7 FLORA ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. E FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. 87. BAND. — JAHRGANG 1900. HERAUSGEBER: Dr. K. GOEBEL Professor der Botanik in München, Mit XVII Tafeln und 167 Textfiguren. MARBURG. N. 6 ELWERT'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNSG. 1900. Inhaltsverzeichniss. Il. Abhandlungen. ANHEISSER, Roland, Ueber die aruncoide Blattspreite ARNOLDI, W., Beiträge zur Morphologie der Gymnospermen — — Beiträge zur Morphologie der Gymnospernen . — — Ueber die Ursachen der Knospenlage der Blätter . BILLINGS, F. H., Ueber Stärke corrodirende Pilze und ihre Beziehung zu Amylotrogus Roze BRENNER, Wilhelm, Untersuchungen an einigen Fettpflanzen BURNS,- George P., Beiträge zur Kenntniss der Stylidiaceen FAMILLER, Dr. J., Ueber die verschiedenen Blattformen von Campanula rotundifolia L GIESENHAGEN, K., Das neue . botanische Institut im Garten zu Peradeniya auf Ceylon KARSTEN, G., Die Auxosporenbildung der Gattungen Cocconeis, Surirella und Cymatopleura . . KÜSTER, Ernst, Beiträge zur Kenntnis. der Gallenanatomie OSTERHOUT, W. J. V., Befruchtung bei Batrachospermum RACIBORSKI, M., Ueber die Vorläuferspitze — — Morphogenetische Versuche — — Ueber myrmecophile Pflanzen RAUWENHOFF, N. W. P., Zur Abwehr RÖSSLER, Wilhelm, Beiträge zur Kleistogamie ROTHERT, W., Ueber Scelerotien in den Früchten von Melampyrum pratense TAMMES, Tine, Ueber die Verbreitung des Carotins im Pflanzenreiche WISSELINGH, C. van, Ueber Kerntheilung bei Spirosmme — — Ueber mehrkernige Spirogyrazellen H, Abbildungen. A. Tafeln. Tafel I bis III zu Arnoldi, Gymnospermen. Tafel IV zu Anheisser, Ueber die aruncoide Blattspreite. Tafel V zu Osterhout, Batrachospermum. Tafel VI zu Arnoldi, Gymnospermen. Tafel VII zu Tammes, Carotin. Tafel VII bis X zu Karsten, Coecconeis, Surirella und Cymatopleura. Tafel XI und XII zu Billings, Amylotrogus Roze. Tafel XIII und XIV zu Burns, Stylidiaceen. Tafel XV zu Wisselingh, Spirogyra. Tafel XVI und XVII zu Rössler, Beiträge zur Kleistogamie. IV B. Textfiguren. 8 Fig. zu Raciborski, Vorläuferspitze. 9 Fig. zu Raeiborski, Morphogenetische Versuche. 6 Fig. zu Raciborski, Myrmecophile Pflanzen. 3 Fig. zu Familler, Campanula rotundifolia L. 21 Fig. zu Küster, Gallenariatomie. 45 Fig. zu Burns, Stylidiaceen. 13 Fig. zu Wisselingh, Spirogyrazellen. 15 Fig. zu Brenner, Fettpflanzen. 46 Fig. zu Arnaldi, Knospenlage der Blätter. 1 Fig. zu Rössler, Kleistogamie ll. Litteratur. FISCHER, Dr. Alfred, Fixirung, Färbung und Bau des Protoplasmas 501 GESSMANN, G. W., Die Pflanze im Zauberglauben . . 249 GRADMANN, Dr. Robert, Das Pfianzenleben der schwäbischen Alb . . 116 HEMPEL, G., und WILHELM, K., Die Bäume und Sträucher des Waldes 249 HUSNOT, P., Gramindes. Descriptions, figures et usage des gramindes spontandes et cultivees de France, Belgique, les Britanique, Suisse . 249 JOHANNSEN, W., Das Actherverfahren beim Frühtreiben mit besonderer Berücksichtigung der Fliedertreiberei . . . . . B » 248 KLEBAHN, H,, Culturversuche mit Rostpilzen 307 MALINVAUD, "Classification des esp&ces et hybrides Au genre Mentha 250 MEDDELANDEN, frän Stockholms Högskolas botaniska institut . . .. 8308 SCHROETER, Prof. Dr. C,, Taschenflora des Alpenwanderers 808 STRASBURGER, E., NOLL, F., SCHENCK, H., und SCHIMPER, A. F. w, Lehrbuch der Botanik . 116 WARBURG, O., Monsunia. Beiträge zur - Kenntnis der Vegetation des süd- und ostasiatischen Monsungebietes . . . . . 248 WIESNER, Jul., Die Rohstoffe des Pflanzenreiches 500 WINKLER, Hans, Ueber die Furchung unbefruchteter Bier unter der Ein- wirkung von Extraktivstoffen aus dem Sperma 308 WOENIG, Fr., Die Pustenflora der grossen ungarischen Tiefebeue 249 IV. Eingegangene Litteratur, 8. 250, 310, 502. Heft I (8. 1—116) erschien am 8. Februar 1900, Heft II (8. 117—252) am 12. April 1900, Heft III (8. 253—312) am 30. Juni 1900, Heft IV (8. 313— — 504) am 5. Oktober 1900. FLORA ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. 87. BAND. — JAHRGANG 1900. HERAUSGEBER: Dr. K, GORBEL Professor der Botanik in München, Heft I mit 5 Tafeln und 26 Textfiguren. Erschienen am 8. Februar 1900. Inhalt: M. RACIBORSKI, Ueber die Vorläuferspitze . . . . . . . Seite 1— 25 M. RACIBORSKI, Morphogenetische Versuche . . . . . B . nr 25 37 M. RACIBORSKI, Ueber myrmecophile Pflanzen . . . . . . n..38— 4 W. ARNOLDI, Beiträge zur Morphologie der Gymnospermen . n.. 8-63 ROLAND ANHEISSER, Ueber die aruncoide Blattspreite . nn. Dr. J. FAMILLER, Die verschiedenen Blattformen von Campanula rotundifolia L. „ 95— 97 W. ROTHERT, Ueber Sclerotien in den Früchten von Melampyrum pratense 98108 W. J. V. OSTERHOUT, Befruchtung bei Batrachospermum . „ 109-115 LITTERATUR: E. Strasburger, F. Noll, H. Schenck und A. F. W. Schimper, Lehrbuch der Botanik. — Dr. Robert Gradmann, Das Pflanzenieben der schwäbischen Alb . . . . . . . . . . . . „116 MARBURG. N. G. ELWERT'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG. Bw ' 1900. j Bemerkung. Das Honorar beträgt 20 Mk. pro Druckbogen; für die Litteraturbesprechungen 30 Mk. Die Mitarbeiter erhalten 30 Sonderabdrücke kostenfrei. Wird eine grössere Anzahl gewünscht, so werden für Druck und Papier berechnet: Für 10 Exemplare pro Druckbogen Mk. 1.20; pro einfarb. einfache Tafel Mk. —.30 ” 20 ” » ” ” 2.50 „ ” n ” n —.60 ” 30 » ” s ” 3.80 5 » ” 7 ” #0 ” 40 » ” ” » 5.— 5 ” » n ” 1.20 „ % ” n » » 6.50 „ » » ” „ 150 ” 60 „ ” ” ” 8.— » » n n 2.— ” 0 ” n ” ” 9.20 „ » » L) »„ 2.50 ) 80 „ ” $,) » 10.50 n ” » ” » 3.— 7 90 ” n ” n 12.— r » n n ” 4.— ” 100 ? ” ” ” 15.— ,„ » ” ” rn 5.— Dissertationen, Abhandlungen systematischen Inhalts, sowie solche, von welchen über 100 Sonderabdrücke hergestellt werden, werden nicht honorirt; für solche, die umfangreicher als 4 Bogen sind, werden nur 4 Bogen honorirt; die Kosten für Abbildungen und Tafeln hat bei Dissertstionen der Verfasser zu tragen. Da bei diesen von der Verlagshandlung nur die Herstellungskosten berechnet werden, so muss dieselbe Baarzahlung nach Empfang zur Voraussetzung machen, Bei fremdsprachlichen Manuskripten hat der Verfasser die Kosten der Uebersetzung zu tragen. Die Zahlung der Honorare erfolgt nach Abschluss eines Bandes. Der Bezugspreis eines Bandes beträgt 20 Mark. Jedes Jahr erscheint ein Band im Umfang von mindestens 30 Druckbogen; nach Bedürfniss schliessen sich an die Jahrgänge Ergänzungsbände an, welche besonders berechnet werden. Manuskripte und Litteratur für die „Flora“ sind an den Herausgeber Herrn Prof. Dr. Goebel in München, Nymphenburgerstr. 50/ım zu senden, Korrekturen an die Druckerei von Valentin Höfling, München, Lämmerstrasse 1. Alle geschäftlichen Anfragen etc. sind zu richten an die unterzeichnete Verlags- handlung. N. G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung Marburg (Hessen-Nassau). Ueber die Vorläuferspitze. (Beiträge zur Biologie des Blattes.) Von M. Raciborski. (Mit 8 Figuren.) Das Vorauseilen der Stammentwickelung vor der Blattentfaltung ist den meisten Lianen eigenthümlich. Schon an den kleineren euro- päischen Schlingpflanzen merkbar, tritt diese Erscheinung an den grossen, holzigen, in den hohen Baumkronen sich verzweigenden Lianen der tropischen Wälder viel stärker hervor und fesselt, als eines der charakteristischen Merkmale der Tropenvegetation, die Auf- merksamkeit des Beobachters. Die vertical nach oben wachsenden Schösslinge der Schlingpflanzen sind je nach dem Alter und der Stärke der Pflanze verschieden stark entwickelt. Viele junge Pflanzen entbehren dieselben gänzlich, sogar eine so schnell wachsende Schlingpflanze wie die Convolvulacee Stictocardia cordiaefolia; von Combretum argenteum erwähnte die- selbe Erscheinung schon Ch. Darwin (Lebensweise der kletternden Pflanzen. Deutsche Ausgabe 1876 pag. 32). Erst nachdem die Pflanze genügend stark ist, reichliche Blätter trägt, an den Stützbäumen bis an die besonnte Oberfläche des Blattdaches kommt, treten aus zahl- reichen Achselknospen — sogar aus den schlafenden Augen der Stamm- basis — besonders starke, lange, schnell wachsende, kräftig nutirende Schösslinge hervor, an welchen das oben erwähnte Vorauseilen der Stammentwickelung vor der Blattentwickelung besonders scharf vor die Augen tritt. Haberlandt hat in seiner „Botanischen Tropenreise* eine recht bildliche Darstellung dieser Langtriebe, die, raketenartig aus dem Gebüsch und den Baumkronen hervorragend, wie riesige, schlanke Polypenarme in weitem Umkreis nach stützenden Aesten und Zweigen suchen (pag. 152), geliefert. Diese Geisseln, welche, im Gegensatz zu der gewöhnlichen Lebens- weise der Lianen, befähigt sind, eine gewisse Zeit ihrer Jugendstadien ohne eine Stütze vertical aufrecht zu wachsen, rotiren unaufhörlich mit ihrer Spitze, grosse Kreise beschreibend. Die Arbeit, welche sie dabei leisten, hängt von der Länge der rotirenden Spitze und von ihrer Schwere ab; die letztere ist aber in erster Linie ab- hängig von der Schwere der seitlichen Organe, der Blätter. Je leichter Flora 1900, 1 2 die Blätter sind, ein desto längerer Spross kann bei demselben Arbeits- aufwand rotiren, und desto grösser ist für die Pflanze die Wahrschein- lichkeit, eine neue Stütze zu erreichen. Die Anpassungen der Lianen, durch welche das Gewicht der seitliehen "Organe an den frei ragenden Langtrieben ad mi- nimum zurückgeführt wird, kann man in zwei Gruppen theilen: in physiologische und in morphologische. Betrachten wir eine beliebige Schling- pflanze aus der Familie der Menisperma- ceae, Malpighiaceae, Combretaceae etc., die an dem Waldrande wächst, dann können wir leicht bemerken, dass manche der langen, windenden Triebe keine Stütze erreicht haben, anfangs vertical nach oben wachsen, dann bogig zur Seite neigen, endlich nach unten wie die Aeste eines sog. Trauerbaumes überhängen. In den letzten Fällen ist die Biegungsfestigkeit des Zweiges durch sein Gewicht überschritten. Vergleichen wir nun die Blätter der Sprosse, die eine Stütze erreicht haben, mit den- jenigen der nach der Stütze suchenden, so bemerken wir Differenzen in der Schnel- ligkeit der Blattentfaltung, in der Grösse der Blätter, endlich in der Lebensdauer \ derselben, Die Differenz in der Grösse der Blätter Fig. 1. Banisteria aurea. Zwei vn IR die in an FRuER gebe windende Langtriebe; ein mit erung dafür die uadungen grossen Blättern vensehener ist der Zweigspitzen der Banisteria aurea an einer Stütze gewachsen, der (Fig. 1) und der Apocynacee sp. (Fig. 2), andere mit kleinen Blättern von denen je ein Zweig (Fig. 1Aund 2.4) dagegen stützenlos. (1/3.) um eine Stütze gewunden war, der an- dere (Fig. 1B und 2B) frei in der Luft nutirte. Die Differenz in der Grösse der Blätter in derselben Entfernung von der Vegetationsspitze ist auffallend gross; an den frei schwebenden Langtrieben bleiben die Blätter klein und wenig entwickelt, während ihre Entwiekelung an den windenden Trieben beschleunigt wird. 3 Die Retardirung des Laminarwachsthums der Blätter an den freien Langtrieben zeigen deutlich die Messungen. Ich gebe hier die Mes- sungen mehrerer frei wachsender und um eine Stütze sich windender Langsprosse der Apocynee Beaumontia grandiflora. Fig. 2. Apocynea non det. Zwei windende Langtriebe, mit und ohne Stütze gewachsen. In dieser Tabelle sind in Millimetern angegeben die Längen der aufeinander folgenden Blätter und zugleich die Länge der nach unten folgenden Internodien. Die Messungen fangen mit dem Blatt, welches etwa 15mm unterhalb der Vegetationsspitze steht, an. 1» 4 A. Blattlänge: 17, 30, 52, 74,114, 160, 175. Internodium:35, 105, 220, 240, 190, 200. B. Blattlänge: 14, 21, 43, 80, 92, 98,140. Internodium: 25, 114, 175, 140, 151, 148. C. Blattlänge: 10, 21, 32, 54, 105, 160. Internodium:21, 120, 190, 205, 192. D. Blattlänge: 8, 16, 30, 69,135. Internodium: 84, 168, 120, 145. FE. Blattlänge: 21, 38, 62, 94,135. Internodium: 60. 195, 230, 110. F. Blattlänge: 8, 11, 15, 16, 16, 28, 34, 44, 92, 130. Internodium: 18, 55, 125, 122, 134, 157, 185, 190, 160. G. Blattlänge: 12, 15, 16, 16, 15, 18, 24, 36, 46, 82, 95, 140. Internodium: 14, 80, 125, 180, 145, 180, 198, 206, 240, 2.5, 212. H. Blattlänge: 6, 15, 16, 34, 46, 72, 105, 140, 188. Internodium: 28, 110, 205, 173, 205, 208, 210, 234. Von den gemessenen Zweigen waren A, B, C, D, E um eine Stütze gewunden, F, G, H frei heraufwachsend. Aus diesen Ziffern sehen wir, dass an den gestützten Sprossen eine Länge von 50mm oder mehr schon das zweite oder dritte Blatt unterhalb des ersten über- haupt gemessenen erreicht; die Länge von 100mm wurde schon an dem dritten, vierten, in einem Falle (B) erst am sechsten Blatt ge- messen. An den frei wachsenden Langtrieben erreichen dagegen die Länge von 50mm erst das fünfte, achte oder neunte Blatt, die Länge von 100 mm erst das sechste, neunte oder elfte Blatt. Die Differenz zwischen den drei letzten und fünf ersten Sprossen demonstrirt die Grösse der Hemmung, welche das Blattwachsthum der stützenlosen Sprosse erleidet. Noch auf andere Weise zeigen die angegebenen Zahlen dieselbe Erscheinung. Ich gebe die Länge des Sprosses von der Ansatzstelle des ersten Blattes, welches die Länge von 50mm resp. von 100mm überschritten hat, in den folgenden zwei Zeilen. | 4 BB 0.DRE Fr ee MH Blatt von 50mm L.: 155, 329, 346, 328, 278, 735, 1333, 1001. » „ 100mm L.: 615, 640, 551, 478, 618, 943, 1780, 1131. Bei dieser Zusammenstellung der Ziffern ist die Differenz der frei wachsenden (F, G, H) und der um eine Stütze gewundenen Sprosse (A—E) noch deutlicher. Aehnliche Beispiele sind in dem Lianen- quartier des Buitenzorger Gartens bei den verschiedensten Pflanzen zu 5 finden, als Beweis des Einflusses des Anhaftens an eine Stütze auf die Schnelligkeit des Blattwachsthums. Eben so zahlreich sind die Arten der Lianen, bei welchen die Lebensdauer der Blätter oder der Blattanlagen von dem Erreichen der Stütze abhängig ist. Bleibt ein Spross längere Zeit ohne Stütze, dann sterben die noch nicht ganz entfalteten Blätter in der Nähe der Spitze ab und werden abgeworfen, einen ganz kahlen Stengel zu- rücklassend, der nuran der Spitze die Blattanlagen trägt, welche mit dem weiteren Wachsthum des Sprosses in acropetaler Reihenfolge absterben, ohne auswachsen zu können. Sehr viele Arten der Malpighiaceen, Celastrus alpestris Bl. (Fig. 3), Coeculus sp. plur., Pericampy- los, viele Apocynaceen, Combre- tum, Poivrea, Derris elliptica liefern solche weiterwachsende Langsprosse, an welchen junge Blätter regelmässig abgeworfen werden, falls keine Stütze er- reicht wird. Nach noch länger andauerndem Längenwachsthum ohne eine Stütze stirbt endlich auch der Vegetationspunkt des Fig. 8, Celastrus alpestris. Zwei Lang- Sprosses bei allen den erwähn- triebe, mit und Br Stütze gewachsen, ten Pflanzen ab, bei anderen, un z. B. Coceulus umbellatus, Tiliacora acuminata, Anamirta flavescens Migq. ete., stirbt die Vegetationsspitze zugleich mit den jüngsten Blatt- anlagen, ohne ein vorhergehendes Stadium des Abwerfens der api- ealen Blätter. Durch das Nichtauswachsen und das Abwerfen der Blätter an den nutirenden, stützenlosen Langtrieben wird ihr Gewicht natürlich 6 bedeutend vermindert, die Arbeit des Nutirens erleichtert. Bei Derris elliptica Bth. wiegt ein erwachsenes Blatt etwa 4g, doch an den 12m langen Flagellen finden wir nur an der Spitze junge Blatt- anlagen von höchstens 0,038 Gewicht, die sich zu einem normalen Blatt entwickeln können, wenn eine Stütze erreicht wird, sonst aber vertrocknen und abfallen. Bei Combretum sp. Salak können die Lang- triebe ohne eine Stütze die Länge von 8m erreichen, dann haben sie aber nur an der Basis einige Blätter von 2,4g Gewicht, weiter sind sie ganz blattlos, bis endlich 2—3dmun terhalb der Spitze entwickelungs- fähige Blätter noch vorhanden sind, deren Gewicht 0,0058 beträgt. Bei Celastrus alpestris Bl, wo die Langtriebe besonders dicht be- blättert sind, sehen wir an den Gipfeln frei wachsender Sprosse, 10 bis 15 klein bleibende Blätter, deren älteste 0,01g schwer sind, tiefer, an einer Länge von etwa 0,bm, sind alle Blätter abgefallen, während an der Basis der Schösslinge solche gut entwickelt sind und normales Gewicht der ausgewachsenen Assimilationsblätter von 0,5g haben. In den Fällen, wo zwar keine das Winden erlaubende Stütze erreicht wird, aber der Gipfel des herabhängenden Sprosses den Boden erreicht, wachsen die Blattanlagen ebenso zu der nor- malen Grösse aus, wie an den windenden Trieben. Von zwei ganz gleich entwickelten Langtrieben von Ryssopteris chrysantha Horsf., die längere Zeit ohne Stütze frei wuchsen, nur ganz kleine apicale Blatt- anlagen besassen, alle tieferen Blätter sonst abgeworfen haben, habe ich in Kagok einen an einem starken Bindfaden befestigt, den anderen frei gelassen. Während der befestigte Spross alle Blattanlagen zu normalen Blättern entwickelte, sehr rasch weiter wuchs und in zwölf Tagen einen 80cm starken Zuwachs zeigte, war in derselben Zeit der freigelassene Trieb an der Spitze todt und vertrocknet. Die Hemmung der Blattentwickelung ist an derselben Pflanze je nach deren Alter und der Stärke der Triebe verschieden. Sie ist auch verschieden gross bei verschiedenen Arten und es lassen sich schwer die verschiedenen Lianen nach dieser Eigenschaft gruppiren. Nach den Beobachtungen im Buitenzorger Garten zu urtheilen, ist dieselbe am schwächsten oder gar nicht bei den Wurzelkletterern, den Lianen und den Spreizklimmern vorhanden, stärker bei verschiedenen Typen der reizbaren Kletterpflanzen, am stärksten bei den Windepflanzen entwickelt. Wenn solche Beobachtung im allgemeinen auch zutreffend erscheint, so finden wir doch bei den Wurzelkletterern, wenn dieselben keine Stütze für ihre Haftwurzeln finden, eben die anschaulichsten Beispiele für die Differenzen in der Grösse der ausgewachsenen 7 Blätter an den befestigten und an den frei herabhängenden Aesten. So z. B. bei verschiedenen wurzelkletternden Aroideen. Pothos aurea Hort., eine grossblättrige Aroideae mit panachirten Blättern, wurde schon durch Went geschildert. Sie klettert mit ihren Haftwurzein bis an die höchsten Aeste der Canarienbäume. Findet ein kräftig wachsender Spross keine Stütze weiter, dann wächst er nur kurze Zeit bogenförnig, um bald unter dem Einflusse der eigenen Schwere vertical nach unten zu wachsen und nach dem Erreichen des Bodens sich zu bewurzeln. Die Biegungsfestigkeit dieser nach unten wach- senden Sprosse ist enorm klein, sie vermögen unter dem Einflusse der negativ geotropischen Spitze sich nicht aufzurichten, sondern nur mit der Spit;e wenig bogig sich zu krümmen, welche Krümmung bei dem weiteren Wachsthum ausgeglichen wird. Zwischen den aufrecht nach oben kletternden und den frei herabhängenden Sprossen ist in der Blatt- grösse und der Internodienlänge eine bedeutende Differenz. An den Klettersprossen sind die Blätter gross, häufig fiederlappig. Ich habe dabei folgendes gemessen: Blattstiele 42, 54, 62cm lang, Lamina 48, 52, 63em lang, 85, 42, 47cm breit, Gewicht der Blätter 135, 210, 257g. Die Blätter stehen an den dicken Trieben dicht neben- einander, z. B. an einem Klettertrieb in den Entfernungen 11,5 11, 10,5cm, an einem anderen 14, 15, 12em von einander entfernt. An den frei herabhängenden Trieben sind die Blätter bedeutend kleiner, weiter von einander entfernt. Gemessen wurde die Länge des Blatt- stiels 4,5, 4,5, 5, 5, 4; die Länge der Lamina 7,5, 7.5, 8,5, 7, 8; die Breite derselben 6,5, 8, 7,5, 6,5, 8cm, das Gewicht desselben Blattes 1,7, 2,2, 2,6, 1,8, 2,4g. Es wiegt also ein Blatt des kletternden Exem- plars so viel, als hundert ganz entwickelte Blätter der Hängetriebe. In der Länge der Internodien ist die Differenz nicht so gross. Eine Reihe aufeinanderfolgender Internodien hat die Länge 20, 20, 19, 18, 20, 19, 21, 19, 18, 18 etc, an einem anderen Exemplar sogar eine Länge von 29, 27%/2, 28!/2cm. Betrachten wir die langsam wachsenden Blätter der Langtriebe der Lianen in ihren frühen Stadien, wo das Blattprimordium in ein Oberblatt und Blattgrund schon differenzirt, die Lamina des Blattes aber noch winzig klein ist, obwohl das Blatt tief unterhalb der Vegetationsspitze infolge des schnellen Wachstums der jüngeren Internodien steht, dann bemerken wir an sehr vielen Arten — die Ausnahmen finden eine Erwähnung unten —, dass die Hemmung des Wachsthums nicht das ganze Blatt betrifft. Während die eigentliche Lamina erst viel später in die Breite und Länge wachsen wird, zur 8 Zeit aber noch in einem fast meristematischen Stadium verbleibt, ohne Differenzirung in verschiedenen Gewebearten, ohne secundäre und kleinere Nerven, ohne Spaltöffnungen und Intercellularräume, finden wir doch an denselben kleinen und jungen Blättern schon in un- mittelbarer Nähe der Vegetationsspitze ganz ausgebildete und functio- nirende Blatttheile mit vollendeter Gewebedifferenzirung assimilirend, athmend und Secrete aufsammelnd. Es sind entweder die Neben- blätter oder die Ranken, oder, und zwar am häufigsten, die Spitzen des Blattes, die der Lamina in der Entwickelung vorauseilen. Diese charakteristische Spitze des Blattes, die als besonderes Organ früh- zeitig ausgebildet wird, deren Function in die Zeit des langsamen Blattentfaltens fällt, die nach dem Blattentfalten manchmal ver- schrumpft und vertrocknet, und die eine bei den Lianen ungemein verbreitete morphologische Erscheinung ist, werde ich im Folgenden die „Vorläuferspitze* nennen. Die Vorläuferspitze der Lianenblätter ist manchmal der „Träufel- spitze® Stahl’s’) ähnlich gebaut, doch sind die beiden durch ihre Function und Entwickelungsgeschichte, vielfach auch durch die Richtung ganz verschieden. Die Träufelspitze ist ein äusserst verbreitetes Organ bei den Bäumen und Sträuchern der regenreichen Gegenden Javas. In den Schluchten der unteren Waldregion der javanischen Vulkane ist es manchmal schwierig, eine Pflanze zu finden, die keine deut- liche Träufelspitze, als wasserableitendes Organ der Blätter, trägt. Die Träufelspitze functionirt als solche erst, nachdem die Lamina aus- gewachsen und nach unten gerichtet ist. In ihrer Entwickelungs- geschichte (untersucht wurde Ficus religiosa, Dryobalanops Camphora, Elatostemma sp., Caryota sp.) schreitet sie zugleich mit der Entfaltung der Lamina. Bei keiner der Pflanzen, die Stahl als mit einer Träufel- spitze versehen erwähnt hat, habe ich eine Vorläuferspitze gesehen. Ohne die Kenntnis der Entwickelungsgeschichte kann jedoch die Unterscheidung beider Organe Schwierigkeiten bereiten. Es kommt bei einigen Pflanzen vor, dass die Vorläuferspitze nach der Blatt- entfaltung als ein wasserableitendes Organ functionirt, ebenso wie sie bei anderen wieder andere Funetionen, z. B. die der extranuptialen Nectarien, ausüben kann. Manche von den Pflanzen, welche J.R.Jungner (Botanisches Centralblatt XLVII p. 358) als eine wasserableitende Blattspitze besitzend eitirt, besitzen ohne Zweifel eine Vorläuferspitze, sogar alle Dioscoreaceen, die ich untersuchen konnte, also jene 1) E. Stahl, Regenfall und Blattgestalt. Annales du Jardin botenique de Buitenzorg. X1. ) Pflanzen, welche aus Anlass der wasserableitenden Function der Blatt- spitze zuerst erwähnt wurden (Jungner 1888, citirt nach Bot. Cen- tralblatt 1. e. p. 354). Die Vorläuferspitze stellt eine bald zugespitzte oder abgerundete, sogar abgestutzte und ausgerandete Spitze der Blätter von verschiedener Grösse dar, die sogar 3em Länge erreichen kann und in typischen Fällen durch eine seichte Einschnürung von der Anlage der Blattlamina ge- trennt ist. In der Regel ist sie durch ihre Farbe von der unent- wickelten Lamina verschieden, sowie auch durch den Mangel oder durch die Spärlichkeit der Behaarung zur Zeit, wo die junge Lamina noch ganz in die schützende Haardecke eingewickelt ist. In ihrem Bau und ihren Functionen entspricht sie ganz dem gewöhn- lichen Blatte, ihre Gewebe sind schon an den der Vegetationsspitze nächsten Blättern normal entwickelt und unabhängig von jenen oben be- sprochenen Einflüssen, welche die Entwickelung der Lamina hemmen oder sogar verhindern können. Sie vermittelt den Gasaustausch der Pflanze in den Stadien, wo die embryonalen Blätter es noch nicht zu thun vermögen, besitzt Chlorophyli, sehr viele Spaltöffnungen, sehr stark entwickeltes Netz der Gefässbündel mit gewöhnlich sehr kräf- tigen Endigungen derselben. Die meisten zeichnen sich durch ihren Reichthum an abgelagerten Exeretstoffen, Kalkoxalatkrystallen, Gerb- stoff- und Schleimzellen aus. Von der Malpighiacee Ryssopteris chrysantha Hassk. wurden Junge Blattanlagen mit entwickelter Vorläuferspitze nach der Engel- mann’schen Baeterienmethode auf Ausscheidung des Sauerstoffs an Licht untersucht. Die Bacterien sammeln sich in sehr grosser Menge an verschiedenen Stellen der Vorläuferspitze; keine längs der behaarten jungen Blattlamina. Dasselbe Resultat gab die Acanthacee Thunbergia grandiflora. Bei Beaumontia grandiflora, einer Apocynee mit gegenständigen Blättern, wurde an vielen Wirteln eine Vorläuferspitze abgeschnitten, die gegenüberstehende freigelassen. An den meisten, jedoch nicht an allen Exemplaren, war eine Retardirung des Wachsthums des Blattes mit beraubter Spitze zu bemerken. Da jedoch bei solchen Versuchen die Verwundung allein von einem schädlichen Einfluss sein könnte, wurden die Experimente mit dieser Pflanze nicht fort- gesetzt. Interessante Resultate gaben jedoch dieselben Versuche bei der Asclepiadacee Nr. 140 (Hort. Bog.), die gut differenzirte Vor- läuferspitzen besitzt. Zu den Versuchen waren benutzt frei in der Luft wachsende stützenlose Triebe, an welchen die Entwickelung der 10 Lamina langsam vor sich geht. Die Vorläuferspitze ist bei dieser Art deutlich durch eine verschmälerte Zone von einer rudimentären Laminaanlage getrennt, die letztere dabei durch ihre graue Farbe und starke Behaarung stark von der Vorläuferspitze verschieden. Wird die Vorläuferspitze dicht an der Grenze der Lamina abgeschnitten, dann regenerirt sich dieselbe im Verlaufe von 4-5 Tagen aufs Neue. Aus den meristematischen Zeilen der Laminaspitze entwickelt sich ein Theil vollständig und bildet eine neue, bis 4mm breite, bis 5mm lange, grüne, natürlich (durch die Schnittfläche) abgestutzte Vorläufer- spitze, welche wieder durch eine leichte Einschnürung von der unent- wickelten Lamina getrennt ist. Die Ab- bildung Fig. 4 zeigt ein Blattwirtel der Versuchspfanze 8 Tage nach dem Ab- schneiden der Vorläuferspitze. In diesem Falle liegt vor uns ein echter Fall der Regeneration, wie solcher sonst selten im Pflanzenleben vorkommt. Die ausgewachsenen Blätter dieser Asclepiadee sind langgestielt, breit, ei- formig, mit herzförmiger Basis und kurzer Fig. 4. Asclepiadea non de- Spitze. Der starke Hauptnerv sendet nach term. Die Regeneration der beiden Seiten fiederig mächtige Seiten- Vorläuferspitze. nerven. Zwischen den secundären sind die tertiären in transversalen Bogen ausgebildet; in den so ent- standenen Maschen finden wir noch die feineren Nerven höherer Ord- nungen. Die Enden der grossen Seitennerven biegen bogenförmig nach oben, und so entstehen starke Randnerven, welche die Festig- keit des Blattrandes erhöhen. Das Blatt entwickelt sich zunächst als ein spitzer conischer Höcker mit breiter Basis, Bei der weiteren Entwickelung wächst das Blatt zunächst in die Länge, wobei der centrale Hauptnerv gebildet wird. Fast °/s der Länge einer 2—3mm langen Anlage werden zur Bildung der Vorläuferspitze verbraucht, der kleine basale Theil wird später Lamina und Blattstiel liefern. In der Vorläuferspitze bilden sich gleich senkrecht zum Hauptnerv gerichtete Seitennerven; diese anastomosiren mit einander durch randständige Bogen und bilden so Areolen, in welchen schnell die feinsten Gefässbündelverzweigungen angelegt werden, mit zahlreichen blind endigenden Aesten. Die Vorläuferspitze ist schon ganz ausgebildet und in der kleinen Laminaranlage schen wir noch keine secundären Gefässbündel. Erst 11 i ä itze, Fig, 5. Asclepiedeae Nr. 140 Hort. bog. Die Entwickelung der Vorläuferspi 12 später erscheinen diese als parallele, nach oben gerichtete Aeste, die bei der weiteren Blattentwickelung immer reicher sich entwickeln. Die Abbildung Fig. 5 zeigt ein fertiges Blatt dieser Art und die auf- einander folgenden Stadien der Blattentwickelung. Der verlangsamte Gang der Entwickelung der Blattlamina der Langtriebe der Lianen und die beschleunigte Entwickelung der Vor- läuferspitze derselben lässt sich am deutlichsten an den Messungen der aufeinanderfolgenden Blätter erkennen. Ich gebe hier einige Beispiele aus verschiedenen Lianenfamilien. Ichnocarpus bantamensis Miqg. (Apocyneae) bildet bis 2m lange Triebe, die nur an der Basis ganz ausgewachsene Blätter besitzen, immer kleinere gegen die Spitze, in gekreuzten, zwei- gliedrigen Wirteln. Während ein ausgewachsenes Blatt 0,82g schwer ist, wiegt ein 85em unterhalb der Spitze stehendes Blatt nur 0,0034g, woran die grün-rotke Vorläuferspitze 0,002g schwer ist. In Folgendem gebe ich in der Zeile J die Länge der auf einander folgenden Internodien, in der Zeile 8 die Länge des Blattstiels, in der dritten Zeile L die Länge der Lamina, in der vierten B die Breite desselben, in der sechsten VL die Länge, in der siebenten VB die Breite der Vorläuferspitze, alles in Millimetern an: J 6, 14, 35, 95, 110, 120, 115, 135, 130, 135, 135, 155, 165, 170. S 05,15, 2%, 5 L 1, 1, 1,12,2,5, 2,5, 2,5, 2,5, 2,3, 32, 4, 5, 5, 10, 46. B 0,5, 0,6, 0,6, 0,6, 0,8, 0,8, 0,8, 1, 1, 1,5, 1,8, 2,5, 2,5, 4, 26. VL 1,5, 2,21, 35, 4,45, 5, 5, 6, 6, T, T, T, T. vB 0,7 0,8, I, l, 1,5, 2, 2, 2, 2,5, 2,5, 3,3, 3,3, 3,5, 3,5. Ryssopteris chrysantha Hassk. (Malpighiaceae). Fin aus- gewachsenes Blatt ist 2,15g schwer, während die jungen Blattanlagen (BA) mit ihren Vorläuferspitzen (V) in basifugaler Richtung folgende Wägungen gaben: BA. 0,0012, 0,0036, 0,0074, 0,016, 0,038, 0,11, 0,37 V. 0,0005, 0,0014, 0,0014, 0,0018, 0,002, 0,0028, 0,0032 In den folgenden Blättern ist die Differenz zwischen der Blattlamina und der Vorläuferspitze verwischt. Die Differenzen in dem Längen- wachsthum der Blätter zeigen folgende Zahlen: J 2, 10, 45, 140, 170, 170, 200, 220, 250 8 05, 2, 3, 10, 15, 30, 46, 60, 76 L 3 4 6, 7, 17, 32, 90, 120, 150, 170 L2 344698868 7 wobei die den Zeilen voranstehenden Buchstaben J, 8, L, VL die- 13 selbe Bedeutung haben wie oben, also die Länge der Internodien, Blattstiele, Blattlamina und der Vorläuferspitze angeben. Phytocrene macrophylia Bi. (Olaeineae) bildet bis 5m lange frei nutirende Langtriebe mit jungen Blättern, welche dicht neben einander stehen. Ich gebe die Messungen einiger Blätter, deren Entfernung von der Vegetationsspitze des Langtriebes in der ersten Zeile angegeben ist, während die drei folgenden (8, L, VL), die Länge der entsprechenden Blattstiele, Lamina und Vorläuferspitze angeben: 1,4, 10, 15, 30, 50, 80, 100, 120, 150, 200, 250, 350, 500, 550 S 2, 3,5, 5, 7, 8, 13, 20, 82, 50, 80, 60, 60,250 L 2,3,5, 6, 7, 7, 8,10, 20, 25, 30, 45, 65, 110, 205, 340 B 55,6 7,7,7,7,7,%6667,67T, 6, — An den entwickelten Blättern fehlt meistens die Vorläuferspitze, die früher schon vertrocknet und abfällt. Dioscorea bulbifera L. (Dioscoreaceae) hat grosse, ausge- wachsene Blätter vom Gewicht 1—4g und sehr lange Schösslinge, an welchen die Blätter nur langsam im Falle des Erreichens einer Stütze sich entwiekeln. Die Vorläuferspitzen sind dagegen schon an den apicalen Blättern ganz entwickelt. Die Wägungen mehrerer nach- einander folgenden Blätter in basipetaler Richtung ergaben folgende Zahlen für das Gewicht der Lamina ( und der Vorläuferspitze (V) in Gramm angeben: L 0,0016, 0,0048, 0,0094, 0,0602, 0,13, 0,38, 0,49, 0,65 v 0,0008, 0,0014, 0,0014, 0,0012, 0,0026, 0,002, 0,002, 0,018 Alle bis jetzt besprochenen Pflanzen haben eine Vorläuferspitze an den einfachen Blättern, man findet dieselbe auch an Pflanzen mit gefiederten oder fingerig getheilten Blättern, so z. B. bei manchen Dioscoraceen, Tecoma- und Bignoniaarten. Helmia, eine Unter- gattung der Dioscorea, hat drei oder fünf Blättchen an den fingerig getheilten Blättern. Helmia triphylia L. bildet lange Schösslinge, an welchen ganz erwachsene Blätter erst etwa 3m unterhalb der Spitze sich finden, höher sind nur immer kleinere zu sehen. Schon die kleinsten Blattanlagen, die die Vegetationsspitze umhüllen, haben eine wohlentwiekelte Vorläuferspitze an den mittleren Blättchen des Blattes. In solchen Stadien *sind die Vorläuferspitzen der beiden seitlichen Blättehen noch nicht ausgebildet. In späteren Stadien entwickeln sich auch diese, während die Laminartheile des Blattes noch klein und unentwickelt sind. (Fig. 6.) Eines von den unmittelbar am Gipfel sitzenden Blättern mit noch 14 unentwickeltem Stiel, aber grüner Vorläuferspitze, ergab folgende Messungen. Die Lamina Imm lang, die Vorläuferspitze des mittleren Blättchens 5mm, die der seitlichen Blättchen 2mm lang. An dem fünften Blatt tiefer, 8mm unterhalb der Vegetationsspitze, ist der Blattstiel noch unentwickelt. Lamina 2, Vorläuferspitze 10mm lang; am fünften Blatt tiefer, 14cm unterhalb der Vegetationspitze, ist der Blattstiel 3, Lamina 2, Vorläuferspitze 16mm lang; am vierten Blatt tiefer, 55cm unterhalb der Sprossspitze ist der Blattstiel 13, Lamina 7, Fig. 6. Helmia triphylla. Die Entwickelung der Blätter mit langen Vorläuferspitzen (1/3). Vorläuferspitze 20mm lang; am dritten Blatt tiefer, Im unterhalb der Spitze ist der Blattstiel 35, Lamina 15, Vorläuferspitze 25mm lang; am dritten folgenden Blatt, 1,5m unterhalb der Spitze, ist der Blattstiel 42, Lamina 28, Vorläuferspitze 27 mm lang; am achten Blatt tiefer, 2,8m unterhalb der Spitze ist der Blattstiel 80, Lamina 140 Vorläuferspitze 26mm lang, an den folgenden sind die Vorläuferspitzen schon vertrocknet, während die Lamina erst recht ausgebildet wird. 15 Die Vorläuferspitze dieser Helmia ist schmal lanzettlich, beiderseits verschmälert, mit bis 2mm breiter Basis an der Spitze der Lamina sitzend, in der Mitte bis 4mm breit, 22—830mm lang. Die der seit- lichen Blättehen sind schmäler und kürzer. Die Entwickelung des Blattes ist aus den angegebenen Zahlen und der beigefügten Ab- bildung ersichtlich, die Vorläuferspitzen sind durch ihre grüne Farbe von den dunkelbraunen, in Haare eingewickelten jungen Lamina- anlagen leicht zu unterscheiden. Die Vorläuferspitzen habe ich im Buitenzorger Garten an Lianen mehrerer Familien sehen können und zwar an Dioscoreaceen, Liliaceen (Smilax), Magnoliaceen (Kadsura), Menispermaceen (Coceulus etec.), Capparideen (Capparis), Olacaceen (Jodes, Phytocrene), Zanthoxyleen, Sapindaceen (Paulinia), Vitaceen (Vitis), Malpighiaceen, Euphorbiaceen (Cnesmone), Combretaceen (Combretum, Poivrea), Oleaceen (Jas- minum), Apocyneen, Asclepiadeen, Convolvulaceen, Bignoniaceen, Acan- thaceen (Thunbergia), Verbenaceen (Sphenodesma, Clerodendron), Rubiaceen (Paederia); im Freien begegnen wir denselben bei jedem Ausfluge, besonders reichlich in der trockenen Ebene und dem Hügel- lande Javas. Nicht immer sind sie so gross, wie an den oben be- schriebenen Beispielen; bei einigen Hoyaarten sah ich dieselben erst bei mikroskopischer Betrachtung der Längsschnitte; nicht immer sind sie auch durch eine Einschnürung von der Blattlamina getrennt, am häufig- sten gehen sie allmählich in Blattlamina über. Bei vielen Arten sind die- selben scharf begrenzt, bei anderen werden bei dem langsamen basi- petalen Wachsthum der Lamina immer neue Theile an dieselben an- gegliedert, und endlich lässt sich keine Grenze zwischen beiden Organen sehen. Solche Fälle (Paederia, Celastrus, Tecoma) zeigen zugleich, wie leicht aus einem normalen, basipetal sich entwickelnden Blatt durch eine andauernde Unterbrechung der Entwickelung eine Vorläuferspitze zu Stande kommen kann. In einigen Fällen dient die Vorläuferspitze noch speciellen Zwecken. Bei den meisten Smilaxarten, welche die Blattranken be- sitzen, besitzt die Vorläuferspitze an der Unterseite ein oder zwei intensiv roth gefärbte, extranuptiale Nectarien, welche Dr. Burek (Annales du Jardin botanique de Buitenzorg) beschrieben hat. Aehn- liche Nectarien bildet die Vorläuferspitze bei Capparis tylophylla und Zanthoxylum glandulosum T. B., die bei den Smilax- und Capparis- arten sehr wirksame Anlockungsmittel der Ameisen darstellen. Bei den Dioseoreaarten befinden sich an den Vorläuferspitzen immer die sonderbaren, eingesenkten und gelappten Drüsen (?), die durch Correns 16 ausführlich beschrieben sind, deren Function mir jedoch ganz unbe- kannt ist. Alle bis jetzt besprochenen Pflanzen mit einer Vorläuferspitze sind Lianen und zwar die meisten davon Windepflanzen. Bei den Fig. 7. Dysoxylon ramiflorum. Die Entwickelung der Blätter. wenigen Rankenkletterern, die dabei aufgezählt waren (Vitis, Paullinia) ist die Vorläuferspitze schwach entwickelt, oder hat auch andere Func- tionen, wie bei Smilax. Ich werde unten zu zeigen versuchen. dass I 17 auch die Kletterlianen analogfunctionirende Organe wie die Vorläufer- spitze besitzen; hier möchte ich noch diejenigen Fälle von den nicht- lianenartigen Pflanzen aufzählen, wo eine Vorläuferspitze vorhanden ist. Obwohl die Vorläuferspitze bei den Windepflanzen ihre grösste Entwickelung erreicht hat, finden wir doch dieselbe auch bei ver- schiedenen Bäumen, vielleicht sogar bei Wasserpflanzen. In der Familie der Meliaceen finden wir viele Bäume mit sehr langen, unpaarig gefiederten Blättern. Manche derselben, wie die amerikanischen Guarea oder javanischen Chisochetonarten, besitzen Blätter, die nur sehr langsam, basifugal sich entwickeln. Die Spitze des Blattes verbleibt lange Zeit in einem Jugendstadium, produeirt von Zeit zu Zeit einige Blattfiedern nach unten, diese erwachsen. functioniren, fallen endlich ab, während die Spitze des Blattes noch neue Blättehen produeirt. Wir haben hier sonach dieselben Ver- hältnisse, wie solche bei vielen Farnen, besonders schön bei Lygo- dium, Gleichenia und manchen Hymenophyllaceen vorhanden sind Andere Meliaceen, z. B. alle untersuchten Dysoxylumarten, be- sitzen auch unpaarig gefiederte, sehr lange Blätter, an welchen die Blättchen basifugal sich entwickeln, wo jedoch schon an den sehr jungen Blättehenanlagen eine functionierende, grüne Spitze entwickelt ist. Ich gebe hier einige Abbildungen der jungen Blätter des Dyso- xylum ramiflorum (Fig. 7), eines Baumes mit bis 80cm langen Blättern. Diese werden an der Vegetationsspitze spiralig als dicke conische und spitze Höcker angelegt. Erst wenn dieselben eine Länge von fast einem Millimeter erreichen, treten neben beiden Flanken derselben, an der Innenseite, die kleinen Höcker auf, die Primordien der Blättchen in basifugaler Richtung, und wachsen langsam in acropetaler Richtung. Die einzelnen Blättehen sind in erwachsenem Zustand eiförmig und ohne ausgezogene Spitze. An ihren Anlagen entwickelt sich zunächst die Spitze und zwar als eine, denjenigen der Windepflanzen ganz ähnliche Vorläuferspitze, welche grün ist, gegen die Spitze abgerundet und gegen die Basis ver- schmälert. Während die Vorläuferspitze schon funetionirt, ist der tiefer liegende Theil der Blattfläche noch unentwickelt, ganz klein, ihre beiden Hälften sind nach oben gekehrt, bedecken sich mit den Oberflächen, sind ganz roth gefärbt. Erst langsam entwickeln sich dieselben in basipetaler Richtung weiter, und dann fliesst die Vor- läuferspitze und Lamina fast ganz zusammen. Doch an erwach- senen Blättern ist die erste erkennbar an den sonderbaren „durch- sichtigen Punkten“, die in der Nähe des Randes zu 2—4 jederseits Flora 1900, 2 18 stehen. Es sind das runde Gebilde, von 1—2 Reihen tangential ge- streckter Zellen begrenzt, die an der Blattunterseite stehen, von kleinen isodiametrischen Zellen bedeckt sind, die keine Haare und Spaltöffnungen haben, mit dünner Cutieula und unter der Epidermis 2--3 Schichten kleiner, dünnwandiger, fast isodiametrischer Zellen besitzen. Eine Wasserausscheidung konnte ich nicht constatiren, ebensowenig Zuckerausscheidung mit der Fehling’schen Lösung. An ihrer Grenze befinden sich besonders viele Kalkoxalatzellen. Achnliche Vorläuferspitzen bildet auch die Sapindaceengattung Pometia; sonst konnte ich bei den so verschiedenen Bäumen, die ich untersucht habe, keine grossen und grünen Vorläuferspitzen an den Enden der Blättchen oder ungetheilten Blätter finden. Dagegen sind dieselben an den Enden der paarig gefiederten Blätter fast immer vorhanden. Da wo dieselben an solchen Blättern fehlen, sind sie als eine Ranke (viele Papilionaceen), sogar als Belt- sche Körperchen (Acacia sphaerocephala) entwickelt, oder — schon im Momente der Untersuchung abgefallen. Ich habe dieselben an allen untersuchten Pflanzen gefunden und es ist mir noch kein paarig gefiedertes Blatt ohne dieselben vorgekommen. Aehnliche Resultate haben früher Krüger, Baillon und Goebel bekommen. Es sind gewöhnlich kleine Blättehen, manchmal fast schuppenartig, die, bevor das gefiederte Blatt entwickelt und functionsfähig ist, ausgewachsen sind und grün, um in dem Momente des Auswachsens des Blattes schon abzufallen. Eine Gruppe der tropischen Caesalpiniaceen bildet ganze Zweige mit mehreren Blättern, bis zu einem weiten Stadium der Entwickelung in der schützenden Decke verholzter Niederblätter. Es sind das die Gattungen Cynometra, Saraca, Brownea u. s. w., deren Hängezweige durch ihren Farbenwechsel eine Zierde der sie producirenden Bäume sind. Ihre Blätter sind stets paarig gefiedert und so lange sie in der Knospe bleiben, laufen sie an der Spitze in einen mehr oder weniger langen, cylindrischen Fortsatz aus, welcher bei Cynometra eine Länge von 6cm erreicht. Ein junges Blatt der Cynometra, aus der Knospe herausgenommen und ausgebreiten, zeigt die Fig. 8. Untersuchen wir solche junge und ganz weisse Blätter mikro- skopisch, so bemerken wir, dass die Blättchen anatomisch noch nicht ausgebildet sind. Dagegen in den grossen Nebenblättern und in der langen Blattspitze sind alle Gewebearten ausgebildet, Spaltöffnungen offen, Zellen von definitiver Grösse. An der schmalen und langen Blattspitze stehen zerstreut kurze Haare, an der Dorsalseite derselben 19 ist eine seichte Rinne beiderseits von grossen, vielzelligen Drüsen begrenzt. Nachdem die Blätter ausgewachsen sind, sterben sehr bald ebenso die Nebenblätter, wie die langen Blattspitzen ab. Die Riesenblätter der Musaarten sind in der Jugend convolutiv und fest von den älteren umgeben. Bei dem Oeffnen einer Spross- spitze und nach dem Befreien der jungen Blätter bemerken wir an der Spitze jedes Blattes einen eylindrischen, 3—10 cm: langen weissen Fortsatz von 1—2mm Durchmesser. Kommt die Blattspitze bei dem Wachsthum nach aussen, dann bemerken wir zuerst diese lange Vor- läuferspitze, die sich gewöhnlich jetzt spiralig krämmt und bald ab- Fig. 8. Ein aus der Knospe herausgenommenes und ausgebreitetes Blatt der Cynometra sp. mit langer Vorläuferspitze. stirbt. Es ist das die von H. v. Mohl sogenannte „Ranke“ der Musaarten. Aehnliche Gebilde besitzen die verwandten Ravenala- und Heliconiaarten, viel kleinere, manche grossblättrige Aroideen, wie Anthurium und Colocasiaarten. Zum Ranken sind diese Gebilde ganz unfähig, es fehlt ihnen an der Reizbarkeit und an mechanischen Elementen im Innern; ihre Function ist ebenso wie diejenige der ganz ähnlichen und ebenso weissen Blattspitzen an den Hängezweigen der Caesalpiniaceen mit der vollendeten Blattentwickelung abge- schlossen, dagegen an den noch ganz jungen, unentwickelten Blättern 2% 20 von Musa ohne offene Spaltöffnungen und Intercellularräume bis zur definitiven Grösse entwickelt, ihre Spaltöffnungen sind offen, die Lufträume in dem Gewebe besonders gross, die Anzahl der Secretzellen in der Epidermis bedeutend, die -Epidermiszellen convex gewölbt, die Spaltöffnungen zahlreich und offen, das Wassergewebe besonders stark entwickelt in der Gestalt der grosslumigen, dünn- wandigen, aber verholzten Tracheiden, deren Wände zahlreiche, doch niedrige spiralige Wandleisten besitzen. Dieses verholzte und doch dünnwandige Wassergewebe nimmt etwa 'js der Querschnittsfläche der Blattspitze ein, während die Siebgruppen hier nur sehr klein sind. Ich konnte ebensowenig bei Musa, wie bei Cynometra die Func- tion der Blattspitzen sicher erkennen; aus dem anatomischen Bau könnte man vermuthen, dass dieselbe im Gasaustausch des jungen Blattes und vielleicht im Entfernen des überflüssigen Wassers besteht, was natürlich nur experimentell erforscht werden kann. Anhangsweise möchte ich noch auf das Verhalten einiger Wasser- pflanzen hinweisen, deren Blattspitze nur in den jungen Stadien vor- handen ist, dann abgeworfen wird. C. Sauvageau') hat solches Ab- werfen der Blattspitze bei Zostera, Phyllospadix, Halodule und Potamogeton beobachtet. Sauvageau meint, dass dadurch eine Oeff- nung des Blattes (ouverture apicale) entsteht, durch welche Flüssig- keitsaustausch zwischen der Pflanze und der Umgebung befördert wird. Nun fehlt noch ein Beweis, dass durch das Abwerfen der Blattspitze bei jenen Wasserpflanzen eine Oeffnung entsteht, fehlt mir auch die Kenntniss der Entwickelungsgeschichte jener Blätter, um urtheilen zu können, ob dieselben ähnlich sich verhalten wie die Vor- läuferspitze der Lianen. Doch bilden sich bei den Wasserpflanzen vielfach apicale Emergenzen, welche nur an jungen Blättern zu sehen sind, nachträglich abfallen, so z. B. bei Myriophyllum oder Cerato- phyllum. Trecul meinte ferner vor Jahren an den Spitzen der starken Stacheln der Victoria regia auch eine „ouverture apicale“ gesehen zu haben, welche, wie ich anderswo?) nachgewiesen habe, thatsächlich der geschlossene Boden eines abgefallenen Secrethaares ist. Nachdem wir im Vorhergehenden die Verbreitung der Vorläufer- spitze im Pflanzenreiche geschildert haben, kehren wir wieder zu den 1) C.8auvageau, Sur les fenilles de quelques monocotylödones aquatiques (Annnles des sciences naturelles VII, XIII 1891, 103 sq.). 2) Raciboraki, Beiträge zur Kenntniss der Cabombeen und Nymphaeaceen. Flora 79. Bd. (Ergänzungsband z. Jahrg. 1894) p. 101. 