FH, | 5%. FLORA ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. UE REIHE 50. JAHRGANG NE HE 50., G ODER ——— DER GANZEN REIHE 75. JAHRGANG. HERAUSGEBER: Prof. Dr. K. GOEBEL. Mit 8 Tafeln und 26 Textfiguren, Mo. Bot. Garden, 1893 MARBURG. N, 6 ELWERT'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG. 1892, m .r ER hs Inhaltsverzeichniss. I. Abhandlungen. . Seite CORRENS, C., Ueber die Abhängigkeit der Reizerscheinungen höh. Pflanzen von der Gegenwart freien Sauerstofles . . 87 DODEL, A., Beiträge zur Morphologie und Entwiekelingsgeschichte der Stürke- körner von Pellionia Daveauana . . ! . 267 HAACKE, O., Ueber die Ursachen elektrischer Ströme in Pflanzen . 455 HAUPTFLEISCH, P. Die Fruehtenbwiekelung der Gattungen Ohr, Champıa und Lomentaria . 307 KLEMM, P., Beitrag zur Erforschung der Aggı gregationsvorgänge in lebenden Pflanzenzellen . . 395 LOEW, O., Ueber die physiologischen Functionen der Caleium- und Magnesium. salze im Pflanzenorganismus . B . . . . . . 368 MÖBIUS, M., Australische Süsswasseralgen . . . . . . 421 NOLL, F., Ueber die Cultur der Meeresalgen in Aquarien oo . . 281 OLTMANNS, F., Ueber photometrische Bewegungen der Pflanzen . . 183 RICHTER, A., U eber die Anpassung der Süsswasseralgen an Kochsalzlösungen 4 SACHS, J., Physiologische Notizen I... . . . . . . 1 I. . . . . . . . 57 I . . 5 . . . . . 171 TAUBERT, P., Leguminosae novae v. minus cognitae austro-americanae 68 I. Abbildungen. A. Tafeln. Tafel In. II zu Richter, Ueber die Anpassung der Süsswasseralgen an Koch- salzlösungen. Tafel DI zu Taubert, Leguminosae novae vel minus cognitae austro-americanae. Tafel IV zu Oltmanns, Üeber die photometrische Bewegungen der Pflanzen. Tafel V. u. VI. zu Dodel, Beitrag zur Morphologie und Entwickelungsgeschichte der Stärkekörner von Pellionia Daveauana. Tafel VII u. VII zu Hauptfleisch, die Fruchtentwiekelung der Gattungen Chylocladia, Champia und Lomentaria. B. Textfiguren. Seite 423ff. Fig. 1I—22 zu Möübius, australische Süsswasseralgen. Seite 461 ff. Fig. 1—4zu Haacke, Ueber die Ursachen elektrischer Ströme in Pflanzen, IH. Litteratur. Seite GASILIEN, Lichenes rares ou noureaux de la Flore d’Auvergne . . 308 HEMPEL und WILHELM, Die Bäume und Sträucher des Waldes in botanischer und forstwissenschaftlicher Beziehung geschildert . . . . . 804 HESSE, Die Hypogaeen Deutschlands . . . . .. 804 KIHLMANN, Pilanzenbiologische Studien aus Russisch- Lappland . . . 158 — — neue Beiträge zur Flechtenflora der Halbinsel Kola . . . “808 NYLANDER, Sertum Lichenaeae tropieae e Labuan et Singapore . . . 302 — — Lichenes Pyrenaeorum orientalium . . .. 802 STEFANI, de FORSYTH MAJOR et WILLIAM BARBEY, Samos . 488 ZIMMERMANN,. Die botanische Mikrotechnik . . . . . ul IV. Eingegangene Litteratur. S. 167, 304, 452, 459, Heft I (S. 1—170) erschien am 19. Januar 1892. „ TI (68. 171-306) „ „ 23. März. „ HI (S. 807-454) „ „ 18. Juni. „ IV (S. 455—490) „ „ 1. September. Physiologische Notizen von Julius Sachs. Ein neues Heft der „Arbeiten des botanischen Instituts zu Würz- burg“ wird wahrscheinlich erst nach Ablauf des Jahres 1892 erscheinen können. Ich erlaube mir daher schon jetzt vorläufig einige Forschungs- resultate in aller Kürze mitzutheilen, die dort ausführlich dargestellt werden sollen. I. Im zweiten Bande der „Arbeiten“ habe ich unter dem Titel: „Stoff und Form der Pflanzenorgane“ 1880 und 1882 (p. 452 und 689) zwei Abhandlungen veröffentlicht, in denen ich u. a. zu be- weisen suchte, dass die zur Blüthenbildung nöthigen Stoffe in den grünen Blättern erzeugt oder vorgebildet werden, um dann an die Orte zu wandern, wo die Blüthen sich bilden sollen. Neben der Be- trachtung zahlreicher anderer 'Thatsachen waren es vorwiegend die Ergebnisse von 1863 und 1865 angestellten Versuchen mit im finsteren Raum eingeleiteten, aber durch beleuchtete grüne Blätter ernährten Sprossen (speciell von Tropaeolum majus), aus denen ich schon damals den genannten Schluss gezogen hatte. — In einer späteren Abhand- lung, 1. ec. Bd. III p. 372 (im Jahre 1887), publicierte ich sodann die Resultate von ebenfalls mit Tropaeolum majus angestellten Versuchen, aus denen ich den Schluss ziehen durfte, dass die zur Blüthenbildung nöthigen Stoffe nicht nur in den grünen Blättern überhaupt entstehen, sondern dass die Erzeugung derselben speciell von den ultravioletten Strahlen abhängt. Haben schon diese, in ganz verschiedener Art und Weise ange- stellten Versuche zu dem gleichen Resultat geführt, so bin ich jetzt iu der Lage, das Ergebniss einer dritten Versuchsreihe anzuführen, welche abermals und wieder nach anderer Methode zeigt, dass die zur Blüthenbildung nöthigen Stoffe in den grünen Blättern entstehen. So wie die mit der Chininlösung gewonnenen Resultate vom Jahre Flora 1892, l 2 1887 sind auch diese nicht durch zufällige Beobachtung, sondern auf Grund theoretischer Erwägung gewonnen worden, d. h. es handelt sich nicht um die Deutung einer zufälligen Wahrnehmung, sondern um eine auf Grund meiner Theorie gestellte Frage, welche der Ver- such im bejahenden Sinn entschieden hat, wodurch die Beweiskraft des Versuchs wesentlich erhöht wird. Seit vielen Jahren habe ich in meiner Sammlung ein kleines Blattstück einer Begonia, welches in bekannter Art eine Brutknospe erzeugt hat, die aber sofort eine abnorm gebildete Blüthe hervor- brachte. Bei erneuter Betrachtung dieses unscheinbaren Objects drängte sich mir die Frage auf, ob es nicht möglich wäre, derartige Brut- knospen mit sofortiger Blüthenbildung entstehen zu lassen, wenn man von meiner Theorie der specifischen organbildenden Stoffe ausgeht. Ich liess daher Ende Mai 1891 eine grössere Zahl von Begonia- blättern (Beg. Rex) abschneiden und in bekannter Art auf Sand (im Vermehrungsraum) legen. Es entstanden -nach wenigen Wochen zahl- reiche Knospen, je eine an der Stelle, wo die Hauptrippen vom Blatt- stiel ausstrahlen, und andere, schwächere, da, wo die Rippen absicht- lich gebrochen waren. — Von Blüthenknospen war an ihnen nichts zu finden. Erst als die stark herangewachsenen Brutknospen, in Töpfe gesetzt, zu kräftigen Pflanzen mit 8-10 mächtigen Blättern heran- gewachsen waren, d. h. Anfang November, also nach fünf Monaten, zeigten sich die ersten Inflorescenzen in den Achseln späterer Blätter, denen an der Sprossaxe 4—5 ältere Blätter vorausgegangen waren. — Diese im Mai ausgelegten Blätter haben also eine Brut erzeugt, die erst nach eigener fünfmonatlicher Assimilationsarbeit zur Blüthenbil- dung kam. Ganz anders war es bei 15 grossen Blättern, welche erst Ende Juli von kräftigen blühreifen Pflanzen abgeschnitten und auf Sand gelegt wurden, an derselben Stelle des Versuchsraumes, wie jene. Schon nach 10—15 Tagen zeigten sich an den oben genannten Stellen Brutknospen und bereits im September waren drei kräftige Inflores- cenzen deutlich zu sehen, die Ende October aufblühten. Bis zum 12. November konnte ich an sechs Blättern die Inflorescenzen in ver- schiedenen Altersstufen erkennen. Dieselben zeigten sich bereits, als die Laubblätter der Brutknospen noch klein und jung waren und, was das Wichtigste ist, sie kamen jede aus der ältesten, ersten Blatt- achsel der Brutknospe. Diese Inflorescenzen mussten also in aller- frühester Jugend der Brutknospen angelegt worden sein; dies war gerade, was ich wünschte und erwartete. — Diese im Juli ausgelegten y Begonienblätter waren selbst am 22. November noch ganz frisch und gesund; ihre Stiele und die Brutknospen waren mit dichten Büschen sehr feiner Wurzeln versehen. Vom Standpunkt meiner Theorie aus lehrt der Versuch: die im Frühjahr abgeschnittenen Begoniablätter enthalten noch keine blüthen- bildenden Stoffe, diese werden erst in den Blättern der Brutknospen sehr langsam erzeugt; die Blüthen erschienen an diesen erst nach fünf Monaten, als die Brutknospen schon zu grossen selbständigen Pflanzen herangewachsen und die ausgelegten Mutterblätter längst verfault waren. — Dagegen enthielten die im Juli von blühreifen Pflanzen abgeschnittenen Blätter schon blüthenbildende Stoffe, die sofort bei der Anlage der Brutknospen in diese übergingen und In- Hlorescenzen erzeugten. Dies geschah an sechs von 15 Blättern, also an 40 Procent, was ich für ein sehr günstiges Ergebniss halte. Ich werde diese Versuche, die ja auch für die gärtnerische Praxis Nutzen versprechen, fortsetzen. Zum Schluss will ich nicht versäumen, Herrn Kunstgärtner Niehus, der die betreffenden Culturen nach meiner Anweisung sehr sauber durchführte, bestens zu danken. Würzburg, 22. November 1891. Fortsetzung folgt. 1% Ueber die Anpassung der Süsswasseralgen an Kochsalzlösungen von Adolph Richter. Die Pflanzen, welche gewöhnlich am Meeresufer wachsen, sind schon früher in Bezug auf ihre Abhängigkeit von der Beschaffenheit des Standortes und auch nach denjenigen Veränderungen, welche sie erleiden, wenn sie den Standort wechseln, studirt worden. Pierre Lesage, brachte zum ersten Mal in seinen „Recherches experimentales sur les modifications des feuilles chez les 'plantes ma- ritimes“ Mittheilungen über eine Untersuchung, welche zugleich auch die Anatomie der Blätter mit inbegrif. Er fand, dass die Pflanzen, welehe im Binnenlande gewachsen waren und am Meeresufer weiter eultivirt wurden, hier dickere Blätter bekommen, während umgekehrt der Wechsel vom Standort am Meere zu einem solchen im Binnen- lande dünnere Blätter erzeugt. Die Nähe des Meeres hat demnach die Wirkung, gewisse Veränderungen in der Consistenz bestimmter Organe hervorzubringen, nur würde die Frage entstehen, ob das Meer für sich allein diese Veränderungen bewirkt, oder ob andere, mit dessen Gegenwart zusammenhängende Einflüsse sie begünstigen, und welcher Art die durch das Meer gebotenen Beeinflussungen sind. Mag nun hier die physikalische Beschaffenheit und die chemische Zusammensetzung des Bodens, der Feuchtigkeitsgehalt desselben, ferner die Luftfeuchtigkeit, die Häufigkeit und Stärke der Winde ete. in Frage kommen, und mögen alle diese Factoren von starkem Einfluss auf die Beschaffenheit der Strandpflanzen sein, so wird immer eine Besonderheit des Standortes derselben, der hohe Gehalt an Chlornatrium, bei der Beurtheilung aller einschlägigen Fragen in den Vordergrund gestellt werden müssen. In Berücksichtigung dieses Umstandes wurden. deshalb von Lesage Phanerogamen aus den verschiedensten Familien auf ihre Existenzfähigkeit in Chlornatriumlösungen geprüft; auch die vorliegende Arbeit hat den Zweck, der Wirkungsweise des Chlor- natriums auf Süsswasseralgen näher zu treten und die Art der An- passung solcher Algen an Kochsalz zu erörtern. > | 5 Lesage verglich 85 Pflanzenarten, welche am Meeresstrande ge- sammelt waren, mit Exemplaren der gleichen Species aus dem Binnen- lande und kam, indem er zugleich den anatomischen Befund bei Ver- gleichung der Querschnitte der Blätter in Rechnung zog, zu folgenden Resultaten: Bei 27 von den 85 untersuchten Arten fanden sich keine be- merkbaren Unterschiede, dagegen wurden bei 54 Arten der Strand- exemplare dickere Blätter constatirt und vier Arten hatten im Binnen- lande diekere Blätter erzeugt als am Strande. Nachdem es also ersichtlich war, dass eine Neigung zum Dickerwerden der Blätter bei den am Strande gewachsenen Individuen existirt, stellte Lesage ver- gleichende Culturen mit Pisum sativum, Linum grandiflorum und Le- pidium sativum an und fand, dass Lepidium eine 2'/, procentige Chlor- natriumlösung, die zum Begiessen verwendet wurde, ertrug, während Pisum und Linum nicht mehr wie !/a °/, aushielten. !) Die anatomische Untersuchung der Blätter der drei Culturpflanzen ergab einen Befund, welcher zur Bestätigung der im Freien gemachten Erfahrungen diente. Die Anwesenheit von Kochsalz bewirkt also im Allgemeinen Verdiekung der Blätter bei denjenigen Pflanzen, welche Chlornatrium überhaupt ertragen können. Das Fleischigwerden der Blätter beruht auf einer ungewöhnlichen Verlängerung der Palissaden- zellen, eventuell auf Kosten des übrigen Mesophylis. Die Interzellular- räume verkleinern sich dabei in den Küstenpflanzen. Eine weitere Veränderung betrifft das Chlorophyll. Nieht immer freilich können Verschiedenheiten in Bezug auf die Menge und Ausbildung der Chlorophylikörper constatirt werden, aber bei einer grösseren Anzahl der von Lesage untersuchten Pflanzen- arten traten doch unter Salzwirkung Aenderungen im Chlorophyll auf; Cakile maritima zeigte z. B. viel kleinere Körner in den am Meere gewachsenen Individuen. Andere Pflanzen hatten unregelmässige (in- egaux), wieder andere kleinere und dabei relativ nicht zahlreichere Körner. Wenn es also überhaupt möglich ist, erkennt man in den am Meere gewachsenen Pflanzenindividuen eine Neigung, weniger Chloro- phyll zu erzeugen. Hierzu mag noch erwähnt werden, dass „Costatin, La flore du littoral* (Journal de botanique 1% annde no. 3 p. 45) „un changement dans la nuance verte de la plante* erwähnt, worüber 1) Ausser in Form von Lösungen wendete Lesage das Salz auch dem Erdboden beigemischt an; da aber die Wirkung desselben im letzten Falle schwächer ist, so können die erhaltenen Resultate für unseren Zweek übergangen werden, 6 Lesage schreibt: „Le changement dans la nuance verte est, d’apres mes resultats, une tendence & la diminution de la chlorophylle dans les cellules du mösophylle des Eschantillons les plus soumis & V’influence du sel marin.* Welche Combination von Bedingungen, unter denen obige drei Erscheinungen bei Pflanzen, die anı Meer gewachsen oder in Salz eultivirt sind, die günstigste ist, dies wechselt von Art zu Art, so dass man nur durch umfassende Beobachtung oder geeignete Culturen darüber zur Klarheit gelangt. Ueber die Art und Weise indessen, wie das Chlornatrium bei den Phanerogamen wirkt, geben die Unter- suchungen keinen näheren Aufschluss. Von Interesse ist ferner eine Arbeit von C. J. de Freitag „Ueber die Einwirkung von concentrirten Kochsalzlösungen auf das Leben der Bacterien“,!) in welcher experimentell nachgewiesen wird, dass Milzbrandbaeillen in concentrirter Kochsalzlösung nach zwei Stunden abstarben, während die Grenze für ihr Wachsthum wie für die Kei- mung der Sporen bei einem Concentrationsgrad von über 7°/, und unter 10% lag. — Die Sporen selbst hingegen lebten noch nach sechs Monaten in gesättigter Chlornatriumlösung. Für die anderen in der Arbeit erwähnten Species mag der Kürze halber folgende Zu- sammenstellung dienen: Cholerabacillen lebten in 7°/o Lösung bis 6 Stunden, Schweinerothlaufbaeilen „ „ , » „ 2 Monate, Typhusbaeillen on » „6 » Erysipelstreptococcen »nn „ über 2 n Eiterstaphyloccen FE » Fa) » Tuberkelbaeillen >» » Fa: » Aus der letzten Zahl geht hervor, dass die Lebensfähigkeit — und wohl auch das Infectionsvermögen — tuberculös veränderter Organe von perlsüchtigen Schlachtthieren durch hochprocentige Koch- salzlösungen nicht beeinträchtigt wird, selbst dann nicht, wenn das Salz während drei Monaten eingewirkt hat. — Diphtheriebacillen schliesslich bleiben mindestens drei Wochen lang in gesättigter Chlor- natriumlösung unverändert. Wie ersichtlich, bewegt sich hier die Fähigkeit Salz zu ertragen in weiteren Grenzen, und es finden sich im Vergleich zu dem bei Phanerogamen von Lesage gemachten Erfahrungen unter den Spalt- pilzen mehrere Species, welche concentrirtere Lösungen von Koch- 1) Archiv für Hygiene 11. 60-85, Juli (März). Amsterdam, [ . 7 salz zu ertragen vermögen, ja sogar solche, die in gesättigter Auf- lösung des Salzes einige Zeit fortleben können. Hieraus scheint hervorzugehen, dass die auf niedrigen Stufen der Organisation stehenden Kryptogamen im Allgemeinen geeigneter sind in chlornatriumhaltigen Medien fortzubestehen als die Phanerogamen. Auch mit Thieren sind bereits Versuche angestellt worden, welche u. a. ergaben, dass kleine Wasserkrebse lange Zeit in concentrirter und sogar in gesättigter Chlornatriumlösung leben konnten, und dass bei ihnen Anpassungserscheinungen der eigenthümlichsten Art auf- treten. Die Krebse veränderten nämlich im Salzwasser die Gestalt- ihrer Beine und der Anhängsel derselben. Wenn demnach Wasser bewohnende Organismen verschiedenster Art sich an Salzlösungen zu gewöhnen vermögen und dabei theilweise ınorphologische Veränderungen erleiden, so hat es gewiss Interesse, auch den Erscheinungen der Anpassung an Kochsalz bei den Algen nachzugehen, um so mehr, als dabei die Frage im Hintergrunde steht, ob sich Anhaltspunkte dafür gewinnen lassen, dass die Meeresbewohner in Süsswasseralgen und umgekehrt übergeführt werden können. j Die vorliegende Arbeit wurde auf Anregung des Herrn Prof. Dr. A. Peter im botanischen Museum zu Göttingen während drei Semestern ausgeführt, und sei es mir an dieser Stelle gestattet, diesem meinem hochverehrten Lehrer für die unausgesetzt gütige Unterstützung, welche er mir bei der Ausführung meiner Arbeit zu Theil werden liess, meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Die mir zur Verfü- gung stehende Zeit gestattete es leider nicht, zahlreichen, hier kaum berührten Fragen, welche während der Bearbeitung auftraten, weiter nachzugehen, so dass die Erörterung derselben späterer Zeit anheim gegeben werden musste. Es gibt nicht viel Algenspecies, die gleichzeitig in den süssen tewässern des Binnenlandes und in dem Meere auftreten. Diese Thatsache ist um so auffälliger, als doch viele Algen durch die Flüsse dem Meere zugeführt werden und das Brackwasser einen Uebergang von salzfreien Gewässern zum Meere bildet, der die An- passung an die verschiedenen Medien vermitteln könnte. Es ist nun auch schon versucht worden, Süsswasseralgen in Chlor- natriumlösung zu cultiviren, wenngleich zu anderem Zwecke als dem- jenigen der Anpassung, und ohne Erfolg; so berichtet G. Klebs in seinem Aufsatz „Beiträge zur Physiologie der Pflanzenzellen“, in 8 0 welchem von Wachsthumsvorgängen nach Plasmolyse, welche durch Glykose hervorgerufen wurde, die Rede ist, „in plasmolytisch wirken- den Lösungen von Salpeter, Chlornatrium gehen die Zellen!) in wenigen Tagen zu Grunde“. Wenngleich nun im Folgenden gezeigt wird, dass mehrere Algen des Süsswassers wohl geeignet sind, sogar im Winter, also während der den Culturen minder günstigen Jahreszeit, die im Meere gewöhnlich vorkommende Salzmenge und noch grössere Quantitäten zu ertragen, so muss man wohl annehmen, dass die Bedingungen, wie sie durch die Natur beim Uebergang von süssem Wasser in Seewasser den Älgen geboten werden, diesen nicht zusagen, so dass sie alsbald zu Grunde gehen. Die Zusammensetzung der Salze des Meerwassers ist für das Mittelländische Meer in 1000 Theilen folgende: Chlornatrium . . . 29,424 Chlorkalium . . . . 0,505 Ohlormagnesium . . 3,219 Magnesiumsulfat . . 2,477 Chlorealium . . . 6,080 Caleiumsulfat . . . 1,357 Caleiumearbonat . . 0,114 Bromnatrium . . . 0,556 Eisenoxyd . . . . 0,003 43,135 Wie ersichtlich, herrscht das Chlornatrium in erhebliehem Maasse vor, so dass man es bei den Culturen als Hauptfactor in den Vorder- grund stellen muss. Die Versuche wurden demgemäss fast ausschliess- lich mit Rücksicht auf Chlornatrium angestellt; späteren Culturen muss es vorbehalten bleiben, auch die übrigen in grösseren oder ge- vingeren Mengen im Meerwasser vertretenen Salze bezüglich ihrer Einwirkungsweise auf Süsswasseralgen zu prüfen. Bevor nun von dem Verhalten der untersuchten Algen in Salz- lösung berichtet wird, soll die Art und Weise, wie die Culturen an- gesetzt und beobachtet wurden, mitgetheilt werden. 1) Die Arbeit erwähnt folgende Species: Zygnema, Spirogyra, Mesocarpus, Oedogonium-Arten, Chaetophora, Stigeoclonium, Conferva, Cladophora. 9 Bei Göttingen sind, wegen Mangels an grösseren Gewässern, Algen nicht überall zu finden und man muss, um stets frisches Ma- terial zur Hand zu haben, die wenigen vorhandenen Fundorte aus- nutzen. Auf dem „Kleinen Hagen* liegen einige winzige Teiche, an tleren Oberfläche eine Anzahl Algen, vor allem Tetraspora, einen dieken, gallertartigen Ucberzug bilden. Da die Vertheilung der Species in dieser Gallertmasse eine ungleichmässige ist, so war es nöthig, um für die zunächst anzusetzenden Culturen ein gleichartiges Material zu bekommen, welches alle vorhandenen Species in annähernd gleicher Quantität enthielte, eine Mischung vorzunehmen. Dieses Vermischen fand so statt, dass von verschiedenen Stellen des Vorraths möglichst kleine Partien entnommen und auf einem Teller durch einander ge- rührt wurden. Geschah dieses mehrere Mal nach einander, so war man einigermassen sicher, dass ein ziemlich gleichmässiges Gemisch hergestellt war. Da aber das Verfolgen einer Species zwischen vielen anderen zum Theil ihr verwandten Arten immer mit Schwierigkeiten verknüpft ist, so wurden nach Thunlichkeit Reinculturen der zu untersuchenden Alge verwendet. Wirkliche Reinculturen wurden, da sie nur schwierig in grösseren Quantitäten herzustellen sind, allerdings nur wenige erzielt, aber die Untersuchung war auch dann schon sehr erleichtert, wenn die Cul- turen nur wenige (2—3) Arten enthielten, zumal wenn diese, worauf besonders Gewicht gelegt wurde, gänzlich verschieden waren. Wenn also z. B. in der Oladophoracultur einige Diatomaceen sich aufhielten, so konnte darin kein Anstoss erblickt werden, der das Resultat des Versuches beeinträchtigen konnte. Die Culturgläser waren 3—4cem hoch und ca. Tcm breit; sie wurden durch eine Glasplatte verschlossen. Die Flüssigkeitsmenge betrug meistens 50cem für etwa 2x Algenmasse; wurden grössere Quantitäten der Alge auf einmal in Cultur genommen, so musste die Culturflüssigkeit entsprechend reichlich bemessen sein. Jeder Cultur wurden Nährsalze zugesetzt und zwar je 5cem von folgender Lösung auf 1 Liter Brunnenwasser: Caleumnitrat . . ... 20 Kaliumdiphosphat. . . 02 Magnesiumsulfat . . . 02 Eisenchlorid . . . . Spur Wasser . 2. 2.2... 200,0 10 Die angesetzten Culturen standen vor einem nach Süden gerich- teten Fenster; durch einen Gazevorhang war dafür gesorgt, dass das direete Sonnenlicht im Sommer etwas abgeschwächt wurde. Obige Bedingungen blieben stets die gleichen, um irgend welchen durch Veränderung derselben hervorgerufenen Beeinflussungen vor- zubeugen. Beim Begmn einer Cultur wurde zunächst eine möglichst genaue Zeichnung von allen in derselben vorkommenden Algenspecies mit Hilfe eines Zeichenprismas entworfen, ausserdem wurden Dauerpräpa- rate angefertigt, welche der späteren Controlle dienen sollten. Alle im Verlauf der Beobachtung zu Tage tretenden Veränderungen wur- den sofort beschrieben und wieder gezeichnet. Die Ueberführung der Culturen aus schwachen in stärkere Salz- lösungen geschah meist allmählich, immer wurde ein Theil der schwächeren Cultur zurückbehalten, um am Schluss die Uebergangs- stadien und Resultate mit der ursprünglichen Form vergleichen zu können. . Es sei gleich hier auf einen Umstand hingewiesen, welcher bei allen beobachteten Algenarten gleichmässig auftrat und der deshalb um so mehr Beachtung verdient. Die Wirkung des Salzes war auf gleiche und in gleicher Weise behandelte Zellen der nämlichen Oultur nicht immer dieselbe, vielmehr fanden sich die verschiedensten Ueber- gangsstadien von der ursprünglichen bis zu der betreffenden endgiltig erlangten Anpassungsform. Dieser Umstand war in gewisser Beziehung sehr vortheilhaft für die Beobachtung, denn er erleichterte es wesent- lich, die Uebergangsformen in einem Gesichtsfeld unter dem Mikroskop zu verfolgen. Der Einfachheit halber werden im Nachstehenden die einzelnen Culturen nach der Zahl der Kochsalzprocente, welche in der Flüssig- keit enthalten waren, bezeichnet, so dass z. B. „Tetraspora 10* die- jenige Tetrasporacultur ist, welche sich in .1Oprocentiger Salzlösung befindet. Wie schon erwähnt wurde, erleiden manche Algen bei der An- passung an Kochsalz grössere oder kleinere Veränderungen, und würde nun die Frage entstehen, zu welchem Zeitpunkt ein Stillstand dieser Veränderungen erreicht ist. Im Folgenden wird eine Alge immer dann als angepasst aufgefasst, wenn sie bei zwei aufeinander folgenden Untersuchungen, zwischen denen eine geraume (unten meist ange- gebene) Zeit lag, sich nicht mehr verändert hatte. — War es nöthig ein einzelnes Exemplar längere Zeit hindurch für sich, bezüglich der 11 Anpassungsvorgänge, zu verfolgen, so wurde zu Einzeleulturen die Zuflucht genommen, von denen unten in einem besonderen Abschnitt die Rede sein soll. Die mikroskopischen Beobachtungen wiederholten sich in Zeit- räumen von 8 bis 14 Tagen; wichtigere Veränderungen aber wurden täglich oder stündlich verfolgt, scheinbar stillstehende Culturen hin- gegen seltener durchsucht. Die angegebenen Grössen sind in Mikro- millimeter ausgedrückt. Da die Längen- und Breitenmaasse der Zellen bei derselben Art meist einen mehr oder weniger grossen Spielraum haben, so wurden stets 8 bis 10 bis 15 Messungen vorgenommen und aus diesen der Durchschnitt berechnet. Was schliesslich die öfter angegebenen Farbentöne betrifft, so ist zu bemerken, dass dieselben mit Hilfe der „internationalen Farben- scala von Radde, in 42 Gammen mit 882 constanten Tönen“ bestimmt wurden. Die angegebenen Zahlen beziehen sich auf diese Tabelle. Im Folgenden sollen nun die einzelnen Oulturreihen näher beschrieben werden. Oseillaria Frölichii Kg. f. genuina. Im Juni 1890 fanden sich blaugrüne Polster von Algen in einem Graben („unter dem Uemmelberge*) bei Nörten, dessen kaum oder doch nur sehr langsam fliessendes Wasser kurze Zeit darauf unter- sucht wurde und laut Analyse nahezu ein halbes Procent (0,432 °/o) Chlornatrium neben Caleium- und Magnesiumsalzen enthielt. Bei der mikroskopischen Untersuchung der Algenmassen stellte sich heraus, dass sie der Hauptsache nach — neben vielen anderen Species — aus der oben erwähnten ÖOsecillaria bestanden. Das ganze mitgebrachte Algengemisch wurde darauf, mit Aus- nahme eines zur Oontrolle zurückgehaltenen Restes, Culturversuchen mit Chlornatrium unterworfen, doch soll der besseren Uebersicht halber vorläufig nur von dem Verhalten der Oscillaria die Rede sein, während die übrigen Algen später besprochen werden sollen. Die Oscillaria fand sich in einem schwarzblauen, langstrahligen Lager; die einzelnen Fäden waren von einer dünnen, nach Färbung mit Jod-Jodkali besser hervortretenden Membran umgeben. Die Fadenenden waren meist gerade und nicht verdünnt, und die Endzelle breit abgerundet. Der Durchmesser der Öscillaria betrug 15—16].; die Zellen waren an den Scheidewänden, die nur undeutlich sichtbar waren, nicht einge- schnürt und einviertel- bis einhalbmal so lang als dick. Viele Zellen 12 mäassen 5— 6. in der Länge, andere waren etwas länger, wieder andere otwas kürzer. Ihr Inhalt war von gleichmässig blaugrüner Farbe mit kleinen dunkeln, meist: unregelmässig vertheilten Punkten durchsetzt. Abgestorbene Fäden waren nicht in dem Lager vorhanden, wohl aber fanden sich solche, die in kleine, immer an den Enden ab- gerundete Stücke von unregelmässiger Länge (Hormogonien) zerbrochen waren.) Die Anordnung der Versuche war folgende: Anfänglich (Juni 1890) waren Culturen mit 0,5, 1, 2, 3, 5 und 10 °/& Chlornatrium und der entsprechenden Menge Nährlösung ange- setzt worden. Von der 3procentigen leitete sich später durch Um- züchtung eine Cultur mit 4 % Salz, von der 5 procentigen ferner eine 6procentige und von dieser wiederum eine 8procentige ab. Die Cul- tur 10 war der Ausgangspunkt für eine 11 procentige, diese schliesslich bildete den Uebergang zur 13procentigen. So entstanden folgende Culturreihen: a, , 2, 3, 3, 10, 4 6, 1, 8018, 10. Jn diesem Culturverfahren liegen immerhin einige Fehlerquellen, die aber bald erkannt und für die Folge in Rechnung gezogen wur- den. Einmal hatten diejenigen Culturen, welche im langsameren Tempo zu höheren Salzprocenten übergeführt wurden, eine grössere Zeit für die Anpassung zur Verfügung als diejenigen, bei welchen die Um- züchtung rascher erfolgte; ferner waren auch die Anforderungen, welche an die sprungweise in höhere Salzlösungen übergeführten Algen gestellt wurden, andere, als die bei allmählicherem Aufsteigen hervortretenden. Die lprocentige Chlornatriumlösung, in welche die Oseillaria ge- - bracht war, schien keinen Einfluss auf die Pflanze ausüben zu können; cs wurden wenigstens weder nach kurzer Zeit, noch nach Verlauf mehrerer Monate irgend welche erhebliche Veränderungen an dieser bemerkt. In manchen Fäden war zwar die Membran etwas gequollen oder der Inhalt hatte auch wohl eine etwas hellere Farbe ange- nommen (F. 14,1), die Dieke der Fäden aber war im Allgemeinen die- selbe geblieben und nur wenige Fäden fanden sich, die einen etwas grösseren Durchmesser angenommen hatten. 1) Vgl. Kryptogamenflora von Schlesien von Dr. O. Kirchner. 13 Diese Resultate konnten insofern wenig überraschen, als ja die Untersuchung des Wassers, in welchem die Alge in der freien Natur angetroffen war, bereits einen Ysprocentigen Chlornatriumgehalt er- geben hatte und die Steigerung um Y/, fo an Salz für die Oseillaria, die sich vielleicht schon im Laufe mehrerer hundert Jahre an Chlor- natrium angepasst hatte, zumal für die kurze Zeit, eine zu geringe war. Die Wirkung, welche das Salz in 2procentiger Lösung auf die Öseillaria ausübte, war schon eine bedeutendere. Die Dicke der Fäden betrug hier bis 181; die gallertartige Membranschicht, welche die Fäden einhüllt, zeigte sich mehr oder weniger gequollen und man glaubte zuweilen Schichtung darin zu erkennen. Die Färbung war in den meisten Fäden noch unverändert, bei anderen zeigte sie jedoch ‚ einen deutlichen Uebergang ins Gelbliche (F. 13); wieder andere machten durch noch auffälligere Erblassung den Eindruck des Krank- seins. Aus einzelnen Scheiden war der gesammte Inhalt verschwunden ; die leere Gallertmembran behielt dann noch einige Zeit ihre Form bei (zuweilen barg sie im Innern einige kugelförmige Schmarotzer), bis sie durch Wasseraufnahme sich gänzlich verflüssigte. Es zeigte sich hiernach, dass ein Theil der Oscillaria sich in . 2procentiger Salzlösung zu erhalten vermochte, wenn auch unter ge- . wissen Veränderungen des. ursprünglichen Zustandes; denn die Fäden ‚ waren dieker und ihr blaugrüner Inhalt war körniger und dadurch dunkler geworden, so dass man die Zellquerwände jetzt noch undeut- licher als bei der uncultivirten Alge wahrnahm. Ein Theil der Oscillariafäden aber erwies sich als unfähig, die Anpassung an 2 : Kochsalz einzugehen. Das Absterben dieser. Fäden war, wie aus zahl- reichen Uebergangsformen ersichtlich, in der Weise vor sich gegangen: zuerst hatten die Fäden eine immer hellere Farbe, die ins Gelbliche spielte, angenommen, darauf war der Inhalt mehr und mehr zusam- mengeschrumpft, so dass er als schmaler, unregelmässiger Streifen im Innern der noch normal geformten Membran lag; schliesslich ver- schwanden auch die letzten Reste des Inhaltes, und nun verquoll die Membran völlig. Wesshalb die doch auf gleiche Weise behandelten Fäden der Os- cillaria sich nicht gleich verhielten und sich nur theilweise an Salz gewöhnten, blieb eine durch die Versuche nicht ausreichend beant- wortete Frage. Da eine Verschiedenheit zwischen den einzelnen ‘ Fäden nicht beobachtet worden war, so ist es möglich, dass einigen derselben eine noch unbekannte Eigenthümlichkeit innewohnt, vermöge : derer sie im Stande sind, sich an Salz anzupassen; andererseits wäre 14 es denkbar, dass das Öhlornatrium 'auf bestimmte Individuen einen stärkeren Reiz ausübte, als auf andere, so dass dadurch das ungleiche Verhalten der Fäden herbeigeführt wurde. Wie auch in anderen Culturen beobachtet wurde, so scheint die verderbliche Wirkung des Salzes darin zu bestehen, dass der Tod der Zellen durch Entziehung irgend eines Stoffes aus dem Inhalt und durch gleichzeitige Quellung der Membran herbeigeführt wird. Hier muss noch des häufigen Vorkommens von Schmarotzern (Chytridium [?] 5—6 p im Durchmesser) in vielen leeren Gallerthüllen gedacht werden; denn es wäre ja möglich, dass diese Eindringlinge das Absterben der Fäden verursachten, in denen sie sich aufhalten. Allerdings ist es wahrscheinlicher, dass die Schmarotzer sich nur der kranken, durch Salzlösung schon geschwächten Osecillarien bemächtigen und die lebensfähigen Fäden unbehelligt lassen; denn es wurde be- obachtet, dass die Pilze in einen gelblich gewordenen Faden vom Ende her eingedrungen waren, dort ganze Colonien gebildet hatten und sich hin und her bewegten, während anderseits weder das Eindringen von Schmarotzern in intakte Fädeı noch deren Vorkommen in solchen constatirt werden konnte. Zwischen der Öseillaria 2 und derjenigen, die in 3procentiger Chlornatriumlösung cultivirt war, zeigten sich zu derselben Zeit nur geringe Unterschiede. Die Dieke der Zellen wies keine grösseren Veränderungen auf, auch die Membran war nicht mächtiger, doch liess sie ihre geschichtete Struktur besser erkennen und stellenweise war sie etwas verquollen, so dass die Fäden dadurch unregelmässige Conturen erhielten. Auch betrefls der Farbe der Zellen war keine Differenz wahrzunehmen. Es fiel jedoch auf, dass es hier verhältniss- mässig mehr leere Gallertscheiden, von abgestorbenen Oscillarien her- rührend, gab, als in der Cultur 2. Letztere Erscheinung ist aber ohne Weiteres begreiflich. Denn da die in Cultur genommenen Oscillaria- fäden hier direct in 3procentige Chlornatriumlösung gebracht waren, so wurde eine höhere Anforderung betreffs der Anpassung an sie ge- stellt als an diejenige Oscillaria, welche sich in nur 2 procentiger Lö- sung gefunden hatte. Durch diese und andere Culturen zeigte es sich, dass die An- passung von Algen, falls sie überhaupt gelingt, zu den besten Resul- taten führt, wenn man die Concentration der Salzlösungen nur ganz allmählich bis zu der Maximalhöhe steigert, und dass, je länger die Alge in der betreffenden Lösung wächst, sie sich um so leichter und höher anpasst. 15 Neben dieser leicht erklärlichen Erscheinung des vermehrten Ab- sterbens in der Cultur 3 war es noch eine andere, welche zwar in dieser Cultur nur in den Anfangsstadien, in den nächst stärkeren hin- gegen in vorgeschritteneren Formen auftrat. Etwa 2—3 Wochen, nachdem die Cultur 4 angesetzt war, fanden sich darin neben den nicht seltenen leeren Scheiden der Oseillaria, die sich übrigens (wohl infolge der’ geringen Steigerung) nicht ver- mehrt zu haben schienen, missfarbige, etwas ins Gelbliche ziehende Fäden, die meist noch die der Alge vor der Cultur eigene Dicke be- sassen und nur in seltenen Fällen an Umfang etwas zugenommen hatten; offenbar waren diese Fäden krank. Ausser diesen fanden sich die schon oben in Cultur 2 erwähnten tiefer blau gefärbten Fäden mit deutlich körnigem Inhalt und dadurch schwieriger erkennbaren Querwänden. In diesen letztgenannten Fäden ging nun die durch das Salz bewirkte Veränderung noch einen Schritt weiter, wobei der Vorgang folgender war. Anfangs veränderten sich zumeist das Ende oder auch wohl beliebige andere Stellen im Verlaufe solcher Fäden dadurch, dass die ursprüng- lichen Zellwände sehr undeutlich, öfters ganz unsichtbar wurden. Es machte den Eindruck, als ob die betreffenden Wände vom Protoplasma vesorbirt würden, und zwar begann das Verschwinden oder Unsicht- barwerden an den äusseren Partien der Querwände und schritt gegen die Mitte hin fort. Darauf sonderten sich in einigem Abstande vom Ende des Fadens her kurze Stücke desselben ab, welche etwa zwei Mal so lang als breit waren, und sich zuweilen noch durch sehr undeutliche Wände als aus mehreren Zellen bestehend erwiesen. Da wo zwei solche neu gebildete Stücke neben einander lagen, war der durch ihre Abrundung entstandene Zwischenraum mit strukturloser Masse von weniger gesättigter Farbe erfüllt, welche offenbar aus ab- gestorbenen, zwischen den isolirten Stücken gelegenen Zellen hervor- gegangen war. Nach dem Fadenende zu verloren diese Stücke an Länge, bis sie oval und (die letzten) schliesslich ganz kreisrund wurden. Je mehr ihre Gestalt sich der Kugelform näherte, ging der Farben- ton der Zwischenräume ins Gelbliche. Die zumeist mit etwas kör- nigem Inhalt versehenen, dunkel gefärbten Kugeln lagen entweder gedrängt neben einander, oder hatten auch grössere Lücken zwischen sich. Die Gallertscheide des ursprünglichen Fadens umgab alles und hatte hie und da geringe Ausbuchtungen nach aussen bekommen, die bald auf einer, bald auf beiden Seiten hervortraten. Weitere Verän- derungen wurden in dieser Oultur 4 nicht bemerkt. 16 Was nun die sofort in 5procentige Chlornatriumlösung gebrachte Oseillariacultur betrifft, so hatte es bei den ersten mikroskopischen Untersuchungen den Anschein, als ob der Sprung von 0,5% auf 5% zu gross gewesen wäre, denn die Algen schienen gänzlich absterben zu wollen. Nach einigen Wochen jedoch erholte sich die Oseillaria, indem die anfangs schnell aufgetretene gelbliche Färbung wieder mehr in blaugrün überging, und nun erfolgte auch hier, wie in Cultur 4, die Bildung von Kugeln. Letztere lagen zuweilen dicht reihenartig hinter einander, zeigten aber auch oft die Neigung, sich hauptsächlich da, wo der Faden dick aufgetrieben war, über einander zu lagern. Hier- durch kamen dann sehr unregelmässige Formen zu Stande (vgl. Zeich- nung T.], Fig. 1). Die Fäden, welche sich nur gleichmässig erweitert hatten, ohne durch Aufquellen ihrer Gallertscheiden jene Unregelmässig- keiten angenommen zu haben, maassen jetzt in einigen Fällen sehon bis 241». Aus einem Theil derselben konnte man nun durch einen leichten Druck den Inhalt herausbefördern, welcher sich dann verschieden ver- hielt. Dieses ungleiche Verhalten mag in den verschiedenen Fällen mit der grösseren oder geringeren Vorbereitung zur Kugelbildung zu- sammenhängen. Wurden nämlich solehe Fäden gedrückt, die bereits die (erst nach einiger Uebung erkennbaren) allerersten Anfänge zur Kugelbildung zeigten, so traten aus ihnen einige Kugeln heraus, wäh- vond aus solchen Oseillarien, die noch nicht zur Kugelbildung reif erschienen, formlose Massen entwichen. Aus diesem verschiedenen Verhalten geht hervor, dass die Kugelbildung hier nicht etwa mit derjenigen, wie sie das Protoplasma einer Cladophora oder Vaucheria nach Druck erfährt, zu vergleichen ist, denn dort wird jede frei ge- wordene Protoplasmamasse kugelig, hier aber nur die dazu geeigneten oder vielmehr vorbereiteten. In den nun der Stärke nach folgenden Culturen 6 und 8 zeigten sich keine Verschiedenheiten von dem Be- funde der Cultur mit 5 procentigem Chlornatriumgehalt ; in der Cultur 10 war die Öseillaria schon nach kurzer Zeit gänzlich verschwunden, so dass hier also die Grenze der sofortigen Anpassungsfähigkeit aus den natürlichen Verhältnissen bedeutend überschritten war. Im Verlaufe der ersten Monate nach Feststellung des eben ge- schilderten Befundes liessen sich noch verschiedene weitere Abwei- chungen vom normalen Verhalten in den Culturen beobachten; nach drei Monaten aber hörten die Veränderungen überhaupt auf, und nach sechs Monaten, vom Beginne der Versuche an, konnte dann Foulgen- des constatirt werden. Die Osecillaria zeigte auch jetzt in der I procentigen Cultur nur 17 geringe Veränderungen; die auffällig kräftige, blaugrüne Färbung ver- rieth, dass die Alge wohl geeignet sei, in dieser Salzlösung weiter zu vegetiren, und dass die Anpassung an 1° Kochsalz völlig durch- geführt war. Die etwas gequollene Membran zeigte zuweilen eine schwache Schichtung, und betrefis der Dicke der Fäden war aus der Durchnittszahl von vielen Messungen zu constatiren, dass sie etwas zugenommen hatte. Während man also bei lprocentiger Chlornatriumlösung ein er- freuliches Gedeihen beobachten konnte, dem eine Anpassung mit nur geringer Gestaltsveränderung zu Grunde lag, waren in der Cultur 2, der sich die mit 3 °/, Chlornatrium eng anschloss, schon weiter gehende Veränderungen erfolgt. Die Dicke dieser Fäden betrug bis 28 4, wo- von allerdings 2— 4. auf jeder Seite für die nunmehr deutlich ge- schichtete Membran zu rechnen sind. Ausserdem gab es noch sowohl diekere wie dünnere Fäden, und auch solche, die ein gelbes, kränk- liches Aussehen zeigten. Viele Fäden aber hatten diejenige Farbe unverändert beibehalten, welche der Oscillaria ursprünglich eigen ist. Als auffallende Erscheinung wurde constatirt, dass die Anfangs- stadien der Kugelhildung, wie sie oben beschrieben wurden, bereits hier, und zwar auch in derselben Art und Weise auftraten. Einige wenige Fäden zeigten an beliebiger Stelle einen dunkleren Zellinhalt, der körnig zu sein schien, und mit dessen Auftreten ein gleichzeitiges Verschwinden der Zellquerwände verbunden war. Dann rundeten sich auch hier kugelförmige Partien mit gleichmässig körnigem Inhalt ab, die eine dünne Membran hatten und meist von der ursprünglichen Gallertscheide umgeben blieben. Durch Verquellen der Scheide oder auf andere Weise frei gewordene Kugeln fanden sich nur in sehr ge- vinger-Anzahl, so dass es den Anschem hatte, ‘als ob die 2 procentige Lösung erst im Laufe der Zeit, und dann nicht einmal vollkommen, (liejenigen Veränderungen heryorzurufen im Stande wäre, welche stär- kere Lösungen schneller, wenn auch unter erheblichem Verlust an Material, bewirkten. Die Menge der leeren Membranen hatte sich gcgen früher nicht vermehrt, em Zeichen, dass diejenigen Fäden der Oseillaria, welehe den Uebergang in 2 und 3% Salz einmal ertragen hatten, auch weiterhin in demselben leben konnten. Freilich fanden sich immer noch viele Fäden, die weder die ursprüngliche Farbe, noch die Kugelbildung zeigten, sondern gelblich aussahen und im Uebrigen die gewöhnliche Beschaffenheit der Zellen beibehalten hatten; von diesen letzteren darf man vielleieht annehmen, dass sie die Mitte halten zwischen solchen, die überhaupt nicht fähig sind sich anzupassen und Flora 1892, 2 i8 im Salz absterben, und solchen, welche sich, eventuell unter Erleidung von Veränderungen, an das Salz gewöhnen. Die gelben Fäden sind aber solche, welche sich lange abquälen, um unter den gebotenen Bedingungen weiter zu leben, die aber doch zu einer Anpassung an Salz nicht gut disponirt sind und dieselbe ohne längeres Kranksein nicht bewerkstelligen können. Endlich aber kräftigen sie sich wieder und gleichen dann den übrigen Fäden; ge- schieht dies aber nicht, so gehen sie zu Grunde. Es muss noch hinzugefügt werden, dass sich die einzelnen Theile eines und desselben Oscillariafadens sogar verschieden verhalten können, ' denn es wurde nicht selten beobachtet, dass im nämlichen Faden : körnige, blaugrün gefärbte Partien mit solchen von gelber Farbe . wechselten. Zwischen Oultur 2 und 3 und dem Befund in den stärkeren Salz- lösungen traten nach Verlauf von sechs Monaten seit dem Beginn der Versuche nur noch geringe Unterschiede hervor. In einigen Fäden betrug die Dicke bis 354; bezüglich dieser wie der Farbe liessen sich wieder dieselben Kategorien wie oben unterscheiden. Die Kugeln lagen in Cultur 5, 6 und 8 oft, in letztgenannter Cultur fast nur ausserhalb der Fäden, welche sie durch Verquellen der Membran frei- gegeben hatten. Dabei hatten die Gallertmembranen die seltsamsten Formen angenommen, Vorstadien eines baldigen, gänzlichen Zerfliessens. In der aus Cultur 8 abgeleiteten Cultur 10 fanden sich nur noch, wenige Kugeln, die aber meist schon unregelmässige Conturen, Ein- schnitte etc. zeigten und in der anfangs angesetzten 10 procentigen Cultur wurden überhaupt weder Fäden noch Kugeln angetroffen. Es wurden nun aus Cultur 4, 6 und 8 einzelne Kugeln einge- | fangen und theils in Culturtropfen von verschiedener Salzconcentration, theils in reinem, nur mit Nährlösung versehenem Wasser zu Einzel- eulturen verwendet. Indessen gelang es nicht, irgend welche Verän- derungen in denselben wahrzunehmen. Die Kugeln blieben längere, Zeit hindurch völlig unverändert liegen, bis reichliche Mengen von! Bacterien sich einfanden, die den allmählichen Zerfall der Kugeln herbeiführten. Von derjenigen Ösecillaria, welche sich über sechs Monate in einer: 6procentigen Lösung befunden hatte, wurde ein Theil wieder in reines| Wasser gebracht, welches nur noch Nährlösung enthielt. Hierin trat‘ nun die natürliche blaugrüne Farbe wieder ein und die Verquellung der Membran liess nach. Die Dicke der Zellen blieb aber immer, noch eine grössere als diejenige vor Beginn der Oulturen. 19 Es war also durch die Salzeinwirkung eine diekere Form erzielt worden, die wenigstens eine Zeit lang constant blieb. Welche Bedeutung die beschriebenen Kugeln haben, wurde nicht in völlig befriedigender Weise aufgeklärt, da dieselben in der ihnen gegönnten Zeit keine weiteren Veränderungen zeigten. Es liegen hier zwei Möglichkeiten vor. Entweder sind die Kugeln Hormogonien, welche bezüglich ihrer Zellengestalt aufs Aeusserste reducirt sind, so dass sie cine Art Sporen darstellen oder eher eine Vorstufe der Sporenbildung bedeuten mögen, oder man darf in der Kugelbildung das Analogon eines Vorganges erblicken, welcher bei Phycomyceten vorkommt. Letztere haben bekanntlich Hyphen, welche nieht septirt sind; im Nothzustand aber treten Scheidewände auf. Hierauf wird ein Theil der Hyphe preisgegeben, gewissermaassen um den anderen zu retten. Nähme man Achnliches bei der Oseillaria an, so würde es auch wieder darauf ankommen, die Kugeln (nach einer etwaigen Ruhezeit?) weiter zu verfolgen, um sichere Sehlüsse ziehen zu können. Anabaena flos aquae. Anabaena flos aquae Kg. (genuina) fand sieh in mehreren Auf- sammlungen von Algen vor, welche zu Culturversuchen dienten, und zwar sowohl an gewöhnlichen Fundstellen, wie auch auf der Salzwiese. Sie bildete meist einen dünnhäutigen, spangrünen Ueberzug der Wasser- fläche und vermehrte sich bei Zimmereultur mit Nährlösung sehr schnell, so dass bald mehrere ansehnliche Häute, die hauptsächlich aus Ana- baena bestanden, aber auch noch Öscillarien und Diatomaceen ent- hielten, losgetrennt und zu weiteren Culturen verwendet werden konnten. Die perlschnurartigen Zellreihen waren meist hin- und her- gebogen oder auch in einander verschlungen. Dice vegetativen Zellen hatten eine kugelige Gestalt, während die Heterocysten etwas länglich und die Dauerzellen wieder kugelig und gelb gefärbt waren. Die Dicke der vegetativen Zellen betrug 5— 7, die der Dauerzellen war 8—10yu (vgl. T.L, Fig. 2, 0%). Zunächst wurde diese Anabaena, während sie sich im besten Wachsthum befand und viele Heterocysten wie auch nicht selten Dauerzellen ausbildete, in eine I procentige Chlornatrinmlösung über- tragen. Sie zeigte hier auch ferner gutes Gedeihen, sonst aber keine Veränderungen, so dass nach Verlauf eines Monats ein Theil der Alge in 2procentige Chlornatriumlösung übertragen werden konnte. PS 20 In dieser traten zwei Abweichungen zu Tage. Die eine bestand darin, . dass sich die Zellen etwas vergrösserten, dabei waren Theilungs- erscheinungen der vegetativen Zellen sehr häufig, so dass sich ganze Schnüre fanden, in denen jedes Glied eine Querwand gebildet hatte (vgl. Fig. 2, 3%). Die zweite Veränderung, welche die 2 proc. Salzlösung her- vorgerufen hatte, war eineVerquellung der die Zellen zusammenhaltenden äusseren Membranschichten, so dass diese dadurch ziemlich ansehnlich wurden. Beide Erscheinungen traten noch mehr hervor, nachdem abermals nach einem Monat wieder die Salzlösung um 1° Chlor- natrium verstärkt war. In dieser 3procentigen OCultur waren nun zahlreiche. Zellen durch Theilung entstanden und deutlich von ein- ander getrennt. Die Tochterzellen hatten aber nicht die ihnen im normalen Zustande zukommende runde Form angenommen, sondern sie waren ziemlich erheblich abgeplattet, so, dass es den Eindruck machte, als ob die einzelnen Zellen sich durch ihr enges Aneinander- liegen drückten. Dabei liess sich noch immer deutlich erkennen, welches die aus einer Mutterzelle hervorgegangenen Tochterzellen waren, denn diese beiden standen sich immer unter einander etwas näher als mit den ihnen benachbarten Zellen. Die Farbe war eine etwas hellere und mehrins Grünliche spielende geworden (vgl. Fig. 3,3%). Die aus dieser 3procentigen Cultur abgeleitete Cultur mit 4% Chlornatriumgehalt wich von jener nur dadurch ab, dass die Gallert- membran, welche die Schnüre zusammenhält, noch mehr verquollen war und an einigen Stellen zu zerfliessen anfing. Dadurch traten manche Zellen seitlich unregelmässig hervor oder schoben sich aus dem Verbande, wodurch dem ehemals perlschnurartigen Faden ein unordentliches Aussehen verliehen wurde. Bei 6% Chlornatriumgehalt starben die Zellen, indem der Inhalt immer dünner und heller wurde, nach etwa drei Monaten ab und die Membran zerfloss theils rascher, theils umgab sie noch lange die gänzlich farblosen Zellen. Während die 6 procentige Oultur nach drei Monaten als abgestorben betrachtet werden musste, lag der Zeitpunkt des Absterbens in Cultur 5 bei 4 und in der 4procentigen Cultur bei 51/, —6 Monaten. Die 3procentige Cultur hingegen, wie die schwä- cheren, befanden sich, nachdem sie 11 Monate lang das Salz ertragen hatten, im Zustande des besten Wachsthums, so dass die betreffenden Culturgläser mit einem kräftigen, blaugrünen Rasen zugewachsen waren. DieVeränderungen, welche sich bei der in salzhaltigem Wasser cultivirten Alge zeigten, erstreckten sich nur auf die abgeplattete Form der Zellen, die noch immer mit der grössten Deutlichkeit hervortrat (vgl. Fig 2, 1%). 21 Um sich von der Abplattung einen deutlichen Begriff machen zu können, seien folgende Zahlen angegeben; die Zellfäden der Anabaena in 3procentiger Chlornatriumlösung hatten noch dieselbe Dicke, wie sie die Alge in der Natur aufweist: 5-—-7.. Indessen war die Breite der einzelnen Zellen eine bedeutend geringere geworden. Diese konnte am besten festgestellt werden, wenn ein Stückchen des Zell- fadens gemessen und die darin befindlichen Zellen gezählt wurden. In derartigen Zellstücken von 38}. Länge wurden fast immer 12 Zellen gezählt, wonach sich die Breite der einzelnen Zelle auf ca. 3p be- rechnet. Die Dimensionen der Zellen verhielten sich also wie 3 zu T. Dieses Verhältniss wurde bei der in 1 und 2% eultivirten Anabaena 'etwa wie 5 zu 7. Stellt man die Zeit, während welcher diese Alge in verschiedenen Salzlösungen zu leben vermag, zusammen, so ergibt sich folgende Tabelle: Pro- sente Monate 1 2 länger als ein Jahr. 3 4 5l/g Zygnema stellinum genuinum. Die zu den nachstehend beschriebenen Versuchen benutzte Zygnema fand sich (im Juli 1890) neben verschiedenen anderen Algen, auf die erst später eingegangen werden soll, in einem Teiche bei Osterode am Harz. Sie bildete lose, verworrene, grüne Rasen. Ihre Zellen waren ein bis drei Mal so lang als breit, und zwar meist die Endzellen die kürzeren. Die Breite der vegetativen Zellen betrug 351; im Innern derselben befanden sich neben dem centralen Zellkern zwei axile, vielstrahlige, cinen Amylumkern enthaltende Chlorophylikörper; andere Zellen enthielten zwei breite, durch eine dünne Brücke verbundene, axile Chromatrophoren, 22° Diese Zygnema wurde Culturversuchen in der Weise unterworfen, dass sie anfangs in eine 0,5 procentige Chlornatriumlösung gebracht wurde. Es zeigten sich darin durchaus keine Veränderungen, so dass nach einem Vierteljahr ein Theil der angepassten Alge in stärkere Lösung überführt werden konnte. Von der 0,5 procentigen Lösung wurde zuerst eine Cultur mit 1 und eine andere mit 2% Kochsalz abgeleitet. Nach etwa 1!/a Monaten konnte eine Zunahme der Dieke der Fäden constatirt werden, so dass dieselbe bis 40 erreichte. Ausserdem fiel noch auf, dass die Zellen mit vielstrahligem Chlorophyll bedeutend seltener geworden waren, indem der Chlorophylikörper sich zu zwei dunklen Kernen, die eine dichtkörnige Beschaffenheit ange- nommen hatten, und durch eine schmale Brücke verbunden waren, umgewandelt hatte. Zwischen den beiden Chromatophoren lagen meist zwei bis drei Vacuolen; dabei war die Membran häufig verdickt und vielschichtig; das Plasma lag ihr dicht an. Von der 2procentigen Cultur wurde nun wieder eine 3- und eine 4procentige Cultur abge- leitet. Nach 1'/, Monaten waren hierin einige weitere Veränderungen wahrzunchmen. Diese erstreekten sich einmal auf die Farbe, die von den äussersten Partien des Chlorophylis nach der Mitte, resp. nach dem Kern zu, ins Gelbliche überging, oft sogar ganz weiss wurde, so dass man den Anmıylumkern nur noch mit Chlorophyll bedeckt fand. Der übrige Theil der Zelle war körnig und an allen vier Ecken fanden sich von dem Zellinhalt kleine T'heile abgetrennt, die entweder bald verschwanden oder noch einige Zeit hindurch ihren Platz in der Ecke behaupteten. Nach Verschwinden der abgetrennten Ecken des läng- jichen Zellinhaltes erhielt derselbe ein eigenthümliches Aussehen (vgl. - T.I, Fig. 4b). Das Schrumpfen des Zellinhaltes schritt zuweilen noch weiter vor, so dass letzterer dadurch schliesslich den Eindruck machte, als ob er zerfressen wäre. Die Dicke der Fäden war in der Cultur 4 im Durchschnitt auf 451. gestiegen. Da viele Zellen noch eine unveränderte Form und Farbe zeigten, wurde aus der letztgenannten Cultur eine 5procentige, und aus dieser wiederum eine mit 6% Chlornatriumgehalt hergestellt. In letzterer fanden sich nach abermals 11/; Monaten nicht viele un- veränderte Zellen mehr vor, sondern die meisten hatten ihren Inhalt gänzlich verloren. Dabei hatten manche Zellfäden eine Dicke von 45 bis 50x gewonnen. Als nach dieser Zeit ein Theil der Cultur wieder in Wasser ohne Salzlösung gebracht wurde, zeigte er ball eine Rückkehr zu der normalen Dicke und lebhafte Theilung der Zellen, auch nahmen die Chlorophylikörper wieder ihre sternförmige 23 Gestalt an. Die Rückkehr der Zellen zur normalen Dicke geschah sehr schnell und ohne viele Zwischenstadien in folgender Weise: eine verdickte Zelle fing von den grünen Kern an weiter zu ergrünen, bis wieder das Chlorophyll den Zellinhalt nahezu ausfüllte. Hierauf ent- stand in der Mitte eine Wandung und es erfolgte Zellstreckung. Die neu gebildete Wand war aber wieder von dem normalen Durchmesser, so dass die ehemalige Zelle, aus welcher durch Auftreten der Thei- lungswand zwei Tochterzellen geworden waren, eine bisquitähnliche Gestalt annehmen musste. Theilten sich dann die beiden neu gebil- deten Zellen wiederholt, so entstanden alsbald Zellen von der ursprüng- lichen Dicke. , Da in den Culturen mit einem Salzgehalt von 3 % an keine weiteren Veränderungen in dem folgenden Zeitabschnitt zu bemerken waren, und da es auch schien, als wenn die Culturen mit 3 und 4°% Chlornatrium allmählich immer mehr abstürben, so soll jetzt eine Be- schreibung der Culturen, nachdem seit Ansetzen der 6procentigen abermals vier Monate verstrichen waren, folgen. Nach Ablauf dieser Zeit waren die Culturen mit 6, 5, 4 und 3% Chlornatriumgehalt gänzlich abgestorben, indem auch der letzte Rest Chlorophyll aus den Zellen verschwunden war. In der 2 procentigen UOultur hingegen war noch lebhaftes Gedeihen zu constatiren. ‘Die Fäden hatten eine Dicke von 47 bis 48 1 (als Durchschnitt von 15 Messungen) angenommen. Die Zellen zeigten keine Plasmolyse, wohl aber ziemlich stark verquollene Membran. Es fanden sich Theilungsstadien in den verschiedensten Uebergängen, so dass es ausser Zweifel war, dass die Alge in 2 procentiger Chlor- natriumlösung weiter zu leben vermochte. Während sich früher beim Durchsuchen dieser Cultur noch ziemlich häufig solche Zellen gefunden hatten, bei denen das Chlorophyll bis auf einen kleinen, centrisch ge- legenen Theil verloren gegangen war, so schien dieser Zustand jetzt abzunehmen, und es trat wieder ein Ergrünen der Zellen, und zwar von der Mitte aus, ein (vgl. T.I, Fig. 4). Die neu gebildeten Querwände zeigten denjenigen Durchmesser, welchen die angepasste Alge angenommen hatte,: so dass die ent- stehenden Tochterzellen die gleiche Dicke wie ihre Mutterzellen er- hielten. Trotzdem der weitaus grösste Theil der Zygnema also in 2 pro- centiger Salzlösung zu leben vermochte und sich an dieselbe unter Aenderung der Gestalt angepasst hatte, so muss doch erwähnt werden, dass sich im Verlaufe des einzelnen Fadens oft einzelne, gänzlich ab- 24 gestorbene Zellen wie auch längere Reihen solcher fanden. Letztere Erscheinung trat in der Iprocentigen Salzlösung weniger hervor. Hier betrug auch die Dicke der Zellen nur 41— 42. im Durch- schnitt, und die Membran schien etwas weniger verquollen, Während der Chlorophylikörper in der 2 procentigen Cultur niemals sternförmig gefunden worden war, so erschien er hier schon öfter in dieser Form und in 0,5procentiger Oultur fast immer so. Die Dicke betrug m letzterer Oultur 38 —40y und das häufige Vorhandensein von Thei- lungsstadien, wie die kaum verdickte Membran, bekundeten, dass die Zygnema in gutem Wachsthum begriffen sei. Fasst man das Bemerkenswertlieste in dieser Oultur kurz zusammen, so ergibt sich Folgendes: Zygnema vermag sich an Kochsalz anzu- passen bis zu 2%. Dabei tritt im Verhältniss zur Stärke der Lösung eine Verdickung der Zellfäden ein, die um !/; mehr betragen kann als bei der ursprünglichen Form. Mit Zunahme der Concentration verquellen die Zellmembranen, während die Sternform der ChlorophylI- körper mehr und mehr verschwindet und erst nach vollständig durch- geführter Anpassung wieder erscheint. Auch stärkere Salzlösungen werden eine Zeit lang ertragen, jedoch um so weniger lang, je höher die Salzprocente gesteigert werden. Demnach ergibt sich folgende Tabelle: Pro- cente 0,5 | 1 länger als ein Jahr. Monate ll... Fr ——_—- —| Während die nach Anpassung an Chlornatrium gebildeten neuen Zellen die Dieke haben, wie sie der Zygnema in der betreffenden An- passungsform eigen ist, kehrt, nachdem die Algen wieder in salzfreies Wasser gebracht wurden, ohne Uebergänge die ursprüngliche Dicke wieder. 25 Die neuen Zellen entstehen schnell, die alten verquollenen Mem- branen werden abgestossen und da, wo zwei verdickte Zellen neben einander liegen, tritt oft Zerbrechen des Fadens ein. Mougeotia laevis (Archer). Die aus dem schon mehrfach erwähnten Salzwiesengraben bei Nörten stammende Mougeotia vermehrte sich rasch bei Cultur im Zimmer in reinem Wasser mit Nährsalzen, so dass sie alsbald eine Reineultur ergab. Sie bildete lose, verworrene Rasen, deren Fäden aus cylindrischen Zellen ohne Wandseulptur bestehen und ein Chromatophor enthalten, welches eine axile Platte darstellt. Die einzelnen Stärkekörner, welche in diesem Farbstoffträger liegen, sind von ovaler oder unregel- mässiger Gestalt und erreichen eine Grösse bis zu 2u. Ein Zellkern oder andere, geformte Gebilde waren in ‘den Zellen wegen übergrosser Fülle au Stärke nicht zu unterscheiden; selbst durch Färbung mit. 1 procentiger Chromsäurelösung und Boraxcarmin war es nicht möglich, den Zellkern sichtbar zu machen. Die vegetativen Zellen sind 17 bis 20, breit und zwei bis drei Mal so lang. Ihre Farbe entspricht 12q der Scala. Ein Theil der Mougeotia wurde aus der Wassereultur in "/spro- centige Chlornatriumlösung übertragen und von Zeit zu Zeit mikro- skopisch untersucht. Anfangs zeigten die Zellen gar keine Verändce- rung und erst nach Verlauf mehrerer Monate konnte constatirt werden, dass die Fäden sich ein wenig verdiekt hatten. Die Alge war also in der Natur in etwa 0,5 procentiger Kochsalzauflösung gefunden und hatte sich später, ohne Störung zu erleiden, im Zimmer in salzfreiem Wasser vermehrt. Darauf war sie wiederum in 0,5 procentige Salz- lösung gebracht und zeigte darin keine Veränderungen. Hieraus ging hervor, dass das Vorhandensein oder Fehlen von 0,5% Salz auf die Mougeotia ohne wesentlichen Einfluss ist, denn die zuletzt eingetretene Verdiekung war in der That sehr unbedeutend und fiel erst auf, nach- dem viele Messungen gemacht waren und die Durchschnittszahl, welche eine Dicke von 22p ergab, daraus berechnet wurde. Das Dicker- worden der Fäden mochte vielleicht auch mit der Wirkung der guten - Nährlösung neben der Anwesenheit von Kochsalz zusammenhängen. Ein Theil der in der 0,5 procentiger Chlornatriumlösung eultivirten Mougeotia wurde nach Verlauf eines halben Jahres in 1 procentige Lösung gebracht und zeigte hierin bald darauf schon erheblichere Ver- 26 änderungen. Die Durchschnittszahl von 15 Messungen ergab, dass die Fäden eine Dicke von 24 erreicht hatten, wobei zu bemerken war, dass die Dicke an den Enden der Zellen oftmals grösser als gegen die Mitte zu gefunden wurde. Viele Zellen von der Farbe I1q befanden sich in Theilungsstadien, andere indessen machten einen kränk- lichen Eindruck, da sie gelb geworden waren. In manchen Fäden gab es zwischen den noch lebenden viele abgestorbene, inhaltslose Zellen. Wieder andere Fäden bestanden aus Zellen, die eine un- regelmässige Anschwellung entweder nur auf einer Seite oder auch auf allen bekommen hatten. Der Zellinhalt war homogener geworden als er in 0,5 procentiger Kochsalzlösung gewesen war, d. h. es fehlten die Stärkekörner, was auch durch das Nichtauftreten der Jodreaetion bestätigt wurde. Von der in Iprocentiger Salzlösung gedeihenden Mougeotia wurde hierauf ein Theil in 2 procentige Lösung übertragen; da sie in ihren unten zu beschreibenden Veränderungen mit derjenigen ultur der Mougeotia übereinstimmte, welche sofort von ihrem natür- lichen Standorte in 2procentige Chlornatriumlösung übertragen worden war, so gilt das Folgende von beiderlei Culturen gemeinsam. Kurz nachdem die 2 procentige Cultur angesetzt war, entwickelte die Mougeotia reichliche Mengen von Sauerstoff und es schien, als ob sie eine noch kräftiger grüne Farbe angenommen hätte. Dabei zeigten die Zellen oft unregelmässige Ausstülpungen und Kniebildungen, welche (dadurch entstanden waren, dass sie sich bauchig verdickten oder sack- artige Anschwellungen bildeten (vgl. T.T, Fig. 5). Der Chlorophylikörper füllte entweder das Innere gänzlich oder nur einen Theil derselben aus. Hierdurch entstanden die wunderlichsten Verzerrungen der Alge, wie sic bis dahin niemals beobachtet wurden (vgl. T. I, Fig. ”). In ihrem frühe- sten Zustande schienen diese Ausstülpungen die Vorboten der Copulations- vorgänge darzustellen ; aber auch nur in der allerersten Zeit konnte man an Zygosporenbildung denken, denn aus den anfangs kleinen Fortsätzen entwickelten sich bald die genannten sonderbaren Auswüchse. Das Chlo- rophyll sämmtlicher Zellen war wieder homogen und die letzteren mit Stärke vollgestopft, so dass nach Jodfärbung starke Bläuung eintrat. (Bis muss noch hinzugefügt werden, dass sich in einigen Fäden grosse Mengen von Schmarotzern fanden; diese stellten runde, farblose Wesen dar, die sich fortzubewegen im Stande waren. Sie scheinen das Chloro- Phyll zu verzehren, oder machen es sonst verschwinden, denn die- jenigen Zellen, die noch grün gefärbt waren, enthielten gar keine oder doch nur wenige der Thiere, während diejenigen Zellen, deren Farbstoff verschwunden war, oft mit den Schmarotzern angefüllt da- 27 lagen. Man sah deutlich, dass die Zellenwände meist durchlöchert waren, und es ist daher anzunehmen, dass die 'Thiere von unten her in die Fäden eindringen und sich dann durch die Wände hindurch- bohrend, von Zelle zu Zelle fortbewegen.) Die oben beschriebenen Unregelmässigkeiten der Zellen hatten nach Verlauf eines Monats noch zugenommen, so dass die meisten Zellen jetzt mit einem grösseren oder kleineren Auswuchs versehen waren oder doch eine eigenthümliche Verbiegung - erfahren hatten. Die Farbe des Chlorophylis war dabei noch eine gesättigtere geworden, so dass sie früher mit Farbe Iir und jetzt mit Farbe 11k bis | über- einstimmte. Wiederum nach Verlauf eines Monats waren die Ausstülpungen und Zellverbiegungen im Abnehmen begriffen. Diejenigen Zellen, die am ärgsten verunstaltet gewesen waren, starben unter Verschwinden des Chlorophylis ab, während die weniger veränderten nach mehrfacher Theilung in ihren Abkömmlingen zu der ursprünglichen Gestalt zu- rückkehrten und nur eine Durchschnittsdicke von 24 bis 26 x behielten. Von dieser in 2 procentiger Chlornatriumlösung befindlichen Mou- geotia waren, so lange die Verbiegungen und Verunstaltungen noch im Zunehmen begriffen waren, zwei fernere Culturen abgeleitet worden; in der einen waren die Zellen aus 2procentiger Chlornatriumlösung wieder in reines Wasser, dem nur Nährsalze zugefügt wurden, zurück- versetzt, während die andere Cultur Mougeotia enthielt, die aus 2 pro- centiger Salzlösung in 3procentige und darauf in 4procentige über- tragen wurde. Von diesen beiden Culturen soll nun berichtet werden. Die aus 2 procentiger Chlornatriumlösung in Wasser weiter culti- virten Mougeotien zeigten im Vergleich zu den Exemplaren, die in der Salzlösung verblieben waren, noch viel stärkere, oft ganz wunderbar ge- formte Verkrümmungen (vgL.T. 1, Fig. 6). Makroskopisch betrachtet machte die Alge den krausen Eindruck, wie man ihn von verbranntem Haar kennt. Fast jede Zelle zeigte irgend eine Unregelmässigkeit; manche waren um das Doppelte der ursprünglichen Dicke angeschwollen und enthielten den ebenfalls riesig vergrösserten Chlorophylikörper, der oft nebst seiner deutlich hervortretenden Hautschicht ein ganz zer- knittertes Aussehen erhalten hatte. Auch Zellen, die nach einer oder sogar nach mehreren Richtungen mehr oder weniger spitze Fortsätze entsandten, waren nicht selten; die Länge der letzteren war auch wieder eine sehr ungleiche. Nach Verlauf eines Monats hatten sämmtliche oben aufgeführten Veränderungen noch mehr zugenommen, und dann begann nach aber- 28 mals längerer Zeit ein rasches Alsterben der Alge. Die am ärgsten verkrüppelten Zellen verloren zuerst ihren Inhalt, dann erstreckte sich das Zugrundegehen auch auf alle übrigen Zellen, bis in kurzer Zeit die ganze Cultur abgestorben war, so dass sogar Zergehen der Zell- membran erfolgte. Es erübrigt nun noch auf das Verhalten einzugehen, welches die aus 2procentiger Kochsalzlösung in 3- und dann in 4 procentige über- tragene Mougeotia zeigt. (Ein Unterschied zwischen der Cultur 3 und 4 war nicht wahrzunehmen.) Nachdem die Mougeotia etwa 14 Tage in 4 procentiger Salzlösung gewesen war, bekam sie plötzlich eine stark gelbliche Farbe und cos schien, als ob sie absterben würde; dabei verschwanden in den fol- genden Wochen die Verkrümmungen und Auswüchse zur grössten Mehrzahl dadurch, dass wieder eine Streckung erfolgte und die Aus- sackungen wieder ausgeglichen wurden. Es war augenscheinlich, dass die Alge sich sehr abquälte, um sich noch an die 4procentige Salz- lösung anzupassen und dass die dabei auftretende Gelbfärbung der Zellen das Zeichen einer dabei entstehenden Krankheit war, die ja auch bei einer derartig gewaltsamen Anpassung, wie sie in der kurzen Zeit verlaugt wurde, nicht ausbleiben konnte. Nach etwa 8 Wochen aber wurde die Farbe des Chlorophylis wieder grüner und gleichzeitig mit dieser Veränderung trat eine rapide Zelltheilung auf. Es wurden 2— 4 Zellkerne sichtbar, welche durch Theilung entstanden waren, und die Zellquerwände bildeten sich viel schneller als die Streckung erfolgen konnte. Es trat also durch die Salzwirkung eine Verlangsamung des Wachsthums bei beschleunigter Theilung auf, und die Folge davon war, dass viele kurze Zellen ge- bildet wurden. Die äusseren Membranschichten waren in ihrem ge- quollenen Zustande nicht fähig, den durch Neubildung von Zellen ver- anlassten Streckungen zu folgen und wurden deshalb zersprengt. Die neu gebildeten Mougeotiazellen waren von einer dünnen, äusseren Membran umgeben, die sich erst ganz allmählich wieder verdickte. Die abgerissenen oder zum kleinsten Theil anhaftenden 'Fetzen der alten Membran zeigten an, in wie viele Theile sich die ehemalige Zelle in der kurzen Zeit seit der Anpassung getheilt hatte. Die Dicke der Zellen betrug 283%, wovon allerdings je 2p. auf jede Membran kamen. Bei dem langsamen Anpassungsvermögen der Mougeotia war es nicht möglich bis jetzt die oberste Salzgrenze, an welche sich diese Alge anzupassen im Stande ist, zu ermitteln, und soll diese Lücke durch spätere Untersuchungen ausgefüllt werden, Bei dem guten Fort- P1) kommen in 4procentiger Salzlösung liegt die Vermuthung nahe, dass auch noch höhere Concentrationen vertragen werden, vorausgesetzt, dass man ganz allmählich höhere Salzprocente anwendet und den neuen Anpassungen immer genügende Zeit lässt, sich erst wieder zu kräftigen und zu vermehren; denn dadurch, dass so viele Zellen, die sich allzusehr verkrümmen, absterben und so für die spätere Oultur verloren gehen, schmilzt das Material sehr zusammen. Anderseits wird aber das Wachsthum, je stärker die Concentration wird, um so lang- samer, denn bei einem in Einzeleultur befindlichen Faden, der an 4% Salz angepasst war, wuchs eine Zelle desselben, trotzdem sich zwei neue Zellquerwände innerhalb acht Tagen gebildet hatten, um kaum 51, während der Zelltheilung unter normalen Umständen eine Streckung oft um die Hälfte der ursprünglichen Zelle vorausgeht. Um nun noch einmal kurz die Ergebnisse dieser interessanten Cultur zusammenzufassen, sei Folgendes wiederholt: Mougeotia ist im Stande, sich an Chlornatriumlösung mindestens bis zu einer Stärke von 4% anzupassen. Dabei tritt eine Verdickung der Fäden um ungefähr Y; auf. Die Anwesenheit von 1% Salz und mehr bewirkt unregelmässige Anschwellungen und Vorsprünge, welche als Krankheitserscheinungen aufzufassen sind, denn die Bildungen ver- schwinden nach einigen Monaten wieder und die normale Gestaltung kehrt zurück. Bringt man die Mougeotia, die schon einige Zeit im Salz gewesen und stellenweise angeschwollen ist, wieder in salzfreies Wasser, so vermehren sich die Unregelmässigkeiten so enorm, bis die Alge schliesslich zu Grunde geht. Wird. aber die Salzlösung, in welcher die angeschwollene Mougeotia sich befindet, von 1 oder 2% auf 4% verstärkt, so vermag die Alge sich daran unter Verdiekung anzupassen. Die Membran verquillt bei der Salzfütterung und wird, da sie sich nun nicht mehr zu dehnen vermag, abgesprengt und durch eine neue ersetzt. Es ist aus dem geschilderten Verhalten der Mougeotia zu ent- nehmen, dass geringe Kochsalzmengen innere Veränderungen hervor- rufen, die sich bei einer gewissen Concentration der Lösung auch in äusserlich hervortretenden abnormalen Gestaltsveränderungen docu- mentiren. Diese Tendenz ist dann aber schon so mächtig geworden, dass ein Zurückversetzen in reines Wasser, also eine gewaltsame und plötzliche Aenderung der Vegetationsbedingungen, derselben nicht mehr Einhalt zu thun vermag und wegen nunmehr unzureichender Salz- inengen zum Tode führt. Anderseits erfolgt bei weiterer Steigerung des Salzquantums in der Cultur allmählich eine Anpassung der Alge 30 an diese Kochsalzlösungen, der nur noch in der ungewöhnlichen Schnelligkeit der Zelltheilung etwas Abnormales anhaftet. Chlorella vulgaris (Beyerinck). In einer Flasche, welche 1procentige Kochsalzlösung nebst für Algen dienende Nährstoffe enthielt, und die einige Zeit vor einem nach Norden gelegenen Fenster gestanden hatte, wurde (Ende Februar 1891) ein dünner, grüner Ueberzug des Glases bemerkt. Bei der Untersuchung zeigten sich kleine, runde oder doch rundliche Zellen von ziemlich verschiedener Grösse (5— 9). Die gefundenen Zellen zeigten eine grosse Uebereinstimmung in ihrer Erscheinung bei wech- selnder Grösse, vorzüglich mit Bezug auf die Anordnung des Chroma- tophors. Dieses füllte nämlich selten die ganze Zelle aus, sondern lag meist nur einer grösseren Stelle der Wand an. Letztere wurde zuweilen zur Hälfte, öfter aber auch nur zum dritten Theil von dem Chlorophylikörper bedeckt. Die Membran war aussen von einer dünnen Gallertschicht umgeben. Die Zellen enthielten ein oder mehrere Oel- tröpfehen, im Uebrigen zeigte das Plasma eine sehr homogene Struktur. Wenn Theilung erfolgen sollte, so fand die erste sichtbare Verände- rung im Chromatophor statt, alsdann zerfloss die Membran, und es entstanden meist vier oder auch mehr Tochterzellen. Eine Vermeh- rung durch Zoosporen wurde niemals bemerkt. Da die Alge ebenso mit der Beschreibung wie mit den Abbildungen von Chlorella vulgaris übereinstimmt, welehe M. W. Beyerinck in No. 45 der botan. Zeitung von 1890 entwirft, so betrachte ich sie als mit dieser identisch und werde sie im Folgenden mit dem genannten Namen bezeichnen. Die Chlorella, welche sich in der 1 procentigen Salzlösung augenscheinlich sehr gut entwickelt hatte, wurde sogleich theilweise in 4 procentige Lösung übertragen. Nach 11) Monaten konnte eine erhebliche Ver- grösserung der Zellen constatirt werden. Zwar varirte die Grösse derselben nicht mehr so sehr wie anfangs, aber die Zellen erreichten einen Durchmesser bis zu 12 p, wenngleich auch noch manche Zellen unter diesem Maasse zurückblieben. Bezüglich des Inhaltes war eine Veränderung nicht zu consta- tiren, auch erfolgte die Tochterzellenbildung noch gerade so, wie in der 1 procentigen Cultur. Die Farbe der Zellen war otwas mehr gelb geworden, so dass daraus schon zu entnehmen war, es werde die An- passung sich nicht an viel höhere Salzprocente erzwingen lassen. Und 2 3i in der That starben, als das Salzquantum bis auf 6% gesteigert war, die Zellen schnell ab. Eine aus der I. procentigen hergestellte Cultur ohne Chlornatrium ergab kaum eine Veränderung im Vergleich zu den oben beschriebenen Zellen; selbst ein Unterschied mit Bezug auf die Grösse liess sich nicht feststellen. Die Culturen mit 1 und die mit 4% Salz wurden während eines halben Jahres weiter beobachtet. Es zeigten sich dabei nur wenige Veränderungen, abgesehen davon, dass der Grössenunterschied der Zellen immer mehr verschwand, indem die Chlorella in der 1pro- centigen Cultur langsam weiter wuchs, während in der 4procentigen ein Stillstand eingetreten zu sein schien. Hierdurch wurden die Cul- turen einander immer ähnlicher. Dieser auffallende Umstand mag dadurch zu erklären sein, dass der Sprung von 1 auf 4° ein etwas gewaltsamer, der auf die Zellen ausgeübte Reiz ein sehr intensiver gewesen war. Die Chlorella wurde durch die plötzliche Steigerung des Salzgehaltes zu rascherer Vergrösse- rung der Zellen angeregt, die alsbald zu der möglichen Maximalgrösse führte. Anderseits mussten die in der lprocentigen Lösung verblei- benden Zellen diese Maximalgrösse ebenfalls, wenn auch langsamer, erreichen, so dass sie erst nach längerer Zeit dieselbe zu erlangen vermochten. Tetraspora explanata. Unter vielen anderen Algen, die sich in einem unweit. Göttingens gelegenen kleinen Teiche fanden, war auch die Tetraspora vertreten. Daneben enthielten die auf dem Wasser schwimmenden Polster noch viele andere Arten. Diese Algen wurden möglichst gleichmässig in der oben mitgetheilten Weise gemischt und dann jedesmal etwa 2g davon in ein Culturgläschen gebracht. Je vier der Culturen, welche mit diesen Algen hergestellt wurden, enthielten 1, 2, 3 und 4% Chlor- natrjum. Nach Verlauf von 20 Tagen war Cultur 4 bereits gänzlich ab- gestorben. In den übrigen, schwächeren QOulturen vermehrte sich aber die Tetraspora in so rapider Weise, dass sie kurze Zeit darauf (haupt- . sächlich in der 3 procentigen Cultur) den Boden bedeckte und dem- nach leicht aus diesem Gefäss in andere übertragen werden konnte. Diese Alge besteht bekanntlich aus kugeligen Zellen, welche von dicken, zusammenfliessenden schr wässerigen Gallertmembranen um- geben werden. Die Zellen liegen meist zu zwei und vier genähert; sie theilen sich abwechselnd in zwei Riehtungen und bilden daher eine einfache Schicht; ihr Inhalt besteht aus körnigem Protoplasma, einem oft deutlichen Kern und zuweilen einigen Ooltröpfchen. Die Vermehrung ge- schieht durch vegetative Zelltheilung und durch Zoosporenbildung, die iso- game Fortpflanzung durch Schwärmer, welche mit zwei Cilien versehen sind. Die Dicke emer Zelle beträgt in freier Natur 44 (vel. T. I, Fig. 9). Schon bei Anwesenheit von 1% Chlornatrium neben der üblichen Nährlösung betrug die Grösse der sonst unveränderten Zellen 5—6 (Fig. 9, 1%). Bei der Cultur 2 waren die Zellen abermals etwas vergrössert und massen ca. 611. Bezüglich des Inhaltes wie der Membran war jedoch auch hier noch keine Veränderung zu merken, nur schien es, als ob die zu den einzelnen Tetraden gehörigen Zellen sich im Allgemeinen etwas von einander entfernt hätten. Ausserdem traten aber auch in der Gallertmasse, welche aus den verschmolzenen, äusseren Membran- schichten der Zellen bestand, Veränderungen ein (Fig.9, 2%): schon in Cultur 2 und noch mehr in Cultur 3 bemerkte man eine compactere Gallertschicht in unmittelbarer Nähe der einzelnen Zellen, welche sich bei der im Freien wachsenden Pflanze nicht hatte erkennen lassen. Diese Schieht war ohnedies ziemlich gut sichtbar, ward aber noch deutlicher nach Färbung mit Jod. Wie es in der Cultur 2 schon den Anschein hatte, dass die einzelnen Zellen der Tetraden sich von einander ent- fernten, so wurde dies noch deutlicher in Cultur 3; dort fanden sich gar nicht selten einzelne Zellen, ohne eine bestimmte Orientirung zu andoren, jede von ihrer Membran umgeben (Fig. 9, 3%). Aus der Cultur 3 wurde Cultur 4, und aus dieser nach einiger Zeit Cultur 5 abgeleitet. In Cultur 4 waren die Zellen wiederum dicker ge- worden und sie erreichten eine Durchschnittsdicke von 6 bis 81. (ig. 9, 4%). Auch in der Cultur mit 5- und einer weiterhin daraus abgeleiteten Caltur mit 6 procentiger Chlornatriumlösung nahm die Dicke der Zellen continuirlich zu und betrug 8—10 (selten bis 12)p. Damit schien aber auch vorläufig in Bezug auf die Vergrösserung ein Stillstand ein- getreten zu sein. In der Oultur 5 traten ausserdem Formen der Thei- lung auf, die von der natürlichen abwichen. Tetraspora theilt sich nämlich, wie gesagt, ohne Kochsalzzusatz in zwei Richtungen der Fläche und es entstehen dabei immer an Durchmesser wenig von einander abweichende Tochterzellen; anders ist es hier. Die meist vergrösserten Mutterzellen bilden zwei ungleiche Tochterzellen, von denen die kleinere anfangs noch mit der Schwesterzelle durch die Gallertmembran zusammenhängt, später jedoch sich von derselben ab- trennt. Zuweilen sieht es sogar so aus, als ob die Mutterzelle nur ein Segment abtheilt, welches sich bald abrundet und nach seiner Los- lösung selbständig weiter vegetirt und an Dieke zunimmt (Fig. 9, 5 %). Infolge dieser Vorgänge waren in der Cultur grössere und kleinere Zellen vorhanden; dazu taten noch vereinzelte Zellen, welche sich durch die Dicke ihrer Membran wie durch dunkeln Inhalt auszeich- neten und vielleicht als Akineten aufzufassen waren. In der Cultur 6 war, wie schon oben bemerkt, ungefähr das Maximum der Dicke, zu welcher die Zellen gebracht werden können, erreicht. Hier trat die 'Theilung relativ sehr schnejl ein, denn man sah bei vielen Exemplaren, dass noch, während die Zejjen nach der ersten Theilung durch Gallerte verbunden waren, schon ®ine neue Zellwand und zwar in einer Rich- tung, welche auf der zueigt genommenen senkrecht stand, aufgetreten war. Es war also ein kngsames Wachsthum und eine rasch erfol- gende Theilung ersichtliyh (vgl. T. IL, Fig. 10). Auf eine andere Wrscheinung, die schon in Cultur 6, mehr aber noch .in den daraus/abgeleiteten Culturen 8 und 11 auftrat, muss hier hingewisseit-tferden. Diese bestand in einer besonderen Ver- quellungsform der Gallerte. Letztere war öfter nicht am ganzen Um- fange der Zelle eine gleichmässige, sondern zuweilen fanden sich nur stellenweise dieke Wülste von Gallerte, die so mächtig werden konnten, dass sie den halben Durchmesser der Zelle erreichten. Die Culturen mit 8% Salz zeigten ein neues Bild, welches sich aber aus der in 5 und 6% eingetretenen Theilungsveränderung ergab. Sowie die Zellen nämlich diejenige Dieke angenommen hatten, welche für die betreffende Salzconcentration erreichbar war, trat Theilung auf, und es entstanden vier Tochterzellen, die wieder Anordnung zu Te- traden zeigten. Die einzelnen Zellen hatten ungefähr diejenige Grösse, welche bei 3 und 4% Chlornatrium gewöhnlich war (vgl. T. II, Fig. 11a). Ein von diesem wenig abweichendes Verhalten zeigten die Algen auch in 11 procentiger Salzlösung, in der aber die grössten Zellen einen Durchmesser bis zu 15y. erreicht hatten. Neben den dicken Einzel- zellen fanden sich wieder Tetraden und andere Anordnungen. Die Tetradenzellen erreichten hier diejenige Dicke, welche sie früheg in etwa 5proc. Chlornatriumlösung gezeigt hatten. An manchen derselben hingen noch lange, unregelmässig geformte Membranstückchen, die bei der schnellen Theilung der Zellen abgesprengt sein mussten (vgl.T.IL, Fig.11b). Durch das fortwährende Theilen der ursprünglichen Cultur zur Herstellung der stärkeren Concentrationen, wobei ja doch auch immer zum Vergleich ein Theil der Tetraspora in jeder der oben erwähnten Lösungen weitereultivirt werden musste, war das verfügbare Material Flora 1892, 3 34 zuletzt so sehr vermindert worden, dass, bevof neue Culturen mit noch stärkeren Salzlösungen hergestellt werden konnten, eine Pause ein- treten musste, während welcher die Alge sich wieder genügend ver- mehren könnte. Auch während dieses Zeitraumes wurde die Oultur 11 häufig untersucht, so dass jede Veränderung erkannt werden musste. Nachdem anfangs das Aussehen der Alge sich nicht verändert hatte, machte sich nach etwa 1'/ Monaten eine körnige Struktur des Zellinhaltes — derselbe zeigte starke Stärkereaetion — bemerklich. Nun wurde die Cultur wieder getheilt: während der eine Theil in 11 procentiger Lösung verblieb, wurde eing andere Partie in 13 pro- centige übertragen und der Rest ohne Kochsalz cultivirt. Wiederum nach einiger Zeit: begann im Innern der Zelle ein Theilungsprocess, welcher sich durch eine Zerklüftung des Inhaltes bemerkbar machte. Die Zahl der Theilstücte war eine ungleiche. Oefter befanden sich vier Tochterzellen in emer Membran in tetra- edrischer Anordnung, jedoch kam es auch vor, 388 die Theilung noch weiter vorgeschritten war und die gebildeten Tolılerzeiten weitere Theilungsstadien aufwiesen. Diese Vorgänge leiteten die sexuelle Fortpflanzung ein, und in der That wurden nach zwei Tagen in der Cultur Schwärmer bemerkt. Das Auftreten letzterer, wie das Aus- sehen der Culturen 11 und 13 war ganz das nämliche. Die Schwärmer waren etwa 31. breit und 51 lang und besassen zwei Oilien. Ueber die Bewegungsgeschwindigkeit der Schwärmer, welche im Gegensatz :zu derjenigen, welche man sonst bei den Algen zu sehen gewohnt ist, eine sehr verlangsamte war, soll weiter unten ausführlicher die Rede sein. Es wurde oft beobachtet, wie die jungen Schwärmer aus der Membran hervortraten und diese als eine gestaltlose Gallertmasse zurückliessen. Die Gameten bewegten sich hierauf eine Zeit lang hin und «her, um sich schliesslich mit einander zu copuliren. Die Vor- gänge dabei wichen durchaus nicht von denen ab, die Tetraspora zeigt, welche in gewöhnlichem Wasser wächst (vgl. T. II, Fig. 12). Wie .erwähnt, war aus der Cultur 11, in welcher der Zellinhalt (durch vermehrte Stärkebildung) eine körnige Beschaffenheit ange- nommen hatte, eine solche in kochsalzfreiem Wasser abgeleitet worden. Hier dauerte es weit kürzere Zeit als in der Salzeultur, bis die Schwärmer zur Entwickelung kamen. Die Zeitdifferenz war derartig, dass die Schwärmer in dem salzfreien Wasser etwa 20—24 Tage eher ausschwärmten als die in der Salzlösung cultivirten. Dabei war es höchst auffällig, wie ungemein schnell die Grösse der Zellen von dem erlangten Maximum wieder zu der ursprünglichen Grösse zurück- 35 kehrte, ja sogar theilweise zunächst noch unter derselben zurück- blieb. Zwischen den neu gebildeten, sich rapide vermehrenden Zellen lagen in Menge die abgestorbenen Reste derjenigen Membranen, welche durch Salz so mächtig angeschwollen waren. Die Schwärmer be- wegten sich schnell durch das Gesichtsfeld des Mikroskopes und hatten eine der nunmehrigen Kleinheit der Zellen entsprechende Grösse. Die Tetradenform, welche bei den Culturen in Salzlösung mehr oder minder verloren gegangen war, so dass die von einander ge- trennten Zellen unregelmässig neben einander lagen, kehrte, wenn die Algen aus der Chlornatriumlösung in Wasser zurückgebracht wur- den, nicht sofort wieder. Es liess sich zwar noch immer bei einigen Gruppen erkennen, dass sie aus gemeinschaftlicher Mutterzelle her- stammten, da sie zu zwei und vier genähert waren, aber im Vergleich zu den von vornherein ohne Salz eultivirten Algen war diese Gruppi- rung doch ziemlich selten (vgl. T. II, Fig. 13) Die Schwärmerbildung in der Cultur 13 dauerte sehr lange Zeit hindurch und setzte sich auch dann fort, als die Cultur noch um 2% verstärkt wurde. Selbst nachdem ein Theil der Algen aus der Cultur 15 in 20 procentige und von da in 25 procentige Salzlösung übertragen wurde, fanden sich noch immer (allerdings neben zahlreichen abge- storbenen) viele lebhaft grün gefärbte Zellen und auch Zoosporen in lebendem Zustande. Die bis zu 20% auftretenden Veränderungen der Grösse und des Zellinhalts war ensehr geringfügig; Tetraden fanden sich nur spärlich, und der Inhalt sämmtlicher Zellen war noch immer durch darin ent- haltene Stärke körnig. Die Gallertschichten aber, welche die Colonien umgaben, waren schwächer geworden und machten den Eindruck, als ob sie durch zu reichliche Wasseraufnahme im Zerfliessen be- griffen seien. Die Farbe der Zelle war 10m. In der Cultur 25 trat hierauf am frühesten Absterben ein; zuerst verschwanden die Schwärmer und nach einem Monat starb die Cultur rasch ab, ohne Zweifel eine Folge des zu raschen Sprunges in der Concentration der Salzlösung. Nach 1Y/s Monaten waren nur noch vereinzelte Zellen am Leben, so dass die Cultur aufgegeben werden musste. Schon etwas günstiger lagen die Verhältnisse in der Cultur 20, in welcher das Absterben einige Wochen später und weniger intensiv eintrat. Um nun festzustellen, wo die Grenze der Kochsalzeoncentration für die Tetraspora überhaupt liegt, wurden aus der Cultur 15 die g* 36 fehlenden Glieder bis 20%, allmählich angesetzt. Da auch Cultur 17 und 18 noch häufig absterbende Zellen zeigten und erst bei 16% Chlornatrium wieder allgemein eine lebhafter grüne Farbe auftrat und keine abgestorbenen Zellen mehr gefunden wurden, so darf als wahr- scheinlich angenommen werden, dass die Tetraspora in 16° noch zu vegetiren vermag. Es erscheint sogar die Annahme gerechtfertigt, dass diese Alge, falls man ihr eine genügende Zeit zur Anpassung gewährte, auch noch in stärkeren Salzlösungen gedeihen könnte. Zu diesem Zwecke wäre es aber nothwendig, die Tetraspora vielleicht in einer 16procentigen Salzlösung während eines längeren Zeitraumes (ein bis mehrere Jahre) zu cultiviren, so das sie sich vollkommen dieser Salzmenge und den Bedingungen, wie sie bei einer Cultur im Zimmer geboten werden, anpassen könnte; darauf erst dürften höhere Salzconcentrationen ebenfalls vertragen werden. Ein Rückblick auf die beschriebenen Culturen von Tetraspora zeigt im Wesentlichen folgendes Ergebniss: Das Salzquantum darf anfangs nur allmählich vermehrt werden; erst später, wenn sich die Alge an geringere Mengen von Chlornatrium gewöhnt hat, verträgt sie auch einen Sprung über mehrere Procente. Es tritt Vergrösserung der Zellen ein, soweit überhaupt die An- passung in relativ kurzer Zeit geschehen kann. In den geringeren Salzeoncentrationen treten die Grössenunter- schiede mehr hervor, in den stärkeren Lösungen weniger. . Um jede einzelne Zelle bildet sich eine besondere Gallerthülle, welche durch Verquellen der äusseren Membran entsteht. Die Tetradenform verschwindet theilweise bei Zunahme der Salz- procente und erscheint bei Abnahme derselben nicht sofort wieder. Die Theilungsweise der Zellen ändert sich bei mittlerer und höherer Concentrafion, so dass die gebildeten Tochterzellen sehr ver- schieden an Grösse sind. Die Bewegung der Zoosporen ist eine langsamere als in koch- salzfreiem Wasser. Auch das Wachsthum ist langsamer, die Theilung tritt hingegen schneller ein. Werden grosse Zellen, die an Salzlösungen angepasst waren, wieder in gewöhnlichem Wasser cultivirt, so entstehen schnell wieder kleinere (anfangs nicht häufig), tetraedrisch geordnete Zellen. Schliesslich sei noch bemerkt, dass das, was im Obigen über eine Reihe von Culturen gesagt wurde, auch bei einer anderen Culturreihe derselben Alge in völlig gleicher Weise sich wiederholte. Diese zweite 37 Serie wurde aus Material hergestellt, welches dem oben erwähnten Graben mit 0,5% kochsalzhaltigem Wasser entnommen war. Im Zu- sammenhange damit, also mit der hier schon bestehenden Anpassung an eine gewissc (wenn auch geringe) Salzmenge, vertrug diese Cultur bedeutend raschere Sprünge zu höheren Salzprocenten und hielt es u. a. aus, dass sie direct aus der Natur in 10 procentige Kochsalz- lösung gebracht wurde: hier kränkelte sie zwar anfangs längere Zeit, erholte sich dann aber und zeigte nun kein abweichendes Verhalten oder auch nur schlechteres Gedeihen den entsprechenden Culturen der ersten Versuchsreihe gegenüber. Bewegungsschnelligkeit der Tetrasporaschwärmer in conc. Salz- lösungen. Im vorhergehenden Abschnitt wurde bereits erwähnt, dass die Schwämer von Tetraspora explanata sich bei Anwesenheit von mehreren Procenten Chlornatrium in der Culturflüssigkeit weit langsamer fort- bewegen als in reinem Wasser. Im Folgenden soll hierüber Näheres mitgetheilt werden. Das Material, welches zu diesen Versuchen diente, hatte sich in dem schon mehrfach erwähnten 0,5 % Salz enthaltenden Graben ge- funden. Die Tetraspora war nach ziemlich schneller Steigerung (5 %, 10%) endlich in 11procentigem Chlornatrium ceultivirt worden und bildete in dieser Flüssigkeit (zu Anfang December 1890) zahlreiche Gameten. Bei Beobachtung derselben fiel es auf, dass sie sich nur äusserst langsam .fortbewegten, meist sogar in zitternder Bewegung annähernd auf demselben Platze verharrten. Als dann einmal zu einem auf dem Objectträger befindlichen Präparat von Tetrasporaschwärmern in 11pro- centiger Salzlösung, um das Austrocknen der Flüssigkeit während einer mehrstündigen Unterbrechung der Beobachtung zu verhüten, einige Tropfen destillirtes Wasser zugegeben waren, wurde nach dieser Zeit bemerkt, dass die Schwärmer sich jetzt in lebhafter Bewegung be- fanden. Da nun bezüglich der Ursache dieses Verhaltens verschiedene Möglichkeiten vorlagen (Temperatur, Lichteinfluss, Wasserzusatz), so wurden einige Versuche in diesen Richtungen angestellt. Mehrere Oulturgläser, welche Tetraspora in 11 procentiger Chlor- natriumlösung enthielten und die bis dahin vor einem Südfenster bei einer Temperatur von 8° R. gestanden hatten, wurden vor einem Nordfenster desselben Raumes an dem Mikroskopirplatz bei einer Tem- 38 peratur von 15° R. aufgestellt. Die in den Gläsern enthaltenen Schwärmer zeigten nach 1'/%, auch nach drei Stunden immer noch dieselbe langsame Bewegung, welche zuerst beobachtet worden war. Hierauf wurden den verschiedenen Culturgläsern eine gewisse Menge der Algen entnommen und diese nach oberflächlichem Abtrocknen zwischen reinem Filtrirpapier in reines Wasser gebracht, dem nur die nöthige Menge Nährlösung (wie sie ja die Culturflüssigkeiten stets enthielten) zugesezt war. In diesen fast kochsalzfreien Culturen war ebenfalls nach 1”/, Stunden keine Veränderung in Bezug auf die Be- wegungsschnelligkeit der Schwärmer zu bemerken, aber nach wieder 1!/; Stunden wurden die Schwärmer jetzt in lebhafter Bewegung an- getroffen. Mit Hilfe eines Metronoms, welches die Secunden angab, wurde festgestellt, dass die Zoosporen, mit nur geringen Ausnahmen, alle die gleiche Schnelligkeit besassen. Sie durchschwärmten ein 660 u messendes Gesichtsfeld bei einer Vergrösserung von 230:1 in 8 bis 10 Secunden. Dabei muss noch bemerkt werden, dass, da die Schwärmer ja nicht immer gerade Bahnen zurücklegten, aus einer ge- messenen geradlinigen Bahn die Schnelligkeit der Bewegung für das Gesichtsfeld berechnet werden musste. Einige wenige Zoosporen ge- brauchten zum Durchkreuzen des Gesichtsfeldes 12 Secunden, einer derselben (unter 18 beobachteten) jedoch nur sechs Secunden. Ein Theil der Schwärmer bewegte sich nur unmerklich vom Platze, be- fand sich aber dafür in steter Umdrehung um die eigene Achse. Die Schnelligkeit der Drehung um sich selbst fand in einem so beschleu- nigten Tempo statt, dass in 30—40 Secunden 60 Umdrehungen ge- macht wurden. Was die Gestalt der Schwärmer anbetrifft, so unterschieden sich diese nicht von denen, die in 11 procentiger Salzlösung geblieben waren. Die beiden Cilien wurden nur nach Behandlung mit Jod-Jodkali sichtbar. Die Gameten traten bald theilweise in Copulation. Im Gegensatz zu dem oben angegebenen Tempo der Bewegung von Schwärmern im salzarmen Wasser, konnte von einer Ortsver- änderung derselben in 11 procentiger Lösung noch immer nichts be- merkt werden. Die Beobachtung dieser Schwärmer fand annähernd zu der nämlichen Zeit statt; die äusseren Bedingungen waren ganz dieselben, sowohl die Temperatur wie der Lichteinfluss der gleiche, und konnte also hier nur die starke Concentration der Salzlösung die Veranlassung zu ihrem Verhalten sein. Während einer längeren Beobachtung gelang es nur in ganz ver- einzelten Fällen, Schwärmer in wirklich fortschreitender Bewegung 39 zu sehen. Dann aber erfolgte dieselbe 9—10 Mal langsamer als bei denjenigen Schwärmern, deren Bewegungsschnelligkeit oben an- gegeben ist; dabei fiel auf, dass sie sich bald auf diese, bald auf jene Seite zu legen, also hin und her zu schwanken schienen, und dass sie sich ausserdem noch in stark zitternder Bewegung befanden. Letztere war auch den Schwärmern eigen, die auf ihrem Platze haften blieben; sie machten dadurch den Eindruck, als ob sie am Objecttpäger oder Deckgläschen festgeklebt seien und sich bemühten, durch Hin- und Herbiegen frei zu werden. Das verschiedene Verhalten der Schwärmer in Salzlösung und in fast salzfreiem Wasser lässt sich wohl 'auf folgende Weise aus den physikalischen Eigenschaften der Culturflüssigkeiten verstehen. Es ist bekannt, dass das Wasser des todten Meeres dem Rudern und Schwimmen grösseren Widerstand entgegensetzt, als anderes Meer- wasser; dieses beruht auf dem enormen Salzgehalt (25 — 30%) des- selben. Wie also jemand, der sich dort, sei es schwimmend, 'sei es im Boot rudernd, fortbewegen wollte, eine grosse Kraftanstrengung anwenden müsste und dennoch nur relativ langsam von der Stelle käme, so könnte es sich auch hier mit den Schwärmern von Tetra- spora verhalten. Sie sind zwar im Besitze von Cilien zur Fortbewegung, und diese functioniren auch richtig und sind nicht etwa thatlos, denn davon zeugt die zitternde Unruhe einiger und die langsame Bewegung einiger anderer Schwärmer, trotz des starken Salzgehaltes der Lösungen. Aber der Widerstand der Salzlösung ist für die Alge zu gross, als dass er jedesmal von den Schwärmern in normaler Weise überwunden werden könnte. Es ist demnach eher wahrscheinlich, dass die langsame Fortbewegung der Schwärmer lediglich eine passive ist, welche auf der Anwesenheit von Strömungen in der Flüssigkeit beruht. Die Wirkung, welche hier durch die Salzlösung hervorgerufen wird, könnte auch in anderen etwas dicklichen Flüssigkeiten entstehen; auch hier würde wahrscheinlich dieselbe Erscheinung eintreten, dass die Cilien sich vergebens bemühen, den Körper der Zoospore von der Stelle zu schaffen. Nimmt man die hohe Concentration der Salzlösung als Grund für die Langsamkeit der Bewegung der Schwärmer an, so liegt die Er- klärung dafür, wesshalb sich dieselben mit gewöhnlicher Schnelligkeit im salzarmen Wasser zu bewegen vermögen, auf der Hand. Hier ist der Widerstand, den die Flüssigkeit bietet, nur gering, so dass die Grenzen des Normalen kaum überschritten sind und die gewöhnliche Intensität der Bewegung eintritt, 40 ‚Eine andere Erklärung, die vielleicht noch mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat, würde etwas tiefer liegen; sie basirt auf der im vorher- gehenden Abschnitt erwähnten, auffälligen Erscheinung, dass, infolge der Salzeinwirkung, langsameres Wachsthum eintritt. Es wurde ferner oben darauf hingewiesen, dass sowohl die vegetative Vermehrung ver- langsamt wird, wie auch, dass die sexuelle Fortpflanzung in denjenigen Culturen, die kein Salz enthalten, erheblich früher eingetreten sei, als in solchen, denen Salz zugesetzt war. Tritt aber bei allen diesen Vorgängen eine so auffällige Verlangsamung ein, so liegt es nicht fern, auch für alle übrigen Functionen eine Verlangsamung anzu- nehmen, darunter für die Intensität der Fortbewegung der Schwärm- zellen. Was dann andererseits wieder das Eintreten der ursprünglichen Schnelligkeit der Schwärmer nach Entfernung des Salzes betrifft, so darf auf Folgendes hingewiesen werden. Da die Zellen der Tetraspora sich beim Aufenthalt in Salzlösungen vergrössern, so ist wohl anzu- nehmen, dass die Lösung durch ihre Membran hindurch diffundirt. Auch in den Schwärmern wird etwas Salz enthalten sein, welches nach Uebertragung der Algen in salzfreies Wasser, wieder in die um- gebende Flüssigkeit austritt, so dass die Schwärmer sich nun unter annähernd normalen Verhältnissen befinden und damit auch wieder die normale Geschwindigkeit annehmen. - Tropfenceulturen mit Tetraspora. Früher schon ist darauf hingewiesen worden, dass das Wachsthum und die Theilung der Zellen von Tetraspora bei Cultur in concen- trirten Kochsalzlösungen so sehr verlangsamt wird, dass man nur schwierig die genannten Vorgänge zu verfolgen vermag. Es hat aber unzweifelhaft Interesse zu erfahren, in welcher Weise die Vermehrungs- schnelligkeit durch Salzlösungen beeinflusst wird. Juetzteres konnte nur an Einzeleulturen festgestellt werden, in welchen die Zellen leichter zu controliren sind, als in massenhaften Anhäufungen, wo.die Zellen sich gegenseitig verdecken und verschieben. Diese Einzelculturen wurden in hängenden Tropfen angestellt und zwar zunächst in folgender Weise. Es wurden Glasringe von I cm Durchmesser und 3 mm Höhe auf je einen Öbjectträger vermittelst Canadabalsam aufgekittet und der so gebildete Hohlraum mit einem Deckgläschen bedeckt, an dessen Unterseite sich ein kleiner Tropfen von Culturflüssigkeit mit der Alge befand. Zu diesem Versuche diente eine an 8°%% Chlornatrium ange- 41 passte Tetraspora. Aber eine Reihe von Tropfenculturen ging schon nach 2—3 Wochen zu Grunde, ohne sich vermehrt zu haben, ein Ergebnis, welches wohl auf der Mangelhaftigkeit des Gasaustausches in der abgeschlossenen Oulturkammer beruht. Da also auf diese Weise das gewünschte Resultat nicht erzielt worden war, wurden hierauf andere Objectträger benutzt, die auf ihrer Oberseite mattgeschliffen waren und je drei mässig tiefe Höhlungen besassen. Diese Object- träger wurden in flachen bedeekten Glasschalen, auf einem niedrigen Glasgestell liegend, aufbewahrt; der Boden dieser Glasschachteln war stets mit mehreren Lagen feuchten Filtrirpapieres bedeckt. Um nun auf bequeme Weise zu Einzeleulturen der Tetraspora zu gelangen, verfuhr ich auf folgende Weise. Eine geringe Menge der Alge wurde mit der betreffenden Salz- lösung, in der sie cultivirt werden sollte, in einem Reagenzröhrchen so lange kräftig geschüttelt, bis die Zellen sich möglichst von einander getrennt hatten. Hierauf wurde mit einer sehr feinen gläsernen Ca- pillarpipette, die mit einer Marke versehen war, ein kleiner Tropfen aus dieser Algenvertheilung entnommen und unter dem Mikroskop durchsucht. Fanden sich in derartigen Proben mehrere oder viele Zellen, so war es nöthig, die Flüssigkeit im Reagireylinder noch mehr zu verdünnen, bis die gewünschte, geringe Anzahl von Zellen in der bis zur Marke gefüllten Pipette vorhanden war. In der so vorhandenen Flüssigkeit waren nun die Tetraspora- zellen ziemlich gleichmässig suspendirt. Es wurden dann von der- selben kleine, gleiche Mengen in je eine Höhlung des Objectträgers gebracht und auf diese Weise 18 Culturen angesetzt. Die Alge war, wie gesagt, aus 8procentiger Chlornatriumlösung entnommen, an welche sie sich schon etwa vier Wochen angepasst hatte. Die 8procentige Cultur war aus einer allmählich bis sechs und darauf bis acht ge- steigerten hervorgegangen. Um nun die Vermehrung resp. Veränderungen der einzelnen. Culturen genau verfolgen zu können und doch beim Durchmustern derselben nicht zu viel Zeit zu verlieren, wurde jede Cultur mit Hilfe des Prismas gezeichnet, so dass in denjenigen Fällen, wo mehr als eine Zelle sich im Tropfen befand, auch die gegenseitige Lage der Zellen angegeben wurde. Hierbei sowie beim späteren Durchsuchen der Culturen war Eile geboten, denn einmal waren die Tropfen, um das Wiederfinden der Zellen zu erleichtern, sehr klein genommen, und dann war die Gefahr des Eintrocknens und der damit verbundenen grösseren Concentration der Salzlösung ziemlich gross. 42 ‚Unter den 18 angesetzten Tropfenculturen befanden sich vier, in denen nur eine Zelle vorhanden war; sieben mit zwei Zellen; eine mit drei Zellen; vier mit vier Zellen; eine mit sieben und schliesslich eine mit neun Zellen. Aber nur sieben Culturen von diesen blieben am Leben, während die anderen entweder durch reichliche Mengen von Spaltpilzen unterdrückt wurden oder sonst aus unbekannten Gründen nicht wuchsen und schliesslich abstarben. Die Untersuchung der sieben Culturen, welche stets unter den nöthigenVorsichtsmaassregeln ausgeführt wurde, ergab folgende Resultate, welche der besseren Uebersicht wegen, in einer Tabelle zusammen- gestellt sind: Zahl Anzahl der Zellen in Cultur der _— on .. Tegel ı un lm: w|v!ve|vm 1 1 1 2 2 3 4 9 20 4 6 6:8 8 12 18 | | 22 | 40 | 38 | 50 | 60 | 90 Pr Es ist ersichtlich, dafs die Vermehrung der Zellen in der ersten Zeit sehr ungleichmässig vör sich ging. Einige Culturen hatten ihre Zellenzahl in den 20 Tagen nur verdoppelt, andere verdrei- oder ver- vierfacht, eine sogar versechsfacht. Es darf angenommen werden, dass die aus der grossen Menge isolirten Tetrasporazellen sich erst wieder an die neuen Vegetationsbedingungen, wie sie ihnen bei der Cultur in kleinen Tröpfehen geboten wurde, gewöhnen musste, denn es liegt unter anderen eine nicht geringe Verschiedenheit der Massencultur gegenüber darin, dass in den kleinen Tröpfehen mehr Luft mit der Flüssigkeit in Berührung kommt und infolge dessen eine grössere Kohlensäure- und Sauerstoffmenge den Algen zugeführt wird, und dieser Veränderung der Lebensbedingungen mögen die einzelnen Zellen in verschieden langer Zeit sich fügen. Nachdem aber einige Zeit, hier 20 Tage, verstrichen waren, trat eine grössere Gleichmässigkeit in Betreff der Vermehrung in der Weise ein, dass sich die Zahl der Zellen in dem nachfolgenden Zeitabschnitt von 53 Tagen meist um das 5’/- bis T'iafache vergrösserte. Dabei ist noch etwas anderes bemerkenswert. Während nämlich in denjenigen Öulturen, wo nur eine Zelle im Tropfen sich befand, die Vermehrung eine Öt/sfache, dort, wo zwei Zellen ausgesät waren, 43 die Zunahme eine ca. 6V/sfache, bei der Aussaat von drei und vier Zellen in den Tropfen die Vermehrung eine 7T!/sfache war, betrug der Zuwachs in der mit neun Zellen beschiekten Cultur das 8— 9fache. Es scheint darnach wirklich, als ob die in der Einleitung dieser Arbeit ausgesprochene Vermuthung, dass die Algen in Gesellschaft besser wachsen, wie in einzelnen Exemplaren, sich bewahrheitete. Es war nun weiter von grossem Interesse zu sehen, wie die Vermehrungs- schnelligkeit in Culturen, die mehr als 8% Salz enthalten, sich verhält. Demzufolge wurden eine grössere Anzahl Tetrasporaeulturen mit 11% Chlornatriumgehalt auf gleiche Weise, wie die oben beschriebenen, angesetzt. Aber nur in zwei Culturen, deren eine zwei, die andere vier Zellen enthalten hatte, konnte nach Verlauf von 1Y/s Monaten eine Verdoppelung der Zellen constatirt werden. Weiteres Wachsthum er- folgte dann nicht und die Culturen gingen nach Ueberhandnahme der Bac- terien zu Grunde. Es geht aber wohl daraushervor, dass, je stärker die Lö- sung wird, das Wachsthum der Tetraspora sich um so mehr verlangsamt. Zur Controle wurden auch Einzeleulturen der Tetraspora in salz- freiem Wasser angesetzt. Es wurde hierzu die Alge verwendet, welche bereits mehrere Monate in 11 procentiger Chlornatriumlösung gewesen war. Nachdem ein Theil der 11 procentigen Cultur durch Filtration und nachheriges Auswaschen mit destillirtem Wasser von der an- hängenden Salzlösung thunlichst befreit worden war, wurden nach der oben angegebenen Methode 12 Culturen dieser Tetraspora in Wasser mit verschiedener Anzahl Zellen angefertigt. Von diesen 12 Culturen gingen nur drei verloren, die übrigen vermehrten sich derartig rasch, dass es nur in den ersten acht Tagen noch möglich war, die Zahl der Zellen annähernd festzustellen, während späterhin sich die Zellen zu sehr anhäuften. In einigen Culturen er- gab sich die Wachsthumsgeschwindigkeit, wie aus nachfolgender Tabelle ersichtlich: Zahl Anzahl der Zellen in Cultur Tage 1 | 110 ml w v VI n 1. | 2 4 a 7 4 28 | 50 Iea.1001 50 120 | 10 8 |180--200 Ica. 90--100%)|ca. 200| über 400 | über 400 | 170-200 1) aber viele in Theilung begriffen. 44 Aus dieser Tabelle geht hervor, dass die Vermehrung zwar in ungleich schnellerer Weise erfolgt, wie bei den .Culturen in Salz- lösung, aber sie findet auch sehr unregelmässig statt, so dass sich durchaus keine Uebereinstimmung in den erhaltenen Zahlen zeigt. Der Grund dafür, dass in einigen Culturen, die sich anfangs schnell vermehrt hatten, alsbald nahezu Wachsthumsstillstand eintrat, mag darin liegen, dass hier nach einiger Zeit die Spaltpilze überhand nahmen und dann zuweilen die Algen entweder ganz zu Grunde richteten oder doch sehr beeinträchtigten. Stichococeus. Wie oben (Seite 31) ausgeführt, wurde ein Theil des Algenge- menges, welches aus dem Teiche auf dem „Kleinen Hagen“ bei Göttingen stammte, in 4procentige Chlornatriumlösung gebracht; doch starb diese Cultur alsbald anscheinend völlig ab, so dass schon nach 20 Tagen keine lebendige Zelle mehr in der Flüssigkeit bemerkt wurde. Auch später, während ca. acht Monaten, konnten bei öfter vorgenommener mikroskopischer Untersuchung keine lebenden Algen aufgefunden wer- den. Dann aber erschienen (im Februar 1891) plötzlich an der Ober- fläche der Flüssigkeit, und zwar an der dem Licht zugekehrten Seite: des Glases, grüne, in lebhafter Vegetation befindliche. Algen. Die- selben fanden sich indessen nicht in allen mit derselben Salzlösung versehenen Gläsern, deren vier vorhanden waren, sondern nur in zwei derselben, und zwar hatten sie in beiden Fällen die dem Licht zuge- kehrte Oberfläche der Cultur zum Aufenthaltsorte gewählt. Die Zellen waren etwa 3—4p diek und 15 — 20 1 lang, mondförmig gekrümmt, an den Enden stumpf oder zu mehreren fadenförmig zusammenhängend. Am häufigsten fanden sich vier Zellen in quadratischer Anordnung. Sie waren mit dünner Membran versehen, hatten einen lebhaft grünen Inhalt (Farbe i1r), der zuweilen körnig erschien. An den Enden der Zeilen war meist ein hellerer Oelfleck (Reaction auf Osmiumsäure) oder auch deren mehrere kleine vorhanden (vgl. T.1, F.8, 4%). Wo sich zwei Zellen in Theilung befanden, trat die neue Wand in senkrechter Richtung zur Längsachse auf. Der Beschreibung nach, welche sich in der Kryptogamenflora, bearbeitet von Kirchner, fand, war die Alge Rhaphidium convolutum minutum Rabh. Andere Algen fanden sich in der Cultur nicht lebend vor, so dass also eine Reincultur vorlag. Zunächst entstand nun die Frage, ob die Alge die ihr im Augen- blick zukommende Grösse und Gestalt immer besitzt oder nicht. Durch 45 ihre Eigenschaft, an der dem Lichteinfall zugewendeten Seite der Cultur sich anzuhäufen, erleichterte sie dfe Arbeit in hohem Grade. (Es darf kaum hervorgehoben werden, dass bei allen folgenden Untersuchungen die Zellen und ihre Verbände mittelst des Prismas bei 750facher Vergrösserung sorfältig gezeichnet wurden.) Eine Durchsuchung der 2- und 3procentigen Culturen zeigte, dass die Alge hier ebenfalls vorhanden war und auch die dem Fenster zugekehrte Seite einnahm, ja in der Cultur 3 sogar in gleicher Weise, wie in der 4procentigen Lösung, eine Reincultur bildete. Hier aber fiel ein nicht unerheblicher Grössenunterschied auf (vgl. F. 8, 3%). Die Zellen aus der Cultur 2 hatten nur wenig über die Hälfte der Länge der in Cultur 4 befindlichen. Ausserdem trat in der 3procentigen Lösung noch ein anderer Unterschied hervor. Während die meist zu vier zusammenhängenden Zellen früher, wie erwähnt, sich oft ringförmig gelagert und dadurch geschlossene Kreise gebildet hatten, so waren diese Kreise jetzt in vielen Fällen unvollständig also geöffnet und gestreckt, so dass auch Halbkreise nicht selten waren. In dem Rhaphidium aus Cultur 2 waren die Krümmungen noch geringer und es fiel auch auf, dass die Zellen viel weniger oft wie früher im Zusammenhange standen, vielmehr einzeln oder zu zweien bis verschieden vielen neben einander lagen. Mit dem Verschwinden der kreisförmigen Lagerung bei geringerem Salzgehalt war in gleichem Schritt eine Verringerung der Krümmung der Zellen selbst eingetreten, so dass diese bei 2° Salz zuweilen nur noch unmerklich gebogen erschienen (vgl. F. 8, 2%). Noch mehr verschwand die für Rhaphidium convolutum charakte- ristische Form in der Lösung von 1° Chlornatrium, bis bei 0% nur vollkommen gerade Zellen von noch geringerer Grösse (l— 2x diek, 2—4 Mal so lang) vorkamen. Derartige Zellen waren schon beim Ansetzen der Culturen im Juni 1890 gezeichnet und in Dauerpräpa- raten als Stichococeus aufgehoben worden. Bei näherer Untersuchung fanden sich jetzt auch (allerdings nicht geschichtete) Schleimhüllen ; geschichtete Gallerthüllen aber unterscheiden die Gattung Dactylothece von Stichococcus,!) so dass hier eine Zwischenstufe beider Gattungen vorlag (vgl. F. 8, 1% u. O%a). 1) Wille in „Engler und Prantl* gibt folgende Beschreibung: „Daetylothece Lagerh. Die Zellen sind cylindrisch oder länglich, haben abgerundete Ecken, sind gerade oder schwach gebogen und liegen einzeln bis zu vier in einer Reihe, die oft von einer geschichteten Schleimmhülle umgeben ist. Sie enthalten ein einseitig wand- ständiges Chromatophor, welches ein Pyrenoid und eine V’acuole enthält. Die 'Thei- 46 Um nun die weitere Frage zu entscheiden, wie sich der in 4 pro- eentiger Kochsalzlösung in veränderter Gestalt als Reincultur ge- fundene Stichococcus verhalten würde, wenn er aus der 4 procentigen Lösung direct wieder in reines Wasser geriethe, wurde ein Theil der Cultur in Wasser, dem nur Nährlösung zugefügt war, übertragen. Schon nach Verlauf von wenigen Tagen lösten sich die bis dahin so oft zu Reihen verbundenen Zellen von einander und veränderten auch ihre Gestalt. Nach Verlauf eines Monats fanden sich nur noch gerade, niemals mehr gebogene Zellen. Während sie früher in der 4 procentigen Cultur etwa fünf Mal so lang als dick gewesen waren, gab es jetzt nur solche, die noch ein Mal so lang oder wenig länger als breit waren. Vom Ende gesehen erschienen die Zellen rund; dem- nach waren sie runde, kurze Stäbchen geworden, die gänzlich den in der Natur gefundenen Stichococeus glichen, nur noch nicht wieder die ursprüngliche Dicke angenommen, sondern vielmehr die viel dickere Gestalt und Rhaphidiumform beibehalten hatten. In einigen Zellen war ein Zellkern deutlich zu erkennen; viele Zellen befanden sich in Theilung, welche durch senkrecht sich ansetzende Querwände erfolgte. Selbst nach Verlauf von mehreren Monaten war die Grösse des aus 4 procentiger Chlornatriumlösung in reines Wasser zurückculti- virten Stichococeus noch nieht zu der ursprünglichen zurückgekehrt, sondern ziemlich unverändert geblieben. Die Cultur zeigte dabei ein frisches, kräftig grünes Aussehen; es fiel darin auf, dass die Zellen ihre Gallertschicht abgestossen haben mussten, denn es fanden sich reichliche Mengen von Gallertstückchen, welche frei in der Flüssig- keit schwammen (vgl. F. 8, 0%ob). Eine ähnliche Erscheinung war auch bei Tetraspora zu bemerken gewesen, als die Zellen aus starker Salzlösung in reines Wasser zu- rück eultivirt wurden. Um nun zu constatiren, ob die aus Stichococeus durch Fütterung mit Chlornatrium entstandene, an Rhaphidium erinnernde Alge bei höherem Salzgehalt noch andere Veränderungen zeigen würde, wurde ein Theil der in 4procentiger Salzlösung ceultivirten Alge in eine 6procentige und später aus dieser in eine Sprocentige Lösung ge- bracht. Selbst der Sprung von 4° direct auf 8% wurde so gut ver- tragen, dass sich die sonst bei sprungweiser Verstärkung der Salzlösungen oft auftretenden :Krankheitserscheinungen nicht einmal spurenweise zeigten. lungen finden nur in einer Riehtung statt. -— Stichoeoccus Naeg. weicht von obiger hauptsächlich durch den Mangel einer Gallerthülle ab.“ a Die in der Cultur 8 entstandenen Zellen. übertrafen die der Cul- tur 4 fast um das Doppelte; sie zeigten einen körnigen Inhalt, in welchem das Chlorophyll zuweilen so vertheilt war, dass es nur eine Seite der Zelle einnahm, während die andere Seite farblos war; ausser- dem hatten sie hie und da zwei oder mehrere Oeltröpfchen. Es schien als ob die Zellen sich noch häufiger in einer kreisförmigen Anordnung (zu vier) befanden, als bei schwächeren Concentrationen. Die bei Theilung der Zellen auftretende Scheidewand befand sich da, wo der stärkste Bogen war (vgl. Fig. 8, 8%). Von der an 8% Chlornatrium angepassten Rhaphidiumform wurde ein Theil in 13 procentige Lösung gebracht, und wurde auch dieser grosse Sprung noch gut vertragen. Die Zellen behielten nun aber dieselbe Dicke, welche sie schon in Cultur 8 erreicht hatten, bei. Auch bezüglich der Krümmung blieb es bei dem erreichten Zustande ; die Länge der Zellen hatte aber hin und wieder abgenommen oder, mit anderen Worten, sie hatten sich schneller getheilt. Mithin trat auch hier bei Rhaphidium dieselbe Eigenthümlichkeit auf, wie sie schon an Tetraspora und anderen Algen nach Salzwirkung beobachtet war, nämlich, dass durch Chlornatrium die Theilungsvorgänge be- schleunigt werden, das Wachsthum aber sich verlangsamt. Der In- halt der Zellen wurde durch das sonst meist homogene, vertheilte Chlorophyll nicht mehr vollständig tingirt, sondern es war an einem oder mehreren Punkten angehäuft. Diese Chlorophylinester befanden sich, wenn nur ein solches in der Zelle vorhanden war, in der Mitte, wenn zwei derselben auftraten, an den Enden der Zelle und auch bei Anwesenheit von mehreren waren dieselben den Zellenden genähert. In einer weiterhin aus der Öultur 13 abgeleiteten Cultur 15 fanden sich schon viele abgestorbene Zellen, die zwar gänzlich farblos waren, aber noch die frühere Struktur der Membran erkennen liessen. Ver- änderungen an den lebenden Zellen liessen sich dagegen nicht nachweisen. Zwischen 15 und 18°, Chlornatrium starben die Culturen völlig ab, so dass nun das Maximum des zu ertragenden Salzgehaltes über- schritten war. Fasst man noch einmal die Hauptmomente, wie sie bei diesen Culturreihen hervortraten, zusammen, so ergibt sich Folgendes: Sticho- eoccuszellen verdicken sich in regelmässiger Stufenfolge in 1— Spro- centiger Chlornatriumlösung. Während die Zellen anfangs nicht in Reihen liegen, macht sich bei 1- und noch mehr bei 2- und 4 procentiger Lösung die Wirkung des Salzes dadurch bemerklich, dass durch die schnellere Theilung Zellreihen entstehen. In den Culturen von 2% 48 Kochsalz aufwärts tritt die Erscheinung der Krümmung hinzu. Durch das gleichzeitige Auftreten von Reihenbildung und Krümmung der Zellen entstehen dann "Verbände, in denen vier gebogene Zellen (bei 4, 6 und 8% Chlornatriumgehalt) einen Kreis darstellen. Als Beweis dafür, dass die so entstandenen Rhaphidiumformen lediglich durch Salzwirkung erzielt sind und dass bei Fortlassung des Salzes wieder die Stichococcusform entsteht, dient der Versuch, die an 4procentige Chlornatriumlösung angepasste Alge wieder in reinem Wasser zu ceultiviren. Hierbei entstanden, wie wir sahen, wieder gerade und nicht zu Reihen verbundene Zellen, welche die ur- sprünglichen nur an Dicke noch übertreffen. Diese Ergebnisse stimmen also in hohem Grade mit den bei der Cultur von Tetraspora erhaltenen überein. Wille!) hebt die nahe Verwandtschaft der Pleurocoecaceae mit den Tetrasporeae hervor; seine Ansicht wird durch das ähnliche Verhalten von Stichococcus und Tetraspora in meinen Oulturen nur bestätigt. Cladophora glomerata genuina. Es ist bekannt (vgl. u. a. Wille in Engler und Prantl, „Clado- phoraceae“), dass Cladophoraarten zu den in salzigem Wasser am ineisten verbreiteten Chlorophyceae gehören; es lag somit nahe, zu untersuchen und war gewiss von ganz besonderem Interesse, wie sich eine in süssem Wasser gewachsene Art von Cladophora dem Chlor- natrium gegenüber verhalten würde. Da nun aber bei den ersten in dieser Richtung angestellten Versuchen alle Culturen mit von ver- schiedenen Standplätzen wie zu verschiedener Zeit entnommenem Material immer schon nach einigen Tagen, selbst in fliessendem Wasser, durch Spaltpilze vernichtet wurden, so musste eine andere Culturmethode angewendet werden. Diese gründete sich auf die bekannte Erfahrung, dass in Be- wegung befindliches Wasser nicht oder doch viel schwieriger fault als stagnirendes.?) Gleichzeitig war zu berücksichtigen, dass durch stetige 1) Engler & Prantl, Pleurococcaceae von N. Wille 8.55: „Viele Pleurococeaceae zeigen grosse Aehnlichkeit mit anderen Familien, meist aber mit den Tetrasporeae, von denen wohl die meisten, dureh Unterdrückung der Schwärmsporenbildung ent- standen, herstanımen dürften.“ 2) In dieser Erscheinung liegt einer der Gründe, wesshalb das Meerwasser nieht verdirbt, denn die auf grösseren Wasserflächen immer herrschenden Luftströ- mungen verursachen eine fortwährende Bewegung des Wasserspiegels. 49 Bewegung des Wassets die Verdunstung verstärkt wird und die Salz- lösung infolge dessen immer concentrirter werden müsste, wenn die- selbe in offenen Culturgefässen verwendet würde; dieser Schwierigkeit wurde nun dadurch aus dem Wege gegangen, dass die Oladophora in Glaskolben cultivirt wurde, welche durch einen doppelt durch- gebohrten Kork verschlossen waren. Durch die beiden Korköffnungen waren Glasröhren derartig hineingeführt, dass man im Stande war, vermittelst einer durch Wasserdruck arbeitenden Luftpumpe einen eontinuirlichen Luftstrom durch die Flüssigkeit zu saugen. Die Luft wurde durch Watte filtrirt und konnte durch eine ganze Reihe mit einander verbundener Flaschen gesogen werden. Bei der so be- wirkten starken Luftzufuhr wuchsen in der durch die aufsteigenden Blasen stets bewegten Flüssigkeit die Algen Monate lang in vor- trefflicher Weise. Die in Cultur genommene Cladophora glomerata ist eine der am meisten verbreiteten Arten. Sie zeigte sich aber gänzlich ungeeignet, auch nur in 0,5procentiger Salzlösung längere Zeit zu wachsen. Schon nach einigen Wochen war die Farbe des Chlorophylis theilweise eine gelbliche (Farbe 131) geworden, und die Membran zeigte mehr oder weniger starke Verquellungen, wodurch die derselben eigene Schichtung aufs Deutlichste sichtbar wurde. In der aus der schwächeren Salz- lösung allmählich herangebildeten Cultur mit I procentiger Chlornatrium- lösung war nach Verlauf von einem Monate das Protoplasma gelb und von krankem Aussehen. Es war Plasmolyse erfolgt und auch die nach solcher oft auftretende Neubildung einer Zellulosemembran um den , contrahirten Zellinhalt konnte in vielen Fällen wahrgenommen werden. Hauptsächlich dort, wo die Plasmakörnchen weniger dicht lagen und mehr homogenes Plasma den Plasmaschlauch bildete, be- merkte man die neue Zellhaut als einen äusserst fein geschichteten Bogen über die betreffende Stelle hinweg gehen. Von dieser Erscheinung einer Neubildung der Membran in plasmoly- sirten Zellen hat namentlich G. Klebs in seinem Aufsatz „Beiträge zur Physiologie der Pflanzenzelle“ !) berichtet. Er hatte sie nach Plasmolyse beobachtet, welche durch Zucker hervorgerufen wurde, und schildert die entstandene Membran bei Cladophora als aus „mehreren eingeschachtelten Häuten“ bestehend. Es scheint demnach, dass eine Neubildung der Membran auch nach Einwirkung anderer, die Plasmo- Iyse bewirkenden Mitteln auftritt, denn es liegt ausser Zweifel, dass 1) Bericht der bot. Gesellschaft No. 19 S. 181. Flora 1892, 4 Mo. Bot. Garden, 1893 50 die durch Zucker wie durch Kochsalz erzielten Neubildungen identische Erscheinungen sind. Die durch Chlornatrium plasmolysirten Zellen _ vermochten sich selbst in der 0,5 procentigen Lösung nicht länger als etwa 113 —2 Monate lebend zu erhalten; in 2 und 3% Salz starb die Cladophora noch früher ab. Hier mag noch die Beschreibung einer Erscheinung Platz finden, welche bei solchen Culturen der Cladophora im Wasser beobachtet wurde, durch welches permanent Luft gesogen war, obgleich das Chlornatrium dabei keine Rolle spielt. Wie bei allen angesetzten Culturen, so war auch hier ein Oontrol- gefäss, das die Cladophora in Wasser enthielt (vgl. T. IT, Fig. 14), vor- handen. Der Cultur war nur die nöthige Menge Nährlösung zugefügt. Der mit dieser Cultur versehene Kolben befand sich auch mit in der Reihe derjenigen, durch welche Luft gepumpt wurde. Die Cladophora zeigte darin andauernd ein schönes, kräftig grünes Aus- sehen und viele Endzellen waren angeschwollen, um Zoosporangien zu. werden. Die Chlorophylikörner waren zum Theil recht gross; es fanden sich solche, die 4—5j maassen. Die Dicke der Zellen blieb unverändert. An der Innenseite der Membran aber zeigten sich nach etwa einem Monate, hauptsächlich in den jüngeren Zellen der Aeste, eigenthümliche, leistenartige Vorsprünge, welche die Zellen der Quere nach ganz oder theilweise, kreis- oder bogenförmig umgürteten. Die Aussenseite der Membran war dabei vollständig glatt und zeigte in einigen Zellen im Inneren auch nur auf einer Seite derartige Gebilde. Bei den meisten Zellen aber trat die Erscheinung auf allen Seiten zugleich auf; die Querwände dagegen waren immer frei von diesen Vorsprüngen. Diese leistenartigen Verstärkungen correspondirten nicht immer mit einander an den gegenüberliegenden Seiten der Wandung, meistens entsprachen nur unscheinbare Vorsprünge den gegenüber- liegenden kräftigeren Verstärkungen (vgl. T. Tl, Fig. 15a u. b). Ueber die Bedeutung dieser Bildungen könnte man sich folgende Vorstellung machen. : Verdickungen der Membran dienen im Allgemeinen dazu, diese zu versteifen. Obgleich die Membran der Cladophora ziemlich dick und mehrschichtig ist, was sich besonders nach der Quellung zeigt, so scheint sie doch äusserst schwach zu sein. Diese Weichheit wird besonders dann augenfällig, wenn es sich darum handelt, Dauerprä- parate mit Hilfe irgend eines Mittels (2 procentige Essigsäure, Glycerin 51 ete.) herzustellen, welches eine Contraction des Zellinhaltes bewirkt. Die Membran ist so zart, dass sie, sobald der Turgor nachlässt, faltig zusammenschrumpft. Die Herstellung der Dauerpräparate gelang mir bei der in Rede stehenden Pflanze erst dann, nachdem der Inhalt gehärtet war. Durch die beschriebenen Querleisten werden nun sehr wirksame Ausspreizungen für die Membran gebildet und die so ver- steiften Zellen lassen sich in der That auch schon ohne Härtung des Inhaltes einschliessen, ohne dass die Membran ihre Gestalt einbüsst. Bezüglich der Ursachen für die Entstehung der Leisten wäre es möglich, dass die durch die aufsteigenden Luftblasen in dem Kolben bewirkte Bewegung eine zu kräftige gewesen wäre; die unausgesetzt in dem Glase hin- und hergeworfenen Algen schützen sich dann durch die Querleisten vor allzuhäufigem Einknicken der schwachen Membran. Man darf also wohl annehmen, dass die Pflanze, auf den durch die vermehrte Wasserbewegung ausgeübten Reiz durch Versteifung der’ Membran reagirt. Anderseits könnte auch die vermehrte Luftzufuhr hierbei eine Rolle spielen, welche möglicherweise eine erhöhte Herstellung von Kohlenhydraten zur Folge hat, die sich theilweise in Form von leistenartigen Cellulosemassen ablagern. Träfe dies zu, so müsste man auch in freier Natur, wo älnliche Vegetationsbedingungen herrschen (starke Bewegung des Wassers und vermehrter Luftzutritt), also z. B. unter kleinen Wasserfällen, ähnliche Verstärkyngen der Zellmembranen bei Cladophora erwarten dürfen. Meine bisherigen in dieser Beziehung angestellten Untersuchungen ergaben jedoch ein negatives Resultat. Da nun aber ein zweiter Versuch mit der nämlichen Species in gleicher Weise mehrere Monate später angestellt, genau dasselbe Resultat ergeben hat, so darf das Eintreten der Verdickung in der That als Wirkung der lebhafteren Wasserbewegung und der stärkeren Luftzufuhr aufgefasst werden. Andere Algen. Nachdem im Vorhergehenden das Verhalten einiger Algen, welche in Salzwasser leben können und dabei theilweise eine Gestaltsver- änderung erleiden, beschrieben wurde, erübrigt es noch, einen Blick auf solche Arten zu werfen, die bisher noch nicht besprochen wurden. Freilich liegen bezüglich derselben keine planmässigen Unter- suchungen vor, welche in allen Fällen ein präcises Resultat ergeben hätten, vielmehr handelt es sich hier meist nur um Beobachtungen, 4* j 52 welche nebenher gemacht wurden und zum Theil unvollständig sind, oder um das Verhalten solcher Species, die sich gar nicht oder nur schwierig und nur an geringe Salzconcentrationen gewöhnen lassen. Immerhin werden die nachstehenden Angaben die Vorstellung, welehe man von der Anpassungsfähigkeit der Algen an Kochsalz gewinnt, ergänzen können. Cyanophyceae. Neben den bereits erwähnten Species wurde noch eine Glococapsa in Salzlösung cultivirt. Sie hatte sich in verschiedenen Culturen ge- funden und zeigte noch Existenzfähigkeit bis zu 6 procentiger Lösung, worin sie etwa fünf Monate lebte. In concentrirteren Lösungen starb sie bedeutend früher ab, in 3procentiger aber hat sie sich bis jetzt, fast ein Jahr, erhalten. Eine neben andern Algen vorkommende Rivularia mühte sich mit der Anpassung an 3° Salz augenscheinlich sehr ab und bildete . darin öfter 3—4 Heterocysten, die dicht hinter einander lagen. Während sie ferner in 4procentiger Lösung bald starb und farblos wurde, wuchs sie in 2procentiger länger als ein Jahr. Auf die Diatomaceae ist in dieser Arbeit wenig eingegangen; da sie überall verbreitet sind, so wurden sie viel angetroffen, im Allgemeinen ertrugen' sie eine 1Oprocentige Lösung länger als einen Monat und fanden sich über ein Jahr lang lebendig in Oulturen mit 7% Kochsalz. + Manche derselben sind ohne Zweifel sehr anpassungsfähig und eines eingehenderen Versuches werth. Vielleicht geben sie über manche an anderen Algen nicht oder nur ungenügend beantwortete Fragen sogar besseren Aufschluss, da nicht wenige Arten sowohl im Meere wie in den Binnengewässern vorkommen. Chlorophyceae. Von den Conjugaten wurden Zygnema und Mesocarpus bereits oben erwähnt. Spirogyren vermochten selbst 0,5 procentige Chlor- natriumlösung nicht gut zu ertragen; es fanden sich zwar darin noch nach sieben Monaten einige lebende Zellen, aber der grösste "Theil war doch schon frühzeitig abgestorben. Spirogyren sind überhaupt äusserst empfindliche Pflanzen. Die Desmidiaceae zeigten sich theilweise geeignet, wenigstens einige Zeit in Salzlösungen ohne Eintritt von Plasmolyse zu vegetiren. Ein Cosmarium lebte in 4procentiger Salz- lösung zwei Monate, selbst 8% wurden einen Monat lang ertragen. 53 In einer 5procentigen Cultur fanden sich nach sieben Monaten noch eine Anzahl lebender Zellen. In 2procentiger Chlornatriumlösung bildete Cosmarium nach vier Monaten noch Zygosporen und lebt bis zum Schluss dieser Untersuchung (8"; Monate) darin. Die zu der Gruppe der Zoosporeen gehörenden Arten Tetra- spora, Stichococeus und Chlorella sind oben bereits ausführlicher be- sprochen. Viel weniger hoch als diese passte sich Gloeocystis an, die in 1'/aprocentiger Lösung freilich lange Zeit, in 2 procentiger aber nur 4'/», Monat und in 4procentiger gar nur zwei Monate zu leben vermochte. Bei Chaetophora lagen die Grenzen der Existensfähigkeit in Kochsalzlösungen etwas höher als bei der oben erörterten Clado- phora. Chaetophora pisiformis wuchs in 2procentiger Salzlösung über sechs Monate lang, sie starb bei 4° in drei Monaten ab und bei 6% schon nach '/; Monat. Die Siphonaceae und Oedogoniaceae erwiesen sich als gänzlich ungeeignet für Salzeulturen. Vaucheria starb nach wenigen Tagen in 0,5 procentiger Lösung und hielt es auch in 0,25 pro- ventiger nicht länger aus. Oedogonium und Bulbochaete lebten in 0,5 procentiger Lösung "a Monat und starben in 1° Salz schon nach wenigen Tagen ab. Chara blieb in 0,5 procentiger Salzlösung über ein Jahr frisch und entwickelte neue Zweige; in 1 procentiger Lösung starb sie aber schon nach 4—5 Monaten ab, In einem Culturglase mit 2procentiger Kochsalzlösung, welches schon seit März 1889 im botanischen Museum gestanden hatte und mir zur Verfügung gestellt wurde, fanden sich nach 2%, Jahren noch folgende Arten lebend: Oseillaria, Anabaena, Lyngbya, Spirulina oscil- laroides, Rhaphidium und Chlorella vulgaris. Bezüglich etwaiger Veränderungen konnten diese Species nicht beurtheilt werden, weil sie früher nicht gezeichnet waren. Sie waren von dem natürlichen Standorte direct in Salzlösung gebracht worden, Anpassungen in freier Natur. Es ist eine auffällige Erscheinung, dass sich, abgeschen von ge- wissen Diatomeen, so wenige Algenspecies gleichzeitig im Meere und in den Gewässern des Binnenlandes finden. Als Grund dafür, dass die durch die Flüsse oder sonst irgendwie aus dem Süsswaser in las Meer gelangenden Algen sich dort nicht im Laufe der Jahrhunderte 54 eingebürgert haben, mag zum Theil der zu jähe Uebergang aus dem salzfreien oder salzarmen in das salzreiche Medium gelten. Die Strömung der Flüsse an ihren Mündungen ist häufig zu stark, als dass ein Ver- mischen der beiden verschiedenen Wässer in für die Algen geeigneter Weise eintreten könnte und die durch die Flüsse zugeführten Algen werden, bevor sie sich anpassen können, in das salzreiche Meer hinaus- getrieben, wo sie wegen des zu raschen Ueberganges zu Grunde gehen. Zwar bildet das Brackwasser einen Uebergang vom Süsswasser zum Meerwasser, der Salzgehalt liegt dort zwischen beiden Extremen. Es wäre also anzunehmen, dass die Bedingungen zur Anpassung von Algen an Kochsalz hier günstiger sein müssten; aber im Brack- wasser tritt ein anderer Umstand auf, welchen F. Oltmanns kürzlich in seinem Aufsatz „Ueber die Bedeutung der Concentrationsänderungen des Meerwassers für das Leben der Algen“ !) erörtert. Er erwähnt darin die rasche Veränderung des Salzgehaltes im Meerwasser und ermittelt, dass diese besonders an Orten, an welchen sie zur Regel wird (Ostsee z. B.), eine bedeutende Verarmung der Flora herbeiführt. Der W.echsel des Salzgehaltes aber ist, wie Oltmanns ebenfalls durch Zahlen an einem bestimmten Beispiel beweist, gerade im Brackwasser ziemlich bedeutend, so dass auch hier die Anpassungs- bedingungen für Algen wenig günstig erscheinen. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse. Es gibt nicht wenige) Arten von Süsswasseralgen, welche sich bei Zusatz von Nährlösungen an geringere oder grössere Kochsalz- mengen anzupassen vermögen. Die im Vorstehenden untersuchten Species gehören theils zu den blaugrünen, theils zu den grünen Algen, und zwar zu den Gruppen der Cyanophyceae, Diatomeae und Chloro- phyceae. Aus der ersten Gruppe wurden erörtert: Öscillaria, Spirulina, Ana- baena, Rivularia und Glococapsa. Von den Chlorophyceen führt vorliegende Arbeit auf: Zygnema, Mougeotia, Spirogyra, Chlorella, Stichococeus (Rhaphidium), Tetra- spora, Chaetophora, Cladophora und schliesslich Vaucheria, Oedogonium und Chara. Je höher die Organisation einer Algenspecies, desto schwieriger erscheint im Allgemeinen die Anpassung: Chara, Vaucheria, Oedo- 1) Sitzungsbericht der kgl. preuss, Akad. d. Wissensch, 1891 S, 198, 55 gonium und Spirogyra passen sich weniger hoch und weniger rasch an als Öseillaria, Chlorella, Stiehococeus und Tetraspora. Bei allen oben näher beschriebenen Culturen von Algen in ab- gestuften Kochsalzlösungen trat eine Vergrösserung der Zellen ein, welche mit der Verstärkung der Salzlösung parallel ging und anfangs schnell zunahm, dann aber bei einer für jede Art bestimmten Grenze ihren Stillstand erreichte. Dieser Grenzpunkt lag zuweilen weit unter dem höchsten Concentrationsgrade, welchen die Alge überhaupt zu ertragen vermochte. Die Steigerung auf hohe Salzprocente musste bei Beginn einer jeden Cultur zunächst allmählich erfolgen bis die Algen sich überhaupt erst an geringe Salzquantitäten gewöhnt hatten; später wurde auch ein grösserer Sprung von schwächerer zu stärkerer Concentration meistens ohne Schaden ertragen. Material von einem natürlichen, salzhaltigen Fundorte passte sich leichter an höhere Con- centrationen an, als solches von salzfreiem Standort. Bei Rhaphidium und Anabaena erfährt die äussere Gestalt, bei Tetraspora die Theilungsweise eine Veränderung. Mougeotia zeigt zuerst ein sich in Missgestaltung der Zellen äusserndes Krankheitsstadium, welches aber bei vorschreitender An- passung überwunden wird, so dass späterhin wieder normale Zellen ausgebildet werden. Im Zellinhalt tritt ‘bei allen Species, wenn die Steigerung des Kochsalzgehaltes zu schnell vollführt wird, Verfärbung des Chloro- phylis in gelb und braun ein. Diese Farben verschwinden aber langsam wieder und treten bei allmählich vollführter Anpassung überhaupt nicht auf. Plasmolyse wurde nur dann wahrgenommen, wenn die Anpassung zu gewaltsam verlangt wurde; bei langsamem Steigen des Kochsalz- gehaltes erfolgte dieselbe nicht. Die bei Beginn der Cultur aufgespeichert gewesene Stärke wird bei der ersten Anpassung zunächst verzehrt, so dass das Protoplasma - dann mehr homogen erscheint. Nach vollständig durchgeführter An- passung wird hierauf wieder Stärke gebildet, die indessen bei stärkeren Concentrationen abermals aufgezehrt werden kann. In diesem Umstande, wie auch in der Thatsache, dass sich in der an grosse Salzmengen angepassten Tetraspora noch Schwärmer- bildung zeigt, liegt der beste Beweis dafür, dass manche Süsswasser- algen sich nicht bloss für kurze Zeit an Salzlösungen gewöhnen, son- dern auch in solchen zu assimiliren, zu wachsen und sich fortzupflanzen vermögen. 56 Das Resultat, zu welchem A. F. W. Schimper') bei höheren Pflanzen gelangte, dass nämlich Salzlösungen „die Assimilation derart beeinträchtigen, dass Stärke und Zucker in nachweisbarer Menge nicht mehr erzeugt, Wachsthum, Blütenbildung ete. ganz oder nahezu sistirt werden, obwohl die Pflanze fortexistiren kann . Algen demnach nicht zu. 1) A. F. W. Schimper, Die indo-malayische Strandflora p. 26. Erklärung der Abbildungen. Tafel l. Fie. 1. ' Oscillaria Frölichii Ke. in 5%/, Salz eultiv. (Ya der 410/1 Verer) Fig. 2. Anahaena flos aquae ohne Salz. (Vergr. 410/1). » y “ 1% ” „ ” n ” 2% „ Ri Fin. 8. ” „ 2 3%, vw ” Fie. 4. a) Zyenema stellmum gen. 20%, Salz. (1/a der 800/1 Verer.) b) ” ” 3 40), ” ” Fig. 5. Mougeotia laevis Archer 20/, Salz. (l/s der 410/1 Verer.) Fig. 6. ” ” ” 0% N „ Fig. 7. 5) ” ” 2%, „ ” Fie. 8. Stiehoeveeus. (Rhaphidiumform), 4%, Salz. (Veregr. 750/1). „ 3% ” Li ” 2, ” ” . 1% ” ” (Stichoeoeensform) 0%/, (a) Salz n aus 40), Salz in 0%, eultiv. 0%) u n 2 40), u) ” 8% „ 5% „ n Fir. 9. Tetraspura explanata. 0%, Salz. (Vergr. 410/1). ” ” 1%, ”„ Eh „ „ 20, ” 2 ” ” 3% ” ” ” ” 40/5 ” „ ” ” 5 Ir ” Tafel Il. Fig. 10. Tetraspora explanata. 6%, Salz. (Vergr. 410/1). Fig. il a) E) ” 8%, &) b3) b) ” ” 11% „ ” Fig. 12. ” ” 13%, ” ” Fig. 13. aus 11%, Salz in 0%, enltiv. 0%, N Fie. 14. Cladophora glomerafa, natürlich. (/, der Vergr. 300/1). Fig Laub „ Mi in Wasser eultiv. durch N welches Luft gesogen wurde, . .“ trifft für manche Physiologische Notizen von Julius Sachs. II“ Beiträge zur Zellentheorie. a) Energiden und Zellen. Da es sich hier nur um eine vorläufige Mittheilung handelt, so sei es gestattet, ohne Einleitung, sogleich in medias res einzutreten und zu sagen, was ich mir unter einer Energide denke und warum ich es für nützlich halte, diesen Begriff in die Zellenlehre einzuführen. Unter einer Energide denke ich mir einen einzelnen Zellkern mit dem von ihm beherrschten Protoplasma, so zwar, dass ein Kern und das ihn umgebende Protoplasma als ein Ganzes zu denken sind und dieses Ganze ist eine organische Einheit, sowohl im morphologischen wie im physiologischen Sinne. Bekanntlich ist ein kleiner Klumpen Protoplasma ohne Kern nicht wachsthums- und nicht gestaltungsfähig; noch weniger ist dies ein Kern ohne Protoplasma; beide gehören zusammen und erst in ihrer Vereinigung sind sie das Elementargebilde, aus welchem sich die Or- ganismen aufbauen. Den Namen Energide wähle ich, um damit die Haupteigenschaft dieses Gebildes zu bezeichnen : dass es nämlich innere Thatkraft, oder wenn man will: Lebenskraft besitzt. Wenn sich die Energide in zwei theilt, so verdoppelt sich die Lebensenergie, nachdem sich die Ener- gide vorher durch Ernährung verstärkt hat. Man wird nun wahrscheinlich sagen: das ist ja dasselbe, was man eine Zelle nennt. Das ist jedoch nicht der Fall, denn es lässt sich leicht zeigen, dass eine Zelle etwas anderes ist. Bekanntlich enthalten lange Bast- und Milchröhren, die doch zu den Zellen gerechnet werden, mehrere, oft sehr viele Kerne, welche * 58 in dem Protoplasma mehr oder minder regelmässig vertheilt sind; grosse Parenchymzellen von Phanerogamen (z. B. von Tradescantia) verhalten sich ähnlich und Schmitz, dem wir die Kenntniss dieser mehrkernigen Zellen vorzugsweise verdanken, hat gezeigt, dass die- selben bei den Algen und Pilzen sehr häufig vorkommen und darauf hingewiesen, dass es vorwiegend die grossen Zellen sind, welche mehrere oder viele Kerne enthalten, und dass sich in anfangs kleinen und ein- kernigen Zellen, wenn sie gross werden, die Kerne mit dem Wachs- thum vermehren. Auffallend grosse Zellen, wie viele Embryosäcke und die sog. einzelligen Pflanzen, zumal die Siphoneen, enthalten sehr viele Kerne. Diese Thatsachen weisen darauf hin, dass zu einem gewissen minimalen Quantum von Protoplasma auch ein Zellkern gehört und dass, wenn das Protoplasmaquantum sich vermehrt, auch mehrere Zell- kerne nöthig sind, seine Energie zu unterstützen. Wo die Lebensverhältnisse es gestatten, da sammelt sich um einen Kern das zugehörige Quantum Protoplasma und die so gebildete Energide wird frei, bildet eine Amöbe, eine Schwärmspore ı. dgl. Eine Zellhaut braucht nicht zu entstehen, die Energide bleibt nackt. Dies geschieht aber nicht immer: in den Vegetationspunkten (besonders der Muscineen und Gefässpflanzen) wird mit jeder Zelltheilung eben- falls um je einen Kern ein Quantum Protoplasma angesammelt und scharf abgegrenzt, aber hier wird auch sofort eine wenn auch sehr dünne Zellhaut um jede Energide gebildet und so entsteht aus und mit dem Energidensystem ein System von Zellen, d.h. von geschlossenen Kammern. Aber die Energiden brauchen sich nicht so scharf von einander abzugrenzen, dass man ihre Grenzlinien direet in dem Protoplasma sieht; die Kerne liegen dann in einem scheinbar homogenen Proto- plasma angeordnet in den vielkernigen Zellen; so ist es bei den Si- phonocladien und Siphoneen, den vielkernigen Mucorschläuchen und Milchröhren und in den Pollenkörnern der Angiospermen. Aber in anderen Fällen, wo zahlreiche Kerne im Protoplasma vertheilt sind, theilt sich dieses selbst später in Portionen, derart, dass zu jedem Kern ein Theil des Protoplasmas gehört und aus jeder solchen Ener- gide wird also eine Zelle; so in den Embryosäcken bei der Endo- spermbildung (Zoosporangien der Saprolegnieen). Man könnte nun abermals sagen, das sei eine alte Geschichte, nur in anderen Worten erzählt. Das ist es auch, aber eben auf die anderen Worte kommt es an, denn es handelt sich um die wissen- r 59 schaftliche Sprache, die mit der wissenschaftlichen Vorstellung über- einstimmen soll. Zunächst zeigt die vorstehende Darstellung, dass in einer Pflan- zenzelle nicht nur, wie man sagt, mehrere Kerne, sondern, besser aus- gedrückt, mehrere Energiden enthalten sein können; dass in einer sog. einzelligen Pflanze viele Energiden wohnen, dass im Allgemeinen mit der Grösse einer Zelle die Zahl der Energiden in ihr zunimmt, dass aber auch die einzelne Energide für sich frei leben kann, ohne von einer Zellhaut oder Zelle umgeben zu sein, wie es bei Schwärm- sporen geschieht. Nach Schmitz enthält die grosse Schwärmspore der Vaucherien zahlreiche Kerne, sie besteht also ihrer Grösse entsprechend aus zahlreichen Energiden. Bei den aus gewöhnlichem Zellgewebe bestehenden Pflanzen ist jede Zelle von einer Energide bewohnt; werden aber einzelne Zellen sehr gross, so entstehen in ihr zahlreiche Energiden. Zum Begriff der Energide gehört also die Zellhaut nicht; die Sache liegt vielmehr so, dass jede einzelne Energide sich mit einer Zellhaut umgeben kann, oder aber mehrere Energiden zusammen bilden eine Zellhaut, wie z. B. eine keimende Schwärmspore von Vaucheria (nach Schmitz), oder mit dem Wachsthum einer 'Zellkammer, die an- fangs nur eine Energide enthielt, vermehrt sich auch die Zahl der Energiden in ihr (Embryosäcke, Milchzellen). Ich gebe nun gerne zu, dass das Wort Energide vielleicht auch jetzt noch entbehrlich ist; man hat sich ja bisher mit der alten No- menclatur durchgeholfen; dass diese aber ihre grossen Schattenseiten besitzt, wird man auch mir zugeben. Zunächst gewährt der Begriff Energide insofern einen Vortheil, als durch ihn eine wirkliche Einheit als Grundlage für den Aufbau des Organismus gewonnen ist: ein Kern mit dem zu ihn: gehörigen, von ihm beherrschten Protoplasma; das ist eine sehr einfache Einheit, von der jede Darstellung des inneren Baues der Pflanze sowie des Thieres ausgehen kann. Der Begriff: Zelle erscheint bei den Pflanzen somit als ein secundärer, womit viel Schwierigkeiten beseitigt werden. Zum Begriff der Pflanzenzelle gehört meiner Ansicht nach durchaus die Zellhaut; die Pflanzenzelle ist der Behälter einer oder mehrerer Energiden. Bekanntlich besteht der allergrösste Theil des Körpers einer älteren, grossen Pflanze, zumal eines Baumes, aus todten Zellen, d. h. aus blossen Zellhäuten (Kork, Kernholz, alter Bast, Samenschalen u. s. w.). Die Energiden, welche diesen Theil 'des Zellwandgerüstes aufgebaut 60 haben, sind verschwunden, mit ihnen die Lebensenergie, während der- jenige Theil des Zellgerüstes, in welehem noch Energiden enthalten sind, lebendig ist, seine Energie bewahrt hat. Ich lege Werth darauf, dass das Wort Energide sofort auf Energie, d. h. auf Leben hindeutet, was bei dem Wort Zelle nicht der Fall ist. Bekanntlich ist das Wort Zelle als Terminus technieus der Botanik nur historisch zu verstehen, insofern Robert Hooke 1667 die innere Configuration des Korkes und der Holzkohle eine zellige, im Sinn einer Bienenwabe, nannte. Auch die Zootomie hat später dieses unglückliche Wort aufgegriffen und für die Elementartheile des thierischen Organismus verwendet, obgleich es dort noch weniger Sinn hatte, als bei den Pflanzen. — In den 40er Jahren erkannten die Botaniker, dass das Wesentliche der Pflan- zenzelle nicht ihr Gehäuse, sondern ihr Inhalt, wie wir jetzt sagen, das Protoplasma mit dem Kern ist, und so unterschied man Zelle und Zellinhalt. Damit aber kam man sprachlich ins Gedränge, denn nun musste man sagen, eine Schwärmspore, eine Amöbe, eine Oosphäre u. s. w. ist eigentlich eine Zelle, was ungefähr so klingt, wie wenn Robert Hooke gesagt hätte, die fliegende Biene ist eigentlich die wahre Bienenzelle, die aus Wachs bestehende Zelle ist blosses Gehäuse. Geradezu peinlich wird die Nomenclatur mit dem jetzigen Wort und Begriff Zelle, wenn man genöthigt ist, vor einem Zuhörerkreise zum ersten Male die elementare Zusammensetzung der Pflanzen dar- zulegen; ich thue dies seit 35 Jahren und fühle jährlich mehr, wie hinderlich das Wort Zelle in seiner gegenwärtigen Anwendung für das Verständniss ist; man muss sieh sogar hüten einen Candidaten zu fragen, was eine Zelle ist, denn das Wort hat keinen Sinn: eine leere Holzfaser ist ja nach herrschendem Sprachgebrauch ebenso eine Felle, wie ein Embryosack mit jungem Endosperm und wie eine Amöbe oder Schwärmspore oder selbst eine ganze Caulerpa. Mit Befriedigung habe ich in der Litteratur mich überzeugt, mit welcher Gewissenhaftigkeit die Astronomen, Physiker, besonders aber die Krystallographen und Chemiker ihre Nomenclatur behandeln und sie dem jeweiligen Stand ihrer wissenschaftlichen Erkenntniss an- passen; dagegen beginnt die Wissenschaft von den lebendigen Dingen mit einem Wort, welches vor mehr als 200 Jahren infolge eines Ierr- thums entstanden und dann beibehalten worden ist: dem Wort Zelle. Durch Einführung des Wortes und Begriffs: Energide würde nun dem Uebel ein Ende gemacht und, wie ich glaube, auch eine tiefere und richtigere Auffassung dessen angebahnt, was man als die sicht- bare Grundlage des Lebens bezeichnen darf, wogegen das Wort Zelle bi in der Botanik nur noch für die Zellwand oder auch für diese sammt dem Inhalt zu verwenden wäre. Will man von dem. festen, zelligen Bau des Pflanzenkörpers reden, so empfiehlt sich der Ausdruck Wand- gerüst oder auch Zellengerüst. Das Wandgerüst, durch welches sich die Pflanze so wesentlich vom Thier unterscheidet, wird von den Energiden gebaut; das leuchtet auch dem Anfänger und dem Laien ein. Ich glaube, so wie mir, wird es vielen Anderen gegangen sein, wenn sie hörten und lasen, dass die Eikugeln eines Fucus oder* gar die durch Theilung entstandenen Protoplasmakugeln (Furchungskugeln) innerhalb eines Hundeeies Zellen genannt werden. Wort und Sache sind einander so fremd als möglich; wäre es nicht viel passender ge- rade in solchen Fällen das Wort Energide zu brauchen ? Die Plıytotomen und ‚Zootomen haben auch schon längst gefühlt wie misslich der Gebrauch des Wortes Zelle in seiner Anwendung auf so ganz verschiedene Dinge ist. Man hat daher die Ausdrücke Zellenleib (Brücke), Protoplast und viele andere zur Bezeichnung des lebendigen Inhalts der Pflanzenzelle vorgeschlagen. Aber der Zellen- leib einer einkernigen Gewebezelle ist doch wieder sehr verschieden von dem Inhalt einer vielkernigen Siphonee, oder soll man sagen, die Vaucheria oder die Caulerpa enthält in ihrer Haut (Zellhaut) viele Zellenleiber, um den wahren Sachverhalt zu bezeichnen? — ich sage da einfach: die gewöhnliche Gewebezelle enthält eine, der Siphoneen- schlauch viele Energiden. Das Wort Protoplast ist zur Bezeichnung des Zellinhaltes auch nicht recht passend; enthält z. B. eine mit zwei Kernen versehene Pollenzelle einen oder zwei Protoplasten? Die Pollenzelle der Gym- nospermen enthält 2—3 wirkliche Zellen, weil ihre 2—3 Energiden Häute bilden; bei denen der Angiospermen bleiben die Häute weg; ich sage daher: die Pollenkörner der Angiospermen, sowie die der Gymnospermen, bilden in sich 2— 3 Energiden, jene ohne, diese mit Zellhaut, und ich denke, das klingt nicht nur besser, sondern es gibt auch den Sachverhalt richtig wieder; wie soll man das mit dem Worte Protoplast ausdrücken ? In einer inhaltsreichen Abhandlung über die Zellkerne der Thallo- phyten (Sitzungsber. der niederrh. Ges. Bonn, 4. Aug. 1879, S. 6 des Sep.-Abdr.) sagt Schmitz, dass er meine früher für die Siphoneen, Phycomyceten u. s. w. vorgeschlagene Bezeichnung als: „nichteellu- läre“ Pflanzen nicht annehmen könne, weil diese Bezeichnung wieder das Gehäuse der Zelle in den Vordergrund stelle; — ganz im Gegentheil, ich stelle damit gerade den Inhalt dieser Pflanzen in den Vordergrund, 62 der eben nicht aus Zellen, sondern aus Energiden besteht, deren Zell- häute oder innere Zellwandgerüste nicht zur Ausbildung gelangen; die zahlreichen Energiden einer Siphonee erzeugen nur eine gemein- same Zellhaut; insofern kann man sagen, sie sei eine einzellige Pflanze; sie bildet eben kein inneres Zellwandgerüst. Um zu einer klaren Nomenclatur zu gelangen, wäre es also das Beste, das Wort Zelle in seinem ursprünglichen Sinne zu nehmen und damit nur die Zellhaut oder diese sammt ihrem Inhalt zu be- zeichnen; will man aber die lebendige Einheit, auf welcher das orga- nische Leben beruht, bezeichnen, so empfehle ich das Wort Energide um so mehr, als es auch zugleich die einheitliche Grundlage des thierischen Körpers recht gut bezeichnet. Sagt man, eine vielzellige Pflanze wächst, indem ihre Anfangs- zelle sich wiederholt theilt und also sehr viele Zellen entstehen, so ist damit nur eine Aeusserlichkeit bezeichnet; es entstehen eben nach und nach viele Kammern. Sagt man dagegen: mit dem Wachsthum vermehrt sich die Zahl der Energiden, und weiss man, dass eine Ener- gide eine Kraftgrösse repräsentirt, so leuchtet sofort ein, dass mit der Zahl der Energiden auch die Energie, die Arbeitskraft in der wachsen- den Pflanze sich vermehrt und es ist nicht ausgeschlossen, dass ein- zelne Zellen auch viele Energiden enthalten. — Nägeli ging lange von dem Gedanken aus, dass das Wachsthum durch die Zelltheilungen veranlasst werde. Wie können aber blosse Halbirungen der Zellen das Wachsthum fördern? — Sagt man dagegen, die Vermehrung der Energiden bewirkt Wachsthum, so leuchtet dies ein, denn Vermehrung der Energiden ist Vermehrung der Kräfte, welche zum Wachsthum nöthig sind. Man könnte schliesslich noch einwenden, ob denn der Begriff Energide als ein Zellkern mit dem von ihm beherrschten Protoplasma' an sich berechtigtsei. Noch vor 10—15 Jahren wäre es allerdings schwierig gewesen, dies zu beweisen; ja man wäre damals wohl kaum auf den Gedanken verfallen, die Sache so aufzufassen, wie ich es thue. Wenn man jedoch die zahlreichen neueren genauen Untersuchungen über die „Zelltheilung* und die Vereinigung von „Zellen“ (Energiden) bei der Befruchtung betrachtet, so kann der Gedanke wohl nicht be- fremden, dass zwischen Kern und Protoplasma innere Beziehungen bestehen, dureh welche ein Kern mit dem ihn umgebenden Proto- plasma zu einem Ganzen, zu einer Einheit verbunden erscheint, in welcher Kräfte thätig sind, die wir als die elementaren Vorgänge des Lebens auffassen dürfen; und auf diese Lebenskräfte kommt es doch 63 wohl an, nicht aber auf die festen Wandungen, aus denen das ge- kammerte feste Gerüst der Pflanzen besteht, welches für sich allein keinerlei Lebensregung erkennen lässt; in der Energide dagegen werden die Kräfte der durch die Athmung in Bewegung gesetzten Moleküle, welche ihr als Nahrungsstoffe zufliessen, zu einem indivi- duellen Ganzen zusammengefasst, wo aus den Molecularbewegungen Massenbewegungen und Gestaltungsprocesse entstehen. Ich weiss aus langer Erfahrung, dass in Fällen, wie dem vor- liegenden, sich zunächst abweisende Kritik geltend macht, die daraus entspringt, dass es Vielen schwer wird, das Altgewohnte aufzugeben; das hält mich jedoch nicht ab, denen, welche es mit der Wissen- schaft ernst nehmen, zu empfehlen, zunächst einmal versuchsweise meine Ansicht praktisch zu benutzen und zu sehen, ob durch die Unterscheidung von Energiden und: Zellen nicht grössere Klarheit in die wissenschaftliche Auffassung und Sprache zu bringen wäre. b) Die rechtwinklige Schneidung der Zelltheilungs- flächen und ihre Beziehung zur Organbildung bei Thieren (vgl. die Nachschrift). In den „Arbeiten. des botanischen Instituts in Würzburg“ habe ich im 2. Bande 1878 und 1879 zwei längere Abhandlungen ver- öffentlicht, von denen sich die erste vorwiegend mit der Anordnung der Zellen in jüngsten Pflanzentheilen, die zweite, auf jener fussend, mit der Zellenanordnung in ihrer Beziehung zum Wachsthum be- schäftigt. Der grundlegende Gedanke dieser beiden Abhandlungen wurde sodann in einer leichter verständlichen Form in meinen „Vor- lesungen über Pflanzenphysiologie* 1882 und 2. Auflage 1887 noch- mals unter dem Titel: „Beziehungen zwischen Wachsthum und Zell- theilung im embryonalen Gewebe“ (8. 