FLORA ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. 8. BAND. — JAHRGANG 1898. HERAUSGEBER: Dr. K. GORBEL Professor der Botanik in München, Mit XIX Tafeln und 103 Textfiguren. MARBURG. N. 6. ELWERT'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG. 1898. Yu9, Bot. Garden, 1399, Inhaltsverzeichniss. I. Abhandlungen. CAPEDER, E., Beiträge zur Entwickelungsgeschichte einiger Orchideen CZAPEK, Friedrich, Studien über die Wirkung äusserer Reizkräfte auf die Pflanzengestalt I. . DEINEGA, V,, Beiträge zur Kenntnis der” Entwickelungsgeschichte des Blattes und der Anlage der Gefässbündel . . . GIESENHAGEN, Dr. K., Untersuchungen über die Characeen. Il, Der Bau der Sprossknoten . . B GOEBEL, K., Morphologische und biologische Bemerkungen. 8. Eine Süss- wasserfloridee aus Ostafrika — Archegoniatenstudien. VII Rückschlagsbildungen und Sprossung bei Metzgeria . . . IKENO, 8., Zur Kenntniss des s08. eentrosomähnlichen Körpers im Pollen- schlauch der Cycadeen . KAMERLING, Z., Der Bewegungsmechanismus der Lebermooselateren KÜSTER, Ernst, Zur Analogie und Biologie der aulriatischen Codiaceen MIGULA, W., Weitere Untersuchungen über Astasia asterospora Meyer MITROPHANOW, P., Beobachtungen über die Diatomeen MITZKEWITSCH, L., Ueber die Kerntheilung bei Spirogyra OLTMANNS, Friedr., Die Entwickelung der Sexualorgane bei Coleochaete pulvinata . . OSTERWALDER, Adolf, Beiträge zur Ir Embryologie von Aconitum Napellus L. RACIBORSKI, M., Biologische Mittheilungen aus Java — Einige Demonstrationsversuche mit Leptomin . B . . ROSS, Hermann, Pithenbiologisehe Heobaohtungen an Cobaea macro- stemma Pav. SCHAEFER, Dr. Karl L. Zur Lehre von der Reaction des Protoplasmas auf thermische Reize . ZINGER, N., Beiträge zur Kenntniss der weiblichen Blüthen und Inores- cenzen bei Cannabineen Il. Abbildungen. A. Tafeln. Tafel I und II zu Oltmanns, Caleochaete pulvinata, Tafel II und IV zu Giesenhagen, Characeen. Tafel V zu Mitzkewitsch, Spirogyra. Tafel VI—X zu Zinger, Cannabineen. Tafel XI—-XV zu Osterwalder, Aconitum Napellus L. Tafel XVI und XVII zu Capeder, Orchideen. Seite 368 424 439 19 65 69 IV Tafel XVII zu Czapek, Wirkung äusserer Reizkrüfte auf die Pflanzengestalt. Tafel XIX zu Deinega, Entwickelungsgeschichte des Blattes und Anlage der Gefässbündel. B. Textfiguren. 18 Fig. zu Giesenhagen, Characeen. 6 Fig. zu Goebel, Morpholog. und biolog. Bemerkungen, 1 Fig. zu Ross, Cobaea macrostemma Pav. 3 Fig. zu Migula, Astasia asterospora Meyer. 7 Fig. zu Kamerling, Lebermooselateren. 5 Fig. zu Küster, Codiaceen. 3 Fig. zu Zinger, Cannabineen. 14 Fig. zu Raciborski, Biologische Mittheilungen aus Java, 21 Fig. zu Capeder, Orchideen. 3 Fig. zu Czapek, Wirkung äusserer Reizkräfte auf die Pflanzengestalt. 22 Fig. zu Deinega, Entwickelungsgeschichte des Blattes und Anlage der Ge- fässbündel. III. Litteratur. BRUCHMANN, Untersuchungen über Selaginella spinulosa, A,Br. . . u BRÜCKE, Ernst von, Pflanzenphysiologische Abhandlungen . . . 831% CHRIST, Dr. H,, Die Farnkräuter der Erde . . . 75 ENGLER, Dr. Adolf, $yllabus der Pflanzenfamilien , . 319 FISCHER, Dr. Ed., Entwickelungsgeschichtliche Untersuchungen über Restpilze . B . 8318 HEMPEL, Gustav, und Wilhelm, Carl, Die Bäume und Sträucher des Waldes . 318 HILDEBRAND, Prof. Dr. Friedr, Die Gattung Cyelamen 153 HÖÜCK, Dr. F., Grundzüge der Pflanzengeographie 152 HOLTERMANN, Dr, Carl, Mykologische Untersuchungen aus den Tropen“ 316. KNUTH, Dr. Paul, Handbuch der Blüthenbiologie 317 KOCH, Prof. Dr. Alfred, Jahresbericht über die Fortschritte in "der Lehre von den Gährungsorganismen 75 MASSART, Jean, La Cicatrisation chez les Vegetaux . . . 499 PFEFFER, Prof, Dr. W., Pflanzenphysiologie . . j 16 RACIBORSKITL, M., Die Pieridophyten der Flora von Buitenzorg . . 319. STRASBURGER, Dr. Ed., Das botanische Praktikum . ‚ 78 — NOLL, Prof. Dr. Fr., SCHENSK, Prof. Dr. Heinr,, SCHIMPER Prof, Dr. A. J. W., Lehrbuch der Botanik . j 315 WARBURG, O,, Monographie der NMyristicaceen . . . . 21 IV. Eingegangene Litteratur. 8. 77, 165, 320. Heft 1 (8. 1—80) erschien am 17. Januar 1898, Heft II (8, a am 8, FLORA ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. Inhalt. 8. BAND. — JAHRGANG 1898. HERAUSGEBER: Dr. K. GOEBEL Professor der Botanik in München, - Heft I mit vier Tafeln und 24 Textfiguren. Erschienen am 17. Januar 1898, FRIEDRICH OLTMANNS, Die Entwickelung der Sexualorgane bei Coleochaete pulvinata . Seite 1-14 5.IKENO, Zur Kenntnis des sog. eentrosomähnlichen Körpers i im Pollenschlauch der Cycadeen „ 15-18 Dr. K. GIESENHAGEN, Untersuchungen über die Characeen. 1. Der Bau der Sprossknoten . . n„ 19-65 K. GOEBEL, Morphologische und biologische Bemerkungen. 8. Eine Süss- ‚ wasserfloridee aus Ostafrika . . B B „65-68 K. GOEBEL, Archegoniatenstudien, VII. Rückschlagsbildungen und Sprossung bei Metzgeria . „89-74 LITTERATUR: Koch, Prof. Dr. Altr., Jahresbericht über ie Fortschritte in der Lehre von den Gährungsorganismen. — Christ, Dr. H., Die Farnkräuter der Erde. — Pfeffer, Prof. Dr, W., Pflanzenphysiologie. — Strasburger, Dr. Ed., Das botanische Praktikum. — Bruchmann, Untersuehungen über Selaginella spinulosa, A. Br. . FE » 3-77 EINGEGANGENE LITTERATUR » 77-80 MARBURG. N. G. ELWERT'’SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG. un 1898. 1 \ WER” Mit einer Beilage der Verlagsbuchhandlung Wilhelm Engelmann, Leipzig. de 330t. Garden, . Bemerkung. Das Honorar beträgt 20 Mk. pro Druckbogen, für die Litteraturbesprechungen 30 Mk. Die Mitarbeiter erhalten 30 Sonderabdrücke kostenfrei: Wird eine grössere Anzahl gewünscht, so werden für Druck und Papier berechnet: Für 10 Exemplare pro Druckbogen Mk. 1.20: pro einfarb. einfache Tafel Mk. —.30 n 20 ) ? s ” 2.50 ” ” » n n —.60 „390 " » n » 3.30 „ n P a „9% ” 40 ” ” n » 5.— n n ” „ 120 " 50 ” ” n R) 6.50 7 n „ E) „ 1,50 7 60 ” n n ” 8.— % > ” % ” 2.— * 70 P P } $) 9.20 „ ” ” » „ 2.50 Fi so ” s 9 „ 10.50 „ ” v n » 8 ” 90 u) ” ” ” 12.— n » ” » " 4.— „ 100 » ” „ 15.— ,„ » E) » „9.7 ” Dissertationen, Abhandlungen systematischen Inhalts, sowie solche, von welchen über 100 Sonderabdrücke hergestellt werden, werden nicht honorirt; für solche, die umfangreicher als 4 Bogen sind, werden nur 4 Bogen honorirt; die Kosten für Abbildungen hat bei Dissertationen der Verfasser zu tragen, ebenso bei fremdsprachigen Manuskripten die Kosten der Uebersetzung. Die Zahlung der Honorare erfolgt nach Abschluss eines Bandes. Der Bezugspreis eines Bandes beträgt 20 Mark. Jedes Jahr erscheint ein Band im Umfang von mindestens 830 Druckbogen; nach Bedürfniss schliessen sich an die Jahrgänge Ergänzungs- bände an, welche besonders berechnet werden. Manuskripte und Litteratur für die „Flora“ sind an den Herausgeber Herrn Prof. Dr. Goebel in München, Nymphenburgerstr. 50/m zu senden, Korrekturen an die Druckerei von Valentin Höfling, München, Kapellenstrasse 3. Alle geschäftlichen Anfragen ete. sind zu richten an die unterzeichnete Verlags- handlung, N. 6. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung Marburg (Hessen-Nassau). ! Die Entwickelung der Sexualorgane bei Coleochaete pulvinata. Von Friedrich Oltmanns. Hierzu Tafel I und U. h ; | | I Jeder Botaniker weiss, dass sich an Pringsheim’s berühmt ‘gewordene Arbeit über die Coleochaeten!) vielerlei Erörterungen ange- | knüpft haben. Die Familie schien in hohem Maasse willkommen, um . verschiedene Thallophyten-Gruppen unter einander zu verbinden und | andererseits den Uebergang derselben zu den Moosen zu vermitteln. | Die Discussion setzte häufig voraus, dass Pringsheim, trotz seiner Sorgfalt, manches nicht gesehen habe und schloss die Hoffnung ein, dass eine erneute Untersuchung die hypothetischen Zusammenhänge in noch klareres Licht setzen werde. Naturgemäss richtete sich das Augenmerk auf die best zu untersuchende Form, auf Coleochaete pulvinata, die indess häufig genug vergeblich gesucht sein dürfte, Jost hatte sie dann nach einer mündlichen Mittheilung bei Strass- .\. burg beobachtet und bis zu einem gewissen Grade untersucht; ich selbst lernte inzwischen durch L. Klein’s Freundlichkeit einen vor- s trefflichen Standort im Titisee kennen, und nun verzichtete nach einer ; gemeinsamen Besprechung Jost auf die weitere Bearbeitung seines Materials, während ich die Beobachtungen fortsetzte. Jost hat seine ‚| Resultate ?2) bereits publieirt. Es gelang ihm nicht, die Coleochaeten unter dem Mikroskop in continuo zu beobachten und auch ich habe analoge Erfahrungen machen müssen: weder in der feuchten Kammer, { noch in grösseren Glasgefässen gelang es, unsere Algen zu normaler ‘ Entwickelung zu veranlassen. Sie hielten sich eine Zeit lang gut, " wuchsen auch wohl etwas, aber das Ganze befriedigte doch nicht, und es war auch u. a. nicht möglich, im Herbst gesammelte Oosporen im ı Frühling zu ausgiebiger Keimung zu bringen. A Dafür bot der Titisee reichliches und jederzeit zu erreichendes ' - Material. Die Alge gedeiht dort speciell am Südufer auf Isoötes ‚lacustris, event. auch auf Litorella in !/s—1!jzm Tiefe. Sie überzieht ' un 1) Pringsheim, Beitr. z. Morphologie und Systematik d. Algen TIL ‚Pringsh. Jahrb. Bd. II (1860). 2) L. Jost, Beiträge z. Kenntniss der Coleochaeten. Ber. d. d. bot. Ges, . Bd. 13 (1895) pag. 438. Flora 1898, 1 2 mit ihrem Gallertrasen oft ganze Blätter und so ist es ein Leichtes, Vorrath zu sammeln. Die Keimung der Oosporen beginnt dort oben im April, anfangs Mai pflegen die ersten Schwärmer aus ihnen hervorzu- gehen, und im Juli sind die Rasen erwachsen, sie zeigen Schwärmsporen bis zum August und September. In diesem Monat setzt dann die Bildung der Sexualorgane ein und dauert oft bis über den Oktober hinaus. Die Schleimrasen bleiben den Winter über an den Blättern hängen, ein Umstand, der allein die Auffindung der Keimungsstadien im Frühjahr ermöglicht. Die Coleochaeten wurden dann zu verschiedenen Zeiten, meist direct am See, conservirt, und zwar mit Iproc. Chromessigsäure oder mit vom Rat h’s Pikrin-Osmium-Platinchlorid-Essigsäure.!) Das letztere Fixirungsmittel hat trotz seiner fast erschreckenden Complieirtheit doch mancherlei Vorzüge und scheint mir auf Grund seines Osmiumgehaltes besonders geeignet, neben dem Kern auch den Chlorophyllapparat gut zu conserviren. Bei richtiger Handhabung, verbunden mit geeigneter Verdünnung (1:10), erhält man die Chromatophoren hellgrau oder grau- grün, jedenfalls so, dass sie sich auch nach der Färbung vortrefflich - vom übrigen Plasma abheben. Die Färbung erfolgte mit Haematoxylin in ganz verdünnter Lösung, vorteilhaft bisweilen unter Erwärmung auf etwa 50°. Da dies Ver- fahren prompt wirkte, wurden andere Färbemittel nicht weiter versucht. Das Meiste ist leicht sichtbar, wenn man die gefärbten Rasen in Glycerin oder Glyceringelatine einfach breit drückt, nur die reifen oder keimenden Oosporen verlangen Schnitte, und diese wurden in bekannter Weise in Paraffin ausgeführt. Da man die Algenräschen mit dem Isoötesblatt schneiden kann, bietet das keinerlei Schwierigkeit, so lange man nicht gerade Rasen trifft, die Sandkörner im Schleim eingeschlossen enthalten, was an manchen Standorten vorkomint. Die Bildung der Schwärmsporen ist von Pringsheim durchaus exact beschrieben worden, und ich brauche zur Ergänzung seiner An- gaben nur auf meine Fig. 1 hinzuweisen, die eine fast zum Ausschlüpfen reife Zoospore darstellt. Pringsheim’s und Jost’s Angaben über die seitliche Lage der Chromatophoren, der eigenartigen hellen Körper u. s. w. finden darin ihre Bestätigung; zugleich ist die Lage des Kerns erkennbar. Es hätte sich kaum gelohnt, die Schwärmspore in der Zeichnung wiederzugeben, wenn ihre Entstehung nicht eine frappirende Aehn- 1) Anatom. Anzeiger 1895. 3 ' lichkeit aufwiese mit den ersten Entwickelungsstufen der Oogonien, ‘ wie solche Fig. 4 wahrscheinlich wiedergibt. Ich sage wahrscheinlich, weil die Aehnlichkeit zwischen Oogon-Anlagen und Schwärmern eine - 80 grosse ist, dass sehr oft eine Unterscheidung unmöglich wird. In diesem Fall werden wir es schon mit einem Oogonium zu thun haben, weil um die fragliche Jahreszeit Schwärmsporen kaum noch gefunden wurden und weil diese Anlage in unmittelbarer Nähe der Antheridien steht. Etwas ältere Stufen, wie Fig. 5, zeigen dann deutlich die be- ginnende Bildung eines Schnabels oder Halses an. Die Anordnung ist noch unverändert, der Chloroplast liegt seitlich, ihm liegt der grosse ‘ Zellkern in diesem speciellen Fall unmittelbar an, in anderen Fällen befindet er sich in einer Plasmabrücke, so wie in Fig. 4. Im Schnabel sammelt sich mehr oder weniger dichtes Protoplasma, das vereinzelt “\ grössere Vacuolen zeigt. Ohne dass die bauchig aufgetriebene Basis ;. zunächst grössere Veränderungen aufwiese, wächst dann der Hals heran, ’’ (Fig. 6) immer unter Vermehrung der körnigen Plasmamasse im Innern. > Ist die definitive‘ Länge des Halses annähernd erreicht, dann finden in der Basis des Oogoniums Umlagerungen statt, die zu Bildern wie ‚Fig. 7 führen. Der Chlorophylikörper verlässt seine seitliche Lage „und rückt gegen den Grund des Oogoniums vor, er klemmt sich fast ganz gegen die Basis und häufig ist er aufgerollt wie eine Düte (vergl. '; auch Fig. 8), Schon auf diesen Stufen kann eine erhebliche Ver- 'grösserung der Chromatophoren und in Verbindung damit eine Ver- ;doppelung der Pyrenoide stattfinden. Eine wirkliche Theilung des ‘ Chloroplasten war aber noch nicht zu constatiren. Das Oogonium in Fig. 7 steht kurz vor der Oeffnung und Jost hat ' bereits dargethan, dass diese zweifellos durch Aufquellung der Membran \ an der Spitze des Oogoniums erfolgt. Wie bei Jost, so ist auch in meiner ; Fig. 7 diese der Oeffnung voraufgehende Quellung ersichtlich. Es ist mir aber ebenso wenig wie genanntem Autor gelungen, den Oeffnungs- und . Quellungsprocess direct zusehen. Das nächste mir zugängliche Stadium (ie in Fig. 8 widergegeben. Der Hals ist offen und von Protoplasma frei. Jost hebt hervor, dass ein Austritt von Protoplasma nicht erwiesen sei, da auch Pringsheim nur vom Austritt einer farblosen ‘Substanz rede, die ohne weitere Bestimmung zu Grunde geht. Darin hat er wohl Recht. Wenn man aber Fig. 7 und 8 mit einander ver- gleicht, so kann man nicht ohne Weiteres sagen, ob das im Hals der Fig.7 vorhandene Plasma in den Bauchtheil zurückgezogen wird oder ‚ob es bei der Oeffnung mit hinausgeht. Ich neige mehr zu der ‚ 1“ 4 letzteren Auffassung, die sich freilich nur auf Vergleichung dieser und ähnlicher Stufen gründet. Mag dem nun sein wie ihm wolle, mir scheint die Frage vor- läufig irrelevant, da nirgends eine Ausscheidung von ker nhaltigem Plasma stattfindet, auf die wir heute Werth legen müssen. Jost fand niemals eine Kerntheilung im Oogon und ich auch nicht; ebenso wenig war zu irgend einer Zeit, weder bei Tag noch bei Nacht, ein zweiter Kern etwa im Hals desselben wahrnehmbar, wie aus meinen Figuren deutlich hervorgeht. Demnach findet hier so wenig wie bei Oedogo- nium u. a. die Ausstossung eines „Richtungskörpers“ oder dergleichen mehr statt. Sollte eine Absonderung von Plasma aus dem Hals nach- gewiesen werden, so würde das in dieselbe Gruppe von Erscheinungen fallen, die ich früher bei Vaucheria clavata demonstrirte. Von einer für die Befruchtungsvorgänge wesentlichen Bedeutung können diese Processe nicht sein; sie hängen einfach und nur mit dem Oeffnungsmechanismus zusammen. Wie bei Vaucheria, Oedogonium ete.!) fällt auch bei Coleochaete die Zurückziehung der Chlorophylikörper an die Basis der Eizelle auf und damit die augenfällige Herrichtung eines Empfängnisstleckes. In dem Material, das zu allen Tages- und Nachtzeiten eingesetzt war, fanden sich nur sehr wenige frisch geöffnete und unbefruchtete Oogonien, wie Fig.8, und auch das Eindringen von Spermatozoiden in den Hals derselben war nur in einigen Fällen ersichtlich, die sich für eine Widergabe durch die Zeichnung nicht eigneten. Soweit ich die Dinge übersehe, hat das seinen Grund in einer periodischen Entwickelung der Sexualorgane. Früchte und Oogonien stehen meist in verschiedenen Zonen eines Polsters und zwar so, dass innerhalb einer Zone fast alle gleichaltrig sind. Die differenten Zonen weichen oft erheblich in der Grösse von einander ab und das lässt vermuthen, dass nicht täglich in einem Polster sich reife Oogonien finden. Wie sich verschiedene Polster zu einander verhalten, ist nicht ganz klar. Kurz, an frisch geöffneten und befruchteten Oogonien war das sehr reichliche Material eminent arm. Aber noch eine weitere Anzahl von Nächten zu opfern, schien mir unnöthig, da das vorliegende Material ausreichte, um ein völlig —— klares Bild zu geben. Es weist evident nach, dass das Spermatozoid durch den Hals zum Ei vordringt. Nach dem Eintritt des Sperma- tozoids in das Ei wird eine Membran gebildet (Fig. 9) und der Sperma- il} Vergl. die Arbeiten von Klebahn über Oedogonium und meine eigene über Vaucheria. i 5 ı kern wandert gegen den Eikern. Fig. 9 demonstrirt das und zeigt, “ i H ‘ dass die Chlorophylikörper zunächst noch an der Basis des Oogoniums liegen, genau wie in den unbefruchteten Stufen. Bald aber beginnen - Umwälzungen in der jungen Oospore. Die Chloroplasten theilen sich und rücken auf die Längswände, wo sie einander gegenüber Aufstellung zu nehmen pflegen (Fig. 10 und 11). Unter Wachsthum des Ganzen bilden sich Vaeuolen, die durch eine mittlere Plasmabrücke (Fig. 11) geschieden zu sein pflegen. Letztere beherbergt die beiden Kerne, die bald noch lose neben einander liegen, bald dicht aneinander gepresst ‘erscheinen. Nicht lange nachher wird die Abgrenzung .der Kerne gegen einander undeutlich, man bemerkt aber noch die zwei Nucleoli " (Fig. 12), an deren Stelle nachher ein einziger tritt (Fig. 13); ob ebenfalls durch Verschmelzung, ist nicht ganz sicher. Als letzte An- deutung der vollzogenen Copulation sicht ınan den Kern noch an einer Seite etwas heller gefärbt, aber schon auf den nächsten Stufen erscheint ; er einheitlich (Fig. 14). Während dieser Veränderungen wächst die Oospore, der Kern ; rückt an die Wandung, indem die Plasmabrücke verschwindet. Die ; Chromatophoren verändern ihre Lage häufig etwas, sie werden mehr mach den Polen geschoben (Fig. 12—14) und an der Verdoppelung - der Pyrenoide in ihnen erkennt man die Vorbereitungen zu erneuter Theilung (Fig. 14). Diese erfolgt denn auch bald; und so wächst die : Oospore heran zu Gestalten wie Fig. 15. Der Kern liegt iinmer noch > der Wandung an, während eine grosse Vacuole die Mitte einnimmt. l "Solche Stadien findet man vom September-October an; später gegen Chloroplasten sind jetzt acht vorhanden, mit je einem Pyrenoide; sie sind durch suecessive Theilung aus einander hervorgegangen und lagern sich nun ganz regelmässig nach Octanten an, vier Chloroplasten liegen ;in der unteren, vier in der oberen Hälfte der Oospore (Fig. 15). den Winter hin verändert sich die Lage und Zahl der Chlorophyli- körper nicht mehr, dagegen füllt sich die Spore langsam mit Reserve- stoffen; in Zusammenhang damit wird das Plasma schaumig, indem die grosse Vacuole vielen kleineren Platz macht, der Kern wandert in die ‘Mitte. So bleibt das Ganze dann bis zum Frühling. Ich habe die Umhüllung der Oospore bislang nicht erwähnt und brauche auch kaum darauf einzugehen, weil Pringsheim’s Angaben in allen wesentlichen Punkten zutreffen; die Figuren auf Taf. I und II ergeben das ohne Weiteres, zudem stimmen auch Jost’s Angaben damit überein, Die Keimung der Öosporen begann im Jahre 1896 im Titisee 6 Ende April. Bis dahin war Ruhe und in den Oosporen machte sich keine Veränderung bemerkbar. Die acht Chlorophylikörper bleiben den ganzen Winter über erhalten und in ihren Farben frisch. An einigen durchsichtig gemachten Oosporen, die besonders gross waren, glaubte ich unter Umständen bis zu 10 wahrzunehmen. Demnach dürften sich gelegentlich und vereinzelt nachträgliche Theilungen dieser Organe einstellen; gelegent- lich bleibt auch wohl die Zahl hinter acht zurück. Sowohl die Stielregion als auch der Hals des Oogoniums sind an der reifen -und keimenden Frucht noch meistens mit Leichtigkeit erkennbar, deshalb ist es auch nicht so schwer, festzustellen, dass bei Beginn der Keimung die erste Theilungswand senkrecht zur Längs- richtung des Oogoniums steht, d. h. zu der Linie, welche Stielzelle und Hals mit einander verbindet — und nur in diesem Sinne kann bei der fast kugelförmigen „Frucht“ der Coleochaeten von einer Längs- richtung die Rede sein. Wir erhalten so zwei Zellen mit je einem Zellkern und vier Chloro- phylikörpern im Normalfall. Nunmehr folgt je eine Verticalwand in” der oberen und unteren Halbkugel, darauf je eine zweite, so dass sehr bald die Oosporenkugel in acht Zellen von entsprechender Form getheilt ist. Auf dem 4-Zellenstadium (Fig. 17) hat jede Zelle zwei und auf der 8-Zellenstufe (Fig. 18) jede eine Chlorophyliplatte. Fig. 17 gibt zwei benachbarte Schnitte durch eine keimende Oospore wieder, in welcher vier Zellen gebildet waren. Besonders markant ist die obere Zelle in Fig. 175, in welcher der Zellkern zwischen den beiden Chloro- plasten liegt. Das ist die Stellung, die fast regelmässig der Theilung des Kerns und der Zelle voraufgeht und solche Stufen führen direct hinüber zu Fig. 18, in welcher jeder Zelle ein Chromatophor neben dem Zellkern zukommt. Nicht zu verkennen ist überall die Unab- hängigkeit der Theilung von Kern und Chloroplasten. Das 8-Zellenstadium wird abgelöst durch mehrzellige Keimungs- stufen, die dann freilich ziemlich verschieden aussehen können; den regelmässigsten und wohl auch häufigsten Fall stellt Fig. 19 dar. Jeder Octant theilt sich in zwei Zellen und diese können weiterhin noch halbirt werden. Die neu auftretenden Wände stehen aber stets annähernd senkrecht auf der ersten Wand, welche die Sporen- frucht halbirte, resp. verlaufen mehr oder weniger radial gegen dieselbe. So entstehen im günstigsten Fall 24—-86 Zellen, die alle annähernd radial gerichtet sind. Indes ist die Zahl der Theilungen eminent verschieden, nach der Grösse der ÖOosporen. In kleineren werden a man eg Nr 7 die Theilungen schon nach Bildung von acht Zellen sistirt, in mittleren findet man nicht selten einen oder zwei Octanten getheilt, während die beiden anderen nicht weiter zerlegt werden; und so wechselt das von Fall zu Fall, wie bereits Pringsheim angibt. Der genannte Autor spricht von der Zerlegung des Oosporen-Inhaltes in ein paren- chymatisches Gewebe, und auch aus seinen Zeichnungen könnte man vermuthen, dass es sich um eine nach allen Seiten hin getheilte Zell- masse handle. Das ist nicht der Fall. Ich habe viele keimende Oosporen untersucht, sowohl auf Schnitten als auch nach der Auf- stellung in Glycerin oder Chloralhydrat, aber niemals eine Zellwand gesehen, die der ersten Querwand der Oospore parallel ginge. Alle Zellen reichen annähernd radial von der Peripherie auf die Basalwand. Das ist auch deutlich sichtbar in Fig. 20, die einen optischen Längs- schnitt (nach der Aufhellung) durch eine keimende Sporenfrucht dar- stellt. An dieser ist bereits die äussere Zellhülle gerissen und zwar hier, wie in den meisten anderen Fällen annähernd in der durch die Basalwand gebildeten Ebene. Zerreissung an anderen Stellen erfolgt wohl ebenfalls, allein seltener. Angezeigt wird die Sprengung der F.,„Fruchtwandung“ schon auf relativ jungen Stufen (Fig. 18). Sie ist bedingt durch das Wachsthum der Zellen im Inneren überhaupt, speciell aber noch dadurch, dass die Einzelzellen sich gegeneinander abzurunden bestrebt sind. Diese Abrundung tritt besonders an der Basalwand hervor (Fig. 19 u. 20) und damit dürfte die Sprengung gerade an dieser Stelle zusammenhängen, Stufen, welche etwas älter sind als Fig. 20, zeigen bereits die ersten Andeutungen der Schwärmerbildung und diese verläuft wie in den vegetativen Fäden zur Sommerszeit; Pringsheim hat das richtig beschrieben. Das Festsetzen und Keimen der Schwärmer zeigen dann Fig. 21 und 22, ohne dass es nöthig wäre, viel darüber zu sagen. Ueber die Bildung der Antheridien und Spermatozoiden ist eigent- u lich nur zu berichten, dass Pringsheim im Wesentlichen Recht hat. Ich gebe zur Ergänzung seiner Angaben einige Figuren (2—-4, Taf.Iu.II), welche demonstriren, wie die grünen Fadenzellen Ausstül- pungen treiben, in welche der Kern einzuwandern scheint (Fig. 2). Aber derselbe theilt sich an der Grenze zwischen der alten Zelle und der Ausstülpung; ein Tochterkern verbleibt in der letzteren, während der andere wieder gegen die Mitte der grünen Zelle zurückspaziert. Sehr deutlich ist, dass von dem Chloroplasten der Mutterzelle sich |, nichts ablöst und es ist ja bekannt, dass die Antheridien und Sper- ' ‚'matozoiden der meisten Coleochaeten Chlorophyll nicht enthalten. An 8 einer grünen Fadenzelle können mehrere Antheridien nach einander entstehen und wenn, wie in Fig. 4, einige beisammen sitzen, so ist das mittlere immer das älteste. Das „Prineip“ der Spermatozoidbildung ist also auch hier gewahr (wenn man überhaupt von einem solchen reden darf), nämlich Aus-! ; schaltung der Chlorophylikörper. Im Gegensatz zu den Ocdoganien, wo das Chlorophyll meist eine Umwandlung in den männlichen Zellen: erfährt, zu anderen Algen, wo dasselbe erst im Ei zerstört wird (Spirogyra), kommt hier von vornherein kein Chloroplast mit in diel Spermatozoiden. Das erinnert in mancher Beziehung an Vaucheria; und noch mehr an die Bildung der Spermatien bei den Florideen.. Ich glaube aber nieht, dass dieser ähnliche Bildungsmodus der männ- lichen Zellen auch ohne Weiteres eine Verwandtschaft der beiden Gruppen bedingen müsse. Schon vorhin deutete ich an, dass die Bildung der Anthoridieng am Ende eines vegetativen Zweiges beginnt, indem sich die Spitze iE nach vorgängiger Theilung des Zellkerns durch eine Querwand ab-; gliedert. Die folgenden Antheridien sprossen seitlich in der geschil- | derten Weise unter dem ersten hervor. Dieser Entwickelungsmodus®# entspricht im verkleinerten Maassstabe der Verzweigung der vegeta- tiven Fäden; man vergleiche nur Fig. 2—4 mit Fig. 7. Die Termi- nalzelle theilt sich, die untere Tochterzelle bildet eine Vorstülpung, in welcher der Kern ebenfalls (Fig. 7 rechts und Fig. 2) an der Biegungsstelle liegt. Nach der Kerntheilung (Fig. 7 links) geht ein® Kern in die axiale Zelle, der andere in die seitlich gelegene, Auf Grund dieses Befundes muss man unbedingt die Antheridien den vegetativen Aesten homolog setzen und an dieser Homologisirung ändert auch der Umstand nichts, dass nicht selten mehr als drei An- theridien an einem grünen Zweige hervorbrechen; wir haben eben ein ganzes Sprosssystem vor uns. Terminal wie das erste Antheridium ist auch das Oogonium (vergl. Fig. 4—3). Unter demselben treten, genau wie dort, Sprosse hervor welche aber als vegetative Fäden weiterwachsen, um erst später von Neuem Oogonien zu produeiren; die ganzen Zweigsysteme werden damit sympodial und die Oogonien kommen etwas tiefer zu liegen als die vegetativen Fäden. Schliesslich sei unter Hinweis auf Fig. 1 daran erinnert, dass auch die Zoosporangien endständig sind, genau wie die Oogonien; auch hier findet Uebergipfelung statt. Also Zoosporangien, Antheridien und Oogonien sind bei Col. pulvinata homolog; daran ist für mich kein Zweifel und ich glaube 9 mit obigem auch Goebel’s'!) Bedenken beseitigt zu haben, welche er betreffis der Homologien fraglicher Organe äusserte und auch auf Grund der älteren Angaben äussern musste. Noch mehr Bedenken haben die Sexualorgane von Col. sceutata hervorgerufen; allein auch diese lassen sich wohl in Parallele bringen, wenn man berücksichtigt, dass Jost?) bereits für die Oogonien, Nägeli’s Angaben bestätigend, zeigen konnte, dass sie einer Endzelle eines Astes ihren Ursprung verdanken, an welcher die übrigen Zweige gegen die Peripherie hin vorbeiwachsen. Für die Antheridien ist gleiches bislang nicht gezeigt worden, Wenn man aber berücksichtigt, dass diese Organe genau so wie die Oogonien in concentrischen Zonen des Thallus entstehen, so wird ihre Homologie in hohem Maasse wahrscheinlich. Weiteres muss erneute Untersuchung lehren. Schon nach ihrer terminalen Stellung konnten wir die Zoosporen, Öogonien und Antheridien als homologe Organe ansprechen. Das Studium der im Plasma sich abspielenden Processe bestätigt das bezüglich der beiden ersteren Organe vollauf. Die ersten Stufen sind auch betreffs des Zellinhaltes anfänglich kaum unterscheidbar und erst in ziemlich späten Perioden tritt eine scharfe Differenz hervor. Das berechtigt zu dem Schluss, den auch Jost in ähnlicher Weise gezogen, dass die Oogonien von Coleochaete eine relativ geringe Modification der Zoosporangien seien. Unter diesen Umständen ist aber das Auftreten eines Richtungs- körpers, d. h. Ausscheidung von Plasma und Kern aus dem reifenden Organ auch a priori kaum zu erwarten. Denn an anderen Algen sehen wir derartiges nur da, wo die Eizelle sich auf Kosten ihrer Schwesterzellen erheblich vergrössert, z. B. bei Fucaceen, bei Vau- cherien ete., und wo demnach tiefgreifende Veränderungen sich ab- spielen. Dass die Ausscheidung von Plasma allein ziemlich irrelevant ist, wurde bereits vorhin betont. Leider waren die Kerntheilungen in meinem Material nicht zahl- reich genug, um die Frage nach einer eventuell eintretenden Reduction der Chromosomenzahl in Angriff zu nehmen. Die eingehende Besprechung meiner Beobachtungsresultate, welche Pringsheim’s Angaben nicht übermässig viel Neues hinzufügen, hätte sich kaum gelohnt, wenn nicht über Coleochaete und deren systema- 1) Goebel, Vergl, Entwickelungsgeschichte (Schenk’s Handbuch) pag. 417. 2). ce. 10 tische Stellung Meinungsdifferenzen bestanden hätten, die derartig BE an | ! \ bekannt sind, dass ich wohl auf Citirung der Litteratur im Einzelnen ' verzichten darf.) Die Coleochaeten sollten den Uebergang zu den Florideen ver- mitteln; allein durch den Nachweis, dass das Oogon sich thatsächlich öffnet, dass in dieses die Spermatozoiden hineinschlüpfen, dürfte der Vergleich beseitigt sein, der eben nur so lange aufrecht erhalten werden konnte, als man sieh noch an ein Geschlossenbleiben des Halses klammern durfte. Die Bildung der Sporen hat keine Aehn- lichkeit mit derjenigen bei den Florideen, höchstens noch die Hüllen- bildung um die Oospore. Aber auch auf diese möchte ich kein Gewicht legen, denn wer will beweisen, dass derartige Dinge homolog sind ? Das sind doch wohl Parallelbildungen, die in den verschiedensten Gruppen an ganz ungleichwerthigen Organen auftreten können. Wir finden z. B. Hüllen um die Zygoten von Mucorinen, ohne dass wir damit diese in Beziehung zu den Coleochaeten setzen wollten. Daraus folgt dann zunächst, dass wir Coleochaete an ihrem alten Platz im System in der Nähe der Oedogonien, der Cylindrocapsa u. s. w. belassen müssen, ohne dass ich meinerseits zu sagen wüsste, welche von diesen Gruppen die ältere, welche die jüngere ist. Jost hat Coleochaete als eine relativ junge Form angesprochen und Wille bringt sie in Zusammenhang mit den Mycoideaceen?). Für letztere Combination aber scheint mir ein ausreichender Grund nicht vorzu; liegen. Solcher Algen mit scheibenförmigem Thallus gibt es in alle Verwandtschaftskreisen; für mich liegt es daher am nächsten, Former wie Col. pulvinata als die älteren zu betrachten und von diesen die! Orbicularis- und Scutata-Bildungen abzuleiten, die doch ganz klar die genaueste Anpassung an die epiphytische Lebensweise erkennen lassen. Leicht vorstellbar ist auch, wie die relativ wenigen Haftfäden der Col. pulvinata sich vermehrten und wie die „aufrechten“ Fäden eine der- artige Reduction erfuhren, dass auch die Fortpflanzungsorgane schliess- lich in die Scheibe verlegt wurden. Das kehrt wieder bei den Flori- deen, Sphacelarien, Eetocarpeen. Man vergleiche nur die prächtig verzweigten Betocarpus-Formen mit Gattungen wie Microsyphar, die 1) Man vergleiche z. B. ausser Pringsheim: Sachs, Lehrb, der Botanik, 4. Aufl, p. 288, De Bary, Systematik d. Thallophyten, Bot. Z 1881, p. 1. Nägeli, Mech.-phys. Theorie d. Abstammungslehre, p. 472 ff. Pringsheim, Generationswechsel d, Thallophyten, Ges. Abhandl, Bd. II. 2) Wille, Chlorophyceen p. 115 in Engler-Prantl, 11 Kuckuck neuerdings beschrieb.) Die Kriechfäden dieser Gattung gehen direet in Sporangien über. Nun bleibt noch der viel erörterte Anschluss der Moose an die Coleochaeten übrig. Er gründete sich in erster Linie auf die Ver- muthung oder Hoffnung, dass der aus dem ÖOogonium austretende Schleim Kerne enthalten möchte, ähnlich den Halscanalzellen der Archegonien. Nachdem der Nachweis in negativem Sinne geführt wurde, bleibt nur eine entfernte Aehnlichkeit beider fraglichen Organe übrig, die mir eine ganz zufällige zu sein scheint, um so mehr, als möglicherweise der Hals der Coleochaete-Oogonien sich ganz einfach biologisch erklären lässt. Wie oben gezeigt wurde, entstehen die Oogonien zwar terminal, werden aber durch die fortwachsenden Seitenzweige etwas zur Seite geschoben und überholt (Fig. 7), also in das ganze Polster versenkt. Da die Räume zwischen den Fäden den üblichen Schleim enthalten, können nur dann die Spermatozoiden, besonders von anderen, benach- barten Polstern zutreten, wenn sich der Hals des Oogoniums mit seiner Oeffnung ausserhalb der schleimigen Polsteroberfläche befindet. Thatsächlich sind auch nur bei den Pulvinaten die Oogonienhälse so lang, bei C. Nitellarum und C. scutata sind sie kurz, papillenartig, so, dass Pringsheim den Hals bei C. seutata überhaupt nicht gefunden hatte. ?) Natürlich ist die hier gegebene Erklärung für das Zustandekommen des Halses der Oogonien nicht die einzig mögliche, immerhin aber kann sie zeigen, dass solche Oogonien-Formen für phylogenetische De- ductionen nicht ohne Weiteres verwendbar sind. Schliesslich hat die Zerlegung der Oospore in ein parenchyma- tisches Gewebe herhalten müssen; aber auch diese Aehnlichkeit ist nicht gerade gross, denn es handelt sich nicht um eine Zersehneidung nach allen Richtungen des Raumes, die mit den Theilungen im Sporogon von Riceia u. a. Aehnlichkeit haben möchte, sondern um die Theilung in zwei Etagen, aus deren jeder dann die Sporen leicht ausschlüpfen können. Das Einzige, was hier an die Museineen erinnert, ist die gesetz- mässige Orientirung der ersten Theilungswand zur Achse des Oogo- niums. Hier müsste aber erst gezeigt werden, dass dieselbe von äusseren Einflüssen unabhängig ist. IT l) P. Kuckuck, Beitr. z. Kenntniss d, Meeresalgen. Wiss. Meeresuntersuch., herausg. v. d. Comm. z. Erforsch. d. deutschen Meere ete. Neue Folge Bd. U. 2) Jost, e. 12 Somit käme man zu dem Resultat, dass Coleochaete eine „ganz gewöhnliche“ Pflanze ist, unverwerthbar für Verknüpfung grösserer Gruppen des Pflanzenreiches, und zu diesem Resultat ist auch Nägeli auf votwas anderem Wege schon früher gekommen.!) Andere Autoren freilich sind anderer Meinung und noch kürzlich hat Sachs?) die Coleochaeten als niedrigste Archegoniaten angesprochen, als eine Divergenzreihe am Wurzelstoek des Strauches, durch welchen er den Stammbaum darzustellen wünschte. Wenn nun auch die Entwickelung der Sexualorgane dafür keine ausreichenden Anhaltspunkte gibt, so lässt sich die Sache doch von einer anderen Seite her immerhin beleuchten. Aus der keimenden Frucht entstehen Pflänzchen, welche zunächst Zoosporen bilden, und diese Zoosporen werden ebenfalls zu Rasen resp. Polstern, die anfänglich wieder ungeschlechtliche Fortplanzungsorgane bilden. Niemals aber sieht man, dass irgend ein Polster nach der Zoosporenbildung zu Grunde ginge, wie Pringsheim anzunehmen scheint, vielmehr nimmt die Zahl der Individuen bis zum Herbst beständig zu und an allen Exemplaren, welche dem Beobachter in die Hand kommen, verfolgt man das langsame Erlöschen der Schwär- merbildung, an deren Stelle aber das Auftreten von Sexualorganen. Das Verhältniss ist genau dasselbe wie bei Marchantia; hier erzeugt die Spore auch einen Thallus, an welchem gewöhnlich zunächst massen- haft Brutknospen entstehen, die wieder neuen Thallomen den Ursprung geben und alle diese produeiren schliesslich Antheridien und Arche- gonien. Junularia, die sich fast in infinitum unter gewissen Beding- ungen durch Brutknospen fortpflanzen kann, die Jungermannien, mit ihren Brutknospen an den Blättern, Aulacomnion und Tetraphis hätten ebenso gut als Beispiele herangezogen werden können, nicht minder aber eine Anzahl von Farnen, welche auf ihren Prothallien Brut- knospen produeiren, wie Vittaria.?) Auch bei solchen Archegoniaten sind wir gewohnt, von zwei mit einander abwechselnden Generationen zu reden und Brutknospen oder Verwandtes als Nebenfruchtformen zu betrachten, die eigentlich das Schema stören. Demgegenüber spricht man bei Oedogonien, Coleo- chaeten, wie z. B. Nägeli‘), von Wiederholungsgenerationen und pflegt demgemäss den ganzen (Generationseyklus in der Weise dar- I) Nägeli, Mechan.-physiolog. Theorie d. Abstammungslehre, pag. 472 u. folg. 2) Sachs, Physiol. Notizen X. Flora 1896, pag. 173 ff. #8) Goebel, Morphol. u. biolog. Studien. Ann. du jardin bot, de Buiten- zorg VII 4) Theorie der Abstammungslehre, p. 472. 18 zustellen, dass auf eine Reihe nur ungeschlechtlicher Generationen schliesslich die Geschlechtsgeneration folge. (Man vergleiche dazu auch das von Nägeli l.c. gegebene Schema.) Eine derartige Auffassung scheint mir durchaus nicht durch das vorliegende Thatsachenmaterial gefordert zu werden. Vielmehr ge- winnt man einen viel einheitlicheren Standpunkt, wenn man bei Üoleochaete wie bei den Moosen eine geschlechtliche und eine unge- schlechtliche Generation — letztere die Oospore und deren Theilungs- produkte — anerkennt und die Schwärmer den Brutknospen direct an die Seite stellt. Ich wüsste nicht, was dagegen einzuwenden wäre; vielmehr wird auf diesem Wege offenbar Gleichartiges in Parallele ge bracht. Ob diese Parallele eine Homologisirung bedeutet, ist eine Frage für sich. Solche Aehnlichkeit im Entwiekelungsgange kann in ver- schiedenen Gruppen des Pflanzenreiches sich herausgebildet haben, die keine unmittelbare Verwandtschaft zu einander besitzen, und deshalb vermag ich auch trotz der energisch betonten Aehnlich- keiten die Coleochaeten nicht den Moosen resp. diese jenen so zu nähern, wie das Sachs thun will. Wichtig aber scheint mir der Hinweis, dass schon in der Reihe der Thallophyten ein den Archegoniaten analoger Generationswechsel auftritt. Derselbe ist — wenn meine Auffassungen richtig sind — nicht auf die Ooleochaeten beschränkt. Oedogonium und manche anderen grünen Algen verhalten sich ähnlich, und vor allem ergeben sich bei Untersuchung der Florideen Dinge, die auf Gleiches schliessen lassen. Darüber soll später berichtet werden. Man wird einwenden, dass eine Vergleichung der Oosporenfrucht unserer Alge mit dem Sporophyten der Archegoniaten unzulässig sei, weil die Dauerzellen an ganz verschiedenen Punkten des Entwicklungs- ganges auftreten. Die befruchtete Eizelle der Moose ete. wächst sofort zum Sporogon aus; die Oospore ruht und wird erst im nächsten Frühjahr zu dem bekannten Zellkörper. Die Thatsache zeigt awar, dass beide Gruppen starke Abweichungen zeigen, aber man wird doch betonen müssen, dass sich jede Pflanze ihre Ruheperiode nach ihren Bedürfnissen einrichtet. Nur biologische Umstände und Ein- wirkungen bestimmmen diese. Demnach ist sie sekundär und für Beurtheilung von Verwandtschaften irrelevant. . Es würde reizen, die hier vorgetragene Auffassung bezüglich der Ooleochaeten auch auf alle Algen auszudehnen. Doch mag das auf spätere Zeiten verschoben werden. 14 Figurenerklärung. 2,00 Pr Alle Figuren sind gezeichnet mit Zeiss’ Apochr. In Ocul. 4, und Abbe’s ’ Zeichenspparat. Fig. 1. Schwärmsporenanlage. „ 2—4. Entwickelung der Antheridien. „ 5—7T. Oogonien, geschlossen. „8. desgl., geöffnet. » 9—15. Oosporen verschiedenen Alters im September-Oktober. „» 16. Oospore im November. „» 17—20. Keimende Oosporen im Mai. „ 21—22, Keimende Schwärmer. rec Zur Kenntniss des sog. centrosomähnlichen Körpers im Polien- schlauch der Cycadeen. Von $. Iikeno, Durch die Freundlichkeit des Herrn Dr. H. J. Webber erhielt ich seine zwei Abhandlungen (11, 12), betreffend einen centrosom- ähnlichen Körper („centrosome-like body“) im Pollenschlauch von Zamia integrifolia und sein Verhalten während der Spermato- zoidenbildung. Schon im Anfang meiner Untersuchungen über die männlichen Organe von Cycas revoluta hatte ich auch einen ganz ähnlichen, ebenso mit der prächtigen Strahlensonne umgebenen Körper im Pollenschlauch dieser Pflanze gefunden und auch die Thatsache beobachtet, dass derselbe während der Spermatozoiden- bildung sich bedeutend verlängert und eine Insertionsstelle der Cilien wird. Einen ähnlichen, aber viel kleineren Körper hat 8. Hirase schon lange früher im Pollenschlauch von Ginkgo biloba gefunden (8). Nach dem Manuscript seiner noch nicht publieirten Abhandlung „Eitudes sur la f&condation et l’embryogenie du Ginkgo biloba. Second memoire“, welches er mir gütigst zur Verfügung gestellt hat, zeigt dieser Körper ganz dasselbe Verhalten während der Sper- matogenese wie bei dem entsprechenden Organ der Cyceadeen. In Bezug auf die Natur dieses Körpers gelangt Webber zu der Ansicht, dass „in the present state of our knowledge they must be considered to be distinct organs“ (11, p. 458). Neuerdings beobachtete W. Belajeff in den spermatogenen Zellen der Farne und Schachtelhalme ein abgerundetes Körn- chen, welches sich durch Fuchsin intensiv färben lässt (1, 2). Nach diesem Forscher stimmt das Verhalten dieses Körnchens während der Spermatogenese mit dem des sog. „eentrosomähnlichen Körpers“ der Oycadeen und Ginkgo völlig überein. Beide sind offenbar als morphologisch gleichartiges Gebilde aufzufassen. Belajeff hebt hervor (3), dass das deutlich zu färbende Körperchen des Nebenkernes ‘) in den Spermatiden des Salamanders 1) Der sog. „Nebenkern“ besteht hier aus diesem Körperchen, einem Ringe und einem nicht zu färbenden ovalen Gebilde. 16 « und der Maus durchaus dem intensiv zu färbenden Körperchen in | den spermatogenen Zellen bei den Characeen, Farnen und Schachtelhalmen entspricht; dass ferner das Mittelstück der Spermatozoen bei den Thieren dem Faden entspricht, welcher die Cilien der Pflanzenspermatozoiden trägt; dass die schwanzartigen Fäden der Spermatozoen des Salamanders und der Maus den Cilien des vegetabilischen Spermatozoiden entsprechen. Insoferne nun das abgerundete Körnchen bei den pflanzlichen spermatogenen Zellen, welches Belajeff zu dem deutlich zu färbenden Körperchen des Nebenkernes in Homologie setzt, und der in Rede stehende sog. „centrosomähnliche Körper“ morphologisch gleichartig aufgefasst werden, ınuss dieser letztere Körper nothwendigerweise zu dem zu färbenden Körperchen des Nebenkernes homologisirt werden. Hermann, in 1889, liess das Mittelstück des Salamander- spermatosoms und das Endknöpfchen des Achsenfadens beim Säuge- thiere aus dem Nebenkerne oder Nebenkörper abstammen und machte zugleich ein Connex zwischen dem Nebenkerne und den Attractions- sphären wahrscheinlich (5). In seinem Referat über die Structur und Histiogenese der Spermatozoen äusserte er sich wie folgt: „Fick (4) zeigte nun für den Axolotl, dass aus der reifen Spermatosome ... sich das sog. Mittelstück ebenso tingirt, wie in anderem Zellen- material die Centrosomen. Auf eine solche Farbenreaction ist natürlich allein... nicht viel zu geben; eine Untersuchung des Spermatozoons im Ei aber ergab, dass das sog. Mittelstück sich zu einer Attractions- sphäre mit deutlicher Strahlensonne entwickelt.... Da es nun bei der Histiogenese des Samenkörpers möglich war, die Entstehung des sog. Mittelstückes bei den Salamandern sowie des Endknöpfchens bei den Säugethierspermatozoen auf einen im Wesentlichen gleichgebauten Nebenkörper im Zellenleibe der Spermatide zurückzuführen, so dürfte... der Befund von Fick uns einen gewissen Connex zwischen dem sog. Nebenkörper oder Nebenkern der Spermatiden und dem allen germinatiden Hodenzellen eigenen Archoplasma ahnen lassen“ (6, p. 224b— 225). Eine neue Untersuchung über die Spermatogenese von Seyllium (Selachier) führte Hermann an zur Berichtigung seiner älteren Anschauung über denselben Process bei dem Salamander sowie der Maus. Nach den Resultaten dieser Untersuchungen haben wir nicht mehr einen sog. „Nebenkörper“ oder „Nebenkern“ zu unterscheiden. Der als deutlich färbbare Körper des Nebenkernes bezeichnete Körper ist weiter nichts als Centrosom einer Centrodesmose, der Ring 17 als ihr halbirter Zwischenkörper und das nicht färbbare ovale Gebilde wahrscheinlich nichts als eine Gruppe der Archoplasmaschleifen. Es folgerte hieraus, dass „das Mittelstück des Spermatozoons dem Centrosom der Spermatide seine Entstehung verdankt“. (7, p. 304.) Ueberträgt man diese Hermann’sche Folgerung auf unseren Fall, so ist es ohne Weiteres klar, dass der in Rede stehende Körper, weicher sich zum dem Mittelstück entsprechenden cilientragenden Faden ausdehnt, nicht nur äusserlich einem Centrosom ähnlich, sondern ein wahres Centrosom ist, und dass der eilientragende Faden als ein enorm herangewachsenes Centrosom zu deuten ist. In Bezug auf die Genese des Schwanzfadens der thierischen Spermatozoen sind es, nach Hermann, Centrosom und Central- spindeltheile, welche den Schwanzfaden aus sich hervorsprossen lassen. Dabei zeigt sich eine weitere Uebereinstimmung der pflanzlichen Spermatogenese mit der thierischen, weil bei den vegetabilischen Spermatozoiden ebenfalls das fadenförmig ausgewachsene Centrosom es ist, welches die Oilien aus sich hervorsprossen lässt. Die That- sache, dass das Centrosom die Befestigungsstelle der Cilien bildet, steht ferner in Einklang mit Strasburger’s (10) Anschauung, betreffend die genetische Beziehung zwischen den Cilien und dem Kinoplasma. Der Schwanz, welcher bei den Spermatozoiden von Ginkgo und Cycas vorhanden ist (9), aber bei denen von Zamia fehlt (12), Ist indessen keineswegs an dem fadenförmig verlängerten Centrosom befestigt, Er hat kein morphelogisch Entsprechendes bei den thierischen Spermatosomen und stellt wahrscheinlich ein den vegetabilischen Spermatozoiden eigenes Gebilde dar. Wohl weicht das fragliche Centrosom freilich von den bisher bekannten Centrosomen in einigen Punkten ab, allein sein äusseres Aussehen mit prächtig entwickelter Strahlensonne und insbesondere sein Verhalten während der Spermatogenese, welches mit dem des nämlichen Organes der thierischen Zellen wesentlich übereinstimmt, überzeugen uns, dass wir bei diesem Körper mit einem Centrosom zu thun haben, als mit einem neuen biher unbekannten Organ. Im Lichte der oben erwähnten neuesten Untersuchungen Hermann’s ist es wohl kaum mehr zweifelhaft, dass das abgerundete Körnchen, welches Belajeff in den spermatogenen Zellen der Characeen, Filieineen und Equisetaceen beobachtet hat, ein Centrosom darstellt. Somit muss Belajeff’s Ansicht dahin formulirt werden, dass das Centrosom bei der Spermatogenese der lora 1898, 2 18 obenstehender Pflanzengruppen wie bei demselben Process der Cyceadeen und Ginkgoen sich enorm ausdehnt und eine Be- festigungsstelle der Cilien bildet. 11. 12. Den 15. November 1897. Tokio, Botanisches Laboratorium an der Agrieultur-Abtheilung der Universität. Uebersicht der benutzten Litteratur. . Belajeff, W.: Ueber den Nebenkern in spermatogenen Zellen und die Spermatogenese bei den Farnkräutern (Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. XV, 1897). . Derselbe: Ueber die Spermatogenese bei den Schachtelhalmen. (Ebenda.) . Derselbe: WVeber die Aehnlichkeit einiger Erscheinungen in der Spermato- genese bei Thieren und Pflanzen. (Ebenda.) . Fick, B.: Ueber die Befruchtung des Axolotleies. (Anat. Anz. VII, 1892.) . Hermann, F.: Beiträge zur Histologie des Hodens, (Archiv für mikr. Anat. XXXIV, 1889.) . Derselbe: Urogenitalsystem. Struktur und Histiogenese der Spermatozoen (Merkel-Bonnet’s Ergebn. d. Anat. u. Entw.-Gesch. II, 1892). . Derselbe: Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese (Archiv für mikr. Anat. L, 1897.) . Hirase, 8.: Notes on’ the Attraction-Spheres in the Pollen-Cells of Ginkgo biloba, (The Bot. Magaz., Tokyo, VIII, 1894). . Ikeno,S. a. Hirase, $.: Spermatozeids in Gymnosperms,. (Ann. of Bot. XI, 1897.) ‚ Strasburger, E.: Schwärmsporen, Gameten, pflanzliche Spermatozoiden und das Wesen der Befruchtung. (Histolog. Beitr. IV, 1892.) Webber, H. J.: Peculiar Structures occuring in the Pollen-Tube of Zamia. (The Bot. Gaz. XXIII, 1897.) Derselbe: The development of the Antherozoids of Zamia. (Ebenda XXI, 1897.) Untersuchungen über die Characeen. Von Dr. K. Giesenhagen. Hiezu Tafel UT und IV, Il. Der Bau der Sprossknoten. Ill. Nitella cernua A. Br. Nitella cernua gehört zu den wenigst gekannten Arten, Sie wurde 1856 von J. Golmer in Venezuela entdeckt und von Al. Braun in den Monatsberichten der kgl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Juni 1858 zuerst kurz beschrieben. Die Maassangaben, welche Al. Braun in der Beschreibung gibt, beziehen sich, wie er ausdrück- lich angibt, auf die zusammengedrückte Pflanze. Es scheint also, als ob Al, Braun nur getrocknete Exemplare zur Untersuchung benutzt hat. Ausser einigen Detaildarstellungen von Blatt- und Sprossspitzen und von Antheridien und Oogonien in der Braun-Nordstedt’schen Monographie !) sind mir keine Abbildungen dieser merkwürdigen Art bekannt geworden. Ich halte es desshalb nicht für überflüssig, ein Habitusbild dieser Pflanze nebst einer eingehenderen Beschreibung der Gestaltungsverhältnisse bier zu geben, um so mehr, als die Braun ’sche Diagnose einiger Berichtigungen und Zusätze bedarf. Die entwickelungsgeschichtliche Untersuchung der Sprossknoten habe ich besonders desshalb unternommen, weil Braun angibt, dass diese Srosse, schöne Art mit keiner anderen nähere Verwandtschaft hat, und weil ich also erwarten durfte, hier eigenartige Bauverhältnisse anzutreffen. Das Untersuchungsmaterial, welches ich benutzte, ist von Herrn Professor Goebel auf seiner im Jahre 1890/91 unternommenen Reise nach Venezuela eingesammelt und mir in freundlichster Weise zur Verfügung gestellt worden. Es besteht neben getrockneten Exemplaren in Alkoholmaterial. Bei den in Alkohol conservirten Pflanzen sind die stattlichen Internodien der Sprosse und Blätter ebenso wie bei den getrockneten zu papierdünnen Streifen zusammen- gefallen und vielfach geknickt und gebogen. Legt man aber eine solche Pflanze in reines Wasser, so dehnen sich alle unverletzten Zellen in kurzer Zeit und nehmen ihre natürliche Lage vollkommen 1) Fragmente einer Monographie der Characeen. Abh. d. Berliner Akademie 1882 Tar. ı Fig. 12-19. 9% 20 wieder an. Der hydrostatische Druck im Innern der langen Internodien wird so vollkommen wieder hergestellt, dass sie auch ausserhalb des Wassers auf kurze Zeit ihre innere Festigkeit behalten und ohne ein- zuknicken emporgehoben werden können. Die Pflanze gehört zu den grössten Characeen, Sprosstheile von Meterlänge habe ieh unter den getrockneten Exemplaren häufiger gesehen; es handelte sich dabei aber immer nur um Bruchstücke von ganzen Pflanzen, deren Länge wohl nach der Tiefe des Wassers schwankt, wahrscheinlich aber unter entsprechenden Umständen be- trächtlich über das angegebene Maass hinausgehen kann. Die Inter- nodien der Sprosse erreichen bei einer Dieke von ca. 3mm nicht selten eine Länge von 25cm, und das unterste Internodium der Quirl- blätter, welches in der Dieke nur wenig hinter den Sprossinternodien zurückbleibt, wird an manchen Knoten bis zu 10cm lang. Das ganze übrige Blatt ist dagegen auf ein mit blossem Auge kaum wahrnehm- bares Krönchen redueirt, welches nach Al. Braun „der Gabeltheilung anderer Arten derselben Section entspricht“. In dem Krönchen er- kennt man mit der Lupe leicht die central stehende einzellige Spitze des Hauptstrahls Zwischen ihr und dem gestreckten unteren Blatt- internodium liegt ein Blattknoten, an dem sich regelmässig fünf peri- pherische Zellen und aus diesen ebenso viele Blättchen entwickeln, welche an Grösse der Spitze des Hauptstrahles ungefähr gleichblei- bend, das Krönchen auf der Kuppe des robusten Blattinternodiums darstellen. Es handelt sich hier also nicht um eine Gabelung, sondern um eine typische monopodiale Wirtelbildung, bei welcher alle Seiten- äste zu ungefähr gleicher Entwickelung gelangen. Die Zahl der Quirlblätter an den einzelnen Sprossknoten ist gewöhnlich 8. In der Achsel eines oder einiger Blätter stehen Seitensprossen zu drei oder mehreren, welche in der vegetativen Region den Aufbau des Haupt- sprosses wiederholen können. An fertilen Exemplaren sind die zahl- reichen Seitenäste der oberen Sprossknoten hauptsächlich mit die Träger der Geschlechtsorgane. Bevor wir auf die Schilderung der fertilen Sprossabschnitte näher eingehen, ist es nöthig, noch einer eigenthümlichen vegetativen Sprossbildung zu gedenken, welche bisher nicht bekannt geworden ist. An manchen Quirlen entspringen nämlich Ausläufer, welche in ihrer äusseren Erscheinung, abgesehen von ihrer bedeutend grösseren Länge und ihrer Neigung nach abwärts, den Blättern ähnlich sehen und wohl mit ihnen verwechselt worden sind. An diesen Sprossen, welche deutlich aus der Achselregion am Spross- knoten entspringen, ist nämlich ebenso wie an den Blättern nur ein 21 einziges gestrecktes Internodium vorhanden, welches beträchtliche Länge erreichen kann. An dem auf Taf. III abgebildeten männlichen Sprossstück betrug die Länge dieses Internodiums bei dem in Bruch- stücken dargestellten Ausläufer des untersten Quirls 25cm. Der ganze übrige Spross mit mehreren Blattquirlen und Seitensprossen ist zu einem kappenförmigen Gewebekörper zusammengedrängt, welcher die vordere Kuppe des gestreckten Internodiums einnimmt und bei ober- flächlicher Betrachtung makroskopisch nicht viel anders erscheint, als das Krönchen an der Spitze der vegetativen Blätter. Schon bei schwacher Vergrösserung sieht man freilich, dass die Kuppe am vor- deren Ende der Ausläufer, wie das in Fig. 4 auf Taf. IV dargestellt ist, viel mehr Spitzen aufweist, als das sechsspitzige Blattkrönchen; es ist auch nicht schwer, in den einzelnen Spitzengruppen die Quirl- blätter der oberen Knoten und die Achselsprosse derselben zu er- kennen. Alle diese Sprosstheile an der Spitze des Ausläufers sind in zähen Schleim eingehüllt, der die jugendlichen Organe gegen Ver- letzung und Auslaugung schützt und das Eindringen der Ausläufer- spitze in den Schlamm am Grunde des Gewässers wesentlich erleichtern muss. Wir haben in den Ausläufern wohl offenbar eine Einrichtung zur vegetativen Vermehrung zu sehen, die sich in biologischer Be- ziehung der Ausläuferbildung bei Chara stelligera an die Seite stellen lässt. Ueber das weitere Schicksal der Ausläufer kann ich aus meinem Material nichts Bestimmtes ersehen, es bleibt zu untersuchen, ob etwa unter dem Einfluss der Dunkelheit die jüngeren Internodien des Aus- läufers sich unter dem Boden nachträglich strecken oder ob nur die von den anderen Knoten erzeugten Seitensprosse zu neuen ober- irdischen Sprossen heranwachsen: eine Untersuchung, die freilich nur mit lebendem Material im Heimathland der Pflanze exact durchgeführt werden könnte. Die Geschlechtsorgane, Antheridien und Oogonien sind bei Nitella eernua auf verschiedene Individuen vertheilt und infolge der ver- schiedenen Stellung der Geschlechtsorgane an den Blättern und der abweichenden Ausbildung der Seitenstrahlen an den fertilen Blättern sind die männlichen und weiblichen Pflanzen schon makroskopisch leicht zu unterscheiden. Auf Tafel III ist in Figur 1 ein grösseres Stück einer männlichen, in 2 die Sprossspitze einer weiblichen Pflanze gezeichnet, an denen die habituelle Verschiedenheit der beiden Ge- schlechter deutlich ersichtlich ist. Die Antheridien, welche in ihrem Bau keinerlei wesentliches Abweichen von dem bekannten in den Lehrbüchern oft genug ab- 22 gebildeten Typus aufweisen und welche auch hinsichtlich ihrer Grössen- verhältnisse keine Besonderheit zeigen, stehen an den Blättern an Stelle des Endgliedes, welche an den sterilen Blättern wie vorkin; beschrieben die Mitte des Krönchens einnimmt. Der Knoten unter- halb des Antheridiums entwickelt ebenso wie am sterilen Blatt fünf Seitenblättehen, welche infolge der Verbreiterung der Basis des Antheridiums mehr abstehend oder spreitzend sind als die gleichen Theile im Krönchen eines gewöhnlichen Blattes, Da die seitlichen Blättchen unterhalb des Antheridiums sehr klein bleiben und sich meist der Kugel des Antheridiums dicht anschmiegen, so sind sie mit blossem Auge nicht oder doch nur undeutlich wahrnehmbar. An den älteren Knoten der männlichen Pflanzen weichen die fertilen Blätter in ihrer Ausbildung und Stellung nicht wesentlich von den sterilen Blättern ab. In den Seitensprossen und auch gegen die Spitze des Hauptsprosses hin erscheint bei reichlicher Fructifieation die Blattbildung etwas reducirt. Die untersten Internodien der Blätter bleiben schwächer und kürzer und in der Gipfelknospe drängen sich die Quirle der mit wohlentwiekelten Antheridien versehenen kurzen Blätter, indem auch die Hauptsprossinternodien verkürzt bleiben, zu doldenartigen Gebilden zusammen, wie das in der Abbildung 1 der Tafel III besonders deutlich an dem abwärtsgekrümmten Seitenspross des untersten Hauptsprossquirles erkennbar ist. Die Abwärtskrümmung, welche dieser Spross aufweist, tritt häufig, wenn auch nicht immer, bei fertilen Seitensprossen auf und ist für Al. Braun der Grund für die Benennung der Pflanze als Nitella cernua gewesen. Sie findet sich auch an den weiblichen Exemplaren in ähnlicher Weise. Die Oogonien weisen im Gegensatz zu den terminal gestellten Antheridien eine laterale Stellung auf. Die Blätter, an denen sie stehen sind im wesentlichen ebenso gebaut wie die sterilen Blätter; d. h. sie bestehen, abgesehen vom Basalknoten, aus einem gestreckten unteren Internodium und einem viel kürzeren Endglied. Zwischen diesen beiden Zellen liegt ein Knoten, der regelmässig fünf peripherische Zellen erzeugt. Von diesen fünf Zellen können nun eine oder zwei oder drei zu Oogonien auswachsen, während die übrigen zu normalen Seitenblättchen werden. Dabei beginnt die Oogonienbildung aus dem Segment «ı des Knotens, also an der Ober- oder Innenseite des Blattes. Die zur Entwickelung gelangenden Seitenblättchen stehen also stets nach aussen an den aufsteigenden Blättern. Die Blättchen der weiblichen Blätter sind ebenso wie das Endglied derselben regel- mässig etwas grösser als die Blättchen der männlichen Blätter und 23 das Endglied der sterilen. Sie sind mit blossem Auge deutlich zu sehen und bedingen durch ihre Form und Stellung gerade das charakteristische Aussehen der weiblichen Pflanze. Es neigen sich nämlich diese Theile mehr oder weniger nach dem Innern des Blatt- quirls zu, so dass sie sich fast wie eine Schutzhülle über die im Innern des Quirls verborgenen Oogonien herlegen. Hiezu kommt noch, dass hier wie bei der männlichen Pflanze die fertilen Köpfchen der Haupt- und Seitensprosse ganz in zähen Schleim eingehüllt sind, der aus einer Umwandlung der äusseren Zellwandlagen her- vorgehend alle Theile gleichmässig überzieht. In der Figur 3 der Tafel III ist ein Blättehen mit drei Oogonien dargestellt, an welchem auch die Schleimhülle durch Schattierung angedeutet ist. Der Kern der Oogonien wird von Al. Braun richtig als sexgyratus bezeichnet, seine Grösse beträgt nach demselben Autor 0,55—0,62 mm. Ich habe diese Angaben nicht nachprüfen können, da an meinem Untersuchungs- material keine völlig reifen Oogonien zu finden waren. Aus dem- selben Grunde habe ich auch nicht constatiren können ob, wie Nordstedt mit einem vorsichtig beigefügten Fragezeichen angibt, das kleine stumpfe Krönchen der Oospore bis zur Reife erhalten bleibt oder ob es abgeworfen wird. Wir wenden uns nun zur Untersuchung des Aufbaues der Spross- knoten. Gegenüber der einheimischen Nitella finden wir hier den Sprossknoten aus ausserordentlich vielen Zellen zusammengesetzt, was allerdings den riesigen Dimensionen entspricht, welche die Knoten hier bei der kräftigen Entwickelung aller angrenzenden Internodien erlangen. Besonders auffällig ist ein feinmaschiges Gewebe aus ziem- lich gleichmässigen parenchymatischen Zellen, welches die freie Knotenoberfläche zwischen und neben den Blättern einnimmt. Dieses Parenchym tritt an den Spitzen der Ausläufer, wo die Blattinternodien nicht bis zur gegenseitigen Berührung anschwellen, besonders deutlich hervor, wie aus der Figur 4 auf Tafel IV leicht ersichtlich ist. Aber auch an den gewöhnlichen Sprossknoten ist es mächtig entwickelt und sein Vorhandensein macht es geradezu unmöglich, aus dem Studium des ausgewachsenen Knotens allein einen Einblick in die morphologische Bedeutung der einzelnen Zellen und Zellengruppen zu erlangen. Die Verfolgung der Entwickelungsgeschichte der schnell- wüchsigen Knoten gibt uns dagegen leicht über alle Fragen Auf- schluss und zeigt uns als bemerkenswerthestes Resultat, dass der Bau der Sprossknoten dieser mächtigen Form in allen wesentlichen Punkten denselben Typus vertritt, den wir bei der kleinsten bisher untersuchten 24 Form Nitella gracilis kennen gelernt haben. Dieser Umstand über- hebt uns der Mühe, die Entwickelung aller Blattbasen bis ins Einzelne zu verfolgen; ich werde nur die wesentlichsten Punkte zur Orien- tirung des Lesers in allgemeinen Zügen an der Hand einiger Abbil- dungen erläutern. In der jugendlichen Sprossknotenzelle am Vegetationspunkt ver- läuft die Theilung in der normalen Weise durch das Auftreten der Halbirungswand und Anlegung von vier peripherischen Zellen in jeder Knotenhältte. Auffällig ist dabei nur gegenüber den bisher besprochenen Formen die bedeutende Förderung der Vorderseite des Knotens. So zeigt die Figur 43. A, welche den Querschnitt eines jungen Knotens darstellt, dass das Blatt I in allen seinen Theilen bis zu Fig. 48. Nitella cermua.f! A |Querschnitt eines jungen Sprossknotens, 100/l. B medianer Längsschnitt des Sprossgipfels. 210/1. dem von ihm getragenen Antheridium bereits angelegt ist, während an der entgegengesetzten Seite des Knotens die Abgrenzung der peripherischen Zellen noch nicht beendet ist. Die Zertheilung der peripherischen Zellen 4 geht in allen Segmenten in gleicher Weise vor sich, indem durch eine Querwand in dem vorgewölbten Theil die Zelle in eine Vegetationsspitze und eine Basalzelle getrennt wird. Die letztere wird direct zum Basalknoten des Blattes. In der Figur 43 B ist in dem dargestellten Längsschnitt an dem älteren der beiden Knoten rechts eine Blattanlage getroffen, in welcher lediglich erst die Theilung nach der Formel u—=v’-+g’ erfolgt ist, links dagegen ist in dem gezeichneten Schnitt das in der Entwickelung vorauseilende Blatt I median längs getroffen. Die Blattspitze ist fortgelassen. Unter dem bereits stark verbreiterten Blattinternodium ;‘ liegt eine Gruppe von Zellen, der Basalknoten des Blattes, welcher 25 aus der Zelle 9’ hervorgegangen ist. Das Segment u’, dieses Basal- knotens hat seine freie Oberfläche bereits als Vegetationspunkt des Achselsprosses emporgewölbt und dadurch die Spitze des Hauptsprosses merklich gegen die Rückseite des Knotens hinübergeschoben. Ganz wie bei Nitella graeilis wird also auch hier die basale Zelle bei der ersten Blattheilung 9’ direet zum Basalknoten und das erste Segment dieses Basalknotens bildet im Blatt I direct den Vegetationspunkt des Achselsprosses. Bezüglich der übrigen peripherischen Segmente, welche im Basalknoten der Blätter entstehen, ist zu bemerken, dass hier in der Regel der Kranz dieser Zellen rings um die Blattbasis herumreicht, während bei Nitella gracilis und auch bei Nitella syn- carpa der Ring nach unten offen bleibt, so dass die centrale Zelle des Basalknotens c’ an der Blattunterseite bis an den Knotenumfang reicht. Fig. 44. Nitella cernua. 4 Querschnitt eines jungen Sprossknotens. 100/1. B medianer Längsschnitt eines Sprossknotens. 34/1. Wir verfolgen nun zunächst die Weiterentwickelung der Zelle «'ı in dem Blatt I. Sie theilt sich in v” 4 9”, wobei wiederum g“ direct zum Basalknoten des Achselsprosses wird, während v“ in der Folge nach dem Theilungsgesetz V=ev+(k-+) die Wachsthumsverhältnisse des Hauptsprosses wiederholt. Die Zer- theilung des Basalknotens des Hauptsprosses beginnt normal mit der Halbirungswand. Die Anlage der peripherischen Zellen beginnt an 26 der zum Blatt gewendeten Seite. Eine oder einige dieser peripheri- schen Zellen im Basalknoten des Achselsprosses werden zu Vege- tationspunkten von Seitensprossen zweiter Ordnung, aus deren Basal- knoten unter günstigen Bedingungen wiederum Seitensprosse höherer Ordnung hervorgehen können. In Figur 44B ist der Längsschnitt eines noch jungen Sprossknotens dargestellt, welcher das erste Blatt und seine Achselprodukte median getroffen hat. i, ö sind die an- grenzenden Hauptsprossinternodien, von denen das obere durch die Entwickelung des Achselsprosses nach der Knotenrückseite, d. h. gegen das Blatt VIII merklich verschoben ist. I ist das erste Inter- nodium des Hauptblattes. Aus dem Segment u’, seines Basalknotens hat sich der normale Achselspross entwickelt, von dem der Basal- knoten und ein Stück des ersten Internodiums i” in der Figur zu sehen sind. Aus einer nach dem Blatt I hin gelegenen peripherischen Zelle dieses Basalknotens ist eine Sprossanlage zweiter Ordnung her- vorgegangen, deren unteres Internodium mit i und deren Scheitel- zelle mit »° in der Figur bezeichnet sind. Der erste Knoten dieses Sprosses hat bereits seinen Blattquirl angelegt, das in der Entwicke- lung voraufeilende Blatt I trägt an der Spitze schon ein junges Anthe- ridium, und in seiner Achsel erkennt man schon deutlich die Anlage eines Sprossvegetationspunktes, welche aus dem ersten Segment seines Basalknotens entstanden ist. Die übrigen peripherischen Zellen im Basalknoten des Achselsprosses dagegen verhalten sich ebenso wie die nicht primären Segmente der Blattbasis, sie theilen sich wiederholt, indem an der freien Oberfläche kleinere Zellen von einem im Innern liegenden Reststück abgeschnitten werden. Indem infolge der bedeu- tenden Erweiterung der anstossenden Hauptsprossinternodien die freie Oberfläche sich fortgesetzt vergrössert, gewinnen die so entstandenen Zellen « und «” Raum zum Wachsthum und ermöglichen fortge- setzt Theilungen in derselben Weise, so dass endlich rings um die Blattbasen und Seitensprosse überall, wo das Gewebe des Knotens die Oberfläche erreicht, das kleinmaschige Parenchym zustande kommt, dessen Vorhandensein an erwachsenen Knoten die Deutung der Zellen erschwert. Die Oberfläche dieses Parenchyms wird also von periphe- rischen Zellen höchster Ordnung #* gebildet, darunter liegen die Rest- stücke der Zellen » nächstniederer Ordnung und so fort bis zurück auf die Reststücke der ursprünglichen peripherischen Zellen des Blatt- knotens, welche die centrale Zelle ce‘ der Blattbasis direct umgeben. Ueber das Verhalten dieser centralen Zellen habe ich noch einiges hinzuzufügen. Die centralen Zellen der Hauptsprossknoten cl und er 27 theilen sich wie bei den übrigen Nitellen auch bei unserer Pflanze nachträglich in mehrere Stücke. In dem Querschnitt eines noch ver- hältnissmässig jungen Knotens in Figur 44 sind z. B. vier Zellen c vorhanden, in älteren Knoten trifft man nicht selten die doppelte Zahl und mehr an. Während nun aber bei Nitella graeilis und Nitella cernua die centrale Zelle c‘ der Blattknoten ungetheilt bleiben, theilen sich die gleichen Zellen bei Nitella cernua, entsprechend der enormen Ausdehnung des Querdurchmessers der Blattbasis, im Laufe der Entwickelung ein- oder meist mehrmals durch Halbirungswände, so dass auch dadurch die Zahl der Zellen im Basalknoten des ein- zelnen Blattes noch wesentlich erhöht und die Uebersicht erschwert wird. Es wäre für mich von besonderem Interesse gewesen, die Re- generationsfähigkeit der Sprossknoten von Nitella cernua experimentell prüfen zu können, dazu fehlte mir aber das lebende Material. Die Untersuchung der normalen Sprosse ergab darüber nur, dass die Zahl der verhandenen Seitenknospen in der Achsel des Blattes I unter Umständen, durch die Entstehung neuer Anlagen aus den Basal- knoten des primären Achselsprosses und seiner Abkömmlinge recht bedeutend werden kann, die Öberflächenvergrösserung infolge des Anschwellens der Internodien gewährt fortgesetzt Raum für Neu- bildungen, und indem einige dieser Anlagen sich direct als Seiten- achseln erheben, andere als Ausläufer im Boden den Ausgangspunkt für neue Sprossgenerationen abgeben, ist sicher für die vegetative Ausbreitung der Pflanze aufs Beste gesorgt. Ob aber nicht neben den normalen Sprossen auch Zweigvorkeime vorkommen können, oder ob nicht etwa bei Zerstörung aller normalen Vegetationspunkte die Pflanze die Fähigkeit zur Erzeugung neuer Sprossanlagen auf dem Wege der Vorkeimbildung besitzt, das zu entscheiden, muss späterer Untersuchung vorbehalten bleiben. IV. Tolypella. Die von mir untersuchten Arten der Gattung Tolypella schliessen sich hinsichtlich der Entwiekelungsgeschichte ihrer Vegetationsorgane und des Baues der Sprossknoten sehr nahe an Nitella syncarpa und ihre nächstverwandten Gattungsgenossen an. Die ersten Theilungs- stadien der jungen Knotenzellen zeigen auch hier eine deutliche Förderung der Vorderseite, die durch die vorauseilende Entwickelung der Segmente u, und uz auch an älteren, aber noch nicht völlig aus- gewachsenen Knoten besonders deutlich wahrnehmbar wird. Die stamm- 28 eigenen Knotenzellen c} und cr erfahren wie bei den Nitellen einige Halbirungstheilungen. Die Segmentzellen sind normal in der Sechszahl vorhanden, ausnahmsweise mögen an kräftigen Sprossen deren 7 oder 8 auftreten. Aus den Zellen us, us ete. entstehen Blätter mit normalen Basalknoten. Die peripherischen Zellen dieser Blattbasalknoten sind aber gewöhnlich allseitig entwickelt, so dass die Centralzelle der Knoten ec’ nirgend ein Stück freier Oberfläche besitzt. Noch in einer andern Beziehung weichen die Basalknoten der Blätter III, IV ete. bei den Tolypellen von den gleichnamigen Gebilden der Nitellen ab. Ihre peripherischen Zellen zeigen nämlich besonders in der fertilen Region des Sprosses eine bei den Nitellen nicht gewöhnliche Ent- wickelungsfähigkeit. Sie werden schon früh zu accessorischen Blättchen, welche Geschlechtsorgane tragen, oder zu blattähnlichen Strahlen, welche ein endständiges Antheridium tragen, oder aber direct zu Öogonien. : Migula gibt an, dass diese accesorischen Bildungen stets in der Achsel des Hauptblattes entstehen, nur gelegentlich durch früh- zeitige Verschiebung der Zellen auf die Seite gerückt erscheinen. Bei Tolypella intricata und Tolypella nidifica, welche ich zur Unter- suchung verwendete, habe ich diese Angaben nicht bestätigt gefunden, vielmehr sah ich sehr häufig auch die seitlich gelegenen peripherischen Zellen der Blattbasen zu accessorischen Blättern oder zu Geschlechts- organen sich entwickeln, ja nicht selten entsprangen die Antheridien- strahlen oder Oogonien, und zwar von ihrer ersten Anlage an, direct aus der der Achsel gegenüberliegenden unteren Seite des Blatt- basalknotens, wie das aus der Figur 5 auf Tafel IV, welche einen Sprossgipfeil von Tolypella intricata darstellt, ohne Weiteres er- sichtlich ist. Auf die weitere Ausbildung der Quirlblätter, welche die Tolypellen hauptsächlich von den Nitellen unterscheidet und mit der Blattbildung der Charen eine gewisse Aehnlichkeit aufweist, soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Dagegen ist es nöthig, die Ent- wickelung der Sprossknotensegmente «ı und 2 noch kurz zu be- trachten. An erwachsenen Knoten von Tolypella stehen in der Regel zwei Achselsprosse, wie in Figur 6 auf Tafel IV erkennbar ist. Die Abbildung stellt einen Sprossknoten von Tolypella nidifica von oben gesehen dar. Aus dem Verlauf der in der Figur hervor- gehobenen und durch Zahlen in der bekannten Weise bezeichneten ersten Theilungswänden des Hauptsprossknotens lässt sich ersehen, dass jedem der Segmente x, und u, je einer dieser Sprosse, Spr. I 29 und Spr. H, angehört. Ausser dem Seitenspross, dessen Insertion in der Figur durch einen Kreis angedeutet ist, sehen wir aus jedem der Segmente auch noch zwei seitliche Organe entspringen, von denen nur die Basalstücke gezeichnet sind. In dem speeiellen Fall, der für die Figur 6 zur Vorlage diente, waren diese vier seitlichen Organe ohne Ausnahme Blätter mit normaler Verzweigung, welche Geschlechtsorgane trugen. Wir haben also hier genau dasselbe Verhalten wie bei Nitella syncarpa und können dementsprechend diese vier Blätter, wie in der Figur geschehen ist, mit I und I, II und II* bezeichnen und können nun die Figur 6 in allen Theilen direet vergleichen mit der Darstellung eines Sprossknotens von Nitella syncarpa, welche in Figur 41 gegeben wurde. Ein rein äusserlicher Unterschied kann darin gefunden werden, dass bei Nitella die Blätter I und II normaler Weise kräftiger sind als I* und II*, dass dagegen bei Tolypella nidifica in der Regel das um- gekehrte Verhältniss statthat. Nicht immer entstehen, wie in der Figur 6, zwei Blattanlagen unterhalb der Seitensprosse im Knoten von Tolypella, bisweilen tritt an Stelle eines derselben ein Antheridienspross. Dieser Fall ist in Figur 7 auf Tafel IV dargestellt. Die Abbildung zeigt einen noch ziemlich jungen Sprossknoten von Tolypella intricata von oben. Das obere Internodium ist fortgeschnitten, in der Höhlung seiner Basis sieht man zwei stammeigene Knotenzellen, ce! und cr, welche noch keine weitere Halbirungstheilung erfahren haben. Die Zellfolge der ersten Theilungen des Sprossknotens ist aus der Bezeichnung der Quirl- blätter mit Zahlen leicht zu entnehmen. Aus dem Segment u, sind ausser der noch jungen Anlage des Seitensprosses Sp. I zwei Blätter, I und I*, hervorgegangen, von denen wiederum das hintere, I*, das kräftigere war. Von den Provenienzen des Segmentes us zeigt die Figur nur die Basis des Sprosses Sp. II und das Antheridium An, welches an Stelle des Blattes II* steht und dementsprechend bezeichnet ist. Das Blatt II war in dem gezeichneten Präparat noch sehr klein und wird durch die Basis des Seitensprosses vollkommen verdeckt. Uebrigens fehlt es für das Auftreten eines Geschlechtsorganes an Stelle eines Blattes in einem der seitensprossbildenden Segmente des Sprossknotens von Tolypella auch bei Nitella synearpa nicht an einem Analogon. Ich habe früher den Fall beschrieben und durch eine Abbildung belegt, dass bei Nitella syncarpa unterhalb des aus dem Segmente u, eines Sprossknotens entspringenden Seitensprosses, also an Stelle des Blattes I*, ein Oogonium steht. 30 Interessant ist übrigens an dem in Figur 7 auf Tafel IV dar- gestellten Sprossknoten von Tolypella intricata auch noch das Ver- halten der Segmente III und IV. In beiden ist die Blattanlage noch sehr in der Entwickelung zurück. Durch eine in der Figur nicht sichtbare Wand ist die Blattspitze von dem Basalknoten des Blattes abgetrennt worden. Die Blattspitze tritt erst als kleines einzelliges Höckerchen über die Knotenoberfläche hervor, aus dem Basalknoten aber hat sich bereits je ein Antheridienstrahl entwickelt, der hier gerade aus einer Zelle «‘ der Unterseite des Knotens hervorgeht. Ueber den Gang der Entwickelung der seitlichen Organe aus den Segmenten a; und %s im Sprossknoten der Tolypellen ist schwer Aufschluss zu erlangen. Es schien nur indess die Reihenfolge der Entstehung hier eine wesentlich andere zu sein als bei Nitella syncarpa. Bei der letzteren entsteht, wie in einem früheren Abschnitt eingehend erörtert wurde, zuerst das Blatt I resp. Il und dann neben demselben nach hinten zu simultan die Anlage des Seitensprosses und des ihn deckenden Blattes I* resp. II*. Bei Tolypella scheint dagegen der Seitenspross als primäres Gebilde aufzutreten, aus dessen Basalknoten sich Blatt I und I* beziehungsweise II und II* als seitliche Bildungen entwickeln. Fig. 440. Tolypella nidifica. Längsschnitt eines Hauptsprossknotens. Die Basis des Seitensprosses I ist median getroffen. i, i Internodien des Hauptsprosses, # unterstes Internodium des Seitensprosses, i” unterstes Internodium des Blattes I*, welches aus dem Basalknoten des Seitensprosses entspringt. (64/1.) Der durch die Basis eines Seitensprosses geführte Längsschnitt eines Sprosses in Figur 44a zeigt uns demgemäss unterhalb des unteren Internodiums : des Seitensprosses einen flachen Basalknoten, aus | Fiese kn ga re 31 dessen unterer Peripherie sich das Blatt erhebt, an seiner Basis gleich- falls einen Knoten tragend. Dieses Blatt mit seinem Basalknoten ist also anzusehen als das Produkt einer peripherischen Zelle #‘ in dem Basalknoten des Seitensprosses. Wir werden später noch Veranlassung haben, auf diesen Punkt zurückzukommen. Ueber die Regenerationsfähigkeit der Sprossknoten von Tolypella habe ich meine Untersuchungen noch nicht zum Abschluss bringen können. Für die Mittheilung dessen, was sich an cultivirten Exem- plaren über diesen Punkt eruiren liess, wird sich später noch Gelegen- heit bieten. V. Lamprothamnus alopeeuroides. Lamprothamnus alopeeuroides zählt mit zu denjenigen Arten, welche bei oberflächlicher Untersuchung am meisten die Ansicht zu bestätigen scheinen, dass die Zellanordnung in den Sprossknoten keine bestimmte Gesetzmässigkeit erkennen lasse. Man braucht nur die leicht siehtbaren Basalknoten einiger Blätter an einigen durch- sichtig gemachten Sprossknoten derselben Achse zu vergleichen, um Fig. 45. Lamprothamnus alopecuroides.. A—E, Die fünf jüngsten Knoten eines Sprossgipfels im Querschnitt. 200/1. zahlreiche unter sich unähnliche Bilder zu bekommen, deren Zellen- anordnungen scheinbar regellos und von Fall zu Fall wechselnde sind. Die Zellbilder der Blattbasen sind dabei so ganz anders zu- sammengesetzt als diejenigen der bisher besprochenen Nitellen, dass eine Zurückführung derselben auf die Bildungsgesetze, welche bei jenen Arten übereinstimmend die Zelltheilungsvorgänge beherrschen, geradezu unmöglich erscheint. Anders ist das freilich, wenn wir die 32 Eintwickelungsgeschichte der Sprossknoten verfolgen. Wir sehen dann, dass auch hier ohne Zwang dasselbe Schema und dieselbe Buch- stabenbezeichnung Anwendung finden kann, welche wir bei der Unter- suchung der Nitellen einführten, dass auch beim Aufbau der Spross- knoten von Lamprothamnus die gefundene Gesetzmässigkeit, abgesehen von unwesentlichen durch die besonderen Umstände erklärbaren Art- eigenheiten keine Ausnahmen erleidet. In Figur 45 sind Querschnittbilder der fünf jüngsten Knoten eines Sprosses nach Mikrotomschnitten dargestellt. Für denjenigen, der meinen Ausführungen bis hierher aufmerksam gefolgt ist, bedürfen dieselben kaum eines Commentars. Wie die Figur A ergibt, erfolgt bei Lamprothamnus die Zerlegung der Urzelle des Knotens in stamm- eigene und peripherische Zellen genau wie bei den vorherbesprochenen Arten nach dem Gesetz: k=hr-+hl — (+) ++ w+... + un) Die stammeigenen Zellen cr und cl? theilen sich entsprechend ihrer zunehmenden Flächenausdehnung durch senkrechte Wände weiter, so dass im erwachsenen Knoten 4, 5 oder noch mehr stammeigene Zellen c zu finden sind; sie verhalten sich also genau ebenso wie die entsprechenden Zellen der Nitellen. Peripherische Zellen sind gewöhnlich zu achten vorhanden. Diese Zahl ist aber nieht durch- aus constant, die Abbildung D zeigt z. B. in der rechten Knoten- hälfte fünf, im Ganzen also neun Blattanlagen. Wir lassen nun vorerst wieder das Segment «ı unberücksichtigt und verfolgen zunächst die Entwiekelungsgeschichte der übrigen, welche sich übereinstimmend verhalten. In der Figur B sind sämmt- liche Blattanlagen nach dem Gesetz u — v! + g! durch eine Perikline in eine Scheitelzelle und eine erste Gliederzelle zerlegt. Die Glieder- zelle 9‘, welche bei den Nitellen direct zum Basalknoten des Blattes wird, theilt sich hier nochmals durch eine Perikline in eine innere keilförmige und in eine äussere scheibenförmige Zelle. Die letztere der beiden bildet die Urzelle des Basalknotens. Offenbar entspricht also das Auftreten dieser zweiten Theilungswand dem für die Theilung der Sprossglieder geltenden Gesetz: 9g=k--i. Das basale Blattglied 9‘ wird in eine Inter- nodialzelle ;“, und in eine Knotenzelle # zerlegt. In der Figur C sind die Zellen des Segments II dementsprechend bezeichnet und für die übrigen Segmente gilt, wie aus der Abbildung ohne Weiteres hervor- geht, dieselbe Regel. Die Zellen :ı, welche auf diese Weise gebildet wurden, erfahren wie alle Internodialzellen keinerlei weitere Ent- nn... 33 wiekelung, welche zur Bildung neuer Vegetationspunkte führen könnte. Sie wachsen auf ihre definitive Grösse heran, ohne dass überhaupt eine weitere Zelltheilung stattfirdet. Die in den Segmenten angelegten Basalknoten 4‘ verhalten sich auch in der weiteren Entwickelung in allen wesentlichen Punkten übereinstimmend. Machen wir uns zunächst mit der Form der Zelle A etwas näher bekannt. Bei den Nitellen besitzen die Basalknoten während ihrer Entwickelung und im ausgewachsenen Zustande in der Tangentialebene des Hauptsprosses annähernd kreisförmigen Umriss. Bei Lamprothamnus ist das in der Regel nicht der Fall. Anfänglich treten freilich auch hier die Blattanlagen als halbkugelige Höckerchen über die Oberfläche des Knotenumfanges hervor, aber indem die Ausdehnung der Blattbasis schneller fortschreitet als die Zunahme des Knotenumfanges, wird der Umriss derselben oval. Die Blattbasen erscheinen gewissermassen durch den gegenseitigen Druck seitlich zusammengedrückt, so dass ihr Durchmesser in der Richtung der Längsachse des Sprosses oft fast das Doppelte des Querdurchmessers beträgt. In einem gewissen Zusammenhang mit dieser Erscheinung steht es, dass die erste Theilungswand in der jungen Blattanlage sich nicht ringsherum an die freie Oberfläche der Vorwölbung ansetzt. Die Blattanlagen stehen so dicht gedrängt am Knotenumfang neben einander, dass sie sich seitlich mit grösserer Fläche berühren und dass die erste Perikline in jeder Anlage seitlich statt freie Oberfläche diese Berührungsfläche trifft. Die Abbildungen der Figur 45, in denen ja die Blattbasen quer geschnitten sind, ergeben das ohne Weiteres. Oben und unten nach den Hauptsprossinternodien zu besitzt natürlich die abgeschnittene erste Gliederzelle g‘ı schmale Stücke freier Ober- fläche, welche bei dem nächsten Zelltheilungsschritt nach dem Gesetz g=k-L-i ganz der Knotenzelle zufallen, während die Internodialzelle allseitig ins Innere des Zellkomplexes eingeschlossen ist. Die eben augelegte, zu weiterer Entwickelung befähigte, basale Knotenzelle jedes Blattes ist also eine flache, scheibenförmige Zelle mit ovalem Umriss, welche an ihren Schmalseiten oben und unten bandförmige Stücke freier Oberfläche besitzt. Begrenzt wird diese Zelle nach rüekwärts, d. h. nach dem Innern des Sprossknotens zu, von der zugehörigen Internodialzelle und von den angrenzenden llauptspross- internodien, seitlich von den Basalkinotenzellen der benachbarten Seg- mente und nach vorne von dem Vegetationsscheitel des Blattes resp. von einer aus demselben hervorgegangenen Zelle. Wir können die Figur 46 benützen, um von diesen eigenariigen Raumverhältnissen Flora 1898, 3 34 eine anschauliche Vorstellung zu gewinnen und zugleich auch die Weiterentwickelung des Basalknotens kennen zu lernen. Der in der Figur 46 B dargestellte mediane Längsschnitt einer Sprossspitze zeigt unterhalb der Scheitelzelle » drei durch Internodial- zellen © getrennte Knoten in verschiedenen Entwickelungsstadien. Die Höhe der Blattanlagen nimmt nach unten hin schnell zu, sie beträgt im zweiten Knoten etwa doppelt so viel, im dritten fast dreimal so viel als in dem jüngsten Knoten. Der Durchmesser der Internodien und dem entsprechend der Umfang der Knoten nimmt dagegen viel lang- samer zu. Da die Figur sorgfältig mit der Camera bei 200maliger Vergrösserung gezeichnet wurde, so können wir aus derselben leicht absolute Werthe gewinnen. Wir gehen dabei von der wahrschein- lichsten Annahme aus, dass die Zahl der Blattanlagen in allen drei Knoten dieselbe und zwar gleich acht ist. Fig. 46. Lamprothamnus alopecuroides. A medianer Längsschnitt eines Blattes. B medianer Längsschnitt einer Sprossspitze. C, D Vorderansicht des Basalknotens junger Blätter. 200/1. Der Durchmesser des jüngsten Knotens beträgt oben 12,5, unten 13,5 mm, im Durchschnitt 13mm, woraus sich die absolute Grösse des Durehmessers auf 65%, der mittlere Umfang des jüngsten Knotens auf 204, berechnet. Für jede der acht Blattbasen ist also eine Breite von 25,54 zur Verfügung. Die Höhe der Blattbasen beträgt in diesem Knoten in der Zeichnung 55mm, absolut also 27,511, so dass die Blattbasen in ihrem Umfang nur erst wenig von der Kreisform ab- weichen. Im zweiten Knoten bekommen wir als mittlere Grösse des Knotenumfanges auf dem gleichen Wege 2204 für jedes Blatt, als 35 Querdurchmesser der Basis 27,5. Die Höhe beträgt aber schon 47,51, so dass schon hier eine wesentliche Abweichung von der Kreisform vorhanden sein muss. Im dritten Knoten berechnet sich die Blatt- breite auf ca. 39x bei einer Höhe von 654, so dass also die beiden Achsen der eliptischen Blattbasis etwa im Verhältniss 3:5 stehen. Das gleiche Verhältniss zeigen annähernd die in Figur C und D in der Vorderansieht dargestellten Blattbasen. Später ändert sich das Verhältniss dadurch, dass das Wachsthum des Knotenumfangs die Ausdehnung der sich ihrer definitiven Ausbildung nähernden Blatt- basis wieder überholt. An ausgewachsenen Knoten sind die Blatt- basen bisweilen fast annähernd kreisrund, und nicht selten rücken dieselben durch diese Wachsthumsverschiebung, obwohl sie in ihrer Jugend unmittelbar aneinander gedrängt waren, eine kurze Strecke weit auseinander, so dass zwischen ihnen die Zellen der Basalknoten an freier Oberfläche gewinnen. Die eigenthümliche Form und Lagerung, welche die Urzelle des Basalknotens während ihrer jugendlichen Entwickelung besitzt, beein- flusst nun in besonderer Weise die Zellbildung im Innern derselben. Peripherische Zellen, welche Vegetationspunkte liefern, können in dem Knoten nur dort entstehen, wo freie Aussenwand die Entwickelung ermöglicht, d. h. also nur oben und unten in der ovalen Zelle. Es werden desshalb in der Regel auch nur zwei peripherische Zellen gebildet, je eine an jedem der mit freier Aussenfläche versehenen Enden der scheibenförmigen ovalen Urzelle. Zuerst entsteht als «’ı die obere peripherische Zelle. Die Wand, welche sie von der Rest- zelle abtrennt, ist in den Abbildungen der Figur 46 mit 1—1 bezeichnet. Dieselbe verläuft in der oberen Hälfte des Ovals ziemlich geradlinig von rechts nach links, indem sie sich nach rückwärts in ihrem ganzen Längs- verlaufe an die Wand der Internodialzelle x‘. ansetzt. Die zweite periphe- rische Zelle %'s liegt der ersten gegenüber in der unteren Hälfte der Ur- zelle des Knotens. Sie wird durch eine gleichfalls fast geradlinig den Knoten durchquerende Wand (2-——2 in den Piguren) von der Restzelle ce’ abgetrennt. Da diese Wand nach rückwärts schräg absteigend an die Wand des unteren Hauptsprossinternodiums ansetzt, so steht die zweite peripherische Zelle mit der Zelle ;, nicht in unmittelbarer Verbindung. Sie entwickelt sich in der Folge genau ebenso wie alle peripherischen Zellen an den oberen Knoten steriler Blätter, d.h. sie theilt sich durch eine in Beziehung auf das Blatt tangentiale Wand in eine innere und eine äussere Zelle. Die letztere ist eine periphe- 2 . . . . . . ‘ tische Zelle u“, wie wir sie ja auch in einzelnen der Segmente u 3% 36 der Blattbasen bei den Nitellen auftreten sahen. Sie stellt einen Vegetationspunkt dar, welcher sich zu einem einzelligen Blättchen entwickelt. Von der inneren Zelle, die wir als Reststück des Seg-- mentes u‘, mit c“ zu bezeichnen haben, werden gewöhnlich rechts und links von dem Vegetationspunkt des Blättchens noch weitere Zellen u“ abgeschnitten, von denen gelegentlich, wenn die Raum- und Ernährungsverhältnisse es ermöglichen, noch die eine oder andere zu einem einzelligen Blättchen auswachsen kann. Die Restzelle selber theilt sich meist entsprechend ihrer Vergrösserung beim Heranwachsen des Blättchens durch eine verticale Wand in zwei gleichwerthige Tochterzellen. Die Gesammtheit der Blättchen, welche aus dem Seg- ment u’, den Blattbasen eines Sprossknotens entspringen, bilden den eigenthümlichen Siipularkranz, welcher Lamprothamnus alopecuroides auszeichnet. Ihre Zahl ist, wie sich aus der obigen Darstellung ergibt, in der Regel gleich der Zahl der Blätter, selten grösser als dieselbe. Ich habe die Entwickelung des Segmentes w’ der Blattbasis zuerst geschildert, weil dieselbe verhältnissmässig einfach ist, und weil ihre peripherischen Zellen mit dem Auswachsen zu einzelligen Blättchen einen definitiven Abschluss ihrer Entwickelung erlangen. Das Seg- ment #’, der Basalknoten der Blätter liefert dagegen die Vegetations- punkte, welche ihre Entwickelungsfähigkeit längere Zeit bewahren und unter günstigen Umständen Adventivbildungen entstehen lassen können. Im Grunde verläuft die Zelltheilung in dem Segment genau so, wie sie soeben für #’ geschildert wurde, nur mit dem Unterschied, dass der Vegetationspunkt, der im letzteren Segment das Blättchen liefert, vorerst in Ruhe verharrt. Wir haben also in dem ausgewachsenen Segment eine Anzahl von peripherischen Zellen «* und als Reststück des Segmentes eine Zelle ec”, die sich häufig in zwei oder drei gleichwerthige und keiner weiteren Entwickelung fähige Zellen theilt. Die Analogie mit dem Segment %’, wird noch dadurch bestätigt, dass in älteren Knoten nicht selten je eine der Zellen u” eines Blattbasalknotens zum einzelligen Blättehen auswächst, so dass dann dem normalen Stipularkranz des Blattwirtels ein ähnlicher, wenn auch unvollkommener Kranz von Blättehen in den Blattachseln gegen- übersteht. Wir haben nun noch einen Blick zu werfen auf das Verhalten der Zelle c’, des Reststückes der Urzelle des Basalknotens, welches nach Abtrennung der beiden peripherischen Segmente in der Mitte des ovalen Knotenumfanges übrig geblieben ist. Bei den Nitella gracilis und syncarpa bleibt, wie wir früher gesehen haben, dieses 37 Stück ungetheilt. Hier aber findet ähnlich wie bei Nitella cernua eine mehrmalige Theilung statt, so dass am ausgewachsenen Blatt statt der einen 4, 5, 6 oder selbst noch mehr centrale Zellen im Basalknoten vorhanden sind. Alle diese Zellen entbehren der Fähigkeit, Vegetationspunkte zu liefern. Wir können demnach die Theilungsvorgänge vergleichen mit den Theilungen, die die stamm-. eigenen Knotenzellen bei den Nitellen und bei Lamprothamnus er- fahren. Es handelt sich einfach um die Zerlegung der sich oft auf die 50fache Flächengrösse ausdehnenden Zelle in einzelne Zell- abschnitte, einem Vorgang, dessen biologische Bedeutung offenbar in der Erhöhung der Festigkeit der Verbindung zwischen Spross und- Blatt zu sehen ist. Dieses biologische Bedürfniss wird ausserdem noch dadurch befriedigt, dass die hier auftretenden Wände ebenso wie die Wand, welche das Segment «‘, von der Restzelle c’ trennt, und wie die Theilungswand der Zelle c” in dem Segment w’ı nach- träglich sehr starke Verdickung erfahren, so dass dadurch der aus- gewachsene Basalknoten einen sehr eigenthümlichen Anblick gewinnt. Die Zertheilung der Oentralzelle des Basalknotens beginnt in der Regel mit einer Halbirungswand, welche sich, wie aus der Figur 46 D ersichtlich ist, annähernd rechtwinklig an die erstgebildeten Wände 1—1 und 2—2 ansetzt. Die späteren Theilungen stehen offenbar unter dem Einfluss der Dehnungen, welche durch die Flächen- vergrösserung der Blattbasis und der betreffenden Partie der Knoten- oberfläche herbeigeführt werden. Wo die Ausdehnung der Blattbasis gleichmässig erfolgt, gehen die weiteren Theilungen in derselben Weise vor sich wie in den. stammeigenen Zellen eines Sprossknotens, d. h. die aufeinander folgenden Wände stehen annähernd senkrecht aufeinander. Einen solchen Fall stellt uns die in Figur 47. B abgebildete Blattbasis dar. Die Wände, welche in diesem Basalknoten die peri- pherischen Segmente wı und «' von dem centralen Reststück «’ trennen, sind entsprechend den Figuren 46 B und C mit 1—1 und ?—2 bezeichnet, In dem Segment u‘, welches also den Zellkomplex ober- halb der Wand 1—1 bildet, sehen wir drei Zellen c”, welche durch nachträgliche, durch die sich steigernde Flächenausdehnung des Basal- knotens bedingte Theilungen aus der ursprünglich einen Restzelle dieses Segmentes entstanden sind. Den mit freier Oberfläche ver- sehenen Theil des Segmentes «’, nehmen die peripherischen Zellen u” ein. Der Zelleomplex unterhalb der Wand 2—2 ist aus dem Segment w, hervorgegangen. Wir sehen in demselben eine Zelle c“, neben ihr jederseits eine peripherische Zelle «“ und nach unten zu vor 38 derselben die Basis eines einzelligen Blättchens, welches aus einer Zelle «” erwachsen ist. Alle bisher nicht erwähnten Zellen in dem Basalknoten, der Abschnitt also, welcher zwischen den Wänden 1—1 und 2—2 liegt, sind als Abkömmlinge der centralen Restzelle c’ in Figur 46 C an- zusehen und dementsprechend mit diesem Buchstabenzeichen versehen. Aus der Lagerung der Zellen im ausgewachsenen Zustande kann noch die Reihenfolge der Zelltheilungen leicht ersehen werden, Zuerst trat eine senkrechte Halbirungswand auf, welche in der Figur entsprechend der Bezeichnung in Figur 46D mit den Zahlen 3—3 versehen ist. Jede Halbirungszelle theilte sich in der Folge durch eine zur Richtung der grössten Längenausdehnung der betreffenden Zelle annähernd senkrechte Wand 4—4, 5—5, so. dass im Ganzen vier Zellen c‘ entstanden. Von diesen ist die grösste, unten rechts- liegende, dann noch einmal durch die Wand 6—-6 halbirt worden. Fig. 47. Lamprothamnus alopecuroides. Zelltheilung im Basalknoten der Blätter A, B, C von vorne gesehen, D im medianen Längsschnitt. 130/1. Ganz ähnlich ist die Zertheilung in dem etwas älteren Basal- knoten in Figur 47C erfolgt, welcher zugleich die enorme nach- trägliche Verdickung der Theilungswände in dem centralen Reststück des Basalknotens demonstriren soll. In dem in Figur 47A dar- gestellten jüngeren Basalknoten ist dagegen die Zerlegung der Central- zellen in anderer Weise erfolgt, so nämlich, dass die auf die Wand 3—3 folgenden Wände 4—4 und 5—5 beide mit dieser gleichlaufend vertical gerichtet sind. Die Mannigfaltigkeit der möglichen Fälle ist mit diesen wenigen Beispielen natürlich längst nicht erschöpft, man braucht nur einen Blick auf die in Figur 50 auf Seite 45 dargestellten acht Blattbasen eines einzigen Sprossknotens zu werfen, um acht 39 neue Beispiele für die Zertheilung der centralen Restzelle c’ zu gewinnen. Und jeder weitere Knoten vermag neue Fälle darzubieten. Allen gemeinsam ist aber, dass die hier entstandenen Zellen niemals neue Vegetationspunkte liefern, dass ihre Theilungen stets Halbirungs- theilungen sind. Da die Zellen c’ in dem Basalknoten der Blätter einen verhältnissmässig grossen Raum einnehmen, so bedingt ihre Configuration ganz wesentlich das Bild, welches der Anblick eines Basalknotens im ausgewachsenen Zustande darbietet. Ihre wechselnde Lagerung ist also der Grund, wesswegen die Zellanordnung in dem Basal- knoten der einzelnen Blätter von Lamprothamnus so verschieden ist und weshalb einem Beobachter, dem nur das fertige Objekt vorliegt, der Aufbau des Sprossknotens bei dieser Art besonders wechselnd und regellos erscheinen muss. Sehen wir aber von der nachträglichen und für die Ausbildung von Vegetationspunkten unwesentlichen Theilungen in der Zelle c’ ab, so erfolgt die Zertheilung des Basal- knotens der Blätter auch hier genau nach dem früher entwickelten Gesetze, welches ganz allgemein für die Blattknoten gilt: K=c.+uint+...un, wobei n—=2 ist, und wobei entsprechend der Vertheilung der freien Oberfläche an der Urzelle des Basalknotens die beiden peripherischen Segmente einander gegenüber an der oberen und an der unteren Seite des Knotenumfanges zu liegen kommen. Während die Zellscheibe des Basalknotens bei der Entwickelung so mächtig an Ausdehnung gewinnt, nimmt auch die Zelle v'ı, welche die Verbindung des Basalknotens mit den stammeigenen Knotenzellen vermittelt, sehr wesentlich an Grösse zu, ohne indess, wie früher betont wurde, weitere Zelltheilungen zu erfahren. Die endgiltige Lagerung dieser Zelle im ausgewachsenen Knoten ist aus der Figur 47.D zu ersehen, welche einen in Bezug auf den Hauptspross radialen Medianschnitt durch eine Blattbasis darstellt. Der Basalknoten selber erweist sich in dieser Figur als dünne bieoncave Scheibe. In dem Raum zwischen der Wand 1—1 und 2—2 liegt eine Zelle c’ und über derselben ist eine Strecke der sehr stark verdiekten Wand 3—3 (vergl. Figur 47 C) der Länge nach vom Schnitt getroffen. Die beiden Zellen, welche oberhalb der Wand 1--1 im Knoten liegen, gehören den Segment x, an, Beide, sowohl die peripherische u" als die Restzelle c“, grenzen nach rückwärts an die Zelle ;,. Das Segment w', dagegen, dessen Zellen unterhalb der Wand 2—2 gelegen sind, steht mit der Internodialzelle in keinem Falle in directer Verbindung. Es ist also hier das Lagerungsverhältniss der Zellen trotz der enormen 40 Vergrösserung aller Elemente genau dasselbe geblieben wie bei der ersten Anlage der Wände 1—1 und 2—2 (vgl. Figur 46B). Die Wand 2—2, welche bei ihrer Entstehung ein wenig schräg nach abwärts gegen die Oberwand des angrenzenden Sprossinternodiums geneigt ist, behält diese Schrägstellung auch im ausgewachsenen Sprossknoten bei, obwohl die obere Partie des angrenzenden Spross- internodiums zugleich mit der Wachsthumsstreckung eine bedeutende Formveränderung erfährt. Die Schrägstellung der Wand 2—2 be- wirkt, dass die Zellen des Segmentes «’s in der Vorderansicht des Basalkotens ziemlich weit über die unteren Zellen c’ hinaufgreifen, was in den Figuren 47 A, Bund © durch die Strichelung der unteren Wände der Centralzellen angedeutet wird, Wir haben nun, um über die Zusammensetzung der Sprossknoten bei Lamprothamnus alopecuroides vollständig orientirt zu sein, noch die Entwickelung des Segementes «ı zu verfolgen. Nachdem von Zelle vı die Vorwölbung als Scheitelzelle des Blattes I abgetrennt worden ist, tritt auch hier wie bei den übrigen Blättern in dem rück- wärtsgelegenen Theilstück, das als erste Gliederzelle in der Figur 45 B mit g‘ bezeichnet ist, eine weitere Zelltheilung ein, indem durch eine Perikline der erste Blattknoten %ı abgetrennt wird. Die Theilungswand verläuft aber hier etwas anders als in den übrigen Blättern; während nämlich dort alle freie Oberfläche der Zelle g’ dem jungen Blattknoten zufällt, bleibt in dem Segmente I ein be- trächtliches Stück der freien Oberfläche in der Achsel des Blattes für die Restzelle, die wir mit x bezeichnen wollen, übrig. Die Zelle x zeigt dementsprechend ein wesentlich anderes Verhalten als die Zellen :, der übrigen Segemente, welehe durch einen ähnlichen Zelltheilungsvorgang entstanden sind, sie theilt sich weiter und zwar zunächst in der Weise, dass durch eine annähernd horizontale Wand der mit dem Stück freier Oberfläche versehene Theil der Zelle in der Achsel des Blattes als besondere Zelle abgetrennt wird. Diese Zelle ist die Urzelle des normalen Achselsprosses, muss also als V“ be- zeichnet werden. Die Restzelle der Zelle x ist nunmehr gänzlich von Zellen eingeschlossen und liefert keine Vegetationspunkte mehr, sie theilt sich nur noch durch eine senkrechte, in Beziehung auf den Hauptspross radiale Wand in zwei gleichwerthige Zellen, welche sich in der Folge genau so verhalten wie die Zellen :‘ı der übrigen Blätter. Wir bezeichnen sie dementsprechend auch mit diesem Zeichen, wie das in der Figur 45D und in den Längsschnitten der Figur 48 ge- scheben ist. 41 Gegenüber den Nitellen zeigt nach dem Gesagten Lamprothamnus bezüglich der Entstehung des normalen Achselsprosses eine sehr wesentliche Eigenthümlichkeit. Dort ist der Achselspross das Produkt des basalen Blattknotens, hier geht seine Urzelle neben dem basalen Blattknoten aus der ersten Gliederzelle des Segmentes hervor. In Formeln ausgedrückt, stellt sich die Zertheilung des Segmentes «ı 2. B. bei Nitella gracilis in folgender Weise dar: u=v rg gekı=ce-+urtus-... u = V” Für Lamprothamnus lautet dagegen die Formel: u=vty g' — ki + iı 4 V" Fig. 48. Lamprothamnus alopecuroides. A, B, D mediane Längsschnitte durch verschieden alte Stadien des Blattes I und seines Basalknotens, € successive Querschnitte durch den Basalknoten des Blattes I und des zugehörigen Achsel- sprosses, 130/1. Die räumlichen Beziehungen zwischen den Zellen der Blattbasis und dem Achselspross ergeben sich leicht aus den Abbildungen der Figur 48, welche uns zugleich über das weitere Verhalten der Zelle V” Aufschluss gewähren. In der Figur 4 ist die Urzelle des Achselsprosses 7” noch ungetheilt. Die Wand, welche sie von ı scheidet, verläuft etwas schräg von dem Basalknoten des Blattes nach rückwärts zu der Wand des oberen Hauptsprossinternodiums. Von 42 allen Zellen der Blattbasis stehen also nur die Zellen ;‘ mit den stammeigenen Zellen c des Hauptsprossknotens in direetem Zusammen- hang. Ich hebe das besonders hervor, weil, wie wir später sehen werden, andere Arten ein abweichendes Verhalten in dieser Beziehung aufweisen. Der Basalknoten des Blattes lässt auf dem Längsschnitt in der Figur A bereits die ersten beiden Theilungswände erkennen, durch welche die peripherischen Zellen x‘, und w’. von dem centralen Reststück c‘ abgeschnitten werden. In der Figur B ist der Scheitel des Achselsprosses mehr über die Oberfläche hervorgetreten und eine erste Querwand hat die Anlage in die Scheitelzelle V”' und den Basalknoten A zerlegt. Ungefähr dem gleichen Entwickelungs- stadium wie die Figur B entsprechen auch die vier in Figur C ge- zeichneten successiven Querschnitte durch das Segment I eines Spross- knotens, welche wie die übrigen Abbildungen der Figur 48 nach Mikrotomschnitten gezeichnet sind. Die Höhenlage der Querschnitte in dem Knoten ist in der Figur B durch vier gestrichelte Querlinien angedeutet, welche mit denselben griechischen Buchstaben bezeichnet sind wie die entsprechenden Schnitte. Der Schnitt « hat nur das obere Hauptsprossinternodium und die Scheitelzelle des Achselsprosses getroffen. Er zeigt uns, dass in der Jugend die Sprossanlage ovalen Umriss besitzt, entsprechend dem für die erste Anlage disponibeln Raum. Später gewinnt die Sprossbasis infolge des Wachsthums des ganzen Zellcomplexes an Raum, so dass sich ihr Umfang nachträglich der Kreisform nähert. Der Quer- schnitt ß geht durch den jungen Basalknoten des Achselsprosses. Derselbe weist eine Halbirungswand auf, wie jeder normale Spross- knoten und in jeder Halbirungszelle ist vorerst dort, wo der meiste freie Raum vorhanden war, je eine peripherische Zelle abgetrennt worden. Der dritte Querschnitt y hat alle drei Componenten des Zellcomplexes berührt. An das obere Hauptsprossinternodium i grenzen beiden Zellen ’,. Dem Blattinternodium is sind nach dem Knoten- innern zu zwei aus dem Segment w, des Basalknotens hervorgegangene Zellen benachbart, und zwischen diesen beiden Zellgruppen erscheint noch ein kleines Stück von dem Basalknoten des Achselsprosses, das in der Abbildung schraffirt ist. Endlich der Schnitt $, welcher durch die stammeigenen Zellen des Hauptsprossknotens geht, liegt ganz unterhalb des Achselsprosses; er hat nur die Zellen #ı und einen Theil vom Basalknoten des Blattes getroffen. Dieser Querschnitt hat mit dem in gleicher Höhe geführten Querschnitt durch jeden andern nicht primären Blattknoten grosse Aehnlichkeit; er unterscheidet sich 43 von jenen allein dadurch, dass die verhältnissmässig grosse Zelle ;ı durch eine radiale Halbirungswand getheilt erscheint. Die Figur D zeigt einen Längsschnitt durch einen etwas älteren Sprossknoten. Der Achselspross hat bereits mehrere Blattwirtel an- gelegt. In seinem Basalknoten sind auch vorne und hinten peripherische Zellen sichtbar. Indem nämlich infolge des Wachsthums an der Basis des Achselsprosses allmählich mehr freie Oberfläche gewonnen wird, treten in dem Basalknoten des Achselsprosses ausser den beiden in dem Querschnitt 8 der Figur C mit «“ bezeichneten noch weitere peripherische Zellen auf, so dass normaler Weise der Kranz der peripherischen Zellen ringsherum völlig geschlossen wird. Auch der Basalknoten des Blattes zeigt in der Figur D schon weitere Entwickelung. Die centrale Zelle c’ ist schon in mehrere Abschnitte zerlegt, von denen im medianen Längsschnitt zwei getroffen wurden. Im Segment w’s sehen wir eine Restzelle c” und eine zum einzelligen Blättchen ausgewachsene peripherische Zelle, von welcher nur das basale Ende gezeichnet ist. Im Segment u’, dagegen hat der Schnitt nur eine Zelle getroffen. Das Verhalten dieses Segmentes unterscheidet sich gewöhnlich etwas von dem des gleichnamigen Seg- mentes der übrigen Blattbasen. Dadurch nämlich, dass die sich aus- dehnende Basis des Achselsprosses den Raum in der Blattachsel aus- füllt, wird die Ausbildung von peripherischen Zellen u” in dem oberen Abschnitt des Blattknotens bisweilen gänzlich unterdrückt, das Seg- ment x’, theilt sich dann nichtsdestoweniger, entsprechend der grösseren Flächenausdehnung, die es durch das Wachsthum der Blattbasis ge- winnt, durch eine Halbirungswand in derselben Weise, wie es in anderen gleichnamigen Segmenten bei der Restzelle der Fall ist. Bisweilen bleibt dem Segmente u’, der Blattbasis seitlich neben der Basis des Achselsprosses ein Stück freier Oberfläche und es treten dann meist rechts und links neben der Sprossbasis oder auch nur einerseits peripherische Zellen #“ in dem Segmente auf. Auf dem medianen Längsschnitt ist davon natürlich nichts zu sehen, dort wird auch in diesem Falle wie in der Figur 48 D nur eine Restzeile des Segmentes getroffen, welche den Knotenumfang nach oben hin zwi- schen Achselspross und Blatt nicht erreicht. Endlich tritt auch der Fall ein, dass genau wie bei den übrigen Blättern im Segment uı des Basalknotens oben in der Mitte eine peripherische Zelle zur Aus- bildung gelangt. Ein solcher Fall ist in Figur 49 A dargestellt. Dieser letztere Fall tritt bisweilen dann ein, wenn die Urzelle des Achsel- sprosses, wie es an reichlich mit Geschlechtsorganen versehenen Spross- 44 abschnitten bisweilen geschieht, lange Zeit in einem frühen Entwicke- lungsstadium verharrt. Der in Figur 49 A im Längsschnitt gezeich- nete Sprossknoten ist, wie aus dem Durchmesser des unteren Blatt- internodiums geschlossen werden kann, ungefähr ebenso alt, wie der in Figur 49 B in der Vorderansicht gezeichnete. Während aber am letzteren der Achselspross schon seinen Basalknoten und einen ersten Blattwirtel angelegt hat, ist die Sprossanlage in der Figur A noch einzellig. Für das Segment w‘, des Basalkuotens des Blattes war also zur Entwickelung einer peripherischen Zelle nach oben hin ge- nügender Raum vorhanden. Fig. 49. Lamprothamnus alopecuroides. Basalknoten des Blattss I. A im Median- schnitt, B von vorne gesehen. 200/1. Möge nun zum Schluss noch der seitliche Anschluss der einzelnen Blattbasen eines Hauptsprossknotens an einem conereten Beispiel demonstrirt werden. Die Figur 50 stellt die acht Blattbasen und den Achselspross eines älteren Sprossknotens neben einander dar. Wir haben diese Art der Darstellung ja schon mehrmals verwendet, so dass ich wohl nicht noch einmal nöthig habe, über die Bedeutung und die Herstellung einer solchen Figur allgemeinere Angaben zu machen. Für das Verständniss des speciellen Falles muss ich hinzu- 45 fügen, dass der Achselspross und die zu ihm als Basalknoten zu rechnende Zellgruppe schattirt sind. Alle im Grunde der abgeschnit- tenen Blattinternodien sichtbaren Zellen der Basalknoten sind mit der ihnen zukommenden Bezeichnung versehen. Alle ausserhalb des Blattumfanges liegenden oberflächlichen Zellen sind peripberische Zellen höherer Ordnung, also Zellen u“ und deren Abkömmlinge. Je eine derselben unterhalb jedes Blattes ist zur einzelligen Stipula ausgewachsen. An den Basen der Blätter II, IV und VI finden wir auch oben, d. h. in der Achsel des betreffenden Blattes, je ein ein- zelliges Blättchen, von dem in der Figur ebenso wie von den Stipula der Raumersparniss wegen nur der untere Theil gezeichnet wurde. Nach den gegebenen Erklärungen ist es leicht, die Herkunft und den morphologischen Werth jeder einzelnen Zelle in dem dargestellten Knoten zu bestimmen. Spr VIII VI IV II I III v vo Fig. 50. Lamprothamnus alopeeuroides. VIII die acht Basalknoten der Blätter eines Sprosses. Spr der Achselspross des Blattes I. 45/1. Wir haben also hiermit auch für Lamprothamnus alopeeuroides die Vorbedingung erfüllt, von welcher das Verständniss der acces- sorischen Bildungen abhängig ist. Die Zahl der Vegetationspunkte, welche hier im ausgewachsenen Sprossknoten zur Entstehung von seitlichen Organen Veranlassung geben können, ist im Vergleich mit den Nitellen nicht sehr gross zu nennen. In jeder Blattbasis sind nur zwei peripherische Zellen gebildet, von denen die eine 1, welche nach der Blattunterseite zu gelegen ist, schon während des Heranwachsens des Knotens ihre vegetative Kraft in der Ausbildung 46 eines einzelligen Blättchens erschöpft. Die andere peripherische Zelle der Blattbasen «‘ı bildet wolıl in der Blattachsel einige wenige peripherische Zellen mit der Natur eines Vegetationspunktes aus, indess gelangen diese ruhenden Vegetationspunkte zum geringsten Theil zur Weiterentwickelung. Seitenzweige oder Zweigvorkeime sah ich in keinem einzigen Falle aus ihnen hervorgehen, auch dann nicht, wenn der normale Seitenspross experimentell entfernt wurde. Dagegen ist in der vegetativen Region der Pflanze der Fall nicht selten, dass einige dieser Zellen «”, welche aus dem Segment „’, der Blattbasen entstammen, zu einzelligen Blättchen nach der Art der Stipulae aus- wachsen, ein Fall, der durch die Blätter II, IV und VI in Figur 50 demonstrirt wird. Fig. 51. Lamprothamnus alopecuroides. A Medisnschnitt einer Blattbasis mit achselständigen Geschlechtsorganen. 130/1. B Sprossknoten von oben mit Seitenachsen und Zweigvorkeim. 64/1. % An den fructifieirenden Sprossabschnitten schlagen diese Zellen bisweilen einen anderen Entwickelungsgang ein, indem aus ihnen Geschlechtsorgane, Antheridien und Archegonien hervorgehen. Für dieses Verhalten bildet die in Figur 51 nach einem Mikrotomlängs- schnitt gezeichnete Blattbasis einen Beleg. Das Segment w’, ist in dieser Blattbasis noch unentwickelt, während die gleichen Zellen in a. 9 47 den benachbarten Blattbasen desselben Sprossknotens schon zur Aus- bildung einer Stipula fortgeschritten waren. Von dem Segment '; ist nur die centrale Restzelle c” mit Buchstabenbezeichnung ver- sehen, alle in der Figur unbenannten Zellen sind aus einer Zelle u“ dieses Segments hervorgegangen; an dem so in der Blattachsel ent- standenen seitlichen Organ ist die Anlage eines terminalen Anthe- ridiums a und eines seitlichen Oogoniums o schon deutlich erkennbar. Für die Neubildung seitlicher Achsen kommt im Sprossknoten von Lamprothamnus hauptsächlich der Basalknoten des normalen Achselsprosses in Betracht; dieser bildet mit seinen peripherischen Zellen und ihren Abkömmlingen allerdings einen nahezu unerschöpf- lichen Entwickelungsherd, aus dem alle Arten seitlicher Achsen hervor- sprossen können. Ich habe aus der Zahl der Deckglaseulturen, an denen ich die Anlage von Adventivbildungen beobachtete, einen verhältnissmässig einfachen Fall ausgewählt und in Figur 51 B zur Darstellung gebracht. Die Figur zeigt einen Sprossknoten von oben. Die angrenzenden Hauptsprossinternodien waren im Präparat fort- geschnitten. Dagegen blieben die Blätter, von denen in der Figur nur die basalen Enden gezeichnet sind, erhalten und zeigten in ihren Internodialzellen während der Versuchsdauer lebhafte Plasmasirömung, An dem isolirten Sprossknoten entwickelte sich zunächst der normale Seitenspross, aus seinem Basalknoten sprossten zwei Haarwurzeln hervor, die in der Dicke auffällig verschieden waren. Die diekere derselben verzweigte sich anfangs normal. Am zweiten Verzweigungs- knoten bildete sich einer der Seitentriebe zu einem Zweigvorkeime aus. Nachdem der normale Achselspross im untersten Internodium und die dickere Haarwurzel mit Erhaltung des ersten Verzweigungs- systems im zweiten Internodium abgeschnitten waren, gelangte aus dem Basalknoten des normalen Seitensprosses zunächst die Anlage eines weiteren radiären Seitensprosses Spr” der Figur zur Ent- wiekelung; das Wachsthum dieses radiären Triebes war sehr langsam, hauptsächlich wohl, weil sich auf dem Scheitel und an den Seiten ein’dichter Belag von Cyanophyceen angesammelt hatte. Bald ent- sprang neben dieser Anlage aus. dem Sprossknoten ein Zweigvorkeim, der sich schnell über den Cyanophyceen-Belag hervorstreckte und an seiner Spitze die charakteristischen ersten Theilungen erfuhr. In diesem Stadium ist das Präparat gezeichnet worden. Wir haben also hier einen radiären Adventivspross, einen Zweigvorkeim und Haarwurzeln neben einander, Ich möchte es dem Vorhanden- sein der Cyanophyceen im Präparat zuschreiben, dass in dem 48 soeben geschilderten Fall der Sprossknoten so einfach blieb, dass besonders die Zahl. der Haarwurzeln so auffallend gering war. In anderen Fällen ging aus dem Basalknoten des normalen Seiten- sprosses, in dem sich fortgesetzt aus den vorhandenen peripherische Zellen höherer Ordnung ausbildeten, ein complieirter Zellkörper hervor, der an seiner Oberfläche zahlreiche entwickelungsfähige Vegetations- punkte trug, und aus welchem neben den Sprossanlagen Haarwurzeln in grösserer Menge hervortraten. An abgeschnittenen Sprossknoten, welche in einem grösseren Glase zur Entwickelung gebracht wurden, drangen die Haarwurzeln in den die Bodenfüllung des Culturglases bildenden Sand ein und einige von ihnen trugen an den Wurzel- knoten runde weisse Brutknöllchen, wie sie in einer früheren Ab- handlung für Chara aspera eingehender beschrieben worden sind. Durch die Anlage dieser Brutknöllchen ist die Erhaltung des Lebens auch für den Fall gesichert, dass durch irgend welche Zufälligkeit die nengebildeten Sprossanlagen während der winterlichen Unterbrechung der Vegetation zu Grunde gehen. VI. Chara stelligera. Ueber die ersten Theilungen in Sprossknoten von Chara stelligera habe ich schon in der Abhandlung über die Wurzeiknöllchen der Characeen Mittheilungen gemacht, so dass ich mich hier mit dem kurzen Hinweis auf die in der Figur 52 gegebenen Querschnittbilder begnügen kann. In den Abbildungen dieser Figur sind die Knoten- querschnitte so orientirt, dass die Vorderseite, d. h. diejenige, an welcher das Segment «, zur Ausbildung gelangt, nach rechts ge- wendet ist. Die Zellwände sind nach der Reihenfolge ihrer Ent- stehung mit 1—1, 2—2 u. 3. w. bezeichnet. Wir sehen, dass bezüglich der ersten Theilungen gegenüber den vorher besprochenen Arten keinerlei wesentliche Abweichungen vor- handen sind. Nach dem Auftreten der Halbirungswand wird, mit dem Segment 24 beginnend, in der bekannten Reihenfolge ein ge- schlossener Kreis peripherischer Zellen abgeschnitten, welche die Ur- zellen der Blätter sind. Die Zahl der peripherischen Zellen ist nicht immer die gleiche. Am häufigsten werden sechs peripherische Zellen gebildet, bisweilen sind deren nur fünf oder gar vier, seltener mehr als sechs vorhanden. Von den peripherischen Segmenten liefert das zuerst gebildete ıı ausser einem Blatt den normalen Seitenspross, die übrigen erzeugen in der Regel nur je ein Blatt und verhalten sich bezüglich der Ausbildung der basalen Zeilgruppe ziemlich überein- 49 stimmend, zeigen indess gegenüber den entsprechenden Zeilen im Sprossknoten der besprochenen Nitellen einige Abweichungen. Schon sehr früh tritt in diesen blattbildenden Zellen eine perikline Wand auf, welche die Zelle nach dem Gesetz v=v’+-g’ in eine vor- gewölbte Scheitelzelle v’ und eine zum grössten Theil im Sprossknoten verborgene Gliederzelle 9‘, zerlegt. Die Scheitelzelle theilt sich bald darauf ein zweites Mal nach demselben Gesetz. Die Zelle g'ı, welche in den Blättern der Nitellen direet zum Basalknoten des Blattes wird, theilt sich hier, wie bei Lamprothamnus, noch ein Mal durch eine Perikline in eine. innere Zelle ‘ı und in eine scheibenförmige äussere Zelle, welch letztere an das unterste Internodium des Blattes grenzt und zum Basalknoten auswächst. Diese Theilungsfolge der Zelle 9’ entspricht also offenbar wieder der Theilung einer Spross- gliederzelle in Knoten und Internodium nach der Formel g=k-+i. Fig. 52. Chara stelligera. Querschnitte junger Sprossknoten in aufeinander- folgenden Entwiekelungsstadien. 1—1 die Halbirungswand. 2—2, 3—3 die die Abtrennung der peripherischen Zellen bewirkenden Wände nach ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge nummerirt. 240/1. Die innere Zelle ;“, bleibt in der Folge ungetheilt. Die Zertheilung der so entstandenen basalen Knotenzelle A der jüngeren Blätter von Chara stelligera ist leicht zu verstehen, wenn wir uns zunächst an den Theilungsprocess der oberen Blattknoten erinnern, welcher früher schon eingehend besprochen wurde. In den oberen Blattknoten wird, wie aus der Figur 53 leicht zu ersehen ist, ohne vorherige Halbirung eine wechselnde Anzahl peripherischer Zellen gebildet. In einzelnen Flora 1898, 4 50 Fällen, so z. B. in dem in Abbildung IX dargestellten Knoten ist der Ring der peripherischen Zellen geschlossen, die Restzelle also central gelegen, in anderen Fällen unterbleibt der letzte Theilungs- schritt, so dass die Restzelle auch im ausgewachsenen Knoten noch bis an den Knotenumfang reicht. Die erste peripherische Zelle «ı Fig.53. Chara stelligera. Querschnitte verschieden alter Blattknoten. Die Reilien- folge der Zelltheilungen ist durch die Numerirung der Wände (1-1, 2—2 u. s. w.) angegeben. 240/1. entsteht immer an der zum Spross gewendeten, d. i. an der Ober- Häche des Blattes. Genau so wie hier, verläuft nun auch die Zell- theilung in dem Basalknoten der Blätter IL, II u. s. w. 7uerst wird an der Oberseite eme Zelle x’, abgeschnitten, darnach folgt rechts oder links oder beiderseits eine weitere peripherische Zelle x’. und resp. us. Das Reststück bleibt dann in der Regel ungetheilt. Das wur 51 Segment w‘, theilt sich weiter durch eine Halbirungswand, jede der Halbirungszellen kann eine oder mehrere peripherische Zellen höherer Ordnung «“ bilden. Auch in den peripherischen Zellen ws und u’s treten bisweilen Halbirungswände auf. Die Einzelheiten dieses Ent- wiekelungsganges waren nicht immer leicht aufzuklären, nachdem aber einmal der Gang der Zelltheilungen klargelegt ist, sind auch die Bilder erwachsener Basalknoten leicht verständlich. Im Allgemeinen stimmt der Aufbau des Knotens der jüngeren Blätter von Chara stelligera mit demjenigen der entsprechenden Blätter von Nitella gractlis und ihren Verwandten überein, nur finden wir stets unterhalb der Spr IP 1 I II r Fig. 54. Chara stelligera. Basalknoten der Blätter zweier junger Sprossknoten. A 95/1. B 65jl. Scheibe des Basalknotens die Internodialzelle, welche den Nitellen fehlt. Ich will zur Demonstration des Gesagten die Basalknoten zweier Blattquirle eines verarmten Sprosses von Chara stelligera hier in naturgetreuer Abbildung vorführen. An dem oberen der in Figur 54 dargestellten Sprossknoten waren nur 4, am unteren noch 5 Blätter entwickelt. In den Basalknoten der Blätter IT und IV in der Ab- bildung A und in denen der Blätter IV und V der Abbildung B ist ausser dem schon weiter vertheilten Segment «4 nur noch eine peripherische Zelle v’‘g gebildet, die Blätter 4 III und B II und III weisen dagegen ausser dem oberen Segment neben dem Reststück «’ jederseits eine peripherische Zelle auf, u’ und »‘s, von denen die erstere im Blatt B II bereits in zwei Halbirungszellen h”sr und hal zerlegt worden ist. In wohlentwickelten Knoten kräftiger Pflanzen 4* 52 findet man fast immer unten im Knoten beiderseits neben der Rest- zelle peripherische Zellen. Bisweilen wird auch der Ring der peripherischen Zellen geschlossen, indem sich die Restzelle ce’ durch eine Perikline in eine innere und eine peripherische Zelle theilt. Das Segment w'ı nimmt in allen Fällen ungefähr die Hälfte des ganzen Knotenumfanges ein. Die Halbirungswand ist in den dar- gestellten Knoten überall schon gebildet. Bei A II und IV und ebenso bei B II und V ist eine der Halbirungszellen A’ dieses Segmentes noch ungetheilt, die andere aber und beide Halbirungs- zellen der übrigen Blätter weisen schon weitere Theilungen auf, durch welche die Halbirungszelle in eine oder einige peripherische Zellen «* und in ein Reststück c’ zerlegt wurde. Werfen wir nun auch noch einen Blick auf den Basalknoten des Blattes I in den beiden Figuren, so ist mit Hilfe der eingetragenen Zeichen der morphologische Werth der einzelnen Zellen auch hier leicht zu erkennen. Im Blatt I der Abbildung A weist der Basal- knoten neben der Restzelle c’ drei peripherischn Segmente «uı, ws und «’s auf, von denen das eine mit «‘z bereits in zwei Zellen zer- theilt ist, während '«‘, vorerst noch ungetheilt blieb. Dass indess dies erste Segment sich bezüglich der Zelltheilung nicht anders ver- hält als das Segment »’, der übrigen Blätter geht aus der Abbildung B hervor, welcher den Basalknoten des Blattes I schon in weiter vorge- rücktem Entwiekelungsstadium zeigt. Dort ist das Segment «‘, be- reits halbirt und jede Halbirungszelle ist in eine Restzelle c”, und in eine geringe Anzahl peripherischer Zellen «* zerlegt worden. Ausser- dem ist hier in der Basis des stark verbreiterten Blattes noch ein viertes peripherisches Segment uw’, gebildet worden. Es ergibt sich also, dass sich der Basalknoten des Blattes I in allen wesentlichen Punkten genau so verhält, wie der Basalknoten der übrigen Blätter, und dass der Achselspross nicht wie bei Nitella graeilis und N. cernua ein Abkömmling dieses Knotens ist. Um den Ursprung des Seiten- sprosses, den Bau seines Basalknotens und den Zusammenhang des- selben mit dem soeben besprochenen Basalknoten des Blattes I zu verstehen, ist es nöthig, die Entwickelungsgeschichte des Segmentes au des Haupisprossknotens von Anfang an zu verfolgen. Die erste Theilung, welche in diesem Segment eintritt, trennt genau so wie bei den übrigen Blatturzellen den vorgewölbten Theil der Zelle als Scheitelzelle v’ des Blattes von dem basalen Glied g'ı ab. In dem letzteren tritt alsbald eine Theilung auf, die T'heilungswand, welche hier den Basalknoten des Blattes von der im Spross verborgenen 53 untersten Zelle scheidet, setzt sich aber nicht, wie in den übrigen Blattbasen, oben und unten an die Wände der Hauptsprossinternodien an, sondern sie convergirt nach oben mit der ersten Theilungswand der Blattanlage und setzt sich an dieselbe an, so dass die scheiben- förmige Urzelle des Basalknotens hier nach oben hin keilförmig ge- staltet ist und oben den Umfang des Blattes nicht erreicht. In der Figur 554 ist der mediane Längsschnitt durch das Blatt I eines Jungen Knotens gezeichnet, aus welchem die Anlage des Basalknotens ersichtlich ist. Durch die Wand 1—1 ist die Scheitelzelle abgetrennt worden, welche sich bereits wieder in vo’ g‘s zertheilt hat. Die Wand 2—2, welche sich unten an das Hauptsprossinternodium, oben an die Wand 1-—-1 ansetzt, zerlegt die basale Gliederzelle in die Fig. 55. Chara stelligera. Mediane Längsschnitte durch die Basis des Blattes I und des Seitensprosses an verschiedenen alten Hauptsprossknoten, Erklärung der Buchstaben und Zahlen im Text, 150/1. keilförmige Knotenzelle % und in eine grösstentheils im Hauptspross- knoten verborgene Zelle, welche in der Figur 55 A mit x bezeichnet ist. Diese letztere Zelle entspricht ihrer Entstehung nach der untersten Internodialzelle i, der übrigen Blätter, deren Vorhandensein oben als ein auffälliger Unterschied zwischen dem Bau des Knotens der Oharen und der Nitellen bezeichnet worden ist. Sie unterscheidet sich indess von diesen inneren Internodien, die ganz in den Hauptsprossknoten eingeschlossen sind, dadurch, dass sie infolge des schiefen Verlaufes der Wand 2—2 ein schmales Stück freier Oberfläche besitzt, welches 54 in der Achsel zwischen dem Blatt und dem nächst oberen Internodium des Hauptsprosses liegt. Aus der Zelle x entwickelt sich der Seiten- spross. Bevor indess an derselben die Scheitelzelle zur Ausbildung gelangt, findet regelmässig noch eine Zelltheilung in ihr statt, welche in Figur 55 B im Längsschnitt der Blattanlage dargestellt ist. In dem Winkel nämlich, welcher in der Zelle x zwischen der Oberwand des unteren Hauptsprossinternodiums und der unteren Wand des Blatt- basalknotens gebildet wird, tritt eine Wand 3—3 auf, welche die Zelle x in zwei ungleich grosse Zellen zerlegt. Die grössere derselben bezeichnen wir als Urzelle des Seitensprosses mit PVP”. Ungefähr dasselbe Entwiekelungsstadium des Basalknotens des Blattes I zeigen die Figuren 1 und 2 auf Tafel IV. Beide Figuren stellen dasselbe Objeet und zwar 1 in Aussenansicht, 2 im medianen (optischen) Längsschnitt, dar. In der Abbildung ist der obere Theil des Blattes I an der der Linie m—n in 2 entsprechenden Stelle fort- geschnitten, so dass der Basalknoten freiliegt; in demselben sind erst zwei peripherische Segmente «’ı und w’z gebildet worden, Die Urzelle des Seitenzweiges v” ist bereits deutlich über die Oberfläche des Hauptsprossknotens emporgewölbt. Die morphologische Natur der kleinen durch die Wand 3—-3 in Figur 46 B von der Zelle x abge- trennten Zelle ist aus dem weiteren Verhalten derselben gleichfalls leicht festzustellen. Es zeigt sich nämlich, dass dieselbe keine Vege- tationspunkte mehr zu liefern vermag. In selteneren Fällen schliesst diese Zelle ihre Entwiekelung mit einfachem Wachsthum ab, gewöhn- lich tritt in ihr entsprechend der Querausdehnung, welche sie mit der Verbreiterung der Basis des heranwachsenden Blattes I erleidet, eine senkrechte Theilungswand auf, seltener deren zwei. In der Figur 1 auf Tafel IV sieht man die beiden Theilzellen dieser Zelle unter dem Basalknoten des Blattes I durchscheinen. Die Lage, welche diese Zeile oder ihre Tochterzelle im erwachsenen Spross zu dem Basal- spross des Blattes I einnehmen, gleicht so genau derjenigen, welche das im Hauptsprossknoten verborgene unterste Internodium %, der übrigen Blätter zu dem entsprechenden Basalknoten zeigt, dass wir auch diese Zelle und die aus ihr gewöhnlich hervorgehenden beiden Tochterzellen als unterstes Internodium iı des Blattes I ansehen können. Dass noch nachträglich eine Theilungswand in der Zelle iı auftritt, kann die Berechtigung zu diesem Schluss nieht mindern, es handelt sich hier offenbar um eine für die Entwiekelung unwesentliche Zelltheilung, ähnlich derjenigen, die wir in den stammeigenen Üentral- zellen der Nitellen beobachten konnten. Sie kann wie in diesen ganz 55 unterbleiben oder nach Bedarf sich wiederholen. Ausserdem habe ich auch den Fall beobachten können, dass die Zelle :, in einem Blatt, welches keinen Achselspross deckte, eine Halbirungstheilung erfahren hatte, die dort freilich im Zusammenhang mit der Gestalt der Blatt- basis, welche sehr weit auf das untere Stamminternodium herabgerückt war, in der Querrichtung verlief. Bevor wir nun die Entwickelung der Zelle F* weiter verfolgen, mag zuerst noch die Eigenthümlichkeit, welche die Zertheilung der basalen Gliederzelle g‘ı des Blattes I bei Chara stelligera aufweist, in einer Formel festgelegt und mit dem Verhalten der gleichen Zelle bei den Nitellen verglichen werden. Für Nitella graeilis fanden wir die Formel uevr+tgı gg kı d. h. die Urzelle des Blattes I theilt sich in eine Scheitelzelle und eine zum grössten Theil im Hauptsprossknoten steckende erste Glieder- zelle, welche direet zum Basalknoten des Blattes wird. Für die Blätter IL, III... von Lamprothamnus alopecuroides und eben- so für die gleichen Blätter der Chara stelligera gilt die Formel u-v-tgi ghr=kı Hi d. h. die Urzelle dieser Blätter theilt sich in Scheitelzelle und Gliederzelle. Fir. 56. Nittella gracilis. Längs- Die letztere wird ‘wie im Hauptspross schaitt eines Sproseknotens. Links in Knoten und Internodium zerlegt. Für jst Blatt I mit dem Achselspross das Blatt I der Chara stelligera end- median getroffen. +" Scheitelzelle ® 8 > “ lich muss unsere Formel lauten des Seitensprosses. g” erste Glieder- u=v-+gli zelle desselben, welche direct zum gi kKı +iy 4 v® Basalknoten wird. d. h. die Blatturzelle theilt sich in eine Scheitelzelle und in eine erste Gliederzelle, aus der letzteren gehen der Blattknoten, das Internodium und die Urzelle des Seitensprosses hervor. Wir treffen also hier genau dieselbe Formel an, welche für das Verhalten der Zelle g‘, im primären Segment der Knoten von Lamprothamnus alopecuroides im Abschnitt V dieser Abhandlung constatirt worden ist, wenngleich die äussere Erscheinung des durch die Formel dargestellten Theilungs- vorganges dort eine wesentlich andere ist. Die Zelle Y”, die Urzelle des Sprosses, entwickelt sich, wie die Vergleichung der Figuren 55 B, C und D ergibt, zunächst durch 56 Hervorwölbung an der freien Oberfläche. Die Vorwölbung wird als- bald als Scheitelzelle v” abgeschnitten. Die zurückbleibende Glieder- zelle g“ı wird direet zum Basalknoten des Sprosses. Wir haben also hier, wenn wir von dem Ursprung der Zelle V”' absehen, genau das- selbe Verhalten dieser Zelle wie bei Nitella gracilis, wir können be- züglich der Entwickelung des Achselsprosses die Figur 55C direct mit der Figur 56 vergleichen, weiche das entsprechende Stadium der Achselsprossbildung bei Nitella gracilis darstellt. Wir haben nun noch die weitere Ausbildung der Zelle 9”, = k"ı des Achselsprosses zu verfolgen. Dieselbe geht, wenn wir von den durch die räumliche Lagerung und die Gestalt der Zelle bedingten geringen Abweichungen absehen, genau in derselben Weise vor sich, wie die Ausbildung der Hauptsprossknoten nach dem Gesetz k=hr-+hl —=(r+c)+(wı +us +... u2r). Die Form der Zelle g”ı ändert sich während der Entwickelung, wie schon die Vergleichung ihrer Längsschnitte in Figur 55 Cund D ergibt, nicht unwesentlich, besonders durch die Diekenzunahme der Haupt- sprossinternodien und durch die Ausdehnung des Basalknotens des Blattes L Die Form, welche die Zelle zur Zeit der ersten Zell- theilung einnimmt, ist nicht leicht räumlich darstellbar; ich will ver- suchen, dieselbe mit Hinweis auf den Querschnitt der Zelle in Figur 52E und auf den Längsschnitt in Figur 55 D kurz zu be- schreiben, Die Bodenfläche der Zelle wird von einem Wandstück des unteren Hauptsprossinternodiums gebilde. Nach rückwärts im Innern des Hauptsprossknotens grenzen die schmalen Wände der beiden im stumpfen Winkel aneinander stossenden stammeigenen Centralzellen, über denen sich als Fortsetzung der Rückwand der Zelle gewölbt nach vorne vorrückend die Wand des oberen Haupt- sprossinternodiums erhebt. Seitlich grenzen die Urzellen des Blattes II und III oder die aus ihnen hervorgegangenen Zellen ’,. Die Vorderwand der Zelle wird gebildet von der Innenwand der Zellen '; des Blattes I, darüber von einem schmalen Streifen der Unterwand des Basalknotens und noch höher von einem kleinen kreisbogenförmigen Wandstück des ersten gestreckten Internodiums i, des Blattes I. Oben schliesst die Zelle ein sattelförmiges Wandstück, aus dem sich mit ovaler oder annähernd kreisrunder Basis die Scheitelzelle des Sprosses vo” oder das aus ihr hervorgegangene Internodium i“ erhebt. Von dieser sattelförmigen Oberwand ist ein rings um die Zelle »* respektive ;” gelegenes Stück freie Oberfläche, deren Flächen- 57 ausdehnung beiderseits vorne seitlich von dem Seitenspross am beträchtlichsten ist. In der soeben beschriebenen Zelle tritt nun stets als erste Wand eine senkrechte Halbirungswand auf, welche nach rückwärts meist an das Wandstück der Zelle c! im Hauptsprossknoten ansetzt, so dass die eine der entstehenden Halbirungszellen A”r mit den beiden stammeigenen Zellen des Hauptsprossknotens in direeter Verbindung steht. Die Fig. 52 E auf Seite 49 stellt ein Entwickelungsstadium dar, in welchem der Basalknoten des Seitensprosses gerade erst die Halbirungswand aufweist. In dem in der Figur nach rechts liegenden Segment u, sind im Ganzen sechs Zellen sichtbar; die äusserste der- selben ist der untere Theil eines Internodiums des aufsteigenden Blattes, die zweite Zelle, welche sich quer durch das ganze Segment erstreckt, ist das Segment «‘, im Basalknoten des Blattes. Das an- stossende Zellenpaar sind die Zellen ;',, die wir als unterstes Inter- nodium des Blattes deuten mussten. Den Rest endlich bilden die Halbirungszellen des Seitensprossknotens. Die grössere derselben, welche in der Figur nach oben gelegen ist und welche nach unserer Bezeichnungsweise h”r heissen muss, steht nach dem Innern des Hauptsprossknoten zu mit beiden stammeigenen Centralzellen in un- mittelbarer Berührung. Die weitere Zertheilung des Basalknotens des Seitensprosses geht von der zum Tragblatt gewendeten Seite aus, die wir demnach also als Vorderseite zu bezeichnen haben. Dort entstehen rechts und links von der Halbirungswand die peripherischen Segmente u”, und «"». Die gebogenen Wände, durch welche diese beiden Zellen von den Halbirungszellen abgetrennt werden, gehen indess nicht bis auf die Bodenfläche der Knotenanlage hinab, sondern sie setzen sich unten an denjenigen Theil der Vorderwand an, welcher von dem Basalknoten des Blattes I und von der zugehörigen Internodialzelle ;ı gebildet wird. In allen Fällen biegt sich die Wand, welche das Segment u*ı abtrennt, unmittelbar an der Halbirungswand nach oben um, so dass dort die Restzelle der Halbirungszelle einen zapfenartigen Fortsatz behält, welcher gewisermaassen unter der Zelle u*, hindurch mit einer bestimmten Zelle des Blattbasalknotens in directer Verbindung bleibt. In meinem Material wiesen alle daraufhin untersuchten Sprossknoten an dem Basalknoten des Seitensprosses dieselbe Erscheinung auf, so dass ich nicht umhin kann, dieser scheinbar geringfügigen morpho- logischen Einzelheit eine gewisse Bedeutung beizumessen; wir werden darauf später zurückkommen. 58 In jeder Halbirungszelle tritt nach der Anlage der Zellen u“; und u”, ein weiteres peripherisches Segment, die Zellen u“s und u”, auf. Die Wände, durch welche dieselben von den centralen Rest- zellen abgetrennt werden, setzen nach vorne an die ersten peripherischen Zellen an und verlaufen bis auf den Boden der Knotenanlage herab- gehend annähernd parallel mit der Halbirungswand nach hinten. Bisweilen treten dann in dem schmalen ÖOberflächenstück, welches rückwärts von u”s und u”, zwischen dem Internodium des Haupt- sprosses und des Seitensprosses liegt, noch zwei weitere peripherische Zellen 4“; und u“; auf, welche den Ring der peripherischen Zellen nach hinten schliessen. Entsprechend den Öberflächenverhältnissen dringen die Zellen aber niemals in die Tiefe bis zur Bodenfläche des Segmentes vor; die Theilungswand, welche sie abtrennt, setzt an die Wände der Zellen «“s resp. u“, an und verläuft gegen die Halbirungs- wand hin schräg nach oben aus, so dass also die centralen Restzellen des Knotens c”r und c“! unter allen Umständen mit den gleichen Zellen des Hauptsprossknotens er und c/ in Berührung bleiben. Bis zu dem nunmehr erreichten Stadium spielt sich der Ent- wiekelungsvorgang in dem Segment u‘ aller Hauptsprossknoten von Chara stelligera, abgesehen von unwesentlichen Abweichungen, in gleicher Weise ab. Erst in der weiteren Entwickelung der peripherischen Zellen können je nach der Einwirkung der äusseren Umstände Ver- schiedenheiten hervortreten, die, wenn sie auch in jedem Falle mit den Bildungsgesetzen in Einklang stehen und keineswegs durch regel- lose Wucherungen beliebiger Zellen entstanden sind, doch eine directe Vergleichung der einzelnen Sprossknoten schwierig und unübersichtlich gestalten würden. Wir werden also das im bisher geschilderten Entwickelungsgange erreichte Stadium als Ausgangspunkt für die ver- gleichende Betrachtung verwenden, und es ist desshalb nöthig, dass wir uns die Raumverhältnisse und die gegenseitige Beziehung aller Zellen in diesem Stadium möglichst deutlich vor Augen stellen. In Figur 57 A ist ein medianer Längsschnitt durch den Basalknoten des Blattes I und des zugehörenden Seitensprosses nach einem Mikrotomschnitt gezeichnet. Die von dem Schnitt annähernd gestreifte Halbirungswand des Seitensprossknotens, welche in der Ebene der Zeichnung liegt, ist durch Schraffirung angedeutet. Die Bedeutung der einzelnen Zellen ist aus der eingetragenen Bezeichnung leicht zu entnehmen. Den punktirten (Querlinien in der Figur entsprechen von oben nach unten die vier Querschnittbilder B, C, D, E in der 1 . . . . Figur 48, welche einer Serie von Querschnitten durch die aus dem oO 59 Segment”, hervorgegangenen Zellgruppe eines Hauptsprossknotens entnommen sind. Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass die Präperate, welche die Längs- und Querschnittbilder lieferten, nicht von dem nämlichen Knoten herstammen, wichtig aber scheint es mir, zu er- wähnen, dass ich, um die Bilder neben einander verwenden zu können, nichts weiter geändert habe, als dass ich den Vergrösserungsmaassstab des Längsschnittbildes ein wenig verringerte. Dadurch ist wohl am besten der Beweis geliefert, dass nicht, wie man annahm, die Zell- theilungen in den Sprossknoten von Fall zu Fall wechselnd und un- gleichmässig sind, sondern dass auch hier der Entwickelungsgang von der gleichen strengen Gesetzmässigkeit beherrscht wird, die in den anderen 'Theilen der Pflanze unsere Verwunderung erregt. 5 Br u [N > Figur 57. Chara stelligera. 4 medianer Längsschnitt durch die Basis des Blattes ‚und des Seitensprosses. B, C, D, E successive Querschnitte, welche den gestrichelten Querlinien in A von oben nach unten in der Reihenfolge der griechischen Buch- staben entsprechen. In den Querschnittbildern sind die zum Basalknoten des Seiten- sprosses gehörigen Zellen in der entsprechenden Weise mit Zeichen versehen, ebenso die beiden Zellen dı, welche zusammen das erste Internodium des Blattes darstellen. Die Zellen des Basalknotens des Blattes I sind der Uebersichtliehkeit wegen nicht bezeichnet worden, man wird durch Vergleichung der Querschnittbilder mit dem Längs- schnitt in Figur 57 A und mit der Vorderansicht des entsprechenden Knotens in Figur 54 B ohne Schwierigkeit erkennen, dass von den vier Zellen, welche in den Figuren 57C, D und E als Componenten 60 des Blattbasalknotens auftreten, die beiden mittleren, die Keststücke der Halbirungszellen des Segmentes «’, sind, während die beiden seitlichen Zellen peripherische Segmente dieser Halbirungszellen dar- stellen. Es handelt sich also hier um die Zellen, welche in dem Basalknoten des Blattes I in Figur 54 B von links nach rechts die Bezeichnungen #“; c’ır; c“ıl und «“ tragen. Mit Hilfe dieser An- gaben und der eingetragenen Bezeichnungen dürften die Querschnitt- bilder in Figur 57 ohne Schwierigkeit verständlich sein. Der schraffirte Kreis in der Mitte der Figur 57 B ist das abgeschnittene Stück der Bodenwand des ersten Internodiums des Seitensprosses, Die schraffirte Wandstelle in der Zelle u“, der Figur 57 C zeigt die Stelle an, wo die von der Halbirungswand des Knotens zurücktretende erste Theilungs- wand den zapfenförmigen Fortsatz der Zelle cr, wie früher erwähnt, zu dem Basalknoten des Blattes I vordringen lässt. In Figur 3 auf Tafel IV habe ich. versucht, die Zeilgruppe an der Basis des Blattes I und des Seitensprosses körperlich darzustellen und zwar sind die einzelnen Theile dieser Zellgruppe isolirt gezeichnet. A stellt den Achselspross dar. Derselbe trägt oben die Scheitelzelle v” und be- sitzt ausser dem Basalknoten schon einen zweiten Knoten, an dem die Blätter des Quirls oben als Zellhöckerchen hervortreten. Das zwischen beiden Knoten liegende Internodium hat sich noch nicht gestreckt. An dem Basalknoten ist vorne ein unschattirter Kreisbogen sichtbar, die Stelle, an welcher der Knoten mit dem Blattinternodium 7’, (vergl. Fig. 57) in Berührung steht. Die beiden Zellen, welche direct an die Fläche des Kreisbogens nach rückwärts anschliessen, wölben sich als breite Höcker über die Oberfläche des Knotens empor. Es sind die Zellen #°, und x” des Basalknotens. Unter ihnen schauen seit- lich die Zellen #”s und u’ hervor und in der Mitte die Central- zellen cr und ci des Basalknotens. An der Zelle cr ist vorne ein rhombisches Stück mit einem Sternchen bezeichnet, es ist das Flächenstück, welches sich direct an den Basalknoten des Blattes und zwar an die Zelle c”ıl anschliesst. Die Figur B zeigt die beiden Zeilen, welche das Basalinternodium 7, des Blattes I zusammensetzen. Die schraffirten Flächenstücke an der oberen Rückwand dieser beiden Zellen sind die Berührungsflächen mit den Zellen des Basalknotens des Seitensprosses. Die schraffirten seitlichen Flächen grenzen an die Basalinternodien ‘, der benachbarten Blätter. Die mit dem Sternchen bezeichnete obere Einbuchtung zwischen den beiden Zellen lässt das gesternte Flächenstück der Zelle cr frei. Die Oberfläche und die nach unten hin sanft geneigten Flächenstücke dieser beiden 61 Zellen grenzen in der natürlichen Lage an die Zellen des Blattbasal- knotens. Der letztere ist in der Figur © dargestellt, seine Zellen sind durch die eingetragene Bezeichnung genügend charakterisirt, das Stück der Unterfläche in der Zelle c“!, welches mit der Central- zelle cr zum Basalknoten des Seitensprosses in Berührung tritt, ist wiederum durch ein Sternehen bezeichnet. Um die natürliche gegen- seitige Lage der hier isolirt gezeichneten Zellgruppen wieder herzu- stellen, müsste man sich also die beiden Figuren B und € soweit nach oben verschoben denken, dass die in ihnen gezeichneten Sternchen mit einander und mit dem Sternchen in der Figur A zusammenfallen. Fig.58. Chara stelligera. Mittlerer Querschnitt eines älteren Sprossknotens. 42/1. Der Basalknoten des Seitensprosses durchläuft meist sehr schnell das einfache Entwickelungsstadium, welches wir im Vorstehenden ge- schildert haben. Es handelt sich bei den eintretenden Veränderungen aber stets nur um eine Weiterentwickelung der peripherischen Zellen. Die im Innern des Basalknotens verborgenen Zellen bleiben unverändert, so dass man auch an Querschnitten ausgewachsener Knoten den Grundplan der ursprünglichen Zertheilung des Basal- knotens des Seitensprosses stets noch erkennen kann. Der in Figur 58 gezeichnete Querschnitt eines alten Sprossknotens zeigt in dem aus 62 der ersten peripherischen Zelle hervorgegangenen Abschnitt I nach innen zu drei annähernd parallele Wände. - Die beiden Zellen, welche der Hauptsache nach von diesen drei Wänden eingeschlossen werden, sind die Oentralzellen er und ec“) im Basalknoten des Seitensprosses. Beiderseits neben ihnen an ihre Längsseiten grenzend liegen die Rest- stücke der Segmente #”s und u”. Die nach aussen hin vor diesen vier Zellen liegenden Zellengruppen sind Theilzellen der Segmente u“, und u”s. An jedem Querschnitt, der in der Höhe der Centralzellen durch irgend einen Sprossknoten von Chara stelligera gelegt wird, findet man dasselbe Bild und damit den sicheren Beweis, dass bei der Aus- bildung der Knoten nicht Zufall und Unregelmässigkeit, sondern un- wandelbare Entwickelungsgesetze herrschen müssen. Wie der Querschnitt des erwachsenen Knotens in Figur 58 zeigt, sind es vor allen Dingen die Zellen u“, und u”, welche Theilungen erfahren, die in der Regel zur Ausbildung von Sprossvegetations- punkten führten. Im einfachsten und zugleich gewöhnlichsten Falle wird dabei die Zelle direct zur Urzelle des Adventivsprosses, welche sich genau so, wie die Urzelle des normalen Seitensprosses, in eine Scheitelzelle und in eine Gliederzelle theilt. Die letztere wird direct zum Basalknoten, ihre Halbirungswand ist so gerichtet, dass die beiden centralen Restzellen mit der betreffenden Centralzelle des Seitensprossknotens in Berührung stehen. Die peripherischen Zellen dieser Adventivsprosse können zum Theil wieder direet zu Ürzellen von Seitensprossen höherer Ordnung werden. Wenn wir erwägen, dass ausser den zahlreichen auf diese Weise gebildeten Vegetations- punkten auch die Abkömmlinge der peripherischen Zellen us und #" im Basalknoten des normalen Seitensprosses Sprossvegetationspunkte liefern können, dass ferner, wie wir früher gesehen haben, auch in der Basis jedes anderen Blattes gewisse Zellen als ruhende Vege- tationspunkte liegen, welche unter entsprechenden äusseren Umständen zu Sprossen auszuwachsen vermögen, so müssen wir bekennen, dass schon dadurch das Reproductionsvermögen der Sprossknoten von Chara stelligera als ein besonders hohes erscheint. Daneben aber können ausser den Wurzelhaaren auch noch Zweigkeime gebildet werden, welche die radiären Sprosse in einiger Entfernung von dem mütterlichen Knoten zur Entwickelung bringen und dadurch mit der Vermehrung der Individuen zugleich eine Ausbreitung der aus einem Knoten entspringenden Colonie über ein weiteres Areal ver- mitteln. Man darf diese Wirkung der Zweigvorkeime nicht unter- 63 schätzen, es handelt sich nicht um kurze Strecken von wenigen Millimetern, wie man vermuthen könnte, wenn man die Abbildungen vergleicht, welche Pringsheim von den Zweigvorkeimen der Chara fragilis gegeben hat,!) sondern das basale Glied der Zweigvorkeime erreicht unter bestimmten äusseren Um- ständen eine Länge bis zu 20cm, viel- leicht noch mehr; meine Experimente über diesen Punkt lassen einen sicheren Schluss über die obere Grenze dieser Ueberver- längerung des untersten Gliedes bisher überhaupt nicht”zu. Ich werde später noch Gelegenheit finden auf diese Eigenthümlich- keit der Zweigvorkeime zurückzukommen. In meiner Abhandlung über die Wurzel- knöllchen der Characeen habe ich nach- gewiesen, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Bau der zu Brutknöllchen umgewandelten Knoten der unterirdischen Sprosse und demjenigen der oberirdischen gleichfalls mit Stärke erfüllten Sprossknoten nicht vorhanden ist. Wir können also, um für den Ursprung und die Anordnung der Adventivsprosse am Hauptsprossknoten von Chara stelligera ein concretes Beispiel zu haben, hier dieselbe Figur verwenden, welche in jener Abhandlung zur Demon- stration des Austreibens eines Brutknöll- chens gegeben wurde und deren genauere Interpretation dort für später in Aussicht gestellt wurde. Der in Figur 59 dargestellte Sprossknoten trägt sechs Blätter, deren zahlreiche Internodien ebenso’wie die Mehr- zahl aller Knotenzellen mit Stärke voll- gepfropft waren. Die Narben, welche das zerfallende Internodium des Hauptsprosses und dasjenige des normalen Seitensprosses \ R- | | Fig. 59. Chara stelligera. Aus- treibende Bulbille. 9/1. hinterlassen haben, sind als grubige Vertiefungen wahrzunehmen. Die grösste derselben, über welche sich das Internodium des Haupt- l) Pringsheim’s Jahrbücher Bd. III, Taf. IX, X, XI. 64 sprosses erhob, lässt im Grunde ein Stück der ursprünglichen Halbirungs- wand und die beiden stammeigenen Zellen er und el erkennen. Die kleinere Grube war in dem der Zeichnung zu Grunde liegenden Präparat ganz mit einer Wucherung einzelliger Grünalgen erfüllt, so dass die Basalzellen des Seitensprossknotens nicht deutlich sichtbar waren. Die Lage dieser Narbe im Verein mit dem sichtbaren Theil der Halbirungswand gestattet uns aber die Numerirung der Blätter zu bestimmen, wie sie in der Figur vorgenommen ist. Ueber dem Blatt I unmittelbar am Rande der Narbe, welche der Seitenspross hinterlassen hat, stehen zwei radiäre Seitensprosse. Dieselben sind aus den Segmenten u”, und “s im Basalknoten des Seitensprosses hervorgegangen. Der in der Figur links stehende dieser beiden Adventivsprosse, welcher also dem Segment #”, entspricht, ist klein geblieben, aus seinem Basalknoten entspringen einige Wurzelfäden, der andere stärker entwickelte Spross dagegen trägt aus der Zell- gruppe an seiner Basis neben Wurzelfäden zwei weitere Adventiv- sprosse und zwei Zweigvorkeime, von denen der eine noch sehr klein ist, der zweite aber in der Figur als stattlichstes Adventivgebilde er- scheint. Weitere Adventivsprosse und Haarwurzeln sind an den Basalknoten der Blätter V und VI aufgetreten; sie entspringen sämmtlich aus den peripherischen Abkömmlingen der Halbirungszellen des Segmentes «'ı. Die Blätter II, III und IV wiesen zu der Zeit, als das Präparat gezeichnet wurde, noch keinerlei Entwickelung auf; später traten auch an ihren Basalknoten, und zwar gleichfalls aus dem Segment wı, Haarwurzeln auf. Entsprechend der Bevorzugung, welche die Oberseite der Basalknoten der Blätter bei Chara stelligera er- fährt, finden wir auch hier alle Adventivbildungen, nur an der Ober- seite des Knotens von den an der Unterseite gelegenen Zellen wies nach Abschluss des Experimentes keine einzige eine weitere Ent- wickelung auf. Die Wurzelfäden, welche in der Figur unter dem Blatt VI hervortretend scheinbar der Unterseite des Knotens ent- stammen, entsprangen aus der zum Achelspross gehörigen Zellgruppe an der Basis des Blattes I und aus dem Wurzelknoten des grösseren Zweigvorkeims; sie waren nur unten herum gewachsen, was bei der aufrechten Stellung, die dem Knöllchen während des Austreibens gegeben wurde, nicht zu 'verwundern ist, Morphologische und biologische Bemerkungen. Von K. Goebel. 