21 Langtrieben der Lianen und ihrer Belaubung zurück. Wenn auch die Vorläuferspitze bei denselben sehr verbreitet ist, so ist sie doch nur in manchen Familien oder sogar Gattungen der Lianen ent- wiekelt, anderen fehlt sie. Es war nun naheliegend, festzustellen, ob an den Langtrieben der letzteren Organe entwickelt sind, die trotz der Hemmung der Blätter in ihrer Entwickelung_ die- selben Functionen ausüben, bevor die Zweige normale Blätter ent- wiekeln können. Die Vermuthung konnte fast überall leicht bestätigt werden und nach dem Vorhandensein verschiedener Vorrichtungen, die denselben Zweck haben, können wir nach dem Ausserachtlassen der eine Vorläuferspitze besitzenden Lianen die übrig bleibenden in folgende Gruppen theilen. Lianen mit frühzeitig entwickelten Nebenblättern. Hierzu gehören viele eine Vorläuferspitze entbehirende Windepflanzen, so z. B. die meisten Papilionaceen, Connaraceen, Rosaceen, Bütt- neriaceen und viele Kletterer, die unten eine Erwähnung finden. Ich gebe hier eine Reihe der Messungen an den Langtrieben der Liane Büttneria pilosa, deren Blätter an den Langtrieben erst in einer Entfernung von 0,5 bis Im unterhalb der nutirenden Spitze die normale Grösse erreichen, während an der Vegetationsspitze nur winzige Anlagen derselben vorhanden sind, die jedoch zu beiden Seiten gut ausgewachsene, funetionirende, abstehende Nebenblätter besitzen. Länge des | Länge des | Länge der | Länge der | Gewicht der. Gewicht der Internodiums| Blattstieles | Blattlamina | Nebenblätter Blätter | Nebenblätter = 1 i 101 v,00u8 0,006 1 — 15) 12 0,0012 ° 0,0072 2 —_ 3 | 12 1,0041 0,01 3 _ 45 | 15 0,0076 0,0128 5 —_ 7 ' 16 0,0098 0,0150 10 — 30 5. 0,0126 0,0154 21 _ 10 15 0,023 0,0182 43 _ 15 :6 0,043 0,0156 70 —_ 19 16 0,072 0,0168 130 | 10 26 17 0,175 0,0164 180 20 40 16 0,775 0,0150 160 34 82 14 1,624 0,0178 132 40 126 abgefallen 3,26 120 55 170 do. 6,508 fast ausgewachs. Wir sehen aus dieser Tabelle, dass unterhalb der Vegetations- spitze eine längere, wachsende Zone mit grünen und functionirenden 22 Nebenblättern bedeckt ist, während die eigentlichen Blätter erst viel später sich entwickeln. Ganz ähnlich gebaut sind die meisten der windenden Papilionaceen, z. B. die Gattungen Phaseolus, Clianthus, Coemansia etc., die kletternden Rubusarten, die meisten Connaraceen, die gewöhnlich sehr kleine Nebenblätter besitzen. Lianen mit Ranken. Die Ranken der Lianen, und zwar ebenso die Blatt-, wie die Sprossranken, werden sehr früh an der Vegetationsspitze angelegt und eilen immer der Entwickelung der Blätter voran. Schon solche Ranken, die nicht fest genug sind um eine Stütze zu erfassen, besitzen fertig ausgebildetes Gewebe in ihrem Innern, Chlorophyli und ausgebildete Spaltöffnungen, während die zu- gehörigen Blätter noch nicht ausgebildet sind. Es wird also in jenen Stadien ein Theil der späteren Thätigkeit der Blätter durch die jungen Ranken ausgeübt, so z. B. bei den Passifloreen, Vitaceen, Sapindaceen, Cucurbitaceen etc. Lianen mit dimorphen Blättern. Mit diesen Lianen, die in der morphologischen Gliederung am weitesten vorgeschritten sind, hat uns Prof. Dr. M. Treub!) bekannt gemacht. Hiezu gehören Lianen, deren Langtriebe nur kleine Niederblätter in der Nähe der wachsenden Spitze tragen. Die normalen assimilirenden Blätter sind auf kurze, nicht nutirende Achseltriebe, Kurztriebe, beschränkt. Es wird auf diese Weise das Gewicht der seitlichen Organe der eine Stütze suchenden Langtriebe ad minimum redueirt, und doch durch die kleinen Niederblätter die wachsende Streeke der Langtriebe mit functionirenden, obwohl kleinen und leichten Organen versehen. Wie ‚grosse Gewichtsverminderung der nutirenden Triebe dadurch erreicht werden kann, zeigen einige Wägungen. Bei Myxoporum nervosum Bl. (Oleaceae) wiegt ein Blatt der Kurztriebe 2,3g, ein Niederblatt der Langtriebe 0,0038g; bei Gnetum funiculare ein Blatt der Kurztriebe 1,48g, ein Niederblatt der Langtriebe 0,004g, bei Melodorum ban- eanum (Anonaceae) ein Blatt der Kurztriebe 1,7g, ein Niederblatt der Langtriebe 0,0018g, bei Salacia sp. (Hippocrateaceae) ein Blatt der Kurztriebe 2g, bei Niederblatt der Langtriebe 0,0012 2. Die schuppenförmigen Niederblätter sind in verschiedenen Gattungen verschieden gebaut. Bei den windenden Gnetumarten, speciell bei Gnetum negleetum, sind dieselben kurz, anliegend, zu zweien mit den Basen verwachsen. In jedes dieser Niederblätter 3) M. Treub, Sur une nouvelle categorie de plantes grimpantes, Annales du Jardin botenique de Buitenzorg, III, 1883, pag. 44; Observations sur les plantes grimpantes du Jardin Botanique de Buitenzorg, ebenda pag. 160, 23 treten 5—7 Nerven, welche fast parallel verlaufen, gegen die Spitze convergiren und da verschmelzen. Man kann bei Gnetum Blätter finden, die Uebergänge bilden zwischen den gewöhnlichen Laub- blättern und den Niederblättern, nämlich Niederblätter mit schmaler Lamina an den beiden Seiten des conischen Apicaltheiles. In solehen Blättern treten von den schon vereinten Blattnerven einige Seiten- uervillen fiederig in die rudimentäre Lamina, Man könnte also annehmen, dass die gewöhnlichen Niederblätter der Gnetumarten dem allein gebil- deten Blattgrund und vielleicht Blattstielen ohne Lamina entsprechen. Bei Myxoporum nervosum dagegen repräsentiren die Schuppen- blätter eine metamorphosirte kleine und dünne, kurz gestielte Blattlamina. Bei den Tetraceraarten entsprechen die Niederblätter den verbreiterten Blattstielen. Bei diesen Pflanzen kann man an jedem der Langtriebe den Gang der Metamorphose von den normalen Laubblättern, die immer an der Basis der Schösslinge vorhanden sind, in allen Zwischen- stadien finden bis zu jenen apicalen Niederblättern, an welchen von der Lamina nur ein schmaler Saum sich entwickelt hat, während der “ Blattstiel an den höher stehenden Blättern immer breiter wird. Den Dimorphismus der Blätter bei den Lianen habe ich bei den Gramineen (Dinochloa), Anonaceen, Dilleniaceen, Hippocrateaceen (Salacia), Oleaceen (Myxoporum), Loganiaceen (Strychnos), Apocyneen, Euphorbiaceen (Xeroglottis), Dipterocarpaceen (Ancistrocladus) gesehen. Wir können also alle hiesigen Lianen mit wohlentwickelten Langtrieben, an welchen die Blattentwickelung bedeutend retardirt wird, in die vier Gruppen eintheilen: 1. Langtriebe mit den Vorläuferspitzen, 2. mit entwickelten Nebenblättern neben den unentwickelten Blattanlagen, 3. mit den Ranken, 4. mit den sehr früh an der Vegetationsspitze sich ganz ent- wickelnden Niederblättern. Aus den besprochenen Beobachtungen sind wir im Stande, trotz ihrer Verschiedenheit, auf gewöhnlichem Wege der Induction einige allgemeine Schlüsse zu bekommen. So sind wir z. B. berechtigt, von einem rein morphologischen Standpunkte die Beobachtungen betrachtend, zu sagen, dass während der Entwickelung der Organe „treten in der Regel Theile auf, die ihre Entwickelung schnell durchlaufen, vor dem Organ, auf dem sie stehen, fertig werden, und vor ihm aufhören zu leben“. Die in 24 der Paranthese stehenden Worte habe ich einer Abhandlung von Hermann Crüger aus Trinidad entnommen, welche schon im Jahre 1856 erschienen ist (Botanische Zeitung XIV, pag. 547, Westindische Fragmente: Die Vorläufer), aber wenig Beachtung gefunden hat, H. Crüger hat eine lange Reihe verschiedenartigster solcher „Vvor- läufer“ beschrieben und „als eine Classe von Thatsachen einstweilen abgesondert, die uns wohl später zu Gute kommen wird. Ich habe hierbei, sagt er, keine neue Theorie im Hinterhalt, ich kann einst- weilen weder auf morphologischem, noch auf physiologischem Felde etwas auf eine neue Art erklären, begnüge mich damit, einer sehr verbreiteten Erscheinung ihren Platz anzuweisen“ (pag. 551). H.Crüger lieferte auch eine Classification der Vorläufer in I. Epidermoidale und zwar a) die Oberhaut selbst, b) die Anhangsorgane derselben und in II. tiefer eindringende Vorläufer, nämlich, A Drüsengebilde, während sub B die Spitzen eines einfachen Blättchens, das oberste Blättchen eines zusammengesetzten Blattes, Anhänge in der Nähe der Blatt- basis, die Spitze eines Zweiges und die Anhänge in der Nähe der Basis eines Zweiges erwähnt wurden. Wie es scheint war die Zeit, in welcher Crüger’s Arbeit publieirt wurde, mit ihren morphologischen Streitigkeiten einer brei- teren Beachtung derselben nicht günstig; andererseits, trotz der factischen Richtigkeit seiner Beobachtungen, war der durch ihn ge- schaffene Begriff der „Vorläufer“ sehr breit, alle morphologischen Einzelerscheinungen von heterogenster physiologischer Bedeutung um- fassend. Dazu kommt, dass eben die meisten der auffallenden, grossen Vorläuferspitzen, wie die der Lianen, Musaarten, Üaesalpiniaceen von ihm nicht erwähnt wurden. Von dem physiologischen Standpunkte betrachtet lässt sich der Schluss ziehen, dass die embryonalen oder in der Entwickelung be- griffenen, also noch zur Ausübung der gewöhnlichen Lebensfunctionen nicht fertigen und nicht fähigen grösseren Pflanzentheile Organe be- sitzen, welche die zur Zeit nöthigen Lebensfunctionen für dieselben ausüben. Dieser Satz scheint von einer grossen Allgemeinheit zu sein, und die in dieser Abhandlung angeführten Beispiele sind nur ein Bruchtheil der im ganzen Pflanzenreiche in der Fülle vorhandenen. Ich brauche nur zu erinnern an die verschiedenartigsten Vorkommnisse bei der Keimung, an die Kiemenorgane der keimenden Samen, mächtige Lenticellenentwickelung an den Keimlingen der verschiedensten grossen Samen, an die Aörophoren der sich entwickelnden Blätter u. s. w. Ebenso reiche Beispiele bietet die Embryologie der Thiere. Ich 25 kann die bei anderen Gelegenheiten ausgesprochenen Worte wieder holen: „Auch die Entwickelungsgeschichte fordert eine biologische - Betrachtung“. (Die Schutzvorricehtungen der Blüthenknospen !) p. 162.) Morphogenetische Versuche. Von M. Raciborski. (Mit 9 Figuren.) I. Beeinflussung der Sporophylibildung bei dem Acrostichum Blumeano affine. In dem Farnquartier des botanischen Gartens in Buitenzorg habe ich im Januar 1397 mehrere sehr üppige und alte Rasen einer Farn- art angetroffen, die trotz des ungemein üppigen Wuchses keine Sporophylie bildete und deswegen nicht bestimmt werden konnte. Ich habe zwei Jahre lang die Pflanzen in Beobachtung gehabt, Sporangien tragende Blätter wurden jedoch während dieser Zeit nicht gebildet und auch Herr J. J. Smith, der dieselben seit vielen Jahren kennt, hat nie solche beobachtet. Da die Pflanzen alt genug waren, sollte man nach den Ursachen der Hemmung der Sporophylibildung forschen und im günstigen Falle experimentell die Pflanze zur Bildung der Sporophylle zwingen. Manche im javanischen Walde gemachten Beobachtungen führten zur schnellen Lösung der Frage. An mehreren nicht ganz dicht beschatteten Stellen des Waldes an den Vulkanen Salak und Gedeh wächst an der Erde zwischen der niedrigen Krautvegetation häufig eine ganzblätterige Farnart, die trotz ihrer Häufigkeit nur sterile Blätter trägt. Es gelang jedoch leicht, nebenbei auch fructificirende Exemplare zu finden; diese waren jedoch nur an den an Baumstämmen kletternden Exemplaren ausgebildet und haben ermöglicht, die Pflanze als Polypodium superficiale Bl. zu bestimmen. Mit dem wildwachsenden Polypodium konnte ich leider nicht experimentiren und musste mich mit den zahlreichen Be- obachtungen begnügen, welche ich in meiner Pteridophytenflora von Buitenzorg auch erwähnt habe. Dagegen habe ich vor kurzem Ver- suche angestellt mit jener sterilen Farnart des Buitenzorger Gartens, um nachzusehen, ob durch Darreichen einer Stütze an dieselbe und Anlegen der sonst horizontal an der Erde und zwischen den morschen Blättern kriechenden Rhizome die erwarteten Sporophylle erschemen 1) Flora 81. Bd. (Ergänzungsband z. Jahrg. 1895). 26 werden. Die Versuche haben das erwartete Resultat geliefert; die sonst horizontal kriechenden Rhizome haben sich bald durch ihre Haftwurzeln an der Stütze festgehalten, wuchsen an derselben vertical nach oben, brachten zunächst zwar sterile, doch von denen der liegen- den Sprosse verschiedene Blätter und naclı einigen derselben wieder anders gestaltete Sporophylle. Dieselben zeigten, dass die Pflanze ein Acrostichum ist, welches, dem A. (Chrysodium) Blumeanum ver- wandt ist, doch einige kleine Differenzen zeigt. Da die Heimath dieser Gartenpflanze nicht festgestellt ist, so babe ich auch von einer Dia- gnose Abstand genommen, werde dagegen hier mit Hilfe der Abbil- dungen die Heterophyllie der Blätter näher beschreiben. Wächst die Pflanze horizontal am Boden, so werden die Rhizome nur 5—6mm dick, dagegen lang- gestreckt zwischen dem Humus und vermoderten Blättern hori- zontal wachsend, ohne ihre Spitzen nach oben emporzurichten. An der Unterseite treten daun mehrere Centimeter bis einige Decimeter lange Nährwurzeln hervor; an der Dorsalseite stehen in zwei Zeilen die Laubblätter. Die einzelnen Blätter stehen alle weit von ein- ander entfernt, durch die 5—15em langen Internodien getrennt. Die Blätter sind fiederig, die Blättchen an den beiden Rändern von der Basis bis zur Spitze gezähnt, _ . vielfach doppelgezähnt. Solche Fig”1. Acrostichum ff. Blumeano. Ein Blätter zeigt die Fig. 1. steriler, horizontal: kriechender Spross mit langen Internodien. 1/, nat. Gr. Mehrere solcher Rhizome wurden nun an eine hölzerne Stütze vertical angelehnt und in 10 Tagen waren an ihnen schon Differenzen im Wuchs (an der wachsenden Spitze) sichtbar. Das Rhizom wurde zunächst dicker, um später sogar eine Dicke von 1Ümm zu erreichen. Die Wurzeln stehen viel dichter, bleiben dagegen kurz und befestigen bald das Rhizom fest an die verticale Stütze. Die schon früher bis zu einer Länge von lem grossen Blattanlagen entwickeln 27 sich dann zu ebensolchen Blättern wie die der horizontalen Rhizome; die späteren Blätter zeigen eine Dimorphie. Ihre Blättchen sind nämlich merkbar grösser und, wenigstens an der basalen Hälfte, manchmal sogar bis zur Spitze, ganzrandig, dagegen nie doppelt gezähnt. Auch ihre Stellung am Rhizom ist verändert; es stehen nämlich jetzt immer zwei Blätter neben einander, dann folgt ein Internodium von 5—-10cm Länge und wiederum zwei neben einander- stehende Blätter. Nachdem einige (1—3) solcher Blattpaare gebildet werden, er- scheinen die Sporophylle, und zwar zunächst gewöhnlich Blätter, deren untere Blättchen steril bleiben und den vorhergehen- den ähnlich gebaut sind,während weiternachoben dieBlättchenam Rande und den apicalen Theilen der Nervillen die Sporangien tragen. Die Lamina der fertilen Blätter ist, was die Länge und besonders was die Breite an- betrifft, sehr redueirt, schmal, ganzrandig. Dass die Reduction der Blättchenfläche auch in diesem Falle, wie in vielen anderen schon früher bekannten, durchdieBildungunddasWachs- thum der Sporangien verursacht wird, zeigen die Uebergangs- blätter, an welchen nur die ‚Spitze der Blättchen fertil und auch in der Breite redueirt ist, \ während der steril gebliebene Fig. 2. Acrostichum aff. Biumeano. Ein basale Theil normale Breite vertical an einer Stütze wachsender Spross erreicht. Aehnliche Reduc- mit sterilen Blättern und Sporophylien. In tionen der Blattfläche durch derselben Höhe stehen zwei Blätter, das Wachsthum der Sporangien Ha nat. Gr. haben schon früher K. Goebel und H. Glück beschrieben. Die Sporophylie und Blätter der verticalwachsenden Sprosse zeigt Fig. 2. Die Zahl der Farne, bei welchen die Sporangienbildung durch das Wachsthum des Rhizoms an einer verticalen Stütze beeinflusst wird, ist sicher bedeutend, obwohl zahlreiche Arten mit kriechenden 28 und emporsteigenden Rhizomen ebenso bei dem niederliegenden, wie bei dem verticalen Wachsthum derselben die Sporophylle bilden. So 7. B. die Lindsaya repens, Polypodium adnascens, albicans, Acrostichum axillare. Dagegen konnte ich die Sporophylie des Acrostichum spec- tabile immer nur an den Baumstämmen finden, ebenso Acrostichum Blumeanum, Triehomanes auriculatum. Die beschriebene Abhängigkeit der Sporophylibildung von der Wachsthumsrichtung der Rhizome konnte ich an dem Acrostichum aff. Blumeano nicht näher analysiren. Jedenfalls handelt es sich hier nicht um eine Contactwirkung; die horizontalwachsenden Rhizome wachsen doch zwischen Humus, morschen Holzstücken und Blättern; ebensowenig um Differenzen in der Transpiration, da die Rhizome der in dem javanischen Gebirgswalde an den Stämmen wachsenden Acrostichum Blumeanum oder Polypodium superficiale zwischen den Moospolstern der Stämme eine ähnlich wasserreiche Atmosphäre finden wie zwischen den Blattkräutern der Erde. Ohne Frage ist der Licht- genuss der an Stämmen wachsenden Rhizume grösser, als der am Boden kriechenden. Am stärksten jedenfalls ist in beiden Fällen die Richtung der Schwerkraft verschieden und diese wahscheinlich wirkt in unserem Falle als Auslösung. Nebenbei will ich eine Beobachtung erwähnen, die ich mit dem verwandten Acrostichum (Stenochlaena) scandens gemacht habe. Diese Farnart gehört zu den gewöhnlichen Arten in der Nähe des javanischen Strandes. Als Wurzelkletterer kommt sie bis an die Spitzen der Bäume, an den steilen Abhängen der „barrancos® am Krakatau klettert sie in der Asche bis zum Erreichen des oberen Randes der Schluchten. Die Sporophylie findet man immer nur an den wenigstens 1—2m hoch emporgekrochenen Exemplaren. Nur eine Ausnahme davon konnte ich am warmen Boden neben den heissen Quellen unterhalb des Gunung Pantjar bei Buitenzorg beobachten. Das warme Wasser bildet hier einen eisenhaltigen Kalksinter, an welchem neben der ausgesprochenen Strandpflanze Acrostichum aureum auch grosse Rasen des Acrostichum (Stenochlaena) scandens wachsen. Diese fructifieiren hier reichlich, obwohl ihre Rhizome im und auf dem warmen Boden ohne eine Stütze sich schlängeln. ii. Ueber Umbildung der Kurztriebe in Langtriebe und die dadurch bedingte Beeinflussung der Blattstellung. Bei vielen Kräutern, Bäumen oder Lianen sind verschiedene Zweige eines Sprosssystems verschieden morphologisch aufgebaut und 29 infolge dessen ihre physiologischen Leistungen verschieden. Wohl am häufigsten ist die Arbeitstrennung bei differenten Lang- und Kurz- trieben vorhanden und das correlative Verhältniss derselben allgemein bekannt. Wir wissen, dass das Vorhandensein eines Langtriebes mit wachsender Vegetationsspitze die seitlichen Zweige häufig zwingt, plagiotrop zu wachsen, ebenso, wie häufig nach dem Abschneiden der orthotropen Vegetationsspitze des Langtriebes eine oder mehrere der plagiotropen Kurztriebe zu Langtrieben auswachsen. Es ist offenbar eine hemmende Wirkung der wachsenden Vegetationsspitze des Lang- triebes auf die Vegetationsspitzen der Seitenzweige vorhanden. Doch nicht immer gelingt es, durch das blosse Decapitiren eine beliebige Seitenknospe zur Bildung eines Langtriebes zu zwingen. Zunächst hängt es von der Zeit ab, in der ein Versuch gemacht wird. Die meisten Pflanzen zeigen eine eigenthünliche Rhythmik oder Perio- Jieität ihrer morphogenen Arbeiten, also auch der Zweigbildung ; zu unrichtiger verspäteter Zeit angestellte Versuche führen gewöhnlich nicht zum Ziel. Andererseits besitzen manche Pflanzen speecielle Reserveknospen, welche zu den Langtrieben sich umbilden, während andere Knospen immer nur Kurztriebe bringen. So z. B. die inte- ressante Gramineenliane Dinochloa 'Tjankorreh Bl., welche mit Hilfe der geotropischen Krümmungen der Krümmungszone ihrer Knoten bis an die hohen Kronen der Waldbäume klimmt. Die Pflanze bildet sehr lange klimmende Langtriebe, welche nur scheidenförmige Nieder- blätter und Büschel kurzer, Laubblätter tragender Kurztriebe an jedem Knoten erzeugen. Wie aus der Abbildung (Fig. 3) zu sehen ist, bildet sich in der Achsel jedes Blattes eine grosse, aber niedrige und flachangedrückte, mit Schuppen bedeckte Achselknospe, deren Vegetationsspitze normal nicht entwickelungsfähig ist. Dagegen in den Achseln der untersten Schuppenblätter dieser Knospe entwickeln sich rasch die Vegetationsspitzen der Kurztriebe, aus den untersten Achselknospen derselben wieder neue, und so entstehen ganze Büschel der Kurztriebe als Aeste dritter, vierter und fünfter Ordnung, während die Gipfelknospe zweiter Ordnung ruhen bleibt. Schneiden wir dagegen einem rasch wachsenden Langtriebe die Spitze ab, dann treibt jene sonst ruhende Knospe zweiter Ordnung und bildet einen Langtrieb, welcher die Stelle der abgeschnittenen Spitze einnimmt (Fig. 9). Etwas ähnliches bieten viele Phyllantheen (z. B. die Glochidion- arten etc), welche an den orthotropen Langtrieben nur kleine Schuppenblätter, an den plagiotropen Kurztrieben Laubblätter tragen. K. Goebel hat gezeigt, dass man die Letzteren zwingen kann, sich 30 zu orthotropen Langtrieben umzubilden, doch nach meinen Erfahrungen gelingt der Versuch bei der schönen Phyllantheae Tylosepalum auran- tiacum nur in gewissen Altersstadien'). Aeltere Pflanzen bilden in der Achsel der plagiotropen Achseltriebe (also als einen, acropetalen Beispross) eine schuppenbedeckte, orthotrope Knospe. Nach dem Decapitiren der Vegetationsspitze einer älteren Pflanze treiben jene orthotropen Achselknospen und erzeugen wiederum plagiotrope Seiten- sprosse; dagegen ist mir nicht gelungen, eine directe Metamorphose der gewöhnlichen plagiotropen Seitenknospen zu Langtrieben zu er- zielen. Solche gelang endlich an sehr jungen Keimlingen, welche Fig. 3, Dinochloa Tjankorreh. Eine Fig. 4. Dinochloa Tjankorreh Bl, Die Achselknospe des normal wachsenden Achselknospe eines decapitirten Lang- Langtriebes. Die Kurztriebe bilden sich triebes. Die sonst ruhende Knospe aus den Achselknospen höherer Ord- zweiter Ordnung bildet sich zu einem nungen; die Knospe zweiter Ordnung Ergänzungsspross des Langtriebes. bleibt ruhend. 1/, nat, Gr. 1/, nat. Or. zunächst keine Schuppen, sondern kleine Laubblätter tragen. Nach der Decapitation bildet sich eine normale Achselknospe zum Langtrieb. In den Fällen, wo die Pflanze dimorphe Blätter besitzt, kleine, schuppenartige Niederblätter an den Langtrieben und grosse Laub- blätter an den Kurztrieben, wo dabei durch eine Decapitation die Kurztriebe leicht in die Laubtriebe umzuwandeln sind, haben wir interessante Demonstrationsobjecte der wirklichen Metamorphose der 1) Dies stimmt übrigens auch mit den Angaben von Goebel, der zu seinen Versuchen junge Stecklingspflanzen benützte, 3 Laubblätter in Schuppenblätter. So z. B. bei allen windenden Gnetum- arten. Gnetum negleetum hat kurze, dreieckige, anliegende, zu zweien mit den Basen verwachsene Niederblätter an den Langtrieben, und diese fallen schon wenige Internodien unterhalb der Vegetationsspitze ab. Von Blattlamina ist hier keine Spur, während bei verwandten Arten 2. B. G. funiculare, G. Ula die Spuren derselben als schmale Rand- säume an dem oberen Rande der Schuppenblätter vorhanden sind. Während die Langtriebe rasch wachsen, unaufhörend nutiren, lange Fig. 5. Apocyneae Nr. 83 Hort. Bog. Die Blätter des Langtriebes in dreigliedrigen Wirteln, die der Kurztrieb opponirt und decussirt. 1/; nat. Gr. Internodien besitzen, treten aus den Achseln der abgefallenen Schuppen- blätter die kurzen, nichtnutirenden, einige Paare decussirter Laub- blätter tragende Kurztriebe. Schon das erste Blattpaar der Kurz- triebe ist als Laubblatipaar entwickelt. Durch das Decapitiren der kräftig wachsenden, jungen, dieken Langtriebe gelingt es immer, einen oder mehrere der schon angelegten Kurztriebe zu Langtrieben umzu- wandeln und dabei zugleich die Anlagen der Laubblätter zur Ent- 32 wickelung als schuppenartige Niederblätter zu zwingen. War zur Zeit des Versuches das erste Blattpaar der Seitenknospe schon mehr in der Entwickelung vorgeschritten, dann entwickelt es noch normale Laubblätter, auf welche entweder normale Schuppenblätter oder aber wenige Uebergangsblätter mit einem schmalen Laminasaum folgen und erst später die kleinen / Fa Niederblätter ohne Spuren von f Lamina. Viel mehr Uebergangs- { blätter bilden sich bei einem gleichen Versuche bei den Arten der Dilleniaceengattung Tetra- cera, wo an den künstlich hervorgerufenen Langtrieben der ganze Gang der Metamor- phose, der succesiven Ver- kleinerung der Lamina und der ürweiterung des Blatistiels in allmählichen Uebergängen an einem Spross zn verfolgen ist. Bei vielen Pflanzen ist / zwischen den Lang- und Kurz- Y//, trieben eine Differenz in der NK / Blattstellung vorhanden. Sehr | j häufig ist die Blattstellung der N - Langtriebe radiär, der Seiten- Mel | triebe dorsiventral, zweizeilig. 1 In diesen Fällen bringt die U// künstliche Umbildung eines dor- > Y siventralen Kurztriebes zu einem radiären Langtrieb die Abände- rung der Blattstellung mit sich. Fig. 6. Russelia juncea. Ein Langtrieb mit Experimentell haben auf diese fünfgliedrigen Blattwirteln und „ dünnen Weise Goebel bei Phyllanthus Achseltrieben an en reigliedrige und Kny bei Corylus die Blatt- stellung der Triebe verändert. Seltener sind die Fälle, wo bei einer Blattstellung in Wirteln die Zahl der Blätter eines Wirtels an den Langtrieben eine andere, und zwar grössere, als an den Kurztrieben ist. So z. B. bei einem windenden Strauche aus der Familie der Apocyneen (Apocyneae Nr. 83, Hortus bogoriensis), Wie die Fig. 5 zeigt, stehen die Blätter an 33 allen kräftigeren Langtrieben in dreigliedrigen, opponirten Wirteln, seltener in viergliedrigen, nur selten, und zwar an sehr schwachen Geisseln, sind die Blätter gegenüberstehende. Dagegen die Kurz- triebe haben immer gegenüberstehende, opponirte Blätter. Es gelingt durch Decapitation der starken, windenden Langsprosse, wenn die- selbe an noch jungen und wachsenden Zweigen gemacht wird, immer, Fig. 7. Russelia juncea. Ein decapitirter Langtrieb hat die Achseltriebe als Lang- triebe entwickelt. Die Blattstellung der Seitentriebe ist dadurch verändert. die schon angelegten Achselknospen des obersten Blattwirtels, welche sonst Kurztriebe mit opponirten Blattpaaren geliefert hätten, in Lang- triebe umzubilden, also eine Blattstellung in zweigliedrigen Wirteln, . wo die Blätter um 180° von einander entfernt sind, in eine Blatt- stellung in dreigliedrigen Wirteln mit Blattentfernung von 120°, um- zubilden. Die ersten Blätter der neu entstandenen Langtriebe, welche Flora 1900, 3 34 in der Knospe schon angelegt waren, stehen noch opponirt und de- eussirt, die weiteren zu drei in einer Höhe. Russelia juncea, eine wirtelig beblätterte Serophularineae, hat ebenso eine kleinere Anzahl der Blätter in den Wirteln der Kurz- triebe, eine grössere und zwar auch grössere Blätter in den Wirteln der Langtriebe. Am häufigsten ist der Fall anzutreffen, wo an den Langtrieben die Blattwirtel fünfgliedrig, an den Kurztrieben, mit Ausnahme des untersten zweigliedrigen Blattpaares, dreiblättrig sind. Die Fig. 6 zeigt diesen gewöhnlichsten Fall. An sehr starken Sprossen sind zwar Abweichungen vorhanden, und zwar treffen wir dann Lang- triebe mit sechs- oder sogar siebenblättrigen Wirteln, an den Seiten- trieben sind dann drei-, vier-, sehr selten sogar fünfblättrige Wirtel entwickelt. Nach dem Abschneiden der Vegetationsspitze eines Langtriebes entwickeln sich die Achselknospen des obersten, seltener der beiden obersten Blattwirteln zu Langtrieben, welehe, wenn der Versuch an einem Spross mit fünfgliedrigen Wirteln angestellt war, zunächst ein transversales Blattpaar tragen, höher dagegen nur fünfgliedrige Wirtel bilden, wie es die Fig. 7 zeigt. Die Vegetationskegel der Aclhısel- knospen, welche an unbeschädigten Stengeln an derselben Höhe drei um 120° entfernte Blätter bilden, können wir also beeinflussen zur Bildung von je fünf, um 72° entfernte Blätter. Ill. Umbildung der Langtriebe in Kurztriebe. Die Metamorphose der Kurztriebe in die Langtriebe geschieht in vielen Fällen leicht unter dem Einfluss der Beförderung und Kräf- tigung des Wachthums der Knospen der Kurztriebe. Schwieriger war mir, die umgekehrte Metamorphose experimentell hervorzurufen, die der Langtriebe in die Kurztriebe. War eine Kräftigung des Wachsthums nöthig um die Kurztriebe zu Langtrieben umzuwandeln, so konnte man a priori vermuthen, dass zu der Umkehrung des Versuches eine Hemmung des Wachs- thums der Langtriebe nöthig wird. Ich habe zunächst im Freien an den Langtrieben der Lianen einige Beobachtungen gesammelt, über welche hier kurz referirt wird. Viele Lianen, besonders diejenigen mit windenden Sprossen, bilden Lange, frei in der Luft nutirende Geisseln, welche nach einer Stütze suchen. Wird keine Stütze gefunden und die Geisseln wachsen weiter ohne Stütze in die Luft, dann wird endlich die Biegungs- 35 festigkeit dieser leichten und dünnen Triebe überschritten, sie beugen sich nach unten und hängen endlich wie die Aeste eines Trauer- baumes an der Krone des Stützbaumes nach unten. Auf diese Weise entstehen jene wunderschönen grünen Draperien und Mauern, welehe die Baumkronen ganz umhüllen und eine Umrahmung vieler tropischer Schluchten und Wälder bilden. Nach dem weiteren Verhalten der Vegetationsspitzen, dieser jetzt in dem Winden und dem Wachsthum nach oben verhinderten Langtriebe, können wir zwischen verschiedenen Lianen manche Verschiedenheiten finden und zwar folgende. Bei den windenden Gnetum-, Coceulus- und Dioscoreaarten und bei den meisten anderen windenden oder rankenden Lianen ver- sucht zunächst die Vegetationsspitze sich emporzurichten und weiter nach oben, wenn auch am eigenen, niederhängenden Stamm zu wachsen. Doch es gelingt nur selten, die meisten Vegetationsspitzen sterben mit den jüngsten Blättern ab, der der lebenden Vegetations- spitze beraubte hängende Langtrieb, erstarkt, bildet die beblätterten Kurztriebe, um nach einer längeren Zeit, wenn die Kräftigung weit genug vorgeschritten ist, aus günstig gelegenen Achselknospen neue windende Langtriebe zu treiben und so wieder in die Höhe zu ge- langen. Manche der herabhängenden Aeste erreichen die Erde und wachsen dann lange Strecken horizontal im Gras oder zwischen den morschen Blättern des Waldes, bis eine Stütze erreicht wird, an welcher die Pflanze sich wieder emporwinden kann. Es sind häufig in dem javanischen Walde die zwischen dem Humus weit horizontal kriechenden Langtriebe der Lianen zu finden; doch nicht immer stammen sie von solchen herabhängenden Aesten. Viele Lianen, z. B. Poivrea (Combretaceae), Smilax, Thunbergia grandiflora, treiben neben den negativ geotropisch wachsenden, windenden oder ranken- den Zweigen, wenn die Pflanze genügend stark ist, aus der Stamm- basis mehrere Meter lange, horizontal am Boden wachsende Flagellen, die in der Umgebung nach einer neuen Stütze suchen. Es findet also bei den meisten windenden Lianen, wenn ihre Langtriebe keine Stütze umfasst haben, unter dem Einfluss der eigenen Schwere die Biegungsfestigkeit des Stengels überschritten wurde und ihre windende Spitze sich nieht mehr emporrichten kann, nicht nur eine Hemmung des Wachsthums derselben, sondern sogar ein Absterben statt. Doch nicht bei allen windenden Lianen wirkt der erwähnte Umstand so stark, bei manchen führt die dadurch bewirkte Hemmung des Wachsthums nur zur Metamorphose der Langtriebe g* 36 in die Kurztriebe. So z. B. bei der windenden Malpighiacee Hip- tage madablota Grin. Die Pflanze bildet sehr lange, windende Langtriebe, mit langen Internodien. Ragt ein windender Spross frei in die Luft ohne eine Stütze erreicht zu haben, dann entwickeln sich die apicalen Blätter Fig. 8. Hiptage madablota. Zwei Langtriebe; der eine hat eine Stütze erreicht und ist normal beblättert; der andere. stützenlose, bildet zu- nächst kleine Blätter und verändert sich endlich in einen Kurztrieb mit beschränktem Wachsthum. 1, nat. Gr. nur wenig, aber bleiben längere Zeit in jugendlichem Stadium, und vermögen endlich nicht auszu- wachsen. ° Wird ein solcher Zweig zu lang, dann kann er sich nicht mehr aufrecht erhalten, sondern hängt nach unten herab. Findet er auch jetzt keine Stütze, dann stirbt jedoch seine Vegetationsspitze nicht, wie bei den vorher erwähnten Gattungen, sondern verliert die Fähig- keit des Windens, bildet, wie ein gewöhnlicher Kurztrieb derselben Pflanze, eine beschränkte Anzahl ge- wöhnlicher Laubblätter und schliesst mit einer ruhenden Vegetationsspitze ab. An solchen herabhängenden Sprossen sehen wir also im morpho- logisch unteren Theile normale Blätter, höher die weit von einander entfernten, aber klein gebliebenen letzten Blätter des Langtriebes, und an der Spitze wieder grosse Blätter des Kurztriebes. Die Fig. 8 zeigt die be- schriebene Metamorphose der Spitze eines Langtriebes zu einem Kurztrieb. Noch schöner zeigt dieselbe Metamorphose und unter denselben Bedingungen die Oleaceenliane My- xoporum nervosum Bl., wie die bei- gefügten Abbildungen (Fig. 9 a, b, c) zeigen. Die Pflanze hat dimorphe Blätter und dimorphe Zweige. An den dickeren, vierkantigen, sehr langen, windenden Langtrieben werden nur vergängliche, kleine, bald unterhalb der Vegetations- spitze abfallende Schuppenblätter gebildet. Aus den Achselknospen der 37 schon abgefallenen Schuppenblätter kommen die dünnen, kurzen, nicht windenden Kurztriebe hervor, welehe 2—8 Paare grosser Laubblätter in kurzen Abständen tragen. Fig. 9a zeigt die Spitze eines Langtriebes, Fig.9 einen seitlichen Kurztrieb. Hängt nun ein stützenloser Langtrieb nach unten herab und findet auch in dieser Lage nicht bald eine Stütze, dann verliert er das Vermögen des Nutirens, da- gegen bildet er grössere Blätter und nach 1—2 Paaren der VUebergangsblätter normale, dicht stehende Laubblätter, wie solche sonst nur an den Kurztrieben vorhanden sind, und schliesst sein Wachsthum mit einer ruhenden Gipfel- knospe ab. Einen solchen in Kurztrieb umgewandelten Lang- trieb zeigt die Fig. %e. Ich will die kurze Mit- theilung nicht schliessen, ohne zu erwähnen, dass viele Pflanzen vorhanden sind, wo die physio- logische Arbeitstrennung, wie solche Lang- und Kurztriebe aufweisen, nicht nur auf ver- schiedene Sprosse desselben Individuums, sondern an einem Spross zeitlich getrennt vor- kommen. Schöne Beispiele dieser Art liefern die Bambusa- arten, deren Stämme im unteren Fig. 9. Myxoporum nervosum; a) ein Lang- trieb mit Schuppenblättern; b) (rechts) *) ein Kurztrieb mit Laubblättern; c) ein metamorphosirter Langtrieb endet sein Wachsthum als Kurztrieb. 1/3 nat, Gr. ») Der "Buchstabe b ist vom Zinkographen nicht wiedergegeben. Theile die Function der Langtriebe haben und an der Spitze, kurz vor dem Aufhören des Wachsthums, Assimilationsblätter tragen, wie solche sonst an den Kurztrieben vorkommen. Ueber myrmecophile Pflanzen. Von M. Raciborski. Mit 6 Figuren. Die bestbekannte myrmecophile Pflanzenart, nämlich die süd- brasilianische Cecropia adenopus, wird durch die Schutzameisen gegen die Ameisen der Gattung Atta, welche ihre Blätter sonst zerschneiden und wegschleppen würden, vertheidigt. „Andere Thiere werden, wie es scheint, nicht ferngehalten, Raupen kommen auf dem Baume vor, allerdings, ohne grossen Schaden zu verrichten“ (Schimper, Pilanzen- geographie p. 156). Auf Java scheinen keine Schlepperameisen vorzu- kommen; die der Pflanze nützliche Thätigkeit der Ameisen beruht bei den hier wachsenden myrmecophilen Pflanzen auf der Vertilgung verschiedener Raupen, die schädliche Thätigkeit auf der Züchtung der vielfach der Pflanze sehr schädlichen Blattläuse. Man sollte meinen, dass bei der grossen Menge verschiedener Ameisen auf Java, und speciell in Buitenzorg, die mit Belt’schen resp. Müller’schen Körperchen, als Ameisenbrödchen versehene, amerikanische, hier an verschiedenen Stellen des Gartens gepflanzten Acacia sphaerocephala und Cecropiaarten häufiger als andere Pflanzen von den Ameisen besucht oder sogar ständig bewohnt würden. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Brödchen werden auch hier gebildet und fallen ab, ohne Nutzen für die Ameisen. Dass jedoch die Ameisen den Pflanzen, und speciell den Cultur- pflanzen, von Nutzen sein können, ist eine alte javanische Erfahrung, und ich habe es mehrfach von den Zuckerrohrpflanzern gehört. In- teressante Mittheilungen darüber hat in Teysmannia (Bd. VI pag. 673, 1895) Dr. A. Vorderman mitgetheilt. Die Bewohner der Gegend von Tjilintjing, östlich von dem Hafen von Batavia, Tandjok Priok, sammeln im Walde und an den Strandbäumen die Nester der grossen und bösartigen rothen Ameisen, bringen diese in ihre Gärten und hängen sie auf die schattigen Mangobäume. Die Früchte der Mangi- fera indiea werden sehr häufig durch den Käfer Cryptorrhynchus mangifera Fabr. vernichtet, bei dem häufigen Besuch der Ameisen bleiben jedoch die Früchte gesund und raupenfrei. Deswegen füttern die Malayen die Ameisen mit Fleisch der Leguane und der anderen Thiere, verbinden die einzelnen Bäume durch Taue von Bambusa- stämmen, um die Spaziergänge den Ameisen zu ermöglichen und zu erleichtern, vertilgen sogar die schwarzen Ameisen, nn, welche den rothen feindlich gesinnt sind. 39 Dass Ben Akiba doch Recht hatte, zeigt wiederum eine Mit- theilung von Prof. de Groot in Teysmannia (Bd. IX p. 535, 1898), welche die Uebersetzung eines Fragmentes des chinesischen Buches - „Khi Ich phien“, welches aus dem zwölften Jahrhundert stammt, ent- hält. Wir erfahren, dass schon zu jener Zeit die chinesischen Pflanzer ebenso die Ameisen gesammelt, gezüchtet und geschützt haben, um auf diese Weise ihre Orangen und Mandarinenbäume raupenfrei zu erhalten. Es ist da sogar eine besondere Arbeiterklasse, die der Ameisensammler, entstanden. Aber auch stark schädlich können die Ameisen einem Pflanzer sein und nicht nur durch das Verschleppen der Blattläuse; es sind die gewöhnlichen kleinen Bodenameisen von jedem Tabakspflanzer sehr gefürchtet, da sie die kleinen Tabakssamen aus den Saatbeeten gänzlich aufsammeln und verschleppen. Deswegen werden auf Java die Tabakssaatbeete von niedrigen Graben mit fliessendem Wasser umzäunt, um dic Invasion der Ameisen zu verhindern. Auf ähnliche Weise verschleppen die Ameisen die abgefallenen rothen, runden Früchte der Rivinaarten. In Folgendem werde ich einige Beispiele der myrmecophilen Pflanzen der javanischen Klora erwähnen, und zwar Arten, welche den Ameisen Nahrung darbieten. Am meisten interessant ist dabei Pterospermum javanieum Jungh., ein Baum, welcher die Perldrüsen, welche die Ameisen als Brödehen abreissen, in zu kleinen Bechern metamorpho- sirten Nebenblättern bildet. Pterospermum javanieum Jungh., ein hoher Baumriese aus der Familie der Stereuliaceae, ist auf Java in den Wäldern des Hügel- landes allgemein verbreitet. Eine ausführliche Beschreibung dieser Art haben vor Kurzem Dr. Koorders und Dr. Valeton in dem zweiten Bande der „Bijdrage tot de Kennis der Boonisoorten von Java“ pag. 186-191 geliefert, auf welche ich hiermit verweise. Die langen seitlichen Aeste sind dorsiventral, zweizeilig Blätter tragend, welehe unterseits weiss, fast silberglänzend sind. Die Blätter sind kurzgestielt und besitzen je zwei Nebenblätter, welche neben der Basis des Blattstieles inserirt sind, eines nach oben an dem hori- zontalen Zweig, das andere dagegen nach unten gerichtet. Die beiden Nebenblätter eines Blattes sind verschieden ausgebildet. Die Fig. 1 zeigt die untere Ansicht einer Zweigspitze. Die nach oben fallenden Nebenblätter sind pfriemenförmig, bis 3mm lang, bis 0,7mm an der Basis dick, ganz in braune, in einen Haarschopf an der Spitze aus- laufende Haare eingewickelt, besitzen etwas Chlorophyll, reichlich 40 Kalkoxalat und Gerbstoffzellen, Spaltöffnungen, fallen bald ab, kurz zeigen wenig Interessantes. Die nach unten gerichteten, den vorigen gegenüberstehenden Nebenblätter sind durch Stamm und Blattstiel ebenso vor den Regentropfen, wie vor den Sonnenstrahlen geschützt und als tiefe, conische, mit der Oeffnung nach unten gerichtete h Becher entwickelt, die mit 4 ER schmaler Spitze des Conus an- as N geheftet und an dem breiten FFLFN . = = IA unteren Rande an einer Stelle in eine abseits gerichtete N R = „DS schmale Spitze ausgezogen sind. N BE I S = Gen SS Die runde Oeffnung ragt immer Sa SG I nach unten, die Innenfläche ist N 2 dicht mit kleinen weissen, in 32 ET IE dem Haarpilz versteckten Perl- KK ÄEN PEST am SCENE 68 SS drüsen bedeckt, die von den | SEEN = < SS“ schwarzen Ameisen regelmässig x St x — IY aufgesucht und herausgerissen SEES 2 werden 7% SE s 2 DieBecher, deren vergrösserte s H ) 8 7 Zom Abbildung die Fig. 2 zeigt, «7 2. D während die Fig. 3 einen Quer- \ (7 | schnitt darstellt, sind aussen und X FA innen mit einem dichten Haar- N filz bedeckt. Aussen über- wiegen die mehr steifen und verholzten Sternhaare, innen die weichen und filzigen. Im Innern der Becher sitzen dicht nebeneinander die Perldrüsen in verschiedenen Stadien der Entwickelung. Diese, Fig. 4, sind aus mehreren Etagen übereinander stehender Zellen aufgebaut mit breiter, doch schwacher Basis, welche den Ameisen er- laubt, ohne Anwendung grösserer Kraft dieselbe abzureissen; sie laufen an der Spitze in zwei nebeneinander liegende Zellen aus. Die Körperchen erreichen eine Länge von nur 0,3mm bei etwas kleinerer Breite, sind also die kleinsten unter ‚den bis jetzt be- kannten „food bodies“. An der Aussenseite des Bechers, wie Fig. 1, Pterospermum javanicum. Eine Zweigspitze v. u. gesehen. (l/, nat. Gr.) 4 auch auf dem schwanzartigen Fortsatz des Becherrandes, fehlen sie gänzlich. Der Becher bildet sich aus einer Nebenblattanlage, die, in jungen Stadien, der gegenüberstehenden eines pfriemenförmigen Nebenblattes ganz ähnlich und pfriemenförmig ist. Erst nachträglich fängt der basale Theil des Nebenblattes an, an den beiden Seitenrändern in die Breite, zugleich aber die Basis der morphologischen Hinterseite wall- artig zu wachsen und bildet so einen conischen Becher, während der apicale Theil des Nebenblattes an diesem Wachstum unbetheiligt bleibt und an dem fertigen Becher zu dem schwanzartigen Fortsatz wird. Die Lebensdauer der Nebenblätter des Pterospermum javanieum ist sehr beschränkt. Gewöhnlich fallen sie schon an dem dritten Fig. 2. Pterospermum ja- Fig 3. Pterospermum javanicum; ein Längsschnitt venicum; ein Nebenblatt - durch den Becher. der Zweigunterseite, (3/1.) oder vierten ganz erwachsenen Blatt ab, doch eilen dieselben in ihrer Entwickelung derjenigen der zugehörenden Blätter voran, indem an der Basis der noch ganz kleinen, jungen Blätter, fertige Ameisen- becher vorhanden sind. Was die Inhaltsstoffe der Perldrüsen des Pterospermum anbe- langt, so geben dieselben ähnliche mikrochemische Reactionen, wie diejenigen der Leeaarten (Flora 1898) und die unten beschriebenen der Gnetumarten, welche in der Zelle fettartige Körper, Eiweissstoffe und Polysaecharide aufweisen, wenn auch alle in kleinen Mengen. Für die Perldrüsen des Pterospermum ist dagegen charakteristisch eine schwach rothe Reaction mit Vanillin und Salzsäure, welche, und zwar sehr intensiv, die Gerbstoffbehälter der Pflanze zeigen, und die von einem Phloroglucosid herrührt. An den Spitzen der Seitenäste des Pterospermum javanicum habe 42 ich sowohl in Buitenzorg, wie bei Lebaksioe bei Tegal am Fusse des Vulkanes Slamat fast immer schwarze Ameisen in auffallender Menge gesehen. Zum Theil sind Blattläuse die Anlockungsmittel der Ameisen; an vielen Aesten fehlen dieselben, doch auch dann sind die Ameisen an der Unterseite der Spitzen der Triebe angesammelt. Bei näherer Betrachtung bemerken wir bald, dass dieselben während ihrer Wanderungen immer zu den Bechern kommen, in dieselben mit dem Vordertheile des Körpers hinein- kriechen und die kleinen Perldrüsen aus der Filzhülle herausreissen. Schneiden wir die jungen Triebe des Pterospermum ab und besich- tigen dieselben zu Hause, dann ver- lassen nur wenige der Ameisen ihren Aufenthaltsort, die meisten bleiben dagegen, ohne eine Beun- ruhigung zu verrathen, an den Aesten, hin und her laufend, besucher dabei die Becher ebenso wie in freier Natur, lassen sich auch mit einer Fir 4 pP 2 uusıan. bupe dabei gut beobachten. In dieser g. 4. terospermum javanicum; . . j die Perldrüsen in dem Innern der Hinsicht liefert Pterospermum ein Becherchen. gutes Demonstrationsmaterial einer myrmecophilen Pflanze. Es sind in dem botanischen Garten in Buitenzorg noch einige andere Pterospermumarten angepflanzt, z. B. P. suberifolium Lam., Heyneanum Walp., lanceaefolium Rxb., an welchen, wenn sie auch in unmittelbarer Nähe des P. javanicum wachsen, keine Ameisen- ansammlungen an den Zweigspitzen anzutreffen sind. Diese besitzen jedoch keine Becher mit den Perldrüsen als Anlockungsmittel, ibre Nebenblätter sind bald lanzettlich, bald breit, bald fiedertheilig. Diese Mannigfaltigkeit der Nebenblattgestalten bei den verwandten Arten, ein Ausdruck des Variationsvermögens in Bereiche der Gattung, er- klärt die Möglichkeit der so weitgehenden Umbildung des unteren Nebenblattes bei Pterospermum javanicum. Was für eine Rolle die Ameisen in der Oekonomie des Ptero- spermum spielen, ist schwer festzustellen. Von einem schädlichen Einfluss derselben ist nichts zu merken, ebensowenig konnte ich in Ermangelung der Beweise einen günstigen feststellen. Es liegt zwar 43 nahe, die Rolle der Ameisen als einer die Raupen vertilgenden Schutz- truppe zu betrachten, ich habe thatsächlich nie Raupenfrass an den jungen Blättern des Pterospermum bemerkt, aber auch nie krieger- ische Thaten dieser Ameisen bewundern können. Sichergestellt bleibt nur die Thatsache, dass die Ameisen auf Java die mit Bechern besetzten Zweigspitzen fast immer bewohnen, die Perldrüsen regel- mässig abreissen, und dass dabei ebenso bei Pterospermum javanicum, wie bei Leeaarten (Flora 1898), die Ameisen regelmässig an bestimmten Stellen sich in grösserer Anzahl aufhalten, zum Theil rubig verharren und nicht, wie bei den meisten Plauzen, nur gelegentliche Streifzüge machen oder bloss die Blattläuse aufsuchen. Verschieden gebaute Perldrüsen sind noch bei manchen anderen Pflanzen der Tropen vorhanden, manche stehen sicher in keiner Beziehung zur Myrmecophilie, bei anderen ist die Antwort auf solche Frage un- sicher. Interessant sind in dieser Beziehung die windenden Gnetumarten. Mit Ausnahme des Gnetum Gnemon L., eines schönen, aber brüchigen Baumes, sind alle anderen javanischen Arten der Gattung Lianen und zwar grosse holzige Windepflanzen. Nur die schlingenden Gnetumarten produciren die Perldrüsen und zwar alle Arten, welche in Buitenzorg in Cultur sind, obwohl nicht alle in gleicher Menge. Die windenden Gnetumarten haben dimorphe Triebe und Blätter, nämlich sehr lange, windende Triebe mit Schuppenblättern, welche nutiren und ausserden: mit Hilfe einer Krümmungszone oberhalb jedes Blattpaares sich emporriehten können, und Assimilationsblätter tragende Kurztriebe. Nur die jungen apicalen Theile der Langtriebe bilden die Perldrüsen, nur sehr vereinzelt treten dieselben an den Kurztrieben auf. Die Perldrüsen sind nicht immer leicht zu sehen, im Gegentheil, man kann Hunderte der jungen Langtriebe in einer warmen Nach- mittagsstunde untersuchen, ohne solche an der dunkelgrünen, glän- zenden und glatten Oberfläche der Internodien zu bemerken. Unter- suchen wir dagegen stark wachsende Sprosse sehr früh morgens oder bald nach einem länger andauernden Regen, dann treffen wir sicher hie und da zerstreute, rein weisse, kugelige Körperchen an der Ober- fläche der Internodien, besonders aber an den Knoten und Schuppen- blättern. Bei glücklichem Zufall entdecken wir sogar Geisseln, die in der Länge eines halben Meters unterhalb der Spitze mit den weissen Körperchen bedeckt sind. Solche Schauexemplare kann man aber immer bekommen, indem man die Gipfelstücke der Langtriebe 1—3 Tage lang im Zimmer unter einer Glasglocke im Wasser hält. Immer wachsen neue und neue Körperchen von der Stammoberfläche empor 44 und bedecken diese nach einigen Tagen so dicht, wie es die bei- gefügte Fig. 5 illustrirt. Diese Perldrüsen entstehen aus einigen Epidermiszellen durch wiederholte senkrechte Theilungen der Oberfläche derselben. Die jungen Zellen wachsen stark in die Höhe, die unteren theilen sich noch durch Querwände in einige Etagen, alle bleiben jedoch fast gleich gross, ohne eine bedeutende Grössendifferenz der inneren und äusseren zu zeigen. Fig. 5. Gnetum neglectum; eine Zweigspitze mit den Perldrüsen bedeckt. Ausgewachsene sind bis 0,5 mm gross, weiss, sehr dünnwandig, mit stark convexen äusseren Zellen. Fig. 6 zeigt eine Perldrüse im Längsschnitt. Die Gebilde sitzen also mit breiter Basis an der Oberfläche, sind jedoch sehr leicht abzureissen, nach der Reife fallen sie jedoch nicht ab, sondern verschrumpfen. Die chemische Zusammensetzung der Zellen der Perldrüsen ändert sich mit dem Alter derselben. Die Zellen junger Körperchen sind voll mit Stärkekörnern erfüllt; nach Zusatz von Jod in Jodkalilösung färben sie sich fast schwarz. Mehrere Stunden alte, welche dureh die Streckung die definitive Grösse schon er- reicht haben, geben mit Jod nur eine rothbraune Re- action des Amylodextrins; zugleich aber erscheinen in den Zellen fortwährend grösser werdende, runde, den Fettkugeln ähnliche Tröpfchen, die mit Osmiumsäure eine braunschwarze Farbe annehmen, im Wasser und Alkohol unlöslich, in Chloroform löslich sind. Ganz ausgereifte Körperchen besitzen keine Stärke mehr, geben auch nicht die Reaction des Amylodextrins, auch keine Reaction mit der Fehling’schen Lösung auf die reducirenden Zuckerarten. Die letzte Reaction kann man jedoch nach vorheriger Inversion mit 1°%, HCl bei 80° bekommen. Die Reaction mit der gesättigten Resor- einlösung in Glycerin und Salzsäure (die beste Reaction der Lävulose und der dieselbe enthaltende Polysaecharide) ist nur schwach violett; mit Phlorogluein, nach dem Er- wärmen mit Salzsäure und Zusatz von Anilin, tritt eine schwache, rothe Pentosanenreaction ein. Vanillin mit Schwefelsäure, sowie die Millon’sche Lösung geben eine Eiweissreaction. Obwohl diese Körperchen reichlich im Freien auftreten, konnte ich doch, weder an den in dem Garten von Buitenzorg, noch an den 45 wild im Urwald des Vulkanes Salak wachsenden Gnetumarten be- merken, dass dieselben an der Pflanze durch die Ameisen abgerissen werden, oder dass sie eine Anhäufung der Ameisen an den wachsen- den Sprossen bewirken. Auf den Gnetumsprossen waren die Ameisen nicht häufiger anzutreffen als an den anderen Pflanzen der Umgebung. Dagegen machte ich folgenden Versuch. Einige Spitzen der Langtriebe von Gnetum, welche im Wasser in dem Laboratorium gehalten fast ganz mit den Perldrüsen bedeckt waren, habe ich an die Aeste der Humboldtia - laurifolia, eines Baumes, auf dem viele schwarze Ameisen in Wanderung begriffen waren, gelegt. Anfangs schenkten die Ameisen den Gnetumästen keine Aufmerk- samkeit, nach einigen Minu- ten kam eine forschende Ameise näher und hat eines der Körperchen abgerissen ; schnell kamen jetzt viele Ameisen herbei und in wenigen Minuten waren die Gnetumäste der Perldrüsen ganz beraubt. Obwohl ich also an den Gnetumpflanzen selbst keine Anlockung der Ameisen durch die Perldrüsen sehen konnte, ist dieselbe jedoch unter anderen Umständen vielleicht in anderer Gegend doch nicht unmöglich. Es sind ja eben zahlreiche Lianen, welche die Ameisen an die Gipfeltriebe ihrer Langstiele durch die Nectarien anlocken, z.B. viele Apocyneen, Passifloreen, Acanthaceen, Malpighiaceen, Smilax, Capparis und Combretumarten. Bei dem Vergleich der Perldrüsen verschiedener Pflanzen, welche die Ameisen als Nahrung aufsuchen und abreissen, sind am höchsten diejenigen der Acacia sphaerocephala entwickelt, welche von einem Gefässbündel durchzogen sind. Die grössten sind diejenigen der Cecropia- arten, welche ebenso, wie die kleineren der Leeaarten von flachen, tafelförmigen Epidermiszellen bedeckt sind. Bei Pterospermum sind die Epidermiszellen grösser, weniger differenzirt, während bei Gnetum die Epidermiszellen noch grösser, dabei die Körperchen durch fächerförmig angeordnete Zellen und den Mangel eines Stieles charakterisirt sind. Das gemeinsame aller dieser Perldrüsen liegt nicht nur in der Gestalt, dem Inhalt, sondern auch in der Zeit des Erscheinens. Alle bilden sich an jungen, noch wachsenden Organen und erreichen ihre Reife früher als die zugehörigen Blätter oder Sprosse. Fig. 6. Eine junge Perldrüse des Gnetum. Beiträge zur Morphologie der Gymnospermen. . Von . “W. Arnoldi. (Hierzu Tafel I, IT u. IH.) E I1.