426 der 2. Aufl.) ausführlich dargestellt. Dieser Grundgedanke, den ich auch als das Prineip der recht- winkligen Schneidung der Theilungsrichtungen bezeichne, liegt in der Constatirung und weiteren Verwerthung der Thatsache, dass die successiven Theilungswände einander rechtwinklig schneiden und dass man auf Grund dieses einfachen Gesetzes im Stande ist, die ge- sammte Anordnung der Zellen, das sog. Zellennetz eines jungen Pflanzenembryos, eines Vegetationspunktes von Wurzel oder Spross sammt seinen jüngsten Blattanlagen, ebenso die Configuration des Zellenbaues in einem Haar, einer Drüse u. s. w. zu zeichnen, wenn 64 noch einige wenige Anhaltspunkte über die Vertheilung des Wachs- thums gegeben sind; dass man aber auch umgekehrt aus dem be- obachteten Zellwandnetz die Vertheilung des Wachsthums im Inneren eines jungen Organs beurtheilen kann. Der sinnliche Eindruck, den das Zellwandnetz auf den Beobachter macht, wird wiedergegeben durch drei Systeme meist krummer, sich rechtwinklig schneidender Linien (Flächen), die ich als Periklinen, Antiklinen und Transver- salen bezeichnete. Indem ich den Leser auf die genannten Darstellungen verweise, will ich nachträglich nur noch darauf aufmerksam machen, dass diese Linien auch in ganz unmittelbarer Beziehung zu dem Verhalten der Zellkerne bei den Theilungen stehen, insofern jede neue Wand die caryolytische Figur oder die Kernspindel rechtwinklig zu deren Achse schneidet. Die ausserordentliche Fruchtbarkeit dieses Princips, die noth- wendige Beziehung dieser Linien (Anti- und Periklinen und Trans- versalen), einerseits zu den Kern- und Zelltheilungen, anderseits zu den Vorgängen des Wachsthums, lässt keinen Zweifel, dass es sich dabei um ein fundamentales Gestaltungsgesetz handelt, welches jedoch nur dann und nur so lange klar hervortritt, als die einzelnen Zellen (Energiden) sich als Theile des ganzen Embryos, des ganzen Vege- tationspunktes oder sonst eines embryonalen Körpers verhalten; denn durch das spätere individuelle Wachsthum und Gestaltverände- rung der einzelnen Zellen muss der ursprüngliche Verlauf der gen. Linien .nothwendig unkenntlich werden. Wo dagegen die einzelnen Zellen nach ihrer Entstehung gar nicht oder sehr wenig wachsen oder wenigstens bei ihrem Wachsthum ihre Gestalt nicht verändern, da erblickt man die ursprüngliche Anordnung nach Peri- und Antiklinen, resp. auch Transversalen, auch noch im fertigen Zustand des ausge- bildeten Zellwandgerüstes, wie z. B. am Holzquerschnitt, an vielen Drüsenhaaren, an manchen Algen (z. B. Coleochaete scutata) u. a. Die Klarheit, welche durch das von mir festgestellte Prineip in die Gestaltungsvorgänge des Pflanzenreichs eingeführt wird, lässt mich hoffen, dass es gelingen wird, dasselbe aueh auf zootomischen Ge- biet zur Geltung zu bringen, obgleich mir nicht bekannt geworden ist, ob dies jemand in den 12 Jahren seit dem Erscheinen meiner ge- nannten Abhandlungen versucht hat. Man wird es daher wohl ent- schuldigen, wenn ich als Botaniker wage, selbst auf Objecte zootomi- scher Natur hinzuweisen, an denen mein Prineip der rechtwinkligen Schneidung leicht zu erkennen ist. 65 Um jedoch ein etwaiges Missverständniss im Voraus zu beseitigen, bemerke ich, dass es sich im Prineip durchaus nicht um die festen Zellwände, sondern nur um die Theilungsrichtungen handelt; wo ich bei pflanzlichen Geweben von Zellwänden, Theilungswänden u. s. w. rede, wird bei den thierischen Objecten also von Theilungsrichtungen zu reden sein. Es ist ein mir sehr angenehmer Umstand, dass ich mich betreffs der anzuführenden Beispiele und Belege auf die Abbil- dungen und den Text des ausgezeichneten „Lehrbuchs der Entwicke- lungsgeschichte des Menschen und der Wirbelthiere* von Oscar Hert- wich (1890) berufen kann. Letzteres muss nun aber durch einfache Nennung der Figuren nach der 3. Auflage des genannten Werkes geschehen, da genauere Nachweisungen nur mit Hilfe der Figuren selbst möglich wären. Viel- leicht ist es mir vergönnt, im nächsten Heft der „Arbeiten“ dies wirk- lich zu thun; in dieser vorläufigen Mittheilung wünsche ich nur die Aufmerksamkeit auf die Sache zu lenken; ohnehin wird jeder, der meine genannten Abhandlungen sorgfältig gelesen und das Prineip richtig aufgefasst hat, die hier zu eitirenden Figuren Oscar Hertwigs auf das Prineip zurückzuführen wissen. Dass der Furchungsprocess der thierischen Eier in seinen ver- schiedensten Formen dem Prineip der rechtwinkligen Schneidung der Theilungsflächen durchaus entspricht, lehrt nicht nur der von Hertwig gegebene Text im 3. Kapitel, sondern ganz besonders die Figuren 30, 31,. 32, 33, 35, 36. Noch wichtiger scheinen mir die folgenden Figuren, in denen das Prineip bei der beginnenden Organbildung des thierischen Embryos, ähnlich wie bei der Organbildung der Pflanzen hervortritt. Ich eitire folgende Figuren: 41— 44 (Gastrula des Amphioxus), 48, 58, 65, 66 (besonders diese beiden sind überaus lehrreich), 68, 69, 70, 71, 72 (die fünf letzten, die beginnende Organbildung bei Amphioxus betreffend, zeigen den Verlauf von Periklinen, Antiklinen und Transversalen), 73, 74, 109, 118, 137, 169, 185 (diese Figuren nur theilweise), 189. Wenn in vielen dieser Figuren das Prineip nicht so deutlich her- vortritt, wie in meinen Bildern (l. c.), so lässt sich dafür genügende Erklärung geben: 1. Diese Figuren sind offenbar ohne Rücksicht auf das Princip gezeichnet, was ja auch bei den älteren Zellnetzen von pflanzlichen Embryonen und Vegetationspunkten der Fall war, bis durch Auffindung des gesetzmässigen Verlaufs der Peri- und Antiklinen die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche in den Zellnetzen gerichtet wurde. Dass aber die Figuren trotzdem das Prineip erkennen lassen, Flora 1892, 5 66 beweist nur desto mehr, dass es vorhanden ist. 2. Die Beziehungen zwischen Zelltheilungen und Wachsthum bei der Organbildung thieri- scher Embryonen sind offenbar viel complieirter, als bei den Pflanzen; innerhalb der peripherischen Schichten drängen und drücken die Or- gane einander; Aehnliches kommt bei den Pflanzen in der seeundären Rinde der Holzpflanzen vor, wo ebenfalls infolge des Druckes, den das Holz auf die Rinde übt, die Zellenanordnung in dieser bis zur Unkenntlichkeit des Prineips gestört wird. 3. Die einzelnen Zellen der thierischen Embryonen beginnen, wie die Figuren zeigen, früh- zeitig ein individuell verschiedenes Wachsthum, ebenso sind die ein- zelnen Gewebeschichten frühzeitig schon differenzirt, was bei den Pflanzen viel später eintritt; dadurch wird das Princip bei jenen früher unkenntlich. Bei meiner mangelhaften Kenntniss der thierischen Histologie muss ich es den Zootomen überlassen, die aus dem Princip der recht- winkligen Schneidung hervorgehenden Gestaltungsprocesse zu verfolgen und klarzulegen; es ist auch wohl nicht unwahrscheinlich, dass manche einfach gebaute, niedere Thiere .eine grössere Vebereinstimmung mit den pflanzlichen Vorgängen ergeben würden, wenn man nur darnach suchen wollte. Die letzten Jahre haben gezeigt, welche wichtige Resultate durch Vergleichung der pflanzlichen und thierischen Befruchtungsvorgänge und des Verhaltens des Zellkerns bei der Theilung in beiderlei Or- ganismen zu gewinnen waren. Zu den Gestaltungsvorgängen von ganz fundamentaler Wichtigkeit gehört aber ohne Zweifel auch, alles das, was die Beziehungen der Anti- und Periklinen zu der Entstehung und dem Wachsthum der jungen Organe betrifft, und ich glaube, dass, wenn einer der jüngeren Zootomen sich dazu herbeilassen wollte, meine genannten Abhandlungen sorgfältig zu studiren und die dort dargelegten Beziehungen zwischen Zellbildung und Wachsthum (Ge- staltung, Organbildung) auch an thierischen Objecten nachzuweisen, dass da abermals wesentliche und fundamentale Uebereinstimmungen von Thieren und Pflanzen zu finden wären. Gegenüber der Prosa des Zuchtwahlprineips führen derartige For- schungen zu den tiefen Grundlagen des organischen Gestaltungsprocesses. Würzburg, 10. December 1891. Fortsetzung folgt. Nachschrift zu dem vorstehenden Aufsatz. Der Herausgeber dieser Zeitschrift, Herr Prof. Goebel, hatte die Güte, mich darauf aufmerksam zu machen, dass meine genannten Ab- 67 handiungen über das Prineip der rechtwinkligen Schneidung der suc- cessiven Zeiltheilungsflächen doch nicht so unbekannt geblieben sind, wie ich glaubte annehmen zu sollen, und dass namentlich Prof. A. Rauber sich darüber ausgesprochen habe, dass auch bei thierischen Objecten Aehnliches zu beobachten sei. In meiner Sammlung von Separatabdrücken finde ich nun mit eigenhändiger Widmung des Herrn Verfassers eine Abhandlung „Thier und Pflanze“, Akademisches Pro- gramm von Dr. A. Rauber (Leipzig 1881). Gerade in jener Zeit (1881) war ich mit der Bearbeitung meiner „Vorlesungen* vollauf beschäftigt und in den folgenden Jahren von schweren Leiden heimgesucht, wo- durch wohl zu entschuldigen ist, dass ich Rauber’s Abhandlung: ganz übersehen, daher auch in den „Vorlesungen* nicht eitirt habe. Hier möchte ich nur noch kurz hinzufügen, dass das von mir aufgestellte Prineip durchaus nichts zu thun hat mit Hofmeister’s An- sicht, wonach die neuentstehenden Zellwände senkrecht stehen sollen auf der Wachsthumsrichtung, vielmehr wird diese Ansicht dureh mein Prineip als eine gänzlich verfehlte beseitigt. — Schliesslich erlaube ich mir, auf die Anmerkung $. 458 meiner „Vorlesungen über Pflanzen- physiologie (Leipzig 1887) hinzuweisen, 5* Leguminosae novae v. minus cognitae austro- americanae. ' Auctore Dr. P. Taubert. (Cum tab, HI) I. Ausser den bereits in meiner ersten Publication über neue oder wenig gekannte südamerikanische Leguminosen in dieser Zeitschrift (Bd. 1889 8. 421 ff.) angeführten Sammlungen erhielt ich durch die Güte des Herrn Prof. Dr. A. Peter noch die im Göttinger Herbarium aufbewahrten Leguminosen zur Bearbeitung, welche Herr Prof. Dr. W. Schwacke im Jahre 1882 im Amazonasgebiete bei Manäos sammelte. Ausserdem stellte mir Herr Prof. Dr. W. Schwacke selbst eine Reihe interessanter und seltener Arten zur Verfügung. Beiden Herren spreche ich an dieser Stelle für ihre Liebenswürdigkeit meinen besten Dank aus. Mimosoideae - Ingeae. Inga Willd. I. bullata Benth. Die von Bentham in Hook. London Journ. IV, p. 607 und Fl. brasil. XV, 2, p. 470 für diese Art mitgetheilte Beschreibung passt nicht genau zu den Riedel’schen Originalexem- plaren des Petersburger Herbariums, welche durch mehr als 8“ (10cm) lang gestielte Inflorescenzen ausgezeichnet sind, während Bentham nur kaum ?/s“ lange Pedunculi angibt. Dagegen stimmen dieselben völlig überein mit der Diagnose der in Fl. brasil. XV, 2, p.470 aufgestellten I. cam- panulata Benth., die sich von J. bullata Benth. durch etwas andere Blatt- form, länger gestielte Inflorescenzen und heilgelbe Blüthen unter- scheiden soll. Schon der Autor‘ selbst vermuthete (l. c. p. 471 und Transact. of the Linnean Soc. XXX p. 607), dass I. campanulata, sobald instructiveres Material, als ihm ‚zu Gebote stand, vorhanden sein würde, sich vielleicht nur als Varietät der I. bullata erweisen werde. In der That lehren die mir vorliegenden von Riedel, Pohl und Glaziou gesammelten Exemplare, dass zwischen J. bullata« und 69 I. campanulata kein specifischer Unterschied existirt, ja letztere nicht einmal als Varietät der ersteren betrachtet werden kann. Blattform, Stellung und Länge der Peduneuli sind selbst an Exemplaren, die augenscheinlich von demselben Individuum stammen, sehr veränderlich ; der einzige Unterschied zwischen beiden läge somit nur in der Blüthen- farbe, die bei I. bullata (nach Riedel) weiss, bei J. campanulata (nach Burchell) hellgelb sein soll; abgesehen davon, dass dieses Unterscheidungsmerkmal unwesentlich ist, möge darauf hingewiesen werden, dass das Gelblichwerden weisser Blüthen im späteren Stadium eine häufige Erscheinung ist. Es ergibt sich daher, dass ]. campa- nulata Benth. als Synonym zu J. bullata Benth. zu stellen und die Diagnose der letzteren in folgender Weise zu erweitern ist: I. bullata Benth. (syn. J. campanulata Benth. Fl. brasil. XV, 2, p- 470). Rufo-hirsuta; petiolus nudus; foliola 2—3-juga, breviter petiolulata, ampla, ovali-oblonga v. obovato-oblonga, apice acuminata, supra glabrata nitidula, subtus hirtella; pedunculi plerumque axilla- ribus nunc brevioribus nune longioribus; calyx ample campanulatus, glaber, parum brevior quam corolla, apice setulosa; tubus stamineus breviter exsertus. In deseriptione 1. c. emendetur: Pedunculi usque ad 10cm longi, axillares v. interdum e ramis defoliatis erumpentes. Habitat m Brasiliae provincia Rio de Janeiro in silvis umbrosis pr. Mandiocca: Riedel; in silvae Macahe locis humidis: Riedel n. 440; Serra dos Orgaös: Burchell n. 2556; locis non indieatis: Pohl; Glaziou n. 9400. var. glabrescens Taub. var. nov. Differt a typo ramulis foliolisque novellis rufo-hirsutis, mox glabrescentibus, adultis glaberrimis. Habitat in Brasilia austro-orientali loco non indicato: Glaziou n. 10580. Calliandra Benth. C. Schwackeana Taub. sp.n. (Sect. Macrophiyllae Benth.) Glaber- rima; pinnae 1-jugae; foliola 1Ys-juga, ovato-lanceolata, subacumi- nata, uninervia; inflorescentiae e foliorum delapsorum axillis, brevissime pedunculatae, multiflorae; corolla uti calyx apice pube- rula, tubo stamineo paullo brevior; ovarium glabrum. Arbuscula ramis teretibus glabris cortice albido v. albido- cinereo. Stipulac non observatae. Petiolus communis crassus, 3— 4mm longus, apice glandulifer; pinnarum rhachis ca. 20 mm longa, apice glandulifera; foliola 1'/-juga petiolulis ca. 2mm longis crassis, basi obliqua acutiuscula, terminalia 6 — 14cm longa, 1,5 —5cm lata, 70 lateralia fere dimidio minora, subcoriacea, glaberrima, supra subnitidula, in sieco atrovirentia, subtus opaca, rubiginosa, longitudinaliter uninervia, utrinque reticulato-nervosa. Inflorescentiae pedunculo 2mm longo. Flores albi; calyx Imm longus, vix dentatus, apice puberulus; co- rolla tubulosa, leviter striata, praeter apicem puberulum glabra, 7mm longa; tubus stamineus breviter exsertus. Ovarium glabrum sub lente valida rugulosum. Habitat in Brasilia boreali prope Manäos: Schwacke n.IIl, 297; Glaziou n. 13793. — Floret m. Aprili. Obs. Species inter omnes Macrophyllas Benth. brasilienses foliolis uninerviis distineta CO. wmbrosae Benth., Indiae orientalis incolae, haud dissimilis. C. einerea Taub. sp. n. (Sect. Nitidae Benth. ser. Unijugae Benth.) Ramuli juniores, petioli, pinnarum rhachides, inflorescentiae, flores vil- losula; pinnae unijugae; foliola multijuga, brevissime petiolulata, lineari-oblonga, utrinque glabra, margine parce hispidulo-ciliata, subtus lepidoto-cinerea; inflorescentiae axillares v. ad apices ramulorum fasciculatae, pedunculatae; flores brevissime pedicellati; corolla calyce striatulu plus quam triplo longior, tubum stamineum superans. Ovarium glabrum. Frutex? ramulis teretibus, leviter striafis, junioribus villoso- puberulis, adultis glabris cortice pallide brunneo rimuloso. Stipulac ad ramos abbreviatos ramentaceae, lanceolatae, striatae, ca. 5mm longae, villoso-puberulae. Petioli communes 3—10mm, pinnarum rhachides + incurvae 20 — 35mm; foliola 12 —25-juga, brevissime petiolulata, lineari-oblonga, 5—8Smm longa, 1,5mm lata, apice acu- tinseula, basi obliqua, inaequilatera, chartacea, utringue glabra, mar- gine pilis remotis longioribus minoribusque subhispidula, supra vix nitidula, in sicco atrovirentia, sub lente valida verruculosa, subtus lepidoto-cinerea, utrinque costa nervisque parum prominulis. Pedun- ceuli 5— 20mm longi, striati, villosuli. Capitula multiflora; calyx 1,5 mm longus, leviter villosulus, in sieco striatulus, sub lente valida verruculosus; corolla 5mm longa parce villosula, in sieco vix stria- tula; stamina ca. 15 corollam plus quam 4plo superantia. Ova- rium glabrum. Legumen ignotum. _ Habitat in Brasilia austro-orientali loco non citato: Glaziou n. 12 639. Obs. Species CO. brevipedi Beuth. affınis, sed indumento, pinnis longioribus, foliolis subtus einereis, floribus villosulis pedicellatis statim distinguenda, 71 C. Glaziovii Taub. sp. n. (Sect. Nitidae Benth. ser. Sericiflorae Benth.) . Ramuli puberuli, demum glabrescentes; petioli et pinnarum 2- jugarum rhachides villosula; foliola multijuga, lineari-oblonga, apice mucronulata, supra glabra nitidula, subtus adpresse sericea; inflo- rescentiae axillares v. ad ramulorum apices fasciculati, pedunculis brevibus (rarius nullis) villosis; flores sessiles; calyx puberulus apice ferrugineo -pubescens, leviter striatus; corolla extus subsericea, calyce duplo longior, tubum stamineum includens; ovarium glabrum. Frutex? ramulis teretibus erassiusculis densiuscule puberulis demum glabrescentibus, cortice lenticellis consperso brunneo, longi- tudinaliter rimuloso. Stipulae rigidae persistentes lanceolatae, ad 10mm longae, v. nonnullae in ramulis abbreviatis ramentaceae ovato- lanceolatae minores, striatae, leviter pubescentes, demum subglabrae. Petioli communes 20 — 50mm longi, supra leviter canalieulati, villo- suli, basi pilis longioribus albis pubescentes, supra medium pinniferi. Pinnae 2- (rarius 1-) jugae, rhachide 60— 90mm longa; foliola 25 —80-juga, lineari - oblonga, 10 —19mm longa, 2,5 — Sum lata, basi valde obliqua, inaequilatera, rigidula, leviter reticulata, subtus pilis longis albis adpresso-sericea. Pedunculi crassiusculi 15—20 mm longi, rarius nulli, albo-villsi. Bracteae ca. 15mm longae, striatae, longiuscule pilosae. Calyx breviter 5-dentatus, 4,5 —5mm longus, puberulus, dentibus -+ ferrugineo -pubescentibus. Corolla 10mm longa, extus pilis adpressis albis subsericea, apice ferrugineo - pubes- cens. Stamina numerosa corollam fere 5plo longiora. Ovarıum glabrum. Legumen ignotum. Habitat in Brasilia austro-orientali loco non indicato: Glaziou n. 12640. Obs. Species pulcherrima ab affıni ©. abbreviata Benth. foliolis multijugis minoribus subtus albo-sericeis calyceque longiore primo intuitu diversa.- Mimosoideae-Eumimoseae. Mimosa L. M. dryandroides Taub. sp. n. (Sect. Eumimosa Benth. ser. Pe- duneulosae Benth.) Ramuli petioli rhachidesque strigosa; foliola 15 — 20-juga, oblongo-linearia, mucronulata, basi obliqua, margine revoluta, rigida, supra nitida, subtus albo-tomentosa; peduneuli axiliares, folio breviores, strigoso-pubescentes; flores 4-meri, corolla 12 argenteo - subsericea calyce plus quam duplo longiore; legumen mucronatum, marginibus inerassatis, pubescens et strigosum. Frutex? erectus inermis ramulis teretibus suberectis praccipue junioribus brevissime puberulis et dense strigosis. Stipulae lan- ceolato-subulatac, 3,5 —4mm longae, strigosae. Folia unijuga pe- tiolo communi 2—4mm longo dense strigoso, pinnarum rhachide 30 — 60 mm longa dense strigoso-pilosa; foliola 15 — 20-juga, sessilia, oblongo-linearia, 7mm longa, 2,5mm lata, apice mucronulata, basi valde obligqua, margine in sicco revoluto eiliata, rigida, supra nitida, in sicco obscure viridia subbullata, obsolete nervosa, subtus albo- tomentosa, ad costam satis excentricam pilis longis fulvis +: pubes- centia, nervis inconspieuis. Pedunculi axillarcs 15 — 20mm longi, pilis fulvis adpressis strigoso-pubescentes; alabastra oblonga, 7mm longa, 5mn lata, argenteo-subscricea; bracteae corolla breviores. Capitula cum staminibus 12 — 14mm longa, ca. 18mm lata; flores 4-meri, 8-andri, in sicco rosei. Calyx multipartitus pappiformis; corolla calyce plus quam duplo longior, extus argenteo-subsericea. Legumen lineari- oblongum, apice mucronatum, marginibus incras- satis, brevissime pubescens denseque fulvo-strigosum, in exemplaribus nostris nondum maturum ca. 20mm longum, 4,5mm latum. Habitat in Brasilia austro-orientali loco non indicato: Glaziou n. 11922. | | Obs. Pinnae hujus speciei elegantis, inter omnes Pedunculosas Benth. foliolis albo-tomentosis distinctae, simillimae sunt folis Dryan- drae mucronulatae R. Br. inter Proteaceas. M. adenophylla Taub. sp. n. (Sect. Habbasia Benth. ser. Lepto- stachyae Benth.) Fruticosa ramulis petiolisque sparse recurvo-aculeatis et ut foliolorum pagina inferior, inflorescentiae floresque glanduloso- lepidotis; pinnae 4—6-jugae; foliola 10 —28-juga, lineari- oblonga, praeter costam enervia, supra glabra, opaca, subtus pallida ; spicae graciles terminales et axillares, folia superantes, multiflorae ; flores 4-meri, S-andri; calyx minutissimus uti corolla praeter glan- dulas glaber; ovarıium villosum. Frutex altitudinis ignotae; rami petiolique subangulati den- siuscule glandulis minutis aureis leviter lepidoti, demum subglabres- centes et insuper aculeis sparsis in ramis longioribus, in petiolis minoribus, recurvis armati. Stipulae lanceolato-subulatae, 3,5—4mm longae, glanduloso-lepidotae. Folia petiolo ecommuni 3 — 6cm longo, 10—15 mm supra insertionem folüifero ; pinnae 4—6-jugae, 15 — 50mm longae, ab apice ad basin decrescentes, rhachide praeter 73 glandulas puberula, + incurvata, fere a basi foliifera; foliola in pinnis infimis 10—12-, in summis 24 —28-juga, sessilia, maxima 6 — 7Tmm longa, 2 mm lata, minima 1,5 mm longa, 0,5 mm lata, leviter falcata, apice rotundata, sacpius minutissime muceronulata, basi obliqua truncata subauriculata, chartacea, supra in sieco nigricantia opaca, sub lente valida minute denseque verruculoso-punetulata, enervia, subtus pallida glandulis copiosis conspersa, ad costam subeentralem promi- nentem et marginem (sub Jente) pilis singulis instructa. Spicae graciles terminales et in axillis foliorum supremorum solitariae vel geminae, inflorescentiam foliatam 6 — 9 cm longam efficientes, floriferae ad 12cm longae, densiflorae, basin versus -- remotiflorae, Bracteae vix Yumm. Flores sessiles, calyce bracteis breviore; corolla cam- panulata, sepalis ovatis apice acutiusculis.nervo medio distincto, vix 1,5mm longa, extus glandulis paueis minutis aureis conspersa; sta- mina petalis 5—6plo longiora. Ovarium brevissime stipitatum, albo-villosum. Legumen ignotum. Habitat in Brasilia austro-orientali loco non indieato: Glaziou n. 12648. Obs. Species ab affini M. pteridifolia Benth. primo intuitu differt aculeis, pinnis paucioribus, foliolis majoribus praeter glandulas sub- .glabris, calyce non tomentoso. M. brachystachya Taub. sp. n.' (Sect. Habbasia Benth. ser. Leptostachyae Benth.) Frutex parce aculeatus ramis junioribus, petiolis inflorescentiis brevissime puberulis; pinnae 2—3-jugae; foliola 4— 6-juga, oblonga vel obovato-oblonga, apice rotundata, basi obliqua, glaberrima, reticulato-nervosa; spieae breves terminales et in axillis superioribus, inflorescentiam amplam multifloram formantes, pedunculis plerumque verticillatis, densiflorae; flores 3-meri, 6-andri; corolla calycem minutum 3plo superans; ovarium glabrum. Frutex elatus ramis teretibus aculeis raris recurvis armatis, junioribus brevissime puberulis, adultis glabris. Stipulae lanceolato- subulatae, 4 mm longae, subglabrae. Fo lia petiolo communi supra canaliculato 5—10 cm longo, 2,5—-5 cm supra basin foliifero; pinnae 2—4cm longae, 2—3-jugae, rhachide puberula prope basin brevissime stipellata, ca. 8S—10mm supra basin foliola gerente; foliola 4—6- juga, brevissime a —-1I mm) petiolulata, oblonga vel obovato-oblonga, apice rotundata saepius minutissime mucronulafa, basi obligua rotun- data, inaequilatera, 10 — 20 mm longa, 5—10 mm lata, tenuiter char- tacea, praeter marginem prope basin pilis raris instructum glaberrima, in sicco supra opaca, olivacca, subtus pallida, costa nervisque primarlis 74 flavis supra subplanis, subtus prominulis, utringue retieulato-nervosa. Spicaec terminales et axillares inflorescentiam ultra 50cm longam efficientes; bracteac lanceolato-subulatae, ca. 2,d5mm longae, deei- duae; pedunculi plerumque vertieillati, hirtelli, floriferi 12 —15 mm longi, medio vel infra medium unibracteolati; spieae floriferae sine staminibus S—10Omm longae, 4—5 mm latae, basi laxi-, superne densiflorae; prophylla calyce subaequilonga. Flores sessiles ca- Iyce 0,8 mm longo; corolla subcampanulata 2,4mm longa; stamina corollam 4plo superantia. Ovarıum glabrum sub lente valida dense verruculoso-punctulatum. Legumen ignotum. Habitat in Brasilia austro-orientali loco non indicato: Glaziou n. 12642. Obs. Species M. caesalpiniaefolia Benth. affinis inter omnes Leptostachyas Benth. spieis brevibus distincta. M. pseudo-obovata Taub. sp. n. (Sect. Habbasia Benth. ser. Irubicaules Benth.) Frutex scandens ramulis petiolis rhachidibusque novellis puberulis, demum glabrescentibus, sparsim recurvo-aculeatis; pinnae 4—5-jugae; foliola 3-juga, oblique obovata, rhachidis basim versus deerescentia, glaberrima; inflorescentia hirta, basi foliata, ramosa; peduneuli villosuli; capitula globosa; flores 3- meri, 6-andri; corolla calycem glabrum fere triplo superans; ova-' rium glabrum. Ramuli subquadrangulati olivacei uti petioli rhachidesque striati et -+ aculeis sparsis recurvis armati. Stipulae lineari - subulatac, glabrae, er. 5mm longae. Folia bipinnata petiolo communi supra eanalieulato 10—15 cm longo; pinnae ca. 3cm distantes, rhachide supra canaliculata 3—5cm longa; foliola brevissime (vix Imm) petiolulata, oblique obovata, apice rotundata subtruncata v. levissime emarginata, basi subacuta v. rotundata v. subcordata, valde inaequi- latera, a rhachidis apice basim versus decrescentia, summa 25mm longa, 20mm lata, infima fere dimidio minora, chartacea, praeter marginem prope basim parce puberulum glaberrima, supra opaca, subtus pallida, costa nervisque primariis 3 a basi excurrentibus utrinque levi- ter prominentibus, secundariis obsoletis. Inflorescentia ad 20cm longa, ramis subpatentibus ad 10cm longis. Bracteae stipularum forma ct longitudine. Alabastra globosa. Capitula florifera pe- dunculis 12 mm longis hirtis v. villosulis, globosa, diametro vix 10 mm; prophylla subspathulata calyce subaequilonga. Flores 3-meri; calyx campanulatus, ®amm longus, glaber; corolla vix 3ömm, stamina 75 ad 10mm longa. Ovarium sub lente valida dense verruculoso- punetatum. Legumen ignotum. Habitat in Brasilia loco non indieato: Glaziou n. 11934. Obs. Valde affınis M. obovatae Benth., a qua differt praeter indu- mentum foliolis 3-jugis; M. Ceratonia L., Indiae oceidentalis incola, speeiei novae etiam affınis, glabritie, foliolis minoribus, pedunculis aculeatis discrepat. Mimosoideae-Adenanthereae. Piptadenia Benth. P. Blancheti Benth. var. Glazioviana Tauwb. var. nov. A typo ramulis novellis, petiolis brevioribus, rhachidibus pinnarum spicarumque, foliolis subtus ad costam + dense villoso-pubescentibus diversa. Forsan species propria. Habitat in Brasilia austro-orientali loco non indieato: Glaziou n. 12.647. P. Schumanniana Taub. sp. n. (Sect. Pityrocarpa Benth.) Glabra; pinnae 2-jugae rhachide leviter alata; foliola unijuga, anguste elliptica, apice acuta, supra nitidula, subtus pallidiora reticulato - ner- vosa; spicae axillares folium aequantes vel subaequantes, densi- florae; flores sessiles, calyce corollaque glabro; ovarıum longius- eule, stipitatum, glabrum. Arbor? ramulis teretibus glabris cortice leviter verruculoso, transverse rimoso. Stipulae non observatae. Folia petiolo com- muni in sicco striatulo 20 — 40mm longo, supra subcanaliculato, glabro, inter juga glandulifero; pinnae 2-jugae, rhachide glabra, supra marginibus leviter alatis incurvis canaliculata, ad pinnas supe- riores 10—-15 mm, ad inferiores 3—6mm longa; foliola unijuga, sessilia, anguste elliptica, saepius leviter falcata, 40 — 70 mm longa, 10—18 mm lata, in pinnis inferioribus minora, apice acuta vel sub- acuminata, basi angustata inaequilatera subacuta, subeoriacea, utrinque glaberrima, supra nitidula, sub lente valida dense granulata, costa centrali manifesta nervisque leviter prominulis, subtus pallidiora, nervis nervulisque distinctis reticulata. Inflorescentiae spicatae axillares ad 10cm longae, rhachide glabra densiflora. Bracteae minutae ovatae, vix 0,5 mm longae. Flores sessiles in sicco lutei; calyx glaber breviter 5-dentatus, Imm longus; corolla glabra 2,5mm. Ova- ium longiuscule stipitatum glabrum, sub lente valida dense verru- euloso-punctatum. Legumen ignotum, 76 Habitat in Brasilia austro-orientali loco non indicato: Glaziou n. 13774. Obs. Speciem ab affıni P. inaequali Benth. pinnis 2-jugis, foliolis l-jugis anguste elliptieis, spicarum rhachide ealyeibusque glabris statim dignoscendam cl. Dr. K. Schumann, herbarii berolinensis custodi, de flora brasiliensi bene merito dedico. Caesalpinioideae - Cynometreae. Cynometra 1. C. Glaziovii Taxb. sp. n. Ramuli juniores subtomentelli, adulti glabri; foliola unijuga, sessilia, ovalia v. oblongo-ovalia, apice ob- tusa, basi valde obliqua, chartacea, supra subglabra, nitida, subtus pallidiora, praeter costam glabra, utringue densiuscule prominulo- rctieulata; inflorescentiae plerumque ramosae, subtomentellae, multiflorae, panniculam terminalem formantes; pedicelli graciles; alabastra globosa; calyx sepalis obtusissimis tomentellis, petalis paullo brevior; filamenta glabra; ovarium glabrum, stylo sub- aequilongo glabro. Arbor parva videtur. Ramuli teretes, juniores pilis in sieco dilute ferrugineis subtomentellis, adultis glabris cortice nigro - cinereo lenticelloso. Stipulae e basi dilatata lanceolatae, ca. 3mm longae, mox caducae. Folia petiolo communi tereti, ferrugineo-tomentello, 3—10mm longo; foliola unijuga, inaequilatera, 10—15mm longa, 7—20 mm lata, supra basi atque ad eostam subtomentella, hinc inde in- super pilis singulis instructa, subtus praeter costam tomentellam, rarius glabrescentem glabra, subopaca, utrinque nervis eleganter densiuscule reticulata et sub lente valida punctulis copiosissimis parum elevatis conspersa. Inflorescentiae ramosac, rarissime simplices, ex axillis foliorum v. bractearum cadueissimarum, panniculam + foliatam ca. 5—8cm longam efficientes, pilis dilute ferrugineis subtomentellae ; pedicelli ferrugineo-tomentelli, floriferi + 5 mm longi, prope medium prophylla 2 caducissima ferentes, sub calyce obeonice inerassati. Alabastra diametro 1,5 —2mm. Calyx sepalis 4 suborbieularibus, diametro vix 3mm, extus ferrugineo -tomentellis, intus glabris, per anthesin reflexis; petala basin versus angustata. Ovarium bre- vissime stipitatum, obovatum, sub lente valida leviter rugulosum, glabrum, basi pilis hyalinis paueis instructum, 2-ovulatum, stylo oblique inserto glabro. Legumen ignotum. Habitat in Brasiliae prov. Minas Geraös loco non indicate: Glaziou n. 13725, 14617, m Öbs. Habitu ©. bauhiniaefoliae Benth., sed foliolis eleganter re- tieulatis nitidis et ovario glabro facile distinguenda. Caesalpinioideae-Amherstieae. Goniorrhachis Taub. gen. nov. [Tab. IL] Calyx tubo diseifero subeylindrico, segmentis 4 imbricatis ovatis obtusis, infimo exteriore; petala 5, libera, calyeis summo tubo in- serta, imbricata, subaequalia, obovata v. oblongo-obovata, basi in unguem brevem angustata, margine sinuato-undulata, summo intimo; stamina 10, 5 longiora, 5 paullo breviora, filamentis liberis, summo tubo insertis, glabris, longioribus petala paullo superantibus; an- therae dorsifixae, uniformes, anguste ovales, loculis longitudinaliter dehiscentibus; ovarium stipitatum, stipite calycis tubo unilateraliter adnato, pluriovulatum; stylus filiformis ovario brevior, stigmate parvo terminali vix dilatato. Legumen ignotum. Frutex ramosus stipulis cadueissimis. Folia petiolata abrupte pinnata; foliola 2-juga, brevissime petiolulata, oblique ovalia v. oblonga, apice obtusa, basi inaequilatera, margine integro nervo crasso cineta, chartacea, glaberrima, reticulato-nervosa. Inflorescentiaec ad ramulorum apices fasciculatae, basi bracteis suffultae, spicatac, rhachide repetito-geniculata, pauciflorae. Bracteae suborbiculatae, demum deeiduae. Flores subdistichi medioeres, basi prophyllis 2 alternantibus crassis, orbiculari-ovatis, concavis, per anthesin per- sistentibus inclusi, oblique zygomorphi, albi (t. Glaziou). Genus ad Amherstieas pertinens valde affine Peltogynae Vog., sed foliolis bijugis, inflorescentia, floribus oblique zygomorphis, ovario pluriovulato, glandulis et in foliis et in petalis deficientibus diversum. G. marginata Taub. sp. n. Frutex ramis teretibus glabris cor- tice nigrescenti-cinereo v. in junioribus subbadio, lenticellis numerosis eonsperso obtectis. Stipulae non observatae. Petiolus ecommunis teres, 25 — 30 mm longus, basi incrassatus, glaberrimus, in sieco leviter longitudinali-rugulosus. Foliola 2-juga, jugis ca. 15mm distantibus, petiolulo vix Ysmm longo v. subnullo, oblique ovalia v. oblonga, 20 — 50mm longa, 10— 22mm lata, apice obtusa, rarius subaeuta v. subacuminata, basi acuta v. subacuta, marginata, margine exteriore ad petiolulum decurrente, integra, chartacea, in sicco + undulata, utrinque glaberrima, costa nervisque reticulatis prominentibus, supra - nitidula, subtus subopaca. Spicae 3—5 fascieulatae, a basi flori- 18 ferae, rhachide ferrugineo - tomentosa ad 30 mm longa , 5 — 9-flora. Bracteae orbiculari-ovatae, ca. 2mm longae, ferrugineo-tomentosae, per v. post anthesin basi persistente caducae; prophylla orbieulari- ovata, ca. 3mm longa, apice 4- obscure mucronulata, concava, dorso leviter carinata, extus ferrugineo-tomentosa, intus glabra. Alabastra ovata. Calyx tubo 4mm longo, segmentis ovatis obtusis 5— 6mm longis, 4mm latis, extus incano-tomentosus, intus glaber. Petala obovata v. oblongo-obovata, basi in unguem 1—1,5mm longum an- gustata, cum ungue ca. Ilmm longa, 6mm lata, glabra, margine si- nuato-undulata, alba (t. Glaziou). Filamenta longiora ca. 12mm, breviora ca. 8mm longa, glabra v. basi parcissime pilosa.. Ovarium oblongum, albido-villosum, stipite ca. 4mm longo fere usque ad apicem calycis tubo adnato, stylo inferne parce piloso, superne glabro coro- natum, ‘ad 15-ovulatum. Legumen novellum albido-villosum. llabitat in Brasiliae provineia Rio de Janeiro in monte Coreovado: Glaziou n. 13726. Caesalpinioideae-Bauhinieae. Bauhinia L. B. Glaziovii Taub. sp. n. (Sect. Pileostigma Benth.) *Rami no- velli densissime tomentosi, adulti glabri spinis validis recetis muniti; folia transverse ovalia, breviter biloba, lobis rotundatis, basi sub- truncata vel obscure cordata, supra glaberrima, nitidula, dense reti- eulato-nervosa, subtus leviter ferrugineo-pubescentia, nervis prominen- tibus; racemi longi laxe multiflori, ad ramorum apices in panniculas amplas divaricatas compositi; alabastra pyriformie, subsericeo- tomentosa; calyx per authesin breviter 5-fissus; petala obovata, basin versus cuneato-attenuata; stamina omnia fertilia; ovarıum dense rutilo-sericeum. Frutex? altitudinis ignotae. Stipulae non observatae; spinae ca. 15mm longae. Petioli vulgo 10— 20mm, raro ad 30 vel vix 5mm longi, supra canalieulati, glabri; folia ad 50mm longa, 70mm lata, apice ad /s—'/s longitudinis biloba, basi subtruncata vel + sub- cordata, chartacea, subtus pallida, praecipue ad nervos ferrugineo- pubescentia vel adulta subglabra, costa apice in mucronem ca. 2mm longum producta, nervis primarüs utrinque 3, supra uti costa parum, subtus uti secundarii manifeste prominulis. Racemi 15 — 20 cm longi, tomento denso brevissimo ferrugineo conspersi; bracteae uti proplylla ıninima, lanceolatae, mox caducae; pedicelli ad 5 mm longi, ferrugineo- tomentosi, prophylla paullo infra calycem gerentes; alabastra 12m" longa, 8$mm lata. Öalyx ecostatus, 12—13 mm longuüs, per anthesin apice 5-fissus, sepalis subaequalibus vix 2,5 mm longis; petala 34mm longa, supra medium 17mm lata, glabra, in sicco ochroleuca venis fuseis eleganter notata; vexillare basi utrinque aurieulatum, fere 5mm longe unguiculatum; ovarıum, interdum rudimentare, stipitatum, pilis rutilantibus dense vestitum, 6-ovulatum, stylo crassiusculo leviter pubescente, sub stigmate obliguo paullo dilatato, ovarium subaequante. Legumen ignotum. Habitat in Brasiliae provincia Minas Gera&@s loco non in- dieato: Glaziou n. 12625, 13738. Obs. Species habitu B. reticulatam DC. africanam revocans certe sectioni Pileostigma Benth. hucusque in America nondum observatae, attribuenda. Caesalpinioideae-Cassieae. Cassia L. C. zygophylloides Taxd. sp. n. (Sect. Absus Benth. $ Absordeae Benth.) Fruticosa ? ramulis junioribus hirsutis setulisque hispi- dulis, adultis glabrescentibus. Foliola ad petioli partem superiorem inserta, brevissime petiolulata, ovalia v. oblongo-ovalia, apice rotundata, basi obliqua, utrinque adpresso-pubescentia, prominenti-nervosa. Ra- cemi multiflori terminales et nonnulli axillares inflorescentiam elon- gatam formantes, -+ tomentoso-hirsuti; pedicelli suberecti. Calyx sepalis subpetaloideis oblongis, velutinus; petala subaequalia, sepalis dimidio longiora. Ovarium villosum, stylo superne glabro. Frutex erectus videtur. Ramuli teretes, striati, praesertim juniores breviter hirsuti setulisque intermixtis hispiduli, adulti glabres- centes. Stipulae setaceae, 1,5 —2 mm longae, subpersistentes. Petiolus communis gracilis, "plerumque 3,5cm longus, leviter pa- tenti-hirsutus, supra setoso-hispidulus, in sicco striatulus, foliola prope apicem tantum gerens. Folia bijuga, juga inter sese ca. Bmm di- stantia; foliola petiolulo Imm longo, ovalia, oblongo- v. orbieulari- ovalia, 12 — 20mm longa, 10— 13mm lata, apice rotundata, rarius obsolete emarginata, basi obliqua rotundata, subchartacea, utrinque, subtus densius, adpresse aureo-pubescentia, supra sub lente valida minutissime punctata, utringue costa nervique primarii manifeste, se- cundarii minus distincte prominuli. Racemi laxe multiflori, rhachide 10 —15 cm longa, pilis aureis inferne + tomentoso - hirsuta, superne dense tomentoso-velutina, terıninales atque nonnulli in axillis foliorunı superiorum erumpentes inflorescentiam elongatam basi foliatam effi- 80 cientes. Bracteae setaccae, vix 2mm longae, uti pedicelli suberecti 12—15mm longi medio prophylla 2 alterna lanceolata vix 1,5 mm longa subpersistentia gerentes aureo- v. albido-velutinae. Alabastra ovalia. Calyx aureo-velutinus, sepalis subpetaloideis oblongis obtusis, Tmm longis, 3mm latis. Petala subaequalia oblongo-obovata, basi in unguem brevissimum cuneatim attenuata, sepalis dimidio longiora. Stamina 10 perfecta, filamentis vix ®smm, antheris subaequalibus 3mm longis. Ovarium sessile, albido-villosum, stylo duplo longiore inferne parce puberulo superne glabro. Legumen novellum albo- villosum. Habitat in Brasilia loco non indicato: Glaziou n. 12619. Obs. Species alabastris floribusque iis Zygophylli Fabaginis L. haud dissimilibus ab affıni .C. viscosa H. B. K. indumento, petiolorum longitudine, foliolorum forma primo intuitu distinguenda. Caesalpinioideae-Selerolobieae. Selerolobium Vog. S. Glaziovii Taub. sp. n. Foliola 2—3-juga, plerumque obo- vato-oblonga, apice breviter acuminata, supra glaberrima, nitida, sub- tus pube densissima sericeo-nitente; inflorescentiae densiflorae panniculatim dispositae foliis multo longiores; flores sessiles; calyx sepalis utrinqgue einereo-pubescentibus; petala filiformia; filamenta praecipue ad basim longe hirsuta; ovarium ferrugineo-hirsutum, Arbor? ramulis validis angulosis glabris cortice sordide flavo- brunneo. Stipulae 3—5mm longae petiolatae, foliolorum forma consistentia colore sed multo minoribus, 10—16mm longae, 4—8mm latae. Petiolus communis semiteres, supra canalieulatus, 25—75 mm longus, glaber; foliola 2—3-juga, petiolulis 3 — 5mm longis, obo- vato-oblonga, rarius oblonga, apice breviter acuminata, basi acuta v. praecipue ea summi jugi in petiolulum erassum cuncato - angustata, 35—65 mm longa, 18—28mm lata, coriacea, supra costa profunde impressa nervisque primarlis prope costam manifeste immersis mar- ginem versus evanidis, subtus pube brevissima densissimaque sericeo- nitentia, costa erassa, nervis solemniter prominentibus prope marginem vero evanescentibus. Spicae densiflorae in panniculam amplam folia multo superantem dispositae, pilis sparsis adpressis v. subpatentibus pubescentes; bracteae cadueissimae, non observatae. Flores ses- siles; calyx sepalis obtusis 4mm longis, 2,5 mm latis, tubo multo longioribus, utrinque incano - pubescentibus; petala filiformia, piiis longis aureis hirsuta; filamenta aureo-hirsuta apicem versus „l.:- " 81 brescentia. Ovarıum breviter stipitatum, badio-hirsutum, stylo sub- glabro. Legumen ignotum. Habitat in Brasilia loco non indicato: Glaziou n. 13735. Obs. Ab affini $. chrysophyllo Poepp. et Endl. praeeipue foliolis paucijugis petalisque hirsutis, a S. hypoleuco Benth. foliolorum nerva- tione floribusque sessilibus diversa. Caesalpinioideae-Tounateae. Tounatea Aubl. (Swartzia Schreb.) T. acuminata Taub. var. puberula Taub. var nov. Differt a typo foliolis subtus, praeeipue ad costam puberulis. Habitat in Brasilia boreali pr. Manaös: Schwacken.lll, 329; Glaziou n. 13771. — Arbor floribus albis; floret m. Majo. — Nom. vern.: araba (t. Schwacke). : .T. theiodora Taub. sp. n. (Scet. Pteropodae Benth.) Ramuli juniores inflorescentiaeque mollissime velutina; foliola 11—17, ob- longa, utrinque velutina, supra demum glabrescentia; racemi elon- gati, multiflori; stamina majora 4, filamentis glabris; ovarium glaberrimum stylo brevissimo. Frutex videtur ramulis junioribus mollissime velutinis, adultis glabris, cortice Aavido-einerascente lenticellis numerosis consperso. Stipulae subulatae, 3,5 -——-4mm longae, velutinac. Petiolus com- munis foliorum juniorum velutinus, adultorum glabrescens, inter juga 5—8 distincte alatus, supra leviter canalieulatus, 5—10cm longus. Stipellae minutissimae. F,liola brevissime (/.—*/mm) petiolu- lata, 11—17, oblonga, apice obtusa, parce emarginata, basi leviter cordata, margine in sicco vix revoluto, praeeipue subtus mollissime velutina, supra demum glabrescentis, nitidula, costa subtus valde prominente, nervis non crebris supra vix, subtus manifeste prominulis, ante marginem conjunctis, chartacea, 2—5 cm longa, 1—1,6cm lata. Infloreseentiae (terminales?) ramosae amplae ultra 30cm longae (in sicco) fulvo-velutinae, ramis elongatis plerumgue reeurvatis flores ultra 50 ferentibus; bracteae lanceolatae, 1—2 mm longae, velutinae; pedicelli floriferi 10—12mm longi; prophylla minutissima fere ad calyeis basin inserta, ‚subpersistentia. Alabastra globosa, dia- metro 4—6mm, fusco-velutina. Calyx per anthesin 4-fidus, intus glaber. Petalum subreniforme, unguieulatum, dorso sericeo-pubes- cens, junius sinuato-dentatum. Filamenta longiora glabra. Ova- rium longe stipitatum glaberrimum, stylo brevissimo rostratum, mul- tiovulatum. Legumen ignotum. Flora 1892, 6 82 Habitat in Brasilia loco non indicato: Glaziou n. 12607, 13731. Obs. Species habitu T. multijugae Taub., a qua praeter notas alias praecipue filamentis staminum majorum glabris differt; ab affıni T. macrostachya Taub. primo intuitu ovario glaberrimo longe discre- pat. — Florum decoctus odorem gratissimum Camelliae Theae Link infusum revocantem spargit. T. Glazioviana Taub. sp. n. (Sect. Eutounateae Taub.) Foliola 7--9 oblonga, supra glabra, subtus praecipue ad costam fulvo-pubes- centia; inflorescentiae axillares pluriflorae, velutino-pubescentes ; stamina majora filamentis glabris; ovarium glabrum, stylo bre- vissimo uneinato coronato. Frutex? ramis glabris cortice flavido-ceinereo. Stipulae ca- ducissimae non observatae. Petiolus communis 4—6 cm longus, supra canaliculatus, subglaber, ad jugorum 3— 4 insertiones, rarius undique, puberulus. Stipellae minutissimae, mox caducae. Fo- liola 7—9, petiolulis brevissimis (Imm) parce puberulis, oblonga, apice obtusa v. vix subacuta, leviter emarginata, basi acuta v. sub- obtusa interdum obliqua, supra nitida, nervis primariis parallelis secundariisgque prominulis utringue eleganter retieulata, chartacea, 10—45 mm longa, 8S—20 mm lata. Inflorescentiae axillares simplices, (in sieco) fulvo-velutinae, pluri- (ad 12-) florae, ad Tem longae; bracteae valde deeiduae, non observatae; pedicelli flori- feri 10 —15mm; prophylla minuta in medio pedicello affıxa, cadu- eissima. Alabastra globosa diametro ca. 6mm, fulvo-velutina. Calyx per anthesin laciniis 4 inaequalibus intus fulvo -sericeis. Petalum subreniforme 15mm longum, 23mm latum, basi ungue 2mm longo, sinuato -undulatum, dorso sericeo-pubescens. Stamina majora 4. Ovarium longe stipitatum. Legumen ignotum. Habitat in Brasilia loco non indicato: Glaziou n. 9415. Obs. Ab affini T. Benthamiana Taub. longe distat foliolis multo minoribus breviter petiolulatis ovarioque glabro. Papilionatae-Sophoreae. Sweetia Spr. S. fallax Taub. sp. n. Ramuli glabri; petioli communes, rha- chides, pedicelli, calyces ferrugineo - puberula; folia impari - pinnata ; foliola brevissime petiolulata, 15 — 23, ovalia v. suboblongo-ovalia, apice rotundata v. adulta leviter emarginata, basi obliqua subacuta, supra praeter costam vix puberulam glabra, nitidula, subtus pallidiora, u 88 _ \subglabra, nervis primarlis supra parce prominulis, subtus fere eva- \escentibus; inflorescentiae axillares, racemosae, simplices, pluri- orae, foliorum dimidiam subaequantes; calyx turbinato-campanulatus, etala subaequalia, calyce vix longiora, unguiculata; ovarium bre- sime stipitatum, ferrugineo-pilosum, stylo subulato glabro. Frutex? ramulis teretibus, leviter sulcatis, novellis uti gemmae foluferae sub lente densiuscule ferrugineo - puberulis, adultis glabris, cortice cinereo lenticellis albis consperso. Stipulae cadueissimae, 'vnon observatae. Petioli communes tenues, supra canaliculati, 50—90 mm longi, ferrugineo-puberuli, demum subglabrescentes. Fo- ‚liola opposita v. subopposita v. alterna, brevissime (vix Imm longi) petiolulata, 15—23, membranacea, 10— 20 mm longa, 3— 8mm lata, apice juniora rotundata, minute mucronulata, adulta leviter emarginata, basi subacuta v. terminalia subeuneata, marginibus in sicco levissime recurvis, supra praeter costam prominentem sub lente parce puberulam glabra, subtus pallidiora, subglabra v. hinc inde praceipue ad costam pilis instructa, nervis primarlis subparallelis supra parce prominulis, subtus fere obseuris. Inflorescentiae 50—65mm longae, 10—25-florae; braeteae deciduae, non visae; pedicelli dense ferruginco -pube- ruli, + 2mm longi, medium versus prophyllis 2 minutissimis praediti. Calyx pedicellorum indumento, 5-dentatus, cum dentibus acutis tubum subaequantibus fere 3mm longus; petala subaequalia, votundato- ovalia, 2—-2,5mm longa, basi in unguem laminam subaequantem an- gustata, per anthesin reflexa. Stamina petalis vix longioribus. Ova- rium 4-ovulatum. Legumen ignotum. Habitat in Brasilia austro-orientali loco non indicato: Glaziou n. 14618. Obs, Valde affinis $. lentiscifoliae Spreng., sed primo intuitu foliolorum nervatione racemisque simplieibus brevioribus, foliorum dimidiam vix attingentibus distinete diversa. Papilionatae-Dalbergieae. “ Lonchocarpus H.B.K. L. Glaziovii Taub. sp. n. Praeter flores ex omni parte glaber; folia 5-foliolata, foliola ovali-oblonga, apice obtusiuscule acuminata, basi acuta, utrinque prominulo-reticulata, pellueido-punctata; inflo- rescentiae axillares racemis distantibus sparsifloris composita, folia superantes; calyx subcampanulatus, sinuato-dentatus, dentibus minutis rotundatis, praecipue apicem versus sericeo - puberulus; vexillum dorso argenteo-sericeum; ovariuım sericeum, stylo subglabro. \ 6* nd 84 Frutex? ramulis teretibus in sicco ruguloso - sulcatis , cortice olivaceo lenticellis consperso. Stipulae non observatae Folia ‚pinnata; petioli communes teretes, 9—12cm longi, juga 2, infimum ca. 5—6cm, alterum 8—9cm supra insertionem ferentes; foliola 5, petiolulis erassis supra (in sicco) incrassato -marginatis, 5mm longis, ovali-oblonga, basi acuta v. terminalia a jugo supremo ca. 2—2,5cm distantia basi subacuminata, 50—70mm longa, 25—35 mm lata, ter- minalia paullo majora, chartacea, supra opaca, subtus pallidiora sub- nitidula, utrinque sed subtus densius prominulo -reticulata, in sicco laeteviridia, punctis pellucidis instructa. Inflorescentia racemis usque ad 15 alternantibus ca. 50 — 60mm longis composita; rhachides praesertim ad racemorum pedicellorumque insertiones subconipressae; bracteae caducissimae non visae; pedicelli singuli alternantes vel gemini oppositi, 5—9mm longi, glabri vel juniores hine inde pilis singulis adpressis instructi, summo apice prophylla 2 ovalia, vix Imm longa, puberula, margine ciliolata, caducissima gerentes. Calyx dentibus latis minutis, 6mm longus, apice 5mm latus, post anthesin apertior (apice 7—8mm latus), in sieeco obscure longitudinaliter stria- tulus. Vexillum suborbieulatum, 11mm longum, 10mm latum, basi in unguem 1,5—2mm longum angustatun, ecallosum, plicatum, dorso intusque ad apicem dense argenteo-sericeum; alae carinaeque petala semilunato - callosa, longe unguiculatum, vexillo subaequilonga, utrin- que leviter argenteo -sericea. Ovarium sessile, praecipue basim versus sericeum, 4-ovulatum. Legumen ignotum. Habitat in Brasilia austro-orientali loco non indicato: Glaziou n. 13680. Obs. Species habitu L. virgilioidis Benth., a quo foliolis pellu- cido-punctatis floribusque sericeis diversa, ad sectionem Punctatorum Benth. pertinet, sed inter omnes huius sectionis species floribus dense sericeis distineta; habitu etiam Coublandiae fruticosae Aubl. (Muellerae moniliformi L. fil.) similis, sed floribus minoribus sericeis facile distinguenda. Platymiscium Vog. P. cordatum Taub. sp. n. Glabrum; folia trifoliolata, foliolis late ovatis, lateralibus basi obliquis, apice leviter acuminatis, rotun- datis vel subemarginatis, obscure mucronulatis, basi cordatis, sub- chartacea, supra nitida, subtus opaca, utringue dense reticulata; in- florescentiae terminales, panniculatae, racemis laxe multifloris compositae; ealyx pedicello triplo longior; vexillum orbieulatum carinae petalis paullo brevius. 85 Arbor? ex omni parte glabra, ramulis junioribus in sicco leviter angulatis lenticellis numerosis conspersis, adultis longitudinaliter rugu- loso-angulatis, cortice einereo. Stipulac non observatae. Petiolus communis teres, 20—-30mm longus, in sieco leviter sulcato - striatus. Folia trifoliolata; foliola lateralia petiolulis vix 2mm longis, ter- minalia ca. 1Omm longe petiolulata, omnia late ovata, lateralia basi obliqua, apice leviter acuminata, rotundata vel obscure emarginata, costa producta minutissime mueronulata, basi manifeste cordata, mar- ginata, 40—60 mm longa, 35—50 mm lata, terminalia paullo majora, juniora membranacea, demum -+- chartacea, supra nitida, subtus opaca, utrinque nervis prominentibus dense et eleganter reticulata. Inflo- rescentiae ad ramorum apices (saepe subumbellato-) panniculatae, rarius nonnullae axillares, racemis laxe multifloris, ca. 50 —70mm longis compositae; bracteae membranaceae, lanceolatae, vix Imm longae, mox caducae; pedicelli 3—4mm, apice prophylla 2 late ovato-lanceolata, membranacea, vix 1,5mm longa, diu persistentia gerentes. Calyx subineurvus, campanulato-obeonicus, in sicco rugu- losus, tubo ca. 10mm longo, medio 8,5mm .lato, dentibus ovato-lan- cecolatis, Imm longis, 2 superioribus alte connatis. Vexillum orbi- eulatum, diametro 7mm, basi in unguem ca. 2,5 mm longum angustatum ; alae longe unguiculatae vexillo paullo breviores, carinae petala ve- xillum paullo superantia. Ovarium glaberrimum, longe stipitatum. I,egumen junius oblongum, 56mm longum, 24mm latum, basi in stipitem ca. 10mm longum attenuatum, membranaceum, reticulatum. Habitat in Brasilia austro-orientali loco non indicato: Glaziou n. 12595. Obs. Species inter omnes brasilienses foliolis cordatis valde me- morabilis. P. piliferum Taub. sp. n. Praeter pedicellos calycesque glabrum ; folia pinnata, foliolis 5, ovatis vel oblongo-ovatis, apice obtusius- eule acumiata, basi acuta, submembranacea, supra nitida, utrinque reticulato-nervosa; racemi ad ramorum apices panniculati, multiflori; pedicelli graciles calycem aequantes vel paullo breviores, praeci- pue ad apicem villosuli; calyx prope basin parce pubescens; ve- xillum carina paullo brevius. Arbor? ramulis teretibus vel subeompressis, Ienticellis nume- rosis conspersis, ad foliorum insertiones nodoso-inerassatis, in sicco ruguloso-suleatis vel subangulatis, eortice ochraceo-einereo. Stipulae non obseryatae. Petiolus communis 6—10 cm longus, in sicco le- viter sulcato-striatus, supra canaliculatus; folia pinnata, juga a basi 86 et inter sese 30—40 mm distantia; foliola 5, petiolulis crassis 3—4mm longis, basi acuta, subacuta, raro subobtusa, marginata, 5—9 cm longa, 2--3,5 cm lata, terminalia paullo majora, a summo jugo 10—20 mm distantia, subtus subnitidula, utrinque prominenti- reticulata. Racemi laxe multifloi, 4—9 cm longi, ad ramorum apices (saepius subumbellato-) pannieulati; bracteae uti prophylla minimac, lanceolatae, caducissimae; pedicelli graciles 3—-5 mm, praecipue ad insertionem apicemque pilis albis sparsis villosuli. Calyx subincurvus, anguste campanulato-obconicus, prope basin pilis singulis inunitus, in sieco rugulosus, tubo 4,5 mm longo, medio 3 mm lato, dentibus late lanceolatis vix 0,75 mm longis, 2 superioribus connatis subtruncatis; vexillum orbieulatum, diametro 7,5mm, basi in un- guem 3mm longum angustatum, carinae petalis paullo brevius; ova- rium glaberrimum longe stipitatum. Legumen junius oblongum, 52mm longum, 21mm latum, basi in stipitem ca. 10mm attenuatum, membranaceum, reticulato-nervosum. Habitat in Brasilia austro-orientali loco non indieato: Glaziou n. 10553. — Nom. vern. Rabugem (t. Glaziou). Obs. Species a P. floribundo Vog. indumento pedicellorum caly- eibusque angustioribus paulloque longioribus, ab affıni P. nitente Vog. foliolorum nervatione manifesta facile distinguenda. Ueber die Abhängigkeit der Reizerscheinungen höherer Pflanzen von der Gegenwart freien Sauerstoffes. Von C. Correns. A Einleitende Bemerkungen. So zahlreiche Untersuchungen auch über das Verhalten der höheren Pflanzen bei verminderter Partiaerpressung des Sauerstoffs und im sauerstofffreien Raume vorliegen, sei es, dass dabei das Wachsthum, sei es, dass die Keimung, die Kohlenstoffassimilation, die Plasmabe- wegung oder noch andere Funktionen in Betracht gezogen wurden, so gibt es doch bis jetzt über das Verhalten reizbarer Organe unter diesen abnormalen Verhältnissen nur eine eingehendere, sich über verschiedene Objekte erstreckende Untersuchung, die von Kabsch?) zu Anfang der 60er Jahre publieirt wurde. Ausserdem liegen noch verschiedene mit wenigen Ausnahmen rein beiläufig und nur für be- stimmte Objeete gemachte Angaben in der Litteratur zerstreut vor. Das bis 1880 bekannt Gewordene hat Pfeffer?) in seinem Hand- buche zusammengestellt; seitdem ist nur eine Arbeit?) von Bedeutung hinzugekommen. Kabsch hatte bei seinen Versuchen ein ganz bestimmtes Ziel im Auge. Er glaubte, Thatsachen gefunden zu haben, die im Wider- spruch ständen mit der herrschenden Theorie über das Zusfandekommen der Reizbewegungen durch Turgorschwankungen. Von sehr unklaren und rohen, für die damalige Zeit jedoch entschuldbaren Vorstellungen über das Wesen des Turgor ausgehend, glaubte er verlangen zu dürfen, eine auf Turgoränderung beruhende Bewegung müsse im luft- leeren. Raume ebenso gut ausgeführt werden als in der atmosphärischen 1) Kabsch, Ueber die Einwirkung verschiedener Gase und des luftverdünnten Raumes auf die Bewegungserscheinungen im Pflanzenreiche. Botan. Ztg. 1862 $. 341. 2) Pfeffer, Pflanzenphysiologie Bd. 1 S. 880, Bd. 2 S. 277. 3) Wortmann, Studien über geotropische Nachwirkungserscheinungen. Botan, Ztg. 1884 Sp. 705. 88 Luft. Nun stellte er seine Versuche mit der Luftpumpe an, und als er in allen Fällen bei genügender Luftverdünnung dic Reizbarkeit erloschen fand, hielt er sich für berechtigt, mit der alten Theorie völlig zu brechen und eine neue Ansicht über das Zustandekommen der Reiz- bewegungen aufzustellen. Sie ist, wie bereits Sachs’) mit Recht hervorhob, höchst unklar; wir brauchen uns auch nieht mit ihr zu be- schäftigen. Aber Kabsch hat nicht nur aus den Versuchsergebnissen falsche Schlüsse gezogen, die Versuche selbst sind zum Theil schr misstrauen- erregend, sie werden aber immer wieder citirt, weil sie eben die einzigen vorhandenen sind. Auf den Vorschlag meines hochverehrten Lehrers, des Herrn Geheimrathes Pfeffer, unternahm ich es daher, während eines mehrmonatlichen Aufenthaltes in Leipzig, diese und anderweitige einschlägige Angaben nachzuprüfen, sowie das Verhalten einer Reihe von noch nieht untersuchten Objekten im sauerstofffreien oder sauerstoffarmen Raume zu beobachten. Lag doch die Vermuthung nahe, es liesse sich am Ende doch noch im Pflanzenreiche ein Object auffinden, das, wie der Muskel, ohne Sauerstoff auf Reiz reagirt. Wenn ich aueh nicht hoffen konnte, auf diesem Wege in die noch unge- lösten Geheimnisse des Reizungsvorganges einzudringen, so konnte ich doch Gesichtspunkte zur Charakterisirung der verschiedenen Be- wegungen gewinnen. Ich habe jedoch nicht versucht, an der Hand dieser Ergebnisse die mannigfaltigen Erscheinungen zu elassificiren, weil ich einen derartigen Versuch für ebenso einseitig halte, wie z.B. eine Classification nach rein äusserlichen Merkmalen. Kabsch bediente sich bei seinen Versuchen einer zweistiefeligen Ventilluftpumpe und einer einstiefeligen Hahnenluftpumpe. Die Er- schütterungen des Reeipienten, die beim Pumpen unvermeidlich waren und zur Feblerquelle werden konnten, wurden durch Trennung des den Reeipienten tragenden Tellers von der Pumpe zu vermeiden gesucht, er kam auf einen seitlich stehenden Tisch, die Verbindung wurde durch einen über cine Drahtspirale gezogenen Kautschukschlauch herge- stellt. Um den im Recipienten herrschenden Luftdruck zu finden, hat Kabsch einfach das Manometer abgelesen, ohne die Wasser- dampftension in Anschlag zu bringen. Da er gewöhnlich nicht be- sonders für genügende Wassermengen im Recipienten sorgte, so lässt sich 1) Sachs, Handbuch der Experimentalphysiologie S, 265 Anm. 2. 89 die Grösse des hiedurch bedingten Fehlers gar nicht bemessen, ganz abgesehen davon, dass keine Temperaturangaben vorliegen; aber aus demselben Grunde ist der Fehler wohl nicht sehr gross ausgefallen. Jedenfalls war der thatsächlich vorhandene Druck geringer als der angegebene, was bei der Beurtheilung seiner Angaben und der Ver- gleichung mit den meinen nicht ausser Acht gelassen werden darf. Wegen der mit abnehmendem Luftdruck steigenden Verdampfung des im Recipienten vorhandenen Wassers konnte durch die Abwesen- heit überschüssiger Wassermengen eine beträchtliche Fehlerquelle ein- geführt worden sein, besonders wenn das Auspumpen lange Zeit dauerte. Die reizbaren Organe mussten Wasser abgeben und konnten so leicht in einen Zustand der Trockenstarre gerathen, vor allem die Mimosen. Dieser bereits von Dutrochet entdeckte Starrezustand war zu Kabsch’s Zeiten freilich noch nicht allgemein bekannt. Und doch hatte er diese Möglichkeit in Rechnung gezogen und ein- schlägige Versuche mit Berberisblüthen angestellt. Da er aber die eigenthümliche, während des Auspumpens ohne äusseren Anstoss ein- tretende Reaction ebenso gut, nur bei einem um dmm niedrigeren Drucke vor sich gehen sah, wenn er die Blühtenzweige ohne Wasser in den Reeipienten hing, als wenn er sie in einem Glas mit Wasser in ihn stellte, so generalisirte er ohne Weiteres diese. Ergebnisse und hielt die Transspirafion für einflusslos.) Wenn er aber seine Mimose bei genügender Temperatur und bei 2--3mm Druck untersucht hat, so muss entweder sein Manometer falsch gezeigt haben oder die Wasser- dampftension war sehr gering und die Mimose musste trockenstarr geworden sein, bevor sie vacuumstarr wurde. Wahrscheinlich war ersteres der Fall und das Manometer, voraussichtlich ein abgekürztes Barometer, wie gewöhnlich bei Luftpumpen, war unzuverlässig, — Für länger dauernde Versuche reichte nach seinen eigenen Angaben die Dichtigkeit der Verschlüsse des Apparates lange nicht aus, der Reeipient musste von Zeit zu Zeit aufs Neue ausgepumpt werden. Kabsch stellte auch Versuche über das Verhalten reizbarer Organe in verschiedenen Gasen an. Die Art und Weise, seine Objecte in die Atmosphäre zu bringen, deren Wirksamkeit geprüft werden 1) Später sagt er freilich bei Gelegenheit der Versuche über die Schlafbewe- gung, dass hier „wie bei den früheren Versuchen“ für Anwesenheit einer genügenden Menge Wasser gesorgt gewesen wäre, das widerspricht aber seinen früheren Angaben. Wenn es ihm möglich war, den Recipienten bis auf 2—3mm Druck auszupumpen, so konnte keine Wasserdampfsättigung vorhanden sein. Die Versuche wurden im Sommer angestellt. 90 sollte, war so primitiv, dass die Resultate nicht den Anspruch auf strenge Beweiskraft machen können. Nachdem nämlich eine Glas- flasche mit dem zu prüfenden Gase in gewöhnlicher Weise (unter Wasser) gefüllt und noch unter Wasser verkorkt worden war, wurde dieser Kork „so schnell als immer möglich“ mit einem zweiten, vorher ausgesuchten, genau passenden Korke vertauscht, von dem in einer Klemmpincette die Objecte herabhingen. „Es ist dies das Werk eines Augenblickes und die Menge von atmosphärischer Luft, welche während dieser Zeit mit dem Untersuchungsgase diffundiren kann, gewiss so’ gering, dass sie für diese Untersuchungen nicht in Betracht zu ziehen ist,“ sagt Kabsch, aber mit Unrecht. Einmal könnte das Vorsich- gehen oder Ausbleiben einer Reaction gerade von ganz kleinen Sauer- stoffmengen abhängen, und dann war es kein einfacher Diffusionsvor- gang, der sich dabei abspielte, sondern das Herausziehen des ersten Korkes, das Einführen des zweiten mit dem daran befestigten Objecte, beides musste Strömungen hervorrufen; mit dem Object (z. B. mit den Berberisblüthen), ist sicher atmosphärische Luft direet mit eingeführt worden. Dass die Methode wirklich unrichtige Resultate lieferte, werden wir später sehen. Ausserdem scheint Kabsch auch auf die Reinheit der von ihm verwendeten Gase, vor allem auf die Beseitigung schädlicher Beimengungen, nicht die nöthige Sorgfalt verwandt zu haben. Für meine Versuche verwendete ich eine Wasserstrahlluftpumpe, die eine sehr weitgehende Evacuation ermöglichte. Die Hauptvor- theile bei der Benützung gerade dieser Pumpe lagen, ausser in ihrer Bequemheit, in der Leichtigkeit, mit der die Schnelligkeit des Evacuirens geregelt werden konnte, und in dem Ausbleiben irgend welcher Er- schütterungen, während die Evacuation im Gang war. Der von mir benutzte Apparat schloss sich ganz an den von Wieler!) für seine Versuche über das Wachsthum bei vermindertem Partiaerdruck des Sauerstoffs zusammengestellten an. Er wurde seiner Zeit beschrieben und abgebildet, ich versage es mir daher, ihn noch- mals zu schildern. Dass auf jede Weise für Dichtigkeit der Ver- schlüsse gesorgt wurde, versteht sich von selbst. Als Manometer diente, wie bei den Versuchen Wieler’s, ein offenes Gefässbarometer. War der Apparat dicht, so konnte bei Abzug der der Temperatur . entprechenden Wasserdampftension bis 1,5 mm Druck evacuirt werden. ‚D Wieler, Die Beeinflussung des Wachsens durch verminderte Partiär- pressung des Sanerstoffs, Untersuch, a, d. bot. Inst. zu Tübingen. Bd,1 8,195. 9 Um den Sauerstoffgehalt im Recipienten noch weiter herabzudrücken, verwandte ich, wie Wieler, Wasserstoff: der Recipient wurde mit diesem Gase gefüllt und nachdem dasselbe einige Zeit in ihm ge- standen hatte, um durch Diffusion den noch in den Pflanzengeweben etc. enthaltenen Sauerstöff möglichst aufzunehmen, aufs Neue evacuirt. Diese Procedur wurde nöthigenfalls mehrere Male hintereinander wieder- holt. Freilich konnte ich nicht, wie es Wieler gethan hatte, das Gas stundenlang im Apparate stehen lassen, ich hätte fehlerhafte "Resultate erhalten, weil der Sauerstoffentzug über kurz oder lang auf alle Organismen, die nicht facultative Anaerobien sind, schädlich wirken muss. Blieb die Reaction aus, wenn der Aufenthalt des Objectes im schon sehr sauerstoffarmen Raume bereits einige Zeit gedauert hatte, so brauchte das nicht direct die Folge des Sauerstoffentzuges zu sein. Der Wasserstoff wurde in einem, dem Döbereiner’schen Feuerzeug nachgeahmten Apparat!) entwickelt, der mittels eines Zweiweghahnes zwischen Recipient und Pumpe eingeschaltet werden konnte, ‘ Das Gas wurde erst mit Kaliumpermanganat, dann mit verdünnter Kali- lauge gewaschen, der in vielen Fällen, wo es darauf ankam, den Wasserstoff möglichst frei von Sauerstoff zu bekommen, noch Pyro- gallussäure zugesetzt wurde. Um der atmosphärischen Luft die Diffusion in die zur Gasentwickelung dienende Säure und aus dieser in das Gas zu verwehren, gab ich bei einer Reihe von Versuchen auf die ‘Säure eine Schicht Olivenöl. Die Zulässigkeit dieser Methode, den Sauerstoffgehalt eines ge- gebenen Raumes auf ein Minimum zu redueiren, geht aus allem hervor, was wir über den Einfluss des Wasserstoffes einerseits und den des Vacuum andererseits auf die höheren Pflanzen wissen ; zahlreiche Versuche, die im Laufe dieser Untersuchung angestellt wurden, haben mir ihre Berechtigung noch besonders gezeigt. Wo es anging, wurde durch passende Verdunklung des Reci- pienten dafür gesorgt, dass die Kohlenstoffassimilation während der Versuche nicht als Sauerstoffquelle functioniren konnte. Bei einem Theil der Objecte war diese Vorsicht überflüssig. Es wurde stets für die Anwesenheit genügender Wassermengen im Apparat gesorgt, so dass im Vacuum vollkommene, der Temperatur entsprechende Wasserdampfsättigung herrschen konnte, der einzige 1) Abgebildet in: W. Pfeffer, Ueber intramoleculare Athmung. Unters. a. d. bot. Inst, zu Tübingen Bd. 1 S 637 („g). 92 Weg, nieht nur um die Objeete nicht austroeknen zu lassen, sondern auch um die Wasserdampftension genau in Rechnung bringen zu können. Zu viel Wasser durfte aber auch wieder nicht vorhanden sein, weil es durch die von ihm’ vorher absorbirte, durch Pumpen nie ganz zu entfernende Luft zur Fehlerquelle werden konnte. Bei be- sonderen Gelegenheiten wurde es zuvor noch ausgekocht. Auch auf das Quecksilber im Steigrohr des Manometers würde einige Millimeter hoch Wasser gegeben, einmal, um für rasche Sättigung des Vacuum mit Wasserdampf zu sorgen, dann aber auch, um die Bildung der Quecksilberdämpfe hintan zu halten. Der im Recipienten herrschende Luftdruck war gleich der Differenz zwischen dem Barometerstand der atmosphärischen Luft, vermindert um die Grösse der der Temperatur entsprechenden Wasserdampftension, und dem Stand des Quecksilbers im Manometer. War der Reeipient klein und ging die Evacuation rasch vor sich, so sank die Temperatur in ihm um 1— 2°C. unter die der umgebenden Luft; die Differenz wurde allmählich wieder ausgeglichen. Dauerte der Versuch nicht lang und konnte kein Thermometer im Reeipienten angebracht werden, so wurde deshalb die zur Bestimmung der Wasserdampftension nöthige Temperatur an einem in der Nähe hängenden Thermometer abge- lesen und um 1—1,5° C. niedriger in Rechnung gesetzt. Die Höhe der entsprechenden Wasserdampftension entnahm ich der von Bunsen in seinen „gasometrischen Methoden“ mitgetheilten Tabelle. Die Höhe des im Recipienten herrschenden Luftdruckes habe ich stets in Millimetern und die dann :noch vorhandene Menge von Sauer- stoff in Procenten angegeben und zwar nicht in Procenten des zu Beginn des Versuches vorhandenen Gesammtvoluns von Luft, sondern in Procenten der zu Anfang vorhandenen Sauerstoffmenge. Auf diese Weise glaubte ich für jeden bestimmten Fall die Abnahme des Sauer- stoffs am übersichtlichsten zu zeigen, denn diese ca. 20 Volumprocente Sauerstoff der gesammten Luftmenge sind es ja allein, was die Ver- suchsobjecte in den als normal zu bezeichneten Zustand versetzt, die ca. 80 Volumprocente Stickstoff sind gleichgültig. Ich brauchte wohl nicht hinzuzusetzen, dass derjenige, der den Sauerstoffgehalt lieber in Procenten der gesammten zu Beginn des Versuches vorhan- denen Luftmasse angegeben sieht, meine Procentzahlen nur mit 5 zu dividiren braucht, um die von ihm gewünschten Zahlen annähernd genau zu erhalten. - Von einer Angabe der Sauerstoffmenge in cm? glaubte ich, der geringen Uebersichtlichkeit halber, Abstand nehmen zu dürfen. —— NE) Der Vorgang bei der Auslösung und Ausführung einer Reizbe- wegung ist jedenfalls nicht ganz einfacher, sondern complieirter, zum Theil gewiss sehr complieirter Natur. Man kann das mit voller Sicherheit sagen, auch wenn man, wie zur Zeit, in keine einzige einen vollen Einblick hat. seitdem man weiss, dass bei jeder der Protoplasmaleib der Zelle und nicht ihre Membran, wie noch ITofmeister annahm, die Hauptrolle spielt. Hätten wir bereits jetzt diesen vollen Einblick, so könnten wir sicherlich eine ganze Reihe verschiedener Phasen unterscheiden, die vom gereizten Orgau durchlaufen werden. Zwei Gruppen solcher Phasen sind schon bisher immer unterschieden worden, die eine umschliesst alles was von der Application des Reizes bis zur Vollendung der Reaction vor sich geht, die andere die Rückkehr zum Anfangszustand. Für die Zwecke dieser Untersuchung möchte ich die erste Gruppe nochmals zerlegen, wie das auch schon von anderer Seite geschehen ist, in das erste Glied der Kette von Phasen, die Reizperception von. Seite des Protoplasma und in die übrigen Glieder, die ich der Reizperception gegenüber als Reizreaetion bezeichnen möchte. Man kann sich nun a priori recht gut vorstellen, dass die An- wesenheit von Sauerstoff für die Perception in anderer Weise Vor- bedingung sein kann als für die Reation. Es können für jeden dieser beiden Vorgänge verschiedene Mengen Sauerstoff nötig sein, der eine kann auch ganz unabhängig sein von der Anwesenheit dieses Gases, der andere es nötig haben, oder beide können ohne Sauerstoff vor sich gehen, im Vacuum könnte doch durch Schädigung anderer Func- tionen, indirect, aber nicht weniger wirksam, in kurzer oder längerer Zeit, eine Sistirung eintreten. War festgestellt worden, dass ein reizbares Organ im sauerstoff- freien Raume nicht mehr reagirt, so musste man also im Weiteren versuchen, ob die Perception oder die Reaction oder alle beide lahm gelegt worden waren. Eine Lösung dieser Fragen konnte nur bei den Bewegungen, wo die Reaction der Perception nicht zu schnell auf dem Fusse folgte, mit Aussicht auf Erfolg in Angriff genommen werden. ' Für die nun folgende Darstellung der Versuchsergebnisse habe ich die manigfachen Reizbewegungen in zwei Hauptgruppen gebracht, je nachdem die Reaction durch Turgoränderung allein oder durch Wachsthum, mit oder ohne vorhergehende Turgoränderung, ausge- führt wird, d4 Specielier Theil. Uebersicht des speciellen Theiles.)) I. Reaetionsbewegung auf Turgoränderung allein beruhend. Mimosa pudica, 8. 94. Berberis, S. 99. Helianthemum, S. 110. Mimulus, 8. 111. Cynareen, S. 115. 6a. Schlafbewegungen S. 117. II. Reactionsbewegung auf Wachsthum, mit oder ohne Turgoränderung, beruhend. 6b. Schlafbewegungen, S. 117, 7. Drosera, 8. 122. 8. Ranken, S. 126. 9. Geotropismus, 8. 131. 10. Heliotropismus, 8. 158. 5% 11T. Abhängigkeit einiger weiterer Funetionen von der Gegenwart von freien Sauer- stoff, S. 139. spomMm 1. Mimosa pudica. Das Verhalten von Mimosa pudica im luftverdünnten Raume wurde von Dutrochet und von Kabsch untersucht. Dutrochet?) beobachtete an seinen eingetopft unter den Recipienten einer Luft- pumpe gebrachten Pflanzen nach dem ersten Kolbenzug ein Zusammen- klappen der Blättchen, wie auf einen mechanischen Reiz, das er der Abnahme der Luftdichte zuschrieb. Im weiteren Verlauf der Evacuation entfalteten sich die Blättchen wieder bis zur Hälfte, während der primäre Blattstiel eine steilere Stellung als unter normalen Verhältnissen einnahm. Wurde die Pflanze nach zweistündigem Aufenthalt im Vacuum wieder an die Luft gebracht, so reagirten die Blättehen sofort auf mechanischen Reiz (starke Erschütterungen), während ‘der primäre Blattstiel seine Stellung nicht ändert. Nach zwölfstündigem Aufenthalt im luftleeren Raume war auch diese Reizbarkeit verschwunden, weder durch Erschütterungen noch durch Verdunklung liess sich eine Reaction, hervorrufen. Kabsch,?) der die Versuche Dutrochets nicht gekannt zu haben scheint, macht etwas abweichende Angaben. Erst als der Luft- 1) Leider bot sich keine Gelegenheit, das Verhalten von durch Wärmedifferenzen deutlich reizbaren Blüthen zu untersuchen. Es hätte sich wohl nicht wesentlich von den ebenfalls durch Wachsthum ausgeführten Schlafbewegungen der Blüthen unter- schieden. 2) Dutrochet, Memoires p. serr. & l’hist. (Exeitabilite vegetale) Tom, I p. 282. 3) Kabsch, Bot. Ztg. 1862 S. 345, 95 druck auf 15 mm gesunken war, trat bei seinen Versuchen eine Be- wegung der Blättehen ein, der durch mechanischen Reiz bedingten ähnlich, nur dass die Blättchen sich nicht vollständig aneinander legten. Sie entfalteten sich wieder und waren dann durch sehr starke Erschütterungen noch etwas reizbar, bei einem Druck von 2—3 mm aber hörte die Reizbarkeit vollständig auf. Der Inductionsstrom wirkte noch bei einer Luftverdünnung, bei welcher mechanischer Reiz sich bereits als unwirksam erwies. Da ich meine Versuche mit der Wasserstrahlluftpumpe anstellte, konnte ich die mit der Verwendung der Stiefelpumpen verknüpften Erschütterungen vollständig vermeiden. Der beim Evacuiren ent- stehende Luftstrom im Reeipient wirkte nicht reizend, wie ich mich überzeugen konnte. Als Versuchsobjecte dienten junge Pflanzen, die meist das dritte Laubblatt entfaltet hatten. Sie kamen in ihren . kleinen Töpfen auf eine abgeschliffene Glasplatte zu stehen und wurden mit einer hohen, etwa 1500 cm? fassenden tubulirten Glas- glocke überdeckt, die mit einem Gemenge von Fett und Wachs luft- dicht auf die Platte aufgesetzt wurde. Der 'Tubulus wurde mit einem doppelt durchbohrten Kautschukstopfen verschlossen, in dessen einer Bohrung das T-Rohr stack, durch das der Reeipient mit dem übrigen Apparat in Verbindug stand, dessen andere Bohrung die Vorrichtung aufnahm, die zur Ausübung eines Reizes im luftverdünnten Raume dienen sollte und die ich kurz beschreiben will. Ein starker Messing- drabt wurde mit Hilfe von Siegellack in einer kurzen, am Ende zu- geschmolzenen Glasröhre befestigt, eine zweite, gleich dicke, kurze Glasröhre über den Draht an die erste geschoben und die zusammen- stossenden Enden vermittelst einem guten, diekwandigen Kautschuk- schlauch und Drahtzwingen fest verbunden. Das freie Ende der zweiten Glasröhre wurde dann in die Bohrung im 'Stopfen eingesteckt und so der Draht ins Innere der Glocke eingeführt, das erste diente als Handhabe. Die Dehnbarkeit des Kautschukstückes ermöglichte sowohl Drehungen als auch, bei dem Spielraum, den der Draht in der Glasröhre besass, geringe seitliche Bewegungen des am freien Ende etwas gebogenen Drahtes, Die Vorrichtung erwies sich für die in Betracht kommenden Zeiträume als genügend dicht, so dass ich darauf verzichten konnte, die Verschlüsse unter Wasser zu legen, was keine besonderen Schwierigkeiten geboten hätte. — Die Innenfläche der Glocke wurde etwa zur Hälfte mit nassem Fliess- papier ausgelegt. — Die Temperatur betrug in allen Versuchen min- destens 20° C. y6 Ich habe über zwanzig Versuche angestellt, von denen ich zunächst zwei beschreiben will, A. Barometerstand 751,5 mm. Temperatur 22°C. Durch Abzug einer Wasserdampftension von 19 mm!) ergab sich als höchster erreich- barer Manometerstand 732,5 mm. — Voll evacuirt (bis etwa 1,5 mm Druck), ohne dass eine Stellungsänderung der Blättchen eintritt. Beei- ‚pient abgesperrt. Wahrscheinlicher Gehalt an Sauerstoff: 0,2 % der anfänglichen Gesammtmenge dieses Gases. — Nach einer Minute ge- reizt. Deutliche Reaction, die sich selbst auf den primären Blattstiel ausdehnt. — Nach einiger Zeit rückgängige Bewegung, die Blättchen entfalten sich jedoch nicht mehr vollständig, sondern nur auf Ys (Winkel zweier opponirter Blättchen 60° statt 180%. — Nach "/ Stunde (bei unverändertem Manometerstand) tritt auf kräftige Erschütterung hin aufs Neue Reaction der Blättchen ein, eine Senkung des primären Blattstieles bleibt zweifelhaft, die jungen Stiele werden deutlich ge-' krümmt. — Weiterhin, nach einer Stunde (noch immer bei demselben Manometerstand) haben sich die Blättchen wieder etwas geöffnet, weniger als zuvor, sie rcagiren nun auf kräftiges Schütteln mit dem Draht nicht mehr. — Als jedoch beim plötzlichen Einströmen der Luft die Pflanze hin und her und gegen den Draht geschleudert wurde, gingen die Blättchen in volle Reizstellung über. B. Barometerstand 758 mm. Temperatur 23°C. Wasserdampf- tension ca. 19,5 mm, höchster erreichbarer Manonıeterstand also 738,5 mm. — Evacuirt bis 736 nım, also bis 2,5 mm Druck, ohne dass eine merk- liche Reaction eintrat. Dann wurde Wasserstoff eingeleitet und aufs Neue, bis 731mm, evacuirt. Unterdessen hoben sich die Blättehen allmählich, dem Alter der Blätter nach, die des jüngsten zuerst; die Blattstiele blieben noch unverändert. Das Wasserstoffeinleiten und Auspumpen wurde noch zweimal wiederholt, am Schlusse der vierten Evacuation, bei einem muthmasslichen Gehalt von 0,0000003% der anfänglichen Sauerstoffmenge, hatten sich die Blättchenpaare bis zu einem Winkel von etwa 30° genähert, die seeundären Blattstiele sich gesenkt und sich genähert, die primären sich gehoben. Der Reci- pient wurde mit Wasserstoff aufgefüllt. — 20 Minuten später wurde gereizt, es trat eine deutliche Reaction ein, die Blättchen klappten voll- ständig zusammen, der primäre Blattstiel senkte sich merklich. — Nach zwei Stunden spreizten die Blättchen wieder etwas und schlossen sich auf eine starke Erschütterung hin nochmals. 1) Durch das Evacuiren sank die Temperatur im Reeipienten zunächst um 1 oder 2°, was natürlich berücksichtigt werden muss. 97 Das mag genügen. Sämmtliche Versuche mussten naturgemäss mit einer Fehlerquelle behaftet sein. Da nämlich die Objecte aus bekannten Gründen während der Evacuation nicht verdunkelt werden durften, konnte eine Sauerstoffproduktion im Apparat durch die Kohlen- säurezersetzung nicht ausgeschlossen werden. Es wurde aber zunächst dafür gesorgt, dass nicht zu grelles Licht die Objecte traf. Dann war doch auch die disponible Kohlensäuremenge durch die Evacuation auf ein Minimum herabgesetzt worden. Endlich wurde in einer An- zahl von Fällen noch direct durch ein Gefäss mit Kalilauge für die Absorption dieses Gases gesorgt. Aus den mitgetheilten Versuchen ersieht man fürs Erste ganz deutlich, dass die Reizempfänglichkeit mit dem sinkenden Luftdruck sinkt. Zur Auslösung der Bewegungen werden immer stärkere An- stösse nöthig. Bei genügend niedrigem Luftdrucke gehen die Blätter in eine Stellung über, die im Aussehen ganz der Stellung im wärmestarren Zustande entspricht: der primäre Blattstiel hebt sich, die secun- dären nähern sich, die Blättchen heben sich und schliessen mehr oder weniger zusammen. Der Grad der Luftverdünnung, der hiezu nöthig ist, ist starken individuellen Schwankungen unterworfen, die Ver- hältnisse werden noch complieirter dadurch, dass die Raschheit der Luftentziehung einen Einfluss zu haben scheint, in dem Sinne, dass bei raschem Evacuiren die Stellungsänderung, das äussere Anzeichen der eintretenden Starre, erst bei einer Verdünnung höheren Grades ein- tritt, als bei langsamem. Es geht daraus hervor, dass die „Vacuum- starre“ nicht. durch die Abnahme des Luftdruckes, sondern direct oder indirect durch die des Sauerstoffes bedingt wird, sie braucht immer einige Zeit, bis sie deutlich zu werden beginnt. Die habituelle Aehnlichkeit zwischen dem Zustande der Vacuum- starre und dem der Wärmestarre ist beachtenswerth, deshalb, weil im Uebrigen die durch verschiedene äussere Einflüsse hervorgerufenen Starre- 1) Sachs, Vorlesungen, 1. Aufl. 8.725. Sachs vergleicht die Vacuumstarre mit der Dunkelstarre, offenbar weil Dutrochet für seine ractuumstarre Mimose dasselbe thut. Das Aussehen dieser letzteren wird jedoch wie folgt beschrieben (a. a. O.): „les petioles se dresserent vers le eiel plus que dans l’&tat de r&veil nor- mal, mais les folioles ne se deployerent qu’& demi' und weiterhin: „les petioles... restörent constamment immobiles dans leur &tat de redressement et ses folioles re- sterent toujours & demi d6ploy6es“. Die Dunkelstarre beschreibt aber Sachs selbst (Handbuch S. 45): „sämmtliche Blättchen 180° offen, Stiele etwas abwärts, secundäre Stiele stark abwärts“. _ Flora 1892, vi 68 zustände der Mimose unter sich habituell verschieden sind. Die vor- liegende Uebereinstimmung im mechanischen Theil der Ausführung weist vielleicht auf gleiche bedingende Ursachen hin. Im Zustande der Vaccumstarre ist die Pflanze für gewöhnliche Reize, selbst ziemlich starke Stösse, vollkommen unempfindlich; sehr starke Erschütterungen können, wenigstens noch zunächst, eine Be- wegung auslösen, welche habituell genau der Reizbewegung gleicht und sich nur durch ihre Geringfügigkeit unterscheidet: die noch etwas spreizenden Blättchen klappen wohl vollständig zusammen, um aber die Senkung des primären Blattstieles nachzuweisen, bedarf es oft ' genauer Messungen. Es ist nun die Frage, ob diese Bewegungen auf sehr starke An- stösse hin (Kabsch erzielte sie auch durch Inductionsschläge) über- haupt noch mit der gewöhnlichen Reizbewegung identificirt werden dürfen. Man könnte auch an die Krümmungen denken, welche für wachsthumsfähige, geschüttelte Sprossgipfel zuerst von Hofmeister nachgewiesen worden sind. Wie diese ausser durch passive Dehnung auch durch eine Erschlaffung des Gewebes zu Stande kommen,!) so könnten auch hier die Zellen der Bewegungsorgane unter den Erschütterungen erschlaffen und die Schliessung der Blättchen auf diesem Wege eine vollständige werden. Wie die Krümmung der Sprossgipfel wieder ausgeglichen wird, könnten die Mimosenblättchen auch wieder höheren Turgordruck in den Zellen der Bewegungsgelenke und dadurch die frühere Stellung, wenn auch vielleicht nicht mehr in demselben Maasse, gewinnen. Aber wenn sich die Sache auch so verhalten sollte, so darf man doch noch immer mit Fug und Recht von einer Reizbe- wegung sprechen, denn im Grunde genommen ist dies Erschlaffen der Sprossgipfelgewebe auch nichts anderes als eine Reizerscheinung. Denn sie besteht in einer Turgoränderung, die irgendwie mit dem lebenden Plasma der Zellen zusammenhängen muss — man kann z. B. eine Aenderung des Filtrationswiederstandes der Plasmamembran an- nehmen —, und die wieder rückgängig gemacht wird. Es ist also das für eine Reizbewegung Charakteristische . gegeben. In Luft erholt sich die vacuumstarre Pflanze wieder, zunächst werden die jungen Blätter und von diesen wieder die Blättchen reizbar. . Bei den Blattstielen dauert es länger, bis sie wieder reagieren.?) Die von Dutrochet (a. a. OÖ.) und Kabsch (a. a. O.) beim Evacuiren gefundene „Reizbewegung* konnte ich nie beobachten. 1) Pfeffer, Physiologie Bd. 2 S. 23. 2) Dutrochet, Memoires I, p. 556. 99 Dutrochet’s Angabe, dass bereits nach dem ersten Kolbenzuge die Bewegung ausgelöst wird, erklärt sich wohl ungezwungen durch die Erschütterung, die der Recipient beim Pumpen erfuhr. Wenigstens vermisse ich in der Beschreibung seines Versuches jede Bemerkung darüber, ob er diese naheliegende Fehlerquelle in Betracht gezogen habe. Die Versuche wurden mit einer eingetopften Mimose angestellt, der Recipient musste daher so gross sein, dass die Luft nach dem ersten Kolbenzuge günstigsten Falles auf die Hälfte verdünnt sein konnte; aus meinen Versuchen, wie aus denen von Kabsch, geht aber mit Sicherheit hervor, dass eine so geringe Herabsetzung des Luftdruckes (resp. des Sauerstoffgehaltes) jedenfalls vollkommen wir- kungslos bleiben musste. Kabseh hattein der bereits S. 88 beschriebenen Weise ausdrücklich Erschütterungen des Recipienten zu vermeiden gesucht, er beobachtete seine „BReizerscheinungen® auch erst, als der Luftdruck in demselben auf 15mm gesunken war. Da die Wasserdampftension vollkommen unberücksichtigt blieb, war sicher der noch vorhandene Druck be- deutend geringer — vorausgesetzt, dass sein Manometer zuverlässig war — und die beobachtete Erscheinung dürfte keine typische Reiz- bewegung gewesen sein, sondern die beim Uebergang in die Vacuum- starre eintretende Stellungsänderung, die jener habituell gleicht, wenn man, wie das Kabsch gethan zu haben scheint, nur die Blätt- ehen, und nicht auch die primären Blattstiele, ins Auge fasst. Bei meinen Versuchen zeigten Mimosen nach zweistündigem Aufenthalt bei einem Luftdruck von 15 mm (nach Abzug der Wasserdampftension) keine Veränderung und waren normal reizbar. Es mag hier noch Erwähnung finden, dass durch Ammoniakgas eine heftige Reizung der Blättchen herbeigeführt werden kann, die aber, vorsichtig ausgeführt, die Pflanze nicht zu schädigen braucht, welch letzteres immer der Fall ist, wenn z. B. Salzsäuredampf reizend wirkt. Dasselbe Blatt kann auf diese Weise mehrmals hintereinander gereizt werden, die Mimose ist also auch „chemisch reizbar“. 2. Berberis. Kabsch?) stellte die Mehrzahl seiner Versuche über das Ver- halten reizbarer Organe im luftverdünnten Raume mit den Staubge- fässen von Berberis und Mahonia an, weil er sich hievon am leichtesten genügende Mengen Material verschaffen konnte. Diese 1) Kabsch, Bot. Ztg. 1862 8. 342. " 106 Rücksicht ist seinen Untersuchungen nicht zu Gute gekommen, indem sich gerade bei diesen Objecten einzelne bestimmte Erscheinungen, die durchaus nicht bei allen anderen auch vorhanden sind, sehr aus- geprägt zeigen und er so verleitet wurde, sie auch da zu suchen und zu finden, wo sie gar nicht vorhanden sind. Ein Beispiel hiefür hat uns bereits Mimosa geliefert. (8. 99.) Kabsch beobachtete nämlich beim Auspumpen des Reeipienten stets eine Bewegung der Staubgefässe, die der auf mechanischen An- stoss erfolgenden Reizbewegung vollkommen glich und eintrat, sobald das Manometer nur noch 20— 25mm Druck anzeigte: die Staubge- fässe schlugen zum Stempel über. Nach einiger Zeit (während der die Evacuation fortgesetzt wurde?) legten sie sich wieder an die Blumenblätter zurück. Sie waren dann unter diesen Verhältnissen nicht mehr reizbar, wurden es aber wieder nach ihrer Rückkehr in atmosphärische Luft. Solange das Losschnellen, während des Eva- euirens noch nicht eingetreten war, waren sie auch noch durch Be- rührung reizbar. Den Grund für das Losschnellen suchte Kabsch in der Abnahme des Luftdrückes um die Blühten herum, die endlich auch die Luft aus den Gefässen und dem Safte der Zellen der reiz- baren Organe zum Entweichen bringe und so rein mechanisch wirke. Dabei söll der Widerstand der Zellmembranen, der den ganzen Or- ganismus erschüttere, die eigentliche Reizursache sein. Für meine Versuche benützte ich hauptsächlich zwei von den verschiedenen im botanischen Garten zu Leipzig cultivirten Arten, die eine mag Berberis vulgaris, die andere B. spathulata gewesen sein. Meist kamen mehrere Blüthen einer Traube gleichzeitig zur Verwendung, nachdem die Kelchblätter und Blumenblätter vorher mit der Scheere weggeschnitten worden waren. Als Recipienten dienten kurze, weite, etwa 25 — 30 em? fassende Glasröhren, die horizontal befestigt und durch zwei gute, doppelt durchbohrte Kautschukstopfen ver- schlossen wurden. Je eine Bohrung diente dazu, an dem einen Ende die Verbindung mit der Pumpe, an dem anderen Ende mit dem Manometer herzustellen. Die zweite Bohrung des einen Stopfen nahm den Glasstab auf, an dessen Ende die Berberisblüthen mit feuchtem Fliesspapier festgebunden wurden, die zweite Bohrung des anderen Stopfen, gegenüber dem Glasstab mit den Blüthen, die Vorrichtung, dazu bestimmt, im luftverdünnten Raume einen mechanischen Reiz auszuüben. Sie schloss sich in ihrer Construction dem kleinen, für Mimosa benutzten und dort (8. 95) beschriebenen Apparate enge an. Um den Messingsdraht, der mehrere feinere Drahtspitzen an seinem 101 freien Ende trug, vor und rückwärts bewegen zu können, wurden die Glasröhrchen nicht vollkommen an einander geschoben und, um den sie verbindenden Kautschukschlauch auf der freien Strecke während der Dauer der Evacuation am Zusammenklappen zu verhindern, wurde eine Drahtspirale eingelegt. So konnten die Staubgefässe jederzeit durch ein Vorstossen des Drahtes gereizt werden. — Bei der geringen Grösse des Reeipienten konnte in kurzer Zeit ein sehr vollständiges Vacuum hergestellt werden; schwieriger war es, den Apparat für einen längere Zeit dauernden Versuch genügend dicht zu machen, haupt- sächlich deshalb, weil ich versäumt hatte, die Enden der Glasröhren, die als Recipienten dienten, innen anschleifen und so zum Schlusse an die Kautschukstopfen geeigneter machen zu lassen. — Ein Streifen von nassem Filtrierpapier, der die Hälfte der Innenwand bedeckte, sorgte für Sättigung des Recipienten mit Wasserdampf. — Ich be- schreibe den Apparat hier so ausführlich, weil er auch noch für eine ganze Reihe anderer Objecte zur Verwendung kam. Ich habe eine grosse Anzahl von Versuchen angestellt und dabei stets, wie Kabsch, das spontane Eintreten einer. Reaction, genau der Reizbewegung entsprechend, beobachtet, sobald der Luftdruck genügend weit gesunken war. Doch kann ich keine so bestimmten Werthe für die obere und untere Grenze (20—25 mm) angeben, wie es jener that. Ausnahmsweise beobachtete ich die Bewegung schon bei 300 mm restirendem Drucke, selten erst, wenn der Druck unter 20 mm gesunken war, zumeist, in ziemlicher Uebereinstimmung mit Kabsch, zwischen 40 und 20mm. Es schlugen ferner durchaus nicht alle Staubgefässe einer Blüthe bei gleichem Druck zum Stempel über, noch weniger diejenigen verschiedener Blüthen, wie das bereits Kabsch bemerkt hatte. Am frühesten schienen mir die Filamente mit eben geöffneten Antheren zu reagiren. — Ein Filament oder einige wenige begannen, die übrigen folgten dann, während die Evacuation fortging, rascher oder langsamer nach, oft erst nach einer langen Pause. — Manchmal war die Zeitdifferenz im Ueberschlagen offenbar dadurch bedingt, dass bei bereits genügend geringem Luftdruck das eine Fila- ment viel längere Zeit brauchte, bis es die Bewegung ausführte, als ein anderes. Das ging dara.s hervor, dass zuweilen, aber nicht immer, die Reizbewegung einiger oder aller übrigen, bisher noch un- veränderten Filamente eintrat, wenn nach der Reaction des ersten der Reeipient abgesperrt wurde, der Luftdruck also gleich blieb. — Im grösseren Theil der Fälle schlug dasselbe Filament einer be- stimmten Blüthe bei der Wiederholung des Versuches wieder bei dem 102 nämlichen Luftdruck über, doch war auch oft genug gar keine der- artige Regelmässigkeit zu erkennen. Die Schnelligkeit, mit der der sehr kleine Recipient entleert wurde, schien ohne ausgesprochenen Einfluss auf die Schnelligkeit zu sein, mit der (dem Drucke, nicht der Zeit nach!) die Reaction eintrat; ging diese letztere jedoch bei noch verhältnismässig hohem Druck vor sich, so schien sie bei langsamem Evacuiren früher einzutreten (natürlich nicht der Zeit, sondern dem Drucke nach), als bei raschem, weil, wie wir eben sahen, die Staubgefässe bei bereits hinreichend niedrigem Drucke oft einige Zeit brauchen, bis die Reizbewegung zu Stande kommt. Wurde in dieser Zeit das Pumpen fortgesetzt, so sank der Druck noch weiter und man las dann einen zu hohen Mano- meterstand ab. Die Staubgefässe gingen aus der Reizstellung immer in die an- fängliche Lage zurück, wenn der Recipient nach ihrem Ueberschlagen abgestellt wurde, und waren dann für mechanischen Reiz voll em- pfänglich. Wurde die Evacuation nach dem Losschnellen fortgesetzt, so gingen sie ebenfalls mehr oder weniger vollständig in die Anfangs- lage zurück und waren dann noch reizbar, wenn nicht schon vorher jener sehr niedrige Luftdruck im Recipienten zu Stande kam, bei dem die Reizbarkeit überhaupt sistirt ist und der Vacuumstarre Platz gemacht hat. Die vacuumstarren Staubgefässe unterscheiden sich im Aussehen fast gar, nicht von den reizbaren, nur schienen sie mir unter einem etwas kleineren Winkel vom Griffel abzustehen. Wurde die Evacuation sehr langsam ausgeführt, etwa so, dass es eine halbe Stunde dauerte, ehe der Luftdruck auf ein paar Mill- meter gesunken war, so konnte die Reizbewegung ein zweites Mal eintreten, ohne einen äusseren Anstoss, besonders bei Staubgefässen, die früher zum ersten Male reagirt hatten. Auch dann gingen die Staubgefässe aus der Reizstellung wieder zurück, jedoch nur in die Starrestellung und waren, wenigstens wenn die Evacuation fortdauerte, von dann an ganz unempfindlich. Diese Starrestellung tritt natürlich auch bei den Filamenten ein, welche durch die fortdauernde Eva- cuation nicht zum zweiten Mal zum Reagiren gebracht werden, nur ist die Bewegung (von der reizempfänglichen in die Starrestellung) so gering, dass sie dem Auge fast entgeht. — Es ist bemerkenswerth, dass die Starre der Filamente nie in der Reizstellung eintritt, sie gehen immer erst in ihre bestimmte ‚Stellung zurück. Frägt man sich nun, wie diese eigenthümliche, durch das Eva- cuiren bedingte Reizbewegung zu Stande komme, so lässt sich zunächst 103 sehr leicht zeigen, dass die Luftströmung im Reeipienten nicht die Ursache sein kann. Denn, wenn man das Manometerrohr aus dem Quecksilber herausgezogen hat, kann man mit voller Kraft der Pumpe Luft dureh den Recipienten saugen und dennoch tritt nur ganz ver- einzelt eine Reaction der Staubgefässe ein, falls sie nicht direct an die Glaswand geschleudert werden, obschon der Luftstrom dann natürlich viel heftiger ist, als er in dem geschlossenen Apparate werden kann. Schwieriger ist es, zu unterscheiden, ob die besagte Reaction im Sinne von Kabsch zu erklären sei (als ausgelöst durch eine Zerrung, die von in den Intercellularen?) sich ausdehnenden oder aus den Zellen entweichenden Gasen ausgeübt wird), oder als eine Reaction des Organismus auf den Sauerstoffentzug als solchen, etwa so, wie, um ein Beispiel zu gebrauchen, der Lichtentzug nach mehrfachen An- gaben in der Litteratur auf Mimosa pudica reizend einwirken kann. Ich suchte durch die verschiedensten Versuche eine Ent- scheidung für eine von diesen beiden Möglichkeiten herbeizuführen. Dass die Herabsetzung des Luftdruckes als solche nicht gut die Ursache sein kann, lässt sich auf verschiedene Weise zeigen. Zunächst sollte man doch einen deutlichen Unterschied in der Höhe des Luftdruckes, bei dem die Reaction eintritt, erwarten, je nachdem man den Recipienten mit den Versuchsobjecten in einigen Minuten oder in einer Stunde auspumpt. Denn bei ganz langsamer Evacuation hätten die Gase in den Intercellularen etc. doch Zeit, zu entweichen, ja man sollte erwarten, die Reaction unterbleibe dann ganz. Die bereits (8. 102) beschriebenen Versuche zeigten das Gegen- theil von alledem. Dann lies ich den Sauerstoff eines abgesperrten Volumen Luft durch alkalische Pyrogallussäurelösung absorbiren. Ein kleines, etwa 45 cm? fassendes Kochfläschehen wurde mit einem doppelt durch- bohrten Kautschukstopfen gut verschlossen; die eine Bohrung trug den Glasstab, an dem die Blüthen festgebunden worden waren, die andere ein offenes Manometer. Durch vorsichtiges Schwenken der Pyrogallussäurelösung konnte die Absorption des Sauerstoffs be- schleunigt werden, Die Bewegung trat regelmässig ein, zum Theil sehr bald, zum Theil erst nach etwas längerer Zeit, sie wurde auch wieder ausgeglichen. Leider habe ich nicht darauf geachtet, ob der weitere Sauerstoffentzug wie beim Evacuiren eine zweite Reaction 1) Es sind wirklich Intercellularen im Gewebe des Filamentes vorhanden und zwar ziemlich reichlich, wie ich mich überzeugen konnte, 104 hervorrufen kann, was mir jedoch gar nicht zweifelhaft erscheint, falls die Absorption langsam genug vor sich geht. Die Kalilauge allein, ohne Pyrogallussäure, blieb vollständig wirkungslos. Ich leitete ferner einen Strom von reinem Wasserstoffgas über die in gleicher Weise wie für die Evacuationsversuche hergerichteten Blüthen und sah dabei stets eine Reaction eintreten, schon nach kurzer Zeit, wenn der Strom stark war, nach längerer, wenn er schwächer war, genau wie bei rascher Evacuation das Ueberschlagen der Staub- gefässe der Zeit (nicht immer auch dem Drucke!) nach früher eintritt als bei langsamer. Hier, wie bei den Versuchen mit Pyrögallussäure, bei denen eine Verminderung des Luftdruckes gar nicht zu Stande kommt, könnte Kabsch die nöthige Gewebezerrung nur durch Gasdiffusion entstehen lassen, unter der Annahme, es diffundire mehr Wasserstoff ins Fila- ment hinein, als von den in ihm enthaltenen Gasen herausdringen könne. Auf diesem Wege könnte wirklich das Volum der intercel- lular enthaltenen Gasmenge so weit anwachsen, dass die Zerrung zu Stande käme. Doch ist schon wegen der Schnelligkeit, mit der die Reaction im starken Wasserstoffstrome eintritt, diese Annahme kaum haltbar; ich stellte aber noch weitere Versuche an, mit deren Hilfe ich sie zurückweisen konnte. Staubgefässe, denen ich die Antheren weggeschnitten hatte und noch ein gutes Stück der Filamente dazu, verhielten sich ganz gleich wie unverletzte, sowohl beim Ueberleiten von Wasserstoff als auch beim Evacuiren. Nicht nur reagirten sie, sie schlugen auch zur selben Jıeit wie diese zum Stempel über, wenn man sie zusammen dem Ver- such unterwarf, wobei freilich individuelle Schwankungen berücksichtigt (d. h. durch Wiederholung des Versuches mit anderen Objecten eli- minirt) werden mussten. Ein angeschnittenes Filament wird aber die in seinen. Intercellularen enthaltenen (und damit auch die in seinen Zellen absorbirten) Gase offenbar schneller entlassen können, als ein unverletztes. Die Gasansammlung durch Diffusion, die zur Ausführung der Zerrung nöthig ist, müsste also, wenn sie überhaupt zu Stande kommen könnte, mindestens später die nöthige Höhe erreicht haben, die Reaction also später eintreten. Injieirt man die Staubgefässe mit Wasser, so sind sie, gleich nach der Injection und so lange sie unter.dem Wasser liegen, nicht reizbar, werden es aber bald wieder, wenn die Luft Zutritt hat, selbst im dampfgesättigten Raume, wo sie keine Gelegenheit haben, merkliche Quantitäten von Wasser abzugeben. Wird diese Procedur an Fila- 105 menten vorgenommen, denen man die Antheren weggeschnitten hatte, und unterwirft man sie dann gleichzeitig mit nicht injieirten, unver- letzten Staubgefässen der Evacuation oder leitet einen Wasserstoff- strom über. beide, so reagiren sie gleichzeitig. Sperrt man den Recipienten ab, sobald das übergeleitete Gas die Reizbewegung hervorgerufen hat, so gehen die Filamente in die reizempfängliche Stellung zurück. Sie reagiren dann sowohl auf mechanischen Reiz als auf weiteren Sauerstoffentzug (durch erneuertes Ueberleiten von Wasserstoff), aber durch noch so langes Verweilen- lassen in der doch schon überwiegend aus Wasserstoff bestehenden Atmosphäre kann keine zweite Reaction hervorgerufen werden. Würde sie durch Gasdiffusion und nicht durch den Sauerstoffentzug als solchen bedingt, so müsste man doch erwarten, dass sie in dem ursprüng- lichen Gasgemenge, das z. B. 90% Wasserstoff enthalten mag, ebenso gut, wenn auch etwas später, zu Stande kommen würde, als wenn der Wasserstoffgehalt durch erneuertes Einleiten noch mehr, etwa auf 98 %%, gesteigert wird. Wie Wasserstoff verhielt sich auch reines Stickoxydul. Dagegen konnte man Sauerstoff überleiten, so viel man wollte, es trat keine Reaction ein. Würde sich die Bewegung im Sinne von Kabsch erklären, so müsste sich das Stickoxydul in seinem Diffusionsver- mögen gegenüber den im Gewebe des Filamentes vorhandenen Gasen ganz wie Wasserstoff verhalten — also ähnlich schneller hinein-, als jene herausdiffundiren, denn die Reaction tritt auch hier bei ge- nügender Stärke des Stromes schnell ein —, während Sauerstoff sich ganz anders verhalten und zum Mindesten nicht schneller hinein- diffundiren dürfte, als die im Filamente eingeschlossenen Gase heraus. Schliesslich prüfte ich noch das Verhalten unserer Objecte bei Verdichtung der Luft. Die Blüthen kamen in eine ziemlich weite, am einen Ende zugeschmolzene Glasröhre (Volum 15 em?), die mit der Compressionspumpe verbunden wurde. Die plötzliche Steigerung des Luftdruckes auf mehr als das Doppelte wirkte durchaus nicht reizend, eben so wenig die plötzliche Verminderung desselben, wenn der Hahn geöffnet wurde, um die Luft ausströmen zu lassen, auch nachdem die Blüthen längere Zeit in der comprimirten Luft verweilt hatten. Und doch muss hiebei eine beträchtliche Volumzunahme der in den Intercellularen befindlichen comprimirten Luft und damit eine Zerrung im Sinne von Kabsch vor sich gegangen sein, die aber eben nicht als Reiz wirkt, 106 Fasst man all das zusammen, so erscheint es sehr wenig zweifel- haft, dass die Bewegung durch den Sauerstoffentzug als solchen aus- gelöst wird. Die Thatsache ist sehr merkwürdig und steht noch ohne Analogon da. Man kann sie nicht mit der Bewegung der Mi- mosenblätter bei Eintritt der Vacuumstarre vergleichen, denn die Be- wegung geht so rasch vor sich, wie unter normalen Verhältnissen, sie wird wieder rückgängig gemacht und die wirkliche Starre tritt erst später ein und gleicht im Aussehen mehr der reizempfänglichen Stellung, endlich geht die eine direet in die andere über. Aus dem bereits Mitgetheilten kann man eigentlich schon ent- nehmen, dass diese Reizerscheinung nicht an einen bestimmten, aber nach der Individualität der Objecte variablen Sauerstoffgehalt im Reeipienten gebunden ist. Das geht ja aus der Möglichkeit hervor, sie während derselben Evaeuation am nämlichen Object zweimal hinter einander eintreten zu lassen. Ich stellte aber auch noch specielle Versuche hierüber an, indem ich, statt wie gewöhnlich von atmo- sphärischer Luft, also von einem Gasgemenge mit etwa 20 Vol. % Sauerstoff, von Gasgemengen mit mehr und mit weniger Sauerstoff ausging und beobachtete, bei welchem Manometerstand die Reaction eintrat. Diese Gasgemenge von bestimmtem Sauerstoffgehalt liessen sich leicht durch theilweises oder vollständiges Auspumpen des Apparates und Auffüllen mit Sauerstoff oder Wasserstoff herstellen. Ich liess immer erst einige Zeit verstreichen, ehe ich die Luftpumpe aufs Neue, diesmal um die Reaction hervorzurufen, in: Gang setzte, damit die Gase sich mischen und die Objecte sich erholen konnten. Natürlich wurde ferner stets das Verhalten des nämlichen Objectes unter diesen veränderten Bedingungen geprüft, aber dennoch konnte ich keine ganz exacten Resultate bekommen, weil, wie ich schon (8. 101) er- wähnte, zuweilen dasselbe Staubgefäss in gleicher Weise aus dem gleichen Gasgemenge evacuirt, doch bei verschiedenem Manometer- stand reagirte, manchmal auf einmal, nachdem vorher mehrere Male hinter einander die Bewegung genau, fast auf den Millimeter, bei einem bestimmten Drucke eingetreten war. Trotzdem zeigten die Versuche ganz deutlich, dass es auf die relative Menge Sauerstoff und nicht auf seine absolute Menge ankam, denn es blieb sich ziemlich gleich, ob ich aus gewöhnlicher Luft, aus reinem Sauerstoff oder aus einem Gasgemenge mit 5° Sauerstoff im Gesammtvolum evacuirte. Trat das eine Mal die Reaction etwas früher (d. h. bei höherem Drucke) ein, so konnte ein Wiederholungsversuch mit einem anderen’ Object sie. gerade umgekehrt etwas später (d. h. bei niedrigerem Drucke) 107 ergeben. Käme es auf die absolute Menge Sauerstoff an, so müsste, was ich kaum besonders aus emander zu setzen brauchte, die Reaction beim Evacuiren aus reinem Sauerstoff viel später (d. h. bei niedrigerem Drucke), beim Evaeuiren aus einem 5 % Sauerstoff enthaltenden Gas- gemenge dagegen viel früher (also bei viel höherem Drucke) eintreten. War der anfängliche Sauerstoffgehalt im Reeipienten noch ge- ringer als 5° der gesammten Gasmenge, so erhielt ich beim Eva- euiren zuweilen keine Reaction mehr, offenbar, weil die Vacuumstarre früher eintrat, als eine zur Reizung genügende Verminderung des Sauerstoffgehaltes erfolgte, sowie auch beim Evacuiren aus atmo- sphärischer Luft zuweilen keine zweite Reaction eintritt, auch wenn man ziemlich langsam pumpt. Die letzt geschilderten Versuche, bei denen die Objecte offenbar das Weber’sche Gesetz!) im Grossen und Ganzen einhielten, veran- lassten mich, seine Gültigkeit auch für die Fälle zu prüfen, wo bei fortgehender Evacuation auf die erste Reaction eine zweite folgte. Gilt das Gesetz auch hier und trat die erste Reaction bei einem be- stimmten Objecte, z. B. bei Y/ıo des anfänglichen Druckes (oder Sauer- stoffgehaltes) ein, so müsste die zweite Reaction bei "'/ıo dieser "/ıo, also bei "io des anfänglichen Druckes (oder Sauerstoffgehaltes) ausge- führt werden. Die Versuchsresultate entsprachen ungefähr dieser Voraussetzung; da aber, wie wir eben sahen, zuweilen dasselbe Staub- gefäss unter ganz gleichen Bedingungen bei einem zweiten Versuch nicht mehr beim selben Druck zum Stempel überschlug, so ist es mir trotz vieler darauf verwandter Mühe nicht möglich gewesen, genaue 7ahlen zu gewinnen. Immerhin zeigte es sich ganz deutlich, wenn das ins Auge gefasste Staubgefäss bei der ersten Reaction vor einem anderen oder nach einem anderen losschnellte, dieser Unterschied bei der zweiten Reaction ebenfalls vorhanden war. Dagegen fand im All- gemeinen die zweite Reaction früher (d.h. bei einem höheren Drucke) statt, - als man erwarten sollte. 8o trat sie z. B. in dem oben er- wähnten concreten Falle schon bei "oo der Y/ıo, also bei "/ıooo (statt bei oc) des anfänglichen Luftdruckes (resp. Sauerstoffgehaltes) ein. Kabsch macht in seiner citirten Abhandlung auch Mittheilungen über das Verhalten der Berberisstaubgefässe in verschiedenen Gasen. 1) Vgl. hierüber Pfeffer, Locomotorische Richtungsbewegungen durch chemische Reize. Untersuch, a. d. bot. Inst, zu Tübingen Bd.1 8.395 u. £. 108 Sie erschienen mir sehr revisionsbedürftig, war doch seine bereits in den Vorbemerkungen (8. 90) besprochene Versuchsanstellung so primitiv, dass Fehler unvermeidlich werden mussten. Ich unternahm es daher, die Angaben wenigstens theilweise nachzuprüfen. Das Verhalten unserer Objecte gegenüber Wasserstoff geht bereits aus einigen der im Vorstehenden beschriebenen Versuchen hervor. Die Staubgefässe reagirten im Gasstrom einmal, eventuell zweimal; befanden sie sich lange genug in reinem Wasserstoff, so trat Starre ein, die Reizbarkeit kehrte aber selbst nach mehrstündigem Aufenthalt in dem Gase an der atmosphärischen Luft zurück. Die Sistirung der Reizbarkeit hat Kabsch richtig beobachtet, eigenthüm- licher Weise ist ihm die Reaction (die bei seinen Versuchen auch eintreten musste, sonst hätte er keine Starre erhalten -können) ent- gangen. Wie Wasserstoff verhält sich auch Stiekstoff — in der schon erwähnten Weise mit alkalischer Pyrogallussäurelösung dargestellt — und reines Stickoxydul— aus schr reinem Ammoniumnitrat durch ganz gelindes Erwärmen gewonnen und mit verdünnter Kalilauge und Ferrosulfatlösung gewaschen. Für Stickstoff hat Kabsch das Verhalten ziemlich zutreffend geschildert, abgesehen davon, dass er auch hier den Eintritt der Reizbewegung übersehen hat; im Stickoxy- - dul sollen sich die Staubgefässe wie in atmosphärischer Luft ver- halten und selbst 36 Stunden lang reizbar bleiben. Diese Behauptung ist sicher falsch (wie alle ähnlichen, die Unterhaltung der Athmung, das Keimen der Samen etc. betreffenden) und durch Verwendung eines mit Luft und deshalb mit Sauerstoff verunreinigten Gases ver- anlasst worden. Ein Strom reines Stickoxydul wirkte, über die Blüthen geleitet, in meinen (freilich nicht sehr zahlreichen) Versuchen genau wie ein Wasserstofistrom. Die erste Reaction trat sehr bald ein, cine zweite sah ich nicht eintreten, vielleicht war der Gasstrom zu stark und ging die Luftverdrängung deshalb zu rasch vor sich. Ein solches negatives Resultat ergibt sich ja auch beim Ueberleiten eines zu starken Wasserstoffstromes. — Stickoxydul wirkt nicht anästheti- sirend auf die Berberisstaubgefässe (und auf die Narben von Mimulus), was man nach seiner Einwirkung auf den (höheren) thierischen Or- ganismus auch für den pflanzlichen erwarten könnte. In Stickoxyd will Kabsch das Eintreten einer Reizbewegung der Staubgefässe bobachtet haben. Da es bei seiner Versuchs- anstellung — wie überhaupt wohl bei jeder — nothwendigerweise zur Bildung von Untersalpetersäuredämpfen, gerade um die Objecte herum, 169 gekommen sein muss (was Kabsch unberücksichtigt liess, obschon er weiterhin die heftige, durch diese Dämpfe eintretende Reizung schildert), so wage ich nicht zu entscheiden, ob die beobachtete Re- action das Ergebnis der Einwirkung jener Dämpfe oder des Stick- oxydes war, das aber wahrscheinlich nur als indifferentes Gas ge- wirkt hätte. Wird reiner Sauerstoff über Berberisblüten geleitet, so rea- giren die Filamente nicht, wie wir bereits sahen (8.105); sie bleiben in diesem Gase selbst 24 Stunden lang reizempfänglich. Es ist daher die Angabe von Kabsch, dass die Staubgefässe nach halb- bis ein- stündigem Aufenthalt im Sauerstoffgas reizunempfänglich, nach mehr- stündigem sogar vollständig getödtet würden, sicher falsch. Verdrängt man die die Blüthen umgebende Luft durch einen Kohlensäurestrom, so tritt keine Reaction der Filamente ein, weil die Kohlensäure anästhetisirend wirkt, und da die Schnelligkeit, mit der sie wirkt, proportional der Menge ist, so bleibt es sich gleich, ob man einen starken oder einen schwachen Kohlensäurestrom über die Versuchsobjecte leitet. Kabsch hat das Sistiren der Reizbar- keit richtig beobachtet und gibt ausserdem an, dass der Zusatz von Koblensäure zur atmosphärischen Luft bis zu einem Gehalt von 30 bis 40% ohne Einfluss bliebe. Ich beobachtete, nachdem die Blüthen fünf Minuten in einer 50% des Gases enthaltenden Atmosphäre ver- weilt hatten, bei einigen Staubgefässen bereits den Verlust der Reiz- barkeit; nach 10 Minuten dauerndem Verweilen in derselben Atmo- sphäre war sie bei allen aufgehoben. Bei 80% Kohlensäure wirkte bereits ein 30 Secunden langes Verweilen lähmend ein. — Hatte der Aufenthalt nicht zu lange gedauert, so kehrte in atmosphärischer Luft die Reizbarkeit sehr schnell zurück. Wie bereits Kabsch fand, ruf' Ammoniakgas eine heftige Re- action hervor. War die Einwirkung nicht zu stark und nicht von zu langer Dauer, so gehen die Filamente wieder in die Anfangsstellung zurück und sind wieder durch Ammoniakgas und durch Berührung reizbar. So konnte ich die Staubgefässe ein und derselben Blüte fünf Mal hinter einander zum Losschnellen bringen. Gerade hierin, in der Möglichkeit, dieselbe Einwirkung mehrmals hinter einander am nämlichen Objeet wiederholen zu können, liegt meiner Ansicht nach die Berechtigung, diese Ammoniakwirkung als Reizbewegung zu bezeichnen, so gut wie die Reaction auf Berührung. Die Staub- gefässe von Berberis sind also auch „chemisch reizbar.*“ Kochendes Wasser oder Salzsäuredampf ruft ebenfalls Reizstellung hervor (Kabsch 110 leugnet das mit Unrecht für letzteren), doch nur dann, wenn sie das Object gleichzeitig tödten. . 3. Helianthemum. Kabsch!) gibt an, dass die Reizbarkeit der Staubgefässe von Helianthemum vulgare bei 5—10 Linien (pariser? = 11—22 mm) Luftdruck erloschen sei, nach Zutritt der atmosphärischen Luft jedoch fast momentan wiederkehre. Er habe während des Evacuirens keine Reizbewegung der Staubgefässe in dem Sinne, wie sie beiBerberis vor- liegt, beobachtet, sie amEnde jedoch wegenGeringfügigkeit nurübersehen. Die Mehrzahl meiner Versuche stellte ich mit Helianthemum polifolium an, das, mit H. vulgare nahe verwandt, ebenfalls gut reizbare Staubgefässe: besitzt. Die Blüthen wurden, nachdem Kelch- und Kronblätter weggeschnitten worden waren, an den Glasstab des für die Versuche mit Berberis benutzten und dort (8. 100) be- schriebenen kleinen Apparates angebunden und so der Evacuation unterworfen. War der Luftdruck genügend tief gesunken, so erhielt ich stets eine deutliche Bewegung der Staubgefässe, die dem Aussehen nach völlig der durch mechanischen Reiz erzielbaren glich. Doch musste die Luftverdünnung ziemlich weit getrieben werden, ehe diese Rr- scheinung eintrat, meist so weit, als es die Pumpe gestattete (ca. 1,5 mm Druck), manchmal noch weiter (durch Wasserstoffeinleiten!), — es traten eben hier, wie überall, beträchtliche individuelle Schwankungen zu Tage. Wie das Evacuiren wirkte auch das Ueberleiten eines Wasserstoffstromes und die Absorption des Sauerstoffs aus einem ab- gesperrten, die Objeete umgebenden Volum atmosphärischer Luft. Die Versuche wurden in ganz gleicher Weise, wie die entsprechenden mit Berberisblüten ausgeführt. Bei fortdauerndem Verweilen im luftverdünnten oder durch Ab- sorption fast sauerstofffrei gemachten Raume gehen die Staubgefässe aus der Reizstellung wieder zurück, jedoch nur den halben Weg und sind dann reizunempfänglich. Die Vacuumstarre ist eingetreten, ganz ähnlich wie bei Berberis, nur dass sie sich hier dem Aussehen nach etwas deutlicher vom reizempfänglichen Zustand unterscheidet. Be- sonders deutlich trat sie bei jenen Versuchen zu Tage, bei denen der Sauerstoff durch Pyrogallussäure absorbirt wurde. So lange die Staubgefässe während des Evacuirens ihre Bewegung noch nicht ausgeführt hatten, also wenn z. B. das Manometer noch 1) Kabsch, Bot. Ztg. 1862 S. 348. 111 3,5—4.5mm Druck im Recipienten anzeigte, waren sie für Reiz empfänglich. Der Starrezustand trat erst nach der Bewegung ein. Die Angabe von Kabsch, dass die Reizempfänglichkeit schon bei 11—22mm Druck erlösche, ist zweifellos zu hoch gegriffen und er- klärt sich wohl durch das Ausserachtlassen der Wasserdampftension. Ich habe keine weiteren Versuche darüber angestellt, ob die beim Evacuiren auftretende Bewegung eine Reaction auf den Sauer- stoffentzug oder auf die Herabsetzung des Luftdruckes ist. Die Ana- logie mit Berberis ist so auffallend, dass ich unbedingt beide Er- scheinungen auf dieselbe Ursache zurückführen und also auch diese Bewegung als durch den Sauerstoffentzug als solchen bedingt be- trachten möchte. Im Kohlensäurestrom kommt aus denselben Gründen, wie bei den Staubgefässen von Berberis keine Reizbewegung zu Stande. 4. Mimulus. Angaben über das Verhalten reizbarer Narben bei verminderter Partiärpressung des Sauerstoffes sind mir aus der Litteratur nicht bekannt geworden. Meine Versuche wurden mit Mimulus moschatus und M. luteus angestellt, besonders mit dem letzteren, die ebenfalls unter- suchte Martynia erwies sich trotz der grösseren Narben als weniger brauchbar, ihrer geringeren und früher erlöschenden Reizbarkeit wegen. Aber auch bei Mimulus fand sich zuweilen eine dem Anschein nach unveränderte (zu alte?) Narbe mit spreizenden, aber nicht (mehr) reizempfänglichen Lappen. Die Griffel wurden mit einem Stück des Fruchtknotens abgeschnitten und mit nassem Fliesspapier an einem Glasstab festgebunden. Als Recipient diente wieder der kleine Apparat, den ich für die Experimente mit Berberis benutzt und dort (8. 100) kurz beschrieben habe. Waren die Objecte überhaupt reizbar, so konnte ich während der Entleerung des Recipienten stets nach kürzerer oder längerer Zeit, sobald der Luftdruck genügend weit herabgesetzt war, ein spon- tanes Zusammenklappen der Narbenlappen beobachten. Die Schnellig- keit, mit der diese Reaction eintrat, war für ganz gleich behandelte Objecte beträchtlich verschieden, also individuellen Schwankungen unterworfen. Längeres Verweilen bei einem etwas höheren Druck im Reci- pienten schien schliesslich dieselbe Wirkung zu haben, wie kurzes‘ bei einem etwas niedrigeren Drucke. Aus diesem Grunde wohl trat bei langsamem Evacuiren die Reaction (dem Drucke, nicht der Zeit 112 nach) früher ein, als bei raschem. So standen nach viermaligem, sehr schnellem Evacuiren auf 3mm Druck, mit jedesmaligem Ein- leiten von Wasserstoff, noch einige Narben (von Mimulus luteus) offen, während einige andere (derselben Species) sich bei gang lang- samem Evacuiren schon bei 12mm Druck zu schliessen begannen. Das Auspumpen hatte eine halbe Stunde gedauert. Wieder andere Narben schlossen sich sogar nach längerem Verweilen in einer Atmo- sphäre, die durch Auspumpen auf nur 20mm Druck und Füllen des Recipienten mit Wasserstoff gebildet worden war. — Ausserdem schien bei Mimulus moschatus eine weitergehende Verdünnung der Luft oder eine längere Dauer des Versuches nötig zu sein, wenn die Reaction eintreten sollte, als bei M. luteus. Dieses spontane Zusammenklappen auf Luftentzug hin gleicht dem durch mechanischen Reiz verursachten vollkommen, nur wird es, langsamer ausgeführt; wie bei diesem krümmt sich ein Narbenlappen, wenn der andere weggeschnitten worden war, über die Mittellinie hinaus, hier wie dort müssen also die Lappen ordentlich aneinander gepresst werden. Haben sich die Narben einmal geschlossen, so öffnen sie sich auch nach langem Verweilen in derselben Atmo- sphäre (in der das Zusammenklappen erfolgte) nicht wieder, sie sind dann vacuumstarr. Der Starrezustand gleicht also hier im Aussehen dem der gereizten Narben. Wenn man sie nach einem nicht zu langen Aufenthalt unter diesen anormalen Verhältnissen an die Luft bringt, spreizen sie nach einiger Zeit wieder und sind dann aufs Neue reizbar. So lange die Narben während des. Auspumpens ihre Schliessungs- bewegung noch nicht ausgeführt haben, so lange reagiren sie auch noch auf mechanischen Reiz. Hat die Schliessbewegung bereits be- gonnen, so wird ihr langsamer Verlauf durch einen solchen beschleunigt, sie sind also selbst dann noch reizbar, wenn sie im Begriffe sind, sich zu schliessen. Hindert man eine Narbe während des Evacuirens am Zusammenklappen (ich erreichte das durch ein entprechend zu- geschnittenes, angepresstes Stückchen Hollundermark) und entfernt das Hemmniss erst, wenn sich die übrigen, gleichzeitig evaeuirten Narben bereits geschlossen haben, so tritt dennoch eine ziemlich rasch verlaufende Reation ein. Die Schliessbewegung kann daher noch unter einem so geringen Luftdruck ausgeführt werden, dass die Narbe eigentlich schon im Starrezustand sein sollte. Ob sie dann aber am Ende nur durch die mit der Wegnahme des Hemmnisses ermöglichte Ausgleichung einer vorher entstandenen Spannung, also auf rein mechanischem Wege, zu Stande kommt, habe ich nicht geprüft. 118 Es frägt sich nun, ob die Herabsetzung des Luftdruckes als solchen im Reeipienten die Ursache der beim Evacuiren eintretenden Bewegung ist, oder die Abnahme des Sauerstoffes. Zunächst könnte man, einer von Kabsch für ein anderes Object ausgesprochenen Ansicht folgend, annehmen, die in den Intercellularen des Narbengewebes eingeschlossene Luft könne beim Evacuiren nicht rasch genug entweichen, ihre Ausdehnung hiebei wirke direct, durch Zerrung, reizend ein. Um hierauf eine Antwort zu gewinnen, wurden in wiederholten Versuchen, zusammen mit unverletzten Narben, auch Narben evacuirt, bei denen man durch Anschneiden günstigere Be- dingungen für das Entweichen der Luft geschaffen hatte. Es erwies sich jedoch als vollkommen gleichgültig, ob man die Narbe noch im Zusammenhange mit dem Griffel und Fruchtknoten oder mit einem ganz kurzen Stückchen Griffel dem Versuche unterwarf, ob man die Spitzen, selbst die oberen Hälften, oder Stücke von den Seiten der Narbenlappen weggeschnitten hatte, — die operirten Narben zeigten gegenüber den unverletzten nie eine durchgehende Differenz in der Schnelligkeit, mit der die Reaction eintrat, sobald durch gleichzeitige Verwendung einer grösseren Anzahl von Objeceten den individuellen Schwankungen Rechnung getragen wurde. Dass das Zusammenklappen der Narbenlappen, wie wir sahen, auch bei ganz langsamer Evacuation eintritt, nur (dem Drucke nach) etwas früher, weist ebenfalls darauf bin, dass nicht die Ausdehnung einge- schlossener Luft’ als Ursache aufgefasst werden kann, da ihr während des langsamen Auspumpens mehr Zeit geboten wäre, zu entweichen. Die Narben schliessen sich auch im Wasserstoffstrom, auch dann, wenn man die Luft ganz allmählich verdrängt. In gleicher Weise reagiren sie auch, wenn man, in der bei Berberis beschriebenen Art (8. 103) der abgesperrten, die Objecte unngebenden Luft mit Pyro- gallussäure den Sauerstoff entzieht. Alle diese Ergebnisse sprechen eben so gut wie die ganz gleich- artigen, bei Berberis enthaltenen, dafür, dass die Sauerstoffent- ziehung als solche und nicht etwa der physikalische Vorgang der Luftverdünnung. als Ursache wirkt. — Die so hervorgerufene Be- wegung der Narbenlappen gleicht, wie ich bereits gesagt habe, voll- kommen der auf mechanischen Reiz hin eintretenden und hierin ver- hält sich also Mimulus ganz wie Berberis und Helianthemum; der Unterschied besteht nur darin, dass bei Mimulus die Bewegung bei dem Luftdrucke, bei welchem sie eingetreten ist, nicht mehr rückgängig wird, dass hier Reizstellung und Starrestellung habituell Flora 1892, S 114 ganz gleich sind. Man könnte deshalb die Bewegung nicht als typische Reizreaction, sondern als den Uebergang in die Vacuumstarre auf- fassen und das Verhalten der Mimulusnarben mit dem der Mimosen- blätter zusammenstellen, statt mit dem der Staubgefässe von Berberis. Man könnte aber auch annehmen, die Luftverdünnung, die die Re- action hervorruft und die, bei der die Vaccuumstarre eintritt, unter- schieden sich so wenig, dass, infolge des unterdessen fortdauernden Sauerstoffverbrauches durch die Athmung, nach der Ruhepause, welche immer zwischen Vollendung der Reaction und sichtbarem Beginne der Rückbewegung verstreicht, die Menge Sauerstoff, die eben noch die Bewegung ermöglichte, verbraucht ist. Immerhin erscheint mir diese Annahme gezwungen und die erstere berechtigter. In reinem Sauerstoffgas scheinen die Narben sich nicht anders zu verhalten, wie in atmosphärischer Luft. Nach einem Aufenthalt von 28 Stunden erhielt ich noch sehr deutliche, nach 48 Stunden noch schwache Reactionen, immer wurde die Bewegung wieder rückgängig. Nach 56 Stunden war die Reizbarkeit erloschen, die Narben waren starr, die Lappen spreizend (also nicht geschlossen, wie bei der Vacuum- starre). Dieser Zustand von Unempfänglichkeit war nicht, wie ich zunächst zu glauben geneigt war, eine Folge des Verweilens im Sauerstoffgas, er trat vielmehr beim Aufenthalt in dampfgesättigter Luft in gleicher Form auf, als Vorbote des mit einer Schliessbe- wegung verknüpften, endlichen Absterbens der Narbe. Reines Stickoxydul verhielt sich bei wiederholten Versuchen genau wie reiner Wasserstoff, dessen Wirkung wir -bereits (8. 113) kennen gelernt haben. Die Narben schlossen sich, ohne sich in der diese Bewegung hervorrufenden Atmosphäre wieder öffnen zu können; so lange sie noch offen standen, waren sie auch noch reizbar. Stick- oxydul kann hier also eben so wenig, wie in allen übrigen exact ge- prüften Fällen, der Pflanze als Sauerstoffquelle dienen. Im Kohlensäurestrom schlossen sich die Narben nicht, auch nicht bei längerer Dauer des Versuches. Dieses Gas wirkt eben lähmend ein und zwar so rasch, dass die Unempfindlichkeit schon eintritt, wenn die Verdrängung der Luft durch die Kohlensäure noch lange nicht so weit fortgeschritten ist, um im einen oder anderen Sinne als Reiz wirken zu können. Ein Aufenthalt von 10 Minuten in einem Gemische aus "/s Luft und "/s Kohlensäure genügt, um die Reizbarkeit aufzuheben, bei stärkerem Kohlensäuregehalte ein ent- 115 sprechend kürzerer. In atmosphärischer Luft kehrt sie wieder zurück. Ammoniakgas wirkt als Reiz. War die Einwirkung keine zu starke und zu lange dauernde, so wird die Bewegung wieder rück- gängig und die Narben für denselben oder einen mechanischen Reiz wieder empfänglich. Salzsäuredampf reizt dagegen nur dann, wenn er, Ähnlich wie kochendes Wasser, gleichzeitig tödtlich wirkt. 5. Cynareen. Kabsch untersuchte die reizbaren Filamente einiger Centau- reaarten auf ihr Verhalten im luftverdünnten Raume und fand, dass bei genügender, nicht näher angegebener Verdünnung die Reizbar- keit erlosch; nach erneuertem Luftzutritt kehrte sie rasch, in vielen Fällen momentan zurück. Während des Evacuirens wollte er das Eintreten einer unzweifelhaften Reizbewegung (Contraction der Fila- mente) beobachtet haben, die jedoch nie so stark ausgefallen sei, wie auf mechanischen Reiz hin. Ausserdem sei bei jedem Heben des Kolbens der einstiefeligen Luftpumpe ein Auseinanderweichen (Aus- dehnung) der Filamente, während jedem Entlassen der Luft aus dem Stiefel ein Zusammensinken (Verkürzung) derselben eingetreten, ein eigenthümlicher, der Reizbewegung gerade entgegengesetzt ver- laufender Vorgang, der bei Verwendung einer zweistiefeligen Luft- pumpe nur bei verlangsamter Bewegung der Kolben hervortrat und den er auf den Luftzug im Recipienten zurückzuführen suchte. Ausser diesen Beobachtungen von Kabsch liegt in der Litteratur noch eine Bemerkung Pfeffer’s® vor, dass die Reizbarkeit der Fila- mente von Centaurea Jacea verschwunden gewesen sei, eine Minute, nachdem die Luft durch einen starken Kohlensäurestrom ver- drängt worden war. Bei der bekannten, auch in dieser Abhandlung bereits mehrfach hervorgehobenen anästhetisirenden Wirkung der Kohlen- säure kann dieses Experiment nicht, wie es sollte, die Abhängigkeit der Reizempfänglichkeit unserer Objecte von der Gegenwart des Sauerstoffes darthun. Meine Versuche wurden mit Blütben von Öentaurea macro- cephala, die auch von Kabsch verwandt wurde, und von C. Jacea angestellt. Die Blumenkronen wurden sorgfältig mit der Scheere weg- geschnitten und je 8—4 Objeete mit nassem Fliesspapier rund um D) Kabsch, Bot. Ztg. 1862 S. 344. 2) Pfeffer, Pflanzenphysiologie Bd. 1 S. 380. * 8 116 das Ende eines Glasstabes festgewickelt. Als Recipient diente der kleine, bereits mehrfach erwähnte und (8. 100) beschriebene Apparat. Während des Auspumpens konnte ich mit blossem Auge keine Bewegung der Filamente wahrnehmen, auch bei möglichst weitgehender Luftverdünnung. Ich habe den Reeipienten nach der Evacuation mit Wasserstoff gefüllt und aufs Neue ausgepumpt und diese Procedur noch vier Mal wiederholt, ohne dass ich die Reaction, die Kabsch beobachtet haben wollte, eintreten sah. In so sauerstoffarmer Atmo- sphäre war die Reizempfänglichkeit vollständig erloschen und hatte, ohne eine irgend auffällige habituelle Aenderung, der Vacuumstarre Platz gemacht. Das gleiche Resultat erhielt ich beim Ueberleiten von reinem Wasserstoffgas über die Filamente. Selbst nach mehr- stündiger Dauer des Versuches waren die Objecte scheinbar unver- ändert, nur hatten sie, und zwar recht rasch, die Reizbarkeit einge- büsst. Als ich Messungen mit einem Horizontalmikroskop von grossem Focalabstand machte, konnte ich eine geringfügige, sehr langsame Be- wegung wahrnehmen. Die Staubfäden wichen zunächst etwas aus einander, denn nach einiger Zeit maass in einem bestimmten Falle der Durchmesser des Androeceums, an der breitesten Stelle von Fila- ment zu Filament gemessen, "/s mehr als zuvor. In der Folge gingen sie wieder in die Anfangstellung zurück oder näherten sich gar etwas. Diese Bewegung ist offenbar keine typische: Reizreaction — sie ver- läuft ja in entgegengesetztem Sinne —, sie entspricht vielleicht dem zweiten eigenthümlichen, von Kabsch beobachteten Phänomen. Die von diesem Forscher gegebene Erklärung ist sicher nicht stichhaltig, : ich weiss zur Zeit aber keine bessere zu geben. Die reizbaren Staubgefässe der Centaureaarten und wohl der Cynareen überhaupt unterscheiden sich also in ihrem Verhalten im luftleeren resp. sauerstoffreien Raume merklich von den bisher be- trachteten Reizbewegungen, einmal dadurch, dass der Sauerstoffentzug als solcher nicht die typische Reizbewegung auszulösen vermag (Unter- schied von Berberis, von Helianthemum und vielleicht auch von Mimulus), und ferner dadurch, dass der Uebergang aus dem reizempfänglichen Zustande in dieVacuumstarre ohne merkliche Stellungs- änderung vor sich geht. (Hierin kommt ihnen Berberis und He- lianthemum am nächsten, bei denen die während dieses Ueberganges ausgeführte Bewegung nicht sehr augenfällig ist.) 117 Es verdient noch erwähnt zu werden, dass Ammoniakgas keine merkliche Reizbewegung hervorruft, selbst wenn das Object dabei getödtet wird. Die Filamente strecken sich dann nur ganz all- mählich gerade. Aechnlich wirkt auch Salzsäuredampf. Die Oynareen- filamente sind also nicht „chemisch reizbar.* 6a) u. b). Schlafbewegungen.') Ueber Fortdauer oder Ausbleiben der Schlafbewegungen von Blättern und Blüthen im Vacuum haben Dutrochet und Kabsch einige Beobachtungen angestellt. Dutrochet?) fand, dass die Blätter von Mimosa pudica im stark luftverdünnten Raume nicht in die Schlafstellung gehen, dass die offenen Blüthenköpfehen vonLeontodon Taraxaeum und Soncehus oleraceus sich unter diesen Um- ständen nicht schliessen und die geschlossenen sich nicht öffnen, und dass die schlafenden Blätter von Robinia Pseudacacia sich in luftfreiem Wasser ebenfalls nicht mehr öffnen. Kabsch®) studirte das Verhalten der Blätter an Oxalis, das der Blüthen an Bellis. Im möglichst luftleeren Raume stellten beide Objecte ihre periodischen Bewegungen ein, nahmen sie aber nach erneuertem Luftzutritt wieder auf. Auf die Resultate, welche er bei Einwirkung verschiedener Gase erhielt, komme ich später zu sprechen. Ich will zunächst die mit Blättern angestellten Versuche schildern. Als Objecte benützte ich eine Anzahl von Leguminosenarten, vor allem Tetragonolobus (biflorus) und Securigera (Coro- nilla) und ausserdem Oxalis Acetosella. Von den ersteren . Pflanzen kamen abgeschnittene Stengel, in kleine Gläschen mit etwas Wasser gestellt, zur Verwendung, als Recipienten dienten die hohen, etwa 1500 cm? fassenden Glasglocken, die auch für die Versuche mit Mimosa und mit den Ranken benützt wurden. Durch Auslegen der Innenfläche etwa zur Hälfte mit nassem Fliesspapier wurde für genügende Luftfeuchtigkeit gesorgt. Die Oxalispflanzen wurden mit den Wurzeln ausgehoben und in Standgläser mit weitem Hals gesteckt, die zwischen 120 und 250cm? fassten und deren Boden mit D) Die Schlafbewegungen aller hier untersuchten Blätter werden in Gelenken durch Turgoränderungen ausgeführt. Die der Blüthen beruhen bekanntlich auf Wachs- thumsvorgängen. Da aber beide Gruppen von Objeeten sich im Wesentlichen gleich verhielten, habe ich der Kürze halber die Darstellungen zu einem Abschnitt vereinigt. 2) Dutrochet, Memoires p. serv. & U’hist. Tom. I! Du reveil ‘et du sommeil des plantes, p. 471 et 495 (Blüthen), p. 512 (Robinia), p. 513 (Mimosa), 3) Kabsch, Bot. Ztg. 1862 S, 356, 118 einer etwa 2mm hohen Wasserschicht bedeckt wurde. Die Eva- cuation wurde erst einige Stunden nach Herrichtung des Versuches begonnen, die Pflanzen wurden inzwischen vor das Fenster gestellt. Das war besonders bei Oxalis nöthig, um die Blättchen, die durch die unvermeidlichen Erschütterungen gereizt worden waren, sich wieder heben zu lassen. Während des Evacuirens konnte ich die Recipienten leider nicht verdunkeln, um die Assimilation der Kohlensäure, diese beständige Sauerstoffquelle, auszuschliessen, denn dadurch wäre ja die Schlafbewegung (zu früh) herbeigerufen worden. Das Verdunkeln erwies sich dann auch bald als überflüssig, weil, wie wir gleich schen werden, minimale Spuren von Sauerstoff durchaus nicht ausreichen, um den Blättern die Ausführung der Schlafbewegung zu gestatten. Ausserdem war ja der Kohlensäuregehalt im Reeipienten durch das Evacuiren gleichfalls sehr vermindert worden. — War der gewünschte Grad der Luftverdünnuug erreicht, so wurde der Recipient, ausgepumpt oder mit Wasserstoffgas angefüllt, vermittelst Quetschhähnen abge- sperrt und in den Dunkelschrank gestellt, eventuell ganz unter Wasser gebracht. Stets wurden einige, bis auf das Evacuiren ganz gleich behandelte Controlexemplare gleichzeitig ins Dunkle gestellt. War durch wiederholtes Auspumpen des Recipienten und Wieder- auffüllen mit Wasserstoff der Sauerstoff möglichst verdrängt worden, so unterblieb bei allen untersuchten Pflanzen, in wiederholten Ver- suchen, trotz vollständiger Verdunkelung, Abends der Uebergang in die Schlafstellung vollkommen; ebensogut natürlich die Wiederent- faltung am Morgen. So verhielten sich nicht nur Securigera, Tetragonolobus und Oxalis, sondern auch Lupinus, Trigo- nella, Medicago, Trifolium, Amicia. — Nicht alle Pflanzen konnten den Aufenthalt unter diesen abnormen Verhältnissen vom Nachmittag bis zum folgenden Morgen ertragen; Oxalis z. B. ging regelmässig zu Grunde, auch wenn nur ein Mal auf 1,5mm Druck evacuirt worden war. Schon nach ein paar Stunden zeigten die Blätter gelbe Flecke,') nach 12 Stunden waren sie vollkommen abgestorben. Sollten wenigstens die Anfänge der Schlafbewegung eintreten, so musste der Luftdruck im Reeipienten bei Oxalis noch 25mm be- tragen, d. h. es mussten noch 3,5% der ursprünglichen Sauerstoff- menge vorhanden sein. Bei Securigera und Tetragonolobus begann sie bei 20mm Druck, der einem Sauerstoffgehalt von 3% 1) Die Gelkfärbung entsteht durch die Einwirkung des stark saueren Zellsaftes auf die Chloropbylikörner, sie zeig; also den Tod der Zellen an. (Vgl. Wiesner, Die Entstehung des Chlorophylis, S. 11 Anm.) 119 der anfänglichen Menge dieses Gases entspricht; bei 35mm Druck, fast 5% der anfänglichen Sauerstoffmenge, schloss Seeurigera ihre Blätter bereits in ziemlich kurzer Zeit vollständig, während Tetra- gonolobus lange brauchte, bis seine Blätter in dieser Atmosphäre entspreshend tief schliefen. Am folgenden Morgen reichte aber die noch vorhandene Menge Sauerstoff, offenbar infolge des Consums durch die Athmung während der Nacht, nicht mehr dazu aus, dass die Blättchen sich wieder entfalten konnten. In diesen und ähnlichen Fällen zeigte es sich, dass die jüngeren Blätter im Allgemeinen mit weniger Sauerstoff zufrieden waren als die älteren. Hatten die Pflanzen 18—20 Stunden in einer Atmosphäre ver- weilt, deren Sauerstoffgehalt ihnen die Ausführung der Schlafbewe- gungen nicht mehr gestattete, ohne sie jedoch sichtlich zu schädigen, so dauerte es nach dem Zurückbringen in atmosphärische Luft ge- wöhnlich einige Zeit, ehe sie wieder ihre Schlafbewegungen auszu- führen begannen. Dann schienen sie sich zunächst gar nicht an die Tageszeiten zu kehren, die Blätter öffnen sich event. Nachmittags und schlossen sich Morgens. Auch hier tritt also Vacuumstarre ein, von der sich die Objecte nachher erst wieder erholen müssen. Die eigenthümliche Verschiebung der Tagesperiode, die sich nach wieder- hergestellter Bewegungsfähigkeit zunächst beobachten lässt, weist wohl darauf hin, dass diese ersten Bewegungen nicht von der Aussenwelt hervorgerufen werden, also keine Reizerscheinungen sind, sondern auf inneren Ursachen beruhen, wie jene Bewegungen, die wir an den Blättern im Finstern stehender, zum Schlafen befähigter Pflanzen tage- lang und schliesslich ohne alle Uebereinstimmung mit der Tageszeit fortdauern seben. Erst nach und nach wirkt dann der Beleuchtungs- wechsel regulirend ein. — Nach einer interessanten Beobachtung Dutrochet’s!) nimmt Mimosa pudica nach einem längeren Auf- enthalt im Vacuum früher ihre Schlafbewegungen wieder auf, als ihre Reizbarkeit (durch Stösse) zurückkehrt. Aus der Beschreibung des Versuches ist nicht recht zu entnehmen, ob die Bewegungen wirklich den Tageszeiten entsprachen und ob sie rein autonome oder Reiz- bewegungen waren. Im letzteren Falle wäre es sehr beachtenswerth, dass der Lichtreiz früher wieder pereipirt wird als der mechanische Reiz. Leider bin ich zur Zeit nicht im Stande, diese Beobachtungen zu wiederholen. 1) Dutrochet, Memoires p- serv. Tom. I. De l’exeitabilite vegetale, p. 556, 120 Ganz ähnliche Resultate, wie die Blätter, lieferten mir auch die untersuchten Blüthen. Es wurde hauptsächlich Dimorphotheca pluvialis, eine grössblüthige Composite mit Abends zusammen- schliessenden Strahlenblüthen, verwandt in Ermangelung einer ge- nügenden Menge von Bellis. Als Reeipienten dienten etwas kleinere Glocken, als sie für die Blätter zur Verwendung kamen, im Uebrigen wurden die Versuche in ganz gleicher Weise angestellt. Im möglichst sauerstofffreien Raume unterblieb Abends die Schliess- bewegung der offenen,. Morgens das Oeffnen der geschlossenen Köpf- chen. Um eine deutliche Bewegung eintreten zu lassen, musste man spätestens bei 15mm Druck, besser schon bei 21mm, die Evacuation unterbrechen, also bei einem Gehalt von 2 bis 3° der ursprünglichen Menge von Sauerstoff im Reeipienten. Etwa die gleichen Anforde- rungen stellten auch die Blüthen von Calendula arvensis und von einem Hieracium, eine geringere die von Tragopogon eri- coides. — Auch bei den Blüthen tritt durch den Aufenthalt in einer nicht genügende Mengen Sauerstoff bietenden Atmosphäre ein Starre- zustand ein, der auch nach dem Zurückbringen der Objecte an die atmosphärische Luft noch einige Zeit andauert. Wie schon erwähnt, hat Kabsch auch die Wirkungsweise ver- schiedener Gase in den Kreis seiner Untersuchungen gezogen. Bei seiner unzureichenden Versuchsanstellung mussten Irrthümer mit unter- laufen; ich habe desshalb die Angaben wenigstens theilweise einer Nachprüfung unterworfen. Das Verhalten in reinem Wasserstoff entspricht bei dem voll- kommen indifferenten Charakter dieses Gases natürlich dem im Vacuum : die Schlafbewegungen sind’ sistit. Kabsch sah die Blüthen von Bellis ihre Schlafbewegungen in „reinem“ Wasserstoff bald ein- stellen, die Oxalisblätter sollten sie aber noch 48 Stunden lang ausgeführt haben. Er hat diese letzteren Objeete offenbar in ein viel Luft enthaltendes Gas gebracht, das geht aus der weiteren Angabe hervor, die Blätter seien darin vier Tage lang frisch geblieben; nach meinen Versuchen sterben die Oxalisblätter bereits nach einem Auf- enthalt von mehreren Stunden im reinen Wasserstoffgase ab. In Sauerstoff sah ich die Blätter von Oxalis 48 Stunden lang, so lang der Versuch dauerte, ihre Bewegungen ganz normal ausführen. Die Angabe von Kabsch, dass die Bewegungen des- selben Objectes sehr schnell, die der Blüthen von Bellis langsamer 121 gehemmt worden seien, ist offenbar durch Verunreinigung seines Sauerstoffes durch ein schädliches Gas bedingt worden. Der von mir verwandte Sauerstoff mag insofern nicht ganz rein gewesen sein, als er etwas: Stickstoff und etwas Kohlensäure (aus dem Wasser des (asometers) enthalten haben mag; auf absolute Reinheit kam es aber hier auch gar nicht an, so lange nur keine schädlichen Bestandtheile bei- gemischt waren. Denn wenn die Pflanze eine Atmosphäre mit 99% Sauerstoff verträgt, so verträgt sie sicher auch 100%, da ja der Sauer- stoff, zum Mindesten auf kürzere Zeit hinaus, das einzige wirklich nöthige Gas ist. In einer Atmosphäre, die 20% Luft und 80%-Kohlensäure enthielt, sah ich Tetragonolobus nur träge seine Schlafbewegungen ausführen; betrug der Kohlensäuregehalt 99%, so trat überhaupt keine Bewegung mehr ein. Die Pflanze überstand einen 24 stündigen Aufenthalt in diesem Gasgemenge, ohne merklichen Schaden zu nehmen, erwies sich aber nach ihrer Rückkehr an die atmosphärische Luft als anästhetisirt; es dauerte ziemlich lange, ehe sie wieder ihre periodi- schen Bewegungen aufnahm. Etwas Aehnliches hatte schon Kabsch für Oxalis gefunden, die in reiner Kohlensäure verweilt hatte. Diese letztere Angabe ist nicht genau zu nehmen; im reinen Gase wurden nach meinen Erfahrungen nicht nur die periodischen Bewegungen der Oxalisblätter sistirt, sondern nach 7 Stunden traten auch die gelben Flecken auf den Blättern auf, die Anzeichen des Absterbens. Kabsch will ausserdem durch Erschütterungen zum Senken gebrachte Blättchen sich in der Kohlensäure wieder heben und die Blätter sich nach dem Lichte orientiren gesehen haben, und zwar letzteres noch rascher als an atmosphärischer Luft. Offenbar war auch bei diesen Versuchen seine Kohlensäure stark vermischt mit atmosphärischer Luft, denn alle Wiederholungsversuche haben mir nur negative Resultate ergeben. Die Einwirkung des Stickstoffes hat Kabsch richtig be- schrieben, offenbar, weil ihm hier seine Versuchsanstellung (Absorp- tion des Sauerstoffes aus einem abgesperrten Volum atmosphärischer Luft) ein genügend reines Gas lieferte. Die Bewegungen werden nicht mehr ausgeführt, die (Oxalis-) Blätter sterben nach 6 — 8 stün- digem Aufenthalt in dem Gase ab. Im Stickoxydul will Kabsch eine ungehinderte Fortdauer der Schlafbewegungen, Tage lang, beobachtet haben. Sicherlich war das Gas, das er zu diesen Versuchen verwendete, mit genügenden Mengen atmosphärischer Luft gemischt. Das reine Gas hätte, wie ich mit Sicherheit nach meinen an den Staubgefässen von-Berberis 122 und den Narben von Mimulus erhaltenen Resultaten behaupten darf, genau wie Wasserstoff oder Stickstoff gewirkt: die Bewegungen wären sistirt worden. Eigene Versuche habe ich nicht angestellt. 7. Drosera (rotundifolia). Ueber den Antheil, den der Sauerstoff am Zustandekommen der Reizbewegung der Tentakeln des Droserablattes nimmt, liegen, soweit mir die Litteratur bekannt geworden ist, noch gar keine An- gaben vor. Nachdem Vorversuche ergeben hatten, dass die Evacuation an und für sich nicht als’ Reiz wirkt und dass jedenfalls noch bei sehr ge- ringen Mengen von Sauerstoff die Reize pereipirt und die inducirten Krümmungen der Tentakeln ausgeführt werden, stellte ich meine Hauptversuche in folgender Weise an. In einen 20 — 40cm? fassenden Glaskolben, mit weitem, ausge- schliffenem Halse, wurde die zur Reizung benützte Flüssigkeit ge- bracht, und zwar 0,5 —1cm? einer 2: 1000 Ammonphosphatlösung, um chemisch zu reizen, oder 0,5—lcm? eines dünnflüssigen, aus Bimsteinpulver oder gestossenem Glase nnd Wasser hergestellten Breies, um einen mechanischen Reiz auszuüben. Das Wasser, das zur Herstellung diente, rief an und für sich, wenigstens während der Zeit, die die Versuche dauerten, keine Reaction hervor; es kam aus- gekocht zur Verwendung, event. wurde destillirtes Wasser benützt, die Lösungen wnrden stets nochmals ausgekocht. Der Kolben wurde hierauf mit einem guten, doppelt durchbohrten Kautschukstopfen ver- schlossen. Die eine Bohrung hatte eine Glasröhre aufgenommen, die am einen Ende zugeschmolzen war, am anderen, offenen das mit dem Stiel in sie hinein gesteckte Droserablatt trug; in die andere Boh- rung wurde ein zwei Mal knieförmig gebogenes Glasrohr sorgfältig, aber fest eingesteckt, das den ungefähr horizontal liegenden Reci- pienten mit der Luftpumpe in. Verbindung brachte. Das Manometer liess ich weg, um das Volum des Apparates möglichst zu verkleinern und so ganz rasch ein möglichst vollkommenes Vacuum herstellen zu können; jede Evacuation dauerte so lange, dass ich sicher sein konnte, der Reeipient sei so vollständig ausgepumpt, als es die Pumpe ge- stattete. Um jede Sauerstoffbildung durch Assimilation auszuschliessen, wurde die Flasche mit einem schwarzen Tuch umwickelt. Der ganze Recipient kam unter Wasser, um vollkommene Dichte der Verschlüsse zu erzielen. War die gewünschte Luftverdünnung erreicht worden, so wurde durch Neigen des bis dahin horizontal gehaltenen Kolbens ’ 11 123 das Objeet aus dem tragenden Rohre heraus, in die Flüssigkeit ge- worfen. Der Apparat wurde dann, evacuirt oder mit Wasserstoff gefüllt, abgesperrt und bei Lichtabschluss unter Wasser gelassen, bis nach einigen Stunden das Verhalten des Blattes geprüft werden konnte. — Um sicher zu sein, dass die Krümmung der Tentakeln nicht durch Reizung während der Präparation ‚oder dem Einführen des Blattes in den Kolben bedingt worden war, wartete ich immer einige Zeit, wenn der Apparat vollständig versuchsbereit war, um das Verhalten des Objectes zu prüfen und wieder von vorne anzufangen, wenn sich während dieser Zeit der Beginn einer Einkrümmung zeigte. Die Luftverdünnung wurde stets sehr weit getrieben, meist wurde 5—10 Mal hinter einander auf das Minimum, auf 1,5 mm Druck, eva- euirt, mit jeweiligem Auffüllen des Recipienten mit Wasserstoff. Um einen Gasaustausch zwischen dem Blatte und dem umgebenden Gase zu ermöglichen, blieb der Recipient immer einige Minuten lang ge- füllt, ehe die neue Evacuation begann. Die Gesammtmenge des endlich noch vorhandenen Sauerstoffs berechnete sich, wenn fünf Mal ausgepumpt worden war, auf 0,000000000 032% der anfänglichen Menge, wenn 10 Mal ausgepumpt worden war, auf 0,000 000 000 000 000 000 000 000 2 % und je nach der Grösse des als Recipient dienenden Kolbens, auf 0,000 000 000 1 — 0,000 000 000 000 000 000 000 000 8 cm?. Die noch vorhandene Menge Sauerstoff war also so gering, dass man sie dreist gleich Null setzen darf, eine absolute Abwesenheit lässt sich ja überhaupt wohl nicht verwirklichen. Technisch schwieriger, als die möglichst weitgehende Verdrängung des freien Sauerstoffes aus dem Luftraum des Reeipienten, war die Beseitigung des Absorbirten aus der zur Ausübung der Reize ver- wandten Flüssigkeit. Es kam deshalb stets nur eine möglichst geringe Menge in frisch ausgekochtem Zustande zur Verwendung, die im Glase eine grosse Oberfläche bei geringer Tiefe bildete, so dass für das Entweichen der Gase gut gesorgt war. Ich gab mich aber hiemit noch nicht zufrieden, sondern verwandte, auf den Vorschlag des Herrn Geheimrath Pfeffer hin, neben den übrigen Mitteln, die bedeutende sauerstoffabsorbirende Kraft gährender Hefe, um wo möglich die letzten Spuren dieses Gases zu beseitigen. Zu diesem Zwecke wurde zu dem !/ bis 1cm? der 2: 1000 Ammonphospatlösung ein gleiches Quantum 2: 100 Zuckerlösung und etwas mit Wasser abgewaschene Hefe zugesetzt, im Weiteren gleich behandelt und nach der letzten Evacuation einige Zeit gewartet, ehe das Blatt in die Flüssigkeit ge- y worfen wurde. Unterdessen wurde ausserdem der etwa noch im Blatte selbst vorhandene Sauerstoff durch die Athmung verbraucht. Bei diesen Versuchen wurde der Reeipient gewöhnlich nach derletzten Evacuation abgesperrt, ohne mit Wasserstoff gefülllt zu sein, da dieser trotz des Waschens mit alkalischer Lösung von Pyrogallussäure am Ende doch vielleich nicht absolut sauerstofffrei sein konnte. Nach Abschluss des Versuches konnte der Recipient unter Quecksilber ge- öffnet werden, das in ihm aufstieg, und das Volum der dabei sich bildenden Gasblase berechnet werden. Zur Absorption der von der llefe und dem Objecte ausgehauchten Kohlensäure liess ich vorher noch etwas Natronlauge aufsteigen. Ich fand das Volum der Gasblase in den geprüften Fällen zwischen 0,1—0,2°% des Gesammtvolums schwankend, meist nur wenig über 0,1%. Dadurch wurde der Beweis geliefert, dass die Evacuation noch weiter getrieben ‚werden konnte, als bei der schon mitgetheilten Berechnung angenommen wurde (denn 0,1 Volum °% entspricht ungefähr 0,75 mm Druck, 0,2 Volum °% also erst 1,5 nım). Ausserdem wurde durch das Quecksilber und die Natron- lauge, welche beide nicht luftfrei waren, eine kleine, das Volum der Gasblase vergrössernde Fehlerguelle eingeführt und zudem wurde sic noch durch den Zug der etwa 10 cm hohen Quecksilbersäule ver- grössert. Die Berechnung muss also eher zu grosse als zu kleine Werthe für die eventuell noch vorhandene Sauerstoffmenge geliefert haben. . Die zahlreichen, in dieser Weise mit oder ohne Verwendung von Hefe angestellten Versuche ergaben für die Mehrzahl der Blätter eine deutliche Reaction der Tentakeln, sobald nach Vollendung der Eva- cuation nicht zu lange mit dem Abwerfen der Versuchsobjeete in die Reizflüssigkeit gewartet wurde. Nach sechsstündiger Pause sah ich die Blätter noch reagiren, nach zwölfstündiger nicht mehr. Die Blätter waren dann dem Aussehen nach unverändert, der Uebergang in die Vacuumstarre vollzog sich also ohne merkliche Bewegungen. — Die Ausnahmefälle, in denen trotz nicht zu langem Warten keine Reaction eintrat, dürften sich ungezwungen durch zu geringe oder ganz fehlende Reizempfänglichkeit der Versuchsobjecte erklären. Weiss man doch seit Darwin, dass scheinbar ganz normale Blätter zuweilen aus einem inneren Grunde nicht reagiren. — Der Grad der Ein- krümmung der Tentakeln erwies sich bei ganz gleich behandelten Blättern als verschieden, ebenso wurden zuweilen nur einzelne Ten- takeln eines Blattes eingekrümmt. Solche individuellen Verschieden- heiten, nicht nur zwischen den Blättern unter sich, sondern auch 124 125 zwischen den 'Tentakeln ein und desselben Blattes, sind schon von anderen Versuchen her bekannt. In keinem Falle konnte ich an den Blättern, die deutlich reagirt hatten, nach sorgfältigem Abwaschen und Einlegen in reines Wasser ein Zurückgehen der Einkrümmung der Tentakeln beobachten, in ‚vielen Fällen waren die Blätter augenscheinlich tod, als sie aus dem tecipient herauskamen, in anderen starben sie bald ab. Wahrscheinlich dauerten die Versuche zu lange. Die directe Tödtung der Blätter ruft keine Bewegung der Tentakeln hervor, wie ich noch ausdrücklich bemerken will. Wir sehen also, dass die Droserablätter noch bei Anwesenheit so ge- ringer Sauerstoffmengen auf Reize zu reagiren vermögen, dass man dreist sagen darf, sie reagiren auch ohne Sauerstoff. Denn der Ge- halt hievon in Gefäss und Reizflüssigkeit war, wie wir sahen, auf ein Minimum herabgedrückt und der im Blatt zurückgehaltene Sauerstoff in den Fällen wenigstens, wo zwischen Vollendung der Evacuation und Einleitung der Reizung 4—6 Stunden verstrichen, wohl durch die Athmung verbraucht worden. Der Umstand, dass die Blätter bei noch längerem Verweilen im Vacuum starr wurden, erklärt sich leicht durch den direot schädigenden Einfluss des Sauerstoffmangels. Immerhin scheint es, dass die Reizempfänglichkeit etwas früher erlischt als die Fähigkeit, die Reaction auf den Reiz auszuführen; schliesslich müssen aber alle beide erlöschen; es werden ja selbst Processe, die ganz sicher von der Gegenwart freien Sauerstoffes unabhängig sind (intra- moleculare Athmung) im sauerstofffreien Raume endlich sistirt. Dass die Reizempfänglichkeit früher als andere Functionen er- lischt, scheint mir aus einigen Versuchen hervorzugehen, bei denen ich Blätter mit ausgekochtem Wasser sorgfältig injicirte, ohne sie dabei zu reizen. Nach längerem Aufenthalt unter Wasser wurden sie in Ammonphosphatlösungen und Peptonlösungen gebracht, ohne dass eine Reaction eintrat, wohl aber krümmten sich auch in reinem Wasser die Randtentakeln allmählich zurück, ein Beweis für die Fort- dauer ihres Wachsthumes. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass im sauerstofffreien Raume sowohl der chemische als der mechanische Reiz wirksam erscheint. Beachtenswert ist endlich noch, dass wir hier einen Fall vor uns haben, in welchem für kurze Zeit als Begleiterscheinung Wachsthum ohne Sauerstoff (oder mit ausserordentlich geringen Spuren, mit weit weniger als nach Wieler‘) das anspruchloseste Object, die Keim- 1) Wieler, Unters. &. d. bot. Inst. zu Tübingen Bd. 1 S. 202. 126 linge von Helianthus, brauchen) vor sich geht. Denn auf Wachs- thum beruht die Einkrümmung der Tentakeln. Dafür sprechen zwar schon die bekannten Messungen Batalins,t) der die Länge der Tentakeln nach der Ausgleichung einer Einkrümmung vergrössert fand; doch ist aus den mitgetheilten Zahlen die Grösse des Antheils, den das Wachsthum an der Bewegung hat, nicht ermittelbar, weil er ver- säumt hatte, zu bestimmen, ob die von ihm beobachtete Verlängerung zur Ausführung der Biegung genügte und ob nicht ein Theil der- selben (oder gar alles) auch ohne die Reizung zu Stande gekommen wäre. Denn er maass nicht das Wachsthum der Innen- und Aussen- seite getrennt, sondern das einer durch Marken abgegrenzten Strecke, (teren Lage am Tentakel er verschweigt. — Dass die Krümmung ganz allein durch Wachsthum ausgeführt wird, das geht aus Versuchen hervor, bei denen während der Ausführung der Bewegung der Turgor (durch heisses Wasser) aufgehoben wurde und wobei eine irgend merkliche Ausgleichungsbewegung (wie sie die Ranken z. B. so über- aus deutlich zeigen) niemals eintrat. Das hätte der Fall sein müssen, wenn die Bewegung auf einer nicht sofort durch Wachsthum) aus- geglichenen Turgoränderung oder einer Aenderung der Elasticität der Jellenmembranen bei gleichbleibendem Turgor beruhen würde. Im Uebrigen ist hier nicht der Platz, weiter auf die noch sehr dunkle Mechanik der Einkrümmung einzugehen. 8. Ranken. Ueber das Verhalten der Ranken bei vermindertem Partiärdruck des Sauerstoffes und im Vacuum liegen noch keine Angaben vor. Meine Versuche wurden theils mit Passiflora gracilis, theils mit verschiedenen Cucurbitaceen, vor allem mit Bryonia, Sieyos und Cyelanthera angestellt. Zur Verwendung kamen entweder ganze Zweigstücke mit den von ihnen getragenen Ranken, oder die Ranken (oder Rankenträger) wurden an der bekanntlich reizunempfäng- lichen Basis abgeschnitten. Die ÖObjecte kamen in kleine, gerade passende, mit dem nöthigen Wasser gefüllte Reagenzröhrchen, die in Gummistopfen gesteckt wurden. Als Recipienten dienten mir hohe, schmale Glasglocken von ca. 1500 em? Inhalt, oben mit ausgeschliffenem Tubulus, die mittels einer Mischung von Wachs und Fett auf fein 1) Batalin, in Flora 1877 S. 39 (Drosera longifolia). 2) Ob das Wachsthum im Speciellen auf wirklichem Wachsen oder einem Dehn- barerwerden der Zellmembranen (ohne EBlastieität) beruht, muss hier unentschieden bleiben. 127 abgeschlieffene Glasplatten luftdicht aufgesetzt und mit einem doppelt durchbohrten Kautschukstopfen verschlossen wurden. Eine Bohrung nahm die kleine, bei Gelegenheit der Besprechung der Versuche mit Mimosa bereits beschriebene Vorrichtung auf; der Messingdraht trug nun ein mit Kautschukringen befestigtes Holzstäbchen, dessen rauhe Oberfläche mir geeigneter erschien, als der glatte Draht, um die Ranken zu reizen. Das fast immer leicht gekrümmte Ranken- ende konnte stets bequem gerieben oder mit einiger Sorgfalt so an das etwas schräg geneigte Stäbchen herangebracht werden, dass die veizempfängliche Flanke mit ihm in dauernden Contact kam. Das Aufsetzen und Festdrücken der Glocke, sowie das Einschalten derselben in den ganzen Apparat (durch das T-Rohr der zweiten Bohrung des Kautschukstopfens), erforderte natürlich stets grosse Vor- sicht, um nicht vor Beginn der Evacuation die Ranke zufällig zu reizen. Um ganz sicher zu gehen, schob ich immer zwischen den Zeitpunkt, wo alles zum Experiment bereit war, und den Beginn des- selben eine Beobachtungszeit ein, während der eine vorgängige Reizung sich durch beginnende Einkrümmung verrathen musste, eine Vor- sichtsmaassregel, welche sich einige Male als nöthig erwies. Ein Vorversuch hatte ergeben, dass die grünen Ranken ganz energisch assimiliren.D Nun wäre freilich bei der geringen disponiblen Menge Kohlensäure (die ja bei der Evacuation gleichzeitig mit den übrigen Luftgasen entfernt wird) das in der Wasserstoffatmosphäre oder im Vacuum produeirte Quantum Sauerstoff als solches kaum zu berücksichtigen gewesen, wenn nicht der Ort der Entstehung, der ja mit der Consumstelle zusammenfiele, zur Vorsicht gemahnt hätte. Ich schloss daher bei meinen Versuchen zunächst das Licht aus, indem ich den ganzen Recipient mit einem schwarzen Tuch verhüllte, fand aber bald, dass diese Maassregel nicht gerade nöthig war. Es zeigte sich nämlich, dass die Assimilationsthätigkeit der Ranke nicht im Stande war, im luftverdünnten Raume ihr das zur Ausführung der Reizkrämmung oder der spontanen Einrollung nöthige Quantum Sauer- 1) Am Abend eines hellen Tages wurden Ranken von Bryonia (von einem im Freien stehenden Stocke) der Sachs'schen Jodprobe unterworfen. Sie wurden ganz schwarz. Vergleichsobjecte, die im Zusammenhang mit ihren Sprossen 12 Stunden lang (von Abend bis Moreen) im Finsteren geblieben waren, besassen fast keine Stärke mehr. — Im ersteren Falle hatten sich vor Allem die grünen, von einer spaltößfnungs- reichen Epidermis bedeckten Längsstreifen der Ranken am stärksten geschwärzt. Die Schliesszellen der Spaltöffnungen führen reichlich Stärke, sie functioniren höchst wahrscheinlich normal. 128 stoff zu liefern. Leider versäumte ich, festzustellen, ob daran der Sauerstoffmangel Schuld war, oder die beim Evacuiren eintretende Ver- minderung der Kohlensäure, oder ob endlich wirklich etwas Sauer- stoff produeirt wurde, derselbe jedoch nicht ausreichte oder ander- weitig verwendet wurde. Die Evacuation selbst wirkt nicht reizend und die beim nach- träglichen Einlassen von Wasserstoff nothwendigerweise eintretende Injection der Ranken musste nach den Erfahrungen von De Vries) die Reizbarkeit noch erhöhen. Zunächst war bei wiederholten Versuchen leicht zu constatiren, dass im möglichst sauerstofffreien Raume durch keine auch noch so lange dauernde Berührung mit dem Holzstäbchen oder dem Dralıte eine Reizbewegung sich hervorrufen liess, gleichgiltig, ob der Reeipient evacuirt geblieben oder mit Wasserstoff angefüllt worden war. War die Ranke vor der Evacuation gereizt worden, so schritt die Einrollung während derselben zunächst noch etwas weiter, hörte aber auf, sobald das Manometer einen hinreichend geringen Druck im Reeipient an- zeigte. Es trat also Vacuumstarre ein. Ein längerer Aufenthalt unter diesen anormalen Verhältnissen äusserte sich nach dem erneuerten Zutritt der atmosphärischen Luft noch fernerhin in einer Unempfindlichkeit für Reize, die um so länger anhielt, je länger der Aufenthalt im sauerstoffarmen Raume gedauert hatte oder je vollständiger der Sauerstoff verdrängt worden war. Dieser Starrezustand beschränkte sich jedoch augenscheinlich nicht bloss auf die Reizperception und die durch eine solche indueirte Krümmung, sondern hemmte auch die mit dem Alter eintretende hyponastische Einrollung. In der atmosphärischen Luft begann nämlich auch diese nicht sogleich wieder, erst nach einiger Zeit nahm die Ranke die durch die Evacuation unterbrochene Bewegung wieder auf und führte sie zu Ende. War eine Ranke im sauerstofffreien Reeipienten mit dem Holzstäb- chen gerieben worden oder längere Zeit hindurch in Contact mit ihm gewesen, so konnte ich nach erneuertem Luftzutritt keine Reizbe- wegung wahrnehmen. Dasselbe war auch der Fall, wenn der Reei- pient nicht sauerstofffrei, aber doch so arm an diesem Gase war, dass die Reizung in ihm selbst nieht deutlich wurde. Es gab also keine „Nachwirkung“. Das Einströmenlassen der Luft in den Reecipienten hatte sehr sorgfältig zu geschehen, ging es 1) Pfeffer, Pfäanzenphysiologie Bd. 2 S. 220. 129 zu rasch vor sich, so hatte es heftige Bewegungen der Ranken und dabei leicht ein Anschlagen an den vorher weggedrehten Reizapparat zur Folge. War das ganz vermieden worden, so zeigten die Ranken nie eine Einkrümmung; war es eingetreten, so liess die Spitze oft eine leichte Einkrümmung erkennen, die aber nie weiter schritt und sich später wieder ausglich. Ich stehe nicht an, diese Krümmung als Analogon jener Beugungen aufzufassen, die an geschüttelten Spross- gipfeln auftreten!) und sehe keine typische Reizbeweguüg darin.’ Sobald man wusste, dass die Reizbewegung gar nicht zu Stande kommt, liess sich übrigens das Ausbleiben der Nachwirkung aus ihren Wesen voraussagen, aus denselben, eigentlich selbverständlichenGründen, die ich später (8. 133) klarlegen will. Hier, wo, wie wir sehen werden, manches dafür spricht, dass die Reizempfänglichkeit bereits bei einer höheren Partiärpressung des Sauerstoffes erlischt als die von einem Reize inducirte Bewegung, war das Suchen nach einer Nachwirkung natürlich ganz umsonst. Will man deutliche Reizbewegungen erhalten, so muss der Sauer- stoffgehalt im Recipienten ein noch verhältnissmässig bedeutender sein. Der genauen Angabe des Druckes, bei dem die einzelnen Species noch reagiren, stehen auch hier, wie sonst immer, die individuellen Schwankungen hindernd im Wege. Immerhin erhellt aus meinen Versuchen, dass die untere Grenze für Passiflora gracilis bei 20 — 830 mm Quecksilberdruck liegt (gleich 3— 4% der anfänglichen Menge Sauerstoff), für Sicyos bei 22-—-33mm (gleich 3 — 443P)o), für Bryonia bei 20— 28mm, für Cyelanthera pedata endlich bei 15 — 24mm (2? — 3°). Die untere Grenze für das Einrollen, das spontane sowohl als das durch einen noch unter normalen Verhältnissen applieirten Reiz be- dingte, schien bei Sieyos, der einzigen in dieser Hinsicht unter- suchten Pflanze, tiefer zu liegen als die für die Reizperception. Wenigstens sah ich die Einrollung bei 15 mm Druck noch fortdauern, 1) Pfeffer, Pflanzenphysiologie Bd. 2 S. 23. 2) Pfeffer (Zur Kenntniss der Kontaktreize, Unters. a. d. bot. Inst. zu Tü- bingen Bd. 1 8.490) sah auf kräftige mechanische Erschütterungen hin ebenfalls wohl Krümmungen, die auf der „Plasticität‘‘ der Ranken beruhten, aber keine eigent- liche Reizbewegung eintreten, genau wie bei Bearbeitung mit einem Gelatinestäbchen. Für unseren Fall aber bleibt es sich offenbar ganz gleich, ob die Ranke in reizbarem Zustande durch einen nicht reizend wirkenden Körper (feuchte Gelatine) oder im reizunempfänglichen Zustande durch einen reizend wirkenden Gegenstand gebogen wird. Wenn die reizbare Ranke in gleicher Weise mit einem reizenden Körper be- handelt wird, verdeckt die Reizbewegung die „plastische Krümmung. Flora 1892. . 9 130 während vergleichende (aber an änderen Objeeten angestellte) Ver- suche das Erloschensein der Reizempfänglichkeit anzeigten. Wird sich diese Beobachtung bestätigen, so liegt hier der erste Fall vor, wo sich Reizempfänglichkeit und Ausführung der Reizbewegung ex- perimentell trennen lassen, und zwar in dem Sinne, dass diese weniger Sauerstoff braucht als jene. Eine „chemische Reizbarkeit“ der Ranken in dem Sinne, wie sie uns bei den Staubgefässen von Berberis, bei den Narben von Mimu- lus und den Blättern der Mimose entgegentrat, existirt meinen Erfah- rungen nach auch bei den reizbarsten Objeeten nicht, wenn nicht die sogleich zu besprechende Wirkung der Kohlensäure so aufzufassen ist. Das Verhalten der Ranken in einer an Kohlensäure reichen Atmosphäre bot in mehrfacher Hinsicht Interesse. In einem Gemische von 12° atmosphärischer Luft und 88° Kohlensäure wirkte nach kurzer Zeit die Berührung mit dem Holzstäbehen nicht mehr reizend; das Versuchsobjeet (Ranke von Sicyos) rollte sich später, von der Spitze an ganz allmählich spiralig ein, das Holzstäbehen, das in die erste gebildete Windung gesteckt wurde, wurde dabei nicht recht ergriffen. Wie weitere Beobachtungen zeigten, war diese Einrol- lung nicht etwa durch die vorhergehende Reizung bedingt worden. In einem Gemenge von 6° atmosphärischer Luft und 94% Kohlen- säure erfolgte zunächst, ohne Reizung durch das Stäbchen, eine Ein- rollung der Ranken, die aber bald aufhörtee Nach vierstündigem Verweilen im Recipienten an die atmosphärische Luft zurückgebracht, schienen die Ranken ihre Reizbarkeit dauernd eingebüsst zu haben. Sie wurden mit den im Beginn ihres Aufenthaltes in der Kohlensäure gebildeten Windungen um Holzstöckcehen gewickelt, statt dass sie diese aber zu ergreifen suchten, wickelten sie sich in den folgenden 18 Stunden ganz ab und erwiesen sich auch fernerhin für Contactreiz ganz unempfänglich. Schliesslich rollten sie sich spontan ein. — Das eigenthümliche Sicheinrollen der Ranken in der Kohlensäure- atmosphäre scheint für die Annahme eines von diesem Gase ausge- übten Reizes zu sprechen, besonders da die Einrollung wieder aus- geglichen werden kann. Sehr auffallend ist es ferner, dass der mechanische Reiz nicht mehr pereipirt werden konnte, als diese Be- wegung eintrat, das Gas also die Perception schneller lähmt als ‘die Reactionsfähigkeit. Einen Einblick in diese dunklen Vorgänge können nur weitere Untersuchungen geben. 181 d. Geotropismus. Wortmann!) theilte in seiner dem Studium der intramolecularen Athmung gewidmeten Arbeit beiläufig, mit, dass Keimlinge in der Toricelli’schen Leere keine geotropischen Krümmungen ausgeführt hätten. Später widmete er”) eine ausführlichere Untersuchung der Frage, ob der krümmungsfähige Pflanzentheil nach empfangenem Reize, schon vor Eintritt der sichtbaren Krümmung oder noch während der- selben, im sauerstofffreien Raume „aus dem labilen in den stabilen Gleichgewichtszustand übergeführt werde“, d. h. ob unter diesen Be- dingungen die Nachwirkung fortdauere oder sistirt werde. Bei einem Theil der Versuche wurde den bis zu eben beginnender geotropischer Krümmung horizontal gelegten, dann wieder senkrecht gestellten Keim- lingen zunächst noch ein geringes Quantum Sauerstoff gelassen: so lange dasselbe durch die Athmung noch nicht consumirt worden war, schritt die Bewegung wie das Wachsthum fort, um dann zu erlöschen, und nach Luftzutritt kehrte nur das Wachsthum zurück. Bei dem anderen “Theil der Versuche wurde der Sauerstoff sofort möglichst vollständig verdrängt, die Bewegung wurde dadurch, wie das Wachs- thum, sofort sistirt; nach dem erneuerten Luftzutritt wurde nur das Wachsthum (nicht die Bewegung) wieder aufgenommen. Ja es soll ein Aufenthalt von 10 Minuten im reinen Wasserstoffgas genügt haben, um die Nachwirkung vollständig zu vernichten. Schliesslich zeigte _ Wortmann nochmals, dass bei Sprossen, die im reinen Wasserstoff- gas Stunden lang horizontal gelegen hatten, nach ihrer Rückkehr in Luft wohl das Wachsthum wieder aufgenommen wurde, aber keine "Spur von Nachwirkung auftrat. Meine eigenen Versuche lieferten keine wesentlich verschiedenen Resultate. Als Versuchsobjecte verwandte ich etiolirte Keimlinge von Helianthus, Vieia Faba, Lepidium sativum und $Si- napis alba. Weithalsige Standgläser von 120 bis 250cm? Inhalt dienten als Recipienten. Sie wurden mit einem einfach durchbohrten Kautschukstopfen verschlossen; die Bohrung nahm das T-Rohr auf, dessen einer Arm mit der Pumpe und dem Wasserstoffapparat, dessen 1) Wortmann, Ueber die Beziehungen der intramolekularen zur normalen - Athmung der Pflanzen. Arbeiten des bot. Inst. in Würzburg Bd. 2 (1880) 8.569. Der Verfasser spricht dort nur vom Geotropismus und nicht auch vom Heliotropismus, wie man nach einem Passus der zweiten Abhandlung (Bot. Zıg. 1884 Sp. 706) meinen könnte. 2) Wortmann, Studien über geotropische Nachwirkungserscheinungen. Bot. Ztg. 1884 Sp. 705. gr 132 anderer mit dem Manometer in Verbindung gesetzt wurde. Die Ob- jecte kamen in kleine Reagenzgläser mit etwas Wasser und wurden durch Wattepfropfen ete. festgehalten. Die Samen von Sinapis und Lepidium liess ich direct auf dem Boden des Recipienten, auf einem Stück nassen Fliesspapieres, keimen. So kamen stets mehrere Ob- jeete gleichzeitig zur Verwendung und konnten die individuellen Schwankungen besser beurtheilt werden. Der Reecipient wurde zunächst vertical stehend (und verdunkelt) evacuirt, event. mehrmals mit jemaligem Auffüllen mit Wasserstoff, dann, mit diesem Gase gefüllt, abgesperrt und horizontal unter Wasser gelegt. Nach 6—12 Stunden wurde das Verhalten der Objecte unter- sucht. Um das Wachsthum bestimmen zu können, versah ich die Keimlinge mit Tuschmarken, deren Entfernungen nach beendigter Evacuation, bevor der Recipient horizontal gelegt wurde, und später bei der Contröle mit einem Horizontalmikroskop bestimmt wurden. Alle Objecte verhielten sich gleich. So lange sich noch Wachs- thum constatiren liess, so lange wurde auch noch die geotropische Krümmung ausgeführt, je intensiver das eine noch war, um so deut- licher fiel auch die andere aus. Da die Menge Sauerstoff, die noch das Wachsthum ermöglichte, für verschiedene Objecte (und auch für verschiedene Individuen derselben Species) verschieden war, so hörte auch bei dem einen Object die geotropische Krümmung früher auf als bei dem andern. Die Grenze lag bei Helianthuskeimlingen, den Versuchen Wieler’s über das Wachsthum derselben entsprechend, sehr tief — noch nach fünfmaliger Evacuation mit darauffolgendem - Einleiten von Wasserstoff erhielt ich merkliche Krümmungen —, Sina- pis alba dagegen reagirte erst bei einem Drucke von 30 bis 37,5 mm, also bei einem Sauerstoffgehalt von 4 bis 5 % der anfänglichen Menge. War im Reeipienten eine, wenn auch nur geringe, geotropische Krümmung des horizontalliegenden Keimlings eingetreten, so schritt sie nach der Rückkehr in die atmosphärische Luft weiter, auch wenn er aufgerichtet wurde. War sie dagegen schon vorher ausgeblieben, so zeigte sich keine Nachwirkung. Durch das Ausbleiben der Nachwirkung in dem Falle, dass der Keimling horizontal gelegen hatte, ohne wachsen und auf den geo- tropischen Reiz reagiren zu können, wird jedenfalls bewiesen, dass der Sauerstoff zur Ausführung der Krümmung und zur Erregung der Disposition dazu nöthig ist. Es berechtigt uns jedoch nicht dazu, dem Plasma die Fähigkeit abzusprechen, im sauerstofffreien Raume den geotropischen Reiz zu pereipiren. Was wir Nachwirkung nennen, 133 ist doch nur das durch den Geotropismus hervorgerufene ungleich- - mässige Wachsthum eines Sprosses — mag es nun bereits sichtbar geworden oder mag erst die Disposition dazu hergestellt worden sein —, das, einmal im Gange, die Einwirkung des Reizes über- _ dauert, also noch fortbesteht, wenn der Spross auch bereits wieder aufgerichtet ist. Hat aber während der Horizontallage des Sprosses dieses ungleichseitige Wachsthum nicht beginnen und auch nicht die Disposition dazu zu Stande kommen können, so kann es natürlich auch nach der Verticalstellung nicht fortdauern, wenn nun auch das Wachsthum wieder ermöglicht ist. Was die Vernichtung der indueirten Nachwirkung durch den Sauerstoffentzug anbetrifft, so habe ich etwas abweichende Resultate erhalten. Nach Wortmann soll sie bei Helianthuskeimlingen, die mehr als eine Stunde horizontal gelegen hatten, bereits durch Auspumpen und 10 Minuten langes Ueberleiten von Wasserstoffgas eintreten. — Dass die geotropische Induction durch den darauffolgenden Aufenthalt im sauerstofffreien Raume vernichtet werden kann, ist durchaus begreiflich. Die Veränderungen, die während desselben im Objecte vor sich gehen, auch wenn sie sich nicht, wie z. B. bei der Mimose, auch äusserlich als Starre zeigen, können sehr wohl die die Nachwirkung bedingende Configuration des Plasmas so zerstören, dass sie später, wenn das Object sich’ wieder erholt hat, ohne einen neuen Reiz nicht wieder zu Stande kommt. Ueberraschend ist nur die Schnelligkeit, mit der diese Vernichtung zu Stande kommen soll. Meine Wiederholungsversuche mit Keimlingen von Helianthus haben mir ein etwas abweichendes Resultat gegeben. Die Keimlinge wurden 1—2 Stunden lang in einer der weiten, auch für die Ver- suche mit den Staubgefässen von Berberis etc. als Recipienten be- nutzten Glasröhren auf nasses Filtrirpapier horizontal gelegt. Dann wurde der Apparat ausgepumpt, mit Wasserstoff aufgefüllt, das Mano- meterrohr aus dem Quecksilber heraus in das darüberstebende Wasser gezogen und ein ziemlich starker Gasstrom durchgeleitet. Später wurden die Keimlinge herausgenommen, aufrecht in kleine Gläschen gestellt, ver- dunkelt und die Veränderungen beobachtet, theils mit dem Horizontal- mikroskop, theils durch Visiren an zwei Glascapillaren vorbei, von denen die eine vor, die andere hinter dem Object senkrecht aufge- stellt worden war. — Auch wenn mehrere Stunden lang Wasserstoff- gas über die Versuchsobjecte geleitet worden war, konnte ich doch eine Wiederaufnahme der Nachwirkungsbewegung constatiren, sie fiel aber um so geringer aus, je länger das W asserstoffüberleiten gedauert hatte. 134 Da man mir den Einwand machen könnte, das von mir ver- wandte Gas sei nicht ganz sauerstofffrei gewesen, es sei daher beim Ueberleiten keine vollständige Sistirung der Krümmung eingetreten, so stellte ich weitere Versuche mit etiolirten Keimlingen von Lepi- dium und Sinapis an, weil diese, wie wir sahen, im Gegensatz zu lHTelianthus ganz beträchtliche Mengen Sauerstoff zum Wachsen und zur Ausführung der geotropischen Krümmung brauchen. Die Pflänzchen wurden, wie früher, direct auf dem Boden des Recipienten, auf etwas nassem Fliesspapier, erzogen. Wenn sie etwa 2—3cm hoch waren, wurden die Reeipienten verdunkelt, 1—2 Stunden lang horizontal gelegt, dann mit schwarzem Tuch umwickelt, mit einem Gummistopfen verschlossen und in senkrechter Lage durch ein T-Rohr mit der Luft- pumpe und dem Manometer in Verbindung gesetzt. Wenn sie möglichst vollständig evacuirt worden waren, wurde Wasserstoff eingeleitet und diese Procedur event. mehrfach wiederholt. Dann konnte das schwarze Tuch entfernt werden (denn nun war, wie wir bald sehen werden, eine heliotropische Beeinflussung nicht mehr möglich) und bestimmte Keimlinge durch das Horizontalmikroskop beobachtet werden. Die Nachwirkung stand sehr bald stille. Wurde dann nach einer halben oder ganzen Stunde Luft in den wieder verdunkelten Reeipienten ein- gelassen, so liess sich bald nicht nur der Wiederbeginn des Wachs- thumes, sondern auch der der Nachwirkung constatiren. Hatte der Aufenthalt mehr als zwei Stunden gedauert, so war sie schon sehr geringfügig. — Die Beobachtung geschah stets mit dem Horizontal- mikroskop bei etwa 20facher Vergrösserung. Es zeigt sich also ganz deutlich, dass die Nachwirkung durch den Sauerstoffentzug zunächst nur unterbrochen, nicht ganz vernichtet wird, so lange keine schädlichen Nebenwirkungen auftreten; dauert der Sauerstoffentzug lange genug, um eine ernstere Schädigung des Organismus im Gefolge zu haben, so wird sie vollkommen vernichtet. Dazwischen gibt es natürlich alle Uebergänge. Aehnliche Resultate lieferten mir auch Versuche mit Chloro- form. Keimlinge von Helianthus annuus, die in gewöhnlicher Weise in kleinen, mit Wasser gefüllten Reagenzröhrchen durch einen Wattepfropf festgesteckt worden waren, wurden etwa eine Stunde lang oder länger horizontal gelegt und dann in gleicher Lage in einer kleinen Cuvette befestigt. Nachdem mit dem Horizontalmikroskop constatirt worden war, dass die geotropische Aufkrümmung im Gange sei, wurde die Cuvette bis über die Keimlinge mit Chloroformwasser gefüllt, das durch Vermischen von 1 Theil durch Schütteln mit 135 Chloroform gesättigtem Wasser und 9 Theilen gewöhnlichem Wasser hergestellt worden war, also nur ausserordentlich geringe Mengen Chloroform enthielt. Eine Mischung von 1 Theil der gesättigten Lösung mit 4 Theilen Wasser hatte sich als dem Leben der Keim- linge zu gefährlich erwiesen. Die erste mit einer bestimmten Menge Chloroform, hergestellte Lösung wurde immer weggegossen und erst die zweite damit gewonnene verwandt. — Die geotropische Krümmung schritt zunächst noch weiter und wurde dann langsamer und lang- samer, um endlich vollkommen still zu stehen. Wurden die Keim- linge nun bald herausgenommen, sorgfältig abgewaschen und in neuen Röhrchen vertical gestellt, so zeigten sich Wachsthum und Nach- wirkung bald wieder. Liess man sie dagegen noch länger, z. B. noch mehr als eine halbe Stunde, in dem Chloroformwasser, so dauerte es viel länger, bis das Wachsthum wieder auftrat, eine Nachwirkung liess sich nicht mehr constatiren. Bei Verwendung der genannten Lösung kamen die Keimlinge stets mit dem Leben davon, nur wurde die Epidermis gebräunt. Sie waren auch am folgenden Tage geo- tropisch reizbar, wenn auch vielleicht manchmal etwas schwächer als zuvor. Es lässt sich also nicht nur das Wachsen und der Geotropismus selbst chloroformiren, die Narkose kann auch, je nach ihrer Stärke, die. geotropische Nachwirkung nur unterbrechen oder dauernd auf- heben, sie wirkt also genau wie der Sauerstoffentzug. Dadurch wird es auch sehr wahrscheinlich, dass dieser nur indirect wirkt. Ein Versuch mit Kohlensäure (die mit kohlensaurem Natron ge- waschen wurde) zeigte deutlich die specifischen Verschiedenheiten zwischen einzelnen Objecten. Zwei Keimlinge von Helianthus und einer von Lupinus wurden etwa 1, Stunden horizontal gelegt und dann zwei Stunden lang ein Kohlensäurestrom über sie geleitet, während sie in derselben Lage blieben; die Sonnenblumenkeimlinge zeigten nach der Rückkehr in atmosphärische Luft deutliche Nachwirkung, die Lupine gar keine. 10. Heliotropismus. Ueber das Verhalten von Keimlingen, welche im sauerstoffarmen Raume der Einwirkung einseitiger Beleuchtung ausgesetzt wurden, hat Wiesner!) einige Mittheilungen gemacht. Er fand, dass bei sämmtliehen untersuchen Objecten, sowohl die positiv als die negativ 1) Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen im Pflanzenreiche. I, Thl, S, 58 des S.-A. 136 heliotropischen Krümmungen ausblieben. Bei diesen Versuchen wurde einem abgesperrten Volum Luft der Sauerstoff durch den Athmungs- process von Keimlingen, zum Theil direct der Versuchsobjecte, zum Theil anderer Keimlinge und gequollener Samen, entzogen und die ge- bildete Kohlensäure durch Kalilauge absorbirt. Die Absorptions- röhren blieben so lange im Dunkeln, bis die Kalilauge ihren höchsten Stand erreicht hatte, dann wurden sie dem Lichte exponirt, die abge- wandte Seite war geschwärzt worden. Da es Wiesner nicht auf die Bestimmung des Sauerstoffquantum ankam, bei dem noch helio- tropische Krümmung eintritt, war die Versuchsanstellung auch hin. reichend fein. — Ausserdem wurde noch festgestellt, dass einerseits die in atmosphärischer Luft eingeleitete heliotropische Krümmung im verdunkelten, sauerstofffreien Recipienten nicht mehr fortschreitet und dass andererseits auch durch mehrstündige einseitige Beleuchtung bei den im sauerstofffreien Raume befindlichen Keimlingen kein Zustand herbeigeführt wird, der sich nach der Rückkehr ins Finstere und in die atmosphärische Luft als Nachwirkung äussern würde. Meine eigenen Versuche ergaben ganz entsprechende Resultate. Als Versuchsobjecete dienten etiolirte Keimlinge von Helianthus, Sinapis alba und Lepidium sativum; als Recipienten benutzte ich meist hohe, etwa 15cm? fassende Glasglocken, die vermittelst eines T-Rohres in den Apparat eingeschaltet wurden. Die eine Längs- hälfte der Innenfläche war mit nassem Fliesspapier belegt worden, auf welches noch ein schwarzes, mattes Papier kam. "Während der Evacuation wurde der ganze Recipient mit schwarzen Tüchern ver- dunkelt, war die gewünschte Atmosphäre hergestellt, so wurde er abgesperrt und mit der unbedeckten Seite gegen das Fenster gekehrt aufgestellt; durch schwarze Tücher wurde das von oben kommende Licht abgehalten. Im möglichst sauerstofffreien Raume führten die Keimlinge ins- gesammt keine Bewegungen aus. Sollte die heliotropische Krümmung merklich eintreten, so musste den Helianthuskeimlingen noch ca. 1° der ursprünglichen Menge Sauerstoff zu Gebot stehen (gleich 1,ömm Druck im Reeipienten). Sinapiskeimlinge brauchten sogar 6°%% der anfänglichen Sauerstoffmenge (gleich 45 mm Druck), um wenigstens zum Theil eine mit blossem Auge sichtbare Reaction aus- zuführen. Wir sehen also, dass die Anwesenheit von ziemlichen Mengen Sauerstoff nöthig ist, wenn die heliotropische Krümmung ein- treten soll. Desshalb konnte auch Wiesner trotz der kaum voll- ständigen Sauerstoffentziehung ihr Ausbleiben beobachten, 137 Wie wir vor Kurzem gesehen haben (8. 132), führen dieselben Objecte die geotropischen Krümmungen mit geringeren Mengen Sauer- stoff aus. So braucht Helianthus hiezu, wie für das Wachsthum, nur Spuren, Sinapis nur 4 (statt 6)% der ursprünglichen Menge dieses Gases. Das verschiedene Verhalten der Keimlinge gegenüber Heliotropismus und Geotropismus lässt sich besonders deutlich dann zeigen, wenn man beide Reize gleichzeitig auf dasselbe Object ein- wirken lässt und zwar in einer Atmosphäre, die so viel Sauerstoff enthält um wohl das Wachsen, aber nicht mehr genug, um die helio- tropische Krümmung zu gestatten. Für diese Versuche liess ich Kressesamen und Senfsamen auf dem Boden einiger, etwa 250 cm? fassender Kolbengläser, auf nassem Fliesspapier, unter Lichtabschluss keimen; die Pflänzechen wurden verwendet, wenn sie 1—2cm hoch waren. Nachdem in den Recipienten durch theilweises Auspumpen und Auffüllen mit Wasserstoff die gewünschte Atmosphäre von be- stimmtem, niedrigem Sauerstoffgehalt hergestellt worden war, wurden sie horizotal und parallel dem Fenster gelegt. Ausserdem wurde mit schwarzem Tuche möglichst für einseitigen Lichteinfall gesorgt. So behandelt, krümmten sich die etiolirten Keimlinge der Kresse mit 5% der ursprünglichen Menge Sauerstoff (gleich 22,5 mm Druck) unter lebhaftem Wachsthum sehr deutlich geotropisch, ohne die ge- ringste heliotropische Krümmung nach der Seite des Lichteinfalles hinaus zu führen (und ohne zu ergrünen). Die Keimlinge des Senfes verhielten sich gleich, brauchten aber etwas mehr Sauerstoff. — Da immer eine ganze Anzahl von Individuen gleichzeitig verwendet wurden und es sich ganz gleich blieb, in welche Richtung zu Beginn des Versuches die Cotyledonen schauten, so konnte die von Wiesner constatirte ungleiche Empfindlichkeit der verschiedenen Seiten des hypocotylen Gliedes keine Rolle spielen. Dieses ungleiche Verhalten gegenüber Heliotropismus und Geo- tropismus ist sehr eigenthümlich. Beide rufen durch Wachsthum aus- geführte Krümmungen hervor und man sollte erwarten, dass sich dasselbe nach der Stärke des einwirkenden Reizes auf die beiden Be- wegungen vertheilen würde. Der heliotropische Reiz ist aber zunächst immer der stärkere von den beiden, sobald sich eine heliotropische Krüm- mung wirklich zeigt. Wenn ein genau senkrecht stehender He- lianthuskeimling einseitig .beleuchtet wird, so ist zunächst die Wirkung des Geotropismus null. Sobald aber der Heliotropismus zu wirken anfängt und der Keimling sich krümmen will, so arbeitet der’ (Geotropismus dieser Krümmung entgegen und wird sie dennoch aus- 138 geführt, so ist er eben der schwächere, um so schwächer, je weit- gehender die Krümmung ausfällt. Man könnte geneigt sein, aus dem früheren Erlöschen der helio- tropischen Bewegung auf ein früheres Erlöschen der heliotropischen Reizbarkeit zu schliessen. Ein Beweis hiefür lässt sich jedoch nicht erbringen, denn das Ausbleiben einer Nachwirkung darf nicht als solcher angesehen werden, wie ich früher (8. 133) dargelegt habe. Dass die in atmosphärischer Luft eingeleitete heliotropische Krümmung im sauer- stofffreien Medium weitergeführt werden kann, ist schon dadurch in Vornherein unmöglich gemacht, dass sie auf Wachsthum beruht, also sistirt werden muss. Ebenso ist es nicht zu erwarten, dass ein im sauerstofffreien Raume einseitig beleuchtetes Pflänzchen nach seiner Rückkehr ins Dunkle und an die atmosphärische Luft Nachwirkung zeigt; es lehrt das dieselbe Ueberlegung, die ich bereits früher mitge- theilt habe. " Dagegen lag es nahe, zu versuchen, ob bei jenem Sauerstoffge- halt im Recipienten, der noch Wachsthum und geotropische Krümmung ermöglicht, die heliotropische Krümmung indueirt werden kann und ob bei ihm die in Luft indueirte Bewegung fortschreitet. Natürlich kann nur eines von beiden wirklich geschehen, sonst wäre kein Grund für das Ausbleiben der heliotropischen Bewegung selbst vorhanden. Die Versuche wurden mit etiolirten Keimlingen von Sinapis alba angestellt, die in gewohnter Weise auf nassgehaltenem Fliess- papier auf dem Boden der als Recipienten dienenden Gläser erzogen worden waren. Die gewünschte Atmosphäre wurde durch partielles Auspumpen und Auffüllen der Recipienten mit Wasserstoff hergestellt. Bei dem einen Theil der Versuche, der der Beantwortung der ersten Frage gewidmet war, wurde den Keimlingen in verdunkelten Reeci- pienten der Sauerstoff bis auf 4° der anfänglichen Menge entzogen und sie dann 1/2 — 2! Stunden lang den Strahlen einer hellen Gas- lamme ausgesetzt, ohne dass dabei eine heliotropische Krümmung zu Stande gekommen wäre, wie das ja auch nicht anders zu erwarten war. Dann wurde der Recipient verdunkelt und die Wasserstoff- atmosphäre dnrch Luft ersetzt. Es trat in keinem Falle eine Nach- wirkung ein, die sich bei etwa 20facher Vergrösserung hätte wahr- nehmen lassen, . Bei dem anderen Theil der Versuche, der die zweite Frage be- antworten sollte, wurden die Keimlinge 1V/s—2 Stunden lang durch "dieselbe Gasflamme beleuchtet, wobei eine mit blossem Auge deutlichst bemerkbare Krümmung zu Stande kam, Dann wurde dem mit Tüchern 139 verdunkelten Recipienten der ursprünglich vorhandene Sauerstoff bis auf 4°, entzogen und die weiteren Veränderungen mit dem Horizontal- mikroskop verfolgt. Es trat keine (oder eine fast unmerkliche) Nach- wirkung ein, dafür begann bald die durch den Geotropismus bedingte Ausgleichung der vorher entstandenen Krümmung, und legte man den Recipienten horizontal, so konnte sich nach mehreren Stunden in der- selben Atmosphäre eine schöne geotropische Aufkrümmung zeigen. Bei allen derartigen Versuchen ist es durchaus nöthig, mehrere Keimlinge gleichzeitig ins Auge zu fassen, um nicht durch ihre (mit dem Wachsthum fortdauernden) Nutationsbewegungen irre geleitet zu werden. Die leichte Krümmung eines Keimlings auf die Lichtquelle zu, die man bisweilen wahrzunehmen glaubt, beruht hierauf; unter- dessen krümmt sich ein anderer von ihr weg, und günstigen Falls kann man bei gleichbleibenden Beleuchtungsverhältnissen den schein- baren positiven Heliotropismus in scheinbaren negativen übergehen sehen. Dass die Nachwirkung in einer Atmosphäre unterbleibt, deren Sauerstoffgehalt noch die geotropische Krümmung ermöglicht, ist sehr beachtenswenth, denn es geht daraus hervor, dass die Ausführungs- weise der heliotropischen Krümmung eine andere ist als die der geo- tropischen, obwohl man beide als „Wachsthum“ bezeichnet. Wären sie beide gleich, so liesse sich ja kein Grund einsehen, wesshalb die heliotropische Nachwirkung bei einem Sauerstoffgehalt unterbleibt, bei dem die geotropische noch fortdauert. Da wir nun wohl mit Sicher- heit annehmen dürfen, dass das eigentliche Wachsen, das die Krümmung vermittelt, in beiden Fällen das gleiche ist und die heliotropische Nachwirkung sicher inducirt gewesen war, so bleibt nichts anderes übrig, als anzunehmen, dass sich zwischen die Herstellung der Dis- position für die Nachwirkung und die mechanische Ausführung der- selben durch das Wachsthum noch eine weitere, vermittelnde Phase einschiebt, ein Process, dessen directes Sauerstoffbedürfniss oder dessen besonders leichte indirecte Schädigung bei Herabsetzung des Sauer- stoffgehaltes im Recipienten die Ursache des Ausbleibens der Nach- wirkung ist. Es ist das ein Beweis für die in der Einleitung ausge- sprochene Ansicht von der sehr complieirten Natur der Reizvorgänge. Abhängigkeit einiger weiterer Functionen von der Gegenwart von freiem Sauerstoff. Ueber das Wachsen der Pflanzen bei vermindertem Partiär- druck des Sauerstoffes wurden in neuerer Zeit von A. Wieler!) um- 1) Wieler, Unters. a. d. bot. Inst. zu Tübingen Bd. 1 S. 189. 140 fassende Untersuchungen angestellt, welche ergaben, dass bei voll- kommenrer Entziehung des Sauerstoffes bald alles Wachsthum stille steht, dass aber die untere Grenze desselben für verschiedene Pflanzen verschieden tief liegt, dass die eine (Helianthus annuus) es noch mit den geringsten Spuren fristen kann, während die andere (Cucur- bita z. B.) viel bedeutendere Quantitäten braucht. Diese Versuche wurden mit Keimpflanzen angestellt und dabei beobachtet, dass der Aufenthalt in diesen wenig oder gar keinen Sauerstoff enthaltenden Atmosphären die Objecte in nicht zu langer Zeit (24 Stunden) tödten könne; wieder verhielten sich die verschiedenen Pflanzenarten ver- schieden. Während z. B. Helianthus selbst aus der möglichst sauerstofffreien Atmosphäre, wenigstens in einem Theil der Exemplare, unbeschädigt hervorging, starben Vicia Faba und Lupinus trotz der Anwesenheit von etwas mehr Sauererstoff ab und Ricinus ging sogar nach 48stündigem Verweilen bei 3mm Druck, (= 0,5% der anfänglichen Sauerstoffmenge) ein. Als ich das Wachsthum erwachsener Triebe der von Wieler als Keimlinge untersuchten Arten bei verminderter Partiär- pressung des Sauerstoffs prüfte, fand ich, dass dasselbe bereits bei einem höheren Drucke sistirt wird, als das der Keimlinge,') und dass die für die Versuche verwendeten, abgeschnittenen Schösslinge bereits in einer Atmosphäre zu Grunde gingen, in welcher die Keimpflanzen unbeschädigt blieben und wuchsen. So starben Triebe von He- lianthus annuus nach 24stündigem Aufenthalt unter einem Druck von 7,5 mm (gleich 1% der ursprünglichen Sauerstoffmenge) im Finstern ab und solche von Vieia Faba bei 15mm Druck (gleich 2% der ursprünglichen Menge Sauerstoff). — Durch das Auspumpen des Recipienten und das nachträgliche Auffüllen mit Wasserstoff musste eine Injection der Versuchsobjeete eintreten. Dieselbe konnte jedoch, eben so wenig wie der Aufenthalt im Finstern, die Ursache les Absterbens sein, denn ein abgeschnittener, injieirter Trieb von Vicia Faba hielt sich im Finstern vier Tage lang, so lange der Versuch dauerte, frisch. Im Allgemeinen stand meinen Versuchsobjecten ein geringeres Volum Atmosphäre zur Verfügung, als den Keimlingen bei den Ver- suchen Wieler’s, dafür war bei diesen die Individuenzahl und die Intensität der Athmung grösser. — Ein näheres Eingehen auf diese 1) Auf diese Weise erklärt sich wohl der von Wieler (a. a. O. 8.205) her- vorgehobene Widerspruch zwischen seinen Versuchsergebnissen und denjenigen P, B ert’s. 141 Verhältnisse, das über die Öonstatirung weiterer Thatsachen hinaus zu einer Erklärung des ursächlichen Zusammenhanges führen könnte, erforderte eine neue, in sich abgeschlossene Arbeit, die jenseits des Rahmens meiner Untersuchung lag. Erwähnen will ich nur noch, dass Samen von Vicia Faba, bei denen die Wurzeln einige Centi- meter lang waren, noch Luftverdünnungen ertrugen, welche Keim- pflanzen, deren Stengel ein paar Centimeter lang waren, verderblich wurden und dass gequollene Samen, die die Testa noch nicht ge- sprengt hatten, 48 Stunden lang in reinem Wasserstoff liegen konnten ohne Schaden zu erleiden, dass aber nach sechstägigem Verweilen in dem Gase die Keimkraft vernichtet schien. Das Maximum der Resistenz liegt also beim ruhenden Samen, das Minimum bei der erwachsenen Pflanze, wie das auch gar nicht anders zu erwarten ist. * * * Nach Wiesner?) ist zum Ergrünen etiolirter Keimpflanzen Sauerstoff nothwendig. Woher diese Angabe stammt, ist aus dem Texte nicht zu ersehen; da die Möglichkeit betont wird, der Sauer- stoff spiele am Ende nur eine secundäre Rolle, „insofern er zum normalen Gedeihen der Pflanze überhaupt nothwendig sei*, darf man am Einde vermuthen, diese vorausgesetzte Nothwendigkeit für alle Lebensvorgänge in der Pflanze habe die Annahme veranlasst. Weitere Litteratur über diesen Punkt wurde mir nicht bekannt. Zur Verwendung kamen etiolirte Keimlinge von Helianthus annuus, Sinapis alba und Lepidium sativum; die Versuche über den Heliotropismus lieferten nebenbei eine Anzahl von Daten. Als Recipienten dienten Standgläser, die Experimente wurden ganz gleich wie diese angestellt, es kamen mindestens 4, meist 6 Keimlinge gleichzeitig zur Verwendung, zugleich wurden Controlpflänzchen gleich lang den gleichen Beleuchtungsverhältnissen ausgesetzt. Im möglichst sauerstofffreien Raume kam bei keiner der er- wähnten Pflanzen auch nur der Anfang des Ergrünens zu Stande. Derselbe trat bei Helianthus bei 30mm Druck (also 4% der ursprünglichen Sauerstoffmenge) ein. Sinapis brauchte 37 mm (gleich 5° des ursprünglichen Sauerstoffquantums), Lepidium sogar 60 mm Druck (gleich 8% der ursprünglichen Sauerstoffmenge), wenn es zu beginnendem Ergrünen kommen sollte. Die erste Einwirkung des Lichtes, an einem Hellgelbwerden der zunächst dunkelgelben Co- tyledonen erkennbar, stellte sich bereits bei etwas niedrigerem Drucke 1) Wiesner, Die Entstehung des Chlorophylis S. 17. 142 ein. Damit aber innerhalb 24 Stunden eine schöne Grünfärbung her- vortrat, musste Helianthus noch 45mm Druck (gleich 6% der an- fänglichen Sauerstoffmenge) und Lepidium 75mm Druck (gleich 10 %) haben. Die Grösse der individuellen Schwankungen trat so recht deutlich bei einem Versuch hervor, in welchem ein ganzer Topf voll etiolirter Sinapiskeimlinge in einer noch 5° der ursprünglichen Sauerstoff- menge enthaltenden Atmosphäre acht Stunden lang dem Lichte ex- ponirt wurde. Einzelne Pflänzchen hatten hellgrüne Cotyledonen, andere noch ganz gelbe, die Mehrzahl bewegte sich zwischen diesen beiden Extremen. Eine Nachwirkung war nie zu erkennen, wenn die Pflanzen in der Wasserstoffatmosphäre dem Licht ausgesetzt worden waren und: dann zurück ins Finstere in atmosphärische Luft gebracht wurden. Wiesner (a. a.0.8. 87) hat eine solche Nachwirkung im Finstern gefunden, wenn er die Keimlinge in gewöhnlicher Luft so kurz ex- ponirt hatte, dass noch kein Ergrünen erfolgte; doch war sie so gering, dass er sie nur durch die empfindlichste Methode zum Nachweis des Chlorophylis, die Fluorescenz, entdecken konnte. Ich beschränkte mich stets, also auch hier, auf mit dem Auge direct wahrnehmbare Unterschiede in der Färbung. Wir sehen, dass zum Ergrünen viel Sauerstoff nöthig ist, so viel oder mehr als zur Ausführung der heliotropischen Krümmungen, über- haupt als für irgend einen der bisher untersuchten Vorgänge. Die Eigenschaft der Kohlensäure, das Ergrünen zu hemmen, die schon von Böhm!) angegeben wurde, konnte auch ich bestätigen. * x. * Durch die Versuche, welche Wortmann?) über die Stärkeum- wandlung in den Blättern angestelit hat, gewinnt die noch nieht exact geprüfte Frage, ob auch im sauerstofffreien Raume eine Translocation der Tags über in den assimilirenden Organen gebildeten Stärke oder wenigstens die Rückbildung in Glycose möglich sei, einiges Interesse. Ich sage „noch nicht exact geprüft“, denn die Versuche, welche Wortmann anstellte und bei denen die atmosphärische Luft durch einen Kohlensäurestroin verdrängt wurde, sind nicht streng beweisend; ı) Böhm, Ueber den Einfluss der Kohlensäure auf das Ergrünen der “ Pilanzen ete, Sitzb. d. k. k. Akad. d. Wiss. zu Wien LXVIII. Bd. (1873). 2) Wortmann, Ueber den Nachweis, das Vorkommen und die Bedeutung des diastatischen Enzyms in den Pilanzen. Bot. Ztg. 1890 Sp. 647. 143 die Kohlensäure wirkt ja nicht nur sauerstoffverdrängend, sondern auch direct lähmend ein, wie ja auch wir das mehrfach gefunden haben. Dabei braucht das Objeet. nicht gerade dauernd geschädigt zu werden. Ich stellte nur einige orientirende Versuche an. So wurden 2. B. Schösslinge von Impatiens Balsamina und Diclytra spec- tabilis am Abend eines hellen, warmen Tages im Freien abge- schnitten und einzelne Blätter der Sachs ’schen Jodprobe unterworfen. Von den Trieben selbst wurden die einen mit dem nöthigen Wasser in den Dünkelschrank gestellt, die anderen, ebenfalls mit etwas Wasser, unter die hohe, als Recipient dienende Glasglocke gebracht und die atmosphärische Luft fast vollständig durch Wasserstoff verdrängt (wahr- scheinlicher Rest 0,00034°%% der anfänglichen Menge), Dann wurde der Recipient abgesperrt und ebenfalls in den Dunkelschrank ge- stellt. Am folgenden Morgen wurden die Blätter von beiden Portionen ebenfalls der Sachs’schen Jodprobe unterworfen. Als ich nun die drei verschiedenen Portionen Blätter auf die Intensität ihrer Schwärzung verglich, da stellte sich zwischen den Abends getödteten Blättern und den Nachts über im Wasserstoff gewesenen, keine deutliche Differenz heraus; dagegen stachen die, die im Finsteren, sonst aber unter normalen Verhältnissen gewesen waren, von den andern durch ihre hellere Färbung ab. Die Triebe schienen wenig gelitten zu haben. Meine Versuche haben also ganz gleiche Resultate ergeben, wie die von Wortmann mit Kohlensäure angestellten (wobei die das Ausbleiben der Umwandlung und Auswanderung der Stärke be- dingende Ursache in beiden Fällen doch verschieden sein kann). Sie sprechen entschieden für Wortmann’s Ansicht. Denn Diastase wirkt ohne die Gegenwart des Sauerstoffes eben so gut, wie in derselben ;") wäre sie in den Blättern vorhanden, so sollte auch unter diesen anor- malen Verhältnissen eine Umwandlung der Stärke eintreten. Man kann nun freilich annehmen, die Umwandlung geschehe doch durch ein Ferment, das sich in sehr geringer Menge vorfinde, sich desshalb immer abnutze und immer wieder, vom lebenden Plasma aus, ersetzt werden müsse. Steht dann mit Eintritt der Vacuumstarre diese Fermentbildung des Plasmas still, so muss auch die diastatische “Wirkung bald sistirt werden. Eine solche Annahme, die nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen ist, zerstört natürlich die Beweis- kraft meiner Versuche, wie der Wortmann’s, vollkommen. Am 1) Pfeffer, Pflanzenphysiologie Bd.1 8. 379, 144 schwersten fällt der alte, auch von Wortmann ins Feld geführte Versuch ins Gewicht, ein stärkereiches Blatt Abends abzuschneiden und so mit Unterbrechung des Abfuhrweges auch die Umwandlung der Stärke zu unterbrechen. Allgemeinere Ergebnisse. Es ist leider nicht möglich, an der Hand der Resultate der vor- stehend mitgetheilten Versuche die Rolle des Sauerstoffes beim Zu- standekommen der Reizbewegungen auch nur einigermaassen erschöpfend zu erörtern, dazu ist das Material zu spärlich, zum Theil selbst noch nicht alle Thatsachen ganz gesichert und sind die übrigen Factoren, die für dieses Zustandekommen ebenfalls maassgebend sind, zu wenig bekannt. Immerhin ergeben sich bereits einige Anhaltspunkte für die Beurtheilung des Antheiles, den der Sauerstoff hieran nimmt. Zunächst können wir einmal aus unseren Ergebnissen die Folgerung ableiten, dass die verschiedenen Typen von Reizerscheinungen auch die Gegenwart verschieden grosser Mengen Sauerstoff zur Ausführung der ihnen eigenen Bewegungen beanspruchen. Denn wir sahen auf der einen Seite das Droserablatt noch bei so minimalen Spuren ılieses Gases reagiren, dass wir wohl dreist behaupten dürfen, es würde auch ohne ihn seine Tentakeln einkrümmen; auf der anderen Seite fanden wir z. B., dass die Ranken der Passionsblume noch 6°% der ursprünglichen Sauerstoffmenge erfordern, um auf Berührung mit einer Krümmung zu antworten. Dazwischen schoben sich, wenigstens für unsere Wahrnehmung, Zwischenstufen ein; für Mimosa z. B. musste ich es unentschieden lassen, ob Sauerstoff nöthig sei oder nicht. Die Ursache für diese Unterschiede im Verhalten liegt zum Theil gewiss in dem verschiedenen Sauerstoffbedürfniss der verschiedenen Pfilanzenspeeies, unabhängig vom Charakter der Reizbewegung. Hie- für liefert der Geotropismus besonders ecclatante Belege. Die einen Keimlinge (Helianthus) reagirten noch mit Spuren von Sauerstoff, die anderen (Sinapis) nur dann, wenn noch mehrere Procente vor- handen sind (8.182). Alle Unterschiede lassen sich jedoch nicht auf die specifischen Eigenthümlichkeiten der Pflanze, die als etwas den indivi- duellen Differenzen Entsprechendes aufgefasst werden dürfen, zurück- führen, sondern werden durch die verschieden grossen Anforderungen be- dingt, die die Reizperception oder Reaction stellt und die etwas für die bestimmte Reizwirkung Typisches sind. Einen vorzüglichen Beleg für diese Behauptung kann uns die Differenz im Verhalten von Geotropismus und Heliotropismus im luftverdünnten Raume am gleiehen Object. liefern, 145 dieser erfordert viel mehr Sauerstoff als jener (8.137). Jede Gruppe von Reizerscheinungen dürfte also in einer bestimmten Abhängigkeit von der Anwesenheit von freiem Sauerstoff stehen, in ihr mögen die einzelnen Objecte je nach ihren speeifischen und individuellen Eigen- schaften wieder verschiedene Anforderungen stellen. Wir haben in den einleitenden Bemerkungen den Vorgang der Reizung in zwei Phasen zerlegt, in die Perception des Reizes und die hiedurch ausgelöste Reaction, und dann die Forderung gestellt, für beide Processe müsse die Frage: ist der Sauerstoff zur Ausführung der Bewegung nöthig oder ‘nicht? getrennt gestellt werden (8. 93). Der specielle Theil der Untersuchung hat gezeigt, dass dieser Forderung, deren theoretische Berechtigung gewiss einleuchtet, zumeist unüber- windliche Schwierigkeiten entgegentreten, sobald die praktische Durch- führung in Frage kommt. Wir haben dennoch, wenn auch nur für einen Typus der Reizerscheinungen Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die beiden Phasen in der That neben einander als zwei von einander unabhängige Processe bestehen können, ich meine die eigen- thümliche Fähigkeit der Ranken, die Einrollung noch bei einem Sauer- stoffgehalte auszuführen, der für die Reizperception nicht mehr aus- reicht (8. 129). Man darf das Ausbleiben einer Nachwirkung unter normalen Verhältnissen, wenn das Öbjeet im Vacuum dem Reize ausgesetzt worden war, nicht als Beweis dafür anführen wollen, dass im Vacuum der Reiz nicht pereipirt worden sei. Wie wir bereits an anderer Stelle hervorgehoben haben (8. 132), kann sich eine Nachwirkung nur dann zeigen, wenn vorher die Reaction als Disposition oder schon als nach aussenhin sich bemerklichmachender Vorgang eingetreten war. Das Ausbleiben der Nachwirkung kann daher Verschiedenes an- zeigen: 1. es konnte im Vacuum weder der Reiz pereipirt, noch die Bewegung eingeleitet werden; 2. der Reiz wurde pereipirt, das Objeet hat aber die Reaction oder die Disposition dazu nicht ausführen können; 3. der Reiz konnte nicht pereipirt werden, obschon die Reaction aus- geführt werden konnte. In den meisten Fällen ist es noch nicht entschieden, ob zur Ausführung der Reizwirkung die Gegenwart des Sauerstoffes direct nöthig ist, ob er, um ein Gleichniss zu gebrauchen, selbst ein Räd- chen im Getriebe des Uhrwerkes, dem wir die Reizerscheinung Flora 1892, 10 146 in ihrer Gesammtheit vergleichen können, ausmacht, oder ob er in- direct eingreift, indem er, um bei dem Gleichniss zu bleiben, zur Herstellung oder Erhaltung eines oder verschiedener der Rädchen nöthig ist. Denn nur für einzelne Objecte lässt sich bereits jetzt mit einiger Bestimmtheit zwischen den beiden Möglichkeiten eine Ent- scheidung treffen und zwar dahin, dass der Sauerstoff nur indirect nöthig sei. Das sicherste Beispiel liefert gewiss das Droserablatt. Für andere Objecte existirt wenigstens die Möglichkeit, z. B. für Mimosa. Ja, wenn man diesen Unterschied zwischen directer und indirecter Nothwendigkeit der Anwesenheit freien Sauerstoffes macht, so ist wohl auch das Wachsthum in die Kategorie zu stellen, die ohne die directe Betheiligung fertig wird. Dafür spricht die genaue Parallelität, die zwischen der Anforderung an Sauerstoff für das Wachsthum und für die Erhaltung des Lebens innerhalb bestimmter Zeiträume besteht oder doch zu bestehen scheint (ist die eine sehr niedrig, so ist es auch die andere [Helianthuskeimlinge], ist die eine hoch, so ist es die andere ebenfalls), sowie der Umstand, dass das Wachsthum bei ganz minimalen Sauerstoffmengen noch lange fortdauert. Sem endlicher Stillstand ist gewiss nicht auf den Ver- brauch dieser Spuren zurückzuführen — wenn ein solcher wirklich stattfindet, was mir gar nicht bewiesen scheint. Wird der Sauerstoffentzug nicht gerade auf Augenblicke be- schränkt, so beeinflusst er die Pflanzen mehr oder weniger schädlich. Dauert er lange genug, so wird das Leben vernichtet; vorher tritt stets, verschieden rasch bei verschiedenen Objecten, ein abnormaler Zustand ein, der sich, bei merklich reizbaren Organen, dadurch be- merkbar macht, dass die Reizempfänglichkeit erloschen oder doch herabgesetzt ist, die Vaccuumstarre. Dass mit ihrem Eintritt wirklich Veränderungen im Organismus verbunden sind, geht daraus hervor, dass sie nicht sofort nach der Rückkehr in atmosphärische Luft wieder aufgehoben wird. Der Eintritt der Vacuumstarre ist oft mit charakterischen Stellungs- änderungen der reizbaren Organe verknüpft, die manchmal mehr das Aussehen eines typisch gereizten Objectes hervorbringen, manchmal sich nur wenig wenig von der reizempfänglichen Stellung entfernen. Im ersteren Falle sind sie doch oft deutlich verschieden (Mimosa). In der That lässt sich ja auch der Uebergang in die Starrestellung als eine Reizerscheinung im weiteren Sinne auffassen. Der Reiz wird 147 durch den Sauerstoffentzug "ausgelöst, aber nicht direct. Das geht aus dem Verhalten der Staubgefässe von Berberis hervor. Dort ‘wirkt die Verdrängung des Sauerstoffes in zwei Weisen, einmal direct, wobei die typische Reizbewegung, das Ueberschlagen der Filamente zum Stempel, ausgelöst wird, und dann indireet, indem sie die später eintretende, von der Reizstellung weit verschiedene Starrestellung her- vorruft. Voraussichtlich ist das, was ich, um ein handliches Wort zu haben, auch dann als „Vacuumstarre“ bezeichnen will, wenn es z. B. durch Ueberleiten von Wasserstoff hervorgerufen wurde, nicht ein Zustand, bedingt durch eine einzelne Aenderung im Organismus, sondern es besteht aus einer ganzen Reihe von Veränderungen und ist vom end- lichen Absterben gar nicht scharf getrennt, indem, je länger der Sauer- stoffentzug anhält, desto mehr Functionen direet oder indireet sistirt werden, bis das Leben erlischt. Das zeigt sich auch darin, dass .die Pflanze für die Wiedererholung um so längere Zeit, braucht, je länger der Aufenthalt im sauerstofffreien Raume gedauert hat. Solche Veränderungen werden natürlich nicht nur in den reiz- baren Pflanzenorganen, sondern auch in denen hervorgerufen, die im gewöhnlichen Sinne nicht reizbar sind. Auch hier tritt Vacuumstarre ein. Sie verräth sich durch die Erholungszeit, die nach längerem Auf- enthalt der Pflanze im Vacuum selbst die Processe nöthig haben, welche, wie die Kohlensäurezersetzung, von der Gegenwart des Sauer- stoffes unabhängig sind.) Es verdient noch hervorgehoben zu werden, dass die Vacuum- starre immer einige Zeit braucht, ehe sie bemerkbar wird. Es ist daher möglich, sie durch rasches Verdrängen der atmosphärischen Luft bei einem viel geringeren Sauerstoffrest eintreten zu schen, als bei langsamem Verdrängen (8. 111). Das Eintreten der Vacuumstarre bei reizbaren Organen (das sich ja oft durch eine eharakteristische Bewegung verräth) und das Auf- hören der Reizbarkeit fallen nicht immer zusammen. Die Mimose 7. B. ist, wenn die Blätter auch schon in der Starrestellung sich be- finden, zunächst noch reizbar, wenigstens durch starke Erschütterungen. Daraus geht evident hervor, dass das Erste, was bei verminderter Partiärpressung des Sauerstoffes erlischt, nieht die zur Ausführung einer Reizbewegung nöthigen Processe sind, zum Mindesten nicht die 1) Boussingault, Agronom., Chimie agricole ete. 1868 Bd. 4, p. 335 (eitirt nach Pfeffer, Physiologie Bd. 1 S. 380). ı 0* 148 Reizperception, dass die Stärre durch das Erlöschen anderer Func- tionen herbeigeführt wird und erst später auch jene ergriffen werden. Dieser Zeitpunkt lässt sich äusserlich nicht erkennen. — Es darf uns nicht stören, dass bei der vacuumstarren Mimose die Auslösung einer Bewegung nur mehr durch eine heftigere Erschütterung herbeige- führt werden kann, als unter normalen Verhältnissen, es wird das erklärlich durch die Nebenwirkungen des Sauerstoffentzuges. Und wie die Vacuumstarre hier hemmend wirkt, kann man sie sich eben so gut als eine deutliche Reaction ganz, auf die eine oder andere Weise, verhindernd vorstellen. Ein solcher Fall scheint z.B. bei Mi- mulus vorzuliegen. Hier gleicht die Vacuumstarre vollkommen der Reizstellung und es lässt sich daher eine Reizung gar nieht mehr versuchen und doch könnte die vacuumstarre, geschlossene Narbe noch reizempfänglich sein, ist sie es doch noch, so lange sie sich noch nicht ganz geschlossen hat und wird diese Schliessbewegung, wenn einmal bereits im Gange, durch einen Reiz beschleunigt. Während also auf der einen Seite manches dafür spricht, dass bei gewissen Objecten die Reizperception wenigstens nur indireet ab- hängig vom Sauerstoffgehalt des umgebenden Mediums ist, liegen auf der anderen Seite auch Andeutungen dafür vor, dass (natürlich bei anderen Objecten) die Reizperception beim Sauerstoffentzug früher erlischt, als die Reactionsfähigkeit. Die Vermuthung, dass die Per- ception überhaupt unabhängig von der Gegenwart freien Sauerstoffes sei, lässt sich also nicht für alle Objeete aufstellen. Ein tieferer Einblick, auf welche Weise der Sauerstoffentzug die Reizerscheinungen hemmt, fehlt mir. Mit dem Erlöschen der nor- malen Athmung geht für den Gesammtorganismus die Hauptkraft- quelle verloren, da die intramoleculare Athmung bekanntlich keinen genügenden Ersatz liefert. Man könnte die so verloren gehende Energie als Ursache anzusprechen geneigt sein. Ein Beweis wird sich schwer erbringen lassen. Ausserdem ist bereits wenigstens eine Reaction bekannt (bei Drosera), bei deren Zustandekommen diese Kraftquelle nicht nöthig ist; die Energie muss also auch auf anderem Wege ge- wonnen werden können. Wenn wir zunächst von den Anaerobien absehen, die ja die ver- schiedensten Functionen, alle, die sie zum Leben nöthig haben, ohne 149 Sauerstoff in freier Form ausführen können, und uns auf die höher organisirten Pflanzen beschränken, so gibt es einige Functionen, die ohne die Gegenwart freien Sauerstoffes ausgeführt werden können. Sie sind von Pfeffer im ersten Bande seiner „Pflanzenphysiologie“ (8. 378) zusammengestellt worden; lauter Vorgänge, die mit den dios- motischen Processen zusammenhängen: die Bildung der Plasmahaut selbst, die Plasmolyse, die Turgorsteigerung durch Wasseraufnahme, ' ferner, worauf mich Herr Geheimrath Pfeffer selbst gütigst auf- merksam machte, die Diosmose und Speicherung gewisser Stoffe, und die Kohlensäurezersetzung im Licht durch den Chlorophyllapparat. Darauf, dass diese auch ohne freien Sauerstoff vor sich gehen kann, beruht ja die bekannte Bacterienmethode Engelmann’s. Die Fortdauer der ersteren Phänomene hat wenig Auffälliges an sich, ja man darf sie gewiss als nicht einmal indirect von der Gegen- wart des Sauerstoffs abhängig auffassen, hat doch Pfeffer!) gezeigt, dass das Protoplasma sogar getödtet werden kann, ohne dass sich zunächst die diosmotischen Eigenschaften der Plasmamembran merk- lich ändern. Dass leichter Druck sie dann zeıreisst, könnte mit der Art der 'Tödtung (durch verdünnte Säuren) zusammenhängen und braucht keine nothwendige Folge derselben zu sein. Im Assimila- tionsprocess jedoch schen wir einen complieirten, strenge an das Leben geknüpften Process furtdauern, dafür aber ist er auch nur beschränkte Zeit und nur indireet vom Sauerstoff unabhängig; das lehrt die nach längerem Aufenthalt des Objeetes im Vacuum auch in atmosphärischer Luft herabgesetzte Kohlensäurezersetzung. An die Assimilationsthätig- keit schliesst sich die Reizbewegung der Droseratentakeln als ein eben so gut unabhängiger Process an; ob noch weitere der unter- suchten Objeete hierher gehören, muss zur Zeit unentschieden bleiben. 7 Verlassen wir nun für einen Augenblick die höheren Pflanzen und wenden uns zu den niedrigen Organismen, so finden wir dort be- kanntlich eine Reihe von Formen, die ohne die Gegenwart freien Sauerstoffes alle ihre Funetionen verrichten können (Anaerobien), und andere, die von der Gegenwart desselben vollkommen abhängig sind (Aerobien). Zwischen diese beiden Extreme hinein schieben sich jedenfalls Uebergangsglieder, indem etwa einige nur einzelne Func- tionen ohne Sauerstoff ausführen können, zu anderen ihn nothwendig brauchen (man denke an die nur bei Gegenwart von Sauerstoff schwär- 1) Pfeffer, Pfanzenphysiologie Bd. 1 S. 38. 150 menden Bacterien Engelmann’s), und andere, deren in Gegenwart dieses Gases begonnene Thätigkeit nach dem) Sauerstoffentzug eine Zeit lang fortdauern kann, ein Verhalten, das bereits an die He- lianthuskeimlinge erinnert. Es liegen aber auch Thatsachen vor, welche dafür sprechen, dass event. nur unter bestimmten Ernährungs- verhältnissen Anaerobiose zu Wege kommen kann, unter anderen die . Organismen den Sauerstoff nöthig haben. Aehnlich könnte es auch bei den Phanerogamen sein und es könnten sich event. bei gewissen Objecten äussere Bedingungen herstellen lassen, unter denen auch hier bei Sauerstoffabschluss wenigstens gewisse Functionen fortdauern. Hier, wo ich die Hauptergebnisse meiner Untersuchungen über das Verhalten der reizbaren Pflanzenorgane bei geringen Sauerstoff- mengen mitgetheilt habe, verdienen einige nebenbei erhaltene Ergeb- nisse nochmals aufgezählt zu werden. Da einzelne falsche Angaben von Kabsch über das Verhalten reizbarer Organe in gewissen Gasen bis in die neueste Zeit hinein in der. Litteratur mitgeschleppt werden, so ist es vielleicht nicht unan- gebracht, zunächst zwei derselben hier zu corrigiren. Der reine Sauerstoff sistirt die Reizbarkeit der Staubgefässe von Berberis und der Narben von Mimulus nicht, wirkt auch nicht tödtlich ein; die gesteigerte Dichte ist also hier eben so wenig von merklichem Einfluss wie bei anderen in neuerer Zeit untersuchten ähnlichen Fällen. Das Stickoxydul ist nach meinen, ebenfalls mit Staubgefässen von Berberis gemachten Erfahrungen ein vollkonmen indifferentes Gas. So wenig es die Athmung der höheren Pflanzen unterhalten kann,D wie das erst in neuester Zeit festgestellt wurde, so wenig kann es direct oder indirect den reizbaren Organen den nöthigen Sauer- stoff liefern. Dagegen wäre es immerhin möglich, dass es doch nied- rigc Organismen gäbe, die energisch genug arbeiten könnten, um die bekanntlich immerhin lockere Bindung zwischen Sauerstoff und Stickstoff zu zerreissen. Die Bacterien bringen ja so vielerlei zu Stande, dass eine derartige weitere Leistung uns eigentlich wenig in Erstaunen zu setzen brauchte, falls sie wirklich stattfände. Dann möchte ich noch einmal auf die „chemische Reizbarkeit“ verschiedener typisch an mechanische Reize angepasster Objecte hin- 1) Vgl. darüber Detmer, Landw. Jahrb. 1882 8.213. — Möller, Berichte der deutschen bot. Ges. 1884 S. 35, 151 weisen. Sie wurde bereits von Kabsch bei einigen derselben be- obachtet und hat im Grunde genommen eigentlich eben so wenig etwas Sonderbares auf sich, als die „mechanische Reizbarkeit“ verschiedener typisch an chemische Reize angepasster Objeete, wie es die Drosera- blätter sind. Trotzdem bilden die Carnivorenblätter noch immer die einzigen Beispiele chemischer Reizbarkeit von Organen höherer Pflan- zen.‘) Wenn man aber berücksichtigt, dass das nämliche Objeet mehr- mals hintereinander auf die chemische Einwirkung mit der typischen Reizbewegung antworten kann, so liegt meines Erachtens kein Grund vor, ihm dieselbe abzusprechen. Etwas anderes wäre es freilich, wenn man die einmalige mit Tödtung des Objectes verbundene Bewegung, wie sie Salzsäuredampf z. B. bewirken kann, auch als chemische Rei- zung auffassen wollte, denn hier bewirkt offenbar die Turgorauf- hebung durch das Absterben die Bewegung. Als „chemisch reizbare* Öbjeete stellten sich heraus: Mimosa, die Staubgefässe von Ber- beris und die Narben von Mimulus für Ammoniakdämpfe, auf welche die Cynareenstaubgefässe dagegen und selbst die reizbarsten Ranken nicht reagirten. Als chemischer Eingriff muss wohl auch der eigenthümliche, schon von Kabsch beobachtete, aber falsch gedeutete Reiz aufge- fasst werdea, der bei den Staubgefässen von Berberis und He- lianthemum (8.101. f., 8.110) und möglicherweise auch bei den Narben von Mimulus beim Auspumpen, d. h. durch die Herabmin- derung des Sauerstoffgehaltes im Reeipienten, zu Stande kommt. Es kann nur im ersten Augenblicke etwas paradox erscheinen, dass der ja unter normalen Verhältnissen das Object immer umgebende Sauer- Stoff auf einmal reizend wirken soll; er wirkt eben nieht an und für sich reizend, sondern das thut die Variation der gebotenen Menge. Ein genau entsprechendes Verhalten zeigt Mimosa, wo wir bekannt- Jich durch Beschatten, also durch Variation der gebotenen Lichtmenge, eine typische Reizbewegung auslösen können. Dem Principe nach gleich verhalten sich ja auch nach Pfeffer’s Untersuchungen die Samenfäden der Farne, wenn sie z. B., in verdünnter Apfelsäure schwiımmend, durch concentrirtere gereizt werden. 1) Pfeffer, Pflanzenpbysiologie Bd.2 S. 249. In der Untersuchung „Loco- motorische Richtungsbewegungen auf chemische Reize‘ hat dann Pfeffer eine ganze Reihe solcher Erscheinungen für niedrigere Organismen beschrieben und auf die Mög- lichkeit des Vorkommens chemischer Reize bei den Phanerogamen hingewiesen. Unter- such, a. d. bot. Inst, zu Tübingen Bd.1 8.468 u. f£. Litteratur. A. Osw. Kihlman, Pflanzenbiologische Studien aus Russisch-Lappland. Ein Beitrag zur Kenntniss der regionalen Gliederung an der polaren Waldgrenze. Helsingfors 1890. 8%. 263 pag. nebst 24 pag. Bei- lagen, 14 Tafeln in Lichtdruck und einer Karte. Aus den Aetis Societatis pro Fauna et Flora Fennica T. VI. Nr. 3 abgedruckt. Der reiche Inhalt dieser interessanten und für die Kenntniss des Pflanzenlebens im hohen Norden wichtigen Arbeit vertheilt sich in neun Abschnitten (Kapiteln). Wir werden suchen, einiges davon auszugsweise hier mitzutheilen, soweit nämlich dies innerhalb eines beschränkten Raumes thunlich ist. T. Orographie und Geologie des Gebietes. Die Halbinsel Kola (Russisch- Lappland) liegt zwischen 660 3’ und 69° 23° n. Br. und hat ein Areal von etwa 96,000 qkm. Nur im westlichsten Gebiete finden sich hohe Gebirge, imposante Massiven, Umptek oder Chibinä und Lujawr-Urt genannt, deren höchste Elevation auf 1200-1300 m geschätzt wird. Die ganze übrige Halbinsel kann als eine undu- lirte Hochebene betrachtet werden; im westlichen Theile sind doch einige Höhen von 200—400—600 m zu bemerken; im üstlichen Theile sind die Höhen unbe- deutend und betragen nieht über 100m, nur in dem östlichsten Theil findet sich ein bedeutenderer (190 m) Höhenzug, }Schuur-urt“, welcher die Wasserscheide zwischen zwei Fluss-Systemen bildet. . Der Charakter der Küste ist auf der Nord- und Südseite der Halbinsel sehr verschieden; das Eismeergestade ist nämlich eine direkte Fortsetzung der hohen nor- wegischen Felsenküste, die Südküste aber hat fast in ihrer ganzen Lünge und mit sehr wenigen Ausnahmen einen seichten, niedrigen, sandigen Strand, von welchem in einer wechselnden Entfernung von wenigen Schritten an bis anderthalb Kilometer der 15—20 m hohe, bald sandige, bald lehmige Abhang des Strandwalles sich plötzlich erhebt. Hinter diesem steigt das von Morästen und Flüssen verschiedener Grösse gefüllte Land allmählich nach dem Innern, welches, wie der grösste Theil von Finn- land, aus einem Grundgebirge besteht, auf dessen abradirte und corrodirte Ober- fläche die jungen Bildungen der Eiszeit unmittelbar ausgebreitet worden sind. Das Grundgebirge zeigt eine völlige Uebereinstimmung seiner verschiedenen Gesteine mit denen in Finnland und Skandinavien. Für Torfbildung sind die Bedingungen im Gebiete zum Theil sehr günstig. Die organischen Zersetzungsprocesse werden während des kurzen und kalten Sommers in hohem Grade verlangsamt, und man sieht daher abgestorbene Pflanzentheile von zartestem Bau ungewöhnlich lange in fast unversehrtem Zustande beibehalten. Auch an sehr trockenen Standorten kann darum fast jede Pflanze nach Maass ihres Wachs- thumes zur Torfbildung beitragen, wenn auch nur wenige in solcher Menge auftreten, dass sie dem Bildungsprodukt ein abweichendes Gepräge aufdrücken können, Unter 153 den Phanerogamen des Gebietes nennt Verf, nur Empetrum als eine Pflanze, die allein für sich eine Art von Torfbildung veranlasst. Dies reine Empetrum-Torf hat eine sehr geringe Verbreitung und Verf. hat denselben nur dicht; an der Küste gefunden. Die übrigen Torfarten werden überwiegend von Moosen gebildet, und man kann drei Hauptformen davon unterscheiden, je nachdem Dieranum-Arten, echte Torfmoose (Sphagna) oder ein Gemisch von mehreren Laubmoosen, Flechten und Reisern als Hauptbildner auftreten. Unter den Moos-Torfarten ist die von Sphagnum gebildete ohne Vergleich die nach Masse und Häufigkeit ihres Vorkommens bedeutendste. Am besten entwickelt ist sie im Waldgebiete, wo Sphagnum fuscum oft ‚mehrere Kilometer weit die Fauptmasse der lebenden Pflanzendecke ausmacht. Hinsichtlich der Einschlüsse und Beimischungen des Sphagnum-Torfes dürften im Vergleich mit südlicheren skandinavischen Mooren keine wesentliche Eigenthümlich- keit bestehen; einige der gewöhnlichsten Reiser und Cyperaceen, mehrere Laub- und Lebermoose, bilden die Hauptmasse derselben. Unter den torfbildenden Dieranum-Arten ist in unserem Gebiete Dicra- num elongatum die wichtigste (andere wie D. tenuinerve, D. scoparium, weniger); sie ist am reichlichsten in den Küstengegenden des Nordens verbreitet, im Binnenlande wohl auch, aber nicht entfernt so reichlich wie an der Küste. Häufig überlagert das Dieranum den Sphagnum-Torf oder die von Reisern durchwebte, unterste Bodenschicht; oft findet man auch direkt unter demselben die Moräne. Seine Dicke ist gewöhnlich viel kleiner als die des Sphagnum-Torfes; bei Orlow fand Verf. ein Maximum von etwa 5 dm. Noch viel schmächtiger als der Dieranum-Torf ist die torfige Erdschicht, die wir an den hochgelegenen, windoffenen Plateaus in der Nähe der Nordküste finden. Sie wird oft aus sehr zahlreichen Pflanzenarten aufgebaut; auf einem ganz beschränkten Raum bei Orlow fand Verf. deren 56, die Hauptmasse von 9 Reisern (Betula nana, Empetrum, Arctostaphylos alpina etc.) und verschiedenen Flechten gebildet; das ganze wurde durch zahlreiche Moose zu einem festen Filz verbunden, der eine Dicke von einigen Centimetern bis 1—2 dm hatte, Ueber einen grossen ‘Theil der Halbinsel verbreitet findet man Gruppen gewal- tiger Torfhügel von rundlicher, länglicher oder unregelmässig gelappter Gestalt; die Höhe derselben wechselt sehr, erreicht gewöhnlich 2—3m mitunter auch 4m, und zeigt andererseits alle Abstufungen bis zu den niedrigen noch fortwachsenden Hümpeln der Hochmoore. In horizontaler Richtung sind ihre Dimensionen ebenso schwankend nd wechseln von meterbreiten gerundeten Flächen oder gratenförmigen Rücken zu ausgedehnten, 20-—-30 Schritt breiten, Plateaus. Die Oberfläche ist abgeplattet, fast immer gefurcht und runzelig aus unregelmässigen, 1—2dm tiefen Unebenheiten; grosse Flecken derselben besiehen aus nacktem Sphagnum-Torf, sonst ist sie mit einer rissigen, spröden Flechtenkruste bedeckt, welche nur von spärlichen Reisern durchwachsen ist. Die steil abfallenden oder stark geneigten Seiten (genannter Torfhügel) sind hingegen mit kräftigen Reisern (oben Ledum und Empetrum, unten vor allem Betula nana) bewachsen, zwischen denen die Moltebeere eine sonst kaum gesehene Grösse erreicht und auch die Strauchflechten (Cladonia etc.) es gar oft zu einem üppigen Wachsthum bringen. 1I. Uebersicht der wichtigsten klimatischen Elemente. In diesem Abschnitt werden besprochen: a) Temperatur der Luft, b) Winde, e) Feuchtigkeit und Bewölkung, d) Niederschläge, e) Meereis und Temperatur des Meeres, f) Eis- boden, g) Temperatur des süssen Wassers. Interessirt also hauptsächlich nur den Meteorologen und wird deswegen hier nicht weiter erwähnt. 154 III. Die Baumgrenze und die Winde. Russisch-Lappland gliedert sich hinsichtlich des wichtigsten pflanzen-physiognomischen Momentes, der Verbreitung des Waldes, in zwei ungleich grosse Hauptgebiete: die baumlose „Tundra‘ längs der Nordküste (und auf den Gebirgshöhen) und das Waldgebiet, welches letztere den südlichen und grössten T’heil der Halbinsel umfasst. Im Allgemeinen ist der Wald gegen die Tundra ziemlich scharf abgegrenzt; in den Thalsenkungen und an sonst geschützten Orten finden sich jedoch Inseln und hervorstehende Zungen von Birken- und Weidengebüsch, welche die offene Tundra hin und wieder unterbrechen. Verf. besprieht nun weiter eingehend die Bedingungen des Baumwuchses an der Waldgrenze und die Momente, die das Auftreten desselben bedingen, wobei die bemmenden Einflüsse allzu starker Winde auf das Baumleben überhaupt bekannt sind. Betrachtet werden infolge hiemit einige Baum- und Strauchformen, die als charakteristisch für windoffene Localitäten in Russisch-Lappland angesehen werden können. Als extremsten Fall kann man die Bildung von Matten registriren, welche nur die Höhe des umgebenden Flechten- und Reiserfilzes erreichen, die aber im Horizontalplan mitunter recht ansehnliche Dimensionen erlangen. Besonders schön kann die leicht wurzelnde Fichte in dieser Wuchsform auftreten; längs dem Tundra, saum bei Orlow sah Verf, Fichten von bis 5m Länge, deren dünne, steile Zweige in dem Flechtenfilz umherkrochen. Die Breite war oft kaum 1/,, der Länge, sämmt- liche Astspitzen gegen SE gekehrt und die Wachsthumsrichtung also der herrschen- den Windrichtung parallel. Auf mässig geschützten, mit Geröll bedeckten Böschungen bei Orlow bildet auch der Wachholder 2-3 m breite, reichlich fruetifieirende Matten, die jedoch adven- tive Wurzeln kaum ausbilden und daher leicht von der Unterlage abzuheben sind. — Auch die Birke wächst vielfach auf den Küstenplateaus in der dem Boden angeschmieg- ten Spalierform; die Zweige bewurzeln sich leicht, können aber ohnedies eine Länge von wenigstens 2,5 m erreichen; sie sind immer steril. Verfolgt man die Entwickelung des Wachholders, wie sie in der oberen Waldregion oder in der inneren Tundra verläuft, so findet man, dass die Spitze des geraden Stammes regelmässig abstirbt, sobald sie eine gewisse, etwas variable, Höhe über dem Boden erreicht hat. Die Seitenzweige wachsen dagegen schief aufwärts oder fast horizontal weiter, bis ihre Spitzen in der einmal gegebenen, verhängnissvollen Höhe ebenfalls absterben. Hiedurch kommt ein niedriges, tischähnliches Bäumchen zu Stande, dessen dichte, schirmförmige Krone ein Diameter von 3—4m erreicht, und dessen centraler, eylindrischer Stamm bei einem Alter von 300-400 Jahren einen Durchmesser von mehr als 30 cm haben kann. Die Höhe des ganzen Gebildes beträgt durchschnittlich etwa lm, kann aber hin und wieder beinahe 2m erreichen. Die Linie, oberhalb welcher alle Zweige zu Grunde gehen, wird durch die durch- schnittliche Höhe der Schneedecke zu Anfang der Schmelze bedingt. An exponirten Stellen bildet die Rothtanne (Fichte) ganz analoge Strauch- formen, nur bekommen diese durch das fast unbegrenzte Wachsthum der wurzel- schlagenden untersten Zweige eine viel grössere Ausdehnung; Verf. hat polsterförmige fast meterhohe Rasen von mehr als 8m Durchmesser gesehen, die unzweifelhaft einem einzigen Wurzelstock entsprossen waren; auch gewinnt der ursprüngliche Stamm gar nicht dieselbe dominirende Bedeutuug wie beim Wachholder. Da ferner die Fichte des Schutzes der Schneedecke weniger bedarf als der Wachholder, so ist die Oberfläche des „Tisches“ auch in den ungünstigsten Lagen meistens mit 155 kürzeren oder längeren Zweigstacheln und Büscheln besetzt, die eben so viele Ver- suche, die kritische Schneelinie zu passiren, darstellen. Auch die Birke bildet tisch- oder heckenförmig geschorene Sträucher, die, der massenhaften Verbreitung dieser Baumart ausserhalb der Waldgrenze gemäss, noch allgemeiner als die beiden vorhergehenden und für die innere Tundra-Landschaft geradezu charakteristisch sind. Gewöhnlich besteht ein solcher Birkenstrauch aus einem Büschel divergirender, relativ zarter Zweige, die aus einer gemeinsamen Wurzel hervorsprossen und oben in der vorher bezeichneten Höhe wie scharf beschnitten und stark verästelt sind. Die Zweige erheben sich aus einem kleinen Hümpel, der sich aus vermoderten Aststrünken, Wurzeln und Humusabfall zusammensetzt und von dem hohen Alter des anscheinend jugendlichen Strauches berichtet. In der Mitte zwischen Wachholder und Birke in Bezug auf Windschutz steht die Eberesche. Im geschlossenen Walde gedeiht sie ohne Bedeckung fast eben so gut wie die Birke, aber in offener Lage steht sie dem Wachholder an Empfind- lichkeit kaum nach. Dabei zeigt der vom Schnee geschützte Theil ein üppiges Wachsthum und bildet dichtlaubige, beschnittene Sträuche von ähnlichem Bau wie die Birke. So erreicht die Eberesche in den Wäldern bei Siejtjawr eine Höhe von 5—6m, aber unter den lichten Birkenbeständen an den Ufern von Lujawr ist sie nicht mehr als 10—12 dm hoch. Nur als seltene Ausnahme findet man in Russisch-Lappland die Kiefer als Knieholz; das einzige dem Verf. bekannte Beispiel waren einzelne 5—8dm hohe Sträucher, die an den östlichen Gehängen von Lujawr-Urt in der oberen Waldregion beobachtet wurden. Das kriechende, nicht bewurzelte Astwerk hatte einen Durch- messer von bis 1,5m und die obere Hälfte desselben war meistens abgestorben. Verf. bemerkt nachher, dass ähnliche Baumkrüppel, wie die hier geschilderten, auch ausserhalb des Gebietes vorkommen. So findet man an den äussersteu Felsen- inseln der finnischen Südküste dichtästige Teppiche von Fichten oder Wachholdern, die sich dem steinigen Untergrunde eng anschmiegen oder den Absatz auf der Lee- seite eines grossen Steines oder eines Felsenvorsprunges ausfüllen. Weiterhin wird ausführlich (mit Berücksichtigung verschiedener Meinungen) der Effekt der Wind- wirkung in allen diesen Fällen besprochen. Verf. ist der Meinung, dass die Ver- dunstung der bedeutendste Factor ist, der im Norden das Baumleben gewaltsam zurückdrängt, d. h. „hauptsächlich die, Monate lang dauernde, ununterbrochene Aus- trocknung der jungen Triebe zu einer Jahreszeit, die jede Ersetzung des verdunsteten Wassers unmöglich macht“. Da die Wurzeln und Basalpartien der Zweige während 6—8 Monate hart gefroren bleiben, so ist die Ersetzung des Verlorenen auf dem gewöhnlichen Wege von unten her abgeschnitten und alle Bedingungen für eine starke Verminderung des Wassergehaltes, event. für ein vollständiges Vertrocknen, sind damit gegeben. Dass eine Erhöhung der Windgeschwindigkeit eine Beschleunigung des Aus- trocknungs-Processes begünstigt, ist natürlich. IV. Gefahr der Vertrocknung im feuchten Klima. Dies interessante, an Beobachtungen, unter ausgiebiger Benutzung der einschlägigen Litteratur, reiches Kapitel behandelt eingehend die ungünstigen Verhältnisse, die das Pflanzenleben iin Norden und besonders in den Arktis auf den ausgedehntesten Lokalitäten das ganze Jahr über beherrschen. Von dem, was Verf. hierüber und besonders über das wichtige Moment, die „Gefahr der Vertrocknung“ und deren Ursachen sagt, kann aber nur folgendes Fragment hier mitgetheilt werden. 156 a) Vegetation des trockenen und des versumpften Bodens. DieFeuch- tigkeit des unterirdischen Eises ist, bei der im Sommer sehr langsamen Abschmelzung desselben, wenig ausgiebig, und sie wird nicht die Pflanzen vor Vertrocknung schützen, weil diese das eiskalte Wasser doch niehtaufnehmen und verwenden können. Es wirdhier- durch einigermaässen verständlich, warum so viele arktische Pflanzen, und unter diesen gerade die allergemeinsten und am weitesten verbreiteten, eine deutliche Anpassung an Trockenheit, speciell an trockene Luft, zeigen. Die Blätter sind lederartig, steif und hart, stark cutinisirt mit schuppen- oder nadelförmig verminderter Oberfläche (Lyeopodium, Diapensia, Andromeda hypnoides), oder sie haben eine deutliche Neigung zu Suceulenz (gewisse Saxifragen, Butrema, Rhodiola). Dabei erhalten die Spaltöffnungen eine versteckte Lage entweder in mehr oder weniger abgeschlossenen Hohlräumen (Andromeda tetragona, Empetrum), oder unter einer zottigen Haarbedeckung der Blattunterseite (Ledum, Dryas, Potentilla nivea und multifida, Azalea, Phyliodoee). In anderen Füllen ist die spalt- öffnungstragende Unterseite des lederartigen Blattes von einem dicken, sicherlich auch die ’Transspiration herabsetzenden, Wachsüberzug bedeckt (Androm. polifolia, Vaceinium vitis idaea, Salix glauca und reticulata). Unter den gras- artigen Gewächsen wäre eine ganze Reihe hochnordischer Arten zu nennen, die durch Zusammenrollen, Trockenheit und starke Cutinisirung der Blätter zum Typus der Steppengräser gerechnet werden müssen (z. B. Hierochloa alpina, Festuca ovina, Nardus, Carex rupestris und pedata). Dagegen ist der Schutz durch einen dichten Haarfilz in den hochnordischen Gegenden schwach repräsentirt (Antennariae, Drabae, Eritrichtum, Salix lanata und lapponum) und scheint überhaupt gegen direkte Sonnenstrahlung wirksamer zu sein als gegen Aus- trocknung durch Wind und Kälte. “Die Transspirationsintensität ist nicht nur von der Besonnung, der Luftwärme und der relativen Luftfeuchtigkeit, sondern auch von der Windstärke abhängig, während die Wurzelthätigkeit, die das nöthige Wasser besorgen soll, von diesen Mo- menten unberührt, hauptsächlich von der Bodentemperatur abhängt. Nun sind eben die offenen Sümpfe und Moräste die zugleich windigsten und bodenkältesten aller Standorte unseres Erdtheils; die Temperatur des Erdreiches wird noch lange nach- dem der Schnee verschwunden ist, durch das allmählich schmelzende unterirdische Eis sehr niedrig gehalten. Schon während das Wurzelsystem noch, wenigstens theil- weise, gefroren ist, lockt die Frühlingssonne einige Arten (z. B. Eriophorum vaginatum) zu erneuter Blatt- und Sprossbildung, um sie dann oft für längere Zeit dem austroeknenden Hauch der Polarwinde zu überlassen. Es kann daher nicht befremden, dass die Sumpfpflanzen trotz überreichen Vorrathes an Wasser und relativ hoher Luftfeuchtigkeit dennoch der Gefahr der Vertrocknung ausgesetzt werden können und dass viele unter ihnen des Schutzes gegen diese Gefahr bedürfen. Mehrere unter den oben genannten Pflanzen mit starren lederartigen Blättern gehören eben zu den, häufigsten und verbreitetsten Bewohnern des nassen Bodens, Androm. polifolia kommt überall in Russisch-Lappland auf ganz ungeschützten Morästen vor. Kaum weniger wählerisch ist Empetrum, wohl die häufigste Phanerogame des Gebietes. Etwas trockenere, aber doch immer sehr feuchte bis nasse Standorte lieben die allgemeinen Ledum palustre und die beiden Oxycoceus-Arten. An den windoffenen Sumpfwiesen in der unmittelbaren, Nähe der Küste wird das niedrige Gesträuch hauptsächlich von Salix myrsinites gebildet; an Gedeihlich- keit und Reichthum der Indiyiduen wird sie hier von keinem anderen Strauche überholt, 157 ja nicht einmal erreicht. Es ist nun gewiss kein Zufall, dass die Blätter eine trockene, lederne Konsistenz haben, die hier ausgeprägter ist als bei allen übrigen Weide- Arten des Gebietes, vieleicht mit Ausnahme für 8. reticulata. Vor dieser hat sie aber noch eine andere Eigenschaft voraus, die als in demselben Sinne wirkend aufgefasst werden möchte. Die kurzgestielten, schräg aufwärts gerichteten Blätter werden nämlich im Herbst nicht abgeworfen, sondern umgeben den Jahrestrieb noch in der folgenden Vegetationsperiode als dürre, rasselnde Hülle. Es ist einleuchtend, dass durch diese Blatthülle der direkte Anprall der Winde gegen die Oberfläche des lebenden Pflanzentheiles verhindert oder bedeutend abgeschwächt wird und die Verdunstung dadurch vermindert. Auch atmosphärischer Niederschlag kann sich zwischen den eng zusammenstehenden Blättern ansammeln und lünger erhalten bleiben als dies sonst möglich wäre. In diesem Sinne dürfte auch der dieke Haarfilz wirken, der sich an den Aesten von zwei der hartwüchsigsten Weiden (Salix glauca und S. lanata) findet. Eine ganz besondere Aufmerksamkeit bei einer Betrachtung der Sumpfvegeta- tion beanspruchen die Woll- oder Riedgräser (incl. die Binsen), die in so wechseln- den Formen und in so ungeheueren Massen die Niederungen Lapplands beleben. Unter diesen ist Eriophorum vaginatum eine der in physiognomischer Hinsicht wichtigsten Arten. In Russisch-Lappland kommt sie in jedem Torfmoor und an ühnlichen Localitäten massenhaft vor. Die ziemlich spärlichen Blätter sind faden- förmig und nur schwach geplattet, die Transspirationsfläche derselben also sehr be- schränkt. Bei den zahlreichen, schmächtigen Halmen ist dies in noch höherem Grade der Fall. Die Epidermis sowohl der Blätter als der Stengel ist verdickt und stark euticularisirt. — Diesen Typus: cylindrische Bildung der Blätter, ihre gradweise Reduction an Zahl und Grösse bis zu fast vollständigem Eingehen (ihre Function mehr oder weniger auf den ceylindrischen Stengel übertragen), schwache Ausbildung des Durchlüftungssystemes und Verstärkung der cutinisirten Oberhaut, finden wir nun bei einer grossen Zahl der häufigsten, grasartigen Sumpfpflanzen. Eriopho- rum alpinum, russeolum und Scheuchzeri, Juncus biglumis, triglumis und filiformis, Carex rotundata, dioica, parallela, chordorhiza, pauci- flora und microglochin, Scirpus caespitosus wiederholen denselben Typus in verschiedenen Abstufungen und sind selbst ausschliesslich Bewohner der. nassesten Standorte. Bei vielen, vielleicht allen, breitblättrigen Riedgräsern des Gebietes findet man lings der Mittellinie der Blattspreite und an deren Oberseite ein Gelenkgewebe von grossen, wässerreichen Zellen, welche durch Schwankungen in ihrem 'Turgor eine gewisse Beweglichkeit der beiden Blatthälften gegen einander ermöglichen. Wenn die Blatthälften sich einander nähern, entsteht eine Art „windstiller Raum“, welcher durch hervorstehende Hauptpapillen und Längsrippen der Blattoberseite noch wirk- samer zur Verminderung der "Transspirationsintensität beitragen muss. Verf. führt noch weitere Beispiele an und bezweifelt nicht, dass diese bei näherer Untersuehung vervollständigt und in verschiedener Richtung bereichert werden können, bestreitet aber nicht, dass andererseits unter den Sumpfpflanzen auch solche sich finden, bei welchen besondere Vorrichtungen zur Verminderung der Transspiration nicht hervor- treten. Auffallende Beispiele dieser Art sind Rubus Chamaemorus. Pedicu- laris lapponica, Nardosmia frigida, Ranunculns Pallasii; dann, aber schon mehr empfindlich, Hippuris, Caltha, Epilobium palustre und davu- ricum, Cardamine pratensis, Comarum u.a. Aber die Hauptmasse der Pha- 158 nerogamen-Vegetation der forfmoore und vieler anderer Sümpfe ist denjenigen For- mationen anzurechnen, welche eine ausgiebige Austrocknung in der Luft ertragen können, resp. öfters ertragen müssen. b) Absterben der torfbildenden Moose. Das sichtliche Zurücktreten und allmählige Absterben der Sphagna in den nordischen Torfmooren und ihre Ueberwucherung von Flechten und geringere Feuchtigkeit fordernden Moosen ist eine in Russisch-Lappland sehr häufige Erscheinung, die in den physikalischen Eigen- schaften des Moostorfes und in dem jährlichem Gang der !Temperatur begründet ist. Die 'Torfmasse ist nämlich ein sehr schlechter Wärmeleiter, und je kleiner die jähr- liche Wärmesumme (von Temperatur über Null) einer Gegend ist, um so später wird das von dem Torf bedeckte Grundeis aufthauen, oder bei einem um so höheren Niveau wird das Abschmelzen desselben sistirt. Durch fortgesetztes Wachsthum erzeugt also das Moos selbst ein Hinderniss, das die transspirirende, lebendige Oberfläche vom wasserreichen Untergrund isolirt. Anfänglich nur zu gewissen Jahreszeiten wirksam, erstreckt sich die Absperrung allmählich über die ganze Vegetationsperiode, und bei fortgesetztem Wachsthum des Sphagnum-Hümpels rückt ebenso das mittlere Niveau des Grundeises immer mehr aufwärts, eine reichliche resp. hinreichende Wasserzufuhr von unten mehr und mehr erschwerend. Der gewöhnliche Gang der Veränderungen, welche die Vegetation des Sphagnum- Hümpels in Folge der Austrocknung erleidet,. ist (im Inneren der Halbinsel) in seinen Hauptzügen folgender. Die vorher reichlichen Ried- und Wollgräser gehen mehr oder weniger vollstündig aus, während die Zwergsträucher (Betula nana, Vaccinium uliginosum) in die Höhe schiessen und neue Moosformen, vor allen Polytriehum juniperinum und Gymnocybe palustris, dann Dieranum- Arten, Hypnum Schreberi u. a. sich zwischen die älteren hineindrängen. Gleich- zeitig erscheinen auch die Strauchflechten, zuerst Cladinae, Sphaerophoron co- ralloides und mehrere Cladoniae, später auch Cetrariae und Platysmata sowie Alectoriae. In einem späteren Stadium fangen nieht nur die Cladinae, sondern auch die Reiser, unter denen jetzt Empetrum reichlich hervortritt, zu kränkeln an und gleichzeitig sieht man auch grauweisse Flecken von Lecanora tartarea, Das lebende Sphagnum-Moos ist schon früher verschwunden und auch die übrigen Moos- arten werden allmählich von der Flechtenkruste überdeckt; am längsten sieht man noch vereinzelte Stämme von Polytrichum juniperinum und kleine Rasen von Dieranum. Unter den Strauchfiechten verschwinden die Cladinae zuerst, die meisten Cladonien werden auf kümmerliche T'hallus-Schuppen und sterile Podetien reducirt; zuletzt verschwinden die Alectorien und der Hügel ist jetzt von einer mit Rissen durchzogenen Lecanora-Kruste bedeckt, aus welcher nur hie und da schwäch- liche Aeste von Empetrum, Vaccinium uliginosum oder Ledum hervorragen (sowie einzelne Blätter von Rubus chamaemorns).. An der Küste scheint sich der ‚Uebergang von lebendem Sphagnum zur aus- gebildeten Flechtenkruste oft in sehr kurzer Zeit zu vollziehen, so dass weder die Reiser noch die Strauchflechten zu der gewöhnlichen reichlichen Entwiekelung gelangen können. — Eine ähnliche Abschwächung, wie in den Küstenstrichen der Kola-Halb- insel, erleiden die Sphagnum-Formationen auch in der alpinen Region; für die hoch- arktische Vegetation kann gewiss die mangelhafte Ausbildung der Sphagna als hervorstehendes notum characteristieum angesehen werden. — Auch die Polytrichum- Form kommt an der Hochtundra der Küste nicht zu grösserer Geltung; auch im Innern sind nirgends grössere Flächen, die den Namen Polytrichum-Tundra verdienten. 15$ Die typische Moosform der Tundra-Piateau der Eismeergestade wird von Dieranum- Arten gebildet, vor allem D. elongatum und tenuinerve, dann D. majus, sco- parium etc. Sie bilden dicht verfilzte, gleichmässig hohe Polster, die oft, wie C. Müller sagt, sich eher schneiden als zerreissen lassen. Dieser kompaete Filz, ist besonders geeignet durch seine Capillarität das Wasser aufzuspeichern und suc- cessive nach den allein lebendigen obersten Stammspitzen hinaufzuleiten (in Grön- land werden Dier, elongatum und fuscescens als Lampendochte benutzt. Oben wurde schon erwähnt wie alle in Russisch-Lappland vorkommenden, Torfarten sehr oft von einer Flechtenkruste, hauptsächlich aus Lecanora tartarea bestehend, überzogen werden, und um so trockener oder windoflener der Standort, um so grösser wird die von der Lecanora beherrschte Fläche, um so unbedeutender der Zuwachs des Mooses. Verf. bespricht nun eingehend den Vorgang dieser Ueber- wucherung des Moostorfes und die infolge derselben eintretenden weiteren Ver- änderungen desselben, worüber das Original selbst zu vergleichen ist. c) Flechtenheide. Wie schon kurz bemerkt wurde, können auch zahlreiche Flechten von der Lecanora tartarea überwuchert werden. Relativ selten findet man diese auf den echten Steinflechten; besonders scheinen zahlreiche krustenförmige Lecanoren und Lecideen nicht von ihr bedeckt zu werden. Dagegen werden ver- schiedene Parmelien, besonders P. saxatilis, P. omphalodes und verwandte, ebenso Platysma fahlunense und commixtum, sehr oft mit einem dünnen weisslichen Anflug überzogen, der weiter rückwärts fructifieirt und sich als Leca- nora tartarea herausstellt. Unter den gewöhnlichen Strauchfleehten der Heide- und Moorformationen, die uns hier zunächst interessieren, gibt es kaum eine einzige, die nicht von Lecanora tartarea unter Umständen bewachsen und verunstaltet wäre. Aus der Analogie mit dem sonstigen Auftreten der Lecanora und aus einzelnen Befunden können wir schliessen, dass sie auch in ihrem Verhalten zu den Strauchllechten nur sapropbytisch lebt, resp. dieselben durch rasches Wachsthum erstickt. Wir besitzen hiebei in den durch Lecanora tartarea gekennzeichneten Ver- unstaltungen fin ziemlich bequemes Mittel, um über die relative Empfindlichkeit der verschiedenen Flechten gegen Wetterungunst, speciell gegen Austrocknung durch Wind, urtheilen zu können. An windoffenen Stellen finden wir immer, dass von den gewöhnlichen Strauchflechten die Cladinen der Heide zuerst unterliegen, wobei die häufigsten Arten (C. rangiferina, alpestris, silvatica) sich nicht merkbar von einander verschieden verhalten. Die grössere Empfindlichkeit dieser Flechten hängt unzweifelhaft mit ihrem anatomischen Bau zusammen. Sie sind nämlich alle, im Gegensatze zu den verwandten Cladonien, zeitlebens unberindete Arten, bei wel- chen die Gonidialzone nur von einem lockeren, luftführenden Hyphengeflechte einge- geschlossen ist. Die assimilirenden Zellen sind also hier in geringerem Grade als dies bei den meisten übrigen Strauchflechten der Fall ist, vor dem direceten Einfluss der Luftströmungen geschützt. Ganz in Uebereinstimmung hiemit findet man sehr all- gemein Flechtenrasen, wo andere Gattungen noch ganz unversehrt weiter wachsen, die Cladinen aber entweder kränklich aussehen, oder sogar schon gänzlich zu Grunde gegangen und von der Lecanora mehr oder weniger vollständig überwachsen sind. Nicht viel hartwüchsiger als die genannten Cladinen (Rennthier-Flechten) ist das häufige Sphaerophoron coralloides. Die grösseren Stereocaulon-Arten sind vielleicht ebenso empfindlich als die Cladina, jedenfalls nicht viel abgehärteter. Unter den zahlreichen Cladonia-Arten scheinen CO, cornuta und ©. graeilis 160 besonders unempfindlich zu sein; andere, die zu den häufigsten gehören, waren in dieser Beziehung nicht sehr verschieden von einander. — Alle bisher genannten Gattungen werden in den Eigenschaften der Hartwüchsigkeit von gewissen Cetrarien (©. erispa, islandica, nigricans) und Platysma-Arten (P. eueullatum und nivale) um ein Bedeutendes übertroffen. Den höchsten Grad der Unempfindlich- keit haben jedoch die Alectorien (A. divergens, nigrieans und vor Allem A. ochroleuca) erreicht. Da die Cladonien gewöhnlich nur als Beimischungen in der Pflanzendecke auftreten, können wir drei Hauptformen der Flechtenheide unterscheiden: die Cladina- Heide (hieher Sphaerophoron und wahrscheinlich auch die Stereocaulon-Arten), die Platysma- (und Cetraria)-Heide und die Aleetoria-Heide. Sie bezeichnen drei Abstufungen eines allmählich verschlechterten (kälteren und windigeren) Klimas und können daher auch eben so viele Entwickelungsstufen eines und desselben Stand- ortes darstellen, dessen orographische und physikalische Eigenschaften sich stufen- weise verinderten und allmählich andere Lebenshedingungen für die Pflanzen herbei- führten. Zwischen der Platysma- und der Alectoria-Form ist, wie schon angedeutet wurde, der Unterschied in Bezug auf Empfindlichkeit nicht so prägnant als zwischen der Cladina- und der Platysma-Form. Wir finden daher die beiden erstgenannten Formen öfters gemischt, und die Aleetorien hat Verf. überhaupt nicht in reinen Beständen über ausgedehntere Flächen verbreitet gesehen. V, Die waldbildenden Baumarten. Binleitend wird hier bemerkt, dass die Ansichten über die systematische Stellung der drei uns zu beschüftigenden wich- tigesten Waldbäume, die Birke, die Fichte und die Kiefer, noch heute sehr divergiren. Dies ist besonders der Fall bei der Fichte (Abiesexcelsa) und deren „klimatische Varietät" "Abies obovata. Nach einer eingehenden Kritik der älteren Angaben und Beobachtungen (auch in anderen Gebieten) kommt Verf. zu folgendem Schlusse. Die Fichte ist in Russisch-Lappland, geradeso wie sonst in Skandinavien, und wohl im grössten ‘Theil ihres Verhreitungsbezirkes, sehr variabel.“ Tracht des Baumes; Grösse, Form und Farbe der Nadeln und der Zapfen; Dicke, Form und Serratur der Schuppen; alles zeigt nicht unerhebliche, aber, wie es scheint, von einander un- abhängige Veränderungen. Die Art erscheint daher von zahlreichen Formen zu- sammengesetzt, die jede für sich höchstens nur einen sehr niedrigen systematischen Werth erreichen; ob dieselben als natürliche Abzweigungen höherer systematischer Complexe gruppirt werden können, muss eimstweilen dahingestellt werden. Eine Korrelation zwischen den variirenden Merkmalen kennen wir nur als nicht schart ausgesprochene "Tendenz, und auch dies nur in einzelnen Kombinationen (z. B. Grösse des Zapfens und Form der Schuppen). Da wir also zur Zeit keine natür- lichen, systematischen Einheiten von höherem Grade (Varietät, Subspecies) aufstellen können, so missen wir um so mehr die specifische Trennung der Obovata-Form von der Excelsa-Form entschieden verwerfen und die in Skandinavien und Lapp- land vorkommende Fichte als emheitliche, wenngleich in mehrere kleine Formen. gegliederte, Art betrachten. Gegen diese Auffassung lässt sich doch ein, scheinbar auf Thatsachen begründeter, Einwand erheben. Fr betrifft den Umstand, dass eine deutliche, in nordöstlicher Richtung oder mit zunehmender Meereshöhe sich steigernde Disposition zur Ausbildung von Zapfen der Obovata-Form unverkennbar ist, wenn auch bei weitem nicht so ausgeprügt wie man früher annahm. Verf. hat dieses Faetum nicht übersehen, ist aber zur Zeit weit entfernt, eine wirkliche Erklärung desselben bieten zu können, obgleich es ihm nicht unwahrscheinlich vorkommt, dass 161 die Form und Serratur der Schuppen in einem gewissen Abhängigkeitsverhältniss stehen zu bestimmten klimatischen Einflüssen, die sich an kalten und windoffenen Standorten, also auch mit zunehmender Meeresköhe und geographischer Breite be- sonders geltend machen. Unter dem Einfluss dieser klimatischen Faktoren zeigen die Schuppen eine Neigung, das Verhältniss zwischen ihrer Länge und Breite zu vermindern und die Unebenheiten und Einkerbungen ihres Randes abzuschwächen . (wohl um den Samen besseren Schutz zu leisten: Ref.). Wenn diese Annahme richtig ist, so würden wir die Ausbildung der Obovata-Zapfen als das Resultat analoger Veründerungen bei verschiedenen Fichten-Formen auffassen können. Es wäre dann zu erwarten, dass wir Aehnliches auch bei anderen Blattgebilden aufweisen könnten. Verf. erwähnt nun einiger seiner Aufzeichnungen über Erieineen-Blätter, die dies zu bestätigen scheinen, wobei das Verhältniss zwischen Länge und Breite der Blatt- spreite bei Vacceinium Vitis idaea, V. uliginosum und Andromeda poli- folia aus verschiedenen Standorten speciell berücksichtigt wird. Analoges hat Lind- berg bei den meisten Moosarten Spitzbergens beobachtet, die auch sehr von der Ungunst des Klimas leiden, ‚so dass die Blätter eine veränderte Form und Richtung erhalten, indem sie mehr gedrängt, kürzer, stumpfer und mehr aufrecht oder ange- drückt und dabei konkav werden. Ein weiteres naheliegendes Beispiel für dies Breiterwerden der Blätter bietet uns die Kiefer (Pinus silvestris). Fries gründet auf dies Merkmal (ete.) die Varietät lapponica, die später sogar als besondere Art (P. Friesiana Wichura P.rhaetica Brügg.) aufgestellt wurde. Verf. kann aber darin nar eine von äusseren Einflüssen bedingte Modifikation erkennen. Schon im nördlichen Finnland, z. B. in Kuusamo, noch mehr aber in Lappland (Imandra, Kola etc.), ist die von der quirligen Anordnung der Kurztriebe herrührende, abweichende Tracht des Nadelwerkes allge- mein verbreite. Die Ursache hiezu liegt in der spärlichen Verzweigung, in der langen Dauer der Nadeln und in der "Isolirung der in der Spitze des Langtriebes jährlich in geringer Anzahl angelegten Kurztriebe durch Aststücke, die nur männ- liche Blüthen produciren und nach dem Abwerfen derselben ganz nackt erscheinen, Dass es sich jedoch nicht einmal um individuelle Alhweichungen handelt, beweist zur Genüge der Umstand, dass oft die unteren (reichlicher blühenden) Zweige diese Tracht sehr ausgesprochen zeigen, während der Wipfel ein ganz gewöhnliches Aussehen hat. Aber dass auch Veränderungen vorkommen, die wir als wirkliche, aus inneren (unbekannten) Ursachen hervorgegangene schwache Varietäten betrachten können, ist nieht zu läugnen. EHlieher gehört besonders die verschiedene, bald ziegelrothe bald schwefelgelhe Fürbung der Antheren, die man an nahe hei einander stehenden Bäumen be- obachten kann. Bei Kuroptjewsk ‘und Jiigjok hat Verf. allgemein an den Zapfen eine starke Verlängerung und Zurückkrümmung der Apophysen beobachtet, was den kleinsten 12—13 mm langen, fast sphärischen Zapfen ein sehr absonderliches Aus- sehen gibt. Diese starke Verlängerung der Apoplıysen wird vielleicht, bei genauerer Untersuchung, nicht gerade selten in den nördlichsten Kieferbeständen anzutreffen sein. Das Alter der Nadeln war bei Kola in vielen Fällen nieht über vier Jahre und bei Woroninsk wurde notirt, dass die fünfjährigen Kurztriebe zum Theil, die sechsjährigen günzlich, abgeworfen waren. Bisweilen geschieht dies in noch jüngerem Alter, aber es ist dessenungeachtet gewiss, dass die Nadeln im Norden durch- sehnittlich länger funktioniren als in südlicheren Gegenden. Obgleich nicht waldbildend, möge doch hier der Wachholder (Juniperus communis) berührt werden, da er das Verhalten der Kiefer sehr gut illustrirt. _ Flora 1892, 11 162 Wie sonst im nördlichen Skandinavien, kommt er auch in Russisch-Lappland unter sehr verschiedenen Formen vor; die extremsten unter diesen werden oft als forma typiea und B nana unterschieden, sind aber durch zahlreiche und allmählichr Uebergänge (forma subnana Saelan) mit einander verbunden. Während drei Reisen in Lappland habe der Verf. dem Wachholder eine besondere Aufmerksamkeit ge- “widmet, ihn an den verschiedensten Standorten untersucht und dabei die Ueberzeugung gewonnen, dass zwischen den dort vorkommenden Formen keine systematische Grenze besteht. Zwischenformen kommen in ungeheueren Mengen und in allen denkbaren Abstufungen vor; die Abhängigkeit der Formen vom Standort ist unrerkennbar. An den offensten, windigsten Oertlichkeiten sucht man die gewöhnliche Form inmer vergebens, während dass sie dicht nebenan in einer Thalsenkung oder an einem geschützten Absatz der Felsen ziemlich typisch ausgebildet ist. Ja man findet sogar Sträucher, welche an verschiedenen Zweigen desselben Individuums sehr deutliche Abweichungen in der Blattform und Blattstellung zeigen, je nachdem sie mehr oder weniger dem Unbill des Klimas ausgesetzt sind. Eine weitere Stütze dieser Auffassung der Nana-Form hat man auch in dem Umstande, dass an den sturmgepeitschten äusseren Scheeren der finnischen Küsten ähnliche Zwischenformen vorkommen wie auf den lappländischen Tundren. (Verf. bemerkt hiebei, dass es noch zu untersuchen wäre, ob der Zwergwachholder der Alpen identisch ist mit der gleichgenannten nordischen Form.) Die Birke. Von den beiden baumförmigen Birken Skandinaviens kommt die südlichere B. verrucosa Ehrh. in Russisch-Lappland nur selten vor. Die dort waldbildende Birke wurde von TFellman (1864) als B. tortuosa Led. bezeichnet. Dass aber die Waldbirke in Russisch-Lappland keine andere ist als diejenige, welcher wir gegen Westen zu (in Inari) begegnen, d. h. B. odoırata Bech., ist nach den persönlichen Erfahrungen des Verfassers unzweifelhaft; die meisten Autoren trennen auch nicht die beiden speeifisch von einander. Mehrere lassen einfach die B. odoratu bis an die Baumgrenze gehen; andere trennen die strauchföürmige Birke der Baumgrenze unter verschiedenen Benennungen als Varietät oder (systematische?) Form von der typischen B. odorata. Verf. schliesst sich der ersteren Auffassung an und bemerkt, dass die nordische Birke wahrscheinlich eine Anzahl kleiner, syste- matischer Formen umfasst, deren wissenschaftliche Untersuchung noch kaum in An- griff genommen ist. Wenn man aber die Birke der Waldgrenze mit derjenigen der geschützten Flussthäler vergleicht, so muss man gestehen, dass hauptsächlich nur habituelle und, wie Verf. glaubt, von den verschiedenen Wachsthumsbedingungen direkt abhängige Unterschiede anzugeben sind. Die Stümme werden im ersteren Falle kürzer, schon vom Boden an verzweigt, die Aeste knorrig und dick; die Frucht- kützchen sind nicht so lang, kürzer gestielt und oft mehr oder weniger aufrecht. Auch die Blätter zeigen Veränderungen (deren Grüsse ebenfalls), welche, soviel Verf. sehen konnte, regelmässig mit den am jeweiligen Standort herrschenden Verhältnissen in Korrelation stehen und keine systematische Einheit zulassen. Die Konsistenz der Lamina wird fester, mehr lederartig, die Zahnung sehr grob, die Form mehr kurz- spitzie bis stumpflich oder fast abgerundet, Da auch ihre Grösse nicht unbeträcht- lichen Schwankungen unterworfen ist, so entstehen nicht selten Formen, die den hybriden Zwischenformen von B. odorata und B. nana ähnlich sehen, und Ver- wechselungen mit diesen letzteren mögen auch in einzelnen Fällen schwer zu ver- meiden sein. Die Rirken-Hybriden sind im Gebiete keineswegs selten und bilden hie und da kleine gleichmässige Bestände von I—15 m Höhe; gewöhnlich sind sie 163 durch niedrigeren Wuchs, breit abgerundete, kleinere Blätter und viel spärlichere Samenbildung von B. odorata leicht zu unterscheiden. VI. Verbreitung und Zusammensetzung der Wälder: Behandelt die Pigenthümlichkeit und den Charakter derselben in verschiedenen (18) Gegenden und Lokalitäten. Näheres ist hierüber in der Abhandlung des Verf. selbst nachzusehen, da ein Auszug nicht möglich ist. VIT. Alter und Wachsthum der Holzgewächse. In verschiedenen Jahren können sich im skandinavischen Norden die Witterungs- (und speciell die Temperatur-) Verhältnisse sehr abweichend gestalten. Da nun bekanntlich die 'Tem- peraturschwelle der Frucht- und Samenreife im Allgemeinen höher liegt als die der Ausbildung der vegetatiren Organe, so erwächst dem Indiviuum aus einem lang- lebigen Pflanzenkörper insoweit ein Vortheil, als es in der oberen, resp. Polargrenze, der Art die hier vielleicht äusserst selten wiederkehrenden Jahre gleichsam abwarten kann, in denen die Ausbildung keimungsfähiger Samen noch erfolgt und eine reich- lichere Verbreitung auf diesem Wege wieder möglich wird. Schon von diesem Ge- sichtspunkte aus können die Angaben über die Lebensdauer des Pflanzenindividuums ein hohes Interesse beanspruchen. Von besonderem Gewicht ist die Dauer des Stammkörpers bei der Kiefer, bei welcher eine Bewurzelung der unteren Zweige oder ein nachheriger Wurzelaus- schlag überhaupt nicht vorkommt. Der Wachholder steht an vielen Standorten der Kiefer in dieser Hinsicht sehr nahe; eine Bewurzelung der Zweige kommt jedoch bei ihm vor (z. B. auf dem sandigen Abhang der Küste), Für die übrigen Holz- gewächse des Gebietes ist das Alter des einzelnen Stammes nicht von so durch- greifender Bedeutung. Mehrere unter ihnen propugiren sich reichlich durch Liohden aus der unter der Bodenoberfliche verborgenen Stammbasis oder aus dem weitver- breiteten Wurzelsystem. So verhalten sich die meisten Lanbhölzer: die Birke, die Erle, die Eberesche, die Espe, die Weiden, Lonicera coerulea, Ribes rubrum. Auch durch Bewurzelung der längs der Bodenoberfläche kriechenden Zweige können viele Holzgewächse sich eine fast unbegrenzte Lebensdauer sichern, trotzdem dass der Stamm in seinem Basalende relativ schnell abstirbt. Eine mehr oder weniger reichliche Ausbildung von starken Adventivwurzeln kommt bei Betula odorata und Betula nana, Dryas, Aretostaphylos alpina und A. uva ursi, Em- petrum,Ändromedapolifoliaund A.hypnoides, bei allen Zwergweiden, endlich auch bei der Fichte vor. Auch Loiseleuria und Phyllodoce entwickeln Adventiv- wurzeln, oft in reichlicher Menge, aber öfters sind diese zu schwach, um die ent- sprechenden Zweige selbstständig befestigen und ernähren zu können, Bestinimungen des Alters und des Holzansatzes der nordischen Zwergsträucher sind bis jetzt sehr wenige gemacht worden. Eine gewisse Anzahl von hieher ge- hörigen Speeialfällen werden deswegen nun vom Verf. nach seinen eigenen Unter- suchungen mitgetheilt, wobei bei reichlichem Material die Verhältnisse bei den Bäumen und eigentlichen Sträuchern hinsichtlich sowohl Alter als Stammhöhe und Stammdiameter berechnet werden, worüber aber beim Verf. selbst nachzusehen ist; nur Einzelnes davon möge hier mitgetheilt werden. Pinus silvestris: die alten Bänme bei Umjock (über 68° lat.) sind nach schr mässiger Berechnung über 600 Jahre, wahrscheinlich aber noch älter. Abies excelsa: hinsichtlich der Lebensdauer des Individuums können wir zwei, natürlich nicht scharf von einander verschiedene, 'I’ypen der Fichte unterscheiden. Auf nassem Boden bei Imandra, Lowosersk ete. ent- wickelt sich die Form mjt hoher, eylindriseher (säulenförmiger) Krone; Dipeich diese 164 oft bis in die Nähe der Bodenoberfläche hinabreicht, kommt hier im dichten Hallı- dunkel des Nadelwerkes relativ selten und nie in ausgedehntem Maasse eine Be- wurzelung der ‘unteren Zweige zu Stande. Mit dem Umstürzen oder Absterben des slten Stammes wird auch desshalb das Lehen desselben beendigt. Ganz anders ist es in den lichten Beständen in der unmittelbaren Nähe der Fichtengrenze (Lejjawr, Jeljok ete.); hier ist es fast Regel, dass eine Verjüngung des Baumes aus den untersten bewurzelten Zweigspitzen zu Stande kommt. Die genaue Bestimmung des Alters der Fichtenstämme ist mit grossen Schwierigkeiten verbunden, da das Kern- holz schon relativ früh dureh Fäulniss zerstört wird; dass aber die Fichte, hinsicht- lich der Dauer des Stammes, der Kiefer nicht nachsteht, geht aus einigen Beispielen hervor. Der in Tafel 9 photographirte Baum hatte 1 m vom Boden einen Durchmesser von 32 em ohne Rinde. Der Hohleylinder des Holzes war 4,5 cm diek und zählte 230 Jahresringe. Wollte man einen gleichförmigen Zuwachs annehmen, so dürfte das Alter des Häauptstammes auf mehr als 800 Jahre geschätzt werden; bei An- nahme einer achtzigjährigen Periode mit zwei- bis dreifach stärkerem Weachsthum bleibt ihm doch ein Alter von etwa 700 Jahren. Nach Wegräunen des Schnees wurde konstatirt, dass die kleineren Bäume, welche den Hauptstamm ringförmig un- geben, den wurzelnden Zweigen desselben entsprossen sind. Die mehr als 80 em im Diameter messenden Riesenstämme, die man bisweilen in der Nähe der Wald- grenze (z. B. bei Lejjawr) findet, haben sicherlich ein entsprechend höheres Alter erreicht. — Juniperus communis: die früher beschriebenen tischförmigen Wach- holderbäumchen erreichen, wenn sie ungestört wachsen, ein Alter, das nach Jahr- hunderten zählt. Sie sind meistens bedeutend kernfaul und tief gefurcht, was davon berrührt, dass bald hie bald da schmale Längsstreifen der Cambialzone aus dem Verf. unbekannten Ursachen absterben. Sehr oft zerfallen daher Stammsectionen in Bruchstücke, Betula odorata. Das Alter der Birkensträucher an der Waldgrenze dürfte kaum jemals annähernd richtig bestimmt werden können. Aus derselben Wurzel wachsen mehrere Stämme hervor, und obgleich diese kein hohes Alter zu erreichen scheinen, hat doch der Strauch jedenfalls eine viel längere Dauer, denn neue Sprossen ersetzen allmählich die absterbenden alten. Die Stämme wachsen öfters aus einem kleinen Hügel hervor, der mit Moosen und Flechten bewachsen ist und aus ver- moderten organischen Resten besteht; seine Existenz deutet auch auf ein hohes iter des betreffenden Strauches hin. Populus tremula. Längs der Küsten-lundra geht die Espe weit über die Baumgrenze hinaus. Jedoch findet man sie schon in der oberen Waldregion nur als niedrigen Strauch, der sich im Winter unter der Schneedecke verbirgt. Als Baum ist sie also viel empfindlicher als die Birke, während dass die zwerghaften Wurzelschöss- linge kaum weniger hartwiüchsig sind als diese. Bei Woroninsk (nahe 681/50 lat.) wachsen hie und da auf den frischen Uferwällen Espenbestände, welche bisweilen kleine Diekichte von 6—8 dın Höhe bilden, einige Stämme werden sogar 10-12 dm hoch; in anderen Fällen sind die Reiser nur 2—83 dm hoch und sehr spärlich. Die oberen 'Theile der Sprossen erreichen ein Alter von nur wenigen Jahren, aber die ab- sterbenden Partien werden durch neue Sprossbildung aus der Stammbasis ersetzt; diese letztere wird meistens nur bis 14 mm in Diameter und 20—25 Jahre alt. In den Gebirgen findet man 2—3 dm hohe Espen in gleicher Höhe mit den letzten mannshohen Birken. Auf den kahlen Ufergehängen bei Orlow wachsen ähnliche Espen in ganz ungeschützter Lage; Alter 10—12 Jahre, Bei Hapajow wurde die 165 Espe bis 4 dm hoch, bei Ponoj -2—-4 dm, bei Sosnowets 2—3 dm, höchstens 5 dm hoch. Diese Krüppel sind immer ganz steril und die Bestände erhalten sich nur vermittelst reichlicher Reproduktion von Wurzelreisern aus denı weit unıherkriechenden, stark verzweigten Wurzelsystem. Salix rotundifolia. An den trockensten, windoffenen Plateaus, an Oertlich- keiten, wo der Boden auf weite Strecken hin entblösst ist, findet dieser Zwergstrauch noch die Bedingungen seiner Existenz. Die mächtige Pfahlwurzel senkrecht in das lehmige Geröll binabsendend, wird er hiedurch hinreichend befestigt und verbreitet seine lange, kriechende Aeste der Bodenfläche entlang. Die biegsamen Aeste haben in solcher ungeschützter Lage oft nur eine kurze Lebensdauer, inden sie unter dem Einflusse des Windes grösstentheils vertrocknen und ahreissen; nur die Basis bleibt lebendig und produeirt immer neue Zweiglein, die bald wieder denselben Schicksale anheimfallen. Durch wiederholtes Hervorsprossen und Absterben der Aeste entsteht allmählich ein unregelmässig gerundetes, his faustgrosses Stammgebilde, das, meistens von Trockenfäulniss angegriffen und von einer weissglänzenden Lecanora-Kruste über- wachsen, einen ganz absonderlichen Eindruck macht. Sein Alter direkt zu bestimmen ist, wegen der scharf und unregelmässig gebogenen Holzfasern, nicht thunlich. Wie aus der Wurzel ersichtlich ist, beträgt er oft mehrere Decennien. Ribes rubrum. Auf den frischen Uferwällen bei Lowosersk und Woroninsk kommen meterhohe Sträucher allgemein vor. In einigen Fällen entsprossten zwei in einiger Entfernung von fast 1m stehende Sträucher demselben Wurzelsystem ‚und standen noch in organischer Verbindung mit einander. Wahrscheinlich gehört eine ganze Gruppe von! Sträuchern ‚öfters einem gemeinsamen, aus derselben Keim- pflanze hervorgegangenen, Wurzelsystem an. Sorbus aucuparia. Wird bei Woroninsk im Birkenwalde eirca 4 m hoch, in offener Lage -meistens nur meterhoch und spärlich blühend. Auch dieser Baum vermehrt sich vielfach durch Wurzelschösslinge in ziemlicher Entfernung von Mutter- stamme. Im Walde nördlich vom Dorfe fand Verf. eine Reihe von sechs Sträuchern, welche aus einer circa 4 cm dicken, horizontal laufenden Wurzel entsprossen waren; der Abstand zwischen den Jindgliedern der Reihe war 82 dm. Der älteste der Stämme war 88 Jahre alt, 4 m hoch und 46 mm in Diameter. Vermuthlich kann das Wurzelsystem sich noch auf viel grössere Distanzen verbreiten, was aus der reihenförmigen Anordnung einiger Sorbusbestände am Woronje-Fluss hervorzugehen scheint. Lonieera coerulea. Auf feuchten, sandigen Uferwällen bei Lowosersk und Woroninsk erreichen die Sträucher eine Höhe von 4£--5 dm; bei Lowosersk_ sah Verf. eimmal einen Stamm von 7 dm Höhe. Auch dieser Strauch verjüngt sich regelmässig durch Wurzelschösslinge, die entfernt vom Mutterstamm entstehen. Bei Woroninsk standen 7 Sträucher in einer Linie; die unterirdische Verbindung derselben war grösstentheils noch beibehalten. Die Lebensdauer der Stämme scheint keine erheb- liche zu sein. VII. Samenbildung der drei wichtigsten Waldbäume (Fichte, Kiefer, Birke). Von diesem Kapitel ist ein Auszug nicht gut möglich. IX. Die nordskandinavischen Waldregionen. Wenn wir die Ver- breitung der Waldregionen in Russisch-Lappland mit den Verhältnissen in Skandi- navien, wie sie von Wahlenberg u. a. dargestellt sind, vergleichen, so fällt vor allem die kümmerliche Ausbildung der Kieferregion in unserem Gebiete in die Augen. Allerdings wird sie hier nicht, wie man früher glaubte, gänzlich vermisst, aber die von 166 ihr bedeckten Gebiete sind zu klein und zu vereinzelt, um als etwas anderes als locale Abweichungen bezeichnet: werden zu können, während im westlichen Lappland in der lichtung von Süden nach Norden oder mit zunehmender Meereshöhe deutlich nach einander folgen: 1. Fichtenregion, 2. Kieferregion, 3. Birkenregion. Es ist dies die RRegioneneintheilung Wahlenberg's, gegen welche sich bis heute keine prinejpiellen Einwände erhoben haben. Betrachten wir die geographische Ausbreitung der skandinavischen Kieferregion, so finden wir leicht, dass sie, obgleich sehr allgemein, doch keineswegs eine konstante Erscheinung ist. In zahlreichen Fällen finden sich Fichten ebenso hoch oder sogar höher auf den Gehängen der Fjelde und es gibt sogar grosse Gebiete, wo die alpine Region gut entwickelt ist und dennoch die Kieferregion gänzlich fehlt. — In Nor- wegen liegt die obere Grenze der Kiefer durchschnittlich etwa 94 m höher als die der Fichte, aber in den östlichen Theilen des Landes (z. B. in 'Trysil) geht diese öfters höher als jene (ähnliches kommt auch an mehreren Orten im westlichen Theile vor). In Aosele Lappmark, nördlich von Kultsjün (etwa 6501at.), geht im Thale des Woim - Flusses die Fichte höher aufwärts als die Kiefer. In Kwikjok steigt die Fiehte längs den Gebirgslehnen höher als die Kiefer. — In den südlichen Theilen von Finnisch-Lappland finden sich nur vereinzelte Gebirgshöhen, deren gerundete, mit trockenem Kies- und Schuttboden bedeckte Gipfel sich über die Baumgrenze er- heben (wie es schon in dem ausgedehnten Kirchspiel Kuusamo, um 66° lat., der Fall ist). Die unteren Gehänge derselben sind fast immer mit Fichtenwald bewachsen, und dieser Baum bildet überhaupt auch die obereWaldgrenze, Wo der Abhang weniger steil ist, findet sich oberhalb der Fichtengrenze dichter, aber niedriger Birkenwald. Im genannten Kirchspiel und im südlichen Kuolajärwi sind regelmässig auch kleinere Niveaudifferenzen bestimmend für die Vertheilung und Zusammensetzung der Nadelholz- wilder; die Gehänge und Kuppen der Waldhöhen sind durchgehend mit Fichten bewachsen, während die Kiefer nur in den Thalsohlen und längs den Seeufern eme grössere Rolle spielt. Auch die isolirten „Tunturit“ (Tundrahöhen) zwischen Unas- joki und Muoniojoki (67—680 lat.) haben keine Kieferregion; die Fichten und die Kiefer steigen in den Gebirgen ‘gleich hoch, und bisweilen verlässt man beim Auf- steigen zuerst die eine, zuerst; die andere Baumart., Dasselbe scheint auch auf Pallastunturit (680 5’ lat.) der Fall zu sein. Der Verbreitung und Häufigkeit der Fichte wird in südlicheren Theilen des nordischen Waldgebietes wohl durcli keine Macht in so hohem Grade entgegen ge- arbeitet, als durch die Waldbrände. Diese waren in Nord-Skandinavien bisher so häufig, dass man mit ihnen als mit einem constanten, die Physiognomie der Land- schaft beeinflussenden Factor rechnen muss. Da sie nun nachweislich intensiv und zahlreich genug waren, um die Kiefer aus ganzen Gegenden zu verdrängen, wo sie früher reichlich vorhanden war, und da die Fichte infolge ihrer dünnen Borke und Hachen Wurzelbildung in viel höherem Grade als die Kiefer vom Feuer gefährdet ist, so scheint die Annahme wohlbegründet, dass die geographische Verbreitung der Fichte durch die genannte Ursache in Lappland viel gıössere Einschränkungen erlitten haben muss als die der Kiefer. Die gegenwärtige Grenze der Fichtenregion in Inari und_im Schwedisch Norrland wäre demnach eine durch die historischen Ergebnisse geschaffene Linie, aber keine Vegetationslinie im demselben Sinne als z. B. die Grenze der Buche, der Eiche oder der Birke. Die Waldbräude haben sie hier an den meisten Orten hinter ihrer natürlichen Grenze zurückgedrängt und locale Kiefergegenden von wech- selnder, oft ansehnlicher Ausdehnung geschaffen, ähnlich. wie solche auch weiter süd- 167 lich, nur nicht so prägnant, vorkommen. Die Kiefer ist in Skandihävien, gerade so wie in Sibirien und Mitteleuropa, im Vergleich mit der Fichte, ein Baum der Ebene, und in der skandinavischen Kieferregion sieht Verf, eine zwar öfters scharf be- grenzte physiognomische Finheit, aber keine durch specifische kli- matische Eigenthümlichkeiten charakterisirte Region. Sie ist als in- tegrirender 'Theil der Fichtenregion, also wenn man will, als Fichtenregion ohne . Fichten zu bezeiclnen., Dass die Plastik und physikalische Beschaffenheit des Bo- dens nicht: ohne erheblichen Einfluss sein können, liegt auf der Hand, aber es wäre wohl verfrüht, behaupten zu wollen, dass solche Umstände allein für sich hinreichend wären, um die Fichte von einem grösleren Gebiet vollständig auszuschliesen. Die Birkenregion in Lappland möchte Verf. als eine klimatisch individualisirte Einheit betrachten, wo die Fichte aller Wahrscheinliehkeit nach noch wachsen kann, aber wo sie nicht mehr fähig ist, sich durch Samenerzengung zu verbreiten und da- durch ihre Existenz auf die Dauer zu sichern. Als endliches Resultat seiner ein- gehenden Besprechung der nordskandinavischen Waldregion hebt Verf. die Einthei- Inng des lappländischen Waldgebietes in zwei ungleich grosse Regionen, die Region der Nadelhölzer und die Region der Birke, hervor. Die Ausdehnung der Nadelholz- region wird von der generativen Grenzlinie der Fichte bestimmt; aus zahlreichen Gegenden ist aber die Fichte vorläufig verdrängt, und diese zeichnen sich jetzt durch das Vorherrschen der Kiefer habituell ans. Der Birkenregion sind wahrscheinlich Theile des üussersten mit Nadelholz bewachsenen Landes klimatisch zuzurechnen, Beilagen: a) Thermometerbeobachtungen im Woroninsk Ende Juni und An- fang Juli 1887. b) Erklärung der Tafeln. ce) Litteraturverzeichniss. ©. F. Nyman. Eingegangene Litteratur. Baur, W,, Alphabetisches Verzeichniss nebst Standortsangaben dervon Jack, Leiner und Stizenberger herausgegebenen 10 Ceniturien Kryptogamen Badens. Freiburg i. B. 1891. v. Beck, Die Wäasserpest (Elodea canadensis) in Oesterreich-Ungarn. Mittheilingen der Sektion für Naturkunde des österr. Touristen-Chub. Ill. Jahrgang, Nr. 9. Berichte der Bayerischen Bot. Gesellschaft zur Erforschung der heimischen Flora. München 1891. Selbstverlag der Gesellschaft. 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Nr. 40, Tarı ON DEINER GO Bez " Br BEE N - EN or “ a 8 6% Sa ©, oO, 8 RR ® Nora 1892 Gomorrhachis margimata aub, Physiologische Notizen von Julius Sachs. II. Wurzelstudien.d) Die Untersuchungen, von denen ich hier eine vorläufige Mit- theilung gebe, sind noch lange nicht abgeschlossen. Wenn ich es trotzdem wage, schon jetzt einen Theil derselben zu veröffentlichen, so geschieht es, weil ich bereits seit Jahren daran gearbeitet habe und weil noch Jahre erforderlich sind, bis ein befriedigendes Ergebniss erlangt werden kann; jede der zu beschreibenden Versuchsreihen er- fordert: eben mindestens eine Vegetationsperiode, für die interessanteren Fälle: die Holzpflanzen aber einige Jahre. Auch möchte ich hier die Bemerkung nicht unterdrücken, dass die wissenschaftlich botanische Litteratur auffallend arm ist an sorgfältigen biologischen Untersuchungen der Wurzeln von normalen Landpflanzen, um die es sich hier allein handelt. Wer mit dem Betrieb von Gewächshäusern, besonders in einem botanischen Garten zu thun hat, dem ist bekannt, was man unter dem „Wurzelfilz“ in den Pflanzentöpfen versteht, der besonders danıu in seiner vollen, oft überraschenden Ausbildung hervortritt, wenn die Pflanzen einige Jahre lang in demselben Topf gewachsen sind, ohne versetzt zu werden, aber auch sehon nach 2—4 monatlichem Wachs- thum bei rasch wachsenden Arten oft zu schen ist. 1) Unter demselben Titel veröffentlichte ich 1859 im 1. Bd. der Zeitschrift: „Die landwirthschaftlichen Versuchs-Stationen“ 8.1—31 eine Reihe von Beobachtungen über die biologischen Erscheinungen an Wurzeln. Ausserdem ibidem „Ueber den Einfiuss der chemischen und physikalischen Beschaffenheit des Bodens* (S. 203— 240). — An diese Aufsätze schliessen sich an: „Erziehung von Landpfi. in Wasser bot. Zeite. 1860 Nr. 18 und: „Auflösung des Marmors durch Maiswurzeln*, ebenda, so wie auch das in meinem Handbuch der Experimentalphysiologie 1865 S.188 bis 192 Gesagte. Flora 1892, 12 172 Wird der Topf in umgekehrter Stellung mit einem kräftigen Stoss an seinen Rand seines Inhaltes entleert, so erblickt man einen dichten Filz von lebenden, meist: weissen oder doch hell gefärbten Wurzelfäden, aber so zusammengedrängt, dass der Filz etwa einem sehr dicht geflochtenen Korbe gleicht; fasst man den Stamm der Pflanze, so kann man den gesammten „Wurzelballen“, ohne dass er zerreisst und ohne dass ein Erdkörnchen herausfällt, emporheben; diese Erscheinung ist so auffallend und lehrreich, dass ich sie oft in meinem Colleg über Experimentalphysiologie demonstrirt habe. — Es ist vielleicht einem oder dem anderen Jeser erwünscht, eine Reihe besonders ausgezeichneter Beispiele kennen zu lernen; natürlich ist aber bei den hier angeführten Species zu beachten, dass die fragliche Erscheinung um so kräftiger hervortritt, je älter die Exemplare sind und je längere Zeit seit dem letzten „Umsetzen“ verstrichen ist. Ich nenne zunächst: von Farnen die Pteris serrulata, verschiedene grosse Polypodien und Aspidien; von Monocotylen: verschiedene Palmen, besonders Phoenixarten, ferner Dracaena Draco und andere Dracaenen, auch Yucca; von holzigen Dicotylen: Azaleen, Albizzia lophantha, Callistemon-Arten, Coprosma lucida, Eryobotrya japonica, Eucalyptus globulus, Evonymus sp., Gnidia carinata, Ferdinandea eminens, Hebo- elinium megalophyllum, Montanoa grandiflora, Nicotiana wigandioides, Sempervivum verschiedene grosse Arten, Urera caracassaua u. s. w. Von krautigen Pflanzen, die ich seit langen Jahren zu physio- logischen und biologischen Beebachtungen cultivire, seien genannt: Phaseolus, multiflorus, Dioscorea Basatas, Nieotiana Tabacum und rustieca, Öucurbita maxima, Helianthus annuus, Zea Mais. Ich zweifle übrigens nicht, dass der „Wurzelfilz“ in allen Fällen zum Vorschein kommt, wo die Pflanzen überhaupt Neigung zu kräftiger und dauernder Wurzelbildung haben, was z. B. bei Frisillaria imperalis und manchen anderen Zwiebelpflanzen allerdings nieht der Fall ist. Nähere Besichtigung des „Wurzelfilzes“ zeigt nun, namentlich wenn die Wurzelfäden eine beträchtliche Dieke — etwa von 2—-5mm — haben, dass diese auf der der Topfwand anliegenden Aussenseite oft flach gedrückt sind, so dass der Querschnitt nicht kreisrund ist, was be- sonders bei den dem Boden des Toopfes festangedrückten Wurzelfäden sehr auffällt, offenbar weil hier der Druck, den das geotropische Abwärtsstreben erzeugt, die Sache begünstigt, während an den auf- rechten Seitenwänden des Topfes nur der durch das Längenwachs- thum gegebene Vorstoss in Betracht kommt, von dem aber nur eime mehr oder minder unbeträchtliche Componente sich als Druck geltend 173 machen kann. Die zuweilen auftretenden Anschwellungen und Ver- dünnungen solcher Wurzelfäden sind offenbar nur die Wirkung des periodischen Begiessens der Pflanzen; in meinen Abhandlungen „Ueber das Wachsthum der Haupt- und Nebenwurzeln“ (Arb. des bot. Inst. Bd. I 1873 u. 1874) habe ich schon erwähnt, dass in feuchter Luft wachsende Wurzeln von Landpflanzen, wenn man sie ab und zu mit Brunnenwasser benetzt, dieselbe Erscheinung zeigen. Sucht man aus dem Filz, wenn er aus dieken Wurzelfäden be- steht, einzelne derselben heraus, so dass man den Vegetationspunkt mit bekommt, und wickelt sie vorsichtig aus dem Gewirr heraus, so erkennt man, dass sie oft eine beträchtliche Länge haben: bei Palmen, Dracaenen, Dioscoren u. a. habe ich nicht selten solche Fäden von 2—4mm Dicke auf eine Länge von 2—3m herauspräparirt und selbst- verständlich sitzen an ihnen zahlreiche dünnere Seitenwurzeln, die oft ebenfalls beträchtliche Längen erreichen. Besondere Erwähnung ver- dienen in dieser Beziehung die sehr dünnen, aber einige Meter langen Wurzelfäden von 'Thladiantha dubia, die hie und da zu dieken, kar- toffelähnlichen Knollen mit Knospen anschwellen; im freien Lande veranlassen sie die auffallend rasche und weitausgreifende unter- irdische Wanderung dieser Pflanze; im Topf umkreisen solche Wurzel- faden den Umfang 4--6 Mal. Diese langen Wurzelfaden sind nun nicht etwa ganz unregel- mässig hin und her gewunden, sondern meist verfolgen sie eine schraubenlinige Bahn, fast horizontal der aufrechten Topfwand dicht angeschmiegt und von anderen ähnlich verlaufenden Fäden dicht un- geben, während die dünneren Seitenwurzeln mehr auf- und absteigend, dem ganzen Filz einen festeren Halt geben. Die horizontale oder schief absteigende Windung der dicken Fäden, sowie die auf- und absteigende Richtung ihrer Seitenwurzeln entspringt aus dem speci- fischen Geotropismus, der die Nebenwurzeln erster, zweiter und höherer Ordnung beherrscht und ihren von mir (in der zuletzt erwähnten Ab- handlung) constatirten „Eigenwinkel“ bestimmt. Bei Pflanzen, deren Wurzelfäden mit zunehmender Verzweigung sehr dünn werden, nicht selten die Feinheit eines sehr dünnen Men- schenhaares erreichen, was besonders bei manchen „wüchsigen“ Dico- tylen vorkommt, nimmt der „Wurzcelfilz* ein anderes Aussehen an: er bildet, gehörig ausgewachsen, eine papierdünne Schicht oder Aus- kleidung der Innenseite des Topfes, die auch das Aussehen eines feinfaserigen Papiers annehmen kann. Schöne Beispiele dieser Art 12* 174 von feinem, papierähnlichem Wurzelfilz liefern zuweilen Nicotianä rustica, Helianthus annuus, auch Beta vulgaris. Das physiologisch und biologisch Interessante des Wurzelfilzes liegt nun in der Art, wie er zu Stande kommt und zweitens in seiner Rückwirkung auf das Gedeihen der Pflanzen bei der Topfkultur. Beides lässt sich theoretisch, wenigstens in der Hauptsache, durch- schauen, wenn man mit dem Wachsthum, der Verzweigung und den geotropischen Eigenschaften der Wurzeln einigermaassen vertraut ist und Beides lässt sich aus der Besichtigung des Erdballens, der von dem dünnen Wurzelfilz fest umschlossen und zusammengehalten wird, verstehen. Betrachtet man diesen Erdballen, nachdem man den Filz wie eine Schale abgenommen hat, was am besten bei ziemlich trockenem Zustand der Topferde geschieht, so überrascht (in den typischen Fällen) die geringe Zahl der die Topferde durehziehenden Wurzel- fäden, die vorwiegend horizontal oder schief abwärts aus der Haupt- wurzel oder dem „Wurzelstock“ ausstrahlen, um in den Wurzelfilz einzutreten und an seiner Erzeugung theilzunehmen. Es bedarf nur geringer Ueberlegung, das ganze Verhalten zu verstehen: wäre die Pflanze im freien Land eingewurzelt, so würde die Hauptwurzel oder der sie vertretende „Wurzelstock* 20—50 cm tief hinabsteigen, die daraus entspringenden Nebenwurzeln würden je nach der Art und dem Alter der Pflanze 30—100, selbst hin und wieder 200—300 cm weit horizontal oder schief hinausstrablen und sich verzweigen, wobei die letzten dünnen Zweigwurzeln, des Geotropismus entbehrend, nach allen Richtungen des Raumes die Erde durchziehen müssten. Das ist nun aber bei dem Wachsthum im "Topf nicht möglich. Ein solcher von 50cm Durchmesser (also 25cm Radius) gehört schon zu den grössten, wenigstens wenn es sich um Gefässe von gebrannten Lehm handelt; selbst solche von 20 cm Durchmesser (also 10 cm Raulius) gelten schon als gross; Töpfe von 6em Radius und 13—14cm Höhe sind die gewöhnlichen und noch kleinere. In diesen engen Räumen müssen sich die Wurzelfäden ausbreiten; wie das geschieht, kann man in Glasgefässen verschiedener Form be- obachten, was ich in meinen Eingangs citirten Abhandlungen mehrfach beschrieben habe. Wurzeln, die den Trieb haben, wenn auch nur 20—50cm weit im freien Land horizontal oder schief vom Wurzel- stock hinauszuwachsen, stossen also schon, wenn sie 6—10cm lang geworden sind, an die Wand eines gewöhnlichen Blumentopfes; trifft die Spitze senkrecht auf diese, so kann es (freilich selten) geschehen, 175 « dass durch den Druck des 2—5mm weit dahinter liegenden in ener- gischer Streckung befindlichen Theils, das Gewebe des Vegetations- punktes breit gedrückt oder doch tonnenförmig aufgebauscht wird; gewöhnlich aber biegt das vordere Ende seitwärts um und wächst nun, immer der Topfwand angeschmiegt, in der vorhin beschriebenen Weise weiter, während seitliche Auszweigungen hervortreten. — Kurz die Wurzeln, anstatt sich mehr und mehr auszubreiten, drängen sich an der Topfwand immer dichter aneinander, jeder kleinste Zwischenraum wird von nachwachsenden Fäden ausgefüllt. Keine Wurzel jedoch, wenn nicht etwa ein Zufall es bewirkt, wächst rückwärts in den mittleren Raum des Topfes, wo sie Erde für ihre Verzweigungen und für ihre llaustorien (Wurzelhaare) fände. So bleibt denn der innere Erdballen zuweilen fast unbenutzt, nachdem die Enden der aus- strahlenden Nebenwurzeln an der Topfwand angelangt sind. Natürlich kann dieser Erdraum durch nachträglich aus dem Wurzelstock ent- springende Adventivwurzeln noch bevölkert werden, auch aus den älteren basalen Theilen der ausgestrahlten Wurzeln können noch nach- träglich adventive Zweige hervortreten, die entweder schwach oder gar nicht geotropisch, nach allen Richtungen im Erdraum hinwachsen können; aber eine so dichte Anhäufung von Wurzelfäden, wie in dem Filz an der Topfwand, findet nicht statt. Diese Beschreibung gilt vorwiegend von den oben aufgeführten Species. Indessen findet man auch Fälle, wo das Innere des Erd- ballens von zahlreichen kurzen Wurzeln durchzogen ist, die die Topf- wand kaum oder nur ab und zu erreichen. Von solchen Fällen ist hier aber keine Rede. Als ich in den ersten Jahren meiner botanischen Studien noch keine Gelegenheit gehabt hatte, die hier beschriebenen Thatsachen kennen zu lernen und wahrnahm, wie kümmerlich sehr viele Species in den Töpfen der Gewächshäuser wachsen, Jahr für Jahr einige Blätter und Blüthen, selbst Früchte bilden, dabei aber selbst nach 10—15 Jahren kaum wesentlich an Grösse zunehmen, wie ich dies zumal an Olea europaea, Benthamia fragifera u. a. beobachtete, da glaubte ich, wie das wohl vielen Anderen ergangen sein mag, es käme nur darauf an, diese Pflanzen nach und nach in immer grössere Töpfe . zu setzen oder sie gleich in solchen keimen zu lassen. Gärtner, die ich desshalb befragte, wussten mir nichts Besseres zu sagen, als, dass es nicht möglich sei, besonders die Holzpflanzen, wie die vom Cap und die Neuholländer, in grossen Töpfen zu cultiviren, die Erde würde leicht faulen, weil sie nicht rasch genug austrocknet und dergl.; 176 meine Gegenfrage, wie es denn mit den Pflanzen, in grossen Kübeln, noch dazu in nicht porösen Holzkübeln zugehe und dass man ja doch nur mit dem Begiessen zu warten brauche, bis die Erde in den grösseren Töpfen ausgetrocknet sei, was ja auch bei den kleinen Töpfen geschehen müsse u. s. w.; da blieb man die Antwort schuldig. — Wenn man nun sicht, wie bei dem „Umsetzen“ der Pflanzen din Wurzelfilze von. den-Gärtnern unbarmherzig weggerissen werden, da könnte es scheinen, als ob dies Verfahren nicht gerade sehr rationell sei, da die Pflanze nicht nur eines grossen Theils ihres organischen Materials, sondern scheinbar auch ihrer kräftigsten Nahrungsorgane beraubt wird. Jedenfalls kann man sich aber überzeugen, dass die alte herge- brachte, aber von den Gärtnern nicht erklärte Praxis, die Pflanzen in kleinen Töpfen zu ceultiviren, deren Grösse durch altes Herkommen festgestellt ist, durchaus berechtigt ist, denn das Einsetzen der Pflanzen in grössere Gefässe verhindert die Entstehung des peripherischen Wurzelfilzes nicht; dies wäre ja nach dem oben Gesagten nur dann möglich, wenn man so grosse Gefässe verwenden könnte, dass die vom Wurzelstock ausstrahlenden Wurzelfäden die Wandung nicht mehr erreichen. Dazu wären aber (z. B. bei Oucurbita maxima, Helianthus annuus u. a.) Gefässe von ungeheuren Dimensionen nöthig, an deren Verwendung gar nicht zu denken ist. Das Gesagte wird das Zustandekommen des Wurzelfilzes und seine Unvermeidlichkeit zur Genüge erklären. Es fragt sich jetzt, worin der durch ihn bewirkte Schaden be- steht, denn dass er das Gedeihen der Pflanzen schädigt, liegt auf der Wand, wie der überaus langsame Wuchs älterer und zumal holziger Gewächse, sowie die viele Arbeit zur zeitweiligen Beseitigung des Uebels beweist. Die Beantwortung dieser Frage dürfte aber aueclı für die Kenntniss der Wurzelthätigkeit der im freien Land wachsenden Pflanzen nicht ohne Bedeutung sein. Betreffs der Schädigung der Pflanze, zunächst der Wurzelthätigkeit selbst, könnte man. wohl an die durcli den Filz bewirkte Beeinträchtigung der Athmung denken. Es ist ja bekannt, wie wichtig die Porosität der gebrannten Töpfe für das Gedeihen der Pflanzen ist, und diese kommt gerade deshalb in Betracht, weil die Wurzeln sich vorwiegend an die Topfwand anlegen. Je dichter aber der Filz wird, desto grösser wird das Hinderniss, welches er dem Ein- und Austritt der Luft, besonders aber auch der in der Topferde entstandenen Kohlensäure, entgegen- - stellt. Indess möchte ich glauben, dass dieser Punkt von geringerer 177 Bedeutung ist, weil bei richtiger Pflege der Pflanzen ein periodisches Austrocknen und Befeuchten der Topferde stattfindet. Verdunstet das aufgegossene Wasser, so füllen sich die Erdporen mit. frischer ‘Luft, die ihrerseits auch durch die fortwährenden T’emperatur- und baro- metrischen Schwankungen fortwährend in Bewegung, in Ein- und Austritt, also in nützlicher Erneuerung erhalten wird; bei den in grossen ITolzkübeln wachsenden Holzpflanzen dürfte dies ohnehin die einzige Art der Lüftung sein. Doch soll damit die ungünstige Wirkung des dichten Wurzelfilzes auf die Athmung der Wurzeln rasch wachsen- der Species nieht geleugnet werden. Für weit schädlicher halte ich aber, dass die den Filz bildenden Wurzelfäden für die Nahrungsaufnahme wenig oder nichts leisten können. Bei einem sehr dichten Fila kann selbst das auf den Topf gegossene Wasser nur schwierig zwischen die Fäden des Filzes ein- dringen und die Capillarverhältnisse sind dort aueh nicht günstig genug, das Wasser längere Zeit festzuhalten; die in dem Wasser ge- lösten Nährstoffe kommen der Pflanze also nicht so zu statten, wie wenn die Wurzeln einzeln in der fein krümeligen Erde verlaufen. Das Schlimmste in dieser Beziehung ist aber, dass der Wurzel- filz gerade die jüngeren fortwachsenden Enden der Wurzelfäden und ihre jüngeren Auszweigungen enthält. - An ihnen entstehen mit fort- schreitendem Längenwachsthum im normalen Fall immer neue Wurzelhaare (Haustorien), um immer wieder neue, nahrungsreiche Bodentheilchen auszunutzen; aber innerhalb des wandständigen Filzes kann dieser Vorgang nur höchst unvollkommen stattfinden, weil die Ilaustorien, selbst wenn sie sich in gewohnter Weise bilden (was ich jedoch noch nicht untersucht habe), nicht mit ermährenden Boden- theilchen in genügender Zahl verwachsen können; vermuthlich mögen sich manche wohl auch an die Topfwand anlegen, oder in Poren derselben eindringen, wo sie aber doch nur schwerlösliche unorganische Stoffe antreffen. Die Bedingungen der Nahrungsaufnahme durch die den Filz bildenden Wurzelfäden sind also ungünstig und dies muss zunehmen in dem Maasse, als der Wurzelfilz dichter wird. Ist somit der Wurzelfilz für die Ernährungsthätigkeit ungünstig, so darf anch nicht übersehen werden, dass das Wachsthum desselben ein oft sehr namhaftes Quantum von organischen Baustoffen in Anspruch nimmt, die in den oberirdischen Sprossen erzeugt und nun auf Bildung nutzloser Organe verschwendet werden; die innere llarmonie der physiologischen Vorgänge, die normale Correlation der verschiedenen Organe der Pflanze wird gestört und in wie hohem Grade das ge- 178 schieht, lernt man kennen, wenn man lange Jahre hindurch Pflanzen. eultivirt, um an ihnen physiologische und biologische Erscheinungen zu studiren; für solche wissenschaftliche Zwecke sind daher alte Ge- wächshauspflanzen meist ungeeignet. Ich will hier nicht versäumen, ein einfaches Verfahren anzugeben, wie man in verhältnissmässig kleinen Töpfen recht kräftige Pflanzen für manche Untersuchungen und Demonstrationen bekommen kann. Man setzt die am Boden mit einen grösseren Abzugsloch. versehenen Töpfe bis zum Rande in gute Gartenerde im Freien, wo die darin eingewurzelten jungen Pflanzen das volle Tageslicht geniessen und die Topferde durch das umgebende Erdreich vor starker Austrocknung geschützt ist. Es bildet sich auch in diesem Fall der Filz an der Topfwand, aber durch das Loch im Boden wachsen sehr bald einzelne Wurzelfäden hinaus in die Garten- erde, wo sie sich vielfach verzweigen. So wird die Pflanze bis zum Tage ihrer wissenschaftlichen Verwendung sehr kräftig ernährt. Um sie im Laboratorium oder im Colleg zu benutzen hebt man den Topf aus und schneidet den ganzen Wurzelbusch am Boden ab. Dice Pflanze erträgt dies sehr gut und kann bei richtigem Begiessen viele Tage lang zu Experimenten (z. B. mit Ranken, für Heliotropismus und Gco- tropismus u. s. w.) benutzt werden. Ich komme nun endlich zu dem eigentlichen Thema dieses Auf- satzes, der. Frage, wie die schädliche Wirkung der Filz- bildung vermieden werden kann. Ich glaube, dass bei weiterer Ausbildung des von mir einge- schlagenen Verfahrens auch ein beachtenswerthes praktisches Ergebniss zu erzielen ist. Einstweilen jedoch kommt es mir darauf an, dic wissenschaftliche Seite der Frage klar zu legen. Ich sagte mir, dass bei der Unvermeidlichkeit der Filzbildung es darauf ankomme, diese selbst als Mittel zur Ernährung der Topf- pflanzen mit zu benutzen. Anfangs schien mir zweckmässig, den Topf selbst mit einer Nährstoff-Lösung zu durchtränken, um so dem Wurzel- filz von aussen her Nahrung zuzuführen. Es ist auch nicht zweifel- haft, dass auf diese Art für kurze Zeit geholfen.werden kann; indessen würden leicht lösliche Salze sehr bald ausgewaschen werden, Salpeter würde als krystallinischer Schnee „ausblühen* u. s. w., anderer Uebel- stände nicht zu gedenken. Ich kam daher auf den Gedanken, die Innenseite des Topfes mit einem Nährstoffgemenge zu bekleiden, an welches sich der Wurzelfilz anlegen muss. Hauptsache wäre dabei, dass die Nährstoffe sieh nicht sofort auflösen, sondern den Fäden des Wurzelfilzes langsam durch Diffusion zugeführt werden, 179 Dies schien mir dadurch crreichbar, dass eine pastöse und po- röse Masse mit den Nährstoffen gemengt und mit ihr die Innenseite des Topfes überzogen würde. Dazu schien mir ein Gemenge von viel Gyps und relativ geringer Menge von Nährstoffen geeignet; der Gyps selbst ist zwar im Boden- wasser löslich, aber, wie ich bei meinen zahlreichen „Wassereulturen“ erfahren habe, "wenigstens den vom mir benutzten Pflanzen unschädlieh und manche Wurzeln, wie die der Leguminosen und des Mais, be- finden sich selbst in concentrirter Gypslösung auffallend wohl. Sogleich der erste Versuch, den ich im Juli 1888 in dieser Richtung unternahm, zeigte, dass auf diese Art ein überraschend günstiges Re- sultat zu erzielen sei. Es wurde ein Gemenge von ca. 100 Theilen gebranntem Gyps mit ea. 5 Theilen der bekannten Nährsalze (Kali- salpeter, Caleiumphosphat, Bittersalz, Eisenvitriol) als trockenes Pulver hergestellt, mit Brunnenwasser so zusammengerührt, als ob ein Gyps- guss hergestellt werden solle und mit diesem Teig die Innenfläche eines ca. 15cm weiten Blumentopfes ungefähr 5mm dick überzogen. Nachdem das Gefäss einige Tage getrocknet war, wurde es mit guter Gartenerde gefüllt und ebenso ein gleichgrosses, ohne das Gyps- gemenge. In jedes Gefäss wurden einige Samen von Cucurbita maxima gelegt, die (im August) bald keimten. Bis auf eine wurden die Pflänz- chen weggeschnitten und nun in gewohnter Weise weiter eultivirt. Schon bei der Ausbildung des dritten und vierten Blattes zeigte sich ein Unterschied zu Gunsten der mit Gypsauskleidung versehenen Pflanze, ein Unterschied der täglich zunahm und nach etwa 6—7 Wochen sich so steigerte, dass ich die gesammte Blattfläche der Pflanze im prae- parirten Topf auf etwa das 15fache der anderen schätzen konnte, während der Stamm 6—7 Mal so lang war und reichlich Blüthen- knospen kamen, die bei dem nicht praeparirten Topf kümmerlich blieben. Die Pflanzen standen an einem Südfenster. Der Versuch musste unterbrochen werden, zeigte aber, was auf diese Art zu erreichen ist. Durch diesen Anfang ermuthigt, habe ich nun in den Jahren 1889 und 1890 zahlreiche ähnliche Versuche ge- macht, zunächst nur, um verschiedene Nebenfragen zu erledigen, welche das Zweckmässige des Nahrungsgemenges, die Technik des Auftragens desselben auf die Wand des Gefässes u. s. w., ferner den freien Stand der Töpfe oder ihr Eingraben in Erde u. s. w. be- trafen. Besonders richtete ich meine Aufmerksamkeit auf die in den Gewächshäusern überwinternden Holzpflanzen und die für sie passende Behandlung der Culturgefässe. 180 Die ausführliche Mittheilung dieser zum Theil noch nicht zum Abschluss gekommenen Versuche würde dem Zwecke dieser vorläufigen Notiz kaum entsprechen und hoffe ich später über diese und weitere Erfahrungen berichten zu können. Nur zur Ergänzung der voraus- gehenden theoretischen Darlegungen will ich, mit Uebergehung aller Einzelnheiten, einige Tagebuchsnotizen vom Sommer 1891 anführen. Am 20. Mai wurde eine Mischung hergestellt von gebranntem Gyps. . 2. 2.2.2..2..20008 Kalisalpeter. . . 2 2 2 022. 50 Kalkphosphat . . 2. 2 22020..50 Magnesiumphosphat . . 2 .2..2...2...% Eisenvitriol ... 