8. Eine Süsswasserfloridee aus Ostafrika. Mit sechs Textfiguren. In der 6. Notiz!) habe ich einige Süsswasserflorideen aus Süd- amerika besprochen, die mir desshalb von Interesse zu sein schienen, weil wir bei ihnen die Einwanderung aus dem Meere noch direct verfolgen können.. Es wurde u. a. auch Delesseria Leprieurii er- wähnt, die in vollständig süssem Wasser angetroffen wurde und auf eine von Karsten in Amboina entdeckte zweite Süsswasser-Delesseria die D. (Caloglossa) amboinensis hingewiesen.?) Ueber die Verbreitung dieser Form, die Art ihrer Einwanderung, ihre Fortpflanzungsorgane u. s. w. ist nichts bekannt, ihr vegetativer Aufbau ist dagegen durch Karsten’s Untersuchungen klar gelegt. Durch einen Zufall konnte ich nun feststellen, dass eine mit der Del. amboinensis nahe verwandte oder sogar mit ihr identische Süss- wasserfloridee in Ostafrika vorkommt. Unter den unbestimmten Moosen des Hamburger botanischen Museums, deren Untersuchung mir von der Leitung dieses Instituts freundlichst gestattet wurde, befand sich nämlich ein von Stuhlmann unter Nr. 102 gesammeltes „Moos aus Bach Kibaoni, nördlich von Kokotoni“ (Zanzibar), das mir durch seine Färbung und seinen Habitus sofort auffiel. Es bildet dies verfilzte Massen von dunkler Färbung (mit Ausnahme einzelner ausgebleichter Theile). Die mikroskopische Untersuchung ergab sofort, dass es sich nicht, wie ich zuerst vermuthet hatte, um ein Lebermoos, sondern um eine Delesseria handle. Es genügt auf die Abbildungen Fig. 1--6 hinzuweisen, um diese Gattungszugehörigkeit zu erweisen. Und zwar steht die Art der von Karsten beschriebenen aus Amboina sehr nahe, so nahe, dass sie vielleicht nur eine Form derselben darstellt. Die Uebereinstimmung I) Ueber einige Süsswasserflorideen aus Britisch-Guyana, Flora, 83. Bd. (1897) p. 436, 2) G. Karsten, Delesseria amboinensis (Caloglossa Harv.) eine neue Süss- wasserfloridee. Bot. Zeit. 1891 p. 265. Flora 1898, ° 66 geht zunächst hervor schon aus dem Habitus. (Fig. 1.) Wie bei Delesseria amboinensis ist der Thallus gegliedert in „Knoten“, d. h. Stellen, an denen die Seitenzweige und auf der Unterseite die Haar- wurzeln entspringen; wie bei der erstgenannten Form sind ferner auch hier die jungen Sprossspitzen nach unten eingekrümmt. Während aber bei Delesseria amboinensis der Thallus an den Knotenstellen Do 67 bedeutend verschmälert ist, ist dies bei der vorliegenden Form nicht oder (was häufiger eintritt) nur in unbedeutendem Maasse der Fall. Auch ist die afrikanische Delesseria — sie sei der Kürze halber als Delesseria zanzibariensis bezeichnet — viel schmächtiger als Del. amboinensis. Bei letzterer erreicht nach Karsten der ausgewachsene Tballus eine Breite von 2—-3 mm, bei Del. zanzibariensis 0,25 —0,4 mm. Del. amboinensis ist bis jetzt nur steril bekannt, bei Del. zanzibariensis sind tetrasporentragende Exemplare in dem untersuchten Material nicht selten. Die Tetrasporangien kommen entweder einzeln oder in grösserer Anzahl vor und stehen in einer oder zwei Reihen neben der Mittelrippe, vom Rande sind sie stets durch sterile Zellen getrennt. (Fig. 4, 5.) Die Tetrasporenbildung kann sich über mehrere durch Knoten getrennte Thallusglieder erstrecken. Sie erfolgt im Wesent- lichen wie bei Del. (Caloglossa) Leprieurii bei der Cramer!) sie eingehend geschildert hat. Fig. 5 stellt eine Thallusspitze dar, in welcher Tetrasporangien angelegt wurden. Der Theilungsmodus der Scheitelzellsegmente erscheint hier vereinfacht, es findet nur eine Fächerung durch Periklinen statt. (Vgl. dagegen den vegetativen Spross Fig. 2) Die Zellen, welche an die Mittelrippe angren- zen, haben grossentheils eine Theilung durch eine antikline Wand erfahren, sie sind in zwei Zellen zerfallen, von denen die eine mit * bezeichnete Tetrasporangium wird. Es ist dies stets die nach dem Scheitel hin gerichtete Zelle, die später sich durch ein auf ihrer Ober- seite entstehendes Loch öffnet und die Tetrasporen entlässt. Die Schwesterzelle zerfällt, wie der optische Längsschnitt Fig. 6 zeigt, in eine mittlere, eine obere und eine untere Zelle. Das Auftreten resp. die Reihenfolge der Wände habe ich nicht weiter verfolgt, auch der Ansatz derselben war nicht ganz sicher zu schen. Das Auftreten der Tetrasporen bei Del. zanzibariensis ist der einzige bekannte Fall bei einer Süsswasserfloridee. Nun ist allerdings nicht angegeben, welche Beschaffenheit das Wasser des Baches hat, in welchem Stuhlmann diese Floridee sammelte, möglicherweise war es nahe der Mündung in die See und desshalb etwas salzhaltig. Das wäre näher zu unter- suchen und namentlich auch auf die etwaige Cystokarpien zu achten. Das Hauptinteresse aber, das sich an die Pflanze knüpft, und das mich zur Veröffentlichung dieser Notiz veranlasste, ist ein geographi- sches. Wenn auf Amboina wie auf Zanzibar eine Delesseria in dem Süsswasser sich findet, so ist die wahrscheinlichste Annahme die, dass 1) C. Cramer, Veber Caloglossa Leprieurii. (8.-A. aus der Festschrift zur Feier des 50jührigen Doctorjubiläums von Nägeli und Kölliker, Zürich 1891.) 5* 68 dies geschah durch Einwanderung einer, sei es früher, sei es noch jetzt weit verbreiteten marinen Form. Ist diese ausgestorben unter Zurück- lassung ihrer Süsswasserdescendenten oder lebt sie noch? Das sind Fragen, die durch weitere Untersuchungen zu beantworten sein werden, denn ein Transport der Keime der Süsswasserform von einer Insel zur andern ist doch sehr unwahrscheinlich und bis auf das hypothetische Lemurien zurückzugreifen, wird man sich bei der Un- vollständigkeit unserer derzeitigen Kenntnisse über die Verbreitung der Algen vorläufig auch nicht entschliessen wollen. Figurenerklärung. Fig.1. Habitusbild von Delesseria zanzibariensis, etwa 20 Mal vergrössert, von oben gesehen. Die Thallusspitzen sind nach unten hin eingekrümmt, auf der Unterseite stehen auch die (wie bei anderen Delesserien) durch Quer- wände getheilten Haarwurzeln, und zwar nur an den Knoten. Fig. 2. (Stark vergr.) Spitze eines sterilen Sprosses, Fig. 3. Thallusstück weiter unten (schwächer vergr. als Fig. 2). Man sieht, dass die Zellenanordnung die für die Delesserien bekannte ist. Fig. 4. Thallusstück mit Tetrasporangien von der Fläche, die letzteren punktirt. (Vergr.) . Spitze eines Thallusastes, an dem Tetrasporangien augelegt werden; die- selben sind mit * bezeichnet. Fig. 6. Stück eines mit Tetrasporangien versehenen Thallus im optischen Längs- sehnitt: die Schwesterzellen der Tetrasporangien in je drei Zellen getheilt. [243 Fig. Archegoniatenstudien. Von K. Goebel. VI. Rückschlagsbildungen und Sprossung bei Metzgeria. Mit 5 Textfiguren. In der Abhandlung „Ueber Jugendformen von Pflanzen und deren künstliche Wiederhervorrufung“ !) habe ich die Bedingungen klarzu- legen gesucht, unter denen ein „Rückschlag“ zur Jugendform hervor- gerufen werden kann. Es zeigte sich, dass man bei einer Anzahl von Pflanzen diesen dadurch herbeiführen kann, dass man sie in ihrer Entwickelung hemmt, dass also das Auftreten der Jugendstadien an andere äussere Bedingungen geknüpft ist, als das der späteren Ent- wickelungsstufen. Dies trat hervor auch bei den Regenerationserschei- nungen. Ob bei der Regeneration auf die Jugendform zurückgegriffen wird oder nicht, hängt, wie z. B. an Farnprothallien zu zeigen ver- sucht wurde, ab von dem Zustand, in welchem der zur Regeneration benützte Pflanzentheil sich befindet; er entscheidet darüber, ob sofort eine Zellfläche oder — wie bei der Sporenkeimung — ein Zellfaden als Neubildung auftritt. Selbst da, wo — wenn überhaupt eine Regeneration eintritt — dabei stets die Jugendform auftritt, zeigt diese in ihren Eigenschaften sich von der Mutterpflanze beeinflusst. Protonema z. B., das aus den Blättern fructifieirender Pflanzen von Funaria sich entwickelt hatte, schritt erst sehr viel später zur Bil- dung von Moosknospen als das aus nicht fructifieirenden entwickelte, und mehrfach war aus den Blättern fruchtender Moose überhaupt eine Regeneration nicht zu erzielen. Auffallend war nun namentlich, dass die Lebermoose meist (betreffs der beobachteten Ausnahmen s. a. a. O.) sich anders verhalten als die Laubmoose: ein abgetrennter Theil eines Marchantiathallus oder ein abgeschnittenes Blatt einer Jungermannia erzeugen nicht einen Keimschlauch, wie die keimende Spore, sondern einen (oder viele) Zellkörper, aus dem die neue Pflanze hervorgeht. Es wurde indess hervorgehoben, dass man wahrscheinlich es in der Hand habe, auch hier die Pflanze zum Hervorbringen des Keimstadiums 1) Sitzber. der. Kgl. bayer. Akademie der Wissenschaften, Mathem.-physik. Klasse 1896, 70 zu veranlassen. Letzteres sei in der Pflanze „latent“ vorhanden, wenn wir es mit k bezeichnen, so wären die Zellen der erwachsenen Pflanze alsk-x-+y... zu betrachten, d.h. also, es ist zu k etwas hinzu gekommen, was bedingt, dass die Gestaltung jetzt eine andere wird, wobei eine Trennung von k und x-+ yetc. vielfach nicht mehr mög- lich ist. Metzgeria fureata bietet nun ein lehrreiches Beispiel dafür, dass in der That auch auf späterem Lebensalter durch bestimmte äussere Umstände eine Rückkehr zur Jugendform erreicht werden kann. Erinnern wir uns zunächst der Vorgänge bei der Sporenkeimung dieses Lebermooses. Ich habe dieselben auf Grund von Aussaaten früher beschrieben'): „Die keimende Spore findet man nach einiger Zeit in zwei ungleich grosse Zellen getheilt. Die grössere stellt hier den Keimfaden dar, in der kleineren wird sofort die Bildung einer zweischneidigen Scheitelzelle eingeleitet. So besteht also hier der „Vorkeim“ nur aus einer Zelle, deren Bedeutung aber durch den Vergleich mit Aneura deutlich wird.“ Die Untersuchung von im Freien ge- fundenen Keimpflänzchen zeigte, dass die Länge der Keimfaden hier offenbar von äusseren Factoren abhängig ist; nach Ana- a b logie mit anderen Fällen wird namentlich Fig. 1. Metzgeria furecata. das Licht in Betracht kommen und die Bil- Keimpflanzen. a normal, dung einer zweischneidigen Scheitelzelle also beginnt mit einem Zellfaden 0; schwächerer Beleuchtung erst später auf- und geht dann zur Zell- fläche über, bhatzwarinder treten als bei stärkerer. So zeigten denn die zweiten Zelle des Keim- in Fig.1 abgebildeten Keimlinge einen mehr- fadens eine zweischneidige zelligen Keimfaden, in dessen Endzelle die Scheitelzelle angelegt, ist Bildung der zweischneidigen Scheitelzelle auf- dann aber sofork wieder zur 4 Dies Wachsthum kann aber wieder Zellreihbildung zurückge- kehrt. aufgegeben werden, die Scheitelzelle kann unter bestimmten äusseren Bedingungen wieder zum Keimfaden auswachsen (Fig. 1b). Meist aber ist mit dem Auf- treten der Scheitelzelle dauernd eine Zellfläche angelegt, allerdings zunächst noch eine nur aus zwei Zellreihen bestehende, da die Seg- mente der Scheitelzelle sich noch nicht durch perikline Wände theilen. 1) „Ueber die Jugendzustände der Pflanzen.“ Flora 1889 (72. Bd.) pag. 15. 71 Wir wollen die bei der Keimung entstehende Zellreihe als erstes, die zweireihige Zellläche als zweites Jugendstadium bezeichnen. Treten dann jene periklinen Wände auf, so bildet sich ein zunächst schmäch- tiger und rippenloser Thallus (Stadium 3), der allmählich seine cha- rakteristische Form (Rippe, Schleimhaare ete.) erhält, die oft genug abgebildet und beschrieben worden ist. Kann man nun die Entwiekelung, wenn der Höhepunkt erreicht ist, gewissermaassen wieder zurückschrauben auf den Ausgangspunkt? Wenn man einen kräftigen, gut ernährten Metzgeriathallus, wie man ihn, durch sattgrüne Farbe leicht kenntlich und meist reichlich fruchtend, am Grunde von Baum- stämmen etc. in unseren Voralpen häufig trifft, nimmt und versucht, ihn zu dieser Rück wärtsentwickelung zu bringen, so wird man die Frage ver- neinen. Nichts ist zwar leichter, als Adventivsprosse aus abgeschnittenen Stücken zu erzielen. Aber diese treten, wie bekannt, sofort als cha- rakteristischer Metzgeriathallus auf, es bildet sich aus einer Randzelle sogleich eine Scheitelzelle, also eine Zellläche, die bald die charakteri- stische Beschaffenheit des Metzgeria- thallus erreicht, So schwingt, wenn Fig.2. Metzgeria furcata. Sprossender ich ein Bild gebrauchen darf, der Thallus, schwach vergr. Man sieht, . dass bei einigen der Adventivsprossen Pendel der Entwiekelung nur ganz keine Mittelrippe vorhanden ist oder wenig nach der Seite der Jugend- erst später angelegt wird. Bei dem form hin, nur auf das Stadium 3, um Adventivspross unten rechts geht die dann rasch zur „typischen“ Form Mittelrippe nach der Spitze hin ver- zurückzukehren. Es hat die Pflanze loren. noch zu viel x-+y... Anders, wenn man Formen nimmt, die ein kümmerliches Dasein fristen und es nicht zum normalen Höhepunkt der Entwiekelung, zur Fruchtbildung, bringen. Eine derartige Form ist die, welche Nees von Esenbeck (Naturgeschichte der euro- päischen Lebermoose III pag. 488) als „&. Ulvula“ bezeichnet hat. Man findet sie auf Baumrinden in Form meist gelblichgrüner Polster, die in der That einigermaassen an Algen erinnern. Die Pflanzen befinden sich hier in einem Sprossstadium, d. h. sie bilden, statt un- gestört weiter zu wachsen, eine Menge Adventivsprosse (Fig. 2), die 72 ihrerseits denselben Vorgang wiederholen, offenbar infolge äusserer, das Wachsthum ungünstig beeinflussender Factoren. Dabei ist nun auch die vegetative Ausbildung in verschiedenem Grade gehemmt. Es fehlen vielfach die Haarwurzeln, der Thallus ist schmäler und ver- liert nicht selten auch seine Mittelrippe, wird also zu einer einschich- tigen Zellplatte, der auch die Schleimhaare fehlen (Stadium 3). Man kann beobachen, wie ein Thallus, der in seinem unteren Theile eine Mittelrippe besass, in seinem oberen rippenlos wird — also die Um- kehrung des normalen Vor- gangs. Solche „abge- schwächte“ Sprosse sind nunauch im Stande, zur Jugendform zurückzu- kehren, am leichtesten zu dem zweiten Theil derselben, wo eine Scheitelzelle schon vorliegt, deren Segmente aber sich nicht weiter theilen. Fig. 3. Metzgeria furcata Ein Fig. 4. Metzgeria furcata. Adventivspross an etwa 6—8 Zellen breiter Thallus einem Thallus (dessen Zellen fast sämmtlich geht an der Spitze in einen abgestorben waren) in Gestalt eines Keim- zweireihigen über, der wieder fadens. zu einem vierreihigen wurde. Solche zweireihige, schmale Bildungen können sowohl aus der Spitze breiterer, mehrreihiger hervorgehen (Fig. 3), als auch als Adventivbildungen am Thallusrand entstehen. Dass wir es lediglich mit einer Hemmungsbildung zu thun haben, zeigt eben Fig. 3, wo erst eine Verschmälerung auf zwei Zellreihen und dann wieder eine Verbreiterung eingetreten ist. 73 Schwieriger und seltener ist die Rückkehr zum ersten Stadium der Jugendform, zur Fadenbildung. Diese erfolgt offenbar nur bei ganz besonders „abgeschwächten“ Sprossen. Man findet die Faden- form statt der Zellflächen als Adventivbildungen auftreten am Rande von dünnen Sprossen, deren Zellen grossentheils abgestorben sind (Pig. 4), die also unter besonders ungünstigen Verhältnissen waren. Ebenso kann man auch beobachten, dass zweireihige Sprosse an ihrer Spitze in Zellfäden übergehen (Fig. 5), und Fig. 5 zeigt, dass ein mehrmaliges Schwanken vorkommen kann, ein Schwanken, das offenbar direct durch äussere Verhältnisse bestimmt wurde, ganz ähnlich wie dies früher für die Keim- linge von Preissia commutata nachgewiesen wurde, bei denen man ja nach dem Wechsel der Licht- intensität bald Zellflächen, bald Zellfäden hinter einander erzielen kann. Bei Metzgeria ist ein direeter Nachweis durch Cultur nicht geführt wor- den, die Pflanze lässt sich bei den gewöhnlich angewandten Oulturmethoden nicht leicht längere Zeit normal erbalten.!) Aber ein solcher experi- menteller Nachweis ist auch nicht nöthig, der morphologische genügt vollständig zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage. Wir sahen, dass aus- gehend von vollständig entwickelten Sprossen, die sogar Geschlechtsorgane anlegen können, es aber nicht zur Fruchtbildung bringen, alle Uebergänge sich finden bis zu einer vollständigen Rückkehr zur Keimform, ja dass das erste Stadium derselben, die Fadenform, hier sogar von längerer Dauer als bei der Sporenkeimung sein kann. Dies führt uns Fig. 5. Metzgeria fur- zu dem Schlusse, dass „k“ auch bei der erwach- cata. Wiederholter senen Pflanze vorhanden ist, aber nur zu Tage Wechsel zwischen tritt, wenn die Pflanze Schritt für Schritt abge- Zellfaden und zwei- schwächt worden ist. Wir sehen, dass hier reihiger Zeilfläche, die Entwickelung in der That sich umkehrt — aber nur dann, wenn dies schrittweise erfolgt. Niemals wurde, wie schon oben er- wähnt, an einem kräftigen, normalen Metzgeriathallus das Auftreten . 1) Wahrscheinlich verlangt sie ein periodisches Austrocknen; ich zweifle übrigens nicht, dass man mit einiger Mühe Metzgeria leicht jahrelang wird ziehen können, 74 der Jugendform beobachtet, die nothwendige Voraussetzung ist die Beseitigung des x+y. Ist das geschehen, dann zeigt sich, dass die Möglichkeit, die Jugendform hervorzubringen, nicht eine Eigenschaft der Sporen allein ist, dass sie vielmehr latent in jeder Thalluszelle vorhanden ist. Weil dies in dem vorliegenden Falle ganz besonders klar zu Tage tritt, wollte ich denselben hier besprechen. Man könnte mir nun noch einwerfen, die Ulvula-Form von Metz- geria sei überhaupt nur eine Jugendform, bei der demzufolge Rück- schläge leichter eintreten können. Darauf wäre zu erwidern, dass es für die Frage, die hier behandelt wurde, ganz gleichgiltig ist, ob die Ulvula-Form hervorging aus der Sporenkeimung oder der Sprossung eines älteren Thallus. Denn wir haben gesehen, dass ein vollständig „normaler“ Thallus rippenlos werden, der rippenlose auf das Jugend- stadium 2 und dieses auf 1 zurücksinken kann, und das ist das, worum es sich hier handelt. Uebrigens erinnert der eben beschriebene Fall durchaus an den für Schistostega a. a. O. nachgewiesenen. Während bei einem nor- malen Moosstämmehen aus der Scheitelzelle niemals ein Protonema- faden hervorgeht, kann dies eintreten bei den „abgeschwächten“ Stämmchen von Schistostega, d. h. denen, die ihr Wachsthum ab- geschlossen haben, aber noch nicht abgestorben sind. Für die Frage nach dem Wesen der Vererbung und der Entwickelung sind diese Thatsachen offenbar von grosser Bedeutung, mag man sie vielleicht auch anders deuten, als das eben geschehen ist. ar | Litteratur. Jahresbericht über die Fortschritte in der Lehre von den Gährungs- organismen. Von Prof. Dr. Alfr. Koch. Fünfter Jahrg. 1897. Verlag von Harald Bruhn, Braunschweig. Preis 9 Mk. 60 Pfg. Wie die früheren Jahrgänge, so gibt auch der vorliegende in kurzer, klarer Darstellung (mehrfach auch mit kritisehen Bemerkungen) einen Ueberblick über das wichtige Gebiet der Gährungsorganismen, Es liegt hier also ein wirklich von sachkundiger Seite gegebener Bericht vor — was man nicht von allen Jahres- berichten sagen kann! K. 6. Die Farnkräuter der Erde. Beschreibende Darstellung der Geschlechter und wichtigeren Arten der Farnpflanzen mit besonderer Berück- sichtigung der exotischen. Von Dr. H. Christ. Mit 291 Abbil- dungen. Jena, Verlag von Gustav Fischer, 1897. Preis 12 Mk. Seit der „Synopsis filicum“ von Hooker (herausgeg. von Baker) ist ein Gesammtwerk über Farne nicht erschienen. Die Synopsis war ein höchst ver- dienstliches Werk, aber niemand wird bestreiten wollen, dass ein natürliches System der Farne nicht darin zu finden und die Artumgrenzung vielfach bedenklich ist. Zudem sind zahlreiche neue Arten hinzugekommen. Es war desshalb ein dankens- werthes Unternehmen, dass der Verfasser, der einer der besten Farnsystematiker ist, sich entschlossen hat, das grosse Gebiet neu zu bearbeiten. Es werden 1154 Arten isosporer Farne besprochen und durch 291 meist schr instructive Abbil- dungen erläutert, so dass das Buch für jeden, der sich eingehender mit Farnen beschäftigt, unentbehrlich ist. Dass es auf dem Wege zu einer natürlichen Farnsystematik auch nur eine Annäherung darstellt, ist übrigens selbstverständlich, schon desshalb, weil es zwei Hilfsmittel — die Geschlechtsgeneration und den anatomischen Bau — nicht oder doch nur wenig berücksichtigt. Auf Grund der Geschlechtsgeneration wäre 2. B. die Gattung Anogramme von Gymnogramme abzutrennen gewesen. Auch die bio- logische Litteratur hätte eine eingehendere Berücksichtigung verdient ; s0 ist z. B die Zeichnung der Schuppe von Trichoman. membranaceum nicht richtig, ebenso- wenig die Annahme, dass das Rhizom von Polypod, sarcopus durch den terato- logischen, aber constanten und zur Species gehörigen Reiz, den die Ameisen aus- üben, nur gewissermassen missbildet sei. Bekanntlich handelt es sich bei diesen Polypodienstämmen um ein Wassergewebe, an dessen Stelle später die von den Ameisen bewohnten Höhlungen treten. Ebenso wäre doch erst zu beweisen, dass die in den Nischenblättern einiger Polypodium-Arten (der Verfasser nennt sie ohne ersichtlichen Grund Niederblätter) aufgehäuften Humusmassen durch Regen- würmer zugetragen seien! Diesen Ausstellungen gegenüber mag nochmals darauf hingewiesen werden, welch bedeutender Fortschritt in der Farnsystematik in dem Christ’schen Buche gegenüber dem in der Synopsis filicum festgehaltenen Stand- punkte verkörpert ist, K.G. 76 Pflanzenphysiologie. Ein Handbuch der Lehre vom Stoffwechsel und Kraftwechsel in der Pflanze. Von Dr. W. Pfeffer, o. ö. Professor der Botanik an der Universität Leipzig. Zweite völlig umgearbeitete Auflage. Erster Band: Stoffwechsel. Mit 70 Holzschnitten. Leipzig, Verlag von Wilh. Engelmann. Preis 20 Mk., gebunden 23 Mk. Die erste Auflage von Pfeffer's Pflanzenphysiologie erschien im Jahre 1881, In den inzwischen verflossenen Jahren ist das Gebiet der Pflanzenphysiologie we- sentlich bereichert worden, mit in erster Linie durch die Arbeiten des Verfassers und seiner zahlreichen Schüler. Diese Bereicherung erforderte eine Umgestaltung und Vermehrung des Handbuches, welche sich schon in seinem veränderten Um- fang ausspricht; während der erste Band in der ersten Auflage 383 Seiten zählte, sind es in der zweiten 620. Dies wird allerdings auch durch die bessere Druck- ausstattung mit bedingt; die „klein“ gedruckten Theile sind mit grösseren Lettern gedruckt. Es ist freudig zu begrüssen, dass der Verleger sich entschlossen hat, ein inhaltlich so hervorragendes Werk auch äusserlich besser auszustatten. Ueber den Inhalt selbst hier etwas zu sagen, wäre überflüssig; jeder Botaniker wird das Werk eingehend studiren, und weit über die Grenzen der Botanik hinaus ist es mit Spannung erwartet worden, — Die Form der Darstellung, die dem Leser Pfeffer’scher Abhandlungen manchmal Schwierigkeiten bereitet, erscheint flüssiger als in der ersten Auflage. Wenn man sich auch mit manchen kühnen Bildern und Ausdrucksweisen (wie z. B. den „Gesichtspunkten und Anschauungen, die als Leit- sterne und Angelpunkte dienten“, den „Protoplasten, in welchen die Pulse des Lebens schlagen“ u. a.) nicht wird befreunden können, so können doch diese Aeusserlich- keiten dem Inhalte gegenüber nicht in Betracht kommen. K.G. Das botanische Praktikum. Anleitung zum Selbstudium der mikro- skopischen Botanik. Für Anfänger und Geübtere. Zugleich ein Handbuch der mikroskopischen Technik. Von Dr. Ed. Strasburger, 0.6. Professor der Botanik an der Universität Bonn. Dritte umgearbeitete Auflage. Mit 221 Holzschnitten. Jena , Verlag von Gustav Fischer, 1894. Das Strasburger’sche Praktikum ist in allen botanischen Laboratorien als ein „standard-work“ längst hochgeschätzt und in eifrigster Benützung. Die neu erschienene dritte Auflage bringt eine Anzahl von Aenderungen, welche der ver- änderten Lage auf dem Gebiete der mikroskopischen Forschung entsprechen. Wie der Verf. im Vorwort hervorhebt, ist hier namentlich auf die Verbreitung der Apochromaten und der Mikrotome hinzuweisen, (die beide entsprechend ein- gehendere Behandlung erfahren haben. Diese musste sich auch erstrecken auf die allmählich sich klärenden Erfahrungen betreffs der Fixirung und Färbung pflanz- licher Objecte. Das Buch gibt in allen diesen Beziehungen auf eingehendster Sachkenntniss und reicher Erfahrung heruhende Anweisungen. Diese ermöglichen jedem, der sie befolgt, ein rasches Einarbeiten in die modernen Untersuchungs- methoden. Und gerade diese Vortrefflichkeit des Buches wirkt auf Anfänger, wenigstens theilweise, ungünstig ein. Wenigstens Ref. hat die Erfahrung gemacht, dass dieselben vom Einbetten, Mikrotomschneiden und Färben nicht mehr wegzu- bringen sind, auch da, wo ein Freipräpariren und körperliches Betrachten des Öbjeetes rascher zum Ziele führt. Es wäre desshalb sehr erwünscht, wenn der Verfasser sich entschliessen würde, in der nächsten Aufgabe auch den Theil der } ! 77 Entwickelungsgeschichte an Beispielen zu behandeln, der, wie z. B. Blatt- und Blüthenentwickelung, sich auf Schnitten allein nicht untersuchen lässt. Fast gleichzeitig erschien, ebenfalls in dritter, umgearbeiteter Auflage, „Das kleine botanische Praktikum für Anfänger“ des Verf. (Jena, Gustav Fischer, Preis broschirt 6 Mk. gebunden 7 Mk), ein Buch, dessen erfolgreich gelöste Aufgabe es bekanntlich ist, Anfünger, die sich nieht fachmässig mit Botanik be- schäftigen wollen, in die Pflanzenanatomie und die mikroskopische Technik ein- zuleiten. K. G. Untersuchungen über Selaginella spinulosa A.Br. Von Prof. Dr. H. Bruchmann in Gotha. Mit 3 lithogr. Tafeln. Gotha, Verl. von Justus Perthes. 1897, Die vorliegende Monographie zeigt, wie unvollständig selbst verhältnissmässig nicht seltene Pflanzen unserer Heimath bekannt sind. Es gilt dies auch für den gröberen morphologischen Aufbau von 8. spinulosa, für welchen charakteristisch ist, dass das hypokotyle Glied erhalten bleibt und an seiner Basis eine Anschwellung erhält, welche die einzige Stelle ist, wo Wurzeln erzeugt werden. Betreffs der Anatomie scheint dem Verf. die neuere Litteratur (namentlich die Abhandlungen von Dangeard und Gibson) unbekannt geblieben zu sein. — In den Wurzeln findet sich ein endophiytischer Pilz, worin der Verf. in sehr problematischer Weise eine „Symbiose“ sieht, Eingehend beschrieben wird das Scheitelwachsthum, betreffs dessen der Verf. zu etwas andern Resultaten als Hegelmaier gelangt, er negirt aber wie dieser das Vorhandensein einer Scheitelzelle. Die erste (zuweilen auch die zweite) Verzweigung der Pflanze ist stets eine gabelige, später aber tritt Uebergang zu seitlicher Verzweigung ein, eine modifieirte Diehotomie, wie sie ja auch bei Lycopodium sich findet. Von Interesse ist das secundäre Dickenwachs- thum des Stammgrundes an der Stelle, wo die Wurzeln angelegt werden; es erfährt auch der Holzkörper einen, wenngleich unbeträchtlichen, sekundären Zuwachs. Betreffs der Einzelheiten sci auf «das Original verwiesen. Ein weiterer Theil der Abhandlung beschäftigt sich mit der Sporenkeimung und Embryoentwickelung. Merkwürdig ist, dass am Prothallium frühzeitig schon drei Höcker angelegt werden, welche die dicke äussere Sporenhaut sprengen; ihre oberflächlichen Zellen wachsen zu langen „Triehomen“ aus, welche wohl zum kapillaren Festhalten von Wasser dienen und offenbar den Haarwurzeln anderer Prothallien homolog sind. Ein „Diaphragma“ ist hier nicht vorhanden, und auch der Archegonienhals weicht durch den Besitz dreier Stockwerke von dem der übrigen Selaginellen ab. — Be- sonders sorgfältig hat der Verf. auch die Embryoentwickelung verfolgt, was um so erwünschter war, als seit Pfeffer’s Untersuchungen — von deren Resultaten die bei 8. spinulosa erhaltenen mehrfach abweichen — keine eingehende Embryo- logie dieser Selaginella-Art bekannt geworden ist. Die Angaben des Verf.’s hier zu discutiren, ist nicht möglich; seine Untersuchungen haben unsere Kenntniss der Selaginellen jedenfalls wesentlich bereichert, K. 6. Eingegangene Litteratur. Anderson A. P,, Stomata on the bud seales of Abies peetinata. Reprinted from the botanical gazette, Vol. XXIV, Nr. 4. 1897. — Comparative anatomy of the normal and diseased organs of Abies balsumea apfected with aecidium elatinum, Ibid. Nr. 5. 78 Belajeff Wl., Ueber die Aehnlichkeit einiger Erscheinungen in der Spermatogenese bei Thieren und Pflanzen. (Vorläufige Mittheilung.) 8.-A. aus d. Ber. der Deutschen bot. Ges. 1897 Bd. XV Heft 6. Ibid. — — Ueber den Nebenkern in spermatogenen Zellen und die Spermatogenese bei den Farnkräutern. (Vorläufige Mittheilung.) Ihbid. — — Einige $treitfragen in den Untersuchungen über die Karyokinese. (Vor- läufige Mittheilung.) Ibid. -- — Ueber die Spermatogenese bei den Schachtelhalmen. Ibid, Bohlin K., Die Algen der ersten Regnell’schen Expedition. I. Protococcoideen. M. 2 Taf. Bihaug til K. Swenska Vet. Akad. Handlingar. Bd. 23. Aft. III Nr. 7. Meddelanden fran Stockholms Hogskola. Nr. 162. Ibid. — — Studien öfver nägra slägten af Alggruppen Confervales Borzi. M. 2 Taf. Bruchmann H., Untersuchungen über Selaginella spinulosa. M, 3 lithograph. Tafeln. Gotha, F. A. Perthes. 1897. Buchner Ed. u. Rud. Rapp, Alkohol. Gährung ohne’Hefezellen. 8.-A. a. Ber. der Deutschen chem, Ges. Jahrg. XXX Heft 17. 1897. Büsgen M., Bau und Leben unserer Waldbüume. M. 100 Abb. Jena, Gustav Fischer. 1897. Campbell D.H., A morphological study of Najas and Zannichellia, (M. 5 Tafeln.) Repr. from Proceedings of the California Academy of sciences. 34 ser. Bot. Voll Cardot J., The mosses of the Azores and of Madeira. From the 8th Annual re- port of the Missouri botanical Garden. 1897. Christ Dr. H., Die Farnkräuter der Erde. Beschreibende Darstellung der Ge- schlechter und wichtigeren Arten der Farnpflanzen mit besonderer Berücksich- tigung der exotischen. M. 291 Abb. Jena, Verlag von Gustav Fischer. 1897. Cohn, Kryptogamenflora von Schlesien. IH. Bd. Pilze, Bearb. von Dr. J.Schröter. 2. Hälfte, 4. Lieferung. Breslau 1897. J. U. Kerns Verlag. Contributions from the botanical laboratory (University of Pennsyl- vania). Contents: M. E. Pennington, A chemico-physiological study of Spirogyra nitida; L. B. Cross, On the structure and pollination of the flo- wers of Eupatorium ageratoides and Eup. coelestinum; A. F. Schively, Contributions to the life history of Amphicarpaea anoroica. Correns C., Vorläufige Uebersicht über die Vermehrungsweisen der Laubmoose durch Brutorgane. $.-A. aus d. Ber. der Deutschen bot. Ges. 1897, Bd. XV Heft 7. Ibid. — — Ueber die Membran und die Bewegung der Oseillarien. (Vorläufige Mit- theilung.) Heft 2. Ibid. — — Schinzia seirpicola spec. nov. 8.-A. aus Hedwigia, Bd. XXXVI 1897. Costantin, Accomodation des plantes aux climats froids et chauds. (Bulletin scientifique de la France et de la Belgique. T. XXXI Curtius Ph. und J. Reinke, Die flüchtige reducirende Substanz der grünen Pflanzentheile. S.-A. aus d. Ber. der Deutschen bot. Gies. 1897, Bd. XV Heft 3. Dalmer M., Beiträge zur Morphologie und Biologie von Ilex aquifolium und Cakile maritima auf der Insel Rügen. 8.-A. a. Bot. Centralblatt Bd, LXXII. 1897. Darwin Francis, Observations on stomata by a new method. (Extr. from pro- ceedings of the Cambridge philosophical society Vol. IX Part. VI. De Candolle C., Sur les phyllomes hypopeltees. 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Mit 8 lithographirten Tafeln. Lex. 8°. VII, 3148. Mk. 18.—. Die Mechanik der Reizkrümmungen von Dr. F. G. Kohl, Professor der Botanik an der Universität Marburg. Mit 19 Figuren im Text und 6 Tafeln. lex. 8, 948. Mk. 4.50. Gustav Fischer, Verlagsbuchhandlung in Jena. Soeben erschien: . Büsgen, Dr. M., Prof, an der Grossherzoglich Sächsischen Forstlehranstalt Eisenach, Bau und Leben unserer Waldbäume. Mit 100 Abbildungen. Preis: 6 Mark. Fischer, Dr. Alfred., a, o. Professor der Botanik in Leipzig, Vorlesungen über Bacterien. Mit 29 Abbildungen. Preis: 4 Mark. Migula, Dr. W., a. o. Prof. an der technischen Hochschule zu Karlsruhe, System der Bacterien. Handbuch der Morphologie, Entwicklungsgeschichte und Systematik der Bacterien,. Erster Band: Allgemeiner Theil. Mit 6 Tafeln. Preis: 12 Mark. Molisch, Prof. Dr. Hans, Vorstand des pflanzenphysiologischen Instituts der Universität Prag, Untersuchungen über das Erfrieren der Pflanzen. Mit 11 Holzschnititen im Text. 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GOEBEL Professor der Botanik in München, Heft II mit einer Tafel und vier Textfiguren. * Erschienen am 23. April 1898. sITUNG. L. MITZKEWITSCH, Ueber die Kerntheilung bei Spirogyra . . . . Seite 81-124 HERMANN ROSS, Blthenbiologisehe Beobachtungen an Üobaea macro- Stemma Pav. . „ 125-134 Dr. KARLL. SCHAEFER, Zur Lehre von der Reaction des Protoplasmas auf thermische Reize . . . „ 135-140 W. MIGULA, Weitere Untersuchungen über Astasia asterospora Meyer . „ 141-150 LITTERATUR: O. Warburg, Monographie der Myristicaceen. — Dr. F. Höck, Grundzüge der Pflanzengeographie . . . . . ” 151-154 EINGEGANGENE LITTERATUR . 2.00. nn een en 155-156 MARBURG. N. G. ELWERT'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG. 1898. Bemerkung. Das Honorar beträgt 20 Mk. pro Druckbogen, für die Litteraturbesprechungen 30 Mk. Die Mitarbeiter erhalten 30 Sonderabdrücke kostenfrei. Wird eine grössere Anzahl gewünscht, so werden für Druck und Papier berechnet: Für 10 Exemplare pro Druckbogen Mk. 1.20; pro einfarb, einfache Tafel Mk. —.30 L) 20 ” ” r ” 2.50 rn ” ” ” ® —.60 ” 30 ” r ” » 3.80 ” ” ” » ” —.90 n 40 y r r ö ” 5.— r » y v r 1.20 » 50 ” rn rn n 6.50 ” n r ” u 1.50 . ” 60 ” n ” ” 8.— „ » r ” r 2.— ” 70 ” 7 r ” 9.20 r r ” ” rn 2.50 » 80 n Pi ” „ 1050 „ ” » ” 3 » 90 2 „ ” »„ 12.— ” ” n » ” 4.— „ 300 ” n ” „ B— ,„ n ” " » ” 9. Dissertationen, Abhandlungen systematischen Inhalts, sowie solche, von welchen über 100 Sonderabdrücke hergestellt werden, werden nicht honorirt; für solche, die umfangreicher als 4 Bogen sind, werden nur 4 Bogen honorirt; die Kosten für Abbildungen hat bei Dissertationen der Verfasser zu tragen; ebenso bei fremdsprachigen Manuskripten die Kosten der Uebersetzung. Die Zahlung der Honorare erfolgt nach Abschluss eines Bandes. Der Bezugspreis eines Bandes beträgt 20 Mark. Jedes Jahr erscheint ein Band im Umfang von mindestens 30 Druckbogen; nach Bedürfniss schliessen sich an die Jahrgänge Ergänzungs- bände an, welche besonders berechnet werden. Manuskripte und Litteratur für die „Flora“ sind an den Herausgeber Herrn Prof. Dr. Goebel in München, Nymphenburgerstr,. 50/ zu senden, Korrekturen an die Druckerei von Valentin Höfling, München, Kapellenstrasse 8. Alle geschäftlichen Anfragen etc. sind zu richten an die unterzeichnete Verlags- handlung, N. G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung Marburg (Hessen-Nassau). Ueber die Kerntheilung bei Spirogyra. (Aus dem botanischen Laboratorium der Kaiserlichen Universität Warschau.) Von L. Mitzkewitsch. Hiezu Tafel V, Obgleich dem karyokinetischen Process bei Spirogyra bereits eine ganze Reihe von Untersuchungen gewidmet worden ist, so ist derselbe trotzdem immer noch nicht ganz aufgeklärt und es bestehen ‚darüber bis in die gegenwärtige Zeit sogar in Bezug auf seine Fun- damentalmomente noch scharfe Meinungsverschiedenheiten. Zu den allerwesentlichsten Widersprüchen in der Litteratur dieser Frage, deren Resultate fast vollständig von einander verschieden sind, gehören vor Allem die abweichenden Auffassungen über die chemische Natur des Kernkörperchens und seine Rolle im karyokinetischen Processe. Eine Anzahl Forscher gelangte nämlich in dieser Hinsicht zu dem Schlusse, dass das Kernkörperchen bei Spirogyra völlig analog demjenigen der höheren Pflanzen sei, während es nach den Angaben Anderer sowohl seiner Zusammensetzung nach, als auch der Rolle wegen, welche es im karyokinetischen Processe spielt, einen Körper darstellt, der sich von den Kernkörperchen der höheren Pflanzen unterscheidet und nicht in den allgemeinen Typus derselben einrangirt werden kann. In unmittelbarer Verbindung mit dieser oder jener Ansicht über das Kernkörperchen stehen ferner die der Wirklichkeit nicht ent- sprechenden und nicht selten einander entgegengesetzten Meinungen über die Entstehung der Kernplatte. Während nach der Ansicht einiger Autoren die Kernplatte bei Spirogyra ausschliesslich auf Kosten des Chromatins des Netzgerüstes des Zellkernes gebildet wird, meinen Andere, dass das zu ihrer Bildung nothwendige Material lediglich vom Kernkörperchen geliefert wird; noch andere Forscher schreiben ihr eine gemischte Herkunft zu, d. h, sie behaupten, dass an ihrer Bildung sowohl die Substanz des Netzgerüstes, als auch die des Kernkörper- chens theilnimmt. Dureh ebensolche Widersprüche zeichnen sich auch die in der Litteratur über Spirogyra den achromatischen Theil der karyokineti- schen Figuren behandelnden Darstellungen aus. So sind nach der Ansicht Strasburger’s und Tangl’s bei Spirogyra die Kern- Flora 1898, 6 82 spindelfasern ausschliesslich cytoplasmatischer Herkunft, d. h. sie werden auf Kosten derjenigen Plasmaanhäufungen gebildet, welche im Anfang des karyokinetischen Processes an den Polseiten des Zell- kernes wahrnehmbar sind. Im Gegensatze hierzu verschwinden, nach der Ansicht Flemming’s, zur Zeit der Kernplattenbildung die achromatischen Fäden, welche bei Spirogyra in den Plasmaanhäufungen an den Polen ausserhalb des Zellkernes beobachtet werden, inden sie einer Desorganisation unterliegen, während die Plasmaanhäufungen selbst sich nach der Peripherie der Zelle zu an den Fäden entlang vertheilen, an welchen der Zellkern hängt. Zur Bildung der Kern- spindelfasern jedoch dient das Material des Netzgerüstes, welches bei Spirogyra eine äusserst geringe Quantität Chromatin enthält. In neuester Zeit äussert sich auch Degagny zu Gunsten des Entstehens der Kernspindelfasern aus der Kernsubstanz von Spirogyra. Er behauptet, dass die Achromatinfäden im Augenblicke des Ein- dringens des Zeilsaftes in den Zellkern gebildet werden und zwar auf Kosten des homogenen Karyoplasmas, in welches das körnige Karyoplasma vor der Bildung der Kernplatte umgewandelt wird. Nach der Ansicht Meunier’s schliesslich sind die Kernspindelfasern bei Spirogyra zum Theil eytoplasmatischen Ursprungs, theils werden sie vom Zellkern gebildet. Schon aus dieser kurzen Zusammenstellung der wichtigsten Meinungsverschiedenheiten bei der Erforschung der Karyokinese von Spirogyra ergibt sich, dass die vorliegende Frage sich noch im Ent- wiekelungsstadium befindet, und damit zugleich die dringende Noth- wendigkeit, die aufgefundenen Beobachtungsresultate nicht nur zu bestätigen und zusammenzufassen, sondern auch sie dureh neue Er- gebnisse zu vervollständigen zu suchen. Ich unternahm daher die Untersuchung der karyokinetischen Erscheinungen bei Spirogyra infolge einer Aufforderung des hochver- ehrten Herın Prof. W. Belajeff und unter seiner freundlichen Mitwirkung, wofür ich es mir zur angenehmen Pflicht rechne, ihm an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Ich begann meine Untersuchungen bereits gegen Ende des Jahres 1894, Zu dieser Zeit wurden von mir in den „Arbeiten der Natur- forschergesellschaft zu Warschau“ zwei vorläufige Mittheilungen ') veröffentlicht, in welchen ich in verkürztem Maasse alle diejenigen t) Arbeiten der Naturforscher-Gesellschaft zu Warschau, 1894 -95, Bd. V; 1896, Bd. IV. 83 Ergebnisse aufführte, welche ich in der vorliegenden Arbeit ausführlicher auseinander setze, Litteratur-Ergebnisse. Die ersten Ergebnisse, mit welchen der eigentliche Anfang zur Erforschung der karyokinetischen Erscheinungen bei Spirogyra gemacht wurde, und welche ihre bahnbrechende Bedeutung in gewissem Grade bis in die Gegenwart beibehalten haben, wurden von E. Strasburger gefunden und in seinem bekannten Werke: „Zellbildung und Zell- theilung“ !) beschrieben. Diese Ergebnisse Strasburger’s beziehen sich auf vier Species von Spirogyra, welche von ihm als Spirogyra majuscula Ktz., Sp. ni- tida Lk., Sp. crassa Ktz. und Sp. orthospira Naeg. (Sp. setiformis Ktz.) bestimmt worden. Von diesen vier Species ist der karyokinetische Process nur bei Sp. majuscula und Sp. nitida ansführlich beschrieben und durch Zeichnungen erläutert worden. Bei Spirogyra majuscula beginnt die Vorbereitung des Zellkerns zur Theilung mit einer Veränderung seiner Form und Anhäufung von Protoplasma an seinen Polen, das sich darauf zu Fäden umwandelt, welche senkrecht zu den Polen der Kernmembran gerichtet sind. Die Veränderung, welche das Kernkörperchen erleidet, besteht darin, dass es in mehrere unregelmässige Körner zerfällt, die sich in der Aequatorialebene des Zellkernes anordnen. Der letztere hat in diesem Stadium des karyokinetischen Processes im optischen Durch- schnitt die Gestalt eines rechtwinkligen Dreiecks. Bei frischem Material beobachtet man in diesem Zeitpunkte das Verschwinden des Kern- körperehens. Die im optischen Durchschnitt rechtwinklig - dreieckige Form des Zellkerns geht allmählich in die Gestalt einer biconcaven Linse über, wobei die aus dem zerfallenen Kernkörperchen hervor- gegangenen Körner sich nach der Mantelfläche der Linse begeben und sich ringförmig anordnen. Die Kernmembran verschwindet und „ihre Substanz wird zusammen mit derjenigen der Kernkörperchen und sonstigen geformten Inhaltes des Zellkerns zur Bildung der Kernplatte verwendet“.2) Nach dem Verschwinden der Kernmembran beginnt der Zellkern sehr schnell an Breite zuzunehmen, und zwar in der Längsrichtung 1) „Zellbildung und Zelltheilung“ erschien in der 1. Auflage im Jahre 1974; in meinen Citaten werde ich mich jedoch auf die im Jahre 1880 erschienene 3. Auflage beziehen. 2) E. Strasburger, „Zellbildung und Zelltheilung“ 1880, pag. 174. 6* 84 der Zelle, und es findet nun eine allmähliche Ausgleichung der con- caven Einbiegungen seiner beiden Polflächen statt. In diesem Sta- dium erscheinen die Kernspindelfasern, welche parallel unter sich und senkrecht zur Kernplatte verlaufen. Bezüglich ihrer Entstehung sagt Strasburger: „während die ganze Kernsubstanz sich zur Kern- platte sammelt, dringt beiderseits das an den Polen angesammelte Plasma gegen dieselbe vor, um sich in die Spindelfasern zu diffe- renziren“.!) Die fertig gebildete Kernplatte stellt sich als aus einer Reihe Körner bestehend dar. Bei starker Vergrösserung und bei Zusatz einer geringen Quantität Kalilauge lässt sich feststellen, dass die ein- zelnen Körner der Kernplatte ihrerseits wieder aus zahlreichen klei- neren Körnchen zusammengesetzt sind. Den Beginn der Tochterkernbildung beschreibt Strasburger bei Spirogyra majuscula in seiner Arbeit mit folgenden Worten: „Diese (nämlich die Bildung der Tochterkerne) gibt sich zunächst in einer Diekenzunahme “der Kernplattenhälften (die sich durch ihre Spaltung in der Aequatorialebene gedildet haben) zu erkennen. Die Kernplattenhälften verschmelzen seitlich und beginnen sich auszu- höhlen, wodurch eine Kernwandung sich zu differenziren anfängt.“?) Wenn in den folgenden Stadien die Kernwandung sich etwas weiter abgehoben hat, ist der Inhalt des Tochterkernes schon körnig geworden. Bei der weiteren Zunahme des Kernes an Umfang werden in seinem Innern mehrere, 2--4, stark lichtbreehende Punkte bemerkbar, welche rasch zur gleichen Anzahl von Kernkörperehen heranwachsen, die in der Aequatorialebene des Kernes gelagert sind. Von diesen Kern- körperchen nimmt gewöhnlich nur eines an weiterem Umfange zu, . die übrigen verschwinden. Bei Spirogyra nitida hat der karyokinetische Process nach Strasburger’s in seiner Arbeit erläuterten Beobachtungen fast genau denselben Charakter. Auch bei dieser Species verändert der Zellkern bei Beginn des Theilungsprocesses ein wenig seine Form, indem er im gegebenen Falle eine rundliche Gestalt annimmt. Das Kernkörperchen aber wird in dieser Zeit körnig. Hierauf tritt an den Polflächen des Kernes eine sehr reichliche Protoplasmaanhäufung ein, welche eine deutlich wahrnehmbare Streifung in senkrechter Richtung zu den Polflächen der Kernwandung zeigt. Ueber das weitere Schicksal des Kernkörperchens bei Spirogyra nitida sagt Stras- 1) I. c. pag. 175. 2) E. Strasburger, „Zellbildung und Zelltheilung“, 1880, pag. 176. “7.7 85 burger in der eitirten Arbeit: „Von der Substanz des Kernkörper- chens ist es hier leicht festzustellen, dass sie fast unmittelbar in die Bildung der Kernplatte eingeht“.') Die Erscheinung der Kernspindelfasern beschreibt er bei dieser Species ebenso, wie bei Sp. majuscula zur Zeit der Kernplattenbildung. Die Kernwandung ist bei Sp. nitida nur an ihren Polflächen nicht zu unterscheiden, während sie an allen übrigen Theilen sich noch für einige Zeit lang zu erhalten fortfährt. Das Stadium der Bildung der Tochterkerne unterscheidet sich bei Sp. nitida ebenfalls in nichts Wesentlichem von dem entsprechenden Stadium bei Sp. majuseula. Was die beiden übrigen Species, nämlich Spirogyra cerassa und Sp. orthospira anbelangt, so verläuft der karyokinetische Process bei denselben nach den Strasburger’schen Beobachtungen völlig über- einstimmend mit Sp. majusenla. Uebrigens äussert sich Strasburger bezüglich Sp. orthospira dahin, dass er über den Charakter des Theilungsprocesses bei dieser Species lediglich auf Grundlage seiner alten Spiritus-Präparate urtheilen konnte. In seiner im Jahre 1882 erschienen Arbeit „Ueber den Theilungs- vorgang der Zellkerne und das Verhältniss der Kerntheilung zur Zelltheilung“ bringt Strasburger einige Veränderungen und Ver- vollständigungen bezüglich seiner anfänglichen Beobachtungen über Spirogyra majuseula. Vor allem stellt er hierbei fest, dass im ruhenden Zellkern ausser einem oder mehreren Kernkörperchen auch ein feines, aus Fäden bestehendes Gerüstwerk vorhanden ist, welches besonders deutlich wahrgenommen werden kann, wenn man den abgeplatteten, runden Zellkern aus seiner normalen Lage herausbringt und ihn in der Flächenansicht betrachtet.) Die dünnen, feinen Fäden des Gerüstwerkes bestehen aus Hyaloplasma und tragen eine relativ geringe Anzahl von Chromosomen, welche bedeutend schwächer färbbar sind, als die Kernkörperchen. Wenn im Anfang des karyokinetischen Processes der allmählich seine Form verändernde Zellkern die Gestalt einer biconcaven Linse annimmt, so verschwindet das Kernkörperchen, wie die Beobachtungen am lebenden Material zeigen. In Wirklichkeit jedoch wird es zum Aufbau des Kernfadens verwendet, der sich in zahlreiche Windungen legt, welche annähernd parallel zu einander und senkrecht zu den Endflächen der Kernhöhle verlaufen. — Weiterhin finden wir die 1) L e.'pag. 185. 2) E. Strasburger, „Ueber den Theilungsvorgang der Zelikerne ete.*, 1882, pag. 49. 86 Beschreibung der bereits fertig gebildeten Kernplatte, begegnen aber keinem Hinweis bezüglich des Betheiligungsgrades der Substanz der Kernwandung an ihrer Bildung. Die fertige Kernplatte besteht aus „einer doppelten Lage“ von Kernfäden, von denen jeder je eine schwache äquatoriale Einbiegung trägt; einige von ihnen zeigen eine regelmässige S-Form. Dem Auseinanderweichen der Kernplattenhälften geht nach den Beobachtungen Strasburger’s unbedingt eine Um- biegung der Fadensegmente vorauf, da die sich von einander ent- fernenden Segmente häufig deutlich N-förmig sind. Während des weiteren Auseinanderweichens rücken die Elemente jeder Kernanlage aneinander, so dass diese Kernanlage, von der Fläche aus gesehen, netzartig erscheint. Während des fortschreitenden Zusammenrückens der Segmente findet nach Strasburger eine Verbindung der Fadenenden statt und so entsteht ein geschlossener Fadenknäuel aus einem fortlaufenden Kernfaden, der uns als zusammenhängendes Gebilde bei der beginnenden Vergrösserung der Kerne entgegentritt. Nun erscheint auf der Kern- anlage eine Hülle, welche vom umgebenden Cytoplasma gebildet wird. Zunächst stellen sich die Fäden mit Microsomen von annähernd gleichem Volumen dar, die in der Seitenansicht parallel zu einander und senkrecht gegen die Endflächen der Kernanlage gerichtet sind. Dann zeigen sie auch von dieser Seite netzförmige Bilder, weiche eine Ansammlung stark lichtbrechender Substanz in wurmförmigen Massen an einzelnen Stellen der Fäden und ein Dünnerwerden an anderen Stellen zeigen. Die Vereinigung dieser stark lichtbrechenden Substanztheile führt zur Bildung eines, selten mehrerer Kernkörperchen. Die Ansamınlung der stark lichtbrechenden Substanz an den Faden- windungen ruft den Eindruck von Kernkörperchen hervor, die bei der Entstehung des grossen Kernkörperchens wieder zu verschwinden scheinen, Bezüglich der Achromatin-Theile der Theilungsfigur bestätigt Strasburger in seiner Arbeit seine früheren Beobachtungen, nämlich, dass mit dem fortschreitenden raschen Wachsthum des Zellkerns längs der Zelle das an seinen Polenden zur Zeit der Kernplatten- bildung angehäufte Cytoplasma durch die Zellwandung eindringt und die Spindelfasern bildet. In demselben Sinne veränderte und vervollständigteStrasburger in „Die Controversen der indireeten Kerntheilung“ !) seine früheren Beobachtungen über die Karyokinese bei Spirogyra nitida. Der 1) Archiv für mikroskopische Anatomie Vol, 23, 1884, 87 Zellkern dieser Species besitzt, ebenso wie bei Sp. majuscula, ausser einem grossen Kernkörperchen ein sehr schwaches Gerüstwerk. In den Anfangsstadien des karyokinetischen Processes, d. h. wenn der Zellkern sich aus der abgerundeten zur rechtwinklig-dreieckigen Form umbildet (im Längsdurchschnitt der Zelle), zieht sich das Gerüstwerk auf das Kernkörperchen zurück, welches gleichzeitig seine bestimmten Umrisse verliert und gewissermaassen corrodirt erscheint. Aus dem Gerüstwerk und dem Kernkörperchen bildet sich also auf diese Weise eine besondere eentrale Kernmasse, an deren beiden Seiten bereits in diesem Stadium dünne Stränge deutlich hervortreten. Von der centralen Kernmasse ausgehend, erreichen dieselben, indem sie etwas divergiren, die Pole des Zeilkernes, durchdringen die Kernwandung und gehen continuirlich in die ausserhalb derselben befindlichen eyto- ‘ plasmatischen Fasern über. „Es kann somit*, sagt weiter Strasburger, „für mich kein Zweifel melhır darüber bestehen, dass die in der Kernhöhle befindlichen Spindelfasern aus eingedrungenem Cytoplasına hervorgegangen sind.“*?) Zu Gunsten eines solchen Ursprungs der Kernspindelfasern spricht nach Strasburger’s Beobachtungen zudem noch der Umstand, dass die Kernwandung an den Polen in diesem und den nahestehenden Stadien siebartig erscheint und im optischen Durchschnitt sich als eine Reihe durch die Spindelfasern getrennter Punkte darstelit. Aus der centralen Kernmasse, welche aus dem Gerüstwerk und dem Nucleolus hervorgegangen ist, wird die Kernplatte gebildet. Ihrer Struetur nach ist die letztere feinfädig, bei der Beobachtung vom Pol aus scheibenförmig. Vor der Theilung der Kernplatte in zwei Hälften streckt sich der Zellkern, seine Kernmembran behaltend, fast bis zur doppelten Länge aus. Auch die Spindelfasern nehmen entsprechend zu, wobei das gestreifte Cytoplasma an den Kernpolen völlig verschwindet. In den folgenden Stadien, d.h. zur Zeit des Auseinandergehens der Kernplattenhälften, verschwindet gleichzeitig die Kernmembran. Der wiederkehrende Process der Tochterkern- bildung und der Entstehung des Kernkörperchens in denselben voll- zieht sich nach Strasburger’s Beobachtungen völlig analog des entsprechenden Processes, welcher von ihm in seiner Arbeit: „Ueber den Theilungsvorgang der Zellkerne ...“ bezüglich Spirogyra majus- eula beschrieben worden ist. Schliesslich gehe ich zu den letzten Beobachtungen Strasburger’s 1) E. Strasburger, „Die Controversen der indireeten Kerntheilung“, 1884, pag. 51. 88 über die Karyokinese bei Spirogyra über, die er in seinem Werke: „Ueber Kern- und Zelltheilung im Pflanzenreiche“ (1888) nieder- gelegt hat. Indem er in dieser Arbeit den fortschreitenden Gang des karyo- kinetischen Processes bei Spirogyra polytaeniata ausführlich beschreibt, führt Strasburger Ergebnisse bezüglich des Kernkörperchens an, welche vollständig dem entgegengesetzt sind, was er früher bei den andern Species von Spirogyra beobachtet hat. Wie wir gesehen. haben, bildet sich nach Strasburger bei Spirogyra majusculu und Sp. nitida die Kernplatte auf Kosten des Kernkörperchens und des Kerngerüstes. Bei Spirogyra polytaeniata nimmt nach seinen Beob- achtungen an der Bildung der Kernplatte allein das Kerngerüst, wie bei den höheren Pflanzen, theil. Die Fäden dieses Netzgerüstes ver- kürzen und verdieken sich allmählich zur Zeit der im Anfang des karyokinetischen Processes stattfindenden starken Diekenzunahme des Zellkerns, wobei der Chromatingehalt in ihnen zunimmt. Wenn die Kernfäden eine gewisse Dicke erreicht haben, so ist ein Aufbau der- selben aus Scheiben verschiedener Tinetionsfähigkeit zu constatiren. Das Kernkörperchen verschwindet meist nach einem dieser Stadien. Die sich verkürzenden und verdiekenden Kernfäden weichen nach der Aequatorialebene des Kernes zurück und erhalten sich in dieser Lage durch feine Plasmastränge, welche sie mit der Kernwandung verbinden. Ob diese feinen Plasmastränge der Kernsubstanz ange- hören, oder ob sie aus der Umgebung eindringen, lässt Strasburger unentschieden, obgleich er das letztere für wahrscheinlicher hält. Die auf die Aequatorialebene des Kernes zurückgezogenen Kern- fäden, welche fortfahren, sich zu verkürzen und zu verdicken, lagern sich in einer flachen Scheibe, wobei sie sieh bandartig abflachen und sich der Länge nach spalten. Diese Kernfäden, wohl 12 an der Zahl, sind in Gestalt kurzer Schleifen mehr oder weniger regelmässig in der Aequatorialebene vertheilt und kehren ihre eine Längshälfte dem einen, und die andere dem andern Pole zu. Dementsprechend zeigt die Profilansicht der Kernplatte jeden Kernfaden, falls er im Querschnitt gesehen wird, in Gestalt zweier Körner, und falls er von der Fläche aus, d. h. der Länge nach, gesehen wird, die Gestalt eines perlschnurförmigen Doppelbandes. Infolge dessen zeigt die Kernplatte im optischen Durchschnitt 3 parallele Linien: eine mittlere, entsprechend der Spaltungsfläche der Kernfäden, und zwei seitliche, die den nach den Polen zu gerichteten Flächen derselben entsprechen. un: 89 Bei der Theilung der Fadensegmente gehen ihre Hälften nach den gegenüberliegenden Seiten auseinander, ohne jedoch ihre Lage zu verändern. Das sogenannte Stadium der Metaphase, welches bei den höheren Pflanzen durch die Umlagerung und Umkrümmung der secundären Segmente charakterisirt wird, ist hierbei nicht walır- nehmbar. Dabei stellt die Flächenansicht einer jeden der beiden Kernplattenhälften genau dasselbe Bild dar, wie die Kernplatte selbst. Zur Zeit des Auseinandergehens der beiden Kernplattenhälften treten die beiden sich bildenden Tochtersegmente näher an einander, dabei in derselben Ebene bleibend, wodurch es immer schwieriger wird, sie von einander zu unterscheiden. Wenn die Trennung beendet ist, bedecken sieh die Kernplatten- hälften mit einer Kernmembran. Diese tritt erst dann deutlich auf, wenn die einzelnen Kernfäden an Länge zunehmen und sich in Windungen legen, die aus der bisherigen Orientirungsebene der Seginente heraustreten. Die immer höher und steiler werdenden Windungen nehmen einen zum grössten Durchmesser der Kernanlage quer liegenden Verlauf und deshalb erscheinen die Kernanlagen quer gestreift. Hierauf beginnen die Kernfäden in einander zu greifen, ihre quere Orientirung geht verloren und auf diese Weise wird all- mählich das Gerüstwerk des ruhenden Zelikerns gebildet. Während dieser Rücktransformation der Kernplattenhälften zum Kerngerüst der Tochterkerne erscheinen in den Windungen der Kernfäden wieder die Kernkörperchen. In grosser Anzahl entstehend, fliessen sic schliesslich in ein einziges oder seltener zu zwei Kernkörperchen zusammen. Die Erscheinung der Kernspindelfasern bei Sp. polytaeniata legt Strasburger ungefähr in die Periode der Spaltung der Kern- fäden. Die im Innern des Zellkerns befindlichen Achromatinfäden bilden die Fortsetzung der ausserhalb des Kernes befindlichen und haben völlig das gleiche Aussehen, als diese letzteren. Daher hält es Strasburger für unmöglich, sie für anderer, d. h. nicht eytoplas- matischer Herkunft zu erklären, obgleich er andererseits für noth- wendig hält, zu bemerken: „Denn nur der äquatoriale, so äusserst kurze Abschnitt derselben, der innerhalb der Kernhöhle auftritt, liesse sich allenfalls aus Kernsubstanz ableiten.“!) Die Kernmembran wird an beiden Polflächen des Zellkernes zur Zeit des Erscheinens der Spindelfasern weniger deutlich unterscheidbar und stellt sich fast nur 1) E. Strasburger, „Ueber Kern- und Zelltheilung im Pflanzenreiche“, 1888, pag. 13, 90 als eine locale Verdickung auf diesen Fäden dar. In kurzer Zeit ist sie überhaupt nicht mehr wahrnehmbar. Was die an Zahl sehr geringen Plasmafädchen anbelangt, welche nach Strasburger’s Beobachtungen vor der Kernplattenbildung die Kernfäden in der Acquatorialebene des Kernes unterstützen, so wird das weitere Schicksal derselben von ihm unaufgeklärt gelassen. Er spricht jedoch die Vermuthung aus, dass sie an der Bildung der Kernspindelfasern Theil nehmen. Obgleich die früheren Beobachtungen Strasburger’s betrefis des Kernkörperchens von Spirogyra in scharfem Gegensatze zu den Ergebnissen stehen, welche er bei Sp. polytaeniata beobachtete, so hält er es dennoch für möglich, diese letzteren im Allgemeinen auf die ganze Gattung Spirogyra zu beziehen. So unterscheidet Stras- burger im XVI. Kapitel seiner eitirten Arbeit, wo er von den karyokinetischen Erscheinungen nicht irgend einer besonderen Species, sondern von Spirogyra im Allgemeinen spricht, für diese Pflanze ebensolche Stadien vor der Kernplattenbildung, wie sie bei den höheren Pflanzen beobachtet werden, nämlich das Stadium des Netz- gerüstes und das „dichte* und das „lockere Knäuelstadium“. Das Kernkörperchen verschwindet schon im Stadium des dichten Knäuels und nimmt durchaus keinen Antheil an der Kernplattenbildung. Am Schlusse dieses Kapitels unterstützt Strasburger die Meinung Zacharias’, nach dessen mikrochemischen Untersuchungen kein Grund vorhanden sei, dass das Kernkörperchen bei Spirogyra sich von denjenigen der andern Pflanzen unterscheide und es folglich für etwas Anderes zu halten sei, als oben ein Kernkörperchen. Zugleich erklärt sich Strasburger mit der Ansicht Meunier’s nicht ein- verstanden, welcher dem Kernkörperchen von Spirogyra die Be- deutung des Zellkernes zuschreibt und aus ihm die Kernplatte her- leitet. Etwas später, als die Arbeit Strasburger’s: „Ueber den Theilungsvorgang der Zellkerne“, erschien im Jahre 1882 die aus- führliche Arbeit Flemming’s: „Zellsubstanz, Kern- und Zelltheilung“, in welcher der Autor u. A. auch Spirogyra berührt. Bezüglich des chromatischen Theiles der Theilungsfiguren be- merkt Flemming in Bezug auf die von Strasburger in seiner Arbeit: „Ueber den Theilungsvorgang der Zellkerne* niedergelegten Beobachtungen, dass er im Allgemeinen vollständig mit denselben übereinstimmt. Folglich legt er, ebenso wie Strasburger in der er- wähnten Arbeit, dem Kernkörperchen bei Spirogyra eine besondere 9 Bedeutung bei, nämlich dass dasselbe zusammen mit dem Netzgerüst des Zellkernes das Material für den Aufbau der Kernplatte liefert. Thatsächlich enthält nach Flemming’s Beobachtungen das Gerüst- werk des ruhenden Zelikernes Chromatin, allerdings nür in äusserst geringer Quantität im Vergleich zu dem grossen Kernkörperchen. Flemming untersuchte 2 Species von Spirogyra, die sich scharf durch die Formen des Zellkerns unterscheiden, nämlich die platt- kernigen und die rundkernigen Arten. In den Anfangsstadien des karyokinetischen Processes deconstruirt sich nach Flemming’s Beobachtungen das Kernkörperchen, indem es bei der plattkernigen Art blassere Seitenlappen zeigt. Im weiteren Fortgange des Processes hat der Chromatintheil der Theilungsfiguren Aehnlichkeit mit einen Körnerhaufen, aber es kann auch der Fall sein, dass diese Körneranhäufung einen feinfädigen Knäuel darstellt. Etwas später beobachtet man in den Chromatintheilen der karyo- kinetischen Figuren feine längs- (polar-) gestreckte Elemente, welche das Aussehen von geschlängelten und gebogenen, feinkörnigen Fäden haben, deren gegenseitige Lagerung infolge der schr geringen Dimensionen ausserordentlich schwer zu bestimmen ist. Nach der Theilung der Kernplatte in die Tochterhälften beobachtet man eine deutliche Diekenzunahme der diese Hälften bildenden Fäden. Bezüg- lich des rückschreitenden Processes der Bildung der Tochterkerne bemerkt Flemming, dass in demjenigen Stadium, in welchem die Tochterkerne bereits eine Kernmembran besitzen, die Chromatinmasse in Form von zahlreichen, mehr oder weniger compacten rundlichen Klumpen auftritt, welche ebenso intensiv färbbar sind, als die grossen Nucleolen der ruhenden Kerne. Was das unmittelbar vorhergehende und darauffolgende Stadium bis zur Beendigung des Processes an- betrifft, so ist Flemming durchaus mit den Strasburger’schen Beobachtungen einverstanden und beruft sich auf dessen Zeichnungen. Ganz anders verhält sich die Sache mit den achromatischen Theilen der Theilungsfiguren. Flemming findet nicht die geringste Veranlassung, die Kernspindelfasern bei Spirogyra als das Produkt des in den Kern eindringenden Cytoplasmas zu betrachten, wie dies Strasburger thut, sondern neigt mehr zu der Ansicht, dass sie aus achromatischer Substanz des Zellkernes entstanden sind. Be- sonders lehrreich findet er in dieser Beziehung die Art mit rundem Zellkern, bei welcher die Kernmembran bedeutend später verschwindet, als bei der plattkernigen Art, nämlich zur Zeit des Auseinandergehens der Kernplattenhälften nach den Polen. Das sich an den Polenden 92 des Kernes anhäufende Plasma dringt nach Flemming nicht in das Innere des Kernes, sondern vertheilt sich in der Peripherie der Zelle, indem es auf denselben Wegen abfliesst, durch welche es seine An- häufung ausführte, d. h. vermittelst der Fäden, in welchen der Zell- kern hängt. Was das Material anbetrifft, welches zum Aufbau der Fäden der Kernspindel nothwendig ist, so findet er, dass dasselbe in durchaus ausreichender Quantität sowohl bei den rundkernigen, als auch bei den plattkernigen Arten das Netzgerüst liefern kann, da die Masse desselben, wenn man die darin enthaltene geringfügige Chromatinmenge abzieht, nicht geringer als die Masse der Kern- spindelfasern ist. Indem Flemming die Frage beleuchtet, in welcher Weise man das Eindringen des Cytoplasmas zur Bildung der Spindel- fasern erklären könnte, im Falle der Erhaltung der Kernmembran im entsprechenden Stadium, und indem er alle in dieser Hinsicht mög- lichen Voraussetzungen für unwahrscheinlich erklärt, sagt Flemming schliesslich: „Daher sehe ich keine bessere Erklärung als die, dass die Spindelfasern, wie sie in Fig. 4—5 vorliegen, aus achromatischer Substanz des Kernes entstanden sind.) In demselben Jahre 1882 erschien die Arbeit von Tangl?) über die Karyokinese bei Spirogyra. Der Zellkern der von ihm unter- suchten Spirogyra-Art hat in der Regel ein (höchst selten zwei) intensiv färbbares Kernkörperchen, welches mit einer deutlich wahrnehmbaren, nicht färbbaren Hüllhaut versehen ist. Der übrige Inhalt des Zell- kerns stellt eine feinförmige, sehr schwach liehtbrechende und be- deutend schwächer als das Kernkörperchen färbbare Substanz dar. Die erste Veränderung des Zellinhaltes vor der Kerntheilung besteht darin, dass das Plasma sich von den Seitenwänden des spindelförmigen Kernes gegen seine Pole zurückzieht. Darauf erfolgt eine Ver- änderung im Kerninhalte; der schwächer tingirbare Theil desselben löst sich von den Endflächen und den Seitenwänden des Zellkernes ab, wobei die stärkste Contraction in longitudinaler Richtung des Kernes erfolgt. Hierauf tritt eine nicht unbeträchtliche Verringerung der Länge des Zellkerns selbst ein, welche nach der Erklärung Tangl’s daher kommt, dass durch den darauffolgenden Resorptions- vorgang von der Kernmembran zwei polare Abschnitte von kappen- förmiger Gestalt abgelöst werden, welche demjenigen Theile des Kernes entsprechen, aus welchem in früheren Stadien der Inhalt sich 1) W. Flemming, „Zellsubstanz, Kern- und Zelltheilung“, 1882, pag. 321. 2) E. Tangl, „Ueber die Theilung der Kerne in Spirogyra-Zellen*; Sitzb. der K. Akad. d. Wiss., 1. Abth., Vol, 85, 1882, 93 vollständig zurückgezogen hatte. In solch einem kleiner gewordenen Zellkern wird die feinkörnige, schwach färbbare Masse schon nicht mehr wahrgenommen; an seine Stelle treten zu beiden Seiten des Nucleolus, nämlich zwischen diesem und den beiden offenen Kern- polen, die Kernspindelfasern auf. Dabei macht Tangl auf den Um- stand aufmerksam, dass derjenige Theil des Zellkerns, welchen die Kernspindelfasern einnehmen, genau ebenso gefärbt wird, als der ver- schwundene feinkörnige Inhalt des Zellkerns gefärbt wurde. Diese Thatsache gibt ihm Veranlassung zu glauben, dass die früher fein- körnig erscheinende Kernsubstanz sich wahrscheinlich in homogene Substanz umwandelt und als solche zu existiren fortfährt. Zuletzt, bei der Beendigung des Auseinandergehens der Kernplattenhälften wird diese Substanz zur Ernährung der Tochterkerne verwendet. Im Stadium der Erscheinung der Kernspindelfasern verliert der Nucleolus nach Tangl’s Beobachtungen an den Polen seine Hülle und erhält das Aussehen eines von zwei Seiten offenen Hohleylinders, dessen Inhalt eine gewisse Structur hat. Diese letztere gibt sich nach Tangl dadurch zu erkennen, dass der Inhalt des Nucleolus zu dieser Zeit aus zwei ungleich lichtbrechenden Substanzen besteht, welche höchst eigenartig in Bezug zu einander vertheilt sind. Die stärker lichtbrechende Substanz bildet ein Netzwerk, welches die ganze Fläche des Kernkörperchens durchdringt und im optischen Durchschnitt ein Netz mit schr engen rundlichen Maschen darstellt. Die aus der beschriebenen Vertheilung der dichteren Substanz resul- tirenden Zwischenräume sind von schwächer lichtbrechender Substanz erfüllt. Soleh ein Nucleolus erscheint bei deutlich gefärbten Prä- paraten vollständig homogen. Das unmittelbar auf dieses folgende Stadium hält Tangl für das Stadium der Kernplatte. Nach seiner Meinung ist „die Bildung der Kernplatte das Resultat eines Differenzirungsvorganges, durch den die ursprünglich homogene Substanz des Nueleolus verändert wird“.?) Nach Tangl besteht die Kernplatte aus stäbchenförmigen Elementen, welehe dicht gelagert sind und den von der Hüllhaut des Nucleolus umschlossenen eylindrischen Raum continuirlich durchziehen. Die Hüllhaut des Kernkörperchens verschwindet auch in den folgenden Stadien nicht. In die Länge auswachsend, nimmt sie zusammen mit der Kernhülle, indem sie sich an dieselbe herandrängt oder sogar mit 1) Tangl, „Ueber die Theilung der Kerne in den Spirogyra-Zellen“, 1882, pag. 287, 94 derselben verwächst, zur Zeit des Auseinandergehens der Kernplatten- hälften an der Bildung des „Verbindungsschlauches* Theil. Bezüglich der Kernspindelfasern gelangte Tangl zu derselben Folgerung, welche auch von Strasburger aufgestellt wurde, näm- lieh, dass dieselben eytoplasmatischer Abstammung seien. Meunier!) wandte in Anbetracht der räthselhaften Bedeutung des Kernkörperchens bei Spirogyra seine besondere Aufmerksamkeit der Aufklärung seiner Structur und chemischen Zusammensetzung zu. Die Structur des Kernkörperchens von Spirogyra hat nach Meunier im ruhenden Zellkern einen typisch knäuelartigen Charakter. Der Knäuel wird durch die Schlingen eines einzigen, ununterbrochenen Fadens gebildet und nimmt den ganzen Raum innerhalb der Hülle des Kernkörperchens ein. Seiner Zusammensetzung und seinem Bau nach stellt der den Knäuel bildende Faden eine Plastin-Hülse („etui- plastinien“) dar, innerhalb welcher die stark lichtbrechende und intensiv färbbare Nucleinsubstanz eingeschlossen ist. Die Vertheilung der Nucleinsubstanz in dieser Hülse ist sehr verschieden, je nach der Behandlungsmethode des Materials: bald erstreckt sie sich als gleich- mässige Schicht im Innern der Hülse, bald erscheint diese Schicht unterbrochen und aus der sie darstellenden Masse bilden sich Ringe, Scheiben ete. Bei nicht gelungener Fixirung wird die Gleichmässig- keit der Vertheilung der Nucleinsubstanz gänzlich zerstört: sie sammelt sich in Form von Zusammenhäufungen an, welche die sie umschliessende Hülse aufschwellen machen und die, wenn sie eine gewisse Grösse erreicht haben, den Eindruck von Kernkörperchen zweiter Ordnung hervorrufen. . Zu diesem Ergebniss bezüglich des Baues und der Zusammen- setzung des Kernkörperchens bei Spirogyra gelangte Meunier, indem er frisches und in Alkohol fixirtes Material der Einwirkung verschie- dener Färbestoffe unterwarf. Ausserdem behandelte er frisches und Alkoholmaterial mit verschiedenen Reactiven: mit solchen, welche das Nuclein auflösen, als auch mit solchen, welche es nicht auflösen, und welche zugleich eine bestimmte Wirkung auf die übrigen Be- standtheile des Zellkernes ausüben. Nach sorgfältiger Auswaschung mit Wasser färbte sich derartiges Material mit denselben Färbestoffen, wie im ersten Falie. Die Färbung des frischen und fixirten Materials zeigte, dass die für das Chromatin des Zellkernes am charakteristischesten Färbestoffe, 1) Meunier, „Le nucl&ole des Spirogyra“; La Cellule; tome II. -W En aebn 95 wie Methylgrün und eine saure Carminlösung (durch einige Tropfen Essigsäure angesäuert) nur das Kernkörperchen intensiv färbt und auch dieses nicht in seiner ganzen Masse, sondern nur seine geformten Theile, während der übrige Kerninhalt entweder gänzlich farblos bleibt, oder nur ganz schwach angefärbt wird. Picrocarmin und Alauncarmin theilen gleichfalls nur dem Kernkörperchen Färbung mit, aber diese Färbung schreitet langsamer vor und tritt schwächer auf als bei der Anwendung von saurer Oarminlösung. Carminlösungen mit alkalischen Reactionen rufen eine ziemlich deutliche Färbung sowohl des Kern- körperchens als auch des Karyoplasmas hervor, wobei sich das erstere etwas intensiver färbt als letzteres. Der Grund der Färbung des Karyoplasmas liegt im gegebenen Falle nach den Erklärungen Meunier’s in den Wirkungen der Alkalien, welche die Auflösung des Nucleins verursachen. Ein Theil des letzteren tritt aus dem Kernkörperchen heraus und indem es sich im Karyoplasma verbreitet, theilt es ihm die Färbung mit. Wenn man die frischen Fäden von Spirogyra in einer schwachen Lösung von Ammoniakearmin zerdrückt und hierauf einen Tropfen verdünnten Alkohol oder irgend ein anderes Reactiv hinzufügt, welches eine Zusammenziehung hervorruft, z. B. Essigsäure, Chromsäure etc., so tritt in der Regel die faserige Structur des Kernkörperchens ausserordentlich deutlich hervor, wobei die stark lichtbrechende Substanz des Kernkörperchens durch das Carmin eine lebhaft rothe Färbung erhält. Bei der Einwirkung von starker Salpeter- und Salzsäure auf frisches Material bleibt im Kernkörperchen nur das Stroma übrig, das schwach lichtbrechende Eigenschaften besitzt und gänzlich ungefärbt bleibt. Dieses Stroma ist nichts anderes als die nicht aufgelöste Hülse, welche die färbungsfähige Substanz des Kernkörperchens umschliesst. Auf Alkoholmaterial angewendet, wirken diese Säuren nicht so schnell, geben aber mit der Zeit dasselbe Resultat. Ammoniaklösung wirkt anfänglich sogar in concentrirtem Zustande nicht auf den Zellkern von Spirogyra, wenn man Material anwendet, das längere Zeit in Alkohol ausgezogen wurde; später aber zeigt sich ihre Wirkung sehr deutlich. Gerade die sich nieht deformirenden und nicht aufschwel- lenden Kernkörperchen werden durch die Wirkung dieses Reactivs der stark lichtbrechenden und färbungsfähigen Substanz beraubt, während zugleich die diese Substanz in sich einschliessende Hülse unverändert erhalten bleibt. Das Karyoplasma verbleibt hierbei eben- falls völlig in demselben Zustande, in welchem es nach der Einwir- kung des Alkohols gewesen war. 96 Die Wirkung des Ammoniaks wird also, ebenso wie die von starken mineralischen Säuren, von einer Auflösung der färbbaren Substanz des Kernkörperchens begleitet, was im gegebenen Falle eine sehr wichtige Bedeutung hat, weil diese Reactive das Nuclein auflösen. Schwache Salzsäure und künstlicher Magensaft, selbst wenn sie sogar mehrere Tage einwirken können, berauben das Kernkörperchen nicht seiner färbungsfähigen Substanz. Das Vorhandensein dieser letzteren lässt sich bei Anwendung der entsprechenden Färbestoffe, wie z. B. Methylgrün oder Carminlösung, nach der Wirkung dieser Re- active noch ebenso leicht eonstatiren, als vor derselben. Die Hülse, welche die färbbare Substanz in sich einschliesst, bleibt ebenfalls erhalten. Von den übrigen Theilen des Zellkerns reagirt keiner auf die Einwirkung der oben erwähnten Färbestoffe und schon dies allein kann nach der Ansicht Meunier’s als hinreichendes Beweismittel dienen, dass es im Zellkern keine andere Substanz gibt, die den der färbbaren Substanz des Kernkörperchens eigenen Charakter besässe. Durch die Einwirkung von NaCl schwillt die färbbare Substanz an, löst sich aber nicht auf. Die sie einschliessende Hülse bleibt ohne Veränderung. Auf Grund der erhaltenen Ergebnisse, von denen unsererseits nur die allerwesentlichsten angeführt wurden, kommt Meunier zu dem Resultat, dass das Kernkörperchen bei Spirogyra in seinen wichtigsten Zügen genau die Structur des typischen Zellkernes darstellt; es besitzt eine Kernmembran, es enthält, aller Wahrscheinlichkeit nach, protoplasmatischen Inhalt, wenn auch stark redueirt, — und es enthält schliesslich in sich das gesammte Nuclein des Zellkernes, welches in der fadenförmigen Plastinhülse eingeschlossen ist, die mit ihren Windungen die ganze Kernhöhle ausfüllt. Die Veränderungen des Kernkörperchens im karyokinetischen Process entsprechen vollständig den Ergebnissen, welche man nach den Beobachtungen Meunier’s bei der Untersuchung seiner Struetur und chemischen Zusammensetzung im ruhenden Zellkerne erhält. Es verschwindet niemals während dieses Processes, wenigstens nicht in seinen wesentlichsten Theilen. Wenn auch in einigen Momenten des karyokinetischen Processes das Kernkörperchen bei der Beob- achtung an frischem Material nicht sichtbar erscheint, so kommt das daher, dass seine lichtbrechende Fähigkeit in diesen Momenten gleich ist der strahlenbrechenden Fähigkeit des umgebenden Karyoplasmas. Bei allen solchen Gelegenheiten kann man durch Anwendung der ent- sprechenden Reactive und Färbestoffe seine Gegenwart leicht constatiren. “ 97 Da das Kernkörperchen in sich das gesammte Chromatin des Zellkernes enthält, so liefert es bei der Kernplattenbildung alles zu derem Aufbau nothwendige Material. Die Hülle des Kernkörperchens verschwindet hierbei und der Chromatinfaden zerreisst in einzelne Segmente, welche sich in der Aequatorialebene des Zellkerns ver- theilen, Uebrigens gelang es Meunier nicht, den Process der Kernplattenbildung bis in seine Details zu verfolgen, wegen der ausserordentlich geringen Dimensionen des Objeetes. Vor der Kern- plattenbildung wird nach Meunier der Aufbau des Netzgerüstes des Kernes zerstört: die dasselbe darstellenden Fäden, welche sich allmählich parallel zu einander und zugleich parallel zur Längsaxe der Zelle arrangiren, nähern sich mit ihren den Polen der Kernmem- bran zugekehrten Enden den ausserhalb des Zelikerns befindlichen Achromatinfäden und bilden deren Fortsetzung innerhalb des Zellkerns. So entstehen nach Meunier die Kernspindelfasern, indem sich die- selben zum Theil auf Kosten des Netzgerüstes des Zellkerns und zum andern Theil auf Kosten der eytoplasmatischen Anhäufungen an dessen Polenden bilden. Nach der Theilung der Kernplatte umgeben sich ihre Hälften, nach den Polen auseinandergehend, mit der Kernmembran und ver- wandeln sich zurück in die Kernkörperchen der Tochterkerne. Mit einem Worte: das Kernkörperchen von Spirogyra besitzt nach Meunier alle die Eigenschaften, welche bei den andern Pflanzen den Zellkern charakterisiren und nur nach seiner Lage innerhalb der mit einer Hülle umgebenen centralen Plasmamasse ist dasselbe ein „noyau en miniature“, analog dem typischen Kernkörperchen. Daher nennt Meunier, ähnlich wie Carnoy, das Kernkörperchen bei Spirogyra „Nucleolus-Kern“ (nucl&ole-noyau), indem er diese Be- nennung als die allerpassendste und seine Natur völlig charakteri- sirende bezeichnet. Zu einem von Meunier gänzlich verschiedenen Resultate ge- langte Zacharias!) bei seinen mikrochemischen Untersuchungen bezüglich der Zusammensetzung des Zellkerns und besonders des Kernkörperchens bei Spirogyra. Nach seinen Beobachtungen unter- scheidet sich das Kernkörperchen von Spirogyra in nichts von dem Kernkörperchen der höheren Pflanzen. Die Behandlung mit Magen- saft, schwacher Salzsäure, NaCl, und die Färbung mit Carminlösungen (alkalischer, neutraler und saurer) lieferten Zacharias Resultate, 1) Zacharias, „Ueber den Nucleolus“, Bot. Zeitg., Vol. 43, 1885. Flora 1898, 7 98 welche denjenigen Meunier’s direct entgegengesetzt sind. In seiner Erwiderung!) auf die Arbeit Meunier’s sagt Zacharias, dass er, seine früheren Beobachtungen bestätigend, keine Veranlassung zur Veränderung seiner Ansicht finde. Er erklärt sich die Ergebnisse Meunier’s dadurch, dass Meunier eigentlich nicht das Kernkörper- chen, sondern das Netzgerüst des Zellkerns, welches sich im Centrum desselben vor der Kernplattenbildung zusammengezogen hat, untersucht haben könnte. ?) Ebenso, wie Tangl und Meunier äussert sich auch Mo1l?) zu Gunsten der Kernplattenbildung bei Spirogyra lediglich auf Kosten der Substanz des Kernkörperchens. Seine Arbeit erschien im Jahre 1893 und ist höchst interessant, sowohl wegen der Eigenartigkeit der erhaltenen Resultate, als auch wegen der Untersuchungsmethode. Moll wendete als Erster das Mikrotom zur Untersuchung der Karyo- kinese bei Spirogyra an. Bezüglich der Structur des Kernkörperechens im ruhenden Zellkern gelangte er annähernd zu denselben Ergebnissen, wie auch Meunier., Sie hat nach Moll einen knäuelförmigen Charakter (Skein-Structur) und gibt sich durch das Vorhandensein eines oder mehrerer Fäden im Kernkörperchen zu erkennen, die lebhaft mit den Farben färbbar sind, welche für das Chromatin des Zellkerns eharakteristisch sind. Ausserdem kann man im Kernkörperchen von Spirogyra öfters Vacuolen beobachten. Wenn ausserhalb des Kernkörpereliens über- haupt wirklich Chromatinsubstanz vorhanden sein sollte, so ist dies jedenfalls in äusserst unbedeutenden Mengen der Fall. Im Anfange des Theilungsprocesses nimmt das Kernkörperchen bei Spirogyra nach Moll eine birnförmige Gestalt an, indem es sich an dem einen Ende zuspitzt. Von diesem zugespitzten Ende geht ein Faden aus, welcher, sich schlängelnd, mit seinen Windungen die ganze Höhlung des Zellkerns ausfüllt. Moll hält das zugespitzte Ende des Kernkörperchens für die Ausgangsstelle der Chromatin- substanz, welche gewissermaassen aus dem Kernkörperchen heraus- 1) Bot. Zeitg., 1888, p. 90. 2) Eine derartige Voraussetzung kann man nach unserer Ansicht im ge- gebenen Falle schwerlich als zutreffend erachten, da als Beweis, dass Meunier wirklich das Kernkörperchen untersuchte, die von ihm im Text beschriebene und in den Zeichnungen dargestellte Membram des Kernkörperchens dienen kann, welche sicherlich nicht um das zusammengezogene Netzgerüst des Zellkerns herum vorhanden gewesen wäre. 3) d. W. Moll, „Observations on Karyokinesis in Spirogyra“. (Verhandl. der k. Akad. v. Wetensch. te Amsterdam, Sect. II, D. 1, 1893.) 99 gepresst wird und in den oben erwähnten Faden übergeht. Dieser letztere besteht zu dieser Zeit aus einer abwechselnd aus färbbarer und Zwischensubsianz zusammengesetzten Reihe. Etwas später beginnt das Kernkörperchen sich schwächer zu färben und in seinem Innern treten Vacuolen auf. Der ursprünglich nicht färbbare Faden, welcher infolge des Eindringens der Chromatinsubstanz des Kernkörperchens in denselben das charakteristische Aussehen der Kernfäden anderer Pflanzen angenommen hat, zerreisst in diesem Stadium in einzelne Segmente, deren Zahl in der Regel genau 12 beträgt (nur in einem einzigen Falle beobachtete Moll deren 13). Hierauf verschwindet das Kernkörperchen und die Segmente vertheilen sich in der Aequa- torialebene des Zellkerns, indem sie die Kernplatte bilden. Was den Faden anbetrifft, welcher von dem zugespitzten Ende des Kern- körperehens ausgeht und von letzterem seinen Chromatininhalt erhält, so neigt Moll zu der Ansicht, dass sein Ursprung auf das Plasma des Zellkerns zurückzuführen ist. Die neuesten Untersuchungen über die Karyokinese bei Spirogyra stammen von Ch. Degagny.!) Nach dessen Beobachtungen zieht sich das Netzgerüst des Zellkerns im Anfange des karyokinetischen Processes zu dem Kernkörperchen zusammen und rollt sich zu einem Knäuel zusammen. Bei der Berührung mit dem einen Knäuel bildenden Faden dringt die Substanz des Kernkörperchens zum Theil in denselben ein, zum Theil entfernt sie sich von ihm und vertheilt sich in dem umgebenden Karyoplasma. Degagny färbte in diesem Stadium den fixirten Zellkern mit einem Gemisch von Fuchsin und Methylgrün und constatirte dabei, dass der den Knäuel bildende Faden grün-bläulich und die Substanz des Kernkörperchens roth gefärbt wird. Die Kernplatte bildet sich ausschliesslich auf Kosten der faserigen Masse des Knäuels, welche aus dem Netzgerüst des Zellkerns entsteht. Nach der Beschreibung Degagny’s sondert sich bei Spirogyra erassa zur Zeit der Kernplattenbildung der Rest des durch die faserige Masse zusammengedrückten Kernkörperchens in Form eines grossen Tropfens von der Kernplatte ab. Dieser Tropfen nimmt durch ein Gemisch von Fuchsin und Methylgrün eine rothe Färbung an, während sich gleichzeitig die Kernplatte grün-bläulich färbt. Die Achromatinfäden bilden sich, nach den Beobachtungen Degagny’s, sowohl ausserhalb als innerhalb des Zellkerns auf Kosten 1) Ch. Degagny, Ballet. d. I. Soc, Bot. d. France, 1894, 1895, 1896. zr 100 des Karyoplasmas, welches sich zur Zeit ihrer Erscheinung aus körnigem in homogenes Karyoplasma umwandelt.!) Indem ich hiermit den Ueberblick über die Litteratur unserer Frage abschliesse, halte ich es für unerlässlich, noch der Be- obachtungen Macfarlane’s,’) wenn auch nur mit kurzen Worten, zu gedenken. Das Kernkörperchen besitzt bei Spirogyra, nach Macfarlane, eine Kernmembran und schliesst in sich noch ein Kernkörperchen zweiten Ranges ein, den „nucleolo-nucleus“. Der Theilungsprocess beginnt mit einer Theilung dieses „nucleolo-nucleus“. Erst hierauf werden einige Veränderungen im Zellkern bemerkbar, wobei ein Theil des Inhalts des letzteren durch die Kernmembran hindurch nach den Poltheilen dringt und eine Anhäufung ausserhalb des Zelikernes bildet. Darauf löst sich die Kernmembran unter diesen an den Polen befindlichen Anhäufungen auf. Das Kernkörperchen, welches bis dahin auf seiner anfänglichen Stelle verblieb und mit den Anhäufungen an den Polen vermittelst zarter Fäden in Ver- bindung stand, theilt sich jetzt in zwei Hälften, die sich von einander entfernen, indem sie vor sich die erwähnten Anhäufungen fortschieben. Gegen Beendigung des Theilungsprocesses dringen die Hälften des Kernkörperchens in diese Plasmaanhäufungen ein und indem sie sich mit diesen zusammen mit einer Hülle umgeben, bilden sie die Tochterkerne. Interessant ist, dass wir seit den Untersuchungen Macfarlane’s, dessen Arbeit i. J. 1881 erschien, bei keinem anderen Autor mehr dem Hinweis auf das Vorhandensein des „nucleolo-nucleus“ und seiner Theilung im Kernkörperchen von Spirogyra mehr begegnen. Ebenso hat ausser Macfarlanc, und in neuester Zeit Degagny, keiner der Forscher beobachtet, dass ein Theil des Kerninhalts durch die Kernmembran nach aussen hindurchgeht und dadurch die Anhäufungen an den Polen bildet. Eigene Untersuchungen. Bei der Vornahme meiner Untersuchungen hatte ich die Absicht, mich in der Hauptsache auf die Aufklärung der Bedeutung und Rolle 1) Die Arbeit Degagny’s, welche viele neue Ergebnisse enthält, ist leider nieht mit erläuternden Abbildungen versehen, was ihr Verständniss sehr erschwert. Infolge dessen haben die von mir angeführten Ergebnisse nur einen fragmenta- rischen Charakter und können keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen. 2) Um mich mit der Arbeit Macfarlane’s bekannt zu machen, benutzte ich den kurzen Auszug aus derselben in Strasburger’s Arbeit: „Ueber den Theilungsprocess der Zellkerne‘“, da mir die Macfarlane’sche Arbeit selbst nicht zur Verfügung stand. 101 des Kernkörperchens im karyokinetischen Process bei Spirogyra zu beschränken. Die erste Bekanntschaft jedoch mit dem Charakter der karyokinetischen Erscheinungen bei einigen Species dieser Pflanze, welche mir zur Verfügung standen, veranlasste mich, die mir gestellte Aufgabe etwas zu erweitern und zugleich auch der Bildung der Kernspindelfasern besondere Aufmerksamkeit zu widmen. In dieser Beziehung erwies sich eine starkwüchsige Species von Spirogyra mit grossem Zellkern, der die Kernmembran erst in einem verhältniss- mässig späten Stadium verliert, nämlich bei Beginn des Auseinander- gehens der Kernplattenhälften, — als ein höcht geeignetes Unter- suchungsobject. Zur Erreichung des beabsichtigten Zieles, d.h. zur Aufklärung des Schicksales des Kernkörperchens einerseits, und der Bildung der Kernspindelfasern andererseits, versuchte ich den fort- schreitenden Gang des karyokinetischen Processes bei Spirogyra in grösstmöglichster Vollständigkeit und Reihenfolge zu verfolgen, indem ich selbstverständlich hierbei auch zugleich die grösste Aufmerksam- keit denjenigen Stadien zuwendete, welche eine entscheidende Be- deutung in Bezug auf die oben erwähnten Fragen besitzen. Das Material zu meiner Arbeit wurde von mir in der Umgebung Warschaus hauptsächlich vor dem „Bellevedere’schen Thore“ und bei „Mariemont“ gesammelt. Als Fixirungsflüssigkeiten wurden versuchsweise angewendet: Absoluter Alkohol, die Flemming’sche Flüssigkeit, eine gesättigte Sublimatlösung in !jsproc. Lösung von NaCl, 1 proc. Chromsäure und eine Mischung von Chromsäure und Essigsäure (0,7°, und 0,3 %,). Von allen diesen Fixatoren verblieb ich schliesslich bei der Mischung von Essigsäure und Chromsäure in der angegebenen Proportion, da sie die besten Resultate liefert. Das Material wurde ebenfalls auch in der Flemming’schen Flüssigkeit, in Sublimatlösung und in I proc. Chromsäure ausgezeichnet fixirt, jedoch war in diesen Fällen die Färbung eine viel schwächere und weniger contrastirende, als bei der Fixirung durch eine Mischung von Essigsäure und Chromsäure. Das Passirenlassen des Materials durch Alkohol, Xylol und Parafinlösung in Xylol muss bei Spirogyra mit der grössten Vorsicht und Allmählichkeit vollzogen werden. Ich benutzte zu diesem Zwecke die Methode, welche Prof. W. Belajeff!) beschrieben hat. Nach dieser Methode wird die Flüssigkeit, in welche das Material gebracht werden soll, z. B. Alkohol, wenn das Material sich noch im Wasser 1) W. Belajeff, „Arbeiten der Warsch. Naturforsch. - Gesellsch.* 1894—95, Bd. III, 102 befindet, zuerst in ein Mariot’sches Gefäss gegossen, auf dessen gläserne Röhre, welche zur Vermittelung mit der umgebenden Atmo- sphäre dient, ein Kautschukschlauch mit Quetschhahn angebracht ist. Indem man mittelst des Quetschhahnes den Zutritt der Luft in das Mariot’sche Gefäss verringert und auf diese Weise den Strahl des auslaufenden Alkohols abschwächt, so dass der letztere nur tropfen- weise in gewissen Zeitintervallen (z.B. in !/s Minute, 1 Minute oder länger) sich ergiesst, — stellt man unter die Oeffnung der Röhre, aus welcher die Flüssigkeit austritt, ein breites Gefäss mit dem Material in Wasser. Der allmählich langsam und tropfenweise in das Wasser fallende Alkohol wird sich nach und nach mit demselben vermischen und das Material entwässern. Auf dieselbe Weise fügt man das Xylol dem Alkohol, und die bei Zimmertemperatur in Xylol gesättigte Paraffinlösung dem reinen Xylol zu, in welchem sich das Material befinde. Zu demselben Zwecke kann man auch einen kugelförmigen Trichter anwenden, dessen Röhre, aus welcher die Flüssigkeit austritt, mit einem Hahn versehen ist. Um das Ver- dunsten des Alkohols und des Xylols zu verhindern, führt man die Röhre des kugelförmigen Trichters und des Mariot’schen Gefässes, welche zum Austritt der Flüssigkeit dienen, entweder durch den Pfropfen, welcher das Gefäss mit dem Material verschliesst, oder ver- bindet sie mit diesem Gefäss vermittelst eines Kautschukschlauches, der mit einem Kautschukdeckel versehen ist. Die Verdichtung des Paraffins in den Thermostaten, d.h. bei einer höheren als der Zimmer- temperatur, erreicht man durch Verdampfen des Xylols, wenn man den beschriebenen Apparat nicht zur Verfügung hat. Diese Methode, welche äusserst günstige Resultate liefert, ent- schädigt dadurch vollständig für den Zeitverlust, den sie erfordert. Die Färbung wurde von mir hervorgerufen nach dem Aufkleben der Schnitte auf die Objectgläser und der Entfernung des Paraffins durch Xylol. Ausser Saffranin (Lösung in 50proc. Alkohol), welches ich vorzugsweise zur Färbung anwandte, wurden auch andere Färbe- stoffe erprobt, wie Methylgrün, die Biondi’sche Flüssigkeit, Gentiana- violett und Carminlösung. Wenn sich die Präparate als zu stark gefärbt (überfärbt) erwiesen, so wurden sie ausser der Auswaschung mit Spiritus vor der Aufklärung durch Nelkenöl und Einbringung in Canadabalsam noch einer vorhergehenden Waschung mit destillırtem Wasser, das durch Salzsäure schwach angesäuert wurde, unterzogen. Von den von mir der Untersuchung unterworfenen drei Species Spirogyra war nur eine genau bestimmt, und zwar Spirogyra 108 subaequa.!) Die zweite Species zeigte sich den Zellendimensionen (Breite 0,112--0,125 mm; Länge 0,150--0,187 mm), der Zahl der Chlorophylibänder (4—5) und der Anzahl der Windungen der letzteren (2—2!/3) nach, ausserordentlich nahe verwandt mit Spirogyra jugalis, wie ich sie auch weiterhin, zur grösseren Bequemlichkeit meiner Auseinandersetzungen, nennen werde. Die dritte Species endlich, die sich durch die unbedeutenden Dimensionen ihrer Zellen unterschied, blieb gänzlich unbestimmt (sie ist der Spirogyra densa sehr ähnlich). Der Zeilkern von Spirogyra subaequa hat im ruhenden Zustande im optischen Durchschnitte annähernd die Gestalt eines Rechtecks mit abgerundeten Ecken, welches mehr in der Quer- als in der Längsriehtung der Zelle gelagert ist (Fig. 1). Er hängt in massiven Protoplasmafäden, welche von ihm aus zu den Pyrenoiden ausgehen. Gewöhnlich trifft man nur ein Kernkörperchen an. Es ist intensiv färbbar durch die dem Chromatin des Zellkerns charakteristischen Färbestoffe und hat eine deutlich ausgebildete Kernmembran. Im Netzgerüst des Kernes, welches bei dieser Species nur sehr schwach ausgebildet ist, lässt sich kein Ohromatin constatiren. Im Anfang des Theilungsprocesses bei Spirogyra subaequa nimmt der Zellkern an Umfang zu und dehnt sich beträchtlich in der Längsrichtung der Zelle aus (Fig. 2). Hierauf beginnt er, ohne sein Wachsthum in der angegebenen Richtung aufzugeben, sich abzurunden, wobei an seinen Polarflächen sich Protoplasmaanhäufungen bemerkbar machen. Die sich inzwischen am Kernkörperchen bemerkbar machenden Veränderungen bestehen darin, dass es die Kernmembran verliert, Vorsprünge bildet und sich auflockert, wobei es aber nichtsdestoweniger seine annähernd kugelförmige Gestalt beibehält. Etwas später, wenn sich in den Plasmaanhäufungen an den Polen schon deutlich eine Streifung in der Längsrichtung der Zelle erkennen lässt, beobachtet man im Zellkern färbbare, körnige Fäden, welche aus dem deformirten Kernkörperchen herauszutreten scheinen und mit dessen ausgezogenen Vorsprüngen in Verbindung bleiben (Fig. 3). Die Färbung des Kernkörperchens, seiner Vorsprünge und der körnigen Fäden, welche in der Kernhöhle erscheinen, hat einen ganz gleichartigen Charakter, ist aber bedeutend schwächer, als die Färbung 1) Die Breite der Zelle betrug bei dieser Species 66—-70p; die Länge der Zelle war 11/,—2 mal grösser, als die Breite; Bänder 4—5, bei je 3/,—1 Um- drehung; die Breite der Zygospore betrug ungefähr 581; die Länge der Zygospore betrug 80-85 1. 104 des Kernkörperchens im ruhenden Kerne. Bei der Vergleichung dieses Stadiums mit dem ihm unmittelbar voraufgehenden und dem- jenigen des ruhenden Zellkerns drängt sich unwillkürlich der Gedanke auf, dass wir es im gegebenen Falle mit dem Auseinandergehen der Substanz des Kernkörperchens zu thun haben, dessen grösster Theil indessen an seinem Platze im Centrum des Zellkernes verbleibt. Thatsächlich hat das deformirte Kernkörperchen in diesem Stadium, wie bereits oben gesagt, gleichartige Färbung mit den körnigen Fäden und ausserdem ist es mit denselben derartig verbunden, dass die letzteren den Eindruck machen, als seien sie die Auswüchse desselben, und zwar so lang gewordene Auswüchse, dass sie sogar bis zur Peripherie des Zellkerns reichen. Aber wenn wir den Trennungsprocess der Substanz des Kern- körperchens vor uns. haben, so ergibt sich die Frage: womit endet dieser Process? Und kann man nicht einen Zellkern finden, ohne Kernkörperchen, nur mit den es ersetzenden färbbaren Fäden? Bei meinen Untersuchungen von Spirogyra subaequa ist es mir trotz der grossen Anzahl der beobachteten Präparate in keinem einzigen Falle gelungen, eine solche vollständige Ersetzung zu finden und deshalb kam ich zu dem Schluss, dass der Trennungsprocess der Substanz des Kernkörperchens bei dieser Species, kaum begonnen, auch ebenso schnell zum Stillstand gelangt. In den folgenden Stadien beobachten wir schon den rückwärts gehenden Process des Zusammenziehens der färbbaren Fäden zum deformirten Kernkörperchen und ihres Zusammen- fliessens mit demselben zu einer einzigen centralen Masse. Indem es wieder mit den färbbaren Fäden zusammenfliesst, vergrössert sich das deformirte Kernkörperchen etwas an Umfang und lockert sich noch mehr, behält aber, wie vorher, auch jetzt noch dieselbe annähernd rundliche Form und verbleibt auf seiner alten Stelle. Zu dieser Zeit sind bei Spirogyra subaequa schon deutlich wahrnehmbare Kernspindel- fasern vorhanden. Sie nähern sich etwas unter einander in der Aequatorialebene des Zellkerns und treten beiderseits zu der sich ansammelnden färbbaren Masse heran. Diese Fäden unterscheiden sich in nichts von den ausserhalb des Zellkerns befindlichen achro- matischen Fäden und stellen, wie man ganz deutlich beobachten kann, die Fortsetzung derselben dar. Die innerhalb des Zellkerns befind- lichen achromatischen Fäden bilden also folglich zusammen mit den ausserhalb befindlichen zu beiden Seiten der färbbaren centralen Masse je ein System von Fadengewebe, welches von der in diesen Stadien noch vorhandenen Kernmembran nicht unterbrochen wird. | ; | ’ 105 Die Zusammenziehung der färbbaren Fäden und ihr Zusammenfliessen mit dem nicht auseinandergehenden Theile des Kernkörperchens von Anfang an zu beobachten, gelang mir nicht, ebenso wenig, wie das erste Auftreten der Kernspindelfasern im Zellkern zu bemerken; es wurden von mir nur diejenigen für den vorliegenden Fall höchst charakteristischen Stadien beobachtet, mit welchen dieser Process abschliesst. Eines dieser Stadien ist in Fig. 4 dargestellt und ergibt folgendes Bild: Innerhalb des ovalen, mit deutlich abgegrenzter Kernmembran umgebenen Zellkerns liegt die unregelmässig-kugelförnige, mit noch nicht völlig hervortretenden Vorsprüngen versehene centrale färbbare Masse und zu beiden Seiten der letzteren, sowohl im Zellkern, als auch im Protoplasma, das sich an seinen Polen anhäuft, sind die achromatischen Fäden deutlich sichtbar. Hierbei ist der Umstand interessant, dass die centrale Masse, wie es ihre Färbung zeigt, aus zwei verschiedenen Substanzen besteht. Bei der Färbung mit Saffranin färbt sich die eine derselben, welche den Hauptbestandtheil der cen- tralen Masse bildet und gewissermaassen ihren Grund darstellt, rosa, während die andere, intensiver färbbare, in Gestalt lebhaft rother Körner auftritt, die in der rosagefärbten Grundsubstanz zerstreut sind In einem der unmittelbar folgenden Stadien, welches in Fig. 5 dargestellt ist, sind die Auswüchse der centralen Masse fast nicht bemerkbar und in ihr tritt der Unterschied zwischen den beiden ungleich färbbaren Substanzen noch deutlicher auf, wobei die lebhaft gefärbten Körperchen, sich scharf von der schwächer färbbaren Sub- stanz abhebend, sich als längliche Körner oder Stäbchen, die mit einem hellen Rande umgeben sind, darstellen (Fig. 5). Im weiteren Entwickelungsgange des karyokinetischen Processes beginnt sich die färbbare centrale Masse senkrecht zur Längsrichtung der Zelle auszustrecken und umfasst, allmählich ihre Umrisse ver- ändernd, den ganzen Querschnitt des Zellkerns. Dieser letztere verliert in dieser Zeit seine Kernmembran und zwar zuerst an den Polen und hierauf auf seiner ganzen Oberfläche. Wie Fig. 6, 7 und 8 zeigen, nimmt die centrale Masse, wenn wir sie in diesen Stadien im Längsschnitt der Zelle verfolgen, aus der abgerundeten eine vier- eckige und hierauf eine länglichovale Form an, schliesslich streckt sie sich zu einem schmalen, rechtwinkligen Bande aus. Die Längs- seiten dieses Bandes, welche gewöhnlich gezähnt sind, sind den-Polen zugekehrt, während die beiden andern in der Längsrichtung der Zelle liegen, 106 Die sich immer mehr zur Aequatorialebene zusammenziehende centrale Masse fährt fort, ihre rechteckige Form beizubehalten, deren schmale Seiten in der Längsrichtung der Zelle sich allmählich noch mehr verkürzen. Die auf diese Weise zusammengezogene centrale Masse stellt sich nun als eine völlig ausgebildete Kernplatte dar, vor ihrer Theilung in die Tochterhälften (Fig. 9). Die Zähne an ihren den Polen zugekehrten Längsseiten, welche gewöhnlich sehr scharf hervortreten, zeigen sich mit den Spindelfasern verbunden. Diese Formveränderungen der centralen Masse sind von einer Platzveränderung der in ihr gelagerten, lebhaft färbbaren Körner begleitet. Wenn die centrale Masse im Längsdurchschnitt der Zelle die Form eines ausgestreckten Ovales annimmt, so haben sich die Körner bereits in eine Reihe rangirt, welche die centrale Masse genau in zwei symmetrische Hälften zertheilt und perpendiculär zur Längs- axe der Zelle verläuft (Fig 7). Auf diese Weise unterliegt es keinem Zweifel, dass diese lebhaft färbbaren Körner die Chromosome darstellen, welche sich im Stadium der Kernplatte in der Aequatorial- zone der Kernspindel lagern. Die übrige Masse des centralen Körpers, welche zu beiden Seiten der Chromosomreihe gelagert ist, besteht jetzt nur noch aus einer schwach färbbaren Substanz, welche durch Saffranin eine rosa Färbung erhält. Wenn wir die Kernplatte aufmerksam in dem Stadium beobachten, in welchem sie im Längs- durchschnitt die Form eines Bandes hat, so ist es nicht schwer zu constatiren, dass die schwach färbbare Substanz aus kleinen Bögen besteht, welche mit ihren Wölbungen den Polen zugewendet sind und mit ihren freien Enden in den Umrandungen der Chromosome endigen. Diese Bögen stellen die oben erwähnten Zähne dar und an ihre Einbiegungen heften sich die Achromatinfäden der Kernspindel an. Dieser Zustand der schwach färbbaren Substanz und der Chro- mosome dauert bis zur Trennung der Kernplatte in zwei Hälften. Im Stadium der Kernplatte behalten die Chromosome, ebenso wie in den vorhergehenden Stadien, ihre helle Umrandung bei, von welcher sie umgeben sind (Fig. 9). Die Untersuchung der Kernplatte von der Fläche aus kann man auf den Querschnitten der Zellen vornehmen, aber es gelang mir dies leichter dadurch zu erreichen, dass ich einen Druck auf das Deckglas ausübte, unter welchem sich die Längsschnitte von den Spiro- gyrazellen befanden. Infolge dieses Druckes kehrt die ihre Lage verändernde Kernplatte dem Beobachter ihre flache Seite zu, welche bei unverletzten Zellen der Querwand derselben zugewendet ist. 107 Bei der Untersuchung der Kernplatte von der Fläche aus konnte ich die Zahl der Chromosome annähernd feststellen und es zeigte sich, dass die Anzahl derselben circa 24 beträgt, d. h. fast doppelt so viel, als die Anzahl, welche Strasburger und Moll bei Spirogyra be- obachteten. Alle Chromosome liegen streng in einer Ebene und jedes von ihnen besitzt, ebenso wie im Längsdurchschnitt der Zelle, eine deutliche helle Umrandung (Fig. 10). Ausserdem sind die Chromosome nicht von einander isolirt, sondern fadenartig durch schwach färbbare Substanz verbunden. Wenn man der Kernplatte vermittelst eines Druckes auf das Deckgläschen verschiedene Lagen gibt, so kann man sich leicht überzeugen, dass diese fadenartigen Verbindungen die oben beschriebenen Bögen sind und von der Lagerungsebene der Chromosome nach den entgegengesetzten Seiten, d.h. nach den Polen des Zellkerns zu, gerichtet sind. Indem sich die eine auf die andere auflagert, macht die dadurch gebildete Masse im Längsschnitt der Zelle auf den ersten Blick den Eindruck der- jenigen sich hellroth färbbaren und mit gezähnten Polrändern ver- sehenen Bänder, welche man in der Kernplatte zu beiden Seiten der Chromosomreihe beobachtet (Fig. 9). Bei aufmerksamer Beobachtung kann man, wie wir bereits oben gesehen haben, die einzelnen Bögen auch in den Längsschnitten der Zellen wahrnehmen. Bei der Theilung der Kernplatte in die Tochterhälften theilt sich jedes Chromosom in zwei sich in der Längsrichtung der Zelle neben einander lagernde, schwächer färbbare Theile der Kernplatte, welche aus Bögen bestehen, die in ihrem Bau keinerlei Veränderung erleiden. Dementsprechend beobachtet man sofort nach der Theilung der Kern- platte im Längsdurchschnitt der Zelle zwei Chromosomreihen, die neben einander gelagert sind und ausserdem senkrecht zur Längsaxe der Zelle liegen. Bei jeder dieser beiden Chromosomreihen bemerkt man die Bögen, die nur an je einer ihrer Seiten gelagert sind, nämlich an den Seiten, welche den Polen des Zellkerns entsprechen (Fig. 11). Dasselbe Aussehen behalten die Kernplattenhälften im Längs- durchschnitt der Zelle auch im Anfang ihres Auseinandergehens bei (Fig. 12). Wenn man die Kernplattenhälften in diesen Stadien von oben betrachtet, so stellt jede von ihnen eine Art Netz dar, wie es in Fig. 13 dargestellt ist, d. h. es besteht aus den Maschen einer schwach färbbaren Substanz, in dessen Knotenpunkten die Chromosome ge- lagert sind. Im Maasse des Auseinandergehens tritt eine gewisse Abnahme der Kernplattenhälften im Durchmesser ein, was mit einer Verdickung der das Netz bildenden Fäden und mit einer Verringe- 108 rung der Zwischenräume der Maschen dieses Netzes verbunden ist (Fig. 14—15). Die sich auf solche Weise verdichtenden, aber dabei ihren netzartigen Aufbau nicht verlierenden Kernplattenhälften werden in allen ihren Theilen noch deutlicher unterscheidbar. Hierbei bleibt der Contrast zwischen der schwächer und stärker färbbaren Substanz, obwohl sich derselbe ein wenig ausgleicht, trotzdem noch deutlich während der ganzen Dauer des Auseinandergehens wahrnehmbar, be- sonders wenn man die Kernplattenhälften von der Fläche aus be- trachtet (Fig. 16). Noch vor der Beendigung des Auseinandergehens biegen sich die Kernplattenhälften aus, indem sie die concaven Seiten einander zukehren (Fig. 15). Hierauf verwandelt sich jede Hälfte, indem sie fortfährt, sich im Durchmesser zu verkürzen, in einen dichten Knäuel mit höchst unregelmässigen Maschen. Diese Umwandlung fällt mit der Beendigung des Auseinandergehens der Kernplattenhälften zusammen. Darauf bildet sich um den Knäuel und zwar in einiger Entfernung von demselben, eine zarte Kernmembran. Die Knäuel sind durch färbbare Fäden mit der sich um die ersteren herumbildenden, aber nicht anlagernden Kernmembran verbunden. Mit dem zunehmen- den Wachsthum der Tochterkerne lockern sich die Knäuel etwas und lassen die Zwischenräume der Maschen erkennen. (Fig. 17a und 17b, entsprechend dem Längs- und Querschnitt des Tochterkerns im be- schriebenen Stadium). Die Zusammensetzung der Knäuel ist dieselbe, wie die der Kernplattenhälften, aus welchen sie gebildet wurden. Der Unterschied zwischen den intensiv färbbaren Körnern und der sich schwach färbenden Grundmasse tritt besonders deutlich dann hervor, wenn die Knäuel lockerer werden und die Zwischenräume der Maschen in ihnen deutlich bemerkbar sind (Fig. 17). In einem der folgenden Stadien (Fig. 18) nähern sich die Körner der lebhaft färbbaren Substanz einander ein wenig und rangiren sich in krummen Reihen, welche ohne bestimmte Ordnung zu einander gelagert sind. Die weitere Veränderung besteht darin, dass im Centrum. des Knäuels, der aus schwach färbbaren Fäden besteht und die lebhaft färbbaren Körner in sich einschliesst, die Fäden zusammenfliessen und einen Klumpen bilden, von welchem nach der Peripherie zu gleichsam ausgezogene Vorsprünge vortreten. Dieser Klumpen ist, ebenso wie die Knäuel der vorhergehenden Stadien, mit der Kernmembran ver- mittelst färbbarer Fäden verbunden (Fig. 19 und 20). Hierauf beginnen die Fäden sich zum Klumpen einzuziehen, infolge dessen sich ihre 109 Zahl allmählich immer mehr, bis zu ihrem gänzlichen Verschwinden, verringert. Als Resultat ergibt sich im Centrum des Tochterkernes ein eckiger, im Längsdurchschnitt der Zelle länglicher Körper, welcher sich allmählich abrundet, auf seiner Oberfläche glättet und schliesslich ein typisches Kernkörperchen bildet (Fig. 21 und 22). Das auf diese Weise gebildete Kernkörperehen erlangt (wie Fig. 19—22 zeigen) nieht sofort die Fähigkeit, sich so intensiv zu färben, wie es gewöhnlich beim Kernkörperchen der ruhenden Zell- kerne beobachtet wird: zuerst färbt es sich bedeutend schwächer, besonders in den Peripherietheilen und hauptsächlich in denjenigen Vorsprüngen oder Auswüchsen, welche beim Einziehen der färbbaren Fäden gebildet werden. Vollständig gleichartig mit Spirogyra subaequa vollzieht sieh augen- scheinlich der karyokinetische Process bei der kleinen Spirogyraspecies (Sp. densa?), welche unbestimmt geblieben ist. Wenigstens ist der Bildungsprocess der Kernplatte aus der centralen, färbbaren Masse des Zellkerns, die sich in Körner differenzirt und intensiv färbbar ist, sowie der Bildungsprocess der schwach färbbaren Grundsubstanz, ferner des Stadiums der Kernplatte selbst und endlich der Anfang des Auseinandergehens der Kernplattenhälften, bei diesen beiden Species völlig analog. Hierauf beschränken sich vorläufig die von mir erhaltenen Er- gebnisse über die erwähnte kleine Spirogyraspecies, da meinerseits weder der Anfang, noch die Beendigung des karyokinetischen Processes bei dieser Species beobachtet wurden. Ich gehe nun zu derjenigen Spirogyraspecies über, welche ich annähernd als Spirogyra jugalis bestimmt habe und welche, wie aus den vorhergehenden Angaben ersichtlich ist, sich durch die bedeutend grösseren Dimensionen ihrer Zellen von den vorigen unterscheidet. Der Gestalt des Zellkerns nach, welcher bei dieser Species im Längs- durchsehnitt der Zelle eine länglich-ovale Form hat und mit seinem längsten Durchmesser quer zur Längsaxe der Zelle gerichtet ist, könnte diese Species als ein Zwischentypus zwischen den sogenannten rundkernigen und plattkernigen Arten betrachtet werden. Sie besitzt gewöhnlich nur ein Kernkörperchen mit selbst bei nur mittlerer Ver- grösserung ausserordentlich deutlich wahrnehmbarer Kernmembran. 110 Das Netzgerüst des Zellkerns bleibt nach der Einwirkung von Färbestoffen vollständig farblos und obgleich es etwas deutlicher her- vortritt, als bei Spirogyra subaequa, so erweist es sich dennoch im Vergleich zu den Zellkernen der höheren Pflanzen als äusserst schwach ‚entwickelt. Während der Vorbereitungsstadien des karyokinetischen Processes verwandelt sich die im Längsdurchschnitt der Zelle länglich-ovale Gestalt des Zellkernes bei Spirogyra jugalis allmählich in eine mehr rundliche Form und nimmt immer mehr und mehr an Umfang zu. Gleichzeitig hiermit entsteht eine Protoplasmaströmung von der Peripherie der Zelle durch die Fäden, an denen der Zellkern auf- gehängt ist, nach dem Zellkern zu, infolge dessen sich diese hängen- den Fäden verdiecken und sich besonders bemerkbar am Grunde ver- breitern, d. h. an den dem Zellkern am nächsten liegenden Theilen. Bei dieser Verdiekung vermindert sich allmählich die Anzahl dieser Fäden, was sich am natürlichsten durch ihr Zusammenfliessen unter- einander erklären lässt, welches von ihren verbreiterten Basaltheilen aus beginnt. Dies ist um so wahrscheinlicher, als in den beschriebenen Stadien ausser den dieken Hauptfäden noch feinere Fäden zweiten Ranges zu bemerken sind, welche mit den Hauptfäden zusammen- fliessen, ohne den Zellkern zu erreichen. Wenn die Zahl der Fäden, in welchen der Zellkern im Längsdurchschnitt der Zelle hängt, bis auf vier Stränge herabgesunken ist, so zeigt sich an ihrem Grunde eine Streifung, welche senkrecht zu demjenigen Theile der Kernmembran gerichtet ist, auf welchem diese Stränge angeheftet sind. Die faserige Zusammensetzung der Basis dieser Stränge wird in der Folge immer deutlicher. Wie aus Fig. 24, welche den Zellkern im Längsdurch- schnitt der Zelle in einem dieser Stadien darstellt, ersichtlich ist, sind die Stränge zu dieser Zeit stark verdickt und vollständig unab- hängig von einander. Wenn man im Längsdurchschnitt der Zelle diese Stränge in ihren weiteren Stadien verfolgt, so kann man be- obachten, dass dieselben später paarweise mit ihren Fusspunkten an den Polseiten des Zellkerns zusammenfliessen und so diejenigen Plasmaanhäufungen bilden, welche wir schon bei Spirogyra subaequa zu bemerken Gelegenheit hatten und welche bereits mehrfach in der Litteratur über andere Spirogyraspecies beschrieben worden sind, als eines der Kennzeichen vom Uebergange des Zellkernes aus dem ruhenden Zustande in das Stadium der Theilung. Anfänglich sind die Fasern der beiden am Grunde zusammengeflossenen Stränge, wie im Längsdurchschnitt der Zelle zu beobachten ist, noch in zwei 111 Gruppen getheilt, welche noch in zwei selbständige Stränge auslaufen (Fig. 25 und 26). Indem diese beiden Gruppen weiter zusammen- fliessen, ihre Fasern die gleiche Richtung annehmen, und mit ihren nach der Querwand der Zelle zugekehrten Spitzen in einer Ebene abschliessen, — bilden sie zu beiden Seiten des Zellkerns eine Decke, deren Fasern parallel mit der Längsaxe der Zelle laufen (Fig. 27). Wenn wir uns jetzt denjenigen Erscheinungen zuwenden, welche in diesen Stadien im Innern des Zellkernes sich entwickeln, so müssen wir uns auschliesslich auf die Veränderungen beschränken, welche das Kernkörperchen erleidet. Bei Spirogyra jugalis, ebenso wie bei Sp. subaequa, schliesst das Kernkörperchen in sich die ganze färbbare Substanz des Zellkerns ein und daher spielt es im Allgemeinen genau dieselbe wesentliche und wichtige Rolle, wie bei der letzteren Species. Die erste Veränderung des Kernkörperchens bei Spirogyra jugalis macht sich dann bemerkbar, wenn einerseits die Abrundung des Zell- kerns und andererseits die Verringerung der Anzahl der Fäden, an denen der Zellkern hängt, eintritt. Wir bemerken in diesem Stadium am Kernkörperchen vor Allem eine beträchtliche Abschwächung seiner Färbungsfähigkeit; hierauf verliert es seine Membran und beginnt sich zu deformiren, wobei es in seinen allgemeinen Umrissen unregel- mässig eckig wird und auf seiner ganzen Oberfläche kleine Auswüchse bildet. Hierbei verliert es zugleich den Charakter einer compacten Masse und wird etwas lockerer (Fig. 24). In dieser Weise setzt sich der De- formations- und Lockerungsprocess des Kernkörperchens auch in den Stadien fort, in welchen das Zusammenfliessen der Fäden, an denen der Zellkern hängt, an ihren Fusspunkten stattfindet. Das Kernkörperchen nimmt zugleich das Ausschen eines Körnercomplexes mit schwachen Umrissen an, dessen Körner in weniger lebhaft färbbare Zwischen- masse eingeschlossen sind (Fig. 25). Die nicht zahlreichen Fäden des entwickelten und nicht färbbaren Netzgerüstes des Zellkernes ver- einigen sich an den Berührungsstellen mit solch einem Complex, in- dem sie sich mit den Auswüchsen auf seiner Oberfläche verbinden. In den folgenden Stadien hört das Kernkörperchen auf, ein selb- ständiger Körper zu sein, welcher frei im Centrum des Zellkerns liegt: es verschwimmt gewissermaassen in dem es umgebenden Kern- saft und dient als Ausgangspunkt für die nach allen Richtungen des Zellkerns auseinander gehenden körnigen Fäden. Die Färbung dieser Fäden unterscheidet sich in nichts von der Färbung des sich noch erhaltenden Restes des Kernkörperchens. Die in den färbbaren Fäden eingeschlossenen Körner sind ebenfalls völlig gleichartig mit den sich 112 im Kernkörperchen befindlichen Körnern. Die Fäden, welche vom Kernkörperchen ausgehen und sich gewöhnlich in dem Maasse ihrer Annäherung an dasselbe verdieken, gehen unmittelbar in seine Masse über und stellen auf diese Weise zugleich mit dem Kernkörperchen denjenigen Theil des Zellkernes dar, welcher im gegebenen Moment des karyokinetischen Processes die gesammte färbbare Substanz ent- hält, die in seine Zusammensetzung eingetreten ist (Fig. 26). Wenn man das Kernkörperchen und die färbbaren Fäden weiter verfolgt, so kann man beobachten, dass während sich die Masse des ersteren verringert, die Zahl der letzteren allmählich zunimmt (Fig. 27). Folglich geht die Substanz des Kernkörperchens mehr und mehr im Zellkern in Form von körnigen Fäden aus einander. Wenn schliesslich die Bildung der faserigen Decken an den Polen beendet ist, so ist das Kernkörperchen bereits nicht mehr wahrnehmbar. Die Stelle, welche es einnahm, wird gewöhnlich durch eine etwas dichtere An- häufung der färbbaren körnigen Fäden bezeichnet, welche jetzt allein im Zellkern übrig geblieben sind und sich in seinem ganzen Hohl- raume ausbreiten, indem sie sich nach allen möglichen Richtungen ver- theilen und unregelmässig zu einander gelagert sind (Fig. 28). Uebrigens kann man im Zellkern von Spirogyra jugalis bisweilen in diesen Stadien, welche sehr stark an das lockere Knäuelstadium der höheren Pflanzen erinnern, ausser den färbbaren Fäden noch ein oder mehrere ziemlich grosse, lebhaft färbbare Körner bemerken, aber augenscheinlich ist dies nichts anderes, als der Ueberrest des noch nicht ganz zergangenen Kernkörpercehens. In den nächstfolgenden Stadien sind diese Körner schon nicht mehr wahrnehmbar. Was die Fäden des Netzgerüstes des Zellkernes anbetrifft, welehe im ruhenden Zellkerne und in den ersten Veränderungsstadien des Kernkörperchens bemerkt wurden, so gelang es mir nicht, deren weiteres Schicksal zu verfolgen. Jedenfalls kann nicht der geringste Zweifel darüber herrschen, dass die zahlreichen, sich verwickelnden, färbbaren Fäden, welche im beschriebenen Stadium im Zellkern be- obachtet wurden, mit den nicht färbbaren und nur wenig zahlreichen Fäden des ursprünglichen Netzgerüstes des Zellkernes gar nichts mit einander gemein haben. Es verschwindet also zwar nach meinen Beobachtungen das Kernkörperchen bei Spirogyra jugalis, aber es verschwindet, indem es sich im Zellkerne in Form von färbbaren körnigen Fäden verbreitet, und nicht, indem es sich auflöst, wie dies Strasburger für Spirogyra ledig- lich auf Grund seiner Untersuchung von Spirogyra polytaeniata behauptet. 113 Diese meine Ergebnisse bezüglich des Kernkörperchens kommen den von Moll erhaltenen Resultaten am nächsten, obgleich anderer- seits auch zwischen ihnen ein bedeutender Unterschied vorhanden ist. So beobachtete Moll bei der von ihm untersuchten Spirogyraart nicht die Erscheinung vieler färbbarer Fäden, wie dies gewöhnlich bei Spirogyra jugalis der Fall zu sein pflegt, sondern nur eines einzigen, welcher sich mit einem seiner Enden an die schnabelförmige Zu- spitzung des Kernkörperchens anlagert. Dieser Faden, welcher nach der Voraussetzung Moll’s aus dem Plasma des Zellkerns hervorgeht, empfängt die Färbungsfähigkeit und überhaupt seinen definitiven Aus- bau erst dann, wenn in ihn der färbbare Inhalt des Kernkörperchens eintritt, welcher aus dem letzteren durch das zugespitzte Ende heraus- gepresst wird. Das Kernkörperehen verblasst allmählich im Maasse seines Leerwerdens, ohne seine Umrisse zu verlieren und verschwindet endlich gänzlich. Moll beobachtete weder eine Deformation des Kernkörperchens, welche von einer Auflockerung desselben begleitet ist, noch die allmähliche Verringerung seines Umfanges parallel mit der Zunahme der Anzahl der färbbaren Fäden im Zellkerne, wie dies bei Spirogyra jugalis und theilweise auch bei Sp. subaequa der Fall ist. Im weiteren Entwickelungsgange des karyokinetischen Processes treten bei Spirogyra jugalis die färbbaren Fäden von der Kern- membran zurück und ziehen sich allmählich zu einer Aequatorialzone zusammen, wobei gleichzeitig in den Poltheilen des Zellkerns die Er- scheinung der Kernspindelfasern bemerkbar wird. Diese sind, wie man sehr deutlich beobachten kann, einerseits mit den färbbaren Fäden vereinigt, welche in der angegebenen Richtung zurücktreten, anderer- seits gehen sie, indem sie die Kernmembran durchbohren, in die achromatischen Fäden über, welche die oben beschriebenen faserigen Plasmaanhäufungen an den Polen des Zellkerns bilden (Fig. 29 und 80). Die färbbaren Fäden treten nicht zu gleicher Zeit und in gleichem Maasse von der Zellmembran zurück und man kann nicht selten beobachten, dass einzelne derselben mit ihren Enden noch an der Kernmembran anliegen, während andere bereits weit von ihr ent- fernt sind. Dementsprechend ist auch die Länge der achromatischen Fäden im Innern des Zellkernes eine verschiedene: weit zurück- getretene färbbare Fäden entsprechen langen achromatischen Fäden und mit den Enden bis nahe an die Membran sich erstreckende färbbare Fäden entsprechen kurzen achromatischen Fäden (Fig. 29 und 30). Flora 1893. 8 114 Es werden also durch die von uns angeführten Beobachtungen die Ansichten Strasburger’s und Tangl’s bezüglich des eyto- plasmatischen Ursprungs der Kernspindelfasern bei Spirogyra bestätigt, sie zeigen zugleich aber auch, dass das Eindringen der achromatischen Fäden in den Zellkern sich allmählich vollzieht und sich in enger Abhängigkeit von dem gleichzeitig stattfindenden Processe des Zu- sammenziehens der färbbaren Fäden befindet. Mit der fortschreitenden Zusammenziehung lagern sich die färb- baren Fäden immer regelmässiger zu einander und nehmen eine annähernd parallele Richtung zur Längsaxe der Zelle an: die inner- halb des Zellkerns befindlichen Theile der achromatischen Fäden, von denen eine immer grössere Anzahl in den Zellkern eindringt, gleichen sich, indem sie sich entsprechend vergrössern, zugleich in ihrer Länge unter einander aus. Allmählich nimmt die Anhäufung der färbbaren Fäden im Längsdurchsehnitt der Zelle die Form eines viereckigen Bandes an, welches quer im Zellkern gelagert ist. Die Anzahl der die faserige Hülle bildenden Fäden ist zu dieser Zeit nicht grösser, als die Anzahl der im Innern des Zellkerns befindlichen achromatischen Fäden und sie alle stellen gewissermassen eine Fortsetzung der letzteren ausserhalb des Zellkerns dar. Was die Länge der innerhalb des Zellkerns befindlichen achromatischen Fadenabschnitte zu beiden Seiten des Bandes anbetrifft, welches von färbbaren Fäden gebildet wurde, so sind dieselben unter einander fast ganz gleich, jedoch jetzt bedeutend länger, als die ausserhalb des Zeilkerns befindlichen Faden- abschnitte. Schon in diesem Stadium kann man in der zusammen- gezogenen Masse der körnigen Füden, welche dureh Safranin eine hellrothe Färbung erhalten, bei starker Vergrösserung unregelmässig zerstreute intensiv färbbare Körner bemerken, deren jedes von einem hellen Rande umgeben ist, Bei der weiteren Zusammenziehung der färbbaren Masse verengert sieh das Band, in welcher Form sich die Masse im Längsdurchschnitt der Zelle darstellt, allmählich und nimmt ebenso, wie bei Spirogyra subaequa, die Gestalt eines ausgestreckten Rechtecks an, nur ist es breiter und nicht die ganze Querausdehnung des Zellkerns ausfüllend. Die kurzen Seiten dieses Rechtecks sind in der Längsrichtung der Zelle gelagert. In diesem Zustande stellt die gefärbte Masse bereits die Kernplatte dar (Fig. 31). Die intensiver färbbaren Körner mit ihren hellen Umrandungen, oder die Chromosome, sind in der Kern- platte bei Spirogyra jugalis im Längsdurchschnitt der Zelle, ebenso wie im entsprechenden Stadium bei Spirogyra subaequa, in einer Reihe wur 115 gelagert, welche sich von dem hellrothen Hintergrunde der Kernplatte scharf abhebt und parallel ihrer Längsseite, genau in der Mitte der- selben, gelagert ist. Der Bau der schwach färbbaren Theile der Kernplatte von Spirogyra jugalis blieb für mich unaufgeklärt, weil er sich sogar bei starker Vergrösserung einer Untersuchung nicht unterwerfen liess. Leicht ist nur zu bemerken, dass sie aus ausser- ordentlich feinen körnigen Fädchen bestehen, welche der Länge der Zelle nach gerichtet sind und an die sich von beiden Seiten des Zellkerns die achromatischen Fäden herannähern. Welcher Art die gegenseitige Lagerung der schwach färbbaren Fädchen ist, und ihre Beziehungen zu den Ühromosomen, gelang mir nicht zu bestimmen. Bei der Betrachtung von der Fläche aus hat die Kernplatte an- nähernd die Gestalt eines Kreises, welcher bei schwacher Vergrösserung und bei Färbung durch Safranin gleichmässig hellroth gefärbt erscheint. Bei stärkerer Vergrösserung lassen sich auf dem hellrothen Hinter- grunde des Kreises zerstreute, lebhaft rothe Chromosome deutlich bemerken, welche einander paarweise genähert sind und deren jedes von einer hellen Umrandung umgeben ist (Fig. 32). Im Stadium der Kernplatte bleibt die Kernmembran bei Spiro- gyra jugalis noch in ihrer ganzen Ausdehnung erhalten, aber die faserigen Decken an den Polen, wenn sie zu dieser Zeit überhaupt noch wahrnehmbar sind, haben bereits eine höchst unbedeutende Höhe und machen den Eindruck, als wenn sie sich in die Kernhöhle hineinziehen, Da das Stadium der Theilung der Chromosome der Kernplatte bei Spirogyra jugalis von mir nicht beobachtet wurde, so gehe ich hiermit über zur Beschreibung des Stadiums des Auseinandergehens der Kernplattenhälften nach den Polen zu. Der Beginn dieses Stadi- ums fällt bei Spirogyra jugalis mit dem Verschwinden der Kernmembran zusammen. Im Maasse des Auseinandergehens der Kernplattenhälften dehnt sich die plasmatische Masse, welche in sich die karyokinetischen Figuren einschliesst, stark in der Längsrichtung der Zelle aus. Indem sich die beiden Kernplattenhälften von einander entfernen, bleiben sie gewöhnlich durch schwach färbbare dünne Fäden verbunden und in ihrem Bau zeigt sich die charakteristische Eigenheit, dass die Chromo- some in ihnen nicht dasselbe Aussehen beibehalten, welches sie im Stadium der Kernplatten hatten, sondern sie zerfallen in noch kleinere Körnchen, welche sich in der faserigen, schwach färbbaren Substanz vertheilen (Fig. 33). Der Unterschied in der Färbung beider Sub- stanzen, welche in die Zusammensetzung jeder der beiden Kernplatten- 8* 116 hälften eintreten, wird weniger bemerkbar infolge der Zerstückelung der Chromosome; späterhin, je nach dem Maasse der Entfernung der Hälften, welche zugleich gewöhnlich von einer Abflachung und Ver- ringerung derselben im Durchmesser begleitet wird, gleicht sich dieser Unterschied immer mehr und mehr aus und verschwindet schliesslich, so dass er im bekannten Stadium der Trennung gar nicht mehr wahrnehmbar ist. Die Kernplattenhälften bestehen in diesem Stadium, wie der Längsdurchsehnitt (Fig. 34) und der Querdurchschnitt (Fig. 35) der Zelle in diesem Moment des karyokinetischen Processes zeigt, aus einander eng genäherten, stäbchenförmigen Segmenten, die ihrer- seits aus einer nicht grossen Anzahl reihenweise gelagerter Körner zusammengesetzt sind. Diese Segmente werden vollständig gleichmässig gefärbt und nur in der Nähe ihrer dünnen Enden nehmen sie eine etwas schwächere Tingirung an. In den weiteren Stadien des Auseinandergehens nähern sich die Segmente einander so sehr, dass sie nicht mehr zu unterscheiden sind; möglicherweise findet hierbei gleichfalls ein Zusammenfliessen derselben statt. Wenigstens empfängt man diesen Eindruck bei der Beobachtung der Kernplattenhälften während dieser Zeit im Längs- durchschnitt der Zelle (Fig. 36 und 37). An den einander zugekehrten Seiten haben die Kernplattenhälften in den beschriebenen Stadien ziemlich bedeutende Auswüchse, mit welchen die zwischen den Hälften befindlichen, jetzt stark verlängerten färbbaren Fäden verbunden sind. Dieses Aussehen behalten die Kernplattenbälften nicht nur in den Endstadien des Auseinandergehens, sondern sogar noch in der ersten Zeit nach der Beendigung desselben, wenn um jede Hälfte eine helle Umrandung erscheint und diese letztere, immer deutlicher werdend, sich an der Peripherie mit der Kernmembran bedeckt. Mit diesem Moment beginnt der Rückkehrprocess der Bildung der Tochter- kerne, welcher dem entsprechenden Vorgang bei Spirogyra subaequa ausserordentlich ähnlich ist. Bei Spirogyra jugalis runden sich an- fänglich, ebenso wie bei Sp. subaequa‘, die Kernplattenhälften etwas ab, welche mit der Kernmembran vom Moment ihrer Erscheinung an durch färbbare feine Fädchen verbunden sind. Indem sie hierauf im Zellkern aus einander gehen, bilden sie eine Art knäuelförmiges Netzgerüst. Dieses Netzgerüst, wie es in Fig. 39 dargestellt ist, hat bisweilen einen ausserordentlich regelmässigen Bau. Späterhin zieht sich das knäuelförmige Netzgerüst jeder der Tochterkerne nach dem Centrum des Zellkernes zusammen und infolge des Zusammenfliessens 117 der dasselbe darstellenden Fäden verwandelt es sich in eine homo- gene Masse. Auf diese Weise entsteht ein Klumpen, welcher an der Kernmembran vermittelst zahlreicher färbbarer Fäden aufgehängt ist (Fig. 40). Hierauf beginnen auch diese Fäden in den centralen Klumpen hineinzuziehen und verschwinden allmählich gänzlich (Fig. 41 und 42). Indem sich solch ein Klumpen abrundet und mit einer Kernmembran umkleidet, verwandelt er sich in das Kernkörperchen des Tochterkernes, wobei sich seine Färbungsfähigkeit ganz bedeutend erhöht (Fig. 42). Wie aus den oben ausgeführten Ergebnissen ersehen werden kann, besteht der ganze Unterschied in den karyokinetischen Er- scheinungen zwischen Spirogyra jugalis einerseits und Spirogyra subaequa und aller Wahrscheinlichkeit nach auch der dritten, unbe- stimmt gebliebenen Species andererseits, nur in unwesentlichen Ein- zelheiten, durch welche die für alle diese Arten vorhandene Aehnlich- keit im allgemeinen Verlaufe des karyokinetischen Processes nicht im geringsten beeinträchtigt wird. Wenn auch bei Spirogyra subaequa das Kernkörperchen nicht gänzlich im Zellkern in Form von körnigen, färbbaren Fäden auseinandergeht, so beobachtet man doch bei dieser Species Stadien, welche völlig dem Anfang eines solchen Processes bei Spirogyra jugalis entsprechen. Bei Spirogyra subaequa ist das Kernkörperchen einer Structurveränderung an Ort und Stelle unter- worfen und nur ein Theil der in seine Zusammensetzung eintretenden Substanz sondert sich ab in Form von austretenden Fäden, aber dann vereinigt er sich wieder mit der Masse des Kernkörperchens, welches sich in die Kernplatte umwandelt. Bei Spirogyra jugalis geht die ganze Masse des Kernkörperchens in der Kernhöhle in Fadenform aus einander, aber nachher sammelt sie sich wieder zu einer mehr oder weniger compacten Masse an der Stelle des früheren Kern- körperchens, um hier den Anfang zur Kernplatte zu machen. In dem einen, wie in dem andern Falle zeigt sich die zur Bildung der Kern- platte schreitende Substanz als aus zwei verschiedenen Stoffen be- stehend: aus Chromatin, das sich in Form länglicher oder rundlicher Körner darstellt, die durch Safranin lebhaft roth gefärbt werden und deren jedes um sich herum eine helle Umrandung hat, — und aus einem zweiten Stoff, möglicherweise Linin, welches durch Safranin eine hellrosa Färbung erhält. Diese beiden Stoffe unterscheiden sich deutlich in der Kernplatte, welche bei allen untersuchten Species 118 den gleichen typischen Aufbau besitzt. Bei der Theilung der Kern- platte gehen diese Stoffe in die Kernplattenhälften über und ver- mittelst dieser letzteren (welche während der ganzen Trennungsperiode und sogar noch nach der Beendigung derselben bei Spirogyra subaequa deutlich von einander unterscheidbar bleiben, während dies bei Spirogyra jugalis nur in den ersten Stadien der Trennung der Fall ist) in die Tochterkerne, wo sie zum Aufbau ihrer Kern- körperchen verwendet werden. Das Stadium der Bildung der Tochterkernkörperchen ist bei Spirogyra subaequa und Sp. jugalis ausserordentlich ähnlich und stellt gewissermaassen ein umgekehrtes Bild derjenigen Veränderungen dar, welche vor der Kernplattenbildung beobachtet werden. Wenn also die einzelnen Stadien des karyokinetischen Processes bei den untersuchten Species unter sich auch ein wenig verschieden sind, so ist doch im Wesentliehsten die Rolle des Kernkörperchens bei ihnen eine und dieselbe und führt dahin, dass das Kern- körperchen, welches im gegeben Falle als die Concentration der färbbaren Substanzen des Zelikerns erscheint, nicht verschwindet, wie bei den höheren Pflanzen, sondern, indem es gewisse Ver- änderungen erfährt, unmittelbaren Antheil an der Kernplattenbildung nimmt. Eine Bestätigung meiner Beobachtungen, bezüglich der Theil- nahme des Kernkörperchens im karyokinetischen Processe von Spirogyra könnte durch mikrochemische Untersuchungen ergeben werden, wenn dieselben auf den Zellkern dieser Pflanze sowohl im ruhenden, als auch im Theilungszustande angewendet werden. Eine solche Unter- suchung soll den Gegenstand meiner weiteren Arbeiten darstellen. Im gegenwärtigen Augenblicke halte ich es nicht für möglich, mich ohne Bestätigung auf die mikrochemischen Ergebnisse Meunier’s zu ver- lassen, obgleich sie zu Gunsten unserer Beobachtungen sprechen, weil andererseits ausser diesen noch die gänzlich entgegengesetzten mikro- chemischen Ergebnisse von Zacharias in Betracht kommen. Was die achromatischen Theile der karyokinetischen Figuren anbetrifft, so kann man, obgleich Spirogyra subaequa in dieser Be- ziehung von mir nicht so ausführlich untersucht wurde, als Spirogyra jugalis, nichtsdestoweniger auf Grund der erhaltenen Ergebnisse an- nehmen, dass die Entstehung der achromatischen Fäden ausserhalb des Zellkerns bei beiden Species ungefähr zur Zeit der Desorganisation des Kernkörperchens und des beginnenden Auseinandergehens seiner Substanzen im Zellkerne stattfindet; während die Erscheinung der- 119 selben im Innern des Zellkernes zusammenfällt mit der Retro- zusammenziehuug der färbbaren Masse, was mit der Kernplatten- bildung endet. Die innerhalb des Zellkerns befindlichen achromatischen Fäden setzen sich bei beiden Species, ohne die Kernmembran zu durchdringen, in das Fasergewebe der Decken an den Polen fort, wo sie auch endigen. Ausserdem liessen uns unsere Beobachtungen bezüglich Spiragyra jugalis zu dem Schlusse kommen, dass die inner- halb des Zellkerns befindlichen achromatischen Fäden unzweifelhaft bei dieser Species eytoplasmatischer Herkunft sind und dass ihr all- mähliches Eindringen in den Zellkern von Seiten der Poldecken sich in Verbindung mit dem Ansammlungsprocess der färbbaren Fäden an seiner Aequatorialzone vollzieht. Dasselbe wird man augenscheinlich auch für Spirogyra subaequa annelımen müssen; wenigstens wider- spricht alles das, was wir bezüglich der achromatischen Fäden bei dieser Species zu beobachten Gelegenheit hatten, in keiner Weise einer solchen Voraussetzung. Die karyokinetischen Erscheinungen bei den von mir unter- suchten Spirogyraarten sind also im Allgemeinen fast ganz analog unter sich und. weichen nur in Einzelheiten von einander ab. Be- rüglich der Kernspindelfasern bestätigen meine Beobachtungen die Ansichten Strasburger’s und Tangl’s, obgleich sie nicht absolut mit den Beobachtungen der genannten Forscher übereinstinimen. Jedoch schliessen sich die von mir erhaltenen Ergebnisse bezüglich der chromatischen Theile der karyokinetischen Figuren und hinsicht- lich des Schicksals des Kernkörperchens den Beobachtungen der- jenigen Forscher an, welehe dem Kernkörperchen bei Spirogyra eine besondere, dem Kernkörperchen der höheren Pflanzen nicht ent- sprechende Bedeutung zuschreiben und seine Mitwirkung an der Kernplattenbildung zugeben. Gegen eine solche Ansicht hat sich allein Zacharias entschieden ausgesprochen und auch Strasburger in seiner letzten Arbeit über Spirogyra. Alle andern Forscher theilen mehr oder weniger die erstere Ansicht. Aber ungeachtet dessen, dass die Resultate der Mehrzahl der Autoren in dieser Beziehung einander ähnlich sind, so unterscheiden sich doch die von ihnen gemachten Beobachtungen scharf von ein- ander. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, genügt es, als Beispiel auf die Beobachtungen Tangl’s und Moll’s hinzuweisen, welche beide die Theilnahme des Kernkörperchens an der Kernplattenbildung zugeben, aber zugleich die entsprechenden Stadien auf ganz ver- schiedene Weise beschreiben. 120 Bei der Zusammenstellung mit den Ergebnissen anderer Forscher erweisen sich auch die Resultate meiner Beobachtungen als fast ganz isolirt dastehend. Wenn man dieselben mit den Resultaten der andern Autoren vergleicht, so ist leicht zu ersehen, dass darin Abweichungen fast in allen Stadien des karyokinetischen Processes vorhanden sind, das Stadium der Kernplatte, welch letzteres bei Spirogyra einen so eigenartigen, scharf ausgeprägten Charakter trägt, nicht aus- geschlossen. Es ist schwer, den Grund solcher sonderbarer Meinungs- verschiendenheiten zu erklären, so lange die Ausarbeitung der vor- liegenden Frage nicht beendigt ist. Es ist möglich, dass in einigen Fällen die individuelle Eigenartigkeit beim karyokinetischen Process der Gattung Spirogyra Einfluss auf die verschiedenen Ansichten ge- habt hat, wie man einige Abweichungen schon jetzt als völlig fest- gestellt annehmen kann. Hierzu gehören z. B. die Unterschiede in den Formveränderungen des Zelikerns bei einzelnen Species von Spirogyra im Anfange des karyokinetischen Processes, ferner der verschiedene Zeitpunkt des Verschwindens der Kernmembran u.a. m. Schwerlich aber können ernstliche Schwankungen in Betracht kommen, wenn man die Fundamentalfragen der Karyokinese bei Spirogyra im Auge hat, wie z.B. die Frage über das Schicksal des Kernkörperchens, oder die Frage über die eine oder die andere Ent- stehungsart der Kernspindelfasern. Viel wahrscheinlicher ist es, dass die Meinungsverschiedenheiten der Autoren im gegebenen Falle durch die Schwierigkeiten der Untersuchungen selbst und die sehr leicht eintretende Möglichkeit hervorgerufen werden, das eine oder das andere besonders wichtige Stadium zu übersehen. Die Litteratur- Angaben unterstützen augenscheinlich eine solche Vermuthung. Diejenigen Stadien, deren genau verfolgende Untersuchung zur Beantwortung dieser Fragen dienen könnte, nämlich das Anfangs- stadium des karyokinetischen Processes bis zur Kernplattenbildung, und dann das Endstadium, d.h. die Bildung der Tochterkerne, er- weisen sich thatsächlich in fast allen Untersuchungen als noch nicht genügend aufgeklärt. Durch diese noch nicht genügend ausgefüllten Lücken erklärt sich auch die zur Zeit noch herrschende Verschiedenheit der An- sichten am allernatürlichsten und deshalb sollte das Bestreben der Forscher vor Allem darauf gerichtet werden, diese Lücken auszufüllen. 121 Erklärung der Abbildungen: Alle hier beigegebenen Zeichnungen sind durch das Mikroskop Reichert und die Zeichenkammer mit dem Zeiss’schen Ocular No. 6 angefertigt. Fig. 38 und 42 sind vermittelst Objeetiv No. 6, alle übrigen bei Anwendung des homogenen Immersionssytems Reichert (1/,*, Apert. 1.30) angefertigt. Fig. 1-22, Spirogyra subaegqua. Fig. 1. Zellkern im Ruhezustand. . Fig. 2. Der etwas der Länge der Zelle nach ausgestreckte Zellkern im Anfang des karyokinetischen Processes. Fig. 3. Der in die Länge gestreckte und sich abzurunden beginnende Zellkern mit dem sich deformirenden Kernkörperchen. Die Auswüchse des Kern- körperchens gehen in färbbare Fäden über, welche die Peripherie des Zellkerns erreichen. In den Plasmaanhäufungen an den Polseiten des Zellkerns sind die achromatischen Fäden deutlich wahrnehmbar, welche parallel zur Längsaxe der Zelle gerichtet sind. Fig. 4 An Stelle des Kernkörperchens befindet sich die centrale färbbare Masse, mit noch nicht vollständig eingezogenen Auswüchsen; in der centralen Masse lüsst sich die Differenzirung in intensiv füärbbare Körner und sehwach färbbare Grundmasse erkennen. Zu beiden Seiten der färbbaren ’ - centralen Masse sind die Kernspindelfasern sichtbar, weiche die Fortsetzung der ausserhalb des Zellkerns befindlichen achromatischen Fäden darstelien. Fig. 5. Die Auswüchse der centralen färbbaren Masse sind fast gänzlich ver- schwunden. Die intensiv färbbare Substanz erscheint als längliche Körner oder Stäbchen, welche mit heller Umrandung umgeben sind. Fig. 6. Die färbbare centrale Masse hat im Längsdurchschnitt der Zelle eine viereckige Form angenommen. Die Kernwandung ist an den Polen des Zellkerns kaum mehr wahrnehmbar. Fig. 7. Die Kernplatte hat in diesem Stadium im Längsdurchschnitt der Zelle eine länglichovale Form, deren Längsaxe quer in der Zelle gelagert ist. Die intensiv färbbaren Körner mit hellen Umrandungen, oder die Chromosome, sind in einer Reihe gelagert, die in der Mitte der Kern- platte und senkrecht zur Längsaxe der Zelle verläuft. Die schwach färbbare Grundsubstanz der Kernplatte ist durch die Chromosomreihe in zwei symmetrische Hälften getheilt. Die Kernwandung ist ver- schwunden. Fig. 8. u. 9. Die Kernplatte hat die Form eines Rechtecks, dessen gezähnte Längs- . seiten den Polen des Zellkerns zugekehrt sind, während die kurzen > Seiten in der Längsrichtung der Zelle liegen. Die schwach färbbare Substanz besteht aus Bögen, deren Seiten auf den Umrandungen der Chromosome endigen und deren Einbiegungen den Polen des Zellkerns zugekehrt sind. Die Zähnung der Polseiten der Kernmembran wird durch die Einbiegungen der Bögen aus der schwach färbbaren Substanz verursacht, Mit den Zähnen der Kernplatte sind zu beiden Seiten die achromatischen Fäden vereinigt. 122 Fig. 10. Die Kernplatte, von der Fläche aus gesehen. Alle Chromosome liegen in einer Ebene, jedes von ihnen ist von einer hellen Umrandung um- geben. Der Hintergrund der Kernplatte hat durch die schwach färbbare Substanz eine hellrothe Färbung erhalten. Fig. 11. Spaltungsstadium der Chromosome. Die Chromosome sind in zwei Reihen gelagert. Die Bögen befinden sich bei jeder Chromsomreihe nur auf einer Seite; nämlich auf der Seite des entsprechenden Poles. Fig. 12, Anfangsstadium (es Auseinandergehens der Kernplattenhälften, Fig. 13. Ansicht der Kernplattenhälften in demselben Stadium von der Fläche aus. Die Seiten der Netzmaschen sind aus der schwach färbbaren Substanz gebildet; die Chromosome lagern in den Knotenpunkten des Netzes, Kig, 14 u. 15. Weiteres Stadium der Trennung der Kernplattenhälften. Die Kernplattenhälften verkleinern sich etwas im Diameter und biegen sich ein, Der Unterschied zwischen intensiv und schwach färbbarer Substanz ist nicht verschwunden. Von einer Kernplattenhälfte zur andern laufen feine, schwach fürbbare Fädchen, welche die Hälften mit einander ver- binden. Fig. 16. Eine Kernplattenhälfte in dem der Fig. 15 entsprechenden Stadium, von \ der Fläche aus gesehen. Fig. 17a u. b. Tochterkern im Längs- und Querdurchschnitt der Zelle. Der färbbare Theil des Zellkerns hat die Form eines Knäuels, weicher ebenso wie die Kernplattenhälften aus Fäden von schwach färbbarer Substanz besteht und intensiv färbbare Körner enthält. Der Knäuel ist durch v feine färbbare Fäden mit der Kernmembran verbunden. Fig. 18, Die intensiv färbbaren Körner sind im Knäuel des Tochterkernes in krummen Reihen gelagert. Fig. 19. Der Knäuel zog sich zum Centrum des Zellkerns zusammen und fliesst in einen länglichen Körper von unregelmässiger Form zusammen, welcher an der Kernwandung vermittelst färbbarer Fäden aufgehängt ist. Fig. 20. Die Zahl der färbbaren Fäden, welche von dem centralen Körper nach der Kernwandung laufen, hat sich etwas verringert, Fig. 21. Die färbbaren Fäden, welche in den vorhergehenden Stadien bemerkbar waren, sind gänzlich verschwunden; der färbbare Körper im Centrum des Zellkerns hat aber noch seine unregelmässig-längliche Form. Fig. 22, Der färbbare Körper hat sich abgerundet und das Aussehen des Kern- körperchens erhalten. Die Formirung desselben ist noch nicht völlig beendet, was durch die Anwesenheit von schwach färbbaren Vorsprüngen gezeigt wird. Ausserdem hat das Kernkörperchen keine Kernmembran. Fig. 23— 42. Spirogyra jugalis. Fig. 23. Ruhender Zellkern. Fig. 24. Etwas abgerundeter Zellkern mit deformirtem und locker gewordenem Kernkörperchen. Bei den vier am Fusspunkte verbreiterten Strängen ist eine deutliche Streifung zu bemerken. Fig. 25. Die Fusspunkte der Stränge, an welchen der Zellkern hängt, sind an den Polseiten des Zellkerns zusammengeflossen. Das Kernkörperchen ee Fig. 26. Fig. 27. Fig. 28. 123 hat das Aussehen eines Complexes von intensiv färbbaren Körnern, welche in der schwach fürbbaren Zwischensubstanz eingelagert sind Die Füden des schwach entwickelten und nicht färbbaren Netzgerüstes des Zellkerns sind mit den Auswüchsen des locker gewordenen Kern- körperchens verbunden. Die achromatischen Fäden der plasmatischen Anhäufungen an den Poien gehen noch in die entsprechenden Stränge, an denen der Zellkern hängt, über. In der Kernhöhle laufen die körnigen, färbbaren Fäden nach allen Richtungen aus einander. In der Nähe des Kernkörperchens ver- dicken sie sich und gehen unmittelbar in seine Masse über, Die achromatischen Fäden ausserhalb des Zelikerns gleichen sich in ihrer Länge aus und lagern sich parallel zu einander, Der Umfang des Kernkörperchens nimmt ab infolge des Auseinandergehens seiner Masse im Zellkern in Gestalt von körnigen färbbaren Fäden. Der Zellkern nur mit färbbaren Fäden, ohne Kernkörperchen. Die faserigen Poldecken haben dasselbe Aussehen, als wie im Stadium der Fig. 27. Fig. 29 u. 30. Stadium der Zusammenziehung der färbbaren Fäden zur Aequatorial- Fig. 31. Fig. 32. Fig. 38, zone des Zellkerns und des Eintritts der achromatischen Fäden in die Höhlung desselben von der Seite der faserigen plasmatischen Anhäufungen an den Polen her. Die von der Membran des Zellkerns zurücktretenden färbbaren Fäden und die in seine Höhlung eintretenden achromatischen Fäden verbinden sich mit einander.!) Das Stadium der Kernplatte im Längsdurchschnitt der Zelle. Die Chromosome in Gestalt von intensiv färbbaren Körnern mit heller Um- randung sind in einer Reihe gelagert, die in der Mitte der Kernplatte liegt, senkrecht zur Längsaxe der Zelle. Die schwach färbbare Substanz der Kernplatte, zu beiden Seiten der Chromosomreihe gelagert, besteht aus feinen, körnigen Fäden, die in der Längsrichtung der Zelle liegen und sich mit den achromatischen Fäden verbinden. Von den faserigen Decken an den Polen sind kaum wahrnehmbare Spuren übrig geblieben. Im untern Theile der Zeichnung sind noch die achromatischen Fäden bemerkbar, doch besitzen dieselben eine höchst unbedeutende Länge. Die Kernplatte von der Fläche aus. Von dem Hintergrunde der schwach färbbaren Substanz treten deutlich die intensiv färbharen Chromosome hervor. Die Chromosome sind einander paarweise genähert und jedes von ihnen ist mit einer hellen Umrandung umgeben. Stadium des Auseinandergehens der Kernplattenhälften. Die Chromosome jeder Hälfte der Kernplatte haben sich in kleine Körner zertheilt, welche in den Fäden der schwach färbbaren Subsinnz vertheilt sind. Die Kern- wandung ist verschwunden. 1) Damit der Contrast zwischen achromatischen und färbbaren Fäden deut- licher hervortrete, sind diese beiden Zeichnungen nach stark gefärbten Präparaten angefertigt. Die folgenden beiden Zeichnungen, d. h. Nr. 31 und 32, sind im Gegentheile nach stark entfärbten Präparaten angefertigt, da bei intensiver Färbung der Unterschied zwischen der Farbe der Cromosome und der schwach färbbaren Substanz weniger deutlich wahrnehmbar ist. 124 Fig. 34. Fig. 35. Weiteres Trennungsstadium der Kernplattenhälften. Der Unterschied zwischen intensiv und schwach färbbarer Substanz ist nicht mehr wahr- nehmbar. Die Segmente haben die Gestalt von Stäbchen, welche aus in einer Reihe gelagerten Körnern bestehen. Von einer Kernplattenhälfte zur andern laufen schwach färbbare feine Fädchen. Eine Kernplattenhälfte in demselben Stadium von der Fläche aus gesehen. Fig. 36 u. 37. Die Kernplattenhälften vor der Beendigung des Trennungsprocesses. Fig. 38, Fig. 39. Fig. 40. Fig. 41. Fig. 42. Es ist nicht mehr möglich, die einzelnen Segmente zu unterscheiden; sie sind augenscheinlich in einander zusammengeflossen. Um jede Kernplattenhälfte hat sich eine Kernmembran gebildet. Die Auswüchse der Kernplattenhälften gehen in Fäden über, welche die Kerumembran erreichen. Der färbbare Theil des Tochterkernes, der aus der locker gewordenen Kernplattenhälfte entstanden ist, und die Enden der Auswüchse, welche vorher hauptsächlich nach den Polen zu gerichtet waren, gehen jetzt gleichmässig nach allen Punkten der Peripherie des Zelikerns hin. Der auf diese Weise gebildete färbbare Knäuel hat eine höchst regelmässige Struktur. Aus den zusammengeflossenen Fäden des Knäuels bildete sich im Centrum des Zellkerns ein unregelmässiger Klumpen mit gleichsam ausgezogenen Vorsprüngen. Diese Vorsprünge des Klumpens setzen sich in Form von färbbaren Fäden fort, die bis zur Peripherie des Zeilkerns reichen. Die Anzahl der den Klumpen mit der Kernmembran verbindenden Fäden verringerte sich, . Der linke Theil der Zeichnung zeigt den Zellkern mit völlig entwickeltem Kerukörperchen, auf dem rechten Theil der Zeichnung ist noch ein Auswuchs am Kernkörperchen zu schen, Anmerkung: Aus Unachtsamkeit des Zeichners sind in Fig. 12 und 33 die feinen färbbaren Fäden, welche die auseinandergehenden Kernplattenhälften mit einander verbinden, nicht dargestellt; bei Fig. 38 sind nicht alle fürbbaren Fäden bis zur Peripherie des Zellkerns geführt. Blüthenbiologische Beobachtungen an Cobaea macrostemma Pav. Von Hermann Ross. Mit ı Textfigur. Einige in den Gewächshäusern des botanischen Gartens m München üppig vegetirende und reichlich blühende Exemplare der in Guatemala einheimischen Cobaea macrostemma fielen mir wegen ihrer ausser- ordentlichen Fruchtbarkeit auf, obgleich bei dieser entomophilen Pflanze unter den vorliegenden Verhältnissen Insektenbesuch ausgeschlossen war, und demnach nur Selbstbestäubung vorliegen konnte, welche nach den vorliegenden Untersuchungen bei anderen Cobaea - Arten erfolglos ist. Diese wie andere Eigenthümlichkeiten veranlassten mich, nähere Beobachtungen über die Bestäubungsverhältnisse dieser Pflanze anzustellen. In Bezug auf ihren Habitus, die Gestalt und Beschaffenheit der vegetativen Organe sowie die Art und Weise des Wachsthums stimmt die Cobaea macrostemma im Allgemeinen mit der häufig eultivirten, in Mexiko einheimischen Cobaea scandens Cav. überein; ihre Blüthen dagegen weichen in manchen Hiusichten ausserordentlich von denen der Cobaea scandens ab. Sie stehen einzein in den Achseln der Blätter auf langen Stielen, die anfangs nach oben gerichtet sind und in ihrer geraden Verlängerung die Knospen tragen. Dann biegt sich die Knospe infolge einer scharfen Krümmung des äussersten Endes des Stieles abwärts. Wenn derselbe seine definitive Länge, etwa 25cm, erreicht hat, ist er in einem Winkel von 45° schräg aufwärts gerichtet. Der Kelch ist in der Knospe reduplikativ klappig und erscheint dadurch schwach geflügelt. Er ist hellgrün, fast bis zum Grunde getheilt in fünf linealisch-lanzettliche, am Rande zart bewimperte Zipfel. Diese Wimpern bilden wahrscheinlich ein Hinderniss für kleine, kriechende Thiere, so dass dieselben nicht zu den Blüthen gelangen können. Nach dem Aufspringen des Kelches verlängert sich die Krone, bis sie denselben um das Doppelte überragt. Die Kronzipfel beginnen meist am Morgen sich zu öffnen derart, dass sie, an der Spitze noch zusammenhängend, von unten nach oben allmählich auseinander weichen. Die gelblichgrün gefärbte Blumenkrone ist glockenförmig, mit fünf spitzdreieckigen, zunächst rechtwinklig abstehenden und an der Spitze 126 nach oben gebogenen Zipfeln. Der innerste Theil der Corolla ist wesentlich schmäler, nach oben zu etwas verengt und zuletzt scharf abgeschnürt und durch die am Grunde der Staubgefässe befindlichen Haare abgegrenzt. Nach der Entfaltung der Krone beginnt die Streckung der Staub- fäden, welche bei günstiger Witterung im Laufe des Tages ihre de- finitive Länge und stark spreizende Stellung erreichen. Dieselben sind dem Schlunde der Blumenkrone eingefügt, dicht oberhalb der Abschnürung des engeren, innersten Theiles, und tragen an ihrer Basis eine Anzahl kräftiger Haare, wodurch — wie schon angegeben — der zur Ansammlung des Nektars dienende, engere, innerste Theil der Blumenkronröhre nach aussen hin abgegrenzt und somit ein typischer Safthalter gebildet wird. Durch diese Haare wird auch gleichzeitig der Nektar gegen unbe- rufene Blüthenbesucher geschützt. Der stark ent- wiekelte Diskus ist fünf- lappig, interstaminal; jeder Lappen ist tief zweitheilig gekerbt und sondert zur Zeit des Aufspringens der Antheren reichlich Nek- tar ab. Die Staubgefässe sind fadenförmig und der Regel Fig.1. Schematischer Längsschnitt durch dieBlüthe. nach nicht gleich lang; ı ö Naeh: . : Iz mat, Grösse. gewöhnlich sind die drei oberen wesentlich länger als die beiden unteren; bisweilen finden sich auch vier längere und ein kürzeres oder selten ein längeres und vier kürzere; ausnahmsweise sind alle fünf von nahezu gleicher Länge.) Die längeren Staubfäden ragen etwa 6em aus der Blumenkronröhre hervor, die kürzeren dagegen überragen dieselbe nur um 1!/s em (Fig. 1). Der sehr zarte, fadenförmige Griffel streekt sich gleichzeitig mit den Staubgefässen, erreicht aber früher als dieselben seine definitive Länge und ist dann schräg abwärts gerichtet. Er übertrifft die langen Staub- gefässe um einige Üentimeter an Länge. Seine Spitze theilt sich in 1) Im Botanical Magazine Tfl. 3780 ist die Pflanze in sehr unnatürlicher Stellung abgebildet, auch sind dort die Staubgefässe alle gleich lang und der Griffel ebenso lang als diese dargestellt. 