%) . Embryogenie von Cephalotaxus Fortunei. Die hervorragenden und bedeutenden Beobachtungen der japa- nischen und amerikanischen Gelehrten über die Befruchtungsvorgänge bei den ältesten Gymnospermen zogen wieder die allgemeine Auf- merksamkeit der Forscher auf diese Pflanzengruppe, von welcher Strasburger schon im Jahre 1554 schrieb: „— Hier liegen jetzt, wie ich meine, die wiehtigsten morphologischen Thatsachen klar“. Dennoch war es nicht schwer, sich zu überzeugen, dass unsere Kenntniss der Entwickelungsgeschichte in der Gruppe der Gymno- spermen noch grosse Lücken aufweist. Waren doch nur die ge- meinsten und am meisten verbreiteten Vertreter der Abietineen und Cupressineen bezüglich ihrer Entwickelungsgeschichte etwas eingeh- ender erforscht und es befanden sich auch diese entwickelungs- geschichtlichen Angaben nicht auf der Höhe der modernen histologischen Forschungen. Ebenso bleibt eine ganze Reihe wichtiger Coniferen- gattungen entweder ganz unbekannt, oder nur äusserlich untersucht, so dass selbst die wichtigsten morphologischen Thatsachen für viele Gymnospermengattungen noch unklar verbleiben. Unter den ver- schiedenen Ursachen für diese lückenhafte und unvollkommene Kenntnis der Gymnospermen ist wohl die hauptsächlichste Schwierig- keit, das für die Untersuchung geeignete Material zusammen zu bringen. Unter diesen Umständen sahen -sich die Gelehrten zur Wieder- erforschung des Befruchtungsvorganges bei unseren überall verbreiteten Coniferen gezwungen und zwar haben Dixon, Blackmann und Chamberlain den Befruchtungsvorgang bei der Gattung Pinus neuer- lich untersucht, während Jaeger die Entwickelungsgeschichte von Taxus baccata studirte. Karsten und Lotsy, welche die glückliche Gelegenheit die Tropen zu besuchen hatten, haben uns wichtige und bedeutungsvölle Beobachtungen über Morphologie und Entwickelungs- geschichte der Gattung Gnetum mitgetheilt. Als ich meine Üoniferenstudien begann, beabsichtigte ich, sie womöglich auf die bis jetzt entwickelungsgeschichtlich unbekannten 1) I. u. I. s. Bulletin de Soc. Im. d, Natur. de Moscou 18989 NN I et IL, y as EEE In Heft I Seite 47 ist aus Versehen des Setzers die I. Zeile oben verhoben worden. Wir bitten daher das ganze Blatt auszuschneiden und dafür das an- liegende, richtig gedruckte einzukleben. 47 Gattungen auszudehnen. So dienten meine Untersuchungen über Sequoia seimpervirens zur Aufstellung der verwandtschaftlichen Be- ziehungen zwischen den Coniferen und den Gnetaceen. Die gegenwärtige Arbeit über Embryogenie von Cephalotaxus bringt einige neue Thatsachen zur Frage der verwandtschaftlichen Be- ziehung der Gymnospermen einerseits und erweitert andererseits unsere Kenntniss über den Archegonienbau und Befruchtungsvorgang in der Gymnospermengruppe. Die Arbeit wurde im Pflanzenphysiologischen Institut zu München gemacht. An dieser Stelle möchte ich mir erlauben, Herrn Professor Dr. Goebel für seine stets liebenswürdige Theilnahme meinen Dank zu sagen. Ebenso bin ich Collegen Dunzinger für seine Hilfe bei der Redaction des deutschen Textes zu herzlichem Dank verpflichtet. Die Gattung Cephalotaxus mit einer Art C. Fortunei und einigen Varietäten wird von den Systematikern in die Familie der Taxaceen eingereiht. Hier nimmt sie eine Zwischenstelle zwischen Phyllocladus und Gingko einerseits und Torreya und Taxus andererseits ein). Die morphologischen und anatomischen Beschaffenheiten von Cephalotaxus zeigen seine nahe Verwandtschaft mit Taxus, während der Bau seiner Samenknospe die Pflanze in Beziehung zu den Gingkoaceen und Cyeadoideen bringt. Es lag deshalb die Vermuthung nahe, dass Cephalotaxus in seiner Entwickelungsgeschichte die Charaktere von Taxus und anderen Coniferen einerseits und der ältesten Gymno- spermen andererseits vereinigen würde. In der That haben meine Untersuchungen diese Vermuthung be- stätigt, wie ich in den drei Capiteln meiner Arbeit darthun werde. In dem ersten derselben soll der Bau der Archegonien und ihrer Theile geschildert werden. Der zweite ist der Darstellung des Pollen- schlauchbaues, des Befruchtungsvorgangs und der Embryoentwicke- lung gewidmet, während im letzten Capitel die allgemeinen Ergebnisse dargestellt werden sollen. I. Die Archegonien werden bei allen Coniferen auf dieselbe Weise gebildet. Die peripherische Endospermzelle theilt sich durch eine Perikline in zwei Zellen, deren äussere später den Archegonienhals bildet, während die innere zur Eizelle sich umwandelt. Indem das 1) Engler und Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien, II, pag. 108 ff. 48 . Archegonium wächst, erleiden die es unmittelbar umgebenden Endo- spermzellen einige Veränderungen, indem sie sich zur sogenannten Deckschicht umbilden. Nur die Archegonien von Welwitschia mira- bilis’) und Sequoia sempervirens?) entbehren dieser Deckschicht. Bei der ersten Pflanze fehlen sie vollständig, bei der zweiten werden sie nur zum Theil gebildet. Während die morphologische Beschaffenheit dieser Deckschicht- zellen schon vor zwanzig Jahren durch Goroschankin’s Unter- suchungen?) bekannt geworden war, ist die physiologische Bedeutung derselben für die Eizelle erst in der letzten Zeit durch die Bemüh- ungen der japanischen Forscher klar gelegt worden. Nach Angaben Goroschankin’s zeichnen sich diese Zellen durch grosse und chromatinreiche Kerne, durch den dicken Protoplasmagehalt und die Abwesenheit der Stärke im Protoplasma aus. Bei den Cycadoideen und Abietineen ist eine offene Verbindung zwischen den Eizell- und Deckschichtzellprotoplasten vorhanden. Diese Verbindung findet durch siebröhrenähnliche Poren in den trennenden Membranen statt. An diese Angaben Goroschankin’s schliessen sich unmittel- bar diejenigen Hiras&’s für die Deckschichtzellen von Gingko und die Ikeno’s für Cycas an. Hirase®) war der erste, welcher sich mit den Veränderungen beschäftigte, welche in den Deckschichtzellen von Gingko während der Archegoniumbildung und Embryoentwicke- lung sich abspielen. Im Protoplasma der jungen Deckschichtzellen fand Hirase kleine Körnchen, welche der Zellwand dicht anliegen, die die Eizell- und Deckschichtzellprotoplasten scheidet. Ebensolche Körnchen fand er auf einem späteren Stadium auch im Rizellproto- plasma. Nach allen Reactionen waren diese Körnchen mit den Kern- körperchen der Deckschichtzellen identisch. Ausserdem besassen die Kerne der jungen Deckschichtzellen je zwei Kernkörperchen, während in den älteren Deckschichtzellen zur Zeit, als in der Eizelle der 1) Strasburger, Die Coniferen und die Gnetaceen 1872, 2) Arnoldi, Beiträge zur Morphologie der Gymnospermen .... II. Ueber die Corpuskeln und Pollenschläuche bei Sequoia sempervirens, Bulletin de la Socidte de Naturalistes de Moscou. 1899. 3) Goroschankin, Ueber die Corpuscula und Befruchtungsvorgang bei den Gymnospermen. Moskau 1880 (russisch). Wissenschaftl. Schriften der Moskauer Universität. Derseibe. Zur Kenntniss der Corpuscula bei den Gymnospermen. Bot. Ztg. 1883 Bd. 41. 4) Hirase6, Etudes sur la f&condation et l’embryogönie du Gingko biloba. The Journal of the College of Science, Tokyo, Japan, 1895. 47 bildet, während die innere zur Eizelle sich umwandelt. Indem das Gattungen auszudehnen. So, dienten meine Untersuchungen über Sequoia sempervirens zur Aufstellung der verwandtschaftlichen Be- ziehungen zwischen den Coniferen und den Gnetaceen, Die gegenwärtige Arbeit über Embryogenie von Cephalotaxus bringt einige neue Thatsachen zur Frage der verwandtschaftlichen Be- ziehung der Gymnospermen einerseits und erweitert andererseits unsere Kenntniss über den Archegonienbau und Befruchtungsvorgang in der Gymnospermengruppe. Die Arbeit wurde im Pflanzenphysiologischen Institut zu München gemacht. An dieser Stelle möchte ich mir erlauben, Herrn Professor Dr. Goebel für seine stets liebenswürdige Theilnahme meinen Dank zu sagen. Ebenso bin ich Collegen Dunzinger für seine Hilfe bei der Redaction des deutschen Textes zu herzlichem Dank verpflichtet. Die Gattung Cephalotaxus mit einer Art C. Fortunei und einigen Varietäten wird von den Systematikern in die Familie der Taxaceen eingereiht. Hier nimmt sie eine Zwischenstelle zwischen Phyllocladus und Gingko einerseits und Torreya und Taxus andererseits ein !). Die morphologischen und anatomischen Beschaffenheiten von Cephalotaxus zeigen seine nahe Verwandtschaft mit Taxus, während der Bau seiner Samenknospe die Pflanze in Beziehung zu den Gingkoaceen und Cycadoideen bringt. Es lag deshalb die Vermuthung nahe, dass Cephalotaxus in seiner Entwickelungsgeschichte die Charaktere von Taxus und anderen Coniferen einerseits und der ältesten Gymno- spermen andererseits vereinigen würde. In der That haben meine Untersuchungen diese Vermuthung be- stätigt, wie ich in den drei Capiteln meiner Arbeit darthun werde. In dem ersten derselben soll der Bau der Archegonien und ihrer Theile geschildert werden. Der zweite ist der Darstellung des Pollen- schlauchbaues, des Befruchtungsvorgangs und der Embryoentwieke- lung gewidmet, während im letzten Capitel die allgemeinen Ergebnisse dargestellt werden sollen. I. Die Archegonien werden bei allen Coniferen auf dieselbe Weise gebildet. Die peripherische Endospermzelle theilt sich durch eine Perikline in zwei Zellen, deren äussere später den Archegonienhals 1) Engler und Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien, II, pag. 1088. 48 Archegonium wächst, erleiden die es unmittelbar umgebenden Endo- spermzellen einige Veränderungen, igdem sie sich zur sogenannten Deckschicht umbilden. Nur die Archegonien von Welwitschia mira- bilis?) und Sequoia sempervirens?) entbehren dieser Deckschicht. Bei der ersten Pflanze fehlen sie vollständig, bei der zweiten werden sie nur zum Theil gebildet. Während die morphologische Beschaffenheit dieser Deckschicht- zellen schon vor zwanzig Jahren durch Goroschankin’s Unter- suchungen 3) bekannt geworden war, ist die physiologische Bedeutung derselben für die Eizelle erst in der letzten Zeit durch die Bemüh- ungen der japanischen Forscher klar gelegt worden. Nach Angaben Goroschankin’s zeichnen sich diese Zellen durch grosse und chromatinreiche Kerne, durch den dieken Protoplasmagehalt und die Abwesenheit der Stärke im Protoplasma aus. Bei den Cycadoideen und Abietineen ist eine offene Verbindung zwischen den Eizell- und Deckschichtzellprotoplasten vorhanden. Diese Verbindung findet durch siebröhrenähnliche Poren in den trennenden Membranen statt. An diese Angaben Goroschankin’s schliessen sich unmittel- bar diejenigen Hiras&’s für die Deckschichtzellen von Gingko und die Ikeno’s für Cycas an. Hiras&*) war der erste, welcher sich mit den Veränderungen beschäftigte, welche in den Deckschichtzellen von Gingko während der Archegoniumbildung und Embryoentwicke- lung sich abspielen. Im Protoplasma der jungen Deckschichtzellen fand Hiras& kleine Körnchen, welche der Zellwand dicht anliegen, die die Eizell- und Deckschichtzellprotoplasten scheidet. Ebensolche Körnchen fand er auf einem späteren Stadium .auch im Eizellproto- plasma. Nach allen Reactionen waren diese Körnehen mit den Kern- körperchen der Deckschichtzellen identisch. Ausserdem besassen die Kerne der jungen Deckschichtzellen je zwei Kernkörperchen, während in den älteren Deckschichtzellen zur Zeit, als in der Eizelle der 1) Strasburger, Die Coniferen und die Gnetaceen 1872, 2) Arnoldi, Beiträge zur Morphologie der Gymnospermen ... II. Ueber die Corpuskeln und Pollenschläuche bei Sequoia sempervirens. Bulletin de la Societ6 de Naturalistes de Moscou. 1899. 8) Goroschankin, Ueber die Corpuscula und Befruchtungsvorgang bei den Gymnospermen. Moskau 1880 (russisch). Wissenschaftl. Schriften der Moskauer Universität. Derseibe. Zur Kenntniss der Corpuscula bei den Gymnospermen. Bot. Ztg. 1883 Bd. 41. 4) Hirase, Etudes sur la fecondation et l’embryogenie du Gingko biloba. The Journal of the College of Science, Tokyo, Japan, 1895. 49 Embryo schon ziemlich entwickelt war, die Kerne nur einen Nu- eleolus hatten. Diese Thatsache veranlasste Hiras6& zu der Annahme, dass aus den Kernen der Deckschichtzellen die kleinen Körnchen entstehen. Die Durchlöcherung der Membran der Eizelle von Gingko und die Lage dieser Körnchen beiderseits der Membran förderten in Hirase die Meinung, dass die Körnchen aus den Deckschichtzellen in die Eizelle eindringen ?). Daraus folgt die natürliche Erklärung der physiologischen Be- deutung der Deckschichtzellen als Entstehungsort des Nährmaterials für die Eizelle. Bald nach dieser Arbeit Hiras&’s hat ein anderer japanischer Gelehrter, Ikeno, in seiner hervorragenden Arbeit über Oycas revo- luta®) die Beschaffenheit der Deckschichtzellen bei dieser Pflanze beschrieben. Im Allgemeinen stimmen die Angaben der beiden japa- nischen Gelehrten bezüglich des Baues und der Function der Deck- schichtzellen bei Gingko und Cycas überein. Es war Ikeno sogar gelungen, die Körnchen während des Uebergangs durch die Eizell- membran von Cycas zu beobachten. Es sind aber einige Unterschiede zwischen den Angaben der beiden Autoren vorhanden. So konnte Ikeno in den Deckschichtzellen von Cycas immer nur ein Kern- körperchen beobachten. Ebenso gelang es ihm, einige Verschieden- heiten zwischen den Kernkörperchen und Körnchen zu constatiren?). Während alle diese Veränderungen in den Deckschichtzellen vor sich gehen, wächst und verändert sich auch das Archegonium: sein vacuolenreiches Protoplasma verliert allmählich die Vacuolen, wird immer dicker, während sein Kern sich theilt, womit zugleich die Bauchkanalzelle gebildet wird. Da dieser Entwickelungsgang bei den meisten Coniferen gleich ist, übergehe ich denselben und werde sogleich zur Besprechung der Archegonienbildung von Cephalotaxus mich wenden. l) Hirase, 1. c. pag. 317 ff. Ausser diesen Körnchen, welche in den Deckschichtzellen sich bilden, hat Hiras& eine andere Art der Körnchen beschrieben, welche aus dem Eizellkern ihren Ursprung nehmen, 2) Ikeno, Untersuchungen über die Entwickelung der Geschlechtsorgane und der Vorgang der Befruchtung bei Cycas revoluta. Jahrbücher für wissen- schaftliche Botanik XXXII. Bd. 1898. . 3) „Die beste Untersuchungsmethode besteht darin, dass man... Schnitte. . mit 0,20%,, Säurefuchsin ..... dann mit 0,20), Methylenblau färbt ... indem die Granulationen sich roth und die Nucleolen blau färben. Ikeno,l. e. p. 565. Flora 1900, 4 50 Die Entwickelungsgeschichte von Cephalotaxus ist bis jetzt noch nicht vollständig untersucht worden. Die einzigen Angaben, welche über diesen Gegenstand gemacht wurden, finden wir bei Stras- burger‘), welcher seine Betrachtungen an schon ziemlich weit in der Entwickelung vorgeschrittenen Embryonen machte. Auf seine Angaben werde ich bei der Besprechung der Embryoentwiekelung zurückkommen. Die Samenknospe von Cephalotaxus Fortunei bedarf zu ihrer Reife zwei Jahre. Im ersten Jahre werden der Nucellus und das Integument angelegt und findet die Bestäubung statt. Im Frühjahre des zweiten Jahres werden Archesporium und Embryosack angelegt, worauf im Monat Mai die Endospermentwickelung stattfindet. Nachdem in den letzten Tagen des Mai die Archegonien angelegt werden, findet Mitte Juni die Befruchtung statt. Im Ver- hältniss zu dem langsam vor sich gehenden Befruchtungsvorgang findet die Embryoentwiekelung sehr rasch statt, so dass wir im August bereits einen vollkommen ausgebildeten Embryo vorfinden, während zu gleicher Zeit der untere Theil des Integumentes sich verhärtet hat. Alle diese Verhältnisse sind für Pflanzen aus Mitteleuropa und Südrussland (der Krim) giltig. Das mir zur Verfügung stehende Material war hauptsächlich in dem Kais. Botanischen Garten in Nikita (Südufer der Krim) gesammelt worden. Auch benützte ich Samen- knospen, welche in den botanischen Gärten von Palermo, Florenz und im städtischen Garten von Bozen (Südtirol) gesammelt waren. Es sei mir hier gestattet, der Direction des Kaiserlichen Gartens in Nikita, so auch den Herren Professoren Borzi und Mattirolo meinen besten Dank auszusprechen für die Ueberlassung des nöthigen Materiales. Die Archegonien von Cephalotaxus bilden sich aus den peri- pherischen Zellen des Endosperms, welches zu dieser Zeit noch nicht vollständig ausgebildet ist. Die Fig. 1 zeigt uns die einzelligen Ar- chegonien, welche in dem oberen Theile des Endosperms liegen. Wie aus dieser Figur zu sehen ist, zeigt das unten liegende Endosperm noch die Alveolenbildung?). Das einzellige Archegonium theilt sich 1) Strasburger, Die Angiosper: i bag. 149-150. giospermen und die Gymnospermen 1879, bach ns “ jur gelungen, die jungen noch sich bildenden Alveolen zu bes . m en, lch konnte sehen, dass die fortwachsenden Enden immer offen, nicht it Zellmembran versehen sind, was vollständig übereinstimmt mit den Angaben, 51 durch eine Perikline in eine Halsmutterzelle und eine Eizelle. Dann fängt dieses Archegonium an zu wachsen und zeigt in seiner Ent- wiekelung alle Veränderungen, welche für sämmtliche Coniferen charakteristisch sind und oben schon besprochen wurden. Zu gleicher Zeit verändern sich auch die das Archegonium umgebenden Endospermzellen und bilden die sogenannten Deckschichtzellen. Auf sehr jungen Entwickelungsstadien zeigen diese Zellen ein vacuolreiches Protoplasma und einen chromatinreichen, mit einem runden Nucleolus versehenen Kern. Auf etwas späteren Stadien verdickt sich das Zeilprotoplasma und es beginnen in demselben eine Reihe von Veränderungen, welche an diejenigen in den Deckschichtzellen bei Gingko und Cycas erinnern. Diese Veränderungen beginnen damit, dass die änfänglich runde Gestalt des Nucleolus unregelmässig wird. Die Fig. 2 stellt dieses Stadium bei starker Vergrösserung dar. In sämmtlichen Deckschichtzellen nehmen die Nucleolen solche unregelmässige Formen an. Wenn wir jetzt ein späteres Stadium betrachten, so sehen wir, dass in allen Zellkernen ausser den grossen und unregelmässig gestalteten Kern- körperehen noch viele Körnehen vorhanden sind (Fig. 3). Wenn wir diese Kerne mit Jodgrün-Fuchsin nach Zimmermann behandeln, so färbt sich das Chromatin blau-violett, während die Kernkörperchen und eben diese Körnchen roth gefärbt werden. Wir sehen, dass die Kernkörperchen Auswüchse bilden, welche nach Form und Ge- stalt den Körnchen ganz ähnlich sind. Auf diesem Stadium sehen wir, dass die Nucleolen die Körnchen vielmal an Grösse übertreffen. Ein späteres Stadium zeigt, dass die Nucleolen und Körnchen fast gleiche Grösse haben (Fig. 4); und da nach ihrem Färbungsvermögen Nucleolen und Körnchen gleichartige Gebilde sind, so sieht ein Zell- kern auf diesem Stadium aus, als habe er mehrere Nucleolen. Nach Ikeno’s Angaben haben die Deckschichtzellkerne bei Oycas!) immer welche Sokolowa für Cephalotaxus, Ikeno für Cycas machen und mit den Be- obachtungen, welche ich selbst bei der Endospermbildung von Sequoia semper- virens gemacht habe. — Desto fragwürdiger scheinen mir die neuesten Angaben Jaegers für Taxus und seine Zeichnungen, auf welchen er die ganz jungen Stadien der Endospermentwiekelung als geschlossene Zellen, aber nicht als offene Alveolen (im Sinne Sokolowa’s) darstellt. Es scheint, dass ihm die Arbeit Sokolowa’s ganz unbekannt geblieben ist, obgleich auf sie in der von ihm eitirten Abhandlung Jaccard’s hingewiesen wird. )Ikenol. ce. 4% 52 je einen Nucleolus, während Hirase& für dieselben Kerne bei Gingko) die Anwesenheit von zwei solchen bestätigt ?). Wenn wir die Deckschichtzellen zu der Zeit beobachten, zu welcher in der Eizelle schon der Embryo angelegt ist, zeigen sie immer nur einen ganz runden Nucleolus (Fig. 5). Die Beobachtung aller dieser Veränderungen lässt wohl mit Recht die Annahme zu, dass die Körnchen aus dem Nucleolus entstehen. Dennoch muss auch die Möglichkeit ihrer Entstehung direct aus der Kernsubstanz zugegeben werden. Auf den ersten Stadien der Entwickelung der Deckschichtzellen finden wir diese Körnchen nur innerhalb des Kernes. Auf etwas späteren Stadien finden wir sie jedoch auch im Protoplasma der Deck- schichtzellen. Da die Körnchen im Kerne wie im Protoplasma in allen Beziehungen (in Grösse, Färbevermögen etc.) vollständig gleich sind, da sie zuerst im Kerne und erst später im Protoplasma zu be- obachten sind, so können wir daraus wohl folgern, dass sie aus dem Kerne in das Protoplasma einwandern. Im Protoplasma der Deck- schiehtzellen werden sie in grosser Menge angehäuft, und gehen dann in die Eizelle über. Die Fig. 6, 6a zeigen die mit Körnchen er füllten Zellen. Bevor ich zur Beschreibung des Archegoniumwachsthums über- gehe, will ich, um Unterbrechung zu vermeiden, das fernere Ver- halten der Körnchen in der Eizelle besprechen, Die Körnchen treten in der Eizelle zu einer Zeit auf, zu welcher das Protoplasma derselben noch reich an Vacuolen ist. Die Beob- achtung des Ueberganges der Köürnchen von den Deckschichtzellen in die Eizelle ist äusserst schwierig. Bei Gingko und Oycas sind in der Eizellmembran, wie oben er- wähnt, Poren vorhanden. Diese Poren erleichtern den Körnchen den Uebergang aus den Deckschichtzellen ins Ei. Während bei den Oyeadeen, z. B. Cycas und Encephalartos diese Durchlöcherung bei der schwächsten Vergrösserung schon zu beobachten ist, zeigt die Eizell- und Deckschichtzellenmembran bei Cephalotaxus selbst bei den stärksten Vergrösserungen keine Löcher. Da wir aber zu beiden Seiten der Membran Körnchen gleicher Beschaffenheit wahrnehmen, müssen wir einen Uebergangsprozess annehmen. Welcher Art dieser UVebergangsproces ist, das entzieht sich der Beobachtung und es lässt 1) Hirass le 2) Ich konnte in Deckschichtzellkernen bei Ceratozamia mexieana auf dem entsprechenden Stadium auch viele Nucleolen beobachten, was die Fig. 4a zeigt. 63 sich nur eine Vermuthung aussprechen. Nimmt man an, dass wir nicht Körnchen, sondern Tröpfchen zähflüssiger Substanz vor uns haben, so findet der Uebergang durch eine Filtration eine einfache Erklärung. In der That scheint diese Annahme durch die Beobachtung bestätigt zu werden. Die Fig. 6a, b zeigen uns an der Wand einer Eizelle anliegend Körnchen von halbsphäroidischer Gestalt, während die weiter ins Innere der Eizelle gedrungenen Körperchen wieder kugelig geworden sind. Sie zeigen also dasselbe Verhalten wie Tropfen, die eine Membran passieren: die derselben anhaftenden sind halbkuglich und nehmen erst beim Verlassen derselben wieder Kugel- gestalt an. Die in das Ei eingedrungenen Tröpfehen zeigen rasches Wachs- thum und grosse Veränderungen. Während sie zu Anfang ganz homogen sind und so die Bezeichnung Körnchen wohl rechtfertigen, treten während des folgenden raschen Wachsthums in ihnen vacuolen- artige Lücken auf. Diese nehmen an Zahl immer mehr zu, während die Körperchen eine immer bedeutendere Grösse erreichen, so dass sie schliesslich eine schaumige Struktur zeigen. Die Fig. 8 zeigt uns das erste Auftreten der Körperchen in der Eizelle; in Fig. 9 sehen wir die Körperchen schon bedeutend ge- wachsen und es ist ihre Vertheilung im Protoplasma zu sehen. Auf derselden Figur ist auch die Vermehrung der Körperchen zu beobachten. Dieselbe kommt durch einfache Einschnürung oder Abtrennung kleinerer Theile zu Stande, wie es auch auf Fig. 9 zu sehen ist. Das Maximum ihrer Entwickelung erreichen sie zur Zeit der Befruchtung und während der Befruchtung selbst. Zu dieser Zeit sehen wir, dass die Körper- chen ihre regelmässige Kugelgestalt zum Theil verloren haben, wie es aus Fig. 10, welche ein solehes Körperchen, das den oberen Theil des Archegoniums fast vollständig erfüllt, darstellt, ersichtlich ist. Aus der Formveränderung können wir wohl schliessen, dass wir einen Körper zähflüssiger Substanz vor uns haben, welche Vermuthung gelegentlich bei der Besprechung des Uebergangsprocesses schon ausgesprochen wurde. Während der ersten Entwickelungstadien des Embryos verschwinden die grossen Körper sehr rasch fast ganz. Schon zu einer Zeit, zu welcher der Embryo erst aus nur wenigen freien Kernen besteht, sind nur kleine runde Körperchen noch wahrzunehmen (Fig. 26, 27, 25). Diese Thatsache gibt uns wohl das Recht zur Annahme, dass die Körperchen dem wachsenden Embryo als erstes Nährmaterial zu dienen bestimmt sind. In dieser Annahme werden wir noch bestärkt, 54 wenn wir sehen, dass in unbefruchteten Archegonien die grossen Körperchen unverändert ihre maximale Grösse behalten (Fig. 11). Zu gleicher Zeit mit dem Wachsthum der oben beschriebenen Körper geht auch die Vergrösseruug des Archegoniums und seiner Theile vor sich. Da ich in meinen Abhandlungen über Sequoia sempervirens !) den Bau der Archegonientheile eingehend beschrieben habe, werde ich hier, um die Wiederholung zu vermeiden, nur die nothwendigsten Literaturangaben besprechen. Das Archegonium von Cephalotaxus besteht aus einem zwei- zelligen Halse und einer Eizelle, wie es die Fig. 7 zeigt. An den Fig. 12a,b sehen wir den Hals von oben und von der Seite. So hat Cephalotaxus ebensolchen Hals wie die ältesten Gymnospermen- Cycadoideen, Gingko und Sequoia ?). Die Eizelle von Cephalotaxus ist auf den jüngeren Stadien reich an Vacuolen und ihr ganz normal gebauter Kern liegt am oberen Ende derselben. Allmählich verdickt sich das Eiprotoplasma, während die oben beschriebenen Körperchen aus den Deckschichtzellen ein- wandern. Der Eikern, welcher früher ganz normal gebaut war, scheint die Kernmembran zu verlieren und zusammengedrückt zu werden, was an dieselben Vorgänge bei Cycas erinnert?). Dann theilt sich der Kern karyokinetisch (Fig. 13). Für die meisten Coni- feren ist diese Theilung der Beginn der Bildung der Bauchkanal- zelle. Bei Cephalotaxus nun wird keine Bauchkanalzelle gebildet. Die Abbildung (Fig. 14) zeigt uns den oberen Theil des Eies, in dem zwei Kerne liegen. Von einer Zellmembran ist keine Spur zu sehen und auf einer ganzen Reihe von Präparaten ist es mir nicht gelungen, sie wahrzunehmen. Nach der Abbildung, die Ikeno‘) für Cycas gibt, ist es mir wahrscheinlich, dass auch dort ähnliche Verhältnisse vorliegen, wenngleich Ikeno die Bildung der Bauch- kanalzelle für erwiesen hält. 2 Arnoldil. ce. 2) Es wäre interessant zu wissen, aus wie viel Zellen der Hals des Taxus- archegoniums besteht. Jaeger behauptet, dass er aus vier Zeilen bestehe. Doch ist das aus der Abbildung, auf welche er verweist, nicht zu ersehen, da es nur eine Seitenansicht ist und demnach ebensognt einen zweizelligen wie vierzelligen Hals iliustriren kann. Zur richtigen Erkenntniss wäre die Oberansicht nöthig. Jaegerl.e. 3) Ikenol. ce. 4) Ikenol.c. Taf. L Fig. 11. 55 Auf der Fig. 11 Taf. I seiner Arbeit zeichnet Ikeno das obere Ende des Eies mit zwei Kernen, von denen der eine der Bauch- kanalzelle, der andere der Eizelle zugehört. Es ist keine Wand zwischen diesen zwei Kernen gezeichnet, obgleich der Eikern schon bedeutend nach dem mittleren Theile der Eizelle verschoben ist. Diese Abbildung constatirt nur die Theilung des Kernes, be- weist aber nicht die Bildung einer Bauchkanalzelle !). Nach der Theilung des Eikernes sinkt der untere Kern etwas nach unten, während er sich mit sogenannter metaplastischer Substanz erfüllt. In dieser Beziehung stimmt Cephalotaxus mit den anderen Gymnospermen überein. Der obere Theil des Eizellprotoplasmas sammt dem in ihm be- findlichen Kerne verschleimt, quillt auf, sprengt so die Halszellen und tritt aus dem Archegonium heraus, wie es Fig. 16 in deutlicher Weise zeigt. Durch diesen Vorgang wird das Archegonium geöffnet und zur Aufnahme der männlichen Elemente fähig gemacht. Nachdem wir so die Beschreibung der Veränderungen des Arche- goniums vor der Befruchtung beendigt haben, wollen wir zur Schil- derung der Pollenschläuche und Befruchtungsvorgänge übergehen. 1. Die Bestäubung der Samenknospe von Cephalotaxus findet im Frühling des ersten Jahres statt, zu welcher Zeit die Samenknospen erst aus Nucellus und Integument bestehen. Die Figur 16 zeigt uns eine Samenknospe, welche im September des ersten Jahres ge- sammelt war. Wir sehen hier das mächtige Integument und den grossen Nucellus, auf dessen oberen Theile sich die Pollenschläuche ausbreiten. Im ganz jungen Pollenschlauch sind zwei Zellen und ein Kern wahrzunehmen. Die beiden Zellen bilden einen spermatogenen Complex im Sinne Belajeff’s, während der Kern dem Pollenschlauch selbst gehört, welcher die Antheritienhülle bildet2). Fig. 17 zeigt einen Pollenschlauch an einer Samenknospe, die im April des zweiten Jahres gesammelt wurde. Man sieht aus diesem späteren Stadium eine grosse generative Zelle und zwei Kerne, deren Bedeutung Be- lajeff erklärt hat2). Der Kern der generativen Zelle liegt hier ex- 1) Leider übergeht Jaeger die Frage nach der Bauchkanalzelle bei Taxus in seiner Arbeit ganz. Jaeger. c. 2) Belajeff, Zur Lehre von dem Pollenschlauch der Gymnospermen. Ber. d. Deutsch, Bot. Gesellsch. Bd. IX. XL 56 centrisch. Er zeigt einen grossen Nucleolus und ein zartes Chroma- tinnetz. Auf diesen jungen Stadien entsprechen die Verhältnisse der Pollenschläuche von Cephalotaxus denjenigen von Taxus vollständig. In diesem Zustande durchwächst der Pollenschlauch das Nu- cellargewebe und erreicht das Endosperm. Die innersten Schichten des Nucellargewebes, welche an das Endosperm grenzen, zeigen ein sehr lockeres Gefüge und werden später zusammengedrückt. Sobald das untere Ende des Pollenschlauches die äussere Grenze dieses lockeren Necullargewebes erreicht, theilt sich die generative Zelle. Es bilden sich dadurch zwei generative Zellen. Taxus zeigt deren nur eine. Die beiden generativen Zellen haben auf jüngeren Stadien je einen normal gebauten Kern und eine Protoplasmaschicht. Gewöhnlich um- gibt sich jede der generativen Zellen mit einer eigenen Membran. Nur in vereinzelten Fällen konnte ich die beiden generativen Kerne von einer gemeinsamen Protoplasmaschicht und Membran umschlossen finden (Fig. 21). Aber nur kurze Zeit behalten diese Zellen und ihre Kerne das normale Aussehen. Dann verdickt sich das Proto- plasma ringförmig um die Kerne herum, während die Kerne selbst mit metaplastischer Substanz sich erfüllen, ganz auf dieselbe Weise, wie wir es bei den Eikernen gesehen haben. In solchen mit der metaplastischen Substanz erfüllten Kernen kann man nur einen grossen Nucleolus und einige nucleolenartige Körnchen unterscheiden, wie das auf der Fig. 18 deutlich erkennbar ist. Im vorderen Ende des Pollenschlauches sind, wie erwähnt, zwei Kerne vorhanden. In manchen Fällen konnte man hier die Anwesenheit von drei Zell- kernen constatiren (Fig. 19), was bei den Gymnospermen nicht oft der Fall ist. Der eine Kern gehört der während der Keimung sich desorganisirenden Zelle an, während die beiden anderen dem Pollen- schlauch selbst zugehören. Das Vorhandensein von zwei vegetativen Zell- kernen in dem keimenden Pollenschlauch ist nur noch von Juränyi') bei Ceratozamia longifolia nachgewiesen worden. In einem Falle ist es mir gelungen, die Theilung des Kernes dureh Einschnürung im Pollenschlauchprotoplasma zu beobachten (Fig. 19a). Das Vorhandensein der drei Kerne und der Bau der generativen Zellen von Cephalotaxus erinnern sehr an dieselben Verhältnisse der befruchtenden Elemente von Cycas und Gingko kurz bevor sich aus ibnen Antherozoiden bilden. (Man vergleiche die Fig. 30, 31, 32 der 1) J. Juränyi, Ueber den Pollen der Gymnospermen. . Jahrbücher für wissenschaftl. Botanik, 1872, Band VIII. ‚7 Arbeit Ikeno’s und die Fig. 24, 25, 26 Hirase&’s.) Es unterscheidet sich also Cephalotaxus von allen anderen Coniferen und steht den ältesten Gymnospermen bezüglich des Baues des Inhalts der Pollen- schläuche näher. Nach der Bildung der zwei generativen Zellen ist der Pollen- schlauch von Cephalotaxus zur Befruchtung fertig. Sein vorderes Ende kommt in Berührung mit dem hervortretenden Protoplasma des Eies und entleert seinen Inhalt in dasselbe. In den meisten Fällen treten die beiden generativen Zellen und die vegetativen Kerne in dasselbe ein (Fig. 20, 21)'). Bald darauf vermischt sich das Proto- plasma der generativen Zellen mit demjenigen des Eies, während der eine generative Kern mit dem Eikern verschmilezt. Aus der letzten Zeit stammen verschiedene Beobachtungen über die Vereinigung der männlichen und weiblichen Kerne bei den Oycadoideen und Coniferen. Obgleich dieser Vereinigungsprocess bei den beiden Gymnospermengruppen im Wesentlichen derselbe ist, sind doch hier einige Unterschiede vorhanden. Nach Ikeno’s Angaben sind bei Oycas die beiden copulirenden Kerne vollständig mit metaplastischer Substanz erfüllt, so dass in ihrem Innern kein Chromatin mehr zu bemerken ist. Der männliche Kern dringt in den weiblichen zum Theil ein, dann bildet er Auswüchse, zerfällt in mehrere Stücke und ver- schwindet endlich in der Substanz des weiblichen Kernes. Das Chro- matin tritt erst bei der Theilung dieses Copulationskernes wieder auf?). Im Gegensatz zu den Cycadoideen enthält der männliche Kern bei den Coniferen keine metaplastische Substanz. Nach Black- mann’s®) Angaben behält der männliche Kern von Pinus silvestris seine Individualität lange Zeit bei. Selbst noch während der Theilung des Copulationskernes kann man das männliche Chromatin als selbst- ständige Chromosomengruppe unterscheiden. Die vollkommene Ver- einigung der weiblichen und männlichen Substanzen tritt erst in den Tochterkernen ein. Nach den neuesten Beobachtungen Wuicizki’s®), welcher den Befruchtungsvorgang bei Larix dahurica studirte, dringt der chromatin- 1) Auf dieser Abbildung sind nur die generativen Kerne sichtbar. Die vege- tativen waren auf einem anderen Serienschnitte zu sehen. 2) Ikeno, Il. ce. 584 ff. 3) Blackmann, On the Cytological Features of Fertilisation and related Phenomena in Pinus silvestris. Philosophical Transactions of the R. Society of London, B. 161. 1898. 4) Wuicizki, Ueber die Befruchtung bei den Coniferen. Warschau 189. (Russisch.) 58 reiche männliche Kern in den weiblichen ein und verschmilzt mit demselben noch vor der Theilung. In einigen Fällen aber konnte Wuicizki bei Larix während der ersten Theilung auch zwei selbst- ständige Chromosomengruppen unterscheiden. Er hält es für mög- lich, dass eine Gruppe dem männlichen Kerne entspricht, während die zweite dem weiblichen zugehört. Es vereinigen sich bei Cephalotaxus die beiden Kerne in dem oberen Theile des Archegoniums. In dieser Zeit unterscheiden sie sich nur durch ihre Grösse, während ihr Bau derselbe ist. Sie sind ganz mit metaplastischer Substanz erfüllt und enthalten ein grosses und einige kleine Kernkörperchen (Figg. 20, 21, 22,23). Es dringt der männ- liche Kern in den weiblichen ein, doch bleiben sie noch lange Zeit unverschmolzen. Es bewegen sich die beiden Kerne bis zur Mitte des Eies, wo die (Fig. 23) Verschmelzung der beiden eintritt. Die Verschmelzung besteht darin, dass der männliche Kern seine meta- plastische Substanz allmählich verliert und Chromatin ausarbeitet. Dann vereinigt sich der von metaplastischer Substanz freie und mit Chromatin erfüllte männliche Kern mit dem weiblichen (Fig. 23, 24 a-d). Zuweilen sieht man, dass der männliche Kern in dem weiblichen Auswüchse bildet, ebenso wie es Ikeno für Cycas angibt. Es beginnt nach dieser Vereinigung der Kopulationskern sich zu theilen, indem sich die erste Theilungsspindel, welche wie bei allen Gymnospermen, im Verhältniss zur Grösse der Kerne chromatin- arm ist, in der Membran des Kopulationskernes bildet (Fig. 23). Die achromatische Figur bleibt an beiden Enden breit. Die Theilungs- ebene kann entweder schief oder senkrecht zur Längsaxe liegen. Dadurch bilden sich zwei Kerne (Fig. 26a), welehe in der Mitte des Eies sich befinden. Indem die beiden Kerne sich in gleicher Zeit karyokinetisch theilen, entstehen vier Kerne (Fig. 26a, 31), deren gegenseitige Lage eine sehr verschiedene sein kann, wie das aus den Fig. 26a, 31 ersichtlich ist. Die Theilkerne liegen in einer dichten Protoplasmaanhäufung, welche frei ist von den im ersten Kapitel be- sprochenen Körperchen. In dem Protoplasma des Archegoniums ist durch den sich bewegenden Copulationskern eine Höhlung erzeugt worden, welche über dem Copulationskerne, der im unteren Theile des Protoplasma liegt, zu sehen ist (Fig. 23, 25). Durch Theilung der aus Copulationskerne hervorgegangenen vier Kerne entstehen ent- weder sogleich durch freie Zellbildung oder erst nach mehrmaliger Theilung eine Anzahl von Zellen (Fig. 265, 27; 26c, 28). Die ent- standenen Zellen ordnen sich unter fortwährender Theilung stockwerk- 59 weise im unteren Theile des Archegoniums, so dass an der untersten Stelle desselben, die von jetzt ab den morphologischen Gipfel bildet, eine Zelle liegt. Die Figur 28 zeigt uns den Embryo auf diesem Stadium der Ent- wickelung. Die morphologisch alleruntersten Zellen bilden eine Rosette, die ihnen folgenden wachsen tubenförmig aus und bilden den Suspen- sor. Zwischen der morphologisch obersten Zelle und den tubenförmig ausgezogenen werden viele Zellen gebildet, welche ebenfalls stock- werkweise gelagert werden (Fig. 29). Durch bedeutendes Längen- wachsthum des Suspensors werden die in der Richtung vor ihm ge- bildeten Zellen tiefer in das Endosperm verschoben, wo sie dem Embryo den Ursprung geben (Fig. 30). Dieses und die folgenden Stadien der Embryoentwickelung sind vor zwanzig Jahren von Stras- burger genau untersucht und auf der Tafel XIX seines bekannten Buches abgebildet worden ?). Oben habe ich gezeigt, dass gewöhnlich die beiden generativen Zellen und die im Pollenschlauche sich befindenden Kerne in die Ei- zelle eindringen, dass aber nur ein männlicher Kern mit dem weib- lichen sich vereinigt. Sehen wir nun, was mit den am Befruchtungs- vorgange nicht betheiligten Kernen geschieht. Die Beobachtungen Wuicizki's?) haben gezeigt, dass der zweite generative Kern in den befruchteten Eizellen von Larix dahurica eine lange Zeit nach der Befruchtung in dem oberen Ende des Eies zu unterscheiden ist, während die vegetativen Kerne bald zu Grunde gehen. Ausden Angaben anderer Forscher geht hervor, dass dieam Befruchtungs- vorgang nicht theilnehmenden Elemente allmählich zu Grunde gehen. Sonderbar ist das Verhalten des zweiten männlichen Kerns bei Cephalotaxus, .Dieser theilt sich nämlich während im unteren Theile des Eies die Embryobildung vor sich geht, aber amitotisch. Die Fig. 32 zeigt uns die Formen, welche der sich theilende zweite männliche Kern annimmt. Sie erinnern sehr an die Abbildungen, welche Ikeno für die Kerne gibt, die in dem oberen Ende des in der Bildung begriffenen Embryos sich befinden®),. Dieser Theilung des männlichen Kernes wegen kann man mehrere Kerne in dem oberen Theile des Eies finden, was auf Fig. 31 zu sehen ist. Man kann zuweilen in dem oberen Theile des Eies mehrere Kerne beobachten, deren gegenseitige Lage zeigt, dass sie als Theil- 1) Strasburger, l. e. Taf. XIX Text 8. 149—180. 2) Wuicizki,l. ce. 3) Ikeno, 1. c. Fig. 52, 53 Taf. X. 60 ungsprodukte eines einzigen Kernes nicht betrachtet werden können. Vermuthlich ist hier in das Ei der Inhalt zweier Pollenschläuche ent- leert worden (Fig. 32). Die an der Befruchtung nieht theilnehmenden Kerne verlieren ihre metaplastische Substanz, arbeiten aber nicht viel Chromatin aus und sind schr lange Zeit in dem oberen Ende des Eies zu beobachten, während der Embryo schon bedeutend entwickelt ist. Sie gehen erst zu gleicher Zeit mit dem Absterben des oberen Eiendes zu Grunde. Diese oben beschriebene Embryoentwickelung von Cephalotaxus zeigt grosse Aehnlichkeit mit demselben Vorgang bei Taxus baccata, wie ihn kürzlich Jaeger!) geschildert hat. Es entsteht in dem unteren Ende der Eizelle von Taxus baccata durch freie Bildung eine Anzahl Zellen, welche sich stockwerkweise lagern. Das morphologisch obere Ende eines solchen Embryos nehmen eine oder zwei Zellen ein; die morphologisch untere Zellenseite bildet eine Rosette, die ihr unmittelbar anliegenden Zellen bilden die Suspensorschläuche, während die zwischen diesen und dem Gipfel sich befindenden Zellen in das Endosperm eingeschoben, dort zur Embryobildung dienen. Cephalotaxus und Taxus haben also dieselbe Embryobildung und unterscheiden sich dadurch von allen anderen bisher untersuchten Gymnospermen. ul. Wenn wir jetzt die Hauptresultate der Entwickelungsgeschichte von Cephalotaxus recapituliren, so sind folgende Thatsachen besonders hervorzuheben, Die Archegonien von Üephalotaxus haben einen zweizelligen Hals und eine Eizelle. Während des Wachsthums der Eizelle wird sie mit einer eigen- thümlichen Eiweisssubstanz erfüllt. Diese Substanz wird in den Deck- schichtzellkernen unter Mitwirkung des Nucleolus gebildet und besitzt zuerst die Form kleiner Tröpfehen, Nachdem sie aus den Deckschicht- zellen in die Eizelle übergetreten sind, wachsen sie zu Gebilden von bedeutender Grösse und complieirter Struktur heran und dienen als erstes Nahrungsmaterial für den sich bildenden Embryo. Kurz vor der Befruchtung theilt sich der Eizellkern, ohne dass sich eine Bauchkanalzelle bildet. Der obere Theil des Eies mit dem Kerne verschleimt, zerstört die Halszellen und tritt aus dem Arche- gonium heraus. 1) Jaeger, 1. c. pag. 277ff. Taf, XVII, XVII, XIX, (31 Die Pollenschläuche besitzen ausser zwei generativen Zellen noch zwei Kerne. Jede generative Zelle enthält einen mit metaplastischer Substanz gänzlich erfüllten Zellkern, welcher von einer dünnen Schicht dichten Protoplasmas umgeben ist. Nach der Entleerung des Pollenschlauchinhaltes in die Eizelle vereinigt sich nun ein generativer Kern mit dem Eikerne. Der zweite generative Kern bleibt im oberen Theile des Archegoniums liegen und kann später eine amitotische Theilung erfahren. Der befruchtete Eikern bewegt sich bis zur Mitte des Eies, wo er sich drei bis vier Mal karyokinetisch theilt. Die Töchterkerne vertheilen sich im unteren Archegoniumende und es entsteht aus ihnen durch freie Zellbildung eine Anzahl von Zellen. Diese Zellen ordnen sich stockwerkweise. Aus dem morphologisch unteren Stockwerke wird die sogenannte Rosette gebildet, das ihm folgende Stockwerk erzeugt die Suspensorschläuche. Ueber diesen folgt eine Lage Zellen, aus welchen der Embryo hervorgeht. Die inorphologische Spitze der Embryos wird von einer Zelle gebildet. Ein Vergleich der Entwickelungsgeschichte von Cephalotaxus mit der anderer Gymnospermen zeigt uns nun folgende Thatsachen. Es stimmt Cephalotaxus mit den ältesten Gymnospermen bezüglich des Archegoniumsbaues (zweizelliger Hals) und Archegoniumwachsthums überein (das Auftreten der aus den Deekschichtzellen stammenden Körperchen). Eine analoge Rolle wie bei den ältesten Gymnospermen sehen wir auch bei Cephalotaxus die Deckschichtzellen spielen. Hier wie dort unterbleibt die Bildung der Bauchkanalzelle. Auch bezüg- lich des Baues der generativen männlichen Zellen zeigen sie grosse Aehnlichkeit. Andererseits sehen wir im Bau der Pollenschläuche und besonders in der Entwickelung des Embryos charakteristische Eigenthümlich- keiten der Coniferen wiederkehren. Wir sehen also, dass Cephalotaxus in seiner Entwickelungsgeschichte Eigenthümlichkeiten der Coniferen einerseits und solche der ältesten Gymnospermen andererseits vereinigt. München, Pflanzenphysiologisches Institut. December 1899. 