2 2 20202020 20.200 Thomasmehl . . nen. 200 (letzteres als Phosphordüngung). Dieses Gemenge wurde in 9 Portionen getheilt, für 9 Gefässe. Die Gefässe hatten oben einen Durehmesser von 12,5em, eine Höhe von 13cm (lichte Weite), — Auf jeden Topf kam also ca. 280g des Gypsgemenges. Die Bodenlöcher derselben wurden mit Flaschenkorken verstopft, weil die Töpfe eingegraben werden sollten und das Hinauswachsen von Wurzeln ins freie Land zu vermeiden war; jedoch war der Ver- schluss nicht wasserdicht, um das überschüssige Wasser nach dem Begiessen durchzulassen. Das für jeden Topf‘ bestimmte Gypsgemenge wurde einzeln mit Brunnenwasser angerührt und cingegossen, dann durch Schwenken an der Gefässwand ziemlich gleichmässig vertheilt, wobei der Brei erstarrte. Nachdem die Gefässe zwei Tage lang an der Sonne getrocknet waren, wurde gute Gartenerde eingefüllt und für jedes derselben ein Begleiter von gleicher Grösse, aber ohne Gypsgemenge her- gerichtet. In je ein Paar dieser Gefässe wurden ausgewählt gleiche junge Pllanzen derselben Species eingesetzt (pikirt) und jene paarweis bis zum oberen Rand in Erde eingegraben. Als Standort wurde eine nach Süd gelegene Rabatte ausgesucht, die Pflege einem zuverlässigen Gcehilfen übergeben. — In den ersten vier Wochen war das Wetter meist kühl, selbst kalt und oft regnerisch, später günstiger. Die Resultate waren folgende: Am 27. Juli war bei Nicotiana rustica, Solanum reclinatum, Cleome speciosa, Gossyopium herbaceum eine beträchtliche Förderung 181 der Pflanzen in den präparirten Gefässen zu constatieren, die be- sonders bei Nicotiana sehr auffallend war. Bei Dahlia coceinea und Solanum melongena war der Unterschied. gering, doch immerhin bemerklich. Auch bei anderen Versuchsreihen bemerkte ich, dass die Pflanzen in präparirten Gefässen nicht besser, als in gewöhnlicher Behandlung gediehen, so z. B. Cuphea tubiflora, Nieotiana wigandioides; vielleicht war für diese Arten die angewandte Nährstoff-Mischung nicht günstig; es können aber auch andere Um- stände zufällig mitgewirkt haben, was weiter zu untersuchen ist. Dagegen war bei folgenden Arten in der beschriebenen Versuchs- ‘reihe die Wirkung eine überraschend grosse. Lagenaria vulgaris am 4. August: Die Pllanze im präparirten Gefäss: Stamm 110 cm lang, Blätter 29 (ausgewachsene), belaubte Seitensprosse 8, Blüthen und junge Früchte 13. Die Pflanze im nicht präparirten Gefäss: Stamm. ca. 50 cm lang, Blätter 14 (diese nur 1a! so gross wie jene), einige sehr kleine Seitensprosse, nur eine (weibl.) Blüthe. Das Gewicht der präparirten Pflanze frisch 4—5 Mal so gross als das der anderen. Gartenbalsamine am 6. August: Die Pflanze im präparirten Gefäss: Stamm 50cm hoch, unten 16mm dick, Seitensprosse 3 (30—30—35 em lang). Die beiden unteren Seitensprosse haben je einen Nebenspross von 15-—20cm Länge. Blätter 129 (alle gross und dunkelgrün). Die Pflanze macht den Eindruck, als ob sie im freien Land gewachsen wäre. Sie hat 16 schr grosse, schöne Blüthen und viele Blüthenknospen ; auch 31 grosse Früchte. Der Sprosstheil dicht über der Erde abgeschnitten wiegt frisch 160 g- Die Pflanze im nicht präparirten Topf: Stamm 45cm hoch, 12mm dick, Seitensprosse nur 3 ohne Blüthen, 182 Blätter 63, klein, viele gelb, entleert. Am Hauptstamm 2 Blüthen, 29 Früchte, diese klein. Der Sprosstheil über der Erde abgeschnitten wiegt frisch 679. Solanum chrysantum am 26. August: Die Pflanze im präparirten Gefäss: Stamm 76cm hoch, Seitensprosse 9 (von 50—5 cm), Blätter aller Sprosse 138, Früchte (schwarze und grüne) 180. Gewicht des oberirdischen Theils frisch 98 g. Die Pflanze im nicht präparirten. Gefäss: Stamm 52cm hoch, Seitensprosse 5 (30—12 cm), Blätter aller Sprosse 51, Früchte (reife und unreife) 61. Gewicht des oberirdischen Theils frisch 32 g. Dass der grosse Vorsprung der Pflanzen in den präparirten Ge- fässen der durch die Gypsauskleidung zugeführten Nahrung zu danken ist, bedarf weiter keines Beweises. Es ist aber zu beachten, dass wohl nicht allein die Wurzeln des Filzes selbst in Betracht kommen. sondern dass auch die im Innenraum des Erdballens verlaufenden Wurzelfäden an der besseren Ernährung theil nehmen, weil die aus dem Wandbeleg herausdiffundirenden Nährstoffe, besonders der im Bodenwasser sich ziemlich leicht auflösende Gyps selbst, auch ihnen mehr oder weniger zu Gute kommen mögen. Diese und manche andere Fragen werden aber durch weitere Untersuchungen zu lösen sein. Würzburg, 2. März 1892. Fortsetzung folgt. Ueber die photometrischen Bewegungen der Pflanzen. Von ” Fi \ Friedrich Oltmanns. | Hierzu Tafel IV, Durch meine Untersuchungen über die Lebensbedingungen der Meeresalgen!) war ich zu dem Resultat gekommen, dass diese Or- ganismen in sehr auffälliger Weise von der Intensität des Lichtes ab- hängig sind; sie besitzen nicht bloss die von Berthold beschriebenen Vorkehrungen, um sich innerbalb gewisser Grenzen gegen zu inten- sives Licht zu schützen und somit eine Regulirung der auf das Proto- plasma wirkenden Lichtstärke vorzunehmen; sie können dauernd nur dann existiren, wenn die ihnen gebotene Helligkeit ein Optimum dar- stellt resp. um ein Optimum innerhalb genau vorgeschriebener Grenzen pendelt. Ich hatte damals darauf hingewiesen, dass diese Resultate sich sicher auf alle Wasserpflanzen, vermuthlich auch auf alle Land- pflanzen übertragen lassen. Durch gelegentliche Beobachtungen habe ich die Ueberzeugung gewonnen, dass diese Vermuthung richtig ist, wenn auch die Verhältnisse mit Rücksicht auf die Transpiration etc. etwas complieirter liegen. Ist das aber der Fall, so lag es nahe, sich einmal die Frage vor- zulegen, ob nicht die sämmtlichen Pflanzen in irgend einer Form Vorkehrungen zu treffen im Stande sind, um die eventuellen schäd- lichen Einwirkungen einer veränderten Lichtintensität zu paralysiren. Der Heliotropismus, die Phototaxie, die Photonastie etc. sind als Einrichtungen dieser Art wohl schon mehrfach angesprochen, aber in der Richtung kaum eingehender untersucht worden. Eine erneute Prüfung der genannten Processe schien mir um so mehr zu ver- sprechen, als ich für die Untersuchung ein geeignetes Hilfsmittel in dem von mir früher?) beschriebenen Gelatine-Tusche-Prismen gefunden 1) Pringsheim’s Jahrb. Bd. 23, S. 849 ff. 2) Cultur- und Lebensbedigungen der Meeresalgen. Pringsh. Jahrb. Bd. 28, S. 416. 184 zu haben glaubte. Ueber die Herstellung dieser Prismen resp. Keile noch einmal genauer zu berichten, erscheint unter Hinweis auf die frühere Arbeit überflüssig; ich will hier noch einmal hervorheben, dass dieselben aus zwei Glasplatten bestehen, welche unter einem sehr spitzen Winkel mit einander verbunden sind, und mit Tusche gemengte Glycerin-Gelatine einschliessen. Für die Versuche wurden hauptsäch- lieh zwei Formen dieser Prismen verwendet, bei den kleineren hatten die Glasplatten eine Grösse von 30X25 cm und waren an einem Ende 5--6 mm von einander entfernt, so dass sie einen Winkel von etwa 2° einschlossen. Das grössere Format bestand aus 55cm langen und 45 cm breiten Glasplatten, welche einen Winkel von 1° mit einander bildeten, demnach am dicken Ende des Prismas ebenfalls etwa 6 mm Abstand besassen. Lässt man Licht auf diese Prismen fallen, so passirt dasselbe an der dünnsten Stelle fast ungehindert, wird aber mit zunehmender Dicke der Gelatine-Tusche-Schicht stetig absorbirt, so dass vom hellsten zum dunkelsten Ende eine ganz allmähliche Abnahme der Helligkeit statthat. Durch Veränderung des Prismen- winkels, sowie durch gesteigerte oder verminderte Concentration der Tusche-Mischung kann man demnach fast jede beliebige Helligkeit erzeugen und besonders beim Arbeiten in direeten Sonnenlicht erhält man dieses einerseits wenig geschwächt, andererseits relativ stark ver- dunkelt. Die Lichtabsorption in den Platten wurde mit Hilfe des Bunsen’schen Photometers und zweier Normalkerzen bestimmt. Die Platten liessen je nach ihrer Construction am diekeren Ende 10—20 ®, am dünnsten Ende 50—70°%% des auffallenden Lichtes passiren. Da der Prismenwinkel ein minimaler ist, kann die Ablenkung der Strahlen für unsere Versuche nicht in Frage kommen. Damit wird es sich rechtfertigen, wenn ich im Folgenden mehrfach von Keil- Platten oder einfach von Platten spreche. Lässt sich doch mit den Prismen experimentiren wie mit etwas dieken Glasplatten. I. Phototaxie. a) Orthophototaxie. Volvox. Die Versuche wurden begonnen mit Volvox. Sowohl V. minor “als auch V. Globator traten im Sommer 1891 um Rostock in ausser- ordentlich grossen Mengen auf. Das Wasser des Bassins im botani- schen Garten war stellenweise fast grün gefärbt und so erlangte man durch einfaches Aufschöpfen desselben ein schr geeignetes Unter- 185 suchungsmaterial. Da die beiden Species sich in allen wesentlichen Punkten gleich verhielten, ist es nicht nothwendig, zwischen denselben zu unterscheiden. Bringt man das Volvoxwasser in ein beliebiges Glasgefäss und stellt letzteres in ein gewöhnliches Zimmer, so eilen alle Kugeln mit dem Vorderende‘) nach der Fensterseite, sie bleiben hier unbeweglich mit dem „Mundende‘‘ nach vorn gekehrt sitzen. Verwendet man ein vierkantiges Gefäss, welches man mit einer Seite parallel zum Fenster stellt, so erfolgt zunächst die gleiche Reaction ; wird eine Hälfte durch ein Pappstück beschattet, so wandern die hier befindlichen Kugeln in die andere nicht verdunkelte Hälfte aus, kehren aber nach Entfernung der Pappe nicht in diesen Theil zurück, der- selbe bleibt dauernd frei von Volvox wenn die Stellung des Glases nicht verändert wird. Fällt direetes Sonnenlicht auf das Volvoxgefäss, so verlassen die bis dahin an der Fensterseite unbeweglich sitzenden Individuen diese und wandern in der Riehtung der einfallenden Strahlen nach der Zimmerseite, um hier wiederum fest zu werden und ihre Stellung nicht zu verändern, so lange die äusseren Bedingungen nicht modifieirt werden. Setzt man ein Gefäss mit Volvox in die helle Sonne, so bewegen sich die Pflanzen zuweilen gleichmässig in dem ganzen ihnen zur Verfügung stehenden Raum umher, häufig aber be- geben sie sich nach dem der Sonne zugekehrten Ende, weil an den Gefässwänden Reflexe eintreten, welche die abgekehrte Seite zur helleren machen. Ein Festsetzen, wie im Zimmer, kommt gewöhnlich “nicht zu Stande und eine positive oder negative Bewegung in der Richtung der einfallenden Strahlen ist nicht zu verzeichnen, die Kugeln bewegen sich vielmehr meistens vertikal auf- resp. abwärts. Das soeben geschilderte Verhalten des Volvox stimmt wenigstens annähernd mit dem überein, was auch von anderen Forschern bereits über phototaktische Organismen berichtet ist. Arbeiten wir aber, aus später zu erörternden Gründen, im Freien unter Verwendung unserer Tusche-Platten, so kommen wir zu etwas anderen Resultaten. ich liess einen Kasten von 25cm Höhe, 30cm Länge, 8—10 cm Breite herstellen, dessen schmale Wände aus Holz bestanden; die beiden breiten 30x25 cm messenden Wände dagegen wurden von zwei genau gleichen Tusche-Platten gebildet; ein Deckel konnte fehlen. Kehrt man den Kasten um, so hat man einen Raum von der ange- 1) Als solches ist derjenige "Theil zu bezeichen, welcher von Geschlechtsorganen resp, Parthenogonidien frei und bei der Bewegung nach vorn gerichtet ist. Vergl. L. Klein über die Gattung Volvox. Pringsh. Jahrb. Bd. 20, S. 165, + 188 . gebenen Grösse, in welchen nur durch die beiden Seitenwände Licht eintreten kann. Die Platten sind am Kasten so orientirt, dass jedes- mal die hellen und die dunklen Ränder einander gegenüber stehen. Würde man ein Bündel paralleler Lichtstrahlen genau senkrecht auf eine Fläche des Kastens richten, so hätte man in demselben eine vollkommen gleichmässige Abnahme der Lichtintensität vom dünneren nach dem diekeren Ende der Platten in der Weise, dass alle Punkte gleicher Helligkeit eine vertikale Linie darstellten. Das liess sich aber unter freiem Himmel und bei Sonnenlicht kaum erreichen, weil mir kein Heliostat mit einem Spiegel zur. Verfügung stand, der für diesen Zweck ausgereicht hätte. Derselbe ist aber auch entbehrlich. Stellt man den Kasten so, dass die Sonnenstrahlen auf eine der schmalen Seiten desselben fallen, so muss innerhalb des Kasten eine allmälı- liche Abstufung der Helligkeit stattfinden, welche von zwei Factoren abhängig ist, einmal von dem Absorptionscoöfficienten der Keil-Platten, dann von dem Schatten, welchen die undurchsichtigen Theile werfen; die Orte gleicher Helligkeit liegen demnach nicht mehr in einer Verti- kalen, sondern werden durch eine Linie verbunden, die einen Winkel von 40—60° je nach dem Sonnenstande ete. mit der Lothlinie ein- schliesst. Die hellste Stelle im Kasten liegt folglich nahe seiner unteren Ecke am hellen, die dunkelste nahe seiner oberen Ecke am dunkleren Plattenende. Bei gleichmässiger Bewölkung ändert sich natürlich die Helligkeitsvertheilung im Apparat etwas, indess braucht, darauf wohl kaum eingegangen zu werden. Die Dinge sind ohne Weiteres verständlich. Bringt man Volvoxwasser in vierkantige Glasgefässe, deren Boden- fläche die Grösse von 20X5em hat, und setzt diese den direeten Sonnenstrahlen aus, so bleiben die Volvoxkugeln durch das ganze Gefäss annähernd gleichmässig vertheilt, höchstens findet ein mässiges Auswandern aus den Theilen statt, in welchen durch Spiegelung an den Wänden die Helligkeit gesteigert wird. Dies Bild ändert sich aber fast momentan, wenn man einen der vorhin beschriebenen Kasten über das Glasgefüss setzt. Wir stellen den Versuch zunächst bei Sonnenschein in den Stunden zwischen 11 und 3 Uhr an und sorgen durch ständige Verschiebung dafür, dass die directen Strahlen immer auf die schmale Seite des Kastens fallen. In dem Wasser sind in grossen Mengen sowohl geschlechtliche als ungeschlechtliche Individuen des Volvox minor vertreten, dieselben sind schon mit blossem Auge an ihrer Färbung zu unterscheiden, bei der Flachheit des Culturgefässes kann man ausserdem eine schwache 187 Lupe bequem verwenden und geht so in der Unterscheidung ungeschecht- licher und geschlechtlicher Pflänzchen völlig sicher. Sofort nach der Bedeckung der Cultur beginnt eine Sortirung der verschiedenen Individuen. Die Parthenogonidien führenden be- geben sich in den hellsten Theil des Raumes und sammeln sich in dichten Wolken nahe der hellsten Ecke an. Die weiblichen dagegen, namentlich solche, deren Bier bereits befruchtet sind, bewegen sich mehr in die dunkleren Regionen des Apparates (bei0, Fig.1), sie bilden hier keine wolkenartigen Massen wie die geschlechtslosen, sondern nach ganz kurzer Zeit ordnen sie sich zu vertikalen Reihen an einer oder an beiden Wänden des Gefässes. Jede derselben wird durch 20 bis 50 Individuen gebildet; sie sind relativ lang an dem dunkleren Ende, kürzer in dem helleren 'Theil des Gefässes. In diesen Reihen sind die Pflänzchen durchaus nicht unbeweglich, vielmehr vollführen sie lebhafte Bewegungen in folgender Weise: Sie sind vertikal gestellt, der vordere von Oogonien freie Theil zeigt nach oben, dem entsprechend der andere nach unten. Die Organismen wandern, um die Längsachse rotirend, rasch aufwärts, wie Schiffe in Kiellinie genaue Richtung haltend. Plötzlich sistiren einige der oberen ihre Bewegung, man hat den Eindruck als ob momentan die Maschine still stände; nun folgen sie ihrer eigenen Schwere und sinken mit dem Hinterende voran abwärts, dabei treffen sie auf die vertikal unter ihnen noch aufwärts steuernden Genossen, reissen diese mit und so sinkt ein Knäuel von 10—20—30 Kugeln abwärts. Man glaubt, sie würden in kurzer Zeit auf dem Boden anlangen, aber plötzlich wird der Fall aufgehalten, einen Moment liegt der Knäuel still, dann entwirrt er sich rasch und eine Kugel nach der andern setzt ihren Curs wieder vertikal aufwärts, die Kiellinie ist hergestellt, um nach kurzer Zeit von Neuem durch den Absturz der Führer gestört zu werden. Die Knäuel fallen in den verschiedenen Theilen des Gefässes verschieden tief; os gelangen die an der hellen Seite auf- und abwandennden nicht so weit nach unten, als die in etwas geringerer Helligkeit befindlichen. Die Fallbewegungen werden offenbar sistirt, sobald eine Zone von bestimmter Intensität des Lichtes erreicht ist. An den ungeschlechtlichen Individuen wird Reihen- und Knäuel- bildung nicht in derselben Regelmässigkeit wahrgenommen. Häufig hat es sogar mit der Bildung wolkenartiger Anhäufungen sein Bewenden, in welchen die Einzelwesen unregelmässig durch einander schiessen und eine Örientirung zu den einfallenden Lichtstrahlen nicht er- kennen lassen. Flora 1892, 13 188 Die geschilderte Anordnung der verschiedenen Pflänzchen bleibt dieselbe, so lange die Helligkeit sich nicht wesentlich ändert. Da nun das Glasgefäss etwa 10cm kürzer ist, als der übergesetzte Kasten, so kann man durch Verschieben des letzteren die Lichtintensität im Culturgefäss an jedem Punkt verändern. Diesen Aenderungen folst auch der Volvox, indem er seinen früheren Platz annähernd wieder aufsucht. Da die Helligkeitsabstufung in den verwendeten Tusche- platten eine relativ sehr allmähliche war, kam diese Erscheinung nicht immer deutlich zur Geltung. Viel eclatanter wird die Sache, wenn wir die directen Sonnenstrahlen nicht auf die schmale Seite des Kastens, sondern gerade gegen eine der Gelatine-Platten fallen lassen. Um die Mittagszeit bilden bei dieser Aufstellung die Sonnenstrahlen einen Winkel von etwa 45° mit der Vertikalen. Auch hier muss demnach die Helligkeit im Gefäss die Resultante sein aus der Ab- sorption des Lichtes in der Platte und dem Schatten, welchen die Holztheile des Apparates werfen. Die Orte gleicher Helligkeit erhalten aber eine ganz andere Lage als im vorigen Versuch. Im Allgemeinen wird die Intensität des Lichtes in dem Gefäss von dem hellen zum dunkleren Ende. einerseits, von der vorderen (beleuchteten) Unterkante nach der hinteren Oberkante andererseits abnehmen. Demgemäss verhält sich auch der Volvox. Sowie man den Apparat, welcher vorher von der Kante her beleuchtet war, um 90° dreht, beginnt eine Auswanderung der Volvoxindividuen von den Orten, an welchen sie sich vorher umherbewegt hatten, alles wandert in dunklere Gegenden; in kurzer Zeit, oft in wenigen Minuten ist die hellste Ecke völlig entleert und weibliche sowohl wie ungeschlechtliche Individuen ordnen sich wieder mit den bekannten Unterschieden an bestimmten Stellen an, welche sie bei constant bleibender Beleuchtung nicht verlassen. Bevorzugt sind die von der Sonne abgekehrten Theile des Gefässes. Derartige Versuche wurden nur wenige angestellt, weil bei längerer Dauer derselben die Gelatine-Keile sich durch die Sonnenstrahlen so stark erwärmen, dass die Glyceringelatine schmilzt, was mancherlei Unbequemlichkeiten zur Folge hat. Die zuerst geschilderte Versuchsanstellung schien mir auch für alle Zwecke zu genügen. Wenn hei dieser die. Experimente einige Stunden dauerten und nicht genau auf eine Verschiebung des Ap- parates geachtet wurde, fielen die directen Sonnenstrahlen bisweilen unter einem sehr kleinen Winkel gegen die Platten; auch dann ergab sich sofort eine Verminderung der Individuenzahl in der hellsten Ecke. 189 Treten Wolken vor die Sonne, so streben alle Individuen nach der hellen Ecke, ebenso gegen Abend, wenn die Helligkeit abnimmt. Verschwinden die Wolken, so kehren sie in ihre ursprüngliche Stellung zurück. Aehnliches kann man durch Ueberdecken mit weisser Lein- wand ete. erreichen. In allen diesen Fällen liegen die Volvoxkugeln fast unbeweglich am Boden, häufig so, dass die ungeschlechtlichen Individuen den hellsten Theil des Bodens bedecken, die weiblichen dagegen mehr in den dunkleren Regionen ruhen. Hier liegt offenbar der analoge Fall vor wie bei Versuchen im Zimmer unter Anwendung diffusen Tageslichts, wo alle Schwärmer an der positiven Seite fest- sitzen, Werden die Kästen völlig verdunkelt, oder beobachtet man, was noch besser ist, die Pflänzehen über Nacht, so findet man sie durchaus gleichmässig im Culturgefäss vertheili, sie bewegen sich ganz langsam, treiben eigentlich nur träge im Wasser umher. Diese Wahrnehmung kann natürlich nur gemacht werden, wenn man für kurze Zeit mit einem Licht an das Gefäss herankommt. Es ist indess kaum anzu- nehmen, dass diese rasch vorübergehende Einwirkung des Lichtes die beschriebene Bewegung wachruft; wären die Volvoxkugeln bei völliger Dunkelheit unbeweglich, so müssten sie sich auf dem Boden der Ge- fässe vorfinden, da sie wie die meisten imm Wasser schwärmenden Organismen specifisch schwerer sind als dieses und sich nur durch Eigenbewegung vom Grunde erheben können.d _ Bei Gewitterregen und von tiefschwarzen Wolken bedecktem Himmel lagen nicht alle Individuen, wie man zunächst hätte erwarten sollen, auf dem Boden des Glases, sondern ein grosser Theil derselben bewegte sich völlig indifferent und in gleichmässiger Vertheilung langsam im Glase umher. Die Erklärung ist wohl eine sehr einfache; wie Mimosa, Desmodium u. A. ihre Schlafstellung schon vor dem Einbruch völliger Dunkelheit zeigen, ebenso wird Volvox die „Nachtstellung* einnehmen, wenn die Helligkeit unter ein bestimmtes Maass herabgesunken ist. Das soeben geschilderte Verhalten des Volvox wiederholt sich nun auch genau im Freien. Das Süsswasserhassin unseres botan. Gartens bot hinreichende Gelegenheit dies zu eonstatiren. Eine Hälfte desselben war von grösseren Pflanzen fast frei, die andere dicht be- deckt von Blättern der Nymphaea alba, zwischen welchen die freie Wasserfläche nur an relativ wenigen eng umschriebenen Stellen zum Vorschein kam. So lange am Morgen (bis etwa 9 Uhr) ein neben- 1) Vgl. Strasburger, Wirkung des Lichtes und der Wärme auf Schwärm- sporen. Jenaische Zeitschrift f. Naturw. 12, (1878). 13* 196 stehender Baum Schatten spendete, fand sich der Volvox in der un- bedeckten Hälfte in grossen Massen, sobald aber die ersten directen Strahlen auf das Wasser fielen, wanderte er aus und man fand ihn dann massenhaft unter resp. in der Nähe der Nymphaea-Blätter oder auch zwischen dichten Cladophora-Rasen, welche sich an einigen im Wasser stehenden Töpfen angesiedelt hatten. An den freien Stellen zwischen den Schwimmblättern der Seerose, welche von den Rändern ‚derselben immerhin einigen Schatten erhielten, bewegten sich die mit Parthenogonidien begabten Exemplare, die Oogonien führenden dagegen zogen sich mehr unter die Blätter zurück. Hier konnte auch häufig der Reihenmarsch der Weibehen besonders in den Mittagsstunden beobachtet werden, sie suchten mit Vorliebe den von den Blättern herrührenden Halbschatten auf. Am späten Nachmittage, wenn die Sonne nicht mehr direct auf das Bassin schien; kamen viele Exemplare an die Oberfläche und bildeten hier nicht selten, völlig unbeweglich liegend, mehr oder weniger ausgedehnte. grüne Häufchen, die bei Dunkelheit wieder ver- schwanden. Die Oulturen wichen daher jedenfalls nicht in wesent- lichen Punkten von den am natürlichen Standort befindlichen Or- ganismen ab. Unsere Versuche ergeben ein sehr scharfes Unterscheidungsver- mögen des Volvox für verschiedene Helligkeiten, ein Auswandern sowohl aus den hellsten wie den dunkelsten Partien des Apparates und das Aufsuchen einer bestimmten Lichtintensität, die wir wohl als die für die Pflanze optimale auffassen dürfen. Diejenige Beschaffenheit resp. derjenige Zustand der Zelle nun, welcher sie zwingt, in einem gegebenen Moment ein bestimmtes Optimum zu erstreben, mag als Lichtstimmung bezeichnet werden. Photometrie wäre dann die Unter- scheidung von Lichtintensitäten seitens der Pflanze zu nennen und die durch Licht von verschiedener Intensität ausgelöste Bewegung könnte passend den Namen photometrische Bewegung führen. Nun ist aber keineswegs in jedem Moment die Helligkeit, welche aufgesucht wird, genau die gleiche, der Zustand der Zelle, welcher soeben als Lichtstimmung bezeichnet wurde, varürt nach Entwicklungs- stufen und nach äusseren Einflüssen. Die Abhängigkeit von den ersteren gibt sich bei Volvox sehr eclatant darin zu erkennen, dass die mit mehr oder weniger reifen Oosporen begabten Individuen dunklere Stellen aufsuchen, als diejenigen mit ganz jungen Oogonien resp. Parthenagonidien. Aber auch von der vorgängigen Beleuchtung ist die Lichtstimmung abhängig. Ich hatte zwei der beschriebenen 191 mit genau gleichen Platten versehenen Kästen aufgestellt, die Glas- gefässe wurden am 31. Juli gegen Abend mit Volvoxwasser gefüllt und der eine Apparat bis zum 1. Aug. Morgens 9 Uhr völlig ver- dunkelt, der andere erhielt Licht vom frühesten Morgen an. Noch am 4. Aug. konnte eine Differenz zwischen beiden Kästen insofern constatirt werden, als in dem einmalig verdunkelten eine unverkenn- bare Neigung der Kugeln vorhanden war, mehr ins Dunkle zu gehen, als in dem anderen Apparat, welcher allein dem natürlichen Wechsel von Licht und Dunkelheit unterworfen gewesen war. Diese Beobachtungen stimmen überein mit den Angaben Stras- burger’s, welcher ebenfalls mittheilt,) dass die Schwärmsporen vieler Algen höher gestimmt sind, wenn die Culturen längere Zeit intensiver Beleuchtung ausgesetzt waren. Desgleichen macht er richtig darauf aufmerksam, dass es eine grosse Periode der Lichtstimmung gebe, welche von der Entwickelung abhängig sei, eine Beobachtung, die auch bereits von anderen Forschern mehr oder weniger correct ge- macht war, wie Strasburger a.a. OÖ. des Weiteren erörtert. Aus meinen mehrere Tage an ein- und derselben Cultur fortgesetzten Beobachtungen glaubte ich auch auf eine tägliche Periode der Licht- stimmung schliessen zu sollen, volle Gewissheit habe ich aber über diesen Punkt nieht erlangt. Wie in Strasburger’s Versuchen die Schwärmsporen, erwiesen sich bei mir die Volvoxindividuen ausser- ordentlich launisch. Was mich trotzdem an eine tägliche Periodieität denken liess, war die Thatsache, dass z. B. am 4. Aug. Morgens 41); Uhr der gesammte Inhalt des Apparates eine merklich dunklere Stellung einnahm, als um 8% Uhr Vormittags, obwohl um 41 Uhr noch keineswegs volles Tageslicht vorhanden war. An einem anderen Tage beobachtete ich, dass von Vormittags 11 Uhr bis Nachmittags 5% 30 der Volvox sich bei hellem Sonnenschein ganz allmählich in etwas dunklere Regionen begab, Er stand um 5# 30 etwas dunkler, als um 12°, obwohl ganz sicher die Intensität des Sonnenliehtes um 12® grösser ist, als um 5°. Man würde aus beiden und einigen ähn- lichen Beobachtungen schliessen können, dass die Lichtstimmung bis zum Vormittage oder Mittage steigt, um von dort ab wieder etwas zu sinken. Aehnliche Vermuthungen ergaben sich aus den Beobach- tungen im Freien. Die Lichtstimmung der geschlechtlichen und ungeschlechtlichen Individuen scheint sich häufig nicht gleichsinnig zu verändern, Nur D) 1. c. p. 590, 192 so kann ich mir wenigstens die mehrfach gemachte Beobachtung er- klären, dass die Weibchen, welche am frühen Morgen von den unge- schlechtlichen Individuen gut getrennt gewesen waren in den Vor- ‚mittagsstunden in relativ helle Regionen des Apparates wanderten und sich dort mit einem Theil der Parthenogonidien führenden völlig ver- mengten; später, etwa um 2 oder 3® Nachmittags war dann wieder eine scharfe Trennung der beiden. differenten Formen vollzogen. Die soeben gemachten Angaben über den Wechsel der Licht- stimmung genügen noch nicht um in dieser Riehtung ein vollkommen klares Bild der untersuchten ‚Vorgänge zu geben; ich habe sie erwähnt, weil sie an sich schon hinreichendes Interesse zu bieten schienen und ausserdem event. zeigen können, in welcher Richtung meiner Meinung nach event. weiter zu arbeiten ist. Um nun aber dem Leser ein Bild von dem durch das Licht be- dingten Wechsel der Stellungen und Bewegungen des Volvox zu geben, füge ich hier das Protokoll über das Verhalten in einem Gefäss bei, welches am Abend des 31. Juli frisch mit Volvox beschickt war. 1. August. Vormittags. Die bekannte, 8. 187 beschriebene Stellung. Helles Wetter. 3" Nm. Regen, Ein grosser Haufen liegt in der hellsten Ecke. Ausser- dunklerHimmel. dem treiben viele in gleichmässiger Vertheilung im Gefäss. Differenz zwischen Weibchen (9) und Ungeschlechtlichen (&) kaum wahrnehmbar. 4" 30 Nm. Sonne kommt durch. 4h 45, Trennung von Q und ®, erstere dunkler, letztere in der hellen Ecke Wolken bildend. 4” 50 graue Wol- Reihenmarsch der © hört auf. ken. 5 Ts bildet sich ein Streifen an dem hellsten Ende, in welehem Q und & sich durch einander be- wegen. 5510. Seit 5 Q und & wieder getrennt. Letzere in der hellsten. mässig helle Ecke, erstere an etwas dunkleren Stellen. Sonne. 5540 graue Wol- ken, 550 zunehmen- de Dunkelheit. 6" 10 dunkel- grauer Himmel und Regen. 7"10 Abends. Himmel klärt sich auf. 8h 10 Abnahme der Helligkeit. 38h Morgens Ge- witterregen. 10% Der Regen hört auf. Heller Himmel, aber wenig Sonne. 105 40 Sonne und weisse Wolken. 11® 25 Sonne und weisse Wolken. 12" Sonne, zu- weilen weisse Wolken. 3h dasselbe. 5h 30 dasselbe. 193 1. August. Alles drängt in die helle Ecke, immerhin die © nicht so stark als die &. Wie um 3®, Besonders die Q treiben in träger Bewegung durch das ganze Gefäss. Es kommt etwas mehr Bewegung in die Massen. Fast alles liegt ruhig auf dem Boden. 2. August. Die meisten in der hellen Ecke, eine Anzahl Q treibt durch das ganze Gefäss. Zunächst noch wie um 8. Sofortnach Verschwinden der dunklen Wolken zieht alles mehr in die helleren Theile resp. nach unten. Ziemlich scharfe Trennung zwischen den 9, welche dunkel und den £B, welche hell stehen. Be- wegungen mässig rasch. Bewegungen lebhafter. Reihenmarsch der 9 , welche dabei etwas tiefer abwärts gehen als vorher. Ob- wohl die helle Unterecke noch immer von den & bevorzugt wird, bilden sich doch am ganzen hellen Rande auf- und absteuernde, lebhaft be- wegliche Klumpen. Die Anhäufung von & in der hellsten Ecke mehr gelichtet. Q@ fast unverändert. Fast das ganze hellere Viertel des Apparates von oben bis unten mit locker gestellten, lebhaft be- weglichen &B erfüllt, obgleich die hellste Ecke noch immer bevorzugt ist. O kaum ver- ändert. Ueberall weitere Bevorzugung der dunkleren Stellen. 194 75 Sonne be- deckt. 11® Abends. mittags.) Mittags. Nachmittags Re- gen wie am 1. August. 8t 30 beginnende Dunkelheit. 11" 30 Abends. .4% 30 Morgens. Sonnenaufgang, keine Wolken. 8h 30 helles Wetter. 11® helle Sonne. 35 45helleSonne. 4" 30, Seit 4# 25 bedeckter Him- mel, 2. August. & am Boden in der hellen Ecke. Q am Boden im dunkleren Theil, ausserdem viele im ganzen Raum treibend. In langsamer Bewegung treiben alle Individuen durch das ganze Gefäss ohne Unterschied von Q und ®. Nur wenige Exemplare liegen noch in der hellen Ecke. 3. August. Die bekannte Vertheilung mit Reihenbildung der Q ete. Dasselbe wie am 1. August. Fast alles auf dem Boden liegend, einige treiben bis zu halber Höhe des Gefässes. @ am Boden wieder dunkler, als die ®. Alles gleichmässig vertheilt wie am vorigen Abend. 4. August. Q in der dunkleren Hälfte, mit Ausnahme der dunkelsten Ecke relativ gleichmässig vertheilt, bereits zum Theil im Reihenmarseh. & in der ganzen helleren llälfte ziemlich lebhaft bewegt, hellste Ecke aber bevorzugt. Bei lebhafter Bewegung die übliche Stellung. © sowohl als & stehen ctwas heller als 430. An dem hellen Rande eine eigenartige Vermengung von © und £B in einem vertikalen Streifen. Der Reihenmarsch hat aufgehört, nur in der hellsten Ecke sind die & fast rein. © und & wieder scharf getrennt. & in dem helleren Viertel vertikal und fast gleich- mässig vertheilt. Hellste Ecke kaum bevorzugt. un Fast alle Exemplare wandern auf den Boden und zwar die Q im dunkleren, die £& im helleren Theil. 195 4. August. 530 etwas Pflanzen erheben sich etwas vom Boden. hellere Beleuch- tung. 725 beginnen- Die meisten © und & in bekannter Anordnung de Dämmerung. auf dem Boden liegend. Beobachtet man die Bewegungen der Volvoxkugeln unmittelbar nach erfolgter Veränderung der Beleuchtungsverhältnisse, z. B. nach- dem man den bekannten Kasten über ein vorher in der Sonne stehen- des Gefäss gesetzt hat, so kann man leicht constatiren, dass die einzelnen Kugeln ihre ursprüngliche Bewegungsrichtung fast momentan verlassen und dann direct auf diejenige Region im Apparat zusteuern, in welcher sie später verweilen. Das Vorderende geht natürlich bei dieser Bewegung voran. Man kann aber niemals irgend eine Beziehung der Bewegungs- und Achsenrichtung zu den einfallenden Strahlen erkennen, und eben so wenig ist eine solche wahrnehmbar, wenn das Individuum in der Zone optimaler Helligkeit zur relativen Ruhe ge- kommen ist. Schon oben hob ich hervor, dass die weiblichen Pflanzen sich vertikal in Reihen aufwärts bewegen, obwohl die Strahlen seitlich einfallen. Dass die Bildung der Reihen und die Bewegung in den- selben mit der Richtung der Strahlen nichts zu thun hat, geht ferner daraus hervor, dass der Reihenmarsch auch am natürlichen Standort in vertikaler Richtung vollzogen wird, obwohl hier das Licht von oben her einfällt. Das wesentliche Resultat aus den Beobachtungen, das trotz aller Launenhaftigkeit des Volvox überall klar zu Tage tritt, ist nun dieses: Das Richtende ist — wenn wir uns zunächst einmal auf Volvox beschränken — nicht der Gang der Lichtstrahlen, sondern die gebotene Intensität, völlig unabhängig von den ersteren. Unsere Pflänzchen besitzen ein sehr feines Unterscheidungsvermögen für das was der Mensch als Helligkeit bezeichnet, also für verschiedene Intensitäten des Lichtes. Die Richtungsbewegung wird demnach dadurch ausge- löst, dass die Pflanze sich unter Beleuchtungsverhältnissen befindet, welche von den optimalen, sagen wir den vom Organismus gewünschten, abweichen; sie wird sich folglich um so energischer gestalten müssen, je weiter die Individuen von dem Optimum entfernt sind, mögen sie sich nun in einer Intensität befinden, welche die optimale übersteigt oder hinter derselben zurückbleibt. Die Richtungsbewegung verliert 196 an Energie je mehr sich der Organismus dem Optimum nähert und. hört vollständig auf, wenn dieses erreicht, resp. die Pflanze so nahe an dasselbe herangekommen ist, dass eine Differenz nieht mehr em- pfunden wird, d. h. bis die Reizschwelle überschritten ist. Ich habe absichtlich gesagt, die Riehtungsbewegung wird nach. Erreichung einer Zone von gewisser Intensität sistirt, nicht aber wird jede Locomotion beseitigt; sahen wir doch an der optimalen Stelle unseres Apparates cine schr lebhafte Ortsveränderung erfolgen. Diese stellt aber keine Richtungsbewegung mehr dar. Würde man jetzt die Liehtabsorption an der Stelle des Tusche- Prismas bestimmen, welehe vom Volvox unter einer bestimmten Be- dingung aufgesucht wird, und darauf in einem anderen Apparat genau die gleiche Helligkeit herstellen (etwa mit Hilfe von parallelwandigen Tusche-Platten), so, müssten sich die Volvoxindividuen durch den ganzen Raum gleichmässig vertheilen, sie würden, so lange die Be- leuchtung von aussen sich nicht ändert, einen völligen Indifferentismus gegen die Lichstrahlen, dabei aber eine lebhafte Bewegung zeigen. Mit dem Verhalten des Volvox unter optimalen Beleuchtungs- verhältnisse hat nun eine unverkennbare Achnlichkeit der im Dunklen eintretende indifferente Zustand. Der Unterschied besteht nur darin, dass bei Lichtabschluss eine ganz langsame Bewegung, man möchte sagen die Trägheit, Platz greift, während im ersten Fall die Orts- veränderung eine schr lebhafte ist. Ich glaube nun, es steht nichts im Wege diesen nächtlichen Indifferentismus den Schlafbewegungen höherer Pflanzen an die Seite zu stellen, wie dies Pfeffer!) bereits mit den Bewegungen der ÖOseillarien gethan hat, welche: sich nach Famintzin? ebenfalls im Dunkeln wesentlich langsamer bewegen, als im Licht. Wie aber die Nachtstellung der Blätter nicht erst bei völliger Dunkelheit eintritt, sondern bereits dann, wenn die Lichtstärke unter ein bestimmtes Maas gesunken ist, so beginnt auch die Nachtbewegung des Volvox bereits bei vielen Individuen, wenn zwar eine starke Ab- schwächung der Helligkeit aber noch nicht vollständige Dunkelheit. erreicht ist, wie z. B. in meinen vorher mitgetheilten Experimenten am 1. August Nachmittags 3 Uhr und am 2: August Vormittags zwischen 8 und 10 Uhr. Die ganze Einwirkung des Lichtes auf die Richtungsbewegungen des Volvox lässt sich nach dem Gesagten passend durch die Öurve in 3) Pflanzenphysiologie Bd. 2 8. 370. 2) Pringsheims Jahrb. Bd. 4 8. 31, 197 Fig. 2 bezeichnen, welche die beiden verschiedenen Intensitäten (Jı Ja etc.) zu Tage tretende Energie der Richtungsbewegung (FE) veranschaulicht. Sie ist rein schematisch gehalten und erhebt natürlich keinen Anspruch darauf, die in Wirklichkeit durch eine bestimmte Lichtintensität ausgelöste Bewegungsenergie zur Anschauung. zu bringen. Immerhin dürfte sie am besten zeigen wie man sich die Dinge vorzustellen hat. Die Versuche und demgemäss auch die gezeichnete Curve sagen nichts darüber aus, wie sich die Pflanze in sehr concentrirtem Licht verhalte, es muss also dahin gestellt bleiben, ob eventuell bei den höchsten Lichtintensitäten wieder eine Schwächung der Richtungs- bewegungen eintritt oder ob die letzteren mit zunehmender Intensität ins Unendliche gesteigert werden. Könnte man die Energie der Richtungsbewegungen verschiedener Volvoxindividuen bei allen Intensitäten feststellen, so würde man für jedes derseiben eine der obigen analoge Curve herstellen, alle die Curven müssten annähernd parall verlaufen, nur die Nullpunkte müssten etwas verschieden ausfallen und damit würde auch die Licht- stimmung derselben zum Ausdruck kommen. Solche Bestimmungen sind für Volvox zunächst schwer ausführbar, wir werden aber später sehen, dass sie sich für andere Pflanzen event. ins Werk setzen lassen. Spirogyra. Um eine Spirogyraspecies') zu cultiviren, hatte. ich kleine Glas- häfen mit Rasen dieser Pflanze beschickt und sie in einer Reihe hinter einer der grossen Tusche-Platten so aufgestellt, dass das links stehende Gefäss das meiste, das rechts stehende das wenigste Licht empfing. Am folgenden Tage Abends hatten sich die Fäden der Alge, welche vorher unregelmässig durch einander lagen, parallel gestellt und waren zu mehr oder weniger dichten rossschweifähnlichen Gebilden ver- einigt. Diese Büschel standen nicht vertikal, sondern zeigten an der helleren, linken Seite der Platte mit ihrer Spitze nach rechts, an der dunkleren Seite nach links, dazwischen fand sich ein Gefäss, in welchem die Fäden nicht so regelmässig gestellt und auch nicht gegen eine Seite geneigt waren. Im Uebrigen waren die Büschel auf der dunklen Seite lockerer, als die auf der hellen. 1) Da Zygosporen fehlten, konnte eine Bestimmung nicht ausgeführt werden. Es kommt darauf auch kaum an, weil eine Reihe von Arten sich physiologisch gleich verhält, 198 Stellt man Gefässe mit Spirogyren ins Zimmer, so findet auch hier die Büschelbildung statt und bei diffusem Tageslicht sind die Schweife bald indifferent, bald zeigen sie nach der Fensterscheibe hin, scheinbar bestrebt, die Fäden in .die Richtung der einfallenden Strahlen zu stellen. Directes Sonnenlicht veranlasst die entgegen- gesetzte Bewegung, die Fäden zeigen dann nach der Zimmerseite hin. In beiden Fällen nimmt man nicht selten wahr, was auch schon hinter der grossen Platte beobachtet wurde, dass die Büschel sich an der Glaswand des Gefässes pinselförmig ausbreiten. In allen diesen Versuchen hatten die Spirogyrafäden keine volle Beweguigsfreiheit innerhalb möglichst weit auseinander liegender, aber doch langsam in einander übergehender Lichtintensifäten. Dies konnte wieder am besten in dem für Volvox angewandten Apparat erreicht werden. Wurde ein vierkantiges Glasgefäss von bekannter Grösse mit einem Spirogyra-Rasen beschickt, wobei die Alge in demselben Wasser vorblieb, in welchem sie gewachsen war, so trat bei Auf- stellung im Zimmer meistens schr bald die bekannte Büschelbildung ein, die Büschel waren aber durch das ganze Gefäss gleichmässig vertheilt. Bisweilen veränderten die Spirogyren ihre unregelmässige lage am Boden des Gefässes überhaupt nicht. Sobald ein Kasten mit Tuscheprisnien über das Culturgefäss gestellt wurde, veränderte sich die Situation. Meistens nach Verlauf von einigen, immer nach 24 Stunden waren die Pflanzen aus dem helleren sowohl wie aus den «dunkleren 'Theil des Apparates ausgewandert, ein vertikal stehen- des Bündel hatte sich gebildet, dessen Spitze "ebenfalls senkrecht stand, d. h. weder dem Licht zu- noch von demselben abgekehrt; war. An dem Bündel, das sich übrigens nach. oben hin in mehrere Schweife auflöste, konnte man nun periodische Bewegungen wahr- nehmen, welche bei heller Mittagssonne am energischsten waren. Während die Basis an einer Stelle annähernd haften blieb, pendelte das obere freie Ende hin und her, so dass es in Intervallen von 20—40 Minuten eine Schwingung vollzog. Die Bewegungen sind aber keine reinen Pendelbewegungen, sondern sie sind verbunden mit Krümmungen, welche die ganzen Schweife machen. Der Process ist gewöhnlich der, dass das Büschel in einer mittleren Stellung vertikal aufgerichtet ist, sich dann unter starker S-förmiger Einkrümmung nach einer Seite (etwa nach rechts) überneigt; unter allmählicher Aus- gleichung der S-Krümmung richtet sich das Bündel wieder gerade, um dann in gleicher Weise nach links hinüber zu pendeln und um- gekehrt. 199 Mit diesen Pendelbewegungen kann bei andauernder Helligkeit eine langsame Ortsveränderung nach der dunkleren Seite hin verbunden sein.. Ob die S-Bewegung die Ursache der Ortsveränderung ist, konnte nicht festgestellt werden. Die Pendelbewegungen sind, wahrscheinlich durch Wachsthumsdifferenzen, auf den antagonistischen Seiten der die Fäden zusammensetzenden Zellen bedingt. Wenigstens zeigte Hof- meister,!) dass Spirogyra princeps auf diesem Wege ganz be- dedeutende Krümmungen vollführt, und es ist nicht einzuschen, wes- halb es bei anderen Spirogyren anders sein sollte. Wie Hofmeister konnte auch ich mehrfach verfolgen, dass besonders die Krümmungen einzelner Fäden häufig stossweise erfolgen. Es kann auf diese Weise die Spitze eines vertikal stehenden Fadens in wenigen Secunden einen Bogen von 30—60° beschreiben. Die Bewegungen der Spirogyren gewinnen damit, worauf auch ILofmeister bereits hinwies, eine unver- kennbare Aehnlichkeit mit denjenigen der Oscillarien. Ein einziges Bündel von Fäden bildet sich nur dann, wenn man relativ wenig Spirogyra in den Glaskasten bringt. Betrachtet man dasselbe etwas genauer, so erkennt man, dass es, in vielen Fällen wenigstens, eigentlich eine Platte darstellt, welche das Gefäss quer durch- setzt und damit zu den einfallenden Strahlen parallel gestellt ist. Die Platte kommt dadurch zu Stande, dass, von der Fensterseite her gerechnet, ein Faden sich hinter den anderen stellt so wie in Fig.3. Ist der Kasten mit Spirogyren stark gefüllt, so treten mehrere Büschel an verschieden hellen Stellen neben einander auf; dadurch ist scheinbar der im ersten Versuch so klare Sachverhalt getrübt, nichts destoweniger ergeben sich auch hier charakteristische Stellungen. Wir finden die hellste Region vollkommen frei, dann folgte eine grosse Büschelplatte, welche sehr viele Fäden enthält und genau den ein- fallenden Strahlen parallel steht, die weiteren Büschel aber, welche sich nach der dunkleren Seite hin anschliessen, werden immer kleiner, enthalten viel weniger Fäden und stehen unter einem Winkel zu den Tusche-Platten resp. den Gefässwänden, welcher un so grösser wird, je mehr Dunkelheit am Standort des betr. Busches herrscht. Das Diagramm eines solchen Apparates würde sich gestalten wie die Fig. 4. Das Ganze zeigt demnach fast noch auffallender, dass auch Spirogyra auf eine genau definirte Lichtintensität abgestimmt ist und dass die Fäden sich bei Aufsuchung derselben sehr „vernünftig* be- 1) W. Hofmeister, Ueber die Bewegungen der Fäden der Spirogyra princeps Link. Jahreshefte d. Verf. £. vaterl. Naturkunde in Württemberg 30. Jhrg. (1874) 8. 211. 300 nehmen, insofern sie sich an den helleren - Stellen dieht zusammen- schliessen und gegenseitig beschatten, an den etwas dunkleren Stellen aber sich lockerer stellen und damit dem Licht freien Zutritt ge- währen. j Tagelang fortgesetzte Beobachtungen an ein und derselben un- beweglich stehenden Cultur unter Plattenbedeckung zeigten ähnlich wie bei Volvox, dass die Lebhaftigkeit der Bewegung für gewöhnlich in den Mittagsstunden am grössten ist; ebenso liess sich feststellen, dass die Bündel am Morgen in helleren Zonen standen, gegen Mittag in dunklere Regionen wanderten, um gegen Abend in die helleren Zonen zurückzukehren. Die Erscheinung trat auch dann ein, wenu eine regelrechte Schweifbildung nicht vorhanden war, was mehrfach vorkam. Das Aufsuchen dunklerer Stellen im Apparat während der Mitte des Tages erfolgte nicht immer mit der gleichen Augenfälligkeit. Kurz die Spirogyren waren launisch wie Volvox, oder besser gesagt, sie zeigten Nebenerscheinungen, die nicht immer zu erklären waren. Konnten sie auch das Hauptresultat in keiner Weise beeinflussen, so sind sie doch nicht wegzuläugnen. Zu derartigen „Launen* gehörte es auch, dass in den längere Zeit. beobachteten Culturen an manchen Tagen die eleganten Zöpfe, welche Tags zuvor vorhanden gewesen waren, sich in Wolken auflösten, um am folgenden Tage sich mehr oder weniger scharf wieder zu bilden. Vielleicht lag das in den all- gemeinen Beleuchtungsverhältnissen und event. in Nachwirkungen, die bei Spirogyra anhaltender zu sein scheinen, als bei Volvox. An Gefässen, welche relativ grosse Mengen von Spirogyra ent- hielten, war das Einwandern in dunklere Zonen des Apparates während der hellsten Tagesstunden etwas weniger deutlich, statt dessen war es hier auffälliger, wie die Fadenmassen in den Morgenstunden zu- nächst neben einander standen und eine grosse der Längsausdehnung des Gefässes parallel laufende Platte bildeten, sich später aber in den helleren Regionen hinter einander reihten und so eine zu den Tusche-Prismen senkrecht stehende Fläche darstellten. Das alles zeigt, wie ich glaube, klar und deutlich, dass wir es hier trotz aller Verschiedenheiten in der äusseren Form der Pflanze und ihrer Bewegungen genau mit den gleichen Erscheinungen zu thun haben wie bei Volvox, dass auch die Spirogyra photometrische Bewegungen auszuführen im Stande ist. Wie sich die Verhältnisse der Spirogyra im Freien an ihren natürlichen Standort gestalten, ist schwer zu sagen. Man sieht zwar häufig auf dem Boden flacher Gewässer, welche die Pflanze beherbergen, 201 ähnliche Büschel wie in meinen Versuchen, allein diese Anordnungen werden fast regelmässig gestört, indem bei hellem Wetter durch energische Assimilation Sauerstoffblasen entstehen, welche die ganzen Rasen an die Oberfläche emporheben. Das Gleiche trat zuweilen in meinen Oulturen, welche im Freien aufgestellt waren, ein, dann konnte man aber sehr hübsch verfolgen, wie das an der Oberfläche schwimmende Knäuel von Fäden sich entwirrte und nun an einer ganz bestimmten Stelle des Apparates ein langes Büschel von Fäden in das Wasser herabhing. Nachdem wir aus eigenen Beobachtungen und Experimenten an zwei Formen den Sachverhalt kennen gelernt haben, wird es noth- wendig, einmal in der Literatur Umschau zu halten. Strasburger!) hat die phototaktischen Organismen zuerst eingehender untersucht und in seiner Abhandlung auch die älteren Angaben von Cohn, Famintzin u. A. hinreichend besprochen. Strasburger kommt nach Unter- suchung einer grossen Anzahl von Schwärmsporen zu dem jetzt all- gemein bekannten Resultat, dass diese Zellen sich mit ihrer Längs- achse in die Richtung der Lichtstrahlen zu stellen bestrebt sind und zwar so, dass sie sich bei schwachem Licht mit dem Mundende auf dieses zu bewegen, bei intensiver Beleuchtung aber sich abkehren. Stahl?) und später sein Schüler Aderhold?) fanden im Wesent- lichen analoge Vorgänge bei den Desmidiaceen; seitdem sind viele Organismen als phototaktische erkannt worden; eine Zusammenstellung derselben gibt unter Hinzufügung einiger eigener Beobachtungen Verworn.‘) Demnach kommen unter Bacterien, Myxomyceten, Fla- gellaten, Diatomeen, Oscillarien, Desmidiaceen und den Schwärmsporen der Algen viele lichtempfindliche Arten vor, ja man geht wohl kaum fehl, wenn man annimmt, dass diejenigen Fälle, in welchen eine Re- action auf das Licht nicht erfolgt, die Ausnahme darstellen. Mit Ausnahme Famintzin’s,’) welcher den grossen Einfluss der Liehtintensität an sich betont hatte, sehen alle übrigen Beobachter das Wesen der phototaktischen Processe darin, dass der Gang der Licht- 1) Wirkung des Lichtes und der Wärme auf Schwärmsporen, Jenaische Zeit- schrift f. Naturw. Bd. 12 8. 541 il. 2) Stahl, Ueber den Einfluss des Lichtes auf die Bewegungen der Desmidien u.8s. w. Verh. d. med. phys. Gesellsch. in Würzburg Bd. 14 (1879) 8. 24 ff. 3) Aderhold, Beitrag zur Kenntniss richtender Kräfte bei der Bewegung niederer Organismen. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Bd. 22 (1888) S. 310 ff. 4) Max Verworn, Psychophysioiogische Protistenstudien. ‚Jena, 1889, 5) Famintzin, Die Wirkung des Lichtes auf Algen und einige andere ihnen nahe verwandte Organismen. Pringsh. Jahrb. Bd. 6 (1867/68) S. 1. 202 strahlen einen richtenden Einfluss auf die Organismen ausübt und dass diese sich in der ihnen aufgezwungenen Richtung je nach der Licht- stärke positiv oder negativ bewegen. Auf Grund dieser Thatsache zieht Pfeffer!) den sehr richtigen, aber wohl nicht hinreichend von anderen beachteten Schluss, dass bei einer specifischen mittleren Intensität der Beleuchtung ein In- differentismus der Schwärmer zur Beobachtung kommen müsse, „wenn nicht die Sensibilität dieser Organismen stetigen periodischen Wallungen unterworfen wäre“. Letzteres ist nicht ganz zutreffend, wie schon aus meinen Mittheilungen ersichtlich. ist. Weshalb ist nun der von Pfeffer geforderte und von mir nachgewiesene Indifferentismus von anderen Beobachtern nicht ge- funden worden? Man könnte behaupten Volvox und Spirogyra be- sässen ganz andere Eigenschaften, als Schwärmsporen, Desmidiaceen ete. Ein solcher Einwand muss indess bei genauer Ueberlegung wegfallen. Volvox ist immer zu den phototaktischen Organismen gezählt worden und zeigt auch die vollkommenste Uebereinstimmung mit solchen Pflanzen, so dass die an Volvox gemachten Beobachtungen im We- sentlichen auch für alle anderen unbedingt gelten müssen. Die Ab- weichungen von meinen Wahrnehmungen erklären sich daraus, dass in den wenigsten Fällen eine gleichmässige Abstufung der Licht- intensitäten gegeben war; wenn Strasburger z. B. allmählich mit seinen Culturen vom hellen Fenster fortrückte, so konnte dabei natürlich sehr leicht der kritische Punkt übersprungen werden, zumal nach der Innenseite des Zimmers hin das Licht sehr rasch abnimmt, für die untersuchten Organismen aber das Optimum in sehr engen Grenzen sich bewegte. Wo aber den zu untersuchenden Objecten eine richtige Abstufung der Helligkeit geboten wurde, traten ganz analoge Eı- scheinungen auf. Das war u. a. der Fall in Versuchen Famintzin’s.”) Dieser Autor brachte die Schwärmer in flache Schalen, bedeckte die eine Hälfte mit einem Brettchen und setzte das Gefäss derart den direeten Strahlen aus, dass die Sonne die freie Fläche beschien. Alsbald sammelten sich die Schwärmer in einem Streifen an, welcher dem von dem Brettchen herrührenden Halbschatten entsprach. Wurde die Schüssel mit dünnem Papier bedeckt, so wanderten die Euglenen und Chlamydomonaden nach dem positiven Rande. Famintzin zieht 1) Pfeffer, Pflanzenphysiologie Bd. 2 S. 869. 2) Famintzin, Wirkung des Lichtes auf Algen und einige andere ihnen nahe verwandte Organismen. Pringsh. Jahrb. Bd. 6 S. 1 ff. 208 daraus den völlig berechtigten Schluss, dass der Grad der Lichtinten- sität einen ausserordentlichen Einfluss auf die Bewegung der grünen Masse ausübe und zwar so, dass Licht von mittlerer Intensität die Bewegung am stärksten hervorrufe,; eine Auffassung, die sich ziemlich vollständig mit der meinigen deckt. Strasburger bemängelt Fa- mintzin’s Versuche auf Grund der von Sachs constatirten That- sache, dass auch in Oelemulsionen ähnliche Gruppirungen durch die Wärme hervorgerufen werden können. Indess dürfte das keinen Ein- wurf von Belang gegen die Versuche Famintzin’s begründen, da in zwei neben einander stehenden Schälchen, welche gleichmässig von der Sonne beschienen wurden, ganz verschiedenartige Gruppirungen zum Vorschein kamen, wenn die Schwärmzellen vorher verschieden- artig behandelt waren, ohne dass eine Tödtung derselben eintrat. Strasburger wiederholte Famintzin’s Versuche, indem er‘ Brettchen in verschiedener Lage über eine Glasschale legte, welche er dem Licht aussetzte. Er constatirte eine Ansammlung im Kern- oder Halbschatten, wie auch Cohn?) für Stephanosphaera eine solche nachgewiesen hatte. Besonders auffallend und in völliger Ueberein- stimmung mit Famintzin’s Auffassungen sind die Versuche, in welchen ein in der Mitte über die Schale gelegtes Brett so gerichtet wurde, dass es mit seiner Längsachse senkrecht zum Fenster, also annähernd parallel zu den einfallenden Strahlen stand. Die Schwärmer sammelten sich nicht am Vorderrande der Schale, sondern zu beiden Seiten des Brettchens in dessen Ilalbschatten. Diese völlig correeten Versuche legten auch Strasburger die Vermuthung nahe, dass es sich hier allen um den Lichtabfall, nicht aber um die Richtung der Strahlen handle. Zur näheren Prüfung der Verhältnisse benutzte Strasburger ein hohles Glasprisma mit einem sehr kleinen brechen- den Winkel (7,5%), welches mit einer Lösung von Huminsäure gefüllt wurde. Diese Vorrichtung ergab, wie meine Gelatine-Prismen, eine ganz allmähliche Abstufung der Helligkeit. Wurde das Prisma über die Hängetropfen gelegt, welche die Schwärmer enthielten, und fiel das Licht von oben her senkrecht auf den Keil, so richteten sich alle Schwärmer mit der Spitze gegen die einfallenden Strahlen, waren aber gleichmässig durch das Präparat vertheilt. Liess der DBe- obachter das Licht schräg auf das Prisma fallen, so sammelten sich die Schwärmer, dem Strahlengange folgend, an dem zumeist beleuchteten Rande. Wenn die Strahlen das Prisma schräg von der dickeren Seite 1) Zeitschrift für wiss. Zoologie Bd. 4 (1852) S. 111. Flora 1892, 14 204 her trafen, so dass die Intensität im Tropfen in der Richtung auf die Lichtquelle abnahm, sammelten sich die Schwärmzellen dennoch an dem der Lichtquelle zugekehrten Tropfenrande. Strasburger schliesst hieraus, dass die Richtung der Strahlen das Maassgebende sei. Der Schluss erscheint indess nicht völlig zwingend. Bei der geringen Aus- dehnung, welche die Hängetropfen-Oulturen Strasburgers hatten, konnte nur ein ganz kleines Stück, höchstens lem des Prismas, zur Wirkung kommen; es ist daher ausserordentlich wahrscheinlich, dass die Schwärmer den Unterschied des Lichtes auf der dünneren und dickeren Seite überhaupt nicht empfanden, weil derselbe zu gering war. Dann mussten unbedingt die Erfolge eintreten, welche Stras- burger erzielte; es war das um so mehr der Fall, als die Schwärmer sich unter Beleuchtungsverhältnissen befanden, welche zweifellos hinter dem Optimum zurückblieben. Aber selbst wenn im Culturtropfen eine für die Zoosporen bemerkbare Helligkeitsdifferenz vorhanden war, könnten event. die von Strarburger wahrgenommenen Orien- tirungsverhältnisse zu Stande kommen. Ich habe Aehnliches einige Male bei Spirogyra beobachtet. War der geschilderte ‚Apparat vor dem Fenster aufgestellt, so konnten die Fäden, welche vertikal auf- wärts standen, veranlasst werden, ihre Spitzen gegen das Fenster zu richten, ohne die hellste Ecke aufzusuchen, wenn man bei bedecktem Himmel die weissen Vorhänge herabzog. Mit der Entfernung der letzteren hörte diese Stellung auf, im Freien trat sie niemals ein. Es geht daraus hervor, dass bei relativ starker Verdunkelung des Oultur- raumes entweder. die photometrische Fähigkeit der Pflanze herabgesetzt wurde, oder aber dass die Intensität in der hellsten Ecke noch wesent- lich hinter dem Optimum zurückblieb, die Pflanze dasselbe deswegen in der Richtung des Fensters zu finden glaubte!) und sich diesem zuneigte. Ich kann demnach diesen Versuchen Strasburger’s keine Beweiskraft zuerkennen. Sie würden vermuthlich anders ausgefallen sein, wenn die Schwärmer volle Bewegungsfreiheit in allen Graden der Lichtintensität gehabt hätten. Die eben genannten Versuche Strasburger’s mit dem Humin- prisma sind fast die einzigen, in welchen es unternommen wurde, die Abnahme der Lichtintensität in einer von dem Gange der Strahlen abweichenden Richtung erfolgen zu lassen, in allen anderen nahm die Helligkeit in der Richtung der Strahlen entweder ab oder zu, wie: z. B. bei der Entfernung der Objecte vom Fenster etc. Lag die gebotene 9) Man gestatte vorläufig derartige Ausdrücke; über die Berechtigung der- selben soll in einem späteren Kapitel gesprochen werden. 205 Intensität über dem Optimum, so mussten die Schwärmer dieses natürlich in negativer Richtung suchen, sich in dieser bewegen, und, wenn sie durch die Gefässwände aufgehalten wurden, mit dem Mund- ende abgekehrt sitzen bleiben; umgekehrt suchten die Schwärmzellen das Optimum in positiver Richtung, wenn die Helligkeit hinter diesem zurückblieb. Sie bewegten sich mit dem Mundende voran nach der Lichtquelle und blieben in gleicher Stellung haften, wenn das Optimum nicht erreicht wurde, also der Reiz fortdauerte. Da überall in ähn- licher Weise experimentirt wurde, erklärt es sich, weshalb auf die Richtung der Lichtstrahlen ein so grosses aber nicht völlig be- rechtigtes Gewicht gelegt wurde. Ein weiterer Umstand aber hat vermuthlich noch die Erkenntniss des richtigen Sachverhaltes seitens früherer Beobachter verhindert, nämlich die Behandlung der Versuchsobjecte. Famintzin beobachtete die Chlamydomonas und Euglena zunächst in Wasser, das er derselben Pfütze entnommen .hatte, in welcher die Organismen !wild wuchsen. Damit erhielt er die bereits erwähnten Resultate. Ganz anders aber war der Erfolg, wenn stark euglena- und chlamydomonashaltiger Schlamm in Newa-Wasser gesetzt wurde. Dann waren viele Organismen völlig indifferent, die übrigen sammelten sich zum Theil am positiven, zum Theil am negativen Rande an, obwohl die Gefässe genau den gleichen Bedingungen ausgesetzt waren, wie diejenigen, welche den Querstreifen im Halbschatten zeigten (ef. p. 202). Die Sache wird leicht erklärlich, wenn man berücksichtigt, dass das Pfützenwasser viele Salze gelöst enthielt, die bei längerem Stehen desselben sogar aus- erystallisirten. Es trat hier also, wahrscheinlich infolge plötzlicher Concentrationsänderung, eine Schädigung der Pflanze ein, welche die Lichtempfindlichkeit fast aufhob. Dass schon relativ geringe Ver- änderungen des Salzgehaltes die Algen stark beeinflussen können, habe ich bereits früher gezeigt.) Wenn es sich nun auch in Stras- burger’s Versuchen nicht um so augenfällige Veränderungen des Mediums handelte, so geschah doch die Züchtung der zu den Ver- suchen benutzten Schwärmer unter Bedingungen, die wohl den nor- malen nicht völlig entsprachen. Um möglichst zahlreiche Zoosporen zu erhalten, wurden die mit Haematococeus, Ulothrix etc. besetzten Steine in feuchter Luft aufgehoben, um später in frisches Wasser gebracht zu werden, wo sie dann allerdings grosse Mengen von 1) Oltmanns, Die Bedeutung der Concentrationsänderungen des Seewassers für das Leben der Algen. Sitzungsber. d. k. Akad. d. W. in Berlin 1891. — Ueber die Cultur- und Lebensbedingungen der Meeresalgen. Pringsh. Jahrh. Bd. 23 8. 349 ft, 14* 206 Schwärmern in kürzester Zeit bildeten. Eine solch rapide Bildung von Fortpflanzungszellen ist aber — wie ich auch bei meinen Algen- eulturen erfahren habe — in den seltensten Fällen etwas Normales, im Freien spielt sich dieser Process gewöhnlich langsam ab. Die Abnormität bestand bei Strasburger’s Versuchen wohl darin, dass die Mutterpflanzen plötzlich in Wasser gebracht wurden, welches event. eine ganz andere Temperatur hatte als diese und auch in seiner Zu- sammensetzung von dem ursprünglichen Wasser abwich. Bei den durch Cultur in Kleinen Gefässen von Strasburger erzielten Schwärm- sporen der Bryopsis pulmosa dürften die veränderten Beleuchtungs- verhältnisse die Entwickelung wesentlich beschleunigt haben. Alle diese nur kleinen Abweichungen von dem Normalen können bei Strasburger sowohl wie bei anderen Beobachtern die Schwärnt- zellen alterirt. und sie verhindert haben, die optimale Helligkeit richtig anzuzeigen. Bei erneuten Versuchen müsste das vermieden werden. Damit würden sich dieselben freilich ungleich schwieriger gestalten. Wie ich bereits oben hervorhob, bezeichnete Strasburger als phototaktisch die Organismen, welche durch das Licht eine Richtung ihrer Längsachse und damit zusammenhängend eine positive oder negative Bewegung erfahren. Da er beobachtete, dass einige Schwärmer stets auf die Lichtquelle zueilen, andere sie bei grösserer Intensität fliehen, so unterschied er die ersteren als aphotometrische von den letzteren, den photometrischen. Diese Unterscheidung beanstandete Stahl, weil er beobachten konnte, dass alle von ihm untersuchten Schwärmer sich bei hoher lLuächtintensität abkehrten, und Stras- burger? stimmte Stahl’s Erörterungen zu, so dass damit der Be- griff der Aphotometrie, was mit den Thatsachen auch übereinstimmte, beseitigt war. Die in Frage stehenden Organismen waren demnach phototaktisch und photometrisch zugleich. Diese Bezeichnungen dürften ein wenig zu ändern sein. Die Photometrie, welche ich fast genau so wie Strasburger als die Fähigkeit der Pflanze verschiedene Grade der Lichtintensität zu per- “ eipiren definirte, ist eine ganz allgemeine Eigenschaft aller Pflanzen, wie ich noch weiter zeigen werde. Die Phototaxie im Sinne Stras- burger’s ist die Form, unter welcher die Photometrie zuweilen aber keineswegs immer in die Erscheinung tritt. Ich möchte daher als 1) Stahl, Einfluss des Lichtes auf die Bewegungen der Desmidien. Würz- burger Verhandl. Bd. 14 8. 24. 2) Nach einer Notiz bei Stahl, Einfluss von Richtung und, Stärke der Be- leuchtung auf einige Bewegungserscheinungen im Pflanzenreich. Bot. Zeit. 1880 5.409, Denn 207 phototaktische diejenigen photometrischen Bewe- gungen bezeichnen, bei welchen Organismen, die ihrer Liehtstimmung entsprechende Helligkeit erreichen resp. zu erreichen suchen durch Ortsveränderung des ganzenKörpers. Ich lasse dabei die Richtung der Längsachse, welche den Individuen bei diesen Bewegungen aufgezwängt wird, als neben- sächlich aus dem Spiel, ‘im Allgemeinen wird die Pflanze oder das Thier sich direct mit seinem Vorderende auf das Optimum hin richten. Alle hier behandelten Organismen haben einen radiären Bau, von diesem hängt das Verhalten gegen das Licht unverkennbar in analoger Weise ab, wie die heliotropischen Bewegungen radiärer Sprosse von ihren Symmetrieverhältnissen, worauf noch später eingegangen werden soll. Hier möchte ich nur betonen, dass es vielleicht zweckmässig ist, die Phototaxie radiärer Organismen als Ortsophotaxie von den sogleich zu besprechenden phototaktischen Bewegungen lateraler Lebewesen zu unterscheiden. b) Plagiophototaxie. Die Bewegungen der Shloropylikörper sind durch Stahl’s') Unter- suchungen hinreichend bekannt, man weiss, dass bei intensivem Licht Profil-, bei schwachem Licht Flächenstellung eintritt. Betrachtet man nun aber die Verhältnisse‘ im Freien, so ist leicht zu constatiren, dass sehr häufig Beleuchtungsyerhältnisse eintreten, unter welchen weder eine präcise Flächen- Hoch eine volle Profilstellung eingenommen wird; man beobachtet bei Funaria hygrometrica und anderen Moosen sehr häufig, dass die Chloroplasten trotz heller Beleuchtung annähernd gleichmässig durch Gef Zelle vertheilt sind und an Fäden von Mesocarpus spec. nifmt man wahr, dass die Chlorophyliplatten nicht immer in„einer Fläche ausgebreitet, sondern an einer beliebigen Stelle tordirt sind, häufig so, dass die eine Hälfte der Platte gegen die andere um 90° gedreht erscheint (Fig. 5e). Diese Stellungen ohne Weiteres als Unregelmässigkeiten zufälliger Art zu erklären, geht nicht wohl an und unsere Tuscheprismen geben uns denn auch sehr einfach Auf- schluss darüber, dass wir es hier mit durchaus normalen Processen zu thun haben. Die Mesocarpusfäden werden auf Objeetträger gebracht und mit grossen Deckglässern bedeckt. Die letzteren liegen, um das Zerdrücken der Zellen zu vermeiden, auf Glas-Fäden oder -Splittern. Es wird Sorge getragen, dass die Algen quer über den Objectträger möglichst 1) Stahl, Ueber den Einfluss von Richtung und Stärke der Beleuchtung auf einige Bewegungserscheinungen im Pflanzenreich, Bot. Zeit. 1880 S. 297. 208 gleichmässig von einer Kante bis zur anderen reichen. Solche Prä- parate werden 7—8 in einer Reihe neben einander in einen ganz flachen Glaskasten gelegt, so dass damit eine fast ununterbrochene Zone von Mesocarpusfäden auf ‘den Boden des letzteren zu liegen kommt. Die Objeetträger werden im Kasten leicht befestigt. Der letztere ist aussen geschwärzt, er wird bedeekt mit einem Tusche- prisma und nun das Ganze so aufgestellt, dass die Sonnenstrahlen senkrecht auf das Prisma fallen. Der Apparat wird mit der Sonne gedreht. Die Chlorophyliplatten zeigten beim Beginn des Versuches keine bestimmte Orien*'rung, zum Theil waren sie tordirt oder unregelmässig gekrümmt. Se’ n nach Ablauf von einer Stunde ergab sich ein ganz auffallendes R@sultat, welches auch nach zwei Stunden unverändert war. Die Chloroplasten hatten am hellsten Ende des Apparates eine Orientirung angenommen, welche der Profilstellung sehr nahe kam. Einzelne Platten bildeten mit den einfallenden Strahlen einen ganz kleinen Winkel, wichen also nur sehr wenig von der Parallelstellung ab, andere standen ganz genau in der Richtung der Lichtstrahlen bis auf ein ganz kurzes Stück, welches fast Flächenstellung zeigte; damit erschien die Chorophyllplatte an einem Einde :tordirt (a Fig. 5). Das zu den Strahlen senkrechte Stück der Chlorophyllplatte braucht aber nicht an einem Ende derselben zu liegen, sondern kann auch in der Mitte der Platte gegeben sein (Fig. 5 b). Dann hat'eine zweimalige Drehung innerhalb des Chlorophylikörpers stattgefunden. Untersucht man darauf die Präparate, welche etwas dunkler gestanden hatten, so findet man, dass die dem Licht zugekehrte Fläche des Assimilationsapparates sich vergrössert hat; neben unregelmässigeren Biegung®n in manchen Platten beobachtet man in anderen, dass etwa "/s bis Vs Tas ganzen_Chloro- phylikörpers Flächen-, der Rest Profilstellung eingenommen hat (ec Fig. 5) und je weiter wir uns dem dunkleren Ende des Prismas nähern, um so mehr nähert sich der Chloroplast der Flächenstellung. Im dunkelsten Theil ist dieselbe fast vollständig erreicht, nur ein ganz kleiner Theil verharrt noch in der Profillage. In Präparaten, welche dem vollen Sonnenlicht ausgesetzt waren, trat die Profilstellung haarscharf ein. Versuche wie der beschriebene konnten wiederholt und immer mit dem gleiehen Resultat ausgeführt werden. Mehrfach wurde auch, nachdem die geschilderte Stellung seitens der Chloroplasten einge- nommen war, versucht, das Prisma umzukehren und so die ursprüng- lich hellen Mesocarpusfäden relativ stark zu verdunkeln, die dunkleren aber in hellere Beleuchtung zu bringen. Dann müssten sich die Platten- 209 stellungen auch umkehren. Die Versuche gaben zwar Andeutungen, gelangen aber nicht in gewünschter Präcision, weil um die Jahreszeit, in welcher mir Mesocarpus zur Verfügung stand (November), die Sonnenscheindauer an einem Tage nicht ausreichte, um einen vollen Ausschlag herbeizuführen. Indess genügt das Berichtete vollkommen, um das zu zeigen, worauf es hier ankommt. Es war aber erwünscht, diese Resultate an einer einzelnen Zelle zu prüfen, weil dadurch Fehler, welche etwaige differente Licht- stimmungen herbeiführen könnten, vermieden werden. Zu dem Zweck wurde ein kleiner Dunkelkasten aus Pappe hergestellt, welcher auf den Objecttisch des Mikroskopes aufgesetzt werden konnte. Eine Oeffnung im Deckel gestattete den Durchtritt des Tubus, eine seit- liche die Einführung des Präparates. Das direete Sonnenlicht fällt auf den Spiegel des Mikroskops und gelangt durch den Abbe’schen Beleuchtungsapparat, der entsprechend eingestellt werden muss, con- eentrirt auf die Mesocarpusfäden. Der Spiegel wird entsprechend dem veränderten Stande der Sonne verschoben, so dass das Lichtbild immer auf die gleiche Stelle im Präparat fällt. Unter solchen Umständen rücken die Clorophyllplatten sehr rasch (in ca. 15 Min.) in eine ausser- ordentlich scharfe Profilstellung ein, sie erscheinen wie ein schmaler, fast absolut gerader Strich. Wird jetzt eine Tuscheplatte mit ihrem helleren Ende vor den Spiegel gestellt, so ändert sich die Stellung der Chleroplasten nicht, erst wenn man das Prisma etwas weiter ver- schiebt, so dass dunklere Theile vor den Spiegel kommen, sieht man, dass die Profilstellung nicht mehr so scharf ist, die auf der Kante stehenden Platten erscheinen nicht mehr genau gerade, strichförmig, sie sind etwas unregelmässiger und ınan bemerkt Andeutungen dafür, dass eine ganz gelinde Drehung der Chloroplasten stattgefunden hat. Bei unveränderter Helligkeit bleibt diese Stellung constant. Verdunkle ich den Spiegel etwas stärker, so treten die oben beschriebenen Er- scheinungen ein; ein Stück des Chlorophylikörpers geht durch Drehung in die Profilstellung über. Die Grösse des flach stehenden Stückes hängt von dem Grade der Verdunkelung ab. Die Lage der Platten - bleibt constant, so lange die Beleuchtung sich nicht ändert. War eine bestimmte Helligkeit im Gesichtsfelde hergestellt, so hatten meistens nach Verlauf von 30 Minuten die Chlorophyliplatten die ent- sprechende Stellung eingenommen, sie veränderten dann ihre Lage nicht mehr nachweisbar. Es war daher völlig ausreichend, wenn ich die eben genannten Veränderungen der Lichtintensität in Distancen von etwa einer Stunde vornahm, Auf diesem Wege konnte ich im 210 Laufe eines Tages wenigstens einen Versuch beenden. Leider ge- stattete auch hier das Wetter nicht, eine grosse Anzahl von Ex- perimenten anzustellen, ich musste mich mit wenigen begnügen, die aber alle dasselbe Resultat ergaben und vermöge ihrer Ueberein- stimmung mit den vorhin beschriebenen volle Beweiskraft besitzen. Stellt man die Versuche bei trübem Wetter an, oder wird einer der eben genannten durch Bewölkung des Himmels unterbrochen, so begeben sich die Chlorophylikörper in die Flächenstellung, sie verändern diese nicht, wenn man das Gesichtsfeld mehr oder weniger stark verdunkelt. Funaria hygrometrica wurde in ganz analoger Weise wie Meso- carpus untersucht. Eine grössere Anzahl von möglichst gleichmässigen Blättern wurde auf Objectträgern unter Deckglas gebracht, sie wurden in einer Reihe angeordnet und mehrere Objectträger wieder so neben einander gelegt, dass durch die ganze Länge des schon früher be- nutzten Glasgefässes eine Reihe von Blättern vorhanden war. Auch im Uebrigen war die Anordnung des Versuches die gleiche. Das Re- sultat war das zu erwartende. An den hellsten Stellen constatirte ich die eclatanteste Profilstellung, an den dunkelsten eine ebenso präcise Flächenstellung: Zwischen beiden fanden sich alle Uebergänge und in einer Region war eine vollkommen gleichmässige Vertheilung der Chlorophylikörper wahrnehmbar. Von dieser Stelle aus nahm die Zahl der in Flächenstellung befindlichen Körner stetig zu, wenn manı nach dem dunkleren Prismenende hin fortschritt, sie nahm ständig ab, um schliesslich gleich Null zu werden, wenn man sich nach dem helleren Ende hin bewegte. Es war also ein vollständiger allmählicher Uebergang von der Profil- zur Flächenstellung bei sanfter Abstufung der Beleuchtung, genau so wie bei Mesocarpus zu constatiren. Die in grösserer Zahl angestellten Versuche wichen in ihren Resultaten nur insofern von einander ab, als bei schwacher Bewölkung die volle Profilstellung nicht erreicht und in Verbindung damit die Region, in welcher allseitig gleiche Vertheilung herbeigeführt wurde, mehr nach dem helleren Ende des Prismas hin lag. Eingehende Versuche mit einzelnen Blättern resp. Zellen konn- ten wegen des unzureichenden Wetters nicht angestellt werden — jede, auch nur einige Minuten die Sonne verdunkelnde Wolke stört natürlich — und künstliche Lichtquellen lieferten nicht die genügende Helligkeit, enthielten vielleicht auch zu wenige der wirksamen Strahlen. Dagegen konnte unter dem Mikroskop mit Hilfe des kleinen Dunkelkastens constatirt werden, dass die Chloro- plasten allen Veränderungen der Helligkeit prompt folgen, Bei heller 211 Sonne blieb die Profilstellung gewahrt, schwache Wolken liessen sofort eine Anzahl von Chlorophylikörnern in die Flächenstellung eintreten. Die Profilstellung wurde wieder eingenommen, sobald die Sonne wieder frei war; von Neuem traten Choroplasten auf die Fläche, wenn neue Wolken auftraten, und man konnte leicht wahrnehmen, dass um so mehr Körner auf die zu den Strahlen senkrechte Wand geschoben wurden, je dichter die Bewölkung wurde. Es ist danach auch nicht zweifelhaft, dass im Freien jede Veränderung der Helligkeit innerhalb gewisser Grenzen durch Stellungsänderungen der Chlorophylikörper beantwortet wird. Wie bei Mesocarpus konnte auch bei Funaria gezeigt werden, dass die Profilstellung keine Veränderung erfährt, wenn die Intensität des Lichtes noch weiter gesteigert wird, und ebenso ergab sich bei verschiedenen Intensitäten des diffusen Lichtes keine Veränderung der Flächenstellung, vorausgesetzt, dass die Lichtverminderung nicht bis zu dem Maasse getrieben wurde, welches Nachtstellung bedingt. Weitere Pflanzen wurden nicht untersucht, es ist aber kaum zweifelhaft, dass sich die Mehrzahl aller chlorophyliführenden Zellen analog verhalten wird — das geht aus Stahl’s bekannten Unter- suchungen zur Genüge hervor. Unterschiede werden insofern vorhanden sein, als die Form der Chloroplasten differirt und dadurch verschiedenartige Stellungen und Bewegungen zur Erreichung einer fixen Lichtlage nothwendig werden. Weiterhin wird es Zellen geben, welche nicht auf jeden rasch vorüber- gehenden Helligkeitswechsel sofort antworten, sondern sich aus einer mittleren Stellung nur dann herausbequemen, wenn die Intensitäts- änderungen dauernd eintreten. Dass auch die Fälle hierher zu zählen sind, in welchen eine Gestaltsveränderung der Chlorophylikörper durch verschiedenartiges Licht bedingt wird, versteht sich fast von selbst. Bei geeigneter Versuchsanstellung und Erlangung günstiger Objecte würde es kaum Schwierigkeiten haben, durch Messungen den Nach- weis zu liefern, dass die Formveränderungen in analogem Sinne ver- laufen, wie die Stellungsänderungen bei Funaria u. A. In wie weit bestehen nun Aehnlichkeiten dieser Vorgänge mit denen, welche im vorhergehenden Capitel besprochen wurden? und wo liegen die Unterschiede? Wir haben es hier mit Bewegungen des ganzen Tlasmaleibes zu thun, daran ist nach den Beobachtungen früherer Autoren nicht zu zweifeln und insofern bestehen unverkenn- bare Aehnlichkeiten zwischen den Bewegungen freier Plasmodien, den Schwärmerbewegungen etc., die uns auch berechtigen dürften, die in 212 Rede stehenden Processe als phototaktische zu bezeichnen. Ein Unter- schied ist in dem Vorhandensein der Zellmembran gegeben, welche dem Plasmakörper nicht die unbeschränkte Bewegungsfreiheit gestattet, wie den in toto beweglichen Organismen. Er kann nicht die seiner Liehtstimmung entsprechende Helligkeit durch Locomotion aufsuchen, ist vielmehr genöthigt, sich in seinem relativ unbeweglichen Käfig so gut es gehen will einzurichten. Da ist nun der Umstand von grosser Bedeutung, dass in den weitaus meisten Fällen der oder die Chloro- plasten bilaterale Gestalt besitzen. Diese Thatsache bedingt im Zu- sanımenhang mit der mangelnden Locomotion den wesentlichen Unter- schied von der Orthophototaxie. Vermöge der genannten Eigenschaften sind die Chloroplasten in der Lage, das Licht je nach seiner Intensität von der Fläche, von der Kante oder unter einem beliebigen Winkel zwischen 0 und 90° auf sich wirken zu lassen. Diese Fähigkeit mag als Plagiophototaxie bezeichnet werden. Wie Orthotropie und Plagio- tropie von dem radiären oder dorsiventralen Bau der Organe ab- hängen, ') ebenso hängt Ortho- und Plagiophototaxie mit der Organisation der betreffenden Zellen resp. Zelleomplexe aufs Engste zusammen. Recapituliren wir zunächst unsere an Mesocarpus gemachten Be- vbachtungen, so sehen wir, dass bei sehr grosser Intensität des Lichtes Profilstellung gegeben ist, wir beobachteten weiter, dass diese Lage bei verschiedenen Intensitäten beibehalten wird, so lange als eine gewisse untere Grenze nicht überschritten wird. Ist dies aber erfolgt, so beginnt die Platte Schrägstellungen und es liess sich zeigen, dass jeder Helligkeit eine ganz genau bestimmte Plattenstellung entspricht, indem das dem Licht zugekehrte Stück des Chloroplasten eine für jede Intensität definirte Grösse besitzt. Bei einem gewissen Intensitäts- grade nimmt die Platte sodann gerade eben Flächenstellung ein, und diese bleibt auch bei allen Intensitäten gewahrt, welche unterhalb- dieser Grenze liegen; abgesehen von etwaigen Nachtstellungen, welche hier zunächst nicht in Frage kommen. ı: Während wir bei den orthophototaktischen Organismen diejenige lelligkeit als die optimale ansehen, in welcher dieselben zur relativen Ruhe kommen resp. gegen das Licht scheinbar indifferent sind, kann es keinem Zweifel unterliegen, ' dass bei den plagiophototaktischen Zellen alle diejenigen Intensitäten das Optimum darstellen, bei welchen eine zur Lichtrichtung schräge Stellung der Mesocarpusplatten erzielt wird. Denn innerhalb dieses Optimums ist die Zelle im Stande, genau . 1) Vgl. Sachs, Orthotrope und plagiotr. Pflanzentheil. Würzburger Ar- beiten Bd. 2, 213 das Lichtquantum im Chlorophyllapparat aufzufangen, welches sie ver- möge ihrer Lichtstimmung wünschen muss. Die Grenzen der optimalen Helligkeit sind im letzteren Fall ausserordentlich viel weiter auseinander- gerückt, als bei den frei beweglichen Pflanzen. Während für Volvox und Spirogyra die Lichtabsorptionen inner- halb des Optimums nur um wenige Procente auseinander liegen, beginnen die Schrägstellungen der Chlorophylikörper von Mesocarpus, wenn 40—50°% des Sonnenlichtes von den Prismen absorbirt werden, sie nähern sich der Flächenstellung aber erst, wenn 80—90° der auffallenden Strahlen in der Tusche-Gelatine zurückgehalten werden. Das hängt aber, wie wohl des Näheren nicht aus einander gesetzt zu werden braucht, ganz allein mit den in Frage kommenden Gestaltungs- verhältnissen derjenigen Organe zusammen, welchen zunächst das Licht dienstbar gemacht werden soll. Auch die Thatsache bedarf keiner weiteren Erörterung, dass bei der Plagiophototaxie die Richtung der Lichtstrahlen neben ihrer Inten- sität von entscheidender Bedeutung für die Stellung der Chlöro- plasten ist. Ich besprach zunächst Mesocarpus als den einfachsten Fall; die Bewegungen in den Funariazellen haben zwar einen etwas anderen Habitus, als diejenigen bei Mesocarpus, die volle Uebereinstimmung im Prineip springt aber sofort in die Augen, wenn man sich die Chloroplasten zu einer der Wandung anliegenden Platte verbunden denkt, wie das u. a. bei Ulothrix thatsächlich vorkommt. Die Ver- suche zeigen ja auch schr deutlich, dass der Chlorophyllapparat als ein einheitliches Ganzes functionirt. Wie bei Mesocarpus unter bestimmten Lichtverhältnissen die eine Hälfte der Platte Profil- die andere Flächen- stellung aufweist, genau so tritt unter analogen Bedingungen die Hälfte der Chlorophylikörper bei Funaria in Flächenstellung, während die andere in Profilstellung verbleibt, und auch die übrigen Bewegungen bei ver- änderter Lichtintensität verlaufen in analoger Weise; je nach der Helligkeit wird dem Licht eine grössere oder geringere Fläche des Gesammtapparates dargeboten. . Wenn bei Intensitäten oberhalb resp. unterhalb des Optimums keine Veränderungen der Profil- bezw. Flächenstellung mehr eintritt, so empfindet das Plasma sicher die höheren und niederen Intensitäts- grade ebenso wie diejenigen des Optimums, aber es besitzt nach der Lage der Dinge kein Mittel, um sich allen Helligkeitsstufen anzu- passen. Unterhalb des Optimums ist die Flächenstellung übrigens die einzig mögliche, um alle disponiblen Strahlen völlig auszunutzen und 214 ebenso ist die Profilstellung das denkbar einfachste Mittel, um eine übermässige Insolation zu paralysiren. Die in mancher Hinsicht scharf geschiedenen, in anderen Punkten aber so völlig übereinstimmenden Erscheinungen der Ortho- und Plagio- phototaxie können übrigens vermuthlich an einer und derselben Pflanze vorkommen. Der Fall wäre z. B. gegeben, wenn an Mesocarpusarten dieselben Lichtbewegungen nachgewiesen würden, welche wir an Spirogyrafäden constatirten. II. Phototropie. a) Orthophototropie. Vaucheria sessilis. Die heliotropischen Erscheinungen vom gleichen Gesichtspunkt, aus zu behandelte, von welchem vorher die phototaktischen betrachtet wurden, hat man sich immer gesträubt. Obwohl N. J. C. Müller’) ganz präcis hervorgoben hatte, dass alle Pflanzen je nach der Licht- intensität positiven oder negativen Heliotropismus zeigen, wurde das von Wiesner?) und auf Grund der Beobachtungen dieses Forschers überhaupt bestritten. Nichts destoweniger sindMüller’s Beobachtungen, wie ich zeigen werde, vollkommen richtig. Nach den an den phototaktischen Organismen gemachten Er- fahrungen war anzunehmen, dass auch bei heliotropischen Pflanzen die Lichtstimmung abhängig sein müsse von den äusseren Lebensbe- dingungen derselben, dass also Pflanzen, welche im Schatten wachsen, weit tiefer gestimmt sein werden, als andere, welche an der hellen Sonne gedeihen. Nun habe ich gezeigt,’) dass fast alle Algen zu den typischen Schattenpflanzen gehören; es lag demnach nahe, solche für die Untersuchung zu verwenden. Da Stahl?) angibt, dass Vaucheriafäden bei starker Beleuchtung eine zum Lichteinfall senk- rechte Wachsthumsrichtung einhalten, bei schwächerem Licht aber normal positiv heliotropisch werden, schienen die Vaucherien für eine Untersuchung im angedeutetem Sinne etwas zu versprechen. Vaucheria sessilis überzieht bekanntlich den Erdboden an geeigneten Lokalitäten 1) N. J. C. Müller, Krümmung der Pflanzen gegen das Sonnenlicht. Botan. Untersuchungen Bd. 1 8. 57 f. (1872). 2) Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen im Pflanzenreich. T. Th. Denkschr. der Wiener Akad. Bd. 39 (1879). II. Th. das. Ba. 48 (18829. 8) l. ce. p. 406 ff. 4) Stahl, Ueber den Einfluss von Richtung und Stärke der Beleuchtung auf einige Bewegungserscheinungen im Pflanzenreich, Bot. Zeit, 1880 S, 412, ‘ 315 in dichten Rasen. Es wurde nun ein solcher Rasen mit wenig an- hängender Erde zu einer Platte von 20 cm Länge und 2—3 cm Breite zurechtgeschnitten und dann auf einer Glasplatte von gleicher Grösse mit Platindraht oder auch mit gewöhnlichem Bindfaden festge- bunden. Die Glasplatte wurde auf dem Boden eines der oben bereits für Volvox benutzten vierkantigen mit Wasser gefüllten Glasgefässes ge- legt, natürlich so, dass der Vaucheriarasen nach oben gekehrt war. Nach einigen Tagen (2—3 bei günstigem Wetter) entwickeln sich neue aufstrebende Sprosse, welche, ‚wenn man das ganze Gefäss auf dem Klinostaten um seine vertikale Achse dreht, vollkommen senk- recht orientirt und durch die ganze Länge des Gefässes gleichmässig vertheilt sind. Zwar kommt es bei manchen Sprossen sehr rasch zur: Bildung von Geschlechtsorganen und damit zu einer Sistirung des Wachsthums, es bleibt aber für die Versuche immer noch ein grosser ' Vorrath übrig.: Das Befestigen des Rasens ist erforderlich, weil sich häufig Luftblasen zwischen den Fäden fangen und bei mangelhafter Beschwerung das Ganze emporheben. - Solche auf einem Klinostaten etwa drei Tage gezogene Culturen wurden dann unter die für Volvox bereits verwendeten Kästen ge- bracht. Die Versuche wurden im Freien angestellt, weil sich die Helligkeit der Zimmer nicht überall als ausreichend erwies. Ich gebe zunächst einige Versuchsprotokolle: Vaucheria sessilis 1, am 81. Juli m Cultur genommen, rotirt auf dem Klinostaten. 3. Aug. 8% Im Freien mit einem Kasten von bekannter Construction bedeckt. Sonne von der Kante. 11? An einer Stelle von mittlerer Helligkeit stehen die Sprosse völlig vertikal; von links (helleres Ende) sowohl als von rechts (dunklere Seite) neigen die Sprossen gegen die indifferente Stelle zusammen. Die Krümmung der Sprosse auf der rechten Seite nicht so scharf wie links. 1? Helleres Sonnenlicht seit einiger Zeit. Die Krümmung rechts neben der indifferenten Stelle etwas zurückgegangen. 4% Dasselbe Bild. Sonne scheint vertikal gegen die flache Seite des Kastens (gegen die Platten). 7® Sprosse im dunkleren Theil des Kastens gerade gestregkt, im helleren nach rechts (dunkel) gekrümmt. 216 4. Aug. Morg. 8" Die Sonne scheint gegen die Kante des Kastens, dieser Ab. 6* wird beständig gedreht, so dass er immer dieselbe Lage gegen die direeten Strahlen behält. Ein sehr auffälliges Bild. Eine ziemlich scharf umschrie- bene Stelle enthält nur gerade Sprosse; von beiden Seiten neigen sich die Sprossen nach dieser Stelle hin. Die Krümmung ist um so schärfer, je weiter die Sprosse vom Indifferenzpunkt entfernt stehen. 5. Aug. Vorm. Der Kasten wird entfernt, statt dessen wird das Gefäss mit einem innen geschwärzten Pappkasten überdeckt, welcher auf einer schmalen Seite geöffnet ist. Der Apparat wird ent- sprechend dem Gange der Sonne ständig gedreht, so dass die Strahlen auf die offene Kastenseite fallen. Vorm. Ab. Th Ab. TIP Abends. Vorm. 6. Aug. Dieselbe Orientirung des Apparates wie gestern. Gegen Mittag sind alle Sprosse vom Licht abgekrümmt, nur dis in der äussersten vom Licht abgekehrten Ecke sind zwei- felhaft. Das Gleiche war schon am Abend zuvor bemerk- bar, nur weniger deutlich. Der Himmel war am Nachmittag mehrfach bewölkt. Im Zusammenhang damit glaube ich eine Neigung der Sprosse zu erkennen, sich wieder aufzurichten. Das Gefäss wird ohne Bedeckung in ein nach Nordosten gelegenes Arbeitszimmer des Instituts gebracht und mit der Breitseite gegen das Fenster aufgestellt. 1. Aug. Deutliche Neigung der Sprosse gegen das Licht. 8. Aug. Die positive Krümmung ist noch wesentlich verstärkt. Der Versuch wird damit abgebrochen. Vaucheria sessilis. 2. Seit dem 8. Aug. auf dem Klinostaten gehaltene Cultur wird am 11. Aug. Morgens unter einen Platten-Kasten gebracht. Die Platten haben einen etwas grösseren Prismenwinkel, als vorher. Sonne von der Fläche. 12. Aug. Mittags. Sprosse von beiden Seiten gegen eine ziemlich eng begrenzte Stelle, welche indifferent ist, zusammengeneigt. an 12. Aug. Nachmittags. ' Starker Regen und dunkle Wolken. 13. Aug. Vormittags 8 Uhr. Alle Zweige zeigen nach der hellen Ecke. In dieser nur ganz wenige Sprosse vertikal. Vaucheria sessilis. 3. 13. Aug. sr Cultur seit dem 10. Aug. auf dem Klinostaten wird jetzt in bekannter Weise bedeckt. Gefäss ganz nach dem hellsten Ende der Prismen geschoben. 7» Ab. Die gewohnten Krümmungen, mit einer gut begrenzten in- differenten Zone annähernd in der Mitte des Gefässes. 14. Aug. 8" Morg. Der Plattenkasten wird verschoben, so dass das Gefäss möglichst weit in die dunkleren Regionen kommt, jeder einzelne Punkt der Cultur also um ein bestimmtes Maass verdunkelt wird. 6P Ab. Nur die Sprosse, welche an der hellsten Ecke des Ge- fässes stehen, sind gerade, alle anderen, auch die gestern indifferenten, krümmen sich gegen diese Stelle hin. Eine grössere Anzahl von Versuchen, welche in derselben Weise angestellt wurden, bestätigte die Resultate, über welche ich soeben das Protokoll vorlegte. Natürlich fielen sie nicht alle absolut gleich aus, sondern zeigten je nach dem Wetter Differenzen, indem bei Be- wölkung die indifferente Zone an einer anderen Stelle lag, als bei sonnenklarem Himmel, ja im ersteren Falle konnte häufig nur eine Krümmung nach der hellen Seite und vertikale Stellung daselbst be- obachtet werden. An Tagen, wo Sonnenstrahlen und Regen ständig wechselten, waren die Erfolge weniger präcis; unter solchen Umständen konnte nur an dem hellsten und an dem dunkelsten Ende eine Krüm- mung oft weniger Sprosse beobachtet werden, alle übrigen wuchsen gerade aufwärts, die indifferente Zone war also ganz wesentlich breiter; während sie sonst auf 2—3cem sich erstreckte, war sie jetzt bis zu 15cm breit. Auch das ist leicht erklärt; rasch wechselnde Beleuch- tung muss wie Klinostatenbewegung wirken, sie muss die Pflanze bald nach der einen, bald nach der anderen Seite zu krümmen streben und schliesslich zu einer Geradestreckung desselben führen. Die Ver- suche fielen ganz gleichsinnig aus, ob ich die Sonnenstrahlen auf die schmale Seite des Kastens oder auf die breite Fläche fallen liess. Im letzteren Fall schmilzt die Gelatine in den Prismen. Das stört v2 218 indess nicht, wenn durch saubere Arbeit für vollkommene Dichtigkeit der Verschlüsse gesorgt wird, und hat den Vorzug, dass die Er- wärmung des Culturwassers fast vollständig vermieden wird, weil alle Wärmestrahlen von der dunkel gefärbten Gelatine absorbirt werden. Es wurden ausserdem noch einige Versuche mit Vaucheriarasen angestellt, welche nicht in Wasser, sondern in feuchter Luft eultivirt waren. Sie ergaben schon im gewöhnlichen Zimmer ein analoges Resultat wie die im Wasser gezüchteten, waren also nicht unwesent- lich tiefer gestimmt als die letzteren. Ganz instruktiv war auch ein Fall, in welchem sich unter einer Glasglocke frei in die Luft ragende Triebe entwickelt hatten. Die Cultur stand etwas seitwärts vom Fenster. Die Sprosse aber zeigten alle nach der dem Fenster benachbarten Zimmerecke, unzweifelhaft weil ihnen hier die willkommene Hellig- keit winkte. Ein dem letzten ähnliches Resultat hatte wohl auch Stahl in seinen oben eitirten Versuchen. Die beschriebenen Experimente bedürfen kaum eines Commen- tars, sie zeigen zur Evidenz, dass bei einer bestinmten Intensität des Lichtes trotz einseitiger Beleuchtung ein Indifferentismus eintritt. Wir sehen wieder, dass Vaucheria photometrisch ist, und dass sie infolge der Perception von Lichtdifferenzen Krümmungen aus- führt, die um so energischer werden, je mehr die gebotene Helligkeit von der optimalen abweicht. Hier liess sich das, was bei Volvox nur zu vermuthen war, direct schen, dass nämlich der Reiz mit der Helligkeitsdifferenz wächst; — dies Gesetz in eine bestimmte Formel zu bringen, soll später versucht werden. Schliesslich ist auch hier wieder darauf aufmerksam zu machen, dass die Krüm- mungen gegen das Optimum hin ausgeführt werden, dass sie aber zu der Richtung der Lichtstrahlen nur indirect in Beziehung stehen. Phycomyces nitens - wurde als zweites Unternehmungsobject verwerthet. Versuche, den- selben nach der Cultur in vierkantigen Gefässen den gleichen Be- dingungen zu unterwerfen wie die Vaucheria, misslangen hauptsäch- lich desswegen, weil die Lichtstimmung des Phycomyces offenbar eine viel höhere ist als die von Vaucheria, und das ist keineswegs wunderbar, wenn man berücksichtigt, dass Phycomyces frei an der Luft gedeiht, also im wilden Zustande jedenfalls meistens in grösserer Helligkeit lebt, als die genannte Alge, die doch in erster Linie Wasser- pflanze ist. Ich musste also einen anderen Weg einschlagen, und suchte zunächst einmal festzustellen, dass je nach der gebotenen Helligkeit Phycomyces bald positiv, bald negativ heliotropisch sein 219 kann; dann war ja nach den Erfahrungen än Vaucheria, Volvox, Spirogyra die Annahme nicht von der Hand zu weisen, dass auch ein Indifferenzstadium vorhanden sein müsse. . Es wurden Culturen von Phycomyces einerseits auf Brod, andererseits auf Pflaumendecoct in Erlenmayer’schen Kolben angelegt. Mit diesen wurde im Freien experimentirt, nachdem sie im Zimmer aufgewachsen waren uhd die Fruchtträger eine Höhe von 1—3 cm erreichthatten. Ich benutzte hier mit Erfolg Gefässe, welche ursprünglich für die Oultur von Algen be- stimmt waren. In ein cylindrisches Glasgefäss von 20cm Höhe und 17cm Durchmesser passt ein zweites von annähernd gleicher Höhe derart, dass zwischen den Wänden beider Gefässe überall ein Raum von 2cm Durchmesser bleibt. -Das innere, kleinere Gefäss hat 'einen horizontalen ca. 2em breiten Rand, welcher mit einer abwärts ge- kehrten Krempe genau über den geraden Rand des äusseren Ge- fässes passt. Der so um das Innengefäss entstehende Mantelraum wurde mit Alaunlösung oder mit Wasser gefüllt. Als Deckel dient eine mit der gleichen Flüssigkeit beschickte Flasche von nur 2em Höhe, aber demselben Durchmesser wie das Aussengefäss. Sie kann mit diesem resp. der Krempe des Innengefässes durch einen Kautschuk- ring, welcher an’ zwei gegenüberliegenden Stellen dünne Glasröhren luftdicht durchlässt, fest verbunden werden. .Die eine derselben reicht oben in den Innenraum hinein, die andere führt mit einer scharfen Biegung über den Rand des Innengefässes auf den Boden des letzte- ren. Soll ein Versuch in Gang gesetzt werden, so wird die Phyco- mycescultur in das Innengefäss, welches z. Th. einen Wandbeleg von nassem dunklen Fliesspapier erhalten hatte, meist einige Centimeter über dem Boden desselben, gebracht, der Deckel Tuftdicht aufge- setzt und nun mit Hilfe einer Wasserstrahlluftpumpe langsam Luft hindurch gesaugt, welche vorher eine Waschflasche mit Wasser passirt hatte, um in dem Raum, in welchem sich der Phycomyces befand, eine möglichst feuchte Atmosphäre zu erhalten, gleichzeitig aber ein Stagniren erwärmter Luft in dem Gefäss zu verhüten. Trotz solcher Vorsichtsmaassregeln stieg die Temperatur noch um 2—-4° über die im Schatten wahrnehmbare; auf die Versuche hatte das keinen Ein- fluss, wie wir später sehen werden. Ich gebe zunächst wieder einige Versuchsreihen ausführlich. Phycomyces nitens. I. . . 28. Juli. 9% Vm. Brodwürfel mit 1cm langen Fruchtsprossen wird in das Gefäss eingesetzt. Letzteres ist an seiner hinteren Flora 1892, 15 220 Hälfte mit Pappe umgeben. Die Sonne scheint von vorn direct in den Apparat. Dieser wird dem Gange der Sonne entsprechend gedreht. 125 30 Die Fruchtträger sind vom Licht weggekrümmt. 12» 30 — 2% Sonne häufig durch graue Wolken verdunkelt. 2h 30 Stiele gerade. 2330 — 5" Helle Sonne mit wenigen weissen Wolken. 5 Negative Krümmung der Fruchtträger, in der Ebene des einfallenden Lichtes. 5b — 7% Schatten durch ein Gebäude. [u Sprosse aufgerichtet, an manchen bajonnetartige Krüm- mungen. Länge 4cm. 29. Juli. Morgens. Sprosse alle gerade gestreckt und noch erheblich verlängert. Phycomyces nitens. 2. 29, Juli. Relativ heller Himmel mit wechselnder Bewölkung. Hintere Hälfte des Gefässes bedeckt. Die Fruchtträger hatten sich ım Zimmer positiv gekrümmt, im Apparat werden sie so gestellt, dass sie nach vorn zeigen. Hier richten sie sich sehr bald vertikal auf und bleiben in dieser Stellung. Gegen Abend ins Zimmer ge- bracht, zeigen sie schon nach kurzer Zeit positive Krümmungen. Phycomyces nitens. 3. 80. Juli. Helle Sonne den ganzen Tag. 10h Brodwürfel mit etwa 2cm langen Fruchtträgern eingesetzi. Gefäss bis auf einen Acm breiten vertikalen Streifen mit Papier umwickelt. Vor dem Apparat steht ein Planspiegel, mit dessen Hilfe ein Strahlenbündel horizontal durch den Spalt geworfen wird. Durch Drehung von Apparat und Spiegel mit der Sonne wird diese Stellung den ganzen Tag über in möglichst constanter Lage beibehalten. 10430 In den wachsenden Regionen beginnen Krümmungen. Die Spitzen der gekrümmten Sprosse zeigen weder nach vorn, noch nach hinten, sondern rechts und links nach den dunklen Seitentheilen des Versuchsraumes. 128 Die Krümmungen noch wesentlich deutlicher. 321 6b Abends. Die Sprosse divergiren nach fast allen Seiten hin, nur nicht nach vorn. (Fig. 6, A von oben, B von vorn.) 68 Der Apparat wird mit dem Spalt nach Norden gestellt. 31. Juli. Morgens 8 Uhr. Positiv heliotropische Krümmung aller Sprosse. Phycomyces nitens. 4. 31. Juli. Sehr helle Sonne bis Mittag, dann Wolkenbildung. 9A Neuer Versuch angesetzt, wie gestern. 123 Genau das Gleiche wie gestern. 1®°15 Ein mit weissem, dünnem Leinen überspannter Rahmen wird dicht vor dem Spalt aufgestellt. 35830 Ueberall beginnen positive Krümmungen. aa Krümmungen bedeutend verstärkt. 1. August. 9% Morgens. Viele Fruchtträger stossen mit den Köpfen gegen die vordere Wand des Gefässes vor dem Spalt. Aehnliche Versuche wie diejenigen, welche ich vorstehend be- richtete, wurden noch mehrfach und immer mit demselben Resultat angestellt. Waren alle günstigen Bedingungen gegeben, so konnte schon Yg—°4 Stunden nach dem Beginn des Experimentes ein Aus- schlag wahrgenommen werden, welcher sich bei längerer Dauer des Versuches natürlich noch steigerte. — In allen Fällen war ein aus- giebiges Längenwachsthum zu verzeichnen und die Sprosse, welche am Beginn des Versuches I—-2cm Länge besassen, waren bei Be- endigung desselben bis zu 4, 6 und mehr Centimeter Länge heran- gewachsen. Dass ich es mit normalen Pflanzen zu thun hatte, glaube ich auch dadurch nachgewiesen zu haben, dass ich sie am Ende des Experimentes in irgend einer Weise die bekannten positiv-heliotropi- schen Krümmungen ausführen liess. Man könnte nun einwenden, die Krümmungen seien thermotropische, weil die Temperatur nicht völlig constant blieb. Dass dies nicht der Fall ist, geht aus Folgendem hervor. War in dem Apparat durch die Sonnenwirkung die Wärme um einige Grad gestiegen, so blieb die erreichte Temperatur stunden- lang constant, sobald direetes Sonnenlicht abgeblendet und die Durch- leitung von Luft sistirt wurde; trotzdem vollzogen sich die positiven Krümmungen in der geschilderten Weise. Einige Versuche wurden auch mit einem anderen Gefäss ohne Luftdurchleitung vorgenommen, die Tenıperatur stieg oft um 6— 8° über die Umgebung, ‚ieh aber 5 222 dann lange unverändert und die Versuche nahmen genau denselben Verlauf wie immer: Bei gleichbleibender Temperatur im Gefäss fan- den Krümmungen statt, sobald die Beleuchtung eine entsprechende Aenderung erfuhr. Wir haben in dem Phycomyces einen Pilz vor uns, welcher nach allen bisherigen Angaben typischen positiven Heliotropismus zeigt und dessen Verhalten neben dem vieler anderer Pflanzen als ein Beweis für die Auffassung geltend gemacht ist, dass der Heliotropismus auf eine Krümmung hinauslaufe, welche in der Ebene der einfallenden Strahlen vollzogen werde. Diese Auffassung trifft für Phycomyces jedenfalls nicht zu, vielmehr stimmt er in allem mit dem überein, was wir an Vaucheria gelernt hatten. Wir beobachten eine Weg- krümmung vom Licht bei grosser Helligkeit desselben, eine sog. posi- tive Beugung bei Herabsetzung der Lichtintensität. Die negativen Krümmungen waren aber noch besonders dadurch ausgezeichnet, dass sie keineswegs immer in der Ebene des einfallenden Lichtstrahles zu liegen kamen, sondern beliebige Winkel mit derselben bildeten. Fiel das Licht durch den Spalt in das Oulturgefäss, so wurde rechts und links von demselben ein Raum mittlerer Helligkeit erzeugt und diese . wurde dann von den Fruchtträgern aufgesucht; hier musste das ge- suchte Optimum liegen. Es trat also der analoge Fall ein, welchen ich oben von Vaucheria berichtete, deren Sprosse sich nach der vor- deren, neben dem Fenster gelegenen Zimmerecke krümmten. Diesen Beobachtungen gegenüber ist es irrelevant, dass nur in relativ seltenen Fällen ein Indifferentismus zur unbestrittenen Wahrnehmung gelangte. Es kann das nicht Wunder nehmen, weil in keinem der Versuche eine so regelmässige Abstufung der Helligkeit erzielt werden konnte, wie in den früheren, wo die 'Tuche-Prismen so vortreffliche Dienste leisteten. Immerhin wurde in einigen Versuchen, z. B. in dem unter Nr. 1 mitgetheilten, bei annähernd gleichmässig und dünn bewölktem Himmel völlige Geradstellung constatirt. Die Fruchtträger verharrten mehrere Stunden in dieser Stellung, es ist demnach nicht anzunehmen, dass dieselbe ein Durchgangsstadium von der negativen zur positiven Krümmung dargestellt habe. — Aus Versuch 2 und einigen ähnlichen entnehme ich, dass genau wie bei Vaucheria durch stark wech- selnde Beleuchtung eine Aufrichtung der Sprosse herbeigeführt werden kann, die nicht ohne Weiteres mit der bei relativ constantem Licht sich ergebenden identifieirt werden darf. Sie dient aber eben- falls dazu, die Uebereinstimmung aller Erscheinungen bei Vaucheria und Phycomyces zu illustriren. 223 Sprosse von Phanerogamen. War schon die Lichtstimmung bei Phycomyces recht hoch, .so stand zu erwarten, dass die häufig im directen Sonnenlicht wachsenden Samenpflanzen noch wesentlich höhere Stimmungen zu erkennen geben würden. Das war denn auch der Fall. Keimpflanzen von Tropaeolum majus wurden in einem innen ge- schwärzten Kasten mit ca. 3em breitem Schlitz dieht an diesen ge- stellt und an einem schr klaren Tage den Strahlen der Sonne aus- gesetzt. Durch Drehung des Kastens wurde wieder dafür gesorgt, dass immer annähernd die gleiche Stellung zur Sonne eingehalten wurde. Trotz stundenlanger Besonnung blieb.der Spross genau vertikal stehen, positive Krümmungen traten aber nach ganz kurzer Zeit ein, wenn die Pflanzen in irgend ein Zimmer ans Fenster gestellt wurden. Ganz analoge Erscheinungen boten Kressekeimlinge, sie reagirten in hellster Beleuchtung in der heliotropischen Kammer nicht im Geringsten, zeigten aber schon nach einstündigem Verweilen in etwas dunkleren Räumen starke positive Krümmungen. . Um nun auch negative Beugungen zu erzielen, griff ich zu con- centrirtem Lichte. Die von cinem grossen Planspiegel reflectirten Sonnenstrahlen trafen, nachdem sie dieke Schichten einer concentrir- ten Alaunlösung passirt hatten, auf eine grosse biconvexe Linse. Hinter dieser wurde ein Topf mit Lepidiumsämlingen aufgestellt. Die Keimlinge waren in eine Reihe gepflanzt und diese wurde zu den vom Brennpunkt der Linse divergirenden Strahlen unter einen Winkel von etwa 45° gestellt. Eine Keimpflanze stand somit nahe am Brenn- punkt der Linse, die übrigen in wachsender Entfernung, ohne sich gegenseitig zu beschatten. Der Spiegel musste mit der Hand gedreht werden, um die Strahlen immer in der gleichen Richtung auf die Linse fallen zu lassen; ein geeigneter Heliostat stand mir nicht zu Gebote. In einem Versuch enthielt der Blumentopf 7 Kressesämlinge. Nach 1’/ständiger Einwirkung des Lichtes waren das erste sowohl (dem Brennpunkt zunächst stehende), wie das zweite Pflänzchen negativ gekrümmt, Nr. 3 ist vertikal aufgerichtet, 4-—7 sind positiv gebeugt (6 ist: beschädigt). 4 und 5 sind aber nicht in der Ebene der einfallenden Lichtstrahlen gekrümmt, sondern die Krümmungs- ebene bildet einen kleinen Winkel mit den Lichtstrahlen. Nur bei Nr. 7 fällt Krümmungsebene und Strahlenrichtung zusammen. Ein zweiter Versuch ergab ein analoges. Resultat; ein dritter wurde zwar bei wolkenlosem Himmel aber doch nicht völlig klarer Luft ausgeführt, Nach 1Y/, Stunden war noch keine Krümmung an 224 den drei Versuchspflanzen, welche dicht beisammen standen, bemerk- bar; dieselbe wurde aber eine Stunde nach Entfernung der Linse sehr energisch positiv. Weitere Versuche mit Phanerogamen direct anzustellen, war mir vor der Hand nicht möglich, weil völlig wolkenfreie sonnenklare Tage gar zu selten waren und mir zu der Zeit, wo ich die Beobachtungen anstellte, nicht alle Apparate zur Verfügung standen, welche ein ein- wandfreies Arbeiten’ gestatteten. Trotzdem ist nach den wenigen Ver- suchen nicht daran zu zweifeln, dass sich die Keimpflanzen von Tro- paeolum und Lepidium den ‘Sprossen von Vaucheria und Phycomyces durchaus ähnlich verhalten, dass es auch für sie ein Optimum der Lichtintensität gibt, bei welchem trotz einseitiger Beleuchtung keine heliotropische Bewegung ausgelöst wird, dass aber jede Abweichung von dem Optimum, sei sie positiv oder negativ, eine Krümmung herbeiführt. Man wird die zu Anfang genannten Experimente, in welchen Tropaeolum und Lepidium trotz einseitiger Beleuchtung keine Rich- tungsbewegungen ausführten, gar nicht anders als in dem angedeuteten Sinne, ausbeuten können; sie allein würden, meine ich, hinreichen um die Analogie der heliotropischen Bewegungen dieser Pflanzen mit denen von Vaucheria zu erweisen; die letztgenannten bestätigen nur die gezogenen Üonsequenzen. Dass nun aber diese Vorgänge eine ganz allgemeine Verbreitung haben, lässt sich ziemlich leicht an einer Anzahl von Beispielen und Beobachtungen im Freien zeigen. Im botanischen Garten zu Rostock steht je ein Strauch von For- sythia viridissima und Spiraea opulifolia in der Nähe einer Baum- gruppe; diese ist nach Süden hin offen, d.h. von Morgens 9 Uhr bis Nachmittags 2 resp. 3 Uhr scheint die Sonne direct auf diese Stäucher, während die nordwärts stehenden Bäume dann einen dunklen Hinter- grund bilden. Die Spiraea fällt nun zunächst dadurch auf, dass alla diesjährigen recht langen Sprosse schräg aufwärts, aber nicht, wie man erwarten sollte, nach Süden, sondern nach Osten gerichtet sind. Sie verhalten sich also unverkennbar analog wie die Vaucheria im Zimmer und Phycomyces in der heliotropischen Kammer. Noch viel auffälliger ist die Forsythia. Die Aeste stehen in ihren oberen Theilen (von 50— 80 cm Länge) ziemlich genau vertikal, und diese Stellung wird bis in die Spitzen hinein an bewölkten Tagen beibehalten, zu- weilen krümmen sich unter diesen Umständen die Spitzen in ihren wachsenden Regionen nach Süden resp. nach Südosten. Ganz anders wird das Bild bei Sonnenschein. So lange in den ersten Morgen- N 225 stunden die Büsche im Schatten standen, waren die Spitzen aufge- richtet, ganz kurze Zeit aber, nachdem die directen Sonnenstrahlen auf den Standort fielen, neigten sich die Pflanzen nach Norden oder Nordosten und blieben annähernd in der gleichen Stellung bis zum Nachmittage; die Spitzen richteten sich aber wieder gerade, sobald infolge der Schattenbildung durch benachbarte Gebäude die directe Besonnung aufhörte. Besonders lehrreich waren Beobachtungen am 27. August 1891. 85 Morgens Alle Sprosse annähernd vertikal. Schatten. 9% Sonne. 105 desgl. Einige Sprosse zeigen nach Norden, andere nach NO., zwei stehen ganz gerade. 12” desgl. dasselbe. 1% 30 Schatten durch benach- barte Bäume. 4N Alle vorher gekrümmten Aeste aufgerichtet. Die beiden vorher vertikal stehenden positiv gekrümmt. In der Litteratur sind nun eine Reihe von heliotropischen Er- scheinungen von den verschiedensten Beobachtern angegeben worden, welche nach den bisher gangbaren Vorstellungen vom Heliotropismus nicht so ganz einfach zu deuten waren; wir werden sehen, dass sie mit den hier vorgetragenen Auffassungen durchaus im Einklang stehen. Die Thatsache, dass die Hauptsprosse unserer im Freien gedeihen- den Pflanzen auch bei Sonnenlicht völlig gerade gerichtet sind, ob- wohl hier doch eine einseitig stärkere Beleuchtung wenigstens bei’ Sonnenschein nicht zu leugnen ist, wird darauf zurückgeführt, dass die Sonne sich um die Sprosse herum dreht und eine dem Klinostaten ähnliche Wirkung ausübt.') Sehr viel einfacher erklärt sich die Sache, wenn wir uns auf den Boden unserer Auffassung stellen. Die Sprosse würden sich darnach im direeten Sonnenlicht nicht krümmen, weil die Helligkeit desselben mit der optimalen zusammenfällt, welche den Indifferentismus bedingt. Ist der Himmel bewölkt, so hört die ein- seitige Beleuchtung fast völlig auf und infolge dessen bleiben die Sprosse Tag aus Tag ein in der gleichen Lage. So verhalten sich aber keineswegs alle P’flanzen. Wiesner?) beobachtete z. B., dass D Vgl. u. a. Sachs, Vorlesungen 2. Aufl. S. 732. 2) Wiesner, Heliotrop. Erscheinungen Bd, 2 8.29, 226 die Gipfeltriebe von Abies excelsa, welche anfänglich gerade waren, nach Norden überhängen und nennt sie negativ heliotropisch. Cicho- rium Intybus, Verbena officinalis, Sisymbrium strietissimum sind auf völlig freien Standorten trotz einseitiger Beleuchtung nach dem ge- nannten Autor’) durchaus gerade, neigen sich aber bei schwächerer Beleuchtung dem Licht zu. Wenige Seiten später?) berichtet uns dann derselbe Verfasser, dass Cichorium Intybus ein sehr instructives Beispiel für negativen Heliotropismus abgebe, indem diese Pflanzen, wenn sie im Hochsommer lang andauernder Sonnenbeleuchtung aus- gesetzt sind, sich mit der Spitze höchst energisch nach Norden krümmen und die Sprossgipfel fast horizontal stellen. Die Sprosse von Cornus mas und. Cornus sanguinea sind bei schwachem Licht gerade gestellt, bei starker Beleuchtung aber negativ heliotropisch ; ebenso fand Wiesner die Galiumarten an sehr hell beleuchteten Hecken negativ, an schwach beleuchteten positiv heliotropisch.) Auch von anderer Seite liegen ähnliche Beobachtungen in grösserer Zahl vor, am bekanntesten ist wohl diejenige von Sachs‘) an Tropaeolum majus. Die Pflanze war am Fenster gezogen im Sommer negativ, im Herbst dagegen positiv heliotropisch. Wiesner hat in seinem schon mehrfach citirten Werk alles bis dahin über positiv oder negativ heliotropische Pflanzen Bekannte in dankenswerther Weise gesammelt, aus welchem ich nur einige präg- nante Fälle herausgegriffen habe. Der Autor kommt auf Grund dieser Zusammenstellung zu dem Schluss, dass der negative Heliotropismus kaum seltener sei als der positive. — Natürlich! sind doch nach unsere: Anschauung alle Pflanzen positiv und negativ heliotropisch zugleich. Wiesner thut sodann noch einiger besonderer Fälle Erwähnung, z. B. des Verhaltens von Helianthus tuberosus. Die Sprosse standen Nachts vertikal, an hellen Tagen beugten sie sich bei Sonnenaufgang gegen Osten, folgten dem Lauf der Sonne bis um 10 Uhr Vormit- tags, blieben in der um diese Zeit cingenommenen Stellung bis gegen 4 Uhr, um sich dann nach Westen überzuneigen und sich in der Dämmerung aufzurichten. Wiesner erklärt die Erscheinung daraus, dass während der hellsten Zeit des Tages das Wachsthum infolge übermässiger Lichtintensität sistirt wurde. Richtiger dürfte es sein 1) 1 ce. p. 30. 2) 1. cc. p. 35. Y)Le.p 3. 4) Arbeiten des bot. Inst, zu Würzburg Bd.2 8.271. — Experimentalphysio- logie 8. 41. \ 227 anzunehmen, dass die Pflanze ‘auf relativ hohe Helligkeit gestimmt und infolge dessen zunächst in den Morgenstunden der Lichtquelle zugewendet ist. Ueber Mittag aber wird die Ilelligkeit so weit ge- steigert, dass die Neigung zur Abkehr eintritt, die sich in diesem Falle einfach dadurch äussert, dass die Sprosse der Sonne nicht mehr folgen. Am Nachmittag ist dann die Intensität wieder so weit ge- sunken,. dass eine positive Krümmung eingeleitet wird. Diesen Fall eingehender zu erörtern, lohnt sich indess kaum, dazu müsste er viel genauer untersucht werden. Das Gleiche gilt für viele analoge Fälle, insbesondere auch für solche, in welchen Sprosse constante Krüm- mungen nach bestimmten Himmelsriehtungen zeigen. Es würde hierher gehören die nach Wiesner‘) constante Neigung der Blüthenköpfe von Helianthus annuus nach Südosten, ferner das von mir und wahrschein- lich auch in ähnlicher Weise von Anderen beobachtete Ueberhängen der dünnen Sprosse von Lycium barbarum nach Osten; Krümmungen, welche die Sprosse von Hippophaö rhamnoides in freien Lagen meistens constant nach Westen oder Nordwesten aber nur bei Sonnenschein ausführen, und vieles andere. Alles dies bedarf genauerer Unter- suchung; es liegt der Gedanke nahe, dass die genannten Pflanzen sich gegen eine Stelle von optimaler Helligkeit krümmen und dann in dieser Lage festgehalten werden. Das Gewicht der an den verschiedenartigsten Sprossen im Freien gemachten Beobachtungen scheint mir ausreichend, um den an Vau- cheria und Phycomyces unzweifelhaft festgestellten Thatsachen für die Sprosse aller Pflanzen volle Geltung zu verschaffen. Es liegen aber noch weitere Beweise für die von mir vorgetragene Auffassung vor und diese hat Wiesner ebenfalls geliefert. Der genannte Autor experimentirte im Dunkelzimmer mit Gasflammen und brachte etio- lirte Keimpflanzen von Vieia sativa, Pisum u. A. in grössere oder ge- ringere Entfernung von diesen. Er constatirte auf diese Weise, dass mit der Abnahme der Lichtintensität die Energie der heliotropischen Krümmungen zunimmt. Das geht aber nur bis zu einer bestimmten unteren Grenze; sinkt die Helligkeit unter diese, so werden die Krümmungen schwächer, um bei unendlich kleiner Intensität gleich Null zu werden.‘ Aus dem eben aufgeführten Satze ergibt sich dann weiter, dass bei steigender Helligkeit ein Punkt erreicht werden muss, bei welchem der Heliotropismus ausbleibt. Nach unserer Ausdrucksweise läge hier das Optimum. Dies hat Wiesner DL ee Ip. 66. 228 denn auch constatirt; er fand keine Reaction, wenn er Keimpflanzen der Erbse, Wicke etc. in eine Entfernung von etwa 5em von seiner Gasflamme brachte. Zur besseren Orientirung reprodueire ich Wies- ner’s Tabelle für Vicia sativa. E — Entfernung des Keimlings von der Flamme. I = Intensität des Lichtes, I=- 1 bei Im Entfernung. 7 = Eintritt der heliotropischen Keimung, vom Beginn des Ver- suches an gerechnet. W = Ablenkung des Sprosses von der Vertikalen in Bogengraden ausgedrückt. E I Z Ww 0,05m 400 (ee) 0° 0,1 100 180 Min. 30 0,2 25 135 40 0,5 4 115 44 1,0 1 90 55 1,5 0,44 70 90 2,0 0,25 110 60 2,5 0,16 : 180 50 3,0 0,11 160 45 Würden wir uns auf Grund dieser Zahlen eine Curve construiren, so würde, wenn die Intensitäten als Abscissen, die Krümmungsenergien, gemessen aus der Ablenkung der Sprosse oder der Zeit, nach welcher die Krümmung eben sichtbar wird, als Coordinaten auftragen, eine Linie zum Vorschein kommen, welche im Wesentlichen mit derjenigen übereinstimmt, die wir für Volvox aus theoretischen Erwägungen auf- gezeichnet hatten (Fig. 2). Wiesner stellte wenigstens einige Versuche mit Wurzeln an und constatirte, dass solche von Hartwegia comosa und Sinapis alba bei einer Intensität, welche der oben mit dem Werth 1 belegten sehr nahe kommt, keinen Heliotropismus mehr zeigen, bei höheren Intensitäten dagegen sehr energische Abkehr vom Licht zu erkennen geben. Leider scheint er sie bei noch geringerer Intensität nicht untersucht zu haben; ich bin überzeugt, er hätte dann positiven Heliotropismus nachgewiesen. Wiesner gibt nirgends an, dass er bei seinen Versuchen Vor- kehrungen getroffen habe, um eine event. Einwirkung der Wärmce- strahlen zu paralysiren. Die Resultate wären indess keine anderen geworden, wenn diese Einrichtungen vorhanden gewesen wären. Ich habe Wiesner’s Versuche an etiolirten Erbsen- und Wickenkeim- 229 lingen wiederholt, indem ich einen Argandbrenner verwandte und zwischen diesem und die Versuchsobjecte ein planparalleles Wasser- gefäss einschaltete, welches vermöge geeigneter Contraction ständig von Leitungswasser durchflossen wurde. Ich bin zu denselben Re- sultaten gekommen, wie Wiesner; ich finde, dass die Krümmung um so rascher erfolgt, je weiter die Pflänzchen von der Lichtquelle entfernt sind und constatire völlige Geradstreckung in ca. 10cm Ent- fernung vom Brenner. Die Sache eingehender zu verfolgen hätte für mich nur dann ein Grund vorgelegen,, wenn ich künstliche Lichtquellen von ausreichender Helligkeit und Constanz zur Verfügung gehabt hätte, welche auch die Demonstration negativer Krümmungen ermöglichten. Ich hob nun schon 8. 214 hervor, dass Wiesner’) sich sehr energisch gegen die besonders scharf von N. J. ©. Müller?) ausge- sprochenene Meinung gewendet habe, nach welcher der Heliotropismus ausschliesslich von der Intensität des Lichtes abhängig ist; er meint, keine einzige bis jetzt festgestellte Thatsache berechtige zu der An- nahme, dass ein und dieselbe Zelle oder ein und dasselbe Organ auf Grund der Wirksamkeit gleicher Zellen sich unter gewissen Be- leuchtungsverhältnissen positiv, unter anderen negativ verhalte. Eine Tücke des Geschickes ist es aber, dass Wiesner’s Beobachtungen eigentlich nur die Angaben Müller’s bestätigen. Müller entwarf mit Hilfe des Heliostaten und einer Linse einen Lichtkegel in dem Dunkelzimmer, in welchem Keimlinge der Kresse parallel zu den ein- fallenden Strahlen in einer 18 Fuss langen Reihe aufgestellt waren. Die dem Brennpunkt zunächst stehenden Pflänzehen krümmten sich negativ, dann folgte eine indifferente Stelle, worauf die positive Krüm- mung einsetzte, welche bis zu einem gewissen Punkt mit abnehmen- dem Licht energischer wurde, in der Nähe völliger Dunkelheit aber wurden die Krümmungen wieder schwächer, um schliesslich ganz aus- zubleiben. Ich kann mir nicht versagen, N. J. C. Müller’s hierauf bezogene Zeichnung in Fig. 7 zu reproduciren, weil sie den Sachverhalt völlig richtig wiedergibt, und mit meinen Wahrnehmungen an Vaucheria durchaus im Einklang steht. Zeichnen wir uns auf Grund der 8. 228 gegebenen Tabelle die von Wiesner gefundenen Krümmungen auf, so ergibt sich eine frappirende Uebereinstimmung beider Autoren. Wenn Wiesner den Sachverhalt nieht völlig richtig erkannte, so lag das — abgesehen von vorgefassten Meinungen — darin, dass er nur mit Gaslicht arbeitete, welches nicht die nöthige Helligkeit lieferte; Dec. IL Tal. p. 2. 2) Botan. Untersuchungen I S. 57 " 230 hätte er nur einmal im Sonnenlicht die Müller’schen Versuche wiederholt, er müsste zu einer vollen Bestätigung gelangt sein. Fassen wir die Resultate unserer. Besprechungen über die helio- tropischen Sprossen und Wurzeln zusammen, so zeigen diese Er- scheinungen eine volle Uebereinstimmung mit dem an phototaktischen Organismen Beobachteten; wir haben überall die Photometrie con- statirt und haben uns überzeugt, dass entsprechend diesen photome- trischen Eigenschaften Bewegungen ausgelöst werden, welche auf die Erreichung einer genau bestimmten (optimalen) IIelligkeit abzielen. Nur der Umstand, dass dies Optimum infolge der mangelnden Ortsbe- wegung durch Krümmungen erstrebt wird, unterscheidet die behan« delten Vorgänge von der Phototaxie. Sie mit dem alten Namen des Meliotropismus zu bezeichnen, trage ich Bedenken, schlage daher „Pho- totropie* vor. Die radiären und dorsiventralen Organe differiren, wie später noch crörtert werden soll, bei aller Uebereinstimmung im Prineip doch in manchen wichtigen Punkten; es erscheint daher zweck- mässig, die durch Lichtdifferenzen bedingten Richtungskrümmungen radiärer Organe als Örthophototropie zu bezeichnen. Dadurch soll gleich- zcitig die ganz unerkennbare Analogie zwischen dieser und der Ortho- phototaxie ausgedrückt sein, die keiner weiteren Erörterungmehr bedarf. Ohne mich der Thatsache verschliessen zu wollen, dass die Unter- suchungen von Sachs die Kenntniss der heliotropischen Erscheinungen wesentlich gefördert haben, kann ich mich doch — das versteht sich nach dem. Ausgeführten von selbst — seiner Auffassung, wonach die heliotro- pischen Krümmungen in erster Linie durch die Richtung bedingt werden, in welcher die Strahlen das Gewebe resp. die Zelle durchsetzen), nicht anschliessen. Die übermässige Werthschätzung der Strahlenrichtung muss hier sowohl wie bei der Phototaxie nur darauf. zurückgeführt werden, dass man früher in unzureichenden Lichtintensitäten, sei es mit natürlichem, sei es mit künstlichem Licht, arbeitete und dass nur infolge dessen Strahlengang und Krümmungscbene zusammenfielen. Die nach dem früheren Ausdruck positiv oder negativ heliotro- pischen Organe unterscheiden sich demnach nur durch die Licht- stimmung, ebenso wie die früher als positiv oder negativ phototaktisch bezeichneten Organismen. Stark positiv heliotropische Pflanzentheile sind- hoch, negative sind niedrig gestimmt; die Intensität, bei welcher der Indifferentismus zum Ausdruck kommt, ist im ersten Fall eine sehr hohe, im zweiten eine sehr niedrige. Das ist der ganze Unter- schied, welcher besonders deutlich zum Ausdruck kommt, wenn wir ]) Vgl. u. a. Vorlesungen 1. Aufl. S. 854: 231 uns die in Fig. 2 gezeichnete Curve vergegenwärtigen. Je weiter wir uns den Nullpinkt derselben nach Jo verschoben denken, um so mehr nähern wir uns Pflanzentheilen, welche früher als negativ helio- tropisch angesehen wurden. Es bleibt schliesslich nur der mit B 'be- zeichnete Ast der Curve. übrig. Was nun die Lichtstimmung betrifft, so ist dieselbe in ganz ana- loger Weise von äusseren Factoren — sagen wir vom Vorleben der Pflanze — abhängig, wie bei Volvox und Genossen. Wir fanden Schattenpflanzen niedriger gestimmt als Sonnenpflanzen und consta- tirten’ für Wurzeln und wurzelähnliche Sprosse in der Regel, wenn überhaupt eine grosse Empfindlichkeit vorhanden ist, eine ausserordent- lich tiefe Stimmung. Von’ der vorgängigen Beleuchtung sehen wir die Sprossen ebenso abhängig, wie die phototaktischen Pflanzen. Etio- lirte Sprossen sind so tief gestimmt, dass sie schon bei Lampenlicht ihr Optimum erreichen, während im Licht erzogene Pflanzen unter solchen Verhältnissen noch starken positiven Heliotropismus zu er- kennen geben. Schon eine 12stündige Beleuchtung schraubt bei etio- lirten Pflanzen die Lichtstihmung bedeutend herauf; die positiven Krümmungen waren nach Wiesner!) an solchen Pflanzen wesent- “lich intensiver, als an ständig verdunkelten. Es ist nun mehrfach, zuerst wohl von Sachs, für Tropaeolum angegeben worden, dass die positiven Krümmungen in anderen Zonen des Sprosses erfolgen, als die negativen. Mag das für specielle Fälle zutreffen, so glaube ich doch betonen zu müssen, dass sowohl bei Vaucheria und Phycomyces als auch bei Lepidium und Forsythia die Beugungen allemal in denselben Regionen stattfanden, mochten sie positiv oder negativ verlaufen. Demgemäss sehe ich zunächst keinen zwingenden Grund für Wiesner’s Annahme, dass jeder Pflanzen- theil aus positiven und ‚negativen Elementen aufgebaut sei. b) Plagiophototropie. " Robinia pseudacacia. Seit langer Zeit weiss man”), dass die Blättchen der Robinien so- wie vieler anderer Leguminosen sich bei diffusem Tageslicht Nach ausbreiten, bei directer Insolation dagegen aufrichten, indem sie ihre Oberseiten gegen einander kehren. Betrachtet man die Blätter im Freien etwas eingehender, so ergibt sich, dass fast zu jeder Tagesstunde eine andere Stellung der Blättchen wahrnehmbar ist und dass ebenso an ver- schiedenen Tagen bei veränderter Beleuchtung die mannigfaltigsten Lagen DLeiLp9. 2) Litteratur bei Pfeffer, Period. Bewegungen der Blattorgane S. 62. 232 vorkommen. Im. Allgemeinen konnte ich Einde September und An- fang Oktober vorigen Jahres an sonnigen Tagen beobachten, dass bis Morgens um 8 Uhr die Foliola ausgebreitet waren, d. h. die paar- weise gegenüberstehenden einen Winkel von 180° mit einander bil- deten. Mit steigender Sonne verringerte sich dieser Winkel, er be- trug 40° und weniger etwa um 12 oder 1 Uhr, um später von 3 Uhr ab wieder deutliche Vergrösserung zu erfahren. Tage, an welchem zwar wolkenloser Himmel, aber „diesige“ d. h. ganz schwach nebelige Luft zu verzeichnen war, liessen auch über Mittag den Blättchen- winkel nicht unter 90° sinken. Jede Wolke, die kaum " Stunde die Sonne verdeckt, bewirkt eine Vergrösserung des genannten Winkels. Natürlich blieb an den beschatteten Stellen jedes Zusammenneigen der Blättchen aus, ebenso wie bei dauernder Bewölkung die Flächen- stellung nicht verändert wurde. Vergleicht man die Blätter, welche sich in verschiedener Stellung befinden, mit einander, so kann man je nach der Lage der Blattspindel auch verschiedene Orientirungen der Foliola wahrnehmen. Steht die Spindel senkrecht zu den Sonnen- strahlen, indem sie gleichzeitig gegen den Horizont um 30—60° ge- neigt ist, wobei es gleichgiltig bleibt, ob die Spitze oder die Basis nach unten gekehrt wird, so erfolgt ein ganz normales Zusammenklappen der Blättchen, wie es soeben beschrieben ist, vorausgesetzt natürlich, dass das ganze Blatt seine Oberseite der Sonne zukehrt. Nicht we- sentlich anders wird die Sache, wenn die Blattspindel zu den Sonnen- strahlen zwar senkrecht, ausserdem aber horizontal steht; dann ist der Winkel, welchen die Blättchenpaare mit einander und mit den Sonnenstrahlen bilden, derselbe wie im ersten Falle; der Unterschied besteht nur darin, dass die Flächen der Blättchen sich der Horizon- talen mehr oder weniger nähern. Scheinbar wesentlich verschieden von den beiden ersten Fällen wird das Bild, wenn die Spindel des Blattes parallel mit den Sonnenstrahlen verläuft, gleichviel, ob die Basis oder die Spitze gegen die Lichtquelle hingewandt ist. Unter solchen Umständen beobachtet man niemals das Zusammenneigen der Oberseiten, sondern die Blättchen drehen sich in ihren Gelenken etwa wie die Platten der bekannten Klapp-Jalousien und sind so im Stande, die Blattfläche mit einem beliebigen, der momentanen Beleuchtung angepassten Winkel gegen die Sonne zu stellen. Hierbei ist nun eine andere Eigenthümlichkeit nicht unwesentlich, welche bislang keine Erwähnung fand. An freistehenden Robinien fällt meistens sofort auf, dass die an der Südseite sitzenden Blätter sich von den nordwärts ge- richteten dadurch unterscheiden, dass die Foliola der Letzteren voll- kommen plan-erscheinen, diejenigen der ersteren dagegen in der Mittel- rippe, welche gleichsam als Charnier fungirt, gefaltet sind, so dass die beiden Hälften der Blättchen häufig einen Winkel von fast 90° mit einan- der bilden. Die Oberseite des Blattes befindet sich auf der Innenseite des Winkels. Diese Faltung kommt offenbar durch stärkeres Wachsthum der Unterseite zu Stande. Soweit meine Beobachtungen reichen, ver- ändert sich der Winkel beider Blättchenhälften nicht in kürzeren Zeit- abschnitten (wenigen Tagen). Befindet sich ein Blatt in der zuletzt genannten Lage, dann stellen sich die Blättchen so, wie es Fig. 8 andeutet. Demnach steht eine Hälfte der Foliola annähernd pa- rallel zu den einfallenden intensiven Sonnenstrahlen, die andere Hälfte senkrecht, aber die vorderen Blätter spenden den hinteren Schatten und es ist also auch hier für Abschwächung des directen Sonnenlichtes gesorgt. Es ist fast selbstverständlich, dass nicht alle Blätter genau eine von den als typisch herausgegriffenen Lagen einnehmen; demgemäss zeigen auch die Foliola alle Zwischenstellungen, die hier zu besprechen unnöthig ist. Nur mag noch hervorgehoben werden, dass ein Blatt zu verschiedenen Tageszeiten gegebenen Falls die verschiedenen Phasen der Blättchenstellung durchmachen kann. So würde z. B. ein Blatt, dessen Spindel von Nordost nach Südwest gerichtet ist, dabei aber im Nordost etwas tiefer steht als im Südwest, zunächst am frühen Vormittag bestrebt sein, die Blättchen der Horizontalen mehr oder weniger zu nähern, gegen Abend aber die Jalousie-Stellung einzunehmen. Mögen die Blattspindeln auf der Sonnenseite des Baumes orien- tirt sein wie sie wollen, zu jeder Stunde des Tages bilden alle Blättchen einen bestimmten, überall annähernd gleichen Winkel mit den Strahlen der Sonne. Das ergibt schon eine oberflächliche Schätz- ung; diese kann man noch unterstützen, wenn man ein 10-20 cm langes und etwa ömm weites Glasrohr so richtet, dass die Strahlen dasselbe in paralleler Richtung passiren. Man erkennt die richtige Stellung leicht daran, dass auf den Blättern ein heller, genau kreis- förmiger Fleck, umgeben von einem dunklen Ringe, sichtbar wird. Auf diesem Wege sieht man leicht, dass zwar die Foliola die mannig- faltigste Stellung im Raum einnehmen, dass aber ihre Fläche überall den gleichen Winkel mit den einfallenden Strahlen einschliesst. Diese Wahrnehmungen im Freien machen es schon in hohem Grade wahr- scheinlich, dass wir es auch bei den Robiniablättchen mit photometri- schen Organen in ganz analoger Weise zu thun haben, wie bei den Sprossen der Vaucheria, der Kresse etc. Es lässt sich mit Sicher- 234 heit voraussetzen, dass die beobachteten Blattstellungen zurückführ- bar sind auf die Fähigkeit der Blättchen, eine Stellung anzunehmen, welche der augenblicklich herrschenden Lichtintensität entspricht. Unsere Gelatine-Tusche-Prismen gestatten uns dafür auch den exacten Beweis zu liefern und zwar mit grosser Einfachheit und Leichtigkeit. Wir experimentiren wieder im Freien mit Blättern, welche noch intakt am Baum sitzen und befestigen bei hellem Sonnenschein ein Blatt der Robinia so, dass seine Längsachse senkrecht zu der Richtung der Sonnenstrahlen steht, und dass es ausserdem einen Winkel von ca. 45° mit der Horizontalen bildet. Die Oberseite ist der Sonne zugekehrt, die Blättehen neigen sich daher mehr oder weniger zusammen, etwa unter einem Winkel von 60°. Jetzt bringen wir vor das Blatt eine Tuscheplatte, welche ebenfalls rechtwinkelig von der Sonne ge- troffen wird; wir orientiren dieselbe derart, dass das dickere, dunklere Ende der Basis, das hellere der Spitze des Blattes gegenüber- steht. Nach !/; bis 1 Stunde, je nach den Witterungsverhältnisssen, hat sich das Bild völlig verändert. Die obersten Blättchen divergiren um ea. 70°, die unteren (dunkleren) um 130—140°. Die zwischen- liegenden Paare vergrössern allmählich ihre Divergenz, wenn wir von der Spitze zur Basis fortschreiten. Die ganze Stellung bleibt bei Constanz der Beleuchtung ebenfalls constant. Jetzt wird die Platte umgekehrt, die dunkle Seite steht der Spitze, die helle der Basis gegenüber. Es dauert nicht lange, so hat sich auch der Divergenz- winkel der Blättchenpaare umgekehrt. Wir finden an der Basis ca. 70°, jedes folgende Paar divergirt etwas mehr, das oberste schliesst einen Winkel von ca. 130° ein. Variation in den häufig wiederholten Versuchen trat nur insofern ein, als bei gelinder Trübung in der Luft der Divergenzwinkel der Blättchen sich am ganzen Blatt vergrösserte, zuweilen so weit, dass die dunkelsten Paare fast gerade d. h. unter einem Winkel von 180° standen. Bei weiter gehender Verdunkelung der Sonne traten mehr Blättchen in die volle Flächenstellung ein, nur die unter dem hellsten Theil der Platte befindlichen diver- girten noch etwas. Schliesslich, bei weiterer Verminderung der Hellig- keit durch Wolken oder durch Auflegen eines weissen Leinentuches kann man die sämmtlichen Blättehen, welche sich hinter einem Tusche- Prisma befinden, zur vollen Ausbreitung bewegen. Bei länger dauern- der Stellung hinter der beschatteten Platte trat mehrfach eine schwache Torsion in den Gelenken derjenigen Blättchen ein, welehe am dunkel- sten standen. Diese wurden dadurch schräg‘ gegen den helleren Theil gedreht, offenbar weil von dort das meiste Licht kam. 535 Bei genauer Betrachtung verschiedener Blätter ergibt sich sofort, dass die Foliola nicht an allen unter denselben Lichtverhältnissen be- findlichen Blättern gleichmässig divergiren. In der Regel war die Neigung zur Profilstellung der Blättchen um so grösser, je geringer die voraufgegangene Beleuchtung war. Auf der Nordseite des Baumes . stehende Blätter neigten demnach, in die Sonne gebracht, sich stärker zusammen als diejenigen, welche täglich auf der Südseite den Sonnen- strahlen ausgesetzt gewesen waren. Die Lichtstimmung wechselt also hier in analoger Weise, wie bei phototaktischen und orthophoto- tropischen Pflanzen. Es war nun wünschenswerth, die genannten Resultate durch Zahlen zu belegen. Ich bestimmte daher den Winkel, welchen zwei Blättchen eines Paares mit einander bilden, dadurch, dass ich zwei Messingstreifen wie die Schenkel eines Zirkels mit einander vereinigte und dieselben von aussen an die Mittelrippen an- legte. Die Stellung der beiden Schenkel, welche relativ schwer gegen einander beweglich waren, wurde auf Papier abgezeichnet und dann der Winkel gemessen. Das Verfahren ist roh, man erhält aber trotz- dem bei einiger Uebung ziemlich genaue Werthe; complieirtere Me- thoden anzuwenden war schon deswegen nicht rathsam, weil es un- bedingt erforderlich war, die 10—12 Paare eines Blattes rasch hinter einander zu messen. Vergeht lange Zeit von der Messung des unteren bis zu der des oberen Paares, so können inzwischen schon merkliche Veränderungen wegen ab- oder zunehmender Helligkeit eingetreten sein. Ich gebe hier einige der so gewonnenen Zahlen. Am 3. Oct. wurden 2® 45 Nachmittags zwei Blätter durch Tusche- platten verdunkelt. A war an der Spitze hell, an der Basis dunkler, B umgekehrt an der Basis hell. 3? 30 wurde gemessen. Blatt C war nicht verdunkelt, die Blättchenwinkel derselben wurden um 43 bestimmt. Blattpaar A B C 1 86° 118° 107° 2 101° 114° 102° 3 113° 116° 98° 4 116° 105° 102° 5 125° 104° 101° 6 126° 101° 94° 7 123° 100° 97° 8 128° 95° 101° ) 129° 81° 102° 10 132° 70° 11 132 Flora 1892, 16 236 Betrachten wir zunächst Ö, so finden wir zwischen den oberen, unteren und mittleren Blättchen keine wesentliche Differenz, die vor- handenen Abweichungen in den Divergenzwinkeln sind indess nicht in erster Linie auf Messfehler zurückzuführen, sondern sie sind, wie die blosse Betrachtung lehrt, in Wirklichkeit vorhanden. Die Spindel ist nämlich nicht immer lang genug, um allen Blättchen das Aus- breiteu resp. die Einstellung genau in derselben Ebene zu gestatten; sie greifen mit den Rändern etwas über einander und daraus resultirt dann ein etwas verschiedener Winkel benachbarter Blätterpaare. So erklärt es sich, dass unter Umständen heller beleuchtete Blättchen etwas mehr divergiren, als nebenstehende wenig stärker beschattete. Das stört aber das Resultat nicht, man sieht auf den ersten Blick, dass vom helleren zum dunkleren Ende bei A und B sich die Di- vergenz successive vergrössert. Wenn C trotz der Besonnung relativ weit geöffnete Winkel zeigt, so ist das darauf zurückzuführen, dass dies Blatt zu einer Zeit gemessen wurde, wo bereits die Sonne etwas tiefer stand als in dem Augenblick, in welchem die Winkel bei A und B bestimmt wurden. Viel beweiskräftiger noch sind die Versuche, in welchen die Platten vor ein und demselben Blatt umgekehrt wurden. Die folgenden Tabellen geben Beispiele von derartigen Experimenten. Eine Expositionszeit von Y/a»—1 Stunde genügte vollständig, um die Blätter in die Ruhelage überzuführen. Messungen, welche provisorisch etwa "/a Stunde vor der definitiven Winkelbestimmung vorgenommen wurden, lieferten dafür den Beweis. 1. Basis hell Spitze hell Mapa v.11—12% von 12-1" Differenz " Messung 12° _ Messung 1® 1 108° 920 — 16° 2 1120 940 —_ 18° 3 109° gg — 11° 4 114° 106 — 8,00 5 930 gg0 + 6,0 6 1020 101° _ 10 7 100° 1050 + 50 8 gg0 1050 16° 9 86° 103 170 -10 91° 1100 4190 Du DW und a u BE NBE f 237 } n. Bl 152630 2330-3510 Paar Basis heil Spitze hell Differenz Messung;2"30 Messung 3# 10 I 1420 121° __ 210 2 129;0 108° 960 3 104,0 990 50 4 90p 940 B 40 5 835 840 10 6 74» g70 + 130 7 750 . 900 115° 8 130 949 + 21° 9 670 990 n 950 10 -B6 0 99 0 + 96 N) Die Tabellen geben keine ganz glatten Zahlen, was ohne weiteres aus dem hervorgeht, was wir auf Grund der Beobachtungen an dem Blatt C (8-236}-rörterten. Dazu kommen individuelle Differenzen der Blättehen ete. Nichts destoweniger zeigen sie höchst evident, dass bei Umkehrung einer Tuscheplatte vor einem Blatt die mittleren. Foliola annähernd ihre Stellung behalten, während die Winkel um so stärker verändert werden, je weiter die Blättchen von__dieser bezüglich ihrer Helligkeit unveränderten Zone entfernt stehen. Man sieht höchst deutlich, dass auf der verdunkelten Seite der Winkel genau um so viel vergrössert wird, als er auf der stärker beleuchteten sinkt. In dem unter II. mitgetheilten Versuch divergirten trotz gleich- mässiger Beleuchtung aus nicht zu ermittelnden Gründen die Blättchen an der Spitze vor dem Versuch wesentlich stärker als an der Basis. Gorade desshalb wurde das betr. Blatt ausgewählt, aber auch hier zeigt die Winkeldifferenz eine völlige Uebereinstimmung mit dem, was wir oben auf Grund blosser Beobachtung im Freien forderten. Obwohl Niemand daran zweifeln dürfte, dass die geschilderten Bewegungen durch die leuchtenden, nicht aber durch die Wärme- strahlen hervorgerufen werden, habe ich doch eine Reihe von Con- trolversuchen in dieser Richtung angestellt, welche das zu erwartende Resultat gaben, dass die Blätter hinter parallelwandigen Wasserge- fässen und bei constanter Temperatur die Lichtbewegungen zeigten, im Schatten einer Jod-Schwefelkohlenstofflösung dagegen sich aus- breiteten resp. zurückkrümmten. Es ist häufiger die Frage aufgeworfen worden, ob etwa eine Be- einflussung der einzelnen Theile eines Blattes stattfände. Die Ver- 16* 238 suche ergeben ohne Weiteres, dass ein Paar von Blättchen das be- nachbarte nicht beeinflusst. Jedes Paar nimmt für sich seine Stellung ein. Esist das ohne Weiteres auch dann ersichtlich, wenn die obere Hälfte eines Blattes besonnt, die untere beschattet; ist resp. umgekehrt. Die beschatteten Theile stehen dann ausgebreitet, die besonnten in Profil- stellung. Möglich wäre noch eine Wechselwirkung zwischen den beiden Blättchen eines Paares in der Weise, dass die Beschattung des einen eine Veränderung in der Stellung des gegenüberstehenden herbei- führte. Auch dafür konnte kein Beweis erbracht werden; indess waren die Versuche, bei welchen die eine Längshälfte eines Blattes be- schattet würde, nicht präeis genug, um hier eingeheridere Besprechung zu verdienen. \ Als wesentliches Resultat aus den Beobachtungen ergibt sich die Thatsache, dass die Blätter der Robinia in hervotragendem Maasse photo- metrisch sind; jede Veränderung der Lichtintensität beantworten sie mit einer veränderten Stellung der Spreite. Es\ entspricht demnach zunächt jeder im Versuch zur Geltung kommenden’ Tettrkeit eine be- ‚stimmte Blatfiage, oder präciser ausgedrückt, das Blatt lässt Licht von bestimmter Intensität unter einem genau definirten Winkel auf sich wirkep‘ Der Lichteinfallswinkel hängt wieder von der Stimmung der Blätter ab; bei gleicher Intensität haben niedrig gestimmte Blätter Je kleineren Einfallswinkel als höher gestimmte. Die Profilstellung er Röbiniablättchen tritt bei einer gewissen Lichtintensität ein; sie bleibt auch dann unverändert, wenn die Helligkeit überschritten wird, welche eben gerade genügte, um die. Foliola den Sonnensstrahlen parallel zu richten. Das geht genügend aus allen Betrachtungen im Freien hervor. Sinkt die Intensität unter die genannte Schwelle, so stellt sich das Blättchen unter einem Winkel gegen die einfallenden Strahlen, welcher sich um so mehr einem Rechten nähert, je mehr die Helligkeit an eine zweite untere Grenze herankommt. Mit Er- reichung dieser letzteren stellt sich jedes Blättchen senkrecht zum einfallenden Strahl; es verharrt auch in derselben, resp. sucht die rechtwinkelige Stellung auf, wenn die Intensität weiterhin sinkt. Das geht wieder bis zu einer gewissen unteren Grenze; an dieser hört die Flächenstellung der Foliola auf, sie biegen sich rückwärts und be- geben sich. in die Nachtstellung. Ob auch hier wieder jeder Hellig- keit eine bestimmte Stellung der Blättchen entspricht, wurde nicht untersucht; nach den Erfahrungen in hellerer Beleuchtung ist dies nicht unwahrscheinlich. \ 239 Phaseolus multiflorus. Die Bewegungen der “Foliola des Bohnenblattes sind zwar schon häufig beschrieben, immerhin mögen noch einige Punkte hervorgehoben werden, wenn auch Experimente mit den Tuscheprismen an dieser Pflanze nicht angestellt werden konnten. Eingehende Beobachtung ergab, dass ebenso wie bei Robinia das untere Stielgelenk an den Bewegungen völlig unbetheiligt ist. Die Blättchen stehen im Schatten horizontal resp. nach der Seite gerichtet, von welcher das stärkste Licht kommt, das ist bekannt genug. Sobald aber Morgens die Sonnen- strahlen merkbar werden (Mitte September, wo ich die Beobachtungen anstellte, schon um 6 Uhr), stellen sich die einzelnen Blättchen unter einen bestimmten Winkel gegen die Sonne. Das wird noch auf- fälliger gegen 8 Uhr, dann steht ein Blättchen mit seiner Fläche ziemlich genau senkrecht zu den Sonnenstrahlen, ein zweites bildet einen Winkel von 30—45° mit denselben, ein drittes steht annähernd in Profilstellung. Die Einfallswinkel der Strahlen verringern sich gegen Mittag an allen 3 Blättchen und zwischen 12 und 1 Uhr sind alle in die Profilstellung eingerückt. Gegen 3 Uhr beginnt die rück- läufige Bewegung, zunächst ist dieselbe an einem Blättchen be- merklich, welches rascher als die beiden anderen sich erhebt, um wieder etwa um 4 Uhr senkrecht zu den Sonnenstrahlen zu stehen. Die beiden übrigen folgen langsamer. Um 44 Uhr wurde der Standort der Bohnen durch Bäume beschattet, um 44" waren alle Blättchen aus- gebreitet. Diese Erscheinungen wiederholten sich an allen hell son- nigen Septembertagen. Standen Wolken am Himmel, so begann die Profilbewegung (der Ausdruck sei der Kürze halber gestattet) sofort nach dem Verschwinden derselben. War die Luft trotz des Sonnen- scheins dunstig, so wurden die Blättchen auch über Mittag nicht voll- vollständig in die Profilstellung übergeführt. An solchen Tagen nehmen die Foliola zwischen 12 und 1 Uhr häufig dieselbe Stellung ein, wie an ganz hellen Tagen etwa um 9 Uhr. Das alles stimmt also ganz unverkennbar mit den Vorgängen bei Robinia überein und bedarf kaum einer weiteren Discussion, auch ohne Experimente liegt das klar. Man könnte hier einwenden, däss die z. B. um 9 Uhr beobachteten Stellungen nicht etwa Blattlagen seien, welche der mometan herrschenden lHelligkeit entsprechen, sondern nur Durchgangsstadien zur vollen Profilstellung. Das wird indess durch die Beobachtung widerlegt, dass die Blätter schon nach /stündiger Beschattung die Flächenstellung zeigen. Wäre das Licht am Morgen um 9 Uhr im Stande, eine wirkliche Profilstellung herbeizuführen, so 240 würde dieselbe demnach auch um diese Zeit eintreten und nicht erst um 12 Uhr. Auf einen Umstand noch etwas eingehender hinzuweisen, erscheint nicht ganz überflüssig. Ich erwähnte bereits, dass in den Morgen- stunden die drei Blättchen von Phaseolus keineswegs den gleichen Winkel mit den Lichtstrahlen bilden. Man erkennt leicht, dass in Analogie mit Robinia die Tage des eigentlichen Blattstieles einen Un- terschied in den Stellungen der Blättchen gegen die Sonne bedingt. Zeigt der Blattstiel nach Norden, so ist das Endblättchen dasjenige, welches am längsten einen relativ grossen Einfallswinkel besitzt, während die beiden Seitenblättchen früher die Profilstellung annehmen. Zeigen die Blattstiele nach Osten oder Westen, so pflegt das linke oder rechte Seitenblättchen (das von der Sonne abgekehrte) noch um 9 Uhr Morgens senkrecht zu stehen, während sich das End- blättchen und das andere Seitenblättehen um dieselbe Zeit bereits der Profilstellung, das eine mehr, das andere weniger, nähern. Weist endlich der Blattstiel nach Süden, so nimmt das Endblättchen, zuerst die Profilstellung ein, die beiden Seitenblättchen folgen erst später. Als Regel ergibt sich daraus, dass stets das der Sonne nächststehende (vordere) Blättehen zuerst die Profilstellung annimmt, das am weitesten abgekehrte (hintere) zuletzt, wobei es vollständig gleichgiltig bleibt, ob gerade ein Endblättehen oder ein Seitenblättchen vorn liegt. Die drei Foliola sind also jedenfalls in dieser Richtung völlig gleichwertig. Damit hängt weiter zusammen, dass bei mittlerer Helligkeit, etwa 9 Uhr Morgens im September, die Vorderblättchen aller Blätter unter einander parallel stehen, die mittleren ebenfalls und besonders die hinteren, so lange sie noch annähernd in Flächenstellung sind. Das an einem Bohnenbeet sich bietende Bild ist oft so augenfällig, dass es sofort zu der Frage drängt: Woher kommt das? Eine sehr nahe liegende Antwort wäre: Wechselwirkung zwischen den drei Blättchen. Ob diese sehr bequeme Meinung den Thatsachen entspricht, müssen weitere Versuche lehren. Tropaeolum majus. Die Primärblätter dieser Pflanze sind in analoger Weise lichtem- pfindlich wie die Blättchen von Robinia und Phaseolus. Stellt man Keimpflanzen des Tropaeolum, welche nur die beiden ersten Blätter entwickelt haben, in die Sonne, so dass sie möglichst den ganzen Tag den Strahlen derselben unbeschattet ausgesetzt sind, dann beobachtet man am frühen Morgen oder bei leichter Bewölkung, dass die Blätter 241 sich mit ihrer Vorderseite gegen die Sonnenstrahlen ziemlich genau senkrecht stellen; wenn aber die Sonne, und damit auch die Inten- sität des Lichtes, steigt, so folgen sie der Sonne nicht mehr, sondern der Einfallswinkel der Lichtstrahlen verringert sich in dem Maasse, als die Sonne sich über dem Horizont erhebt, er ist über Mittag am geringsten, um gegen Abend wieder zuzunehmen und schliesslich auf den Werth von 90° zu steigen. Diese Erscheinungen sind schon deut- lich erkennbar an Exemplaren, welche man unbeweglich an einem sonnigen Platz stehen lässt. Es kommen aber hier allerlei Compli- cationen vor, bestehend in Seitwärtsbiegungen der Blätter etc., welche die Beurtheilung erschweren. Viel deutlicher tritt das alles in die Erscheinung, wenn man die Töpfe mit dem Tropaeolum ständig dem Gang der Sonne entsprechend dreht. Dann bleiben im günstigsten Fall seitliche Biegungen der Blätter resp. des Blattstieles aus und man beobachtet weit klarer, dass die Blätter anfangs unter einem Winkel von 50—60° gegen den Horizont und damit senkrecht zu den Sonnen- strahlen gestellt sind, dass sie aber gegen Mittag sich in entgegenge- setzter Richtung wie die Sonne bewegen. Während die letztere steigt, wird der Winkel, welchen das Blatt mit dem Horizont bildet, stetig auf fast 90° und mehr vergrössert, damit aber der Einfallswinkel der Strahlen verkleinert. Dieser letztere Winkel steigt am Nach- mittag oder wenn leichte Wolken, Vorhänge etc. die Sonne ver- decken. Auch hier versuchte ich Messungen, wenigtens in den Experimenten, in welchen die Pflanzen mit der Sonne gedreht und damit seitliche Verschiebungen der Blätter thunlielist vermieden wurden. Unter den Blättern wurde eine Glasplatte in genau horizontaler Lage hingelegt. Dann stellte ich ein Stück Cartonpapier, dessen unterer Rand gerade - geschnitten war, auf die Glasplatte, richtete dasselbe mit der Vorder- kante gegen die Sonne, brachte das Auge in gleiche Höhe mit dem Blattrande, so dass das Blatt möglichst genau von der Kante gesehen wurde und markirte dann auf dem Carton die Lage des Blattes durch einen Strich; dieser letztere gab in Verbindung mit dem Unterrand des Cartons die Neigung der Blattfläche gegen den Horizont an. In Verbindung mit der Erhebung der Sonne über den Horizont, die für alle Orte bekannt resp. leicht zu bestimmen ist, lässt sich daraus der Winkel, welchen Sonnenstrahlen und Blattfläche bilden, leicht berechnen. Diese Berechnung liefert indess nur dann halbwegs brauchbare Resultate, wenn die durch Sonne und Beobachtungsobject gelegte vertikale Ebene mit der Blattfläche einen rechten Winkel bildet. In 242 jedem anderen Fall wird zwar die Bestimmung der Blattlage zu den Sonnenstrahlen nicht unmöglich, immerhin aber soweit erschwert, dass ich sie zunächst nicht ausführen konnte. Da die Versuche an Tropaeolum nur im Freien ausgeführt werden können, misslangen die genannten Messungen bei einigem Wind mehr oder weniger vollständig, auch stellten sich dann die auf dünnen Stielen leicht begweglichen Blattflächen nicht so glatt auf die ver- schiedenen Intensitäten ein. Immerhin konnte ich einige Bestim- mungen durchführen, von welchen ich hier zwei wiedergebe. Leider hielt die Sonne niemals den ganzen Tag aus, insofern sind also die Tabellen nicht vollständig. Ausreichendes ist eben, wenn man nicht com- plieirte Vorkehrungen treffen will, nur an windstillen Tagen mit heller Sonne vom frühen Morgen bis zum späten Abend zu erlangen. I. 2 Tropaeolumkeimlinge mit je 2 Blättern wurden am 20. Aug. 1891 im Freien aufgestellt und stets in der eben beschriebenen Weise . entsprechend dem Gange der Sonne gedreht. Einfallswinkel für Blatt Nr. 1° 1P 28 2b 8h Vorm. Schwache Wolken 90° 90° 90° 90° 9545 Schwache Wolken 92° 90° 99° 97° 11545 Seit 10 helle Sonne 59° 60° 64° 590 1, 30 j Helle Sonne 63° 63° 69° 2802) ah " Seit 1° 40 mässig dichte Wolken 86° 89° 929 780 Später wurden die Wolken so dicht, dass der Stand der Sonne nicht mehr genau erkennbar war. 1) Nach Schätzung. 2) Blattstiel durch Unvorsichtigkeit verbogen. "348 D. 21. Aug. 1891. 2 Pflanzen wie am Tage zuvor. Einfallswinkel für Blatt Nr. 1° 1b 2% 25 6? 15 Vm. Sonne 95° 88° 92° 97° 7»15 Sonne 85° 64° 82° 75° sh . Sonne 57° 74° 68° 71° 9430 ganz schwache Wolken 49° 65° 58° 62° 10815 helle Sonne 45° 54° 45° 45° 116 15 ganz schwache Wolken 40° 51° 40° 40° 1®15 mässige Bewölkung 56° 61° 46° 46° 2h 30 desgl. 55° 68° 53° 53° 4530 dieke Wolken 440° 79° 57m? 830 Die Tabellen ergeben sehr deutlich eine Bestätigung des oben Betonten, besonders zeigen sie, wie in den Morgenstunden oder bei schwacher Bewölkung der Einfallswinkel 90° beträgt, um mit steigen- der Sonne sich zn vermindern. ° Die Vergrösserung desselben am Nachmittage mit sinkender Sonne ist wegen der häufig dichten Wolken nicht immer zur Geltung gekommen. Man erkennt unter solchen Umständen, dass die Blätter sich beliebig gegen den Himmel richten weil überall gleichmässige Beleuchtung herrscht. Die auffallende Stellung gegen den Horizont, welehen Blatt 1°? und 2>um 4% 30 bei relativer Verdunkelung zeigen (die Blätter standen vertikal, was in der Tabelle nicht zur Anschauung kommt), dürfte die von Dar win?) beschriebene nyctitropische Bewegung der Blätter repräsentiren, wie überhaupt vielleicht ein Theil der bei diehter Bewölkung eintretenden Blattlagen auf Rechnung dieser Vorgänge zu setzen ist. Es. galt weiter, diese 1) Darwin, Bewegungsvermögen der Pflanzen 8. 287. 244 Resultate durch Versuche mit Tuscheprismen zu bestätigen. Ganz Junge Keimpflanzen von Tropaeolum wurden in gleichmässigen Ab- ständen in einen Kasten von ca. 25cm Länge und 8cm Breite ein- gepflanzt. Nachdem sie gut angewachsen waren, wurde eine solche Cultur mit dem schon bei der Untersuchung von Volvox ete. benutzten an zwei Seiten mit Tuscheprismen verschenen Kasten überdeckt. Der- selbe wurde so orientirt, dass die Sonnenstrahlen fast senkrecht auf das eine der beiden Prismen fielen. Die Helligkeitsabstufung war eine ziemlich starke. Der Kasten enthielt 6 Pflänzchen mit je 2 Blättern. Die im dunkelsten Theil des Kastens stehenden Blätter wendeten sich gegen das helle Ende so, dass Sie fast senkrecht zu den Tuscheplatten orientirt waren, die folgenden kehrten sich mehr nach vorn und schliesslich zeigten die am hellen Ende befindlichen mit ihrer Vorderseite gegen die Sonne, die hellsten einen Winkel von weniger als 90° nit den Sonnenstrahlen bildend. Das alles wieder- holte sich in vielen Versuchen ; bei bedecktem Himmel war die Neigung gegen die helleren Theile des Keils grösser, als bei Besonnung. Für diese Zwecke reichte das kleinere Plattenformat nicht immer aus, ich verwandte daher grössere von 55 em Länge und 45cm Breite. Eine solehe Platte wurde schräg aufgestellt, so dass die Sonnenstrahlen senkreckt auf dieselben fielen. Unter die Platte kam eine Reihe von Tropaeolumkeimlingen, welche in Kästen ausgepflanzt waren. Bis zu 12 Pflanzen mit je 2 Blättern fanden hinter dem Prisma Platz. Alles Seitenlicht wurde durch ein schwarzes Tuch, welches von den Rändern der Tuscheplatte bis auf den Tisch herabhing, abgeschlossen. Das Bild, welches sich bot, wenn Platten gewählt wurden, in welchen die Helligkeit vom dünneren nach dem dicken Ende relativ rasch abnahm, war ein sehr instructives. Am diekeren Ende des Prismas war eine unverkennbare Neigung der Blätter vorhanden, sich dem dünneren Ende zuzukehren, allmählich folgten Blätter, welche sich parallel dem Prisma, aber senkrecht zu den Sonnenstrahlen stellten und schliesslich, am hellsten Ende, war der Einfallswinkel der Strahlen kleiner als 90°. Wird die Lichtabsorption im Prisma durch die Veränderung der Gelatine- Tusche-Füllung mehr oder weniger verringert, so wird das Bild in- sofern verändert, als bei geeigneter Auswahl der Helligkeit die Wen- dung der dunkelsten Blätter nach der helleren Seite unterbleibt. Dann ist das Resultat fast noch lehrreicher als im vorhergehenden Fall. Am dunkleren Ende steht eine Anzahl von Blättern genau senkrecht zu den Sonnenstrahlen, je mehr wir uns aber dem helleren Ende nähern, um so mehr weicht der Einfallswinkel von 90° ab und am 245 hellsten Ende kommt die Örientirung des Blattes derjenigen frei an der Sonne stehender Exemplare ziemlich nahe, bei welchen ebenfalls der Einfallswinkel weit kleiner war als 90°. Hier sind Winkelbestimmungen noch schwieriger, weil man diese Messungen nur vornehmen kann, nachdem die Pflanzen unter der Platte hervorgeholt sind; es stört also nicht bloss etwaiger Wind, sondern man muss sich auch sehr beeilen, wenn Veränderungen der Blattstellung infolge veränderter Beleuchtung vermieden werden sollen. Immerhin glückten wenigstens die zwei im Folgenden mit getheilten Bestim- mungen soweit, dass sie zur Bestätigung dessen dienen, was auch schon der blosse Augenschein unzweideutig lehrt. l. 3 neben einander stehende Pflanzen, von welchen ein Blatt (1%) beschädigt und verbogen war, standen bis 12'/" unter dem helleren Ende eines Tuscheprismas von sehr geringem Absorptionscoöfficienten, so dass 1° das meiste Licht empfing. Nachdem die Winkel bestimmt waren, wurden die Pflanzen nach dem dunkleren Ende um 20cm verschoben, worauf wieder um 1® 15 die Winkel gemessen wurden. Die folgende Tabelle zeigt die erhaltenen Werthe, welche einfach die Neigung des Blattes gegen die Erdoberfläche angeben, ohne auf die Stellung der Sonne Rücksicht zu nehmen. Letztere ist übrigens unschwer zu berechnen, wenn man berücksichtigt, dass am 4. Sept., an welchem Tage der Versuch angestellt wurde, die Erbebung der Sonne über den Horizont etwa 45° betrug. Blatt 1130 1P 15 Nr. hell dunkler Differenz 1a 85° 84° 1° 1b 820 79° 30 2a 75° 68° 7° 25 68° 61° 7° 3a 81° 70° 11° 3b 75° 68° 7° Da durch die Anstellung des Versuches alle Blätter um gleiches Maass verdunkelt waren, ist auch überall annähernd die gleiche Winkelveränderung erfolgt, welche, wie ohne Weiteres ersichtlich, den Einfallswinkel vergrössert hat. IL 7 Pflanzen standen in einer Reihe unter einem Keil, welcher an seinem diekeren Ende dunkler war, als der im vorigen Versuch ver- wendete. Um 11? wurden zum ersten Mal die Winkel bestimmt, 246° um 1®°15 zum zweiten Mal, nachdem seit 12% mässige Bewölkung die direeten Strahlen abhielt. Nr. 1 stand am hellsten, Nr. 14 am dunkelsten. Ich gebe auch hier einfach die Winkel, welche das Blatt mit der Horizontalebene einschliesst; da die Sonnenstrahlen mit derselben Ebene zur Zeit der Beobachtung einen Winkel von etwa 45° bildeten, so ist durch eine einfache Ueberlegung ersichtlich, dass die Blätter zu den Sonnenstrahlen senkrecht standen, wenn sie gegen die Erdoberfläche um etwa 45° geneigt waren. 