wie sich aus dem homerischen König- thume eine Magistratur und mit dieser ein geordneter Staatsorganismus ent- wickelt, tritt doch im Ganzen auch das Strafrecht allmählich in eine neue | Phase, die eigentlich erst als der rechte Grundton desselben anzusehen ist und diese Bedeutung trotz mancher Modificationen, welche es sowohl in subjectiver als in objectiver Hinsicht auch später noch wiederholt erleidet, bis an die Grünze der Zeit, wo überhaupt noch von griechischer Rechtsver- fassung gesprochen werden kann, beibehält. Es ist eine feine Bemerkung 1) Vgl. Eurip. lon 1222: srezgoooigr 9oveiv, mit Plut. Ser. num, vind. c. 12 und Ulrichs Reisen u. Unters. in Griechenland S. 54; auch das Tomate doe bei Pausan. V. 6. 5 „ xa" o 1dg yvralsag Hleiois deriv Gel vuos, Tv qoQa- Oe èc 10v dyava dÀ8ovows tov "Olvusuaxóv Ñ xoi öde èv taic ansor- pévorg oplow c néoatc. dt, vóv AI, und den leukadischen Sühn- gebrauch bei Strabo X. 2, um der attischen Thargelien zu geschweigen, mit welchen ich schon gottesd. Alterth. $. 27 n.8 die Stelle des Paus. X. 32.4 ver- glichen habe: zai avrg (Tu Anólhwvi) wvöges iegoi nata xgrpvov ve anoto- qo» xol nsıgor nydaoıw viov xat Une), Dévdoa ègsinovtec èz G1 xatd vd otevotrata tüv dnn 00V sois aydecıv ödevovor. Also Men- schen, die Apoll schützt, springen und klimmen ohne Gefahr über die ab- schüssigsten Klippen; wer dagegen bei einem solchen Sturze umkommt, be- rechtigt eben dadurch zu der Voraussetzung, dass der Gott ihm gezürnt habe; vgl. Philol. IV, S. 207, wo (gegen Funkhänel) auch diese Sitte mit den be- kannten Spuren der Feuerprobe u. dgl. zusammengestellt ist. ; ) Soph. Antig. 770: novyo nergwder cao èv zatógvyi, gore zooovzo» we dyoe uövov ngodeig, ónüc uie; NEO ÜnsngUyE ne unanel TOV Ady, öv novov ote get, ai1ovuévg nov Tevfstar TO HY PAVEN He v. J. letzten Worte mögen in Kreon's Munde Hohn seyn; unwillkürlich liegt jedoch selbst ihnen der Gedanke im Hintergrunde, dass es nicht der König, sondern der Gott ist, an den sich die Jungfrau ihres Schicksals wegen zu halten hat. w 278 KARL FRIEDRICH HERMANN, von Otfr. Müller 1), dass in Griechenland die Criminalgerichtsbarkeit immer mehr aristokratischen Charakter als die bürgerliche getragen habe; und wenn dieses auch, wie wir sehn werden, eine gleichzeitige Handhabung jener im demokratischen Sinne nicht ausschliesst, so kann sie es doch nie verleugnen, dass sie in den Zeilen der Aristokratie zuerst ein festes Geprüge gewonnen hat, welches auch unter ganz veränderten Formen den früheren Umfang der magistratischen Gewalt ahnen lässt. Die Hauptsache bleibt eben, dass die Staatsgewalt sich hier in der Geschlossenheit eines grósseren Ganzen con- centrirt und doch wieder von diesem mit ziemlich weiter Vollmacht auf Ein- zelne aus seiner Mitte übergetragen wird, die in solcher Eigenschaft noch in ganz anderem Sinne Vertreter des Ganzen heissen kónnen, als dieses für die Könige der Heroenzeit wenigstens von dem Augenblicke an gilt, wo sie dem früheren Zauber patriarchalischen Stammregiments mit dem Herzogsamte an der Spitze freier Völker vertauscht haben. Bekannt ist die dreifache Thätigkeit, die dem homerischen Könige aus dieser Stellung erwuchs, auf die sich dann aber auch seine ganze Macht beschrünkte; und wenn sich darunter auch eine Richtergewalt befindet, so übt er diese doch nicht vom Standpunct eines Gesammlinteresses aus, sondern als Spender des Rechtsbegriffs, der von den Göttern auf ihn übergegangen ist und den also jeder, der seiner bedarf, von ihm erbitten und empfangen kann, ohne dass dieser Art von Rechtspflege ein weiterer Zweck als der der bestmöglichen und gewissenhaften Schlichtung persönlicher Streitfragen durch eine höhere Persönlichkeit zu Grunde läge. Dass nun freilich auch dieser Gesichtspunct bei den Magistraten der Aristokratie als Nachfolgern und Erben der alten Königsgewalt nicht weg- fällt, versteht sich von selbst; indem diese aber zugleich als erwählte Ver- treter der Gesammtheit für deren Wohlergehen zu sorgen haben, nimmt alles, wobei dieses Wohlergehen betheiligt ist, mehr oder minder idi Charakter der Rechtspflege selbst an; das Recht wird schon früber praktisch, wie es die Sophisten später theoretisch definirt haben, das Interesse der Herrschen- den 2), also des Ganzen oder desjenigen Theils des Ganzen, der gerade nach der 1) Dorier II, S. 117. 2) Plat. Republ I, p. 338 C: yui yag iyo sivot v0 dinaıov oŭx GÀÀO vi 5 16 ro wpsívrovog uuyégov, d.h. wie es daselbst sogleich weiter erklárt wird, GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 279 jedesmaligen Verfassung herrscht !), und je unzertrennlicher dem Griechen die Richtergewalt von dem Begriffe des Beamten schien, desto mehr musste die Vervielfältigung der administrativen Thätigkeit auch jener vorzugsweise den Maassstab der öffentlichen Wohlfahrt mittheilen. Wie aber dadurch theils ein ganz neues Strafrecht begründet, theils das alte wesentlich modifieirt ward, ist leicht einzusehen. Einerseits musste selbst das polizeiliche Strafrecht der Beamten den persönlichen Charakter, den wir in den Bussen der homerischen Zeit wahrnahmen, mit dem sachlichen einer Vertheidigung der öffentlichen Wohlfahrt vertauschen, in deren Namen allein die Archonten oder Prytanen ihre Auctorität ausübten; dieselbe öffentliche Wohlfahrt aber, der die persön- liche jedes Einzelnen nur als untergeordnetes Mittel dienen sollte, konnte es überall nicht mehr gestatten, dass dieser auch im Falle persönlicher Kränkung sich selbst Recht nehme, sondern nahm auch die Beurtheilung der Fälle in Anspruch, die an sich lediglich zur Privattalion angethan schienen, und bestellte zu diesem Ende die Vertreter der Staatsgewalt auch zu Strafrichtern, um in die Privatrache selbst das Maass und die Regel zu bringen, die sugisieh dem öffentlichen Interesse entspräche. Es ist ein höchst c Zug, dass noch die attischen Redner die Vortheile einer 8 Rechts- pflege nicht höher zu preisen wissen, als indem sie dieselbe als Ersatz und Schutzwehr gegen Selbsthülfe darstellen 2); und je deutlicher sich auch in tideru de ye Toug YOJLOUS EnuoTN " sem g 10 aU 15 Svp gégoy o the d: anépyrar 20, Üíxarov Toig do &ivat, tÒ opiot Evrpegov, xai TOV TOUTOU- nu vo vod ag nονmoi ird vé nal adınovrıa: vgl. Leg. IV, p. 714: de oU» oie note obo yınjoavıa y Tiva nolılav av Ñ Ec 1UQuyvoy siones éxóvva ul &ÀÀO te vónove 7 20 ovuypigov éavio ung deys Tod ,ẽsé . xal Oc čv tata TO stÜtvva nepaßaivn, Ko, 6 Jiuevos wg adınvuvra; auch Strabo I, p.21 und Cic. de republ. I. 32: concordi populo et omnia referenti ad incolumitatem et ad libertatem suam, nihil esse immutabilius, nihil firmius etc. I) Des noiirevue, vgl. Schömann ad Plutarch. V. A p. 208 u. m. Staats- alterth. $. 52 n. 14. 2) Demosth. Conon. $. 17 — 19: oi wer ydg vópor MOU Tavayıia xai tug avayzaius NOOYUBEIS, nws N lie S yiyyovıoı, ngoeidovio . . TOU mi yovor pipscodos und, zard A, y undreod ui, en uiy Aoidopiag eis ninyas, r, en Òl nìnyüv sig tgaUpava, £x dà agavııaımv eis FUVATOV, d dv» toig 280 KARL FRIEDRICH HERMANN, der Gesetzgebung der geschichtlichen Zeit das Bestreben kund gibt, der Ei- genmacht zu wehren, die ohnehin nach altgriechischen Begriffen die Quelle jedes Unrechts ist !), desto weniger dürfen wir zu irren fürchten, wenn wir diesen Gesichtspunct vor allen andern als denjenigen annehmen, der über- haupt zur Einsetzung von Strafgerichten und zur Ausdehnung des öffentlichen Strafrechts über die meisten’ Fälle der ehemaligen Privatrache geführt habe. Zunächst mag man wohl einräumen 2), dass das strafrichterliche Einschreiten des Staats durch solche Fälle veranlasst worden ist, wo eine Missethat gerächt werden musste, ohne dass ein Privaträcher dafür vorhanden war, wie beim Verwandtenmorde, wo der, dem die Blutrache oblag, selbst der Thäter war, und in ähnlicher Art, wie noch später sämmtliche Mitglieder der Phratrie zur Betheiligung an der Blutrache verpflichtet sind, der Staat solidarisch die Eri- nyen zu versöhnen übernahm; aber gerade bei der Blutrache oder Verfolgung eines Thari so viele Reste sie auch vor dem sonstigen Verfahren von dem Vergeltungsysteme der alten Sitte darbietet, zeigt die attische Blutgesetz- — die im — wohl nur das allgemeine griechische Recht ausprägt, recht deutlich, wie der Staat seine Richtergewalt an die Stelle des Einzelnen gesetzt hat; aus dem urspünglichen Rächer wird ein einfacher Klä- ger, und auch wenn das Gericht das Todesurtheil über den Beklagten ge- sprochen hat, so wird dieser doch nicht seinem Verfolger preisgegeben, son- dern es steht lediglich diesem frei, der amtlichen Vollstreckung des Urtheils in Person anzuwohnen 5). Noch entschiedener tritt übrigens im sonstigen vonoıg elvat Tovrwv RER 2 Ü/xyv, UY vy TOU mootvyóvvoc 007 7 4rd Boviýos TOUTO *givtcOot: yel. adv. Mid. §. 220: &' ovv ovyzwgýoait dv toùŭtov, öorig &éoviv Eraorog 6 Mowry, AVOLOV eee TOU rau ane 0dTog £u nr &xa010v T00j001; ira piv ovx oiuat . . ti 0% note; OTE TI wen Tout olde nal Habt vol nemigvsvxe TÅ S bg undeva avtov shs nnd’ dosi» yd? svnigosiv: und mehr adv. Aristog. I, $. 20 ai “Yes, vgl Wachsmuth hell. Alterth. I, S. 343, Nägelsbach homer. Theol. S8. 284, Lehrs in Schr. d. deutschen Gesellsch. zu Kodgiham IV, S. 163, Stacke in Klotz Archiv XVII, S. 419. 2) Vgl. Rubino in- Zeitschr. f. d. Alterth. 1844, S.341. 3) Demosth. c. Aristocr. S. 69: ed 0 doty Ta diaae pervs x«t Ey tov ĝe- dgaxöre Tov góvov, o oUTO XUQrog yiyvetar tov dAövrog, GÀ èneivov niv oi vónor wvgrot xoÀáco: nal oic ngogtétantat ToUTG, tö Ób ente GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 281 Strafprocesse die Machtvollkommenheit des Staats und seiner Beamten hervor, und wenn auch das System des Anklageverfahrens der Privatrache fortwührend reichen Spielraum lässt 1), so beruht doch die rechtliche Legitimation des Klägers keineswegs auf dieser; es genügt, dass er der verletzten Gesammtheit angehört 2); und zwar fühlt sich die Gesammtheit nicht etwa bloss dann ver- letzt, wenn einem oder mehren ihrer Glieder eine positive Beeinträchtigung ‚ihrer Rechtsphäre widerfahren, sondern schon dann wenn eines ihrer Glieder über seine eigene Rechtsphäre hinausgegangen ist; — sie straft den Fund- diebstahl härter als den Eingriff in bekanntes Eigenthum 3), sie verpoent die ungerechtfertigte Misshandlung eines Sclaven eben so gut wie die eines Jıdorra dinyv éEeotiv, dv Etuker 0 t tòr dAórta, méga Ó' our tovtov: vgl. d. Abh. v. J. D. de Riemer zu dieser Rede, Roterd. 1833. 8, O. Müller und G. F. Schömann z. Aeschyl. Eumeniden, und was ich sonst Staatsalterth. $. 104. 105 citirt habe. Ganz wahr schreibt [o auch Hüllmann Staatsr. d. Alterth. S. 81: „bei fortschreitender Entwickelung der Gesellschaft ging man . noch einen Schritt weiter: die Regierung schloss bei Mordthaten die Familien ganz aus von der millelbaren Bestrafung; sie erklärte diese für die Sache der ganzen Gesellschaft und setzte andere Strafe, insbesondere die Todesstrafe, auf | solche Verbrechen“ — wenn er nur nicht den n Einfall ee ; hätte, Ursprung der Vermöge als — zu verbinden! d Ohne Kläger kein Richter , vgl. Lycurg. idi Leocr. $. 4: ped yáo iow ta ueyıoıa, d diagvhaızeı xat dıcowgeı TY Ue sóltoc eudaııoviar, nguror qv ý tüv voper vühig, Ósvisgov Ó' ý vov dixaoıwv Vigo, Leiten o 200 0e 240. ara nagadıdovog 4 ⁰νj - . . . WOT OVF O vonog OVF 7 vr ÓuxaotGy Wwrgoc &vev TOU "&9adocovtoc avroig tovs adınovvrag iayver. Dass zu klagen „auch amtlich verpflichtete Vertreter des Staats“, wie noch Wachsmuth II, S. 225 die ovrzyógovc auffasst, nur in einzelnen Fällen ad hoc bestellt wurden, darf jetzt wohl als ausgemacht | vorausgesetzt werden; vgl. Staatsalterth. $. 133. n.l; auch Böckh Staatsh. I, S. 336 hat seine Ansicht dar- nach stillschweigend ee 2 Daher 6 Povkonevog se oic ¿ġsote, vgl. Meier u. Schöm, att. Process 8. 557 fgg. 564. 3) Ai ,t, Pe dello; e d ux, Sürutoc 5 Synie, Diog. L. I. 57; * Aelian. V. Hist. III. 46 und Plat. Leg. VIII, p. 844 E, XI, p. 913 C mit plainer Process II, S. 4, dessen vermeinte Ausnahmen mit der veränderten u der idrar yoapei (Böckh Staatsh. I, S. 492) von selbst wegfallen werden. Hisi.-Philol. Classe. VI. Nn 282 KARL FRIEDRICH HERMANN, Freien 1), so dass man recht deutlich sieht, wie es weit mehr das Verkennen der eigenen als der fremden Stellung, weit mehr der Missbrauch der eigenen als die Störung fremder Freiheit ist, was den Gegenstand und das Motiv der Strafe bildet; und selbst der Rechtschutz, den sie dem Einzelnen ge- währt, ordnet sich unter diesem Gesichtspuncte dem allgemeinen Zwecke unter ?). Dass dieser nun aber eben so wenig wie auf Begünstigung und Unter-, stützung der Privatrache, auf Ausübung der eigenen von Seiten des Staats oder gar einzelner seiner Vorsteher gerichtet seyn kann, ist von selbst klar; und auch wo sich daneben noch von Zeit zu Zeit Motive der letzteren Art geltend machen mögen, können sie als Ausnahmen nicht für die sonstige und allgemeine Handhabung der Strafrechtspflege maassgebend seyn, für welche an die Stelle der Vergeltung der Gesichtspunct der öffentlichen Wohlfahrt und Selbsterhaltung des Gemeinwesens getreten ist. Die allgemeine Wohlfahrt war es, die den Staat bestimmte, die Rache der Einzelnen lieber in seine Hand zu nehmen, um den Bürger nicht zur Eigenmacht zu verwóhnen; — dieselbe ist es, um derentwillen der Staat auch den Einzelnen seine Macht » Aeschin. c. Timarch. F. 17: ov yàg Unio tov oinerwv donovdaxev 0 vonoi- ing, alla Gobi os Ui àOicat. nolvu cnéyewwv 2e Tov evÓcgur ,. ngooéygaq e und eig tovg dovAovg vßeitsv: vgl. Demosth. adv. Mid. S. 46: oU rag doris 6 Ndoyuv WETO deiv oroneiv, «AÀd 2 ngayna oͤnoĩd y Tt 20 zıyvonevor" emed Ò cue ovx Enırndeiov, pyre ngog dovlor 179° oÀuc mo&trev čtečev, und mehr in m. Symb. ad doctr. juris Att. de injur. actioni- bus, Gott. 1847. 4, p. 18. 2) Plut. V. Solon. c. 19: ëtt pivtor ] olópevog deiv énagueir 75 tùy nol- Adv doOsvtig navıl ee die Unio toŭ xawec nemovdoros Enns’ nal yao ninyevroglärigov xai flafivzoc xal Braodevros EE5v to Öuvuuevo xoi Bovionévo red eo vOv GÜixoUv7o xol dimaem, 0g9cc EHilorrog 100 vono- 9étov aoUg nolitag wonsg évoc ie eo ovramodavsodaı xat ovvaryeiv αjẽ lots Seve à: TG vÓno ovpgavobvza Aoyov avrov dra iy piovevovot * 79 ; re rde, Og £oınev, jte oi «citat vdH TÖV ν e,, fwtívm, eimev, iv 7 1G» adınovusvov ovy $110» oi p GÓtxoUuevor ngoßalkovor xol xolg- govor robe adrnoüvrag: vgl. Sept. Sap. conv. c. 11 und Isocr. adv. Lochit. $.2: tU» niv allow ey ind, avto TO noc90vti növog ó dgwoag Unödınog oti negl dè tic Ufgroc wg worvoU TOU mgáypotog övtoç Set 1 Bovionévo 1G» nolırwv youwopévg ngos tovs Heonoderag elosiOsiv eig Unac. GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH, ALTERTHUME. 