62 Die Tafelerklärung. Abbildungen stellen theils Mikrophotographien, teils mit Zeichenprisma angefertigte Zeichnungen dar. Fixirungsmittel Alkohol; Färbung mit Jodgrün- fuchsin nach Zimmermann. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 1. Tafel 1. Oberer Theil eines jungen Endosperms mit den jungen erst aus einer Zelle bestehenden Archegonium. X 62. 2-5. Kerne der Deekschichtzellen. Veränderungen des Nucleolus und das 4a, 6a. 65 T. 19e, Auftreten der Körperchen, welche später in das Eizellprotoplasma über- gehen. X 1000, Deckschichtzellkern von Ceratozamia mexicana. X 500. Die Körperchen in Protoplasma der Deckschichtzellen. X 750. Ein Theil der Körperchen hat die Deckschichtzellen verlassen und liegt auf der Seite des Archegoniums abgeplattet der Membran an, während andere, tiefer ins Eiprotoplasma eingedrungene, wieder kugelig geworden sind. Das Eiprotoplasma ist hier durch die zusammenziehende Wirkung des Alcohols von der Wand abgetrennt. X 750. Zeigt die abgeplatteten und im Uebergang befindlichen Körperchen. x 1500. Oberer Theil eines sehr jungen Archegoniums im Längsschnitt. Der Hals ist zweizellig. X 500. Archegonium auf einem späteren Stadium. Protoplasma ist dichter ge- worden. Das erste Auftreten der aus den Deckschichtzellen kommenden Körperchen. X 500. Ein noch späteres Stadium zeigt die zu bedeutender Grösse herangewach- senen Körperchen, von denen einige in Theilung begriffen sind. X 500. Oberer Theil eines Archegoniums zur Zeit der Befruchtung, ein Körperchen zeigend, das sehr gross geworden ist und unregelmässige Form hat. X 500. Zwei riesige Körperchen aus einem unbefruchtet gebliebenen Archegonium. Man sieht die schaumartige Struktur. X 375. b. Der Hals eines Archegoniums von oben und von den Seiten gesehen. x 750. Theilung des primären Eikernes. X 750. Tafel HI. Oberer Theil eines Archegoniums nach der Theilung des primären Kernes. Zwei Kerne vorhanden, aber es ist keine Baukanalzelle gebildet. X 750. Oberes Ende einer Eizelle, das verachleimert ist und aus Archegonium ausgetreten ist. X 375. Längsschnitt durch eine ganz junge Samenknospe, Es sind das mäch- tige Integumente und der kleine Nucellus mit einem im oberen Ende desselben befindlichen Pollenschlauche. x. 62. Junger Pollenschlauch mit der generativen Mutterzelle und zwei Kernen. x 750. Die zwei generatiren Zellen des Pollenschlauches mit den von meta- plastischer Substanz erfüllten Kernen. X 875. Drei Zellkerne im Protoplasma des Pollenschlauches. X 750. Theilung des vegetativen Kernes, X 750. Eindringen des generativen Pollenschlauches in die Eizelle. X 250. Fig. Fig. Fig. Fig. 21. 22. 23. . 28, . 29. . 3%. .3. 32. 63 Zwei eben erst in die Eizelle eingetretene generative Kerne, die von einer gemeinsamen Protoplasmahülle umgeben sind. X 250. Beginnende Copulation der männlichen und weiblichen Kerne. X 250. Befruchtetes Archegonium. In dessen Mitte ist der Copulationskern, in welchem noch deutlich ein männlicher Kern sichtbar ist. Im oberen Ende liegt der zweite männliche Kern, der nicht an der Copulation betheiligt ist. Der Copulationskern hat durch seine Bewegung nach der Mitte des Archegoniums eine Höhlung in dem Protoplasma zerrissen. X 250 (siehe Fig 25). . 24u-c, Verschiedene Stadien der Vereinigung des männlichen und weiblichen Kernes. X 250. . 26@. Die nach der ersten Theilung des Copulationskernes entstandenen Kerne. x 250. . Tafel III. . 25. Erste Theilung des Copulationskernes, X 250. . 26b-d zeigt die durch weitere Theilung enstandenen Kerne. X 250. . 27. Ein erst aus wenigen Zellen bestehender Embryo. Ein etwas älterer Embryo, än welchem die aus einer Zelle bestehende Spitze und die stockwerkartige Anordnung der Zellen zu sehen ist. X 250. Die Bildung der Suspensorschläuche. X 125. Junger Embryo, welcher durch das Wachsthum des Suspensors in das Endosperm vorgeschoben wird. X 62. Ein Archegonium, in dessen unterem Ende ein Embryo, von dem drei Kerne sichtbar sind, während im oberen Theile die an dem Befruchtungs- vorgange nicht betheiligten generativen Kerne sich befinden. X 125. Oberer Theil eines Archegoniums mit den in amitotischer Theilung be- griffenen generativen Kernen, die an dem Befruchtungsvorgange nicht betheiligt waren. Ueber die aruncoide Blattspreite. (Ein Beitrag zur Blattbiologie.) Von Roland Anheisser. (Hierzu Tafel IV.) Während eine ältere Forschung die so ausserordentlich mannig- faltigen Blattgestalten einfach als gegeben hinnahm und sich meist damit begnügte, deren Entwickelungsgeschichte, äusseren und inneren Bau zu beschreiben, ist in neuerer Zeit der gewaltigen Anregung Darwin’s folgend, die biologische Betrachtungsweise in den Vorder- grund des Interesses getreten. Immer zahlreicher erscheinen Arbeiten, deren Hauptaufgabe es ist, die äusseren und inneren Struktureigen- thümlichkeiten mit der speciellen Lebensweise in Zusammenhang zu bringen, also gewissermassen die Gestalt aus der Function zu be- greifen. Während die einen Forscher, von systematischen Gesichtspunkten ausgehend, die Pflanzen eines näheren Verwandtschaftskreises einer vergleichenden Behandlung unterwerfen und hierbei meist zu dem Resultate gelangen, dass neben weniger constanten, sog. directen Anpassungsmerkmalen andere constantere auftreten, die man als alt- ererbte, sog. morphologische, bezeichnet, suchen andere Forscher zu- nächst unbekümmert um die systematische Verwandtschaft direet die gleichförmigen Anpassungsformen dem physiologischen Verständniss näher zu führen. Dieser letztere Weg wurde bei den hier mitzu- theilenden Untersuchungen eingeschlagen. Die Fragestellung, von der ich ausging, war folgende: Zeigen Blätter, die in ihrem äusseren Aussehen ziemlich übereinstimmen und unter ähnlichen Bedingungen in der Natur auftreten, auch gleiche anatomische Verhältnisse in ihrem inneren Bau, selbst wenn sie Pflanzen aus ganz verschiedenen Verwandtschaftskreisen angehören ? Die Beantwortung dieser Frage wurde aus leicht verständlichen Gründen zu lösen versucht an der Hand der Vertreter der einheimischen Flora. Nur relativ wenige ausländische Formen wurden in den Beob- achtungskreis gezogen und zwar lediglich solche, die in lebendem 65 Zustande zugänglich waren und zugleich auffallend schöne Beispiele für manche Verhältnisse abgeben. Wenn es irgendwie anging, habe ich das Material im Freien an den natürlichen Standorten beobachtet und gesammelt, es bot mir die reiche Flora der direeten Umgegend von Jena hierzu die günstigsten Bedingungen. Zum Ausgangspunkte unserer Betrachtungen wählen wir den Blatttypus, den ich als den aruncoiden bezeichnen möchte, weil Arun- cus silvester Kosteletzky (= Spiraea Aruncus Linne) den charakteri- stischsten Vertreter der Blattform, auf welche es mir ankommt, ab- gibt. Es handelt sich hier nur um das einzelne Foliolum des gefiederten Blattes von Aruncus und wenn im Weiteren von Blättern geredet wird, die gefiedert sind, so kommt immer nur die einzelne Fieder in Betracht. Das Blatt unseres Repräsentanten (Fig. 1) hat eiförmigen bis länglichen Umriss und läuft in eine ziemlich lange Spitze aus. Wichtig für unsere Betrachtungen ist vor Allem die Beschaffenheit des Blatt- randes und die Nervatur des Blattes. Der Rand ist scharf doppelt gesägt und in jeden Sägezahn erster Ordnung läuft auch ein Seiten- nerv erster Ordnung bis zur Spitze. Diese Nervatur wird bekanntlich als craspedodrome bezeichnet, während derjenige Verlauf, bei welchem die grösseren Nerven, ehe sie das Ende eines Sägezahnes oder den Blattrand erreichen, umbiegen und nur kleine Seitennerven höherer Ordnung in die Randzähne entsenden, camptodrom genannt wird.!) Zum aruncoiden Typus rechnen wir also diejenigen Blätter, welche im Wesentlichen die genannten Eigenschaften besitzen, also, um sie nochmals aufzuführen, gesägten Rand und craspedodromen oder doch annähernd craspedodromen Verlauf der Nerven. Die Länge des Blatt- stieles kann man im Durchschnitt als mittellang bezeichnen; sitzende Blätter kommen bei unserem Typus wohl kaum vor. Allerdings bei gefiederten Blättern sitzen die Foliola meist mit ihrer Basis auf dem Gesammtstiele fest, der dann die Rolle der einzelnen Stiele der Foliola übernimmt. Die Blätter stehen fast immer gegenständig. Es soll nun unsere Aufgabe sein, einige anatomische Verhältnisse der aruncoiden Blätter näher zu untersuchen und auf ihre etwaige nähere Uebereinstimmung zu prüfen. Des Weiteren soll versucht werden, die gefundenen Thatsachen biologisch zu beleuchten. Es erscheint mir zweckmässig, die Pflanzen mit aruncoiden Blatt- spreiten in zwei Capiteln zu behandeln, zuerst die krautartigen Ge- wächse und dann die Holzgewächse, da die letzteren von den ersteren D) Vgl. z.B. Schenk und Schimper, Handbuch der Pflanzenpaläontologie. Flora 1900. 5 66 in manchen Beziehungen abweichen und unter sich charakteristische Merkmale theilen. Besonders bei Bäumen sind ja die Spreiten in der Natur vielfach anderen Bedingungen unterworfen als bei Kräutern und haben daher auch im Kampfe ums Dasein Eigenthümlichkeiten erworben, die jenen nicht zukommen. Die krautigen Gewächse. Bei der Anatomie der aruncoiden Blattspreiten wollen wir zu- nächst unser Augenmerk richten, erstens auf die Umgebung und Ver- theilung der Spaltöffnungen und zweitens auf die Beschaffenheit der Epidermis. Unser Repräsentant Aruncus zeigt einen Spaltöffnungstypus, der folgendermassen beschaffen ist. (Fig. 2.) Zwei halbmondförmige Schliesszellen bilden den Apparat; besondere Nebenzellen lassen sich nicht unterscheiden, denn drei bis vier Epidermiszellen, die sich von den übrigen in keiner Weise als verschieden erweisen, begrenzen den Apparat. Die oberen Wandungen der Schliesszellen liegen in gleichem Niveau mit denen der Epidermiszellen. Diesen ungemein häufigen Spaltöffnungstypus möchte ich kurzweg als den „gewöhnlichen“ be- zeichnen. Bei der Untersuchung der Vertheilung der Stomata ergibt es sich, dass Aruncus solche nur auf der Blattunterseite aufzuweisen hat. Wenden wir uns der Epidermis zu, so finden wir sie, abgesehen von den Blattrippen, zusammengesetzt aus gleichwertigen Zellen, deren Seitenwandungen gewellt sind und zwar auf der Blattunterseite eine stärkere Wellung zeigen, als auf der Oberseite. Bei anderen einheimischen Pflanzen derselben Familie begegnet uns der Aruncustypus recht häufig, vielleicht häufiger als in allen anderen einheimischen Familien. Spiraea Ulmaria hat genau den Typus des Aruncus. Die Nervatur ist eine scharf ausgeprägt eraspe- dodrome, der Blattrand ist ebenso wie bei Aruncus doppelt gesägt. Der Typus der Spaltöffnungen ist' der gewöhnliche; sie selbst sind, wie dort, auf die Blattunterseite beschränkt. Die Beschaffenheit der Epidermiszellen stimmt ebenfalls mit derjenigen von Aruncus überein: unten starke, oben schwache Wellung der Seitenwandungen. Bei Spiraea Filipendula, deren Spreiten in ihrem Umriss schon beträcht- lich von dem Aruncustypus abweichen, findet sich derselbe Spalt- öffnungsbau, sowie die Beschränkung der Stomata auf die Blattunter- seite. Die Epidermis zeigt jedoch nur unterseits Wellung der Zellwände, auf der Oberseite sind dieselben geradwandig. 67 Auch für manche unserer Rubusarten ist der aruneoide Typus charakteristisch. So zeigt Rubus Idaeus dieselben Verhältnisse in Bezug auf Typus und Vertheilung der Stomata mit beiderseitiger Wellung der Epidermiszellwandungen; desgleichen Fragaria vesca. Comarum palustre weicht nur in der Wellung der Seitenwände der Epidermiszellen etwas von Aruncus ab, indem dieselben nur auf der Blattunterseite schwach gewellt sind, auf der Oberseite aber gar nicht. Die übrigen Rosaceen haben auch theils mehr oder weniger aruncoide Blattspreiten. Sobald ein Blatt den scharf gesägten Blattrand unseres Typus zeigt, so stimmt es auch in den übrigen erörterten Merkmalen im Grossen und Ganzen mit Aruncus überein. So die Potentillen, z.B. P. anserina, P. reptans, P. Tormentilla, Sanguisorba officinalis, Agrimonia Eupatoria, welche alle mit Aruncus die Vertheilung der Stomata, den gewöhnlichen Typus derselben und Wellung der Epider- miszellwände auf der Unterseite des Blattes gemeinsam haben, während allerdings auf ‘der Blattoberseite die Epidermiszellen keine Wellung zeigen. Es sollen nun aus verschiedenen anderen Familien Pflanzen mit aruncoidem Blattrand zum Vergleiche herbeigezogen werden, um fest- zustellen, inwieweit bei ihnen die oben besprochenen Merkmale wiederkehren. Bei den Ranuneulaceen finden wir bis jetzt als einzige ein- heimische Pflanze mit aruncoiden Spreiten Actaea spicata. Sie stimmt in der auffälligsten Weise mit Aruncus überein; ja auch im Stand- orte, es sind beides Pflanzen feuchter, schattiger Wälder, zumal feuchter Schluchten. Auch in den von uns berücksichtigten anatomischen Merkmalen, Typus und Vertheilung der Stomata, beiderseits stark geweliten Epidermiszellen, stimmen die beiden habituell so ähnlichen Pflanzen überein. Ziehen wir von anderen Ranunculaceen Pflanzen mit abweichendem Blattrand und verschiedener Nervatur in Betracht, so treten uns auch grössere Unterschiede in anatomischer Beziehung entgegen. Bei den gelappten Blättern von Ranunculus aconitifolius mit camptodromer Nervatur finden wir zwar wie bei Actaea beider- seits stark gewellte Epidermiszellwände, den gewöhnlichen Spaltöff- nungstypus, aber die Stomata treten auf beiden Blattseiten auf. Aehn- lich verhält sich Ranunculus repens, nur ist die Wellung auf der Oberseite schwächer als auf der Unterseite. Eine weitere Familie, in welcher Pflanzen mit typisch aruncoiden Blättern vorkommen, ist diejenige der Umbelliferen. In Betracht kommen hier u. a. Angelica silvestris, Aegopodium Podagraria, Chaero- 5* 68 phyllum hirsutum, Imperatoria ostruthium. Die genannten Pflanzen stimmen in Bezug auf das Verhalten der Spaltöffnungen alle mit Aruncus überein, sie zeigen gewöhnlichen Typus und nur die Blatt- unterseite ist mit ihnen ausgerüstet. Was die Wellung der Epider- miszellwände betrifft, so haben sie alle, mit Ausnahme von Imperatoria, auf der Blattunterseite starke Wellung, auf der Oberseite der Spreiten nur sehr schwach gewellte Wandungen. Wie Imperatoria verhalten sich auch Myrrhis odorata, Peuce- danum verticillare und Anthriscus silvestris, alles Blätter unseres Typus, letzterer mit auf beiden Blattflächen stark gewellten Epider- miszellwänden. Bei den Umbelliferen kommen alle möglichen Uebergänge des ganzrandigen Blattes zum aruncoiden und von diesem bis zum haar- fein gefiederten vor. Es wechseln auch mit dieser äusseren Be- schaffenheit die übrigen Eigenschaften der Blätter. Nicht streng zu unserem aruncoiden Typus möchten wir das Blatt von Archangelica officinalis rechnen. Die Foliola zeigen den arun- coiden Blattrand, doch ist, worauf noch zurückzukommen sein wird, das weit derbere Blatt um ein Beträchtliches dicker und es treten Stomata auf beiden Seiten der Spreite auf. Das Blatt von Heracleum Sphondylium endlich besitzt Stomata auf beiden Blatiflächen, wenn auch auf der Oberseite in geringerer Zahl; der Spaltöffnungstypus ist der gewöhnliche, die Epidermiszell- wände sind,auf beiden Blattseiten gewellt. Aus dem Erwähnten ersieht man, wie sehr die Blätter der Um- belliferen variiren; von den centrisch gebauten Blättern, wie die von Foeniculum capillaceum gar nicht zu reden, die ringsherum um die ganzen haarförmigen Blattzipfel Stomata besitzen, mit Ausnalıme der Blattrinne und des Rückens, wo Collenchym liegt und das centrale Gefässbündel vor Verletzung schützt. Die aruncoiden Blätter dagegen behalten constant ihre Merkmale, wenn sie auch kleinen Schwankungen in der Wellung der Epidermiszellwände unterworfen sind. Von den einheimischen Dipsaceen ist Cephalaria pilosa der ein- zige Vertreter. unseres aruncoiden Typus mit eraspedodromem Nerven- verlauf. Diese Pflanze stimmt auch darin mit anderen Gewächsen mit derselben Blattform überein, dass nur auf der Unterseite der Blattspreiten Stomata und zwar von gewöhnlichem Typus, vorhanden sind. Die Wan- dungen der Epidermiszellen sind auf beiden Blattseiten stark gewellt. Vergleicht man mit diesem Blatte das viel derbere, nicht aruncoide, von Dipsacus silvestris, so ergibt sich folgender Unterschied. Die Spreite 69 letzterer Pflanze hat auf beiden Seiten Spaltöffnungen, wenn auch oberseits etwas weniger als auf der Unterseite. Der Spaltöffnungs- typus ist der gewöhnliche, die Wellung der Epidermiszellen auf der Blattunterseite stärker als auf der Oberseite. Sehr schöne aruncoide Blätter haben unter den Compositen z. B. die drei Eupatorium-Arten: E. canabinum, E. aromaticum und E. ageratoides, von denen die beiden letztgenannten in Nordamerika ein- heimisch sind. Die Blätter der beiden nordamerikanischen Species haben das Aussehen derjenigen von Urtica dioica. Alle drei Eupa- torien haben Spaltöffnungen von gewöhnlichem Typus und zwar sind nur die Blattunterseiten mit ihnen ausgerüstet. Alle drei haben auf beiden Blattseiten stark gewellte Epidermiszellen, stimmen also durch- aus mit Aruncus überein. Ein gleiches Verhalten zeigen die Fieder- blättchen von Ohrysanthemum corymbosum, die man ja allenfalls noch zu den aruncoiden Blättern zählen kann. Vergleichen wir dagegen mit den genannten Spreiten solche anderer Compositen, die in gewisser Beziehung jenen noch ähnlich sind, z. B. von Senecio-Arten, so finden wir bei Senecio nemorensis auf beiden Blattseiten Stomata von gewöhnlichem Typus; die Wellung der Epidermiszellwandungen auf der Blattunterseite sehr stark, auf der Oberseite schwach. Das Blatt weicht also im dem wichtigen Punkt der Vertheilung der Stomata von den aruncoiden Blättern ab. Ebenso verhalten sich Senecio erraticus, Cirsium oleraceum, Taraxacum offi- cinale, Scorzonera hispanica, Doronicum caucasicum und Lactuca Scariola, die alle auf ihrer Blattoberseite mehr oder weniger zahlreiche Stomata führen; Taraxacum und Scorzonera auf beiden Blattseiten mit gleich vielen, die übrigen auf der Blattoberseite mit weniger zahl- reichen als auf der Unterseite. In Bezug auf Wellung der Epider- miszellwände finden wir bei diesen Blättern ein schwankendes Ver- halten, wie dies bei den so verschieden gestalteten, völlig von einander verschiedenen Blatttypen nicht anders zu erwarten ist. Bei dem monocotylenähnlichen Scorzonerablatte fehlt jede Spur von Wellung. Bei Tuaraxacum findet sich dieselbe auf beiden Blattseiten. Die übrigen Arten halten die Mitte zwischen den beiden Extremen; immer aber sind es die Epidermiszellwände der Blattunterseite, die, falls ein Unterschied vorhanden ist, dieses Merkmal in verstärktem Grade zeigen. Die Compositen?lehren uns schon, dass einer der constantesten Charaktere der aruncoiden Blätter im ausschliesslichen Vorkommen von Spaltöffnungen auf der Unterseite der Blätter zu suchen ist. 70 Eine weitere Familie, zu welcher Pflanzen mit aruncoiden Spreiten gehören, ist diejenige der Campanulaceen. Am typischsten unter den einheimischen Campanula-Arten zeigen die Blätter von ©. Trachelium die Eigenschaften des Aruncusblattes. Das doppelt gesägte Blatt be- sitzt eraspedodromen Nervenverlauf. Spaltöffnungen, und zwar wieder vom gewöhnlichen Typus, treten nur auf der Blattunterseite auf. Die Epidermiszellen sind auf der Blattunterseite gewellt, auf der Oberseite nicht. Vergleichen wir hiermit das ebenfalls lanzettförmige Blatt von Campanula glomerata, welches aber am Rande nur sehr schwach und äusserst fein gezähnt erscheint und camptodromen Nervenverlauf zeigt, so ergibt sich in Betreff der Spaltöffnungsvertheilung ein durech- schlagender Unterschied, insofern dieselben auf beiden Blattflächen vorkommen. Der Typus derselben ist auch der gewöhnliche, die Epidermiszellwände sind auf der Blattoberseite nur schwach gewellt, auf der Unterseite stärker. Es fehlt selbstverständlich zwischen allen den bisher besprochenen Blättern nicht an Uebergängen. So scheint zwischen dem Blatte der Campanula glomerata und demjenigen der Ü. Trachelium das Blatt von C. rapunculoides den Uebergang zu vermitteln. Dasselbe ist im Aeusseren zwar sehr ähnlich dem von C. Trachelium, nur schwächer und stumpfer gezähnt, mit camptodromem Verlauf der Leitbündel und vor Allem durch grössere Dicke und den Besitz von Spaltöffnungen auf der Oberseite vor letztgenanntem ausgezeichnet. C. persicifolia mit langen, schmalen, sehr schwach gezähnten Blattspreiten, verhält sich wie C. rapunculoides. Ihr Blatt unterscheidet sich wie dieses von dem aruncoiden Blatte der C. Trachelium durch eamptodromen Gefässbündelverlauf und durch die beträchtlichere Dicke. Unter den Scrophulariaceen gibt es in unserer einheimischen Flora keine Pflanze mit echt aruncoiden Blättern. Das Blatt von Scrophularia nodosa könnte man allenfalls als ein solches ansprechen, aber es zeigt camptodromen Verlauf der Nerven, nur hie und da läuft ein kleiner Nerv höherer Ordnung in einen Blattzahn aus. Das Blatt gehört auch schon zu den dickeren Blättern. Sonst stimmt es mit Aruncus überein in Vertheilung und Typus der Stomata, die aber nach dem Cruciferentypus entstehen!) und in beiderseitiger Wellung der Epidermiszellwände. Auch einige Veronica- Arten nähern sich dem Aruncus-Typus, ohne sich mit ihm völlig zu decken, so Veronica spicata, V. Chamaedrys, V. prostraia, welchen aber allen camptodromer 1) Solereder H., Systematische Anatomie der Dicotyledonen pag. 660. 1 oder fast camptodromer Nervenverlauf eigen ist und welche ausserdem auf der Oberseite der Blätter, wenn auch nur wenige, Stomata auf- weisen. So zeigen uns, allerdings indirect, die Scrophulariaceen, dass den aruncoiden Blättern ein fest ausgeprägter Charakter zukommt, welcher zwar in manchen Pflanzenfamilien sich verwischt und zu anderen Blatttypen Uebergänge bildet. Die grosse Familie der Labiaten. liefert uns nur einige wenige einheimische Vertreter des Aruncustypus. Bei diesen Gewächsen sind gewöhnlich zwei oder mehrere Epidermiszellen quer zum Spalte gelagert und fungiren als Nebenzellen!); aber nicht bei allen Labiaten besteht diese Anordnung; oft finden sich Uebergänge zum gewöhn- lichen Typus.?) Dem aruncoiden Biattrand begegnen wir bei Lycopus europaeus, dessen tief gesägte Blattspreiten schön craspedodromen Nervenverlauf zeigen. Stomata finden sich nur auf der Unterseite, was alles mit len Verhältnissen, wie wir sie bei Aruncus gefunden haben, überein- stimmt. Die Spaltöffnungen zeigen jedoch nicht den gewöhnlichen, sondern den oben charakterisirten Labiatentypus; es ist mithin das Blatt von Lycopus europaeus das erste aruncoide Blatt, welches im Spaltöffnungstypus nicht mit Aruncus übereinstimmt. Die Wellung der Epidermiszellwände hat aber Lycopus mit Aruncus gemein, indem auf beiden Seiten der Blattspreiten dieselben, wenn auch auf der Oberseite schwach, gewellt sind. Ausser bei Lycopus begegnen wir unter den einheimischen Labiaten noch bei Calamintha grandiflora der uns beschäftigenden Blattform. Der Rand ist scharf gesägt mit craspedodromem Verlauf der Nerven. Spaltöffnungen sind nur auf der Blattunterseite vor- handen; der Typus derselben ist aber wieder der Labiatentypus. Die Epidermiszellen sind auf der Blattunterseite sehr stark gewellt, auf der Oberseite schwächer. Bis auf den Spaltöffnungstypus stimmt also auch dieses Blatt mit demjenigen von Aruncus überein. Weitere Arten mit aruncoiden Blättern wüsste ich vorderhand unter den Labiaten nicht zu nennen. Lamium-Arten, bes. Lamium album, Galeopsis- und Stachys-Arten, ferner Galeobdolon luteum scheinen bei oberflächlicher Betrachtung aruncoide Blätter zu haben; sieht man jedoch näher zu, so findet man, dass diese Spreiten doch recht ver- 1) Solereder, pag. 718. 2) l. c. pag. 719. 12 schieden sind von einem typisch aruncoiden Blatte. Sie sind stumpf gekerbt und der Nervenverlauf scheint bei Galeobdolon luteum, La- mium-Arten und Stachys-Arten bei den einzelnen Blattindividuen zu wechseln, indem manche beinahe eraspedodrome Nervatur zeigen, die anderen mehr camptodrome. Bei der Sumpfpflanze Teucrium Scor- dium ist das stumpfgekerbte craspedodrome Nervatur zeigende Blatt dadurch interessant, dass es neben Spaltöffnungen mit Labiatentypus, solche von gewöhnlichem Typus besitzt, welche zerstreut unter den anderen sich finden.) Alle diese stumpfgekerbten Blätter könnte man zusammenfassen unter dem Namen Betonicatypus, da Betonica officinalis besonders deutlich die oben erwähnten Charaktere zeigt, unter denen als sehr wichtiger der eigenartige Nervenverlauf Er- wähnung verdient. Es laufen hier nämlich oft die Seitennerven erster Ordnung nicht wie bei Aruncus in einem Blattzahn, sondern an die Spitze desjenigen Winkels, den zwei benachbarte Zähne bilden (Fig. 3). Dagegen haben unsere einheimischen Urtica-Arten aruncoide Spreiten. Der Rand derselben ist scharf gesägt, besonders tief bei Urtica pilulifera. Der Nervenverlauf ist craspedodrom, die Stomata zeigen gewöhnlichen Typus und sind, wenn wir von den zu Gruppen vereinigten Wasserspalten absehen, nur auf der Unterseite des Blattes vorhanden. Die Epidermiszellen sind auf der Spreitenunterseite mehr oder weniger stark, auf der Oberseite schwächer oder fast gar nicht gewellt. Einem im Wesentlichen gleichen Verhalten begegnen wir bei Urtica dioica. Auch Cannabis sativa, deren Blatt man trotz der Schmalheit seiner Spreite als ein aruncoides bezeichnen kann, schliesst sich in Bezug auf die besprochenen Merkmale den Brennnessein an. Es sei hier auch darauf hingewiesen, dass bei den aruncoiden Spreiten, die ich untersucht habe, das chlorophyliführende Gewebe am Rande der Blattzähne nur von der Epidermis bedeckt ist und hier keine be- sonderen mechanischen Zellen, die etwa einen Saum bildeten, vor- handen sind. Nur die Aussenwände der Epidermiszellen sind ziemlich stark verdickt. So stellt Fig. 11 den Querschnitt durch den Rand eines Blattzahnes von Aruncus silvester dar. Die kurzen Pallisaden- zellen und das Schwammgewebe reichen hier bis zur Epidermis, auch am äussersten Rande des Blattes. Fig. 12 zeigt dasselbe Verhalten für Urtica pilulifera. Wir verlassen nunmehr die Kräuter und wenden uns zu den Holzgewächsen, deren Blätter durch mancherlei Eigenthümlichkeiten von denen der krautigen Gewächse abweichen. 1) Solereder, 1. c. pag. 719, 73 Die Holzgewächse. Von unseren einheimischen Bäumen neigen bei vielen Arten die Spreiten zum aruncoiden Typus, scharf ausgeprägt zeigen ihn aber nur wenige. Unter den Rosaceen hatten wir schon ein grosses Contingent von aruncoiden Blättern gefunden. Dasselbe gilt für die meisten baum- artigen Gewächse dieser Gruppe. Unter den Amygdalaceen zeigt z. B. Prunus avium unseren Typus und stimmt auch in Bezug auf Stomata und Epidermiszellen mit Aruncus überein. Auch viele Pomaceen weisen aruncoiden Blatttypus auf; so ist derselbe bei Sorbus-Arten sehr schön ausgebildet, besonders bei Sorbus Aria. Dieses eiförmige doppelt gesägte Blatt hat craspedodromen Gefässbündelverlauf, es ist aber im Gegensatze zu Aruncus unterseits filzig behaart und zeigen die Epidermiszellwände unterseits nur schwache, oberseits gar keine Wellung. Stomata von gewöhnlichem Typus finden wir nur auf der Blattunterseite. Fast gerade so verhält sich Sorbus Aucuparia, doch gehört das Blatt zu den dicksten der einheimischen Baumblätter. Durch eine Eigenschaft entfernen sich die Spreiten der besprochenen Pflanzen von den demselben Typus zugehörigen Blättern krautiger Gewächse derselben Gruppe, wir meinen die derbere Spreitenbe- schaffenheit. Wir gehen wohl nicht irre in der Annahme, dass dies damit zusammenhängt, dass die Baumblätter viel mehr den Unbilden der Witterung ausgesetzt sind, als die Spreiten von weniger expo- nirten Stauden. Zartere aruncoide Blätter sind diejenigen von Sambucus nigra und Sambucus racemosa, welche beide gerne an etwas geschützten Standorten wachsen. Die Spreite stimmt auch in Bezug auf Vertheilung und Typus der Stomata, sowie Wellung der Epidermiszellen mit Aruncus überein. Der Nervenverlauf ist allerdings nicht streng cras- pedodrom, da die Seitennerven sich in kleinere verästeln, die ihrer- seits erst die Spitzen der Blattzähne erreichen. Im Gegensatze hierzu ist craspedodromer Nervenverlauf bei den Blättern anderer Bäume scharf ausgeprägt, unter anderen bei Aes- culus Hippocastanum, dessen Blatt auch in den übrigen Merkmalen, auf die es uns ankommt, mit Aruncus übereinstimmt. Gerade so ver- hält sich die Blattspreite von Corylus Avellana mit auf beiden Seiten, oberseits allerdings schwächer, gewellten Oberhautzellwänden. Es besitzt also das Haselnussblatt eine Wellung wie Aruneus, man 74 könnte es nach allen seinen Eigenschaften, mit Ausnahme des breiten Umrisses, zum aruncoiden Typus zählen, es ist scharf doppelt gesägt, mit ausgeprägt craspedodromem Nervenverlauf und wie die aruncoiden Spreiten von sehr geringer Dicke. Dasselbe gilt vom Eschenblatte, Fraxinus excelsior. Die Foliola dieses einfach gefiederten Blattes gehören zum Aruncus-Typus, sie sind fein gesägt und zeigen, wenn auch nicht allzu scharf, craspedo- dromen Verlauf der Leitbündel. Die Stomata sind von gewöhnlichem Typus und befinden sich nur auf der Unterseite des Blattes. Be- merkenswerth ist, dass die Epidermiszellwände auf beiden Blattseiten stark gewelilt sind. Ferner sind hier zu erwähnen die doppelt gesägten Blätter von Carpinus_und Ulmus. In beiden Fällen sind Stomata, und zwar von gewöhnlichem Typus, nur auf der Unterseite der Spreiten vorhanden. Diese Verhältnisse finden sich übrigens bei der Mehrzahl der Bäume, die ich untersucht habe. Bemerkenswerthe Ausnahmen bilden, worauf wir noch zurückkommen, gewisse Weiden. In Bezug auf Wellung der Seitenwände der Oberhautzellen weichen Carpinus und Ulmus von einander ab. Beiden ist starke Wellung auf der Blattunterseite gemeinsam; auf der Oberseite des Blattes herrschen jedoch verschie- dene Verhältnisse. Bei Ulmus sind manche Zellwände etwas gewellt, andere garnicht; Carpinus dagegen besitzt, wenn wir von den Blattnerven absehen, auf, der Blattoberseite sehr stark gewellte Epidermiszellen. Trotz ihrer .derberen Beschaffenheit mögen hier die Blätter von Betula ulba, Ostrya carpinifolia und Castanea vesca Berücksichtigung finden. Bei diesen Bäumen bestehen bemerkenswerthe, später noch zu berücksichtigende Unterschiede in Betreff der Wellung der Seiten- wände der Epidermiszellen. Ostrya zeigt auf beiden Blattseiten Wellung, wenn auch auf der Oberseite schwächer als auf der Unter- seite. Bei Castanea besteht sie nur noch auf der Unterseite des Blattes und zwar in sehr schwachem Grade, fehlt dagegen auf der Blattoberseite, wo die Epidermiszellen geradwandig sind, vollständig. Betula endlich, bei welcher keine Spur von Wellung mehr vorhanden ist, stellt so recht den Typus eines festen, harten, noch einigermassen- zu unserem Typus gehörigen Baumblattes dar, denn die festesten Blätter, zu welchen beispielsweise diejenigen der Eichen gehören, entfernen sich durch die Beschaffenheit des Blattrandes weit von der uns beschäftigenden Blattform. Innerhalb dieser grossen Gattung sind die Gestaltungsverhältnisse sehr wechselnd. Wir begegnen hier mannigfaltigen Formen, ganz 75 randigen, gezähnten, spitz oder stumpf gebuchteten Spreiten. Da ausserdem die Lebensdauer der Eichenblätter eine wechselnde ist, insofern es immergrüne und sommergrüne Arten gibt, so lässt sich von vorneherein annehmen, dass die biologischen Verhältnisse äusserst mannigfaltige sein werden. Eingehendere Untersuchungen habe ich nicht vornehmen können, da mir nur von wenigen Arten lebendes Material, dessen Standorts- verhältnisse mir bekannt waren, zur Verfügung stand. So weit meine Beobachtungen reichen, sind die stumpflappigen Blätter zugleich derber und kürzer gestielt, während bei denjenigen mit spitzen Randzähnen die dünnere Spreite meist einem längeren Stiele aufsitzt. Zu diesen letzteren gehören unter anderen die nord- amerikanischen Species: @uercus coccinea, Q. acuminata, Q. hete- rophylla, 9. banisteri, Q. falcata, Q. tinctoria, Q. ambigua, Q. palu- stris, Q. rubra, von denen @. coccinea, (. banisteri, Q. tinctoria, 0. palustris und Q. rubra auffallend lange Blattstiele aufweisen.!) Zu dem derben kurzgestielten Typus gehören unsere einheimischen Quercus-Arten, Q. pedunculata, Q. sessiliflora, Q. pubescens. In Bezug auf Vertheilung der Spaltöffnungen verhalten sich beiderlei Typen gleich, inden nur die Unterseiten der Blattspreiten mit solchen verschen sind. Unterschiede treten in Betreff der Beschaffenheit der Oberhautzellen hervor, indem nämlich bei Quercus pedunculata die Epidermiszellen auf beiden Blattseiten geradewandig sind, oder nur auf der Unterseite manchmal eine äusserst schwache Wellung vor- kommt. Im Gegensatze hierzu tritt .bei den spitzlappigen Eichen, von denen ich Quercus ambigua und Q. palustris untersuchte, aller- dings nur auf der Unterseite die Wellung der Oberhautzellen stärker hervor. Das Blatt von Quercus pedunculata gehört zu den derbsten unserer einheimischen Flora. Selbst bei stärkerem Winde werden die Spreiten relativ wenig bewegt im Gegensatze zu denjenigen der langgestielten Q. ambigua und Q. palustris, die unter denselben Um- ständen lebhaft hin- und herschwanken und mit ihren Spreiten an einander stossen. Hierbei werden die grossen sehr lange zugespitzten Zähne, welche sich beim Zusammenstosse der Blätter sofort um- biegen, die Heftigkeit des Zusammenprallens mildern. Die in Rede stehenden Blätter, nämlich von Q. ambigua und Q. palustris, neigen 1) Siehe Michaux, Histoire des arbres forestiers de l’Amerique septen- trionale, 76 einigermassen zum aruncoiden Typus, was sich äusserlich schon in den spitzen Blattzähnen und dem craspedodromen Nervenverlauf an- kündigt. Sie sind auch im Verhältnisse zu denjenigen von Quercus pedunculata als dünne Blätter zu bezeichnen, was ebenfalls wieder auf die Beziehungen zum aruncoiden Typus hindeutet. Sehr veränderlich, zwar nicht in der äusseren Gestalt, sondern in seinem inneren Bau, je nach dem sonnigen oder schattigen Stand. orte, ist, wie Stahl!) gezeigt hat, das Blatt von Fagus silvatica- Die ganzrandige Spreite ist dadurch interessant, dass sie die Wellung der Seitenwandungen der Epidermiszellen sehr stark ausgeprägt zeigt, in besonders hohem Grade bei Exemplaren aus sehr schattigen Standorten. Einer für Baumblätter auffallend dünnen Spreite begegnen wir bei Acer platanoides, bei welcher Pflanze, wie auch bei anderen dünn- blättrigen Arten, die starke Wellung der Seitenwände der Öberhaut- zellen auf beiden Blattflächen auftritt. Ebenso verhält sich Acer Pseudo-Platanus, nur dass die Epidermiszellen etwas weniger stark gewellte Seitenwandungen auf der Oberseite des Blattes besitzen. Das dickste Blatt der drei in unserer einheimischen Flora häufigen Ahornarten, dasjenige von Acer campestre, weist auch die schwächste Wellung der Epidermiszeliwände auf. Bei der sehr dünnen Spreite von Juglans regia ist der Rand sehr stumpf gezähnt, die einzelnen Zähne sind weit von einander entfernt und in geringer Zahl vorhanden, so dass das Blatt von Weitem als ganzrandig erscheint. In jeden der sehr stumpfen Zähne läuft ein Seitennerv erster Ordnung bis zur Spitze und besteht somit craspedodromer Nervenverlauf. Die Spaltöffnungen, welche nach dem gewöhnlichen Typus gebaut sind, finden sich nur auf der Blattunterseite vor. Die Wandungen der Epidermiszellen sind auf beiden Blattflächen gewellt, ein weiteres Beispiel dafür, dass mit geringer Dicke des Blattes eine mehr oder weniger starke Wellung der Epidermiszellwände auch auf der Blattoberseite vorhanden ist. In den folgenden Capiteln, besonders in dem über die Blattdicke, soll nun der Versuch gemacht werden, an der Hand des besprochenen Materials wenigstens einige der gefundenen Thatsachen biologisch zu beleuchten. i) E. Stahl, Ueber den Einfluss des sonnigen oder schattigen Standortes auf die Ausbildung der Laubblätter. Zeitschrift für Naturwissenschaft XVI. N. F. IX. 1. 2. Jena 1883. 77 Die Spaltöffnungen. Für die Blätter unseres aruncoiden Typus ist, wie wir schon gesehen haben, die Anordnung des Spaltöffnungsapparates diejenige, die wir, als am verbreitetsten auftretend, die gewöhnliche genannt haben: besonders gestaltete Nebenzellen fehlen, die an die Schliess- zellen stossenden drei bis fünf Zellen sind von den übrigen Epidermis- zellen in keiner Weise yerschieden (Fig. 2). Es entsteht nun die Frage, ob in Familien, denen ein bestimmter von dem gewöhnlichen abweichender Spaltöffnungstypus zukommt, dieser letztere auch dann erhalten bleibt, wenn das Blatt unseren aruncoiden Typus annimmt oder doch sich demselben nähert. Wir fassen zuerst die Familie der Cruciferen ins Auge, deren Vertreter in der grossen Mehrzahl der Fälle eine eigenthümliche Anordnung des Spaltöffnungsapparates zeigen, die als Cruciferen- Typus bezeichnet wird. Das charakteristische dieses Typus liegt darin, dass die Spaltöffnungen von drei Nebenzellen, die häufig auch eine andere Gestalt zeigen als die übrigen Epidermiszellen, umstellt sind, und zwar ist eine von den drei Nebenzellen kleiner als die beiden anderen. Am ausgeprägtesten findet man diesen Typus bei recht derben und dicken Blättern, beispielsweise bei Orambe maritima, Arabis albida, Barbarea vulgaris. Benecke!) hat gezeigt, dass diese und ähnliche Anordnungen den sogenannten Schrumpfblättern zukommen, so den diekblättrigen Crassulaceen, Plumbaginaceen u. 8. w., überhaupt eine Anpassung derjenigen Xerophytenblätter ist, welche sich bei starkem Wasserverbrauch verkürzen und zusammensinken. Für das Blatt der submersen Subularia aquatica, welches nichts weniger als ein Schrumpfblatt ist, constatirte Benecke, dass die Epi- dermiszellen wie bei Monocotylen lang gestreckt und die dazwischen spärlich vorhandenen Spaltöffnungen frei von Nebenzellen sind. Es gibt aber auch Cruciferen, die sich nicht so weit von dem gemeinsamen Familiencharakter entfernen, wie Subularia aquatica und doch keine echten Nebenzellen besitzen. Hierhin gehört das schmale lange eiförmig lanzettliche, am Rande gezähnte Blatt von Hesperis matronalis. Heinricher?), welcher diesen Fall beschreibt und abbildet, findet bei der Ausbildung der Epidermis der Oruciferen 1) W. Benecke, Die Nebenzellen der Spaltöffnungen, ein Beitrag zur Kenntniss ihres Baues und ihrer Function im pflanzlichen Organismus. Botan. Zeitg. 1892, 32--37, p. 4. 2) Heinricher, Histologische Differenzirungen in der ptanzlichen Ober- haut, Graz 1887. 18 neben dem gewöhnlichen Cruciferentypus noch einen anderen als dessen Repräsentant gerade Hesperis matronalis genannt wird. Hier sind alle Epidermiszellen von annähernd gleicher Gestalt und zeigen mehr oder weniger gewellte Seitenwandungen. Echte Nebenzellen fehlen, aber es zeigt sich doch noeh insofern der Cruciferentypus, als drei Oberhautzellen den Spaltöffnungsapparat begrenzen. Bei Lunaria rediviva, die sich in Bezug auf Wellung wie Hesperis matronalis verhält, liegt nach meinen Beobachtungen der eigenthüm- liche Fall vor, dass zwischen den Spaltöffnungen, die nach (ruciferen- art von drei Epidermiszellen umstellt sind, solche vom gewöhnlichen Typus vorkommen, nämlieh mit vier angrenzenden Epidermiszellen. In Figur 4 ist bei a eine solche Spaltöffnung dargestellt, während bei b eine mit drei angrenzenden Öberhautzellen zu sehen ist. Das Blatt ist ja allerdings kein aruneoides, nähert sich aber doch unserem Typus am stärksten von allen einheimischen Orueiferen. Es ist doppelt gezähnt, nicht gesägt, der Nervenverlauf ist camptodrom, doch gehen feine Gefässbündelchen bis zur Spitze der Zähne, die mit zahlreichen Wasserspalten besetzt sind. Weniger nahe dem Aruncustypus stehen die Blätter von Dentaria digitata und Dentaria pinnata, sie haben feingesägten Blattrand, sind aber schon etwas dicker als bei Lunaria rediviva. Den (rueiferen- typus zeigen sie aber auch in keiner Weise scharf ausgeprägt; die drei Epidermiszellen, welche die Schliesszellen umstehen, unterscheiden sich in nichts von den übrigen. Es ergibt sich also aus dem Erwähnten, dass, je mehr sich die Blätter unserer Cruciferen dem aruneoiden Typus nähern, desto weniger scharf der Cruciferentypus der Stomata ausgebildet ist. Der Cruciferentypus ist eben das Anpassungsmerkmal eines Schrumpf- blattes, wie dies ja Benecke so klar gezeigt hat; die Blätter des aruncoiden Typus sind aber Alles andere eher als Schrumpfblätter. In der Familie der Labiaten, bei welchen gewöhnlich zwei oder seltener mehrere Epidermiszellen quer zum Spalte orientirt sind, fehlt es nicht an Ausnahmen von dieser Regel. Es kommen solche, wie Vesque dies schon längst konstatirt hat, bei Teucrium Scordium vor, wo auch Spaltöffnungen von gewöhnlichem Typus neben den anderen zerstreut liegen. Ich fand dieses auch noch bei Galeopsis ochroleuca und G. Tetrahit, Lamium album, Stachys recta und Pleetranthus glaucocalix. Von diesen Blättern nähert sich dasjenige von Lamium album am meisten dem aruncoiden Typus. Bei den Labiaten finden wir also fast keine engeren Beziehungen zwischen Spaltöffnungstypus und Blattform. 79 Wenn also die Beziehungen zwischen Spaltöffnungstypus und aruncoider Spreitenbeschaffenheit nur lockere zu sein scheinen, so steht dagegen die Vertheilung der Stomata über die Blattfläche un- verkennbarer im Zusammenhange mit dieser Blattform. Besonders interessant ist hier der Vergleich nahe verwandter Pflanzen, von denen die einen aruncoide, die anderen davon ab- weichende Blattspreiten haben. Bemerkenswerth ist das Verhalten zweier einheimischer Dipsacaceen, Dipsacus silvestris und Cephalaria pilosa. Letztere trägt Blattspreiten, die wir zu unserem Typus rechnen können. Der Rand ist gesägt, der Nervenverlauf eraspedo- drom, vor Allem aber ist das Blatt ein zartes und dünnes, wodurch es sich wesentlich von denjenigen des Dipsacus silvestris unterscheidet. Der Rand dieses diekeren derben Blattes ist gekerbt und nicht ge- sägt, ausserdem entfernt es sich durch eamptodromen Nervenverlauf weit vom aruncoiden Typus. Im Zusammenhange mit dieser Dicke und Festigkeit steht denn wohl auch das Vorkommen der Spalt- öffnungen, welche auch auf der Oberseite der Spreite zu finden sind. Dipsacus silvestris ist eine Pflanze, die an wüsten, sonnigen Stellen häufig wächst, die zu Zeiten Ueberfluss an Wasser besitzen, dann aber oft Wochen lang grosser Dürre ausgesetzt sind, so auf Brachen, Triften, an Bächlein, die im Hochsommer versiegen, kurz an Orten, wo die zartblättrige Cephalaria pilosa sicherlich zu Grunde gehen würde. Die Letztere besiedelt denn auch ganz andere Loca- litäten, besonders gerne Bachufer im Schatten von Gebüschen in Wäldern u. s. w. Es zeigt sich in diesem Vorkommen eine Ana- logie mit Aruncus und können wir hier schon darauf hinweisen, dass die Pflanzen mit aruncoiden Blattspreiien vornehmlich Bewohner schattiger Orte sind. Bei Besprechung der Umbelliferen hatten wir schon in Archan- gelica officinalis eine Pflanze gefunden, deren Blatt einem aruncoiden zwar nicht unähnlich ist, sich aber durch die bedeutende Dicke da- von entfernt. Im Gegensatze zu den dünnen Umbelliferenspreiten ist die Oberfläche der Archangelicaspreiten mit allerdings nicht zahl- reichen Spaltöffnungen versehen; ein neues Beispiel dafür, dass bei krautigen Gewächsen Stomata auf der Blattoberseite vornehmlich bei dicken Blättern vorkommen. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangen wir bei Betrachtung von Ranunculaceen. Wir hatten (Seite 8) die aruncoide, nur oberseits Spaltöffnungen führende Spreite von Actaea spicata in Gegensatz ge- stellt zu derjenigen von Ranunculus aconitifolius, bei welcher auch 80 auf der Oberseite der gelappten Blätter Stomata, allerdings in ge- ringerer Anzahl, vorhanden sind. Das Blatt dieser Pflanze, wenn auch nicht durch besondere Dicke hervortetend, übertrifft hierin doch um ein Beträchtliches dasjenige von Actaea spicata. Dasselbe wie für Ranunculus aconitifolius gilt für andere gleichfalls etwas fleischige diekblättrige Arten derselben Familie: Ranunculus repens, R. Ficaria, Caltha palustris, deren Spreiten auf ihrer Oberseite mit Spaltöffnungen ausgerüstet sind. Eine grosse Menge anderer krautiger Gewächse und zwar fast aus- schliesslich solche mit relativ dieken Blättern, zeigen dasselbe Verhalten: Erysimum odoratum, Sisymbrium strietissimum, Arabis albida, Crambe maritima, Chrysosplenium oppositifolium, Heracleum Sphondylium, Tara- zacum officinale, Senecio vulgaris, Senecio nemorensis, Valeriana Phu, Valerianella carinata, Menyanthes trifoliata, Linaria cymbalaria u. v. a. Die meisten dieser Arten sind nicht nur durch grössere Dicke, sondern auch durch mehr oder weniger fleischige Consistenz der Blattspreiten aus- gezeichnet. Sie zeigen also hierin eine Annäherung an die Blattsuccu- lenten, die ebenfalls auf beiden Blattseiten Stomata führen. Bei allen typisch aruncoiden Blättern ist dagegen die dünne Spreite von rein ‘krautiger, zarter Beschaffenheit. Wenn abgeschnitten, welkt und ver- troeknet sie äusserst rasch, rascher als dies bei den meisten anderen Gewächsen der Fall ist. Dieser Umstand deutet, wie auch das Wurzeln in feuchtem Boden und das Vorkommen an meist schattigen Stand- orten, auf eine beträchtliche Transpirationsgrösse. Bekannt ist auch, dass alle Blätter unseres aruncoiden Typus sich im tiefen Waldesschatten genau horizontal, also senkrecht zu dem von oben kommenden Lichte, einstellen. Unter denselben Verhält- nissen richten sich die lichtbedürftigen Spreiten mancher anderer Pflanzen, z. B. von Taraxacum oficinale, Plantago major und Plan- tago media vertical auf. Da die Blätter der zuletzt genannten Pflan- zen im Gegensatz zu den horizental gestellten aruncoiden Blättern Stomata in grösserer Zahl auf der Oberseite besitzen, so wäre bei weiteren Untersuchungen darauf zu achten, wie weit Lichtstimmung der Blätter und Vertheilung der Stomata auf den beiden Spreiten- flächen im Zusammenhang mit einander stehen. Die Blattspreiten unserer einheimischen Bäume führen meist nur auf der Unterseite Spaltöffnungen. Francis Darwin!), welcher 1) Francis Darwin, On the Relation between the „Bloom“ on Leaves and the Distribution of the Stomata. Extracted from the Linnean Society’s Journal. Botany, vol. XXII. 8 bei einer grösseren Anzahl von Pflanzen die Vertheilung der Stomata über die beiden Blattflächen untersucht hat, gibt bloss für Arten der Gattung Populus das Verkommen zahlreicher Spaltöffnungen für die Blattoberseite an. Bei Populus nigra fand er das Zahlenverhältniss 54 11—12 313° bei Populus pyramidalis 1046) noch grösser ist das propor- 3 89 tionale Verhältniss bei Populus Carolinae 105 und P. monilifera 181 Die Spreiten der Arten, die ich untersucht habe, sind derb und von ziemlich beträchtlicher Dicke. Die dünnsten Spreiten (0,15 mm) fand ich bei Populus tremula und P. nigra, von welchen die erstere bloss unterseits Stomata führt, während bei der anderen das Zahlen- 54 55 verhältniss 313 besteht; P. dilatata mit dem Zahlenverhältnisse —- zeigte eine Dicke von 0,23 mm, und die oberseits sehr spaltöffnungs- 89 reiche (3) Spreite von P. monilifera erreichte die ebenfalls be- trächtliche Dicke von 0,21mm. Es wiederholt sich also hier die- selbe Beziehung zwischen Blattdicke und Vertheilung der Stomata wie wir sie bei verschiedenen krautigen Gewächsen gefunden haben. Von Interesse ist in dieser Hinsicht auch das Verhalten der Weiden. Bei unseren schmal- oder dickblättrigen Weiden, die Be- wohner von Flussufern und Sümpfen sind und den Waldesschatten fast gänzlich meiden, finden sich beiderseits geradewandige Oberhautzellen und Stomata auch auf der Blattoberseite. So verhält sich unter anderen Salix fragilis (0,1Tmm dick), auf deren Blattoberseite man den Spaltöffnungen nicht nur auf dem Mittelnerven, sondern auch über dem Blattparenchym, allerdings in geringerer Anzahl als auf der Unterseite, begegnet. Gleiches gilt auch für Salıx babylonica (0,21mm dick). Ganz anders ist das Verhalten der breitblättrigen Salix Caprea (0,13 mm dick), die in Wäldern, an feuchten Bergabhängen und ähn- lichen Localitäten wächst. Das breite, eiförmige Blatt mit campto- _ dromem Nervenverlauf und glattem oder nur sehr schwach aus- geschweiftem Rande ist beinahe um die Hälfte dünner als bei den vorher erwähnten diekblättrigen Speeies. Hiermit Hand in Hand finden wir die Oberseite frei von Spaltöffnungen, auch auf dem Mittelnerven konnte ich keine entdecken. In der Wellung der Epi- dermiszellwände stimmt dieses Blatt aber mit den dieken Weiden- Flora 1900 6 82 blättern überein, allerdings kann man auf der Unterseite der be- haarten Spreiten eine sehr schwache Wellung wahrnehmen, die aber nicht bei allen Oberhautzellen wiederkehrt. Eine etwas stärkere, aber immer noch sehr schwache Wellung zeigt das dünne Blatt der ebenfalls allein unterseits Stomata führenden Salix cinerea (0,10 mm dick), die oft die Standorte mit Salix Caprea theilt. Dagegen findet man bei der grossen, breiten, eiförmigen, sehr dünnen, auch nur auf der Unterseite mit Spaltöffnungen versehenen Spreite der alpinen Salix helvetica (0,09 mm dick), die in feuchten Gebirgsschluchten wächst, auf der Blattunterseite eine ziemlich starke Wellung der Epidermiszellen. Die mechanischen Verhältnisse. Im Verlaufe unserer Darstellung hatten wir schon des Häufigeren Gelegenheit, auf die Consistenz und besonders die Dicke der uns je- weilig beschäftigenden Blattspreiten aufmerksam zu machen. Wir hatten öfter schon Beziehungen gefunden zwischen der Blattdicke und der Vertheilung der Stomata, indem wir feststellen konnten, dass mit dem Auftreten von Spaltöffnungen auf der Blattoberseite zugleich häufig eine grössere Dicke verbunden ist. Es folgt nun eine Tabelle von Messungen der Dicke aruncoider wie auch anderer zum Vergleich herbeigezogener Blätter. Die Messungen wurden mit dem Ocularmikrometer ausgeführt, als Dieken- einheit wurde !/ıoomm angenommen. Fast alle der angeführten Werthe habe ich selbst ermittelt, nur einige wenige mit einem * be- zeichneten habe ich den Angaben Blohm’s!) entnommen. Spiraea Ulmaria . . . . . . . . 0,09 mm Rubus Idaeus . . . . . . . . . 0,09 „ Teucrium Scordium . . . . . . . . 0,09 „ Urtica dioica (Sehattenblatt) . . . . . . 0,09 „ Corylus Avellana (Schattenblatt) . . . . . 0,09 „ Carpinus Betulus (Schattenblatt) . . . . . 0,09 „ Fagus silvatica (Schattenblatt) . . . . . . 0,09 „ Salix helvetica (Schattenblatt) . . . . . . 0,09 „ Aruncus silvester . . . . . . . . 010 „ Acer platanoides . . . . . . . . 0,10 „ *Stachys germanica . . . . . . . . 0,10, 1) Ernst Blohm, Untersuchungen über die Dicke des assimilirenden Ge- webes bei den Pflanzen. Inaug.-Diss. Kiel 1895. Ulmus effusa (Schattenblatt) Ostrya carpinifolia (Schattenblatt) Viburnum Opulus (Schattenblatt) Salix einera . . . *Oxalis Acetosella *Circaea lutetiana *Mercurialis perennis . Acer Pseudo-Platanus Galium Aparine Aesculus Hippocastanum Rosa centifolia Chrysanthemum corymbosum Lamium album Stachys sylvatica Plectranthus glaucocalix Vaceinium Myrtillus Carpinus Betulus (Halbschatten) Quercus ambigua Agrimonia Eupatoria Rosa rubrifolia Stellaria Holostea Chaerophyllum aromaticum Salix Caprea *Potentilla alba Viburnum Lantana Actaea spicata Geum urbanum . Sambucus nigra X Viola odorata . Heracleum Sphondylium Laserpitium latifolium Imperatoria Ostruthium Cephalaria pilosa Phyteuma spieatum Campanula nobilis Fraxinus Excelsior Stachys recta Urtica pilulifera (Sonnenblatt) Pirola secunda . Morus alba ge 84 Acer campestre . Castanea chinensis Betula alba Quercus pedunculata (Schattenblatt) Quereus Prinus (Schattenblatt) Populus tremula . Populus nigra Campanula Trachelium Veronica prostrata Viburnum Opulus (Sonnenblatt) . Vaceinium Vitis Idaea Vaceinium uliginosum Humulus Lupulus Sanguisorba ofieinalis Prunus avium Dipsacus silvestris Urtica dioica (Sonnenblatt) Salix fragilis Spiraea Filipendula Potentilla anserina (Sonnenblatt) Sisymbrium Alliaria Serophularia nodosa *Fagus silvatica Lycopus europaeus (Sonnenblatt). Corylus Avellana (Sonnenblatt) . Galeobdolon Iuteum Pirola uniflora Dentaria pinnata Lunaria rediviva Potentilla Tormentilla (Sonnenblatt) Pimpinella magna Calamintha grandiflora Archangelica officinalis Peucedanum verticillare Taraxacum offieinale . Campanula persicifolia Betonica officinalis Carpinus Betulus (Sonnenblatt) . Salix babylonica Populus monilifera 85 Veronica Chamaedrys . . . . . . 0,22 mm Veronica spicata . . . . . . . . 0,22 „ Veronica Buxbaumi . . . . . . . . 0,22 „ *Epilobium angustifolium . . . . . . . 0,23 „ Cirsium oleraceum . . . . . . . . 0,23 „ Populus dilatata . . . . . . . . 0,23 „ Hedera Helix . . . . . . . . . 0,24 „ *Teucrium Chamaedrys . . . . . . . 0,24 „ Viburnum Lautana (Sonnenblatt) . . . . . 0,25 „ Asarum europaeum . . . . . . . . 0,25 „ *Scorzonera hispanica . . . . . . . 0,25 „ *Digitalis purpurea . . . . . . . . 025 „ Pirola chloranta . . . . . . . 0,25 „ Sambucus nigra (Sonnenblatt) . . . . 0.026 „ Campanula glomerata . . . . . \ . 0,27 „ *Ranunculus Ficaria . . . . . . . . 0,28 „ Campanula rapuneuides . . 2.0 200200200..080 „ *Helleborus niger . . . . . . . . 0,30 „ Galeopsis ochroleuca . . R . . . . 0,31 „ Plantago media . . . . . . . . . 0,31, *Plantago lanceolata . . . . . . . . 0,34 „ *Borago offieinalis . . . . . . . . 0,37 „ Scolopendrium offieinarum nn 0837, Ophioglossum vulgatum . . . . . . . 0,45 „ Botrychium Lunaria . 2 nn 045, Ilex Aquifolium . . . . . . . ..0,48 „ Aspidium Lonchitis 20m nm nn 04, . Saxifraga umbrosa . . . . . . . . 0,71, *Sedum boloniense . . . . . . . . 0,85 „ *Plantago maritima . . . . . . . . 105 „ *Orambe maritima . 1,15 „ Aus obiger Tabelle ist sofort ersichtlich, dass die 'aruncoiden Spreiten, die durch Cursivschrift hervorgehoben sind, zum weitaus grössten Theile zu den dünnsten der einheimischen Flora gehören. Durch beträchtliche Dicke zeichnen sich nur die an recht sonnigen Standorten zur Entfaltung gekommenen Spreiten aus (z. B. Sam- bucus, Carpinus). Ferner ergibt sich bei genauer Betrachtung der Tabelle, dass die dünnsten und zahlreichsten der aruncoiden Blätter Schattenpflanzen angehören, zum Mindesten solchen Gewächsen, deren bevorzugte Ständorte schattige Plätze sind. 86 x Mit diesem Vorkommen im Schatten gehen manche Erscheinungen Hand in Hand. So zunächst die Blattdieke. Stahl!) hat diesen Verhältnissen eine durchgreifende Untersuchung gewidmet. Er unter- scheidet zunächst ausgesprochene Schattenpflanzen, die sonnige Stand- orte durchaus meiden, so Oxalis Acetosella und Epimedium alpinum, deren Blätter wenig plastisch sind. Von Oxalis Acetosella schreibt er p. 5: „Das Mesophyll ist zusammengesetzt aus drei Zelllagen, von denen die beiden untersten aus flachen Sternzellen bestehen, welche durch lange Arme miteinander verbunden sind. An die Epidermis der Oberseite grenzen trichterförmige Zellen, die wir mit Haber- landt als Trichterzellen bezeichnen wollen. In diesen Trichter- zellen nehmen die Chlorophylikörner eine zwischen Profil- und Flächenstellung intermediäre Lage ein, während in den Schwamm- zellen sowohl Flächen- als Profilstellung möglich ist. Ein grosser Theil des Blattinnern ist durch die Intercellularräume eingenommen. Dies der Bau des Parenchyms an schattigen Standorten; kaum ver- schieden ist derselbe bei denjenigen Blättern, die sich bei intensiver Beleuchtung entwickelt haben: die Blätter sind wenig plastisch, sie behalten auch unter den veränderten Bedingungen die dem schattigen Standorte angepasste Struktur bei.* Stahl (l. e. p. 6) unterscheidet weiter eine andere Gruppe von Pflanzen, die sowohl schattigen als sonnigen Standort ertragen können. „Im Gegensatze zu den Schattenpflanzen finden wir bei der Mehr- zahl der Dicotylenblätter ein weitgehendes Anpassungsvermögen, das sich sowohl in der schwankenden Blattgrösse, als in der veränder- lichen inneren Struktur offenbart.“ Es werden dann einige der auf- fallendsten Beispiele besprochen, unter anderen die Buche, für welche festgestellt wurde, dass bei Spreiten, die unter extremen Beleuchtungs- bedingungen erwachsen waren, die Dicke eines Sonnenblattes das dreifache derjenigen eines Schattenblattes betragen kann. Gegenüber diesen, von verschiedenen anderen Beobachtern bestätigten Angaben schreibt Blohm?): „Erwähnen möchte ich noch, dass von Fagus sil- vatica und Lamium album sowohl Blätter, die dem directen Sonnen- licht ausgesetzt waren, untersucht wurden, wie auch solche, die völlig im Schatten standen. Jedoch wurden bei beiden keine wesentlichen 1) E. Stahl, Ueber den Einfluss des sonnigen oder schattigen Standortes auf die Ausbildung der Laubblätter. Zeitschrift für Naturwissenschaft XVIL, N.F. IX, 1. 2. Jena 1883. 2) Untersuchung über die Dicke des assimilirenden Gewebes bei den Pflanzen. Inaug.-Dissert. Kiel 1895. p. 12, 87 Differenzen in der Färbung, noch in der Dicke der Assimilations- schicht bemerkt.“ Leider enthält sich Blohm näherer Angaben über die Blattdicke der Sonnen- und Schattenformen. Jedenfalls beruht seine Behauptung auf unzulänglichen Beobachtungen, denn ich habe eine ganze Reihe der verschiedensten Blattspreiten von sonnigen und schattigen Standorten auf ihre Dicke hin untersucht und meist, wie auch andere Forscher dargethan haben, ein beträchtliches Schwanken der Blattdicke feststellen können. So betrug bei Urtica dioica die Dicke eines Schattenblattes 0,09mm, eines Sonnenblattes 0,17 mm, also bei- nahe das Doppelte. Blohm erwähnt für Fagus silvatica eine Blatt- dicke von 0,18 mm, ich fand für ein im tiefen Waldesschatten gewach- senes Blatt 0,09 mm, also die Hälfte. Bei Corylus Avellana ermittelte ich als Dicke eines Schattenblattes 0,09 mm, eines Sonnenblattes 0,13mm. Bei Carpinus Betulus betrug die Dicke der Blattspreite im tiefen Schatten 0,09 mm, in etwas lichterem Schatten 0,12mm und bei einer an der Sonne erwachsenen Spreite 0,21mm. Ferner stellte sich als Dicke für ein Schattenblatt von Sambucus nigra 0,15 mm heraus, für ein Sonnenblatt 0,26mm. Aehnliche Unterschiede fanden sich bei vielen Blättern und es könnte die Zahl der Beispiele um ein Beträchtliches vermehrt werden. Hier ist der Platz noch eines anderen, schon von anderen Forschern?) beobachteten, mehr oder weniger hervortretenden Unterschiedes zwischen Sonnen- und Schattenformen einer und derselben Pflanzenart zu ge- denken. Bei Schattenblättern von Corylus Avellana fand ich auf beiden Seiten der Spreite gewellte Epidermiszellwandungen. Es war also auch auf der Blattoberseite die Wellung, allerdings etwas schwächer, vorhanden; bei dem doppelt so dicken Sonnenblatte wurde dieselbe dagegen fast ganz vermisst. Ein ähnliches Verhalten traf ich bei den Blattspreiten von Carpinus Betulus, wo auf beiden Seiten eine starke Wellung der Epidermiszellwände besteht, welche jedoch bei einem in starker Beleuchtung erwachsenen Blatte lange nicht in dem Maasse ausgeprägt war als bei einer im Schatten zur Ausbildung gelangten Spreite. Am auffallendsten gestalteten sich jedoch die Unterschiede in besagter Richtung bei Viburnum Lantana. Bei einem Schattenblatte, dessen Dicke 0,14mm betrug, waren die Seitenwände der Oberhaut- zellen auf beiden Blattflächen stark gewellt, bei einem 0,25 mm 1) F. W.C. Areschoug, Ueber die physiologischen Leistungen und die Entwickelung des Grundgewebes des Blattes, Kongl. fysiografiska sällskapets i Lund Handlingar 1897. 88 dicken Sonnenblatte war die Wellung eine äusserst geringe und merkwürdiger Weise auf der behaarten Unterseite der Spreite noch schwächer als auf der Oberseite. Da ein Zusammenhang zwischen Blattdicke und Stärke der Wellung zu bestehen scheint, indem diese mit zunehmender Dicke des Blattquerschnittes schwächer wird, so verdient hier die Frage erörtert zu werden, ob nähere Beziehungen zwischen Querschnitt der Spreiten und Wellung vorhanden sind und zwar der Art, dass letztere nur dünneren Blättern zukommt, dickeren dagegen fehlen möchte. Auf diese Voraussetzung hin wurden die Blätter von verschiedenen Pflanzen, vornehmlich diekere Blattspreiten untersucht, wobei sich herausstellte, dass bei nicht wenigen Arten stark gewellte Epi- dermiszellwände vorkommen. Es ist dies besonders der Fall bei ausgesprochenen Schattenpflanzen. So fand ich bei einem 0,25mm dieken Blatte von Asarum europaeum beiderseits Wellung, die nur oberseits schwächer ausgeprägt war als auf der Unterseite. Das eben- falls dieke (0,24 mm) und derbe Epheublatt hat auf beiden Flächen stark gewellte Oberhautzellwände. Ebenso verhalten sich die gleich- falls dieken Blattspreiten einiger anderer Pflanzen, von denen besonders die schon von Areschoug (l. c.) besprochene Saxifraga umbrosa er- wähnenswerth ist. Die Dicke einer succulenten Spreite betrug nicht weniger als 0,71 mm und trotzdem zeigten die Epidermiszellwände auf der Blattunterseite über den Spaltöffnungsgruppen starke Wellung. Aus diesen Thatsachen geht hervor, dass die Wellung der Ober- hautzellwände mit anderen Eigenthümlichkeiten als der blossen Blatt- dicke verknüpft sein muss: sie findet sich, wie Areschoug (l. ce. 8.9. u. ff.) gezeigt hat, in besonders schöner Ausbildung dort, wo das daran grenzende Assimilationsgewebe einen in hohem Grade lacunösen Charakter trägt. Wenn also bei einer und derselben Art die Schattenblätter die Wellung stärker erkennen lassen als die Sonnenblätter, so hängt dies offenbar mit der bei ihnen vorhandenen stärkeren Entwickelung der Intercellularräume zusammen. Sehr instruktiv ist in dieser Beziehung das Verhalten der nament- lich in schattigen Wäldern gedeihenden Pirola-Arten. Von den drei untersuchten Pirolen besitzt Pirola chlorantha, das dickste Blatt, mit 0,25mm. Die Epidermiszellwände sind auf beiden Blattseiten gewellt, oben etwas schwächer als unten. Das Mesophyli besteht aus kurzen Pallisaden und englumigen diehtem Schwammgewebe. Das feste, derbe, lederartige Blatt von Pirola secunda zeigt die ober- seitige Epidermis, zusammengesetzt aus Zellen mit dünnen, sehr stark 89 gewellten Wandungen. Auf derUnterseite des Blattes scheint die Wellung eine etwas geringere zu sein, dafür sind aber hier die Zellwände um ein Beträchtliches dicker als oberseits und haben in das Zelllumen vorspringende Leisten. Die Dicke des Blattes beträgt 0,15mm. Das Mesophyli erweist sich bei diesem Blatte als gänzlich undifferenzirt. Es besteht aus vier bis sechs Reihen länglicher der Blattfläche parallel gelagerter Zellen. Die 0,18mm starke Spreite von Pirola uniflora zeigt dieselbe Ausbildung des Mesophylis wie Pirola secunda und zugleich tritt auf beiden Blattflächen eine sehr starke Wellung der Epidermiszellen auf (Fig. 5). Ebenso findet man bei dem 0,24mm starken Blatte von Hedera Helix beiderseits stark gewellte Oberhautzellwände. Es besteht das Mesophyll hier aus Palissaden- und Schwammzellen; erstere sind sehr weitlumig und lassen relativ weite Intercellularräume zwischen sich. Es findet sich also auch hier ein verhältnissmässig lockeres Gewebe und damit in Verbindung beiderseits gewellte Epidermiszellwände. Ein ähnliches Verhalten wiederholt sich bei Asarum europaeum, dessen 0,25mm dicke Spreite weitlumiges Palissadenparenchym auf- weist, womit wiederum eine schwache Wellung der oberseitigen Epi- dermiszellen zusammenhängt. Sehr instructive Beispiele für diese Fragestellung liefern die Farne, deren wechselndes Verhalten, je nach dem sie an sonnigen, trockeneren oder schattigen, feuchteren Standorten zur Entwickelung gelangt sind, durch zwei Schüler Areschoug’s (l. ec.) geschildert worden ist. Die Fiedern des äusserlich recht derb und fest er- scheinenden Wedels von Aspidium Lonchitis zeigen auf dem Quer- schnitte die beträchtliche Dicke von 0,48mm. Bei dieser Beschaffen- heit könnte man geradewandige Oberhautzellen erwarten. Sie sind aber auf beiden Blattflächen stark gewellt. Die Struktur des Meso- phylis erklärt dieses: Mit Ausnahme eines sehr niedrigen schwach ausgebildeten Palissadenparenchymes, das kaum noch diese Bezeich- nung verdient, besteht das ganze Blattinnere aus sehr lockerem Schwammgewebe (Fig. 6). Das Extrem in dieser Ausbildung finden wir aber bei dem Blatte von Scolopendrium officinarum. Es hat trotz einer Dicke von 0,37 mm auf Ober- wie auf Unterseite gewellte Epidermiszellwände. Auch hier finden wir das ganze Mesophyll aus sehr lockerem Schwammgewebe aufgebaut, dessen Sternzellen zwischen ihren Armen sehr weite Intercellularräume übrig lassen. Von echten Palissaden ist keine Spur vorhanden. 90 Ein einigermaassen abweichendes Verhalten zeigen die auch sonst von den Farnen durch ihre Blattbeschaffenheit nicht unwesent- lich abweichenden Ophioglossum vulyatum und Botrychium Lunaria. Die zungenförmige Spreite der ersteren Pflanze zeigt bei einer Dicke von 0,45mm auf ihren beiden Seiten sehr stark gewellte Epidermis- zellwände. Auf den Querschnitte sieht man, dass das Mesophyli in seiner ganzen Ausdehnung aus sehr lockerem Sehwammparenchym besteht, woraus sich die starke Wellung wohl begreifen lässt. Die gefiederte Spreite von Botrychium Lunaria hat bei derselben Dicke gerade Seitenwände der Oberhautzellen, und doch besteht das Meso- phyli nur aus Schwammgewebe, das aber bei Weitem nicht so locker gebaut ist wie dasjenige von Ophioglossum vulgatum. Ich glaube, dass sich dieses verschiedene Verhalten der beiden nahe verwandten Gewächse aus ihrem so verschiedenen Standorte begreifen lässt. Ophioglossum vulgatum ist ein Bewohner sumpfiger Wiesen, wo starke durch lockeres Mesophyli beförderte Transpiration nothwendig ist. Botrychium Lunaria dagegen wächst an sonnigen, meist auch trocke- neren Orten, an Waldrändern und auf Triften, wo eine festere Blatt- consistenz jedenfalls von Vortheil sein wird. Daher ist auch das Schwammparenchym hier bei weitem nicht so locker, das Blatt nähert sich dem Xerophytentypus und gehört vielleicht auch zu den Schrumpfblättern, denen gewellte Epidermiszellwände abgehen. Bei unseren einheimischen Schrumpfsuceulenten aus den Gattungen Sedum und Sempervivum fehlt thatsächlich die Wellung fast gänzlich. Die angeführten Beispiele liefern eine Bestätigung für die bereits erkannte Bedeutung!) der Wellung der Seitenwandungen der Ober- hautzellen. Die Verzahnung muss dazu beitragen, die Festigkeit des Blattes in tangentialer Richtung zu erhöhen, und falls ein Ein- reissen vom Rande her eintritt, wird der Widerstand gegen weiteres Eindringen des Risses bei der in Rede stehenden Zellform grösser sein, als wenn die Zellen ebenwandig wären. Das besonders starke Hervortreten der Wellung bei den Epidermiszellen der Blatt- unterseite, die schwächere Ausprägung, ja das häufige Fehlen der- selben auf der Oberseite, steht mit der verschiedenen Ausbildung der an die beiderseitigen Oberhäute grenzenden Zellformen im Zu- sammenhang. Die durch die Verzahnung der Epidermiszellen be- dingte höhere Festigkeit ist aus naheliegenden Gründen viel wichtiger dort, wo die Epidermis als schützende Decke über einem lücken- 1) G.Haberlandt, Physiologische Pflanzenanatomie p. 103. Areschoug (ı. e.). 9 reichen Gewebe auftritt, wie es das Schwammparenchym darstellt, als über dem fester gefügten Palissadenparenchym. Wo die Festigkeit der schützenden Oberhaut durch dicke Zell- wände erzielt wird, wie dies namentlich bei immergrünen Laubblättern der Fall ist, z. B. bei Vaceinium Vitis Idaea, kann die Wellung zurücktreten oder ganz fehlen. Bei genannter Pflanze sind die sehr dicken von Tüpfeln durchzogenen Zellwände der Epidermis nur auf der Blattunterseite über dem lockerem Schwammparenchyın schwach gewellt. Gar keine Wellung, weder ober- noch unterseits, zeigen die sehr dieken Epidermiszellwände bei Vaccinium uliginosum, während die zarte sommergrüne Spreite von Faccinium Myrtillus beiderseits durch starke Wellung ausgezeichnet ist. Hier ist auch das Palissaden- parenchym nur kurz und sehr locker, das Schwammgewebe stark ausgebildet. Ebenfalls sehr dicke Zellwände besitzt die oberseits noch durch eine Lage diekwandiger Zellen verstärkte Oberhaut von Ilex Agui- folium; selbst über dem Schwammgewebe fehlt hier die Wellung, oder es sind nur Spuren davon wahrzunehmen. Ebenso haben die sehr derben Spreiten von Buxus sempervirens und Nerium Oleander ebenwändige Epidermiszellen. Im Vorhergehenden haben wir uns der Ansicht angeschlossen, dass die Verzahnung der Epidermiszellen einen Schutz gegen das Einreissen der Blätter darstellte. Eine ähnliche Bedeutung dürfte dem gesägten Blattrande, der ja für den aruncoiden Typus, von dem wir ausgegangen sind, charakteristisch ist, zukommen. Es ınuss näm- lich auffallen, dass diese Ausbildung des Blattrandes besonders bei zarten, dünnen Spreiten vorkommt; gehören doch die aruncoiden Blätter zu den dünnsten in der einheimischen Pflanzenwelt. Beim Aneinanderstossen der durch Wind oder anderweitige Ursachen in unsanfte Berührung gekommenen Blattspreiten müssen die Blattzähne gewissermaassen als Puffer dienen. Sie biegen sich um und er- schweren durch Milderung des Stosses das Zustandekommen eines Risses. Jedenfalls ist eine zarte und dünne Spreite viel eher einem Zerrissenwerden ausgesetzt als eine derbe, und daher ist es für wahr- scheinlich zu halten, dass der bei derartig beschaffenen Blättern so häufig auftretende gezähnte Rand im Zusammenhang mit anderen Ein- richtungen als ein Schutzmittel gegen das Einreissen anzusehen ist. Um den Widerstand, den die Laubblätter dem Durchreissen ent- gegensetzen, zu messen, wurden folgende Versuche ausgeführt. Aus den Blättern wurden gleichbreite Streifen in einiger Entfernung und 92 parallel dem Rande herausgeschnitten und zwischen Korklamellen fest- geklemmt. Das eine Ende wurde an einem Stativ befestigt, an das andere Ende wurde eine leichteWagschaale zur Aufnahme der Gewichte gehangen und sodann konstatirt, bei welchem Gesammigewichte der Blattstreifen riss. Es rissen: Urtica pilulifera . . . . . . bei 14 g Beschwerung Corylus Avellana . . . . . „16, » Sambucus nigra . B . . . „21, n Stachys silvatica . . . . nn 23, » Fraxinus excelsior . . . . nn 24, n Mercurialis annua . . . . nn dd, n Prunus cerasus „27, n Tilia ulmifolia „9, n Frangula Alnus „34, „ Cornus sanguinea . . . . 2 97 ” ” Alnus glutinosa „ 39 „ „ Cytisus Laburnum „42, » Morus alba . „4, » Carpinus Betulus „Sl, „ Plantago media . . . . . mn d4,„ Chelidonium majus 57 „ Ligustrum vulgare . . . ., 7, Acer Pseudo-Platanus . . . . 74 ” » ” Syringa vulgaris . . „709, „ Quercus peduneulata . . . »„ 80, n Man ersieht aus diesen allerdings rohen Versuchen, dass die dünnen gesägten aruncoiden Blätter viel leichter zerreissen als die mit anders beschaffenem Rande. Benutzt man zu den Versuchen Randstreifen, so erfolgt das Reissen stets in den Spitzen der von den Zähnen gebildeten Winkeln, welche hier nicht durch besondere mechanische Elemente geschützt sind. Man kann also den arun- coiden Blattrand gewissermaassen als ein Correctiv des zarten Baues der dünnen, leicht verletzbaren Spreite ansehen. Bemerkenswerth ist auch, dass bei den Blättern dieses Typus sehr häufig eine andere von Kny!) gewürdigte Struktureigenthüm- lichkeit angetroffen wird, wir meinen die Hervorwölbung des Blatt- gewebes zwischen den Bündelauszweigungen dünner zarter Laub- 1) L.Kny, Ueber die Anpassung der Laubblätter an die mechanischen Wirkungen des Regens und Hagels. — Berichte der deutschen botan. Gesellschaft. Jahrg. 1885, Band III, Heft 6. 93 blätter. Es stellen nach genanntem Forscher diese Facetten zwischen den Bündelauszweigungen geradezu Gewölbe dar, welche bei auf- fallendem Regen oder Hagel den Stoss paralysiren. Kny schreibt hierüber p. 209: „Diese Gefahr (nämlich die des Zerquetschtwerdens der Zellen durch Hagel etc.) wird nun dadurch erheblich vermindert, dass die Epidermis- und Palissadenzellen sich als Bausteine zu flachen Gewölben zusammenfügen, welche elastischen Widerlagern, den stär- keren Bündelzweigen, aufgesetzt, beziehungsweise angelehnt, sind. Es wird hierdurch jeder Stoss von den zunächst betroffenen Zellen sich zum Theil seitlich auf ihre Nachbarinnen und von diesen auf die Widerlager übertragen müssen, und diese werden, falls die Kraft des Stosses keine zu grosse ist, durch entsprechende Dehnung seine Wirkung unschädlich machen.“ Diese hervorgewölbten Blattfacetten finden wir vielfach bei unseren aruneoiden Blättern, so besonders ausgeprägt bei Aruncus silvester, den wir als Typus unserer Blattform angenommen haben, ferner bei Lycopus europaeus, überhaupt bei vielen Labiaten, von welchen Kny Betonica officinalis, Ballota nigra, Melissa officinalis erwähnt; dann bei Baumblättern wie Aesculus Hippocastanum, Ulmus campestris, Ostrya carpinifolia, Corylus Avellana. u.a. Es sind also gerade die dünnsten Baumblätter, welche der- artig gewölbte Blattfacetten aufweisen. Zum Schlusse sei noch auf eine andere Struktureigenthümlichkeit aufmerksam gemacht, die in demselben Sinne als Schutzmittel gegen Verletzung der Blattspreiten wirksam sein muss, und die in besonders auffallendem Grade bei Populus tremula ausgebildet ist, wo ja die Spreite infolge der Zitterbewegungen besonders häufig durch das Anstossen an andere Gegenstände der Verletzungsgefahr ausgesetzt ist. Hier sind in besonders auffälliger Weise an der Blattoberseite die derbwandigen Epidermiszellen stark hervorgewölbt und gewisser- maassen zu Pufferzellen ausgebildet (Fig.7). Derartige Pufferzellen finden sich in mehr oder minder scharfer Ausprägung bei vielen Blattspreiten und zwar häufig am Blattrande, so an den dünnen Spreiten unserer Epipactis-Arten. Ferner sind sie auf der derben Spreite von Betula alba vorhanden. Eines der instructivsten Beispiele für das Vorkommen der Pufferzellen bietet uns Viscum album. Hier treten sie auf der ganzen Fläche, besonders aber wieder an dem Rande der derben Spreite auf. Figur 8 stellt zwei Pufferzellen vom Rande des Blattes dar; diese Zellen sind conisch mit abgerundeter Spitze und haben sehr dicke Aussenwände. Eine weit schwächere Ausbildung zu Puffern zeigen die in Figur 9 dargestellten Epidermiszellen der Blattfläche. 94 Es kommen zwar auch hier stärker gewölbte Epidermiszellen vor, doch treten sie mehr vereinzelt auf.” Die besonders starke Aus- bildung der Pufferzellen bei der Mistel darf man wohl als eine An- passung an den exponirten Standort dieses Strauches annehmen, dessen wintergrüne Blätter bei stürmischem Wetter der Gefahr der Ver- letzung durch mechanische Insulte in besonders hohem Grade aus- gesetzt sind. Obige Arbeit wurde im botanischen Institute der Universität Jena ausgeführt. Die Anregung hierzu empfing ich von meinem hochverehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. Stahl, dem ich zum Schlusse meinen herzlichsten Dank für das freundliche Entgegenkommen und das Interesse, welches er mir widmete, ausspreche. Figurenerklärung zu Tafel IV. Figur 1. Endfieder von Aruncus silvester. Nat. Grösse. Figur 2. Stück der Epidermis von der Blattunserseite von Aruncus silvester. Vergrössert. 400. Figur 3. Blatt von Galeopsis ochrolenca von der Unterseite gesehen. Nat. Grösse. Figur 4. Lunaria rediviva. Stück von der Epidermis der Blattunterseite. Bei a eine Spaltöffnung von gewöhnlichem Typus. Bei b eine solche vom Cruciferentypus, Vergr. 550. Figur 5. Querschnitt durch das Blatt von Pirola uniflora. Vergr. 150. Figur 6. Querschnitt durch eine Fieder von Aspidium Lonchitis. Vergr. 35. Figur 7. Pufferzelle von der Epidermis der Blattoberseite von Populus tremula. Vergr. 400. Figur 8. Pufferzellen vom Blattrande des Laubblattes von Fiscum album. Vergr. 400. Figur 9. Epidermiszellen von der Blattoberfläche der Mitte des Laubblattes von Viscum album. YVergr. 400. Figur 10. Querschnitt durch den Rand eines Blattzahnes von Aruneus silvester. Vergr. 200, : Figur 11. Querschnitt durch den Rand eines Blattzahnes von Urtica püulifera. Vergr. 200. er Die verschiedenen Blattformen von Campanula rotundifolia L. Von Dr. 3. Familler. Als ich im Jahre 1895 gelegentlich meines Aufenthaltes im pflanzenphysiologischen Institute zu München von Goebe}’s Versuchen ') mit obiger Pflanze Kunde erhielt, kam mir zunächst jener Versuch mit den beiden electrischen Bogenlampen von zusammen etwa 4000 Normalkerzen Lichtstärke etwas gar zu gewaltthätig vor und ich ver- suchte deshalb nach der Rückkehr in meine frühere Stellung an Pflanzen des freien Landes, ob sich nicht der gleiche Erfolg auf milderem Wege auch erzielen liesse. In erster Linie wollte ich er- fahren, ob nicht durch möglichst frühzeitige Entfernung der sämmt- lichen angelegten Blüthenknospen die Pflanze schliesslich zur Bildung von Rundblättern an den Blüthensprossen gezwungen werden könnte. Der Erfolg des Versuches war, dass nach dem Ausbrechen der terminalen Blüthenknospe die Anlagen der seitlichen Blüthen sich rasch entwickelten und nach Entfernung auch dieser Anlagen die Seitensprosse unter Bildung weniger Langblätter schnell zur Ent- wickelung von Blüthen sich anschiekten. Selbst Sprosse dritter Ord- nung mit terminaler Blüthenknospe bildeten sich; eine Erscheinung, die für gewöhnlich in der Natur nicht zu beobachten ist. Ueberdies trieben die Versuchspflanzen sehr viele grundständige Ausläufer, die in rascher Folge ebenfalls zur Bildung einer terminalen Blüthe sich bereiteten; auf die grundständigen Rundblätter folgte dabei nur eine grössere Anzahl von Uebergangsformen, in kürzeren Internodien zu- sammengedrängt und dann meist nur 2-——4 typische Langblätter. Ein End- ergebniss der Versuche konnte ich jedoch nie erreichen, da immer wieder seit 4 Jahren die Kranken meiner Umgebung mir die Pflanzen vernichteten. Nachdem das Gleiche auch wieder im Juli 1899 geschehen war, konnte ich doch wenigstens noch eine Pflanze im frischen Zustande retten und verpflanzte sie in einen Topf. Nach etwa 4 Wochen hatte ich den Erfolg, dass aus den Blattachseln der Hauptsprosse sowohl wie der Seitensprosse sich neue Triebe bildeten, welche alle mit Rundblättern einsetzten und zwar so reichlich, dass z. B. ein 12cm langer Spross mit 7 neuen Rundblattsprossen besetzt war. Die best- entwickelten Rundblätter wiesen dabei vollkommen den normalen Bau (Wasserspalten) der grundständigen Rundblätter auf, einige derselben waren sogar grösser als ich sie je am Grunde traf. Von allen diesen neugebildeten Sprossen ging im Verlaufe der 1) Flora 1896 pag. 1f. 96 Weiterkultur (Juli bis December) nur ein einziger von der Rundblatt- bildung zur Entwickelung von Uebergangsformen über und würde wohl, wenn nicht die Winterkälte störend eingegriffen hätte, zum ge- wöhnlichen Blüthenspross sich ausgebildet haben. Die meisten dieser Sprosse stellten nach Entwiekelung von 8—12 Rundblättern ihr Weiterwachsen ein, einige aber bildeten ohne Weiterwachsen der Mittel- knospe aus den Blattachseln neue Seitensprosse mit kleineren Rund- blättern — kehrten also ganz zum Typus der grundständigen, pri- mären Wurzelrosette zurück. Figur I gibt ein Bild mit drei derartigen Seitensprossen. (Ein Theil der kleinen Rundblätter und der dritte nach rück- wärts gelegene Spross blieben unge- zeichnet, um das Bild nicht ganz zu verwirren.) Da nun durch das Ausreissen und Neueintopfen der Pflanze die Frage nahe gelegt war, ob nicht gerade der dadurch verursachte Reiz die Anregung zur Bil- dung der neuen vegetativen Sprosse ge- geben hatte, so schnitt ich von ver- schiedenen Campanulapflanzen Steck- linge, indem ich theils Blüthentriebe mit nur Langblättern, theils solche mit Uebergangsblättern und noch wenigen Langblättern abnahm, und pflanzte sie unter Glas in Sand. Von den so be- handelten Stecklingen wuchsen 12 an und bildeten sämmtlich neue Sprosse mit Rundblättern. Die vorhandenen Blüthenknospen verkümmerten (Fig. 2A). Zur weiteren Oontrolle hob ich nun auch noch Campanulapfanzen mit Fig. 1. grossem Erdballen ohne sichtbare Verletzung der Wurzeln aus und pflanzte sie wieder in entsprechende Töpfe. Auch sie trieben nicht bloss aus den Blattachseln der Blüthentriebe bald neue Sprossen mit Rundblättern, sondern auch Sprosse, die bereits Uebergangsblattformen gebildet hatten, kehrten wieder zur Bildung von Rundblättern zurück. Eine Beeinflussung durch Minderung der Lichtintensität war dabei völlig ausgeschlossen. Die Pflanze der ersten Versuchsreihe stand im 97 Freien in einem Winkel der Nordmauer des Anstaltsgebäudes, wo sie nur zur Zeit des höchsten Sonnenstandes früh Morgens und spät Abends auf kurze Zeit directes Sonnenlicht erhielt, die übrigen Ver- suchspflanzen entstammten dem freien Rasen des Vorgartens, der immerhin durch die ebendort stehenden Bäume und Sträucher nicht gänzlich freies Licht hatte. In der Cultur dagegen standen die Ver- suchsobjecte auf einem Brette vor einem Südfenster, wo sie vom frühesten Morgen an bis 5 Uhr Nachmittags vollauf vom directen Sonnenlichte bestrahlt wurden. Es erweitert sich demnach das Er- gebniss der Lichtversuche Goebels dahin, dass nicht bloss Störungen in der Lichtintensität die Campanula zur Bildung von Rundblättern veranlassen, sondern dass überhaupt jede grössere Störung in der Entwickelung der Pflanze diese veranlasst zur Bildung der Jugend- Fig. 2. Spitzensteckling eines Sprosses mit wenigen Langblättern. Fig. 3, Steckling mit nur Langblättern. blattform zurückzukehren, weil für diese Blattform das Optimum an Licht, Stoffzufuhr ete. niederer liegt als für die Langblätter, welche nahezu jenes Optimum beanspruchen, das auch zur Bildung der Blüthen hinreicht. Mit anderen Worten, es ist auch für Campanula rotundifolia das Verhalten nachgewiesen, welches Goebel!) für andere Pflanzen folgendermaassen präeisirt hat: „1. dass die Möglichkeit der Ausbildung der Primärblätter bei manchen Pflanzen auch im späteren Lebensalter noch besteht, 2. dass dieser Vorgang an andere Bedingungen ge- knüpft ist, als der der Bildung der Folgeblätter, 3. dass eine Schwächung der Vegetationsbedingungen der letzteren die Hervor- rufung der ersteren veranlasst, resp. erleichtert.“ 1) Veber Jugendformen der Pflanzen und deren künstliche Wiederhervor- rufung, Sitz.-Ber. der mathem.-physik. Klasse der k. bayer. Ak. d. Wiss. Bd, XXVI 1896. Flora 1900, 7 Ueber Sclerotien in den Früchten von Melampyrum pratense. ') Von W. Rothert. In den Kiefernwäldern des Badeortes Edinburg bei Riga kommt Melampyrum pratense reichlich vor.. Beim Einsammeln von Samen dieser Pflanze fiel es mir. auf, dass zuweilen die Samen nicht wie gewöhnlich gelblichweiss, sondern dunkelgrau waren; auch zeichneten sich diese grauen Samen durch etwas geringere Länge und oft etwas weniger regelmässige Gestalt aus. Die auftauchende Vermuthung, dass die abnorm aussehenden Samen Pilzselerotien seien, bestätigte sich bei der mikroskopischen Untersuchung. Da ein solcher Pilz bisher nicht bekannt ist, untersuchte ich denselben soweit, als mein kurzer Aufenthalt am genannten Orte und die einfachen Untersuchungs- mittel, die mir daselbst zur Verfügung standen, dies gestatteten. Die Resultate dieser Untersuchung sind leider sehr unvollständig geblieben. Ich entschliesse mich trotzdem, dieselben zu publieiren, weil ich kaum Aussicht habe, sie in absehbarer Zeit zu einem befriedigenden Ab- schluss zu bringen; denn in der Umgegend von Charkow, meines ständigen Aufenthaltsortes, kommt Melampyrum pratense und sein Parasit nicht vor, während die Natur des Objectes eine Untersuchung am Ort seines Vorkommens und zwar zu verschiedenen Jahreszeiten erforderlich macht. Andererseits ist aber, wie man sehen wird, der Pilz sehr eigenartig und seine vollständige Erforschung von hohem mycologischem Interesse. Die vorstehende Mittheilung soll daher auf ihn die Aufmerksamkeit der Fachgenossen lenken, die sich in günstigerer Lage als ich befinden. Denn obwohl der Pils mir bisher nur aus Edinburg bekannt geworden ist, so ist doch anzunehmen, dass er auch an anderen Orten, wo seine Wirthspflanze reichlich vorkommt, sich auffinden lassen wird. Die Sclerotien ersetzen, wie gesagt, vollkommen die Samen in den Früchten der infieirten Exemplare von Melampyrum pratense. Sie finden sich in der Kapsel meist zu 1—2, nur ausnahmsweise zu drei, der Rest der vier Samenknospen ist verkümmert (auch die Samen sind bekanntlich oft unvollzählig vorhanden, es kommen deren 1—4 vor). Nach dem Aufspringen der Kapsel werden sie auch ganz in derselben Weise entleert wie die normalen Samen, indem sie aus der geneigten 1) Einen kurzen Bericht über die hier mitzutheilenden Beobachtungen er- stattete ich im September 1898 auf dem Congress Russischer Naturforscher in Kiew. 99 Kapsel bei leichter Erschütterung herausfallen. Gut entwickelte Selerotien sind bis ca. 4mm lang, ca. 2—2!/»mm dick, gedrungener als die Samen und auf dem Rücken stärker gewölbt. Die frischen Sclerotien (in der noch geschlossenen oder kürzlich geöffneten Kapsel) sind ziemlich weich; beim Austrocknen werden sie hart und schrumpfen ziemlich bedeutend, wie das auch die Samen thun; bei Befeuchtung nehmen sie ihre ursprüngliche Grösse und Consistenz wieder an. Auch darin stimmen die Sclerotien mit den Samen überein, dass sie das für Melampyrum charakteristische Anhängsel besitzen, welches durch eine tiefe Ringfurehe vom eigentlichen Selerotium getrennt ist. Das durch hellere Färbung ausgezeichnete Anhängsel hat die normale Grösse, relativ ist es daher an den Sclerotien grösser als an den Samen. Das Selerotium nebst Anhängsel ist von der Samenschale um- geben, welche ganz wie beim normalen Samen ausgebildet ist, d. i. ein zartes, nur aus der Epidermis des Integuments und vielleicht noch 1—2 völlig collabirten Zeilschichten bestehendes Häutchen darstellt. Dieses Häutchen und die darunter befindliche Luftschicht bedingen die graue Farbe des Selerotiums; wird das Häutchen abgezogen, so er- weist sich das Scelerotium als rein schwarz (mit einem geringen Anflug von weissem, sehr lockerem Mycel), das Anhängsel als schneeweiss. Das innere, weisse Gewebe des Sclerotiums besteht aus dicht verfilzten, feinen septirten Hyphen mit mässig dicker, in Chloral- hydrat nicht auffallend quellender Membran. Zwischen den Hyphen verbleiben zahlreiche kleine luftführende Interstitien. An der Peri- pherie (auch an der Grenze gegen das Anhängsel) befindet sich eine interstitienfreie Rinde, bestehend aus radial gerichteten kurzgliederigen Hyphenenden, deren peripherische Membranen schwarz gefärbt sind. Es ist das der typische Bau der meisten Pilzselerotien. Sehr oft be- findet sich im Innern des Sclerotiums eine mehr oder weniger grosse unregelmässige Höhlung, welche meist nach unten (nach dem An- hängsel zu) offen ist; gegen diese Höhlung ist das Sclerotiengewebe ebenfalls durch eine normal gebaute Rindenschicht abgegrenzt. Das Selerotium hat in solchen Fällen die Gestalt eines nach unten offenen Bechers mit durch das Anhängsel geschlossener Mündung. Der innere Hohlraum enthält oft collabirte, gebräunte Reste eines nicht pilzlichen parenchymatischen Gewebes. Geringe isolirte Reste ebensolchen Ge- webes sind zuweilen auch mitten im Sclerotiengewebe eingestreut, sie treten deutlich hervor bei Behandlung mit Chlorzinkjod, welches die Membranen der collabirten Zellen violett färbt (während die Mem- bran der Hyphen sich nicht färbt). 1 100 Das Anhängsel besteht aus einem lockeren Geflecht von Hyphen derselben Beschaffenheit, wie im Selerotium, ohne Rinde. Oft (wenn nicht immer) befindet sich im Innern dieses Hyphengeflechts ver- borgen ein Nebensclerotium von normalem Bau, mit schwarzer (manch- mal nicht vollkommen typisch ausgebildeter) Rinde. Dasselbe ist sehr verschieden gestaltet (unregelmässig, kugelig, schalenförmig, ring- förmig) und nimmt bald einen kleinen, bald den grösseren Theil des Anhängsels ein, bleibt aber jedenfalls erheblich kleiner als das Hauptselerotium. Noch sei erwähnt, dass zuweilen sowohl im Sclerotiengewebe, als auch namentlich im peripherischen lockeren Hyphengeflecht des Anhängsels einzelne breitere, kugelige bis ovale Zellen beobachtet wurden, welche sowohl intercalare als apicale Lage an den Hyphen haben können; an den freien Seiten dieser Zellen ist ihre Membran stark verdickt und zuweilen deutlich geschichtet. Diese Zellen habe ich erst bei der Untersuchung von Sclerotien bemerkt, welche zum Keimen ausgelegt worden waren, und hielt sie zunächst für Anfänge einer Sporenbildung. Da sie indess bei weiterem Liegen der Sclero- tien sich durchaus nicht veränderten, so möchte ich eher glauben, dass sie schon von vornherein vorhanden waren und nur wegen ihrer Seltenheit anfänglich von mir übersehen wurden. Die Untersuchung der Entwickelung der Sclerotien er- gab folgendes. In ganz jungen Samenknospen, welche aus erst 2—3mm langen Blüthenknospen herauspräparirt wurden und noch keinen Embryosack erkennen liessen, konnte nach guter Aufhellung (mittels Chloralhydrat) bereits die Anwesenheit von Pilzhyphen con- statirt werden; dieselben dringen durch den Funiculus ein, verzweigen sich und durchsetzen in mässiger Zahl das Gewebe des Nucellus und des Integuments; sie scheinen ausschliesslich intercellular sich zu verbreiten. In älteren Samenknospen (aus kürzlich abgeblühten Blüthen) sieht man den grossen Embryosack, mit Membran und Proto- plasmawandbeleg, noch frei vom Pilz; dieser befindet sich nur in dem umgebenden Gewebe (ob Nucellargewebe oder innere Schichten des Integuments?) zwischen den Zellen, diese allmählich verdrängend und ein successive diehter werdendes Geflecht bildend, von dem aus einzelne Hyphen gegen den Embryosack ausstrahlen. In diesem geht indessen die Endospermbildung in ganz normaler Weise vor sich‘); der Em- 1) Ob die Endospermbildung eine Folge stattgefundener Befruchtung ist, habe ich nicht festgestellt, es ist das aber jedenfalls anzunehmen, besonders auch im Hinblick auf die von Woronin (Die Solerotienkrankheit der gemeinen Trauben- 101 bryosack füllt sich allmählich mit Zellen an, in denen Stärke gebildet wird. Nun dringen auch Pilzhyphen von aussen in das Endosperm hinein und entwickeln sich reichlich zwischen den Endospermzellen; die dicht umsponnenen Endospermzellen sterben unter Bräunung ab, collabiren und werden schliesslich ganz unkenntlich. Auffallend resistent sind die Stärkekörner; diese bleiben in dem Hyphengeflecht auch dann noch erhalten, wenn von den Zellen, in denen sie sich befanden, nichts mehr zu sehen ist (im reifen Selerotium sind jedoch die Stärkekörner geschwunden). Die Verdrängung des Endosperms durch den Pilz geschieht in centripetaler Folge; die innerste Partie wird oft überhaupt nicht verdrängt, stirbt aber doch unter Bräunung ab; in solchem Fall grenzt sich das reifende Sclerotium gegen die- selbe durch eine innere Rindenschicht ab, und so kommen die oben erwähnten hohlen Selerotien zu Stande. Es wurde nicht festgestellt, ob das berindete Sclerotium nur aus dem Mycelgeflecht innerhalb des Embryosackes hervorgeht (in wel- chem Falle es genau dem Samen entsprechen würde), oder ob auch das ursprüngliche, ausserhalb des Embryosackes befindliche Mycel- geflecht an dessen Bildung theilnimmt. Das Mycelgeflecht in der Samenknospe erscheint makroskopisch, wegen der darin reichlich enthaltenen Luft, schneeweiss. An Quer- schnitten durch junge Selerotien sieht man daher einen peripherischen weissen Ring, während die innere, noch nicht oder nur schwach ver- pilzte Partie (der Embryosack resp. das junge Endosperm) hyalin ist. Später wird auch das Innere allmählich weiss, doch verleihen ihm die darin verstreuten gebräunten Gewebepartien bald schon makroskopisch eine hellbraune Farbe; hieran lässt sich im Durch- schnitt ein junges Sclerotium von einem jungen Samen unterscheiden, während äusserlich beide erst vor der Reife unterscheidbar werden. kirsche und der Eberesche, M&m. Acad. St, Petersbourg, 1895, p. 12 des Separat- abdrucks) bei Selerotinia Padi auf Prunus Padus gemachten Erfahrungen. Dort erfolgt eine Entwickelung des Pilzes in der Samenknospe nur dann, wenn Bestäubung mit Pollen, Befruchtung und, als Folge derselben, Endospermbildung stattfindet; anderenfalls atrophirt die Samenknospe. Dasselbe wird sicherlich auch bei unserem Object zutreffen, wo ein Theil der Samenknospen in der That regel- mässig atrophirt. Während aber bei Selerotinia Padi (welche die ganze Frucht mumifieirt) die Atrophie der Samenknospe von keinem weiteren Belang ist, dürfte bei unserem Object die Ausbildung des Selerotiums von der statt- gehabten Befruchtung abhängig sein. Da nun Selbstbefruchtung der infieirten Blüthen wegen Abwesenheit eigenen Pollens (s. weiter unten) ausgeschlossen ist, so hätten wir den interessanten Fall, dass der Parasit auf die Anwesenheit nicht infieirter Blüthen resp. Exemplare seines Wirthes notwendig angewiesen ist. 102 Es ist anzunehmen, dass das reife Sclerotium unter geeigneten äusseren Bedingungen entweder noch im Herbst oder im folgenden Frühjahr keimt, und zwar vermuthlich unter Bildung eines Frucht- körpers, welcher Sporen irgendwelcher Art produeirt. Ich habe in Charkow eine Reihe von Versuchen gemacht, die Sclerotien zur Keimung zu bringen, jedoch mit negativem Ergebniss. Die Ende August eingesammelten und inzwischen trocken aufbewahrten Sclero- tien wurden Ende September in verschiedener Weise ausgesät und theils im Zimmer, theils im Freien gehalten, zum Theil bis zum Herbst des folgenden Jahres. Sie nahmen auf dem feuchten Substrat sehr bald ihr normales frisches Aussehen an und behielten dasselbe, “ wofern das Schimmeln verhütet wurde, bis zum Schluss, zeigten aber keinerlei Veränderung, weder äusserlich noch innerlich, abgesehen von der schon erwähnten zweifelhaften Bildung angeschwollener Zellen, sowie abgesehen davon, dass das lockere Mycelgeflecht des Anhängsels schwand und das Nebensclerotium sich vom Hauptsclerotium ablöste. Die Sclerotien waren allem Anschein nach lebend (im Gegensatz zu vorjährigen, welche nach der Aussaat bald in Fäulniss übergingen und dadurch ihren abgestorbenen Zustand verriethen), aber sie hatten vielleicht infolge des Austrocknens ihre Keimfähigkeit verloren. Möglicherweise bleiben sie nur kurze Zeit nach der Reife keimfähig. Auch von den gleichzeitig ausgesäten diesjährigen und vorjährigen Melampyrum-Samen keimte kein einziger. Ausser den Selerotien bildet unser Pilz ferner auch Conidien, welche in den Antheren der Wirthspflanze producirt werden. Die be- fallenen Antheren enthalten, anstatt der kleinen, kugeligen Pollen- körner, farblose elliptische Pilzeonidien von noch mehrfach kleineren Dimensionen (Messungen auszuführen wurde leider versäumt). Ausser den Conidien findet man in den Antheren noch ziemlich bedeutende Reste der Mycelmasse, welche dieselben hervorgebracht hat. Die vom Pilz befallenen Antheren lassen sich schon äusserlich von gesunden unterscheiden. Die letzteren sind bald nach dem Auf- springen völlig entleert, und die Antheren der vier Stamina sind mit- einander (durch die sie bedeckenden Haare) nur ganz lose verbunden. Befallene Antheren hingegen enthalten selbst in schon vertrockneten Blüthen noch die reichlich mit Conidien beladene Mycelmasse, welche an ihrem unteren Ende heraushängt; durch die untereinander verfilzten Mycelmassen sind die Antheren der vier Stamina zu einem zusammen- hängenden rundlichen Kopf verbunden. Hieran lässt sich die An- 103 wesenheit des Pilzes schon in der Blüthe makroskopisch erkennen. Die Form und die Behaarung der befallenen Antheren ist im Uebrigen die normale; der Bau der Antherenwand und des Connectivs scheint abnorm zu sein, was jedoch nicht näher untersucht wurde. Auch scheinen sich die verpilzten Antheren abnorm früh zu öffnen, denn schon in ziemlich jungen, noch geschlossenen Blüthen sind sie vollkommen geöffnet, In ganz jungen (2—3mm langen) Blüthenknospen fand ich die vom Pilz befallenen Antheren noch geschlossen. Jedes Fach ent- hielt eine compacte Pilzmasse, die sich aus ihm in toto herausziehen liess; Conidien waren noch nicht vorhanden. Der innere Theil der Pilzmassen enthielt die leeren, eollabirten Membranen der Pollen- körner, während der peripherische Theil nur aus Mycelgeflecht be- stand. Nach diesem Befund scheint die Entwickelung der Pilzmasse in den Antheren in ganz ähnlicher Weise centripetal zu erfolgen, wie in den Samenknospen, nur dass die Pilzmasse hier lockerer bleibt und an ihrer Peripherie schliesslich, anstatt eine Sclerotienrinde zu bilden, Conidien producirt. Es ist bemerkenswerth, wie der Pilz die Fructificationsorgane seines Wirthes gewissermaassen nachahmt: die Samen ersetzt er durch Selerotien, den Pollen durch Conidien. In Wasser keimen die Conidien nicht, auch nicht nach mehreren Tagen; sie thun es aber leicht und ‘schnell, wenn sich in dem Wasser- tropfen Schnitte durch das Gewebe von Melampyrum befinden. Eines Abends wurden Aussaaten von Conidien aus derselben Anthere in zwei Wassertropfen auf demselben Objeetträger gemacht und in den einen dieser Tropfen überdies Schnitte aus einem Melampyrum-Blatte gelegt; am folgenden Morgen waren in dem letzteren Tropfen fast sämmtliche Conidien sehr gut gekeimt, während in dem anderen Tropfen sämmtliche ungekeimt blieben. Auch als in einem Tropfen sich ein Querschnitt durch eine conidienhaltige Anthere befand, fand reich- liche Keimung der Conidien statt. Ob für die Keimung gerade die Anwesenheit von lebendem Melampyrum-Gewebe erforderlich ist, ist zweifelhaft; vielleicht würde todtes Melampyrum-Gewebe, Melampyrum- Decoct und vielleicht auch eine beliebige Pilznährlösung die Keimung ermöglichen, — ich bin aber nicht mehr dazu gekommen, die erforder- liehen Versuche anzustellen. Die Keimung der Conidien besteht in dem Austreiben eines oder einiger dünner Keimschläuche, welche schnell eine relativ bedeutende Länge erreichen. Das weitere Schicksal der Keimlinge konnte nicht verfolgt werden. 