118 1315 Differenz. 1 (heil) 70° 490 — 21° 2 65° 45% — 20° 3 72° 60° — 12° 4 649 55 —_ 9° 5 63° 46° — 17° 6 590 51° —_ 89 7 51° 41° — 10° 8 529 380) — 14° 9 549 56° + 2° 10 45° 449 _ 1° 11: 50 48° —_ 2° 12 49° 50° + 1° 13 41° 47° 6° 14 (dunkel) 50° 53° + 3° Ohne allen Commentar zeigt die Tabelle, dass die Blätter bei hellem Sonnenschein unter dem dunkleren Theil des Prismas senk- recht zu den einfallenden Strahlen stehen, unter dem helleren aber einen Winkel mit denselben bilden, welcher geringer ist als ein Rechter. Sobald die Ilelligkeit sinkt, nehmen alle Blätter eine zum Strahlen- gang rechtwinkelige Stellung ein. Ich meine, cs bedarf nach dem Gesagten keiner weiteren Er- örterung mehr, um zu seigen, dass die Blätter von Tropaeolum in allen Punkten mit Robinia übereinstimmen; sie weichen nur in der Lichtstimmung ab. Die Tropaeolumblätter sind höher gestimmt als diejenigen von Robinia und Phaseolus, deswegen kommt eine voll- ständige Profilstellung nicht zu Stande. Könnte man die Intensität des Lichtes hinaufschrauben, so würde man, daran ist nicht zu zweifeln, volle Profilstellung erzielen. Tropaeolum zeigt aber besonders deut- lich, wie die Blätter die Flächenstellung einnehmen, sobald die Inten- sität unter ein gewisses Maass sinkt, 247 Andere dorsiventrale Pilanzentheile. Die an Tropacolum, Robinia und Phaseolus nachgewiesene P’hoto- _metrie ist natürlich nicht auf diese Pflanzen beschränkt, sondern stellt eine ganz allgemeine Eigenschaft dorsiventraler Organe überhaupt dar. Ueberblicken wir alle hier in Frage kommenden Erscheinungen, so wird man unterscheiden müssen zwischen denjenigen Blättern resp. Sprossen, welche im Stande sind, ihre Lage rasch zu ändern und dem- gemäss jede kleine Veränderung der Lichtintensität mit einer Stellungs- änderung zu beantworten, und solchen, welche träger sind, indem sie im Lauf eines Tages ihre Stellung kaum ändern, trotzdem aber auf die Beleuchtungsverhältnisse ihres Standortes prompt reagiren. 7a der erstgenannten Gruppe gehören wohl alle mit Gelenk- polstern begabten Blätter und deren ist eine grosse Zahl. Ich selbst konnte durch Anwendung der Tuscheprismen an Acacia lophantha und Cassia marylandica dieselben Erscheinungen hervorrufen, wie an Robinia. Ausserdem sind Gelenkblätter, welche im diffusen Licht Flächenstellung, im Sonnenlicht aber Profilstellung annehmen, sei es durch Hebung oder Senkung der Blattfläche, so häufig beschrieben worden, dass es nicht einmal nöthig erscheint, die Litteratur zu eitiren. Nur darauf sei hingewiesen, dass selbst diejenigen mit Stielpolstern ver- sehenen Organe hierher gehören dürften, von welchen angegeben wird, dass sie sich auch zu den direeten Sonnenstrahlen senkrecht stellen. Solche Blätter sind entweder so hoch gestimmt, dass unser normales Licht nicht ausreicht, um den Einfallswinkel unter 90° herab- zusetzen, oder aber die Beobachter haben den Einfallswinkel und die Lichtverhältnisse nicht richtig beurtheil. Das war z. B. der Fall bei Vöchting.)) Derselbe beobachtete, dass die Blätter von Malven sich im Freien Morgens mit einer nicht unerheblichen Neigung gegen den Horizont gen Osten kehrten, Mittags ziemlich genau horizontal standen, um sich am Nachmittag gegen Westen zu wenden. Da in unseren Breiten die Erhebung der Sonne über den Horizont am Mittage während des Juli etwa 50—60° betragen mag, so ist ersichtlich, dass der Winkel, unter welchem die Sonnenstrahlen Vöch- ting’s Malvenblätter am Mittag trafen, von einem Rechten nicht uner- heblich (um 40—30°) abwich. Das stimmt aber mit meinen Beobach- tungen an Tropaeolum durchaus überein. Irrelevant ist es natürlich, dass sich die Tropaeolumblätter der Vertikalen, die Malvenblätter der Horizontalen nähern. Immerhin sind die Malven höher gestimmt als Robinia und Phaseolus. 1) Vöchting, Lächtstellung der Laubblätter. Bot. Zeit. 1888, 948 Viele derjenigen Blätter, welche Stellungsänderungen durch Wachsthumsdifferenzen herbeiführen, smd unzweifelhaft auf gewissen jugendlichen Entwieklungsstadien nicht minder beweglich als die Ge- lenkblätter und bei vielen bleibt auch die rasche Beweglichkeit sehr lange erhalten (Tropaeolum). Andere dagegen werden mehr oder weniger rasch träge, manche sind es von Jugend auf. Die ersteren bilden den Uebergang zu der zweiten obengenannten Gruppe, als deren Vertreter zunächst die Compasspflanzen genannt sein mögen). Bei diffusem Licht stellen sich die Blätter von Lactuca Scariola, Sil- phium ete. senkrecht zu den einfallenden Strahlen, im Sonnenlicht nehmen sie die Meridianstellung ein. Diese wird tage- und wochen- lang beibehalten, kann aber durch veränderte Beleuchtung modifieirt werden so lange die Blätter wachsthumsfähig sind. Die Pflanze sucht sich also, um einmal anthropomorphistisch zu reden, die Stellung aus, welche für ihre Lichtstimmung am günstigsten ist, lässt sich aber durch kleine Lichtschwankungen nicht stören. Die Compasspflanzen sind relativ niedrig gestimmt, auf höhere Inten- sitäten sind wohl die meisten Blätter geaicht, welche u. a. Frank® untersucht hat. Er constatirte meistens eine senkrechte Stellung zu den Lichtstrahlen, da aber die Versuche meistens bei diffusem Licht angestellt wurden, bezweifle ich gar nicht, dass bei entsprechender Steigerung der Helligkeit analoge Erscheinungen eintreten würden, wie bei den von uns untersuchten Pflanzen. Unter dem Capitel „Einfluss des Standortes auf die Orientirung der Blätter“ hat Stahlin semer Arbeit „Ueber den Einfluss des Stand- ortes auf die Ausbildung der Laubblätter“®) eine Anzahl von Fällen namhaft gemacht, in welchen die Blätter auf sonnigem Standort Profil- stellung erstreben und z. Th. auch erreichen, auf schattigen Locali- täten dagegen Flächenstellung einnehmen. Die Wurzelblätter vieler Compositen, Coniferen ete. erstreben im Sonnenlicht Vertikal-, im Schatten Horizontalstellung. Die Blättchen der Umbelliferen variiren in ihrer Stellung jenach Sonne oder Schatten; Faltungen der Spreite (Cirsium, Tanacetum) haben analoge Effecte, die Equiseten richten ihre Seitenäste in der Sonne mehr auf, die kleinen Blätter der Calluna vulgaris sind auf besonnten Haiden dem Stamm angedrückt, im Schatten nicht u. s. w. Ich möchte noch hinzufügen, dass die Faltung der Blättchen, welche wir an Robinia wahrnahmen, unzweifelhaft hierher zu rechnen 1) Stahl, Ueber sog. Compassptlanzen. Jen, Zeitschr. Bd. 15 (1882) S. 381. 2) Frank, Die natürl. wagrechte Richtung von Pflanzentheilen. Leipzig 1870. 3) Jen. Zeitschr. Bd. 16 (1883) 8. 187. 245 ist. Ausserdem bieten die Blätter von Prunus Cerasus, Pyrus, Syringa ete. analoge Erscheinungen dar. Es ist leicht zu verfolgen, dass die Sonnenseite freistehender Bäume Blätter beherbergt, welche gekrümmt resp. in der Mittelrippe gefaltet und mit der stets concaven Ober- seite gegen Südost bis Südwest, wenn auch ziemlich unregelmässig, orientirt sind. Die Krümmungen der Lamina können so weit gehen, dass die Blattränder fast aufdie Sonne zugekehrt sind. An den Schattenblättern fehlt jede Spur einer Krümmung, die Blattfläche ist durchaus plan. Wiesner?!) hat ebenfalls eine Reihe von eigenartigen Fällen auf- geführt. Zudem hat er entgegen den Angaben anderer Autoren durch aufmerksame Betrachtung der Blattlagen im Freien constatirt, dass die Blätter sich nicht auf das stärkste Licht überhaupt, sondern auf das stärkste zerstreute Licht senkrecht stellen; er ist damit dem wirk- lichen Sachverhalt relativ nahe gekommen, sahen wir doch auch, dass bei stark diffusem Licht die Flächenstellung der Blätter noch gerade gewahrt bleibt. Es gibt somit kaum ein Blatt, welches im directen Sonnenlicht senkrecht zu den Strahlen stände. Die Einrichtungen, durch welche eine Regulirung des Einfallswinkels erreicht wird, sind ebenso mannig- faltig wie die Bestäubungseinrichtungen der Blüthen, und das eben Gesagte erschöpft die Verhältnisse auch nicht im Entferntesten, sie seien daher eingehender Untersuchung empfohlen, die gewiss manches Interessante zu Tage fördern würde. Aber nicht bloss für Blätter gilt das Gesagte, es muss wohl auf alle oder doch viele dorsiventrale Organe übertragen werden. Sachs?) Beobachtungen an Marchantia, Prothallien von Farnen, am Protonema von Funaria etc., welche sich bei diffusem Licht senkrecht zu den einfallenden Strahlen stellten, weisen darauf hin, dass diese und viele analoge Gebilde mit in die grosse Zahl der photömetrischen Pflanzen eingereiht werden müssen, wenn auch die Einzelheiten noch näherer Erforschung bedürfen. Eine weitere Frage wäre nun: Weshalb reagiren nicht alle dorsi- ventralen Pflanzentheile ebenso rasch wie Tropaeolum und Robinia? Hat die Trägheit der zweiten eben charakterisirten Gruppe ihren Grund in einer verminderten Lichtempfindlichkeit oder in der ver- änderten Beweglichkeit? Ich glaube, das Letztere ist der Fall. Wenn wir beobachten, dass die grünen Zellen ihre Lichtempfindlich- De. p. 408. 2) Sachs, Ueber ortlitrope u. plagiotrope Pflanzentheile. Arb. d. bot. Inst. Würzburg II. S. 226 ff. 250 keit in fast allen Altersstufen durch Bewegung der Chiorophylikörper documentiren, so ist kaum anzunehmen, dass die Lichtempfindlichkeit der ganzen Organe schon im relativ frühen Alter erlischt. Ausserdem zeigen die Compasspflanzen und viele andere, dass die Blätter so lange sie überhaupt noch irgendwie wachsthumsfähig sind, auf Beleuchtungs- veränderungen prompt antworten, falls dieselben eine gewisse Zeit constant bleiben. In Meridianstellung befindliche Blätter gehen im Schatten in Horizontalstellung über, umgekehrt Schattenblätter in die Meridianstellung, wenn sie mehrere Tage dieselbe Beleuchtung erfahren, und ähnlich ist es mit vielen anderen. Wenn also solehe Organe eine mehrstündige Beleuchtungsverschiebung noch nicht durch Stellungsänderungen beantworten, so würde zwar nach unserer Auf- fassung die veränderte Intensität empfunden werden, aber die Be- wegungsorgane geben dieser Empfindung nicht so rasch nach, die Lichtintensität erfährt einen erneuten Wechsel, ehe die infolge des ersten Impulses gegebenen Bewegungen ausgeführt sind, und so muss schliesslich eine Stellung zum Vorschein kommen, welche der in der Versuchszeit dominirenden Helligkeit entspricht. Im gewissen Sinne analog werden sich diejenigen Blätter verhalten, welche anfangs leicht beweglich sind, später aber diese Beweglichkeit mehr oder weniger einbüssen, um eine fixe Lichtlage anzunehmen. Das Blatt führt gleichsam Schwingungen um die für jeden Standort mittlere Helligkeit aus, die Amplitude derselben ist gross, so lange das Organ eine volle Beweglichkeit besitzt, welche ihm gestattet, allen Intensitätsänderungen prompt zu folgen. Mit der Zeit aber wird die Schwingungsamplitude verringert, um schliesslich gleich Null zu werden. Damit ist die fixe Lage erreicht und zwar der mittleren Helligkeit des Standortes ziemlich genau entsprechend. Diese Ueberlegung macht es in Verbindung mit den bekannten Thatsachen ohne weiteres ver- ständlich, weshalb wir auch unter den Blättern, welche im Alter fast unbeweglich sind, kaum einen Fall vorfinden, in welchen die Fläche senkrecht zu den Strahlen der Mittagssonne gestellt wäre. Das zuletzt Erörterte gilt zunächst nur für solche Fälle, m welchen der Pflanzentheil sich unter Intensitätsgraden befindet, welche den- selben in Lagen zwischen Profil- und Flächenstellung zu richten streben. Ist die Helligkeit dauernd so gering, dass sie das Blatt unter allen Umständen in Flächenstellung bringt, so wird es fixirt, ohne vorher pendelartige Bewegungen um die definitive Lage ausgeführt zu haben. Beispiele hiefür bieten an Waldrändern etc. wachsende Pflanzen in hinreichender Zahl. Das Analoge trifft natürlich zu, wenn die Inten- 251 sität das für Profilstellung gegebene Maass dauernd überschreitet, dann wird das Blatt sofort in eine Lage eingeführt, welche durch Sistirung der Bewegungsfähigkeit zur fixen wird. ‘Ob dieser letztere Fall in Praxis häufig realisirt ist, mag dahingestellt sein. Nachwirkungen treten bei den besprochenen Blattbewegungen nicht in dem Maasse hervor, wie bei dem Nyctitropismus. Vollständig fehlen sie indess keineswegs, auch nicht bei Robinia und Tropaeolum, wenn sie auch hier ıneistens nur für wenige Minuten bemerkbar sind. Zu untersuchen wäre auch noch, wie weit sie bei der dauernden Stellung der Blätter von Compasspflanzen ein Wort mitzusprechen haben. Frank?) hat die Thatsache, dass die Blätter ete. sich senkrecht zu den einfallenden Strahlen zu stellen bestrebt sind, Transversalhelio- tropismus genannt, Darwin?) bezeichnete dieselbe Erscheinung mit dem Namen Diaheliotropismus, nannte aber diejenigen Fälle, in wel- chen Profilstellung auftritt, Paraheliotropismus 3). Nachdem ich gezeigt habe, dass alle dorsiventralen Organe bei hohen Intensitäten Profil-, bei schwachen Flächenstellung und bei mittleren schräge Lagen ein- nehmen, dass also alle Blätter etc. jederzeit sowohl diaheliotropisch als auch paraheliotropisch sind, erscheint es zweckmässig, eine neue Bezeichnung einzuführen. Ich möchte das Wort Plagiophototropie einführen und damit die Thatsache zum Ausdruck bringen, dass alle dorsiventralen Organe eine besondere Lage zum Licht einnehmen, in- dem sie demselben eine ganz bestimmte Seite zukehren, welche ausserdem einen für jede Intensität des Lichtes bestimmten Winkel mit den einfallen- . den Strahlen bildet. In der Plagiophototropie ist eine der Eigen- schaften gegeben, welche die dorsiventralen Organe namentlich von den radiären unterscheiden, worauf Sachs zuerst klar hingewiesen hat‘). Radiäre Organe sind in ihren phototropischen Krümmungen von der Richtung der Lichtstrahlen unabhängig, sie sind ausserdem nach allen Seiten hin gleichmässig krümmungsfähig, die dorsiventralen dagegen werden innerhalb gewisser Grenzen von dem Gange der Strahlen beeinflusst. Der Stand der Sonne oder allgemein der dominirenden Lichtquelle und die von dieser ausgehenden Strahlen bestimmen durch ihre Richtung einerseits, durch ihre Intensität anderseits die Stellung des Blattes resp. Sprosses. Ein Unterschied zwischen radiären und dorsiventralen Sprossen besteht auch darin, dass erstere deutlich eine 1) Natürl. wagrechte Richtung von Pfilanzentheilen S. 77. 2) Darwin, Bewegungsvermögen der Pflanzen, 1881, S. 4. 3) dass. S. 357. 4) Orthotrope u. plagiotrope Pflanzentheille. Würzburger Arb. Bd. IT. Flora 1892, 17 [3 352 bestimmte Helligkeit anzeigen, bei welchen sie gegen das Licht in- different sind, während man dies von den dorsiventralen Organen kaum sagen kann; ich wüsste nicht wo der Indifferenzpunkt zu suchen wäre, und das erscheint mit Rücksicht auf ihren Bau durchaus erklär- lich, ihre Function ist eben eine ganz andere. Denken wir uns einen Spross von Vaucheria, welcher im Optimum der Beleuchtung vertikal steht, plötzlich zu einer dorsiventralen Fläche verbreitert, so müsste er jetzt unbedingt auf seinen Indifferentismus verzichten und zu den Lichtstrahlen „Stellung nehmen“ indem er seine Fläche in eine vor- geschriebene Lage zum Licht bringt. Eine indifferente Stellung ist demnach nur möglich bei physiologisch vollkommen radiären Organen. Dagegen kann man bei dorsiventralen Organen sehr wohl von einem Optimum der Lichtintensität sprechen, und zwar wird man hier unter der optimalen Beleuchtung alle die Helligkeitsgrade verstehen, bei welchen das betr. Organ einen zwischen 0 und 90° liegenden Einfallswinkel herbeiführt. Die Grenze des Optimums nach unten ist gegeben, wenn das Blatt gerade eben die volle Fläche zeigt, die obere Grenze wird mit der Profilstellung überschritten. Innerhalb des Optimums sind alle Intensitätsgrade für die Pflanze deswegen gleich- giltig, weil sie es in der Hand hat, von jeder so gebotenen Licht- menge ein gewisses Quantum gleichsam aufzufangen. Sind die Grenzen des Optimums für radiäre Organe sehr eng.gesteckt, so sind sie für dorsiventrale Organe um so weiter gezogen. Auch das hängt wieder, wie ohne Weiteres ersichtlich, mit dem Bau und der Function der fraglichen Pflanzentheile zusammen und braucht nicht weiter erörtert zu werden. Betonen möchte ich aber die ungemein grosse Ueberein- stimmung der plagiophototaktischen und plagiophototropischen Be- wegungen, sie stimmen Punkt für Punkt so sehr überein, dass ich oben bereits fast genau dasselbe hervorheben konnte wie hier. Man könnte daher auch die photometrischen Bewegungen zergliedern in ortho- photometrische und plagiophotometrische. Indess schien mir die vor- geschlagene Benennung die zweckmässigere zu sein. II. Resuitiren die photometrischen Bewegungen aus einer Combination verschiedener Kräfte? Auf die Frage: Wie sind die phbotometrischen Bewegungen zu erklären? muss unsere Antwort lauten: eine volle mechanische Er- klärung gibt es für dieselben vorläufig nicht. In Vebereinstimmung mit der heute fast allgemein vertretenen Anschauung zeigen auch meine Versuche, dass die Ursachen für die phototaktischen und photo- 253 tropischen Bewegungen lediglich im Protoplasma zu suchen sind. Der auf dieses ausgeübte Lichtreiz wird in Ortsveränderungen oder in Krümmungsbewegungen umgesetzt. Damit wird dem Plasma eine Lichtperception zuerkannt, deren Räthsel heute nicht mechanisch zu lösen sind. Ob sie es später sein werden, mag dahingestellt sein. Denkbar wäre z. B., dass man sie einmal auf Processe zurückführte, welche der Zersetzung von Silbersalzen durch das Licht analog sind. Auch hier hängt ja die Umsetzung der Verbindungen von der Licht- intensität ab. Ist die Lichtperception unerklärt, so ist auch die Kette von Vorgängen, welche von dem im Protoplasma wirksamen Reiz bis zu der für uns wahrnehmbaren Bewegung führt, kaum besser be= kannt. Zwar wissen wir, dass bei Sprossen und Blättern Wachsthums- und Turgordifferenzen in letzter Instanz die Mittel sind, deren sich die Pflanze zur Ausführung der Bewegungen bedient, auch sind Hypo- thesen in hinreichender Zahl aufgestellt worden, von welchen die eine oder die andere ein weiteres Eindringen in die Erscheinungen even- tuell ermöglicht. Aber volle Klarheit ist hier keineswegs geschaffen und ebenso wenig dürften die bezüglich des mechanischen Zustande- kommens der Lichtbewegungen von protoplasmatischen Gebilden auf- gestellten Hypothesen ausreichen, um die Kluft zu überbrücken, die in unseren Kenntnissen zwischen der primären Wirkung des Reizes und der schliesslich sichtbaren Reaction besteht. Da auch meine Versuche auf die genannten Vorgänge kein Licht werfen, kann hier eine Discussion der bezüglich des mechanischen Zu- standekommens von heliotropischen Krümmungen eruirten Thatsachen und Hypothesen füglich unterbleiben. Nur so viel mag betont sein, lass die von mir neugefundenen Thatsachen der Phototropie einer Reihe von Auffassungen nicht gerade günstig sind. Wir nehmen also hier als Thhatsache hin, dass sich die Photo- metrie in Ortsveränderungen einerseits, in Krümmungen andererseits Äussert, mögen die letzteren nun durch Wachsthums- oder Turgor- differenzen bedingt sein. Dagegen halte ich es für nothwendig, kurz die Frage zu behandeln, ob die in meinen Versuchen zu Stande kom- menden Stellungen und Bewegungen einzig und allein der Ausdruck der Lichtempfindlichkeit sind oder ob z. B. die Blattlage die Combi- nation mehrere Kräfte darstellt. Was zunächst die phototaktischen Organismen betrifft, so hat Engelmann!) gezeigt, dass die Diatomeen und manche andere in 1) Engelmann, Licht- und Farbenperception niederer Organismen. Pflüger’s Archiv Bd. 29 S. 887. 17* 254 ihren Bewegungen ungemein abhängig sind von dem Sauerstoffgehalt des Wassers und unter normalen Bedingungen kaum auf Licht reagiren; er gibt ferner an, dass chlorophyllhaltige Ciliaten, wie Paramaecium Bursaria bei Sauerstoffmangel ganz anders gestimmt sind als bei Sauerstoffanwesenheit, und findet schliesslich in Euglena einen Typus, bei welchem die Lichtreaetion vom Sauerstoff in weiten Grenzen un- abhängig ist. Demnach würde man sich fragen müssen, ob die bei vielen Pflanzen beobachteten photometrischen Bewegungen thatsäch- lich solche waren oder ob sie durch Sauerstoff veranlasste chemo-. taktische Locomotionen darstellten. Die Frage ist hier nicht völlig zu erledigen, weil keine speciellen Experimente vorliegen. Allein ich möchte betonen, dass Verworn,!) welcher nach Engelmann Navi- cula u. a. untersuchte, entgegen den Angaben des letzteren, bei dieser Pflanze unter normalen Sauerstoffverhältnissen Phototaxie constatirte. Es ist demnach für mich nicht zweifelhaft, dass alle oben auf 8. 201 aufgezählten Organismen rein phototaktische Eigenschaften besitzen, andererseits wird auf Grund der Angaben Engelmann’s des Näheren zu untersuchen sein, wie weit gegebenen Falls die photometrischen Eigenthümlichkeiten durch Chemotaxie und ähnliche Processe ver- deckt werden können, resp. wie weit die Lichtstimmung vom Sauer- stoff beeinflusst wird. Eventuell würde es auf diesem Wege gelingen, der bis dahin recht räthselhaften Photometrie etwas näher zu kommen. Werden die phototaktischen Bewegungen durch die Schwere be- einlusst? Die Verdunkelung führt bei Volvox eine durchaus gleich- mässige Vertheilung im ganzen Culturgefäss herbei, eine bestimmte Richtung der Kugeln zur Erdoberfläche war nicht zu erkennen. Auch bei Aufsuchung der optimalen Helligkeit zeigte sich keine Beeinflussung der Bewegung durch die Geotaxie.?) Dagegen wäre es möglich, dass die Reihenbildung der weiblichen Individuen unter optimaler Beleuchtung und die Örientirung derselben mit dem Mundende nach oben, bis zu einem gewissen Grade von der Schwere abhängig ist. Einen wesent- lichen Einfluss aber hat die Anziehungskraft der Erde auf den ganzen Verlauf der Lichtbewegungen bei Volvox keineswegs. Dass die auf- rechte Stellung der Spiragyrafäden ein Resultat negativer Geotaxie 1)Max Verworn, Psycho-physiologische .Protistenstudien, Jena 1889, 8.46 ff. 2) Vgl. F. Schwarz, Einfluss der Schwerkraft auf die Bewegungsrichtung von Chlamydomonas und Euglena. Ber. d. d. bot. Ges. Bd. 2. — Aderhold, Beitrag zur Kenntniss richtender Kräfte bei der Bewegung niederer Organismen. Jen, Zeitschr. Bd. 22 (1888) 8. 310. 255 sei, darauf hat schon Hofmeister!) hingewiesen. Auch ich konnte beobachten, dass die Vertikalstellung unter sehr verschiedenen Be- dingungen äusserst häufig eintrat und halte eine Einwirkung der Schwere auf Spirogyren nicht für unwahrscheinlich. Nichts desto- weniger besitzen die genannten Pflanzen eine typische Phototaxie, denn nur auf diese ist die eigenartige Bündel- und Colonnenbildung unter den verschiedenen Beleuchtungsverhältnissen zurückführbar. Es dürfte also auch hier das wesentliche Resultat unserer Versuche durch andere Einflüsse nicht getrübt sein. Bezüglich der Bewegungen der Chloroplasten sind keine Anhalts- punkte vorhanden, welche eine Beeinflussung durch die Schwere er- kennen liessen. . Wir kommen zu den orthophototropen Organen. Die vertikale Stellung derselben im Optimum der Beleuchtung ist wohl nur als eine Wirkung des Geotropismus aufzufassen. Würde man, was freilich nicht ganz leicht sein dürfte, solche Sprosse unter der geeigneten Beleuchtung auf den Klinostaten bringen, so müssten dieselben be- liebige Lagen im Raum einnehmen, falls nicht andere Factoren („Sub- stratrichtung“ etc.) dies verhinderten. In wie weit die Krümmungen gegen das Optimum combinirte Wirkungen des Geotropismus und der Phototropie sind, lehren Versuche Wiesners?), in welchen vertikal stehende Keimlinge mit solchen verglichen wurden, welche bei ein- seitiger Beleuchtung um eine horizentale Achse rotirten. Pflanzen, welche von der Lichtquelle, die hier annähernd das Optimum dar- stellte, relativ weit entfernt waren, krümmten sich gleich energisch, ob sie auf dem Apparat gedreht wurden, oder ob sie vertikal standen. In der Nähe des Optimums dagegen war der Eintritt der phototro- pischen Krümmung an den aufrechten Pflänzchen verzögert, die Ab- lenkung des oberen Sprossendes von der Vertikalen war an diesen innerhalb der Versuchszeit nicht immer so gross, wie an den rotiren- den. Je mehr also die Energie der phototropischen Krümmungen wächst, um so mehr tritt der Geotropismus in den Hintergrund, er wird völlig überwunden, gleichsam latent; nur bei geringer Energie der Phototropie macht er sich zum Mindesten in einer Verzögerung der Richtungsbewegung bemerkbar. Ob er er hier im Stande ist, die durch eine specifische Intensität gebotene Lichtlage dauernd zu be- einflussen, ist mir trotz Wiesner’s scheinbar widersprechender Ver- D) W. Hofmeister, Bewegungen der Fäden der Spirogyra princeps. Jahres- hefte d. Ver. £. vaterl. Naturkunde in Württemberg 30. Jahrg, (1874) 8. 211. le. Ip. 194, 256 suche zweifelhaft. Uebertragen wir das auf unsere Versuche, so unter- liegt cs keinem Zweifel, dass die Sprosse, welche sich vom Optimum weit entfernt in horizontaler Lage direct auf dieses zuwandten (vgl. auch N. J. ©. Müller’s in Fig. 7 wiedergegebene Zeichnung), rein photo- tropische Krümmungen aufwiesen. Die schwächeren Krümmungen in der Nähe des Optimums sind zeitlich sicher von Geotropismus be- einflusst, ob die difinitive Lage der Sprosse gegen das Optimum nicht aber doch ausschliesslich durch das Licht bestimmt wird, müssen weitere Versuche zeigen. Ich halte das für sehr wahrscheinlich. Wiesner hat dann Versuche angestellt über die Beziehungen zwischen Lichtintensität, Heliotropismus und Längenwachsthum. Er fand, dass die grösste Intensität, bei welcher — allseitige Beleuchtung verausgesetzt — eben noch Längenwachsthum stattfindet, bei manchen Pflanzen über, bei manchen unter derjenigen Helligkeit liegt, bei welcher phototropische Krümmungen ausbleiben. Mit anderen Worten, die optimale Helligkeit für phototropische Objecte hat zu derjenigen, welche das Längenwachsthum sistirt, keinerlei Beziehungen. Aehn- lich‘ konnte Wortmann!) nachweisen, dass thermotropische Krüm- mungen selbst dann auftreten, wenn eine Erwärmung über die Tem- peratur hinaus erfolgte, bei welcher sonst unter allseitiger Erwärmung die Verlängerung aufhört. Auch die Wurzeln zeigen ja hinreichend, dass zwischen dem negativen Tleliötropismus derselben und ihrem Längenwachsthum keine diresten Beziehungen nachweisbar sind.?) Dass die plagiophototropische Bewegungen als der Ausdruck einer specifischen Lichtempfindliehkeit dorsiventraler Gebilde aufzufassen seien, hat man vielfach geleugnet. Frank?) hatte bekanntlich den Blättern ete. einen Transversalheliotropismus zuerkannt. Gegen diese Auffassung ist de Vries‘) aufgetreten und Wiesner?) hat ihm später ebenso wie Sachs®) zugestimmt. Allein Noll”) und Vöchting®) haben bereits darauf hingewiesen, dass es durchaus unzulässig ist aus der Reaction, welche die Blattrippen, Blattstiele etc. in de Vries’ 1) Wortmann, Einfluss der strahlenden Wärme auf wachsende Pfianzentheile. 2) Vgl. Fr. Darwin, Arb. d. bot. Inst. Würzburg. Bd. II S. 521. Bot. Zeit. 1883. 3) Frauk, Natürl. wagrecehte Richtung von. Pflanzentheilen. 4) H. de Vries, Ueber einige Ursachen der Richtung bilateral-symmetrischer Pflanzentheile. Würzb, Arb. I. S. 298. 5) Wiesner, l. c. I. p. 165. 6) Sachs, Orthotrope u. plagiotrope Pflanzentheile. Würzb. Arb. II. D Noll, Normale Stellung zygomorpher Blüthen. Würzb. Arb. LIT. 8) Vöchting, Lichstellung der Laubblätter. Bot, Zeit. 1888, 257 Experimenten ergaben, auf die Eigenschaften des Ganzen zu schliessen. Die genannten Autoren betonen mit Recht ausdrücklich, dass die fraglichen Organe nur als Ganzes handeln und nur im unverletzten Zu- stande experimentelle Fragen richtig beantworten. Mögen auch ein- zelne der von Frank als transversalheliotropisch bezeichneten Ge- bilde ihre Lichtlage der Combination verschiedener Kräfte verdanken, so ist doch für die meisten Fälle durch de Vries der Transversal- heliotropismus keineswegs widerlegt worden, und in neuerer Zeit haben sich die Beweise gehäuft, welche für eine dem Transversalheliotro- pismus ähnliche Eigenschaft der Pflanze sprechen, also für das, was ich Plagiophototropie genannt habe. So kommt N oll in seiner eben eitirten Arbeit, in welcher er auch die fixe Lichtlage behandelt, zu dem Schluss, „dass sonst geotropisch recht empfindliche Blätter ihrer fixen Licht- lage zı Liebe alle denkbaren abnormen Lagen zum Erdradius an- nehmen, als ob sie ihren Geotropismus bei dem Lichtgenuss gänzlich verloren oder umgewandelt hätten*. Ebenso kommt Vöchting zu dem Resultst, dass die Lichtstellung der Laubblätter ausschliesslich durch das Licht bedingt sei, und Krabbe!) bestätigt dies in vollem Umfange. Nach diesen Untersuchungen brauche ich kaum noch hervorzuheben, wie auch meine Versuche auf das Deutlichste das Vorgetragene be- stätigen. Mochten die Blätter von Phaseolus, Robinia, Tropaeolum orientirt sein wie sie wollten, unter allen Umständen treten dieselben Erscheiningen ein, überall bildeten die Blattflächen einen für jeden Helligkeitgrad bestimmten Winkel mit den einfallenden Strahlen und documenttten damit auf das Unzweideutigste, dass den Pflanzen eine specifische Fähigkeit — eben die Phototropie —, sich in eine bestimmte Lage zum‘Licht zu versetzen und in dieser Lage zu verharren, so- lange keine Beleuchtungsveränderungen eintreten, innewohnen müsse. Die vortehenden Erörterungen sollten nur zeigen, dass die Plagio- phototropie {ne specifische Eigenthümlichkeit der Pflanzen, speciell der dorsiventalen Gebilde ist, und dass demgemäss der gewählte Ausdruck seim Berechtigung hat. Dagegen kann es hier nicht meine Aufgabe sein, len ganzen Mechanismus zu besprechen, welcher zu der bestimmten\Lage in jedem Fall führt, schon aus dem Grunde nicht, weil mir Yigene Beobachtungen hierüber fehlen. Ich möchte nur betonen, dastich natürlich mit dem Gesagten den in Rede stehen- den Organen nick alle anderen Eigenschaften als da sind, Geotro- pismus, Epinastie, üxotropie und wie sie sonst noch heissen mögen, 1) Krabbe, ZurKenntniss der fixen Lichtlage der Laubblätter, Pringsh, Jahrb. XX. S. 211, \ 258 absprechen will und kann, diese beeinflussen, unterstützen eventuell die Bewegungen, welche zur fixen Lichtlage führen, ganz unver- kennbar; nur das möchte ich festgehalten wissen, dass sie das End- vesultat, d. h. kurz gesagt den Einfallswinkel, nicht alteriren. Ich kann mich dabei auf Klinostaten-Versuche von Krabbe stützen, welche Folgendes ergaben: „Der Geotropismus vermag wohl die zur Lichtlage nothwendigen Bewegungen etwas zu beeinflussen, ist aber ausser Stande, das schliessliche Resultat der Lichtwirkung, nämlich die rechtwinkelige Stellung der Blattflächen zum Lichteinfall irgendwie zu modifieiren*. Trotz der vorliegenden guten Untersuchungen dürfte über die Me- chanik der plagiophototropischen Bewegungen noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. Spätere Untersuchungen hätten sich wohl unter Berück- sichtigung von Stahl’s!) Beobachtungen mit der Frage zu beschäftigen, was denn eigentlich unter dem zu verstehen sei, was wir meistens a!s eine „Ueberwindung* des Geotropsmus durch die Phototropie bezeichnet haben. Alle Versuche deuten auf eine Wechselbeziehung zwischen beiden Erscheinungen hin; sie näher aufzudecken, wäre von hohem Interesse. Die bisherigen Versuche, welche die fixe Lichtlage der Blätter zu klären bestimmt waren, wurden meistens bei schwachem Licht angestellt, so dass der Einfallswinkel der Strahlen ein Rechter war. In Zukunft wird man wohl die gesammten Erscheinungen in Rechnung ziehen müssen. Daran würde sich dann u. a. die Frage anknüpfen können, ob es heliotropische Torsionen gibt. Krabbe hat n seiner mehrfach eitirten Arbeit diese Frage verneint. Dieser Autor hat nun gezeigt, dass in den oberen Gelenkpolstern von Phaseolıs weder Epinastie noch Geotropismus nachweisbar ist. Wir sahen aber, dass mit zunehmender Lichtintensität die Blättchen sich in den Gelenken drehen um in Profilstellung zu gelangen. Wie kommt di.se Torsion zu Stande? Will man keine völlig unbekannten Grössa einführen um die Krabbe’sche Auffassung zu retten, so wird mal kaum um- hin können zuzugestehen, dass hier ]’hototropie allein/wirkt. Und warum soll eine vom Plasma. veranlasste verschiedene Arsdehnung be- stimmter Zelleomplexe keine Drehung herbeiführen [önnen? Am- bronn? hat theoretisch gezeigt, dass solches durchs denkbar ist, und Uhlitzsch?) hat ebenfalls auf Grund einiger fersuche betont, 9) Stahl, Einfluss des Lichtes auf den Geotropismus eiger Pflanzenorgane. - Ber. d. d. bot. Ges., 1884, S. 3883. 2) Ambronn, Ueber heliotropische und geotropische , rorsionen. Ber. d. d. bot. Ges. IL. S. 183. / 3) Uhlitzsch, Untersuchungen über das Wachsthuy” der Blattstiele. Diss, Leipzig 1887, 8. 40. 259 dass Torsionen durch die ausschliessliche Wirkung des Lichtes in den Blattstielen hervorgebracht werden können. Ein Analogon zu derartigen Torsionen bieten jedenfalls die Dreh- ungen der Chlorophyliplatte, welche wir bei Mesocarpus wahrnahmen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie hier differente Kräfte wirksam sein sollen; es liegt doch gewiss viel näher, anzunehmen, dass das Proto- plasına hier direet infolge der Reizwirkung des Lichtes Kräfte frei macht, welehe die Torsion besorgen. Pfeffer!) hat als photonastische Bewegungen diejenigen, welche durch steigende oder fallende, übrigens allseitig gleichmässige Be- leuchtung hervorgerufen werden, als heliotropische, in gewohnter Weise, die durch einseitigen Lichtangriff erzeugten und in ihrer Rich- tung hiervon abhängigen Krümmungen bezeichnet. Auf das Zusam- menwirken beider Factoren führt er die günstige Lage plagiotroper Organe zurück, offenbar in der Erkenntniss, dass der gewöhnliche Heliotropismus als Erklärung für diese Vorgänge nicht ausreicht. Nachdem ich zeigen konnte, (dass alle bis dahin Heliotropismus ge- nannten Vorgänge in erster Linie von der Intensität des Lichtes ab- hängen, dürfte „es zweckmässig sein, den Begriff der Photonastie fallen zu lassen. IV. Die Zweckmässigkeit der photometrischen Bewegungen. Die ausserordentliche Präcision, mit welcher alle im Vorstehen- den behandelten Bewegungen ausgeführt werden, legt unwillkürlich die Frage nach deren Zweckmässigkeit nahe. Ich hatte schon in der Einleitung hervorgehoben, dass wohl alle Pflanzen auf eine gewisse Helligkeit insofern angewiesen sind, als für sie eine specifische Licht- ° “intensität während der Dauer der Vegetation unerlässlich ist. Wir haben nun des Weiteren in unseren Experimenten verfolgen können, wie jede Pflanze resp. jeder Pflanzentheil die Erreichung einer gewissen Helligkeit mit den verschiedensten Mitteln erstrebt. Gibt nun die im Experiment zum Ausdruck kommende Lichtstim- mung auch diejenige Lichtmenge an, welche dauernd ein normales Gedeihen bedingen würde? Eine präcise und allgemein giltige Ant- wort lässt sich darauf kaum geben, weil ausreichende Experimente, welche über die dauernd erforderliehe Lichtmenge Aufschluss geben, weder von meiner, noch von anderer Seite vorliegen ; immerhin mag auf einige hierbei in Betracht kommende Punkte hingewiesen werden. 1) Pflanzenphysiologie IL. 8. 287. 260 Sehen wir Volvox u. a. auf eine bestimmte Helligkeit im Freien sowohl wie in der Qultur zusteuern, so liegt der Gedanke nahe, diese Helligkeit auch als die dauernd gedeihliche anzusprechen. Für Spiro- gyra könnte dasselbe gelten, allein diese Gattung liess sich bislang nicht vollständig ceultiviren, auch wenn man ihr volle Bewegungsfrei- heit in den verschiedenen Intensitätsgraden liess, was mit Hilfe des oben beschriebenen Apparates ja nicht schwer war. Berücksichtigen wir ferner die Thatsache, dass bei meinen Algen -Oulturversuchen Schwärmsporen von Monostroma, viele Ectocarpusarten etc. auf eine Helligkeit zustrebten, in welcher sie nachher relativ rasch zu Grunde gingen, so muss es fraglich erscheinen, ob die erstrebte Helligkeit diejenige ist, welche den Pflanzen dauerndes Wachsthum gestattet. Vielmehr scheint in vielen Fällen die in der photometrischen Be- wegung aufgesuchte Lichtstärke über der dauernd zuträglichen zu liegen. Man würde demnach diese Pflanzen etwa mit den Vögeln ete. vergleichen können, welche gegen das Licht fliegen, gleichgültig, ob sie dabei zu Grunde gehen oder nicht. Dabei könnten aber diese Bewegungen indirect zweckmässig sein. Es könnte z. B. eine hohe Liehtstimmung der Spirogyren, welche über der im Wasser gewöhn- lich gegebenen liegt, bedingen, dass dieselben sich stets nahe der Oberfläche halten. Ich zeigte in einer früheren Arbeit, dass die kleinen Eetocarpeen sich mit Vorliebe auf der Unterseite der Fucus- etc. Thallome ansiedeln. Die relativ hohe Lichtstimmung der Schwär- ıner dürfte es bedingen, dass dieselben auf ihrem Wege aus der Tiefe nach der Oberfläche an Fucusthallome anstossen, hängen bleiben und sich damit,an einem günstigen Ort entwickeln. Analoges gilt wohl für die orthophototropischen Bewegungen. Wenn wir z. B. beobachten, dass die Keimlinge von Lepidium sativum sich erst im concentrirten Sonnenlicht abkehren, resp. indifferent sind, so ist kaum anzunehmen, dass dies die für das Gedeihen der Kresse optimale Lichtintensität anzeigt. Bestätigt wird diese Vermuthung durch Beobachtungen, welche ich an Polysiphonia nigrescens häufig machen konnte. Die Sprossen wachsen auch dann energisch dem Fenster zu, wenn sie relativ hell stehen, also unter Intensitätsgraden leben, unter welchen sie auf die Dauer ein abnormes Wachsthum zeigen. Das alles lässt vermuthen, dass vielen photometrischen Be- wegungen nur eine indirecte Zweckmässigkeit zukomme. Dieselbe könnte bei Polysiphonia z. B. darin liegen, dass auf diesem Wege die Sprosse sich in die Richtung des einfallenden Lichtes stellten um dasselbe so gleiehsam in Profilstellung aufzufangen. Auf diese 261 Weise würden auch die Blattbüschel dieser Species, welche fast nur an den Spitzen auftreten, am besten als Schattendecke wirken. Auch von den Sprossen, welche breite Blätter tragen, wird man annehmen können, dass sie ihre Lichtkrümmungen in erster Linie mit Rücksicht auf die Blätter ausführen, und es wäre die Aufgabe weiterer Untersuchungen, fest- zustellen, in wie weit hier Correlationen gegeben sind. Die plagiotropischen und plagiophototaktischen Bewegungen wird man geneigt sein als direct zweekmässige anzuerkennen. Indess fehlen hier jegliche experimentelle Anhaltspunkte. Mit dem hier in den letzten Zeilen Vorgetragenen halte ich die Sache selbstverständlich nicht für erledigt; ich wollte nur darauf hin- weisen, dass hier noch ein Feld für weitere Beobachtungen gegeben ist. . V. Allgemeines. Vergleichen wir die photometrischen Bewegungen mit anderen Reizerscheinungen, so springt die ausserordentliche Aehnlichkeit der- selben mit vielen derselben sofort in die Augen. Eine besonders auf- fallende Analogie weisen die chemotaktischen Bewegungen!) auf, speciell diejenigen, welche Massart?) als tonotaktische bezeichnet hat. Er zeigte, worauf übrigens Pfeffer schon hingedeutet hatte, dass viele Salzlösungen weniger vermöge ihrer chemischen Beschaffen- heit als vermöge ihrer Concentration anziehend oder abstossend wirken. Massart wies nach, dass bei einer für jedes Salz bestimmten Con- centration Indifferentismus gegeben ist; unterhalb dieser erfolgt An- ziehung, oberhalb derselben Abstossung. Weitere Untersuchung zeigt, dass die verschiedenen Salze proportional ihrem isotonischen Coeffi- eienten wirken. Wie also jeder Intensität des Lichtes (innerhalb gewisser Grenzen) eine specifische Wirkung auf die Bewegungen der Pflanzen zukommt, so hängt die tonotaktische Bewegung von der Energie der Wasseranziehung seitens der Salzlösungen ab. Es herrscht in dieser Beziehung also volle Uebereinstimmung. Diese geht aber noch weiter, die Tonotaxie ist ebenfalls von der „Salzstimmung“ ab- abhängig, wenn der Ausdruck gestattet ist, denn Organismen, welche in Salzlösungen längere Zeit verweilt hatten, erforderten eine höhere Concentration zur Erreichung des Indifferenzpunktes. Während wir 1) Pfeffer, Locomotrische Richtungsbewegungen durch chemische Reize. Tübinger Arb. I. S. 263 ff. — Pfeffer, Chemotaktische Bewegungen von Bacterien, Flagellaten und Volvocineen. Das. II. 8. 582 ff. 2) Massart, Sensibilite et adaptation des organismes & la coneentration des solutions salines. Archives de Biologie T, IX (1889) p. 515. 262 in der Lage sind, im einen Fall diese Erscheinung direet auf den Turgor zurückzuführen, vermögen wir im anderen leider nur ganz allgemein von einem „Gewöhnen“ an eine veränderte Helligkeit zu sprechen. Für den Thermotropismus gilt Gleiches. Wortmann’) konnte zeigen, dass die Plasmodien von Fuligo varians in einer Temperatur von 36° keine thermotropischen Bewegungen ausführten, bei höheren Wärmegraden dagegen negative, bei niederen positive Richtung ein- schlugen; auch manche Wurzeln ® zeigten völlig analog einen „Grenz- punkt“, bei welchem die positive in die negative Bewegung um- schlug, nicht ohne dass auch hier häufig Indifferentismus zur Be- obachtung gekommen wäre. An Sprossen constatirte Wortmann entweder negativen (Lepidium) oder positiven (Zea) Thermotropismus, fand aber in beiden Fällen bei bestimmten Temperaturen das Aus- bleiben der Krümmungen. Dass damit der Indifferenzpunkt erreicht war, liegt um so näher anzunehmen, als Wortmann für Lepidium fand, dass die Zeitdauer bis zum Eintritt der Krümmung der Inten- sität der Wärmestrahlen umgekehrt proportional ist. Das ist dasselbe Gesetz, welches Wiesner für die sogen. positiv heliotropischen Sprosse constatirte. . Liegen auch für den Hydrotropismus nicht so eingende Unter- suchungen vor, so ist doch nach dem ganzen Verlauf der bis dahin- angestellten Versuche kaum zu bezweifeln, dass die Bezeichnung derselben als psychometrische Bewegung berechtigt ist. Diese und andere Reizbewegungen mögen unerörtert bleiben, weil nicht hin- reichendes Material über dieselben vorliegt. Bei allen genannten Vorgängen handelt es sich um das Auf- suchen von der augenblicklichen Stimmung entsprechenden optimalen Verhältnissen, und in den meisten Fällen hat das Optimum eine mitt- lere Lage, so dass nach dem früheren Ausdruck positive und 'negative Bewegungen je nach der Versuchsanstellung wahrgenommen werden. können. Nothwendig ist das indess nicht. Wir können uns x. B. eine Pflanze so hoch gegen das Licht gestimmt denken, dass für .uns die Intensität, bei welcher Indifferentismus eintritt, nicht mehr her- stellbar ist, andererseits kann die Stimmung so niedrig sein, dass das 1) Wortmann, Thermotropismus der Plasmodien von Fuligo varians, Ber. d. d. Ges. 111. (1885). — Ders., Einfluss der strahlenden Wärme auf wachsende Pflanzentheile. Bot. Zeit. 1883. 2) Ders., Veber den Thermotropismus der Wurzeln. Bot, Zeit, 1885, 263 Optimum annähernd oder vollständig mit obsoluter Dunkelheit zu- sammenfällt. Es käme dann im ersten Fall nur der Ast A der Curve in Fig. 2 zur Beobachtung, im zweiten nur der Ast B, wie die Skizze andeutet. Um specielle Fälle dem allgemeinen Schema zu sub- sumiren würde es z. B. genügen, wenn der Nachweis erbracht würde, ' dass mit steigender Intensität die Reizenergie abnimmt oder zunimmt, damit wäre. dann gesagt, ob wir den Ast A oder B der genann- ten Curve vor uns hätten und wo das Optimum zu suchen sei. Diese Ueberlegungen gelten für alle obgeriannten Reizerscheinungen und demnach stellt die in Fig. 2 gezeichnete Curve die Verhältnisse für alle diese dar. Ein weiterer Vergleich der in Rede stehenden Reizerscheinungen lehrt uns, dass die Abweichung von der optimalen Lichtintensität, Temperatur, Concentration etc. für das Zustandekommen einer Be- wegung durchaus unerlässlich ist, und weiterhin wird erfordert, dass diese Abweichung von der Pflanze auch empfunden wird. Das ge- nügt aber noch nicht; allseitig gleiche Helligkeit, Temperatur etc. wird zwar von der Pflanze empfunden, aber sie gibt noch keinen Grund für eine Bewegung ab, diese wird erst ausgelöst, wenn die Abweichung vom Optimum auf verschiedenen Seiten des fraglichen Gebildes ungleichmässig erfolgt, und zwar muss die Differenz so gross sein, dass sie von der Pflanze percipirt werden kann. Sind diese Bedingungen erfüllt, dann tritt eine äusserlich sichtbare Reaction ein, das Organ richtet sich nach der Seite, welche dem Optimum am nächsten liegt, gleichgiltig, ob dasselbe unter den gegebenen Ver- hältnissen völlig erreichbar ist oder nicht. Daraus ergibt sich aber ohne Weiteres, was ich schon mehrfach betonte, dass nicht die Richtung, in welcher sich die als Licht, Wärme ete. bezeichneten Schwing- ungen fortpflanzen, das Massgebende ist, sondern die Lage des Opti- mums resp. die Richtung, in welcher sich die Intensität resp. Con- centration auf das Optimum hin abstuft. Solches gilt direet für die radiären Gebilde im weitesten Sinne. Dass die dorsiventralen Organe, die bilateralen Chloroplasten etc. bei allseitig vollkommen gleichmässiger Beleuchtung keine Licht- bewegungen ausführen werden, ist wohl zweifellos, thatsächlich dürfte aber bisher in keinem Versuch dies wirklich. erfolgt sein, und ich wüsste vorläufig nicht, wie man es anzufangen hätte, um etwa ein am Spross befindliches Blatt genau allseitig zu beleuchten. Sobald eine Helligkeitsdifferenz in verschiedenen Richtungen gegeben ist, be- ginnt wie bei radiären Organen die Reaction, gleichzeitig tritt aber 264 der Unterschied gegen die letztgenannten hervor, indem die Mächen- ausbreitung der fraglichen Gebilde ihre Rechte fordert. Besonders bei dorsiventralen Pflanzentheilen wird es deutlich, dass stets eine morphologisch bestimmte Seite den helleren, die entgegengesetzte (Unterseite) den schwächeren Intensitätsgraden zugekehrt wird. Da- mit ist dann schon gesagt, dass hier mehr als bei radiären Pflanzen die Lage der dominirenden Lichtquelle in Frage kommt, und wir wissen, dass die Fläche sich gegen diese in bestimmter Weise einstellt. Insofern kann man hier correct von einem Einfluss der Strahlen- richtung sprechen. Wie sich dorsiventrale Gebilde gegen andere als Lichtreize verhalten, ist mir nicht bekannt, vor der Hand liegt aber kein Grund vor, anzunehmen, dass sie anders reagiren würden. Die besprochenen Reizerscheinungen haben nach allem ihren letzten Grund in dem Empfindungsvermögen des Protoplasmas, nur wenn dieses Intensitätsunterschiede gleichsam wahrnimmt, dann erfolgt eine Reaction. Darauf hat Peffer!) besonders scharf auf Grund seiner Beobachtungen an den chemotaktischen Samenfäden hingewiesen und meine Experimente an den photometrischen Pflanzen bestätigen das vollauf. Damit schreiben wir aber den Pflanzen ein Empfindungs- nnd Unterscheidungsvermögen zu, welches von dem Empfindungsvermögen der Thiere nicht wesentlich abweicht, und ich trage kein Bedenken, die durch unbewusste Empfindungen herbeige- führten Reflexe in eine Linie mit den hier beobachteten Erschei- nungen zu stellen, halte z. B. die Verengerung und Erweiterung der Pupille unseres Auges infolge verschiedener Helligkeiten für eine Erscheinung, welche den photometrischen Bewegungen der Pflanzen durchaus in den wesentlichen Grundlagen analog ist. Auch Engelmann? hat den niederen Organismen einen den höheren Thieren analogen Licht- und Farbensinn zuerkannt. Er sicht in den Resultaten seiner Untersuchungen über Bacterium photome- triicum mit vollem Recht einen vortreffliehen Beweis für die Einheit der organischen Natur, für die UVebereinstimmung dieser und ähnlicher Erscheinungen im Thier- und Pflanzenreich. Auf das Gleiche weisen die Untersuchungen von Loeb® über I) l.e. p. #78. 2) Engelmann, Licht- und Karbenperception niederer Organismen. Pflüger’s Archiv Bd.29 S.387. — Ders., Bacterium photometriecum das. Bd. 30 5. 95.. 3) Loeb, Der Heliotropismus der Thiere und seine Üebereinstimmung mit dem Heliotropismus der Pfianzen. Würzburg 1890. — Ders., Weitere Unter- suchungen über den Heliotropismus der Thiere ete. Pflüger's Archiv Bd. 47 (1890) S. 891. 265 den Heliotropismus der Thiere hin. Der Autor sucht nachzuweisen, dass die vom Licht inducirten Bewegungen der Thiere genau den gleichen Gesetzen folgen wie die der Pflanzen; unter etwas einseitiger Betonung ‘des Sachs’schen Standpunktes, dass die Richtung der Strahlen das Maassgebende sei, will er Aehnliches für die Thiere darthun. Seine Experimente sind nicht überall, wie auch schon von Wort- mann!) in seinem Referat über diese Arbeit betont wurde, völlig be- weiskräftig und vor allem liefern sie nicht den Nachweis, dass die Richtung der Strahlen das Maassgebende sei. Nach dem Schema der bisherigen Untersuchungen über Phototaxie und Heliotropismus an- gestellt, mussten sie freilich das angedeutete Resultat liefern. Ich habe einige Versuche mit Mehlwürmern angestellt und konnte mich durch dieselben überzeugen, dass eine Lichtempfindlichkeit unzweifel- haft vorhanden ist, konnte aber auch ebenso sicher nachweisen, dass die Strahlenriehtung nur insofern Einfluss hat, als dadurch event. die Helligkeit beeinflusst wird. Ich bezweifle demnach nicht, dass die heliotropischen Erscheinungen der Thiere — und darauf legt auch Loeb das Hauptgewieht — mit denen der Pflanzen übereinstimmen, ja man wird auch hier, wenn man will, phototaktische und phototro- _ pische Bewegungen unterscheiden können und mit ersteren Namen die freien Ortsbewegungen bezeichnen, mit letzterem aber die Fälle, in welchen nach Loeb die festsitzenden Thiere auf irgend eine Art eine durch das Licht indueirte Krümmung ihrer Gehäuse ausführen. Ist hier also wieder eine genaue Uebereinstimmung von Thier und Pflanze constatirt, so wird man Loeb auch zustimmen müssen, wenn er leugnet, dass diese Erscheinungen auf einem Instinkt und Willen der Thiere beruhen. Die Bewegungen werden ihnen durch äussere Faetoren aufgezwungen und sind — wenn sie auch bei höheren - Thieren zum Bewusstsein kommen mögen — doch von diesen zunächst unabhängig, und als solche verdienen sie wohl am besten den Namen Reflexbewegungen. So hat auch Verworn?) die Reizerscheinungen bezeichnet, welche er und viele vor ihm an den Protisten beobachteten. Man wird dieser Auffassung auch dann zustimmen können, wenn man nicht mit dem genannten Autor annehmen will, dass diese Vorgänge primitive psychische Processe darstellen. Wäre das der Fall, so müsste man auch den höheren Pflanzen auf Grund ihrer Reizbarkeit eine Psyche zuerkennen. Dazu nöthigen aber die vorliegenden Be- obachtungen kaum, selbst, wenn man den Begriff der Psyche in dem 1) Bot. Zeit. 1889. 2) Max Verworn, Psychophysiologische Protistenstudien. Jena 1889. B68 erweiterten Sinne fast, in welchem Verworn ihn aufgefasst wissen möchte. Mag dem sein wie ihm wolle, so viel scheint mir festzustehen, dass das Empfindungsvermögen bei Thieren und Pflanzen auf derselben Basis ruht. Ist das aber der Fall, so müssen auch die allgemeinen Gesetze, welchen das Empfinden unterworfen ist, die gleichen sein, es muss das psychophysische oder Weber’sche Gesetz, welches besagt, dass die Em- pfindung wächst proportional dem Logaritlimus des Reizes überall, wo es sich um Empfindungen handelt, seine Giltigkeit bewahren. Nachdem es zunächst für menschliche Empfindungen aufgestellt und erwiesen war, hat Pfeffer?) die gleichen Beziehungen zwischen Reiz und Reaction an den chemotaktischen Organismen erkannt. Dass es auch für andere Reizerscheinungen sich bewahrheiten wird, bezweifle ich um so weniger, als ich nach den Resultaten meiner Versuche die Giltigkeit des Ge- setzes auch für die photometrischen Bewegungen für zweifellos halte. Den völlig exacten Beweis hoffe ich demnächst liefern zu können, verzichte daher hier auf Widergabe einiger Thatsachen, die für das eben Gesagte sprechen. Nicht unterlassen möchte ich es, hier noch auf einen Punkt hin- zuweisen; es betrifft die Reizerscheinungen im Allgemeinen. Pfeffer?) hat als Reiz „auslösende Wirkungen auf den und in den Organismen“ definirt und auch Sachs hat in seinen Vorlesungen sich an einen ähnlichen Gedankengang gehalten. Letzterer hat die Sache so dar- gestellt, als ob die Pflanze sich in einem labilen Gleichgewicht befände, welches durch den Reiz gestört würde. Gegen die Erörterungen ge- nannter Autoren ist nicht das Goringste einzuwenden, soweit sie sich auf Mimosa und ähnliche Fälle beziehen. Dagegen glaube ich aber betonen zu müssen, dass die photometrischen Bewegungen und ana- loge Fälle etwas anders beurtheilt werden müssen. Berücksichtigen ' wir z. B. die Bewegungen von Volvox, von Mesocarpusplatten und Blättern, so ergibt sich leicht, dass hier die Lichtintensität nicht bloss die Bewegung auslöst, sondern dass auch dieselbe Lichtintensität wieder die Bewegung sistirt, nämlich dann, wenn sich das Blatt ete. auf eine ganz bestimmte Helligkeit einstellt. Man wird also hier die Reizerscheinung etwas anders auffassen müssen als bei Mimosa, und es dürfte der Reiz nicht als ein einfacher Auslösungsprocess, sondern vielmehr als ein äusserer Factor erkannt werden, welcher ganz allgemein den Gang gewisser Bewegungen vom Anfang bis zum Ende beeinflusst. Due 2) Locomot. Richtungsbewegungen. Tübinger Arh. LI 8.473, Beitrag zur Morphologie und Entwickelungsgeschichte der Stärkekörner von Pellionia Daveauana. Von Arnold Dodel. Hierzu Doppeltafel V u. VL Schon vor mehreren Jahren entdeckte ich gelegentlich einer Vor- untersuchung mikroskopischen Demonstrationsmateriales in den saftigen Stengeln von Pellionia Daveauana so auffallend schön entwickelte Stärkebildner von lebhaft grüner Farbe, dass ich seither immer wieder für die mikroskopischen Uebungskurse auf jene Pflanze griff und in diversen Jahrgängen meine eigenen Untersuchungen an derselben weiterführte. Vor fünf Jahren fertigte ich dann eine grosse Tafel für die Vorlesung an, worauf ich die hauptsächlichsten Entwicklungs- erscheinungen der Stärkebildner und der Stärkekörner genannter Pflanze in anschaulichen Figuren illustrirte. Nachdem ich mich allseitig in der einschlägigen Litteratur umgesehen, gelangte ich zu der Einsicht, dass die grünen, frischen Stengel von Pellionia Daveauana ganz ent- schieden die günstigsten Objecte für das Studium der Stärke- körner und der Stärkebildner abgeben und alle bis jetzt bekannt ge- wordenen und zum gleichen Zwecke empfohlenen Gegenstände an Ausgiebigkeit lehrreicher Erscheinungen überragen. Da diese Pflanze — zu den Urticeen Ostasiens gehörend — im Warmhaus eines jeden botanischen Gartens sich leicht einbürgern lässt (im botanischen Garten ' “zu Zürich wuchert sie an diversen Stellen des Örchideenhauses) — und da sie als perennirende Kriechpflanze während des ganzen Jahres das für unsere Zwecke nothwendige Material in Masse abgeben kann: so verdient sie in hohem Grade zunächst die Aufmerksamkeit aller jener Botaniker, welche mikroskopische Uebungs- und Demonstrations- kurse zu leiten haben. Die Stärkekörner und Stärkebildner von Pellionia Daveauana haben aber auch noch ein allgemein morpho- logisches und physiologisches Interesse: sie scheinen in hohem Grade. Flora 1892, 18 268 geeignet zu sein, uns bei weitergehenden Untersuchungen endlich der Lösung jener Hauptfrage, ob die Stärkekörner durch Intussus- ception oder aber durch Apposition wachsen, nahe zu bringen. Ich habe beim Studium dieser Objecte, mit dem ich mich diesen Herbst (1891) zum letzten Mal längere Zeit abgegeben habe, die Ueber- zeugung gewonnen, dass die Stärkekörner im Stengel von Pellionia ganz entschieden durch Apposition wachsen. Anders sind die Entwickelungserscheinungen gar nicht zu verstehen, wie wir dieselben in den beiden, diesem Aufsatz beigegebenen Tafeln mit peinlichster ‘ Sorgfalt: dargestellt sehen. Es ist kaum zu zweifeln, dass selbst der geniale Urheber der Intussusceptionstheorie angesichts der fraglichen Objecte die Wahrscheinlichkeit der Apposition zugeben würde. Die angeführten Thatsachen mögen entschuldigen, dass ich es wage, zur Illustration dieser kleinen Abhandlung sogar eine Doppel- tafel zu beanspruchen. Gute Abbildungen sind ja zumeist lehrreicher, als lange Texte. In Folgendem werde ich mich darauf beschränken, nur das wesentlichste der sichtbaren Erscheinungen herauszuheben und die daraus zu ziehenden Schlüsse bloss nur anzudeuten. Der Stengel unserer Pflanze ist schlank, ohne secundäres Dicken- wachsthum, alternirend beblättert (die Blätter beinahe stiellos, also fast sitzend und zweizeilig angeordnet) und weil kriechend und dicht der Unterlage aufliegend, in älteren Internodien bewurzelt und im Ganzen spärlich verzweigt. Der Öuerdurchmesser eines ausgewachsenen Internodiums beträgt 3— 4 mm. Während die hinteren, alten Stengel- theile nach völliger Entstärkung absterben, werden die vorderen, jüngeren Theile und Zweige selbständig. Dichte, wulstige Rasen dieser Pflanze bedecken die Unterlage vollständig und es bilden die wirr durcheinander gewirkten Stengeltheile mit den jüngeren und älteren Zweigen derart ein chaotisches Durcheinander, dass es schwer hält, längere Stengel- oder Zweigstücke unversehrt herauszulösen, um so mehr, als die Verholzung der Stengelgewebe eine minime und das ganze Organ sehr brüchig ist. Der Stengelquerschnitt durch ein oberes, noch ganz junges Inter- nodium zeigt im parenchymatischen Grundgewebe, das nur einige wenige, in einen Kreis geordnete, aber von einander völlig getrennt bleibende Fibrovasalbündel einschliesst, zahlreiche Stärkekörner meist mit anhängenden Chloroplasten verschiedener Gestalt und diverser Grösse. Ganz in der Nähe der Fibrovasalbündel und im ganzen Mark- körper sind diese Stärkekörner am schönsten und gleichartigsten ent- wickelt, während gegen die Peripherie des Querschnittes hin die Grösse 269 der Stärkekörner, wie auch die Grösse der Chloroplasten rasch ab- nimmt. Ich habe in Taf. V. Fig. 1—39 aus einem Längsschnitt in der Nähe der Stengelspitze die hauptsächlichsten Formen von Stärke- körnern und jungen Chloroplasten dargestellt. Fig. 40 — 70 zeigen die etwas weiter gediehenen Stärkekörner auf dem (zähflüssigen, fadenziehenden Schleim führenden) Querschnitt eines kräftig ent- wickelten Internodiums. Manche dieser Stärkekörner haben schon eine ansehnliche Grösse erreicht (Fig. 55, 56, 57, 60, 61, 62 und 63), wie eine Vergleiehbung mit dem bei Korn 45 liegenden Zellkern N lehrt. Fig. 78 — 107 illustriren ganz ausgewachsene Stärkekörner aus dem mit Pikronigrosin behandelten Querschnitt eines völlig entwickelten, kräftigen Internodiums. Die Körner 90— 94 und 102 — 107 liegen in den zugehörenden Mutterzellen. Bei manchen Stärkekörnern dieser Gruppe (88 —107) sind die grünen Plasmakörper durch die Präparation verloren gegangen. Der zähe fadenziehende Schleim frischer Quer- oder Längsschnitte ist für die Untersuchung dieser Objecte an frischem Material insofern günstig, als die den Stärkekörnern anhaftenden Chloro- plasten meistens von diesem zähflüssigen Schleim umspühlt bleiben, selbst wenn die Schnitte Stunden lang in Wasser unter Deckglas liegen. Die Objecte degeneriren also nicht so leicht, sondern bleiben wohl im frischen Präparat noch Stunden lang am Leben, nachdem sie unter das Mikroskop gebracht wurden. Dagegen ist derselbe zähflüssige Schleim ein widerwärtiges Hemmniss bei Anwendung von gelösten Farbstoffen oder andern Agentien. Müssen die Schnitte oft hin- und hergezerrt werden, so findet man häufig fast alle Chloroplastenkörper von ihren Stärkekörnern abgelöst, wie dies in den letztangeführten Figuren der Fall. In alten z. Th. schon entblätterten Stengelstücken findet man nebst den gewöhnlichen Stärkekorntypen oft ganz abenteuerliche Gestalten, wie in der Gruppe 108— 124, wo No. 120 geradezu ein Monstrum von Gestalt und Grösse darstellt. In alternden, bewurzelten Stengeltheilen, deren Blätter schon längst ihre Functionen eingestellt haben und verschwunden sind, findet man auch alle Auflösungsstadien der Stärkekörmer. Zur vor- läufigen Orientirung vergleiche man die in Fig. 125 — 144 darge- stellten primären Abschmelzungsstadien mit den weitergeschrittenen Auflösungserscheinungen, wie sie in Fig. 145 — 173 zur Anschauung gebracht sind. Die Form der Stärkekörner im Stengel von Pellionia variirt 18* 270 beträchtlich und ist in den verschiedenen Altern der Kömer sehr ver- schieden: Alle Stärkekörner beginnen als kleine Kugeln, die ent- weder mitten im kugeligen oder ovoiden Chloroplasten, oder in letzterem excentrisch, oft zu zwei oder mehreren unter der Peripherie des grünen Plasmakornes auftreten. Vgl. Fig. 2, 3, 4, 7, 9, 11 mit Fig. 30, 31, 32, 33, 35 und 35a. Sobald die Stärkekörner aber jene Grösse erreicht haben, welche das Platzen des grünen Stärkebildners veranlasst, verändert sich die Form des kugeligen Stärkekornes; letzteres beginnt nun ein vor- wiegend einseitiges Wachsthum in dem Sinne, dass es auf der dem Chloroplasten anliegenden Seite den hauptsächlichsten Zuwachs erhält, indess der freiliegende, nicht von grüner Plasmaschicht bedeckte Theil langsamer und später gar nicht mehr wächst. Die vorher kugeligen Stärkekörner werden alsbald eiförmig (Fig. 45, 46, 49, 51, 52,53), oft auch bolhnenförmig (Fig. 57, 60), später diek keulen- förmig (Fig. 90—107) und manche von ihnen nehmen im weiteren Verlauf oft ganz abenteuerliche Gestalt an: Schinkenform (Fig. 61, 91, 100, 107, 118), Cylindergestalt mit unregelmässigen Krümmungen, Stiefelform und warzige Kartoffelknollengestalt. Alle diese di- versen Gestalten erscheinen als Resultat des Wachs- thums durch Apposition. Beim Durchmustern eines jüngeren, aber kräftig entwickelten Stengelquerschnittes kann dem Beobachter nicht entgehen, dass eine Wechselbeziehung zwischen Form und Gestalt des wachsenden Stärkekornes einerseits und derArt der Anlagerung des grünen Stärkebildners anderseits existirt und dass bei monströsen Stärkekörnern die Form des Ganzen bedingt wird durch die Anzahl und durch die Grösse der dem Stärkekorn anhaftenden Chloroplasten. Nägeli hatin seiner akademischen Abhandlung gegen Schimper’s bekannte Arbeit aus dem Jahr 1881 die Function der „Stärkebildner“ noch als „ziemlich problematisch“ bezeichnet und die Annahme, dass die Stärkekörner vom Stärkebildner aus neue Schichten aufgelagert bekommen, energisch von der Hand gewiesen: „Wäre es der Fall, so müsste zwischen der Gestalt des Stärkebildners und der Gestalt der Stärkekörner, inbegriffen den Bau derselben, eine bestimmte Be- ziehung bestehen. Es müsste die Gestalt des -Kornes eine andere sein, je nachdem sein Bildner klein und rundlich, oder grösser und scheibenförmig, oder stäbehenförmig ist. Man könnte selbst die Gestalt des Stärkekornes geometrisch construiren, die aus einem Stärkebildner von bestimmter Form unter der Voraussetzung 271 entstände, dass das Wachsthum an der Anheftungsstelle am inten- sivsten sei und von da allmählich abnehme. Gehen wir umgekehrt von dem Stärkekorn aus, so würde dieses eine andere Gestalt seines Bildners erwarten lassen, je nachdem dasselbe eylindrisch ist oder kegelförmig mit kreisförmigem Querschnitt und mit dem Kern im dünnen Ende, oder zusammengedrückt mit dem Kern im schmalen Ende, oder keilförmig mit verdicktem schmalem Kernende nnd breitem kanten- förmigem hinteren Ende“ (8. 426 des Separatabdr. von Nägeli, Ueber das Wachsthum der Stärkekörner durch Intussusception). Nägeli verneinte damals, dass diese Wechselbeziehungen zwischen Stärkebildner und Stärkekornform existire. Seither sind jedoch zahl- rciche Beweise trotzdem für jene Wechselbeziehung erbracht wurden. Und was Nägeli in den eben angeführten Worten gefordert hat, das ist just beigebracht worden. Der vorliegende Fall bei Pellionia könnte im Sinne der Nägeli’schen Forderungen nicht günstiger ge- dacht werden. ' Die Stärkebildner im Stengel von Pellionia Daveauana sind ganz regelrecht entwickelte Chlorophylikörner von ursprünglich kuge- liger oder ovoider Gestalt (vgl. Fig. 1, 2, 7, 40). Die massen- haft auftretende Stärke in den Stengeln dieser Pflanze kann nur zum kleinsten Theil als Assimilationsprodukt der Chloroplasten des Stengels betrachtet werden, sie ist vielmehr zum grössten Theil als Assimilations- produkt der grünen Laubblätter, als „gewanderte* und hier in den Chloroplasten des Stengels wieder abgelagerte Reservesubstanz, als Depötstärke zu betrachten. Wir haben es hier also mit Chloroplasten zu thun, die, wie Schimper inanderen Fällen gezeigt hat, zweierlei Fune- tionen zugleich dienen: cinmal der Assimilation und sodann der Stärke- bildung aus gewanderten, anderswo erzeugten Assimilationsprodukten. Das im Innern eines Chloroplasten des Pellioniastengels (central oder excentrisch auftretende) Stärkekorn wächst alsbald so stark, dass der Chloroplast zersprengt wird und das kugelige Stärkekorn an einer Seite aus dem klaffenden Riss des nun kappenförmig gewor- denen Stärkebildners herausschaut (Fig. 4, 5, 6, 8, 9, 11, 12, 14, 17, 18, 19, 23, 24, 26, 27, 40, 41, 50, 52, 64). Nicht selten treten an zwei oder mehr Stellen zu gleicher Zeit kugelige Stärkekörner aus dem Innern des Öhloroplasten heraus (Fig. 30, 31, 32, 35, 35a, 36). Dann resultiren zusammenge- setzte Stärkekörner, welche einen gemeinsamen Ernährer, einen plattenförmigen Chloroplast an sich haften haben (Fig. 36, 110, 111, 112, 115, 117, 119, 134, 135, 136, 137, 189). 272 Die weiterwachsenden Stärkekörner bleiben mit dem zerissenen, kappenförmigen Chloroplasten in innigem Zusammenhang und. wachsen nun am intensivsten dort, wo die Kappe des grünen Stärke- bildners am mächtigsten ist, d. h. dort, wo der geometrische Mittel- punkt des kappenförmigen Plasmakörpers liegt. Es ist indessen her- vorzuheben, dass diese mächtigste Partie des Chloroplasten sich oft weit hinaus gegen den blassgrünen Rand der Kappe erstreckt, so dass letztere oft nur wie eine flach gewölbte breite Platte mit schmalen dünnem Saum erscheint. Dieser Saum selbst ist oft gefranst und “läuft so zart in den farblosen Theil der nächsten Umgebung aus, dass man kaum mehr eine scharfe Grenze erkennen kann. Bei den noch nicht ganz ausgewachsenen Stärkekörnern enthält der lebhaft grüne Stärkebildner in seiner mittlern, mächtigsten Partie oft einen anscheinend kugeligen, farblosen Körper, über dessen Natur ich nichts mitzutheilen habe (Fig. 50, 60, 61). Oft sind sogar zwei oder mehrere solcher farbloser Körper im Chloroplasten vorhanden (Fig. 109, 128). Im Vebrigen erscheint der kappenförmige grüne Stärkebildner homogen. Er dürfte indess ein geeignetes Object zur Untersuchung von Stroma und Grana (Schimper) abgeben, da er an seinem dünnen Rande in eine so feine Schicht ausläuft, dass dort Stroma und Grana wohl leicht von einander zu unterscheiden sein dürften. Die Frage, ob das Stärkekorn von Pellionia nur vom anhängenden Chloroplast ernährt werde oder nicht, veranlasste mich zur Untersuchung dieser Gebilde auf eine allfällig vorhandene, continuirliche Plasma- hülle. Die Resultate dieser Untersuchung sind in den Figuren 71—87 graphisch zur Anschauung gebracht: es sind halberwachsene Stärke- körner aus einem Stengelquerschnitt von Aleoholmaterial. Dieses Stengelstück hatte durclı mehrmonatliches Liegen in absolutem Alcohol durchaus ganz entfärbte Stärkebildner. Die Querschnitte wurden in destill. Wasser ausgewaschen, dann in sehr verdünnte, wässerige Methyl- violettlösung gebracht und nach etlichen Stunden untersucht. Bei denkbar günstigster Beleuchtung und mit Zuhilfenahme des Apochro- mat 0,4 (Zeiss) gelang es mir, ausserhalb der stark gefärbten Chloro- plasten noeh weit ausgebreitete Plasmahäutchen auf der Oberfläche der Stärkekörner zu sehen (Fig. 73, 75, 76, 81, 83, 85, 87). Diese und andere — hier wegen Platzmangel nicht widerge- gebene — Figuren aus dem Methylviolettpräparat zeigen, dass junge bis halberwachsene Stärkekörner im Stengel von Pellionia neben dem kappenförmigen Chloroplasten an ihrer Oberfläche noch von einer 273 unmessbar feinen Schichte farblosen Plasmas umgeben sind, während an ganz grossen, völlig ausgewachsenen Stärkekörnern diese continuirliche Plasmahaut zu fehlen scheint. Ich lasse die Frage jedoch offen, ob die Stärkekörner während ihrer ganzen Entwickelungszeit bis zum völligen Auflösen ihres Körpers ringsum von einer Schicht lebendigen Plasmas ein- gehüllt bleiben. Die Abschmelzungserscheinungen, von denen ich unten reden werde, machen diese Annahme in bejahendem Sinne fast nothwendig. Häufig heobachtet man halberwachsene und bis zur Maximalgrösse herangebildete Stärkekörner verschiedener Gestalt, welche zwei oder mehr lebendige Ohloroplasten führen (Fig. 118, 120, 121, 128, 141, 142, 153). Für diese Erscheinung sind zum vornherein zwei Er- klärungen möglich: Es wäre denkar, dass zwei oder mehrere ur- sprünglich getrennte, selbständige Chloroplasten im Verlauf der Ent- wickelung eines Stärkekornes zu gemeinsamer Arbeit zusammentreten, wie für ähnliche Fälle Schimper die Annahme ausgesprochen hat. Wenn wir jedoch die Art und Weise des Aufplatzens der ursprünglich kugeligen oder ovoiden jungen Chloroplasten beim Weiterwachsen ganz junger Stärkekörner (Fig. 1—70), wenn wir die verschiedenartigen dabei zu Tage tretenden Formen der Chloroplastenkappen, der grünen schildföürmigen oder gürtelförmigen (Fig. 109, 110, 117, 119) Plasmaplatten mit in Betracht ziehen und deren vielge- staltige Zwischenformen wohl beachten, so kommen wir zur zweiten Annahme, dass die Mehrheit der einem Stärkekorn anhaftenden Chloroplasten auf die Zweitheilung eines ursprünglich einzigen grünen Stärkebildners zurückzuführen ist. Es kommt nämlich vor, dass ein im Centrum eines kugeligen Chloroplasten entstehendes Stärke- korn bei allseitig gleichartigem Wachsthum schliesslich die ganze Masse des kugeligen Stärkebildners durch einen ringförmigen Riss in zwei fast gleichgrosse oder ganz gleichgrosse Kappen zersprengt, welch letztere dann erst nur noch an einer kleinen Stelle in Zusammenhang bleiben, wobei aber beide Kappen mit ihren concaven Innenflächen der gewölbten Oberfläche des wachsenden Stärkekornes aufliegen bleiben und nach und nach beim Weiterwachsen des Stärkekornes aus einander gedrängt werden. Ueberdies lelırt ein Blick auf die ver- schiedenen Entwickelungsformen der lebendigen grünen Stärkebildner in den uns: vorliegenden Figuren 1—70 und 108— 175, die alle in derselben Vergrösserung hergestellt wurden, dass die Chloroplasten- kappen, die grünen Schilder, Gürtel und Platten der Stärkebildner unverkennbar mit Wachsthum begabt sind, dass siefortwährend an Masse zunehmen, so lange das Stärkekorn wächst, 274 Diese grünen Stärkebildner im Pellioniastengel verhalten sieh ähnlich, wie die typischen Chlorophylikörner, welche ja ebenfalls Wachsthum und Fortpflanzung durch Zweitheilung zeigen. Je mehr diese Stärke- körner wachsen, desto mehr nimmt auch die Flächenausdehnung der Stärkebildner zu. Erscheinungen von unverkennbarer Zweitheilung des stärkebildenden Chloroplasten sind bei halb- und fast ganz ausge- wachsenen Körnern gar nicht selten anzutreffen. Mit der Zweitheilung des Stärkebildners ist dann auch eine monströse Weiterentwickelung des Stärkekornes ein- geleitet. Wenn das halb oder ganz erwachsene Stärkekorn des Pellionia- stengels nur einen Ühloroplasten besitzt, so erscheint derselbe in den meisten Fällen als mehr oder weniger grosse, grüne Kappe, welche demjenigen Pol des ovoiden oder keuligen oder cylindrischen Stärkckornes anhaftet, der dem Kernende mit dem Schichteneentrun gegenüber liegt. Das Korn wächst dann nur noch an jenem einen Pol. — Sobald aber eine Zweitheilung des Chloroplasten stattgefunden hat, so beginnt die Zeit des weiferen Zuwachsens an zwei Stellen der Oberfläche des Kornes; jeder Chloroplast repräsentirt eben den Bildungsheerd neuer Theile, welche an die schon vorhandenen von Seiten des grünen Stärkebildners angelagert werden. Es bilden sich unterjeder Öhloroplastenkappe oder grünen Platte neue Stärkemassen, die den älteren in Gestalt von Warzen, Mügeln, hornartigen Auswüchsen u. dgl. mehr angelagert werden. Die diesbezüglichen Erscheinungen sind so vielgestaltig, dass sic in Worten kaum werden erschöpfend behandelt werden können. Ich ver- weise daher auf die mit dem Prisma angefertigten, genauen Figuren, namentlich auf Fig. 92 —124. Das in Fig. 120 dargestellte, einer warzenbedeckten Kartoffel ähnlich sehende Stärkekorn besitzt sogar drei Chloroplasten und besass deren gewiss mehrere, wie aus seiner Configuration errathen werden muss. Auf den der Beobachtung zu- gänglichen Seiten dieses Stärkekornes finden sich nicht weniger als zehn warzenförmige Zuwachspartien, deren jede einst von einem Chloro- plast bedeckt gewesen sein muss. Dieses Korn besass in Wirklich- keit eine Ausdehnung von 103!/, Mikromillimeter im grössten Durchmesser und seine Entwickelungsgeschiehte ist unschwer aus seiner Gestalt und aus dem Verlauf der Schichtensysteme zu erkennen, ganz so, wie es Nägeli als Gegner der Appositionstheorie von dem Wiederbe- gründer der letzteren gefordert hat, Aus der Gestalt der Stärkekörner, aus dem Schichtenverlauf der- 275 selben und aus der jeweiligen Lage des oder der anhaftenden Chloro- plasten ergibt sich bei Pellionia weiterhin mit Evidenz, dass die grünenStärkebildner währenddesWachsensderStärke- körner an der Oberfläche der letzteren häufig ihren Ort wechseln. Dass sie aus ihrer ursprünglichen Lage fortwährend verschoben werden müssen, liegt auf der Hand. Dass sie häufig scheinbar — aber auch nur scheinbar — ihren Ort lange Zeit beibehalten, ist in allen jenen Fällen Thatsache, wo sie constant an dem Pol haften, welcher dem Kernende gegenüber liegt. Nicht selten , treffen wir aber im. Stengelquerschnitt von Pellionia grosse Stärke- körner, wo die Chloroplasten von dem ihnen typisch zukommenden Anheftungsort verschoben erscheinen, entweder auf die eine oder andere Stelle der TLängsseite, oder gar in eine Vertiefung an der Oberfläche des Kornes — ja sogar verschoben an den Kernpol, wo sie doch regelrechterweise gar nicht vorkommen sollten. Ein Blick auf den Schichtenverlauf und auf die allfällig vorhandenen Uncben- heiten der Stärkekornoberfläche belehrt aber alsbald darüber, welchen Weg der Stärkebildner bei der Verschiebung eingeschlagen hat. Und nichts ist leichter als aus all diesen Erscheinungen ein Bild davon zu gewinnen, wo und wie lange der grüne Stärkebildner vor Beginn seiner Wanderung zuletzt gelegen, und welchen Weg er zuerst ein- geschlagen und welche allfällige längere oder kürzere Aufenthalte er auf seiner Wanderschaft gemacht hat. Ueberall dort, wo ein grüner Stärkebildner längere Zeit an der Oberfläche eines wachsenden Kornes gehaftet hat, finden wir warzenförmige oder kugelige Erhöhungen, grosse bei längerem Aufenthalt, kleinere bei kürzerem Aufenthalt des Stärkebildners. Die Wanderung des grünen Stärkebildners längs der Oberfläche eines Stärkekornes ist wahrscheinlich nicht eine active, sondern eine passive. Im Anfang, wenn die Stärkekörner einer Zelle noch jung, zumeist kugelig sind, haben sie im Innern der Parenchymzelle reichlich Platz genug und berühren sie sich nicht oder nur in seltenen Fällen. Die Parenchymzelle wächst aber in der Folge nicht in dem Maass, wie die von ihr beherbergten Sfärkekörner. Letztere kommen ılaher beim weiteren Wachsen häufig mit einander in Berührung (man vgl. die Zelle mit den Körnern 64— 70 und die beiden Zellen mit den Körnern 91—107). Die auf einander stossenden gross gewordenen Stärkekörner werden daher in manchen Fällen bei fortgesetztem Wachs- thum sich drücken, resp. reiben. Es ist leicht ersichtlich, dass un- schwer eine Verschiebung der grünen Plasmakappen hiebei stattfinden 276 wird und dass letztere oft in ältere Vertiefungen oder gar an das zuerst entstandene Kernende gerathen können, wohin sie eigentlich im Sinne ihrer Entwickelungsgeschichte gar nicht gehören. Ebenso leicht ist einzusehen, dass bei solchen Vorgängen gelegentlich eine grosse Plasmakappe mechanisch, also passiv, in zwei Stärkebildner getheilt werden kann, wie denn wohl auch sehr häufig der gross ge- wordene Stärkebildner anscheinend durch sein eigenes Produkt, d. h. durch die sich mehr und mehr ausdehnende Stärkekornmasse passiv gedehnt und schliesslich in zwei oder gar drei und mehr Theile ge- trennt wird (vgl. Fig. 35a mit Fig. 120 und 142). Die Schichtung der Stärkekörner von Pellionia wird erst relativ spät wahrnehmbar. Die jungen Körner, so lange sie noch kugelig oder schwach ovoid erscheinen, zeigen noch keine Schichtung, sondern erscheinen homogen (vgl. Fig. 1— 70). An alten, ausgewachsenen Stärkekörnern sind die Schichten ohne alle Anwendung von Rea- genzien meist deutlich zu sehen, zumal auf halber Länge des keuligen oder walzenförmigen Kornes. Recht deutlich und zahlreich erscheinen die Schichten nach Zusatz von Pikrinsäure, selbstverständlich auch in Schnitten, die mit Pikronigrosin gefärbt wurden, wie dies bei dem durch "Fig. 90—107 illustrirten Präparat geschehen ist. Auffallend ist der Umstand, dass derjenige Theil des Kernendes, welcher dem jungen Korn im kugeligen Zustand entspricht, ungeschichtet erscheint (also der älteste Theil), ähnlich demjenigen Theil, der zu allerletzt gebildet wurde und daher noch mehr oder weniger vom grünen Stärkebildner bedeckt erscheint. Alle meine Figuren, die ich am Prisma mit peinlichster Genauig- keit nach ihrem Schichtenverlauf naturgetreu herzustellen bemüht war, weisen darauf hin, dass bei langgestreckten Stärkekörnern von Pellionia die vielen Schichten im mittleren Theil durchaus kappen- artig über cinander liegen und keine einzige dieser Schichten conti- nuirlich über den Stärkekern verläuft. Sie haben durchaus die Ge- stalt des jeweilen, bei der Bildung und Ablagerung ihrer Substanz vorhanden gewesenen kappen- oder plattenförmigen Stärkebildners. Ganz auffallende Erscheinungen sind mit der in der lebenden Pflanze statthabenden Auflösung der Stärkekörner von Pellionja verbunden. . In ganz alten, bald dem Absterben verfallenden Stengeltheilen, die in dieser Zeit gewöhnlich schon alle Blätter verloren haben, kann man leicht alle Auflösungsstadien in wenigen Zellen aus Schnitten diverser benachbarter Internodien antreffen, 277 Das Auflösen alter Stärkekörner im Stengel von Pellionia ist sichtlich ein Abschmelzungs-Vorgang mit Formveränderungen, die unwillkürlich an diejenigen Gestaltsveränderungen erinnern, welche wir bei eintretendem Thauwetter an dieken Eiszapfen wahrnehmen, die frei von den Dächern herunterhängen und schliesslich als spitze Nadeln oder griffelartige Stäbchen im letzten Stadium des Schmelzens zu Boden fallen. Der Auflösungsprocess beginnt an der ganzen Oberfläche der vielgestaltigen Körner, also auch an jenen Stellen, welche vom grünen Stärkebildner mit kappenartig oder plattenföormigem Proto- plasma bedeckt sind, und er schreitet gleichmässig mit entsprechenden Niveauveränderungen der Oberfläche immer weiter, bis vom ursprünglich walzenförmigen Stärkekorn nur noch eine dünne Nadel (Fig. 149, 153a), vom schinkenförmigen, diekkeuligen Korn nur noch ein dünnes knochen- artiges Stück oder eine kleine Keule mit nadelartigem Anhang und vom eiförmigen Stärkekorn nur noch ein kleines Zäpfchen übrig bleibt, bis auch diese letzten Reste schmelzend verschwinden und nur noch dengrünen Stärkebildnerin Gestalteines kugeligen oder eiförmigen Chlorophylikornes zurücklassen (vgl. Fig. 156, 157, 159, 161, 162, 169, 171, 172, 173). Die’ stärkebildenden Chloroplasten bleiben während des ganzen Abschmelzungsprocesses der Stärkekörner den letzteren dicht an- haften, müssen also Hand in Hand mit den Formveränderungen des Stärkekornes fortwährend ebenfalls ihre Form modifieiren. Stärke- bildner von ursprünglich flacher Kappengestalt nehmen unter Um- ständen scharf zugespitzte Hohlkegelgestalt (Nachtmützenform) an — Fig. 149 —, oder sie werden zu grünen Gürteln oder zierlichen Kapuzen (Fig. 164, 165, 149, 150), die sich im letzten Auflösungs- stadium des umklammerten Stärkekornes vollständig zusammenschliessen zu einem hohlkugeligen Körper, der dann noch einige Zeit den letzten Rest des Stärkekornes umschliesst und somit wieder bei jener Gestalt anlangt, die der grüne Stärkebildner im Anfang seiner Produktion zeigte (Fig. 169 — 171). Dabei trifft man gar nicht selten Abschmelzungsstadien älterer Stärkekörner, an denen die Chloroplasten ersichtlich ihre Thätigkeit wieder aufgenommen haben, nachdem schon ein grosser Theil des alten Kornes allseitig durch Abschmelzen an Masse eingebüsst hat. Man kann hier also von intermittirender Thätigkeit des Stärkebildners reden. Fig. 125 — 144 zeigen die ersten Ab- schmelzungsstadien erwachsener Stärkekörner mit solchen intermittirend 278 schaffenden Chloroplasten. Da sehen wir dann auf demselben alten Stengelquerschnitt Hunderte von theilweise abgeschmolzenen Stärke- körnern, an deren redueirter Oberfläche durch die wiedererwachte Thätigkeit des Stärkebildners neue Theile in Gestalt von Hügeln, Warzen, Kegeln u. s. w. aufgelagert erscheinen (Fig. 128, 137, 140, 144, 174, 175). Der Schichtenverlauf im alten, theilweise geschmolzenen Theil eines solchen Kornes und die Lage des zugehörigen Chloro- plasten, verbunden mit der Configuration der Ansatzstelle des neuen, zugewachsenen Theiles — alle diese Momente zusammengenommen, belehren alsbald darüber, dass wir es mit alten und mit neuen Theilen eines und desselben Kornes zu thun haben, welches in seinem Schicksalsgang bereits eine Periode der Auflösung oder unter Um- ständen sogar mehrere solcher Perioden zu verzeichnen hat. Ich habe bei meiner Untersuchung eine grosse Zahl solcher Produkte intermittirender Thätigkeit von Stärkebildnern beobachtet und gezeichnet, und ieh glaube, dass cs keine sprechenderen Belege für die Appositions- theorie des Wachsens der Stärkekörmer geben kann, als es diese Amylumsonderlinge von Pellionia sind. Noch sei erwähnt, dass ich unter zahllosen Stärkekörnern mit Abschmelzungserscheinungen nur zwei Mal je einem Korn begegnet bin, welches nebst den Anzeichen von Auflösung mittels Abschmelzens auch Kanalbildung zeigte: es sind die beiden in Fig. 145 und 146 (dargestellten Körner, jenes mit verzweigten Porenkanälen, dieses mit einer bohrlochartigen Vertiefung am breiteren und dickeren Theil. Die Auflösung der Pollioniastärke findet ohne Zweifel durch die Einwirkung des als Diastase bezeichneten Fermentes statt. Krabbe hat in seiner Untersuchung über das Diastaseferment (in Pringsh. Jahrb. f. w. Botanik Band XXI) eine Anzahl von Experimenten mit- getheilt, welche darauf hindeuten, dass Diastase nicht durch geschlossene vegetabilische Membranen hindurchwandern kann, ebenso wenig als Diastase im Stande ist, Stärkekörner auszulaugen. Der genannte Autor hält dafür, dass die Diastase ein Colloidkörper sei, dessen Moleküle zu grösseren Verbänden (Micellen) derart vereinigt sind, dass von einem Durchgang derselben durch die intermicellaren Inter- stitien der Stärke und der Cellulose keine Rede sein könne. — Eine gelegentliche Beobachtung bei Pellionia scheint diese Annahme ceben- falls zu bestätigen und könnte wohl als Ausgangspunkt einer Reihe weiterer Experimente dienen. Auf dem Querschnitt durch ein altes, aber immerhin noch lebendiges Stengelstück von Pellionia fand ich die Stärkekörner in den Parenchymzellen von Rinde und Mark zum 379 Theil halb, zum 'Theil fast ganz aufgelöst. Nur in einigen wenigen Zellen der Rinde des Stengels sah ich die Stärkekörner noch in ihrer Maximalgrösse, intakt — und die Zellen daher noch dicht erfüllend. Der Contrast zwischen diesen mit grossen Amylumkörnern vollge- pfropften Zellen einerseits und den rings anliegenden entstärkten Zellen desselben Gewebes anderseits war so frappant, dass er zu genauerer Untersuchung des Falles herausforderte. Es ergab sich, dass diese Sonderlinge von Stengelzellen durch eine Adventivwurzel getödtet wurden, als diese die Parenchymrinde des mütterlichen Organes durchbrach. Es geschah dies offenbar zu einer Zeit, als alle Rinden- parenchymzellen des betreffenden Stengelstückes ihren Maximalgehalt an Stärke besassen. Seit dem Tod jener an die Peripherie der Ad- ventivwurzel grenzenden Stengelzellen wurde offenbar in den benach- barten lebendigen Parenchymzellen des Mutterorganes die Stärke in gewohnter Art aufgelöst, während in den wenigen getödteten Zellen der Auflösungsprocess unterblieb. Hier war das Cytoplasma todt, es waren auch die Stärkebildner abgestorben, farblos; in den todten Zellen wurde also keine Diastase gebildet und weil die ursprünglich vorhandenen Stärkekörner in den todten Zellen unver- ändert blieben, indess die Stärkekörner der unmittelbar angrenzenden lebendigen Zellen sich auflösten, so bleibt kein anderer Schluss übrig, als: Die Diastase, welche in den lebendigen, stärke- führenden Zellen gebildet wird und dort die Amylum- körner auflöst, vermag nicht durch die allseitig ge- schlossene Membran hinüber zu diffundiren in andere Zellen; sie muss also an Ort und Stelle, in jeder Zelle gebildet werden, wo sie Stärkekörner aufzulösen hat. Eine Reihe anderer Fragen, die ich hier nicht berühren konnte, mögen weiter ausgedehnte Untersuchungen beantworten, welche einer meiner Praktikanten begonnen hat und mit der nöthigen Muse dem- nächst zu Ende führen wird. Zürich, 5. Januar 1892. Erklärung der Figuren. Tafel V und VL Zum Zwecke der Vereinfachung der Citate im Text sind die sämmtlichen Stärke- kornfiguren in fortlaufender Nummerreihe bezeichnet worden. Alle Figuren 578 Mal vergrössert. Fig. 1—839. Junge Stärkekörner mit Chloroplasten aus einem Längsschnitt in der Nähe der Stengelspitze. Objecte mit Osmiumsäure fisirt. 280 Fig. Fig. . 40-70. Etwas weiter entwickelte Stärkekörner untermischt mit noch gan jungen — aus einem kräftigen Internodium des beblätterten Sprosses. (Ob- jeete mit Osmiumsäure fixirt.) Die Chloroplastenklappen in schönster Ent- wickelung. Bei X ein Zellkern. . 71—87. Halbausgewachsene Stärkekörner mit den anliegenden Chloroplasten und feinen Plasmahäutchen aus dem Querschnitt eines Stengelstückes, das etliche Monate in absolutem Alkohol gelegen hatte. Die Schnitte wurden mit verdünnter Methylviolettlösung tingirt, wobei die Chloroplasten und die feinen Plasmahäutchen sich intensiv färbten. Zeichnungen nach dem Prisma; Zeiss’scher Apochromat 4,0; Compensationsooular 12. 88—107. Ganz ausgewachsene Stärkekörner aus einem völlig entwickelten, kräftigen Internodium. Die Querschnittemit Pikronigrosin versetzt; Schichtung sehr deutlich. Bei der Präparation verloren manche Stärkekörner die zu- gehörenden Chloroplasten. Vergrösserung mit denselben optischen Hilfs- mitteln wie Fig. 71—87. 108-124. Stärkekörner aus einem sehr alten, blattlosen Internodium. Quer- schnitte mit Osmiumsäure versetzt. In Fig. 120 ein monströses Stärkekorn mit. drei noch anhaftenden Chloroplasten und neun warzenfürmig vorspringen- den Aufsätzen. Lünge dieses Kornes: 1081/, Mikromillimeter. Zeichnungen nach dem Prisma; Zeiss’sche Correction F, Ocular 2, . 125—144. Primäre Abschmelzungsstadien ganz alter Stärkekörner aus einem lebenden, sehr alten, blattlosen Stengelinternodium. Die Chloroplasten oft zu 2, 8 an demselben Stärkekorn haftend, ‚bilden intermittirend neue Stärke- hügel. Objeete mit Osmiumsäüure fixirt. Nach dem Prisma; Apochromat 4,0; Compensationsocular 12. g. 145—178. Weit vorgeschrittene Abschmelzungsstadien der Stärkekörner eines sehr alten, blattlosen, bewurzelten Internodiums, in welchem viele Stärke- körner ganz, andere zur Hälfte, andere zu drei Viertel und andere fast ganz aufgelöst waren. Bei Fig. 145 und 146 Ausnahmsfälle mit Selmelz- kanälen. Objecte mit Osmiumsäure fixir. Nach dem Prisma, Apo- chromat 4,0, ig. 174 und 175. Zwei Stärkekörner, jedes bestehend aus zwei sehr ungleich alten Theilen, deren älterer ohne Chloroplast und stark abgeschmolzen ist, indess der jüngere Theil noch einen thätigen, grünen Stärkebildner trägt. Der- gleichen Fälle waren in demselben Querschnitt durch ein sehr altes Stengel- stück häufige anzutrefien. Öbjeete mit Osmiumsäure fixirt. Ueber die Cultur von Meeresalgen in Aquarien. Von F. Noll. In einer kürzlich erschienenen Schrift „Ueber die Oultur- und Lebensbedingungen der Meeresalgen“!) hat F. Oltmanns in dankens- werther Weise versucht, für die Cultur dieser Pflanzen auf experi- mentellem Wege gewonnene Anhaltspunkte zu geben. Wer einmal selbst in der Lage war, die nach so vielen Richtungen hin hochinteressanten Bewohner des Meeres längere Zeit hindurch in geschlossenen Behältern bei normalem Wuchs erhalten zu wollen, wird die Schwierigkeiten nur zu sehr erfahren haben, denen diese Zuchtversuche so oft begegnen. Für ein erfolgreiches Studium, für eine fortgesetzte Beobachtung ist aber gerade bei den Meeresalgen die Zucht in leicht zugänglichen Behältern durchaus wünschenswerth, ja unumgänglich, weil die Tiefenverhältnisse des Standortes oder selbst bei mehr-oberflächlichem Vorkommen die unberechenbaren Bewegungen des Meeresspiegels die fortlaufende Beobachtung bestimmter, dazu aus- erschener Pflanzen ganz unmöglich machen. Die betreffenden Versuche von Oltmanns ziehen vornehmlich die Einwirkung wechselnden Salzgehaltes, den Einfluss der Beleuchtung und der Temperatur in Betracht. Trotz sorgfältiger Regelung dieser drei Factoren, welche die natürlichen Verhältnisse zum Theil peinlich genau wiedergeben sollten, waren die Erfolge keineswegs ganz be- friedigend und entsprachen nicht den aufgewandten, theilweise recht mühevollen und kostspieligen Anordnungen — ein Zeichen, dass die, wenn auch noch so genaue Berücksichtigung dieser Verhältnisse allein für das vollständige Wohlbefinden der Pflanzen nicht ausreicht. Da ich selbst Meeresalgen lange Zeit hindurch in Aquarien ceul- tivirte und zwar nicht nur an der Meeresküste, sondern auch mitten im deutschen Binnenlande, und nach den ersten Misserfolgen schliess- 1) Pringsheim’s Jahrb. für wiss, Botanik Bd. XXIIT Heft 3 1892. Dort auch einschlägige Litteratur, auf die ich hier nur zum Theil zurückkomme, 98 lich dabei zu recht befriedigenden Firgebnissen gelangt bin, hoffe ich durch folgende Mittheilungen die Bemühungen von Fachgenossen in dieser Richtung etwas fördern zu können. Ich muss dabei von vornherein bemerken, dass es mir bei meinen Culturversuchen vor allem auf eine gute normale Fortentwickelung der Pflanzen selbst ankam, nicht aber auf eine vergleichend-kritische Untersuchung der Öulturmethoden an sich, wie sie sich Oltmanns zur Aufgabe gestellt hatte. Ich kann also nur sagen, dass ich mit der Befolgung gewisser Maassregeln, die sich mir aus Ueberlegungen und Beobachtungen ergaben, gute Erfolge erzielte wie ich sie ohne deren Beachtung nicht gewonnen hatte. Es wäre eine weitere Aufgabe, eingehend zu prüfen, welche die- ser Maassregeln von wesentlicher Bedeutung für das Gedeihen sind und welche andere vielleicht überflüssig waren. Zur Entscheidung dieser Frage können nur eigens angestellte vergleichende Beobach- tungen an reichem Material dienen, wie dasselbe nur an einer Küste zur Verfügung steht. Der Ausfall dieser Entscheidung ist für uns zunächst aber gleichgiltig; es handelt sich vorerst um die Erreichung des wichtigsten Zieles, um die Möglichkeit, Algen im Aquarium über- haupt eimmal für längere Zeit zu züchten und zu gedeihlicher Ent- wiekelung: zu bringen. Die Hauptpunkte, welche mir hierbei in Betracht zu kommen scheinen, sind: cine ausreichende Ernährung, eine angemessene Be- lichtung, Temperatur und Lüftung und vor allem auch Ruhe oder doch eine gewisse Stetigkeit in den gebotenen Verhältnissen. Eine vollkommene, alle nothwendigen Bestandtheile bietende Er- nährung ist natürlich die erste und wichtigste Vorbedingung für das Bestehen und die Weiterentwickelung jedes Organismus. Gerade die vollkommene Ernährung wird aber bei der Cultur von Meeresalgen in Aquarien merkwürdigerweise am meisten ausser Acht gelassen. Man nimmt gewöhnlich an, dass die Pflanze aus dein reichen Salz- gehalt des Meerwassers alle ihre mineralischen Nährstoffe zur Genüge schöpfen könne. Für die offene See ist das auch zutreffend, gilt aber durchaus nicht auch für kleinere Wassermengen, wie sie Aquarien der Pflanze zur Verfügung stellen. Die Analysen des Meerwassers zeigen, dass dasselbe Kali, Natron, Kalk und Magnesia in der Form von Chloriden, Bromiden und Sulfaten seiner Pflanzenwelt im Ueber- - Russ darbietet. Aus den Aschenanalysen und den Wassereulturver- suchen von Land- und Süsswasserpflanzen weiss man aber, dass damit die Reihe der nothwendigsten Nährstoffe keineswegs erschöpft ist, dass 8 vor Allem auch Phosphate und gewisse Stickstoffverbindungen durch- aus zu einer vollständigen Ernährung der Pflanze gehören, da sie zur Bildung des Protoplasmas und der Kernsubstanz unumgänglich nöthig sind. Diese Bedeutung für den Aufbau des Protoplasmakörpers macht die genannten Stoffe aber auch für die Meeresalgen ganz unentbehr- lich.‘) Betrachtet man aber selbst die genauesten Meerwasseranalysen auf den Gehalt an Phosphaten und den nothwendigen Stickstoffver- bindungen, so findet man davon entweder nichts oder höchstens un- bestimmbar geringe Spuren angegeben. Es sind also in dem Meer- wasser nur äusserst geringe Mengen dieser hochwichtigen Nährstoffe gelöst, — äusserst geringe natürlich nur insofern, als ihre relative Menge gegenüber anderen, reicher vertretenen Mineralbestandtheilen in Betracht gezogen wird. Die von dem Wasser der Ozeane gelösten absoluten Mengen dieser Stoffe sind wohl trotzdem sehr ansehnlich. Denn dass das Meerwasser diese Stoffe, wenn auch in sehr starker Verdünnung, doch wirklich enthält, geht nicht nur aus dem Vorhan- densein seiner reichen Lebewelt hervor, sondern auch daraus, dass die Quellen seines Salzgehaltes, die Gesteinsmassen des festen Erd- kerns und die den Erdboden fortwährend noch auslaugenden Süsswasseradern Phosphate und anorganische Stickstoffverbindungen thatsächlich enthalten. Wenn die mit verhältnissmässig geringen Wassermengen angestellten chemischen Analysen des Seewassers kaum Spuren dieser Stoffe aufweisen, so beweist das eben weiter nichts, als deren sehr starke Verdünnung. Der in dem Protoplasma einer grossen Meeresalge enthaltene Stickstoff und Phosphor muss demnach einem ausserordentlich grossen Wasserquantum entstammen, etwa so wie der Kohlenstoffgehalt einer Landpflanze bei dem geringen Kohlensäuregehalt der Luft nur einem sehr grossen Luftquantum entnommen worden sein kann. Wäre der Niteat- und Phosphatgehalt des Meerwassers ebenso gut bekannt, wie das Kohlensäureprocent der Luft, so könnte man für eine Meeresalge auch angeben wie viele Cubikmeter Meerwasser nöthig wären, um ihr den nothwendigen Stickstoff und Phosphor zu liefern, und es käme für eine mittelgrosse Alge gewiss eine ansehnliche Zahl dabei heraus. Will man dem gegenüber Algen in Seewasserbehältern zur Ent- 1) Obwohl das meines Wissens noch nicht durch exaete Analysen, verbunden mit kritischen Cultursversuchen bei Meeresalgen untersucht wnrde, ist es doch über allen Zweifel erhaben zu erachten. Flora 1892, .19 284 - wiekelung bringen, welche nur einige Liter Wasser enthalten, so muss man daran denken, dass diese Wassermenge den Phosphor und den Stiekstoff für vielleicht eine, höchstens ein paar neue Zellen zu liefern vermag, und nicht mehr. Ein kräftiges Gedeihen ist unter diesen Umständen natürlich nicht zu erwarten. Dass trotzdem viele dem freien Meere entnommene Algen, die schon eine beträchtliche Grösse besitzen, in solch beschränkter Wassermenge sich einige Zeit kräftig fortentwickeln, scheint dem zu widersprechen. Aber dieser "Widerspruch kann bei der Lage der Dinge doch nur ein scheinbarer sein und wird dadurch erklärt, dass diese älteren Pflanzen aus dem Meere einen Reservevorrath an diesen Stoffen mitbringen, ähnlich wie viele Landpflanzen ihn nach Schimper in ihren Geweben, zumal im Zellsaft des Markes, oft massenhaft aufspeichern. Allgemein bekannt ist ja auch der hohe Gehalt des Zellsaftes so vieler Meeresalgen an gelösten oder oft charakteristisch geformten Stickstoffkörpern (Protein- körpern). Beim Cultiviren im kleinen Aquarium sieht man diese Körper allmählich schwinden; sie werden beim Weiterwachsen aufgebraucht. Dem endlichen Stillstand des Wachsthums und dem schliesslichen Ab- sterben geht dann zuletzt oft eine abnorme Anhäufung von Kohlehydraten voraus, die aus Mangel an Stickstoff und Phosphor nicht mehr in der Neubildung plasmatischer Körper aufgehen können. — Der Mangel an nothwendigen Nährstoffen, welcher sich im Wasser eines kleinen Behälters bald einstellt, macht sich natürlich bei jungen Pflänzchen, besonders bei Keimlingen, deren Reservevorrath gering ist, viel eher und deutlicher bemerkbar, als an grossen älteren Pflanzen; dadurch wird die durchgehende, etwas geheimnissvoll lautende Klage der meisten Algenzüchter verständlich, dass es ihnen wohl gelungen sei, grössere Algenpflanzen in ihrem Behälter zur Fortentwickelung zu bringen, nicht aber, dieselbe Alge aus der Spore über die ersten Keim- stadien hinaus zu -cultiviren. Neben Stickstoff und Phosphor muss noch ein weiteres Element berücksichtigt werden, dessen Bedeutung für die Ernährung der Meeres- algen aber nicht in gleicher Weise ausser Zweifel steht. Es ist das Jod in seinen Verbindungen. Jod wird von vielen Seealgen, wie be- kannt, so reichlich aufgenommen, dass die Asche derselben als ein sehr wichtiges Rohmaterial zur technischen Jodgewinnung benutzt wird. Es ist aber noch ganz unbekannt, welche Rolle das Jod in dem Stoffwechsel der Alge übernimmt, ob die eines wesentlichen Fac- tors oder eines mehr nebensächlichen Begleitstoffes, wie ihn die Kiesel- säure vieler Landpflanzen darstellt. Die durch das Fehlen einschlä- v En 285 giger Untersuchungen !) offen stehende Möglichkeit, dass Jodverbindungen für den Stoffwechsel der Meeresalge unentbehrlich sein könnten, legt dem Züchter dieser Pflanzen vorläufig noch die Sorge auf, auch Jod- verbindungen denselben in genügendem Maasse darzubieten. Aber auch hierbei stossen wir wieder auf dieselbe Erscheinung, dass das Meerwasser Jod nur in äusserster Verdünnung enthält, so dass die Analysen auch davon bisher nur unwägbare Spuren ergeben haben. Auch das Jod einer Meeresalge entstammt also einem selır viel Mal grösseren Wasserquantum, als ein Aquarium es enthält und man muss sich vorstellen, dass die Algen im Meere als Anziehungsmittelpunkte das so verdünnt auftretende Jod ständig an sich ziehen und in anderer Form speichern. Bewegtes Wasser wird diesen Vorgang fördern und bei der Trägheit, womit die Diffusionsvorgänge im Wasser sich ab- spielen, überhaupt zu einem lebhaften Stoffwechsel der Pflanzen wesentlich beitragen. Demgemäss trifft man im freien Meere auch dort die üppigste Algenvegetation und die schnellste Produktion von organischer Substanz an, wo unter sonst günstigen Verhältnissen mässige Strömungen oder das Wogen der Brandung die Algen mit immer neuen, noch unausgebeuteten Wassertheilen in Berührung bringen. Oertlichkeiten mit sehr ruhigem, stagnirendem Wasser tragen dagegen, auch wenn alle übrigen Vegetationsbedingungen die gün- stigsten sind, nur eine verhältnissmässig schwache und langsam wachsende Algenbekleidung.®) Das Ergebniss unserer bisherigen Betrachtungen war die Einsicht, dass in kleinen Seewasserbehältern sich sehr bald für die Algen ein Mangel an unentbehrlichen Nährstoffen einstellen muss. Diesem Uebelstand kann in verschiedener Weise abgeholfen werden. Die grosse, den Algen im offenen Meer zur Verfügung stehende "Wasser- menge kann denselben nach und nach zur Ausnutzung geboten wer- den durch stetigen Wasserwechsel. Abgesehen von den technischen Schwierigkeiten, welche ein derartiges Verfahren bei Algenculturen, besonders im Binnenland, bieten würde, hat es auch für die Oulturen oft grosse Nachtheile im Gefolge. Schon Oltmanns hat darauf hin- gewiesen, dass ein Wechseln des Wassers von Zeit zu Zeit immer mit Störungen für die Algen verknüpft ist und macht darauf auf- merksam, dass Verschiedenheiten im Wärmezustand und Salzgehalt .1) welche als Vorbedingung eben ein sicheres künstliches Kulturverfahren der Meeresalgen verlangen. 2) Vergl. bei Berthold, Ueber die Vertheilung der Algen im Golf von Neapel (Mitth. aus der Zool. Station zu Neapel) Bd.3 Heft 4 8. 418. 19* 286 der ausgewechselten Wassermengen diese Störungen besonders be- dingen. Ich kann dem noch hinzufügen, dass die blosse Beunruhi- gung einer Alge durch den Wasserwirbel, wenn sie sonst grosse Ruhe gewöhnt war, eine Störung im Wachsen und Wohlbefinden hervor- rufen kann, zumal wenn das umgebende Medium so plötzlich, wie in diesem Falle unvermeidlich, eine etwas andere Beschaffenheit mit- bringt. Aber auch dann, wenn die äusseren Umstände so günstig lägen, dass man beständig einen feinen Strom frischen Seewassers in den Behälter einführen könnte, wodurch jene Art von Störungen ver- mieden würde, wäre dies Verfahren ja nicht immer anwendbar. Aus- schlüpfende Schwärmer und T'etrasporen, lange dünne Algenfäden und andere leicht bewegliche Körper kommen in die Gefahr von dem ab- fliessenden Wasser mitgerissen und so der Beobachtung entzogen zu werden. Auch bei Ueberfluss an verfügbarem frischem Seewasser wird man daher Algen unter Umständen ganz ohne Wasserwechsel längere Zeit erhalten müssen. Da können nun Thiere, welche mit den Pfan- zen zusammen gehalten werden, gute Dienste thun, besonders solche, die sich von Fleischkost nähren und einen regen Stoffwechsel haben, wie Fische und kleine Krebse. ‚Das als 'Thierfutter in den Behälter eingeführte Fleisch ist dann nach seiner Verarbeitung durch den Thier- körper die Stickstoff- und Phosphorquelle für die Algen. In Behäl- tern, in denen Pflanzen und Thiere zusammen gehalten werden, sieht man daher oft Algen prächtig gedeihen. Auch bei Süsswasseraquarien hat man es längst als erspriesslich erkannt, Thiere mit Pflanzen zu- sammen zu halten, und hat dafür die bekannte Erklärung bei der Hand, dass der Gaswechsel beider als ein in seinen Produkten um- gekehrter sich gegenseitig schön ergänze. Ich halte dafür, dass die erwähnten anderen thierischen Stoffwechselprodukte den Pflanzen im Aquarium viel nothwendiger sind, als die ausgeschiedene Kohlensäure und dass durch jene die zweckmässige Vergesellschaftung von Thier und Pflanze viel mehr bedingt wird, als durch die Produkte des Gas- wechsels. Verminderter Partiärdruck der Kohlensäure im Wasser wird ständig wieder aus dem grossen Kohlensäurevorrath der atmo- sphärischen Luft ergänzt,') nicht aber können die aufnahmefähigen Stickstoff- und Phosphorverbindungen aus einer ähnlichen Quelle stän- dig erneuert werden, sondern sind in kleinen Behältern bald völliger Erschöpfung ausgesetzt. i) Dass sich ein solcher Gaswechsel- ausreichend rasch vollzieht, beweist die Existenz von lebhaft athmenden Fischen in den bekannten ‚kleinen pflanzenleeren Goldfischgläsern. 287 Das llalten von Thieren mit Beobachtungspflanzen zusammen bringt aber andererseits, selbst wenn man sehr geeignete Thiere dazu gefunden hat, wieder manche unvorhergesehene Nachtheile mit sich, so dass das Ergebniss solcher Zuchtversuche keineswegs immer er- freulich ist. Nicht nur die Bewegungen der Thiere sind es, welche die Beobachtung oft stören, auch der an organischen Stoffen reiche Auswurf oder verschmähte Nahrung werden oft lästig als Brutstätte von Bacterien und Infusorien, die zuweilen unverhofft in Menge auf- treten, das Wasser trüben und gar übelriechend machen. Ich habe schliesslich ganz auf das Zusammenhalten von Thieren und Pflanzen verzichtet, wo es mir auf Beobachtungspflanzen ankam, und die letzteren in Behältern mit ganz klarem Seewasser erzogen. Das in so be- schränktem Quantum sehr bald eine unvollkommene Nährlösung dar- stellende Seewasser wurde durch zeitweiligen Zusatz von Nitraten, _ Phosphaten und Jodiden der Alkalien und Erdalkalimetalle zu einer vollkommenen Nährlösung ergänzt. Das Zusetzen der fehlenden Nähr- salze in chemisch reinem Zustande ist nicht nur der sicherste und reinlichste, sondern auch der bequemste Weg, um dieses Ziel zu er- reichen. Nitrat wurde als- salpetersaures Kali, Phosphat als phos- phorsaurer Kalk und das Jod als Jodkali gegeben, das Kalkphosphat in Wasser suspendirt, die beiden anderen Salze, denen eine Spur Eisenvitriol zugefügt war, in Wasser gelöst. Von Zeit zu Zeit wur- den davon dem Algenbehälter ein bis einige Tropfen zugesetzt, je nach Raumgehalt desselben, nach Anzahl und Wachsthum der Pflanzen. Die Mischung mit dem Seewasser wurde vorsichtig mit einem Glas- stab vorgenommen. Es gelang so, selbst in kleineren Gefässen sehr kräftig entwickelte Algen, auch aus jugendlichen Stadien, heranzuziehen. Die Einwirkungen des Lichtes auf die Meeresalgen sind die- jenigen, welche, besonders durch die Untersuchungen Berthold’s auf der Station zu Neapel, mit am besten studiert und bekannt sind. Berthold zeigte, welch’ tiefgehenden Einfluss die Beleuchtung auf die Meeresalgen ausübt. Es zeigt sich diese Einwirkung schon äusser- lich in der starken heliotropischen Reizbarkeit, während der Geotro- pismus kaum wahrnehmbar wird, und weiterhin in den heftigen Affec- tionen, die ein stärkeres, als das gewohnte Licht bei vielen Seealgen her- vorruft. Der hohen Reizbarkeit gegen Lichtwirkungen misst Berthold eine so grosse Bedeutung bei, dass er das Irisiren mancher Algen, die Behaarung anderer geradezu als Lichtschutzeinriehtungen deutet. *) 1) Vergl. darüber auch Noll, Experimentelle Untersuchungen über das Wachs- thum der Zellmembran S. 149, 288 In der That ist die Empfindlichkeit vieler Algen gegen zu in- tensive Beleuchtung, insbesondere gegen anhaltende Besonnung auf- fallend. An Stellen, welche im Winter beschattet sind und welche zu dieser Zeit eine reiche Algenflora tragen, sieht man mit höher steigender Sonne im Frühjahr und Sommer eine Art nach der anderen absterben und verschwinden, bis schliesslich nur wenige Formen aus- halten, welchen das starke Licht nieht in dem Maasse schadet. Es ergibt sich daraus die Mahnung, bei der Algenzucht allzu intensives Lieht von den Aquarien fernzuhalten und besonders unmittelbare -Be- sonnung auf längere Zeit nicht zuzulassen. Im Uebrigen richte man sich bei der sehr verschiedenen Empfindlichkeit der Algen für Licht- einwirkungen nach den Beleuchtungsverhältnissen bevorzugter Stand- orte; man halte Algen aus der Tiefe und aus getrübtem Wasser dunkler als solche, deren natürlicher Standort nahe dem Meeresspiegel ist. Dass ausserdem noch die wechselnden rein örtlichen Beleuchtungs- verhältnisse sehr in Betracht gezogen werden müssen, geht überzeu- gend aus der Beobachtung Falkenberg’s?) hervor, dass in der Grotte del Tuono, in deren Gänge das Meer hineinspült, diejenigen Algen in einer gewissen Entfernung vom Eingang ganz nahe der Oberfläche gedeihen, die sonst nur in grossen Tiefen gefunden werden. Es findet sich in dieser Grotte die durch Lichtintensität bedingte Vertheilung der Algenformen, die sonst in verticaler Richtung abwärts auftritt, in horizontaler Richtung vor. Durch Annäherung oder Entfernung von einem Fenster?) kann man übrigens leicht die Beleuchtung der Cul- turen den Bedürfnissen entsprechend einrichten. Das stärkste Licht kommt der Alge in der Freiheit fast immer von oben zu oder doch wenigstens in vorherrschender Stärke aus einer bestimmten anderen Richtung, zu welcher die Pflanze dann meist entsprechend Stellung nimmt. Die Flanken einer orthotropen Alge werden daher nur von sehr diffusem Lichtschimmer senkrecht getroffen, die Sprossspitzen dagegen vom kräftigsten Licht der Länge nach durebstrahlt. In Glasbehältern, in denen man der Beobachtung wegen Algen meist eultivirt, ist das aber anders, da fällt das direete Himmelslicht nicht bloss von oben, sondern auch sehr kräftig von der Seite durch die Glaswand auf die Pflanze ein. Sachs machte mich zuerst darauf aufmerksam, dass man gut thue, dies zu verhindern, und das kann ja auch sehr einfach geschehen dadurch, dass man die 1) Mittheil. aus der Zool. Station zu Neapel Bd.1. 2) Genaueres darüber bei Detlefsen in Sachs’ Arbeiten des Botan, Inst. zu Würzburg Bd, 3 Heft I S, 88. 289 dem Fenster zugekehrte Seite des Glasbehälters mit einem Bogen weissen oder farbigen Papiers bekleidet, die dem Zimmer zugewandte Seite da- gegen zur Beobachtung offen lässt. Die Alge erhält dann, wie im Freien, das stärkste Licht nur von oben, ist von den Seiten her nur schwach diffus beleuchtet und lohnt die kleine Sorgfalt durch guten, vor Allem durch schön normalen Wuchs. An den einmal gewohnten Beleuch- tungsverhältnissen ändere man nachträglich so wenig wie möglich; man drehe den Behälter nicht um und wechsele nicht mit den Fenstern verschiedener Himmelsrichtungen. Wird ihr nur Ruhe gelassen, dann passt sich die Pflanze auch gemach an Beleuchtungsstärken an, die ihr anfänglich nicht ganz zusagten. Das Herumtragen von einem Ort zum andern stört schon eine, doch an reichere Abwechslung in der Umgebung gewöhnte Landpflanze — wie man leicht bei der physio- logischen Untersuchhung feinerer Lebensvorgänge erkennt —, um so mehr aber eine an grosse Stetigkeit gewöhnte zarte Meeresalge. Der Wärmegrad des Wassers, welcher bei den Culturen eben- falls zu beachten ist, kommt nicht nur als Wärmezustand an sich in Betracht, sondern aueh noch mittelbar, durch die mit verschiedenen. Temperaturen wechselnden Eigenschaften des Wassers. Die That- sache, dass viele Algen kalten und wärmeren Meeren gemeinsam sind, dass sie sowohl im Winter bei wenigen Graden über Null wie auch im Sommer bei höheren Temperaturen gedeihen, sofern die sonstigen Umständ eihnen günstig sind, zeigt, dass der Wärmezustand an sich innerhalb gewisser Grenzen keinen so unmittelbaren gradweisen Einfluss auf das Wachsthum der Algen unserer Meere ausübt, wie auf das unserer meisten Landpflanzen. Die Beschränkung gewisser anderer Algenformen auf warme Meere beweist aber doch, dass es auch Algen gibt, die ein höher gelegenes Temperaturminimum für ihr Gedeihen verlangen und dass die Wasserwärme auch für sie in ihrer Gesammtheit durchaus nicht ganz gleichgiltig ist. Den gegenüber ist es gewiss merkwürdig zu sehen, dass das beste Gedeihen der Algen wenigstens an den europäischen Küsten‘) gerade . in die Wintermonate fällt, und dass kalte Meere sich durchweg durch grossartigere, gewaltigere Formen auszeichnen als die tropischen "Meere. Welcher Tang eines wärmeren Meeres könnte sich mit den Riesenpflanzen eines Macrocystiswaldes oder mit den stämmigen Les- sonien messen, wie sie die kalten Meere der südlichen und nördlichen Halbkugel beherbergen? Auf dem Festlande sehen wir mit wechseln- 1) und besonders in den oberen Wasserschichten. 290 der Wärmevertheilung sieh das Bild doch gerade umgekehrt gestalten. Der Schlüssel zum Verständniss dieser Erscheinung liegt vielleicht darin, dass das Wasser mit steigender oder fallender Wärme auch seine Aufnahmefähigkeit für lösbare Stoffe ändert. Für den Salz- gehalt kommt das nicht in Betracht, da derselbe innerhalb der vor- kommenden Wärmeschwankungen wenigstens bis zum Gefrierpunkt beständig bleibt, wohl aber für den Gehalt an Gasen. Die Aufnahine- fähigkeit des Wassers für diese steigt mit zunehmender Erkaltung und zunehmendem Drucke ganz erheblich. Kaltes Wasser ist viel reicher an gelöstem Sauerstoff und an gelöster Kohlensäure, als warmes und da diese beiden Gase im Stoffwechsel der Algen schr gewichtige Rollen’ spielen, so stellt kaltes Wasser mithin eme kräftigere Nähr- lösung dar, als warmes. Es geht daraus hervor, dass es vortheilhaft ist, das Wasser der Zuchtbehälter nicht zu warm werden zu lasson; 10—12° C. sollte der äusserste Wärmegrad sein, auf welchen man das Wasser kommen lässt. Mit erhöhter Temperatur stellt sich aber nieht nur der Nachtheil eines zunehmenden „Abstehens“ des Wassers ein, sondern os treten. auch noch weitere der Algenzucht feindliche Faetoren auf. Während das Wachsthum der Algen unserer Meere schon wenige Grade über Null sehr beträchtlich ist und mit erhöhter Temperatur nicht schr auf- fällig in seinem normalen Verlauf gesteigert wird, kommt bei steigender Wärme das Wasser dem T emperaturoptimum für das Wachsthum und die Vermehrung von Organismen näher, welche die Algen in kurzer Zeit überwuchern, durch Vorwegnahme der Mincralstoffe und Gase sie aushungern und ersticken oder sie, die in dem abgestandenen Wasser geschwächt sind und kränkeln, parasitischen Angriffen preis- geben. Es ist das unheimliche Ilcer der Bacterien, Oseillarien, Spi- rulinen, eolonienbildender Diatomeen und anderer kleiner Formen, deren Vermehrung aus vorhandenen Keimen bei niederen Würme- graden in engen Schranken gehalten wurde, die aber nun auf Kosten der Pfleglinge mit einer Energie von dem Behälter Besitz ergreifen, welche jeder Abwehr spottet. Sind diese Sippen erst einmal im Be- hälter zur Herrschaft gelangt, dann kann man von vornherein alle Versuche aufgeben, noch einmal grössere Algen aufbringen zu wollen. Man giesse, ohne Zeit zu verlieren, den ganzen Inhalt weg, desinfi- eiere gründlich und beginne mit neuen Versuchen. — Das Kühlhalten des Wassers ist somit aus ganz verschiedenen Gründen anzurathen. Ich machte es mir zur Regel besonders Algen, welche aus grösseren Tiefen stammten, zunächst recht kühl zu halten, vornehmlich 291 wegen des Gasgehaltes, von dem ich annahm, dass er unter dem Druck so vieler Atmosphären, wie er in der Tiefe?) herrscht, ansehn- lich grösser als an der Oberfläche sein müsse. Was ich durch Druck nicht nachahmen konnte, sollte wenigstens durch niedrige Temperatur einigermaassen geboten werden. Das Ergebniss dieses Verfahrens war erfolgreich, obgleich die Voraussetzung, wie ich später erfuhr, nicht zutraf. Die Untersuchungen über den Gasgehalt des Meer- wassers haben nämlich das mir auffallende Resultat ergeben, dass der Gasgehalt in den verschiedensten Tiefen zwar dem jeweiligen Sättigungsgrad bei der jeweilig herrschenden Temperatur der Wasser- masse entspricht, aber vom Druck, unter dem das Wasser steht, scheinbar ganz unabhängig ist, — obgleich ja auch mit dem Druck der Sättigungspunkt wechselt, wie das jede Flasche moussirenden Wassers vor Augen führt. In dem Bericht über „die Ergebnisse der Unter- suchungsfahrten 8. M. Knbt. ‚Drache‘ in der Nordsee in den Sommern 1881, 82 und 84* sagt Jacobsen 8.16: „In Betreff der absolu- ten Menge des Stickstoffs und Sauerstoffs?) im Tiefseewasser stellte sich heraus, dass die Summe dieser beiden Gase immer nahezu gleich. ist derjenigen Menge derselben, welche das Wasser bei seiner wirk- lichen Tiefentemperatur an der Meeresoberfläche aus der Atmo-' sphäre aufnehmen würde.®... Auch aus dem in den Tabellen mit- getheilten Kohlensäuregehalt (der freien, sog. sauer gebundenen Kohlen- säure) lässt sich entnehmen, dass derselbe mit zunehmender Tiefe nicht zunimmt, sondern sich überall ziemlich gleich bleibt. Der vierte Hauptpunkt, welcher bei der Algencultur beachtet werden muss, ist die Gewährung von Ruhe oder doch von Stetig- keit in den einmal gebotenen Verhältnissen. Schon bei der Be- sprechung der Beleuchtung wurde des schädlichen Einflusses gedacht, welchen öfteres Umstellen an verschieden belichtete Orte oder ein Umdrehen am selben Orte mit sich bringt. Unsanfte Berührungen und heftigere Bewegungen des Wassers, wenn die Pflanze an Ruhe gewöhnt ist, überhaupt jede Aenderung in der gewohnten Umgebung ruft geringere oder stärkere Störungen bei diesen empfindlichen Pflanzen 1) Worauf es ‚beruht, dass Algen, die aus grossen Tiefen heraufgeholt, also von eimem äusseren Druck vieler Atmosphären befreit werden, nicht nachträglich unter vermindertem Aussendruck durch ihre osmotischen Kräfte platzen und auch sonst scheinbar gar nicht leiden, ist noch unerklärt, 2) Nur von diesen ist in dem Abschnitt die Rede. Bei der Bestimmung der Kohlensäure fehlt diese Angabe, wird aber auch für sie jedenfalls Geltung haben. 292 hervor. Ist die Alge jedoch von vornherein an starke Wasserbewe- gung gewöhnt, so gedeiht sie nur dann normal weiter, wenn ihr diese stetig weiter geboten ist und empfindet es umgekehrt als eine Stö- rung, wenn sie in ruhiges Wasser gebracht wird. Die Lebensweise der Algen ist, zumal an tieferen Stellen des Meeres, eine recht ein- förmige, indem an einem gegebenen Orte der See die Verhältnisse sich ziemlich gleich bleiben und keinem so schroffen Wechsel aus- gesetzt sind, wie er auf dem Festlande im Laufe eines Jahres einzu- treten pflegt. Alle jene Stellen der Meeresufer aber, welche aus- nahmsweise stärkerem Wechsel, sei es im Salzgehalt, in der Belichtung, der Bewegung, der Wärme und Reinheit des Wassers ausgesetzt sind, findet man entweder ganz frei von kräftiger Algenvegetation oder doch nur von wenigen Formen bewohnt, welche diese Verhält- nisse zur Noth ertragen können oder darauf eingerichtet sind. Die grosse Empfindlichkeit der übrigen Meeresalgen, besonders derjenigen aus stillen Tiefen, zeigt sich immer sehr deutlich nach starken Stür- men, welche das Wasser ausnahmsweise bis dorthin aufregen. Was nach solchen Eingriffen in’ die Monotonie der Tiefe von Algen heraus- gefördert wird, das zeigt alles mehr oder weniger deutlich die er- littene Unbill, wenn auch nicht immer so frappirend wie Caulerpa prolifera, die nach anhaltendem Seirocco ihren erbärmlichen Zustand dadurch verräth, dass der dunkelgrüne zusammenhängende Chlorophyl]- körperbeleg der Aussenwand stellenweise ganz verschwindet, dass Rhizome und Blätter besonders am Rande milchweiss und die grün gebliebenen Stellen dunkel missfarbig werden. Da die Pflanze nur auf starke Eingriffe, wie Verwundungen, örtlich so zu reagiren pflegt, so geht daraus hervor, wie sehr sie durch die ungewohnte Bewe- gung gelitten hat, die doch in der Tiefe, in welcher die Pflanze dicht bei Neapel wächst, sieh kaum noch sehr stark wird fühlbar machen. Ganz so wie bei einem in sehr einförmigen Verhältnissen lebenden Menschen die Reizbarkeit auf feinste Nüaneirungen in dieser Monotonie sich abstimmt und wie unerwartet eintretende kleine Er- eignisse, welche andere im Wechsel des Lebens stehende Naturen kaum berühren, auf jene schon erschütternd einwirken, so haben wir auch in den Meeresalgen Geschöpfe vor uns, die seit unzähligen Generationen an die Monotonie ihrer Heimath gewöhnt, ihre Reizbar- keit auf dieselbe eingerichtet und dementsprechend empändlich ab- gestimmt haben. Je mehr man diese Auffassung bei der Anordnung der Culturversuche maassgebend sein lässt, um so bessere Ergebnisse wird man mit diesen Pfleglingen erzielen, 293 Wenn aber auch ein ausgebildeter Algenspross sich für gewöhn- lich nur sehr schlecht in veränderte Verhältnisse schicken kann, falls die Aenderung nicht sehr langsam und allmählich erfolgt, so ist an- dererseits den Neubildungen, Adventivsprossen und Keimpflanzen die Fähigkeit oft in überraschendem Maasse gegeben, sich einer neuen Sachlage anzubequemen. Unter denselben äusseren Bedingungen, unter denen die Mutterpflanze bis zum schliesslichen Absterben ihres grössten Theiles leidet, kommen Neubildungen aus Sporen oder Ad- ventivsprosse manchmal zu bester Entwickelung, wenn nur darauf geachtet wird, dass für sie nun diejenigen Verhältnisse stetig bleiben, unter denen sie ihr Wachsthum begonnen haben. Geht eine aus dem Meere in das Aquarium versetzte Alge auch zunächst grösstentheils, scheinbar ganz, zu Grunde, so gebe man desshalb ihre Cultur noch nicht gleich verloren; man entferne die abgestorbenen Sprosse, lasse aber die Haftorgane mit einem kleinen Sprossstumpf noch eine Zeit lang versuchsweise ungestört im Behälter und man hat oft nach Wochen noch den Erfolg zu verzeichnen, dass sich aus einer oder der anderen lebendig gebliebenen Zelle ein neuer -Spross entwickelt, der nun von vornherein den in der Cultur gegebenen Verhältnissen angepasst!) ist und deshalb gut darin gedeiht. Freilich weichen solche Pflanzen eben dadurch in Habitus, Färbung und physiologischem Ver- halten oft mehr oder weniger von der normalen Pflanze ab und sind ihrerseits nicht befähigt, unter den Bedingungen zu leben, unter denen die Stammform sich regelrecht entwickelte. Wer Pflanzen aufmerksam eultivirt, weiss, dass die Algen in dieser Hinsicht durchaus keine be- sondere Ausnahme bilden, sondern dass dieses Verhalten in höherem oder geringerem Grade alle Pflanzen bis zu den höchst entwickelten Landpflanzen zeigen. So sind, um nur ganz grobe Erscheinungen zu erwähnen, die in einem Treibhaus gebildeten Sprosse und Blätter im Freien minder oder gar nicht lebensfähig und Blätter, die in dauerndem Schatten zur Entfaltung kamen, ertragen schlecht eine spätere volle Besonnung und umgekehrt. Bei den zarten empfind- lichen Algen zeigen sich diese Erscheinungen aber schon bei viel geringeren Unterschieden in der äusseren Umgebung als bei anderen „härteren“ Pflanzen. Nur die Pilze besitzen eine ähnlich grosse Empfindlichkeit gegen raschere Veränderungen in ihrer Umgebung und dabei eine noch entschieden bedeutendere Anpassungsfähigkeit 1) Es ist natürlich hier von einer ganz anderen Anpassung die Rede, als der im darwinistischen Sinne, 294 in den Anfangszuständen ihrer Entwiekelung. Die Sporen vieler, zu- mal der deshalb gemeinsten Pilze, keimen in den verschiedenartigsten Substraten; die daraus entstandenen Myzelien sind jedoch meist schon gegen kleine Veränderungen des einmal ergriffenen Nährbodens, sofern sie unvermittelt auftreten, äusserst empfindlich. Schon ein kleiner Zusatz, reinen Wassers oder eines neuen guten Nährstoffes kann unter Umständen tödtlich, also geradezu alsDesinfeetionsmittel wirken. — Ein wenig Salieyl- säure zu einer Schimmelpilzeultur auf Pflaumensaft. zugesetzt, bringt den Pilz alsbald zum Absterben und doch sah ich andererseits in einer starken Lösung von Salicylsäure, die ich zu Desinfectionen bereit hielt, (lieke Myzelflocken von Schimmelpilzen sich entwiekeln. Ein Zusatz von Pflaumensaft zu einer solchen Salieylsäureeultur brachte die Pilze darin aber ebenso sicher zum Absterben, wie es der Zusatz von Salieylsäure zur Pflaumensafteultur gethan hatte. Ob eine Substanz Desinfeetions- mittel ist und welche Substanz als Desinfectionsmittel gerade wirksam ist, das hängt demnach schr von den Umständen ab. Im Kampf gegen Pilzentwiekelung kommt es daher — umgekehrt wie bei der Cultur von Pilzen und Algen — auch vor Allem darauf an, dem Pilz keine Ruhe zu gönnen, möglichst unvermittelte Veränderungen in seiner Umgebung, mit der er als Schmarotzer ja in sehr engem Verkehr steht, eintreten zu lassen, so dass das Myzel mit seinen inneren Anpassungsvorgängen dem äusseren Wechsel nicht zu folgen vermag. Die Immunität lebenskräftiger Zellen gegen Pilzinfection beruht — neben der Ausbildung spezifisch antiseptischer d. h. unter allen Umständen giftiger Stoffe(?) -- wohl hauptsächlich auch auf solchem Wechsel. Das Leben besteht ja in einer fortwährenden Wechselwirkung zwischen Empfang von Reizen und Reactionen gegen diese Reize. In einer lebenskräftigen Zelle sind Reizempfäuglichkeit und Reactionsfähigkeit hoch entwiekelt und kommen rasch und kräftig zur Ausübung, so dass eine lebenskräftige Zelle nie längere Zeit in ihren Eigenschaften sieh gleich bleibt, sondern auch in ihren Stoff- umsetzungen einen beständigen raschen Wochsel aufweist. Kein Wunder also, wenn allein schon dadurch eine solche Zelle Pilzen keinen zusagenden Nährboden bietet, während alte oder sonst in ihrer Reactionsfähigkeit erlahnte Zellen durch die Trägheit ihrer inneren Veränderungen und die Stetigkeit ihres Zustandes einem maassgebenden Bedürfniss der Pilze entgegen kommen. Tritt die Veränderung nur allmählich, durch viele Zwischenstufen vermittelt, ein, so wird sie sowohl von Pilzen als auch von Algen meist ohne Schaden ertragen. ‘Die Pflanze ist dann eben im Stande 595 mit Hilfe innerer Anpassungsvorgänge den veränderten äusseren Ein- wirkungen entsprechend gegenüber zu treten. So sehr man sich also hüten muss schroffere Uebergänge bei der Algeneultur eintreten zu lassen, so wenig braucht man im Allgemeinen Veränderungen zu fürchten, die bei längerer Zucht ganz allmählich auftreten, wie z. B. geringe Aenderungen in der Zusammensetzung oder dem Üoncen- trationsgrade des Seewassers. Durch die Verdunstung, die man wegen der Luftzufuhr nicht wird vermeiden können, wird der relative Salz- gehalt natürlich gesteigert und es wird nöthig, von Zeit zu Zeit etwas Süsswasser nachzufüllen. Es geschieht dies am zweckmässigsten recht oft, damit nur immer wenig davon zugesetzt zu werden braucht; aber auch dann, wenn nach längerer Pause viel Wasser durch Verdunsten verloren gegangen ist — was man an einer Marke des Behälters fest- . stellt —, ist es durchaus rathsam, den Verlust nicht gleich voll zu er- setzen, sondern nach und nach im Verlauf einiger Tage. Es bliebe nun noch ein Punkt zu erwähnen, welcher bei den Besitzern von Seewasseraquarien getheilten Meinungen begegnet, das ist die Durcehlüftung der Behälter. Im Allgemeinen wird für eine künstliche Durchleitung von Luft durch das Wasser eifrig Sorge ge- tragen; von anderer Seite wird jedoch darauf hingewiesen, dass diese Durchlüftung überflüssig sei, ja Oltmanns erklärt sie geradezu für nachtheilig. Diesen Meinungsverschiedenheiten liegen in jedem Falle Beobachtungen von Thatsachen zu Grunde, so dass alle in gewissem Grade berechtigt sind. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass die Durchlüftung meist sehr nützlich, unter Umständen überflüssig und unter Umständen geradezu nachtheilig für die pflanzlichen Be- wohner des Aquariums ist; es kommt eben auf die jeweiligen Um- stände an. Hat man es sozusagen mit Reineulturen zu thun, d. h.. zieht man einzelne Algen. in Behältern mit sehr reinem Seewasser, dann ist die Durehlüftung häufig zu entbehren, vorausgesetzt dass das Wasser kühl und dadurch luftreich erhalten wird und dass durch eine ausreichend grosse Oberfläche der Gasaustausch mit reiner atmosphärischer Luft genügend gewährleistet ist. Kommt es aber darauf an, Algen in einem Behälter gesund, und sauber zu erhalten, welcher zumal von verschie- denen Algenformen dichter bevölkert ist, dann ist die Durchlüftung des Wassers sehr angebracht und oft durchaus nöthig. Der Gasaus- tausch des vollkommen ruhig stehenden Wassers durch Diffusion an der Oberfläche kann dann hinter dem Gasverbrauch der Insassen unter Umständen zurückbleiben. Die Durchlüftung schafft da.auf zweifachem 398 Wege willkommene Abhilfe, einmal durch den Diffusionsvorgang, der sich zwischen Wasser und Luftblasen abspielt, und ausserdem haupt- sächlich dadurch, dass die Bewegung, welche der Luftstrom in dem Wasser hervorruft, immer neue Wassermengen zum Gasaustausch an die Oberfläche bringt. In welch energischer Weise die Durchlüftung in den Gaswechsel des Wassers eingreift, erkennt man gelegentlich, wenn durch Fäulniss einer Muschel oder eines anderen Lebewesens, dessen Absterben nicht gleieh bemerkt wurde, das Wasser eines Aqua- riums übelriechend geworden ist. Ohne Durchlüftung braucht es Tage, bis der Geruch schwindet; eine tüchtige Durchlüftung beseitigt den- selben aber überraschend schnell, schon in wenigen Stunden. In Aquarien mit gemischtem Inhalt gewährt die Durchlüftung noch einen weiteren nicht zu unterschätzenden Vortheil, indem sie die Entwicke- lung lästiger kleiner Organismen, wie der Öseillarien, Spirulinen, zu- rückhalten hilft, sci es dadurch, dass dieselben durch die Strömung nicht festen Fuss fassen können, sei es durch Entführung von Gasen und Oxydation von Substanzen, welche diese Formen in ihrem Ge- deihen fördern. — Ausdrücklich warnen möchte ich aber bei dieser Gelegenheit vor Ulven, Enteromorphen und ähnlichen Algen, die sich in Aquarien gut halten, aber durch Aussendung unzähliger Schwärm- sporen den Behälter mit Keimpflänzchen übersäen, welche nicht nur an den Wänden, auf dem Boden und auf Muscheln und Steinen, sondern auch auf anderen Algen sich ansiedeln und sich dann auf Kosten dieser kräftig entwickeln. Erweist sich die Durchlüftung in ihren ebengenannten Wirkungen wie auch durch die mit ihr verbundene, die Ernährung fördernde Strömung den Algen sehr zuträglich und nützlich, so kann sie ander- seits aber auch Schaden anrichten. Die Nachtheile derselben liegen zwar nicht auf einem Gebiete, wo sie Oltmanns suchen zu müssen glaubt, denn wenn auch im Oltmanns’schen Experiment)einkohlen- säurefreier Luftstrom dem Seewasser natürlich Kohlensäure durch Diffusion entzieht, so ist dies doch keineswegs der Fall bei der An- wendung der natürlichen, d. h. kohlensäurehaltigen Luft, wie sie bei der Durchlüftung doch nur in Betracht kommt. Im Gegentheil, es wird bei Kohlensäureverbrauch (während der Assimilationsthätigkeit) der Mindergehalt des Wassers bei Durchlüftung rascher ersetzt werden, als ohne dieselbe, so dass in dieser Hinsicht die Lüftung gerade von Nutzen ist. Die Nachtheile, welche ich bei Durchlüftung hie und da 1) Vergl. S. 20 des Sonderabdruckes. 397 auftreten sah, waren immer durch achtsame Regelung derselben leieht zu vermeiden. Es kommt vor Allem darauf an, den Luftstrom nicht zu stark durchgehen zu lassen. Die in diesem Falle verursachte ruckweise stru- delnde Bewegung, in welcher die Lage der Algen gegen das einfallende Licht beständig wechselt und bei der die Pflanze ständigen Erschüt- terungen ausgesetzt ist, wird von sehr vielen Algen schlecht vertragen. Ganz besonders leiden darunter die jungen Sprossgipfel) zarterer Algen, die fluetuirend oft in den Strudel hineingerissen und von den Luftblasen wie von elastischen Körpern getroffen und gestossen wer- den. Missbildungen oder Absterben der Gipfeltheile sind zuweilen das Ergebniss dieser Erschütterungen und Zerrungen, unter welchen, wie gesagt, auch die älteren Theile durch den beständigen Wechsel der Lichtlage leiden können. Die Mündung des Luftrohrs bringe man möglichst weit entfernt von den Culturpflanzen an und begnüge sich mit etwa 15 erbsengrossen oder kleineren Blasen in je 10 Se- eunden. Diese genügen für die Durchlüftung im Allgemeinen voll- kommen und die erwähnten Nachtheile sind dabei ausgeschlossen. Achtet man darauf, dass die Blasen regelmässig in gleichen Abständen - austreten und nicht nach längeren Pausen ungestüm hervorbrodeln, dann behalten die T'hallome in den gleichmässigen Strömungen eine bestimmte Ruhelage bei und werden doch beständig von frischen Wassertheilen umspült. — Es ist wohl selbstverständlich, dass zu der Durchlüftung nur beste frische Luft verwandt werden darf. Weiter oben wurde ja darauf hingewiesen, in wie gründlicher Weise die Durchlüftung den Gasausgleich zwischen Wasser und Luft befördert; ganz ebenso rasch wie eine Reinigung des Wassers wird aber auch natürlich eine Verunreinigung bewirkt, wenn schlechte Luft durch- geleitet wird. Ueberhaupt muss auch bei unterbleibender Durchlüf- tung der Raum, in welchem ein Algenbehälter steht, immer frische gute Luft führen. Es ist auffallend, wie ungemein rasch das Wasser dampfförmige Stoffe aus der Luft in sich aufnimmt und demgemäss muss :auch vor Allem daran gedacht werden, dass den Algen des von frischer Seeluft gepeitschten Meeres keine Gelegenheit gegeben war, sich an den Qualm von Kohlen oder Cigarren anzupassen. Tabak+ dampf zumal ist wie für die zarteren 'Thiere,?) so auch für die Algen ein starkes Gift. 1) Vgl. Oltmanns ebenda. j 2) Kleine munter pumpende Quallen sah ich alsbald starr untersinken als nur ein bis zwei Mal Tabaksdampf über die Oberflüche ihres flachen Wasserbehälters geblasen wurde. 298 Dass man bei physiologischen Versuchen gezwungen sein kanıı von der Durchlüftung abzuschen und anderweit für genügenden Gas- austausch zu sorgen, leuchtet ein, denn durch die Strömung des Wassers können störende Zwangslagen geschaffen, Schwärmsporen in ihren Richtungen abgelenkt werden u.a. m. Damit sind aber auch die Nachtheile, welche ich infolge von Durchlüftung habe eintreten | schen, erschöpft. Wie man leicht überschen wird, sind dieselben meist unschwer zu vermeiden und so wird man die mannigfachen Vortheile, welche die Durchlüftung bietet, sich um so wirksamer dienstbar machen können. Eine Maassregel, die der Algenzüchter von jedem Ackerbauer und Gärtner lernen kann, will ich schliesslich doch nicht unerwähnt lassen‘, obwohl sie sich eigentlich ganz von selbst aufdrängt. Will der Gärtner in einem Topf eine tadellos entwickelte kräftige Pflanze aufziehen, so lässt er daneben keine andere aufkommen, sondern ent- fernt als Unkraut alle Nebenbuhler aus dem Behälter. Auch wer kräftige schöne Algen erziehen will, betrachte und behandle alles das als Unkraut, was neben der Pflanze, deren Zucht man gerade im | Auge hat, aufkommen will. Es sind natürlich nur ganz allgemeine Vorkehrungen zur Cultur der Algen, welche hier berührt werden konnten. Die Thatsache, dass im freien Meere nicht jede Alge an jedem beliebigen Orte fortkommt, beweist, dass die einzelnen Arten besondere Eigenthünlichkeiten in den äusseren Lebensbedingungen für sich beanspruchen oder doch bevor- zugen. Nach den Angaben von Berthold, welche auf jahrelanger Beobachtung beruhen und die ich für Neapel nur bestätigen kann, findet man gewisse Arten, Corallina mediterranea u..a., immer haupt- sächlich im Wellenschlag der Brandung, andere, wie z. B. Caulerpa, nur in verhältnissmässig ruligem Wasser. Orte mit schwacher Be- leuchtung, sei es in Felsschluchten nahe der Oberfläche, im Schatten der Tiefe oder in dem Schatten mechanisch verunreinigten Hachen Wassers, werden von den Lithothamnien, Lithophyllen und der Ge- sellschaft der schön rothen Florideen aufgesucht. Cladophoren, Bryopsis und Codium treten dann an Plätzen in den Vordergrund, wo die Be- leuchtung schon stärker ist. Im vollen directen Sonnenlicht erlangen dann die braunen Algen ihre maximale Entwickelung. Gewisse Algen kommen nur in ganz reinem klarem Wasser gut zur Entwickelung ; andere, wie Ulva Lactuca, Asperococeus compressus, Lomentaria. cali- formis zeigen ausgesprochene Vorliebe für Stellen, wo das Wasser mit organischen Stoffen verunreinigt ist. Dicht unter dem Ebbespiegel 299 zeigt die Algenflora im Allgemeinen eine andere Zusammensetzung als zwischen Ebbe- und Fluthgrenze und die nur von der Brandung benetzte Zone über dem Fluthniveau besitzt sogar noch wenige, ihr eigenthümliche Formen, für welche Bangia fusco-purpurea im Mittel- meer die vorzüglichste, weil häufigste Vertreterin ist. Wie die Landpflanzen verschieden gearteter Standorte in der Cultur ihre besondere von vielen anderen abweichende Pflege erfor- dern, um sich üppig und charakteristisch entwickeln zu können, so sind auch für die verschiedenen Meeresalgen die allgemeinen Pflege- vorkehrungen passend abzuändern und den besonderen Bedürfnissen nach Licht, Luft, Wasserbewegung u. s. f. entsprechend einzurichten. Die an den natürlichen Standorten vorherrschenden Verhältnisse wer- den dabei oft als Anhaltspunkte dienen können, doch darf man nicht vergessen, dass die Vertheilung der Algen im Meere keineswegs von ihrer Vorliebe für bestimmte Oertlichkeiten allein abhängig ist. Dieser Schluss wäre nur dann berechtigt, wenn die Wahl des Standortes eine vollkommen uneingeschränkte wäre. Die thatsächliche Vertheilung ist aber das Ergebniss eines von unzähligen pflanzlichen Wesen ge- führten Verdrängungskampfes und es kommt also keineswegs nur die Vorliebe derselben für gewisse äussere Lebensbedingungen dabei zum Ausdruck, sondern auch das Maass der Ueberlegenheit einer Form über die andere. So kann es kommen, dass eine bewegtes Wasser vorziehende Alge meist nur in stillem Wasser gefunden wird, einfach desshalb, weil sie in dem bewegten allzeit von kräftigeren Neben- buhlern verdrängt wird, welche ihr aber nicht in gleichem Maasse im stillen Wasser überlegen sind. Derartige Verhältnisse sind es wohl, welche zum Verständniss einer sonst merkwürdigen Erscheinung beizutragen geeignet sind, der nämlich, dass man Algen zuweilen besser gedeihen sieht, wenn die Lebensbedingungen bei der Cultur von den am natürlichen Standort gegebenen mehr oder weniger stark ab- weichen. Von mehrfachen derartigen Beobachtungen, die ich zu machen Gelegenheit hatte, möchte ich nur eine, die auffallendste, hier kurz erwähnen; sie betraf die genannte Bangia fusco-purpurea. Diese, nur durch ihr massenhaftes Auftreten auffallende rothbraune, blaugrüne oder dunkel missfarbige Fadenalge bedeckt in den Winter- monaten in dichtem Ueberzug nur die über das Fluthniveau hinaus- vagenden felsigen Ufer des Mittelmeeres. Unter dem Meeresspiegel untergetaucht habe ich sie auch in ihrer besten Vegetationszeit nie, auch nicht vereinzelt, aufgefunden. Auch Berthold® hebt es aus- 1) 1. c. p. 408. Flora 1892, 20 300 drücklich hervor, dass sie „untergetaucht überhaupt nieht vorkomme*. Zur Anzucht dieser Alge hatte ich mir desshalb einen kleinen ein- fachen Apparat!) hergestellt, welcher die rhytmische Bespülung durch den Wellenschaum nachahmte. Die Alge gedieh darauf ziemlich gut und vermehrte sich auch langsam. Nach Deutschland zurückgekehrt bemerkte ich dann aber zu meinen Erstaunen, dass sie sich in dem mässig durchlüfteten Wasser eines Seewasser-Zimmeraquariums auch auf dem Boden und an den Wänden dauernd untergetaucht in üppig- ster Weise entwickelte und ausgiebig vermehrte, weit besser als bei der Vorkehrung, welche den wesentlichen Charakter des einzigen natürlichen Standortes widergab. Daraus geht deutlich hervor, dass die eigenartigen Verhältnisse des natürlichen Fundortes bei der OCultur der Pflanze im Aquarium weder immer nothwendig geboten werden müssen, noch dass sie auch für die Cultur immer die besten sind. Für die verschiedenen Algen wird man sich also die für die Cultur günstigsten Bedingungen in jedem einzelnen Falle am besten selbst auszusuchen haben; es ist das aber nicht mehr schwer und geschieht meist, ohne dass man vorher zu Schaden kommt, wenn man die vorerwähnten allgemeinen Anforderungen der Pflege zunächst einmal erfüllt hat. Inwieweit diese letzteren auch für die Cultur von Süsswasseralgen nützlich werden können, ergibt sich aus dem Gesagten von selbst; besonders bemerken möchte ich hier nur, dass sich bei meinen Cul- turen von Süsswasseralgen immer ein sehr bedeutender Unterschied zu Gunsten derjenigen Pflanzen geltend machte, welchen von Zeit zu Zeit etwas Nährlösung gegeben worden war. — Das Studium der Botanik ist bei dem derzeitigen Stande unserer Wissenschaft und ihren heutigen Zielen unlösbar gebunden an eine wohlausgebildete überlegte Methodik. Den Fortschritten im Bau der Mikroskope: und in der Mikroskopirkunst folgten alsbald neue wissens- werthe Entdeckungen, die geradezu auf unsere botanischen Grund- anschauungen bestimmend wirkten. Die überraschenden Ergebnisse, welche die Einführung verbesserter Präparationsmethoden und der von den Zoologen und Anatomen damals schon hoch ausgebildeten Färbetechnik für die Botanik im Gefolge hatte, sind noch frisch in der Erinnerung. Nach jahrelanger unverdienter Vernachlässigung in ihrer Bedeutung endlich erkannt, erfuhren diese Methoden dann eine ungeahnte Förderung. Gegenüber dem sehr grossen Gewicht, 1) Beschrieben in den Arbeiten des botan. Inst. Würzburg Bd.3 8. 494 (Heft 4). 301 welches man auf die Behandlung des todten Materials nun auf einmal legte, tritt die Behandlung des lebendigen zur Zeit nur allzusehr in den’ Hintergrund. Der Erfolg von Untersuchungen hängt aber oft eben so sehr, ja häufig ganz und gar vom Gelingen tadelloser oder doch brauchbarer Culturen ab und das Culturverfahren verdient daher als Hilfswissenschaft oder Hilfskunst eine mindestens gleiche Beach- tung und Ausbildung, wie sie die Seeir- und Färbetechnik bisher so einseitig genossen haben. An geistigem, an Bildungswerth für den Naturforscher überragt es alle jene mehr oder minder mechanischen Fertigkeiten aber bei weitem. Unmittelbar an das Leben und sein anziehend-geheimnissvolles Walten gewiesen, stellt es dem Forscher ständig das in seiner autonomen Entfaltung und seiner Beziehung zur Aussenwelt vor Augen, worum sich sein ganzes Forschen in letzter Linie doch dreht. 20* Litteratur. Zur Litteratur der Lichenen. I. Nylander, Sertum Lichenaeae tropieae e Labuan ct Singapore, Paris 1891, Schon in seinen Lich. Jap. hatte Nylander anhangsweise unter Obs. III einen Theil der vom Botaniker der Vega, Dr. E. Almquist, auf der im NW. von Borneo gelegenen Insel Labuan gesammelten Lichenen publicirt; jene Arbeit ent- hielt 44 Nummern. Bin Jahr später erschien die hier zu besprechende Brochure, die vollständige Labuaner-Sammlung Alın quist’s behandelnd, mit 77 Lichenenarten (darunter 22 neu) aus Labuan und 48 (darunter 13 neu) aus Singapore. Von ersteren sind nur 6, von letzteren nur 3 auch aus Europa bekannte Species. Die Insel Labuan bildete vor ihrer lichenologischen Durchforschung seitens E. Almquist nahezu ein terra incognita in Bezug auf Flechten; Singapore war dagegen schon durch Beccari (Kremplih. Bece. 1875) und Maingay (Nyl.-Cromb. East. Asia 1882) in dieser Richtung etwas bekannter. Es ist selbstverständiich, dass Nyl. nicht nur die Neu- heiten in prägnanter Fassung beschrieb, sondern auch den übrigen Arten werthvolle Bemerkungen beilegte und überdies sowohl systematisch, als räumlich ihnen nahe- stehende Species unter Zugabe von dieselben berührenden Anmerkungen beleuchtete. Ausserdem enthält die Schrift als Zugaben 1. anatomische gegen die Lehre von der Symbiose gerichtete Ausführungen, 2. einen Nachtrag zur Flechtenflora von Japan, 3. Diagnosen neuer Flechtenarten aus Nordamerika und 4. eine Reihe neuer Lichenen aus Europa. Il. Nylander, Lichenes Pyrenaeorum orientalium observatis novis..., Paris 1891. Das Heft erschien selbständig an der Neige des Jahres 1891 und bildet gleichsam eine dritte, stark vermehrte Auflage der in Flora 1872 S. 425—481, S. 545554 und 1873 S. 65—75 und S. 193—207 enthaltenen Aufsätze: Observata lichenologica in Pyrenaeis orientalibus, welche nur wenig veräindert 1873 im Bull. Soc. Linn. Nor- mand. serie 2, t. VTII und von hier auch als Sonderahdruck veröffentlicht worden sind. Die wesentliche Bereicherung dieser neuen (dritten) Auflage gründet sich theils auf spätere Forschungen, welche Nyl. im Jahre 1884 an .den 11 Jahre zuvor besuchten Localitäten vorgenommen, theils ımd vor Allem aber auf gründliche Unter- suchungen der Umgebung des ostpyrenäischen Schwefelbades Amelie, wo er im Jahre 1884 nahezu 200 Lichenen, worunter etwa 20 neue und meist im Jahrgang 1885 der Flora publieirte Flechten sammelte. Im ganzen Lichenenwerke nehmen die auf organischer Unterlage vorkommenden Flechten einen sehr kargen Raum ein, da einmal in jenen Gegenden der Baumwuchs spärlich ist und auch an den vor- handenen Holzgewächsen Fiechten selten getroffen werden. Im Ganzen kommen 400 Arten in Betracht; zu einem grossen Theile derselben hat Nyl. in diesem Hefte neue interessante Bemerkungen beigefügt und Altes und Neues über die Lichenen der Pyrenäen zu einem dem heutigen Lichenologen unentbehrlichen litterarischen Hilfs- 303 mittel in trefflicher Weise verschmolzen, S. 93 ist Pyenothelia papillaria an die Spitze der Cladoniei gestellt worden. Nach brieflieher Bemerkung des Autors hätte sie, als zur Tribus der Cladiei gehörig, auf 8. 94 zwischen Cladoniei und Siphulei auf- geführt werden sollen. III. Fröre Gasilien, Lichens rares ou nouveaux de la Flore d’Auvergne (Sonderabdruck aus Journ. bot., Nummern vom 16. Nov. und 1. Dec. 1891). Eine sehr willkommene Ergänzung zu Lamy's Catalogue des Lichens du Mont- Dore et de la Haute-Vienne, 83 Flechtenarten umfassend, darunter Collema multi- partiens Nyl., Cladonia discifera Nyl., Lecanora angulosa*nequiens Nyl., Lecidea devertens Nyl., L. cullatula Nyl. und Verrucaria arvena Nyl. neu; ausserdem bei mehr als einem Dutzend schon zuvor bekannt gewesener Arten neue diagnostische Bemerkungen. IV. A. Osw. Kihlmann, Neue Beiträge zur Flechtenflora der Halbinsel Kola, Helsingfors (Meddel. af Soc. Flor. Faun. Fenn.) 1891. Der Verfasser dieser kleinen Brochure ist den Lesern der „Flora“ aus der Be- sprechung, welche dessen „Pflanzenbiologische Studien aus Russisch-Lappland* kürzlich dort erfahren haben, bekannt; auch in den Studien sind einige wichtige lichenologische Bemerkungen enthalten. Die „neuen Beiträge“ bilden eine Aufzählung sämmtlicher von K. auf seinen beiden Reisen in Kola gesammelten Flechten. Vorläufer Kihlmann’s in der lichenologischen Erforschung von Russisch - Lappland war N. J. Fellman, welcher im Jahre 1863 daselbst — allerdings auf einem etwas ausgedehnteren Ge- biete — ca. 300 Flechten gesammelt und hievon 224 in einer käuflichen Colleetion veröffentlicht hatte. (Vergl. Nylander Prodromi Lichenographiae Scandinaviae Sup- plementum: Lichenes Lapponiae orientalis, Helsingfors 1866.) Kihlmann zählt in seinen neuen Beiträgen 184 von ihm gesammelte Arten, 12 Unter- und Spielarten und ebensoviele Formen auf, wovon 66 Arten, 6 Var. und 10 Formen in dem betr. Gebiete früher nicht gesammelt worden waren. Neu sind in Kihlmann’s Sammlung 3 Arten, 1 Var. und 6 Formen; hieher u. a. Aleetoria vexillifera Nyl. „Thallus inferius membranaceo -‚dilatatus lat. 2em et amplius*, durch Zwischenformen mit A. ochroleuca verbunden; aber die beiden Arten wurden in ihrer typischen Gestalt nicht zusammen im Gebiete aufgefunden. Dieser Novität ist eine gute phototypische Tafel in Kihlmann's Publication gewidmet. Ferner ge- hört zu den Neuheiten das steril getroffene Platysma nigricascens Nyl., der Cetr.nigricans ähnlich, aber mit wehrlosen Thalluslappen und Verrucaria haesi’ tans Nyl. ein Parasit der V. sphinetrinoides, vielleicht identisch mit V. sor- dida Fr. fl. — Anhangsweise sei bemerkt, dass bei Parmelia alpicola als sy- nonyme und ältere Bezeichnung P. atrofusca Schaer. En. p. 42 angegeben und Lecanora umbrina terriecola Nyl. Lapp. or. p. 183 hier berichtigend für L. Hageni (Ach) Nyl., ebenso L. minuta Nyl. Lapp. or. p. 145 hier (wiederholt) für L. meiocarpa Nyl. erklärt wird. Die neu aufgestellte Form dealbata der Le’ eidea (oder vielleicht besser Lecanora) areolata Schaer. wird endlich mit L. eli- minata Arn. exs. 538 identifizirt. Das S. 47 genannte Stereocaulon alpinum ist nach Briefen von Nylander nicht diese Art, sondern St. tortuosum Del. Hh. Mit letzterem ist synonym St. subintricans Nyl. in Flora 1875 S. 358 (auf Grund yon Exemplaren mit unvollkommen entwickelten Sporen aufgestellt. Stizenberger. 304 Hesse, Die IHypogäen Deutschlands. Natur- und Entwickelungsge- schichte, sowie Anatomie und Morphologie der in Deutschland vor- kommenden Trüffeln und der diesen verwandten Organismen nebst praktischen Anleitungen bezüglich deren Gewinnung und Verwen- dung. Band I, die Hymenogastreen mit 11 Tafeln, Halle, Verlag von Ludw. Hofstetter. 1891. In dem vorjährigen Jahrgang dieser Zeitschrift (8.115) wurde das Erscheimen des ersten Heftes von Hesse's verdienstlichem Hypogienwerke angezeigt; nachdem nun- mehr derersteBand desselben abgeschlossen ist, mag hier noch einmal darauf hingewiesen werden. DBehandelt es doch ein Gebiet der Mykologie, dem bisher verhältnissmässig wenig eingehendes Studium gewidmet wnrde, und weist einen ungeahnten Reichthum interessanter Hypogüen als Bürger der deutschen Flora nach. Von den ausgezeich- neten Habitusbildern darf behauptet werden, dass sie die Tulasne's übertreffen. Wird also der Verfasser hiebei auf allgemeine Anerkenung seines Werkes rechnen können, so ist für einen anderen Theil desselben ebenso sicher das Gegentheil zu erwarten, für den, der die Entwickelungsgeschichte behandelt. Indess kann dies der Verdienst- lichkeit des Ganzen um so weniger Eintrag thun, als der Verf. durch seine genauen Mittheilungen über das Vorkommen, den Standort, die Art des Einsammelns, sowie seine Diagnosen jeden in den Stand setzt, sich selbst Material zu weiteren Hypogäen- Studien zu verschaffen, welche hoftentlieh den Entwickelungsgang dieser interessanten Pflanzenformen aufklären werden. ; K. 6. Hempel und Wilhelm, Die Bäume und Sträucher des Waldes in botanischer und forstwissenschaftlicher Beziehung geschildert, Wien und Olmütz, Liefer. 