283 fühlen lässt, der durch irgend welche Eigenmacht oder Überschreitung das Gleichgewicht und Ebenmaass des Ganzen gefährdet; — und dieselben Grund- sätze, nach welchen derselbe in den einzelnen Fällen dieses Gleichgewicht gleichsam als Bedingung seiner Gesundheit bemisst, leiten dann auch sein Verfahren gegen die Störungen dieser Gesundheit, die durch die Strafe be- seiligt und aufgehoben werden sollen. Auf diesen, wenn der Ausdruck erlaubt ist, therapeutischen Charakter der griechischen Strafrechtspflege habe ich schon in der Abhandlung de Dracone legumlatore Attico aufmerksam gemacht, weil er wiederum allein vieles erklären kann, was in derselben nicht allein nach heutigen Begriffen, sondern auch von der blossen Vergeltungstheorie aus betrachtet auffallend und anstóssig ist, aber bei näherer Betrachtung weder so paradox noch so anomal erscheint, als es oft gehalten worden ist und noch wird. Wenn Drakon auf alle Vergehen Todesstrafe gesetzt haben soll, hat schon das spätere Alterthum darin nur die Anticipation einer philosophi- schen Grille, die neuere Zeit gar eine ganz singuläre Geistesverwirrung er- blickt; gehen wir aber der Sache nàher auf die Spur, so finden wir sein Verfahren nicht etwa nur im Interesse der damals herrschenden Aristokratie begründet, sondern selbst nach Beseitigung seiner meisten Satzungen seinen Namen noch spüt im Munde des griechischen Volks den gefeiertsten Gesetz- gebern gleichgestellt !), deren ehe mehr als einer an unverhältniss- mässiger Strenge es wohl mit ihm selbst aufnehmen konnte 2). Die Entwen- 1) Zu den dafür schon in dem erwähnten Proómium zum Ind. lect. 1849 — 50 beigebrachten Zeugnissen füge ich noch Xenoph. Oec. 14. 4 und Demosth. Timocr. $.211: xai pe ei XoÀova 4 Zoáxovtia dinaiwg émaivéire, OUx dv £yovtic einein ovdevégov norwor eUspyétr ua ovdi A öte ovpqéporrag e xci — xalug Eyovzag vonovg x. T. J. 2) Vgl. Lycurg. adv. Leocr. $.65: oi yag egyoiot vonoderaı oU vg piv éxatov vdÀovta xlépartı Javarov Erafar, vu d dene doag-ide Harrov enırimov . d smoiwg en! naoi xal Toig Èlayiotorg nagaropýpaot Havarov üoa dvor 2½ gui: vgl das Sprichwort: Zadebnot vópoc imi vov dne (Zenob. IV. 10) und über das gleich zu erwähnende Verbot desselben insbes. Aelian. V. Hist. II. 37 oder Ath. X. 33: napa Ób Aongoig toic "Enigepugiors EU Tig QUQQTOV Ente mi moo áEavtoc ie*goU Hegansiag vena, DOavatog 1 ý Gyia, Zalevxov tor vóuov Jévtoç: im Allg. aber Müller Dorier II, S. 226: s Schärfe ... entsprang zum Theil eben daraus, dass man keinen Nn 2 2 d 284 KARL FRIEDRICH HERMANN, dung einiger Kohlkópfe mit dem Tode zu bedrohen, war allerdings eine grosse Härte; aber doch immer nicht so hart, wie wenn Zaleukos gleiche Strafe darauf setzte, wenn jemand ohne ärztliche Vorschrift ungemischten Wein tränke; und selbst der vielgepriesenen solonischen Gesetzgebung fehlt es nicht an Zügen, die uns beurkunden, dass diese ganze Strafübung nicht sowohl die Vergeltung des Schadens, der einem Andern zugefügt war, als den Miss- brauch des eigenen Rechtes verfolgte, der nicht scharf genug geahndet werden zu können schien, um keinerlei Anmaassung und Willkür im Gemeinleben aufkommen zu lassen 1). Ja ein Grundsatz dieser Gesetzgebung ist uns er- halten, bei dem sich nicht bloss einem heutigen Juristen das Haar sträuben möchte, der aber vom geschilderten Standpuncte der öffentlichen Wohlfahrt aus gahz wohl motivirt erscheint, dass nämlich die Strafe immer um einiges über die Schwere des Verbrechens hinausgehen müsse 2), — das ist zwar juristisch betrachtet ein sehr bedenklicher, therapeutisch aber ein völlig ge- rechtfertigter Satz, der mit andern Worten so viel heisst, als dass es bei einem zu Tage kommenden Schaden des Gemeinwesens nicht genüge das einzelne Symptom zu beseitigen, sondern dass jede Cur möglichst radical und künftigen Rückfällen vorbeugend seyn müsse. Denn dass ein Verbrecher als eine Krankheit der Gesellschaft angesehen wurde, geht aus bestimmten Stellen aient. hs seres die Todesstrafe so motiviren 25 und man braucht sich nur c EE Redit M» Gesichtspunct des óffentlichen Rechts nahm und nicht die Verletzung des Einzelnen, sondern der allgemeinen Sitte strafte.“ I) Demosth. c. Androt. $.30: GE, zoirvv, o &vÓgec 'Adyraior, nat tò? Oévta 210% %% eráoat Xólorva zat QstoucÓat (Cory noovoiay énoisivo ÈV (nac oig iie vdo ye noliteiac nab 000 negt toúrov sahkov Lonovdatev 3j sob ToU spáry avrov, OU spein tov mapas sar Aristot. Problem. X Son Vgl. den aun Dichter bei Charisius IV. 4. 13 oder 7. 7: in ventre. ‚säpere t di- -dicit nimirum Solon, qui lege cavit, ut vitia transcenderent. auctoris poenae, und was im ähnlichen Sinne Dinarch adv. Demosth. $.55 von dem Areopage sagt: Sure .. nie vOv évoyor óvta xol tov Önorovovv Foınyaora TG — "mátota, vopitovou tov iv volg pixgoig ovvedılöusvon dd’ TOUTOV ta piyüla töv dover pde toy. NEE nooodessodur. = a Plat. Protag. p. 322 D: 20% p) dvvanevov wldoug na diane refus: Ae Og vocoy nólewg: vgl. Rep. VIII, p. 552 C, auch III, — 000: Hi» nata GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 285 das vorhin erwähnte Staatsprineip zu vergegenwärtigen, nach welchem der Mensch nur ein unselbständiges Glied der bürgerlichen Gemeinschaft seyn sollte 1), um dieses Bild völlig consequent zu finden; eben desshalb aber wird auch die Heilung des Schadens nicht um des Gliedes selbst, sondern um des Körpers, nicht um des einzelnen Falles, sondern um der allgemeinen Sicher- heit und Gesundheit. willen vorgenommen; und je geringer der Staat bei seiner naturwüchsigen Reproductionskraft den Verlust eines Gliedes anzuschlagen braucht, desto mehr wächst ihm diese Sicherheit mit der Kräftigkeit des Mittels, ganz wie wir in derselben Periode der griechischen Cultur sehn, dass auch die physische Heilkunst noch zum grossen Theile mit den chirurgischen Mitteln des Brennens und Schneidens operirte. Nur insofern der durch ein Vergehen angerichtete Schaden an sich kein. unheilbarer war?), konnte die Entschädi- oue 10L0U t0 , cnoÀvyOxttY Pü0oVOt, vo ÔÈ ward TYV M xaxoquveig xal d vids ous aur Enoxrevodor: Leg. V, p. 735 E: Havarov 7 puyiv TZ 1% To 1£Àoc encstä tier tovg pii» yao néyiovo èHπανννẽEjĩ ae, arıdtovg 0i drang, s msylormv d) ovoay G mo,, anallattew einder, XII, p. 958 A: Yavarov lupa elg oUto OtaveOsicotc Vvyoig Óravépovteg .. dtor inatvov viren & av tj "405 nóÀet toroUto: du wol dinaoıav e, um nicht bei Plato. allein sichen au bleiben; Aristot. Eh. Nie: X. 9. 10: iet o govo de mul d dar nodose. Te aal tipwoiuc dnuredevar, robe q avıdzovg dae dooier: Demosth. c. Aristog. I, S. 95: dviaror, aviaror, de does Abmatos, TO noayu& OTL TO TOUTOV' dei àj TIGyTUG, WOTLEO oi lavgoi, Dr, xagxivoy 7 asd ana 7 töv &ÀAÀev avıdıoy Tt xGxGv idws, ané- zavoay 17 Ölwç GnuixoVüv, OUTO TOUTO To gyeios ud eSogioat, iwo èx 215 neue, avelsiv: Stob. Sem. XLVI. 41: xoi ó davarog AUTOS Nap TÜV ndr dia ν)%⁰,νανν 0 OF 2 xoxóv dneruundn, QAR wc &0yotOY nal iy q«opdxov Aóyo xar Ov ov Üvranévov zc xaxiac dAevOrgaOTro:: ja selbst noch Cicero, wenn gleich mehr bildlich und hyperbolisch, pro Sestio c. 65: ox JM Eat Fete, quum Sande parti scalpellum adhibetur. atque inte grae ... ii medentur dere qui — PR tanquam strumam civitatis. 1) Aristot. Politic. VIII. I. 2: aaa 05 od yon vopiCety ass, &UTOU Tiva eivat 26 n0ÀnOv, d navrag TAE "en Eigen yap &£xaevog ung nolswc: vgl m. Staatsalt. S. 51. 2) Kein «vrxeorov, nicht mit ariarov zu Basre ee insblern dieses, um mit Plato Leg. IX, p. 862 zu reden, mehr auf die nia jenes mehr. auf die Had geht und desshalb auch gewöhnlicher sachlich als persönlich ‚gebraucht wird, vgl. Demosth. Mid. S. 70 und mehr bei Sintenis ad Plut. V. Pericl. c. 39, 286 KARL FRIEDRICH HERMANN, gung, durch welche dieser gut gemacht werden sollte und musste, zugleich als Strafe des Vergehens selbst ausreichen, obgleich es auch in diesem Falle nicht das Glied als solches, sondern das Ganze ist, dessen Schaden am Gliede geheilt werden soll; der Strafansatz ist die Schätzung des Schadens, den die öffentliche Wohlfahrt durch das Vergehen erleidet !); und zwar nicht etwa mehr bloss vom Standpuncte der Vergeltung aus, für welchen jeder Fall sein eigener Maassstab ist, sondern von dem der Gesetzgebung, der es auch in dieser Hinsicht darum zu thun seyn muss, dass der Staat in keinem Falle Schaden leide oder zu kurz komme. ; Bei diesen schriftlichen Gesetzgebungen jedoch, in welchen die Mehr- zahl der griechischen Staaten allmählich in grösserem oder kleinerem Umfange von der blossen Sorge für die Interessen der Gegenwart und die Überliefe- rungen der Vergangenheit zur gleichzeitigen Berücksichtigung der Zukunft emporstieg, konnten sie eben desshalb nicht umhin mit jenem Principe der öffentlichen Wohlfahrt, das allerdings, wie wir gesehen haben, gerade in den namhaftesten Gesetzgebungen der älteren Zeit seinen schärfsten Ausdruck ge- funden hat, noch ein zweites zu verbinden, das, wie es sich zunächst in den Strafandrohungen oder Poenalsanctionen der Gesetze als Vorbeugungsmaxime kund gibt, so überhaupt in der ganzen Handhabung der späteren Strafgerech- tigkeit in den mannichfaltigsten Formen, aber immer mit dem durchherrschenden ja nach Umstünden die Capitalstrafe selbst im Gegensatze der Geldstrafe u. s. w. bezeichnen kann; s. Antipho de caede Herod. $.91, Lysias vuln. praemed. $. 20; wie schwer es jedoch in den einzelnen Fällen ist. objective und -Subjective Unkelherkeit zu scheiden, zeigt schon die plutarchische Stelle und mehr noch Hesiod. "Ey. 282 oder Xenoph. Oec. 14. 8: rovtovc wg irrzxcotovc nisovészac 70» xol TÄS yeıpioewg an0naovo, gleichwie anderseits Diodor. Sic. I. 78 auch eine unheilbare Leibesstrafe gvíozor ov; qoocv. nennt. 1) Apane, auch zunächst nicht sowohl subjectiv, was die Verschuldung, son- objectiv, was der angerichtete Schaden werth ist, wie noch bei Demosth. fals. legat. $.131: oxonsive toivvv ti de tipype, © tavıyy Es tyv eier, ÖSTE TOGOUTOY ned dFı0y0swv gYeivsoder: vgl. Prooem. 12: öte ovdeis và» vum Ghóyotóc lote Ow qOapgivtov Y dovver, und die Enigegenstellung der öffentlichen and Frivatcompensation bei Lysias caed. Era- tosth. $. 29: anorivew d Frosuog ýr Xo tator iyo dè to éxeivov TU ete © ev cvveyogovr, Ton d tZc nóÀeoc vónov Io slvat xvpiwtéQoY . 2. J. GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 287 Gedanken zum Vorscheine kommt, die Zukunft, sey es des Staats oder des Einzelnen, zum Maass und Grund der gegenwärtigen Strafe selbst zu machen. Wohl sind wir hier zunächst befugt, in den Strafen, womit die Gesetze ihre Übertreter bedrohen, nur die warnende Vorausverkündigung dessen zu er- blicken, was die öffentliche Wohlfahrt eintretenden Falls zu ihrer eigenen Sicherheit zu verlangen berechtigt und die sie vertretenden Beamten zu exequiren verpflichtet seyn werden, wobei für Abschreckung im eigentlichen Sinne kein weiterer Raum bleibt, als diese in jedem Rechtsverhältnisse aus der Erwägung der nothwendigen Folgen irgend welcher Rechtsverletzung hervorgeht; aber je weniger der Staat geneigt seyn kann, es darauf ankom- men zu lassen, ob solche Erwägung allein jemanden abhalte, desto näher liegt es, das Strafmaass so hoch zu greifen, dass es nicht bloss für den wirklichen Fall vergütend, sondern auch für den möglichen vorbeugend wirke 1), obgleich, wenn diese Erwartung: doch nicht erfüllt werden sollte, schon die Consequenz der allgemeinen Rechtsgleichheit nichts übrig lässt, als die ange- droheten Strafen wirklich zu vollstrecken. Wie freilich auch in dieser Hin- sicht der griechische Staat bisweilen die Folgerungen seiner Strenge selbst zu ziehen gescheut und der Furcht vor seiner Strafe die vor der Gottheit substituirt, diese zur eventuellen Vollstreckung seiner eigenen Drohung benutzt hat, zeigen die charakteristischen und keineswegs bis in die frühesten Zeiten des griechischen Rechts hinaufreichenden Beispiele der Verfluchungen, die theils geradezu an die Stelle der Poenalsanctionen öffentlicher Verordnungen ge- setzt 2), theils auch wohl den Beamten unter eigener Verantwortlichkeit aus- 1) Plat. Leg. IX, p. 852: vonuodereiv ngoxuralauıfavovra xal ansıloUvra, lav tig TOTOOG virtue, xai 0 dn or gon zc re Evena xal yevoutvov xoka- ows TiÓ£var in avroig »ónovc oc toopévoig : vgl. Demosth. Lept. $. 154 u. 158: à» voivv» toig negi Toviwv vonoıs 6 A,, qofitoóv »uragnevafur xai de]. u qe oic pahiota dv tivas WETO dme ond 100 toro- TOV TE Noel X.T. 2) Charondas bei Stob. e XLIV. 40: 30% de ne Toig elprjtévoic, tov Jè nagaßeivovıe vozov eivat ti nohtih dé : vgl. die teischen Urkunden im C. Inscr. n. 3044 und 3059: ó dè eines 5 aS r naga vovde 10v. vópiov 5 nm n“ t 10V — iy tü vouw td ölne ein xavtoc xai y&vog tò éxeivov, und mehr bei E. v. Lasaulx Studien d. class. Alterthums S.168 und Wachsmuth hell. — I, S. 446. 288 KARL FRIEDRICH HERMANN, zusprechen übertragen werden 1); um so deutlicher tritt inzwischen eben hier der Vorbeugungszweck an die Stelle der öffentlichen Interessen, die sich dabei so uneigennützig beweisen, dass sie auch die etwa zu Gelde anzuschlagenden Strafen ganz oder doch theilweise der Gottheit überlassen 2), und wenn es gewiss erlaubt ist, in dieser Form oft nur ein Mittel zur Rechtfertigung und Aufrechthaltung der öffentlichen Strenge zu sehn, so werden wir um so we- niger Bedenken tragen dürfen, diese letztere wesentlich auf den Grund voraus- gegangener Warnung oder Drohung zu beziehen. Es ist das gleichsam die Gegenforderung des Staats für die Garantie, die er seinen Bürgern durch schriftliche Gesetzgebung gegen Willkür oder Irrthum derjenigen, die mit der Sorge für die öffentliche Wohlfahrt betraut sind, leistet; je näher dem Ein- zelnen die Bekanntschaft - ei was — erheischle, gerückt, je mehr ihm die Ausrede der U hnillen war, desto weniger brauchte das Ganze der Strenge, die es für sein Bestehen äls heilsam ansah, Einhalt zu thun, und wenn es Sich einerseits durch feste Strafgesetze die Hände band, musste es sich in demselben Maasse anderseits für alle Eventualitäten decke Sparta, das den gleichen Vorbeugungszweck durch eine planmässige und fort- gesetzte Erziehung seiner Bürger zu erreichen suchte, bedurfte allerdings alles dessen nicht; dafür aber lag auch die einzige Garantie, die es jenen gewährte, in der reiflichen Überlegung, die seinen Strafgerichten durch das Herkommen eu war, und daneben hatte keine rn eine andere Kraft als a) Plut. v. Son; e. 24 zur Y yeropivov dad oi N sivove Ehaiov pnovor Ebuner, čila Ò eden Euwivoe, nei xata vOv ibayóvtor doç tov &oyovza noiodaı ngooévabev Ñ Euriveıw avrov ézaróv dgaynas eig 10. LE : vgl. C. Inscr. n. 3044: ofwveg vipovyéovzeg tiv in&pnv un monjeoy ini dvvansı „er vy inágy Eysodeı, oder n. 3562: 207 02 yvvetxovópov gov Uno 100 di uov alu pavor enevysodar Tois Ep iévovot xot: TOig nerd um TO v EU vat nui OY Vnepyóriuy ayaððv Oryow , tois d pù nerdo- pévotg pòt tais ipgpievoUootg 16vavtío: auch Isocr. Paneg. $. 