104 Was die Rolle der Conidien anbetrifft, so vermuthete ich an- fänglich, dass sie auf die Narbe gelangen, hier keimen, und mittels ihrer Keimschläuche die Samenknospen infieiren. Um diese Annahme zu prüfen, brachte ich in einen Wassertropfen mit Conidien einen Melampyrum-Griffel mit unverletzter Narbe hinein (so dass die Schnitt- fläche des Griffels ausserhalb des Tropfens blieb); ich erwartete Keimung der Conidien und chemotropische Lenkung der Keim- schläuche nach der Narbe zu beobachten. Die Conidien keimten jedoch nicht. Vollends erwies sich die obige Vermuthung als unzutreffend, nachdem ich später constatirte, dass schon in ganz jungen Blüthen- knospen mit noch geschlossenen und noch keine Conidien enthaltenden Antheren die Samenknospen infieirt waren. Die Bedeutung der Co- nidien kann also nur darin vermuthet werden, dass sie auf gesunde Melampyrum-Exemplare gelangen und diese infieiren; da die Coni- dien mit den ersten Blüthen schon zu Anfang der lange dauernden Blütheperiode von Melampyrum auftreten, so könnten sie auf diese Weise sehr wirksam zur Verbreitung des Pilzes beitragen. Es fragt sich jedoch, auf welche Weise eine Uebertragung der Conidien ge- schehen kann. Durch den Wind wohl schwerlich, — dazu ist die Lage der Antheren eine zu geschützte; möglicher Weise durch winzige Insekten, die ich öfter in den Blüthen antraf und an deren Beinen und Rücken Conidien hafteten. ‘Die selbstverständlich erforderlichen künstlichen Infectionsversuche war ich nicht in der Lage vorzunehmen. Dass die Conidien in den Antheren und die Sclerotien in den Früchten ein und demselben Pilze angehören, ist zwar nicht streng erwiesen. Es wird aber höchst wahrscheinlich gemacht, nicht nur durch die allem Anschein nach gleichartige Entwickelung des Pilzes in Antheren und Samenknospen, sondern vor Allem auch durch das beständige Vorkommen des Pilzes an beiden Orten zugleich. Sind in einer Blüthe die Antheren infieirt, so sind es stets, soweit ich ge- seben habe, auch die Samenknospen und ebenso umgekehrt. Die Infection durch unseren Pilz ist überhaupt keine locale, sondern eine allgemeine, sie erstreckt sich auf fast sämmtliche Blüthen eines Stockes und in diesen auf sämmtliche Antheren und sämmtliche Samenknospen. Ausnahmen kommen nur vereinzelt vor, und zwar meist nur in den Blüthen der untersten, kurzen, am spätesten zur Entwiekelung kommenden Auszweigungen des Hauptsprosses und seiner Zweige. Ich untersuchte einmal sämmtliche (ca. 30) Blüthen und Knospen eines Exemplars und fand nur in einer Blüthe (die an einem Be . ı® 105 solchen „verspäteten“ Zweiglein stand) die Antheren pilzfrei, mit normalem Pollen. An einem anderen, älteren Exemplare untersuchte ich die sämmtlichen (sehr zahlreichen) Früchte und fand an einigen der kleinen Zweiglein solche mit gesunden Samen, ferner in der Traube des Hauptsprosses eine junge Frucht mit gesunden Samen- anlagen sowie eine fast reife Frucht, die einen Samen und ein Sclero- tinm nebeneinander enthielt (das letztere ist ein ganz exceptioneller Fall); alle übrigen Früchte enthielten nur Selerotien resp. Selerotien- anlagen. An Hunderten von weiteren Exemplaren (die allerdings nicht so vollständig untersucht wurden) fanden sich entweder nur Sclerotien oder nur gesunde Samen. Ich suchte nun auch in anderen Theilen der infieirten Pflanzen nach Pilzmycel. ‘Einmal fand ich in einem aufgehellten Längsschnitt durch ein Internodium einer selerotientragenden Pflanze spärliche septirte Pilzhyphen, welche in einigen Intercellularen des Markes longitudinal verliefen. Die Hyphen scheinen lebendig gewesen zu sein, waren aber der Länge nach in einzelne, durch grössere Zwischen- räume getrennte Stücke zerrissen, von denen einige sehr spitze, in einen feinen Faden auslaufende Enden hatten. Das sind Anzeichen einer gewaltsamen Zerreissung infolge langsam zunehmender Dehnung; offenbar hatten die Hyphen ihr Wachsthum bereits eingestellt, als die betr. Stengelpartie noch in Streckung begriffen war. In mehreren anderen Schnitten durch Stengel und durch Fruchtstiele, sowie in (erwachsenen) Filamenten, habe ich vergeblich nach Hyphen gesucht, ohne desshalb ihr Vorkommen bestimmt leugnen zu können. In den Blättern, in der Fruchtwand und im Griffel scheinen Pilzhyphen zu fehlen. Es sei noch hervorgehoben, dass die Anwesenheit des Pilzes in der Melampyrum-Pflanze sich äusserlich durch nichts verrät; die befallenen Pflanzen sehen vollkommen normal und gesund aus, und solange die dunklen Sclerotien noch nicht durch das Aufspringen der Kapseln sichtbar geworden sind, kann man ohne mikroskopische Unter- suchung nur aus dem oben beschriebenen abnormen Verhalten der Antheren die Anwesenheit des Parasiten erschliessen. Auf Grund der angeführten Daten können wir uns die folgende Vorstellung von dem Entwickelungsgang des Pilzes machen. Die Sclerotien dürften in der Natur ungefähr gleichzeitig mit den Melam- pyrum-Samen keimen und mittels der voraussichtlich produecirten Sporen die jungen Pflänzchen inficiren. Weiterhin wächst dann das Mycel mit dem Stengel mit, indem es vermuthlich seinen Hauptsitz in 106 der Nähe des Vegetationspunktes hat; es dringt in alle Zweiganlagen ein, somit auch in die Blüthenanlagen, und in diesem speciell in die Anlagen der Stamina und der Samenknospen. Wahrscheinlich ist das Mycel anfänglich überall nur spärlich vorhanden. Nur in den Antheren und Samenknospen gelangt es später zu reichlicher Entwickelung. In den anderen Organen, also in den Stengelinternodien, den Blüten- stielen, den Filamenten, wächst es, wenn dieselben in Streckung über- gehen, nicht mehr mit, wird daher in Stücke zerrissen und dürfte grösstentheils obliteriren, mit der Zeit wohl auch ganz schwinden. Daher may es kommen, dass spät austreibende und blühende Seiten- zweige pilzfrei bleiben und gesunde Samen produciren (was vielleicht eine allgemeine Erscheinung ist und die Wirthspflanze bei starker Pilzepidemie vor gänzlicher Vernichtung schützt). Es können wohl aber auch solche Zweige von einzelnen in den Stengelknoten lebend gebliebenen Pilzhyphen infieirt werden. Jedenfalls bilden nur die Antheren und Samenknospen sozusagen das Ziel des Pilzes; die übrigen Organe der Wirthspflanze benutzt er nur als Wege zu diesen und schädigt sie nicht in merklicher Weise. Was diejenigen Pflanzentheile anbetrifft, welche keine solchen Wege darstellen (Blätter, Perigontheile, Fruchtknoten- wand, Griffel), so werden dieselben vom Pilz vielleicht ganz verschont. Die hier vermuthungsweise geschilderte Verbreitungsweise des Pilzes in der infieirten Nährpflanze würde die bisher beobachteten Thatsachen befriedigend erklären. Ob sie wirklich zutrifft, muss natürlich durch die Untersuchung junger, noch wachsender Melampyrum- Pflanzen controlirt werden. Die Sache wird aber dadurch erschwert sein, dass man es den noch nicht blühenden Pflanzen nicht ansehen kann, ob sie infieirt sind oder nicht. Man müsste also, um nicht dem Spiele des Zufalls ausgesetzt zu sein, mit im Laboratorium erzogenen, künstlich infieirten Pflanzen arbeiten; dem steht indess wiederum die Thatsache im Wege, dass nicht nur die Keimungsbedingungen der Sclerotien, sondern auch diejenigen der Melampyrum-Samen bis dato unbekannt sind. Jedenfalls wird also die vollständige Eruirung des Entwickelungsganges unseres Pilzes keine leichte Aufgabe sein. Ueber die systematische Stellung des Pilzes lassen sich, so lange die Keimung der Sclerotien unbekannt ist, nicht einmal halbwegs begründete Vermuthungen aussprechen. Nach dem, was sich über ihn feststellen liess, scheint er jedenfalls ganz isolirt zu stehen und schliesst sich meines Wissens an keine bekannte Pilzform näher an. a» -— 107 Die Sclerotinien, zu welehen die meisten bisher bekannten Pilze gehören, die in Früchten Selerotien entwickeln!), bewirken nur eine locale Infeetion ihrer Nährpflanze. Die Ascosporen oder die Conidien keimen auf der Narbe und inficiren von hier aus nur den einzelnen Fruchtknoten; dieser wird ganz mumificirt, so dass das Selerotium eine umgewandelte Frucht und nicht einen umgewandelten Samen darstellt; die Samenknospen werden in frühem Entwickelungs- stadium getödtet und sind im Selerotiumgewebe als atrophirte Reste enthalten. Die Entwickelung des Selerotiumgewebes geschieht aus- ‘ schliesslich oder doch grossentheils in centrifugaler Folge. Bei Claviceps?) werden ebenfalls einzelne Blüthen von aussen durch eine Ascospore oder eine Conidie infieirt. Das entstehende Mycelgeflecht füllt nieht die Samenknospe, sondern den ganzen Frucht- knoten aus; es produeirt anfänglich an seiner Oberfläche Conidien, und erst nachträglich wird an seiner Basis als Neubildung das eigentliche Sele- rotium angelegt, welches fernerhin anscheinend intercalar heranwächst. Bei Ustilaginoidea Oryzae und U. Setariae®), welche sich als nächste Verwandte der Claviceps entpuppt haben, ist zwar der Weg der Infeetion noch nicht untersucht worden, doch muss er wohl der gleiche sein, da auch hier nur die Fruchtknoten einzelner Blüthen verpilzen; das Sclerotium differenzirt sich in ebenfalls noch zu untersuchender Weise im Innern des den Fruchtknoten ausfüllenden, an der Oberfläche Conidien producirenden Mycelgeflechts, Alle diese sclerotienbildenden Ascomyceten verhalten sich, wie man sieht, von unserem Pilz grundverschieden. Weit mehr erinnert die Art und Weise seines Auftretens und seiner Entwickelung an die Ustilagineen, deren Mycel bekanntlich die ganze Pflanze durch- wuchert, aber nur an bestimmten Orten derselben, oft gerade in 1) Hauptsächliche Litteratur: Woronin, Ueber die Scelerotienkrankheit Jder Vaceinieen-Beeren, Mem. Acad. St. Petersbourg, 1888, — Woronin, Die Selerotienkrankheit der gemeinen Traubenkirsche und der Eberesche. Daselbst, 1895. — Nawaschin, Selerotinia betulae. St. Petersburg 1893 (russisch). -- Woronin und Nawaschin, Sclerotinia heteroica, Zeitschr. für Pflanzen- krankheiten, 1896. — Maul, Sclerotienbildung in Alnus-Früchten. Hedwigia, 1894. — Ed, Fischer, Die Selerotienkrankheit der Alpenrosen. Berichte d. schweizer. botan. Gesellschaft, 1894. Die beiden letzteren Arbeiten sind mir nicht im Original bekannt, 2) Vergl. die Angaben bei de Bary, Vergl. Morphologie u. Biologie der Pilze (1884) pag. 37—39 und 247—248. Die dort eitirten Arbeiten von Tulasne und Kühn sind mir nicht zugänglich. 3) Vergl. Brefeld, Unters. aus d. Gesammtgebiet der Mycologie, Heft XI (1895), p. 194-205, und Botanisches Centralblatt Bd. 65 (1896) p. 97 ff. 108 Fruchtknoten oder Antheren, zu starker Entwickelung gelangt und hier meist mehr oder weniger differenzirte „Fruchtkörper“ bildet. Besonders auffallend ist die Aehnlichkeit mit Sphacelotheca Hydro- piperis dBy.'), bei welcher ebenfalls die normal ausgebildete Samen- knospe vom Funiculus aus infieirt und in den Fruchtkörper des Pilzes umgewandelt wird. Andererseits steht aber die Ausbildung des Fruchtkörpers zu einem typischen Sclerotium unter den Ustilagineen ganz ohne Analogon da, und es ist schwer vorstellbar, wie sich die Selerotien in den Ustilagineen-Entwiekelungseyclus einreihen liessen, es sei denn, dass dieselben bei ihrer Keimung irgendwie Brandsporen bilden sollten; auch die gleichzeitige Bildung von Conidien in den Antheren ist merkwürdig, denn es braucht nicht erst betont zu werden, dass diese Conidien von den Brandsporen der Ustilagineen ganz verschieden sind. Somit ist die Zugehörigkeit unseres Pilzes zu dieser Gruppe immerhin sehr zweifelhaft; sollte er sich aber doch als eine Ustilaginee herausstellen, so wird er jedenfalls unter ihnen einen ganz isolirten Typus darstellen. Vorläufig mag der Pilz den provisorischen Namen Sclerotium Melampyri führen. Nähere Nachforschungen werden vielleicht ähnliche sclerotienbildende Pilze in anderen Rhinantheen kennen lehren. Ich selbst habe bisher nur noch in Melampyrum nemorosum danach ge- sucht, jedoch vergeblich. Anhangsweise sei erwähnt, dass ich in Edinburg bei Riga auch in den Früchten von Pirola rotundifolia Sclerotien gefunden habe. Diese sind durch den Ort ihres Vorkommens ebenfalls von allen anderen bekannten Sclerotien (auch von Sclerotium Melam- pyri) wesentlich verschieden. Jedes Fach der ganz normal aus- sehenden Frucht (deren Wand nicht verpilzt zu sein scheint) enthält ein etwa senfkorngrosses Selerotium, welches das Fach ausfüllt und genau die Form seines Innenraumes copirt. Das Scelerotium liegt in dem Fruchtfach ganz nach Art eines Samens. Im ausgereiften Zu- stande ist seine Oberfläche schwarzviolett, das Innere weiss; der Bau ist der gewöhnliche. Auf Schnitten durch das Selerotium sieht man die zahlreichen winzigen Samenknospen gebräunt und collabirt inmitten des Pilzgewebes liegen. Weitere Untersuchungen über diesen Pilz, der zu den Sclerotinien gehören könnte, habe ich nicht ausführen können; er sei ebenfalls der Aufmerksamkeit der Mycologen empfohlen. Charkow, im Dezember 1899, 1) De Bary,1.c.p. 187—188. Befruchtung bei Batrachospermum. Von W.}. V. Osterhout aus Californien, U. 8. A. (Hierzu Tafel V.) Die vorliegende Arbeit ist schon im Jahre 1895!) im Bonner Institute ausgeführt, die Veröffentlichung aber anderer Beschäftigung wegen von Zeit zu Zeit verschoben worden. Das Material (von Herrn Prof. Dr. Setchell als Batracho- spermum Boryanum Sirodot. bestimmt) wurde auf dem Fundort sofort fixirt und zwar zu verschiedenen Tageszeiten, selbst während der Nacht von 6 Uhr Abends bis 4 Uhr morgens. Zur Fixirung dienten fol- gende Flüssigkeiten: Chromsäure 1%, Boveri’s Pikrinessigsäure, Wilson’s Sublimatessigsäure, Mann’s Gemisch, Merkel’s Flüssig- keit, Flemming’s starkes Gemisch, rein oder mit gleichem Volumen destillirtem Wasser verdünnt. Das letztere hat sich besser bewährt; Chromsäure 1°), gab auch sehr gute Resultate. Nach sechsstündigem Auswaschen im fliessenden Wasser kam das Material in einen Ent- wässerungsapparat,?) wo es 24 Stunden blieb. Darauf wurde die Hälfte des Alkohols entfernt, mit gleichem Volumen 95 proc. Alkohols gut vermischt und das Material wieder in diesen, stärkeren Alkohol übertragen. Nach zwölf Stunden kam es in 95 proc. Alkohol und danach in absoluten Alkohol (sechs Stunden), ein Gemisch gleicher Theile absoluten Alkohols und Bergamotöls (sechs Stunden), Bergamotöl (sechs Stunden), Bergamotöl und Paraffın 45° zu gleichen Theilen 1) Die Constatirung eines echten Befruchtungsactes habe ich schon im Jahre 1896 mitgetheilt (ef. Osterhout 1896 p. 418.) 2) Dieser wurde nach Vorschlägen des Herrn Prof. Dr. Setchell in folgender Weise zusammengestellt: Der Hals ist einem Trichter entnommen und der Trichter in einen Becher eingepasst. Beide müssen von gleichem Durchmesser sein, sonst sinkt der Trichter nieder oder ragt aus dem Becher hervor. Ein Stück Pergament- papier ist gefaltet, wie zum Filtriren und in den Trichter eingesetzt. Man legt nun das Material hinein, giesst Wasser darauf und füllt gleichzeitig den Becher halbvoll Alkohol, 95 proc. Darauf setzt man den Trichter in den Becher und legt einen Deckel darüber. Die Geschwindigkeit der Entwässerung hängt von der Stärke des Alkohols, der Dicke des Pergamentpapiers und der Grösse der Contact- fläche zwischen den beiden Flüssigkeiten ab und kann genau controllirt werden (#. Lawson 1898 und Williams 1899). Auf diese Weise können die empfind- lichsten Objecte leicht und sicher ohne Schrumpfung entwässert werden. Der Apparat hat sich viel bequcmer erwiesen, als der Schulze’sche Apparat, 110 (sechs Stunden), Paraffin 45° (sechs Stunden), Paraffin 52° (vier- undzwanzig Stunden). Die Schnitte (2 bis 54 diek) wurden auf dem Objectträger nach der Wassereiweissmethode angeklebt. Da die Carpogonäste parallel zu der Längsachse geschnitten werden sollten, so muss das Material beim Schneiden genau orientirt sein. Ich habe eine Methode erdacht, die solche Orientirung sehr leicht gestattet, da sie aber schon in Strasburger’s „Das Bota- nische Practieum“ (8. Aufl. 8. 365) beschrieben, so brauche ich nicht hier darauf einzugehen. Unter den vielen Tingirungsmethoden, die ich versucht, haben sich die Flemming’sche dreifarbige und Heidenhein’s Eisen- Haematoxylinmethoden als die besten bewährt. Mit der ersteren färbt sich in gut gelungenen Präparaten das Kernkörperchen roth, das Chromatingerüst blau und das Cytoplasma orange oder orange- grau. Mit Eisenhaematoxylin färben sich Kernkörperchen und Chromatingerüst schwarz, der Chromatophor dunkelgrau oder schwarz und die Platten, die den Tüpfeln anliegen, tief schwarz. Die Aus- waschung, resp. Controllirung der Färbung geschah stets unter Be- nutzung eines Y/ıa hom. Imm. Öbjectives. Die feinsten Details können nur bei sehr intensiver Beleuchtung studirt werden. Ich benützte ein Auer’sches Glühlicht und concen- trirte das Licht mittelst einer mit gefärbter Lösung angefüllten Glaskugel. . Die Trichogyne entstehen aus den Scheitelzellen der Carpogon- äste, die von Anfang an durch ihre geradegestreckte Centralachse gekennzeichnet sind. Die mit dichtem Protoplasma angefüllte Scheitel- zelle treibt einen Fortsatz aus, welcher zunächst breit elliptisch, später lageniform wird. Der Inhalt dieses Fortsatzes scheint in leben- dem Zustande heller und mehr homogen als bei vegetativen Zellen der Fall ist. Nachdem dieses Protoplasma fixirt und gefärbt ist, gibt es den Anschein eines Netzwerkes. Ob dies als ein echtes Netzwerk oder als ein Wabenbau anzusehen ist, mag dahingestellt bleiben. Das .Cytoplasma enthält Vacuolen; es kann sogar später hoch vacuolisirt erscheinen. Der Chromatophor des Trichophors setzt sich in das Trichogyn fort. Die Trichogynwand ist an der Basis dick, nach oben zu wird sie dünner, an der Spitze selbst ist sie sehr dünn. Der Trichophor enthält einen Kern mit ziemlich grossen Kernkörperchen und deutlichem Chromatingerüst (Fig. 1). Die Spermatien enthalten einen Kern, worin Kernkörperchen und Chromatingerüst deutlich sichtbar sind (Fig. 2); im jugendlichen 111 Zustande ist auch ein reducirter Chromatophor vorhanden. Wenn die Spermatien frei werden, bleiben die Antheridienwände als leere Schalen an der Mutterpflanze sitzend. Die neu entstehenden Antheridien wachsen manchmal innerhalb dieser leeren Schalen, wie es auch bei Tuomeya (Setchell 1890) geschieht. Die Spermatien setzen sich an das Trichogyn fest, meist nahe der Spitze; ausnahmsweise befinden sich auch einige mehr oder weniger weit von der Spitze entfernt. Mehr als ein Dutzend sind oft an demselben Trichogyn befestigt. Sie sind mit einer zarten Zell- wand umgeben. Nach vollendeter Resorbirung der Zellwände am Berührungs- punkt des Trichogyns und Spermatiums (Fig. 3), geht der Spermatium- kern in das Trichogyn hinein, passirt durch dasselbe und dringt in den Trichophor. Der Kanal, welcher den Triehophor mit dem Tricho- gyn verbindet, verengt sich und wird bald. vollständig geschlossen durch das Wachsthum oder die Quellung der Zellwand, wodurch das Eindringen eines zweiten Spermatiumkernes ausgeschlossen wird. Falls mehr als ein Kern an den anhaftenden Spermatien in das Triehogyn hineindringen — was sehr oft passirt — so gehen sie unter Fragmentirung zu Grunde. Diejenigen, welche in den Spermatien zurückbleiben, haben dasselbe Schicksal. Nachdem der Spermatiumkern in den Trichophor hineingedrungen ist, verschmilzt er mit dem Eikern. Die verschiedenen Stufen dieses Vorgangs lassen sich derartig verfolgen, dass kein Zweifel darüber existiren kann. Ich habe die zwei Kerne gerade in dem Augenblick der Verschmelzung gesehen, wo die Kernwände an der Berührungs- stelle schon resorbirt sind (Fig. 4). Dass dies keinesfalls eine optische Täuschung, veranlasst durch die Aufeinanderlegung der Kerne, ist, lässt sich durch genaue Einstellung beweisen. Der Furchungskern enthält gewöhnlich nur ein Kernkörperchen ; das Chromatingerüst zeigt keine Spur von seinem doppeltem Ursprung ; kurz gesagt, er erscheint ganz wie ein normaler Kern. Er fängt an sofort‘ zu wachsen und zeichnet sich bald durch seine Grösse und sein Chromatingerüst mit deutlichen Chromatinscheiben aus (Fig. 5), Der Trichophor nimmt an Grösse zu und treibt ein oder mehrere Fortsätze aus. Darauf theilt sich der Kern und einer der Tochter- kerne wandert in den Fortsatz hinein. Da die Theilung des Ver- schmelzungskernes nie eintritt bevor die Fortsätze hinausgewachsen sind, so können die Tochterkerne keineswegs mit den verschmelzenden Geschlechtskernen verwechselt werden. 112 Auf diese Weise entstehen mehrere Fortsätze unter wiederholter Theilung des im Triehophor liegenden Kerns. Jeder Fortsatz, nach- dem ein’ Kern in ihm eingedrungen ist, wird durch eine Scheidewand vom Triehophor getrennt und bildet sich zu einem Schlauche aus; nach folgender Quertheilung wächst er unter wiederholter Theilung seiner Scheitelzelle weiter und bildet sich zu einem langen Faden aus (Fig. 6). Die Fäden schmiegen sich dicht an die Centralachse des Oarpogon- astes an. Aus deren Gliederzellen entspringen zahlreiche Gonimo- blasten. Vermengt mit diesen sind die sterilen Fäden, die aus der Centralachse hervorsprossen, und welche im Anfang fast wie Gonimo- blasten aussehen (Fig. 6). Jeder Spross beginnt als eine kleine Aus- stülpung von einer Gliederzelle. In dessen Nähe stellt sich der Kern und theilt sich. Die Spindel ist sehr klein, scharf gespitzt und stets schräge zur Längsachse der Zelle gerichtet!) (Fig. 7). Ein Tochterkern wandert in die Ausstülpung, welche bald abgegliedert wird, Quer- theilung eingeht und weiterwächst. Bei der Zelltheilung scheint der Chromatophor durchgerissen zu sein. Die obige Beschreibung gilt auch für die Sprossbildung vegetativer Zellen. Die Gonimoblasten sind durch dichten Gehalt an Protoplasma und durch die Grösse der Kerne gekennzeichnet. Die Endzellen bilden sich zu Sporen aus. Die Sporen sind von obovoidaler Gestalt; ihr Chromatophor ist reichlich verzweigt; der Kern liegt ungefähr in der Mitte. In meinem Materiale hatten die Sporen in situ gekeimt und wurden zu Chantransia-Pflanzen, gerade wie dies von Sirodot (1884) beschrieben ist. Die vegetativen Zellen sowie auch die Sporen der Chantransia-Pflanze bieten in cytologischer Hinsicht kein be- sonderes Interesse dar. Wenn Schmitz (1883) angibt, dass die beiden G&chlechtskerne bei den Florideen sich vereinigen, so beruht das nicht auf directer Beobachtung des Verschmelzungsakts, sondern auf der Thatsache, dass zuerst zwei Kerne vorhanden sind, später aber nur einer; daraus zieht er den Schluss, dass sie mit einander verschmolzen sind. Wille (1894) beobachtete die Verschmelzungsakte bei Nemalion, seine Beschreibung ist aber sehr unvollkommen hinsichtlich der ceytologischen Details. Davis (1896) konnte die Verschmelzung bei Batrachospermum nicht beobachten; er gibt an, dass der Spermatiumkern nicht in den 1) Bei der Kleinheit dieser Objecte konnte ich nicht constatiren ob Centro- somen vorhanden sind oder nicht. 113 Triehophor eindringt, sondern dass er im Trichogyn stehen bleibt um dort zu Grunde zu gehen. Davis hat aber selbst gefunden, dass isolirte, gegen Einwirkung von Spermatien geschützte, weibliche Exemplare keine Frucht entwickeln. Nach Davis besitzt Trichogyn sowohl als Trichophor seinen eigenen Kern. Ich habe in meinen Präparaten nicht die geringste Andeutung eines Kernes im Trichogyne gesehen vor Eintritt des Spermatiumkernes. Öltmanns (1898) hat die Verschmelzung der Geschlechtskerne bei Dasya beobachtet. Von Dudresnaya redet er folgendermaassen: „Die Spermatien setzen sich an der Trichogyne fest und es beginnt zweifellos ein normaler Sexualakt, wie ihn Wille für Nenalion be- schrieben hat. Ich habe nicht alle Stufen verfolgt, aber ich finde an der Spitze einen unverkennbar aus dem Spermatium ausgetretenen Kern, sehe wiederholt zwei Kerne in mehr oder weniger grosser Entfernung von einander und beobachtete schliesslich einen solchen an der Basis des Carpogoniums liegend, Diesen spreche ich als Ver- schmelzungsprodukt von Sperma- und Eikern an. Die Verschmelzung als solche habe ich nicht verfolgt, da die Dinge, mir persönlich wenigstens, zu wahrscheinlich waren, um eine eingehendere Unter- suchung verlockend erscheinen zu lassen.“ Ich kann aber nicht zu- gestehen, dass sorgfältige Untersuchungen über diesen Punkt über- Hlüssig sind; besonders wichtig ist es, nach Methoden zu operiren, welche die Kerne von anderen Zellbestandttheilen scharf und sicher unterscheiden lassen. Die Frage nach dem Generationswechsel bei den Florideen habe ich bereits an anderer Stelle (Österhout 1896) erörtert. Oltmanns ist der Ansicht, dass ein echter Generationswechsel vorhanden sei. Der Einwand, worauf de Bary (1870) Gewicht gelegt hat, dass bei den Florideen (sowie auch bei den Ascomyceten) eine Abrundung resp. Lostrennung des Eies nicht vorkommt, findet bei Oltmanns keine Erwähnung. Ich bin sehr geneigt, einen Generationswechsel bei den Florideen anzunehmen, obwohl die Frage nicht entschieden werden kann, bis die Zahl der Chromosomen ermittelt ist. Ist aber ein solcher Generationswechsel vorhanden, so kann man sagen, dass die Entwickelung des Sporophyts die gleiche Tendenz bei den Florideen und Lebermoosen zeigt. Die einfachsten Formen (Callithamnion, Riccia) besitzen sehr wenig vegetatives Gewebe im Sporophyt; die hoch entwickelten dagegen (Anthoceros, Khabdonia) zeichnen sich durch ihren Reichthum an solchem Gewebe aus. Soche hoch ent- wickelte Sporophyten sind aber bei den Lebermoosen über den Flora 1900. 8 114 Thallus gehoben, um die Sporen besser verbreiten zu können, bei den Florideen dagegen in den Thallus eingesenkt, um besser geschützt zu sein. Nachdem das Obige niedergeschrieben wurde, gelangt eine Arbeit von W. Schmidle (Bot. Zeit. LVII, 125, 1899) in meine Hände, welche die Befruchtung von Batrochospermum behandelt. Schmidle gibt an, dass jedes Spermatium stets zwei Kerne enthält. Nach meinen Befunden besitzt das Spermatium nur einen Kern, welcher allerdings im Spermatium fragmentiren kann, falls er nicht in das Triehogyn einwandert. Dies ist aber als eine Desorganisationserschei- nung aufzufassen. Den Verschmelzungsakt hat Schmidle nicht beobachtet, schliesst aber auf eine Verschmelzung der Geschlechtskerne. University of California. Berkeley, California, U.S. A. Litteraturverzeichniss. de Bary, A., Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Pilze, von A. de Bary und M. Woronin Dritte Reihe pag. 86. Frankfurt 1870. Davis, B. M., The Fertilization of Batrachospermum. Annals of Botany, X, 49. 1896. Lawson, A. A,, Some Observations ou the Developement of the karyokinetic Spindle in the Pollen-Mother-Cells of Cobaea scandens, Cav. Proc. California Academy of Sciences. 34. Series. I, 119. 1898. Oltmanns, Fr., Zur Entwickelungsgeschichte der Florideen. Bot. Zeit. LVI, 99. 1898. Osterhout, W. J. V., On the Life-History of Rhabdonia tenera, J. Ag. Annals of Botany, X, 403. 1896, Schmitz, Fr., Untersuchungen über die Befruchtung der Florideen. Sitzungs- berichte der Berliner Akademie der Wissenschaften. 1883. Setchell, W. A., Concerning the Structure and Developement of Tuomeya Auriatilis, Harv. Proc. Am. Acad. of Arts and Sciences XXV, 53. 1890. Sirodot, Les Batrachospermes etc. Paris 1884, Wille, N. Befruchtung bei Nemalion multifidum, J. Ag. Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft, 1894, p. 50. Williams, C. L., The Origin of the karyokinetic Spindle in Passiflora coerulea, Linn. Proc. Cal. Acad, of Sciences. Third, Series. I, 189. 1899, 115 Figurenerklärung. Fig. 1 ist unter Benutzung einer Leitz'schen 1/, Oelimmersion und Huyg. Oe. 4; Fig. 2-6 unter Benutzung einer Zeiss’schen Apochromat, 2 m. m. N. A. 1,30 und Comp. Oc. 8; Fig. 7 wie Fig. 2—-6, aber mit Comp. Oe. 18; sämmtliche Figuren mit Hilfe des Abbe&’schen Zeichenapparates entworfen. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Carpogonium vor der Befruchtung. Der Trichophor enthält einen Kern; das Trichogyn ist mit vacuolisirtem Protoplasma angefüllt; seine Wand ist an der Basis dick, wird aber nach oben zu dünner. Antheridium, grob vacuolisirtes Protoplasma enthaltend, mit einem Kern. Spermatium an dem Trichogyn sitzend; die Wand ist an der Berührungs- stelle resorbirt und die Plasmamassen haben sich vereinigt. Zwei Geschlechtskerne im Augenblick der Verschmelzung; die Kernwände sind schon an der Berührungsstelle resorbirt. Eine leere Spermatium- wand sitzt an der Trichogynspitze. Nach Verschmelzung der Kerne hat der Trichophor an Grösse zugenommen und einen Fortsatz hinausgetrieben. Das leere Spermatium hat den männlichen Kern geliefert; neben ihm ein Spermatium mit Kern, oben rechts ein Spermatium, dessen Kern fragmentirt hat. Der Trichophor hat zwei Zellen abgesondert, eine (rechts) schmiegt sich dicht an der Centralachse an; bei der anderen (links) hat sich der Kern getheilt. Diese zwei Zellen wachsen zu Gonimoblasten aus. Unten sieht man einen sterilen Faden, aus der Centralachse hervorsprossend. Oben ist das Trichogyn abgebrochen. Entstehung eines Seitensprosses aus einer Gliederzelle. Die Tochterzelle ist nur durch einen engen Hals mit der Mutterzelle verbunden. Durch diesen Hals muss der Tochterkern einwandern. Die schiefe Orientirung der Spindel ist typisch. g* Litteratur. Lehrbuch der Botanik für Hochschulen. Von E. Strasburger, F. Noll, H. Schenck und A. F. W. Schimper. Mit 667 zum Teil farbigen Abbildungen. Vierte verbesserte Auflage. Jena, Verl. von Gustav Fischer. 1900. Preis brosch. 7 Mk. 50 Pfg., geb. 8 Mk. 50 Pfg. Zwischen der dritten und der vierten Auflage des bekannten Lehrbuches liegt nur ein Zwischenraum von 1!/, Jahren, trotzdem zeigt die neue Auflage vielfach die ergänzende und bessernde Hand der Verfasser. Die Zahl der Abbildungen ist um fünfzig vermehrt und namentlich die „äussere Morphologie“ in breiterer Darstellung gegeben, was gewiss nur als ein Vorzug der neuen Auflage zu be- trachten ist, und auch sonst sind vielfach Veränderungen vorgenommen. Auf Einzelheiten sei hier nicht eingegangen, nur möchte ich zur Erwägung stellen, ob denn die üblichen Familiendiagnosen mit ihrem „meist“ und andern einschrän- kenden und die Ausnahmen andeutenden Bemerkungen didaktischen Werth haben ? Wäre es nicht besser, irgend eine Form als Beispiel zu schildern und daran die Abweichungen anzureihen? Für didaktisch wichtig halte ich auch die (hier auf- gegebene) Eintheilung der Sympetalen in Pentaeyclicae und Tetraoyelicae - erstere stellen doch sicher Entwickelungsreilien dar, die mit den letzteren nicht sehr viel gemeinsam haben. Von Lathraea wird jetzt angeführt, sie zeige „auch nahe Be- ziehungen zu den Rhinanthoiden“, vielleicht bringt sie die fünfte Auflage wirklich dahin, denn mit Orobanche hat sie nur den Parasitismus gemeinsam. — Trotz der Verbesserungen und der Vermehrung der Zahl der Abbildungen ist, was im In- teresse der Studierenden liegt, der Umfaug des Buches nur wenig gewachsen. K. Goebel, Das Pflanzenleben der schwäbischen Alb mit Berücksichtigung der angrenzenden Gebiete Süddeutschlands dargesteilt von Dr. Robert Gradmann. Mit 50 Chromotafeln, 2 Kartenskizzen, 10 Vollbildern und über 200 Textfiguren. 2. Auflage. Tübingen, Verlag des schwäbischen Albvereines. Für den Buchhandel: Kommissionsver- lag von Gg. Schnürlein. 1900. Die erste Auflage des vorliegenden Werkes war in drei Monaten vergriffen: ein Erfolg, der ein wohlverdienter war und zeigte, welches Verdienst der Ver- fasser und der Verein, in dessen Auftrag er sein Werk bearbeitete, sich erworben haben. Es ist ein durchaus erfreuliches Buch, geschrieben mit Lust und Liebe für die Pflanzenwelt und das schöne Stück deutscher Erde, welches es beschreibt, geschrieben aber auch mit grosser Sachkenntniss und in klarer, anregender Sprache. Nach allen Richtungen, in topographischer, pflanzengeographischer, biologischer Beziehung u. s. w. wird das Pflanzenleben der schwäbischen Alb geschildert; die wohlgelungenen Abbildungen leiten auch den Anfänger in die Kenntniss der be- sprochenen Pflanzen ein, und dabei erhält man überall den Eindruck, dass der Verf. sein Gebiet genau kennt und aus eigener Anschauung redet. Man kann nur wünschen, dass auch andere Gebiete eine ähnliche vortreffliche Darstellung er- fahren möchten. K. Goebel. Taf. Flora 87.Band, 1900. 9 er WA Meyn.Luh Insö Berlin S. #2 Autor del.et phot. "ET WA Meyn,Lith. Inst, Berlan 542 Autor del et ohoe. Taf... Flora 87.Band, 1900. S 42 1722 Inst, Ber RS, 3 IRA? WA M& E; Autor del,et phot, Flora 1900. 87. Bd. Tafel IY. H) AS Taf.V. Flora 87.Band 1900. W A Meyn,bith Inst, Berlin $.42. Vater hout. dei. RAR OR SR OR ER ME ER ORT PJR AIR DR FR AR ER OR MR OR PER ON 5) N. 6. ELWERT’sche Verlagsbuchhandlung, Marburg. In unserem Verlage erschien: Physiologische Notizen. Von Julius Sachs. Als Sonderabdruck aus der Zeitschrift „Flora“ 1892—1896 herausgegeben und bevorwortet von K. Goebel. Mit Bild von Julius Sachs. gr. 8. 187 8. Mk. 4.50. Julius Sachs. Von K. Goebel, Sonderabdruck aus der Zeitschrift „Flora*. 8.328. Mk. —.80. Mit Bild von Julius Sachs. PFFFEFEFPRPFPFPETFRETPRFT ERRRERTITTTTTTTTTTTTTTTTERTTTT Soeben erschien in unserem Verlage: Deutsche Wissenschaft im 19. Jahrhundert. Eine Rede zur Jahrhundertwende, gehalten am 9. Januar 1900 Theodor Birt. Mk. —.40. Marburg. N. 6. Eiwert’sche Verlagsbuchhandlung. SERERERRERRERRRRRRRRRERURRRRUR Verlag von Gustav Fischer in Jena. Soeben erschien: System der Bakterien. Handbuch der Morphologie, . Entwickelungsgeschichte und Systematik der Bakterien. Von Dr. W. Migula, a. o. Professor an der technischen Hochschule zu Karlsruhe. Zweiter Band: Spezielle Systematik der Bakterien. Mit 18 Tafeln und 35 Abbildungen im Text, Preis: 30 Mark. Preis für das vollständige Werk: 42 Mark. Mit etwa 165 Illustrationstafein und 100 Textbeilagen. an == Soeben erscheint in vollständiger Neubearbeitung: = MEYERS keines KONVERSATIONS-LEXIKON Sechste, neubearbeitete und vermehrte. Auflage. 80 Lieferungen zu je 30 Pfennig (18 Kreuzer, 40 Cts.), oder 3 Bände in Halbleder gebunden zu je 10.M. (6 Fl. ö. W., 18,50 Frrcs.) OHY 000°08 Jaqn ‘XaL ueylag 007 Die erste Lieferung zur Ansicht, Prospekte gratis. i Verlag des Bibliographischen Instituts in Leipzig und Wien. N | Verlag von Gustav Fischer in Jena. Soeben erschien: Ueber Reduktionstheilung, Spindelbildung, Centro- somen und Cilienbildner im Pflanzenreich. Von Eduard Strasburger, 0. ö. Professor an der Universität Bonn. Mit 4 lithographischen Tafeln. Preis: 10 Mark 50 Pfg. Druck von Val. Höfling, München, Lämmerstr. 1. FLORA ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. . FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. 87. BAND. — JAHRGANG 1900. HERAUSGEBER: Dr. K, GOEBEL Professor der Botanik in München, Heft II mit 2 Tafeln und 21 Textfiguren. Erschienen am 12. April 1900. Inhalt: ERNST KÜSTER, Beiträge zur Kenntniss der Gallenanatomie. . . . Seite 117—193 W. ARNOLDI, Beiträge zur Morphologie der Gymnospermen . „ 194—204 TINE TAMMES, Ueber die Verbreitung des Carotins im Pflanzenreiche „2305-247 LITTERATUR: W. Johannsen, Das Aetherverfahren beim Frühtreiben mit besonderer Berücksichtigung der Fliedertreiberei. — O. Warburg, Mon- sunia, Beiträge zur Kenntniss der Vegetation des süd- und ostasiatischen Monsungebietes. — P. Husnot, Gramindes. Descriptions, figures et usage des graminees spontanees et cultivees de France, Belgique, Iles Britani- ques, Suisse. — G. W. Gessmann, Die Pflanze im Zauberglauben. — Fr. Woenig, Die Pusstenflora der grossen ungarischen Tiefebene. — Malin- vaud, Classification des especes et hybrides du genre Mentha . . . „ 247-250 EINGEGANGENE LITTERATUR 0.0 nen „ 250-252 MARBURG. N. 6. ELWERT’SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG. 1900. Hierzu eine Beilage der Verlagsbuchhandlung Paul Parey in Berlin. Bemerkung. Das Honorar beträgt 20 Mk. pro Druckbogen, für die Litteraturbesprechungen 30 Mk. Die Mitarbeiter erhalten 30 Sonderabdrücke kostenfrei. Wird eine grössere Anzahl gewünscht, so werden für Druck und Papier berechnet: Für 10 Exemplare pro Druckbogen Mk. 1.20; pro einfarb. einfache Tafel Mk. —.30 » 20 2 ” n n 2.50 n r ” ” n 7” .60 ” 30 ” r ” ” 3.80 ” ” ” 2 ” —.90 „ 9 » ” » b) 5.— ,„ s » ’ „ 1.20 ” 50 ” ” ” » 6.50 „ ” ” ” ” 1.50 ? 60 ” ” „ ” 8.— , n ” ” ” 2.— „7 „ " » „920 „ » Mr ” „ 2.50 .„ 80 ” ” ” „ 1050 „ » » » „3 ” 90 ” ” ” ” 12.— ’ ” ” n ” 4.— „ 100 „ n » 28 ,„ n ” „ „5 ” Dissertationen, Abhandlungen systematischen Inhalts, sowie solche, von welchen über 100 Sonderabdrücke hergestellt werden, werden nicht honorirt; für solche, die umfangreicher als 4 Bogen sind, werden nur 4 Bogen honorirt; die Kosten für Abbildungen und Tafeln bat bei Dissertationen der Verfasser zu tragen. Da bei diesen von der Verlagshandlung nur die Herstellungskosten berechnet werden, so muss dieselbe Baarzahlung nach Empfang zur Voraussetzung machen. Bei fremdsprachlichen Manuskripten hat der Verfasser die Kosten der Uebersetzung zu tragen, Die Zahlung der Honorare erfolgt nach Abschluss eines Bandes. Der Bezugspreis eines Bandes beträgt 20 Mark. Jedes Jahr erscheint ein Band im Umfang von mindestens 30 Druckbogen; nach Bedürfniss schliessen sich an die Jahrgänge Ergänzungsbände an, welche besonders berechnet werden. Manuskripte und Litteratur für die „Flora“ sind an den Herausgeber Herrn Prof. Dr. Goebel in München, Nymphenburgerstr. 50/1 zu senden, Korrekturen an die Druckerei von Valentin Höfling, München, Lämmerstrasse 1. Alle geschäftlichen Anfragen etc. sind zu richten an die unterzeichnete Verlag®#- handlung, N. G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung Marburg (Hessen-Nassau). _ Verlagsbuchhandlung Paul Parey in Berlin SW., Hedemannstr. 10. Botanische Wandtafeln. Herausgegeben von Dr. A, Peter, Professor an der Universität und Direktor des Botanischen Gartens in Göttingen, Farbendrucktafeln in Format von 70 zu 90 Centimeter. Nebst kurzem, erläuterndem Text. Preis der Tafel 2 M. 50 Pf. Di: aus dem Kasseler Verlage an die Verlagsbuchhandlung Paul Parey in Berlin übergegangenen Botanischen Wandtafeln von Prof. Dr. A. Peter in Göttingen bringen Abbildungen für die Vorlesungen an Universitäten und anderen Hoch- schulen, sowie für den Unterricht an Gymnasien, Realschulen und anderen Lehr- anstalten. Die Abbildungen stellen dar: 1. Blüten, Blütendurchschnitte, Blütenteile, Diagramme von Blüten und Blütenständen, Früchte, Samen etc. 2. Morphologisch wichtige andere Pflanzenteile, wie Wurzelstöcke, Knollen- bildungen, Sprosssysteme etc. 3. Pflanzen und Pflanzenorgane, welche biologisch von hervorragendem Interesse sind, wie Schutz-, Kleb- und Fangvorrichtung.n, Vermehrungs- organe, Bestäubungs-, Schleuder-, Aussäugungsvorrichtungen, Tag- und Nachtstellung. Zumeist sind in Mitteleuropa einheimische Gewächse gewählt, olıne aus- ländische wissenschaftlich wichtige Pflanzen auszuschliessen, Der Massstab ist so gross und die Zeichnung so kräftig, dass die Ab- bildungen auf 15 Meter Entfernung von mässig guten Augen mit vollkommener Deutlichkeit in allen Einzelheiten erfasst werden können. Die Darstellung ist wissenschaftlich korrekt und naturgetreu in Zeichnung und Farbengebung. Namen und Figurenerklärung befinden sich auf den Tafeln, eg Verzeichnis der erschienenen Tafeln, I. Cucurbitaceae. | IX. Salicaceae. | XVI. Coniferae. II. Violaceae. X. Cactaceae, | XVII. Bromeliaceae. III. Papaveraceae. XI. Sarraceniaceae, Nepen- | XVIII. Commelinaceae, IV. Liliaceae, Amaryllidaceae. thaceae. | Alismaceae. V. Palmae. : XI. Corylaceae, Betulaceae. | XIX. Primulaceae. VI. Typhaceae,Sparganiaceae. ‚XIII. Myrtaceae, Lecythideae. | XX. Polygonaceae. VII. Aceraceae, j : XIV. Labiatae. | XXI. Resedaceae. VIII. Myristicaceae, | XV. Fumariaceae. | XXI. Rubiaceae. Verzeichnis weiterer, schon in Vorbereitung befindlicher Tafeln. Alsineae. } Ericaceae. Nymphaeaceae. Ranunculaceae. Borragineae. Euphorbiaceae. Oleaceae. | Rosaceae. Campanulaceae. Hippocastaneae, Orchideae. Scrophulariaceae. Compositae. Hydrocharideae. Oxalideae,Balsamineae. | Sileneae. Cruciferae. | Lentibulariaceae. Papilionaceae. | Solanaceae. Cyperaceae. Lythraceae. Passifloreae. | Umbelliferae. Droseraceae. ı Malvaceae. Rafflesiaceae. | Vitaceae. — — PEREEEEEEN Eine kommissionsweise Versendung auf dem Wege des Buchhandels, wie sonst bei Büchern üblich, kann mit diesen Tafeln unmöglich vorgenommen werden. Da aber namentlich Universitäten und Lehranstalten vor fester Bestellung durch Augenschein sich zu überzeugen lieben, ist die Verlags- buchhandlung bereit, No. 2, von welcher zufällig eine höhere Auflage gedruckt wurde, als Probetafel auf Verlangen umsonst und postfrei zu übersenden. Allerdings kann das nicht, wie sonst seibstverständlich, in einer Verpackung auf Rolle geschehen, sondern die Versendung dieser Probetafel erfolgt geknifft unter Kreuzband. Berlin SW., Hedemannstr. ıo0. Verlagsbuchhandlung Paul Parey- Berlin, Druck von W. Büxenstein. Beiträge zur Kenntniss der Gallenanatomie. Von Ernst Küster. (Mit 21 Figuren.) Einleitung. Die mannigfaltigen Missbildungen der Pflanzen, die als Gallen allgemein bekannt sind, und das Interesse des Zoologen und Botanikers . gleichermaassen in Anspruch nehmen, sind trotz ihrer weiten Ver- breitung, ihrer auffälligen Eigenthümlichkeiten und ungeachtet der Resultate, welche das Studium solch eigenartiger Gebilde verspricht, verhältnissmässig wenig auf ihre anatomischen Verhältnisse hin unter- sucht worden. Sehen wir von der alten, aber vorzüglichen Arbeit des ersten Gallenanatomen Laeaze-Duthiers?) ab, so bleiben uns aus der Fülle der modernen botanischen Litteratur nur wenige zu- sammenfassende Arbeiten übrig, welche die Anatomie der genannten „Missbildungen* zum Gegenstande haben. Vor allem wäre hier Beyerinck’s inhalts- und anregungsreiche Monographie über die Cynipidengallen?) zu nennen, ferner Küstenmacher’s eingehende Arbeit über den Gerbstoff der Gallen®). Auf diese Arbeiten und manchen anderen verdienstvollen Aufsatz werden wir im Folgenden noch oft zu vorweisen haben, desgleichen auch auf diejenigen Arbeiten, deren Autoren das Material an bekannten Thatsachen nach neuen Gesichtspunkten zu ordnen oder zu solchen zu verwerthen sich be- strebt haben, ich nenne hier die Abhandlung von Herbst „über die Bedeutung der Reizphysiologie für die causale Auffassung von Vor- gängen in der thierischen Ontogenese“*) und Appel’s Dissertation „über Phyto- und Zoomorphosen“ 5), 1) Lacaze-Duthiers, „Recherches pour servir ä& l’histoire des galles*. Ann. d. Sc. Nat. Botanique. III. Serie, Bd. XIX, 18583, pag. 273. 