4—6.') Von diesem schönen Werke sind nunmehr 8 weitere Lieferungen erschienen, welche die früher den ersten gezollte Anerkennung durchaus rechtfertigen. Der Text ist bis zur Besprechung der Kiefern vorgeschritten, die Tafeln, deren vortreflliche Ausführung allgemeine Anerkennung gefunden hat, geben schon eine Anzalıl Abbil- dungen von Laubhölzern. Zu tadeln finden wir an den Lieferungen nur eines: dass dieselben schlecht ge- heftet sind. K. 6. Eingegangene Litteratur. v. Beck, Mittheilungen aus der Flora von Niederösterreich. IIT. Aus d. -Verhand- lungen d. k. k. zool.-bot. Gesellschaft in Wien. Bennett, Freshwater Algae and Schizophyceae of South-west Surrey. Reprinted from the ‚Journal of the Royal Mieroscopical Society, Nov. 1891. Bericht über die Enthüllung der Büste von Prof. Dr. Aug. Wilh. Eichler. 8.-A. aus „Rngler, Bot. Jahrbücher“. XIV, 4, Beiblatt Nr. 32. PRotanical Magazine Vol. V, Nr. 58, 59, Vol. VI, Nr. 59 (published by the Tokyo botanical society). Campbell, On the relationships of the Archegoniata. From the Botanical Gazette, December 1891. Correns, Ueber die Abhängigkeit der Reizerscheinungen höherer Pflanzen von der Gegenwart freien Sauerstoffes. Habilitationsschrift, Tübingen 1892. 1) Vgl. Flora 1890 S. 572. 805 Coulter, The future of systematie botany. From the Proceedings of the American Association for the advaucement Seience. Vol. XL, 1891. Engler, Ueber die Hochgebirgsflora des tropischen Afrika. Aus d. Abhandlungen der Kal. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1891. Errera, Jean-Servais Stas. Extrait de Ja Revue de Belgique, 15. ferrier 1892. Famintzin, Eine neue Bacterienform Nevskia ramosa. Arbeiten aus denı bot. La- boratorium der Kais. Akad. der Wissenschaften zu St. Petersburg. Nr. 2. Forstlich-naturwissenschaftl. Zeitschrift, herausg. von Dr. von Tubeuf. 1. Jahrgang, 1. Heft. Fritsch, Karl, Ueber einige Licania-Arten. S8.-A. aus der „Oesterr. botan. Zeit- schritt‘, Jahrgang 1892, Nr. 1, Gibellie F. Ferrero, Ricerche di anatomia e morfologia intorno alla sviluppo dell’ ovolo e del seme della Trapa natans L. KHstratto dal Giornale Malpiehia, Anno V. Fasc. IV-—V. Gravis, Resume d’une conference sur l’anatomie des plantes. Extrait du Compte- rendu de la seance du 10. janvier 1891 de la Societe royale de botanique de Belgique. Bulletin, tome XXX. Hartig, Vertrocknen und Erfrieren der Kiefernzweige. S.-A. aus der „Forstlich- naturw. Zeitschrift‘ 1892. 2. Heft. Hartog, Some problems of reproduction. Reprinted from the „Quarterly Journal of Microscopical Science“ for December 1891. Holtz, L., Die Characeen Neuvorpommerns mit der Insel Rügen und der Insel Usedom. 8.-A. aus den Mittheilungen des naturw. Vereins für Neuvorpommern und Rügen. 23. Jahrg. 1891. Hovelaque, Sur la forme du eoussinet foliaire chez les Lepidodendron selaginoides. — — Structure du coussinet foliaire et de Ja ligule chez les Lepidodendron selaginoides. — — Structure de la trace foliaire des Lepidodendron selaginoides & Vinterieur du stipe. — — Sur la strueture du systeme libero-ligneux primaire et sur la disposition des traces foliaires dans les rameaux de Lepidodendron selaginoides. Janczewski, Zawilee Anemone L. S.-A. aus Rozprawy Wydz. mat. przyrod. Aka. Umiej. w Krakowie T. XXIL Landwirthschaftliches Jahrbuch der Schweiz, V. Bd, 1891, enthält an botanischen Arbeiten: E. von Freudenreich, Baeteriol. Unters. über den Rei- fungsprocess des Emmenthälerkäses; Nencki, Ueber Stoffwechselprodukte zweier Euterentzündungen veranlassender Mikroben; Freudenreich, Quantitative Unter- suchungen über die in Naturweinen und Kunstweinen enthaltenen Hefen und Bac- terien; Stebler und Schröter, Beiträge zur Kenntniss der Matten und Weiden der Schweiz. Meyer, Arthur, Wissenschaftliche Drogenkunde. II. Theil, Berlin 1892, R. Gerstner’s Verlagsbuchhandlung. Mittheilungen der Bayerischen Bot. Gesellschaft zur Erforschung der heimischen Flora... Nr. 1, 1892. Müller-Argau, Critigue de „lEtude‘ du Docteur Wainio. Extrait du la Revue Myeologique du 1er janvier 1892. . Noll, Die Phytognomoniea des Neapolitaners Joh. Bapt. Porta. S.-A. aus den Sitzungsberichten der Niederrhein. Gesellschaft f. Natur- u. Heilkunde zu Bonn, Pappenheim, Karl, Eine Methode zur Bestimmung der Gasspannung im Splinte der Nadelbäume. Inauguraldissertation, Berlin 1892. Pfeffer, Studien zur Energetik der Pflanze. Des XVII. Bandes der Abhandlungen der math.-pbysischen Olasse der Kgl. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften Nr, III. 1892. — — R. Hegler's Untersuchungen über Einfluss von Zugkraft ete. Berichte der K. Sächs. Ges..der Wissenschaften math.-physische Classe. Sitzung am 7. De- zember 1891. Potoni6, Die Zugehörigkeit der fossilen provisorischen Gattung Knorria. Naturw. Wochenschrift VII. Bd. Nr. 7. o Potter, ÖObservations on the Protection of Buds in the Tropie. Extracted from the Linnean Soeiety’s Journal-Botany vol. XXVIIL 308 Rosenvinge, Om nogle Vaextforhold hos Slaegterne Cladophora og Chaetomorpha. Saertryk af Botanisk Tidsskrift. 18. Bind. 1. Haefte. Kjobenhovn 1892. Schinz, Zur Kenntniss afrikanischer Gentianaceen. 8.-A. aus Bd. XXXVIL der Vierteljahrsschrift. — — Beitrag zur Kenntniss afrikanischer Passifioraceae. S.-A. aus Engler's bot. Jahrbüchern. 15. Bd., 1. Heft, 1892. Schober, Das Xanthorrhoeaharz. S.-A. aus den Verhandlungen des Naturw. Ver- eins in Karlsruhe. Ba. 11. Scholtz, Die Nutationen der Blüthenstiele der Papaver-Arten und der Sprossenden von Ampelopsis quinquefolia Miehx. Habilitationsschrift. Breslau 1892. Schottländer, Zur Histologie der Sexualzellen bei Kryptogamen. 8.-A. aus d. Ber, d. Deutschen Bot. Gesellschaft. Jahrgang 1892, Bd. X, Heft 1. Schütt, Sulla formazione scheletrica intracellulare di un Dinoflagellato. Estratto dalla Neptunias mensile per gli studi di Scienza pura ed applicata sul mare e snoi organismi. Nr. 10, 81. Octobre 1891. Stahl, Oedocladium protonema, eine neue Oedogoniaceen-Gattung. S.-A. aus Prings- heim’s Jahrbüchern für wissenschaft. Botanik. Bd. XXIII, Heft 3. v. Tavel, Das System der Pilze im Lichte der neuesten Forschungen. Vortrag, gehalten in der Sitzung der zürcher. Naturf. Gesellschaft, 23. Nov. 1891. Urban, Der Königl. Botanische Garten und das Bot. Museum zu Berlin in den Jahren 1878—1891. S.-A. aus Engler’s Bot. Jahrbüchern, 14. Bd., Heft 4, Bei- blatt Nr. 32. Vasey, Grasses of the Southwest. U. S. Deparment of Agriculture. Division of Botany. Bulletin Nr. 12. — — Monograph of the grasses of the United States and British Amerika. Contri- butions from the U. S. National-Herbarium. Vol. IIT, Nr. 1, 1892. Vesque, De l’emploi des earacteres anatomiques dans la elassification des vegdtaux. Extrait du bulletin de la Sociöte royale de botanique de Belgique, t. XXIX et XXX. Weber, C,, Ueber die Zusammensetzung des natürlichen Graslandes in Westholstein, Dithmarschen und Eiderstedt. S.-A, aus „Schriften des naturw. Vereins für Schleswig-Holstein“. Band IX, Heft 2. Wettstein, Untersuchungen über Pflanzen der Oesterr.-Ungar. Monarchie, S.-A. aus der „Oesterr. bot. Zeitschrift‘. Jahrgang 1891/92. . — — Nolanaceae, Solanaceae, Serophulariaceae. 8.-A. aus Engler’s Natürl. Pfanzen- fam. IV, 3b. Zahlbruckner, Ueber einige Lobeliaceen des Wiener Herbariums. (S.-A. aus An- nalen des K. K. Naturhistorischen Hofmuseums. Bd. VI, Heft 3 und 4) 1891. Figl "lora 18982. 0 Wr men Fig. 2. EEZERIEIEIEIEEEN Sn I SQ Sn a. b. [a me _ 22m u) | D Die Fruchtentwickelung der Gattungen Chylocladia, Champia und Lomentaria. Von P. Hauptileisch. Hiezu Tafel VII und VIH. D In den „Untersuchungen über die Befruchtung der Florideen* Y ist von Schmitz für eine Reihe von Florideen die Art und Weise der Fruchtbildung festgestellt und auf einen gemeinsamen Typus zurück- geführt worden. Ein kurz zusammengedrängtes Resultat seiner weiteren Arbeiten über die Pruchtentwickelung der übrigen Florideen hat dann Schmitz neuerdings in seiner „Systematischen Uebersicht der bisher bekannten Gattungen der Florideen“®) veröffentlicht. Diese letztere Publikation enthält jedoch nur die Aufzählung der auf Grund der Aehnlichkeit der Fruchtentwickelung zusammengehörigen Gruppen der Florideen. Die erstere Arbeit aber gibt zwar für verschiedene spe- zielle Fälle eine Reihe von einzelnen Thatsachen genauer und er- läutert dieselben durch Figuren, allein gleichwohl konnten hier die Fragen über die Vorgänge bei der Befruchtung doch nur in allge- meinen Zügen behandelt werden. Auf Veranlassung des Herrn Professor Schmitz unternahm ich es daher, einzelne Species etwas ausführlicher zu untersuchen, um den Bau und die Entwickelung der Cystokarpien in ihren Einzelheiten festzustellen. Hierzu wurden aus der Familie der Rhodymeniaceen die Gattungen Chylocladia, Champia und Lomentaria ausgewählt. 1) Sitzungsberichte der kgl. Akademie der Wissenschaften zu Berlim (1888) S. 215 fl. 2) Flora oder allgemeine botanische Zeitung 1889 Heft 5. Flora 1892, 2i 308 Bei diesen Untersuchungen stand die genauere Feststellung der Fruchtentwickelung in erster Linie. Im Anschlusse hieran wurden aber naturgemäss auch verschiedene Fragen über andere anatomische Einzelheiten berührt, und da in letzterer Zeit die Beobachtungen über das Spitzenwachsthum der Chylokladieen von verschiedenen Forschern in ganz verschiedener Weise gedeutet worden waren, so ergab es sich ganz von selbst, dass speciell auch diese Fragen einem genaueren Studium unterzogen wurden. Diese Untersuchungen wurden im botanischen Institut der Uni- versität Greifswald ausgeführt. Es wurde dabei theils getrocknetes, theils Spiritus-Material benutzt.!) In der nachfolgenden Darstellung sollen zunächst die Ergebnisse der Untersuchungen über den vegetativen Aufbau zusammengestellt werden. Im weiteren Fortgang werden dann die Beschreibung des Baues der Carpogonäste und die Schilderung der Entwickelung der Frucht folgen. — Ich beginne dabei mit Chylocladia kaliformis, die ich eingehender zu beschreiben beabsichtige, um dann die übrigen von mir untersuchten Species etwas weniger ausführlich zu be- handeln. I. 1. Chyloeladia kaliformis Grev.d Chylocladia kaliformis ist zuerst von Goodenough und Wood- ward als Fucus kaliformis beschrieben worden. — Lyngbye ver- einigte dann in seiner Hydrophytologia danica (1819) Fucus kaliformis mit Fucus clavellosus Turn. zu einer Gattung Gastridium, der er die Gattung Lomentaria mit der typischen Species L. articulata an die Seite stellte. — Greville vereinigte darauf diese beiden Gattungen zu einer einzigen, der er anfangs den Namen Gastridium beliess.. Da jedoch dieser Name schon an eine Graminee vergeben war, so ver- tauschte Greville denselben späterhin mit dem Namen Ohylocladic [in W. J. Hooker, British Flora (London 1833)]. — Inzwischen hatte Gaillon — im Gegensatz zu Greville — die andere Gattung Lomentaria beibehalten und hatte zu dieser auch noch mehrere Arten der Gattung Gastridium Lyngbye hinzugezogen. Für die beiden Species kaliformis und clavellosa waren hierdurch die beiden Gattungsnamer 1) Der grösste Theil des Untersuchungsmaterials war von Herm Prof. Schmitz bei Neapel, Cherbourg und anderen Orten gesammelt worden. 2) Kützing, Tabulae Phycologicae XV. Tab. 86. — Harvey, Phycologies. Britannica Tab. 145. 309 /hylocladia Grev. und Lomentaria Gaill. in Gebrauch gekonmen, doch schlossen sich die meisten Autoren der Namengebung Gaillons an. — Kützing") acceptirte nach Gaillons Vorgang die Gattung Lomentaria für die gliederartig eingeschnürten Formen und stellt an ihre Spitze Lomentaria kaliformis Gaill. Er rechnet hierzu aber auch ebenso wie Gaillon die von Lyngbye als typische Form aufgestellte articulata. — Ebenso verfuhr anfangs auch J. Agardh®),. indem er die gliederartig eingeschnürten Formen zur Gattung Lomentaria zählte, die durchgehends hohlen aber der Gattung Chylocladia zuwies, so dass neben der für Lomentaria typischen Species artieulata auch kaliformis zu dieser Gattung kam, während clavellosa von letzterer Art getrennt an das Genus Chylocladia gebunden wurde. — Durch die Untersuchungen Thurets?) wurde aber dargethan, dass einer- seits kaliformis und ihre Verwandten nicht bei artieulata belassen werden dürfen und dass andrerseits clavellosa und ihre verwandten Formen zu articulata gestellt werden müssen. — Anstatt nun aber kaliformis und deren verwandte Species in das durch Thuret refor- mirte Greville’sche Genus Chylocladia, clavellosa aber zu Lomen- taria zu stellen, verfuhr J. Agardh?) gerade umgekehrt: er trennte die typische Form articulata von der Gattung Lomentaria Lyngbye und beliess dagegen kaliformis und deren Verwandte bei diesem Genus, während doch kaliformis zur Gattung Ohylocladia gehört und bier (nachdem celavellosa und die ihr verwandten Species durch Thu- ret zu Lomentaria verwiesen worden sind) die typische Species zu bilden hat. Indessen schliessen sich doch die meisten Autoren nach Agardh seiner erwähnten Bezeichnungsweise an. Nur Ardissone?) macht kaliformis zur typischen Form einer reformirten Gattung Gastro- eloniwm, während doch Gastroclonium von Kützing‘) für einige meist zu Chrysymenia gehörige Arten aufgestellt worden war. Während nun die bisher genannten Autoren bei ihren Unter- suchungen wesentlich nur die systematischen Fragen behandelt hatten, berücksichtigt Nägeli”) in den neueren Algensystemen auch die ana- 1) Vgl. Kützing, Species Algarım. Lipsiae 1849. 2) J. Agardh, Species genera et ordines Floridearum, Lundae 1852. 3) Thuret, Recherches sur la Feeondation des Fucaeees, Paris 1855, p. 36 Anm. 4) J. Agardh, Epierisis systematis Floridearum. Lipsiae 1876. 5) Ardissone, Phycologia Mediterranea. Varese 1883. 6) Kützing, 1. e. p. 865. 7) Nägeli, Die neueren Algensysteme, Zürich 1847, 8. 246. * 21 316 tomischen Einzelheiten und schildert als Beispiel einer „Lomenta- riacee“ ziemlich eingehend den anatomischen Aufbau und auch den Bau der Frucht von Chylocladia kaliformis. Weitere Beiträge zur Anatomie dieser Pflanze, namentlich auch mit Bezug auf das Spitzen- wachsthum, lieferten dann Berthold) und Wille‘). Ferner liegen aus neuester Zeit zwei Arbeiten über die Struktur der Chylocladieen von Debray?) vor. Der Thallus von Chylocladia kaliformis*) (Lomentaria kaliformis Gaill., Kützing, Spee. alg. p. 862; J. Agardh, Epier. p. 633; Gastro- clonium kaliforme Ardiss., 1. c. p. 318) setzt sich aus cylindrischen, ge- gliederten, hohlen, quirlförmig verästelten Sprossen zusammen. Die ein- zelnen Glieder sind durch dünne Diaphragmen von einander getrennt; an diesen Diaphragmen ist der Thallus mehr oder weniger eingeschnürt. Die einzelnen Glieder erlangen dadurch eine mehr oder weniger tonnenförmige Gestalt, sind zuweilen aber auch vollständig eylindrisch. Sie sind meistens vielmal länger als breit und zwar um so mehr, je weiter man den Spross von der Spitze nach unten zu verfolgt. Aber auch die oberen Glieder sind länger als breit und nur direct unter der Spitze wird die Länge des ersten (selten auch des zweiten) Glie- -des von der Breite übertroffen. Die Zweigspitzen selbst sind kugelig. In breiter Schicht umgibt die gallertartige Kollode?) den ganzen Spross ringsum und füllt auch die Hohlräume der Glieder und die Zwischenräume der Zellen vollständig an. Nach aussen zu ist diese Kollode durch ein derbes Grenzhäutchen gegen das umgebende Wasser vor dem Zerfliessen geschützt; im Innern der Glieder ist ein solches Grenzhäutchen nicht vorhanden. Die Kollode verquillt und zerfliesst in Wasser, besonders in Süsswasser sehr leicht und 1) Berthold, Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Meeresalgen. Jahrbücher f. wissenschaftl. Botanik Bd. 13 (1883) S. 686. 2) Wille, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der physiologischen Gewebe- systeme bei einigen Florideen (Nova acta d. Ksl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher Bd. 52 Nr. 2). 3) Debray, Recherches sur la structure et le A6veloppement du thalle des “ Chylocladia, Champia et Lomentaria (Extrait du Bulletin scientifique du departe- ment du Nord. 2° serie, 9° annee No. 7—8). — Sur la structure et le developpemen“ des Chyloeladia Champia et Lomentaria. Paris 1890. 4) Das zu diesen Untersuchungen benutzte Material war in Spiritus conservirt und in Cherbourg gesammelt worden (leg. Schmitz). 5). Wegen der Bedeutung dieses Ausdruckes vgl. Zerlang, Entwickelungs- geschichtliche Untersuchungen über die Florideengattungen Wrangelia und. Nacearia. Flora 1889 8. 376 Anm. 2. — Nägeli (l. c. p. 247) bezeichnet diese gallertartige Hüllschieht als „Extracellularsubstanz (Cuticula)". 31 ermöglicht dadurch ein bequemes Zerquetschen der Sprosse. An Material, welches lange Zeit in Spiritus aufbewahrt worden ist, quillt sie häufig in Wasser nicht mehr vollständig auf; es zeigen sich dann im Innern der Glieder Lücken in der Gallerte, die bei Farbezusatz dadurch sichtbar werden, dass sich in ihnen Farbe ansammelt, während die Kollode selbst keinen Farbstoff aufnimmt. Die Thalluswandung ist einschichtig und besteht aus nahezu gleich grossen Zellen; nur vereinzelt finden sich kleinere Zellen vor, die sich in die Lücken zwischen den übrigen Zellen an der Aussenseite des Thallus ein- fügen. Dicht an der Innenseite der Wandung entlang ziehen sich lange dünne Zellfäden, welche ziemlich reichlich kleine, kuglige Zell- chen in die Thallushöhlung hinein abgliedern. Diese langen Zell- fäden sind auch verzweigt, aber nur in sehr geringem Maasse. Einzellige Haare von nicht unbeträchtlicher Länge sind in grosser Menge an den Zweigen vorhanden; besonders häufig aber finden sie sich an den Spitzen der Zweige. Wie Schmitz!) gezeigt hat, setzt sich der Thallus von Chylo- cladia kaliformis aus einzelnen Zellfäden zusammen, welche an der Spitze zusammenstossen und dort den fortwachsenden Scheitel der Zweige bilden. Es gelingt nicht allzuschwer, durch geeignete Be- handlung — Kochen in destillirtem Wasser und nachheriges Quetschen durch Druck oder Stoss auf das Deckglas — die Spitzen der Zweige in die sie zusammensetzenden Fäden zu zerlegen.‘ An den so gewonnenen isolirten Fäden lässt sich dann ohne grosse Mühe die Wachsthums- weise derselben studiren. Man sieht dann, dass sich die Endzellen der einzelnen Fäden durch Querwände theilen und so die Scheitel- zellen fortwachsender Fäden bilden, sowie auch dass in den abge- schnittenen Gliederzellen Längswände auftreten. Diese Längstheilung findet gewöhnlich schon an der ersten, sicher aber an der zweiten Zelle unterhalb der (Scheitel-)Endzelle statt. Die hierdurch abge- schnittenen Zellen sind stets nach aussen hin gelagert. Diese abgeglie- derten, äusseren Zellen verzweigen sich dann ihrerseits wieder nach dem bekannten Verzweigungsmodus, der von Bornet als subdicho- tom bezeichnet wurde. Indem nun die sich theilenden Aussenzellen zweier benachbarter Zellfäden untereinander und mit ihren Tochter- zellen zusammenstossen, bilden sie die ringsum zusammenschliessende Sprosswand, während ein solides parenchymatisches Mark von den 1) Schmitz, l. c. p. 114 Fig. 29 p. 155, 312 im Innern zusammenstossenden Tragzellen dieser Wandzellen zu- sammengesetzt wird. Da so die Wand gewissermassen die Rinde der Sprosse gegenüber dem parenchymatischen Innern darstellt, s9 seien die Wandzellen im Folgenden auch als Rindenzellen bezeichne:. Die Tragzellen der Wandzellen, d. h. die Zellen, welche (von der Spitzenzelle nach unten abgegliedert) durch die Ausbildung einer Längswand nach Innen zu liegen kommen, theilen sich im Allge- meinen nicht mehr. Sie wachsen später stark in die Länge und strecken sich zu mitunter recht langen hyphenartigen Zellen aus. In den äussersten Spitzen der Zweige schliessen diese Tragzellen sämmt- licher Fäden, welche den Thallus des Zweiges zusammensetzen, dicht zusammen ohne eine Lücke zwischen sich zu lassen. In den Zweig- spitzen ist somit die Eigenthümlichkeit des Habitus der Chylokla- dieen, die sie sonst von allen übrigen Florideen unterscheidet, noch nicht zu erkennen; wir finden da einen soliden Spross, dessen innere Partie, das Mark, von den Tragzellen der Rindenzellen gebildet wird. Erst im Verlauf des weiteren Wachsthums weichen .die Markzellen in der Mitte auseinander und lassen eine Lücke zwischen sich eni- stehen, welche von Gallerte erfüllt ist. Da somit die erwähnten hy- phenartigen Zellen in ihrer frühesten Jugend das Mark der Sprosse bilden, so mögen sie im weiteren Verlaufe dieser Darstellung als Markzellen, die Reihen derselben als Markfäden bezeichnet werden. Diese Markfäden zeigen auch, aus wie vielen einzelnen Zellfäden der Spross zusammengesetzt ist. Jedem Markfaden entspricht natür- lich eine Spitzenzelle, und die Spitzenzellen sämmtlicher Markfäden setzen den Scheitel des Sprosses zusammen. Da die Zahl der Mark- fäden oft bis sechszehn.und mehr beträgt, so ist natürlich, dass selbst bei flachkugeligen Spitzen nieht alle Endzellen den äussersten Scheitel erreichen können. An der Sprossspitze stossen vielmehr nur drei bis vier Zellfäden mit ihren Endzellen unvertüpfelt zusammen, in die Lücken zwischen diese Fäden fügen sich dann die andern hinein. Die Thatsache, dass der Spross von Chylocladia aus mehreren einzelnen Zellfäden sich aufbaut, lässt nun selbstverständlich ausge- schlossen erscheinen, dass nur eine einzige Scheitelzelle vorhanden set. Es sind eben so viele Scheitelzellen in Thätigkeit wie Markfäden die Sprossspitze durchziehen. Zuerst hatte Nägeli') das Spitzenwachsthum der Chylocladia kaliformis auf die Thätigkeit einer einzigen Scheitelzelle zurückgeführt. 1) Nägeli, 1. c. p. 246, 313 Obwohl nun schon von Kny?) und Berthold?) nachgewiesen war, dass mehrere Scheitelzellen vorhanden sind, wurde neuerdings die Angabe Nägelis von Wille?) wieder aufgenommen, jedoch von De- bray‘) und Bigelow°) widerlegt. Mir scheint, als ob die Fig. 55, auf welche sich Wille in seiner Angabe bezieht, die Spitze gar nicht median getroffen hat; der Schnitt ist offenbar oberhalb oder unter- halb der Medianebene des Sprosses geführt worden. Setzen die Markfäden nach oben zu den Scheitel des Sprosses zusammen, so geben sie anderseits unterhalb und nach innen zu den Scheidewänden das Entstehen. Das erste Diaphragma wird ziem- lich dicht unter dem Scheitel des Zweiges angelegt und entsteht da- durch, dass die Markfäden nach dem Zweiglumen hin Zellen abglie- dern, welche sich ihrerseits theilen und unter einander vertüpfeln. Gewöhnlich durchsetzen die Markfäden die Diaphragmen ohne sich direct an der Bildung der Scheidewand zu betheiligen. Indessen kommt dies doch auch mitunter vor, und es verbindet dann eine Markfadenzelle von der Grösse einer Diaphragmazelle die Mark- fadenzelle über der Scheidewand mit der unter derselben; bisweilen sind solche Markfaden-Diaphragmazellen auch wohl etwas länger und ragen dann nach beiden Seiten noch über die Scheidewand hinaus (Taf. VILu. VII, Fig. 78). Die Abstände der Diaphragmen untereinander vergrössern sich nach der Basis des Zweiges hin. Zuweilen kommt es vor, dass die Diaphragmen mehr oder weniger grosse Intercellular- räume enthalten und keine lückenlosen festgeschlossenen Wände dar- stellen. Sie sind stets einschichtig. Ihr Zweck scheint ein rein me- chanischer; sie dienen wohl hauptsächlich zur Erhöhung der Festig- keit der Sprosse. Ausser den Diaphragmazellen entstehen aus den Markfadenzellen auch in der Höhlung des Sprosses die runden, kugligen Zellchen, deren Durchmesser ungefähr gleich der Dicke der Markfadenzelle ist. Welche Function diesen Zellen zukommt, kann nicht mit Sicher- heit angegeben werden. Dass sie aber, wie Debray®) annimmt, Zellen 2 Kny, Sitzungsberieht nat. Freunde 1872 8.7. 2) Berthold, \. c. 3) Wille, l. c. p. 77, Fig. 55 Taf. V; Bot. Centralblatt 1889 p. 420. 4) Vgl. Debray, Sur la stucture etc. Fig. 5. 5) Bigelow, On the structure of the frond in Champia parvula. — Contribu- tions from the Cryptogamic Laboratory of the Museum of Harward University. VIE. 1887. 6) Debray, Recherches etc. p. 10, 314 rudimentärer Diaphragmen darstellen, halte ich für ganz ausgeschlossen. Sie sind jedenfalls stets sehr reich an Inhaltsstoffen und lagern inten- siv Farbe ein. Es dürfte die Deutung nichts Unwahrscheinliches haben, dass ihnen von den Markfäden, die wohl hauptsächlich. der Leitung dienen, Stoffe zugeführt werden, welche als Ausscheidungs- produkte des Stoffwechsels entstanden sind. Sie hätten dann eine ähnliche Bedeutung wie die Sekretzellen vieler Phanerogamen (Hy- pericum, Zingiber u. a.). Es mögen jedenfalls diese Zellchen der Kürze wegen im Folgenden Drüsenzellen genannt werden. Ich habe verschiedentlich durch Anwendung geeigneter Färbungsmittel versucht festzustellen, ob die Drüsenzellen etwa den gallertigen Schleim, mit dem das Innere der Sprosse ausgefüllt ist, in hervorragendem Maasse absondern, doch ergaben nach dieser Richtung hin die Untersuchungen kein Resultat. Aussen ist der Thallus, und zwar besonders an den Spitzen, mit zahlreichen Haaren bekleidet. Dieselben wachsen zu einer beträchtlichen Länge aus und sitzen den kleinen Rindenzellen an. Sie sind stets einzellig, Es kommt sehr häufig vor, dass sie dicht am Spross abbrechen und dann mit ihren unteren Partien in der gallertigen Hülle zwischen der Thalluswandung und dem Grenz- häutcehen stecken. Diese Haarstumpfe bleiben dann gewöhnlich noch längere oder kürzere Zeit erhalten‘). Die Haare sind im Innern an ihrer fortwachsenden kolbigen Spitze mit körnigem Protoplasma ver- sehen, während das sehr enge Lumen der Mitte plasmaarm, an älteren Haaren sogar plasmaleer ist; die Basis der Haare ist gewöhnlich zwiebelförmig angeschwollen. Im Gegensatz zu dem engen Lumen der Haare ist die Dicke der Membran eine ziemlich beträchtliche. Die Zweigspitze ist gewöhnlich kugelig, die Zweigbasis stark ein- geschnürt; der Durchmesser der Zweige übersteigt an der Basis meist nicht die Länge dreier Thalluswandzellen. Die Zweige sind gewöhnlich in einer grösseren Anzahl zu einem Qnirl vereinigt; es wurden bis acht Acste in einem Quirl gezählt. Im Allgemeinen entstehen die Zweige in acropetaler Reihenfolge ; doch geht gelegentlich auch an den unteren, älteren Partien noch eine Ausbildung junger Zweige vor sich. In allen beobachteten Fällen erfolgt die Zweigbildung an den Einschnürungen, wo die Diaphragmen dem Spross mehr Festigkeit geben. . Dort beginnt eine reichliche Zelltheilung, indem einige der grossen Thalluszellen der 1) Vgl. Nägelil. cc. TaeX Fig. 17; die feinen Fädchen an den Haarstumpfen sind sehr wahrscheinlich parasitärer Natur, 315 Wand — meist sechs bis zehn — kleinere Rindenzellen abgliedern. Diese theilen sich wieder und wachsen zu Fäden aus; die Spitzen dieser Fäden schliessen zusammen und bilden nun die Scheitelfläche der Zweige. Zu Scheitelzellen werden also nicht die Tochterzellen der grossen Thalluswandzellen selbst, sondern erst die durch Theilung dieser Tochterzellen entstehenden Zellen. Diese theilen sich dann in der gewöhnlichen Weise: nach oben hin werden die neuen weiter wachsenden Scheitelzellen, nach aussen die Wandzellen der Zweige abgeschnitten; die zu Markfäden werdenden Zellen sind dann also mit den Zellen vertüpfelt, welche den grossen Thalluswandzellen ansitzen‘), nicht mit diesen grossen Wandzellen direct. Die Höhlungen der Mutter- und Tochtersprosse communieiren nicht mit einander, die Thalluswand des Muttersprosses trennt beide. 2. Chylocladia ovalis Hook.) Der Thallus von Chylocladia ovalis®) (Lomentaria ovalis Endl.; J. Agardh, Spec. Flor. II p. 736; Gastroclonium ovale Kütz., Spee. alg. p. 865) besteht aus stielrunden, soliden, verzweigten Stengeln, die unterhalb fast nackt sind, oberhalb dicht gedrängte Aestchen tragen. Diese Aestchen sind oval bis länglich, hohl, sehr wenig septirt und nur wenig gliederartig- eingeschnürt. Gewöhnlich ist nur ein einziges Diaphragma vorhanden; dasselbe befindet sich dann dicht unterhalb der Spitze; in schr seltenen Fällen wurden zwei beobachtet. Das Diaphragma fehlt auch bisweilen. Mehrfach wurde dies Feblen eines Diaphragmas auch bei älteren Zweigen constatirt (die Zweige trugen Früchte, deren Sporen schon entleert waren, gleichwohl war ein Dia- phragma nicht vorhanden). Die Spitzen der Zweige sind kugelig wie bei Ch. kaliformis; ihre Basis ist massiv und sehr verschmälert. Die ganzen Sprosse sind innen und aussen von Kollode umhüllt; dieselbe umgibt die Zweige in ziemlicher Breite und ist nach aussen zu durch ein zartes Grenzhäutchen abgegrenzt. 1) Wie aus dem Geschilderten hervorgeht, stützen sich wohl die Zweige auf die Diaphragmen, nehmen aber nicht von ihnen — wie Debray (Recherches etc. p- 15) angibt — sondern von der Sprosswand ihren Ursprung. In den meisten Fällen geht die (im optischen Durchschnitt) obere Zweigwand dicht oberhalb, die untere dicht unterhalb des Diaphragmas hervor; die Verlängerung des letzteren würde die Zweigbasis in zwei ziemlich gleiche Hälften theilen. 2) Kützing, Tab. phye. XV Taf. 98. — Harvey, 1. c. Taf. 118. 8) Es wurde hauptsächlich Spiritusmaterial untersucht. Dasselbe stammte aus Cherbourg (leg. Schmitz). 316 Der anatomische Bau des massiven Stengels weicht im Allge- meinen nicht vom normalen Bau anderer Florideengruppen ab; von Debray') werden daher auch solche Sprosse der Chylocladieen als normale bezeichnet. Ein ziemlich dicht geschlossenes, parenchymati- sches Gewebe mit grösseren Zellen im Innern und kleineren auf der Aussenseite bietet sich auf Quer- und Längsschnitten des Thallus dar. Auch dieses parenchymatische Gefüge entsteht aus verzweigten Zellfäden ; und wenn es auch nicht so leicht ist wie bei der vorbeschriebenen Species, die fädige Struktur des Stengels klar zu legen, so wird es doch auch hier bisweilen von Erfolg gekrönt, wenn man Stammspitzen einige Zeit in kochendem Wasser aufweicht und darauf vorsichtig quetscht. Auch Längsschnitte® zeigen die fädige Zusammensetzung des soliden Stengels und lassen auch zu gleicher Zeit die subdicho- tome Gliederung der Zellen erkennen. — Bedeutend klarer zu erkennen ist bei Chylocladia ovalis die fädige Struktur der Zweige, welche dicht gedrängt die Spitzen der soliden Stengel umgeben. An ihrer Basis, da wo sie am Mutterspross angeheftet sind, gleichfalls massiv, bieten sie weiter oberhalb fast genau das Bild einer Ohylocladia kalı- formis. Die Thalluswandung ist einschichtig und besteht aus Zellen, die auf demselben Querschnitt nahezu gleich gross erscheinen; nur ver- einzelte kleinere Zellen finden sich in den Lücken zwischen den grösseren Zellen. Unterwärts am Spross sind die Zellen grösser als ober- halb, sie nehmen sowohl an Dieke und Breite, als auch ganz beson- ders in der Längsrichtung des Zweiges an Länge zu. An der Innen- seite der Wand entlang ziehen sich auch hier die langzelligen Markfäden, welche nach dem Zweiglumen zu kleine, kuglige Zellchen reich an In- halt tragen. Die Markfäden sind auch hier nur wenig verzweigt. Nur die Zweige tragen Haare, aber ausschliesslich an ihren Spitzen, und auch dort sind dieselben nicht in sehr grosser Menge vorhanden. Diese Zweige setzen sich nun gleichfalls aus verzweigten Zellfäden zusammen, und es gelingt verhältnissmässig leicht durch Quetschen nach vorhergegangenem Kochen die einzelnen Zellfäden zu isoliren. Die subdichotome Theilungsweise der Zellen ist dann an den isolirten Fäden deutlich zu beobachten und man sieht, dass die Wachsthums- weise genau die der Ohylocladia kaliformis ist. Die Scheitelzelle des Fadens theilt sich durch eine Querwand in die neue Scheitelzelle und eine Zelle, welche durch eine Längswand cine Rindenzelle 1) Vgl. Debray, Sur la structure etc. p. 400. 2) Debray, Sur la structure ete. p. 401 Fig, 2. 317 abgliedert. Durch weiter fortgesetzfe Theilungen der Rindenzellen und durch gleichzeitiges weiteres Wachsthum aller übrigen Fäden ent- steht dann die ringsum lückenlos geschlossene Zweigwand. Auch hier nimmt von den Markfäden aus die Scheidewand ihr Entstehen. Sie wird dieht unter dem Scheitel durch Theilung der Markfadenzellen angelegt und vergrössert sich später durch intercalares Wachsthum. Da die Zweigchen ziemlich kurz sind, so sind im Inte- resse der Festigkeit des Zweiges auch nur wenige Diaphragmen nöthig. Man findet denn auch selten mehr als eins und zwar ziemlich dieht unterhalb der Spitze; selbst an ausgebildeten Zweigen, an denen die Früchte schon ihre Sporen entleert haben, ist es nie mehr als höch- stens die Länge seines Durchmessers von dem Scheitel des Sprossos entfernt. Wie schon bemerkt, tragen auch hier die Markfäden die' kleinen, kugligen, inhaltsreichen Zellchen, die sich sehr intensiv färben. Sie entstehen schon in einem ziemlich frühen Stadium der Entwickelung . der Zweige, schon vor Anlage des Diaphragmas. In einem Falle trug schon die vierte Zelle vom Scheitel eine solche Drüsenzelle. Die Haare sitzen stets :nur den kleineren Rindenzellen auf, sind jedoch nicht so zahlreich wie bei der vorigen Species. Sie brechen auch hier sehr leicht ab und lassen nur ihre sehr kurzen Stumpfe in der breiten Hüllkollode zurück. Sie unterscheiden sich etwas in der Form von den Haaren der Chylocladia kaliformis und erscheinen etwas schlanker als dort. Die jüngeren Haare zeigen ein durchgehend gleich breites Lumen. In den älteren Haaren ist die Mitte zwar etwas verengert und plasmaarm, doch ist in den unteren und oberen Partien eine Erweiterung des Lumens nicht eingetreten; weder ist die Basis zwiebelartig angeschwollen, noch die Spitze kolbig erweitert. Die Membran ist nicht sehr dick, jedenfalls viel dünner als bei Ch. kaliformis. 3. Champia lumbriecalis Lamour.”) Sehon von Roth wurde 1806 die Species lumbricalis als Typus einer besonderen Gattung beschrieben, die (auf Vorschlag Thun- bergs) den Namen Mertensia erhielt. Da jedoch dieser Name von Wildenow für eine Farngattung vorweggenommen war, so musste für lumbricalis ein anderer Name aufgestellt werden. Der infolge ji) Harvey, Nereis australis (London 1847) p. 78 Taf. 30. — Kützing, Tab. phycol. XV Taf. 84. 318 dessen von Desvaux und Lamouroux angewandte Gattungs- name Champia erfreute sich dann dauernd einer allgemeinen Zu- stimmung, so dass die sonst so vielfach verbreitete Verwirrung in der Nomenclatur der Florideen in Bezug auf diese Gattung nicht ent- standen ist. — Ein Theil der zu dieser Gattung gehörigen Species aller- dings ist erst längere Zeit bei anderen Gattungen untergebracht ge- wesen. So rechnete Kützing?) und eine Zeit lang auch J. Agardh?) einige der hierher gehörenden Species zu Lomentaria Gaill. Die typische Species lumbricalis ist aber stets zu Champia gestellt worden. Der Thallus von Champia lumbricalis?) (Kützing, Spec. Alg., p- 861; J. Agardh, Spec. Floridearum Il. p. 371) ist stielrund, dick- wandig, hohl, mit Diaphragmen versehen, an den Gliedern fast gar nicht eingezogen und nur wenig verästelt. Die Aeste sowohl wie der Haupt- spross tragen in grossen Abständen büschelbildende Zweige. Diese Zweige sind kurz und mehr oder weniger gekrümmt; ihre Spitzen sind abge- stumpft. Die Glieder der Sprosse sind recht kurz, meist breiter als lang; die älteren sind länger als die jüngeren, also unten am Spross länger als weiter oberhalb. Cystokarpien und Tetrasporen werden nur an den Zweigen ausgebildet. Der ganze Thallus ist von einer sehr schmalen Aussenkollode umgeben, die auch an den Zweigen nicht viel breiter als am Hauptspross ist: nach aussen ist sie von einem derben Grenz- häutehen umhüllt. Auch der Hohlraum in den einzelnen Gliedern ist mit Gallerte angefüll. Ob indessen die Kollode das Lumen der Sprosse ganz und gar ausfüllt, konnte nieht mit Sicherheit entschieden werden; doch ist es schr wahrscheinlich, dass sich — nach Analogie der anderen untersuchten Fälle auch hier, wie bei jenen Species, die Gallerte gleichmässig durch die ganze Höhlung ausbreitet. Es lag aber zur Untersuchung nur trockenes Material vor und in den davon angefertigten Schnitten hatte offenbar die Kollode nicht mehr ihre frühere Quellbarkeit wieder gewonnen. Denn nachdem die Schnitte aufgequollen waren und die Präparate Farbe angenommen hatten, liessen sich zwar grosse Kollodemassen erkennen, jedoch lagen sie in der Mitte des Lumens und waren von der Thalluswandung fast voll- ständig losgelöst und ohne Verbindung mit ihr. 1) Kützing, Spec. Alg. p. 864. 2) J. Agardh, Speec. Floridearum. 3) Es wurde nur Herbarmaterial untersucht. Dasselbe stammte vom Kap der guten Hofinung. 319 Die Thalluswand besteht aus mehreren Zelllagen. In alten Stengeln zählt man zwei bis drei und mehr Schichten ziemlich grosser Zellen; diesen schliessen sich nach aussen ungefähr zwei bis drei Schich- ten von Zellen an, die nach aussen zu kleiner werden. Dann folgt eine eng zusammenschliessende Schicht kleiner, in der Richtung von innen nach aussen gestreckter, länglicher Rindenzellen. Im Allgemeinen ist der Bau der Thalluswand bei den Zweigen derselbe, nur ist die Wand dünner und hat dementsprechend auch weniger Zelllagen; gewöhnlich sind es nicht mehr als vier bis fünf, und an den Zweigspitzen sind sogar noch weniger vorhanden. An der Innenseite der Wände entlang ziehen sich die langzelligen Markfäden; sie tragen nach dem Lumen zu die kleinen, kugligen Zellchen und sind etwas verzweigt. Die Zahl der Drüsenzellen ist hier bedeutend geringer als bei den bisher beschriebenen Species. Haare wurden bei dieser Species gar nicht beobachtet. Es scheint als ob die dicke Grenzhaut und die dichte Rinde genügenden Schutz gegen zu intensive Beleuchtung gewähren. Haare, deren Bestimmung ja, wie Berthold?) feststellte, die ist, die Algen vor zu greller Beleuch- tung zu schützen, würden demnach nicht von bedeutendem Zwecke sein. Der Thallus setzt sich aus verzweigten Zellfäden zusammen. Es ist nicht schwierig, sich hiervon durch Quetschen nach vorhergegangenem Kochen zu überzeugen: entweder gelingt es, an der Spitze ver- schiedene der den Scheitel zusammensetzenden Fäden durch Quetschen zu isoliren, oder man erhält auch Präparate, welche den Scheitel etwas breitgedrückt und in der Mitte auseinander gequetscht zeigen; die an der Spitze zusammenstossenden Fäden sind dann etwas aus- einander gewichen und um diese kleine Lücke breiten sich nun strahlig die einzelnen Zellfäden nach allen Richtungen aus. Die Theilungs- weise der Zellfäden ist die gewöhnliche subdichotomische. Ihre Spitzen bilden, indem sie alle aneinander stossen, den fortwachsenden Scheitel der Sprosse. In den Fäden geht während des Wachsthums die Thei- lung in sehr lebhafter Weise vor sich. Alle diese Beobachtungen lassen sich auch unschwer an Schnitten wiederholen, namentlich dann, wenn die Schnitte nicht zu dünn sind (wie denn überhaupt an dünnen Mikrotom-Schnitten verschiedene Struktur- verhältnisse nicht gut aufgeklärt werden können, da die geringe Dicke des Schnittes meist eine genaue Örientirung verhindert). Dickere Schnitte dagegen ermöglichen leicht Sicherheit über die Orientirung 1) Vgl. Berthold, . ce. p. 677. ff. 320 der Zellen, während andrerseits genügendes Verquellen und Aufhellen auch den Einblick in den inneren Bau gestatten. Von den Markfäden geht die Bildung der Diaphragmen aus. Das erste wird ganz dieht unter der fortwachsenden Spitze angelegt, indem die Markfäden nach dem Zweiglumen zu Zellen abgliedern, die sich ihrerseits wieder theilen, bis das Diaphragma geschlossen ist; durch inter- calares Wachsthum vergrössert es sich dann später. Die Markfadenzellen ragen gewöhnlich weit unter und über das Diaphragma hinaus. Die Bil- dung des Diaphragmas erfolgt also hier genau in derselben Weise wie bei (len vorbeschriebenen Species. Es stehen demgemäss auch hier die Markfäden nur an der Peripherie der Diaphragmen mit diesen in Verbindung. Bisweilen finden sich aber in Schnitten auch einige Mark- füden, welche scheinbar die Mitte der Höhluug durchziehend die ein- zelnen Diaphragmen mit einander verbinden.d 'Thatsächlich sind aber in der Mitte zwischen den Diaphragmen keine verbindenden Mark- fäden vorhanden, und sie zeigen sich nur deshalb auf einzelnen Schnitten, weil bei diesen die im Schnittmaterial gekrümmten und gefalteten Diaphragmen nicht gleichmässig in senkrechter Richtung zur T'hallus- wand getroffen werden. In den Zweigen und den jüngeren Partieen der Hauptsprosse bestehen die Diaphragmen aus einer einzigen Zellschicht. In den älteren Theilen werden sie mehrschichtig®), doch bleibt die primäre Querwand durch die Regelmässigkeit der Form ihrer Zellen auch in diesen verdickten Diaphragimen kenntlich. Die Drüsenzellen sitzen den Markfäden an und werden von diesen nach dem Lumen des Sprosses zu abgeschnitten. Sie treten schon früh auf und sind schon oberhalb des ersten deutlich erkennbaren Diaphragmas ausgebildet, aber, wie schon bemerkt, in sehr geringer Anzahl. — Die Zweige sind an ihrer Basis fast von derselben Breite wie in der Mitte. Ihre Markfäden sind mit: den grossen Wand- zellen des Muttersprosses vertüpfelt; die Lumina der Zweige und Sprosse stehen also nicht unter einander in Verbindung. Wegen der ziemlich beträchtlichen Dicke dieser Pflanze ist natürlich ihre mecha- nische Festigkeit eine grössere. Man beobachtet daher auch nicht, dass die Lage der Diaphragmen in auffälliger Weise zu der Insertion der Zweige in Beziehung steht. Es wurde zwar mehrmals (an Schnitten) wahrgenommen, dass einzelne Zweige an ihrer Insertionsstelle sich 1) Vgl. Kützing, Phycologia generalis Taf. 54 Fig. 14, wo ein solches Bild dargestellt ist. 2) ibid. Fig. 17. 321 mit der oberen Partie auf ein Diaphragma stützten, doch kann nicht behauptet werden, dass die Entstehung der Zweige aus dem Mutter- spross regelmässig in dieser Weise stattfindet. 4. Champia parvula Harv.') Der Thallus von Champia parvula?) (Chylocladia parvula Hook. Brit. Fl. II p. 298; Lomentaria parvula Gaill., Kützing, Spee. Alg. .p. 864) ist stielrund, hohl und mit Diaphragmen versehen, an den Scheidewänden etwas eingeschnürt. Die Verzweigung ist keine zu reichliche und erfolgt nach allen Seiten hin. An den Zweigen sind die einzelnen Internodien verhältnissmässig kurz; die Glieder sind fast nicht länger als breit, mehr oder weniger tonnenförmig in den jüngeren, fast eylindrisch in den Hauptzweigen. Die Zweige enden in stumpfe Spitzen. Die einschichtige Wandung ist nach innen und aussen von gallertiger Kollode umgeben, die nach aussen von einem Häutchen begrenzt wird. Die dicht ineinander gefügten Zellen der einschich- tigen Thalluswand zeigen auf demselben Querschnitt nahezu die gleiche Grösse, denn nur wenige kleinere Zellen schieben sich in die Lücken zwischen die grossen hinein. Die langzelligen Markfäden, welche auch hier an der Innenseite der Thalluswand entlang laufen und wie bei den vorbeschriebenen Species nach dem Zweiglumen zu kuglige Zellchen tragen, sind etwas verzweigt. Bei dieser Species sind Haare vorhanden; sie sind einzellig und treten namentlich an den Aweigspitzen ziemlich zahlreich auf. Die Sprosse setzen sich wie bei den vorigen Species aus ver- zweigten Zellfäden zusammen; diese Zellfäden wachsen durch Spitzen- wachsthum in die Länge ganz genau in derselben Weise, wie cs schon verschiedene Male beschrieben worden ist. Diese Zellfäden lassen sich durch Quetschen, wenn der Spross durch Kochen genügend aufgeweicht ist, leicht isoliren. Wir haben demgemäss auch hier kein Spitzenwachsthum durch eine einzige Scheitelzelle, sondern die verschie- denen in der Zweigspitze zusammenstossenden Endzellen der Fäden bilden ebenso viele Scheitelzellen?); von diesen stossen einige wenige (drei bis vier) direct an einander am äussersten Scheitelpunkt, die übrigen füllen die Lücken der von dort ausstrahlenden Zellfäden aus. 1) Kützing, Tab. phyc. XV Taf. 87. — Harvey, Phycologia Britanniea IL Taf, 210. 2) Es wurde Spiritusmaterial von Neapel (leg. Schmitz) und von Wood-Hall (leg. Farlow) untersucht. . 3) Vgl. Berthold, 1. c. p. 686, Fig. und Bigelow, l. c. p.116 Fig. 3—6, 389 Die Markfäden sind direct mit den Wandzellen vertüpfelt. Es mag zuweilen wohl vorkommen, dass die Tochterzellen der Markfäden nicht selbst zu Wandzellen werden, sondern erst die Tochterzellen dieser Zellen, so dass verbindende Zellen zwischen Markfäden und Wand- zellen entstehen‘), doch sind dies stets Ausnahmsfälle. Die Verzweigung der Zellen, welche die Thalluswand bilden, findet in der üblichen subdiehotomischen Weise statt. Von den Endzellen dieser Zellverzweigungen, welche gewöhnlich an der Spitze der Sprosse etwas kleiner als weiter unterhalb sind, werden die einzelligen Haare abgegliedert. Ihrer Form und Gestalt nach sind sie nur wenig von den Haaren der Chylocladia kaliformis unterschieden. Am Grunde diek angeschwollen und an ihrer Spitze keulig erweitert, bleiben sie jedoch an Länge bedeutend hinter den Haaren von kaliformis zurück ; auch ihre Membran ist viel dünner als dort. — Die Festigkeit der Sprosse wird durch Querwände erhöht; dieselben sind einschichtig. Durch diese Diaphragmen laufen die Markfadenzellen gewöhnlich hindurch. Die erste Scheidewand wird dicht unter der fortwachsenden Spitze ange- legt?) und zwar dadurch, dass die Zellen der Scheidewand von den Mark- fadenzellen abgegliedert werden. Durch intercalares Wachsthum, in- dem sich die Zellen des jungen Diaphragmas weiter theilen, vergrössert sich dann später die Wand. Die Drüsenzellen, welche ja auch aus den Markfadenzellen ent- stehen, sind in ziemlicher Menge vorhanden; man findet sie bisweilen schon über dem ersten Diaphragma. Die Verzweigung findet im Allgemeinen in derselben Weise statt wie bei Chylocladia kaliformis. Da indessen bei Champia parvula die Zweige an ihrer Basis ziemlich breit sind, so nehmen dementspreehend auch mehr Zellen des Muttersprosses an der Zweigbildung theil. Diese be- ginnt dadurch, dass mehrere der grossen Thalluswandzellen nach auf- wärts eine oder mehrere Zellen abgliedern, welche sich ihrerseits wieder nach der Weise der den Thallus bildenden Zellfäden theilen. Hier stellen also die Tochterzellen der’ grossen T'halluswandzellen die Scheitel- zellen der Zweigzellfäden dar (eine kleine Abweichung von der Zweig- bildung bei Chylocladia kaliformis, wo erst infolge der zweiten Thei- lung die Scheitelzelle entsteht). Sie gliedern im weiteren Verlaufe ihres Waehsthums nach oben die fortwachsenden neuen Scheitelzellen, nach aussen die Thalluswandzellen ab; mit den grossen Thalluszellen des Muttersprosses sind die Markfäden der Zweige direct vertüpfelt. 2 Siehe Bigelow l. e. Fig.2, wo solche Zellen abgebildet sind. 2) Vgl. ibid. p. 117 Fig. 3 und Fig. 9. 23 wor Die Aeste nehmen also auch hier von den Wandzcellen des Muttersprosses ihren Ursprung, nicht von den Diaphragmazellen unter- halb der Wand). Die Zweige sitzen fast immer so an den Mutter- sprossen, dass sie sich mehr oder weniger auf ein Diaphragma der- selben stützen, wodurch natürlich die Festigkeit des ganzen Systemes sehr vortheilhaft beeinflusst wird. Die Basis der Zweige liegt entweder zu beiden Seiten des Diaphragmas oder zum grössten Theil oberhalb resp. unterlialb desselben. Es wurde aber nie der Fall beobachtet, dass die Insertionsstelle eines Zweiges sich zwischen zwei Dia- phragmen befand. Die Zahl der Acste an eimem Diaphragma ist meist sehr gering; gewöhnlich ist nur ein Ast vorhanden. 5. Lomentaria artieulata Lyngb.? Die Gattung Lomentaria wurde im Jahre 1819 von Lyngbye mit der typischen Form articulata (Ulva articulata Huds.) aufgestellt. Wie schon bei Chylocladia angeführt wurde, entstand einige Ver- wirrung in der Benennung dadurch, dass später die von Lyngbye aufgestellten beiden verwandten Gattungen Lomentaria und Gastridium vereinigt wurden von Greville zur Gattung Chylocladia, von Gaillon zur Gattung Lomentaria. Als dann bald darauf die beiden Gattungen von den folgenden Autoren wieder getrennt wurden, wurde artieulata zwar bei Lomentaria belassen, doch wär diese Gattung sowohl bei Kützing®) als bei J. Agardh*) eine Sammelgattung; beide Autoren stellten in diese Gattung ausser articulata auch kaliformis und par- vala nebst deren Verwandten. Auf Thurets®) Einwendungen hin trennte nun zwar J. Agardlıı$) kuliformis und parvula von articulata, ‚riss letztere aber von der auf sie gegründeten Gattung Lomentaria fort und benannte sie Chylocladia articulata, während Thuret und Le Jolis”) — und so verlangt es offenbar das Recht der Priorität — die Bezeichnung Lyngbyes Lomentaria articulata aufrecht er- hielten. 1) Vgl. Debray, Recherches etc. p. 15. 2) Kützing, Tab. phye. XV, Tat. 85. — Harvey, Phyeol. Brit. IT, 'Taf. 283. 3) Kützing, Spee. Alg. 4) J. Agardh, Spec. Florid. Vol. Il Pars 3 p. 724 ff. 5) Thuret, 1. c. p. 36. 6) J. Agardh, Epierisis. 7) Le Jolis,. Liste des algues marines de Cherbourg. Paris 1868. Flora 1892. . 22 324 Der 'Thallus von Lomentaria articulata®) (Kützing, Spee. Ale. p. 863; J. Agardh, Spec. Flor. p. 727; Chylocladia articulata Grev.. Harvey, Phye. Brit; J. Agardh, Epierisis) ist stielrund, regelmässig gliedartig eingeschnürt und an den Einschnürungen solide. An den Einschnürungen, gewöhnlich an allen, entspringen, meist dichotomisch. die Zweige, deren Enden abgerundet sind. Die Glieder sind länglich oval, meist mehrmals länger als breit. Die Kollode, welche die Pflanze aussen umhüllt, ist äusserst schmal; die Grenzhaut, welche diese Kollode nach aussen hin abschliesst, ist auffällig dick und derb. Die Thalluswand erscheint auf Quer- oder Längsschnitten mehr- schichtig. Zu äusserst finden sich kleine inhaltreiche Zellen; dieselben sind äusserst zahlreich und schliessen ganz dicht aneinander. Nach innen zu folgen dann die gewöhnlichen grossen Thalluszellen, wenn nicht noch zwischen diesen grosser und den kleinen Rindenzellen Zellen mittlerer Grösse eingeschaltet sind; hierdurch erscheint dann der Thallus — und das ist ziemlich häufig der Fall — dreischichtig (Fig. 45). An der Innenseite der Wand entlang ziehen dann die langzelligen Markfäden. Dieselben sind in sehr grosser Zahl vorhanden, verzweigen sich sehr reichlich und. ahnastomosiren in der ausgiebigsten Weise unter einander. Auch hier tragen sie in ziemlicher Menge kleine Drüsenzellen.' An den Einschnürungen zwischen zwei Gliedern ist der Thallus auf mehrere Zellbreiten hin voliständig geschlossen; sonst sind aber Diaphragmen nicht vorhanden. Auch die Haare fehlen gänzlich. Die in grosser Zahl vorhandenen, eng aneinander schliessenden kleinen Rindenzellen erschweren bei dieser Species die Untersuchungen um so mehr, als sie auch häufig sehr reich an Inhaltsstoffen sind und sich recht intensiv färben; die grossen Thalluszellen sind durch die dichte Rinde hindurch häufig gar nicht wahrzunehmen, da sie sich bedeutend matter als die darüber liegenden Zellen färben. Es ist daher recht schwierig, die füdige Zusammensetzung des Thallus nach- zuweisen, zumal da das Zerquetschen auch nach längerem Kochen häufig ungünstige Resultate liefert. Gewöhnlich werden die Zellfäden zu einem vollständig strukturlosen Lager aus einander gequetscht, und nur in seltenen Fällen lassen sie sich deutlich erkennbar isoliren. 1) Es wurde zur Untersuchung ausschliesslich Spiritusmaterial von Cherbourg benutzt (leg. Schmitz). j 325 Mit grösserem Erfolg studirt man daher den Thallusbau‘) auf Längs- schnitten. Dort zeigt sich die fädige Struktur des Thallus und die subdichotomische Verzweigung der Zellfäden, wie in den vorher be- schriebenen Fällen; nur findet hier eine weit ausgiebigere Verzwei- gung statt als bei den Species mit einschichtiger Sprosswandung. Durch diese häufigere Verzweigung entsteht hier auch die grosse An- zahl der Markfäden, welche dadurch, dass sie unter einander anasto- mosiren, den einzelnen Gliedern eine grössere Festigkeit verleihen. Besonders wird aber das ganze Sprosssystem dadurch gefestigt, dass die Zweige an den Einschnürungsstellen massiv sind. An der Ausbildung der an diesen Stellen gebildeten Verschlüsse nehmen ausser den Wand- zellen des Sprosses in erster Linie die Zellen der Markfäden Theil. Mehrere Zellen dieser Markfäden (an sämmtlichen Markfäden etwa drei bis fünf auf einander folgende Zellen) recken sich nämlich nicht wie die übrigen Markfadenzellen in die Länge, sondern bleiben rundlich und gliedern auch wohl bisweilen (aber selten) nach den Seiten hin rundlich bleibende Zellen ab. Ein Auseinanderweichen der Mark- fäden findet an einer solchen Stelle dann nicht statt, und die Faden- zellen bestehen hier als wirkliche Markzellen fort (Fig. 79)9; gleich über dieser Stelle bläht sich der Spross dann wieder auf. Die Zweige sitzen den Muttersprossen in der unmittelbarsten Nähe der soliden Partieen auf; die sie zusammensetzenden Fäden nehmen von den grossen Thalluszellen aus ihren Ursprung. Die Höhlungen der Mutter- und Tochtersprosse stehen nicht im Zusammenhang mit einander. 6. Lomentaria clavellosa Thur. ß conferta (de Notaris).?) Der Thallus dieser Alge‘) (Fucus elavellosus Turn.; Chrysymenia clavellosa J. Ag., Harvey, Phyc. brit. IE p. 114; Ohylocladia cla- 1) Vgl. Debray, Sur la structure ete. p. 412 und 413, Fig. 15. 2) Vgl. Debray, l. e. Fig. 16 pp. 414 und 415. 3 Kützing, Tab. phye. XV, Taf. 81; Zomentaria clavellosa in Harvey, Phye. brit. II, Taf. 114. " 4) Das von mir hauptsächlich zur Untersuchung benutzte Material war in Neapel gesammelt (lee. Schmitz) und in Spiritus conservirt worden. Mit Hilfe der mir zugänglichen Werke bestimmte ich es als Zomentaria clavellosa B conferta, wo- bei ich mich besonders auf Kützing ].c. stützte. — Daneben wurde auch zur Unter- suchung Spiritusmaterial der Zomertaria celavellosa von Helgoland (leg. Schmitz), sowie von derselben Species Herbarmaterial (Helgoland und Biaritz) benutzt. 22% 326 vellosa Grev., J. Agardh, Epic. p- 292; Chondrothamnion cluvellosum Kg., Kützing, Spec. Alg. p. 859) ist stielrund, durchweg hohl und nicht eingeschnürt und allseitig ziemlich reichlich verzweigt. An der Basis sind die schlanken Zweige von geringerem Durchmesser als in der Mitte. Nach der Spitze zu nehmen sie allmählich an Dicke ab; die Spitze selbst ist stumpf bis abgerundet. Das ganze Laub ist ringsum von der gallertigen Hülle umgeben, die ihrerseits von einer Grenzhaut umhüllt ist. Auch die Hohlräume der ganzen Pflanze sind vollständig mit Gallerte ausgefüllt. Die Thalluswandung kann nur als einschichtig bezeichnet werden. Der Querschnitt zeigt einen Kranz nahezu gleich grosser Zellen; aller- dings fügt sich an der äusseren Peripherie dieses Kranzes meist noch eine kleinere Zelle in die Lücke zwischen zwei grössere, doch liegt diese kleine Zelle stets über der gemeinschaftlichen Zellwand zweier grosser Wandzellen und trägt nichts dazu bei, den Thallus zwei- schichtig erscheinen zu lassen. Diese Anordnung der Zellen bietet bei der Betrachtung der Thalluswand von aussen — abgesehen von den jungen Partieen der fortwachsenden Spitze — ein recht zier- liches Bild dar, da die lückenlos zusammenschliessenden grossen Wandzellen, die ein wenig in der Richtung der Längsachse des Sprosses gedehnt erscheinen, über ihren gemeinsamen Zellwänden mit kleinen Zellen garnirt sind, welche von fast gleicher Grösse und in ungefähr gleichem Abstande angeordnet gewissermaassen ein Bild des unter ihnen befindlichen Zellgefüges darstellen, dessen gemeinsame Wände durch die kleinen Zellen markirt werden. Auch bei dieser Species ziehen sich — genau so wie bei den vorbeschriebenen — an der inneren Fläche der Wandung entlang zahl- reiche Reihen von langgestreckten eylindrischen Zellen, die Markfäden. Diese Markfäden sind häufig verzweigt und anastomosiren weiter unter- halb der Spitze in ganz ausgedehntem Maasse mit einander. Durch dies vielfache Verästeln und Anastomosiren entsteht ein dichtes ge- drängtes Netzwerk, welches für die Festigkeit und Widerstandfähigkeit der Sprosse von um so grösserer Bedeutung ist, als Diaphragmen nicht vorhanden sind. - An-den Markfadenzellen sitzen dem Zweiglumen zugekehrt die kleinen inhaltsreichen kugligen Drüsenzellen. Zuweilen wurden auch Drüsenzellen beobachtet, welche am Ende eines, bisweilen hakig ge- krümmten Markfadenzweiges ansassen (Fig. 58). Wir finden also auch hier (wie auch bei articulata) diese Drüsen- zellen, und zwar sind sie in beträchtlicher Menge vorhanden. Dia- 327 phragmen fehlen indessen bei diesen beiden Species. Die Drüsenzellen sind also nicht an das Vorhandensein von Diaphragmen gebunden, ihre Entstehung also auch nicht auf die missglückte Ausbildung eines Diaphragmas zurückzuführen, wie Debray annimmt. Die Zweige sind — besonders nach der Spitze hin — mit zahl- reichen, zum Theil recht langen Haaren besetzt, die sehr leicht ab- brechen und mit den Stumpfen in der Hüllgallerte stecken bleiben. Der Thallus baut sich wieder aus verzweigten Zellfäden auf, die an der Spitze der Zweige zusammenstossen und dort die fortwachsende Scheitelfläche bilden. Die einzelnen Zellfäden wachsen auch hier durch Spitzenwachs- thum in die Länge. Unterhalb der Scheitelzelle findet an der ersten oder zweiten Zelle Verzweigung statt (Fig. 59).. Die Astzellen ver- zweigen sich ebenfalls wieder und bilden zusammenstossend mit den Zellen der Nachbarfäden die Wand des Thallus, während die Tragzellen der Wandzellen zu Markfadenzellen werden. Die Zellen, welche direct an den Markfadenzellen ansitzen, sind die grösseren. Die von diesen im Laufe fortgesetzter Verzweigung abgegliederten Zellen werden allmählich kleiner, wobei sich die kleineren Zellen so in die Lücken zwischen die grösseren einschieben, dass die Wandung wie aus einer‘ Parenchymschicht bestehend erscheint und durchaus lückenlos ist. Die kleinen Endzellen der Zweigchen werden dabei etwas nach aussen gedrängt, so dass die Thalluswand auf dem Quer- schnitt stellenweise wie zweischichtig erscheint. Die Verzweigung ist gewöhnlich überaus regelmässig und anscheinend dichotomisch (Fig. 60). Die kleinen Endzellchen tragen die langen einzelligen Haare, und es hat den Anschein, als ob ein jedes dieser Endzellchen solch ein Haar abgliedern kann. _ Die Haare gleichen im Grossen und Ganzen denen von Chylocladia und Champia: an der Basis zwiebelförmig, an der Spitze kolbig an- geschwollen; sie werden bis 300 u und darüber lang. Die Zweige sind an ihrer Basis, wo sie ihren Mutterzweigen an- sitzen, etwas eingeschnürt. Der innere Durchmesser der Zweige ist an dieser Stelle ungefähr der Länge von drei bis vier Wandzellen gleich. Die Zweige entstehen dadurch, dass einige der grossen Thalluszellen nach aussen hin Zellen abgliedern, welche sich in der gewohnten Weise pseudodichotomisch theilen und nun die Scheitelzellen der Zellreihen darstellen, welche den jungen Zweig zusammensetzen. Im ersten Anfang der Zweigbildung ist das Ausschen der Thallüswandung des Muttersprosses ganz genau dasselbe wie das einer fortwachsenden 328 Spitze: der Spross scheint aus kleinen, diehtgedrängten, imhaltsreichen Zellchen zusammengesetzt. Erst im Laufe der weiteren Entwickelung des jungen Zweiges lassen sich (genau wie an der Spitze des Mutter- sprosses) die Markfäden von den übrigen Thalluszellen unterscheiden. Dann ist auch deutlich erkennbar, dass die Höhlungen von Zweig und Mutterspross nicht zusammenstossen. Ferner zeigt es sich dann, dass die Markfäden des Zweiges mit den grossen Thalluszellen der Hauptsprosswand vertüpfelt sind. — Die Tochterzellen dieser Thallus- zellen sind also die Scheitelzellen der neuen Zweige geworden. Sie haben sich zunächst in zwei Zellen getheilt, von denen die einen die fortwachsenden Scheitelzellen bildeten, während die andern mit der Wand des Muttersprosses vertüpfelt blieben. Diese letzteren Zellen gliedern dann nach aussen je eine Zelle zur Zweigwandbildung ab, während sie selbst, mit dem Mutterspross dauernd vertüpfelt die ersten Markfadenzellen darstellen. HI. Wenn wir einen kurzen Rückblick auf die eben geschilderten Thatsachen werfen, so fällt besonders die ausserordentliche Achnlich- keit, welche diese. drei Rhodymenieen-Gattungen auszeichnet, deutlich in die Augen. Diese Achnlichkeit ist so gross, dass die Beschreibungen, welche Hauck von seiner Gattung Chylocladia Grev. (= Lomentaria Lyngb. 4 Champia Lamour)®) einerseits und Lomentaria Gaill. (= Chy- locladia Thur.)?) andrerseits gibt, ohne die allergeringsten Bedenken vertauscht werden könnten. Alle drei Gruppen sind eben „im äusseren Habitus und im der ganzen Struktur übereinstimmend*.?) Der Thallus ist mehr oder weniger stielrund, gewöhnlich röhrig, bisweilen gliederartig eingeschnürt und dann an diesen Stellen ge- wöhnlich von Diaphragmen durchsetzt. Die Wand zeigt ein durchaus geschlossenes parenchymatisches Gewebe, welches sowohl ein- als mehrschichtig sein kann. In den einschiehtigen Wänden füllen die kleineren Zellen die Lücken zwischen den grösseren aus, in den mehr- schichtigen befinden sich in den inneren Schichten die grösseren und lockerer zusammenschliessenden Zellen, worauf nach aussen zu die kleiner werdenden und dichter in einander gefügten Zellen folgen. Wo Diaphragmen vorhanden sind, bestehen dieselben stets nur aus einer 1) F. Hauck, Die Meeresalgen Deutschlands und Oesterreichs. Babenhorsts Cryptogamen-Flora Il. p. 158. 2) Ibid. p. 200. 3 J. Agardh, Morphologia Floridearum p. 267. ng 329 Zellschicht; erst mit dem Alter nimmt bisweilen die Dicke der Scheidewand zu. An der Innenseite der Wand entlang laufen die Markfäden ge- wissermaassen wie Rippen oder Träger eines Gewölbes. Sie tragen überall nach dem 'Zweiglumen zu die kleinen kugligen Drüsenzellen. Stets sind diese Algen von der mehr oder minder breiten gallert- artigen Aussenkollode umhüllt, die nach aussen durch ein Grenz- häutchen abgeschlossen ist; sind die Sprosse hohl, so ist auch der Hohlraum von Kollode erfüllt. Bei allen hier untersuchten Species setzt sich der Thallus, wie allgemein bei den Florideen, aus verzweigten Zellfäden zusammen, deren Endzellen, am Scheitel der Sprosse zusammenstossend, ebenso viele Scheitelzellen darstellen; eine einzige Scheitelzelle ist in keiner dieser drei Chylocladieengattungen vorhanden. Diese den Florideen- thallus zusammensetzenden Fäden verzweigen sich in der gewöhnlichen subdichotomischen Weise. Die Scheitelzelle theilt sich nur durch Quer- wände, die übrigen Zellen schneiden nur seitwärts Astzellen ab. Auf diese Weise werden nach aussen hin die Wand- und Rindenzellen abgegliedert; im Innern theilen sich die Tragzellen dieser Rinden- zellen gewöhnlich nicht weiter, sondern wachsen in die Länge zu hyphenartigen Fäden. Dadurch, dass diese dicht unterm Scheitel eng zusammenschliessen, in den meisten Fällen dann während des weiteren Wachsthunas aus einander weichen, entstehen die aufgeblasenen, röhrigen Sprosse, die für die Chylocladieen so charakteristisch sind. Von den Markfäden aus wird in allen Fällen sowohl das stets einschichtige Diaphragma als auch der mehr oder weniger breite Ver- schluss der Einschnürungen angelegt. In letzterem Falle sind es die — rund bleibenden — Markfadenzellen allein, welche die Höhlung ausfüllen, bei den Diaphragmen sind es hauptsächlich Astzellen der Markfäden, die durch weitere Theilungen eine parenchymatische Scheidewand bilden. Beide entstehen dicht unter dem Scheitel. Die Haare sind überall, wo sie auftreten, die letzten Ausläufer eines Zellfadens und werden demgemäss stets von den kleinsten Rindenzellen ,, den Wandzellen letzter Ordnung getragen. Sie sind überall von fast genau der gleichen Form: am Grunde gewöhnlich zwiebelförmig angeschwollen, an der fortwachsenden Spitze mehr oder weniger erweitert, in der Mitte eng. Die Zweige sitzen überall in der Nähe der Diaphragmen oder der soliden Einschnürungen, sie sind stets an den grossen Wandzellen 330 — nie an den Diaphragmen — angeheftet; ihre Höhlung steht nie mit dem Hohlraum des Muttersprosses in offener Verbindung. Gegenüber dieser grossen Zahl von “Aehnlichkeiten haben die geringen Verschiedenheiten kaum mehr als ‘die Bedeutung von Species- unterschieden. Der Thallus ist nicht eingeschnürt bei Lomentaria elanellosa. Dort fehlen auch die Diaphragmen; reichliches Anastomosiren der Markfäden scheint ihren Mangel zu ersetzen. Auch bei L. articulata fehlen die Diaphragmen, doch ist hier der Spross stellenweise (an den Einschnürungen) massiv. Diese Species leitet also in diesem Sinne zu den Chylocladieen mit solidem Stengel hinüber, zumal da auch die T’'halluswand mehrschichtig ist, während sie bei L. clavellosa, Chylocladia kaliformis und den Zweigen von Ch. ovalis, Champia parvula mehr oder weniger einschichtig erscheint. Nach dieser Richtung hin nähert sich noch mehr Champia lun- bricalis mit der vielschichtigen Wand den Chylocladieen mit massiven Sprossen, und die Zweige von Chylocadia ovalis, welche im oberen Theile aufgeblasen, im unteren dagegen solid sind, bilden den direeten Uebergang dahin. Die Haare fehlen nur wenigen Species und werden bei diesen durch eine dichtere Berindung und eine derbere Grenzhaut ersetzt. Es sind also wohl einzelne Unterschiede vorhanden; dieselben sind aber so unbedeutend, dass man wohl die drei Gattungen der Chylocladieen zu einer Gattung vereinigen könnte, wenn für die systematische Eintheilung nur die Eigenthümlichkeiten der vegetativen Sprosse als maassgebend betrachtet würden. II. 1. Chylocladia kaliformis. Die Carpogonäste!) der Florideen, das sind die Acste, deren-End- zelle zur weiblichen Sexualzelle, dem Carpogonium, sich ausbildet, werden gewöhnlich erst nach der Anlage aller übrigen Verzweigungen als secundäre Seitenäste ausgebildet. Wie diese Ausbildung des Oar- pogonastes und die Weiterentwickelung bei der hier behandelten Gruppe erfolgt, darüber liegen ausser den Untersuchungen Jan- czewskis® nur noch die Angaben von Schmitz vor, welche sich beide auf die Species Chylocladia kaliformis beziehen. 1) Vgl. Schmitz, l. e. p. 121 ft. 2) Janczewski, Notes sur le developpement du erystocarpe dans les Flori- dees (Cherbourg 1877) p. 1877. 331 Ersterer beschreibt ein fünfzelliges „Prokarp“ (Fig. 9), dessen vier Endzellen zu Grunde gehen, wenn die Befruchtung nicht erfolgt ist. Eben befruchtete Carpogonäste gelang es ihm nicht, trotz eifrigsten Suchens, zu finden, so dass er nicht im Stande ist anzugeben, welche Zelle des Prokarpes zur „carpogenen“ Zelle wird. Das nächste von ihm beobachtete und auch abgebildete Stadium (Fig. 10) lässt vom Carpogonast nichts mehr erkennen. Die Fruchtwandbildung ist schon ziemlich vorgeschritten, die „earpogene* Zelle ist eiförmig geworden und hat sich reich mit Protoplasma angefüllt. Eine unter ihr (nach der Thalluswand zu) liegende Zelle ist gleichfalls sehr protoplasma- reich. Es ist Jänezewski sehr wahrscheinlich, dass diese Zelle aus der ersten Zelle des Prokarps hervorgegangen ist; sie ist von mehreren kleineren Zellen umgeben, welche die Fruchtwandfäden tragen. Im weiteren Verlauf der Entwickelung schliessen sich dann die Fruchtwand- fäden über der karpogenen Zelle, welche sich, nachdem sie an Grösse zugenommen hat, in eine (untere) Placentazelle und die Sporenmutterzelle theilt. Aus letzterer entstehen durch verticale Theilungen die Sporen. Im Zustand der Reife weichen dann die Membranen der Fruchtwandfäden auf und ihr Inhalt stirbt ab; nur die äusserste Schicht bleibt erhalten und auch theilungsfähig. Schmitz!) dagegen beschreibt die Befruchtung folgendermaassen : Schon schr frühzeitig entstehen nahe der fortwachsenden Spitze an den Thalluswandzellen vierzellige Carpogonäste, deren Endzelle das Carpogonium ist. Ueber dieses Carpogonium krümmen sich dann meist von beiden Seiten grössere Deckzellen, welche von den beiden angrenzenden Thalluszellen abgeschnitten werden. Sie liegen mit ihrem vorgestreckten Rande, dem Copulationsfortsatz, dem Carpogo- nium an und stellen Auxiliarzellen dar, von denen jedoch nur eine zur Weiterentwiekelung gelangt. ’ Diesen wenigen Angaben gegenüber mögen nun meine ausführ- licheren Beobachtungen folgen. ) Der Oarpogonast. Der Oarpogonast der Chylocladia kaliformis. besteht gewöhnlich aus vier Zellen und wird dicht unter dem Scheitel des wachsenden Sprosses ausgebildet. Dort gliedert sich von einer der gewöhnlichen Thalluszellen aus nach auswärts hin gerichtet ein vierzelliger Ast ab, der sich in eigenthümlicher Weise nach der Tragzelle hakenförmig zurückkrümmt. Infolge dieser Krümmung, die zugleich von einer 1) Schmitz, I. c. p. 185, Fig. 9—33. 332 geringen schraubenförmigen Drehung begleitet ist, liegt beim ausge- bildeten Carpogonast die Endzelle desselben gewöhnlich oder doch sehr häufig dicht neben der Anfangszelle, der grössten des Aestchens, ist also der Zelle, von welcher der ganze Ast sich abzweigt, zuge- wandt und ihr mehr oder weniger — zuweilen sogar bis zur Be- rührung — genähert (Fig. 2). Die zweite und dritte Zelle des Oar- pogonastes legen ungefähr neben einander in der Richtung der Sprossspitze zu über der ersten und der Endzelle. Das Aestchen windet sich also im ersten Stadium seines Wachsthums sprossaufwärts, richtet sich dann aber im Laufe seiner weiteren Entwickelung sprossab- wärts und zeigt seine Spitze stets der Basis des Sprösses zugekehrt. Die Trägerzelle des Carpogonastes ist, wie schon erwähnt, eine der gewöhnlichen Wandzellen des Thallus, aber stets oder doch fast stets in den sehr zahlreichen beobachteten Fällen eine solche, welche direct einem Markfaden angetüpfelt ist (Fig. 1, 2, 3). Diese fünf Zellen, sowohl die Zellen des Carpogonastes als auch seine Tragzellen, sind schr inhaltreich und glänzend. Sie lagern intensiv Farbe ein'), bedeutend mehr als die übrigen benachbarten Zellen des Thallus, und heben sich auffällig von diesen ab. Hierdurch gelingt es ziem- lich leicht, die kleinen Carpogonastzellen als solche zu erkennen. Das Endzellchen dieser inhaltsreichen Zellen ist das Carpogonium, die weibliche Sexualzelle. Ihre Gestalt ist in den meisten Fällen eine übereinstimmende. Sie nähert sich der Eiform, ist aber am Grunde etwas (zuweilen sogar recht beträchtlich) angeschwollen und an ihrer Spitze halsförmig verengert. Vermittelst dieser halsartigen, kurzen Verengerung geht das Carpogonium in das lange, dünne, haar- förmige, meist gerade Triehogyn über.?) Das Trichogyn, am Grunde häufig (nicht immer) auf der einen Seite etwas erweitert, ist meist gegen die beiden Endzellen des Oar- . 1) Die Untersuchungen wurden nur an gefärbtem Material vorgenommen. Zu dem Zwecke wurden die ganzen Sprosse bez. Schnitte in destillirtem Wasser — bis- weilen durch Kochen -— aufgeweicht und dann in farbiges Glycerin gelegt. Zu- weilen wurden die Sprosse oder namentlich Schnitte erst auf dem Öbjeetträger in dem farbigen Glycerin durch Erwärmen zum Quellen gebracht. Als Farben wurden vorzugsweise Nigrosin und Kongoroth verwendet. Letzteres hatte den Vorzug, schon nach sehr kurzer Zeit — nach einer Stunde oder noch weniger — gut gefärbte Prä- parate zu liefern, während die Nigrosinpräparate erst nach mehreren Tagen und nach Auswaschen mit ungefärbtem Glycerin zu erfolgreichen Untersuchungen benutzt werden können. Die Tinktion mit Kongoroth hat aber den Nachtheil, dass zuweilen das Roth nach einigen Monaten bräunlich missfarbig wird und dann schliesslich ganz schwindet. 2) Vgl. Schmitz |. e. p. 155 Fig. 29, 30, 38. 333 pogonastes rechtwinklig umgebogen; es bohrt sich durch die den Zweig umbüllende Kollode nach aussen und bietet so den Spermatien einen bequemen Angriffspunkt dar. j Einigemale wurden auch Carpogonäste beobachtet, welche nicht. an einer Tochterzelle eines Markfadens, sondern erst an einer Nach- barzelle einer solchen ansassen. Da diese Carpogonäste aber im Be- griffe waren zu Grunde zu gehen und andrerseits sämmtliche zur Weiterentwickelung gelangten Carpogonäste an einer Tochterzelle einer Markfadenzelle ansassen, so scheint für die Weiterentwickelung des Carpogonastes die directe Verbindung der Tragzelle mit einer Markfadenzelle eine nothwendige Bedindung zu sein. Ausnahmsweise wurde auch in einem Falle ein fünfzelliger Car- pogonast beobachtet. Auch die Tragzelle dieses Astes sass nicht direct am Markfaden an, sondern war eine Wandzelle zweiter Ord- nung (Fig. 4). Dieser fünfzellige Carpogonast machte den Eindruck, als ob seine Entwickelung nach Ausbildung der ersten Zelle — der dritten vom Markfaden aus — eine Zeit lang stehen geblieben war, um danach aufs Neue zu beginnen, so dass also nun die vorherige ‚erste Carpogonastzelle gewissermaassen die Tragzelle des ausgebildeten Carpogonastes ist. Das ‚Trichogyn ist sehr leicht vergänglich, und besonders schnell geht es namentlich bei unbefruchtet gebliebenen Carpogonästen zu Grunde. In solchem Falle vergeht in sehr kurzer Zeit der ganze Carpogonast, indem zunächst und ziemlich schnell das Carpogonium, dann aber auch allmählich die andern drei Zellen hinschwinden. Solche Carpogonäste, die unbefruchtet geblieben sind, findet man beim Ab- suchen der Sprosse in allen Stadien. Man beobachtet häufig Carpo- gonäste mit drei, mit zwei Zellen sowie mit einer Zelle. Wenn auch diese verschwunden ist, deutet nur noch eine kurze Zeit die am Mark- faden ansitzende, stärker als die Nachbarzellen tingirte Wandzelle an, dass sie einen Carpogonast getragen hat.!) Erfolgt die Befruchtung des Carpogonastes, was in der Weise geschieht, dass die Spermatien sich an der Trichogynspitze festsetzen und nach Resorption der trennenden Membran mit dem Trichogyn 1) Die Abbildung, welche Janczewski (l. e. Fig. 9 p. 134) von dem Carpo- gonast gibt, ist ganz genau. Auch das ist aus ihr zu ersehen, dass die Tragzelle an einer Markfadenzelle angeheftet is. Janezewski bezeichnet die letzten drei Zellen des Carpogonastes als zusammengehöriges Organ (Trichophor); der Umstand aber, dass bei ausgebliebener Befruchtung vier Zellen zu Grunde gehen, während die fünfte erhalten bleibt, hätte ihn eigentlich darauf hinweisen müssen, dass diese vier als zu- sammengehörig betrachtet werden müssen, 334 . copuliren, so wird das Trichogyn vom Carpogonium abgegliedert. An der Stelle, wo das Trichogyn in das halsartig verengerte Carpogonium ‘übergeht, wird die Membran immer dicker, verengert das Lumen und schliesst es zuletzt vollständig. Das so von der befruchteten Eizelle abgelöste (Fig. 2) und durch einen mehr oder weniger breiten Membranpfropf getrennte Triehogyn geht dann allmählich zu Grunde, während sich die befruchtete Eizelle weiter entwickelt. b) Die Auxiliarzellen. Fast gleichzeitig mit der Ausbildung des Carpogonastes geht; die Ausbildung von Auxiliarzellen vor sich. Es schneiden gewöhnlich zwei Nachbarzellen der Tragzelle des Carpogonastes je eine Zelle nach aussen hin so ab, dass der Carpogonast in der Mitte zwischen diesen beiden Zellen liegt (Fig.5). Es unterscheiden sich in diesem Stadium die beiden Zellen nur durch ihr grösseres Volumen von den übrigen Rindenzellen. Die Mutterzellen dieser beiden sind gewöhnliche, grosse Thalluszellen, die sich durch nichts vor den übrigen auszeichnen. Mitunter sind beide, zuweilen ist auch nur eine von ihnen mit der Tragzelle des Carpogonastes vertüpfelt. Nie aber wurde beobachtet, dass es Tochterzellen der Markfadenzellen waren, sondern es sind stets Wandzellen zweiter Ordnung. Eine der von diesen beiden Zellen abgegliederten Zellen wird nun zur Auxiliarzelle‘) ausgebildet. Obwohl beide zu diesem Zwecke ganz gleich geeignet erscheinen, so wird doch nur eine von ihnen dazu benützt; gleich nach der Befruchtung des Carpogoniums, zur Zeit, da das Trichogyn noch kenntlich ist, füllt sie und auch ihre Tragzelle sich sehr reich mit Inhalt an, während die beiden anderen ihnen anfangs gleichwerthigen Zellen das unveränderte Aussehen der übrigen Thalluszellen behalten. In den weitaus meisten Fällen ist die inhaltreiche Auxiliarzelle dann so gelegen, dass die befruchtete Eizelle auf sie zu gerichtet ist. Doch sind aueh die Fälle nieht selten, in welchen die befruchtete Eizelle der Auxiliarzelle abgewandt ist; es ist dann die vorletzte Zelle des Carpogonastes der Auxiliarzelle benachbart (Fig. 6). Zuweilen kommt es auch vor, dass nicht zwei Nachbarzellen der Tragzelle des Carpogonastes Astzellen abgliedern, sondern dass nur eine Thalluszelle nach aussen hin eine Zelle abschneidet, so dass dann auch in der ersten Anlage nur eine einzige Auxiliarzelle vorhanden ist. 335 Nachdem so die Auxiliarzelle ausgebildet worden ist und auch die Reste des Trichogyns verschwunden sind (Fig. 6), beginnen weiter- gehende Veränderungen, deren Verlauf im Folgenden beschrieben werden soll. ec) Weiterentwiekelung des Carpogonastes; Befruchtung der Auxiliarzelle. Es findet jetzt zunächst Fusion zwischen den vier Oarpogonast- zellen statt in der Weise, dass zuerst die befruchtete Eizelle mit der vorletzten Carpogonastzelle verschmilzt (Fig. 7). Darauf fusionirt die so entstandene Zelle mit der zweiten Zelle des Carpogonastes (Fig. 8), und schliesslich tritt auch die Anfangszelle desselben in die Fusion ein (Fig. 9). Während diese Fusionen stattfinden, nehmen alle hier in Betracht kommenden Zellen, sowohl die Zellen des fusionirenden Carpogonastes als auch seine Tragzelle an Grösse zu, nicht allein durch die Fusionirungen, sondern auch durch selbständiges Wachsthum. Nachdem darauf die so enstandene Fusionszelle und auch ihre Trägerzelle sich weiterhin etwas vergrössert haben, findet auch zwischen ihnen Fusion statt; indessen noch lange Zeit nach der Verschmelzung bleiben beide Zellen in der neuen grossen Fusionszelle kenntlich (Fig. 10). Diese Zelle vereinigt also nun in sich ausser dem Inhalt der ursprüng- lichen Tragzelle des Carpogonastes auch das Plasma des letzteren einschliesslich desjenigen des befruchteten Carpogoniums. Alle diese Zellen waren sehr plasma- und inhaltreich und so erscheint denn auch diese grosse Fusionszelle vollständig angefüllt mit sich intensiv tingirender Substanz. Sämmtliche Zellkerne scheinen dahei zu einem einzigen verschmolzen zu sein, wenigstens ist in diesem Stadium in der ganzen Fusionszelle nur ein, allerdings sehr grosser Kern vorhanden. Die Auxiliarzelle ist während dieser geschilderten Vorgänge äusserst substanzreich geblieben und hat überdies auch bedeutend an Grösse zugenommen. Dadurch ist die Auxiliarzelle dem fusionirten Carpo- gonast näher gekommen. Ausserdem bildet sie zuweilen, jedoch sehr selten, während ihres Wachsthums auch noch einen Copulationsfort- satz aus, der sich dem Carpogonast entgegenstreckt; wird ein solcher Copulationsfortsatz ausgebildet, so ist in diesem Fortsatz auch immer der Kern der Auxiliarzelle zu finden. Nachdem die Auxiliarzelle, in der sich um diese Zeit ein einziger grosser Kern deutlich markirt, sowie die fusionirten Carpogonastzellen sich soweit vergrössert haben, dass sie sich berühren, zu welchem Zweck sehr häufig die Fusionszelle einen kurzen Fortsatz ausstülpt, 336 ‘findet auch hier nach Auflösung der trennenden Membranen Fusion statt. Die Inhalte beider Zellen verschmelzen mit einander zu einen einzigen, während die beiden grossen Kerne, der Kern der grossen Carpogonast-Fusionszelle und der Kern der Auxiliarzelle, sich einander nähern und schliesslich sich zu einem vereinigen (Fig. 11, 12). d) Frucht- und Sporenbildung. Die erste Anlage der Fruchtwand beginnt schon ziemlich früh. Wenn die Befruchtung des Carpogoniums stattgefunden hat und die Auxiliarzelle eben als solche kenntlich geworden ist, dann gliedern die grossen Thalluswandzellen, welche der Tragzelle des Carpogonastes benachbart und recht inhaltreich geworden sind, wie auch häufig diese Tragzelle selbst, nach aussen hin Zellen ab, die sieh ihrerseits wiederum nach aussen zu theilen. Auf diese Weise entstehen sub- dichotomisch verzweigte Zellfäden, welche mit ihren Spitzen genau über der Auxiliarzelle zusammenstossen, dort aber unvertüpfelt bleiben. Sie bilden die Fruchthülle, welche sich mel und mehr der Kugel- gostalt nähert. Infolge der Weiterentwickelung der Auxiliarzelle, die ebenso wie auch die fusionirten Zellen des Oarpogonastes allmählich grösser ge- worden ist, wird für diese der Raum innerhalb des ringsum geschlosse- nen Fruchtgehäuses zu eng. Sie drängen daher die angrenzenden, ihnen benachbarten Zellen der Hülle, deren Inhalt gleichzeitig ab- stirbt und deren Meinbran etwas verquilit, immer weiter naclı aussen hin. So zeigt denn die Fruchthülle bald auf der Innenseite ver- quellende und absterbende Zellfäden in ungefähr concentrischen Schichten angelagert. Nachdem der fusionirte Carpogonast die Befruchtung der Auxiliar- zelle ausgeführt hat, fusionirt nun die so veränderte Auxiliarzelle, welche in diesem Stadium meist eine kolbenförmige Gestalt zeigt, auch noch mit ihrer Mutterzelle (Fig. 13, 14). Während dann diese Fusionszelle sich in ihrer äusseren Gestalt ein wenig umformt, oben etwas abrundet und zu einer eylindrischen Zelle wird und unten sich fussartig ausbreitet (Fig. 15a, b, c), wird gewöhnlich die Fusionszelle zwischen dem früheren Carpogonast und der ehemaligen Auxiliarzelle abgegliedert. Dann werden von der Spitze der grossen Fusions- zelle, welche in Zukunft als Centralzelle bezeichnet werden mag, ringsherum Randzellen abgeschnitten, welche sämmtlich mit der Centralzelle vertüpfelt sind. Diese Zellen stellen einzellige Lobi dar. 337 Aus einem jeden dieser Lobi entsteht, darauf eine Spore. Die Sporen haben gewöhnlich mehr oder weniger die Form eines Keiles. Sowohl die ausgebildeten Sporen als auch die Sporen in jüngerem Zustande sind gewöhnlich sehr reich an Proteinkrystallen, die in ihnen als Reservestoffe aufgespeichert sind. Auch der fusionirte Carpogonast und die Centralzelle enthalten sehr häufig diese Proteinkrystalle. Während die Lobi sich zu Sporen umwandeln, fusionirt die Central- zelle in ihrem unteren Theile mit einigen der in der Sprosswan- dung liegenden gewöhnlichen Thalluszellen, die ihrem Fusse benach- bart sind. In der ausgebildeten reifen Frucht, die von kugliger Gestalt ist, finden wir daher eine cylindrische bis keulenförmige Centralzelle, die an ihrer Basis wurzelartige Ausstülpungen zeigt und in ihrem mittleren und oberen Theile die Sporen trägt, welche alle mit ihr, nie unter einander vertüpfelt und ungefähr gleich gross sind. Das ganze Büschel der Sporen. ist von Gallerte und häufig auch von einigen Schichten der abgestorbenen Fruchtgehäusefäden, welche der äusseren Wand diehr-«edrängt anliegen, eng umhüllt. Vo. \der Fruchtwand ist nur die äusserste Zellenschicht erhalten gebliebe , Dadurch, dass auch diese schliesslich und vorzüglich an der Spit ! vergallertet, können die Sporen leicht in das umgebende Wasser ge\ngen; durch die geringste mechanische Einwirkung (Stoss oder Druck) “allen sie von ihrer Mutterpflanze ab. Das in uns>rer Fig. 9. dargestellte Stadium entspricht etwa dem von Janezews.:i in seiner Fig. 10 abgebildeten. Denn seine carpo- gene Zelle ist o."enbar unsere Auxiliarzelle. Die darunter liegende Zelle wäre dann ‚lie Tragzelle derselben und also nicht — wie Jan- cezewski vermuthete — aus der ersten Carpogonastzelle entstanden. Die links gelegene grosse Zelle scheint mir die Tragzelle des Carpo- gonastes zu sein. Der Schnitt hat wahrscheinlich die Fruchtanlage etwas seitlich der Mitte getroffen; denn der fusionirte Carpogonast ist in der Zeichnung nicht vorhanden, und auch eine Fusion desselben mit der Auxiliarzelle kann noch nicht stattgefunden haben, da hierzu dies Eintwickelungsstadium augenscheinlich noch zu jung ist, wie aus der mässigen Fruchtwandbildung geschlossen werden muss, — Von den Zellfusionen, die bier in so ausgiebiger Weise stattfinden, hat Jan- ezewski nichts beobachtet. Auch die Fusion zwischen der Auxiliar- zelle und ihrer Tragzelle (der carpogenen Zelle und der darunter liegenden) ist ihm entgangen. — Die Entstehung der Sporen beschreibt er gleichfalls nicht ganz richtig. Denn nach ihm theilt sich die „car- 338 pogene“ Zelle in zwei Zellen bevor die Sporen entstehen, während thatsächlich diese Zelle (in diesem Falle ist es unsere Centralzelle‘, ungetheilt bleibt. Von dieser Sporenmutterzelle werden dann die Sporen als Randzellen abgeschnitten, während sie Jancezewski da- durch entstehen lässt, dass die Sporenmutterzelle sich durch senkrechte Wände in mehrere Zellen theilt, aus welehen dann durch eben solche Theilungen die Sporen entstehen. 2. Chylocladia ovalis. a. Auch bei dieser Species werden die Carpogonäste ziemlich früh nahe der fortwachsenden Spitze angelegt.‘ Sie bestehen auch hier aus vier Zellen und ähneln sehr denen von Chylocladia kaliformis, wie denn überhaupt die ganze Fruchtentwickelung bei beiden Species ziemlich viel Uebereinstimmendes bietet. Die 'Tragzelle des Carpogonastes ist eine der gewöhnlichen Thallus- zellen, nur etwas protoplasmareicher als ihre Nachbarinnen und stets einem Markfaden angetüpfelt. Von ihr aus krümmen sich die vier kleinen aber inhaltreichen und stark glänzenden Zellchen im Bogen nach aussen (Fig. 16, 17). Das erste Zellchen des Carpogonastes ist — wie bei der vorbeschriebenen Species — etwas grösser als die andern drei; zuweilen ist der Grössenunterschied ein recht beträcht- licher. Die Anfangszelle besitzt häufig auch eine eigenthümliche, fast nierenförmige Gestalt; sie reckt sich dann mit der einen Hälfte hinaus zwischen die 'Tragzelle des Carpogonastes einerseits und die beiden Endzellen desselben andrerseits und verhindert dadurch eine Annäherung der Endzelle an die Tragzelle, wie dies bei Chylocladia kaliformis häufig der Fall ist. Das Endzelichen, das Carpogonium, ist gewöhnlich sehr klein; es ist meist die kleinste Zelle des Carpogonastes. Es hat ungefähr die Gestalt der oberen Hälfte eines Eies; es setzt sich in das dünne, haarförmige Trichogyn fort und ist meistentheils an der Uebergangs- stelle etwas verengt. Das Triehogyn, bisweilen am Grunde etwas angeschwollen, erstreckt sich durch die Hüllgallerte der Zweige nach aussen. Es ist sehr leicht vergänglich und verschwindet mit sammt dem Carpogonium namentlich dann sehr schnell, wenn die Befruchtung ausgeblieben ist; auch die übrigen Zellen des Carpogonastes gehen dann bald zu Grunde, bleiben aber doch etwas länger als das Carpo- gonium erhalten. 339 Wenn jedoch durch Vermittelung des Trichogyns das Carpo- gonium durch Spermatien befruchtet worden ist, wird zwar das Tri- chogyn an seinem Grunde durch einen Membranpfropf vom Carpo- gonium abgegliedert und auch in diesem Falle abgeworfen, aber es gelangt dann der Carpogonast zur Weiterentwickelung. y b. Gleich nach der Anlage des Carpogonastes beginnt auch die Ausbildung der Auxiliarzelle. Auch hier sind, wie bei Ch. kali- formis, in der ersten Anlage zwei solcher Auxiliarzellen vorhanden, indem zwei Nachbarzellen der Carpogonast-Tragzelle, die häufig mit ihr, nie aber mit dem Markfaden vertüpfelt sind, je eine Rindenzelle nach aussen so abgliedern, dass diese gewöhnlich eine Lage an beiden Seiten des Oarpogonastes einnehmen. Die eine dieser Zellen wird dann, wenn die Befruchtung des Carpogoniums erfolgt ist, zur Auxtliarzelle ausgebildet, indem sowohl sie als auch ihre Tragzelle reiche Inhaltsstoffe aufspeichern und schneller als die übrigen Thalluszellen an Grösse zunehmen (Fig. 18; die beiden Zellen links stellen die andere Auxiliarzelle und deren Mutterzelle dar und sind sehr arm an Inhalt, wie die übrigen Thallus- zellen); die Auxiliarzelle wächst dabei allmählich dem gleichfalls heranwachsenden ÜCarpogonaste entgegen. ‘ 6. Nun beginnen auch hier die Zellen des Carpogonastes langsam mit einander zu fusioniren. Zunächst verschmilzt die befruchtete Ei- zelle mit der dritten Carpogonastzelle zu einer Zelle, darauf wird die zweite Zelle in die Fusion hineingezogen, und endlich tritt auch der In- halt der ersten Zelle zur Fusionszelle hinzu, so dass nun der ganze Car- pogonast nur aus einer Zelle, dem fusionirten Carpogonast, besteht. Während diese Fusionirungen stattfanden, erfolgte auch zu gleicher Zeit ein Wachsthum der betreffenden Zellen (Fig. 19). Nachdem nun auch noch der fusionirte Carpogonast und seine Tragzelle an Grösse etwas zugenommen haben, fusioniren auch sie mit einander (Fig. 20); indessen bleiben häufig beide Zellen*noch sehr lange Zeit als vorher gesonderte Zellen kenntlich. Der befruchtete Carpogonast mit sammt seiner Tragzelle besteht also nun aus einer einzigen grossen Zelle, die ausser dem Inhalt des befruchteten Carpogoniums auch den sämmtlicher übriger Zellen des Carpogonastes in sich vereinigt. Sie vergrössert sich noch weiter Flora 1892, 23 34Ö und ändert dabei auch häufig ihre Gestalt in ziemlich auffallender Weise. Besonders tritt diese Formänderung dadurch hervor, dass die befruchtete grosse Fusionszelle fast regelmässig der Auxiliarzelle einen Fortsatz!) entgegenwachsen lässt. Während dieser Zeit haben auch die Auxiliarzelle und ihre Trag- zelle sich vergrössert, und von der Auxiliarzelle hat sich bisweilen, aber keineswegs regelmässig, dem Carpogonast ein Copulationsfortsatz entgegengestreckt. Wo das aber nicht geschieht, wachsen jedenfalls doch beide Zellen, Auxiliarzelle und die Carpogonast-Fusion, an ein- ander heran, berühren sich und copuliren schliesslich mit einande: (Fig. 21, 22), so dass der Inhalt beider Zellen sich mit einander ver- mischt. Häufig hat inzwischen auch schon die 'Tragzelle der Auxiliar- zelle begonnen, mit einigen ihrer Nachbarzellen aus der Thalluswand zu fusioniren (Fig. 22) und erscheint nun eigenthümlich ausgestülpt.. d. In einem sehr frühen Stadium, schon vor Beginn der Fusionirung des Carpogonastes, entstehen die ersten Fruchtwandfäden, und in dem Stadium, welches Fig. 18 darstellt, hatte die Bildung der Fruchtwand schon begonnen. Es gliedern die Thalluswandzellen, welche den Trag- zellen des Carpogonastes und der Auxiliarzelle benachbart sind und die im Laufe der Weiterentwickelung der Frucht auch inhaltreicher werden, nach aussen hin Rindenzellen ab, welche durch weiter fort. gesetzte subdichotomische Theilung Zellfädchen entstehen lassen. Diese Fädchen umhüllen allmählich die fruchtbildenden Zellen und schliessen: zuletzt genau über der Auxiliarzelle zusammen; sie bilden ein im. Laufe der Weiterentwickelung kuglig werdendes Gehäuse um die Frucht. In dem Maasse wie dann später der fusionirte Carpogonası mit seiner Tragzelle, die Auxiliarzelle und ihre 'Trägerzelle sich ver- grössern, werden dann im Innern des Fruchtgehäuses die Zellen der Fäden zum Theil zerrissen, zum grösseren Theil bei Seite gedrängt. Ihr Inhalt stirbt dann ab und ihre Membran verquillt; die Reste. der Zellen liegen später als ungefähr concentrische Hüllen der äusseren Wandung an. Recht häufig wurden bei dieser Species im Innern der Frucht- hülle Zwillinge beobachtet, welche die Untersuchung sehr erschwerten. Diese Zwillinge gehen aber bald nach der Befruchtung der Auxiliar- zelle zu Grunde, es wurden wenigstens nie weiter entwickelte Zwillinge bezw. zwei befruchtete Auxiliarzellen beobachtet. 1) Wie dies nach Schmitz, l. c. p. 125, auch in anderen Fillen geschieht. 541 Nachdem die Auxiliarzelle durch Copulation mit der grossen Fusionszelle des Carpogonastes und seiner Tragzelle befruchtet worden ist, nehmen sowohl sie als auch ihre Trägerzelle noch bedeutend an Umfang zu, während die Carpogonastfusion eine Vergrösserung ge- wöhnlich nicht mehr erfährt. Die Folge davon ist, dass die Verbindung zwischen der Carpogonastfusion und der Auxiliarzelle wieder durch Abgliederung gelöst wird. Die befruchtete Auxiliarzelle theilt sich darauf in zwei Zellen, in eine obere, die zur Oentralzelle wird, und eine untere. Die letztere fusionirt hierauf mit der Trägerzelle der Auxiliarzelle (Fig. 23), während die Centralzelle sich etwas umformt und bald danach kurz gegabelt bis sattelförmig eingedrückt erschemt. Von dieser Oentralzelle werden darauf rings herum Zellen abgeschnitten, welche die einzelligen Lobi darstellen; aus ihnen entstehen dann die Sporen, indem je ein Lobus sich zu einer Spore umgestaltet (Fig. 24). Diese sind also alle mit der Centralzelle, aber nicht unter einander vertüpfelt. Sie sind — wovon man sich bei vorsichtigem Quetschen des Gonimoblastend leicht überzeugen kann — in zwei Häufchen gruppirt, deren Mittelpunkte die Gipfel des Sattels sind. Ihre Gestalt ist ungefähr keilförmig. Wir finden also in der reifen Frucht auf einer mehr oder minder mannigfach gestalteten Stielzelle, welche mit der Wand des Sprosses in direeter Verbindung steht, eine gegabelte Zelle, welche Sporen trägt, die alle mit ihr vertüpfelt und ziemlich gleich gross sind. Die Wand der Fruchthülle ist gewöhnlich einschichtig; die Membran der übrigen Zellfäden der Fruchthülle ist vergallertet, die Inhaltsreste liegen in mehr oder weniger concentrischen Schichten der Wand an. Auch diese verquillt im Laufe der Zeit und die Sporen können dann ungehindert frei werden. 3. Champia lumbriealis. a. Die Früchte der Champia lumbricalis sitzen auf der Innenseite der gekrümmten, in Büscheln zusammenstehenden Zweige. Dort hat man auch die Carpogonäste zu suchen und man findet sie in der Nähe der Spitze; sie sind dreizellig. 1) Gonimoblast bedeutet das Büschel sporenbildender Fäden, welches aus der befruchteten Zelle entsteht (vgl. Zerlang 1]. c. p. 883 Anm, 1). Hier ist der Gonimoblast zweilappig, jeder Lappen ist aus vielen Gonimoloben zusammengesetzt, die in diesem Falle einzellig sind. 23* 349 Die Tragzelle des Carpogonastes ist eine der grossen 'Ühallus- zellen, etwas reicher an Inhalt als ihre Nachbarzellen; auch sie sitzt stets einer Markfadenzelle unmittelbar an und ist mit ihr vertüpfelt, genau wie dies auch bei den beiden vorbeschriebenen Species der Fall war. Während aber die bisher beschriebenen Carpogonäste sich nach ihrer Tragzelle zurückkrümmten, läuft der Carpogonast in diesem Falle entweder ziemlich gerade oder doch nur leicht gebogen durch die Rinde. Die drei Zellen des Carpogonastes kommen dabei nicht bis an die Oberfläche der Rinde, sondern werden von den Zellen der Rindenfäden überwachsen. Die Carpogonastzellen sind hier grösser als die bisher beschriebenen (Fig. 25—28). Dagegen zeichnet sich bei diesen Carpogonästen nicht immer die erste Zelle derselben vor den andern durch bedeutendere Grösse aus. Das Carpogonium ist im Allgemeinen eiförmig, zeigt aber mitunter recht bedeutende bauchige Anschwellungen. Es geht allmählich in das dünne, haarförmige Trichogyn über. Das Trichogyn läuft ge- wöhnlich auf möglichst geradem Wege von der Spitze des Carpo- goniums durch den Rest der Rinde und die gallertartige Hülle des Sprosses hindurch. Ausserhalb des Grenzhäutchens geht es ziemlich schnell zu Grunde, innerhalb der Kollode hält es sich etwas länger. Wenn die Befruchtung des Carpogoniums vor sich gegangen ist, wird das Trichogyn an der Stelle, wo es in das Carpogonium ein- mündet, durch einen Membranpfropf abgegliedert und geht dann zu Grunde (Fig. 28). b. Die Auxiliarzelle ist schon zu der Zeit erkennbar, wenn noch die Trichogynen oder doch wenigstens Reste davon vorhanden sind. Eine gewöhnliche Thalluszelle aus derselben Schicht der Wand, in welcher sich die Tragzelle des Carpogonastes befindet, aber nicht an eine Markfadenzelle angetüpfelt, ist reicher an Inhalt geworden als ihre Nachbarzellen und hat nach aussen: zu eine Zelle abgegliedert, die gleichfalls viel Substanz in sich aufgenommen hat; diese Zelle ist die Auxiliarzelle. Die Mutterzelle der Auxiliarzelle ist mit verschiedenen ihrer Nachbarzellen und zuweilen auch mit der Tragzelle des Carpo- gonastes vertüpfelt. C. Während die Auxiliarzelle sich allmählich vergrössert, beginnen die drei Zellen des Carpogonastes unter einander zu fusioniren: die 343 Tüpfel zwischen je zwei Zellen werden breiter (Fig. 29, 30), und nach und nach verschmelzen die drei Zellen zu einer einzigen. Nachdem dann sowohl die Tragzelle des Carpogonastes als auch der mit der be- fruchteten Eizelle fusionirte Carpogonast etwas an Grösse zugenommen haben, findet schliesslich die Fusion beider Zellen zu einer einzigen statt, wobei der etwas eigenthümlich gestaltete fusionirte ursprüng- liche Carpogonast deutlich als gesonderter Abschnitt noch lange Zeit kenntlich ist (Fig. 31). Diese grosse Fusionszelle, welche also auch den ursprünglichen Inhalt der befruchteten Eizelle enthält, wächst nun weiter, vergrössert sich noch mehr und verändert ihre Gestalt namentlich in ihrer oberen, der früheren Carpogonast-Partie, in wun- derlicher Weise; dabei wächst sie zugleich der Auxiliarzelle entgegen. Diese hat inzwischen, zugleich mit ihrer Mutterzelle, an Grösse zugenommen und sich dadurch ihrerseits dem Carpogonast etwas entgegengestreckt. Bei dem weiter fortgesetzten Wachsthum berührt dann schliesslich — nicht selten vermittelst einer Ausstülpung — die grosse Fusionszelle die Auxiliarzelle, und es findet zwischen beiden Copulation statt (Fig. 32), worauf die Inhalte beider Zellen mit einan- der in Verbindung treten. d. Die Anlage des Fruchtgehäuses beginnt schon ziemlich früh. Die Thalluszellen, welche den Tragzellen der Auxiliarzelle und des Carpogonastes benachbart sind, werden schr inhaltreich und lassen nach aussen hin die lebhaft sprossenden Fruchtwandfäden entstehen. Diese Bildung beginnt zur Zeit der Fusion des Carpogonastes. Die Fädchen wachsen sehr rasch und stossen schnell über der Auxiliar- zelle aneinander, schliessen dort aber nicht fest zusammen; die Frucht- wand ist schon zugewölbt in dem Stadium, welches Fig. 30 darstellt, wenn also der Carpogonast zu einer Zelle zusammenfusionirt ist. Im Laufe der weiteren Entwickelung wächst auch das Fruchtgehäuse mit. Es wird sehr diekwandig und lässt, selbst in entwickelten Früchten, in der Mitte bis 10 und mehr, an der Spitze sogar bis 20 Schichten und mehr erkennen. Für die sich vergrössernden befruchteten Zellen im Innern des Gehäuses wird jedoch der Raum, den sie anfangs ein- nahmen, zu eng und es werden daher die das Innere durchziehenden “.Zellreihen von ihnen zum Theil zerrissen, zum Theil auch zur Seite gedrängt. Der Inhalt dieser Fruchtgehäusezellen stirbt dann ab und die Membran vergallertet. Das Fruchtgehäuse ist ungefähr stumpf eiförmig; es ist aber nicht vollständig geschlossen sondern besitzt einen Poren- 344 kanal. Derselbe entsteht dadurch, dass die Fäden der Fruchthülle wohl über der Auxiliarzelle zusammenstossen aber nicht zusammen- schliessen, sondern bei ihrem Weiterwachsen einen Kanal zwischen sich lassen. In dieser Fruchthülle theilt sich nun die mit der Fusionszelle des Carpogonastes fusionirte und dadurch befruchtete Auxiliarzelle, fusionirt jedoch nicht, wie in den vorbeschriebenen Fällen, mit ihrer Tragzelle, sondern bleibt mit dieser nur vertüpfelt. Die Verbindung mit der grossen Fusionszelle reckt sich gewöhnlich lang aus (Fig. 33—35) und bleibt mit dem unteren Theile der Auxiliarzelle vereinigt. Die obere Partie der Auxiliarzelle aber vergrössert sich bedeutend und gliedert mehrere Zellen ab, welche sich ihrerseits wieder und zwar in der gewöhnlichen subdichotomischen Weise theilen. Auf diese Weise entstehen verzweigte Fädchen, welche vom oberen Theil der befruchteten Auxiliarzelle entspringen. Diese verzweigten Fäden bilden die (mehrzelligen) Lobi, welche succedan ausgebildet werden und die Endzellen jedes Zweiges zu Sporen umwandeln. In den Tobi sind. also sterile (die fädigen Zweigzellen) und fertile Zellen (die Endzellen der Zweige) neben einander vorhanden. Die Sporen sind rundlieh. In der reifen Frucht, deren Wand vielschichtig ist, finden wir dem- nach an der Centralzelle, welehe aus der Thalluswand hervorgesprosst ist, verzweigte Büschel ansitzend. Diese succedan ausgebildeten Büschel sind zu deutlichen Gruppen angeordnet und tragen an ihren Enden die ungleich grossen Sporen. Das Innere der Fruchthülle durchziehen die Fruchtwandfäden in spinnennetzartiger Weise, jedoch reichen sie nicht bis dicht an die Sporen heran; ihre Zellen sind zum Theil abgestorben. Die Central- zelle, der fusionirte Carpogonast und die Auxiliarzell-Mutterzelle sitzen am Grunde des Fruchtgehäuses in der Sprosswand und sind sowohl unter sich als auch mit verschiedenen inhaltsreichen Nachbarthallus- zellen oft und breit vertüpfelt. — Durch den schleimigen Porenkanal gelangen die reifen Sporen ins Freie. 4. Champia parvula. a. Der schon dieht unter der Spitze angelegte Carpogonast besteht auch bei Champia parvula wie bei Ch. lumbricalis aus drei Zellchen, von denen die Endzelle das auch hier sehr vergängliche Trichogyn trägt. Die Tragzelle liegt in der Thalluswandung und ist eine der gec- wöhnlichen Wandzellen, nur sehr substanzreich, Sie ist stets einer 345 Markfadenzelle ansitzend und trägt den Carpogonast auf ihrer Aussen- seite. Der Carpogonast verläuft meist etwas gekrümmt und zwar rückläufig nach seiner Tragzelle hin. Die Krümmung ist nicht sehr bedeutend, indessen hat sie immerhin die Wirkung, dass das End- zellchen der Tragzelle des Astes wenn auch nicht genähert, so doch wenigstens zugewandt ist. Die Zellehen des Carpogonastes sind sehr klein; die grösste von ihnen ist die Anfangszelle des Astes (Fig. 86). Das Carpogonium, das Endzellchen des Carpogonastes, ist meist etwas bauchig angeschwollen und setzt sich mittelst einer halsartigen Verengerung in das 'Trichogyn fort; letzteres ragt haarförmig durch die äussere Hüllgallerte hindurch in das umgebende Wasser hinein. Beide, das Triehogyn und das Carpogonium sind sehr schnell ver- gänglich; das Carpogonium allerdings nur dann, wenn keine Be- fruchtung stattgefunden hat. Das Triehogyn aber geht auch nach erfolgter Befruchtung schnell zu Grunde, nachdem es durch einen Membranpfropf an seiner halsartigen Verengerung vom Carpogonium abgegliedert ist. .b. Die Auxiliarzelle wird schon sehr früh als solche kenntlich, schon dann, wenn an der befruchteten Eizelle noch das Trichogyn oder doch wenigstens seine mehr oder weniger bedeutenden Reste vorhanden sind; in dem jungen Stadium, welches unsere Figur 36 darstellt, ist die Auxiliarzelle schon vollständig ausgebildet. Eine Nach- barzelle der Carpogonast-Trägerzelle, häufig mit dieser (indessen nicht regelmässig) vertüpfelt, aber nie von einer Markfadenzelle abgegliedert, bat sich reichlich mit Inhalt angefüllt und nach aussen zu eine Zelle abgeschnitten; diese wird gleichfalls schr inhaltreich und stellt die Auxiliarzelle dar. In den beobachteten Fällen hatte stets nur eine Thalluswandzelle eine Randzelle abgeschnitten, nie war diese Ausbildung an zwei Nachbarzellen der Carpogonast-Tragzelle zu constatiren. Es ist hier also auch in der ersten Anlage nur eine Auxiliarzelle vorhanden. C Während nun diese Auxiliarzelle an Grösse zunimmt, vergrössern sich auch die Zellen des Carpogonastes und beginnen auch hier mit einander zu fusioniren; zunächst das befruchtete Carpogonium mit seiner Mutterzelle (Fig. 37) und darauf die so entstandene Fusionszelle mit der ersten Zelle des Carpogonastes (Fig. 38). Der an der Träger- zelle angeheftete und nun aus der einen Fusionszelle bestehende Car- 346 \ pogonast bleibt in diesem Stadium einige Zeit erhalten, doch nehmen unterdessen beide Zellen beträchtlich an Grösse zu. Darauf findet dann schliesslich auch die Fusion zwischen der Tragzelle und dem fusionirten befruchteten Carpogonast statt, und beide Zellen vereinigen sich zu einer einzigen (Fig. 39). Diese befruchtete Fusionszelle vergrössert sich nun weiter, wobei die Zelle zuweilen ganz wunderliche und verzerrte Gestalten "annimmt (Fig. 40—42). Während nun diese grosse Fusionszelle weiter an Grösse zunimmt, wächst sie nach der Auxiliarzelle hin. Dabei streckt sie ihr sehr häufig einen — meist hakig gebogenen — Fortsatz entgegen (Fig. 40, 41), in welchem um diese Zeit der einzige Zellkern der grossen Fusionszelle deutlich hervortritt. Auch an der Auxiliarzelle bildet sich zuweilen ein kleiner Forisatz aus, welcher gleichfalls etwas ge- krümmt ist und seinerseits der grossen Fusionszelle entgegenwächst (Fig. 41). Schliesslich berühren. sich dieser Fortsatz und die Spitze der grossen Fusionszelle, beide wachsen fest zusammen, und es findet dann nach Auflösung der trennenden Membranen zwischen den beiden Zellen die Copulation und somit die Befruchtung der Auxiliarzelle statt. d. Mit Beginn der Fusionirung des Carpogonastes beginnt auch die Anlage der Fruchtwand, indem — wie bei den vorbeschriebenen Species — die Nachbarzellen der beiden Trägerzellen zunächst inhaltreicher werden und dann nach aussen zu Zellen abgliedern (Fig. 37), die sich ihrerseits wieder theilen und verzweigen, wodurch schliesslich Zellfädchen entstehen, deren Enden unvertüpfelt sich über der Mitte der Auxiliarzellen einander nähern. Die Mutterzellen dieser Fruchtwandfäden umgeben — wie das auch schon bei der vorbeschriebenen Species der Fall war — die Trag- zelle des Carpogonastes ungefähr kranzförmig. Bei dem weiteren Wachsthum und der vermehrten Verzweigung der Zellfäden des Frucht- gehäuses kommt dann über der Mitte der Auxiliarzelle em Porus da- durch zu Stande, dass die Zellen der Fruchtwandfäden, die dort zu- sammenstossen, sich nicht mit einander vertüpfeln. Infolge des Grösserwerdens der fruchtbildenden Zellen werden dann die Zellfäden in der Mitte des Fruchtgehäuses in dem Maasse, wie es die Weiterentwickelung des Gonimoblasten bedingt, zur Seite gedrängt. Es findet mitunter auch wohl ein Zerreissen der Frucht- gehäusefäden statt, aber im Allgemeinen ist das nicht die Regel. Wenn die Fäden zur Seite gedrängt werden, sterben ihre Zellen gewöhnlich 347 ab und die Membranen vergallerten. Diese abgestorbenen Zellfäden durchziehen in ziemlich concentrischen Schichten netzförmig das Innere des Gehäuses. Nach der Befruchtung theilt sich in der Fruchtbülle die Auxiliar- zelle in zwei Zellen, von denen die untere mit dem fusionirten Oarpo- gonast fusionirt bleibt und mit ihrer Tragzelle vertüpfelt ist (Fig. 43, 44), während die obere die Centralzelle darstellt. Aus der Centralzelle entstehen die Lobi, welche sehr dicht zusammenschliessen. Sie werden zwar succedan ausgebildet, doch sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Entwickelungszuständen ebenso wie auch bei der, vorigen Species keine sehr crassen. An den subdichotomisch verzweigten Fäden, aus welchen die einzelnen Lobi entstehen, wird nicht nur die Endzelle jedes Zweigfadens zur Spore, sondern es wandeln sich mehrere der letzten Zellen jedes Zweiges zu Sporen um. Alle aus- gebildeten Sporen sind ungefähr von derselben ziemlich bedeutenden Grösse; sie sind grösser als bei der vorigen Species. Sie treten ins Freie durch den Porenkanal, welcher in der ausgebildeten flaschen- förmigen Frucht den Hals derselben durchzicht. - In der ausgebildeten, flaschenförmigen, mehrschichtigen Frucht finden wir daher eine Centralzelle, welche durch Vermittelung einiger mit ihr vertüpfelter Zellen mit dem Grunde der Fruchthülle also der T'halluswand in Verbindung steht. Die Centralzelle trägt einige Sporen- büschel, welche ungleich weit ausgebildet sind. Das Innere des Fruchtgehäuses erfüllt ein feines netzartiges Geflecht von zu Grunde gehenden Zellen, welches die Tobi umhüllt. Ausser diesen Zellen, die ungefähr parallel der Wand sich hinziehen, enthält die Wand auch noch mehrere Schichten gut erhaltener Zellen. Durch den Porenkanal, welcher den flaschenförmigen Hals durch- zieht, gelangen die Sporen ins Freie. 5. Lomentaria articulata. a. Da die äusserste Rindenschicht bei Lomentaria articulata so ausserordentlich dieht und kleinzellig ist, so ist es recht schwierig, die jungen Carpogonäste aufzufinden. Am schnellsten bemerkt man sie wohl, wenn man den Spross am Rande nach etwa herausragenden Triehogynen absucht. Die Carpogonäste befinden sich dicht unterhalb der fortwachsenden Spitze des Sprosses und sind dreizellig. Die Tragzelle ist inhaltreicher als die Nachbar-Thalluszellen und häufig auch etwas kleiner als diese, Sie sitzt stets einem Markfaden an. 348 “ An ihrer Aussenseite trägt sie den dreizelligen Carpogonast, der in den meisten Fällen ohne bedeutende Krümmung zwischen den übrigen Rindenzellen lagert. Gewöhnlich wird er von den Rindenzellen voll- ständig umhüllt, so dass nur das Trichogyn aus der Rinde herausragt. Die Carpogonastzellen sind hier sehr klein, bedeutend viel kleiner als bei den bisher beschriebenen Species (Fig. 46). Die erste Zelle zeichnet sich hier nicht durch besondere Grösse vor den anderen aus. Das letzte Zellchen, das Carpogonium, ist ungefähr eiförmig aber am Grunde etwas bauchig angeschwollen und an der Spitze etwas verengert. Mit dieser Verengerung setzt es sich in das lange und sehr dünne Trichogyn fort. Das Trichogyn ist gewöhnlich gerade und bohrt sich durch die derbe Grenzhaut nach aussen. Wie überall, so schwindet es auch hier bald, und schnell folgt ihm das Carpogonium mit den übrigen Zellen, wenn eine Befruchtung nicht eingetreten ist. Ist dieselbe jedoch erfolgt, so wird das Trichogyn von der befruchteten Eizelle abgegliedert und geht zu Grunde, während sich die drei Zellen weiter entwickeln. b. Die Auxiliarzelle wird ausgebildet, nachdem das Carpogonium befruchtet worden ist. Dann wird eine Zelle aus der Nachbarschaft der Tragzelle des Carpogonastes reich mit Substanz angefüllt und gliedert nach aussen hin eine Zelle ab, welche auch sehr protoplasma- reich wird und die Auxiliarzelle darstellt. Es wurde hier stets nur eine inzige Auxiliarzelle beobachtet. Zwei Auxiliarzell-Mutterzellen scheinen überhaupt nicht — selbst nicht im frühesten Stadium — ausgebildet zu werden. 6. Während die Auxiliarzelle ausgebildet worden ist, haben die Zellchen des Carpogonastes sich zunächst etwas vergrössert und darauf begonnen zu fusioniren; dabei hat sich allmählich und schrittweise der dreizellige befruchtete Carpogonast in einen einzelligen umge- wandelt (Fig. 47). Die Fusionszelle, in welcher also die befruchtete Eizelle vorhanden ist, kommt an Grösse ungefähr der Auxiliarzelle gleich, und der Carpogonapparat besteht nun (wie auch der Auxiliar- apparat) aus zwei Zellen: der Tragzelle und der Fusionszelle, zwischen denen eine weitere Fusion nicht mehr stattfindet. Im Laufe der Weiterentwickelung dieser vier Zellen nehmen sie natürlich an Grösse zu; dabei zeichnen sich besonders die Fusionszelle und die Auxiliarzell-Mutterzelle aus (Fig. 48—52). Während sich aber 349 letztere darauf beschränkt, lediglich ihr Volumen zu vergrössern, ver- ändert die Fusionszelle auch ihre Form und nimmt mitunter eigen- thümliche Gestalten an (Fig. 50—51). Dabei nähert sich auch all- mählich die Fusionszelle der Auxiliarzelle (Fig. 53) und benutzt zur Erreichung dieses Zweckes sehr häufig die Ausstülpung eines Fort- satzes (Fig. 48, 49). Im Verlaufe des weiteren Wachsthums berührt der Fortsatz dann schliesslich die Auxiliarzelle (Fig. 54), darauf fusioniren beide Zellen mit einander (Fig. 55), und es tritt der Inhalt des befruchteten fusionirten Jarpogonastes zu dem Inhalt der Auxiliarzelle. Aus den ursprüng- lichen sechs Zellen (die drei Carpogonastzellen, ihre Tragzelle, die Auxiliarzelle und deren Mutterzelle) sind also nun drei Zellen — die beiden Tragzellen und die grosse Fusionszelle — geworden, d. Die Fruchtwandbildung beginnt hier ziemlich spät, was durch die schon vorhandene dichte Berindung der Sprosse, welche den jungen Fruchtanlagen den nöthigen Schutz gegen zu grelle Beleuchtung und sonstige äussere Einwirkungen gewährt, wohl erklärt werden kann. Nach der Fusionirung des Carpogonastes ist hier noch nichts von ver- mehrter Rindenbildung zu bemerken, während in den vorbeschriebenen Fällen schon vor Beginn der Fusionirung des Carpogonastes die An- lage des Fruchtgehäuses begiunt. Ist aber die Bildung der Fruchtwand erst eingeleitet — während des Wachsthums des fusionirten Carpogon- astes —, so schreitet sie schnell fort und ist gewöhnlich schon be- endet, ehe die Auxiliarzelle und der fusionirte Carpogonast mit einander fusioniren. Es betheiligen sich an der Fruehthüllenbildung die inhalt- reich gewordenen Nachbarzellen der Tragzellen in ziemlich beträcht- lichem Umkreise. Von diesen aus schmiegen sich kurze, subdichotomisch verzweigte Zellfäden um Auxiliarzelle und Carpogonast und stossen gerade über der Auxiliarzelle unvertüpfelt zusammen. Sie bilden im Verlauf des weiteren Wachsthums später eine Haschenförmige Frucht aus, deren Hals von einem Porenkanal durchsetzt ist. Wird bei der Weiterentwickelung der befruchteten Auxiliarzell- Fusionszelle dieser der Raum zwischen den umhüllenden Fäden des Wruchtgehäuses zu eng, so werden diese inneren Fäden zunächst in dem Maasse wie Platz geschaffen werden muss, später aber in schr viel ausgedehnterem Maasse von den heranwachsenden Zellen zer- rissen. Die Zellen der zerrissenen Fäden sterben dann ab und ihre Membranen verquellen. 350 Nach der Copulation der Auxiliarzelle mit dem fusionirten Car- pogonast theilt sie sich in zwei Zellen, von denen die eine, die untere, mit der Tragzelle und dem fusionirten Carpogonast in Verbindung bleibt (Fig. 56), während die obere zur Centralzelle wird. Die untere Felle ist dabei zuweilen so fest an die obere, die Centralzelle, ge- drängt, dass die beiden Theile der früheren Auxiliarzelle mitunter nur schwer als zwei selbständige Zellen kenntlich sind. Von der Centralzelle, die sich durch Wachsthum noch vergrössert, werden ringsherum Zellen abgeschnitten, welche zu verzweigten Fäden auswachsen. Diese verzweigten Fäden sind die Lobi. Aus jeder Ast- zelle der Centralzelle entsteht einer. Die Lobi werden succedan aus- gebildet, die Sporen sind demnach ungleich gross und alt (Fig. 57). Nicht alle Zellen der Lobi sind fertil, aber die grössere Mehrzahl derselben; die Zahl der sterilen Zellen ist viel geringer als bei der vorigen Species. Zur Spore wandelt sich nicht nur die Endzelle jedes /weiges um, sondern es werden schon einige Zellen vor der Endzelle fertil und bilden kurze Reihen von unter einander vertüpfelten Sporen. In der reifen flaschenförmigen F'ruchthülle, deren Wand einige gut erhaltene Zellschichten, deren innere Partie eine spinnennetz- förmige Struktur zeigt, sitzen daher also die verzweigten ungleich alten Sporenbüschel mit den ungleich grossen Sporen an einem dicken Stiel, der Oentralzelle, welche aus der Wand des Sprosses ihren Ursprung nimmt. Die netzartigen Fäden der Fruchthülle gehen nicht bis dicht an die Sporen heran. Gewöhnlich sind innmer zwei Früchte am Spross einander gegen- über gelegen. Nicht selten fanden sich auch Früchte mit zwei llälsen; jedoch enthielten diese stets nur einen Gonimoblast. Solche zweihalsige Frucht- gehäuse entstehen wahrscheinlich dadurch, dass zwei dicht neben ein- ander gelegene Carpogonäste befruchtet werden und sich auch noch eine Zeit lang weiter entwickeln. So stellt Fig. 51 zwei solcher be- furchteten und auch fusionirten Carpogonäste dar. Zu einer weiteren Entwickelung scheint es dann aber nicht mehr zu kommen, da, wie schon bemerkt, auch in zweihalsigen Früchten stets nur ein Gonimo- blast beobachtet wurde. 6. Lomentaria ciavellosa. a. Die weiblichen Zellen entstehen gewöhnlich schon schr frühzeitig unterhalb der fortwachsenden Spitze. Die Tragzelle des Carpogonastes 351 ist stets eine Tochterzelle eines Markfadens: sie sitzt immer einer Mark- fadenzelle, bisweilen auch einer Zweigzelle des Markfadens an (Fig. 63). Diese Tragzelle ist sehr inhaltreich und häufig an Grüsse etwas geringer als die sie umgebenden Thalluszellen; daher scheint sie dann auch etwas tiefer zu liegen als die übrigen Wandzellen. Der Carpogonast selbst besteht regelmässig aus drei Zellen und sitzt der Trägerzelle auf ihrer Aussenseite an (Fig. 61, 62). Er wächst, häufig etwas gekrümmt, nach aussen, doch so, dass das Carpogonium, die Endzelle, nicht über die übrigen Thalluszellen hinausragt (Fig. 62). Die drei Zellen des Carpogonastes sind ziemlich klein; sie erreichen nicht die Grösse der Tragzellen der Haare. Gewöhnlich ist die erste elle des Aestchens auch die grösste. Auch sie sind sehr reich an Inhalt und stark glänzend. Die weibliche Sexualzelle ist häufig mehr oder weniger länglich nierenförmig gebogen. Sie setzt sich nach aussen zu in das lange, dünne, ziemlich gerade Trichogyn fort; der Uebergang des Carpo- oniums in das Trichogyn ist meist etwas eingeengt. Das Trichogyn, welches zuweilen am Grunde eine bauchige An- schwellung zeigt, reckt sich, wie die Haare durch die gallertartige Hülle der Sprosse nach aussen. Es ist sehr vergänglich, und auch das Carpogonium geht, wenn es nicht befruchtet wird, sehr bald zu Grunde; die übrigen beiden Zellen bleiben noch etwas länger erhalten, folgen ihnen dann aber auch nach. Auch bei den befruchteten Carpogonästen verschwindet das Triehogyn sehr bald, nachdem es vom Carpogonium abgegliedert worden ist. b. Wenn die Befruchtung des Carpogoniums erfolgt ist, wird sehr schnell eine Auxiliarzelle ausgebildet. Eine Nachbarin der Träger- zelle des Carpogonastes, mit dieser bisweilen vertüpfelt, nimmt an Grösse etwas zu, wird sehr reich an Inhaltsstoffen und gliedert nach aussen hin eine Zelle ab. Diese Zelle ist gleichfalls sehr inhaltreich und übertrifft an Grösse bei weitem die übrigen Rindenzellen letzter Ordnung in ihrer Nähe; es ist die Auxiliarzelle. (671 Nach der Befruchtung des Carpogoniums, dem Abwerfen des Trichogyns und nach der Ausbildung der Auxiliarzelle beginnt die Fusion der Carpogonastzellen. Die befruchtete Eizelle, die sich ebenso wie auch die anderen beiden Zellen inzwischen etwas vergrössert hat, ‚ 352 verzchmilzt mit der vorletzten Zelle des Carpogonastes zu einer einzigen (Fig. 63), und hierauf vereinigt sich auch mit, dieser Fusionszelle die erste Zelle des Carpogonastes (Fig. 64). Die so entstandene Fusions- zelle ist an Grösse ungefähr der Auxiliarzelle gleich. Eine weitere Fusion mit der Tragzelle findet auch bei dieser Species nicht mehr statt. Sowohl diese beiden Zellen, der befruchtete fusionirte Carpogonast und seine Tragzelle, als auch die Auxiliarzelle und ihre Mutterzelle nchmen nun im Laufe der Weiterentwickelung an Grösse zu, und besonders ist es die Auxiliarzell-Mutterzelle, welche schnell wächst und gewöhnlich durch Bildung von Ausstülpungen eine auffallende und meist unregelmässige Gestalt annimmt. Mitunter (aber nur selten) bildet während ihres Wachsthums die Auxiliarzelle einen melır oder weniger deutlichen kleinen schnabelförmigen Fortsatz aus, welcher sich dem befruchteten fusionirten Carpogonast entgegenstreckt. Letztere Zelle wächst im weiteren Verlaufe ihrer Entwickelung auf die Auxiliarzelle los und krümmt sich dabei haken- bis S-förmig um. Immer, oder doch fast regelmässig, stülpt sie dabei einen Foit- satz aus, welcher der Auxiliarzelle zustrebt. Wenn dieser Fortsatz der gekrümmten Zelle (Fig. 65, 66) die Auxiliarzelle beinahe erreicht hat, gliedert sich an seiner Spitze eine kleine Zelle ab (Fig. 68, 69). In dieser kleinen Zelle ist gewöhnlich, wic auch in der Auxiliarzelle, der Kern sehr deutlich sichtbar. Diese von der befruchteten Eizelle abgeschnittene Zelle wird der Auxiliar- zelle immer mehr und mehr genähert, bis sie dieselbe fest berührt und mit ihr nach Resorption der trennenden Membranen fusionirt, so dass beider Zellen Inhalt zu einem einzigen vollständig verschmilzt (Fig. 70). An- fangs sind dann in der nun befruchteten Auxiliarzelle noch beide Kerne sichtbar, später aber findet sich nur noch ein einziger vor (Fig. 71,72). Die Auxiliarzell-Mutterzelle und die Carpogonast-Trägerzelle tragen also nun beide je eine Fusionszelle. d. Sofort nach der Befruchtung des Carpogoniums beginnt auch die Ausbildung der Fruchthülle, an der sich die Zellen der Thalluswand, welche die beiden Tragzellen umgeben, betheiligen. Auch diese Zellen sind inhaltreich geworden und lassen Zellfädchen entstehen, welche sich verzweigend mit ihren Spitzen genau über der Auxiliarzelle ohne sich zu vertüpfeln zusammenschliessen; auch von den beiden Tragzellen nehmen zuweilen einzelne Fruchthüllfäden ihr Entstehen (Fig. 67, 75, 76). Mit dem Wachsthum der fruchtbildenden Zellen, des Gonimoblasten, schreitet auch die Entwickelung der Fruchthülle allmählich fort. Im Innern des Fruchtgehäuses aber werden, wenn der wachsenden Auxiliar- zelle und dem fusionirten Oarpogonast der Raum zu eng wird, die das Wachsthum beengenden Fäden mitten durchgerissen. Dies Zerreissen beginnt ungefähr um die Zeit, wo der fusionirte Carpogonast an die Auxiliarzelle, um mit ihr zu copuliren, heranwächst. Mit weiter fort- schreitender Entwickelung der befruchteten Auxiliarzelle wird dann der Riss grösser und bei.der ausgewachsenen flaschenförmigen Frucht- _ hülle durchzieht er das ganze Innere derselben als ziemlich breite Spalte. Einzelne der durchgerissen Zellfäden sterben dabei ab, während die Membran vergallertet. In dieser Hülle theilt sich die Auxtliarzelle nach ihrer Befruchtung zunächst in zwei Zellen, von denen die eine, die untere, mit der Trag- zelle der Auxiliarzelle und dem fusionirten Carpogonast vertüpfelt bleibt. Die andere, obere Zelle ist die Centralzelle. Dieselbe schneidet darauf Randzellen ab (Fig. 74—7T), aus welchen die succedan aus- gebildeten Lobi entstehen, während die Uentralzelle an Grösse zu- nimmt. Die Zellen der verzweigten Fäden, welche den Lobus zusammen- setzen, sind zum grössten Theil fertil, nur sehr wenige Astzellen bleiben steril; es werden auch hier nicht nur die Endzellen der Verzweigungen allein, sondern eine kurze Reihe derselben zu unter einander ver- tüpfelten Sporen. Die Sporen selbst sind rundlich. In dem flaschehförmigen Fruchtgehäuse finden wir daher zur Zeit der Reife an einer in der Thalluswand wurzelnden Centralzelle ver- schiedene ungleich weit entwickelte verzweigte Sporenbüschel mit ungleich grossen Sporen, welche von einem Netz feiner Fäden an den Seiten ziemlich dicht umhüllt sind; oberhalb ist der Gonimoblast von dieser netzigen Hülle frei. j Die runden Sporen gelangen durch den Halskanal ins Freie. IV. Trotz der grossen Aehnlichkeit, welche die Chylocladieen in Bezug auf ihren vegetativen Aufbau auszeichnet, sind doch die drei Gattungen Chylocladia Thur., Champia Lamour. und Lomentaria Lyngb., seitdem sie näher untersucht worden sind, fast stets infolge der angeblichen Verschiedenheit ihres Fruchtbaues nicht nur getrennt, sondern auch an ganz verschiedenen Stellen des Systems untergebracht worden. So stellte Thuret!) COhylocladia anfangs zu den ÜChondrieen, 1) Thuret, 1. c. p. 36 und 38. 354 Lomentaria zu den Dumontieen, später!) Lomentaria und Champia zu den Rhodymenieen und die Chylocladieen zwischen Spongiocarpeen und Rhodomeleen, und auch Janczewski? rechtfertigt auf Grund seiner Untersuchungen diese Stellung von Chylocladia einerseits und Lomentaria andrerseits. J. Agardh?) aber setzte die Gattung Champia Lamour. und Lomentoria Iyngb. (bei ihm Chylocladia genannt) als Familie der Champieen zwischen die Familien der Areschougieen und Rhody- meniaceen die Gattung Chylocladia Thur. aber (— bei ihm Lomen- taria Gaill. genannt —) als Yamilie der Lomentarieen zwischen die Familien der Spongiocarpeen und Öhondrieen. Hauck® wieder nähert sich einer älteren Eintheilung J. Agardhs?): er stellt Champia parvula zu Lomentaria articulata in die Gattung Lomentaria Lyngb., die bei ihm Chylocladia Grev. genannt wird. Diese Gattung reiht er in die Familie der Rhodymeniaceen. Die Gattung Chylocladia Thur. bildet bei ihm die Familie der Lomentariaceen und steht (wie bei Agardh) zwischen Spongiocarpeen und Rho- domeleen. Im Gegensatz zu diesen Autoren hatte Kützing‘) die drei hier behandelten Gattungen zusammen gelassen. Er stellte die Chondro- sipheen mit den Gattungen Chondrothamnion und Chondrosiphon neben die Familie der Champieen mit den drei Gattungen Champia Lamour., Lomentaria Kg. und Gastroclontum Kg. Die erstere Familie entspricht hier im Grossen und Ganzen (weiter unten soll hieräuf noch eingehender zurückgekommen werden) der Gattung Lomentaria Lyngb. Die Gat- tungen Kützings Lomentaria Kg. und Gastroclonium Kg. sind etwa der Gattung Chylocladia Thur. gleichwerthig und die Gattung Champia deckt sich ungefähr mit der hier behandelten Gattung gleichen Namens. Die beiden Familien der Chondrosipheen und Champieen stehen in Kützings System als Ordnung der Coeloblasten zwischen den Fa- milien der Chondrieen und Delesserieen. Schmitz” dagegen stellt diese Gruppe auf Grund der Ueber- einstimmung in der Fruchtentwickelung in die Familie der Rhody- 1) Le Jolis, 1. c. p. 18 und 19. 2) Janezewski, l. ce. p. 133. 8) J. Agardh, Epicripis p. 290 und 630. 4) F. Hauck, Die Meeresalgen Deutschlands und Oesterreichs. Rabenhorsts Kryptogamen-Flora IT. (Leipzig 1885) p. 153 und 199. 5) J. Agardh, Species Floridearum. 6) Kützing, Speeies Algarım p. 859. 7) Schmitz, Systematische Uebersicht der Florideengattungen p. 10. 355 ineniaceen, doch lässt auch er die Gruppe vereinigt und zählt die drei Gattungen Ohylocladia Thur., Champia Lamour. und Lomentaria Lyngb. neben einander auf. Und in der That sind die Unterschiede im Fruchtbau bei diesen drei Gattungen so gering, dass sie auch aus diesem Grunde nicht ge- trennt werden dürfen. Bei allen dreien entwickelt sich aus dem befruchteten Carpo- gonast, welcher stets einer Markfaden-Tochterzelle seinen Ursprung ver- dankt, und einer ganz nahe gelegenen Auxiliarzelle nach der Befruchtung derselben (durch Copulation vermittelst eines von der befruchteten Ei- zelle ausgestreckten Ooblastemfortsatzes) der Gonimoblast. Derselbe ragt aus der Sprosswand in das Innere eines dem Thallus auswärts auf- sitzenden Fruchtgehäuses aufrecht hinein und setzt sich aus mehreren Gonimoloben zusammen, deren Zellen fast sämmtlich zu Sporen werden. Die Carpogonäste werden bei allen drei Gattungen stets nahe der fortwachsenden Spitze angelegt. Ihre Tragzelle ist eine gewöhn- liche Thalluszelle, nur reicher an Inhalt als ihre Nachbarinnen und mit einer Markfadenzelle vertüpfelt. Die letzte Zelle der weiblichen Zellreihe, das Carpogonium, trägt stets ein langes Trichogyn, welches durch die Rinde, Gallerte und das Grenzhäutchen nach aussen wächst. Es ist in allen Fällen dünn und sehr vergänglich. Auch das Carpo- gonium geht, wenn es nicht befruchtet wird, bei allen drei Gattungen sehr schnell zu Grunde; die anderen Carpogonastzellen schwinden dann gleichfalls, aber weniger schnell. Nach der Befruchtung des Carpogoniums wird in allen Fällen das Trichogyn abgegliedert und bei Seite geworfen. Bei allen drei Gattungen wird nach der Ausbildung des Carpogon- astes und seiner Befruchtung eine Auxiliarzelle ausgebildet. Eine gewöhnliche Thalluszelle, Nachbarin der Carpogonast-Trägerzelle,. wird reicher an Inhalt und gliedert nach dem Carpogonast zu eine Zelle . ab, welche gleichfalls sehr inhaltreich ist und die Auxiliarzelle darstellt. Inzwischen, nachdem das Trichogyn zu Grunde gegangen ist, fusioniren die Zellen des Carpogonastes unter einander und stellen schliesslich eine einzige Zelle, eine grosse Fusionszelle, dar. Diese Fusionszelle copulirt mit der Auxiliarzelle, der sie gewöhnlich einen Copulationsfortsatz entgegensendet. Diese Copulation findet in allen Fällen statt, doch kommen dabei einige Modifikationen vor. Bei allen drei Gattungen wird in derselben Weise eine Frucht- hülle dadurch ausgebildet, dass von den Nachbarzellen der beiden Flora 1892, " 24 356 Tragzellen (und auch von diesen selbst) Zellfädchen entspringen, welche sich verzweigend die kuglige bis flaschenförmige Fruchthülle zusammen- setzen. Die Ausbildung im Innern der Hülle variirt bei den ver- schiedenen Species, da der für die Fruchtzellen nothwendige Raum nicht bei allen Species auf die gleiche Weise hergestellt wird; das Innere ist jedenfalls in jüngeren Stadien stets von mehr oder minder lockeren Fäden durchzogen. In dem Fruchtgehäuse entsteht dann durch Weiterentwickelung der befruchteten Auxiliarzelle der Gonimoblast, der sich in mehrere Gonimoloben theilt und zahlreiche Sporen trägt. Von diesem bei allen drei Gattungen gleichen Hergang finden bei den verschiedenen Species einzelne kleine Abweichungen statt. So werden sowohl bei Chylocladia kaliformis als auch bei Ch. ovalis . stets zwei Auxiliarzellen angelegt; ausgebildet wird allerdings nur eine. Diese beiden Species haben auch einen vierzelligen Carpogonast, während die andern untersuchten Species nur dreizellige Carpogonäste besitzen. Die Fusion des Carpogonastes tritt in allen Fällen ein; sie erstreckt sich aber nur bei Chylocladia und Champia auch auf die Trägerzelle. Die Copulation des befruchteten fusionirten Carpogonastes mit der Auxiliarzelle findet bei Lomentaria clavellosa in einer etwas ab- weichenden Weise statt, insofern hier an der Spitze der Fusionszelle zunächst eine Theilung erfolgt: es wird eine kleine Zelle abgegliedert und erst diese fusionirt mit der Auxiliarzelle. Bei L. articulata dagegen findet die Copulation. zwischen Auxiliarzelle und fusionirtem Carpo- gonast direct statt. Auch bei der Ausbildung des Gonimoblasten machen sich einige Verschiedenheiten bemerkbar. So fusionirt die befruchtete Auxilar- zelle vor dem Aussprossen mit ihrer Tragzelle bei Chylocladia kali- formis; sie stellt auf diese Weise eine sehr grosse Centralzelle dar. — Bei Ch. ovalis theilt sich die Auxiliarzelle in eine obere, die Central- zelle, und eine untere, welche mit der Auxiliarzell-Tragzelle fusionirt. — Bei den übrigen Species tritt wohl eine Theilung der Auxiliar- zelle in die Centralzelle und eine untere Zelle ein,. aber letztere fusionirt nicht mehr mit ihrer Tragzelle. Die reife Frucht ist entweder kuglig wie bei Chylocladia kali- ‚Formis und Ch. ovalis und hat dann keinen Porenkanal, oder sie ist eiförmig wie bei Champia lumbricalis, oder fast Haschenförmig wie bei Ch. parvula; in beiden letzteren Fällen ist der Hals der Frucht von einem Porenkanal durchzogen. Noch mehr kommt die Flaschenform 357 der Frucht bei Lomentaria zum Ausdruck; ein Porenkanal ist auch da vorhanden. Die Fruchtwand ist bei Chylocladia ungefähr einschichtig; die Reste der abgestorbenen Fäden, deren. Membranen verschleimt sind, umspinnen in concentrischen Schichten die Lobi. Mehrere Schichten zeigt die Fruchtwand bei Champia und Lo- mentaria. Die Fäden sind zum Theil zerrissen, zum Theil verschleimt; sie reichen bei Champia parvula und Lomentaria clavellosa bis ziemlich dieht an die Lobi, nicht so bei den beiden anderen Species. — Die Differenzen in den Einzelheiten der Fruchtbildung sind, wie man sieht, wohl zahlreicher als bei dem anatomischen Bau der vege- tativen Sprosse, aber es sind im Grunde genommen doch ziemlich unwesentliche Unterschiede. Der wichtigste Unterschied ist der, dass die Lobi, welche von der Centralzelle abgeschnitten werden, bei Chylocladia einzellig sind, bei Champia und Lomentaria aber vielzellige verzweigte Fadenbüschel darstellen. Während bei der ersteren Gattung jeder Lobus zu einer einzigen Spore wird, bilden sich bei den beiden anderen Gattungen die Endzellen der verzweigten Fäden zu Sporen aus. Einigermaassen unterscheidet sich dann Lomentaria von Champia dadurch, dass die Lobi zwar bei beiden succedan ausgebildet werden, dass ihre Altersunterschiede bei Lomentaria indess viel beträchtlicher sind als bei Champia. Die Entwickelungsgeschichte hat aber gezeigt, dass bei allen drei Gattungen die Lobi auf dieselbe Weise entstehen, ob sie ein- oder mehrzellig sind; es ist daher nicht gerechtfertigt, diese drei Gattungen im System von einander zu trennen. Nun bemerkte schon J. Agardh," dass seine Familie der Cham- . pieen (das wären also die Gattungen Champia Lamour. und Lomen- taria Lyngb.) in Bezug auf die Entwickelung des „Kernes“ ganz vor- züglich mit der Familie der Rhodymeniaceen übereinstimmt und auch Thuret® stellt die Gattungen Lomentaria und Champia sogar in die Familie der Rhodymeniaceen hinein. Und thatsächlich findet auch die Fruchtentwickelung dieser Gattungen in genau der Weise statt, wie sie für die Familie der Rhodymeniaceen charakteristisch ist. Die Gruppe muss daher in diese Familie eingereiht werden. Die einzelnen Gat- tungen würde man auf Grund allein der Verschiedenheit der Frucht 1) 7. Agardlı, Morphologia Floridearum p. 227, 2) Bei Le Jolis,.l. c. p. 18. 24% 358 zu unterscheiden haben als Ohylocladia Thur., Oystocarpien mit ein- zelligen Loben und Champia Lamour. -- Lomentaria. Lyngb., Lobi mehr- zellig; und mit Berücksichtigung auch der vegetativen Merkmale: Thallus mit Diaphragmen versehen a) Lobi der Öystocarpien einzellig — Chylocladia b)) „0% „ mehrzellig — Champia Thallus ohne Diaphragmen c) Lobi mehrzellig — Lomentaria. Bei dieser Eintheilung ist die Anordnung der Tetrasporen nicht berücksichtigt worden. Die Verschiedenartigkeit der Anordnung ist aber, in Verbindung mit der scheinbaren Verschiedenheit des Baues der Cystocarpe, als Eintheilungsmerkmal von Thuret?) benutzt worden. Derselbe stellte für Lomentaria Lyngb. als charakteristisch fest, dass die Tetrasporen in kleinen Ausbuchtungen in der Rindenschicht liegen. Da die Tetrasporen von Champia Lamour. und Chylocladia Thur. über den Thallus zerstreut, ohne bestimmte Anordnung, aber nicht in Ein- buchtungen angesammelt sind, so kommt hierdurch noch ein weiteres Merkmal für die Unterscheidung der Gattungen hinzu. Diese eigenartige Anordnung der Tetrasporen bei Lomentaria Lyngb. kann indessen nicht zu der Forderung führen, nun die Gruppe der Chylocladieen zu spalten und den einen Theil aus der Familie der Rhodymeniaceen zu entfernen. Davon könnte schon um so weniger die Rede sein, als dann Champia Lamour. mit den zerstreuten Tetra- sporangien von Lomentaria Lyngb. getrennt werden würde, während sie doch wegen ihres übereinstimmenden Fruchtbaues als zusammen- gehörig schon seit langer Zeit erkannt sind. Ueberdies vollzieht sich auch die Ausbildung der Tetrasporen in dieser Gruppe überall in der nämlichen Weise. Es sind stets die grossen Wandzellen des Thallus (z. B. Lomentaria clavellosa, Champia parvula) und wo dieser mehrschichtig ist, der innersten Schicht des- selben (z. B. Lomentaria mediterranea, Champia lumbricalis), welche sich zu Tetrasporangien ausbilden; auch die tetraedrische Anordnung der Tetrasporen ist überall die gleiche. Ferner ist auch die Anordnung der Tetrasporangien in den jüngeren Stadien der Entwiekelung, wenig- stens in vielen Fällen (z. B. Lomentaria articulata), die gleiche regellos zerstreute; die Einbuchtungen entstehen erst später. Mit Berücksichtigung aller dieser Merkmale ordnen sich die drei Gattungen also folgendermaassen: 1) Le Jolis, le. p. 131. 359 Thallus ohne Diaphragmen Lobi mehrzellig, Tetrasporen in Einbuchtungen — Lomentaria Lyngb. Thallus mit Diaphragmen Lobi mehrzellig, Tetrasporen zerstreut — Champia Lamour. einzellig, — Chylocadia Thur. 2 ” 7 Schluss. Wenden wir diese Eintheilung auf die übrigen hier nicht aus- führlich behandelten Species an, so zeigt es sich, dass diese sich der Eintheilung leicht und zwanglos fügen.) Es muss dann allerdings zuächst die Gattung Kützings Chondrosiphon (Typus mediterraneus) wieder eingezogen werden. Sie bietet auch wesentliche Differenzen mit der Gattung Chondrothamnion Kg. (Typus clavellosum) nicht dar, da sie sich nur durch den soliden Stengel von ihr unterscheidet; immerhin mag sie innerhalb der Gattung Lomentaria Lyngb. als besondere Gruppe bestehen bleiben. Von ihr leitet dann der articulata-Typus mit stellen- weise solidem Spross (von Kützing zu Lomentaria Kg. gerechnet) zu dem clavellosa-Typus mit ganz hohlem Thallus hinüber. Ganz entfernt werden muss aus der Gattung Lomentaria Lyngb. die vierte Gruppe J. Agardhs?) Erythrocolon. Die Species dieser Gruppe gehören zur Gattung Chrysymenia J. Ag. Dumontia pusilla Mont. — von Kützing als Species inguirenda bezeichnet — ist (nach Vergleich von Original- Material) eine echte Lomentaria und zwar vom Typus clavellosa. In der Gattung COhampia Lamowr. lassen sich gleichfalls einige Typen unterscheiden; es steht die lumbricalis-Gruppe mit dickwan- digen Sprossen und besonders dadurch ausgezeichnet, dass die Foit- pflanzungsorgane nur an kurzen gekrümmten Zweigen ausgebildet werden, einer zweiten Gruppe gegenüber, welche dünnwandige Sprosse besitzt und die Früchte nicht an besonderen Zweigen, sondern an den Sprossen gleichmässig ausbildet. Diese parvula-Gruppe führt Kützing bei Lomentaria Kg. auf. Hierhin gehört auch sein. Gastroclonrum affıne (das übrigens vollständig identisch ist mit seiner Lomentaria affinis). Die lumbricalis-Gruppe zählt auch Kützing zu Champia Lamour. Es sondern sich daher aus Kützings Gattung Lomentaria die arti- eulata-Gruppe und die parvula-Gruppe aus, und nun entspricht sie etwa der kaliformis-Gruppe, der luer Ohylocladia Thur. genannten Gattung. Diese Gruppe zeigt Stamm und Aeste hohl und die Glieder an den 1) Zur Durchführung dieses Vereleiches wurde (aufser der einschlägigen Lit- teratur) auch noch verschiedenes Herbarium- und Spiritusmaterial anderer Species untersucht. 2) J. Agardh, Epierisis, 360 Diaphragmen mehr oder weniger eingeschnürt. Zu dieser Gruppe muss auch Gastroclonium veflerum Kg. gezogen werden. Der Typus des zweiten Formkreises, der sich durch soliden Stengel auszeichnet, ist Chylocladia ovalis; diese Gruppe stellt Kützing in die Gattung Gastroclonium Kg. 3. Agardh stellt auch noch als dritten Typus für die Gattung Chylocladia Thur. Ch. reflexa auf; die dahin ge- rechneten Formen sind hohl, die Glieder aber nur wenig eingeschnürt. Kützings Gattung Gastroclonium muss ganz eingezogen werden, da der einzige Grund für die Aufstellung der Gattung, die Solidität des Stengels, den anderen gemeinschaftlichen Uebereinstimmungen gegenüber nicht als hinreichend anerkannt werden kann. Sind aber die zur Chyloeladieengruppe gehörigen Speeies aus der Gattung Gastro- clonium Kg. fortgenommen, so bleiben nur noch zur Gattung Ohrysy- menia .J. Ag. gehörige Species zurück. Diese Gattung gehört zwar auch zur Familie der Rhodymenieen, unterscheidet sich aber — wie auch die ihr sehr nahe verwandte Gattung Bindera J. Ag. — im vegetativen Aufbau äusserst scharf dadurch von den hier behandelten Gattungen, dass Chrysymenia sowohl als auch .Bindera keine Mark- fäden. haben.') Sonach ergeben sich innerhalb dieser drei Gattungen noch folgende Sectionen: Lomentaria Lyngbye (= Chylocladia J. Agardhı excel. sectio IV = Chondrothamnion Kg. -1- Chondrosiphon Kg. -|- Lomentaria Kg. partim) sectio 1. Typus L. clavellosa „2 „I arliculata 9» „ Z. mediterranea Champia Lamouroux (= Champia J. Ayardh = Champia Kützing -- Zomentaria Kg. partim -- Gastroclonium affine Kg.) sectio 1. Typus Oh. lumbricalis „2 »„ Ch. parvula Chylocladia Tharee (= Lomentaria J. Agardh.= Lomentaria Kg. partim — Gastroclonium Kg. partim) sectio 1. Typus Ch. kaliformis n.2. „Ch. ovalis. Mit Illfe dieser Zusammenstellung orientiren wir uns jetzt leicht über die Benennungsweise auch anderer Autoren. Wir überschen sofort, dass die Gattung Chylocladia Grev. bei Hauck die Gattung Lo- 1) Nach Mittheilungen des Herım Professor Schmitz, 361 mentaria Lyngb. ist und ausserdem noch Champia sectio 2 (parvula- Gruppe) enthält. = Ardissones Gattung Chylocladia Grev. umfasst sectio 1 und 3 der Gattung Lomentaria Lyngb. (die clavellosa und die mediterranea- Gruppe); seine Gattung Lomentaria ist die articulata-Gruppe der Gattung Lomentaria Lyngb. zusammen mit der parvula-Gruppe der Gattung Ohampia Lamour. Seine Gattung Gastroclonium entspricht vollständig der Gattung Chylocladia Thur. Gegenüber der von diesen letzten beiden Autoren beliebten Zu- sammenziehung einerseits und der von Ardissone vollzogenen Tren- nung andrerseits drängt sich die Frage auf, ob es überhaupt berechtigt erscheint, die Chylocladieengruppe in mehrere Gattungen zu spalten und wie viele Gattungen dann aufgestellt werden dürfen, zumal da ja besonders auffallende Unterschiede in der Entwickelung weder des Thallus noch der Frucht vorhanden sind. Hauck lässt sich bei der Vereinigung der Gattung Lomentaria Lyngb. mit der articulato-Gruppe der Gattung Champia Lamour. zu seiner Gattung Chylocladia Grev. hauptsächlich durch die Ueberein- stimmung in der Fruchtbildung leiten. Ardissone befolgt zwar im Grunde dasselbe Princip, legt aber seinerseits zu viel Werth auf den Unterschied im Thallusbau und kommt daher zur Vereinigung der clavellosa- und mediterranea-Gruppe einerseits und der articulata- und parvula-Gruppe andrerseits. Erfolgreich und erspriesslich bei der Auf- stellung von Gattungen wird aber nur die gleichwerthige Berück- sichtigung beider Momente, der Unterschiede sowohl im Thallusbau als auch in der Fruchtentwickelung, sein. Bei der Betonung der Differenzen in der Thallusausbildung könnte man wohl dazu kommen, die articulata-Gruppe der Gattung Lomentaria Lyngb. als besondere Gattung aufzustellen, da die Habitusbilder dieser Gruppe von denen aller übrigen sich bedeutend unterscheiden; dann aber müsste man auch — mit Kützing — die übrigen beiden Seetionen als selbständige Gattungen gelten lassen, und eigentlich wäre die Con- sequenz eines solchen Verfahrens, sänmtliche oben angeführte Sectionen zu eigenen Gattungen zu machen, wodurch allerdings der Fruchtbau jede Bedeutung als Gattungsmerkmal verlieren würde. Nun erfolgt aber sowohl beider articulata-Gruppe als auch bei der me- diterranea- und clavellosa-Gruppe der innere Aufbau des Thallus in genau der gleichen Weise, und da ausserdem die Fruchtentwickelung bei allen drei Gruppen die nämliohe ist, so dürfen diese drei Gruppen nicht von 362 einander getrennt werden, trotz der bisweilen sehr auffallenden Habitus- unterschiede. Uebereinstimmend mit der Gattung Lomentaria Lyngb. ist in Be- zug auf die Entwickelung der Frucht die Gattung Champia Lamour. Eine Vereinigung beider Gattungen zu einer einzigen würde sich aber nicht rechifertigen, da die Unterschiede in der Thallusausbildung doch zu bedeutende sind; dem der Hauptsache nach röhrigen Spross der Gattung Lomentaria steht der gliederartig eingeschnürte und in gewissen Abständen mit Scheidewänden versehene Champia-Spross gegenüber und nöthigt zwingend zur Aufrechterhaltung der Trennung der Gattung Lomentaria Lyngb. von der Gattung Champia Lamour. Es fragt sich nun nur noch, ob diese letztere Gattung als selbst- ständige aufrecht erhalten werden kann gegenüber der Thatsache, dass sic in ihrem Thallusbau eine so ausserordentliche Aehnlichkeit und Uebereinstimmung mit der Gattung Chyloeladia Thur. zeigt. In- dessen in diesem Falle muss man nun aber auch der Verschiedenheit in der Fruchtausbildung dieselbe Bedeutung. beilegen, welche der Ver- schiedenheit des Thallusbaues eben bei der Trennung von Champia und Lomentaria zuerkannt wurde. Im übrigen machen sich auch einige Habitusunterschiede zwischen den Gattungen Champia und. Chylocladia geltend, die, wenn ınan sie erst einmal als Unterschiede erkannt hat, recht charakteristisch er- scheinen; es ist die reichliche Verzweigung bei Chylocladia gegenüber der bedeutend ärmeren bei Chumpia. Denn während bei letzterer die Zweige in mehr oder weniger grossem Abstand von einander den Aesten aufsitzen, indem sich zwei bis mehr Glieder zwischen je zwei Verzweigungen befinden, erfolgt die Verzweigung von Chylocladia wenigstens bei den Aesten an fast allen Diaphragmen. - Wir sind daher ganz entschieden berechtigt, die Gattung Champia aufrecht zu erhalten neben der Gattung Chylocladia. Es führen somit alle diese Ueberlegungen dazu, die Chylocladicen- gruppe der Rhodymeniaceen in drei Gattungen, Chylocladia, Champia und Lomentaria, zu theilen. Erklärung der Abbildungen. Alle Figuren mit Ausnahme von Fig. 34 und 35 sind mit den: Zeichenapparat entworfen und dann freihändig ausgeführt. Fig. 34 und 35 sind Freihandzeichnungen. Die Vergrösserung beträgt in den meisten Fällen 500: 1; andere Vergrösserungen sind durch beigefügte eingeklammerte Zahlen angegeben. In allen Fällen bedeutet = Markfadenzelle, 2 Tragzelle des Carpogonastes, 363 e Carpogonium, am Tragzelle der Auxiliarzelle, a Auxiliarzelle, e fusionirter Car- pogonast, f Fusionszelle, die durch Fusion zwischen dem fusionirten Carpogonast und seiner Tragzelle entstanden ist, 5 befruchtete Auxiliarzelle und c2r Centralzelle. Tafel VIl und VII. Die meisten Figuren sind beim Lithographiren auf die Hälfte der linearen Grösse der Zeichnung reducirt worden. Die Figuren 15, 35, 56, 58, 60, 78, 79 sind auf ein Drittel, die Figuren 12 bis 14, 20, 23, 30, 41, 42, 44 sind auf ein Viertel der Lineargrösse reducirt; die Figuren 1, 4, 16, 17, 26, 27, 36, 46, 59, 61, 62, 75 sind nicht, verkleinert worden. Fig. 1-15, 78. Chyloeladia kaliformis. Fig. 1. Vierzelliger gekrümmter Carpogonast mit Trichogyn. Seine Tragzelle ist einer Markfadenzelle angeheftet. Fig. 2. An dem vierzelligen, gekrümmten Carpogonast ist das Trichogyn am Grunde eingeengt und im Schwinden begriffen. Zwei Auxiliarzellen a) und a, sind zu beiden Seiten des Carpogonastes angelegt. Fig. 3. Der hakenförmig gekrümmte Carpogonast endet in ein mehrfach gewundenes Triehogyn. Fig. 4. Der Garpogonast besteht aus fünf Zellen. Das Carpogonium trägt ein ge- knicktes Trichogyn. Die Tragzelle des Carpogonastes ist nicht direet mit dem Markfaden verbunden, sondern durch Vermittelung ihrer Mutterzelle. Fig. 5. Das Carpogoniunı ist zur befruchteten Eizelle geworden und hat das Trichogyn vollständig abgeworfen. Zu beiden Seiten des Carpogonastes sind je eine Ausiliarzelle angelegt; die Mutterzelle der einen a2, ist eine Tochterzelle der Trägerzelle des Carpogonastes, die mit den Markfaden vertüpfelt ist. Fig. 6. Die Zeilen des Carpogonastes und seine 'Tragzelle und die Aunxiliarzelle haben sich vergrössert. Fig. 7. Die Fusion des befruchteten Carpogonastes hat begonnen. Die befruchtete Eizelle ist mit der vorletzten Zelle des Carpogonastes zu einer verschmolzen. Fig. 8 Die Fusion des befruchteten Carpogonastes hat sich auf die drei Endzellen desselben ausgedehnt; er besteht nunmehr aus nur zwei Zellen. Fig. 9. Auch die Anfangszelle des Curpogonastes ist in die Fusion eingetreten und der befruchtete Uarpogonast stellt jetzt nur eine einzige Zelle dar. Fig. 10. Zwischen dem fusionirten Carpogonast e und seiner Trügerzelle 2 ist gleich- falls Fusion eingetreten. Es lassen sich zwar beide Zellen noch als vorher gesonderte erkennen, doch enthalten sie nur einen Kern. Die grosse Fusions- zelle und die Auxiliarzelle strecken sich gegenseitig kurze Fortsätze entgegen. Fig. 11. Die Fusionszelle / ist mit der Auxiliarzelle Copulation eingegangen. Der Kern .der Fusionszelle und der Kern der Auxiliarzelle liegen in letzterer nahe bei einander. Fig. 12. In der befruchteten Auxiliarzelle erscheinen die beiden Zellkerne einander noch näher gerückt. Fig. 13, 14. Zwischen der befruchteten Auxiliarzelle 4 und ihrer 'Trägerzelle «= hat Fusion stattgefunden und diese Fusionszelle bildet sich zur Centralzelle 7 aus. Fig. 15 a, b, c. (65) Verschiedene Oentralzellen. 5 und c hatten schon Sporen aus- gebildet; dieselben sind vor Anfertigung der Zeichnung abgequetscht. c zeigt am Fusse die eigenthümlichen wurzelartigen Aussackungen, welche durch Fusion der Centralzelle mit ihren Naehbarzellen in der Thalluswand entstanden sind. 364 Fig. 16—24. Chylocladia ovalis. Fig. 16, 17. Vierzellige gekrümmte Carpogonäste an Tochterzellen eines Markfadens ansitzend. Das Carpogonium trägt in beiden Fällen noch das Trichogyn. Fig’ 18. Die Endzelle des gekrümmten Carpogonastes ist befruchtet worden und hat das Trichogyn vollständig abreworfen. Inzwischen sind auch zwei Auxiliar- zellen a; ünd a, angelegt, aber nur eine «a, ist ausgebildet worden; die ander: a, ist sehr inhaltarnı geblieben. Fig. 19. Die vier Zellen des befruchteten Carpogonastes sind zu einer einzigen zu- sammenfusionirt. Fir. 20. Der fusionirte Carpogonast ist die Fusion mit ‚seiner Trägerzelle ein- gegangen. Fig. 21. Zwischen der grossen Fusionszelle / und der Auxiliarzelle a hat Copulation stattgefunden, nachdenı die Auxiliarzelle einen Copulationsfortsatz und die grosse Fusionszelle sleichfalls einen Fortsatz ausgestreckt hat. Beide Theile sind durch Quetschen etwas von einander entfernt worden, doch ist der Zu- sammenhang noch nicht ganz gelöst. Fig. 22. Zum Zwecke der Copulation mit der Auxiliarzelle hat nur die grosse Fu- sionszelle einen Fortsatz ausgereckt. Von der befruchteten Auxiliarzelle ha; sich die (leicht schattirte) Centralzelle cz” schon abgegliedert. Fig. 23. Der untere Theil der befruchteten Auxiliarzelle ist mit der Auxiliarzell- Mutterzeile fusionirt, mit dem oberen, der Centralzelle vertüpfelt. Die Copulation zwischen der Auxiliarzelle und der grossen Fusionszelle ist wieder abgegliedert. Tig. 24. (200) Eine junge Frucht im optischen Durchschnitt. Von den Zellen der “halluswand entspringen verzweigte Zellfädchen, welche die Fruchtwand zu- sammensetzen. Die Centralzelle hat schon Sporen abgegliedert; sie ist unten mit der unteren Partie der früheren Ausiliarzelle breit vertüpfelt. Diese l’artie ist fusionirt mit der Mutterzelle der Auxiliarzelle, welche ihrerseits mit ver- schiedenen 'Thalluszellen Fusion eingegangen ist. Die Copulation zwischen der früheren Auxiliarzelle und der grossen Fusionszelle / welche durch Fusion aus dem fusionirten Carpogonast und seiner "ragzelle entstand, ist durch Ab- gliederung wieder gelöst. Fig 78. (200) Ein Längsschnitt durch den '[hallus an einer Einschrürung zeigt das aus einer Zellschicht bestehende Diaphragma im Querschnitt. Fig. 25—35. Ohampia lumbricalis. Fig. 25. Dreizelliger Carpogonast, dessen Tragzelle z an einer Markfadenzelle ange heftet ist. Das Carpogonium trügt ein etwas gebogenes 'Trichogyn. Fig. 6. Das Carpogonium des dreizelligen Carpogonastes zeigt eine starke bauchige Anschwellung; es geht in ein gerades Triehogyn über. Fig. 27. Das Triehogyn ist im Schwinden begriffen. , Fig. 28. Das Carpogonium hat das Trichogyn vollständig abgegliedert; letzteres ist zu Grunde gegangen, doch ist noch die Strecke, in welcher es die Aussen- kollode durchlief, als Rinne kenntlich. Fig. 29. Auch die letzten Reste des 'Trichogyns sind an der befruchteten Eizelle verschwunden. Fig. 30. Die Fusion des Carpogonastes ist eingeleitet, aber noch nieht beendigt. Fig. 31. Der fusionirte Carpogonast ist die Fusion mit seiner ragzelle eingegangen. Fig. Fig. an Fig. 365 3. 