157 u. s. w. 2) Xenoph. Hellen. I. 7. 20: za; idv xotuyyo007 dÓuxiiv, dnoOavóorta iç TO gabe d Enfindhrar, ta Jè olnut uvtov OrnevO vat, To q ènidizatov rue eoù svær: vgl Meier Comm. epigr. II, p. 54 und mehr bei dems. de bonis. damnatorum . p. 215; auch Demosth. Thào cH $. 14 und Macart. $. 54: dar. de uÑ) ènav eyacoy o. &pyor, OqeiÀéto vtm — led , " Hoc, mit Böckh Staatsh. I, S. 495. GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 289 die einer Absolution von der Instanz, die jederzeit wieder zurückgenommen werden konnte 1), während da, wo, wie in Athen, die Rechtskraft der ab- geurtheilten Sache ein Fundamentalsatz war 2), wirklichen Verbrechen durch desto schärfere gesetzliche Vorsichtsmaassregeln entgegengetreten werden musste. Nur soll mit allem diesem doch der Handhabung des Strafrechts, so lange und in soweit sie noch vorzugsweise in der Gewalt der. öffentlichen Magistrate blieb, im einzelnen Falle kein weiterer Zweck als der vorher erör- terle des öffentlichen Wohles untergelegt seyn, für dessen Anfoderungen ihnen jetzt nur das Gesetz wie früher die öffentliche Stimme oder. das eigene Er- messen maassgebend wurde. Urtheile man auch über das Princip was man wolle, immerhin zeigt sich ein hoher Grad logischer Consequenz in der Eigen- thümlichkeit des griechischen Rechts, dass viele Folgen widerrechtlicher Hand- lungen, die nach unserm Begriffe erst durch die richterliche Entscheidung eintreten, dort als durch die That selbst verwirkt erscheinen und es nur der Constatirung dieser bedarf, um jene sofort in Wirklichkeit zu setzen 5); auch der Verbrecher ist als solcher bereits der Schuldner des Staats für die Schätzung, die das Gesetz für seinen Fall im Voraus aufgestellt hat, und selbst die eifersüchtigste Demokratie bestritt keinem Beamten das Recht, sobald der Fall nicht an sich streitig war, eine solche Strafe kurzer Hand selbst vollziehen zu lassen *); haben wir also im Vorhergehenden die Ausübung des Strafrechts von Seiten der Beamten als einen Ausfluss des Wohlfahrtsystems 1) Plut. Apophth. Lac. p.217 B: 2gwzüvrog de zırog ovvóv, did Ti Tag negi Şa- varov dinace màÀeiogur GUERA ol yégovtec xQivovow, xav aTmoqUym TIS, Eu ovÓiv $ooóv iow Unódixog, molkais piv, Ey, Yuegaıg xo ˖.“, or "epi Sovdtov toic Otapaprávovow oUx ou eraßovisvonoder, vom ðè Unodınov dei cet slvat, Öte xara toŭtov TOV vóuov Gy sīņ xai 10 xQeivrova fov- AevcacSat. | 2) Poll. VII. 57: negeyoag?7 otov tis u) eloaywyınov elvat deyy vv diunv, 5 dg xexQuuévog N d aQerpuiévog u. r. J. 3) Aian BÀéfuc, vgl Herald. Anim. ad jus Att. et Rom. p. 208, Meier u. Schóm. att. Process S. 475, Platner Process II, S. 369, Pauly's Realencykl. I, S. 1119. Absichtlich zugefügter Schaden musste doppelt vergütet werden; dieses din lob aber galt selbst sofort als eine Schuld, auf deren Bezahlung die Klage gerichtet ward, vgl. Demosth. Aristoer. $. 28: ÓmàoUv upeilsır 0007 àv xavaAcUr. 4) Staatsalterth. F. 137 u. 139. Philol. Classe. VI. 00 290 KARL FRIEDRICH HERMANN, wahrgenommen, so werden wir letzteres auch später noch überall voraus- setzen dürfen, wo jene. für sich allein ohne Zuziehung der Volksgerichte handeln. Erst die Volksgerichte, in welchen die Demokratie in Athen ihren höch- sten Gipfel erreichte !), gewähren uns einen Schauplatz, auf welchem wir nicht nur annehmen, sondern auch nachweisen kónnen, dass die vorbeugenden Gesichtspuncte, die allerdings schon längst in der Gesetzgebung Eingang ge- funden hatten, auch auf die Ausübung des Strafrechts einen directen Einfluss übten, in welchem sich das richtende Volk nicht nur, wie es die Alten aus- drücklich bezeichnen ?), selbst als Gesetzgeber gerirte, sondern auch allen weiteren psychologischen und ethischen Consequenzen jener Gesichtspuncte ein um so freieres Feld óffnete, je mehr es in der Natur des demokratischen Prin- cips lag, allenthalben der Subjectivität so viel Rechnung zu tragen, als irgend mit der griechischen Staatsidee vereinbar war. Was Platner als Resultat seiner geistreichen Abhandlung über die Principien der platonischen Criminal- gesetze 5) aufgestellt hat, dass „ in den Strafbestimmungen, der Idee vom Staate gemäss, das Moment der Subjectivität, und also der moralischen Schätzung vorwiege, dass aber dieses Princip nicht ausschliesslich durchgeführt sey, indem auch das Princip der Schädlichkeit und Gefährlichkeit für den Staat zur Geltung gebracht werde«, lässt sich — höchstens mit verándertem Mischungs- verhältniss — eben sowohl auf die praktische Strafrechtspflege in Plato's Zeit anwenden, von der ja jene Gesetze selbst nur ein berichtigter Ausdruck seyn wollen 2 ; A so schwer es . — N einem heutigen Systematiker wer- 1) Vgl. Bergk in Verh. d. Saladhod Philol. Vers. 1846, S.40, Freese d, Partei- kampf d. Reichen u. Armen in Athen, Strals. 1848. 8, 8. 19, Grote Hist. of Greece V, p. 473, Schömann z. Verf.gesch. Athens, - Ep. 1854. 8, S. 39 fgg. 2) Lycurg. c. Leocrat. $.9: dio xal nalıora, w d»dpsg , dei unde yerdodeı uÑ vo 10) vUy dro put oc Ótxagvag alla x«i vouoóétac: vgl. Lysias b. Stob. Serm. ‚XLVI. 17: «jv avigyv yroyımv jv. d bog dor drneo vopnode- = Touvrag, und mehr in d. Abh. d. K. Gesellsch. ie 8.7 79. 3) Zeitschr. f. d. Alterth. 1844, $.673— 686. 4) Vgl. m. Abh. de vestigiis institutorum veterüm, imprimis EEE per Platonis de Legibus libros indagandis, Marb. 1836. 4, insbes. p. 44 fgg. GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 291 den mag, dieselbe auf die Einfachheit geläufiger Grundsätze zurückzuführen My so finden wir sie doch weder mit der Abschreckungs- noch mit der Besse- rungsmaxime unbekannt, obgleich diese beiden Gesichtspuncte dort allerdings nicht wie bei uns so häufig einander entgegengesetzt, sondern als Hand in Hand gehend oder sich wechselseitig ergünzend betrachtet werden. Wie die Heilung des kranken Gliedes neben dem Ganzen natürlich auch ihm selbst, so sollte sogar die Exstirpation des unheilbaren wenigstens den übrigen als Bei- spiel zu Gute kommen?) — in dieser Form legt sich die spätere Zeit noch die objectiven Consequenzen des therapeutischen Wohlfahrtsprineips für ihren subjectiv sittlichen Maassstab zurecht und beruhigt sich selbst über die augen- blicklichen Härten des letzteren durch die Betrachtung des Nutzens für die Zukunft, den dasselbe doch jedenfalls vor dem bloss auf das Geschehene blickenden Vergeltungsgrundsatze voraus habe: „denn ungeschehen «, sagt Protagoras bei Plato 5), „kann man das Vergangene doch nicht machen; die 1) Ausser Plainer S. 676 vgl. insbes. Veder l. c. p. 54: quemnam sibi veteres poe- narum [inem proposuerint, frustra quaereres; modo malum malo referendi stu- dium, modo absterrendi consilium, modo alius quilibet poenarum finis insuper observatur, ita ut certus nulla ratione constitui — auch Welcker d. letzten Gründe v. Recht, Staat u. Strafe S. 396. 439. . 2) Plat. Gorg. p. 525: nooonası Ób navt) TQ èv 21% ovrı un’ &ÀÀov copac TeuwgovuEero 9 I Bekriove yiyveodut xoi ovivaodaı 7 nagedeiynarı toig &hhorg Hyvertur, rr akkoı OpuUvtec nuoyovta G Gv non poßovuevoı Peitiovs yiyvavtat : vgl. p. 480 und Leg. IX, p. 862 E: wç ovre avtoic čte ÜZv apeivov 20 TE Mos av Ómàg wpeloien anallurronevo: vov iov, mopaderyua uiv toù n adıneiv Toig &ÀÀoig ] eur, noürres d avÓQOv E. ruo» tùy nólww: auch Seneca de ira I. 16, Gell. N. Att. VI. 14 u.s. w. 3) Plat. Protag. p.324: ovó:c rag zolalsı toùe adınouvrag ngos TOUTO tov vovv &yov xal TOUTOU vexa, OTL Vdixnoev, OOTES um conto Onoiov Bloylosuc Tıuwgeitar’ 0 d uera Aóyov en eig v aold ge où TOU stageAyAvSóvoc vena aO natoc ruft ra — o rag dv s yë no«yiv áyévytov dein — alla TOU tue Ae yáw, iva mm avc adinon nihte aUTÓc oUTOG ute &hloç ö rob ros idow xoÀecOérvra* xat torwvryv dıavomr Éyoy , varese elvat dpstzv' anoTgonjs yo £vexa solita: vgl die platonischen Gesetz selbst IX, p. 854 D und XI, P- 934 A: ovy Evene tov zaxovoyňour didove viv diunv, oU ydo 10 yeyovoc dyévitov otat noté, Tod d sig vOv. aue Even xeövor 4j TO mapinav ju0Ecu: viv adıniav avtor 1 5 Aopyoaı ue nohia vc voruveng Evppogas. = 0 292 KARL FRIEDRICH HERMANN, vernunftgemässe Strafe fasst also vielmehr die Zukunft in's Auge, damit weder der Bestrafte selbst wieder sündige, noch ein anderer, der seine Bestrafung sieht.« Auch bei den Rednern des attischen Forums fehlt es nicht an Auffo- derungen an die Richter, durch Strenge gegen einen Angeklagten zugleich ein Exempel für Andere zu statuiren 1); es ist eine beliebte Abwehr der Berufung auf Fälle früherer Milde, dass man damals gerade hätte strenger seyn sollen, um die Wiederkehr ähnlicher Contraventionen zu verhüten 2); — und wenn sich voraussetzen lässt, dass die Richter bei ihren Sprüchen ähn- liche Rücksichten nahmen, so kann man immerhin für solche Fälle, wo die Abschätzung des Vergehens nach der bekannten Formel 21 X nagew 4 amorioa: in das Ermessen der Geschworenen gelegt ward 5), gerade von der Praxis keines der psychologischen Motive ausschliessen, die von der Theorie erst allmählich zu systematischer Consequenz entwickelt worden sind. Ob und welche Motive dieser Art jedoch auch die Strafgesetzgebung als solche noch über das oben geschilderte Maass hinaus leiteten, ist schwer zu ent- scheiden *); und am wenigsten wird man, wie ich schon bei einer früheren 1) Demosth. F. Legat. $. 101..343; Mid. §. 76. 227; vgl. Dinarch. Demosth. $. 60: iva qavtýs tvyov týs Eis napgadeypa viv Toig d Ao: auch Lycurg. Leocrat, $. 10 und Lysias Alcibiad. I, $. 12: K uiv 45 ýy ovut ot dg Up ov uóvoy TWV i&apagzavorzuv vena, d iva xal touc &AÀoVG TY» azo- opnovvioy 00900yt0tío0UVG NOTE . . WOTE tovto negadeiynanı 100 ẽ 0. Her ioue Eoovaaı. 2). Demosth. Androt. 8.71 ono sion el tig bxeistos moro, ov Mri oùz av &yoeVac, oute dv OU vo» diunv dus, dog où yocwer: vgl. Aristocr. $. 99 mit Quintilian, V. 14 oder Gell X. 19; auch Mid. S. 37: sis rag oùz older vd, toù uiv nokka Towüra yiyveodaı To um noháčeoðar TOV i$anaorá- vovzag altıov öv, tov Ò? tue vd Ufo/bsv 10 Aoınov To diunv tov de Aypssvra, Y ngooqxei, Ótdóvat prov eitıov dv yevogtevoy ; à 3 Arores 11 : vgl. Staatsalterth. $. 143, n. 7 fgg. ee So urtheilt auch Wachsmuth II, S. 139: „die Ansicht, dass über Verbrecher $i des Beispiels halber und zur Alschrockung 88 veva) und Besserung Strafe zu verhängen sey, wird von Plato und von Lysias angedeutet, bestand aber wohl in keinem Staate“ — jedenfalls richtiger als das folgende: „so auch nicht die, dass ein Verbrecher unschädlich zu machen und ausser Stande zu setzen pes bösem Sinne zu folgen“, was er ohnehin sogleich dahin modificirt: „wenn man nicht im solonischen * Spuren davon ſinden will“! Ay GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 293 Gelegenheit bemerkt habe 1), eine Abschreckungstheorie für dieselbe aus der Furcht ableiten dürfen, die der Grieche allerdings häufig als Grund seines Gehorsams gegen die Gesetze anführt. , Denn diese Furcht gilt wesentlich der Heiligkeit des Gesetzes selbst und den thatsächlichen Folgen seiner Über- tretung, ohne dass sie durch ausdrückliche Drohungen oder Warnungen erst geweckt zu werden brauchte: es ist die natürliche Scheu des sittlichen Instinets vor der öffentlichen Auctorität, und wo uns ja statt dieser eine positive, künstlich hervorgebrachte begegnete, würde sie nur als Folge einer Demo- ralisation zu betrachten seyn, die wir wenigstens nicht als selbstverstanden vorauszuselzen berechtigt sind. Ja selbst wo. die menschliche Selbstsucht unter den Zielpuneten aufgeführt wird, worauf die Gesetzgebung durch ihre Drohungen zu wirken suche, betont Xenophon in einer sehr charakteristischen Stelle 2) mehr die Absicht der Gesetzgeber, die Nachtheile, welche der Ver- brecher aus einer ungesetzlichen Handlung zu erwarten habe, über die etwaigen Vortheile derselben als überwiegend erscheinen zu lassen, und berechtigt uns dadurch auch die Poenalsanctionen fortwährend mehr als Ausdruck der that- süchlichen Folgen zu betrachten, welche irgend ein Vergehen seiner Natur nach für die Stellung des Thäters im Staate und diesem gegenüber haben musste, wobei jedenfalls die Gesetzgebung nicht aufhört, vielmehr das Ganze als den Einzelnen vor Schaden und Gefahr sichern zu sollen. Was ferner das Besserungsprincip betrifft, so bleibt sich der Redner, der als der haupt- sächlichste Vertreter desselben gelten kann, selbst nicht gleich: während er an einer Stelle 5) den Gesetzen die Absicht beilegt, vor dem Unrechte zu 1) S. Abh. d. K. Gesellsch. IV, S. 32, insbes. Thuc. II, 37: «a ant ou du deog ict hiora où napavopoUuev vd» ve del iv doyý Ovvov axpodosı xal tüv vópoy, und mehr in Act. Societ. Gr. Lips. I, p. 9; das ist aber eine ganz andere Furcht als die bei Diodor. I. 78 oder V. T1 mit der vrjiepíe verknüpfte. 2) Oec. 14. 5: pipers ydo Smuovodar ènt voig wAéppioot xal dedkodaı, iv ` Tig GÀO TtOLOV , nal Hararovodaı Tovg Enıyegovvrac* ono 0U» , Eph, Oti Eyoayov avte fovAopevor akvarrein Qu toic adixoig vZv aioypoxégdetay ; und das nennt Xenophon Óeirat noAlovg vOv» vópwv èni dixatoovvz! 3) Demosthenes (oder wer sonst der Verfasser sey) adv. Aristogit. I, S. 17: óvoiv y&o övıow, d ar does > A9yvaior, àv vena nüvrss viOcvvar ol vöpioı, toU te unde pyòèv 6 qu) dis, dor. moir, xal ToU TOUS oaio rabtu nohağopëvovs Bshriovg tovg dle now sx. r. 4. 