127 drei, selten zwei oder vier Narbenlappen'), die auf der Innenseite das papillöse Gewebe tragen. Die Narbe wird früher reif als die Staub- gefässe, die Blüthe ist also proterogyn. Die völlig entwickelte Blüthe ist dann derartig orientirt, dass sie an dem schräg aufwärts gerichteten Stiele halb abwärts hängt der- 'gestalt, dass der Blumenkronsaum unter einem Winkel von etwa 45° sich befindet. Falls die sich entwickelnde Blüthe vorher zufällig eine andere Stellung eingenommen hat, so kommt sie beim Aufblühen mit grosser Regelmässigkeit in die angegebene Lage. Einige Stunden vor Sonnenuntergang — je nach dem Weiter — öffnen sich die Antheren durch zwei Längsspalten auf der Innenseite, und der reichlich vorhandene Blüthenstaub wird sichtbar. Da der Griffel in seiner ursprünglichen, schräg abwärts gerichteten Stellung unverändert geblieben ist, kann er in diesem Stadium mit den An- theren derselben Blüthe nicht in Berührung kommen. Eine zufällige Selbstbestäubung durch herabfallende Pollenkörner ist wenig wahr- scheinlich, sowohl wegen der grossen Entfernung der Narbe von den Antheren und der zarten, fadenförmigen Gestalt der Narbe als auch wegen des klebrig zusammenhängenden, sich nicht leicht loslösenden Pollens. Es findet sich in diesem Stadium der Blüthe auch niemals Pollen auf der Narbe. In der That findet die Selbstbestäubung, falls Kreuzbestäubung — wie in dem vorliegenden Falle — wegen Mangel an geeigneten Blüthenbesuchern ausgeschlossen ist, in anderer Weise statt. Der schräg nach unten gerichtete Griffel führt einige Stunden nach dem Oeffnen der Antheren, unter normalen Verhältnissen also während der Dämmerung oder bei beginnender Nacht, Bewegungen aus, deren Verlauf ich bis auf einige zum Abschluss zu bringende Einzelheiten jetzt näher beschreiben will. Zunächst richtet sich der Griffel in ver- tikaler Richtung gerade aufwärts, bis er in eine ungefähr hori- zontale Lage kommt, und biegt sich dann seitwärts. Diese Biegung kommt durch eine scharfe Krümmung in dem mittleren Theile des Griffels zu Stande. In dieser seitlichen Stellung verbleibt der Griffel kurze Zeit und strebt dann, infolge einer rotirenden Nutation, in einem Bogen aufwärts; darauf wendet er sich auf der entgegenge- 1) Zwei-, vier- und fünfblüttrige Fruchtknoten finden sich nach Penzig (Teratologie II. Bd. pag. 160) öfters bei Cobaea scandens. Bei der verwandten (antua buxifolia Lam., deren schöne Blüthenstünde ich durch die Freundlichkeit des Herrn Alwin Berger aus dem Hanbury’schen Garten La Mortola erhielt, kommen vierblättrige Gynaeceen zie ‚lich häufig vor. 128 setzten Seite wieder abwärts, um dann schliesslich eine entsprechend seitliche Stellung auf der anderen Seite der Blüthe einzunehmen. Diese Bewegungen des Griffels, die — wie schon angedeutet — der Regel nach während der Nacht vor sich gehen, können sich, falls keine Bestäubung eingetreten ist, wiederholen. In einigen Fällen stellte ich fest, dass ein derartiger Bogen von einem seitlichen Extrem zum anderen in einer Stunde etwa beschrieben wird. Während dieser Vorgänge, wenn der Griffel den Bogen aufwärts beschreibt, kommt das Ende desselben in die Richtung der Antheren der oberen, langen Staubgefässe, und infolge der weiteren Bewegung des Griffels werden die Narbenlappen zunächst an die Antheren herangedrückt und dann bei Fortsetzung dieser Bewegung über die Antheren hinweggezogen, wobei von dem klebrigen Pollen an den Narbenlappen haften bleibt. Wenn bei diesen Vorgängen Bestäubung eingetreten ist, was in den meisten Fällen geschieht, so senkt sich der Griffel bald abwärts, und weitere Bewegungen finden nicht mehr statt. Hat dagegen Bestäu- bung nicht stattgefunden, weil die Narbe vielleicht zufällig mit keiner der Antheren in engste Berührung gekommen ist, so setzt der Griffel die Bewegungen in ähnlicher Weise fort. Dass thatsächlich die Be- stäubung durch diese rotirende Nutation des Griffels in den meisten Fällen ‘erreicht wird, geht aus der geringen Anzahl nicht Früchte ansetzender Blüthen hervor. Im Laufe des Vormittags, spätestens bald nach Mittag beginnen die Staubfäden zu welken und sich korkenzieherartig einzurollen; auch schliessen sich allmählich die Kronzipfel, indem sie einwärts zusammenneigen. Gegen Abend, spätestens am nächsten Morgen fällt die Krone mit den darin befindlichen, eingerollten, verwelkten Staubfäden ab und muss dabei längs des herunterhängenden Griffels herabgleiten.') Gleichzeitig neigt sich der Blüthenstiel völlig abwärts, und das äusserste Ende desselben streckt sich gerade, so dass der Fruchtknoten die direete Fortsetzung des Blüthenstiels bildet. Der Griffel mit der Narbe bleibt noch mehrere Tage frisch und vertrocknet dann erst allmählich. Die sich entwickelnde junge Frucht wird von den zusammenneigenden Kelchzipfeln völlig eingeschlossen, während bei denjenigen Blüthen, die keine Frucht angesetzt haben, die Kelch- zipfel eine horizontal-spreizende Stellung einnehmen, in welcher sie 1) Falls die Blüthe bis dahin unbestäubt geblieben ist, so ist die Narbe noch frisch erhalten, und könnte es vielleicht auch vorkommen, dass während diesos Herabgleitens der Corolla von den in ihr eingeschlossenen Antheren Blüthenstaub an der Narbe zufällig haften bleibt. ng, 129 verbleiben, bis das Ganze vertrocknet. Die Fruchtstiele rollen sich allmählich korkenzieherartig in zahlreichen Windungen auf. Die erste derselben kommt meistens in 2—3 Tagen zu Stande. Bisweilen ge- schieht es, dass die Fruchtstiele, während sie sich aufrollen, eine Stütze umfassen und dadurch die Befestigung der Pflanze noch er- höht wird. Die Frucht ist eine schwach dreikantige, schmal-eiförmige, zu- gespitzte, dreifächerige, scheidewandspaltige Kapsel von pergament- artiger Beschaffenheit. Jedes Fach derselben enthält zwei stark geflügelte, sehr leichte Samen. Durch Fehlschlagen entwickelt sich bisweilen nur ein oder auch gar kein Same, sehr selten finden sich dagegen drei in einem Fache. . Zur Vervollständigung der gemachten Beobachtungen stellte ich eine Reihe von Versuchen an: Wenn eine eben völlig entwickelte, jungfräuliche Blüthe künstlich bestäubt wurde, so trat die beschriebene rotirende Bewegung des Griffels nicht ein, sondern derselbe verblieb in seiner ursprünglichen, schräg abwärts gerichteten Stellung und senkte sich dann gänzlich abwärts. Bei solchen Blüthen, bei denen nach der ersten rotirenden Be- wegung des Griffels eine Bestäubung nicht erfolgt war, sei es durch Zufall, sei es, weil die Antheren entfernt worden waren, wurde künst- liche Bestäubung ausgeführt, worauf dann weitere Bewegungen des Griffels unterblieben. Aus diesen beiden Versuchen geht hervor, dass die Bewegungsfähigkeit des Griffels aufhört, sobald Bestäubung erfolgt ist. Von den künstlichen Bestäubungen haben diejenigen die günstigsten Resultate ergeben, welche des Abends, möglichst vor und gleich nach dem Oeffnen der Antheren ausgeführt wurden, während die am kom- menden Morgen oder im Laufe des Vormittags — falls keine Selbst- bestäubung erfolgt war — vorgenommenen Bestäubungen stets un- günstiger ausfielen, was deutlich zeigt, dass die Narbe während des ersten Stadiums der Blüthe, wann die Kreuzbestäubung am wahr- scheinlichsten und leichtesten ist, sich auch in den günstigsten Be- dingungen in Bezug auf die Empfängnissfähigkeit befindet. Bei einer Anzahl von Blüthen wurde Kreuzbestäubung sowohl zwischen Blüthen desselben Stockes sowie zwischen denen zweier ver- schiedener Stöcke wiederholt ausgeführt. Die Ausbildung der Frucht, die Anzahl, Grösse und sonstige äussere Beschaffenheit der Samen war nicht verschieden. Auch in Bezug auf ihre Keimfähigkeit ver- hielten sich dieselben gleich. Ob die hieraus sich entwickelnden Flora 1898, 9 130 Pflanzen sich vielleicht verschieden verhalten werden, kann erst die Zukunft lehren. Aus mehreren Blüthen wurden gleich nach ihrer völligen Ent- wickelung die Antheren entfernt. Die in diesem Falle natürlich stets erfolglosen Bewegungen des Griffels wurden aber dadurch nicht beeinflusst. Beim Aufwärtsstreben trifft der Griffel bisweilen ein Staubgefäss derartig, dass er von demselben eine Zeit lang in seiner Weiterbe- wegung aufgehalten wird. Wenn dann das hindernde Staubgefäss künstlich entfernt wird, so schnellt der Griffel ein Stück vorwärts. Es zeigt dies, dass eine Weiterbewegung des Griffels mittlerweile stattgefunden und der Griffel dadurch einen Druck auf das Staub- gefäss, bezw, die Anthere, ausgeübt hat. Zur richtigen Beurtheilung der blüthenbiologischen Verhältnisse der in Rede stehenden Art will ich zunächst die entsprechenden, bis jetzt bekannten Beobachtungen an anderen Cobaea-Arten erwähnen. Es liegen nur Beobachtungen an Cobaea scandens und Cobaea pen- duliflora vor. Bei der ersteren sind die blüthenbiologischen Verhält- nisse ganz andere; die lebhaft gefärbten Blumen mit ihren die Kronen- röhre nur wenig überragenden Staubgefässen sind ganz anderen Bestäubungsvermittlern, und zwar Hummeln angepasst, Für uns ist jedoch die Thatsache von Interesse, dass nach Behrens!) die Selbst- bestäubungsversuche fast nur negative Resultate ergaben, indem nur in einem Falle einige Samen zur Entwiekelung kamen, die aber durch Ungunst der Witterung zu Grunde gingen, so dass ihre Keimfähigkeit nicht einmal festgestellt werden konnte, während bekanntlich bei Kreuzbestäubung sich stets sehr samenreiche Kapseln bilden. Wichtiger für uns ist die Cobaea penduliflora Hook. fil., weil dieselbe als die mit der Cobaea macrostenma nächst verwandte Art mancherlei Uebereinstimmung mit dieser zeigt. Erstere ist durch lange, schmallinealische Kronzipfel ausgezeichnet, die 4—5 Mal länger als die Kronenröhre sind. Sie wurde von Karsten als Kosenbergia penduliflora in dem Prachtwerke „Florae Columbiae Specimina Selecta“ beschrieben und abgebildet. Hooker bildet dieselbe dann als Cobaea penduliflora im Botanical Magazine 1869, tab. 5157 ab und macht an dieser Stelle über die Bestäubungsverhältnisse I) W. Behrens, Der Bestäubungsmechanismus bei der Gattung Cobaeu. Flora 1880, pag. 403. 131 folgende Bemerkung: „... an arrangement doubtless intended to se- eure cross-impregnation by removing the anthers to the furthest distance from the stigma“, Eingehende blüthenbiologische Beobachtungen machte dann Ernst!) in Caracas, also in ihrem Vaterlande selbst, und stellte fest, dass die Bestäubungsvermittler grosse Nachtschwärmer sind, und zwar Chaero- campa, Diludia, Amphonyz, die, vor der Blüthe schwebend, während des Nektarsaugens mit ihren Flügelspitzen die vermittelst der langen Filamente weit hervorstehenden Antheren berühren und dadurch den Vorderrand der Flügel mit Pollen bedecken. Ernst hat thatsächlich an einem derartigen Nachtschwärmer, der sechs Blüthen hintereinander besucht hatte, die Spitze seiner Vorderflügel so reichlich mit Pollen bedeckt gefunden, dass sie gelb gefärbt waren. Beim Besuch einer anderen Blüthe können die Schwärmer dann die weit hervorstehende Narbe berühren und dadurch Kreuzbestäubung herbeiführen. Der Griffel misst nach der Zeichnung im BotaniealMagazine 16—17cm, ist also doppelt so lang als die Staubgefässe, und wie es scheint stets abwärts gebogen. Die von Ernst angestellten Selbstbestäubungs- versuche ergaben stets negative Resultate. Bei der ('obaea macrosiemma sind die Bestäubungsverhältnisse zweifelsohne sehr ähnliche. Bei der völlig entwickelten Blüthe, welche infolge des langen Blütenstiels weit aus dem dunklen Laube hervor- ragt, sind, wie oben näher ausgeführt wurde, die oberen drei Antheren stark spreizend, und der lange Griffel ist schräg abwärts gerichtet.?) Die Zeitangaben über die verschiedenen Entwickelungsstadien der Blüthe, besonders das Aufspringen der Antheren kurz vor Sonnenuntergang, lassen keinen Zweifel darüber, dass dieselben auf nächtliche Bestäubungsvermittler angewiesen sind, um so mehr, da ihre Staubfäden sehr lang und spreizend sind — eine ausgesprochene Anpassung an die vor der Blüthe schwebenden, grossen Nacht- schwärmer,. Während den Nachtschwärmerblüthen sonst nächtliche, starke Gerüche und sehr helle Farben eigen sind, fehlen diese beiden Merkmale der in Rede stehenden Art vollkommen. Jedoch die Beob- 1) A. Ernst, On the fertilisation of Cobaea penduliflora Hook. fil. Nature 1880, pag. 148. Behrens gibt diese Arbeit an der oben angeführten Stelle sehr ausführlich wieder, 2) Bei massenhaft auftretenden Blüthen könnte es auch vorkommen, dass die Narbe der einen Blüthe mit den weit hervorstehenden, nach oben gerichteten, mit Pollen bedeckten Antheren einer darunter befindlichen in Berührung kommt und somit Kreuzbestäubung eintritt. 9* 132 achtungen von Ernst an der sich ähnlich verhaltenden Cobaea pendu- liflora zeigen, dass solche Blüthen nichtsdestoweniger zahlreich von Nachtsehwärmern besucht werden, welche mit ihren nächtlicher Lebens- weise angepassten, scharfen Sehorganen diese Blüthen sicher auffinden. Thatsächlich heben sich die etwas helleren, gelblich grünen, weit hervorstehenden Blüthen immerhin von dem dunklen Laube wesentlich ab, und der reichlich vorhandene Nektar ersetzt vielleicht die fehlen- den Gerüche und die hellen Farben. Man kann deshalb ohne Zweifel annehmen, dass die Bestäubungsvermittler bei der Cobaea macrostemma ebenfalls Nachtschwärmer oder ähnliche, während der Dämmerung oder in der Nacht fliegende und vor der Blüthe schwebende Thiere sein müssen, wenn auch dieselben wahrscheinlich kleinere oder kurz- rüsseligere Arten sein werden als die von Ernst beobachteten, wie man aus den kleineren Dimensionen der Blüthen schliessen dürfte, Dass wir es hier mit einer sphingophilen Blüthe zu thun haben, geht ausser den schon angegebenen Merkmalen auch aus dem gänzlichen Fehlen von Standflächen oder Stützeinrichtungen hervor. Der Besuch der Bestäubungsvermittler dürfte in folgender Weise verlaufen: Der Schwärmer schwebt vor der etwa in einem Winkel von 45° schräg abwärts hängenden Blüthe und saugt den im Grunde der Kronröhre, im Safthalter befindlichen Honig, dessen Absonderung erst gegen Abend beim Aufspringen der Antheren beginnt. Befindet sich die Blüthe in dem Stadium, in welchem der Griffel horizontal seit- wärts gebogen ist, so wird der Schwärmer sehr leicht die stark spreizenden, fein papillösen Narbenlappen mit dem Rande oder dem äusseren Theil der Vorderflügel berühren. Falls er vorher reife Antheren einer anderen Blüthe berührt hat, kann durch den an den Flügeln haften gebliebenen Pollen Kreuzbestäubung zu Stande kommen. Der auf den Flügeln sich ansammelnde Blüthenstaub kann nur von den oberen, sehr leicht beweglichen, mit zwei Längsspalten nach innen aufspringenden Antheren herrühren, von denen die beiden seit- lichen infolge der langen, stark seitlich spreizenden Staubfäden in eine den Vorderflügeln derartiger Nachtschwärmer entsprechende Stellung kommen. Wesentlich anders verhalten sich die beiden unteren, kürzeren Staubgefässe. Dieselben ragen nur wenige Centimeter aus der Blumen- kronröhre hervor und sind an der Spitze schwach aufwärts gebogen, und kommen somit die Antheren ungefähr horizontal zu stehen. Der Schmetterling wird diese Antheren während des Honigsaugens mit 133 der Unterseite seines Vorderkörpers von oben her berühren können, und kann folglich der Blüthenstaub auf dessen Unterseite haften bleiben. Bei ferneren Besuchen von Blüthen, deren Griffel sich in den verschiedensten Stellungen befinden kann, wird der Schwärmer beim Anfliegen die Narbe mit dem unteren Theil seines Körpers be- rühren können und den mitgebrachten Blüthenstaub auf dieselbe ab- streifen. Die verschiedene Ausbildung der Staubgefässe hat also zur Folge, dass der Nektar saugende Schmetterling an zwei verschiedenen Stellen seines Körpers gleichzeitig mit Pollen behaftet werden kann, wodurch natürlich die Möglichkeit der Kreuzbestäubung um so grösser wird. In dieser Hinsicht spielen folglich die kürzeren Staubgefässe eine schr bedeutende Rolle, während sie für die Selbstbestäubung gar nicht in Betracht kommen. Ferner kann der Schwärmer durch die Bewegung seiner Flügel auch Selbstbestäubung ausführen, falls die Narbe eine seitliche Stellung hat. Ist keine Fremdbestäubung ein- getreten, so wird durch die näher beschriebene Bewegung des Griffels meistens Selbstbestäubung herbeigeführt. Für die Blüthe ist ohne Zweifel von grossem Vortheil, dass die- selbe auf einem langen Stiele weit aus dem dunklen Laube hervor- ragt, da sie dadurch sowohl mehr auffällt als auch den schwebenden Besuchern leichter zugänglich ist. Für die Frucht dagegen wäre eine derartige exponirte Stellung nicht nur zwecklos, sondern gefähr- lich, da sie zu leicht von den fruchtfressenden Thieren bemerkt werden würde. Wir sehen deshalb, wie der Fruchtstiel sich nach dem Abfallen der Blumenkrone abwärts krümmt und sich meist inner- halb weniger Tage korkenzieherartig aufrollt, so dass die Frucht in das dichte Laub hineingezogen wird und sich unter dem Schutze desselben das Reifen der Frucht, welches mehrere Monate dauert, vollzieht. Bei Cobaen scandens dagegen findet nur eine S-förmige Biegung des Fruchtstieles statt. Hansgirg hat diese Erscheinung als Phyllocarpie bezeichnet.!) Bei völliger Reife springt die Kapsel an ihrem oberen Ende auf, weshalb die Samen nur bei heftiger Erschütterung aus derselben ausfallen. Sie sind sehr leicht (ca. 0,1g bei etwa 1?/,gem Oberfläche) und stark geflügelt, weshalb sie ohne Zweifel von jedem heftigen Windstoss weit fortgetragen werden können. Ueber ihre Keimung hat Klebs u. A. ausführlich berichtet. Wir ersehen hieraus, wie bei der vorliegenden Pflanze zunächst verschiedene wichtige Einrichtungen existiren, um die Krenzbestäubung 1) Oesterreichische Botan, Zeitschrift, 1896, pag. 401. 134 zu begünstigen. Kommt diese nicht zu Stande, so sucht die Pflanze durch Abholen des Pollens!) Selbstbestäubung zu erreichen, die hier im Gegensatz zu den anderen untersuchten Cobaea-Arten äusserst günstige, von der Kreuzbestäubung nicht zu unterscheidende Resultate ergibt. Jedenfalls ist es bemerkenswerth, wie diese Pflanze über die vielseitigsten Mittel verfügt, sich die Nachkommenschaft zu sichern. Von den übrigen Arten dieser Gattung dürfte sich die mit Cobaea macrostemma und Q. penduliflora wegen ähnlichen Blüthen- baues ganz nahe verwandte C. gracilis Hemsl. ebenso verhalten wie diese. Wie schon angedeutet, wurden diese Arten mit aus der Kronröhre weit hervorstehenden Staubgefässen früher als eigene Gattung (Rosenbergia) unterschieden, während C. stipularis Benth. (Botanical Register 1841, tab. 25) und C. minor Mart. et Gal., welche nach den Beschreibungen, bezw. Abbildungen, in ihrem Blüthenbau der C. scandens sehr nahe stehen, in Bezug auf die Be- stäubungsverhältnisse mit dieser übereinstimmen werden. München, k. botanischer Garten, März 1898. 1) Aehnliche Verhältnisse in Bezug auf das Abholen des Pollens, wenn auch in viel einfacherer Form — durch Krümmung des Griffels — finden sich bekanntlich bei Morina elegans, Lilium Martagon u. 8. w. Zur Lehre von der Reaktion des Protoplasmas auf thermische Reize. Von Dr. Karl L. Schaefer. Im Verlaufe von Studien über das quantitative Abhängigkeitsver- hältniss zwischen Reiz und Reizeffekt stiess ich auf eine 1849 ausgeführte Untersuchung Nägeli’s!) über den Einfluss der Temperatur auf die Geschwindigkeit der Protoplasmaströmung. Danach gebraucht das Proto- plasma von Nitella syncarpa um einen Weg von O,Imm zurückzulegen 60 Sekunden bei 1°C, 3,6 Sekunden bei 20° C, 4, „5°, 24, „26° „ 8 n „ 10° ” 1,5 ” „ 3°, 5, „15° , 0,65, „37°, Aus dieser Reihe leitete Nägeli den Satz ab, dass die Zu- nahme der Geschwindigkeit für jeden folgenden Tem- peraturgrad einen kleineren Werth ausmache. Später stelle W. Velten?) analoge Versuche an Zellen von Elodea canadensis, Vallisneria spiralis und Chara foetida an und fand, „in erster Linie als Bestätigung des Nägeli’schen Ge- setzes, dass dieGeschwindigkeit des Protoplasmasund derChlorophyllkörner fürjeden folgenden Temperatur- grad einen kleinen Werth darstellt“. Diese Schlussfolgerungen Nägeli’s und Velten’s aus ihren an sich offenbar sehr exakten Experimenten sind nun leider infolge einer Verkettung von Irrthümern gänzlich falsch, indem sie so ziemlich das Gegentheil von dem aussagen, was in Wirklichkeit der Fall ist. Dies ist un so bedauerlicher, als es sich hier um Thatsachen handelt, die für unsere Kenntniss von der Reizbarkeit des Protoplasmas eine nicht geringe Bedeutung haben, und die Angaben unserer beiden Autoren in mehr als einer schätzbaren Veröffentlichung der neueren und neuesten Zeit aufgenommen und verwerthet sind, ohne dass ihre Unriehtigkeit entdeckt worden wäre. Es dürfte daher nicht überflüssig sein, an dieser Stelle den wahren Sachverhalt klarzustellen. Hierzu genügt eine Durchsicht folgender Tabellen. In jeder derselben enthalten die Kolumnen J und II die von Nägeli resp. Velten angegebenen, III und IV die von mir daraus 1) Beiträge zur wissenschaftlichen Botanik. II. Heft, p, 77. 2) Ueber die Einwirkung der Temperatur auf die Protoplasmabewegung. Diese Zeitschr. 1876. Nr. 12—14. 136 berechneten Werthe. Die Zahlen der Spalte II bedeuten die Zeit, diejenigen der Rubrik III die Geschwindigkeit, mit der die Plasma- strömung bei der sub I danebenstehenden Temperatur den Weg von 0,01 mm zurücklegt. Tabelle 1. Betreffend Nägeli’s Versuche an Nitella syncarpa. . 2 ateleas Geschwindig- Temperatur Zeit Geschwindigkeit keits-Zuwachs | 19 C. 60 Sec. 0,01667 + 0,02500 5 24 0,04167 + 0,08333 10 8 0,12500 -- 0,07500 h 15 5 0,20000 + 0,07778 20 3,6 0,27778 -+ 0,13889 26 2,4 0,41667 + 0,25000 31 1,5 0,66667 -0,87179 37 0,65 1,53846 | Tabelle Il. Betreffend Velten’s Versuche an Elodea canadensis. \ : FIBFTRREIE| Geschwindig- Temperatur Zeit Geschwindigkeit keits-Zuwachs 10 R. 50,0 Sec. 0,02000 + 0,01448 29,0 0,03448 -+0,00552 3 25,0 0,04000 + 0,00608 4 21,7 0,04608 .0,01761 5 15,7 0,06369 -F 0,00124 6 15,4 0,06493 + 0,00860 7 13,6 0,07358 -0,00280 8 13,1 0,07683 -1.0,00119 9 12,9 0,07752 -L.0,00651 10 11,9 0,08403 0,00369 11 11,4 0,08772 0,00156 12 11,2 0,08928 -1- 0,00973 14 10,1 0,09901 --0,00851 16. 9,3 0,10752 1 0,00484 18 8,9 0,11286 —+- 0,00258 20 8,7 0,11494 -F 0,01006 22 8,0 0,12500 + 0,00158 23 7,9 0,12658 —- 0,00855 24 7,4 0,138513 -- 0,01639 25 6,6 0,15152 -+ 0,00720 26 6,3 0,15872 + 0.00257 27 6,2 0,16129 + 0,00538 “ 28 6,0 0,16667 + 0,02201 29 5,3 0,18868 — 0,00686 30 5,5 0,18182 — 0,07071 31 9,0 0,11111 _ 32 Wärmestarre. _ 187 Tabelle Ill. Betreffend Velten’s Versuche an Vallisneria spiralis, be Temperatur Zeit Geschwindigkeit Geschwindig- keits-Zuwachs 10 RR 45,0 Sec. 0,02222 + 0,01481 2 27,0 0,03708 --0,00644 3 23,0 0,04347 + 0,00870 4 21,2 0,04717 + 0,01533 5 16,0 0,06250 -- 0,00792 6 14,2 0,07042 + 0,01022 7 12,4 0,08064 -F 0,00681 8 11,5 0,08695 +- 0,00920 9 10,4 0,09615 + 0,02730 10 8,1 . 0,12345 -+ 0,00155 11 8,0 0,12500 —-0,02652 12 6,6 0,15152 + 0,00232 13 6,5 0,15384 -- 0,01283 14 6,0 0,16667 -- 0,02941 15 5,1 0,19608 + 0,00392 16 5,0 0,20000 - 0,02222 17 4,5 0,22222 -1- 0,02168 18 4,1 0,24390 -+- 0,00610 19 4,0 0,25000 + 0,01316 20 3,8 0,26316 1 0,02255 21 3,5 0,28571 —- 0,00840 22 3,4 0,29411 -- 0,00892 23 3,3 0,30303 + 0,00947 24 3,2 0,31250 -- 0,02083 26 8,0 0,33333 —+- 0,08704 27 2,7 0,37037 -1-0,01424 28 2,6 0,38461 + 0,01539 29 2,5 0,40000 4 0,01667 30 2,4 0,41667 +0,01811 31 2,3 0,43478 — 0,03478 32 2,5 0,40000 — 0,09697 33 3,3 0,30303 — 0,13062 34 5,8 0,17241 — 0,06130 35 9,0 0,11111 _ 36 Wärmestarre, _ Tabelle IV. Betreffend Velten’s Versuche an Chara foetida. Temperatur Zeit Geschwindigkeit Genchwini 10 RR. 20,00 Sec. 0,05000 + 0,09124 2 7,08 0,14124 + 0,04708 8 5,831 0,18832 + 0,01576 4 4,90 0,20408 0,02848 6 4,30 0,23256 0,02385 8 3,90 0,25641 0,03770 10 3,40 0,29411 + 0,05071 138 Temperatur Zeit Geschwindigkeit he din 110 R. 2,90 Sec, | 0,34482 + 0,03112 12 2,66 0,37594 -- 0,01016 18 2,59 0,38610 + 0,00915 14 2,58 0,39525 -- 0,01969 15 2,41 0,41494 1 0,00347 16 2,39 0,41841 + 0,01837 17 2,30 0,48478 + 0,02393 18 2,18 0,45871 + 0,04129 19 2,00 0,50000 --0,01546 20 1,94 0,51546 --.0,09060 21 1,65 0,60606 4 0,14582 23 1,33 0,75188 + 0,02331 25 1,29 0,77519 + 0,03781 27 1,23 0,81300 + 0,13039 27,5 1,06 0,94330 — 0,09594 30 1,18 0,84745 -— 0,03445 31 1,23 0,81300 — 0,22821 33 1,711 0,58479 _ 34,25 Wärmestarre, — Man sieht auf den ersten Blick, dass die Geschwindigkeit nicht, wie Velten sich ausdrückt, „für jeden folgenden Temperaturgrad einen kleineren Werth darstellt“, sondern im Gegentheil überall von 1° an bis zu einem bestimmten Temperaturoptimum, jenseits dessen allerdings ein Abfallen beginnt, fortwährend wächst, Will man sich nun des Weiteren darüber informiren, wie denn die Geschwindigkeit mit der Temperatur wächst, ob langsamer, rascher oder proportional, so kann dies entweder auf graphischem Wege ge- schehen oder arithmetisch, indem man, wie ich es in den Abtheilungen IV der vorstehenden Tabellen ausgeführt habe, jeden Geschwindig- keitswerth von dem nächstfolgenden subtrahirt. Jede der so gebil- deten Differenzen repräsentirt den positiven oder negativen Zuwachs, den die links neben ihr stehende Geschwindigkeit erfährt, wenn die zugehörige Temperatur auf den nächstfolgenden Grad erhöht wird. Wie man wiederum ohne Weiteres sieht, liegt ein Irrthum vor, wenn Nägeli das Gesetz aufstellt und Velten es bestätigt findet, dass „die Zunahme der Geschwindigkeit zwischen -+ !/a° und 37° C. für jeden folgenden Temperaturgrad einen kleineren Werth aus- macht“. Das zeigen am deutlichsten gerade Nägeli’s eigene Zahlen, Mit einer einzigen Ausnahme vergrössert sich hier die Zunahme der Geschwindigkeiten und zwar zuletzt sogar rapide. Ueberdies sei 139 als interessant hervorgehoben, dass zwischen 10° und 31° die Geschwindigkeit sehr annähernd geometrisch!) mit arithmetisch ansteigender Temperatur zunimmt, Ist demnach in der Nägeli’schen Reihe eine ganz andere Gesetzmässig- keit enthalten, als ihr Urheber meinte, so lässt sich andererseits aus den Velten ’'schen Ergebnissen eine solche überhaupt nicht heraus- lesen. Am ehesten könnte man noch sagen, dass bei Elodea, Vallis- neria und Chara die Geschwindigkeit unregelmässig proportional der Temperatur wächst, wenn man dabei mit Zugrundelegung der graphi- schen Darstellung unter „proportional“ versteht, dass sämmtliche Ordinatenköpfe auf der die Spitze der ersten Ordinate mit derjenigen der letzten verbindenden Graden liegen. Im Anschlusse hieran ist es für etwaige künftige Untersuchungen ähnlicher Art vielleicht lehrreich, auch noch den Fehler aufzudecken, der in der Ableitung des „Nägeli’schen Gesetzes“ steckt. Eine Handhabe dazu bietet die graphische Wiedergabe aller vier Versuchs- reihen, die Velten, jedenfalls unter dem Einfluss und nach dem Vorbilde Nägeli’s, seiner Abhandlung beigegeben hat. Er hat sich die Berechnung der Geschwindigkeiten erspart und sie mit Hilfe eines Kunstgriffes durch die Zeiten auszudrücken versucht. Auf der Abscissenachse sind die Temperaturen von 0° bis 36°, auf der Ordinatenachse die Zeiten von O0 bis 92 Secunden abgetragen und zwar letztere entgegen der üblichen Schreibweise so, dass die Null am oberen Ende der Ordinatenachse steht, die höchste Secundenzahl dagegen am Fusspunkt. In dieses Coordinatensystem sind dann die beobachteten Zeiten direkt und ohne Weiteres als Ordinaten eingetragen. Weil der Nullwerth der Zeit zu oberst liegt, werden diese Ordinaten natürlich um so grösser, je kürzer die Zeit wird, und da zugleich die Geschwindigkeit zunimmt, wenn die Zeit kürzer wird, so hat der Autor geglaubt, dass seine Ordinaten unmittelbar auch das Anwachsen der Geschwindigkeiten veranschaulichten. Hier liegt der Fehler. Freilich steigen und fallen Kürze der Zeit und Geschwindigkeit gemeinsam, aber jede in ihrer eigenen Weise und so abweichend von der andern, dass nichts verkehrter sein kann, als eine und dieselbe Kurve für beide zu postuliren. Einige Beispiele mögen dies erläutern. Für Vallis- neria spiralis beträgt die Zeit bei 11° 8 Secunden, bei 16° 5 Secunden. Die Zeit wird also kürzer um 3 Secunden. Die zugehörigen Ge- 1) Die Reihe der Zeiten: 8; 5; 3,6; 2,4; 1,5 ist nahezu eine geometrische (mit dem constanten Factor 1,5). Dasselbe gilt dann natürlich auch von den Ge- schwindigkeiten als den reciproken Werthen der Zeiten. 140 schwindigkeiten sind !/s und "/s oder so und ®/a. Die Geschwindig- keit steigt also ebenfalls gerade um 3, aber wohlverstanden um ?/so. Bei einer Wärmesteigerung von 16° auf 26° wird die Zeit kürzer um 2 Secunden und erhöht sich die Geschwindigkeit von ?|ıs auf ?ıs, also ebenfalls um 2, aber diesmal um 2. Wie aus diesen Proben schon zur Genüge hervorgeht, wachsen die Geschwindigkeitsbrüche wohl mit der Kürze der Zeit, die Zähler sogar um die gleiche Zahl; die Nenner sind aber ungleichnamig, und wenn sie zum Zweck der graphischen Aufzeichnung gleichnamig gemacht werden, so resultiren eben für die einzelnen Geschwindigkeiten ganz andere Werthe als die von Velten angegebenen Ordinaten. Mit einem Worte: Hat man zwei Reihen, deren correspondirende Glieder in reciprokem Verhältniss zu einander stehen, so hat jede dieser Reihen ihre specielle Kurve. Man erhält wohl jedes einzelne Glied der einen Reihe durch einfache Umkehrung des entsprechenden Gliedes der andern, nicht aber die eine Kurve durch blosse Umdrehung der zweiten. Weitere Untersuchungen über Astasia asterospora Meyer. Von W. Migula, Karlsruhe, Mit 3 Textfiguren. Begreiflicher Weise hatte das Erscheinen von Arthur Meyer’s Arbeit!) mein grösstes Interesse erweckt; die Aufstellung einer neuen Gattung, gestützt auf eine neue, bisher noch nicht beobachtete An- ordnung der Geisseln, der Nachweis von Zellkernen und die eigen- artige Beschaffenheit der Spore brachten der neuen Entdeckungen so viele, dass die neue Bacterienart auf den Forscher geradezu eine wunderbare Anziehungskraft ausüben musste. In dem Banne dieser Anziehungskraft befand ich mich ebenfalls, und mein nächstes Be- streben war, mir den Organismus zu verschaffen. Ausser von anderer Seite erhielt ich auch eine Originaleultur von Herrn Prof. Meyer, welche derselbe an Herın Prof. Klein geschickt hatte und mir von dem letzteren noch ungeöffnet übergeben worden war. Ich betone dies ausdrücklich, weil die Ergebnisse meiner Untersuchungen so wesentlich von denen Meyer’s abweichen, dass man fast auf den Gedanken kommen könnte, es handle sich um zwei ganz verschiedene Organismen. Ich habe mich bei meinen Untersuchungen auf zwei der oben erwähnten Punkte, Begeisselung und Zeilkerne, beschränkt, da mir diese Punkte beim Durchlesen der Meyer’schen Arbeit von vorn- herein als die merkwürdigsten erschienen, I. Die Geissein von Astasia asterospora. Nach Meyer (pag. 200) tragen die Stäbchen „Geisselbüschel, deren Einzelgeisseln so fein sind, dass sie nicht mehr aufzulösen sind“. Dieselben stehen seitlich, an kürzeren Stäbchen einzeln, an längeren zwei bis vier Büschel. Wäre diese von Meyer angegebene Anordnung der Geisseln richtig, so würde sie selbstverständlich zur Begründung einer neuen Gattung führen. Mir war unter den Hunderten von Bacterienarten, deren Begeisselung ich untersucht habe, eine derartige Stellung der Geisseln niemals vorgekommen, und desshalb ist der 1) Meyer, Arthur, Studien über die Morphologie und Entwickelungs- geschichte der Bacterien, ausgeführt an Astasin asterospora A. M. und Bacillus tumescens Zopf. Flora 1897. 142 Vorwurf Meyer’s, dass ich für mein System keinen Gebrauch von dem wichtigen Unterschiede zwischen den seitlich und polar stehenden Geisselbüscheln mache (pag. 243), unbegründet; Bacterien mit voll- ständig seitlich stehenden Geisselbüscheln waren mir eben unbekannt. Denn die Schwärmer von Cladothrix können selbstverständlich nicht hierher gezogen werden; übrigens ist auch bei ihnen die Anordnung der sehr deutlichen und kräftigen Geisseln eine wesentlich andere als bei den von Meyer abgebildeten Astasiaschwärmern. Die Geisseln sind zwar seitlich inserirt (vgl. Fischer!) Tab. I Fig. 14—16), aber meist deutlich nach vorn oder nach hinten gerichtet, wie bei gewissen Flagellaten. Man kann sich die Wirkung ihrer Bewegung ohne Wei- teres klar machen und zur Vorwärtsbewegung des Stäbehens in ein- fache Beziehung bringen. Dies ist aber bei einem seitlich inserirten, pinselartigen Geisselbündel, wie es Meyer abbildet, durchaus nicht der Fall. Meyer beschreibt die Bewegung als eine wackelnde, ohne Drehung um die Längsachse vor sich gehende Vorwärtsbewegung. Wie kann, möchte ich fragen, nach den einfachsten Gesetzen der Bewegungserscheinungen ein seitliches Geisselbüschel von der Form, wie Meyer es bei Astasia abbildet, eine derartige Bewegung hervor- bringen? Es würde vielmehr unfehlbar eine Turbinenbewegung aus der Thätigkeit eines solchen Geisselbüschels resultiren. Auf diese schwer verständliche Function des seitlichen Geisselbüschels wurde schon von Behrens (Ref. in Bot. Zeitung 1898 pag. 35) hingewiesen. Die Vorwärtsbewegung erfolgt nach Meyer’s Angaben ohne Drehung um die Längsachse; eine solehe kommt aber ausschliesslich nur bei Arten mit über den ganzen Körper zerstreut stehenden Geisseln vor (vgl. pag. 111 und 112 meines Systems der Bacterien). Es war deshalb zu erwarten, dass auch bei Astasia eine derartige Stellung der Bewegungsorgane vorhanden sein würde. Ich habe mich allerdings nicht ausschliesslich der Methode A. Meyer’s bedient, um Schwärmer für die Geisselfärbung zu er- ziehen, weil die Kulturen in flüssigen Nährböden, namentlich in Fleisch- extraktlösungen, in der Regel zu solchen Massen von Niederschlägen in den Präparaten Veranlassung geben, dass man darin die Geisseln kaum noch erkennen kann. Erst nachdem ich mich an jungen Agar- eulturen von der Art der Begeisselung überzeugt hatte, habe ich auch die Geisseln an aus Fleischextraktlösungen stammenden Indivi- 1) Fischer, Untersuchungen über Baeterien. Prin gsheim’s Jahrbücher Ba. 27 Heft I, 1895. 143 duen untersucht und wenn die Bilder auch sehr viel weniger rein und deutlich waren, doch stets dieseibe Begeisselung gefunden. Zum Nachweis der Geisseln eignen sich besonders Culturen auf frisch bereitetem Agar, welche etwa acht Stunden im Brutschrank gestanden haben. Mit einfacher Tanninlösung zu beizen, wie Meyer dies gethan hat, genügt nicht, sondern man muss eine sehr energisch wirkende Beize anwenden, wenn man die Geisseln sichtbar machen will. Ich verwendete die Löffler’sche Beize und ausserdem auch die von van Ermengem angegebene Methode. In beiden Fällen stellten sich die Stäbchen von Astasia als echte Angehörige der Gattung Bacillus dar, die sogar ausserordentlich reich mit über den ganzen Körper zerstreuten Geisseln bedeckt waren, ähnlich wie bei den proteusartigen Bacterien. (Fig. 1.) Offenbar ist es Meyer gar nicht gelungen, die eigentlichen Geisseln von Astasia sichtbar zu machen, trotzdem er ausser der Tanninbeizung auch die Löffler’sche Methode angewendet hat. Die merkwürdigen seitlichen Geisselbüschel, „deren Einzelgeisseln so fein sind, dass sie nicht mehr aufzulösen sind“, lassen sich entweder als Geisselreste, deren übriger Theil bereits abgerissen oder verquollen ist, oder als Farbstoffniederschläge deuten, wie sie sich gern um die Geisselbasis auch ungefärbter Geisseln ablagern. Die Gattung Astasia ist also einzuziehen und die Art unter die Gattung Bacillus als Bacillus asterosporus einzureihen. Fig. 1. 2. Die Zelikerne von Astasia. Auf der Suche nach den Zelikernen der Baeterien habe ich viel Zeit verloren; es gelang mir nicht sie zu finden, und andern Forschern ist es nicht besser gegangen. Von den Körnchen, die durch die Untersuchungen von Babes, Ernst, Bütschli und Fischer ge- nauer bekannt geworden waren, durfte mit einiger Gewissheit ange- nommen werden, dass sie keine Zellkerne, ähnlich denen höherer Pflanzen, seien. Meyer fand nun bei seiner Astasia ebenfalls Körnchen, die er als Zellkerne deutet, obgleich er auch nicht den Schatten eines Beweises dafür erbringt. Es sei mir gestattet, ehe ich das Resultat meiner erneuten auch an Astasia über diesen Punkt ausgeführten Untersuchungen erwähne, die Art und Weise zu be- 144 leuchten, in welcher Meyer zu seiner Auffassung gelangt. Er gibt pag. 227 an: „Ich selbst habe, weil ich annehmen musste und sah, dass Wasserbacterien meist mehr leicht färbbare Reservestoffe ent- hielten, als solche Bacterien, die in Nährlösung schwimmen, für die Entscheidung der Kernfrage keine Wasserform gewählt, sondern eine möglichst körnchenfreie, in Nährlösung kultivirbare Form“. Zunächst erscheint schon der Gegensatz zwischen „Wasserbacterien“ und „Bacterien, welche in Nährlösung schwimmen“ etwas wunderlich; jedenfalls aber geht aus diesem Satze hervor, dass Meyer die ge- wöhnlich beobachteten „Körnchen“ ebenfalls nieht für Zellkerne hält, sondern sie ähnlich wie Fischer, dessen Ansicht kurz vorher eitirt wird, als Reservestoffe betrachtet. Natürlich fragt man sich unwillkürlich: Wie unterscheiden sich nun die Kerne der Astasia von den seit langer Zeitbekannten „Körnchen“. Darauf erhalten wir von Meyer keine Antwort. Weiterhin spricht sich auch Meyer ebenso wie Fischer dahin aus, dass es keine Kernfarbstoffe gäbe; gleichwohl stützt er seine Ansicht, dass die von ihm gefundenen Körper Zellkerne seien, ausser auf das richtige Grössenver- hältniss gegenüber derBacterienzelle, ausschliesslich auf Färbungsvorgänge! Weil Jod und Rutheniumroth leicht von den Kernen der Pilze in der lebenden Zelle aufgenommen werden und die fraglichen Körper der Astasia die gleichen Eigenschaften zeigen, so müssen es nach Meyer Zellkerne sein! Es wäre nun doch zum mindesten nothwendig gewesen, zu untersuchen, ob sich dieKörnchen anderer Bacterien nichtebenso verhalten. Aber auch nicht die geringste Angabe darüber ist in der Arbeit von Meyer zu finden. Meyer spricht an verschiedenen Stellen von der Theilung der Zellkerne, also doch wenigstens einer Eigenschaft, die wesentlich zum Charakter eines Zellkerns gehört und nur wenigen andern Inhaltskörpern der Zelle zukommt. Man wird nun natürlich gespannt sein, die Art und Weise der Kerntheilung zu erfahren. Aber ver- gebens! Nicht mit einer Silbe ist der Theilungsvorgang selbst be- schrieben. Wenn derselbe auch in der lebenden Zelle nicht hätte zu erkennen sein sollen, wegen der Kleinheit des Objectes, so hätte er doch wenigstens einmal an den unzähligen, gefärbten Individuen beobachtet werden müssen. Denn es ist kaum wahrscheinlich, dass unter den Tausenden von Zellen eines Präparates aus jüngeren noch lebhaft sich vermehrenden Culturen keine einzige mit irgend einem 145 Zustande der Kerntheilung sollte gefunden werden können. So blitzartig schnell pflegen Kerntheilungen doch nicht zu verlaufen! Aber nirgends, weder im Text noch in den Abbildungen, findet sich ein Anhaltspunkt dafür, dass Meyer die Theilung des Zellkernes einmal beobachtet habe. Nach dieser Darlegung ist man schon von vornherein berechtigt, die sehr weitgehenden Schlussfolgerungen Meyer’s hinsichtlich der Verwandtschaft der Bacterien mit den Eumyceten als völlig unbegründet zurückzuweisen. Denn wenn er sagt (pag. 228): So können wir also jetzt mit Gewissheit sagen, dass die Bacterien einen Protoplasten besitzen, welcher in seiner Morphologie dem Protoplasten der sep- tirten Hyphenzellen der Eumyceten sehr ähnlich ist“, so kann man dies nur als eine gänzlich unbegründete Behauptung ansehen, denn den Beweis für das Vorhandensein eines Zellkernes bei den Bacterien hat Meyer durchaus nicht erbracht. Aber trotzdem die Existenz von Zellkernen bei Astasia durch Meyer nicht bewiesen worden ist, wäre es immerhin möglich ge- wesen, dass irgend welche, in der Arbeit nicht erwähnte Momente die Annahme von der Kernnatur der fraglichen Gebiete begünstigt hätten. Es galt deshalb diese Körper genauer zu untersuchen und mit den Körnchen anderer Bacterienarten zu vergleichen. Ich wählte als Vergleichsobjecte Baeillus cereus Frankland, Bacillus Megaterium De Bary und Baeillus oxalaticus Zopf, dessen Zellen allerdings im Laufe der Zeit in den künstlichen Culturen wesentlich an Dicke eingebüsst haben, jedoch immer noch zu den grössten mir bekannten Bacterien gehören. Es war dabei zunächst festzustellen, ob sich die Kerne von Astasia von den Körnchen anderer Bacterien unterscheiden, und in welcher Weise sich diese Verschiedenheit dokumentirt, Zweitens war festzustellen, ob sich etwa neben den Kernen noch andere Körnchen in der Astasiazelle finden und drittens, ob die Kerne von Astasia irgend welche Eigenschaften zeigen, welche auf ihre Kernnatur mit einiger Sicherheit schliessen liessen. Man bemerkt zunächst bei Astasia, die übrigens ein keineswegs sehr ungünstiges Objeet zum Studium des Zellinhaltes ist, dass die fraglichen Körnchen in den jungen Kulturen, mögen dieselben auf Agar oder in der Meyer’schen Normallösung gewachsen sein, in der Regel einige Stunden später sichtbar werden, als bei den andern beobachteten Arten. Sie lassen sich jedoch durch geeignete Färbung zuweilen schon einige Zeit vorher sichtbar machen, ehe sie in der lebenden ungefärbten Zeile wahrgenommen werden können. Insbe- Flora 1898. 10 146 sondere gelingt dies sehr gut durch stark verdünnte Saffraninlösung nach vorhergegangener Fixirung der nicht angetrockneten Zellen mit Ösmiumsäure. Viel weniger intensiv werden sie durch Ruthenium- roth gefärbt, mögen die Zellen lebend mit diesem Stoffe in Berührung “kommen oder in irgend einer Weise vorher fixirt sein. Dagegen hat Rutheniumroth allerdings den Vortheil, das Plasma viel weniger intensiv zu färben als die Körnchen. Die Zahl der Körnchen in den ungetheilten Astasiazellen beträgt I—6, meist 1—2. Sie lassen sich übrigens auch durch die meisten andern gebräuchlichen Anilinfarb- stoffe, Methylenblau, Methylviolett, Gentianaviolett, Fuchsin u. s. w. färben, wenn man nur die Vorsicht beachtet, sehr stark verdünnte Farbstofflösungen zu verwenden, weil sonst zu leicht eine Ueber- färbung der Zelle eintritt und dadurch das Erkennen irgend welcher Structurverhältnisse unmöglich wird. Am besten eignen sich immer Präparate, die durch Osmiumsäuredämpfe fixirt, aber nicht angetrocknet sind, weniger gut lebend gefärbte Zellen, schlecht angetrocknete und durch Hitze fixirte Präparate. Die Körnchen in den Astasiazellen sind nicht gleich gross. Sie sind am grössten, wenn sie in der Einzahl in jeder Zelle vorhanden sind; sind mehrere in einer Zelle vorhanden, so sind sie gewöhnlich alle beträchtlich kleiner, oder neben einem grösseren treten ein oder mehrere kleinere auf. Ganz gleich verhalten sich nun die Körnchen in den Zellen von Bacillus oxalatieus, ccreus und Megaterium, sie färben sich mit Rutheniumroth ebenso wie die „Kerne“ von Astasia und nehmen genau in derselben Weise wie diese andere Farbstoffe auf. Sie sind in den Zellen dieser Arten meist in etwas grösserer Zahl vertreten, als bei Astasia, doch kommen ebenfalls häufig Zellen vor, in denen man nur ein einziges dann aber grösseres Körnchen vorfindet. In dem Verhalten gegenüber Farbstoffen lassen sich also zwischen den „Kernen“ der Astasia und den Körnchen anderer Bacterien Unterschiede nicht erkennen. Es konnten natürlich wirkliche Zellkerne, wie sie den höheren Pflanzen zukommen, immer noch in den Bacterienzellen vorhanden sein und man könnte auch diese Körnchen als solche ansprechen, wenn nicht andere ge- wichtige Gründe dagegen sprächen. Die so wichtige und eigenartige Structur eines Zellkerns wird man in diesen kleinsten Körperchen mit unseren optischen Hilfsmitteln freilich nicht auffinden können. Dagegen wird man an geeigneten Objecten und bei entsprechend guter Beleuchtung das Verhalten der Körnchen und deren Vermehrung 147 in sich theilenden Zellen beobachten können und man wird, wenn Theilungsvorgänge bei diesen Körnchen vorkommen, diese in gefärbten Präparaten in rasch sich vermehrende Culturen doch wenigstens hin und wieder antreffen müssen. Denn so klein diese Körnchen auch sind, müsste man bei starken Vergröserungen und hinreichend inten- sivem Licht (z. B. Auer’sches Gasglühglicht, mit dem ich bei so diffieilen Dingen arbeite) doch Theilungsstadien erkennen können. Aber trotzdem ich sehr zahlreiche Präparate mit sehr gut gelungenen Färbungen der Körnchen durchmustert habe, ist mir auch nicht ein einziges Mal ein soicher Theilungszustand eines derartigen Körnchens weder bei Astasia noch bei den vergleichsweise untersuchten Bacterien vor Augen gekommen. Ganz abgesehen von dieser immerhin auffälligen und nicht zu Gunsten des Kerncharakters sprechenden Thatsache, dass sich Kern- theilungszustände in gefärbten Präparaten nicht finden lassen, möchte ich hier einige Beobachtungen anführen, die den Charakter der Körnchen hinreichend beleuchten. Bereits in meiner Arbeit über Baeillus oxalatieus!) hob ich hervor, dass die Körnchen den jüngsten aus der Spore entstandenen Stäbehen fehlen oder wenigstens so klein sind, dass sie sich auf keine Weise sichtbar machen lassen, und dass sie sich, soweit meine damaligen Beobachtungen reichten, nichttheilen, sondern, wo ihre Zahl in einer Zelle zunimmt, durch Wachsthum kleiner Gra- nula, die in ausserordentlicher Menge im Wandplasma vorhanden sind, entstehen. Ich habe diese Beobachtung jetzt von Neuem, sowohl an Astasia, als an den drei andern genannten Arten gemacht und kann jetzt mit aller Bestimmtheit angeben, dass sich die Körnchen in allen untersuchten Fällen niemals getheilt haben, sondern aus dem Plasma durch Vergrösserung schon vorhandener Granula hervorgegangen sind. Ich kann übrigens jedem bei derartigen Untersuchungen die Benützung von Auer’schem Gasglühlicht nicht warm genug empfehlen; auch das günstigste Tageslicht ist noch immer nicht intensiv genug. Auch für Astasia gilt, dass in den jüngsten aus der Spore her- vorgegangenen Zellen diese Körnchen nicht sichtbar zu machen sind, auch mit Rutheniumroth oder Jod nicht; bei etwas älteren Zellen traten sie in Form von sehr kleinen Pünktchen auf, die man bei entsprechen- 1) Arbeiten aus dem baet. Institut der Technischen Hochschule zu Karlsruhe Ba. I. 1894. p. 139. 10* 148 der Beleuchtung auch in ungefärbtem Zustande ebenso deutlich sieht als in gefärbten Zellen. Eine derartige junge Astasiazelle wurde im hängenden Tropfen (Agar-Agar) fortgesetzt beobachte, Um 8 Uhr 20 Min. zeigte sich weder ein Zellsaftraum, noch ein Körnchen (Fig. 2a). Um 9 Uhr konnte man in der Mitte einen dunklen ab e d&f Schatten bemerken, der jedenfalls als centrale Vacuole 0 i) ) dl zu deuten war (Fig. 2b); ein Körnchen war auch jetzt noch nicht zu bemerken. Erst um 9 Uhr 30 Min. trat am oberen Ende der Zelle ein sehr kleines, stärker lichtbrechendes Pünktchen auf (Fig. 2c), welches allmählich heranwuchs und immer deutlicher wurde (Fig. 2d). Gleichzeitig hatte sich auch die Zelle erheblich gestreckt, die centrale Vacuole war deutlicher geworden und wenige Minuten später trat auch am unteren Ende der Zelle ein zunächst ebenfalls sehr kleines, stark lichtbrechen- des Pünktchen auf (Fig. 2e), welches sich bis um 10 Uhr zur vollen Grösse des ersten entwickelt hatte (Fig.2f). Hier war also von einer Theilung des Körnchens nicht die Rede, sondern die beiden Körnchen waren an den beiden entgegengesetzten Punkten der Zelle entstanden und hatten sich sichtbar von kleinen Anfängen heraus sehr bedeutend vergrössert. Ich konnte diese Zelle leider nicht weiter verfolgen, da ich in meiner Beobachtung unterbrochen wurde. In einer zweiten etwas älteren Zelle waren um 2 Uhr 20 Min. Vacuole und ein nahezu in der Mitte einer Längswand gelegenes Körnchen sichtbar (Fig. 3«). Zehn Minuten später c de f tratein zweites sehr kleines Körnchen dem ersteren f ! schräg gegenüber auf (Fig. 35), welches um 8 Uhr NY nahezu die Grösse des zuerst beobachteten ange- nommen hatte (Fig.3c), Um 3 Uhr 30 Min. hatte sich in der Mitte der Zelle ein Plasmaring gebildet, in welchen die beiden Körnchen hineingewandert waren (Fig. 3d); gleichzeitig war oben ein Körnchen aufgetreten, welches offenbar anfangs übersehen worden war, da es, als es bemerkt wurde, schon ziemliche Grösse erreicht hatte (Fig.3d). Zehn Minuten später war die Plasmabrücke geschlossen, die Körnchen lagen noch immer darin (Fig. 3e). Um 4 Uhr war eine Scheidewand aufgetreten, um 4 Uhr 30 Min. war auch bereits eine Einschnürung bemerkbar (Fig. 3f). Die beiden mittleren Körnchen waren in die untere Zelle gelangt und lagen an deren oberen Pol; der oberen Zelle war nur das zuletzt aufgetretene Körnchen verblieben. Ganz ähnliche Beobachtungen konnte ich an Bac. oxalaticus machen, 149 obgleich dieser Organismus wegen der meist zahlreicheren Körnchen kein so gutes Untersuchungsobject ist. Selion früher hatte ich eine Theilung der Körnchen niemals beobachten können, allerdings aber auch dem ersten Auftreten der Körnchen keine besondere Aufmerk- samkeit geschenkt. Bei einer erneuten Untersuchung zeigte sich jedoch mit aller nur wünschenswerthen Deutlichkeit, dass die Körn- chen, oft gleichzeitig mehrere, aus sehr kleinen Anfängen hervor- gehen und zu ihrer späteren Grösse heranwachsen. Auch sind die Körnchen selbst in alten Zellen sehr oft von sehr ungleicher Grösse. Dasselbe gilt von Bacillus Megaterium De Bary, bei welchem die Körnchen sehr deutlich sind und bei B. cereus Frankland, welcher ebenfalls sehr grosse Zellen und grosse Körnechen besitzt. Nach diesem Verhalten kann man wohl mit einiger Bestimmtheit behaupten, dass die Körnchen weder beiAstasia noch bei den andern untersuchten Arten echte Zellkerne sind, da ihnen das Vermögen, sich zu theilen, nicht zukommt. Ihre Ent- stehung ist vielmehr wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass mehrere der massenhaft vorhandenen, einzeln kaum erkennbaren Granula des Plasmas zusammenfliessen und so ein kleines deutlicher sichtbares Körnchen bilden, welches durch Aufnahme weiterer Gra- nula heranwächst. Einen ganz ähnlichen Vorgang beobachtet man bei der Sporenbildung der meisten Bacterien. Auch hier fliessen die an und für sich schon grösseren Körnchen sehr häufig zu einem grösseren, der Sporeninitiale zusammen. An dieser Auffassung von der Natur der körnigen Gebilde in den Bacterienzellen braucht auch das event. Vorkommen derselben in Sporen und jungen Keimstäbehen nichts zu ändern. Ich muss allerdings gestehen, dass es mir niemals gelang, weder bei directer Beobachtung der lebenden ungefärbten Zellen noch bei den ver- schiedenartigsten Färbungen, in ganz jungen Keimstäbchen oder in Sporen irgend welcher Bacterienarten solche Körnchen zu finden. Ich halte es auch schon deshalb nicht für sehr wahrscheinlich, dass sie in ihnen regelmässig vorkommen, weil das Plasma viel gleichmässiger hell und klar ist und sich Körnchen verhältnissmässig viel deutlicher müssten erkennen lassen, als in dem oft stark granulirten Plasma älterer Zellen. Es gibt aber auch Bacterien, bei denen es innerhalb eines Entwickelungsganges von Spore zu Spore durchaus nicht immer zur Bildung von Körnchen im Innern der Zelle zu kommen braucht. Rine solche Art ist z. B. Bacterium pituitans Burchard. Ich habe diesen Organismus selbst bis zur Sporenbildung genau unter dem 150 Mikroskop verfolgt, auch wiederholt verschiedene Fixirungs- und Färbungsmethoden angewendet, ohne jemals auch nur eine Andeutung von Granulirung oder Bildung von Körnchen im Plasma wahrzu- nehmen. Dass dieselbe unter Umständen, z. B. bei veränderten Er- nährungsbedingungen eintreten kann, will ich absolut nicht bestreiten, nur tritt sie eben mitunter ganz bestimmt nicht ein. Vielleicht ist dasselbe auch bei Bacillus Carotarum A. Koch, bei welchem das Plasma vor der Sporenbildung ebenfalls keine Granulirung zeigt, der Fall. Bei den Bacterien sind echte Zellkerne noch nicht gefunden, auch durch Meyer nicht und offenbar deuten alle diese Momente darauf hin, dass die Aussicht, sie noch aufzufinden, immer mehr an Wahrscheinlichkeit verliert. Damit wird aber auch einer Anzahl von Combinationen Meyer’s der sichere Boden entzogen, besonders so- weit es sich um eine Verwandtschaft der Bacterien mit den Eumyceten handelt. Eine Aehnlichkeit im Bau des Protoplasten fehlt dann, da den Bacterien die echten Zellkerne abgehen. Aber auch ganz ab- gesehen von den Zellkernen ist die Verschiedenheit zwischen Eumy- ceten und Bacterien eine so grosse, dass man sie kaum mit einander in irgendwelche Beziehungen bringen kann. Dies kommt auch ganz unzweifelhaft gerade bei der Sporenbildung zum Ausdruck, die von Meyer ebenfalls für die Verwandtschaft beider Gruppen herange- zogen wird. Es ist doch u. a. ein sehr beträchtlicher Unterschied darin zu suchen, dass bei den Bacterien die ganze Pflanze unter Bildung einer neuen resistenten Membran in den Ruhezustand tritt, bei den Ascomyceten aber neben den Vegetationsorganen besondere Fruetificationsorgane angelegt werden, in denen erst die Sporen ent- stehen. Ich möchte zum Schluss noch bemerken, dass ich die höchst eigenthümliche Structur, welche Meyer für die Sporenmembran von Astasia fand, ebenfalls beobachten konnte, eine ähnliche Erscheinung aber an anderen Bacteriensporen niemals wahrgenommen habe. Karlsruhe, 12. März 1898. Litteratur. 0. Warburg, Monographie der Myristicaceen. Nova Acta. Abh. der Kaiserl. Jeop. Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher. Halle 1897. In Commission bei Wilhelm Engelmann, Leipzig. Bd. LXVIIL; 4°; 680 Seiten mit 25 Tafeln. Eine sehr tüchtige Arbeit, welche allen Anforderungen der Neuzeit Rechnung trägt und deren Erscheinen ich mit lebhafter Spannung entgegensah, seitdem ich im Herbste 1885 ihr Manuscript im Vorstande der Leopoldinischen Akademie kennen lernte! Die Monographie gliedert sich in den allgemeinen Theil (p. 5—117) und den speciellen (Systematik der Myristicaceen, p. 118—620), an welchen sich dann noch zahlreiche wichtige Indices (p. 621—668) anreihen; eine besonders zusammenge- stellte Erklärung der Tafeln bildet den Schluss (p. 669 — 680). Linne stellte die Gattung Myristica bereits 1742 in der 2: Auflage der Genera plantarum auf, aber es sollte 47 Jahre dauern, bis sie, infolge der ge- nauen Untersuchungen von Lamarck 1789, ihre richtige Stellung im Linne- schen System in der Dioecia monadelpha fand. Lange blieb auch der richtige Platz der 1810 durch Rob. Brown aufgestellten Familie der Myristicaceen un- sicher, bis endlich im Jahre 1830 Bartling und Lindley gleichzeitig sie zu der Klasse der Polycarpicae, in die Nähe der Ranunculaceen, Anonaceen und Menispermaceen, stellten. Die Untersuchungen von Warburg bestätigen diese Verwandtschaft durchaus. Die Myristicaceen bilden eine sehr alte, stark reducirte und jetzt gleichsam erstarrte (wenig mehr variirende) Familie der Polycarpicae. Die einfache Gestalt der Laubblätter, das Fehlen der Krone, die geringe Zahl der Elemente des gebliebenen Perigonkreises, die Voerwachsung der Stamina zu einer Columella, die geringe Zahl der Carpella und der Samenanlagen in den Carpellen, die geringe Entwiekelung des Griffels und der Narbe, die Kleinheit des Embryos mit einer minutiösen Radieula und oft verwachsenen Cotyledonen sind ebensoviele Zeichen stattgehabter Reductionen. Es bewährt sich hier wieder der in neuerer Zeit von Celakovsky betonte Satz, dass Reductionen und besondere Anpassungen Zeichen weiter vorgeschrittener, abgeleiteter Bildung sind. Die Myristicaceen müssen sich sehr früh aus den Palaeo-Polycarpieae abgesondert haben, was auch durch die geographische Verbreitung bestätigt wird. Paläontologische Funde sind leider nicht bekannt. Die Familie umfasst jetzt 235 Species in 15 Gattungen (5 amerikanische, 6 afrikanische, 4 asiatisch-polynesische). Dass der neueren Forschungsrichtung durchaus Rechnung getragen ist, be- weisen schon die beiden Abschnitte: Anatomie nnd Morphologie (p. 28-70) und Biologie (p. 70—-89). Eines der wichtigsten anatomischen Merkmale, welches bei Bestimmung blattloser Zweige gute Dienste leistet, ist das Vorkommen dünner, langgestreckter, oft selbst schlauchförmiger Zellen in der Markscheide, weiche hellrothen oder gelblichen Inhalt von adstringirendem Geschmacke haben, Auch im Weichbast sind solche Zellen häufig. Ihr Inhalt, welcher beim Austrocknen blutroth wird, ist eine Art von Kino, dem Kino von Pterocarpus sehr nahe ver- wandt, — Sehr charakteristisch für die Myristicaceen sind auch die sympodial verzweigten Haare, welche Verfasser bereits in den Berichten der Deutschen botanischen Gesellschaft beschrieben hat, 152 Die Artgliederung (natürlich mit lateinischen Diagnosen) macht, woich sie prüfen konnte, einen sehr guten Eindruck. Ich konnte die Myristicaceen des kleinen Bremer Herbariums leicht nach der Arbeit einordnen, was freilich nicht gerade viel sagen will. Eine wichtige Ergänzung dieser Monographie bildet das vor etwa einem Jahre in Verlage von Wilhelm Engelmann erschienene Werk desselben Verfassers: Die Muskatnuss, ihre Geschichte, Cultur, Handel und Verwerthung. Möchte die mühsame und gründliche Arbeit für die Wissenschaft reiche Fracht tragen! — Die Leopoldinische Akademie hat sich durch Herausgabe der- selben ein neues, grosses Verdienst erworben. Fr. Buchenau. Dr. F. Höck, Grundzüge der Pflanzengeographie unter Rücksichtnahme auf den Unterricht an höheren Lehranstalten. Verlag von Ferd. Hirt, Breslau. Preis 3 Mk. Die Belebung des naturwissenschaftlichen Unterrichtes wird von einsichts vollen Fachmännern mit Recht als eines der besten Mittel angewandt, um eine Besserung auf diesem Gebiete eintreten zu lassen, wo leider nur zu oft das mechanische Auswendiglernen noch eine hervorragende Rolle spielt, woraus eine grosse Indifferenz, zum Theil auch Unkenntniss in den Naturwissenschaften bei den Schülern für das ganze Leben resultirt. Auf botanischem Gebiete wird ja schon längere Zeit in dieser Hinsicht die Biologie mit gutem Erfolge angewandt, welche, in richtiger Form gebracht und durch verhältnissmässig leicht zu be- schaffendes Demonstrationsmaterial unterstützt, die Schüler auch mit dem Wesen der Pflanzen und ihrer einzelnen Organe vertraut macht und sie auch zu eigenen Beobachtungen anregt. Schwieriger gestaltet sich die Verwendung der Pflanzen- geographie für den Unterricht, bei welcher es sich nicht nur um umfangreiche Kenntniss der Pflanzen der verschiedensten Zonen, sondern auch um einige schwierigere Hilfswissenschaften wie Geologie, Meteorologie u. s. w. handelt. Dem Lehrer und Schüler in dieser Hinsicht entgegenzukommen, ist der Zweck des vorliegenden Buches, dessen Verfasser ebenso den behandelten Gegenstand wie auch die Bedürfnisse der Schule gründlich kennt und in mögliehster Kürze und Einfachheit eine Uebersicht über die Pflanzengeographie zu geben bestrebt: ist. Die Pflanzenwelt Deutschlands zu Grunde legend, schildert Verfasser den verändernden Einfluss der Cultur auf dieselbe und erläutert dann an einheimischen Pflanzen die allgemeinen Verhältnisse der Pfianzenverbreitung. In den folgenden 15 Kapiteln werden dann die wesentlichsten Charaktere der verschiedenen Pflanzen- reiche geschildert. Die letzten Kapitel sind allgemeineren Inhalts, indem zunächst die Verbreitung der wichtigsten Phanerogamenfamilien und dann die Pflanzen- formen und Pflanzenvereine besprochen werden. Ein besonderes Kapitel ist der Pflanzenwelt des Meeres gewidmet, wobei auch die Algen entsprechende Berück- sichtigung finden. Hieran reihen sich Betrachtungen über die Süsswassergewächse und Strandpflanzen mit besonderer Berücksichtigung der einheimischen Flora. Zur Erleichterung des Verständnisses pflanzengeographischer Fragen trägt das Kapitel über die Geschichte der Pflanzenwelt bei. Dann werden die Culturpflanzen und Unkräuter in ihrer ursprünglichen und heutigen Verbreitung kurz berührt, während das letzte Kapitel einen kurzen Hinweis auf einige Beziehungen zwischen der Verbreitung der Pflanzen und der der anderen Lebewesen gibt. Von den beiden beigefügten Karten stellt die eine die Vegetationsformationen nach Engler, 153 Drude u, A. dar, während, die andere die geographische Verbreitung der wich- tigsten Handelsgegenstände aus dem Pflanzenreich veranschaulicht. Diese kurze Inhaltsübersicht wird die Reichhaltigkeit des Buches zur Genüge darlegen, es werden nicht nur Lehrer und vorgeschrittene Schüler in demselben An- regung und Nutzen finden, sondern auch diejenigen Studirenden und Floristen, welchen eingehende Litteratur nicht zugänglich oder zu umfangreich ist, Das Buch würde vielleicht noch mehr seinem Zweck entsprechen und einen grösseren Kreis von Lesern finden, wenn der Verf. die mitteleuropäischen Verhältnisse, besonders die Pfanzen- geographie unseres engeren Vaterlandes ausführlicher behandelt hätte, für welche auch Floristen und Dilettanten, die sich nicht eingehend mit Pflanzenugeographie be- schäftigen wollen oder können, die nöthigen Vorkenntnisse und Interesse haben. Wenn Verf. etwas vielseitiger in der Auswahl der benützten Litteratur gewesen wäre, hätte dies dem Buche nur zum Vortheil gereicht. Auch eine naturgetreuere Ausführung der zum Theil recht gut gewählten Abbildungen wäre wünschenswerth gewesen. H.Ross. Die Gattung Cyclamen L. Eine systematische und biologische Mono- graphie von Dr. Friedr. Hildebrand, Professor zu Freiburg i. Br. Mit 6 lithogr. Tafeln. Jena. Verl. v. G. Fischer. 1898. Preis 8 Mk. Die Abhandlung zerfällt in einen speciellen Theil, welcher auf Grund der Untersuchung lebenden und todten Materiales die Diagnosen von 15 Cyclamen- arten gibt, und in einen allgemeinen, welcher die Resultate zusammenfasst und die Keimung, die Vegetationsweise der Knollen, Wurzeln und Laubsprosse, Be- stäubung, Fruchtbildung, sodann Variationen, Bastardirungen und teratologische Verhältnisse schildert, sowie einen Ueberblick über die geographische Verbreitung der einzelnen Arten gibt. Ist der erste Theil erwünscht, weil die Nomenklatur der in Gärten vielfach eultivirten Cyelamenarten häufig im Argen liegt, so bietet der zweite naturgemäss allgemeineres Interesse. Einiges sei daraus kurz ange- führt. Nach Entfernung des ersten Blattes des Keimlings von C. africanum beobachtete der Verfasser, dass „an irgend einer Stelle aus dem Rande des Stieles rechts und links zwei kleine nierenförmige Flügel auswuchsen, in Farbe und Structur ganz der sonstigen Blattspreite gleich“; bei C. persicum wurde ein Fall beobachtet „wo der Stiel des Blattes gerade an seinem Ende zwei kleine Blattspreiten nach Entfernung der ersten Spreite gebildet hatte, so dass es aus- sah, als ob ein Keimling mit zwei Cotyledonen vorläge“. Da dies die einzigen bisher bekannten Fälle der „Regeneration“ einer Blattspreite sind, so ist sehr zu bedauern, dass der Verfasser diese Vorgänge nicht näher untersucht und abge- bildet hat; es scheint, dass wie z. B. bei den Cotyledonen mancher Oenothereen auch bei denen von Cyclamen unterhalb der Spreite noch eine weiterer Ent- wiekelung fähige Zone sich findet, die aber unter normalen Verhältnissen nicht zur Thätigkeit kommt. Auch betreffs der Umkehrversuche mit den Knollen von €. neapolitanum und (. africanım wäre eine eingehendere Darstellung erwünscht gewesen; es zeigte sich, dass die Wurzelbildung durch die Lage der Knollen im Boden beeinflusst wird, aber welche Factoren dabei ausschlaggebend waren, ist nicht ersichtlich; es scheint, dass betreffs der Wurzelbildung diese Knollen nicht „polarisirt“ sind. Der Ort der Sprossbildung war in den Versuchen derselbe ge- blieben, was nicht wundernehmen kann, da der Vegetationspunkt nicht entfernt wurde. — Eingehend besprochen werden die Blüthen und die Bestäubungsverhält- nisse, von denen nur erwähnt sei, dass die Pollenübertragung in der ersten Zeit 154 der Blüthen durch Insekten erfolgt, wenn diese ausbleiben, kann Windbestäubung eintreten. Interessant ist die Samenverbreitung, Sie erfolgt hauptsächlich durch Ameisen, welche die Samen wegen ihres nahrhaften Inhaltes fortschleppen, an den verschiedensten Orten als Vorrath verbergen und dann oft vergessen, und zwar scheinen die Ameisen durch den Duft der reifen Cyelamensamen angelockt zu werden; man sieht sie schon an den reifen Kapseln auf der Lauer, bis das Aufspringen erfolgt, worauf sie dann sogleich die Samen wegschleppen. Man findet desshalb in den Gewächshäusern, wo Cyelamen cultivirt wird, Sämlinge an verschiedenen Orten. PBastardirung tritt nur schwierig ein, Betreffs der Variationserscheinungen zeigte sich, dass dieselben bei einigen Arten sehr stark, bei andern gar nicht hervortreten und namentlich, dass sie hauptsächlich an den- jenigen Theilen der Pflanze sich zeigen, welche, wie die Blätter, den äusseren Einflüssen längere Zeit ausgesetzt sind. In Knollen und Wurzeln treten sie kaum auf. Indem Referent betreffs der teratologischen Erscheinungen und der geogra- phischen Verbreitung auf das Original verweist, möchte er nur den Wunsch aus- sprechen, dass ähnliche Gesammtmonographieen, welche auf das Leben der Pflanzenformen basirt sind wie die verdienstlich vorliegende, noch mehr zu Stande kommen möchten. K. Goebel. Eingegangene Litteratur. Andersson Gunnar, Die Geschichte der Vegetation Schwedens, kurz dargestellt. Mit 2 Tafeln und 13 Figuren im Text. Leipzig, Verlag von Wilh. Engel- mann. 1898, Baumann, Die Moore und die Moorcultur in Bayern. 6. Fortsetzung. 8.-A. aus Forstlich-naturw. Zeitschr. Behrens Dr. W., Untersuchungen über den Wurzelschimmel der Reben. S.-A. aus Centralblatt für Bacteriologie ete. 1897, Nr. 21 u. 22, — — Die Reinhefe in der Weinbereitung. Ibid. Nr. 23 u. 24. — — Aufbau und Wachsthum des Rebenstockes. 8.-A. aus Nr. 49, 50 u. 51 des „Weinbau und Weinhandel“, 1897. — — Ueber Erziehung und Düngung des Hopfens. $.-A, aus d. Zeitschr, f. d. ges. 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Untersuchungen über das Zuckerrohr. Mit 1 Taf. S.-A. aus Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XXXI Heft 3. Wettstein R. v., Grundzüge der geographisch - morphologischen Methode der Pfianzensystematik. Mit 7 lithogr, Karten und 4 Abb. im Text. Jena, Verl. v. Gust. Fischer. Preis 4 Mk. Wiesner J., Ueber die Ruheperiode und über einige Keimungsbedingunge Samen von Viscum album, 8.-A. aus Ber. d. Deutschen bot. Ges. n der 1897. Bd. XV Heft 10. Wille Dr. N., Beiträge zur physiologischen Anatomie der Laminariaceen. Mit1 Tafel. Christiania 1897. Tafel V. Flora 1898. 85. Ba. 15. 14. ss a 36 42, we en E35 33 ei 32. - ” # Ar S 7 n$ * a nm S m > J Ar nn, FR ; j & > ® h £ h # Jin B.Ixysueneriä 35 Bapınıar N. G. Elwert'sche Verlagsbuchhandlung in Marburg i. H, Als Sonderabdruck aus der Flora erschien: Julius Sachs von K. Goebel. gr. 8. 32 8. Mit Bildnis. Mk. —.80 —— Physiologische Notizen, Julius Sachs. Als Sonderdruck aus der Flora 1892—1896 herausgegeben von K. Goebel. Mit Bild von Julius Sachs. gr. 8. 187 8. Mk. 4.50. Pilanzenbiologische Schilderungen von Dr. K. Goebel. eo I. Theil. e Mit 98 Holzschnitten und Tafel I—-IX. Lex. 8°. IV und 239 S. Mk. 14.— e II. Theil. 1. Lieferung. e Mit 57 Holzschnitten und Tafel X—XXV. Lex. 8% IV und 1608. Mk. 12.— o II. Theil. 2. Lieferung. e Mit 64 Textfiguren und Tafel XXVI—-XXXI. Lex. 8% 226 8. Mk. 12.— Gustav Fischer, Verlag in Jena. Soeben erschien: Büsgen, Dr. M., Prof. an der Grossherzoglich Sächsischen Forstlehranstalt in Eisenach, Bau und Leben unserer Waldbäume. Mit 100 Abbildungen. Preis: 6 Mark. Christ, Dr. H., Basel, Die Farnkräuter der Erde. Beschreibende Darstellung der Geschlechter und wichtigsten Arten der Farnpflanzen, mit besonderer Berücksichtigung der exotischen. Mit 291 Abbildungen. Preis: 12 Mark. Goebel, Dr. K., Professor an der Universität München, Organographie der Pflanzen, insbesondere der Arehegoniaten und Samenpflanzen. Erster Teil: Allgemeine Organographie. Mit 130 Abbildungen. Preis: 6 Mark. Hildebrand, Dr. Friedrich, Professor der Botanik an der Universität zu Freiburg i. B., Die Gattung Cyclamen L., eine systematische und biologische Monographie. Mit 6 lith. Tafeln. Preis: 8 Mark. Wettstein, Dr. R. v,, Professor an der deutschen Universität in Prag, Grundzüge der geographisch-morphologischen Richtung der Pfianzensystematik. Mit 7 lith. Karten und 4 Abb. im Text Preis: 4 Mark. N. G. Eliwert'sche Verlagsbuchhandlung, Marburg i. H. In unserem Verlage erschien: Die Transpiration der Pflanzen und ihre Abhängigkeit von äusseren Bedingungen. Von Oscar Eberdt. Mit 2 lithographischen Tafeln und 2 Holzschnitten. gr. 8. V1, 978. Mk. 4.— Druck von Val. Hofling, München, Kapellenstr. 3. | ALLGEMEINE BOTANISC FLORA E ZEITUNG. FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. I 8. BAND. — JAHRGANG 1898. HERAUSGEBER: Dr. K, GOEBEL + Professor der Botanik in München, Heft III mit 10 Tafeln und 15 Textfiguren. Erschienen am 9. August 1898. Inhalt. Z. KAMERLING, Der Bewegungsmechanismus der Lebermooselateren , . Seite 137—169 ERNST KÜSTER, Zur Analogie und Biologie der adriatischen Codiaceen . „ 170-188 N. ZINGER, Beiträge zur Kenntniss der weiblichen Blüthen und Inflorescenzen bei Cannabineen . . „189-253 ADOLF OSTERWALDER, Beiträge 2 zur Embryologie von Aconitum Napellus L. „254-292 P. MITROPHANOW, Beobachtungen über die Diatomeen . . n 293—314 LITTERATUR: Lehrbuch der Botanik von Prof. Dr. Ed. Strasburger, Prof. Dr. Fr. Noll, Prof, Dr. Heinr. Schenk, Prof. Dr. A. J. W. Schimper. — Mykologische Untersuchungen aus den Tropen von Dr. Carl Holter- mann, — Handbuch der Blüthenbiologie von Dr. Paul Knuth . . B n 315320 EINGEGANGENE LITTERATUR . . . . nn 320324 MARBURG. N. 6. ELWERT’SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG. 1898. Der Unterzeichnete wird von September 1898 bis April 1899 von München abwesend sein und bittet deshalb für die Flora‘ bestimmte Manuskripte und Mittheilungen während dieser Zeit an Herrn Dr. K. .Giesenhagen, München, Karlstrasse 29, zu senden. K. Goebel. Bemerkung. Das Honorar beträgt 20 Mk. pro Druckbogen, für die Litteraturbesprechungen 30 Mk. Die Mitarbeiter erhalten 30 Sonderabdrücke kostenfrei. Wird eine grössere Anzahl gewünscht, so werden für Druck und Papier berechnet: Für 10 Examplare pro Druckbogen Mk. 1,20; pro einfarb. einfache Tafel Mk. —.30 ” 20 ” ” ” ” 250 „ ” „ ” ” —.60 ” 30 E) » ” ” 3.80 „ » ” » ” #0 n 40 » ” ” ” 5.— » ” on n ” 1.20 ED) 50 ” n » ” 6.50 „ ” » ” n 1.50 „60 ” » „ „ 8 , » n nn 2 „ 0 n ” » „920 „ „ „ nn. 250 » 80 ” » ” »„ 1050 „ ”\ n ” „37 ” ” » ” ” „» 12— ,„ ” ” n „4 E] 100 » ” ” ” 15.— ” n n ” ” 3.— / Dissertationen, Abhandlungen systematischen Inhalts, sowie solche, von welchen über 100 Sonderabdrücke hergestellt werden, werden nicht honorirt; für solche, die umfangreicher als 4 Bogen sind, werden nur 4 Bogen honorirt; die Kosten für Abbildungen hat bei Dissertationen der Verfasser zu tragen; ebenso bei fremdsprachigen Manuskripten die Kosten der Vebersetzung. Die Zahlung der ‚Honorare erfolgt nach Abschluss eines Bandes. Der Bezugspreis eines Bandes beträgt 20 Mark. Jedes Jahr erscheint ein Band im Umfang von mindestens 30 Druckbogen; nach Bedürfniss schliessen sich an die Jahrgänge Ergänzungs- bände an, welche besonders berechnet werden. Manuskripte und .Litteratur für die „Flora® sind an den Herausgeber Herrn Prof. Dr. Goebel in München, Nymphenburgerstr. 50/1 zu senden, Korrekturen an die Druckerei von Valentin Höfling, München, Kapellenstrasse 3. Alle geschäftlichen Anfragen ete, sind zu richten an die unterzeichnete Verlags- handlung. N. G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung Marburg (Hessen-Nassau). Der Bewegungsmechanismus der Lebermooselateren. Von Z. Kamerling. Hierzu 7 Textabbildungen. Meine in ihrer ursprünglichen Form einigermaassen hypothetische Erklärung einiger Bewegungsmechanismen ist durch eine soeben er- schienene Abhandlung von Steinbrinck!) in den Hauptsachen voll- kommen bestätigt und wesentlich erhärtet worden. Wir wollen jetzt, an die früheren theoretischen Betrachtungen anschliessend, einen Specialfall etwas genauer betrachten, und zugleich im Allgemeinen die Theorie der Bewegungsmechanismen etwas fester zu begründen suchen. Unter dem Ausdruck Bewegungsmechanismen fassen wir eine grosse Gruppe von Erscheinungen zusammen, welchen dieses gemein- sam ist, dass: 1. die Bewegung nicht auf Lebenserscheinungen zurückzuführen ist, 2. die Bewegung im Leben der Pflanze eine gewisse Rolle spielt. Es sind Apparate, welche von der Pflanze während ihres Lebens ausgebildet werden, welche als solche aber erst functioniren, wenn die Zellen, woraus sie sich aufbauen, abgestorben sind. Solche Apparate spielen bekanntlich in der mannigfaltigsten Weise eine Rolle bei der Verbreitung von Schliessfrüchten oder Samen, Sporen, Pollen- körnern u. s. w. Das Zustandekommen der Bewegung ist immer ein einfacher, mechanisch genau zu zerlegender Vorgang und kann in weitaus den meisten Fällen — eine Ausnahme bilden nur diejenigen Mechanismen, welche beim erstmaligen Functioniren zerstört werden — sich öfters wiederholen. Die Bewegung kommt direct zu Stande durch Wechsel im Wassergehalt. Es ist a priori zu erwarten, dass der Organismus in verschiedenen Fällen verschiedene Mittel benutzt hat, um denselben Zweck zu er- reichen, und so sehen wir denn auch das Zustandekommen der Be- wegung in den verschiedenen Fällen auf grundverschiedenen Prineipien 1) €. Steinbrinek, Ist die Cohäsion des schwindenden Füllwassers der dynamischen Zellen die Ursache der Schrumpfungsbewegungen von Antherenklappen und Sporangien? (Vorl. Mitthlg.) B. D. B. G. 1898. IV. Flora 1898. 11 158 beruhen, und zwar können wir bei den Elateren der Lebermoose vier verschiedene Typen von Bewegungsmechanismen unterscheiden, welche wir hier zuerst im Kurzen charakterisiren wollen. I. Der Bewegungsmechanismus beruht auf den inneren Bau- verhältnissen der Zellmembran. Die Bewegung kommt entweder da- durch zu Stande, dass die Membran in einer Richtung stärker schrumpft, als in den anderen, oder dadurch, dass verschiedene Schichten ver- schieden stark schrumpfen, oder durch eine Combination von beiden Möglichkeiten. Das beste Beispiel für diese Schrumpfungs- mechanismen liefert uns das Laubmooskapselperistom.!) Das Ver- halten gegenüber dem polarisirten Licht liefert uns bei diesen Mecha- nismen oft wichtige Fingerzeige für die genauere Zerlegung des Vorgangs. II. Der Mechanismus beruht darauf, dass bei Wasserverlust ein- zelne dünnere Membranpartien nach innen gesaugt und dadurch dickere einander genähert werden. In diesem Falle ist die Cohäsion des schwindenden Füllwassers von hervorragender Bedeutung und können wir also diese Gruppe von Mechanismen als Cohäsionsmecha- nismen zusammenfassen. Wenn schliesslich die Cohäsion des Füll- wassers unterbrochen wird, nimmt entweder der Apparat infolge der Elastieität der verdiekten Membrantheile seine ursprüngliche Gestalt wieder an, oder er verharrt in dem maximalen Schrumpfungszustand. Die Annuli der Farnsporangien sind ein Beispiel für die erste, die Antherenklappen für die zweite Möglichkeit. II. Der Mechanismus beruht darauf, dass beim Eintrocknen ein- zelne dünnere Theile der Zellwand in tangentialer Richtung stärker schrumpfen als andere, verdiekte, wodurch diese zusammengezogen werden. Auch hier ist der Bau der Zelle, die Anordnung der Ver- dickungsleisten für das Zustandekommen der Bewegung von wesent- licher Bedeutung, die Cohäsion spielt hierbei aber keine Rolle. IV. Das Zustandekommen der Bewegung beruht nicht direct auf den Bauverhältnissen der bewegenden Theile selbst, sondern wird durch eine äussere Ursache, durch vorher zu Stande kommende Be- wegungen in anderen Theilen veranlasst. Wenn man die drei anderen Typen als active zusammenfasst, kann man die Vertreter dieses Typus passive nennen. 1) C. Steinbrinck, Der hygroskopische Mechanismus des Liaubmoosperi- stoms. Flora, Erg.-Bd. 1897. 159 Ueber die Function der Lebermooselateren bei der Sporenver- breitung ist vor drei Jahren eine ausführliche Arbeit von Goebel erschienen, zu welcher nichts Neues mehr zuzusetzen ist. Wir wollen hier nur die Mechanik der Bewegung näher ins Auge fassen und betrachten zuerst den gewöhnlichen Typus, wie wir ihn bei den meisten Junger- manniaceen und Marchantiaceen finden. Diese gehören zu den Cohäsionsmechanismen. Zur Untersuchung lag frisches, selbst gesammeltes Material von Plagiochila asplenoides vor. Die Elateren zeigen hier den bekannten Bau, einen Schlauch, worin wir zwei parallel verlaufende Spiralfasern wahrnehmen. Bei genauerer Untersuchung der Enden zeigt sich, dass beide Spiralbänder hier zu- sammenhängen. Das Oeffnen der Kapsel und das sehr energische Wegschleudern der Sporen findet in der bekannten, von Goebel für Chiloscyphus polyanthus beschriebenen Weise statt. Wenn man, nach- dem die Elateren und Sporen aus der Kapsel herausgeschleudert sind und auf dem ÖObjectträger liegen, diese wieder befeuchtet (dies ge- schieht am bequemsten durch Hauchen auf den Objectträger), nimmt man kaum eine Bewegung wahr. Wenn man jetzt diese befeuchteten Elateren wieder eintrocknen lässt und ohne Deckglas mit stärkerer Vergrösserung (ich benutzte D. 4. Zeiss) beobachtet, sieht man, wie die feuchte Stelle um jede einzelne Elatere herum kleiner wird und zuletzt verschwindet. Hierauf sieht man, wie die dünne Membran zwischen den Spiralbändern sich nach innen zu einzustülpen anfängt und die Rlatere beginnt sich zu drehen, wobei die Anzahl der Win- dungen der Spiralen grösser wird; die Spiralen wickeln sich also auf. Durchschnittlich beschreibt die eine Spitze der Elatere ungefähr zwei Windungen gegenüber der anderen. Dann verschwindet, vielleicht 5—10 Secunden nachdem die Bewegung anfıng, das beobachtete Object aus dem Gesichtskreis, es ist offenbar weggesprungen. Sucht man jetzt diese fortgesprungene Elatere wieder auf, so findet man sie unbeweglich und nahezu in der ursprünglichen Gestalt, die Membran nieht oder nur spurweise eingestülpt und die Spiralbänder auch wieder in der Stellung, welche diese in angefeuchtetem Zustande einnehmen. Während das optische Verhalten unmittelbar ehe die Elatere fort- sprang, darauf hindeutete, dass sich noch Wasser im Innern vorfand, findet sich jetzt offenbar kein solches mehr. Befeuchtet man die aus- getrockneten Elateren wieder mit Wasser, so sind diese unmittelbar ganz damit gefüllt; von eventuellen Luftblasen ist keine Spur zu be- merken. Die Länge der Elateren ändert sich während des ganzen Vorganges nur in unbedeutender Weise. Wir haben hier offenbar 11* 160 eine 'vollkommene Analogie mit den bekannten Erscheinungen am Farnsporangium und müssen uns den stattfindenden Vorgang wie folgt vorstellen: In dem Augenblick, in dem das letzte Wasser in der Umgebung der Elatere verdunstet, ist diese selbst noch mit Wasser gefüllt. Die Membran, welche durch Verdunstung Wasser nach aussen verliert, zieht aus dem Innern Wasser nach. Dieses Wasser im Innern aber adhärirt allseitig an der Membran und weist, wie aus den Versuchen von Askenasy und aus theoretischen Betrachtungen !) hervorgeht, eine hohe Cohäsion auf. Eine Blase kann also nicht auftreten, hierzu wäre eine Unter- brechung entweder der Adhäsion oder der Cohäsion notwendig. Wenn aber trotzdem fortwährend dem Inhalt durch die nach aussen ver- dunstende Membran Wasser entzogen wird, so muss das Volum des im Innern enthaltenen Wassers kleiner werden, die dünneren Stellen der Membran werden nach Innen gesaugt. Eine unmittelbare Folge hiervon ist, wie man sich an einem Modell?) leicht klar macht, dass die Spirale sich aufwickelt und die Windungen enger werden. Die dünne Membran muss sich hierbei in Falten legen. In Figur I und 2 ist schematisch dieser Vorgang widergegeben. Figur 1 stellt ein Mittelstück einer zweispirigen Elatere dar in der ursprünglichen be- feuchteten Stellung, in Figur 2 ist dasselbe Stück gezeichnet in einer Stellung, worin durch Einstülpung der dünnen Membranpartien und Aufwickelung der Spiralen das Volum des Inhaltes stark verringert ist. Die Spiralen werden bei diesem Vorgang aber gespannt wie eine Uhrfeder, welche man aufwickelt. Wenn jetzt die sich fortwährend steigernde Spannung der Spirale ein Maximum erreicht hat, wird im Innern entweder die Adhäsion des Wassers an der Wand oder die 1) Kamerling, Oberflächenspannung und Cohäsion, — Ich möchte an dieser Stelle einen Fehler, welcher in diese Arbeit eingeschlichen ist, berichtigen. Prof. Beyerinck hatte die Freundlichkeit, mich darauf aufmerksam zu machen, dass eine Kugel nicht mit 15 (Seite 5 des 8.-A.) anderen gleich grossen in Be- rührung sein kann, „Im Kugelhaufen ist jede Kugel umgeben von 12 Kugeln. Nehmen wir anstatt der Kugel Seifenblasen und bestimmt also die Oberflächen- spannung, die Lage der Centra, so ist jede Blase umgeben von 14 14seitigen Körpern (Octaeder und Hexseder im Gleichgewicht). Der Nachweis hiefür wurde von Thompson geliefert.“ An Stelle der Zahl 15 wird man also 14 zu lesen haben. Die Analogie mit dem Kugelhaufen ist in unserem Falle nicht anwendbar, weil im Kugelhaufen nicht die gegenseitige Anziehung, sondern Schwerkraft und Reibung die Lage der Centra bestimmen, 2) Aus einem gewöhnlichen Öasschlauch und einem Handtuch kann man sich mit relativ wenig Mühe ein Modell zusammenstellen, 161 Cohäsion im Innern des Wassers selbst unterbrochen. Die aufge- wickelten Spiralbänder springen jetzt momentan in ihre Gleichgewichts- lage zurück. Die Elatere, welche als Ganzes betrachtet während des Wasserverlustes tordirt worden war, nimmt plötzlich ihre frühere Gestalt wieder an und hierbei schlägt wohl eines der beiden Enden mit verhältnissmässig sehr grosser Kraft auf die Unterlage und ver- ursacht so das Fortspringen. Im ausgetrockneten Zustande ist die Membran der Elatere aller Wahrscheinlichkeit nach für Gase absolut Fig. 1. undurchlässig, es dringt also keine Luft ein und im Innern erhält sich ein nahezu luftleerer Raum. Wäre dies nicht der Fall, so würde man sich nicht erklären können, wie dieser Hohlraum sich bei Be- netzung so schnell wieder mit Wasser füllt.!) 1) Den überzeugenden Nachweis, dass die Zellmembran der Cohäsionsmecha- nismen in trockenem Zustand für Luft undurchlässig ist, zu liefern gelang mir nicht. Doch kann, wenn man das schnelle Verschwinden der Blasenräume nicht als überzeugend betrachtet, ein Versuch, den ich schon Sommer 1897 in Jena vornafm, diese Schlussfolgerung einigermaassen erhärten. Ferrosulfat gibt be- kanntlich mit Ferrocyancalium einen weissen Niederschlag, welcher an der Luft bald zu Berlinerblau oxydirt wird. Wenn man YFarnsporangien trocken in eine Ferrocyancaliumlösung bringt und sich hiermit vollsaugen lässt, und man bringt diese nachher in eine Ferrosulfatlösung, 8o sieht man zuerst, sowohl innen wie aussen, den weissen Niederschlag. Bei langsamem Eintrocknen an der Luft ver- fürbt sich die aussen anhaftende, nicht aber die im Innern enthaltene Masse, Man kann die so präparirten Sporangien lange Zeit aufheben, ohne dass im Innern Verfärbung auftritt. Dass sich hier thatsächlich im Innern derselbe Niederschlag 162 Die hier gegebene Erklärung lässt sich sehr leicht prüfen an dem Verhalten von zerschnittenen Elateren. Hier kann von der Schnitt- fläche aus Luft eindringen, und wenn also das Wasser aus dem Innern verdunstet, ist kein Grund vorhanden, warum die dünnere Membran nach innen gesaugt und die Spiralen aufgewickelt werden sollten. Der Versuch zeigt in vollkommener Uebereinstimmung mit der Theorie, dass durchgeschnittene Elateren absolut keine Bewegungs- erscheinungen zeigen, sondern wir sehen hier im Augenblicke, wo das Wasser von der Oberfläche des Objectträgers verdunstet ist, von der Schnittfläche aus die Luft im Innern vordringen. Wir sahen also wie in dem vorliegenden Falle die Wasser- menge im Innern der austrocknenden Elatere sich verringert, bis die Spannung der sich aufwickelnden Spiralbänder gross genug geworden ist, um eine Unterbrechung der Cohäsion zu veranlassen. Sind die Spiralen sehr stark, so wird schon bei einer kleinen Verringerung des Volums, wobei also die Spiralbänder sich nur sehr wenig aufgewickelt haben, der Zug, welcher von den sich zu eni- spannen strebenden Spiralen auf dem Wasser ausgeübt wird, gross genug sein, um eine Unterbrechung der Cohäsion, ein Losspringen zu verursachen. Sind die Spiralen dagegen verhältnissmässig schwach ausgebildet, so werden sie sich in viel stärkerem Maasse aufwickeln und even- tuell wird gar kein Losspringen stattfinden. Wenn nämlich das Wasser aus den Rlateren bis auf ganz geringe Spuren verdunstet ist, ohne dass ein Losspringen stattfand, so kommen im Innern (wie man sich wieder leicht am Modell klar machen kann) die eingestülpten dünnen Wandpartien mit einander in Berührung und kann die Adhäsion der fest zusammengesaugten und geknitterten dünnen Membrantheile ein Losspringen verhindern. ') Es ist nämlich eine Thatsache, dass wir in vielen Fällen bei ungefähr gleich gebauten Elateren wie bei Chiloscyphus und Plagio- des Ferrosalzes der Ferrocyanwasserstoffsäure als solches erhält, welche bei Zutritt von Sauerstoff zu Berlinerblau oxydirt wird, zeigt sich sofort, wenn wir die 80 präparirten Sporangien in verdünnte Salpetersäure bringen. Man sieht dann, wie auch im Innern die weisse Masse blau wird, 1) Natürlich wirkt auch der Luftdruck zusammenpressend auf die luftleeren eingetrockneten Elateren (wie ja auch beim Ring des Farnsporangiums die Trocken- stellung nicht genau der Gleichgewichtsstellung im feuchten Zustande gleich ist und wohl wesentlich von dem Luftdruck bedingt sein dürfte). Uebrigens spielt, meiner Ansicht nach, bei den hier in Betracht kommenden Dimensionen der Luft- druck nur eine untergeordnete Rolle im Vergleich zy den Molecularkräften, 163 chila kein Liosspringen beobachten können. So z.B. bei Radula com- planata, wovon ich frisches Material zu untersuchen die Gelegenheit hatte. Die Elateren winden sich hier stärker als bei Plagiochila, springen aber nicht los und verharren in ihrer maximalen Schrumpfungs- stellung. lier findet denn auch kein wirkliches Fortschnellen der Sporen statt, sondern nur ein Fortschleudern, weil bei den energischen Krümmungsbewegungen, welehe die einzelnen Rlateren im dichten Knäuel ausführen, oft eine Spitze, welche sich zu drehen bestrebt ist, von einer andern zurückgehalten wird und dann plötzlich losspringt. Hauptsächlich wirken die Elateren hier auflockernd. Uebrigens sind beide Fälle nicht scharf auseinander zu halten und fand ich sowohl unter den Elateren einer sich eben öffnenden Plagio- chilakapsel vereinzelte, welche nicht schnellten, sondern sich nur wanden, wie unter den Elateren einer sich gleichfalls gerade öffnenden Radulakapsel solche, welche deutlich schnellten. Da wo die Elateren infolge der schwächeren Entwickelung der Spiralbänder nicht oder nur ausnahmsweise losspringen und also die Windungen beim Austrocknen wesentlich sind, finden wir auch meistens längere Elateren, wie wohl ohne Weiteres einleuchtet. Bekanntlich zeigt getroceknetes Material die Bewegungserschei- nungen oft auch noch, nur findet man da gewöhnlich mehr oder weniger Exemplare, welche nicht mehr funetioniren. Bei genauerem Beobachten constatirt man, dass diese sich geradeso verhalten wie angeschnittene, d. h. dass beim Eintroeknen im Innern Luftblasen auftreten, ohne dass vorher die typische Einstülpung der dünnen Membrantheile und Spannung der Spiralen stattgefunden hätte. Wir haben hier offenbar verletzte Exemplare vor uns. !) 1) Es kommt mir aber wahrscheinlich vor, ohne dass ich für eine dieser Hypothesen zwingende Gründe beibringen könnte, dass Funetionsverlust noch in zwei anderen Fällen eintreten kann, wenn nämlich entweder die Elastieität der Spiralen geringer oder wenn das Innere lufthaltig wird. Beides kann man sich denken, wenn sich die Elateren längere Zeit in einer feuchten Atmosphäre befinden. Es verdunstet dann im Anfang noch etwas Wasser, wodurch die Spannung der Spirale einen gewissen Grad erreicht. Die Verdunstung ist aber nicht stark genug, um eine Unterbrechung der Cohäsion zu veranlassen, und so bleibt die Spirale längere Zeit in halbgespanntem Zustande. Die Membran, welche in trockenem Zustande undurchlässig ist für Luft, lässt diese in feuchtem Zustande hindurch- diffundiren. Entweier beide Ursachen zusammen oder eine der beiden bedingen wohl, dass die Klatere einer Kapsel, welche sich in ziemlich feuchter Atmosphäre (unter einer (lasglocke) öffnete und mehrere Tage in aufgespiungenem Zustande in dieser feuchten Atmosphäre verweilte, sehr schlecht functioniren. 164 Der Bewegungsmechanismus dürfte auch in den nicht untersuchten Fällen, wo die Elateren denselben Bau aufweisen, derselbe sein und auf der ungleichmässigen Verdiekung der Wand beruhen. Wir wollen uns jetzt einem anderen Typus zuwenden, und zwar demjenigen, welchen wir passiv nannten. Bei Frullania ist der Bewegungsmechanismus ein ganz anderer wie bei den meisten anderen Jungermanniaceen. Die Elateren zeigen hier bekanntlich nur ein Spiralband, welches an beiden Enden in einen Ring endet. Ursprünglich sind die Elateren mit beiden Enden an die Innen- seite der Kapselwand angeheftet. Wie Goebel schon betont, werden Fig. 3. beim Oeffnen der Kapsel die Elateren gespannt, ausgedehnt, reissen am anderen Ende ab und schleudern die Sporen fort. Der Sitz des Mechanismus ist hier also nicht die Elatere selbst, sondern die sich in- folge der Austrocknung zurückschlagende Kapselwand. Schematisch ist der Vorgang in Figur 3 dargestellt. Wenn die Kapsel aufspringt und die Klappe also aus der Stellung AC in die Stellung ACı über- geht, kommen die Elateren, welche in der ungeöffneten Kapsel die Lage af, bg, ch, di einnahmen, in die Lage afı, bgı, chı und da. Man sieht auf den ersten Blick, wie sie dabei ausgedehnt und ver- bogen werden. Wenn diese jetzt am unteren Ende abreissen, ziehen sie sich zusammen und strecken sich gerade, kommen dabei in die ne na 165 Lage fıa, gıbı, hıcı und üıdı. Die Sporen werden hierbei natürlich fortgeschleudert. Der Oeffnungsvorgang verläuft hier ungemein rasch und die typische Bewegung der Elateren tritt nur einmal auf, was offenbar einer genaueren Untersuchung grosse Schwierigkeiten bereitet. Bei der Ausdehnung wird die dünne Membran zwischen den ein- zelnen Windungen der Spirale über die Elastieitätsgrenze ausgedehnt, was man daran leicht erkennt, dass sie in den schon losgeschnellten Elateren nicht glatt ist, sondern meist etwas eingestülpt. Von dem Luftdruck rührt diese Einstülpung nicht her, denn erstens zeigt sich diese Erscheinung auch in wassergetränktem Zu- stande, zweitens sieht man beim Eintrocknen dieser angefeuchteten Elateren vom unteren Ende aus, wo beim Abreissen ein Loch ent- standen ist, Luft eindringen. Wenn man jetzt aber diese am unteren Ende abgerissenen Elateren von Frullania eintrocknen lässt, nimmt man eine ziemlich energische Drehung des freien Endes wahr, und zwar wickelt auch hier die Spirale sich auf. Von Zurückspringen ist aber keine Rede und die Bewegung fängt erst an, nachdem alles Wasser im Innern verschwunden und durch Luft ersetzt worden ist. Diese nachträglichen Bewegungen, welche für eine Verbreitung der Sporen allerdings keine Bedeutung haben und also eigentlich nicht unter den Begriff der Bewegungsmechanismen fallen, können hier nicht durch die infolge der Verdunstung auftretende Saugung verursacht werden, und so müssen wir hier die Ursache in den inneren Bau der Membran selbst verlegen. Es ist offenbar der innere Bau des Spiral- bandes, welcher diese Bewegungen verursacht, und zwar sind wahr- scheinlich die inneren Schichten dieses Bandes stärker quellbar und schrumpfen also auch bei Wasserverlust stärker wie die äusseren Schichten. Schon lange ist bekannt, dass die Farnsporangien in concentrirter Schwefelsäure ein ähnliches Losspringen zeigen wie beim Austrocknen, was offenbar darauf beruht, dass das Wasser leichter durch die Poren der Membran hindurch heraus, als die Schwefelsäure herein dringt. Dieses Losspringen in concentrirter Schwefelsäure oder concen- trirtem Glycerin zeigen die vorher besprochenen Elateren von Sca- pania ete. nieht, was man sich nicht anders deuten kann, als dass hier die Membran für diese stark wasseranziehenden Flüssigkeiten ziemlich leicht durchlässig ist. Man sieht, wenn man concentrirte Schwefelsäure unter das Deck- 166 glas saugt, worunter sich z. B. Elateren von Plagiochila befinden, wie diese ihre Form nur wenig ändern; die dünneren Membranpartien lösen sich, aber die resistenteren Spiralbänder behalten noch ungefähr ihre Form bei. Anders, wenn wir mit Frullania-Elateren denselben Versuch an- stellen. Bei Zusatz von eoncentrirter Schwefelsäure sehen wir hier das Spiralband sich entrollen, oft bis es beinahe abgewickelt ist. Es war auch von vornherein zu erwarten, dass da, wo die Bewegungs- erscheinungen bei Befeuchtung mit Wasser auf Quellung beruhen, bei stärkerer Quellung eine weitergehende Bewegung im selben Sinne stattfinden würde. Bei der Gattung Dendroceros, wovon mir allerdings nur getrock- netes Material zur Untersuchung vorlag, zeigen die Elateren einen Fig. 4. sehr eigenthümlichen Bau. Im ausgereiften Zustande bestehen sie aus einem einzigen, sehr langen Spiralbande. Von den verdickten Membranpartien sind in diesem Zustande nur noch vereinzelte Fetzen wahrzunehmen, Doch zeigen diese Spiral- bänder und Stücke derselben beim An- feuchten und Austrocknen ziemlich energische Bewegung. Man kann hier sehr deutlich eon- statiren, wie zuerst das ganze Spiral- band oberflächlich abtrocknet und erst nachher die Drehung anfängt, welche auch hier beim Austroeknen in einem Aufwickeln besteht. Figur 4 zeigt eine Elatere von Dendroceros erispatus Nees in befeuchtetem, Figur 5 dieselbe Rlatere in ausgetrocknetem Zustande. Beide Figuren wurden bei derselben Vergrösserung mit der Camera gezeichnet. Bei Anwendung von starken Quellungsmitteln nimmt man auch hier ein sehr weitgehendes Abwickeln der Spirale wahr, Fig. 5. 167 Wir dürfen also hier die Bewegungserscheinungen als von den inneren Bauverhältnissen des Spiralbandes bedingt betrachten und diesen Rlateren von Dendroceros einen Platz unter den Schrumpfungs- mechanismen anweisen, Bei der Gattung Anthoceros finden wir drei verschiedene Typen von Elateren vertreten. Bei einigen tropischen Arten (u.a. Anth. Vincentianus L. et L.) findet man genau denselben Typus!) wie bei Dendroceros. Beim zweiten Typus sind die Elateren mehrzellig und bestehen aus gleichmässig stark verdickten, meist sehr dunkel gefärbten, lang- gestreckten Zellen. Auch hier kann man wohl kaum bezweifeln, dass die ziemlich energischen, windenden Bewegungen, welche man an Ilerbarmaterial noch leicht nachweisen kann (Anth. carnoso-inflatus St, Anth. com- munis St., Anth. Dusii St., Anth. falsinervus Ldbg.), von Quellungs- erscheinungen der Membran bedingt sind und auch diese also zum Typus der Schrumpfungsmechanismen gehören. Den dritten Typus, welcher auch bei A. laevis L. und A. pune- tatus L. vorkommt, hatte ich in frischem Zustande an A. dichotomus Raddi und an Herbarmaterial von verschiedenen Arten zu unter- suchen die Gelegenheit. Die Elateren sind hier aus mehreren kurzen Zellen zusammengesetzt; diese Zel- len sind flachgedrückt und auf der schmalen Seite mit zwei in Längsrichtung ver- laufenden Verdickungsleisten versehen (Figur 6). Diese bandförmigen Elateren win- den sich beim Eintrocknen ziemlich energisch und tragen, wie Goebel betont, jedenfalls zur Sporenverbreitung bei. In ausgetrocknetem Zustande (Figur 7) sind die Verdickungsleisten meistens mehr oder Fig. 7. 1) Schiffner, Natürliche Pflanzenfamilien, zeichnet bei den Elateren von Anth. graeilis Rehdt. deutlich auch die unverdickten Membranpartien. Diese Art lag mir nicht zur Untersuchung vor. Bei Anth, Vincenfianus I. et IL. waren von den unverdickten Theilen der Zellwand ebenso wie bei Dendroceros - Arten nur noch vereinzelte Fetzen wahrzunehmen, Auch die Mechanik der Bewegung stimmte genau mit der der Dendioceros überein. 168 weniger wellig verbogen und die ganze Hlatere in unregelmässiger Weise gekrümmt. Man kann leicht beobachten, dass auch hier beim Austrocknen im Innern zuerst Blasenräume auftreten und erst nachher die Be- wegung anfängt. Ein Cohäsionsmechanismus liegt hier aber jedenfalls nicht vor; sehr wahrscheinlich werden wir uns die Erscheinung so zu deuten haben, dass die dünneren Membrantbeile stärker schrumpfen als die zwei ursprünglich parallelen Verdickungsleisten. Diese Annahme er- klärt ungezwungen die wellige Verbiegung dieser Leisten, wie eine solche in einem Band auftreten muss, wenn ein Längsstreifen in der Mitte sich stärker verkürzt als die Ränder. Wenn wir jetzt die Resultate dieser Untersuchung übersehen, so ist es sehr auffällig, dass wir hier eine so grosse Mannigfaltigkeit der mechanischen Principien, worauf die Bewegungserscheinungen beruhen, finden, Um so auffälliger wird dies, wenn wir die Elateren in dieser Hin- sicht mit anderen Bewegungsmechanismen vergleichen. So beruhen die Bewegungserscheinungen des Laubmoosperistoms immer auf demselben Prineip, es sind immer Schrumpfungsmechanismen, der Oeffnungsmechanismus des Farnsporangiums ist in allen Fällen, wie verschieden auch der Ring in den verschiedenen Familien ausgebildet sei, mechanisch genau derselbe, ein Cohäsionsmechanismus, und sogar das Losspringen, welches doch nur von der mehr oder weniger starken Ausbildung der elastischen, verdickten Membrantheile abhängt, findet sich bier immer, Auch der Oeffnungsmechanismus der Antheren scheint in den ver- schiedensten Fällen demselben mechanischen Typus anzugehören, ein Cohäsionsmechanismus, welcher in dem maximalen Schrumpfungszu- stand verharrt. Diese grosse Mannigfaltigkeit der Mechanik in unserem hier speziell untersuchten Falle dürfte auch eine Bestätigung sein für die von Goebel ausgesprochene Ansicht, dass die Funetion der Lebermooselateren bei der Sporenausstreuung erst eine secundäre Anpassung darstellt, und dass wir in der Mitwirkung bei der Stoffzufuhr zu den sporogenen Zellen die primäre Function zu sehen haben. Phylogenetisch haben dann in den verschiedenen Fällen auf sehr verschiedene Weise diese ursprünglich nur der Stoffzufuhr dienenden 169 Zellen sich einer zweiten Function angepasst und sind zu Elateren geworden. Dass wir specieli bei den Anthocerotaceen nur die zwei Typen finden, wobei die Mechanik auf Membranschrumpfung beruht, kann man sich biologisch vielleicht einigermassen deuten, wenn man be- denkt, dass bei der bekannten Oeffnungsweise der Kapsel die Ela- teren hier länger functionsfähig bleiben müssen. Die Cohäsionsmecha- nismen sind unzweifelhaft mechanisch leistungsfähiger; !) es tritt aber viel leichter infolge kleiner Verletzungen oder sehr oft wiederholte Benutzung Functionsverlust ein. Was die benutzte Litteratur betrifft, so sind die älteren Angaben von Schmidel, Mirbel, Hedwig, Nees v. Esenbeck, Jack, Lecelerc du Sablon etc. in der Arbeit von Goebel (Ueber Func- tion und Anlegung der Lebermooselateren. Flora 1895) ausführlich be- sprochen worden. Was die Litteratur über Bewegungsmechanismen betrifft, so kann ich hinweisen auf die Arbeiten von Askenasy, Prantl, Leelere du Sablon, Schinz, Schrodt, Steinbrincek ete., wovon die meisten in der Litteraturübersicht zu meiner Abhandlung „Oberflächen- spannung und Cohäsion“* (Bot. Centrbl. LXXIIL 1898) erwähnt wurden. Einige ziemlich fantastische Zeichnungen von aufspringenden Farnsporangien findet man auch in Atkinson, The Biology of Ferns by the Collodion Method. (New-York 1894). Mit Ausnahme einiger vorläufigen Versuche, welche ich schon im vorigen Sommer in Jena vornahm, wurde die Arbeit im hiesigen pfl.-physiol. Institut vollendet. Für freundliche Ueberlassung von Ma- terial bin ich Herrn Prof. Goebel zu grossen Dank verpflichtet. München, 1. Juni 1898. 1) Diese stellen auch den am weitesten verbreiteten Typus dar; vom Laub- mooskapselperistom gilt das von den Anthocerotaceenelateren Gesagte. Zur Anatomie und Biologie der adriatischen Codiaceen. Von Ernst Küster. Hierzu 5 Abbildungen im Text. Im Sommer des vergangenen Jahres, sowie im letzten Frühjahr, bot mir ein zweimaliger Aufenthalt in der „Zoologischen Station des Berliner Aquariums® zu Rovigno Gelegenheit, mich mit der Anatomie verschiedener mariner Algengruppen näher bekannt zu machen. Es sei mir gestattet, in Folgendem einige Beobachtungen zu veröffent- lichen, die, wie ich hoffe, unsere Kenntnis der Codiaceen in einigen Punkten zu klären und zu vervollständigen geeignet sind. Dem preussischen Cultusministerium, das mir den nöthigen Arbeits- platz zur Verfügung stellte, sowie der Direction des Berliner Aqua- riums spreche ich für das bewiesene Wohlwollen hierdurch meinen ergebensten Dank aus, Auch dem unermüdlichen Custos der Station, Herrn Giovanni Kossel, für seine liebenswürdige Unterstützung zu danken, ist mir eine angenehme und willkommene Pflicht. i. Codium. Zum Studium der genannten Gattung bietet die istrische Küste bei Rovigno gute Gelegenheit. Im „Val di Bora“ vor der Stadt sind schon in unmittelbarster Nähe des Hafenufers Codium Bursa, C. to- mentosum und C. adhaerens ausserordentlich häufig und leicht er- reichbar. Ueber den anatomischen Aufbau des Codiumthallus ist schon wiederholt geschrieben worden. Auf die verschiedenen Schilderungen, die wir bei Derb&s und Solier, Thuret, Falkenberg, Ber- thold, Agardh, Ardissone und Wille finden, werden wir weiter unten zurückzukommen noch hinreichend Gelegenheit haben. Bei den wiederholten Untersuchungen, die den Codiaceen zu Theil geworden sind, hat es an ungenauen Beobachtungen und falschen Deutungen des Beobachteten nicht gefehlt. Vielleicht gelingt es uns, im Laufe unserer Darstellung die Irrthümer früherer Beobachter zu corrigiren. Was die äussere Gestaltung des Codiumthallus anlangt, so ver- weise ich auf die Beschreibungen der genannten Autoren. Hinsichtlich der anatomischen Verhältnisse sei daran erinnert, dass in dem dichten Fadengewirr eines Codium vor allem sich zwei Arten von Fäden 1 unterscheiden lassen: die englumigen, in tangentialer bezw. longitu- dinaler Richtung verlaufenden und die weitiumigen peripherischen Fäden, die von den ersteren ausgehen und auf ihnen senkrecht stehen. Während die englumigen inneren Fäden regellos durcheinander ge- flochten sind, stehen die peripherischen parallel neben einander und senkrecht zur Oberfläche. Wir wollen in den folgenden Ausführungen der Kürze wegen die äusseren Fäden als „Palissadenschläuche“, die inneren als „Achsenschläuche“ bezeichnen. Mit diesen recapitulirenden Angaben dürfen wir uns vorläufig begnügen, und wir wenden uns zunächst der Frage nach dem Wachs-. thum eines Codiumthallus zu. Gutes Material für unsere Zwecke liefert besonders C, to- mentosum. Isolirt man un- ter dem Mikroskop einige Palissadenschläuche, die ‘der Spitze eines wachsen- den Thalluszweiges ent- nommen sind, so findet man unter zahlreichen, überaus weitlumigen Ex- emplaren auch schlankere Sprossenden mit meist ge- ringerem Chlorophylige- ‚m £ c halt, die wir als Jugend- formen der zukünftigen Palissadenschläuche zu be- trachten haben. Das reich Fig. 1. Entwieklungsstadien eines Palissaden- verzweigte Sprosssystem schlauches von Codium tomentosum. a und 5 An- der Achsenschläuche ent- fangsstadien, e der ausgewachsene, bereits durch zwei Querwandbildungen isolirte Palissaden- sendet seine wachsthurns- schlauch. 50mal vergrössert. fähigen Schlauchspitzen an die belichtete Oberfläche des Thallus, an der sich die letzteren als- dann zu den typischen, blasenartigen Palissadenschläuchen gestalten. Die jungen Schlauchenden drängen die bereits vorhandenen Palissaden- schläuche zur Seite und sistiren ihr Längenwachsthum, sobald sie die Oberfläche der Palissadenschicht erreicht haben. Unterhalb dieser Schicht, am Grunde des neu entstandenen Palissadenschlauches, bilden sich neue Seitenäste, die als Fortsetzung des Achsenschlauches in longitudinaler (©. tomentosum) bezw. tangentialer Richtung (C. Bursa und C. adhaerens) weiter wachsen und schliesslich ebenfalls wieder 172 zur Oberfläche streben, um ihrerseits die Palissadenschläuche zu ver- mehren. In Fig. 1a und 5 ist ein derartiges Fadenende, das sich zu einem Palissadenschlauch umzugestalten im Begriff ist, dargestellt. Unten ist bereits die Ausstülpung sichtbar, die zu einem neuen Achsen- schlauch auswachsen soll. — Wie aus dem Gesagten hervorgeht, sind also die Palissadenschläuche nicht als seitliche Zweige der Achsen- schläuche aufzufassen, wofür man sie schon wegen ihrer senkrechten Stellung auf letzteren zu halten sich versucht fühlen könnte; viel- mehr sind sie die umgewandelten Enden ursprünglicher Achsenschläuche, die — Kurztrieben vergleichbar — ihr Längenwachsthum schon früh und für immer abschliessen. Den Aufbau der Achsenschläuche selbst werden wir als sympodial zu bezeichnen haben, seine einzelnen Ab- schnitte, deren Grenzen die Insertionsstellen der Pallisadenschläuche sind, haben ungleichen morphologischen Werth, insofern als jeder als Nebenzweig des vorhergehenden zu gelten hat. Keinesfalls dürfen wir also Palissadenschläuche und Achsenschläuche für durchaus hete- rogene, durch verschiedene Entwicklung ausgezeichnete Gewebearten halten, wie es vielleicht ihre augenfälligen Formunterschiede vermuthen lassen. Der Anschaulichkeit und der Kürze halber wollen wir gleich- wohl die eingeführten Bezeichnungen beibehalten. Sobald ein Palissadenschlauch die Oberfläche des Thallus erreicht hat, hört sein Längenwachsthum auf zu Gunsten eines erheblichen Diekenwachsthums. Das Lumen der Zelle gewinnt seine charakte- ristische Weite und die Nachbarschläuche werden zu abermaligen Verschiebungen genöthigt. Für den Thallus als Ganzes resultirt aus den geschilderten Vorgängen bei C. tomentosum ein allmähliches Längenwachsthum der einzelnen Thallusäste; der kugelförmige, hohle Thallus von C©. Bursa vergrössert sich, indem er der centrifugalen Tendenz folgt, in die sich das tangentiale Wachsthum seiner Aussen- schichten naturgemäss umsetzen muss. Es ist leicht ersichtlich, dass die Achsenschläuche, welche die Palissadenschläuche mit einander verbinden, alsbald eine merkliche Dehnung erleiden müssen, wenn die Zahl der letzteren eine wieder- holte Vermehrung erfährt — vorausgesetzt, dass nicht das nachträg- liche Längenwachsthum der Achsenschläuche dem tangentialen Wachs- thum der Palissadenschicht entspricht. Letzteres ist nicht der Fall; vielmehr machen sich in der That zwischen den äusseren und inneren Schlauchschichten des Thallus erhebliche Spanuungsdifferenzen geltend, vor Allem bei C. Bursa. Der äussere Theil steht durch sein an- dauerndes tangentiales Wachsthum unter Druckspannung, der innere 10000 W0Re- nm nme rennen vn °7 mr rag, = em on EEE 173 Theil unter Zugspannung. Welche biologische Bedeutung diese Ver- hältnisse für die Codien haben, werden wir später zu untersuchen haben. Gleichzeitig mit dem Process der Palissadenbildung vollzieht sich ein anderer, der für die anatomische Gestaltung wie für die Biologie des Codium von grösster Wichtigkeit ist: der Process der Zellthei- lung. An jugendlichen Palissadenschläuchen, deren Spitze an der Thallusoberfläche angelangt ist, können wir die Anfangsstadien der entstehenden Querwand am besten beobachten. Unweit der Stelle, die sich später als Grenze zwischen dem englumigen Achsenschlauch und dem weitlumigen Palissadenschlauch markiren wird, beginnt die Membran eine breit angelegte, ringförmige Verdickung mit meist deutlicher Schiehtung anzusetzen (vergl. Fig. 2a). Wo reichliches a y; c \ Fig. 2. Querwandbildungen von Codium: a und 5 von den Palisadenschläuchen des C. tomentosum; c und d von den Schläuchen, die den hohlen Thallus von C. Bursa innen durchspannen. «a stellt das Anfangsstadium der gewöhnlichen Querwandbildung dar, 5b eine häufige Monstrosität, c und d Querwände mit ver- schieden geschichteten Theilen. Material zur Verfügung steht, lassen sich die Entwieklungsphasen des Verdiekungsringes leicht verfolgen. Die breite, ringförmige Leiste, die sich in das Zelllumen vorschiebt, wird immer dieker und schnürt den Protoplasten mehr und mehr zusammen, bis nur noch ein enger Canal übrig bleibt, der gerade einem Chlorophylikorn die Passage noch gestattet. Schliesslich wird auch dieser noch ausgefüllt und die Querwand ist fertig. Derselbe Vorgang wiederholt sich da, wo aus dem Grund des Pallisadenschlauches ein neuer Faden hervorsprosst. Oft sind Querwände schon angelegt, ehe der Palisadenschlauch seine endgültige Länge und Form gewonnen hat; nicht selten verspätet sich andererseits ihre Bildung beträchtlich. Das Resultat ist in allen Fällen früher oder später dasselbe: jeder Palissadenschlauch wird durch zwei Quermembranen von den angrenzen- den Theilen der Achsenschläuche isolirt (Fig. 1c). 12 Flora 1898. 174 Die Form der Quermembranen zeigt grosse Mannigfaltigkeit, — nicht selten auf Kosten der Symmetrie. Einige Formen sind in Fig. 2, b, e, d, abgebildet. Besonders beachtenswerth sind diejenigen, bei welchen die Lamellen zunächst in longitudinaler Richtung bis zur Bildung eines vollkommenen Verschlusses abgelagert sind, auf dem sich dann beiderseits noch weitere Verdiekungslamellen in transver- saler Richtung angelagert finden (e u. d). Charakteristisch ist es für die Querwände bei Codium, dass sie ausschliesslich aus Cellulosemasse bestehen, und dass nicht — wie etwa bei den zu Sporangien umgewandelten Fiedern und Fiederchen von Bryopsis!) — der endgültige Verschluss durch einen Plasma- pfropf hergestellt wird. Es ist daher nicht correct, wenn van Tieg- hem?) die „falschen“ Zellwände (fausses cloisons) von Bryopsis und Codium als gleichwerthig mit einander vergleicht. Der erste, der die Querwandbildungen von Codium beobachtete, war Thuret:?) „Ces petits filaments“ heisst es von den Fäden des Co- diumthallus, „presentent de distance en distance quelques diaphragmes, sortes d’engorgements irreguliers, bien differents d’ailleurs des cloisons etroites qui divisent si nettement le tube des Conferves artieulees“. Die Gesetzmässigkeit ihrer Anordnung ist auch späteren Beobachtern entgangen; nur bei J. &. Agardht) habe ich eine Angabe über den Zusammenhang zwischen Verzweigung der Fäden und Querwandbil- dung finden können: „In Codio certis locis — nimirum ubi fila quae- dam quae radicantia putavi a filis proprie axilibus aut a basi utri- eulorum descendunt — observare eredidi vacuolam quod dixerunt quasi gelatina (protoplasmate) cinctam tubum inter- num occludere.“ Dass Agardh die Wandverdickungen für Va- cuolen mit „gelatinöser Plasmahülle* hält, ist gewiss eine auffällige Deutung; nicht minder sind es die andern, wenn z. B. derselbe Autor in der Membran von C. mucronatum californicum „Vaeuolen“ ein- gelagert findet, wenn er die von den Palissadenschläuchen nach oben abzweigenden Fäden für primär, die nach unten verlaufenden für secundär und für „fila radicantia“ erklärt u. dgl. m. Uebrigens 1) Vergl. N. Pringsheim, Ges. Abhandl. Bd. I 8. 113: „Ueber die männ- lichen Pflanzen und die Schwärmsporen der Gattung Bryopsis.“ 2) Trait6 de Botanique Bd, II pag. 1221. 3) „Recherches sur les zoospores des algues“ Ann. des sc. nat. Serie III, T. XIV pag. 232. 4) „Till Algernas Systematik“ 5. Afd, in Acta Universitatis Lundensis. T. XXI (1886-1887) pag. 4 und Tab. I Fig. 2. 175 unterscheidet Agardh zwei Arten von Lumenverschlüssen; neben den soeben erwähnten beschreibt er noch weitere, die durch Ver- dickung der Wand und durch starke Einschnürung des Fadens zu stande kommen. Bei den von mir untersuchten adriatischen Arten treten nennenswerthe Einschnürungen niemals auf. Dass wir die in Rede stehenden Zellwandverdiekungen als echte Querwände bezeichnen dürfen, unterliegt meines Erachtens keinem Zweifel. Dass sie ohne Mitwirkung des Zellkerns entstehen, wie Berthold) hervorhebt, und dass ihre Lamellen in anderer Rich- tung verlaufen als die der gewöhnlichen Querwände, darf uns dabei nicht stören, Thatsache bleibt, dass durch sie das ursprüng- lich einheitliche Lumen eines Zellschlauches in zwei nicht miteinander communicierende Theile zerlegt wird. Andererseits wird uns bei ihrer Beurtheilung ihre eigenartige Bildungsweise gegenwärtig bleiben müssen. Phylogenetische Betrach- tungen, wie sie Berthold?) auf Grund einer Vergleichung der Querwände anderer Pflanzen mit denjenigen von Codium anstellt, werden eben durch die eigenartige Entstehungsart der besagten Membranen als unzulässig erwiesen. „Dass bei der Zelitheilung die neue Membransubstanz die Form einer dünnen JLamelle annimmt, muss auf besondere specielle Anpassung und auf die zu diesem Zwecke sich ausbildenden Symmetrieverhältnisse zurückgeführt werden. Vielfach finden wir ja, dass die trennende Schicht als ziemlich un- förmige, dicke Cellulosemasse auftritt, so bei Bryopsis®), Codium, in vielen Pollenmutterzellen. . . . Jene Fälle sind offenbar auf weniger zweckmässige Anpassung zurückzuführen. Ein Stoff- austausch durch die Trennungsstücke ist hier ohne Zweifel un- möglich. Es dürfte freilich diesen so wenig differeneierten Formen auch wenig darauf ankommen. . . . Sie sind unschädlich, konnten sich darum auf dem Wege der regressiven Me- tamorphose ungestört entwickeln.“ Derartige Schlüsse wür- den unseres Erachtens nur dann berechtigt sein, wenn die Querwände bei Codium als dünne Querlamellen, die den gewöhnlichen Zellwänden glichen, angelegt würden. Wie wir gesehen haben, ist das nicht der Fall. 1) „Zur Kenntniss der Siphoneen und Bangiaceen“ Mittheil. aus der zoolog. Station zu Neapel 2, Bd. 1. Heft pag. 77. 2) „Protoplasmamechanik“ pag. 209, 210, 211. 8) Dass Bryopsis sich wegen des den Verschluss besorgenden Plasma- pfropfens anders verhält ala Codium, haben wir oben schon betont. 12" 176 Oben wurde bereits dargelegt, dass die zu Palissadenschläuchen sich umbildenden Fadenenden ihr Längenwachsthum einstellen, sobald sie die Oberfläche des Thallus erreicht haben. Die nächste Verände- rung besteht darin, dass die Zelle durch starkes Diekenwachsthum die typische Form des Palissadenschlauchs annimmt. Gleichzeitig damit beginnt an dem breiten, flach gerundeten Ende des Schlauches die Membran sich erheblich zu verdicken, so dass der nach aussen liegende Theil der Zellwand die Form einer planconvexen und schliess- lich einer bieonvexen Linse annimmt und der gesammte Thallus mit derartigen verdickten Membranen nach aussen hin gepanzert erscheint. Die wichtigste Veränderung des Palissadenschlauchs beginnt mit seiner Verzweigung. Wie wir vor Allem aus den Abhandlungen von Derbös-Solier?’) und Thuret wissen, sind die Palissadenschläuche die Träger der Sporangien, sowie von triehomartigen Ausstül- pungen, mit welchen wir uns zunächst befassen wollen. Fig. 3. Spitze eines Palissadenschlauches von Codium tomentosum: «a ein junger Triehomschlauch, b die Stummel abgebrochener Trichomschläuche in Profilansicht, c dasselbe in Flächenansicht. Das beste Material für ihre Beobachtung liefert C. tomentosum ; seine Zweige sind im Frühjahr und Sommer über und über von den in Rede stehenden „Triehomschläuchen“ bekleidet, welchen die Species ihren Namen verdankt. Es sind englumige Ausstülpungen der Palis- sadenschläuche, die — gleich Adventivtrieben — an beliebigen Stellen unterhalb des verdickten Membrantheiles angelegt werden und oft eine Länge von !Jacm erreichen (vgl. Fig. 3a). Was an ihrem Aufbau 1) „Möm. sur quelques points de la physiol. des Algues.“ Suppl. aux Comptes Rend., Paris. 1856, pag. 43. nr 177 uns besonders interessirt, sind die Celluloseverschlüsse, die schon an jungen, kurzen Exemplaren sichtbar sind. Während bei den oben beschriebenen Querwandbildungen am Grunde des Palis- sadenschlauches eine ringförmige Zone der Zellmembran an der Bil- dung des Celluloseverschlusses in allen ihren Theilen gleichmässig sich betheiligte und damit ein mehr oder weniger regelmässiges, centripetales Wachsthum die zukünftige Querwand entstehen liess, geht die Verschlussbildung hier nur von einer kreisförmigen Flächen- zone aus, die am Grunde des Trichomseblauches stets auf der dem Thallus zugekehrten Seite liegt. Es entsteht eine halbkugelförmige Vorwölbung, die bis an die gegenüberliegende Wand des Trichom- schlauches reicht und nur eine enge Passage zwischen diesem und dem Palissadenschlauch übrig lässt. Am Ende der Vegetationsperiode bricht das „Haar“ oberhalb der Verdicekungsstelle ab und die enge Oeffnung an der Wunde schliesst sich. Im nächsten Jahr wiederholt sich derselbe Vorgang. An einer anderen Stelle, aber in derselben Höhe, bildet sich ein neuer Seitenast, der zum Trichomschlauch wird und das gleiche Schicksal erfährt wie der erste. An alten Palissaden- schläuchen sehen wir daher oft gegen 20 Insertionsstellen ehemaliger Trichomschläuche neben einander (vgl. Fig. 3). Die Möglichkeit, das Alter der betreffenden Zellen zu berechnen, wird freilich dadurch ge- nommen, dass oft mehrere Ausstülpungen sich gleichzeitig an dem- selben Palissadenschlauch entwickeln. — Bei Ü. tomentosum und C. adhaerens pflegen sie meist lang und deutlich entwickelt zu sein; bei ©. Bursa fand ich sie meist recht kurz und zuweilen gar nicht. Welche biologische Bedeutung haben diese Gebilde, welches sind ihre physiologischen Funetionen ? Ueber den biologischen Werth der Trichomschläuche für den Ge- sammtorganismus äussert sich Berthold }) wie folgt: „Die Haare werden nicht angelegt oder bleiben rudimentär an den versteckteren Theilen einer Pflanze oder an schwächer beleuchteten Exemplaren. Sie sind dagegen enorm entwickelt an den freien Spitzen, besonders im Spät- frühling und Sommer. ... .* Berthold sieht also in den „Haaren“ der Codien ebenso wie in denjenigen vieler Florideen und der meisten Melanophyceen eine Schutzvorrichtung gegen allzu intensive Beleuch- tung. Ich muss gestehen, dass diese Deutung mir wenig überzeugend erscheint, zumal ich nach meinen Erfahrungen am adriatischen Meer 1) „Vertheilung der Algen im Golf von Neapel.“ Mittheilung aus der zoolog. Station zu Neapel Bd. III, pag. 420. — Vgl. von dems. Autor: „Beitr. zur Morph. und Phys. der Meeresalgen.“ Pringsh. Jahrb. f. wiss. Bot. Bd, XXI, pag. 677. 178 die Schattenliebe der Codien nicht allzu hoch anschlagen möchte. Im Golf von Neapel bevorzugen sie nach Berthold!) „immer durch schwach getrübte Wasserschichten oder Felswände halb beschattete Standorte‘. Eine nie sich verleugnende Eigenthümlichkeit der Gattung scheint diese Vorliebe jedoch nicht zu sein. Was den morphologischen Werth der Triehomschläuche anbetrifft, so schliesse ich mich durchaus Falkenbergs?) Urtheil an, der in ihnen fehlgeschlagene Sporangien sieht, und ich glaube zu dieser Vermutbung noch einen Grund mehr zu haben als Falken- berg, der ausdrücklich sagt: „Diese Fäden pflegen auch eines Ab- schlusses gegen den übrigen Thallus zu entbehren, wie derselbe für die Sporangien aus Thurets Abbildungen (a. a. O. pl. XXIII) be- kannt ist*. Wie wir gesehen haben, existirt ein solcher Verschluss sehr wohl. Ob er in seiner Form denjenigen entspricht, die Thuret an den Sporangien entdeckte, kann ich leider nicht beurtheilen, da mir auffälliger Weise niemals echte Sporangien zu Gesicht gekommen sind. Die von Riocreux entworfene Tafel gibt hierüber keinen Aufschluss. Die daselbst in Figur 1—3 dargestellten Sporangien zeigen jedes Mal eine andere Art von Insertion und Zellverschluss, so dass mir weder die Abbildungen, noch Thuret’s Worte glaubwürdig er- scheinen, mit welchen er die Querwände der Sporangien mit den am Grunde der Palissadenschläuche befindlichen gleichstellt. 3) Sind also die Trichomschläuche als reducierte, funetionslose Or- gane zu betrachten? Auch in dem Fall, dass sich Berthold’s Theorie nicht als halt- bar erweisen sollte, werden die Trichomchläuche nieht als funetionslos gelten dürfen. Besitzen sie doch hinreichend Chlorophyll und ge- speicherte Assimilationsprodukte, um ihre Function zu erweisen. Nach meiner Vermuthung liegt ihr biologischer Werth eben in der Assimilationsthätigkeit, deren Produkte am Ende der Vegetationsperiode dem Palissadenschlauch zugeführt werden, mit dem der Trichomschlauch lebenslänglich in Communication bleibt. Aehnlich wie aus den Blättern vor dem herbstlichen Laubfall wird vermuthlich auch hier die gespei- cherte Stärke gelöst und aus den Triehomschläuchen in den über- winternden Theil des Thallus wandern und wird dem Pallisadenschlauch zu gute kommen, dem die Kraftleistung der Fortpflanzung zufällt. 1) „Vertheilung der Algen u. s. w.“ pag. 471. 2) „Die Meeresalgen des Golfs von Neapel.“ Mitth. aus d. zool. Station zu Neapel Bd. I, pag, 228, 229. 3) a. a. O. pag. 232. Br 179 Vielleicht wird es mehr als Folge denn als Zweck zu bezeich- nen sein, wenn die mit langen Trichomschläuchen ausgestatten Arten — C. tomentosum und C. adhaerens — von Epiphyten pflanzlicher oder thierischer Natur so gut wie ganz verschont bleiben. Bei Rovigno wenigstens fand ich die beiden genannten Arten fast stets rein und epiphytenfrei. Halimeda oder andere Algen, die sich auf ihnen an- gesiedelt hatten, gehörten zu den Seltenheiten und fanden sich über- dies nur auf den ältesten Thallustheilen, die keine Trichomschläuche mehr entwickeln. C. Bursa dagegen war fast immer von Ectocarpus, Sphacelaria und Spongien aller Art so überwuchert, dass an manchen Exemplaren die eigene Oberfläche nirgends mehr zu sehen war. Eine weitere Art von Schläuchen, die wir bis jetzt unerwähnt gelassen haben, sind die „Haftschläuche“*. Nahe genug liegt die Frage, wie eigentlich die Codien auf ihrem Substrat befestigt sein mögen. Gleichwohl habe ich in der Litteratur nur ungenügende Angaben hierüber gefunden. Falkenberg !) begnügt sich mit der Mittheilung, dass C. Bursa dem Meeresgrund „locker“ aufsitzt. Ardissone ?) überrascht mit folgender schwer verständlichen Erklärung: „Aderisce (C. Bursa) tenacemente ai corpi marini su eui si fissa mediante una porzione alquanto estesa e percid compressa della sua superfieie“. In Wirklichkeit besitzt C. Bursa, das sich zur Untersuchung des Befestigungsmodus am besten eignet, zahlreiche, lange, blassgrüne Haftschläuche, deren unterster Theil knieförmig sich umlegt und dem Substrat fest anliegt. Kurze Nebenzweige fehlen selten, Querwände habe ich nur ausnahmsweise in ihnen finden können. Wie ich ver- muthe, wird bei C. Bursa jeder Theil der Thallusoberfläche zur Bil- dung derartiger Haftschläuche befähigt, sobald er mit dem Substrat in Berührung kommt und der von letzterem ausgehende Reiz dem Thallus zur Entwickelung von Rhizoiden Anregung gibt. Da ich später noch Gelegenheit zu bekommen hoffe, mit dieser Frage mich experimentell zu befassen, behalte ich mir weitere Mittheilungen darüber noch vor. — C. tomentosum und ©. adhaerens sind in ähnlicher Weise am Substrat befestigt wie C. Bursa, nur sind bei ihnen die Haft- schläuche nicht immer so leicht zugänglich. C. tomentosum zeigt an seinem Fussende meist mehrere leicht plattgedrückte Thalluszweige, die dem Substrat sich anschmiegen. Unter ihnen finden wir die Haft- l) a. a. O. pag. 229. 2) Phycologia mediterranea Bd. II, pag. 168. 180 schläuche, die in ihrer Form von denjenigen der anderen Arten nicht abweichen. Der Vollständigkeit wegen müssen wir noch derjenigen Schläuche Erwähnung thun, die den hohlen Thallus von ©. Bursa inwendig in allen Richtungen kreuz und quer durchspannen. Es sind Fäden von weitem Lumen und grosser Dehnbarkeit. An ihren Verzweigungen finden sich dicke Querwände, wie sie in Fig. 2cu.d abgebildet sind. Wir werden später noch kurz auf sie zurückzukommen haben, Il. Udotea. Als Vertreterin der Gattung Udotea kommt im Mittelmeer nur U. Desfontainii vor, die mir in reichlichem Material zur Verfügung stand. Aehnlich wie Halimeda bevorzugt sie tiefere Stellen: wo Kalk- algen oder unterseeisches Kalkgestein den Meeresgrund bedecken, fördert fast jeder Dredgezug mehrere Exemplare des zierlichen Pflänzchens an die Oberfläche. AnU. Desfontainii lassen sich drei Theile unterscheiden: die Haft- fasern, der Stiel und die spreitenähnliche „Fahne“. Wir betrachten zunächst die Fahne, den complieirtesten Theil des Thallus.. Wille!) hat in den „Natürlichen Pflanzenfamilien“ nach Kützing?) eine Abbildung von einem Udoteapflänzchen und eine mikroskopische Ansicht des Thallusrandes gegeben. Wie ich glaube, sind diese Zeichnungen wenig geeignet, eine richtige Vorstellung von dem Aufbau dieser Codiacee zu geben. — Der wachsende Thallus- rand von Udotea lässt sehon bei makroskopischer Betrachtung eine bis 2mm breite Zone erkennen, in der die jungen Fäden parallel und unverbunden neben einander liegen, etwa wie die Fransen eines Teppichs. Ausser den Verzweigungen, die sich an ihren Spitzen zeigen, treffen wir an ihren weiter zurückliegenden, älteren Theilen noch auf eine zweite, höchst eigenartige Verzweigungsform. Fig. 4a zeigt ein Seitenästchen dieser Art in jugendlichem Zustand. Sein Ende zeigt im Verlauf der weiteren Entwickelung (Fig. 45) eine bizarre Form- veränderung; wiederholte unregelmässige Verzweigungen und regel- lose Auslappungen der einzelnen Aestchen führen zu complieirten Formen (Fig. 4c). Fig. 4d zeigt den Ast am Ende seiner Entwieke- lung: seine Nebenästchen erster, zweiter, dritter und vierter Ordnung liegen sammt und sonders in einer Ebene; ihre Ausstülpungen und Einsenkungen verzahnen sich gegenseitig und mit den analogen 1) Codiaceae pag. 143, 2) Tab. phye, 181 Zweigbildungen anderer Fäden zu einem epidermisähnlichen Pseudo- gewebe, dessen Theile nicht nur durch die Verzahnung, sondern auch durch einen geringen Grad von Adhäsion mit einander verbunden sind. Die inneren, unverbundenen Fäden — die „Markschläuche‘‘ — kommen zwischen die zwei Lagen der äusseren — der „Rindenschläuche — zu liegen und werden auf diese Weise aneinander gedrückt. Aehnlich wie Kette und Einschlag " auf dem Webstuhl bil- den hier Mark- und Rindenschläuche zwei sich kreuzende Faden- systeme, die Festigung des inneren wird erst durch Bildung der äusse- ren erreicht.) — Physio- logisch interessiren uns die abenteuerlichen Ver- ästelungen durch ihr all- seitig sich bethätigendes Randwachsthum, das meist erst dann sein Ende findet, wenn sich gleich- wertige Rindentheile des- selben oder verschiede- / ner Aeste begegnen. — An der Assimilation be- theiligen sich Mark- und Rindenschläuche in glei- cher Weise, Chlorophyll und Stärke sind überall reichlich zu finden. Für den Thallus als Ganzes Fig. 4. Verschiedene Eutwieklungsstadien der Rindenschläuche von Udotea Desfontainii. resultirt aus der Bildung der Rindenschläuche ein erhebliches Diekenwachsthum. Ursprünglich bestand derselbe aus einer einfachen Lage eylindrischer Schläuche ; über und unter derselben findet nun je eine neue Schicht ihre Entstehung. 1) Die eigenartige Verzweigung der Rindenschläuche von Udotea legt einen Vergleich mit den reich verästelten Haftfasern bei Valonia utrieularis nahe, wie, sie Famintzin beobachtet und abgebildet hat (Bot. Ztg. 1860, pag. 341, tab. x Fig. 7). Querwände, wie sie bei letzterer auftreten, fehlen jedoch bei Udotea. 182 Aus der geschilderten Eigenthümlichkeit im Aufbau des Udotea- thallus erklärt sich auch die bekannte Zonenbildung auf der Fahne, die fast an allen Individuen — und besonders augenfällig an getrock- netem Herbarmaterial — sich beobachten lässt. Wie aus der Abbil- dung von Kützing zu ersehen, ist der Spreitentheil des Thallus mit concentrischen, dunklen Curven gezeichnet, deren Mittelpunkt das obere Ende des Stiels ist. Ueber das Zustandekommen der Curven sagt Agardh') Folgendes: „In plurimis speciebus Udoteae flabella adparent supra apicem stipitis zonata lineis concentrieis quibus stadia vegetationis judicari credidit Decaisne. Nescio tamen anne in nonnullis (Palmettis ?)) huius adparentiae inveniatur quoque alia causa; in his nimirum fila parallela, eadem a stipite distantia saepe dicho- toma obveniunt, ramis geminis paulo supra axillam rotundatam con- strietis; si hoc modo numerosa fila simul supra articulos primum formatos mutantur, hae mutationes facilius zonae concentricae ad- parentiam praebeant. Attamen dicere fas est, zonas concentricas quoque in aliis speciebus obvenire, obscuras in nonnullis, magis evi- dentes in aliis. In ipsa illa densissime corticata, Udotea flabellata hae zonae admodum conspicuae obveniunt.“ Der Grund der Zonen- bildung ist nicht, wie Agardh zu meinen scheint, die Verzweigung der Markschläuche, auch wird sie nicht durch abgestorbene, dunklere Schlauchenden hervorgerufen, wie man aus Kützing’s Abbildung vielleicht schliessen könnte, vielmehr ist die Ursache der Erscheinung in der mehr oder minder dichten Berindung des Udoteathallus zu suchen. An denjenigen Stellen, die als dunkle Streifen erscheinen, sind die Rindenschläuche besonders dieht und zahlreich ausgebildet; an den helleren Zonen sind die Verästelungen spärlicher, oft fehlen sie fast ganz, so dass das ursprüngliche Gewebe der parallelen un- verbundenen Markschläuche stellenweise bloss liegt. Aus diesem Grunde beginnt naturgemäss ein wachsender Thallus aussen stets mit einer mehr oder weniger breiten hellen Zone, in der die Bildung von Rindenschläuchen noch nicht begonnen hat. Die innersten, ältesten Thallustheile zeigen andererseits die Zonenzeichnung nur wenig deut- lich oder gar nicht, da an ihnen der Belag mit Rindenschläuchen ein eontinuirlicher geworden ist. Der Stiel des Udoteathallus zeigt einen wesentlich abweichenden Aufbau. Seine inneren parallelen Markschläuche adhärieren stark an 1) a. a. O. pag. 69. 2) Zur Tribus der Udoteae Palmettae rechnet Agardh U, glaucescens, Pal- metta und infundibulum. 183 einander und sind aussen von einer Rindenschieht umkleidet, die Wille?) als „zellenartig‘ bezeichnet. Sie besteht aus ebenso echten, unverkennbaren Zellen wie jeder andere Theil des Thallus. Aehnlich wie bei der Fahne nehmen von den Markschläuchen vielfach ver- zweigte Nebenäste ihren Ursprung, die sich unter einander verzahnen und welche aussen mit zahlreichen, warzenartigen Ausstülpungen be- setzt sind. Letztere veranlassen die eigenartige Öberflächenstruktur wie sie aus Kützing’s Abbildung bekannt ist. An Grösse, wie Mannigfaltigkeit ihrer Ausbildung stehen diese Rindenschläuche bei weitem denjenigen der Fahne nach. Die Rhizoiden von Udotea, die meist nur lose dem Substrat an- haften, zeigen in Form und Verzweigung nichts Bemerkenswerthes. Querwandbildungen treten innerhalb des Udoteathallus nicht auf: Udotea ist eine einzelne Pflanze. Wohl aber finden sich gleichsam Ansätze zu Querwänden, deren Entwickelung auf halbem Wege stehen Fig. 5. Markschlauch von Udotea Desfontainii mit Wandverdickungen. geblieben ist. Hier und da in einigen Fäden werden — wie Fig.5 verdeut- licht — ringförmige Wandverdickungen angelegt, ganz ähnlich den- jenigen, die wir bei Codium am Grunde der Palissadenschläuche ge- funden haben. Im Gegensatz zu diesen schliessen sie sich aber niemals zu einer Querwand zusammen. Sie bleiben auf dem Stadium der ring-, förmigen Membranverdiekung stehen und lassen stets einen breiten Porus offen, wie die Abbildung es zeigt. Auch ist ihre Vertheilung innerhalb des Thallus anscheinend keinen bestimmten Gesetzen unter- worfen. Ich fand sie nur an wenigen Schläuchen, an diesen aber oft zu mehreren in dichter Aufeinanderfolge. — Wiederholt fand ich auch Wandverdickungen an den Ursprungsstellen der Rindenschläuche. Den Cellulosepfropfen vergleichbar, die am Grunde der Trichom- schläuche von Codium die Verengung des Lumens besorgen, geht auch die Bildung dieser Membranverdiekungen bei Udotea nur von Da O0. pag. 143, 184 einer Seite des betreffenden Schlauches aus. Auf dem optischer. Längsschnitt durch den Faden, wie ihn die Figur vergegenwärtigt, sehen wir daher bei ihnen nicht zwei sich correspondirende Vor- wölbungen, sondern nur eine, die das Lumen des Schlauches etwa auf zwei Drittel oder die Hälfte verengt. Wie mir aus diesen Beobachtungen hervorzugehen scheint, sind die Membranverdickungen von Codium und Udotea einander unge- mein ähnlich, bei der letzteren Gattung fehlt ihnen nur die Fähigkeit. sich zu einer das Zelllumen theilenden Membran zu entwickeln. Damit scheinen sie jeden biologischen Werth für den Gesammtorganismus ein- gebüsst zu haben. Sowohl dieser Umstand wie die Seltenheit und Unregelmässigkeit ihres Auftretens sprechen dafür, dass wir in ihnen reducirte Zeiltheile zu sehen haben, die — im phylogenetischen Sinne — „einstmals“ als Zellwände zu funetioniren hatten. Il. Halimeda. Die artenreiche Gattung Halimeda ist im Mittelmeer nur durch H. Tuna vertreten, die bei Rovigno häufig und in derselben Tiefen- region wie Udotea heimisch ist. Was den cactusartig gegliederten, äusseren Aufbau des Thallus anlangt, verweise ich auf die von den oben schon eitirten Autoren gegebenen Beschreibungen. Die ana- tomische Struktur ist einfach; die Schläuche zeigen durchgängig die- selbe durch starke Einschnürungen charakterisirte Gestalt und ver- wachsen an der Thallusoberfläche zu einer festen, epidermisartigen Aussenschicht, deren Membranen später durch Kalkeinlagerungen wider- standsfähiger werden. Querwände fehlendurchweg. Eine Glie- derung des einzelligen Thallus in zellähnliche Abschnitte wird durch die starken Einschnürungen der Schläuche erreicht, an welchen Stellen übrigens die Membran meist schwach verdickt ist, Zur Dlustrirung der Einzelligkeit der Pflanze sei daran erinnert, dass zur Zeit der Sporangien- bildung, wie Schmitz!) constatirt hat, das Plasma sich in lebhafter Wanderung von den äusseren Thallustheilen nach den inneren be- findet, so dass an fructificirenden Exemplaren der Thallus aussen farblos erscheint. Aehnliche Beobachtungen wurden übrigens bereits von Derb&s und Solier?) veröffentlicht, » „Ueber die Bildung der Sporangien bei der Algengattung Halimeda*. Niederrhein, Ges. in Bonn, Bd. XXXVII 1880, pag. 140. 2) a. a. 0., pag. 46: A un moment donng, vers lequel il nous a &t& impos- sible de eonstater l’ach&minement progressif, toutes les cellules peripheriques se vident de leur endochrome et le versent dans Jes tubes interieurs, 185 Auch die zu Sporangien umgewandelten Schlauchenden zeigen — im Gegensatz zu Bryopsis, Codium u. a. — keinerlei Querwand- bildungen. Ueber die Haftschläuche von Halimeda sich zu unterrichten, ist meist recht erschwert. Halimeda haftet ungemein fest am Substrat und ihre Rhizoiden sind so fest in die Fugen der Corallineen, der Muschelschalen u. s. w. eingelassen, dass man ohne Anwendung von Säuren sie sich kaum zugänglich machen kann. Am besten thut man, der Ausnahmefälle sich zu bedienen, in welchen Halimeda auf Codium tomentosum oder ©. Bursa als Epiphyt auftritt. Die Form der Rhi- zoiden wiederholt mit ihren Einschnürungen und Erweiterungen im Kleinen die der übrigen Thallusschläuche. Querwände fehlen auch hier. IV. Ueber Regenerationserscheinungen. — Schlussbemerkungen. Verletzt man den Palissadenschlauch eines Codium oder stört man durch andere heftige Eingriffe sein inneres Gleichgewicht, so ballt sich sein Plasmainhalt zu gesonderten, kugeligen Portionen zu- sammen, die besonders im obersten Theil der Zelle zahlreich anein- ander gelagert sich finden und bei Verletzung der Schläuche alsbald das Weite suchen. Einige von ihnen sind farblos und homogen, bei anderen ist die Plasmamasse mit Chlorophylikörnern geradezu voll- gestopft. Es sind dieselben Gebilde, die bei Vaucheria schon von Hanstein!), bei Valonia, Derbesia und Bryopsis von Klemm?) be- schrieben worden sind. Ihre weitere Entwickelung zu jungen Pflänzchen ist aus den Arbeiten der beiden genannten Autoren bekannt. Ein verletzter Palissadenschlauch von Codium geht seines gesamm- ten Inhalts schnell verlustig, nicht nur weil die weitlumige Zelle sofort collabirt und der innere hydrostatische Druck keinen Gegendruck mehr findet, sondern auch weil die inneren Thallustheile, die wir als Achsen- schläuche bezeichnet haben, und die aus den oben erörterten Gründen unter starker Zugspannung stehen, die verletzte Zelle so zu sagen bis auf den letzten Tropfen auspressen. Eine Lücke in der Thallusober- fläche kann nicht entstehen, es vollzieht sich nur eine geringfügige Umlagerung der dem verletzten Schlauch benachbarten Zellen. Am augenfälligsten sind diese Verhältnisse bei Codium Bursa, in dessen Thallus die Spannungsdifferenzen sehr beträchtlich sind. Von der Kraft, mit der die Achsenschläuche gespannt sind, und von dem 1) Gesammelte Abhandlungen, Bd. IV. 2. Heft, pag. 45: „Reproduktion und Reduction der Vaucheriazellen*. 2) „Ueber die Regenerationsvorgänge bei den Siphoneen.“ Flora 1894, pag. 19. 186 Druck, unter dem die weitlumigen Palissadenschläuche stehen, bekommt man am besten eine Vorstellung, wenn man ein Exemplar von Codium Bursa mit einem scharfen Messer rasch durchschneidet, Die passive Spannung der Achsenschläuche ist stark genug, um selbst bei grossen Individuen einen sofortigen Verschluss der Wunde zu ermöglichen, indem die Ränder jeder T'hallushälfte sofort mit grosser Energie sich einrollen und so einen neuen, hohlen Thallus entstehen lassen. Agardh!), der dieses interessante Phänomen zuerst beobachtet zu haben scheint, sagt darüber mit Bezugnahme auf die von uns schon erwähnten Fäden im Innern des Thallus: „His filis interioribus cohibitur tendentia ex- pansionis centrifugalis frondis, ita ut, si secatur frons, laciniarum margi- nes statim contrahuntur, globum aut cylindrum novum quasi formaturi*. Die den Hohlraum des Thallus durchziehenden Schläuche stehen aller- dings unter erheblicher Spannung; aber falls ihnen die zugeschriebene Function wirklich zufallen sollte, müssten sie sich mindestens auf !ja oder !/s ihrer Länge contrahiren — wozu ihre Spannung wahrlich nicht ausreicht. Bei der Einrollung des verletzten Thallus sind die seinen inneren Hohlraum in radialer (oder annähernd radialer) Richtung durchziehenden Schläuche durchaus unbetheiligt. Ausschliesslich die Spannung der Achsenschläuche, die von den weitlumigen Schläuchen im Thallusinnern topographisch wie anatomisch unterschieden sind, gibt die Veranlassung zu der in Rede stehenden Erscheinung. Die Mehrzelligkeit des Codiumthallus, die Isolirung jedes Palis- sadenschlauches von den benachbarten Theilen, lässt es biologisch begreiflich erscheinen, dass — um bildlich zu sprechen — der Proto- plast an der verletzten Stelle keine Regenerationsversuche macht, dass vielmehr der Inhalt der verletzten Zelle für das Individuum als ver- loren betrachtet und aufgegeben wird. Dadurch tritt Codium in einen beachtenswerthen Gegensatz zu den von Hanstein und Klemm studirten Siphoneen. Die Frage liegt nahe, ob sich vielleicht die Trichomschläuche anders verhalten, da bei ihnen keine Spannungsdifferenzen der Bil- dung von Membranen nach Verwundungen entgegen wirken, die ge- ringe Weite des Lumens andrerseits sie unterstützen könnte. In der Natur habe ich niemals verletzte Trichomschläuche finden können; nach künstlicher Verletzung Membranbildung zu beobachten, ist mir bisher nicht gelungen.?) 1) a. a. O. pag. 38. 2) Dass die Codien durch irgend welche giftigen Bestandtheile gegen Schnecken - frass geschützt sein könnten — ähnlich wie etwa zahlreiche Landpflanzen durch PERREHEERENEN 187 Anders als Codium verhalten sich Udotea und Halimeda. Udotea, die den Nachstellungen algenfressender Meeresschnecken besonders ausgesetzt zu sein scheint, bietet bequeme Gelegenheit zum Studium der Regenerationsvorgänge. Die von mir untersuchten Exemplare zeigten fast durchgängig eine beträchtliche Anzahl verletzter Fäden, die unterhalb der Verwundungsstelle eine neue Membran gebildet hatten. Bei abgebrochenen Rindenschläuchen wird die neue Membran oft unmittelbar an der Insertionsstelle angelegt. Auffällige Eigen- thümlichkeiten bieten diese Neubildungen nicht. Erwähnen möchte ich nur, dass sie oft die Form wulstiger Celluloseablagerungen an- nehmen, wie sie ähnlich von Hanstein!) für Vaucheria beschrieben worden sind. — Dass die oben erwähnten ringförmigen Membran- verdickungen irgendwie bei Verletzung des Schlauches in Aktion treten, habe ich nur ausnahmsweise beobachten können. In diesen Fällen bil- dete sich die neue Membran an den von ihnen eingeengten Stellen des Lumens. Im Allgemeinen scheinen sie durchaus functionslose Ge- bilde zu sein. Die Schläuche von Halimeda sind dadurch, dass sie an der Thallusoberfläche mit einander verwachsen und schliesslich noch ver- kalken, am besten gegen Verwundungen geschützt. Nur an den Rhizoi- den, die denselben charakteristischen Bau zeigen, wie die Schläuche des oberen Thallustheils, habe ich Verletzungen finden können. Auch bei Halimeda hatte jeder verletzte Faden eine neue Membran aufzuweisen, Gerbstoffgehalt u. s. w. — ist mir nach den Fütterungsversuchen, die ich in Ro- vigno vornahm, unwahrscheinlich geworden. Einige Sechasen wurden in Bassins wochenlang mit Codien gefüttert, die sie willig zu sich nahmen, ohne auch nur das geringste Unbehagen zu verrathen. — Trotzdem wäre es in hohem Grade interessant, wenn ein Chemiker den Codien eine eingehendere Untersuchung widmen wollte. Dass bei Fixirung der Codien in Pikrinsäure ein Pikrat in 1—2 cm langen, dunkeigelben Prismen ausfällt, scheint auch schon andern Botanikern vor mir auf- gefallen zu sein. Bringt man Codium in Alkohol, so fällt oft bereits nach 10—20 Minuten ein mir nicht näher bekannter, chemischer Körper als körniges Conglo- merat aus, das strangartig die Palissadenschläuche durchzieht. Dixon („Structure of Codium“ Annals of Botany Bd. XI, 1897, pag. 588, 589) hat diese Niederschläge genauestens beschrieben, ohne zu erwähnen, dass sie lediglich Kunstprodukte dar- stellen: „In some of the branches the axial strand seems to be composed of a homogenous refractive substance, In others it is a tubular structure formed of a refractive material, lined and more or less filled up with granular matter u. 8. w.“ Es wäre möglich, dass in beiden Fällen derselbe chemische Stoff im Spiel wäre und eine Untersuchung dieser Frage erscheint jedenfalls wünschenswerth. l) a. a. O. Tab. IX Fig. 4c. 188 bei deren Bildung die eingeschnürten Stellen regelmässig bevorzugt waren. Codium einerseits und Udotea und Halimeda andererseits erreichen dasselbe Ziel — den Schutz des Individuums bei Verletzungen — auf verschiedenem Wege. Bei Codium wird durch die Mehrzelligkeit die Verwundung eines Theiles für den Gesammtorganismus unschädlich gemacht, bei Udotea und Halimeda wird durch neue Membranen der bloss gelegte Protoplast von neuem behäutet und bedeckt. Ich bedauere, dass ich nicht auch die anderen Codiaceenarten und -gattungen, die in den tropischen Meeren heimisch sind, in den Kreis meiner Untersuchungen ziehen konnte. Allein die an lebendem Material begonnenen Studien an Exsiceaten fortzuführen, schien mir wenig rathsam. Ueberdies wäre auch ein gut assortirtes Herbarium kaum in der Lage, das nöthige Material zu überlassen. Dass mit einem oder zwei Exemplaren nicht geholfen ist, haben mich meine Erfahrungen am Meere selbst gelehrt. Soweit die mitgetheilten Beobachungen zu allgemeinen Schlüssen berechtigen, möchte ich mein Urtheil dahin zusammenfassen, dass die Codiaceen zwar einzellige und mehrzellige Pflanzenformen in sich begreifen, dass trotz dieser anscheinend so wesentlichen Differenzen die Gruppe doch als eine natürliche, auf unleugbare Verwandtschaft begründete anzusehen ist. Die Mehrzelligkeit präsentirt sich als ein Charakter, der nur bei primitiven Formen beibehalten und von anderen als überflüssig aufgegeben worden ist. Eine eigenartige, nicht näher zu erörternde Struktur des Plasmas hat für die höher stehenden Gattungen die Anlage von Querwänden entbehrlich gemacht. Berlin, Botanisches Institut der Universität, Mai 1898. Beiträge zur Kenntniss der weiblichen Blüthen und Inflorescenzen bei Gannabineen. Von N. Zinger. Aus dem Laboratorium des botanischen Gartens der K. St. Wladimirs-Universität zu Kiew. (Mit zwei Textfiguren und Tafel VI—-X.) Einleitung. Die Dieotylen, welche sich durch die einfachste Gestaltung der Blüthe auszeichnen und früher der Unterklasse der Apetalen zugezählt wurden, haben neuerdings das besondere Interesse der Botaniker erregt. Indem die neuesten Untersuehungen über einige Repräsen- tanten dieser Pflanzengruppe mehrere neue Thatsachen ergaben, be- wiesen sie erstens die totale Unzulänglichkeit dessen, was früher von der Morphologie und Embryologie der Apetalen bekannt gewesen, und legten zweitens die grosse Bedeutung dar, welche eine genauere Einsicht in das Wesen dieser Pflanzen für die Systematik haben könnte, Die Apetalen werden gegenwärtig mit den Choripetalen in eine Unterklasse vereinigt und in der Systematik macht sich die Tendenz geltend, sie als reducirte, aus den Choripetalen mittels Ver- einfachung gebildete Formen zu betrachten. Die erwähnten neueren Forschungen, unter denen die Schriften des Professor Nawaschin eine hervorragende Stellung einnehmen, weisen auf charakteristische Eigenthümlichkeiten des Sexualprozesses bei einigen Repräsentanten der Unterklasse der Apetalen hin, was jene Deutung erheblich ein- schränken lässt; auch müssen demnach mehrere der Apetalen als primitivste Formen aufgefasst werden, und zwar nicht allein bezüglich der Dieotylen, sondern überhaupt aller Angiospermen, d. h. als Formen, in denen die wesentlichen Merkmale der Urtypen dieser ganzen Unterabtheilung sich am vollkommensten erhalten haben. Die Zahl der genau untersuchten Apetalen ist auch jetzt noch recht unbedeu- tend; die Fragen, welche hinsichtlich der Stellung dieser Pflanzen unter den übrigen Angiospermen und ihrer Verwandtschaft unterein- ander entstanden sind, lassen sich freilich nur dann definitiv ent- scheiden, wenn mehrere von den niederen Dicotylen in gewissen Be- ziehungen mit der gehörigen Vollständigkeit erörtert sein werden. Flora 1898, 13 190 Da es mir in letzter Zeit vergönnt wurde, unter der Leitung des Professor Nawaschin in seinem den neuesten Anforderungen der morphologischen Wissenschaft entsprechenden Laboratorium zu arbeiten, so meinte ich, diesen günstigen Umstand am besten zu benutzen, wenn ich im Anschluss an meinen Lehrer meine wissenschaftlichen Bestrebungen auf die bestmögliche Vervollständigung unserer Kennt- nisse von den niederen Dicotylen hinleitete. Fürs erste habe ich mich den Repräsentanten der Ordnung der Cannabineae zugewandt, deren Untersuchung in Hinblick auf die an der verwandten Ulme gemachten Erfahrungen ein besonderes In- teresse bot. Ich wandte meine Aufmerksamkeit hauptsächlich zwei Umständen zu: dem Charakter der Placentation und dem Durchgangsmodus des Pollenschlauchs bei den Pfianzen der erwähnten Ordnung. Die Frage von der Natur der Placenten und der Samenknospen ist bekanntlich eine der allerstreitigsten in der modernen Morphologie. Die auf bisher vorhandenen Facta basirten theoretischen Erörterungen haben die Morphologen zu sehr verschiedenen und widersprechenden Ergebnissen geführt. Wir dürfen der Lösung dieser Frage erst ver- möge neuer genau festgestellter Thatsachen näher treten. Ohne uns hier auf die Prüfung aller über die morphologische Deutung der Placenten und Samenknospen geäusserten Ansichten einzulassen, wollen wir nur auf die wichtigsten im Allgemeinen hindeuten. Einige Morphologen stützten ihre diesbezüglichen theoretischen Speculationen auf die Ueberzeugung, die Placenten, wie die Samen- knospen aller Angiospermen, seien untereinander durchaus gleich- werthige Bildungen, deren Natur sie in einzelnen, den scheinbar klarsten und einfachsten Fällen demonstrirten, worauf sie die ge- wonnene Anschauung auf alle übrigen Fälle ausdehnten. So schreibt der bekannte Erforscher der Blüthenentwickelung Payer, von der Betrachtung der freien Centralplacenten ausgehend, allen, selbst den parietalen Axenbürtigkeit zu; mit seiner Ansicht stimmte die damals allgemein giltige Deutung der Samenknospe als wirkliche Knospe überein. Später jedoch hat es sich, vornehmlich durch teratologische Untersuchungen regressiv metamorphosirter Frucht- knoten, erwiesen, dass die Placenten in mehrereren Fällen ohne allen Zweifel nicht durch die ans Fruchtblatt angewachsene Ver- zweigung des Axenscheitels gebildet werden, sondern unmittelbar durch die Ränder der Fruchtblätter, welche denn auch die Samen- knospen tragen. “ir ww 191 Diese Thatsachen, wie auch die Erwägungen, welche auf der Homologie der Samenknospe und des Sporangiums beruhten, wurden einer anderen, der oben erwähnten direct entgegengesetzten Theorie zu Grunde gelegt. Diese Theorie, welche besonders eifrig von Celakovsky vertheidigt und von den meisten modernen Autoritäten auf dem Gebiete der Morphologie angenommen wurde, lässt die Pla- eenten ausschliesslich für Theile der F'ruchtblätter und die Samen- knospen für deren metamorphosirte Segmente gelten und dehnt diese Deutung nicht ohne offenbare Foreirung sowohl auf die freien Cen- tralplacenten, als auf die einzelnen, die Blüthenaxen abschliessenden Samenknospen aus. In grösserer Uebereinstimmung mit den Ergebnissen der un- mittelbaren Beobachtung scheinen die Angaben anderer Autoren zu sein, die durchaus andere Ansichten vertreten und den Placenten und Samenknospen der verschiedenen Pflanzen verschiedenen mor- phologischen Werth beimessen. Ihres Erachtens ist die Samenknospe in einigen Fällen die metamorphosirte Spitze des Sprosses, in anderen ist es die Axe, welche die Placenten bildet, die Samenknospen aber sind die metamorphosirten Blätter dieses Sprosses; drittens endlich werden die Placenten aus den Blättern gebildet, während die Samen- knospen ihre metamorphosirten Segmente sind. Wenn wir die Placenten und Samenknospen der Angiospermen für Produkte der Metamorphose von Organen verschiedener Kate- gorien gelten lassen und demgemäss verschiedene Placentationstypen dieser Pflanzen annehmen, so lassen sich diese Typen kaum als un- abhängig von einander entstandene betrachten. Weit wahrscheinlicher erscheint die Voraussetzung einer Reihe von successiven Complicationen im Bau des Fruchtknotens, Daraus erhellt die Bedeutung der be- treffenden Frage für die Systematik, wie dies in Folgendem ausge- sprochen ist: „Zum Schluss will ich mich dahin aussprechen, dass ein möglichst genaues Studium der Entwickelung und des Baues der Placenta bei den niedersten Dieotylen (sogenannten Apetalae) meines Erachtens am besten die genauere Kenntniss der verwandtschaftlichen Beziehungen in der Unterklasse der Dieotylen fördern muss.“ !) Während ich die Entwickelung der weiblichen Blüthen bei den Cannabineen untersuchte, hauptsächlich um die Placentationsverhältnisse 1)8. Nawaschin, Ueber die gemeine Birke und die morphologische Deut- ung der Chalazogamie, Memoires l’acad, imp. des sciences de St. Petersbourg, YIL serie, tome XL, Nro. 12, p. 36. 19* 192 darzulegen, strebte ich auch darnach, die Entwickelung ganzer Gruppen dieser Blüthen zu erforschen. Dies schien insofern erwünscht, als Golenkin in seiner letzten Arbeit über die Morphologie der Inflores- cenzen der Urticaceen und Moraceen!) nach einer eingehenden Er- örterung der männlichen Blüthenstände des Hanfs und des Hopfens die weiblichen Blüthenstände derselben völlig bei Seite liess. Die Angaben der anderen neueren Forscher über die Natur dieser Blüthen- stände aber stimmen mit den bestehenden Ansichten der älteren Mor- phologen keineswegs überein. Die andere in meiner Arbeit genauer erörterte Frage von dem Durchgangsmodus des Pollenschlauchs hat das Interesse der Botaniker neuerdings von einem neuen Gesichtspunkte aus erregt. Es wurde vor kurzem noch für die ganze grosse Unterabtheilung der Angio- spermen ein allgemeines Schema angenommen, der Pollenschlauch gelange zum Eimbryosacke durch die Höhlung des Fruchtknotens und allerdings durch den Mikropylekanal; der Pollenschlauch, welcher als die für die Samenpflanzen?) allercharakteristischste Bildung an- gesehen wird und in seinem Verhältniss zu den weiblichen Organen bei den Gymnospermen und Angiospermen wesentliche Verschieden- heiten aufweist, hat den Systematikern bis zu letzterer Zeit keinerlei Anhaltspunkte geboten, um die systematischen Oorrelationen auf dem Gebiete der letztgenannten Unterabtheilung festzustellen. Treub,3) der zuerst die eigenartige Befruchtungsart durch die Chalaza in der Ordnung der Casuarinaceae entdeckte, legte der von ihm vorge- schlagenen Eintheilung der Angiospermen in „Chalazogamae“ und „Porogamae“ den Durchgangsmodus des Pollenschlauchs zu Grunde. In den Chalazogamae, für deren einzige Repräsentanten er die Casuarinaceae zu halten geneigt war, sah der erwähnte Gelehrte Formen, welche, unabhängig von den übrigen Angiospermen, von den Gymnospermen abstammen. Anders fasste die Sache Nawaschin‘) auf. Er bewies, dass 1) M. Golenkin, Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Inflorescenzen der Urticaceen und Moraceen, Flora, 78 Band, 1894, pag. 97, 2) Engler hat bekannterweise vorgeschlagen, die Samenpflanzen „Embryo- phyta siphonogama“ zu nennen. (Engler und Prantli, Natürl. Pflanzenfam. II. Theil, 1. Abth., pag. 1.) 