32. Die grosse Fusionszelle (Fusion zwischen dem fusionirten Carpogonast und seiner Tragzelle) hat sich wunderlieh ausgeformt und copulirt mit der Ausiliarzelle. . 83-35. Die Verbindung zwischen der grossen Fusionszelle und der befruchteten Ausiliarzelle hat sich lang ausgereckt. Die befruchtete Auxiliarzelle hat nach oben eine Zelle abgegliedert und diese bildet die subdichotomisch verzweigten Sporenbüschel, die Lobi, aus. Fig. 36-44, Champia parvula. 36. Der dreizellige, nur wenig gekrümmte Carpogonast ist ein Zellfaden einer Markfaden-Tochterzelle. Das Carpogonium trägt an der Spitze ein Trichogyn, welches im Begriff ist, zu Grunde zu gehen. Die Auxiliarzelle ist auch schon ausgebildet. Ihre Mutterzelle am ist eine Tochterzelle der Tragzelle des Car- pogonastes. 37. Die befruchtete Eizelle ist mit der vorletzten Zelle des Carpogonastes fusionirt. Die Auxiliarzell-Mutterzelle ist eine T'ochterzelle der T'ragzelle des Car- pogonastes. Aus dem Kranz der 'Whalluszellen, welche die Carpogonastträger- zelle umgeben, entstehen die Zellfäden, welche später die Fruchthülle bilden, . 38. Die Fusion des Carpogonastes ist beendet und hat diese Fusionzelle e an Grösse bedentend zugenommen. Die Auxiliarzell-Mutterzelle am ist, auch hier wieder mit der Carpogonasttragzelle vertüpfelt. . 39. Der fusionirte Carpogonast ist auch mit seiner Tragzelle Fusion ein- gegangen. . 40. Die grosse Fusionszelle / streckt, der Auxiliarzelle einen hakigen Fortsatz entgegen. In diesem Fortsatz ist der einzige Kern der grossen Fusionszelle sichtbar. . 41. Die Auxiliarzelle streckt dem hakigen Fortsatz der grossen Fusionszelle / gleichfalls einen Fortsatz, den Copulationsfortsatz, entgegen. . 42. Die grosse Fusionszelle ist an die Auxiliarzelle dicht herangewachsen und berührt sie. . 43, 44. Die Copnlation zwischen der grossen Fusionszelle und der Anxiliarzelle hat stattgefunden und ausserdem hat die befruchtete Auxiliarzelle die Central- zelle abgegliedert. Fig. 45-57, 79. Lomentaria articulata. . 45. Eine Seite der Thalluswand im Längsschnitt. Aussen ist der Spross von einer sehr schmalen Aussenkollode, aber von einer dicken Grenzhaut ümhüllt. . 46. Dreizelliger, ziemlich gerade verlaufender Carpogonast, dessen kleines Car- pogonium das Trichogyn trägt. Die Tragzelle des Carpugonastes ist eine Tochterzelle der Markfadenzelle. i . 47. Die Fusion der drei Zellen des befruchteten Carpogonastes ist beendet. Neben dem fusionirten Carpogonast ist die Auxiliarzelle ausgebildet. . 48-52. Der befruchtete fusionirte Carpogonast stülpt einen Fortsatz aus, der später an die Auxiliarzelle heranwächst. Dabei nehmen die fusionirten Car- pogonäste e eigenthümliche Gestalten an. Fig. 50 ist nach Quetschen des in Fig. 49 dargestellten Stadinms gezeichnet: worden. 51. An zwei auf einander folgenden Markfadenzellen tragen die Tochterzellen einen Carpogonast. Die Zellen beider Carpogonäste sind nach eingetretener 366 Befruchtung zu einer einzigen Zelle fusionirt und haben sich eigenthümlich umgeformt. Fig. 58. Die Carpogonastfusion hat sieh der stark gewachsenen Ausiliarzelle bis fast zur Berührung genähert. Fig. 54. Zwischen der Auxiliarzelle und dem aus der Carpogonastfusion hervor- gesprossten Yortsatz ist Berührung erfolgt. Die Tragzelle des fusionirter Carpogonastes ist verschiedentlich Fusion mit ihren Nachbarzellen eingegangen. Fig. 55. Die Fusion zwischen der Auxiliarzelle und dem fusionirten Carpogonast is; beendet und eine Zelle 5 aus beiden entstanden. Fig. 56. Die befruchtete Ausiliarzelle hat nach oben hin die Centralzelle cr abge- gliedert; die untere Zelle 2 ist mit der Auxiliarzell-Mutterzelle vertüpfelt. Fig. 57. (45) Die Centralzelle trägt mehrere Lobi. Dieselben sind suecedan ausgebildet; worden und zeigen demgemäss verschieden grosse Sporen. Die Sporen der- selben Grösse sind gleichen Alters und sind immer zu einer Gruppe vereinigt. Fig. 79. Längsschnitt durch den Spross an einer Einschnürung. Fig. 58—77. Lomentaria elavellosa ß eonferta. Fig. 58. Von den Zellen der Markfäden haben sich gekrümmte Astzellen abgezweigt und tragen an ihrem Tinde je eine Drüsenzelle. Fig. 59. Einer jener Zellfäden, aus denen sich der Thallus aufbaut. Diese Fiden stossen am Scheitel des Sprosses dicht an einander und setzen die fortwachsende Spitze des T'hallus zusammen. Die Astzellen verzweigen sich auswärts und bilden die geschlossene Rinde der Sprosse. Fig. 60. Die von den sich verzweigenden Tochterzellen der Zellfiden gebildete Rinde in der Flüchenansicht, . Fig. 61. Dreizelliger Carpogonast fast ganz gerade verlaufend. Das Carpogoninm trägt ein Trichogyn, welches auf der einen Seite stark angeschwollen ist. Die Trägerzelle des Carpogonastes ist eine Tochterzelle eines Markfadens. Fig. 62. Der Carpogonast besteht aus drei Zellen, von denen die erste Zelle die grösste ist. Die Endzelle, das Carpogoniun, ist etwas nierenförmig gekrümmt. Das Carpogonium setzt sich in das haarförmige Trichoryn fort; dieses dureh- hohrt die Aussenkollode und das Gremzhäutchen. Fig. 63. Beginn der Fusion des Carpogonastes: das Carpogonium ist mit der zweiten Zelle des Carpogonastes fusionirt. Die Tragzelle des Carpogonastes sitzt dem Markfaden nicht direct an, da die Markfadenzelle, der sie entstammt, sich vom Markfaden abzweigt. Neben dem Carpogonast hat sich auch die Auxiliarzelle ausgebildet. Fig. 64. Die Fusion des befruchteten Carpogonastes zu einer einzigen Zelle ist be- endet. Diese Fusionszelle hat sich ebenso wie die Auxiliarzelle vergrössert. Die Auxiliarzell-Mutterzelle ist eine Tochterzelle der Carpogonastträgerzelle. Fig. 65, 66. Der befruchtete fusionirte Carpogonast e krümmt sich und lässt der Auxiliarzelle einen kurzen Fortsatz entgegenwachsen. In beiden Fällen ist die Auxiliarzell-Mutterzelle wit der Tragzelle des Carpogonastes vertüpfelt. — In Fig. 66 befindet sich der einzige Keru der Fusionszelle e in der Aussackung gelegen, die sich der Auxiliarzelle entgegenstreckt. Auch in dieser ist ein Kern sichtbar. Fig. 67. Ein gleiches Stadium wie in den beiden vorigen Abbildungen zeigt den Beginn der Fruchtwandbildung. Von den Zellen, welche der Tragzelle des 367 Öarpogonastes und der Auxiliarzell-Mutterzelle benachbart sind, entspringen ver- zweigte Zellfädchen, welche nach der über der Auxiliarzelle gelegenen Mitte hinwachsen. . 68, 69. Die befruchtete Fusionszelle z hat an der Spitze ihres Fortsatzes eine kleine Zelle abgegliedert, die sich der Auxiliarzelle entgegenstreckt, Tn diesen beiden Zellen ist je ein Kern sehr deutlich sichtbar. ie. 70. Die kleine von der Fusionszelle abgeschnittene Zelle ist mit der Anxiliar- zelle fusionirt. In der nun befruchteten Auxiliarzelle 2 sind zwei Kerne noch gesondert sichtbar. Diese Zelle 5 bleibt mit dem Rest des fusionirten Car- pogonastes, der Zelle r, vertüpfelt.* . 71—73. Aehnliche Stadien wie in Fig. 16, doch ist in der befruchteten Auxiliar- zelle 4 nur ein Kern sichtbar. In allen drei Fällen ist die Mutterzelle der Auxiliarzelle mit der Tragzelle des Carpogonastes ‚vertüpfelt. . 74. Die befruchtete Auxiliarzeile hat sich in eine obere Zelle, die Central- zelle er getheilt, während die untere mit dem Rest des befruchteten Carpogon- astes » und der Anxiliarzell-Mutterzelle #» vertüpfelt bleibt. Die Centralzelle hat schon eine Zelle Z abgeschnitten, welche einen späteren Lobus darstellt. . 75 (45). Dasselbe Präparat wie in Fig. 74. Es zeigt die Eintwickelung des Fruchtgehäuses. Ueber der Centralzelle sind die Zellfäden, welche das Innere der Fruchthülle durchziehen, mehrfach gerissen. . 76 (200). Ein gleiches Stadium wie die Figuren 74, 75. Das Zerreissen der Fäden der Fruchthülle ist in ausgedehnter Weise erfolgt. e. 77. Die Centralzelle er hat mehrere Zellen, die zu Loben werden, abgegliedert. Die Vertüpfelung der oberen beiden Loben mit der Centralzelle ist dureh Quetschen zerrissen. Ueber die physiologischen Functionen der Calcium- und Magnesiumsalze im Pflanzenorganismus. Von 0. Loew, Privatdocent an der Universität München. Die Frage, warum Caleium- und Magnesiumsalze bei physiolo- gischen Functionen in den grünen Pflanzen einander nicht ersetzen können, bietet unstreitig ein hohes Interesse dar. -Die Beobachtungen verschiedener Forscher stellten ausser Zweifel, dass beide Klassen von Salzen absolut nöthig sind, aber ganz verschiedenen Functionen dienen. Während Caleciumsalze vorzugsweise in den Blättern Verwendung finden, folgen die Magnesiumsalze mehr dem Samen und begleiten die Eiweissstoffe. Diese auffallende Thatsache sollte geeignet sein, uns auf die Fährte zur Tösung jenes Räthsels zu führen. Betrachten wir zunächst einige Beispiele, welche diese Verhält- nisse beleuchten. Die Gramincen sind hiezu besonders gut geeignet, weil die meisten derselben weder oxalsauren Kalk noch andere un- lösliche Kalksalze in den Zellen ausscheiden. In 100 Thl. Asche ‚sind enthalten Procente: - Magnesia Kalk Gerstnkörner) . . 2.829 2,48 Haferkörner®) . . . .. 770 3,70 Weizenkörmer) .... 1,5 3,30 Maisköürner®) „ . 2... ...183,60 0,57 Roggenkleie)) . . 2... 15,82 3,47 Gerstenstrohl) . 2.2... 297 1,28 Haferstro9) 2.2.0.0. 458 7,29 Weizenstroh”) . . ... .. 169 6,93 Maisstroh®). . 2... 18 5,35 Roggenstroh®) .-. 2... 2%41 "9,06 1) Analyse von Way und Ogston; mittlerer Gehalt. — 2) Boussinganlt. 3) Bibra. — 4) Way und Ögston. —5) Weber. — 6) Levi. — 7) Will und Fresenius — 8) Weber. — 9) Hrushauer. Diese und die folgenden An- gaben sind Liebigs Werk: Die Chemie in ihrer Anwendung auf Agrieultur und Physiologie, 7. Aufl., Thl. I, entnommen. 365 Nimmt man die Durchschnittszahlen und reehnet zur Ermög- lichung eines richtigeren Vergleichs die Gewichtstheile in Molecule um, so findet man in den Gramineensamen?) auf 100 Mol. Magnesia nur 17 Mol. Kalk, in den Blättern aber auf 100 Mol. Magnesia volle 224 Mol. Kalk! Die Samen von Phaseolus yulganis gaben Way und Ogston ‘eine Asche mit 6,53% Magnesia auf 8,65% Kalk, die Blätter aber eine mit 4,38%, Magnesia auf 21,26% Kalk, also auf die gleiche Menge Magnesia wie in den Samen bezogen fast vier Mal so viel Kalk in den Blättern. Bei den ölreichen Samen von Brassica Napus fand Bär fast gleiche Mengen Kalk und 1 Magnesia, im Stroh dieser Pflanze aber sieben Mal so viel Kalk als Magnesia. Der Gehalt der Blätter an Kalk ist auch gegenüber dem der Wurzeln und Knollen relativ weit bedeutender als der an Magnesia. In der Asche des Krautes von Daucus carota wurde von Way und Ogston, das Gewichtsverhältniss zwischen Magnesia und Kalk wie 1:14, in der Wurzel aber wie 1:2,5 befunden. Im Kartoffel- kraut fanden sie das Verhältniss wie 1:6,1, in den Knollen wie 1:0,6. Auch bei Blüthen ist der Kalkgehalt geringer; jene Analy- tiker fanden z. B. in der Hopfenblüthe auf 4,80 Theile Magnesia 9,59 Theile Kalk, in den Blättern aber auf 4,84 Theile Magnesia 30,78 Theile Kalk. Die relative Zunahme der Magnesia im Samen tritt in besonders hohem Grade beim Vergleiche mit dem Holze hervor. Wittstein fand (l. ec.) im Samen von Abies pectinata nur 1,54 Theile Kalk auf 16,79 Theile Magnesia, Böttinger im Samen von Pinus sylvestris auf 1,36 Theile Kalk 15,09 Theile Magnesia, während das Holz von Pinus sylvelstris 31,74 Theile Kalk auf 19,76 Theile Magnesia ent- hielt. Im Holze von Abies pectinata fand ein anderer Autor (l. c.) auf 33,04 Theile Kalk nur 7,17 Theile Magnesia. Vor kurzem hat R. Weber einen sehr lehrreichen Beitrag dazu geliefert, dass Magnesiumsalze bei der Samenbildung der Bäume in bedeutendem Maasse aus dem Holze herangezogen werden?) Ein 150 Jahre alter Stamm einer Rothbuche, welcher reichlich Samen ge- tragen hatte, wurde bezüglich der Aschebestandtheile (und des Stick- stoffs) mit einem andern gleich grossen Stamm verglichen, welcher ' 1) In manchen Weizensorten ist die Menge des phosphorsauren Magnesia zehnmal grösser als die des phosphorsauren Kalks (Liebig, Chem. Briefe 4. Aufl, II. 8. 291). 2) Forstlich-naturwissenschaftliche Zeitschrift I, 13. 370 nahebei zwei Jahre vor dem Samenjahr gefällt worden war. Die Holzproben wurden in Zonen von je 30 Jahrestingen separat unter- sucht. Aus den analytischen Tabellen heben wir folgende Zahlen hervor: Procente in der Asche im Stamme der der Samenbuche Controlbuehe CaO0 MgO CaO MgO Rinde . . 2.0.8055 260 8210 3,65 Zell... 0.0.3392 12,65 2769 29,25 Zane II... 0.8413 11,95 31,52 26,72 Zone IT... .. 8598 12,15 33,55 20,89 Ze IV 2... 5 5 Kernholz Zone V . | 33,36 13,36 Hat 1100 Während sich also bei der Samenbuche in Bezug auf Kermhol» und Rinde keine sehr grossen Unterschiede gegenüber der Control- buche ergeben, ist die Abnahme des Magnesiagehaltes bei den ersten beiden peripherischen Zonen der Samenbuche höchst auf- fallend ; der Magnesiagehalt beträgt weniger als die Hälfte vom Magnesia- gehalt der gleichen Zonen der Controlbuche. Für den Stiekstoff- gehalt ergab sich eine ähnliche Erscheinung, ebenso für die Phos- phorsäure des Splintholzes der letzten 30 Jahre. Cultivirt man Pflanzen bei Ausschluss von Caleiumsalzen, so stellen sich bald auffallende Störungen in der Entwiekelung ein, die allmählich. den Tod nach sich ziehen. Stohmann)) cultivirte Maiskeimlinge fünf Wochen lang in kalkfreier Nährlösung, wobei die Vegetatior. bald zu einem Stillstand kam. Als er nun einen Zusatz von Caleiun- nitrat gab, drangen schon nach fünf Stunden aus den welk gewordenen Spitzen frische grüne Triebe hervor, die sich in den nächsten Tagen zu Blättern und Stielen entwickelten. Böhm?) fand, dass eine Stockung der Stärkeleitung statt-. findet, wenn den Keimpflanzen keine Kalksalze zugeführt werden. Nur Chlorcaleium hielt den Tod der Pflanzen nicht auf, ebenso- wenig konnte der krankhafte Zustand durch Magnesiumsalze beseitigt werden, ja kohlensaure Magnesia wirkte geradezu schädlich. Böhm arbeitete mit Feuerbohnen (Phaseolus multiflorus). Während bei Zu- fuhr von Kalksalzen bei (im Dunkeln erwachsenen) Pflanzen die oberen Theilen der Stengel mit Stärke erfüllt waren, blieb bei Kalk- ausschluss die Stärke in den Mark- und Rindenzellen des unteren’ Stengeltheils. 1) Annal. Chem. Pharm. Bd. 121. 2) Wien. Akad. Ber. Bd. 71 (1875). ri Die Untersuchungen von E. v.‚Raumer und Kellermann be- stätigten die Ergebnisse Böhms; ihre Beobachtungen an Feuerbohnen (sowohl Dunkel- wie Helleulturen) führten sie zum Schlusse, dass die Functionen der Kalksalze im engsten Zusammenhange mit der Ver- arbeitung der Kohlehydrate stehen. Die in kalkfreier Nähr- lösung gezogenen Pflanzen blieben bald im Wachsthum hinter den Normalpflanzen zurück und fingen nach längerem Stillstand an, oben abzusterben, was sich sehr langsam nach unten fortsetzte. In ein- zelnen Fällen fing das Absterben der Blätter unten an, was nun die Entwickelung eines neuen Blattes oben bedingte. Der Kalk, der fest- gelegt war, wurde theilweise wieder löslich, transportabel und führte nun zu neuer Zellbildung.‘) Heiden fand,® dass Mais und Erbse ohne Kalkzufuhr nur einen Monat lebten und 18,9 resp. 21 cm Höhe erreichten. Ohne Magnesia- zufuhr lebten sie wesentlich länger, Mais 21/,—3 Monate, Erbsen 2 Monate, und die erreichte Höhe betrug 44 resp. 30cm. Ohne Stick- stoffsalze oder ohne Kaliumsalze oder ohne Phosphate betrug die Lebensdauer 2—3 Monate. Mangel anKalksalzen macht sieh also für die Pflanzen viel eher fühlbar, als der Mangel an anderen nothwendigen Verbindungen. Schimper züchtete Tradescantia Selloi in kalkfreier Lösung und erhielt „kalkfreie* Blätter, welche sich ausser durch grösseren Stärke- reichthum in gar nichts von normalen unterschieden.) Die Seiten- knospen aber gingen hier stets bald zu Grunde. In kali- oder magnesia- freien Lösungen dagegen gingen umgekehrt die Blätter bald zu Grunde, während die Knospen lange am Leben blieben. Kalksalze sind nach Schimper zwar unbedingt nöthig, aber „nur ausserhalb der Ur- meristeme und in den grünen Theilen“. Er bekämpft die Schluss- folgerung Böhms, dass Kalksalze beim Stärketransport eine Rolle spielen und glaubt diese Folgerung dadurch widerlegt zu haben, dass er nachwies, dass der entstandene Zucker bei seiner „Wanderung“ nicht an Kalk gebunden ist. Das Letztere konnte man allerdings vor- aussehen; denn Zuckerkalk ist eine schon durch Kohlensäure sehr leicht zersetzbare ‘Verbindung und bei der stetigen Athmungsthäthigkeit der Zellen darf daher schon an die Entstehung von Zuekerkalkgar nicht gedacht werden. Der Stärketransport ist allerdings nur in Form 1) Es ist der Fall denkbar, dass die sämmtliche verfügbare Kalkmenge im Organ- bau verbraucht wird und im Zellsaft sich Caleiumsalze nieht mehr nachweisen lassen. 2) Centralbl. f. Agriculturchem. 17, 622. ‚Jahresber, f. Agrieulturchem. 1888, 3) Flora 1889 S. 246. 25 372 von Glucose möglich, allein damit die Stärke verzuckert wird, sind eben gewisse Bedingungen erforderlich, z. B. die Bildung der Diastase, und hier ist es, wo eine wenn auch indirecte Function von Kalksalzen zu suchen ist. Das Vorhandensein von Diastase in den Blattzellen wurde zwar in neuerer Zeit angezweifelt, allein wenn man in getödteten Blättern keine Lösung und Verzuckerung von Stärke mehr beobachtet, so dar! man daraus noch nicht auf das gänzliche Fehlen der Diastase schliessen. Wahrscheinlich ist ihre Menge in der Zeiteinheit nur äusserst gering und sie kann desshalb nur unter dem Einflusse des lebenden Plasmas stehend bedeutende Leistungen ausüben, ebenso wie Wärme ihre Wir- kung bedeutend erhöht. Eine Mitwirkung des Plasmas erhellt auch. daraus, dass statt Maltose und Dextrin Glucose entsteht. Dem Schlusse Wortmanns (Bot. Zeitg. 48. Jahrg. 8.581), das lebende Plasma besorge in vielen Fällen allein die Lösung der Stärke, kann ich nicht zustimmen. Das Einwirken eines gelösten Agens auf das Stärkekorn ist unbedingt erforderlich und wird auch durch die Beobachtungen Krabbes wahr- scheinlich. Möglicherweise werden die Diastasespuren beim Absterben der Zellen mit verändert oder vom Plasma festgehalten.!) Verzuckerung der Stärke und Leitung der erzeugten Glucose sind zwei verschiedene Vorgänge, welche aus einander gehalten werden müssen. Schimper beobachtete wie Böhm Stärkeanschoppungen bei Kalk- mangel, allein nach seiner Meinung liegt hier nur eine „secundäre pathologische Erscheinung“ vor.?) Er betont, dass „auch ältere Blätter, 1) Nachdem dieses niedergeschrieben war, kam ich in Besitz der Habilitations- schrift des Herm C. Correns, worin ($S. 143) die Möglichkeit dieses Einwurfes ebenfalls zugegeben wird. -Dass zwischen der chemischen Natur der Enzyme und derjenigen des lebenden Plasmas eine innige Beziehung bestehen dürfte, wurde schon des öfteren sowohl von M. Nencki als von mir betont. Mehr als das Verhalten gegen verdünnte Säuren und Alkalien spricht für den innigen Zusammenhang das Verhalten gegen verdünnten Formaldehyd, welcher selbst in ganz neutraler Lösung Enzyme sowohl wie Plasma tödtet. Hier kommt die gleiche wirksame Atom- gruppe in Betracht, welche angegriffen wird. Vgl. J. pract. Chem. 1887 8. 287 (Loew und Bokorny) und Ibid. 1888 8.104 (Loew), ferner Jahresb. f. Thier- chemie 18, 272. 2) Schimper theilt eine Beobachtung DeEherains mit, dass höhere Temperatur dem Effekte des Kalkmangels entgegenwirke. Hiezu muss ich bemerken, dass hei Spirogyren dieses nicht zutrifft, im Gegentheil, der Tod erfolgt bei Kalkmangel rascher bei hüherer Temperatur (24—28°%). Wahrscheinlich handelt es sich bei der Beobachtung Deherains (deren Publikation ich nicht auffinden konnte) um ein Lös- liehwerden schwerlöslicher Salze, wodurch jüngere Organe mit Kalk aus älteren Or- ganen versorgt werden konnten. 873 welche von Stärke strotzen, bei Kalkmangel zu Grunde gehen“ und hat damit meiner Ueberzeugung nach Böhms Ansicht nicht wider- legt, sondern bestätigt. Denn wenn die Zuekerbildung aus Stärke unterbleibt, so kann der Athmungsvorgang nicht unterhalten werden, es leiden Bildung von Cellulose und Eiweissstoffen, die Er- nährung und damit die Functionen des Zellkernes, die wichtigsten physiologischen Vorgänge müssen bald zu einem Ende kommen, das durch einen Fettgehalt nur etwas hinausgeschoben aber nicht ver- mieden werden kann. Es könnte also unter gewissen Umständen selbst bei Reichthum an Stärkemehl der Hungertod von Zellen eintreten. Was nun die Folgerung Schimpers betrifft, man könne kalk- freie Blätter erhalten, so steht dieselbe mit den Erfahrungen an- derer Forscher im Widerspruche, ja sogar mit seinen eigenen; denn an einer anderen Stelle sagt er, Kalksalze seien für die grünen Theile unbedingt nöthig. Wahrscheinlich handelte es sich bei einem Versuche Schimpers um sehr kalkarme Blätter, deren Kalkgehalt übersehen werden konnte. Ich züchtete 10 cm lange Zweige von Tradescantia vepens ebenfalls in kalkfreier Nährlösung, wobei sich nach einiger Zeit zwei neue Blätter entwickelten und aus dem untersten Knoten Würzelchen hervorbrachen. Das jüngste Blatt wurde nun eingeäschert und die Asche mit etwas Schwefelsäure auf dem Objectträger be- handelt. Die bald entstehenden Gipsnadeln liessen keinen Zweifel über den Kalkgehalt der Blätter. Derselbe war aus anderen Theilen der Pflanze zugeströmt. Eine Untersuchung der Knoten ergab, dass diese nicht nur oxalsauren Kalk enthielten. Als ich’ 80 Knoten jener Species nach dem Zerdrücken mit 50 cem Wasser auskochte, gab das Filtrat starke Reactionen auf Sulfate, Nitrate, Caleiumsalze und nach dem Ausfällen des Kalks auch noch ziemlich starke Reaction auf Magnesia mit Dinatriumphosphat und Ammoniak.) Schimper sucht den grossen Nutzen der Calciumsalze aus- schliesslich darin, dass sie die in den Pflanzen häufig entstehende Oxalsäure in den unlöslichen Zustand überführen. Oxalsäure wirkt nach Schimper selbst in der Form der neutralen Salze giftig auf höher stehende Pflanzen?) Dass hier also Caleiumsalze werthvolle 1) Möglicherweise functioniren die Knoten als Speicherungsorgane. 2) Ich überzeugte mich von der Richtigkeit dieser Beobachtung. Blätter von Elodea canadensis und Vallisneria spiralis hatten z. B. nach 86 Stunden in einer 1pro- eentigen Lösung von neutralem oxalsaurem Kali ihren Turger gänzlich eingebüsst, während sie in ebenso starken Lösungen von neutralem schwefelsaurem oder wein- saurem Kali völlig intact geblieben waren, 25* 374 Dienste leisten, ist nicht zu bestreiten; allein es wäre entschieden unrichtig, darauf die ganze physiologische Function desselben zurück- führen zu wollen. Zudem war noch die Frage zu prüfen, ob auch niederstehende Pflanzen empfindlich gegen neutrale oxalsaure Salze sind. Dass Pilze (Penicillium, Saccharomyces) dieselben vertragen ist eine alte Erfahrung und ich habe mich davon ebenfalls vor mehı als 10 Jahren überzeugt.) Bei Algen aber war das noch zweifelhaft; denn häufig erweisen diese sich resistenzfähiger als Phanerogamen. Chlornatrium z. B. beeinträchtigt schon bei einem Gehalte von 0,5% in der Nährlösung die Assimilationsthätigkeit der Maispflanze (Schim- per) und Jodkalium ist für Phanerogamen ein starkes Gift. Beide Salze werden aber in 0,5 procentigen Lösungen von Algenarten (Spiro- gyra, Vaucheria) längere Zeit ohne Schaden ertragen. Erst nach 5—6 Wochen beobachtete ich bei den unter dem Einflusse von Jodka- lium stehenden Spirogyren ein Schmälerwerden der Chlorophylibänder. Bei Chlornatrium aber wurde nach dieser Zeit kein schädlicher Ein- fluss bemerkt, auch die Assimilationsthätigkeit war nicht geschwächt. wenn noch Spuren der nöthigsten Nährsalze zugesetzt wurden.?) Ein anderes Beispiel wird durch das Verhalten der Algen gegen. Borsäure geliefert, welche nach Hotter bei 10 milligr. pro Liter Nährlösung auf Zea und Pisum schädlich wirkt?) und selbst in Form von Borax noch bei 1% erwachsene Maispflanzen in 20 Tagen tödtet. Dagegen konnte ich bei Algen (Spirogyra, Vaucheria) selbst nach vielen Wochen keinen schädlichen Einfluss bemerken, wenn den. Culturwasser noch 0,2% Borsäure zugesetzt wurde. Demgemäss er- wartete ich auch eine grössere Resistenz der Algen neutralen Oxalater. gegenüber. Zu meiner Ueberraschung aber erwiesen sich diese Salzc bei nicht allzugrosser Verdünnung auch hier giftig! Der Unter. schied im Verhalten von Pilzen und Algen ist in dieser Bezichung somit höchst auffallend und lässt vermuthen, dass derselbe durch dic Chlorophylikörper bedingt wird. In der That gewahrt man. bei. Spirogyra majuscula, dass derselbe unter dem Einflusse neutralen Kaliumoxalats®) (2procentige Lösung) bald verquillt, schon nach. 1) Die Gährthätigkeit der Bierhefe wird z. B. nieht im Mindesten geschädigt: bei Zusatz von 4°/, neutralen Kaliumoxalats zur güihrenden Flüssigkeit. 2) In neuerer Zeit hat auch Richter ähnliche Beobachtungen gemacht (Flors, 1892 8. 54). 8) Landwirth. Versuchsstation 37, 437. 4) Sollte das käufliche Oxalat schwach alkalisch reagiren, so ist die Lösung mit &usserst verdünnter Oxalsüure genau zu neutralisiren. 375 30-—-40 Minuten, dass aber schon vorher, nach ca. fünf Minuten der Einwirkung, der Kern eine Contraction erfährt, was eine Ein- schnürung des Cytoplasmas an den Anheftestellen der Plasmastränge in vielen Zellen im Gefolge hat. Spirogyra Weberi und Spirogyra majuscula, welche 10 Minuten in einer 2procentigen Oxalatlösung verweilt und trotz Verletzung des Kernes noch ihren vollen Turgor bewahrt hatten, erholten sich beim Einsetzen in kalkreiches Quell- wasser nicht wieder, nach 24 Stunden waren die Zellen total abge- storben. Schon fünf Minuten Aufenthalt tödtete die meisten Zellen! In einer 0,5procentigen Lösung schrumpft in der Regel der Kern nicht zu einem Faden zusammen, sondern quillt erst nach längerer Zeit , zu einer Kugel auf, um schliesslich öfters zu einem unregelmässigen zackigen Gebilde zu werden. In einer 0,1 procentigen Lösung geht aber . die Giftwirkung auf Spirogyren bereits so langsam vorsich, dass die Zellen erst nach einer Reihe von Tagen in allen Theilen abgestorben sind.!) Bei anderen Algenspecies, wie Vaucheria, Mougeotia, Zygnema, Cosmarium, Oedogonium, Cladophora, Sphaeroplea, habe ich be- obachtet, dass sie in einer 0,5 proc. Lösung nach 24 Stunden unter Ver- quellung der Chlorophylikörper abgestorben waren. Bei Diatomeen beobachtete ich nach 15 Stunden Aufenthalt in 0,5 proc. Lösung keine Bewegungen mehr, wohl aber in einer 0,05 procentigen noch bei ein- zelnen Diatomeen nach drei Tagen. Der Zellkern der Zwiebel contrahirt sich unter dem Einflusse einer 2 procentigen Lösung von neutralem Kaliumoxalat nach 10—15 Minuten um etwa /s seines Durchmessers, wird trübe und verliert allmählich seine scharfen Conturen. Lässt man weinsaures oder schwefelsaures Kali auf die erwähnten Objecte wirken, so gewahrt man keine derartigen Erschei- nungen. Es ist also richtig, dass überall da, wo in den Pflanzen- zellen Oxalsäure produeirt wird, lösliche Kalksalze eine wichtige Rolle spielen, indem sie diese Säure resp. ihre löslichen Salze in unlösliches Caleiumoxalat überführen. Freilich existiren eine Anzahl Beispiele, welche zeigen, dass lösliche — sogar saure — Oxalate in den Pflanzen existiren, ohne Schaden anzurichten — man denke an Rumex und Oxalis —, allein hier sind diese giftigen Körper im Zellsaft und werden vom Tonoplasten abgehalten, zum Zellkern und den Chloro- phylikörpern vorzudringen. Da aber die Oxalsäure im Cytoplasma 1) Eine so rasche Abnahme der Giftigkeit ist aber bei der freien Oxalsäure nicht zu beobachten (siehe unten). 376 — vielleicht auch öfters im Zellkern — entsteht, so muss eine Kra:t existiren, welche dieses Gift sofort in die Vacuole schafft — wenn lösliche Caleiumsalze nicht zugegen sind.) — Dass das Cytoplasma nicht direet durch Oxalate angegriffen wird, sondern erst infolge des Todes des Kernes und der Chlorophylikörper stirbt, scheint mir auch daraus hervorzugehen, dass viele Stunden lang die lebhafte Strömung im Plasma der Wurzelhaare von .Chara unter dem KEinflusse einer 0,2 procentigen Lösung neutralen Kaliumoxalats fortdauert. Worin liegt nun der Grund dieser auffallenden giftigen Wirkung? Nach dem heutigen Standpunkt der Wissenschaft ist wohl die plau- sibelste Erklärung die, dass Calciumverbindungen eine wichtige Rolle beim Aufbau jener Organoide spielen.) Wird durch das Ein- dringen des Oxalats das Caleium durch Ueberführung in oxalsauren Kalk der lebenden Materie entrissen, so ändert sich das Quellungs- vermögen und die damit herbeigeführte Strukturstörung bedingt auch die Umlagerung aus dem activen in den passiven Zustand. Voa der Oxalsäure. kennen wir keine andere so charakteristische Eigen- schaft als die, den Kalk aus allen Verbindungen unlöslich abzuscheider.. Schwefelsaure oder weinsaure Salze fällen dem gegenüber den Kalk erst aus relativ concentrirten Lösungen und weit langsamer. — Der Einwand, das oxalsaure Kali werde gespalten und die freie Oxalsäur > wirke eben wie jede Säure schädlich auf das Plasma, ist nicht stich- haltig, denn sonst müsste ja weinsaures Kali ebenso wirken. Unter diesem Gesichtspunkt wird es begreiflich, warum Calcium- salze auch solchen Pflanzen nöthig sind, welche keme Oxalsäure er- zeugen; sie müssen hier einen anderen Zweck haben, als den von Schimper betonten. Dieser Forscher meint allerdings, dass in den Fällen, in denen Oxalate mangeln,‘) stets andere Salze, wie z. B. weinsaure, erzeugt werden, welche ebenfalls schädlich wirken möchten und durch Umsetzung mit Kalksalzen unwirksam gemacht werden. Auch wird die Vermuthung ausgesprochen, dass bei Wasserpflanzen die löslichen Oxalate leieht herausdiosmiren könnten. Ersteres ist 2) Vgl. O. Loew, Biol. Centralbl. XI, 277. 2) Ein schönes Beispiel, welches zeigt, wie gelöste Stoffe von der lebenden Vacuolenwand abgehalten werden wieder in das Oytoplasma einzudringen, has H. Molisch mitgetheilt (Botan. Zeitg. 1889 Nr. 2). 3) Das Vorkommen von Oaleiumsalzen — meist CaCO; — in vielen Zelimem- branen dürfte wohl wichtigere physiologische Beziehungen nicht haben. 4) Oxalatfrei sind beiianntlich die meisten Grasarten, Selaginellaarten, Farne, Moose, Equiseteen (vgl. Kohls Werk über Kalksalze und Kieselsäure in der. Pflanzen). 377 indessen nur für einzelne Fälle richtig und letzteres wurde — was Algen betrifft — von Migula widerlegt. Kleinerc Spirogyraarten bilden gewöhnlich keine Oxalsäure, welche bei Züchtung in kalkreichem Wasser doch als Calciumoxalat sicht- bar werden müsste; grössere Arten trifft man aber öfters mit einigen kreuzförmig gestellten Nadeln von Caleiumoxalat. Unter gewissen Um- ständen aber können sie grössere Mengen von Oxalsäure erzeugen, ') nach Migula? besonders bei Aufenthalt in äusserst verdünnten Lösungen or- ganischer Säuren. Ist hiebei nun Kalk ausgeschlossen, so häufen sich lösliche Oxalate an, so dass die Algenzellen nachher beim Einsetzen in kalkreiches Wasser binnen wenigen Stunden grössere Mengen Caleiumoxalat in Form kreuzförmiger Krystalle des quadratischen Systems im Innern abscheiden.®) Die löslichen Oxalate diosmiren also keineswegs rasch aus dem Zellsaft heraus, wohl aber dringen sie sehr leicht von aussen in das Oytoplasma ein und durch die Plamastränge bis zum Kern vor, wie die beschriebenen Giftwirkungen erkennen lassen. Bei geringem Säuregehalt der Culturflüssigkeit wird zuerst die Zelltheilung eingestellt, daun nehmen Assimilationsthätigkeit und Eiweissbildung ab. Waren bei Säurezusatz Caleiumsalze ferngehalten, so gehen die Algen viel eher zu Grunde, als im blossen Wasser ohne Kalksalze oder als in Säurelösungen mit Kalksalzen (Migulal. e.). Wenn nun eine protoplasmatische Caleiumverbindung wesentlich für den Chlorophylikörper ist) so muss mit der Zahl dieser Organoide auch der Caleiumgehalt der Blätter steigen, was die eingangs hervor- gchobenen Verhältnisse am einfachsten erklärt, Da am Albinismus 1) ©. Loew, Bioleg. Centralbl. XT, 278. 9) Migula, Ueber den Einfluss stark verdünnter Säuren auf Algenzellen. Breslau 1888. 8) Oxalsäure kann auf mehrerlei Weise in den T’flanzen erzeugt werden: in erster Linie durch einen unvollkommenen Athmungsprocess. Die interessanten Studien Migulas lassen hierüber gar keinen Zweifel, sie lehren uns auch, dass hydroxylirte Säuren (Weinsäure, Citronensäure ete.) der Oxalsäureproduetion günstiger sind als nicht hydroxylirte, wie Essigsäure. — In zweiter Linie Kann. Oxalsäure auch ent- stehen bei der Verarbeitung von Nitraten und Sulfaten im Eiweissbildungsprocess, wobei der Sauerstoff dieser Säuren auf den Zucker geworfen wird. — Niemand hat behauptet, dass hier stets Oxalsäure eutstehen müsse und es sind desshalb auch die hochtrabenden Bemerkungen Wehmers (Bot. Ztg. 1891) völlig gegenstandslos. 4) Wenn man bedenkt, dass die MoJeculargewichte der Proteinstoffe sehr gross, das Atomgewicht des Caleiums aber nur gering ist, so wird klar, dass das einem Chlorophylikorn nöthige Minimum von Kalk relativ sehr gering ist und es wird be- greiflich, dass man bei Behandlung mit löslichen Oxalaten keine Krystalle von Cal- ciumoxalat im Chlorophylikorn zu sehen bekommt, 378 leidende Blätter nach Zimmermann oft wenig ausgebildete Leuko- plasten haben — verglichen mit den Chlorophylikörpern gesunder Blätter —, so liesse sich bei jenen auch ein geringerer Kalkgehalt er- warten. Aus den von Church mitgetheilten Untersuchungen über albicate Blätter von Quercus rubra!) ergab sich in der That ein be- deutender Unterschied: die weissen Blätter enthielten bei 100° ge- troeknet 0,687% Kalk, die grünen 0,928%; allein eine weitere Folge- rung kann daraus desshalb nicht gezogen werden, weil der Gehalt an oxalsaurem Kalk nicht bestimmt wurde. Vergleicht man die Wirkung freier Oxalsäure mit den an- deren organischen Säuren, so stellt sich auch hier ein auffallende: Unterschied bei den Absterbesymptomen heraus. Migula (l. c.) beobachtete bei Spirogyra orbicularis, dass Oxalsäure am giftigsten von allen organischen Säuren wirkt, womit auch meine eigenen Be- obachtungen übereinstimmen; der Kern schwillt unter dem Tinflusse der Oxalsäure (0,004 procentige Lösung) oft kugelig an, manchmal bis aufs Sechsfache seines ursprünglichen Volums, und wird undurcehsichtig. Das Cytoplasma kann dann zwar noch einige Zeit am Leben bleiben, die Zellen erholen sich jedoch in frischem Wasser nicht wieder (Migula). „In stärkeren Oxalsäure- lösungen sterben die Zellen in der Regel in kurzer Zeit, ohne diese charakteristische Wirkung der Oxalsäure zu zeigen“. — Meiner Ansicht nach liegt hier doch ebenfalls ein deutlicher Finger- zeig dafür vor, dass im Kerne Kalkverbindungen eine wich- tige Rolle spielen. Die Vermuthung, dass eine Caleiumverbindung des activen Nucleins die Gerüstsubstanz des Kerns?) bildet, dürfte wohl einige Berechtigung besitzen. Ich beobachtete, dass nach fünf Tagen Aufenthalt von einigen Fäden der Spirogyra majuscula in 500 cem einer Lösung von 0,0001 % freier Oxalsäure?) in den meisten Zellen eine bedeutende Schädigung eingetreten war; die Plasmastränge waren eingezogen, der Kern war 1) Chem. Soe. Journ. Bd. 85, Bd. 37, Bd. 49. 2) Der Kern muss eine gewisse Festigkeit besitzen, wenn er der Träger des Idioplasmas sein soll, wie schon Nägeli hervorhob. Wird der Kalk durch Oxal- säure entzogen, so wird dag Quellungsvermögen grösser, falls das Lehen des Kernes nicht sofort erlischt. Dass die Kalkverbindung des Nucleins sehr schwer löslich ist, geht aus einer Mittheiluing Kossels hervor (Untersuchungen über die Nucleme 8.7). 3) Es wurde das reinste destillirte Wasser verwendet, von dem ein Control- versuch die Unschädlickeit für die Algen ergeben hatte. Oft wirkt destillirtes Wasser wegen Spuren von gelösten Metalloxyden giftig. Migula nahm bei seinen Ver- suchen meist Breslauer Leitungswasser, 379 geschrumpft und lag an der Seite, die gezackten Ränder. der Chloro- phylikörper waren verquollen und häufig zahlreiche Tröpfehen sicht- bar geworden.‘) Dabei hatten die Zellen meist noch Turgor, das Cytoplasma war noch am Leben und unbeschädigt, Anilinfarben liessen es ungefärbt und Coffeinlösung brachte im Cytoplasma und Zell- . saft noch eine starke Aggregation des activen Proteins hervor. In einer 0,01 procentigen Oxalsäurelösung sind schon nach 12 Stunden viele Zellen derselben Alge abgestorben. Bei Zellen mit noch nieht contrahirtem Plas- maschlauch sieht man auch hier Chlorophylikörper und Zellkern deformirt, oft den letzteren wie mit einer stark gequollenen Schichte umgeben. Gehört nun eine Caleiumverbindung eines Proteinstoffes, wie Nuclein, zur Constitution des Zellkernes und der Chloroplasten, so wird die Abhängigkeit des Stärketransports von der Gegenwart von Kalksalzen auch einigermaassen begreiflichd9 7Zwei verschiedene Ur- sachen, einzeln oder zusammen wirkend, können hier von Einfluss sein. Entweder es fehlt an Diastäse zur Verzuckerung der Stärke oder es fehlt an der Bildung einer normalen Anzahl von Leukoplasten oder Chlorophylikörpern behufs Rückverwandlung des gebildeten Zuckers in Stärkemchl an den Stellen, wohin das letztere transportirt werden soll. Da B. Hofer an Amöben nachgewiesen hat,’) dass der Kern 1) Sehr verschieden verhält sich Weinsäure, welche wie die Oxalsäure zwei- basisch ist. In einer Lösung von 0,001%, Weinsäure in destillirtem Wasser waren nach sieben lagen bei Proben derselben Algeneultur noch die meisten Zellen lebend und normal. Einige Zellen zeigten Unregelmässigkeiten in der Form der Chlorophyll- bänder, andere hatten einige Vacuolen im Chlorophyliband,und kleine Tröpfehen. Der Kern schien aber auch bei diesen kränkelnden Zellen noch sein ursprüngliches Volum zu besitzen, auch die normale Lage in der Mitte der Zelle war noch nicht alterirt. — In einer Lösung von 0,00012°/, Weinsäure waren nach neun Tagen die meisten Zellen nicht im Geringsten geschädigt, nur ein klemer Theil kränkelte, sehr wenige waren bereits todt. Auch Weinsäure wird zwar kalkentziehend wirken, aber weit lang- samer als Oxalsüure; denn während oxalsaurer Kalk in Wasser ganz unlöslich ist, löst sich weinsaurer Kalk in 2000 T'heilen Wasser bei 8%. Der schädliche Effect der Oxalsiiure kann schwerlich auf eine andere Ursache, als die hier angenommene zurückgeführt werden. Wenn man annehmen wollte, sie wirke bei der obigen enormen Verdünnung lediglich umlagernd auf das active Nuclein, so müsste die aequivalente Menge Weinsäure ceteris paribus ebenso wirken! 2) Böhm (l. oc.) schreibt u. a.: „Es unterbleibt also bei jenen Pflanzen, bei welchen wegen Kalkmangel kein weiterer Zellenbau stattfinden kann, merkwürdig genug auch die weitere Zuleitung des organischen Baustoffes aus den Reservebe- hältern, In welchem nothwendigen Zusammenhange dieser Transport mit dem Kalke steht, ist mir völlig räthselhaft.* 3) Sitzungsber. d. Ges. f. Morph. u. Physiol. in München (1889) S. 59. — Vgl, auch M. Verworn, Pflüg. Archiv 51 S. 80. 380 für die Production von Enzym wesentlich ist, wird für den pflanz- lichen Zellkern dieses ebenfalls wahrscheinlich. Es ist nun der Fall denkbar, dass bei ungenügender Kalkzufuhr der Kern wegen beginnen- den Kränkelns keine Diastase mehr producirt. Wenn es an Kalk mangelt wird aber auch eine unvollkommene Aus- bildung und Sistirung der Vermehrung der Leukoplasten und Chloro- phylikörper stattfinden. Es kann also der Fall eintreten, dass gewisse Organe, denen noch Zucker zugeführt wird, keine Stärke mehr daraus zu bilden vermögen. Diesen Fall haben Raumer und Kellermann bei Dunkelpflanzen von Phaseolus multiflorus beobachtet.‘) „Die Stengel waren reich an Zucker (und Fett) jedoch war die obere Parthie derselben leer von Stärke, die erst im unteren Theile sich fand.“ Die Intensität des Stärketrausports hängt wesentlich von zwei Fac- toren ab, der hydrolytischen lösenden Thätigkeit und der ansetzenden Thätigkeit, welche den überschüssig zugeführten Zucker aus dem Kreislauf als Stärke zeitweilig entfernt.?) Wenn wir nun der Frage näher treten, wie kommt es, dass Magnesiumsalze bei gewissen physiologischen Func-. tionen nichtdurch Caleiumsalze ersetztwerden können, so müssen wir zunächst den chemischen Charakter beider Klasser: von Salzen in Berücksiehtigung ziehen; denn offenbar sind ihre physio- logischen Funetionen dureh die chemischen Qualitäten bedingt. Es ist nun auffallender Weise noch in keinem pflanzenphysiologischer. Werke auf den grossen Unterschied in der Dissoeiirbarkeis jener Salze hingewiesen worden. Magnesia als schwächere Base trennt sich viel leichter von einer Säure als der Kalk. Schon bei der Dar- stellung von kohlensaurer Magnosia aus Soda und Bittersalz macht: ich dieser Umstand geltend, ein basisches Magnesiumcarbonat fällt nieder, ein Theil der Kohlensäure entweicht. Das ist durchaus nicht der Fall bei Darstellung von Caleiumearbonat.) 1) Landwirth. Versuchsstat. 25 S. 32. 2) Die interessante Beobachtung Nobbes, dass Chlorkalium förderlich auf den Stärketransport wirkt, beruht vielleicht auf einer Reizwirkung, durch welche die pro- dueirte Diastasemenge gesteigert wird. 3) Mit dieser Thatsache contrastirt einigermaassen die Beobachtung, dass eine Lösung von doppeltkohlensaurem Kalk leichter unter Abscheidung des neutralen Carbonats beim Stehen an der Luft zerlegt wird, als eine Lösung von doppeltkohlen- saurer Magnesia. Indessen hier liegt jedenfalls eine verschiedene Constitution deı Biearbonate vor. Nur die Magnesiumverbindung dürfte ein wahres Bicarbonat sein von der Fornel: Me / 0 — C0;H °\0-C0;H 381 Das krystallisirte Chlormagnesium MgCl, - 6H3O verliert: schon beim Eindampfen der Lösung eine gewisse Menge Chlor als Chlorwasser- stoff unter Bildung von basischem Chlorid ; bei Chlorcaleium ist das nicht der Fall. Beim Glühen wirkt Wasserdampf auf jenes Salz weit ener- gischer, als auf dieses unter Freiwerden von Chlorwasserstoff. Aehn- liche Unterschiede gewahrt man auch beim Glühen der Carbonate; das Magnesiumcarbonat wird ungleich leichter zersetzt als das Cal- ceiumcarbonat. Es liegt also eigentlich der Schluss nahe, dass die Assimilation von Stickstoff und Schwefel aus dem Nitrat und Sulfat des Magnesiums leichter erfolgen müsse, als aus den entsprechenden Kalksalzen und aus diesen wieder leichter als aus Kalium- oder Natriumsalzen. Als erste Phase muss hiebei eine Dissociation in Base und Säure angenommen werden. Die Magnesia als schr schwache Base wird auch bei einiger Menge keinen Schaden im Plasma hervor- bringen, anders dagegen jene Säuren. Wenn die aus dem Nitrat und Sulfat frei werdenden Säuren nicht fast momentan nach ihrer Freisetzung reducirt würden, um im Eiweissbildungsprocess Verwendung zu finden, so würden sie den baldigen Tod der Zellen herbeiführen. Manche Umstände deuten aber darauf hin, dass erst eine gewisse Anhäufung von Glucose beim Vorgang der Eiweissbildung Anregung zur Spaltung jener Salze gibt. Wenn wir die Wirkung einzelner Salze auf P’flanzenzellen ver- gleichen, so finden wir bei den Magnesiumsalzen aber eine auffallend schädliche Wirkung, die sich weder bei Caleium- noch bei Kaliumsalzen zeigt, wenn sie bei Ausschluss anderer Nährsalze lange mit den Zellen in Berührung sind.’ In einer 1promille Lösung von Magnesiumsulfat sterben Spiro- gyren nach 4—5 Tagen, während sie in ebenso starken Lösungen von Calcium-, Kalium- oder Natriumsulfat lange am Leben bleiben. In einer I procentigen Lösung von Magnesiumnitrat sterben kleinere Spirogyren nach 6—12 Stunden, während sie sich in ebenso starken Lösungen von Caleium-, Kalium- oder Natriumnitrat lange Zeit wohl 1) Von den gewöhnlichen Kalksalzen stärkerer Mineralsäuren hat nur das Chlorealcium einen schädlichen Einfluss; die freiwerdende HCl kann hier nicht wie Salpeter- oder Schwefelsäure im Eiweissbildungsprocess verbraucht, resp. unschädlich gemacht werden. Ueber die Wirkung von Chlorcaleinum auf Keimliuge der Feuer- bohnen schreibt Böhm (I. e.): „Die in Lösungen von Y/,, oder 1/, p. m. gezogenen Keimlinge unterschieden sich in ihrer Entwiekelung nicht von den in destillirtem Wasser eultivirten;. durch eoncentrirtere Lösungen aber wurden die jungen Wurzeln alsbald getödtet. Die giftige Wirkung der kohlensauren Magnesia und des Chlor- caleiums wird durch Zusatz von kohlensaurem Kalk paralysirt“, 382 befinden. Nur ist bei Kaliumnitrat bald eine übermässige Stärkean- häufung im Chlorophyliband zu schen, welche Störungen nach sich zichen kann. Aber selbst bei ziemlich hoher Verdünnung zeigt sich noch der schädliche Einfluss der Magnesiumsalze: kleinere Spirogyraarten, welche mehrere Wochen in einer Lösung von 0,1°%6 Monokalium- phosphat in reinstem destillirten Wasser gesund bleiben können, sterben nach 3—4 Tagen, wenn noch 0,2% Magneosiumnitrat oder -sulfat zu- gefügt wird; sie sterben erst nach 5—7 Tagen, wenn das Monokalium- phosphat weggelassen wird, und bleiben 15—18 Tage am Tieben, wenn statt des M.onokaliumphosphat Dikaliumphosphat zugefügt wird. Spirogyra Weberi und Spirogyra communis wurden in drei mit destillirtem Wasser hergestellte Lösungen von 0,1% Dikaliumphosphat gesetzt. Die erste erhielt noch einen Zusatz von 0,05°% Magnesium- sulfat, die zweite ebenso viel Caleiumsulfat, die dritte je halb so viel Magnesium- und Caleiumsulfat zugleich. Es wurde nur eine geringe Algenmenge aufje einen Liter Lösung genommen. Nach #2 Tagen waren in der ersten Flasche bereits todte Zellen zu bemerken, nach 20 Tagen waren alle Zellen abgestorben, während in den anderen beiden Flascher. die Algen noch ein völlig gesundes Aussehen hatten. Fäden von Spirogyra majuscula wurden einerseits in cine Lösung von 0,2% Magnesiumnitrat mit 0,02% Ammoniumsulfat versetzt, an- dererseits in eine Lösung, worin statt des Magnesiumnitrats Caleium- nitrat sich befand. Dort starben die Zellen nach 10—11 Tagen, hier aber blieben sie über sechs Wochen lebend — trotz der Unvollstän- digkeit der Nährlösung; es fand sogar noch Wachsthum der Zellen statt, doch unterblieb die Zelltheilung. — Das Absterben durch Magne- siumsalze konnte weder durch Zusatz von Kalium- oder Natriumsalzen. noch durch Zufuhr organischer Nährstoffe (0,5% Methylalkohol oder Glycerin) zur Versuchslösung verhindert werden — sondern nur durch Zufuhr von Caleiumsalzen! — Einige Fäden von Spiro- gyra majuscula wurden einerseits in O,lprocentige Lösung von Magne- siumnitrat gebracht, andrerseits in solche, die ausserdem, noch 0,3% Caleiumnitrat enthielt. Dort starben die Zellen nach wenigen Tagen,') hier blieben sie wochenlang lebendig! 1) Die Zeit, innerhalb welcher blosse Lösungen von Magnesiumsalzen tödtlich wirken, hängt daher mit der grösseren oder geringeren Menge gespeicherter Kalk- salae zusammen; auch anhängender kohlensaurer Kalk beeinflusst das Resultat, da er mit den meisten Magnesiasalzen sich umsetzt und löslich wird. 383 Es mag nebenbei erwähnt werden, dass Spirogyren 5—6 Wochen lang auch in reinstem destillirten Wasser am Leben bleiben können. ‚Ist die Flasche verschlossen, welche pro Liter Wasser nur wenige Fäden enthalten darf, so stellt sich bald ein Gleichgewicht zwischen Athmung und Assimilation ein, es dient nur die durch Athmung er- zeugte Kohlensäure wieder zur Assimilation, die Menge der Stärke kann nicht zunehmen. Der Stoffwechsel ist auf ein Minimum be- schränkt, da bei dem Mangel aller Nährsalze Eiweissbildung und Zell- theilung unterbleiben. Die schädliche Wirkung der Magnesiumsalze macht sich in auf- fallender Weise auch bei Wurzeln von Keimlingen bemerklich. Keimlinge von Vieia und Pisum treiben in 0,5 procentigen Lösungen von schwefelsaurer oder salpetersaurer Magnesia keine neuen Neben- wurzeln mehr und Wurzelhaube sowie Epidermiszellen sterben nach einigen Tagen ab. In einer ebenso starken Lösung von salpeter- saurem Kalk, ferner in einer gesättigten Gipslösung bleibt die Wurzel am Leben und treibt Nebenwurzeln, wenn auch langsamer als in blossem destillirten Wasser. Bei Phaseolus-Keimlingen, welche in eine Lösung von 1% Magnesiumsulfat mit 1°6 Monokaliumphosphat gesetzt wurden, be- merkte ich ein Absterben der Wurzel nach fünf Tagen, bald darauf sistirte auch der Spross jede Weiterentwickelung und starb ab. Solche Beobachtungen wurden schon mehrmals gemacht, blieben aber unbeachtet — weil unerklärt. So theilte W. Wolf mit) dass es ihm nicht gelang, in Lösungen von schwefelsaurer Magnesia Bohnen- pflanzen mit gesunden Wurzeln fortzubringen. Die Wurzeln verloren ihre Turgescenz, die Zellenthätigkeit im den Wurzeln war vernichtet. „Es ist möglich, dass auch dieses Salz vielleicht von den Wurzeln zersetzt wird und dass ein Zersetzungsproduct zerstörend auf die Pflanzenzellen wirkt.* Die absoluten und relativen Mengen der gespeicherten Caleium- und Magnesiumsalze bedingen Intensität und Art der pathologischen Erscheinungen, wenn Samen in kalk- resp. magnesiafreien Nähr- lösungen. gezogen werden. Es sei hier auch auf die Beobachtungen an Bohnenpflanzen hingewiesen, welche Raumer und Kellermann (l. « 8.31) beschrieben. Die Wurzeln wuchsen in den kalkfreien (aber magnesiahaltigen) Nährlösungen nicht mehr in die Länge, sondern nahmen an Dicke zu, bildeten keine Seitenwurzeln mehr, 1) Landw. Versuchstationen 6, 218. 984 sondern nur „ganz kurze, dicke, fast warzenförmige Gebilde“, die Wurzelhaube starb ab. Als das Magnesiumnitrat aus der kalkfreier. Nährlösung weggelassen wurde und nur noch das Magnesium sulfa blieb, trat cine so vollständige Missbildung der Wurzel nicht ein.') ‚ Lehrreich ist es, die Wurzelentwickelung von Tradescantiazweiger in kalk- und magnesiafreien Nährlösungen zu beobachten. Ich stellte drei Nährlösungen zu je '% Liter her, die erste (volle) enthielt: Monokaliumphosphat 0,1% Kaliumnitrat . . . 05 Natriumsulfat . . . 0,2 Caleiumnitrat . . . 0,5 Magnesiumsulfat . . 0,2 Eisenvitriol . . . Spur. Bei der zweiten Lösung (b) fehlte das Caleiumsalz, bei der dritter (ce) das Magnesiumsalz. Aus den untersten Knoten der 10cm langen Zweige brachen nach sechs Tagen 5—6 Würzelchen hervor, welche sich während der ersten zwei Wochen ziemlich rasch entwickelten. Höchst bemerkenswerth war nun die Verschiedenheit der Entwickelung der Wurzelhaare, welche in der kalkhaltigen Lösung (ce), in der Magnesia mangelte, einen diehten Wald bildeten und "cm Länge erreichten,?) in der kalkfreien, aber magnesiahaltigen, Lösung jedoch nur sehr spärlich zu sehen waren und sehr kurz blieben. Andrer- seits waren die Wurzeln selbst in letzterer Lösung (b) länger als in ersterer (ce) und maassen 4,lcm gegen 3,2cm. Der Kalkmangel der Lösung resp. die schädliche, Wirkung des Magnesiagehalts konnte sich nur an der Epidermis äussern und verhinderte hier die volle Entwickelung der Wurzelhaare, während die inneren Theile genügend Caleiumsalze aus den Knoten eine Zeit lang zugeführt erhielten, um nicht nur die schädliche Wirkung der Magnesiumsalze völlig paralysiren zu können, sondern sogar deren Ernährungseffect in das hellste Licht treten zu lassen; denn die Wur- zeln waren ja fast um ein Drittel länger als bei Magnesiamangel (Er- klärung hiefür weiter unten). Dass diese in kalkfreier Lösung ge- zogenen Wurzeln doch Kalk enthielten, resp. aus dem Knoten bezogen hatten, lehrte die Behandlung der Asche mit etwas concentrirter 1) Bei einem grösseren Gehalt der Bohnen an Caleinmsalzen wäre offenbar diese Missbildung in kalkfreier Nährlösung weniger zum Vorschein gekommen. 2) Auch in der vollen Controllösung standen die Wurzelhaare sehr dicht, waren aber kürzer. 3) Siehe oben $S. 873. Es war hier dieselbe Species. 985 Schwefelsäure, nach deren Abdampfen mit Salzsäurezusatz bald die charakteristischen Gipsnadeln zu sehen waren. Dass Magnesiasalze niemals schaden, wo Calciumsalze in genügender Menge vorhanden sind, ging auch daraus hervor, dass verschiedene Samen (Vieia, Lu- pinus, Helianthus etc.) nicht ihre Keimfähigkeit verloren, als sie zwei Tage in einer 0,2procentigen Lösung von Magnesiumnitrat aufquellen gelassen wurden. Seitlangeistfestgestellt, dassMagnesium- salze unentbehrlich für die Pflanzen sind; wie kommt es nun, dass sie bei Ausschluss von Calciumsalzen so schädlich wirken? Wie istes zuerklären, dass beiAn- wesenheit von Caleiumsalzen ihre schädliche Wirkung gar nicht zum Vorschein kommt? Hierauf gibt es nur eine Antwort und diese wird gegeben durch die Schlussfolgerungen, welche wir oben aus dem Verhalten der Pflanzenzellen gegen neutrales Kaliumoxalat und höchst verdünnte freie Oxalsäure gezogen haben. Enthält der Chlorophylikörper ein Gerüst bestehend aus der Calciumverbindung des Plastins®) und der Zellkern ein Gerüst bestehend aus der Caleiumverbindung des Nu- eleins, so wird bei der Einwirkung von Magnesiumsalzen starker Säuren ein Austausch von Calcium gegen Magnesium stattfinden müssen. Hiedurch wird aber auch die physikalische Beschaffenheit . der Gerüstsubstanz verändert, die Quellungscapaeität wird eine andere und wahrschemlich die Festigkeit verringert. Dieses bringt aber eine Structurstörung mit sich, infolge deren auch Umlagerung des activen Proteinstoffs zu passiven erfolgt. Die Symptome beim Absterben durch schwefelsaure Magnesia sind in der That die gleichen wie bei ver- dünnter Lösung von oxalsaurem Kali, wenn auch die Wirkung weit langsamer sich vollzieht. Nach 12 Stunden zeigt sich bei der Ein- wirkung einer I procentigen Lösung von schwefelsaurer Magnesia auf Fäden der Spirogyra majuseula zunächst der Kern angegriffen, meist gequollen wie bei kurzer Einwirkung einer 0,5 procentigen Kaliumoxalat- lösung. Durch den Uebergang des Kerns von der Linsen- in die Kugel- form werden aber die Plasmastränge nachgezogen und infolge dessen 1) Ich fasse das Plastin lediglich als eine polymere Modification des Nucleins auf, so lange nicht durch genauere chemische Untersuchungen eine andere Auffassung nöthig wird. — Offenbar bestehen auch die Plasmastringe zum grossen Theil aus nucleinartiger Materie; denn nach Behandlung mit Tepsisnalzsäure bei 30--350 bleiben auch diese ihrer äusseren Form nach ungelöst (bei Spirogyra), und fürben sich dann ebenso intensiv wie der Kern durch Farbreagentien. BE. Zacharias hat jene Unlöslichkeit nach gütiger Privatmittheilung schon früher beobachtet. 386 entsteht eine Einschnürung des Öytoplasmas in der Region ihrer An- heftungsstellen. Viele Zellen sind aber noch scheinbar unversehrt. Nach 20 Stunden ist auch eine Verquellung der Chlorophyllbänder in vielen Zellen bemerklich, das Cytoplasma ist aber überall noch gesund. Nach 40 Stunden sind nicht nur der Zellkern überall, son- dern auch fast überall die Chlorophyllkörper bedeutend verquollen, auch das Cytoplasma ist (wohl infolge der abgestorbenen Chloro- plıylibänder) meist schon todt. Nur wenige Zellen haben noch Turgor. Eisenvitriol (in 1procentiger Lösung) wirkt ganz analog dem Bittersalz, wenn auch weit rascher. Nach 12 Stunden ist der Zellkern überall todt, meist geschrumpft (wenn auch nicht so stark wie bei der 2procentigen Kaliumoxalatlösung), seltener gequollen. Das Chloro- phyllband zeigt fast überall schon bedeutende Verquellung und bei einer Anzahl Zellen ist auch das Cytoplasma bereits todt, was sch? leicht bei dem häufigen Gerbstoffgehalt der Zellen an der Blaufärbung des ganzen Inhalts kenntlich ist. Nach 20 Stunden sind nur wenige Zellen "mehr am Leben und noch farblos, sie haben noch Turgor, da sie sich nach beiden Seiten auswölben wenn die Nachbarzellen bereits todt sind, und bei diesen wenigen Zellen ist nicht nur der Zellkern völlig geschrumpft, sondern auch die Chlorophylikörper mehr oder weniger aus der normalen Lage gebracht und contrahirt. Weit heftiger wirkt der Kupfervitriol. Eine 1 procentige Lösung: tödtet schon nach eier Stunde alle Zellen der Spirogyra majuscula, Wenn auch hier zuerst der Kern sich contrahirt, so bleibt doch kaum eir. Zweifel, dass hier noch eine andere Ursache der Giftwir- kung als die bei Bittersalz und Eisenvitriol anzunehmende vorhander. ist; denn hier zeigt sich ‘die Giftwirkung noch bei erstaunlich grosser Verdünnung. Die schädliche Wirkung der Magnesiumsalze tritt im Vergleich. zu derjenigen der Ferrosalze nur langsam ein und desshalb kann sie bei Gegenwart von Oalciumsalzen auch so schnell wieder aufgehoben werden, dass keine weiteren Folgen zu beobachten sind. Diese merkwürdige Thatsache bestätigt aber unsere oben ausgesprochene Auffassung: Sindnämlich genügende Mengen von Caleium- salzen in der Lösung vorhanden, so kann nach dem Ge- setz der Massenwirkung die umgekehrte Reaction ein- treten d.h. das in die organsirte Kernsubstanz an Stelle von Calcium getretene Magnesium wird wieder durch Oaleium ersetzt. Solche mit der Massenwirkung zusammenhängende Rückverwandlungen sind ja 387 nichts Seltenes im Gebiete der Chemie?) und dürften im lebenden Proto- plasma noch leichter stattfinden, als in den Apparaten des Chemikers. Es wird uns nun verständlich, warum Magnesiumnitrat schädlich wirkt, aber nicht Kaliumnitrat, warum Magnesiumsulfat schadet, aber nicht Kaliumsulfat, warum oxalsaures Kali sich anders verhält als weinsaures. Ist nun für eine genügende Menge von Caleiumsalzen ge- sorgt, so können die Magnesiumsalze nur ihre ernährenden Eigen- schaften entfalten, welche in der leichten Dissociation der Salze .begründet sind. Bei der Assimilation des Stickstoffs aus Nitraten fällt dieser Umstand noch wenig ins Gewicht, da Kalium- und Natrium- nitrat noch ziemlich leicht redueirt werden.) Bei Assimilation des Schwefels dürfte das Oaleiumsulfat schon erheblich besser verwendbar sein als die Sulfate der Alkalimetalle; bei Assimilation der Phosphorsäure aber wird unter gewöhnlichen Umständen wesentlich nur das Magne- siumphosphat in Betracht kommen. In den complieirten Gemischen von Nährsalzen in der Pflanze ist ja immer Gelegenheit zur Bildung von Magnesiumphosphaten gegeben. Ist nun so secundäres Magnesium- phosphat gebildet, so hat damit die Assimilation der Phosphor- säure bei der Bildung von Nuclein, Plastin und Leeithin die denkbar grösste Erleichterung gefunden, denn jenes. Salz spaltet sich leicht (z. B. schon beim Kochen mit viel Wasser) in freie Phosphorsäure und tertiäres Salz: Secundäres Magnesiumphosphat Tertiäres Magnesiumphosphat Es kommt aber ausser der leichten Spaltbarkeit noch diegrössere Löslichkeit gegenüber dem Caleiumphosphat in Betracht. Wenn 1) Ich erinnere an die Umsetzung zwischen Bariumsulfat und Kaliumcar- bonat einerseits, an die zwischen Bariumcarbonat und Kaliumsulfat andrerseits (Mo- derne Theorien der Chemie von Lothar Meyer 8.506), ferner an die Zersetzung von Eisenoxyd durch Wasserstoff beim Glühen einerseits und an die reciproke Zer- setzung von Wasserdampf durch glühendes Bisen andrerseits. 2) Ich habe zuerst gezeigt, dass Nitrate leicht auf katalytische Weise zu Ammoniak redueirt werden künnen (Ber. d. Deutsch. Chemischen Gesellschaft 23, S. 675), wenn sie mit Glucose und Platinmohr digerirt werden. Es handelt sich weder hier, noch im Protoplasma um nascirenden Wasserstoff. Weiteres über solche “ Vorgünge werde ich später mittheilen. — Die von Kuhlmann zuerst mitgetheilte 'Thatsache, dass Caleiumnitrat eine weniger günstige N-Quelle ist für Gramineen als Natriumnitrat (jedenfalls bei kalkreichem Boden) ist vielleicht so zu erklären, dass unter gewissen Umständen das Caleiumnitrat rascher redueirt wird als die Eiweiss- bildung erfordert und desshalb etwas Ammoniak entsteht, dessen Salze oberhalb ‚eines gewissen Minimums hemmend auf die Lebensthätigkeit einwirken können, Flora 1892, 888 man z. B. 100 cem einer 0,3 proe. Lösung von Dinatriumphosphat eindı- seits mit einigen Cubikcentimenter einer 1Oproc. Lösung von Magne- siumnitrat, andrerseits mit der entsprechenden Menge Caleiumnitrat versetzt, so bildet sich sofort ein Niederschlag im letzteren Falle, während im ersteren die Mischung völlig klar bleibt. Das seeundäre Magnesiumphosphat ist also auch leichter „wanderungsfähig“ als das secundäre Calciumphosphat. Ist unsere Auffassung richtig, so wird sich das schwerlöslich. tertiäre Magnesiumphosphat da anhäufen,. wo Nucleinbildung resy. rege Zellenbildung stattfindet) Da die Nucleinbildung ein Unlös- lichwerden des (secundären) Magnesiumphosphats (Bildung des ter- tiären) bedingt, so ist nun begreiflich, warum stets neues lösliches Magnesiumphosphat zuströmt und an den Orten regster Zellneubildung sich Magnesia und Phosphorsäure anhäufen. Es erklärt sich, warum Magnesia ebenso wie die Phosphorsäure „den Eiweissstoffen’ folgt“, und warum die Samen relativ reicher an Magnesia sind als die Blätter. Es erklärt sich, warum Magnesiasalze die Zelltheilung befördern; warum Spirogyrenzellen sich rascher vermehren bei Gegenwart von Magnesiasalzen (in sonst guten Nährlösungen), und warum bei dem oben geschilderten Versuch mit Tradescantia die Wurzeln in der magnesiahaltigen Nährlösung länger geworden sind als in der magnesia- freien. Es bildet sich eben überall durch Wechselwirkung das secun- däre Magnesiumphosphat, der Träger der Phosphorsäure bei der Kernbildung. Ist gegenüber den phosphorsauren Alkalien die Menge der Magne- siumsalze nur gering, zugleich aber diejenige der Caleiumsalze sehı gross, so wird sich wesentlich Caleiumphosphat und nur ungenügende Mengen Magnesiumphosphat bilden können; daher wird die Bildung von Nuclein und Plastin und damit Neubildung von Zellkernen und Chloroplasten sehr verlangsamt werden, d. h. die Zellvermehrung wird verzögert. — Ein Versuch mit Spirogyra Weberi bestätigte diese Folgerung. Zwei Lösungen mit 1°%% Caleiumbicarbonat resp. 1° Magnesiumbicarbonat erhielten je noch folgende Zusätze: 0,5% Cal- eiumnitrat, 0,1°0o Magnesiumsulfat, 0,05%% Monokaliumphosphat und Spur Eisenchlorid. Geringe und möglichst gleiche Mengen der Alge wurden in die Nährlösungen (je 1 Liter) gebracht und öfters etwas 1) Die Asche der Samen enthält allerdings oft nieht die tertiären Phosphate, weil beim Einäschern die Phosphorsäure des Nucleins (und Lecithins) wieder frei wird und saure Phosphate resp. Pyrophosphate liefert, falls keine Carbonate in der Asche sich vorfanden. 389 kohlensäurehaltige Luft (aus der Lunge) durchgeblasen.. Nach drei Wochen Stehen bei 10—12° war nun der Unterschied höchst be- merkenswerth. Beim Magnesiumbicarbonat war die Algenmasse weit bedeutender, mindestens auf das Dreifache der anderen Cultur zu schätzen. Das Chlorophyliband war dort eng gewunden und reich an Stärke, hier beim Caleiumbicarbonat langgestreckt und frei von Stärke. Die einzelnen Zellen hatten sich hier noch gestreckt, allein das Chlorophyliband war nicht im Verhältniss dazu gewachsen und der Zellkern besass nicht mehr die nöthige Energie, eine so rasche Zelltheilung herbeizuführen, als im andern Falle. Die Ablagerung des tertiären Magnesiumphosphats in den Samen hat aber wieder einen grossen Nutzen für den sich entwickelnden Embryo. Derselbe bildet Säuren, welche das tertiäre Phosphat unter partieller Entziehung von Magnesia wieder in das secundäre verwandeln, welche nun wieder von grösstem Nutzen für Zellenbildung und Vermehrung ist und das rasche Wachsthum des Eınbryos er- möglicht. Die zugleich gebildeten Magnesiumsalze organischer Säuren können sich aber wieder mit den vorhandenen Alkaliphosphaten') um- setzen und wieder secundäres Magnesiumphosphat liefern, so dass also ein und dieselbe Magnesiummenge öfters verwendbar wird. Die Rückverwandlung tertiären Magnesiumphospats in secundäres kann aber auch schon im reifenden Samen mehrmals erfolgen, ferner in den Blättern, von wo das secundäre Salz schliesslich „aus- wandern“ kann, um im reifenden Samen verwendet zu werden zur Bildung von Nuclein, Leeithin, der phosphorsäurehaltigen Caseine und mancher Salze saurer Phosphorsäure-Ester.9 Auch für viele Pilze scheinen Magnesiumsalze von grossem Nutzen zu sein, was angesichts des Nuclein- und Lecithingehaltes wohl begreiflich ist. Bei Penieillium allerdings konnte ich keine erhebliche Aenderung des Erntegewichts beobachten, als ich eine magnesiafreie mit einer magnesiahaltigen Nährlösung verglich.) Bei anderen Pilzen, besonders solchen, welche Gährthätigkeitausüben, scheinen Magnesiumsalze dagegen wichtiger 1) Die Anhäufung der Alkaliphosphate in den Sanıen wird jedenfalls dadurch begünstigt, dass sie befähigt sind, lockere Verbindungen mit den Proteinstoffen ein- zugehen. 2) Vgl. Globoide, Pfeffer, Pflanzenphysiologie I S. 389. 3) Vgl. auch Nägeli, Ber. d. Bayer. Akad. d. Wiss. (Juli 1879) 8. 365. Bei der sauren. Reaction der Nährlösungen für Schimmelpilze kann sich lösliches primäres Caleiumphosphat bilden, aus welchem ein energisches Protoplasma wohl auch Phosphorsäure zu assimiliren vermag. Das muss aber mit der Annäherung an die neutrale Reaction immer schwieriger werden. 26* 890 zu sein. Se schreibt Adolf Mayerd): „Auch einige niedere chloro- phyllose Organismen wie die Bierhefe scheinen des Magnesiums nicht entrathen zu können und ist für diese Gruppe von Organismen jeden- falls dieser Aschenbestandtheil von viel höherer Bedeutung als das Calcium, eine Thatsache, die bei dem Ausbau der Theorie der Wirsz- samkeit dieser Aschenbestandtheile von Wichtigkeit sein wird“. Bei Mycoderma Vini (Kahmpilz) hat Winogradzky. gezeigt, ?) dass Magnesiumsalze weder durch Caleium- noch durch Strontiumsalze ersetzt werden können. Wo Magnesiumsulfat in der Nährlösung vor- handen war, entwickelte sich eine schöne Haut; wo es aber durch Caleium- oder Strontiumsulfat ersetzt wurde, blieb jede Entwickelur.g aus. ‘(Zu versuchen wäre hier noch Berylliumsulfat) Kalksalze, die eine so grosse Wichtigkeit für die grünen Pflanzen haben, sind nach Winogradsky bedeutungslos für Mycoderma.?) In der That sird auch Magnesiumsalze bei Ausschluss von Calciumsalzen nicht schädlich für Spalt- und Sprosspilze, was ebenfalls einen be- deutenden Unterschied gegenüber grünen Pflanzen ausmacht. Spross- hefe leidet nicht im Geringsten, wenn sie stundenlang mit 1 procentiger Lösung von Magnesiumnitrat auf 25—380° erwärmt wird. Das lässt schliessen, dass hier keine caleiumhaltigen wichtigen Organe ‚vorhanden sind. Wie empfindlich sind hier die Spirogyrenzellen! Um zu prüfen, ob ein Magnesiagehalt der Nährlösung günstig auf die Gährthätigkeit bei Fäulnisspilzen wirkt, wurde eine Pepton- lösung in fünf gleiche Theile getheilt. Die Controlprobe enthielt keinen Zusatz, die anderen Proben je 1% der Nitrate von Kalium, Natrium, Calcium und Magnesium. Alle Proben wurden mit Fäulniss- pilzen inficirt und bei gewöhnlicher Temperatur stehen gelassen. Nach 2 Tagen war überall Trübung zu bemerken, am meisten bei der Controlprobe; der Zusatz der Salze wirkte hemmend auf die Bacterienentwickelung. Nach 10 Tagen wurde die Intensität der Ammoniakbildung durch die Reaction mit Nesslers Reagens ver- 1) Lehrbuch der Agriculturchemie 8. Aufl., I. 274 (1886). 2) Bot. CentraJblatt XX S. 165 (1884). 8) Man kann bei Kalkmangel auch ein sehr üppiges Bacterienwachsthum be- obachten. Ich infieirte eine Lösung, welche enthielt: je 0,5%, Glucose und Asparagin, je 0,050), Dikaliumphosphat und Magnesiumsulfat und 0,5%, neutrales Kaliumoxalut mit einer Spur faulig gewordener Presshefe. Nach zwei Tagen bei 30° waren dichte weisse Flocken gebildet und intensive Trübung eingetreten, herrührend von einer Unmasse lebhaft sich bewegender Stäbchen. Von einem Gehalte der Lösung an nennenswerthen Kalkspuren kann hier bei Gegenwart des Oxalats wohl kaum d.e Rede sein. 391 glichen. Bei der Controlprobe und der Magnesiaprobe war die Ammoniakbildung am intensivsten, halb so stark bei der Natron- und Kali-Probe und nur etwa "/; so stark bei der Kalkprobe; somit wirkte das Caleiumsalz weit weniger gährungsfördernd als das Magnesiumsalz, was weiteres Studium verdiente, besonders mit Rücksicht auf patho- zene Pilze. Dieoxydative Thätigkeit scheint unter dem Einflusse von Magne- siumsalzen nicht intensiver zu sein als unter dem anderer Salze. Ich setzte zu einer Nährlösung, welche als einzigen organischen Körper 1,5% salicylsaures Natron enthielt, noch je 0,2% verschiedene Chloride 'KCl, NaCl, CaCk, MgCl,) und liess die Mischungen in geräumigen ‚ufthaltigen Kolben nach Infection aus fauliger Peptonlösung mehrere ‘Wochen stehen. Wurde nun nach Eindampfen und Ausschütteln mit Aether nach dem Ansäuern der Aetherrückstand in Wasser gelöst, ‚nit Eisenchlorid geprüft, so wurde bei gleichstarker Verdünnung kein srheblicher Unterschied der Reaction, also kein bedeutender Unter- schied im Verbrauch der Salicylsäure wahrgenommen; auch die Inten- sität der Bacterienvegetation war nahezu überall gleich. Ueber den Ersatz von Magnesium durch Beryllium ist bis- lang nur ein einziger Versuch gemacht worden und zwar von Se- stini!) Magnesium und Beryllium stehen einander so nahe, wie Natrium dem Lithium. Die Berylliumsalze dissociiren sich so leicht wie Magnesiumsalze und sollten naturgemäss auch diese vertreten können. Sestini brachte in der That Weizen bis zur Fruchtbildung bei dieser Substitution. Die Körner wurden in Flusssand ausgesät, ler mit Salzsäure extrahirt war. Zum Begiessen dienten im Ganzen acht Liter Nährlösung, enthaltend 1,60 g' Berylliumsulfat (im Control- versuch 1,44g Magnesiumsulfat, die aequivalente Menge). Die Pfanzen erreichten eine Höhe von 90—95cm und trugen reife Aehren, doch blieben die Berylliumpflanzen hinter ‚den Magnesiumpflanzen zurück, wie folgende Daten erkennen lassen: Magnesiumpflanzen Berylliumpflanzen Zahl der Kümer. . .. . 82 283 Gewicht der Körner . . 15,20g 12,31g Gewicht eines Kornes . . . 0,472g 0,435 g Die Asche der Berylliumpflanzen enthielt nahe 2°% Beryllium- oxyd. — Nun wurden die erhaltenen Samen wieder gesät und noch- mals in der gleichen Weise mit der berylliumhaltigen aber magnesia- 1) Centralblatt für Agrieulturchemie 1890 8. 464 und 1891 S. 558. Nach Le Staz. Agrar, Ital. Bd. 20, 392 freien Nährlösung begossen. Von 20 der ausgesäten Samen der Berylliumpflanzen keimten nur sieben und nur drei Pflanzen lieferten wieder Körner. Die erhaltenen 14 Körner wogen zusammen nur 0,37g, also 1 Korn nur 0,026g. Sestini schloss hieraus, dass zwar ein Theil der Funetionen des Magnesiums, aber nicht alle durch Beryllium übernommen werden können und dass bei der Embryoaus- bildung ein Defect stattfinde.) Derartige Versuche können manche wichtige Aufschlüsse bringen, besonders auch darüber, ob protoplas- matische Magnesiumverbindungen neben Caleiumverbindungen an der Organisation des Zellkernes betheiligt sind. Ob bei nieder stehenden Pflanzen, wie Algen, das Calcium durch das ihm so nahe stehende Strontium bei allmählichem Vorgehen er- setzt werden kann, müssen weitere Versuche lehren. Einige orieı.- tirende Versuche mit Spirogyren ergaben mir Folgendes: Bei ca. 28°C. wird wohl Caleiumnitrat bei einer Verdünnung von 0,3% 15-—20 Stur.- den lang ertragen, aber nicht Strontiummitrat. Eine grosse Anzalıl von Zellen der Spirogyra majuscula waren in letzterem Falle abge- storben. Die überlebenden aber blieben nachher in derselben Lösung noch länger als acht Tage bei 16° lebendig, ja es wurde sogar Theilung der Zellen beobachtet (die Zellen waren ursprünglich reich an im Zel.- saft gespeichertem activen Eiweiss). Ferner habe ich beobachtet, dass während diese Spirogyren in einer 0,1 procentigen Lösung von Magne- siumnitratnach zwei Tagen bei 20° zu Grunde gingen, sie nach acht Tagen bei Zusatz von 0,3% Strontiumnitrat noch zum Theile lebend waren. Das Strontiumnitrat wirkt also — wenn auch weit unvollkommener wie das Oaleiumnitrat — der Giftwirkung der Magnesiumsalze entgeger. In einer vollen Nährlösung, welche statt, des Caleiumnitrats Stron- tiummitrat enthielt, lebten die Spirogyren (bei 10- 14° C.) längere Zeit. Der Schwefel wurde hier wegen der Schwerlöslichkeit des sich bilden- den Strontiumsulfats als formaldehydschwefligsaures Natron gegeber. Die Zusammensetzung der Nährlösung war folgende: Strontiumnitrat 2 220202020205 on Magnesiumnitrat . . 2.2.2... 601 Natrumitrat 2.2 0202020.20..02 Monokaliumphosphat . . . . 0,1 Formaldehydschwefligsaures N atron 0,1 Eisenchlorid . . 2. 2.2.2... Spur. D) Knop erwähnt (Ann. Chem. Pharm. 129 $. 287), dass weder Kalk noc'ı Magngsia durch isomorphe Basen in den Pflanzen ersetzt werden können, er beschreibt jedoch die Versuche nicht, 393 Nach drei Wochen sahen die meisten Zellen noch recht gut aus. Da das Strontium dem Calcium weit näher steht als das Magnesium, so werden auch die zu Örganisationszwecken verwendbaren Verbin- dungen einander weit ähnlicher sein und nahezu das gleiche Quellungs- vermögen besitzen, so dass Structurstörungen voraussichtlich weit lang- samer erfolgen werden. Auch Bariumsalze werden längere Zeit ertragen. In einer 0,5 procentigen Lösung von Bariumnitrat waren Fäden von Spirogyra majuscula nach zwei Wochen noch gesund, sie führten sogar mehr Stärkekörner als die Controlalgen in salpetersaurem Kalk; nur wenige Zellen waren todt. Resume. Neutrale oxalsaure Salze sind nicht nur giftig für Phanerogamen wie Schimper fand, sondern auch für Algen; nicht dagegen für niedere Pilze. Eine 2procentige Lösung neutralen Kaliumoxalats bringt binnen 5—10 Minuten den Kern von Spirogyrenzellen zur Con- traction, hierauf wird das Chlorophyllband ergriffen. Freie Oxalsäure wirkt, wie schon Migula fand und ich bestätigen kann, selbst bei sehr bedeutender Verdünnung als ein intensives Gift auf Spirogyrenzellen. Magnesiumsalze wirken bei Abwesenheit von Calcium- salzen giftig auf höher- wie niederstehende chlorophyllhaltige Pflanzen. Bei Gegenwart genügender Mengen von Cal- ciumsalzen kommt keine Spur dieser Giftwirkung zum Vorschein und die Magnesiumsalze entfalten dann lediglich ihre ernährende Thätigkeit, welehe — nach Bildung des seeundären Magnesiumphos- phats — darin besteht, dass dieses der Träger der Phosphor- säure,für die Bildung von Nuclein, Plastin, der Caseine und des Leeithin ist. Die geschilderten Giftwirkungen neutraler Öxalate einerseits, der Magnesiumsalze andererseits, sowie der Umstand, dass die schädlichen Wirkungen der letzteren bei Anwesenheit von Calciumsalzen sich gar nicht geltend machen, finden ihre einfachste Deutung, wenn Chlorophylikörper und Zellkern aus Caleiumverbindungen von Nuclein (und Plastin) aufgebaut sind. Da das Nuclein einen sauren Charakter besitzt, wird ohnediess die Anwesenheit einer Base im Zellkern er- fordert. Wird das Caleium jenen Organoiden entrissen (als Oxalat gefällt, oder durch Magnesium ersetzt), so ändert sich das Quellungs- 1) Es ist somit nicht zu bestreiten, dass Caleiumsalze eine sehr wichtige Funetion ausüben, wenn sie die gebildeten Oxalate als Caleiumoxalat fällen. 394 vermögen der lebenden Materie, was eine Structurstörung und infolge dessen eine chemische Umlagerung, den Tod, herbeiführt. Die eingangs hervorgehobenen Verhältnisse in der Vertheilung des Kalks und der Magnesia in den Pflanzen finden nun eine ein- fache Erklärung: die Chlorophylikörper führenden Organe müssen auch die kalkreichsten sein; denn hier wird der Kalk nicht nur im Kern sondern auch in den Chlorophylikörpern fixirt. Andrerseits finden wir da, wo am meistens Phosphorsäure gebraucht wird — in den Samen —, auch die relativ grössten Mengen von Magnesia. Wir müssen folgern, dass an der Herstellung von Kern und Chloroplasten sowohl Caleium- als auchı Magnesiumsalze betheiligt sind, erstere direct, letztere indirect, und es ist klar, dass eine bedeutende relative Ver- minderung der emen Klasse von Salzen gegenüber der anderen eine normale gesunde Entwickelung der Pflanzen beeinträchtigen muss. Es wird auch verständlich, warum die beiden Klassen von Salzen einander nicht vertreten können und warum „Magnesium in der Pflanze beweglicher ist als das Calcium.“ — Es lässt sich nun ferner eine plausible Erklärung geben für die von Boehm, Raumer und Kellermann gezogenen Schlüsse, dass der Kalk beim Stärketrans- port betheiligt ist, resp. der Kalk bei der Verarbeitung der Kohle- hydrate eine Rolle spiele. Niedere Pilze verhalten sich — wahrscheinlich wegen etwas ab- weichender chemischer Beschaffenheit des Zellkerns — gänzlich ver- schieden von den grünen Pflanzen in den geschilderten Beziehungen. Für sie sind weder Magnesiumsalze bei Abwesenheit von Calcium- salzen schädlich, noch Oxalate giftig. Der Umstand, dass Schimmel- pize bei stark saurer Reaction der Nährlösung Magnesiumsalze entbehren können, ist dadurch am einfachsten zu erklären, dass unter diesen Umständen Phosphorsäure auch aus Caleiumphosphat assimilirt werden kann. Pflanzenphysiologisches Institut zu München, im Mai 1892, Beitrag zur Erforschung der Aggregationsvorgänge in lebenden Pflanzenzellen. Von Dr. Paul Klemm. INHALT. I. Aggregation und deren Zusammenhang mit Löw-Bokorny’s Hypothese vom aktiven Eiweiss. I. Mittel, äussere Bedingungen und Ort der Entstehung. TIT. Vergleichende’ Charakteristik der Ausscheidungen. IV. Die in den Ausscheidungen nachgewiesenen Stoffe und ihre Rolle. v. Physiologische Bedeutung der Ausscheidungen. Rückblick. I. Aggregation und deren Zusammenhang mit Löw-Bokorny’s Hypo- these vom aktiven Eiweiss. Aggregation und aktives Albumin. — Beziehung der Silberabscheidung zur Aggregation — Voraussetzungen für die Richtigkeit der L.-B.'schen Schlüsse. — Basis dieser Voraussetzungen. Es ist in der Zellphysiologie wohl kaum eine überraschendere Reaction bekannt, als die, für welche sich der Name Aggregation eingebürgert hat, welche man in lebenden Zellen einer Anzahl von Pflanzen dadurch hervorrufen kann, dass man sie mit verdünnten Lösungen basischer Körper, z. B. von Ammoniak, Ammonsalzen und Alkaloiden behandelt, und welche in einer fast augenblicklichen Aus- scheidung zahlreicher Körnchen im Innern der Zelle besteht. An dieser Erscheinung, zunächst von Darwin an den Drosera- tentakeln, sowie an Wurzeln einer Reihe anderer Pflanzen studirt, 396 dann gelegentlich von anderen Forschern (Pfeffer, De Vries, Klereker) berührt, haben besonders Löw und Bokorny in der letzten Zeit lebhaftes Interesse bethätigt. Dieses Interesse entsprang den Gedanken, dass die Erscheinung in Zusammenhang zu bringe ‚sei mit der Existenz des Jhöw’schen bypothetischen „aktiven Albu- mins“. Sie kommen zu dem Schluss, dass der im Innern der Zelle befindliche, die Ursache der Erscheinung bildende Körper nichts anderes sei, als eben jenes „aktive Albumin“. Damit ist die Erscheinung mit Problemen in Zusammenhang ge- bracht, die zu den schwierigsten und äussersten Aufgaben der Zell- physiologie gehören, nämlich mit der Erforschung der chemischen Factoren des Lebens, der „chemischen Kraftquelle des Lebens“, also hinübergespielt auf eine Frage von höchster Bedeutung für die ge- sammte Physiologie, nicht allein die der Pflanzen. Der Gedanke taucht zuerst auf in der Arbeit L. und B.’s: „Ueber das Vorkommen von aktivem Albumin im Zellsaft und dessen Aus- scheidung in Körnchen durch Basen“ (Bot. Ztg. 1887), ist dann an der Hand eines umfangreichen aber wenig kritischen Beobachtungs- materials in ausgedehnter Weise von Bokorny, der sich dem Nach- weis des hypothetischen aktiven Albumins in der Zelle besonders gewidmet hat, in seiner Arbeit „Ueber Aggregation“ (Prgsh. Ib. 20) des Weiteren erörtert und seither wiederholt in kleinen Aufsätzen (s. d. Zusammenstellung der Litteratur) vertheidigt worden. Eine gedrängte Darstellung der Anschauung und ihrer Grund- lagen gaben L. und B. zuletzt in dem Aufsatz: „Versuche über aktives Eiweiss für Vorlesung und Praktikum“ (Biol. Centralbl. XI. 1891). Diese Anschauungen haben übrigens eine Wandlung erfahren, sie weichen in wichtigen Punkten von den früher aus einander ge- setzten ab. Die Wandlung läuft darauf hinaus, dass für den Nachweis nur solche Objecte als „geeignet“ in Anspruch genommen werden. welche einen noch nicht orgänisirten Vorrath an aktivem Eiweiss be- sitzen!) — das sind die, welche der Aggregation fähig sind. I. und B. gestehen damit selbst zu, dass der Nachweis nur bei solchen Objecten glücke, d. h. ohne Aggregation (Granulation) keine Silber- abscheidung; eine Beschränkung, welche weder mit den früheren An- schaunngen 1. und B.’s, noch mit der Allgemeinheit, welche der Theorie nach diesem Körper zukommen muss, vereinbar ist. 1) Versuche über aktives Eiweiss für Vorl, und Prakt, Biol, Centralbl. XI, Separatdr. S. 2. 397 Zudem fliessen bei B. auch Beobachtungsfehler unter,') die nur erklärlich sind, wenn der Beobachter, im Banne vorgefasster Meinung sich befindend, die nöthige Umsicht bei den Untersuchungen ver- nachlässigte. Da überdies das ganze Vorgehen B.’s kein induktives ist, so ist es gekommen, dass die Erforschung von Ursache und Wesen der Aggregation durch die Verbindung mit der L.-B.’schen Hypothese mehr verwirrt, als gefördert worden ist, was natürlich dieser Hypothese selbst auch nicht zu statten kommen kann. IJHypothesen gehören wohl zu den Haupthebeln naturwissenschaftlicher Forschung, aber ein solcher Versuch, wie er hier vorliegt, durch selbst noch mangelhaft bekannte Vorgänge wie es die der Aggregation sind, eine 'Hypothese wie die vom aktiven Albumin stützen zu wollen, ist nur geeignet, diese selbst zu discreditiren. Um hier zum erwünschten Ziele zu kommen, hilft es doch nur, Schritt für Schritt zu gehen, streng induktiv zu verfahren sowohl bei Anstellung der Versuche, ‚durch welche man die Natur fragt, ob es auch wirklich so ist, wie es der Hypothese nach sein müsste, als auch bei der Interpretation der Untersuchungsergebnisse. Es wird also die nächste Aufgabe sein, die auf Abwege gerathene Yrage der Aggregation durch eine Sichtung von Zweifelhaftem und Unzweifelhaftem wieder auf gesunde Bahnen zurückzuführen. Dies soll hier versucht werden. * * * Die Voraussetzungen, welche man machen muss, um mit L. und B. anzuerkennen, dass das hypothetische „aktive Albumin“ in der Zelle die Ursache der Ausscheidungen sei, sind folgende: 1. Silberreduction aus der L.’schen Lösung kann auch unter den besonderen in der Zelle obwaltenden Verhältnissen nur durch einen Aldehydgruppen enthaltenden Körper hervorgerufen werden; 2. dieser Körper ist durch basische Stoffe einer Polymerisation fähig, die in dem Aggregationsvorgang zum Ausdruck kommt; 3. der Stoff, welcher die Silberreduction herbeiführt und durch basische Stoffe einer Polymerisation fähig ist, ist derselbe wie der, ‚welcher das organisirte aktive Albumin, d. i. die Theile des 1) So bei dem Studium der Ausscheidungen in Crassulaceen: „Zur Kenntniss des Cytoplasmas.‘‘ Ber. d. deutsch. bot. Ges. 1890. Eine Berichtigung der Be- obachtungen B.'s bei den hier in Frage kommenden Objeeten werde ich demnächst gleichfalls in den Ber, d. deutsch. bot. Ges. geben. 398 Protoplasmas, zusammensetzt, welche keiner Aggregation (Poly- merisation) fähig sind; 4. das Protoplasma (organisirte., aktive Albumin) verursacht nur deshalb nicht die Silberabscheidung, weil es zu eınpfindlich ist und che Silberabscheidung eintrat, sich in passives Eiweiss ver- wandelte. Dem gegenüber darf man wohl fragen: Wie kann ich überzeugt sein, dass das zu Organen aufgebaute aktive Albumin, das Proto- plasma, Aldehydgruppen enthält, wenn das Experiment, welches den Beweis erbringen soll — die Silberabscheidung — nicht glückt? Wer kann verlangen, dass ich glaube, es glücke nur desshalb nicht, weil das Protoplasma zu empfindlich sei und dass der silberreduceirende Körper trotzdem derselbe sei, wie der, welcher das Plasma zu- sammensetzt? Selbst als erwiesen angenommen, dass die Silberreduction auch unter den in der Zelle obwaltenden besonderen Umständen aus- schliesslich einem Aldehydgruppen enthaltenden Körper zukommen könne, so wäre doch damit eben nur erst erwiesen, dass ein solcher irgendwo in der Zelle vorhanden ist, nicht mehr. Aber so lange das Plasma selbst in seiner Gesammtheit nicht redueirt, sondern nur die durch basische Stoffe hervorgerufenen Ausscheidungen, so Jange könnte überhaupt nur bei diesen die Rede davon sein. In früheren Arbeiten L. und B.’s findet sich noch die Anschauung, dass das Protoplasma in seiner Gesammtheit Silber abzuscheiden fähig sei‘) und hier und da abscheide, in anderen Fällen dagegen nur einzelne mehr oder weniger zahlreiche und mehr oder weniger grosse Körnchen. Der Granulation ist übrigens bereits in der ersten Arbeit?) für gewisse Fälle Erwähnung gethan, doch erst später wurde die Granulation als Voraussetzung für die Silberabscheidung in Anspruch genommen?) und mit der Aggregation identifieit. ' Das keiner Granulation oder Aggregation fähige Protoplasma aber für zu empfindlich und dadurch das Ausbleiben der Silberreaction zu erklären, ist cine Vorstellung ohne jegliche thatsächliche Begründung, also eine lediglich dem Glauben anheimgegebene Behauptung. 1) L. und B., Chemische Kraftquelle S. 52 und Bok., Neue Unters. über d. Vorgang der Silberabsch. Prgsh, Ib. 18. 1887. 2) L. und B., Chemische Kraftquelle S. 74. 3) L. und B., Ueber d. Verhalten v. Pflanzenzellen zu stark verd. alkal. Silberl., Bot. Centralbl. 1889, S. 614; ferner: Bok., Ueber d. Einwirkung bas. Stoffe auf das lebende Protopl. Prgsh. Ib, 19, 1888, S. 209. 399 Die Gründe, welche gegen den Einwand, dass die Reaction keine allgemeine sei, von L. und B. ins Feld geführt werden,d) wie die unbestrittene verschiedene Widerstandsfähigkeit gegen verschiedene Einflüsse, machen es kaum wahrscheinlicher, dass die Objecte, wenn sie nicht so empfindlich wären, Silber reduciren würden. Dies wäre nur glaubhaft, wenn die meisten lebenden Zellen Silber redueirten und jene, bei denen die Silberabscheidung nicht eintritt, schon dadurch als Ausnahmsfälle charakterisirt wären. Es müssten da jedenfalls aus- gedehntere Untersuchungen über die Verbreitung des Silberabscheidungs- vermögens vorliegen, als dies bisher der Fall ist. Nach dem, was L. und B. selbst neuerdings anführen,?) würde man in den meisten pflanzlichen Zellen keine Aggregation und keine Silberabscheidung zu erwarten haben. Für „ungünstig“ werden nämlich erklärt: „1. Zellen mit sehr raschem Wachsthum, welche ibr Eiweiss rasch zur Organ- bildung verbrauchen; 2. Zellen, welche schr. langsam Eiweiss bilden und infolge dessen nie einen grösseren Ueberschuss an nichtorgani- sirtem Eiweiss haben; 3. ausgewachsene Zellen, welche ihren Eiweiss- vorratli ganz organisirt oder zum Aufbau von Idioplasma verwandt haben und kein neues Eiweiss mehr bilden.“ Dass bei einigen Objeeten unter gewissen Verhältnissen — die bei dem Experiment mit der Hefe, welche erst Silber reducirte „nach Züchtung bei sehr niederer Temperatur in einer zuckerfreien Nähr- lösung“, übrigens ganz abnorm sind — spricht eher dafür, dass unter diesen Verhältnissen Stoffwechselprodukte gebildet wurden, welche normaler Weise nicht entstehen. Nach alledem stehen von jenen 8. 397 dieser Arbeit angeführten Voraussetzungen 3. und 4. vollständig in der Luft. 2. ist ein Schluss nach Analogien, für dessen Berechtigung mindestens erst das Vor- kommen von Aldehydgruppen enthaltenden Körpern erwiesen sein müsste. Mag es immerhin möglich, ja wahrscheinlich sein, dass ein solcher Körper, wenn er vorhanden wäre, sich durch die Aggregations- reagentien polymerisiren würde, mit einer solchen Möglichkeit als mit einer feststehenden Thatsache zu operiren oder gar Rückschlüsse darauf zu bauen heisst nicht mehr sich bestreben, die Wahrheit auf Grund von Thatsachen zu ergründen — das ist blosse Speculation. 1) L. und B., Ueber d. Verh. v. Pilanzenzellen zu stark verd. alkal. Silberl. Bot. Centralbl. 1889 S. 612. 2) L. und B., Versuche über akt. Eiweiss für Vorlesung und Praktikum. Biol. Centralbl. XI, 1891, Separatabdr. S. 2. 400 Was aber die an erster Stelle (8. 397) erwähnte Voraussetzung anlangt, so erfordert diese ein näheres Eingehen und wir werden mehrfach auf dieselbe zurückkommen. Hier nur so viel: L. und B. tragen in den frühesten Arbeiten überhaupt nicht, in den neueren zu wenig dem Umstande Rechnung, dass die Zelle ein Organismus ist, sie beachten zu wenig, dass wir in der Zelle nicht nur ein kleines Gefäss und in deren Inhalt nicht eine einheitliche Lösung, ja nicht einmal ein einziges Stoffgemisch vor uns haben, gewissermaassen ein Reagirglas im kleinen Maassstabe mit einem Gemisch von colloidalen und flüssigen Körpern, sondern eine Summe von Stoffen unter com- plieirten Verhältnissen, von denen besonders die Trennung des Zell- saftes vom plasmatischen Wandbelag, welche von der Vacuolenwand aufrecht erhalten wird, berücksichtigt werden muss. Sollte es desshalb unmöglich sein, dass unter diesen in der Zelle obwaltenden besonderen Verhältnissen geschieht, was im Reagensrohr nicht geschieht, dass eine Reduction des Silbersalzes aus einer so verdünnten Lösung statt- finden kann, wie sie unter den Verhältnissen im Reagensrohr unmöglich ist? Silber reducirende Körper kommen ja in den Zellen vor, es brauchte also durch die besonderen Verhältnisse in der Zelle schliesslich weiter nichts, als eine Verschiebung der Reactionsgrenze stattzufinden. Das ist wohl zu bedenken, umsomehr als jetzt bekannt ist, dass die Silberreaetion keine unmittelbare ist, sondern dass ihr eine Aggregation (Granulation) vorausgeht und vorausgehen muss und erst eine ganz allmähliche Anhäufung verbunden mit Reduction des Silbers in diesen durch Aggregation ausgeschiedenen Massen stattfindet.‘ IL. Mittel, äussere Bedingungen und Ort der Entstehung. Die zur Erzeugung tauglicehen Stoffe (Aggresationsreagentien). — Die möglichen Reactionsweisen derselben. — Abhängigkeit der Entstehung vom Leben. — Ort der Entstehung. Welche Stoffe der äussere Anlass zur Bildung der Aus- scheidungen sein können, ist wohl ausreichend bekannt. Löw?) fasst in kurzer Weise den Kreis der zur Erzeugung fähigen Stoffe folgender- imaassen zusammen: Der Niederschlag wird hervorgebracht, durch 1) Pfeffer, Löw und Bokorny’s Silberreduction in Pfianzenzellen. Flora 1889 S. 47. 9) Löw und Bokorny, Ueber d. Vorkommen vr. akt. Alb. im Zellsaft und dessen Ausscheidung in Körnchen durch Basen. Bot. Ztg. 1887 S. 849, 401 kohlensaures Ammon, Ammoniak, Kali, Natron und or- ganische Basen, ferner mit neutral reagirenden Salzen des Ammoniak und der organischen Basen, nicht aber mit den Neutralsalzen der unorganischen Basen. Eine Aufzählung der Stoffe, welche aggregirend wirken im Einzelnen, findet sich, gestützt auf frühere Untersuchungen) bei Bokorny, Aggregation (8. 463). Auf die Aggregation durch mechanische Ursachen bei Drosera kommen wir noch später zu sprechen. Was die Quantität der Stoffe betrifft, so weiss man, dass schon bei sehr niederer Concentration die Auscheidungen erfolgen und dass dies bei manchen Körpern, wie z. B. Ammoniak, Kali, Natron, bei höherer Concentration überhaupt nicht geschieht, auch wenn die Zelle durch diese Concentrationen noch nicht getödtet wird. Bereits vor- handene Ausscheidungen verschwinden bei Behandlung mit höher concentrirten Lösungen dieser Körper, auch z. B. die mit Coffein erzeugten. Auf die Ursache dieser Erscheinungen, ferner darauf, in wie fern niedere Concentrationen mehr körnchenbildend wirken, wie höhere, worauf B. so viel Gewicht legt, werden wir später bei Be- trachtung der Ballungen zu berücksichtigen haben. Welche Stoffe aber im Innern der Zelle die Reaction verursachen, ebenso die im engsten Zusammenhange damit stehende Frage, wie dies zugeht: ob wir es mit einer Fällung mit stofflicher Betheiligung ‘der aussen zugeführten Körper, oder ob wir es mit der Auslösung eines chemischen Vorgangs ohne oder .doch ohne nothwendige stoff- liche Betheiligung dieser Körper — was auch wieder auf melırerlei Weise denkbar ist — zu thun haben, dieser Kernpunkt der Bache ist noch nicht aufgeklärt. Wäre das erstere der Fall, d. h. entstünde eme chemische Ver- bindung des aussen zugeführten Körpers mit einem Unbekannten innerhalb der Zelle, so ist klar, dass durch die Bekanntschaft mit dem Kreise dieser Aggregationsreagentien die in Frage kommenden Körper sich auf gewisse Gruppen beschränken müssten. Freilich ist dabei zu bedenken, dass der Zellinhalt keine einheitliche Lösung ist und dass die den reagirenden begleitenden Stoffe recht wohl in irgend einer Richtung auf das Ausfallen Einfluss haben können. Ferner darf dabei nicht ausser Acht gelassen werden, dass in kleinen und bis zu einem gewissen Grade abgeschlossenen Capillarräumen noch Fällungen erfolgen, welche man im Reagensrohr zu erhalten sich vergeblich 1) Bokorny, Ueber d. Einwirkung bas. St. auf d. leb. Protopl. Prgsh. Ib. 19, 1888. 409 bemüht, wie Klercker‘) für die in einer mit Gerbstoff gefüllten Capillare durch Eindringen von kohlensaurem Ammon entstehenden Ausscheidungen fand. Das gleiche geschieht übrigens auch bein Eindringen von sehr verdünntem Ammoniak. Es ist demnach d.e Aeusserung L. und B.’s,?) „eine verdünnte Gerbstofflösung mit Ammoniak zu fällen, ist ganz unmöglich,* in dieser Allgemeinheit nicht richtiz. Ganz abgesehen davon, ob in den vorliegenden Fällen die folgend. Erklärung zutreffend sei, so ist eine derartige Erscheinung doch auf sehr einfache Weise zu erklären: Verbindungen, die durch geringen Ueberschuss nicht nur eines, sondern beider reagirender Stoffe ın Wasser leicht löslich werden, können nur bei vollständiger gegen- seitiger Bindung ausgefällt werden. Diese Vorbedingung wird durch /Zusammengiessen der Lösungen im Reagensrohr nur unter ganz be- stimmten, ohne Absicht kaum zu erhaltenden Voraussetzungen ver- wirklicht sein, während im Capillarrohr, welches, mit der einen Lösung gefüllt, in die andere gelegt wird, nur eine langsame Diffusion statt- findet und infolge dessen eine Zone vollständiger gegenseitiger Bindung ohne Ueberschuss des einen oder andern bestehen und dadurch eine Fällung erfolgen kann, wenn nur das Produkt in Wasser allein nicht löslich ist, oder wenn das Wasser mit dem Produkt übersättigt ist. Es ist also nicht zu behaupten, dass, wenn im Reagensrohr eine Fällung ausbleibt, dieselbe auch unbedingt im Capillarrohr ausbleiben müsse. In vieler Beziehung ähnliche Verhältnisse liegen bei der Bc- handlung von Zellen mit den Aggregationsreagentien vor und ich glaube, dass dem bei den Schlüssen über die Möglichkeit der oder jener Ausscheidungsweise Rechnung zu tragen ist. Es brauchen aber die Ausscheidungen gar nicht chemische Veı- bindungen der aussen zugeführten Körper mit dem oder den unbe- kannten im Innern der Zelle zu sein, es ist denkbar, dass von jeneı nur der Anstoss zu Umsetzungen im Zellraum ausgeht, dass sie aus- lösend wirken. Es würde dies bei der früher von Pfeffer?) erörterteı aber in Anbetracht einer Reihe von entgegenstehenden Thatsacheı als nieht zutreffend anerkannten Ausfällung durch Neutralisation der Fall gewesen sein. 1) 1. ce. 8. 42. 2) L. und B., Ueber d. Verh. v. Pflanzenz. zu stark verd. alkal. Silberlösung. Bot, Centralbl. 1889 S. 615. 8) Pfeffer, Ueber Aufnahme v. Anilinfarben in lebende Zellen. Tübinger ‚Unters. II, 8. 289 £. 403 Es könnte aber auch, und auf diese Eventualität gründen L. und B. ihre Anschauungen, eine Auslösung durch chemische Contact- wirkung, wie sie die Chemie kennen gelernt hat, sein. Dafür lassen: sich, wie dies von L. und B. auch geschieht, die ausserordentlich geringen Concentrationen geltend machen, welche die Ausscheidungen veranlassen und welche in gar keinem Verhältnisse zu stehen scheinen zu der Wirkung, welche sie hervorrufen. Es wird von B. wiederholt das Beispiel von Drosera erwähnt, bei welcher nach Darwin schon 0,000482 mg kohlensaures Ammon genügen, „um, durch eine Drüse aufgesaugt, in allen Zellen desselben Tentakels Zusammenballung zu verursachen“ (Aggregation 8. 463 und auch 471). Nun verursacht aber bereits Contact bei Drosera Aggregation, was bei anderen als fleischfressenden Pflanzen nicht der Fall ist. Darwin äussert sich (Fleischfressende P’fl., Uebers. 5. 39) folgendermaassen darüber: „Aber da die Zellen eine unter der anderen einer Zusammenballung des In- halts unterliegen, wenn unorganische und unauflösliche Theilchen auf die Drüsen gelegt werden, so muss der Process wenigstens in diesen Fällen in einer von den Drüsen übermittelten molecularen Veränderung, unabhängig von der Aufsaugung irgend weleher Substanz, bestehen. Dasselbe kann auch möglicher Weise bei der Wirkung des kohlen- sauren Ammoniaks der Fall sein.“ So bei .Drosera. Bei Spirogyra aber und anderen Objeeten kommt bei so geringer Concentrafion wie sie Darwin in den Droserazellen. wirken sah, keine Aggregation zu Stande. B. gibt bier nur an (Aggregation 8. 471), dass cine Ammioniaklösung von 1: 100000 genüge, um den Spirogyren- inhalt zur Zusammenballung zu zwingen. Ich habe mich bemüht, die Reactionsgrenze für Coffein bei einer Spirogyra festzustellen und Folgendes gefunden: Mit einer Lösung von 1:2000 trat auf dem Objectträger noch starke Aggregation ein, ja selbst noch bei 1: 10000. Bei einer Concentration von 1: 100000 ° konnte ich nach einer Stunde auf dem Objeetträger noch keine Ausscheidungen beobachten, wohl aber waren solche erschienen bei solehen Spirogyren, die ich in eine grössere Quantität (etwa 20 cem) der Lösung gebracht hatte. Die Körnchen waren äusserst fein und verliehen den Zellen ein trübes Aussehen. In Lösungen von 1:500000 und 1:1000000 konnte ich weder nach zwei Stunden noch nach Tagen eine Einwirkung beobachten. Für Azolla liegt nach Pfeffer die Reactionsgrenze oberhalb 0,003°/ Ammoncarbonat.!) 1) Pfeffer, Ueher Aufn. von Anilinfarben ete. 'Tüb. Unters. II. S. 241. 27 404 Aus diesen Thatsachen geht hervor, dass die Reagentien bei Drosera eine andere Rolle spielen, wie bei Spirogyra, Azolla ete., bei welchen der Gehalt nicht unter eine gewisse Concentration sinken darf, um noch eine Wirkung hervorzubringen.') Jedenfalls wäre es erwünscht, in ausgedehnterer Weise die Re- actionsgrenze der verschiedenen Stoffe zu wissen, wie das bisher der Fall ist, sowie ob und welche Verschiedenheiten sich bei verschiedenen Concentrationsgraden zeigen. Was man bis jetzt davon weiss, ist unzureichend. Wenn B. behauptet (Aggregation 8. 471), „dass es für den Effeet gleichgiltig ist, welche Menge von Ammoniak man verwendet“ und fortfährt „die Ballung tritt mit gleicher Stärke ein, ob man Lösung 1:20000 oder 1:5000 anwendet (ein pro mille oder einprocentige Lösungen sind mitunter schon weniger günstig, weil durch sie der reagirende Stoff schon theilweise jene Umwandlung zu erleiden scheint, welche er auch durch andere Mittel, Zellen zu tödten, erfährt)“, so liegt darin ein so offenbarer Widerspruch, wie er in zwei auf einander- folgenden Sätzen kaum verständlich ist. Fünf Seiten vorher (8. 466) wird übrigens, um die gleiche Sache — nicht Fällung, sondern Con- tactwirkung — wahrscheinlich zu machen, das Gegentheil als Grund angeführt: „Man könnte glauben, dass die in Rede stehende Kugel- bildung ein gewöhnlicher Fällungsvorgang sei; doch spricht dagegen die Thätsache, dass die Kugelbildung um so reichlicher eintritt, je geringer die Concentration der alkalischen Lösung ist. Ammoniak- Lösung 1:5000 wirkt günstiger als Lösung 1: 1000, letztere günstiger als einprocentige.“®) Das, was B. hier zuletzt sagt, ist richtig. Zwar sind gerade bei Ammoniak die Unterschiede erst innerhalb grösserer Stufen deutlich, sie treten aber bei Coffein z. B. sehr deutlich hervor. Das scheint mir aber gegen eine Contaetwirkung und für eine Fällung zu sprechen, da doch bekannt genug ist, dass je nach der Coneentration, in der man ein Reagens der Lösung eines mit diesem reagirenden Körpers zusetzt, der Niederschlag nach Consistenz und Vertheilung verschieden ausfällt. Inwiefern der Umstand, dass Aldehyde unter Umständen einer Polymerisation fähig sind, hier eine Analogie finden könnte, wurde bereits berührt. Es kann nicht energisch genug dagegen protestirt werden, dass mit dem, was B. selbst an einer Stelle, wo es sich um 1) Pfeffer, ebenda 8. 244, 2) Vgl. auch Bot. Öentralbl, 1889 8. 614, 405 genaue Präcisirung des Ergebnisses handelt, nur für „wahrscheinlich*® zu erklären sich veranlasst sieht (Aggregation 8. 465), allgemein wie mit einem ausser Zweifel stehenden Factor gerechnet wird. * * * L. und B. haben die Aggregation für eine „echte Lebensreaction“ erklärt.) Thatsächlich ist sie bei zuvor getödteten Objecten nicht mehr zu erhalten. Es fragt sich: inwiefern ist das Leben bei dem Zustandekommen nothwendig? Wir wollen dies zunächst für die Aus- scheidungen im Zellsaft festzustellen versuchen. Die Vacuolenwand spielt bekanntlich für viele Stoffe die Rolle einer trennenden Schranke, während sie für andere Stoffe durchlässig ist. Es braucht die Reaction also nur insofern die Erhaltung dieser Schranke vom Leben abhängig ist, also nur mittelbar vom Leben der Zelle abzuhängen und es ist nicht gesagt, dass, wenn wir nur diese Schranke zu erhalten oder durch irgend eine andere zu ersetzen ver- möchten, die Ausscheidung nicht ungehindert eintreten würde. Das Leben würde in diesem Falle also nur aus rein mechanischen Ursachen für das Zustandekommen der Ausscheidungen maassgebend sein. Ist der reagirende Stoff im Augenblicke des Fallens der Schranke schon da, so darf man alsdann erwarten, dass die Reaction im Zellsaft auch noch zu Stande kommt; ist er aber nicht da, so wird es ganz auf die Diffusionsfähigkeit der im Zellsaft vorhandenen Körper an- kommen, wie lange noch Reaction eintritt. Diffundiren die Körper rasch nach aussen, so können schen nach wenigen Augenblicken die früher im Zellsaft vorhandenen Stoffe das coagulirte Protoplasma im- prägniren oder bereits je nach Eigenschaften und Menge auch in Zell- wand und umgebendes Medium eingedrungen sein. Ob dann noch das zugeführte Aggregationsreagens Ausscheidungen hervorzubringen vermag, ist schr zweifelhaft und von Umständen abhängig, welche mit dem Leben schlechterdings nichts zu thun haben. Wir dürfen also behaupten: Jeder im Zellsaft gelöste Körper, der rasch in die Umgebung (Plasma ete.) diffundirt oder wohl gar mit Stoffen in der Umgebung Verbindungen eingeht, wird, sobald die trennende Schranke — die innere Hautschicht des Protoplasmas — gefallen. ist, nur dann noch nachzuweisen sein, wenn das zum Nachweis dienende Reagens im Augenblicke des Absterbens zugegen ist, was bei den selbst 2) L. und B., Ueber d. Verh. v. Pilanz, zu stark verd. alkal. Silberlös. Bot, Dentralbl. 1889 S. 614, 27* 106 Tödtung herbeiführenden Reagentien ja stets der Fall ist, aber nicht; mehr, wenn die Zelle vorher abgetödtet wurde.") Mithin ist auch aus dem Umstande, dass die Aggregation in der todten Zelle ausbleibt, noch kein Grund für eine ausserordentliche Labilität des im Leben in Reaction tretenden Körpers herzuleiten. Dass bei den im Zellsaft erzeugbaren Ausscheidungen das Leben der Zelle in der That nur insofern im Spiele ist, als während des Lebens die innere Hautschicht die Stoffmischung im Zellsaft aufrech: erhält, lässt sich daraus erkennen, dass sie beim plötzlichen Tödtenı im Augenblicke des Absterbens thatsächlich noch erzeugbar sind, Plasmolysirt man nämlich (z. B. bei Spirogyra, Echeveria ete,) mis; einer Coffein (1/0) enthaltenden Salpeterlösung (10%), so tritt zunächs:; keine Aggregation ein. Es geschieht dies erst nach längerer Zeit, wenn nämlich das osmotische Gleichgewicht erreicht ist, weil ers; dann ein Diffusionsstrom von aussen nach innen möglich ist. Mach; man aber die Plasmolyse plötzlich rückgängig — es genügt schon ein: geringer Wasserzusatz —, so platzt in vielen Zellen der Plasmaschlauch, oder wenn dieser bereits bis auf die innere Hautschicht abgestorben war, diese, und in demselben Maasse, als sich jetzt der Zellsaft mi: der Aussenflüssigkeit mischt, sieht man die Ausscheidungen auftreten ! Für etwaige Ausscheidungen im Plasma aber ist es noch viel verständlicher, dass dieselben nach dem Tödten und der damit ver- bundenen Coagulation desselben ausbleiben. Nach alledem ist der Werth des Umstandes, dass die Aggregation: eine Lebensreäction ist, für den Nachweis, dass der reagirende Körper ein durch ausserordentliche Labilität ausgezeichnetor Stoff sein müsse, entschieden in Abrede zu stellen. Für die Silberabscheidung aus stark verdünnter alkaliseher Lösung aber folgt daraus, dass, da dieselbe nur erfolgt, insofern durch die Alkalien der Lösung Aggregation verursacht wurde, diese mit dem. Leben unmittelbar nichts zu thun hat. i Wie Bokorny? selbst beschreibt, tritt auch die Silberreduktion 1) Ein Beispiel hierfür finde ich bei L. und B. selbst in „Die chem. Kraft- quelle im lebenden Protoplasma*, wo es 8.44 heisst: „Es ist nın bei dieser Eisen- vitriolreaetion bemerkenswerth, dass sie bei zeringen Gerbstoffmengen nicht meh” eintritt, wenn der Gerbstoff bereits mit dem Eiweiss der Zelle sich verbunden hat, wie es bei todten Zellen der Fall ist“ ete. 2) Pringsh. Ib. Bd. 18.8. 197, 199, wo es heisst: „Man kann also nicht sagen, die lebenden Zellen scheiden das Silber ab; denn die Functionen, aus denen sich das Leben zusammensetzt, sind grüsstentheils schon zerstört, wenn die Silberabscheidung noch fortgeht.* 407 erst längere Zeit nach dem Einlegen in die alkalische verdünnte Silberlösung ein, wenn das Protoplasma bereits abgestorben ist. Alles das weist darauf hin, dass die Ausscheidungen zur Reduktion befähigt sind, nicht, weil in ihnen besondere chemische Spann- kräfte, wie sie nur im Leben in der Zelle vorhanden sind, aufrecht erhalten geblieben wären, sondern des- halb, weilsie durchden Ausscheidungsvorgang in con- centrirtem und localisirtem Zustande erhalten, an der Diffusion verhindert werden. * * * Was die Lage der Ausscheidungen in den Einzelfällen anbetrifft, so sind wir über dieselbe durchaus noch nicht so genau unterrichtet, wie es wünschenswerth wäre. Die Angaben B.’s in dieser Beziehung bedürfen einer Controle, sie beruhen auf zu unkritisch angestellten Beobachtungen. Jedenfalls ist die Entscheidung über den Ort der Entstehung nicht methodisch getroffen, in den meisten Fällen wohl nur nach dem Augenschein, allerdings bei einigen Objecten wenigstens unter Berücksichtigung gewisser Kriterien. Es ist dies für die Lagerung im Plasma (Aggregation, Prgsh. Jahrb. 20, 8. 442/43): „1. Unbeweg- lichkeit eines Theils der Granulationen, 2. Vertheilung dieser in der Fläche eines Cylindermantels, 3. die Erscheinung, als ob die Körnchen an den senkrecht stehenden Wänden besonders dicht lägen“. Alle diese Momente sind indessen für eine objeetive Lösung der Frage nach dem Orte zu unsicher. Denn wenn die Ausscheidungen des Jellsaftes der Vacuolenwand anliegen, so lassen sofort alle drei im Stich, wie man an Objecten, bei denen nachweislich ausschlieslich im Zellsaft Ausscheidungen entstehen, wahrnehmen kann. Für einige Fälle kann ich mit Bestimmtheit behaupten, dass B. sich geirrt, so bei den Crassulaceen, wie bereits erwähnt. Ich hälte es auch nicht für unmöglich, dass es sich bei genauer Untersuchung herausstellen könnte, dass die Ausscheidungen noch in manchen anderen Fällen ausschliesslich im Zellsaft entstehen und nicht im Plasma oder in beiden zugleich. Der Weg, welcher für die Ermittelung der Lage sicher zum Ziele führt, ist sehr einfach der, Aggregation zu erzeugen und dann die Präparate mit stark plasmolytisch wirkenden Lösungen zu behandeln. Es tritt dann bekanntlich je nach Concentration und mancherlei Neben- umständen früher oder später bei manchen Zellen ein Absterben des Plasmas bis auf die innere Hautschicht (Vacuolenwand) ein, wie 408 De Vries zuerst zeigte. Man kann alsdann deutlich unterscheiden, was in dem destruirten Plasma liegt und was in der noch geschlossenen Vacuole. Zu beobachten ist dabei, dass man sich vergewissert, dass nicht etwa kleinere Theilvacuolen geplatzt sind und ihren Inhalt dem absterbenden Plasma zugesellt haben.) Diesen Weg hat B. bei Spirogyra verfolgt (Aggregation $. 443) und kommt zu dem Ergebniss, dass hier sowohl im Plasma wie im Zellsaft Ausscheidungen gelegen sind, was ich bei den daraufhin angestellten Versuchen bestätigt fand. Ausschliesslich im Zellsaft liegen die Ausscheidungen bei den Crassulaceen, Nymphaea, Rosa, (Quercus, den Wurzeln von Azolla, Euphorbia peplus. Il. Vergleichende Charakteristik der Ausscheidungen. Gemeinsames. — Besonderlieiten bei den fleischfressenden Pflanzen. — Unterschiede der Ausscheidungen bei anderen Pflanzen. — Nichtberechtigung der Identificirung. Eine der Hauptaufgaben auf dem Wege zur Erforschung vor. Ursache und Wesen der Aggregationsvorgänge muss natürlich sein, die stoffliche Zusammensetzung der ausgeschiedenen Masser. zu ergründen. Hierbei ganz besonders gilt es, sich vor verfrühter. Verallgemeinerungen zu hüten. Allerdings, wenn man mit einer Reihe von Stoffen bei einer Reihe von Pflanzen im Innern von Zellen ähnliche Ausscheidungen erhält. so liegt der Gedanke nahe, dass auch in allen Fällen derselbe oder dieselben Körper als innere Ursache im Spiele sind. Aber sicher ist dies von vornherein doch keineswegs. Es ist das erst zu erweisen. Denn zunächst sind die Ausscheidungsvorgänge doch nur etwas Aeusser- liches, Formelles. Es ist also die nächste Aufgabe, überhaupt fest- zustellen, ob der Charakter der Ausscheidungen, soweit er dem Studium der physikalischen und chemischen Eigenschaften zugänglich ist, nicht vielleicht schon sich als verschieden erweist, ganz abgesehen von der Berücksichtigung irgend eines bestimmten darin vermutbeten oder nach- gewiesenen Körpers und falls sich Verschiedenheiten ergeben, zu ermitteln, ob diese wesentlich oder unwesentlich sind. Den Hauptgrund für die Berechtigung, alle diese Bildungen im Wesentlichen für identisch erklären zu dürfen, sieht B. in der ge- 1) Näheres hierüber m Pfeffer, Ueber Aufnahme und Ausgabe ungelöster Körper. Abh. d. königl. süchs. Gesellsch. d. Wissensch. Bd. XVi. Nr. IL. 8. 166. 409 meinschaftlichen Entstehungsursache und in dem allen gemeinsamen Silberabscheidungsvermögen. In der That sind dies auch Gründe, welche dafür sprechen und welche einer Dis- cussion werth sind, da sie auf sicheren Thatsachen beruhen. Doch sind beide auch nicht zu überschätzen, denn einestheils sind jene basischen Stoffe keine schwer reagirenden Körper und für das Silber- abscheidungsvermögen fehlt uns die Erfahrung, ob dasselbe unter den in der Zelle obwaltenden Verhältnissen nur einem bestimmten Körper, oder doch einer bestimmten Körpergruppe zukommt. Es ist das gar nicht so sicher, da Silber bekanntlich kein schwer redueirbarer Körper ist.) Bei der Aufnahme und den Niederschlägen von Methylenblau ist es gewiss, dass mehrere Stoffe das gleiche bewirken und etwas Ana- loges könnte auch bei der Silberabscheidung durch die Aggregationen vorliegen. Wenn wir diese Fähigkeit gewisser Stoffe in der Zelle in Be- tracht ziehen, mit den in sehr verdünnter Lösung die Zellen um- spülenden Stoffen unter Festlegung der Produkte an Ort und Stelle zu reagiren, so dass eine allmähliche Anreicherung entsteht, so ver- liert übrigens auch das Silberabscheidungsvermögen an Wunderbarkeit. Denn es ist klar, dass der Stoff, welcher in den ausgeschiedenen Kügelchen enthalten ist, keine niedere, sondern im Gegentheil eine sehr hohe Concentration haben wird — welcher Stoff es auch sem möge und ob es nun solide festweiche Kügelchen oder Flüssigkeits- blasen sind. Sind diese Ausscheidungen nur einmal entstanden — und sie entstehen auch durch das in der L.-B.’schen Lösung enthaltene Alkali —, so kann der die Ausscheidungen bildende oder auch nur ein in den- selben enthaltener Körper durch allmähliche mit einer Ansammlung des abgeschiedenen Silbers an Ort und Stelle verbundene Reduction die Versilberung bewirken. Liegt die Sache so, so würde auch die Silberabscheidung aus so verdünnter Lösung wie sie L. und B. an- wandten — 1:1000 ist übrigens relativ gar keine so niedrige Con- centration —, nichts Wunderbareres an sich haben, wie die bekannte Aufnahme und Bindung von Anilinfarbstoffen ,) wie des Methylen- 2) Vel. Baumann, Ueber den von OÖ. Loew und Th. Bokorny erbrachten Nachweis v. d. chem. Ursache des Lebens. Pflüger's Archiv £. Physiol. 1882, S. 414. 2) Pfeffer, Ueber Aufnahme von Anilinfarben in lebende Zellen. Tübinger Unters. II. 410 blaus, welche sich ebenfalls in ausgezeichneter Weise in den vorher etwa durch Coffein, Ammoncarbonat ete. erzeugten Aggregationen erhalten lässt.') * Wie schon mehrfach berührt, zeigen die Ausscheidungen bei Drosera und den fleischfressenden Pflanzen der Beachtung werthe Besonderheiten hinsichtlich der Consistenz, ferner der Lösungser- scheinungen, sowie auch der Entstehung. Die Ausscheidungen bei derı meisten entstehen fast augenblicklich, auch noch "bei schr schwachen Concentration des zugeführten Reagens. Sie stellen nach Allem, was jetzt darüber bekannt ist, von einer Niederschlagsmembran umgebene Flüssigkeitskugeln dar. Wie aus der verschiedenen Schnelligkeit, mi; der sich die zusammenfliessenden Massen wieder zur Kugel abrunden, hervorgeht, ist zwar auch die Consistenz der Flüssigkeit in den Blaser. verschieden, je nach Objeet, sowie Concentration und Art des bei der Erzeugung angewandten Stoffes, aber sie sind doch höchstens zäh- flüssig. Auch lassen sie sich bekanntlich durch Auswaschen der Präparate nach Willkür in kurzer Zeit wiederholt zum Verschwinder. bringen und wiedererzeugen. Anders bei Drosera, wo ja die Aggregation schon dureh andere Mittel (Contact) zu erreichen ist, die bei den übrigen überhaupt nicht wirken und durch geringe Spuren der bei anderen nur in höheren Concentrationen wirksamen Stoffe. Ferner besitzen sie gleich von Anfang an eine sehr zähe Oonsistenz, wie aus der langsamen Ver- einigung und ganz allmählich verlaufenden Abrundung aneinander- stossender Kugeln hervorgeht, und nehmen später sogar noch festere Consistenz an, sie werden brüchig, da sie, wie schon Darwin und De Vries beschreiben und abbilden, beim Zerdrücken Klaffende Risse bekommen. Schliesslich sind auch ganz frische Ausscheidungen durch Auswaschen nicht sofort wieder löslich, wie ich aus eigenen Experimenten ersah. Auch Darwin beobachtete (Insektenfr. PA. 8. 47) an cinem Blatte, in welchem durch 24stündiges Liegen in kohlen- saurom Ammon Aggregation eingetreten war und welches nun ge- 1) Ob man von einer Speicherung sprechen darf, hängt ganz davon ab, wie man den Begriff „Speicherung“ fasst. Beschränkt man ihn auf die Anhäufung eines Körpers ohne chemische Veränderung, also auf einen rein physikalischen Vorgang, so ist man im vorliegenden Falle nicht berechtigt, von einer Speicherung zu sprechen, . nur wenn man den Begriff weiter fasst und nicht ausschliesst, dass auch chemische Umsetzungen dabei im Spiele sind, 411 waschen und in Wasser gethan wurde, erst nach 3 Stunden 15 Min. Zeichen der Wiederauflösung, erst nach 24 Stunden war in einigen Zellen die Wiederauflösung vollendet. Auch schreitet, wenn der Anstoss zur Ballung durch kohlensaures Ammon — ich verwendete eine 1%%-Lösung — einmal gegeben ist, trotz des Auswaschens des- selben nach nur wenige Minuten andauernder Einwirkung der Process ruhig fort. Die Unterscheidung, welche De Vries macht!) zwischen Ammon- carbonaffällung und eigentlich physiologischer Aggregation, trägt den thatsächlichen Verhältnissen, die allerdings wohl noch erneuter Studien bedürfen?) und gar nicht so einfach sind, weit mehr Rechnung, als der Versuch B.’s (Aggr. S. 433), Alles im Wesentlichen zu identificiren. Wie der chemische Vorgang der Aggregation sich im Einzelnen abspielt, wissen wir bis jetzt nicht. Es kann ja schliesslich auch hier ein sehr einfacher den übrigen analoger Fällungsvorgang sein, nur dass hier die reagirenden Stoffe schon in der Zelle vorhanden waren, aber unter Verhältnissen, die erst durch einen von aussen kommenden Reiz so umgestaltet werden, dass eine Reaction eintritt.?) Es galt nun noch zu untersuchen, ob unter den übrigen Objecten Einheitlichkeit im Charakter der Ausscheidungen herrsche oder ob sich auch hier wesentliche Verschiedenheiten ergeben, die uns Anhalts- punkte dafür geben, dass in verschiedenen Objecten vielleicht ver- schiedene Stoffe die Ursache der Entstehung sind. Der Weg, welcher eingeschlagen wurde, ist folgender: Es wurde, da die der Aggregation fähigen Zellen fast alle Methylenblau speichern, untersucht, ob nach erfolgter Methylenblaufällung in demselben Object bei Behandlung mit Ammoncarbonat überall keine Fällung mehr eimtritt, ob sie ein- ander also überall gegenseitig ausschliessen, oder ob es nicht auch 1). De Vries, Ueber Aggreg. im Protopl. von Drosera rotundifolia. Bot. Ztg. 1886 3.3. 2) Auch nach den Arbeiten von Darwin und De Vries lieren die Ver- hältnisse noch nicht vollständig klar und bedürfen einer Controle. Besonders die Darstellung von De Vries leidet darau, dass sie unter dem Einfluss der Tono- plastentheorie steht und es infolge dessen erscheint, als ob der Ballungsvorgang von der Vacuolenwand als aetivem selbständigen Organe ausginge. Eine Contraction und Theilung der Vaenolen findet ja statt, aber sie ist jedenfalls passiv, ist die Folge einer Quellung des Protoplasmas, die bei der Reizung der 'T'entakel in den Zellen eintritt auf Kosten des Saftraumes. Besonders auch die Beziehung zwischen Ammon- carbonatfällung und eigentlicher physiologischer Aggregation, die De Vries mit Recht unterscheidet, verdient noch näheres Studium. 3) Pfeffer, Anilinfarbst. S. 244. 413 Objeete gibt, bei welchen noch mit Ammoncarbonat Ausscheidungen erzeugbar sind, nachdem vollständige Fällung der Methylenblauver- bindung und damit Hand in Hand gehende Entfärbung des Zellsaftes stattgefunden. War die eine Reaction noch erzeugbar, wenn die andere eing>- treten, so war damit erwiesen, dass nicht in allen Fällen der- selbe Stoff im Innern die Ursache der Ausscheidungen ist. Es hat sich nun herausgestellt, dass thatsächlich Aggregation — ur.d sogar ausserordentlich massige — erzeugbar ist, auch wenn keine M.- thylenblauspeicherung stattfindet, oder wenn das zuerst im Zellsaft gespeicherte Methylenblau bereits vollständig mit anderen Stoffen in Gestalt körniger Massen ausgefallen ist. Es war dies bei allen unte:- suchten Spirogyren der Fall. Die Versuche wurden folgendermaassen angestellt: In Methylen- blaulösung von Concentrationen zwischen 1:100000 und 1:800000 wurden verschiedene Spirogyren gebracht, je nach der Concentration nur wenige Minuten bis mehrere Stunden. Es lagen mir zumeist solel:e Objeete vor, welche wenig Gerbstoff enthielten und den Farbstoff im Zellsaft — vielleicht infolge dessen — gar nicht, oder nur sehr schwach speicherten. Dem entsprechend schieden sich auch nur wenig oder gar keine blauen Körnchen aus. Nach Behandlung mit Ammon- carbonat oder Coffein — es wurde meist eine 0,5%-Lösung ange- wendet — aber erfolgte eine ausserordentlich starke Ausscheidung, ebenso stark wie in nicht mit Methylenblau behandelten, ganz wie dies auch bei den nach L. und B.’s Methode?) gerbstofffrei gezüchteten Spirogyren der Fall ist. In anderen — und wohl den meisten — Fällen dagegen findet cin strenges gegenseitiges Ausschliessen statt. Sind die Methylenblau- fällıngen eingetreten, so vermag Coffein etc. keine neuen Ballungen hervorzurufen. So bei Azolla, Quercus, Josa, sowie gewissen Zellen in fast allen Theilen von Nymphaea alba, welche durch rotlien oder violetten Zellsaft ausgezeichnet sind und Methylenblau so lebhaft speichern, dass die ursprüngliche Färbung kaum mehr wahrzunehmen ist. Der Stoft, welcher bei Spirogyra die Ausscheidungen hervorruf;, kann also bei den zuletzt besprochenen Objecten nicht vorhanden seir. Es sind mithin nicht in allen Fällen dieselben Körper die Ursache der Ausscheidungen. Ein Zusammenwerfen der 1) L. und B., Ueber d. Verh. v. Pflanzenz. zu stark verd. alkal. Silberlös. IT. Bot. Centralbl. 1889 S. 370 und Versuche üb. akt. Eiweiss für Vorl. und Praktikun.. Biol. Centraibl, 1891. Separatabdr. 8. &. 413 Aggregationsvorgänge, wie es B. in seiner Arbeit „Ueber Aggregation“ thut, ist also, wenn man die Ursache dabei im Auge hat, nicht be- rechtigt, man muss vielmehr, um vor den Folgen vorzeitiger Ver- allgemeinerungen geschützt zu sein, sich von Fall zu Fall über die Art des Vorgangs und der betheiligten Stoffe Klarheit verschaffen. Will man also die Uebertragung des Namens „Aggregation“ von Drosera und den fleischfressenden Pflanzen, für welche derselbe durch die Bezeichnung Darwin’s historisches Recht hat, anerkennen, so bezeichnet dieser Name nicht mehr eine bestimmte Reaction derselben ‘Körper, sondern nur reinäusserlichähnliche Ausscheidungs- vorgänge und die Produkte derselben, die das gemeinsam haben, dass sie durch dieselben basischen Stoffe hervorgerufen werden können. Dann könnte man schliesslich auch noch weiter gehen und über- haupt jede Art von Fällung zuvor gelöster Stoffe in der Zelle, gleichviel welcher chemischen und physikalischen Beschaffenheit, mit dem Namen belegen. Es würden dann auch die Anilinfarbstoffausscheidungen in ‚der Zelle mit vollem Rechte den Aggregationsvorgängen zuzuzählen sein. IV. Die in den Ausscheidungen nachgewiesenen Stoffe und ihre Rolle. Aufzählung. — Betheiligung von Fett (Leeithin) — von Eiweiss — von Gerbstoff. — Rolle derselben, insbesondere des Gerbstofls als Ursache. Ein wichtiger Schritt, um die Ursache der Ausscheidungen zu er- mitteln, war natürlich die Erforschung der stofflichenZusammen- setzung der Ausscheidungen selbst. Nach den bisherigen Angaben wären Eisweiss, Gerbstoff und Fett (Leeithin) die Stoffe, welche in den Ausscheidungen gefunden wurden. Auch gehen bekanntlich die häufig im Zellsaft gelösten Farbstoffe regelmässig mit in dieselben ein. Dem kann ich noch hin- zufügen, dass auch Phlorogluein sich bei gewissen Objeeten, näm- lich den Örassulaceen, in denselben findet, wie sich bei Behandlung mit dem Lindt’schen Reagens,!) einer alkoholischen Lösung von Vanillin in Salzsäure, leicht zeigen lässt. Was den Gehalt an Fett (Leeithin) betrifft, so darf man diesen wohl in Frage ziehen, da die von L. und B. zum Nachweis ange- wandte Reaction durch Iproc. Ueberosmiumsäure nicht eindeutig ist. 1) Th. Waage, Ueber d. Vorkommen u. d. Rolle des Phloroglueins in der Pflanze. Ber. d. deutsch. bot. Ges. 1890 S. 250. 414 Dieser Einwand ist um so mehr berechtigt, als in sehr vielen Fällen die Gegenwart von Gerbstoff in den Ausscheidungen erwiesen ist, durch welche bekanntlich auch eine Schwärzung mit Ueberosmiur - säure) eintritt. Der Eiweissgehalt der Ausscheidungen ist einer der am meisten kritischen Punkte. Die Eiweissreactionen sind ja an sich schon kritisch für mikrochemische Zwecke, weil sie ohne Ausnahme die Structur der Zellen stark zerstören und häufig durch andere in der Zelle befindliche Stoffe, wie z. B. Gerbstoff, in ungünstiger Weise beinflusst werden.) Es werden dann auch in vielen Fällen. unsere Ausschei- dungen zerstört und dadurch die Unterscheidung und Bestimmun; unmöglich gemacht. Bei Drosera zeigen die Aggregationen mit Millon’s Reagens starke Farbenreactionen, aber es ist nicht die typische rothe Farbe, welche man erhält, sondern ein mehr oder weniger dunkles Braun, welches mehr ins Gelbe als ins Rothe spielt und die grösste Inten- sität in den Zellen des Köpfchens der Tentakeln besitzt. Auch nacı Extraction mit Wasser von Siedetemperatur tritt keine andere Färbung ein, nur die Intensität ist geringer. Dass die Gelbfärbung mit Jod nicht entscheidend ist, braucht wohl nicht mehr weiter erörtert zu werden. Wenn wir ohne Vorurtheil die Frage beantworten wollen, wie es mit dem Nachweise von Eiweissstoffen bei Drosera steht, so müssen wir eingestehen, dass derselbe bis jetzt nicht geführt ist, mag nun thatsächlich Eiweiss darin sein, oder nicht. Wir wissen es eben nicht. Nach den Versuchen, die ich an Spirogyra anstellte, habe ich mich von der Betheiligung von Eiweiss nieht überzeugen können. Mit Millon’s Reagens, welches auch die frischen Ausscheidungen nicht zerstört, habe ich nie die typische Farbe erhalten, auch nicht, wenn sie gerbstoffarm waren. Zucker und Schwefelsäure (Raspail’sche Reaction), sowie heisse alkalische Kupfersulfatlösung (Biuretreaction) zerstören die Ausscheidungen. Die in vielen Fällen zu beobachtende Löslichkeit der Ausschei- dungen in Alkohol — nur bei älteren bleibt häufig ein hautartiger Rest —, das Ausbleiben der Coagulation bei Einwirkung höherer Temperaturen sprechen direct gegen eine allgemeine Betheiligung von Biweisskörpern. 1) Gierke, Färberei zu mikroskopischen Zwecken S. 60. 2) Klercker, Studien über Gerbstoffvacuolen S. 39 und Pfeffer, Flors, 1889 S. 52. 415 Dass frisch mit Coiffein (0,5%) erzeugte Ausscheidungen beim Aufsieden in einem Tropfen der Coffeinlösung nicht coaguliren und sich in Alkohol lösen, habe ich bei Spirogyra-, Echeveria- und Sedum- Arten beobachtet. Auch Klerker (Gerbstoffvakuolen S. 39) berichtet, dass ihm der Nachweis von Eiweiss in Ausscheidungen mit Ammoncarbonat nicht gelungen und L. und B.!) geben selbst die Schwierigkeiten, diese Reaction mit überzeugender Deutlichkeit zu erhalten, zu. Es bedürfte jedenfalls weiterer speciell zu dem Zwecke und nach einer diesem angepassten Methode angestellter Untersuchungen, um zu entscheiden, wie weit eine Betheiligung von Eiweiss wirklich be- steht. Vor der Hand ist diese für die grosse Mehrzahl der Fälle problematisch. Als unbestritten muss dagegen gelten, dass die Ausscheidungen in den meisten Fällen einen Gehalt an &erbstoff haben, ja dass für viele Fälle Gerbstoff der einzige sicher in den Ausscheidungen nachgewiesene Körper ist (Azolla, Quercus, Rosa, Nymphaea u. a.). Die Frage aber ist, welche Rolle spielt derselbe? Verhält er sich rein passiv, wird er nur gespeichert, oder steht er in activem, ur- sächlichem Zusammenhang mit dem Zustandekommen der Ausschei- dungen, ist er überhaupt allein schon ohne Betheiligung anderer Körper im Stande, die Ausscheidungen zu veranlassen ? L. und B. erklären den Gerbstoff in allen Fällen für nebensäch- lich: „er wird einfach mitgerissen®. Meines Erachtens haben L. und B. sich zu einseitig auf das eine Object Spirogyra stützend, in welchem wir einen besonderen nicht überall verwirklichten Fall kennen gelernt haben, zu früh verallge- meinert. Es ist doch klar, dass das, was in dem einen Falle Neben- sache ist, in anderen Fällen Hauptsache sein kann. Gegen Gerbstoff als alleinige Ursache ist hauptsächlich geltend gemacht worden, dass man überall auch mit Ammoniak die Aggre- gation hervorrufen könne, Ammoniak aber gäbe ınit Gerbstoff in ver- dünnten Lösungen keinen Niederschlag, also könne er die Ursache nicht sein. Ferner ist die Löslichkeit der Ausscheidungen in con- centrirter Salzsäure als Grund gegen Gerbstoff angeführt worden, so- wie das Ausbleiben der Reaction in zuvor getödteten Zellen, ganz 1) L. u. B., Ueber d. Verh. v. Pflanzenz. zu stark verd. alkal. Silberl. Bot. Otribl. 1889 Nr. 89 8. 372. 2) L. u. B., Ueber d. Verh. v. Pflanzenz. zu stark verd. alkal. Silberl. Bot. Ctribl. 1889 Nr. 19 S. 615. 416 besonders aber ist ins Feld geführt worden, dass die Niederschläge die Silberreaction geben, während Gerbstoff nur eine Reduction zr. Oxydul”), die sich in einer Braunfärbung zu erkennen gibt, hervor- rufen soll, aber keine Reduction zu metallischem Silber. Ausser- dem sind noch eine Reihe anderer Gründe, warum Gerbstoff nich: die Ursache sein könne, vorgebracht worden. Es kann nicht meine Aufgabe sein, diese alle einzelnen zu. widerlegen, sie beruhen zum Theil auf der Nichtberücksichtigung der Verhältnisse in der Zelle, zum Theil auf der Verallgemeimerung der Verhältnisse bei dem von L. und B. am meisten untersuchten Objecte Spirogyra, zu welcher man un so weniger berechtigt ist, als hier besondere Verhältnisse obwalten. Es ist eine solche Widerlegung im Einzelnen auch überflüssig. da sich positiv erweisen lässt, dass die durch Einlegen in eine Coffein- lösung (0,5%) in einer mit Gerbstoff — ich experimentirte mit 1% und 0,5% — gefüllten Capillare entstehenden Ausscheidungen, dic übrigens ganz den Charakter der in vielen Zellsäften entstehenden haben, lebhaft wimmeln und sich zu grösseren Massen vereinigen. auch durch Wegwaschen der Coffeinlösung wieder verschwinden, sleichfalls Silberabscheiden, wenn man die Cappillaren nach- träglich in die bekannte Silberlösung A bringt. Eine Auflösung erfolgt nicht, da dies von dem Alkali der Silberlösung verhindert wird. Dass hier thatsächlich Silber abgeschieden wird und nicht nur eine Reduction zu Oxydul oder Oxyd stattfindet, gebt daraus hervor, dass Ammoniak und Salzsäure keine Veränderung hervorbringen. Es stimmt dies überein mit dem, was Pfeffer (Flora, 1889 5. 50) an den durch Ammoncarbonat in Gerbstoff in der Capillare erzeugten Ausschei- dungen fand. Bezüglich der Fällungen zwischen Tannin und Ammoncarbonat hatte bereits Klerker (Gerbstoffvaceuolen 8. 41 f.) gefunden, dass die Concentrationsgrenzen für die Reagirfähigkeit der Lösungen in der Capillare andere und zwar nicht so enge sind, wie im Reagens- rohr. Er ermittelte auch, dass die Concentration der Ammoncarbonat- lösung für die Wirksamkeit in der Capillare ebenso gering sein kann, wie z. B. bei Azolla. . Aehnlich bei Gerbstoff und Ammoniak. Von diesen geben nur eoncentrirtere Lösungen im Reagensrohr einen Niederschlag, in ver- dünnten ist keiner zu beobachten. 1) Silberoxydul (Ag4O) soll nach einer Angabe in Graham-Otto, Anorganische Chemie Bd. 4 S. 1710, überhaupt nicht existiren. 417 Anders in der Capillare. Als ich nämlich Gerbstofflösungen (0,5% und 1°%) in eine Capillare brachte und darauf mit Ammoniak von einer Concentration behandelte, welehe in Pflanzenzellen Aggre- gation erzeugte, erhielt ich einen Niederschlag, der freilich nur in einer allmählich sich verschiebenden Diffusionszone sich zu erhalten im Stande war. Es sagt dies, dass es nur auf das Verhält- niss der Stoffe zu einander ankommt, ob ein Niederschlag erfolgt, oder nicht. Die Sache dürfte so zu erklären sein, wie dies im Kap. II S. 402 dieser Arbeit auscinandergesetzt wurde für Fälle, in denen schon ein geringer Ueberschuss des einen wie des anderen der gegen einander reagirenden Körper eine Ausscheidung des Produktes ver- hindert. Es wird dann verständlich, warum überhaupt nur schr ver- dünnte Lösungen von Ammoniak und kohlensaurem Ammon geeignet sind, Ausscheidungen hervorzubringen. Auch stimmt damit sehr gut überein die geringere Beständigkeit der mit Ammoniak und kohlen- saurem Ammon erzeugten Niederschläge gegenüber den mit Coffein und anderen Alkaloiden erzeugten, denn die letzteren sind nur im Ueber- schusse des einen der reagirenden Stoffe, nämlich des Tannins, löslich. Die gegen die Möglichkeit einer ursächlichen Betheiligung von Gerbstoff geltend gemachten Gründe können diesen positiven Ergeb- nissen gegenüber nicht beweiskräftig sein. Verschiedenheiten des Verhaltens gegen nachträglich darauf wirkende Reagentien können bis zn einem gewissen Grade durch Stoffe, welche beim Ausfällen mitgerissen oder gespeichert wurden, bedingt sein. So werden z. B. die mit Coffein erzeugten Tannninausscheidungen durch Spuren von Ammoniak. wenn nicht unlöslich, so doch weit schwerer löslich, die gleiche Eigenschaft, welche auch den Ausscheidungen in den leben- den Zellen zukommt. Die Eigenschaft, durch Spuren von Jod un- löslich zu werden, theilen die Coffein-Tanninniederschläge gleichfalls mit denen in der Zelle. Es steht also thatsächlich der Annahme, dass ein Mödus der Aggregation Gerbstoff zur Ursache haben kann, nichts Gewichtiges gegenüber. Bei der grossen Reagirfähigkeit der ausgezeichnete Aggregations- reagentien abgebenden Alkaloide mit Gerbstoff wäre für diese wenigstens 1) Gleiche 'Theile Tanninlösung 1%/, und Coffeiul. 0,5 %/, gaben einen Nieder- schlag, der sich bei Verdünnung durch Wasser auf etwa das 30fache löste, im 50fachen des mit Ammoniak versetzten Wassers dagegen war noch vollständige Trübung vorhanden. Dieselbe verschwand jetzt erst bei starkem Zusatz von Ammoniakliquor, 418 ein Ausbleiben der Reaetion in Zellsäften mit hohem @erbstoffgehalt im höchsten Grade befremdend. Nur das Nichteindringen würde eine Erklärung dafür abgeben. Dass ein Eindringen stattfindet, geht aus den Kap. II 8. 406 beschriebenen Experimenten hervor. Uebereinstimmung mit den bei Tannin mit dem Aggregations- reagentien zu erhaltenden Auscheidungen herrscht bei Azolla, Quer- cus, Rosa, Nymphaea, den Crassulaceen, so dass man hier vollberechtigt, ist, in dem Ausscheidungsvorgange im Wesentlichen eine Gerbstof- reaction zu erblicken. V. Physiologische Bedeutung der Ausscheidungen. — Rückblick. Physiologische Bedeutung. Dem was über die Abhängigkeit der Aggregationsvorgänge vom Leben bereits erwähnt worden ist (IL. 8. 405 f.) habe ich nur noch hin- zuzufügen, dass Chloroformiren bei Spirogyra und den Orassulaceen ohne Einfluss auf das Zustandekommen der Ausscheidungen ist. Die Ob- jeete hatten bei den daraufhin angestellten Experimenten 5—10 Minuten in halbgesättigtem Chloroformwasser gelegen ehe sie mit den Aggre- gationsreagentien behandelt wurden. Jn die Bedeutung der Ausscheidungsvorgänge für das Leben der Zelle lässt sich vor der Hand noch kein Einblick gewinnen. Nur so viel lässt sich schliessen, dass die Bindung, welche die Stofle im Innern der Zelle durch die Ausscheidung erleiden, von grosser Tragweite für das Leben der Zelle nicht sein kann, abgesehen von den Vorgängen bei den fleischfressenden Pflanzen. Wo es Gerbstoff ist, wäre das ja.nach den herrschenden Aı- schauungen über die Bedeutung desselben ohne Weiteres einleuchtend. Aber auch in den Fällen, wo Gerbstoff unwesentlich ist, wie bei Spiro- gyra, wirft der Umstand, dass die Objecte, wie B. angegeben‘) und w.e ich bestätigt fand,) wochenlang lebensfähig bleiben, ja fortwachsen können, ein bemerkenswerthes Schlaglicht auf die Sache, welches für DL. u B. Versuche über aktives Eiweiss für Vorlesung und Praktikum. Biol. Ctrbl. 1891 Bd. 11, Separatabdruck 8. 10. 2) Ich verwendete Knop’sche Nährlösungen von 1/g/yg und 1/49 Salzgehalt und einem Coffeingehalt von 0,019/, und 0,0019/,. Nach mehreren Wochen waren auch in den jungen zugewachsenen Zellen Ausscheidungen vorhanden. Die Lösung wirkten auf neuerdings hineingebrachte Objeete noch Ausscheidungen erzeugend. 419 einen grossen Werth des ausgeschiedenen Körpers — was für ein Körper es auch sein mag — für den Haushalt der Zelle nicht spricht. Es ist nach den jüngst dargelegten Anschauungen L. u. B.’s zwar nur der Vorrath, der noch nicht organisirte Theil des aktiven Albu- mins, welcher in Ballung tritt. Da aber dasselbe stets als nicht or- ganisirtes entstehen soll, dieses aber durch die Reagentien sogleich festgelegt werden würde, so würde die Consequenz sein, dass die Spirogyren ohne aktives Eiweiss nicht nur leben, sondern ohne Neubildung von Eiweiss sogar wachsen können! Ein grösserer Widerspruch ist kaum denkbar und es ist wohl über- Hüssig, ein weiteres Wort darüber zu verlieren. Rückblick. Was man „Aggregation“ genannt hat, ist nur die Äusserlich ähn- liche Erscheinung verschiedenartiger Vorgänge. Die Aggregation bei Drosera und den fleischfressenden Pflanzen ist besonderer Natur und nicht, wie dies B. gethan hat, mit den Vor- gängen bei anderen Pflanzen zusammen zu werfen. Es coincidiren hier, wie De Vries zeigte, bei Behandlung mit basischen Stoffen zweierlei Vorgänge, von denen der eine auch durch andere Mittel, wie z. B. durch Contact, ausgelöst werden kann. Es bestätigt sich, dass, wie L. und B. für Spirogyra feststellten, Gerbstoff, wenn vorhanden, nur nebensächlich sein kann, da auch bei Bindung desselben durch Methylenblau oder bei künstlich gerbstoff- frei gezüchteten Objeeten Ausscheidung eintritt, also ein anderer der Aggregation fähiger Körper die Ursache sein muss. Die Bestimmung dieses Körpers steht noch aus. Für eine Anzahl Fälle ist es nieht nur möglich, sondern gewiss, dass Gerbstoff die Hauptrolle spielt. Wo dies so ist, steht der An- nahme nichts entgegen, dass die Bildung ein analoger Fällungsvor- gang ist, wie er in mit Gerbstofflösung gefüllten Capillaren durch die Aggregationsreagentien herbeigeführt werden kann. Dieser letz- tere Modus ist auf den Zellsaft beschränkt, aus welchem auch andere Stoffe, besonders etwa vorhandene Tarbstoffe, bei den Crassulaceen auch Phlorogluein, in die Ausscheidungen aufgenommen werden. * * * Es ist nicht berechtigt, in den Ausscheidungsvorgängen eine Reaction des hypothetischen „aktiven Eiweisses“ und in den Aus- 1) L. u. B., Versuche über akt. Eiw. für Vorlesung und Praktikum. Biol. Ctrlbl. 1891 XI. Nr. 1 S. 1. Anm. Flora 1892, 28 420 scheidungsprodukten selbst im Wesentlichen durch Polymerisation entstandene Kügelchen jenes hypothetischen Körpers zu erblicken.) Wohl aber sind die Ausscheidungen die Vorbedingungen für das Zu- standekommen der Silberreaction, eines allmählich verlaufenden Vor- gangs, bei welehem durch Abscheidung des reducirten Silbers an Ort und Stelle eine allmähliche Anreicherung stattfindet. Er hat mit dem Leben der Zelle unmittelbar nichts zu thun. Auch für das Zustande- kommen der Aggregationen ist das Leben nur aus mechanischen. nicht aus chemischen Ursachen nothwendig. Litteratur. Ch. Darwin, Insectivorous plants. 1875. Uebersetzung von Carus. — — The action of earbonate of ammonia on the roots of certain plants. Linnean Society's Journal-Botany. Vol. 19. 1882. Fr. Darwin, The process of aggregation in the tenfacles of Drosera rotundifolia Microscopieal Journal. Vol. 16 n. s. O.Löwu. Th. Bokorny, Die chemische Kraftquelle im lebenden Protoplasma. 1882. W. Pfeffer, Ueber Aufnahme von Anilinfarben in lebende Zellen. Tübinger Unters. Bd. Il. 1886. H. De Vries, Ueber Aggregation im Protoplasına von Drosera rundifolia. Bot. Ztg. 1886. O. Löw u. Th. Bokorny, Ueber das Vorkommen von aktivem Albumin im Zell- saft und dessen Ausscheidung in Körnchen durch Basen. Bot. Ztg. 1887. Th. Bokorny, Neue Untersuchungen über den Vorgang der Silberabscheidung. Prgsh. ‚Ib. 18, 1887. — — Ueber die Einwirkung basischer Stoffe auf das lebende Protoplasma. Prgst. Jb. 19, 1888. J. E. F. af Klereker, Studien über die Gerbstoffvacuolen. 1888, Th. Bokorny, Ueber Aggregation. Prgsh. Jb. 20, 1889. W. Pfeffer, Löw und Bokorny’s Silberreduction in Pflanzenzellen. Flora 1889. O0. Löw u. Th. Bokorny, Ueber das Verhalten von Pflanzenzellen zu stark ver- dünnter alkalischer Silberlösung I und II. Bot. Centralbl. 1889. Th, Bokorny, Zur Kenntniss des Oytoplasmas. Ber. d. deutsch. bot. Ges. 1890. OÖ. Löw u. Th. Bokorny, Versuche über aktives Eiweiss für Vorlesung und Prakt- tikum. Biol. Centralbl. XI, 1891. 1) Selbst bei der Annahme, dass die Aggregation eine Reaction des „aktiven Albumins“ sei, stünde es schlimm um die Allgemeinheit des Nachweises, welche diesem Körper unbedingt zukommen müsste, denn es würde sich dann eben der Nach- weis überhaupt nur auf die der Aggregation fähigen Zellen erstrecken. Der Nach- weis schmilzt damit auf einen Umfang zusammen, der in umgekehrtem Verhältnisse steht zu dem, weichen man für einen Träger des Lebens zu fordern nicht nur be- rechtigt, sondern verpflichtet ist. Australische Süsswasseralgen. Von M. Möbius. Im Folgenden stelle ich die Süsswasserformen der von Herrn Bailey bei Brisbane gesammelten Algen zusammen. In Betreff der früheren Litteratur kann ich auf die Angaben Nordstedt’s in seiner Arbeit Fresh-Water Algae collected by Dr. 8. Berggren in New Zea- land and Australia (Stockholm 1888)') verweisen, meines Wissens die letzte Arbeit, welche sich mit der Süsswasseralgenflora Australiens ' beschäftigt.) Die hier angeführten Arten stammen aus den Ordnungen der Florideen, Chlorophyceen und Phycochromophyceen;; auch eine grössere Anzahl Arten von Diatomeen habe ich beobachtet, aber wegen der Schwierigkeit der Bestimmung nicht in diese Liste aufgenommen. Die meisten Arten sind, soweit ich sehen kann, noch nicht für Australien angegeben. Da aber für den grössten Theil der Süsswasseralgen eine sehr weite, wenn nicht allgemeine Verbreitung angenommen werden kann, so dürfte nur eine verhältnissmässig sehr geringe Anzahl der in Australien zu findenden Arten hier genannt sein. Auffallend ist das Fehlen der Cladophora-Arten in dem von Bailey gesammelten Material, doch gibt auch Nordstedt weder für Australien noch für Neuseeland eine Art dieser sonst so vielfach im Süsswasser vertretenen Gattung an, und Sonder führt in seiner Liste nur auf: Oladophora yossypina Kite. (= Ol. fracta [Dillw.] Küte. f. gossypina) von Adelaide und Cl. Wollsii Sond. aus dem Parramatta River. Auch Characeen sind von Bailey nicht gesammelt worden, doch sind dieselben reichlich in Australien vorhanden, wie aus Nordstedt’s im vorigen Jahre erschienener Bearbeitung (Pars I) dieser Gruppe hervorgeht. Die von Sonder und Nordstedt angeführten Algen (abgesehen von Characeen) 1) Kongl. Svenska Ventenskaps-Akademiens Handlingar. Bd. 22 Nr. 8. 2) In Askenasy's Bearbeitung der von der Gazette gesammelten Algen (1888) ist von Süsswasserarten aus Australien nur angeführt: Zyg nema pectinatum, Nitella sublilissima, Charagymnopitys, f. brevibracteata und Ch. gymnopus ® ceylonica nach Nord- stedt’s Angaben. 98% 422 sind meist andere Arten als die, welche ich beobachtet habe, denn von den 19 Arten Sonder’s habe ich nur eine und von den 19 Arten Nordstedt’s nur fünf in meiner Liste. Die für Australien schon bekannten Arten sind im Folgenden mit einem Sternchen bezeichnet, ich glaube aber, dass sich in manchen Herbarien noch mehr australische Süsswasseralgen finden, ohne dass Angaben darüber gemacht worden sind. Neue Arten habe ich vier aufgestellt, ein Scytonema und ein Stigeoclonium, die beide nur vereinzelt gefunden wurden, zwei neue ('vleochaete-Arten konnten dagegen in vielen Exemplaren und ziemlich vollständig untersucht werden. Diese letzteren beiden Arten sind um so mehr bemerkenswerth, als seit Pringsheim’s classischer Be- arbeitung dieser Gattung (1862) zu den dort aufgestellten Arten meines Wissens (conf. De Toni, Sylloge) keine neue hinzugekommen ist. Neue Varietäten glaubte ich annehmen zu müssen bei Herposteiron conferricolum, Coelastrum sphaericum, Spirogyyra punetata, Tetmemorus Brebissonü und Pleurotaeniopsis tessellata. Zu den neuen Arten und Varietäten, sowie zu verschiedenen’anderen sind Abbildungen gegeben. Die angeführten Classen, Ordnungen, Familien, Gattungen und Arten sind mit fortlaufenden Nummern versehen. Die in Klammern gesetzten Ziffern sind die Nummern der von Bailey an den emzelnen Fund- orten gemachten Aufsammlungen. Bei der Aufzählung der Arten habe ich dem Namen nicht bloss den Standort und die geographische Ver- breitung, so weit sie bis jetzt bekannt ist und so weit ich sie ermitteln konnte, hinzugefügt, sondern ich hielt es auch für vortheilhaft, be- sonders mit Rücksicht auf künftige Untersuchungen über australische Algen, etwas über die Merkmale, auf welche hin die Arten diagnostieirt wurden, und speciell die gefundenen Maasse mitzutheilen. Vielleicht wird auch einiges zur weiteren Kennfniss schon bekannter Arten durch manche der hier gemachten Angaben und der gegebenen Abbildungen beigetragen. Class. I. Florideae Ag. Fam. 1. Batrachospermaceae Rabh. 1. Batrachospermum Roth. "1, B. vagum Ag. e. flayelliforme Sirdt. (4). Burpengary (Deception Bay) in stagnirendem Wasser. Es wächst an Zweigen in tiefem Wasser, hat (nach Bailey ’s Angabe) eine blaugrüne Farbe und bildet bis 7 em lange Büschel. Vom unteren Theile gehen mehrere stärkere Aeste aus, deren Seiten- äste ziemlich entfernt stehen, lang und ihrerseits wenig verzweigt sind. An den Hauptästen sind «die Glieder ca. 1,5 mm lang und die Wirtel haben einen Durchmesser von ca. 0,5 mm. Die intervertieillären Zweige sind sehr zahlreich und so lang wie die im Wirtel, so dass die letzteren hier nieht deutlich hervortreten. Die Zellen der Wirtel- zweige sind langgestreckt, 6—7 pn diek und 5--6 Mal so lang. Wegen der gestreckt-eylindrischen Gestalt dieser Zellen habe ich die Alge zur Form fagelliforme gestellt. Ausserdem ist dies diejenige Form, welehe in der Regel normale Sporenhaufen entwickelt, während die 423 andern meist steril sind; nur noch die Form d. affine bringt nach Sirodot grosse Sporenhaufen hervor, welche aber aus den Wirteln herausragen, was hier nicht der Fall ist. Die weiblichen Organe ent- wickeln sich bei B. vagum nur an den Knoten und zwar entspringt die Trichogyne von der Basalzelle eines Zweigbüschels. Ich fand öfters Pruchtanlagen, welche die grosse, keulenförmige, unten stark verjüngte Trichogyne, an der Basis von Bracteen umgeben und von einem Spermatium befruchtet, zeigten. Entwickelte Sporenhaufen waren nicht entsprechend häufig; sie treten besonders deutlich hervor, wenn die Wirtel- und intervertieillären Zweige spärlich entwickelt sind. Die Antheridien nehmen die Enden aller z weige ein, auch die des Wirtels, an dem sich eine Fruchtanlage bildet. Letzteres soll in der Regel nicht der Pall sein. Die Behaarung ist eine sehr reichliche und die ausgewachsenen Haare sind bis 160 ı lang. Eine besondere Erwähnung verdienen noch die Scheinäste, welche . dadurch entstehen, dass an den Knoten, seltener an den Internodien, die Berindungsfäden nach aussen wachsen und sich zu einem Bündel von zwei, drei oder mehreren an einander legen. Dabei umschlingen sich die Fäden oft streckenweis spiralig, während sie am Ende wieder aus einander weichen. Von ihnen entspringen, besonders an den Enden, den Wirtelzweigen analoge Zell- fäden, die gewöhnlich Antheridien tragen (Fig. 1). Ich fand diese Bildung häufig an solehen Aesten, welche die normalen Wirtel- und interverticillären Zweige grossen- theils verloren hatten. Sirodot erwähnt derartige falsche Aeste bei besonders grossen Formen von B. helminthosum, aber nicht bei B. vagum, und. bildet auch die Erscheinung nicht ab. Etwas anderes sind die sogenannten Prolificationen, nämlich wirkliche Aeste, die aber an den Berindungsfäden oder an den Wirtelzweigen entfernt von der Axe entstehen und bei B. densum, Decaisneanum, pyramidale, pygmaeum und Dillenüi auftreten sollen. B. vagum ist nach Sonder aus Australien (Launceston) bekannt, kommt ausserdem vor in Europa, Nord- und Süd- amerika. . 2. B. spee. (8). Sumpfgegend von Stradbroke Island, Dunwick Pump- station, in fliessendem Wasser. Diese Form lag in unvollständigen Exemplaren vor, indem weder ganze Pflanzen, noch solche mit weiblichen Organen vorhanden waren, es kann desshalb die Art nicht, bestimmt werden. Die Aeste haben ein ziemlich variables Aussehen, denn zum Theil sind die Wirte] deutlich abgesetzt, zum Theil werden sie durch die reichlich vor- handenen, langen und oft ebenfalls wirtelig gruppirten Interstitialzweige undeutlich, zwischen den extremen Formen sind aber Uebergänge vor- handen. An älteren Aesten sind die Glieder bis 1 mm lang. Dieses B. unterscheidet sich von dem vorigen schon durch die Form der 424 Zellen in den Wirtelzweigen, da dieselbe meist kuglig bis eiförmig, seltener cylindrisch ist. Haare sind auch hier vorhanden. Auch sind die Wirtel- und intervertieillären Zweige reichlich mit Antheridien be- setzt. Es scheint also eine diöcische Art zu sein. 2. Chantranssia Fries. 3. An den Aesten des eben genannten Batrachospermum wuchsen hie und da Fäden einer Chantransia, die der Ch. violacea Kütz., welche sonst meist auf Lemanea gefunden wird, nahe steht. Die Zellen waren 7—11y breit und 3 bis 9 Mal so lang, Haare fehlten. Die Sporen waren oval, ca. 10:14 1 gross. Die basalen Theile dieser Chantransia kriechen zwischen den Zweigen des Batrachospermum, stehen aber mit den- selben nicht in organischem Zusammenhang. Class. II. Chlorophyceae (Kütz.) Witir. Bei der Besprechung der Algen dieser Olasse folge ich der An- ordnung und Nomenelatur, die De Toni in seinem vortrefflichen. Werke Sylloge Algarum, Vol. I, gegeben hat. Ordo I. Confervoideae (Ag.) Falk. Fam. 2. Coleochaetaceae (Naeg.) Pringsh. 3. Coleochaete Breb. 4. ©. Baileyi nov. spec. (14). Burpengary. Die Alge bildet etwa stecknadelkopfgrosse Gallertpolster an im Wasser befindlichen Pflanzentheilen. Sie besteht aus niederliegenden. verzweigten Fäden, die sich von einem Mittelpunkt strahlig ausbreiten und aufrechte, eben- falls verzweigte Fäden entsenden, an denen sich die Reproduc- tionsorgane bilden. Der Thallus’ ist in eine grosse Gallert- masse eingehüllt, aus der nur die langen Enden der Haare her- vorragendFig. 2). Die Verzweigung ist mo- nopodial, jedoch sehr unregelmässig, die Aeste entspringen ge- wöhnlich einzeln, sel- tener opponirt. Die vegetativenZellensind 14—20 » diek und Fig. 2. meist länger als breit, 1Ya—2, seltener 3—4 Mal länger als der Durchmesser; solehe lang- gestreckte Zellen kommen besonders in den aufrechten Fäden vor. Die Form der Zellen ist cylindrisch bis polygonal, im ersteren Falle sind sie oft gebogen, Jede Zelle enthält ein scheibenförmiges, an den 425 Rändern umgebogenes Chromatophor mit einem Pyrenoid, Zellen mit zwei Chromatophoren stehen jedenfalls im Begriff, sich nachträglich noch einmal zu theilen. Haare sind reichlich vorhanden und treten einzeln auf beliebigen Zellen auf. Sie sind einfache schlauchförmige Ausstülpungen der Tragzelle, von der sie nicht durch eine Querwand getrennt sind; sie sind ohne Scheide ca. 2 dick. Diese besteht aus der äusseren Membran, die dem Wachsthum des Haares nur eine Strecke weit gefolgt ist, dann sehr verdünnt und schliesslich zerrissen worden ist. Die Scheide endigt noch innerhalb der Gallerthülle und zeigt am Ende eine trichterartige Erweiterung, bisweilen bemerkt man auch an ihrem oberen Theil einige Einschnürungen. Die Spitzen der Haare sind später meist abgebrochen.