294 KARL FRIEDRICH HERMANN, warnen und durch Bestrafung des Unrechthandelnden Andere zu bessern , kehrt er wenige Seiten später 1) vielmehr das Motiv der Furcht hervor, die den Menschen zum Rechtthun bestimmen solle, während die Strafe den Verbrecher selbst zu witzigen bezwecke, und bestätigt damit jedenfalls die obige Be- merkung, dass Besserungs- und Abschreckungszwecke in den Augen des Alterthums einander nicht ausschlossen, sondern vielmehr durehdrangen und kreuzten, ohne jedoch eben darum zu voller Klarheit principiellen Bewusstseyns zu gelangen. Im günstigsten Falle kam man nicht über die Berufung an den menschlichen Egoismus hinaus, wie sie in der Gegenüberstellung der Vortheile und Nachtheile eines gesetzmässigen und ungesetzmässigen Verhaltens lag; gerade dieser Gesichtspunct aber wies auch den Staat wieder auf seinen eigenen Vortheil als obersten Maassstab zurück, und weit entfernt die Gesetz- gebung mit umgestaltenden Einflüssen zu durchdringen, konnten selbst die psychologischen Gesichtspuncte ihrer Anwendung im Einzelnen unter diesen Umständen nur der gleichen staatsklugen Vorbeugungsmaxime anheimfallen, wie wir sie oben aus jener haben hervorgehn sehn: — Volksgerichte , deren ganze Berechtigung eben nur auf der ideellen Identität mit dem Staatsganzen selbst beruhete, konnten sich bei aller Schranke, die ihrer Subjeetivität durch den Eid gesetzt war, doch der überwiegenden Berücksichtigung dieses Ganzen und seiner Interessen unmöglich entschlagen 2); und das meiste, was den Schein einer Abschreckungs- oder Besserungsabsicht tragen könnte, wird sich bei näherer Betrachtung wieder nur auf den Gesichtspunct zurückführen las- sen, den Beklagten für die Zukunſt unschädlich zu machen. Auch die Mittel, welche dazu in Bewegung gesetzt werden, wird man in der Regel viel zu mechanisch finden, um ihnen eine tiefere ethische Bedeulung beimessen zu I) Das. S. 93: r uiv GÀÀlow dvOQuncv čv trc idot tovc piv Beitiorovg zat- luer ot r oe oth 17 Pvosı náwte nor Urrac Enovzag & dei, tovc de xelgovs ue 1oUrov, £f dè oU movmgovg &yav Al. Tu Q6fw Ta MOOS ide na TO toig wioygois ual Aéyoic xal oveidenıv dÀyeiv svAefovpuévove tougo- Tavem re dè novyoorátovg xci tove ètuyiótove orvopetopérvovc Tag ye 9Unqgoodc owpgoViLev Ayyovou. 2) Xenoph. Rep. Ath. I. 13: » d toic dizuotyoiore 09 Ton dınalov he piles p&àÀov Ñ ToU evtoic ovp qégovtoc: vgl. Isocr. adv. Callim. F. 10. 36, de permut. $. 20 fgg. und mehr bei Rötscher Aristoph. u. s. Zeitalter S. 141. GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 295 wollen, und namentlich für den Abschreckungszweck fehlt der griechischen Strafjustiz nicht weniger als alles, was auf die Sinne wirken oder auch nur . durch Consequenz der Ausführung eine nachhaltige Furcht vor der Strafe er- zeugen könnte; Besserung aber wird einfach dadurch erzielt, dass man dem Menschen die Mittel nimmt, hinfort wieder zu sündigen; und nach allem diesem wird der wissenschaftliche Betrachter immerhin auf seiner Hut seyn müssen, um nicht, sey es für die Gesetzgebung des classischen Griechenlands als solche, sey es für die praktische Strafrechtspflege aus vereinzelten Äusse- rungen gebildeter und denkender Schriftsteller Schlüsse zu ziehen, die selbst hin und wieder mit anderen Ausserungen derselben Zeugen, geschweige denn mit den Strafmitteln und ihrer Anwendung im griechischen Volksleben in viel- fachen Contrast treten würden. Denn um nun gleichsam als Gegenprobe auf das ilm auch die con- crete Ausübung des Strafrechts nach ihren hauptsächlichsten Äusserungen zu verfolgen, so werden wir, wenn gleich im Ganzen 1) dieselben Strafarten wie in spüterer und heutiger Zeit, doch im Einzelnen bedeutende Abweichungen von dem finden, was die neuere Zeit aus ihren Theorien für dieselben abge- leitet hat. Namentlich ist es sogleich hinsichtlich der schwersten derselben, der Todesstrafe, sehr bemerkenswerth, dass sie, weit entfernt mit der stei- genden Cultur in Griechenland abzunehmen, vielmehr an Umfang und Aner- kennung gewinnt und auch auf dem höchsten Gipfel griechischer Humanität nicht der leiseste Zweifel an ihrer Rechtsbeständigkeit und Angemessenheit auftaucht. An einer einzigen Stelle findet sich bei Euripides?) in Form einer 1) Octo genera poenarum, sagt Augustin Civ. dei XXI, 11, in legibus esse scribit Tullius, damnum, vincula, verbera, talionem, ignominiam, exilium, mortem, ser- vitutem, wovon nur die letztgenannte aus unserer Darstellung ganz wegfallen kann, weil sie in Griechenland wenigstens mehr staats- als strafrechtlicher Art ist und abgesehn von der rein privatrechtlichen Schuldknechtschaft (s. unten S. 311 not. 2) lediglich gegen Nichtbürger in Anwendung kommt, vgl. Privatalt. $.57 n.13 fgg. und mehr bei Meier Bon. damnat. p. 24 — 96 und Wachsmuth hell. Alterth. II, S. 214. Über ein — Beispiel des Gegama; s. 3 S. 305 not. 4. 2) Orest. 512: zalog 0 Tavre e oi adios s eden ri 00t0U», avranoxzeivew d nu. 296 KARL FRIEDRICH HERMANN, historischen Notiz der Gedanke, dass es weise von den Vorfahren gewesen . sey, statt der Todesstrafe die Verbannung zu verhüngen; und auch dieses im Grunde nur in Beziehung auf die Blutrache, der sonst kein Ende abzusehen seyn würde; — sobald der Staat die Bestrafung des Todtschlags in seine Hand nimmt, kann derselbe nicht gelinder als Hochverrath und Sacrileg ange- sehen würden!), für deren peinliche Verfolgung schon oben die ältesten Ge- sichtspuncte aufgestellt sind; und weit entfernt jene Vorstellung als eine allgemeine zu theilen, schliesst ein anderer Zeuge, Pausanias, ursprünglich nicht einmal den Fall der Nothwehr von der blutigen Vergeltung aus 2). Alternativ stellt freilich auch dieser das Exil noch daneben, wie es denn eine bekannte Thatsache ist, dass letzteres im ganzen Alterthume als bürgerlicher Tod der physischen Todesstrafe gleich geachtet ward 5); aber gerade dieses ist dem ursprünglichen Gesichtspuncte nach nur eine Folge geringerer Huma- nität, die ausserhalb der eigenen Heimath nichts als Recht- und Schutzlosigkeit kennt, während die steigende Cultur, vor der die Schrecknisse der Fremde verschwanden, sich nicht veranlasst sehn konnte, jenes Surrogat weiter aus- zudehnen, als es im alten Herkommen begründet lag; und so gelangen wir zuletzt auf den wenn gleich paradoxen doch durch concrete Zeugnisse aus Thracien *) und Ägypten 5) bestätigten Satz, dass der ‚Nichtgebrauch der 1) Antpho de caede Herod. $.10: paoi Dè aÙ 10 Te anoxzeivsyv piya Ehe sirar, nai éyà onoloym péyioróv ys* wol 10 isooovieiv xai tò noodıdavau v5v nolıy: vgl oben S. 274 not. 1 und wenigstens theilweise auch Wachsmuth de poenae capitis apud gentes Europaeas adolescentes sancitae causis, Lips. 1839. 4, p. 5 —&, wenn ich gleich diesem nicht in allen Subtilitäten folgen kann. 2) Paus. I. 28. 10: mgöregov de ngiv 7 Onosdg dpeidn nadsıoıyaa nàot psvyeıv x1élyavta Di xaT tovt ÜvrOZéV pévovig. 3) Vgl. Staatsalterth. S. 9 n. 16 und über das attische Blutrecht insbes. $. 105 n. 17, über die veründerte Ansicht der gend Zeit von seinen Nachihoien aber bereits Isocr. de bigis §. 4 " Demosth. Aristoer. S. 169: ovx övroe vontpnov n OE een unoxtıy- „at vgl. Wachsmuth Alterth. II, S. 120. 5 Von dem Aethiopier Sabakon rühmt Diodor. I. 61: «7e niv o Enteineiac toU v0 "iG v TéXpQLOV to Tor vont oy nooti pov &Q«t TO péyiotov, 4 dè? v$v vov (jv orégyo:v' avti ydg toù Javatov 0 auradınaodivrag $vayxage Asırovgyeiv Tais noAsoı ÓeÓsuévovg: was aber für aligriechische Begriffe nur ein zweideutiger Tausch gewesen seyn dürfte. GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME, 297 Todesstrafe weit leichter bei einem minder cultivirten Barbarenvolke als bei den Griechen der classischen Zeit Platz griff. Dass das athenische Schätzungs- verfahren, das ganz als ein Markten des Angeklagten mit dem Ankläger und dem Staate selbst um den Strafwerth seines Vergehens erscheint, auch directe Anträge und diesen entsprechende Erkenntnisse auf Verbannung als solche zuliess, steht allerdings nicht zu bezweifeln 1); inzwischen würde man sehr irren, wenn man jedes Beispiel von Exil in Griechenland — natürlich vom 8 und ähnlichen politischen Maassregeln abgesehn, die ausdrücklich von den Criminalstrafen unterschieden werden 2) — von einer positiven Ver- urtheilung ableiten und nicht vielmehr mindestens eben so häufig unter dem Gesichtspuncte auffassen wollte, dass dem thatsüchlich Ausgetretenen die Rück- kehr in die Heimath bei Todesstrafe untersagt war. Dass letztere bei unbe- fugter Rückkehr eines Exulanten sofort und ohne weitere Procedur auf blosse Anzeige eintrat, ist gewiss 5); ebenso dass jedes Exil, mit Ausnahme der unfreiwilligen Todischläger, deren zeitweilige Entfernungen aber auch mehr unter den Gesichtspunet der Sühne als der Strafe fallen +), im Prineipe lebens- 1) Vgl. namentlich Plat. Apol. Socr. p. 37: «llà ð) gvyZe ẽ “ZG (occ yao dv pot tovtov Tınyoaıre, und Ähnliches unten S. 312. not.2; wenn aber darum Cicero pro Caecin. c. 34 unter den ceteris civitatibus, bei lens — im Ge- gensatze mit Rom — maleficia exilio multantur, griechische verstanden hat, so ist wenigstens das, was er dort als rómischen Grundsatz aufstellt: exilium enim non supplicium " sed perfugium gorfünguo supplicii, nichts anderes als was auch Demosth. Aristocr. $.39 sagt: 5 nova Aon? toig CTUJOUOLY &na0t 00v1yoia goriv ix the de mwenovÓOtwy petraotavta sig tyv töv undiv rÓnyuivov d de? Abel y, und der einzige Unterschied zwischen beiden Rechten liegt nur darin, dass der römische ezul allerdings seine civitas noch so lange behält, bis er die einer andern Stadt erwirbt, während der griechische ipso jure rechtlos wird. SE à 2) Plutarch. V. Themist. 22: 464«ou yao ovx $v 6 00tQuxtOuóc, &ÀÀa nagauvdie qOovov . T. J., vgl. Meier Bon. damnat. p. 98 und m: Staatsalt. 8. 66 u 130. 3) Lysias c. Andoc. s. 15: eUvóc pv yug xatd ToUg vOpove tovs di 'Aosiov syov qevsevat Tv Tod adınydevrog nohır, xol gav nariy, ivderyOslg Qavato Inniwdnostar: vgl. Suid. s. v. det Bee und Platner Process I, S. 268 fgg. 4) Demosth. Aristoer. S. 45: sov en &x0UOiq qóvo Apes lis cotyxotoy: vo Tovso oiov; ; TØ 16 éelyiv9ovov ens xol ph qsvyovvov, xai zo diopileıv, àv TE yoyuovo nitua’ TOV yàp èx ngovoiag dedihieuruι, và. Óvva. Hist.-Philol. Classe. VI. 298 KARL FRIEDRICH HERMANN, länglich und desshalb eben so wohl wie die Todesstrafe mit Vermögensein- ziehung verknüpft war 1); und um diesen Zustand als rechtlich eingetreten zu bezeichnen, bedurfte es allerdings einer Erklärung der souverainen Staatsge- walt; eines bleibt dafür ob aber die damit verknüpfte Entfernung des Betroffenen erst die Folge richterlichen Spruchs oder eine bereits vorausgegangene Thatsache ist, in den einzelnen Fällen bei der unbestimmten Allgemeinheit der üblichen Ausdrücke schwer zu entscheiden 2), und die einzige directe Urkunde, die wir für einen solchen Spruch besitzen, kann mindestens eben so wohl auf die Verewigung einer selbstgewählten Verbannung als auf die zwangsweise Anordnung einer solchen bezogen werden 5). Zwischen einem "" 3) Vgl. Lysias c. Simon. S. 38: «ig vor rov dyava xudeoıyna, Ev d xal egi vic tat doe xci tZc ovoiac TZc duavıod nagys xivÓvvevo: und de olea $.32: oùt àv nepi guys oUv av negi tie dine ovoloac zyovitopv: insbes. aber auch Demosth. Mid. $. 43: robe piv e ngovolag anoxvivvUrtag ovato xal deigvyía xol Ónuevoet 202 vnegyovtov Emuıodor, mit Poll. VIII. 99: molytol nıngaoxovar . . xo] Tag rh iE "Agsiov ndyov tler TOV mnootsgov Àoyov qvyóvrov ovoíac, woraus jedoch nicht mit Wachsmuth II „S. 216 zu folgern ist, dass die Güter bei wirklicher Hinrichtung nicht eingezogen wurden; denn bei dieser begriff der Urtheilspruch wohl die Öntevorg Schon von selbst. So Zz. B. Xenoph. Hell. II. 4. 14: & ovo enıdnuovvreg Epvyadsvousde, woraus deutlich hervorgeht, dass yuyudsvsır, puvyada norsiv, vielleicht selbst &xßallsıy keineswegs immer die Anwesenheit des zu Verbannenden anzeigt, sondern nur die Erklärung. ausdrückt, dass jemand als gvyac angesehn werden sole; konnte ja doch selbst ein Fremder in ähnlicher Form geächtet werden, wie Arthmios von Zeleia nach Dinarch. Aristog. $.25: xai poro tovto ngoc- fyonvav trjv aizíav de zv ò dipos ebe ge avtov ix 2 „e , yoa- warıss dıagendnv . . . noliuiov slvai 100 Óyuov xol và» ovuudyav avrov xai yévog xal qevyetv AFývac . 2. J., vgl. Spengel in Abhh. d. Bayr. Akad. 1840 philol. Cl. III, S. 198 — 206. Es ist dieses die Inschrift von Amphipolis im C. Inser. n. 2008 und vollständiger bei Sauppe Inscr. Maced. p.20: éjo&e zu juu OiAnvo nal ZtgatoxAéo geben " Anginoliv xal tv yiv vOv "Áunqunolnéor aeiquyinv. nal avzov wei totg naldeg xci Zh nov GÀigxovcat noys GUTOUC Og nolsttiovg xal v5notyeh zedvavaı, và d yoruar avrav nuoc slvat x. 1. J. — zugleich ein Beweis, dass dergleichen auch durch Volksbeschluss, nicht bloss durch Richterspruch verhängt zu werden pflegte: vgl. auch Demosth. adv. Boeotum de dote $. 32. ne GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 299 derartigen Spruche und einem eigentlichen Contumacialurtheile bleibt dabei immer noch der Unterschied, dass letzteres auch das Ausbleiben des Ange- klagten zur Verhandlung, ersterer nur die Abwesenheit desselben zur Bestrafung voraussetzt, weshalb dagegen auch kein Restitutionsverfahren möglich war 1); dagegen mag ein solches Verbannungsurtheil oft genug auch in Form einer öffentlichen Proscription erlassen und wie die Contumacialurtheile auf eine Säule oder dgl. verzeichnet worden seyn 2), wenn auch nicht um den Be- troffenen zu warnen, doch um alle Bürger darauf aufmerksam zu machen, dass ihm das Betreten des vaterländischen Bodens unter dem erwähnten Rechts- nachtheile verboten sey. Nur ausserhalb der Heimath beschützte wenigstens die Humanität des attischen Blutrechts selbst noch den verbannten Mörder in sofern, als seine Tödtung, wofern er sich nur der grösseren Versammlungsorte enthielt, wo er mit früheren Mitbürgern zusammen zu treffen erwarten konnte, fortwährend der eines Atheners gleichgeschätzt ward 3); doch finden sich eben so wohl auch Fälle, wo die Rache Flüchtlingen oder Verbrechern selbst die Zufluchtstätten bei fremden Staaten verkümmert ^), so wie es anderseits natürlich ganz in der Macht der leiztern stand, ob sie einem Verbannten bei sich ein Asyl gewähren oder ihm den Aufenthalt, bisweilen selbst wieder mit öffentlicher Verkündigung, verweigern wollten 5). Jedenfalls ist die Verbannung 1) Poll. VIII. 61: vgl. Platner Process I, S. 396. 2) Wie in dem erwähnten Vélkélioscllnise von Amphipolis: rove dè dee avayoúwat avrovg èç oryAyv Aı$ivyv: vgl. Andocid. de myster. S. 78: ónóoa iv o1yÀAcig yeyganızar 10v uY évOuÓs cel ro, und mehr bei J. T. Krebs de Stelitis Atheniensium, Opusc. p. 43; Lelyveld de infamia jure Attico, Amstel. 1835. 8, p.26; Funkhaenel in Zeitschr. f. Alterth. 1841, S. 305 — 313. 3) Sees Aristocr. $.37: gy de 718 10v dvdgogóvov »reivy 7 alto 7 qóvov, ———— dyocds igopíag xai «Flwv xal iegov "Anqızıvorınav, Gone „ "Adnvaiov wvsivavta iv toic avroig Eveysodar. 4) wer noriv, Demosth. Aristocr. $. 16, welchem dann . 42 als Correlat £xdotov sivo: entspricht: vgl Mätzner ad Lycurg. Leocr. p. 185 und das ähn- liche Beispiel bei Plutarch. V. Lyeurg. c. 27: Aunedaıövıo dé . . EW , tovs Qevyortag èE "Adıvav d dywyipovg elvat navınyoder, ine 0i tove èviotapévovg voie &yovor. 