2) Beyerinck, „Beobachtungen über die ersten Entwickelungsphasen einiger Cynipidengallen“. Veröffentlicht durch die Kgl. Akad, der Wissensch. zu Amsterdam 1882. 3) Küstenmacher, „Beiträge zur Kenntniss der Gallenbildungen mit Be- rücksichtigung des Gerbstoffs“. Jahrb. f. wies. Bot. Bd. XXVI pag. 82. 4) Biolog. Centralbl. 1895 Bd. XV. 6) Inaugural-Dissertation (Königsberg 1899) 58 8. Flora 1900, 9 118 Vielleicht gelingt es mir, durch die nachfolgenden Mittheilungen unsere Kenntniss der Gallenanatomie wenigstens einen kleinen Schritt weit vorwärts zu bringen. Unsere Mittheilungen sollen sich keineswegs mit dem ganzen grossen Formenreich der Gallen beschäftigen. Wenn wir mit Thomas „jede durch einen Parasiten veranlasste Bildungsabweichung der Pflanzen“ als „Galle“ bezeichnen wollen !), so lassen sich von vornherein zwei grosse Gruppen von Gallen unterscheiden, deren eine alle „Hem- mungsbildungen“ umfasst, d. h. alle Gallen, bei welchen Blätter oder Sprosstheile unter Einwirkung irgend eines Parasiten ihre nor- male Grösse nicht erreichen oder ihre anatomische Ausbildung un- vollkommen bleibt?). Dagegen bedeutet die Anlage und Entwickelung der andern Gallen, welche die zweite Gruppe in sich vereinigt, stets ein Plus von organbildender Arbeitsleistung, — ich möchte sie unter Benützung einer den Medicinern und Pathologen geläufigen Bezeich- nung als „progressive Bildungen“ zusammenfassen. Die sorgfältige Untersuchung der Gallen lehrt, dass in der Natur die beiden Gruppen keineswegs unverbunden und wohlgesondert neben einander stehen. Wie immer, so ist auch hier an Uebergangs- und Mittelformen kein Mangel. Viele Ceeidien stellen gleichsam Legie- rungen von progressiven und Hemmungsbildungen dar. Unsere Arbeit beschäftigt sich hauptsächlich mit den progres- siven Bildungen. Die Hemmungsbildungen werden nur gelegent- lich und zum Vergleiche herangezogen werden. Die nachfolgenden Mittheilungen sollen sich ferner, wie ihr Titel schon sagt, auf die Anatomie der Gallen beziehen. Gleichwohl werde ich dieser Beschränkung wegen nicht darauf verzichten, ge- legentlich auch morphologische Fragen zu berühren. — Die anatomische Vielgestaltigkeit der von Insecten erzeugten Gallen, welche die be- scheidenere Organisation aller andern weit hinter sich lässt, bringt es mit sich, dass wir uns in erster Linie den Insectengallen zuwenden; die von Myxomyceten, Pilzen, Algen oder Würmern er- zeugten Bildungen werden nur beiläufig erwähnt werden. 1) Thomas, „Beiträge zur Kenntniss der Milbengallen und Gallmilben“. Giebels Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. 1873, Bd. 48, pag. 5. 2) Als „Hemmungsbildungen“ fasse ich daher auch diejenigen Pilzgallen auf, die sich vor allem durch Mangel an Sclerenchym, Mangel an Collenchym u.s. w. von den normalen Pflanzentheilen unterscheiden. 119 Untrennbar von der Anatomie der Gallen ist die Entwicke- lungsgeschichte. Das wichtigste, was wir hierüber zu sagen haben, soll im ersten Capitel zur Sprache kommen. Ich möchte schon jetzt hervorheben, dass es keineswegs meine Absicht ist, etwa die einheimischen Gallen oder irgend welche kleinere Gruppe erschöpfend zu behandeln und die Glieder einer solchen Gruppe vollzählig zu beschreiben. Meine Absicht ist vielmehr, das was ich bei Untersuchung zahlreicher deutscher und ausländischer Gallenformen als wesentlich, d. h. für mehrere oder viele von ihnen als charakteristisch erkannt zu haben glaube, übersichtlich zusammen- zustellen und an einigen Beispielen zu erläutern. Auch ist es mir hiebei weniger darum zu thun, möglichst viele Beispiele zu nennen, als darum, an möglichst bekannten Formen die geschilderten ana- tomischen Verhältnisse zu illustriren. Als Untersuchungsmaterial dienten mir vor allem selbst gesam- melte, einheimische Gallen und neben ihnen eine stattliche Reihe ausländischer Formen, die mir von verschiedenen Gelehrten in liebens- würdigster Weise zur Verfügung gestellt wurden. Die Herren Dr. Behr (San Franeisco), Prof. Goebel, Dr. Neger, Prof. Rathai, Dr.Ross, Rübsaamen, Dr.v.Schlechtendal und Prof. Thomas hatten die Güte, mich mit werthvollem Material zu unterstützen. Herr Custos Prof. Dr. Solereder gestattete mir die Durchsicht vieler Herbariumfaseikel, die mir ebenfalls zahlreiche Ergänzungen für mein Untersuchungsmaterial eintrug. Allen genannten Herren möchte ich an dieser Stelle für ihr freundliches Entgegenkommen meinen verbindlichsten Dank aus- sprechen. 1. Capitel. Entwickelungsgeschichtliches.. — Versuch einer Classification der Gallen. Lacaze-Duthiers hat in seinen eitirten Studien !) drei Gruppen von Gallen aufgestellt: galles externes, galles internes und galles mixtes. Die Namen erklären sich fast von selbst: das Gewebe der galles externes liegt ausserhalb des gallenerzeugenden Pflanzenorganes, die galles internes liegen innerhalb des letzteren, die galles mixtes stellen Uebergangsformen dar. 1) a. a. O. pag. 287. ) a. a. Ö. pag ge 120 Wenn Küstenmacher!') als Hauptgruppen die „freien* Gallen von den „umschlossenen“ unterscheidet, so liegt dieser Eintheilung schliesslich derselbe Gedanke zu Grunde, wie der Gruppirung Lacaze- Duthiers’. Die freien Gallen, d. h, diejenigen, welche eine eigene Epidermis haben, liegen ausserhalb des gallenerzeugenden Pflanzen- organes, sind also „galles externes“; sie entstehen aus einem meri- stematischen Zellcomplex, der im Verlaufe seiner Entwickelung alle histologischen Bestandtheile der Galle aus sich herausdifferenzirt. Bei ihnen ist somit die Gallenepidermis entwickelungsgeschichtlich nicht von der Epidermis der Mutterpflanze abzuleiten, sondern von dem genannten, secundären Meristem, das wir seit Beyerinck als „Gallplastem“ bezeichnen 2). — Die „umschlossenen* Gallen Küsten- macher’s entsprechen den „galles internes* Lacaze-Duthiers': sie sind von der normalen Epidermis umspannt oder die normale Epidermis geht allmählich in die Gallenepidermis über. Beiden Eintheilungen liegen entwickelungsgeschichtliche Thatsachen zu Grunde. Gedanken zu einer Classification der Gallen auf entwickelungs- geschichtlich-anatomischer Grundlage hat Appel in seiner citirten Arbeit ausgesprochen. Er unterscheidet drei Grundformen der Gallen- bildung: Gewebeveränderung, Gewebewucherung und Haarbildung. Viele Gallen stellen eine dieser Grundformen dar, bei den anderen kehren die Grundformen in wechselnden Combinationen wieder. — Hiergegen muss ich einwenden, dass die von Appel aufgestellten drei Grundformen der Gallenbildung keineswegs von einander zu scheiden sind. Auch Gewebewucherung ist Gewebeveränderung, und dass Haarbildung von dieser prineipiell verschieden wäre, leuchtet mir nicht ein. Die in den Lehr- und Handbüchern üblichen Eintheilungen der Gallen gehen entwickelungsgeschichtlichen Prineipien- grundsätzlich aus dem Wege. Die Gallen werden in Frank’s®) und Sorauer’s‘) Handbüchern, in den Gallenverzeichnissen von Hieronymus?) und Schlechtendal®) nach den verschiedenen Gruppen der gallen- Da. a, O. pag. 112. 2) Beyerinck, „Beobachtungen“ u. s. w. pag. 52. 3) Frank, „Die Krankheiten der Pflanzen“ Bd. III, 2. Aufl. 1896. 4) Sorauer, „Handbuch der Pflanzenkrankheiten“. 5) Hieronymus, „Beiträge zur Kenntniss der europäischen Zooceeidien und der Verbreitung derselben“, Ergänzungsheft zum 68. Jahresbericht d. Schles. Ges. f. Vaterl. Kultur 1890 p. 49. 6) v. Schlechtendal, „Die Gallbildungen (Zoocecidien) der deutschen Gefässpflanzen“. Zwickau 1891. 121 erzeugenden Tiere und nach den gallentragenden Pflanzen geordnet. Die Galle selbst gilt bloss als Produkt des Thieres und der Pflanze, als selbständige Form mit selbständigem Entwickelungsgang wird sie alsdann nicht mehr betrachtet. Für den praktischen Gebrauch sind Gallensysteme dieser Art die besten; als wissenschaftliche Classifieirungen werden wir sie nicht gelten lassen dürfen. Die von Thomas!) eingeführte Unterscheidung von Acro- und Pleurocecidien, die von Schlechtendal in den schon genannten Tabellen verwerthet worden ist, hat ebenfalls praktischen Werth. Dass sie aber eine wissenschaftlich bedeutsame Seite der Gallenformen in den Vordergrund stelle, ist mir nicht wahrscheinlich. Die von Kerner durchgeführte Galleneintheilung?) berücksichtigt fast ausschliesslich habituelle Unterschiede. Die folgenden Zeilen sollen mit einer neuen Classifieirung der Gallen bekannt machen, die sich von einer Berücksichtigung der systematischen Stellung des gallenerzeugenden Insectes oder der galien- tragenden Pflanze durchaus frei macht, und welche ausschliesslich die Eigenschaften der Galle selbst zur Verwerthung für geeignet er- achtet. Vielleicht ist diese Art der Gruppirung für wissenschaftliche Zwecke brauchbarer als andere, da ferner in dem von uns vorge- schlagenen System entwickelungsgeschichtliche, morphologische und anatomische Kennzeichen der verschiedenen Gallen gleichermaassen Berücksichtigung finden können. Die grosse Hauptmasse aller Gallen, mit welchen wir es zu thun haben, und welche als Hypertrophien oder „progressive Bildungen“ bezeichnet werden können, entsteht durch Wachsthum und Theilung der normalen Pflanzenzellen. Verhältnissmässig gering ist die Zahl derjenigen Gallen, die ausschliesslich durch Vergrösserung der vor- handenen Zellen ohne nachfolgende Theilung zu Stande kommen. Die Zelltheilung, die in der Mehrzahl der Fälle dem Wachsthum der Zellen folgt, kann nun zweierlei Art sein: die neugebildeten Scheidewände sind entweder senkrecht zur Oberfläche des befallenen Pflanzenorganes orientirt, oder parallel zu dieser; es herrschen ent- weder Antiklinen oder Periklinen vor; mit anderen Worten: es handelt 1) Thomas, a. a. O. p. 514. 2) Kerner, „Pflanzenleben“ Bd. II p. 520. — „Filz-, Mantel-, Roll-, Stulp-, Falten-, Runzel-, Köpfchengallen, beeren-, pflaumen-, apfel-, uuss-, kapselartige Mantelgallen“ u. s. w. 122 sich entweder vorwiegend um Flächenwachsthum oder vorwiegend um Diekenwachsthum des betreffenden Pflanzentheils. Demnach unterscheiden wir drei Hauptgruppen von Gallen: 1. solehe, welche nur durch Vergrösserung der vorhandenen Zellen zu Stande kommen; 2. solche, bei welchen Zelltheilungen reichlich erfolgen und Flächenwachsthum des infieirten Organs vorherrscht; 3. solche, die durch Zelltheilungen und vorherrschend durch Diekenwachsthum zu Stande kommen. Wir begründen unsere Classification auf entwickelungsgeschicht- lichen Unterschieden; die Gruppen, die wir aufstellen werden, sind aber morphologisch und anatomisch ebenso scharf von einander ge- schieden wie entwickelungsgeschichtlich. 1. Gruppe. Die Gallen, welche nur durch Vergrösserung der vorhandenen Zellen zu Stande kommen, sind wenig zahlreich. Ich nenne als Bei- spiel zunächst die sog. „Fenstergalle“ des Ahorns'), welche von einer Gallmücke erzeugt wird, und von der wir in Fig. 1 einen Theil in Querschnittsansicht dar- gestellt haben. Die oberste Palissaden- schicht des Mesophylis ist, wie die Ab- bildung zeigt, nahezu unverändert'geblieben. Die Zellen der tiefer liegenden Schichten haben sich dagegen enorm vergrössert. Aehnliche Veränderungen erfahren die Fig. 1. Theil eines Quer-- Mesophylizellen bei den von einer Ceei- schnittes durch die sog. domyia erzeugten Gallen auf Viburnum Fonstergalle des Ahorns. Lantana, die als grosse, schwarzrothe Blasen die Blätter des genannten Strauches häufig entstellen?). Fig. 2 zeigt den Querschnitt durch den peripherischen Theil einer solchen Galle. Die Mesophylizellen sind zu langen, weiten Schläuchen von oft unregelmässiger Form ausgewachsen. Ein Vergleich mit dem normalen Blatttheil — in der Figur links — wird das Maass dieser abnormen Zellvergrösserung veranschaulichen. 1) Diese Bezeichnung stammt von Thomas, der die genannte Galle unter- sucht hat. („Die Fenstergalle des Bergahorns“, Forstlich-naturwissensch. Zeitschr. 1895, Bd. IV pag. 429.) 2) Schlechtendals Tabellen Nr. 1150. 123 Auch die Erineumgallen, die zur Mehrzahl durch Bildung ein- zelliger Haare gekennzeichnet werden, gehören hierher, insofern als es bei ihrer Entstehung sich nur um Auswachsen, d.h. um Vergrösserung der Epidermiszellen handelt. . Ferner sind die Pockengallen, die auf den Blättern der ver- schiedensten Bäume (Pirus, Juglans, Sorbus u. s. w.) zu finden sind, hier zu nennen. Sie entstehen durch Vergrösserung der Mesophyll- Fig. 2. Theil eines Querschnittes durch die Blasengalle von Viburnum Lantana. zellen, die sich gelegentlich auch mit einigen Zelltheilungen com- binirt. — Diese Combination gibt uns Anlass, schon jetzt darauf hin- zuweisen, dass auch bei dem von uns vorgeschlagenen Gallensystem eine völlig scharfe Umgrenzung der einzelnen Gruppen nicht durch- führbar ist. Wir werden gelegentlich auf verschiedene Mittelformen aufmerksam zu machen haben, bei welchen sich die Merkmale der einzelnen Gruppen mischen und verwischen, 124 Zu den Gallen, die vorwiegend durch Zellvergrösserung entstehen, sind auch manche Aelchengallen zu rechnen, die bereits ausserhalb unseres eigentlichen Themas liegen, und deren Bigenthümlichkeiten hier kurz zu erwähnen genügen mag!). Die anatomischen Verhältnisse der hier genannten Gallen sind ungemein einfach: in keinem Falle wird bei ihnen durch den gallen- erzeugenden Reiz irgend welche Gewebedifferenzirung veranlasst. Gerade in diesem Mangel, auf den wir weiter unten noch zurück- kommen werden, liegt ein wichtiges, gemeinschaftliches Merkmal aller Gallen, die wir auf Grund ihrer Entwickelungsgeschichte in der ersten Gruppe unseres Systems vereinigt haben. 2. Gruppe. Ungleich grösser und formenreicher sind diejenigen Gruppen von Gallen, bei welchen die Zelltheilung die massgebende Rolle spielt. Wir beginnen unsere Erörterungen mit denjenigen Gallen, bei deren Bildung die Kernspindeln mit ihrer Längsachse parallel zur Ober- fläche des infieirten Pflanzenorgans sich orientiren, so dass die Zell- theilungen stets senkrecht zu dieser erfolgen. Zunächst sollen uns die Blattgallen beschäftigen. Wenn ein bestimmtes Areal der Blattlamina sein Flächenwachs- thum fortsetzt, nachdem die umliegenden Theile es bereits eingestellt haben, oder wenn ein Blatttheil besonders intensives Flächenwachs- thum entwickelt, so wird eine Stauung der Blattmasse eintreten müssen. Der intensiv wachsende Theil wird aus der Ebene des Blattes mehr oder weniger sich hervorwölben müssen. Wir werden von einer Ausstülpung, von 'Taschen- oder Beutelbildung sprechen können. Ob der sich streckende und sich krümmende Theil des Blattes dabei nach oben oder unten „ausschlägt“, wäre lediglich von Zufälligkeiten abhängig, wenn das Flächenwachsthum in allen Schichten des Blattgewebes mit gleicher Intensität sich vollzöge. Erfolgt dieses aber z. B. oben lebhafter als unten, so wird die Oberseite des Blattes zur convexen (äusseren) Seite der Ausstülpung werden müssen. 1) Ich verweise auf die Angaben von Ritzema Bos: „Die Aelchenkrankheit der Zwiebeln (Allium Cepa)“, Landwirthsch. Versuchsstat. Bd. 35. 1888 pag. 35. — Beyerinck („De oorzaak der Kroefziekte van de jonge ajuinplanten“ Maand- blad voor Sept,, uitgeg. v. w. d. Holl. Maatschappy van landbouw V 1883) hielt Zeilvergrösserung für die einzige Gewebeveränderung bei der „Kroefziekte“. 125 Ausserordentlich gross ist die Zahl der Gallen, die lediglich als „Stauungen“ der Blattmasse, entstanden durch lebhaftes Flächen- wachsthum bestimmter Blatttheile, aufzufassen sind. Die grossen, flachen Ausstülpungen, welche die Ribesblätter so häufig verunstalten, sind als eine der einfachsten Formen der durch Flächenwachsthum des Blattes entstandenen Gallen zu nennen. Die Wirkung der gallen- erzeugenden Aphiden, welche hierbei im Spiele sind'), erstreckt sich hier auf ein verhältnissmässig grosses Areal, auf die Blattnerven sowohl wie auf die zwischen ihnen liegende Mesophylimasse. In anderen Fällen bleiben die grösseren Blattnerven dem gallenerzeugenden, wachsthumsbeschleunigenden Einfluss unzugänglich. Die zwischen ihnen liegenden, polyedrischen Felder wölben sich vor und lassen einen umfangreichen Complex höherer oder flacherer Ausstülpungen entstehen, deren Gesammtheit wir gleichwohl als eine einheitliche Galle bezeichnen dürfen. Bildungen dieser Art werden zuweilen an Solanum nigrum durch Blattläuse verursacht. Ohne Zweifel haben wir es hier mit einfachen Formen des be- kannten Taschen- und Beutelgallentypus zu thun. Lehrreich sind die von Phytopten erzeugten Gallen auf Salviablättern?). Auf dem näm- lichen Blatte finden wir oft flache, kugelcalottenähnliche Vorwölbungen, neben hohen, schlauchartigen Gallenformen mit engem Eingangs- porus. Die endgültige Form der Galle wird stets durch die Grösse des im abnormen Flächenwachsthum begriffenen Biatttheiles ebenso sehr bestimmt werden, wie durch den Grad der Wachsthumsintensität. Je kleiner der durch den Gallenreiz zu abnormem Wachsthum an- geregte Blatttheil ist, um so enger wird der Eingang des Gallen- beutels werden. Desto höher und geräumiger wird die Galle selbst ausfallen müssen, je intensiver das Flächenwachsthum vor sich geht und je länger es anhält. Ausser den genannten Formen gehören zu dieser Gruppe die „Stengelgallen“, die Cephaloneon- und Ceratoneongallen, die auf Acer, Tilia, Alnus, Prunus, Viburnum u. a. häufig sind, die Blattlausgallen der Ulmen, die schwieligen blutrothen Auftreibungen, welche Aphis Oxyacanthae®) an Crataegusblättern hervorruft, die blasenförmigen Deformationen an den Blättern des Zwetschgenbaumes (erzeugt durch 1) Frank führt sie unter denjenigen Blattläusen an, „welche oberirdische Pfianzentheile bewohnen und keine Gallenbildungen erzeugen“, a. a. O. pag. 144. 2) Schlechtendal.a.a. O. Nr. 1048. 3) Vergl. die vorletzte Anmerkung. 126 Ceeidomyia Pruni.), die zierlichen, behaarten Taschengallen der Ceei- domyia bursaria an den Blättern von Glechoma u. s. w.?). Schon aus dieser kurzen Zusammenstellung wird ersichtlich werden, dass die auf Grund entwickelungsgeschichtlicher Momente als vergleichbar vereinigten Gallen sich hinsichtlich ihrer animalischen Erzeuger aus den verschiedensten Gruppen des Insectenreiches ab- leiten können: wir nannten die Phytoptusgallen neben den Produkten von Blattläusen und hoch organisirten Gallfliegen. Wenn alle Theile des infieirten Blattareals gleich intensiv wüchsen, so würde, wie gesagt, nur der Zufall darüber zu entscheiden haben, ob die Blattstauung des Gallenbeutels nach oben oder unten „aus- schlägt“. Die Beobachtung lehrt nun, dass die allermeisten Blatt- beutelgallen nur auf der Blattoberseite zu finden sind. Diese Gesetz- mässigkeit muss durch gesetzmässig wiederkehrende Ungleichheit in der Vertheilung der Wachsthumsenergie begründet sein. In jedem Falle muss der Theil, welcher am intensivsten wuchs, auf die convexe Seite der Galle zu liegen kommen. — Die Wachsthumsintensität ist also zu Gunsten der oberen Zellschichten ungleichmässig vertheilt, grosse Differenzen scheinen jedoch nicht vorzukommen. Gewebe- spannungen, welche ihre Folge sein müssten, habe ich an Gallen bisher niemals nachweisen können ?). Die Stengelgallen, welche durch Flächenwachsthum entstehen, können wir kürzer abthun. Wir nennen zunächst diejenigen Beutelgallen, welche, als häufige Gäste der Blätter wohlbekannt, zuweilen auf Blatt- stiele oder jugendliche Achsentheile sich verirren®). Statt der Blatt- 1) Als eine „Variation des gewöhnlichen Beutelgallentypus bezeichnet Appel (a. a. O. pag. 12) die Galle der Hormomyia piligers, die in allen Buchen- hainen reichlich zu finden ist. Diese Galle entsteht aber keineswegs durch Flächenwachsthum; weder entwickelungsgeschichtlich noch anatomisch oder mor- phologisch hat sie etwas mit den von uns in der zweiten Gruppe zusammen- gefassten und als „Blattstauungen‘ gedeuteten Gallen etwas gemeinsam. Da die mit der Entwiokelungsgeschichte der Gallen minder Vertrauten durch die von Appel versuchte Parallelstellung zwischen den Bentelgallen und der Piligere- galle leicht zu falschen Vorstellungen geführt werden könnten, glaubte ich diese corrigirende Notiz nicht unterdrücken zu sollen. 2) Die Ungleichheit der Wachsthumsenergie wird von Appel (a. a. O. pag. 40, 41), auf dessen Mittheilung ich hier verweise, treffend durch die Annahme erklärt, dass der Reiz des Gallenthieres in der nächsten Nähe des letzteren hemmend oler doch minder beschleunigend wirkt, so dass die Blattunterseite, an welcher die Thiere zu sitzen pflegen, im Wachsthum zurückbleibt. 3) Ueber „verirrte‘ Gallen verschiedener Art berichtet Thomas, „Aeltere und neue Beobachtungen über Phytoptoceeidien“, Hallische Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd. 49 pag. 347. 127 masse wuchert hier die Epidermis und primäre Rinde. Durch Flächen- wachsthum kommt eine Stauung der wachsenden Gewebe und ihre Ablösung von den tiefer liegenden Schichten, welche nicht an dem abnormen Wachsthum partieipiren, zu Stande. Ich verweise auf die von Frank!) gegebene Abbildung der von Phytoptus auf Blättern und Zweigen des Faulbaums erzeugten Gallen. Bei Blatt- und Sprossgallen handelt es sich um die nämlichen Wachs- thumsprocesse und dieselben Bauprin- eipien. Nur das Baumaterial ist ein anderes, und die Bedingungen für die Formung der Gallen sind verschiedene. ?) Interessante Gallen, die uns dasselbe Prineip des Flächenwachsthums wieder- finden lassen, sind die von Thomas°) beschriebenen Hautfalten am Stengel von Galium, die ebenfalls von Phy- topten verursacht werden: „...an den stärkst deformirten Trieben aber war diese Ablösung zugleich mit einer enormen, durch vermehrte Zellbildung ermöglichten Ausdehnung verbunden, so dass die zweischichtige Haut sich in breite Falten zu legen vermocht hatte, zwischen denen, im innersten verborgen, die Gallmilben sich befanden‘. Fig. 3. Theil eines Querschnittes 292: durch einen der sog. „chine- Wenn an cylindrischen Organen sischen Galläpfel®. allseits Wachsthum in der Richtung der Oberfläche wirksam wird, so werden die einzelnen Theile des wachsenden Organs sich radial-centrifugal vorwärts schieben; wenn es sich um solide Sprosse handelt, werden diese hohl werden, 1) a. a. O. pag. 56, Fig. 13. 2) Aus diesem Grunde scheint es mir unvortheilhaft, von „Dimorphismus‘ zu sprechen, wie es Frank (a. a. O.) bei Besprechung dieser Blatt- und Spross- gallen thut. Dieser Terminus bleibt vielleicht besser für diejenigen Fälle reser- virt, in welchen das nämliche Inseet an verschiedenen Pflanzenorganen oder -Arten so verschiedene Gallenbildungen erzeugt, wie etwa Aphilothrix lueida an den Blättern und Früchten verschiedener Eichenarten (nach Eckstein, „Pflanzen- gallen und Gallenthiere“, Leipzig 1891). 3) Thomas, „Aeltere und neue Beobachtungen u. s. w.“ a. a. O. pag. 351. 128 bei hohlen Sprosstheilen wird der Intercellularraum grösser werden. Die an Festucahalmen von Isosoma erzeugten Gallen gehören zu den- jenigen, welche durch Zelltheilungen im Sinne des Flächenwachs- thums zu Stande kommen. Die in der „zweiten Gruppe* von uns vereinigten Gallenformen stehen in einer Beziehung den Vertretern der ersten Gruppe nahe: auch ihnen fehlt jegliche histologische Differenzirung. Die Gruppe, die wir von entwiekelungsgeschichtlichen Thatsachen ausgehend auf- gestellt haben, erscheint durch diese negativen Eigenschaften auch anatomisch hinreichend charakterisirt. Sie unterscheidet sich in diesem Punkte wesentlich von der dritten Gruppe, deren Formen in ana- tomischer Hinsicht ungemein reich und mannigfaltig differenzirt sind. Die Beutelgallen, deren Betrachtung wir nunmehr abschliessen wollen, bestehen durchweg aus gleichwertigen Parenchymazellen (vergl. Fig. 3), ihre Anatomie bietet wenig Abwechslung und wenig Interesse. 3. Gruppe. Die dritte Gruppe ist die gestaltenreichste unter allen und die interessanteste für den Morphologen wie für den Anatomen. Wir rechnen zu ihr alle Gallen, welche durch Zelltheilung und durch Dickenwachsthum des inficirten Pflanzenorgans entstehen. Es ist erstaunlich, welch zwingende Ge- setzmässigkeit die Kernspindeln bei den Zelltheilungen sich stets senkrecht zur Ober- . ar fläche des infieirten Pfianzenorgans einstellen ni: " ioonvene Blattsulle lässt, Bei vielen Blattgallen (vergl. Fig. 5, 6,8) Schematisirt. beweist die anatomische Struktur ohne Wei- teres, dass sie nur durch Zelltheilungen parallel zur Oberfläche des betreffenden Pflanzenorgans entstanden sind, dass auch nicht eine einzige „Antikline* sich bei ihnen ge- bildet hat. Bei den geschlossenen Gallen, deren Zellen meist in äusserst regelmässige Reihen geordnet sind, krümmen sich die letzteren im peripherischen Theil der Gallen oft concav nach aussen (vergl. Fig. 4). Alle Zellreihen stehen senkrecht auf der oberen wie der unteren Oberfläche der Galle und lassen sich als orthogonale Trajectorien zu den Umrisseurven des Gallenquerschnittes auffassen. Die Krümmung der Zellreiien kommt ohne vitales Zuthun des Organismus rein 129 mechanisch zu Stande, worauf ich hier zur Vermeidung irriger Deutungen aufmerksam machen wollte. Wir beginnen wieder mit den Blattgallen. Die Form der Galle ist gbhängig von der Lage der sich theilen- den Gewebeschichten, sowie von der Vertheilung der Wachsthums- intensität. Die Epidermis bleibt bei den umschlossenen Gallen meist unthätig. Das eigentlich gallenliefernde Gewebe ist das Mesophyll. Wachsen alle seine Schichten in die Dicke, so resultirt eine Galle, welche auf beiden Seiten des Blattes als Vorwölbung sichtbar ist. Wachsen nur die obersten Gewebeschichten in die Dieke, so werden sie, wie es bei einer Galle auf Parinarium (vergl. Fig. 17 L)geschieht, die Epidermis ablösen und in die Höhe heben können; die Galle wird nur auf der Oberseite des Blattes sichtbar sein. Wenn die peripherischen Theile der inficirten Stelle minder in- tensiv in die Dicke wachsen als die centralen, so entsteht ein sanft anschweilender, linsenförmiger Gallenkörper. Wächst aber die inficirte Stelle allenthalben gleich oder doch nahezu gleich stark, so entstehen eylindrische, bezw. kegel- oder kegelstumpfförmige Protuberanzen. Einen eigenen Typus wichtigster Art repräsentiren die galles externes, die aus einem relativ eng begrenzten Gewebecomplex, dem „Gallplastem“ hervorgegangen sind und in energischem Wachsthum und lebhafter Zelltheilung gleichsam aus der Blattfläche hervorge- quollen sind. Diese Gallen -—— gleichviel ob es sich um spross- oder um biattbürtige Gallen handelt — erreichen in äusserer und innerer Gestaltung die letzten Grenzen: ihnen ist schliesslich nichts mehr unmöglich. Sie sind es auch, deren complieirte anatomische Ver- hältnisse uns im nächsten Capitel mehr als die der anderen Gallen- formen in Anspruch nehmen werden. Alle Details bleiben für diesen Abschnitt unserer Mittheilungen verspart. Nur das, was zur Charak- terisirung der ganzen Gruppe beiträgt, muss schon hier in Kürze er- wähnt werden. Die durch Diekenwachsthum entstandenen Spross- und Blattgallen bestehen nicht aus homogenem Gewebe wie die durch Flächen- wachsthum entstandenen: in ihrem anatomischen Aufbau herrscht vielmehr die grösste Mannigfaltigkeit. Im Innern, als Auskleidung der Larvenkammer, kommt eine mehr oder minder scharf umgrenzte, wohl charakterisirte Nährschicht („partie alimentaire* Lacaze- Duthiers’) zur Ausbildung; ihre Zellen dienen zur Fütterung der Larven. Diese Gewebeschicht fehlt niemals ganz. — Nach aussen 130 folgt die mechanische oder die Hartschicht („eouche protectriee“), die als feste Hülle die Larvenhöhle und die zarte, schutzbedürftige Nähr- schicht umgibt: nur sehr wenige Gallen lassen dieses. Gewebe ver- missen. Weiterhin nach aussen folgt auf die mechanische Gewebe- schicht bei den meisten Gallen eine wohlcharakterisirte Gallenrinde, die als Durchlüftungsgewebe, als Wasserreservoir, als Stärkespeicher, als Assimilationsgewebe oder durch chemische Eigenschaften als Schutzschicht zu- fungiren befähigt ist. — Nicht selten ist auch ein besonderes Hautgewebe vorhanden. Neben denjenigen Formen, welche eine der drei genannten Gruppen mit allen ihren entwickelungsgeschichtlichen, morphologischen und anatomischen Kennzeichen mit unverkennbarer Deutlichkeit ver- treten, sind diejenigen überaus selten, welche als Ausnahmen von der Regel zu nennen sind, Der „Pocken“ gedachten wir schon bei Besprechung der ersten Gruppe. Oft treten in ihnen auch Zelltheilungen der Quere nach auf, ohne dass von einer Gewebedifferenzirung sich etwas entdecken liesse. Viele Gallen bestehen in Emergenzenbildung. Bei Blattgallen dieser Art wuchert das Mesophyli an bestimmten, eng umgrenzten Stellen und führt zur Entstehung schlanker Gewebesäulen, die aus Blattparenchym bestehen und von einer normal gebauten Epidermis umspannt sind. Gewebedifferenzirung fehlt auch hier. Die Gallen bestehen durch und durch aus homogenem Gewebe. Man kann sich hier allerdings fragen, ob Emergenzen wie die von Ceeidomyia ÜOra- taegi erzeugten, nicht mit demselben Recht auch zur zweiten Gruppe von Gallen gerechnet werden könnten, die durch vorherrschendes Flächenwachsthum charakterisirt werden. Die Epidermis bethätigt sich bei den Emergenzengallen offenbar in sehr ergiebigem Flächen- wachsthum und ohne genaue, entwickelungsgeschichtliche Unter- suchungen wird sich kaum mit Sicherheit entscheiden lassen, ob nicht vielleicht auch das innere Gewebe der Emergenz vorwiegend durch Flächenwachsthum und Zelltheilungen senkrecht zur Blattfläche zu Stande gekommen ist. Bei manchen Gallen sind Flächen- und Diekenwachsthum gleicher- maassen an der Bildung der Gewebewucherungen betheiligt. Bei ihnen werden wir von einer endgültigen Einreihung in die eine oder andere der aufgestellten Gruppen absehen müssen. Uebergangsformen sind. wie überall, so auch hier, häufig. 131 Zum Schluss des Capitels wollen wir noch die Fragen erörtern, welche Gewebeschichten des infieirten Pflanzenorgans vornehmlich an der Gallenbildung theilnehmen, und welche Veränderungen sie bei diesem Vorgange erfahren. Bleiben wir zunächst bei den Blattgallen, deren Verhältnisse durch ihre mannigfaltigen Complicationen uns besonders interessiren. Bei den durch Flächenwachsthum der Blätter entstandenen Gallen müssen wir voraussetzen, dass alle Theile des Blattes — obere Epi- dermis, Mesophyll und untere Epidermis — bei der Gallenbildung sich betheiligen. Auf den geringen graduellen Unterschied im Wachs- thum der oberen und unteren Blattschichten ist oben bereits hinge- wiesen worden; das lebhafteste Wachstlium lassen die oberen Zelllagen des Blattgewebes erkennen. Die Mehrzahl der Blattrollungsgallen darf man sich übrigens nicht durch einseitig gesteigertes Flächen- IR wachsthum des Blattes entstanden denken, sie sind vielmehr Hem- [\ .i " TR m mungsbildungen, bei welchen die Rollungen und Faltungen des A ALLE Blattes in seiner Knospenlage nicht durch entsprechende Wachs- thumsvorgänge ausgeglichen wor- den sind!). Das Gegentheil gilt beispielsweise von einigen Pem- phigusgallen der Terebinthe, bei welchen neben abnormer Dicken- zunahme Wachsthum in der Richtung der Blattfläche eintritt, das bald an der Blattoberseite (P. retroflexus), bald an der Blattunterseite (P. pallidus) vorherrschend zur Wirkung kommt. Dass von Gewebedifferenzirungen bei den vorwiegend durch Flächenwachsthum entstandenen Gallen nicht die Rede ist, haben wir oben schon erläutert. Die Frage nach der histologischen Verwerthung oder Umwerthung der normalen Gewebe bei der Gallenbildung ge- winnt daher erst bei Besprechung der anderen Gruppe von Gallen- formen, bei der das Dickenwachsthum vorherrscht, besonderes Interesse. Die Epidermis spielt bei der Gallenbildung eine verhältniss- mässig bescheidene Rolle. Oft bleibt sie gänzlich unverändert. Bei den Pocken beispielsweise, bei der von Cecidomyia tiliacea erzeugten WE 7 Fa Ki: lH u Fig. 5. Theil eines Querschnitts durch die Galle von Ceeidomyia tiliacea. 1) Thomas, a, a. O. pag. 537. 132 Lindengalle (vgl. Fig. 5), bei der in Fig. 6 dargestellten Galle von Phyllirea angustifolia u. s. w. ist das Mesophyll der eigentliche Heerd der Gallenbildung. Die obere wie untere Epidermis behalten ihren Charakter unverändert bei. Die einfachste Veränderung, welcher die Epidermiszellen bei der Gallenbildung zuweilen unterworfen sind, besteht in auffälliger Volumenzunahme der einzelnen Zellen. Beispielsweise bei den knorpe- ligen Blattrandgallen, die von Phytopten an Weiden erzeugt werden, nimmt die Epidermis den Charakter eines wasserspeichernden Gewebes an. Die Höhe der einfachen epidermalen Zellanlage erreicht und übertrifft alsdann die Mächtigkeit eines normalen Blattes. Bei der genannten Galle beschränkt sich diese Metamorphose auf die Epi- dermis der Blattoberseite. . Recht selten scheint der Fall zu sein, dass die Epidermis durch Wachsthum und wiederholte Zelltheilung voluminöse Gewebewucher- ungen liefert, wie es Beyerinck für eine von Brachyscelis sp. er- zeugte Eucalyptusgalle beschrieben hat). Unzweifelhaft die häufigste und auffälligste Veränderung, die sich bei Entstehung von Gallen am Epidermisgewebe abspielt, ist die Haarbildung. Bei vielen Phytoptusgallen (Erineum) liegt ihr wich- tigstes Kennzeichen in der charakteristischen Behaarung. Ein ungleich plastischeres Material zur Bildung mehr oder weniger differenzirter Gallengewebe liefert das Mesophyll. Erinnern wir uns zunächst daran, dass viele hoch organisirte Cynipidengallen aus einem dem Mesophyll entstammenden „Gallplastem“ sich entwickeln. Aller- dings ist hiebei zu beachten, dass dieser infieirte Theil des Mesophylis topographisch wie histologisch seinen Charakter völlig aufgibt, — topographisch, weil seine Hauptmasse aus der ursprünglichen Lagerung zwischen den beiden Blattepidermen heraustritt, histologisch, weil die Form der Zellen ebenso wenig wie ihre Stellung zu einander die Charaktere des Palissaden- oder Schwammparenchyms wiederholt. Es handelt sich hier um eine Neubildung im vollsten Sinn des Wortes, deren Details uns, streng genommen, nicht zu beschäftigen haben, wenn wir die Betheiligung von Epidermis und Mesophyli des Blattes an der Gallenbildung ermitteln wollen. Gallen, wie die erwähnte biconvexe Lindengalle, gehören dem andern einfacheren Typus an, bei welchem die beiden Blattepidermen 1) Beyerinck, „Eucalyptusgallen“. Nederl. Kruidkund. Archief. II. Serie, VL Bd, 1895, pag. 625. 133 erhalten bleiben und sich innerhalb der letzteren die eigentliche Gallenbildung abspielt. Innerhalb dieser Grenzen ist gleichwohl das Mesophyll der weitgehendsten Modificationen und verschiedenartigsten Umgestaltungen fähig. Es entstehen sclerosirte Zellen der verschie- densten Form, die sich zu mechanischen Geweben vereinigen, ferner, eiweissreiche Speicherzelen, die das Nährgewebe der Gallen bilden u. =. £. Bei der genannten Lindengalle (vergl. Fig. 5) sind alle Schichten des Mesophylis in gleichem Maasse umbildungsfähig. Sehr zahlreich sind die Gallen, bei welchen im Gegensatz zu jenem Typus ein Unterschied zwischen den oberen und unteren Schichten des Meso- phylis zwischen Palissaden- und Schwamm- parenchym sich zu erkennen gibt. Der. Untersehied liegt dann stets darin, dass die unteren Parenehymsehichten in höherem Maasse umbildungsfähig sind, als die oberen. Als Beispiele können auch hier wieder die primitiven Pockengallen dienen: die obersten Parenchymschichten bleiben oft gänzlich unverändert. Analoges gilt von der Fenstergalle des Ahorns. (vergl. Fig. 1), bei der ebenfalls wig. 6, Theil eines Quer- oft nur die unteren Schichten des Me- schnitts durch die von Braue- sophylls an der Gallenbildung theil- "ella ae en nehmen. Fig. 6 stellt den Querschnitt durch eine Galle von Braueriella Phyllireae an Phyllirea rufescens dar!). Die Mesophylizellen des unteren Blatttheiles sind fast sämmtlich zu langen, parallelwandigen Schläuchen ausgewachsen, in welchen vielfach (uertheilung erfolgt ist. Die Zellen der oberen Mesophylischiehten dagegen, welche ober- halb des Gefässbündelniveaus liegen, sind völlig unverändert ge- blieben. ’ Ein lehrreiches Beispiel ist ferner die Eichengalle von Ceeidomyia Cerris. Die obere Blatthälfte liefert diekwandige, verholzte Zellen, die sich zu einem kugel-, calotten- oder stumpfkegelfürmigen mecha- nischen Mantel zusammenschliessen, : Die grosse Hauptmasse der 1) De Stefani, „Produzioni patologiche sulle piante enusate da animali‘. Agricoltore Calabro-Sieulo Bd. XXIII. 1898. -- Material von dieser Galle ver- danke ich Herrn Dr. Ross. Flora 1900. 10 134 Galle geht aus der. unteren Blatthälfte hervor. Fig. 7 veranschaulicht das Querschnittsbild dieser Galle. Besonders deutlich lässt sich derselbe Unterschied zwischen den oberen und unteren Schichten des Mesophylis an einer Blattgalle von Banisteria (Malpighiaceae) demonstriren, deren eigenthümliche Struktur in Fig. 8 dargestellt ist‘). Die oberste Palissadenschicht bewahrt f Fig. 7. Querschnitt durch die Galle von Cecidomyia Cerris (halb). AA innerer mechanischer Mantel, B äusserer mechanischer Mantel. ihren normalen Charakter, während die nach innen folgenden Zell- schichten eine weitgehende Umgestaltung erfahren. Es frägt sich nun, ob bei diesen oder ähnlichen Gallenbildungen der gallenerzeugende Reiz die unverändert gebliebenen Zellschichten nicht mehr erreicht hat, oder ob diese ihm widerstanden haben, d. h. ob sie aus minder empfindlichen Zellelementen zusammengesetzt 1) Das Material der Banisteriegalle entstammt dem Münchener Herbarium. 135 sind, als die zur Gallenbildung verwendeten Nachbarschichten. Ich bin geneigt, der letztgenannten Möglichkeit den Vorzug zu geben. Dass verschiedene Gewebearten dem gallenerzeugenden Reiz gegen- über verschieden empfindlich sind, beweist der Vergleich zwischen dem Verhalten des Mesophylis und den gallenbildenden Leistungen des Epidermis. Dass ähnliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Schiehten des Mesophylis existiren, wird mir ferner durch die scharfe Grenze zwischen unverändertem und weitgehend modifieirtem Gewebe wahrscheinlich. — Vielleicht hängt es auch mit einem derartigen pP ne N IKIENT .,7 . . 1 + le vr zie = g = me ODE Tr etz Ger )* 11 - Fig. 8. Querschnitt durch einen Theil der Banisteriagalle.e MM mechanischer Mantel, P die unveränderte Palissadenschicht, Unterschied zwischen oberen und unteren Mesophylischichten zu- sammen, dass die meisten Gallen, die in Form von „Galläpfeln“ aus der Blattfiäche heraustreten, auf der Blattunterseite angeheftet sind. Bei den Spross- oder Stengelgallen herrschen ähnliche Verhält- nisse wie bei den Blattgallen; auch hier betheiligen sich vorwiegend die tiefer liegenden Gewebeschichten an der Gallenbildung:: die Rinde und vor allem das Mark. Die Epidermis spielt eine verhältnissmässig untergeordnete Rolle. 10% 136 Nachdem in diesem Kapitel so oft von der verschiedengradigen, inneren Ausbildung der Gallen die Rede war, kann ich nicht umlhin, mit einigen Worten noch auf die von Sachs vertretene Anschauung über unser Thema einzugehen. Seit Sachs ist der Grad der Gewebedifferepzirung einer Galle wiederholt mit dem Entwickelungsstadium des gallentragenden Pflanzenorgans zur Zeit der Infection in Verdindung gebracht worden. Als eines der Hauptresultate entnimmt Sachs!) der Eckstein- schen Arbeit über „Pflanzengallen und Gallenthiere“ folgendes: „Die- jenigen Reize, welche von den Gallenthieren direet auf den Vege- tationspunkt und die jüngsten embryonalen Gewebe ausgeübt werden, erzeugen Gallenformen, welche wie eigenartige Organismen gestaltet, und innerlich differenzirt, oft eine sehr hoch entwickelte, morpho- logische Eigenart besitzen, als ob es selbständige und hoch organisirte Pflanzenspecies wären; die an älteren Gewebekörpern veranlassten Reize dagegen bringen nur Gewebewucherungen ohne bestimmte morphologische Charaktere hervor; endlich Einwirkungen gewisser Thiere auf beinahe oder ganz fertige Pflanzenorgane sind einfach mor- phologisch gleichgültig oder schädlich, ohne morphologische Effecte zu erzielen.“ Die nähere Kenntniss der Gallen und ihre Entstehung hat nun gelehrt, dass die Verhältnisse durchaus nicht so einfach liegen, wie dem Sachs’schen Satze nach anzunehmen sein könnte. Wie Appel?) mittheilt, erkannte Sachs selbst eine „nähere Erläuterung“ zu seinen Mittheilungen als nothwendig, die in der eitirten Arbeit Appel’s denn auch gegeben wird. Es gibt eine stattliche Reihe von Gallen, die an schr jugend- lichen Organen angelegt werden und in ihrem ausgebildeten Zustande weder morphologisch noch anatomisch hohe Differenzirung erkennen lassen. Ebenso fehlt es andererseits keineswegs an Gallen, die ver- hältnissmässig spät, d. h. an bereits differenzirten Geweben angelegt werden und gleichwohl -- morphologisch wie anatomisch — mannig- faltige Ausgestaltung erfahren. Beginnen wir mit dem letztgenannten Fall. Die relativ spät angelegten, hoch differenzirten Gallen beweisen, dass „morphologische Processe durch Reize auch noch in einer Phase des Pflanzenwachs- 2) „Physiologische Notizen VIl: Ueber Wachsthumsperioden und Bildungs- reize“, Flora Bd. 77, 1893, pag. 240, 241. 2) a. a. O. pay. 58. 137 thums angeregt werden können, in welcher sonst dieselben nicht mehr vor sich zu gehen pflegen“. Den Widerspruch dieser Thatsache mit der von Sachs stammenden Eintheilung der Wachsthumsphasen (morphologische und physielogisch-biologische), der nach Sachs und Appel nur ein scheinbarer ist und durch die Thatsache seine Er- klärung findet, „dass viele Gallenerzeuger im Stande sind, schon differenzirtes Gewebe in eine ursprüngliche Form zurückzuverwandeln, aus somatischem wieder embryonales zu bilden (Appel)“, lasse ich ganz ausser Betracht. Falls aber in diesem Zusatz gleichzeitig eine Erklärung dafür liegen soll, dass hoch organisirte Gallen auch fern vom Vegetationspunkt entstehen können, so vermag ich nicht, mit ihm mich einverstanden zu erklären. Der Vegetationspunkt und die Organe, weiche die embryonale Phase noch nicht hinter sich haben, sollten nach Sachs ihres Reichthums an formbildenden Stoffen wegen zur Bildung hoch organisirter Gallen befähigt sein. Die Bildung des meristematischen (embryonalen) Gewebecomplexes, des Gallplastems, geht doch aber von bereits differenzirten Gewebeschichten aus, bei welchen nach der Sachs’schen Lehre die stoffbildenden Stoffe min- destens schon in Abnahme begriffen sein müssten. Ueherdies ist offenbar die Bildung. des Gallplastems schon die erste Phase der Galleubildung; das Plastem ist schon die jugendliche Galle selbst und nicht das Gewebematerial, welches das Gailenthier vorfindet. Wir wissen ferner, dass auch an embryonalem Gewebe in un- mittelbarer Nähe des Vegetationspunktes angelegte Gallen oft in verhältnissmässig bescheidenen Deformationen bestehen und dass auch dann, wenn ihre äussere Gestalt eine gewisse morphologische Selb- ständigkeit in Anspruch nimmt, ihre innere Organisation recht einfach sein kann. Die Fähigkeit des embryonalen Gewebes, hoch differenzirte Mor- phosen zu bilden, wird in diesen Fällen von dem Erzeuger der Morphose nach Appel’s Deutung nicht ausgenützt. Dem embryonalen Gewebe Fähigkeiten beizumessen, die nicht ausgenützt werden, deren Erkenntniss uns also verschlossen bleibt, scheint mir allzu kühn. Ich halte dafür, dass man die Fähigkeiten der Organismen nur erkennen, schildern und zu Theorien verwerthen kann, wenn sie mehr oder minder deutlich zu Tage treten. Meines Erachtens ist es keineswegs erwiesen, dass die embryonalen Gewebe in jenen Fällen, in welchen wenig differenzirte Gallen an ihnen ent- standen, und unter den Umständen, welche zur Bildung der Gallen führten, die Fähigkeit, hoch organisirte Morphosen zu bilden, wirklich 138 besessen haben; denn nicht nur von den „inneren Kräften“, die dem Plasma der embryonalen Zellen eigen sind, sondern ebenso sehr von der Art des Reizes, der auf sie ausgeübt wird, scheint mir das mor- phologische Resultat, die Morphose, abhängig zu sein. Wenn wir aber die Bildung wenig differenzirter, aber früh angelegter Gallen uns durch die neue Annahme, der Gallenerzeuger hätte die Eigen- schaften des Substrates unbenützt gelassen, deuten und ferner das Zustandekommen spät angelegter, aber hoch organisirter Gallen durch vorherige Verwandlung des somatischen Gewebes in embryonales uns erklären wollen, damit schliesslich dem von Sachs aufgestellten Satze doch wieder zu Recht verholfen wird, — so würden wir, nach meinem Ermessen, von der Formulirung eines Dogmas nicht mehr weit ent- fernt sein. Die Sachs’sche Annahme, die Appel in dem nachfolgenden Satze zum Ausdruck bringt: „Die Möglichkeit, hoch differenzirte Morphosen zu bilden, ist am grössten am Vegetationspunkt und nimmt umsomehr ab, je weiter sich die Anlagestelle der Morphose von dem- selben entfernt“, — scheint mir auch bei Berücksichtigung der von Appel gegebenen Modification oder Erweiterung nicht haltbar zu sein. Die einfachere oder complieirtere Organisation der Gallen kann im Allgemeinen nieht in kausalen Zusammenhang mit dem Alter, mit der embryonalen oder somatischen Beschaffenheit der infieirten Pfanzen- gewebe gebracht werden. — Zum Schluss des Capitels fassen wir das Wichtigste aus seinem Inhalte nochmals kurz zusammen. Eine Beziehung zwischen äusserer und innerer Organisation der Gallen einerseits, Ort und Zeit ihrer Anlage andererseits, lässt sich im Allgemeinen nicht erkennen. Eine Gesetzmässigkeit liegt unseres Erachtens aber darin, dass alle Gallen, die durch Flächenwachsthum zu Stande kommen, einfach organisirt sind. Eine höhere histologische wie morphologische Ausgestaltung erscheint nur denjenigen Gallen erreichbar, die durch Diekenwachsthum des inficirten Pflanzenorgans entstehen. — Natürlich darf die Art und die Richtung der Zell- theilung — ob Flächen- oder Dickenwachsthum — nicht als die Ursache betrachtet werden, deren Wirkung die mehr oder minder reiche Ausgestaltung der Gallen darstellt; wohl aber darf aus der immer wiederkehrenden Vereinigung, in der wir entwickelungsgeschicht- liche und histologische Beobachtungen einander ergänzen sahen, ge- folgert werden, dass die Art der Zelltheilung sowohl, wie die ana- tomische und morphologische Ausbildung der Galle Wirkungen der 139 gleichen Ursache, nothwendige Folgen eines uns unbekannten Momentes sind. I. Capitel. Entwurf zu einer physiologischen Anatomie der Gallen (unter be- sonderer Berücksichtigung der Inssctengallen). Auf den nachfolgenden Blättern wollen wir versuchen, das Wich- tigste von dem, was uns durch die Forschungen anderer und beson- ders durch eigene Beobachtungen über die Anatomie der Gallen be- kannt geworden, nach physiologischen Gesichtspunkten ordnend zusammenzustellen. " Eine Betrachtungsweise dieser Art beansprucht nicht, für neu zu gelten. Lacaze-Duthiers hat bereits bei seinen genannten Studien über Gallenanatomie die Frage nach der Function der ein- zelnen Gewebe in den Vordergrund gestellt, ohne andererseits dieses Princip der physiologischen Anatomie consequent durchzuführen. Bei den zwei Gewebearten der Gallen, die am schärfsten charakterisirt sind, und die bei den meisten Formen sich wiederfinden lassen, er- kannte er, dass ihren morphologischen Merkmalen funetionelle, d. h. physiologische Bedeutung zukommt. Die aus widerstandsfähigen, stark sclerosirten Zellen bestehende Gewebeschicht nannte er couche proteetrice (Schutz- oder Hartschicht der deutschen Autoren), die von ihr eingeschlossenen, eiweissreichen Zellen fasste er als couche ali- mentaire (Nährschicht) zusammen !). Damit waren für die Anatomie der Gallen ähnliche Gesichts- punkte verwerthet, wie sie später besonders durch die Arbeiten Schwendener’s und Haberlandt’s planvoll für die gesammte normale Pflanzenanatomie durchgeführt worden sind, Die nähere Kenntniss der pflanzlichen Gewebe und ihrer ver- schiedenen Functionen hat uns die berechtigte Gewohnheit gebracht, alle Organe des Pflanzenkörpers als zweckmässige Theile desselben, als Anpassungen im Sinne de Bary’s?) zu betrachten. Die geringe Anzahl von Fällen, in welchen es wir nachgewiesenermaassen mit functionslosen Zellen oder Geweben zu thun haben, widerspricht durchaus nicht unserer Auffassung, jedes Organ der Pflanze a priori als Träger irgend einer dem ganzen Organismus nutzbringenden Function zu betrachten, Der Pflanzenkörper macht in seiner Organ- 1) Lacaze-Duthiers, a. a. O. pag. 292 f. 2) „Vergleichende Anatomie der Vegetationsorgane“ pag. 26. 