3) M. Treub, „Sur les Casuarindes et leur place dons le systeme naturel.* Extrait des Ann. du Jardin botanique de Buitenzorg. Vol. X. pag. 145-231. 4) 8. Nawaschin, Ueber die gemeine Birke und die morphologische Deutung der Chalazogamie. Te Ir 198 die Chalazogamie noch einigen anderen Ordnungen der Dieotylen eigen ist. In der Chalazogamie sieht er den natürlichen Uebergang von der Befruchtungsart der Gymnospermen zur complicirteren Art bei den Angiospermen. Von dieser Voraussetzung ausgehend, dürften wir erwarten, unter den Dicotylen auch Uebergangsformen von den Chalazogamae zu den typischen Porogamae zu finden; und in der That fand Nawaschin einen der von ihm vorausgesehenen Ueber- gänge in der Ulme, worin ein Beleg für seine Hypothese zu sehen ist. Es ist also zu erwarten, dass die Systematik in dem Durchgangs- modus des Pollenschlauches einen neuen Anhaltspunkt gewinnen wird, um über das Alter der Angiospermenformen zu entscheiden, — ein neues Mittel, primäre und redueirte Formen zu qualifieiren. Bei den ersteren lassen sich Chalazogamie oder ähnliche Fälle voraussehen, während nichts derartiges bei den Formen zu erwarten ist, die durch Vereinfachung von den Pflanzen abstammen, welche sich die Poro- gamie bereits angeeignet hatten. Ich halte es für eine angenehme Pflicht, Herrn Professor 8. Nawaschin, dessen freundlichem Entgegenkommen ich bei der Ausführung dieser Arbeit viel zu verdanken habe, an dieser Stelle meinen innigsten Dank auszusprechen. I. Lage, Struktur und Entwickelung der weiblichen Blüthe des Hanfes (Cannabis sativa L.). Bei den weiblichen Exemplaren des Hanfes sitzen die Blüthen einzeln rechts und links an der Basis beinahe jedes Zweiges, so dass sie paarweise gleichsam in den Achseln derselben Blätter liegen, welche die betreffenden Zweige stützen. Die letzteren produeiren ihrerseits Blätter, in deren Achseln neue Triebe mit seitlichen Blüthen entstehen; eine derartige Verzweigung kann sich noch mehrmals wiederholen, bis die Zweige der letzten Ordnung als kaum ausgebil- dete Knospen erscheinen. Die Hauptzweige tragen die Blüthen an ihrer Basis nur im oberen Pflanzentheile, während die Zweige der folgenden Ordnungen stets von Blüthenpaaren begleitet werden, welche selbst an den Seiten der rudimentären Zweige letzter Ordnung zur Entwickelung kommen (Taf. VI Fig 1). Einige der die Blüthenpaare deckenden Blätter gelangen zu vollkommener vegetativer Entwiekelung, doch lässt sich, je näher dem Scheitel einer gewissen Axe und je höher die Axenordnung ist, desto mehr eine allmähliche Reduction der 194 Blätter bemerken: die Blattspreite wird immer kleiner und einfacher obgleich immer deutlich; der Stiel wird immer kürzer, die Neben- blätter aber nehmen hierbei nicht ab. Hand in Hand mit der Ab- nahme der Blätter geht die allmähliche Verkürzung der betreffenden Internodien vor sich, wodurch der eompacte, condensirte Charakter der sogenannten weiblichen Infloresceenzen des Hanfes sich erklären lässt. Jede Blüthe ist von einem spathaartigen Blättchen umhüllt, aus dem die Griffel allein hervorragen; die Deekblätter der zwei Nachbar- blüthen wenden einander die Mitten ihrer eoncaven Seiten zu und sind symmetrisch zusammengerollt (Taf. VI Fig. 1, 2, 9). Trotz der äussersten Einfachheit des beschriebenen Blüthenstandes lässt sich ihre morphologische Natur nicht ohne Weiteres erklären. Den Blüthenanschluss kann man hier nämlich zweierlei auffassen, Zunächst können wir annehmen, dass im Blattwinkel drei Knospen nebeneinander hervorbrechen, deren mittlere sich vegetativ entwickelt und einen Trieb produciert, während die seitlichen Knospen zu Blüthen werden. Die Blüthenaxen erscheinen in diesem Falle als Axen der- selben Ordnung, wie der zwischen ihnen liegende Trieb, und beide Blüthen werden dann von einem und demselben Blatte gestützt. Doch kann ebenfalls die Annahme gelten, dass die Blüthen von dem zwischen ihnen liegenden Triebe entstehen, so dass sie als untere Zweige des letzteren angesehen werden müssen. Wenn wir uns an die letztere Ansicht halten, so entsteht eine neue Frage, nämlich zu welcher der Axen die die Blüthen umhüllenden Blätter gehören sollen, d. h. ob sie an der Blüthenaxe selbst sitzen, oder ob sie vom Mitteltriebe erzeugt werden und somit die Blüthen stützen. Wollen wir sehen, wie die erwähnten Fragen von den Botanikern bisher ent- schieden wurden und wie man die vorliegenden Inflorescenzen erklärte. Wydler!), welcher vor allen andern Morphologen die Inflorescenzen in der uns interessirenden Familie untersuchte, hebt hervor, dass die weib- lichen Blüthen des Hanfes ihrer Lage nach den ganzen seitlichen Inflorescenzen der männlichen Pflanze entsprechen; die letzteren aber stellt er als Zweige dar, welche von der Basis des Mitteltriebes ab- stammen. Das umhüllende Blättehen sieht Wydler als einen Theil der Blüthe an und bezeichnet es als Perigon; ein Mutterblatt der Blüthe hält er für nicht vorhanden. 1) Wydler, Zur Kenntniss der Infloresceenz von Cannabis, Humulus, Urtica et Parietaria; Flora 1844, p. 735. — Wydler, Ueber die symmetrische Verzweig- ungsweise dichotomer Inflorescenzen; Flora 1851, p. 434. in. wi 195 In seiner der weiblichen Inflorescenz des Hopfens gewidmeten Arbeit berührt gelegentlich Irmisch!) auch den Hanf, indem er die beiden nahverwandten Pflanzen vergleicht; aus seinen Worten ist es jedoch völlig klar, dass er, ebenso wie Wydler, die weiblichen Blüthen des Hanfes für seitliche Gebilde des Mitteltriebes hält, doch werden von ihm die die Blüthen umhüllenden Blättchen nicht mehr für Peri- gonen, sondern für Braceteolen angesehen, in deren Achseln die Blüthen sitzen. Payer?) stimmt der Ansicht Irmisch’s vollkommen bei. Er meint, die Blüthen seien von denjenigen Bracteolen umhüllt, in deren Achseln sie entstehen. Aus der Art, wie dieser Gelehrte die Mediane der Blüthe legt, wie auch daraus, was er als Vorder- und was er als Hinterseite der Blüthe bezeichnet, ist es klar, dass er den Mitteltrieb für die Mutteraxe der Blüthe hält. Diese Deutung ergibt sich jedoch nicht etwa aus Payer’s Untersuchungen über den Entwickelungsgang: die Beziehungen der Bracteen und Blüthenanlagen zu dem Mittel- triebe werden weder beschrieben, noch dargestellt. In De Candolle’s°) Prodromus systematis naturalis finden wir einige Mittheilungen über die morphologische Natur der die Blüthen umhüllenden Bracteen; sie werden als durch Verwachsen der Neben- blätter entstanden betrachtet. Diesen Hinweis finden wir auch bei Baillon®) vor, der auf die uns interessirende Inflorescenz nicht näher eingeht, sondern sie bloss im Allgemeinen definirt; er sagt vom Hanfe: „Les fleurs femelles sont disposdees en cymes ou en glomörules, et situges dans l’aisselle de bractdes foliacdes*, Ferner befasst sich Bichler>) mit der Inflorescenz des Hanfes; er sagt: „Das Verhalten der weiblichen Blüthenstände von Cannabis lässt sich kurz dahin angeben, dass statt der vielblüthigen Diehasien von & hier nur je eine einzelne Blüthe auftritt und dass deren Deck- blätter (— Vorblätter des Mitteltriebes) zur Ausbildung gelangen“. Auf diese Weise dedueirt Eichler aus der complieirten männlichen Inflo- rescenz des Hanfes, die er für eine Rispe hält, die einfachere weib- liche, welche er übrigens nicht näher definirt. 1) Irmisch, Ueber die Inflorescenz der fruchttragenden Pflanze von Humulus Lupulus; Botan. Zeitung 1848, p. 798. 2) Payer, Trait6 d’organogenie compar6e de la fleur; 1857, p. 281 atlas, t. 61. 3) De Candolle, Prodromus systematis naturalis regni vegetalis; XVI, I, 1869, p. 30. 4) Baillon, Histoires des Plantes; VI, 1875, p. 161. 5) Eichler, Blüthendiagramme; 1878, II, p. 68. 196 Ganz anders werden die weiblichen Blüthenstände des Hanfes von Briosi und Tognini!) aufgefasst, den Verfassern eines neuen, speziell dem Hanfe gewidmeten umfassenden Werkes. Da heisst es: „I fiori femminili si producono a due a due all’ uscella di una foglia, in corrispondeza alle sue stipole, e di fronte alla foglia stessa si forma un ramo*. Dass die erwähnten Gelehrten diese Worte nicht bloss in beschreibendem Sinne gebrauchen, erhellt aus der ferneren Ausführung, in welcher darauf hingewiesen wird, dass die Blüthen derselben Axe entspringen,. die den Mitteltrieb und das gemeinsame, beide Blüthen umhüllende Blatt trägt; die Mediane der Blüthe legen die Verfasser allerdings dureh den nämlichen Haupttrieb. Dem die Blüthe umhüllenden Blättchen verleihen Briosi und Tognini die für das Ohr eines Morphologen etwas seltsame Benennung „brattea perigoniale*. Sie erachten es zu der Blüthenaxe selbst gehörig und zählen es sogar den Blüthentheilen zu, obwohl sie bemerken, dass „morfologicamente parlando si potrebbe anche considerare come unaspecie di profillo delfiore“. Die italienischen Gelehrten äussern somit durchaus neue An- sichten über den fraglichen Gegenstand, ohne sie jedoch durch irgend welche Argumente zu bethätigen oder die Unhaltbarkeit der Meinungen ihrer Vorgänger zu beweisen); in ihrer Untersuchung streben sie nicht einmal darnach, das Verhältniss der Blüthen zu dem Mitteltriebe klar zu machen. Auf ihren Abbildungen sind meist einzelne Blüthen in verschiedenen Entwickelungsstadien dargestellt, mit ihren „perigo- nalen Braeteen“ sammt einem Nebenblatt. Die Entwickelung einer solchen Gruppe beschreiben sie folgendermassen: „Il fiorellino al suo inizio presentasi come un cono vegetativo nudo, rotondeggiante, che costituice l’apice del romo fiorale e che diremo mammellone iniziale del fiorre. Alla sua base e sul lato esterno si forma dapprima un’ appendice laminare, la futura stipola. Questa, piccolissima in prineipio, eresce e abbraceia il cono iniziale del fiore. Contemporaneamente o quasi, quindi molto per tempo, alla base del detto mammelone, si dif- ferenzia una speeia di cereine non completo, cio& piü alto da un lato e decrescente sin quasi a scomparice sul lato opposto, cereine che constituisce l’inizio della futura brattea perigoniale ?).* 1) G.Briosi eF.Tognini, Intorno alla anatomia della canapa; Milano 1894. 2) Diese Anschauungen waren Briosi und Tognini sicherlich bekannt; in dem in ihrer Arbeit enthaltenen umfangreichen Register der einschlägigen Litteratur wird die eitirte Kichler’sche Schrift erwähnt und auf Payer’s Arbeit mehrfach hingewiesen. 3) Briosie Tognini,l.c.p. 49. % 197 Wir sahen bereits, dass jene Hüllblätter, welche Wydler für die Perigonen der weiblichen Blüthen des Hanfes annahm und welche unter dieser Bezeichnung von vielen Systematikern seiner Zeit be- schrieben wurden, bei den späteren Untersuchungen sich als solche nicht erwiesen haben. Schon Irmisch und nach ihm alle übrigen Autoren beschreiben unter dem Namen Perigon ein zartes becher- förmiges Gebilde, welches die untere Hälfte des Fruchtknotens dicht umhällt. Payer,!) welcher die Entwickelung der weiblichen Blüthe des Hanfes verfolgt hat, bemerkt, dass dieses Perigon früher als die Fruchtblätter und zwar in Gestalt zweier selbstständigen, sich bald aber verwachsenden, median gestellten Primordien entsteht, von denen das hintere früher als das vordere erscheint. DeCandolle?), Baillon?), wieauchBenthamundHooker®) geben an, dass das Perigon der weiblichen Blüthe des Hanfes häufig schwach entwickelt ist, zuweilen auch gänzlich fehlen kann. Eichler erwähnt in seinen „Blüthendiagrammen“ die Beobachtungen Payer’s über die Entwickelung des Perigons, entschliesst sich aber nicht, den letzteren daraufhin für typisch dimer anzuerkennen, indem er offen- bar eine grössere Anzahl der Primordien vermuthet. Briosi und Tognini) stellen die Entwickelung des Perigons beim Hanfe durchaus anders dar, als Payer. Ihren Beobachtungen nach entsteht es erst, nachdem die Wände des Fruchtknotens sich gebildet haben und erscheint als einförmige regelmässige wallenartige Erhebung, nicht aber als zwei verschiedene Blattanlagen. Fälle unvollkommener Entwiekelung des Perigons wurden von diesen Forschern nicht beobachtet. Der vom Perigon umhüllte Fruchtknoten des Hanfes ist bekannt- lich kugellinsenförmig, enthält eine hängende campylotrope Samen- knospe und trägt an der Spitze zwei Griffel, oder wie sie zuweilen mit Vorliebe benannt werden, zwei „Griffelzweige*. Payer beschreibt underklärtdie Entwickelung.des Griffels beim Hanfe folgendermaassen: „Lorsqu’on le suit dans toutes ses phases de developpe- ment, on observe d’abord, au centre du perianthe, sur le sommet du ma- melon receptaculaire, deux petits bourrelets dont ’un est anterieur et superposde ü la bractde mere, et dont l’autre est postcrieur. Le pre- l) Payer,1. ce. p. 282. 2) De Candolle, 1. ec. p. 30. 3) Baillon, I ce. p. 160. 4) Bentham et Hooker, Genera plantarum; III, 1850, p. 357. 5) Briosi et Tognini, 1. ec. p. 41, 50. 198 mier nait avant le second. Completement libres & V’origine, ces deux bourrelets qui s’allongent pour former les styles, deviennent prompte- ment connes a leur base. D’un autre cöte, au pied de chacun d’eux, on remarque bientöt une petite fossette. Si les fossettes devenaient toutes deux plus profondes, on aurait un pistil tout & fait semblable a celui des Tremandrees, et l’ovaire serait biloculaire. Mais une seule de ses fossettes devient plus profonde: e’est celle qui est au pied du bourrelet anterieur, Yautre, qui est au pied du bourrelet posterieur, avorte; il en resulte que l’avoire, au lieu de deux loges, n’en pre- sente plus qu’une.* „Lorsqu’il y a leux loges & l’ovaire, comme dans les Polygalees, chaque loge a pour paroi exterieure la feuille carpellaire et pour paroi interieur la cloison qui separe les deux loges et qui n’est que Vextremite de l’axe contre lequel les deux feuilles carpellaires sont appliquees. Qu’une de ces deux loges avorte, comme dans les Can- nabinees, cet avortement ne peut avoir et n’a, en effet, aucune influence sur celle qui se developpe. La seule difference entre les Cannabinees et les Tr&mandrees, c’est done que, tandis que dans les Tr&mandrees les deux feuilles carpellaires que porte l’axe r&ceptaculaire sont toutes deux appliquees sur ces cötes et forment deux loges & l’ovaire, dans les Cannabindes, des ces deux feuilles carpellaires l’une est appliquee sur Yun de ses cötes et forme une loge ä l’ovaire, et l’autre est inser6e au sommet et ne forme point de loge. Ceci bien compris, il est facile de se rendre compte, dans les Cannabinees, des positions diverses qu’occupe l’ovule selon l’äge, sur la paroi interne et axile de l’ovaire. Lorsqu’en effet cet ovule apparait, la loge est peu pro- fonde et il en remplit toute la cavite. Si cette paroi interne gran- dissait par l’addition de nouvelles eouches de cellules superposees aux premieres, l’ovule restrait au fond de la loge; mais il n’en est pas ainsi: l’accroissement de cette paroi interne a lieu par l’addition de nouvelles couches de cellules au-dessous de celles qui supportent P’ovule; par suit, cet ovule est de plus soulev6 au dessu du fond de la loge et est toujours suspendu au sommet de cette loge.“ !) Der Ursprung der Samenknospe wird von Payer nicht näher erörtert; seine Abbildungen und die Bemerkungen über die sich ähn- lich anlegende Samenknospe der Moraceae?) könnte man dahin 1) Payer, l.c. pag. 282, 283, 2) In seiner Beschreibung des Fruchtknotens von Ficus sagt Payer, dass an dessen Grunde zu einer gewissen Zeit der Axenscheitel der Blüthe zu sehen ist, welcher zur Samenknospe wird. Ad 199 verstehen, dass er die Samenknospe hier als einen modifieirten Axen- scheitel der Blüthe ansieht. Allein aus den obigen Erörterungen, wie auch aus dem Vergleiche zwischen den Fruchtknoten von Can- nabis und Tremandra ergibt es sich, als stelle Payer sich’ die Samenknospe des Hanfes als seitliches Gebilde auf einer axilen Pla- centa vor. Von ihren theoretischen Anschauungen ausgehend, stellen einige der neuen Autoren die gegenseitigen Beziehungen der Pistilstheile beim Hanfe anders dar, indem ihre Deutungen nicht immer mit den von Payer gewonnen Thatsachen übereinstimmen. Um die Ueber- einstimmung des Ansatzpunktes der Samenknospe mit der Bauchnaht zu erzielen, präsumirt Celakovsky?) in seinem Werke „Ueber die morphologische Bedeutung der Samenknospen*, wie es schon früher Döll gethan, dass bei den Cannabineen der Pistil nur aus dem vor- deren Fruchtblatte besteht, der hintere Griffel aber ist, seines Er- achtens, bloss eine Excreseenz der Bauchnaht des einzigen Carpells. Uebrigens verwirft Celakovsky bald darauf in einer seiner folgen- den Arbeiten?) diese Annahme und lässt zwei Fruchtblätter bei den Cannabineen gelten; dabei erweist es sich, dass der ganze Entwicke- lungsgang des Pistils beim Hanfe vom Standpunkte Celakovsky’s Theorie aus nunmehr genügend erklärt werden kann, auch ohne das eine Fruchtblatt zu eliminiren. Seine Theorie begründet Celakovsky, wie bekannt, darauf, dass die Fruchtblätter als Tuten- oder Kappen- bildungen betrachtet werden, die infolge Einrollens nach innen zu und congenitales Verwachsens der Ränder des Primordialblatts entstehen sollen. Die Samenknospen erscheinen nach seinem Dafürhalten stets als Produkte solcher Fruchtblätter und sitzen grösstentheils an den freien oder verschmolzenen Kanten der Röhre. Jede Samenknospe wird aus einem Segment des Fruchtblatts gebildet, und zwar nimmt dieses Segment eine ebenso kappenartige Form an, wie das ganze Fruchtblatt, indem es die innere bezw. einzige Hülle der Samen- knospe repräsentirt; der Nucellus der Samenknospe wird als Excres- cenz auf der Oberfläche dieses Segments gedeutet. Celakovsky's kappenartige Fruchtblätter vermögen nicht nur miteinander zu ver- schmelzen, sondern auch an die sie erzeugende Axe anzuwachsen. Die Oberfläche der Blüthenaxe oberhalb des Ansatzpunktes des Frucht- ı) Celakovsky, Ueber die morphologische Bedeutung der Samenknospen, Flora 1874, pag. 247. 2) Celakovsky, Vergleichende Darstellung der Placenten in den Frucht- knoten der Phanerogamen; 1876. 200 blatts betrachtet Celakovsky nach Bedürfniss als angewachsenen Theil der Kappe, ohne dass sich ein derartiges Verhältniss im fertigen Zustande oder in dem Laufe der Entwickelung äusserlich irgendwie geoffenbart hätte; ferner gibt er zu, dass dieser verborgene, mit der Axe verschmolzene Theil des Fruchtblatts fähig sei, während seines Wachsthums die Entwickelung des Axenscheitels zu hemmen und dessen Stelle zu vertreten, sich auch früher, als der sichtbare differen- eirte Theil des Fruchtblatts zu entwickeln, Bei solchen Zugeständ- nissen ist es selbstverständlich, dass wo, wie und wann die Samen- knospen auch entstehen mögen, Öelakovsky sie stets als Produkte der Fruchtblätter.zu erklären weiss, Speciell über die uns interessirende Pflanze sagt er Folgendes): „Bei Cannabis lässt sich der Process der Verschiebung des Eichens aus der zur Axe ursprünglich terminalen Stellung in eine seitliche, unterhalb des sterilen Carpells, sogar entwickelungsgeschichtlich ver- folgen. Das Eichen entsteht echt terminal, doch aber aus dem gebundenen Kappentheil des einen (früheren) Carpells, und indem die an die Axe gebundene Kappe desselben die Ausbildung des sterilen Carpells hemmend sich ausbildet, dem Dorsaltheil des Car- pells gegenüber sich erhebt, wird das Eichen mit emporgehoben und kommt zuletzt in die hängende Lage.“ Baillon?) äussert sich ganz kurz vom Hanfe: „Son ovaire sessile a primitivement deux (?!) loges dont une seule subsiste & l’äge adulte.“ Eichler verweilt in seinen „Blüthendiagramen“ nicht länger bei der Betrachtung des Pistils der Cannabineen; auf seiner Zeichnung’) stellt er die Samenknospe in Verbindung mit dem Rande des einzigen Fruchtblattes dar, welches letztere die Naht an der Dorsalseite des Fruchtknotens bildet; aus seiner Bemerkung über die Nessel) liesse sich jedoch folgern, dass er bei den Cannabineen das Vorhandensein eines zweiten Fruchtblattes zulässt, doch bloss in Griffelform. Woran dies letztere Fruchtblatt befestigt ist, bleibt aber ein Räthsel; doch wohl nicht an die durch das andere Fruchtblatt gebildete Naht? 1) Celakovsky, Vergleichende Darstellung der Placenten in den Frucht- knoten der Phanerogamen pag. 62. 2) Baillon, I. e. pag. 160, 3) Eichler, 1. c. pag. 60, Fig. 25B. 4) 8.50 der eitirten Arbeit lesen wir: „Betreffend das zweite Fruchtblatt, dessen Abort, resp. Niechtausbildung wir bei Urtica annehmen, so ist dasselbe bei vielen Moreae und den Cannabineae wirklich vorhanden, meist zwar nur in Griffel- form, zuweilen aber auch vollständig.“ vw 01 Von den angeführten Deutungen des Baues des Pistils bei Cannabis ist Payer’s Ansicht allein auf unmittelbarer Wahrnehmung der That- sachen gegründet. Die von Payer errungenen Facta werden jedoch von den neuesten Forschungen Briosi’s und Tognini’s nicht be- stätigt. Ihren Beobachtungen zufolge entsteht der Fruchtknoten in Gestalt einer vollständigen regelmässigen wallenartigen Erhebung, in der es unmöglich ist, die Anlagen zweier Fruchtblätter zu unter- scheiden. Der anatomische Bau des Fruchtknotens, nämlich das Hineindringen von drei Gefässbündeln in seine Wände und die An- ordnung der letzteren da drinnen!) gibt nach den genannten Gelehrten ebenso wenig Aufschluss über die Entstehung des Fruchtknotens bei Cannabis aus einem oder zwei Fruchtblättern, wie es seine blatt- artige Natur kennzeichnet. Die Samenknospe des Hanfes sind Briosi und Tognini ge- neigt als einen modifieirten Axenscheitel aufzufassen ; die Verschiebung des letzteren von der Basis des Fruchtknotens aus zu dem Scheitel derselben erklären sie folgendermaassen: „l’ovario nella sua metä ex- terna si sviluppa piü fortemente che nell’interna, e cosi l’apice primi- tivamente ossile possa di lato, si inelina e arriechendosi di nuovi organi diviene ovulo perfetto. Questo accrescimento intercalare maggiore su uno dei due lati riflette forse le conseguenze di con- dizioni topografiche e meccaniche, inquatoche sul detto lato esterno l’organo trova molto maggior spazio libero per svilopparsi che sul lato interno, di contro al ramo,“ 2) Es bleibt jedoch ganz unbegreiflich, in welcher Weise der Still- stand in der Entwickelung der dem Mitteltriebe zugekehrten Wand des Fruchtknotens eine Verschiebung der Blüthenaxe an diese Wand hervorrufen kann. Offenbar sind die Autoren selbst durch diese Deutung wenig befriedigt, denn zuletzt wird der Versuch, die Ent- 1) Nach Briosi’s und Tognini’s Untersuchungen dringen drei Bündel in den Fruchtknoten, darunter zwei dünne und ein stärkeres; das eine dünnere zieht sich der der Bractee zugekehrten Wand des Fruchtknotens entlang; dort theilt es sich in zwei Zweige, welche parallel und so nahe neben einander verlaufen, dass sie scheinbar ein einheitliches Bündel darbieten. Das andere dünne Bündel dringt in die gegenüberliegende Wand des Fruchtknotens und theilt sich ebenfalls in zwei Zweige, die aber hier in verschiedenen Richtungen aus einander gehen; unweit der Stelle, wo die Zweige sich theilen, entsteht an jedem ein neuer Zweig; diese Zweige vereinigen sich zu einem Bündel wieder und ziehen sich der dem Mitteltriebe zugekehrten Wand des Fruchtknotens entlang. Dieses letztere Bündel verschmilzt mit dem dritten dicken Bündel, das demselben Theile zustrebt. %) Briosi e Tognini, |. c. pag. 61, 202 stehung der Samenknospe zu erklären, aufgegeben. Das Kapitel von der morphologischen Natur der Blüthentheile des Hanfes schliessen sie mit folgenden Worten: „EB se a mo’ di conelusione dovesimo dir chiaro il pensier nostro intorno a questa disquisizione sulla natura ossile o fogliare dell’ ovulo, come intorno alla precedente della costituzione dell’ ovario da uno o da due carpelli, dovremmo confessare che a noi sembrano questioni in parte insolubili e anche frustranee. Probabilmente, qui nel fiore femminile della canopa e nei cosi congeneri, ci troviamo di fronte a una di quelle forme intermedie o di passagio che & vano voler rieon- durre a uno dei prototipi d’organi fontamentali, forme nelle quali la differenziazione non & compiuta; l’organo & quello che si mostra, eive un quid sui generis, un ente intermediario, ne fusto ne foglia, al quale non si adattano le nostre distinzioni artificiali, d’organi tipi, create dalla mente umana, ma non da natura.“ )) Aus vorliegender Uebersicht ist es klar genug, wie widersprechend die bestehenden Aussagen über die morphologische Natur der weib- lichen Blüthen des Hanfes sind, wie wenig wahrhaft Demonstrirtes und Festgestelltes sie enthalten. Deshalb schien mir ein neuer Ver- such, die Entwickelung der Blüthe von Cannabis zu verfolgen und ihren Bau zu erklären, keineswegs überflüssig zu sein, Bevor ich die Ergebnisse meiner eigenen Untersuchungen darlege, will ich ein paar Worte über die von mir angewandten Methoden vorausschicken. Das Untersuchungsmaterial war ausschliesslich in Alkohol con- servirt. Während ich völlig unverletzte Objecte bei fallendem Lichte unter dem Mikroskop studirte, bediente ich mich zugleich bei der Untersuchung bei durchfallendem Lichte mit Eau de Javelle aufge- hellter Präparate. Wenn solche aufgehellte Präparate auch nicht mit einem Male körperliche Bilder geben, so bieten sie doch bei der Untersuchung kleiner Objecte wichtige Vorzüge; sie lassen verhältniss- mässig starke Vergrösserung anwenden, so dass bei Betrachtung der Objecte in verschiedenen optischen Quersehnitten die Form und die Beschaffenheit der Struktur mit der grössten Präeision und Voll- ständigkeit hervortreten. Die Zellenanordnung lässt sich an solchen Präparaten deutlich sehen, wodurch die Anlage der verschiedenen Organe leichter wahrzunehmen ist. Endlich gestatten die aufgehellten Präparate manche von anderen Theilen verdeckte Anlagen zu stu- 1) Briosi e Tognini, 1. ce. pag. 61. AR Dumm An 203 diren, die sich bei der Kleinheit und Zartheit der Objecte nicht herauspräpariren lassen. Den grössten Theil der auf die Entwickelungs- geschichte bezüglichen Abbildungen (alle Figuren der Taf. VII) habe ich nach den aufgehellten Präparaten gezeichnet, indem ich die am tiefsten liegenden Theile durch die sie verdeckenden Organe durch- schimmern liess. Ueberdies studirte ich die Blüthenanlagen in den verschiedenen Entwickelungsstadien an vielen mit Hilfe des Mikrotoms erhaltenen Schnittserien. An den Spitzen des Stengels und der Hauptzweige des Hanfes, wie an den Axen der höheren Ordnungen, d. h. dort, wo die Blatt- spreiten schon bedeutend redueirt sind, entwickeln sich die Blätter und die in den Blattachseln sitzenden Blüthenpaare folgendermaassen. Das Blatt wird als querliegender Wulst angelegt, der sich unweit des Stammscheitels befindet; in dem Maasse, wie das Blatt sich entwickelt, neigt dieser Scheitel sieh der dem Ansatzpunkte des Blattes entgegen- gesetzten Seite zu (Taf. VII Fig. 1, 4, 7), bis ein neues, höher an- gelegtes Blatt ihn zwingt, sich nach einer anderen Seite abzulenken. Der die Blattanlage repräsentirende Wulst wächst allmählich in die Höhe, indem er an seiner Basis einen immer grösseren Theil von dem Umfange des Stengels einnimmt; seine Mitte kommt infolge dessen tiefer als die Ränder zu liegen, so dass das Primordialblatt eine Art von kurzer Tasche am Stengel bildet (Taf. VIL Fig. 1). Zunächst ist der obere Rand des Blättchens ganz glatt, alsbald er- scheinen jedoch drei Lappen daran: der schmälere mittlere und zwei breitere Seitenlappen (Taf. VII Fig. 2, 4); der erstere bildet die Blatt- spreite, die letzteren die Nebenblätter. Während diese Theile des jungen Blattes sich differenziren, lässt sich in der Blattachsel bereits die Anlage des Zweigs als kleine Protuberanz bemerken, welche eine Anschwellung der vom Blatte verdeckten Theile des Stengels ist (Taf. VII Fig. 2, 3, 4). Die fernere Entwickelung der drei ange- führten Blatttheile, der Blattspreite und der Nebenblätter ist ver- schieden: die Blattspreite bleibt, was überhaupt oft geschieht, in ihrer Ausbildung hinter den Nebenblättern weit zurück, welche letzteren rasch in die Länge und Breite wachsen, sich nach derselben Seite wie die Stengelspitze hinneigen und die zarte Zweiganlage verdecken, die sich inzwischen etwas erweitert und einem wallenartigen Höcker gleich aussieht (Taf. VII Fig. 4, 5, 7, 8, 10). Darauf wird der letztere höher, sein mittlerer Theil wölbt sich als Vegetationskegel, während rechts und links davon am unteren Theile der Anlage sich noch je eine Protuberanz bemerkbar macht (Taf. VII Fig. 6). Wenn man den 204 Achselhöcker in diesem Entwickelungsstadium von oben aus besieht (Taf. VII Fig. 10), so bemerkt man, dass er, den Stengel umfassend, etwas gekrümmt ist, so dass sein mittlerer Theil im Vergleich zu den seitlichen Ausstülpungen mehr nach aussen ragt. Bald erscheint zwischen der mittleren und jeder der seitlichen Wölbungen des Achsel- höckers noch je eine Wölbung, so dass die Anlage jetzt fünflappig wird (Taf. VO Fig.9). Die Anordnung und die gegenseitigen Be- ziehungen der sich hier markirenden Theile werden uns vollkommen klar, wenn wir eine etwas weiter entwickelte axiläre Gruppe von oben aus betrachten (Taf. VII Fig. 11); wir werden sehen, dass die in der Mitte der Anlage befindliche Protuberanz (rı) der Scheitel des Mitteltriebes ist; sie ist etwas gegen die Blattspreite (e) nach vorn ge- schoben und bleibt, der letzteren gleich, in ihrer Entwickelung einiger- maassen zurück; an den Seiten und etwas rückwärts liegen zwei rund- liche, von halbringförmigen Höckern umfasste Wölbungen (fl), welche zuletzt auf dem Achselhöcker entstanden sind und die Blüthenanlagen repräsentiren. Die sie umfassenden halbringförmigen Höcker haben sich aus früher entstandenen unteren Seitenhöckern des Achselprimor- diums entwickelt und stellen die Anlagen der die Blüthen umhüllenden Blätter vor, welche wir Bracteen nennen wollen. Auf diese Weise sehen wir, dass die Bracteen und Blüthenaxen an der Anlage des Mitteltriebes entstehen; die Bracteen erscheinen dabei früher, die Blüthenaxen etwas später und höher als die ersteren. Die Blüthen- axen erscheinen kurz nach der Anlage der sie stützenden Bracteen und sind mit diesen eng verbunden, so dass diese und jene gleichsam wie auf einer gemeinschaftlichen Basis sitzen (Taf. VII Fig. 11, 13; Taf. VI Fig. 9, V). Anfangs wird die Blüthe von ihrer Braetee nicht völlig umhüllt, sondern nur von der Aussenseite bedeckt (Taf. VII Fig. 11, 13). Erst im Laufe der folgenden Entwickelung nähern sich die Ränder der Bractee einander, wobei der Rand, welcher von der Seite des Stützblattes des Triebes liegt, ein kräftigeres Wachsthum entwickelt und den entgegengesetzten Rand zudeckt (Taf. VI Fig. 9, I, I, ID. Der Umstand, dass der Mitteltrieb thatsächlich nicht genau in der Mitte zwischen beiden Blüthen liegt, wie Eichler!) es auf seinem Diagramm darstellt, sondern nach vorne zu gerückt ist und sich in dem zwischen den Blüthen und dem Blatte freigelassenen Raume be- findet (Taf. VI Fig. 9, Il), wie auch der Umstand, dass die Mittel- l) Eichler, I. c. pag, 62, Fig. 27, B, eu 205 linien der Blüthen nicht auf einer geraden Linie liegen, sondern einen gewissen stumpfen Winkel bilden, beruhen gewiss darauf, dass sich der Achselhöcker, während er sich um den Stengel biegt, etwas krümmt und dass die Blüthen sich sehr rasch entwickeln. Der Rückstand im Wachsthum der Blattspreite, im Vergleich zu den Nebenblättern, der für die früheren Entwickelungsstadien be- reits angedeutet wurde, bleibt auch weiterhin scharf gekennzeichnet: die Blattspreite pflegt noch nackt und sehr kurz zu sein, während die Nebenblätter schon lange behaart sind und sie an Wachsthum mehrmals überholt haben. Ebenso wächst auch die Spitze des Mittel- triebes ungemein langsam und erscheint noch als eine kleine Pro- tuberanz, während die ersten Seitenprodukte dieses Triebes, die Blüthe und deren Braeteen, in ihrer Entwiekelung schon weit vorge- schritten sind (Taf. VII Fig. 16, 17). Uebrigens ist diese Erscheinung so scharf bloss in den Theilen der Pflanze ausgeprägt, in denen die Triebe schon bedeutend redueirt sind; in den Theilen aber, wo sie noch eine namhafte vegetative Entwickelung erfahren, bleibt die Spitze des Triebes in ihrem Wachsthum im Verhältniss zu den Blüthen nicht so weit zurück, dagegen entsteht die ganze Anlage des Triebes dort viel später, in der Achsel des bereits stark entwickelten Blattes.!) Die beiden an der Basis eines Triebes sitzenden Blüthen werden nicht völlig gleichzeitig angelegt und pflegen nicht ganz gleich ent- wickelt zu sein; meist kann man bemerken, dass eine der zwei Nachbar- blüthen älter ist. Irgend welche Beständigkeit aber lässt sich dabei nicht nachweisen: bald ist die linke, bald die rechte Blüthe ent- wickelter (Taf. VII Fig. 16, 17, 18). Wie aus obigem erhellt, be- weist die Entwickelungsgeschichte ganz bestimmt die Richtigkeit der Anschauung der älteren Morphologen über die weibliche Blüthenlage des Hanfes, welche die Blüthen als die Seitentriebe des Mittel- sprosses betrachteten und die Bracteen als Vorblätter dieses Sprosses, in deren Achseln die Blüthen entstehen, ansahen. Dagegen erweisen sich die in der neuesten Arbeit der italienischen Gelehrten ausge- sprochenen Ansichten als unrichtig, ebenso wie die obenangeführte der Briosi’s und Tognini’s Arbeit entlehnte Beschreibung der Entstehung der Nebenblätter und Bracteen. Die Blüthenaxe nämlich wird, wie wir sahen, viel später als das Nebenblatt, selbst nach dem Erscheinen der Bractee angelegt, so dass man über die Entstehung des Nebenblattes und der Bractee an der Basis der l) Payer, l. c., atlas, Tuf. 61, Fig. 28, 29. Flora 1898, 14 206 Blüthenaxe überhaupt nicht reden kann, wie es Briosi und Tognini thun. Vermuthlich haben die erwähnten Gelehrten die Anlagen dieser Organe eben nicht gesehen, sondern dieselben bloss in verhältnissmässig entwickeltem Zustande beobachtet und auf Grund dieser Beobachtungen das Bild der vorhergegangenen Entwickelung willkürlich reconstruirt. Als unhaltbar erweist sich auch die von De Candolle und Baillon vertretene Meinung, es seien die Bracteen aus dem Verwachsen der Nebenblätter hervorgegangen. Die Bracteenanlage zergliedert sich bei ihrer Entwickelung keineswegs in Blattspreite und Nebenblätter, sondern die Bractee wird vom ganzen Primordialblatt erzeugt; von einem Abort der Blattspreite des Primordialblattes zu reden, haben wir gar kein Recht). Um mit dem weiblichen Blüthenstande des Hanfes ein Ende zu machen, bleibt uns noch ihre allgemeine Charakteristik übrig. In allen oben ceitirten Werken wird dieser Blüthenstand Inflorescenz ge- nannt, indem Baillon allein sagt, welche Inflorescenz namentlich hier vorliegt. Seine Definition ist jedoch offenbar falsch, denn es ist ganz klar, dass die weibliche Pflanze von Cannabis weder Trugdolden noch Knäuel, überhaupt keinerlei eymöse Iuflorescenzen trägt. Am richtigsten wäre die Behauptung, dass es hier überhaupt keine Inflo- rescenz gibt. In der That finden wir die ersten Blüthen an der Basis der Triebe vor, welche eine volle vegetative Entwickelung erfahren und mit vollkommen ausgebildeten Blättern versehen sind; die ferner zu bemerkende Verkürzung der die Blätter tragenden Triebe und die Abnahme der sie verdeckenden Blätter gehen ganz allmählich vor sich und der Charakter der Verzweigung bleibt durchwegs unverän- dert. Eine ähnliche Meinung spricht Golenkin betreffs der männ- lichen Pflanzen von Cannabis aus, obwohl bei den letzteren die Blätter in den blüthentragenden Theilen viel stärker redueirt sind, als dies beiden weiblichen der Fallist. Das, was Eichler für die rispen- artige Inflorescenz der männlichen Pflanze von Cannabis hält, wird von Golenkin nicht als Inflorescenz anerkannt, sondern für einen „blüthentragenden Trieb“ gehalten; als Inflorescenz betrachtet er bloss die seitlichen Dichasien. Bei den weiblichen Pflanzen sitzen an der Stelle dieser Dichasien einzelne Blüthen, wie Eichler richtig bemerkt. Also bilden die weiblichen Blüthen von Cannabis keine differenzirte Inflorescenz, vielmehr sitzen sie einzeln in den Achseln der Vorblätter der Triebe verschiedener Ordnungen, 1) Ebenso wenig wird die vorliegende Anschauung durch die anatomische Struktur der Stipeln, nach Briosi’s und Tognini’s Untersuchungen, bestätigt. 207 Was die weitere Entwiekelung der Blüthen betrifft, deren An- lagen wir als rundliche Protuberanzen verlassen haben, so geht sie folgendermaassen vor sich: Die anfänglich halbkugelförmige (Taf. VII Fig. 11, 12) Blüthen- axe verlängert sich alsbald etwas (Taf. VII Fig. 13), dann legen sich zunächst daran zwei Perigonblätter an in Gestalt kleiner Wülst- chen; das erste Wülstchen erscheint im unteren Theile der Axe an deren Vorderseite (Taf. VII Fig. 14), d. h. an der Seite der Bractee; das zweite kommt an der dorsalen Seite der Blüthenaxe höher als das erste hervor: dieses zweite Primordium erscheint häufig etwas spät, so dass es zuweilen erst nach Entstehen des ersten Frucht- blattes bemerkbar wird (Taf. VII Fig. 15). Die volle Ausbildung beider erwähnten unteren Blattanlagen, ihr Zusammenschliessen !) und das daraus resultirende becherförmige Perigon habe ich nur an der Form von Cannabis beobachten können, die in Gärten eultivirt wird und unter dem Namen Cannabis gigantea hort. und Cannabis himalayana hort. bekannt ist. Bei der gewöhnlichen Cannabis sativa habe ich hingegen nie- mals ein verwachsenblättriges, den Fruchtknoten umschliessendes Perigon wahrgenommen, obwohl ich eine genügende Anzahl aus Samen verschiedenen Ursprungs?) erzogene Pflanzen untersucht habe. Die vordere, an der Seite der Bractee liegende Blattanlage blieb bei der Cannabis sativa in allen von mir beobachteten Fällen in Gestalt eines kleinen Wulsts ohne fernere Entwickelung, was auch sehr häufig die hintere Anlage betraf, so dass überhaupt kein Perigon entstand (Taf. VII Fig. 18; Taf. VI Fig. 15, 16, 19). Die hintere Blattanlage entwickelte sich manchmal allein und gab ein einziges, rundes oder elliptisches, sehr zartes und dünnes Blättchen, welches an der dorsalen Seite des Fruchtknotens, der Spalte gegenüber lag, die durch die Ränder der eingerollten Bractee gebildet ist (Taf. VIII Fig. 17; Taf. VI Fig. 17, 18, 20, 3, 4, 5,6, 9 II, IM). Die erwähnte Reduction des Perigons bin ich geneigt für eine wenn nicht beständige, so doch bei der gewöhnlichen Cannabis sativa jedenfalls ungemein verbreitete Erscheinung anzusehen, wobei ich meine Meinung nicht bloss auf die Ergebnisse meiner mikro- 1) Hier geschieht dieses Zusammenschliessen genau ebenso, wie es weiter unten bezüglich der Fruchtblätter geschildert ist. 2) Ausser den Exemplaren, die ich mir in Kiew verschafft, zog ich mehrere andere aus Samen, welche mir aus St. Petersburg, Tula und Heidelberg zuge- schickt worden waren. 14* 208 skopischen Untersuchungen, sondern auch auf das Aussehen der all- gemein bekannten Früchte von Cannabis stützen kann. Es handelt sich nämlich darum, dass das einmal gebildete Perigon nach dem Blühen fortfährt, sich mit der Frucht fort zu entwickeln. Bei den Formen von Cannabis, wo sich ein vollständiges becherförmiges Perigon bildet, deckt es beinahe die ganze Oberfläche der reifen Frucht in Gestalt eines dünnen fest anliegenden Häutchens zu. Das Vorhandensein eines solchen Perigons macht die Oberfläche der Frucht matt, und da ersteres stets mit dunklen Flecken und Strichen ver- sehen ist, so erhält auch die Frucht eine sehr charakteristische bunte Zeichnung (Taf. VI Fig. 8). Wenn wir die Früchte der ge- wöhnlichen Cannabis sativa mit denjenigen von Cannabis gigantea (die immer matt und bunt sind) vergleichen, so lässt sich bereits nach ihrer glatten, glänzenden Oberfläche, auf der bloss das Adernetz des Perikarps sich abhebt, leicht erkennen, dass sie von keinem Perigon bedeckt sind. Bei genauer Betrachtung ist indes an einigen der Früchte eine matte, bunte Stelle zu finden, einer der Kanten entlang, die von dem einzigen ausgebildeten Blatte bedeckt erscheint (Taf. VI Fig. 9.5 Dass das Perigon des Hanfes, wie wir gesehen, sich nicht ge- nügend entwickelt, ist gewissermaassen begreiflich. Die Rolle, welche dieses Gebilde bei den windblüthigen Pflanzen spielt, ist auf das Schützen der Blüthe zu beschränken; bei dem Hanfe speciell wird diese Rolle in höchst vollkommener Weise von der Bractee besorgt, wesshalb das Perigon überflüssig ist. Vielleicht hindert ausserdem die Bractee, welche die Blüthe fest umschliesst, einfach mechanisch die Entwickelung des Perigons; das vordere Blatt erweist sich dabei frei- lich übertlüssiger und bei dem Wachsen mehr eingeengt, als das hintere Blatt, welches sich denn auch in manchen Fällen selbständig ent- 1) Durch das Vorhandensein oder das Fehlen des Perigons lässt sich, wie ich vermuthe, jener Unterschied in der Färbung zwischen den Früchten des ge- wöhnlichen Hanfes und einiger seiner Abarten erklären, auf die De Candolle hinweist; bei der Beschreibung von Cannabis sativa L, ß vulgaris sagt er: „semine flavo-griseo venis reticulatis pallidioribus maculis nigris nullis vel pauecia“, und bei der Charakteristik der Abart a Kif.: „semine minore quam in vulgari fulvescente venis reticulatis pallidioribus maculisque praeterea nigri- cantibus consperso* (De Candolle, 1. c. pag. 31). — Lässt sich der Umstand, dass die Mehrzahl der Autoren ein becherförmiges Perigon bei Cannabis be- schreiben und einige sogar auf seiner constanten Entwickelung bestehen, nicht darauf zurückführen, dass die Beobachter diejenigen Formen benützen, welche in den botanischen Gärten cultivirt werden und stets zur Hand sind? 209 wickelt. Bei dem Hopfen, wo die Bracteen nicht so eingerollt sind wie beim Hanfe, ist das Perigon stets vollkommen ausgebildet und erscheint bedeutend dicker als beim Hanfe. Wir kehren zur Entwiekelungsgeschichte der Blüthe von Cannabis zurück. Nachdem die. zwei Perigonanlagen entstanden, legt sich zu- weilen beinahe gleichzeitig mit der letzten der beiden an der Vorder- seite der Blüthe unter dem Axenscheitel selbst das erste Fruchtblatt an (Taf. VII Fig. 15, Taf. VIII Fig. 15). Es tritt genau in derselben Wulstform auf, wie das vegetative Blatt und entwickelt sich anfäng- lich ganz auf dieselbe Weise, wie dieses: es umfasst ebenso allmäh- lich die Mutteraxe und lässt deren Scheitel sich ein wenig gegen die Seite des Mitteltriebes hin neigen. Bald nach Erscheinen des ersten Fruchtblattes entsteht höher, auf der dorsalen Seite der Blüthenaxe unmittelbar unter ihrem Scheitel der Wulst des zweiten Fruchtblattes (Taf. VI Fig. 16, Taf. VIII Fig. 16), der mit seinen seitlichen Rän- dern bald die Seiten des ersten Fruchtblattes erreicht, welches in- zwischen bereits den grösseren Theil des Axenumkreises eingenommen hat. Der Ursprung der Fruchtblätter auf verschiedener Höhe, infolge des oben erklärten Wachsthumsmodus der Primordialblätter von Canna- bis, hindert nicht im Mindesten das Zusammenschliessen ihrer seit- lichen Ränder; aus der obenerwähnten Anordnung der Anlagen geht allein hervor, dass das untere Fruchtblatt einen bedeutend grösseren Theil des Achsenumkreises einnehmen muss, als das obere, was auch thatsächlich wahrzunehmen ist. Also treten die lateralen Seiten der Fruchtblätter zusammen, und der Scheitel der Blüthenaxe erscheint von einem ringförmigen Wulste umgeben, dessen Ränder, infolge des Wachsens der mittleren Theile der Fruchtblätter, auf der Vorder- und Hinterseite höher sind, wie es der Lage der beiden künftigen Griffel auch entspricht (Taf. VII Fig. 17, 18). Die Entwickelung des zweiten, oberen Fruchtblattes bedingt die uns schon bekannte Er- scheinung der Scheitelkrimmung der Mutteraxe (Taf. VIII Fig. 17). Wahrscheinlich infolge der um diese Zeit etwas zurückgebliebenen Entwickelung des Axenscheitels, der nach Entstehung der letzten Blattgebilde etwas spitzer und weniger massig wird, andererseits in- folge des rascheren und mächtigeren Wachsthums der Fruchtblätter, tritt die bezeichnete Axenkrümmung unter dem Einfluss des oberen, vertical emporwachsenden Fruchtblattes besonders scharf hervor. Die Fruchtblätter überholen bald im Wachsthum den geneigten Axenscheitel, und ihre oberen Theile, welche im Laufe der ferneren Entwiekelung zu Griffeln auszuwachsen haben, beginnen sich einander 210 zu nähern. Das Gebilde, welches wir vorher nicht umhin konnten als Axenscheitel anzuerkennen, müssen wir jetzt als den Nucellus der jungen Samenknospe ansehen; gerade um diese Zeit lässt sich darin bereits eine grössere, auf der Längenaxe liegende Subepider- malzelle bemerken (Taf. VIII Fig. 17), die etwas später, nachdem die Fruchtknotenhöhle sich schliesst und die Anlage des Integuments erscheint, eine kleine Tapetenzelle nach aussen abtheilt und zur Mutterzelle des Embryosackes wird. Unmittelbar nach der Anlage des inneren Integumentes der Samenknospe tritt eine Erscheinung auf, die wesentliche Veränderungen in der Anordnung der Theile des sich entwickelnden Pistils von Cannabis hervorruft: das die Fruchtblätter von einander theilende Internodium fängt an, intercalar zu wachsen. In dem Maasse, wie dieses Internodium sich streckt, wird jener Axentheil, wovon das obere Fruchtblatt entspringt, oder, was dasselbe ist, welcher die Basis des freien Axenscheitels oder des Nucellus repräsentirt, allmählich von der Ansatzstelle des unteren Fruchtblattes hinweg nach obenhin gerückt. Das sich verlängernde Internodium selbst bildet dabei offenbar die hintere Wand des Fruchtknotens. Nach dem inneren erhält die Samenknospe bald das äussere Integument und während ihre Basis allmählich bis an den Scheitel der Fruchtknotenhöhle verschoben wird, wächst sie fort- während, bis sie die ganze Höhle des geschlossenen Fruchtknotens füllt, von dessen Scheitel sie jetzt herab- hängt (Taf. VI Fig. 17—23). Die beigefügten schematischen Grundrisse, welche die gegenseitige Lage der Pistiltheile von Cannabis b vor und nach der beschriebenen Verlängerung des Inter- Schematische nodiums darstellen, werden vielleicht zum Verständniss Darstellung obiger Ausführungen beitragen; die axilen Gebilde der medianen ; sind dara Durchschnitte uf schraffiet, des Pistils: Die Entwicklungsgeschichte der weiblichen Blüthe ajunger,ber- von Cannabis weist also deutlich darauf hin, dass wachsener die durch den Axenscheitel gebildete Samenknospe die Pistil, Stellung einer von der Wand des Fruchtknotens herab- hängenden Samenknospe einnehmen kann, wobei weder das Blatt den Axenscheitel ablöst, noch der \ Vegetationsscheitel auf die Oberfläche des von der Axe producirten Blattes verschoben wird, d. h. ohne dass es dabei die Erscheinungen gebe, welche Celakovsky 211 mit Recht als „unerhört“ und unmöglich anerkennt, woraus er aber voreilig auf die Unmöglichkeit einer axilen Entstehung aller Samenknospen schliesst, welche an den Wänden des Fruchtknotens sitzen bezw. über seiner Basis emporgehoben sind. !) Die völlig entwickelte Samenknospe des Hanfes wird mit seiner breiten Basis an dem Scheitel des Fruchtknotens angehängt, der Ansatzstelle der Griffel gegenüber, nimmt aber auch eine Strecke tiefer ein und zwar beinahe ein Drittel der hinteren Wand des Frucht- knotens (Taf, VII Fig. 1), ist also etwas anders gestellt, als es von Payer und Baillon abgebildet wurde, welche Verfasser die Samen- knospe des Hanfes auf dem verhältnissmässig dünnen, von der Hinter- wand entspringenden Funiculus sitzend darstellen. Die Samenknospe ist gekrümmt?), ihr Kern sehr massig; das Vorderende des Embryosacks?) ist hier von der Oberfläche der Kern- spitze durch mehrere Zellenschichten getrennt; die inneren sind Produkte der Theilung der Tapetenzelle, die äusseren entstehen durch Vermehrung der Epidermis. Das Hinterende des Embryosacks stösst an eine charakteristische Gruppe verdickter Zellen, wie solche sich bei der Ulme und dem Hopfen beobachten lassen. ®) In den Fruchtknoten treten drei Gefässbündel (Taf. VIH Fig. 1). Einer derselben, der diekere, durchzieht die hintere, von der Axe gebildete Wand und erreicht die Basis der Samenknospe. In der- selben hinteren Wand zieht sich ein anderes dünneres Bündel sehr nahe dem ersteren, und zwar hinter ihm; dieses dünnere Bündel richtet sich zur Basis des hinteren Griffel. Ein ähnliches Bündel durchzieht die gegenüberliegende vordere Wand des Fruchtknotens und erreicht die Basis des vorderen Griffels. °) 1) Gelakovsk y, Ueb.d. morph. Bedeut. d. Samenknospen ; Flora 1874, p. 246, 2) Payer nennt die Samenknospe fälschlich anatrop. 3) Der Embryosack bildet sich bei dem Hanfe ebenso, wie bei dem Hopfen. Diesen Gegenstand will ich im nächsten Kapitel näher erörtern, das dieser Pflanze gewidmet ist, da bei derselben der Inhalt des Embryosacks in späteren Ent- wiekelungsstadien sich genauer ermitteln liess. Beim Hanfe habe ich genau die- selbe Vermehrung der Epidermis der Kernspitze der Samenknospe gesehen und eine ähnliche Theilung der Mutterzelle des Embryosacks, wie beim Hopfen. Die erstere Erscheinung wird von Briosi und Tognini weder beschrieben, noch auf ihren Zeichnungen dargestellt; sie sind der irrigen Meinung, dass die ganze Embryosacksmutterzelle ohne sieh zu theilen zum Embryosack wird, 4) Die Eigenthümlichkeiten des Baues der Integumente werden weiter unten in dem Kapitel erörtert, welches dem Verhalten des Pollenschlauchs gewidmet ist. 5) Dass dieses Bündel aus zwei nebeneinander liegenden Strängen besteht, von denen Briosi und Tognini sprechen, konnte ich nicht ermitteln. Die 212 Die Anordnung der Gefässbündel im Pistill des Hanfes entspricht also vollkommen der Vorstellung vom Bau derselben, die wir uns auf Grund des Entwickelungsganges gebildet haben: das die Samen- knospe erreichende Bündel müssen wir als zur Axe gehörig betrachten, das hinter ihm verlaufende aber als Bündel des Fruchtblatts, welches den hinteren Griffel produeirt; das die Vorderwand durchziehende Bündel gehört schliesslich zu dem vorderen Fruchtblatt, welches die vordere Wand wie auch die Seitenwände des Fruchtknotens bildet. Die Entwickelungsgeschichte der weiblichen Blüthe von Cannabis stimmt, insofern sie von mir verfolgt und hier dargestellt wurde, in vielem mit der bei Payer angeführten überein. Es bestätigen sich beinahe alle von diesem Gelehrten festgestellten Thatsachen; allein hier ist eine Berichtigung zu machen, nämlich die, dass sich das vor- dere Primordium des Perigons stets früher als das hintere anlegt, wie auch hinzuzufügen, dass die Blattgebilde in der ‚Blüthe über- haupt alterniren, was eine wesentliche Bedeutung für das Verständ- niss der bei der Entwickelung des Pistills von Cannabis stattfinden- den Vorgänge hat und eine exaetere Definition der Betheiligung der Axe an dessen Bildung ermöglicht. Die Erörterungen Payer’s über das letzte Thema kommen uns wenig begründet vor. Wie gesagt, ist Payer der Meinung, dass wenn die beiden Aushöhlungen an der Basis der entstandenen Fruchtblätter sich gleichmässig ent- wickeln würden, oder mit anderen Worten, ohne Payer’s bildliche Umschreibung zu gebrauchen, wenn die Fruchtblätter sich bezüglich des zwischen ihnen liegenden Axenscheitels symmetrisch entwickeln würden, so würde sich dieser Axenscheitel zur Scheidewand ausbilden, welche den Fruchtknoten in zwei Fächer theilen, und, wie dies bei Bündel, welche die Hinterwand des Fruchtknotens durchziehen, verschmelzen nicht, trotz der Angabe der erwähnten Gelehrten; die Zweige, welche vom hintersten Bündel entspringen sollen, habe ich ebenfalls nicht gesehen. Dem die Vorder- wand entlang gehenden Bündel aber gesellen sich später am Anfang der Frucht- bildung einige fiederartig disponirte Zweige zu. Es genügt, einen Blick auf die Nervatur der Wände einer reifen Frucht zu werfen, um die Vermuthung hervor- zurufen, dass der vordere und seitliche Theil des Perikarps von einem Blatiorgan gebildet sind; die hintere Kante aber ist ganz anderen Ursprungs. Gerade wie im Fruchtknoten des Hanfes verlaufen die Gefässbündel in dem Fruchtknoten der Hopfenarten (Taf. VII Fig. 2, 8). Lermer und Holzner demonstriren den Durchgang der Gefässbündel im Fruchtknoten von Humulus Lupulus genau so, wie er hier dargestellt ist. (Lermer und Iolzner, Beiträge zur Kenntniss des Hopfens; Zeitschrift für das gesammte Brauwesen xv, 1892) FI 213 Tremandra der Fall, eine Placente repräsentiren würde. In Wahr- heit aber bildet der Scheitel der Blüthenaxe, wie wir sahen, durchaus keine Placenta, sondern unmittelbar die einzige Samenknospe, und deshalb lässt es sich vermuthen, dass, wenn die Entwickelung auch, wie Payer will, vor sich ginge, wenn z. B. die Fruchtblätter streng opponirt entstünden, was die Krümmung des Axenscheitels und seine obenerwähnte Verschiebung nach oben beseitigen würde, so würde sich dennoch kein zweifächeriger, sondern einfächeriger Fruchtknoten ergeben, mit einer einzigen atropen grundständigen („terminalen“) Samenknospe. Einen derartigen Fall finden wir in der That und zwar bei einer Pflanze vor, welche dem Hanfe viel mehr als Tremandra verwandt ist, nämlich bei der Nessel. Die neulich von Herrn Jenkd in Prof, Nawaschin’s Laboratorium vorgenommene Untersuchung über die Blüthenentwickelung bei den Arten von Urtica zeigt, dass auch bei den Repräsentanten dieser Gattung nicht ein Fruchtblatt angelegt wird, wie man früher annahm, sondern zwei opponirte Fruchtblätter. ') Es dürfte hier nicht überflüssig sein, Folgendes in Erinnerung zu bringen. Die Existenz in der natürlichen Ordnung von Urticeen der Formen mit Grundsamenknospe und solcher mit mehr oder weniger aufgerichteter und sogar herabhängender Samenknospe, die blatt- bürtige Natur welcher letzteren für unzweifelhaft galt, wurde von den Verfechtern der herrschenden Ansicht über die morphologische Be- deutung der Placenten und Samenknospen als gewichtiger Beweis angeführt, dass auch die streng „terminalen“ Samenknospen aus den Fruchtblättern hervorgehen. ?) Die Verwandtschaft der Urticeenformen mitterminaler und hängender Samenknospe wird durch die Entwiekelungs- geschichte des Fruchtknotens unwiderleglich demonstrirt, indem sie sicher zum entgegengesetzten Resultat bezüglich der morphologischen Bedeutung der Samenknospe bei den Repräsentanten der erwähnten Ordnung führt. Die Angabe Baillon’s über die Existenz zweier Fächer im jüngeren Fruchtknoten von Cannabis erscheint, wie wir sehen, gänzlich falsch. Wahrscheinlich ist sie infolge einer falschen Auf- fassung der oben angeführten, nicht völlig begründeten theoretischen Erörterungen Payer’s entstanden. 1) Es erweist sich also, dass in der Stellung der Blattorgane der Blüthe von Cannabis und Urtica etwa derselbe Unterschied gelten muss, welcher in der Anordnung der vegetativen Blätter der beiden Pflanzen existirt. 2) 8. Eichler, Blüthendiagramme II, pag. 17. 214 Indem Celakovsky seine vorgefassten Anschauungen über die Entstehung der Samenknospe durchführt, erklärt er, wie wir sahen, recht sonderbar die in Wahrheit einfachen und bei der Entwickelung ganz klar und bestimmt ausgesprochenen Beziehungen der Theile des Pistills von Cannabis. Den Fruchtblättern, deren erste Entwickelungs- stadien eigentlich dasselbe wiederholen, was am Anfang der Ent- stehung des typischen vollen Perigons vorgeht, schreibt der genannte Gelehrte auch hier einen völlig eigenartigen Entwickelungsgang zu. Die Protuberanz, welche nach der Anlage des oberen F'ruchtblattes über demselben liegt (Taf. VI Fig. 16) und die allerdings als Axen- scheitel aufzufassen ist, hält er für einen Auswuchs an der Oberfläche des Segments des unteren Fruchtblattes. Nieht klar genug will uns Üelakovsky’s Verdrängen eines Fruchtblattes durch das andere erscheinen, wie auch das gegenseitige Verhältniss der Theile, zu dem der von ihm beschriebene Vorgang führen soll. Es ist z. B. ganz unbegreiflich, wie und woran endlich das hintere „gehemmte“ Frucht- blatt befestigt ist.!) Wir werden uns aber schon deshalb nicht länger bei Untersuchung der offenbar künstlichen und willkürlichen Deutungen Celakovsky’s aufhalten, weil er selbst erklärt, dass er in morphologischen Proble- men der relativen Lage der Organe und den Facta der Entwickelungs- geschichte, auf denen wir vielmehr unsere Ergebnisse hauptsächlich begründen, keine entscheidende Bedeutung beilegt. Nach Cela- kovsky’s Ansicht äussert sich bei der Entwiekelung der Blüthe nicht das wahre Verhältniss ihrer Theile: infolge einer tiefgreifenden Metamorphose sind dieselben bereits bei ihrem Erscheinen verändert. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Meinung des berühmten Morpho- logen für jene Fälle, wo es sich um complieirt gebaute Blüthen von höheren Repräsentanten der Angiospermen handelt, wirklich zutrifft; doch haben wir kaum das Recht, daraufhin gewisse vorborgene, ge- heimnissvolle Vorgänge und Beziehungen der Theile bei den viel ein- facheren Blüthen der niederen Repräsentanten der Abtheilung vor- auszusetzen, d. h. eben daselbst, wo die Entwickelung der Blüthen diejenige des vegetativen Triebes so deutlich wiederholt. Von Cela- kovsky’s Standpunkt aus erweist sich die Erklärung der Struktur eben dieser einfachsten Blüthen besonders beschwerlich; bei ihrer Entwiekelung hat er erst recht tiefgehende Veränderungen und starke 1) Wir wollen hier auch daran erinnern, dass das Eichler’sche Diagramm» welches offenbar unter dem Einfluss der vom Verfasser eben angenommenen Auf- fassung Celakovsky' s entstand, uns ebenso rathlos liess, 4” a 215 Verschiebungen zugelassen. In seiner Revision der Placenten deutet Celakovsky den Fruchtknoten der Repräsentanten von tief im System stehenden Familien auf Grund von Betrachtungen, die er an höher organisierten Familien vorgenommen. Von der Placen- tation bei den Piperaccen, Polygonaceen, Moraceen getraut er sich erst am Ende seiner Uebersicht zu sprechen, nachdem er sich mit einer ganzen Reihe von Kinräumungen ver- ‘sehen, die er beim Studium der übrigen Familien gemacht. Dies lässt sich nicht sowohl dadurch erklären, dass Celakovsky gewichtige Argumente zu Gunsten der Abstammung der niederen Dieotylen durch Reduction hätte, als vielmehr schlechtweg durch seine Tendenz, allen Angiospermen jene Placentationsform zu- zuschreiben, welche in Wirklichkeit einigen ihrer höheren Repräsen- tanten eigen ist, Nicht durch die Auffassung der niederen Dicotylen als vereinfachte Formen war Celakovsky’s Theorie entstanden; eher lässt sich voraussetzen, seine von mehreren Morphologen ange- nommenen Anschauungen über die Placentation haben dazu geführt, dass sich über die systematische Lage der Apetalen Ansichten ent- wickelten, die jetzt nicht bestätigt werden können. Was die Angaben Briosi’s und Tognini’s über die Entwicke- lung der Wände des Fruchtknotens und des Perigons bei den weib- lichen Blüthen von Cannabis betrifft, so lässt sich der Mangel an Uebereinstimmung zwischen diesen Angaben und den von Payer gewonnenen Thatsachen nieht durch die Fehler des letzteren Gelehrten erklären, wie die erwähnten italienischen Botaniker behaupten, son- dern dadurch, dass Briosi und Tognini offenbar jene früheren Entwiekelungsstadien der Organe nicht beobachtet haben, von denen Payer spricht und die er abbildet, indem sie ihre Ergebnisse auf dem Studium der verhältnissmässig entwickelten Zustände der Blüthen- theile gründen. Die Bekanntschaft mit den späteren Entwiekelungs- stadien lässt selbstverständlich nieht immer genau feststellen, wann und wo ein Organ entstanden. Es ist z. B. ganz richtig, dass bei Cannabis das Perigon zu einer gewissen Zeit in Gestalt eines bei- nahe regelrechten Wülstehens erscheinen kann, welches bedeutend schwächer entwickelt ist, als die Wände des Fruchtknotens; doch daraus geht freilich noch nicht hervor, dass das Perigon nach den Fruchtblättern und von vorneherein als vollkommener Ring ansetzt. Es wurde eben bereits auf die Unzulänglichkeit der Deutung hinge- wiesen, die Briosi und Tognini der Verschiebung der Samen- knospe bei Cannabis zu Theil werden lassen. Wir wollen dazu 216 noch bemerken, dass jene mechanische Einwirkung des Mitteltriebes auf die in der Entwickelung begriffene Blüthe, durch welche die ge- nannten Gelehrten diese Erscheinung zu erklären suchen und auf die sie sich hinsichtlich der Blüthenentwickelung mehrfach berufen, durch- aus nicht in allen Fällen in Betracht kommen kann. Die Spitze des Mitteltriebes bleibt, wie wir sahen, oft in ihrer Entwickelung hinter den Blüthen zurück, indem dieselbe während der Entwickelung der letzteren in Gestalt einer kleinen Protuberanz verharrt, welche das Blüthen- wachsthum freilich nicht beeinflussen kann. Wenn die Blüthenanlage etwas bedrängt erscheint, so ist es eher von der Gegenseite, nämlich von der der Bractee. Auch mit dem allgemeinen Ergebnisse Briosi’s und Tognini’s über die Unbestimmtheit der morphologischen Natur der Pistilltheile bei Cannabis können wir uns durchaus nicht ein- verstanden erklären. Uns fällt im Gegentheil die bedeutende Aehn- lichkeit der weiblichen Blüthe von Cannabis in ihren früheren Ent- wiekelungsstadien mit den in der Entwickelung begriffenen vegetativen Trieben in die Augen. Die Anlagen des Perigons und die Frucht- blätter entstehen und wachsen zunächst den vegetativen Blättern ganz ähnlich; diese Anlagen sind ja wechselständig, gleich den tieferen (den Vorblättern folgenden) Blättern jedes beliebigen Zweiges höherer Ordnung. Wenn wir uns ausserdem die verwachsenen Nebenblätter der Laubblätter des Hopfens ins Gedächtniss zurückrufen, so wird das paarweise Zusammenschliessen der Blattgebilde bei den Pflanzen der fraglichen Familie sich als eine nicht ausschliesslich der Blüthe eigene Erscheinung erweisen. Dank den angeführten Umständen scheint mir die morphologische Natur des Pistills bei Cannabis mit voller Sicherheit bestimmt werden zu können. Bestandtheile dieses Pistills werden sowohl von der Blüthenaxe wie auch von beiden Fruchtblättern gebildet; von den letzteren bildet das vordere, und zwar gemeinsam mit der Blüthen- axe, die Wand des Fruchtknotens; das andere Fruchtblatt aber erzeugt nur den hinteren Griffel; die Samenknospe endlich wird durch den Axenscheitel gebildet. Die relative Massigkeit dieser Samenknospe, der Ueberschuss an sterilem Gewebe, welches keine wesentliche Rolle in den dieses Organ betreffenden Processen spielt, wollen wir ebenso deuten, wie Nawaschin die ähnliche Eigenthümlichkeit der Samen- knospe bei der Birke erklärt, d. h. wir müssen darin eine nicht ganz vollendete Specialisirung, die nachgebliebenen Charakterzüge eines vegetativen Gliedes schen, dessen modifieirtes Produkt die Samen- knospe im gegebenen Falle ist. 217 Die oben hervorgehobene Aehnlichkeit des sich anlegenden Pistills von Cannabis mit dem fortwachsenden Scheitel des vege- tativen Triebes, der einfachste Typus der Placentation, den wir hier vorfinden, die Massigkeit der Samenknospe, all dieses, will mir scheinen, spricht zu Gunsten der primitiven Einfachheit der Struktur dieses Pistills, Il. Die weiblichen Blüthen und Inflorescenzen bei den Humulus-Arten. Die den weiblichen Blüthen von Cannabis sehr ähnlichen Blüthen der weiblichen Exemplare von Humulus Lupulus L. sind, wie dies nach oberflächlichem Blick zu sein scheint, zu kleinen Ballen versammelt, die an den Spitzen der Triebe sitzen und sich bei fernerer Entwickelung in die allgemein bekannten „Zapfen“ des Hopfens verwandeln. Auf den ersten Blick finden wir in der An- ordnung der weiblichen Blüthen bei dieser Pflanze nichts, was dem am Hanfe beobachteten gliche; bei einem aufmerksameren Studium der weiblichen Inflorescenzen von Humulus ist es aber nicht schwer, den allgemeinen Pian der Anordnung von den Blüthen beider Pflanzen zu erkennen, Zum ersten Male wurde die weibliche Inflorescenz des Hopfens von Wydler ausführlich beschrieben und in aligemeinen Zügen er- läutert, doch eine besonders vollständige und gründliche Aus- einandersetzung ihrer Struktur finden wir in der schönen Arbeit von Irmisch. ' Dem letzteren Verfasser folgend, müssen wir uns die Anordnung und das Wesen der uns interessirenden Inflorescenzen auf diese Weise vorstellen. Betrachten wir einen der stark entwickelten Haupttriebe von Humulus, so bemerken wir zunächst, dass derselbe, wie auch die von ihm ausgehenden Triebe höherer Ordnungen mit Inflores- cenzen abschliesst; wir nehmen ferner eine allmähliche Reduction der auf dem Haupttriebe sitzenden Blätter wahr, welche Erscheinung derjenigen vollständig gleicht, die wir bereits bei Cannabis be- obachteten: die Grösse der Blattspreiten und die Länge der Blatt- stiele nehmen, je näher der Inflorescenz, allmählich ab, während die Nebenblätter keine Reduction erleiden. Gleichzeitig mit dieser Ab- nahme geht eine Veränderung in der Disposition der Blätter vor sich: im oberen Theile des Tıiebes erscheinen sie meist nicht mehr 218 opponirt, sondern alternirend, und sind schon durch kürzere Inter- nodien getrennt. Der Verkleinerung und Vereinfachung der Blätter entsprechend, werden in der Richtung zur Spitze des Haupttriebs hin die sich in den -Blattachseln entwickelnden Gebilde redueirt: die unteren Blätter des Haupttriebs tragen in ihren Achseln ziemlich kräftig entwickelte Triebe zweiter Ordnung, welche fähig sind, noch einige Triebe dritter Ordnung zu produziren; die mittleren Blätter des Haupttriebs stützen schon schwächer entwickelte Triebe, welche, ohne Triebe dritter Ordnung zu geben, direct in Inflorescenzen aus- laufen oder in den Achseln ihrer Vorblätter nur kürzere Triebe mit Inflorescenzen tragen. Endlich erscheinen die axillären Gebilde der Blätter, welehe der den Haupttrieb abschliessenden Inflorescenz am nächsten stehen, durchaus unvollständig entwickelt. An den Trieben höherer Ordnungen tragen die Modifieationen der Blätter und der axillären Gebilde denselben ‚, Charakter, wie an dem betrachteten Haupttriebe, freilich nur in geringerem Maasse. Ist uns einmal die erwähnte Tendenz in der Blattentwickelung der weiblichen Exemplare von Humulus bekannt geworden, dass die Blätter bei ihrer Annäherung an den Axenscheitel mit einander alterniren, dass dieselben mehr aneinanderrücken, dass sie ihre Theile, die Nebenblätter ausgenommen, redueiren und in ihren Achseln immer kürzere Triebe entwickeln, so fällt es uns nicht schwer, auch die Bildung der Inflorescenz selber uns vorzustellen. Dieselbe bietet die Axenspitze dar, von engstehenden, dachziegelartig übereinandergelegten Blättern bedeckt, welche fast stets?) alternirend, in zwei Längsreihen angeordnet sind. Die Blattspreiten entwiekeln sich dabei nicht voll- ständig und erscheinen als kaum wahrnehmbare Anlagen; die Neben- blätter sind hingegen sogar etwas vergrössert und nach dem Ab- blühen der Inflorescenz zum Fortwachsen fähig. Die Triebe in den Achseln dieser zu Nebenblätterpaaren reducirten Blätter sind völlig verkürzt, embryonal: jeder von ihnen produeirt bloss ein Paar Vor- blätter, in deren Achseln die Blüthen entstehen, um sich nieht weiter zu entwickeln, Wie eben erwähnt, nehmen also die Blüthen bei Humulus gerade dieselbe Stellung wie die Blüthen von Cannabis ein; die Vorblätter, in deren Achseln sie entstehen, erscheinen bei Humulus 1) Die unteren Blätter in der Inflorescenz bleiben zuweilen noch opponirt; es sind auch abweichende Arten von Inflorescenzen mit vier Blattreihen beobachtet worden: die Blätter nelimen in solchen Fällen eine decussirte Stellung ein. N —- 219 auch als Bracteen, indem sie bei ihm nur eine etwas andere Form als bei Cannabis einnehmen. Jedoch, während bei der letzteren Pflanze in den Vorblattachseln des Mitteltriebs sich nur je eine Blüthe entwickelt, so dass wir stets bloss zwei Blüthen in dem Winkel des den Trieb stützenden Blattes finden, bleibt es beim gewöhnlichen Hopfen fast nie dabei, sondern es gesellen sich zu den beiden Blüthen, welche denjenigen von Cannabis entsprechen, noch zwei andere hinzu. Diese secundären Blüthen sind etwas jünger als die primären, sitzen zwischen ihnen und entwickeln sich in den Achseln der Vor- blätter, welche je eins auf den Stielen der primären Blüthen auf- treten. Auf diese Weise finden wir bei Humulus im Winkel des den verkürzten Mitteltrieb bedeckenden Blattes meist eine Gruppe aus vier Blüthen vor (Taf. VI Fig. 10). Wenn wir die Axe der ganzen Inflorescenz als Axe erster Ordnung anerkennen, so erscheint der verkürzte Trieb in der Achsel der zwei Nebenblätter als Axe zweiter Ordnung, die primären Blüthen werden durch Axen dritter und die secundären durch Axen vierter Ordnung gebildet. Die Vorblätter der Axen dritter Ordnung dienen den secundären Blüthen als ebensolche Bracteen, wie die Vorblätter des unentwickelten Triebes der primären Blüthen. Es versteht sich, dass sich die secun- dären Blüthen ihrer Stellung nach zu den primären ebenso beziehen müssen, wie diese letzteren sich zur unvollkommen entwickelten Axe zweiter Ordnung beziehen. Zuweilen, wenn auch höchst selten, ent- wickelt sich an die Stielen von secundären Blüthen noch je eine Blüthe (der Axe fünfter Ordnung), von denen jede dann zwischen einer primären und einer secundären Blüthe sitzt. Bei dem Untersuchen einer vollkommen entwickelten Inflorescenz von Humulus tritt ihr oben geschilderter Aufbau deshalb haupt- sächlich nicht klar genug hervor, weil die Bracteen hier gleich- sam wie auf die betreffenden Blüthenstiele verschoben erscheinen, d. h. auf diejenigen Axen, welche wir mit Irmisch für die in den Achseln jener „Braeteen“ entstandenen Triebe anerkannt haben.?) Irmisch beweist die Richtigkeit der von ihm demonstrirten Be- ziehung der Blüthe zu ihrer Bractee und die Existenz der secun- dären Verschiebungen dadurch, dass in denjenigen Fällen, wo sich 1) Ebensolche Verschiebung der Vorblätter auf die Axen ihrer eigenen axillären Bildungen wird auch in den Fällen beobachtet, wenn die letzteren sich zu wirklichen, Blüthenstünde tragenden Trieben entwickeln, wie auch bei männ- lichen Pflanzen, wo diese Bildungen als vielblüthige Dichasien auftreten. 220 die secundären Blüthen nicht entwickeln, die dabei dennoch zu beobachtenden Bracteen normale Lage auf den Stielen der primären Blüthen bewahren. Der Unterschied in der Anordnung der weiblichen Blüthen bei Cannabis und Humulus kann, wie wir sehen, auf Folgendes zu- rückgeführt werden. Während wir beim Hanfe die Blüthen in den Achseln der Vorblätter von den Trieben finden, welchen eine mehr oder minder kräftige vegetative Entwiekelung zu Theil wird, und welche Blätter und Triebe höherer Ordnungen mit neuen Blüthen zu tragen fähig sind, finden wir beim Hopfen, falls ein Trieb sich vege- tativ entwickelt, in den Winkeln seiner Vorblätter, in normalen Fällen, keine Blüthen vor: entweder bemerken wir in denselben gar keine axillären Bildungen oder treten hier die die Inflorescenzen tragenden Zweige auf; beim Hopfen entstehen die Blüthen nur in den Achseln der Vorblätter derjenigen Zweige, welche in den Winkeln der aller- obersten Blätter des Triebes sitzen und stets embryonal bleiben. Eine andere wesentliche Eigenthümlichkeit der weiblichen Inflorescenzen des Hopfens besteht darin, dass statt der einzelnen Blüthen des Hanfes an den betreffenden Stellen sich zwei- bis dreiblüthige Monochasien (der Wickel, Cineinnus) ausbilden. Vermittelst einiger anomal entwickelter Formen seiner Inflorescenzen nähert sich anscheinlich der Hopfen dem Hanfe; es wurden 2. B. Fälle beobachtet, wo die gewöhnlich völlig reducirten Blaitspreiten der Deckblätter einer Inflorescenz eine nam- hafte Entwickelung hatten; es geschah auch, dass man rudimentäre Blüthen in den Vorblätterachseln der vegetativen Triebe fand; Blüthen- paare, statt Doppelpaaren, können zuweilen in den Winkeln der Deck- blätter, in dem unteren Theile eines normal entwickelten Zapfens angetroffen werden. Wydler’s Ansicht über den Aufbau der weiblichen Inflorescenz von Humulus unterscheidet sich insofern wesentlich von der er- wähnten Ansicht Irmisch’s, als er annimmt, der verkürzte Trieb in dem Winkel des Nebenblattpaares muss mit der Blüthe ab- geschlossen werden, welche sich thatsächlich nicht entwickelt, und als er die Achselgruppe aus vier Blüthen als Dichasium mit unent- wickelter Mittelblüthe betrachtet. Irmisch’s Deutung der weiblichen Inflorescenz von Humulus wird ohne wesentliche Veränderungen in Eichler’s „Blüthen- diagrammen“ angeführt. In seiner Uebersicht der Familie Moraceae, zu der er die Cannabineae als Unterfamilie rechnet, sagt Engler, indem er 221 sich offenbar an die W ydler’schen Anschauungen hält, dass in den weiblichen Inflorescenzen von Humulus sich „2—4blüthige Doppel- wickel ohne Bl. 1. Grades“ befinden. Baillon betrachtet in seiner „Histoire des plantes* die uns interessirende Inflorescenz überhaupt nicht. Soweit man nach ihrer Darstellung urtheilen kann, haben Wydler und Irmisch nur be- reits ausgewachsene Inflorescenzen von Humulus’studirt, ohne für ihre Folgerungen die Thatsachen der Entwickelungsgeschichte herbeizu- ziehen. Die Entwiekelung der Zapfen und Blüthen von Humulus wurde zum ersten Male nicht gar so lange her von Lermer und Holzner verfolgt. Obgleich diese Gelehrten die von ihnen unter- ' suchte Inflorescenz in Uebereinstimmung mit Wydler im Ganzen dar- stellen!), so bestätigen die in ihrer Arbeit angeführten entwickelungs- geschichtlichen Thatsachen, wie wir gleich sehen werden, lange nicht die früher geäusserten Ansichten über die Natur der weiblichen Inflorescenz von Humulus. Wir eitiren die Beschreibung der Haupt- momente in der Entwiekelungsgeschichte der Inflorescenz und der Blüthe von Humulus in der Form, wie sie die erwähnten Botaniker geben, Die Anlage der seitlichen Bildungen an der Axe der Inflorescenz schildern sie wie folgt:?) „Es werden nämlich unterhalb des fortwachsenden Scheitels nicht zuerst Blätter hervorgebracht, in deren Achseln neue Vegetations- kegel entstehen, sondern es erscheinen zuerst einfache Hügel, die als Thallome zu betrachten sind. Diese spalten sich hierauf in eine An- lage zu Blättern und Blüthenachsen. Die Anlage zu Blüthenachsen (Caulom) ist anfangs ein nahezu halbkreisförmiger, etwas verbreiterter Zellenkörper. In kurzer Zeit erhält derselbe meist fünf, selten drei oder sieben Hervorragungen am Umfange. Von diesen ist die mittlere der jugendliche Priman- zweig des Achrehens, welcher in der Regel unentwickelt bleibt, die übrigen sind Anfänge von Blüthenachsen. Anscheinend gehören diese der gleichen Ordnung an, aber die Entwickelungsfolge, sowie die Stellung, welche die ausgebildeten Blüthenachsen häufig zu einander ln 1) Die Gruppe aus vier Blüthen („Aehrehen“ nach ihrer Terminologie) halten Lermer und Holzner für ein Dichasium. 2) Lermer und Holzner, Beiträge zur Kenntniss des Hopfens. Separat- Abdruck aus der Zeitschrift für das gesammte Brauwesen. XV. 1892, p. 1 und weiter. Flora 1898, 15 222 haben, beweisen, dass der Primanzweig in Bezug auf die Sprossfolge des ganzen Zapfens als Achse zweiter Ordnung, die seitlichen Blüthen des Aehrehens als Achsen dritter Ordnung und die mittleren Blüthen als Achsen vierter Ordnung zu betrachten sind. Am Grunde der seitlichen primordialen Blüthenachsen zeigen sich sehr bald die Anlagen der Blätter, welche später die einzelnen Blüthen scheidenförmig umgeben. Kurze Zeit nachher erscheinen solche Anfänge auch am Grunde der mittleren Blüthen. Diese scheiden- förmigen Schuppen sind somit nicht Blätter, in deren Achseln die Blüthenknospen entstehen, sondern es sind zuerst die Blüthenachsen gebildet worden und die Blätter entstehen später. Aus diesem Grunde können sie nicht als Trag- oder Stützblätter betrachtet werden, sondern sind sie Vorblätter. Kurz nachdem diese Vorblätter deutliche Gestalt angenommen haben, erscheint am Grunde jeder Blüthenachse oberhalb jener Vor- blätter und zwar auf Vorder- oder Unterseite, also den Vorblättern zugekehrt, ein Wulst, welcher sich auch auf die entgegengesetzte (obere) Seite ausbreitet und somit die Blüthenachse vollständig um- gibt. Dieser Wulst ist der Anfang der Blüthenhülle (Perigonium), welche somit von einem einzigen, nach der Aussenseite der Blüthe hin liegenden Blättchen gebildet wird. Beinahe gleichzeitig erscheinen an der Spitze der Blüthenachse zwei seitliche Erhebungen. Das Wachsthum der einen derselben ist anfangs etwas stärker als dasjenige der anderen. Diese beiden Aus- wüchse erhalten zunächst eine scheidenartige Form. Indem deren untere Theile mit einander verwachsen, wird der Fruchtknoten (Ovarium) gebildet; die Spitzen desselben verlängern sich zu den Narben. In jeder Blüthe ist nur eine einzige Samenknospe vorhanden. Sie erhebt sich aus dem Grunde des Fruchtknotens, ein wenig dem Theile genähert, auf welchem die Narbe st’ (die hintere) sitzt. Es lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, ob die Initialzellen der Samenknospe dem Scheitel der Blüthenachse oder dem Frucht- blatte angehören. Nach vielfachen Beobachtungen haben wir uns für die letztere Ansicht entschieden.“ Ferner äussern Lermer und Holzner in dem zweiten Theile ihrer Arbeit ihre Ansicht über den Ursprung der Samenknospe bei Humulus mit grösserer Sicherheit und Bestimmtheit:!) 1) L. c. 2, Theil, p. 1. 223 „Zwischen ihnen (Fruchtblättern), und zwar auf der Basis des- jenigen Fruchtblattes, welches der Falte des Vorblattes näher liegt, bildet sich eine halbkugelige Erhöhung, die entstehende Samenknospe. Das Wachsthum der Fruchtblätter ist ein allseitiges, d.h. diese vergrössern sich nicht nur durch Wachsthum an der Spitze, sondern es wächst auch der untere Theil derselben durch Vermehrung und Vergrösserung der Zellen. Hierdurch wird der Samenträger empor- gehoben, so dass die Knospe bald eine horizontale Lage erhält und schliesslich hängend (pendulum) wird.“ In den angeführten Citaten wird unsere Aufmerksamkeit vor Allem auf den Umstand gelenkt, dass, nach Lermer’s und Holzner’s Beobachtungen, die Bracteen bei Humulus nicht auf denjenigen Axen ansetzen, deren Triebe die betreffenden Blüthen darstellen, sondern auf den Axen der Blüthen selbst; deshalb können jene Blatt- gebilde nieht als die Blätter, in deren Achseln sich die Blüthen ent- wiekeln, sondern als die Vorblätter der betreffenden Blüthen selbst gelten. Diese Angabe ist jedenfalls von grosser Bedeutung: falls die Bracteen nicht Stützblätter der Triebe verschiedener Ordnungen jenes Systems sind, welches eine Gruppe von vier, resp. sechs Blüthen von Humulus darstellt, so haben wir in der Anordnung dieser Bracteen nicht mehr jene Anhaltspunkte für die Erklärung der Verzweigung dieses Systems, welche die älteren Morphologen anführten, die, wie Lermer und Holzner beweisen wollen, den Braeteen von Humulus eine ganz falsche Bedeutung beimessen. Wenn wir uns noch vergegen- wärtigen, dass den Beobachtungen der genannten Forscher zufolge die Blüthenaxen gleichzeitig ansetzen sollen und in frühen Entwickelungs- stufen Axen der gleichen Ordnung zu sein scheinen, so kommen wir unwillkürlich zu dem Schlusse, dass die Entwickelungsgeschichte nicht nur keine neuen Thatsachen für die Aufstellung des von den alten Morphologen gegebenen Schemas der weiblichen Inflorescenz von Humulus bietet, sondern vielmehr dessen Richtigkeit in Zweifel setzen kann. Die erwähnte Discordanz zwischen den von Lermer und Holzner angeführten Facta und den eingebürgerten Ansichten über die Natur der uns interessirenden Infloreseenz, wie auch manche Widersprüche mit den bei der Entwickelung der Blüthe von Cannabis zu beobachtenden Thatsachen, dies alles veranlasste mich, noch einmal die Entwickelungsgeschichte der weiblichen Inflorescenz von Humulus zu verfolgen, zu deren Darstellung wir nunmehr übergehen. Wenn wir die weibliche Inflorescenz von Humulus in einem 15* 224 sehr frühen Entwickelungsstadium betrachten, so sehen wir unter ihrem emporwachsenden Axenscheitel einige alternirende, zweizeilig gestellte junge Blätter, in deren Winkeln die Anlagen axillärer Triebe schon bemerkbar sind (Taf. VH Fig. 19, 20). Die Anlagen der Deck- blätter selbst, wie der axillären Bildungen, erinnern sehr an die ent- sprechenden Anlagen bei Cannabis; bei Humulus sind sie in- dessen etwas grösser, ihre Lage gedrängter und der Unterschied im Alter der benachbarten gleichnamigen Anlagen ist hier weit geringer als bei Cannabis (ef. Taf. VII Fig. 13 u. 12). Das Deckblatt erscheint in Form eines Wülstehens, genau wie bei Cannabis; in der Entstehung des axillären Triebs gibt es bei Humulus eine gewisse Eigenthüm- lichkeit im Vergleich damit, was wir bei der verwandten Pflanze sahen. Bei Cannabis erscheint der Wulst erst in der Achsel ziem- lich entwickelter Deckblattanlagen, während bei Humulus die Anlage des axillären Wulstes unmittelbar dem Erscheinen des Deeckblatt- wulstes folgt. Ausserdem stellt bei Cannabis dieser Wulst augen- scheinlich nur eine Protuberanz der Axe dar, welche unmittelbar über dem Deckblatt liegt; bei Humulus ist dieser Wulst dagegen mit dem Mutterblatte eng verschmolzen, gleichsam wie auf dessen Basis hin bedeutend verschoben?) (Taf. VII Fig. 19). Die zeitige Entstehung der Haupttriebe in der Infloresceenz von Humulus, im Vergleich mit der entsprechenden Erscheinung bei Cannabis, gibt sich auch in den späteren Entwickelungsstadien kund: die gleichalterigen Deck- blätter bei Humulus und Cannabis stützen bei der ersteren Pflanze stets viel entwickeltere axilläre Gebilde, als bei der letzteren. So ist 2. B. auf Abbildung 19 Taf. VII, welche den Scheitel einer jungen Inflorescenz von Humulus darstellt, das vorletzte Blatt rechts be- deutend jünger als das Blatt, welches rechts am Triebe von Can- nabis sitzt (Taf. VII Fig. 12); der Wulst im Blattwinkel ist jedoch im ersten Falle weit mehr entwickelt als im zweiten. Warming, der das Verhältniss der Blätter zu ihren axillären Trieben eingehend studirte, hat bekanntlich festgestellt, dass die Knospen in den vegetativen Pflanzentheilen viel später ansetzen, als ihre Mutterblätter; in den Inflorescenzen aber ist, allgemein gesprochen, ein solches Verspäten nicht zu bemerken: die Knospen erscheinen hier entweder bald nach dem Erscheinen der Mutterblätter, welche 1) Wir haben es hier also nicht mit der Spaltung einer Anlage zu thun, wie T 3 " i ; i i ‚ermer und Holzner es sich vorstellen, sondern mit zwei rasch nacheinander entstehenden Anlagen. 225 in diesem Falle mehr oder minder reducirt erscheinen, oder gleich- zeitig mit ihnen, zuweilen selbst auch etwas früher. Der erwähnte Unterschied in der Bildungsfrist der axillären Triebe bei Humulus und Cannabis muss infolge dieser Hindeutungen mit dem Umstand in Zusammenhang gebracht werden, dass bei Humulus die Triebe, von deren Entstehung die Rede ist, wie auch ihre Mutterblätter ihren vegetativen Charakter viel mehr verlieren, als es bei Cannabis der Fall ist. Die Entwickelung der Blätter, welche an der Axe der Inflores- cenz von Humulus entspringen, geht anfangs genau ebenso vor sich, wie die Entwiekelung der Blätter der blüthentragenden Triebe von Cannabis: an ihren Anlagen differenziren sich auf dieselbe Weise drei Lappen, von denen die äusseren, welche die Nebenblätter produziren, sich viel schneller entwickeln als der mittlere, welcher der Blattspreite entspricht. (Taf. VII Fig. 20, ef. Fig. 5.) Während bei Cannabis aber die Blattspreite, wenn auch bedeutend zurück- bleibend, so doch in der Entwickelung fortschreitet. und im fertigen Blatte immer deutlich wahrnehmbar ist, hört dieselbe bei Humulus in einem noch sehr frühen Entwickelungsstadium gänzlich zu wachsen auf, so dass das ausgewachsene Blatt bloss in Gestalt zweier Neben- blätter erscheint (Taf. VI Fig. 11). Dass die Nebenblätter sich früh entwickeln und als Organe dienen, die den jungen Scheitel des Stengels schützen, kann als allgemeine Erscheinung gelten. Es ist schr begreiflich, dass in mehreren Fällen, wo die Rolle des ausgewachsenen Blattes sich auf den Schutz der von ihm bedeckten Organe beschränkt, gerade diejenigen Theile vorwiegen müssen oder sich selbst ausschliesslich entwiekeln, welche die erwähnte Rolle von vornherein übernehmen. Die charakteristische Entwiekelung, welche den Hochblättern in der weiblichen Inflorescenz von Humulus zu Theil wird, ist keine übermässig seltene Erscheinung; genau ebenso entwickeln sich, als ebensolehe Nebenblattpaare, z. B. die Nieder- blätter, welche als Schuppen die Knospen einiger von unseren Bäunen, z. B. der Eiche, schützen. Der Kurztrieb in der Achsel des Blattes, dessen Entwiekelung wir eben verfolgt haben, setzt, wie gesagt, in Gestalt eines Waulstes an (Taf. VII Fig. 19, 20): von hinten, d. h. von der Axe aus gesehen, tritt dieser Wulst als ein eonvexes Hügelehen hervor (Taf. VII Fig. 21), dessen Seitenränder sich bald emporheben und abrunden (Taf. VAL Fig. 22); alsdann erscheint in seiner Mitte ein llöckerehen, welches den Scheitel des Triebes repräsentirt, indem rechts und links von 226 diesem Scheitel sich noch eine Hervorwölbung zeigt (Taf. VII Fig. 23); auf diese Weise ergibt sich ein fünflappiger Körper, wie wir solchen bei der Entwickelung des axillären Wulstes bei Cannabis gesehen haben (ef. Taf. VII Fig. 24 und 9). Die fernere Entwickelung zeigt, dass sowohl dort wie hier die tieferliegenden Protuberanzen die An- lagen der Vorblätter des Triebes sind, während die Wölbungen, welche zwischen ihnen und dem Scheitel des Triebes erschienen, die Axen repräsentiren, die in den Achseln dieser Vorblätter entsprungen sind. Auf ähnliche Weise wie die Deekblattspreite, welche bei Cannabis in ihrer Entwiekelung zurückbleibt, bei Humulus völlig im Embryo- nalzustand verharrt, kommt der Scheitel des Kurztriebes, welcher bei Cannabis nur sehr langsam wächst, bei Humulus überhaupt nicht zur Entwickelung. Dagegen entwickeln sich die Höcker (rs) in den Achseln der Vorblätter (b2), des Triebes bei Humulus besonders stark (Taf. VU Fig. 24). Sie werden bald breiter und an ihren Seiten, welche theils dem den ganzen Wulst bedeckenden Blatte, theils dem Scheitel des axillären Triebes zugekehrt sind, kann man jetzt je eine kleine Protuberanz wahrnehmen (bra, Taf. VII Fig. 25); darauf erscheint zwischen ihnen und den Scheiteln der ursprünglichen Höcker (flı) noch je ein Höckerchen (fla Taf. VII Fig. 26). Wenn wir nun die auf diese Art entstandene Gruppe von Anlagen mit dem folgenden Entwickelungsstadium vergleichen (Taf. VII Fig. 27), so erkennen wir darin leicht die Anlagen der vier Blüthen sammt ihren Bracteen. Die Reihenfolge, in der all diese Theile auftreten, und die ur- sprüngliche Anordnung ihrer Anlagen entspricht vollkommen den Ver- hältnissen, die Irmisch vermuthet hatte.?) In der That, das auf Abbildung 26 Taf. VII dargestellte Stadium bietet gleichsam wie ein nach den Angaben dieses Verfassers construirtes Schema. Jede Blüthen- aze, indem sie fast gleichzeitig mit der sie stützenden Bractee ansetzt, erscheint hier ebenso wie bei Cannabis auf einer gemeinsamen Basis mit der Bractee sitzend. Bei Humulus verlängert sich diese Basis etwas bei fernerer Entwiekelung nnd bildet einen gemeinsamen Stiel der Blüthe und der Bractee (Taf. VII Fig. 31), wodurch sich die scheinbare Verschiebung der Bractee auf die Blüthenaxe erklären ässt. 1) Es sei hier allein bemerkt, dass die Vorblätter der primären Blüthen und die in ihren Achseln entstehenden secundären Blüthen, wahrscheinlich infolge topographischer Verhältnisse, nicht eben laterale Lage einnehmen, sondern be- deutend nach der dorsalen Seite ihrer Mutteraxen hin verschoben sind; Monocha- sium der Inflorescenz von Humulus bietet deshalb keinen typischen Cireinnus, 227 Bei Humulus umhüllt die Braetee die Blüthe nicht, wie es bei Cannabis der Fall ist; der eine Rand allein und zwar derjenige, welcher ursprünglich dem deckenden Nebenblatt zugekehrt ist, umfasst theilweise die Blüthe, während der übrige Theil der Braetee sich in Gestalt eines beinahe platten Flügels entwickelt (Taf. VII Fig. 31; Taf. VI Fig. 10, 13). Mit der Entwickelung der Frucht breiten sich die Bracteen bei dem Hopfen aus und werden membran- bis haut- artig. Der eben erwähnte Unterschied in Form und Consistenz der Bracteen bei den beiden uns interessirenden Pflanzen hängt gewiss von ihrer verschiedenen Bestimmung ab: während bei Cannabis dieselben bloss die Blüthen schützen, bilden sie bei Humulus einen Flugapparat, welcher zur Verbreitung der verhältnissmässig kleinen und leichten Früchte dienen kann. Die erörterten Thatsachen über die Entstehung der Blüthengruppe bei Humulus stimmen, wie wir sehen, mit denjenigen, welche Lermer und Holzner in ihrer Arbeit schildern, keineswegs überein. Es ist nicht schwer zu ermitteln, wo die Ursache dieser Ab- weichung liegt. Die genannten Forscher behaupten, dass auf dem axillären Wulste kurz nach seiner Entstehung fünf Emergenzen er- scheinen, was meine Beobachtungen nur bestätigen können. Allein, während es aus der ferneren Entwickelung erhellt (die ganze Reihe der auf Tafel VII Fig. 24—27 dargestellten auf einander folgen- den Stadien demonstrirt es deutlich genug), dass die unteren Höcker den Anlagen der Bracteen der beiden primären Blüthen entsprechen, werden sie von Lermer und Holzner auf der Abbildung als Axen von diesen Blüthen bezeichnet und in diesem Sinne beschrieben; die höher sitzenden Höcker hingegen, welehe die Axen der primären Blüthen wirklich repräsentiren, werden für Axen der secundären Mittelblüthen gehalten. Daraus stammt aber die irrige Angabe, dass die Axen der primären und seeundären Blüthen gleichzeitig entstehen sollen. Beinahe gleichzeitig werden hier freilich die Axen der primären Blüthen sammt ihren Bracteen angelegt und erst darauf folgen die se- eundären Blüthen. Nachdem ferner Lermer und Holzner je eine Bractee an der Basis der Blüthenaxen bei weiterer Entwickelung der Inflorescenzen beobachtet haben, machen sie consequent den zweiten Fehlschluss, dass die Braeteen später als die Blüthenaxen angelegt werden und demnach zu diesen Axen gehören.!) 1) Die Irrigkeit der Deutungen, welche Lermer und Holzner ihren Ab- bildungen zu Theil werden lassen, kann direct aus dem Vergleich dieser Ab- 228 So haben wir denn genügenden Grund um anzuerkennen, dass die von Lermer und Holzner angeführten entwickelungsgeschichtlichen Thatsachen, welche den eingebürgerten Ansichten über den Bau der uns interessirenden Inflorescenz widersprechen, auf einem Irrthum in der Beobachtung beruhen, und dass die Entwickelungsgeschichte vielmehr die Richtigkeit der von uns oben der Irmisch’s Arbeit entlehnten Ansicht über die morphologische Bedeutung der Bracteen bei Humulus, wie überhaupt über die Natur der weiblichen Inflo- rescenz dieser Pflanze thatsächlich vollkommen bestätigt. Es erübrigt noch, die Abweichung der Auffassungen dieses Ver- fassers und seines Zeitgenossen Wydler zu untersuchen, um manche Ungenauigkeiten der W ydler’schen Erklärung der uns interessirenden Inflorescenz hervorzuheben. Dies scheint uns umsomehr nothwendig, als die modernen Verfasser, wie wir sahen, die Wydler’sche Deutung wieder- holen — vielleicht auch nicht aus dem Grunde, dass sie gerade der An- sicht dieses Gelehrten den Vorzug geben, sondern weil sie keine wesent- liche Abweichung der Meinungen der beiden Gelehrten erkennen. Ich gestatte mir an dieser Stelle einige elementare organogra- phische Bemerkungen. Stellen wir uns eine Axe vor, die zwei Blatt- gebilde trägt und mit einer Blüthe abschliesst. Nehmen wir zu- nächst an, dass in den Achseln der Blattgebilde sich zwei Triebe entwickelt haben, welche ebenfalls je mit einer Blüthe endigen; wir erhalten dadurch eine bestimmte oder cymöse Inflorescenz, Dichasium genannt. Lassen wir ferner zu, dass die Mittelblüthe des Diehasiums sich aus irgend welchen Gründen nicht entwickelt; dies hindert uns nicht, diese Inflorescenz nach ihrem Typus als Dichasium zu betrachten. Stellen wir uns nun einen anderen Fall vor: die Axe trägt in den Winkeln ihrer zwei unteren Blätter je einen mit einer Blüthe ge- krönten Trieb, produzirt aber weiter in ihrem oberen Theile noch Blätter und schliesst sich selbst mit keiner Blüthe ab 1), das ist offen- bildungen ersehen werden, In Taf. VII Fig. 7 ihrer Arbeit werden vier angeblich bereits differenzirte Blüthenaxen dargestellt, die noch keine Anlagen der Bracteen begleiten. In Fig. 8 derselben Tafel haben wir das folgende Stadium: hier sieht man die schon bedeutend entwickelten Bracteen der seitlichen Blüthen, während die Blüthenaxen selbst, ohne sich fortentwickelt zu haben, vielmehr wieder mit einander verschmolzen zu sein scheinen. Offenbar eutspricht Fig. 7 unserer Ab- bildung 24 Taf. VI, und die Höckerchen, die darauf als Anlagen der lateralen Blüthen bezeichnet werden, sind thatsächlich die Anlagen der betreffenden Bracteen. t) Gerade einen solchen Fall bieten die Triebe der weiblichen Exemplare . r H H ”. vonCannabis und die Blüthensprosse der männlichen Pflanzen beider Gattungen von der Fam. Cannabineae. 229 bar kein Dichasium mehr, überhaupt gar keine eymöse Inflorescenz. Wenn aber in diesem Falle die Axe, nachdem sie die beiden ersten Blätter und die Triebe in den Winkeln derselben hervorgebracht, sich nicht fortentwickelt, so haben wir ein Verzweigungssystem, welches äusserlich einem Dichasium, dem die Mittelblüthe fehlt, voll- kommen gleicht, was freilich den wesentlieben morphologischen Unter- schied zwischen den beiden Systemen nicht im Mindesten vermindert. Die vierblüthige Gruppe beiHumulus gehört ohne Zweifel zum letzten der betrachteten Fälle. Der verkürzte Trieb, dessen Scheitel in Form einer kleinen Wölbung zwischen den Mittelblüthen zu finden ist (Taf. VI Fig. 10, Taf. VII Fig. 31), im Falle, dass er sich fortzu- entwickeln hätte, würde mit der Blüthe nie abgeschlossen werden. Dies erhellt vollkommen aus der Untersuchung der entsprechenden Triebe bei Cannabis und der männlichen Exemplare von Humulus. Darauf weisen auch die beobachteten anomalen Fälle hin, wo der gewöhnliche Kurztrieb sich in der That entwickelte; er bildet dann ein seitliches Zäpfehen, das, wie sämmtliche Zapfen von Humulus, mit keiner Blüthe endigt. In der Familie Cannabineae, sowohl bei männlichen, wie bei weiblichen Pflanzen, sind überhaupt nur diejenigen Axen mit Blüthen gekrönt, welche in den Achseln der Vorblätter entstehen; die von Wydler und Engler in der Inflorescenz von Humulus willkürlich addirte endständige Blüthe mag als einzige Ausnahme aus dieser Regel gelten. Also finden wir in der weibliehen Inflorescenz von Ilumulus durchaus keine Dichasien vor. Diese Inflorescenz erscheint in den ersten zwei Stufen ihrer Verzweigung von botryschem Typus, und erst in der dritten und selten vorkommenden vierten Stufe eymös, also — gemischt. Als Inflorescenz nehmen wir hier nicht das einzelne Monochasium an, sondern den ganzen „Zapfen“, welcher eigentlich nicht dem ent- spricht, was Golenkin für die Inflorescenz der männlichen Pflanze hält, sondern dem, was er an den weiblichen Exemplaren von Canna- bis als blüthentragenden Trieb bezeichnet, und was auch wir dafür anerkennen. Bei den weiblichen Pflanzen von Humulus sind die blüthentragenden Spitzen derselben Triebe so differenzirt, ihre Blätter und Zweige haben dermassen den vegetativen Charakter eingebüsst und sich specialisirt, dass wir die erwähnten Spitzen olıne Bedenken für Inflorescenzen erklären können. Eine grössere Speeialisirung der weiblichen Inflorescenzen von Humulus, im Vergleich zu den entsprechenden blüthentragenden Trieben von Cannabis, lässt sich 230 nicht erst im fertigen Zustande wahrnehmen: wie oben angedeutet, äussert sie sich schon im Laufe der Entwickelung in ganz bestimmter Weise. Bei dem vergleichenden Studium der Anordnung der weiblichen Blüthen bei den Cannabineen erweist sich die Kenntnis der Inflo- rescenzen des dritten Repräsentanten dieser Familie — des japanischen Hopfens (Humulus japonieus Sieb. et Zuce.) als sehr lehrreich; ich habe mich überzeugen können, dass diese Pflanze durch eine ganze Reihe von Merkmalen dem Hanfe viel näher steht, als der ge- wöhnliche Hopfen. Die Dichasien der männliehen Inflorescenz von H. japonicus unterscheiden sich nach Golenkin von denjenigen des gewöhnlichen Hopfens und sind vielmehr den Dichasien des llanfes ganz ähnlich, so dass die blüthentragenden "Triebe des japa- nischen Hopfens sich weniger von den vegetativen unterscheiden. Was Golenkin betreffs der Anordnung männlicher Blüthen bei dieser interessanten Pflanze hervorgehoben, finden wir auch in ihren weiblichen Inflorescenzen. Die der Inflorescenz vorangehenden Blätter, wie auch die Deck- blätter der Inflorescenz selbst, sind bei dem japanischen Hopfen nicht so stark redueirt, wie bei dem gewöhnlichen Hopfen. Bei den Früchten erreichen hier die Deekblätter des unteren Zapfentheiles gewöhnlich bedeutende Dimensionen und sind in Stiel und Blattspreite zergliedert. In den Winkeln dieser Blätter finden wir grösstentheils bloss ein Blüthenpaar vor, wie bei Cannabis (Taf. VI Fig. 14); nur selten kommen hier im mittleren Theile der Inflorescenz drei- blüthige Gruppen vor, welche sich derart bilden, dass eine secundäre Blüthe sich an der Basis der einen primären entwickelt; noch sel- tener treten auch vierblüthige Gruppen auf, wie es gewöhnlich bei MH. Lupulus der Fall ist. Die Bracteen bilden bei dem japanischen Hopfen keinen Flugapparat, sondern decken die Blüthen, ohne die- selben jedoch so fest zu umhüllen, wie dies bei dem Hanfe der Fall ist (ef. Taf. VI Fig. 14, 10 u. 1). Die vor der Inflorescenz sitzenden Blätter tragen bei H. japonicus in ihren Achseln stets kurze Zweige, welche in Inflorescenzen auslaufen und solche ebenfalls in den Winkeln ihrer Vorblätter tragen. Die letzten dieser Blätter sind nahe an die Inflorescenz gerückt und unterscheiden sich von den unteren Deckblättern der Inflorescenz nicht, so dass wir in gewissen Fällen diese Blätter mit ihren axillären Zweigen etwa zu der Infloreseenz rechnen und das ganze System für einen einzigen im unteren Theile zusammengesetzten Zapfen halten könnten, Demnach 231 besitzt die weibliche Inflorescenz von H. japonicus lange nicht den differenzirten Charakter, welcher den Zapfen von H. Lupulus eigen ist, und stellt gleichsam eine Mittelform zwischen dem blüthentragenden Triebe von Cannabis und Inflorescenz von H. Lupulus dar. Wenden wir uns nun zur Entwiekelung der weiblichen Blüthe selbst von H. Lupulus. Nach meinen Beobachtungen geht sie folgendermaassen vor sich. Ebenso wie bei Cannabis erscheinen auf den Blüthenaxen, deren Entstehen wir bereits verfolgt haben, vier median gestellte alternirende Blattanlagen. Die erste setzt an der Vorderseite der Axe an (Taf. VII Fig. 27 pı); nachdem sie in Gestalt eines Wulstes den grössten Theil des Axenumfanges umfasst hat, verschmelzen ihre seitlichen Ränder mit den Rändern einer andern Blattanlage, welche über der ersten, an der dorsalen Axenseite entstanden ist (Taf. VII Fig. 29). Als Produkt des Verwachsens dieser beiden unteren Blattanlagen erscheint das Perigon, welches sich bei Humulus stets wohl entwickelt. In einigen Fällen gelingt es, in dem bereits ausgewachsenen Perigon seine Entstehung aus zwei Blättern festzustellen, wenn eben zwei, obgleich schwach markirte Lappen — der eine schmälere nach hinten und der andere, viel breitere, nach vorn (Taf. VI Fig. 12) — noch nachweisbar sind. Den Perigonblättern ähnlich legen sich und verwachsen unter einander die Anlagen der beiden oberen Blattgebilde der Blüthe — die der Fruchtblätter. Noch vor dem Verwachsen der Anlagen des Perigons erscheint an der Vorderseite der Axe das erste Fruchtblatt (8. die linke seceundäre Blüthe auf Abbildung 29 Taf. VID); bedeutend später legt sich das zweite Fruchtblatt, welches höher als das erste auf der hinteren Axenseite entspringt (Taf. VII Fig. 30). Die Samen- knospe wird auch hier offenbar vom Axenscheitel gebildet, welcher, wie bei Cannabis, zunächst etwas geneigt wird, später aber, in- folge der allmählichen Verlängerung des die Fruchtblätter trennen- den Internodiums in den oberen Theil des Fruchtknotens versetzt wird. Wir sehen (die eitirten Abbildungen beweisen es zur Genüge), dass sich die Blüthentheile von Humulus gerade in derselben Reihen- folge und in denselben räumlichen Verhältnissen bilden, wie es für die Blüthen von Cannabis bereits dargestellt ist. Um eine wörtliche Wiederholung des im ersten Kapitel Gesagten zu vermeiden, will ich nicht bei der Beschreibung dieses uns schon bekannten Verhältnisses verweilen und fasse die Ergebnisse meiner Beobachtungen über die 232 Bildung und Entwickelung des Embryosackes in der Samenknospe von Humulns kurz zusammen.!) Während die Samenknospe noch ihre ursprüngliche Lage in der Basis des Fruchtknotens einnimmt, bevor die Integumente sich bilden, fällt es nicht schwer, im Gewebe des jungen Nucellus eine subepi- dermale Zelle zu unterscheiden, die auf der Längsaxe des Organs liegt und sich von den Nachbarzellen durch grössere Dimensionen auszeichnet. Nachdem das innere Integument der Samenknospe ent- standen, seltener etwas später, nachdem die Anlage des äusseren Integuments bereits sichtbar ist, theilt sich diese Zelle in zwei un- gleiche Tochterzellen: die äussere, kleinere, sog. Schicht- oder Ta- petenzelle und die beinahe zweimal so grosse innere, die Embryosack- mutterzelle. Gegen dieselbe Zeit, zuweilen auch vor der erwähnten Theilung (Taf. X Fig. 1) oder bald darauf entstehen die Tangential- scheidewände in den Zellen der Epidermalschicht an der Spitze des Nucellus. Durch eine Tangentialwand theilt sich auch die Schichtzelle, so dass die Embryosaekmutterzelle bald nach ihrer Entstehung ge- wöhnlich mit vier über einander gelagerten Zellen bedeckt wird (Taf. X Fig. 2). Die Mutterzelle selbst ist in diesem Entwickelungsstadium in die Länge ausgedehnt und enthält in ihrem vorderen Theile einen grossen, länglichen, an Chromatin armen Zellkern. Bald theilt sie sich in zwei Zellen, deren die hintere, grössere, wiederum in zwei Tochterzellen zerfällt. Die hintere von den drei auf diese Weise entstandenen Zellen ist der Embryosack (Taf. X Fig. 3). Während die beschriebenen, zur Bildung des Embryosacks führenden Theilungen noch vor sich gehen, vermehren sich sowohl diejenigen Zellen, die durch Theilung der Epidermalschicht entstanden sind, wie auch jene, die ihren Ursprung der Schichtzelle verdanken; diese und jene theilen sich hauptsächlich durch tangentiale Scheidewände und bilden insge- sammt die massige Spitze des Nucellus der Samenknospe (Taf. X Fig. 3). Indem der Embryosack wächst und seine Geschwisterzellen wie auch die Zellen des benachbarten Gewebes verdrängt, dringt er nicht weit in das Gewebe der Kernspitze ein, so dass sein Vorderende zur Zeit 1) Bei diesen Beobachtungen bediente ich mich sowohl aufgehellter junger Samenknospen, an denen die Reihenfolge der Zelltheilung leicht zu verfolgen ist, wie auch Mikrotomserienscehnitte,. Mit Essigsäure-Queeksilberchlorid in alkoho- lischer Lösung wurde der Inhalt des Embryosacks in den verschiedenen Ent- wickelungsstadien genügend fixirt; die Objecte wurden in foto mit Saffranin durchgefärbt, die Schnitte mit Hämatoxylin tingirt. 233 der Befruchtung von vielen Zellenschichten, die, wie erwähnt, zwei- facher Herkunft sind, verdeckt bleibt.!) Was nun die Vorgänge im Innern des Embryosacks während ‚seiner Entwickel@ng betrifft, d. h. die Theilung dessen Kernes, die Bildung des Eiapparats und der Antipoden, so zeigen die Abbil- dungen 4—8 Taf. X, welche die von mir beobachteten Hauptstadien vorstellen, dass diese Processe bei Humulus auf normale, den Angiospermen eigene Art verlaufen. Ueberhaupt bietet die Ent- stehung und Entwickelung des Embryosacks bei Humulus, wie wir sahen, weder Abweichungen, noch wesentliche Eigenthümlichkeiten. Von Interesse erscheint bei der Entwickelung des Nucellus der Samen- knospe die Bildung einer vielschichtigen „Epidermalkappe* — eine Erscheinung, die bekanntlich bei den Angiospermen nicht oft zu beobachten ist.?) Die vollkommen entwickelte weibliche Blüthe des gewöhnlichen Iopfens ist derselben des Hanfes, wie gesagt, schr ähnlich (Taf. VII Fig. 1 u. 2). Die Hauptunterschiede zwischen beiden liegen in Folgen- dem. Das Perigon ist bei Humulus stets entwickelt, dabei bedeutend dicker als bei Cannabis; der Scheitel des Fruchtknotens ist viel massiger und trägt vorne und hinten je eine Hervorwölbung; die Samenknospe ist schwächer gekrümmt, so dass sie, nachdem der Embryo bereits angelegt wird, an die Samenknospe von Cannabis in einem viel früheren Entwickelungsstadium erinnert. Die Blüthe von H. japonicus (Taf. VIII Fig. 3) ist eher derjenigen von Can- nabis, als der Blüthe von Humulus Lupulus ähnlich: ihr Pe- rigon ist ebenso dünn, wie bei jenen Formen von Cannabis, wo sich das Perigon bildet; auch verursacht das Perigon dieselbe bunte Zeichnung an den reifen Früchtchen, welche den gewissen Formen von Cannabis eigen ist; die Samenknospe ist in derselben Weise ge- krümmt wie bei Cannabis; der Scheitel des Fruchtknotens endlich ist, wenn auch bedeutend dicker als bei Cannabis massig als bei H. Lupulus. Vergleichen wir jetzt die oben dargelegten Thatsachen der Ent- , so doch weniger 1) Lermer und Holzner nehmen irrthümlich an, dass der Embryosack bei Humulus von den oberflächlichen Nucellarzellen nur durch die Tapetenzellen getrennt ist. 2) Es ist schr wahrscheinlich, dass sich diese Erscheinung unter den Re- präsentanten der Ordnung der Urtieinen als schr verbreitet erweisen wird: ausser den Cannabineen hatte ich Gelegenheit, scharf abgegrenzte, mehrschichtige Epi- dermalkappe an den Samenknospen von Urtica und Morus zu beobachten. 234 wiekelungsgeschichte der Blüthe des Hopfens mit denen, welche wir hinsichtlich dieses Gegenstandes in der Arbeit von Lermer und Holzner finden. Wie aus den oben angeführten Citaten ersichtlich, meinen diese Forscher, dass das Perigon der weiblichen Blüthe von Humulus von einem einzigen Blatte gebildet wird, dessen Mitte an der Vorderseite der Blüthe liegt, die Ränder aber sich an der Hinter- seite der Blüthe zusammenschliessen. Nach meinen Beobachtungen erweist sich diese Ansicht nicht zutreffend. Wie es zu erwarten war, legt sich das Perigon bei Humulus genau so an, wie bei Cannabis, d.h. es bilden sich zwei gesonderte Perigonblattanlagen. Die Un- zulänglichkeit von Lermer’s und Holzner’s Ansicht über die Natur des Perigons bei den Cannabineen lässt sich besonders leicht in den Fällen zeigen, wo, wie es bei Cannabis-Formen vor- kommt, gerade die hintere Perigonblattanlage, deren Existenz die genannten Verfasser überhaupt leugnen, sich einzig und allein ent- wickelt und ein selbständiges Blättchen gibt (Taf. VI Fig. 3—7). Ferner behaupten Lermer und Holzner, dass die Samenknospe von Humulus von dem unteren Teile des hinteren Fruchtblatts ge- bildet wird, dann aber dem Wachsthum der Basis dieses Fruchtblatts zufolge hinaufgetrieben wird. Nach manchen Bedenken entscheiden sich die genannten Gelehrten die Samenknospe, mit Öelakovs ky, für ein Produkt des Fruchtblatts anzusehen. Während aber nach Celakovsky die Samenknospe von Cannabis von dem vorderen Fruchtblatte erzeugt werden muss, lassen Lermer und Holzner die Samenknospe von Humulus, die ebenso wie bei Cannabis angelegt wird, aus dem hinteren Fruchtblatte entstehen. Dieses Resultat kann die Gründlichkeit der obigen Deutung wohl ans Tageslicht bringen. 'Thatsächlich wird die Samenknospe bei den beiden fraglichen Pflanzen ebenso wenig vom vorderen, wie vom hinteren Fruchtblatte erzeugt. Sowohl bei Humulus als bei Cannabis (Taf. VII Fig. 15—17) ist es nicht die Samenknospe, die sich auf dem hinteren Fruchtblatte bildet, sondern dieses Fruchtblatt legt sich unter dem Axenscheitel an, welch letztere selbst zur Anlage der Samenknospe wird; diese Anlage ist somit schon früher vorhanden, als das hintere Fruchtblatt angelegt wird. Offenbar haben Lermer und Holzner die ersten Anlagen der Fruchtblätter nicht gesehen und legen ihren Folgerungen die Untersuchung verhältnissmässig späterer Stadien zu Grunde. Dies erhellt auch daraus, dass sie die beständige und deut- lich wahrnehmbare Reihenfolge, in der die Fruchtblätter entstehen, nicht erwähnen. Dass die Samenknospe dem hinteren Fruchtblatte 235 gehört, schliessen sie daraus, dass ihren Angaben nach die Samen- knospe in der jungen Blüthe dem hinteren Fruchtblatte näher liegt, als dem vorderen. Man kann sich jedoch leicht überzeugen, dass der Umstand, auf den sich Lermer und Holzner berufen, that- sächlich nicht existirt; auch ist es nicht schwer zu erraten, was sie irregeführt hat. Es will mir scheinen, als bestände die Ursache des Fehlers eigentlich darin, dass die Beobachter die höhere Lage des hinteren Fruchtblattes im Vergleich zum vorderen ausser Acht lassen, indem sie die Fruchtblätter für opponirt halten. Es versteht sich von selbst (das nebenstehende Schema muss es veranschaulichen), dass, wenn wir die in der Wirklichkeit auf verschiedenen Niveaus entspringen- den Fruchtblätter für opponirte halten, oder was das- selbe ist, die longitudinale Blüthenaxe anstatt senk- recht etwas geneigt führen, der factisch streng cen- trale Axenscheitel der Basis des einen (in unserem Falle des oberen) Fruchtblattes näher zu liegen scheinen Schematische Dar- muss. Die Basis dieses jüngeren Fruchtblattes muss stellung des Medi- natürlich kleiner sein, als diejenige des älteren unteren *"schnittes durch Fruchtblaits, was freilich die Illusion noch erhöht den jungen Frucht“ ’ ' knoten einer Nach dem Gesagten gründen sich die von meinen Cannabinee ;rechts Resultaten abweichenden Angaben von Lermer und das hintere, links Holzner nicht auf neue, von diesen Gelehrten ent- das vordereFrucht- deckten Thatsachen, sondern auf die neue, meines blatt. Erachtens falsche Deutung der bereits bekannten Verhältnisse. Die Blüthe von Humulus steht thatsächlich ihrer Entwickelung und ihrem Bau nach der Blüthe von Cannabis sehr nahe und alles, was wir im vorausgehenden Kapitel von dem morphologischen Cha- rakter der letzteren Blüthe sagten, kann auch für die erstere gelten. Il. Der Weg des Pollenschlauches im Stempel der Cannabineen. In der botanischen Litteratur finden wir keine sicheren Angaben über den Durchgang des Pollenschlauchs im Fruchtknoten von Cannabis und Humulus. Bis jetzt ist es noch Niemand gelungen, den Pollenschlauch dieser Pflanzen auf seinem ganzen Wege vom keimenden Pollenkorn bis zum Embryosack zu verfolgen, obgleich mehrere derartige Versuche gemacht worden sind und die italienischen 236 Botaniker z. B. offenbar nicht geringe Mühe daran gewandt haben, den Pollenschlauch bei Cannabis ausfindig zu machen, Die Untersuchungen der italienischen Botaniker über den Pollen- schlauch von Cannabis wurden zu einem ganz anderen Zwecke an- gestellt, als jetzt die unseren. Es entstand nämlich am Ende des vorigen Jahrhunderts die Vermuthung, die Reproduktion bei Canna- bis könne eine parthenogenetische sein. Die hauptsächlich von Spal- lanzani angestellten Versuche erwiesen, dass die weiblichen Pflanzen von Cannabis, welche, getrennt von den männlichen gezogen, vor dem Zugang des Pollens auf verschiedene Weise geschützt wurden, dennoch keimfübige Samen brachten. Aus diesen Experimenten 208 Spallanzani!) den Schluss, dass die Embryonen in den Samen- knospen von Cannabis ohne vorangehende Bestäubung ihrer weib- lichen Blüthen entstehen können. Diese Anschauung, welche von vielen Botanikern der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts angenommen wurde, hatte zuerst Gasparrini in Abrede gestellt. Er wies darauf hin, dass in Spallanzani’s Experimenten die Eventualität des sexuellen Vorgangs nicht völlig beseitigt worden war und äusserte die Meinung, dass es das einzige sichere Mittel gibt, sich von dem Vorhandensein der Befruchtung bei Cannabis zu überzeugen, das, die Sexualorgane genau zu untersuchen. Auf Grund seiner Be- obachtungen behauptet Gasparrini in seinem Werke „Ricerche sulla embriogenia della canapa“,?) dass die Reproduktion bei Canna- bis keinerlei Abweichungen von den allgemeinen Regeln bietet. Für Gasparrini war es im Hinblick auf das erwähnte Ziel seiner Untersuchung besonders wichtig, den Pollenschlauch im Stempel von Cannabis zu verfolgen. Dies gelang ihm jedoch nur unvollkommen: er hatte den Pollenschlauch bloss innerhalb des Nucellus der Samen- knospe gesehen. Nach Gasparrini tritt der Pollenschlauch in die Spitze des Kerns durch eine besondere daselbst befindliche Oeffnung. Der Pollenschlauch von Cannabis ist noch von Briosi und Tognini untersucht worden; in der Arbeit dieser Botaniker?) finden wir darüber folgende Mittheilungen: „I grani del polline portuti dal vento sugli stimmi vengono ivi trattenuti dalle papille di questi; quivi essi germinano e i loro bubelli pollini ei seendono, tenendosi all’esterno, fra le dette papille sino allo sommitä dell’ ovario. Per la fessura ' Spallanzani L., Dissertazioni di fisica animale e vegetale. Morena, 1780. 2) Gasparrini G., Ricerche sulla embriogenia della eanapa. Napoli, 1862. 3) Briosi ee Tognini,l. e. pag. 56, 237 formata dai lobi ovariei, altrove deseritta, strettissima, e in questo tempo forse di gia& chiusa nelle parte superiore, si deve far strada il budello del polline: diciamo si deve perch& a noi non & mai ri uscito di poterlo cogliere in tale posizione. Penetrato nell’ovario, il budello piega e scorre sulla protuberanza placentare e funieulare per entro lo stretto e lungo canale lasciato fra questa e la parete ovarica e si dirige al micropilo. Non & facile sorprendere il budello pollinico in questo suo per- curso; & novi, almeno, non vene dato di vederlo che una sol volta, in un preparato dal quale si torse la fig. 7 della tav. XVL“) Hinsichtlich des Pollenschlauches bei den Arten von Humulus habe ich in der Litteratur keine Angaben vorgefunden. Lermer und Holzner sprechen in ihrer Arbeit?) nur von dem Leitgewebe, welches nach ihren Worten am Scheitel des Fruchtknotens von Hu- mulus von dem dasselbe umgebenden Parenchym nicht abgegrenzt ist und sich von diesem nur durch grössere Intercellularräume aus- zeichnet, innerhalb des Fruchtknotens aber aus langgestreckten, dünn- wandigen Zellen besteht. . Bezüglich der vorhandenen Angaben über den Pollenschlauch der Cannabineae können wir nicht umhin zu bemerken, dass, obwohl Gasparrini, wie auch Briosi und Tognini hervorheben, der Pollenschlauch soll die Samenknospe durch die Fruchtknotenhöhle erreichen, es in Wahrheit Niemand gelungen ist, denselben an Ort und Stelle zu treffen; schon dieser Umstand allein lässt es vermuthen, dass der Pollenschlauch bei den uns interessirenden Pflanzen Ab- weichungen aufweisen werde, etwa derart, wie es in letzterer Zeit be- treffs der Ulme und der Feldrüster von Nawaschin beschrieben wurde, Bevor ich zu meinen Beobachtungen über das Wachsthum des Pollenschlauches bei Cannabis und Humulus übergehe, will ich mich etwas bei der Untersuchung der Organe und Gewebe aufhalten, durch welche, oder in deren Nähe der Pollenschlauch vermuthlich seinen Weg nimmt. Als Narben können bei den Cannabineen diejenigen Organe functioniren, welche man hier gewöhnlich Griffel oder Griffelzweige 1) Auf der Abbildung ist ein kleines Ende des Pollenschlauchs dargestellt, welches innerhalb des Gewebes der oberen Wand des Fruchtknotens liegt und dessen Spitze in die Fruchtknotenhöhle hineinragt. 2) Lermerund Holzner, Beiträge zur Kenntniss des Hopfens, Theil 2, pag. 2. Flora 1898, 16 238 nennt. An diesen Griffeln bilden sich in basipetaler Folge Papillen, welche einfache, ungetheilte Auswüchse der Aussenzellen des Griffels darstellen (Taf. VIII Fig. 4, 5,6). Die Narben der Cannabineen gehören somit jenem Typus an, welcher den meisten windblüthigen Pflanzen eigen ist. Bei Cannabis und Humulus japonieus sind die Narben dünner und tragen eine geringere Anzahl kürzerer Papillen, als es bei Humulus Lupulus der Fall ist. Im Scheitel des Fruchtknotens lässt sich bei allen untersuchten Repräsentanten der Familie ein Gewebestrang') unterscheiden, der sich vom Ansatz- punkte des Griffels nach der Längsaxe des Fruchtknotens richtet und sich an das Gewebe der dorsalen Seite des äusseren Integumentes der Samenanlage anschliesst. Das Gewebe dieses Stranges hebt sich von dem umgebenden Parenchym nicht deutlich ab und zeichnet sich nur durch geringere Dimensionen seiner Zellen und den an Plasma reicheren Zellinhalt aus (Taf. IX Fig. 2 u. 9). Bei Cannabis sind die Zellen dieses Stranges isodiametrischh bei Humulus Lu- pulus sind sie etwas gedehnt und zwar in derselben Richtung, wie der ganze Strang.?) Interessante Eigenthümlichkeiten bieten die Integumente der Samenknospe bei den Cannabineen. Bei Cannabis wird das dünne innere Integument, welches grösstentheils aus drei Zellenlagen besteht, an der Kernspitze be- deutend dieker und mehrschichtig; dasselbe wölbt sich über die Kern- spitze, indem es an der Vorderseite der Samenknospe das äussere Integument überragt (Taf. VII Fig. 1u.7). Dieses letztere wird an der Vorderseite der Samenknospe durch 3—5 Zellenlagen gebildet, an der Hinterseite aber ist es sehr dick und massig.?) In der Samen- knospe der Can nabis, welche schon bereit ist, den Pollenschlauch 1) Auf Fig. 1, 2 und 3 von Taf. VIII ist dieses Gewebe schraffirt. 2) Briosi und Tognini beschreiben bei Cannabis innerhalb der oberen Wand des völlig entwickelten Fruchtknotens „einen engen Kanal, innerhalb dessen der Pollenschlauch hinabsteigt“ (s. Briosi und Tognini, l.c. pag. 51). In der- jenigen Entwickelungsperiode des Stempels von Cannabis, wo die Narben zu funetioniren beginnen, habe ich einen solchen Kanal nicht mehr vorgefunden. Ebenso wenig habe ich bei Humulus im Gewebe des erwähnten Stranges jene Intercellularräume gesehen, von denen Lermer und Holzner sprechen. iD) Briosi und Tognini betrachten die massige Gewebepartie, welche sich an das innere Integument von hinten anschliesst, als ein Produkt von Verschmelzung es äusseren Integuments mit dem Funieulus, Lermer und Holzner halten hingegen dieses Gebilde bei Humulus durchaus für einen Theil des äusseren Integuments. Die Entwickelungsgeschichte bestätigt die letztere Ansicht. 239 zu empfangen, ist zwischen dem inneren und äusseren Integumente, von der Hinterseite, auf der Höhe des oberen Endes vom Embryo- sack, ein kleiner Raum zu bemerken (Taf. VIII Fig.7 u.8, Taf. IX Fig. 8 u. 11); dieser Raum entspricht vollständig demjenigen, welchen Nawaschin bei der Ulme beschrieben hat, und welchem er den Namen „Taschenhöhle“ gibt. Oberhalb dieses Raumes verschwindet bei Cannabis die Grenze zwischen den zwei Integumenten der Samenknospe (Taf. VIII Fig. 7 u. 8, Taf. IX Fig. 5, 10, 11). Doch was uns hier am allermeisten frappirt, ist die völlige Abwesenheit derMikropyle. Ein genaues Studium sowohl der aufgehellten, unver- letzten Samenknospen, wie auch der Längs- und Querschnittserien, hilft uns nicht einmal eine wahrnehmbare Grenze zwischen den Theilen der Integumente zu erkennen, geschweige denn, das Vorhandensein irgend eines Kanals über dem Scheitel des Nucellus der Samenknospe festzustellen. Der Nucellarscheitel ist von einem ununterbrochenen, dichten Gewebe verdeckt, welches unmittelbar in das Gewebe der oberen Wand des Fruchtknotens übergeht (Taf. VIII Fig. 7 u. 8, Taf. IX Fig. 4, 10, 11). Der gerade über dem Nucellarscheitel liegende Theil der Integumente lässt beim Untersuchen seiner Struktur an aufgehellten Präparaten die Eigenschaften eines Gewebes erkennen, welches durch Verflechtung der Elemente entstanden ist, und erinnert etwas an das Pseudo-Parenchym einiger Pilze. Wenn wir die Integumente einer mit Eau de Javelle behandelten Samenknospe mit einer Nadel vor- sichtig auseinanderhalten, können wir die Art der Verschmelzung der Integumente bei Cannabis erklären. Es erweist sich, dass das äussere Integument sich auf den oberen Theil des inneren von hinten legt (Taf. VIII Fig. 10); einige seiner Aussenzellen ragen in Gestalt von Papillen hervor und wachsen in die Mikropyle der jungen Samen- knospe wie auch zwischen den Zellen des inneren Integuments hinein. Diejenigen Zellen des inneren Integuments, welche den Kanal der Mikropyle bekleiden sollten, strecken sich ebenfalls zu Papillen aus; indem diese letzteren sich nach innen und abwärts richten, bilden sie durch Verflechtung mit einander und mit den Papillen des äusseren Integuments ein ununterbrochenes Gewebe aus. Bei Cannabis besitzt demnach dieSamenknospe zur Zeit, wo dieselbe vollkommen reif, d. h.denPollenschlauch zu empfangen bereit ist, keinen Mikropylkanal!): er wird auf eine 1) Merkwürdigerweise hat schon Gasparrini in seiner obengenannten Arbeit darauf hingewiesen, dass bei Cannabis Samenknospen ohne Mikropyle vor- i6* 240 ähnliche Weise, wie bei manchen Pflanzen der Griffelkanal, obliterirt.!) Ebensowenig habe ich eine einigermaassen bemerkliche Mikro- pyle in den Samenknospen von Humulus Lupulus entdeckt, bei welcher Pflanze die beiden Integumente denselben von Cannabis ähn- lich ausgebildet sind. Das innere Integument ragt beiHumulusan der Vorderseite der Samenknospe ebenso über das äussere hinaus und ist im oberen Theile bedeutend dicker (Taf. VIII Fig. 2 und 13). Eine Tasche zwischen den Integumenten ist hier aber meist gar nicht vor- handen. Das Verwachsen der Integumente findet auch hier statt, doch etwas anders als bei Cannabis. Der hintere Theil des äusseren Integuments, der bei Humulus noch massiger ist als bei Cannabis, legt sich nicht von oben her, sondern seitlich auf das innere Inte- gument; die oberflächlichen Zellen dieses Theiles wachsen zu Papillen sowohl auf der der Ansatzstelle der Samenknospe zugewandten Seite aus, wie auch oben auf der entgegengesetzten Seite, welche an das innere Integument grenzt (Taf. VII Fig. 14). Der letzteren Papillen- gruppe entgegen wächst ein Bündel von Papillen aus der verdiekten Spitze des inneren Integuments hervor; die Papillen der beiden Integumente werden zwischen einander geschoben und die oberen Theile der Integumente verwachsen somit an der Hinterseite der Samenknospe vollständig. Zu Papillen werden auch die Zellen der zusammenfallen- den Ränder des inneren Integuments, infolge dessen keine Spur der Mikropyle bereits vor der Befruchtung nachbleibt.?) Der Struktur der Integumente nach unterscheiden sich die Samen- kommen; solche Samenknospen hielt er für anomal, meinte, sie werden nicht be- fruchtet und erklärte daraus die Sterilität vieler weiblichen Blüthen von Cannabis. Ich habe ein paar Hundert Samenknospen von Cannabis untersucht, welche von Pflanzen verschiedener Abarten herrührten, die wiederum von Samen ver- schiedensten Ursprungs entstanden und habe keine einzige reife, mit einem Mikropylekanal versehene Samenknospe von Cannabis gefunden. Briosi und Tognini erwühnen in ihrem Werke, dass die Integumente der Samenknospe bei Cannabis mit Papillen bedeckt sind; die schematische Abbildung (Taf. xvil Fig. 3), die die erwähnten Verhältnisse darstellen soll, entspricht jedoch der Wahrheit durchaus nicht. 1) 8. Capus, Anatomie du tissu conducteur. Paris 1879, pag. 18, und Dalmer, Ueber die Leitung der Pollenschläuche bei den Angiospermen, Pag. 15 (Separat-Abdruck a. d. Jen. Zeitschrift für Naturwissenschaft, Bd. XIV, N. F. VID. 2) Beim Hopfen habe ich weder einen Kanal der Mikropyle, noch ein von vorne umgebogenes üusseres Integument gesehen, wie es Lermer und Holzner darstellen (s. Lermer und Holzner Le. Taf, X )). 241 knospen des japanischen Hanfes von denjenigen des gewöhnlichen hauptsächlich dadurch, dass zur Befruchtungszeit das innere Integument bei der zuerst genannten Art gewöhnlich den Nucellus nicht über- ragt, so dass die Spitze des letzteren nackt bleibt. Diese interessante und charakteristische Erscheinung, das Zusammen- wachsen der oberen Integumenttheile bei den Cannabineen hat offenbar als die nächste mechanische Ursache den Umstand, dass zur Zeit der definitiven Entwickelung der Integumente die Samenknospe bei diesen Pflanzen die Fruchtknotenhöhle vollständig ausfüllt (Taf. VI Fig. 23); beim Fortwachsen müssen die Integumente stark auf- einander drücken und die geringsten nachgebliebenen Zwischenräume füllen. Andererseits hat dieses Verwachsen ohne Zweifel eine gewisse Bedeutung für die Leitung des Pollenschlauches. Zunächst betrachten wir, wie der Pollenschlauch im Stempel von Cannabis’ geleitet wird.‘) Das an die Papille der Narbe fest- geklebte Pollenkorn dieser Pflanze treibt den Schlauch durch eine der drei in der Exine existirenden Poren heraus. Der Pollenschlauch kriecht, verschiedenartig sich windend, an der Oberfläche der Papille zu ihrer Basis hin. Seine Spitze trifft bald den durch die betreffende Papille und eine höherliegende Narbenzelle gebildeten Winkel, bald den Winkel der nächsten unteren Papille und drängt sich hier zwischen den Zellen in das Gewebe des Griffels hinein (Taf. VIII Fig. 4 und 5). Innerhalb des Griffels findet man den Pollenschlauch stets inmitten der Üentralzellen desselben vor (Taf. IX Fig. 1)?), wo- rauf er in die Wand des Fruchtknotenscheitels dringt, um weiter den obenerwähnten Strang des kleinzelligen Gewebes durchzuziehen (Taf. IX Fig. 2 und 9). Indem der Pollensehlauch innerhalb dieses Ge- 1) Den Pollenschlauch bei den Cannabineen habe ich an mit Eau de Javelle aufgehellten Griffeln und Samenknospen verfolgt (Fig. 5, 7-14 Taf. VI sind nach solchen aufgehellten Präparaten entworfen, wie auch nach Serien von Längs- und Querschnitten durch die ganze Blüthe. Bei schwacher Färbung mit Hümatoxylin werden die Wände des Pollenschlauches (worauf Nawaschin bezüglich der Birke hingewiesen hat) viel intensiver tingirt, als die Membranen der umgebenden Zellen; dieser Umstand erleichtert sehr die Unterscheidung des Pollenschlauches selbst in den Querschnitten. Alle Abbildungen von Taf. VIII und Taf. X Fig. 2—14 sind nach mit Hämatoxylin und Saffranin gefürbten Schnitten entworfen; auf diesen Abbildungen ist nur der Pollenschlauch colorirt, während das übrige Gewebe ungefärbt geblieben ist. 2) Briosi's und Tognini’s Angabe, der Pollenschlauch von Cannabis soll den Fruchtknoten erreichen, indem er längs der Narbe an deren Oberfläche zwischen den Papillen kriecht, erweist sich als durchaus nicht richtig. 242 webes hinabsteigt, tritt er gewöhnlich nahe an den Rand der Frucht- knotenhöhle heran (Taf. IX Fig. 3 und 10), ohne in dieselbe hinein- zutreten; er steigt vielmehr tiefer in das Gewebe des äusseren Integuments hinab, um sich bald in der Richtung der Nucellarspitze der Samenknospe plötzlich zuzuwenden. Manchmal zieht der Pollen- schlauch auf seinem weiteren Wege das äussere Integument direct durch, springt etwas oberhalb der Taschenhöhle in das innere Inte- gument über und erreicht durch das letztere die Kernspitze (Taf. VII Fig. 9)'). Meistens aber steigt der Pollenschlauch innerhalb des Ge- webes des äusseren Integuments hinauf und gelangt in das die Mikro- pyle füllende Gewebe, indem er den in die Mikropyle eingewachsenen Papillen des äusseren Integuments folgt; endlich steigt: er zu dem Nucellus hinab (Taf. VIII Fig. 7 und 10; Taf. IX Fig. 10 und 11). Bei dem Herauspräpariren der Samenknospen lässt sich der Pollen- schlauch leicht aus der oberen Wand des Fruchtknotens herausziehen, wobei er stets im Gewebe des Integuments der Samenknospe stecken bleibt (Taf. VIII Fig. 8). Seiner ganzen Länge nach ist der Pollen- schlauch sehr fein und zart; dabei findet man auf dem ganzen Wege innerhalb des Fruchtknotens in seinem Innern die sog. cellulösen Pfropfen nur äusserst selten vor. Nachdem er den Nucellus der Samenknospe erreicht hat, treibt er zahlreiche, sackartig aufge- blasene Zweige von mannigfaltiger Form, welche die Nucellarspitze umarmen (Taf. VIII Fig. 7, 8, 10, 12; Taf. IX Fig. 5, 16, 10); endlich wird ein dünnes Schläuchehen erzeugt, das durch die Nucellar- spitze?) zum Embryosacke vordringt (Taf. IX Fig. 6, 7, 12). Bei den Humulusarten drängt sich der Pollenschlauch im Griffel hinein (Taf. VIII Fig. 6) und läuft in der oberen Wand des Frucht- knotens genau in der für Cannabis angegebenen Weise. Bei HumulusLupulus ist er ebenso dünn, wie bei Cannabis, bildet 1) In solchen Fällen entspricht der Weg des Pollenschlauches bei Canna- bis demjenigen, dem der Pollenschlauch bei den Ulmusarten gewöhnlich folgt. 2) Es wäre überflüssig hinzuzufügen, dass der Kanal in der Nucellarspitze der Samenknospe, dessen Gasparrini erwähnt, thatsächlich nicht existirt. Ueber- haupt erweist sich diejenige Vorstellung, die wir uns von dem Verhalten des Pollenschlauches bei Cannabis nach den Angaben der italienischen Botaniker machen könnten, welche letztere ihn auf seinem ganzen Wege durch Hohlräume und Kanäle gleiten lassen, als durchaus falsch; wir sehen, dass der Pollen- schlauch bei dieser Pflanze im Gegentheile seinen Weg sich beständig durch das Gewebe bahnt. 243 jedoch die cellulösen Pfropfen viel häufiger. Während ich bei Canna- bis stets nur einen Pollenschlauch im Fruchtknoten vorfand, sah ich in den meisten Fruchtknoten von Humulus je zwei oder drei Pollen- schläuche. Nachdem der Pollenschlauch zur Samenknospe hinabge- stiegen, dringt er bei dieser Pflanze in das Gewebe des äusseren Integuments ein; dabei zieht er sieh meist in einer gewissen Ent- fernung von der Fruchtknotenhöhle hin (Taf. X Fig. 10), zuweilen auch knapp an deren Rand und tritt dann in das äussere Integu- ment zwischen den rückwärts gerichteten Papillen ein (Taf. VIH Fig. 13). Darauf durchbohrt der Pollenschlauch den oberen Theil des äusseren Integuments, tritt an der Stelle, wo die Integumente wit einander verwachsen sind, in das innere Integument ein und er- reicht durch dieses letztere die Nucellarspitze, ohne in die obliterirte Mikropyle zu gelangen. Auf diesem Wege (Taf. VII Fig. 13, Taf. X Fig. 9, 10, 11) nähert sich der Pollenschlauch öfters der Oberfläche der Integumente, erscheint zuweilen selbst in der Fruchtknotenhöhle, um sich jedoch alsbald in die Tiefe des Gewebes wieder zu ver- senken. Sehr selten geht der Pollenschlauch so oberflächlich zwischen den Papillen der Integumente, dass er herauspräparirt werden kann (Taf. VIII Fig. 14). Ueber der Nucellarspitze bildet der Pollenschlauch von Humulus ebensolche sackartige Auswüchse und treibt ebenfalls einen dünneren Zweig in den Nucellus bis zum Embryosack hinein, wie wir es bei Cannabis beobachtet haben. Bei Humulus japonicus ist der Pollenschlauch bedeutend dicker als bei Humunlus Lupulus und Cannabis. Meist steigt er sehr tief in die Gewebe des äusseren Integuments hinab (Taf. x Fig. 12, 13, 14), geht in das innere Integument gewöhnlich an der Stelle über, wo die Grenze zwischen den Integumenten noch deutlich zu unterscheiden ist, macht dort eine plötzliche Wendung nach oben und steigt durch das Gewebe des inneren Integuments bis zur Nucellarspitze der Samenknospe empor. Wir sehen also, dass der Pollenschlauch bei den Cannabineen seinen Weg beständig durch die Gewebe nimmt, während die Höhlung des Fruchtknotens aller- meist ganz vermieden wird, Der Weg des Pollen- schlauches im Fruchtknoten bei den Repräsentanten dieser Familie erweist sichdemjenigen am ähnlichsten, Jain manchen Fällen demjenigen ganz gleich, welcher für den Pollenschlauch bei der Ulme und der Rüster festgestellt ist. 244 Nawaschin’s Beobachtungen!) haben erwiesen, dass bei diesen zuletzt genannten Pflanzen der Pollenschlauch, indem er aus dem Gewebe des Funiculus durch beide Integumente zur Nucellarspitze der Samenknospe vordringt, die für ihn unübersteigbaren Hohlräume vermeidet. Um aus dem äusseren Integument in das innere zu ge- langen, sucht der Pollenschlauch eine Stelle, wo die beiden Integu- mente eng aneinander liegen; aus dem inneren Integumente tritt er in die Nucellarspitze auf ähnliche Weise über, indem er eine Be- rührungsstelle zwischen denselben wählt. Durch Hohlräume zu wachsen, ist der Pollenschlauch der Ulmusarten absolut unfähig; geräth seine Spitze in einen Hohlraum, so hört deren Wachsthum auf, und der Pollenschlauch treibt einen Seitenzweig. Infolge solcher Eigenschaften müssen die Pollenschläuche der Ulme und der Rüster, um sich einen bequemen Weg zu bahnen, grosse Umwege und viele vergebliche Versuche machen, über die Hohlräume hinwegzukommen, welche auf ihrem Wege im Fruchtknoten dieser Pflanzen vorkommen. Es liegt die Vermuthung nahe, dass die Pollenschläuche der den Ulmaceen nahe verwandten Cannabineen dieselben Eigenschaften besitzen; doch haben die Pollenschläuche der Cannabineen kaum . dieselben Hindernisse zu überwinden, wie solche bei Ulmus vor- liegen; denn in dem Fruchtknoten der Cannabineen finden wir weit günstigere Verhältnisse für das Wachsthum der Pollenschläuche, deren Weg ihren Eigenschaften gemäss eingerichtet zu sein scheint, indem alle Hohlräume auf demselben beseitigt sind: die Integumente an der Hinterseite der Samenknospe verwachsen mit einander, der Mikropylekanal ist obliterirt. Dank dem letzteren Umstande vermag der Pollenschlauch von Cannabis, wie wir sahen, beständig inner- halb des Gewebes verbleibend, einen Weg zu wählen, welcher dem den „porogamen“ Pflanzen eigenen nahe kommt. Das Zuführen des männlichen, befruchtenden Elements zum Ei ist bei Cannabis, im Vergleich mit den Ulmus-Arten, einigermaassen vervollkommnet, obgleich nicht in jener Richtung, wie es bei der Mehrzahl der Angio- spermen stattgefunden hat. Bei den letzteren gewinnt der Pollen- schlauch die Fähigkeit, durch die Hohlräume zu wachsen, und be- nutzt dieselbe, um den Nucellus der Samenknospe rascher und bequemer zu erreichen; bei den Cannabineen bleibt der Pollen- schlauch vielmehr ausschliesslich auf das intercellulare Wachsthum Ds 8. Nawaschin, Ueber das Verhalten des Pollenschlauches bei der Ulme. Nachrichten der kgl. Akad. d. Wissenschaften 1897. 245 angewiesen, die Zwischenräume und Hohlräume aber, die das Wachs- thum des Pollenschlauches beeinträchtigen könnten, wachsen alle zu. Die Papillen, welche das Verwachsen der Integumente der Samen- knospen bei den Cannabineen bedingen, erinnern ihrer Form nach sehr an die Papillen des Leitgewebes; da dabei die oberen Theile der Integumente ohne Zweifel der Leitung des Pollenschlauches speciell angepasst sind, darf man das betreffende Gewebe gewisser- maassen mit dem Leitgewebe vergleichen, Ich will jedoch bemerken, dass dieses Gewebe, so viel ich mich überzeugen konnte, gerade der wesentlichsten Eigenschaften des Leitgewebes entbehrt und zwar der- jenigen, welche es als ein secernirendes Organ charakterisiren könnten. Keine aufgequollenen Membranen, noch weniger die charakteristischen Eigenthümlichkeiten des Zelleninhalts, woran das typische Leitgewebe leicht zu erkennen ist, habe ich an den Papillen der Integumente wahrgenommen. Der Umstand, dass wir bei den Cannabineen die Leitung des Pollenschlauchs beobachten, welche derjenigen bei Ulmus ähnlich ist, spricht für die Anschauung von Nawaschin, der die von ihm entdeckten Eigenthümlichkeiten in der Befruchtung der Ulme mit der Stellung dieser Gattung im System in Zusammenhang bringt, indem er diese Eigenthümlichkeiten als von chalazogamen Vorfahren vererbt betrachtet. Bei der Untersuchung der Entwickelung der weiblichen Blüthe bei den OCannabineen haben wir gesehen, dass die Samenknospe durch den Axenscheitel der Blüthe gebildet wird und sich zunächst vom Grunde des jugendlichen Fruchtknotens emporhebt; alsdann wird sie während der Entwickelung des Stempels allmählich aus der ur- sprünglichen Lage versetzt, so dass sie in der fertigen Blüthe von der Wölbung des Fruchtknotenscheitels herabhängt. Es liegt die Vermuthung nahe, dass die hängende Samenknospe mehrerer Urticeen auf ähnliche Art entstehen, bezw. in ihre defini- tive Lage gelangen muss, wie es für Cannabineen eben dargestellt wurde.!) Wir haben festgestellt, dass die Versetzung der Basis der Samenknospe in den oberen Theil des Fruchtknotens durch das inter- calare Wachsthum jener Partie der Blüthenaxe verursacht ist, welche 1) Bei Ficus Carica L. wenigstens geht die Entwickelung des Stempels, nach Payer’s Zeichnungen zu urtheilen, derjenigen bei den Cannabineen sehr ähnlich vor sich. 246 das die Fruchtblätter trennende Internodium repräsentirt. Was die Ursache betrifft, welche die Verschiebung der Samenknospe bei den Cannabineen hervorrufen sollen, so scheint mir Briosi’s und Tognini’s Erklärung unzulänglich zu sein. Sie wollen die Ursache dieser Erscheinung in der Wirkung des Mitteltriebes auf das Wachs- thum des jungen Stempels finden. Mir scheint die Lage der Samen- knospe im gegebenen Falle kaum bloss durch mechanische Verhält- nisse in der sich entwickelnden Blüthe bedingt zu sein. Es will mich vielmehr dünken, als hätten wir es hier mit einer solchen Eigen- thümlichkeit in dem Bau des Fruchtknotens zu thun, weiche als eine Anpassung entstünde, so dass die Erklärung ihrer physiologischen Bedeutung uns ihrem Verständniss einen Schritt näher bringen muss. Man könnte jedoch kaum ermitteln, welche Vorzüge die hängende Samenknospe im Vergleich zur grundständigen bietet; in welcher Beziehung z. B. die Samenknospe von Cannabis vollkommener als diejenige von Urtica sein sollte? Im Anschluss an die von Nawaschin aufgestellte Ansicht hinsichtlich des Ursprungs jener Art der Leitung des Pollenschlauchs, welche bei den Ulmaceen und Cannabineen beobachtet wird, möchte ich mir eine Vermuthung gestatten. Man kann nämlich an- nehmen, die Lage einer hängenden Samenknospe, die gerade unter der Ansatzstelle der Griffel entspringt, sei im vorliegenden Falle eine Anpassung, welche bei den chalazogamen Vorfahren einer gewissen Gruppe von Urticeae im Zwecke einer sicheren Leitung des Pollen- schlauchs entstünde. Auf Grund der vorhandenen Thatsachen kann man ferner annehmen, dass der Fruchtknoten bei den ehemaligen Vorfahren der sämmtlichen Urticeen mit einer grundständigen Samen- knospe versehen gewesen, wobei diese Pflanzenformen einen chalazzo- gamischen Typus, etwa nach der Art des modernen Juglans repräsen- tirt hatten. Die Leitung des befruchtenden Elements bis zum Ei war augenscheinlich unbequem, und es war natürlich, dass die Nachkommen jener primitiven Formen die Tendenz äusserten, den Weg des Pollen- schlauchs zu verkürzen und bestimmter zu machen, Dies wurde auf zweierlei Weise erzielt, so dass bei den einen Formen, wie bei Urtica die Samenknospe aufrecht grundständig blieb, der Pollenschlauch aber sich einen geraden Weg zur Nucellarspitze durch das Integument genommen hat, während bei den anderen, zu denen die Vorfahren der Ulmaceen und Cannabincen angehören, sich die Chalazo- gamie erhalten, wobei die Samenknospe eine für diese Befruchtungs- art vortheilhaftere Lage angenommen hat. Im Laufe der Entwickelung 247 wenigstens einiger!) dieser Formen wurde der Pollenschlauch, nachdem eine neue Verkürzung dessen Weges stattgefunden, nicht mehr durch die Chalaza geleitet; doch scheint die Lage einer hängenden Samen- knospe dabei ihre Bedeutung noch nicht völlig eingebüsst zu haben. Die Hauptergebnisse der vorliegenden Arbeit kurz zusammen- gefasst sind folgende: 1. In den Arbeiten der älteren Morphologen, denen Irmisch’s (1848) und Payer’s (1857), findet man weit sicherere Angaben über die Morphologie der Inflorescenzen und Blüthen bei Cannaltineen, als in den Arbeiten der modernen Forscher: Lermer’s und Holz- ner’s (1892) und Briosi’s und Tognini’s. 2. Es bilden die weiblichen Blüthen des Hanfs keine Inflores- eenzen, sondern sie sind in den Achseln der Vorblätter an den Zweigen verschiedener Ordnungen einzeln vertheilt. 3. Die weibliche Inflorescenz von Humulus japonicus Sieb. et Zuce. ist weniger specialisirt, als dieselbe von Humulus Lupulus L. und stellt einen Uebergang dar von dem blüthentragenden Sprosse des Hanfs zu der Inflorescenz des gemeinen Hopfens. 4. Die Entwickelungsgeschichte der weiblichen Inflorescenz von Humulus Lupulus bestätigt vollkommen jene morphologische Deutung, welche Irmisch auf Grund der Untersuchung dieser Inflorescenz im fertigen Zustande über die Natur derselben dargelegt hat. 5. Die Bracteen der weiblichen Cannabineenblüthen sind trotz der Meinung von Lermer, Holzner, Briosi und Tognini die Blätter, in deren Achseln sich die Blüthen bilden. 6. Das Perigon der weiblichen Cannabineenblüthe wird von zweien sich unabhängig von einander anlegenden Blättchen gebildet. Bei dem Saathanfe ist das Perigon häufig ganz fehlgeschlagen, oder es entwickelt sich das hintere von den Perigonblättchen allein. 7. Der Stempel der Cannabineen wird sowohl von der Blüthen- axe wie von den beiden Fruchtblättern gebildet; von den letzteren nimmt jedoch nur das vordere in der Bildung der Fruchtknoten- wandung Antheil, während das andere Fruchtblatt bloss den hinteren Griffel ausmacht. 8. Die Samenknospe der Cannabineen, wie es bei den meisten Apetalen auch der Fall ist, wird von dem Scheitel der Blüthenaxe 1) Es ist sehr möglich, dass sich in den Familien Ulmaoeae und Moracea« auch echte Chalazogame finden lassen. 248 gebildet; das Hinaufheben der Ansatzstelle der Samenknospe in den oberen Theil des Fruchtknotens wird durch Verlängerung des Inter- nodiums bedingt, weiches die beiden Fruchtblätter trennt. 9. Die beiden Integumente verwachsen mit einander von der Hinterseite der Samenknospe und die Mikropyle wird bei den Canna- bineen obliterirt; diese Eigenthümlichkeit muss als eine Anpassung, die zur Leitung des Pollenschlauches dient, betrachtet werden. 10. Der Pollenschlauch der Cannabineen, nachdem er in den Griffel gelangt ist, wächst fortwährend innerhalb des Gewebes des Fruchtknotens und erreicht die Nucellus der Samenknospen, ohne in die Fruchtknoten zu gelangen. 11. Die Placentation wie auch das Verhalten des Pollenschlauches bei den Cannabineen deuten darauf hin, dass diese Pflanzen von den porogamen Pflanzen, deren Fruchtknoten viel complicirter gebaut ist, keineswegs abgeleitet werden können, Tafelerklärung. Taf. VI Fig. 1. Cannabis sativa L.; weibliches Blüthenpaar sammt dem angehörigen Deckblatte (von der Innenseite gesehen); r, der Mitteltrieb, im betreffenden Falle schwach entwickelt, br die die Blüthe umhüllende Bractee, 1 Blatt- spreite, st Nebenblatt. Vergr. 14:1, » 2. Dasselbe Blüthenpaar von der Aussenseite gesehen. Vergr. 14:1. » 3. Isolirte weibliche Blüthe des gewöhnlichen Hanfs, von ihrer Bractee los- gelöst; es ist das einem einzigen Blättchen bestehende Perigon zu sehen. Vergr. 14:1. » 4. Der untere Theil derselben Blüthe stärker vergrössert 30:1. » 5. Das einzige Perigonblättchen des gewöhnlichen Hanfs. Vergr. 30:1. „ 6. Etwas zugenommenes Perigonblättchen des Hanfes von einer bereits ab- geblühten Blüthe. Vergr. 30:1. n» 7. Reifes Früchtchen des gewöhnlichen Hanfs; links ist das einzige Perigon- blättchen zu sehen. Vergr. 7:1. » 8. Reifes Früchtchen von Cannabis gigantea hort.; von einem voll- ständigen becherförmigen Perigon umhüllt. Vergr. 7:1. n 9. I-—VI. Querdurchschnitte einer und derselben Serie der Schnitte durch ein Blüthenpsar und dasselbe deckendes Blatt; 1 Blattspreite, st Neben- blatt, br Bractee, p Perigon, r Mitteltrieb, Vergr. 30:1. 10. Humulus lupulus L. Eine vierblüthige Gruppe in der Achsel des Deckblattes, welches durch beide Nebenblätter repräsentirt ist (von der Innenseite), st Nebenblätter des Deckblatts, r Scheitel des Kurztriebes, in der Achsel des Deckblattes entsprungen, br; Bractee der primären Blüthe, fl, primäre, fl, secundäre Blüthe. Vergr. 14:1. » 11. Dieselbe Blüthengruppe von der Aussenseite gesehen. Vergr, 14:1. 249 Fig. 12, Der untere Theil einer Blüthe des gewöhnlichen Hopfens; der Frucht- knoten ist vom Perigon eingehüllt, welches undeutlich zweilappig ist; der vordere Lappen (auf der Abbildung rechts) ist breiter, als der hintere (links). Vergr. 30:1. „ 13. Querdurchschnitt durch eine junge Inflorescenz von Humulus Lupu- lus. st Nebenblatt des Deckblatts, fl, die primäre, fl, die seeundäre Blütbe, br,, br, die Bracteen der primären bezw. secundären Blüthe. Vergr. 21:1. „»„ 1. Humulus japonieus Sieb. et Zucce.; ein Blüthenpaar sammt dem dasselbe schützenden Blatte (von der Innenseite gesehen); r, der Mittel- trieb, br Bractee, 1 Blattspreite, st Nebenblatt. Vergr. 14:1. „ 15—23 stellen die aufeinanderfolgenden Entwickelungsstadien des Frucht- knotens des Hanfs dar; optische Medianlängsschnitte, nach aufgehellten Fruchtknöten entworfen. Vergr. 180:1. Taf. VII. Sänmmtliche Abbildungen dieser Tafel wurden nach aufgehellten (mit Eau de Ja- velle) Objeeten entworfen, Die tiefer liegenden Theile sind als durch die ober- flächigen durchschimmernd dargestellt. Fig. 1. Der obere Theil eines jungen Hanfzweiges; a dessen Spitze, f die An- lage des ersten (Vorblätter angenommen) Blattes dieses Zweiges, r die Zweiganlage, in der Achsel des Blatts f entsprungen. Vergr. 180:1. » 2. Ein ähnlicher Zweig. wie auf der Fig. 1, doch ist das erste Blatt, auf der dem Beobachter zugekehrten Seite mehr entwickelt; a Axenscheitel, 1 Blattspreite, st Nebenblatt, r Zweiganlage in der Blattachsel, Vergr. 180:1, » 3. Dieselbe Zweiganlage r, die an der Fig. 2 zu sehen ist, einzeln abge- bildet. Vergr. 180:1. 4 u. 5. Die oberen Theile der Zweige sammt den Blättern und secundären Zweigen, mehr entwickelt, als in den an den Fig. 1 u. 2 dargestellten Fällen. a Axenscheitel des Zweiges, | Blattspreite, st Nebenblatt, r An- lage des secundären Zweiges in der Blattachsel. Vergr. 180:1. » 6. Einzeln dargestellt jene Zweiganlage r, die an der Fig. 5 zu sehen ist, Vergr. 180:1. » 7, 8.u. 9 stellen darauffolgende Entwickelungsstadien derselben Theile, die an den Fig. 4, 5 u. 6 abgebildet sind. Bezeichnungen und Vergrösser- ungen dieselben wie früher. » 10. Spitze des Hanfzweiges in der Scheitelansicht; a Axenscheitel, 1 Blatt- spreite, st Nebenblatt, r Wülstehen in der Blattachsel. Vergr. 180:1. » 11. Der obere Theil eines in der Entwickelung begriffenen Hanfzweiges. a dessen Axenscheitel, 1 Blattspreite, st Nebenblatt (die Nebenblätter des mehr entwickelten Blattes sind losgelöst, ihre Ansatzstellen sind aber angedeutet), r Achselwülstehen, fl Blüthenanlage (die Axe derselben), br Braetee, r, Mitteltrieb. Vergr. 180:1. » 12. Zweigspitze, derselben an der Fig. 11 ähnlich, doch anders gestellt. Be- zeichnungen und Vergrösserungen wie an der Fig. il. » 18-18, Nacheinanderfolgende Entwiekelungsstsdien eines Blüthenpaares des Hanfs. Die Fig. 13—17 stellen dieses Paar von der Innen-, Fig. 18 250 Fig. 19. n rn Fig. 20. von der Aussenseite dar. 1 Blattspreite, st Nebenblatt, r, Mitteltrieb, br Bractee, p; die Vorderanlage des Perigons, pz dessen Hinteranlage, c,; das vordere Fruchtblatt, c, das hintere Fruchtblatt, g Axenscheitel der Blüthe (die Samenknospe). Vergr. 180:1. Scheitel einer in der Entwickelung begriffenen weiblichen Inflorescenz von Humulus Lupulus, a Spitze der Hauptaxe der Inflorescens, f Anlage des Blattes, welches dieser Axe entspringt, r Zweiganlage in der Achsel desselben Blattes, 1 Blattspreite, st Nebenblätter. Vergr. 72:1. Dasselbe von der Seite gesehen. Bezeichnungen und Vergrösserungen dieselben. 21-27. HumulusLupulus L.; aufeinanderfolgende Entwickelungsstadien 28. 29. 30. 31. einer Zweiganlage, die in der Achsel des auf der Inflorescenzhauptaxe sitzenden Blattes entspringt. Ueberall ist die Achselbildung von der Innenseite abgebildet. r, Scheitel der Axe zweiter Ordnung, br, Vor- blatt dieser Axe (Bractee der primären Blüthe), rg Axe dritter Ordnung, die in der Achsel des Vorblattes br, angelegt wird, br, Vorblatt der Axe dritter Ordnung (Bractee der secundären Blüthe), fi] Axe der pri- mären Blüthe (Scheitel der Axe r,), fl, Axe der secundären Blüthe, in der Achsel des Vorblattes br, entsprungen, p, die vordere Perigonan- lage. Vergr. 72:1. Gruppe der Blüthenanlage des gemeinen Hopfens (Entwickelungsstadium demselben an der Fig. 27 dargestellten fast gleich), in der Scheitelan- sicht; br, Bractee der primären Blüthe, br, dieselbe der secundären, fl und fl, Axe des primären bezw. der secundären Blüthe. Vergr. 72:1. Gruppe der jungen Blüthen von Humulus Lupulus L. (eine der seitlichen Blüthen ist nicht abgebildet) von der Innenseite gesehen. r; Scheitel des Kurztriebes der Infloreseenz, bry, br, Bractee der primären bezw. secundären Blüthe, p,, pg die vordere bezw. hintere Perigonan- lage, C,, ct; das vordere bezw. das hintere Fruchtblatt, g Scheitel der Blüthenaxe (die Samenknospe). Vergr. 72:1. Eine junge Blüthe des gemeinen Hopfens, einzeln abgebildet. Pi Pa Perigon, c,, €, Fruchtblätter, g Samenknospe. Vergr. 72:1. Gruppe der jungen Blüthe von Humulus Lupulus L. von der Innenseite gesehen; fl,, fl, primäre bezw. secundäre Blüthe. Vergr. 55:1. Taf. VII Medianlängsschnitt durch die weibliche Hanfblüthe zur Zeit des Anfangs der Embryobildung; die beiden Griffel sind abgefallen. Vergr. 55:1. Medianlängsschnitt durch die weibliche Blüthe des gemeinen Hopfens zur selben Zeit. Vergr. 55:1. Ebensoleher Durchschnitt durch die weibliche Blüthe von Humulus japonieus Sieb. et Zuee. Vergr. 55:1. Narbenspitze des Hanfs. Es ist ein Pollenkorn zu sehen, das an die Narbenpapille festklebt ist und den Pollenschlauch treibt. Vergr. 180:1. Eine von den Narbenpapillen des Hanfes mit einem festklebenden Pollen- korn. Der Pollenschlauch, nachdem er die Basis der Papille erreicht hat, hat einen Zweig getrieben und ist ins Innere des Narbengewebes 251 zwischen der Papille und der nächst oberen Zelle eingedrungen. Durch die oberflächliche Narbenzelle kann man den hiuabsteigenden Pollen- schlauch hinter einer Zelle der nächst tieferen Schicht verschwinden sehen, Nach einem mit Eau de Javelle aufgehellten Präparate entworfen. Vergr. 330:1. Fig. 7—10. Optische Medianlängsansichten von Scheiteln der Samenknospen des Hanfs nach aufgehellten Präparaten. i, das innere, i, das äussere Inte- gument. An der Fig. 7 ist die Nucellarspitze der Samenknospe sammt den dieselbe deckenden Integumente zu sehen; in dem Gewebe der letzteren zieht sich der Pollenschlauch. Fig. 8 stellt allein die oberen Theile der Integumente und den Pollenschlauch dar. In dem Präparate, nach welchem die Fig. 9 entworfen, wurde der Hintertheil des äusseren Integuments, der an das innere Integument von oben anliegt, wegge- nommen, Fig. 10 stellt die oberen Theile der beiden Integumente künst- lieh von einander getrennt dar; der Pollenschlauch ist zerrissen, Vergr. 