5) 'Exxyovstaiv, Diog. L. II. 43; vgl. Aeschin. Ctesiph. $. 258, Ath. XIII. 92, und insbes. auch Plat. Apol. Socr. p. 37: &2Àgv è die nolswg önußonirg xat ètelavvopivo v. Pp 2 300 KARL FRIEDRICH HERMANN, unter allen Umständen ein ganz rechtloser Zustand, der aber eben desshalb nur als ein thatsächlicher betrachtet werden kann und jedes positiven Merk- mals eines bestimmten Strafübels entbehrt; selbst wo sie auf Antrag des Verurtheillen von der Richtergewalt verhängt wird, trägt sie mehr den Cha- rakter eines wechselseitigen Verzichtes dieser auf die volle Strenge ihres Rechts wie jenes auf den Fortbesitz des seinigen , und da es eben so wohl in der Gewalt des letztern steht, sich ihrer Vortheile zu begeben, als der ersteren, sie zu verweigern, so kann sie immerhin nur als eine Modification der Todesstrafe angesehen werden, deren wirkliches Eintreten selbst auch später weit mehr von zufälligen und concreten Gesichtspuncten als von einer veränderten Rechtsanschauung abhing. Dazu kommen dann in der späteren Zeit die so eben entwickelten Wohl- fahrts- oder Vorbeugungsmaximen, die zwar den Unschuldigen den vollen Schutz, denjenigen aber, der gleichsam in die Schuld des Staats gerieth, auch die volle Strenge der Gesetze empfinden liessen !): der Tod ist die sicherste Weise), einen Menschen unschädlich zu machen; und weit entfernt ein gerechtes Verhältniss zwischen Schuld und Sühne abzuwägen, sehn wir die Redner der Höhezeit altischer Cultur selbst vor Gericht die Todesstrafe nur aus dem Gesichtspuncte der Staatsraison empfehlen ?), geschweige denn dass es jeman- den eingefallen wäre, an den unmittelbaren Ausbrüchen der Volksrache gegen Hochverräther oder Unterdrücker Anstoss zu nehmen. Um so weniger aber darf mit der Anwendung der Todesstrafe als solcher das Raffinement einer 1) Den steigenden Gebrauch der Todesstrafe in Griechenland aus dem Gesichts- puncte der Vorbeugung bezeugt eine merkwürdige Stelle bei Thucyd. III. 45: ev o tais nolsoı stollüv Havdrov Sie ngoneser xal oUx oww de «Aid dlecoóve» dc .d t . . . ène dıisgeinivdn0i ye dia naor Gv rjv oi áyOponor noootiüévtéc, ei noc $000» udınoivzo úno TOV HEROVO- yov’ nal einog tò nálet Toy Err dórznátov paloxotiQug nc rag, napaßaivonerav q TO 1 ic tóv Óüvotov ai nolle} d XOUOL : vgl. Wachsmuth poen. capit. p.12, der dafür direct auf Zaleukos hinweist. zug) Demosth. Mid. $: 142: e ydo vyAixovtóc vig orv dote toiaðta norw dvraodeı na? Eva Íxa0toy NH dnootsgeiv TOU inyo nag avrod zuyeiv, nowy vuv, imei nep ju ad Unio dn, Lori vipeQmtéog ws ui O9 póc Tj mohıreig: vgl S. 201 fgg., auch F. legat. S. 15, 101, Aristog. I, $.92, und mehr oben S. 292 not. 1. di GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 301 Abschreckungstheorie in positio bewusste Verbindung gebracht werden; der gerichtliche Pomp öffentlicher Hinrichtung ist dem griechischen Alterthume ganz fremd, und nur die formlose improvisirte Bestrafung eines Gegenstands des öffentlichen Hasses nimmt zugleich den Charakter eines Volkschauspiels an, der sonst weder bei gemeinen Verbrechern, denen, wie oben bemerkt, ge- wöhnlich schon von den Beamten selbst kurzer Process gemacht ward, noch bei solchen, welche die Volksgerichte mit der Capitalstrafe belegten, vorkommt. Letztere tranken in der Regel den Giftbecher im Gefängnisse +), oder wurden auch wohl daselbst erdrosselt?); erstere wurden dem Scharfrichter 5) über- antwortet, der sie in seiner Wohnung ausserhalb der Stadt abthat, in Athen, wie es scheint, gewöhnlich mit der Keule ^), anderswo auch mit dem Strange oder Schwerte 5), wie letzteres z. B. von Massilia bekannt ist 6); oder sie wurden auch wohl lebendig in die neben dem Hause befindliche Grube ge- 1) Cicuta publica Atheniensium poena, Plin. N. Hist. XXV. 95; vgl. Staatsalterth. $. 139 n. 9, Privatalterth. $. 72 n. 14, und von einzelnen Beispielen ausser Sokrates má Phokion auch Prodikos vei Suidas III, p. 178 und Philopoemen in Messene, Plutarch. c. 20. 2) Xrgayyay, Plut. V. Agid. c. 20; vgl. Valcken. diatr. Eurip. p. 284. 3) Armıog, S. Strabo VI. I. 6, und mehr bei Periz. ad Ael. V. Hist. XII. 49 und Lobeck ad Phrynich. p. 476; euphemistisch auch xorvoc (Phot. Bibl. p. 535) oder óguóxoryoc, Antiph. de venef. $. 20, we éfo noÀsoe zaroızwr, Poll. Onom. IX. 10, vgl. Plat. Republ. IV, p. 439 und über den EN insbes. Bekk. Anócd. p. 28. 10: nen Ò’ àv wuvópoxrovein xci t tav Önniav eu,, Hu, 2v ole tovs töv dnıdavarav naradızuodevrag xoroyoovtar. 4) Lysias Agorat, S. 56: uvevov ðıxaiws zatayypioduevo tö Öyuiw stagedód xal anstvunevicdy: vgl. das. $.67, auch Demosth. F. Legat. S. 137 und Aristot. Rhetor. II. 6. 27 mit Schol Aristoph. Plut. 476 oder Bekk. Anecd. p.198. 20: &nowpstavicar: 70 Tvundrp anoxreivar, One sor Vov wonsg ,]. 5) Poll. VIII. 71: ó de nugulanfavaov tove dveigovuévovc xalsmar dj ſitos, önnönoıwos, ò sgg Tu Opvyport, zul va doyalsia avroð Eíqoc, Dooyoc, ruh. , pe vgl. Zenob. Prov. VI. 11 oder Paroemiogr. Gott. I, p. 164 u, 454: ôte të natayıivmgzopivw r Beos, wovsiov, und über den Strang insbes. Plut. V. Themist. c. 22, über das Schwert Max. Tyr. XXV. 3; auch Manetho Apotelesm. I. 315 oder Iv. 485. 6) Valer. Maxim. II. 6. 7: ceterum a condita urbe gladius est ibi, quo noxii jugu- lantur, rubigine quidem exesus et viz sufficiens ministerio, sed index in mini- mis quoque rebus omnia antiquae consuetudinis monumenta servanda. 302 KARL FRIEDRICH HERMANN, stürzt, die jedenfalls zur Aufnahme der hingerichteten Leichname bestimmt war 1). Von sonstigen Todesarten begegnen uns Säcken oder Ertränken, Verbrennen und von Felsen Herunterstürzen als übliche Strafe nur für Tempel- rüuber oder Heiligthumschänder 2), obgleich sie als ausserordentliche Grau- samkeit theils von Tyrannen, theils zur Vergeltung gegen solche auch ander- weit in Anwendung gebracht worden seyn mögen 3); das Erschiessen mit Pfeilen aber fällt in die Kategorie der Steinigung, die ja auch oben vielmehr als naturwüchsige Ausübung der Rache eines Volkes oder Heeres dargestellt worden ist ); und so bleibt als eigentliche Abschreckungstrafe höchstens die Pfählung oder Kreuzigung übrig, von der wir jedoch mit Sicherheit annehmen können, dass die Griechen sie erst verhältnissmässig spät aus dem Oriente kennen gelernt und auch dann mehr gegen Sclaven, Strassenräuber und son- stige ausser dem Gesetze stehende Personen —- wohin freilich auch Tyrannen und ihres Gleichen gehören — angewendet haben 5). Solche wurden dann wohl zugleich vor der Hinrichtung noch gemartert, nicht wie sonst die An- 1) Bekk. Anecd. p. 219: Suoadgo» 'AO5vyow hv óovypd tı. . siç © tovc en! Baváte nutuyvwoðivtug ,es, ponso oi Aursdurnoreor eig tov Kadar: vgl. Lelyveld de n jure Attico p. 49 und mehr Staatsalt. $. 144 n. 8 und Privatalt. $. 72. 2) " de provid. U, 28: quod lez erat statuta, sacrilegum aut dari praecipitem aut demergi aut cremari: vgl. Privatalt. $. 72 n. 25 —28 und die gagımxoi oder Sühnopfer der attischen und sonstigen ionischen Thargelien, die, obgleich meistentheils ohnehin todeswürdige Verbrecher, doch nur um desswillen gerade vom Felsen gestürzt oder verbrannt wurden, weil sie zugleich den Zorn der Götter auf sich nehmen sollten; s. Gottesd. Alterth. S. 60 n.17— 19 und mehr bei Suchier Victim. hum. p.38 und Mercklin a. a. O. S. 62 fgg. 3) Freilich auch im Grunde nur unter dem Gesichtspuncte »aragaro, und Zvayeig zu seyn; s. Plutarch. phil. c. princip. c.3 und was sonst Privatalt. $.72 n. 9 und oben S. 275 not. 2 citirt ist; wie nahe sich jedoch Sühngebräuche und Ausbrüche der Volkswuth wenigstens in ihren Mitteln berühren, zeigt die Lustration durch Steinigung in Abdera bei Ovid. Ibis 465, die nur Mercklin nicht hütte auf jedes Vorkommen dieser Todesart sisdehand: sollen. 4) Kotaxovrigev, Diodor. XVI. 31, Paus. X. 2, Arrian HI. 26, in welchem letz- teren Falle sogar Curtius VI. exir. geradezu — substituirt. 5) Ioooyiovw Demosth. Mid. $. 105, avaoyıydvleüsır, Plat. Republ. II, p. 362, cv«ctavgor» Diodor. XIV. 53; vgl. Privatalt. g. 72, n.17 und W. Stroud Trealise on the physical cause of the death of Christ, Bossen 1847. GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 303 wendung der Folter gegen Nichtbürger nach griechischem Rechte üblich war, zur Erpressung von Geständnissen 1), sondern geradezu als Strafschäfung ?), davon abgesehen bleibt inzwischen Griechenland wenigstens in der Strafvoll- streckung nicht hinter den Rücksichten zurück, die auch sonst von älterer und neuerer Humanität verurtbeilten Verbrechern gewährt worden ist. Ein charakteristischer Zug öffentlicher Sittlichkeit liegt schon darin, dass mit allei- niger Ausnahme von Sparta, wo vielleicht gottesdienstliche Rücksichten über- wogen, keine Hinrichtung bei Nacht Statt haben sollte 5); dagegen vergónnte man dem Verurtheillen allerdings zu leben, so lange noch ein Strahl der Sonne an den Bergspitzen sichtbar war, wie denn ja auch Sokrates diese Vergünstigung benutzt, um noch sein Abschiedsgesprüch mit seinen Freunden zu halten *); ja nach einer Nachricht, die freilich mit Plato's Erzählung nicht zusammenstimmt, hätte er gar noch zwei Tage weiter Frist gehabt, wenn er nicht freiwillig bereits am ersten hätte sterben wollen 5); und jedenfalls sehn 1) Staatsalterth. $. 141, n. 15. 2) Antipho de veneficio $. 20: «c yag Ónuoxorro 1goyicdeica n«gsdoó. 3) Her. IV. 146: areívovot d voUg àv xteivwoi Aaxeðarpóviot vvxTOG, xov 5uégyv d ovðiva: vgl Valer. Maxim. IV. 6 ext. 3; also jedenfalls eine Aus- nahme, die so singulär ist, dass sie Seneca de " III, 19 geradezu als uner- hört bezeichnet: quid tam inauditum quam nocturn r ae, obgleich seine Motivirung freilich nach dem oben bemerkten unhellenisch ist: quum latrocinia tenebris abscondi soleant, animadversiones, quo notiores sunt, plus ad e m emendationemque proficiunt. 4) Plat. Phaedo: p. 61 E: £v të mégzor 5À/ov Óvopor ypóvo, was aber durch p. 116 E genauer erklärt wird: re yAıov eivar ' en toic ügeor «ol ovnw dedv- #evar: so lange die Sonne noch an den Bergen sichtbar ist, hat der Verurtheilte noch Frist, während er ihren Untergang als Schluss des Tages nicht überleben darf. Die Ausleger, welche diesen Termin auf das Verbot einer Hinrichtung bei Tage beziehen und dadurch selbst Müller Dor. II, S. 225 in Irrthum geführt haben, übersehn ganz, dass Sokrates befohlen ist, he tý „yigg den Gift- becher zu trinken (p.59 E), was nicht möglich wäre, wenn er die Nacht ab- wartete, die nach griechischer Zeitrechnung schon zum folgenden Tage gehört, vgl. Privatalterth. S. 17 n. 4; zu geschweigen dass unter dieser Voraussetzung noch die ganze Nacht über Zeit dazu gewesen wäre. 5) Teles bei Stob. Serm. V. 67, p- 162: run x«i 0 Tongdr ee tüy zue aur dossoWv 17 NGUTH enten nai oU sener. uns NEWTNS Nie TLY Eoydınyv gov, nogotrouy si Eorır ij u⁰ĩLö ib tov 6QQv x.1. J. S 304 KARL FRIEDRICH HERMANN, wir aus Platon selbst, dass dem Todescandidaten kein Genuss verwehrt wurde, den er sich innerhalb des Gefängnisses verschaffen wollte 1). Dass Schwan- gere nicht vor der Entbindung hingerichtet wurden, theilen wenigstens einige Staaten Griechenlands mit Ägypten und wohl jeder eivilisirten Gesetzgebung 2); aber auch unmittelbar vor solchen Hinrichtungen, die durch Abführung zum Scharfrichter vollzogen wurden, finden wir den eigenthümlichen Gebrauch, dass dem Verurtheilten nicht nur vollauf zu essen und zu trinken gewährt, sondern auch noch drei Äusserungen frei zu thun gestattet wird, ehe man ihm den Mund für immer knebelt 5); — zugleich kein uninteressanter Beweis für den Werth, den der Grieche auf das freie Wort legte, wenn er es im Angesichte des Todes noch als letzten Genuss in Anspruch nahm. Soviel von der Todesstrafe, für die sich immerhin ein ziemlich erschö- pfendes Bild aus dem griechischen Alterthume gewinnen lässt; vereinzelter sind die Züge für sonstige Leibesstrafen, wenigstens so weit diese über die Kategorie polizeilicher Züchtigungen hinausgehn, die natürlich unter gar keinen andern Gesichtspunct als den der magistratischen Auctorität fallen, so schwer sie auch, wie oben bemerkt, wegen der mit dieser verknüpften Richtergewalt von eigentlichen Strafen zu sondern sind^). Als richterlich oder gesetzlich zuerkannte Leibesstrafen begegnen uns zunächst nur solche, die ich symbolische nennen möchte, obgleich sie mitunter, wie die Blendung der Ehebrecher in I) Plat. Phaedo p. 116 E: ao) da éyo olda xal &àłove Tüvv OWÈ mivovtog, ensidd, nagayyelóg oUtoic, ÓtmrZcavtdc te xol nióvrac sč udle xoi Bvyyevonévovrg y iviovc ov dv víyoow iniQvpobvrec. 2) Plut. Ser. Num. Vind. c. 7: 20 àv Aiyénto vonov čo’ oh éixóvoc vu enoroawaodaı doxodoıw Zvior tüv ‘Ellývwv, 0c uslever tyv Eyavov, dv dìg Hurarov, méy tény, gulurzeıw; vgl Diodor. I. 78 und ein Beispiel bei Aelian. V. Hist. V. 18. 3) Zenob. Proverb. HI. 100: rote n) G, anayonevors 779 napoyoiav tatry &didovv, cote 70 v oivov stÀrouócic: toia de & Bovkorvsaı, me? : p €nZyorro «00g TÜV xóAaotw: vgl. Suid. III, p.4434 oder Zonaras 4) S. oben S. 276 not. 1 und Aristot. Politic. III. 6. 13 ro Goyovra 0i, drs eic üvte nÀeiovc wor, negl 10UTwY siyar xvoiovs, negl Ogmw ?tadvratovoiv oí A" Aéyew dug Einzelnes mehr auch unten S. 305 not. 2 und S. 308 not. 3. | GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 305 Locri!) oder die Verstümmelung, die den Entsiegeler eines Orakelspruchs bedrohete ?), auch die Gestalt wirklicher Strafübel annehmen; mehrentheils aber sollen sie nur die mit einem Vergehen als nothwendige Folge verknüpfte Entehrung durch ein sinnlich beschimpfendes Zeichen. ausdrücken, wie wenn man in Kyrene die Ehebrecherin auf einem Esel reiten lässt 5), oder in Gortyne dem Ehebrecher einen Wollenkranz aufsetzt *), oder in Lepreum den schuldigen Mann drei Tage lang gefesselt in der Stadt herumführt und das Weib eilf Tage lang in ungegürtetem Chiton: auf dem Markte ausstellt 5), — also die ähnliche Beschimpfung wie wenn Charondas die Feigen drei Tage hindurch in Weiberkleidern auf dem Markte sitzen liess 6) oder in Böotien I) Zuievnog 6 Moxov wonodeıyg mgooérate TOv groryov ahovıa ixxonteoda: tovs cqOc«AÀpovc, Aelian. V. Histor. XIII. 24; vgl. Valer. Maxim. XII. 9. 6. Die Beziehung auf Diebstahl, die noch Welcker griech. Tragód. S. 538 annimmt, hat Schneidewin aus Heracl. Pol. c. 30 mit Recht verschwinden lassen. Zenob. Proverb. VI. 11: Aprovsiðne piv ovy gain; oti 6 pavtevónevog èv Aehyoig oe iaopéyov hafe tov xayanor, xat ngoeigyrat aut, OTi ei Avosı noo 71g VEVOLOUEVYE u gas, &er plav TOV toor 7) yag vov opal- növ ed avtov oteggÓTzvat y te yergos 9 tZC yÀcorvzc — oder sollte das gar nur auf göltliche Strafe gehen, die dem Vorwitzigen angedroht wird? Bei . andern Völkern kommt jedenfalls yerooxoneio#«r auch als Strafe vor, vgl. Heeren ad Stob. Ecl ethic. II. 9. 