‘) Sporangien, Antheridien und Oogonien kommen auf denselben Exemplaren vor, doch bilden die- jenigen Pflanzen, welche reichlich Sporangien produeiren, meist wenig männliche und weibliche Reproductionsorgane. Die Schwärmsporen werden sowohl in den Endzellen als in den darunter liegenden Zellen der aufrechten Zweigen gebildet, so dass eine ganze Reihe von Zellen ihren Inhalt als Schwärm- sporen entleert haben kann. Die Entleerung erfolgt durch Aufreissen der Zelle an ihrem oberen Ende (Fig. 3). Die Antheridien werden wie bei C. pulvinata als kleine flaschenförmige Papillen am oberen Theil der vegetativen Zeilen gebildet, manchmal bis zu 10 an einer Zelle; ihre Grösse beträgt ca. 7:12». Es scheint, dass der Inhalt der Tragzelle ganz zur Antheridienbildung auf- gebraucht werden kann, denn die Zellen, welche zahl- reiche entleerte Antheridien tragen, sind meist selbst bis auf eine kleine Plasmamasse (Kern?) leer (Fig. 2A). Der Austritt der Antherozoiden erfolgt durch Aufreissen der Membran an der Spitze. Die Oogonien scheinen sich an den beobachteten Fig. 3. Pflanzen in einem abnormen Zustand zu befinden, denn sie trennen sich sehr leicht von dem Thallus ab und ihre Weiter- entwickelung zur Frucht lässt sich nicht in situ verfolgen. Man findet sie meist in der Nähe der Zweigenden, aber seitlich und sitzend. Ge- wöhnlich erscheinen sie nur als grosse, kuglige Zellen mit zahlreichen Oeltropfen und einer Membran, die sich im Gegensatz zur Membran der anderen Zellen, mit Congoroth intensiv roth färbt (Fig. 2A). Bis- weilen sieht man, dass die kugligen Zellen an einer Stelle in einen kurzen, dünnen Hals ausgezogen sind (Fig. 2B), auch wurde unter- halb des Halses eine zweite kleinere kuglige Anschwellung beobachtet. Die Berindung scheint von zwei Zellen gebildet zu werden, welche . das Oogon zangenförmig umgreifen, ähnlich wie es anfangs bei C, pulvinata geschieht, aber nicht ganz umhüllen. Weiter scheint die Berindung nicht zu gehen, denn bereits in diesem Zustand sah ich 1) Vgl. meinen Aufsatz über die Morphologie der haarartigen Organe bei den Algen im biologischen Centralblatt Bd. XII Nr. 3 8. 102, Fig. 7. 426 den Inhalt des Oogons getheilt (Fig. 4). Die zweite Theilung erfolgt senkrecht zur ersten, so dass im Oogon vier Zellen neben einander liegen. Solche Zustände wurden aber nur sehr selten beobachtet, am häufigsten sind nicht weiter entwickelte Oogonien, bisweilen von einigen benachbarten Zweigen dicht umwachsen. Die Entwickelung der Keimpflanze erfolgt in derselben Weise, wie es Pringsheim für €. soluta und C. " pulvinata angibt: Die sich fostgosetzt habende Schwärmspore theilt sich durch eine Wand in zwei neben einander liegende Zellen. Die eine derselben wächst nach links, die andere nach” rechts aus, so dass sich die ersten Ast- zellen schräg gegenüberstehen. Die letzteren verbreitern sich offenbar Fig. 5. auch hier zunächst parallel den beiden Keimzellen, theilen sich dann und lassen weitere Zellen aussprossen. Die ganze Entwieckelung ergibt sich am besten aus Fig. 5, welche ausserordentlich ähnlich der Fig. 3 (Tafel ID in Prings h cim’s Abhandlung (Jahrbücher Bd. 0% ist, die ein vollkommenes Exemplar der Q. pulvinata f. minor darstellt. 5. 0. conchata nov. spec. (14). Fundört wie vorige. Diese Art ist kleiner als die vorige, mit der sie gewöhnlich zu- sammen vorkommt und bildet flachere Gallertpolster. Dadurch, dass alle Zweige fast in einer Ebene liegen, erinnert sie an eine locker verzweigte Form von C. soluta, während sie sich in der Verzweigung und Form der Zellen mehr ©. pulvinata nähert. In der Mitte schliessen die Zweige fast zu einem Pseudoparenchym zusammen, die äusseren Zweige aber lassen grössere Zwischenräume. Nach allen Seiten gleichmässig ausgebildete Lager dürfte man schwer finden, in der Regel ist die eine Seite stärker entwickelt als die andere und kein deutlicher Ausgangspunkt zu sehen. Die Zellen sind rundlich, 10—14 ı. breit und 14—18 „u lang, ihr Inhalt ist wie bei der vorigen Art beschaffen. Haare treten sehr reichlich auf und erreichen eine bedeutende Länge. In ihrem Bau gleichen sie denen der vorigen Art, die Scheide ist aber bis zu ihrem Einde glatt und hier sind die Ränder etwas nach aussen gebogen (Fig. 6). Von Reproductionsorganen wurden an dieser Art nur Antheridien und Oogonien gefunden, Sporangien waren an untersuchten Exemplaren nicht vorhanden. Erstere beide Organe kommen auf derselben Pflanze vor; die Art ist also wie die vorige monöeisch. Die kleinen papillen- förmigen Antheridien, wel- che 4—5g. dick und 10 bis 124. lang sind, sitzen meisteinzelnanden oberen und obersten Zellen der Aeste (Fig. 7). Die Oogonien scheinen immer aus den Endzellen der Acste hervorzugehen und werden dadurch gebil- det, dass ihr vorderes Ende in einen langen Hals aus- wächst, der am Ende knopf- förmig anschwillt. Der Hals ist etwa 3p. dick und 10 Mal so lang. Er öffnet sich an seinem über die Gal- lerthülle hervorragenden Ende, um die Antherozoi- den einzulassen. Nach der Befruchtung schwillt das Oogon beträchtlich an und die Oospore bekommt eine schr dicke stark glänzende Membran, während sich die dünnere Membran des Oogoniums gelblich färbt. Schr eigenthümlich ist die Berindung. Nachdem sich. die Tragzelle längs getheilt hat, wird die eine Hälfte zu der einen Rindenzelle, die andere Rindenzelle gliedert sich seitlich von der andern Hälfte ab. Die beiden Rindenzellen verbreitern sich so weit, dass sie sich mit ihren Rändern berühren und wie zweiMu- schelschalen das Oogonium um- fassen ; nur der Ansatzstelle gegen- über, wo an jungen Früchten noch. die Trichogyne hervorsieht, ver- 427 Fig. 7. wachsen sie vielleicht nicht vollständig (Fig. 7B). Von den sich berührenden Rändern aus entstehen sehr bald nach innen, also radien- förmig gerichtete Membranleisten, welche eine verschiedene Länge erreichen, zum Theil auch gebogen und am Ende gegabelt sind. Die ganze Frucht hat ungefähr linsenförmige Gestalt; von der flachen Seite gesehen erscheint sie fast kreisrund, mit einem Durchmesser von 428 70--80 x, man sieht dann die Membranfalten vom Rande, wo die Membran ziemlich dick ist, radienförmig nach der Mitte gehen (Fig. 6)». Von der schmalen Seite gesehen erscheint die Frucht elliptisch; über den Längsdurchmesser verläuft die Berührungslinie der beiden Hüll- zellen, von welcher nach beiden Seiten die Membranleisten alternirend abgehen (Fig. 70). Ueber das weitere Schicksal der Oospore und die Keimung habe ich leider nichts ermitteln können. 6. C. orbieularis Pringsh. (14). Fundort wie vorige. In vereinzelten, unvollständigen Exemplaren, theils ungeschlecht- lichen mit einzelnen, wohl durch Schwärmsporenbildung entleerten Zellen, theils mit reifen Früchten. Bekannt aus Europa, Nordamerika, Sibirien, Hawai, Neusceland. 7. C. seutata Breb. (14). Fundort wie vorige. Nur ein steriles Exemplar gesehen. Bekannt aus Europa, Nord- und Südamerika, Afgha- nistan, Neuseeland. 4., Chaetopeltis Berth. 8. ?Ch. minor Möb. (14). Fundort wie vorige. Ich sah verschiedene junge Pflanzen, die ganz den früher von mir beobachteten der genannten Art glichen, doch auch zu Oh. orbi- cularis Berth. gehören könnten. Beide Arten unterscheiden sich hauptsächlich nach den Schwärmsporen. Bekannt aus Europa. Fam. 3. Oedogoniaceae (De Bary) Wittr. 5. Bulbochaete Ag. 9. B. elatior Pringsh. (13, 14). Burpengary. Zwischen den anderen Algen fanden. sich vielfach einzelne Pfänzchen und be- sonders häufig abgerissene Oogonien dieser Art. Die letzteren, mit den reifen Oosporen, sind von der Seite gesehen kuglig bis polygonal etwas von oben zusammenge- drückt, ca. 40 x breit und 32 p hoch (Fig. 8). Die Stützzelle ist durch eine Wand dicht über ihrer Basis getheilt, beide Jıellen enthalten kaum noch Inhalt.® Andro- sporangien habe ich nicht gesehen, sie sollen meist über den Ongonien liegen, seltener an. anderen Stellen, doch fand ich hier immer oberhalb des Oogoniuns ein Haar, wenn dasselbe nicht abgefallen war.?) Nichtselten 1) In Fig. 7 sind die jungen Früchte (f und f}) im optischen Durchschnitt gezeichnet. 2) Wie Fig. 8a zeigt, zieht sich bei Entstehung der ersten unteren Wand der Inhalt aus der unteren Zellen zurück, dann auch aus der oberen Stützzelle. Prings- heim bildet von derselben Art einen ganz analogen Zustand ab. 3) Ueber die Beschaffenheit der Haare vgl. Biolog. Centralbl. Bd. XII Nr. 3 8,86, 429 fanden sich zwei Oogonien, getrennt durch eine getheilte Stützzelle, über einander, was sonst auch nicht bemerkt wird (Fig. SB). Die Zwergmännchen sitzen auf der Stützzelle, zu 2 bis 6, die Fusszelle ist etwa birnförmig (ca. 10:18), das Antheridium ist ein äusseres. Die Schwärmsporen entstehen theils auf den die Geschlechtsorgane tragenden Pflanzen (Fig. 8 A sp.), theils auf besonderen ungeschlechtlichen Exem- plaren. Die beiden Formen haben entweder in ihren vegetativen Zellen die gleichen Dimensionen (Zellen 10—15 p. breit und 30—36 jı lang), oder die ungeschlechtliche Form hat kürzere Zellen (10—14y breit, 20—24 ı. lang), oder sie hat bedeutend grössere Zellen (16--20 x breit, 66—83 p lang). Das Auftreten der letzgenannten Form würde die Beobachtung von Pringsheim bestätigen, dass die ungeschlechtlichen Individuen sich häufig durch eine stärkere Entwickelung, d. h. grössere Dimensionen ihrer Zellen unterscheiden. Bekannt aus Europa und Hinterindien. 6. Oedogonium Link. Diese Gattung war reichlich im der Sammlung vertreten, aber nur verhältnissmässig wenige Arten konnten bestimmt werden, da viele steril, andere, auch wenn sie fructificirten, zu unvollständig waren, um die zur Bestimmung nöthigen Merkmale zu bieten. Herrn Dr. Nord- stedt bin ich sehr zu Dank dafür verbunden, dass er einen Theil meiner Präparate durchgesehen hat, die von mir getroffenen Be- stimmungen revidirt und mir einige neue Bestimmungen, sowie Maasse und andere Angaben mitgetheilt hat. Ich kann somit folgende Arten mit mehr oder weniger Sicherheit anführen: 10. Oe. excisum Wittr. et Lund. (14, 21). Burpengary, Nines Waterhole, Myrtle. Monöeisch, leicht kenntlich an der tiefen Einschnürung, welche rings um das Oogonium verläuft. Dasselbe hat einen Querdurchmesser von ca. 181 und eine etwas grössere Länge; die vegetativen Zellen sind nur ca. 4p dick und 5—6 Mal so lang. Diese Maasse stimmen mit den bisher angegebenen überem. Bekannt aus Europa und Senegal. 11. *Oe. undulatım (Breb) 4A. Br. (13, 14). Burpengary. Von dieser Art wurden immer nur kleine sterile Bruchstücke zwischen den andern Algen gefunden; trotzdem ist sie nicht zu verkennen, da die vegetativen Zellen (17 x breit, 4—5 Mal so lang) regel- mässig mit vier deutlichen Einschnürungen versehen sind, wenn man von.der Ein- schnürung an den Querwänden absieht. Nur die Wände der Basalzelle sind glatt; sie hat einen etwas verbreiterten Fuss und ist nach oben keulenförmig angeschwollen. An einem zweizelligen Individuum beobachtete ich, dass an der zweiten Zelle nur die . 430 innere Membran undulirt war, während die äussere einen glatten Cylinder bildete (Fig. 9A). Die Fructificationsorgane dieser Art kenne ich nicht aus eigener Anschauung. Sie ist diöeisch, mit Zwergmännchen ; die Oogonien stehen einzeln oder zu zweien, öffnen sieh mit einem Loch in der untern Hälfte und werden von den Oosporen fast ausgefüllt. Die verlängerten, umgekehrt kegelförmigen Zwergmäunchen sitzen auf den Stützzellen. Bekannt aus Bure opaund Nordamerika, eine var. senegalensis hat Nordstedt beschrieben; derselbe schrieb mir, dass er aus Australien eine abweichende Form (B. incisum) geschen habe. 12. 0. eyatligerum Witir. (14). Burpengary. Diese Art stimmt mit der vorigen in der Einzelligkeit der Zwerg- männchen überein. Dioselben sitzen zahlreich am oberen Ende der Stützzelle und sind ca. 12x dick und 60, lang. Die Oogonien sind elliptisch (nahezu oblong), 58] breit, fast 80, . lang, die Oosporen, welche das Oogonium ausfüllen, entsprechend kleiner. Die vege- tativen Zellen sind sehr lang (20—80 x. dick, 6—7 Mal so lang), die Stützzelle ist dieker (45 p.). Die typische Form, zu welcher die australischen Exemplare ge- hören dürften, ist aus Europa und Nordamerika bekannt. 13. Oe. Alavescens (Hass.) Wittr. (14. Burpengary. Die vegetativen Zellen sind 14—16 ı. breit und 4—6 Mal so lang, die Stützzelle unterscheidet sich nicht von den übrigen. Die Oogonien haben, von der Seite gesehen, eine fast sechseckige Form, die seit- lichen Eeken sind aber stark abgerundet und die Seiten, welche diese Ecken bilden, sind doppelt so lang, als die obere und untere Seite; das Oogonium ist 42. breit und 48 hoch, die Oeffnung, welche etwas über der Mitte liegen soll, fand ich ziemlich genau in "der Mitte. Die Oosporen füllen das Oogonium aus, sind also annähernd sechseckig bis rhombisch, während sie in andern Fällen (nach den Beschreibungen) kuglig sind und also das Oogonium nicht ausfüllen. Die Zwergmännchen sitzen auf den Stützzellen, sind 42 lang, haben einen unten etwas gekrümmten Stiel und ein zweizelliges Antheridium. Bekannt aus Buro pa und Nordamerika. An den Fäden findet sich eine Chytridiacee (vielleicht eip Phlye- Lidinm) amsitzend, einzeln oder meist gruppenweise; die Sporangien sind oval (10:22,) unten in einen kurzen Stiel verschmälert und werden bei der ÖOeffnung in einen kurzen Hals ausgezogen. ?Oe. birmanicam Wittr. (14). Burpengary. Die vegetativen Zellen sind 11-12. diek, 5—8 Mal so lang, die Stützzelle ist oben doppelt so dick, die Oogonien sind apical, kuglig bis elliptisch (36:46 p), die Oospore (34:38 .) füllt das Oogonium fast aus; die Zwergmännchen haben einen einzelligen, langen (8:36 1), unten etwas gebogenen Stiel, das Antheridium ist einzellig (Pig. IB). Da die Sporen nicht ganz reif waren und die Oeffnung des Oogoniums nicht zu schen war, ist die Bestimmung nicht sicher. Nordstedt schreibt, dass die Exemplare an Oe. birmanicum und Oe. monile Berk. et Harv. erinnern. ‚Für ersteres passen Maasse und Beschreibungen 451 vecht gut, bei der typischen Art öffnen sich die Öogonien durch einen oberen Porus, die Sporenmembran ist glatt. Bei Oe. monile füllen die Oosporen das Oogonium ganz aus, die Oosporenmembran ist ver- ruculös; die Oosporen sind kuglig, aber gerade die apicalen etwas elliptisch (nach Nr.’s Mittheilungen); die Oogonien öffnen sich mit einem oberen Porus; die Maasse würden ebenfalls passen. Oe. birmanicum ist nur aus Birma, Oe. monile nur aus Tas- manien bekannt. 15. ?Oe. Pringsheimii Cram. (21). Nines Waterhole, Myrtle. Vegetative Zellen 10—12 ı dick, 3—5 Mal so lang, die Stützzelle nicht von ihnen verschieden oder, wenn das Oogonium apical ist, angeschwollen (—22 j diek). Oogonien kuglig-elliptisch (27-—32 ı. breit, 37%. lang), Oospore kuglig (28—30 x). Männliche Exemplare nicht gesehen. Bekannt aus Europa, Nordamerika, Afghanistan, eine var. hians Nordst. ist neuseeländisch. Nach Nordstedt’s Mittheilungen .erinnern die Exemplare auch an Oe. pachydermatosporum Nordst., moniliforme Wittr. und monile. 16. Oe. Boscii (Le Cl.) Breb. (14). Burpengary. Eine ebenfalls diöcische Art mit männlichen und weiblichen Fäden, von denen nur letztere gesehen wurden. Vegetative Zellen 12—16 1 dick, 6—10 Mal so lang, das Oogon 44 y breit, 74 u lang, die länglich- elliptische Spore, 41. dick, 60 x lang, füllt das Oogonium nicht aus, sondern. lässt pben und unten einen Raum frei. Die Öogonien liegen einzeln; nach den Beschreibungen kommen sie auch paarweis vor und öffnen sich mit einem oberen Porus; die männlichen Pflanzen sollen ebenso dick wie die weiblichen sein, die Antheridien 3—6zelllig, mit je zwei Antherozoiden. Einigermaassen auffallend ist die be- deutende relative Länge der Zellen bei einigen australischen Exem- plaren. Bekannt aus Europa und Nordamerika. 17. Oe. pachydermatosporum Nordst. (13). Burpengary. Eine nicht vollständig bekannte Art. Ich beobachtete nur einen Faden mit vier benachbarten Oogonien, welche 35—36 p dick und '383—54 lang waren und noch die Oeffnung mit einem oberen Porus zeigten. Die kugligen Oosporen (32 1.) füllten die Oogonien nicht aus. Die Oosporenmembran war glatt, vielleicht aber waren die Öosporen noch nieht reif, da bei den reifen die Membran oft punctirt ist. Nordstedt hat bei seinen Exemplaren von den Sandwich- inseln — die Pflanze ist nur von dort bekannt — zwischen den weiblichen Fäden andere Fäden mit kurzen Zellen gesehen und ver- muthet, dass es die männlichen sind; er theilt mir mit, dass nach Wittroek’s Ansicht diese Art vielleicht nur eine Form von Oe. monili- forme Wittr. ist. 18. Sterile Oedogonien von verschiedener Grösse und Gestalt der Zellen waren an verschiedenen Orten gesammelt (Nr. 8, 9, 12, 13, 14, 18, 20, 25). Es sei von denselben nur eine bei Burpengary gefundene Form erwähnt, weil sie sich dadurch auszeichnet, dass die 433 Fäden in ein mehrzelliges Iaar ausgehen. Die Fäden sind gerade und aufrecht, ea. 1,5 mm lang, die Zellen im unteren Theile ca. 14 p. dick, 5—7 Mal so lang, die letzte Aclle vor dem Haar ist nach oben plötzlich stark verjüngt und trägt hier eine grosse Anzahl von Kappen. Das Haar besteht aus 5—9 Zellen, die unteren sind ca. 10, die obersten nur noch 6%. dick, die mittleren sind die längsten. Sie sind relativ inhaltsarın, doch lässt sich in jeder Zelle noch ein Kern in der Mitte und ein reducirtes Chromatophor bemerken.') Solche mehr- zellige Haare kommen noch vor z. B. bei Oe. Huntü Wood und Oe. polymorphum Wittr. et Lund. Vielleicht gehört die vorliegende Form zu letzterer Art. 19. Ein eigenthümliches Oedogonium, das wahrscheinlich, wie auch Dr. Nordstedt meint, durch einen Parasiten eine Hemmung in der Entwicekelung erfahren hat, bilde ich noch ab (Fig. 9C). Die ganze Pflanze besteht aus einer unten keulenförmigen, oben kuglig angeschwollenen Zelle mit kleinem deckelförmigem Aufsatz (145 ıı lang), in der kugligen Anschwellung liegt eine stachlige Kugel, die ver- vermuthlich dem Parasiten angehört. Ich habe diese Gebilde in gleicher Weise einige Male beobachtet; sie wurden ebenfalls bei Burpen- gary (14) gesammelt. Fam. 4. Dlotrichiaceae (Kütz.) Borzi em. Ulotricheae (Rabh.) Borezi. 7. Hormiscia Fries. Die Arten von Hormiscia sind schwer zu trennen; Stockmayer will sogar alle Süsswasserformen der alten Gattung H. zu einer Art, H. zonofa, zusammenfassen, hat dabei aber die dünneren Tormen nicht berücksichtigt. Die verschiedenen Fäden von Hormiscia-Arten, die ich in mehreren Aufsammlungen fand, lassen sich auf zwei Typen zurückführen, nämlich solche mit längeren Zellen und dünnen Wänden und solche mit kürzeren Zellen und diekeren Wänden. Ich unter- scheide sie als: 20. H. subtilis (Kütz.) De Toni. (5, 24, 25). Fairfield, Bur- pengary. Das Ausschen der Fäden wechselt nach der relativen Länge der Zellen und der Beschaffenheit des Chromatophors, indem letzteres theils als ein ringförmiges Band in der Mitte, theils als eine schmale, der einen Seite anliegende Masse, theils als die Zelle fast ganz ausfüllend erscheint; ich kann aber auf diese Unterschiede kein Gewicht legen, weil ich nicht sicher bin, ob der Alkohol die ursprüngliche Beschaffenheit conservirt hat. Die Zellen haben eine dünne, ungeschichtete Membran, sind 5—6, oder 7-8, oder S—11y diek und meist 2-—3 Mal, seltener ebenso lang als der Durchmesser. Bisweilen sind die Längswände in der Mitte etwas eingezogen (Fig. 11). Diese . Art ist in verschiedenen Varietäten in Buropa allent- halben verbreitet, Nordstedt hat in Neuseeland die var. Zener- 1) Betreffs der Haare vgl. Biolog. Centralbl. Bd. XII Nr. 3 8, 85 Fig. 5, 2 483 rima (— Ulothriv mucosa Thur.) eonstatirt, deren Zellen kürzer oder ebenso lang wie der Durchmesser sind. 21. H. zonata (Web. et Mohr.) Aresch. (25). Burpengary, Reservewasserbecken. Die Zellen sind meist 10. dick und halb so lang, selten vor der Theilung ebenso —, bei lebhafter Theilung auch nur ein Viertel so lang. Die Membran zeigt zwei Schichten, indem jede Zelle ihre eigene Membran hat und der Zellfaden von einer a gemeinsamen Scheide umgeben ist. Der Inhalt zw else) ist mehr oder weniger gleichmässig im Lumen vertheilt. Hie und da wurden Anschwellungen des Fadens beobachtet und in den ange- schwollenen Zellen auch Längstheilungen (Fig. 10), so dass der Faden stellenweise zwei- reihig war, oder aus zwei Fäden zusammen- gewachsen erschien, ganz in der Weise wie es Kützing (Tab. phycol. II, 84) für Hormospora mutabilis (Breb.) abbildet. Bekannt aus Europa, Nordamerika und Neuseeland. b. Chaetophoreae (Harv.) Hass. 8. Chaetosphaeridium Klebahn. 22. Ch. Pringsheimü Klebahn (14). Burpengary. Ich hatte diese Alge untersucht und beschrieben, als ich Kle- bahn’s Entdeckung, die im Generalversammlungsheft der deutschen botanischen Gesellschaft (Bd. IX, 8. [7]) mitgetheilt wird, erfuhr und aus brieflichen Mittheilungen, Zeichungen und einem Präparat, was mir der genannte Autor mit grosser Liebenswürdigkeit zukommen liess, erkannte, dass ich dieselbe Alge, wie er, beobachtet hatte. Vorher glaubte ich die Pflanze vor mir zu haben, welche Nordstedt als Aphanochaete globosa bezeichnet hat, und unter diesem Namen habe ich auch über sie im biologischen Centralblatt (Bd. XII Nr. 3 8. 107 Fig. 7) einige Mittheilungen gemacht. Obgleich die Beschreibung nicht ganz passt, so ist doch die Abbildung, die Nordstedt gibt, abgesehen von dem Vorhandensein einer Gallerthülle und dem Fehlen der leeren Verbindungsschläuche, derartig, dass eine Verwechslung leicht möglich erscheint. Darum führe ich auch die Alge unter den Chaetophoreae an der Stelle von Aphanochaete an, worin ich durch Klebahn’s Ansicht über die systematische Stellung von Chaetosphae- ridium, die ich allerdings nicht ganz theile, bestärkt werde. Ich lasse die Beschreibung folgen, wie ich sie ursprünglich aufgeschrieben hatte, und verweise bezüglich weiterer Details und der Abbildungen auf die aus- führliche Arbeit Klebahn’s, die in Pringslieim’s Jahrbüchern erscheint. Ihre runden Zellen sitzen colonienweise an Coleochaete und ver- schiedenen fadenförmigen Algen an. Der Thallus besteht zunächst aus einer kugligen Zelle, welche an einem Pol dem Substrat aufsitzt, am anderen Pol in einen dünnen spitzen Fortsatz ausgeht, der zu einem Fig. 10. 1) De Algis aquae duleis et Characeis ex insulis Sandvicensibus a Berggren reportatis. Taf. II, Fig. 22-23. Hier ist auch die horizontale Theilung‘ angedeutet. 434 äusserst langen und dünnen, gewöhnlich in vielfache Windungen gelegten Haare ausgezogen ist. Dasselbe bildet also eine einfache Fortsetzung des Zelllumens und ist nicht durch eine Querwand abgetrennt.) Im untern Theil finden wir ein die Zelle fast ausfüllendes Chromatophor mit einem Pyrenoid. Die Zelle theilt sich durch eine m der Ebene des Aequators liegende Wänd, die untere Zelle stülpt sich darauf aus und wird zu einem kürzeren oder längeren Schlauch, der am Ende wieder kuglig auschwillt. Darauf nimmt diese Kugel alles Plasma auf, grenzt sich durch eine Wand von dem leeren Theil ab und bildet an der anderen Seite ein Ilaar. In der ersten Zelle, von der wir ausgingen, wölbt sich der obere T'heil in den entleerten unteren hinein; dass hier eine zweite Theilung auftritt, habe ich nicht beobachten können, wohl aber sah ich ganz entleerte Zellen, die wahrscheinlich dadurch. entstanden sind, dass auch der obere Theil einen Schlauch bildet und sein Plasma auswandert. Durch die T'heilung und Neu- bildung der Zellen. entstehen so Colonien von kugligen haartragenden Jıellen, die theils dieht beisammen liegen und dann dureh schr kurze /wischenstücke, theils weiter von einander entfernt und dann durch lange leere Schläuche verbunden sind. Die Zellen haben einen Durch- messer von ca. 9p. Diese Kleinheit erschwert die Beobachtung eben- sowohl wie der Umstand, (dass die Alge meist zwischen den Zweigen .auderer vorkommt. w Chaetosphaeridium Pringsheimii ist bei Bremen, auch an einer Coleochaete, beobachtet worden. 9. Herposteiron Naeg. 23. H. confervicolum Naeg. a. f. iypica (12.) Kelvin Grove. Die gewöhnliche verzweigte Form wuchs ziemlich reichlich auf einem sterilen Oedogonium. Die Zellen sind etwa 5—10 x. diek und von verschiedener Länge, viele mit Haaren verschen. Dass letztere einzellig, also nicht septirt, doch durch eine Querwand von der Tragzelle getrennt sind, habe ich bereits an anderer Stelle besprochen und dort auch das Vorkommen von ver- zweigten Haaren erwähnt.?) Diese Form ist bekannt aus Deutschland und Süd- amerika, wahrscheinlich aber allgemein im Süsswasser ver- breitet, vielleicht auch mit Aphanochaete repens verwechselt, welche Nordstedt für die Sandwichinseln und Neu- seeland angibt. B. f. bieellularis (25.) Burpengary. Diese Form, welche sich dadurch auszeichnet, dass der Thallus in der Regel nur aus zwei Zellen besteht, wurde auf Hormiscia subtilis gefunden (Fig. 11). Die beiden Zellen sind am Ende zugespitzt, so dass der Thallus von oben spindelförmig aussieht. Meist trägt jede der beiden Zellen, manchmal nur eine ein Haar. Längere Fadenstücke wurden 1) Vgl. Beschreibung und Abbildung im Biolog. Centralbl. 2) Biolog. Centralbl. Bd. XII Nr. 3 8. 98 Fig. 6. 435 nur ausnahmsweise zwischen den zweizelligen gesehen. Die letzteren sitzen in der Regel gruppenweise beisammen, so dass der Hormiscia- Faden streckenweise von ihnen bedeckt ist. 10. Stigeoclonium Kütz. 24. St. amoenum Kütz. var. novizelandicum Nordst. (6). Enoggera Öreek, Kelvin Grove, an Steinen im fliessenden Wasser. Bildet Büschel von 7—8mm Höhe; die Zellen, wenigstens der unteren Aeste, Sind an den Querwänden deutlich eingeschnürt, die des Hauptstammes 21-27. diek und 1—2 Mal so lang. Die Aeste entspringen meist zu zwei, nicht opponirt, sondern nahe zusammen, die kleinen Aestchen entspringen meist einzeln. Die Zellen der stärkeren Seitenäste sind 10-155 dick und 1-3 Mal so lang, die der letzten Zweige nur 7—8,. dick und meist drei Mal so lang. Das Chromatophor bildet in allen Zellen ein schmales Band in der Mitte. Von den unteren Theilen der Hauptäste gehen zahlreiche, lange, ge- gliederte Rhizoiden aus. Haare fehlen. Die var. novizelandica unterscheidet sich von der typischen Form hauptsächlich durch die angeschwollenen (an den Quer- wänden eingeschnürten) Glieder und die grösseren Dimensionen, wesshalb ich die vorliegende Alge zu ihr rechne. Sie ist bisher nur aus Neuseeland bekannt, die typische Form aus Europa und Nordamerika. 25. St. australense nov. spec. (12). Kelvin Grove. Aus der kleinen Alge, welche nur m einem vollständigen Exemplar beobachtet wurde, muss ich eine neue Art machen, weil auf sie keine der Diagnosen der be- kannten Arten passt und ich auch keine mit ihr übereinstimmende Abbildung ge- funden habe (Fig. 12). Die zahlreichen, von einer Stelle aus- gehenden Hauptäste bilden ein 2 mm hohes Büschel. Die Zellen sind cylindrisch, oben kaum dünner als unten, im Allgemeinen 6—7 u breit und 2—5 Malso lang. Das Chro- matophor füllt die Zellen fast ganz aus. Die grösseren Aeste entspringen meist einzeln, selten opponirt und sind oben mit kurzen Seitenästcehen, die auch zu zweien von einer Stelle ausgehen können, besetzt. Die Verzweigung ist eine dichte, die Zweige sind aufrecht abstehend; die meisten endigen in ein langes, mehrzelliges Haar. Mehrfach waren die Zellen in der Nähe der Astenden in Schwärmsporenbildung Flora 1892, 436 begriffen, dann natürlich ängeschwollen und in kurze Glieder getheilt. Rhizoiden fehlen. 6. Conferveae (Bonnem.) Lagh. 11. Conferva (L.) Lagk. 26.(?) C. bombycina (Ag.) Lagh. (2). Sümpfe bei Fairfield Eine sichere Bestimmung lässt sich an Material, das in Alkohol conservirt ist, nicht machen, denn der Inhalt der Zellen ist nicht mehr ordentlich erhalten und die Farbe der Fäden, die ebenfalls als Merkmal gilt, ist nicht mehr vorhanden. In Aussehen (Zellen an den Querwänden etwas eingeschnürt) und Maassen (Zellen ca. 7. breit, 2—3 Mal so lang) stimmt die vorliegende Form mit C. bombyein« überein, welche in allen Welttheilen verbreitet zu sein scheint, für Australien aber noch nicht angegeben ist. Ordo II. Siphoneae Grev. em. Fam. 5. Vaucheriacese (Gray) Dumort. 12. Vaucheria DC. (Vauch.). 27. V. geminata DC. em. Walz. (19 Sumpf an der Strasse, Eagle Farm, Brisbane River. Die Fructificationsorgane waren meist noch unentwickelt, doch wurden auch einzelne Oogonien mit reifen Sporen beobachtet; die- selben sitzen paarenweis an kurzen Seitenzweigen, das Antheridium zwischen sich nehmend. Die Hauptfäden hatten einen Durchmesser von 50-80 x, die Oosporen mit dreischichtiger Membran waren ca. 60:70 x gross. Bekannt aus Europa und Nordamerika. Ordo III. ‚Protococcoideae (Menegh.) Kirchn. Fam. 6. Palmellaceae (Decn.) Naeg. em. a) Coenobieae Falkenb. 13. Scenedesmus Meyen. 28. Sc. quadricauda (Turp.) Breb. (14). Burpengary. In vereinzelten Exemplaren. Wohl allgemein verbreitet, aber für Australien noch nicht angegeben. 14. Coelastrum Naeg. 29. O.sphaericum Naeg. var. compacta n.var. (14). Burpengary. Diese Form unterscheidet sich von der typi- schen dadurch, dass die Zellen weniger stark nach aussen verlängert sind und kleinere drei- oder vier- eckige Zwischenräume bilden (Fig. 13). Die Colonien. sind kuglig, 30—40 y. dick, die Zellen mit Hülle ca. 151. dick, die Zahl der Zellen einer Colonie scheint 16—32 zu betragen. Die typische Form ist bekannt aus Europa, nie. 13. Argentinien, Sibirien, Neuseeland. b. Tetrasporeue (Naeg.) Klebs ampl. 15. Schizochlamys A. Br. 437 - 30. Sch. gelatinosa A. Br. (14). Burpeägary. Zellen 8—14 p. dick, meist zu vier, umgeben von den gesprengten Hüllen der Mutterzellen. Kleine Colonien fanden sich zwischen den Coleochaete-P olstern. Bekannt aus Europa und Nordamerika. 16. Palmodactylon Naeg. 31. P. subramosum Naeg. (14). Burpengary. Zahlreiche Exemplare von verschiedener Form und Grösse wurden zwischen andern Algen beobachtet (Fig. 14). Im einfachsten Fall liegen vier Zellen in einer Reihe, bei den weiteren Theilungen bilden sich ganz unregelmässig gekrümmte Schläuche, meist sind noch die Gruppen von vier Zellen zu erkennen. Die Zellen sind rundlich, 8—14p. dick (ohne Hülle), die Schläuche sind bis 34 ı dick. Bekannt aus Europa und Sibirien. 17. Tetraspora Link. 32. Bei Burpengary wurden kleine Thallome von unbestimmter Form gefunden, die offenbar einer Teetraspora angehörten. Die zu vier gruppirten Zellen waren 6—14. gross. Für Australien wird nur die fragliche 7. intricata Berk. et Harv. (Tasmanien) angeführt. c. Palmelleae (Deen.) De Toni. 18. Botryococeus Kütz. 33. B. Braunü Kütz. (18). Vietoria Park, Schlamm. Die Familien sind 70—130 u. gross, von unregelmässig rundlicher Form. Die Hüllen sind braungelb, die Zellen elliptisch oder etwas keilförmig, 4 breit, 12—14y. lang, also etwas schlanker als ge- wöhnlich. Bekannt aus Europa und Nordamerika. 19. Protocoecus Ay. 34. P. infusionum (Schrank) Kirchn. (13). Burpengary. Zellen mit Ilülle ea. 45. im Durchmesser, Aligemein verbreitet. Ordo IV. Conjugatae (Link.) De Bury. Fam. 7. Zygnemaceue (Menegh.) Rabenh. a. Mesocarpeae De Bary. 20. Mougeotia Ag. 35. M. laetevirens (A. Br.) Witr. (14). Burpengary. Nur ein kurzes copulirendes Fadenpaar wurde gefunden. Die Zygote lag im Copulationskanal, war 404 hoch und 451 breit, die vegetativen Zellen waren 22'u breit, Maasse, welche mit denen der Diagnose übereinstimmen. Diese Art ist Vertreter der Section Cratero- spermum (A. Br.). - Bekannt aus Europa und Nordamerika. b. Zygnemeae (Menegh.) De Bary em. 21. Zygnema Ag. 29* 438 36. Z. leiospermum De Bary (25). Burpengaty. on Zellen der Fäden sehr gleichmässig 22—24y dick, 1—1'k Mal so lang, selten etwas kürzer als der Durchmesser, an den Querwänden schwach eingeschnürt, mit zwei deutlichen grossen sternförmigen Chro- matophoren in jeder Zelle. Sporen nicht gesehen: Bekannt aus Europa und Nordamerika. 37? 2. tenuissimum Grun. (24). Burpengary, Reservewasser- becken. : Diese Art wird von De Toni unter den species accuratius in- quirendae angeführt. Ihre Diagnose: „Tenuissimum, cell. veg. 9 ıı latis, diam. 10 plo longioribus, endochromate in stellulas binas approximatas congesto* passt genau auf die vorliegende Form, deren Fäden zum Theil copulirt und Zygoten gebildet hatten. Die Zygote ist kuglig, 17 u im Durchmesser und liegt im Copulationskanal; in letzterer Be- ziehung würde also diese Art in dieselbe Gruppe wie die vorige gehören. Die genannte Art, deren Sporen unbekannt sind, wird von Grunow aus Niederösterreich angegeben. 38*. Z. (Zygogonium) pectinatum (Küte.) Ay. (25). Burpengary, Reservewasserbecken. Vegetative Zellen an den Querwänden etwas eingeschnürt, in der Mitte angeschwollen, 20—23 ı dick, 1—83 Mal so lang, mit bräunlicher Membran und mehr oder weniger dieker Gallertscheide. Nach den Dimensionen der Fäden, die geringer sind als bei der typischen Form, würde die vorliegende Alge vielleicht zur var. conspieua (Hass.) Kirchn. zu stellen sein, doch wurden die Sporen nicht gesehen. Bekannt aus Europa, Nord- und Südamerika und Australien. Z. (Zygogonium) ericetorum (Kütz.) Hansg. a. (1%). Burpengary. Zellen ceylindrisch, 24 dick, 3—4 Mal so lang, ohne Gallerthülle, Sporen nicht gesehen. b. (6). Fairfield. Zellen 18; diek, 1—2mal so lang, einzelne mit seitlichen Aus- stülpungen. Vielleicht ist es die var. ferrestris Kirchn., für welche nach Kirchner solche seitliche Ausstülpungen charakteristisch sind; ihre Sporen sind unbekannt. Wahrscheinlich allgemein verbreitet, speciell für Europa und Nordamerika angegeben. 22. Spirogyra Link. Zahlreiche Arten dieser Gattung wurden beobachtet, die meisten aber leider steril und folglich unbestimmbar. In Fructification fanden sich nur zwei Arten. ! 40. Sp. punctata Oleve var. tenwior n. var. (14). Burpengary. Diese Art gehört in die Section Conjugata Hansg. (mit geraden Querwänden) und in die Subsection Monozyga Hansg. (wo der Oogu- lationsschlauch nur von der einen Zelle gebildet wird). Sie zeichnet sich aus durch die bei der Reife gelben Sporen mit körniger Mittel- 439 haut. Bei der typischen Form sind die vegetativen Zellen 24—27 dick, 6--12 Mal so lang mit einem Chlorophyliband von 31a—7 Um- . gängen, die Sporen 35—37 ıı breit, 11/y—2 Mal so lang. Bei der vor- liegenden Form sind die vegetativen Zellen nur 18—20 ı dick und 3—5, selten bis 8 Mal so lang, mit einem Chlorophyliband von 3—5 Um- -gängen, die Sporen 30—32 ı. breit und 66-70 y. lang. Ich habe desswegen eine besondere Varietät aufgestellt. Die Art ist bekannt aus Europa, Nordamerika, Afghanistan. 41. Sp. calospora Cleve (26). Aus Sümpfen bei dem Caboolture(?) River. Diese Art gehört zur Section Salmacis (Bory) Hansg. (mit ge- falteten Querwänden) und zwar zu den Arten mit nicht glatter, Sporen- membran. Die vegetativen Zellen sind bei der vorliegenden Form ca. 27 yı breit und 5—8 Mal so lang, mit einem Chlorophyliband von 4—5 Um- gängen. Die fructifieirenden Zellen sind etwas angeschwollen und kürzer als die vegetativen. Die Sporen sind elliptisch, 30—36 p. breit, 64—70 ya lang, im reifen Zustand braun mit fein punktirter Mittelhaut, die im optischen Durchschnitt fein radiär gestreift erscheint. Die Maasse können bei dieser Art in gewissen Grenzen variiren, wesshalb Cooke mehrere Formen davon annimmt. Bekannt aus Europa und Nordamerika. Fam. 8. Desmidiaceae (Kütz.) De Bary. Die meisten Desmidicen stammen aus den Aufsammlungen von Burpengary (13, 14), doch kommen hier die Arten meist nur in vereinzelten Exemplaren vor, weshalb auch Zygotenbildung nur äusserst selten beobachtet wurde. a. Eudesmidieae Hansg. 33. Desmidium Ag. 42. D. quadrangulare Küte. (13). Burpengary. Die Zellen stimmen in ihrer Gestalt vollständig mit der typischen Form der Art überein (conf. Abb. in Ralfs, Britsh Desmids t. V), haben aber kleinere Maasse, so dass sie nur halb so breit sind, als angegeben wird, nämlich 30 y breit und 1/,—?/s Mal so lang. Es wurden nur vereinzelte Fadenstücke gesehen. Bekannt aus Europa, Nordamerika, Brasilien, Birma. 24. Hyalotheca Ehrb. 43. H. dissiliens (Smith) Breb. (14). Burpengary. Das Längenverhältniss der Zellen zu ihrer Breite wechselt bei dieser Art, gewöhnlich sind sie etwa /a so lang als breit, hier betrug die Länge ca. ®3 der Breite (12—14 1 lang, 16—20 1. breit). Von einer Gallerthülle war auch nach Färbungsversuchen nichts zu sehen; dieselbe scheint zwar bei der typischen Art regelmässig vorhanden zu sein, fehlt aber bei der var. tatrica Racib., welche sich von der vor- liegenden Form dadurch unterscheidet, dass bei ihr die Zellen fast ebenso lang als breit sind. Bekannt aus Europa, Nordamerika, Sibirien, Thibet, 25. Onychonema Wallich, 440 44. O. filiforme (Ehrb.) Roy et Bisset. (14). Burpengary. In vereinzelten Fadenstücken, deren Zellen 12—14y lang und ebenso breit waren. Diese Maasse passen zu den für die typische Form angegebenen; Nordstedt’s Exemplare aus Neusceland waren etwas grösser. Bekannt aus Europa, Nordamerika, Japan, Birma, Neu- seeland. 26. Gymnozya Ehrb. 45. G. moniliformis Ihrb. (13). Burpengary. Typische Form, Zellen 21—28 ı. lang, 16—19, am Ende 11—14y. breit, die Z eichnung der Membran schr undeutlich. Bekannt aus Europa, Nordamerika, Brasilien, Birma, Sibirien, Java, den Sandwichinseln, Neuseeland; eine var. gracilescens aus Brasilien und New Jersey. b, Didymoideae (Heinsch) Hansg. 27. Cylindrocystis Menegh. 46. C. Brebissonii Menegh. (14). Burpengary. Zellen 251 breit, 60 x lang, mit breiten, abgerundeten Enden (Fig. 66. T. XXV in Ralfs, Brit. Desm. entsprechend). Bekannt aus Europa, Nord- und Südamerika, Sibirien, Birma. 28. Olosterium Nitesch. 47. 0. gracile Breb. (14). Burpengary. Ausser der typischen Form (5—6 y. breit, 133 u lang) wurde noch eine kleinere Form beobachtet, die kaum 4. diek und 90 „. lang war; sie würde nach den Dimensionen eher zu C. Lundellii Lagh. passen, welches sich von C. gracile besonders durch die Form der Zygoten unterscheidet. Dieselben wurden aber nicht gesehen. Ü. gracile ist aus verschiedenen Tändern Europas, aus Nord- amerika und Neuseeland bekannt. 48. C. juncidum Ralfs (14). Burpengary. Diese Art ist sehr veränderlich in der Länge der Zellen, ich fand sie 11—16j in der Mitte dick und 156—850 j. lang. Bekannt aus Europa, Nordamerika, Gr önland, Birma. 49. C. acerosum (Schrank) Ichrhb. (26) aus den Sümpfen bei dem Caboolture(?) River. Selten, 521 breit, 715p lang; Zeilhaut glatt. In letzterer Be- ziehung sind die Angaben verschieden: Ralfs (Brit. Desm.) sagt, dass die Streifen fehlen oder undeutlich sind, nach Kirehner (Algen Schlesiens) ist die Zellhaut meist deutlich gestreift, nach De Toni (Sylloge) glatt oder meist sehr deutlich gestreift. Die Art scheint überall vorzukommen, doch wird sie für Australien noch nicht angegeben; zu den bei De Toni genannten Lokalitäten kann ich noch Java hinzufügen. 50. C. acutum Breb. (14). Burpengary. In Form und Maassen mit den Angaben übereinstimmend? 11—12 ı diek, 135—150 1. lang. 441 Bekannt aus Europa, Nordamerika, Grönland, No Semlia, Birma, Neuseeland. 51. ©. lineatum Ehrb. (14). Burpengary. 28 a breit, 530 u lang, Membran bräunlich und fein längsgestreift, in der Mitte mit zwei Querstreifen. Bekannt aus Europa, Nordamerika und Japan. Die var. sundvicensis Nordst. (Sandwichinseln und Neusee- land) unterscheidet sich durch dichter gestellte Streifen, mehr bräun- liche oder röthliche Membran, stärkere Auftreibung in der Mitte und grössere Dimensionen (36—40 x diek), sie wurde nicht unter den australischen Algen beobachtet... 52. €. Dianae Ehrb. (14). Burpengary. Zellen in der Mitte 15—24 dick, 200—320 » lang, Membran schwach bräunlich, ganz fein gestreift. Eine weit verbreitete Art: Europa, Nord- und Südamerika, Asien, Sandwichinseln, Neuseeland. Von einer, dem (‘. Diunae, ähnlichen Art sah ich zwei in Copu- lation befindliche Exemplare; die Zygospore war ungleichseitig vier- eckig mit stark abgerundeten Ecken, wahrscheinlich also abnorm oder unvollkommen ausgebildet, ihr Durehmesser betrug 18:22. Die copulirenden Zellen waren in der Mitte 9. breit und 86 1. lang, ihre Membran hatte eine ähnliche Beschaffenheit wie die von (. Dianne. 53. C. parrulum Naeg. (14). Burpengary. Zellen 9, diek, 70, lang, die (nicht beobachteten) Zygosporen sind kuglig (nach Abb. in Wolle, Desm. U. 8. T. VII. Fig. 16). Bekannt aus Europa, Nordamerika, Sibirien, Grön- land, den Sandwichinseln. 54. C. Ehrenbergii Menegh. (14). Burpengary. Ausser der typischen Form mit deutlich bauchig aufgetriebener Mitte (92 „ diek, 540 „ lang) fand ich öfters Exemplare, welche diese Auftreibung nicht oder nur angedeutet zeigen, sich somit dem ('. Mali- nervianum De Not. nähern (60-90 „ diek, 400-370 „ lang, Membran glatt und farblos). Da Uebergänge vorhanden sind, scheint es mir besser, das letztere nur als Varietät von Ü. Ehrenbergi zu betrachten, wie es auch Rabenhorst gethan hat. €. Ehrenbergii ist aus Europa, Nord- und Südamerika, Neuseelandund Japan bekannt, €. Malinerzianum nur aus Europa. Nordstedt erwähnt unter seinen neuseeländischen Algen {l. e. p. 69) auch ein (. moniliforme (Bary) Ehrb., dessen Mitte nur ganz wenig banchig aufgetrieben war; diese Art ist der vorigen sehr ähn- lieh, hat aber geringere Dimensionen (36—55 „, selten bis 72 , dick). 55. 0. Kueetzingii Breb. (14). Burpengary. In der Mitte 16 , breit, au den farblosen Enden auf 2, verdünnt, bis 530 , lang, in der Mitte deutlich gestreift. Bekannt aus Europa, Nordamerika, Japan, Neuseeland, 29. Penium Breb. 56°? P, closterioides Ralfs (14). Burpengary. 442 Die gefundene Form steht dieser Art am nächsten, ist aber be- deutend schlanker (nur 30, breit, gegen 40—44 w; 200 u lang). Die typische Art ist bekannt aus Europa, Nordamerika, Brasilien, Birma. 30. Tetmemorus Ralfs. 57. T. Brebissonii Ralfs var. attenuata Nordst. (14). Burpen gary. Die Zellen sind bei dieser Form von vorn gesehen (wo der Einschnitt am Ende sichtbar ist) nach den Enden verjüngt, während sie bei der typischen Form eylindrisch sind. Die Maasse (22—24 „. breit, am Ende 14-17 ,, 110—140 „ lang) sind etwas kleiner als die von Nordstedt gefundenen. Diese Varietät ist nur aus Neuseeland bekannt, während die typische Art in Buropa und Nordamerika gefunden wurde. var. fenwissima nov. var. (14). Burpengary. Als besondere Varietät möchte ich eine selten beobachtete Form bezeiehnen, die sich wohl am ehesten an T. Brebissonii anschliesst: die Zellen haben eine scharfe Einschnürung in der Mitte und sind an der breitesten Stelle nur 12—14 „. dick, die Zellhälften annähernd eylindrisch, aber vor dem Ende etwas eingezogen, die Enden sind abgestutzt mit deutlichem Einschnitt, Zellen 128, lang, die Membran mit feinen in Längsreihen geordneten Punkten besetzt wie bei der typischen Form (Fig. 15). 31. Triploceras Bail. 38. T. gracile Bail. (14). Burpengary. Sehr vereinzelt, nur in wenigen vollständigen Zellhältten gesehen. Dieselben waren 14 „ breit und 240, lang und ent- sprachen der forma paullo gracilior Nordst. mit zweigipfeligem Ende (conf. Nordst. N. Zeal. Alg. tab. VII fig. 12). Bekannt aus Nordamerika, Indien und Neuseelan d, «(ie von Nordstedt aufgestellten Varietäten stammen alle aus Neuseeland. 32. Disphinctium Naeg. 59. D. Cylindrus (Ehrb.?2) Naey. (14). Bu rpengary. In vereinzelten, sehr kleinen Exemplaren, die im Aussehen ganz der Fig. 2a Taf. XXV Ralfs, Brit. Desm., entsprechen, aber nur 9-10 4 diek (gegen 13—20 „ bei der typischen Form) und drei Mal so lang sind. Bisher nur aus Europa bekannt. 33. Pleurotaenium Naeg. 60. P. Ehrenbergü (Ralfs) Delp. (1, 13, 24). Bu rpengary, Fairfield, Queenspark, Reservewasserheeken. Diese Art war eine der am häufigsten beobachteten, die Grösse ist ziemlich variabel. doch passen die Maasse zu den angegebenen: 25-35 fi breit, 180—540 v lang. Bekannt aus Europa, Nordamerika, Sibirien, Java, Neuseeland, Senegal. 34. Pleurotaeniopsis Lund. 61. P. turgida (Breb.) Lund. (14). Bu rpengary. Die Zellen sind elliptisch, in der Mitte leicht eingeschnürt, an Fig. 13. 443 den Enden abgestutzt, von oben gesehen kreisförmig, die Membran ist fein punktirt, Gestalt der Chromatophoren undeutlich, doch sind vier Pyrenoide in jeder Zellhälfte zu erkennen. Durchmesser am Isthmus 40—50 „, Länge der Zellen 70—80 ., diese Maasse bleiben etwas hinter den angegebenen zurück. Pl. pseudoconnata Lagh., eben- falls mit vier Pyrenoiden in jeder Zellhälfte, ist ähnlich, aber ver- hältnissmässig kürzer und von kleineren Dimensionen. Disphincetium (Cosmarium) subglobosum (Nordst.) De Toni hat dieselbe Zellform, aber nur ein Pyrenoid in jeder Zellhälfte und kleinere Dimensionen. Bekannt aus Europa, Japan, Neuseeland. 62. P. tessellata (Delp.) De Toni var. Nordstedtii nov. var. (14). Burpengary. Die Exemplare, auf welche ich die neue Varietät gründe, unter- scheiden sich von der typischen Art (Disphinctium tessellatum Delp. specim. Desm. subalp. p. 232 t. 21 fig. 10—13) besonders durch die stärkere Mitteleinschnürung. Dadurch erscheinen die Zell- hälften fast kuglig, mit abgeplatteten Polen. Die Membran bildet Vorsprünge in Form deutlicher an einander stossender Warzen, die in Längs- und Querreihen angeordnet er- scheinen; in der Mitte der Zellhälften kann man etwa 18 Längsreihen und an jeder Zellhälfte etwa 13 Querreihen unterscheiden. Am Isthmus ist die Membran glatt. Der Zellin- halt war nicht deutlich zu erkennen, doch scheinen die Chro- matophoren wandständig zu sein und je zwei (oder vier) Pyre- Fie. 16 noiden zu enthalten (Fig. 16). Die grösste Breite der Zellen Be beträgt 60—65 ., die des Isthmus 40—45 „, die Länge 110—118 .. Pl. tessellata ist von Delponte in Italien und von Nordt- stedt an javanischen Utrieularien gefunden worden. Der letztere Autor, dem ich ein Präparat der australischen Alge vorlegte, hatte die Güte, mich auf die Zugehörigkeit derselben zur genannten Art und die Unterschiede von dieser aufmerksam zu machen, wesshalb ich mir erlaube, die Varietät nach ihm zu benennen. 35. Cosmarium Corda. 63. C. Seelyanum Wolle (18). Vietoria Park. Die gefundenen Exemplare stimmen sehr gut mit der Diagnose und Abbildung in Wolle, Desm. U. 8. p. 73 t. XVIH fig. 33—35. Von vorn gesehen sind die Zellen annähernd quadratisch, an jeder Seite der Halbzelle finden sich zwei grösse, auf dem Rücken vier kleinere Vorwölbungen, die mittlere Prominenz ist von einem Ring kleiner Warzen. umgeben, an der Peripherie sind die Punkte in zwei Halbkreisen geordnet; von oben gesehen sind die Zellen lang eylindrisch mit einer mittleren Ausbuchtung auf beiden Seiten; von der Seite gesehen erscheinen die Zellen bisquitförmig. Länge der Zellen 26,., Breite an der Einschnürung 22 ., Breite des Isthmus 5 ». Bisher nur aus Nordamerika bekannt. 64. C. Meneghinüi Breb. forma? (18). Victoria Park. Die beobachteten Exemplare unterscheiden sich von der typischen Form durch den achteckigen Umriss der Zellhälften; der Rand zeigt 444 also nicht vier, sondern sechs Einbuchtungen, im übrigen scheint mir Gestalt und Grösse der Zellen am besten zu dieser Art zu passen (Fig. 17, A von vorn, B von oben, Ö von der Seite). Breite 18-21, Isthmus kaum ein Drittel so breit, Länge 26—28 .. In jeder Zell- hälfte ein Chromatophor mit einem deutlichen Pyrenoid. Die Form erinnert auch an C. gra- S natum Breb. var. subgranata Nordst.(Alg. Sandvic. u p. 13 1. Il. fig. 8), das einen ähnlichen crenulirten Fig. 17. Umriss und ähnliche Dimensionen hat, doch gehen hier die Seiten von der Basis aus erst aus einander und con- vergirven dann stärker als es bei C. Meneghinii der Fall ist. Diese Art kommt in verschiedenen Varietäten sehr weit verbreitet vor, doch finde ich sie für Australien noch nicht angegeben. 65. C. obsoletum (Hantzsch) Reinsch. (14). Burpengary. Von oben gesehen beinahe kreisrund; ausgezeichnet durch die kurzen Stacheln an jedem der vier an der Einschnürung zusammen- stossenden Ecken. Meine Maasse stehen in der Mitte zwischen den von De Toni (Sylloge p. 974) und Nordstedt (Ale. Mus. Lugdun. Batav. p. 7) angegebenen: Länge 52 y, Breite 56 x, Breite des Isthmus 264. Die Exemplare waren sehr vereinzelt. Bekannt aus Europa, Brasilien, Birma, Java. 66. CO. veniforme (Ralfs) Archer. var. compressa Nordst. (18). Vietoria-Park, Schlamm. In. zahlreichen Exemplaren gefunden, die oft in eine braune Masse eingehüllt waren. Die var. compressa unterscheidet sich durch die Ansicht der Zellen von oben, wobei sie lang elliptisch mit fast parallelen Längsseiten erscheinen, und durch die Anordnung der Punkte auf der Membran in Längs- und schiefe Reihen (quineunx.). Diese Eigen- schaften passen auch auf die vorliegende Form. Zellen 56-62 . lang, 5052. breit, Isthmus 1641 breit. Var. compressa. ist aus Neuseeland bekannt, die typische Form aus Europa, Nord- und Südamerika. 67. C. subpunctnlatum Nordst. (14). Burpengary. Die gefundenen Exemplare entsprechen der von Nordstedt gegebenen Abbildung und Beschreibung (N. Zeal. Alg. p. 47, T. V Fig. 8). Länge und Breite der Zellen ca. 30», Isthmus 10—12,. breit. Bisher nur aus Neuseeland hekannt. 36. Euastrum Ehrb. 68. E. cuneatum Jenn. (14). Burpengary. In zahlreichen Exemplaren von verschiedener Grösse: Länge 96-—-150 a, Breite 42-64 u, Isthmus 11—18 x breit. Die Länge be- trägt also wenig mehr als das Doppelte der Breite, während bei der von Nordstedt in Australien und Neuseeland gefundenen var. sola die Zellen drei Mal so lang als breit sind. Ausserdem zeigt diese var. von oben geschen nur einen Höcker, während die typische Form deren drei besitzt. Bekannt aus Europa, Grönland, Birma, 445 69. E. ansatum Ralfs (14), Burpengary. Die Exemplare waren im Gegensatz zu denen der vorigen Art von ziemlich gleicher Grösse: 61—70 u lang, 34—-40 ,. breit, Isthmus 10—14 „ breit. Die Seiten sind vor dem Endlappen etwas stärker gewölbt als bei der typischen Form, wodurch die vorliegende mehr der var. supraposita Nordst. gleicht, doch habe ich keine drei Ilöcker auf der Fläche jeder Zellhälfte beobachten können. Die Membran ist fein punktirt. Bekannt aus Europa, Grönland, Nordamerika, Sibirien, Japan, Birma, Neuseeland, Hawai, Brasilien, also wohl allgemein verbreitet. 70. E. binale (Turp.) Ralfs (14). Burpengary. Die australische Form entspricht vollkommen der Fig. 8 f. Tab. XIV, Ralfs, Brit. Desm., welche die var. ß Ralfs illustrirt. Die Enden sind geradlinig abgeschnitten und ziemlich scharf winkelig eingeschnitten, an den oberen Ecken ist je ein grösserer Dorn, an den Seiten sind je zwei kleinere Dornen, unter jedem oberen Ein- schnitt findet sich ein deutlicher Vorsprung, der auch bei der Ansicht von oben sichtbar wird. Die Zellen sind 24, lang, 20, breit, der Istmus ist 4. breit. Von dieser mit E. eleyans verwandten Art sind zahlreiche Varie- täten aufgestellt, unter denen sich aber var. ß Ralfs nicht in De Toni’s Sylloge (p. 1084) findet. Wohlallgemein verbreitet: Europa, Nordamerika, Jamaika, Bräsilien, Sandwichinseln, Birma, Sibirien, Afrika. 37. Staurastrum Meyen. 71. St. dejectum Breb. (14). Burpengary. In wenigen Exemplaren gesehen; von oben dreieckig mit abge- rundeten Ecken und eingezogenen Seiten (Länge der Seite 35 1). Stacheln nach aussen gerichtet, wie bei der var. patens Nordst., die Rückenseite aber nicht convex wie bier, sondern schwach concav, wie es bei manchen Formen vorkommt. Bekannt aus Europa, Sibirien, Nordamerika, var. patens aus Neuseeland. 12. St. Pseudosebaldi Wille var. bicornis Boldt (14). Burpengary. In vereinzelten Exemplaren, welche sich dadurch auszeichnen, dass die Zellhäften nur zwei Fortsätze haben und jeder Fortsatz an der. Spitze nur in zwei Stacheln ausgezogen ist. Nordstedt’s subsp. fonsa aus Neuseeland und Australien hat zwar auch nur zwei Fortsätze, aber an der Spitze eines jeden drei Stacheln (bei var. bicornis Boldt ist über die Zahl dieser Stacheln nichts angegeben). Ausser- dem passt die Sculptur der Membran (auf dem Rücken zwei Reihen von gegabelten Dornen) und die Grösse der Zellen besser zu var. bicornis als zur subsp. tonsa Nordst. Länge der Zellen 24—30 y, Breite 48—56,, des Isthmus 8. Die typische Form ist aus Europa und Nordamerika, var. bicornis aus Sibirien bekannt. 446 73.2 St. sagittarium Nordst. (14). Burpengary. Nur eine Zellhälfte gesehen, deren Bau etwas abweichend ist und die ich desswegen abbilde (Fig. 18). Diese Figur unterscheidet sich von der Nordstedt’s (N. Zeal. Alg. T. IV Fig. 6) dadurch, dass sie nicht acht-, sondern sechsstrahlig ist, dass die Strahlen nieht in drei, sondern vier Spitzen ausgehen und dass die Punkte auf der Dorsalseite nicht sinfach, sondern gedoppelt sind. Der innere Kreis, mit dem die Zellhälften aneinander- stossen, ist mit einem Kranz von abwechselnd grösseren und kleineren nach aussen gerichteter Stacheln umgeben (die punktirten Linien in Fig. 18. der Figur). Durchmesser der Zelle mit den Strahlen 65,5, (nach Nordstedt 50—62 1). St. sagittarium ist bisher nur aus Neuseeland bekannt Class. III. Phycochromophyceae Rabh. Ordo V. Hormogoneae T’hur. A. Heterocysteae Hansg. Fam. 9. Sirosiphoniaceae Rabh. 38. Uapalosiphon Naeg. 74%, II. pumilus Kirchn. (14) Burpengary. Thallus in Hockigen oder rasigen kleinen Massen zwischen anderen Algen. Die kriechenden Fäden sind mit Scheide 7,, die Zellen 5 dick, 1—2 Mal so lang oder auch kürzer als der Durchmesser. Die zahlreich ontspringenden aufrechten Fäden sind kaum etwas dünner, die Zellen aber hier im Allgemeinen länger (2—4 Mal so lang als dick), die oben abgerundete Endzelle ist etwas angeschwollen. Die Heterocysten, welche sich nur in den niederliegenden Fäden finden, sind oblong, 2-——4 Mal so lang als breit, nicht dieker als die vegeta- tiven Zellen. Die Maasse, welche bei Bornet und Flahault (Revision des Nostocacdes heterocystdes LI p. 61) angegeben sind, sind bedeutend grösser, doch stimmen die meinigen ziemlich mit denen Nordstedt’s für eine auf den Sandwichinseln gefundene Form überein; desswegen möchte ich auch die vorliegende Alge nicht als eine be- sondere Form aufstellen. Für dieselbe Art aus Australien und Neu 'eeland hat Nordstedt keine Maasse angegeben. . te Art ist weit verbreitet und kommt ausser an den genannten Loka,. ;äten noch vor in Europa, Nordamerika, Brasilien, Östindien. 39. Stigonema Ag. 75. St. hormoides (Kiitz.) Born. et Flah. (14). Burpengary. Findet sich vereinzelt im Schleim der Ooleochaete Baileyi (Nr. 4.), entsprechend den. Angaben von Born. und Flah. {l. c. p. 69), dass die Alge häufig in den schleimigen Massen anderer Algen vorkommt; hier lebt sie im Wasser, sonst soll sie an feuchten Felsen auftreten, 447 Fäden mit Scheide 7—9, diek, Scheide ‚farblos, geschichtet, Zellen 4—5,. diek, 1—2 Mal so lang, elliptisch, Fäden auch selbst stellen- weise etwas torulos. Die Zellen liegen meist in einfachen Reihen, hie und da gepaart; zwischen den Zellen sind deutliche Plasmaver- bindungen zu sehen. Das Aussehen entspricht der Abbildung in Kützing, Tab. phye. Il. t. 34 Fig. 4; die untenstehende Fig. 19 stellt ein grösseres Stück der Alge dar. Bekannt aus Europa, Nordamerika, Neuseeland. 40. Caprosira Kützing. 76. C. Brebissonä Kütz. (4). Burpengary (Deception Bay), in stagnirendem Wasser. Diese merkwürdige Alge verdient besondere Beachtung, sowohl wegen ihres auffallenden Habitus als wegen ihres seltenen Vorkommens. Nach Born. und Flah. (]. c. p. 80) wurde sie zuerst von Brebisson inFrankreich, dann von Rabenhorst in Deutschland und nach fast 40 Jahren von NordstedtinSchweden gefunden. Dieser Autor hat sie mit Diagnose in den Algae exsiccatae (Nr. 183) publi- NET, Fig. 19. Fig. %. eirt. Die Abbildungen, welche Kützing (Tab. phye. II t. 84) (nach diesem Rabenhorst) gibt, sind ganz ungenügend, aber gute Detail- abbildungen findet man bei Borzi (N. Giornale botanico italiano XI, Tab. XI, Fig. 33—-38). Ich fand sie an dem Zweigstück, an welchem auch Batrachospermum vagum ansass. Hier bildet sie annähernd halbkugelförmige feste Polster von kaum imm Durchmesser und 0,25—0,5mm. Höhe und von (in Al- kohol) gelblicher Farbe. Auf dem senkrechten Durchschnitt sieht man, dass der Thallus aus in der Mittel parallel, am Rande radürend aufstei- genden Fäden besteht, die von kriechenden Fäden ausgehen, unregel- mässig verzweigt und seitlich mit einander vereinigt sind. Die Enden sind frei und annähernd in gleicher Höhe (Fig. 20 A). Es wird an- 448 gegeben, dass man auf dem Durchschnitt eoncentrische Zonen (viel- leicht jährliche Zuwachszonen) von gelber und grüner Farbe beobachtet, doch war dies hier nicht der Fall. Wahrscheinlich ist die Pflanze noch zu jung gewesen, denn die Polster werden bis zu I3mm hoch. Etwa vorhandene Farbenunterschiede sind jedenfalls auch durch den Alkohol aufgehoben. Eine Unterbrechung des Wachsthums hat offenbar noch nicht stattgefunden, da die Fäden von unten bis an den oberen Rand verfolgt werden können. Die Zellen sind rundlich, 4—5 , dick, meist kürzer als breit, doch kommen auch längere (bis doppelt so lang als breit vor); besonders zeichnen sich die Scheitelzellen an den freien Fadenenden durch ihre Länge aus (4, breit, bis 9, lang) (Fig. 20 B). Die Plasmaverbindung zwischen den Zellen ist, wie bei vielen Sirosiphoniacen, sehr deutlich. Die Heterocysten entstehen aus den vegetativen Zellen durch Längstheilung derselben, liegen also seitlich, sind von elliptischer Form, etwas kleiner als die vegetativen Zellen und zeichnen sich durch die glänzende Membran aus (Fig. 20 B, h). Sie treten deutlich hervor nach Anwendung von Quellungsmitteln, olıne dieselben sind sie zusammengefallen und erscheinen nur als kleine schmale glänzende Körper. Die Scheiden sind farblos, 7—8 , breit, homogen "und fast lückenlos mit einander verbunden, über der Scheitel- zelle sind sie verdünnt. a 19. Scytonemaceae kabh. 1. Scytonema Ag. Se. subtile nov. spec. (14), Burpengary. Diese Alge, welche mir mit keiner der beschriebenen Arten überein- zustimmen scheint, gehört in die Section Buscytonema Born. et Flah. und bildet kein zusammenhängendes Lager, sondern kommt in ver- einzelten Fäden zwischen anderen Algen im Wasser vor (Fig. 21A, ein Fadenstück mit Verzweigung, B Ende eines Astes). Die Fäden sind mit Scheide 12—17 „. diek, die Scheide farblos und geschichtet, die Zellen sind nur 2—4 , dick, 2—3 Mal so lang und cylindrisch, »ur die der Scheitelzelle nächsten Zellen sind kurz scheibenförmig. Im Inbalt sind meist mehrere Vacuolen zu erkennen und an manchen Zellen in der Mitte ein dunkler Körper (Nucleus?) Die Ieterocysten sind oblong, 4, dick, 10—14 „ lang. Sporen wurden nicht ge- sehen. Die Zweige entspringen gepaart und sind an der Ursprungs- stelle bedeutend dünner, im weiteren Verlaufe nur wenig dünner als der Hauptfaden. Fam. 11. Nostocese Kütz. 42. Nostoc Vaucher. 78.? N. paludosum Küte. (14). Burpengary. Kleine, 100200 „ grosse Lager zwischen anderen Algen; Zellen 449 3—4,5 1 gross, Heteroeysten etwas grösser (6: 7,); Sporen fehlen, desswegen überhaupt nicht sicher zu "bestimmen. Die genannte Art ist bisher wohl nur aus Europa bekannt. B. Homocystese Hansg. Fam. 12, Oscillariaceae Stiz. et Rabh. 43. Lyngbya (Ag.) Thur. 79. L. solitaris Kirchn. (21). Nines Waterhole, Myrtle, Fäden mit Scheide 8—9 „ dick, Scheiden dünn, Glieder deutlich abgesetzt, 3—4 Mal kürzer als der Durchmesser. Endzelle einfach abgerundet. Ob diese Alge auch ausserhalb Europa gefunden wurde, ist mir nicht bekannt. 80. L. obseura Kütz. (18). Vietoria-Park, Schlamm, Brisbane. Fäden mit Scheide bis 24, dick, Scheiden diek und geschichtet, Zellen 14—15, dick, 4—6 Mal kürzer. Bekannt aus Europa und Nordamerika. 44. Oscillaria Bose. 81. O. leptotricha Kütz. (16). Vietoria-Park, Schlamm, Brisbane. Kenntlich an ihren lang zugespitzten, bisweilen gekrümmten Enden und den I Gliedern, welche 1,5—3 Mal so lang als dick sind.. Fäden 3, dick, Spitzen bs zn auf 1,5, verdünnt. Die Fäden sind bis- weilen umgebogen und die umgebogenen Fig. 22. Theile umeinander gewickelt (Fig. 22). Bekannt aus Europa und Nordamerika. 82.2 O0. tenwis (Ag.) Kirchn. (10, 11, 13, 16, 17). Theils auf Schlamm im Vietoria-Park bei Brisbane, theils bei Burpen- gary gesammelt, Die in den verschiedenen Nummern enthaltenen Osrillaria-Formen waren sich sehr ähnlich und dürften nach der Dicke der Fäden (4—5 ı) und Kürze der Glieder in den Verwandtschaftskreis von O0. tenwis gehören, welche aus Europa und Nordamerika bekannt, vermuth- lich aber allenthalben verbreitet ist. Ordo VI. Coccogoneae Thur. Fam. 13. Ohroococcaceae Naeg. 45. Synechococcus Naeg. \ 83. S. aeruginosus Naeg. (21). Nines Waterhole, Myrtle. Zellen meist zu. zwei, seltener einzeln oder zu mehreren an- einandergereiht, ca. 9 dick, 15—18 , lang. Bekannt aus Europa und Nordamerika. 46. Merismopedium Meyen. 84. M. glaucum Naeg. (14). Burpengary. Zellen 3, dick, Familien meist aus 64 Zellen bestehend. Scheint allenthalben vorzukommen; ich finde es angegeben für Europa, Nordamerika, Brasilien, Hawaii, Neusceland, 450 47. Clathrocystis Henfr. 85. C. aeruginosa Henfr. (7). Ennögera ereek, aus Wasser, das durch Röhren geflossen ist. Das Material bestand nur aus Peridineen und dieser Alge. Ihre kugligen Zellen smd 3—4 „ dick, die Familien sehr vielgestaltig, anfangs kuglig, dann wurstförmig oder mannigfach durchbrochen. Die Durch- brechung beginnt damit, dass die kleinen kugligen Familien (etwa bei einem Dur chmesser von 150 ») in der Mitte einen von Zellen freien Raum zeigen. Die grösste beobachtete Colonie mass 700 » im längsten Durch- messer, nach Kirchnersollen die Familien aber nur 30130 1 gross sein. Bekannt aus Europa und Nordamerika. Dasselbe Gläschen, in dem sich Clathrocystis aeruginosa fand, enthielt auch folgende, von Herrn Dr. W. von Schewiakoff be- stimmte Flagellaten: "achelomonas volvazina Ehrbg.') Peridinium tabulatum Iohrbg. Ceratium hirudinella O0. F. Müll. Nachträglich erhielt ich durch Herın Dr. Nordstedt noch ein getrocknetes Exemplar eines Compsopogon, welches von Herrn Bailey in Qucensland gesammelt worden ist. In trockenem Zustand ist die Farbe ganz hellviolett, aber in der Verzweigung, den Maassen und der Struktur stimmt die Pflanze mit Compsopogon coeruleus Monty. soweit überein,?). dass ich kein Bedenken trage, sie zu dieser Art zu stellen. Von Fructificationsorganen war auch hier wiederum . keine Spur zu finden. Was die Struktur betrifft, so entspricht sie im All- gemeinen der von C. chalybeus Kg., wie ich sie in der Hedwigia (1888, Heft 9/10) geschildert habe. Die Rinde ist an jüngeren Aesten ein-, an älteren zwei- bis dreischichtig; die äussersten Rindenzellen sind hie und da papillenförmig, sie liegen nicht in so regelmässigen Reihen, wie es Kützing zeichnet. In den ältesten Stammtheilen müssen die Centralzellen streckenweise zu Grunde gehen und ihre Querwände resobirt werden, wie aus folgenden Beobachtungen hervor- geht. Beim Einlegen der trockenen Pflanze in Wasser treten im Innern Luftblasen auf, die auf längere Strecken hin verschiebbar sind. Ferner sieht man auf dem Querschnitt durch solche Stellen, dass die inneren Rindenzellen sich nach innen gewölbt und manchmal auch wieder- holt getheilt haben, so dass sie dann den Innenraun mehr oder weniger ausfüllen. — Auf den jüngeren heilen des Compsopogon wurde ziemlich reichlich. eine epiphytische Cyanophycee gefunden, die kleine scheibenförmige, meist aber etwas gewölbte, einschichtige Zelleolonien bildete, C. coeruleus ist aus Afrika und Amerika bekannt. 1) Herr Dr. v. Schewiakoff sah in mehreren Exemplaren von Zeridinium 1—4 Zellen von 7rachelomonas, welche dort nur als aufgenommene Nahrung be- trachtet werden können. 2) Nach Kützings Abbildung in Tab. phycolog. T. VII. t. 89. Litteratur. Dr. A. Zimmermann. Die botanische Mikrotechnik. Ein Handbuch der mikroskopischen Präparations-, Reactions- und Tinktionsmethoden. Tübingen 1892. Verlag der H. Laupp’schen Buchhandlung. In der letzten Zeit sind in der Litteratur eine grosse Anzahl neuer mikro- technischer Methoden angegeben worden, welche auf die Herstellung mikroskopischer Präparate, die Sichtbarmachung gewisser Strukturverhältnisse an denselben oder die Erkennung ihrer chemischen Beschaffenheit hinzielen. Der Verfasser hat die dankens- werthe Arbeit unternommen, diese Angaben zu sichten, und die Methoden, welche nach seinen Erfahrungen bei botanischen Arbeiten verwendbar sind, in einem Nach- schlagebuch zusammenzustellen. Entsprechend dem Arbeitsgebiete, auf welchem sich die letzten Publieationen des Verfassers bewegen, sind in dem Handbuche die Mikro- chemie und die Methoden zur. Untersuchung der Zellinhaltsbestandtheile besonders eingehend behandelt worden. Die eingehende Berücksichtigung der Litteratur und besonders der Umstand, dass der Verfasser überall seine eigene praktische Erfahrung mittheilt und dieselbe zur zweckmässigen Abänderung bekannter oder zur Angabe neuer Verfahren benutzt, geben diesen Abschnitten besonderen Werth. Die Abtheilung des Buches, weiche die allgemeine Methodik der botanischen Untersuchung behandelt, enthält eine übersichtliche Zusammenstellung der gewöhnlichsten Untersuchungs- methoden und gibt ausser der Mittheilung des in der Litteratur Gebotenen gleichfalls eine Reihe schätzenswerther Winke, welche aus der Praxis des Verfassers entnommen sind. Vielleicht würde durch eine eingehendere Behandlung einzelner Paragraphen dieses Abschnittes der Werth des Buches noch erhöht werden können. Die Schnitt- fähigmachung sehr harter, trockener Objeete durch Kochen in Glycerin und Alkohol, die Vorrichtungen zur mikroskopischen Beobachtung lebender Objecte unter der Ein- wirkung von Gasen, die Verwendung der Leinöllacke und der Kautschuklösung zum Verschluss von Präparaten, welche mit Oelimmersion untersucht werden sollen, und noch manches andere hätte wohl kurze Erwähnung verdient, Auffällig ist das Fehlen einer Mittheilung über die Celleidineinbettung. Diese von Schiefferdecker ein- geführte Methode hat mir besonders dort gute Dienste geleistet, wo es sich darum handelte, durch kleine, zarte Öbjecte wie Brutknospen der Lebermoose, Embryonen, Drüsen der Insektivoren, Spross- und Wurzelspitzen etc. Schnitte in bestimmter Richtung zu führen. Dabei ist gleichgültig, ob man Mandschnitte oder (freilich nicht allzu zarte) Mikrotomschnitte herstellen will. Da man das bei richtiger Behandlung durchsichtige Celloidin nicht aus den Schnitten zu entfernen braucht, so führt diese Methode abgesehen von sonstigen praktischen Vorzügen in entsprechenden Fällen Flora 1892, 30 452 schneller zum Ziel als die Parafineinbeftung. Das Verfahren der Finbettung ist u. a. eingehend geschildert in dem Werke: Das Mikroskop von Behrens, Kossel und-Schiefferdeeker, welches, wie hier zugleich erwähnt sein möge, demjenigen, der sich mit der Mikrotomtechnik bekannt machen will, über Einrichtung und Ver- wendung des Mikrotoms eingehendste Belehrung gibt. Zimmermann hält das kurze Henking'sche Mikrotommesser für das geeignetste und scheint, wenn ich eine kurze Bemerkung‘ im Text des Buches richtig verstehe, dasselbe stets senkrecht zur Schlitten- bahn einzuspannen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass auf diese Weise in einer Reihe von Fällen sehr gute Schnitte erzielt werden können; anderseits kann aber nicht in Abrede genommen werden, dass in vielen Fällen, z. B. bei Objeeten, welche getrocknet waren, und deren Zellwände beim Aufweichen etwas mürbe geworden. sind, mit langem Messer in ganz flacher Stellung, d.h. fast parallel zur Schlittenbahn, mehr zu erreichen ist. Man wird eben hier wie überall die Methode dem Object anpassen müssen. Am Schluss seines Buches gibt; Zimmermann eine compendiöse Zusammenstellung der wichtigsten Fixirungs- und Färbungsmethoden für Bacterien, welche wohl für den gewöhnlichen Gebrauch ausreichend ist. Wer freilich die Spalt- pilze eingehender studieren will, wird schon, um sich mit den hier nicht erwähnten Culturmethoden bekannt zu machen, zu ansführlicheren Werken greifen müssen. Die Anordnung des Stoffes in Zimmermann's Handbuch ist durchaus über- sichtlich, ein sorgfältig hergestelltes Register erleichtert ausserdem. das schnelle Auf- finden der gesuchten Notizen, welche, wo es nöthig erschien, durch gute Holzschnitte erläutert sind. Es ist wohl kein Zweifel, dass das sehr brauchbare Buch sich bald in den Laboratorien einbürgern und bei den mikroskopischen Arbeiten gute Dienste leisten wird. Ghgn. Eingegangene Litteratur. Allescher, Verzeichniss in Süd-Bayern beobachteter Pilze. Ein Beitrag zur Kenntniss der bayer. Pilzflora. III. Abtheilung. Sphaeropsideen, Melaneonien und Hypho- myceten. Ambronn, Anleitung zur Benutzung des Polarisationsmikroskops bei histologischen Untersuchungen. 1892. Leipzig, J. H. Robolsky. Bachmann, E. Der Thallus der Kalkflechten. Wissenschafti. Beilage zu dem Programm der städt. Realschule zu Plauen i. V. Ostern 1892. — — Der Thallus der Kalkflechten. Vorl. Mittheilung. 'S.-A. aus d. Ber, der Deutschen Bot. Gesellschaft. Jahrg. 1892, Bd. X, Heft 1. - Beck von Mannagetta, Flora von Nieder-Oesterreich. Zweite Hälfte, 1. Ab- theilung, Wien 1892, Verl. v. Carl Gerold’s Sohn. Blum und Jännicke, Botanischer Führer durch die städtischen Anlagen in Frank- furt a. M. 1892, Verl. v. Mahlau u. 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Verlag der H. Laupp’schen Buchhandlung. rıora 1898. . Taf. YILVTIT. INTAan [e , \ S ar B) \ — 4“ cH F N em \ i : NY \ N “ j \ UT; \\ / N Es 6 i e: Ay, rn NIIT By PN An, Ueber die Ursachen electrischer Ströme in Pflanzen. Von Otto Haake. I. Theil. Historisches. Wenn in der folgenden Abhandlung von Pflanzen-Eleectrieität die Rede ist, so sind darunter nur solche eleetrische Erscheinungen ver- standen, welche sich im ableitenden Bogen durch den Ausschlag eines Galvanometers zu erkennen geben; niemals also statische Electrieität, wie sie der älteste Forscher auf diesem Gebiete, Pouillet, nach- gewiesen zu haben glaubte. Gehört schon dessen Untersuchung, nach der er den Act des Keimens in ursächlichen Zusammenhang mit der electrischen Ladung brachte, nicht hierher, so sind erst recht ausge- schlossen die der neuesten Zeit, welche constatirten, dass man aus eingewurzelten Pflanzen Funken ziehen konnte. Mit ziemlicher Sicher- heit darf man annehmen, dass hierbei bestimmte äusserliche Umstände von Einfluss waren. Uns interessiren nur solche electrische Erschei- nungen, die in der Pflanze selbst, sei es im Bau, sei es in den Lebens- funetionen, ihren schliesslichen Grund finden. Das Vorhandensein solcher Ströme ist schon längst festgestellt. D) Aber man hat mit den Thatsachen, die nahezu regellos, ja oft einander widersprechend, sich nicht von einem Gesichtspunkt aus betrachten liessen, nichts anzufangen gewusst. Wohl tauchten hier und da Ver- muthungen über die etwaigen Ursachen auf, die der Wahrheit nicht selten nahe kamen; aber es blieben eben Vermuthungen, die keinerlei experimentelle Begründung erfuhren. Bedenkt man noch die Mangel- haftigkeit der älteren Methoden, ferner eine gewisse Voreingenommen- heit, welche speciell die Thierphysiologen veranlasste, im Gebiete der 1) Seit den fünfziger Jahren, wo Beequerel, Wartmann, später Buff und Andere Untersuchungen in dieser Richtung anstellten. Flora 1892, 3 456 Pflanzenelectrieität nur Analogien für die thierische zu suchen — und zu finden, so erhellt, welch unsichere Basis die früheren Untersu- chungen für den Versuch einer Erklärung der beobachteten Erscheinungen bieten mussten. Desshalb ist es auch überflüssig, auf die Resultate der einzelnen Forscher einzugehen, zumal die Litteratur an anderem Orte!) mit. hinreichender Vollständigkeit aufgeführt ist. Immerhin mag an dieser Stelle nochmals Erwähnung finden die Entdeckung Burdon-Sanderson’s, dass zwischen unverletzten Stellen lebender Pflanzentheile regelmässige und dauernde Spannungs- differenzen vorhanden sind, weil sie gegen früher, als man — oft mittelst polarisirbarer Platinelectroden — fast ausschliesslich von Wundstellen ableitete, einen wesentlichen Fortschritt bedeutet und für die Lösung der Causalfrage den Weg wenigstens öffnete. Munk?) untersuchte nun zwar ebenfalls unverletzte Dionaeablätter und vermochte die Vertheilung der electrischen Spannung auf denselben auf’s genaueste festzustellen. Wenn er aber das Schwanken der Gal- vanometerausschläge bei Reizung der Blattfläche aufeine negativeSchwan- kung des Parenchyms der Oberseite und eine positive Schwankung des Parenchyms der Unterseite?) zurückführt, so ist das mit anderen Worten die alte Molecularhypothese der Zoophysiologen, die nicht im Stande ist, einen wirklichen Aufschluss über die Ursachen der Pflanzen- electrieität zu geben, eben so wenig wie sie einen Einblick in das wahre Wesen der thierischen Blectrieität gewinnen liess. Aus dem Verlauf der Stromschwankungen, die stets vor der Reizbewegung der Blattfläche, sehr oft auch ohne dieselbe stattfinden, zieht Munk weiter- hin den nicht unwichtigen Schluss, dass nieht Form oder Wasserge- halt der Zelle, sondern diejenigen Umstände, welche den Filtrations- widerstand des Hyaloplasma beeinflussen, in ursächlichem Zusammen- hange mit den eleetrischen Erscheinungen stehen. Es würden also dabei in Betracht kommen: Veränderung der Beleuchtung, der Temperatur, des Feuchtigkeitsgehaltes der Umgebung, das Alter des Pflanzentheils und der ganzen Pflanze, alles Verhältnisse, die für die Thätigkeit, darum auch für die Eigenschaften des Plasma von Wichtigkeit sind. Weleher Art die besonderen Einwirkungen sind, weiss man ent- weder noch gar nicht, oder doch nicht mit genügender Sicherheit. Folgender Schluss ist aber möglich und bindend: Sind die gemessenen 4) Pfeffer’s Pflanzenphysiologie Bd. 2 S. 426. 2) Die electrischen und Bewegungserscheinungen am Blatte der Dionaea muscipula, Leipzig, Veit & Comp. 1876. 3) lc. 8.182. 451 Potentialdifferenzen in der That nur Resultirende der wechselnden Thätigkeit des Plasma, weiterhin des Lebensprocesses der vegetabilischen Organismen, so muss eine Verschiebung irgend welcher Art der Lebens- bedingungen eine Aenderung des Ausschlags im stromprüfenden Gal- vanometer nach sich ziehen. Diesen Weg betrat Kunkel!) nicht, der zuerst und bis jetzt allein eine experimentelle Lösung des Räthsels der Pflanzeneleectricität versuchte. Nach ihm findet sie ihre Ursache in dem rein mechanischen Vorgang der Wasserbewegung, die erst im Zellgewebe durch das Auf- setzen der ableitenden feuchten Electroden angeregt wird; also nicht auf eine, dem Pflanzengebilde eigenthümliche Thätigkeit, sondern auf rein accessorische Umstände, die.in der Versuchsmethode liegen, seien die beobachteten Ströme zurückzuführen. Es mögen an dieser Stelle zunächst nur die Kunkel’schen Ver- suche und deren Resultate in gedrängter Kürze wiedergegeben werden, weil sie sowohl in technischer Hinsicht vorbildlich waren, als auch den bisherigen Stand der ganzen Frage erkennen lassen. Zur Ableitung des electrischen Stromes bediente sich Kunkel der von den Thierphysiologen allgemein benutzten Dubois-Rey- mond’schen unpolarisirbaren Thonstiefel-Electroden: Amalgamirter Zinkdraht taucht in concentrirte Zinksulfat-Lösung, die in einem kurzen, am unteren Ende von einem wassergetränkten, plastischen Thonkegel verschlossenen Glasrohr enthalten ist. Setzte er eine dieser Eleetroden auf einen Nerv, die andere auf irgend eine Stelle der Fläche des Blattes einer dieotylen Pflanze, so ging von jenem der positive Strom durch den ableitenden Bogen nach der Blattfläche. Ebenso verhielt sich die starke Mittelrippe positiv gegen die dünnen Seitennerven. Blätter monocotyler Pflanzen zog er nicht in den Bereich seiner Unter- suchungen, „weil bei ihnen die sichtbare Trennung zwischen Nerv und grüner Fläche nicht so entschieden ausgeprägt ist, als dass man von beiden Theilen getrennt ableiten könnte.“ Die „normale“ Stromriehtung konnte er jederzeit umkehren, wenn er die Blattlächen - Electrode zuerst aufsetzte oder die Applieations- stelle vor dem Aufsetzen geringe Zeit durch einen Tropfen Wasser befeuchtet hatte, d. h.: „die längere Zeit benetzt gewesene Stelle verhält sich anfänglich stets positiv gegen die kürzere Zeit benetzte*. Diese anormale electromotorische Wirksamkeit wich nach etwa 1) Pflüger's Arch. f. d. ges. Phys. XXV. 8.342 ff, und Arbeiten des bot. Inst. z. Würzburg II. S.1f. 3ı* 458 1—1!/, Minute wieder der ursprünglichen. Öhemische Ursachen ver- mochte er nicht als bei dieser Erscheinung betheiligt zu erkennen. Eine zweite Versuchsreihe mit Anordnungen wesentlich anderer Art gab folgende Resultate: Hatte er an grünen, jungen Schösslingen von Ampelopsis oder Vitis die Eleetroden angelegt — eine Spannungs- differenz in bestimmtem Sinne vermochte er dabei zwischen höher und tiefer gelegenen Punkten nicht zu constatiren —, so zeigte sich die Electrode, in deren Nähe er das Stengelstück schnitt oder quetschte, „stärker negativ.“ Dieselbe ‚Erscheinung trat beim Abbiegen des Stengels ein, aber nur dann, wenn es mit einem Ruck geschah. Gleichmässig langsames Biegen beeinflusste den Galvanometer-Aus- schlag nicht. Es ist kaum nöthig, zu bemerken, dass bei allen diesen Versuchen für unveränderlichen Oontact der Elecetroden gesorgt und eine mechanische Reibung derselben an den Pflanzentheilen vermieden war. Die Beobachtungen, die er am gereizten Blatte von Mimosa pudica machte, deckten sich mit dem, was Munk bei Reizung des Dionaea- Blattes eintreten sah: Es folgte einem negativen kleinen Vorschlag ein viel bedeutenderer positiver Hauptausschlag, dem sich ein wiederum negativer Rückschlag anschloss. _ Die Richtigkeit aller, hier kurz mitgetheilten 'Thatsachen kann ich, abgesehen von einer, betreffs der ersten Versuchsreihe zu machen- den kleinen Einschränkung, die später Erwähnung finden soll — im weitesten Umfang bestätigen. In 133 Fällen von überhaupt 138 an- gestellten Versuchen zeigten Blätter der verschiedensten Dicotylen genau das oben geschilderte Verhalten. Bei den übrigen fünf Blättern musste ich allerdings Ströme in umgekehrter Richtung — Mittelrippe negativ gegen Mesophyll — feststellen. Es war das ein älteres, na- türlich frisches Blatt von Hydrangea Otaksa, während ein anderes von demselben Stock zur selben Zeit geschnittenes, ungefähr gleich- altriges Blatt, das ich unmittelbar danach untersuchte, kein anormales electrisches Verhalten erkennen liess; ferner ein jüngeres Blatt von Camellia florida. Auch hier, wie bei den drei übrigen Blättern von Stereulia inops und Quercus war die gegensätzliche Erscheinung nur auf das Blatt beschränkt, das gerade untersucht wurde; man hatte es also nicht mit einer Eigenthümlichkeit des ganzen Pflanzenindividuums zu thun. Man kann, wie es Kunkel fesstellte, eine solche dauernde Um- kehr des Stromes sehr leicht, wenn auch nicht mit absoluter Sicherheit, künstlich erzeugen, wenn man das Blatt 5—6 Stunden — bei Quercus hatte ich einmal 18 nöthig — unter Wasser getaucht lässt. 459 Zu den Mittheilungen Kunkel’süber die thatsächlichen electrischen Erscheinungen an Stengeltheilen beim Biegen, ferner an Mimosa bei Reizung habe ich keinerlei modificirende Bemerkung zu machen. In wie weit Kunkel aber berechtigt ist, aus den von ihm ge- fundenen Thatsachen seine oben angedeutete Theorie abzuleiten, soll am Schlusse des ganzen Aufsatzes etwas näher erörtert werden. Es dürfte zweckmässig sein, zuerst im folgenden Abschnitte die Resultate der eigenen Untersuchungen auf dem Gebiete der Pflanzenelectricität und die Betrachtungen, die sich daran anknüpfen lassen, wiederzu- geben. I. Theil. Eigene Untersuchungen.') Zuvörderst mögen einige Notizen über die verwendeten Apparate gegeben sein. Zur Ableitung des electrischen Stromes dienten mir eben- falls die Dubois-Reymond’schen Electroden, an denen ich jedoch eine kleine zweckmässige Veränderung angebracht hatte. Aus den Spitzen der „Thonstiefel“ ragten !/, cm lange Enden dünner, weisser, gut ausgewaschener Baumwollenfäden hervor. Damit erzielte ich erstlich den Vortheil einer möglichst geringen Berührungsfläche, so- dann grössere Sauberkeit. Endlich wurde auch die Möglichkeit eines leicht sich einschleichenden Fehlers vermieden. Das Zinksulfat ver- breitet sich sehr raseh im Thon, so dass die Electroden, wenn sie in freier Luft standen, oft nach einem halben Tage schon mit den weissen Krystallnadeln überzogen waren. Der mit dem Salz gesättigte Thon konnte aber leicht bei Berührung eines. Pflanzentheils die Ursache electrischer Erscheinungen werden, die mit der wahren Pflanzenelec- trieität nicht das Geringste zu thun haben. Nur öfteres Erneuern der Thonstiefel hätte gegen diesen Uebelstand schützen können. So aber vermied ich diese zeitraubende Manipulation und wusch nur vor den Versuchen die Fäden durch einen dünnen, kräftigen Wasserstrahl aus. Ich hatte dann die Garantie, dass das Pflanzengewebe nicht durch /nS80Os geschädigt wurde. Bei diesem Verfahren war es gleichgiltig, ob der Thon mit Wasser oder Kochsalzlösung angeknetet wurde. An- fänglich feuchtete ich die Fäden mit '/a °/oo Chlornatriumlösung an (eine stärkere dürfte schädlich wirken), ging aber bald, wie Kunkel, !) Dieselben wurden im Frühjahre 1890 in Angriff genommen und zu Anfang des Sommeysemesters 1891 beendet, : 460 -zu einfachem Brunnenwasser über. Ein Unterschied in der Leitfähig- keit machte sich, da der Widerstand des Schliessungskreises an sich sehr gross war, nicht bemerkbar. Als Stromindicator benutzte ich, wie Kunkel, das Lippmann- sche Capillar-Eleetrometer, ein dureb die grösste Empfindlichkeit — man kann Potentialdifferenzen von !;; Tausendstel Volt noch sicher nachweisen — und die ausgezeichnete Dämpfung gleich werthvolles Instrument. Es besteht bekanntermassen aus einem etwa 1m langen, 3—4 mm weiten, in eine äusserst feine Oapillare ausgezogenen Glas- rohr, in welchem durch die Capillar-Depression eine höhere Queck- silbersäule getragen wird. An meinem Instrument betrug sie 38,5 cm, was für die Pflanzenströme vollkommen ausreichte. Die Capillare taucht in ein mit verdünnter Schwefelsäure (1:10) gefülltes Reagenz- gläschen, das am Boden eine Quecksilberschicht enthält. In diese» wie in das Quecksilber der langen Röhre tauchen Platindrähte, welche die Verbindung mit den Electroden herstellen. Schickt man einen Strom in der Richtung vom Glasrohr durch die Capillare zur Schwefel- säure, dann ändert sich die Capillarconstante infolge der Polarisation des Quecksilbermeniscus, so dass dieser von seiner Ruhelage, die er bei stromloser Anordnung einnimmt, nach dem offenen Ende der Capillare sich bewegt und schliesslich bei constantem Strom an einer anderen: Stelle eine Gleichgewichtslage einnimmt. Wenn im Folgenden für diese Bewegungsrichtung der Ausdruck „Steigen“ gebraucht wird, so geschieht es einmal, weil sie wirklich in dem zur Ablesung dienenden Horizontalmikroskop als ein Steigen erscheint, zweitens, um auch im Sprachlichen einen gewissen Parallelismus zwischen dem Anwachsen des Stromes und der dadurch veranlassten Quecksilberbewegung zu . haben. Im Ocular des Mikroskops war ein Mikrometer eingelegt, das die Ausschläge nach Scalentheilen abzulesen gestattete. Die Ver- grösserung selbst war 30 linear. Natürlich erhält man mit diesem Electrometer nur relative Angaben über die Stromgrösse. Diese ge- nügen aber für unsere Untersuchungen, die durchaus nur qualitativer Natur sein sollen, vollständig. Für quantitative Messungen muss das Instrument erst geaicht werden. Ich habe selbst einige quantitative Messungen vorgenommen, dabei aber zur Ueberführung der am Gal- vanometer abgelesenen Grössen in electrisches Maass die von Lipp- mann angegebene Tabelle benutzt.) Ein Blumenblatt von Paeonia ergab 24 Scalentheile == 0,017 Volt; ein solches von Papaver 44 sc. 2) A. ch. ph. (5) 5, S. 494 fi. [1875]. 461 -— 0,023 Volt; ein zehn Tage alter Faba-Keimling — Cotyledonen gegen Stengelspitze — 0,034 Volt; Narbe von Nymphaea gegen Stengel 0,044 Volt. Die an gewöhnlichen grünen Blättern gefundenen Grössen bewegen sich ungefähr in den von Kunkel angegebenen Grenzen. Ich will nicht unterlassen, schon hier ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, dass wir bei unseren Versuchen nur Strom- differenzen messen, dass wir also über die absolute Grösse der an den Berührungsstellen der Electroden herrschende Spannung gar nichts wissen können. Schliesslich hat noch der in Fig. 1 im Durchschnitt seizzirte Apparat beiallen Untersuchungen ausgezeichnete Dienste geleistet. Er besteht aus einem 20cm langen, 31/, cm im Lichten mes- senden Glasrohr, dem an einer Seite zwei, je 2cm weite und 1 cm hohe, on Fear 2!/, cm voneinander ent- 1 _ fernteTuben angeschmol- zen sind. Ueber diese wurden 5cm lange, dünnwandige Kautschuk- schläuche gezogen und, wie aus der Figur ersichtlich, an den hinein- geschobenen Electroden luftdicht angeschlossen. Letztere waren mit ihren, aus dem Apparat herausragenden Enden an Kugelgelenkarmen befestigt, die sammt jenem durch Klammern an einem Stativ gehalten wurden. Verschloss ich nun die beiden Ende des Glasrohrs durch Kautschukstopfen, so hatte ich eine vor Luftzug geschützte Kammer, in der die Electroden beständig feucht blieben, an eine Stromver- ringerung durch geringere Leitfähigkeit also nicht zu denken war. Die Beweglichkeit der Eleetroden genügte vollständig. Eine zwischen diese und das Galvanometer eingeschaltete Wippe gestattete, den positiven Strom stets so zu leiten, dass das Quecksilber nach dem unteren Ende der Capillare getrieben wurde. Es schien das für die technische Behandlung des Apparates von Vortheil zu sein. a) Untersuchungen über den Einfluss der Transpiration. “Kunkel behauptet, dass die beobachteten electrischen Ströme von der Wasserbewegung herrühren, wie sie durch das Aufsetzen 462 feuchter Electroden erregt wird. Wenn dies der Fall sein sollte, so muss die Wasserbewegung, die innerhalb des Pflanzengewebes infolge der Transpiration stattfindet, mit demselben Recht als Electrieität er- zeugend angesehen werden. Denn dabei werden nicht geringe Mengen transportiert und sicher öfters mit grösserer Geschwindigkeit, als das Eindringen der Feuchtigkeit der Electroden in die schon mit Wasser imbibierten Gewebe stattfindet. So verloren in coneretem Falle Erbsen- pflanzen durchschnittlich pro Icm? Oberfläche in 24 Stunden 2,51 g, Hanf auf gleiche Zeit und gleiche Fläche gar 9,3 g Wasser durch Verdunstung. Wenn man nun durch eine Steigerung oder Verminderung der Transpiration die Quantität der bewegten Wassermenge ändert, so müsste dadurch eine Verschiebung in der electrischen Spannung, also ein Ausschlag nach irgend einer Seite im Electrometer herbeigeführt werden. Eine Steigerung der Transpiration wird herbeigeführt durch Ver- minderung der Dampfspannung der umgebenden Luft, was experimentell dadurch zu erreichen ist, dass man der Luft Feuchtigkeit entzieht oder die Temperatur erhöht. Die Versuchsanordnung war daher folgende: Ein frisch abge- schnittenes Blatt mit gering entwickelter Cutieula wurde in den Apparat eingeführt, die eine Electrode auf der Mittelrippe dicht bei deren Ueber- gang in den Stiel, die andere ungefähr in der Mitte des Blattes auf dem Mesophyll aufgesetzt. Diese Application der Eleetroden an der Oberseite des Blattes ist, wo etwas anderes nicht ausdrücklich er- wähnt, in allen noch zu beschreibenden Versuchen angewendet worden. Nach etwa zehn Minuten wurde der Ausschlag notirt. Diese Zeit wurde stets abgewartet, um überall im Stromkreis Gleichgewicht ein- treten zu lassen und der dauernden Einstellung des Quecksilber- meniscus versichert zu sein. Denn man muss annehmen, dass die Pflanze eine gewisse Zeit braucht, um sich in Wasserverdampfung ete. an die neue Umgebung anzupassen. Danach wurde mittelst eines Aspirators ein sehr langsamer Strom von Luft, die durch Schwefel- säure und Chlorcaleium getrocknet war, durch den Apparat gesaugt. Das Einführungsrohr reichte dabei bis unter die Unterseite des Blattes, damit die Electroden, bezw. die Berührungsstellen nicht direct von dem Luftstrahl getroffen wurden. Da dem Blatte kein Wasser zur Verfügung stand, musste nicht nur eine absolute Verringerung im Wassergehalt, sondern auch eine Aenderung der ursprünglichen Imbi- bitionsverhältnisse eintreten, Es zeigte sich auch nach 1/,—1 Minnte 463 eine Bewegung des Quecksilbers, anfangs gewöhnlich ein lebhaftes Sinken, dem dann in mehr oder minder kurzen Intervallen Oscillationen folgten. Ich habe aber keine Gesetzmässigkeit in diesen finden können. Es ist unstreitig, dass infolge des Abtrocknens an den Berührungs- punkten die Ableitung des electrischen Stromes gehindert wird, so dass ‘die wirklich vorhandenen electrischen Vorgänge mehr oder weniger getrübt sich im Eleetrometer kenntlich machen. Es wurden demzufolge als Mittelglied zwischen Electroden und Blatt Wasser- tropfen aufgesetzt.. Aber ich erhielt, wie kaum anders zu erwarten, kein besseres Resultat. Es scheint aber doch, als wenn’ man die erste Bewexung im Galvanometer wirklich auf die Transpirations-Strömung zurückzuführen hat. Für diese Vermuthung kann ich allerdings keine andere Ver- theidigung finden als die Thatsache, dass ja die Eleetroden vor dem directen Luftstrom geschützt sind und so, im Anfang des Versuchs v renigstens, nur Spuren von Feuchtigkeit von ihnen weggeführt werden. Kein günstigeres Ergebniss hatte eine zweite Versuchsreihe, für velche das Glasrohr vollständig abgeschlossen und die Luft im Innern lurch eine Art Heiztisch, ein halbeylindrisch gebogenes, unter dem \pparat befestigtes Stück Blech, möglichst gleichmässig erwärmt wurde. ‚o vermied ich zwar das Austrocknen der Bleetroden; aber es ist ier zu bedenken, dass durch Temperaturerhöhung. gewisse Lebens- unktionen der Pflanze in ausgedehnter Weise beeinflusst werden: die ıthmung und Assimilation. Dass hier ausser der Wasserbewegung och andere Vorgänge zu berücksichtigen seien, zeigte sich schon arin, dass der zuerst erfolgende Ausschlag mit grösster Regelmässigkeit ine Verstärkung des ursprünglichen Stromes bedeutete, während nach er ersten Versuchsreihe eine Verminderung zu erwarten war. Nach reniger zahlreichen Schwankungen blieb der Quecksilberfaden ge- öhnlich über dem ursprünglichen Ruhepunkt stehen, ging jedenfalls ie auf den Nullpunkt herunter, wie ich das beim Durchleiten des 'rockenstromes öfters hatte feststellen können. Durch eine dritte Anordnung endlich sollte eruirt werden, welchen iinfluss Turgoränderungen auf die Spannungsdifferenzen haben würde. ’erwendet wurden hiezu Sprosse leicht welkender Pflanzen, wie jalsamina, Urtica, Salix u. s. w. Ich befestigte sie mittelst durch- ohrter Korkscheiben im vertical gestellten Apparat so, dass ein Blatt- chopf oben frei herausragte und der von Blättern befreite Stengel ich innerhalb des Raumes befand. Das Ende des Stengels ging in ‚464 ein von aussen zugängliches U-Rohr (s. Fig. 2). Waren nach etwa !/s Stunde die Blätter welk geworden, so legte ich die Electroden am Stiel an. Durch einen feuchten Watte- bausch wurde der Innenraum genügend feucht erhalten. Dann gab ich Wasser in das U-Rohr: nach 10 Minuten war wieder der‘ normale Turgor eingetreten, ohne dass ich im Galvano- meter mehr als geringe Schwankungen von U/y bis zu 1 Theilstrich hätte bemerken können. !) Daraus, dass in sechs 'Fällen von acht der Ausschlag der am höheren Stengeltheil ange- setzten Electrode als positiver Zuwachs zu Gute kam, möchte ich noch keine Uebereinstimmung mit dem Schema II der Kunkel’schen Thon- zellenströme folgern (s. IH. Theil Seite 484). Rühren diese Ausschläge wirklich von dem Fortschieben des Wassers her, sei es nun von Fig. 2, dem intramicellaren in den Zellmembranen, sei es von capillarem in den Gefässlumina, so würde zwar der Beweis für den Einfluss der Transpiration in der Electrici- tätsfrage erbracht, zugleiclı aber auch dargethan sein, dass dieser Einfluss ein verschwindender ist. Ich halte jedoch das Versuchsmaterial nicht für ausreichend, auch die Methode noch für zu mangelhaft, als dass man jetzt bindende Schlüsse zu ziehen berechtigt wäre darüber, ob überhaupt die Wasser- bewegung an den electrischen Vorgängen betheiligt ist. Bei der Un- gleichheit der Versuchsergebnisse ist es zwecklos, irgend ein Protokoll derselben mitzutheilen. . Sovielistjedenfalls klar, dass die Wasserbewegung nichtdie Hauptursache dergemessenen, beträchtlichen electrischen Ströme sein kann. b) Beziehungen zwischen Athmung und electrischen Erscheinungen. Es war schon in der Einleitung darauf hingewiesen worden, dass man die Ursache der electrischen Ströme wahrscheinlich in den Lebens- processen der Pflanze zu suchen habe. Einer der wichtigsten ist die Athmung. j h) 1-2 Theilstriche liegen an meinem Apparat noch innerhalb der Fehlergrenze, wie aus folgenden Beobachtungen hervorgeht; Berührte ich bei nicht geschlossenen 465 Sind nun in der That die beobachteten electrischen Erscheinungen von den Athmungsvorgängen abhängig, so muss eine Einwirkung auf diese unbedingt eine Aenderung jener nach sich ziehen. Die Athmung besteht in einer Summe von chemischen Umsetzungen innerhalb der Pflanze, die sich äusserlich durch Verbrauch von Sauerstoff und Ab- scheidung von Kohlensäure kennzeichnen. Chemische Energie geht aber leicht in electrische Energie über, wie uns die physikalische Chemie lehrt. Ja die meisten chemischen Processe haben zweifelsohne electrische Ströme zur Folge.') Darum hatte der Gedanke, die Pflanzen- electrieität mit der Athmung in Verbindung zu bringen, von vorn herein viel für sich. Die einfachste Störung der Athmungsvorgänge besteht in der Ver- drängung des Sauerstoffs durch ein indifferentes Gas. Und wirklich trat die erwartete Aenderung im Galvanometer-Ausschlag ein. Die Versuchsanordnung war folgende: Nachdem der zu untersuchende Pflanzentheil -- meist Blätter von Dieotyledonen, sehr oft Leguminosen-Keimlinge, seltener Monocotylen- Blätter, Blütenschäfte, Blumenblätter ete. — in den Apparat (Fig. 1) eingeführt und die Electroden angelegt waren, wurde das Gefäss durch Ueberhängen eines schwarzen Tuches verdunkelt, um Sauerstoffpro- duction durch COs-Assimilation auszuschliessen. Dann leitete ich direct aus einem Wasserstoffapparat einen sehr langsamen Strom des für die Pflanzen unschädlichen Gases über das Untersuchungsobject, Stromkreis eine Electrode oder auch nur das Glasrohr, so zeigte sich im Galvano- meter ein Ausschlag von 1—2 sc., der nach meiner Ansicht nur von der Vertheilung der im System befindlichen statischen Eleetrieität herrühren kann. Eine geriebene Siegellackstange hatte, in weit stärkerem Grade, denselben Erfolg. 1) Man kann sich durch ein höchst einfaches Experiment selbst davon über- zeugen. Gibt man in je ein Becherglas Ferrocyancalium und Kupfersulfat-Lösung, verbindet beide durelı einen, in der Mitte mit einem Tropfen Wasser angefeuchteten Fliesspapierstreifen,, ausserdem mit den Electroden (nicht metallisch), so zeigt sich, sobald die gefärbten Flüssigkeiten die Ränder der mittleren, feuchten Partie der Brücke erreicht haben, alsbald ein Ausschlag, den ich auf die verschiedene Wirksamkeit der chemischen Agentien auf die Eleetroden zurückführe. Nach kurzer Zeit aber zeigt das Galvanometer einen neuen, ausserordentlich bedeutenden Vorgang an. Auf dem Papierstreifen findet man gleichzeitig die ersten Spuren von Ferrocyankupfer als braunen Hauch, der sich bald zu einer scharfmarkirten Linie ausbildet. Weniger gut ist das Nebeneinandergehen von chemischer Reaction und eleetromotorischer Wirkung zu beobachten, wenn man zwei, einen Niederschlag gebende, gefärbte Lösungen von zwei Seiten in ein mit Gelatine gefülltes U-Rohr diffundiren lässt. Die Diffusions- grenze zeichnete sich in meinen Versuchen wenig scharf aus, darum war das Ein- treten der chemischen Reaction schwer zu bestimmen. Das Wandern des Quecksilbers hatte längst begonnen, ehe man einen Niederschlag canstatiren konnte. 466 und liess es, damit Diffussion des Sauerstoffs von aussen durch die Kautschukwände möglichst umgangen würde, unter geringem Druck austreten. Die Prüfung auf etwa noch vorhandenen Sauerstoff wurde anfangs mit Phosphor gemacht; da sich aber bald herausstellte, dass nach höchstens 10 Minuten der Apparat genügend von Sauerstoff frei war und es auch nicht auf absolutes Verdrängen desselben ankam, wurde die Prüfung späterhin unterlassen. Dass der Wasserstoff vor dem Eintritt in den Untersuchungsraum ein KMnOs-Rohr passiren fıusste, ist kaum zu erwähnen; um so wichtiger aber, dass er sich in einer kleinen feuchten Kammer möglichst mit Wasserdampf sättigen konnte; auch das Glasrohr selbst enthielt stets angefeuchtete Fliess- papierstreifen. Diese Vorsichtsmaassregel sollte alle, durch etwaige Transpirationsströme entstehenden Unsicherheiten eliminiren. Es ge- nügte das vollständig, da ein unter denselben Bedingungen durchge- saugter Strom atmosphärischer Luft nicht die geringste Einwirkung hatte. Die folgenden, aus den zahlreichen Versuchsprotokollen heraus- gegriffenen Beispiele mögen die vom Weasserstoffstrom veranlassten Galvanometer-Reactionen zeigen. Ein jüngeres Blatt von Hydrangea Otaksa zeigte in gewöhnlicher Luft einen [O-]Ausschlag von 32 Theilstrichen.!) Nach Wasserstoff- Zuleitung sank er innerhalb fünf Minuten erst langsam, dann schneller auf se. 2, wo er sich constant einstellte [H-Ausschlag]. Nach zehn Minuten liess ich wieder Luft zuströmen; in drei Minuten war sc. 26 erreicht, wo das Quecksilber stehen blieb. Bei einem 13 cm langen Keimpflänzchen von Pisum sativum, an dem die Hileetroden auf Wurzelhals und Stengel aufgesetzt waren, gestalteten sich die Zahlenverhältnisse folgendermassen : O-Ausschlag: + 33 H-Ausschlag: - 4 constant. Luft: -- 32 constant. In der Regel jedoch waren die Aenderungen der electrischen Spannung nicht ganz so einfach. Für den zahlreicher gefundenen Typus mag ein älteres Blatt von Hydrangea als Beispiel dienen. Ruhelage bei aufgesetzten Electroden: sc. 20; Sauerstoff verdrängt: Ausschlag sinkt innerhalb fünf Minuten auf sc. 10, nach weiteren fünf Minuten auf sc. 3. Auch hier bleibt der Ausschlag nicht constant, sondern steigt in zehn Minuten auf sc. 5. Erst hier tritt Ruhe ein. Die Zuführung von Luft lässt den Ausschlag bis sc. 24 wachsen (in 3°), 1} Die Ruhelage bei stromloser Anordnung war stets bei Theilstrich 0, 467 von wo er in den nächsten 2’ bis se. 22 zurückgeht. Andere Blätter zeigen natürlich andere Zahlen, aber doch ähnliche Verhältnisse im Wachsen und Abnehmen des Stromes. So ein junges Blatt von Quereus pedunculata: O-Ausschlag: -[- 42 + 27 4+- 34 constant. Luft: j-+- 39 (in 20°) I-4 38 constant. Es ist ermüdend, alles Zahlenmaterial aufzuführen, was im Ver- laufe der zahlreichen Versuche gewonnen worden ist.!) Aus allen geht aber mit Sicherheit hervor, dass, sobald man dem Pflanzentheil den Sauerstoff entzieht, sich die Spannungsverhältnisse ändern, die dann bei Wiederherstellung der normalen Athmungsbedingungen in den ursprünglichen Zustand — nahezu wenigstens — zurückkehren. Somit ist die Thatsache festgestellt, dass diePflanzen- ströme von der Athmung abhängen. Es dürfte am Platze sein, gleich hier den einzigen Einwand zu- rückzuweisen, dass nämlich nicht die Aenderungen der chemischen Vorgänge innerhalb der Pflanze, sondern rein äusserliche mechanische Einflüsse, etwa Reibung der Gastheilchen in sich oder bei der Diffusion in die Zellmembranen ete., eventuell das Wachsen und Abnehmen des eleetrischen Stromes im Gefolge haben könnten. Es gibt ja wohl Gasketten. Aber davon kann hier nicht die Rede sein, wie der folgende sehr einfache Controlversuch hinreichend beweist. Statt des Pflanzenobjects wurde ein, in der Dicke eines Bleistifts fest zusammen- gewickelter, angefeuchteter und einseitig mit Chlornatriumlösung ge- tränkter Streifen Fliesspapier dem Wechsel von Luft und Wasser- stoff ausgesetzt. Ich hatte so ein System gröbster und feinster Capillaren, wie es ähnlich das Pflanzengewebe bietet. Der Galvano- meterausschlag, der infolge des abnehmenden Concentrationsunter- schiedes an beiden Electroden die Tendenz zu sinken hatte, behielt diese ruhig bei, ohne im geringsten auf den zugeführten Wasserstoff zu reagiren. Der Ausschlag eines eben mit heissem Wasserdampf getödteten Pisum-Stengels blieb. ebenfalls bei Sauerstoff-Entziehung ungeändert.?) Diese beiden Versuche, die ieh übrigens auch mehrere H-Ausschlag: t) Einen "eil der Versuchsprotokolle siehe im Anhang. 2) Teh erhielt in der That einen Ausschlag von 40 Theilstrichen, was für den ersten Augenblick merkwürdig und unserer Erklärung von der Entstehung der eleetrischen Ströme zu widersprechen scheint. Denn nachdem das Plasma abgetödtet 468 Male wiederholt habe, genügen vollständig, um die angeführten Be- denken hinfällig zu machen. Hat der Gaswechsel also an todten Objecten keinen Einfluss auf die eleetrische Spannung, so kann die Ursache für die Aenderung dieser nur in Reactionen zu suchen sein, welche in den Zellen des lebenden Organismus vor sich gehen. Welcher Art die durch Ent- ziehung des Sauerstoffs eintretenden Modificationen der chemischen Umlagerungen im Einzelnen sind, wissen wir nicht. Dazu bedürfte es zuerst wohl einer genaueren Kenntniss der Sauerstoffathmung. Wir kennen zwar deren Produkte und ihre Zusammensetzung aus den Elementen C und O, vermögen aber nicht zu sagen, wie viel Processe nöthig sind, ehe dass dem aufgenommenen Sauerstoff-Molekül ent- sprechende CO,-Molekül abgespalten wird. Daher ergibt sich von vornherein die Unmöglichkeit, den wirklichen inneren Zusammenhang zwischen Athmung und elec- trischem Strom zu erkennen. Wir müssen uns vorläufig begnügen mit der Thatsache, dass ein solcher über- haupt vorhanden ist. Wie hat man sich nun das Zustandekommen des Galvanometer- ausschlages zu erklären ? In jeder lebenden Zelle finden chemische Umlagerungen statt, wodurch Electricität frei wird, hier mehr, dort weniger, je nachdenı die eine Zelle stärker, die andere schwächer athmet. Die Zellen- complexe stellen also gewissermaassen eine Vereinigung von eimer Menge kleiner galvanischer Elemente dar, die ihre Electrieität unter sich ausgleichen oder auch als Ladung aufspeichern; vielleicht gibt gar die Electrieität wieder Anlass zu neuen, für die Pflanze wichtigen chemischen Processen. — Dabei arbeiten die verschiedenen Zellen und ebenso die verschiedenen Zellcomplexe zwar mit verschiedener Inten- sität, aber doch in gleichem Sinne. Setze ich nun die Electroden an zwei verschiedenen Punkten auf, so geht von. jeder ein Strom gleich- ist, kann ja Keine Athmung mehr stattfinden. Aber schon der Umstand, dass der am todten Gewebe gemessene Stron gegenüber dem am lebenden gefundenen meist um- gekehrt war, ferner die Beständigkeit desselben bei der Sanerstoffentziehung, sagen deutlich, dass für diesen Strom andere Ursachen zu suchen sind. Sie können nur im Zerfall des Plasma nnd in den dadurch herbeigeführten „groben“ chemischen Um- setzungen liegen. Legt man abgetödtete Pflanzentheile in Wasser, das die Gewebe auslaugt und so immer neue Moleküle mit einander in Berührung bringt, so bleiben diese Ausschläge tagelang erhalten. Aufbewahrung im feuchten Raume, wo nur die Verdunstung gehindert wird. und die Mischung sich langsam vollzieht, lässt sie bald verschwinden. 469 namiger Eleetrieität in den Schliessungsbogen; also etwa so: Von der Electrode A geht ein positiver Strom durch das Galvanometer zur Eleetrode B und durch das Blatt zurück zu A; der m B ent- stehende positive Strom fliesst umgekehrt durch das Electrometer zu A und durch den Pflanzentheil zum Ausgangspunkt B. Daher kann nur dann das Galvanometer Kunde davon geben, dass sich Elektrieität im ganzen System bewegt, wenn der eine Strom den andern über- wiegt. Ueber die wahre Grösse desselben erfahren wir also gar nichts, nur die Differenz wird uns angezeigt. Es wäre freilich nicht nur interessant, sondern von sehr grosser Wichtigkeit, die Stärke der Stromcomponenten kennen zu lernen, aber das muss späteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. In An- betracht der bis jetzt auf chemischem Gebiete gesammelten Erfahrungen liegt allerdings die Vermutung nahe, dass nicht unbedeutende Mengen eleetrischer Energie bei den Athmungsvorgängen in Frage kommen. Auch das kann man nicht wissen, wie gross der Umfang des auf die einzelnen Electroden noch wirksamen electrischen Feldes ist. In- direct ist ja wohl das ganze Blatt für die Spannungsverhältnisse jedes einzelnen Punktes verantwortlich zu machen; direct aber mag, bei bei der notorisch geringen Leitfähigkeit des pflanzlichen Zellgewebes, eine im Verhältniss nicht sehr grosse Partie ihre freiwerdende Elec- trieität an die Electroden abgeben. Andernfalls dürfte man ja auch nieht zwischen nahe gelegenen Punkten eine Spannungsdifferenz nach- weisen können. Wie das electrische Feld ferner gestaltet sei, wie weit es sich nach der Struktur des Pflanzenorganismus richtet, das sind diffieile physiologische Fragen, die vorläufig kein hervorragendes Interesse beanspruchen. Gehen wir nun etwas näher auf die Einzelheiten der Versuche ein. Die oben angeführten Versuche zeigen bei Sauerstoffentziehung ein Sinken des ursprünglichen Ausschlages. Der Strom erscheint schwächer, ohne dass wir zu sagen vermöchten, ob Verminderung der electromotorischen Kräfte oder Veränderung der Potentialdifferenzen die Ursache sind. Der eben erwähnte Umstand, dass wir es nur mit Stromdifferenzen zu thun haben, lässt vorläufig keine Lösung der Frage zu. Wir würden also auch dann, wenn das Electrometer keinen Strom mehr anzeigt, nicht behaupten können, dass sich überhaupt keine Electrieität im System bewege, denn derselbe Stand des Queck- silberfadens könnte dadurch hervorgerufen werden, dass beide Strom- componenten gleich sind. Ich musste das erwähnen, weil hin und wieder nach Einführen des Wasserstoffs der Ausschlag auf den Null- 40 punkt sank. Meist aber ging er nicht so weit zurück. Das sagt üns also, dass noch chemische Umlagerungen vor sich gehen und die Ur- sache der Fortdauer des electrischen Stromes sind. Mit andern Worten, es wird dieser nicht nur von der Sauerstoff- athmung, sondern ebenso gut von der intramolecularen Athmung hervorgerufen. Wir wissen aber, dass die intramole- culare Athmung an verschiedenen Pflanzen und verschiedenen Theilen derselben Pflanze different ist. Deshalb ist es auch gar nicht wunder- bar, wenn sich auch einmal die ursprüngliche Stromesriehtung um- kehrt, sobald der Sauerstoff verdrängt ist, so dass also, wenn erst die Electrode A die stärkere positive war, nun B die Oberhand bekommt. Die folgenden Protokolle mögen dies veranschaulichen. Evonymus Japonieus: O-Ausschlag: -/- 8 M-Aus I H-Ausschlag: 4 Luft: +4 Griselinia litoralis: O-Ausschlag: -1- 4 H-Ausschlag: — 5 Inft: — 1 Ebensowenig ist aber auch die Möglichkeit von der Mand zu weisen, dass die anfangs vorhandenen Strom-Differenzen sich ver- grössern, dass also der Ausschlag im Electrometer in der einmal ein- geschlagenen Richtung wächst. Merkwürdigerweise aber stieg das Quecksilber in allen diesen Fällen nicht sofort, sondern es trat erst ein lebhaftes Sinken ein, wie die folgenden Beispiele zeigen: ÖO- ag: 17 Vieja faba: Ausschlag: -/- 20 (Die eine Electrode berührte eine H ne I H Er kant der Cotyledonen, die andere 5 em ” 2, ı 76 constant. davon :den Stengel.) Luft! ” / Y „ m’-{+327 Pisum sativum: O-Ausschlag: -- 30 (Dieselbe Application.) H-Ansschlag | 4 1 1-1 34 l 1 38 Luft + 20 Er Diese augenscheinlich viel complieirteren Schwankungen der eleetrischen Ströme haben ihren Grund wohl darin, dass in diesen Fällen der Uebergang von der Sauerstoffathmung zur intramolecularen ai Athmung nicht so glatt verläuft. Der Zeitpunkt, resp. der Procent- gehalt der Luft an Sauerstoff, bei dem die intramoleculare Athmung angeregt wird, ist bekanntermassen für verschiedene Pflanzen ungleich. Eine Zeit lang gehen auch beide Processe neben einander her, bis schliesslich die intramoleeulare Athmung ungetrübt sich einstellt. Und selbst dann, wenn die Sauerstoffathmung schon ganz’ aufgehört hat, braucht die intramoleculare Athmung noch nicht auf ihrem Höhe- punkt angekommen zu sein. Es ist eben hier wie zu jedem Ueber- gang Zeit nöthig. Auffällig ist bei Vicia faba, dass die endliche Einstellung des Quecksilbers weit über der anfänglichen Gleichgewichtslage sich be- findet. Nun nehmen die Vieia faba - Keimlinge auch in anderer Hinsicht eine Ausnahmestellung ein. Während sonst — wenigstens bei den bis jetzt untersuchten Pflanzen — die durch intramoleculare Athmung abgespaltene Kohlensäuremenge im Allgemeinen erheblich hinter dem Quantum zurückbleibt, was in derselben Zeit unter nor- malen Verhältnissen produeirt wird, sind bier die Mengen gleich.) Vielleicht besteht zwischen diesen beiden bemerkenswerthen Erschei- nungen ein gewisser Parallelismus, so zwar, dass einer stärkeren CO,-Produktion ein grösserer Ausschlag entspricht. Sollte sich diese Vermuthung bestätigen, so wäre damit viel gewonnen; möglicherweise können dann die electrischen Ströme einmal als Maass der localen Athmungsintensität dienen. Unterstützt wird diese Vermuthung durch die sich aus sämmt- lichen Beispielen ergebende Thatsache, dass im Anfang der Sauer- stoffentziehung, wo unzweifelhaft die Kohlensäureabspaltung zurückgeht, der Ausschlag stets sinkt. Bis jetzt sind nur diejenigen Veränderungen der electrischen Fr- scheinungen betrachtet worden, die eintreten, wenn man die normale Athmung hindert. Was zeigt uns nun das Galvanometer, wenn man diese wieder herstellt? Die Antwort lautet sehr kurz: Die alsdann auftretenden Stromschwankungen verlaufen im Allgemeinen in der umgekehrten Weise, sie bilden gewissermaassen das Spiegelbild zu den früheren. Jedenfalls strebt das Quecksilber wieder dem Punkte zu, den es vor Beginn des Versuches annahm. Die Betrachtung der Beispiele bestätigt dies sofort. Wenn das Verdrängen des Sauerstoffs ein einfaches Sinken des Ausschlags zur Folge hatte, so steigt dieser wieder bei Zuführung atmosphärischer Luft. Stieg im ersten Theile . N) Untersuchungen aus d. bot. Inst. zu Tübingen Bd.1 (1885) 8.645 ff. und Stich, Athmung der Pflanzen bei vermind. Sauerstoffspannung (Dissert. Marburg 1890) S. 82. Flora 1892, 32 412 des Versuchs das Quecksilber, nächdem 68 seinen tiefsten Stand er- reicht hatte, wieder bis zu einer gewissen Höhe, so beginnt der zweite Theil mit einem Sinken auf eben diesen Punkt (ungefähr), um dann nach der anfänglichen Gleichgewichtslage zu wandern. Wir können hier ebenso wenig.die einzelnen Phasen der electrischen Erscheinungen erklären, wie beim H-Ausschlag. Wir wissen eben nur, dass bei Sauerstoffzutritt zunächst veränderte Athmungsintensität möglich ist, und dass diese durch eine Verschiebung des Quecksilberfadens ange- zeigt wird; und wir müssen uns begnügen, auch hier gewisse Regel- mässigkeiten in den Stromschwankungen festgestellt zu haben. Hin und wider freilich — bei Vicia faba fast immer — war vor den regelmässigen Ausschlägen bei Lufzutritt ein kurzer Vorschlag von wenigen Theilstrichen zu bemerken, der oft auch nur durch ein leises Zucken angedeutet war. Die Richtung dieses Vorschlags war mit seltenen Ausnahmen der des folgenden normalen Ausschlags ent- gegensetzt. Ich denke mir, und es steht dieser Annahme. nichts im Wege, dass jeden Augenblick — während der intramolecularen Athmung — eine Anzahl oxydierbarer Moleküle vorrätig ist. Deren freie Valenzen reissen dann in dem Augenblick, wo freier Sauerstoff geboten wird, diesen lebhaft an sich. Durch diesen plötzlich ein- tretenden und schnell verlaufenden chemischen Process wird eben jener ruckartige Vorschlag veranlasst. In der weiteren Folge ver- schwindet die Ursache der anormalen Bildung freier Affinitäten, die Athmung geht langsam in das frühere Geleis zurück. Nieht unerwähnt soll hier bleiben, dass die Galvanometerreaction nach Luftzutritt immer schneller ablief als bei Verdrängung des Sauer- stoffs durch den Wasserstoff. Der Grund mag wohl in dem nur all- mählichen Vertreiben der Luft durch H zu suchen sein. Eigentlich hätte das Quecksilber stets seine ursprüngliche Gleich- gewichtslage erreichen sollen. Das geschah in Wirklichkeit aber höchst selten, sei es nun, dass es unter dieser zur Ruhe kam, wenn der Ausschlag nach unten gegangen war, sei es, dass es darüber stehen blieb, wenn — wie bei Vieia faba — der Wasserstoff den ursprüng- lichen Ausschlag noch hatte wachsen lassen. Der Grund liegt jeden- falls in einer pathologischen Nachwirkung des anormalen Zustandes, die sich auch darin kennzeichnet, dass oft nicht die frühere Kohlen- säuremenge producirt wird.!) Auch in anderer Hinsicht ist ein glattes und präcises Einstellen nicht immer vorhanden, aber auch gar nicht zu erwarten. Variationen 1) Stich, l.e. 8. 14. 473 üns unbekannter Art veranlassen sicher Oscillationen in der Athmungs- thätigkeit, die in längeren Zeiträumen, als die gewöhnliche Versuchs- dauer betrug, verlaufen. So nur ist zu erklären, dass selbst bei ungehindertem Sauerstoffzutritt sich das Quecksilber im Capillarelectro- meter verschiebt. Schon Kunkel hat diese in langen Intervallen vor sich gehenden Schwankungen beobachtet, die bei Pflanzen mit an sich geringen Ausschlägen und bei Versuchen, die längere Zeit in Anspruch nahmen, recht störend wirken können. Absolut. constant sind also die Ausschläge nie gewesen, auch wo ich hinter den be- treffenden Scalentheil „constant“ geschrieben habe. Aber all diese Unsicherheiten sind geringfügig und können keines- falls den Werth der Thhatsache, die sich aus den Versuchen ergeben hat, beeinträchtigen, dass eben die eleetrischen Ströme von der Athmungs- thätigkeit abhängen. Ein weiterer Beweis für die Richtigkeit dieser Theorie wird durch die im Folgenden wiedergegebenen Versuche erbracht. Das Prineip war, nur in der Umgebung der einen Electrode dem athmenden Pflanzentheil den Sauerstoff zu entziehen und so die Differenz der Athmungsthätigkeit entweder zu verringern oder zu vergrössern. Zu dem Ende war der Apparat zwischen den Eleetroden durchge- schnitten worden (siehe Fig. 1 die Linie d). Die nach der Mitte zu gelegene Oeffnung der einen Hälfte wurde mittelst eines durchbohrten Korkes geschlossen, dessen Oeffnung sich dem hineinzusteckenden Pflanzentheil anpasste. Watte und Cakaobutter, die bei 30° ge- schmolzen und aufgegossen war, vollendete die Dichtung. ‚In den so präparirten Raum konnte ein feuchter Wasserstoffstrom geleitet werden. Die andere Hälfte des Apparates diente nur dazu, die beiden Pflanzen- theile unter dieselbe Temperatur und denselben Dampfdruck zu bringen. Sie wurde über den noch freien Theil der Pflanze hinübergeschoben und, um keinen Sauerstoffmangel eintreten zu lassen, ein äusserst lang- . samer Luftstrom durch einen Aspirator durchgesaugt. Als Unter- suchungsobjeete dienten in der Regel Faba- und Pisum-Keimlinge. Die untere Partie des Stengels mit der Wurzel von einem 14 Tage alten Pisum-Keimling wurde dem Wasserstoffstrom ausgesetzt, die Blec- trode in diesem (verdunkelten) Raum dem Wurzelhals, die andere dem Stengel möglichst nahe der Spitze applieirt. Anfangs-Ausschlag: + 5 se. Nach der Sauerstoffverdrängung war derselbe auf -|- 57 sc. gestiegen. Erneuter Luftzutritt liess ihn auf +- 14 sc. sinken. — Ein Versuch mit einem 15cm langen Faba-Stengel (ohne Cotyledonen), wobei die Electroden 5cm von einander entfernt waren, gab folgende Zahlen: . 82* 474 + 30 sc.; H, wiederum zum unteren Stengeltheil: -+ 60; H verdrängt: +15. — Schliesslich sei noch ein Versuch erwähnt, bei welchem der Wasserstoff der der Spitze näher gelegenen Partie eines Blattes zugeführt wurde. Die Applieationsstellen der Electroden an dem 12 cm langen Blatt von Zea Mais waren 4cm von einander entfernt: An- fangsruhelage : -+ 10 sc. ; Wasserstoff: — 20 sc. ; nach Luftzutritt : + 10se. Ich könnte die Zahl der Beispiele um viele vermehren. Sie zeigen aber alle mit überwiegender Regelmässigkeit die gleiche Er- scheinung, nämlich: Lasse ich den Wasserstoff im Gebiete der positiven Electrode wirken, so wird der Ausschlag vergrössert. Sauerstoffent- ziehung an der negativen Electrode veranlasst ein Sinken. Das heisst allgemein: Die Electroden erfahren einzeln im Sinne ihrer ursprüng- lichen eleetromotorischen Wirksamkeit einen Stromzuwachs.!) Die mit diesen Versuchen gestellte Frage findet in der That eine günstige Antwort und bestätigt unsere Voraussetzung. Denn schliesse ich auf der einen Seite die Sauerstoffathmung aus und bewirke ich damit eine Veränderung der Differenz der Athmungs- intensität, so zeigt das Galvanometer sofort eine Verschiebung der electrischen Spannungsverhältnisse an. Auch Pflanzentheile, die von Natur eine bedeutende Athmungs- differenz zeigen, geben aussergewöhnlich starke Ströme, also vor allem Blüten und bei diesen wieder die Sexualorgane. Legte ich die eine Electrode einem Pistill oder einer Anthere (also dem stärker athmenden Theile) an, die andere dem, die Blüte tragenden Stengel, der weniger kräftig atmet, so ergaben im Durch- schnitt zehn Versuche an Nymphaea 65 (maximum 72) se; acht Ver- suche an Tulipa 69 (max. 73) se; den spadix von Arum maculatum habe ich nur zweimal untersucht und einmal 78, das andere Mal nur 55 'Theilstriche gefunden — während an grünen Blättern der Aus- schlag im Grossen und Ganzen sich um 15—20 herum bewegte. So zeigten 6 ältere, ungefähr gleichgrosse Blätter von Stereulia inops durchschnittlich 17,5 sc. während ebensoviel junge 20,5 ergaben. Das ergäbe also eine Durchschnittsdifferenz von 3 Theilstreichen. Immer- hin möchte ich diesem letzten Resultat, so sehr es für unsere Be- hauptung spricht, kein Gewicht beilegen, da es nur einer kleinen Reihe von Beobachtungen entspringt. Nicht angeschlossen ist ja, dass die bessere Leitfähigkeit der Zellmenbranen (geringere Dieke der Cuticula) in jüngeren Stadien zum Theil an den grösseren Ausschlägen Schuld hat. 1) Positiv und negativ ist, obgleich hier nicht correct, doch der Kürze halber gebraucht, auch sind natürlich die Electroden nicht das eigentlich wirksame, 475 Bei den bisherigen Versuchen war der Pflanze die Möglichkeit entzogen worden, den nöthigen Sauerstoff zu consumiren. Man kann aber auch die Fähigkeit, den reichlich gebotenen Sauerstoff zu ver- werthen, beeinflussen. Es fragt sich, ob man auch dadurch Aende- rungen in den electrischen Verhältnissen erzielen kann. Setze ich z. B. die Umgebungstemperatur herab, so vermindere ich dadurch die Athmungsenergie der Pflanze, während durch eine Temperaturerhöhung der Oxydationsprocess bis zu einem gewissen Grade gesteigert wird. Ist die Tödtungstemperatur erreicht, so erlischt natürlich mit dem Leben die Respiration. Die Untersuchungsobjecte wurden wieder in dem zweitheiligen Apparat mittelst des durchbohrten Korkes befestigt, natürlich die Dichtung mit Cacaobutter weggelassen, dafür aber die Korkscheibe auf jeder Seite, zwecks möglichster Verhinderung des Temperaturaus- gleiches zwischen beiden Räumen mit einer Schicht Watte bedeckt. Den anderen Verschluss der Röhrenhälften bildeten dreifach durch- bohrte Gummistopfen, durch deren mittelste Oeffnung ein Thermometer in den Innenraum ragte, so dass die Kugeln in nächste Nähe der Ansatzstellen für die Electroden kamen. Die beiden anderen Oeff- nungen vermittelten durch geeignet eingeschobene Glasröhren den Luftwechsel, den ich theils.von einem Aspirator, theils von der Wärme selbst bewirken liess. Welchen Modus ich anwendete, war für die Ergebnisse gleichgiltig. Für die Beobachtungen wurden dann der Anfangsausschlag und die Anfangstemperatur abgelesen, dann die eine Seite des Apparates entweder durch Schnee gekühlt oder durch den schon erwähnten Heiztisch erwärmt. Zunächst aber wurden einige Vorversuche mit nicht electromotorisch wirkenden Objecten angestellt, theils mit fest zusammengewickeltem Fliesspapier, theils mit abge- tödteten Pflanzenstengeln. Da zeigte sich, dass in einer sonst strom- losen Anordnung durch einseitiges Erwärmen Ausschläge im EBlectro- meter hervorgerufen werden können. Sie sind nun nicht sehr gross; der grösste, den ich constatirt habe, betrug 9 Theilstriche. Sie sind nicht als Wirkung von Thermoströmen zu betrachten, da ja nirgends von Erwärmung von Metalleontacten die Rede ist. Ich kann mir nur denken, dass sie — möglicherweise — von einem, im Fliesspapier vom kältern zum wärmeren Theil infolge der einseitigen Verdunstung fliessenden Wasserstrom veranlasst sind. Es geht jedenfalls aus den Controlversuchen hervor, dass die noch nicht zur Zufriedenheit gelöste Frage nach dem Einfluss der natürlichen Wasserströmung in der Dis- eussion der folgenden Versuche eine Rolle spielen würde. Ich werde 476 deshalb auch nicht versuchen, die galvanometrischen Ausschläge zu erläutern, sondern mich nur auf die Wiedergabe einiger Protokolle beschränken. Blatt von Sterculia: Anfangstemperatur 18° GC. Ausschlag +5 sc. Darauf wurde der obere!) Theil abgekühlt, so dass die Temperatur- differenz beider Theile 14° (15°—1°) betrug; der Ausschlag stieg da- bei auf 50 sc. Nach der Entfernung des Schnees und dem Ausgleich des Wärmeunterschiedes: -- 12 se. constant. Ein anderes Blatt derselben Pflanze: Anfangstemperatur 17,20; Gleichgewichtslage des Quecksilbers +- 17 se.; diesmal wurde der obere Theil erwärmt: bei 14° Unterschied war der Ausschlag auf 0 sc. ge- sunken; nach weiterem Erwärmen (35°—19,5°) stellte er sich auf — 25 sc. ein. Nach Entfernung des Heiztisches — Endtemperatur in beiden Teilen des Apparates 17° — stieg der Ausschlag auf + 13 se. Auch Versuche mit Pflanzenstengeln zeigten dieselbe Erscheinung (Tulipa, Begonia), dass die wärmere Seite einen Stromzuwachs in positivem Sinne erfuhr. Steigerte man die Temperatur noch weiter (auf 45° bis 55°), dann sah man in der Regel den Ausschlag nach der andern Seite des Null- punktes sinken; darauf folgten mehrere, in Grösse und Dauer sehr abwechselude ÖOscillationen, bis der Meniscus sich irgendwo einstellte. Diese Einstellung blieb auch dann noch constant, wenn die Wärne- zufuhr unterbrochen wurde --- die Lebensthätigkeit war erloschen. Versuche über den Einfluss des absolut gesteigerten. Luftdruckes auf das Verhältniss zwischen Respiration und electrischen Erscheinungen sind nicht gemacht worden, wohl aber wurde der Partialdruck des Sauerstoffs vermehrt. Aber selbst in reinem Sauerstoffgas trat keine Spannungsänderung ein. Die Menge der gebildeten Kohlensäure er- leidet in der That, wie neuere Untersuchungen an Vicia faba gezeigt haben, keine Aenderung bei wachsender Sauerstoffzufuhr — erst nach längerer Zeit wird das Wachstbum etwas gehemmt. Eine Vergrösserung der Athmungsintensität wird auch durch Ver- letzungen hervorgerufen. Eine sehr vermehrte CO,-Bildung zeigen 7. B. Kartoffeln.?2) Sie wurden desshalb im unverletzten und verletzten Zustande zwischen die Blectroden genommen. Aber ich erzielte über- haupt kein Resultat. Der ursprüngliche Ausschlag war geradezu minimal. Eine Regelmässigkeit war bei der Gleichartigkeit des Ob- jeetes nach allen Richtungen hin, bei seiner „Kugelähnlichkeit“ von 1) In axialer Richtung zu verstehen, also die Blattspitze, 2) Stich, 1. 8.1, 417 vorn herein nicht zu erwarten. Auch die Korkschicht, welche die ganze Oberfläche überzieht, mag am Ausbleiben des Stromes mit Schuld sein. Nur wenn ich eben keimende Kartoffeln nahm und die eine Eleetrode dem Vegetationspunkte anlegte, konnte ich im Strom- indicator 4—6 Theilstriche ablesen. Dieser Ausschlag blieb aber so gross, auch wenn ich ein Stück der Knolle abschnitt. Es ist sehr wohl möglich, dass die Respirations-Steigerung sich nur auf die Wund- fläche und die zunächst gelegenen Partien erstreckt, in denen allein durch Reiz Wachsthumsvorgänge angeregt werden. Dann ist das indifferente Verhalten der entfernt liegenden Theile erklärt. Wenn ‚ ich freilich die eine Electrode der Wunde, die andere dem Vegetations- punkt applicirte, so erhielt ich sehr bedeutende Ströme. Dann ist aber der Fehler, den ältere Forscher nicht vermieden haben, nämlich die Electroden in directen Contact mit dem Zellsaft zu bringen, wieder aufgetaucht; desshalb muss man diese Erfahrungen als werthlos für unsere Frage bezeichnen. c) Assimilation und electrische Vorgänge. Ein zweiter wichtiger, mit chemischen Umlagerungen verbundener Lebensprocess in der Pflanze ist die Kohlensäure-Assimilation. Wir wissen allerdings davon nicht viel mehr, als dass COa verbraucht und zu organischen Verbindungen verarbeitet wird, und dass der Chloro- phyllapparat unter Zuhilfenahme des Lichtes der Vermittler ist. Immer- hin genügt das Bekannte, um die Vermuthung daran zu knüpfen, dass die Beeinflussung des Assimilationsprocesses Modificationen der eleetrischen Erscheinungen nach sich ziehen wird. Man kann nun einmal die conditio sine qua non, das Licht aus- schliessen, das andere Mal das zu verarbeitende Material, die Kohlen- säure entziehen. In beiden Fällen verwendete ich den ungetheilten Apparat. Das Verdunkeln geschah durch Ueberschieben schwarzer Papiereylinder und Ueberwerfen eines schwarzen Tuches. Es seien zunächt einige Versuche in extenso beschrieben. Blatt von Quereus pedune. Ausschlag: + 17. Nach dem Ver- dunkeln sinkt das Quecksilber erst schneller, dann langsam innerhalb zehn Minuten auf +10; dann wurde wieder erhellt: Steigen auf +22 in zwei Minuten und danach langsames Sinken auf + 19 und wiederum Steigen auf + 23, wo constant. — Dann wurde von neuem verdunkelt: der Ausschlag geht zurück auf + 17 in sechs Minuten; abermaliges Belichten liess ihn in '/s Minute bis 7 32 wachsen, dann wieder 478 abnehmen bis auf + 28 und schliesslich bis auf + 33 hinaufgehen. Dann wurde der Versuch abgebrochen. Junges Blatt von Sambueus nigra: Anfängliche Ruhelage: + 30; verdunkelt: + 7; wieder belichtet: ein langsames, dann schnelles, dann in der Geschwindigkeit wieder abnehmendes Steigen auf + 18. Aber- mals verdunkelt: + 0,5; erhellt + 16. Diese beiden und alle übrigen mit Blätter angestellten Versuche zeigen zunächst übereinstimmend bei der Sistirung der Kohlensäure- zersetzung eine Abnahme des Ausschlags, d. h. unter Annahme unserer, schon bei anderen Gelegenheiten gemachten Voraussetzung, dass der indieirte Strom nur durch quantitative Differenzen desselben Processes zu Stande kommen kann — eine Verringerung (der Assimilations- differenz und folglich der electrischen Differenz. Stellt man die nor- malen Bedingungen wieder her, so tritt, dem Sinne nach, die frühere Spannung wieder ein; aber an Grösse fast niemals, sie bleibt ent- weder kleiner oder wird grösser. Wicderholt man den Versuch an demselben Objecte mehrere Male hintereinander, so ergibt sich schliesslich als Endresultat eine gegen die ursprüngliche gesteigerte oder verminderte Spannungsdifferenz. Wie diese letzterwähnte Erscheinung zu erklären sei, darüber wage ich keine Vermuthung aufzustellen, zumal sich nicht nur Blätter verschiedener, sondern auch derselben Pflanzengattungen, ja derselben Individuen verschieden verhalten. An Blättern mono- cotyler Gewächse und an Stengeln habe ich zwar auch stets eine Reaction auf das Verdunkeln hin, aber keine im voraus anzugebende Regelmässigkeit zu constatiren vermocht. Ich erlasse mir daher die Wiedergabe von Protokollen. Nun habe ich aber noch den Nachweis zu erbringen, dass jene Veränderung in der eleetrischen Spannung wirklich auf die künstlich herbeigeführte Unthätigkeit des Chlorophyllapparates zurückzuführen ist. Es war das sehr leicht, da ich ja nur chlorophylifreie PAanzentheile in derselben Weise zu behandeln brauchte: Blumenblätter von Rosa, Papaver, Paeonia, Nymphaea ete. zeigten bei an sich recht bedeuten- den Ausschlägen nach dem Verdunkeln keins Veränderung derselben. Nur ein Blumenblatt einer gefüllten Rose ergab nach dem Verdunkeln einen Ausschlag von 2,5 Theilstrichen, nach dem Erhellen einen solehen von 2sc. Diese Aenderung liegt zwar innerhalb der Fehlergrenze, ich mag sie aber doch nicht übergehen, weil sie trotz aller Vorsicht, durch die operirende Hand keinen Einfluss im Stromkreis zu’ üben, eintrat. Die Möglichkeit, dass strahlende Wärme bei den Assimilations- versuchen hätte einen Einfluss üben können, war dadurch ausgeschlossen, 479 dass sämmtliche hierher gehörenden Beobachtungen bei diffusem Licht (meist an trüben Tagen) gemacht wurden. — Solche Blätter, in denen das Chlorophyll nur durch einen andern Farbstoff verdeckt ist, wie die von Fag. sanguinea, Sambueus racemosa, verhalten sich bei Hinderung des Lichtzutrittes wie gewöhnliche grüne Blätter. Eine andere Möglichkeit, die Thätigkeit des Chlorophylis zu re- duciren, liegt in der Kohlensäure-Entziehung. Diese ist aber nicht völlig durchzuführen. Wenn man auch die CO, der die Pflanze in dem kleinen Untersuchungsraum umgebenden Luft sehr bald durch KOH aufnehmen kann, so wird doch jeden Augenblick durch den ‚Athemprocess neue gebildet, welche nicht durch Diffusion so schnell zum Absorptionsgefäss wandert, als dass sie nicht vorher wieder in den Assimilationsprocess hineingezogen werden könnte. Ja, es ist anzunehmen, dass ein grosser Theil überhaupt nicht aus der Pflanze hinauskommt, sondern dass die C O3, sowie sie gebildet ist, auch sofort verarbeitet wird. Ich habe demzufolge bei dieser Versuchsanordnung keine Resultate erzielt. Eine Steigerung des Kohlensäuregehaltes der umgebenden Luft, bis reine CO; allein vorhanden war, rief eine Reihe von unregelmässigen Oscillationen im Eleetrometer hervor, die sich öfter über eine ganze Anzahl von Theilstrichen erstreckten. Blieb der Pflanzentheil ge- nügend lange in diesem Medium, so endeten schliesslich die Oscillationen mit einer Einstellung, die langsam dem Nullpunkte zustrebte, aber nicht wieder durch Herstellung der normalen Lebensbedingungen zu verändern war — der Tod war eingetreten. d) Versuche an einzelnen Zellen. Es wäre nun sehr interessant, das, was man an Zellcomplexen über den Zusammenhang der Pflanzenelectricität mit den Lebenspro- cessen festgestellt hat, an einer einzelnen Zelle bestätigt zu finden. Als günstigstes, wenn auch sehr zartes Object bot sich hier Nitella, deren lange Internodien bequem das Anlegen der trotz der Faden- spitzen recht plumpen Electroden gestatteten. Die Alge wurde auf einem, mit einer dünnen Wasserschicht bedeckten Objectträger in den vollständig dampfgesättigten Apparat gebracht, und ich konnte, von den jüngeren Zellen wenigstens, regelmässige, wenn auch infolge der Nebenschliessung geringe Ströme ableiten. Aber die Sauerstoffver- drängung hatte nicht den mindesten Erfolg, wenigstens nicht in der Zeit, in der er bei anderen Objeeten eintrat. Die Pflanze ging eher zu Grunde, als man hoffen durfte, dass der im Wasser gelöste Sauer- stoff verbraucht sei. Nur in einem einzigen Falle ist es mir gelungen, 480 die Nitella genügend lange am Leben zu erhalten. Der Verlauf des Versuchs war folgender: Nachdem die Electroden aufgesetzt waren, stellte sich, wie in jedem Falle bei Nitella, der Ausschlag nicht sofort fest ein. Die Schwankungen bewegten sich diesmal zwischen folgen- den Scalentheilen: + 14, 75,410, +11, +7,+8,—12, +9, +8 +11, — 10, +19, +17. Auf+ 18 stand dann das Quecksilber fest. Dann wurde Wasserstoff 45 Minuten lang hindurchgeleitet. Unter ähnlichen Öscillationen, die nur über kleinere Intervalle sich erstreckten, sank der Ausschlag auf 0 sc. Als ich dann Luft durch- leitete, zeigte sich noch nach zehn Minuten kein Erfolg. Erst nach- dem ich durch einen dünnen Wasserstrahl das die Zelle umgebende Wasser ersetzte, trat wieder ein Steigen des Quecksilbers ein, welches schliesslich bei 9,8 stehen blieb. Die Zelle war noch am Leben, denn die Protoplasma-Bewegung war augenscheinlich noch unverändert. Dass auch Verdunkeln und Belichten keinen Einfluss hatten, wird seinen Grund wohl in der gleichmässigen Vertheilung des Chlorophyll- apparates und der daraus folgenden gleichmässigen Zu- und Abnahme der COs-Zersetzung bei Störung des Processes haben. Dagegen konnte durch eingeführten Chloroformdampf, der vom Wasser schnell absorbirt wird, der Tod der Zelle mit Leichtigkeit herbeigeführt und die demselben vorausgehenden Störungen des electrischen Gleichgewichts festgestellt werden. Eine Gesetzmässigkeit in den Oscillationen des Quecksilberfadens liess sich allerdings nicht finden. Doch war es möglich, den Wahrscheinlichkeitsbeweis dafür zu erbringen, dass nicht die Plasmabewegung als solche, das heisst die Reibung der rotirenden Materie in sich und an den Zellwänden am Entstehen der electrischen Ströme betheiligt sei. Neben den Inter- nodien von Nitella gaben auch Valisneriablätter geeignetes Versuchs- material ab. Um die Plasma-Strömung durch die Wandung des Apparates gut beobachten zu können, war in dieselbe eine viereckige Oeffnung geschnitten worden, die durch ein aufgekittetes Deckgläschen wieder geschlossen war. Diesem lagen die Objecte an und wurden dureh Streifen gehörig angefeuchteten Fliesspapiers festgehalten. Die Plasmabewegung war somit mikroskopisch leicht zu controliren, ohne dass ein Austrocknen der Pflanze oder der Electroden das Ergebniss hätte trüben können. Versuchsprotokoll. Nitella: Anfängliche Ruhelage + 15; ein mit Chloroform getränktes Wattebäuschchen eingeführt: Nach 12 Secunden bereits ändert sich der Ausschag: er sinkt rapid auf — 20; eine Aenderung in der Schnelligkeit der Protoplasmabewegung konnte ich 481 nicht erkennen. Erst nach 85 See. kommt diese zur Ruhe; unterdessen hatte das Quecksilber die Scala bis — 2, von da bis — 41 durch- laufen. Jetzt wurde das Chloroform entfernt, ‚die Plasmaströmung kehrte zurück; Ausschlag steht auf +32. Wiederum Chloroform ein- geführt: das Quecksilber wandert: -+ 4 ; Aufhören der Plasmabewegung! #13, +11, +14, 12, +15, +17 constant. Weder der Ausschlag änderte sich noch kehrte die Plasmaströmung nach Zuführen frischer Luft wieder — die Zelle war todt. Nach diesen Versuchen steht fest, dass die Spannungsänderungen noch fortdauern, wenn die Bewegung des Protoplasma schon aufgehört hat, diese könnte also nur anfänglich an dem Zustandekommen des elec- trischen Stromes mitwirken. Da aber in dem Verlauf der Öscillationen keine bemerkbaren Unterschiede zwischen der Zeit vor und nach dem Aufhören jener Rotation auftreten, so ist wohl überhaupt kein Zu- sammenhang der electrischen Erscheinungen mit der mechanischen Be- wegung des Plasma vorhanden. e) Zusammenfassung. Alle die Versuche, auf denen sich die vorhergehende Darstellung aufbaut, sind an verhältnissmässig wenigen Pflanzenspecies angestellt worden. Man könnte mir also den Vorwurf machen, dass das Material nicht hinreichend sei. Da ich aber, vor allem betreffs der Abhängig- keit der electrischen Ströme von der Athmung, Vertreter aus dem ge- sammten Pflanzenreiche, grüne und nicht grüne, Kryptogamen (einige Hutpilze) und Phanerogamen, Monocotyledonen und Dicotyledonen untersucht und überall ähnliche Erscheinungen gefunden habe, so lässt sich das Resultat unserer Beobachtungen ganz allgemein aussprechen und in folgenden zwei Sätzen zusammenfassen. I. Es steht unzweifelhaft fest, dass Stoffwechsel-Vorgänge ver- schiedener Art als Ursache der electrischen Ströme in Pflanzen in Be- tracht kommen. Insbesondere ist nachgewiesen worden, dass in erster Linie Sauerstoffathmung, dann auch die Kohlensäure-Assimilation her- vorragend daran betheiligt sind. H. Die Wasserbewegung hat möglicherweise Antheil an dem Zu- standekommen der electrischen Ströme, sicher aber ist ihr Einfluss nur ein geringer. IT. Theil. Diseussion der Kunkel’schen Untersuchungen. Es dürfte nach den Resultaten, wie sie die eignen Untersu- ehungen ergeben haben, fast überflüssig erscheinen, noch einmal auf 482 Kunkel’s Theorie zurückzukommen. ‘Wenn ich es dennoch thue, so geschieht es nur, um im einzelnen, wenn .auch mit knappen Worten, nachzuweisen, dass sie doch der nöthigen experimentellen Begründung entbehrt. Dass im Allgemeinen Wasserbewegung in capillaren Räumen mit electromotorischen Kräften verbunden sein kann und ist, ist hin- länglich bekannt.) Noch nicht völlig sicher aber ist, selbst nicht nach den von Kunkel ad hoc an Thonzellen vorgenommenen Unter- suchungen, ob mit dem strömenden Wasser positive Eleetrieität in derselben Richtung fortbewegt wird; noch weniger aber ist erwiesen, ob sich die Verhältnisse bei intramicellarer Wasserverschiebung (Quellung), bei denen eine ganz andere Arbeitsleistung in Betracht kommt, jenen anderen gleichstellen lassen. Nach Kunkel sollen quantitative Unterschiede in der Wasser- bewegung, die von dem grösseren oder geringeren Widerstande der Gewebepartien gegenüber dem von den Electroden aus eindringenden Wasser herrühren, Ursache der electrischen Erscheinungen sein. Sind nun die Bedingungen für solche quantitative Unterschiede erfüllt? Ganz sicher. Denn die verschiedene Benetzbarkeit von Nervatur und Mesophyll am Blatte hat auch verschieden leichtes Eindringen des Wassers zur Folge. Aber man kann leicht die verschiedene Be- netzbarkeit aufheben, indem man die Objecte feucht abwischt, ohne dass damit sich die electrischen Verhältnisse ändern. Ja, man kann ruhig eine, das Blatt eben bedeckende Schicht destillirten Wassers auf ihm stehen lassen: dann vermindert sich zwar die Stromstärke, aber die Richtung wird nicht beeinflusst. Und wie kann bei Valis- neria oder Nitella von verschiedener Benetzbarkeit die Rede sein, von denen man, selbst wenn sie unter Wasser liegen (die Wasser- schicht darf freilich nicht dieker als '/—1mm sein), regelmässige Ströme ableiten kann. Auch wenn man annimmt, was Kunkel aber gar nicht einmal thut, dass differente Gewebsstruktur sehr wohl An- lass zu quantitativ verschiedener Wasserbewegung geben könne, so lässt sich auch damit kein Beweis für die Kunkel’sche Theorie er- bringen. Die Annahme an sich ist ja richtig. Aber wie erklärt man dann die merkwürdige Thatsache, dass man dort, wo sehr deutliche, schon dem blossen Auge wahrnehmbare Strukturunterschiede vorhanden sind, keine bedeutenderen Ströme erhält als an solchen Pflanzentheilen, wo die Differenzen nur noch mit dem Mikroskop zu erkennen sind? 1) Litteratur bei Kunkel angeführt; lg. 8.858, 488 Auch die Behauptung Kunkeis, dass die Nervatur sich immer . positiv verhalte gegen das Mesophyll, bedarf nach meinen Beobach- ' tungen einer Einschränkung. Sie istnach meinem . Dafürbalten nur sicher zutreffend innerhalb der | „Isopotentialen*, die natürlich bei jedem Blatte | einen anderen Verlauf haben (die punctirten Linien in Figur 3 sollen den ungefähren Ver- lauf derselben an einem Blatte von Sterculia ‘ inops wiedergeben). | Dann ist ferner wohl zu beachten die von Kunkel selbst ausdrücklich hervorgehobene Thatsache, dass das normale electrische Ver- halten nur am lebenden Blatte sich zeigt. Ein durch momentanes Eintauchen in siedendes Wasser getödtetes Blatt zeigt — wenn es etwa 31—2 Tage im feuchten Raum aufbewahrt wird — keinen Ausschlag, ebensowenig, wie ein freiwillig abgestorbenes, und doch sind die Be- dingungen für quantitativ verschiedene Wasser- bewegung immer noch vorhanden. Auch den Thonzellenströmen muss ich ein paar Worte widmen. Es sei mir gestattet Fig. 3. diese Versuche schematisch zu recapituliren. | I | | TT au |! Ih A HLAHILTE \r Fe) | © zu Fig. 4. I. Füllte Kunkel eine Thonzelle ganz mit Wasser und legte er die eine Electrode der Wasseroberfläche, die andere einer Stelle der Aussenwand an, so erhielt er a) einen „temporären“ Strom, bei dem sich die Wand positiv gegen das Wasser verhielt (Fig. 4a); b) nach kurzer Zeit einen „permanenten“, der im Galvanometerdraht vom Wasser zur Wand ging (Fig. 4b). I. Füllte er die Zelle nur halb mit Wasser, und legte er die eine Electrode wieder dem Wassereontinuum, die andere an der Aussen- 454 wand, aber über dem Wasserspiegel an, so zeigte sich nur der „temporäre“ Strom (Fig. 4c); derselbe blieb aber ziemlich lange constant, weil „der höchste Imbibitionsgrad erst nach und nach er- reicht wird.“ “ HI. Berührt an der halbgefüllten Thonzelle die eine Eleetrode die Aussenwand nahe dem Boden, die andere irgend eine Stelle über dem Wasserspiegel, so fliesst im Leitungsdraht ein Strom von der oberen zur unteren Electrode (Fig. 4d). Die Verhältnisse, wie sie in Versuch I und II vorliegen, lassen sich mit denen an Blättern gar nicht vergleichen, taucht ja doch in letzterem Falle. keine Electrode in ein Wassercontinuum. — Im Versuch III verhält sich die weniger imbibirte Stelle positiv gegen die stärker imbibirte. Betrachtet man nun in Blattversuchen allen den durch die Electroden herbeigegeführten Sättigungszustand!), so geht der Strom von der stärker imbibirten Rippe zum weniger gesättigten “Mesophyli. Nach meiner Ansicht dürfte aber unmöglich der Zustand, sondern allein der mit verschiedener Energie stattfindende Vorgang der Wasserbewegung als Ursache des clectrischen Stromes angesehen werden. Geht man hiervon aus, dann lässt sich zwischen Schema IIL und den Blattströmen eine Analogie finden. In beiden Fällen würde der positive Strom in diejenige Electrode eintreten, welcher vom Ver- suchsobjeet am meisten Wasser entzogen wird — nur schade, dass einmal die Electroden die alleinigen Urheber des electrischen Stromes sein sollen, nämlich bei den Blättern, das andere Mal, an den Thon- zellen, den Electroden überhaupt keine Electrieität erregende Wirk- samkeit zuerkannt wird. Da entsteht ein Widerspruch, der die exacte Durchführung der Kunkel’schen Deduetionen in Frage stellt. Auch gegen die Beweiskraft der „Tropfenversuche* erheben sich Bedenken. Es ist ja im Allgemeinen richtig, dass diejenige Electrode, welche durch einen eingeschalteten Wassertropfen mit dem Pflanzen- theil in Verbindung gebracht wird, positiv (anfangs wenigstens) gegen die andere erscheint, nach Kunkel desshalb, weil an der Stelle eine energische Wasserbewegung stattfindet. Aber diese auffällige Um- kehrung findet auch dann statt, wenn man diesen Tropfenversuch an einem Blatte anstellt, das längere Zeit im Wasser gelegen hat, dessen Gewebe also mit Wasser gesättigt sind, so dass gar kein Anlass zur Wasseraufnabme von der Electrode her vorliegt. Betreffs der durch Biegen und Verwunden erzeugten electrischen Erscheinungen habe ich auch eine nicht unwesentliche Bemerkung zu Ds. Kunkel’s Arbeit 8. 348, m KT m un 485 machen. Zugegeben, dass sie ihren Ursprung den von den Electroden veranlassten, durch turbulente Wasserbewegung aber gestörten Diffusions- vorgängen verdanken — wie erklärt es sich denn, dass Quetschen und glattes Durchschneiden denselben Erfolg haben? Beim Quetschen wird doch Wasser der nächst gelegenen Electrode zugepresst, beim Schneiden aber höchstens, infolge der Verdunstung, weggeführt! Alles in allem, es finden sich in den Deductionen Kunkel’s einige Widersprüche, die aber hinreichen, seine Theorie, dass Wasser- bewegung die alleinige Ursache der electrischen Erscheinungen sei, hinfällig zu machen. Sollte die Wasserbewegung in etwas wirksam sein, so kommt nur, wie schon $. 481 ausgesprochen wurde, ein geringer Bruchtheil auf ihre Rechnung. Anhang: Versuchsprotokolle. Zu Theil lI,a. 1. Versuchsreihe (pag. 462). Art der 2 ltahar Beim Nach Herstell. Pflanze resp; Planzen- Applie. d. Anfingliche Durchleiten | der anfängl. Blectroden ® \trockenerZLuft| Verhältnisse Mittelrippe c 9,11, 10, 13 * Blatt vom Quercus ped. u. Mesophyli 12 Y 110,11 ’ı 11, 12,14 ) „ Balsamine sult. do. 3,7,8,5,9,8 86 » do. do. 9 10, 8, 9,4, 9 g do. » Robinia pseudac. (einesFieder- 5 0,4,3,4,3 4 blättchens) » do, do. 4 4,5,4,1 3 2. Versuchsreihe (pag. 463). Pflanze resp, Pflanzen- Fr Anfänglicher Beim an theil | Rleetroden Ausschlag Erwärmen | m emperatur Mittelrippe Blatt von Quereus ped. 1. Mesophyll 10 12,8,12,3,18) 13,11 » Balsamine sult. | do. 7 10, 8 7,6,5 „ Stereulia inops do. 11 14, 10 10 *) Das Unterstreichen der Zahlen bedeutet, dass der Ausschlag nieht absolut an dieser Stelle verharrte; ich habe aber diese kleinen Öseillationen nicht in das Protokoll aufgenommen, da sie für die Schlussfolgerung offenbar belanglos sind, 486 3. Versuchsreihe (pag. 463). Aanz : Art der Applie.| Anfänglicher Nach Eintreten Pflanze resp. Pflanzentheil d. Blectroden Ausschlag _desnorm. Turgors | BR \, te Urtica dioica ce oe 9) 8 8, 8 Balsamine sult. do. 4 4, 8 do. do. ; 7 | 6, 7 Tropaeolum maj. do. in 9 | 10 Polyg. fagop. do. (12) 5 | 5 | j - Zu Theil II, b (pag. 466 ff). Pflanze resp. Pilanzen- | Ansatzstelle der | Urspr. Nach Nach Luft- theil Eleetroden ‚Ausschlag H-Zuleitung | Zuleitung Blatt von Castanea. amerie. | ee --13 —8 -+20 „ Castanea. vesca do. -+14 +4 -+17 „ Rhamnus frang. do. -H12 +10 +12 n do. do. -H10 +8; +12 +8 „ Potamog.nat.(jung.Bl.) de. --2 0 —1 „ Tilia parviflora do. —12 +7 1 „ Prunus padus do. +14 +9 +13 „do. do. 183 -H14 ; un +14 „ Stereulia inops. do. -9 +7 +5; +10 Am Pistill dicht . Tay Blütbe von Nymphaea alba, unter der Narbe 62 —8 --50 Blüthenstengel In der Nähe der Blumenblatt von Nymphaea | Insertionsstelle +8 +7 +9 alba. u. an der Spitze . Keimlinge v. Pisum sativum a 26 | -+19; +82 | -+39;, +30 „ Vieia faba do. +22 | +12; +44 | -H51; +19 » Cucurb. melanosp. do. +4 3; +12 | +14; +7 Rückseit Blatt: von Salix caprea an. +9 | +47: +18 | +14; +8 . t . Boletus edulis oben mc um a -49 +7 +8 | do. do. -45 4 +3; +4 Anm. Von Nadeln der Coniferen babe ich keinen messbaren Strom ableiten können. a Zu Theil II, b (pag. 26 ff). 487 os Nach dem Abkühlen Nach Herstell. d. 3823| resp. Erwärmen urspr. Verhältn. 80 Se | = - nn Pflanze resp. E: Es FE SE au S Ausschlag Pflanzentheil 3582| 52 2<|@2,.1688 Tem-| Aus “as ea, 28| 85 | E88 hi eRıä 52 & & Er: peratur| schlag (da) SE |©8 75 Blattv. Quercus ped.| +18,5/ —10 | +1,51 +16 145; +42 +17 19 „ Hyae. orient. |-Hi75| +4 | +05[1-414 | 1835| +18 | +17 | +12 „ Stereuliainops.| +18 --6 | +0.5|-H14,5| 14 -+47,4-32 +18 +10 Stengel von Tulpe | 4175| +5 | +1 | +16 15 +10 | +17 +8 „ Begna HT | 442 498 ı -—ı IH +2 Blatt v. Stere. inops. 417 | +8 1434 | 20 14 —14 | HT] +5 „ Hyac. orient. 4175| +3 1483 | +19 | 14 | -7, —| HT IH, + „ Piper nigr. 417 | 451439 |+23 | 16 2 | +17 +1 „ Stereulia inops. +17 | +13 |-+49 | +25 24 \—60,--11,) +17 —31 0, —30 *) Eleetrode A soll die sein, welche nach der Blatt- oder Stengelspitze zu aufgesetzt ist. Zu Theil II, c (pag. 27 ff). Pflanze resp. Pflanzentheil RR Dunkel Hell Dunkel Hell Blatt von Vitis vinif. +14 49 +10 43 49 „ Stereulia inops. 10 48 +9 47 —-10 „ Quercus pedune. ° +15 -H5 —11 +4 +10 Blumenblatt von Nymphaea alba.| +17 —+16,5 —+-16,5 +16 415,5 »„ .Rosa canina +9 +9 +9,5 -9 +8,5 Knolle von Solanum tub. -+3 -+3 +25 +2 +42 Wurzel v. Daueus carota (eultiv.)| -+19 +19 +18 +18 +17 Stiel von Boletus ed. +9 +8 +8 +85 +75 Flora 1892, 33 Litteratur. Samos. KEtude geologique, paldontologique et botanique par le pro- fesseur Carlo de Stefani, le docteur ©. J. Forsyth Major et William Barbey. Avec treize planches par Ch. Cuisin. Lausanne, Gge. Bridel & Cie., 1891. Die Insel Samos war bezüglich ihrer Naturgeschichte bisher recht wenig bekannt und so füllt das vorliegende, sehr schön ausgestattete Werk eine Lücke in erwünschter Weise aus. Der botanische Theil, welcher hier allein in Betracht komnit, gibt: zu- nächst eine Geschichte der bisher äusserst unvollständigen Kenntnisse der Inselflora, und dann auf Grund der Sammlungen von Dr. Forsyth Major einen „eatalogue raisonne des especes obserrdes & Samos“ mit Verweisungen auf die Flora orientalis von Boissier. Dieselbe wird begleitet von 13 vortrefflichen "Tafeln, auf denen abgebildet sind Corydalis integra Barbey et Major; Erodium Vetteri Barbey et Major; Iubus Aegaeus Louis Favrat; Ranunculus Sprunerianus Boiss.; Fumaria Pikermiana Boiss. et Heldr.; Erysimum aciphyllum Boiss.; Iberis olympica Boiss.; Dianthus hypochlorns Reis. et Heldr.; Saponaria graeca Boiss.; Cytisus Smyrnaeus Boiss.; Astragalus sinaiens Boiss.; Astragalus graeeus Boiss.; Sedum laconieum Boiss et Heldr. RK. GC. Eingegangene Litteratur. Bommer, Ch. Essai de reconstitution physiognomique de quelques types de la Hore houillere. Extrait du Bulletin de la Soeiete Belge de Geologie de Pal6ont. et d’Hydrologie. 'Tome V, 1891, — — Note sur le Verrucaria consequens Nyl. Extr. des Annales de la Societ& Belge de Microscopie. t. XVI. 1892. Chodat, R, Polygalaceae. Bulletin de la Soc, royale de botanique de Belgique, t. XXX. — — et Ch. Roulet. Structure anormale de la tige de Thunbergia laurifolie. Extr. des Archives des Sciences physiques et naturelles, t. XXVIT. Delpino, F. Pensieri sulla metamorfosi e sulla idiomorfosi presso le piante vascolari. Estratto dalla Serie V, Tomo IT delle Memorie della R. Accademia delle Scienze dell’ Instituto di Bologna. 1892. — — e Bernaroli, Pseudanzia di, (’amellia e di Gewm. Nstratto dal Giornale Malpighia, Anno V. Fasec. III. Der Königl. Botanische Garten u. das Bot. Museum zu Berlin im Etats- jahr 1891/92. In Focke, W. O. 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Manuskripte und andere Zusendüngen für die „Flora“ sind zu richten an Prof. Dr. Goebel, München, Leopold- strasse 33. FLORA ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. NEUE REIHE 50. JAHRGANG ODER m DER GANZEN REIHE 75. JAHRGANG. HERAUSGEBER: K. GOEBEL. Heft III mit Tafel VII-VII und 22 Textfiguren. "Erschienen am 18. Juni 1892. Inhalt. P. HAUPTFLEISCH, Die Fruchtentwickelung der Gattungen Chylocladia, Champia und Lomentaria . . Seite 307—367 O0. LOEW, Ueber die physiologischen Functionen der Caleium- und Mag- nesiumsalze im Pflanzenorganismus . » 368-394 Dr. PAUL KLEMM, Beitrag zur Prorsehung der Assregationsvorgänge in lebenden Pflanzenzellen » 395—420 M. MÖBIUS, Australische Süsswasseralgen „421-450 LITTERATUR: Dr. A. Zimmermann, die botanische Mikrotechnik „ 451-452 Eingegangene Litteratur . „ 452—454 MARBURG. N. G. ELWERT'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG. 1892. MEE” Mit Verlagsbeilage von C. Ricker, St. Petersburg. ug Manuskripte: und andere Zusendungen für die „Flora“ sind zu richten an Prof. Dr. Goebel, München, Leopold- strasse 33. FLORA ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. NEUE REIHE 50. JAHRGANG ODER DER GANZEN REIHE 75. JAHRGANG. . HERAUSGEBER: Prof. Dr. K. GOEBEL. Heft IV mit 4 Textfiguren (Schluss). Erschienen am 1. September. Inhalt, OTTO HAACKE, Ueber die Ursache electrischer Ströme in Pflanzen . . Seite 455-487 EINGEGANGENE LITTERATUR FE „488-490 MARBURG. . N. G ELWERT’SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG. 1892. Mit Verlagsbeilage von A. Pichler’s Witwe & Sohn, Wien. MEE” Gegen Ende des Jahres erscheint ein Ergänzungsband zu dem Jahrgang 1892 der „Flora“. Manuskripte und andere Zusendungen für die „Flora“ sind zu richten an Prof. Dr. Goebel, München, Leopold- strasse 33.