200:1, „ 41. Der Hintertheil des äusseren Integumentes der Samenknospe des Hanufs in der Medianlängsansicht. Nach einem mit Eau de Javelle aufgehellten Präparate. Vergr, 200:1. » 12. Die Auswüchse, die der Pollenschlauch des Hanfs über dem Nucellar- scheitel der Samenknospe treibt. Nach aufgehellten Präparaten. Vergr. 367:1. »„ 13. Medianlängsansicht des Scheitels der Samenknospe von Humulus Lupulus; es ist der Nucellarscheitel sammt den denselben deckenden Integumente zu sehen (i, das innere, i, das äussere Integument), in deren Gewebe sich der Pollenschlauch zieht. Nach einem mit Eau de Javelle aufgehellten Präparate. Vergr. 200:1, » 14. Künstlich von einander getrennte obere Theile der Integumente der Samenknospe von Humulus Lupulus in der optischen Medianlängs- ansicht. ij, das innere, i, das äussere Integument. Im Innern des Pollenschlauches ist ein Cellulosepfröpfehen zu sehen. Nach einem mit Eau de Javelle aufgehellten Präparate. Vergr. 200:1. » 15-17. Medianlängsdurchschnitte durch Blüthenanlagen des Hanfs. Das Alter der Anlagen ist durch Ziffern angegeben. p, die vordere, pz die hintere Perigonanlage, c, das vordere, c, das hintere Fruchtblatt, Nach Mikrotomschnitten. Vergr. 330:1. Taf. IX. Sämmtliche Abbildungen dieser Tafel erläutern die Leitung des Pollenschlauches innerhalb des Fruchtknotens des Hanfs und wurden nach den mit Hämotoxylin und Saffranin gefärbten Schnitten entworfen; colorirt wurde jedoch nur die Membran des Pollenschlauches abgebildet. Vergr. überall 330:1. Fig. 1. Querdurehschnitt durch den Griffel; zwischen den centralen Zellen der- selben ist der Pollenschlauch im Querschnitte zu sehen. » 2-8. Theile von Querdurchschnitten aus einer und derselben Schnittserie durch den Fruchtknoten des Hanfs, Fig, 2 stellt den Üentraltheil des Fruchtknotenscheitels dar; es ist ein kleinzelliges Gewebe, inmitten ist der Pollenschlauch zu sehen; ringsum grössere Zellen, deren einige mit 252 Drusen des Kalkoxalates. Der Durchschnitt, dessen Theil an der Fig. 3 wiedergegeben, hat schon die Fruchtknotenhöhle getroffen. Die übrigen Figuren (4—8) zeigen Durchschnitte durch den oberen Theil der Samen- knospe. An dem Durchschnitte (Fig. 4), der die oberen, untereinander verwachsenen Teile der beiden Integumente getroffen hat, sind der hinab- und der hinaufsteigende Theil, wie auch die obere Umbiegungs- stelle des Pollenschlauchs zu sehen. Weder Mikropyle, noch eine wahrnehmbare Grenze zwischen dem inneren Integument und dem Hintertheile des äusseren Integuments ist vorhanden. Fig. 5 stellt den Durchschnitt dar, der die Samenknospe etwas oberhalb der Nucellar- spitze getroffen hat; man sieht den hinab- und den hinaufsteigenden Theil des Pollenschlauches, wie auch dessen Zweige über den Nucellar- scheitel getrieben. Die Grenze zwischen den beiden Integumenten ist allein von der vorderen Seite der Samenknospe bemerkbar. Der Durch- schnitt, den die Fig. 6 darstellt, hat die Nucellarspitze selbst getroffen; es ist zu sehen: der Pollenschlauchzweig, in die Nucellarspitze ein- gedrungen; die Zweige, welche die Nucellarspitze umarmen; die untere Umbiegungsstelle des Pollenschlauches; an dem Niveau dieses Durch- schnittes ist die Grenze. zwischen den beiden Integumenten an der Hinterseite der Samenknospe bereits zu erkennen. An der Fig. 7 sieht man den Pollenschlauch in dem Gewebe der Nueellarspitze. Fig. 8 stellt den Durchschnitt dar, der den Embryosackscheitel getroffen hat; die Taschenhöhle ist ebenfalls zu sehen, Fig. 9—11 stellen Theile der aufeinanderfolgenden Längsdurchschnitte durch den Fruchtknoten des Hanfs dar. An der Fig. 9 sieht man den Pollen- schlaueh durch das kleinzellige Gewebe des Fruchtknotenscheitels wachsen. An den Figuren 10 und 11 ist zu sehen: die Nucellarspitze, das innere Integument und den mit demselben verwachsene Hintertheil des äusseren Integumentes. Rechts oben sieht man die Zellen des Fruchtknotenscheitels und den Rand der Fruchtknotenwandung. » 12. Medianlängsdurchschnitt durch den Nucellarscheitel der Samenknospe sammt den denselben umgebenden Integumenten; man sieht den Pollen- schlauchzweig, welcher die Nucellarspitze durchzieht und das Embryo. Taf.X. n 1-3. Medianlängsschnitte durch junge Samenknospen des gemeinen Hopfens, in verschiedenen Entwickelungsstadien begriffen. In den Figuren 2 und 3 ist nur der Nucellus der Samenknospe abgebildet. An der Fig. 1 sieht man eine grosse, subepidermale Zelle, die eine Schicht- und eine Embryosackmutterzelle zu bilden hat; die oberhalb dieser Zelle liegende Epidermalzelle hat sich durch eine tangentiale Scheidewand getheil. An der Fig. 2 sind die Embryosackmutterzellen und die beiden durch die Theilung der Schichtzelle erzeugten Zellen zu sehen. An der Fig. 3 sieht man den Embryosack und dessen beide Schwesterzellen. Vergr. 660:1. n 4—8. Aufeinanderfolgende Entwickelungsstadien des Embryosackes des ge- meinen Hopfens, nach Medianlängsdurchschnitten entworfen. Vergr. 400:1. »„ 9u.10. Theile zweier aufeinanderfolgender Medianlängsdurchschnitte einer und derselben Schnittserie durch die Samenknospe des gemeinen 2583 Hopfens. Die oberen Theile von beiden Integumenten und der dieselben durchziehende Pollenschlauch sind abgebildet; der letztere wurde mit Hämatoxylin gefärbt. An der Fig. 9 ist die Nucellarspitze zu sehen. Die fehlenden Abschnitte des Pollenschlauches sind in dem dritten Durch- schnitte derselben Serie dagewesen, welcher nicht aufgezeichnet wurde. Vergr. 830:1, Fig. 11. Theil eines Medianlängsdurehsehnittes durch den Fruchtiknoten des ge- meinen Hopfens. Die mit einander verwachsenen oberen Theile der beiden Integumente der Samenknospe sind abgebildet; im Innern des Gewebes derselben zieht sich der Pollenschlauch. Rechts sieht man einen Theil des Fruchtknotenscheitels und die Grenze der Fruchtknoten- höhle. Vergr. 330:1. „ 12-14 Theile von aufeinanderfolgenden medianen Serienschnitien durch den Fruchtknoten von Humulus japonicus Sieb. et Zuce, An dem mittleren dieser Schnitte (Fig. 18) ist zu sehen: ein Theil des Fruchtknotenscheitels (rechts oben), mit einander verwachsene hintere Theile der beiden Integumente und einen Theil der Nucellarspitze; der Pollenschlauch steigt innerhalb des Gewebes des äusseren Integumentes, ohne in die Fruchtknotenhöhle zu gelangen. An dem vorangehenden Schnitte (Fig. 12) sieht man den Pollenschlauch bis zum Nucellarscheitel vordringen. Fig. 14 stellt die untere Umbiegungsstelle desselben Pollen- schlauches dar. Vergr, 830:1. Flora 1898. - 17 Beiträge zur Embryologie von Aconitum Napellus L. Von Adolf Osterwalder. Hiezu Tafel XI-XVL I. Entstehung und Keimung der Pollenkörner. Die Anthere von Aconitum Napellus weicht in ihrer anatomischen Beschaffenheit von dem Bau der gewöhnlichen vierfächrigen Anthere nicht ab. Ihre Epidermiszellen sind in tangentialer Richtung ge- streckt, während die darunter liegende fibröse Schicht radial ge- dehnt ist. Durch das Connectiv zieht sich ein Gefässbündel. Auch die Pollenbildung bietet nichts Aussergewöhnliches dar. Die Tetraden- bildung vollzieht sich schon sehr früh, so dass wir in Blüthenknospen, bei denen das Archespor sich bereits herausdifferenzirt hat, meist schon getheilten Pollenmutterzellen begegnen. Sie schreitet von den äusseren Kreisen des Androeceums nach innen, also in centripetaler Richtung vor. Die in nächster Nähe des Gynoeceums stehenden Antheren können Pollenmutterzellen mit Kerntheilungsfiguren enthalten, während bei den peripherisch gelegenen die Pollenmutterzellen bereits in Tetraden zerfallen sind. Zwischen der ersten und zweiten Theilung können wir in den Pollenmutterzellen keine Membran wahrnehmen, somit findet die Bildung der Pollenkörner durch eine simultane Vier- theilung statt. Die karyokinetischen Figuren lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Es hat Guignard 1891 bei Lilium Martagon festgestellt, dass, während die Urpollenmutterzellen 24 Chromosomen enthalten, die Pollenmutterzellen stets nur 12 Chromo- somen aufweisen, indem eine Reduction der Chromosomen stfatt- findet. Seine Beobachtungen wurden bestätigt durch Dr. Overton, der, unabhängig von Guignard, zu demselben Resultat kam. Seither wurden weitere Untersuchungen über diesen Reductionsvorgang bei anderen Pflanzen von Guignard, Strasburger und Overton angestellt, die alle ergaben, dass die Reduction der Chromosomen bei der ersten Theilung der Pollenmutterzellen stattfindet. Bei Aco- nitum Napellus fand Dr. Overton die Zahl der Chromosomen in den Pollenmutterzellen gleich 12, in den Urpollenmutterzellen mindestens 20. Was die erste Beobachtung anbetrifft, so bin ich im Falle, sie bestätigen zu können. Urpollenmutterzellen habe ich leider nicht zu Gesicht bekommen. Der Tetradenzellkern ist ursprünglich in der Mitte der Zelle gelegen; er ist linsenförmig und sehr chromatinreich. Später nimmt 255 der Kern eine wandständige Stellung ein. Zu der Zeit, da sich der Embryosack durch Verdrängung seiner Schwesterzellen entwickelt und der Eiapparat und die Antipoden in Erscheinung treten, hat sich die Theilung des progamen Zellkerns (im Pollen) in einen generativen und einen vegetativen Kern bereits vollzogen, so dass wir annehmen dürfen, diese Theilung falle ungefähr mit der Archesportheilung zu- sammen. Wir sehen, dass die Anthere das Ziel ihrer Ausbildung fast erreicht hat, während das Gynoeceum noch um das Doppelte wachsen muss. Die Blüthen von Aconitum Napellus sind bekanntlich proterandrisch. Der reife Pollenkern hat im optischen Querschnitt die Form eines gleichseitigen Dreiecks mit nach aussen gewölbten Seiten. (Taf. XI Fig. 1). Die gelblich gefärbte euticularisirte glatte Exine keilt sich gegen die Austrittsöffnungen hin, deren 3 zu zählen sind, zur dünnen Membran aus. Bei mit Hämatoxylin behandelten Pollen- körnern sind der generative und der vegetative Kern nicht unschwer zu unterscheiden. Der erstere nimmt eine centrale Lage ein; er ist spindelförmig und. unterscheidet sich von seinem Schwesterkern durch intensive Färbung. Nucleolen sind in demselben nicht wahrzunehmen, er scheint also eine homogene Masse zu bilden. Der vegetative Kern, ebenfalls eine homogene Masse, färbt sich etwas intensiver als das ihn umgebende stärkefreie Protoplasma. Oft hat er eine kahnförmige Gestalt, manchmal ist er auch sichelförmig gekrümmt und umgibt mit zwei Hörnern den generativen Kern, in dessen Nähe er liegt. Die Sichel des vegetativen Kernes kann zur Klammer werden, die in diesem Fall den generativen Kern fast ganz umfasst. (Taf. XI Fig. 3). Ich stellte auch einige Versuche mit Pollenkulturen in einem hängenden Tropfen von Rohrzuckerlösung (feuchte Kammer) an. Die besten Resultate lieferte eine 20proe. Lösung, der noch Stücke von reifen Griffeln beigefügt wurden. Ohne letztere Zugabe keimen die Pollenschläuche nur schwer. Fixirt und gefärbt wurden die Pollen- schläuche nach der Methode, die Dr. Overton in der „Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie und für wissenschaftliche mikro- skopische Technik“ Bd. VII 1880, p. 9—16, für mikroskopisch kleine Objecte vorschlägt. Werden die Präparate mit Hämatoxylin etwas überfärbt und nachher zurückgefärbt, so werden sie an Deutlichkeit nur gewinnen. Anfangs geschieht das Austreiben des Pollenschlauches nur langsam. So hat derselbe nach einer Stunde oft kaum die Länge des Pollenkerns erreicht. In der zweiten Stunde ist die Wachsthums- bewegung eine beschleunigtere, so dass wir nach Verlauf von zwei 17* 256 Stunden Pollenschläuche von achtfacher Länge des Pollenkernes finden. Nach 5!/s Stunden kann der Schlauch die zwanzigfache Länge des Kernes erreichen. Was den Austritt der beiden Kerne aus dem Pollenkern anbetrifft, so hängt derselbe wesentlich von ihrer gegenseitigen Lage ab. Wir sehen in dem einen Pollenkern, in dem die „Klammer“ des vegetativen Kerns gegen den nahen Austrittsporus offen ist, den generativen Kern, der von der „Klammer“ umgeben ist, zuerst aus- treten (Taf. XI Fig. 4). In dem nebenanliegenden Kern aber, wo die „Klammer“ des vegetativen Kerns ihren Rücken gegen den Aus- trittsporus kehrt (Taf. XI Fig. 3), hat der vegetative Kern die Priorität, da der generative Kern unmöglich zuerst austreten kann. Es können auch Fälle vorkommen, wo beide Kerne zugleich in den Schlauch eintreten und den Schlaucheingang versperren, wie cs Strasburger z. B. bei Allium gesehen. Man kann gelegentlich auch bemerken, dass der vegetative Kern beim Eintritt in den Pollenschlauch seine Gestalt in dem Sinne verändert, dass die „Sichel“ oder die „Klammer“ sich weit öffnet (Taf. XI Fig.5). Der eine Schenkel verlängert sich, so dass der vegetative Kern im Pollenschlauche fadenförmig und gerade ausgezogen ist. Ist der generative Kern im Schlauch voraus; so wird er vom vegetatiren Kern überholt. So kommt es dann auch vor, dass die beiden Kerne im Schlauch neben einander zu liegen kommen. In späteren Stadien, wo der Pollen- schlauch eine bedeutende Länge erreicht hat, befindet sich der vege- tative Kern immer vor dem generativen. Wenn im Pollenkorn nur die Zellkerne bemerkbar waren, so können wir im Schlauche hie und da die generative Zelle deutlich unterscheiden. Sie hat die Gestalt einer Linse (Taf. XI Fig. 7), deren Mitte durch den genera- tiven Kern eingenommen wird. Der Pollenschlauch, der auf seiner ganzen Länge die ursprüngliche Breite beibehält, spitzt sich am vorderen Ende etwas zu. Die Zellulosemembran ist überall gleich diek; eine Zellulosekappe an der Spitze des Schlauches fehlt. Bei längeren Pollenschläuchen begegnen wir von Strecke zu Strecke Zellulosepfropfen, die dazu dienen, den protoplasmahaltigen Theil des Schlauches von der entleerten hintern Partie abzuschliessen. Bei einem Schlauche zählte ich deren 10. Beim Platzen des Pollenschlauches das oft genug vorkommt, nehmen generative und vegetative Kerne kugelrunde Gestalt an. Hat der Schlauch eine gewisse Länge erreicht, so tritt Theiluug des generativen Kernes ein (Taf. XI Fig. 10). Typische Kerntheilungsfiguren bei der Theilung des generativen Kerns sind mir nie zu Gesicht gekommen. Wir bemerken wohl zarte 257 Chromatinfäden, dagegen keine Kernspindel oder eine Kernplatte, Die Bilder erinnern sehr an diejenigen von Paeonia. (Strasburger, Neue Untersuchungen über den Befruchtungsvorgang bei den Phanero- gamen Taf. XI Fig. 20 und 21). Sind die beiden Tochterkerne des generativen Kerns in das Ruhestadium getreten, so nehmen wir um dieselben herum wieder die Conturen der Zellen wahr. In einem Präparat fand ich an Stelle der zwei generativen Kerne deren drei. In diesem Fall muss der eine der beiden Tochterkerne nochmals eine Theilung eingegangen sein. Ebenfalls drei generative Kerne beobachtete ich in einer Eizelle zur Zeit der Befruchtung. Zu der Zeit, da sich der generative Kern theilt, können wir den vegetativen Kern oft noch deutlich als ein langes, fadenförmiges Gebilde unter- scheiden; oft findet er sich noch als eine dunkel tingirte Wolke in der Nähe seines Schwesterkerns (Taf. XI Fig. 10 und 11). I. Entwickelung des Embryosackes. Befruchtung. Die Untersuchungen von Strasburger, A. Fischer, Gui- &nard etc. haben ergeben, dass die Angiospermen in der Embryosack- entwickelung verschiedene Wege einschlagen. Während bei den einen, zu denen Lilium Martagon gehört, die Archesporzellen direct zum Em- bryosack wird, zerfällt sie bei anderen, z. B. Seneeio vulgaris, in vier Tochterzellen, von denen die unterste die oberen drei verdrängt und zum Embryosack wird. Diese Entstehungsart soll bei den Monoco- tylen die grösste Verbreitung besitzen. Bei anderen Pflanzen findet nur einmalige Theilung der Archesporzelle statt, und es entwickelt sich die untere der beiden Tochterzellen zum Embryosack. (Nareis- sus). In anderen Fällen soll die Archesporzelle zuerst sogenannte Tapetenzellen abtrennen und dann sich mehrmals hinter einander theilen. Eine von den in einer axialen Reihe orientirten Zellen verdrängt die anderen und wird zum Embryosack. (Polygonum diva- ricatum). Wie verhält es sich nun mit Aconitum Napellus in dieser Hinsicht ? Zu der Zeit, da das innere Integument bereits als ringförmiger Wall sich hervorzuwölben beginnt, hat sich auch schon das Archespor aus dem Haufen indifferenter Zellen, die die junge Anlage des Gynoeceums bilden, herausdifferenzirt (Taf. XI Fig.12). Es nimmt seinen Ursprung aus der subepidermalen Zellschicht. Wo zwei Zellschichten das Arche- spor überlagern, dürfen wir annehmen, dass sich die Epidermis bereits in zwei Zelllagen gespalten hat. Wir treffen nämlich auch Schnitte an, in denen die Epidermis über dem Archespor sich schon getheilt hat 258. während sie an einer anderen Stelle der jungen Anlage noch ein- sehichtig ist. Die in axialer Richtung gestreckte Archesporzelle fällt uns in erster Linie durch ihre Grösse auf. Sie kann basalwärts bis zu dem Niveau reichen, in welchem das innere Integument angelegt wird. Oft verschmälert sich das Archespor nach unten und nimmt keilförmige Gestalt an. Es kann aber auch prismatische Form be- sitzen. Das Protoplasma besitzt ein homogenes Aussehen und ist gleichmässig in der: ganzen Zelle vertheil. Nach der Tinction zu schliessen, scheint es in dieser Zelle nicht viel reichhaltiger vorhanden zu sein, als in den benachbarten Zellen. Der Kern ist rund bis langrund und kann eine verschiedene Lage in der Zelle einnehmen: in deren oberen Hälfte oder in der Mitte liegen oder mehr der Basis genähert sein. Er unterscheidet sich von den mehr oder weniger lauggestreckten Zellkernen der Umgebung durch seine Grösse, insbe- sondere aber durch seine Struktur. Wenige Nucleolen liegen zwischen den breiten Windungen eines langen, nach den verschiedenen Ein- stellungen zu schliessen, zusammenhängenden Chromatinfadens. Oft begegnen wir auf unseren Schnitten prächtigen Kerntheilungsfiguren im Nucellusgewebe. Immerhin lässt sich die Zahl der Chromosomen, ihres reichlichen Vorkommens wegen, nicht genau bestimmen. In geringerer Anzahl kommen die Chromosomen bei der Theilung des Archesporkerns vor, wie uns die Kerntheilungsfiguren des Archespors auf den ersten Blick lehren. Wir dürfen annehmen, dass die Reduction der Chromosomen auf Seite des Gynoeceums im Archespor geschieht, in dem morphologischen Aequivalent der Pollenmutterzelle. Bei der Theilung des Archespors zerfällt die Zelle in halber Höhe durch eine perikline, dicke, stark lichtbrechende Wand in zwei Hälften (Taf. XI Fig. 13), die sich ihrerseits nochmals theilen, so dass aus dem Arche- spor vier Zellen entstehen (Taf. XI Fig. 14). Die oberste Zelle kann durch eine manchmal schief gerichtete Wand nochmals in zwei Tochter- zellen zerfallen (Taf. XI Fig. 15 u. 16), so dass man letztere leicht für Tapetenzellen halten könnte; dass sie keine Tapetenzellen sind, dafür spricht ihre Entstehungsweise. Nach Vesque theilt sich das Archespor bei Butomus umbellatus ebenfalls in zwei Tochterzellen, von denen jede sich nochmals theilt. Die oberste der vier Zellen theilt sich aber dann durch eine senkrechte Wand wieder in zwei. Vergleichen wir die diesbezüg- lichen Figuren von Butomus und diejenigen von Aconitum Napellus mit einander, so wird eine gewisse Aehnlichkeit zwischen ihnen nicht zu verkennen sein. Die Deszendenten des Archespors sind wenig charak- teristisch, so dass es oft schwierig ist, ihre Entstehung und Ent- 259 wiekelung zu verfolgen. Sie zeichnen sich ebenso wenig wie das Archespor durch reichlichen Protoplasmagehalt aus. Die Gestalt der Zellen, oft auch ihre Kerne, dann die mittlere dicke Zellenmembran, die ohne Zweifel die Scheidewand der ersten beiden Tochterzellen des Archespors darstellt, können uns noch am ehesten als Erkennungszeichen dienen. Namentlich gegen den Scheitel des Nucellus hin wird es oft schwierig, zu unterscheiden, was Epidermis ist, resp. von ihr abstammt, und was ausdem Archespor hervorgegangen ist, da die Epidermiszu dieser Zeit sich oberhalb des Archespors in 2—8 Zellschichten getheilt hat. Die unterste der vier Deszendenten des Archespors wird zum Embryosack, wie uns Präparate zeigen, in denen von den vier Zellen, mit Ausnahme der untersten, alle in Degeneration begriffen sind. Es kann dieser Degenerationsprocess von unten nach oben fortschreiten; es ist aber auch möglich, dass die oberen Zellen zuerst obliteriren. Während der Theilung des Archespors tritt auch das äussere Inte- gument deutlich auf als eine Hervorwölbung unterhalb der Ansatzstelle desinneren Integuments (Taf. XI Fig. 13). Nach Strasburger sollen sich die beiden Integumente gleichzeitig entwickeln. Wie Figur 19, XI, aber deutlich zeigt, kann das innere Integument vorhanden sein, ohne dass man von der Anlage des äusseren Integuments eine Spur bemerken kann. Einen charakteristischen Bau besitzt zu der Zeit der Archesporthei- lungen das Nucellusgewebe (Taf. XI Fig. 16). Seine Zellen sindin Reihen geordnet, die, mit Sachs zu reden, wie die Strahlen eines Spring- brunnens verlaufen. Diese typische Anordnung der Nucelluszellsehichten ist ohne Zweifel durch die Zug- und Druckkräfte des wachsenden Arche- spors oder seiner Abkömmlinge zu stande gekommen. Die Embryosack- zelle, nachdem sie jetzt*die Stelle der vier Enkelzellen des Archespors einnimmt, ist oben oft noch bedeckt von einem Käppchen licht- brechender Substanz, den letzten Ueberresten der obersten Zellen. Da sie auch etwas in die Breite gewachsen ist, so sind die Zellen, die sie seitlich begrenzen, plattgedrückt, zum Theil resorbirt worden. Am Scheitel wird der junge Embryosack überdacht von fünf bis sechs Zelllagen, die durch succedane tangentiale Theilungen der Epidermis entstanden sind (Taf. XI Fig. 18). Da sieht man dann oft sehr deut- lich, wie ihre Zellwände nach der Längsaxe des Ovulums hin conver- giren, nach aussen aber wie die Strahlen eines Springbrunnens ver- laufen. So kommt es, dass die Zellen zwischen zwei solchen Strahlen, von aussen nach innen, gegen den Embryosack hin, an Grösse regel- mässig abnehmen und die radialen Reihen sich in centripetaler Rich- tung immer mehr zukeilen. Die beiden Enden der jungen Embryo- 260 sackzelle sind frei von Protoplasma (Taf. XI Fig. 17 u. 18); nur die Mittelzone derselben wird von Plasma und einem Kern occupirt. Der Nucleus ist kugelig, etwas grösser als die Nucelluszellkerne. Er enthält ein Kernkörperchen und ein nicht sehr chromatinhaltiges Kern- gerüst. Oft nimmt er eine centrale Lage in der Zelle ein, oft ist er in die Nähe der Seitenwandungen gerückt. Schnitte mit einkernigen Embryosackzellen sind nicht selten, so dass wir annehmen dürfen, das einkernige Stadium dauere längere Zeit an. In diese Periode fällt auch ein intensives Wachsthum des Embryosackes, der, nachdem sich der Embryosackkern getheilt hat, beinahe doppelt so lang und so breit wie im einkernigen Zustand erscheinen kann (Taf. XI Fig. 19). Die beiden Tochterkerne wandern nach der Theilung des Embryosack- kerns, ein jeder mit einer Portion Plasma, gegen die beiden Pole des Embryosacks hin und lassen zwischen sich eine grosse Vacuole (Taf. XI Fig. 19). Ein ähnliches Verhalten der beiden Kerne nach der ersten Theilung des Embryosackkerns schildert Strasburger z. B. bei Polygonum divarieatum, Sisyrinchium iridifolium. Auf das zweikernige Stadium folgt eine Verdoppelung der beiden Kerne, so- wie ein intensives Wachsthum des Embryosackes, was wir nicht bloss in der Grösse des letzteren, sondern auch aus den zahlreichen be- nachbarten zerquetschten und in Desorganisation begriffenen Nucellus- zellen erkennen können. Insbesondere zeichnet sich die obere Region des Embryosackes durch starke Dehnung aus, so dass schon jetzt die Tendenz des Embryosacks deutlich hervortritt, jene Gestalt anzuneh- men, deren Längsschnitt uns zur Zeit der Befruchtung an die Umrisse eines Papierdrachen erinnert. Oben und unten liegen die Schwester- kerne im Embryosack neben einander und'es befinden sich, wie uns die Figur zeigt, die beiden Kernpaare so ziemlich senkrecht über einander. Das untere Kernpaar füllt die Plasmabrücke, die den unteren schnabelförmigen Theil überspannt, bis auf ein weniges aus, während das obere Kernpaar die mittlere Partie der oberen Plasmaansammlung einnimmt. Es ist noch zu bemerken, dass die vier Kerne in ihrem Bau von ihren Vorgängern insoweit abweichen, als sie nicht mehr wie diese ein central gelegenes Kernkörperchen bergen, sondern deren mehrere, ferner dass ihr Kerngerüst auch chromatinhaltiger geworden ist. Alle vier Kerne sind von gleicher Grösse. Bis zur folgenden Theilung der beiden Kernpaare ändern die hinteren Kerne ihre gegen- seitige Lage in dem Sinne, dass sie in der Richtung der Längsaxe hinter einander zu liegen kommen. Es liegen mir keine Präparate vor, in denen ich nicht nach der erfolgten Theilung der vier Embryo- 261 sackkerne im vorderen Theil des Embryosacks die drei Zellen des Eiapparates, in dessen hinterem Theil die drei Antipodenzellen gefunden, so dass wohl anzunehmen ist, dass mit dem letzten Theilungsschnitt auch eine Differenzirung von Zellen um je drei Kerne in den beiden Enden des Embryosackes verbunden ist (Taf. XII Fig. 20 u. 21). Die Antipodenzellen füllen den schnabelförmigen unteren Theil des Embryo- sackes vollständig aus, während der Eiapparat das diametral entgegen- gesetzte Ende des Embryosackes oceupirt. Die Kerne der Anti- podenzellen, des Eiapparates, sowie die beiden Polkerne, besitzen ein mehr oder weniger central gelegenes Kernkörperchen. Die Anti- podenkerne sind immer etwas grösser als die Kerne des Eiapparates; von ihrer‘ Entstehung an werden sie von einem rascheren Wachsthum ergriffen als die Kerne der Eizelle und der beiden Synergiden, wie denn auch ihre Zellen bedeutend rascher wachsen als Eizelle und Gehilf- inen, so dass sie letztere schon zur Zeit der Bestäubung um ein Vielfaches an Grösse übertreffen. Nach der Entstehung der beiden Polkerne wandert der eine nach dem andern hin, oder es wandern beide gegen einander, Dabei schwellen sie etwas an. Die Kernge- rüste verschmelzen früh mit einander, nicht aber die Nucleolen. Schnitte mit diesem Verschmelzungsstadium der beiden freien Embryosackkerne (Polkerne) (Taf. XII Fig. 20), wo die beiden Kernkörperchen sich noch nicht vereinigt haben, sind häufig, so dass wir nicht im Zweifel sein müssen über die Herkunft des primären Endospermkerns. Die Ver- schmelzung kann in der Nähe der Antipoden, des Eiapparates oder an der Seitenwandung des Embryosackes stattfinden. Sie ist vollendet, wenn das Ei empfängnissfähig geworden ist (Taf. XII Fig. 23). Der primäre Endospermkern, das Verschmelzungsprodukt der beiden Pol- kerne, zeichnet sich durch seine Grösse, kugelrunde Gestalt und einen grossen central gelegenen Nucleolus, der sich intensiv färbt, aus. Das Kerngerüst ist chromatinreicher als dasjenige der beiden Komponenten. Wir sehen also aus der ganzen Darstellung, dass sich Aconitum Napellus, was die Anlage des Embryosackes und die Vorgänge inner- halb desselben bis zur Befruchtung anbetrifft, der Mehrzahl der Phane- rogamen, die bis dato Gegenstand der Untersuchung geworden sind, anschliesst. Nachdem wir früher schon einiges mitgetheilt haben über die Entstehung der beiden Integumente, mögen hier noch kurz einige Bemerkungen über den weiteren Entwickelungsgang derselben bis zur Zeit der Befruchtung folgen. Schon zu der Zeit, da der junge Em- bryosack noch einen einzigen Kern besitzt, ist das innere Integument in seinem Wachsthum so weit fortgeschritten, dass seine Ränder über 262 dem Nucellus zusammenwachsen, durch vermehrte Zelltheilungen einen Wulst bilden und den Mikropylenhügel darstellen, in dessen Innern der Mikropylengang liegt. Mit Ausnahme jenes Wulstes besteht das innere Integument aus zwei Schichten isodiametrischer Zellen, deren Lumen mehr als zur Hälfte je durch einen grossen, kugelrunden, intensiv gefärbten Zellkern erfüllt ist. Diese Integumentzelikerne unter- scheiden sich wesentlich von den meist langgestreckten Nucellus- kernen der inneren Nucelluslagen. Die peripherische Schicht des Nu- eellus, an die sich das innere Integument anlehnt, setzt sich dagegen aus Zellen zusammen, die weit mehr Aehnlichkeit haben mit denjenigen des Integumentes, so dass es oft schwierig ist, auseinanderzuhalten, was Integument und was Nucellus ist. Das äussere Integument ist dem Wachsthum des innern gefolgt bis etwa zur halben Höhe des Mikropylenhügels. Es zählt 4—5 Zellschichten im unteren Theil; nach oben wird es schmaler und besitzt noch 4 oder 3 Zelllagen. Zellen und Kerne stimmen in den wesentlichen Merkmalen mit denen des inneren Integumentes überein. Bis zur Zeit der Befruch- tung dehnt sich die obere Partie des Embryosackes hauptsächlich in die Breite aus, so dass diesem Wucherungsprozess immer mehr Nu- cellusgewebe zum Opfer fällt. Dieses Wachsthum des Embryosackes, sowie dasjenige des Nucellus bewirken, dass die benachbarten inneren Zellen des inneren Integumentes schief gedrückt werden und wie ge- quetscht erscheinen. Der Druck kann so gross werden, dass das Lumen der oben erwähnten Zellen auf ein Minimum reduzirt wird und die innere Zelllage des inneren Integumentes kaum mehr sichtbar ist. Zur Zeit der Anthese, die in günstigen Jahren schon mit Ende Juni beginnen kann, ist der Fruchtknoten ea. Lem lang. Gewöhnlich befinden sich deren 3 in einer Blüthe; es können aber auch 4 und 5 Fruchtknoten in einer Blüthe vorkommen. So fand ich in der Nähe des Seealpsees ein Exemplar von Aconitum Napellus mit un- gefähr 30 Blüthen, von denen !/; mit 4 Fruchtknoten versehen war. Die Blüthen sind proterandrisch und werden nur von Hummeln be- sucht, was schon der alte Konrad Sprengel beobachtete. Bei stundenlanger Beobachtung wird man kein anderes Insekt als Hummeln die Blüthen von Aconitum besuchen und bestäuben sehen. Hermann Müller nennt als A. Napellus besuchende Hummeln folgende Species: Bombus alticola, B. hortorum, B, mastrucatus, B. mendax, B. pratorum und B. terrestris. Auf Bergeshalden, wo A. Napellus oft massenhaft vorkommt, scheinen die Hummeln es nur auf diese Blüthen abgesehen zu haben. Sie lassen andere Blüthen unberührt und fliegen von 263 einer Aconitumblüthe zur anderen, ohne Zweifel der reichlichen Kost willen, die sie hier in den wohl entwickelten Nektarien finden. Bei Aconitum Lycoetonum kommt es häufig vor, dass Bombus mastrucatus auf illegitime Weise zu den Nektarien gelangt, indem diese Hummel ein Kelchblatt durchbeisst und so den kürzesten Weg nach dem „ge- deckten Tisch“ einschlägt. Bei längerer Beobachtung war es mir nie geglückt, ähnliches bei Aconitum Napellus zu beobachten. Hermann Müller berichtet dagegen in seinen „Alpenblumen“ von Blüthen von Aconitum Napellus, die von Bombus mastrucatus räuberisch überfallen wurden. Wohl sind mir hie und da in der Nähe der Nektarien durchfressene Kelchblätter in die Hände ge- kommen. Ich möchte aber das Zerstörungswerk hier eher auf Raupen etc. zurückführen; denn sehr häufig, namentlich bei ungünstiger Witterung finden wir im Innern der Blumenkrone Raupen, Ohrwürmer, Ameisen, ja sogar kleine Schnecken. Zur Zeit der Reife ist der Griffeltheil blauviolett gefärbt. Jeder Fruchtknoten enthält ca. 12—22 Samenknospen, die in zwei in einander greifenden Serien längs der Bauchnaht angeordnet und mittelst kurzer Funieuli an den beiden Carpellrändern befestigt sind. Die Anordnung der Samenknospen im Fruchtknoten wird uns namentlich auf Längsschnitten durch das Gynoeceum klar. Auf horizontal geführten Querschnitten erhält man meist nur je eine Samenknospe deutlich. Der Funiculus als freier Stiel ist nur sehr kurz, da er in seiner grössten Ausdehnung mit der Samenknospe verwachsen ist und eine Raphe bildet (Taf. XIII Fig. 47). Zu der Zeit, da der Embryosack noch einkernig ist, durchziehen deutliche Prokambiumstränge mit oft sehr langgestreckten Zellkernen den Funiculus. Zur Zeit der Anthese finden wir an Stelle der Procambiumstränge deutliche Gefässbündel, die unterhalb der Chalaza endigen. Die einzelnen Samenknospen liegen horizontal und sind anatrop. Die Drehung in die anatrope Lage vollzieht sich in der Periode, während welcher aus dem Archespor die junge Embryosack- zelle gebildet wird. Die Mikropyle ist gegen die Placenta, also gegen die Bauchnaht, hin gerichtet und wird durch einen unregel- mässig gekrümmten Gang gebildet, den die oben zusammengewachsenen Ränder des inneren Integumentes in ihrer Mitte frei lassen. In dem Winkel, den der Funieulus mit dem Carpell bildet, finden wir am Carpell Epidermiszellen, die sich von denen ihrer Nachbarschaft durch ihre Gestalt unterscheiden (Taf. XIII u. XIV Fig. 47 u. 64). Sie sind in radialer Richtung gestreckt, von mässiger Breite, nach aussen leicht rund gebogen, so dass sie mehr oder weniger papillösen Charakter 264 besitzen. Die benachbarten Epidermiszellen sind in tangentialer Rich- tung gestreckt, können drei- bis viermal so lang sein und besitzen gerade Aussenwände. Die nach aussen etwas vorgewölbten papillösen Zellen zeichnen sich durch einen bräunlichen Zellinhalt aus. Von ihnen aus wachsen die Pollenschläuche hinüber zu der Mikropyle. Wir haben es hier ohne Zweifel mit dem Leitgewebe für die Pollen- schläuche zu thun. Machen wir einen Querschnitt durch den oberen Theil des Gynoeceums, so bemerken wir einen Kanal, der durch das Verwachsen der Carpellränder zu stande kommt. Er wird begrenzt von isodiametrischen, kubischen Zellen, die sich mit Jod intensiv braungelb färben und sich durch reichlichen Plasmagehalt von den darunter liegenden Zellen unterscheiden. Diesen epidermalen Zellen fehlt auch die Stärke, nicht aber den subepidermalen. Die an den . Kanal grenzende stark verdickte Cellulosewand der Epidermis wird von einer fein gefältelten dünnen Cuticula bedeckt. An fixirtem Material habe ich bei einigen Querschnitten den erwähnten Kanal mit einer bräunlichen Masse erfüllt gesehen, welche wohl von den Epidermiszellen unter Abhebung der Cuticula ausgeschieden wurde. Bei einzelnen Schnitten kann man auch in der That das Abheben der Cuticula stellenweise beobachten. Schnitte, die wir an einer tieferen Stelle des Gynoeceums machen, zeigen uns, dass nicht mehr der ganze Kanal von den beschriebenen charakteristischen Zellen be- grenzt wird. Es localisirt sich das Leitgewebe nach unten immer mehr auf den der Bauchnaht benachbarten Theil. Ich habe dieses Leitgewebe zuerst übersehen; aufgefallen war mir nur, so wunder- selten Pollenschläuche in reifen bestäubten Fruchtknoten anzutreffen. Nachdem mich aber Herr Prof. Dodel auf das Gewebe aufmerksam gemacht hatte, fand ich auch in den verschiedenen Präparaten an jener Stelle Pollenschläuche zur Genüge. An einem Schnitt war auch noch die abgehobene Cuticula vorhanden, wie es Taf. XIV Fig. 64 zeigt. In anatomischer Hinsicht erinnert dieses Leitgewebe sehr an dasjenige von Iris sibirica. (Siehe Dodel: „Beiträge zur Kenntniss der Befruchtungserscheinungen bei Iris sibirica® Taf. XIT Fig. 12). Es gleichen diese Leitgewebezellen auch sehr den Epidermiszellen der inneren Septalnektarien, wie sie uns Schniewind in seinen „Bei- trägen zur Kenntniss der Septalnektarien“ von einigen Monokotylen, z. B. Polygonatum multiflorum und Ornithogalum pyrenaieum, vor Augen führt. Schniewind sagt von den erwähnten Zellen ebenfalls, dass sie sich durch Dichte ihres Öytoplasmas, sowie durch dessen hellbräunliche Färbung von dem Zellinhalt des umgebenden Parenchyms unterscheiden. 265 Auf die Narbe gefallen, treiben die Pollenkörner ihre Schläuche in senkrechter Richtung durch den erwähnten Kanal. Bei den Samenknospen angelangt, machen die Schläuche eine Knickung, um in horizontaler Richtung nach der Mikropyle hinzuwandern, aus der wohl eine den Schlauch anlockende Substanz tritt. Da der Embryo- sack .von ca. fünf Zelllagen des Nucellus überdacht wird, so muss sich der Pollenschlauch vor seiner Ankunft bei der Eizelle auch noch den Weg durch die Kernwarze bahnen. Gehen wir noch zu einer Beschreibung des Nucellus des Embryosackes und seines Inhaltes zur Zeit der Bestäubung über! Die Epidermis des Nucellus, von der wir schon früher gesagt, dass sie sich von den übrigen Nucellus- zellen unterscheide, wird durch protoplasmareiche Zellen mit grossen kugeligen bis ovalen Zellkernen, die sich stark färben, charakterisirt. Auch die subepidermale Schicht kann noch protoplasmareich sein und grosse Kerne besitzen; es fehlen ihr aber die regelmässig prismatisch gebauten Zellen der Epidermis, die keine Spur von Druck, der auf sie ausgeübt würde, erkennen, lassen. Am Scheitel des Nucellus geht die Epidermis über in die 4—5 Zellschichten, die den Embryosack bedecken. Nach unten lässt sie sich verfolgen bis zur Basis des Nucellus, wo sie in protoplasmaärmere Zellen verschiedenster Gestalt, deren Zellkerne nicht mehr so gross und so intensiv gefärbt sind, übergeht. Diese Basis des Nucellus fällt um so mehr auf, als unter derselben die Chalaza mit einer grossen Anzahl von Kernen in ge- färbten Präparaten durch eine schwarze Stelle markirt wird, während nach oben, gegen die Antipoden hin, die Zellen ebenfalls an Plasma zunehmen und stärker tingirt werden. Der Embryosack reicht in seinem Längendurchmesser ungefähr bis zur Hälfte des Nucellus. Vom Scheitel an gegen die Mitte hin verbreitert er sich, um dann chalazawärts in einen Schnabel zu endigen, in dem die Antipoden stecken. (Taf. XII Fig.23). Der Umriss des Embryosackes ist auch jetzt noch in vielen Schnitten demjenigen eines Papierdrachen nicht unähnlich. In dem Plasma, das sich mit dem Wachsthum des Embryosackes vermehrt hat, liegt, bald in der Mitte, bald gegen den Eiapparat oder die Antipoden hin, der primäre Endospermkern, den wir bereits beschrieben (Taf. XII Fig. 28). Er hängt oft mit ‘dem Wandbeleg des Embryosackes durch Protoplasmaplatten zu- sammen. Der Eiapparat, der etwas seitlich vom Embryosackscheitel inserirt ist, besteht aus der Eizelle und den beiden Gehilfinen (Taf. XII Fig. 23). Alle drei Zellen enthalten wenig Protoplasma. Die grösste derselben, die Eizelle, wird von den Synergiden bedeckt 266 und ragt nur mit dem plasmahaltigen vorderen Theil unter den Ge- hilfinen hervor. In dieser vorderen Plasmapartie liegt auch der Eikern, der sich seit seiner Entstehung’ nicht wesentlich verändert hat. Die beiden Synergiden sind etwas kürzer als die Eizelle, unterscheiden sich aber weiter von ihr dadurch, dass bei ihnen das Plasma an der basalen Partie sich angesammelt hat. Während bei der Eizelle .eine grosse Vacuole in der hinteren Region liegt, befinden sich in den Synergiden die Vacuolen vorn. Wie das Plasma, so liegen auch die Kerne bei den Synergiden hinten. Unterscheidende Merkmale im Bau der Ei- und Synergidenkerne sind nicht vorhanden. Von ungefähr gleicher Grösse, kugelrunder oder ovaler Gestalt, zeigen alle drei im Innern ein rundes Kernkörperchen. In einem meiner Präparate kann man die Beobachtung machen, dass die beiden Synergiden in ihrer Entwickelung Eicharakter angenommen haben. Im Gegensatz zu dem gewöhnlichen Verhalten der Gehilfinen be- findet sich in diesem Fall das Protoplasma mit dem Kern im vorderen Theil der Synergidenzellen, während die Vacuolen nach hinten zu liegen kommen. Da unterscheidet sich die Eizelle nur durch grösseres Volumen und einen etwas grösseren Kern von den Synergiden, welcher Unterschied kein wesentlicher sein kann. Es ist deshalb nicht un- denkbar, dass solche eiähnliche Synergiden befruchtet werden können und sich hernach zu Embryonen entwickeln. Zweimal bin ich auch bei meinen Untersuchungen auf Samen gestossen, die Polyembryonie zeigen (Taf. XV Fig.4 u.5). In dem einen Fall waren die beiden Embryonen nur wenig zellig; der eine war ein wenig grösser als der andere. In einem anderen Präparat sind die beiden Embryonen viel- zeilig, jeder mit ca. 150--200 Zellen. Auch da übertrifft der eine den anderen etwas an Grösse. Beide schen aber so gesund und normal aus, als wären sie aus zwei ebenbürtigen Eiern hervorgegangen. Die Möglichkeit, dass bei Aconitum Napellus die Synergiden nach allen histologischen Regeln Eicharakter annehmen können, sowie die gegenseitige Lage der Embryonen in Fällen von Polyembryonie machen es mehr als wahrscheinlich, dass der eine von ihnen ein Synergidenembryo ist. Aconitum Napellus würde also ebenfalls für die Richtigkeit der Behauptung sprechen, dass die Synergiden nichts anderes sind, als rückgebildete Eizellen resp. rückgebildete Arche- gonien. Nachdem früher schon im hiesigen Laboratorium für wissen- schaftliche Botanik Fälle von Synergidenbefruchtung und von Polyem- bryonie nachgewiesen worden sind, z. B. bei Irissibirica, Lilium Martagon, Taraxacum offieinale, ferner Polyembryonie bei einigen Mimosen auch 267 von Guignard beobachtet wurde, wird obenerwähnten Vorkommnissen etwelche Bedeutung nicht abzusprechen sein. Es sei mir noch ge- stattet, hier auf einen weiteren anormalen Fall im Bau des Eiapparates aufmerksam zu machen. Der betreffende Eiapparat ist leider an der basalen Partie angeschnitten worden. Man sieht aber gleichwohl, dass die Synergiden, insbesondere die eine derselben die Eizelle an Grösse übertreffen. Ihre Kerne dagegen sind kleiner als derjenige der Eizelle. Alie drei Kerne zeigen den charakteristischen Nucleolus. Die grössere der beiden Synergiden besitzt im vorderen Theil eine Vacuole; das Plasma der anderen Synergide ist besonders im hinteren Theil vacuolig, während dasjenige der Eizelle sich mit Hämatoxylin intensiver färbte und reichlicher vorhanden ist als dasjenige in den beiden Gehilfinen. Man könnte annehmen, dass hier die Zellen in Degeneration begriffen seien, vielleicht infolge nicht stattgehabter Befruchtung. (Die benachbarte Samenknospe enthält bereits Endo- sperm.) Das gesunde Aussehen der Zellen aber, namentlich die scharf umschriebenen Zellkerne mit ebenso deutlich begrenzten Kern- körperchen sprechen gegen die Annahme von Desorganisationserschein- ungen. Haben wir es wirklich nicht mit einer pathologischen Erscheinung zu thun, so können wir aus den oben eitirten Beobachtungen folgern dass weder Gestalt, noch Grösse der Zeilen, noch Lage der Zellkerne als Kriterium für Synergiden und Eizelle dienen können. ill. Embryoentwickelung. Ist der .generative Kern in die Eizelle eingetreten, so ist das Plasma in der letzteren ziemlich gleichmässig vertheilt. Der Eikern schwillt etwas an; das Kerngerüst wird chromatinreicher, während der Nucleolus vacuolig wird. Es war mir leider nicht vergönnt, Stadien der Verschmelzung von Spermakern und Eikern anzutreffen, so dass ich darüber keine weiteren Notizen geben kann. Nach der Befruchtung theilt sich die Eizelle durch eine horizontale Scheidewand in einen zweizelligen Embryo, der nicht viel grösser als die Eizelle ist (Taf. XII Fig. 24). Oft kann man an der Stelle der horizontalen Wand eine schwache Einsehnürung bemerken. Die erste Theilung der Eizelle kann eine äquale sein, wenn die beiden Tochterzellen in ihrer Grösse sich nicht unterscheiden. Sie kann aber auch eine in- äquale sein, so dass die der Mikropyle benachbarte Basalzelle ihre Schwesterzelle, die oft nur durch ein kleines Segment gebildet wird, an Grösse bedeutend übertrifft. Es kann auch vorkommen, dass die Segmentirung der Eizelle nieht in horizontaler, sondern in mehr 268 weniger schiefer Richtung stattfindet (Taf. XII Fig. 30 u. 34). Die Theilung kann in solch schiefer Richtung erfolgen, dass man sie eher eine meridionale heissen könnte. In allen Fällen zeichnet sich der zweizellige Embryo durch reichlichen Protoplasmagehalt und dureh grosse Kerne aus, Bei horizontaler Theilung können die Kerne, die oft die Gestalt eines Ellipsoids besitzen, in den beiden Schwester- zellen so angeordnet sein, dass ihre Längsaxen der Scheidewand parallel sind. Kernkörperchen finden wir in den Kernen ebenfalls und zwar deren 1—2. Schon beim zweizelligen Embryostadium können die Synergiden verschwunden oder in Degeneration begriffen sein. So fand ich an der Basis eines Embryo, der aus dem zwei- zelligen in das dreizellige Stadium tritt, nur noch die eine Synergide, die obliterirte (Taf. XII Fig. 25). Das Plasma bildet in der Synergide noch einen Wandbelag, im Innern. eine grosse Vacuole frei lassend. An Stelle des centralen Kernkörperchens sind in dem Kern, der seine frühere Lage beibehalten, mehrere getreten. In vielen Fällen wird nun nach der ersten Theilung in der Basalzelle des Embryos eine schiefe Wand gebildet (Taf. XII Fig. 26), die die erste horizontale Wand unter einem Winkel von 40—70° treffen kann und die Basal- zelle in zwei ungleiche Stücke theilt, in eine kleinere Zelle, die sek- torartig aus dem Embryo geschnitten worden und eine grössere, durch die der Embryo befestigt wird. Namentlich bei dieser Theilung muss uns auffallen, dass hier die sonst gewöhnliche Regel, nach der die Theilzellen, welche gleichzeitig entstehen, einander an Volumen gleich sind und die neu auftretenden Theilungswände rechtwinkelig auf die schon vorhandenen aufgesetzt sind, nicht gelten kann. Es kommt oft vor, dass der junge Embryo nicht genau symmetrisch ist, nach dieser oder jener Seite eine Ausbuchtung zeigt. In dieser Störung der Sym- metrie, ferner in der oft nicht horizontalen Lage der ersten Scheide- wand könnte man die Ursache für die zweite schiefe Theilung er- blicken. Ohne Zweifel wird eine erste schiefe Wand einer zweiten schiefen Wand rufen. Dagegen zeigen uns auch Präparate, dass eine schiefe Theilung eintreten kann bei Embryonen, die symmetrisch sind und deren erste Theilungsmembran horizontal liegt (Taf. XII Fig. 26). Es ist nun aber auch möglich, dass die zweite Theilung zuerst in der äusseren Zelle erfolgt und letztere durch eine senkrechte oder schiefe Wand halbirt wird. Wo die zweite Theilung zuerst erfolgt, ob in der innern oder äusseren Zelle, scheint wesentlich von dem Grössenverhältniss der beiden Schwesterzellen abzuhängen. DBildet die äussere Zelle des zweizelligen Embryos nur ein kleines Segment, 80 269 wird die geräumige Basalzelle zuerst eine Theilung eingehen. Ja, die beiden Tochterzellen der Basalzelle können sich schon weiter getheilt haben (Taf. XII Fig. 29), bevor die äussere Zelle sich einmal segmentirt hat. Ist aber das Grössenverhältniss ein umgekehrtes, d. h. die äussere Zelle grösser als die Basalzelle, so wird sich auch erstere zuerst theilen. Wir können aus dem Vorausgehenden ent- nehmen, dass der drei- bis fünfzellige Embryo in verschiedenen Mo- dificationen auftreten kann und dass schon in diesen Stadien eine bestimmte Regel in der Segmentirung nicht innegehalten wird; es ist das ein Umstand, der denjenigen Beobachter, der nach einer. Ge- setzmässigkeit in den ersten Zelltheilangen sucht, nicht wenig auf- hält. Ist die primäre Theilungswand schief gerichtet und setzt sich in der äusseren Zelle eine Wand in senkrechter Richtung an dieselbe an, so kann es vorkommen, dass eine Zelle entsteht, die einer Scheitel- zelle von Equisetum nicht unähnlich sieht (Taf. XII Fig. 28). Dass es aber keine Scheitelzelle ist und 'das Wachsthum des Embryos kein solches mit einer Scheitelzelle sein kann, zeigen uns die darauf fol- genden Zelltheilungen. Im vierzelligen Embryo können die hintere schiefe Wand und die senkrechte Wand in der halbirten äusseren Zelle sich einander anschliessen, so dass wir den Eindruck bekommen, die beiden Wände bilden eine einzige zusammenhängende Scheidewand, die die primäre Membran schneide. Ist letztere etwas schief, so kommt dadurch eine Xförmige Figur zu stande, die wir noch in vielzelligen Embryonen verfolgen können (Taf. XII Fig. 36 u.40). Die Lage der primären Theilungswand, sowie diejenige der schiefen Wand lässt sich überhaupt noch eine geraume Zeit während der Entwickelung des Embryos erkennen an den hellen Strichen in den gefärbten Prä- paraten. Es sei gleich hier bemerkt, dass es schwierig ist, beim Em- bryo Zeilwände zu sehen, da sie oft ausserordentlich zart sind. Man ist desbalb in der Beurtheilung der embryogenetischen Vorgänge manch- mal darauf angewiesen, den Verlauf der Zellmembranen aus der gegen- seitigen Lage der Zellkerne zu erkennen. Weil ich bemüht war, das mikroskopische Bild möglichst getreu wiederzugeben, so habe ich auch bei einigen Darstellungen von Embryonen keine Membranen einge- zeichnet. Doch wird es keine Schwierigkeiten bieten, an Hand der Zeichnungen, die Zelltheilungen bis zu einem gewissen Stadium genau verfolgen zu können. Der kleinere Abschnitt, der durch die schiefe Wand in der Basalzelle abgetrennt wurde, kann sich in der Folge in der Weise theilen, dass die nächste Scheidewand senkrecht auf der primären Scheidewand steht, also in der Zeichenebene liegt. Die Flora 1898, 18 270 Theilung kann aber auch senkrecht zur Zeichenebene erfolgen. Die grössere Schwesterzelle theilt sich meist in horizontaler Richtung (senkrecht zur Zeichenebene) in zwei gleiche oder ungleiche Theile, von denen der grössere meist mikropylwärts gelegen ist. Wie wir früher schon erwähnt, kann die äussere Zelle zu der Zeit, da die Basalzelle schon in vier Abschnitte zerfallen ist, noch ungetheilt sein. Sie kann aber auch, wenn ihr bei der ersten Theilung der Eizelle ein grosses Stück zugefallen ist, zu dieser Zeit schon vierzellig sein und eine Art Quadrantenstadium bilden (Taf. XII Fig. 34). Die Qua- dranten können in der Weise entstehen, dass die äussere Zelle durch eine in der Richtung der Zeichenebene liegende meridionale Wand halbirt wird, worauf die beiden Tochterzellen sich nochmals theilen. Embryonen mit dem Octantenstadium habe ich keine bemerkt. In den jüngern Embryonen sind Kerntheilungsfiguren nicht selten anzu- treffen (Taf. XII Fig. 25 u.29). Doch gelingt es nicht, die Chromo- somenzahl zu bestimmen. Die Kernspindel tritt deutlich hervor. Im Allgemeinen zeichnen sich die Kerne durch ihre Grösse aus. Sie können, besonders im Knäuelstadium, eine solche Grösse erreichen, dass sie in dieser Hinsicht nicht viel hinter den Endospermkernen zurückstehen. Die Segmentirung des Embryos ist keine gleichmässig fortschrei- tende. Das beweist uns z. B. Figur 35. Da liegen grössere Complexe, die noch nicht segmentirt sind, neben kleinen Zellen (Taf. XII Fig. 35). Daher rührt auch die auffallende Ungleichheit der Kerne im gleichen Embryo. Die grössten Kerne im Knäuelstadium erreichen fast Endo- spermkerngrösse, während die kleinsten ca. viermal kleiner sein können. Figur 33 stellt einen ganzen Embryo dar, an dem wir keine Spuren von Verletzungen bemerken können. Bei hoher Einstellung sehen wir zwei Kerne (2 u. 3) mit mehreren Kernkörperchen; bei mittlerer Einstellung (4, 5, 6 u. 7) vier Kerne mit je einem Nucleolus und bei tiefer Einstellung noch einen Kern (8) ebenfalls mit einem Nueleolus, Der ganze Embryo wird getragen von der Zelle mit dem Kern 1, der ebenfalls nur ein Kernkörperchen enthält. Wir denken uns die Entwickelung des Embryos aus der Eizelle folgendermassen: Durch eine schiefe, fast meridionale Wand ist die Eizelle in zwei ung!eichgrosse Zellen (mit den Kernen 2° u. 3”) zerfallen. Der grössere Abschnitt mit dem Kern 3“ gab die untere Zelle mit Kern 1 ab. Dann haben sich die beiden Zellen (mit 3° und 2‘) durch eine Wand die in der Bildfläche liegt, in je zwei Tochterzellen (mit Kern 3, 2, 5‘, 4°) gehalten. Von den hinteren Zellen (5° u. 4°) gliedern sich nach oben 271 die Zellen mit den Kernen 6 und 7 ab). So kommt es, dass der dem Antipoden zugekehrte äussere Theil des Embryos aus zwei ganzen Zellen (auf der uns weggekehrten Seite) und aus den oberen Partien der beiden uns zugekehrten grossen Zellen (mit Kern 2 u. 3) besteht. Es ist zu vermuthen, dass die beiden Kerne 2 und 3 mit ihren kleinen Nucleolen sich auf das Knäuelstadium vorbereiten. Die Kerntheilung würde da wohl zur Folge haben, dass auch auf der uns zugekehrten Seite nach oben zwei Zellen abgegeben würden. Wir hätten dann im apikalen Theil vier Quadranten, deren Entstehungsweise von der gewöhnlichen Quadrantenbildung bedeutend abweichen würde. Die unten gelegene Zelle mit Kern 8 kann durch Längsspaltung der Zelle mit Kern 5 entstehen. Wir sehen aus den bisherigen Darstellungen, dass es mit Aus- nahme jener schiefen Wand, schwer zu sagen ist, wo die ersten Theilwände und in welcher Reihenfolge sie gebildet werden. Der Embryo erlaubt sich schon in den ersten Theilungsvorgängen be- deutende Freiheiten, so dass es unmöglich wird, ein Schema aufzustellen, nach dem die Segmentirung stattfindet. Die Dermatogenabspaltung beginnt ungefähr zu der Zeit, da der Embryo 28—34 Zellen zählt. (Taf. XII Fig. 88), in einem Stadium, wo die erste horizontale und die zweite schiefe Wand sich noch erkennen lassen. Ist die Dermatogenbil- dung einmal eingeleitet worden, so vermehren sich die Zellen an der Peripherie rasch. Der Embryo nimmt gegen den apikalen Theil hin immer mehr Kugelgestalt an; nach hinten verjüngt er sich regelmässig und endigt in einer Keimträgerzelle (Taf. XII Fig. 43). Im Kugel- stadium können wir im optischen Längsschnitt ca. 90 Zellen zählen, die uns durch ihre geringe Differenzirung auffallen. Nur die Epidermis und die zu dieser Zeit auftretende Wurzelhaube, deren Bildung durch tangentiale Spaltung des Dermatogens am basalen Ende des Embryos eingeleitet wird, lassen sich unterscheiden. Innerhalb der Epidermis liegen isodiametrische und langgestreckte Zellen, die mit einander ab- wechseln. Die Kotyledonen entstehen dadurch, dass der Scheiteltheil des Embryos in seinem Wachsthum so zu sagen still steht, die seit- lichen Partien aber weiter wachsen und als kleine Protuberanzen hervortreten. So entsteht am Scheitel zuerst eine sanfte Ausbuchtung, die durch das Ileranwachsen der beiden Kotyledonen zur tiefen Spalte wird. Zu der Zeit, da die Kotyledonen sich anlagern, ist die Wurzelhaube durch weitere tangentiale Spaltungen der schon vor- handenen Zelllagen mehrschichtig geworden (Taf. XII Fig. 42). Auch hat sich die innere Differenzirung in Plerom und Periblem vollzogen. 18* 272 Ersteres bildet im hypocotylen Glied einen centralen, dunkel tingirten Cylinder, der sich oben in zwei Aeste gabelt, die nach den Kotyledonar- anlagen verlaufen. Das Periblem ist in concentrischen Schichten angeordnet. Von der Zeit an, da die Kotyledonen sich anlegen, bis zur Samenreife wächst der Embryo noch um das Doppelte (Taf. XII Fig. 44). Im reifen Embryo hat sich die Differenzirung in die drei Gewebe Dermatogen, Periblem und Plerom sowohl im hypocotylen Glied, wie in den Kotyledonen in schönster Weise vollzogen. Bei tingirten Präparaten fallen uns vor Allem Epidermis und Plerom- eylinder durch intensive Färbung auf. Bei ungefärbten Schnitten er- scheinen uns diese zwei Gewebe gelblich. Sie zeichnen sich aus durch reichlichen Plasmagehalt, während das Periblem, das sich nur wenig färbt, mit Stärke angefüllt ist. Der Pleromeylinder, aus langgestreckten schmalen Zellen mit langen Zellkernen bestehend, gabelt sich unter- halb der Vegetationsspitze, die durch eine leichte Hervorwölbung zwischen den beiden Kotyledonen markirt wird, in zwei Aeste, die die Kotyledonen durchziehen und bis in die Nähe ihrer Enden zu verfolgen sind. Die Epidermis besteht aus typischen in der Längs- richtung des Embryos gestreckten Epidermiszellen mit grossen runden Zeilkernen. Ebenfalls grosse runde Zellkerne, die meist noch ein Kernkörperchen enthalten, weist das Periblem auf, das in eoncen- trischen Schichten angeordnet ist, wie uns deutlich der Querschnitt durch das hypocotyle Glied vor Augen führt (Taf. XIII Fig. 46). Die Kotyledonen können ungefähr den vierten Theil der ganzen Länge des reifen Embryos einnehmen. Auf dem Querschnitt sind sie halbmondförmig gebogen (Taf. XIII Fig.45) und kehren einander die concave breite Seite zu. Ihr Periblem lässt ebenfalls wie dasjenige des hypocotylen Gliedes mehr oder weniger schichtenweise Anordnung erkennen. Wie schon erwähnt, sind sie von procambialen Strängen durchzogen und unterscheiden sich in dieser Hinsicht von den von Hegelmaier untersuchten Ranunkeln, bei denen es in dem inneren Meristem des Kotyledonengewebes während des Samenzustandes nicht zur Differenzirung von durch Zellenform ausgezeichneten procambialen Strängen kommt. Die Kotyledonen lassen zwischen sich eine breite Spalte frei, die mit Endosperm angefüllt ist, von dem aber ein Theil durch den Keim resorbirt wird. Auffallend ist, dass zwischen den beiden Kotyledonen noch reichlich Endosperm vorhanden ist, während die den Embryo unmittelbar umgebenden Endospermschichten resor- birt worden sind. Die Wurzelhaube besteht aus 4-5 Zellschichten da, wo sie dem Keimträger aufsitz. Nach den Seiten hin keilt sich nn 273 die Wurzelhaube in eine einzige Zelllage aus. Der Embryo wird durch eine Trägerzelle an den Nucelluszellen der Kernwarze, die Jetzt eutieularisirt sind, befestigt. Nach Hanstein können wir in der Entwickelungsgeschichte des Embryos drei Phasen unterscheiden: 1. Bildung einer Zellkugel ohne äussere Differenzirung. 2. Anlage der Kotyledonen. 3. Ver- grösserung des Embryos. Es wird nicht schwer sein, auch bei der Entwickelung des Embryos von Aconitum Napellus, wie wir sie ge- schildert haben, die drei genannten Etappen zu erkennen. Seit Han- stein, dem bekannten Pfianzenembryologen, weiss man auch, dass ein Theil der Dikotylen, für welche Capsella bursa pastoris als Schema gedient, den Keimkörper aus der Endzelle und der sogenannten Hypo- physe des dreizelligen Vorkeims aufbauen. Die End- oder Keimzelle soll die Hauptmasse des Embryos liefern, die Hypophyse hingegen den Anschluss des Keimträgers mit der Hauptmasse vermitteln, also die Scheitelgruppen der Keiinwurzel, wie auch ihre Haube bilden. Man hat diesen Typus der Embryobildung, dem eine grössere Reihe von dikotylen Familien sich anschliessen, auf welchen man aber im Lauf der Zeit alle anderen dikotylen Pflanzen in ihrer Embryoent- wickelung zurückführen wollte, den Kruziferentypus geheissen. Es ist dann das Verdienst Hegelmaier’s gewesen, vor Aufstellung eines allgemein giltigen Schemas gewarnt und auf mannigfache Abweich- ungen vom Kruziferentypus aufmerksam gemacht zu haben. Hegel- maier sagt: „Für die Dikotyledonen ergibt sich aus den Zusammen- stellungen schon in den primitiven Vorgängen der embryonalen Architektonik eine Willkürlichkeit, welche es nicht gerechtfertigt sein lässt, auch nur in dieser fundamentalsten Richtung von einem für sie existirenden Schema zu sprechen und für die Monokotyledonen mag wohl das Resultat nicht viel anders ausfallen. Wir wissen kaum mehr, als dass irgend ein Stück des als Vorkeim entstehenden Zellen- complexes (unter Umständen dieser Complex in toto) den Anfang des Keimes bildet etc.“ Die Resultate, die sich aus der Ent- wickelungsgeschichte des Embryos von Aconitum Napellus ergeben, sprechen zu Gunsten von Hegelmaier’s Ansicht. Von einer Hypo- physe im Sinne Hanstein’s kann bei unserem Embryo keine Rede sein. Erstens vermitteln zwei Zellen im dreizelligen Vorkeim den Anschluss an die sogenannte Keimzelle. Zweitens bilden diese zwei Zellen nicht nur den Abschluss des Embryos auf der Mikropylseite, sondern sie liefern auch, wie vergleichende Untersuchungen ergeben, noch das Material zu einem schönen Theil der hypokotylen Hälfte 274 und stellen im Vergleich zum ganzen Embryo nicht etwa eine „quantite negligeable* dar. Der Complex des Vorkeims in toto bildet den Anfang des Keimes, während nach Hegelmaier bei den Ranunkeln die erste Anlage des Keimes aus einer Endzelle und der Hypophyse gebildet wird, Auch in den ersten Theilungen in der Haupt- oder Keimzelle schliessen sich die Ranunkeln noch dem Kruziferentypus an. Wir sehen, dass systematisch nahe verwandte Pflanzen in der Embryobildung verschieden verfahren können. Was die Dermatogen- sonderung anbetrifft, so tritt sie später auf als bei denjenigen Pflanzen, die dem Kruziferentypus angehören, bei denen das Dermatogen nach erfolgter Octantenbildung abgetrennt wird. Sie erfolgt ungefähr zur gleichen Zeit, wie bei den von Hegelmaier untersuchten Ranunkeln. Während aber bei den letzteren zu gleicher Zeit, in der basalen Hemisphäre der Octanten wenigstens, das Plerom markirt wird durch langgestreckte Zellen, verstreicht bei Aconitum Napellus noch eine geraume Zeit bis zur Pleromausscheidung. Der nächste Differenzir- ungsprocess, der nach der Dermatogenbildung auftritt, beginnt mit der Bildung der Kalyptra. Von jetzt ab verläuft der innere Differenzir- ungsprocess ziemlich schnell. Die Differenzirung des Keimes verläuft also nicht nach dem Dikotyledonenschema der sogenannten Familien- wirthschaft Fleischer’s, nach welchem schon in frühen Stadien jeder neu entstandenen Zelle eine bestimmte Aufgabe zugewiesen wird, sondern nach dem für die grosse Mehrzahl der Monokotylen giltigen Schema des sogenannten Genossenschaftwesens von Han- stein, nach welchem zuerst eine grössere Anzahl Zellen gebildet werden, die sich später zu Geweben differenziren. IV. Entstehung und Entwickelung des Endosperms. Die Theilung des primären Endospermkerns kann sich vollziehen, bevor die Verschmelzung des Spermakerns mit dem Eikern statt- gefunden hat. So treffen wir u. A. in einem Präparat die Sperma- kerne in der Eizelle; der Eikern ist etwas angeschwollen, zeigt aber deutlich noch den Nucleolus, während der primäre Endospermkern bereits ins Knäuelstadium eingetreten ist. Gewöhnlich trifft man den primären Endospermkern zur Zeit. der Theilung in der Nähe der Antipoden an (Taf. XIV Fig. 52). Er ist in eine stark tingirbare Pro- toplasmawolke gehüllt. Schon die erste Theilung ist von einer typi- schen Kerntheilungsfigur begleitet. Ich erwähne dies besonders, weil nach Hlegelmaier’s Untersuehungen über die Morphologie desDikotylenendo- sperms es bei Caltha, einem Vertreter aus der gleichen Familie wie 275 Aconitum Napellus, bei den ersten Theilungen (bis zum achtzelligen Zustand) nicht zur Entstehung typischer Kerntheilungsfiguren kommt. Der grossen Anzahl der Chromosomen wegen ist es unmöglich, die- selben zu zählen. Bevor der Kern sich zur Theilung anschickt, füllt sich das Kerngerüst, das früher sozusagen kein Chromatin enthalten, mit Chromatinkörnchen. Der Nucleolus wird vacuolig. Während der Theilung werden Nucleolen ins umgebende Plasma ausgestossen, eine Erscheinung, die z. B. auch bei den Pollenmutterzellen von Lilium Martagon während ihrer Theilung beobachtet wurde. (Man vergleiche meine Fig. 85 und 86 mit der Fig. 83 in Zimmermann’s Morphologie und Physiologie des pflanzlichen Zellkerns.) Extranucleäre Nucleolen beobachtete Zimmermann auch während der ersten Theilungsstadien des primären Embryosackkerns von Lilium Martagon, sowie auch im Embryosackbelag von Fritillaria imperialis. Welche Bedeutung hier diesen ausgestossenen Nucleolen des primären Endospermkerns bei- gemessen werden soll, weiss ich nicht. Es wäre denkbar, dass sie Zerfallsprodukte der Nucleolen im Endospermkern sein würden. Nach der Befruchtung erweitert sich der Embryosack bedeutend. In der oberen Hälfte des Nucellus wird sämmtliches Nucellusgewebe ver- drängt mit Ausnahme der Zellen, die die Kernwarze bilden, sowie der äussersten Nucellusschicht, jener Epidermis, von der wir früher schon einiges mitgetheilt haben. Der Embryosack wuchert auch nach unten. Rings um die Zellen herum, die schon frühzeitig cuticularisiren und die Antipoden unterlagern, wächst der Embryosack chalazawärts. Der grösste Theil des Nucellusgewebes wird resorbirt; nur an der Basis des Nucellus, seitlich der Antipodenscheide, die wie ein Posta- ment in den Embryosack hineinragt, erhalten sich noch mehrere Zelllagen. Ihre Zellen sind unter dem Druck des wuchernden Embryo- sackes in radialer Richtung gestreckt worden. Ist der Wucherungs- process des Embryosackes beendigt, so nimmt der letztere den grössten Raum des Nucellus ein. Er besitzt dann die Form eines Eies, dessen Spitze mikropylwärts, dessen stumpfer Theil chalazawärts gerichtet ist (Taf. XIV Fig. 53). Die beiden Tochterkerne des primären Endo- spermkerns enthalten mehrere (bis 7) stabförmige Kernkörperchen und ein schwach gefärbtes Kerngerüst. Ihre Deszendenten zeichnen sich aus durch ihre Grösse und deutliche Struktur. Das Kerngerüst be- steht aus deutlich gewundenen Chromatinfäden, zwischen denen bis fünf Nucleolen gelagert sein können. Zu der Zeit, da der Embryo zweizellig ist, hat sich das Plasma mit den Endospermkernen nach den Wandungen des Embryosackes zurückgezogen und bildet einen 276 Wandbelag, der auch die äusseren Wandungen der Antipodenscheide überzieht. Die Endospermkerne, die zu dieser Zeit in der Zahl von 32 vorhanden sein mögen, ragen aus dem Wandbelag als kleine schwarze Hügel, die in gleichen Distanzen von einander entfernt sind, hervor. Die Kerne können an der der Embryosackhöhle zugekehrten inneren Oberfläche des Wandbelages liegen. Es ist sogar möglich, dass der Wandbelag eine Art Ausstülpung in den Embryosack (Taf. XIV Fig. 58) hineintreibt, auf der, wie von einem Stiel getragen, der Endospermkern liegt. Nach meiner Auffassung ist diese Erscheinung als Kunstprodukt zu deuten, als Folge ungleichartiger Contraction des Embryosack-Cytoplasmas und der Endospermkerne. Die einzelnen Kerne haben ellipsoidisch rundliche Gestalt, besitzen mehrere Nucleolen von verschiedener Grösse und Gestalt. Die zahlreichen Chromatin- körnchen des Kerngerüstes verleihen dem Kern ein marmorirtes Aus- sehen. Das Protoplasma des Wandbelages besitzt eine schaumige Struktur und ist überall gleichmässig vertheilt, so dass wir um die Endospermkerne herum in der Flächenansicht des Belages nicht etwa eine dichtere Ansammlung von Plasma bemerken können. Beim drei- zähligen Embryo zählen wir im Endosperm, ungefähr 256 Kerne, um die herum sich jetzt das Plasma mehr oder weniger deutlich in radia- len Streifen, die mit einander communiciren, angeordnet hat. Diese radiäre Struktur des Plasmas im Wandbelag und diese sonnenähnlichen Bilder im Endosperm sind auch bei anderen Pflanzen, z. B. Myosurus, Agrimonia, Adonis autumnalis ete., beobachtet worden. Zwischen den Strahlen zweier benachbarter Endospermkerne treten im Stadium mit dem ca, 14zelligen Embryo zarte Zellwandungen auf, bei denen es oft schwierig zu sagen ist, ob wir es nur mit feinen Granulationen oder schon mit einer homogenen Cellulosemembran zu thun haben. Es erfolgt die Bildung des Endosperms in Zellen von fünf- oder sechs- eckiger Gestalt, so dass die Wand des Embryosackes mit einer ein- fachen Schicht tafelfürmiger Zellen bedeckt ist. Wie bei anderen Pflanzen, so kann es auch hier vorkommen, dass zwei Kerne von einer Zelle eingeschlossen werden, die sich nachträglich wohl noch theilt, da wir in späteren Stadien in den Endospermzellen immer nur einen einzigen Kern antreffen. Es ist noch nachzutragen, dass die Kerntheilungen im noch nicht segmentirten Wandbelag zu gleicher Zeit sich abspielen, und dass es aus diesem Grunde nicht gerade häufig vorkommt, dass man Kerntheilungsfiguren im jungen Endosperm begegnet. Bei den karyokinetischen Figuren ist nur die grosse Zahl der Chromosomen zu bedauern. Im Uebrigen lassen die Bilder an ———————— 2a | 277 Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und es könnten dieselben ohne Zweifel auch zu Kernstudien sich eignen. Die Kerntheilungen schreiten in einer bestimmten Richtung fort. Wir finden die Kerne in der Mikropylgegend noch in Ruhe, während sie an der Chalaza bereits in zwei Tochterkerne zerfallen sind. Zwischen Mikropyle und Chalaza sind dann sämmtliche Stadien der Karyokinese anzutreffen. Ich ver- weise hier auf das „Botanische Praktikum“ von Strasburger Fig. 190. Jenes Bild, das uns den protoplasmatischen Wandbelag aus dem Embryosack von Fritillaria imperialis vor Augen führt, könnte ebensogut den Wandbelag zur Zeit der Theilung aus dem Embryo- sack von Aconitum Napellus darstellen. Eine bestimmte Richtung, die die Kernspindeln innehalten, herrscht nicht vor. Die einen sind parallel zur Längsaxe des Embryosackes, andere sind quer zur Längs- axe, wieder andere in schiefer Richtung gestellt. Die Kerne in der segmentirten Erstlingsschicht besitzen ein bis zwei Nueleolen und ein chromatinreiches Kerngerüst. Besitzt der Embryo 20—25 Zellen im optischen Längsschnitt, so hat sich die Erstlingsschicht des Endosperms verdoppelt (Taf. XIV Fig. 57). Nur die Mikropylgegend weist drei Zelllagen auf. Die zwei Schichten des Endosperms unterscheiden sich wesentlich voneinander. Die Zellen der inneren Schicht sind in radialer Richtung gestreckt und bedeutend länger als diejenigen der peripherischen Endospermanlage. Bei dieser letzteren Schicht sind die Kerne in der Mitte der Zelle gelegen, um- geben von Plasma, das nach den Zellwänden hin strahlenförmige Fortsätze schickt. Die Zahl der Kernkörperchen beträgt häufig 2. Bei den Zellen der inneren Schicht lehnen sich die Kerne im Ruhe- stadium mit 1 oder 2 Nucleolen der Innenwand, d. h. der an die Endo- spermhöhle grenzenden Membran an. Auch das Protoplasma hat sich grösstentheils auf dieser Seite angesammelt und ist mit den Seiten- wänden durch feinere Plasmastränge verbunden. Schickt sich der Kern zur Theilung an, so verlagert er sich von der Wand gegen die Mitte der Zelle hin. Ein ähnliches Verhalten des Zellkerns der inneren Endo- spermschicht schildert Hegelmaier auch bei Adonis automnalis. Er sagt in seinen „Untersuchungen über die Morphologie des Dikotyle- donen-Endosperms“ pag. 19: „Eine andere Erscheinung, deren Bedeu- tung nicht klar und die auch bei anderen Pflanzen sehr verbreitet ist, besteht darin, dass die Kerne der jeweils innersten (an den Rest der Keimsackhöble grenzenden) Zellen eine Wanderung an die sehr zarte, diese Höhle begrenzende Innenwand der Zellen vornehmen und sich während der zwischen zwei Theilungen fallenden Ruhepausen dieser 278 Wand anliegend halten, welche alsdann an der betreffenden Stelle oft concav eingezogen wird.“ Auch letztere Erscheinung, die .con- cave Einbiegung der Zellmembran an der Stelle, wo der Kern liegt, habe ich wiederholt beobachte. Nach den ausgedehnten wichtigen Untersuchungen von Haberlandt über Beziehungen zwischen Function und Lage des Zelikerns bei den Pflanzen, deren Publication aus dem Jahre 1887 datirt scheint uns oben geschildertes Verhalten des Zellkerns nieht mehr räthselhaft zu sein. Nach Haberlandt be- findet sich der Kern von jungen, sich entwickeinden Pflanzenzellen „meist in grösserer oder geringerer Nähe derjenigen Stelle, an welcher das Wachsthum am lebhaftesten vor sich geht oder am längsten an- dauert“. Da die Endospermzellen der inneren Schicht sich bedeutend strecken und ihnen nur auf der Seite der Endospermhöhle ein freier Raum zu Gebot steht, so ist es sehr wahrscheinlich, dass auch an der diesem Raum benachbarten Stelle das grösste Wachsthum erfolgt, was auch die Lage des Zellkerns erklären würde. Die Seitenwände der palissadenförmigen Innenzellen des Endo- sperms sind meist nicht straff gespannt, sondern fein gewellt. Bei den drei Schichten an der Mikropyle haben die beiden äusseren Zelllagen die centrale Lage des Kerns und Protoplasmas mit einander gemein, während die innere Schicht aus Zellen besteht, die länger in radialer Richtung gedehnt sind als die entsprechenden Zellen auf den Seiten des Endospermkörpers. Der Embryo kann Kugelgestalt an- nehmen, also vielzellig sein, während die basale Hälfte des Endo- sperms immer noch zweischichtig ist. Nach oben nimmt das Endosperm an Dicke zu, indem zunächst drei Schichten auftreten, die gegen die Mikropyle hin bis auf fünf Schiehten anwachsen können. Die Mass- verhältnisse der einzelnen Schichten zeigen uns deutlich, dass die dritte Schicht durch Theilung der äusseren hervorgegangen ist. Da der Embryosack zur Zeit der Endospermbildung noch ganz bedeutend wächst, was sich auch in der bedeutenden Vergrösserung des Frucht- knotens äussert, so findet nicht nur centripetales Wachsthum der Endo- spermschichten statt, sondern auch centrifugales resp. interkalares. Wir finden deshalb oft verschiedene Schiehten zugleich in Theilung. In diesen Stadien, in denen der Endospermkörper durch centripetales und centrifugales resp. interkalares Wachsthum den Embryosaek aus- zufüllen im Begriffe ist, begegnen wir oft den prächtigsten Kern- theilungsfiguren. Wie bei der von Hegelmaier untersuchten Adonis autumnalis „überspannen auch hier nach dem Auseinander- weichen der Tochterkerne nach den beiden Polen die sehr reich und 279 kräftig entwickelten Bündel der Verbindungsfäden mitunter gleich- zeitig den ganzen Durchmesser der Zellen, so dass die Scheidewand simultan ganz im Bereich des Fadenbündels angelegt werden kann“. Hier war ich auch so glücklich, bei einer Kerntheilungsfigur zwei Centrosomen zu bemerken. Die Chromosomen hatten sich getheilt und schickten sich eben an, die Wanderung nach den beiden Polen anzutreten. An dem einen Pol beobachteten wir zwei kugelige stark tingirte Körperchen, die unter dem Miskroskop wie zwei Punkte aus- sehen. Die beiden Körperchen, von denen ein jedes von einem hellen Hof umgeben ist, liegen nicht auf gleicher Höhe, sondern in einer zur Aequatorialebene der Kernspindel schief gelegenen Ebene. Nach dem Stadium der Kerntheilung zu schliessen, können sich die beiden Centrosomen noch nicht lange vorher gebildet haben. Dass die beiden Körperchen, mit dem sie umgebenden hellen Hof wirklich existiren, davon überzeugten sich auch die Herren Professor Dr. “ Dodel und Privatdocent Dr. Overton, welche beiden Beobachter die genannten Körper an derselben Stelle vorhanden, jeder unab- hängig vom anderen die respektiven Lagen der beiden Üentrosomen, resp. Centrosphären deutlich erkennend und in Zeichnungen markirend. Es verdient dies Factum hervorgehoben zu werden, angesichts der Thatsache, dass neuestens die Frage der Centrosomen auf botanischen Gebieten wieder sehr ins Schwanken gerathen und der diesfallsige Centrosomenglaube vorübergehend erschüttert worden ist. Die beiden genannten Körper für Kunstprodukte zu halten, dagegen spricht die zu regelmässige Gestalt der beiden kugeligen Centren, sowie der sie umgebenden kreisförmigen hellen Höfe. Im ferneren passen zu dem betreffenden Stadium der Kerntheilung auch die Lage und die Zahl der Centrosomen, so dass wir kaum darüber im Zweifel sein können, dass wir es hier wirklich mit Centrosomen zu thun haben, wenn wir auch nichts von einer strahlenförmigen Anordnung des Plasmas um dieselben herum bemerken. Der betreffende Schnitt war mit Alkohol absolut fixirt und mit Hämatoxylin gefärbt. Geeignete Fixirungs- so- wie Tinktionsmethoden würden in diesen Präparaten ohne Zweifel noch weitere Centrosomen hervortreten lassen. — In einem anderen Endospermkern waren das Rabl’sche Polfeld und die Gegenpolseite sichtbar und konnten wir an demselben die Schlingen der Chromo- somen, sowie ihre Richtung deutlich unterscheiden. In den ruhenden Kernen, die sich oft durch ausserordentliche Grösse auszeichnen, namentlich in der Umgebung der Endospermhöhle, bemerken wir deutlich gewundene Chromatinfäden, ein bis zwei Nucleolen, die 280 lichtbrechende Einschlüsse enthalten. Durch das allseitige centripetale Wachsthum des Endospermparenehyms wird die Endospermhöhle immer kleiner, so dass schliesslich in der Mitte des Samens nur noch eine Spalte frei bleibt, die auf Medianschnitten deutlich zu Tage tritt. Es erfolgen dann noch in den palissadenförmigen Innenzellen, die an die Spalte grenzen, weitere weniger regelmässige Zelltheilungen, so dass die Endospermhöhle geschlossen wird durch unregelmässig gebaute Zellen mit ebenso unregelmässig gestalteten stark tingirbaren Zeilkernen. Da die Periklinen und Antiklinen des Endospermparen- chyms oft mit einander correspondiren, so tritt bei manchen reifen Samen auf den Querschnitten die concentrische Schichtung deutlich her- vor (Taf. XTV Fig.60). Nur in Schnitten, die durch die zuletzt angefüllte Spalte geführt werden, wird das concentrische Gefüge gegen die Mitte hin undeutlich. Das centripetale und centrifugale resp. interkalare Wachsthum erklären es auch, dass die Zellen von innen nach aussen in radialer Richtung an Länge abnehmen. Wir haben geschen, dass die freien Endospermkerne alle zugleich in Theilung begriffen waren, und dass auch im Endospermparenchym eine gewisse Zeit lang die Zellen der einzelnen Schichten im gleichen Moment sich theilten. Wir müssen daraus schliessen, dass das Wachsthum des Eindosperms kein gleichmässiges, sondern ein stossweises, periodisches ist. Hegel- maier unterscheidet beim Process der Endospermentwickelung fol- gende Theilvorgänge: 1. Die Bildung der Endospermkerne; 2. die Constituirung der ersten Zellen des Endosperms; 3. den Aufbau eines mehr oder weniger massigen Gewebekörpers aus diesen Anfängen. Auch bei Aconitum Napellus lassen sich die drei genannten Phasen, wie aus der Entwickelungsgeschichte des Endosperms deutlich hervor- geht, genau von einander abgrenzen, Die reifen Samen enthalten im Endosperm Oel und Proteinstoffe. Namentlich die äussere peripherische Zellschieht des Endosperms ent- hält auffallend viel Proteinstoffe und erinnert uns an die Kleberschicht der Gramineen. Im ungefärbten Zustand besitzt sie jene gelbliche Farbe, wie wir sie im protoplasmareichen Plerom und in der Epi- dermis des reifen Embryo beobachtet haben. Die Endospermzellwände werden von H280, aufgelöst, färben sich mit J-+ Hz80, nicht blau. Sie scheinen aus einer Art Reservecellulose zu bestehen. Die Zellkerne sind im Vergleich mit denjenigen jüngerer Stadien klein und kugelrund. Es mögen hier gleich noch einige Bemerkungen folgen über die Vertheilung der Nährstoffe in den Samenknospen in den verschiedenen Entwickelungsstadien. Zur Zeit der Anthese enthalten Carpell, Funi- 281 culus, Raphe und die Integumente, sowie ein Streifen unterhalb der Chalaza Stärke. Sie fehlt hingegen an der Mikropyle, im Nucellus und in der Chalaza. Carpell und äusseres Integument sind sogar, mit Ausnahme der Epidermis, chlorophylihaltig und assimilationsfähig. Glyeose finden wir nur in den nach unten blattartig entwickelten Filamenten, in denen ein reichlicher Cu-Niederschlag entsteht, wenn wir sie mit Fehling’scher Lösung behandeln. Nach der Befruchtung nimmt der Stärkegehalt in den Integumenten sowie unterhalb der Chalaza bedeutend zu. Es tritt auch neben der Stärke Glycose auf. Ist der Same mit Endosperm erfüllt, so zieht sich die Stärke mehr nach den peripherischen Theilen zurück, in den ausserhalb der Raphe gelegenen Theil und im äusseren Integumente nach der Stelle, die das Gefässbündel an der Chalaza seitlich umgibt. Das Obige kurz zusammenfassend, können wir uns dahin ausdrücken, dass Raphentheil und das äussere Integument nach der Befruchtung sich mit Stärke und Glycose anfüllen, als Nährschieht funcetioniren und ein Depot bilden, aus dem das Endosperm seine Nahrung schöpft, so dass im Depot zur Zeit der Samenreife nur noch wenige Vorräthe verbleiben. Ich habe auch einen frischen Samen, in dem der Embryo aus unge- fähr fünf Zellen bestand, in toto in HzS0, gebracht und die Beobach- tung gemacht, dass eine prächtig carminrothe Färbung eintritt, die zuerst in der Gegend der Chalaza beginnt, sich aber, nach und nach über den ganzen Samen verbreitet. Am darauffolgenden Tag war die rothe Farbe verschwunden. Nach der neuen Auflage von Stras- burger’s „Botanischem Praktikum‘ tritt bei Behandlung von Aco- nitin mit Hz$0, die genannte Färbung ein. Ich bin deshalb geneigt, in dem Alkaloid Aconitin die Ursache für die carminrothe Färbung zu erblicken. Leider besitze ich keine weiteren Daten über die Zeit des ersten Auftretens vom Aconitin; ich kann auch keine näheren Angaben machen über die Localisation des Stoffes. Bei fast reifen Samen finden wir auf Längsschnitten, die mit H,S0, behandelt wurden, dass die äusserstem’(2—3, an der Mikropyle 5—6) Schichten des Endo- sperms, unmittelbar nach dem Zufügen von H;SO,, sich hellgrün färben, während an der Chalaza die carminrothe Farbe auftritt. Es ist mög- lich, dass die grüne Färbung von einem Zersetzungsprodukt des Aco- nitins herrübrt. V. Die Antipoden. Die gewaltige Entwickelung derselben, sowie ihre Dauerhaftigkeit mögen es rechtfertigen, wenn ich den Antipoden ein besonderes Ka- pitel widme. 282 Wir haben bereits gesehen, dass die ersten zwei Antipodenkerne in einer Plasmabrücke im unteren Theil des Embryosackes liegen und dass sie sich nach der nächsten Theilung zu Zellen eonstituiren, die den schnabelförmigen unteren Theil des Embryosackes ausfüllen. Zur gleichen Zeit bilden sich an der Mikropylseite des Embryosackes die Zellen des Eiapparates aus. Während aber letztere bis zur Zeit der Bestäubung sich nur noch wenig vergrössern und verändern, beginnt für die Antipoden eine Periode riesigen Wachsthums, so dass sie aus dem engen unteren Theil des Embryosackes herauswachen, oben sich blasenförmig erweitern, bis zur halben Höhe des Embryosackes reichen können und mit blossem Auge wahrnehmbar sind. Ausnahmslos betrug die Zahl der Antipoden 3. Da alle drei Antipoden oben sich blasen- förmig erweitern, so bemerkt man oft, dass sie sich gegenseitig ab- platten und wie aneinandergewachsen erscheinen (Taf. XV Fig. 3). Die Ursache des gewaltigen Wachsthums der Antipoden liegt ohne Zweifel in der Resorption des umliegenden Nucellusgewebes. Zur Zeit der Entstehung der Antipoden ist der Embryosack oben breiter als unten. Später erweitert er sich unten auf Kosten des umliegenden Nucellusgewebes. Man kann nun die Beobachtung machen, dass in Präparaten, in denen die Resorption der Nucelluszellen unten noch nicht weit fortgeschritten ist, die Antipoden noch nicht durch ihre Grösse imponiren, dass aber umgekehrt da, wo der Embryosack unten breiter als oben ist, sich bei den Antipoden ein Stiel und eine schön entwickelte Blase unterscheiden lassen. Es geht daraus hervor, dass die resorbirten Nucelluszellen als Nährstoffe für die Antipoden dienen. Zur Zeit der Bestäubung fällt uns der reichliche Plasmagehalt der Antipoden in dem Stiel wie im Blasentheil auf. In dem letzteren wird das Plasma gegen den oberen Theil der deutlich unterscheid- baren Membran hin vacuolig. Das Plasma durchzieht hier in feinen Strängen den Blasenraum. Die Antipodenkerne halten mit dem Wachsthum der Zellen Schritt. Zur Zeit ihrer Entstehung schliessen sie jene charakteristischen, central gelegenen Kernkörperchen ein. Die Kerne schwellen dann immer mehr an; die Nucleolen werden undeut- lich, während das Kerngerüst chromatinreicher wird. Wir können aber keine bestimmte Anordnung des Chromatins erkennen, sondern bemerken nur grössere und kleinere Klumpen cehromatinreicher Sub- stanz. Durch ihre Grösse sowohl, als auch durch ihre Struktur unter- scheiden sich die Antipodenkerne von allen anderen Kernen. Oft kann man an den Kernen deutlich eine Kernmembran unterscheiden, besonders dann, wenn die Chromatinballen gegen das Kerncentrum 283 hin gelegen sind. In einem Präparat war die Kernmenbran zer- rissen und als solche deutlich sichtbar. Wie gewaltige Dimensionen die Antipoden annehmen können, beweist uns Fig.2 Taf. XV.!) Ob- wohl der Embryosack bis auf den Grund des Nucellus gewachsen ist, so reichen hier die Antipoden doch über die basale Hälfte des Embryosackes hinaus. Auch in der Gestalt unterscheiden sie sich von der Mehrzahl der Antipoden, da sie nach oben in eine Spitze ausge- zogen sind und so einer Gurke en miniature nicht unähnlich sehen. Das Protoplasma besitzt ein schaumiges Aussehen und ist vacuolig. In der langen grösseren Antipodenzelle liegt unmittelbar unter dem Kern eine grosse Vacuole. Die Zellkerne sind mehr oder weniger in der Mitte der Zellen gelegen. An frischem Material fallen uns bei den Antipoden vor allem die zahlreichen kugeligen Vacuolen auf. Bringen wir frische Antipoden in Wasser, so platzen sie sehr oft schon in wenigen Minuten. Die grossen und kleinen Vacuolen treten aus und behalten ihre Kugelgestalt bei. Die Mikrosomen sind in lebhafter Bro wn’scher Molekularbewegung. Werden frische Anti- poden in wasserhaltigen Alkohol gebracht, so sehen wir das Plasma sich langsam von den Wandungen zurückziehen. Die Zellmembranen werden deutlich sichtbar. Wie die Reaction ergibt, bestehen sie aus Cellulose. Westermaier berichtet in seiner Arbeit: „Zur Embryo- logie der Phanerogamen, insbesondere über die sogenannten Anti- poden“ von einer geplatzten Antipodenzelle von Aconitum Napellus, bei der er spiralige Aufrollung der Zellmembran beobachtet haben will. So viele Antipoden auch zum Platzen kamen, so konnte ich doch nie etwas Aehnliches bemerken. Der Inhalt der Antipoden besteht aus Plasma. Mit Fehling’scher Lösung färbt er sich schön violett. Stoffe, wie Stärke, Zucker, Gerbstoff, gelang es mir nie, nachzuweisen. Schon zur Zeit der Entstehung der Antipoden fällt uns die braune Färbung der Nucelluszellmembranen rings um die Antipoden herum auf; sie rührt von der Cuticularisirung der Zell- wände her. So kommt es dann, dass diese cutinisirten Zellmem- branen dem Wucherungsprocess des Embryosackes nicht zum Opfer fallen und jene Stelle um die Antipoden herum in dem Masse, wie das übrige Nucellusgewebe verschwindet, immer deutlicher hervor- 1) Die Figuren von Tafel XV sind nach den Originalpräparaten von Herrn Professor A. Dodel hergestellt und dem Verfasser dieser Abhandlung zu Illu- strationszwecken überlassen worden. 284 tritt. Beim ausgebildeten Embryosack ragen diese cuticularisirten Zellen wie ein Postament in das Innere desselben und umhüllen die eigentliche Basis des Embryosackes, jenen schnabelförmig verengerten Theil, in dem die Antipodenstiele stecken. Sie bilden so eine Art Trichter, aus dem die Antipodenblasen hervorragen oder eine Scheide für die Antipodenstiele. Westermaier, der ebenfalls die Anti- poden von Aconitum Napellus untersuchte, bemerkt in der obeitirten Arbeit nichts über die Cuticularisirung der Zellmembranen des Anti- podentrichters oder des Postamentes. Er spricht nur von Zellen- membranen des Postamentes, die „eigenthümlich schwärzlich aussehen“, Im ferneren spricht er nur bei Crocus vernus davon, dass die Anti- podenstiele in eine trichterartige Vertiefung eingesenkt sind, während er bei Aconitum Napellus nichts Aehnliches erwähnt, sondern nur sagt, dass die Antipoden auf einem Postament wahrzunehmen seien. Es scheint, dass Westermaier der genaue Sachverhalt entgangen ist. Die inneren Zellen des Antipodentrichters weisen stark tingir- bare Kerne auf, während die äusseren, die dem Embryosack benach- barten Zellen zerrissen und leer sind. In der nach unten fortgesetzt gedachten Verlängerung der Antipodenstiele sollen nach Wester- maier bei Aconitum Lyeoctonum Zellen liegen, welehe in derselben Riehtung gestreckt sind und die Westermaier für Zuleitungszellen hält. Bei Aconitum Napellus finden wir am Antipodentrichter keine auffallend in der Längsrichtung des Embryosackes gestreckten Zellen. Ebenso konnte ich oberhalb der Chalaza und seitlich des Antipoden- trichters keine feinkörnige Stärke nachweisen, wie sie an genannten Stellen nach Westermaier bei Aconitum Lycoctonum vorkommen soll, obwohl bei beiden genannten Species die transitorische Stärke im Grossen und Ganzen auf die gleichen Stellen localisirt ist. Westermaier fiel auch bei Aconitum Lyeoetonum in dem unter- halb der Chalaza gelegenen Stärkestreifen bei der Jodreaction die röthliche Färbung auf. Auch bei Aconitum Napellus finden wir an der betreffenden Stelle bei Jodbehandlung die röthliche Farbe, die ich hier auf das noch neben der Stärke vorfindende Plasma zurück- führen möchte, In einer Antipode befand sich der Kern zur Zeit der Befruchtung im Knäuelstadium. Die Chromatinfäden zeichnen sich durch ausserordentliche Dicke aus und erinnern in dieser Hin- sicht sehr an den dicken Kernfaden einer Speicheldrüsenzelle von Chironomus. (Siehe Hertwig, Die Zelle und die Gewebe. Fig. 27.) Getheilte Kerne in den Antipoden, wie sie Westermaier bei Aconitum Lycoctonum und A. Fischer bei Delphinium , deren 285 Antipoden sich durch bedeutendes Theilungsvermögen auszeichnen sollen, beobachtet haben, habe ich nie wahrgenommen. Da der ganze Antipodentrichter aussen vom Embryosack über- zogen ist, so sehen wir auch bei Beginn der Endospermbildung den Hügel mit einem protoplasmatischen Wandbelag, dem Endospermkerne eingelagert sind, bedeckt. Vermehren sich die Schichten des Endo- sperms auf 4—#, so wird die Antipodenscheide ganz vom Endosperm umhüllt, während die Blasen, in ihrer Form unbehelligt, in die freie Endospermhöhle hineinragen. Ist hingegen die Endospermbildung so weit fortgeschritten, dass auch die Antipoden eingeschlossen werden, so nehmen letztere eine länglich ovale Gestalt an. Dass sie sich in der Längsrichtung strecken, ist ohne Zweifel auf den seitlichen Druck, den das Endosperm ausübt, zurückzuführen. Schon, bevor die Endo- spermhöhle ganz geschlossen ist, können die Antipoden degeneriren. Die früher so straff gespannten Blasen sinken zusammen; das Plasma wird körnig und der Kern besteht aus formlosen Chromatinfetzen. In Samen, in denen die Kotyledonen des Embryo bereits angelegt sind und dieselben ungefähr ein Drittel ihrer späteren Länge erreicht haben, liegen die Antipoden als formlose Masse, die zum grössten Theil aus chromatinhaltigen Fetzen besteht, auf dem Postament. Die Gegenfüsslerinen können aber auch länger andauern und erst kurz vor der Reife obliteriren. In einem Falle, wo das Endospermgewebe die Antipoden bereits umgab, fand Westermaier bei Aconitum Lycoctonum den Inhalt einer der Zellen erschöpft. Er bemerkt da- zu: „Ich lasse es unentschieden, ob die „Antipoden“ bei dieser Pflanze nicht schliesslich sich als physiologisch gleichwerthige Elemente dem Endosperm einverleiben.* Nachdem wir nun aber bei Aeconitum Napellus gesehen, wie die Antipoden in Endosperm reichen Samen allmählich zu degeneriren beginnen, an Stelle der früher so volumi- nösen Antipoden nur noch kleinere Fetzen von Chromatinsubstanz treten, da also von einer Einverleibung der Antipoden in das Endo- sperm als physiologisch gleichwerthige Elemente keine Rede sein kann, so wird man wohl auf Grund der im Wesentlichen mit einander übereinstimmenden anatomischen Beschaffenheit der Samenknospen der beiden genannten Aconitumarten zu dem Analogieschluss be- rechtigt sein, dass auch bei Aconitum Lycoctonum keine Einverleibung von Antipodenzellen als physiologisch gleichwerthige Elemente im Endosperm stattfindet. Von ihrer Entstehung an bis zu ihrer Degeneration behalten die Gegenfüsslerinen ihre dem Eiapparat diametral gegenüberliegende Flora 1898, 19 286 Stelle bei, so dass bei Aconitum Napellus der Name „Antipode“ seine volle Berechtigung hat. Nachdem wir die Entwickelung der Antipoden, sowie ihre Anatomie besprochen, wollen wir noch kurz die Frage über die Bedeutung und Funetion der Antipoden berühren. Während der alte Hofmeister anfänglich glaubte, dass die Antipoden die Nahrungsstoffe für den werdenden Embryo zu verarbeiten hätten und bei der Bildung des Endosperms keine Rolle spielen würden, sprach er ihnen später diese Eigenschaft ab. Strasburger erblickt in den Antipoden modificirte Endospermzellen. Vesque schreibt: „Au point de vue physiologique il faut lui (appareil antipode) refuser toute espece de fonction.“ Westermaier erblickt in den auffallend entwickelten Antipoden bei einer Anzahl von Angiospermen anatomisch-physiologische Apparate, lässt aber da- bei noch unentschieden, ob sie mehr im Dienste der Ernährung stehen, also eine chemische Function erfüllen oder eine andere Arbeit im Interesse des Embryos, resp. des Endosperms, leisten. Bei einer an- deren Gruppe von Phanerogamen erblickt er in den Antipoden das Erstlingsendosperm. (Zea.) Das Verhalten und die anatomische Be- schaffenheit der Antipoden bei Aconitum Napellus, ferner die ana- tomische Beschaffenheit der Samenknospen sprechen sehr dafür, dass bei unserer Pflanze die Gegenfüsslerinen eine ernährungsphysiologische Rolle spielen. Wir werden in einem letzten Kapitel sehen, wie sich schon frühzeitig um den Nucellus herum eine Cuticula bildet, mit Ausnahme jener Stelle, die direkt unter den Antipoden und oberhalb der Chalaza liegt. Wir wissen, dass das Endosperm von der Chalaza her ernährt werden muss. Der Nährstrom muss also entweder durch die Antipoden, oder durch die an der Basis des Nucellus noch übrig gebliebenen Nucelluszellen oder durch beide zugleich gehen. Nun wissen wir ferner aus früherem, dass die unteren Nucellusschiehten durch den wachsenden Embryosack und das wachsende Endosperm zusammengedrückt werden, so, dass ihre Zellen quer zur Richtung des Nährstromes gestellt sind. Es scheint mir deshalb schon aus diesem Grunde unwahrscheinlich, dass alle Nährflüssigkeit durch diese quer- gestellten Zellen des Nucellus diffundirt. Dagegen ist mehr als wahr- scheinlich, dass wenigstens ein Theil der Nährflüssigkeit durch die Antipoden, deren Stiele in dem Trichter in bedeutende Tiefe hinab- reichen, aufgenommen wird, und dass dann die Antipoden denselben, entweder verändert oder unverändert, an den Inhalt des Embryosackes abgeben und so eine Art Drüsenfunction übernehmen. Der anatomische 287 Bau der Antipoden stimmt auch sehr mit demjenigen von Drüsenzellen überein. In der Mehrzahl der Fälle zeichnen sich die Sekretzellen durch stark entwickelte Plasmakörper und relativ grosse Zellkerne aus. (Vergleiche: Haberlandt, Physiologische Pflanzenanatomie 1896. X. Abschnitt: Die Sekretionsorgane.) Wir haben früher schon erwähnt, dass da, wo Chromatinfäden sichtbar werden in den Antipoden (wie z. B. im Knäuelstadium) die Kernfäden denjenigen aus den Speichel- drüsenzellen von Chironomus in ihrer Dieke auffallend ähnlich sind. In seiner Arbeit: „Beiträge zur Kenntniss der Septalnektarien“ studirte Schniewind auch das in verschiedenen Altersstadien verschiedenartige Verhalten des Zellinhaltes, besonders dasjenige der Zellkerne und ihrer Nucleolen bei den Septalnektarien und legte seine Beobachtungen in einigen colorirten Tafeln nieder. Es fallen uns bei diesen Dar- stellungen einige Figuren auf, die uns an die Antipoden von Aconitum Napellus erinnern, z. B. Taf. VII Fig. 120 a und b. Es sind Zell- kerne aus den Epidermiszellen und einigen subepidermalen Zellreiben des Septalnektariums von Pancratium speciosum L. Ueber das Ver- halten des Zellinhaltes dieser Epidermiszellen zu verschiedenen Zeiten schreibt Schniewind: Junge Knospe von Paneratium: „Zellkerne rund oval, unregelmässig gebogen und eingeschnürt. Ausserordentlich chro- matinreich. Chromatinkörner gross, rund, oft compaete Massen bildend und die Nucleolen verdeckend. Nur ein Nueleolus in jedem Kern. Cytoplasma vacuolig.* Als die Sekretion bei Paneratium ihren Höhe- punkt erreicht hatte, fand Schniewind: „Zellkerne rund oder oval. Besonders in den tiefer gelegenen Zellschichten erreichen die Kerne und Nucleolen eine ungeheure Grösse. Chromatin zu einem Netzwerk geordnet, dessen Lamellen, zum Theil stark verdickt, zum Theil dünn sind.* Am Ende der Sekretion waren die Zellkerne unverändert. Es erinnert auch Fig. 115 Taf. VII sehr an unsere Antipoden. Sie stellt eine Epidermiszelle aus dem Septalnektarium von Clivia miniata Benth. dar, als sie die Höhe der Sekretion erreichte. Auch da fallen uns die grossen chromatinreichen Kerne auf, ferner das vacuolige Plasma. Wir sehen, dass nicht nur die Lage der Antipoden, der anato- mische Bau der basalen Partie des Nucellus, sondern auch das ana- tomische Verhalten der Antipoden sehr dafür spricht, dass letztere bei Aconitum Napellus eine ernährungsphysiologische Rolle übernommen haben. VI. Integumente. Nach der Befruchtung wird das innere Integument durch den wachsenden Nucellus stark zusammengedrückt (Taf. XIV Fig. 61). 19% 288 Um den Nucellus herum macht sich eine gelblich gefärbte Membran bemerkbar. Nur die Stelle oberhalb der Chalaza ist frei von dieser Membran, die, wie die Reaktion mit HsSO, zeigt, eutieularisirt ist. Man kann anfänglich im Zweifel sein über den Ursprung dieser Cuticula, da sie zwischen der .inneren Zelllage des inneren Inte- guments und der äusseren Nucellusschicht, welche beide Zelllagen dicht an einander schliessen, liegt. Später tritt aber eine zweite Cuticula ausserhalb der ersten auf und zwischen den beiden cutinisirten Membranen entstehen Verdickungen. Das innere Integument hat sich in eine Samenschale mit verdickten eutieularisirten Zellen umge- wandelt (Taf. XIII Fig. 48), Behandeln wir den reifen Samen mit H,8SO, oder mit KOH, so lässt sich diese Samenschale leicht isohiren. Betrachten wir dann Partien von so isolirten Samenschalen unter dem Mikroskop, so lässt sich die Zellenstruktur deutlich constatiren (Taf. XIII Fig. 49), während man auf Längsschnitten die Zusammen- setzung der Samenhaut aus Zellen nur schwer erkennen kann, indem die Querwände der Zellen zu wenig hervortreten. Diese innere aus spiralig verdiekten Zellen bestehende Samenhaut hat auffallende Aehnlichkeit mit der äusseren Samenhaut von Taraxacum offieinale. Die einzelnen in der Mehrzahl lang gestreckten Zellen sind prosen- chymatischer Natur und in einander gekeilt. Gegen die Mikropyle und Chalaza hin verkürzen sich die Zellen und werden parenchy- matisch. Die Mehrzahl der Zellen ist bei meridionaler Richtung ge- streckt; oft liegen aber zwischen meridional gerichteten Zellen „Sperr- hölzern“ gleich 2—6 Zellen, die in äquatorialer Richtung angeordnet sind. Diese verdickte innere Samenschale wird den Samen haupt- sächlich zu schützen haben; vielleicht dient sie auch zur Wasser- leitung oder zur Verhinderung des osmotischen Austrittes von Oel aus dem Endospermkörper. Am äusseren Integument machen sich zur Zeit der Anthese eben- falls Veränderungen bemerkbar. Die Epidermiszellen zeichnen sich durch ihren Plasmareichthum aus, während der Plasmagehalt der übrigen Zellen abnimmt. (Taf. XIV Fig. 61.) Das Integument, das vor der Befruchtung nur bis zum Mikropylenhügel reichte, setzt sein Wachsthum wieder fort; es wächst über den Mikropylenhügel hinaus, um sich mit dem Funieulus zu vereinigen. Die Epidermis- zellen besitzen einen grösseren linsenförmigen Zellkern mit einem Kernkörperchen; meist liegt der Kern der inneren Wand an. Da die im Innern des äusseren Integuments gelegenen Zelleu dem Wachs- thum der Epidermis nicht zu folgen vermögen, so biegen die Epider- 289 miszellen seitlich aus, so dass ihre äusseren Wandungen eine Wellen- linie bilden. Die Epidermis setzt sich nach unten fort und entwickelt sich auch auf der gegenüberliegenden Seite des Funieulus. Ist der Embryo ungefähr dreizellig, so ist der ganze Samen von der er- wähnten Epidermis bedeckt. Durch das nachträgliche Wachsthum des äusseren Integumentes wird unten an der Basis des Samens ein nach Aussen vorspringender Wall gebildet, der den mittleren direet unter der Chalaza liegenden Theil umschliesst. Gegen die Samen- reife hin zerreissen die inneren leeren Zellen des äusseren Integu- mentes; sie verschwinden oft grösstentheils. Ebenso obliteriren die Epidermiszellen und lassen nur eine stark verdiekte cuticularisirte gewellte Aussenwand zurück, die mit den spiralig verdickten Zellen des inneren Integumentes das Endosperm gegen aussen abschliesst und schützt. Auf der Rapheseite verbleiben die entleerten Zellen ‘und bilden ein schwammiges, luftiges Gewebe. Der reife Samen hat die Form eines Keils, dessen Schneide durch die Rapheseite gebildet wird. Der Rücken des Keils wird markirt durch zwei flügelartige Fortsätze, die längs des Samens ver- laufen. Zur Zeit der Befruchtung ist der Querschnitt der Samen- knospe mit Ausnahme des Raphetheils rund. Der Querschnitt des reifen Samens dagegen gleicht einem Dreieck; der Umfang des mit Endosperm erfüllten Embryosackes stellt einen dem Dreieck einbe- schriebenen Kreis dar. Der flügelförmige Fortsatz auf der Raphe- seite, sowie diejenigen des Rückens, sind durch Obliteration des Integumentgewebes zu stande gekommen. Es obliteriren auf der Rapheseite auch die Gefässbündel; letztere verbleiben dagegen unter der Chalaza, in der sie sich in einer ganz charakterischen Weise verzweigen, indem alle ihre Verästelungen gegen jenen Theil gerichtet sind, durch den die Nahrung in das Endosperm eintreten muss (Taf. XIV Fig. 62 u. 63). Es ist hier auch noch zu bemerken, dass die Enden dieser Verzweigungen oft kolbig oder kugelig auf- getrieben und mit zahlreichen querspaltenförmigen Tüpfeln versehen sind (Taf. XV Fig. 50. Nach Haberlandt sollen diese ver- breiterten Endigungen der Leitbündel als Wasserreservoirs dienen. Die Nucelluszellen, die dem Wachsthum des Embryosackes nicht zum Opfer gefallen sind, degeneriren während der Entwickelung des Samens. Sie strecken sich in der Längsrichtung des Samens; ihr Protoplasmagehalt wird geringer, die Kerne werden chromatinärmer. Die Quermembranen, die früher straff gespannt waren, fallen zu- sammen oder werden schief. An Stelle der früher so typisch aus- 290 gebildeten Nucellusepidermis finden wir im reifen Samen langge- streckte leere Zellen mit schwach tingirbaren Kernen. Jene Stelle an der Basis des Nucellus, die bei der Cuticularisirung und Verdick- ung frei gelassen wurde, ist im reifen Samen dunkelbraun gefärbt. Die Zellen, die die Fortsetzung der zur Zeit der Samenreife schön gelb gefärbten inneren Samenschale bilden, sind jetzt auch cutieulari- sirt, so dass der ölhaltige Endospermkörper gegen aussen allseitig abgeschlossen ist. Die Arbeit wurde im Laboratorium des Herrn Prof. Dr. Dodel bei Beginn des Wintersemesters 1896 in Angriff genommen und im Frühjahr 1898 vollendet, Es ist mir hier eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. Dr. Dodel meinen tiefgefühlten Dank auszusprechen für das Interesse, das er der Arbeit entgegengebracht hatte, für die Liebenswürdigkeit, mit der er mir seine optischen Instrumente zur Verfügung stellte, sowie für den äusserst anregenden Unterricht in der Botanik. Ebenso sehr bin ich Herrn Privatdozent Dr. Overton für die zahlreichen Rathschläge, die er mir im bot. Laboratorium ertheilte, zu Dank verpflichtet, Verzeichniss der benützten Litteratur. DodelA,, Beiträge zur Kenntniss der Befruchtungserscheinungen bei Iris sibirica (Separat-Abdruck aus der Festschrift zur Feier des 50jährigen Doctorjubiläuns der Herren Prof. Dr. Karl Wilhelm v. Nägeli und Prof. Dr. Albert v. Kölliker in Würzburg.) Guignard L., Recherches sur le noyau cellulaire. Annales des sciences natu- relles. Botanique. VI, Serie 20. — — Nouvelles &tudes sur la f&condation. Annales des sciences naturelles. Bo- tanique, ‘VII. Serie 14. Haberlandt, Physiologische Pflanzenanatomie, IL Auflage. Hegelmaier Dr. F., Vergleichende Untersuchungen über Entwiekelung dikoty- ledoner Keime, 1878. — — Untersuchungen über die Morphologie des Dikotyledonenendosperms. 1885. Hertwig O., Die Zelle und die Gewebe. 1893. Hofmeister W., Neue Beiträge zur Kenntniss der Embryobildung der Phanero- gamen. I. Dikotyledonen. 1859. IL Monokotyledonen. 1861. Overton Dr. E., Beitrag zur Kenntniss der Entwickelung und Vereinigung der Geschlechtsprodukte bei Lilium Martagon. (Separat-Abdruck aus der Festschrift zur Feier des 50jährigen Doctorjubiläums der Herren Prof. Dr. Karl Wilhelm v. Nägeli und Prof. Dr. Albert v, Kölliker in Würzburg.) 291 Overton Dr. E., Ueber die Reduction der Chromosomen in den Kernen der Pflanzen. (Vierteljahrsschrift der naturforschend. Gesellschaft in Zürich, XXXVII. Jahrg, 1893, — — Mikrotechnische Mittheilungen aus dem botanischen Laboratorium der Uni- versität Zürich. (Zeitschrift für wissenschaftl. Mikroskopie und für mikros- kopische Technik, Bd. VII 1890, pag. 9—16.) Sachs Julius, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie. 1882. Schwere Siegfr., Zur Entwickelungsgeschichte der Frucht von Taraxacum offi- cinale Web. Inaug.-Diss. 1896. Schniewind-Thies, Beiträge zur Kenntniss der Septalnektarien. 1897. Strasburger E., Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 1878. — — Die Angiospermen und die Gymnospermen. 1879, — — Zellbildung und Zelltheilung. 1880. — — Neue Untersuchungen über den Befruchtungsvorgang bei den Phanero- gamen. 1884, -—- — Das Botanische Praktikum. 1887. Vesque J., Developpement du sac embryonnaire. Annales des sciences naturellee. Botanique. VI. Serie 6. Westermaier M., Zur Embryologie der Phanerogamen, insbesondere über die sogen. Antipoden. 1880.. Zimmermann A., Die Morphologie und Physiologie des pflanz). Zellkernes. 1896, Erklärung der Tafeln. Tafel XI. Fig. 1 u. 2. Reife Pollenkörner. v = vegetativer Kern; g= generativ. Kern. 533/1. Fig. 3, 4,5 u. 6. Die ersten Entwickelungsstadien des keimenden Pollenkorns. 533/1. Fig. 7. Pollenschlauch, in dem die generative Zeile deutlich sichtbar ist. Fig. 9. Pollenschlauch, in dem der generative Kern getheilt ist. 538/1. Fig. 10. Pollenschlauch. Generativer Kern in Theilung begriffen. 533/1. Fig.11. Pollenschlauch. Der vegetative Kern ist fadenförmig und liegt vor dem generativen Kern. 800/1. Fig. 12, Archespor. 420/1. Fig. 13. Archespor hat sich in zwei Tochterzellen getheilt. 280/1. Fig.14. Archespor hat sich in vier Zellen getheilt. 280/1. Fig. 15. Die oberste der vier Zellen des Archespors hat sich durch eine senkrechte Wand in zwei Zellen getheilt. 280/1. Fig.16. Die oberste der vier Descendenten des Archespors hat sich durch eine schiefe Wand in zwei Zellen getheilt. 280/1. Fig. 17 u. 18. Junger Embryosack mit dem Embryosackkern. Fig. 19, Der Embryosackkern hat sich getheilt. Fig. 17: 870/1, Fig. 18: 420/1. Tafel XL. Fig. 20. Die beiden Polkerne im Stadium der Verschmelzung. 280/l. Fig. 21. Eiapparat, Antipoden und die beiden Polkerne. 280/1. 292 Fig. 22. Eiapparat, Kernwarze, Mikropylenhügel. 280/1. Fig. 23. Eiapparat, Antipoden, primärer Endospermkern, 280/1. Fig. 24—44. Aufeinander folgende Entwickelungsstadien des Embryos. Fig. 42. Unterer Theil eines Embryos, bei dem die Kotyledonen sich hervorzu- Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. oa ww wölben beginnen. (Unterer Theil von Fig, 41.) 533/1. Tafel XII. . Reifer Embryo. 160/1. . Querschnitt durch den Kotyledon. 160/1, . Querschnitt durch das hypokotyle Glied. 160/1. . Querschnitt durch den Fruchtknoten zur Zeit der Bestäubung. 19/1. . E= Endosperm, N = äussere Nucellusschicht, J = die aus dem inneren Integument entstandene Samenschale. 233/1. . Ein Stück Samenschale, die aus dem inneren Integument entstanden ist, . Kolbig aufgetriebenes Ende einer Gefässröhre in der Chalazagegend. 280/1. . Schematischer Längsschnitt durch einen reifen Samen. Tafel XIV. . Primärer Endospermkern in Theilung begriffen. A == Antipoden. 233/1. . Der primäre Endospermkern hat sich in zwei Tochterkerne getheilt. 233/1. , Embryosackwandbelag des Endosperms von der Fläche gesehen. 280/1. . Erstlingsschicht des Endosperms von der Fläche gesehen. 280/1. . Erstlingsschicht des Endosperms im Längsschnitt. 280/1. . Die Erstlingsschicht des Endosperms hat sich in zwei Schichten getheilt. Längsschnitt. 280/1. . Der Embryosackwandbelag des Endosperms zeigt eine Hervorstülpung, auf der ein Eudospermkern ruht. 613/1. . Längsschnitt durch den Endospermkörper. 160/1. . Querschnitt durch den Endospermkörper, Etwas schematisch. 42/1. . Längsschnitt durch die beiden Integumente und die äussere Nucelluslage zur Zeit der Anthese, 233/1. . Querschnitt durch die Chalazagegend. Verzweigung des aus dem Funi- culus kommenden Gefässbündels unterhalb des Antipodentrichters, 53/1. . Längsschnitt durch die in Fig. 62 angedeutete Verzweigung des Gefäss- bündels. . Leitgewebe für die Pollenschläuche. P== Pollenschläuche. 280/1. Tafel XV. . Orientirungsbild des Embryosackes mit Inhalt kurz vor der Bestäubung. sıaft. . Embryosack mit den riesigen Antipoden und übrigen Inhaltstheilen zur Zeit der freien Endospermkernbildung. 313/1. . Antipoden von oben gesehen. . Ein Synergiden- und ein Ovularembryo, jeder drei- bis fünfzellig. 313/1. . Ein Ovular- und ein Synergidenembryo in späterem Entwickelungsstadium als Fig. 4. 71/1. Beobachtungen über die Diatomeen.') Von P. Mitrophanow, 0. Professor d. vergl. Anatomie, Histologie und Embryologie an der K. Universität Warschau. Während meines Aufenthaltes am Mittelmeere, im Herbst 1895 in Banyuls sur Mer, im Winter 1895/96 in Algier und im Frühlinge 1896 in Neapel, benützte ich auch die Gelegenheit, in einigen Be- ziehungen die Organisation der Diatomeen zu studieren, welche sich daselbst in ungeheuren Mengen auf den Seealgen oder einfach auf der Oberfläche des Meeres befinden. Meine Beobachtungen waren zufällig und können in keiner Richtung als vollendet gelten, doch scheint es mir, dass einige, welche sich auf die innere Struktur der Diatomeenzelle, wie auch auf die in den Diatomeen beobachteten Parasitismusfälle der Pilze (Chytridineae) beziehen, es verdienen, mit- getheilt zu werden. Die ersten und ausführlicheren Beobachtungen fanden in Banyuls sur Mer, im bekannten, von Lacaze-Duthiers gegründeten Labo- ratorium statt. Das Object der Nachforschungen war hauptsächlich Striatella Ag. (Hyalosira Kütz., Tessella Ehrenb., Thaumaleorhabdium Trev.); sie bietet die Seet. II der Gattung Tabellaria Ehrenb. aus der Familie Fragilarioideae-Tabellariae Tabellariinae der Gruppe Pennatae.?) Die Art, welche ich zu meiner Verfügung hatte, zeichnete sich durch stumpfe Winkel aus, weshalb ich sie provisorisch als Hyalo- sira obtusangula Kütz. bestimmt habe; aller Wahrscheinlichkeit nach ist es Striatella unipunetata Ag. (Schütt, l.e., 8. 104; Fig. 182 E, F). Sie wurde von den zum Ufer nahe gelegenen und fadenartigen Algen anfangs September erhalten; leider wurden die- selben infolge eines Sturmes bald zerstört und später konnte ich 1) Diese Arbeit ist eine etwas verkürzte Uebersetzung einer russischen Ab- handlung, welche die XVII. Lieferung (1898) der vom Verfasser in russischer Sprache herausgegebenen ‚Arbeiten aus dem Zootomischen Laboratorium der Universität Warschau“ vorstellt und von einer chromolithographischen Tafel be- gleitet ist. 2) F. Schütt, Bacillariales (Diatomeae): Bacillariaceae. — Die natürlichen Pflanzenfamilien von A. Engler, Lief. 143-145, 1896, 8. 104. 294 schon diese interessanten Diatomeen in genügender Anzahl und im nöthigen Zustande nicht bekommen. Ueberhaupt muss man hinsichtlich der Seediatomeen bemerken, dass sie für Veränderung der Bedingungen sehr empfindlich sind. In den Aquarien ohne fliessendes Wasser sterben sie sogar nach Verlauf einiger Stunden; viele Arten, wie auch die Striatella, erhalten sich schlecht sogar im fliessenden Wasser. Doch war es mir während einiger Tage möglich, die letztere jedesmal aus frischen, soeben aus dem Meere gebrachten Portionen zu studiren. Ohne mich in eine ausführliche litterarische Bearbeitung zu ver- tiefen, die ich den speziellen Botanikern gänzlich überlasse, werde ich mich hier nur mit denjenigen Seiten der Organisation der von mir studirten Diatomeen beschäftigen, welche mir für die Lehre über die Zelle, als eines elementaren Organismus, interessant er- schienen. Infolge der verschiedenen Versuche, die Gesetze der Com- plication der organischen Formen aufzusuchen, hat sich die sehr ver- breitete Meinung begründet, dass die Organisation der einzelligen Organismen (der sog. Protozoen) sich durch die Einfachheit aus- zeichnet, welche nur den sich noch nicht differenzirten Embryonal- zellen der höheren Organismen eigen ist. In Wirklichkeit ist diese Thatsache nur für die niedrigsten Vertreter aus der Gruppe der Sarcodinen richtig, denn schon ihre nächsten Verwandten sind zu solchen Complicationen fähig, welche wir nur in den am meisten differenzirten Elementen der höheren Thiere treffen. In der grossen Mehrzahl der Fälle sind die freien einzelligen Organismen viel complieirter als die Gewebezellen, schon infolge der Mannigfaltigkeit ihrer Organisation. Ihre Fähigkeit zu theil- weisen verschiedenartigen Complicationen scheint wirklich unbegrenzt, im Gegensatz zu der auch unbegrenzten Fähigkeit der Gewebezellen der höheren Tbiere, sich in irgend einer Richtung zu complieiren. Die freien Pflanzenzellen bieten vielleicht eine noch grössere Stufe der Complieation infolge der Mannigfaltigkeit der Organoiden, welche sich in ihrem Körper befinden. Die Beobachtungen derselben sind für den Cytologen schon deshalb wichtig, damit er sich durch die scheinbare Einfachheit der Organisation nicht verblenden lasse, wenn die vorhandene Anzahl der Organoiden gering ist, wie es manchmal bei den Vertretern der niederen Thiere stattfindet. Diese 295 Einfachheit ist nur eine scheinbare, denn ihr ging eine complieirte organische Synthese voran. Die Striatella stellt das Beispiel einer complieirten vegetativen Zelle bei verhältnissmässig einfachen Gegenbeziehungen ihrer Bestand- theile dar; deshalb wollen wir ihre Organisation aufmerksam studiren, um so mehr als diese Seediatomee überhaupt, so weit ich es erfahren konnte, noch nicht genug studirt ist. Die Methode der Beobachtungen stellte in meiner Praxis nichts ausschliessliches dar. Ich wendete die gewöhnlichen Methoden der Fixirung und der Färbung an, wie ich es immer für das Studium der Zellenstrukturen und der Zellentheilung that. Die Diatomeen wurden in kleinen Gefässen und am besten mit einer Mischung von Chromessigosmiumsäure, Sublimat und Pikrinschwefelsäure fixirt und mit Saffranin, Hämatoxilin, Rubinmischung und Methylgrün gefärbt. Die Methoden der Färbung mit Methylenblau intra vitam und nach dem Tode, welche ich bei dem Studium der Bakterien anwendete,!) erwiesen sich wenig erfolgreich. Die Manipulationen mit den Diatomeen, welche sich auf den Algen befinden, bieten nichts Schweres: es ist leicht, dieselben auf den Uhrgläsern in ganzen Gruppen zu fixiren und zu färben, und dann schon auf dem Präparate in Canadabalsam vor der Bedeckung mit einem Deckgläschen von einander zu trennen. Es verhält sich anders mit den einzelnen Exemplaren, z. B. mit der Striatella; hier ist die einzige Methode die der Manipulation auf dem Objeet- träger und unter dem Deckgläschen. Für die Schnitte benützte ich die vorläufige Einschliessung ins Photoxylin und schon dann ins Paraffin.?) Das Photoxylin wurde auch für die Bearbeitung der Striatella in Gruppen angewendet; man übertrug die fixirten Exemplare allmählich in absoluten Alkohol und von da in ein !/eproe. Lösung des Photoxylins; nach ungefähr einer Stunde wurde es sammt den Diatomeen auf einen Objectträger ausgegossen. Nach dem Erstarren erhielt man eine feine Haut, 1) P. Mitrophanow, Ueber die Methylenblauanwendung ete. Sitzungsber. ‘ d. Biolog. Section d. Warschauer Naturforschergesellsch., 1892. Auch in „Etude sur l’organisation des Bacteries.“ Internationale Monatsschrift von W. Krause X, 1893. 2) P. Mitrophanow, La photoxyline dans la technique zoologique et hysto- logique. Archives de zoologie experim. et generale. me serie, t. 3, 1896. 296 welche sich leicht in 70proc. Alkohol ablöst mit den Diatomeen, welche man auf diese Weise leicht vorläufig studiren und nach Aus- wahl weiter bearbeiten, d.h. färben, für die Schnitte in Paraffin ein- schliessen und dergleichen thun konnte. Wenn im fertigen Präparat das Photoxylin aus irgend einem Grund (z. B. infolge seiner Färbung) unbequem war, entfernte man dasselbe mit einer Mischung des Alkohols und des Aethers. Der äusseren Form nach ist unsere Diatomee ein rechtwinkliges, öfter quadrates Packet, welches etwas aufgeblasen ist und stumpfe Winkel hat. Sie erhält ihre Form von der äusseren Hülle, welehe Panzer, Schale oder Frustel genannt wird. Die Struktur des Panzers ist eigenartig und weicht in einem gewissen Grade von der für die Diatomeen typischen Form ab. Bei dem Drucke zerfällt er leicht in eine Reihe Zwischenbänder (pleurae, eopulae), weiche einander mit der Rändern festhalten, wie die Seg- mente der zusammenlegbaren Reisegläser. Jedem Zwischenbande gehört eine klar ausgedrückte Quersepte oder Rippe in der Mitte. Da, wo die Zwischenbänder zusammen kommen, sieht man zartere Linien, gerade in der Mitte zwischen zwei von den erwähnten Rippen; mit den letzteren ertheilen sie dem Panzer Querstriche. Zwischen den Rippen und diesen Linien, zu den letzteren perpendiculär, existirt ein anderes System feinerer Linien. Durch alle diese Linien wird die Zeichnung des Panzers gebildet. Die Zusammenstellung des Panzers aus Zwischenbändern ist besonders klar auf Präparaten, welche erst in Photoxylin und dann in Canadabalsam eingeschlossen waren, später aber etwas zerquetscht wurden, In dieser Beziehung stimmen meine Beobachtungen mit denen von A. Reinhardt über die Rhabdomena!) zusammen. Von beiden Enden werden die Zwischenbänder der Zelle von den Schalen eingeschlossen, welche der mittleren Linie entlang eine Pseudoraphe besitzen und an den Enden etwas abgeschnitten sind. An diesen Stellen — folglich an den stumpfen Winkeln des Panzers — sieht man Öeffnungen, durch welche augenscheinlich der innere Inhalt der Zelle mit der äusseren Umgebung in Verbindung steht. Von diesen Winkeln beobachtet man gewöhnlich gallertartig ausgehende Füsschen, mittelst welcher die einzelnen Zellen der Striatella sich auf den Algen befestigen und mit einander verbinden. 1) A. Reinhardt, Algologische Studien, I. 1885 (russisch) $. 364. 297 Der protoplasmatische Körper der Striatella, welcher in lebendi- gem Zustande den Panzer ausfüllt, steht auf den fixirten Präparaten an den Rändern etwas ab, bleibt aber immer in Verbindung mit der Peripherie an den Winkeln des Panzers.. An den Enden der Zelle bildet der Rand des Protoplasmas, welches von den Schalen absteht, einen Bogen, längs der Rippen der Zelle aber gewöhnlich eine unregel- mässige zickzackartige Linie, wobei seine nach aussen hervortretenden Theile mit den Quersepten der Zwischenbänder zusammenfallen. Auf den gut erhaltenen und ordentlich gefärbten Präparaten zeichnet sich klar im protoplasmatischen Körper der Striatella die oberflächliche, hüllenartige, fast strukturlose Schicht und das da- mit vermittelst seiner peripherischen Theile innig verbundene netz- und faserartige Gerüst aus, dessen Ausgangspunkt der mittlere pro- toplasmatische Knoten ist, welcher in seinem Centrum den Kern und neben demselben auch die anderen Organoiden, die Chromatophoren und die Pyrenoiden enthält. Der ganze darnach freibleibende Raum im Körper der beobachteten Diatomee ist mit Zellensaft ausgefüllt. Bei der Beobachtung von der breiten, d. h. der sogenannten Gürtelseite der Zelle wird die Lage der genannten Theile bei der Striatella gewöhnlich so ausgedrückt: der mittlere protoplasmatische Knoten nimmt das Centrum des Panzers ein, wie das Siegel auf einem Packet. Von hier verbreiten sich radial die Lappen der Chro- matophoren, welche mit dem groben netzartigen Gerüst des Proto- plasmas innig verbunden sind; gewöhnlich erreichen aber ihre Enden die Peripherie der Zelle nicht. Eben da tritt das erwähnte Protoplasma- netz selbständig hervor; ihre feinsten Verzweigungen verlieren sich in der oberflächlichsten Schicht. Bei der Beobachtung auf einem Quer- schnitte (den Schalen parallel) bietet der mittlere protoplasmatische Knoten eine Art Brücke zwischen den beiden breiten Oberflächen der Zelle, an welche sich auch von jeder Seite die Chromatophoren anschliessen. Der Knoten und die Chromatophoren bilden im Innern des Panzers zusammen eine Figur, welche an den Buchstaben (X) erinnert, der in Paranthese steht. Diese eigenartige Lage der Bestandtheile der Stria- tella, welche sich bei anderen Bedingungen aufs Wesentlichste ändert, hat meine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Indem ich mich jetzt zu der Detail-Struktur jedes der genannten Theile wende, muss ich bemerken, dass man ausser der erwähnten Absonderung der peripherischen Protoplasmaschichte darin noch zwei verschiedene Strukturen unterscheiden muss; die eine, welche 298 das netz- und faserartige Gerüst des ganzen Körpers, ausser dem Centralknoten, und die andere, welche die Struktur dieses letzteren bietet. Die erstere geht von dem mittleren protoplasmatischen Knoten erst in der Gestalt von gröberen Schnüren ab, welche sich dann abzweigen und zur Peripherie ausbreiten. In dieser Ausbreitung ist jedoch eine bestimmte Regelmässigkeit, indem die Hauptschnüre Seitenzweige ab- sondern, welche sich mit einander anastomosiren und auf diese Weise ein Netz bilden, richten sie sich gerade nach den stumpfen Winkeln des Panzers, von denen die oberflächliche Schicht des Portoplasmas sogar bei starkem Zusammenziehen nicht absteht. Im letzteren Falle spannen sich die beschriebenen Schnüre des protoplasmatischen Ge- rüstes wie Saiten und bieten nur stellenweise kuotenartige Verdick- ungen. Ausser diesen Hauptschnüren verbreiten sich die mit ihnen und mit einander verbundenen feinsten seeundären unter der ganzen oberflächlichen protoplasmatischen Schicht. Die Struktur des mittleren Knotens, unabhängig von den Orga- noiden, welche darin eingeschlossen sind, ist eine ganz andere, Sie ist körnig, compact und stellt eine dichte schwammige Masse dar, welche im optischen Schnitte ein feinstes Netz zu sein scheint. Fester ist dieses Knotenprotoplasma unmittelbar beim Kerne und auf seiner Oberfläche, d. h. bei der Anheftungsstelle der erwähnten Schnüre und der Chromatophoren. Die erwähnten Einzelnheiten der Struktur des protoplasmatischen Gerüstes stimmen im Allgemeinen mit den neuesten Angaben von Lauterborn!) überein, eigenartig ist in unserem Falle das Verhältniss der Chromatophoren zum Protoplasma. Die Chromatophoren der Striatella haben den allgemeinen typischen Charakter, erleiden aber grosse individuelle Abweichungen. Sie sind das erste, was in den lebenden Diatomeen auffällt. Ihre goldene, schmutzig gelbe, manchmal fast braune Schattirung und die eigenthümliche strahlenartige Vertheilung in dem ganz durchsichtigen, mit Strichen leicht bedeckten Panzer der Striatella gewähren der letzteren ein sehr schönes Aussehen. Die Vertheilung der Chroma- tophoren hängt ganz vom Bau des mittleren protoplasmatischen Knotens ab. In den Quadratzellen, und das auch selten, hat der Knoten eine sphärische Form, sein Centrum ist dabei gewöhnlich gar nicht mit dem Kerne, sondern mit einer complieirten Bildung besetzt, welche 1) R. Lauterborn, Untersuchungen über Bau, Kerntheilung und Bewegung der Diatomeen. 1896. 8. 16—24. 299 vor Allem auffällt und die ich geneigt bin, als eine Gruppe von Pyre- noiden zu betrachten, wie es aus meiner weiteren Auseinandersetzung folgen wird; der Kern aber, welcher überhaupt vergleichnissmässig klein ist, liegt nach einer Seite hin und ist zur Oberfläche des Proto- plasmaknotens abgestossen, von der dann radial, den beiden breiten Seiten der Diatomeenzelle entlang, wie ausgebreitete Finger die zahl- reichen Lappen der Chromatophoren auseinandergehen. Diese Lappen erscheinen entweder als einfache lange cylindrische Bildungen, oder sie zerspalten sich und biegen etwas ihre äusseren Enden. Erwähnens- werth ist, dass die Lappen der Chromatophoren mit den schon be- schriebenen protoplasmatischen Schnüren, welche sie, so zu sagen, einschliessen, organisch verbunden sind. Viel öfter haben die Chromatophoren eine doppelt symmetrische Vertheilung. Das findet gewöhnlich in den mehr ausgedehnten Zellen statt, wo der mittlere Knoten eine ganz andere Struktur hat als in dem eben beschriebenen Falle. Wenn man ihn von der breiten Seite der Zelle betrachtet, erscheint er ausgedehnt (in weleher Richtung — der Länge nach, einer queren oder diagonalen — das hat Schwan- kungen, obgleich die Richtung der Länge nach den Vorrang zu haben scheint), er schliesst in seiner Mitte den Kern ein, und von den dia- metral entgegengesetzten Seiten des letzteren die originellen rosetten- artigen Bildungen, welche ich als Pyreneide betrachte‘). Die Chro- matophoren gruppiren sich in diesem Falle von den beiden breiten Oberflächen der Zelle, vermittels ihrer centralen Enden neben diesen Pyrenoiden und bilden, indem sie sich radial auf der Peripherie aus- breiten, schon keine mono-, sondern eine bicentrische Figur. In einigen Fällen sind die Gruppen der Pyrenoiden nicht in doppelter, sondern in dreifacher Anzahl und dann erhält der centrale protoplasmatische Knoten eine unregelmässige asymmetrische Form, wie auch die Lappen der Chromatophoren sich ohne besondere Regelmässigkeit auf der Peripherie der Zelle verbreiten. Wenn vier Pyrenoidengruppen da sind, hängt die symmetrische Lage des Chromatophoren von ihrer symmetrischen Lage in der Zelle ab, wie es bei der Theilung statt- findet. Sind sie aber unregelmässig zerstreut und sind dabei keine Spuren der Zelltheilung vorhanden, so haben die Chromatophoren auch eine wunderliche unregelmässige Form. Nach der Pikrinschwefelsäurewirkung und Hämalaunfärbung erhalten 1) Die hier beschriebene Vertheilung der Chromatophoren und der Pyrenoiden ist schon in kurzen und allgemeinen Zügen von Fr. Schmitz in seiner Mono- graphie (Die Chromatophoren der Algen, Bonn 1882, $. 40) dargestellt worden. 300 die Chromatophoren eine gelb-grauliche Färbung; das Saffranin gibt ihnen eine hellrosa Farbe; nach dem Sublimat und einer kürzeren Rubin- Orange-Methylgrünmischungfärbung erscheinen die Lappen der CUhro- matophoren mit einer gelblichen Schattirung; wenn man sie aber länger mit dieser Mischung färbt, werden sie rosig. Was die Anzahl und besonders den Grad der Ausdehnung, wie auch die Vollständigkeit der Chromatophorenlappen anbelangt, so hängt das alles vom physiologischen Zustande der Diatomee ab. Wenn sie ausgedehnt und in der Zelle regelmässig vertheilt sind, bezeichnen sie augenscheinlich ihren äusserst lebensthätigen Zustand; unter dem Einfluss der gewöhnlich neutralen Lösungen, wie z. B. der schwachen Lösungen des Methylenblaues, ziehen sie sich zusammen und bilden auf der Oberfläche des centralen protoplasmatischen Knotens charakteristische Ausstülpungen. Die Zahl der Lappen, wenn sie gut ausgedehnt sind, beträgt 30, schwankt aber öfter zwischen 20 und 40. Ueberhaupt haben die Lappen denselben Durchschnitt auf der ganzen Länge und sind am Ende abgestumpft und abgerundet; doch beobachtet man auch bei gewissen Bedingungen Fälle, wo sie an der Oberfläche des mittleren protoplasmatischen Knotens mit einer ziem- lich dieken Wurzel anfangen, bei dem Annähern zur Peripherie all- mählich feiner werden und mit dem protoplasmatischen Netze zusammen- zufliessen scheinen; in diesen Fällen erreichen ihre Enden auch die Peripherie der Zelle. Die Grundlage der Chromatophorenlappen hat überhaupt einen zarten, körnerartigen Charakter, doch manchmal tritt die Körnigkeit sehr scharf hervor. In augenscheinlich ausschliess- lichen Fällen verwandelt sich der regelmässige, lappenartige Charakter der Chromatophoren in einen gliederartigen, wobei die Lappen in eine Reihe Abtheilungen zerfallen, welche mehr oder weniger gleichmässig in der Zelle zerstreut sind und sich in den Querbalken ihres Gerüstes befinden. Dieser Zustand der Chromatophore ist mit den Verände- rungen in der Gruppirung der Pyrenoiden innig verbunden, und daher werden wir weiter zu derselben zurückkehren !). Da die Chromatophoren mit der protoplasmatischen Grundlage 1) Bei der Striatella ist das Verhältniss der Chromatophoren zum centralen protoplasmatischen Knoten bemerkenswerth, Letzteres kann unzweifelhaft nicht im Ganzen zu ihren Bestandtheilen gerechnet werden, da weder die Färbung zu Lebenszeiten, noch das Verhältnisse zu der Färbung nach dem Tode dazu ein Recht geben. Der Knoten, wie auch die Lappen der Chromatophoren sind selbständig, und in gewissen Bedingungen zeigen auch die Pyrenoiden eine gewisse Unab- hängigkeit von den Chromatophoren. 301 der Diatomee, welche zur Veränderung der Lebensbedingungen sehr empfindlich ist, sich in enger Verbindung befinden, so erscheinen sie, so zu sagen, als Ausdruck ihres physiologischen Zustandes, d. h. sie fühlen vor Allem die ungünstigen äusseren Einflüsse; andererseits er- leiden ihre Form und ihre Vertheilung Veränderungen, dem Alter und den Bedingungen der Nahrung und der Vermehrung gemäss. Es versteht sich denn, wie gross der Fehler der Diatomisten ist, welche bestrebt waren, nach der Form des Endochroms oder der Chromato- phoren die Klassifikationszeichen für die Diatomeen festzustellen. Zugleich bestimmt diese Empfänglichkeit der Chromatophoren der Dia- tomee, welche wir beobachten, für alle äusseren und inneren Lebens- bedingungen, nicht nur ihre feste organische Verbindung mit den Hauptbestandtheilen der Diatomeenzelle, sondern deutet auch auf ihre hervorragende Rolle in ihren Lebensvorgängen. Das wird noch klarer hervortreten, wenn wir die Beziehungen zu ihnen jener eigen- thümlichen Organoiden betrachtet haben werden, welche wir für Pyrenoiden annehmen. In den Lappen der Chromatophoren beobachtet man in jeder mehrere dunkle Körner (nach der Sublimatwirkung und Rubin- mischüngfärbung), beobachtet gleiche in den protoplasmatischen Strahlen nach der Färbung beim Leben, welche aber bis zum Tode fortgesetzt worden ist, mit der Lösung des Methylenblaues im Seewasser und der darauffolgenden Fixirung mit Sublimat. Im letzteren Falle gruppiren sich die erwähnten Körner näher zur Oberfläche des Central- knotens, wohin sich die Chromatophoren zusammenziehen. Das Häma- toxylin nach der Pikrinschwefelsäure färbt auch die Körner in den Strahlen der Chromatophoren und bei ihrem Anfange (es färbt die Pyrenoide entweder gar nicht oder nur schwach). Das Methylgrün in einer Lösung von Essigsäure sondert auch solche Körner ab. Die Pyrenoiden von Striatella erscheinen nicht einzeln, sondern gruppiren sich dicht zu Sphären und Rosetten, welche das erste sind, was auf den fixirten und gefärbten Präparaten in die Augen fällt, wenn man dazu etwas, ausser dem Hämatoxylin, besonders Saffranin oder Rubinmischung benützt; diese Rosetten, welche in diesen Fällen grell gefärbt sind, und wenn sie im centralen protoplasmatischen Knoten die Mitte einnehmen, gleichen beim ersten Blick den Kernen und, auch wenn sie doppelt sind, scheinen sie die Theilung der Dia- tomeenzelle anzudeuten. Das erste, was diese Illusion entfernt, ist die wählerische Beziehung zu ihnen des Rubins, während der wirk- Fiora 1898, 20 302 liche Kern gleichzeitig aus der Rubinmischung sich vorzüglich mit Methylgrün färbt. Bei der Saffraninfärbung färben sich die Pyrenoide greller als die Kerne und einförmiger, doch mit ihrer eigenen Schattirung. Nach dem Sublimat und der Rubinmischung (mit Orange und Methylengrün) erhalten die das Licht stark brechenden Pyrenoide, in- dem sie sich in Roth färben, manchmal auch eine etwas grünliche Schattirung; dabei beobachtet man manchmal im centralen protoplas- matischen Knoten noch kleine, mit Rubin grell gefärbte Körnerchen. Die im Verhältniss zu den Kernen morphologisch vorwaltende Lage, welche die Pyrenoide in der Striatella annehmen, wenn der mittlere portoplasmatische Knoten eine sphärische Form und die Lappen der Chromatophoren eine monocentrische Vertheilung haben, ist schon erwähnt worden. Da die Pyrenoide dabei in eine gemein- same Sphäre gruppirt werden, so erhält jede die Form sphärischer Segmente; doch können sie in anderen Fällen mehr oder weniger getrennt oder im Centrum etwas von einander geschoben sein, so dass dazwischen sich eine Art centralen sphärischen Raumes bildet. Der letztere Umstand fällt besonders auf, wenn die Chromatophoren eine bisymmetrische Gruppirung ihrer Lappen haben. Diese Ver- änderung in der Gruppirung scheint allmählich stattzufinden, so dass man Bilder erhält, wo die noch einzige Gruppe der Pyrenoide eine ovoide Form annimmt und der Kern in ihr Centrum hereintritt, wäh- rend er früher sich auf einer Seite, näher zur Peripherie des Central- knotens befand. Die Pyrenoide sind dabei so wenig auseinander- geschoben, dass ihre Gruppe in ihren beiden Hälften als einförmige Bildung erscheint. Doch öfter, wenn der Centralknoten ausgedehnt und seine Mitte vom Kern besetzt ist, vertheilen sich die Rosetten der Pyrenoide auf den Seiten des letzteren und haben auf den opti- schen Schnitten den Charakter von Ringen. Die Einförmigkeit der letzteren in einigen Fällen, d. h. ihr ununterbrochener und nicht zer- gliederter Charakter hängt augenscheinlich von der vorläufigen Be- arbeitung ab (z. B. mit der Sublimat-Essigmischung, während bei der Bearbeitung mit dem Sublimat allein ihre Struktur aus einzelnen Segmenten bei derselben Färbung ganz klar ist). Aus den angeführten Thatsachen ist es schon klar, dass die Ver- theilung der Pyrenoide mit der Gruppirung der Lappen der Chroma- tophore innig verbunden ist; ausserdem scheint jede der letzteren in ihrer entsprechenden Gruppe ihre Pyrenoide zu haben; wenigstens sind die Zwischenbeziehungen dieser Bildungen bei verschiedenen 303 Bedingungen solche, dass diese Schlussfolgerung sich von selbst bietet. Nur im Fall einer Pyrenoidengruppe und des monocentrischen Cha- rakters der Chromatophoren steht die erste, welche eine centrale Lage einnimmt, deutlich von allen Seiten der Oberfläche des mittleren protoplasmatischen Knotens ab, auf dem sich die Lappen der Chro- matophoren befinden; in anderen Fällen befinden sich die Pyrenoiden oft so nahe von der Oberfläche des Protoplasma-Knotens, dass es bei einer überhaupt regelmässigen Vertheilung scheint, als wäre auf jeder ihr eigener Lappen der Chromatophore. Doch kommen Fälle vor, wenn die Pyrenoiden in einige verschiedenartige Gruppen zerfallen, welche im protoplasmatischen Knoten unregelmässig um den Kern herum oder seinen Seiten entlang zerstreut sind, während sie selbst eine unregelmässige Form und eine zufällige Gruppirung haben, welche der Vertheilung der Lappen der Chromatophoren nicht entspricht. Infolge der engen Verbindung zwischen den Pyrenoiden und den Chromatophoren befindet sich die Veränderlichkeit in ihrem Cha- rakter und ihrer Gruppirung in unmittelbarer Beziehung zu den letzteren; ihre regelmässige Form und geometrische Vertheilung er- scheinen als Ausdruck des besonders lebensfähigen Zustandes unserer Diatomee, während die Störungen in der Vertheilung die tiefen inneren Veränderungen unter dem Einfluss äusserer und innerer Factoren be- zeichnete; besonders wichtig sind in dieser Beziehung die Verände- rungen in der Gruppirung der Pyrenoide in den Gruppen selbst, wie auch die Schwankungen in der Menge des in ihren Bestandtheilen sich befindenden Stoffes. Ausser den schon erwähnten Fällen der Veränderung in der Gruppirung der Pyrenoide muss man die Fälle angeben, wann die Pyrenoide mit den Chromatophoren besonders eng verbunden sind, wie z. B. bei dem Zusammenziehen der letzteren, welches durch die oder jene Ursache hervorgerufen wird, erscheinen die Pyrenoide wie eingegraben in den zusammengezogenen und intensiv gefärbten Chro- matophorenlappen. In seltenen Fällen erhält die Vertheilung der Bestandtheile der Striatella einen solehen Charakter:!) der mitt- lere Knoten hat einen kleineren Umfang und schliesst nur den Kern mit dem stark gefärbten Kernkörperchen ein; die Stränge des proto- plasmatischen, unregelmässigen und mit breiten Maschen versehenen Netzes fallen durch ihre Dicke auf, welche augenscheinlich durch den 1) Fig. 19 des russischen Textes, 20* 304 Umstand hervorgerufen wird, dass in seiner Struktur veränderte Lappen der Chromatophoren getreten sind, welche in einer anderen Form hier fehlen; dabei beobachtet man an vielen Stellen dieser Stränge oder Balken, besonders in deren Verzweigungspunkten, stärker ge- färbte Körnchen. Da hier auch keine anderen Elemente sich vor- finden, welche die Pyrenoide vorstellen könnten, und da die Färbung der genannten Körnchen (Rubin) diese Idee ganz bestätigt, so ist der Gedanke natürlich, dieselben als zerstreute Pyrenoide zu betrachten. Dass diese Zumuthung der Wirklichkeit entspricht, bestätigten andere Präparate, welche bei denselben Bedingungen erhalten wurden. Man beobachtet darauf!) ein Bild, welches für die Striatella gewöhnlich, doch beim ersten Anblick schwer erklärlich und augenscheinlich durch ungünstige Bedingungen hervorgerufen ist. Der mittlere proto- plasmatische Knoten hat hier eine sphärische Form ; sein Protoplasma ist, wie auch in anderen ähnlichen Fällen, compact und körnig und auf der Oberfläche mit einer dichteren Schicht bedeckt, welche sogar etwas absteht. Weder die gewöhnlichen Pyrenoide, noch die lappen- artigen Chromatophoren sind vorhanden, und anstatt derselben beob- achtet man in der ganzen Zelle radialartig vertheilt einzelne ovoide Theilchen, welche augenscheinlich aus dem Zerfallen der Lappen der Chromatophoren entstanden sind, und von denen ein jedes ein stark gefärbtes Körnchen einschliesst. Es ist sichtbar, dass die Chromato- phoren, welche auf einzelne Theile zerfielen, dabei die einzelnen Pyrenoide nach sich zogen, deren Vertheilung auf diese Weise eine noch grössere Veränderung erlitt, wie das schon früher gezeigt war. Die einzelnen Theile der Chromatophoren mit ihren Pyrenoiden bieten in diesem Falle eine Art einzelner Organoiden, welche in der proto- plasmatischen Grundlage ebenso wie den typischen, lappenförmigen Chromatophoren enthalten sind. Vor dem Zerfallen der Lappen der Chromatophore in einzelne Theile zerfallen auch die Pyrenoide in Körnchen, welche vorläufig noch im centralen, protoplasmatischen Knoten bleiben; sie sind glän- zend, färben sich mit Rubin und Saffranin und haben regelmässige Umrisse. Die Allmählichkeit des Zerfallens der Lappen der Chromato- phoren in einzelne Theile sammt den Pyrenoiden wird beim Vergleiche der verschiedenen Präparate beobachtet. Es ist überflüssig, hier noch besonders hervorzuheben, dass bei einer solchen Vertheilung der Be- standtheile die Striatella einen ganz anderen Charakter hat; doch 1) Fig. 17 u. 17a des russischen Textes, 305 was diese Vertheilung hervorruft und wozu dieselbe führt, ist mir unklar geblieben. Wenn die Bedingungen nicht normal sind, wie z.B. in den Fällen des Parasitismus, finden mit den Pyrenoiden auch tiefe Veränderungen statt: ihre typische Rosette zerfällt in ungleichmässige Häufchen und verliert augenscheinlich ihre Verbindung mit den Chro- matophoren, deren Lappen ihren Charakter noch bewahren, Das Zer- fallen der Chromatophore mit den Pyrenoiden zusammen ist, wenig- stens in gewissen Fällen, der Ausdruck des Absterbens der Zelle: der protoplasmatische Knoten erhält dabei unbestimmte Umrisse mit einer gewissen Körnigkeit, und die einzelnen Theile der Chromato- phore sind unregelmässig zerstreut. Die hier erwähnten Veränderungen in der Gruppirung der Py- rencide wirken augenscheinlich auch auf die Schwankungen in der Menge des Stoffes, welcher in ihren Bestandtheilen sich vorfindet. In den Fällen, wo die Pyrenoide in Gruppen als stark gefärbte Ro- setten hervortreten, ist die Grösse der letzteren unbeständig; jedoch in anderen Fällen sind die einzelnen Pyrenoide bei den übrigen gleichen Bedingungen kaum sichtbar. Aus dem schon Gesagten folgt, dass die Chromatophore mit den Pyrenoiden in engem Verhältnisse zu der protoplasmatischen Grundlage der Diatomeenzelle stehen und durch ihre Veränderungen jene andeuten, welche in derselben als Resultat des Einflusses der äusseren Factoren und als Folge der Lebensvorgänge in der Zelle selbst entstehen. Da cs meine Aufgabe nicht ist, eine ausführliche Beschreibung der Pyrenoide überhaupt bei den Diatomeen zu geben, und da ich nur diejenigen der Striatella ausführlicher behandelt habe, möchte ich noch in kurzen Zügen die Pyrenoide einer anderen Seediatomee, Liemophora flabellata Ag., beschreiben, welche ich in Neapel studirt habe. Dieselbe ist in der Beziehung interessant, dass bei ihr die Py- renoiden typisch in doppelter Zahl beobachtet werden; in dem langen Panzer, welcher einem zusammengelegten Fächer gleicht, ist die Mitte (von der Gürtelseite) vom protoplasmatischen Knoten mit dem Kern besetzt; von seinen Seiten berühren die plattenartigen Chromatophore diejenigen des Panzers und die Achsenlagen nehmen zwei sphärische und das Licht stark brechende Körner ein, welche eben die Pyrenoide darstellen. Nicht selten beobachtet man Exemplare, welche sich zur Theilung bereiten; dann gehen die Chromatophore aus einander, indem sie die Schalen (valvae) des Panzers berühren und zwischen 306 einander einen freien Raum lassen, in welchen von jeder Ohromato- phore eine halbsphärische Pyrenoide hervortritt; ihre Verdoppelung bezeichnet in diesem Falle den Anfang der Theilung. Die Struktur der Pyrenoide bei der Liemophora ist eine andere als bei der Striatella; man beobachtet darin kein Zerfallen in Theilchen und infolge ihrer Einförmigkeit ist es möglich, bei ihnen Schichten zu beobachten, hauptsächlich eine gewisse Absonderung der oberfläch- lichsten Schicht und des Mittelpunktes. Deshalb, indem sie die den Pyrenoiden eigenthümliche Neigung zur grellen Färbung mit Safranin kennzeichnen, erscheinen sie oft ungleich gefärbt. Es ist mir nicht gelungen zu bemerken, welche Art Veränderungen die Pyrenoide bei ihrer Theilung erleiden und wie dieser Vorgang ausführlich statt- findet (augenscheinlich geschieht es sehr schnell), doch kann man einen gewissen Unterschied im Charakter des einelnen sphärischen Pyrenoides und der zwei neu gebildeten betrachten. Meine Beobachtungen, welche sich auf die anderen Bestandtheile des protoplasmatischen Körpers der Striatella beziehen, sind nicht reich. Als Ausnahme hatte ich die Gelegenheit, im Körper einer Diatomee (nach der Wirkung des Methylgrüns in einer schwachen Lösung der Essigsäure) orangefarbige Tropfen (Fett?) zu beobachten, grosse im Protoplasma selbst und kleinere (eben solche?) in den Strahlen der Chromaiophore; im letzteren Falle, wenn die Lappen der Chromatophore in Gliederchen zertheilt sind, haben sie eine bräunliche oder dunkelorange Schattirung und liegen, scheint es mir, theilweise im Innern der Glieder selbst und theilweise auf ihrer Oberfläche. Das Fett bildet überhaupt keinen beständigen Theil des Körpers der Striatella; man beobachtet es in ausschliesslichen Fällen, wenn es nach Chromessigosmiumsäure, auch ohne Färbung, zwischen den Lappen der Chromatophore und hauptsächlich neben dem Centralknoten in Gestalt kleiner, dunkler, unregelmässig zer- streuter Punkte hervortritt. Zur Kategorie der zufälligen Bildungen bei der Striatella ge- hören auch die Körner, welche nach der vorläufigen Fixirung des Präparats mit Chromessigosmiummischung vom Hämatoxylin eine dunkelviolette Farbe erhalten. Die Form (die sphärische überwiegt jedoch), die Grösse und die Vertheilung sind nicht beständig. Da man diese Körner hauptsächlich auf den Präparaten beobachtete, welche complieirte vorläufige Manipulationen erlitten, bin ich geneigt zu denken, dass diese Körner beim Leben vielleicht nicht vorhanden 307 waren, sondern später hervortraten. Der Wahlverwandtschaft mit dem Hämatoxylin gemäss könnte man sie denjenigen Einschliessungen der Diatomeenzellen gleich halten, welche sich ausserhalb des Kernes befinden und vor Kurzem von Lauterborn!) unter dem Namen Bütschli’scher rother Körnchen beschrieben wurden. Es ist mir jedoch nicht gelungen, bei der Striatella ihre Färbung während des Lebens mit Methylenblau zu beobachten, wie es ihrem Charakter gemäss sein müsste. Der Kern der Diatomeen lenkt schon seit langer Zeit die Auf- merksamkeit der Mikroskopiker auf sich, doch sind unsere Auskünfte darüber infolge seiner geringen Grösse noch lange nicht vollständig. Die schönen Beobachtungen Lauterborn’s (l.c.) haben diese wissen- schaftliche Lücke beträchtlich ausgefüllt, doch müssen sie in einigen Beziehungen umgearbeitet werden. Der genannte Autor war bis jetzt, so viel ich weiss, der einzige, dem es gelungen ist, nicht nur einen unzweifelhaften karyokinetischen Vorgang bei den Diatomeen zu be- obachten, sondern ihn auch aufs Ausführlichste, den neuesten wissen- schaftlichen Forderungen in dieser Frage gemäss, darzustellen. Weshalb hat es vielen anderen Forschern in dieser Beziehung weniger geglückt als Lauterborn? Sogar in der letztesten Zeit lesen wir bei Karsten?) (l. ec. II, 8. 33): „Eine Zerlegung des Kernes in Chromosomen vermochte ich niemals auch nur andeutungs- weise zu erkennen“ u. s. w. Desgleichen war Klebahn?) nicht viel glücklicher; er sagt darüber Folgendes von der Rhopalodia gibba (Il. e. 8. 615): „So häufig aber sich theilende Zellen gesehen wurden, so selten wurden Kerntheilungen bemerkt. Dies erscheint nicht wunderbar, wenn man bedenkt, wie mühsam diese kleinen Objecte zu präpariren sind, und dass das Erkennen der Karyokinese nur an völlig aufge- hellten Objecten und mittelst starker Vergrösserung möglich ist. Bisher habe ich nur ein einziges deutliches Kerntheilungsstadium ge- funden, das jedoch immerhin geeignet ist, einige vorläufige Aufschlüsse über die hier in Betracht kommenden Verhältnisse zu geben (Fig. 29, 30, Taf.X). Der Zustand des Kernes entsprach dem Diasterstadium. Die beiden Tochterkerne, die sich in der Richtung der Pervalvarachse 1) ie. 8. 30. 2) G. Karsten, Untersuchungen über Diatomeen. Flora 1897. 3) H. Klebahn, Beiträge zur Kenntniss der Auxosporenbildung. Jahrbücher für wissensch. Botanik, Bd. 29, 1896. 308 bereits ziemlich weit von einander entfernt hatten, waren noch durch einen matt gefärbten Strang, offenbar den Ueberrest der Central- spindel (Fig. 29), mit einander verbunden. Die Chromosomen zeigten die Gestalt von Körnern, ihre Anzahl schien in der Gürtelbandlage, in der ich die Zelle zuerst untersuchte, eine sehr beschränkte zu sein, da man nur 38-4 mit Sicherheit unterscheiden konnte.“ Nach der Theilung und bei der Beobachtung vom Pol waren in einem der Tochterkerne 5 (Fig. 30a) und in dem anderen (Fig. 30b) 6 Chromo- somen „ziemlich deutlich zu unterscheiden*. Inwiefern die beschriebenen Figuren, falls sie ausschliesslich vor- kommen, den karyokinetischen entsprechen, ist die persönliche An- sicht des Forschers. Ich würde zögern, sie als solche zu betrachten, wie ich es auch im Falle der Theilung der Striatella nicht gethan habe!), wo die Kerne sich augenscheinlich in demselben Zustande befanden, wie bei Rhopalodia gibba nach Klebahn (l.c. Fig. 29). Die Vermehrung der Diatomeen geht, wie bekannt, sehr schnell. Hätte diese Vermehrung als Grundlage ausschliesslich einen karyoki- netischen Vorgang, indem sie hauptsächlich in der Theilung ausgedrückt wäre, so würde die Schwierigkeit ihrer Beobachtung unerklärlich sein, um so mehr, als die anderen Kennzeichen der Theilung der Diatomeen- zellen vergleichnissmässig oft beobachtet werden. Es ist also unent- bebrlich anzunehmen, entweder dass der karyokinetische Vorgang vollständig nur einigen Formen angehört oder dass er nur in aus- schliesslich vortheilhaften Bedingungen hervortritt, obgleich er jeder Diatomee eigen ist und in anderen Fällen solchen Veränderungen in den Kernen Platz macht, welche eher zur Kategorie der sogenannten „direkten Theilung* gehören können. In meinen Beobachtungen über die Striatella und andere Diatomeen (Synedra, Rhizosolenia, Liemophora u. A.) war ich nicht glücklicher als viele andere Forscher und hatte nieht den Erfolg, der die Arbeit Lauterborn’s gekrönt hat. Kein einziges Mal und bei keiner von den studirten Diatomeen gelang es mir, irgend einen bestimmten Wink hinsichtlich des karyokinetischen Vorganges zu bemerken. Kaum hatten dabei die Jahreszeiten und die Tempe- ratur Bedeutung: ich studirte die Diatomeen am Mittelmeere vom September bis Juni. Infolge ihrer äussersten Empfindlichkeit zum Zustande des Seewassers fixirte ich sie womöglich gleich, nachdem sie aus dem Meere gebracht wurden, und mit allen für die Karyoki- nese patentirten Mitteln, jedoch alles umsonst, 1) Fig. 14 u. 14a des russischen Textes, 309 Einerseits dieser Umstand, andererseits der geringe Umfang der Kerne, die verhältnissmässig einfache Organisation und die wenige Absonderung vom Protoplasma des mittleren Knotens haben mich dazu bewogen, die Karyokinese bei den Diatomeen als einen aus- schliesslichen Vorgang zu betrachten, dem complieirte Veränderungen in der Struktur des Kernes selbst und die Vergrösserung seines Um- fanges vorangehen — Umstände, die in den tiefen Functionsversetz- ungen in der ganzen Diatomeenzelle ihren Grund haben. Ausser diesen Bedingungen zeichnet sich der Kern der Stria- tella und der anderen von mir studirten Diatomeen durch grosse Einfachheit der Organisation aus: er hat eine sphärische oder disken- artige Form, eine körnige und feinnetzige Struktur und schliesst nur ein Kernkörperchen ein, welches auf den fixirten Präparaten von einer hellen Zone umringt ist. Als charakteristische Eigenthümlichkeit des Kernes erscheint seine ausserordentlich schwach ausgedrückte Absonderung vom Grundprotoplasma des Centralknotens; auf dem grössten Theile der Präparate hält es sehr schwer, die bestimmten äusseren Umrisse des Kernes anzugeben. Diese geringe Absonderung des Kerngerüstes von dem proto- plasmatischen habe ich besonders klar bei Rhizosolenia!) beobachtet. Der Kern nimmt daselbst die Mitte des protoplasmatischen Diaphragmas ein, welches den Centralknoten bei anderen Diatomeen entspricht. Das ganze Diaphragma sammt dem Kerne war aus dem Panzer abgeson- dert, welcher zerquetscht wurde; auf diese Weise konnte die Beob- achtung bei den besten Bedingungen stattfinden, Dabei erwies es sich, dass das Kerngerüst sich von dem protoplasmatischen nur durch eine diehtere und intensivere Färbung unterscheidet; die sogenannte Kernmembran fehlte ganz. Bei einer so schwachen Absonderung des Kernes vom Protoplasma des Centralknotens kann oft von regel- mässigen äusseren Umrissen des Kernes keine Rede sein; die Störung in seiner Form wird dabei von der Vergrösserung in der Menge der Körnchen begleitet, deren Grösse auch eine verschiedene sein kann. Der Kern ist oft so wenig vom Protoplasma des Mittelknotens abge- sondert, dass letzterer für den Kern angenommen werden kann, und dann befinden sich in seiner ungetheilten Masse ein oder zwei Kern- körperchen. Die Centrallage im mittleren protoplasmatischen Knoten ist dem Kerne nur dann eigen, wenn die Chromatophore eine bisym- metrische Vertheilung haben; bei einer monocentrischen Figur ist der 1) Fig. 31 u. 32 des russichen Textes. 