7, p. 425 Plut. Quaest. gr. c. 2: töv yvvarxöv tyv ini oryeie Anpdeioav ayayóvteg eis dyopdy en! Ai$ov tivos Pu qgovr, ndoi «aO(ovacav* slra ovrwg aveßıßaLov en ovor xal vov nó xvxAo négiüy dcloov. ede nahiv ènt rv avtov Aidov xataotývar xot TO Aoınov Ao ratele, svoßazıy N0000Y00EVouEyyV : vgl auch die Pisidier bei Stob. Serm. XLIV. 41. Aelian. V. Histor. XII. 12: örı iv. Koty iv Tóotvvi porzós dhovg yyeto èni rde dd xal e oit Bytes TO d o:eQ veia HaTnyogeı GUTOU sr Evardoög oti xal yUvvig xal sig yvvaixag xaAoc' xol émingaoxero (Pe- rizon. richtiger «/oenoevreto: nam si vendebatur, tum sane inane est el super- fluum addere eum fuisse aen et expertem reipublicae) Innovie eig Mene e xol GttpórovOQg GY xai oUOevoc oi lieryr TOY OVOP. 5) Heracl. Pol. c. 14: Aen pecie oUc av afwo porgovs negayovor TOES T, liẽ gas zrv nit» üsÜsuévove xat arınovo die n tnv dt yvvaixa Evdena èn ayooag alBorov èr pravi dtaparsi ioracı zal dátip ovo. 6) Diodor. XII. 16: zw» yao alkuv vonodsrwrv wurd TÖV TOLOUTOV TEÜtixOTOV Júvuatov 10 900010140», ovioc ngoditate tovg TOLOŬTOVS iy 15 doo ip „i toeic xad709or Ev E rot yvvaixetoig. Hist.-Philol. Classe. VI. Qq * — HL A 306 KARL FRIEDRICH HERMANN, Bankeruttirern auf offenem Markte ein Korb über den Kopf gestülpt wurde 1) ;— und wenn auch in dieser Öffentlichkeit ein Abschreckungszweck mitunterlaufen mag, so liegt doch darin ursprünglich wohl nur die erste Anwendung, die der Volkswitz von der durch das Vergehen selbst verwirkten Alimie macht. Auch die Behandlung der Selbstmörder kann natürlich nur als symbolische Strafe aufgefasst werden, die die sträfliche Eigenmacht, welche der Staat seinem Prineipe nach nicht einmal an dem Todten ungerügt lassen konnte, ganz wie auch Hochverräthern noch nach dem Tode der Process gemacht ward ?), durch Entziehung eines grösseren oder geringeren Theils der Grabes- ehren ahndete 5); doch kamen hierbei allerdings auch noch gottesdienstliche Rücksichten in’s Spiel; und wenn namentlich in Athen die rechte Hand des Leichnams abgehauen und besonders begraben ward ^), so stellt dieses Aeschines mit Recht in die gleiche Kategorie mit sonstigen unvernünftigen oder leblosen Gegenständen, die, weil sie den Tod eines Menschen verursacht hatten, um der ihnen anklebenden Verunreinigung willen über die Gränze geschafft wurden 5). Ob dagegen Schläge bei Freien und Mündigen in Grie- 1) Arsen. Violet. p. 150: Bomrwv riot tovc 190g oux anodıdovıng zis dyoga» &yovttg xaóroÓut ff elta xOquvOY enıdahkovomw avto’ os Ó àv »uyıvadn, des yiyveraı: Stob. Serm. XLIV. 41 und allgemeiner Tim. Lex. Platon. p. 206: nagaoraoıg or d nagu tiva &ttpoc* yivsını d èni tov xgewgeılerwv, wozu Ruhnken die duoppovs i£doac 57 ozaos:c bei Plat. Leg. IX, p.855 und Dio Cass. LV. 18 anführt; freilich fügt letzterer sogleich hinzu: n nat anodureiv horto dw vig e yeyorüg xal dvögsiog dw 7 voroUtó ti nadeiv. 2) Lycurg. Leocrat. $.113: xa} pi ge 6 dinog Korriov sinórtog tor , *txDOv xgirétv noodooieg, xav dE noodoyc ov iv 1% ywo Tedapdaı, Tu 16 00TG GU10U avopvtat xol e So. &Eo ans Artue, nog av un ae, èv tù zwou Hud td òorå ToU tjv yagav x«l yv nóliv nondidovzog: vgl. Xenoph. Hell. I. 7. 23 u. s. w. 3) Aristot. Eth. Nic. V. II: zei vig & ia 3000601: 10) avtov Ótaqósigartt we 2 nokır GÓtxoUr11: vgl. Zenob. Proverb. VI. 17, Dio Chrysost. LXIV. 3, und mehr in Gött. gel. Anz. 1843, S. 1367 fgg. und 1844, S. 1769 fsg 4) Aeschin. Ctesiph. $. 244: eds tç £avtorv Q'ayorortor, TV yeiga Tir Toro T"94$a0GY yopic 10U GugteTOg Ücntopey: vgl Joseph. B. Judaic. III. S. 5. 5) Ausser Aeschines vgl. Plat. Leg. IX, p. 873 E und Paus. VI. II. 6: 20 av- * i ' m * - - Pp c3 = 7 ownov dè toU unosarvourog oi neideg T) inove en U q0vov' xal oi GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 307 chenland jemals als zuerkannte Strafe in Anwendung gekommen seyen, ist eine schwierige Frage, die sich zwar nicht mit voller Sicherheit bejahen, aber eben so wenig nur aus dem Grunde verneinen lässt, dass sie für das Ehr- gefühl des Griechen eben so verletzend wie bereits des Römers gewesen seyn würde. In Lacedämon hatte bekanntlich jeder ältere Mann das Recht, zur Zurechtweisung des jüngeren von seinem Stocke Gebrauch zu machen 9 und als der Spartaner Eurybiades zur Zeit der salaminischen Schlacht sich soweit vergisst, diesen Gebrauch auch gegen seinen athenischen Mitfeldherrn Themistokles in Anwendung bringen zu wollen 2), antwortet ihm dieser be- kanntlich nur so viel: „schlage mich, aber höre“; auch in den übrigen Städten wird wenigstens die Geissel des Marktmeisters und sonstigen Polizeibeamten 5) um so weniger einen ängstlichen Unterschied zwischen Bürgern und Nicht- bürgern gemacht haben, als wir wissen, dass zwischen Sclaven und Freien der ärmern Classe in der Kleidung und sonstigen äusseren Erscheinung kein wesentlicher Unterschied war 4); und bei Gelegenheit gottesdienstlicher Schau- spiele und Wettkämpfe ging jedenfalls die Strafgewalt der Vorsitzenden und Kampfrichter so weit, dass sie nicht bloss gegen Athleten, sondern gegen jeden Zuschauer, der die Ordnung des Festes stórte, ohne Unterschied der Person ihre Stab- und Ruthenträger thätlich einschreiten liessen 5). Auch Odáoto: xatostoy10UOt 12v ind ra, enanolovdrjoartes rraibig 27 Zouxorzogc, oc "Aönveiors $eopovg vod uus qovixove UsttQuoros xci tà cUvyo, si ye &usteoov te dE «UTOYv anoxteiverv GvÓQonov. 1) Dionys. Hal. Arch. Rom. XX, 2: /axsÓeepóvior. dè (doge £cvyov) ött tois nosofvrdtorc én£tgenov ToÙç Gxo0ji0UyTac gov n èr Oto Or vivi tüv Óruooiov z6nov tais B«xtzororc naisi: vgl. Xenoph. Rep. Lac. 6. 2 2) Plut. V. Themist. 11. 3) Vgl. Aristoph. Acharn. 732, Epicharm. b. Ath. VI. 28, und das oxeUoc ayoga- vonmov, © TOV avyiva évoévta. ¿det naorıyorodar tov negi 5v p“ x«xovgyovuvte, Poll. X. 177. 4) Xenoph. Rep. Ath. 1. 10. 5) Herod. VIII. 59: % rotor «yo: oi mgos£aviotTé eror ġaničovtar: vgl. Lichas, der zu Olympia nach Thuc. V. 50 vno vow gaßdorywr nizyóc eue, Ou vızorıog toù avtov Levyovg .. . mgorcÀOnv Pg Tov dyova &réógos TOv £víoyov, und mehr über diese $adovyor oder pupcie (Poil. III. 145) auch ugotıyopógor (Lucian. adv. indoct. c. 9) und in Elis pe genannt, 308 KARL FRIEDRICH HERMANN, Platon, wenn gleich in seinen Gesetzen die öffentliche Geissel zunächst nur Sclaven oder Fremde bedroht 1), trägt doch an anderen Stellen seiner Ge- sprüche, wo nichts weniger als von einer rechtlosen Classe allein die Rede ist, kein Bedenken, Schläge und andere Strafarten in völlig coordinirter Stel- lung zu verbinden 2); als Militärstraf6 können wir letztere, wenn auch ander- wärts zweifelhaft 5), doch mit Sicherheit bei Makedoniern nachweisen *), und was man auch von der sallustischen Stelle halten möge, wo Caesar den Gebrauch körperlicher Züchtigung in Rom vor der lex Porcia geradezu als Nachahmung der Griechen bezeichnet 5), den mos Graecorum wird man aus diesem Zeugnisse auf keine Art hinaus interpretiren können. Wenn es also nichtsdestoweniger unnachweislich und selbst unwahrscheinlich ist, dass irgend eine griechische Gesetzgebung diese Strafe gegen Freie förmlich vorge- schrieben, oder irgend ein bürgerliches Gericht dieselbe gegen einen solchen ausgesprochen habe, so möchte ich den Grund vielmehr einfach darin suchen, dass abgesehn von dem Züchtigungszwecke, den ich aber oben gerade dem bei Krause Olympia S. 142; auch Plat. Leg. III, p. 700 C und über die ähnliche Theaterpolizei Wieseler d. Thymele d. griech. Theaters, Gött. 1847. 8, S. 44 fgg. 1) Leg. VI, p. 764 B, VIII, p. 854 D, IX, p. 879 E, XI, p. 917 E. 2) Gorg. p. 480 D: e piv ye ninyav dgra ον, -g 5, rue n"agbyovto, av d Öeouov, det, sarv dè Innieg, unotivovta, iav Ób qvyygc, gevyovzo, av Ob Oarvátov, dnuoOrgoxovic: vgl Theaetet. p. 176 D und Leg. VIII, p. 855 C: Gd“ db J deonovc % nÀyyüc ̊ vive apopgovc &gag 7 OTOES Ñ nagaoıaosıg elg isga èni ta 15€ yopac feyota 7 I younctav xogdénsg ëu- .. mQoadev sinogev èxtiosg yiyvaodaı Ósiv, TYV dene Tavınv yiyvsodaı. 3) Krüger ad Xenoph. Anab. II. 3. 11 nimmt es an; dagegen bestreitet es Sintenis ad Plutarch. V. Themist. l. c. p. 78. 4) Curt. VIII. 21. 5) Sallust. Catil. 51. 39: sed eodem illo tempore, Graeciae morem imitati, verberibus animadvertebant in cives — ob mit Heyne Opusc. III, p. 184 nur auf Gross- griechenland zu beziehen? Dass die neuerdings von Döderlein im Philol. IX, S. 579 vorgeschlagene Umstellung, wodurch die Nachahmung griechischer Sitte ; auf. die folgende lez Porcia übertragen würde, eben so wenig historisch ge- ist, als sie sich der sprachlichen Construction einfügt, bedarf nach dem Obenbemerkten keiner weiteren Nachweisung; und selbst wenn jener für Athen Recht hätte, würde daraus ein Schluss auf das Ahri Griechenland sehr gewagt seyn. GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 309 eigentlichen Strafrechte entgegengestellt habe, von allen den Gesichtspuncten, die uns im Vorhergehenden als maassgebend für letzteres erschienen sind, keiner einen Grund darbot, wesshalb sich der Staat bei heilbaren Vergehen an dem Körper eines freien und besitzenden Mannes hätte erholen sollen, der das von ihm begangene Unrecht mit Gelde gut zu machen im Stande war. Nur die Tyrannis, die ohnehin alle Habe ihrer Unterthanen als ihr Eigenthum ansah, stellte ihre Personen noch unter die Geissel 1); im gesetzlichen Staate setzt Demosthenes?) den Vorzug des Freien wesentlich darein, dass er auch bei grober Verschuldung seinen Leib sicher stellen könne; obgleich wiederum nicht so sehr als ein Recht, wie als eine sich von selbst verstehende Conve- nienz, die dem Staate selbst in der Geldbusse ein annehmlicheres Äquivalent darbietet und folglich auch hier nicht sowohl den Maassstab des Einzelnen nach dem Grade seiner Berechtigung oder Verschuldung, als die öffentliche ‚Wohlfahrt und das Interesse des Ganzen den Ausschlag geben lässt. In dieser nàmlichen Stelle des Demosthenes liegt übrigens noch ein viel weiterer und zwar, wenn man sie im Zusammenhange betrachtet, directerer Sinn, der einem heutigen Criminalisten wobl eben so auffallend und anslössig seyn dürfte, als er sich durch die Erklärung gegen die Leibesstrafen ange- sprochen fühlen könnte: — nämlich die mindestens eben so starke Erklärung gegen jede Gefängnissstrafe; und Alles genau erwogen, glaube ich kaum zu viel zu behaupten, wenn ich annehme, dass für das Gefühl eines Griechen Freiheitsentziehung ein viel tieferer Eingriff in seine Rechtspersönlichkeit als selbst eine körperliche Züchtigung gewesen sey. Platon allein, in dessen idealen Gesetzen allerdings die erzieherische Besserungstheorie jedenfalls eine grössere Rolle als im Leben spielt, nähert sich den modernen Ansichten in diesem Stücke so sehr, dass er sich selbst bis zu lebenslänglicher Einsperrung ver- steigt 3); im historischen Griechenland aber besitzt das Gefängniss nirgends 1) Maorıyovonsioder, Diodor. Exc. Vat. p.11, Plut. Ser. num. vind. c. 7. 2) Demosth. Androt. $.55: xat pyy ei £0 Aes ina al, ví doUÀov 7$ nei ego elvat d, , ToüTo pëyiotov av zugoTE, OTi TOig pèw do doe tà coe 10y dier piso dstayTov ven sort, toig d laub eos, xüy ta pé- yIoTa ro- adıRoüvreg, TOUTÓ y EVEOTE oww” eig xonuare yag tV q inn negi vow NAEIOTWV ANQQÈ TOVTWV NOO0NREL 3 3) S. Plat. Leg. IX, p. 833, XI, p. 919, und insbes. X, p. 908 und 909. 310 KARL FRIEDRICH HERMANN, eine solche Bedeutung, oder gesetzt auch es hätte sich in des Philosophen eigener Zeit eine ähnliche Praxis hin und wieder Bahn gebrochen, so wird sie doch weder als allgemein noch als dauernd gelten dürfen. Selbst in unseren heiligen Schriften können wir als entschieden annehmen , dass, wenn der Gefangene mit dem Hungerigen, Nackten u. s. w. auf gleiche Linie gestellt und sein Besuch, seine Tróstung als ein Werk christlicher Barmherzigkeit dargestellt wird 1), die Gefangenschaft wenigstens nicht vorzugsweise als verdiente, richterlich zuerkannte Strafe aufgefasst ist; und es genügt ein Blick auf die athenische Gesetzgebung, um uns zu überzeugen, dass mit Ausnahme der zum Tode verurtheilten Verbrecher, wo im Alterthume von Gefängniss die Rede ist, zunächst vielmehr nur entweder an Untersuchungs- oder an Schuldhaft, und zwar auch an diese beiden Kategorien unter Umständen ge- dacht werden darf, die den davon Betroffenen zum Gegenstande des unbe- dingtesten Mitleids machen mussten. Denn selbst der Untersuchungshaft konnte sich nach solonischen und gewiss auch nach sonsligen griechischen Gesetzen so ziemlich jeder entziehen, der drei gleich vermögende Bürgen für sein freies Erscheinen vor Gericht stellte 2); eine Vergünstigung, von der der athenische Rathseid nur angeklagte Hochverräther ausnahm; allein der völlig hülf- und unterstützungslose also, dem zugleich gegen elwaige ungerechte Anklagen und Verfolgungen kein Schutz und keine Zuflucht zur Seite stand, konnte ihr verfallen und befand sich so in fast gleicher Lage mit den zah- lungsunfáhigen Staatschuldnern, die wenigstens in zahlreichen Fällen von der- selben Vergünstigung ausgeschlossen waren und auch abgesehn davon, wie ein glànzendes Beispiel an dem Athener Miltiades lehrt, sogar ihr Leben im Kerker beschliessen konnten, ohne dass darum die Schuld und Haftbarkeit ihrer Erben aufhörte 5). Ja während Athen auch solches Gefängniss doch nur über Schuldner des öffentlichen Schatzes oder fremde Kaufleute verhängte, I) Matth. Evang. XXV. 36. mac 2) Demosth. Timoer. $.144: ovót oo "A97vaior obe, de àv éyyvyvac 1Qéie xaÓi017 to aUTO Ae teloUvrag* nÀZv idv zig Ent uod the nólsoc 5 èni wareivosı ToU d cVVICy dÀo ee te mrdpieVoC 9) P yyvyod- pevos ; akiyor my xotafldig. 3) Bóckh Staatsh. I, S. 512 fgg. GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 311 deren Person keine sonstige Gewähr darbot!), scheint im übrigen Griechen- land auch im bürgerlichen Verkehre vielfach Schuldhaft bis zum Äussersten der Schuldknechtschaft noch in der ganzen Strenge alter Sitte fortgewährt zu haben 2); und an dergleichen Gefangene werden wir also im Zweifelsfalle immer vorzugsweise zu denken haben, während im Sirafrechte griechischer Staaten das Gefüngniss kaum zu Vorbeugungs- geschweige denn zu Besse- rungszwecken nachzuweisen seyn dürfte. Nur als Strafschürfung kennt das attische Gesetz z. B. für Diebe eine mehrtägige Freiheitsentziehung durch den Block, in welchen der Verurtheille gelegt wird 5); aber auch das ist mehr eine Art Pranger, dergleichen als Polizeistrafen allerdings gar mancherlei und theilweise seltsame Arten vorkommen +), wobei jedoch die Freiheitsberaubung weit mehr Nebensache, die Hauptsache die Beschämung ist, und die mithin ungleich mehr an den Gesichtspunct der oben on symbolischen Leibesstrafen angränzen; Einkerkerung als selbständige Sirafe dagegen kann i) Demosth. Apatur. $.1, Dionysod. $.4, Lacrit. $. 46; vgl. Meier u. Schöm. att. Process S. 580 fgg. 745. Doch auch hier alternative Bürgschaft, s. Zenoth. $.29: xul ei piv x«tíotz06 oot 100€ errvnvas, pé ay ernube ur p OU "ap öv Net Diary étormove eye, ¿l dè pu KRTEOTNOEr, e 16 orze dv Ze. S. Isocr. Plataic. $. 48: noAlove piv nixoüv vena ovpfolarov ÓOovitvorvtogc, woraus zugleich die Unbesonnenheit hervorgeht, mit welcher noch neuerdings A. Hecker das ähnliche Zeugniss bei Lysias adv. Eratosth. $. 98 verdächtigt hat. Dass im Gegentheil Solon's Aufhebung der Schuldknechtschaft in Athen ein e aussergewóhnlicher Humanität war, habe ich bereits Privatalterth. $. 57 20 bemerkt; vgl auch Ammon. diff. vici p.30: Fele S ô ytvopevoc hà 108« ER bii „ xata viva dÀÀgv aiti«v dovisvous, mit Salmas. de modo usur. p. 803 fgg. und Observ. ad jus Ait. et Rom. p. 336 Demosth. Timoer. S. 114: moeootiuzoe: O^ ?fejro:r to dinaatroim noos Tu «oyvoiw Ósopóv vu xAcnty niv? me wel vüxsac oac, nwe sgh aav- res avTOv dedenerovr: vgl Lysias Theomnest. I, S. 16 und Xenoph. Oec. 14.5. Auf die aus solcher Haft nachwirkende Beschimpfung deutet auch wohl Demosth. Aristog. I, $. 30 Zulov, „o, nigwy, noch häufiger freilich bei Sclaven gebräuchlich, s. Becker Charikles III, S. 37; unter Umständen aber auch gegen Freie in An- wendung gebracht, wie Aristoph. Thesmoph. 944: re «oig nugeovor zog 7 vgl Plat. Leg. IX, p. 855 und Wachsmuth hell. Alterth. II, i - 2 Navovgyos Ur: S. 201. . 3812 b KARL FRIEDRICH HERMANN, ich mir auch in den wenigen concreten Fällen, wo eine Spur davon vorliegt, nur als eine Vorsichtsmaassregel erklären, um einen Menschen, den man nicht gerade am Leben strafen wollte, doch unschädlich zu machen !); und insofern mag sie immerhin von der Humanität späterer Zeiten wie die Ver- bannung hin und wieder schärferen Vorbeugungsmitteln beliebig substituirt worden seyn 2), ohne gleichwohl im Geiste der Gesetzgebung als solcher organisch begründet zu liegen. In gesetzlichen Bestimmungen erscheint sie jedenfalls mehr mit anderen Strafen, sey es als vorgängige Haft bei schwereren Ver- brechen, die dadurch geradezu von der obigen Vergünstigung ausgenommen wurden 5), sey es mit Geldbussen verbunden, zu deren Execution das Ge- 1) Hauptsächlich im Kriege, vgl Demosth. Polyel, $. 51 und Aeneas Tact. Poliore. c. 10: zu Ó' èlcoow tovtov «dixyuaTa nata TCV VÖNOV 109 NOOHEINEVOV desuos » Cyr, wenigstens für Miethsoldaten, bei denen kaum anders auszu- kommen war; in sonstigen Beispielen, Henri d ich Privatalterth. $. 72 n. 30 gesammelt habe, bleibt immer der Ausweg, entweder wie bei Lysias Agorat. $.67 und Plut. Praec. reip. c. 13 an längere Untersuchungshaft, oder wie-Plat. Crit. p. 46 und Andoc. c. Alcib. $. 4 an nooorınnuere zu denken, vgl. unten not. 3 u. fg. So habe ich bereits Privatalterth. $. 72 n.31 die Stelle der platonischen Apo- logie p. 37 C aufgefasst, wo Sokrates unter den möglichen Milderungen der gegen ihn beantragten Todesstrafe auch das c» èw deouwtyoiw bespricht; und eben darauf sind wir vielleicht auch berechtigt das freilich verschiedentlich mit allerlei ráthselhaften Varianten (Bergk Aristoph. Fragm. p. 1145) erscheinende Zeugniss von Theramenes bei Schol. Aristoph. Ran. 541 zu beziehen, das jeden- falls eine Wahl zwischen Todesstrafe, Gefüngniss und Exil sndoutel; donei DE ol a TO Toi Wyp oaoa —— Ñ deousveoda: àv 10 vào 7) hẽ,ꝭvu wGvitov I é£xqvysiv. Wie analog diese Strafen geachtet wurden, zeigt auch Plat. Gorg. p. 468—470, wo mit dnoxrivvvvo: und yoruote p WES bald éxaAAsew èx ans nolswg und bald wieder der als drittes Beispiel ver- bunden ist, und so wird es denn auch hier erlaubt seyn, das Gefängniss nicht sowohl als selbständige Strafe, sondern vielmehr als stellvertretendes Surrogat einer härteren zu fassen. dels 3) So bei Demosth. Timocr. S. 60: 50015 deonov noootrpaat . . oi mgodıdorzess 2. TEV xov, oi sous vont us HOHOUVTER, DET, uu ug tdg yeioac &yovtac, e ec Ò’ sig arv ayogur . . ole &nuow oi piv onagyovese volıoı deouov ngoléyovor: wozu man aber nur §. 105 zu vergleichen braucht, um zu sehen, . dass es sich hier gar nicht um richterlich zu erkennendes Gefängniss, sondern wie bei Lycurg. Leocrat. S. 102 um Fälle der anaywyý oder Zrdeikıs handelt, A GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 313 fängniss mitwirken sollte 1); — aber gerade darin bewährt sich zugleich auf's Neue die obige Bemerkung, dass es zwar nicht ein Recht, wohl aber ein. Vorzug des freien und besitzenden Mannes war, jeder körperlichen Strafe, die nicht an's Leben ging, durch Geld ausweichen zu kónnen; und wem dieses fehlte, der konnte nach griechischen: Begriffen entweder gar nicht einmal als vollberechtigter Bürger angesehen werden, oder wo ihm auch die absolute Demokratie die gleiche Berechtigung im Begriffe gewährte , 80 unterlag er doch eintretenden Falls allen Zwangsmitteln, auf die auch der freisinnigste Staat zum Schutze seiner pecuniären Ansprüche an die Einzelnen nie ver- zichtete. | Je mehr wir nun aber so von allen Seiten auf die Geldbusse als die hauptsächlichste Strafe hingewiesen werden, die das griechische Criminalrecht für heilbare Vergehen kannte, desto näher liegt die- Frage, wie sich jene selbst zu den oben entwickelten Grundsätzen dieses verhalten habe und nach welchen Maassstäben sie gegriffen worden sey, um nach der einen oder andern Seite hin dem Zwecke einer Strafe zu entsprechen? Für die älteste Zeit lässt hier die schon oben berührte homerische Stelle keinen Zweifel , dass es von Seiten der Ma-hthaber wirklich darauf abgesehn war, dem Schuldigen, der sieh durch Wort oder That gegen sie vergangen hatte, an dem; was des griechischen Mannes Werth und Stolz ausmachte 2), an Hab und Gut wehe zu thun, und diesen Gesichtspunet werden wir auch in den Bussen, welche die Beamten der spüteren Periode nach eigenem Ermessen zu verhängen be- fugt sind 5), in so weit ferner verfolgen können, als dieselben nicht anderseits bei welchen persónliche Verhaftung ipso jure eintrat, vgl. Platner Process I, d 298 1 dis - " -—: I) S. z. B. Demosth. Mid. $.47: i» de dy rir üg, ged. av Eievdegov Ufgion, péyQu čv stion: vgl. Timocr. F. 105 , auch Androt. $.56 und schon aus älterer Zeit Nicol. Damasc. fragm, 58: vópoc zadeorjası Kogıvdiorg tovs iv dixaotzoio ditoxopévovg Gt&ye0Oat NGOS TOV noAciapyov xci nadeioyrvodaı TOY Enıtıniov Evera, U xol avro pigos vr zv: für Athen aber insbesondere noch die Ausnahmen des Ratliseides oben S. 310. n. 2. 2) Xonate, zonnet &v5o, Pind. Isthm. II. 11; vgl. Schneidewin Paroemiogr. I, p.173 und mehr Privatalterth. $.6 not. 7; auch Theogn. v. 700 fgg. und Eurip. Phoen. 453: zu gonnar urdownore: ,L u. t 3016 3) "Enıßolei, Staatsalterth. $. 137, not. 3. Philol. Classe. VI. Rr 314 . MUH KARL FRIEDRICH HERMANN; durch die enge Schranke, die der Staat jener Befugniss hinsichtlich der .Bussquantums setzt, zu einem bloss symbolischen: Acte. der Anerkennung fodernden Auclorität heruntersinken; in der positiven Gesetzgebung dagegen, und gewiss auch in der ursprünglichen Idee des gerichtlichen Schätzungsver- fahrens, das in allen Fällen eintrat, wo die Strafe nicht gesetzlich festgestellt war, weicht diese persönliche Rücksicht entschieden hinter der eines „Wehr- geldes« für den verletzten Staat zurück, der sich für die möglichen Beein- trüchtigungen seiner Wohlfahrt im Voraus ein Aquivalent sichert oder doch im concreten Falle den erlittenen Schaden gleichsam zu Gelde anschlägt. Darauf führt, wie oben bereits bemerkt, schon der Ausdruck Tiunna und die ganze Procedur vor Gericht selbst, die wir schon dort einem Markten um den Preis einer Waare nicht unähnlich gefunden haben 1); und wenn auch die geselzlich angedroheten Bussen der Natur der Sache nach zugleich den Charakter einer Abschreckung an sich tragen, so tritt dieser doch eben so wenig wie bei der Todesstrafe so ausgeprägt in den Vordergrund, dass er als der eigentlich bestimmende angesehn werden dürfte; im Gegentheil ist es eine eben so natürliche Folge, dass ihr Betrag nur als das Risico angesehn wird, das jemand bei einer verpönten Handlung lauft 2), und das Beispiel jenes übermüthigen Reichen, der mit der einen Hand eine Ohrfeige gibt und mit der andern das Schmerzengeld dafur anbietet 3), oder des Demades, der 100 fremde Choreuten auf die Bühne brachte und dafür sofort die Busse mit 100000 pestem. idis ), zeigt deutlich, wohin jene Schätzungsmaxime in ihrer k führen musste, wenn sich ihr nicht allmählich wenigstens ı ın den rieliteriich abgeschätzten Fällen noch ein anderer Maassstab zur Seite gestellt oder geradezu untergeschoben hätte, den ich bei meiner obigen. Annahme einer re in den demokratischen: Zeiten: des quei „ oder un or ο , Böckh Staatsh. E 8. 490, Meier u. Schöm. S. 725 fgg. : 23)'Ev ies ó xivðvvog , Demosth, Androt. $. 26; vgl Aeneas Tact. c. 10: 5 ankle und zahlreiche andere Neri bei Meier Bon. damnat. ) Diog. L. VI. 42. 4) Plut. V. Phoc. c. 30. GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 315 griechischen Strafrechts ganz besonders im Auge gehabt habe. Selbst wo das Gesetz auf ein Vergehen mur eine müssige Strafe gesetzt hatte, nahm man von irgend einem begleitenden Umstande, dergleichen sich begreiflicher- weise, wo man wollte, immer auffinden liess, Gelegenheit, ein ausserordent- liches und directes Interesse des Volkes an seiner Verfolgung zu behaupten und diese dadurch auf den zunächst nur für wirkliche Gefährdung der Staats- existenz verordneten Weg der eicayyeXia zu leiten, die jederzeit eine will- kürliche Schätzung von Seiten der Richter zur Folge hatte!); in vielen Fällen aber hatte, wie gesagt, das Gesetz ohnehin diese Schätzung dem richterlichen Ermessen überlassen; — und wenn man hier einerseits dem späteren Athen das Zeugniss geben muss, dass es der Staatswohlfahrt nicht die zahlreichen Opfer an Menschenleben gebracht zu haben scheint, die im Geiste der älteren Gesetzgebung lagen, so dienten ihm doch eingestandener- maassen die willkürlichen Geldbussen dazu, einen Menschen bürgerlich zu Grunde zu richten und dadurch auf lange Zeit oder auf immer wenigstens in politischer Hinsicht unschädlich zu machen 2). Dass damit zugleich die Staats- casse gefüllt wurde, war allerdings auch ein nicht zu übersehender Neben- pesar, »" ; neben niin man Me wie ich vus dem athenischen " Slaatsalterih. N 133. 2) Demosth. Mid. $.98: oov éqeheiv I aqopiiv , di Ñv vfgiter, nooorxe (&ÀAÀOV, I coar die Tavınv“ To yop ornévov nollwr Ioaovv xai Adekvgor xai 10100109 &vOQonov gy Eivaı wuguov d ον gore èp Upas avtovg : Jede, $. 138: nel n Gele ovrog vd Oyta iowg plv ova v Heico, ci d , ndr rosoc Gros ¿otai tow zungorarov nag vpiv: 8.152: no- Bávo 1j, ovdevog ZAurrovoz TOUTO, „ 6009 xatadeig ovtool moverat ang vfosug' Tovro Ò L paura niv Oavatoc, el Ób py, nuvıa 2d óvta apeltodaı: $.211: od dewor ovÓ' stvóv Meidiag neioetar, dv ioa #ırontaı toig nos je , a è vOv negeóvt avtov ie énaíger, negtatge Or. 3) Lysias Epicrat. $. 1: words voi gur tour lerbrrus, ónote Bovkowro Tiva do ins ane“, OTE e qu vue fe he Öv avıol #elsvVovoiv, Vno- leihe ide 7 niodogoge: Nicomach. $.22: $5 Bou ý Bovievovoa , dr uiv EKym Inava Yoruara stg ü, ob eSartagraner 3 rar dè eig ano- i xata0t), uvuynaberaı eioayyehias deysodaı xat Önfısverr vo tuv Nolıarv al to Qnvópor Tois novyoorere Afyovot neideoder: vgl. auch Isocr. s. Avid. $.160: no yo ÓttvoveQov xadfovyxs vo donsiv uno 7 v0 pa- Rr 2 316 KARL FRIEDRICH HERMANN, Richtervolke zu nahe treten, wenn man seine freilich oft bis zur vollen Ver- mögensconſiscation getriebene Härte!) in dieser Hinsicht bloss gemeiner Hab- gier Schuld geben wollte; oder wo auch diese wirklich als dahinter liegendes Motiv mitwirkte, konnte sie sich immerhin durch den gleichzeitigen Beweg- grund beschónigen, einen Bürger, der dem Gemeinwesen irgendwie gefährlich schien, der Mittel diesem zu schaden zu berauben ; ihn zu demüthigen und seinen gesellschaftlichen Einfluss zu brechen. Denn jeder Staatschuldner ward dadurch ipso facto rechtlos und in seinen politischen Fähigkeiten stillgestellt, bis die Schuld entrichtet war ; geschah dieses nicht noch vor Jahresfrist, so verdoppelte sich ihr Betrag: stillschweigend ?); und so konnte ein einziger Strafansatz, den ein Mann nicht sofort zu erschwingen im Stande war, Ursache werden, dass er fortan in der eigenen Vaterstadt gleich als ein Gebannter zu leben und ohne besonderen Glücksfall auch zu sterben Aussicht hatte 3), dete adinein, oi H ydo dj Euyyuaung Cuvyov Ñ pingois Emmu9yoav, oi EURO dd énóllyrtat, za}. zÀelovc àv sUpoiiev, tovg e TÖV OvTOY EunenTo- UU xOTüc $ Tore Mar» und vOv apagımıdımv die, und mehr Staats- alterth. $. 170. n. 10. : ; I) Bóckh Staatsh. I, S. 505 fgg. ; 2) Andoc. de Myster. S. 73: oi & GTipOL Tives A Live TQONOV Ë4QOTOL, yo dh did: oi uiv apyUorov OqeiAovteg 29 Ömpooiw, 0nocor evOvrvag ‚Wpeıhov dotoavtég cGoyüc, I eso „ yo«qdc N émiflohag glor y ovdc ROLE Evo ix Tod Öypooiov un »ateßahov 1d Yoymara 7 iyyVag Nyyvnouvıo 2008.70 Ànnó0toy , zovtotg $ uiv uic nv inl ung edi novzereiug, si Ub uh, den Nd, óqeiletv xai Ta ati εr «vtGv senocoÓo: vgl Demosth. ady jeocrin, §, 1 und Böckh Staatsh. I, S. 421. J (Pseudo) Demosth. adv: Neaeram $. 6: nevteruldene Tehurrov tıuäTto, iva | oo ETHNWOELEV GUEOY xo) nuidag 1oUg èxeivov xal vv Gd tmv yv, A0 hide Gnavrag ele 21% dyduyw anopicy naraoıjosıs xal võetav navtwv' 4 uiv yao atoia OUR agımv rahavtav névv 2% Gv, Oore duvyðğvat eur 1000Uto» Opiyum, uy Zntıodevrog dè toù Opimmarog inl 256 véis novre- eec denhouv iusihev Eosodaı tò öplyna xol éyyoaquiosod «i Anokködwngos reed Tularıc Optio Tu Órpoco" dyyeyoapiévov di «0 Ürpooío no- decpioeod as uelàev jj, ndpyovou quoi Aude Inponie siver, nou- deine de avıyg eig ijv dayátzv dnogiav xGTtu0tz0s0OG: x«l avt1Oc xai naideg ol aU10U. xai GV nal Igels Enavtes: vgl adv, Aristog. I, $.92: ua s cogqiive vao erden Tepihat, siè no, roooUtov en- Het tipnpa X0nnetov, 0% wt) dyriioeres, gégsrw, und insbes. auch Isocr. de bigis $. 47: rà» yag GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. AL TERTHUME. 