310 Kern gewöhnlich zur Oberfläche des mittleren Knotens abgedrängt und hat dann eine linsenartige Form. Uebrigens nimmt manchmal der Kern auch bei einer monocentrischen Vertheilung der Chromato- phore das Centrum des Knotens ein, doch findet es augenscheinlich nur in den Fällen statt, wo die Chromatophore sich zum Zerfallen bereiten. Dabei ist der Kern von grossem Umfang, gewöhnlich mit einem grossen Kernkörperehen und von einer körnigen Zone des Protoplasmas umringt, um welche sich die Enden der zerfallenden oder theilweise schon zerfallenen Lappen der Chromatophore grup- piren; im ersten Falle sind die Pyrenoide klein und umgeben den protoplasmatischen Knoten mit einer ununterbrochenen Schicht, indem sie nur theilweise in die Chromatophorenlappen eintreten; im zweiten ist diese Schicht viel schwächer, doch sieht man in einzelnen Glie- derchen, auf welche theilweise die einzelnen Chromatophorenlappen zerfallen sind, kernähnliche Pyrenoide. ) In den ausgedehnten Exemplaren, welche sich zur Theilung bereiten, dehnt sich auch der Kern aus, doch bleibt seine innere Organisation die frühere; oft ist in diesen Fällen auch das Kernkörperchen in Einzahl. Es ist auch zu bemerken, dass die Anzahl der Kernkörperchen überhaupt von der Form des Kernes abhängt; so sind bei Synedra die Kerne ausge- dehnt, und sie schliessen fast immer zwei, drei Kernehen ein und sogar mehr. Was die Verhältnisse zu den Reactiven anbelangt, so äussern bei verschiedenen Bedingungen die Kerne der Striatella einen ziem- lich veränderlichen Charakter. $o bleibt nach Sublimatlösung und bei der kurzen Wirkung der Rubinmischung der Kern selbst fast ungefärbt, und das Kernkörperchen erhält eine Rosafarbe; bei den- selben Bedingungen, doch bei einer längeren Färbung wird der Kern ganz rosa und das Kernkörperchen grün. Nach der Chromsäuremischung sondert das Saffranin das Kernkörperchen scharf ab, während die übrigen Theile des Kernes ungefärbt bleiben; übrigens kann bei denselben Bedingungen das Kernkörperchen manchmal fehlen und von feinen Rosakörnerchen ersetzt werden. Das Methylgrün mit der Essigsäure färben den ganzen Kern in grün, ohne auch bei den stärksten Systemen eine fernere Differenzirung zu zeigen. Die sphärische Form des Kernes ist gar keine beständige, sie wird, wie es erwähnt ist, von einer ausgedehnten, mehr oder weniger unregelmässigen, einer linsenförmigen, gürtelartigen oder gegliederten 1) Fig. 22 u. 25 des russischen Textes, 311 ersetzt. Da keine Beständigkeit in diesen Veränderungen zu bemerken ist, so ist es schwer zu entscheiden, bis zu welchem Grade dieselben mit denen in der inneren Gruppirung der Theile des Kernes ver- bunden sind. Die Veränderungen des Kernes der Striatella bei der Theilung zeichnen sich auch durch Einfachheit aus und können eher zur so- genannten direkten Theilung gerechnet werden, Bei der geringen Absonderung des Kernes vom Protoplasma des mittleren Knotens ist es gewöhnlich sehr schwer, die Veränderungen im ganzen Kerne zu bestimmen, doch ist das Schicksal der Chromatinelemente klar. Bei der noch nicht stattgefundenen Theilung sehen wir zwischen den sich trennenden Zellen einen bisquitartigen Strang, an dessen dickeren Enden man auseinandergehende Chromatinhäufchen und dazwischen eine helle Brücke bemerkt). In einem anderen Falle hatten die sich soeben getheilten Kerne eine Struktur, welche an den Kern der Amoeba cristalligera erinnerte, wie sie Schaundin beschrie- ben hat?). Man beobachtet auch sphärische Kerne, in denen das Chromatin nicht durch Kernchen vorgestellt ist, sondern in der Gestalt von 2—4 Klümpchen sich auf der Oberfläche des Kernes befindet. Es ist bemerkenswerth, dass bei der Striatella die Theilungs- zeichen in den Chromatophoren und den Pyrenoyden früher ausge- drückt werden, als im Kerne. Die beschriebene bisymmetrische Vertheilung der Chromatophore und die entsprechende Lage der Py- renoide bietet natürlich einen Schritt zur Theilung und der Kern bleibt dabei unverändert — sogar wenn die Chromatophore von einander sehr entfernt sind. Es kommt vor, dass die Pyrenoide in vier symmetrische Gruppen zerfallen sind und der Kern doch keine erwünschten Veränderungen aufweist. Seine Theilung findet schon nach derjenigen der anderen Theile der Diatomeenzelle statt und ge- schieht augenscheinlich sehr schnell. Bei einer unregelmässigen Ver- theilung der Pyrenoidengruppen äussert der Kern, welcher dann linsen- förmig ist, eine etwas faserige Struktur. Die beschriebenen Veränderungen im Kerne haben jedoch einen zufälligen Charakter und man muss es gerade wünschen, in der oder jener Form ein Stadium der karyokinetischen Theilung zu sehen. Ohne das Vorhandensein dieses Vorganges bei den grösseren Diatomeen in einer der typischen nahen Form zu verneinen und die Möglich- 1) Fig. 14 u. 14a des russischen Textes, 2) Schaundin, Ueber Kerntheilung etc. bei Amoebe cristalligera. Sitzungsbericht. Berliner Akademie. 1894. XXX VII 812 keit der einfachen Erscheinungen der Karyokinese, wie er z.B.in dem von mir beschriebenen Falle bei den Sphaerozoiden ist,!) auch allen Diatomeen überhaupt abzusprechen, schliesse ich doch aus meinen zahlreichen Beobachtungen, dass dieselbe in dieser Gruppe unbestän- dig und vielleicht etwas ausschliesslich ist. Schlussfolgerungen. In der gegenwärtigen Beschreibung einer von den wenig studirten Diatomeen war mein Ziel nicht, die botanische Litteratur mit neuen : Thatsachen zu bereichern, welche bei mir in vielen Beziehungen un- vollständig und vielleicht bei weitem ungenügend bearbeitet erscheinen, sondern als Oytologe wünschte ich die Aufmerksamkeit auf die Gegen- beziehungen der Bestandtheile der Diatomeenzellen zu lenken, welche bei der scheinbaren Einfachheit ihrer Lebensvorgänge einen hohen Grad der Complieirung äussern. Die zwei Hauptbestandtheile der Zelle, Zellsubstanz und Kern, sind hier oft von einander sehr schwach getrennt, und letzterer scheint daselbst gar nicht eine so complieirte und verantwortliche Rolle wie in den Zellen der höheren Organismen zu spielen. Die complieirte Struktur des Kernes und der karyokinetische Vorgang, den vor Kurzem Lauterborn bei einigen Diatomeen beschrieben hat, scheint für alle gar keine beständige Bedeutung zu haben und findet nur bei beson- ders günstigen Bedingungen statt. Finden diese Bedingungen immer bei der normalen Existenz der Diatomeen in der Natur statt? Muss bei ihrer Theilung der karyo- kinetische Vorgang immer vorhanden sein? Wenn es so wäre, könnte man ihn wahrscheinlich bei ihrer ungewöhnlich schnellen Vermehrung öfters beobachten als es bis jetzt geschehen ist. Den Forschern heute eine genügende Bekanntschaft mit der Technik vorzuwerfen, hat man grösstentheils keinen Grund, da nicht nur einzelne Auserwählte, son- dern schon alle Mikroskopiker darin mehr und mehr befleissigt sind. Es ist augenscheinlich, dass neben diesem complieirten und schon der höheren Organisation eigenen Vorgange auch einfachere Vermehrungs- weisen vorhanden sind. Bei dem karyokinetischen Vorgange bleiben, wie bekannt, die anderen Functionen der Zelle entweder ganz stehen oder werden auf den Hintergrund verschoben, weshalb in der auf dem Wege der 3) Mitrophanow, Ueber die Theilung der Kerne des vegativen Zustandes bei den Sphaerozoidae. Zoolog. Centralblatt. 1897, 313 Karyokinese sich theilenden Zelle die verschiedenen Organoiden ent- weder fehlen oder aus der Einflusssphäre des Kernes gedrängt sind, welcher eigenthümliche und complieirte Veränderungen erleidet. Anders verhält sich die Sache in den Fällen der einfachen Thei- lung, wie wir dieselbe z. B. bei vielen einzelligen Organismen beob- achten. Die Ursache der Theilung wird daselbst im Körper der Zelle vorbereitet, wie auch vorläufig die fertige Organisation für jede In- dividualität!) und wenn alles Wesentliche fertig ist, findet die Thei- lung statt, wobei im Kerne selbst sich Veränderungen ereignen, die, ohne so complieirt wie in der Karyokinese zu sein, jedenfalls die Umgruppirung seiner Bestandtheile?) äussern, was zuletzt doch das Wesentliche des karyokinetischen Vorganges bildet. Die Hauptrolle gehört dabei dem Körper der Zelle mit all seinen theilweisen Ver- änderungen, Organoiden und Einschliessungen; der Kern erfüllt so zu sagen nur die unentbehrlichsten Formalitäten.?) In den Zeilen höherer Organisation oder, wenn dieselbe ihnen noch nicht ganz eigen ist, bei einer gewissen Energieerregung, gehen die Functionen, welche erst dem Protoplasma, d. h. dem Zellkörper, gehörten, zum Kerne über, wes- halb bei der Theilung ein complieirterer Cyclus seiner Veränderungen sich ausarbeitet, deren Grundlage jedoch in den einfachsten Beispielen der Kernfragmentation sich verbirgt, wenn das Zellenprotoplasma alles Wesentliche auf sich nimmt. Bei der von uns studirten Diatomee hat der Körper eine compli- eirte Organisation, da die protoplasmatische Grundlage, die Chroma- tophore und die Pyrenoide darin, meiner Ansicht nach, ein unzer- 1) Als Beispiel kann man die Theilung des Stentors anführen, dessen Kern, welcher Form und Lage verändert, seinen Charakter behält; nur im Augen- blick der vollständigen Theilung der beiden Tochterinfusorien zerreisst er sich in zwei Segmente. (Trait6 de zoologie conertte, par G. Delage et E. Herouard, 1896, p. 464, Fig. 785.) 2) Eine gute Illustration dazu bietet die Theilung der Amoeba cristal- ligera nach Schaundin (l. c.) 3) Die Theilung der Englypha alveolata nach Schewiakoff (Ueber karyok. Kerntheilung u. s. w. Morpholog. Jahrbuch, XIII, 1888) ist in dieser Be- ziehung von besonderem Interesse, da bei dieser Rhizopode der Kern alle Stufen der typischen Karyokinese durchgeht. Indessen, bevor man darin wesentliche Veränderungen in dieser Richtung bemerkt, beobachtet man den Wuchs des pro- toplasmatischen Körpers des Thieres bis zur Verdoppelung seines Umfanges und der Bildung der Schale. Der Kern vollführt jedoch seinen Veränderungsceyelus auf der früheren Stelle, und schon nach seiner Theilung daselbst in zwei Kerne bleibt einer der letzteren an der Stelle des Mutterkernes und der andere versetzt sich in den neu ausgewachsenen Organismus, 314 trennliches Ganzes bilden. Es ist eben dieses Ganze, dem in allen, wenigstens von uns studirten Fällen, die vorwaltende Rolle in den Lebensvorgängen gehört. Deshalb hat dieses morphologische Ganze ein unvergleichliches Uebergewicht vor dem kaum sichtbaren und gewöhnlich schwach differenzirten Kern. Das complieirte Bild der Veränderung in der Vertheilung der Bestandtheile der Diatomeenzelle, welches seinen typischen Charakter ganz umgestaltet, wovon wir im Laufe dieser Beschreibung Zeugen waren, flösst uns die Idee ein, dass hier als Hauptelemente jene her- vortreten, welche man gewöhnt ist, als secundäre zu betrachten, während der Kern eine wenig sichtbare und untergeordnete Rolle spielt. Diese Elemente sind die Chromatophore und die Pyrenoide, die wesentlichsten Bestandtheile unserer Diatomee. ’) Die untergeordnete Rolle des Kernes bei den niederen Organismen kann durch seine genetische Jugend und ungenügende Beständigkeit erklärt werden, doch wird er in diesem Falle noch mehr auf den Hintergrund verdrängt, denn es erscheinen die Chromatophoren, Organoiden, welche vielleicht das Geheimniss der primitiven organischen Synthese enthalten. Die Rolle der Pyrenoide ist uns nieht ganz klar, doch da, wo sie vorhanden sind (und vielleicht sind sie in der oder jener Form immer anwesend), wie in unserem Falle, beweist ihre enge Verbindung mit den Chromatophoren und die Unzertrennlichkeit ihres Schicksals, dass diese Rolle keineswegs eine von den letzten ist. 1) Infolge der hier ausgedrückten Ansicht ist der Vergleich höchst inter- essant, den von einem anderen Standpunkte aus Schmitz zwischen den Chroma- tophoren- und Diatomeenkernen macht (Schmitz, 1. ec. 8. 167-- 175). Litteratur. Lehrbuch der Botanik für Hochschulen. Von Dr. Ed. Strasburger, Prof, an der Universität Bonn, Dr. Fr. Noll, Prof. an der land- wirtschaftlichen Academie Poppelsdorf, Dr. Heinr. Schenk, Prof. an der technischen Hochschule Darmstadt, Dr. A. J. W. Schimper, Prof. an der Universität Bonn. Dritte verbesserte Auflage. Mit 617 zum Theile farbigen Abbildungen. Jena, Verlag von Gust. Fischer, 1898. Preis brosch. 7.50 Mk., geb. 8.50 Mk. In dem kurzen Zeitraum von vier Jahren hat das vorliegende Lehrbuch drei Auflagen erlebt, ein Beweis dafür, wie grosse Anerkennung es gefunden hat. Es verdankt diese seinen inneren und seinen äusseren Vorzügen. Die Ausstattung mit Abbildungen ist eine vortreffliche und namentlich die farbigen Holzschnitte von offieinellen und Giftpflanzen haben auch in buchhändlerischen Kreisen Aufsehen erregt; sie sind für Pharmaceuten und Medieiner eine willkommene Zugabe. Die neuen Auflagen zeigen jeweils wie sorgfältig die Verfasser an der Ver- besserung des Buches gearbeitet haben. In der jetzt erschienenen dritten fällt als Neuerung namentlich auf die Zugabe eines Litteraturnachweises. Derselbe ist bei den einzelnen Abtheilungen freilich ein sehr ungleichmässiger. Am Aus- führlichsten ist er für die Physiologie, am dürftigsten in der Phanerogamensyste- matik. In dieser ist auch im Text die neuere Litteratur meist nicht berücksichtigt, so namentlich bei den Gräsern. Die von Schimper als beste Deutung der Grasblüthe hervorgehobene Hackel’sche Auffassung der Lodiculae „als die beiden Hälften eines tief gespaltenen Hochblattes* war zu keiner Zeit durch hinreichende Gründe gestützt und ist seitdem der Blüthenbau von Streptochaeta sicher erkannt ist, sicher als irrig erwiesen. Und dasselbe gilt für die systematische Stellung von Lathraea. Wenn es einen sicher geführten Nachweis über die systematische Stellung einer Pflanze gibt, so ist es der, dass Lathraea eine Rhinanthacee ist, Schimper führt sie immer noch als Orobanchee auf, was nur auf einem Ueber- sehen der neueren Litteratur beruhen kann. Ebenso wenig richtig ist die Angabe, dass bei den Rosifloren die Polyandrie auf „Spaltung der Quirle und Einzelglieder“ zurückzuführen sei. Von dem von Strasburger so stark betonten phylogeneti- schen Standpunkt ist in der systematischen Abtheilung überhaupt nicht viel zu bemerken, und doch hat schon Warming in seinem ausgezeichneten Lehrbuch der systematischen Botanik gezeigt, was sich selbst bei der Lückenhaftigkeit und Unsicherheit unserer Kenntnisse hierin thun lässt. So würde ich denn z. B. auch die Sphagnaceen nicht an das Ende der Laubmoose, sondern mit den Andreaeaceen an den Anfang stellen, weil sie in manchen Eigenthümlichkeiten an die Leber- moose erinnern. Was die übrigen Abschnitte anbetrifft, so geht die „Aeussere Morphologie“ aus von dem derzeit herrschenden, rein formal phylogenetischen Standpunkt. Da ich meine abweichende Anschauung anderwärts ausführlich dar- gelegt habel), so möchte ich hier nicht darauf zurückkommen. Wenn in der Morphologie auch die Fortpflanzungsorgane behandelt wären, so würde der innere 1) Organographie der Pflanzen, I. Theil. Jena 1898. 316 Widerspruch des Satzes „die pflanzliche Morphologie kennt keine Organe, sondern mar Glieder des Pflanzenkörpers“ ohne Weiteres hervortreten, denn ein Sporangium z. B. ist etwas, was Sporen produeirt (so wird es auch später definirt), d. h. also als Organ, nicht als „Glied“, und dasselbe gilt wieder für die Sporophylle ete., so dass factisch der im ersten Theil festgehaltene Standpunkt im zweiten auf- gegeben wird. Für die Mehrzahl derjenigen, welche das Lehrbuch benützen, scheint mir die feinere Anatomie im Verhältniss zur äusseren Morphologie zu ausführlich behandelt. Denn für den Pharmaceuten und den Mediziner scheint mir doch zunächst ein Verständniss dessen erforderlich, was er mit blossem Auge sehen kann, da er die mikroskopische Pflanzenanatomie wohl nach seiner Univer- sitätszeit (mit verschwindenden Ausnahmen) kaum mehr zu betreiben Gelegenheit haben wird. Aus dem vorliegenden Lehrbuch aber würde er über die Gliederung eines Baumes in Jahrestriebgenerationen („Knospenspur* ete.) oder über die Art der Ueberwinterung der Stauden nichts erfahren, ebenso darüber, woher es z. B. kommt, dass eine Linde oder eine Buche einen so ganz anderen Habitus hat, als eine Tanne, während mir z. B. die Hervorhebung der Unterschiede von Schaft, Halım und Stock entbehrlich erscheint. Nicht einverstanden bin ich auch mit der Behandlung des Begriffes „adventiv“. Strasburger definiert (p. 16) als adventive Sprosse solche, die aus älteren Pfianzentheilen ohne Ordnung hervorgehen, führt aber als Beispiel auch die „lebendig gebärenden“ Farne an. Bei diesen werden aber die blattbürtigen Knospen in frühester Jugend, so lange das Blatt- gewebe noch embryonal ist, angelegt; sie würden durchaus unter den Begriff der „normalen“ Sprossanlagen fallen. Freilich ist es ja kaum möglich, die Mannig- faltigkeit der Erscheinungen durch scharfe Begriffe zu gliedern und ebenso werden die Anforderungen, welche an ein, ein so grosses Gebiet behandelndes Lehrbuch gestellt werden, stets bei den Einzelnen verschieden sein. Wenn ich im Obigen in einzelnen Punkten anderer Meinung als die Verfasser bin, so möchte ich zum Schluss nur noch hinzufügen, dass die grossen Vorzüge des Lehrbuchs keiner be- sonderen Hervorhebung mehr bedürfen, sie verstehen sich bei der wissenschaft- lichen Stellung der Verfasser von selbst und lassen den äusseren Erfolg des Buches als einen durchaus verdienten erscheinen. K. Goebel. Mykologische Untersuchungen aus den Tropen. Von Dr. Carl Holter- mann, Privatdocent der Botanik an der kgl. Universität zu Berlin. Herausgegeben mit Unterstützung der kgl. preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Mit 12 Tafeln. Berlin, Verlag von Gebr. Bernträger, 1898. Dem Verfasser ist ein 14monatlicher Aufenthalt im tropischen Asien ver- gönnt gewesen, den er hauptsächlich zu mykologischen Forschungen benützte. Er hat sich damit dem durch schöne Erfolge belohnten Vorgange Möller’s ange- angeschlossen, der den Pilzreichthum der Tropen nach den heutigen entwickelungs- geschichtlichen und biologischen Gesichtspunkten untersuchte. Das „Schibboleth“ der modernen Mykologen ist ihre Stellung zum Brefeld- schen System. Holtermann hat „niemals die Ueberzeugung gewinnen können, dass es mit dem „natürlichen Pilzsystem“ seine Richtigkeit 'habe* und seine Beob- achtungen in den Tropen haben seinen Zweifel verstärkt. Er befindet sich also in Vebereinstimmung namentlich mit denjenigen, die in dem als „Pilze“ zusammen- gefassten Complex von Thallophyten keine phylogenetische einheitliche Grupp®; 317 sondern eine Anzahl polyphyletisch von verschiedenen chlorophylihaltigen Thallo- phyten abgezweigte Reihen sehen. De Bary’s Anschauungen sind ja auch durch die neueren Untersuchungen über die Sexualität bei Ascomyceten wieder in den Vordergrund gerückt. Was den Pilzreichthum der Tropen anbelangt, so hebt der Verfasser hervor, dass die Zahl der Pilzformen in den heissen, feuchten Tropengegenden nicht er- heblich kleiner sei, als in den nördlichen Gegenden, wohl aber die Zahl der Individuen, was auch mit den Erfahrungen des Referenten stimmt. Der Verfasser verwirft zwar, wie erwähnt, das Bre feld’sche System, seine Darstellungsart aber erinnert ebenso wie das Aeussere seiner Arbeit an die Brefeld’schen Abhand- lungen. De Bary und Strasburger haben z. B. nach H. die Sporenbildung bei den Ascomyceten nur „durch Combinationen und Vergleiche“ zu verfolgen ge- sucht (die Untersuchungen von Poirault, Raciborski u. A. erwähnt er überhaupt nicht, sie bieten nach ihm wohl „nichts Neues“), was man bis jetzt für „Zellkern“ bei den Pilzen gehalten habe, seien theils Vacuolen, theils Protoplasmaansamm- lungen, theils auch Protoplasmakörnchen! Das ist eine Behauptung, die eine bei Weitem eingehendere Begründung erfordert hätte, als sie der Verfasser gibt. Denn es ist nicht angängig, sorgfältige, eingehende Untersuchungen einer ganzen Anzahl von Botanikern einfach mit einigen Worten abzuthun, zumal der Verfasser bis jetzt nicht den Anspruch erheben kann, eine Autorität auf dem Gebiete der Mykologie oder der Zellenlehre zu sein. Vorläufig wird man annehmen dürfen, dass der Irrthum wo anders liegt als beide Bary, Schmitz, Strasburger, Raciborskiu. A. Auf die Untersuchungsresultate im Einzelnen näher einzugehen, ist hier nicht möglich. Sie bieten eine erwünschte Bereicherung unserer Kenntniss tropischer Pilzformen. Von allgemeinem Interesse sind z. B, die Angaben über die ver- schiedene Ausbildung der Fruchtträger bei Lentinus variabilis. Auf künstlichem Nährsubstrate ausgesät, fructifieirte er wie ein Hypochnus, auf faulem Holz im Dunkeln entwickelte Fruchtkörper waren clavarienähnlich gestaltet (und mit Ba- sidien reichlich verschen), erst im Licht trat (wie dies auch von andern Hymeno- myceten bekannt ist) die Hutbildung ein. Die in der Litteratur vorhandenen An- geben!) (z. B. die schon von Schulzer von Müggenburg nachgewiesene Möglichkeit der Umkehrung des Polyporus-Hymeniums) hat der Verfasser nicht angeführt. K. Goebel. Handbuch der Blüthenbiologie unter Zugrundelegung von Hermann Müller’s Werk: Die Befruchtung der Blumen durch Insekten, Von Dr. Paui Knuth, Professor an der Oberrealschule zu Kiel. I. Band: Einleitung und Litteratur (mit 81 Abbildungen im Text und einer Porträttafel), Preis 10 Mk., geb. 12.40; II. Band: Die bisher in Europa nnd im arktischen Gebiete gemachten blüthenbiologischen Beobachtungen. 1. Theil: Ranunculaceae bis Compositae, mit 210 Abbildungen im Text und dem Porträt Hermann Müller’s. Preis 18 Mk., gebunden 21Mk. Leipzig, Verl. v.Wilh. Engelmann, 1898. Für die Kenntniss der Blüthenbiologie ist Herm. Müller’s bekanntes Werk von grosser Bedeutung gewesen. Es ist längst vergriffen und auch antiquarisch, 1) Vgl. Goebel, Organographie der Pflanzen I, p. 221f. Flora 1898. 21 318 wie Ref. aus eigener Erfahrung anführen kann, nur sehr schwer zu bekommen. In den 25 Jahren, die seit dem Erscheinen des Buches „Die Befruchtung der Blumen durch Insekten“ verstrichen sind, hat sich auf diesem Gebiete eine regere Thätigkeit entwickelt als auf irgend einem anderen Felde der Botanik und dem- gemäss ist eine ungcheuere, fast unübersehbare Speeciallitteratur entstanden. In dieser sich zurecht zu finden, ist nur dem Speecialisten auf diesem Gebiete möglich. Es ist deshalb ein verdienstvolles Unternehmen des Verfassers, dass er die wesent- lichen Errungenschaften dieser Litteratur nicht nur gesammelt, sondern auch ver- arbeitet und vielfach durch eigene Beobachtungen bereichert in seinem Handbuch dargestellt hat. Es ist nun die Möglichkeit geboten, rasch zu erfahren, was über die Bestäubungsverhältnisse bekannt ist und dieses Handbuch wird desshalb allen botanischen Bibliotheken unentbehrlich sein, auch den Vielen, die ohne sich fach- mässig mit Botanik zu beschäftigen, sich mit den interessanten Problemen der Blüthenbiologie befassen. Das Buch ist auf drei Theile berechnet, von denen, wie ersichtlich, der erste und die 1. Abtheilung des zweiten erschienen sind. Die zweite Hälfte des zweiten Theiles soll die Lobeliaceae bis Conifera«e bringen, der dritte Theil die ausgereuropäischen blüthenbiologischen Beobachtungen und namentlich dieser dritte Theil wird gewiss zu weiteren Beobachtungen anregen, denn die tro- pische Blüthenbiologie hat noch ein ungemein grosses Feld ihrer Thätigkeit vor sich. Ref. wünscht dem verdienstlichen Buch baldige Fertigstellung und weite Ver- breitung. Leider wird diese wohl durch den Preis beeinträchtigt werden; in Deutschland gibt es zwar viele, die Bücher schreiben, aber wenige, die sie kaufen; dies ist wohl auch der Grund für die verhältnissmässig hohe Preisbemessung der beiden vorliegenden Bände. K. Goebel. Beiträge zur Kryptogamenflora der Schweiz. Auf Initiative der Schweiz. bot. Gesellschaft und auf Kosten der Eidgenossenschaft herausgegeben von einer Konmission der Schweiz. naturforschen- den Gesellschaft. Bd. I Heft 1. Entwickelungsgeschichtliche Unter- suchungen über Rostpilze. Von Dr. Ed. Fischer, Prof. an der Univ. Bern. Bern, Druck und Verlag von K. J. Wyss. 1898. Die in der vorliegenden Arbeit niedergelegten Untersuchungen stellen Vor- arbeiten zu einer Monographie der schweizerischen Uredineen dar, indem sie bei einer Anzahl von Formen (etwa 40) die bio’ogischen Verhältnisse auf Grund von Culturversuchen orörtern. Die Kenntniss der biologischen Verhältnisse aber ist bei den Uredineen bekanntlich auch für die Systematik eine unerlässliche Voraus- setzung, zumal bei den zahlreichen heteröcischen Arten. Die Mittheilung der Versuchsergebnisse nimmt den grössten Theil des vorliegenden Heftes ein. Am Schlusse fügt der Verf. noch theoretische Erörterungen hinzu über die Beziehungen zwischen Uredineen, welche alle Sporenformen besitzen, und solchen von redueirtem Untwickelungsgange, und über „die biologischen Arten“, Das bis jetzt vorliegende Material reicht, wie der Verf. darlegt, nicht aus, um in diesen Fragen zu einiger- maassen befriedigenden Anschauungen zu gelangen. K.6. Die Bäume und Sträucher des Waldes in botanischer und forstwirth- schaftlicher Beziehung. Von Gustav Hempel und Karl Wilhelm. Wien, Verlag von Ed. Hölzel. Seitdem über das genannte in Lieferungen erscheinende Werk zum letzten 819 Male in dieser Zeitschrift berichtet wurde, hat es rüstige Fortschritte gemacht. Von den Laubhölzern liegt der erste Theil der zweiten Abtheilung „Die Kätzchen- träger“ fertig vor (mit 25 Farbendrucktafeln und 106 Textfiguren), und ebenso Tafeln von einer Anzahl anderer Laubbäume. Die Tafelu sind von hervorragender Schönheit, der Text sehr eingehend und sorgfältig bearbeitet, nur in morphologi- scher Beziehung dürfte er etwas eingehender sein. Möge das schöne und ver- dienstliche Unternehmen bald erfolgreich zu Ende geführt werden. K.G. Syliabus der Pflanzenfamilien. Eine Uebersicht über das gesammte Pflanzensystem, mit Berücksichtigung der Medieinal- und Nutz- pflanzen, zum Gebrauch bei Vorlesungen und Studien über specielle und medicinisch -pharmazeutische Botanik. Von Dr. Adolf Engler. Zweite umgearb. Ausgabe. Berlin, Verlag von Gebr. Bornträger. 1898. Preis kartonirt 3 Mk. 80 Pfg. Es ist ein ungemein grosses Material, welches in der zweiten Auflage des Engler’schen „Syllabus“ verarbeitet ist. Es ist das kleine Buch demgemäss nicht nur zum Nachschlagen nützlich, sondern namentlich auch deshalb, weil es eine Art gedrängter Inhaltsübersicht des Inhaltes der „Natürlichen Pfanzenfamilien* gibt. Auf Abweichungen von den in dem „Syllabus“ niedergelegten Anschauungen hin- zuweisen, ist hier nicht der Ort. Die Hauptsache bei derartigen Uebersichten ist Ja loch ihre praktische Brauchbarkeit, nicht die Namengebung oder die Stellung, die einzelnen Formen oder Familien gegeben wird. Diese praktische Brauchbarkeit aber ist zweifellos in hohem Maasse vorhanden. K. Goebel, Pflanzenphysiologische Abhandlungen. Von Ernst von Brücke. 1844—1862. Herausgegeben von A. Fischer (Österwald’s Klassiker der exakten Wissenschaften, Nr. 95). Verlag von Wilh. Engel- mann in Leipzig. Von Brücke’s pflanzenphysiologischen Arbeiten ist die bekannteste wohl die über die Bewegungen der Mimosa pudica (II der vorl. Sammlung); von be- deutendem Einfluss war auch die III, die über die Elementarorganismen. Aber auch die beiden anderen (Ueber das Bluten des Rebstocks und die Brennhaare von Urtica) wird man nicht nur als historisch bedeutsam, sondern auch wegen ihrer Darstellung mit Genuss lesen. Der Herausgeber sagt mit Recht: „Brücke's Arbeiten zeichnen sich durch vorurtheilslose Beobachtung und logische Verarbei- tung des Gefundenen aus, eine behagliche Ruhe liegt über der klaren, von jeder Phrase und allem Prunk freien Darstellung, die auch heute noch und vielleicht heute erst recht ein Muster wissenschaftlicher Schreibweise ist.“ So wird auch dieses Bändchen der verdienstvollen Klassikerbibliothek dankbare Aufnahme finden. K. G. Die Pteridophyten der Flora von Buitenzorg. Bearbeitet von M. Raci- borski. Leiden, Buchhandlung und Buchdruckerei vormals E. J. Brill. 1898. In der stattlichen vorliegenden Schrift begrüssen wir den ersten Band der „Plore de Buitenzerg, publide par le jardin botanique de l’6tat“. Der hochver- diente Director des Buitenzorger Gartens hat sich mit der Schaffung dieses Unter- nehmens ein neues Verdienst erworben. Jeder, der einmal Tropenpflanzen zu 21* 320 bestimmen hatte, weiss, mit welchen Schwierigkeiten dies verbunden ist. Die Litteratur ist weit zerstreut; in allen möglichen, oft schwer zugänglichen Zeit- schriften und Monographien finden sich Diagnosen. Und diese Schwierigkeiten sind um so fühlbarer, je reicher die Tropenflora der europäischen gegenüber ist. Buitenzorg wird die erste Tropenstation sein, die sich einer Localflora rühmen kann. Selbstverständlich kann diese keine vollständige sein, wohl aber wird sie eine höchst erwünschte Grundlage für weitere Studien bieten. Welche Resultate auf diesem Feld mit Energie und Sachkenntniss zu erreichen sind, das zeigt der vor Kurzem erschienene erste Band, der als eine hervorragende Leistung bezeichnet werden muss. Es werden 383 Arten westjavanischer Pteridophyten beschrieben, mit Dia- gnosen und Standorten. Den einzelnen Abtheilungen und Gattungen gehen Be- stimmungsschlüssel voraus, und Ref., der selbst während seines Aufenthaltes in dem herrlichen Java sich viel mit Pteridophyten beschäftigt hat, kann sich um so mehr der Erleichterung freuen, die allen, die jetzt sich mit diesen Pflanzen be- schäftigen wollen, geboten wird. Nicht wenige der beschriebenen Formen wird man in der „Synopsis filieum®, wo die javanischen Farne etwas stiefmütterlich behandelt sind, vergebens suchen. Neu aufgestellt hat der Verf. folgende Arten: Hymenophyllum Treubii, H. salakense, H. blandum, Trichomanes rupicolum, Acro- stichum variabile Hk. var. Rasamalae, A. brachystachyum (— Hymenolepis spicata var. brachystachys Hooker), Vittaria lloydiaefolia, Gymnogramme grandis, Poly- podium subpleiosorum, P. gedeanum, P, Rasamalae, Asplenium gedeanum, Aspl. nitidulum (= Allantodia nitidula Kze.), Da die Farnflora Westjavas zu den am besten bekannten zählt, so zeigt auch die Zahl der neuen Arten, mit welchem Erfolg sich der Verf. seiner Aufgabe unterzogen hat. — Wie in dem Vorworte von Dr. Treub mitgetheilt wird, werden zunächst die Myxomyceten (bearbeitet von Penzig) und die Lebermoose (von Schiffner) erscheinen, K. 6. Eingegangene Litteratur. Arthur J. Ch. u. D. Fr. Mac Dougal, Living plants and their properties. W. 28 Fig. New-York, Baker and Taylor; Minneapolis: Morris a. Wilson. 1898. Atti dell’ istituto botanico dell’ universitä die Pavia redatti da Giovanni Briosi. Il. serie Vol. quarto con 32 tavole e un ritratto. Milano 1897. Baccarini P, u. V. Scillamä, Contributo alla organografia ed anatomia del „Glinus lotoides* L. M. 6 Taf. Estratto dalle Contribuzioni alla biologia vegetale, vol. IE Fase. If. 1898, Ballowitz E., Ueber Sichtbarkeit und Aussehen der ungefärbten Centrosomen in ruhendeu Gewebszellen. S.-A. aus d. Zeitschrift für wissenschaftl. Mikro- skopie u. für mikrosk. Technik. Bd. XIV, 1897. — — Notiz über die oberflächliche Lage der Centralkörper u. Epithelien. 8.-A. aus Anatomischer Anzeiger. XIV. Bd. Nr. 14. —_ ner Kernformen und Sphären in den Epidermiszellen der Amphioxuslarven. bd. Nr, 15. — — Ueber Ringkerne, ihre Entstehung u. Vermehrung. 8.-A. aus d. Biol. Central- blatt. Bd. XVIII Nr. 8. — u Ueber Zelltheilung, S8.-A. aus d, Deutschen medie. Wochenschrift, 1898. \r. 19, — — Zur Entstehung des Zwischenkörpers, 8.-A. aus Anatomischer Anzeiger. XIV. Bd, Nr. 15. 321 Bode G., Erwiderung auf die Abhandlung des Herrn L. Marchlewski: „Zur Chemie des Chlorophylis“. 8.-A. aus d. Journ. f.pr. Chemie, Neue Folge, Bd. 57. 1898. Bokorny Ph. Lehrbuch der Botanik für Realschulen u. Gymnasien im Hinblick auf ministerielle Vorschriften. M. 170 Textig. Leipzig, Verlag v. Wilh, Engelmann. 1898. Borzi A., III. Note di Biologia vegetale. M. 4 Taf. Estratto dalle contribuzioni alla biologia vegetale. Vol. Il. Fase. II. 1898. Brücke E. v., Pflanzenphysiologische Abhandlungen 1844-62 Herausgeg. v. A Fischer, Leipzig. Verl. v. W. Engelmann. 1898. Bubani, Flora pyrenaea per ordinis naturalis digesta. Opus posthumum editunı cuante OÖ. Penzig, Milano, U. Hoepli. Buchner E. u. R. Rapp, Alkoholische Gährung ohne Hefezellen. (5., 6. u. 7. Mittheilung.) S.-A. aus Berichte d. Deutschen chemischen Gesellschaft. Jahrg. 31. 1898. Buchner H., Naturwissenschaft u. Materialismus. 8.-A. aus d. Allgem. Zeitung. Nr. 140 u. 141. 1898. Buchner E., Zellenfreie Gährung. S8.-A. aus d. Wochenschrift f. Brauerei. 1898. Nr. 11. Busse Walther, Bacteriologische Studien über die „Gummosis“ der Zuckerrüben, 8.-A. aus Zeitschr. für Pflanzenkrankheiten. VII Bd. 2. Heft. — — Ueber eine neue Cardamomenart aus Kamerun. M. 1 Tafel (Arb. a. d. kaiserl. Gesundheitsamte. Bd. XIV.) Campbell D. H., The development of the flower and embryo in Lilaea sub- ulata H.B.K. M.3 Taf. S.-A. Annals of Botany. Vol. XH. Nr. 45. 1898. — — Botanical aspects of Jamaica. 8.-A. The american Naturalist. Vol. XXX. Nr. 373. 1898. Boston. — — The systematic position of the genus Monoclea. (Botan. Gazette 1898.) Christ, H.A.A.Billet, Note sur la flore du Haut-Tonkin. Cryptogames vas- culaires. Extr. du Bulletin scientifique de la France et de la Belgique. Tome XXVII. Christ H., Die Farnflora von Celebes. M. 4 Taf. Extrait des annales du jardin bot. de Buitenzorg. Vol. XV. 1 pag. 73—186. Verlg. E. J. Brill, Leyde. 1898, -- — Filices insularum philippinarum. Collections de M. A. Loher. M. 3 Taf. Extrait du Bulletin de l’Herbier Boissier,. Tome VI Nr. 2. 1898, Daggar B. M,, Some important pear diseases. Cornell University Agricultural experiment station. Itaca, N. Y. Botanical Division. 1898. Diels L., Die Epharmose der Vegetationsorgane bei Rhus L. $ Gerontogeae Engl. M. 1 Taf. u. 8 Textfig. 8.-A. aus Engler’s Bot. Jahrbüch. XXIV. Bd, 5. Heft. 1898, Engler A. Syllabus der Pflanzenfamilien. 2, umgearbeitete Ausgabe. Berlin 1898. Verl. v. Gebr. Bornträger. . Erikson J., Zur Biologie u. Morphologie von Ranunculus illyrieus. Vorl. Mitth. S.-A. aus d. Bot. Centralblatt. Nr. 45. 1897. F — — En studie öfver Ranuneulus illyrieus’ morfologi, biologi och anatomi. Öfver- sigt af Kongl. Vetenskaps-Akademiens Förhandlingar. 1898. Nr. 2. Ganong W., Upon polyembryony and its morphology in Opuntia vulgaris. Re- printed from the Botanical Gazette. Vol. XXV. Nr. 4. — — Upon raised peat-bogs in the Province of New Brunswick. From the Trans- actions of the Royal Society of Canada. Vol. III, Section IV. 1898. Gerasimoff J. J., Ueber die Copulation der zweikernigen Zellen bei Spirogyra. (Zur Frage über die Vererbung erworbener Eigenschaften.) 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WEM EUn Lich Inst Berkn8 vi “ ee REROLEST, Be Flora 1898. 85.Ba. | = TacxN. h 7 WAHeyn, Luh.inst,Beruns. felXV- T Flora 1898: 85. Bd. Verlag von Arthur Felix in Leipzig. Atlas der officinellen Pflanzen. Darstellung und Beschreibung der im Arzneibuche für das deutsche Reich erwähnten Gewächse. Zweite verbesserte Auflage von Darstellung und Beschreibung sämmtlieher in der Pharmacopoca- borussica aufgeführten : officinellen Gewächse von Dr. 0, C. Berg und €. F. Schmidt, herausgegeben durch Dr. Arthur Meyer, Dr. K. Schumann, Professor an der Universität und Professor und Kustos am kgl. bot. in Marburg, . Museum in Berlin. Bis jetzt sind erschienen 21 Lieferungen in gr. 4, enthaltend Tafel 1—123, colorirt mit der Hand. Das ganze Werk wird in 28 Lieferungen ausgegeben. Preis pro Lieferung 6 Mk. 50 Pf. ESG: GE EEE: EERGEEEEEEREEEEEEEEESEEEEEEEEEEEEEEESEEEEEEERREG Weitverbreitete. bestempfohlene naturwissenschaftliche Handbücher. Für den Forscher und Naturfreund: Von Prof. Dr. OÖ. Wünsche: Klora; Die Pflanzen Die höheren Pflanzen. 7. Auflage. In biegs. Die niederen Pflanzen. In biegs, Lnwbd. Mk. 4.60. Deutschlands. N Pi] Eine Anleitung zur Kenntniss derselben. Von Professor Dr. In 18 O0. Wünsche. Mk. 4.40. N N ii Eine Anleitung zu ihrer Kenntniss. Von Prof. 16 penp anzen, Dr. O..Wünsche. In biegs. Lnwbd. Mk. 3.— f. Nord- u. Mitteldeutschland. Von Direktor Prof. Dr. Fxeursions-Flora K.Kraepelin. 4. Autl, In biegs. Lnwbd. Mk. 3.80 f. d. Kgr. Sachsen u. d. angrenz. Geg. Von Prof. Dr. O. Wünsche. 7. Aufl. In biegs. Lnwbd. Mk. 4.60. Für den Naturfreund und die Jugend: Pflanzen | _ Mk. 2.40 Die verbreiteislen rize aut win| .. MIR, 4. Inwhd. Deutschlands. Schmetterlinge gebin. Von Dr. R. Rössler, Mk. 1.80 durch Wald und Flur. EB. Anltg. z. Beobachtung «l. heimischen \tpe] Streifzüge Natur i. Monatsbildern. Von Öberl. B. Landsberg. 2. Aufl. Mit Illustr. geb. Mk. 5.—. 1. Aufl. (ohne Illustr.) geb. Mk. 2,80. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen oder von der Verlagsbuchhandlung B. G. Teubner in Leipzig, Poststr. 3. Te N nn Verlag von Gustav Fischer in jena. Soeben erschien: Die Zelle und die Gewebe. Grundzüge der allgemeinen Anatomie und Physiologie. j Zweites Buch. . Allgemeine Anatomie und Physiologie der Gewebe von ’ : Professor Dr. Oskar Hertwig, Direktor des Anatom-Biolog. Instituts der Universität Berlin. Mit 89 Abbildungen im Text. Preis Mk. 7.— In unserem Verlage erschien: Julius Sachs. Vo K. Goebel. Br 8. 32 8. Mit Bildnis. Mk. —.80 Physiologische Notizen. Julius Sachs. Als Sonderdruck aus der Flora 1892—1896 herausgegeben von K. Goebel. Mit Bild von Julius Sachs. gr. 8. 187 8. Mk. 4.50. Marburg. N. 6. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung. Stelle gesucht möglichst bald auf einer Blumenzucht und Baumgärtnerei von einem holländischen Jüngling, fünf Jahre im Fach thätig. Gute Teugnisse zu Diensten. Preferirt gute Behandlung über hohem ohn. Adresse; H Kraai Beerta (Holland). Flora 1898,85.Ba. TathAnst nEAFunke Leipzig. SucH. Hunaepv, Flora 1898,85.Bd. Surk Mienenepeo. LithAns#'v. EA Funke, leipzi Taf. VII. Flora 1898,85.Bd. LifhAnst.x. EA Funke Lapzig a Fuc-H, Yuscupro. Taf.IX. Flora 1898,85.Bd. ınke,L Pr LithAnstr. EA. ONZEIP) Dance NASE POS PrcH Mn zepB. FLORA ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG, FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER \ KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. 85. BAND. — JAHRGANG 1898. HERAUSGEBER: Dr. K, GOEBEL Professor der Botanik in München, v Heft IV mit 4 Tafeln und 60 Textfiguren. Erschienen am 22. Oktober 1898, Inhalt. M. RACIBORSKT, Biologische Mittheilungen aus Java . . .. . . Seite 325—361 M. RACIBORSKI, Einige Demonstrationsversuche mit Leptomin . . . „362-367 E. CAPEDER, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte einiger Orchideen . . » 369-423 FRIEDRICH CZAPEK, Studien über die Wirkung äusserer Reizkräfte auf die Pflanzengestalt. I. . . „424-438 V, DEINEGA, Beiträge zur Kenntniss der Entwickelungsgeschichte des Blattes und der Anlage der Gefüssbündel . . . . B . „439-498 LITTERATUR: Jean Massart, La Cicatrisation chez les Vegetaux nn 499-500 MARBURG. N, G% ELWERT SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG 1898, Der Unterzeichnete wird von September 1898 bis April 1899 von München abwesend sein und bittet deshalb für die „Flora“ bestimmte Manuskripte und Mittheilungen während dieser Zeit an Herrn Dr. K. Giesenhagen, München, Karlstrasse 29, zu senden. K. Goebel. Be Mit einer Beilage der Verlagsbuchhandlung Ferdinand Enke, Stuttgart. Bemerkung. Das Honorar beträgt 20 Mk. pro Druckbogen, für die Litteraturbesprechungen 30 Mk. Die Mitarbeiter erhalten 30 Sonderabdrücke kostenfrei. Wird eine grössere Anzahl gewünscht, so werden für Druck und Papier berechnet: Für 10 Exemplare pro Druckbogen Mk. 1.20; pro einfarb. einfache Tafel Mk. —.30 ” 20 ” ” ” ” 2.50 ” ® ” ” ” —.60 ” 30 n ” ” ” 3.80 „ » r ” „90 ) 40 v ” » ” 5.— ,„ r v ” ” 1,20 r 50 ” ” r” ” 6.50 rn r” ” ” ” 1.50 » 60 ” j ” y ” 8.— ” ” n n ” 2.— r 70 ”» ” ” ” 9.20 r ” » r ” 2.50 ” 80 r ” ” ” 10.50 ” ” " ” ” 8.— n ” ® “ ” n 12.— ” ” ” ” n 4.— „ 100 ” » 15.— „ „ ” „3m r ” Dissertationen, Abhandlungen systematischen Inhalts, sowie solche, von welchen über 100 Sonderabdrücke hergestellt werden, werden nicht honorirt; für solche, die umfangreicher als 4 Bogen sind, werden nur 4 Bogen honorirt; die Kosten für Abbildungen hat bei Dissertationen der Verfasser zu tragen; ebenso bei fremdsprachigen Manuskripten die Kosten der Uebersetzung. Die Zahlung der Honorare erfolgt nach Abschluss eines Bandes. Der Bezugspreis eines Bandes beträgt 20 Mark, Jedes Jahr erscheint ein Band im Umfang von mindestens 30 Druckbogen; nach Bedürfniss schliessen sich an die Jahrgänge Ergänzungs- bände an, welche besonders berechnet werden. Manuskripte und Litterstur für die „Flora“ sind an den Herausgeber Herrn Prof. Dr. Goebel in München, Nymphenburgerstr. 50/nt zu senden, Korrekturen an die Druckerei von Valentin Höfling, München, Kapellenstrasse 3. Alle geschäftlichen Anfragen etc. sind zu richten an die unterzeichnete Verlags- handlung. N. G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung Marburg (Hessen-Nassau). ur: EEE Biologische Mittheilungen aus Java. Von M. Raciborski. Mit 14 Textapbildungen, In den von anderen Beschäftigungen freien Stunden habe ich in den letzten Monaten eine Reihe von botanischen Beobachtungen ge- macht, ohne dabei irgend einen schärfer begrenzten Plan zu ver- folgen, sondern nur, um mich mit der Vegetation der Umgebung meiner Wohnstätte, Kagok bei Tegal, in der javanischen Ebene, be- kannt zu machen. Eine Auswahl davon theile ich in der vorliegen- den Abhandlung mit, in folgender Nacheinanderfolge: Verticale Verbreitung der javanischen Farne. Verticale Verbreitung der javanischen Orchideen. Die Vegetation der Djatiwälder (Teetona grandis). Die Samen der Orchideen. Die Keimung der monopodialen Orchideen und Bildung der Protocorme. Vegetative Verbreitung des Dendrobium mutabile. Die Bewurzelung der Vanillaarten. Lianenartige Orchidee: Renanthera moschifera; Mimiery ihrer Blumenknospen. Schleimbildende Luftwurzeln bei Rhynehostylis retusa und Lyeo- podiumarten. Aerides virens, seine Wurzeln dienen als Wasserreservoire, die Blumenknospen sind mit Pentosanen lackirt. Seriale Beisprosse der monopodialen Orchideen. Acriopsis javanica, ihre negativgeotropische Wurzel und Blüthen- entwickelung. Wasseraufnahme durch die Blätter bei Eria ornata. Samenverbreitung der Andropogonarten. Die „Ameisenbrödehen“, „food-bodies*, der Leeaarten und ihre Spaltöffnungsstreifen. Zum richtigen Verständniss der hiesigen Vegetation muss man die meteorologischen Verhältnisse berücksichtigen ; deswegen gebe ich in der folgenden Tabelle — nach den Beobachtungen der meteoro- logischen Station der Versuchsstation für Zuekerrohrbau in Kagok bei 22 Flora 1898. ‚ 326 Tegal — die wichtigeren Daten aus dem Jahre 1897 wieder. Diese zeigen charakteristische Differenzen zwischen dem feuchten West- und dem trockenen Ostmossun, auch Differenzen in der relativen Feuchtigkeit der Luft an den Vor- und Nachmittagsstunden. Lufttemperatur Relative Feuchtigkeit Zahl um Regen- der Mieten | Maxi- | Mini- |& Une | 9 Unr| 2 Uhr! Mini. | menge | Rosen mum | mum | Vorm.| Vorm.|"_ . mum mitt. Januar 26.9 | 82.1 | 221 95 79 77 61 249 17 Februar '| 26.2 | 31.5 | 22.1 | 96.6) 88.4| 80 65 405 21 März 26.9 | 33.2 | 22.6 96 82 76 59 810 18 April 26.9 | 31.5 | 22.0 97 8 74 64 221 15 Mai 26.9 | 32.1 | 20.5] 93 76 64 51 21 2 Juni 26.8 | 33.0 | 19.2 90 74 60 50 32 3 Juli 26.2 | 32.0 | 17.5 | 89 76 63 34 | © 10 August 26.2, 33.4 | 16.0 | 89 65 53 41 3 1 September | 27.3 | 34.0 | 19.2 | 83 63 53 27 24 Oktober 27.93 | 342 | 21.5 90 69 63 42 106 8 November 27.2 | 33.5 | 21.3 9 | 0 67 51 219 13 Dezember 26.8 | 82.0 | 22.5 9 77 21 50 261 19 F. Junghuhn hat im ersten Bande seiner klassischen Dar- stellung der Physiographie Javas die Pflanzendecke dieser Insel vom physiognomischen und physisch-geographischen Gesichtspunkte aus- führlich geschildert. Er unterscheidet auf Grund seiner ausgedehnten Untersuchungen vier Höhenregionen, und in jeder derselben eine Reihe von Pflanzengenossenschaften in Abhängigkeit von den öko- logischen Faetoren. Junghuhn’s Aufmerksamkeit hat dabei in erster Linie die Baumflora gefesselt, und unter Zugrundelegung der charakteristischen Baumarten definirt er die Beschaffenheit der durch ihn unterschiedenen Gewächszonen also: 1. die heisse Region, vom Meeresgestade an bis zur Höhe von 2000 Fuss; 2. die gemässigte Zone von 2000-4500 Fuss Meereshöhe; 3. die kühle Region von 4500—7500 Fuss Meereshöhe; 4. die kalte Region von 7500—10000 Fuss Meoereshöhe. Es ist leider für einen hier nur kürzere Zeit weilenden Botaniker äusserst schwierig, die Baumarten hiesiger Hochwälder kennen lernen und bestimmen zu können. Nicht immer tragen sie Blumen oder Früchte, diese hängen aber schr hoch und sind von unten schwer sichtbar, 327 dabei können nicht alle „Kulis“, welche man auf die Ausflüge mit- nimmt, so gut wie die Affen auf die Bäume klettern, ein Umhauen der blühenden Bäume ist dagegen sehr zeitraubend (und durch die Regierung verboten). Deswegen habe ich gleich auf meinen ersten Ausflügen versucht, die kleineren, leicht bei einer Exeursion zu be- obachtenden Pflanzen zum Zwecke einer Gliederung der hiesigen Flora in vertiecale Zonen zu benützen, und zwar bediente ich mich dazu anfangs der Pteridophyten. In dem ersten Bande der „Flore de Buitenzorg“ habe ich 383 Arten westjavanischer Pteridophyten beschrieben. Darunter sind nur sehr wenige solche Arten, die ich nicht selbst gesammelt habe, mehrere der letzteren habe ielı noch nachträglich finden können. Die verticale Verbreitung dieser Arten ist folgende: 1. in der Ebene wachsen 93 Arten der Pteridophyten; in dem Hügellande 128; in der unteren Waldzone der Gebirge 249; in der mittleren Waldzone der Gebirge 139; in der oberen Waldzone der Gebirge 60; 6. oberhalb des Waldes, an den hochalpinen Gipfeln, im Bereiche der Gnaphaliumformation, 26 Arten. Dabei entspricht meine erste und zweite Gruppe der ersten Region Junghuhn’s, meine dritte der zweiten Zone Junghuhn’s, die vierte der kühlen Region Junghuhn’s, während die fünfte und sechste Zone meiner Theilung der kalten Region Junghuhn’s entspricht. Die Ziffern, welche die Zahl der Arten an verschiedenen ver- ticalen Höhen Javas angeben, geben jedoch kein richtiges Bild von dem Einflusse der vorhandenen Pteridophytenarten auf die Physiognomie der Vegetationsdecke. So z. B. in der oberen Waldzone der Gebirge, wo nur 60 Arten wachsen, bilden die Farne den Hauptbestandtheil der Vegetationsdecke, ebenso der Vegetationsdecke des Waldbodens, wie der Epiphyten an den bemoosten Stämmen; gegen die Farne treten da die anderen Krautpflanzen stark zurück. Das Umgekehrte zeigt uns die warme Ebene. Zwischen den zahllosen Exemplaren und Arten der Phanerogamen verschwinden die 93 hier wachsenden Pteri- dophyten, ohne auf die Physiognomik der pflanzlichen Genossenschaften bedeutenden Einfluss auszuüben, Die Farnflora der warmen Ebene zeichnet sich dureh grosse Armuth an Erdfarnen aus. In den Wäldern, speeiell in den Djati- wäldern, finden wir nur selten einen Erdfarn, so z.B. Helmintostachys welehe im trockenen Ostmossun die Blätter verliert, 22* spam 3 ceylanica, 328 Acrostichum auritum, flagelliferum, Taenitis blechnoides, Lindsaya ensifolia, Nephrodium pteroides, urophyllum, cucullatum, Asplenium sylvaticum und polypodioides.. An mehr feuchten Stellen kommt da- zu Didymochlaena polycarpa, zwischen den Sträuchern klettern ge- wöhnlich die Lygodiumblätter, in den Reisfeldern ist Oeratopteris thalietroides, Salvinia natans, Azolla pinnata und Marsilea quadrifolia überall vorhanden, im Brackwasser stehen die grossen Exemplare des Acrostichum aureum. An beschatteten, feuchten und steinigen Bach- ufern kommt schon eine interessantere Farnflora zum Vorschein, Pteris geraniifolia und ensifolia, sehr häufig Hemionitis Zollingeri und H. cordifolia, einige Selaginellaarten, sogar Trichomanes humile und T. Filieula. Am meisten interessirt uns dagegen die xerophile, epiphytische Farnflora der Ebene. Hier ist die eigentliche Heimath der die Nischenblätter!) bildenden Farne, also der Platycerien, die an den höchsten Baumästen in glühenden Sonnenstrahlen wachsen und ihre Blätter mit einem Schuppenpanzer gegen zu starke Transpiration schützen, und der lederblättrigen Drynariaarten (D. rigidula, Linnei, quereifolia), von welchen Dr. rigidula im Ostmossun ihre Blattfieder abwirft. Nur eine javanische Drynariaart, Dr. pleuridioides, mit mehr weichen Blättern wächst hier nicht, sondern kommt erst in den höher liegenden, mehr feuchten Gegenden vor. Von anderen epiphyten Farnxerophyten finden wir in den Djatiwäldern Aerostichum scandens hoch an den Stämmen kletternd, A. brachystachyum, Drymoglossum, Polypodium adnascens, abbreviatum, acrostichoides, nummulariaefolium. Ein vollständiger Mangel der Baumfarne zeichnet die Ebene hiesiger Gegend aus, während solche anderswo (z. B. an der sehr feuchten Westküste von Sumatra) bis zum Seestrande vorkommen. Während die javanische Hügelzone in Bezug auf ihre Farnflora nichts Charakteristisches bietet, sondern nur eine Uebergangsregion »wischen der Ebene und der unteren Waldzone der Vulkane bildet, so kann man die letztere trefflich als eine Nephrodienzone bezeichnen. In zahllosen Exemplaren gesellig wachsend, kommen hier Nephrodium ferox, callosum, sagittaefolium, pennigerum, truncatum, pilosiusculum, molle, stipellatum, heterocarpon, appendieulatum, lineatum, glandulo- sum, obscurum vor und dazwischen zahlreiche andere Erdfarne von ähnlichem Habitus, Asplenium, Aspidium, Gymnogramme, Allandotia, Meniseiumarten. Ilier wachsen alle hiesigen Marattiaceen und die ;aumfarne kommen hier zwar nicht in der grössten Zahl der Arten, aber in zahlreicheren Exemplaren vor als in höheren Zonen. 1) Vgl. Goebel, Pflanzenbiolog. Schilderungen I. 329 Bei einer Wanderung in die höher liegenden Gebirgswälder ver- schwinden immer mehr und mehr die Nephrodien und machen anderen Erdfarnen Platz. Die obere Waldzone der Gebirge können wir als eine Lomarienformation bezeichnen; hier wachsen gesellschaftlich Lomaria glauca, pyenophylla, vestita, elongata und vuleanica, von welchen die L. pyenophylla bis zur oberen Waldgrenze steigt, wäh- rend L, elongata und vestita vereinzelt auch in tieferen Lagen vor- kommen. Die epiphytische Flora dieser Region bietet fast nichts Xerophyles dar, es sind zahlreiche, zum Theil grosse Hymenophyllaceen, Polypodium und Vittariaarten, die jedoch an den bemoosten Baum- stämmen nicht nach dem Lichte, sondern nach Feuchtigkeit in den Mooskissen suchen. Die meisten dieser „Epiphyten“ sind Arten, welche eben schattige Stellen bevorzugen, Ausnahme davon machen die lederigblättrigen Gymnogramme Feei, Acrostichum angulatum und Polypodium triquetrum. An den waldlosen Berggipfeln, zwischen den niedrigen, asch- weissen Gnaphaliumbäumchen, zwischen Flechten, in den Felsspalten und im Gerölle begegnen wir dagegen einer an Arten armen, aber sehr interessanten Farngenossenschaft. Zunächst einigen Arten, welche bis zu dem Meeresstrande in allen Höhen vorhanden sind, aber da nur sporadisch an vegetationsarmen Stellen wachsen, sonst im Kampfe um den Platz auf besserem Boden den Mitbewerbern unterliegen. Es sind dies Blechnum orientale und Pteris ineisa. Dabei die eben aus der früheren Region erwähnten drei xerophilen Epiphyten, welche hier als Fels- und Geröllepflanzen wachsen, einige andere xerophile alpine Pflanzen, wie Gleichenia vulcania und vestita, Polypodium faseiatum, Aspidium paleaceum; jedoch besonders häufig und charakteristisch treten hier die Erdlycopodien auf, eine Lycopodiengenossenschaft bildend. Lycopodium clavatum, curvatum, complanatum, Wightianum, miniatum kommen hier durcheinanderwachsend, grosse Rasen bildend, manchmal (L. elavatum var. divaricatum, L. eurvatum) grössere, ge- neigte Gerölleflächen nach der Art der Pescapraeformation des Stran- des mit ihren Rhizomen bildend. Man kann also ebenso, wie es Junghuhn mit den Bäumen gethan hat, die Farne als „Leitpflanzen“ der javanischen Pflanzen- genossenschaften benutzen. Bei jeder mühsamen Wanderung in dem Gebirgswalde nach oben, ohne Pfad und ohne Aussicht auf die näch«te Umgebung, zwischen den verwebten Lianentauen und diehtem Vtebüsch, war mir das Auftreten der Dipteris, Oleandra, Acrostichum bicuspe, Lycopodium volubile immer ein untrügerisches Zeichen, dass ich mich 330 in unmittelbarer Nähe eines erwünschten Bergrückens — oder einer unerwünschten Felswand befinde. Und ebenso konnte ich bei jedem Abstieg von den hiesigen Berggipfeln nach dem nacheinanderfol- genden Verschwinden der Lomaria glauca, dann Gymnogramme aspidioides, Diacalpe aspidioides, nach dem massenhaften Auftreten der Nephrodien mit einer gewissen Genauigkeit die jedesmalige Höhe beurtheilen, bis endlich das vereinzelte Auftreten der Gleichenia dicho- toma, Dieksonia scandens, die Nähe des unteren Waldrandes anzeigten. Auch andere Pflanzen aus artenreichen Gruppen kann man in ähnlichem Sinne als „Leitpflanzen* benutzen, in erster Linie ohne Zweifel die Orchideen. Es ist mir leider die javanische ÖOrchideen- flora nicht so gut wie die Farnflora bekannt, in den höheren Gebirgs- wäldern habe ich bis jetzt nur wenig Aufmerksamkeit den Orchideen geschenkt, aber auch die Orchideen des Tieflandes und der Hügel- zone, welche ich besser kenne und deren meiste Arten ich seit längerer Zeit in Cultur habe, kann ich in sehr vielen Fällen nicht bestimmen. Es ist mir nämlich ohne eine erneute monographische Bearbeitung fast nicht möglich, die zahlreichen, unscheinbar blühenden, javanischen Orchideen trotz der mehrfachen früheren Bearbeitungen zu bestimmen. Dessenungeachtet will ich, wenn auch nur in allgemeinen Zügen, die verticale Verbreitung der hiesigen Orchideen, so weit meine Be- obachtungen reichen, darstellen. Dabei bekommen wir eine Gliede- rung in Zonen, welche der Farngliederung oder Junghuhn’schen Eintheilung ähnlich ist, nämlich wieder eine Gliederung in die Flora der Ebene, Flora des unteren Waldes der Gebirge und die Gipfel- flora, welche durch die Vermittlung einer Hügelflora und der Vege- tation des oberen Waldes mit einander verbunden sind. Davon ist mir am besten bekannt und sehr interessant die Orchi- deenflora der warmen und im Ostmossun trockenen Ebene, der Djati- wälder und der der Küste nahen Wälder. In Bezug auf die Orchideen ist diese Region sehr scharf und gut charakterisirt, systematisch als Reich der monopodialen Orchideen , ökologisch als Reich der xero- philen, lichtliebenden Epiphyten. Die Erdorchideen fehlen bis auf wenige Arten vollständig. In der nächsten Umgebung von Kagok habe ich wahrscheinlich die meisten Orchideen der Djatiwälder und der ganz vernichteten Wälder der steilen Abhänge der tertiären Ilügel kennen gelernt und für meinen Garten gesammelt; es sind zusammen 63 Arten. Dazwi- schen zwei Erdorchideen und 61 Epiphyten. Systematisch (keine Apostasineae und Üypripedineae) gehören zu den Epiphyten: 331 Monopodiales 27 Arten, Sympodiales 84 Arten. Um dieses Verhältniss richtig zu würdigen, entnehme ich aus Pfitzer’s Bearbeitung der Orchideen in Engler und Prantl „Na- türliche Pflanzenfamilien“ folgende annähernde Zahlen der Orchideen der Erde. An der Erde Djatiwälder bei Kagok Apostasineae 6 0 Cypripedineae 52 0 Sympodiales 5335 = 93,2), 36 = 57°, Monopodiales 326 — 5,7), 27 = 439), Zusammen 5719 63 Auch in der Zahl der Individuen sind hier die monopodialen Orchideen sehr reichlich vertreten ; abgesehen von localen Verschieden- heiten könnte man sogar sagen, dass solche hier reichlicher vertreten sind, als die sympodialen. Zu den Orchideen der heissen Ebene werde ich noch in weiterer Folge der Abhandlung zurückkommen, um manche ilırer morphologischen und biologischen Eigenthünnlich- keiten zu besprechen; hier will ich noch kurz die Orchideen der höheren Gebirgszonen charakterisiren. In den Urwäldern, welche die Abhänge der Vulkane zwischen 1000 und 1700m Höhe bedecken, und die ich früher als die untere Waldzone der Gebirge bezeichnet habe, wächst eine Orchideenflora, welche von der erwähnten des Tieflandes systematisch und biologisch ganz verschieden ist. Wir finden hier nämlich zahlreiche epiphytische Orchideen an den Stämmen und hoch in Sonnenstralilen badenden Gipfelästen der Waldbäume, meistens Arten, deren Wurzeln mit Moosen bedeckt sind und gewöhnlich nur wenig grün sind, während die meisten Orchideen des Tieflandes an glatten, unbemoosten Baum- stämmen wachsen und grüne Assimilationswurzeln besitzen. Die Folge dieser Lebensweise ist, dass solche Orchideen der Gebirgszone schr schwer in der Ebene, wo die Moose wegen der Trockenheit nicht wachsen wollen, zu cultiviren sind, und gewöhnlich bald vertrocknen, während die Orchideen der Ebene an irgend ein Ilolzstück, Brett oder einen Baumstamm angebunden, sich bald gut bewurzeln und gut, ob- wohl langsam, weiter wachsen. Zwischen den Epiphyten der unteren Gebirgszone sind die monopodialen Orchideen nur sehr spärlich ver- treten. llier ist zwar die eigentliche Heimath der schönen Vanda trieolor, welche in manchen Gegenden zu Hunderten in Riesen- exemplaren zu sehen ist, doch habe ich bis jetzt auf meinen zahl- 332 reichen Ausflügen nur etwa sechs andere monopodiale Orchideen in dieser Höhe gesehen, eine, ein sonderbares Taeniophyllum sogar in der oberen Gebirgszone an dem Südabhang des Gedeh, als die höchst steigende monopodiale Orchidee. Doch verschwindet diese Zahl der Arten und Exemplare der Monopodiales vollständig gegen die Un- menge der sympodialen Orehideenepiphyten, welche hier zu Hause sind. Eine grosse Menge Bolbophyllum, Eria, Dendrobium, Liparis, Pholidota sind hier zu sehen, hier ist auch die eigentliche Heimath der schönblühenden Coelogynearten, und man könnte eben diese Verticalzone als die Coelogyneregion bezeichnen. Es ist gewöhnlich eine nicht leichte Sache, die epiphytischen Orchideen, welche im hochstämmigen Walde an den Baumgipfeln wachsen, kennen zu lernen. Wer es jedoch ohne Mühe thun möchte, der mag den Gunung Guntur, einen thätigen, doch schon seit 50 Jahren ruhenden Vulkan bei Garoet, besuchen. Die Abhänge des Berges sind steil, trocken und mit losem Gerölle bedeckt, zwischen welchem die Bäume noch nicht wachsen können. Nur auf dem Gipfel, in un- mittelbarer Nähe des Kraters, wo der Boden mehr fest ist und die warmen Wasserdämpfe des Kraters mehr Feuchtigkeit liefern, hat sich eine dichte Strauchflora von Vaceinium, Myrica, Hydrangea, Rubus- und Symplocosarten entwickelt. Sonst finden wir an den Abhängen des G. Guntur die meisten der liehtliebenden Epiphyten der Waldzone im Gerölle wachsend. Da eben hier die Bäume fehlen und der Boden nicht beschattet ist, so finden diese Epiphyten schon am Boden solehe Licht- und Vegetationsverhältnisse, welche ihnen am meisten passen, und welche sie sonst nur an den belichteten Gipfelästen der Wald- bäume finden können. Es ist interessant, hier am Boden die pracht- vollsten Epiphyten blühend zu sehen, zahllose Nepenthesexemplare, epiphytische Lycopodien und Farne, besonders häufig Psilotum tri- quetrum, Vanda tricolor (eine interessante Varietät) in Hunderten von Individuen, zahlreiche Dendrobien, Coelogynearten, Pholidota, Bolbo- phyllum, Appendicula, Ceratostylis anceps, Eria, Cymbidium u. s. w. Je höher wir aufsteigen, desto mehr überwiegen kleine, fast suceulente l’ormen mit gewöhnlich hübsch roth gefärbten Blättern. Das winzig kleine, schön gelb blühende Bolbophyllun laxiflorum erinnert fast in der Feinheit der Blumen an unsere alpinen Soldanellaarten. Doch bilden die Epiphyten nur einen Bruchtheil der Orchideen- Hora des Gebirgswaldes. In einem schroffen (iegensatz zu der Ebene, wo die Erdorchideen sehr selten sind, finden wir diese hier in grosser Zahl der Arten und Exemplare. Und zwar verschiedene Arten, je u nennen namen ne 383 nach der disponiblen Lichtmenge und Feuchtigkeit. An trockenen, besonnten, schattenlosen Stellen komnıt massenhaft Arundina speciosa vor, dabei kleine Mikrostylis- und Liparisarten, endlich die prachtvoll blühenden Habenaria und Platanthera, von welchen die Platanthera Susannae mit ihren blendend weissen Riesenblumen und 2dm langen Sporen unsere Aufmerksamkeit erregt. Auf dem feuchten Boden des Urwaldes, zwischen den Nephrodien und ähnlichen Farnen, wachsen die schönblühenden, riesenblättrigen Orchideen, wie mehrere Phajus, Calanthe, Acanthephippiumarten. Und endlich an den halbdunklen, tiefbeschatteten und feuchten Stellen, unter den Felsabhängen, in Vertiefungen finden wir wieder eine andere Vergesellschaftung der Orchideenarten, nämlich einerseits die delieaten, feinblättrigen, in allen Farben marmorirten und gezeichneten, manchmal dem morschen Boden täuschend ähnlichen Goodyera, Anaectochilus, Pogonia, Haeteria, Macodesarten, andererseits zahlreiche Saprophyten, wie Aphyllorchis, Leucorchis, Lecanorchis javanica, Stereosandra javanica. Und zu- sammen mit diesen Orchideen finden wir an solchen Stellen verschie- dene, den Biologen und Morphologen interessirende Pflanzen, also Treubia insignis, Calobryum Blumei, Trichomanes javanieum, Balano- phora, Brugmansia Zippelii, Rhopalocnemis phalloides, Gonyanthes candida, Aeginetia Centronia u. s. w. In der oberen Waldzone der Gebirge, also in der Zone der Lo- marien und der in Moospolstern versteckten, im Schatten wachsenden „Epiphyten“ treten die epiphytischen Orchideen schr stark zurück. Zwar habe ich in diesen Höhen wenig nach Orchideen gesucht, doch auffallend genug ist, dass ich da nur zwei epiphytische Orchideen gefunden habe, das schon erwähnte Taeniophyllum und die Hexameria disticha. Diese beiden Orchideen habe ich am Gedeh, in der Meinung Farne zu sammeln, gesammelt, so ähnlich sind sie den Polypodium- arten, zwischen welchen sie, im Moos versteckt, an den Baumstämmen wachsen. Und zwar erinnern die flachen, frei hängenden Wurzeln des Taeniophyllum sp. ganz an einige schmalblättrige Polypgdiumarten (congener ete.), während Hexameria disticha dem Polypodium cucul- latum und P. ineonspieuum ungemein ähnlich ist. Noch höher in der alpinen Region, zwischen dem Gnaphalium- wäldehen an den Spitzen des Gedeh und Pangerango, sind keine epiphytischen Orchideen mehr vorhanden. Dagegen finden wir am Boden, zwischen Stereocaulon, Cladonia und anderen Flechten, zu- sammen mit der winzigen Gentiana quadrifaria und geruchlosen Veil- chen, die zahllosen Exemplare der Thelymitra javanica Bl., welche 334 an die Gynınadenien oder Coeloglossumarten der alpinen Maiten Euro- pas erinnert. Nach dieser vergleichenden Darstellung der verticalen Verbreitung zweier artenreichen Gruppen der javanischen Pflanzen, der Farne und der Orchideen, wird wahrscheinlich auch die eigentliümliche Flora der Djatiwälder der trockenen javanischen Ebene mehr verständlich. Den meisten Botanikern, welche nach Buitenzorg kommen und deren Beobachtungen die Biologie, Morphologie und Physiologie der Pflanzen so viel zu verdanken hat, bleibt eben diese xerophile Flora wenig bekannt oder sogar unbekannt und doch bietet sie, trotz des anfäng- lich unfreundlichen Aussehens, Interessantes genug. Als ich Mitte Juni aus dem grünen und kühlen Buitenzorg nach Tegal kam, war ich erstaunt über die Einwirkung des trockenen Östmossuns auf die Vegetation der heissen javanischen Ebene. Die Bambusagebüsche haben gelbe, halb vertrocknete Blätter, manche von ihnen blühten, um dann abzusterben, die überall wachsenden Mangabäume (Mangifera indica) warfen ebenso wie viele andere Bäume einen Theil ihrer Blätter ab, manche anderen Bäume standen .ganz blattlos. Nur die angepflanzten Pisonia alba entwickelten unter der schützenden Decke ihrer weissen chlorophylilosen, besonnten Blätter reichlich die freudig gelbgrünen assimilirenden. In den Wäldern standen viele Bäume blattlos, der Boden war sehr arm an kleineren Pflanzen, nackt und trocken. Traurig für einen Botaniker ist zu dieser Zeit eine Wanderung durch die Djatiwälder. Der Djatibaum (Tectona grandis), wegen seines Holzes hoch geschätzt, durch die Regierung geschützt und an- gepflanzt, bildet hier in der Ebene und dem unteren Hügellande, an trockenem und wenig fruchtbarem Boden grosse Wälder, und zwar in reinen Beständen; nur selten finden wir dazwischen einen Ficus oder Acacia. Im Ostmossun werfen nun die Bäume ihre grossen Blätter gänzlich ab und stehen ganz nackt und kahl, keinen Schatten gebend. Mit jedem Schritt hören wir das unheimliche Knistern der unter den Füssen brechenden harten Blätter, welche den Waldboden ganz be- decken. Nur selten schen wir hier kleine Sträucher, besonders die Anonaceen, Oudemansia, Leea ete., an manchen Strecken dagegen halbtrockene Gräser, deren Samen bald zu Tausenden an den Kleidern haften und unter dem Einflusse der Transpiration des Wanderers immer tiefer sich einbohren. In den blattlosen Kronen hängen hie und da grosse Büsche grüner parasitischer Loranthaceen, an welchen wieder fast immer Viscum artieulatum sich angesiedelt hat. 335 Junghuhn schreibt in seiner interessanten Beschreibung der Djatiwälder (Java I): „Keine Lianen umschlingen diese Stämme, an ihren Aesten finden wir keine Epiphyten wie Pothos, Orchideen oder Farne, keine Seitamineen wachsen zwischen den Stämmen.“ That- sächlich kann man manchmal grössere Strecken durehwandern ohne Epiphyten oder Lianen zu sehen, es fehlen aber weder die einen noch die anderen. Hie und da hängt oben eine über Im lange Hülse der Entada scandens, und in keinem Museum habe ich so schöne Affentreppen, jene Lianen mit flachem, breitem, treppenartig gebogenem Stamm gesehen wie hier. Seltener finden wir Stämme, die von den Würgwurzeln einer Araliaceae oder Ficus umsponnen sind. Und auch die Epiphyten fehlen nicht ganz, wenn sie auch stark in der Zahl der Arten und Individuen zurückstehen hinter jenen eines höher, an den Abdachungen der Vulkane wachsenden Waldes. Wir finden hier hoch an den Baumästen hängend, lange und dünne, bereifte Sprosse des Lycopodium carinatum Desv. Die Rinde ist manchmal bedeckt durch die einander ähnlichen und manchmal durch- einander wachsenden Polydium nummulariaefolium, P,. adnascens und Drymoglossum piloselloides. Nicht selten ist Polypodium Linnei, dessen Rhizome vertical nach oben wachsen, während die des P, (Drynaria) rigidulum horizontal die Baumstämme umgeben, mit ihren Nischenblättern grosse humusvolle Nester bildend, die immer durch die Ameisen oceupirt sind. Während des Ostmossuns verliert P. rigidulum die Blattfiedern, nur die zahlreichen trockenen Blattspindel ragen von dem Nest nach oben. Von den höchsten Aesten hängen endlich die langen Blattsegmente des Platycerium aleicorne. Neben den Farnen finden wir zahlreiche Asclepiadeen als Epi- phyten, speciell Dischidia und Hoyaarten. Von diesen kommt hier D. Rafflesiana am häufigsten vor, sie fehlt nur selten an den isolirt stehenden Bäumen. Doch die zahlreichsten Epiphyten des hiesigen Djatiwaldes liefert die Familie der Orchideen, und wenn auch die- selben nicht immer in grösserer Zahl der Exemplare aufzufinden sind, so locken doch bald die schönen Blumen des Phalacnopsis amabilis, Renanthera arachnifera, R. Sulingii, Vanda trieolor (diese kommt nur in etwas höheren Lagen vor), Whynchostylis refusa, Saccolabium miniatum, Aerides virens, Dendrobium secundun, muta- bile und zahlreiche andere Arten bald die Aufmerksamkeit des Wanderers heraus. Und auch der Botaniker merkt bald, dass trotz des Mangels an Ueppigkeit, welcher die hiesige Flora kennzeichnet, trotz der Armuth an Arten, trotz der lange andauernden Trockenheit (in 336 der ostjavanischen Ebene fällt in manchen Jahren während mehreren Monaten kein Tropfen Regen), zum Theil eben wegen dieser Trocken- heit eine Reihe interessanter, an die extremen meteorologischen Ver- hältnisse angepassten Pflanzen hier zu finden ist, Davon will ich hier einige näher besprechen. Der Epiphytenflora wurde in den letzten Jahren eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt; Goebel, Schimper, Treub, Bec- ecari und Karsten haben uns mit biologischen Eigenthümlichkeiten dieser „Luftpflanzen“ bekannt gemacht. Wenn auf diese Weise die morphologische Gliederung und die Lebensweise der Epiphyten im Verlaufe weniger Jahre zu den best bekannten geworden sind, so kann doch noch immer der Beobachter eine Menge verschiedener unbekannter Anpassungen finden. Manche derselben will ich hier beschreiben. Die winzig kleinen Samen der hiesigen epiphytischen Orchideen werden durch die Elateren verstäubt und durch Wind verbreitet. Gewöhnlich sind sie an der Oberfläche glatt, und können nur dann an der Baumrinde haften bleiben und keimen, wenn sie in ent- sprechende, geschützte Risse fallen. Sehr viele dieser Samen kleben dagegen leicht im Westmossun, in der dünnen Lage verschiedener gallertartigen Cyanophyceen, welche in feuchten Monaten an sehr vielen Baumstämmen zu finden A sind. Bei zwei Arten habe ich / dagegen specielle Haftorgane an Fig. 1. den Samen bemerkt. Diese Arten habe ich als Aerides (Sarcochilus, Dendrocolla) compressum und A. minimum bestimmt. Fig. 1 stellt den Samen des Ae. compressum stark vergrössert dar. Die äusseren Zellen der Samenschale sind hier an den Berührungsflächen mit den benachbarten stärker, fast leisten- förmig verdickt, und bei der Fruchtreife lösen sich viele dieser Ver- diekungsleisten von der bleibenden Wand, von einer Seite ab, und ragen mehr oder weniger nach aussen, aber fast immer so, dass die freien Spitzen gegen die Mitte des Samens convergiren. Diese Spitzen sind manchmal etwas angeschwollen oder ankerartig gebogen. Im Innern des Samens liegt der schmallängliche, undifferenzirte Embryo. Es ist klar, dass so ausgerüstete Samen viel leichter als die ganz glatten an der Baumrinde haften können, sie verankern sich nämlich mit den kleinen Widerhaken in den kleinsten Unebenheiten des Substrats. Diese beiden Aeridesarten zeigen in ihrem Vorkommen eine Eigen- 337 thümlichkeit, welche bei den anderen hiesigen Orchideen nicht. vor- handen ist. Während nämlich die meisten der hiesigen epiphytischen Orchideenarten nur vereinzelt oder in wenigen Exemplaren auf einem Baume wohnen, mit ebenso vereinzelten Exemplaren anderer Arten vergesellschaftet, wachsen die zwei erwähnten Aeridesarten immer gesell- schaftlich, unter jedem älteren Individuum kann man sicher zahlreiche Jüngere und auch Keimlinge finden. Ich habe hier Bäume gesehen, deren Stammoberfläiche durch tausende Exemplare des Aerides mini- mum, der kleinsten hiesigen Orchidee, bedeckt war. Dieses gesellschaft- liche Vorkommen steht ohne Zweifel im Zusammenhange mit der Leichtig- Keit, mit welcher die meisten Samen sich an der Rinde anheften können, Ganz anders gebaut sind die Samen einer schönen Erdorchidee, Eulophia sp., welche hier nieht sehr selten ist und zu Ende des Ost- mossuns schöne hellrosa Blumenrispen bildet, welche während des Blühens nach unten gebogen sind und erst bei der Fruchtreife sich gerade stellen. Die ziemlich grossen und schweren Samen kleben doch sehr leicht an einer Glasfläche, ihre oberflächlichen Zellen sind sehr weit- lumig, die Wände derselben mit feinen, parallelen, dicht verlaufenden, verholzten Ring- und Spiralverdiekungen versehen. Diese Zellen saugen sehr rasch Wasser ein, und der kleine rundliche Embryo liegt dann in einem Wassergewebe verborgen. Die Keimung der epiphytischen Orchideen ist bisher nur bei wenigen Arten bekannt. Von den monopodialen Orchideen hat die- selbe Beer bei Sarcanthus rostratus (Pfitzer, Vergl. Morph. Tab. I Fig. 20—22), Goebel bei Taeniophyllum Zollingeri (Pflanzenbiolog. Schilderungen I pag. 195) und F. Müller bei dem Phymatidium (Orchideen von unsicherer Stellung, Ber. d. Deutschen bot. Ges. XII, 1895, pag. 199, Taf. 18) beschrieben. Bei Sarcanthus rostratus schwillt der Keimling zu einem Knöllchen, ähnlich wie es mehrere sympodiale Orchideen thun, dagegen bei Taeniophyllum und Phyma- tidium wächst der Embryo zunächst zu einem sehr charakteristischen, grünen Körper aus. Dieser ist dorsiventral gebaut, länglich, im Quer- schnitt dreieckig, mit einer schmalen Sohle, welche mittelst zahlreicher Hafthaaren den Keimling festhält und mit einem hohen, einer Messer- klinge ähnlichen Rücken. . Ich habe Keimlinge von einigen monopodialen Orchideen (Vanda tricolor, Phalaenopsis amabilis und P. bella, Aerides compressum, A.sp., A. minimum) untersucht, alle sind ähnlich gebaut wie diejenigen von Taeniophyllum oder Phymatidium, und zwischen den Keimlingen ver- schiedener Arten sind nur seeundäre Differenzen vorhanden. 338 So sind z. B. die Keimlinge der Phalaenopsis amabilis fast so breit wie hoch oder noch breiter, bis 8mm breit, bis 6mm lang, und ihre dorsale Kante ist nieht scharf, sondern bildet einen stumpfen Winkel. Noch mehr stumpf sind die Rücken der noch kleineren Keimlinge von Vanda tricolor, welche im Gegensatz zu den anderen im Humus fast ganz versteckt sind. Die Keimlinge der Phalaenopsis bella, Aerides sp. und Aerides compressum sind denjenigen von Taeniophyllum Zollingeri ganz ähnlich, aber fast doppelt so hoch. Dagegen bietet die kleinste hiesige monopodiale Orchidee, Aerides minimum, manche Eigenthümlichkeiten, und deswegen will ich diese näher besprechen und durch die beigefügten Zeichnungen illustriren. ‚Aerides minimum habe ich bisher nur an drei Stellen gefunden, bei Wonopringo in der Residenz Pekalongan, bei Kagok in der Residenz Tegal und bei Madjalenka in der Residenz Cheribon. Wo es aber vorhanden ist, da kann man ohne Mühe alle Entwickelungs- stadien neben und auf einander wachsend, auf einem Baumstamm finden. Die Pflanzen sind sehr klein, die Stämme der grössten Exemplare, die ich gesammelt habe, waren bis 7mm lang und tragen 5—9 lineare, bis Tmm breite, fleischige Blätter. Die Blattlamina sitzt an der Blattscheide artieulirt, und die Blattscheide verläuft jeder- seits der Anheftungstelle der Blattlamina in abgerundete, dem Stamm fest anliegende Läppchen. Die Blätter zeichnen sich durch eine sehr bedeutende Lebenszähigkeit aus; im Oetober vorigen Jahres habe ich einige Blätter abgeschnitten und in eine in feuchter Atmosphäre ge- haltene Farnsporeneultur geworfen. Noch jetzt (Mitte Juni) sind alle diese Blättchen frisch, lebhaft grün, lebend, obwohl sie keine adven- tive Wurzel oder Sprosse getrieben haben. Aus den Blattächseln kommen die Blüthenstände einzeln hervor, diese sind walzenförmig und allseitig mit kleinen, schuppigen Blättchen, den Deekblättern der Blüthen bedeckt. Die Blumen entwickeln sich, wie bei vielen anderen hier wachsenden Aerides- (Sarcochilus) Arten, sehr langsam, und zwar kommen an einem Blüthenstande gewöhnlich zu gleicher Zeit zwei Blumen zur Reife, nach 4—6 Wochen später wieder zwei höhere, und so immer weiter, wobei ein Blüthenstand sechs oder noch mehr Monate immer in monatlichen oder längeren Pausen eine oder einige offene Blumen bringt. Die Blumen sind gelblich, sehr klein und unscheinbar, mit linearen gelblichen Sepalen, etwas kürzeren Petalen und einer winzig kleinen, spatelförmigen, an den breiten Rändern etwas gezähnten Lippe. Diese Blumen öffnen sich Morgens früh und sind Nachmittags welk, eine Eigenthümlichkeit zahlreicher 339 verwandter Arten und mehrener hiesigen Dendrobien. Solche Arten haben noch das Gemeinsame, dass alle Exemplare einer Art in der ganzen Umgebung an einem und demselben Tage aufblühen, und am nächsten Tage kein einziges Individuum blühend zu finden ist. Bei dem Aerides teres konnte ich konstatiren, dass die im Walde ge- lassenen Exemplare und die in meinen Garten verpflanzten (und da- bei stark beschädigten), sowie die schon früher von einer anderen Gegend gebrachten alle an demselben Tage aufgeblüht waren. Fig. 2. Die winzig kleinen Samen sind denjenigen von Phymatidium (Abbildung bei Fritz Müller I. ce.) ganz ähnlich. Die ersten Keimungsstadien habe ich nieht beobachtet, die jüngsten mir bekann- ten Stadien sind schon Keimlinge von etwa Imm Länge, denjenigen von Taeniophyllum oder Phymatidium ganz ähnlich, ohne eine Blatt- anlage und ohne Wurzel mit zahlreichen Hafthaaren an der Borke 340 befestigt. Schon in so jungen Stadien ist ein feines Gefässbündelchen vorhanden, welches die Keimlinge der Länge nach durchzieht. Die Keimlinge wachsen langsam weiter (bei A. compressum 3-——-4mm in einem Monat) und erreichen eine Länge von 1—4em, bei einer Sohlenbreite von 1,5mm, und bis 3mm Höhe. Sie wachsen an der Borke in allen möglichen Richtungen, bald nach oben, gewöhnlich Fig. 3. horizontal, seltener schief nach unten. An den grösseren Keimlingen unterscheiden wir deutlich die etwas versteckte Vegetationsspitze, welche von der Stirn des Keimlings überragt und verdeckt wird; neben dieser nur wenig vertieften Vegetations- spitze sind mehrere Drüsenhaare vorhanden, welche Schleim unter der Cutieula produziren, und diesen dann über die Vegetationsspitze übergiessen. Gegenüber der überragenden und nach unten geneigten Stirn des Keimlings entsteht dann an der Vegetationsspitze, also an der Bodenseite das erste Blättchen, welches schuppenförmig, klein und ohne Gefässbündel bleibt. Ihm gegenüber wird später das zweite Blatt gebildet, welches zwar klein bleibt, doch schon den ge- wöhnlichen Laubblättern ähnlich gestaltet ist, und später entstehen Fig. 4. 341 weitere Blätter in zweizeiliger Anordnung. Die Figur 6 zeigt zwei parallele (Querschnitte durch die Spitze des Protocormes mit dem ersten (f. 1) und tiefer (f. 2) zweiten Blatt, Unterhalb des ersten Blattes wird die erste Wurzel endogen gebildet. Einige Keimlinge habe ich auf der angefügten Zeichnung (Fig. 2) abgebildet; die Fig. 3 zeigt einige (Querschnitte derselben bei schwacher Vergrösserung. Die Keimlinge sind mit dünnwandigen, chlorophylihaltigen Epidermzellen bedeckt, zwischen welchen kleine und nieht zahlreiche Spaltöffnungen vorhanden sind. Diese besitzen einen Vor- und einen Hinterhof. Im Inneren finden wir isodiametrische, dünnwandige Parenchymzellen, hie und da eine mit Raphiden erfüllte Schleimzelle. Die Parenchymzellen der beiden belichteten Seiten der Keimlinge besitzen grosse, stärkeführende Chlorophylikörner, während die Parenchymzellen, die zwischen der Sohle und dem Gefässbündel Fig. 5. liegen, mit Eiweissklumpen erfüllt sind, in welchen Pilzhyphen, (endotrophe Myeorrhiza) vorhanden sind. Die an das Substrat anstossen- den Epidermzellen laufen zum Theil in lange Rhizoiden aus, zum Theil dagegen bleiben sie kurz und dann sind ihre Radiärwände ‚mit radiären, verholzten Wandverdiekungen versehen, welche vielleicht die Festigkeit dieser Wasserzellen erhöhen. Das einzige, den Keimling der Länge nach durchziehende Gefäss- bündelchen ist sehr schmal und besteht aus wenigen schmalen Tracheiden, Siebröhren und grosskernigen Geleitzellen und ist von einer Schicht dünnwandiger Endodermiszellen umgeben. Im anatomischen Bau stimmen alle durch mich untersuchten Keimlinge der monopodialen Orchideen überein. Dagegen zeichnen sich diejenigen des Aerides pusillum durch die Bildung adventiver Sprosse aus, welche zwar nicht immer, aber doch an zahlreichen 3 Flora 1898. 2 342 Exemplaren erscheinen. Diese adventiven Sprossungen stehen gewöhn- lich an den Sohlekanten, manchmal auch auf den Flanken der Keim- linge, bald vereinzelt, bald zu mehreren zerstreut oder auch gedrängt. In der Fig.2B,C,E und Fig.3e sind auch Keimlinge mit adventiven Sprossungen abgebildet. Was die Bildungsweise der adventiven Sprosse anbelangt, so scheinen die jüngsten Stadien, welche ich untersuchen konnte, und deren eines ich hier im Querschnitt (Fig. 5) wiedergebe, zu beweisen, dass sie durch die wiederholten Theilungen einer einzigen Epidermis- zelle entstanden sind. In weiterer Entwickelung bildet sich in den- selben ein Gefässbündel, und endlich wachsen sie zu ebensolchen Keimlingen aus, wie die, aus welchen sie entstanden sind. Fig. 6. Der Embryo der untersuchten monopodialen Orchideen ist nicht differenzirt. Bei der Keimung wächst er zunächst zu einem dorsi- ventralen, auf dem Querschnitt dreieckigen Keimling, welcher durch Rhi- zoiden an dem Substrat sich festhält. Vielleicht macht auch Sarcanthus in dieser Beziehung keine Ausnahme, bei Lupenbetrachtung ist der eigentliche Bau auch bei Phalaenopsis oder Vanda nicht so deutlich wie bei Aerides, man muss dazu Querschnitte anfertigen. Eine Wurzel bildet der Keimling nicht. Die erste Wurzel entsteht viel später, zusammen mit der Bildung der Blätter, endogen. Suchen wir nach morphologischen Homologien der sonderbaren Keimlinge, so finde ich nur in den durch Dr. M. Treub untersuchten Keimlingen der Lycopodiumarten verwandte Gebilde, nämlich die 343 Protocormen, und deswegen halte ich die Keimlinge der monopodialen Orchideen für assimilirende Protocorme, welche bei einer Species durch eine Art Knospung sich vermehren können. An diesen Proto- cormen wird nachträglich eine blattbildende Vegetationsspitze ange- legt. Erwähnt wurde, dass das vordere Ende des Protocorms und zwar des Rücken desselben in eine nach vorne und unten ragende, die Vegetationsspitze bedeckende Nase ausgezogen ist; in diesem Vorsprung sieht Goebel (l. c.) einen rudimentären Cotyledon. Biologisch sehen wir in den dorsiventralen Protocormen der Orchideen eine für die epiphytische Lebensweise sehr nützliche Keimungsweise. Ebenso wie bei der Keimung des Moosporen zu- nächst ein einfaches Protonema entsteht, welches sich reichlich ver- mehren kann, an welchem später die Moospflanzen angelegt werden, wird bei der Keimung vieler Orchideensamen zunächst ein einfacher Protocorm gebildet, welcher in manehen Fällen sich vermehren kann, und an welchem die vollständige, Geschlechtsorgane bildende Pflanze angelegt wird. Bei der weiteren Entwickelung des Aerides minimum geht der Protocorm zu Grunde. Doch kann man blühende Exemplare finden, an welchen der Protocorm noch lebend erhalten ist, Einige epiphytische Orchideen verbreiten sich nicht nur durch Samen, sondern auch rein vegetativ von Ast zu Ast, von einem zum anderen Baum. Eine solche vegetative Verbreitung hat Eggers bei dem amerikanischen Oneidium Lemonianum (eitirt bei Schimper, Epiphytische Vegetation Amerikas pag. 82) beschrieben; hier findet sie statt bei einigen weissblühenden Dendrobiumarten, am besten bei dem D. mutabile, welches zu den gewöhnlichsten Epiphyten der Djatiwälder gehört. D. mutabile bildet bis 1,2m lange Sprosse von begrenztem Wachsthum, welche oberhalb der Basis an der Länge einiger Inter- nodien spindelförmig angeschwollen, zweizeilig beblättert und durch sehr zahlreiche, lange aber dünne Wurzeln an der Rinde angewachsen sind. Nach einer Vegetationsperiode fallen die Blattflächen ab, die Scheiden derselben vertroeknen und bleiben an den blattlosen Inter- nodien fest anliegen. An den schon entblätterten (seltener schon früher) Sprossen entwickeln sich die Seitensprosse zu beblätterten, aber kürzeren Zweigen und tragen in den Achseln der obersten Blätter oder der gipfelständigen schuppenartigen Hochblätter Rispen kleiner, aber schöner, mehrere Tage frisch bleibender Blumen. Manche der beblätterten Seitensprosse bilden keine Blüthenstände, dagegen 23* 344 treiben sie an der Basis zahlreiche, 0,5—0,8m lange, dünne Luft- wurzeln, welche nach allen Richtungen des Raumes wachsen und sich an alle zufällig berührten Aeste anheften. Hat der Seitenspross durch die Adventivwurzel sich fest angesiedelt, dann bleibt er lebend und wächst rasch weiter, von dem ganz vertrocknenden Mutterspross los- gemacht; im entgegengesetzten Fall blüht er und vertrocknet bald selbst. Ueber die Art und Weise, wie die Epiphyten sich an dem Sub- strat befestigen und bei ihrem Luftleben mit Wasser und anorganischen Nährstoffen versorgt werden, haben Goebel, Schimper und mehrere andere Forscher sehr interessante Mittheilungen gemacht. Schimper hat die amerikanischen Epiphyten nach ihren Anpassungen an den Standort in vier Gruppen getheilt; ganz ähnliche Differenzirung zeigen in dieser Hinsicht die epiphytischen Orchideen des Djatiwaldes. Eine Zwischenstufe zwischen den Lianen und den echten Epiphyten bilden jene Pflanzen, welche einen Theil ihrer Wurzel in den Boden senden, andere aber als Haftorgane benutzen, mit deren Hilfe sie immer höher, bis in die Gipfel der Bäume steigen. Von solchen Epiphyten kommen in den Djatiwäldern einige Fieusarten, welche endlich ihre Stützbäume würgen, mehrere Aroideen, speciell Pothos- arten, Piperaceen, Araliaceen vor, von den Orchideen dagegen nur eine Vanillaart, welche der V. aromatica sehr ähnlich ist, aber dickere Früchte trägt. Blühend habe ich diese Art noch nicht gesehen, wahr- scheinlich ist sie mit der V. albida Bl. identisch. In hiesigen Wäldern ist sie sehr häufig und zwar wächst sie entweder in der Nähe der kleinen, im Ostmossun trockenen Bäche hoch an die Bäume kletternd, oder auch bedeckt sie zusammen mit mehreren Pothosarten grössere Felsblöcke im Walde. Wie andere Vanillaarten trägt auch diese zweizeilig angeordnete Blätter, seitlich von der Basis jeden Blattes wird eine adventive Wurzel gebildet. Manche, besonders die unteren dieser Wurzeln, wachsen positiv geotropisch und dringen in den Boden, schwellen da etwas an, bedecken sich allseitig mit einem Filz von Wurzelhaaren und functioniren als gewöhnliche Bodenwurzeln. Andere dagegen wachsen in allen Richtungen des Raumes, verkümmern bald, wenn sie keine Stütze gefunden haben und wachsen fest an jedes be- rührte Objeet an, so fest, dass ohne Zerreissen die angewachsenen Wurzeln nicht zu befreien sind. Findet eine solehe Wurzel einen dickeren Ast, einen Baumstamm, ein Blatt oder einen Felsenblock, dann verflacht sie sich bedeutend, wächst horizontal und dient der Pflanze als Haftorgan und zugleich als assimilirende Wurzel. Hat sie dagegen nur einen dünnen 345 Ast, eine dünne Luftwurzel oder einen Blattstiel erreicht, dann wächst sie 2—4mal rings um dieselben, bildet so ein starkes Haftorgan ohne sich jedoch zu verflachen; die assimilatorische Thätigkeit tritt hier hinter die befestigende stark zurück. Auf dieselbe Weise wächst die laubblattlose, nur kleine Schuppenblätter tragende Vanilla aphylla auf der Insel Nusa Kambangan, so wie auch die hier überall eulti- virte V. planifolia. Ohne die Bodenwurzeln wächst die letzte Art in der Ebene gar nicht oder nur sehr schlecht, deswegen pflanzt man ihre Stecklinge immer in den Boden, an der Basis der Stützbäume; in höheren, mehr feuchten Lagen habe ich sie jedoch an den mit Epiphyten, Moos und Gallertalgen bedeckten Bäumen auch obne Bodenwurzel gut wachsend gesehen. Nur habituell den Lianen ähnlich ist die rein epiphytische, pracht- volle Orchidee Renanthera moschifera.. In den wüsten, mit verein- zelten Djati- und anderen Bäumen, zahlreichen Sträuchern, Lianen und Cycas cireinalis bedeckten niedrigen Hügeln bei Kagok gehört sie zu den häufigsten Orchideen. Hunderte von Karbaus (Bos sundai- cus) weiden hier ohne Aufsicht und vernichten die meisten Pflanzen; Renanthera (vielleicht in Folge eines Alkaloidgehaltes) bleibt von ihnen verschont, sowie Aconitum oder Rhododendron der alpinen Wiesen Europas. Ueberall zwischen den Sträuchern ragen die langen, beblätterten Sprosse hervor; da jedoch, wo einige Bäume ohne viel Schatten zu geben vereinzelt über die niedrige Strauchvegetation sich emporheben, entwickelt sich unsere Pflanze am besten. Mit Hilfe der bis Im und noch längeren gänsekiel- bis bleistiftdieken Wurzel, die mit ihren Spitzen an der Baumrinde oder den Aesten haften, hängt sie in der Luft, wächst, zwischen den Aesten hängend, immer höher und erreicht endlich die Oberfläche der Krone mit den Spitzen ihrer 3—8m langen Sprosse. Erst jetzt kommen die bis Im langen Blumenrispen zum Vorschein, welche grosse, schön gefärbte, schwach nach Moschus duftende Blumen tragen. Wegen der Blumen wird die Pflanze von den Javanen Scorpionenorchidee genannt, doch habe ich hier keine Scorpionenart gesehen, welche diesen Blumen besonders ähnlich wäre. Dagegen ähneln die Blumenknospen den Schlangenköpfen so ungemein, dass ich diese Aehnlichkeit als einen der interessantesten mir bekannten Fälle der Mimiery in der Pflanzenwelt bezeichnen muss. Der durch die mit Schlingpflanzen verwebte Strauchvegetation. wandernde Bota- niker bemerkt manchmal unmittelbar vor den Augen den Kopf einer auf den Sträuchern und Lianen jagenden Schlange; wer solche einmal 346 gesehen hat, der wird erstaunt sein bei dem Anblick der ganz ähn- lichen, ebenso aus dem Blattgewirr hervorragenden, auf langen Frucht- knoten sitzenden Knospen der Renanthera moschifera. Es sind hier europäische Damen, welche ihren Widerwillen bei dem Anblick dieser Knospen nicht verbergen können. Ich konnte nicht experimentell feststellen, inwieweit dieser Fall von Mimiery der Pflanze von Nutzen ist. Die grossen, fleischigen Knospen verschiedener hiesiger Orchideen (Phalaenopsis amabilis, Aerides virens, Vanda tricolor) werden hier sehr häufig von Raupen ganz zerfressen. Aerides virens ist in der Natur nur selten, häufiger in der Cultur; wahrscheinlich sind die Knospen infolge der süsslichen Honigausscheidung, von welcher noch weiter unten die Rede sein wird, in der Natur besser durch die Ameisen geschützt. Die grossen Knospen von Renanthera moschifera scheiden keinen Honig aus und sind frei von Ameisen, trotzdem habe ich sie immer gesund, frei von Raupen angetroffen, vielleicht infolge der Schlangenähnlichkeit. Renanthera moschifera bildet ihre langen Haft- und Nährwurzeln in grösseren Abständen von einander fast an der ganzen Länge ihrer mehrere Meter langen, lianenähnlichen Sprosse. Alle anderen hier wachsenden monopodialen Orchideen sind bedeutend kleiner und treiben ihre Wurzel meistens nur von den basalen Knoten der Sprosse. Die Wurzeln sind immer grün und zwischen den hiesigen Arten sind alle Uebergänge vorhanden zwischen jenen Formen wie Vanda trieolor, wo die assimilatorische Thätigkeit der Wurzel nur unbedeutend und verschwindend klein ist gegen die assimilatorische Thätigkeitder Blätter, bis zu denjenigen merkwürdigen Formen wie Taeniophyllum Zol- lingeri, wo nur die Wurzeln assimiliren, die Blätter dagen als winzig kleine Schuppen entwickelt sind.. Sogar bei manchen grossblättrigen Arten, z. B. bei dem sehr gewöhnlichen Rhynchostylis retusa, ist manchmal die grüne Assimilationsfläche der langen Wurzel ebenso gross, wie diejenige der Blätter. Rhynchostylis retusa wächst hier überall an den Stämmen der Djati, auch an den sonst epiphytenarmen Tamarindusbäumen. Sie bildet ungemein dieke und lange Wurzeln, welche sich der Borke fest anschmiegen, flach werden, die Risse derselben bevorzugen und in denselben theils nach unten, theils nach oben, theils auch transversal wachsen, die Pflanze festhaltend. Sie erreichen eine bedeutende Länge (bis 3m). Wird eine Pflanze durch ein kletterndes Thier, z. B. durch einen Affen, abgerissen, dann hängt sie in der Luft, durch die aus- gespannten Wurzeln festgehalten. Neue cylindrische Wurzeln solcher 347 hängenden Exemplare erreichen manchmal eine bedeutende Länge, bis sie die Rinde erreichen und an derselben bandförmig flach weiter- wachsen, Beobachtet man solche frei in der Luft wachsende Wurzeln am frühen Morgen oder während des Regens, so sieht man ihre Spitzen mit einer bis 8mm dicken, farblosen Schleimschicht überzogen, welche während der trockenen Stunden nur langsam ihr Wasser verliert und dasselbe wieder sehr begierig aufsaugt. Diese Schleimmasse wird hier nicht durch besondere Haare, wie solche der Vegetationsspitzen der meisten epiphytischen Orchideen mit Schleimüberzügen, produzirt, sondern durch die noch jungen, hohen, dünnwandigen Epidermzellen. An der Aussenseite der dünnen Cellulosewand wird Schleim abge- sondert, in welchem anfangs noch Spuren einer Schichtung sichtbar sind. Mit dem Alter verändern sich diese Epidermzellen; gleichzeitig mit der Ausbildung des Velamens treten an ihren Wänden leisten- förmige, verholzte Wandverdickungen, und die Schleimbildung hört auf. Aehnliche Schleimüberzüge haben auch — wenn auch in kleinerem Masse — die Vegetationsspitzen anderer epiphytischer Orchideen z. B. Aerides virens. Sie sind auch bei vielen anderen hiesigen Pflanzen vorhanden. Der Tourist, welcher in frühen Morgenstunden von Kandak-Badak aus die Spitze des Pangerango besucht, kann an den Luftwurzeln des Lycopodium volubile die Schleimüberzüge der Vege- tationsspitzen derselben bewundern, welche bis Icm dick sind. Aber auch bei den kleineren Erdiycopodien der Pangerangospitze, z. B. Lycopodium eomplanatum und L. clavatum var. divaricatum, sind die Vegetationsspitzen mit einer Schleimmasse bedeckt. Die Zellen der sehr stark entwickelten Wurzelrinde der Rlıyn- chostylis retusa functioniren zugleich als assimilirende und wasser- sammelnde Organe. Bei Aerides virens, einer gewöhnlich zusammen mit der vorigen Species wachsenden und ihr ähnlichen Art, hat in dieser Beziehung eine Arbeitstheilung stattgefunden, indem nur etwa Ya der Zellen der Rinde assimilationsfähig ist, ?/s dagegen zu den charakteristischen, wassersammelnden Tracheiden verwändelt wird. Diese Tracheiden der Wurzelrinde sind kurz und dick, mit parallelen, ring- und spiralförmigen Wandverdickungen versehen, während die- jenigen im Stamm und den Blättern sehr lang sind und längsverlaufende verholzte Wandleisten haben. Die langen Wassertracheiden der Blätter und des Stammes sind denjenigen ganz ähnlich gebaut, welche RB. Pfitzer (Beobachtungen über Bau und Entwickelung epiphytischer Orchideen, Flora 1877, Nr. 16, Tab. V) bei Aerides odoratum und 348 A. quinquevulnerum beschrieben und abgebildet hat. Bei dem Zer- reissen der Blätter ragen sie als feine, seidenglänzende Fasern von der Bruchfläche einige Millimeter nach aussen. Auch bei der früher erwähnten Renanthera moschifera ragen von der Bruchfläche zerrissener, sehr fest gebauter Blätter ähnlieh aussehende, manchmal sehr lange Fasern nach aussen, diese sind jedoch anders gebaut. Es sind enorm lange, dünne, mit dicker, aber gleichmässiger Wand (ohne Leisten) versehene Sclerenchymfasern, Trichoblasten, welche längsgerichtet zwischen den Parenchymzellen einander parallel verlaufen und die mechanische Festigkeit des Blattes erhöhen. Die jungen Blüthenstände des Aerides virens sind mit einer syrupähnlichen, süssen Flüssigkeit bedeckt, welche an manchen Exem- >) Fe a” -ı plaren in grösserer Menge sich ansammelt und sogar tropfenweise niederfällt. Durch diese Flüssigkeit werden gewöhnlich die Ameisen angelockt und schützen die Blumenknospen gegen unberufene Gäste. Sind Jedoch die Blumenknospen grösser geworden, dann wird die ausgeschiedene Flüssigkeit mehr klebrig und endlich vertrocknet sie ganz zu einem durchsichtigen, fest anliegenden Häutchen, einem Collodiumblättchen ähnlich, welches die ganze Knospe von aussen umhüllt und nur mit Mühe abgehoben werden kann. Jetzt erscheinen die erwachsenen Blumenknospen wie lackirt. Bei dem Oeffnen der Blüthen bleiben die abgehobenen Häutchen an den Rändern der Sepala haften und fallen bald ab. 349 Diese gummiartige Substanz quillt im kalten und warmen Wasser ohne sich zu lösen, im Ammoniak quillt sie sehr stark und löst sich nach dem Erwärmen langsam, mit Fehling’scher Lösung gibt es nach dem Erwärmen keine Reaction, doch tritt die Reduetion nach vorheriger Inversion mit 5°, Salzsäure und nachfolgender Neutralisation ein. Mit Jod färbt sie sich gelblich, mit Jod und Schwefelsäure braun. Mit Phlorogluein und Salzsäure erwärmt, gibt sie eine sehr intensive rothe Reaction. Nach dem Erwärmen mit Salzsäure und nach Zusatz von Anilinacetat entsteht eine schr intensive Furfurolreaction. Diese Reactionen beweisen, dass die untersuchte gummiartige Substanz unzweifelhaft aus Pentosanen besteht, welche durch die Säure hydrolytisch gespalten die typischen Pentosanreactionen, die Furfurol- und Phloroglucinreaction geben. Der Pentosangummi des Aerides virens wird gebildet durch specielle Drüsenhaare, die aus zwei Zellen bestehen, von welchen die untere dicht mit Plasma erfüllt, die obere da- gegen plasmaarm ist. Diese obere Zelle schei- det zwischen der Cellulosewand und der Cuti- cula grosse Massen von Gummi aus, welcher durch Wasseraufnahme aufquillt, die Outi- cula zerreisst und die Oberfläche der Knospen übergiesst, An Fig. 7 ist ein Querschnitt durch die untere Hälfte der Blumenknospe des Aerides zusammen mit der Gummihülle gezeichnet; die Fig. 8 stellt ein gummisecernirendes Haar stark vergrössert dar. Bei den bis jetzt besprochenen mono- podialen Orchideen des Djatiwaldes, auch bei manchen anderen, wie Phalaenopsis grandiflora, P. bella, Vanea tricolor, Renanthera Sulingi wird ein Blüthenstand in der Achsel des Blattes angelegt und kommt nach dem Durchbrechen der Blattscheide nach aussen, ähnlich wie es auch manche hiesige epiphytische Aroideen, einige hochstämmige Palmen (oder auch Seitensprosse der Equisetumarten) thun. Es sind jedoch hier zahlreiche monopodiale Orchideen vorhanden, welche in der Achsel eines Blattes mehrere Blüthenstände bilden. Schon -E. Pfitzer hat das Auftreten von zwei Inflorescenzen von ziemlich gleicher Stärke in derselben Blattachsel bei Angraeeum relietum, Sellowii, aphyllum erwähnt und abgebildet (Grundzüge der vergl. Fig. 8. 350 Morphologie der Orchideen pag. 25, Tab. 1, Fig. 15), doch konnte er aus Mangel an lebenden Material nicht entscheiden, ob es sich hier um seriale Achsel- knospen handelt oder ob der eine Trieb ein Seiten- trieb des anderen ist. Thatsächlich wird bei zahlreichen kleinen Sar- cochilus, Trichoglottis, Cleisostomaarten in der Achsel jedes Laubblattes in basipetaler Folge eine Reihe von 2—8 serialen Achselsprossen angelegt, von welchen gewöhnlich nur die obersten zur vollständigen Entwickelung gelangen. Mehr Interessantes liefert in dieser Beziehung eine nicht näher bestimmte Trichoglottis sp., welche ich in den bei Garut an- gepflanzten Djatiwäldern gesammelt habe. Diese Art zeichnet sich nämlich gegenüber anderen mono- podialen Orchideen durch eine reiche und regel- mässige Verzweigung der Sprosse aus. Die Stengel dieser Art sind verflacht, am Querschnitt fast linsen- förmig, von dicker Cuticula bedeckt, mit charakteristi- schen Jängsverlaufenden Furchen, und bleiben ständig von den bleiben- den Blattscheiden umhüllt. Die älteren Blätter stossen . ihre Jamina hart an der Scheidegrenze ab, die Narbenfläche wird dabei mit einer Lage sclerenchymatischer Steinzellen bedeckt. Die Blattscheide bleibt Fig. 9. Fig. 10. 351 noch lange nach dem Abfall der Lamina lebend. Die Fig. 9 zeigt uns den Stengelgquersehnitt. Die Blätter sind hart, wenig breiter als diek, an der Oberseite durch eine tiefe Furche in zwei symmetrische Hälften getheilt. Einen Querschnitt der Lamina zeigt Abbildung Fig. 10. Die ganze Blatt- oberfläche ist von einer sehr dieken Cutieula bedeckt, welche in ihrer mächtigen Entwickelung an diejenige der Anhaloniumarten (efr. Goebel, Pflanzenbiologische Schilderungen) erinnert. Die Spaltöffnungen (Fig. 11) liegen in einem tiefen und schmalen Kanal, der oben etwas ausgezogen ist. Die Blätter sind bilateral gebaut und durch eine grosse Menge radiär gerichteter Wassertracheiden ausgezeichnet. Dabei finden sich noch zahlreiche raphidenführende Schieimzellen vor, welche ebenfalls als Wasserreservoire thätig sind. Zwischen diesen Wasser- Fig. 11. zellen liegen die assimilirenden Parenchymzellen wie in einem wasser- vollen Schwamm. In der Achsel jedes Blattes sind basipetal 6—8 seriale Beisprosse angelegt. Gewöhnlich kommen davon nur 2—3 zur Entwickelung, und zwar habe ich am gewöhnlichsten den Fall beobachtet, dass die zwei obersten Beisprosse zu den Blüthenständen, einer der unteren zu einem gewöhnlichen Laubspross sich entwickelte. Es kommen aber auch Fälle vor, wo kein Beispross zu einem Laub- spross wird, dagegen variüirt die Zahl der serialen Blüthensprosse zwischen 1-4. Seltener wird der oberste (älteste) Achselspross zu einem Laubspross, unter welchem nachträglich noch 1—2 Blüthen- stände oder aber keiner zur Entwickelung kommt. Die belaubten Seitensprosse treiben keine adventive Wurzel aus, tragen an der Basis einige Niederblätter, höher gewöhnliche Laub- 352 blätter und bilden gleich dem Sprosse erster Ordnung neue seriale Achselsprosse, wodurch eine reiche und regelmässige, bei den mono- podialen Orchideen sonst nicht anzutreffende Verzweigung erreicht wird. Zu einer dritten Gruppe der Epiphyten vereinigt Schimper diejenigen, deren Wurzeln viel verzweigte Geflechte schwammartiger Struktur bilden, in welchen allmählich Humus angesammelt wird und dann die Ernährung derselben unabhängig von der Baumrinde vor sich geht. Besonders zahlreiche Beispiele und verschiedene Einrich- tungen zum Humussammeln beschreibt K. Goebel in Pflanzenbiolog. Schilderungen I pag. 214, erwähnt dabei auch einige Orchideen und schildert ausführlicher die Bildung des riesigen Wurzelgeflechtes des Grammatophyllum speeiosum, aus welchem tausende negativ geotro- pische Wurzelspitzen nach oben ragen. Grammatophyllum speeiosum habe ich wild auf Java nicht an- getroffen; in Buitenzorg wächst dasselbe ungemein üppig, hier in der Ebene angepflanzte Exemplare gedeihen nur kümmerlich. Ueberhaupt scheinen diejenigen Epiphyten, welche zwischen ihren Wurzeln Humus ansammeln und deren Wurzeln dann in einer Humuslage wachsen, mehr der höheren, feuchten Zone anzugehören. Ich habe schon oben erwähnt, dass die meisten Epiphyten der Coelogynezone ihre Wurzeln unter einer Moosdecke in einer langsam gebildeten Humuslage, ge- wöhnlich ohne Lichtzufritt, entwickeln. In der warmen und während des Ostmossuns trockenen Ebene finden wir nur wenige soleber Orchideen. Am häufigsten noch die Cymbidiumarten, welche ziemlich umfangreiche Wurzelgeflechte bilden, aus welchen zahlreiche, unverzweigte und ziemlich dieke, negativ geotropische Wurzelspitzen emporragen. Zwischen diesen Wurzeln bleiben thatsächlich verschiedene angewehte Blattstücke und verwesen langsam, wichtiger scheint noch für die Pflanze zu sein, dass zwischen diesen Wurzeln immer grössere Mengen gallertartiger Nostocaceen und Seytonemeen sich ansiedeln. Viel interessanter und dem Grammatophyllum ähnlich obwohl viel kleiner aufgebaut sind die Wurzelgeflechte des Acriopsis javanica, welche hier nicht besonders selten ist und durch ihre grossen Nester von Weitem die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Diese bestehen aus einem dichten Gewirr von Wurzeln, zwischen welchen die „Knollen“ eingehüllt sind, und von welchen äusserst zahlreiche, dicht stehende, dünne und steife, negativ geotropische Wurzeln nach oben ragen, die ihrerseits mit sehr zahlreichen, abstehenden und steifen, I—2 cm langen Seitenwurzeln bedeckt sind. Alles Wasser, welches von oben an der 358 Stammfläche nach unten fliesst, wird durch ein solehes Wurzelgeflecht filtrirt, und ebenso leicht bleiben dazwischen die Staubpartikel liegen. Dagegen fallen alle grösseren Objeete, z. B. Blätter von dem Wurzel- kissen bei jedem Windhauch ab. " Die „Pseudobulbi* werden aus zwei unteren Stengelinternodien gebildet, sind grün, lange von den vertrockneten und durchsichtigen Blattscheiden umgeben und tragen an der Spitze 2—4 schmallanzett- liche Blätter. Diese sind zwar dünn, doch besitzen sie eine bedeutende Zugfestigkeit. Bei dem Durchreissen ragen zahlreiche dünne Fasern von der Bruchfläche, wie bei Renanthera moschifera oder Aerides virens nach aussen, doch sind sie anders gebaut. Es sind am Quer- schnitt rundliche Bündel von schmalen und langen zusammen ver- wachsenen, diekwandigen Scierenchymfasern. Die Oberfläche dieser Baststränge ist nicht glatt, sondern höckerig. Sie sind nämlich ge- de dltEAt Fig. 12, panzert mit dicht nebeneinanderliegenden, in Längsreihen angeord- neten Kieselkörpern mit rundlicher Basis und conisch zugespitztem Scheitel. Kieselkörper von derselben Gestalt waren bei den Orchideen schon früher an den Scelerenchymfasern der Gefässbündel bekannt. Ausführlicher hat sie Pfitzer (Flora 1877 Tab. V) untersucht. Von der Achsel des unteren Niederblattes der Knolle kommt ein Blüthenstand, welcher an der Basis zahlreiche schuppenförmige Niederblätter besitzt, höher einige Seitenäste bildet, bis ®Jam lang wird und sehr zahlreiche kleine Blumen trägt. Die schönen obwohl kleinen Blumen, deren Sepala, Petala und Labellum weiss mit violetten Mittelstreifen sind, erscheinen geöffnet insofern interessant, als im Gegensatz zum normalen Diagramm der Orchideenblüthen wir zwei Sepala sehen, eines vorn und eines hinten, 354 zwei Petala mit den Sepala genau gekreuzt und das höher am Gynoste- mium angewachsene Labellum. Die Entwickelungsgeschichte zeigt, dass das vordere Sepalum als zwei getrennte Höcker angelegt wird, die je- doch sehr bald mit einer gemeinsamen Basis weiter wachsen und ein einheitliches Organ bilden. Schon in einem so jungen Stadium, wie das hier abgebildete, wo die Staubblätter noch nicht angelegt sind, ist die Verwachsung der Sepala nur durch die apicale Furche angedeutet, welche später ganz verschwindet. Es verrathen aber auch in späteren Stadien die zwei das vordere Sepalum durchziehenden Gefässbündel, dass wir es hier mit einer „Verwachsung“ zu thun haben. In der vierten und letzten Gruppe der Epiphyten beschreibt Schimper diejenigen amerikanischen Bromeliaceen, welche ihren Bedarf an Wasser und Nährstoffen nicht durch die Wurzeln, sondern durch die Blätter auf- nehmen. Vielleicht wird es gelingen, analog sich ernährende Formen auch in feuchten Zonen der Tropen der alten Welt zu finden; in der trockenen javanischen Ebene werden so ausgerüstete Pflanzen in den trockenen Stunden der Nachmittage ohne Zweifel leiden. Doch habe ich bei einigen der hiesigen epiphytischen Orchideen Einrichtungen Fig. 18, gefunden, welche die Auf- nahme des Wassers durch die Blätter möglich machen. Eria ornata wächst gewöhnlich hoch in den Kronen der Bäume und ist besonders nach dem Verblühen leicht sichtbar infolge der grossen, schön orangefarbigen Deckblätter der Blumenrispe. Die Pflanze ist sympodial aufgebaut. Der kriechende, eylindrische Spross trägt 6—8 Niederblätter und endet mit einer nach oben gerichteten, flachen, am Querschnitt fast linsenförmigen „Knolle“. Diese functionirt als Wasser- nnd Reservestoffbehälter und trägt an der Spitze 3—4 grosse Blätter, welche mit ihrer scheidenartigen Basis 355 einen Trichter bilden, der mit der breiten Oeffnung nach oben ge- kehrt ist. Am frühen Morgen ist am Boden der Trichter immer etwas Thauwasser angesammelt, an Nachmittagen dagegen ist der Boden derselben mit einer schleimigen Schieht bedeckt. Diese Schleim- masse gibt keine Pentosanreactionen, zieht gierig Wasser ein, und wird durch die eigenthümlichen, büschelig verzweigten Haare aus- geschieden, deren Abbildung ich hier wiedergebe (Fig. 13). Diese Haare bestehen aus einer langen Fusszelle, 2—-3 Zwischenzellen, welche in der Blattfläche tief eingesenkt sind, und 1-—-7 langen, neben einander büschelig sitzenden, frei über die Epidermis ragen- den, Schleim unter der Cuticula absondernden Zellen. Die Zwischen- wände der Zwischenzellen, auch die Basisfläche der Fusszelle sind stark verdickt und verholzt. Die Seitenwände der Zwischenzellen und der obere Theil der Fusszelle sind von der dieken Cutieula der Epidermzellen ganz umhüllt, dagegen ist die Wand der Fuss- zelle in der Nähe der Basis in einer ringförmigen Zone äusserst dünn, nur aus Cellulose gebaut, und dieser dünne Cellulosering er- leichtert die Diffusion mit den benachbarten grossen Epidermzellen. Setzt man in die Blatttriehter statt Wasser eine sehr verdünnte Eosinlösung, dann wird der Inhalt der Endzellen momentan roth ge- färbt, während die anderen Zellen ungefärbt bleiben. Ebenso kann man nach Zusatz von einer 1°/o0 Eisensulfatlösung das momentane Ein- dringen des’Eisens in die Endzellen, später auch in die Zwischen- zellen der Haare konstatiren, während sonst andere Oberflächenzellen in so kurzer Zeit nichts davon absorbiren. Es scheint also, dass die erwähnten Haare, welehe in ihrer Jugend viel Schleim absondern, in etwas älteren Stadien Wasser, welches sich im Trichter ansammelt und durch die Schleimmassen aufgesogen wird, in das Innere des Blattes leiten. Aehnliche, obwohl nicht so feste Blatttrichter besitzt die einzige hier in der Ebene wachsende Pholidoitaart; auch in diesen sind ähn- lich gebaute Saug- und Schleimhaare entwickelt. Die Bodenflora der Djatiwälder ist im Ostmossun sehr kümmer- lich, birgt aber auch solche Arten, welehe die Aufmerksamkeit des Wanderers auf sich lenken. Einige Gräser thun es mit Hilfe ihrer Früchte, welche in die Kleider sich einbohren, die Haut reizen oder auch verwunden. Zu ihnen gehören Andropogon (Chrysopogon) aci- eulatus und A. (Heteropogen) contortus. 356 Andropogon (Chrysopogon) aeciculatus Retz gehört zu den ge- wöhnlichsten Gräsern der javanischen Ebene und ist an den Weg- rändern, in lichten Gebüschen, in Djatiwäldern überall zu finden. Die kriechenden, reich verzweigten Rhizome tragen an den Spitzen der sterilen Aeste nur wenige, kurze Blätter, während die Blüthenstände bis 0,5m hoch sind. Die Rispe ist aufgebaut aus wirtelig gestellten, 1—2cm lang gestielten Trauben, deren gerade abstehender Stiel sehr fest, aber auch sehr dünn ist. Dieser Stiel trägt ein hermaphrodites, begranntes Achrehen und höher zwei seitliche, gestielte, unbegrannte männliche. Bei der Fruchtreife löst sich das weibliche Aehrchen bei sehr schwacher Berührung von dem haarfeinen und in der unteren Hälfte ganz glatten Traubenstielchen ab und haftet mit Hilfe der sehr zahlreichen, schief nach oben gerichteten scharfen und stach- ligen, einzelnen Haare, welche den 5mm langen Callus bedecken, an vorübergehenden Thieren oder an den Kleidern. Von den beiden Stielchen der abgefallenen männlichen Aehrehen bedeckt, bohrt sich jetzt das weibliche Aehrchen bei der leisesten Bewegung mit der äusserst fein ausgezogenen Spitze des Callus immer tiefer uud fester ein. Nach einer kurzen Wanderung durch eine mit „domdoman“ (javanischer Name für Chrysopogon acieulatus) bewachsene Fläche haften hunderte der Früchte in den dünnen Kleidern, bohren sich durch, verwunden die Füsse, und der Wanderer ist genöthigt, sich ruhig zu setzen und dieselben mit Fingern und Pincette zu entfernen. Auf andere Weise werden die Früchte des Andropogon besu- kiensis Steudel (A. contortus «. genuinus subvar. hispidissimus Hackel, Mon. Phanerogamarum Vol. VI p. 587) verbreitet, einer Grasart, die überall bei Besuki in Ostjava, in den Djatiwäldern und auf sonnigen Abhängen wächst. Ich habe die Samen dieser Art auf dem kleinen Lavahügel Gunung Temporah gesammelt, welcher unmittelbar vom Javameer hervortritt und mit jungem Djatiwald bedeckt ist. Zwischen den vertrockneten Djatiblättern standen überall bis Im hohe, längst verblühte Grasbüsche, und an den Spitzen derselben waren die lang begrannten Früchte zu Hunderten mit einander mit den Blattspitzen und männlichen Trauben verwebt, bald rundliche Ballen mit nach allen Richtungen spreitzenden Früchten, bald Bogen zwischen den benachbarten Blüthen bildend. Diese 1m oberhalb der Erdoberfläche angehefteten und im Winde flatternden Samenballen kommen zu Stande durch gegenseitige Ver- drehung der bis 12cm langen, sehr stark hygroskopischen Grannen der weiblichen Aehrchen. Schon während der Blüthezeit sind, alle 357 Grannen eines Blüthenstandes mit ihren Spitzen mit einander ver- bunden; während der Entwickelung der Früchte verweben sich weiter die Grannen benachbarter Fruchtstände mit einander, auch mit den männlichen, grannenlosen Blüthenständen. Bei der Fruchtreife üben diese an ihren Spitzen mit einander festgehaltenen Grannen infolge der hygroskopischen Bewegungen einen Zug auf die einzelnen Früchte aus und reissen dieselbe sammt einem fein ausgezogenen Callus von der Achse ab. Nach Berührung mit den Kleidern dringen die Früchte in dieselben ein, verankern sich mit den zahlreichen spitzen und stachligen llaaren, und brechen endlich von der Granne ab. Auf diese Weise werden die Früchte nicht auf einmal aber einzeln durch die vorübergehenden Thiere von dem ziemlich festsitzenden Frucht- ballen abgebrochen und verbreitet. Eine ähnliche Anpassung an die allmähliche Verbreitung der Samen scheint nach einer Abbildung in Gardeners Chroniele (1898, p. 211 Fig. 79) Aristida setacea in Dekkan zu besitzen, bei welcher jedoch die Samen dureh den Wind verbreitet sein sollen, während bei der javanischen PHanze Wind nur in ver- einzelten Fällen bei der Samenverbreitung thätig sein kann, keines- wegs aber durch ein Rollen der künstlichen Fruchtballen am Boden, wie es bei Spinifex squarrosus der Fall ist. Eine Sehutzvorrichtung gegen den Frass der grösseren Thiere bieten die Blätter des erwähnten Andropogon. Die Blätter sind nämlich jederseits der Mittelrippe zwischen dieser und dem Blatt- rande mit einer Reihe entfernt stehende, steife, senkrecht zur Ober- fläche gerichtete, einzeilige und dickwandige, 1—1,4em lange Borstenhaare bedeckt. Achnliche, aber noch stärkere Borsten be- sitzen mehrere hiesige Calamusarten, und zwar solche, die besonders breite Blattfieder besitzen. Die Borsten dieser Calamusarten, welche 2—-5cm von einander entfernt stehen und 1—2cm lang sind, sind jedoch nieht einzellig wie bei Andropogon. Unter den Sträuchern, die an den Waldrändern und im Innern des Waldes an mehr belichteten Stellen wachsen, sind fast immer einige Leeaarten zu finden, in der hiesigen Gegend besonders häufig die Leea hirsuta Blume (L. aequata Sprengel). Dieser zu der Familie der Ampelidaceae gehörende Strauch von I—3m Höhe, mit behaarten, doppelt gefiederten Blättern, grünen Blumen und rötlichen, später schwarzen Früchten erinnert dem Habitus nach an unsere Sambucus- arten und gehört, zusammen mit einigen nahe verwandten Arten, zu den gewöhnlichsten strauchartigen Unkräutern Javas. Man findet in der Ebene und im Hügellande die Leeaarten überall in den Dörfern, Flora 1898, . 24 358 bei den Hecken, an unbebauten Stellen, an den Wegen, in Gebüschen, an Waldrändern. Schon bei den ersten Ausflügen haben die Leeaarten meine Auf- merksamkeit erregt und zwar durch die grossen Mengen schwarzer Ameisen, welche an den Sträuchern immer zu finden sind, manchmal in so grosser Zahl, dass die grünen Blüthenstände von Weitem fast schwarz erscheinen. Nur wenige dieser Ameisen sieht man hie und da spazieren, die meisten sitzen ruhig und dicht gedrängt an der ver- dickten Basis der Blattstiele und den Blüthenstandsachsen. Ich konnte anfangs an den von Ameisen bewohnten Stellen nichts Interessantes bemerken; die Ameisen bewohnen und besuchen auf Java die ver- schiedensten Pflanzen, theils durch Blattläuse oder extranuphiale Nectarien angelockt, theils eine geschützte Wohnung suchend; auf Leeaarten kann man jedoch nichts von solchen Lockmitteln finden, der Raum zwischen den breiten flügelartigen Nebenblättern eignet sich zwar gut zu einer Ameisenwohnung, doch sassen die meisten derselben ausserhalb derselben. Eine genauere Untersuchung hat gezeigt, dass die meisten Leeaarten den ‘Ameisen Nahrung in der Form jener kleinen Ameisenbrödchen („food-bodies“) liefern, wie solche bei zwei amerikanischen Pflanzen, bei der Acacia cornigera und Ceeropia adenopus durch die Untersuchungen Belt’s, Fritz Müller’s und Schimper’s bekannt geworden sind. In europäischen botanischen Gärten werden die „food-bodies“ an den ceultivirten Exemplaren der Cecropia und Acacia cornigera durch keine Ameisen gesammelt, bleiben an der Pflanze lange Zeit hängen und sind deswegen immer leicht sichtbar. Ebenso an der in Buitenzorg cultivirten, eben erwähnten Acaciaart. Dagegen findet man hier an den wilden Leeaarten erwachsene „food-bodies“ ge- wöhnlich nicht, sie werden durch die, auf ihre Reife wartenden Ameisen immer abgepflückt. Befreien wir dagegen einen Stengel von den Ameisen, und schliessen denselben unten mit einem klebrigen Ring aus Theer, dann bleiben die „food-bodies“ der Leea länger er- halten. Noch leichter kann man sie kennen lernen bei der Unter- suchung der erwachsenen, aber noch von den beiden flügelartigen Nebenblättern ganz geschlossenen Blatt- und Blüthenstandsknospen. Gleich nach dem Oeffnen der Knospe werden die da reichlich vor- handenen „food-bodies“ durch die erwartenden Ameisen abgerissen, und deswegen hat man dieselben bisher bei diesen auf Java äusserst gewöhnlichen Unkräutern übersehen. Fine anatomische Untersuchung der L. hispida hat vor Kurzem 359 Hallier, jun. geliefert (Betrachtungen über die Verwandtschaftsver- hältnisse der Ampelideen mit anderen Pflanzenfamilien, gedruckt in Natuurkundig Tijdschrift voor Nederlandsch-Indie LVI, 1887, p. 314 sq). Was den morphologischen Aufbau anbelangt, will ich bemerken, dass die Pflanze sympodial gebaut ist, indem jede Axe mit einem Blüthenstande abgeschlossen ist. Aus der Achsel des höchsten unter dem Blüthenstande stehenden Blattes kommt ein kräftiger Spross hervor, welcher den Blüthenstand zur Seite schiebt, selbst in die Verlängerung der Hauptaxe fällt, ein oder mehrere wechselständige Blätter trägt und endlich mit dem eymösen Blüthenstande endet. Jedes junge Blatt besitzt an der Basis zwei länglich ovale, mit der breiten Basis angewachsene, ganzrandige, bis Icm breite, 2—4 cm lange Nebenblätter, welche aussen ebenso wie die Blätter und Blatt- stiele behaart, innen dagegen glatt und glänzend und mit ihren freien Rändern mit einander fest verbunden sind, und so eine ganz geschlossene Knospe bilden, in welcher die Vegetationsspitze mit jüngeren Blät- tern und Blumen verborgen ist. Der Verschluss der Knospe wird her- gestellt durch ein enges Aneinander- liegen der breiten und glatten Ränder der Nebenblätter, ohne eine Zell- naht, welche ich bis jetzt bei der Aesti- vation der assimilatorischen Blätter bei keiner Pflanze gefunden habe. Trotzdem ist der Verschluss so stark, Fig. 14. dass eine jüngere Knospe ohne Zerreissen der schützenden Nieder- blätter nicht zu öffnen ist. Die Oberfläche des Stengels wie auch der Blattstiele und der Blätter ist bedeckt mit zerstreuten, geraden, steifen und spitzen Haaren, die aus einer bis zu drei Zellen bestehen. Zwischen diesen Borsten- haaren sind noch reichlich charakteristische Drüsenhaare zu sehen, deren Function mir unbekannt ist. Es sind das die von Hallier (l. c.) ausführlich beschriebenen ambosartigen, kurz- und diekgestielten, niedrigen Drüsen, deren Epidermzellen radical gestreckt sind, und die im Innern nur wenige kleine Zellen besitzen. Eine andere Art von Drüsen sind die für Leea bis jetzt unbe- kannt gebliebenen Ameisenbrödchen. Bei Leea hirsuta finden sich 24* 360 dieselben an den jungen Stengeltheilen, weniger an den jungen Blatt- spreiten in der Nähe der Hauptnerven, besonders häufig aber an den Blattstielen. In jungen Stadien sind sie den von Hallier beschrie- benen ambosartigen Drüsen ähnlich, aber immer rundlich und hoch gewölbt, nie an der Spitze verflacht. Ein Längsschnitt durch ein junges Ameisenbrödchen unserer Pflanze zeigt die Fig. 14. In ganz erwachsenem Stadium ist der Stiel dieser Drüsen etwas höher und die dünnwandigen Zellen der Mitte nach viel grösser. Sonst sind sie bedeckt von kleinen Epidermzellen, die substanzarm sind. Da- gegen sind die sehr grossen inneren Zellen erfüllt mit stärkeähnlichen Körnern und grossen Oeltröpfchen. Diese Stärkekörner zeigen nur in schr jungen Körperchen eine violette Reaction mit Jod, in späteren Stadien, wo ihre Zahl und Grösse zunimmt, nehmen sie nach Jod- zusatz eine rothgelbe Farbe an, die wahrscheinlich von Amylodextrin herrührt. In diesem Stadium geben die Zellen der Körperehen nur eine sehr schwache Reaction mit Fehling’scher Lösung, bei der Reife derselben wird die Reaction stärker. Mit der Reife nimmt auch die Zahl und Grösse der Oeltröpfehen bedeutend zu. Diese zeigen mit Osmiumsäure eine schwarze Reaction, bleiben ohne Färbung mit Eisensulfat und Eisenchlorid, dagegen färben sie sich mit Alkannin roth. Der Inhalt der grossen Zellen gibt noch (nach Erwärmen) eine intensiv violette Reaction mit «a-Naphtol und Schwefelsäure. Leea hirsuta produeirt ihre Ameisenbrödehen schr reichlich. Es gelingt zwar — wie schon oben erwähnt — in der Natur nicht leicht, dieselben zu beobachten, sie bleiben nicht lange hängen, sondern werden durch die Ameisen abgerissen, wozu äusserst kleine Kraft nöthig ist. Schüttelt man dagegen die Ameisen von der Pflanze ab und legt dieselbe in eine Botanisirtrommel, dann streeken sich in wenigen Stunden neue, noch kleine Körperchen bis zu ihrer normalen Grösse von etwa 0,7mm Länge und kommen immer wieder neue und neue hinzu. Häufig kommt in dieser Gegend noch eine andere Leeaart vor mit wenig behaarten, glänzenden Blättern und sehr grossen Neben- blättern, die Leea sambueina Willd. Auch diese bildet ganz ähn- liche Ameisenbrödchen besonders reichlich längs der Hauptnerven der Blätter, Bei einem meiner Besuche in Buitenzorg konnte ich die in dem botanischen Garten daselbst cultivirten Leeaarten in Bezug auf Vor- handensein der Ameisenbrödchen untersuchen und habe dieselben an Jungen Sprossen, Blattstielen, Nebenblättern, auch an der Unterseite 361 der Blätter längs der Hauptnerven noch bei Leea divaricata T. B., L. sumatrana, L. aculeata Bl. constatiren können, während die stachlige Leea horrida T. et B. gar keine bildet. Eine der letzten Art ganz ähnliche, vielleicht identische, manchmal zu dicken Bäumen wachsende Lecaart kommt auch in der unteren Zone der Gebirgswälder am Slamat und Tjerimai vor, ohne die Ameisenbrödchen zu produciren. An ganz jungen, 2—3blättrigen Leeapflanzen werden noch keine „food-bodies“ gebildet. Diese bilden sich am reichlichsten an den Pflanzen, welche ihre Blüthenstände schon angelegt haben. Ebenso verhält es sich mit der Acacia sphaerocephala. Junge Sämlinge (jetzt mit sieben Blättern), die ich hier eultiviere, bilden noch keine Ameisenbrödchen.!) Noch eine andere Eigenthümlichkeit der hiesigen Leeaarten (hispida, sundaica, sambucina) werde ich erwähnen. Ihre Blattstiel- basis ist unten verdickt und mit einigen Längsrippen versehen, deren Rücken röthlich gefärbt sind. Etwas oberhalb dieser verdiekten Basis und schon oberhalb der Stelle, wo die meisten Ameisen sitzen, sind an der sonst grünen Oberfläche 2—6 weisse, manchmal etwas erhobene Längsstreifen vorhanden, von etwa Imm Breite und 0,5 bis 2cm Länge. Ebensolche, aber etwas kürzere Male sind auch höher an der Blattspindel, an der Ansatzstelle der Blattfiedern vor- handen. Es sind die Spaltöffnungsstreifen, wie solche auch an mehreren hiesigen Baumfarnen au den Blattstielen vorhanden sind. An einem, an der Höhe der Spaltöffnungsstreifen geführten Querschnitt des Blattstiels sehen wir unter den Epidermzellen eine hypodermale Schicht, m welcher jede Zelle eine Kalkoxalatdrüse trägt, tiefer 2—83 Lagen chlorophylihaltige Zellen und dann eine llieke Collenchymschicht, unterhalb welcher die Gefässbündel in dem an Schleim- und Gerbstoffzellen reichen Parenchym auftreten. Unter- halb der Spaltöffnungsstreifen ist jedoch der Collenchymring unter- brochen, die Kalkoxalat führenden Zellen sind nur sparsam und die Athemhöhlen der sehr zahlreichen kleinen Spaltöffnungen communi- eiren mit den bis zum Centralparenchym führenden Intercellularräumen. 1) Bei verschiedenen Vitaceen (Vitis- und Ampelopsisarten) befinden sich sog. Perldrüsen, welche deu „food-bodies“ der Leceaarten ganz ähnlich sind, und in manchen Fällen eine Spaltöffnung an der Spitze haben. Tomaschek, Müller- Thurgau und Penzig haben dieselben ausführlich beschrieben, ihre biolo- gische Bedeutung ist jedoch unbekannt, vielleicht bei verschiedenen Arten ver- schieden, in keinem Falle scheinen sie als Ameisenbrödehen zu dienen, wie die- Jenigen der Leeaarten. Eine vergleichende biologische Untersuchung dieser Gebilde wäre vielleicht geeignet, auf die Frage der Entwickelung der Anpassungen unter verschiedenen biologischen Verhältnissen Licht zu werfen. Einige Demonstrationsversuche mit Leptomin. Von M. Raciborski, In früheren Mittheilungen (Berichte d. botan. Gesellschaft XVI, 1898, pag. 52 und 119) habe ich nachgewiesen, dass die Leitungs- bahnen aller höheren Pflanzen, also die Siebröhren und die Milch- röhren, einen katalytisch wirksamen Körper führen, welcher die Fähigkeit besitzt, den im Wasserstoffsuperoxyd leicht gebundenen Sauerstoff an andere Körper zu übertragen. Sind es Chromogene, wie z.B. Guajakonsäure in dem Guajakharz, «-Naphtol u. s. w., dann wird seine Anwesenheit durch die eintretende Färbung angezeigt. Andererseits ist schon längst bekannt, dass die Leitungsbahnen aller höheren Thiere ebenso wirkende Körper besitzen, welche zwar bei den verschiedenen Arten gewisse Verschiedenheiten zeigen, denen aber allen die erwähnte katalytische Kraft eigen ist. Diese Körper der höheren Thiere nennen wir Haemoglobine, bei den niederen Thieren waren dieselben wenig untersucht, einen solchen farblosen Körper der Cephalopoden nannte Frederig Haemocyanin. Den analogen Körper der Pflanzen habe ich Leptomin genannt. Da es nützlich sein kann, während der Vorlesungen über die Pflanzen- und 'T'hierphysiologie das analoge Verhalten der Inhalts- körper der thierischen und pflanzlichen Leitungsbahnen zu demon- striren, so möchte ich die folgende Versuchsanstellung empfehlen. In je drei Reagenzgläschen wird gegossen: l. etwas Blut eines beliebigen Wirbelthieres; 2. etwas Blut der Regenwürmer, deren Haemoglobin nicht an die Blutkörperchen gebunden, sondern im Blutserum gelöst ist; 3. etwas des farblosen Blutes des Krebses; 4. einige Tropfen Milchsaft einer beliebigen Milchsaft führenden Gefässpflanze, z. B. Euphorbia; 5. der ausgepresste Saft einer beliebigen (besser gerbstoffarmen) Gefässpflanze, z. B. Mais, Zuckerrohr, Zwiebel, Zuckerrübe, Kartoffel ete.; 6. die wässerige Flüssigkeit, sog. Milch der Cocosnüsse. Dann wird in die sechs Gläschen einer, verschiedene Flüssig- keiten enthaltenden Reihe eine Guajakharzlösung mit etwas Wasser- 363 stoffsuperoxyd gegossen. Diese wird bereitet durch Auflösen des käuflichen, braunschwarzen Guajakharzes in absolutem Alkohol, Verdünnen der Lösung bis zur gelbbraunen Farbe und Zusetzen einiger Tropfen des Wasserstoffsuperoxyds. Der Inhalt aller Gläser färbt sich nach dem Zusetzen dieser Lösung in derselben Weise blau. Den Gläschen der zweiten Reihe wird ein wenig einer alko- holischen Lösung eines nicht zersetzten Dimethylparaphenylendiamins und ein Tropfen Wasserstoffsuperoxyd zugesetzt. Diese sechs Röhrchen zeigen eine prachtvoll rothe Reaction. Endlich wird eine alkoholische Lösung gleicher Theile «-Naphtol und Dimethylparaphenylendiamin bereitet, einige Tropfen derselben in die sechs übrig gebliebenen Gläser gegossen und jedem ein Tropfen Wasserstoffsuperoxyd zugesetzt. Alle Flüssigkeiten färben sich jetzt dunkelindigoblau, bei stärkerer Concentration fast schwarzblau, die rothen Blutkörperchen unter dem Mikroskop untersucht sind dunkel- blau und erinnern an die mit Jod behandelten Stärkekörner. Zum mikroskopischen Nachweis der Localisation des Leptomins oder der Haemoglobine eignen sich die zwei letzterwähnten Reationen weniger als die erste, indem sie eine zu intensive Färbung hervor- rufen, welche bald über das ganze Präparat sich verbreitet und die ursprüngliche Localisation der reagierenden Substanz nicht mehr scharf begrenzt erscheint. Besser eignet sich zu diesem Zwecke die Guajakreaction, die besten Resultate habe ich dagegen mit a-Naphtol und Weasserstoffsuperoxyd erhalten. Die mit letztem Reagenz er- haltene Färbung ist zwar bei Weitem nicht so intensiv und nicht so auffallend, wie die anderen, doch ist sie für mikroskopische Zwecke scharf genug und eignet sich dabei zur Gewinnung der Dauerpräparate. Bei den mikroskopischen Untersuchungen über die Localisationen der erwähnten, Sauerstoff übertragenden Inhaltskörper der Pflanzen und Thiere soll man das im absoluten Alkohol fixirte und auf- bewahrte Material benützen. Das Leptomin und die Haemoglobine sind im absoluten Alkohol unlöslich, bilden also am Orte ihres Vor- handenseins Niederschläge, welche nachträglich die farbigen Reactionen liefern. Das Benützen des im absoluten Alkohol gehärteten Materials ist noch aus diesem Grunde angezeigt, weil verschiedene thierische und pflanzliche Organe, speeiell junge, noch im Wachsthum begriffene, vielfach die Fähigkeit besitzen, direct den Sauerstoff der Luft auf die Chromogene überzutragen, diese Fähigkeit aber im absoluten 364 Alkohol sehr bald verlieren. Man hat die Körper, bei deren An- wesenheit die Chromogene durch den atlmosphärischen Sauerstoff oxydirt werden, Oxydasen genannt. Meine Bemühungen, die Zucker- rohroxydase näher zu untersuchen, waren infolge der Ungreifbarkeit dieses, gleich nach dem Tode der Zelle sich zersetzenden Körpers misslungen. Nützlich ist, das Erhärten der Objecte im absoluten Alkohol unter einer Luftpumpe vorzunehmen. Der Alkohol drängt so schneller in die Lufträume und verhindert die Diffusion des Leptomins nach dem Tode der Zelle in die Umgebung. Wird dann der absolute Alkohol einige Male gewechselt, so kann man das Material für die Untersuchung auf das Leptomin lange Zeit bereit halten; ich habe jetzt über sechs Monate alte Pfanzentheile, welche sehr gut und scharf die Reactionen zeigen. Die Schnitte solcher Objecte werden in eine alkoholische a-Naphtollösung gebracht, dem ein wenig Wasserstoffsuperoxyd zu- gesetzt war. Die Reaction tritt schnell ein, dann müssen die Präpa- rate mit absolutem Alkohol ausgewaschen werden und können in Glycerin, oder nach Vorbehandlung mit Xylol in Canadabalsam auf- bewahrt werden, doch verblassen die letzteren ziemlich schnell, während die Glycerinpräparate unverändert bleiben. Die Präparate sollen nicht lange in der «-Naphtol oder anderer Reagenzlösung liegen bleiben, sonst werden sie infolge des Ozon- gehaltes der Luft manchmal ganz gefärbt. Auch soll man vorsichtig sein, und bei der eventuellen Färbung mancher Zellmembrane nicht gleich auf die Anwesenheit des Leptomins oder der Oxydasen in den Membranen schliessen. Manche Zellmembrane imbibiren bekanntlich stark verschiedene Flüssigkeiten und Farbstoffe, und die eintretende Färbung kann eben durch Diffusion aus dem Zellsaft stattfinden. Ohne grosse Mühe bekommen wir auf die beschriebene Weise instruktive Präparate der Pflanzen- und Thierorgane, in welchen die Milchröhren, Siebröhrenstränge, eventuell die Bluteapillaren dunkel- violett erscheinen. Bei den meisten Pflanzen ist das Leptomin nicht nuran die Leitungsbahnen beschränkt, sondern es erscheint gewöhnlich in kleinerer Menge, wie ich in den erwähnten Abhandlungen beschrieben habe, in verschiedenen Parenchymzellen, ebenso wie bei den Thieren das Ilaemoglobin oder haemoglobinähnliche Stoffe nicht nur in den Blutbahnen, sondern auch anderswo, z.B. in den Muskeln, vorhanden sind. Für die Demonstrationszwecke wäre nützlich, z. Th. solche Pflanzen zu benützen, bei welchen das Leptomin nur in den Sieb- 365 strängen vorhanden ist. Zu solchen gehören die alten Stengel sehr vieler Monocotylen; sehr instruktive Bilder liefern z.B. die erwachsenen Stengel des Cyperus Papyrus. J. Grüss hat bekanntlich in einer Reihe von Abhandlungen die Guajakwasserstoffreaction des Leptomins als eine Reaction der Diastase betrachtet und versuchte mit Hilfe dieser Reaction die Localisation der „Diastase“ kennen zu lernen. In dem 5. Hefte der Berichte der botanischen Gesellschaft 1898 finde ich seine letzte Arbeit „Ueber die Oxydasen und die Guajakreaction“, welche mir zu einigen Bemerkungen Anlass gibt. Es ist jetzt dem Verfasser gelungen, in der Lindtner’schen Diastase durch Kochen in dem absoluten Alkohol das Leptomin zu zerstören, wobei zwar das Fermentativvermögen heruntergegangen, aber vorhanden war. Er wiederholt auch seine frühere Angabe, dass auch solche Säfte die katalytische Leptominreaction zeigen, die ent- weder geringe oder auch keine stärkeumsetzende Wirkung hervor- bringen, bestätigt auch, dass eine gute Handelsdiastase in wässeriger Lösung keine Leptominreaction gibt, wohl aber eine leichte Reaction die trockene Diastase. Es ist also das von Grüss untersuchte Handelsprodukt, obwohl von derselben Firma stammend, nicht so gründlich von Leptomin befreit, wie das in meinen Händen befind- liche, welches jetzt, wie früher in trockenem Zustande, keine Leptomin- reactionen zeigte. Es lieferten allerdings diese durch mich und Grüss gemachten Angaben nichts neues, Jacobson hat schon früher die erste derselben festgestellt, J. Baranetzky dagegen vor 20 Jahren die zweite, indem er die Guajakreaction auch in solchen Fällen erhalten hat, wo keine stärkeumbildenden Fermente zu constatiren waren. (Die stärkeumbildenden Fermente in den Pflanzen pag. 10.) Während die thatsächlichen Befunde J. Grüss’ und die meinen übereinstimmen , zieht er von denselben Schlüsse, welche meiner Meinung nach nicht berechtigt sind, welche statt einer Klärung der Frage nur eine Verwirrung zu Stande bringen und zwar aus diesem Grunde, weil er eine Reile unnöthiger, unscharfer und wider- spruchsvoller Begriffe schafft. Grüss meint nämlieh in den Pflanzen drei verschiedene Gruppen von ÖOxydasen annehmen zu müssen und zwar: 1. Die sog. «-Oxydasen. Unter diesem Namen fasst er alle diese Körper zusammen, welche Sauerstoff der Luft übertragen können, 366 und die wir längst Oxydase zu benennen gewohnt sind. Die Um- änderung des Namens ist willkürlich und nieht berechtigt. 2. Die ß-Oxydasen. Unter diesem Namen fasst Grüss auf Seite 137 seiner Abhandlung solche Körper zusammen, welche den Sauerstoff des Wasserstoffsuperoxyds an andere Körper übertragen, dabei aber nicht katalytisch wirksam sind. Hierhin wird natürlich mein Leptomin gehören, aber auch Haemoglobin und auch Methylamin. Dass salzsaures Methylamin dieselbe katalytische Eigenschaft wie das Haemoglobin oder Leptomin, obwohl in schwächerem Grade wie diese, besitzt, habe ich in meiner ersten Abhandlung hervorgehoben; in der chemischen Litteratur ist diese Eigenthümlichkeit nicht er- wähnt, verdient aber weitere Beachtung. Ein Zusammnenwerfen solcher differenter Körper unter einen generischen Namen der B-Oxydasen ist wissenschaftlich nicht berechtigt und aueh ohne prak- tischen Nutzen. Jedenfalls ist der Name schlecht gewählt, da doch diese Körper — den bisherigen Kenntnissen nach — nichts Gemein- sames mit Öxydasen haben. Es hat aber auch die Grüss’sche Be- nennung kein Recht der Priorität, indem Linoissier für ähnliche Körper des Eiters (eitirt nach Chemiker-Zeitung 1898) den Namen „Peroxydase“ gebildet hat. Auf die „ß-Oxydasen* kommt jedoch Grüss nochmals auf Seite 139 seiner Abhandlung zu sprechen und rechnet da zu den- selben auch verschiedene hydrolytische Diastasen, ohne sich um seine eigene, zwei Seiten vorher geschaffene Diagnose „Enzyme, welche ebenfalls nicht hydrolytisch wirksam sind, seien P-Oxydasen genannt“, zu kümmern. Endlich unterscheidet noch J. Grüss sog. y-Oxydasen, d. i. solche, welchen sowohl eine starke hydrolytische, als auch eine „Y-oxydasische Wirkung“ zukomnt. Der Verfasser erklärt zwar nieht, was wir unter der „y-oxydasischen Wirkung“ verstehen sollen, doch erfahren wir, dass die Lindtner’sche Diastase, diejenige der keimen- den Gerste ete., hier zu rechnen sind, obwohl ihm doch selbst ge- lungen ist, die Lindtner’sche Diastase von der katalytischen Wirkung zu befreien. Natürlich sollte man ein künstliches Gemenge von Haemoglobin oder Leptomin mit einer gereinigten Diastase auch j-Oxydase nennen. J. Grüss hat durch seine Eintheilung zwar keine klare Ein- theilung der Oxydasen und bei Anwesenheit des Wasserstoffsuperoxyds katalytisch wirkenden Stoffe, dabei aber zugleich eine ganz ver- fehlte Eintheilung der diastatischen Pflianzenfermente gebracht. Die ’ 867 gewöhnlichen Diastasen der höheren Pfianzen sollte man jetzt bald „YOxydase*, bald „B-Oxydase“ nennen, und nur in den wenigsten Fällen („das Enzym von Penieillium und die nach den Jacobson- schen Methoden hergestellten Diastasen“) sind sie keine Oxydasen. Da Grüss jedoch diese letzteren bis auf Weiteres für Derivate der Secretions-Diastase, also einer y-Oxydase hält, so hat er in den höheren Pflanzen nur mit Oxydasen zu tlıun. Hoffentlich wird Nie- mand diesem Beispiele folgen, und J. Grüss wird selbst bei den weiteren Forschungen von der Unhaltbarkeit seiner Eintheilung sich überzeugen. Kagok bei Tegal, Java, 27. Juli 1898. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte einiger Orchideen. Von E. Capeder. Hierzu Tafel XVI und XVII und 21 Textfiguren. A) Ueber Cypripedium. I. Geschichtliches. R. G&rard, ein französischer Anatom, konnte in seiner 1878 erschienenen Abhandlung über die Homologie und das Diagramm der Orchideen mit gewisser Berechtigung sagen: „la fleur de Cypripedium semble ötre la mieux connueo entre toutes celles des Orchiddes*, denn es existirte damals wie auch heute wirklich kaum mehr ein Zweifel darüber, wie die einzelnen Theile an der fertigen Cypri- pediumblüte aufzufassen und diagrammatisch zu deuten seien; eine Thatsache, welche um so mehr auffallen muss, als man andrerseits in der Deutung der ein- zelnen Bestandtheile, z. B. einer Ophrydeenblüthe auch heutzutage noch immer hin- und herschwankt. Es wäre jedoch irrig, anzunehmen, die heutige Erkenntniss der Cypripediumblüthe sei stets, d.h. von den Zeiten Linn6&'s an ununter- brochen bis auf unsere Zeit die nämliche gewesen und geblieben; denn während Linnd und Maller bei Cypriped. die beiden Antheren richtig als zwei An- theren angesprochen haben und das Staminodium, allerdings irrthümlicher Weise, als «lem nämlichen Staminalkreise angehörig betrachtend, dass dritte Staubblatt nannten, wollte Du Petit Thouars in seiner llistoire particuliere des plantes Orchidees 1822 die Cypripediumblüthe als monandrische Blüthe betrachtet wissen!) Er glaubte nümlich, es seien die beiden Antheren nichts anderes als die beiden Pollinien der Ophrydeen, welche durch ein monströses „Uonnectiv, das Staminodium der heutigen Deutung, von einander getrennt erscheinen, Zu dieser uns heute als etwas merkwürdig erscheinenden Deutung wurde genannter Autor veranlasst durch den Irrthum Linne’s und Haller’s einerseits, und durch die Widerlegung des- selben durch Adanson, Schwarz und Jussien andrerseits. Nachdem nämlich die drei letztgenannten Autoren nachgewiesen hatten, dass die beiden Pollinien der Ophrydeen, nicht wie Linne und Haller angenommen hatten, als zwei Antheren aufzufassen seien, sondern die beiden Hälften einer Anthere darstellen, glaubte Du Petit Thouars die Monandrie auch für Cypripedium, und zwar in der oben angeführten Weise wiederzufinden. Mehr als 20 Jahre später sollte diese Ansicht von Du Petit Thouars nochmals auftreten und zwar vertreten dureh Link,2) weleher angenommen hat, dass die beiden Antheren ven Cypri- pedium durch Spaltung des fruchtbaren Staubgefässes der monandrischen Arten 1) Siehe Görard: sur l’homologie et le Diagramme des Orchidees. pag. 1. Ann. des seite, nat. T. VII, 1878. >) Bemerkungen über den Bau der Orchideon, besonders der Vandeen. Ein Auszug aus einer in der Akademie der Wissenschaften zu Berlin vorgelesenen Abhandlung von II. F. Link, Botan. Zeitung 1349, pag. 748 und 749. 369 entstanden seien, während das Staminodium nur das entwickelte Connectiv dieses Stamens repräsentire. Link äussert sich darüber wie folgt: „Cypripedium ist kein Diandrist, die Säule theilt sich nur in zwei Aeste, von denen jeder ein Antherenfach mit zwei Pollenmassen trägt. Nur diese Theilung der Säule unterscheidet diese Gattung von den übrigen.“ Von den älteren Autoren, welchen wir Mittheilungen über Cyprip. verdanken, kommen ferner in Betracht: R. Brown, Darwin, Van Tieghem und Gdrard. Die von R. Brown herstammende Deutung der Cypripediumblüthe, wonach dieselbe aus 5 alternirenden dreizähligen Quirlen besteht, wurde auch von seinen Nachfolgern als zutreffend angenommen, und die R. Brown’sche Angabe, es ge- hören die beiden fertilen Stamina dem inneren Quirle an, während das Staminodium als ein dem äusseren Quirl angehöriges Gebilde zu betrachten sei, hat ausser durch Link!) keine weitere Anfechtung erlitten. Darwin und Van Tieghem ist es sogar gelungen, die Richtigkeit der diagrammatischen Deutung Brown’s durch den Gefässbündelverlauf zu erhärten.?) G&rard endlich, welcher in seiner Schrift: Diagramme des Orchidees auch auf Cypriped. zu sprechen kommt, be- stätigt, den Gefässbündelverlauf betreffend, die Untersuehung Van Tieghems, nur in Bezug auf den anatomischen Bau des Staminalbündels widerlegt er dessen Ansicht, insofern nämlich, als er nachweisen konnte, dass Gefüss- und Siebtheil in demselben eine andere Orientirung haben, als sie Van Tieghem angibt3) Alle bisher genannten Autoren hatten ihre Ansichten begründet auf Morpho- logie und Anatomie der fertigen Blüthe. Von der vollen Ueberzeugung ausgehend, dass Morphologie und Anatomie allein nicht im Stande sind, eine sichere Basis für die Erkenntniss des Blüthenaufbaues zu liefern, habe ich für meine Unter- suchungen zur Entwieklungsgeschichte gegriffen. Hiebei bin ieh nieht einen eigenen und neuen Weg gegangen, sondern ich bin den Spuren gefolgt, welche mir vorgezeichnet waren durch die schönen Untersuchungen eines Thilo Irmisch, eines Th. Wolf und in nicht zu entrückter Zeit durch die grösseren Arbeiten Pfitzer’s. Dass nun neuere Untersuchungen mich gezwungen haben, an "manchen Stellen anders zu berichten als die eben genannten Autoren, so dass ich zuweilen mit den Vorstellungen einzelner in starken Widerspruch gerathe, ist begründet nicht in der Sache selbst, sondern lediglich in der Anwendung einer anderen ‘turch die moderne Technik ermöglichten Untersuchungsmethode. Um Wiederholungen zu vermeiden, will ich die einzelnen Daten genannter Autoren nicht einzeln berichten, sondern bei gegebener Gelegenheit in der Ab- handlung selbst ihrer gedenken. I. Organanlage und primäre Veränderungen. Das jüngste Entwiekelungsstadium, welehes für die diagram- matische Deutung von Cypripedium Caleeolus von Belang ist, führt 1) Siehe oben. 2) Inwieweit die Anatomie solches zu thun im Stande ist, soll später noch besonders beleuchtet werden. 3) Die anatomischen Verhältnisse finden an Schlusse ihre besondere Behandlung. 370 uns Fig. A vor. Wir sehen, das vier Blattkreise gebildet sind, von welchen zwei dreizählige je einer auf den ersten und auf den zweiten Blattkreis fallen. Vom dritten Blattkreis ist nur ein Glied nachzu- weisen, ein vor dem unpaaren Sepalum stehender Höcker Aı, das zungenförmige Staminodium der fertigen Blüte. Es liesse sich vielleicht erwarten, insbesondere wenn man den nächstfolgenden, den vierten Blattkreis betrachtet, dass doch in den jüngsten Stadien die beiden anderen den paarigen Sepalen supponirten Stamina, wenigstens zeit- weilig nachzuweisen wären. Allein die grosse Zahl der von mir untersuchten Knospen aller Entwickelungsstadien lässt eine solche Voraussetzung als unzutreffend erscheinen. Von einer Anlage der paarigen Stamina des äusseren Staminalkreises ist bei Cypripedium Calceolus absolut nichts zu sehen und es wäre daher unstatthaft, das Vorhandensein derselben anzunehmen nur auf Grund rein theoretischer Erwägungen hin. Den noch allenthalben herrschenden Zweifel über das Vorhanden- sein des dritten Gliedes des inneren Staubblattkreises mögen Fig. A und Fig. B beseitigen. Wie nämlich genannte Figuren deutlich zeigen, ist der vierte Blattkreis (der zweite Staminalkreis) regelrecht dreizählig gebildet. Allerdings ist es mit einiger Schwierigkeit verbunden, das dritte Stamen, nämlich das dem Labellum supponirte, klar und deutlich sichtbar zu machen; denn wenn auch die Sepalen und Petalen, oder kurz das Perigon sich noch nicht über das Androeceum und Gynae- ceum geschlossen haben, so hindert doch das kapuzenartige Anliegen der Perigonblätter an die inneren Blattkreise den freien Einblick auf dieselben. Es muss daher mit der Präparirnadel sorgfältig das Labellum etwas vorgezogen werden, eine Operation, welche sich mit dem neuen von Zeiss construirten Präparirmikroskop leicht vornehnen lässt. Ist dies geschehen, dann tritt das unpaare, von Irmisch!) zuerst, wenn auch allerdings sehr undeutlich gesehene und noch weniger deutlich gezeichnete Stamen as sehr schön zu Tage und man sieht, dass es an Grösse den beiden anderen Staminalanlagen des inneren Kreises in keiner Weise nachsteht, jedenfalls aber stets grösser ist, als die Anlage des unpaaren äusseren Stamens des späteren Stami- nodiums A. Wenn Irmisch loc. eit. sagt: „vor der Spalte zwischen den beiden letzteren (nämlich zwischen den paarigen Carpellen) findet 1) Irmisch, Beiträge zur Biologie und Morphologie der Orchideen. Leipzig 1853, 31 sich ein mit der Basis der Antheren in Verbindung stehender Wulst, als hätte sich auch hier eine Anthere bilden wollen“, so hat er voll- kommen recht in seinem Zusatze: „als hätte sich auch hier eine Anthere bilden wollen“, unrichtig dagegen ist seine Beobachtung, wenn er annimmt, dass dieser Höcker mit der Basis der Antheren in Ver- bindung stehe; denn dieser llöcker ist mit der Antherenbasis durchaus [3 Fig. 1. Successive Längsschnitte durch eine Blüthe von Cypriped. Calceolus. . a4 Fig. 2. Cypriped. Cale., Theil vom Labellum nebst az. nicht verbunden, wird er ja doch, wie Fig. A und Fig. B zeigen, von den beiden Antheren a, und az getrennt durch die bereits etwas ausgehöhlte Blüthenaxe. Dieser kleine Irrthum von Seiten Irmisch’s ist jedoch leicht zu entschuldigen, wenn man bedenkt, dass sein einziges optisches 372 Instrument nur eine Lupe war und wir müssen seine dennoch relativ sehr genauen Untersuchungen um so mehr bewundern, als wir aus seiner eigenen Feder!) die so bescheidenen Worte entnehmen: „Ich wünsche, dass ich bei dieser Erweiterung meines lHorizonts nicht all- zusehr in das Blaue hineingeschen habe, ist's aber geschehen, dass wenn sie überhaupt von diesen Zeilen Notiz nehmen, die Glücklichen, denen Mikroskope etc. zu Gebote stellen, es mir nicht hoch anrechnen mögen‘. Ein weiterer Grund, warum Irmisch nicht mit aller Bestimmt- beit für den staminodialen Charakter dieses bis heute nur von ihm allein gesehenen Höckers eingetreten ist und warum er irrthümlich angenommen hat, es stehe dieser Höcker mit der Basis der Antheren in Verbindung, ist wohl der, weil das von ihm untersuchte Stadium ein. etwas zu altes war, um die wirklichen Verhältnisse klar und deut- lich zu erkennen. Die von Irmiseh gegebene Zeichnung 45 iden- tifieire ich am leichtesten mit Fig. C?), welche ein eigenthümliches Ausbreiten der Staminalanlage as in der Richtung nach a2 und aı er- kennen lässt, so dass in diesem Stadium nur bei einer Lupenver- grösserung es wirklich den Anschein hat, als wäre «3 mit der Basis von aa und aı verwachsen, Nur solche Stadien, welche die Organanlagen zeigen, können in- des entscheidend sein für die Werthigkeit dieses Höckers und als solche mögen die in Fig. A und Fig. B abgebildeten Blüthenknospen dienen. Von dem Stadium in Fig. A unterscheidet sich wesentlich das Stadiam in Fig. B. Hier sind die noch nicht mit einander verwachsenen Carpelle, drei an der Zahl (91, 92, 95), sehon deutlich sichtbar, sie sind nicht verschieden in ihrer Grösse, auch herrscht bezüglich ihrer dia- grammatischen Deutung kein Zweifel, da sie den äusseren Perigon- blättern supponirt sind und mit dem inneren Staminalkreise sehr deutlich alterniren. Die drei inneren Antheren haben in ihrer Ent- wiekelung unter sich ziemlich gleichen Schritt gehalten; wenn auch die dem Labellum supponirte Antherenanlage (as) um ein geringes 1) Irmisch, Bemerkungen über die Fpipactisarten der deutschen Flora. pag. 453, 2) Einen Längsschnitt durch dieses Stadium zeigt uns Pig. le, in welcher der Höcker vor dem Labellum nebst diesem median getroffen ist und deutlich er- kennen lässt, dass derselbe mit der Axe der Blüte nichts zu thun hat. In Fig. 2 R Q : „ ist der Staninalhöcker vor dem Labeillum stärker vergrössert, in histologischer Zeichnung genau wiedergegeben 373 kleiner ist als die beiden paarigen (aı und as), so ist dieselbe doch noch immer grösser als die Anlage des äusseren unpaaren Staminal- gliedes Aı. Soviel über die jüngsten Stadien von Cypripedium Caleeolus. Von hervorragendstem Interesse für die Phylogenie des Genus Cypripedium muss es sein, feststellen zu können, ob und inwieweit die einzelnen Arten dieses Genus sich in der Anlage ihrer Staminal- höckerzahl unterscheiden. Es ist mir nicht vergönnt, eine grössere Anzahl Arten von Cypripedium zu untersuchen und so beschränken sich meine Mittheilungen ausser über Cyprided. Caleceolus nur noch auf Cypriped. barbatum. Ueber jeglichen Zweifel erhaben ist die diagrammatische Deutung der in der fertigen Blüthe vorhandenen Gebilde und es frägt sich nur, inwieweit die existirenden Angaben über die jüngeren Stadien der Cypriped. barbatum-Blüthe übereinstimmen mit den vorliegenden Untersuchungen. Zunächst in Betracht kommt die Frage, ob bei Cypripedium bar- batum die Staminalanlage az je vorhanden ist oder nicht. Hierüber berichtet Pfitzer!) auf pag. 160 seiner Arbeit bei Behandlung von Cypriped. longifolium, als auch für Cypriped. barbatum geltend, wie folgt: „die schwache Erhebung auf der andern Seite unterhalb des Labellum kann allenfalls als eine Anlage des unpaaren inneren Staub- blattes ag gedeutet werden, doch auch ebenso gut zur Achse gehören“, sodann wieder auf pag. 162: „ebenso ergibt sich kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass das dritte Glied des inneren Staubblattkreises immer angelegt werde — dasselbe ist bisher von Irmisch?) nur für Cypriped. Caleeolus angegeben“. Diesen Angaben Pfitzer’s widersprechen die Resultate meiner Untersuchungen. In einem jungen Stadium sieht man nämlich gleich wie bei Cypriped. Calceolus das dritte innere Staubblatt angelegt und zwar nieht weniger deutlich als bei jenem. Dass an der ausgebildeten Blüthe von diesem Stamen as nichts mehr zu sehen ist, hat‘ Cypriped. barbatum mit COypriped. Calceolus gemein. Der Umstand nun, dass Pfitzer der ganz allgemein gehaltenen 1) Pfitzer, Untersuchungen über Bau und Entwiekelung der Orchideen- blüthe in Pringsheim’s Jahrbüchern der wissenschaftlichen Botanik, Band XIX. 1885, 2) Die von Irmisch gegebene Zeichnung ist allerdings nicht dazu angethan, den Glauben an das Vorhandensein des Gliedes a; zu festigen. Flora 1898, 25 374 Mittheilung Wolf’s'): „ähnlich wie Cypriped. Calceolus entwickelt sich auch Cypriped. barbatum und insigne“ keinen Werth beilegt und auf pag. 159 sagt: „da Wolf diese letzteren nur in sehr weit vor- geschrittenem Stadium sah?), so hat diese Bemerkung wenig Bedeu- tung; ich habe deshalb die genannten Arten, sowie P. longifolium genauer untersucht“, mag es wohl rechtfertigen, wenn ich, um mir über diese Frage klar zu werden, die Untersuchungen über Cypriped. wieder aufgenommen habe. Nachdem dann im Verlaufe der Untersuchungen der von Irmisch erwähnte Höcker bei Cypriped. Calceolus in den verschiedensten Ent- wickelungsstadien der Blüthe wiedergefunden war (ef. Fig. A, B, C), sollte derselbe auch für Cypriped. barbatum nachweisbar sein, wie ich oben soeben erwähnt habe, Als neue und höchst interessante Eigenthümlichkeit ist bei Cypriped. barbatum nun zu erwähnen, dass hier nicht wie bei Cypri- ped. Calceolus nur vier Staminalanlagen in die Erscheinung treten, sondern deren sechs. Diese sechs Staminalanlagen habe ich an meh- reren Knospen gezählt, nieht nur an einem Präparate, und bin auch in der Lage, das Vorhandensein aller sechs Staminalanlagen durch ein Dauerpräparat zu erhärten. Gerne hätte ich diese auch an Schnitten gezeigt, allein der Umstand, dass zwei derselben (die beiden den paarigen Sepalen supponirten) im Wachsthum sehr früh hinter den anderen zurückbleiben, erschwert es sehr, dieselben auf Querschnitten sichtbar zu machen; und da man lediglich auf Gewächshausmaterial angewiesen ist und man infolge dessen mit den Untersuchungsobjekten etwas kargen muss, habe ich meine diesbezüglichen Versuche bald aufgegeben. Im Uebrigen dürfte aber eine frei präparirte Knospe, wie sie in Fig. D abgebildet ist, diesen Mangel aufheben. Es hat sich also das empirische Diagramm von Cypriped. barb. insofern verändert, als, wenigstens in der ersten Anlage, alle sechs Stamina des monokotylen Typus vorhanden sind. Fig. D. Die Ansicht Wolf’s: „Im Genus Cypriped. haben wir die ein- fachste Form der Orchideen, in welcher die charakteristische Dreizahl, welche die meisten Monokotylen auszeichnet, in allen Blattkreisen der Blüthe am vollkommensten erhalten“ kann ich nur theilen und . 1) Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Orchideenblüthe mit besonderer Berücksichtigung der bursieula und des retinaculum, pag. 292. 2) Was übrigens richtig ist, wenigstens gibt Wolf keine jungen Stadien wieder, weder durch Wort, noch Bild, 375 auf Grund des Vorhandenseins aller sechs Staminalanlagen bei Cypriped. barb. ergänzend hinzufügen: dass das reale Diagramm in Cypriped. barb. dem idealen oder theoretischen vollkommen entspricht. Ueber die Anlage der drei Carpelle gilt für Cypriped. barb. das nämliche, was für Cypriped. Calceolus mitgetheilt wurde. Wenn ich der beiden Perigonkreise bei Cypriped. Cale. nicht Erwähnung gethan, so geschah es deshalb, um gleichzeitig an dieser Stelle einen kleinen Unterschied zwischen denen von Cypriped. Cale. und denen von Cypriped. barb. anführen zu können. Während nämlich bei Cypriped. Calc. der äussere Perigonkreis mit dem inneren, wenigstens auf einem sehr jungen Stadium in seinem Wachsthum noch gleichen Schritt hält, hat sich der äussere Perigon- kreis von Cypriped. barb. auf einem gleichen Stadium weit mehr entwickelt als der innere, eine Erscheinung, für welche ich keine Erklärung habe und die ich nur mit einer besonderen, der Pflanze eigenthümlichen Wachsthumstendenz in Zusammenhang bringen zu müssen glaube. Ob nun das Auftreten der diesen Sepalen supponirten Staminal- anlagen (As, As) etwa gerade durch dieses frühe stärkere Wachsthum der äusseren Sepalen ermöglicht wird, dann aber wohl infolge einer sehr früh ausgelösten Druckwirkung (die beiden äusseren Sepalen üben nämlich an ihrer Basis auf diese Weise keinen Druck mehr aus auf die ihnen supponirten Gebilde), darüber enthalte ich mich jeglichen Urtheils und begnüge mich, damit die Thatsachen selbst, die Ontogemie angegeben zu haben, Dass die beiden äusseren Sepalen schon gleich bei ihrer Anlage mit einander verwachsen (congenitale Verwachsung im eigentlichsten Sinn), führe ich nur der Vollständigkeit halber als auch für Cypriped. barb. geltend an; zum erstenmal hat auf dieses Verhältniss Irmisch') hingewiesen bei Behandlung von Cypriped. Cale. An dieser Stelle ist es vielleicht angebracht, einer bei allen un- seren einheimischen Orchideen auftretenden Erscheinung zu gedenken, jener Erscheinung nämlich, welche sich in der eigenartigen Förderung der einen Blüthenhälfte kundgibt. Im Folgenden mögen die durch einen Frontalschnitt erhaltenen Theile als Staminal- bezw. Labellumhälfte bezeichnet werden. Weniger an der fertigen Blüthe als an noch jungen Stadien be- obachtet man, dass die Staminalhälfte stärker entwickelt ist als die 1) loc. eit. 25* 376 Labialhälfte, — ein Satz, den man geradezu als für die Orchideen- blüthe allgemein giltige Regel aufstellen könnte, wäre nicht die dem Labellum angehörige Hälfte ebenfalls durch ihr hervorragendes Wachs- thum ausgezeichnet. Inwieweit diese Ausnahme als wirkliche Aus- nahme einer Regel zu betrachten ist und ob dann auch erklärbar, das wird das Weitere zeigen; einstweilen wollen wir das Labellum ausser Acht lassen und nur den Staminalabschnitt betrachten.) Zunächst fällt auf, dass das Staminodium A,, als dieser Seite an- gehörig, sich sehr stark entwickelt, während die beiden andern Staminal- anlagen des äusseren Kreises (As und As) als Gebilde der anderen Hälfte, bei Cypriped. barb. z. B. schon sehr früh verschwinden und bei Cypriped. Cale. selbst gar nicht gebildet werden. Eine Förderung der Staminodiumbälfte, soweit sie sich auf den äussern Staminalkreis beschränkt, ist somit völlig evident. Die gleiche Erscheinung tritt uns nun auch beim inneren Staminalkreise entgegen. Nicht nur verschwindet dort das unpaare Stamen as an der Basis des Labellum gänzlich, es zeigen selbst die Pollensäcke der Antherenhälften eine verschieden starke Ausbildung auf beiden Seiten; so nämlich, dass die dem Staminodium zugekehr- ten Hälften der Antheren stärker entwickelt sind, als die dem Labellum zugekehrten — Verhältnisse, welche sowohl für Cypriped. Cale. als Cypriped. barb. gelten, Interessant ist es nun zu sehen, wie mit der stärkeren Aus- bildung der Pollensäcke auf der Staminalseite auch die Ausbildung des Antherenfilaments Schritt hält, eine Thatsache, deren ich jedoch erst später, bei den secundären Veränderungen des Weiteren gedenken werde. Hier sei nur bemerkt, dass der Auswuchs am Antheren- filament auf der der Staminalhälfte entsprechenden Seite sich stärker entwickelt als auf der andern Seite. Die typische Förderung der Staminalseite ist mit den oben erwähnten Angaben noch nicht er- schöpfend behandelt. Betrachtet man nämlich den fünften und letzten Phyliomkreis der Blüthe, dann fällt sofort auf, dass das unpaare Carpell gı in seinem Wachsthum den beiden paarigen weit voraus ist. Deutlicher als an der ausgebildeten Blüthe ist dieses Verhältniss an noch jungen Blüthen zu sehen, etwa in einem Entwiekelungsstadium, wie es Fig. C darstellt. Da nun aber das geförderte unpaare Carpell 2) In diesem Abschnitte sollen nur die Verhältnisse für Cypriped. ihre Be- rücksichtigung finden; inwieweit das von Cypriped. Gesagte auch für die übrigen Orchideen seine Giltigkeit hat, siehe dort. 377 der Staminalhälfte angehört, so mag man es entschuldigen, wenn ich oben den Ausdruck „typisch“ gebraucht habe, noch ehe ich alle Typen einseitig geförderten Wachsthums angeführt hatte. Ich glaube nun auf Grund aller dieser Angaben, welche für eine typische Förderung der Staminalseite sprechen, mich zur Annahme berechtigt, es bilde das Labellum, als ein dieser gegenüberliegenden Seite angehöriges Gebilde, durch seine Förderung im Wachsthum eine Ausnahme von der sonstigen Erscheinung: dass in der Familie der Orchideen in der Regel die auf die Staminalseite fallenden Blüthen- theile sich stärker entwiekeln als die Theile der Labellumhälfte. Es tritt, nachdem wir die stärkere Ausbildung der Staminalhälfte als bei unseren einheimischen Orchideen herrschende Grundregel er- kannt haben, die Frage an uns heran, was denn als Ursache dieses auffälligen Abweichens des Labellum von der Regel anzusehen sei, eine Frage, an deren Beantwortung ich mich nicht heranwagen kann, und ich überlasse dieses Thema auch gerne solchen, die dazu mehr berufen sind. Es sei mir jedoch gestattet, eine diesbezügliche Ver- muthung hier auszusprechen. Die Thatsache, dass bei den monokotylen Pflanzen an der Blüthenaxe in normaler Weise ein Vorblatt der eigentlichen Blüthe vorausgeht, ist ebenso bekannt, wie die Thatsache, dass dieses Vor- blatt der Orchideenblüthe stets fehlt, ein Umstand, welcher uns die Vermuthung vielleicht nahe rückt, es möchte die starke Ausbildung des Labellums als ein der gleichen Seite angehöriges Organ wie das „hier fehlende“ Vorblatt, mit dem gänzlichen Fehlschlagen dieses Vorblattes in Correlation stehen.) Oder wäre es nicht denkbar, dass die zur Bildung eines Vorblattes nicht gebrauchten, trotzdem aber vorräthigen Baustoffe zur stärkeren Ausbildung eines anderen Organs 1) Von gewissem Interesse dürfte cs sein, sich zu erinnern, dass in mehreren Familien der monokotylen Pflanzen ähnliche Verhältnisse sich wiederfinden lassen, Ich erwähne nur die Musaceen und Pontederiaceen. Während bei den ersteren, z.B. bei Musa das innere, dem Labellum der Orchideen äquivalente unpaare Petalum ähnlich wie bei diesen von den übrigen Petalen und Sepalen sich sehr bedeutend unterscheidet (es ist weit kürzer als die ührigen fünf Perigunblätter, über- trifft diese jedoch bedeutend in seiner horizontalen Ausdehnung und ist nicht wie diese, welche alle unter sich eine Röhre bildend, miteinander verwachsen sind, mit einem andern Organ verwachsen, sondern erhebt sich völlig frei von der Blüthenaxe) ist bei Pontederia das unpaare innere Petalum zwar wohl von den übrigen durch stärkere Ausbildung verschieden, hat aber, um einen Anthropismus zu gebrauchen, aus dem Aplast des Vorblattes keinen so grossen Nutzen gezogen wie das Labellum von Musa. 378 (des Labellum) Verwendung gefunden und zwar unter möglichster Ausnützung des vorhandenen freien Raumes? In dieser Vermuthung möchte man sich bestärkt fühlen, wenn man bedenkt, dass das Labellum genau über das sonst ausgebildete Vorblatt zu stehen kommt. Ill. Seeundäre und tertiäre Veränderungen. Unter dieser Aufschrift möchte ich einige Erscheinungen be- handeln, welche im Verlaufe der Weiterentwicklung von Cypriped. theils mehr, theils weniger zu Tage treten.!) Ich sehe dabei gänzlich ab von jenen Erscheinungen, welche man in einem ganz jungen Stadium beobachtet, in einem Stadium, wo die Organanlage stattfindet, sowie die ersten, fast gleichzeitig damit verbundenen Veränderungen (primäre Veränderungen) vor sieh gehen, wie: Verwachsung der beiden äusseren Perigonblätter, Förderung der Staminalhälfte, Rudimentär- werden der verschiedenen Antherenanlagen; ich will hier vielmehr nur jener Erscheinungen gedenken, welche auftreten, nachdem sämmt- liche Organe in ihrer definitiven Zahl gebildet sind und durch ihre Gestalt und Stellung zu einander sich leicht als diese oder jene Organe erkennen lassen. Ich beginne mit unserem einheimischen Frauenschuh, Cypriped. Caleeolus L. Nachdem die jungen Blüthen gleichsam ihr embryonales Stadium überstanden haben, sehen wir zunächst auf dem Rücken des Antheren- filaments beider Antheren eine Böschung auftreten, welche schon sehr früh auf der dem Staminodium zugekehrten Seite stärker zu Tage tritt als auf der gegenüberliegenden Seite und in seiner Entwickelung allmählich ganz auf diese Seite zu stehen kommt. Fig. E (k). Wie Abbildungen älterer Stadien erkennen lassen, sind diese Höcker die beiden Oehrehen, welche man an der ausgebildeten Anthere über dieselbe hinausragen sieht. Fig. Pı (h), Pz (h-h). Ueber die Werthigkeit dieser Höcker herrscht kein Zweifel, es wäre vollkommen falsch, wollte man diesen etwa staminodialen Charakter beimessen, eine Ansicht, die ich zwar in der Litteratur nicht getroffen habe, auf die man aber immerhin kommen könnte,?) wenn man nur das Gynostemium der fertigen Blüthe betrachtet 1) Die Litteratur hat darauf bis jetzt so gut wie gar nicht Rücksicht genommen. 2) Hat man sich ja auch nicht gescheut, das Clinandrium von Listera (Wolß), sowie die Auriculae der einheimischen Orchideen als staminodiale Gebilde zu bezeichnen. Bd 379 Fig. Pı u. Ps. Selbst jüngere Stadien könnten täuschen, so z.B. ein Stadium, wie es Fig. F (h) wiedergibt. Die hier abgebildete Knospe ist schon sehr gross, alle Theile sind an ihr beinahe fertig ausgebildet, nur die später über die An- theren hinausragenden Oehrehen sind noch an deren Basis ver- blieben (A), wo sie, wie schon bemerkt, ein täuschend ähnliches Aussehen mit Staminalhöckern besitzen. Die Entwickelungsgeschichte beweist jedoch, dass diese Höcker nichts anderes als ein Auswachsen des Antherenfilaments bedeuten. Die Bemerkung Irmisch’s:!) „auf dem Rücken der Antheren bildet sich auf der nach dem Staminodium zugekehrten Seite ein Höcker, der dann erst später auswächst und dadurch die ursprüng- liche senkrechte Stellung der Antheren in eine nach dem Labellum zugeneigte verändert und endlich die Anthere überragt,“ ist nur zum Theil richtig und ich sehe mich daher veranlasst, diese Worte durch eine Abbildung zu erläutern, zumal da Irmisch eine solche nicht gegeben hat und die Pfitzer’sche Zeichnung auf Tafel IH Fig. 10 nach einer viel zu alten Blütenknospe entworfen ist, um einen Schluss ziehen zu können über die Werthigkeit und Bedeutung dieses Höckers. Vergl. Abbildungen Fig. F (h) u. Fig. Q (Rh). Ich sagte, die Bemerkung Irmisch’s sei nur zum Theil richtig; sie ist richtig, insofern als sie das Vorhandensein und die spätere Ent- wickelung des llöckers überhaupt konstatirt, unrichtig dagegen ist Irmisch’s Ansicht, wenn er meint: „und dadurch die ursprüngliche senkrechte Stellung der Anthere in eine gegen das Labellum zu ge- neigte verändert*. Wie die Entwickelungsgeschichte nämlich lehrt, ist die Anthere schon sehr früh gegen das Labellum zu geneigt, ja schon zu einer Zeit, wo von den Ilöckern noch nichts zu sehen ist. Dieses Hinneigen der Antheren zum Labellum kann also nicht von den Höckern veranlasst werden, und es ist die eigentliche Ver- anlassung eine ganz andere — das stärkere Wachsthum der dem Staminodium zugekehrten Antherenhälfte. Die beiden Hälften eines Staubblattes sind nämlich keineswegs gleich gross, was auch schon Irmisch bemerkt hat, sondern unterscheiden sich ziemlich namhaft, so dass die dem Staminodium zugekcehrte Seite grösser ist als die dem Labellum zugewandte. Das über den Höcker an der Anthere erwähnte kurz zusammenfassend, komme ich zu dem Resultate, dass 1) loc. cit. 380 Irmisch sich in der Deutung der Function dieses Höckers getäuscht hat (vergl. Citate), eben so sehr aber auch Pfitzer, der die schon oben einmal erwähnte Fig. 10 auf Tafel III von Cypriped. insigne') mit den Worten interpretirt: „Fig. 10 zeigt den Beginn der Um- biegung nach der labioscopen Seite“, welche Zeichnung aber als Be- stätigung der Ansicht Irmisch’s angesehen werden muss. Bleiben wir dabei, dass nicht der Höcker des Antherenfilaments die Anthere gegen das Labellum hinbiegt, sondern die durch stärker gefördertes Wachsthum ausgezeichnete, der Staminalhälfte angehörige Seite der Anthere selbst uud zwar schon in einem sehr frühen Stadium und nicht, wie Pfitzer für Cypriped. longifolium angibt: „erst ver- hältnissmässig spät beginnt dann die Umkrümmung-der Anthere ete.“ Die Thatsache, dass die beiden Antherenhälften von ungleicher Grösse sind, erwähnt Pfitzer nicht, und ist auch aus seinen Abbil- dungen diesbezüglich nichts zu erschliessen. Als eine der wichtigsten secundären Veränderungen an der Blüthe von Oypriped. Cale. betrachte ich die weitere Ausbildung des un- fruchtbaren Staubblattes des Staminodiums (A:). Sieht man sich das Staminodium der fertigen Blüthe an, so er- scheint dasselbe auf den ersten Bliek als einfache Zunge, welche durch Grösse und mehr petaloides Aussehen sehr auffallend von den fertilen Antheren sich auszeichnet. Bei näherem Zuschen erkennt man auch leicht die mittlere, ziemlich starke Rinne oder vielleicht besser gesagt, langgezogene llautfalte, Fig. G. Vergebens habe ich mich nun bemüht, in der Litteratur vollständige und eigentlich ent- wiekelungsgeschichtliche Darstellungen dieses so merkwürdigen Organs zu finden. Ausser zwei sehr unvollkommenen Abbildungen des Gynostemiums, Figuren 33 und 34 in Wolf’s noch mehrfach zu er- wähnenden Arbeit nebst einem sehr schematisch gezeiehneten Quer- schnitt des Staminodiums von Cypriped. Cale., fand ich neben vier Lupenbildern von Irmisch nur noch in der Pfitzer’schen Arbeit einige Abbildungen des Staminodiums, so z. B. als seitliche Ansicht in Fig. 10 Tafel III, ferner in der weniger instructiven Abbildung einer halbirten Knospe in Fig. 8, wiederum als seitliche Ansicht in Fig. 11, welche das Gynostemium von P, longifolium darstellt, sowie im Querschnitt getroffen auf Fig. 6, 7 und 9 von derselben Pflanze. Alle diese genannten Abbildungen sind jedoch nicht im Stande, 1) Für Cypriped. insigne gilt natürlich, den Höcker am Filament betr., das gleiche, wie für Cypriped. Cale. und Cypriped. barb. 881 uns ein klares Verständuiss des Staminodiums zu verschaffen; denn von ihrer Genauigkeit gänzlich abgesehen, stammen die reproduzirten Schnitte entweder von zu jungen oder von zu alten Stadien ab. Zu junge Stadien oder in ihrer Wiedergabe zu ungenau treffen wir bei den Lupenabbildungen von Irmisch, durchweg zu alt dagegen waren die Staminodien, nach welchen die oben eitirten Figuren W olf’s und Pfitzer’s gezeichnet sind. Vergleicht man, zur eigentlichen Entwickelungsgeschichte des Staminodiums selbst schreitend, die in Fig. A und B abgebildeten Stadien mit dem Stadium in Fig. H'), dann sieht man, wie das zuerst den Antherenanlagen- fast gleichgrosse Gebilde Aı in seinem Wachs- thum diesen gegenüber zurückgeblieben ist. Nieht nur ist es nicht wie die Antheren ziemlich stark in die Länge gewachsen, es ist auch in seiner Volumzunalime unbedeutend geblieben, so dass der anfäng- liche Höcker As jetzt, mit den dieken und wulstigen Antheren ver- glichen, nur noch als zungenförmiges Plättchen in die Erscheinung tritt. Fragen wir, warum dieser Höcker, die Staminalanlage Aı nicht wie die beiden anderen sich zu einem fertilen Stamen gebildet hat, dann können wir wohl nur sagen, dass das Nichtfertilwerden von 4ı in der eigenartig phylogenetischen Entwiekelung von Cypriped. be- gründet ist. Was aber diesen phylogenetischen Grundplan verursacht hat, das besagt kein Präparat und muss darüber irgend eine Hypothese sich aussprechen, wenn anders diese Frage überhaupt eine Beant- wortung erhalten kann. Von der hohen Bedeutung?), welche der Entwiekelungsgeschichte für die Lösung dieser Frage zukommt, völlig überzeugt, war es mir nicht nur möglich geworden, das Werden und Vergehen der einzelnen die Cypripediumblüthe aufbauenden Organe zu beobachten, ich kam auch bald dahin, auf die verschiedensten Correlationen der sich bildenden Organe untereinander aufmerksam zu werden. Eine solche Correlation herrscht zweifelsohne zwischen dem vorhin erwähnten Staminodium und den beiden fertilen Stamina. Ist es auch unmög- lich zu eruiren, weshalb das Staminodium Aı nicht fertil wird, so können wir doch wenigstens verstehen lernen, warum das Staminodium die ihm eigene Gestalt erhält. Wenn das Staminodium bei seinem ersten Auftreten, wie wir oben gesehen, in seiner Gestalt von den später fertilen Stamina nicht verschieden war, so hat es jetzt eine 1) Das Perigon und eine Anthere ist absichtlich weggelassen. 2) Hierüber siche Goebel: Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Pflanzenorgane in Schenk, Handbuch der Botanik III. 1, pag. 99, 882 zungenförmige Gestalt angenommen. Auf die Frage nach dem Warum weise ich hin auf die Gestalt der beiden fertilen Stamina. Während nämlich die beiden fruchtbaren Antheren durch ihr rasches und starkes Wachsthum (infolge der Pollenbildung) auf die innere Front Fig. a. Fig. b. Fig. 3. Querschnitte durch eine Blüthe von Cypriped. Calc. (b) höher, (a) tiefer gehender Schnitt. Zwei äussere Sepalen sind nicht gezeichnet, des Staminodiums und zwar auf dessen ganze Länge als Wachsthums- hemmniss wirkend einen ziemlich starken Druck ausüben, wird dieses gleichsam gequetscht und fach gedrückt; es wird aus dem ursprüng- Fig. 4. Successive Querschnitte durch eine fast völlig entwickelte Blüthe von Cypriped. Gale, lich rundlichen und mehr eylindrischen Gebilde infolge einseitig ge- hemmten Wachsthums zunächst ein flaches und einfaches Plättchen. Da nun aber dieses von innen her sich bethätigende Wachsthums- hemmuniss infolge der sich noch immer mehr entwickelnden Antheren, 388 gegen dieses schwächere Gebilde zu wirken noch nicht aufhört, und sich sogar eine Zeit lang zu melren scheint, zeigt sich an einer frei präparirten Knospe die Aussenseite des Staminodiums als mehr weniger eonvexe Wölbung, welche Wölbung der Concavität auf der Stami- nodiuminnenseite entspricht. Fig. H, Fig. 15 und der Querschnitt in Fig. 35 geben diese Verhältnisse wieder. In jenem Stadium, welches Fig. 4') wiedergibt, hat das Stami- nodium seine definitive Gestalt erreicht. Es haben sich die auf dem Querschnitt wie zwei Hörner erscheinenden Seiten s (rechte und linke) des Staminodiums nicht nur bedeutend stärker gebuchtet (infolge des noch stets anhaltenden Druckes von Seiten der Antheren), auch die Mitte des Staminodiums hat sieh verändert, so nämlich, dass der nach dem Knospencentrum zugekehrte Teil (c) des Staminodiums nun ebenfalls coneav gebuchtet erscheint (ich habe natürlich wieder den Querschnitt im Auge), Betrachtet man den Querschnitt einer sehr weit. vorgeschrittenen Blüthe (Fig. 4,), dann sieht man, dass der Stylus genau in diese Einbuchtung des Staminodiums hineinpasst. Die Frage, ob nicht auch der Stylus (d) Gestalt verändernd auf das Staminodium gewirkt habe, ähnlich wie die Antheren, liegt nicht allzu ferne und ist man auch wirklich zuerst dazu geneigt, eine solche Gestalt verändernde Wirkung des Stylus anzunehmen. Um nun darüber entscheiden zu können, müssen wir uns erinnern, dass das Staminodium an den von den Antheren nicht gedrückten Stellen, d. h. in seiner Mitte aus bedeutend mehr Zeilschichten besteht, als an seinen beiden Seiten, Die Consistenz der Staminodiummitte wird also auch eine andere sein, d. h. eine mehr massige als an den beiden Seiten. Dies bringt es mit sich, dass man sich zur Annahme einer ursprünglichen Correlation zwischen der Staminodiuminnenseite und dem Stylus ver- anlasst fühlt, besonders auch dann, wenn man in Mittelstadien und in Aufblühestadien den Stylus in ein der oben erwähnten massigeren Consistenz entsprechendes Gebilde, gleichsam wie in einer Rinne liegend, eingebettet sieht. (Fig. 44d.) Allein der Vergleich mit jüngeren Stadien frei präparirter Knospen zeigt, dass eine solche Annahme irrig wäre. Denn man kann deutlich sehen, dass die das Staminodium auf seiner Innenseite durch dessen Mitte durchlaufende Zone consistenzreicheren Gewebes sich rinnenförmig vertieft, noch ehe der Stylus mit diesem in Contact getreten ist. (Fig. H) (r). Später wird jedoch dieser Contact durch beschleunigtes Waehsthum des 1) Fig. 4 successive Querschnitte 1—8. 384 Stylus hergestellt und es erscheint mir daher nicht ala sehr unwahr- scheinlich, dass die weitere Ausbildung der Staminodiuminnenseite bezüglich ihrer Mittelrinne vom Stylus dann doch noch mehr weniger beeinflusst werde, insofern nämlich, als durch gegenseitigen Contact die Rinne erhalten bleibt, während die dieselbe begrenzenden Theile des Staminodiums, weil vom Rücken des Stylus nicht beeinflusst, un- gehindert weiter zu wachsen vermögen. Nach all dem Gesagten ist also die eigenthümliche Gestalt des mit einer Mittelrinne versehenen, zungenförmigen und geflügelten Staminodiums als das Endprodukt mehrerer unter einander in Corre- lation stehender Wachsthumserscheinungen zu betrachten. Wie sich die Antheren im Verlaufe ihrer Weiterentwiekelung ge- staltlich verändern, will ich nicht näher beschreiben; die verschiedenen Querschnitte, sowie der Vergleich der einzelnen Figuren, in welchen die Antheren zu sehen sind, mögen genügen. Nur darauf will ich hinweisen, dass die Basis der kleineren vorderen Antherenhälfte tiefer zu liegen kommt als die Basis der dem Staminodium anliegenden grösseren Hälfte.!) Wenn mir bei dieser Betrachtung die Pfitzer’sche Fig. 7 etwas auffällig erscheint, so hat das seinen Grund darin, dass es ınir nicht gelungen ist, einen gleichen Querschnitt zu erhalten, wie ihn Pfitzer in genannter Figur abbildet. Überall musste ich bedeutend tiefer schneiden, um die Oarpelle gg, ga als bis zum Labellum hinreichende Gebilde zu erhalten. Dann aber ist zwischen denselben kein so grosser Zwischenraum zu schen wie ihn Pfitzer in seiner Abbildung wiedergibt und es erscheinen die beiden Öarpelle auf dem Querschnitt niemals grösser als die jungen Filamente der Antheren. Sollte Pfitzer nicht vielleicht den Querschnitt gesehen haben, wie ihn meine Fig. 3a wiedergibt und infolge seines etwas zu dieken Sehnittes die beiden den Antheren angehörigen Theile P als mit den Carpell- spitzen ge und 43?) zusammenhängende Gebilde betrachtet haben? Der Umstand, dass genannter Autor keinen Querschnitt gegeben, wie ihn meine Zeichnung in Fig. 3a u. Fig. 4 darstellt, wo man diese beiden den Antheren angehörigen Theile (P) vom Filament getrennt sicht, musste mich in dem oben ausgesprochenen Zweifel bestärken. 1) Dor Querschnitt durch eine ganze Blüthe gibt dieses Verhältniss nicht ganz genau wieder, da die Antheren gegen das Labellum geneigt sind und die Schnitte durch die Antheren schief gehen mussten, Man vergleiche daher die Antheren frei präparirter Knospen. u 2. . " 2) Selbst bei meinen Mikrotompräparaten nur schwach zu sehen. 385 Ueber den Stylus von Cypriped. Cale. braucht in morphologischer Hinsicht wenig gesagt zu werden. Die anfänglich getrennten Carpell- spitzen verwachsen im Verlaufe ihrer Entwiekelung mit einander und sind im ausgebildeten Stylus nur noch an den Commissuren als ver- schiedene Phyllome zu erkennen. Die Art der Verwachsung selbst ist aus den beigegebenen Abbildungen sehr gut zu erschen. Fig. B, CH, J. Es würde mir nur noch erübrigen, einiges über das eigenthüm- lich ausgebildete Labellum — den Schuh — zu erwähnen, ieh ziehe es aber vor, um Wiederholungen zu vermeiden, dies erst bei Gelegen- heit der diesbezüglichen Erörterungen über Cypriped. barbatum zu thun. Nachdem wir nun Cypriped. Cale. in seiner Entwickelung ziem- lich vollkommen kennen gelernt, kehren wir zurück zu Cypriped. barb. Wir haben Cypriped. barb. verlassen auf einem Stadium, wie es die Fig. D zeigte. Weiter oben habe ich auch schon angegeben, welche von den in genannter Fig. D angeführten Organen bleiben und welche verschwinden und ich will hier nur einiges über den Stylus noch bei- fügen. Die Anlage des Stylus ist die gleiche wie bei Cypriped. Cale.; die ihn von dem Stylus des letzten unterscheidenden Merkmale sind an der fertigen Blüthe von keiner grossen Bedeutung. Am meisten unterscheidet sich der Stylus von Cypriped. barb. dadurch, dass er nicht wie bei Cypriped. Cale. lang gestreckt und nit seinem Rücken in eine Falte oder Rinne des Staminodiums ein- gelagert erscheint, sondern mehr kurz bleibt und seine unpaare Car- pellspitze mehr in die Breite als in die Länge entwickelt. Auch sind die Commissuren der drei verwachsenen Carpelle hier sehr viel deutlicher sichtbar als bei Cypriped. Cale., wo dieselben fast ganz ver- schwinden. Mehr als durch den Stylus sind jedoch Cypriped. Cale. und )ypriped. barb. von einander verschieden durch das Staminodium einestheils und durch das Labellum oder den Schuh anderntheils. In dem kleinen Abschnitte über die Förderung der einen Blüthen- hälfte habe ich die Thatsache erwähnt, dass die der Staminodiumseite anliegende Hälfte der Anthere sich stärker entwickle als die gegen das Labellum hin gelegene; ich habe dann auch für Cypriped. Cale. gezeigt, wie das Staminodium in seiner weiteren Entwiekelung von den Antheren beeinflusst wird. Prüfen wir nun auch, ob und wie eine solche Beeinflussung des Staminodiums bei Cypriped. barb. statthabe. Eine Blüthe von Cypriped. barb. in noch ganz jugendlichem 386 Alter zeigt in der Ausbildung seines Staminodiums keinen Unterschied mit derjenigen von Cypriped. Cale. Sehr bald jedoch, schon in einem Stadium, wie es Fig. K zeigt, ist eine Verschiedenheit zwischen den Staminodien beider genannten Cypripedien wahrzunehmen. Während nämlich das Staminodium von Cypriped. Cale. selbst in sehr alten Blüthenknospen ein gerades, aufrechtes Plättchen darstellt, ist das- selbe hier bei Cypriped. barb. schon früh etwas mit seiner Spitze gegen die Antheren hinübergebogen. Fig. K. Mit Ausnahme dieser kleinen Krümmung des Staminodiums ist dasselbe dem von Cypriped. Cale. gleich, selbst die mittlere Zone consistenzreicheren!) Gewebes (r) wird nicht vermisst. Dass die Antheren auf ihrer vorderen und hinteren Seite die bekannten Wachsthumsdifferenzen schon in diesem Stadium zeigen, braucht auf Grund des Vorangegangenen nicht be- sonders erörtert zu werden. Betrachtet man nun ein etwas älteres Stadium, etwa das in Fig. Lı,Ls, dann sieht man, dass die beiden Antheren sich sehr stark entwickelt haben. Während jedoch bei Cypriped. Cale. die hintere Antheren- hälfte nicht mehr als um ca. !/ıs grösser ist als die vordere Hälfte, hat sich die hintere Hälfte der Anthere von Cypriped. barb. sogar um ca. !/s mehr vergrössert als die vordere Hälfte,?2) ein Umstand, welcher nicht ohne Folgen bleiben konnte für das ihnen angrenzende Organ, das Staminodium. So sehen wir denn, dass, während bei Cypriped. Cale. die An- theren durch ihr schnelleres und stärkeres Wachsthum zwar wohl eine gestaltverändernde Wirkung auf das Staminodium auszuüben ver- mochten 3), hier bei Cypriped. barb. die ungewöhnlich starken hinteren Hälften der Antheren auf das Staminodium einen noch weit grösseren Druck ausüben, dermaassen, dass eine dementsprechend grössere Ge- staltveränderung wohl zu erwarten ist. Und so sehen wir denn auch, wie die hintere Seite der Antheren durch ihr rasches Weiterwachsen gegen das Staminodium drückt, so dass die Concavität der den Sta- mina anliegenden Theile desselben eine sehr beträchtliche wird und sich das Staminodium als beiderseits geflügeltes Gebilde darstellt. In Fig. La» sieht man, wie die drei Theile des Staminodiums (der Rücken (r) und die beiden Flügel (f)) noch gleich stark entwiekelt 1) Ueber das Zustandekommen desselben siche bei Cypriped. Cale. 2) Diese Verhältnisse erhält man aus dem Vergleich von Fig. E, Fig. I, Fig. 2, 3) Siehe dort. 387 sind, in Fig. M dagegen kann man beobachten, wie der mittlere !) Theil des Staminodiums (r) hinter den Flügeln (/) zurückbleibt, um in seiner vollendetsten Gestalt (Fig. N u. 0) nur noch als kleiner Vor- sprung in der Mitte des halbmondförmigen Staminodiums in die Er- scheinung zu treten. Was nun das Zurückbleiben der mittleren Partie des Staminodiums (r) oder aber auch die stärkere Entwickelung seiner beiden Seiten (/) veranlasst, vermag ich nicht zu sagen. Am naheliegendsten erscheint mir jedoch als Erklärung für dieses Verhalten anzunehmen, es sei das stärkere Wachsthum der Flügel bewirkt durch einen infolge des oben erwähnten, von den hinteren Antherenhälften ausgeübten Druckes auf diese Flügel einmal erzeugten Reiz. Verfolgt man die Entwicke- lung des nun geflügelten Staminodiums weiter, dann beobachtet man, wie dasselbe an seiner Basis?) und nicht etwa an seinem kurzen Stiel dureh veränderte Wachsthumsrichtung in Bälde eine zu letzterem fast rechtwinklige Lage einnimmt. Das anhaltend starke Wachsthum dieser Blattbasis, besonders an deren Seiten, bringt es einestheils mit sich, dass das Staminodium nun auch an seiner Basis zweitheilig er- scheint wie der geflügelte Theil der Staminodiumspitze, anderntheils aber auch, dass das Staminodium weit über die Antheren und den Stylus als das Gynostemium dachartig überdeckendes Gebilde hinaus- ragt (Fig. N, O, (Pı u. Pe), Q).) Zum Schlusse der entwiekelungsgeschichtliehen Angaben über Sypriped. barb. will ich noch des auffälligen und bei den verschie- denen Cypripediumarten verschieden ausgebildeten Labellums gedenken. Wenn auch in seiner Form ziemlich einfach, so ist das Labellum oder der „Schuh“ bei Cypriped. barb. doch so eigenthümlich ausgebildet, dass es mir einigermaassen schwer fällt, denselben mit Worten genau zu be- schreiben. Eine getreue und gute Abbildung, wie sie Fig. Q wiedergibt, enthebt mich jedoch dieser Sorge und ich verweise um so lieber auf die genannte Abbildung, als dieselbe mit sehr grossem Verständniss und voll- ständig richtiger Auffassung von kunstgeübter Hand entworfen wurde.‘) 1) Dass dieser mittlere Theil dem consistenzreicheren Gewebe der späteren Mittelrinne bei Cypriped. Cale. entspricht, zeigt die Entwiekelungsgeschichte und kann aus dem Vergleich der Fig. II, K, I, leicht ergehen werden. 2) Der Ausdruck „PRlattbasis* dürfte hier wohl anwendbar sein, 83) Das etwas nach oben gekrümmt erscheinende Zühnchen R erklärt sich nach dem oben Gesagten leicht als die von der Blattbasis überwachsene Spitze des Staminodiumstieles. 4) Diese schöne Zeichnung verdanke ich der Güte des Herrn Assistenten Dunzinger. 388 Das Auffallende an dem Schuh von Cypriped. barb. und zugleich das denselben von demjenigen unseres einheimischen Cypripedium Unter- scheidende bildet die besonders ausgebildete Basis desselben. Während nämlich Cypriped. Cale. in der Ausbildung seines Schubes sich an die einfachste und ursprünglichste ') Form gehalten hat, treffen wir bei Cypriped. barb. auf eine Complication der Verhältnisse. Von einer Complication kann man mit um so mehr Recht sprechen, als die Entwickelungsgeschichte nachweist, dass der Schuh von Oy- priped. barb. auf einem jüngeren?) Stadium die gleiche Gestalt (Kapuze) besass, wie sie der Schuh von Cypriped. Calc. auch in seiner vollen Entwickelung noch beibehalten hat. Von der einfachen Kapuzenform ausgehend, gelangt man in seiner Vorstellung zu der eigenthümlichen Gestalt des Schuhes von Cypriped. barb. dann, wenn man sich die Seitenränder der Kapuze nach innen so umgelegt denkt, dass sich der dadurch entstandene Saum als beiderseits nach dem aufgeblasenen Kapuzenende ziemlich weit hinragendes Gebilde darstellt. Der Unter- schied zwischen dem Schuh?) der beiden abgehandelten Cypripedien fällt auch dem nicht näher Eingeweihten sofort auf, und die Frage, warum sich uns bei Cypriped. Calc. der Schuh in bedeutend einfacherer Form zeigt als bei Cypriped. barb. wird auch derjenige stellen, welchem von den Correlationen der im Wachsthum befindlichen Organe nichts bekannt ist. Dass nun solche Correlationen unter den sich bildenden Organen einer Cypripediumblüthe statthaben, glaube ich ınehrfach nachgewiesen zu haben und will nur noch kurz einer interessanten und letzten Correlation gedenken. Wir haben gesehen, dass das petaloid sich entwickelnde Stami- nodium bei Cypriped. Cale. ein ganz anderes ist als bei Cypriped. barb. Während es dort als ziemlich lange und gerade Zunge bei der noch nicht ausgebildeten Blüthe in keinerlei Contact mit den Seitenrändern der Kapuze steht, sehen wir dasselbe bei Cypriped. barb. als gabelförmiges Gebilde mit seinen beiden „Gabeln“, „Hörnern“ oder „Flügeln‘ — auf die Benennung kommt es nicht an — der 1) Wir müssen uns erinnern, dass sich der Schuh oder das Labellum bei seinem ersten Auftreten kapuzenfürmig über die inneren Phyllome gelegt hatte. 2) Mit diesem jüngeren Stadium meine ich nicht etwa das Stadium der Organ- anlage — für dasselbe ist das oben Gesagte selbstverständlich — sondern ein Stadium, in welchem alle Organe der Blüthe entwickelt sind und sich nur in Bezug auf ihre definitive Gestalt späterhin noch zu verändern vermögen. 3) Der Vergleich mit einer Kapuze dürfte besser sein als der Vergleich mit einem Schuh. 389 Basis des Schuhes so aufgelagert, dass es derselben direet unmöglich gemacht ist, sich in der gleichen Weise zu entwickeln, wie der von dem Staminodium in seinem Wachsthum völlig ungehinderte Theil der Schuhspitze. Ja es werden vielmehr dadurch, dass die beiden Seiten des Staminodiums als feste und harte Gebilde für das freie Wachsthum der beiden Seiten der Schuhbasis ein bedeutendes Hemmniss darstellen, dieselben nicht nur verhindert, sich frei nach oben zu entwickeln, sondern geradezu gezwungen, in die Tiefe des Schuhes zu gehen, Wir erhalten ein Gebilde, wie es Fig. N darstellt. Vergleicht man mit dieser Figur die nächstfolgende, Fig. O0, dann sieht man, dass das mit ia bezeichnete Stück, als Theilstück von ö infolge inter- calaren Wachsthums sich zwar ziemlich verlängert hat, jedoch immer noch in seinem Wachsthum vom Staminodium in der vorhin ange- führten Weise beeinflusst ist. Darüber, dass auch an der fertigen Blüthe, wo von einem activen Druck des Staminodiums oder wenn man will, von einem durch dasselbe bedingten Hemmniss im Wachs- thum nichts zu sehen ist, der oben angeführte Saum seine in einem jüngeren Stadium erhaltene Lage und Gestalt nicht wesentlich ver- ändert hat, wird man sich nieht verwundern, wenn man in einem relativ alten Stadium, wie es Fig. O wiedergibt, die Wirkung des Stamino- diums noch so deutlich beobachten konnte. IV. Anatomisches Wenn ich mich nun zum anatomischen Theile von Cypriped. wende, so geschieht dies, nicht weil ich neues zu berichten im Stande bin, sondern lediglich darum, weil die Cypripediumblüthe in dieser Richtung schon ihre gründliche Bearbeitung gefunden und zwar durch den bekanntesten französischen Anatom Van Tieghem selbst. Ich erwähne die Van Tieghem’sche Arbeit deshalb, um einestheils auf einen prinzipiellen Unterschied hinzuweisen, welcher besteht zwischen den An- schaunngen des strengen Anatomen und den Anhängern der Entwickelungs- geschichte, anderntheils um zu zeigen, und zwar an der Hand der Entwickelungs- geschichte von Cypriped., mit wie wenig Berechtigung die Vertreter der anatomischen Richtung die Resultate der Ontogenetiker nicht annnehmen. Veranlassung hiezu geben mir zwei Aussprüche von Seiten Van Tieghem’s. Auf pag. 141!) bei Behandlung von Phajus spricht sich genannter Autor nämlich folgendermassen aus: „mais il arrive que le labelle, exigeant un syst@me vascu- laire trös developp‘ tangentiellement, tandis que le faiscenu qui Jui correspond n’est pas plus puissant que les autres, les branches qui resultent de sa division radiale, et qui sont destindes A l’etamine, sont trop greles ct surtout trop isoldes pourque Vorganogönie ait pu constater l’apparition du mamelon staminal correspondant*. 1) Recherches sur la structure du pistil et sur l’anatomie comparde de la fleur. Memoire couronn6 par l’acad&mie des sciences 1875. Flora 1898. 26 390 Dass nun in den letzten Worten: „pour que l’organogenie ait pu constater Vapparition du mamelon staminal correspondant* der Schwerpunkt für den Rich- tigkeitsbeweis der anatomischen Untersuchungsmethode liegen soll, brauche ich nicht erst zu erwähnen. Wenn man sich aber nun erinnert, dass die anatomische Untersuchungsmethode alle Organanlagen nur auf Grund anatomischer Verhält- nisse erkennen will (durch Gefässe oder Gefässbündel), so muss es wirklich als schr auffallend erscheinen, wenn man mit der zweiten Acusserung Van Tieg- hem’s!): „Le faisceau (C) anterieur se divise aussi et entre dans le labelle sans donner de faisceaux visible superpose“?) den entwiekelungsgeschiehtlichen Befund des Ontogenetikers zusammenhält, wonach trotz allen Fehlens des Staminodial- bündels a; das obige mamelon staminal eorrespondant sehr deutlich zu schen ist. Ohne hierbei länger verweilen zu wollen, will ich nur bemerken, dass es sich hier um eine Thatsache handelt, welche wieder deutlich demonstrirt, wie die Anatomie allein nie im Stande sein wird, morphologische Verhältnisse der Blüthe mit Sicherheit zu eruiren, Dass nun trotzdem das Van Tieghem’sche Diagramm von Cypriped, üher- einstimmt mit dem Diagramm, welches auch der Ontogenetiker, wenigtens für die fertige Blüthe angibt, ist lediglich darin begründet, dass jedes mehr weniger voll- ständig entwickelte Organ Gefässe bildet und dieselben einzeln oder als ganze Bündel an schon vorhandene der Axe anschliesst. Es erscheint mir deshalb auch als sehr zweifelhaft, ob Eichler, wenn ihm mehrere Fälle von wirklichen Organanlagen, welchen Organanlagen jedoch keine Gefässbündel noch Gefässbündelspuren entsprechen, bekannt geworden wären, die Ansicht noch weiter vertreten hätte: die Van Tieghem’sche Arbeit sei auch darum schr beachtenswerth, weil sie auch in vielen Fällen noch Gefässbündel- spuren bei vollständigem Abort der Organe nachweise. Denn würde Eichler seine Ansicht: „da jedoch die durch Abort unvollständig gewordenen Formen zweifellos von vollständigen abstammen, so lässt sich leicht vorstellen, dass die bei den Stammeltern bestandenen inneren Differenzen bei der redueirten Nach- kommenschaft festgehalten worden seien, wie sich überhaupt die innere Struktur im Allgemeinen schwieriger ändert als die äussere“ auch für Cypriped. barb. haben anwenden wollen, so wäre es ihm gewiss nicht entgangen, dass, obwohl hier die Reduction eine relativ geringe ist, insofern nämlich, als bei Cypriped. Cale. das Staminalglied az, bei Cypriped. barb, die Glieder Ag, Ag, tz ‚angelegt werden, dennoch keine entsprechenden Gefässbündel zu bemerken sind, während doch die mit sechs oder mit vier Staminalanlagen verschene Cyprypediumblüthe als voll- ständige oder stammelterliche Form jenen gegenüber zu stellen wären, welchen oben genannte Staminalanlagen fehlen, trotzdem aber der diesen der Lage nach entsprechenden Gefässbündel nicht entbehren.3) Im historischen Theil habe ich bereits erwähnt, dass Görarıd die Angaben Van Tieghem’s und Darwin’s bezüglich des Gefässbündelverlaufes in der Blüthe von Cypriped. als richtig constatirt und ein Versehen desselben insoweit auch corrigirt hat, als er nachweist, dass das Gefüssbündel des blattartig ent- 1) loe. eit. pag. 143. 2) D. h. ohne ein Gefüssbündel für das dem Labellum sapponirte Stamino- dium zu bilden. 3) Siehe Ophrydeen. 391 wiekelten Staminodiums in seinem Bau dem gewöhnlichen Gefüssbündeltypus folgt und nicht, wie Van Tieghem angenommen hatte, seinen Siebtheil nach innen, den Holztheil nach aussen verkehrt hat. Diesen Angaben G&rard’s habe ich nur hinzuzufügen, dass das Staminodial- gefässbündel von Cypriped. als ein nach oben sich theilendes Gefässbündel zu betrachten ist und demgemäss zwischen seinem Holz- und Siebtheil mehrfach parenchymatisches Gewebe besitzt, ein Verhalten, welches in ähnlicher Weise bei den Staminalbündeln wiederkehrt. Die Ansicht G&rardst): „Pour qu’une &tamine passe & l’ötat de staminode il faut, ou qu’elle ne recoive pas la quantit& de nourriture suffisante pour attein- dre son developpement complet ou au contraire qu’elle recoive une provision trop grande. Dans ce second cas elle s’aeerott rapidement et prend generalement la forme petaloide“; ferner daran anschliessend: „La disposition de trachees, la forme le volume du staminode des Cypripedium, sa position möme ne me laissent aucune doute pour attribuer sa formation & la seconde cause: l’exc&s d’alimen- tation“ will ich nieht näher in Discussion ziehen, da man diesen Aussprüchen nicht einmal den Charakter einer Hypothese beilegen kann.2) Ich will nur um einer allenfallsigen Unklarheit zu entgehen, beifügend noch bemerken, dass das staminodiale Gefässbündel in seiner Grösse hinter den Staminalbündeln zurückbleibt, im übrigen aber, wie sehon benerkt, in der Orien- tirung seiner Bestandtheile sich von diesen nicht unterscheidet. B) Ophrydeen. I. Historischer Theil. Das Bestreben, die Orchideen-, speeiell die Ophrydeenblüthe morphologisch richtig verstehen zu lernen, hat im Laufe der Zeit die verschiedensten Ansichten zu Tage gefördert, Ansichten, welchen man wohl zum grössten Theile heute nicht mehr beipflichtet, die es aber immerhin verdienen, bei einer Neubearbeitung dieses Themas berücksichtigt zu werden. Die nun folgenden, allerdings etwas weitläufigen Auseinandersetzungen der historischen Daten ist daher wohl berechtigt; sie ist aber auch gefordert und zwar aus dem Grunde, weil eine vollständige geschicht- liche Darstellung derselben bis heute überhaupt noch abgeht und gerade in der deutschen Orchideenlitteratur am wenigsten Berücksichtigung gefunden hat.3) Ausser dem Engländer Brown®), welcher co ipso nur die älteste Orchideen- litteratur berücksichtigt, war es unter den Franzosen G&rard,5) der in seiner Arbeit: „Diagramme des Orchidees“ die historische Entwickelung der Frage nach 1) loc. eit. 237. 2) Hat ja G6rard in seinem ersten Satze zugeschnitten, was er in seinem zweiten Satze als der Regel entsprechend damit beweisen will. 3) Auch Eichler musste es sich versagen, in seinem „Blüthendiagramme“ auf dieses Thema näher einzugehen, pag. 183. 4) Beobachtungen über die Befruchtungsorgane und die Art der Befruchtung bei den Orchideen und Asclepiadeen. 1831. 5) loc, eit. 26* 392 der morphologischen Deutung der Ophrydeenblüthe skizzirt hat, Meine Angaben nun, das will ich zu Beginn noch bemerken, stützen sich alle auf ein sorgfältiges Studium der nun zu eitirenden Autoren selbst und nicht etwa, wie das vorzukommen pflegt, auf historische Angaben anderer. Wie im Kapitel über Cypriped. schon bemerkt wurde, hatten Linnde und Haller jedes Pollinium einer Ophrydeenblüthe als einzelne Anthere angesprochen, eine Anschauung, welche durch Adanson, Schwarz und Jussien beseitigt worden, nachdem genannte Autoren die Monandrie als das für die Ophrydeen typische Verhalten erkannt hatten. Im Jahre 1807 erhielt die morphologische Deutung der Ophrydeenblüthe durch Ch. Hiss!) eine höchst eigenthümliche, jedoch nicht uninteressante Dar- legung. Auf Grund einer abnormen Blüthe von Ophrys arachnites, von Hiss „Ophrys bouclier* genannt, bei welcher sich an Stelle der inneren Petalen Stamina gebildet hatten, gelangte Hiss zu folgender Auffassuug: die Ophrydeenblüthe ist gebildet aus sechs Stamina und nur einem Perianthwirtel. Der innere im Allge- meinen ebenfalls als Perigonkreis angesprochene Wirtel entbehre dieser Eigen- schaft und sei gebildet durch abortirende und petalisirende Stanina. Das La- bellum aber entspreche der Verwachsung dreier soleher Stamina. Nach kaum drei Jahren, 1810, wandte auch der grosse englische Botaniker R. Brown) seine Aufmerksamkeit auf die interessante Familie der Orchideen und erkannte an der Ophrydeenblüthe zwei Perigonkreise, sowie drei mit dem Stylus verwachsene Stamina, wovon eines fertil, die beiden anderen rudimentär als auricnlae an «demselben gebildet würden, Wie dabei R. Brown die Ophry- deenblüthe diagrammatisch gedeutet wissen wollte, erfahren wir erst 1831 aus seiner Schrift: On the Organs and mode of Fecundation in Orchideae and Ascle- piadeae, Brown schreibt ungefähr wie folgt: „Als ich zuerst meine Hypothese?) über die wahre Natur dieser Auswüchse (der aurieulae) an der Säule bekannt gegeben, glaubte ich, obgleich ich dies damals nicht besonders hervorgehoben habe, dass sie (ie Ergänzung der äusseren Staubfadenreihe darstellen“. Achnlich wie RB. Brown daehte sich auch L. Cl. Richard#) 1818 das Diagramm der Öphirydeenblüthe, auch er nahm an, es seien drei Stamina in derselben vorhanden. ine andere und sehr auffallende morphologische Deutung stammt 1828 von Ach. Richard). Genannter Autor beobachtete cine pellorische Blüthe von Orechis Iatifolia (ni labelle ni eperon) und sah an derselben drei fertile Stamina und cin regelmüssiges sechsblättriges Perianth., Nun zog Ach. Richard den Schluss: dass der normale Typus einer Orchideenblüthe ein regelmässiger (radi- ärer) sei, die Unregelmissigkeit (Zygomorphie) aber durch Entstehung des Labellums und des Sporns zu Stande komme.) Auf Grund einer bei Epistephium das Perigon 1) Journal de Physique ete. Tome LXV, pag. 240—249 inel. 2) Prodromus florac Novae Hollandiae 1810, 3) Eben jene von 1810, 4) De Orchideis europaeis annotationos, m@moires du Musdum, t. IV, 1818. 5) Ach. Richard, Monographie des Orchidees des iles de France et Bour- bon, pag. 15, 16, 17. 6) Dieser letztere entstünde auf Kosten der zwei abortirenden äusseren Stamina. 393 umgebenden kleinen dreitheiligen Hülle nimmt Ach. Richard die Hypothese von Ch. Hiss, allerdings etwas modificirt wieder auf und gibt an, dass die Orchideen ein dieyelisches trimeres Perianth, sowie zwei dreizählige Staminalkreise besitzen. Ausser bei Epistephium abortire aber der äussere Perigonkreis bei den übrigen Orchideen völlig und es würden bei allen die drei äusseren Stamina petaloid. Von den inneren dagegen, mit Ausnahme von Cypriped, würden zwei zu Stami- nodien (auriculae). . Ach. Richard’s Anschauung fand auch durch Lindley ihre Stütze, welch letzterer soweit geht, dass er die mittlere Partie des Labellums als Connectiv, die beiden Seitenlappen aber als den Antherenfächern äquivalente Gebilde anspricht. Eine andere und ganz neue morphologische Deutung der Orchideenblüthe trat auf mit dem Erscheinen von Brown’'s Beobachtungen über die Befruchtungs- organe und die Art der Befruchtung bei den Orchideen und Asclepiadeen 1831. In dieser interessanten Schrift hat Brown viele Jahrzehnte, ja man kann sagen selbst unsere Zeit noch durch seine Anschauungsweise beeinflusst, In einer früheren Schrift über Apostasie hatte Brown!) als wahrscheinlich angenommen, dass diese Staubfäden (die seitlichen und gewöhnlich unausgebildeten auriculae), in welchem Zustande der Entwickelung sie auch vorkommen mögen, zu einer von der des mitt- leren und gewöhnlich fruchtbaren Staubfadens verschiedenen Reihe gehören — mit anderen Worten, dass sie den beiden seitlichen Abschnitten der inneren Reihe der Blüthendecke gegenüberstehen.?2) Es war dies eine Ansicht, welche R. Brown wie er selbst sich ausdrückt?): „Durch sorgfältige Untersuchung des Baues des Säulchens in verschiedenen Tribus der Familie, hauptsächlich vermittelst Quer- schnitten desselben, vollkommen bestätigt fand“. Zwischen der früher erwähnten Ansicht eines Ach. Riehard und seiner persönlichen Auffassung vom Diagramm der Örchideenblüthe noch schwankend, hält Lestiboudoist) es für angezeigt, provisorisch wenigstens die Ansicht Richard’s noch gelten zu lassen und überlässt seine eigene Hypothese völlig der Kritik. Lestiboudois glaubt nümlich bei den Orchideen, auf Grund theoreti- scher Erwägungen und auf Grund des Vergleichs mit Heliconia (Musaceae) an- nehmen zu sollen, die Orchideenblüthe bestehe: 1. aus sechs alternirenden Sepalen, 2. aus sechs Stamina, von welch letzteren das unpaare Glied des äusseren Kreises fertil, die paarigen aber mit dem Labellum einheitlich verwachsen seien. Eben- falls mit dem Labellum verwachsen ist nach Lestiboudois das unpaare Glied des inneren Kreises, während die paarigen inneren Glieder mit der Säule (als Staminodien) verschmelzen. 1857 gelang es Payer®) für Calanthe veratrifolia (als Typus für die Orchi- deenblüthe) auf einem noch sehr frühen lintwickelungsstadiun eine fast vollständig 1) Wie er wirklich selbst berichtet. 2) Aus Brown’s Vermischte Schriften ins Deutsche übertragen von Dr. C. G. Nees von Esenbeck, pas. 134, 185. 3) loe. eit. 487, 4) Observations sur les Musacdes les Seitamindes les Canndes et les Orchi- des par m, Them Lestiboudeis in Annales des Seienees naturelles Tome XVII pag. 278. 1842, 5) Organogenie comparde de Ja fleur pag. 665, pl. 172. 394 trimer-pentacyclische Blüte nachzuweisen. Nur der vierte Cyclus zeigt eine Lücke, da das dem Labellum supponirte Stamen nicht angelegt erscheint. Die bekannte Ansicht Brown’s, es bestehe die Orchideenblüthe aus einem zweifach trimeren Perianth, einem nur durch ein Glied vertretenen äusseren Staub- blattkreis, nebst einem durch zwei als Rudimente (Auriculae) noch erhalten ge- bliebenen nicht vollzühligen inneren Staubblattkreise, gewann an Glaubwürdigkeit durch die Untersuchungen Darwin’s einerseits und die Arbeiten Van Tieg- hem’s andrerseits. Hatte sich Brown für die Lösung dieser Frage auf Blüthen- querschnitte verlassen, um aus der gegenseitigen Stellung der getroffenen Blüthen- bestandtheile auf deren morphologische Werthigkeit und Diagrammatik zu schliessen, so war für Darwin und Van Tieghem Brown's Hypothese schon gewiss und suchten diese lediglich nach Beweisen für deren Richtigkeit. Als Beweismittel sollte beiden die Anatomie (Gefässbündelverlauf) dienen. Es kann uns daher nicht wundern, dass auch beide zu ähnlichen Resultaten ge- langten. Darwin sowohl als Van Tieghem erkennen in der Orchideenblüthe den monokotylen Typus wieder. Während aber Darwin!) auf Grund seiner Untersuchungen an Catasetum tridendatum und C. saccatum annimmt, dass das Labellum von einem Kronblatt und zwei blattförmigen Stamina des äusseren Wirtels zusammengesetzt sei, schliesst Van Tieghem bei Phajus, wo die den paarigen Gliedern des äusseren Staminalkreises entsprechenden Bündel sich mit den paarigen des innern vereinigen, es seien die Staminalanhängsel des fruchbaren Staubgefässes ein Produkt dieser Vereinigung. Ich habe schon bei Cypriped. gesagt, was von der anatomischen Unter- suchungsmethode in der so wichtigen Frage nach den Organanlagen zu halten ist und will hier nur bemerken, dass einerseits Darwin, um den Werth seiner Unter- suchungsmethode aufrecht zu erhalten, bei Epipactis, wo er die Bündel «a, «gs nicht finden konnte, obwohl sehr deutliche, den inneren Sepalen supponirte Staminodien vorhanden sind, die Hypothese aufstellt: es seien diese Staminodien „Rudimente von Rudimenten“; andrerseits will ich auch anführen, dass Van Tieghem durch einen textlichen Fehler in Payer’s Arbeit irregeführt, in zu grosser Uebereilung die gründliche und richtige Untersuchung Payer’s als falsch erklärt hat. Noch einmal sollte die anatomische Untersuchungsmethode Darwin's und Van Tieghem’s zur Lösung der Frage nach der morphologischen Werthigkeit und der diagrammatischen Stellung der einzelnen Blürhenbestandtheile bei den Orchideen zur Anwendung kommen. Gerard?), welcher 1878 die diesbezüglichen Untersuchungen wieder auf- genommen hatte, stellte auf Grund der Gefüssbündelvertheilung unter den Orchideen fünf Typen auf. Ich will hier jedoch nicht näher darauf eingehen, schon des- halb, weil, wie ich schon erwähnt habe, der Gefässbündelverlauf kein Criterium für das Vorhandensein und die gegenseitige Anordnung von Organanlagen abgeben kann, dann aber auch, weil ich gelegentlich bei Abhandlung der von G&rard 1) Charles Darwin, Ueber die Einriehtungen zur Befruchtung britischer und ausländischer Orchideen durch Insekten et. Aus d. Englischen übers. v. H. G. Brown 1862. 2) Annales des sciences naturelles T. VIII, 1878, Gerard sur Phomologie et le diagramme des Orchidees pag. 245. 395 bearbeiteten Pflanzen letztgenanntem Autor zu widersprechen Veranlassung nehmen muss. Es erübrigt nun noch zweier weiterer und letzten Arbeiten zu zedenken. Th. Wolf!), welcher in seiner ausgezeichneten Arbeit: Ueber die Bursicula und das Retinaeulum bei den Orchideen auch die Staminalfrage berührte, drückt sich folgenderinaassen aus: „Von den zwei äusseren Blattkreisen gelangen wir zum dritten, welcher in Folge der Entwickelung lückenhaft wird und mit dem vierten, den Carpellblättern innig verwachsen ist. In der ersten Anlage finden wir auch hier die Dreizahl, denn ursprünglich sind drei Antheren vorhanden, aber zwei seitliche bleiben in der Entwickelung gänzlich zurück und sind später hinter den beiden Füchern der Anthere als zwei warzenartige Auswüchse, Staminodien ge- nannt, wahrzunehmen.“ Diese Angaben Wolf’s stehen grösstentheils in Uebereinstimmung mit den Untersuchungsresultaten Pfitzer’s®). Auch nach diesem Autor sollen die Auri- culae bei unseren Orchisarten (Orchis, Gymnadenia, Platanthera) staminodialen Charakter besitzen und gleich dem fertilen Stamen dem äusseren Staminalkreis angehören: „Jetzt ist die Sache klar; nach der Entwickelungsgeschichte können die Oehrehen nur demselben Kreise zugerechnet werden, wie das mediane Staub- blatt“ (Pfitzer). Der Unterschied zwischen den Angaben Wolf’s und Pfitzer’s besteht lediglich darin, dass Wolf nur einen Staminalkreis annimmt, während Pfitzer richtig deren zwei. H. Specieller Theil. Als Ausgangspunkt meiner Untersuchung diente mir Gymnadenia conopea L, Das trimer-dieyclische Perianth unserer einheimischen Gymnadenia- sowie Orchisarten zeigt ausser dem mehr weniger langen Sporn nichts besonderes und haben namentlich Wolf und Pfitzer deren Ent- wiekelung studirt und auch richtig erkannt. Beide konnten konsta- tiren, dass die Perigonblätter auf verschiedener Höhe inserirt sind und auch zu einer verschiedenen Zeit angelegt werden. Pfitzer bemerkt, dass die nach der Hauptachse hin stehenden paarigen Se- palen zuerst sichtbar werden, dann das unpaare, sodann das Labellum und nach diesem erst die paarigen inneren Petalen und fast gleich- zeitig damit auch die eine fertile Anthere. Mit meinen Untersuchungen an Gymnadenia stimmen auch die Pfitzer’schen Angaben über Orchis Morio überein, wonach die Petalen erheblich kleiner sind als die Lippe, welche ihrerseits wieder an Umfang weit hinter der Staub- blattanlage Aı zurückbeibt. Bezüglich des Labellums führt dann 1) Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Orchideenblüthe pag. 265 in Jahr- bücher f. wissenschaftl. Botanik v. Dr. N. Pringsheim 1865, Bd. IV. 2) Untersuchung über Bau und Entwiekelung der Orchideenblüthe pag. 17 Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik von Pringsheim. 1838, Bd. XIX. 396 Wolf für Orchis Morio!) richtig an, dass von dem Sporn an einer jungen Blüthe noch nichts wahrzunehmen sei als eine seichte Ausbuch- tung an der Stelle der Einfügung des Labellums, sowie dass erst während der folgenden Stadien sich das Labellum an seiner Ursprungs- stelle immer mehr nach unten ziehe und jene sackartige Ausbiegung bilde, welche wir den Sporn nennen. Der Umstand, dass fast alle im historischen Theil genannten Autoren bei der Orchideenblüthe nach der morphologischen Deutung der Aurieulae sowie nach deren diagrammatischen Stellung fragten, die sich gestellte Frage aber so verschiedenartig beantworteten, er- klärt es, dass auch ich mein Hauptaugenmerk speciell auf diesen Punkt gerichtet habe. Mein erstes Bestreben war, an Hand successiver Querschnitte bei Gymnadenia diejenigen Verhältnisse wiederzufinden, welche Pfitzer für Orchis Morio und Örchis latifolia angibt. Pfitzer nimmt nämlich an, es sei das Androeceum der genannten Pflanzen gebildet aus den drei äusseren Staminalanlagen, von welchen die beiden paarigen verkümmern und den Auriculae der fertigen Blüthe entsprechen. Da ich über ein sehr reiches Material verfügte, glaubte ich auch ver- sichert zu sein, dieses mein Bestreben von Erfolgt begleitet zu sehen. Allein ich hatte schon 50 und ‚mehr Blüthenknospen der verschieden- sten Entwickelungsstadien geschnitten und immer war es mir noch nicht gelungen, meine Präparate mit den Worten und Abbildungen Pfitzer's identifieiren zu können. Die Vermuthung, Pfitzer habe sich bei seinen Untersuchungen geirrt, lag daher nahe und wurde ich darin bestätigt, nachdem ich viele und tadellose Serien Mikrotomschnitte durch Blüthenknospen jeden Alters erhalten hatte. Vergleiche ich meine Sehnitte mit den Querschnittzeichnungen, welche Pfitzer für Orchis Morio und Orchis latifolia angibt, so fällt besonders Fig. «a, B (pag. 404) auf. Es hat dieser Schnitt noch am meisten Aehnliehkeit mit Pfitzer’s Fig. 20 T. III und Fig. 1 T.IV. Bei Gymnadenia ein äquivalentes Stadium mit dem von Orchis Morio, welches Pfitzer in seiner Fig. 17 T. III widergibt, auf irgend einem Schnitt zu finden, war mir ganz und gar unmöglich. Bei Orchis Morio konnte ich dieses Entwickelungsstadium nicht mehr erhalten und so kann ich weder die Richtigkeit dieser Figur eonstatiren noch direete negiren. Bedenkt man aber, dass Orchis latifolia, sowie Gymnadenia, welche beide bezüglich der Weiterent- wiekelung ihres Androeecums völlig mit Orchis Morio übereinstimmen, 1) Das Gleiche gilt voll und ganz für Gymnadenia. a 397 auf einem gleich alten Stadium, wie es die vorhin genannte Fig. 17 T. III für Orchis Morio widergibt, ein wesentlich verschiedenes Ausschen besitzen, so ist ein Zweifel über die Richtigkeit dieser Figur gewiss gestattet. Will man die von Pfitzer mit As und As bezeichneten Gebilde mit meinen x2 und x3 identifieiren, so spricht, abgesehen von der Anheftungsweise derselben, auch das viel weiter vorgerückte Entwickelungsstadium, in welchem die genannten Höcker bei Gymnadenia auftreten, gegen die Richtigkeit der Pfitzer’schen Figur. Wie aus meiner Figur « hervorgeht, ist das Stadium der Blüthenknospe, auf welchem die beiden Höcker x: und x3 zu sehen sind, schon ein ziemlich altes. Die Anthere ist schon tief getheilt, die Rostellumspitze dringt zwischen die Pollinien hinein und das Labellum hat in seinem Wachsthum die Anthere überholt. Was die Stellung der beiden Höcker betrifft, so stehen dieselben bei Gymnadenia zwar ungefähr so, wie es Pfitzer für Orchis Morio in Fig. 17 zeichnet, sind aber deutlich mit den inneren Petalen verwachsen und nicht, wie Pfitzer annimmt, mit den 'paarigen Sepalen 8; und &s, ein Verhalten, welches man auch an frei präparirten Knospen beobachtet. Eine Erklärung für die Pfitzer’sche Zeichnung 17 T. III lässt sich indess vielleicht dadurch finden, dass man annimmt, sie sei das Produkt einer optischen Täuschung. Dicke, mit Kalilauge aufgehellte Querschnitte unter das Mikroskop gebracht, zeigen sich wirklich so, wie dies vorhin genannte Figur darstellt, und es bestand auch für mich anfänglich die Gefahr, die Örchideenblüthe in dieser Beziehung falsch zu deuten. Betrachtet man aber einen solehen Schnitt nicht nur von oben, sondern dreht man denseibe auf alle Seiten, dann kann man sich leicht davon überzeugen, dass die beiden Gebilde 4e und As, die vorher den Eindruck von Höckern gemacht hatten, lediglich die Basis der beiden äusseren Sepalen darstellen, welche, da die Sepalen kapuzenartig das Gynostemium bedecken, auf dem Querschnitt (von oben gesehen) wie besondere, gegen das Knospencentrum vorspring- ende Gebilde erscheinen können. Anders liegt die Sache bei Pfitzer’s Fig. 20 T. III. Schon vorhin wurde erwähnt, dass diese Figur sich am besten mit meiner Fig. «, ß identifieiren lasse. Betrachtet man aber diese beiden Figuren etwas näher, dann fällt sofort auf, dass die von mir mit zz und x bezeichneten Höcker sich anders verhalten als Pfitzer’s As und As.!) Meine Figur zeigt nämlich ze und x mit den inneren 1) Ich muss indess bemerken, dass ich bei O. Morio keine vollständig zweifel- losen Präparate erhalten habe, d.h. solche, welche x, und , deutlich gezeigt hätten. 398 Petalen als völlig verwachsen, während Pfitzer seine A» und 43 zwar wohl als vor den inneren Petalen stehende, jedoch von diesen deutlich getrennte Gebilde widergibt. Der Umstand nun, dass Pfitzer in Fig. 1 Taf. IV einen Quer- schnitt von Orchis latifolia zeichnet und denselben mit den Worten interpretirt: „Vollständig klar wird die Bedeutung sämmtlicher Organ- anlagen ein wenig später, etwa in einem Stadium, welches T.IV Fig.1 von Örchis latifolia darstellt. In den beiden Perigonkreisen ist keine wesentliche Veränderung zu bemerken — die. Anthere ist tief durch- schnitten, die beiden schmalen, nach der Lippe hin vorgerückten Lappen werden später die Caudieulae bilden, bestehen aber noch aus ganz gleichförmigem meristematischen Gewebe. Viel stärker ent- wickelt haben sich dagegen die mit A» und As bezeichneten Gebilde, welche in T. III Fig. 17 zuerst als schwache Höcker erschienen — es wird allmählich deutlich, dass sie den bekannten Oehrehen rechts und links vom fruchtbaren Staubblatt der fertigen Blüthe entsprechen“, — dieser Umstand, sage ich, beweist zur Genüge, dass Pfitzer bei seinen Untersuchungen sich hat täuschen lassen. Ich kann nicht um- hin zu erwähnen, dass die Fig. 1 T. IV gar nicht der Wirklichkeit entspricht, mit anderen Worten, dass eine solche Schnittfigur, man mag Schnittserien durch beliebig viele Stadien machen, nie erhältlich ist. Ich finde daher keine andere Erklärung für die Thatsache, dass Pfitzer eine solche Abbildung geben konnte, als dass die von Pfitzer beobachteten Schnitte zu diek waren, vielleicht auch etwas schief gegangen sind, die Abbildung selber aber zum Theil auf Re- eonstruetion beruhen muss. Dass unter solchen Umständen Pfitzer’s Angabe: „es wird allmählich deutlich, dass sie (As und Ay) den bekannten Ochrehen rechts und links vom fruchtbaren Staubblatt der fertigen Blüthe ent- sprechen“, nicht richtig sein kann, braucht nicht besonders betont zu werden. Aus dem Vergleich der Querschnitte verschieden alter Entwicke- lungsstadien geht hervor, dass die Höcker xg und x; bei Gymnadenia vollständig verschwinden, mit den Auriculae also nichts gemein haben können. Auf pag. 177 anlässlich der Figurenerklärung ad Fig. 20 T. IV spricht Pfitzer von einer „vierlappig gewordenen Anthere“. Ich will diesen Ausdruck „vierlappig“ einstweilen beibehalten und gleich erklären, dass die beiden oberen Lappen, d. h. die gegen das un- paare äussere Sepalum gerichteten, identisch sind mit den Aurieulae 399 der ausgewachsenen Pflanze. Ein Längsschnitt, welcher die Pfitzer’schen Glieder A, und As zeigen würde, geht in der Pfitzer- schen Arbeit ab. Bei Wolf T.XV Fig. 18 finden wir einen Längsschnitt durch eine junge Blüthenknospe abgebildet. Wolf beobachtet hinter der Anthere einen kleinen Höcker (st) Fig. 18 u. 19 und deutet diesen als Sta- minodium. Leider findet sich unter den Wolf’schen Querschnitten durch junge Stadien kein solcher, aus welchem man ersehen könnte, wie Wolf die vierlappige') Anthere auffasst, ob er die hinteren Lappen als Staminodien deutet. Bei älteren Stadien indess thut es Wolf Fig. 322) und so glaube ich ihn nicht misszuverstehen, wenn ich an- nehme, dass er, wie auch ich, die hinteren (oberen) Lappen als Auriculae 3) auffasst. . Wenn ich hier die Wolf’sche Fig. 18 T. XV noch speciell erwähne, so geschieht dies, um daran einen Fehler zu eorrigiren. Von der Ansicht ausgehend, es seien zuerst drei Antheren in der Blüthen- knospe vorhanden, zeichnet Wolf den Höcker hinter der Anthere als ein von derselben getrenntes Gebilde. Dem ist aber nicht so. An meiner Schnittfigur y von Gymnadenia ersieht mau, dass dieser Höcker nicht als selbständiges für sich existirendes, sondern lediglich als ein der Anthere zugehöriges Gebilde in die Erscheinung tritt. Die Frage, ob die bei Gymnadenia vorhandenen und, wie ich schon angeführt habe, bald wieder verschwindenden Höcker, welche vorerst noch mit x3 und x3 bezeichnet sein mögen, wirklich Stamino- dien darstellen und als solehe dem äusseren oder inneren Staubblatt- kreise angehören, mag an einer anderen Stelle erwogen werden, hier will ich gleich bei den Auriculae verbleiben. An der von R. Brown zuerst aufgestellten Hypotlıese, es seien die Aurieulae bei den Ophrydeen infolge der phylogenetischen Ent- wickelung reducirte Stamina, wurde stets festgehalten, und kein Bo- taniker hat es unternommen, ihr im Ernste zu widersprechen. Es haben vielmehr alle Autoren, welche im Laufe der Zeit die morpho- logische Deutung der Ophrydeenblüthe als Gegenstand ihres Studiums gewählt hatten, darnach getrachtet, die Richtigkeit der Hypothese 1) Auch Wolf zeichnet eine vierlappige Anthere, gibt aber keine Erklä- rung dazu. 2) Bei Fig.25 und 26 bezeichnet Wolf die „zackigen Gebilde“ nicht, 3) Damit stehen auch die eitirten Worte Wolf’s auf pag. 265 nicht in Widerspruch. 400 Brown’s zu beweisen. Die einzige Frage, welche zu Meinungsver- schiedenheiten führte, war die nach der diagrammatischen Stellung dieser redueirten Stamina. Und so haben wir gesehen, dass diese redueirten Stamina oder Staminodien kurzweg bald als dem inneren, bald als dem äusseren Staubblattkreis zugehörig, von Van Tieghem sogar als Verschmelzungsprodukt des äusseren und inneren Staub- blattkreises betrachtet wurden. An dieser Stelle dürfte es daher an- gebracht sein zu erwähnen, dass Hiss 1807, wenn auch nicht aus- drücklich, so doch implieite!) die Auriculae als Bestandtheile der fertilen Authere betrachtet hat. Wenn Hiss und die älteren Autoren vor ihm schon vor mehr als 90 Jahren den Charakter der Aurieulae bei den Ophrydeen gleich- sam instinktiv richtig erkannt hatten, so will ich nun im Folgenden, gestützt auf gründliche entwickelungsgeschichtliche Untersuchungen, mit Zuhilfenahme der modernen Technik den wahren Charakter der Auriculae zu erläutern suchen. 1. Was die Hypothese Brown’s anlangt, so möchte ich von vorneherein ihren Werth etwas abschwächen, und zwar mit dem Argu- ment, dass dieselbe immerhin mehr oder minder willkürlich ist, d. h. ohne — was ja besonders in die Wagschale fällt — irgendwelche entwickelungsgeschichtliche Untersuchungen als Ausgangspunkt zu haben. Wenn auch Brown erwähnt, er habe seine Hypothese durch Blüthenquerschnitte ?) bestätigt gefunden, so kann man dies doch nicht als hinreichende Grundlage für den Aufbau einer IIypothese betrachten, ebensowenig als man es jetzt noch als zulässig bezeichnen könnte, wenn einer auf Grund von Querschnitten durch eine aufgeblühte Primulablüthe die Hypothese aufstellen wollte, es scien die fünf mit den Petalen verwachsene Stamina aus letzteren entsprungene Gebilde. 2. Auf die Angaben der Anatomen brauche ich hier nicht mehr einzugehen, da ich mich hierüber schon geäussert habe. 3. Die entwickelungsgeschichtlichen Untersuchungen Pfitzer’s muss ich nieht mehr berücksichtigen, da es nun feststeht, dass ge- nannter Autor bezüglich der Auriculae sich geirrt hat. 1) Diese Interpretation ist gewiss in schr hohem Maasse berechtigt, denn da Hiss von abortirenden und petalisirenden Stamina spricht, ja sogar annimmt, dass das Lnbellum aus drei solchen Stamina gebildet sei, hätte er sich gewiss auch über die Auriculae besonders geäussert, wenn er geahnt hätte, dass Brown schon drei Jahre später diesen Auriculue staminodialen Charakter zuschreiben würde. 2) Natürlich durch ausgebildete Blüthen. 401 Uebersicht man nun eine Querschnittserie, wie sie das in Fig.5a —f abgebildete Stadium widergibt, dann fallen bei Schnitt b sofort die mit „au“ bezeichneten Gebilde auf, die quergetroffenen Aurieulae. Würden ausser diesem Schnitte keine weiteren zur Verfügung stehen, so wäre man gezwungen, diese beiden Gebilde als Staminodien zu betrachten und zu deuten, denn es stehen dieselben so ziemlich vor der Mitte Xler inneren Petalen und scheinen sich frei vom Blüthenboden, den man natürlich in dieser Schnitthöhe noeh nicht sehen kann, zu erheben. Successive Schnitte belehren uns aber, dass die als frei erscheinenden Gebilde in Wirk- lichkeit nur das oberste, etwas freie Ende der hinteren llälfte der „vierlappig gewordenen Anthere“ darstellen. Ein Längsschnitt durch die Anthere, so dass ein Pollinium vollständig median getroffen wird, lässt ein Gleiches erkennen. Schon anlässlich der Besprechung von Wolf’s Fig. 15 habe ich angeführt, dass der auf dem Längsschnitt an der Rückseite der Anthere auftretende Höcker nicht frei vom Blüthenboden sich erhebt, wie Wolf in seiner Zeichnung angibt; hier will ich A nur noch hinzufügen, dass dieser Höcker bei Gymmnadenia!), z. B. Fig.y, an der Basis der Antherenrückseite als schwache und ganz all- mählich in dieselbe übergehende Erhebung in die Erscheinung tritt, während man denselben auf dem Längsschnitte von Platanthera als plötz- lich aus der Antherenrückseite hervorbreehendes Gebilde zu sehen bekommt (Fig. 3). Deutlicher noch als an Quer- und Längs- schnitten wird der wahre Sachverhalt an jüngeren, frei präparirten Antheren. Findet man in einer ganz jungen Blüthen- knospe die Anthere noch als zungenförmiges, fast überall gleich dickes Plättchen, so zeigen etwas weiter fortgeschrittene Entwiekelungsstadien Fig. 5. Suecessive Quer- schnitte von Gymnadenia. ihre Antheren sehon mehr weniger charakteristisch verändert. Die Pollenbildung, welche gegen die Antherenspitze hin, sowie auf der 1) Ex handelt sieh natürlich um jüngere Entwiekelungsstadien. 402 Antherenvorderseite stärker vor sich geht als auf der Rückseite !) bewirkt, dass an der Basis der Anthere, und zwar auf deren ganzen Rückseite, „steriles‘ Gewebe verbleibt. Dadurch nun, dass dieses sterile Gewebe zu beiden Seiten auf dem Rücken der Anthere mit dem übrigen Theil der Anthere weiterwächst, kommen jene beiden m f f Fig. . Längsschnitt durch Gymnadenia. Fig.3. Längsschnitt durch Platanthera. Gebilde zu Stande, welehe man Auriculae nennt. Es bedeuten daher die Aurieulae nichts anderes als die von der Pollenbildung ausge- schlossenen weiterwachsenden seitlichen Basaltheile der Antheren- rückseite, D) SS —_ Fig. £. Quersehnitte durch Platanthera. Es wäre gewiss ein unrichtiges Verfahren, wollte man durch Abnormitäten a priori die morphologische Werthigkeit irgend eines , 1) Ein Verhalten, welches auch an den beigegebenen, nach Photographien gezeichneten Abbildungen erkannt werden kann (Fig. x und & Längsschnitt, Fig. = und & Querschnitt). 403 Blüthenbestandtheiles erklären. Oft schon wurden aber Abnormitäten herangezogen, wenn cs galt, für irgend eine IHypothese oder Theorie eine Stütze zu finden. So fühlte Wolf, weil er bei einer abnormen Blüthe von Orchis mascula statt der einen Aurieula eine halbe An- there angetroffen hatte, sich in seiner Annahme bestärkt, es seien die Aurieulae bei den Ophrydeen wirklich Staminodien, welche, wie es dieser Fall zeige, zuweilen fertil werden könnten. — Um so inter- essanter ist es zu erfahren, dass Brown, der eigentliche Begründer dieser Auricula - Staminodien -Ilypothese, in seiner 1831 verfassten Schrift auf Grund einer abnormen Blüthe von Habenaria bifolia (Pla- tanthera bifolia) seine eigene Hypothese anzweifelt. Brown berichtet: „In meinen neuesten Bemerkungen über Apostasia erwähnte ich einer sonderbaren Monstrosität von Habenaria bifolia, die, wenn man über- haupt auf dergleichen Abweichungen vom gewöhnlichen Bau immer bauen könnte, die Anwendbarkeit der Hypothese auf diese Auriculae in Bezug auf die Ophrydeen sehr zweifelhaft machen würde. Denn in diesem Falle, wo sich drei Antheren ausgebildet haben, finden sich nicht nur Auriculae an dem mittleren oder gewöhnlichen Staubfaden, sondern man sieht auch ein solches Ochrehen an der oberen Seite jeder Seitenanthere, welche hier zwei Abschnitten der äusseren Reihe der Blüthendecke gegenüber stehen. Erst kürzlich ist mir ein anderes der Hypothese nicht weniger ungünstiges Beispiel einer ähnlichen Mon- strosität vorgekommen.“ So weit die Worte Brown’s. Dieser von Brown beschriebene Fall einer abnormen Platantherablüthe spricht natürlich gänzlich für meine Deutung der Ophrydeen-Aurieulae und kann die von Pfitzer gegebene Erklärung!) für eben denselben Fall, nachdem genannter Autor sich in seinen Untersuchungen getäuscht hat, nicht mehr in Betracht kommen. Auch ich habe bei meinen Untersuchungen eine Monstrosität ge- funden und zwar bei Orchis latifolia. Die Abbildungen dieser Mon- strosität Fig. R zeigen, dass zwei Antheren gebildet sind, von welchen beide Auriculae besitzen. Dass je zwei dieser Aurieulae etwas weniger stark hervortreten, ist leicht erklärbar. Einmal wird die gegen die gewöhnlich fertile Anthere Fig. RA angrenzende zweite Anthere x infolge ihrer fast vollständigen Fntwickelung die ge- 1) „Den auf den ersten Blick mit unserer jetzigen Auffassung schlecht har- monirenden Fall der oben erwähnten Platanthera bifolia glaube ich jetzt so auffassen zu sollen, dass die hier trotz dreier fertiler Stamina vorhandenen vier Oehrehen den sonst ganz unterdrückten paarigen Staubblättern des inneren Kreises @, a, entsprechen, welche sich verdoppelt hatten.“ Pag. 171. 404 wöhnliche Anthere im freien Wachsthum mehr weniger hindern, dann aber wird auch die zweite Anthere von den seitlichen Petalen der- maassen in ihrer Wachsthumsrichtung beeinflusst, dass sie ihre äussere Auricula au etwas nach vorn verschiebt. Das theilweise Unvollständig- werden der Auricula ist in diesem Falle also bedingt durch die zu kleinen Raumverhältnisse, unter welchen sich die Auriculae bilden müssen. In ähnlicher Weise wird auch der Brown’sche Fall, bei welchem zwei Seitenantheren je eine Auricula fehlt, zu erklären sein. Die Frage nach der morphologischen Werthigkeit der Auriculae bei unseren Öphrydeen betrachte ich als genügend behandelt und verweise nur noch auf die Anthere bei Ophrys'), bei welcher man auch im ausgebildeten Zustande noch deutlich erkennen kann, dass die Auriculae Gebilde der Anthere darstellen. (Fig. Sı und 8%.) Es erübrigt nun noch der beiden mit x und x; bezeichneten Gebilde zu gedenken. Dass es sich hier um Staminalanlagen handelt, das dürfte ausser allem Zweifel sein. Denn man findet genannte Höcker nicht nur auf Querschnitten, sondern man kann bei sorg- x — ® 3 Sa Fig. «. Fig. B. Suceessive Querschnitte durch eine junge Blüthe von Gymnadenia. fültiger Präparation dieselben auch an freipräparirten Knospen körper- lich ganz gut sehen. Es frägt sich nun lediglich, welehem Staminalkreis dieselben zu- zurechnen sind. Der Umstand, dass wir bei Epipaetis und Calanthe zwei Stami- nodien antreffen, welche zweifellos dem inneren Staminalkreis ange- hören?), ferner der Umstand, dass bei Cypripedium ebenfalls zwei innere Stamina gebildet werden, lässt es als wahrscheinlich erscheinen, dass wir es hier mit inneren Staminalanlagen zu thun haben, zumal auch hier, gleich wie bei Epipaetis und Calanthe, die Gebilde x2 und 73 mit den inneren Petalen verwachsen sind. Dass nun 2 und x nicht genau vor der Mediane der inneren Petalen stehen, sondern sich mehr gegen das Labellum hinwenden, dürfte, wenn man x2 und 1) Dieselben sind bei Ophrys sehr schwach entwiekelt. 2) Das Gleiche habe ich bei Mikrostyles gefunden, siehe später. 405 x; als dem inneren Staminalkreise angehörig betrachten will, durch das rasche und starke Wachsthum der fertilen Anthere erklärt werden. Dadurch nämlich, dass die fertile Anthere mehr als die Hälfte vom Raume der Blüthenknospe für sich beansprucht, werden 23 und xs, welche ja relativ spät!) entstehen, gezwungen auszuweichen, was aber nur in der Richtung gegen das Labellum hin geschehen kann. Will man aber die Höcker x und x; als äussere Staminalan- lagen ansehen, indem man dieselben mit der Mediane der äusseren Petalen zu verbinden sucht, so besteht dafür auch kein weiteres Hinder- niss und muss ich daher die Deutung der in Fig. «, ß nach Photo- graphien gezeichnete Schnitte völlig der Auffassung jedes Einzelnen anheimstellen. III. Ueber Calanthe veratrifolia. Dieses klassische Untersuchungsobjeet, eines der vorzüglichsten Beispiele entwickelungsgeschichtlieher Blüthenuntersuchungen, verdient es, einer kurzen Erwähnung gewürdigt zu werden. Payer, welcher zuerst die Örchideenblüthe entwiekelungsge- schichtlich studirt hat, war dadurch, dass er Calanthe als Unter- suchungsobject herangezogen hatte und dieselbe als Vertreterin der ganzen Sippe betrachtet wissen wollte, in der Auswahl seiner Vertreter- pflanze doppelt glücklich. Nicht nur ist es bei Calanthe veratrifolia relativ leicht, den Blüthenaufbau zu studiren (die Blüthenknospen sind gross und behalten ziemlich lange Zeit auch trotz des raschen Wachsthums ihre primären Organisationsverhältnisse bei), es zeigt ge- nannte Pflanze das Auftreten von fünf Staminalanlagen und ist da- durch zugleich dem Prototyp der Orchideenblüthe, welchem, wie ich bei Cypriped. barbatum gezeigt habe, sechs Stamina zuzuschreiben sind, sehr genähert. Der Umstand, dass intermediäre Entwiekelungsstadien für mich nicht erhältlich waren (ich besass nur zwei Blüthenstände, wovon der eine zu jung, der andere zu alt war), gestattet es mir nicht, aus eigener Anschauung eine eigene Beschreibung aller Entwickelungs- stadien zu geben. Ich beschränke mich daher darauf, hier anzu- führen, dass die paarigen inneren Staminalanlagen, von Payer mit et” bezeichnet, selbst in einem sehr weit fortgesehrittenen Zustand der Blüthe noch deutlich als solche zu erkennen sind!) (Fig. 6« und b 1) Das späte Auftreten derselben würde ebenfalls dafür sprechen, dass wir es mit höheren, d. h. inneren Staminalanlagen zu thun haben. Flora 1898. 27 406 im Querschnitt) und in der weiter entwickelten Blüthe sich als auf- rechte Zipfel, wie auch Payer richtig bemerkt hat, wieder finden. Was nun Payer’s et“ betrifft, d. h. die Anlagen der paarigen äusseren Stamina, so habe ich dieselben als freie und selbständige Höcker, so wie sie Payer in Fig. 10, 11, 16, 17, 18 angibt, aus dem oben angeführten Grunde nicht erkennen können. Die Klarheit von Payer’s sämmtlichen Zeichnungen, sowie der Umstand, dass ich in einem älteren Stadium eine Knospe untersuchte, welche Payer’s Fig. 20 sehr nahe kam (ich bemerkte ausserhalb der paarigen Carpelle auf der Innenseite der paarigen Sepalen einen mit den oben erwähnten ei“ in Verbindung stehenden Waulst), be- festigt in mir die Ueberzeugung von der Richtigkeit der Payer’schen Untersuchung. Im übrigen habe ich der Untersuchung Payer’s nichts hinzuzufügen und will an dieser Stelle nur noch kurz des schon früher einmal erwähnten „text- lichen Feblers* in Payer’s Arbeit gedenken. Der Wortlaut in genanntem Werke ist folgender: „Les trois &tamines superposdces aux divisions du perianthe externe, bienque ndes avant celles qui sont superposdes aux deux divisions du p£ri- anthe interne n’apparaissent pas toutes & la fois; L’&tamine superposde & la division anterieure du perianthe externe se montre avant les deux autres. Elle seule aecomplira toutes les phases Fig. 6. Querschnitte d’un d’Eveloppement rögulier et deviendra fertile, durch Calanthe, les deux autres s’arr&teront bientöt et dans la fleur &panouie se presenteront sous V’aspeet de petits tubercules.“ „les deux &tamines superposdes aux divisions anterieures du peri- anthe interne avortent presque aussitöt leur naissanee et Von n’en trouve plus le moindre vestige lors de l’anthese.* Vergleicht man nun mit diesem Wortlaute die Payer’schen Ab- bildungen, dann geht deutlich hervor, dass sich Payer bei Abfassung seines Textes geirrt hat. Dieses Versehen, welches nicht bloss ein Schreibfehler sein kann (externe statt interne resp. umgekehrt), wie dies aus der ganzen Stelle hervorgeht, erkläre ich mir dadurch, dass ich annchme, es seien Payer die Resultate seiner Untersuchung in der Erinnerung momentan etwas verschoben gewesen. Zu dieser An- nahme zwingt der Umstand, dass Payer in seinen Fig. 10, 11, 16, 1) Weil als vor den inneren Petalen stehende freie Höcker erscheinend. 407 17, 18 konsequent die dem äusseren Staminalkreis angehörigen Staminalanlagen ei“ stets kleiner zeichnet, um dieselben dann in Fig. 23 völlig verschwinden zu lassen, sowie die 'Thatsache, dass er die den inneren Petalen supponirten Staminalhöcker et” in den Abbildungen aller späteren Entwickelungsstadien widergibt. Im übrigen geht aus der Figurenerklärung auf pag. 668 ad Fig. 23 deutlich hervor, dass Payer die Blüthe von Calanthe veratrifolia auch so auffasst, wie er es durch seine geradezu herrlichen Abbildungen darstellt. Seine Worte sind folgende: „ei etamines du deuxi&me verticille qui deviennet conn6es avec l’etamine fertile. Quant aux deux &ta- mines et“ du vertieille externe, elles ont completement disparu.* Hätte daher Van Tieghem die Zeichnungen Payer’s mit dem Texte verglichen oder hätte er neben dem Texte nur noch die Figurenerklärung gelesen, dann wäre ihm der Widerspruch in der Payer’schen Arbeit nothwendig aufgefallen und er hätte unmöglich Payer missverstehen können. Lange Zeit war es für mich unergründlieh, wie Eichler!) in seinem „Blüthendiagramme* auf die Idee kommen konnte: Es habe Payer auf Grund der Entwiekelungsgeschiehte von Calanthe vera- trifolia die „Aurieulae“ aufgefasst als zusammengesetzt?) aus den paarigen Gliedern des äusseren, sowie des inneren Staminalkreises. Es erklärt sich nun dieser historische Irrthum Eichler’s nur dadurch, dass man annimmt, er habe beiLektüre von Van Tieghem’s anatomie comparede de la fleur auf pag. 143 nach Van Tieghem’s Citat der Payer’schen Worte: „Les deux &tamines superposdes aux divisions anterieures du perianthe interne avortent presque aussitöt leur naissance et l’on n’en trouve plus le moindre vestige lors de l’anthöse“ sich die Gänsefüsschen weiter gedacht und so die eigenen Worte Van Tieghem’s: „Ces dtamines disparessent en effect, mais c’est en se fusionnant avee les voisins pour former une etamine sterile inter mediaire“ ebenfalls als Worte Payer’s auf- gefasst. G&rard,?) welcher Payer auf folgende Weise interpretirt: „D’apres lui (Payer) les deux mammelons latdraux inferieurs?) dis- 1) loc. eit. 184. 2) Von einer solchen Zusammensetzung macht Payer, wie man aus dem vorhin angeführten Citat ersieht, absolut nicht die geringste Audeutung. 3) loe. eit., pag. 132. 4) Man muss wissen, dass G&rard sich die Blüthe nicht resupinirt dachte und mit „mamelons latöraux inferieurs“ die paarigen dem inneren, unter „les 27* 408 paraitraient de bonne heure. Les deux lat&raux sup6rieurs persisteraient plus longtemps et donneraient par cons&quent naissance aux staminodes“, hat es ebenfalls versäumt, Payer’s Zeichnungen zu studiren und mit dem Texte zu vergleichen und so hat auch er Payer völlig missverstanden und denselben falsch interpretirt. IV. Ueber Epipactis. Unsere einheimische Flora weist aus dieser Gattung nur zwei Arten auf: Epipactis latifolia und Epipactis palustris. Während ich die erstere in grosser Anzahl mitten unter Goodyera in den bischöflichen Waldungen (Fürstenwald) zu Chur antraf, hatte ich reiche Gelegenheit, Epipactis palustris im Isarthal längs der Isar zu sammeln. Dass wir es hier mit zwei deutlich getrennten Arten zu thun haben, hat Irmisch in weitläufiger und ceorreeter Be- schreibung nachgewiesen. Bezüglich der übrigen bei uns einheimischen Epipactisarten lasse ich es dahin gestellt, sie als wirkliche Arten zu betrachten oder nicht. Kig. 7. Verschieden hohe Querschnitte durch Epipactis; junge Blüthe. Was nun die morphologisch diagrammatische Deutung der Epi- paetisblüthe anlangt, so hat Irmisch, welcher zuerst die Epipactis- blüte genauer studirte, sich geiert. Irmisch nimmt nämlich an, es gehören die beiden bei Epipactis auftretenden Staminodien, gleich wie die fertile Anthere, dem äusseren!) Staminalkreise an und be- gründet diese Annahme dadurch, dass bei Epipactis es nicht zu ver- kennen sei, dass die Richtung der Staminodien gerade so wie es die paarigen Kelechblätter thun, nach vorne hingehe. Iintwiekelungsgeschichtlich hat erst Pfitzer?) gezeigt, welchem Staminalkreise die Staminodien angehören. Pfitzer’s Abbildungen rm > “ . . - . B4 (T. IV S—10) zeigen, dass die Staminalanlagen innere sind und nicht, wie Irmisch annahm, äussere. deux lat@raux superieurs® die paarigen dem äusseren Staminalkreis angehörigen Staminalanlagen verstanden wissen wollte. 1} Ioe. eit. pag. 453, 460, 2) loe. eit. 409 Der Umstand, dass Pfitzer pag. 173 ausspricht: „die Blüthe hat sich inzwischen an der Spitze geschlossen, so dass man für die älteren Stadien auf suecessive Schnitte angewiesen ist“ hat mich ver- anlasst, die Blüthenentwiekelung von Epipactis neben der Fertigung von Querschnitten noch auf eine andere Methode zu verfolgen. Ich habe Blüthen von den verschiedensten Entwickelungsstadien mit der Nadel unter dem Mikroskop präparirt und konnte sehen, dass die Staminalanlagen aı und as, rundliche Höcker, stets mit der Basis der inneren Petalen innig verwachsen waren. Fig. T,, Te, Ts stellen drei soleher Blüthen- knospen verschiedenen Alters dar. Wie man daran ersieht, behält eine solche Fig. 8. «a hochgehender, b tief- Blüthe sehr lange ihre ersten Organi- $ehender, die Carpelle treffender . jun: . . . Schnitt. AcltereBlüthe v. Epipactis. sationsverhältnisse bei, so dass ziemlich alte Stadien sich von sehr jungen nur durch die grössere Gestalt der äusseren Blüthenbestandtheile unterscheiden. An meinen Quer- schnittfiguren!) (ich habe die in Pfitzer’s Arbeit fehlenden Schnitt- höhen gegeben) erkennt man auf den ersten Blick das oben ange- führte Verhalten. Die Weiterentwickelung des Labellums habe ich nicht verfolgt. Soviel aber ausgebildete Blüthen erkennen lassen, hat Pfitzer Itecht, wenn er annimmt, dass das Mesochylium mit einer Achsenbildung nichts zu thun hat. V. Ueber Mikrostylis monophyllos. (Malaxis monophylilos.) In welchem verwandtschaftlichen Grade diese P’Hlanze mit der vorhin behandelten steht, vermag ich nicht zu entscheiden. Pfitzer beschreibt dieselbe in Engler & Prantl gemeinschaftlich mit Coralliorhiza unter der Abtheilung der Monandrae — Liparidinae, Auf pag. 130 schreibt genannter Autor Mikrostylis eine kurze Säule zu mit zwei grossen Staminodien rechts und links, welche durch das Rostellum verbunden sind. Pfitzer theilt bezüglich der Auf- fassung dieser zwei Gebilde offenbar die Vermuthung Brown's, Endlicher’s und Darwin’s. Entwiekelungsgeschichtliche Arbeiten über diese Pflanze?) liegen bis dato nicht vor. Wie mich nun die 1) Fig. Te, b, ec, d, e und Fig. 8a, b. 2) Das schöne Material verdanke ich der Güte des IIerrn Glaab, botan. Gärtner in Salzburg. 410 entwiekelungsgeschichtliche Untersuchung belehrt, sind die beiden spitzigen Gebilde neben der Anthere wirklich Staminodien und zwar gleichwie bei Epipactis palustris und latifolia Staminodien des inneren Staminalkreises. VI. Ueber Listera, Neottia und das Olinandrium. Um zunächst dem Ausdrucke Clinandrium eine bestimmte Be- deutung zu geben, will ich im Folgenden unter Clinandrium jenen Theil in einer Orchideenblüthe verstehen, welehen wir hinter dem Staubblatt als ein dessen Rückseite völlig aufgelagertes Gebilde an- treffen. Diese meine Begrenzung von Clinandrium deckt sich keines- wegs mit der Auffassungsweise Darwin’s und Wolf’s. Während Darwin einfach unterschiedslos ganze Organcomplexe, staminodiale Gebilde sowie selbst die Ophrydeen-Aurieulae als Clinandrium be- zeichnet,!) deutet Wolf?) auf Grund seiner entwickelungsgeschicht- lichen Untersuchung das Clinandrium als zu stande gekommen durch die Verwachsung zweier Staminodialanlagen. Man sieht, dass bezüg- lich der Natur dieses eigenthümlichen Gebildes bis dato noch keine klare und bestimmte Vorstellung geherrscht hat. Als bestes und zugleich auch am leichtesten erhältliches Unter- suchungsobjeet für die Lösung der Clinandriumfrage habe ich Listera ovata benutzt. Nur nebenbei bemerkt sei die Thatsache, dass Listera, deren ganze Blüthenentwickelung ich verfolgt habe, ausser dem fertilen Stamen in keiner Entwickelungsperiode weitere Staminalanlagen zeigt, somit eine typisch monandrische Form darstellt. Es hat sich daher die Ansicht Wolf’s „dieses Plättehen (Clinandrium) wird gewöhnlich als das verlängerte Gynostemium bezeichnet, ich glaube jedoch, dass es eher aus den beiden Staminodien entstanden ist, wenigstens zum grössten Theil besonders da es ein sog. Androelinium bildet, was die Staminodien gerne thun* als unrichtig herausgestellt. Das Clinan- drium bei Listera ist nichts anders als ein Auswuchs des Antheren- filaments. Seine Entstehung ist die nämliche wie die des Oehrehens am Filament bei Cypripedium. An der Basis der Anthere, d. h.am Grunde des Filaments, entsteht eine ringförmige Anschwellung Fig. Ua (Cl), welche sich immer mehr entwickelt und so an dem Rücken der Anthere 1) Interessant ist Darwin's diesbezügliche Acusserung 1. ec. auf pag. 184: „Nun lüsst sich aber ein stufenweiser Ucbergang von dem vollkommenen Clinan- drium der Malaxis durch das von Spiranthos, Goodyera, Epipactis Intifofia und E. palustris bis zu den kleinen und etwas abgeplatteten Ochrchen des Genus Orchis vollständig nachweisen.“ 2) loe. eit. 41l hinaufwachsend dieselbe mehr weniger umhüllt. Die Analogie dieses eigentlichen Clinandriums mit jenem bei Cypripedium wird sofort klar, wenn man meine Zeichnung von Listera Fig. Ua und die von Cypripedium Fig. E mit einander vergleicht. Darwin!), welcher in seiner Zeichnung von Listera ovata Fig. 18 dieses mein Clinandrium als „Colu- mella-Scheitel® bezeichnet und das- selbe als „Ausbreitung ?) des Gipfels der Columna“ auffasst, hat ebenfalls die wahre Natur dieses Gebildes verkannt. Wie ich oben schon gesagt habe, ist das Clinandrium ein Auswuchs Fig. 9. Längsschnitte durch eine des Antherenfilaments, also weder Blüthe von Neottia, bei 5b median eine Verlängerung der Columna (Dar- getroffen. win) noch ein staminodiales Gebilde (Wolf). Wasich von Listera gesagt habe, gilt fast ebenso auch von Neottia. Zwar wird Neottia ganz allgemein ein Clinandrium abgesprochen.) Dieses kann man ja thun, wenn es sich nur um ein ganz oberflächliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Listera und Neottia handelt; will man aber eine tiefere Kenniniss von Neottia erhalten, so muss man zur Entwickelungsgeschichte greifen, und man wird schen, dass Neottia Fig. 135. Medianer Längsschnitt ebenso gut wie Listera [Fig. 135 (CD] durch Listera. ein Clinandrium anlegt und dasselbe auch weiter bildet. Ein medianer Schnitt (Fig. 95) zeigt z. B. für die fertige Blüthe dieses bis jetzt verkannte*) Clinandrium sehr deutlich. Auf einem jungen Stadium ist 1) loc. eit. 87. 2) loc. eit. 88, 3) Pfitzer berichtet z, B. in Engler u. Prantl über Neottjia: A und Rostellum ungefähr wie bei Listera, aber ohne häufiges Clinandrium ete. 4) Wenn ich auch in der Litteratur nirgends eine Andeutung des Clinandriums von Neottia angetroffen habe, so £indet sich bei Hofmeister doch eine Zeich- nung, welche das Clinandrium von Neottia deutlich widergibt. 412 dieses Clinandrium jenem von Listera sogar so ähnlich, dass man einen Unterschied in einer Zeichnung kaum andeuten könnte. Es mag daher die Zeichnung Fig. Ua von Listera auch für das gleich alte Entwickelungsstadium von Neottia gelten. Was das Auftreten weiterer Staminalanlagen anlangt, so gilt hier vollkommen, was für Listera angegeben wurde. Auch Neottia ist Monandrist in allen seinen Ent- wickelungsphasen.!) VII. Ueber Goodyera repens, Anschliessend an Listera und Neottia will ich noch Goodyera kurz behandeln. Darwin?) schreibt über genannte Pflanze u. a. auch Folgendes: „Die Anthere wird von einem langen und breiten Staubfaden getragen, welcher beiderseits durch eine Haut an die Ränder der Narbe befestigt wird und eine Antherengrube oder Olinan- drium bildet*. Pfitzer?) spricht von einer „kurzen Säule mit häutigem Clinandrium, welches in das aufrechte Rostellum übergeht“. Darwin, welcher, wie wir gesehen, unzu- lässiger Weise alles Mögliche mit Clinandrium bezeichnet, hat hier insofern richtig beobachtet, als er von einer „Grube“ berichtet. Was aber Pfitzer’s „häutiges Clinandrium“ anlangt, so ist nicht recht einzusehen, warum genannter Autor hiefür nicht die von ihm genau definirte®) Be- Fig. 10. Tiefgehender zeichnung „Androclinium“ anwendet, zumal der Querschnitt durch Ausdruck Olinandrium durch Darwin eine so Goodyera. vage Bedeutung erhalten hat. Wir haben es hier überhaupt mit keinem Clinandrium) zu thun. Das ganze Gebilde, welches zwischen Anthere und Rostellum hegt (die an die Ränder der Narbe befestigte Haut Darwin’s), ist nichts anderes, als das die Anthere und den Stylus trennende, zu dessen beiden Seiten rechts und links wuchernde hautartige Stück der Achse. Hermann Müller, welcher uns in seinem „Alpenblumen, ihre Befruchtung durch Insekten ete. 1881“ eine Abbildung von Goodyera gibt, deutet zwei von ihm mit a! bezeichnete Gebilde als Rudimente 1) Gerard's anatomisches Diagramm für die Neottieen ist nach entwicke- lungsgeschichtlichen Befunden vollkommen irrig. 2) loc. eit. pag. TI. 3) Engler u. Prantl pag. 117. 4) Engler u Prantl pag. 68, 5) Clinandrium i. ©. 8. d. h. nach der oben von mir gegebenen Definition. 413 des 2. und 3. Staubgefässes. Die Entwickelungsgeschichte lehrt aber, dass ausser der fertilen Anthere keine weiteren Staminalanlagen ge- bildet werden. Die Müller’schen a! können erst in einem sehr alten Blüthen- entwickelungsstadium gesehen werden und erklären sich als zu stande gekommen durch das Weiterwachsen der von der Anthere im Wachs- thum nicht gehinderten Theile des vorhin erwähnten häutigen Achsen- stückes. Des eigenthümlichen Rostellums von Goodyera werde ich in einem besonderen Kapitel noch gedenken, hier will ich nur noch anführen, dass das Labellum unserer einheimischen Goodyera auf seiner Innen- seite stets von vier Leisten längs durchgezogen ist. Fig. 10 zeigt dieselben im Querschnitt getroffen. Auch auf dem Längsschnitt (ig. 116)!) kaun man eine solche Leiste deutlich sehen. VIII Ueber das Rostellum und die paarigen Carpelle. Es würde viel zu weit führen, wollte ich den geschichtlichen Gang, welchen die Erkenntniss von der Rostellumnatur durchgemacht hat, hier vollständig anführen. Ich verweise bezüglich der älteren Litteratur auf Brown’s „Beobachtungen über die Befruchtungsorgane und die Art der Befruchtung bei den Orchideen“, in welcher Schrift Brown von Haller (1760) angefangen bis auf seine Zeit (1831) alle Theorien über diesen Punkt sorgfältig behandelt. Brown selbst hat die Natur des Rostellums wohl richtig erkannt, denn er schreibt: „Zu diesem vorderen oder — wie er gewöhnlich in der entfalteten Blume erscheint — zu diesem oberen Lappen gehören stets die Drüsen, an welche sich die Pollenmassen anhaften“. Er hat sehr wohl zu unterscheiden gewusst zwischen dem mittleren Car- pellblatt (Rostellum) und den „beiden seitlichen Lappen oder Narben, die in verschiedenem Maasse der Ausbildung stets zugegen und wenn anders das Ovarium gehörig ausgebildet ist, auch fähig sind, ihre Function zu verrichten“.?) Deutlicher als R. Brown hat sich L. Cl. Richard?) über das Rostellum und die Bursicula ausgesprochen. Er berichtet: „Summa stigmatis pars ultra gynizum protrahitur in processum etc.*, sowie „qualitereumque vero sese habet, summi 1) Diesbezügliche Zeichnung siehe später. 2) loc. eit. 140. 3) De Orchideis europaeis annotationes. 1817. 414 stigmatis processus sive in rostri speciem attenuatus reclinetur, sive in laminam sursum excurrat, sive demum induat apiculi formam nomine rostelli ubique signetur cum ubique ex vadem varie modificata pro- veniat parte*. H. G. Reichenbach!) schliesst sich diesen Ausführungen Richard's an. Auch seine Angaben über die Bursicula stimmen mit denen Richard's ziemlich überein. Hofmeister und Wolf endlich haben die Kenntniss des Ro- stellums so weit gefördert, dass eine Neubearbeitung dieses Themas nur relativ wenig neue Resultate liefern kann. Das wenige, welches ich in Bezug auf das Rostellum zu sagen habe, bildet lediglich eine Ergänzung der Angaben Wolf’s und Hofmeister’s. Was zunächst das Rostellum von Listera betrifft, so ist zu erwähnen, dass schon vor den beiden letztgenannten Autoren J. D. Hooker?) dieses Gebilde studirt hat. Wie aus seinen Worten?) und Abbil- dungen klar hervorgeht, dachte sich Hooker das Rostellum gebildet aus einer Anzahl in einer Fläche liegender langprismatischer Fächer, deren Inhalt auf früheren Zuständen eine zellige Struktur zeigt. . Diese etwas unvollkommene Anschauung Hooker’s fand ihre Correctur durch Hofmeister, welcher richtig erkannt hat, dass die der Anthere zugekehrte Seite vollständig eingenommen wird von einer Gruppe in einer Ebene liegender langgestreckter Zellen, 16-20 an der Zahl, die etwa 20 Mal so lang als breit und hoch sind. Mit dieser Beobachtung stimmen auch die Angaben W olf’s überein. Wolf sowohl als Hofmeister erwähnen dann auch noch der eigenthümlichen Rostellumspitze. Hofmeister spricht von papillösen Ausstülpungen, welche die grossen Zellen auf der Rostellumoberseite treiben und bis an den Vorderrand des Rostellums reichen. Wolf nennt die gleichen Gebilde: zapfenähnliche Auswüchse, welche diese langen Zellen am oberen Eude gegen die Spitze des Rostellums bilden. Es deckt sich somit die Ansicht dieser beiden Botaniker. Auch ich habe das Gleiche gefunden und möchte nur noch ein weiteres Resultat meiner Untersuchung betreffs der Rostellumspitze hier anführen. Ich bemerkte an der Spitze des Rostellums einen Complex kleiner Zellen, welche mit Plasma erfüllt sind und einen relativ grossen 1) De Pollinis Orchidearum Genesi Ac Structura ete., 1852, pag. 17. 2) Ann. des seie. nat. 1858 pag. 85-90. 3) En eoupant transversalement le Rostellum on peut voir qu’il est entiö- rement forme de loges longitudinales, paralleles est eontinues, qui eorrespondent au nombre des striex de Ja surface etc, 415 Zellkern!) besitzen. Fig. 12 und Fig. 13@?) möge dieses demonstriren. An diesem, man kann sagen ausgebildeten Stadium (es fehlen eirca vier Tage bis zum Aufblühen) des Rostellums kann man deutlich er- kennen, dass den kleinen Zellen an der Spitze ein von den langen Zeilen verschiedener Charakter eigen ist. Ich schreibe diesen kleinen Zellen an der Rostellumspitze daher eine besondere Bedeutung zu und werde darauf zurückkommen bei Besprechung des Rostellums von Goodyera. Hier sei in Kürze bemerkt, dass alles, was ich vom Rostellum von Listera gesagt habe, auch für Neottia gilt. Ueber den Inhalt der langen Zellen berichtet Hofmeister, dass er bestehe aus einem relativ kleinen Zellkern und einer kuge- ligen bläschenähnlichen, gegen die stärksten Säuren und Alkalien sehr indifferent sich verhaltenden Substanz, Wolf dagegen be- hauptet, dass der feinkörnige Inhalt dieser Zellen durch Jod und Schwefelsäure als solcher verschwinde, so dass der ganze Inhalt ein eigenthümliches maschiges Aussehen annehmen. Fig. 12. Theil des Rostellum Fig. 13a&. Längsschnitte durch junge Listera- von Listera. blüthen. Schnitt rechts ist median getroffen. Ich konnte den Inhalt der langen Rostellumzellen nicht prüfen, da ich bei meiner Untersuchung nur auf Alkoholmaterial angewiesen war. Die vorhin genannte maschige Struktur des Zellinhaltes, welche ich an meinen Präparaten sehr schön beobachten konnte (Fig. 12 n) hätte ich, wären mir nicht die Arbeiten Hooker’s, Hofmeister’s und Wolf’s®) vorgelegen, als fixirte Vacuolen gedeutet oder als eigenthümliche Plasmastruktur. Für die richtige Auffassung der oben erwähnten kleinzelligen Rostellumspitze von Listera und Neottia finden wir bei Goodyera einen Fingerzeig. An der ausgewachsenen Blüthe dieser zierlichen . y Bei Tinetion färbt sich dieser Zellkern im Gegensatz zu den Kernen in den langen Zellen sehr intensiv. 2) Ein jüngeres Knospenstadium zeigt Fig. 13a. 3) Genannte Autoren konnten frisches Material untersuchen. 416 ‘Alpenpflanze erkennt man auf einem medianen Längsschnitt oben an der Rostellumspitze einen Gewebekörper, welcher durch die Regel- mässigkeit seiner Zellen, sowie bei künstlicher Färbung mit Häma- toxylin durch die starke Blaufärbung der verdiekten Zeilmembranen schw auffallend in die Erscheinung tritt. Verfolgt man uun entwiekelungsgeschichtlich diesen Zellkörper, dann wird man die Ueberzeugung gewinnen, dass wir es hier bei Goodyera mit einem ähnlichen, ja vielleicht gleichen Gebilde zu thun haben, wie dort bei Listera und Neottia, wo wir das kleinzellige Ge- webe an der Rostellspitze beobachtet haben. Die Entstehungsweise ist hier wie dort die nämliche, in beiden Fällen ist es em Theil der Zellen an der Rostellspitze, welcher schon frühzeitig durch sein eigen- thümliches Verhalten (öftere Zelltheilung und infolge dessen Zustande- kommen kleinerer Zellen) sich von den Zellen des übrigen Rostellums auszeichnet. Während jedoch bei Goodyera die Rostellumspitze, d.h. dieser vorhin genannte Gewebekörper, eine ansehnliche Grösse erreicht [wie man aus meiner Zeichnung (Fig. 112, 14) sieht, be- steht derselbe aus mindestens 30 grössten- theils reihig angeordneten Zellen!)], finden wir bei Listera und Neottia ein Gewebe von gewöhnlich nur vier oder fünf Zellen. Von der mehr oder weniger starken Ausbildung dieses in meinen Zeichnungen mit rsp be- zeichneten Gebildes hängt auch die Energie seiner Punetion ab. Es steht fest, dass bei Fig. 14. Rostellumspitze von Goodyera diese eigenthümliche Rostellspitze Gondyera. Zellinhalt ausge- bei Entfernung des Pollens eine schr grosse waschen. Rolle spielt. An blühenden PHlanzen konnte ich mich überzeugen, dass dieser mehrmals erwähnte Zellkörper bei Berührung sich sehr leicht vom übrigen Rostellum abtrennt und dann auch regelmässig den Pollen mit sich nimmt.?) Die Rostellspitze von Listera und Neottia zeigt nach l1of- meister und Wolf ein ähnliches Verhalten, wie ieh es eben für Goodyera angegeben habe. Der Umstand nun, dass uns die Kut- wickelungsgeschichte gezeigt hat, dass die in den oben genannten 1) Natürlich auf dem medianen Längsschnitt. 2) Der übrig bleibende "Theil des Rostellums gleicht einer emporragenden i: v >] Fr v ’ . N f 3 Gabel, ein Verhalten, welches schon von Darwin richtig erkannt wurde. 417 Fällen beschriebene Rostellspitze eine gleiche Entstehungsweise hat, wird jeden Zweifel über die morphologische Gleichheit (Homologie) dieses Gebildes bei Listera, Neottia und Goodyera beseitigen. Bezüglich des Rostellums bei den Ophrydeen habe ich den Aus- fübrungen W olf’s nichts beizufügen. Es erübrigt mir nur noch einiges über die paarigen Oarpelle (Narben) mitzutheilen. In der ganzen Orchideen- litteratur von Haller angefangen bis und mit dem zuletzt erschienenen Opus: „Orchidaceae von E. Pfitzer* in „Natürliche Pflanzenfamilien von Engler und Prant]“ geht wie ein rother Faden die irrige Auffassung durch, es besässen die Orchideen nur zwei Narben. Das dritte und unpaare Öarpell (Rostellum) hat nach dem Glauben aller Autoren seinen Narbencharakter völlig verloren. Zur Widerlegung dieser Auffassung gebe ich folgende das Gegentheil beweisende Thatsachen : 1. Ein Längssehnitt durch die Blüthe von Epipactis palustris zeigt die Rostellum- vorderseite, d.h. die von der Anthere ab- gewandte, bis zur Rostellumspitze mit. Narbenpapillen bedeckte Papillen, welche sich von jenen der paarigen Narben durch nichts unterscheiden lassen.') 2. Ein Längsschnitt durch eine Blüthe von Goodyera (Fig. 115) zeigt ausser der mit Papillen besetzten Carpellspitze cz die Rostellumvorderseite »v bis zur halben Tlöhe mit ebendenselben Papillen besetzt. Hiezu jüngeres Stadium siehe Fig. 11a. Fig. 115. Medianer Längsschnitt durch eine entwickelte Blüthe von Goodyera. Fig. 11a. Medianer Längsschnitt durch eine junge Blüthe von Goodyera. 3. Bei Gymnodenia und Orchis latifolia, welche ich als Vertreter der Ophrydeen besonders auf das Verhalten der Narben untersucht habe, hat das Rostellum am meisten von seinem Narbencharakter verloren: An ganz dünnen Schnitten fällt es jedoch gar nicht schwer, 1) Hofmeister hat diese Papillen in seiner trefflichen Zeichnung wider- gegeben, ohne dieselben im Texte irgendwie zu erwähnen. 418 auch da am dritten Carpellblatt resp. an dessen Basis die Bigenschaft der ursprünglichen Narbe wieder zu erkennen. Verfolgt man nämlich das Rostellum von seiner Spitze gegen die Basis, dann sieht man, dass auch hier die Narbenpapillen vorhanden sind und zwar in der gleichen Ausbildung, wie man dieselben auch an den paarigen Carpell- spitzen antriftt. Ganz vermisst habe ich dagegen die Narbenpapillen am Rostellum von Neottia und Listera. Es ist bekannt, dass die Ophrydeen sowie unter. den Neottieen Goodyera den Pollen in Packetchen bilden, die übrigen Neottieen dagegen, wie Neottia, Listera und Epipactis, Pollentetraden besitzen. Man könnte sich daher denken, es stehe die mehr weniger narbenähnliche Ausbildung des Rostellums in irgend einer Correlation mit der Beschaffenheit des Pollens. Der Umstand jedoch, dass Epipactis obwohl Pollentetraden besitzend, dennoch ein so starkes, ja das stärkste papillöse Rostellum besitzt, während Neottia und Listera mit den gleichen Pollen versehen der Narbenpapillen am Rostellum völlig entbehrt, macht es mir unmög- lich, eine solehe Correlation zu erkennen. Die Zweckmässigkeit des papillenreichen Rostellums von Epipaetis ist sehr leicht einzusehen. Wie schon Darwin beobachtet hat, entleert die Anthere ihren körnigen Pollen bereits vor der Anthese. Es muss daher für die Befruchtung der Tausenden von Samenanlagen von grossem Vortheil sein, wenn dem Pollen eine möglichst grosse Narbenoberfläche für dessen Empfang und Aufkeimung dargeboten wird.!) Unklar ist mir die Bedeutung jener Schicht lang gestreckter Zellen bei Listera und Neottia. IX. Ueberdenunterständigen Fruchtknoten beiden Orchideen. Nachdem die irrige Ansicht Van Tieghem’s?) und Lindley’s®) durch Eichler?) beseitigt war, bezeichnete Pfitzer5) den unter- 1) Besonders vortheilhaft für die Befruchtung ist diese Einriehtung dann, wenn aus irgend einem Grunde (schlechte Witterung, Mangel an Insekten) kein Insekt Gelegenheit hatte, die durch Viseinfäden mit einander verbundenen Pollentetraden zum /weck der Fremdbestäubung entfernen zu können, so dass der durch Ver- trocknen der Viseinfäden staubartig gewordene Pollen direct (selbst befruchtend) von den Narben aufgefangen werden kann. 2) Van Tieghem nimmt an, es bestehe der einfücherige Fruchtknoten der Orch. lediglich aus drei mit ihren Rändern verwachsenen Carpellen. 3) Lindley nimmt sechs Fruchtblätter an, von welchen nur drei Pincenten besitzen. 4) loc. eit. pag. 49, 50. 5) Morphologische Studien über die Orchideenblüthe, 1886, pag. 7—10. 419 ständigen Fruchtknoten der Orchideen als einen hohlen Blüthenstiel, an dessen Innenseite die Ränder der drei Carpelle als samentragende Wülste herablaufen. Das Zustandekommen dieses Fruchtknotens denkt sich genannter Autor auf folgende Weise: „Die Achse wird früh flach becherförmig. An der inneren Böschung erscheinen die drei Carpelle als abwärts eoncav bogige Wülste. Erst durch eine spät erfolgende nachträgliche Streekung der unteren Hälfte des flachen Bechers, in welcher nur die herablaufenden Spitzen jener Wülste enthalten sind, kommen die langezogenen Placenten des fertigen Fruchtknotens zu stande.* Die Ansicht Goebel’s!) über den unterständigen Fruchtknoten deekt sich mit der obigen Auffassung von Pfitzer nicht ganz, Nach Goebel ist die Fruchtknotenhöhlung durchgehends gebildet durch die Aushöhlung der Blüthenachse selbst, von welcher sich der untere Theil des Fruchtknotens nicht abgliedert. So weit meine Beobach- tungen reichen, ist das von Goebel angegebene Verhalten auch für den unterständigen Fruchtknoten der Orchideen zutreffend. X. Ueber die Wurzel der Orchideen. Die morphologische Deutung der Ophrydeenwurzel hat im Laufe der Zeit nicht weniger Variationen erfahren, als die der Blüthe. Ohne eine vollkommene historische Darstellung dieser Frage geben zu wollen, möchte ich dennoch der wichtigsten diesbezüglichen Arbeiten gedenken. Nach einer historischen Zusammen- stellung der älteren Litteratur von D, Clos?) 1849 hatte eine grosse Anzahl der Autoren die Orchideenwurzel aufgefasst als einfache Wurzel: De Candolle, Organogr. I, 254, A. d. St. Hilaire, Morphol. 124, A, de Jussieu, Elem. 100, Lindley, Introd. te Bot. 40 edit, I, 339, Ein anderer Theil der Botaniker dachte sich diese Wurzel als zu stande gekommen durch Verwachsung mehrerer Wurzeln: Treviranus, Physiol. I, 368, Le Maout, Legon elem. IT, 580, Gosson et Germain, Flor de Paris II, 549. Nach den Angaben von Clos waren es Richard (Klem. 70 ed. 63) und Schleiden [Grundzüge der Botanik?)], welche über die Natur der Orchideen- wurzel eine andere und wesentlich verschiedene Ansicht äusserten. Waren die- selben nach des ersteren Auffassung, „des ramaux de la souche“ so bedeutet die Ophrydeenknolle nach Schleiden®): „morphologiseh entschieden keine Wurzel, physiologisch höchst wahrscheinlich auch nicht“. Clos selbst fasst die Ophrydeen- knolle auf als verbreitertes blattloses Sprossstück (les tubereules d’orchis, prove- nant de gemmation, sont dus & un commencement aphylie de rameau tr&s dilatd) und denkt sich die handfürmige Knolle als zu stande gekommen durch einfache 1) Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Phanerogamen, 1881, pag. 324. 2) Ann. de secie. nat. 1849, 3) pag. 214. 4) 1. ec. 420 Theilung dieses verbreiterten Sprossstückes. Die Ansichten dieser drei letztge- nannten Autoren stimmen im Wesentlichen mit einander überein. Mit dieser Auffassung der Orchideenknolle sehr nahe verwandt ist auch die Anschauungsweise Faber’s!), weleher annimmt, dass die „tubereules ovoides des ophrydees* ebenso wie die „tubercules palmes* auf gleiche Weise aus einem, wie Faber sich ausdrückt: „noyau &vuls& de la partie centrale et terminale d’un axe* entstehen. Die Untersuchungen Faber’s bedeuteten einen Rückschritt in der Eirkennt- niss der Natur der Ophrydeenknolle. Weit besser war diese Frage schon durch Irmisch?) gelöst worden. Irmisch hat geglaubt, dass die Knolle der Ophry- deen ebenso wie gewöhnliche Nebenwurzeln entstehen und deutete dieselbe als: „eine frühzeitig aus der Knospenaxe unterhalb der vorderen oder Scheidenseite des ersten Blattes hervorbrechende und fleischig anschwellende Nebeuwurzel (oder in manchen Fällen vielleicht eine Verbindung mehrerer, aber gleich anfänglich verschmelzender Nebenwurzel)*. Dieser, wie wir sehen werden, zum grössten Theil richtigen Erklärung Irmisch’s steht eine andere, diejenige von Schacht,3) entgegen. Schacht gibt an: „Die Orchisknolle entsteht nämlich in allen Fällen durch ein Zusanımen- treffen einer Stammknospe mit einer Wurzelknospe und durch eine gemeinsame Ausbildung beider zu einem Ganzen“. Es füllt geradezu schwer, nich diesen Vorgang vorzustellen. Ich erkäre mir ihn auf gleiche Weise wie schon Prillieux®) sich denselben nach den Schacht- schen Worten erklärt hat, nämlich so, dass nach der Meinung Schacht’s aus der Mutterpflanze heraus einmal eine Knospe sich bilde, genau unter dieser Knospe noch eine Adventivwurzel, welche dann beide mit einander weiterwachsend „zu einem Ganzen werden“. Abgesehen davon, dass die Entwiekelungsgeschichte von einer getrennten Anlage von Knospe und, wie Schacht sich ausdrückt, „Wurzel- knospe* absolut nichts erkennen lässt, ist auch die ganze Art und Weise dieser Vorstellung an und für sich eine höchst mangelhafte, “ Ed. Prillieux erklärt in fast allen Punkten die grosse Genauigkeit, mit welcher Irmisch gearbeitet hat, erkannt zu haben. Mit diesem Urtheil von Prillieux stimme ich vollkommen überein und ich will im Folgenden nur kurz auf Grund eigener Untersuchungen die Entwickelungs- geschichte unserer Ophrydeenknollen schildern. Die junge Knospe entsteht bei Gymnadenia z. B. in der Achsel des zweiten schuppenförmigen Blattes. Auf dem ersten Entwiekelungsstadium erkennt man an der jungen Knospe ausser dem?) von der Stammpflanze herkommenden Gefäss- bündelstrang keine weitere histologische Differenzirung. Veberall, sowohl in den jungen Blattanlagen an der Spitze der Knospe wie auch an der Knospenbasis, befindet sich meristematisches Gewebe. Die erste und 1) Annales des scie, nat, 1855 und 1856. 2) Morphol. der Kn. und Zw.-Gew. 1850 u. Beiträge z. Biol, und Morphol. d, Orch. 1853. 3) Beitrüge zur Anatomie und Physiologie der Gewächse 1854, pag. 115 — 147. 4) Ann. de scie. nat. 1865. 5) Es können aber auch mehrere sein. 421 hauptsächlichste Veränderung, welche man an einer solchen jungen Knospe sehen kann, ist die Bildung feiner Gefässbündelstränge, welche sich an die in die junge Knospe führenden Bündelstränge (welche letztere von der alten Pflanze herkommen) anschliessen, sowie das Entstehen einer Epidermis und Wurzelhaube, welche beide mehrere Zellschichten unter der morphologischen Aussenseite aus dem meriste- matischen Gewebe der Knospe sich bilden. Man unterscheidet nun an der jungen Pflanze zwei Theile: eine Epidermis mit Wurzelhaube, welche eine beliebige Zahl von Gefässbündelsträngen und das dieselben trennende Parenchym umgibt, und eine Wurzeltasche, d. h. jenen Theil der jungen Knospe, welcher ausserhalb der Epidermis und Gefässbündelanlagen gelegen war. Einzelne Complexe des Wurzelvegetationspunktes bleiben im Wachs- thum zurück.t) Indem andere allein weiter wachsen, theilt sich der zuerst ein- fache Vegetationspunkt in mehrere Vegetationspunkie. Je nachdem unter der Theilungsstelle des Vegetationspunktes ein oder mehrere Gefässbündelstränge ge- mündet hatten, besitzen die nun abgetheilten und selbständig weiterwachsenden Vegetationspunkte ebenfalls ein oder mehrere solche Gefässbündelstränge, Jeder Theilvegetationspunkt bildet nun eine Epidermis und Wurzelhaube für sich und erscheint an der handförmigen Gymnadeniawurzel z. B. als einzelner Finger an einer gemeinsamen Basis. Die handförmige Orchideenwurzel stellt offenbar ein weiter fortgeschrittenes Entwiekelungsstadium der einfachen Knolle dar. Denn bleibt die Orchideenwurzel auf jenem Stadium stehen, in welchem die Epidermis eine Mehrzahl von Gefäss- bündelsträngen umgibt, ohne dass der Vegetationspunkt sich theilt?), dann er- halten wir die einfache knollige Wurzel, wie man sie z. B, bei Orchis Morio er- kennen kann. Das Verhalten der Wurzel bei Platanthera ist ein mit dem von Orchis Morio ganz ähnliches. Auch hier ist die Wurzel für gewöhnlich eine einfache Knolle, nur dass hier die Knolle nicht ovoid verbleibt, sondern sich in eine langgezogene Spitze auszieht.3) Ueber den anatomischen Bau der knolligen und der handförmigen Orchi- deenwurzel hat Irmisch im Allgemeinen richtige Angaben gemacht. Irmisch spricht jedoch von Gefässbündeln des Knollenastes, welche aneinander rückend sich ganz allmählich verbinden, In Wirklichkeit handelt es sich aber nicht um Gefässbündel, sondern um Gefässbündelstränge, welche sich mit einander ver- 1) Die Entstehung der handförmigen Wurzel liesse sich auf Grund meiner Präparate auch dadurch erklären, dass einzelne Stellen der Wurzelepidermis neue Theilungen eingehen, so dass die einzelnen Finger der handförmigen Wurzel exogen entstandenen Wurzeln entsprächen. 2) resp. die Wurzelepidermis neue Theilungen eingeht; siehe vorausg. Anm, 3) Ich habe einen interessanten Fall einer Platantherawurzel gefunden, näm- lich eine Wurzel, deren Knolle in neun einzelne Wurzelfasern ausläuft. Diese verhalten sich bezüglich der Zahl ihrer Gefüssbündelstränge verschieden; während die einen an ihrer Spitze, sowie auch an dem mit der Knolle verbundenen Theil nur einen Gefässbündelstrang aufweisen, besitzen andere an ihrer Spitze nur einen, gegen die Knolle hin aber deren zwei, wieder andere endlich zeigen drei Gefäss- bündelstränge. ML “mono 422 binden.!) Jeder Gefässbündelstrang ist von einer Endodermis umgeben und be- sitzt ein ausgebildetes Perieykel. Die Gefässbündelstränge sind polyarch gebaut und können in Bezug auf die Zahl ihrer Gefässbündel variiren. Bezüglich der Vereinigung mehrerer Gefässbündelstränge ist das Verhalten bei den verschiedenen Ophrydeenwurzeln verschieden. Während die Bündelstrünge bei Orchis Morio sich gar nieht vereinigen, sehen wir dieselben bei den hand- förmigen Wurzeln sich stets mehr oder weniger verbinden, ein Verhalten, welches auch der Wurzel von Platanthera gemein ist, wo im unteren Theil der Wurzel- spitze die gleichen Vereinigungen stattfinden wie in den handförmigen Wurzeln, nur mit dem Unterschiede, dass an der Wurzelspitze zuweilen mehrere (2—3) Gefässbündelstränge angetroffen werden, die sich nicht vereinigt haben. Knollig verdiekte Wurzeln treffen wir auch bei Spiranthes. Auf den ersten Blick glaubt man sie für dasselbe Gebilde betrachten zu müssen, wie bei Gymmadenia, besonders, wenn man von der Ansicht befangen ist, es sei die Wurzel bei Gymnadenia eine Verwachsung mehrer Wurzeln. Es würden dann die ein- zelnen Wurzeln bei Spirantbes den Fingern bei Gymnadenia entsprechen. Dass dem nun nicht so ist, das zeigt die Entwickelungsgeschichte. Längsschnitte durch eine junge Knospe zeigen, dass die Wurzeln von Spiranthes echte, ganz auf die gewöhnliche Weise sich bildende Nebenwurzeln darstellen. Sie entstehen an der Jungen Knospe dureh ein grösseres oder kleineres Stück der Achse von einander getrennt zu zweien oder in Mehrzahl. Ueber ihren anatomischen Bau hat Irmisch alles richtig mitgetheilt, welcher Autor selbst zuerst die eigenthümliche velamenartig ausgebildete Epidermis bei Spiranthes beschrieben hat. Die Wurzeln der übrigen Orchideen wurden von jeher als eigentliche Neben- wurzeln angesehen und zeigen dieselben kein vom normalen Typus der mono- kotylen Wurzel verschiedenes Verhalten. Figurenerklärung zu Tafel XVI und XVII. Häufig wiederkehrende Bezeichnungen: Sp Sy, Sy äusserer Perigonkreis (Sepalen). 7 Pa, P5 innerer Perigonkreis (Petalen). Ay, Ay A, äusserer Staminalkreis. 4, fg, @g innerer Staminalkreis. 91, 9% 9; Carpelle. Fig. A. Schr junges Stadium von Cypripedium Caleeolus. Die Carpelle noch nicht angelegt. Fig. B, Etwas älteres Stadium der nämlichen Pflanze. Carpelle angelegt. I) Die Art und Weise der Vereinigung ist ein eigentliches Versehmelzen. Es rücken zwei resp. mehrere Gefässbündelstränge immer näher zusammen. Die jedem einzelnen Strang eigene Endodermis verschwindet an der Vereimigungsstelle und es enthält der nun verschmolzene Gefüssbünlelstrang liejenige Zahl von Gre- fässbündeln, welehe man in den beiden zuerst getrennten Gefässbündelsträngen zusammen hatte sehen können. Fig. Fig. . DET. ig. Fa. ig. Ub, fi. Ue. 428 Die nämliche Pflanze. Die beiden Perigonkreise nur diagrammatisch ein- gezeichnet, Die fertilen Antheren «,, @, wegpräparirt und deren Stellung mit + a7, +0, bezeichnet. Nicht wegpräparirt ist das Staminodium (A]), sowie die unpaare, später verschwindende Staminalanlage (a,). Die Carpelle 9, 99 93 zeigen die Art und Weise ihrer ersten Ver- wachsung. Sehr junges Stadium einer frei präparirten Blüthe von Cypripedium barbatum. Alle sechs Staminalanlagen zeigend. Die punktirt ge- zeichneten Kreislinien bei P,, P, sollen die Lage andeuten, welche die Petalen P, und P, einnehmen, wenn sie mit der Nadel aufgehoben werden. S, und 5, mit einander gänzlich verwachsen. Eine Anthere von Cypripedium Calceolus, zeigt das spätere Gebilde (h) der fertigen Blüthe (conf. Fig. P, [R]) in seiner Anlage als Anschwellung (k) des Filaments. Aelteres Stadium von Cypripedium Calceolus L. Der Schuh. A,, @, &, Bezeichnung wie oben. Die Anschwellung h ist rechts und links als seitlich verlagerter Höcker am Grunde der Anthere zu sehen. Staminodium einer entfalteten Blüthe von Cypripedium Calceolus. Er- klärung pag. 380. Staminodium A,, das unpaare Glied des inneren Kreises a,, sowie den Stylus 9,4, 92, 93 (schon mehr verwachsen als in Fig. ©) zeigend. Be- züglich » siehe Text pag. 383 unten, " Etwas ältere Blüthe. Das Staminodium A, abgetrennt. Die Verwachsung und Streckung des Stylus g,, 9%, 93 deutlich zeigend. Sonst wie vorige. Blüthe von Cypripedium barbatum. Bezeichnung wie früher. Erklärung im Text pag. 386. Anthere und Staminodium von der Seite (Cypriped. barb.). Anthere, Staminodium und Stylus von vorne (Cypriped. barb.). Staminodium (f, r, f) und die fertilen Antheren (Cypriped. barb.). . 0. Alle Perigone mit Ausnahme des Schuhes abgetrennt. f, /, Flügel (Hörner) des Staminodiums. Bezüglich ” siehe Text pag. 387. Gynostemium von Cypripedium barbatun von der Seite geschen. Gynostemium von Cypripedium barbatum von hinten gesehen. Bezeich- nungen in beiden Figuren die bisher gebrauchten. Ganze Blüthe von Cypripedium barbatum von vorn geschen Zwei mit einander verwachsene Antheren aus einer Blüthe von Orchis latifolia. Siehe Text pag. 403, Anthere von Ophrys von hinten geschen, „au“ Auricula. Dasselbe von vorn. ‚ T,. Verschiedene alte Blüthen von Epipactis, Bezeichnung wie früher, Junge Antheren von Listera, auf dem Rücken die Anlage des (linan- drium „Ül“ zeigend, Aeclteres Stadiam. „I“ bedeckt schon zum Theil den Rücken der Anthere, Gynosteminm derselben Pflanze von vorn. 28*F Studien über die Wirkung äusserer Reizkräfte auf die Pflanzen- gestalt. 1. Von Friedrich Czapek. Hierzu Tafel XVII und drei Abbildungen im Text. Unter dem obigen Titel beabsichtige ich im Laufe der Zeit eine Reihe kleinerer Speeialuntersuchungen zu veröffentlichen, welche, von gemeinsamen Gesichtspunkten aus angestellt, einen Beitrag zur Auf- hellung des Gesammtgebietes unseres Gegenstandes bilden sollen. Bekanntlich war es W. Hofmeister, welcher die organogra- phische Bedeutung dieses Grenzgebietes von Morphologie und Phy- siologie in klarer Weise zuerst erkannte und in seiner „Allgemeinen Morphologie“ behandelte. Auf diese Darstellung, welche begreiflicher- weise in vielen Punkten noch der nöthigen empirischen Grundlagen entbehrte, folgte eine grosse Reihe trefflicher Bearbeitungen ein- schlägiger Dinge, welche uns gegenwärtig als hauptsächliches Material dienen. Ich erinnere nur an die Experimentaluntersuchungen Pfeffer’s über Marchantia, die zahlreichen werthvollen Arbeiten Goebel’s, die bekannten Versuche Leitgeb’s an Farnprothallien und Leber- moosen, die Untersuchungen Vöchting’s, Frank’s und anderer Forscher. Einen Markstein in der Geschichte unseres Gegenstandes bildet die berühmte Arbeit J.v. Sachs’ „Ueber orthotrope und plagiotrope Pflanzentheile* (1879), eine der ausgezeichnetsten Arbeiten der ge- sammten botanischen Litteratur, gleich hervorragend durch die experimentelle Behandlung der Specialfragen, wie durch die weitaus- schauende Beurtheilung des zum ersten Male betretenen Forschungs- gebietes. Der Weg, den Sachs damals eingeschlagen, gilt heute noch ebenso, nämlich durch eingehende monographische Studien den Grund zu späteren allgemeinen Ergebnissen zu legen. Die gedanken- reiche Beschränkung bezüglich der Verallgemeinerung der gewonnenen Gesichtspunkte in der Sachs’schen Arbeit ist nicht hoch genug an- zuschlagen. Meine längeren Studien über die geo- und phototropischen Reiz- erscheinungen machten mir immer klarer, dass bei dem so mannig- fachen Ineinandergreifen heterogener Factoren gegenwärtig noch nicht die mindeste Uebersicht der Gestaltungserscheinungen möglich ist, 425 und dass nur eingehende Behandlung möglichst vieler Einzelfälle vor- läufig Rath schaffen könne. Diese einzelnen Erfahrungen, wie sie sich im Laufe meiner Untersuchungen ergaben, werden das beste Bild der thatsächlichen Verhältnisse geben, und mit weiterem Vorschreiten der Forschung wird die Anwendung der von Sachs als zum Ziele führend erkannten monogvaphischen Methode immer mehr gerechtfertigt erscheinen. I. Die Plagiotropie der Sprosse von Gucurbita Pepo. Sachs hat die Richtungsursachen und die Entstehung der eigen- thümlichen Formverhältnisse der Cucurbita Pepo nicht weiter aufge- hellt, obwohl Versuche, diese Pflanze betreffend, in der Sachs’schen Arbeit mitgetheilt werden.!) Hat daher der Fall von Cucurbita schon historisches Interesse durch die Bearbeitung durch Sachs, so ist er noch in vieler anderer Hinsicht lehrreich, indem manche Dinge hier besonders klar und einfach in Erscheinung treten, Zunächst will ich bezüglich meiner Versuche bemerken, dass sie sämmtlich an ausgewählten kräftigen Topfexemplaren vorgenommen wurden. Viele Experimente sind nur an solchen Pflanzen ausführ- bar, und es steht mir andererseits gegenwärtig leider kein Territorium zur Ausführung von Versuchen im freien Lande zur Verfügung. Die Cultur der Pflanzen geschah in einem geräumigen hölzernen Ver- mehrungskasten, welcher an einem Südfenster meines Arbeitszimmers stand und von Morgen an bis nach Mittag Sonne hatte. Unter diesen Verhältnissen gediehen die Pflanzen reeht wohl und bildeten grosse Blattflächen aus, wie auch die umstehende Abbildung zeigt. Die eultivirte Varietät war „gelber genetzter Riesenmelonenkürbis“, von der Firma Haage & Schmidt in Erfurt bezogen. Wie auch Sachs erwähnt, ist das Hypoeotyl von Cueurbita orthotrop und reagirt auf einseitige Beleuchtung positiv phototropisch. Diese Eigenschaften behält es bis zum Abschlusse seiner Entwickelung unverändert bei. Es wird niemals plagiotrop und krümmt sich auch bei intensivster Besonnung niemals negativ phototropisch. In der feuchten Luft meines Qulturraumes beobachtete ich aber eine andere bisher nicht bervorgehobene Erscheinung, nämlich Dorsiventralwerden des Hypocotyls durch Entwickelung von Adventivwurzeln an der Schattenseite der einseitig beleuchteten Pflanzen. Während der Keimung und der Entwickelung des Hypoeotyls standen die Töpfe der 1) Arbeiten des botanischen Institutes in Würzburg, Bd. II, 2. Heft pag. 272 bis 275 (1879). 426 Versuchspflanzen vollkommen unverrückt an einer Stelle, und die Pflanzen wendeten unausgesetzt dieselbe Flanke dem einfallenden Lichte zu. Die Beleuchtungsverhältnisse suchte ich dadurch möglichst günstig zu gestalten, dass ich das Zimmergewächshaus in das Doppel- fenster hineinschob, so dass die Vorderwand direct an das äussere Fenster stiess. Die Wurzelbildung begann erst nach völliger Entwickelung der Iiypocotyle an den fast ausgewachsenen Organen. Alle Wurzeln standen an der Schattenflanke des Hypocotyls; die besonnte Seite bildete niemals Wurzeln aus. Eine localisirte Wurzeln ausbildende Partie des Hypoeotyls liess sich nicht unterscheiden. Die Wurzeln brachen theils lem über der Erde, theils in der Mitte des Hypocotyls hervor. Auch die Basis des Epicotyls betheiligte sich (mitunter sehr reichlich) an der Wurzelbildung, indem knapp oberhalb der Insertions- Fig. 1. Cucurbita Pepo, in einseitig einfallendem Lichte erzogen. ebene der Keimlappen öfters ein Wurzelbüschel hervorspross. War die Pflanze mit der Symmetrieebene beider Cotyledonen parallel zum Fenster orientirt, so traten die Wurzeln zwischendurch und oberhalb der Keimblätter hervor. Fiel die Symmetrieebene mit der Lichtein- fallsriehtung zusammen, so wurden nur neben dem Cotyledon der Schattenflanke Wurzeln gebildet. Die Wurzeln waren plagiotrop (Grenzwinkel 45°), mitunter verzweigt. Offenbar localisirt die einseitige Beleuchtung die Wurzelbildung in der angegebenen Weise. Diese Vermuthung wurde sofort be- stätigt, als ich die Ilypoeotyle ihre Wurzeln im diffusen Lichte des Zimmers auf dem Klinostaten ausbilden liess. Die Wurzeln erschienen nun über alle Flanken gleichmässig vertheilt. Nicht jede Pflanze verhält sich wie Cueurbita. So konnte ich an Coleus-Stecklingen, die 427 sich unter den gleichen äusseren Bedingungen wie die Kürbiskein- linge befanden, sehen, dass die aus dem Stamm hervorbrechenden Wurzeln allseitig an sämmtlichen vier Flanken entstanden. Coleus wird daher nicht dorsiventral durch einseitige Belichtung, während das Cucurbitahypocotyl unter den gleichen Verhältnissen seinen radiären Bau verliert. Es schliessen sich die an Kürbishypocotylen zu beobachtenden Phänomene wohl am nächsten an der Wirkung einseitig einfallenden Lichtes auf die Ausbildung von Wurzeln an Zweigstecklingen (Salix), worüber Vöchting!) ausführlich berichtet hat. Doch betrifft unser Fall ein normaler Weise orthotrop-radiäres Sprossorgan und eime Hauptachse, während die bisher constatirten Erscheinungen sich auf radiäre Seitenäste beziehen, Durchaus zu trennen von gieser Erscheinung ist selbstverständ- lich das aufrechte Wachsthum dorsiventraler Organe nach Liichtent- ziehung (z. B. horizontale Ausläufer und Sprosse: Ranuneulus repens, Jıysimachia Nummularia) oder bei einseitiger Beleuchtung (etiolirte Thalluslappen von Marchantia). Diese Vorkommnisse betreffen ent- weder eine geotropische Umstimmung dureh Lichtentziehung, oder beruhen, wie im letzterwähnten Falle, auf Diaphototropismus. Öueurbita- hypocotyle werden aber durch einseitige Belichtuug aus radiären zu dorsiventral gebauten Organen, ohne dass eine geo- oder phototropische Umstimmung erfolgt. Das Hypocotyl von Cucurbita wird demnach niemals plagiotrop. Die Plagiotropie der Pflanze bildet sich vielmehr, wie Sachs hervor- hebt, stets im epieotylen Theile der jungen Pflanzen aus, knapp ober- halb der Cotyledonen. Sobald der Uebergang in die plagiotrope Stellung vollendet ist, zeigt diese Stelle des Sprosses eine scharfe Abwärtskrümmnng. Nach Sachs tritt diese Abwärtskrümmung plötz- lich auf, und sie ist, indem die Krümmungsebene keinerlei gesetzliche Beziehung zur Stellung der Cotyledonen erkennen lässt, „wahrschein- lich durch das Licht bestimmt“. An Freilandpflauzen wird der ganze Vorgang binnen wenigen Tagen vollendet, während Topfpflanzen hiezu längere Zeit brauchen. Die Vermuthung Sachs’ bezüglich eines causalen Zusammen- hanges zwischen Liehteinfall und Uebergang in die plagiotrope Lage ist nach meinen experimentellen Erfahrungen durchaus berechtigt. 1) H. Vöchting, Ueber Organbildung im Pflanzenreiche I, pag. 161. Bonn 1878. 428 Man hat es durch Variirung der Beleuchtungsrichtung ganz in der Hand, die Krümmungsrichtung zu bestimmen. Die Pfanzen nehmen stets ihre plagiotrope Richtung gegen das Licht gewendet an. Die Beobachtung lehrt, dass der Vorgang in folgender Weise sich abspielt. Wenn sich unter fortgesetzt gleicher einseitiger Be- leuchtung der epicotyle Theil der Keimpflanzen ausbildet, so setzen die ersten Internodien während der Streckung die phototropische Hypocotylkrümmung einfach fort. Dabei nähert sich die Pflanze immer mehr durch positiv phototropische Reaction der horizontal- plagiotropen Stellung. Wie ihr Aufrechtwachsen nach Verdunklung beweist, ist sie jedoch noch immer orthotrop. Nun tritt mit einem Male die von Sachs bemerkte energische Krümmung nach der Ho- rizontalen im unteren Theile des ersten Internodiums auf. Diese Krümmung fällt stets mit der Ebene der phototropischen Neigung zusammen und verstärkt daher den Effect der letzteren. An meinen Versuchspflanzen vollzog sich diese energische Krümmung binnen 24—48 Stunden und war schon beim ersten Anblick deutlich ver- schieden von einem passiven Gebogenwerden durch das Gewicht des beblätterten Sprosses. Es gelang mir nicht, die Krümmung durch Verdunklung rückgängig zu machen, sobald sie einmal eingeleitet war, sie fand vielmehr auch bei Lichtabschluss ihre Fortsetzung. Sobald die junge Pflanze die plagiotrope Lage erreicht hat, ist die frühere Lichtflanke zur Unterseite, die frühere Schattenflanke zur Oberseite des horizontal liegenden Sprosses geworden. Auf diese neuen Beleuchtungsverhältnisse reagirt nun die Pflanze binnen we- nigen Tagen dadurch, dass sie an der der Erde zugewendeten Flanke Wurzeln entwickelt, welche senkrecht in den Boden eindringen und sich alsbald reich verzweigen. Damit ist auch der epicotyle Achsen- theil dorsiventral geworden. Das Achsenende ist anfangs deutlich geotropisch aufgerichtet, später ist die Krümmung merklich schwächer. Die Uebergangskrimmung im unteren Theile des Epicotyls ist nach den dargelegten Befunden offenbar keine rein phototropische Reaction mehr. Am nächsten steht der beschriebene Vorgang der Ausbildung der Plagiotropie an den Schwebesprossen des Epheus, welche Sachs genau studirt hatte. Der negative Phototropismus von Hedera steht zu der Krümmung, welche die plagiotrope Stellung herbeiführt, in einem ganz ähnlichen Verhältnisse, wie der positive Phototropismus von Cueurbita zu der geschilderten Uebergangskrüm- mung. Ich möchte dem entsprechend auch in beiden Fällen von Photonastie sprechen, und wenn man das differente Verhalten 429 beider Typen kennzeichnen will, so könnte man bei Hedera von „Apo-photonastie“ und bei Cucurbita von „Pros- -photonastie“ reden.!) Der Typus Cueurbita ist bei plagiotropen Sprossen anscheinend recht verbreitet, und ich werde noch öfters einschlägige Fälle zur Dar- legung zu bringen haben. Eine Umstimmung von plagiotropen Cucurbitapflanzen durch an- haltende Verdunklung oder Einbringen in den auf 30° C. geheizten Brutschrank vermochte ich nicht zu erzielen. Die Pflanzen richteten sich niemals auf, sondern wuchsen horizontal weiter. Gerade so wie Hedera auf dem Klinostaten um eine horizontale Achse rotirt und, allseits gleich beleuchtet, orthotrop-radiär bleibt und nicht zu einer plagiotrop-dorsiventralen Pflanze wird, so bleiben auch Öueurbitapflanzen unter diesen Verhältnissen orthotrop und radiär mit allseits gleichmässig abstehenden Blättern. Auch sah ich die von Sachs genau beschriebenen Internodialtorsionen an Klinostatenpflanzen nicht auftreten, ein Moment, welches die photogene Entstehung dieser Torsionen im Sinne der von Sachs geäusserten Meinung beweist. Diese Torsionen sind demnach phototropische Bewegungen. Es liess sich somit die Vermuthung Sachs’, dass das Licht die Ursache der Plagiotropie von Cucurbita sein dürfte, vollständig be- gründen, wenigstens für die in meinen Versuchen gebotenen äusseren Bedingungen. Es ist jedoch wohl kein Zweifel, dass auch bei Frei- landpflanzen die Verhältnisse ähnlich liegen und auch hier die Um- wandlung der anfangs orthotropen Sprosse in plagiotrope wesentlich durch die Beleuchtung dirigirt wird. ll. Die inverse Orientirung der Blätter von Alstroemeria. Die bereits den älteren Botanikern (Treviranus)?) bekannte, höchst auffällige Erscheinung, dass die Arten der Gattungen Alstroemeria und Bomarea im unteren Theile ihrer Laubblätter eine Torsion um 180° ausführen, wodurch die morphologische Oberseite nach unten gekehrt wird, ist heute in wesentlichen Punkten noch völlig unver- ständlich. Bis vor nicht langer Zeit mangelte es sogar an hinreichenden experimentellen Untersuchungen über diesen Fall. Es waren erst 1) Damit soll jedoch der Begriff der Nastien als Krümmungsreactionen, welehe bezüglich ihrer Ebene keine bestimmten Beziehungen zur Lichteinfallsrichtung ein- halten, nicht geändert werden. Die obigen Bezeichnungen haben auch mehr öko- logische Bedeutung, und verleihen der äusserlich sichtbaren Erscheinungsform Ausdruck. 2) L. Ch. Treviranus, Physiologie der Gewächse I pag. 537 (1835). 430 Schwendener und Krabbe,') welche in ihrer Arbeit über die Orientirungstorsionen der Blätter und Blüthen auch Alstroemeria in den Bereich der untersuchten PHanzen zogen und den Einfluss von Licht und Schwerkraft auf diese Drehungen studirten. Die ältern Botaniker wussten auch bereits, dass (wenigstens äusserlich) verwandte Erscheinungen an den Blättern mehrerer ein- heimischer Pflanzen zu beobachten seien. Wie E.Mcyer?) zuerst be- obachtete, zeigen eine Anzahl unserer Gramineen eine ähnliche Ver- tauschung der Blattflächen (Lolium, Brachypodium, Calamagrostis, Vestuca elatior, rubra und heterophylla, Setaria, Hierochloa). Ferner besitzt, wie bekannt, unser Allium ursinum im Basaltheile gedrehte Blätter.®) Es ist ferner diesbezüglich der Uladodien von Ruseus aculeatus zu gedenken.) Von tremdländischen Pflanzen wären zu nennen die Liliaceen Geitonoplesium, Eustrephus und Luzuriaga°), die brasilianische Graminee Pharus brasiliensis®), sowie die Arten der südafrikanischen Compositengattung Metalasia, welche R. Brown?) zuerst als Pflanzen mit verkehrtflächigen Blättern erkannte. Auch 1) 8. Schwendener und Krabbe, Untersuchungen über die Orientirungs- torsionen der Blätter und Blüthen, Abhand. d. kgl. Akad. d. Wiss. zu Berlin 1892. Phys.-math. Cl, pag. 46 und 90 des Sonderabdruckes. 2) Nach J. Röper [Üebersetzung v. A. de Candolle’s Pflanzenphysiologie Bd. II, pag. 616 Anm. 1 (18535), Auch Dutrochet kannte diese Erscheinungen (an Mais, Quecke und Agrostis rubra) vielleicht gleichzeitig; vgl. hiezu dessen Recherehes sur la structure intime pag. 119—120 (1824) und M&moires IT 99. Die Beobachtung E. Meyer’'s wurde nach Röper 1823 gemacht. Aus neuerer Zeit werden analoge Erscheinungen von Duval Jouve bekannt gemacht (Histo- taxie des feuilles de Gramindes, Anal. d. se. nat. ser. VI, T.I pag. 194 ff. (1875), welche 'Tritieum junceum, P’samma arenaria, Gynerium argenteum, Melica altissima un Seleropva maritima betreiien, Dieser Autor stellte auch bei Avena- und Glyceria- arten das Vorkommen von Stomata an beiden Blattflächen fest, so dass diese Gräser zwischen normal und invers orientirten Blättern die Mitte halten, — Die Meinung von F. Parlatore (ref. Just’s botan. Jahresbericht 1894 Bd.I pag. 456), dass die Blätter von (iynerium argentum Humb. et Bonpl. infolge Wasseraufnahme drehen, ist wohl kaum ernst zu nehmen. 3) Nach A. Braun, Botan. Ztg. 1870 pag. 550, zuerst von Döll [rhein. Flora (1843)] erwähnt. Genauer beschrieben wurden die einschlägigen Verhältnisse in Irmisch' Morphologie der monoeotylischen Knollen- und Zwiegelgewächse Berlin 1850 pag. 2, wo auch der Alstroemerien gedacht wird. Vgl. auch Frank, Die natürl wagrechte Richtung von Pflanzentheilen pag. 46 (1870). 4) Vgl, Dutrochet, Mdmoires 1. ce 5) Hiezu Hildebrand, Botan. Ztg. 1880 pag. 138. 6) F. Müller, Berichte der Deutsch. botan. Gesellsch. IT (1884) pag. 382. 7) R. Brown’s vermischte botanische Schriften, übersetzt von Nees v. Esenbeck, Bd, II, pag. 572. 431 Darlingtonia californica besitzt gedrehte Blattschläuche, was Noll!) hervorgehoben hat. Bezüglich aller dieser Fälle möchte ich hervorheben, dass sie zwar äusserlich verwandte Erscheinungen in Bezug auf die Drehung der Alstroemeriablätter darstellen, dass es aber durchaus dahingestellt bleiben muss, ob wir es stets mit tiefer gehenden Analogien zu thun haben. Jedenfalls bedarf jeder Fall seiner speciellen Untersuchung, und an eine Verallgemeinerung gewonnener Resultate kann erst nach Vollendung der ganzen Aufgabe gedacht werden. Es ist auch mög- lich, dass die zahlreichen Formen invers orientirter, mit gedrehtem Stiel oder Fruchtknoten versehener Blüthen in mancher Hinsicht ähn- liche Verhältnisse aufweisen. Ich habe mich dementsprechend auch auf die Untersuchung der Alstroemerien für sich beschränkt und nehme einstweilen auf die übrigen Fälle keine Rücksicht. Untersuchungsmaterial von Alstroemeria psittacina Lehm. in schönster Beschaffenheit erhielt ich während meiner akademischen Thätigkeit in Wien durch das freundliche Entgegenkommen des Herrn Hofrathes A. von Kerner. Später, nach Aenderung meines Auf- enthaltsortes, bezog ich brauchbares Material von A. pelegrina L., haemantha Rz. et Pav., sowie schr gut keimfähige Samen von A. psittacina Lehm. von der Firma Haage & Schmidt in Erfurt. Die binnen 2—-3 Monaten erzielbaren kräftigen Sämlinge der letzteren Art boten ein treffliches Objeet für Versuche der verschie- densten Art. Bezüglich der Speeiesbenennung bemerke ich, dass in Gärten und Handlungen öfters dieselbe Art unter verschiedenen Namen läuft, besonders betrifft dies A. psittaeina Lehm. Die „A. brasiliensis“ der Gärten ist, so weit ich untersucht habe, stets iden- tisch gewesen mit psittacina Jiehm. Achnlich scheint es bei „A. chilensis* zu stehen, welche niemals von haemantha Rz. et Pav. verschieden war.?) Bereits in der Knospenlage verrathen die Blätter der Alstroemerien durch ihre leicht schräg gerichtete, vom Rande her erfolgende Ein- rollung die Tendenz zur Drehung. Die Torsion wird rasch vollzogen sobald die Entfaltung eintritt, und schon das ganz jugendliche Blatt hat seine inverse Orientirung vollständig erreicht. 1) F. Noll, Arbeiten des botan, Institutes in Wärzburg Pd. IT pag. 369. 2) Vgl. hiezu auch Kunth, Enumeratio Plantarum T. V pag. 759, 779, (1850) Baker (Journ. of Botany 1877 pag. 259) beschreibt A. brasiliensis Spreng. als selbständige Art. 432 Die Torsion erfolgt stets nach rechts. Die natürliche Oberseite verräth ihre morphologische Bedeutung als Unterseite schon äusser- lich durch die hervortretenden Nerven. Schnitte in verschiedenen Regionen quer durch das Blatt geführt zeigen im stielartig ver- schmälerten, doch flachen Basaltheile eine normale Orientirung des Leptoms der Leitbündel nach unten, während innerhalb der Blatt- fläche das Leptom der natürlichen Blattoberseite zugekehrt ist. Be- züglich seiner Leitbündel hat das Blatt also vollständig den allverbreiteten Bau der dorsiventralen Laubblätter. Dass dieses Verhalten im Vereine mit einer anderen, von der normalen abweichenden Orientirung der DBlatt- flächen vorkommen kann, zeigen uns ja auch zahl- reiche Pflanzen mit Blät- tern in Profilstellung, welche im übrigen bifacial ausgebildet sind. Die sonstigen anato- mischen Verhältnisse der Alstroemerieblätter sind in mehreren Arbeiten hinreichend untersucht worden (Dufour,!) R. Schulze,?) W. Scharf?) L. Re,*) olne dass je- doch besondere Ergebnisse zu Tage gefördert wurden. Im Allgemeinen ist die normale Differenzirung im Mesophyll wenig scharf ausgebildet, wie es bei dünnen Blättern nicht selten ist. Manche Arten zeigen eine Sonderung in palissadenförmige ehlorophylireichere und schwammparenchymartige chlorophyllärmere Fig. 2. Alstroemeria brasiliensis Sello (wohl identisch mit psittaeina), nicht blühender Spross. 1) L. Dufour, Note sur les relations qui existent entre l’orientation des feuilles et leur structure anatomique. Bull. Soc. Bot. d. Fr. T. XXXIM (1856) pag. 268. 2) R. Schulze, Beiträge zur vergl. Anatomie der Liliaceen, Hämodoraceen, Hypoxidoideen und Velloziaceen. Engler’s bot. Jahrb. Bd. 17 pag. 295 (1893). 3) W. Scharf, Botan. Centralbl. Bd. 52 pag. 140 (1892). 4) L.Re, Anatomia comparata della foglia nelle Amarillidacee. Annuar. del R. Ist. botan. di Roma; V pag. 155 ff, Milano 1892, 433 Mesophyllzellen deutlicher, andere dagegen nur sehr wenig, Haber- land!) gibt von Alstroemeria Armpalissaden an. Stets jedoch sind die der natürlichen Oberseite zugewendeten beiden Mesophylischichten reicher an Chloroplasten als die übrigen, wodurch sich eine Diffe- renzirung des assimilatorisch thätigen Gewebes ergibt. Darin äussert sich also die dorsiventrale Ausbildung im Sinne der thatsächlichen Örientirung des Blattes .zum Lichte. Die Epidermiszellen sind an beiden Blattflächen einander ähnlich, jedoch an der natürlichen Ober- seite etwas länger und weniger gebuchtet. Stomata sind, so viel ich sah, nur der natürlichen Unterseite eigen. Es ist klar, dass an der Stelle der Torsion ein Uebergang dieser Verhältnisse in die entgegen- gesetzte Anordnung stattfinden muss. Dieser Uebergang vollzieht sich leicht, indem die Epidermiszellen beiderseits einander gleich werden, auf der morphologischen Unterseite Stomata erscheinen und schliesslich jede Flanke die früheren Eigenschaften der Gegenseite annimmt, Aehnlich ist es bezüglich des assimilatorisch thätigen Mesophyligewebes an der Stelle der Torsion. Die Untersuchung ganz jugendlicher, noch in Ausbildung begrif- fener Blätter von A. psittacina und pelegrina zeigte mir in manchen Fällen sicher, dass sich die Spaltöffnungen auf der morphologischen Oberseite noch vor dem äusserlich sichtbaren Beginne der Drehung an dem aufrecht stehenden eingerollten jungen Blatte ausbilden. Die kenntliche Differenzirung des chlorophylireichen assimilatorischen Parenchyms erfolgt erst später, sobald das Blatt sich entfaltet und dreht. Diese Befunde scheinen mir auch mit den Angaben von Pax?) übereinzustimmen. Anderweitige Untersuchen liegen meines Wissens nicht vor. Es ist wichtig zu bemerken, dass die Alstroemerien (zum minde- sten einige Arten) während der Sprossentwiekelung die ersten Blätter noch nicht um 180° drehen. Die ersten scheidigen kurzen Nieder- blätter von A. psittacina und haemantha sind durchaus ungedreht. Es folgen 1-——3 Uebergangsblätter, welche grösser sind und sich um 90° drehen. Die weiteren Blätter sind um 180° gedreht. Bei A. haemantha fand ich auch an den grünen voll ausgebildeten Laub- blättern anfangs Profilstellung, welche erst allmählich in die volle In- version überging. Aehnliche Befunde ergaben sich auch bezüglich 1) G. Haberlandt, Oesterr, bot, Zeitschr, 1880 pag. 305. 2) F. Pax, Amaryllidaceae in Engler-Prantl’s Natürl. Pflanzenfamilien H. Th. 5 Abth. pag. 97 (1888). 434 der Blätter von Alstroemeriasämlingen. A. psittacina dreht ihr erstes schmales aufrecht stehendes Laubblättchen nach dem Lichte jedoch nicht um volle 180°, sondern etwa in eine Profilstellung. Die fol- genden Blätter nehmen alsbald, sobald sie sich der endgiltigen brei- teren Form nähern, die volle Torsion an und wenden ihre morpho- logische Unterseite dem Lichte zu. Bei A. haemantha verläuft der Entwiekelungsprocess viel träger, und mehrere Sämlingsblätter drehen nur unvollkommen. Dass diesem Verhalten der Blätter in der Ontogenie der Pflanze thatsächlich tiefere Bedeutung innewohnt, hoffe ich durch eine Reihe anderer Ausführungen wahrscheinlich zu machen. j Verdunkelt man wachsende Sprosse von Alstroemeria oder lässt die Knospen vom Beginne der Entfaltung an im Dunkeln sich ent- wickeln, so beobachtet man an den neugebildeten etiolirten Blättern ebenso invers orientirte Flächen, wie an nor- | ° ] malen Lichtblättern. Die Stomata erscheinen auf der morphologischen Oberseite. Die Torsion verläuft im Finstern, jedoch träger und unregelmässiger. Ganz dasselbe Resul- tat ergibt sich, wenn man Verdunkelung der Pflanzen mit Rotation um eine horizontale Klinostatenachse combinirt. Auch da führen Fig. 3. Auf dem Kli- die Laubblätter eine schwache rechtsläufige mostaten erwachsene Torsion aus. Dies alles beweist, dass wenig- Keimpflanze von Alstroe- ni ” stens während der ontogenetischen Ent- wickelung der Laubblätter die Tendenz zur Torsion, sowie die inverse Flankenausbildung nicht von aussen in- dueirt wird, sondern der ganze Spross inhärent indueirt sein muss. Damit ist auch Pfeffers!) Auffassung bezüglich der Drehung der Alstroemeriablätter bestätigt. Wenn man keimende Samen von A. psittacina Lehm. auf dem Klinostaten unter allseitig gleicher Beleuchtung und Ausschluss von Geotropismus die ersten Blätter entfalten lässt, so kann man con- statiren, dass die Torsion der Laubblätter sich ebenfalls einstellt, jedoch nur soweit geht, dass die Blätter Profilstellung zum Lichte annehmen. Die Drehung beträgt daher etwa 90°. Dabei ist be- merkenswerther Weise die dorsiventrale Ausbildung des Assimilations- apparates nicht ausgeprägt. Die Stomata jedoch stehen wie sonst meria psittacina Lehm. I) W. Pfeffer, Pflanzenphysiologie, 1. Aufl., Bd, II, pag. 355 (1881). 435 auf der morphologischen Oberseite. Es ist verständlich, dass diese Richtungsverhältnisse den Zweck haben, die Blätter unter die den obwaltenden Bedingungen entsprechenden günstigen Beleuchtungs- verhältnisse zu bringen. Die Klinostatenversuche, welche ich in derselben Weise mit weiter ausgebildeten Sämlingen oder Rhizomsprossen älterer Pflanzen von A. psittaeina und pelegrina vornahm, zeigten, dass sich hier die bereits fertig ausgebildeten Blätter anders benahmen, als die während des zwei bis drei Wochen hindurch andauernden Versuches sich ent- wickelnden. Die ersteren stellten sich nämlich, wie es Laubblätter sonst zu thun pflegen, durch eine ausgiebige „epinastische* Krüm- mung mit ihrer physiologischen Oberseite senkrecht zum Lichte. Die jungen Blätter aber stellten sich unter Torsion um 90° in Profil- stellung, so dass auf diese Weise ähnlich wie an Keimlingen günstige Beleuchtungsverhältnisse erreicht wurden. Trotzdem aber möchte ich nicht mit Sicherheit behaupten, dass sich diese auf dem Klinostaten ausbildenden Blätter ganz analog den Blättern von Klinostatenkeim- pflanzen benehmen. Jedenfalls aber ist die Torsion träger verlaufend als sonst unter normalen Verhältnissen. Als ich Pflanzen umkehrte und sie im Lichte in inverser Lage um eine verticale Klinostatenachse rotiren liess, wobei die Spross- spitze durch sorgfältiges Festbinden an einen Stab verhindert war, sich geotropisch aufzurichten, liess sich feststellen, dass an den fertig ausgebildeten, jedoch noch wachsthumsfähigen Blättern die Torsion in der begonnenen Richtung weiter ging nach rechts, so dass wieder zum Schlusse die physiologische Oberseite emporsah. Die Drehung des Blattes durchlief eine volle Schraubenwindung oder 360° Ein Rückgängigwerden der normal stattfindenden Drehung um 180°, wo- durch ja das Blatt ebenfalls seine Einstellung hätte erreichen können, fand, wie aufmerksame Beobachtung ergab, niemals statt. Während des Versuches kamen auch neue kräftige Triebe aus dem Rhizom hervor, welche sich bezüglich der Blättertorsion anders benahmen. Die Drehung ging nur bis 90° und stand hierauf still. Damit hatten sich aber die Blätter in die günstigen Beleuchtungsverhältnisse der Profillage gebracht. Wie aus den angeführten experimentellen Befunden hervorgeht, nehmen die Alstroemeriablätter unter bestimmten Bedingungen Protil- stellung an, ja Sämlingsblätter ändern selbst die dorsiventralen Eigen- schaften auf dem Klinostaten. Einmal ausgebildete Blätter nehmen jedoch stets Transversalstellung an und verhalten sich nie ähnlich 436 bifacial gebauten Blättern. Es braucht keiner weiteren Ausführungen, dass die wesentliche Reizursache bei diesen Torsionen, wie in der Regel bei Laubblättern, das Licht ist. Dies haben Schwendener und Krabbe in der bereits eitirten Arbeit eingehend dargethan. Weitere Gesichtspunkte in der Behandlung unserer Frage liefert das vergleichende Studium der Arten von Alstroemeria in Bezug auf die Torsion ihrer Laubblätter. Meine Erfahrungen in Bezug auf diesen Gegenstand sind leider ziemlich dürftig, nachdem es sich um eine Gattung handelt, aus welcher man in den europäischen Gärten relativ wenige Vertreter finde. Das Studium von Herbarmaterial lässt nicht selten im Stiche, und in der vorhandenen Litteratur ist nur zu häufig das differente Verhalten der Blätter nicht beachtet oder als unbekannt hingestellt. Trotzdem darf ich die Behauptung auf- stellen, dass es nicht wenige Alstroemeriaarten gibt, welche ihre Blätter nicht um 180° tordiren, sondern dieselben in Profilstellung halten. Ergänzungen und Richtigstellungen in dieser Hinsicht muss ich den Botanikern der Heimatländer unserer Gattung überlassen, nachdem ich hier nur auf diesen Punkt vorerst aufmerksam machen kann. Meines Wissens ist die vollständige Aufzählung der Alstroemerien in Kunth’s Enumeratio enthalten.!) In der Gattungsdiagnose ist daselbst ausdrücklich gesagt: „folia .... saepe torsione petioli resu- pinata®. Als nicht vollständig drehende Arten sind von dem genann- ten Autor 11 beschrieben. 17 Arten besitzen sicher verkehrt orien- tirte Blätter, eine ganze Reihe ist bezüglich der Blattorientirung der lückenhaften Beschreibung wegen zweifelhaft. Es heisst z. B. bei A. isabellina Herb.: „foliis suberectis, non resupinatis“. Nicht gedrehte Blätter besitzen ferner die in eine Gruppe nahestehender Arten gehörigen A. spathulata Presl (Mendoza), seri- cantha Schauer (Hochalpen von Chil), Neilii Hook. (Mendoza); te- nuifolia Herb., versicolor Rz. et Pav., pallida Graham, Presliana Kunth (Südehili). Letztere Art habe ich in Presl’s Originalen (= albiflora Presl) im Herbar der Universität Prag gesehen, und es steht für die- selbe ausser Zweifel, dass die Blätter Profilstellung besitzen. Ich glaube nun, dass sich alle dargelegten Befunde zu einer be- friedigenden Auffassung des Verhaltens der Alstroemeriablätter ver- werthen lassen. Man kann nämlich die begründete Annahme machen, dass die verkehrt orientirten Blätter der Alstroemerien im Laufe der phylogenstischen Entwickelung der Gattung aus verticalflächigen, d.h. 1)1.c. T. V p. 759 fl. (1850). u” 437 in Profilstellung befindlichen, paraphototropen Laubblättern hervor- gegangen seien. Diese Ansicht stützt sich zunächst auf den experimentellen Be- fund, dass Alstroemeriasämlinge auf dem Klinostaten paraphototropische Blätter erzeugen. Es ist möglich, auf diesem Wege die Blattrichtung und den dorsiventralen Blattbau willkürlich zu einem bestimmten anderen Verhältnisse umzugestalten. Wir hatten ferner Gelegenheit zu sehen, dass die ersten Blätter der Keimpflanze, oder auch von Sprossen aus älteren Rhizomen nicht vollständig um 180° drehen, sondern Profilstellung annehmen. Da wir aus vielen Fällen wissen, dass die ersten Blätter von Keimpflanzen phylogenetisch älteren Typen auffallend gleichen (z. B. in dem be- kannten Falle der mit Phyllodien ausgerüsteten Acaciaarten u. a.m.), so ist es gestattet, auch für Alstroemeria dieses biogenetische Gesetz in Anspruch zu nehmen. Auch dieser Gesichtspunkt führt somit zur Vermuthung, dass die inverse Orientirung der Alstroemeriablätter aus einer Profilstellung hervorgegangen ist. Der Umstand, dass es noch heute Formen der Gattung gibt, welche vertiealflächige Laubblätter besitzen, macht die geäusserte An- schauung nur noch wahrscheinlicher. Vielleicht könnte es bei Erwägung dieser Dinge auffällig er- scheinen, dass der Uebergang aus der Profilstellung in die inverse Örientirung sich nicht durch Auflösung der bestehenden Vierteltorsion des Stieles, sondern durch Weiterdrehen in die Flächenstellung voll- zogen hat. Dieses Verhalten ist aber, wie mir das Studium ver- schiedener Fälle gezeigt hat, kein ungewöhnliches, Es ist vielmehr sehr häufig zu beobachten, dass eine Riehtungsänderung bei Laub- blättern nicht durch eine einer früheren Action entgegengesetzte, sondern durch eine fortgesetzte Bewegung vollzogen wird. Offenbar entspricht es der Oekonomie des Organismus recht oft, besser das Ziel auf diese Weise zu erreichen, als auf eine andere. Hieher möchte ich beispielsweise das Reagiren der Laubblätter auf Belichtung von der Unterseite her auf den Klinostaten zählen. Hier krümmen sich bekanntlich die Blätter, das normal krummlinige Wachsthum verstärkend, so weit zurück, bis die Oberseite dem Lichte zugewen- det ist. Die beigegebene Tafel stellt dar, wie Phaseolus multiflorus nach zweimaliger Umkehrung seine Laubblätter einstellt. Die Drehung der Blattgelenke erleidet nach Rückkehr der Pflanze in die Normal- stellung keine Umkehrung, sondern sie wird in demselben Sinne so lange fortgesetzt, bis die Blätter aus der der inversen Stellung ent- Flora 1898. 29 438 sprechenden Lage wieder in die normale Orientirung gelangt sind. Solche Vorkommnisse sind nun etwas sehr gewöhnliches. Jedenfalls ist also die Fortführung der Blattdrehung von Alstroemeria nichts Auffälliges. Ich erinnere auch nochmals an den bezeichnenden Be- fund, dass die Blätter umgekehrt aufgestellter Alstroemerien ihre Tor- sion in demselben Sinne ein zweites Mal ausführen, nicht aber dieselbe rückgängig machen. Die dorsiventrale Ausbildung des Assimilationssystems ist der vertretenen Auffassung zufolge natürlich secundär, obenso die Ver- theilung der Stomata, während die der Lichtstimmung entsprechende Örientirung der Lamina im Raum das primäre Moment ist. Unter- stützt wird dies durch den direeten Nachweis, dass die Sämlings- blätter auf dem Klinostaten nicht die normale Dorsiventralität auf- weisen. Was für Einflüsse bei diesen im Laufe der phylogenetischen Entwickelung sich vollziehenden Lichtstimmungsänderungen thätig waren, ist, mindestens ohne eingehende Beobachtung der Gattung in ihrer Heimat, nicht gut festzustellen. Fraglos erscheint mir aber der bei zahlreichen Formen ausgebildete echt xerophytische Charakter hiebei eine Rolle zu spielen. Botanisches Institut der deutschen technischen Hochschule in Prag. Erklärung der Tafel: . Phaseolus multiflorus eben invers aufgestellt. . 21/, Stunden später. . 31/, Stunden später, . 9 Stunden später. . Nach 24 Stunden. Die Pflanze wurde sofort nach dieser Aufnahme, nachdem sie die der neuen Lage entsprechende Blattstelung definitiv erreicht hatte, in die Normallage zurückgebracht. 6. 21/, Stunden nach der letzten Aufnahme. 7. 8 Stunden darnach Die Torsion geht deutlich in dem ersten Sinne weiter. $. 24 Stunden nach der Rückkehr in die normale Lage. Die Blätter völlig normal orientirt. De un Zu I Zi u Beiträge zur Kenntniss der Entwickelungsgeschichte des Blattes und der Anlage der Gefässbündel. Von V. Deinega, Assistent am Bot. Institut der Kaiserl. Universität Moskau. Hierzu Tafel XIX und 22 Textfiguren. Auf den Vorschlag von Herrn Prof. Dr. Goebel habe ich mich mit Studien über die Entwickelung des Blattes und den Zusammenhang zwischen der Ausbildung des Blattes und der Anlage und dem Ver- lauf der Gefässbündel befasst. Wie bekannt, haben über die Anlage und Entwickelung des Blattes Malpighi!), C.F. Wolff?), DeCandolle?°), Steinheil®), Merklind), Schleiden‘), Nägeli”), Trecul®), Eichler), Hofmeister!%), Goebel!!) gearbeitet. Durch die Arbeiten dieser Autoren ist festgestellt, dass das Blatt sich anı Vegetationspunkte als ein Höcker oder Wulst, an dessen Bildung Dermatogen und die unter dem Dermatogen liegenden Periblemschichten theilnehmen, entwickelt. Die junge Blattanlage hat nicht immer eine breite Basis, und wenn wir später bei älteren Stadien eine halbumfassende oder ganzumfassende Basis treffen, ist diese Erscheinung schon seeundär und eine Folge des nachträglichen Wachsthums der basalen Partie der Blattanlage um die Axenspitze herum. 1) Marcelli Malpighii, opera omnia. Tondeni 1686, 2)C. F, Wolff, Teoria generationis, editio nova Halae ad Salam, 1774. 3) DeCandolle, Organographie der Gewächse. 1. 4) Steinheil, Observations sur la mode d’accroissement des feuilles. Ann. d. se. nat. 8. IL, t. VIII. 5) Merklin, Zur Entwickelungsgeschichte der Blattgestalten. Jena 1846. 6) Schleiden, Grundzüge d. wiss. Botanik. 2. Aufl, Bd. D. 7) Nägeli, Ueber Wachsthum und Begriff des Blattes. Zeitschrift f. wiss. Bot. 3. u. 4, Heft. 1846. 8) Tröenl, Memoire sur la formation des feuilles. Ann. d. se. nat, 8. IH, t. XX. 1843, 9) Eichler, Zur Entwickelungsgeschichte des Blattes mit besonderer Be- rücksichtigung der Nebenblattbildungen. Inaug.-Diss. Marburg 1861. 10) Hofmeister, Allgemeine Morphologie. Leipzig 1868. 11) Goebel, Vergleichende Entwickelungsgeschichte der [’fanzenorgane. Berlin 1883. 29° 440 Es gibt u. a. Fälle, wo die allgemeine Blattanlage für einige Blätter sich als ein Ringwulst entwickelt, auf welchem als secundäre Auswüchse einzelne Blattanlagen erscheinen (z. B. Platanus nach Eichler, Galium-Arten). Nach Eichler’s Terminologie!) differenzirt sich das Primordial- blatt (junge Blattanlage), sei es ein Höcker oder ein Wulst, in einen basalen Theil oder Blattgrund und ein Öberblatt. Der Blattgrund betheiligt sich gar nicht an der weiteren Ent- wickelung der Blattspreite und kann entweder Nebenblätter bilden oder sich als Blattscheide entwickeln oder als eine basale, verdickte Partie der Blattbasis erhalten bleiben. Aus dem Oberblatt entwickeln sich die Blattspreite und der Blatt- stiel, und zwar entwickelt sich der letztere infolge des intercalaren Wachsthums des Gewebes zwischen Blattgrund und Blattspreite. Diese Entwickelung findet ziemlich spät statt, wenn die Blattspreite schon mehr oder weniger differenzirt ist. Die Segmente der ausgeschnittenen oder die Theilblättehen der zusammengesetzten Blätter entwickeln sich als selbständige Hervorragungen oder Verzweigungen des Oberblattes. Nur die Segmente der fiederförmigen und fächerförmigen Palmen- blätter stellen in dieser Beziehung eine: Ausnahme dar, weil die Blattspreite sich als eine gefaltete Spreite entwickelt und die Tren- nung der Segmente infolge des Absterbens gewisser Gewebepartien eintritt, Ueber diese Frage werde ich später ausführlicher sprechen. Was den Verlauf der Gefässbündel in dem Blattstiele und in der Blattspreite anbelangt, so gibt es hierüber in der Litteratur nur all- gemeine Andeutungen, und die Arbeiten über diese Frage sprechen mehr über den fertigen Zustand und grossentheils über das äussere Relief der Blätter, d. h. über die Berippung oder Nervation. Durch diese Arbeiten ist sichergestellt, dass die Gefässbündel im Blattstiele in der Richtung zur Spreite verlaufen und meist unter einander durch Queranastomosen verbunden sind. Auf einem Querschnitte durch den Blattstiel sind die Gefäss- bündel entweder in einem offenen Bogen oder in einem Ring oder zerstreut ohne bestimmte Ordnung vertheilt. Bei den Blättern, die mehrsträngige Blattrippen haben (z. B. die grossen Blätter mit stark entwickelten Hauptrippen oder zusammengesetzte Blätter), verlaufen die Gefässbündel aus dem Blattstiele in diese Hauptrippen, wo sie gleichfalls entweder im Kreise oder im offenen Bogen oder zerstreut hie. pag. 7, 8. ir u 441 angeordnet sind. Die Innervirung der seitlichen Theile der Blattlamina kommt entweder durch Biegung dieser Gefässbündel oder durch Bil- dung von Abzweigungen zu Stande. Nach dem Verlauf der Gefäss- bündel in der fertigen Blattspreite gruppirt De Bary!) alle Blätter in zwei grosse Hauptgruppen: 1. die Blätter mit getrennt verlaufenden Gefässbündeln und 2. diejenigen mit anastomosirenden Gefässbündeln. Die zweite der genannten Gruppen theilt sich ihrerseits in zwei Untergruppen: 1. die Blätter mit streifigem Gefässbündelverlauf, bei denen die mittleren Gefässbündel gradlinig parallel gehen, während die seitlichen dem Blattrande parallel verlaufen und hier mit einander verschmelzen (die acroscopen Enden der unteren Gefässbündel mit den basiscopen Seiten des nächst höher verlaufenden Gefässbündels, z. B. fast ausschliesslich die monocotylen Pflanzen und von den Di- cotylen einige schmalblätterige Eryngium-Arten; die typischen Aroideen, Dioscoreen, einige Smilaceen und Taccaceen bilden eine Ausnahme); 2. die Blätter mit netzartiger Nervatur (der grösste Theil der dico- tylen Pflanzen und einige Monocotylen, Aroideen, Dioseoreen u. a.). Einige Aroideen und Dioscoreen stellen Uebergangsformen zwischen diesen zwei letztgenannten Untergruppen dar. Was die Entwickelung der Gefässbündel in den Blättern und len Zusammenhang zwischen Blattentwickelung resp. Blattwachsthum und Anlage und Verlauf der Gefässbündel betrifft, so finden wir dar- über nur kurze Andeutungen in einer Arbeit von Prantl?), welcher behauptet, dass die Gefässbündel sich in der Richtung des stärkeren Wachsthums entwickeln. Diese ganz allgemein gehaltene Behauptung ist nur durch die Beobachtung an einigen dicotylen Pflanzen begründet; Zeichnungen sind in Prantl’s Arbeit nicht gegeben. Ueber die für die behandelte Frage hochinteressanten Gruppen der Palmen und Aroideen macht Prantl keinerlei näheren Angaben, weil ihm, wie er selbst angibt, geeignetes Untersuchungsmaterial nicht zur Verfügung stand. Für meine Arbeit stand mir ein reiches Material zur Verfügung. Für die freundliche Ueberlassung desselben und der Litteratur, sowie für vielfache Unterstützung und Anregung spreche ich Herrn Prof. Dr. Goebel hier meinen herzlichsten Dank aus. Die Darstellung meiner Untersuchungsresultate gliedert sich natur- gemäss in folgende Abschnitte: 1. Die Entwiekelungsgeschichte und 1) Vergleichende Anutomie der Vegetationsorgane, Leipzig 1877, pag. 312. 2) Studien über Wachsthum, Verzweigung und Nervatur der Laubblätter, insbesondere der Dicotylen, Ber. d. Deutschen bot. Ges., Bd. I. 1883, pag. 280, 442 der Verlauf der Gefässbündel bei einigen typischen monocotylen Pflanzen; 2. über einige dicotyle Pflanzen mit monocotyler Nervatur; 3. die Monocotylen mit der vom Monocotylentypus abweichenden Nervatur; 4. die Dieotylen mit typischer, netzartiger Nervatur; 5. die Entwickelungsgeschichte der Palmenblätter. Was die zur Anwendung gekommenen Methoden betrifft, so wurden natürlich die Hand- und Mikrotomschnitte, letztere mit Hä- matoxylin gefärbt, benutzt. Die wichtigsten Resultate lieferten jedoch freipräparirte und durchsichtig gemachte Blätter. Zum Durchsichtig- machen verwendete ich 5proc. Kalilauge und absoluten Alkohol: Nach- her wurden die Objeete mit Anilinwassersafranin gefärbt, wodurch die Gefässe sehr deutlich werden, und entweder in Glycerin oder in Glycerin-Gelatine oder Canadabalsam eingeschlossen. Der Canadabalsam, der stärker aufhellt und den Farbstoff nicht auszieht, ist im Allgemeinen vorzuziehen. Um die jungen, durchsichtig gemachten Blätter (z. D. Aroideen) auszubreiten, wurden meistens zwei feine Pinsel benutzt. Sehr schöne Resultate bekam ich auch, wenn die freipräparirten Blätter mit Eau de Javelle während 24 Stunden und nachher mit Kalilauge aufgehellt, dann nach Abspülen mit Wasser auf kurze Zeit in eine alkoholische Tanninlösung und nach Abspülen mit absolutem Alkohol in eine alkoholische Eisenchloridlösung gebracht wurden. Dann wurden die Präparate durch absoluten Alkohol und Toluol in Canada- balsam gebracht. Zuerst wurde, meines Wissens, diese Methode benutzt von Van Tieghem und Douliot („Recherches comparatives sur l’origine des membres endogenes.“ Annales des sc. nat. ser. VII, t.8). Auch wässerige Lösungen können verwendet werden, die alko- holischen haben jedoch den grossen Vorzug, dass die Veberbringung in Canadabalsam sich schneller ausführen lässt. Bei Ueberfärbung kann man mit alkoholischer Oxalsäurelösung entfärben. Die letzte Methode zeigte sich sehr nützlich bei der Untersuchung sehr dieker Objecte, besonders beim Studium der Anlage der Segmente resp. Falten der Palmenblätter. Diese Mehode, wobei sich speciell die Zellhäute färben, liefert sehr scharfe Bilder der Zellenanordnung. I. Entwickelungsgeschichte des Blattes und Verlauf der Gefässbündel einiger typischen monocotylen Pflanzen. Daetylis glomerata L. Das ausgebildete Blatt von Daetylis glomerata können wir seiner Nervatur nach als den normalen Typus der monoeotylen Blätter be- trachten. Es ist differenziert in eine stark entwickelte, geschlossene Pr 443 Blattscheide und die linealische, parallelnervige Blattspreite. Dieses Blatt entwickelt sich als ein den Vegetationspunkt halb umhüllender Wulst. Dieser Wulst wächst in die Breite und wandelt sich auf solche Weise in einen Ringwulst um; infolge dessen hat Dactylis glomerata eine geschlossene Blattscheide. Diese Anlage fängt darauf an, mit ihrem Rand (Fig. 1A, R) in die Höhe zu wachsen. Dieses Wachsthum geht ungleichmässig, und zwar wächst die erst angelegte Partie (a) viel schneller als die nach- träglich gebildeten Partien des Ringwulstes. Infolge dieses ungleich- mässigen Wachsthums nimmt die junge Blattanlage nach und nach eine kapuzenförmige Gestalt an. Das so entstandene Primordialblatt differenzirt sich in eine sehr schwach entwickelte Blattscheide (Fig. 12, s) und das Oberblatt resp. die Biattspreite (sp), ein Blattstiel wird nicht gebildet. Die Spitze des Primordial- blattes entwickelt sich weiter zur Spitze der Blattspreite (Fig. 12, «). Bei der fortschreitenden Entwicke- lung des Blattes wächst nun die Blattspreite an ihrer Basis. In diesem Stadium kann man in dem Gewebe an der Uebergangsstelle zwischen Blattscheide und Blattspreite sehr lebhafte Theilungen finden; hier ent- wickelt sich später auf der Blatt- Fig.1. Dactylis glomerata. A Vege- oberseite die Ligula. Die Blattscheide tationspunkt mit jungen Blattanlagen, wächst auch mit ihrer Basis, aber sie # Rand der Bluttanlage, «a erst an- entwickelt sich viel später als die #eleste Partie; B junges Blatt, difle- . . . renzirt in Oberblatt resp. Blattspreite Blattspreite. Was die Entwickelung (sp) und Blattgrund resp. Blatt- der Gefässbündel betrifft, so wird scheide (5). zuerst ein medianes Gefässbündel angelegt, welches zur Spitze des Blattes verläuft, d. h. in der Rich- tung des stärksten Wachsthums des Blattes. Später entwiekeln sich seitliche Gefässbündel, und zwar diejenigen, welche dem medianen Gefässbündel zunächst verlaufen, früher als die weiter entfernten. Diese Reihenfolge der Entwickelung der Gefässbündel stimmt voll- kommen mit der Vertheilung des Wachsthums im sich entwickelnden Blatte überein. In der Blattscheide gehen die Gefässbündel einander parallel, weil die Blattscheide in ihrer ganzen Ausdehnung ein gleich- mässiges Wachsthum hat, sie sind mit Queranastomosen verbunden. In der Blattspreite liegen infolge des Breitenwachsthums die Gefäss- 444 bündel in der Mitte ihres Verlaufs etwas weiter auseinander als in der Spitze des Blattes, wo dieses Breitenwachsthum geringer ist und wo die Gefässbündel infolge dessen convergiren. Iris Germanica L. Ueber die Entwickelungsgeschichte des Iris-Blattes finden wir Andeutungen bei Tr&cul!) und Goebel.?) Nach den Untersuch- ungen von Tr&cul?) entwickelt sich das Iris-Blatt als ein den Vege- tationspunkt umhüllender Ringwall, der infolge eines ungleichmässigen Wachsthums die Kapuzenform annimmt. Aus dieser kapuzenförmigen Blattanlage (Scheide = gaine) differenzirt sich durch fortgesetzt un- gleichmässiges Wachsthum später die Blattspreite. Nach der Meinung von Tr&cul entwickelt sich die Blattscheide also früher als die Blattspreite. Auch in einer zweiten Arbeit, welche im Jahre 1880 erschien, hielt Tr&cul?), obwohl inzwischen die oben ceitirte Arbeit von Eichler) mit einer brauchbaren Terminologie erschienen war, an seiner Ansicht fest und behauptet wieder, dass die Blattscheide sich früher als die Blattspreite ent- wickelt. Goebel hat in seinem Referate über diese letzte Tr&cul’sche Ar- beit auf diesen Fehler auf- merksam gemacht und sagt‘) hierüber: „...die ursprüngliche Blattanlage ist nicht die Blattscheide, vielmehr das, was Eichler „Primordialblatt“ genannt hat, d. h. eine Blattanlage, bei welcher die Scheidung in Oberblatt und Blattgrund noch gar nicht eingetreten ist. Dass das Primordialblatt scheidenförmig sein muss (für den Fall von Iris) ist Fig. 2. Iris variegata. Blattentwickelung. » Stengel- vegetationspunkt, b)—b, Blätter, S Scheitel der Blattlamina, a Ende der Scheide. (Nach Goebel) 1) Tre&eul, I. Memoire sur la formation des feuilles. Ann. des sc. nat. S. III, 1.20. II. Formation des feuilles et apparition de leurs premiers vaisseaux chez des Iris, Allium, Funkia, Remerocallis ete. (Comptes rendus des seances de l’Acad. des sciences. T. XC, Paris 1880, pag. 1047. 2) Goebel, I. Bot. Ztg. 1881, pag. 95. II. Vergleichende Entwickelungs- geschichte der Pflanzenorgane. Berlin 1883, 3) I. pag. 286, 4) II. pp. 1048 u. 1049. 5) Zur Entwickelungsgeschichte des Blattes... . Marburg 1861. 6) 1. c. pag. 97. 445 selbstverständlich, denn die geschlossene, hohle Laminaranlage kann unmöglich zuerst auftreten. Sie ist aber keine Neubildung an der Scheidenanlage, sondern durch einen Wachsthumsprocess des Primor- dialblattes differenziren sich erst Laminaranlage und Scheide, erstere hat hier nur eine von der gewöhnlichen abweichende Stellung, die Blattentwickelung im Ganzen aber stimmt mit dem sonst Bekannten überein“. Später sagt Goebel in seiner Vergleichenden Entwickelungs- geschichte der Pflanzenorgane über die Entwickelungsgeschichte des Iris-Blattes Folgendes: ') „Die Blattanlage hat auch hier dieselbe Form wie die oben beschriebene und ist auch hier bei ihrem Sichtbarwerden noch nicht stengelumfassend, was sie indess bald darauf wird. Das Primordialblatt wächst nun heran wie eine gewöhnliche Blattanlage. (Fig. 2, nach Goebel). Ihr Scheitel, in der Figur mit a bezeichnet, wird sonst zur Spitze der Blattlamina. Am Jris-Blatte aber liegt er später (vgl. B) an der Stelle, wo die Blattspreite in die Blattscheide übergeht. Diese „Verschiebung“ erklärt sich aus der Entwickelungs- geschichte. Die Blattanlage erfährt bald (A, bs) ein starkes Flächen- wachsthum und erhält infolge davon eine kahn- oder kapuzenförmige Gestalt. Auf ihrem Rücken ist das Flächenwachsthum am stärksten. Hier behält eine Stelle den Charakter des Vegetationspunktes (sin bs, A), es bildet sich eine Hervorstülpung, die Anlage der „schwertförmigen*“ Lamina. Dieselbe ist aber nur da hohl, wo sie in die Scheide über- geht, in ihrem übrigen Haupttheile von Anfang an eine solide Ge- webeplatte. Es sind an der Blattanlage jetzt also zwei Scheitel, der ursprüngliche (a) und der neue (s). Bald erhält die Laminaranlage aber wirklich terminale Stellung. Den Uebergang dazu veranschaulicht das grössere Blatt in Fig. B; wo der Blattgrund (der sich später zur Blattscheide entwickelt) von der Laminaranlage durch eine gestrichelte Linie abgegrenzt ist. Die Spreitenanlage hat zwar noch seitliche Stellung, ihre Mittellinie ist aber schon um ca. 45° gehoben, der ursprüngliche Scheitel « dagegen nimmt seitliche Stellung an.“ Mir lag es bei meinen Untersuchungen hauptsächlich daran, die Entwiekelungsgeschichte des Iris-Blattes unter Anwendung der ana- tomischen Methode nachzuprüfen und die Reihenfolge der Gefäss- bündelanlage zu verfolgen. Das Blatt entwickelt sich als ein die Axenspitze nicht ganz um- hüllender Höcker, der später infolge des fortschreitenden Wachs- 1) L e. pag. 219— 220, 446 thums sich in einen ganz geschlossenen Ringwall umbildet. Dieser Ringwall fängt mit seinem Rande zu wachsen an und dieses Wachs- thum geht ungleichmässig vor sich, wie bei Dactylis glomerata, d. h. der erst angelegte Theil wächst schneller und die andern Theile dieses Ringwulstes wachsen, je weiter sie von dem zuerst angelegten Theil entfernt sind, um so langsamer. Nur der Theil, welcher dem zuerst angelegten gegenüber liegt, wächst anfangs ziemlich schnell, aber später entwickelt er sich gar nicht weiter und bleibt als ein kleiner Wulst, bestehend aus in Reihen angeordneten Zellen, zurück. Infolge dieses ungleichmässigen Wachsthums nimmt die Blatt- anlage die Form einer Kapuze an und bildet so das Primordialblatt. Schon bei der Entwickelung dieses kapuzenförmigen Primordial- blattes wächst die Rückenkante des zuerst angelegten Theils kiel- artig aus und bildet so die Anlage der späteren schwertförmigen Blattfläche, welche sich nachträglich durch starkes Flächenwachsthum vergrössert. Dieses Flächenwachsthum geht ebenfalls ungleichmässig vor sich und zwar wächst die mittlere Partie des Kiels schneller als beide seitlichen, so dass sich auf diese Weise aus dem Primordial- blatte eine Blattscheide (Fig. 3 sch) und eine solide (massive), fHlügelartige, zugespitzte Blatt- spreite (sp) differenzirt. Das weitere Wachsthum dieser Blattspreite geht auf Kosten des meristematischen Ge- webes vor sich, welches sich an der Ueber- Fir 3 In . gangsstelle (schattirte Zone ») zwischen Blatt- ig.3. Iris germanica, . . . . Junges Blatt. Z,IL, zz... \amina und Blattscheide findet. Die Blattscheide Gefässbündel, sp Blatt- wächst später auch mit ihrer Basis. Infolge spreite, sch Blattscheide, stärkeren Wachsthums der medianen Partie w Wachsthumszone der der Blattspreite entwickeln sich die zwei ersten Blatispreite. Gefässbündel in dieser Richtung (J) und erst später entwickeln sich andere Gefässbündel auf beiden Seiten des Blattes, und zwar um so früher, je näher sie der am stärksten wachsenden mittleren Partie der Blattspreite gelegen sind (II, III...) Wenn wir jetzt die Entwickelungsgeschichte des Dactylis-Blattes mit derjenigen von Iris vergleichen, werden wir sehen, dass der Unter- schied darin liegt, dass bei Dactylis die Spitze des Primordialblattes sich weiter zur Spitze der Blattspreite entwickelt (Fig. 44, a', a?, a?) und dass infolge des ungleichmässigen Wachsthums dieser Blattlamina das erste Gefässbündel in dem Winkel der gefalteten Blattspreite, resp. im Mediane der Lamina angelegt wird (Fig. 44 und B ID); rn im Sn 447 bei Iris aber differenzirt sich als Blattspreite nur die Kante des Primordialblattes, weswegen diese Blattlamina schon in dem jungen Stadium solid (massiv) und nicht gefaltet ist. Fig. 4. Schemata der Blattentwickelung von Dactylis glomerata nnd Iris germanica. A Dactylis glomerata. «a! Spitze des Primordialblattes, «a? Spitze der jungen Blattlamina, a3 Spitze der älteren Blattlamina, /, II, [IT Gefüssbündel. B Quer- schnitt durch die Scheitelknospe in der Höhe M—N, I, II, III Gefässbündel. C Iris germanica. a! Spitze des Primordialblattes, «a? Spitze der Blattscheide, «3 Spitze der Blattscheide des älteren Blattes, Si! neu entstandene Spitze der Blatt- lamina, S2 Spitze der Blattlamina des älteren Blattes. D Querschnitt durch die Scheitelknospe in der Höhe MN, I, IT, III Gefüssbündel. Indem die Spitze des Primordialblattes von Iris eine seitliche Stellung annimmt und als Spitze der Blattscheide zurückbleibt (Fig. 40, a', a, a®), entwickelt sich durch starkes, ungleichmässiges Flächenwachsthum der Kante eine neue Blattspitze S1, S®. Bei der weiteren Entwiekelung findet das stärkste Wachsthum in medianer Richtung dieser Blattlamina statt. In dieser Richtung des stärksten Wachsthums werden die zwei ersten Gefässbündel angelegt (I). Bei 448 Iris haben wir also nicht ein einziges medianes, dem zuerst angelegten von Dactylis entsprechendes Gefässbündel, sondern hier entwickeln sich, wie schon Tr&cul bemerkt hat,!) gleichzeitig zwei Gefässbündel, welche eine seitliche Stellung einnehmen (Fig. 4 D, I). Eichhornia crassipes Mart. Das ausgebildete Blatt von Eichhornia crassipes besteht bekannt- lich aus einer herzförmigen Blattspreite, einem langen, angeschwollenen Blattstiel und einer grossen, ochreaartig entwickelten Blattscheide. Es wird als ein ziemlich dicker, den Stengel halbumfassender Höcker angelegt, welcher sich später infolge des nachträglichen Wachsthums in einen herumgreifenden Wulst umwandelt. Dieser Ringwulst wächst ungleichmässig und zwar wächst die erst angelegte Partie schneller und nimmt eine stumpfe, abgeplattete Form an. Bei Eichhornia finden wir also das Primordialblatt als ein stumpfes, abgeplattetes Gebilde mit einer die Stengelspitze umfassenden Basis. Dieses Primordialblatt fängt an, sich in das verbreiterte Oberblatt (Fig.54, a) und den Blattgrund (b) zu differenziren, wobei der verschmä- lerte Theil (ec) zwischen beiden sich später als Blattstiel entwickelt. Fig.5. Eichhornia crassipes. A Junges Der stengelumfassende Blattgrund Blatt. a Blattspreite, b Blattgrund Entwickelt sich später zur Blattscheide resp. Blattscheide, c Zone, woraus oder richtiger zur ochreaartigen, ge- sich der Blattstiel entwickeln wird, schlossenen Röhre. Der obere Ver- B Aelteres Blatt, Z, II, III Gefäss- i bündel. C Schema des Verlaufs der schluss kommt zu Stande durch einen Gefässbündel in dem ganz ausgebil- Auswuchs, welcher in der Weise der deten Blatte. sog. axilaren Stipeln aus der Ober- seite des Blattgrundes entsteht. Was das Oberblatt betrifft, so nimmt die junge Blattspreite in- folge frühzeitigen Flächenwachsthums nach und nach eine spatel- förmige Gestalt an (Fig. 5 B), und entsprechend dem stärkeren Längen- wachsthum in der mittleren Partie der spatelförmigen Fläche entwickelt sich hier das erste Gefässbündel (2), welches in das 1) II. pag. 1052. RN 449 wasserabsondernde Organ (w), das als Auswuchs der Blattspitze an- hängt, hineinverläuft. Auch hier wird also infolge des stärkeren Längenwachsthums in der mittleren Region zuerst das mediane Gefässbündel angelegt, später entwickeln sich die anderen in derselben Reihenfolge (/7, III...) welche wir bei den vorher besprochenen Pflanzen beobachteten. Der Unterschied besteht nur darin, dass nicht alle Gefässbündel, welche in der Scheide verlaufen, in den Blattstiel eintreten, und zwar geht ein Theil in die ochreaartige Scheide; der andere Theil gibt nur Abzweigungen für diese Scheide ab. Namentlich der Theil der Scheide, welcher sich als Auswuchs der oberen Seite des Blattgrundes entwickelt, wird nicht durch selbständige Bündel, sondern durch solche Abzweigungen versorgt. Im Blattstiele verlaufen die Gefässbündel zerstreut; genauere An- gaben über ihre Vertheilung behalte ich mir für später vor. Beim Eintritt in die Blattspreite biegen sie infolge des sehr starken Breiten- wachsthums bogenförmig aus und verlaufen in der Blattspreite dem Blattrande parallel in der Spitze (Fig.5B, C). Den Verlauf der Ge- fässbündel in der Blattspreite kann man, wie mir scheint, auf folgende Weise erklären. Zu dem Zeitpunkt, wenn die ersten Gefässbündel in die Blattspreite eintreten, findet hier noch ein verhältnissmässig schwaches Breitenwachsthum, dagegen ein starkes Längenwachsthum statt; daher gehen diese ältesten Gefässbündel (/, ZI) ziemlich gerad- linig bis zur Spitze. Wenn später das Längenwachsthum sich schon verringert und dagegen das Breitenwachsthum stärker geworden ist, treten erst die jüngeren Gefässbündel in die Blattspreite ein; diese vertheilen sich also fächerförmig und biegen weiter oben nach der Spitze, welche geringeres Breitenwachsthum hat, zusammen (II, IV). Funkia ovata Spr. Bei Funkia ovata bestehen die ausgebildeten Blätter aus einer zugespitzten eiförmigen Blattlamina, dem rinnenförmigen Blattstiel (die Ränder des Blattstiels verbreitern sich nach oben zu und gehen so stufenweise in die Blattspreite über) und der Blattscheide. Das Primordialblatt ist hier seiner äusseren Form nach, wie Fig. 64 zeigt, ein ziemlich regelmässiger Kegel. Dieses Primordialblatt differenzirt sich in Blattgrund und Oberblatt. Aus dem Blattgrund (sch) ent- steht die Blattscheide, welche allmählich in den aus der dünnen Zone st des Oberblattes entstandenen, rinnenförmigen, geflügelten Blatistiel übergeht. Die ebenfalls aus dem Oberblatt sich entwickelnde Blatt- spreite (sp) entsteht eher als dieser Blattstiel. 450 Die dünnen Ränder des rinnenförmigen Blattstieles setzen sich in diejenige der Blattspreite fort. Die Anlage der Gefässbündel ist wie bei den früher beschriebenen Pflanzen (Fig. 6B, I, II, III...) und stimmt mit den Tr&cul’schen Untersuchungen!) überein. In dem Blattstiele wie in der Blattscheide sind die Gefässbündel in einer 7 Reihe angeordnet und sind in den BR oberen, schmäleren Partien der Blattscheide sowie in dem Blatt- stiele einander mehr genähert als ip? in der Basis der Blattscheide. Das 4}. erst angelegte Gefässbündel und die nächsten verlaufen in dem Blatt- mittelnerv, und zwar geht das erst angelegte gradlinig in die Spitze des Blattes (I), während die anderen aus der Mittelrippe herausbiegen, und zwar biegen die älteren später, d. h. erst in der oberen Partie der Blattspreite (II, III), die jüngeren früher, d. h. schon in der unteren Fig.6. Funkia ovata. A Primordial- Blatthälfte von der Mittelrippe ab blatt, differenzirt in Blattscheide (sch) r Te . . und ÖOberblatt; die Region sp bildet (IP, V...) Infolge dieser Biegung sich zur Blattspreite, die Zone st zum der in der Mittelrippe verlaufenden Blattstiele um B Schema des Verlaufs Gefässbündel geht die Mittelrippe der Gefässbündel in dem ganz aus- nicht bis zur Spitze, sondern sie wird gebildeten Blatte. nach und nach schwächer und ist in der oberen Hälfte des Blattes fast unbemerkbar und nur wenig von den seitlichen Rippen verschieden. Die jüngeren Gefässbündel, d. h. die Gefässbündel, welche sich weiter von der erst angelegten entfernt entwickeln, verlaufen in dem Rande des rinnenförmigen Blattstieles und biegen beim Eintritt in der Blattlamina infolge des stärkeren Breitenwachsthums derselben in den unteren jüngeren Theilen der Blattspreite ein. Diejenigen, welche sich zunächst dem Rande des Blattstieles entwickeln, also die jüngsten, biegen in die untersten Partien der Blattspreite ein. Wenn wir jetzt die Anlage und Ver- theilung der Gefüssbündel von Dactylis glomerata und diejenige von Funkia ovata vergleichen, kann man, meiner Ansicht nach, den rinnen- 1) 1. 0. pag. 1080. BEP EN a 451 förmigen Blattstiel von Funkia ovata als einen verschmälerten Theil der Blattspreite oder als einen rudimentären Blattstiel (welcher auch der Blattspreite von einigen schmalblätterigen Eryngium-Arten entspricht) betrachten. 2. Dieotyle Pflanzen mit monocotyler Nervatur. Eryngium. In der Gattung Eryngium finden wir, wie bekannt, einerseits Pflanzen mit handförmig oder fiederförmig ausgeschnittenen Blättern, anderseits solche mit breiter oder schmaler, ungetheilter Blattspreite. In der letzten Gruppe sind insbesondere einige Eryngien mit schmalen Blättern, weil sie sowohl ihrem Habitus wie ihrer Nervatur nach den monocotylen Pflanzen (Agave, Bromelia) sehr ähnlich sind, interessant. Ueber diese Pflanzen finden wir in der Litteratur ziemlich viele Angaben. So beschreiben K.Morisson!), Linnde?), Ph. Miller?), Jaequin®), Cavanilles?), Delaroche®), A. de Chamisso et D. de Schlechtendahl”), Lamark®), De Candolle®), De- caisne!®) diese Pflanzen. Der grösste Theil dieser Arbeiten hat einen ausschliesslich syste- matischen Charakter und sagt von diesen Pflanzen hauptsächlich, dass sie eine parallele, den Monocotylen ähnliche Nervatur aufweisen. Einige dieser Arbeiten (Delaroche und Deeaisne) versuchen diese parallele Nervatur morphologisch zu erklären und sagen, dass diese Pflanzen anstatt der Blätter nur einen stark entwickelten Blatt- stiel oder Blattrippen haben; was die Blattspreite betrifft, so ist diese redueirt zu den kleinen Segmenten oder zu Zähnen, mit welchen einige Blätter der schmalblätterigen Eryngium-Arten versehen sind. 1) Morisson K., Plantarum historiae universalis oxoniensis pars tertia, Oxonii 1725. 2) Linnaeus Species plantarum. 1753. 3) Miller Ph., The Gardeners dietionary. London 1731. 4) Jaequin N. J., Icones plantarum rariorum. Wien 1781-98. 5) Cavanilles, Icones et deseriptiones plantarum Matriti. 1791—1801. 6) Delaroche Fr., Eryngiorum nec non generis novi Asclepiadeae historia. Parisiis 1808. 7) A. de Chamisso et D. de Schlechtendahl, De plantis in expedi- cione speeulatoria Romanzoffiana observatis. Linnaea I. 1826. 8) Lamark, Eneyclopedie methodique. Botanique. Paris 1783 - 1803. Vol. IV. 9) Aug. P. DeCandolle, Prodromus systematis naturalis regni vegetabilis. Pars quarta. Parisiis 1830. 10) Deeaisne M. J., Remargues sur les esp&ces du genre Eryngium a feuilles parall&linerves., Bulletin de la Soc, bot. de Fr. T. 20. 1873. 452 Von neueren Arbeiten können wir hier die Arbeiten von Möbius?) nennen, welche einen vorwiegend anatomischen Charakter haben; der Verfasser zeigt, wie weit mit der äusseren Aehnlichkeit zwischen monoeotylen Pflanzen und diesen Eryngien auch Aehnlichkeit im ana- tomischen Bau zusammengeht. Aber alle diese Arbeiten betrachten nur den ausgebildeten Zu- stand der Blätter und berühren die Entwickelungsgeschichte und die Anlage der Gefässbündel in den Blättern gar nicht. Für meine Untersuchung dieser Verhältnisse stand mir folgendes Material zur Verfügung: Eryngium pandanifolium, E. yuceifolium, E. Serra, E. planum, E. campestre. Eryngium pandanifolium Cham. Das Blatt entwickelt sich auch hier als ein ziemlich dicker Höcker, der sich schon früh in einen nicht ganz den Vegetations- punkt umhüllenden Wulst um- wandelt. Die erst angelegte Partie fängt nun ziemlich rasch zu wach- sen an, während die anderen Theile dieses Wulstes nicht so schnell wachsen und auch hier um so langsamer, je später der Theil angelegt wurde. Auf solche Fig. 7. Eryngium pandanifolium,. A Pri- Weise entwickelt sich das Pri- mordialblatt, B Querschnitt durch die . B Scheitelknospe, Z, II, III Gefässbündel. mordialblatt (Fig. 7.4). Darauf wächst dieses Primordialblatt in die Länge und in die Breite, differenzirt sich in eine Blattscheide und Blattspreite, welche nicht scharf von einander abgegrenzt sind. Was die Anlage der Gefässbündel betrifft, so entwickelt sich zuerst das mediane Gefässbündel, d.h. das Gefässbündel, welches in der Richtung des stärkeren Wachsthums des Blattes verläuft (Fig. 7 B, 1). Später ent- wickeln sich die anderen Gefässbündel: zuerst diejenigen, welche dem erst angelegten am nächsten sind, und dann die anderen (IJ, III...). Infolge des verhältnissmässig gleichmässigen Längenwachsthums der Blatt- spreite und des sehr schwachen Breitenwachsthums verlaufen die Ge- fässbündel in der Blattspreite parallel und vereinigen sich mit einander 1) Möbius M., I. Untersuchungen über Morphologie und Anatomie der monoeotylen-ähnlichen Eryngien. Jahrb. für wiss. Bot. Bd. XIV. 1884. II. Weitere Untersuchungen über monocotylen-ähuliche Eryngien. Ibid. Bd. XVII. 1886, nn nn nn 453 nur durch schwache Queranastomosen. Auf einem Querschnitte sind die Gefässbündel in einer Reihe angeordnet (Fig. 7 B) und diese An- ordnung ist sehr ähnlich wie die bei den monocotylen Pflanzen. Die Fintwickelungsgeschichte der Blätter und die Anlage der Gefässbündel ist bei Eryngium yuceifolium Michx. ganz ähnlich wie bei Eryngium pandanifolium, nur sind die Blätter viel zarter und noch schmäler und dem Monocotylentypus noch ähnlicher, Eryngium Serra Cham. Die erste Anlage des Blattes ist ganz wie bei den vorigen Eryngien, aber später differenzirt sich das Primordialblatt in eine Blattscheide (Fig. 8 sch) und eine etwas verbreiterte und mit Einkerbungen versehene Blattspreite (sp). Die Reihenfolge der Anlage der Gefässbündel ist derjenigen der schon besprochenen Arten ganz ähnlich (7, ID, aber weil in der Blattspreite gleich- zeitig mit dem Längenwachsthum ein ziemlich starkes Breitenwachsthum vor sich geht, verlaufen die Gefässbündel in der Blattspreite divergirend und anastomosiren mit einander durch zahlreiche Anastomosen in verschiedenen Richtungen. Eryngium planum L. Bei Eryngium planum sind die unteren Blätter in ausgebildetem Zustande in eine ei-herzförmige Spreite und einen rinnenförmigen Blattstiel diffe- renzirt (Fig. 9A). Die ersten Stadien der Ent- wiekelung dieses Blattes bis zur Ausbildung des Primordialblattes weichen in keiner Hinsicht von Fig. 8. Eryngium den der vorigen Arten ab; aber das Primordial- Serra. Junges Blatt, blatt fängt hier ziemlich früh an sich zu diffe- heile (ich) und renziren in einen Blattgrund (Fig. 9 B, s) und eine Blattspreite (sp). ziemlich breite, mit Einkerbungen versehene Blatt- 7 77 Gefässbündel. spreite (sp). Zwischen Blattgrund und Blatt- spreite entwickelt sich später aus der Zone pt ein ziemlich breiter, rinnenförmiger Blattstiel, Die erste Gefässbündelanlage ist wie bei den vorigen Arten (Fig. 9 C, 7, II), aber später vertheilen sich infolge des sehr starken Breitenwachsthums der Blattlamina diese Gefässbündel sehr stark di- vergirend und anastomosiren mit einander in verschiedenen Rich- Flora 1898. 30 454 tungen (Fig. 9A). Aus diesem Grunde erinnert die Nervatur der Blattspreite in ausgebildetem Zustande sehr an die der anderen Di- cotylen. Die ersten Queranastomosen kann man an der Uebergangs- stelle zwischen Blattspreite und Blattstiel eonstatiren. Der Blattstiel hat ein Diekenwachsthum, das auf der Oberseite vor sich geht (Fig.9C,a). In der Blattscheide und in dem Blattstiele sind die Gefässbündel in einer Reihe angeordnet, nur sind sie im Blattstiele einander mehr genähert. Fig. 9, Eryngium planum. A Schema des Verlaufs der (tefüssbündel in dem ganz ausgebildeten Blatt. B Junges Blatt, s Blattgrund und sp Blattspreite (aus der Zone pt wird der Blattstiel entwickelt), © Querschnitt durch die Scheitel- knospe, I, II Gefüssbündel, «a Region, wo das Diekenwachsthumn des Blattstieles stattfindet. Eryngium ecampestre L. Die Anlage des Blattes und das Primordialblatt haben ganz die- selbe Form wie bei Eryngium planum, aber später treffen wir bei der Differenzirung der Blattspreite einen ziemlich grossen Unterschied an, und zwar werden hier infolge des sehr ungleichmässigen Breiten- wachsthums der Blattspreite schon sehr früh in acropetaler Richtung Fiederchen angelegt; die ersten Entwickelungsstadien dieser Fiederehen sind den Anlagen der Einkerbungen bei Eryngium planum sehr ähnlich. 455 Was die Anlage der Gefässbündel betrifft, so entwickelt sich das erste Gefässbündel median und die übrigen folgen in derselben Reihen- folge wie bei den besprochenen Pflanzen. Das mediane Gefässbündel geht bis zur Spitze des Blattes und die seitlichen biegen in die Segmente und zwar die jüngsten in die unteren und die älteren in die oberen Segmente ein (Fig. 10). Infolge dessen finden wir auf einem Querschnitte durch die Mittelrippe in der oberen Partie viel weniger Gefässbündel als im unteren Theil. Fig. 10, Eryngium campestre. Schema des Gefässbündelverlaufs in dem ganz ausgebildeten Blatte, Dies stimmt mit den Worten von Möbius!): „je stärker die Mittelrippe, um so grösser ist die Anzahl der Gefässbündel, welche in mehreren concentrischen Halbkreisen stehen“. Eine Erklärung für die Abnahme der Zahl der Gefüssbündel nach der Spitze zu gibt Möbius indessen nicht. 1) I. pag. 386, 80* 456 Bupleurum falcatum L. Das Blatt wird angelegt als ein den Vegetationspunkt nicht ganz umfassender Wulst. Dieser Wulst entwickelt sich durch ungleich- mässiges Wachsthum zu einem kahnförmigen Primordialblatt. Dieses Primordialblatt wächst, nachdem es sich undeutlich in Blattgrund und a Oberblatt differenzirt hat, ziemlich rasch in die 1 Länge und zeigt ein verhältnissmässig schwaches Breitenwachsthum. Infolge des ungleichmässigen Längenwachsthums wird, da die mittlere Partie schneller wächst, das erste Gefässbündel in der ot medianen Richtung angelegt (Fig. 11, I und 7 Taf. XIX Fig. 2, I) und die anderen Gefässbündel (Fig. 11, II, IIZ..) entwickeln sich in derselben Reihenfolge wie bei den vorigen Pflanzen. Wie ich schon gesagt habe, hat dieses Blatt ein Fig.11. Bupleurum schwaches Breitenwachsthum, infolge dessen ver- falcatum. Schema Igufen die Gefässbündel in der Blattspreite sehr des Gefässbündel- . B . . . verleufs im Blatte. Wenig divergirend und bilden zahlreiche schwache Queranastomosen. 3. Monocotyle Pflanzen mit der vom Monocotylentypus abweichenden Nervatur. Aroideae, Veber die Entwickelungsgeschichte der Aroideen-Blätter finden wir nur in der Arbeit von Trecul!) einige Andeutungen. Die Anlage der Gefässbündel ist in Tr&eeul’s Arbeit nicht berührt. In’ den später erschienenen Arbeiten von Engler?), welche grossen- theils einen systematischen Charakter haben, finden wir nur Be- merkungen über die Nervatur der schon ausgebildeten Blätter. le. 2} Engler A., I. Vergleichende Untersuchungen über die morphologischen Verhältnisse der Araceen. Nova Acta Acad. Leop. Carol. Nat. eurios. XXXIX. n. 2. 1876. — II. Araceae. Flora Brasiliensis 11, 2. 1878. — III. Aracese in De Candolle Monographiae Phanerogamarum (Suites Prodromus) Vol. II, 1879. — IV. Beiträge zur Kenntniss der Araceae. Bot. Jahrb. für Syst. und Pflanzen- geographie. I. 179-190, 480-483; IV. 59 -- 66, 841--352; V. 141-188, 287-- 336. 1881— 18834 und die neuesten Arbeiten von Engler ibid.... En VPE > 457 Für meine Untersuchungen habe ich folgendes Material verwerthet: Richardia aethiopica, Aglaonema simplex, Steudnera colocasiaefolia, Caladium antiquorum, Xanthosoma belophyllum, Sauromatum guttatum. Richardia aethiopica L. Das Blatt wird angelegt als ein ziemlich dieker Höcker, der sieh bald umwandelt in einen den Vegetationspunkt umfassenden Ring- wulst. Infolge des ungleichmässigen Wachsthums, namentlich des stärkeren Wachsthums der erst angelegten Partie, nimmt die Blatt- anlage eine kapuzenförmige Gestalt an. Dieses kapuzenförmige Pri- mordialblatt (Fig. 12 A) differenzirt sich in einen Blattgrund (s) und Fig. 12. ‚Richardia aethiopiea.. A Primordialblatt, welches sich differenzirt in Blattgrund (s) und Oberblatt, aus dem letzteren entwickelt sich die Blattspreite (Region sp) und aus der Zone pt der Blattstie. B Schema der Vertheilung der Gefässbündel im Grunde der Blattscheide, C in der mittleren Partie derselben, D in der oberen Partie; E Vertheilung der Gefässbündel im Blattstiele. F Theil des Querschnittes dnrch Blattstiel (, «), stärker vergrössert, zeigt Dickenwachs- thum und die Anlage der Gefässbündel (g) in dem sich lebhaft theilenden Gewebe. ein Oberblatt. Der Blattgrund bildet sich später zur ziemlich stark entwickelten Blattscheide um. Aus dem Oberblatt entwickelt sich die Blattspreite (Fig. 124, sp) und später aus der schmalen Zone (pt) der Blattstie. Die Blattspreite wird als eine dünne lLamelle angelegt (Fig. 12 D, l), welche beiderseits flügelförmig aus der dicken oberen Partie des Oberblattes (Fig. 12D, r) herauswächst. Diese Lamelle nimmt infolge eines ungleichmässigen Flächenwachsthums eine eiför- 458 mige Gestalt an und wächst an ihrer Basis in zwei Blattohren aus. Die Reihenfolge der Gefässbündelanlage ist ganz wie bei Funkia ovata, nur gehen hier infolge des, länger dauernden Längenwachs- thums alle Gefässbündel in die Mittelrippe und biegen erst aus der Mittelrippe heraus in die beiden Hälften der Blattlamina hinein, Infolge dessen hat das Blatt von Richardia eine ziemlich stark entwickelte Mittelrippe, die fast bis zur Spitze des Blattes hindurch- geht. Was den Verlauf der Gefässbündel in der Blattscheide und dem Blattstiel betrifft, so sind diese in der Basis der Blattscheide in einer Reihe angeordnet (Fig. 12B). Die Blattscheide verschmälert sich nach oben und der Blattstiel zeigt insbesondere an der Oberseite ein ziemlich starkes Diekenwachsthum (Fig. 12 F); beide Ursachen zu- sammengenommen bedingen, dass die jüngeren Gefässbündel, welche also in den seitlichen Partien der Blattscheide angelegt wurden, sich nach und nach umbiegen bis auf die obere Seite des Blattstiels, wo sie sich in dem sich hier lebhaft theilenden Gewebe fortsetzen (Fig. 12F'). Dass thatsächlich die verschiedene Anordnung der Gefässbündel in der Blattscheide und im Blattstiele nur auf Richtungsänderung und nicht auf Verzweigung beruht, kann man an Mikrotomserien leicht nach- weisen und lässt sich auch sofort aus der Thatsache schliessen, dass die Anzahl der Gefässbündel im Blattstiele entweder gleich gross ist, oder kleiner (wenn die Entwickelung der jüngsten Gefässbündel noch nicht bis zum Blattstiel vorgeschritten ist) als in der Blattscheide. Die Figuren 12 B bis 12 E stellen diesen Vorgang der Richtungsänderung dar. Wie ich schon gesagt habe, treten alle Gefässbündel aus dem Blattstiele in die Mittelrippe ein und biegen erst von ihr aus in beide Hälften der Blattspreite hinein, mit Ausnahme des zuerst angelegten Gefässbündels, welches bis zur Spitze geht. Die nächst jüngeren biegen in die obere Partie der Blattlamina und die jüngsten Gefäss- bündel biegen sehr stark aus (Taf. XIX Fig. 1) und innerviren die unteren jüngsten Partien des Blattes, d. h. die Blattohren. Diese Vertheilung der Gefässbündel kann man meiner Meinung nach auf folgende Weise aus der in basipetaler Richtung vor sich gehen- den Entwickelung des Blattes erklären. Das zuerst angelegte Gefäss- bündel und die nächst jüngeren treten in die Blattlamina resp. in die Mittelrippe ein, wenn dort ein ziemlich starkes Längenwachsthum vor sich geht, infolge dessen geht das zuerst angelegte bis zur Spitze; die nächst jüngeren aber treffen, bevor sie die Spitze erreichen, in der oberen Partie der Blattspreite ein ziemlich starkes Breitenwachs- thum und werden dadurch hier seitlich abgelenkt, 459 Je jünger die Gefässbündel sind — und je später sie also in die Blattspreite eintreten — desto näher an der Blattbasis treffen sie die Zone stärksten Breitenwachsthums und desto früher biegen sie also aus der Mittelrippe heraus, da ja die Entwickelung der Blattlamina in basipetaler Richtung fortschreitet. Ganz dieselbe Entwickelung der Blätter und ganz gleiche Reihenfolge der Gefässbündelanlage zeigen auch die von mir untersuchten Steud- nera colocasiaefolia, Caladium antiquorum, Xanthosoma belophylium, Aglaonema simplex, und so viel ich mich bis jetzt überzeugen konnte, die Sauromatum-Arten. Bei diesen Pflanzen treffen wir nur einige Abweichungen in Beziehung auf das Diekenwachsthum des Blattstieles und in Beziehung auf den Grad der Flächenverbreiterung der Blatt- lamina und auf die dadurch bedingte entgiltige Gestalt der Blattfläche. Die Blattspreite hat bei allen diesen Arten ziemlich stark entwickelte Seitenrippen. Was das Dicken- wachsthum des Blattstiels betrifft, so ist hier z. B. bei Aglaonema simplex Blume, Xanthosoma be- lophyllum Kunth. (Fig. 13 A), Caladium antiquorum, Steudnera coloeasiaefolia C. Koch dieses Diekenwachsthum noch ausgiebiger als bei Richardia und macht sich bei diesen Arten mehr als bei der genannten auch an der Unterseite Fig. 13. Xanthosoma belophylium. 4 Querschnitt durch den Blattstiel; stärkeres Dieckenwachsthum auf der des Blattstiels bemerkbar (unt.). Aglaonema simplex hat lang- gestielte, eilanzettliche Blätter. Oberseite (ob.) und schwächeres auf der Unterseite (unt.). B Schema des Ge- fässbündelverlaufs in dem ganz ausge- bildeten Blatte, ; jüngere Gefüssbündel. Infolge des ziemlich starken Längen- und verhältnissmässig nicht sehr starken Breitenwachsthums machen hier die Gefässbündel, welche aus der Mittelrippe heraus- biegen, einen nicht so grossen Winkel mit der Mittelrippe und biegen in den oberen Partien des Blattes ziemlich stark zur Spitze zurück. In den mittleren und unteren Partien der Blattspreite, wo das Breiten- wachsthum stärker ist, biegen die Gefässbündel sich nicht so schnell nach oben und machen grössere Bogen. Bei Xanthosoma (Fig. 13 B) und Caladium verlaufen in der Mittel- rippe auch ziemlich viele Gefässbündel, aber geradlinig bis zur Spitze 460 geht nur das eine mediane, zuerst angelegte Gefässbündel (D); alle anderen biegen aus der Mittelrippe in die Blattspreite ein, und zwar die jüngsten (Fig. 18B, j), wie bei allen vorigen Pflanzen, in die unteren Partien derselben. Infolge ziemlich starken Breitenwachs- thums bei ihrer Biegung machen sie ziemlich grosse Winkel mit der Mittelrippe und gehen weiter dem Blattrande entlang, nachdem sie miteinander verschmolzen sind, als ein sympodiales Gefässbündel bis zur Spitze, wo sie sich mit dem medianen Gefässbündel vereinigen (Fig. 13 B). Bei Steudnera colocasiaefolia haben wir ein fast schildförmiges Blatt, weil sich nicht nur die Blattohren entwickeln, sondern auch als Auswuchs der Oberseite des Blattstieles ein diese beiden verbinden- des Zwischenstück. Auch hier biegen die Gefässbündel von der Ein- trittsstelle in die Blattfläche oder von der Mittelrippe aus steitlich in das Blatt hinein und bilden ziemlich starke Seitenrippen, welche, zum Rande hin verlaufend, sich zu einem schwachen, sympodialen Rand- gefässbündel vereinigen. Besonders stark biegen die jüngsten Bündel von der Richtung der Mittelrippe ab, um, direct rückwärts laufend, den aus den Blattohren und dem Zwischenstück gebildeten basalen Theil der Spreite zu versorgen. Bei Sauromatum guttatum finden wir eine sympodiale Verzweigung der BDlatispreite. Bis zu dem Stadium, in welchem das Blatt einfach pfeilförmig ist, geht die Entwickelung wie bei den anderen von mir untersuchten Aroideen vor sich. Darauf bilden die basalen Theile der Blattohren, welche sich auch basipetal entwickeln, Auszweigungen, welche nach oben umgeschlagen sind, so dass die neu entstandenen Lappen nach oben hin über die Blattspreite fallen; an diese Lappen zweiter Ordnung, und zwar wieder an ihrem äussersten Ende, bildet sich je ein Lappen dritter Ordnung, der wiederum nach rückwärts eingeschlagen ist und also seine Spitze in gleichem Sinne wie die primären Blattohren nach abwärts wendet. Der gleiche Modus der Verzweigung kann noch mehrmals eintreten. Jeder jüngere Lappen legt sich in umgekehrter Richtung an den nächst älteren an und wird von der eingerollten Fläche des vorvorhergehenden umhüllt, dass also das ganze Verzweigungssystem eines Blattohres, mit Ausnahme des zuerst entstandenen Lappens, in dem Blattohr und seinem Seiten- lappen verborgen ist. Bei der Entfaltung der Blattfläche stellen die Verbindungsstücke zwischen den einzelnen suceessive gebildeten Lap- pen schmale Gewebeplatten dar, welche einem einseitig geflügelten Blattstiel vergleichbar sind. Das aus diesen Verbindungsstücken m 461 sympodial gebildete bogenförmige Stück der Blattfläche trägt dann in kurzen Abständen die blattspreitenartigen Flächen der Lappen, welche an ihrer Basis stielförmig zusammengezogen sind. Um die Entstehung der Gefässbündel in diesem complieirten Verzweigungssystem der Blattfläche verfolgen zu können, war es nöthig, das jugendliche Blatt durchsichtig zu machen und die in einander geschachtelten Blattlappen nach Möglichkeit frei zu legen. Es liess sich auf diese Weise die Gefässbündelanlage ganz gut bis in die zweite Generation der Lappen hinein verfolgen. Einen direeten Einblick in die Verhältnisse der Nervatur bei den jüngsten Verzweigungen gestattete die Methode leider nicht. Dioscoreae brasiliensis Willd, Das Blatt wird als ein ziemlich dieker Höcker angelegt, der in- folge des starken Breiten- und verhältnissmässig schwachen Dicken- 4 \ PR r “ Fig. 14. Dioscorca brasiliensis. A, B, C Schema des Verlaufs der Gefüssbündel in verschiedenen Stadien des jungen Blattes; a, b, e, d, e selbständige Gefäss- bündel; 5 und c verschmelzen an ihrer Basis mit a (A bei v); g und / (Bund €) Abzweigungen der jüngsten Gefässbündel. D Querschnitt durch die Basis des Blattes, Z# durch den Blattstiel, F durch die Basis der Blattspreite (vgl. mit A). wachsthums sieh in ein langgestrecktes, dünnes, rinnenförmiges Pri- mordialblatt umwandelt. Dieses differenzirt sich in Blattgrund und Oberblatt, zwischen welchen später ein Blattstiel infolge des interkalaren Wachsthums der unteren Zone des Oberblattes cinge- schoben wird. Infolge des starken Wachsthums in der medianen 462 Richtung wird zuerst ein medianes Gefässbündel angelegt, welches bis zur Spitze geht, wo es sich ziemlich stark verbreitert (Fig. 144, B, €, a). Dann entwickeln sich zwei seitliche beiderseits des medianen Gefäss- bündels (b und c), welche in den zwei seitlichen Rippen bis zur Spitze verlaufen, wo sie mit dem medianen Gefässbündel verschmelzen, Diese zwei Gefässbündel verschmelzen auch mit ihren unteren Enden in der Blattbasis mit dem medianen Gefässbündel (Fig. 144 bei v) Bei der weiteren Entwickelung werden noch zwei Gefässbündel an- gelegt (d und e), welche in den nächst jüngeren seitlichen Rippen verlaufen. Auf diese Weise bekommen wir in diesem Entwickelungs- stadium fünf Gefässbündel, welche in der Blattspreite in die fünf Rippen verlaufen (Fig. 14 F) und im Blattstiel den fünf Rippen ent- sprechend angeordnet sind (Fig. 14E). Wir haben im Blattgrund nur drei Gefässbündel (Fig. 14.D), weil die zwei (b und c), welche in der Blattlamina und im Blattstiel dem medianen zunächst verlaufen, hier mit diesem verschmelzen (b-+a-+-.c). Im unteren Theil der Blatt- fläche verlaufen ausser den erwähnten fünf Rippen noch zwei kleine Rippchen, welche, von der Ansatzstelle des Blattstiels ausgehend, in flachem Bogen zum Blattrande gehen. Diese zuletzt entstehenden Rippchen besitzen keine selbständige Gefässbündel, sondern sie werden durch Abzweigungen (Fig. 14B und C, f, g) von den Gefässbündeln der beiden nächst alten Rippen versorgt. Es ist selbstverständlich, dass die divergirende Anordnung der Rippen resp. Gefässbündel im Zusammenhang steht mit dem Breitenwachsthum der Blattspreite. Später entwickeln sich in der Blattspreite mannigfaltige quere und schiefe Anastomosen und Abzweigungen dieser primären Gefässbündel, welche die ursprüngliche Anordnung verdecken. Die ersten Quer- anastomosen entwickeln sich in der basalen Partie der Blattlamina und zwar kurz oberhalb der Uebergangsstelle zum Blattstiel (Fig. 144,B,C). Die Ausbildung der Blattrippen kommt sowohl hier wie in den anderen von mir untersuchten Fällen durch Vergrösserung des Vo- lumens der Zellen des Grundgewebes und der Zellen, aus welchen sich die Gefässbündel entwickeln, zu Stande. Freilich kann man in einigen Fällen in den Blattrippen Zelltheilungen auf der unteren Seite ausserhalb der Gefässbündel antreffen. Diese Theilungen finden sich jedoch in nieht sehr grosser Zahl und spielen also bei der Ausbildung der Rippen nur eine seeundäre Rolle. Ganz dieselbe Enntwickelung des Blattes und ebenso gleiche Anlage und gleicher Verlauf der Gefässbündel ist, soviel ich mich überzeugte, auch bei Dioscorea eburnea vorhanden, » 463 4. Dicotyledonen mit typischer, netzartiger Nervatur. Acer platanoides L. Die gegenständigen Blätter von Acer platanoides sowie nach Eichler auch die von Platanus werden als ein ringförmiger Wulst um den Vegetationspunkt herum angelegt. Auf diesem so zu sagen gemeinsamen Theile entwickeln sich zwei dicke, massive, opponirte Primordialblätter, welche ziemlich früh sich in Blattgrund und Öber- blatt zu differenziren anfangen. Near N‘ Fig. 15. Acer platanoides. 4 Junge Blätter, sp Blattspreite mit Segmentenanlage, st Zone, aus welcher der Blattstiel entwickelt wird. B Junges Blatt, Anlage der Gefässbündel ZI, IL, III... C Schema des Gefässbündelverlaufs in dem ausgebil- deten Blatte. D Querschnitt durch die Scheitelknospe, die basale Partie des Blattes zeigt drei Gefässbündel. E Etwas höher geführter Querschnitt (durch den oberen Theil der Blattbasis). F (Querschnitt dureh den Blattstiel. Ausdem Öberblatt entwickeln sich infolge des energischen, ungleich- mässigen Flächenwachsthums schon früh in der basipetalen Richtung die Hauptsegmente der Blattlamina (Fig. 15. A, sp), und zwar wird zuerst ein oberes Segment, dann gleichzeitig die zwei seitlichen und später die zwei unteren angelegt. Zwischen der Blattlamina und dem verbreiterten Blattgrunde kommt später infolge eines intercalaren 464 Wachsthums in der Zone st (Fig. 15A) ein ziemlich langer Blattstiel zur Ausbildung. Was die Reihenfolge der Gefässbündel betrifft, so kommt auch hier zuerst das mediane Gefässbündel zur Entwiekelung (Fig. 15.8, C, I), welches sich in der Richtung des stärkeren Wachsthums ausbildet; dieses Gefässbündel geht in der Mittelrippe bis zur Spitze des Blattes. Dann werden zwei seitliche Gefüssbündel angelegt, welche in die zwei seitlichen Segmente gehen (I]). Später entwickeln sich noch zwei Gefässbündel, welche in der Mittelrippe verlaufen und die zwei grösseren Zähne des mittleren Segmentes innerviren (IIl). Die unteren Enden dieser zwei Gefässbündel verschmelzen an der Basis des Blattes mit dem medianen Gefässbündel (Fig. 15.B bei v). Ausserhalb der schon erwähnten zwei seitlichen entstehen noch je zwei Gefässbündel, welche die untersten Segmente der Blattspreite innerviren (IV und V) und in der Blattbasis mit den schon bespro- chenen (II) Gefässbündeln verschmelzen (Fig. 15 B bei v!). Auf dem Querschnitte durch die verbreiterte Basis des Blattes finden wir drei Gefässbündel (Fig. 15 D); etwas höher geführte Schnitte zeigen schon neun Gefässbündel (Fig. 15 E), welche in einem flachen Bogen angeordnet sind. Die Querschnitte durch den Blattstiel zeigen einen aus sieben Gefässbündeln gebildeten Halbkreis, und im Innern dieses Kreises noch zwei Gefässbündel (Fig. 15 F). Diese zwei sind diejenigen Gefässbündel, welche neben dem medianen Gefässbündel angelegt wurden; während ihres weiteren Verlaufes in dem Blattstiele biegen sie etwas ab zur Oberseite des Blattstieles und verlaufen in der Blattlamina, wie schon gesagt wurde, in der Mittelrippe, um die zwei grossen Zähne des erst angelegten oberen Segmentes zu inner- viren. Die halbkreisförmige Anordnung der Gefässbündel im Blatt- stiele, welehe mit der Veränderung der Richtung der jüngeren Ge- fässbündel im Zusammenhang steht, hängt (wie bei den Aroideen) einerseits von der Verschmälerung des Blattstieles ab, anderseits vom Diekenwachsthum, das auf der Oberseite des Blattstieles vor sich geht (Fig. 15 F', d). “ Infolge dieses lebhaften Diekenwachsthums werden die Anlagen der jüngeren Gefässbündel von ihrer ursprünglichen Riehtung abgelenkt, rücken an der Oberseite des Blattstieles in dem Theilungsgewebe näher zusammen. — Später, in den älteren Entwickelungsstadien der Blatt- spreite, bilden sich zahlreiche Anastomosen und Verzweigungen dieser Gefässbündel, welche die ursprüngliche Anordnung verdecken; in den jüngeren Stadien jedoch hat das Blatt, wie wir gesehen haben, 465 selbständige, unverzweigte Gefässbündel, welche die Hauptsegmente, resp. Segmente der ersten Ordnung und theilweise die Segmente der zweiten Ordnung, 7. B. die grossen Zähne des erst angelegten api- calen Segmentes und die zwei untersten Segmente innerviren. Dieselbe Entwickelung des Blattes und gleiche Anlage der Ge- fässbündel kann man auch bei Acer pseudoplatanus und wahrschein- lich bei anderen Acer-Arten finden. Fraxinus excelsior L. Die opponirten Blätter von Fraxinus excelsior werden als zwei dicke gegenständige Höcker angelegt. Diese Höcker — Primordialblätter — Fig. 16. Fraxinus excelsior. A Junge Blätter mit acropetaler Fiederchenentwicke- lung. B Querschnitt durch die Scheitelknospe, 7 Initialstränge in der Basis der jungen Blätter, e Gefässbündel in der basalen Partie des Blattstieles des nächst älteren Blattes, e’ Gefüssbündel in der oberen Partie des Blattstieles. C Junges Blatt mit jungen Fiederchenanlagen (a, ce, d) und Anlage der Gefässbündel (7, ZZ TIL...) D Schema des Gefässbündelverlaufs in dem ganz ausgebildeten Blatte. differenziren sich ziemlieh früh in einen verbreiterten Blattgrund und ein Oberblatt, wobei das Oberblatt in die Breite und in die Länge zu wachsen anfängt. Infolge des ungleichmässigen Wachsthums entwickeln 466 sich auf dem Oberblatte die Anlagen der Fiederblätter in acropetaler Richtung (Fig. 16 A). Diese junge Blattspreite mit den schon ange- legten Fiederblättchen hat einen rein meristematischen Charakter. Später werden in dem Blattgrund die in einem Halbkreis angeord- neten Initialstränge gleichzeitig angelegt (Fig. 16B, i), aus welchen die Gefässbündel entstehen. Die angelegten Segmente entwickeln sich ungleichmässig. Das apicale Segment (Fig. 16C und D, a) und die mittleren seitlichen (ce und d) wachsen schneller als die oberen und die unteren. Die weitere Entwickelung der Initialstränge und Umbildung derselben in Gefässbündel geht in der Richtung des stärkeren Wachsthums vor sich und darum wird das erste Gefässbündel in medianer Richtung angelegt (Fig. 16 C und D, I), sodann entwickeln sich je zwei seit- liche, welche in die zwei mittleren Fiederchen verlaufen (II, ZIT..) und erst später entwickeln sich die Gefässbündel, welche in die oberen und unteren Fiederchen des Blattes gehen. Im Querschnitt durch die Basis des Blattes finden wir diese Ge- fässbündel in einem ziemlich flachen Halbkreis angeordnet, in dem Blattstiele aber wird infolge der Verschmälerung derselben einerseits und des starken Diekenwachsthums auf der Oberseite anderseits dieser Halbkreis mehr und mehr abgerundet (Fig. 16. B, c) und in den oberen Partien des Blattstieles schliesst sich derselbe beinahe (e‘). Dieser einfache, dem Monocotylentypus sehr ähnliche Verlauf der Gefässbündel in dem jungen Blattstiel und Blattspreite wird später in den älteren Blättern undeutlich gemacht durch die Entwickelung der zahlreichen mannigfaltigen Abzweigungen und Anastomosen, welche in Zusammenhang stehen mit dem Flächenwachsthum der Blattspreite in verschiedene Richtungen. 5. Entwickelungsgeschichte der Palmenblätter. Die Frage nach der Entwickelungsgeschichte der Palmenblätter ist in der botanischen Litteratur nicht neu. Viele Autoren haben in ihren Arbeiten diese Frage mehr oder weniger eingehend berührt. So finden wir Andeutungen über die Entwickelungsgeschichte der Palmenblätter in den Arbeiten von De Candolle!), H. v. Mohl?) l) Aug. P.DeCandolle, „Organographie der Gewächse* (deutsche Ueber- setzg. von Dr. ©. F. Meisner). Stuttgart und Tübingen 1828, 2) H. v. Mohl, I. „De Structura palmarum“ (Vol.I caput primum Historiae naturalis palmarum von Martius). 1831. — II. „Vermischte Schriften botanischen Inhalts.“ Tübingen 1845. 467 G. Meneghinit), Mirbel?), Karsten), Martius®), Tr&cul3), Hofmeister‘), Goebel”), Eichler®) und Naumann), Durch alle diese Arbeiten ist festgestellt, dass das Palmenblatt angelegt wird als ein ziemlich dieker,. stumpfer Höcker, der sich später infolge eines ziemlich starken nachträglichen Wachsthums in einen den Vegetationspunkt umfassenden Ringwulst umwandelt. Die zuerst angelegte Partie dieses Ringwulstes nimmt infolge eines ziem- lich schnellen Breiten- und Längenwachsthums eine mehr oder weniger concave, etwas stumpfe Form an, Dieses Gebilde, welches mit seinem Grunde den Vegetationspunkt umfasst und mit der infolge des Flächen- wachsthums concav entwickelten Spitze theilweise über den Vege- tationspunkt herübergreift, ist das Primordialblatt. Dieses Primordialblatt differenzirt sich in einen Blattgrund und ein Oberblatt. Der Blattgrund entwickelt sich später als mehr oder weniger stark ausgebildete, geschlossene Blattscheide. Was das Ober- blatt betrifft, so entwickelt sich auf seiner Spitze und auf den Seiten eine ununterbrochene meristematische Lamelle.. Auf diese Weise differenzirt sich das Oberblatt in eine Blattlamina und eine mehr oder weniger entwickelte Rhachis, welche aus der erst angelegten Partie des Primordialblattes hervorgeht. Die Blattrhachis entwickelt sich, wenn das ausgebildete Blatt fiederförmig wird, ziemlich stark (Taf. XIX Fig. 3) und schiebt bei weiterer Entwickelung die einzelnen Paare der Fieder- blättehen auseinander; wenn dagegen das ausgebildete Blatt fächer- 1) G. Meneghini, Ricerche sulla struttura del caule nelle piante mono- cotyledoni. Padova 1836. 2) Mirbel, „Recherches anatomiques et physiologiques sur quelques vege- taux monocotyles. Premier M&meire. Le Dattier. Ann. des se. nat, 8. I1.t. XX. 1843. 3) H. Karsten, „Die Vegetationsorgane der Palmen, eine vergleichend- anatomisch-physiologische Untersuchung.“ Abhandl. d. Königl. Acad. d. Wiss. zu Berlin. 1847. 4) C. F. Martius, „De palmarum formatione et rationibus geographieis“ (I vol., caput III Historiae naturalis Palmarum von Martius). 5) Tr&cul, M&moire sur la formation des feuilles, Ann. d. se. nat. S. III, t. XX. 1858. 6) Hofmeister, „Allgemeine Morphologie der Gewüchse.* Leipzig 1868. 7) K. Goebel, Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Pflanzenorgane. Berlin 1883. S. 221. 8) Eichler, Zur Entwiekelungsgeschichte der Palmenblätter. Abhandl. d. Königl. Acad. d. Wiss, zu Berlin. 1885. 9) A. Naumann, Zur Entwickelungsgeschichte der Palmenblätter. 1887. Regensburg. (9.-A. aus „Flora“.) 468 förmig wird, so bleibt die Rhachis in der Entwickelung zurück (Taf. XIX Fig. 4). Durch die schon erwähnten Arbeiten wurde auch festgestellt, dass die Segmente der fächerförmigen und die Fiederblättchen der fieder- förmigen Blätter sich nicht als Abzweigungen der Blattspreite ent- wiekeln, sondern infolge Absterbens bestimmter Partien der Blatt- spreite aus der ursprünglich ungetheilten Fläche entstehen. Was die Anlage der Segmente der fächerförmigen Blätter oder der Fiederchen der fiederförmigen Blätter und den 'Trennungsprocess dieser Segmente und Fiederchen von einander betrifft, so wissen wir in dieser Beziehung auch jetzt noch nicht viel mehr hierüber, wie zur Zeit als Goebel seine Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Pflanzen- organe publicirte, worin er unter anderm sagt!): „Die Entwickelungs- geschichte ist selbst für die wenigen Arten, bei denen sie untersucht ist, nur sehr lückenhaft bekannt“. Nach Goebel’s Veröffentlichung kommen nur noch zwei Arbeiten in Betracht; die eine derselben rührt von Eichler?) her, welcher an einem ziemlich reichhaltigen Unter- suchungsmaterial die Anschauungen Goebel’s im Wesentlichen be- stätigte und nachwies, dass die Zertrennung der Blattfläche in einzelne fächerförmig oder fiederförmig angeordnete Abschnitte bei einigen Palmen auf einer mechanischen Zerreissung, bei anderen auf Verschlei- mung gewisser Gewebspartien beruht. Die zweite Arbeit ist von Naumann?) im Jahre 1887 veröffent- licht worden. Der Verfasser vertritt in dieser Arbeit die Anschauung, dass wir es bei dem Zustandekommen bei der Anlage der Segmente der Palmenblätter nicht mit einer Faltung der Blattfläche infolge des Raummangels in der Knospe zu thun haben, sondern dass vielmehr eine nachträgliche Spaltung der ursprünglich massiven Blattlamina vorliegt. Ich muss indessen gestehen, dass die Arbeit Naumann’s nicht nur keinerlei ausreichende Erklärung für das Zustandekommen der Segmente der Palmenblätter gibt, sondern vielmehr unter den von seinen Vorgängern in der Bearbeitung der Frage gegebenen An- schauungen grosse Verwirrung anrichtet und so, statt die Frage zu klären, dieselbe nur noch dunkler und verwickelter gestaltet. Der Grund dafür dürfte zum Theil darin zu suchen sein, dass dieser Autor 1) 1. e. pag. 221. 2) 1l.c. Ss) le 469 mit der vorgefassten Meinung, es müsse eine Spaltung der Blattanlage vorliegen, an die Arbeit herantrat. Diese Auffassung zieht sich als rother Faden durch die ganze Arbeit und es scheint fast, als ob der Verfasser die wichtigsten Zeichnungen, welche seine Ansicht scheinbar bestätigen, dieser Anschauung zu liebe so stark schematisirt hat, dass sie den in der Natur gegebenen Thatsachen gar nicht mehr ent- sprechen.!) Ich habe bei meinen Untersuchungen sowohl die Anlage der Segmente des Palmenblattes und den Process der Trennung dieser Segmente von einander, als auch zum Theil die Anlage und den Verlauf der Gefässbündel berücksichtigt. Durch die Güte des Herrn Prof. Dr. Goebel stand mir ein sehr reiches Material von Palmen und insbesondere von Phoenix zur Verfügung. Bekanntlich weicht die Entwickelung der Phoenix-Blätter sehr stark yon derjenigen anderer Palmen ab, infolge der Ausbildung der Haut, welche das junge, noch nicht entfaltere Blatt von oben bedeckt 1) Aus der Gewohnheit, zu schematisiren, kann man sich vielleicht auch die Thatsache erklären, dass der Verfasser auf pag. 4 seiner Arbeit, wo cr die Arbeit von Goebel eitirt, als Titel dieser Arbeit „Vergleichende Anatomie der Blatt- gestalten 1883“ angibt. So weit mir bekannt, hat Goebel nie eine solche Arbeit geschrieben, und die Arbeit, woraus Naumann sein Citat entnimmt, hat denn auch den Titel „Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Pflanzenorgane*. Auf der nächsten Seite gibt Naumann diesen richtigen Titel der Arbeit an, jedoch ohne Jahreszahl, Auf pag.8 und 4 seiner Arbeit sagt Naumann: „Erst Martius behandelt in seinem Werke „Genera et species Palmarum“ neben der Systematik die Morphologie der Palmen eingehender, hauptsächliel in dem Abschnitte „De structura palmarum*. Einer Uebersetzung dieser Abhandlung fügt Mohl in seinen „Vermischten Schriften botanischen Inhaltes 1845“ pag. 129 einen Anhang bei, in welchem er die einschlagenden Schriften Anderer, hauptsächlich Mirbel's (Ueber den Bau der Dattelpalme „eomptes rendus de l’academie des sciences“ 12. Juin 1843) und Meneghini’s (ricerche sulla struttura del caule nelle piante monocotiledoni. Padova 1836) kritisch vergleicht, dabei aber auch zum ersten Male Genaueres über die Entwickelung der Palmenblätter mittheilt“ (pag. 177 #). Den Abschnitt „De structura palmarum“ in Martius’ „Genera et species palmarum“ hat jedoch H, v. Mohl selbst geschrieben, welcher später diese eigene Arbeit für seine „Vermischte Schriften“ ins Deutsche übersetzte und einen Anhang hinzufügte. Martius hat zwar auch einige Andeutungen über die Entwickelungsgeschichte der Palmenblätter gegeben, aber dieser Abschnitt, welcher auch in den „Genera et species palmarum“ gedruckt wurde, hat einen ganz anderen Titel: „De palmarum formatione et ratio- nibus geographieis“. Ausserdem ist die Stelle, welche der Verfasser auf pag. 6 seiner Arbeit aus Mohl’s Abhandlung eitirt, nicht genau wiedergegeben und es ist sehr auffällig, dass gerade der Satz, welchen Naumann als besonders wichtig betont und gesperrt druckt, nicht wörtlich ist. Flora 1898. 31 ar0 und über dessen Entwickelung Goebel wegen Mangel an Material nur einige Vermuthungen aussprechen konnte. A. Fiederpalmen. Phoenix. Von der Gattung Phoenix untersuchte ich Ph. dactylifera L., Ph. spinosa Thonn., Ph. farinifera Roxb. und Ph. reclinata Jaeq. Die Enntwickelungsgeschichte der Blätter verläuft im Allgemeinen bei allen diesen Arten in fast genau derselben Weise und bezieht sich also das hier Gesagte nicht auf eine einzelne Species, sondern auf jeden von mir untersuchten Vertreter dieser Gattung. Die ersten Andeutungen über die Entwickelungsgeschichte des Phoenix-Blattes gibt H. v. Mohl in seiner Arbeit „De palmarum structura®*, In dieser Arbeit, welche ziemlich gute Zeichnungen der ersten Blätter der Phoenixpflanzen enthält, versucht Mohl') unter Anderem die Entwickelung der Haut zu erklären als: „substantia... membranacea...e cellulis, pubescentiam harum frondium formantibus constat, quae inter se cohaerent, itaque massam membranaceam effi- eiunt“. Weiter schreibt er, dass diese mit den Falten der Blattlamina verwachsende und mit Gefässbündeln versehene „pubescentia membra- nacea* bei der Entfaltung des Blattes zerrissen wird, und dass seine Gefässbündel während ziemlich langer Zeit als dünne Fäden hängen bleiben. Im Jahre 1845 hat H. v. Mohl, indem er eine deutsche Uebersetzung seiner Arbeit in den „Vermischten Schriften“ publieirte, auf pag. 161 einen Anhang zugefügt, in welchem er sagt, dass seine frühere Auffassung über die Tlaut als „eine eigenthümliche Form der Pubescenz“ unrichtig ist. Er gibt sodann folgende Beschreibung der jungen Blätter und der Anlagen der Fiederchen bei Phoenix und Cocos flexuosa?): „Bei beiden bestehen die jüngsten Blättehen, bis sie die Länge von etwa 5 Millimetern erreichen, aus einem zusammenhängen- den Gewebe, welches in der Mitte, als Anlage zum künftigen Blattstiele dicker ist und zu beiden Seiten in einen verhältnissmässig dünnen Rand ausläuft. Später bildet sich zwischen der verdickten Mittelrippe und dem Blattrande eine flache Furche (Fig.2), auf deren Grund man bei noch weiterer Entwickelung nahe aneinander liegende, etwas vertiefte Quer- streifen (Fig. 3, 4), jedoch noch mit völligem Zusammenhange des Blatt- gewebes trifft. Später findet man diese Querstreifen in schmale Spalten DT XXV.$ 69. 2) 1. c. pag. 177. 471 verwandelt.“... Ueber den Blattrand, welcher an der Bildung der Falten gar nicht theilnimmt, sagt er!): „Der Blattrand, in welchem die Spitzen sämmtlicher Fiederblättchen zusammenfliessen, bildet eine zusammenhängende Zellmasse, die sich nach aussen in eine scharfe Kante (den Rand des früher ungetheilten Blattes) endigt (Fig. 8). Diese Zellmasse vertrocknet später bei der fortschreitenden Entwiekelung des Blattes und wird unter der Form von braunen Fäden abgeworfen, worauf nun die Blättchen frei von einander werden“. Ueber die Haut sagt er weiter ?), dass „die Zellmasse, welche die Fiederblättehen verbindet, nicht bloss mit den Spitzen derselben verwachsen ist, sondern über die ganze obere Blattfläche als zusammenhängende ziemlich dicke Membran fortläuft und mit den nach oben gewendeten Rändern der Fiederblättehen verwachsen ist, wesshalb die Spalten zwischen den letzteren nur auf der unteren Blattfläche sichtbar sind“. Alles über die Entwickelungsgeschichte des Blattes Gesagte summirend, sagt der Autor weiter®): „Das Blatt entsteht also als eine zusammenhängende Masse und die Fiederblättehen verdanken ihre Entstehung einer wirklichen Theilung des Blattes, die Theilung dringt aber nicht vom Blattrande gegen den Mittelnerven ein, sondern betrifft bloss die Blattfläche, er- greift den Rand nicht und bei Phoenix auch nicht die obere Schichte des Blattgewebes. Diese ungetheilt bleibende Zellmasse unterscheidet sich von einer wahren Pubescenz, mit welcher sie manche Aehnlichkeit hat, durch ihre Entstehung, indem sie nicht eine Wucherung der Ober- fläche des Organes ist, sondern einen wirklichen Theil des Gewebes des Blattes bildet, so wie durch den Umstand, dass bei einem Theile der Palmen, z. B. bei Phoenix (aber nicht bei Cocos) in derselben Gefässbündel verlaufen.“ In seiner Allgemeinen Morphologie sagt Hofmeister‘): „Das Blatt jeder Palme ist während seiner Entwiekelung von der scheidigen Basis des Stieles des nächst älteren Blattes dieht umschlossen. In dem kegelförmigen Hohlraume ist die Lamina eng eingepresst. Bei den Palmen mit gefiedertem Blatte (bei Phoenix dactylifera 2. B.) ist jede Längshälfte der Lamina in viele, zur Mittellinie des Blattes nahezu rechtwinklige Falten gelegt“. Nachdem Goebel5) die Anwesenheit einer Ligula und eines 1) l. e. pag. 178. 2) l. ec. pag. 178. 3) 1. c. pag. 178. 4) 1. c. pag. 532. 5) I. c. pag. 222. gr 412 Paares auf der dorsalen Seite des Blattes angeordneter Schuppen bei Chamaerops humilis gezeigt hat, sagt er, dass solche Bildungen, welche das junge Blatt umhüllen, nicht bei allen Palmen vorkommen, etwas ähnliches „findet sich aber in eigenthümlicher Weise auch bei Phoenix“. Weiter sagt der letztgenannte Autor!): „Ein Querschnitt durch den oberen Theil eines jungen Blattes von Phoenix (Fig. 45,2) gibt ein ganz ähnliches Bild wie der von Chamaerops, nur hat man sich die untere Blatthülle wegzudenken, während die obere so vollständig mit dem gefalteten Blatte verschmolzen ist, dass hier keine gesonderte Endigung der Falten mehr erkennbar ist, vielmehr eine eontinuirliche, oder doch nur an wenigen Stellen unterbrochene Haut die obere Blattlläche bildet, in welche sich die Falten direct fortsetzen. Indem die ge- meinsame, die Fiedern oben verbindende Haut sich späterhin ablöst, werden die einzelnen Fiedern frei. Es verlaufen hier, im Unter- schiede von Chamaerops in der sich ablösenden Haut Gefässbündel.“ Ueber den Trennungsprocess der Fiederchen sagt Goebel?): „Die Ablösung ist hier übrigens kein rein mechanischer Process, wie ihn DeCandolle z.B. sich vorstellte, sondern es ist eine Trennung von lebendem Gewebe durch Auseinanderweichen von Zellen, die überall, wo nicht gerade ein Bastbündel an der Trennungsstelle liegt, glatt vor sich geht (wahrscheinlich durch Spaltung der Zellhäute) und allmählich erfolgt, derart, dass die Blattfiedern mit der sich ablösen- den Gewebemasse schliesslich nur noch durch einen engen Isthmus zusammenhängen“. Uober die Zeit der Entwickelung dieser Haut, über die Anlage der Fiederchen, sagt Goebel weiter?): „Untersucht man nun ganz junge Blätter von Phoenix, so erkennt man, dass die Fiedern keines- wegs von Anfang an oben mit einander zusammenhängen, sondern als freie Falten der Lamina angelegt werden“, Diese Falten bei Palmen mit fiederförmigen Blättern sind in jungen Stadien in der Querrichtung angeordnet; nur die oberen Falten an der Spitze der Rhachis haben eine longitudinale Richtung; bei Palmen mit fächerförmigen Blättern haben jedoch alle Falten eine longitudinale Richtung. Wie wir aus dem oben angeführten Citate gesehen haben, zeigen die jungen Phoenix-Blätter noch keine Haut und entwickelt sich diese erst später. Ueber die Entwickelung dieser Haut schreibt N) 1. ce. pag. 222. 2) l. c. pag. 222, 3) I. ec. pag. 222, 473 Goebelt): „Woher nun diese ‚Haut‘ stammt, habe ich, wegen Mangels an Material, nicht feststellen können, sie kann durch innige Verwachsung der oberen Theile der Blattfalten, oder durch Ver- wachsung derselben mit dem eingeschlagenen Blattrande resp, einer Wucherung desselben, oder durch Verwachsung mit einer von der Blattbasis her sich entwickelnden Schuppe entstehen etc. — Es kommt darauf am Ende nicht viel an, die Hauptsache ist, der im Obigen geführte Nachweis, dass die Haut jedenfalls ein secundäres Produkt, die Gliederung der Blattlamina aber ursprünglich eine mit den anderen Palmen übereinstimmende ist“. Eichler vertritt ähnliche Anschauungen. Nachdem er ein fer- tiges Blatt und die junge Anlage des Blattes beschrieben hat, sagt er über die Entwickelung der Fiederchen 2): „Sofort nach Anlage der Spreite beginnt denn auch wieder ihre Faltung (Fig. 38). Dieselbe erfolgt basipetal, wobei ein Randstreif ungefaltet bleibt“... Ueber die Ober- kanten der Falten im unteren Theil der Spreite sagt er?): „In diesem unteren Theil der Spreite bleiben die Oberkanten der Falten frei von einander (Fig.45); oberwärts verschmelzen sie zu einer continuirlichen Schicht (Fig. 41—44). Im Uebergang der oberen zur unteren Partie wird diese Schicht zuerst in der Mitte unterbrochen, entsprechend dem „folium terminale* (Fig. 42), dann auch weiter nach aussen hin, bis zuletzt sämmtliche Oberkanten getrennt erscheinen‘, Ueber den Trennungsprocess schreibt er, dass dieser Process, welchen man schon an !/acm langen Blättern verfolgen kann, nur infolge des Absterbens der Oberkanten vor sich geht und dass dieses Absterben sich nur sehr selten auf den Rand der Fiederchen erstreckt. Was diese absterbenden Kanten betrifft, so sagt er weiter‘): „Im unteren Theile der Spreite sehen wir nunmehr nach dem vorhin Ge- sagten die abgestorbenen Kanten getrennt von einander, auf dem Querschnitt als dreieckige Kappen den einzelnen Lamellenpaaren auf- gesetzt (Fig. 45); oberwärts fliessen sie zu einer continuirlichen oder nur in der Mitte unterbrochenen Schicht zusammen“ (Fig.44). Diese continuirliche Schicht („Haut“) „zeigt (Eichler) correspondirend mit den einzelnen Lamellenpaaren, welche in sie einmünden, Gefässbündel, die sich abwärts in die isolirten Faltenkanten fortsetzen (ef. Fig. 43, 45—47)*.) 1) 1. e. pag. 223. 2) 1. c. pag. 13. 8) l. e. pag. 12. 4) 1. c. pag. 13 u. 14, 5) 1. c. pag. 14. 4714 Ueber die Ränder der getrennten Fiederchen sagt er‘): „Die freigewordenen Segmentränder zeigen gewöhnlich infolge des Ab- reissens von den abgestorbenen Kanten eine breitere oder schmälere Unterbrechung der Epidermis mit todtem Gewebe an der Unter- brechungsstelle (ähnlich fast wie bei Livistona, s. Taf. II, Fig. 23), doch kommt es auch vor, dass sie eine vollständige Epidermis be- sitzen, in welchem Falle die letztere an der Trennungsstelle nach- träglich gebildet sein muss*. Naumann, der in seiner 1887 erschienenen Arbeit sehr scharf gegen die Auffassung von Goebel polemisirt, sagt im Allgemeinen über die Anlage der Fiederchen des Phoenix-Blattes?): „Der eigent- lichen Spaltenbildung, welche durch Auseinanderweichen von Zellen erfolgt, geht eine Art Wulstbildung voran, ähnlich, wie bei der Ent- wiekelung zusammengesetzter Blätter der Dieotyledonen ; doch scheinen Wülste und Spalten bei Phoenix ziemlich gleichzeitig aufzutreten, da die Querschnittsbilder mit den Wülsten zugleich auch Spalten zeigen“. Nachdem er weiter die Arbeit von Mohl, der sieh auch für die Entstehung der Fiederchen durch Spaltung aussprach, unrichtig eitirt hat, trägt er seine eigene Ansicht vor, welche er einzig aus der Be- trachtung von Oberflächenansichten ableitet, ohne dieselbe an Quer- schnitten durch junge Anlagen der Fiederchen zu controliren. Der wesentliche Theil seiner Darstellung lautet folgendermaassen ?): „Wo- durch diese Querstreifen*) gebildet werden und wie sie beschaffen sind, gibt Mohl nicht an. Diese Lücke in den Angaben Mohl’s lässt sich eben durch eine mehr makroskopische Betrachtung der Blätter erklären. Es könnten diese Streifen durch Helligkeitsunterschiede oder durch Höhenverschiedenheiten bedingt werden; und zwar glaube ich, dass in dem vorliegenden Falle die letztere Bedingung besteht, so dass diese Streifen durch eine Art von Wulstbildung veranlasst werden. Bei den scharfen Conturen dieser minimalen Gebilde muss ja auch die geringste Erhebung durch die Vertheilung von Licht und Schatten sichtbar werden. Die Spalten s (Fig. 1,ı) reichen nicht ganz bis zum Rande der Fiederanlagen a, sondern lassen einen glatten Streifen I, wie er in Fig. 1,ı angedeutet ist, frei. An der Oberseite eines Phoenix- Blattes von nur geringer Grösse, also im Innern des kapuzenförmigen Theiles, sind keine Spalten zu bemerken. Erst bei einem 4—8mm DL ce. pag. 14. 2) 1. c. pag. 6. 3) 1. ce. pag.6 u. 7. 4) Junge Anlage der Fiederchen. 475 hohen Blatte nimmt man das Auftreten innerer Spalten wahr, doch auch hier nur durch ein zartes Gewebe hindurch, welches die ganze Innenseite überzieht und von Goebel mit „Haut“ bezeichnet wird“, Indem er die Anschauungen von Goebel und Eichler kritisirt, sagt er weiter‘): „Hätte wirklich eine Faltung stattgefunden, so wäre es zum mindesten unwahrscheinlich, dass sich der in Fig. 1,ı ange- deutete Blattrand / nieht mitgefaltet hat; er müsste wenigstens einen zickzackartigen Verlauf nehmen. Ausserdem befinden sich in der Knospenlage die jungen Blättehen nicht eng an einander, sondern lassen Zwischenräume, die mit zartem Haargewebe ausgefüllt sind. Träte nun eine Faltung aus Raummangel auf, so würde wohl jeder Zwischenraum zur Baltenbildung benutzt worden sein. Ganz beson- ders unwahrscheinlich aber muss die Annahme einer Faltung werden, wenn wir die Anwesenheit der oben angegebenen sog. „Haut“ be- trachten. Diese müsste sich doch sicherlich mit der Lamina falten oder sich erst nach Anlage der Falten bilden, also secundär*. Was den Ursprung dieser Haut betrifft, so sagt Naumann weiter ?): „Die Untersuchung über den Ursprung dieser Haut wird eben dadurch erschwert, dass man bei den Schnitten durch diese win- zigen Blättchen das zarte Gewebe leicht verletzen kann und oft nicht zu unterscheiden im Stande ist, ob die Haut mechanisch gerissen ist oder sich aus inneren Gründen abgetrennt hat“. Durch Zusammenstellung einer ganzen Reihe von Querschnitten durch jüngere Blätter kommt Naumann zu der Auffassung, dass man in ganz jungen Blättern, welche noch keine Anlage der Fiederchen zeigen, folgende Differenzirung des Gewebes unterscheiden kann:?) „Eine Zone, welche parallel den Conturen des (uerschnittes verläuft, nach der Mitte zu jedoch immer ungleichmässiger wird, bis sie in die Zone 2 übergeht, welehe ihren Ursprung einer lebhaften Quertheilung der Zellen in der durch einen Pfeil angedeuteten Richtung verdankt. Die 3. Zone ist symmetrisch zu beiden Seiten der Rhachis gelegen. Sie hat die Form leicht angedeuteter con- eentrischer Kreise, besteht aus kleineren und dunkleren Zellen und zeigt sich späterhin als das Meristem m, aus welchem die Fiederwülste w (Pig. 4,2) hervorgehen, und in dem sich die Spalten bilden. Die Stellen A (Fig. 4,ı—5) werden nun im weiteren Verlaufe der Entwickelung zu der 1) 1. e. pag. 8. 2) 1. c. pag. 9. 3) 1. e. pag. 9. 476 früher angedeuteten Haut. Früh schon sind in den Zonen, welche später zur Rhachis werden, die Gefässbündel angelegt. Von diesen führen Seitenzweige, die noch im cambialen Zustande sich befinden, zu dem meristematischen Gewebe m (Fig. 4,2), in welchem sich dieselben als hellere Querstreifen abheben. Bald beginnt nun die Wulstbildung (Fig. 4,aw), dann die Bildung äusserer Spalten (Fig. 4,3,4,5 sa) und hierauf fast gleichzeitig das Auftreten innerer Spalten (Fig. 4, 4,558). So würde sich also die Haut als ein Gebilde betrachten lassen, das dem eigentlichen Blatte selbst angehört und nicht accessorisch resp. secundär ist. Zwischen je 2. der inneren Spalten ist meist ein Gefäss- bündel vorhanden.* Fig. 17. Phoenix. A Querschnitt durch ein Jugendblatt, k Oberkanten der un- gefiederten Partie, k Unterkanten, f Oberkanten der gefiederten Partie (mit Gefäss- bündel), r Blattrand. B Eine Oberkante der gefiederten Partie, (Fig. A, f) stärker vergrössert. ( Querschnitt durch den oberen Theil des gefiederten, noch nicht entfalteten Blattes, die Gefässbündel (g) in der Haut alterniren mit den Falten, t Trennungsstelle. E Querschnitt durch dasselbe Blatt in der Region der Rhachis, Die Oberkanten f sind nicht von der Haut bedeckt und enthalten Gefässbündel. F Die Trennungsstelle t von Fig. D stärker vergrössert. Ueber das weitere Schicksal dieser Haut sagt Naumann!) „Mit der Weiterentwiekelung der einzelnen Fiederlamellen reisst die Haut, welche zahlreiche Luftlücken zeigt, die auch von Goebel be- l) Naumann, pag. 9. PR 477 merkt worden sind. Dieses Reissen erfolgt nur an einzelnen Stellen, natürlich aber zwischen je zwei der oben erwähnten Gefässbündel. Nur in der Nähe der Blattränder, wo die Haut dicker und wider- standsfähiger ist, werden die Fiedern noch zusammengehalten.“ Indem ich jetzt zu meinen Untersuchungen übergehe, will ich zuerst die an den Jugendblättern dieser Palme gewonnenen Resultate mittheilen. Wie bekannt, sind die Jugendblätter von Phoenix ungetheilt und denjenigen von Palmen mit fächerförmigen Blättern ganz ähnlich. Die junge Lamina ist längsgefaltet (Taf. XIX Fig. 5, 6, 7) und die Rhachis schwach entwickelt. Im ausgebildeten Zustande zeigen die Ober- und Unterkanten dieser Falten eine gleiche Struktur und enthalten keine Gefässbündel. Untersuchen wir die älteren Blätter, welche in einem oberen ungetheilten Theil der Blattlamina und einem unteren gefiederten differenzirt werden, so können wir sehen, dass hier die Rhachis schon im unteren Theile stärker entwickelt ist und dass, wie ein Quer- schnitt zeigt (Fig. 17 A), in der Entwiekelung der oberen und unteren Kanten in diesem unteren Theile des Blattes sich ein ziemlich grosser Unterschied findet; dieser Unterschied zeigt sich darin, dass die Ober- kanten (k) des ungefiedert bleibenden Theiles der Blattspreite keine Gefässbündel haben und im Allgemeinen ganz so gebaut sind wie die Unterkanten (k!), während die Oberkanten (f) desjenigen Theiles, welcher in Fiederchen gespalten wird, ebenso wie der Blattrand (7) aus einem grosszelligen mit zahlreichen Intercellularen versehenen Gewebe bestehen und Gefässbündel enthalten (Fig. 17B, f). Später sterben diese Oberkanten mit den darin verlaufenden Gefässbündeln und der Blattrand ab, und es werden also die Fiederchen oder Seg- mente in der unteren Partie des Blattes frei. Die freipräparirten Blätter und die Querschnitte durch junge Stadien der Blätter mit noch ganz jungen Anlagen der Segmente zeigen sowohl bei Jugendblättern, als bei späteren gefiederten, dass wir es bei der Anlage der Segmente mit einer Faltung der breit- wachsenden Blattspreite, aber nicht mit einer Spaltung zu thun haben. Man kann dieses schon daraus schliessen, dass das Dermatogen dieser Blattanlage sich in alle Vertiefungen dieser gefalteten Blattlamina ununterbrochen fortsetzt, wie man dies an Querschnitten durch die jungen Anlagen der Fiederchen leicht constatiren kann (Fig. 170, d). Durch den Nachweis der in alle Vertiefungen hinein ununter- brochen sich fortsetzenden Oberhaut ist Naumann’s Annahme, dass 478 eine Spaltung des ursprünglich massiven Gewebekörpers stuttge- funden habe, vollständig widerlegt. Ich verstehe nicht, wie dieser Autor ohne Querschnittsbilder der jungen Faltenanlagen gesehen zu haben, seine Annahme einer nachträglichen Spaltung mit solcher Be- stimmtheit aussprechen konnte. Noch unverständlicher ist es mir, was Naumann eigentlich als meristematische Zonen auf dem Quer- schnitte des jungen Blattes angesehen haben mag. Ich konnte weder an Handschnitten noch an sehr zahlreichen Mikrotompräparaten diese Zonen wahrnehmen. Höchstens können dicke schiefe Handschnitte etwas Aehnliches vortäuschen, jedoch nur an Schnitten durch ältere Entwickelungsstadien, wo diese „meristematische Zonen“ von Nau- mann uichts anderes sind als die schon ziemlich weit entwickelten schief getroffenen Falten. Meiner Ansicht nach ist die Methode, um die Anlage der Fiederchen nur an Querschnitten durch das Blatt zu studiren, schon deswegen verfehlt, weil die Fiederchenanlage dann nie quer, sondern immer longitudinal oder höchstens schief getroffen werden. Dass diese Faltung bei der Anlage der Fiederchen mit Raum- mangel in Zusammenhang steht, kann man daraus schliessen, dass die Falten und im Allgemeinen das ganze Relief der jüngeren Blätter auf der Rhachis der nächst älteren einen Abdruck erzeugt. Was die Entwickelung der gefiederten Blätter von Phoenix be- trifft, so treffen wir hier, wie sowohl freipräparirte Blätter als Hand- und Mikrotomsehnitte zeigen, ganz dieselbe Anlage der Falten an. Jedoch in einem späteren Stadium erscheint ein sehr grosser Unter- schied, welcher zur Entwickelung der sogenannten „Haut“ führt, Während bei der Entwickelung der Jugend- und derjenigen Blätter, wo nur noch der untere Theil gefiedert ist, sowohl die unteren als die oberen Kanten (obwohl, wie wir erwähnten, bei den im unteren "Theile gefiederten Blättern die oberen Kanten eine etwas andere Struktur aufweisen und Gefässbündel enthalten) während der ganzen Entwickelung des Blattes dieselben Differenzirungsprocesse aufweisen, ist dies bei den ganz gefiederten Blättern nicht der Fall. Hier machen die oberen Kanten eine etwas andere Entwickelung durch, und zwar biegen sie bei der weiteren Entwickelung des Blattes mit ihren äusseren Enden sehr stark nach der Spitze und nach aussen um, und wachsen zusammen mit dem Blattrande, in den sie weiter übergehen als eine allgemeine Hülle, welche das junge Blatt von oben bedeckt. Die äusseren Enden der unteren Kanten springen an der Unterseite vor, während an der Oberseite die äusseren Enden 479 der oberen Kanten mit dem Blattrand im selben Niveau liegen, Die äusseren Einden der ursprünglich nach oben offenen Rinnen werden nach- träglich infolge der beschriebenen Biegung der oberen Kanten durch die aus diesen Kanten und dem Blattrande entstandenen Hülle von oben verschlossen, infolge dessen setzen sich die nach oben geöffneten Rinnen je in eine kurze, taschenförmige Einstülpung fort. Wir haben dieses Stadium schematisch in Taf. XIX Fig. 8 dargestellt. Die mit % bezeichneten helleren Strecken stellen die Oberkanten dar, welche die dazwischen liegenden durch Schattirung kenntlich gemachten nach oben offenen Rinnen von einander trennen. Die von der Linie BC rechts liegende Partie stellt den ungefalteten Blatt- rand dar. Die Rinnen endigen nach aussen zu in den auf die er- wähnte Weise entstandenen kurzen Einstülpungen a. Wenn wir uns jetzt denken, dass das Wachsthum in der Region links von der Linie BC stattfindet, so würde die Region rechts von BC, also der ganze Blattrand, nach aussen gedrängt werden und die Rinnen werden nach oben offen bleiben. Findet jedoch das Wachsthum nieht in dieser Region, sondern in der Region rechts von BC statt, so verlängern sich die taschenförmigen Höhlungen (a) in dem Maasse und in der Richtung, worin das umgebende Gewebe infolge des Wachsthums sich ausdehnt. (Diese Richtung ist durch Pfeile angedeutet). Es ist einleuchtend, dass in diesem Falle, der thatsächlich vorliegt, die ursprünglichen taschenförmigen Höhlungen zu langen schlauchähnlichen an der Oberseite verschlossenen Kanälen auswachsen. Von oben sind diese Kanäle also durch die zusammen- hängende Haut verschlossen, während an der Unterseite die Wand dieser Kanäle eine Fortsetzung der in der Partie links von BC offenen Falten bildet, deren untere scharf vorspringende Kante sich über die ganze Länge des Kanals fortsetzt. Während jetzt in der zusammenhängenden, die Kanälchen von oben verschliessenden Haut vorwiegend Längenwachsthum eintritt, findet dagegen in den unteren Falten auch ein sehr starkes Breiten- wachsthum statt. Dieses Breitenwachsthum der Falten bedingt infolge dauernden Raummangels in der Scheide des nächst älteren Blattes, dass diese Falten immer mehr seitlich zusammengedrückt werden. Wenn wir ein durchsichtig gemachtes junges Blatt von der Oberseite betrachten (Taf. XIX Fig. 9), werden wir beiderseits von der Rhachis (R) je eine Reihe von kurzen Spalten (x) wahrnehmen, welche in die viel breiteren in etwas anderer Richtung verlaufenden Höhlungen führen; bei tieferer Einstellung kann man den Zusammen- 480 hang zwischen den offenen Rinnen und dieser Höhlungen vollkommen deutlich erkennen. Die Grenze zwischen diesen Spalten bilden die zuerst angelegten oberen Kanten (k), weiter nach aussen, rechts von Linie BC, hören diese Kanten auf und sehen wir nur die mehr- schichtige Haut (h), deren Zellen in nach der Blattspitze gerichteten Reihen angeordnet sind. Wenn wir nun einen Querschnitt durch solches Entwicekelungsstadium des Blattes machen (Taf. XIX, Fig. 10), so sehen wir in diesem Schnitt die der Rhachis (&) zunächst liegende Falte a nicht von der Haut bedeckt, weil diese Falte in ihrer basalen erst angelegten Partie, wo die Oberkanten noch differenzirt sind, ge- troffen wurde, während die Falte 5 von der Haut A bedeckt ist, weil diese Falte in ihrer oberen Partie, wo die Oberkanten nicht mehr differenzirt sind und als in dem nach oben gekrümmten Blattrand (ec) übergehende Haut wachsen, getroffen wurde. Wie oben schon gesagt, bestehen die oberen Kanten der unteren gefiederten Partie der Jugendblätter aus einem grosszelligen mit vielen Intercellularen versehenen Gewebe, welches auch Gefässbündel ent- hält. Aus einem solchen Gewebe besteht auch der undifferenzirte Theil dieser Kanten, resp. Haut, in welcher sich auch die Gefäss- bündel, welche in den oberen Kanten verlaufen, fortsetzen. Also ist nach meinen Beobachtungen diese Haut ein Produkt der Wucherung der undifferenzirten Oberkanten und des Blattrandes. Für meine Meinung scheint mir sowohl die Entwickelungsgeschichte dieser Haut, als ihr Bau und der Verlauf der Gefässbündel, welche mit den Unter- kanten alterniren (Fig. 17 D,g) zu sprechen. Auch der Umstand, dass diese Haut die Falten nicht ihrer ganzen Länge nach bedeckt, sondern, wie Querschnitte zeigen, die basalen nächsten zu Rhachis-Partien, welche zuerst angelegt wurden, unbedeckt lässt (Fig. 17E,f), ist mit meiner Auffassung im Einklang. Diese Thatsache, dass der basale Theil der Falten nicht von der Haut bedeckt wird, hat schon Eichler!) wahr- genommen, ohne jedoch eine Erklärung dafür zu geben. Bei der Entfaltung des Blattes sterben diese Haut und der Blait- rand ab und werden infolge stärkeren Wachsthums der Rhachis zerrissen, wodurch die Fiederchen frei werden. Bei Trennung der Fiederchen wird zuerst die Haut zerrissen und erst später der Blatt- rand. Diese Reihenfolge des Zerreissens steht natürlich in Zusammen- hang mit dem starken intercalaren Wachsthum der Rhachis zwischen je zwei Fiederpaaren und mit der Entwickelung des Schwellgewebes in der Achsel der Fiederchen. 1) 1. ec. pag. 35. 481 An dem schon ganz entfalteten Blatte kann man sowohl am Rande der Fiederchen als an der Rhachis die Ueberreste der Haut als weissliche oder braune flockige Streifen wahrnehmen (Fig. 18h). Diese Streifen kann man jedoch nicht über die ganze länge der Rhachis ununterbrochen verfolgen, sondern wir finden an der Basis jedes Fiederchens eine von diesen Streifen freie Stelle (f). Diese Stelle entspricht der basalen zuerst angelegten Partie der Falten, welche nicht mit der Haut bedeckt war. Da das Absterben der Haut ziemlich spät, wann das Gewebe des Blattes schon ganz diffe- renzirt ist, stattfindet und da die Uebergangsstelle zwischen dieser Haut und den Fiederehen sehr dünn ist und nur aus einem 4—5- schichtigen kleinzelligen Gewebe be- steht (Fig. 17 D und F,d), so haben die Ränder der freigewordenen Fie- derchen an den Rissstellen keine echte Epidermis. An diesen Stellen ist die Epidermis der Blattfiederchen von drei oder vier Reihen ziemlich kleiner Zel- len, mit verdiekten Membranen unter- brochen. Was die Rhachis und den Verlauf der Gefässbündel in der Rhachis und in der Blattlamina betrifft, so treffen wir hier auch sehr starkes Diekenwachs- thum der Rhachis auf der oberen Seite derselben und dieselbe Ordnung der Entwickelung der Gefässbündel, Fig. 18. Phoenix. Entfultetes ge- wie sehon öfter beschrieben wurde an, gedertes Blatt. h Ueberreste der d.h. zuerst wird ein medianes Gefäss- Haut an den Rändern der Fieder- bündel angelegt und später folgen die chen und an der Rhachis, 7 basale seitlichen. Nicht alle Gefässbündel je- Partie der Fiederchen, welehe keine . Reste der Haut zeigt. doch, welche in der Blattscheide an- gelegt sind, gehen in die Rhachis und zwar sterben die jüngsten später mit dem äussersten Rande der Blattscheide ab. Was den weiteren Verlauf der Gefüssbündel in die Fiederchen betrifft, so verzweigen diese infolge des sehr starken Breitenwachs- thums der Blattlamina sich schon in der Rhachis bei dem Eintritt in die Fiederchen und zwar gibt jedes der Oberseite der Rhachis näheres Gefässbündel zwei Zweige in die zwei benachbarten Oberkanten ab (Taf. XIX Fig. 89); diejenigen Gefässbündel, welche der Unter- 482 seite der Rhachis mehr genähert sind, geben genau ähnliche Ab- zweigungen in die Unterkanten ab; ein medianes Gefässbündel jedoch geht ohne Verzweigungen zu bilden in der apicalen Falte bis zur Spitze. Archontophoenix Cunninghamiana W. et Dr. Die Entwickelung des Primordialblattes weicht gar nicht von derjenigen von Phoenix und anderen Palmen. Bei der weiteren Ent- wickelung erscheint jedoch schon früh ein ziemlich grosser Unter- schied. Namentlich haben die jungen Anlagen der Fiederchen (der Blattrand bleibt wie bei Phoenix ungefaltet, ist jedoch nicht so breit), da die Rhachis in jüngeren Stadien nicht so stark ent- wickelt ist, fast eine verticale Richtung. Die Querschnitte durch solche ganz junge Anlagen zeigen, dass diese Anlage durch Faltung und nicht durch Spal- tung zu Stande kommt. (Fig. 19A, B.) Ausserdem kann man schon an diesen jungen Stadien einen ziemlich grossen Unter- Fig. 19. Archontophoenix Cunninghamiana. schied zwischen den Ober- und A (Querschnitt durch die junge Anlage der Tjnterkanten bemerken, und Fiederchen, k Oberkanten, A! Unterkanten. » 4% B Aelteres Stadium dieser Anlage. C Quer- zwar sind die Oberkanten (k) schnitt durch die fast fertige, aber noch infolge eines ziemlich starken nicht entfaltete Fiederehen, 9 grosse Ge- Dickenwachsthums viel dicker fässbündel in den Oberkanten, A, Unter- als die Unterkanten (Aı); später kanten. D eine Unterkante (aus Fig. €, kl) werden bei der weiteren Ent- stärker vergrössert, wickelung in den Oberkanten starke Gefässbündel angelegt (Fig. 19C, g), die Unterkanten jedoch bleiben als dünne Lamellen (Fig. 19 C und D%ı) sterben bei der Ent- faltung des Blattes ab und werden zerrissen, Bei der weiteren Entwickelung werden, infolge des sehr starken Flächenwachsthums der Falten einerseits und ziemlich starken Dicken- und Längenwachsthums der Rhachis anderseits, die Falten noch in tongitudinaler Richtung gefaltet; sie scheinen infolge dessen im Quer- schnitte geknickt zu sein (Fig. 19C) und mit ihren Oberkanten über der Rhachis anzustossen; aussen sehen wir nur die Unterkanten und den ungefalteten Blattrand, welcher die Spitze der Fiederblättchen 483 zusammenhält. Mit Archontophoenix stimmen in Hauptsachen, was die Anlage der Falten und den Trennungsprocess betrifft, von mir untersuchte Kentia Belmoreana C. Moore und Hyophorbe indica Gärtn., welche ich später in einer ausführlicheren Arbeit besprechen werde, überein. Ich will hier nur erwähnen, dass das Schema, welches Naumann von der Anlage der Falten bei Hyophorbe indica gibt, nicht der Wirk- lichkeit entspricht. Er zeichnet nämlich die Ober- und Unterkanten gleich dick, während thatsächlich bei Hyophorbe indica die Oberkanten von Anfang an viel stärker entwickelt sind (wie bei Archonthophoenix) und später grosse Gefässbündel entwickeln, während die Unterkanten, von Anfang an viel schwächer, keine Gefässbündel ausbilden und später zerrissen werden. Chamaedorea. Indem ich auf die Arbeiten von Karsten!) und Martius?), welche über die Entwickelungsgeschichte der Chamaedorea-Blätter nur wenig sagen, nicht näher eingehe, gehe ich zur Arbeit von Trecul über, welcher die Entwickelungsgeschichte der Blätter von Chamaedorea Martiana untersucht und die folgende Beschreibung der jungen Stadien gegeben hat?): „D’abord reduite & un simple bourrelet circulaire autour du sommet de la tige, elle est terminde obliquement d’un cöte de son ouverture par une pro6&minence, un peu deprimee sur la face interne (Fig. 124,0). Cette prodminence, en s’allongeant en cöne, produit pres de chacun de ses bords un bourrelet longitudinal 5, b'*., Ueber diese „bourrelets“ und über die Anlage der Fiederchen sagt er weiter*): „Ils sont primitivement unis; mais leur accroissement fait naitre & leur surface, ä droite et ä gauche de chacun d’eux, des ondulations & peine sensibles. Les premieres apparaissent sur le cöte interne de chaque bourrelet, qui est primitivement plus large, dans Porigine, que l’externe, et elles se montrent non pas aupres de la base, mais un peu au-dessus; elles se multiplient ensuite en gagnant le haut et le bas du rachis. Pendant que toutes les parties s’aceroissent, ces lögöres ondulations, en se ereusant, deviennent des sillons qui s’enfon- cent insensiblement vers linterieur du bourrelet (Fig. 126, 5,5), et qui ı)l ce. 2)1e. 8) 1. c. pag. 283-284. 4) 1. c. pag. 284. 484 finissent möme par arriver au cöt& oppose sur la face externe, et par y determiner une rupture; mais les sillons qui s’avancent de cette face vers la face interne, cessent de se creuser avant d’atteindre celle-ci, en sorte qu’il y a scission seulement aux cötes de la face externe. Il r&sulte de la autant de folioles plides suivant leur nervure mediane qu’il y avait de cötes & la face interne.“ Eichler hat Chamaedorea oblongata untersucht und über den Rand- streif, der (z.B. bei Phoenix) die Spitze der einzelnen Fiederblättchen verbindet, gesagt, dass dieser hier nicht vorhanden ist. Diese Abwesen- heit des Randstreifes erklärt er aus dem Umstand, „dass die Falten der Jugendlichen Spreite bis zum Rande selbst vordringen und nur einen ganz feinen, bald verschwindenden Saum ungefalteten Gewebes übrig lassen.“!) Ueber die Anlage der Fiederchen sagt er?): „Ihre Anlage erfolgt mit Querfalten.“... Die Oberkanten, in welchen später starke Gefässbündel entstehen, stossen infolge des energischen Flächenwachstums der Falten über die Rhachis zusammen; auch hier kann man infolge dessen von aussen nur die später absterbende Unterkante sehen. Infolge des Raummangels werden diese Falten noch der Länge nach gefaltet. Bei der Beschreibung des Trennungsprocesses sagt Eichler?): „Das absterbende Gewebe der Unterkanten (Fig. 71) verschwindet auch hier bis auf ganz unbedeutende Reste; die freigewordenen Segment- ränder stellen jedoch keine complete Epidermis her, sondern zeigen, ähnlich wie Livistona, am äussersten Ende eine Unterbrechung der Oberhaut und eine todte Stelle, die in Form jenes oben erwähnten weisslichen Streifens den Segmentrand begleitet.“ Naumann standen Chamaedorea Ahrembergiana, Ch. Karwins- kiana und Ch. elegans zur Verfügung. Er sagt, dass die beiden letzten ganz gut, was die Entwickelungsgeschichte der Blätter betrifft, mit der von Tr&cul beschriebenen Ch. Martiana übereinstimmen und macht darauf die Bemerkung‘): „Die Ficderblättchen der er- wähnten Arten hängen in den 5—10mm langen Blättern nur äusserst locker zusammen und bilden einen sehr zarten, dünnen, ungefalteten Randstreif, welcher bei der Weiterentwickelung des Blattes völlig verschwindet“. 1) Eichler, pag. 19. 2) 1. ec. pag. 18. 3) 1. c. pag. 19. 4) l. e. pag. 21. 485 Ueber den Trennungsprocess sagt er weiter, dass dieser Process hier wie bei Hyophorbe und Seaforthia vor sich geht. Diesen Process beschreibt er für Hyophorbe indica auf die folgende Weise!): „Die endliche Trennung der einzelnen Fiedern erfolgt hier Jedenfalls passiv, durch Streckung der zwischen je zwei Fiederblatt- paaren gelegenen Rhachistheile; so dass ein gewaltsames Zerreissen eintritt, nicht ein Auflösen der Zellen.“ Ueber das Gewebe, welches Je zwei benachbarte Fiederchen verbindet, sagt er), dass dieser „dünne Isthmusi keine verdickten Epidermiszellen“ besitzt, „wie das umgebende Gewebe deren führt. Er ist infolge dessen leicht zerreissbar.* Der Autor fährt fort:°) „Später sind die Zellen des Isthmus dickwandig und gebräunt, wie sich leicht an Querschnitten erkennen lässt, welche durch die Rissstellen gelegt sind. Das Verdicken dieser Zellen dient zur Festigung der Rissstellen, denen ja, wie erwähnt, die verdickte Epidermis des umgebenden Gewebes fehlt.* Meinen Untersuchungen nach über Chamaedorea Martiana Wend!. und Ch. elatior Mart. kommt die Anlage der Fiederchen durch Faltung zu Stande, aber die Falten gehen bis zum Rande und der Blattrand nimmt an ihrer Bildung theil (Taf. XIX Fig. 11), infolge dessen haben die Fiederchen (wie schon Eichler zeigte) keinen die Spitze verbindenden Randstreif. Was die Ober- und Unterkanten betrifft, so sind auch hier in ganz jungen Stadien der Anlagen der Fiederchen die Oberkanten dieker als die Unterkanten und in den Oberkanten werden die grossen Gefässbündel angelegt, während die Unterkanten nicht in die Dicke wachsen und später bei der Entfaltung des Blattes, wie bei Archonto- phoenix und anderen, mechanisch zerrissen werden. Cocos Weddelliana Hort. Die ersten Andeutungen über die Entwickelungsgeschichte des Cocos-Blattes finden wir beiH. v. Mohl in seinen vermischten Schriften. Indem er eine allgemeine Beschreibung der Anlage der Fiederblättchen (Querstreifen) gibt, sagt er‘): „Später findet man diese Querstreifen in schmale Spalten (Fig. 5—11) verwandelt, welche bei Cocos flexuosa die ganze Dicke des Blattes durchdringen, so dass sie auf der unteren und 1)le. pag 17. 2) l.c.pag M. 3) l. e. pag. 17. 4) \. ce. pag. 178. Flora 1898. 82 486 oberen Blattfläche gesehen werden (Fig. 75). Die weitere Entwickelung zeigt,. dass sich der zwischen je zwei Spalten liegende Theil zu einem Fiederblättehen ausbildet und auf einem Querschnitte (Fig. 7c) oder noch besser auf einem Längsschnitte erkennt man, dass diese Fiederblättchen zusammengefaltet sind und dass die Mittelrippe, in welcher die Faltung geschieht, bei Cocos in der oberen Blättfläche liegt, so dass also auf der unteren Blattseite doppelt so viele Spalten, als auf der oberen sichtbar sind (Fig. 7c).“ Eichler hat C. Romansoffiana und C. Wedelliana untersucht und sagt bei der Beschreibung der fertigen Blätter, dass die Ränder der Fiederchen „mit vollständiger Epidermis bekleidet“ !) sind. Ueber die jungen Stadien und Anlage der Fiederchen sagt er weiter): „Die jüngsten Stadien gleichen denen von Phoenix spinosa (Fig. 50 u. ff.), nur sind die Falten viel zahlreicher und enger, nahezu horizontal gestellt und es fehlt die Pubeseenz.“ Fig. 20. Calamus eiljaris. 1 Querschnitt durch die junge Fiederchenanlage, 4 Oberkanten, kl Unterkanten. B Aelteres Stadium dieser Anlage. € Treunungs- process durch Verschleimung der Zellen der Unterkanten M, Den Trennungsprocess beschreibt er?): „Der Desorganisations- process an den Unterkanten der Spreitenfalten ist hier von gleicher Art, wie wir ihn bei Chamacrops kennen gelernt haben; das Ge- webe lockert sich auf, verschleimt und verschwindet bis auf jene faserig flockigen Restchen, welche man nachher an den Segmenträndern vor- findet. Da das schon frühzeitig geschieht, wenn das Spreitengewebe noch ganz meristematisch ist und eben erst die Gefässbündel auf- treten, so bilden auch hier die Segmentränder eine neue, mit der Flächenoberhaut in Continuität stehende Epidermis (ef. Eig. 55 c, 57, 58, sowie 59« und b nebst den Erklärungen).“ N. e. pag. 16. 2) 1. ec. pag. 17. 487 Die Resultate meiner Untersuchungen stimmen ganz mit denen von Eichler überein. Die Anlage der Fiederchen geht auch hier, wie bei Calamus eiliaris Blume Fig. 20 A, B, und anderen von mir untersuchten Palmen durch Faltung, aber nicht durch Spaltung der Blattspreite vor sich. Auch hier, wie bei Archontophoenix, Chamaedorea und anderen, werden die Oberkanten der Falten schon früh viel dicker als die Unterkanten und später entstehen in diesen Oberkanten die grossen Gefässbündel. An der Bildung der Falten betheiligt der Blattrand sich nicht; er bleibt noch ziemlich lang als ein Randstreif, welcher die Spitze der Fiederblättchen verbindet, zurück. Der Desorganisationsprocess geht ziemlich früh vor sich, wenn das Blatt noch aus ganz meriste- matischem Gewebe besteht und sich noch in der Knospe befindet. Dieser Process besteht wie bei Calamus eiliaris (Fig. 200) in Ver- schleimung einiger Zellen und ist also mit Verlust einiger Partien des jungen Gewebes des Blattes verbunden. Mit diesem sehr frühzeitigen Trennungsprocess des noch meriste- matischen Gewebes hängt zusammen, dass hier im entwickelten Zu- stande die Ränder der Fiederehen eine echte Epidermis zeigen, im Gegensatz zu den früher erwähnten Fällen, wo die Trennung viel später vor sich geht und am Blattrande die Epidermis von einigen Reihen dieckwandiger brauner Zellen unterbrochen wird. B. Fächerpalmen. Chamaerops humilis L. Die ersten Andeutungen über die Entwickelungsgeschichte der Chamaerops-Blätter finden wir in der Arbeit von Meneghini, welcher eine einigermassen sonderbare Darstellung über die Anlage der Blätter der monocotylen Pflanzen gegeben hat. Er stellt sich nämlich vor, dass diese Blätter sich als umgedrehte Trichter, die später infolge eines starken Wachsthums der nächst jüngeren Blätter an ihrer Basis zerrissen werden und in dieser Weise, den jüngeren Blättern einen Ausweg öffnen, entwickeln.') . Später sagt Martius?) bei Beschreibung der jungen Blätter von Chamaerops, dass „In superiore parte, quae ex annulari ore folii pileoli- 1) 1. ec. pag. 17. 2) 1. ec. pag. XOV. )1. ec. pag 994 488 formis magis usque ascendit et augetur, gignitur prima indoles laminae. Cernuntur ibi complures parallelae striae obscuriores (Fig. citatarum ?), quae nervos primarios pinnarum laminae sunt praeparaturae. Üirica has strias tela cellulosa per ordines lineares seriatim constituitur, parenchymatis folii prineipia. Unaquaeque talis massa, dense alteri apposita et continuo juncta extrorsum convexa est, unde adspeetus lateralis subeorum species offert (ibid. Fig. IILB).* Ueber die älteren Stadien sagt er weiter‘): „In folio vaginali magis adulto licet indoles futuri vasorum fascieuli dignosci. In ejus enim tergo ii tamquam striae obscuriores per longitudinem procur- runt; in latere autem ventrali, ubi tenera et fere pellucida linea ver- ticalis (0) diutius persistit, quam probabile est antea apertam effecisse rimam, oblique eurrunt frequentes striae parallelae, ob utraque parte deorsum convergentes (m)®. Bei Tre&cul finden wir eine für seine Zeit ziemlich ausführliche Beschreibung der Entwiekelung des Chamaerops-Blattes. Er sagt nämlich, dass die Blattanlage bei einer Länge von }/amm schon eine ziemlich gut entwickelte Blattscheide und Ligula zeigt und dass?): „Cette gaine se prolongeait du cötE externe en une protuberance », rudiment du petiole ou rachis, ä la face interne duquel s’elevait une legere Eminence ou bourrelet transversale, origine de la ligule, comme nous le verrons plus loin; en sorte qu’il existait entre celle-ei ct le sommet du rachis une depression ou un sillon transversal, d’oü semble sortir le limbe un peu plustard. Ce dernier couvre d’abord cette depression A la face interne de la partie superieure du rachis (Fig. 116,2). On remarque de tres bonne heure les eötes qui correspondent aux lobes de ce limbe (Fig.116); mais elles sont envelloppees par une sorte de pellicule qui se revöt de poils, et qui les cache & une certaine epoque*®... Mit dem Scalpel hat er diese „pellieule“ wegpräparirt und gefunden °) „une surface arrondie divise& en cötes paralleles sur les deux faces anterieure et posterieure du limbe (Fig. 118, f). La surface &tant convexe, les cötes sont un peu plus courtes sur les cötes que vers le milieu“. Weiter macht er Bemerkung:t) „Chacune des cötes de la face externe röpond A la nervure mediane d’un lobe de la feuille“. Goebel sagt?) bei der Beschreibung der jungen Blätter von 1) le. pag. XCV. 2) 1. c. pag. 279. 3) le. par. 279, 4) 1. c. pag. 279. 5) l. e. pag. 221. 489 Chamaerops humilis, dass sie „auf beiden Seiten der Blattfläche eine Anzahl paralleler Längswülste“ zeigen; „die Längswülste der einen Blattfläche alterniren mit denen der andern. Dies ist die erste An- deutung der Längsfaltung des Blattes, die an etwas älteren Blättern (Fig. 44) im Querschnitt deutlich hervortritt“. Später wird das Blatt an der Spitze in so viel Segmente als Falten da sind, getheilt, wobei jede Unterkante dem Mediannerven der Segmente entspricht. Ueber den Trennungsprocess sagt er,!) dass: „ein Gewebestreifen der auf der Blattoberseite gelegenen Falten abstirbt*. Die Falten gehen wie bei Phoenix nicht bis zum Rande; dieser bleibt ungefaltet und stirbt bei der Entfaltung mit der Spitze des Blattes ab. Weiter zeigt Goebel die Anwesenheit der besonderen „Hülle“, welche die jungen Falten der Blattlamina sowohl von der Unter- als von der Oberseite bedeckt und mit derselben verwächst: „Diese Hülle, sagt Goebel?), des jungen Blattes besteht aus einer Schuppe, welche sich auf der Grenze zwischen Blattstiel und Blattfläche bildet und über die Vorderseite des jungen Blattes hinauswächst und aus zwei aus der Hinterfläche der Blattanlage sich entwickelnden Schuppen die an ihrer Basis zusammenhängen, sie lassen, wie der Querschnitt (Fig. 44) zeigt, die Mittellinie des Blattes frei. Die vordere dieser Schuppen ist die sogenannte „Ligula“, die ebenso wie die Hülle der hinteren Blattfläche später vertrocknet und abfällt.“ Der Trennungsprocess geht (wie bei Phoenix) vor sich durch Auseinanderweichen der lebendigen Zellen: „wahrscheinlich“, sagt Goebel?), „durch Spaltung der Zellhäute*. Die Ränder der Segmente sind „von einer Epidermis überzogen, die sich von der anderen Blattepidermis nicht unterscheidet. . . .*)* Eichler sagt, nachdem er die Anwesenheit der Ligula und der dorsalen Exerecenzen (Schuppen) gezeigt hat, dass die Anlage der Falten hier ganz ähnlich wie bei Phoenix vor sich geht, dass Jedoch die jungen Falten eng zwischen diese Ligula und den Schuppen ge- presst sind. Ueber den Trennungsprocess sagt er®): „... das ab- sterbende Gewebe der Oberkanten der Spreitenfalten nicht vertrock- nend erhalten bleibt, sondern sammt der Behaarung verschleimt und 1) 1. ce. pag. 221. 2)Le 3a) 1. 4) 1 pag. 222. . 222. . pag. 10. eeRno e= 5 % 490 bis auf geringe flockige Reste verschwindet“. Ueber den Zeitpunkt dieses Processes bemerkt er!): „Dies beginnt schon frühe, wenn das Blatt noch ganz cambial ist; die absterbenden Oberkanten haben demnach hier auch keine Gefässbündel (cf. Fig. 31—33)*. Ueber die Ränder der Segmente sagt Eichler?): „Das intakt bleibende Gewebe der Lamellen differenzirt nunmehr am Rande eine Epidermis, welche in die, ebenfalls jetzt erst sichtbar werdende Ober- haut der Seitenflächen continuirlich übergeht (Fig. 34, 85, auch Taf. III Fig. 48, 49 nebst der Erklärung).*“ Nachdem Naumann erwähnt hat, dass die Resultate seiner Untersuchungen im Allgemeinen mit denjenigen von Bichler überein- stimmen, sagt er?) über die Anlage und Entwickelung der Segmente: „Auch bei den Fächerpalmen gilt nach meinen Untersuchungen das- selbe, was ich bei den gefiederten an Phoenix gezeigt, dass die gefaltete Blattspreite, wie sie ein Querschnitt (Fig. 18) zeigt, durch eine mechanische Faltung nicht zu Stande kommt. Auch hier treten die Wülste auf, welche, verbunden mit nachheriger Spaltenbildung....* Meine Untersuchungen über die Anlage der Segmente der Chamaerops-Blätter stimmen mit denjenigen von Göbel und Eichler vollkommen überein. Auch hier haben wir, wie sowohl freipräparirte junge Blätter als Hand- und Mikrotomschnitte zeigen, bei der An- lage der Segmente mit Faltung zu thun und finden keine Spur einer Spaltung. Die Ligula und die manchmal ziemlich schwach ausgebildete dorsale Schuppe entwickeln sich ziemlich früh. Die Ligula geht in ihrer basalen Partie in den Blattrand über (Fig. 21 D,). Sie spielt eine wichtige Rolle in dem Leben der Knospe, und zwar weil sie in Folge ihres ziemlich starken Wachsthums die jungen gefalteten Blatt- lamina von oben bedeckt und also als ein Schutzorgan für diese jungen Blattspreiten fungirt. Später wird infolge des starken Flächen- wachsthums der Falten diese Ligula nach vorne gebogen und bildet mit der zu dieser Zeit entwickelten Blattscheide desselben Blattes einen fast geschlossenen Cylinder, worin sich das nächst jüngere Blatt befindet. Was die dorsale Excrescenz oder dorsale Schuppe betrifft, so entwickelt sich hier nur eine mit einem ziemlich tiefen, der Mittel- 1) l. ce. pag. 10. 2) 1. ce. pag. 10 und 11. 3) ce. pag. 22. 491 linie des Blattes entsprechenden Ausschnitte versehene Schuppe. Diese Schuppe hat manchmal noch seitliche Ausschnitte und variirt im Allgemeinen sehr stark, sowohl was Grösse als Form betrifft. Die einzige Abweichung von den Untersuchungen von Goebel und Eichler stellen meine Untersuchungen darin dar, dass in den oberen Partien des Blattes ich (wie sowohl freipräparirte Blätter als Mikrotom- schnitte zeigen) ein Gebilde gefunden habe, welches sehr an die Haut von Phoenix erinnert (Fig. 214, B,k). Dieses Gebilde ist Jedoch nicht so stark wie bei Phoenix entwickelt und befindet sieh “a > a7 Fig. 21. Chamaerops humilis. A. Querschnitt durch die obere Partie des jungen Blattes, A Haut. B Etwas tiefer geführter Querschnitt — mittlere apicale Falte ist nicht mehr von der Haut bedeckt. C Querschnitt durch die mittlere Partie der Blattlamina, /! Ligula. D Querschnitt durch die basale Partie der Blattlamina, die Ligula ? geht in den Blattrand über. E Querschnitt durch die Blattlaming eines älteren Blattes, £ Trennungsstelle. F Trennungsprocess durch Verschleimung der Zellen der Oberkanten. (Trennungsstelle # der Fig. E stärker vergrössert.) nur an der Spitze des Blattes und im Allgemeinen an den oberen Enden der Falten. Wie die freipräparirten Blätter und Mikrotom- serien zeigen, ist hier dieses Gebilde seiner Entstehung nach aus- schliesslich eine Wucherung des Blattrandes, in welche die oberen Enden der Falten hineinwachsen, wobei auch die nach oben offenen 492 Falten an ihren oberen Enden theilweise von oben überdeckt werden. Der Trennungsprocess geht durch Verschleimung (Fig 21 &, F) des Ge- webes der Oberkanten vor sich. Bei Pritchardia filifera Hort. und Livistona australis Mart. findet, wie schon aus den Untersuchungen von Eichler?!) hervorgeht, die Anlage der Segmente der Blätter genau in derselben Weise statt, wie bei Chamaerops humilis L. Eine solche Haut, wie ich bei Chamaerops humilis nachwies, kommt hier jedoch nicht zur Ausbildung und der Trennungsprocess geht durch Absterben der Oberkanten vor sich, wobei die hier verlaufenden Gefässbündel ebenfalls ab- sterben. Dass die Ränder der Segmente hier keine echte Epidermis haben, lässt sich sofort aus diesem später eintretenden Trennungs- process erklären. Rhapis flabelliformis Ait. Ueber die Entwickelungsgeschichte der Blätter von Rhapis flabelli- formis finden wir nur in der Arbeit von Naumann Andeutungen. Naumann sagt, indem er auf die Anwesenheit der Ligula und einer dorsalen Schuppe hinweist, dass die letzte nur bei den starken oder alten Exemplaren entwickelt ist. Was den Trennungsprocess betrifft, so unterscheidet er in dieser Beziehung zwischen Palmenblätter mit fächerförmiger und solche mit sternartiger Anordnung der Segmente und sagt, dass bei diesen zwei Typen der Blätter dieser Process verschieden vor sich geht. Bei Palmen mit fächerförmigen Blättern sterben meistens die Oberkanten und nur sehr selten die Unterkanten ab, bei Rhapis jedoch „liegt die Trennungs- stelle der einzelnen Segmente nicht an einer „Kante“, sondern mitten in einer Spreitenlamelle (Fig. 21 in £)*.?) Ueber den Trennungsprocess sagt er weiter?): „Die Trennung selbst erfolgt nicht durch Absterben von Gewebetheilen, sondern durch Trennung lebenden Gewebes, durch Auseinanderweichen der Zellen. Auf diesen Vorgang lässt sich mit Sicherheit schliessen, da an diesen Stellen weder eine Zellverminde- rung, noch eine Gewebebräunung eingetreten ist, zudem entsprechen in einem Querschnitte die Zellen zu beiden Seiten der Trennungs- linie fast genau einander.“ Nach meinen Untersuchungen haben wir auch hier bei der An- lage der Segmente mit Faltung der jungen Blattlamina infolge des 1) le. pag. 6—9. 2) l. c. pag. 24. 3) 1. c. pag. 24, A 493 Raummangels zu thun. Diese Anschauung bestätigen sowohl freipräpa- rirte Blätter als Mikrotomserien. Ueber die dorsalen Schuppen kann ich sagen, dass bei allen von mir untersuchten Exemplaren von Rhapis flabelliformis ich kein Exemplar ohne dieses Gebilde getroffen habe; einige Exemplare jedoch zeigen diese Schuppe nicht sehr deutlich. Die Ligula entwickeltsich auch hier, wie bei Chamaerops, ziemlich früh und hat ganz dieselbe biologische Bedeutung. Was die Stelle betrifft, wo der Trennungsprocess vor sich geht, so findet dieser, wie Naumann sagte, meistens in der Mitte der Spreitenlamellen statt (Fig. 22.A, 2) und geht durch Verschleimung, welche mit dem Verlust einiger verschleimten Zellen ver- bunden ist, vor sich (Fig. 22 B). Darum kann man hier nicht sagen, dass, wie Naumann be- hauptet „in einem Querschnitte die Zellen zu _ j beiden Seiten der Trennungslinie fast genau ein- ee Dee ander“ entsprechen. Infolge des frühzeitigen qurch das junge Blatt, Trennungsprocesses, wann das Blatt noch ganz : Trennungsstelle. B meristematisch ist, zeigen später die schon ganz Trennungsstelle ? von ausgebildeten Blätter an den Rändern der Seg- Fig. 4 stärker ver- . . . grössert, mente eine echte Epidermis. Schluss. Obwohl ich die Arbeit noch nicht als vollkommen abgeschlossen betrachte, erlaubt die Menge des untersuchten Materials doch, schon "jetzt einige allgemeine Schlüsse, theils neue Resultate, theils Be- stätigungen einiger schon von Prantl, Goebel und Eichler u.A. ausgesprochenen Ansichten, zu formuliren. Die Gefässbündel entwickeln sich entsprechend der Gestaltver- änderung des Blattes. Das erst angelegte Gefässbündel geht gerad- linig bis zur Spitze und die anderen Gefässbündel biegen infolge des mehr oder weniger starken Flächenwachsthums der Blattspreite in die beiden Hälften derselben, Haben wir eine ziemlich breite Anlage des Blattes und bei der weiteren Entwickelung der Blattlamina ein ziemlich gleichmässiges Längenwachsthum und geringeres Breitenwachsthum, so verlaufen die Gefässbündel parallel oder nur wenig divergirend; in der Nähe der Spitze, wo das Breitenwachsthum geringer wird, convergiren sie wiederum (Dactylis, Iris). 494 Findet in der Blattlamina zum Zeitpunkt des Eintritts der Gefäss- bündel ein starkes Flächenwachsthum statt, so biegen die Gefässbündel bei ihrem Eintritt sehr stark divergirend fächerförmig auseinander, um wieder zur Spitze zu convergiren (Eichhornia). Findet anfangs bei der Anlage der ersten Gefässbündel ein ziem- lieh starkes Längenwachsthum in medianer Richtung in der jungen Blattspreite statt, so verlaufen die ersten resp. älteren Gefässbündel in dieser Richtung in der Mittelrippe, aus welcher sie in beiden Hälften der Blattspreite biegen; je jünger die Gefässbündel sind und je später sie also zur Ausbildung kommen, desto weiter ist die Region des starken Flächenwachsthums in der Richtung zur Blattbasis fort- geschritten, desto eher biegen diese also aus der Mittelrippe heraus in die beiden Hälften der Blattlamina (Funkia, Aroideae). Meiner Meinung nach kann man die von mir untersuchten Aroideae zu der Gruppe mit streifiger und hierin zu der Untergruppe mit fieder- streifiger Anordnung der Gefässbündel bringen. De Bary!) charak- terisirt diese Untergruppe dadurch, dass hier „zahlreiche Bündel in die Mittelrippe eines flachen Blattes eintreten, um in dieser gegen die Spitze zu laufen. Eins nach dem andern tritt dann aus der Mittelrippe in eine Blatthälfte aus und gibt zahlreiche Zweige in diese ab, nur eins bis wenige erreichen die Blattspitze selbst. Alle in die Blatthälfte ausgetretenen Bündel und Zweige sind fiederartig geordnet und haben acroskop-bogenläufige Richtung*. Wenn die Blattlamina schon früh vor der Anlage der Gefäss- bündel infolge eines sehr starken und ungleichmässigen Flächen- wachsthums die Anlage der Segmente entwickelt, so werden später die Gefässbündel in der Riehtung des stärkeren Wachsthumes der Blattspreite angelegt und da dieses Wachsthum in diesen Segmenten vor sich geht, so verlaufen die Gefässbündel schon an der Basis der Blattlamina sehr stark divergirend in diese Segmente (Acer platanoi- des und andere Acer-Arten). Bei allen von mir untersuchten Pflanzen kann man also auch, wenn in ausgebildetem Zustande die ursprüngliche Anordnung durch nach- trägliche Ausbildung von Anastomosen und Verzweigungen sich ver- wischt hat, doch in jungen Stadien diesen einfachsten ursprünglichen Nervationstypus, wo alle Gefässbündel selbständig und unverzweigt sind, zurückfinden. Was die Vertheilung der Gefässbündel im Blattstiele betrifft, so 1) Vergl. Anat, pag. 313—314. FE N 495 treffen wir im Allgemeinen folgende Typen an. In der Blattscheide und in dem Blattgrunde sind die Gefässbündel in eine Reihe angeordnet. Diese Anordnung wird z.B. bei Dactylis, Iris, Funkia und Eryn- gium planum erhalten; bei den letzteren auch im Blattstiele. Bei den Aroideen biegen sich infolge der Verschmälerung der Blattscheide nach oben einerseits und infolge des starken Dicken- wachsthums anderseits die jüngsten Gefässbündel nach und nach zu der Oberseite des Blattstieles und setzen sich hier in dem lebhaft theilenden Gewebe fort. Bei Acer-Arten und Fraxinus sind die Ge- fässbündel im Blattgrunde in einem Halbkreis angeordnet, wobei diese Anordnung infolge der Verschmälerung des Blattstiels nach oben und des ziemlich starken Diekenwachsthums desselben auf der Oberseite sich einigermnaassen ändert und zwar schliesst sich dieser Halbkreis der Ge- fässbündel nach und nach beinahe, welcher Verschluss infolge der Ver- änderung der Richtung der jüngeren Gefässbündel, die in dem lebhaft theilenden Gewebe der Oberseite des Dlattstiels einbiegen, vor sich geht. Im Allgemeinen ist dieses einseitige Diekenwachsthum des Blatt- stiels und die mit ihm in Zusammenhang stehende Veränderung der Richtung der Gefässbündel im oberen Ende der Blattscheide und im Blattstiele eine ziemlich verbreitete Erscheinung. Bis jetzt habe ich die Umbelliferen mit stark entwickelter Blattscheide und stark zerschnittener Blattspreite noch nicht untersucht, aber aus der Arbeit von Reiehardt!) kann man, obwohl er nur ausgebildete Zustände der Blätter ins Auge gefasst hat, schliessen, dass auch hier diese Er- scheinung existirt. Nach Reichardt ist der Verlauf der Gefässbündel bei Silaus pratensis demjenigen der von mir untersuchten Aroideen sehr ähnlich. Er sagt?): „Die zum Blatte gehenden Gefässbündel stehen ursprüng- lich in einer Reihe (Fig. 124). $o wie aber die Scheide sich zu verschmälern und in den Blattstiel überzugehen anfängt, treten auch die Gefässbündel näher zusammen, und zwar werden anfänglich nur zwei oder drei der ursprünglich in einer Reihe stehenden Gefäss- bündel in eine zweite Reihe zurückgedrängt (Fig. 12B). Bei zu- nehmender Verschmälerung der Blattscheide werden jedoch bald wieder einige, und zwar schon mehrere Gefässbündel zurückgedrängt, so dass dieselben jetzt schon in drei Reihen stehen (Fig. 12C, D, E). Bald 1) Reichardt, H. W., Ueber das centrale Gefässbündelsystem einiger Um- belliferen. Sitzungsberichte der kaiserl. Akad. der Wissensch. Math.-naturwissen- schaftl. Classe. XXL. Bd. I. H. Wien, 1856. 2) 1. e. pag. 144, 496 wird weiter eine vierte Reihe von Gefässbündeln zurückgedrängt (Fig. 12F). Noch etwas höher ist die Blattscheide schon in einen halbrunden Blattstiel übergegangen (Fig. 126, H), an dem nur noch zwei häutige Flügel als Ueberbleibsel der Vagina sich befinden. Ent- sprechend dieser Formveränderung hat sich auch jener Theil der Gefässbündel, welcher in der Blattscheide die äusserste Reihe bil- dete, in einen nach der flachen Seite des Blattstieles hin offenen Halbkreis gestellt, der die übrigen, durch die Verschmälerung der Blattscheide zurückgedrängten Gefässbündel in sich schliesst. All- mählich verwandelt sich der halbrunde Blattstiel in einen stielrunden oder ovalen, an dem höchstens noch zwei etwas stärker hervorspringende Kanten an seine ursprüngliche Gestalt erinnern. Ebenso schliesst sich auch der früher nach einer Seite geöffnete Gefässbündel-Halbkreis ganz (Fig. 127), so dass es scheint, als ob ein peripherisches und centraies Gefässbündel-System im Blattstiele vorhanden wäre.“ Bei Seseli glaueum haben wir nach der Beschreibung von Reichardt ganz dieselbe Vertheilung der Gefässbündel in der Blatt- scheide und im Blattstiele, wie bei von mir untersuchten Acer-Arten und Fraxinus, Reichardt gibt nämlich für diese Pflanze folgende Beschreibung‘): „Es standen nämlich die Gefässbündel am Grunde der Blattscheide ebenfalls alle in einer Reihe (Fig. 184); sowie sich aber die Scheide in den Blattstiel zu verschmälern begann, wurden nicht mehr Gefässbündel zurückgedrängt, und dadurch zu centralen, sondern sie stellten sich allmählich in einen nach der flachen Seite des Blattstieles hin offenen Halbkreis (Fig. 18 B und C), der endlich, sowie der Blattstiel stielrund wurde, in einen vollständig geschlossenen Kreis überging (Fig. 18D). Durch den Rest des Blattstieles ver- laufen nun die Gefässbündel parallel, bis sie an jener Stelle, wo die Blattspreite beginnt unter einander anastomosirend, ein Knotengeflechte bilden, von dem aus die Gefässbündel für die einzelnen Theile der Blattspreite entspringen.“ Weiter am Ende dieser Abtheilung seiner Arbeit sagt Reichardt?): „Aus dem Gezeigten ergibt sich, dass für das Umbelliferen-Blatt folgender Gefässbündelverlauf charakteristisch ist: Die zu den Blättern gehenden Gefässbündel entspringen aus den peripherischen des Stammes; sie stehen ursprünglich in einer Reihe, sowie aber die Blattscheide in den Blattstiel übergeht, bilden die Gefässbündel, ohne sich zu verzweigen, ohne unter einander zu ana- stomosiren, bloss durch Veränderung ihrer wechselseitigen Stellungs- 1) Reichardt, pag. 146. 2) Reichardt, pag. 147—148. nn un 497 Verhältnisse, allmählich einen Halbkreis, der nach der flachen Seite des Blattstieles hin offen ist; wie endlich der Blattstiel rund wird, schliesst sich auch der nach einer Seite hin offene llalbkreis, so dass wir dann einen vollkommen geschlossenen Gefässbündelkreis finden. Bei Umbelliferen mit stark entwickelten, vielfach zerschnittenen Blättern wird bei dem allmählichen Uebergange der Gefässbündel- Stellung aus einer einfachen Reihe, zu einem vollständig geschlossenen Kreise eine Partie von Gefässbündeln zurückgedrängt, so dass man auf einem Querschnitte des Blattstieles peripherische und centrale zu unterscheiden im Stande ist.“ Die Segmente der fächerförmigen und die Fiederchen der fieder- förmigen Palmenblätter entwickeln sich als Falten der Blattlamina infolge des Raummangels in der Scheide des nächst älteren Blattes. Der Hauptunterschied zwischen fächer- und fiederförmigen Blättern besteht nur in der Entwickelung der Rhachis: zeigt in jungen Stadien des Blattes und später die Rhachis ein starkes Längenwachsthum, so haben die Falten entweder eine horizontale oder eine schiefe Richtung (Taf. XIX, Fig. 3) und werden später infolge des dauernden Längen- wachsthums der Rhachis von einander entfernt; bleibt die Rhachis schwach entwickelt, so werden die Falten eine verticale Richtung haben (Taf. XIX, Fig. 4) und werden später bei der Entfaltung des Blattes entweder fächerförmig oder sternartig angeordnet. Die Trennung der Segmente kann vor sich gehen, entweder durch Verschleimung der lebendigen meristematischen Zellen — sog. active Trennung —, oder durch Vertrocknen und Zerreissen der be- stimmten Partien des Blattgewebes — sog. passive Trennung. Der Trennungsprocess durch Verschleimung kann entweder auf den Oberkanten (Chamaerops humilis) oder auf den Unterkanten (Cocos Wedelliana, Calamus eiliaris) oder in der Mitte der Spreiten- lamellen (Rapis flabelliformis) vor sich gehen. Dieser Process tritt sehr frühzeitig, wann das Blatt noch ganz meristematisch ist, ein, und darum zeigen die Ränder der Segmente später eine echte Epidermis. Der Trennungsprocess durch Zerreissung kann entweder auf den Oberkanten (Phoenix-Arten) oderauf den Unterkanten (Archontophoenix, Kentia, Chamaedorea, Hyophorbe) vor sich gehen. Da dieser Process erst stattfindet, wann das Gewebe des Blattes ganz differenzirt ist, so zeigen später die Rissstellen keine echte Epidermis und ist an den Rändern der Segmente die Epidermis unterbrochen durch einige Reihen kleiner, brauner mit verdickten Membranen versehene Zellen. 498 Die Haut von Phoenix ist ein Produkt der Wucherung der un- differenzirten Oberkanten und des Blattrandes; das viel schwächer entwickelte analoge Gebilde bei Chamaerops humilis ist jedoch nur als Produkt einer Wucherung des Blattrandes aufzufassen. Die Ligula hat bei Chamaerops humilis und Rapis flabelliformis eine wichtige biologische Bedeutung als Schutzorgan für die nächst jüngeren Blätter. — Die grosse Variation in Form und Grösse der dorsalen Schuppe zeigt, dass diese in der Knospe keine wichtige Rolle erfüllt. Die von mir untersuchten Fiederpalmen haben keine Ligular- bildungen und bei Phoenix dient z. B. als Schutzorgan gegen Ver- troeknen für die nächst jüngeren Blätter der ungefaltete breite, mit starker Behaarung versehene Blattrand; bei Hyophorbe indica finden wir eine andere Anpassung und zwar wächst die Blattrhachis sehr stark in die Dieke und bildet mit der Blattscheide desselben Blaites einen fast geschlossenen Cylinder, worin sich das nächst jüngere Blatt befindet. Uebrigens hoffe ich sowohl über diese Frage wie im Allgemeinen über Ligular- und Stipularbildungen der Blätter später in einer anderen Arbeit ausführlicher zu sprechen. München, 20. August 1898. Figurenerklärung. Fig. 1. Junges Blatt von Richardia ethiopica, « Blattscheide, b Blattstiel, c Blatt- spreite, I erst angelegtes Mediangefässbündel, IL, III... jüngere Ge- fässbündel. » 2. Scheitelknospe von Bupleurum falcatum. «a Das ältere Blatt zeigt das erst angelegte mediane und einige Jüngere Gefässbündel, b nächst jüngeres Blatt zeigt nur noch die Anlage des Mediangefässbündels. » 3 Junges Blatt von Phoenix. Man erkennt den Zusammenhang zwisehen der Entwiekelung der Rhachis und der Richtung der Falten. „ 4. Junges Blatt von Chamaerops. ” 5. Junges Stadium eines Jugendblattes von Phoenix von der Oberseite be- trachtet, & Oberkanten. 6. Dasselbe Objeet von der Unterseite betrachtet, k, Unterkanten. » 7. Querschnitt durch dasselbe Object, k Oberkanten, k, Unterkanten. 8. Schema der Hautentwickelung von Phoenix. R Rhachis, BC Grenze zwischen dem ungefalteten Blattrand (rechts) und gefalteten Partie der Spreite (links). %k Oberkanten (dazwischen die Rinnen, welche sich in die Einstülpungen a verlängern. Die Pfeile deuten die Richtung an, worin das Wachsthum vor sich geht), @@ Gefässbündel. » 9 Schema der Hautentwickelung von Phoenix (älteres Stadium, schwächer vergrösserte als vorige Figur). BC gibt wieder die Grenze an zwischen dem von der Haut bedeckten und den nicht bedeckten Theil der Blatt- lamina. Der Blattrand ist etwas nach oben aufgekrümmt, % (rechts von BC) undifferenzirter Theil der Oberkanten (Haut), welcher in den Blattrand übergeht; A Oberkanten, «a, b untere Falten resp. Fiederchen, 41 Unterkanten, x nach oben offener Theil der Falten. »„ 10. Schematischer Querschnitt in der Richtung DC (Fig 9), R Rhachis a und 5b Falten; k! Unterkanten, h Haut, c Blattrand. „ 11. Junges Blatt von Chamaedorea. Litteratur. La Cicatrisation chez les Vegstaux. Extrait du tome LVIT des Memoires couronnds et autres Mdmoires publies par VAead. royal de Belgique. Von Jean Massart. Bruxelles 1898. 64 Seiten. 57 Textabbildungen. Der Titel dieser Arbeit verspricht eine von allgemeinen Gesichtspunkten ausgehende Behandlung der Vernarbungserscheinungen bei der Pflanze. That- sächlich finden wir jedoch nur eine grosse Zahl von Einzelbeobachtungen des Verfassers, zusammengekittet durch Spekulationen, welche meistens ungenügend begründet sind. Von einer Verarbeitung der einschlagenden Litteratur bemerkt man nur wenige Spuren. Was die Beobachtungen des Verfassers betrifft, so kann man bei den Thallophyten Regenerations- und Vernarbungserscheinungen nicht scharf trennen; so werden hier erst einige bei Verwundung eintretende Erscheinungen für Coeloblasten!) und Fadenalgen kurz erwähnt, um dann ausführlicher auf die Regenerations- und Vernarbungserscheinungen bei Phaeophyceen und Florideen einzugehen. Die Pilze werden nur ziemlich kurz behandelt. Nach den Beobachtungen vom Verfasser soll (eine Zeichnung findet sich leider nicht) man häufig beobachten können, dass die Basidienschicht bei Boletus edulis sich an der Oberfläche der durch Schneckenfrass im Hymenium entstandenen Löcher wieder regenerirt. Unter den Bryophyten und Pteridophyten kommt Vernarbung in ausgepräg- ter Form nur bei den Marattiaceen vor. Der wichtigste Theil der Arbeit behandelt die Vernarbungserscheinungen bei Phanerogamen. Verfasser kommt zu dem Resultat, dass diese Erscheinungen in- folge von zwei verschiedenen Reizen, welche von der verwundeten Oberfläche ausgehen, eintreten; ein „excitant meragogue“ und ein „exeitant phellagogue*. Diese Reize sollen, wenigstens ersterer, wahrscheinlich chemischer Natur sein. Ersterer bedingt die Zelltheilung (welche mit directer Kerntheilung zu verlaufen scheint) und die scharf ausgesprochene Orientirung der Tochterzellen. Das Licht soll eine sehr deutliche „action meragogue* ausüben.?) 1) Bei der Besprechung der Coeloblasten hätte man erwarten können, dass auch die ungegliederten Milchröhren erwähnt würden. Auch im weiteren Ver- lauf der Arbeit ist von diesen nirgends die Rede. Doch zeigen diese, wenigstens bei Euphorbia Caput Medusae sehr interessante Vernarbungserscheinungen, näm- lich das Auftreten von (offenbar aus der Stärke entstehenden) Calluspropfen in der Nähe der Wunde. 2) Verfasser schliesst dies aus den Untersuchungen von Douliot, welche zeigten, dass das Periderm auf der beleuchteten Seite eines Astes dieker ist wie auf der anderen; mit dem Unterschiede in der Beleuchtung geht jeıloch auch ein Unterschied in der Erwärmung und ein grüsseres Bedürfniss des 'Transpirations- schutzes zusammen, und es kommt mir wahrscheinlich vor, dass letzteres hier entscheidend iet. 500 Der zweite, welcher wahrscheinlich von der Verdunstung veranlasst wird, bedingt die Verkorkung der Zellmembran. Diese Reizwirkungen sollen sich im Aligemeinen geradlinig fortpflanzen, je- doch für Gefüssbündel ete. ausbiegen. Bisweilen soll die Reizwirkung sich an weit entfernten Stellen äussern, Wenn ein Internodium von Impatiens Sultani am oberen Ende durchschnitten wird, zeigen sich bei der Schnittstelle keine Vernarbungserscheinungen. Nach einigen Tagen trennt sich jedoch dieses ganze Internodium auf der Höhe des nach unten abschliessenden Knotens ab. An den Blättern kann man ähnliche Erscheinungen wahrnehmen. Hier liegt wahrscheinlich der längst bekannte Vorgang vor, dass unter ungünstigen Bedingungen die verschiedenartigsten Organe durch die Entwickelung einer Trennungsschicht abgeworfen werden können. Wenn man für den Specialfall, dass dieses Abwerfen infolge von Verletzung der oberen Theile eintritt, einen neuen Namen einführen will, und sprechen von einer „excitation m&ragogue“ und „reaction eicatrieielle*, welche sich erst infolge der „action a distance“ in einer bestimmten Entfernung äussert, so ist damit das Verständniss des stattfindenden Vorganges um keinen Schritt gefördert. Im Gegentheil erinnert diese Methode lebhaft an das Bekannte: „Denn eben wo Begriffe fehlen, Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein“. Wie Verfasser die Litteratur benützt hat, zeigt z.B. diese Stelle (Seite 29, 30): „U est logique de faire une cat&gorie sp&ciale, parmi les l&sions spontandes, pour celles qui accompagnent le developpement des feuilles des Palmiers et de certaines Aracdes. La d&coupure de la limbe est determinde — par un veritable traumatisme. Les surfaces mises & decouvert se revätent parfois d’un epiderme semblable & celui de la surface normale, par exemple chez le Livistona australis et chez le Chamaerops humilis d’apres M, Eichler.“ Erstens zeigen die hierbei eitirten Zeichnungen von Eichler auf den ersten Blick, dass zwar bei Chamaerops an der Trennungsstelle eine echte Epidermis, bei Livistona jedoch keine vorkommt. Zweitens ist meines Erachtens bei dem Trennungsprocess der Palmenblätter von „traumatisme“ keine Rede. Bei Chamaerops kommt bekanntlich die Trennung durch Verschleimung der zwischengelegenen Zellen zu Stande, bei Livistona durch das Absterben einzelner Partien, wobei nachträglich das lebendige Gewebe von dem schon abgestorbenen sich trennt. Einen Verwundungsprocess kann man dies nicht nennen. j Als Verwundungen, welche im normalen Leben der Pflanze eintreten, könnte man z.B. die infolge von Regen und Wind eintretende Zerschlitzung der Musa- Blätter namhaft machen. Was die 57 Textfiguren betrifft, hätte es der Arbeit nicht geschadet, wenn die Hälfte fortgelassen worden wäre. Z. Kamerling. Flora 1898. 85.Bd. Taf. XMuXVl. Wi4Meyn, LichInst, Bern: Flora 1898.83.Bd. Taf.xvm. Flora 1898.85Bd. Taf. XIX. N #ig.4. Zel WAMeyr, Irdulnst, Berlin 5 Autor del. 5 Verlag von Gustav Fischer in Jena. Soeben erschien: Goebel, Dr. K., Professor an der Universität München, Organographie der Pflanzen, insbesondere der Archegoniaten und Samenpflanzen. Zweiter Theil: Specielle Organographie. 1, Heft: Bryophyten. Mit 128 Abbildungen im Text. Preis: Mk. 3.80. Hörmann, Dr. Georg, Studien über die Protoplasmaströmung bei den Characeen. Mit 12 Abbildungen im Text. Preis: Mk. 2.—. Meyer, Dr. Arthur, o. Professor der Botanik und Pharmakognosie an der Universität Marburg, Erstes mikroskopisches Practicum. Eine Einführung in den Gebrauch des Mikroskopes und in die Anatomie der höheren Pflanzen. Zum Gebrauche in den botani- schenLaboratorienundzum Selbstunterrichte, Für Botaniker, Chemi- ker, Pharmaceuten, Studirende des höheren Lehramtes und Zoologen. Mit 29 Ab- bildungen. Preis brosch. Mk. 2.40, geb. Mk. 3.-. In unserem Verlage erschien: Julius Sachs. Von K. Goebel. ‘gr. 8.32 $S. Mit Bildnis. Mk. —.80 Physiologische Notizen Julius Sachs. Als Sonderdruck aus der Flora 1892—1896 herausgegeben von K. Goebel. Mit Bild von Julius Sachs. gr. 8. 187 9, Mk. 4.50. Marburg. N. G. Eiwert’sche Verlagsbuchhandlung. EEE / In unserem Verlage erschien: Pilan zenbiologischesch ilderungen Dr. K. Goebel. e I. Theil. e Mit 98 Holzschnitten und Tafel I-IX. Lex. 8°. IV und 239 S. Mk. 14.— e II. Theil. 1. Lieferung. e Mit 57 Holzschnitten und Tafel X—_XXV. IV und 160 8. Mk. 12.— e II. Theil. 2. Lieferung. e Mit 64 Textfiguren und Tafel XXVI-XXXIL S. 161-386. Mk. 12.— Anatomisch-physiologische Untersuchung der Kalksalze und Kieselsäure in der Pflanze. Ein Beitrag zur Kenntniss der Mineralstoffe im lebenden Pflanzenkörper. Von F. G. Kohl. Mit 8 lithographirten Tafeln. Lex. 8. VIH, 3148. Mk. 18.—. Die Mechanik der Reizkrümmungen. Von F. G. Kohl. Mit 19 Figuren i im Text und 6 Tafeln. Lex. 8°. VIu.948S. Mk. 4.50. Die Transpiration der Pflanzen und ihre Abhängigkeit von äusseren Bedingungen. Von Oscar Eberdt. Mit 2 lithographischen Tafeln und 2 Holzschnitten. gr. 8. VL, 978. Mk. d.— Marburg. N. G. Eliwert’sche Verlagsbuchhandlung,