317 während der Staat sich unnachsichtlich an seinem gesammten Vermögen, 80 weit dieses reichte, erholte. Dazu war eine Begnadigung oder ein Nachlass der Strafe fast unmöglich, und selbst der Versuch, eine solche zu erlangen, von solchen Schwierigkeiten umgeben, duss die Wirkungen einer derartigen Verurtheilung nicht hoch genug angeschlagen werden können; — das Alterthum fürchtete mehr als Alles, ein gesprochenes Urtheil rückgängig zu machen }), und selbst wenn das Volk Reue oder Mitleid fühlte, so war das einzige Mittel, ihr Folge zu geben, das, dass man dem Verurtheilten unter einem sonstigen Vorwande einen Vortheil aus der Staatscasse zuwandte, der den Betrag seiner Schuld an dieselbe aufwog?) — ein Ausweg, der begreiflicherweise selbst schon eine ganz besondere positive Gunst des Volkes voraussetzte. Dass ausserdem mit solchen Verurtheilungen, durch welche ein Mensch aus den Reihen der Lebenden oder doch. — durch ewige Verbannung — der Bürger gestrichen ward, Vermögenseinziehung verbunden war 3), ist nicht sowohl als Strafe, sondern vielmehr. als natürliche Folge der Verurtheilung anzusehn, durch welche das Recht des Besitzers verloren geht und der Staat in das herrenlose Gut eintritt, zumal da die Kinder Hingerichteter auch in eine Art von Alimie verfallen zu. seyn scheinen *); mit der einfachen Atimie ist jedoch der. eee nicht nothwendig verbunden, sondern wird ihr nur in a QUOY Tunmuaeov. indu Bd OU negi töv cU10v čno 6 vir ovnõe i &otıv, dd toig piv lei h xextzHévoig ee gs, toic d. ENTOEWE WETTER yo diarsıuevors 7e duning, PI ed purns leiw ovp qopay 70g Tot ja 49ÀwttQoy Ese en QUtOU — Zwnonutvov oliv A naQ er EHE. i 1) Cic. Verrin. V. 6: pérditae “sioiias, desperatis omnibus veli hos M exitus ezitiales habere, ut damnati in integrum restituantur, vincti solvantur, ezules reducantur, res judicatae rescindantur; quae quum accidunt, nemo est quin intelligat ruere illam rempublicam, nemo est qui ullam spem salutis reliquam esse arbitretur; vgl Lycurg. Leocr. $.41 und was die Staatsschuldner insbes. betrifft, die erschwerenden Formalitüten bei Demosth. Timocr. $.45; auch Au- 2) Böckh Staatsh. Pe S. 515. jdn dh Meier. Bon. damn. p. 1— 24. und p. 97 1 4) Demosth. Aristog. I, . 30. 318 KARL FRIEDRICH HERMANN, einzelnen Fällen durch besondere Verordnung als abschreckende Schärfung beigefügt 1), und auch bei wirklicher Confiscation ' vergönnt die athenische Humanität den Hinterlassenen wenigstens eine Quote des eingezogenen Ver- mögens zu behalten 2). Überhaupt hat die griechische Atimie ihre ganz eigenthümlichen Gesichts- puncte, die sie nicht ohne Weiteres mit den übrigen Strafarten in gleiche Linie zu stellen erlauben, und wenn sie auch, wie wir selbst im Vorher- gehenden wiederholt gesehn haben, mit der sonstigen Anwendung des Straf- rechts in mehrfacher Wechselwirkung steht, so unterscheidet sie sich gleich- wohl von dieser wesentlich dadurch, dass ihr rechtlicher Eintritt keineswegs erst einen positiven Act der Strafgewalt voraussetzt, sondern — und das sind wenigstens später gerade die Hauptfälle — bereits durch einen Act der Gesetz- gebung selbst an eine bestimmte Handlung oder Unterlassung geknüpft seyn kann 5). Allerdings haben wir im Vorhergehenden auch schon sonstige Fülle kennen gelernt, wo die Strafe als eine gesetzlich verwirkte von der Executiv- gewalt kurzer Hand vollstreckt wurde, und den Eintritt der Atimie selbst hin und wieder durch solche symbolische Handlungen bezeichnet gesehn, die ich nur als die ersten Folgen ihrer als selbstverstanden vorausgesetzten Anwendung aufgefasst habe; aber auch solche Folgen erscheinen doch äusserlich immer als positiv verhängte Strafen einer vorliegenden Contravention, während die Atimie als solche im attischen Processe oft erst bei einer ganz anderen Gele- e als der sie ihren Ursprung verdankt, zur Sprache kommt, um dieser einen strafbaren Charakter zu verleihen oder wenigstens ihrer Beur- weine zum Maassstabe zu dienen. Von der Atimie der Staatschuldner als 1) Meier l.c. p. 142. 2) Demosth. Aphob. 1, $. 65: x«i vueie "uix 050 16v ele vd duagtavövzu, OTur trec uıayn,pioyode, où narıe 10 Orte ayeilsode, d d yuroixag d nudiu avtov HE,Eĩmtes HEQOS Ti XGXElVOLG vnekeinere. 1 3) P. van Lelyveld de infamia- jure. Attico, Amstel. 1835. 8, p.271; quumque lex ipsa jam universe in crimen lay (oM nec duda quid. ceterum poenae staluerent judices, igitur haud temere certoque adéo statuere posse vide- mur, semper legem, nunquam judices irrogasse drin crimen etenim ipsum erat quod eam infligeret, sive sola haec erat poena sive ub plerumque cum alia erat poena conjuncta eic. GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 319 selbstverstandeger Folge ihrer Sáumigkeit war bereits die Rede; ein solcher durfte also kein Amt bekleiden, nicht zum Volke reden u. s. w., und ohne dass er.dieser Rechte durch einen- besondern Act beraubt worden wäre, setzte ihn jede solche Handlung einer 2vde,£;s aus, deren Folge der Tod selbst seyn konnte 1); während aber diese Gefahr in jenem Falle durch Abtrag der Schuld eben so selbsiverstanden wieder verschwand, so gab es andere Vergehen, die dem damit Behafteten denselben Makel lebenslänglich aufprägten, ohne. dass dessen Wirkungen eher sichtbar wurden, als bis ein beliebiger Dritter ihn be- nutzte, um die Ausübung der dadurch verwirkten Rechte anzufechten. Wer die Pflichten der Pietät gegen seine Ältern vernachlässigt, die Kriegspflicht irgend- wie versäumt oder verunehrt, die Keuschheit seiner Jugend nicht vor pädera- stischem. Missbrauche bewahrt hatte, ging gesetzlich damit von selbst der bür- gerlichen Rechte verlustig ?); da aber das griechische Recht ohne einen Klüger keinen Richter kennt, so kann ein solcher Jahre lang unangefochten bleiben, ohne dass das Vergehen als verjährt angesehen würde, sobald. es bei einem Versuche, als Redner oder Beamter in politische Wirksamkeit zu treten, zu Sprache kommt 5). Freilich kann auch jedes derselben sofort durch 1) Vgl. Poll. VIII. 50 und über die Folgen Demosth. Leptin. S. 156 und Mid. $. 184, obgleich in dem letzteren Falle nach der richtigen Bemerkung von Westermann in Abh. d. philol. Cl. d. Sächs. Gesellsch. d. Wissensch. I. S. 37. gleichwie adv. Aristog. Ti» die Todesstrafe nur im Ermessen der Richter gestanden zu haben scheint. 2) Herald. Anim. ad jus Alt. et Rom. p.590: liberorum autem, qui in officio ces- ` Sassent is, poena erat infamia, quae contrahebatur ipso facto, ita ut si quis ER gerere volens probabatur non satis pius et beneficus erga < « parentes ,. rejiceretur; vgl. Aeschin. Timarch. $.28, Dinarch. Aristog. $. 17, und mehr bei Lelyveld l. c. p. 99 fgg. 3) Durch doxrpaoie und éseyyelía, vgl. Platner Process I, S. 328 fgg. 335 fgg. oder Meier und Schóm. S. 213, wenn auch hier noch manches schärfer zu fassen seyn dürfte. Jedenfalls hat bereits Halberisma de magistr. probat. ap. Aihenienses, L. B. 1841. 8, p. 35 mit Recht aus Demosth. Aristog. I, $. 30 ge- schlossen , ene jede énodoxrrao;a als nunmehr erklärte Atimie _gegolten und den Zurückgewiesenen für die Zukunft‘ nicht bloss von allen Ämtern, ‚sondern auch von dem TT der öffentlichen ausgeschlossen habe), E Staats- alterth. $. 149 n. 320 KARL FRIEDRICH HERMANN, eine directe Anklage vor Gericht gezogen werden „und dann liegt in dem Verluste des Processes zugleich die richterliche Verkündigung der Atimie; auch sind manche darunter wohl geradezu so beschaffen ; dass sie, um über- haupt constatirt zu werden, auf frischer That zur gerichtlichen Kenntniss ge- bracht werden müssen, wo dann die Atimie selbst in der Form eines Richter - spruchs in's Leben tritt; aber selbst dann wird man streng genommen nicht sagen können, dass der Richter den Schuldigen, sondern dass dieser selbst sich rechtlos gemacht hat 1) oder es doch von selbst in Folge der sonstigen Strafe wird, die jener über sein Vergehen verhängt; und noch deutlicher zeigt sich dieses da, wo wie in den eben erwähnten Fällen der Endeixis, Dokimasie, Epangelie die Anklage als solche auf eine ganz andere Handlung gerichtet ist, die aber freilich nur dadurch strafbar wird, dass ihr Urheber das Recht dazu verwirkt hat. Abgesehn davon thut — die vereinzelten Beispiele symbolischer Beschimpfung ausgenommen — der Staat zur Verwirklichung der Atimie nichts, sondern die Sache nimmt in concreten Fällen in der Regel den Gang, dass der Rechtlose an der Ausübung der verbotenen Handlung durch Einspruch oder thatsächliches Einschreiten gehindert wird, ohne dagegen den Rechtschutz zu finden, der dem Vollberechtigten gebührt; und je weniger der griechische Siaat dem Einzelnen sich gegenüber einen Rechtsanspruch zuer- kennt, den er ihm nicht selbst zu bewilligen für gut gefunden hat desto weniger bedarf es eines besonderen strafrechtlichen Grundes für eine solche Rechisverweigerung, wenn die Bedingungen nicht erfüllt oder verletzt sind, an welche ‚der Rechtschutz geknüpft war, ‚Dass diese natürliche Folge. der bestimmten. Handlung. oder Unterlassung gesetzlich vorher verkündigt wird 2), I) Demosth. Mid. F. 103: e f yd b)eivoc Vine Éqvtóv:- also ganz wie in einem analogen Falle des römischen Rechts Cicero pro Caecina c. 34 schreibt: Jam populus quum eum. vendit, qui miles factus non est, non adimit. ei liber- ‚falem, sed judicat non esse eum. liberum, qui. ul. liber sit adire. periculum noluit eic. ; | DU 2) Demosth. Mid. $. 113: gar 2 Adu / Jai] nägu wog aüiós dida sregg $ dag deigy tiwag enayyeilouevog en BÀ«fny roù Önmov nei idie Tıvog iv nolıraw tooro i W fUvtoUY, ditiog dot xal vd Eee Aristocr. 5. 62: ôe dv dg Idar uittoc g tòr Feouov ovyyuFývar tóvðe z METONOM0N avtov, Gro» slvat xaj "Gidog drípovc wal "d dxeivov: GRUNDSÄTZE DES STRAFRECHTS IM GRIECH. ALTERTHUME. 321 kann man allerdings eben so wohl unter den Gesichtspunct der Abschreckung bringen, als die praktische Anwendung, welche die athenische Demokratie und ihre Parteien von dem Atimiegesetz machen, auch ausserhalb dessen, was so eben bei Gelegenheit der Geldbussen bemerkt wurde, oft sehr ent- schieden das Gepráge einer staatsklugen Vorbeugungsmaxime getragen haben mag; soll jedoch auch hier, insofern die Atimie immerhin ein Strafübel heissen kann, ihr Gedanke selbst aus einem der oben erörterten Principien abgeleitet werden, so erblicken wir hier wenn irgendwo entschieden das, was ich vorher die logische Consequenz der Sorge für das Staatswohl nannte, für die es sich natürlich von selbst verstehen musste, dass, wer die von ihr für nóthig erachteten Grundverpflichtungen eines Bürgers nicht einhielt, auch auf dessen Grundberechtigung keinen Anspruch hatte. Und in dieser logischen Consequenz, die, wenn auch nicht die ganze griechische Politik, doch ihre geselzgeberische Periode wesentlich durchdringt, glaube ich selbst auf diesem Gebiete den classischen Typus des griechischen Alterthums nicht verkennen zu dürfen, der sogar den Producten mangelhafter Factoren das Geprüge innerer Einheit und formaler Richtigkeit mittheilt; auch ohne noch ein System seyn zu wollen, machen alle ihre einzelnen Züge den Eindruck der Zusammenge- hörigkeit und des Ursprungs aus einem lebendigen Organismus leitender Ge- danken; und je mehr diese Gedanken nicht etwa bloss das Verdienst und Eigenthum bestimmter Individuen, sondern der Nation selbst sind, desto ge- eigneter sind sie uns selbst gegen die Mängel nachsichtig zu machen, welche dieselbe Nationalität in den sonstigen Factoren ihres Rechtsgefühls und ihrer Sittlichkeit zur Schau trägt. i : 4 y E "i iei » Leptin. $. 156: d av tic natoy yaoıw Unc, GUipiog otw, quoil, xai * 4 oroia Öymooia otw U. S. W. f Hist.-Philol. Classe. VI. Ss rapie hal fe D DI e * : è ii E = P 12 E 3 Yd 8 & E 3 22 8 NES UMEN E ^ III LEI) | * EHER | TH S bis LEMTISI] = 2 T ami TH 323283333335 ) & E ! | HEU E 1 u Cl E d - TI a E: 235 2 a i LT et ua = +4 == — H- == E T3 F ma Pen e se ms je = "A — + * ss 5 3 — Dez 2 8 m iJ y^ d - N 1 22272 } LLA 533 ELI E ER [E Hi A irl LI. i h TTT = 122 S à * N S Li - S PN fs ar) SUA NS SEHEN NS H : 8 $ 2 EEE 5 t ~ ~ 1 bep V J ` HR — 3 NS t e" EA, N s ~ (6S S (Q LET N aus "n ASS 1 : N ` Ly LEM n - suma l ( 3 HH TH à D 22 z 3 Ht * 3333 A s : 225 3 ~ | S 7 = "m n 2 2 eA E ~ PN š A 2x m P) A $ " — S 222225 | E 333 28225 ' | : N | S 18 - N s E < $- | S Bj e U * E: | S ` E > 3 E " : x t: > i — > A E. Zwei‘ gierchlandende Assschreden von Jeöbukadhtzar a enfadir Babylmıscher Kalschrift. Bruchstich emes achlsahıyen Ausschreibens von Nebukadnezar. : 7 » 4 2 7 » i Z | MC Rr ERN e Elem eT AT RETIRO p at. (E E ETGH eU SR TESTE D Im M ^ I I1 |n — IR B. Fs i 1 us E A beg E T IDEO SME SERR m 2 N I E e e EAST a a ee, A Az Ad I A here ES E ES E 39 Ire n E Si wc tc^" ese ER C nao scam LES, = be de M def EEE 1105 Le dtf! EEN e eee ee ee N 41 Y Arsy "Edw T MEEL need + 91T ni RENT. e s = VUA Sa nik e e A 7| 7 = | 74 cud Mm SEIS CIS Eee Em E = ESG e s DEM T Ne ER, EC ; 7 EN = NAE] SA [DT v o amt MESURE SSSEUENES pia rd, : focum PES S i kak 5 EI RIS TN 4 Ruf AES NIAT AE «|I | SISH GOLES Rl EI 4k — xq Ho TEN VVV E. x SR E, fe ENT ET ET aT ee DERE AR NG ex N z EN 22 Namen der babylanıschen Halınschriften‘ ans ieu nach Banlımsıns Abschrift. [ur TE ENC Gas T- 4€ V-ER BB c Ange T TERES TEN Maag MEER. 1 I. XC. M. Aurel. an. n poan sh. . È X H Seha Vater. Stamm Land bud, Mann. Ooit Sadi Has. - a. ZA RE tee C SCESECRS Bai a 355 LEAM eum 3r DCC e e 0 N FN x d$» x HT N A Y E ML oc $T E AT. ET cur 2. Ñ. r 6l. C. 64 . 64. 65. 66, 67 63 "7 H. 7. ZI. . 76. T e ATA ANH; eee ER FE. „ I. d4. dI. 4£, dô. 36. 87. 48, 97. H. A. . „ . . A. , . I. 4? #03 Au. J.-—X NN FN RN NH. WEE WS N N LET LEI FATE pE — KH. Seidl 705. M. MW. ME. HI. Mi. M. M dd, x MET We. AT. Add. MI. IH HH. 7 AS. 5. 725. A" b. 417. 7214. 729. WO. PI. T— 80. P FE IH TREE 45. FAT SENT. E Py. O1 FI 2 mS HP. EY. EN. FAE EAF HN H TLS BG HT E KA an n um. ar war bar bir. ba. Á a. s d 25 az, ash. meh ar. sar. amen shrfl)a lam. mek. ka. Au. Adu. and. dak. tak. pm. niv. na. md. mb. (AU. &, f, MS EFT RK TUN. CHE RA HT SM HM. gue Leff gs. em. ehad. res. SAr. "b. ad. am. dar. ad. beach. rew. af. kia. shem. tachaz. A, yerach. gae. MAH E EN NN Eie BD HET HL Brno HN PET KANN Talg Ärugsgeschrei erhob er. Ärtegegeschrer erhoben swe. Krregsgeschrei erhoben wir. Se erhoben _ Ärugsgeschrer. -REETA TE enm EN TAFE Ye EY ERG Tora Al. 8 LEK . . AA u V æ. „% „ uk da MNabunıd. Menke da sur. Aa tı ta dd. Au E Swer ze m TX CHAT ER. EXE). YI NH-, , p PI EE Eg T oHm um XT EBD. Nef PS MITTEN Gu m a fa. Wa mi s d ef Tu mw z da ta. Wz mwi z Ae £ r a iak ma. FUB i, w tak ma. NET EENET, NA HH N HCA ATS. 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