140 bildung im Allgemeinen keine Kraftanstrengungen, die nicht mittel- oder unmittelbar dem Organismus irgend welchen Vortheil eintrügen. Oft wird dieser „Vortheil* erst auf Umwegen gewonnen, z. B. bei den Blüthennektarien, deren Anziehungskraft auf Insecten erst durch die von letzteren besorgte Narbenbefruchtung für die Pflanze be- deutungsvoll wird, bei den isolirten, pollenähnlichen Zellen in den Blüthen mancher Orchideen, die als Lockspeise die blüthenbesuchen- den Insecten bis zu dem der Befruchtung harrenden Geschlechts- apparat hinleiten, ferner bei den extranuptialen Honigdrüsen, deren Fxerete bestimmte Ameisen beköstigen und die letzteren zur Ver- theidigung und Beschützung der nektarliefernden Pflanze gegen andere, blattzerstörende Ameisen veranlassen. Wie wird nun die Frage nach der Function und der Zweck- mässigkeit bestimmter Zellen oder Gewebe, die sich beim Studium der normalen Anatomie als so fruchtbar erwiesen hat, bei der Anatomie der anormalen Gewebe zu beantworten sein? Abweichenden anatomischen Befund lassen beispielsweise die verwundeten Pflanzenorgane oft erkennen. Der Wundkork, die Thyllen in den Gefässen verwundeten Holzes, die Verharzung von Baum- wunden u. s. w. sind Bildungen, die einerseits als anormal bezeichnet, andererseits als in hohem Grade zweckmässig ohne Weiteres er- kannt werden können. Bei ihnen ist — teleologisch gesprochen — die Heilung des beigebrachten Schadens, die Erhaltung des Organis- mus das Ziel der Organbildung. Haben wir aber ein Recht, diese Bildungen — Wundkork, Füll- zellen u. s. w. — als pathologische zu bezeichnen? — Diese Frage ist zum Theil eine Definitionsfrage, ihre Antwort wird davon abhängen, wie eng oder wie weit wir den Begriff des „Kranken“ fassen wollen. Nach der von Hartig') gegebenen Begriffsumgrenzung lassen sich alle Erscheinungen, „welche die Pflanze oder einen, wenn auch noch so kleinen Theil derselben zu vorzeitigem Absterben bringen“, als „Krankheitserscheinungen“ auffassen. Nun geht zwar bei der Vernarbung von Wunden kein Gewebe oder Gewebetheil zu Grunde; will man aber den Nachdruck darauf legen, dass Wund- kork u. s. w. erst entstehen, nachdem ein grösserer oder kleinerer Zelleneomplex zerstört worden ist, so liessen sich Bildungen der ge- nannten Art vielleicht als pathologische deuten. Gegen eine solche Auffassung scheint mir nun die Zweckmässig- keit der erwähnten abnormen Gewebe energisch zu protestiren. 1) „Lehrbuch der Baumkrankheiten‘“ II. Aufl. pag. 6. 141 Wundkorkbildung ist, eben weil sie Zweckmässiges entstehen lässt, keine „krankhafte* Erscheinung, sondern ein lHeilungsprocess. Dass alles Kranke nichts Zweckmässiges, dass alles Zweckmässige aber „gesund“ ist, braucht wohl nicht erst besonders bewiesen zu werden, denn der Satz enthält eigentlich nicht mehr als eine identische Gleichung. Nach meiner Ansicht sind Gewebe, welche für den sie erzeugen- den Organismus zweckmässig sind, zum mindesten alle diejenigen, deren Zweckmässigkeit sich nicht verkennen lässt, nicht als patho- logische Bildungen anzuspreehen. Die Prolificationen, die der Thallus der Meeresalgen und der Lebermoose nach Verletzung entstehen lässt, sind Ersatzbildungen, sind zweckmässig und daher keine patho- logischen Gebilde. Wundkork und ähnliche zweckmässig funetio- nirende Gewebe erheischen ihre Besprechung in der Lehre von der anormalen, nicht der pathologischen Anatomie. Die Begriffe abnorm und pathologisch sind weder identisch noch unlösbar mit einander verkettet. Wie sich hiernach von selbst ergibt, sind nur diejenigen Zellen und Gewebe Üegenstand der pathologischen Anatomie, die durch äussere Einflüsse verhindert werden, sich in einer für den Gesammt- organismus zweckmässigen Weise auszubilden, oder welchen durch ähnliche Einflüsse ihre Fähigkeit, zweckmässig zu functioniren, ganz oder theilweise abhanden kommt, oder welchen die Tendenz, zu zweckmässig functionirenden Gliedern des Pflanzenkörpers sich aus- auszubilden, von vornherein fehlt!). Solche Gewebe sind abnorm und pathologisch, weil unzweckmässig?). Zu ihnen rechne ich vor allem die Gallen. Nach allem, was uns bisher über die Gallen bekannt ist, ent- stehen mit ihnen Gewebe, die der Pflanze keinen Vortheil (directer oder indirecter Art) zu sichern vermögen. Schon diese negative Eigenschaft würde die Gallen hinreichend als pathologische Bildungen im angeführten Sinne charakterisiren, da ihre Entstehung einen grossen Kraftaufwand für die Mutterpflanze bedeutet und diese ein grösseres oder geringeres Quantum von Baustoffen hingeben muss, ohne dafür 1) Welcher von den drei genannten Fällen im Einzelnen gerade vorliegt, wird sich nicht immer leicht entscheiden lassen. 2) Ueber den Krankheitsbegriff (vergl. auch Sorauer, „Handbuch der Pflanzenkrankheiten“ I. Aufl. 1874 pag. 56): „Als eine Krankheit werden wir daher jede Störung des Organismus betrachten müssen, welche das Endziel seiner Arbeit, die Erfüllung seines Zweckes, benachtheiligt“, 142 entschädigt zu werden. Ferner finden wir aber auch positive Be- weise genug, dass die Gallenthiere der Mutterpflanze nur Gefahr und Schaden statt Nutzen bringen. Ich erinnere nur an die Ge- fahren der Reblauskrankheit, an die vielen Triebspitzengallen (Acro- ceeidien), welche der Entwickelung ganzer Sprosse ein Ende machen. Sehr auffällig ist ferner die Erscheinung, dass die gallentragenden Blätter sich vorzeitig verfärben oder wenigstens in unmittelbarer Nähe der Galle absterben. Jedenfalls ist also kein Mangel an Fällen, in welchen die inficirte Pflanze oder Theile von ihr vorzeitig unter der Einwirkung des Gallenthieres zu Grunde gehen müssen. Wenn wir oben sagten, dass die Gewebe der Gallen nichts für die Pflanze leisten, so ist erst die Hälfte zu ihrer Charakteristik gesagt. Auch die Gallen — und besonders die complieirten Cynipiden- gallen — sind in hohem Grade zweckmässig, aber das Zweckmässig- keitsziel liegt nunmehr ausserhalb der Pflanze: der gallenerzeugende Organismus, der Pilz, das Insect u. s. w. zieht den Nutzen aus den für ihn zweckmässig functionirenden Geweben der Galle. Gleichviel welcher Definition des Gallenbegriffes wir uns an- schliessen, stets werden wir Formen begegnen, bei welchen Zweifel an ihrer Gallennatur sich einstellen. Galle und „Nichtgalle* sind keine scharf umgrenzten Reiche: von den Nichtgallen zu den Gallen führen zahlreiche Uebergangsformen, die aller Definitionskunst spotten. Nicht schärfer ist die Grenze, welche sich zwischen den „abnormen‘“, aber für den Gesammtorganismus zweckmässig funetionirenden Geweben (Wundkork u. s. w.) und den „pathologischen“ Bildungen, welche dem sie erzeugenden Pflanzenorganismus Ausgaben verursachen, ohne ihn für diese zu entschädigen — den Gallen —, ziehen lässt. Auch hier gibt es Uebergänge genug, welche die scheinbar so verschiedenen Formengruppen einander nähern. Belegmaterial hierfür liefern uns die Gallen mit wenig compli- eirter Ausgestaltung, z. B. viele Pilzgallen. Wakker u. a.') haben über ihre anatomische Struktur zahlreiche interessante Einzelheiten veröffentlicht. Die Veränderungen, die durch Pilze im Gewebe der 1) Wakker, „Untersuchungen über den Einfluss parasitischer Pilze auf ihre Nährpflanze; Versuch einer pathologischen Anatomie der Pflanzen“. Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XXIV pag. 499. — Peglion, „Studio anatomico di alcune ipertrofie indotte dal Cystopus candidus“, Riv. patol. veget. Bd. I, 1892 pag. 265. — Fentz- ling, „Untersuchungen der Veränderungen, welche bei einigen Pflanzen durch Rostpilze hervorgerufen werden“. Dissert,, Göttingen 1892, — Molliard, „Üe- eidies florales“, Ann. d. Sc. Nat. Botanique, Serie VIII, T.I 1895 pag. 67. 143 Wirthspflanze hervorgerufen werden, sind zum grossen Theil nega- tiver Natur: Collenchym- und Sclerenchymbildung unterbleibt, Chloro- pbyll wird meist nicht entwickelt, Cambium und Gefässe bleiben oft unvollkommen. Wichtiger für uns ist die Anhäufung von transi- torischer Stärke, die in den pilzdurchwucherten Geweben regelmässig erfolgt, und durch weiche der Organismus der Wirthspflanze dem Gedeihen des Gastes Vorschub leistet. Hier ist schon der erste Schritt gethan, um pathologische, für den fremden Organismus vor- theilhafte Gewebe anzulegen. Andererseits sehen wir in diesem Falle noch klar ein, dass — teleologisch gesprochen — bei der Bildung dieser stärkereichen Gewebe seitens der Wirthspflanze eine für diese selbst vortheilhafte Gewebebildung wenigstens angestrebt wird, da durch sie eine Kräftigung der infieirten Theile, eine Heilung etwaiger Wunden, Regeneration etwaiger Verluste eingeleitet werden soll, in Wirklichkeit aber — so zu sagen unfreiwillig — der inficirte Organismus dem andern zu Hilfe kommt. Wird keine Zweckmässigkeit für die Wirthspflanze erreicht, so wird zum Mindesten eine solche angestrebt. Ungezählte Uebergangsformen verbinden die schlichten Gallen- formen der genannten Art mit den complieirten Produkten der Cynipiden, bei welchen den Bedürfnissen des Gastes mit raffinirter Peinlichkeit Rechnung getragen wird, und deren Einrichtungen für die Wohlfahrt des infieirten Pflanzenorganismus offenbar nichts mehr beitragen. Unter den Pilzgallen sind hoch organisirte Forinen dieser Art selten. Das interessanteste Beispiel ist vielleicht die von Solms- Laubach auf Polygonum chinense in Java beobachtete Galle des Ustilago Treubii!), durch welchen gewisse Gewebe der Wirthapflanze zu capillitinmähnlichem Geflecht umgeformt werden, welches die Sporenausstreuung unterstützt. Eine derartige „Umprägung“ ge- wisser Gewebe der Wirthspflanze zu einem „Organ“ des Parasiten ist für Pilzgallen nur von diesem einzigen Falle her bekannt. Um so häufiger ist sie bei den Zooceeidien, bei deren Ausbildung „der “ ganze Mechanismus in der Weise abläuft, dass es den Anschein hat, als ob die affieirte Pflanze von dem Gallenerzeuger dazu geknechtet würde, ein Gebilde nach seinem Willen zu schaffen“ 2). Die Mittheilungen der nachfolgenden Seiten sollen mit den ana- tomischen Charakteren der Thiergallen — und besonders der von In- 2 Solms-Laubach, „Ustilago Treubii*, Ann. d. Jard. Bot. d. Buitenzorg Bd. VI. pag. 79. 2) Herbst, a. a. O. pag. 850. 144 sekten erzeugten — etwas eingehender bekannt machen. Wir wollen mit ihnen den Entwurf zu einer physiologischen Anatomie der Gallen zu geben versuchen. Wir wollen uns dabei so eng wie möglich an Haberlandt’s'!) bekanntes Handbuch anschliessen, freilich werden wir in der Anordnung des Stoffes gelegentlich von ihm abweichen müssen. ?) A. Das Hautsystem. Diejenigen Gewebe eines Organes, welchen vorzugsweise die Aufgabe zufällt, die tiefer liegenden Zelllagen vor nachtheiligen, äusseren Einflüssen, vor mecha- nischen Eingriffen, vor allzu starker Transpiration u. =. w. zu schützen, fasst die physiologische Anatomie als Hautsystem zusammen). Bei seiner Besprechung wird vor allem an die Epidermis zu denken sein. Obschon diese den ver- schiedensten Functionen dienstbar werden kann, ist die Function des Haut- systems doch ihre wichtigste, weil verbreitetste. Die verschiedenen anatomischen Charaktere der Gallenepidermis, soweit sie als Hautgewebe functionirt, werden wir daher in erster Linie zu berücksichtigen haben. Den Korkgeweben, welche bei den Stammorganen der höheren Pflanzen eine grosse Rolle spielen, können wir für die Anatomie der Gallen keine grosse Bedeutung zuerkennen. Die verhältnissmässig kurze Lebensdauer der Gallen er- klärt diesen Mangel schon zur Genüge. Wir werden ferner mit denjenigen Anhangsgebilden der Epidermis uns zu beschäftigen haben, deren Function denjenigen des Hautgewebes entspricht. Haar- formen, die in den Dienst der Stoffspeicherung gestellt sind, oder mechanischen Zwecken zu dienen haben, werden wir in den betreffenden späteren Capiteln bei Besprechung des Speichersystems und des mechanischen Systems zu erwähnen haben. 1. Epidermis. Da wir das allgemein Gültige, was die als Hautgewebe fungirende Epidermis physiologisch-anatomisch kennzeichnet, hier nicht im Auszug wieder zu geben haben, sondern nur das, was die Gallenepidermis als Theil dieser pathologischen 1) Alle späteren Citate beziehen sich auf die zweite Auflage der „Physio- logischen Pflanzenanatomie* (Leipzig 1896). 2) Dass wir mit unserem „Entwurf“ über einen Versuch und eine sog. „VOr- läufige Mittheilung“ nicht hinauskommen können, liegt vor allem in der mangel- haften Kenntniss der ausländischen Gallen begründet. Gerade unter den tropischen Gallenformen scheinen die complieirtesten zu suchen zu sein, soweit meine Bekannt- schaft mit einer Reihe ausländischer Gallen allgemeine Schlüsse zu ziehen ge- stattet. Auch was den Reichthum und die Formenmannigfaltigkeit betrifft, scheinen den Schilderungen weit gereister Forscher zufolge die Tropen (Californien, Au- stralien u. 8. w.), die Vegetationsreiche der gemässigten Zone in Schatten zu stellen. -- Die grosse Zahl der immergrünen tropischen Gewächse wird den Reichthum der Tropen an Gallen mitbegründen und erklären helfen, Auch bei uns werden bekanntlich die perennirenden Gewächse ungleich mehr als die ein- jährigen von gallenerzeugenden Thieren heimgesucht. 3) Haberlandt a. a. O. pag. 92. 145 Gewebewucherungen charakterisirt und sie für die eigenthümlichen Aufgaben und Zwecke der Gallen als geeignet erscheinen lässt, erörtern wollen, müssen wir uns zunächst einen wichtigen entwickelungsgeschichtlichen Unterschied in Erinnerung bringen, der die Epidermisgewebe der Gallen in zwei wohlgeschiedene Gruppen bringt. Ueber die von Lacaze-Duthiers und die von Küstenmacher vor- geschlagene Eintheilung der Gallen in galles externes und internes bezw. freie und umschlossene Gallen habe ich oben schon kurz berichtet. Beide Male liegt der Eintheilung eben jener wichtige entwickelungsgeschichtliche Unterschied zu Grunde, von welehem wir vorhin sprachen. Die Epidermis der umschlossenen Gallen ist ein Abkömmling des normalen Dermatogens, (die Epidermis der freien Gallen ist ein Produkt des meristemähnlichen Gewebes, dus wir seit Beyerinck als Gallplastem bezeichnen. Aus dem ersten Capitel wird erinnerlich sein, dass die Epidermis im Allge- meinen durch den gallenerzeugenden Reiz nicht zu weitgehenden Veränderungen angeregt wird, dass die meisten galles internes Wucherungen und Modificationen des Meso- phylis bezw. der Rinde, des Markes u. se. w. darstellen, die von den nahezu unveränderten Epidermen umspsannt werden. Es lässt sich hiernach schon vermuthen, dass ihr Hautgewebe keine Charaktere aufweisen wird, die zu be- sonderer Besprechung nöthigten. Die Epidermis- zellen dieser Gallen unterscheiden sich meist nur durch ihren Umfang und oft durch schwächere Cuticula von den normalen. Die wichtigste Veränderung der Epidermis ist bei den galles internes die Haarbildung, auf die wir später noch zu sprechen kommen werden). Fig. 9. Epidermis der von Nematus Die Epidermis der galles externes zeigt gallarum erzeugten Weidengalle,. grosse Mannigfaltigkeit. Durch starke Cuti- Fig. 10. Epidermis der Galle von eularisirung und Membranverdickungen wird Andricus quadrilineatus. die Galle oft gleichzeitig vor allzu starkem Wasserverlust und .vor Verletzungen geschützt Fig. 9 zeigt die Epidermis einer Nematusgalle. Die einzelnen Zellen sind klein, ihre Aussenwände verdickt und und stark cutieularisirt. Die nächatfolgende Abbildung (Fig. 10) veranschaulicht die Epidermis der von Andricus quadrilineatus erzeugten Galle. Die Epidermis- zellen sind papillös vorgestülpt, ihre Aussenwände stark verdickt. Noch auf- fälliger in ihrem Bau ist die Epidermis einer Cynipidengalle von Quercus Wislizeni, die in Californien häufig zu sein scheint2). Die Galle, deren Erzeuger mir bisher nicht bekannt geworden ist, fällt durch ihre rothe Farbe und ihre morgenstern- 1) Es sind mir bisher keine umschlossenen Gallen bekannt geworden, bei deren Bildung beispielsweise aus normal einschichtiger Epidermis eine mehr- schichtige, als Hautgewebe functionirende Epidermis geworden wäre. 2) Proben von dieser und anderen californischen Gallenformen verdanke ich der Güte des Herrn Dr. Behr. 146 artige Form auf. Der rundliche Körper, den etwa zehn bis fünfzehn spitze Stacheln umstarren, misst nur wenige Millimeter im Durchmesser und enthält eine von reich modifieirtem Gewebe umschlossene Larvenkammer. Die einzelnen Zellen sind ziemlich gross, ihre Aussen- und Seitenwände stark verdickt und zwar derart, dass das Zelllumen nach oben kegelförmig zugespitzt erscheint (vergl. Fig. 15). Man könnte sich vielleicht die Frage vorlegen, ob nicht für dir Gallen ein kräftig entwiekeltes Hautgewebe insofern von besonderer Bedeutung sein müsste, als durch dieses (len Parasiten und Inquilinen der Eintritt in die Gallengewebe erschwert würde. Die anatomische Beschaffenheit der meisten Gallenepidermen lässt jedoch annehmen, dass diese zum Schutz gegen ungebetene Gäste nicht aus- reichen, und dass die widerstandsfähige Gewebeschicht erst in tieferen Lagen zu suchen ist. Gleichwohl macht die Epidermis der letztbeschriebenen Gallenart es wahrscheinlich, dass gelegentlich auch das Hautgewebe der Gallen bereits wirksamen Schutz gegen fremde Insekten gewähren kann. Eines besonderen Schutzes gegen allzu starke Transpiration werden offenbar diejenigen Gallen bedürfen, die zu einer bestimmten Zeit sich von der Mutter- pflanze ablösen und fern von dieser auf dem Erdboden ihre weiteren Entwicke- lungsstadien durchmachen müssen. So lange die Gallen noch an ihrer Entsteh- ungsstelle, an dem gallentragenden Pflanzenorgan festhaften, kann von diesem ihr Wasserverlust wieder gedeckt werden. Sobald die Ablösung erfolgt ist, oder nach dem Tode des gallentragenden Pflanzentheiles wird die Herabsetzung der Transpiration doppelt nothwendig werden. Die Gallen, welche von der Mutter- pflanze sich ablösen, oder dieses überleben — ich erinnere an die verschiedenen Linsengallen der Eiche, an die Nematusgallen der Weiden —, sind in der That durch ein zweckmässig gebautes Hautsystem in Stand gesetzt, auch trockene Perioden zu überdauern, während Gallen, wie die von Dryophanta folii erzeugten und viele andere auf die ununterbrochene Wasserzufuhr seitens des gallentragen- den Pflanzenorgans angewiesen sind, und abgelöst von diesem sofort zu welken beginnen. Die Epidermiszellen der Gallen führen oft farbigen Gerbstoff. Wie wir aus Küstenmacher’s Untersuchungen wissen, enthalten die äusseren Gewebe- schichten der Gallen reichliche Mengen dieses Stoffes und zwar von innen nach aussen in steigender Reichlichkeit. Bei vielen „freien Gallen“ und auch bei manchen „umschlossenen“ sind die obersten bezw. äussersten Gewebelagen bereits zum „mechanischen Gewebe“ ge- schlagen. Bei Gallen dieser Art wird demnach von einem wohl charakterisirten Hautgewebe nicht die Rede sein können. 2. Kork. Kork als Hautgewebe gehört bei den Gallen meines Wissens zu den Selten- heiten. Verkältnissmässig üppig finden wir ihn an der Galle von Neuroterus numismatis entwickelt, deren charakteristische Form in Fig. 17 B veranschaulicht wird, Die Galle wird an ihrem Rande durch dichten, seidenähnlichen Haarbelag geschützt, auf dem mittelsten hasrfreien Theil der Oberseite übernimmt mehr- schichtiger, zartwandiger Kork dieseibe Function, der am Rand der Galle durch den Haarbelag Genüge geschieht). 1) Abbildungen des Korkgewebes siehe Küstenmacher.a.a. 0. Tab. NR, Fig. 32. — Fockeu, „Contribution & P’histoire des Galles“, Lille 1889, pag. 50 147 Borkenbildung ist bisher nur für wenige Gallen (Aptera- und Radieis- gallet) bekannt geworden. 3, Trichome. Im vorliegenden Abschnitt werden wir uns mit denjenigen Haaren zu be- schäftigen haben, die durch ihre Function die Zugehörigkeit zum Hautsyatem beweisen. Diejenigen Triehome, welche mechanische Functionen haben, die als Speicherorgane dienen, für Durchlüftung zu sorgen haben u. s. w., bleiben für spätere Capitel vorbehalten. Wir sagten bereits, dass in der Bildung von Trichomen oft die auffälligste Wirkung des gallenerzeugenden Reizes auf die Epidermis der inficirten Pflanzen- organe beruht. Die normale Behasrung kehrt auf den Gallen nicht selten in verstärktem Maasse wieder, — ich nenne als Beispiel die Galle von Nematus bellus (an Weidenblättern), die Sprossgipfeldeformationen an Thymus, Veronica u. s. w. Auch freie Gallen mit eigener Epidermis tragen oft ein dichtes Haarkleid, das einen wirksamen Schutz gegen allzu hohe Transpiration darstellt, so z B. die Gallen von Neuroterus lanuginosus und Hormomyia piligera, die mit zweiarmigen Haaren ausgestattete Galle des Neuroterus numismatis und die durch Sternhaare gekennzeichnete des N. lenticularis. — In allen genannten Fällen handelt es sich um spitze, starkwandige, einzellige Haare — bei den Sternhaaren um einzellige Componenten. Als Erinea oder Filzgallen werden verschiedene Missbildungen zusammen- gefasst, deren Trichome — wenn wir physiologische Gesichtspunkte als mass- gebend betrachten — durchaus verschiedenartige Gebilde darstellen. Einen dichten Belag von Haaren, welchen lediglich die Functionen des Hautgewebes zuzuschreiben sind, finden wir beispielsweise beim Erineum Juglandis. Ihm ver- gleichbar ist die interessante Filzgalle von Aextoxicon punctatum, dessen Schild- haare unter der Einwirkung von Gallmilben vermehrt werden und in dichten, polsterförmigen Rasen beisammen stehen?). Filzgallen, wie die des Weinstocks oder der Linde, deren schlauchförmige einzellige Haare einen seidenartig glänzenden Belag auf der infieirten Blattunter- seite bilden, vertreten einen anderen Typus. Ihr deutlicher, wenn auch geringer Gehalt an Stärke und anderen Nährstoffen lässt zwar nicht zweifeln, dass sie auch als Speicherzellen dienen. Ich ziehe gleichwohl vor, sie an dieser Stelle bereits 1) Beyerinck, „Beobachtungen“ pag. 64. 2) Herr Dr. Neger hatte die Freundlichkeit, mir Material von dieser eigenthümlichen Galle aus seinen chilenischen Sammlungen zur Verfügung zu stellen. Ausser dem bereits Mitgetheilten interessirt uns an ihr, dass auch die Blattoberseite von dem gallenerzeugenden Reiz merklich affieirt wird. An den nämlichen Stellen, welche blattunterseits von grösseren oder kleineren, halbkugel- förmigen Rasen bedeckt sind, nimmt man oben bräunliche Flecken wahr, die unter dem Mikroskop als ähnliche, aber flache Schildhaarzonen zu erkennen sind. Ich glaube hierin einen besonders drastischen Beweis für die von Appel aus- gesprochene Auffassung zu finden, nach welcher jeder Erineumrasen in seiner Gesammtheit als einheitliches Reizfeld und zusammengehörige Galle zu deuten ist. (Appela. a. O. pag. 41.) 148 zu nennen. Der dichte Haarbesatz wirkt meines Erachtens vor allem als schützende Decke für die gallenerzeugenden Phytopten. Bringt man mikroskopische Präparate eines solehen Erineum auf dem Objectträger in einen Tropfen Wasser, so wird zwischen den Haaren so viel Luft capillar festgehalten, dass die Untersuchung sehr erschwert wird. Vielleicht liert in diesem Schutze, den auch in der Natur die Haare dieser Art den Gallenthieren bringen werden, ihre wesentlichste Be- deutung. Auch manche andere Erineen, die ich hier ungenannt lasse, wirken ähnlich als schützende Decke, doch glaube ich besser zu thun, wenn ich ihre Besprechung für spätere Gelegenheit mir vorbehalte. Der Eingang von Beutelgallen, wie der auf vielen unserer einheimischen Waldbäume häufigen Cephaloneongallen, ist meist durch Trichome verschlossen, die ebenfalls in diesem Zusammenhang besprochen werden können. Aehnlich wie die Haare in Blumenkronenröhren!) verwehren sie „ungebetenen Gästen‘ den Zutritt zum Galleninnern, ausserdem erschweren sie den Luftaustausch zwischen innen und aussen, so dass die Transpiration für die innere Gallenwand herab- gesetzt wird. In dieser Beziehung lassen sie sich mit den Haaren der Rollblätter von Empetrum u. a. vergleichen, welche den Spalt zwischen den beiden Blatt- rändern verengern helfen?). B. Das Durchlüftungssystem. „Das Durchlüftungssystem besteht in der Regel bloss aus lufterfüllten Inter- cellularräumen, welche ein zusammenhängendes System bilden und ihrer Funetion entsprechend alle übrigen Gewebe, die auf einen Gaswechsel der Athmung oder specieller Aufgaben halber Anspruch erheben, durchziehen und durchdringen. Dazu kommen dann die mannigfach gestalteten Ausganssöffnungen des Systems, die Pneumathoden; .... wenn es sich um die Ausbildung grösserer Luftreser- voeire handelt, wird die Herstellung intercellularer Durchlüftungsräume zur alleinigen Aufgabe oder wenigstens zur Hauptfunction einer ganz bestimmten Gewebeart, die man als Durchlüftungsgewebe oder Aörenchym bezeichnen kann“ 3). a) Ueber die Pneumathoden der Gallen hat Küstenmacher‘) eine Reihe von Beobachtungen zusammengestellt, auf die ich mehrfach zu verweisen haben werde. Umschlossene Gallen, welche die Epidermis unverändert oder nahezu unver- ändert von der Mutterpflanze übernehmen, zeigen auch hinsichtlich der Spalt- öffnungen nichts Bemerkenswerthes. Bei vielen Pilzgallen, bei den Pocken u. 8.W. gleichen die Spaitöffnungen der Gallen den normalen, — wir dürfen daher ohne Weiteres uns den freien Gallen zuwenden, deren abweichende Struktur hinsicht- lich der Epiderntis auch ähnliche Befunde betreffa der Spaltöffnungen erwarten lässt. Wichtig erscheint vor allem, dass bei zahlreichen Gallen die Spaltöffnungen ihr Schliessvermögen verlieren und zu Luftspalten werden, welche permanent geöffnet bleiben. An den Gallen von Dryophanta folii, Dr. divisa, Dr. longi- ventris u. a. konnte Küstenmacher feststellen, dass die mit den Spitzen an 1) Beispiele siehe in Kerner, „Pflanzenleben‘“ Bd. II pag. 239. 2) Solereder, „Systematische Anatomie der Dicotyledonen“ pag. 900. 3) Haberiandt, a. a. O. pag. 376. 4) a. a. O. pag. 181. 149 einander stossenden Schliesszellen an den Berührungswänden getüpfelt werden, „die Wände werden resorbirt, und so erscheinen die beiden Schliesszellen später als Ringzelle, welche weniger zum Schluss als vielmehr zur Aussteifung des Luftweges dient“, Aehnliche, dauernd geöffnete Pneumathoden finden sich nicht nur an den von Küstenmacher genannten Cynipidengallen, sondern auch an den weit einfacher gebauten Gallen der Nematuswespen und vermuthlich auch an freien Gallen anderer Art, Zweifellos hängt diese Pneumathodenform mit dem Luft- bedürfniss der Gallen aufs engste zusammen. Wenigstens bei denjenigen Gallen, die im Gegensatz zu den Beutelgallen eine allseits geschlossene Larvenkammer enthalten, muss für möglichst schnelle und gründliche Durchlüftung der Galle Sorge getragen werden, damit sowohl die Gewebe der letzteren, als auch besonders die Bewohner der Galle hinreichend mit Luft versehen werden. — In jedem Falle ist die Luftversorgung zum Zwecke der Athmung die Hauptsache, da die Assimi- lationsthätigkeit der Gallengewebe im Allgemeinen eine sehr geringe ist. — Wir werden hierüber später noch eingehendere Mittheilungen zu machen haben. Eine weitere häufige Erscheinung ist, dass die Pneumathoden auf kleinen Gewebesockeln liegen. Mit den auf schlanken, hohlen Gewebesäulen liegenden Spaltöffnungen der Burseraceen!), Cucurbitaceen u. a. dürfen sie freilich nicht verglichen werden. Es handelt sich bei ihnen vielmehr nur um Entwickelung eines lockeren Gewebecomplexes unterhalb der Luftspalten, durch welche die letzteren etwas gehoben werden. An verschiedenen Eichen- und Weidengallea sind diese Protuberanzen deutlich wahrzunehmen. Sie machen gleichzeitig eine bequeme Zählung der Gallenpneumathoden möglich. Verglichen mit Blättern oder Stengeln scheinen die Gallen relativ pneumathodenarme Organe zu sein. Die Luftspalten sind übrigens nicht die einzigen Pneumathoden der Gallen. Auch Lenticellen treten gelegentlich auf. An verschiedenen Nematusgallen der Weiden sind sie meist sehr deutlich, Die Luftspalten gehen nebst den anliegenden Theilen der Epidermis bald zu Grunde, und unter ihnen entwiekeln sich grosse rundliche Lenticellen, die den Gallen zuweilen ein recht charakteristisches Aus- sehen geben. Besonders gross und zahlreich sind die Lenticellen der Gallen von Nematus gallarum an Salix grandifolia. — An dem Theil der Galle, welcher der Oberseite des Blattes angehört, liegen meist ein oder zwei besonders grosse Lenticellen (Nematus bellus). Bei längerem Aufenthalt in feuchter Luft entwickeln die Lenticellen umfang- reiche Aörenchymwucherungen, über deren Entstehungsbedingungen ich das von Tubeuf?) Gesagte bestätigen kann. Küstenmacher hat bei verschiedenen Gallen Lücken in der Epidermis gefunden, die er als Kohlensäurespalten bezeichnet. „Die Kohlensäure- spalten sind einfach aus einander getretene Epidermiszellen, zwischen welchen der Intercellularraum nach aussen mündet. Sie haben meist ein geringes Lumen und liegen an Punkten, wo mehrere Zellen mit den Ecken zusammenstossen. Die obere Oeffnung ist meist dreieckig. 1) Solereder, a. a. O. pag. 217. j 2) Tubeuf, „Ueber Lenticellenwucherungen u. 3. w.“, Forstl,-Naturwiss. Zeitschr. 1898, pag. 405. Flora 1900. 11 150 „Ich habe sie Kohlensäurespalten genannt, weil ich sie mir durch inneren Druck in einem von anderen Luftwegen zu weit entfernten Intercellularraum durch frei gewordene Kohlensäure entstanden denke“.1) — Ich begnüge mich mit diesem Citat, da ich mich eines eigenen Urtheils über die Kohlensäurespalten ent- halten muss. Auch Poren in den Membranen können unter Umständen Pneumathoden- function haben. Nach Küstenmacher gestatten die Poren der äussersten Wurzelschicht, welche bei gewissen Gallen nach Beseitigung der äussersten Zell- schicht die Epidermis ersetzt, den Luftaustausch. „Die Siebhaare der Cecidomyia Galii, das normale Büschelhaar von Hiera- cium und die Haare der Ferrugineagalle sind — nach Küstenmacher — Organe, welche die Luft in das Innere der Zellen bringen können‘, ?) b) Im Allgemeinen sind die Gewebe der Gallen sehr locker gebaut, also reich an Intercellularräumen, deren Luftgehalt bei der mikroskopischen Unter- suchung häufig störend wirkt. Der lockeren Gewebe unter den Luftspalten mancher Gallen geschah bereits Erwähnung. Typische Durchlüftungsgewebe, deren Hauptfunction die eines Luftreservoirs ist, sind aber — wenigstens bei den bisher untersuchten Gallen — ziemlich selten. Als Y = Beispiele mögen die folgenden wenigen Fälle genügen. Die Galle von Aulax Hieracii lässt auf dem Quer- schnitt weisse Flecken erkennen, die uns auf das Vor- handensein meridional verlaufender Gewebestreifen aufmerk- N sam machen, die wir als typische Luftreservoire oder Durchlüftungsgewebe ansprechen können, Die Gallen von Andricus quadrilineatus, die durch weisse, oberflächliche Leisten gekennzeichnet werden, be- sitzen in diesen ebenfalls typische Durchlüftungsgewebe. Die besagten Streifen bezeichnen den Verlauf der Gefäss- bündel, Die Form der einzelnen Zellen zeigt in beiden Fällen nichts besonderes: es handelt sich bei ihnen um zart- wandige, isodiametrische Parenchymzellen, deren Gestalt keine besondere Anpassung an die Funetion erkennen lässt. Doch kennt auch die Gallenanatomie Analoga für jene normal angelegten Burech- lüftungsgewebe, bei welchen durch die Form der Zellen schon ihre Function an- gedeutet wird). Bei vielen Cynipidengallen sind die äussersten Gewebelagen (abgesehen von der Epidermis) als Durchlüftungsgewebe ausgebildet. Es handelt sich dabei um ein oft viele Zelllagen mächtiges Sternparenchym, dessen einzelne, fünf- bis zehn- armige Zeilen meist überaus unregelmässig gestaltet sind. Fig. 11 stellt einige Zellen aus dem Durchlüftungsgewebe der Kollarigalle dar. Der Körper der Zellen ist meist verhältnissmässig gross, die Arme sind an Zahl, Länge und Fig. 11. Einige Zellen aus dem „Durch- lüftungsgewebe‘‘ der Kollarigalle. 1) Küstenmacher, a. a. O pag. 181, Taf. VII, Fig. 20a. 2) Derselbe, a. a. O. pag. 182, Taf. VII, Fig. 21, 25, 26. 3) Vergl. über normale Durchlüftungsgewebe Schenck, „Ueber das Aörenchyu u. 8. w.“, Jahrb. f. wiss. Botanik Bd. XX, pag. 526. 151 Lumenweite sehr verschieden. Aehnliche Gewebe wie in der Kollarigalle finden sich in der von Cynips argentea erzeugten u.a.m. — Viel weniger deutlich ist das Durchlüftungsgewebe bei den Gallen von Dryophanta folii u. a. ausgebildet, die einzelnen Zellen stehen viel diehter neben einander, ihre Arme sind zu un- scheinbaren Spitzchen redueirt. Bei der Kollari- und Argenteagalle verholzen die Zellen des Durchlüftungs- gewebes zur Zeit der Gallenreife, Bei manchen Gallen sind die Zellen dieses Gewebes reichlich getüpfelt. Ob diese Tüpfel als Athmungsporen dienen können, mag dahin gestellt bleiben. C. Das Assimilationssystem. Chlorophyliführende Zeilen und Gewebe sind bei den Gallen weil verbreitet. In den Zellen vieler Erineen, z. B. bei der Filzgalle des Ahorns u. a.l), sind Chlorophylikörner häufig, viele Beutel- und Kammergallen geben durch ihre blass- grüne Färbung schon hinreichend Auskunft über ihren Chlorophyligehalt u. s. w. Der Gehalt an Blattgrün ist in weitaus den meisten (allen zwar unver- kennbar, aber verhältnissmässig so spärlich, dass wir keine bedeutenden physio- logischen Leistungen von ihm erwarten dürfen. Jedenfalls ist die Chlorophyll- armuth bei den meisten Gallen auffälliger als ihr Chlorophyllgehalt, umsomehr als viele Gallen aus Blättern hervorgehen, also aus denjenigen Organen, in welchen der Regel nach die Chlorophyliproduktion am lebhaftesten vor sich geht, und für welche die Assimilation die massgebende Function ist. In denjenigen Zellen des infieirten Pflanzenorgans, welche der Gallenreiz zum Wachsthum anregt, wird die Vermehrung der Chlorophylikörner offenbar sistirt oder zum Mindesten hält ihre Vermehrung nicht gleichen Schritt mit dem Wachsthum der Zellen. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass der gallenerzeugende Reiz hemmend auf die Chlorophylibildung einwirkt. Die Chlorophyllarmuth ge- hört zu den wichtigsten Eigenschaften der allermeisten Gallen. Von typischen „Assimilationszellen“ im Sinne Haberiandt's?) können wir im Allgemeinen bei ihnen nicht sprechen. Dieses die Regel; Ausnahmen von ihr sind mir in zweifacher Form bekannt. Bei Bildung mancher Gallen bleiben gewisse Theile des assimilirenden Blatt- gewebes unverändert und für den Assimilationsdienst reservirt. Bei der Fenster- galle des Ahorns (vergl. Fig. 1) werden meist nur die unteren Schichten des Blattmesophylis zu den eigenartigen eiweissreichen, chlorophyliarmen Zeilen um- gebildet, von welchen bei Besprechung des Speichersystems näher die Rede sein wird. Die der oberen Epidermis unmittelbar angrenzenden Zellen des Palissaden- gewebes bleiben nahezu unverändert. Noch auffälliger ist dasselbe Prineip in der bereits erwähnten Banisteriagalle (Fig. 8) durchgeführt. Lediglich die Epidermis und die oberste Palissaden- schicht entgehen den Wirkungen des gallenerzeugenden Reizes. Die nächst- folgenden inneren Zelllagen liefern nach wiederholter Zelltheilung und energischer Sclerose die couche proteetrice. Die oberste Schicht des Palissadenparenchyms fungirt als Assimilationsgewebe. 1) Vergl. die Angaben in Zeitschr. f. wiss. Zool. (Bd. XIV, 1864 pag. 353) von Landois. 2) a. a. Ö. pag. 227. 11% 152 Ich begnüge mich mit der Beschreibung dieser beiden besonders lehrreichen Gallenarten; an Uebergangsformen zwischen diesem Typus und dem der zuerst besprochenen, chlorophyllarmen Gallen ist natürlich kein Mangel. Principiell etwas ganz Neues bieten uns diejenigen Gallen, bei welchen der gallenerzeugende Reiz eine Vermehrung des assimilirenden Gewebes, eine Steigerung der Chlorophyliproduktion herbeiführt. Unter den mir bekannten Gallen ist das auf Weiden häufige Produkt des Nematus Vallisnerii das beste Beispiel für diesen neuen Typus des Assimilations- gewebes. Durchbricht man eine Galle dieser Art, so fällt schon bei makro- skopischer Prüfung der umfängliche, tiefgrüne Gewebecompiex in ihrem Innern auf. Mikroskopische Präparate lehren, dass die äussersten Zelllagen aus palissaden- ähnlich gestreckten, wasserhellen Zellelementen bestehen und dass auf Jiese ein stark entwickeltes Assimilationsparenchym folgt, welches an Mächtigkeit das der normalen Blätter um ein Mehrfaches übertrifft. Auch die Galle von Nematus vesicator darf als besonders chlorophylireich bezeichnet werden. Desgleichen sind Gallbildungen wie die an Crataegus Oxy- acantha auftretenden Blattemergenzen u. s. w. auf lebhafte Vermehrung des Assimilationsgewebes — ohne Funetionsveränderung desselben — zurückzuführen. Wollten wir noch einen Schritt weiter gehen, so kämen wir zu dem Fall, dass Chiorophyli nach Einwirkung des gallenerzeugenden Reizes in Geweben produeirt wird, welche normaler Weise chlorophyllfrei bleiben. Ich verweise hier noch einmal kurz auf die Erineumhaare, welche aus farblosen Epidermiszellen hervorgehen und erinnere ausserdem noch an eine weit verbreitete Art von Gallen, die übrigens bereits jenseits der Grenzen unseres Themas liegen und nicht mehr als Hypertropkien oder progressive Bildungen angesprochen werden können. Blüthenvergrünungen — um diese kann es sich hier nur handeln — werden durch Pilzei), Phytopten?), Aphiden®), ja sogar durch Cynipiden®) erzeugt. Wir begnügen uns hier mit ihrer Erwähnung. Auf Grund der verschiedenen Ausbildung des Assimilationsgewebes liessen sich alle Gallenbildungen in eine Reihe ordnen, die mit chlorophylireichen Gallen 2. B. der des Nematus Vallisnerii, begänne und über die verhältnissmässig chlorophyllarmen Gallen der ulmenbewohnenden Schizoneura- und Tetraneura- arten, die verschiedenen beutellörmigen Phytoptusgallen, die erwähnte „Fenster- galle“ u. 8. w. zu den hoch organisirten Cynipidengallen führte, wie der des Neuroterus laeviusculus, Dryophanta follii u. a, bei welchen man kaum noch nennenewerihe Chlorophylimengen finden kann. Gallen der letzgegenannten Art leben zweifellos völlig parasitisch auf der Mutterpflanze, Gallen wie die des Nematus Vallisnerii leben entweder völlig „auf eigene Kosten“ oder liefern doch zum Mindesten durch eigene Assimilationsthätigkeit einen wesent- lichen Beitrag zur Ernährung ihrer Gewebe und ihrer Bewohner. Vielleicht lassen auf experimentellem Wege sich Fragen dieser Art der Lösung näher bringen. 1) Molliard, „Cecidies Horales“ a. a. O. 2) Vergl. Frank a. a OÖ. pag. 66. — Thomas, „Aeltere und neue Be- obachtungen über Phytoptoceeidien“, Zeitschr. f, d. ges. Naturwiss. Bd. 49, 1877. 3) Peyritsch, „Zur Aetiologie der Chloranthieen einiger Arabisarten‘, Jahrb. f. wiss. Bot. XII, pag. I u. a, 4) Beyerinck. „Beobachtungen u. 5. w.* pag. 58. 153 Der verschiedene Grad der Selbständigkeit bezw. Unselbständigkeit in Fragen der Ernährung gestattet, die Gallen mit den Schmarotzerpflanzen und „Halb- schmarotzern“ zu vergleichen. Ein Vergleich der Gallen mit Parasiten wird um so eher angängig sein, als die Bildung der Gallen/und ihre Erhaltung Vorgänge sind, aus weichen lediglich die fremden Organismen Nutzen ziehen. — Sollte sich ergeben, dass die Galle des Nematus Vallisnerii oder andere nach Entwicke- lung des Assimilationsgewebes durch die Thätizkeit des letzteren für sich und ihre Bewohner alles Erforderliche zu schaffen, vermögen, 80 wäre in ihnen ein Typus von Gallen gefunden, welcher einen Vergleich mit den Epiphyten in mancher Beziehung statthaft machen würde. D. Das mechanische System. Die zu mechanischen Funetionen bestimmten Gewebe der Gallen stellen ein 80 wohl charakterisirtes Gewebesystem dar, dass schon Lacaze-Duthiers den allen mechanischen Geweben gemeinschaftlichen Charakter erkannte und diesen auch im Namen der von ihm als couche protectrice bezeichneten Schicht zum Ausdruck brachte. Verglichen mit der Ausbildung des mechanischen Systems im normalen Pflanzenkörper werden die mechanischen Gewebe der Gallen zweifacher Art sein können: entweder übernehmen die Gallen ihre mechanischen Gewebe von dem sie erzeugenden Pflanzenorgan, oder sie produciren ein eigenes Gewebe dieser Art, Daneben fehlt es nicht an Gallen, welche völlig frei von mechanischen Ge- weben sind. Die galles externes als die höchst organisirten Formen lassen nur selten die mechanischen Gewebe gänzlich vermissen, so z. B. die Nematusgallen der Weiden — N. bellus, N. gallarım u. s. w. Bei den galles internes fehlen die mechanischen Elemente häufiger. Wir müssen hierbei zwei principiell verschiedene Fälle unterscheiden. Zur Bildung der Galle ist entweder ein Pflanzenorgan verwendet worden, dem mechanische Gewebe normaler Weise fehlen, und der gallenerzeugende Reiz hat nicht zur Bildung eines solchen den Anstoss gegeben, -- oder es handelt sich um Pflanzen- organe, welche normaler Weise Selerenchym und Collenchym entwickeln, bei welchen aber durch den Gallenreiz die Bildung dieser Festigungsgewebe unter- drückt worden ist. Als Beispiele für den zuerst genannten Fall können uns viele einfach gebaute Gallen dienen, wie die Pocken, die Filzgallen, Emergenzeugallen, die Fenstergalle des Ahorns u. 8. w. Den zweiten Typus veranschaulichen wir uns ebenso deutlich an vielen Pilzgallen, in welchen nach den Untersuchungen Wakker’s u. a. (s. 0.) Sclerenchym und Collenchym nicht zur Entwickelung kommen oder zum Mindesten auffallend spärlich bleiben, wie an verschiedenen Thiergallen, z. B. den von einer Blattlans, Schlechtendalia, erzeugten sogenannten „Chinesischen Galläpfeln“, umfänglichen Achsen- und Knospendeformationen, die auch nicht die spärlichsten Rudimente von mechanischen Geweben in sich auf- finden lassen (vergl. Fig. 3). Viele Gallen, die mit mechanischen Geweben ausgerüstet sind — z.B. viele Stengelschwellungen u. dergl. —, übernehmen diese unverändert von der Mutter- pflanze. Die „pathologische Anatomie* kann hier wiederum auf die Lehre vom normalen Pflanzenkörper verweisen, und ohne uns bei Gallenformen dieser Art lange aufzuhalten, gehen wir nunmehr zu denjenigen Formen mechanischer Gallen- 154 gewebe über, die erst durch den gallenerzeugenden Reiz zur Entstehung kommen, oder durch diesen erst ihre endgültige Form erhalten. 1. Die mechanischen Zellen. Das wichtigste von dem, was sich über die einzelnen mechanisch wirksamen Zellelemente aller Gallen sagen lässt, fassen wir in einem Satze kurz zusammen: Der gallenerzeugende Reiz gibt nur zur Bildung von Sclereiden Anregung; Stereiden werden nicht entwickelt. & M ur \ N a II LS sa Fig. 12. Querschnitt durch eine unbestimmte Cynipidengalle von Quercus Wis- lizeni. Tr. diekwandige Trichome, E. Epithem. Bei secundären Bildungen, wie es die Gallen sind, kann der Mangel an Stereiden schliesslich nicht befremden. Das mechanische Gewebe zur 2&0y7» ist der Stereidenverband; die Sclerenchymzellen haben oft den Charakter eines secun- dären Ergänzungsmaterials: bei dem „gemischten Ringe“, der die Rinde vieler Dicotyledonen charakterisirt, treten zu den Bastfasergruppen als secundäres Com- plement die Sclerenchymzellen oder Brachysclereiden hinzu. Andererseits wird bei den hochorganisirten Cynipidengallen das Fehlen der Bast- oder Libriformfasern 155 nicht a priori schon zu erwarten sein, da das Gallplastem Gefässe, Tracheiden und die verschiedensten anderen Gewebselemente zu liefern im Stande ist. Innerhalb der Grenzen, welche durch den strenge inne gehaltenen Sclereiden- charakter der mechanischen Zellelemente ihrer Form gezogen sind, finden wir immerhin noch eine reichliche Abwechslung. Die Sclereidenzellen sind entweder isodiametrisch, rund)ich, oder anisodia- metrisch, also palissadenförmig gestreckt, Palissaden- oder stabförmige Sclerenchymzellen, sind aus der normalen Ana- tomie — besonders aus der Anatomie der Rinden, Früchte und Samen — wohl bekaunt. In derselben Form wie in diesen finden wir sie vielfach in den Gallen wieder, z. B. bei der Buchengalle von Hormomyia piligera, deren mechanischer Mantel aus mehreren Schichten stark sclerosirter, mit ihrer Längsachse tangen- tial orientirter „Stabzellen® besteht. — Als „Palissadensclerenehym“ werden wir mit Haberlandt!) diejenigen mechanischen Gewebe bezeichnen, deren stabförmige Zellen senkrecht zur Oberfläche des betreffenden Organs orientirt sind. Gewebe dieser Art finden wir beispielsweise in der von Hormomyia fagi erzeugten Galle, mehr oder weniger deutlich auch in der couche protectrice mancher Eichen- gallen u. s. f. Besonders interessant ist diejenige Form des Valissadenscleren- ehbyms, bei welcher das Palissadenparenchym des Mesophylis, durch den gallen- erzeugenden Reiz zur Sclerose angeregt, dadurch bereits zum mechanischen Gewebe der Galle geworden ist (vergl. Fig. 7B). Wir werden nieht irre gehen, wenn wir für alle Gallen, welche ein Palissadenselerenchym dieser Art uufzu- weisen haben, eine relativ späte Entstehung annehmen, d. h wenn wir ihre An- lage in die Zeit verlegen, zu welcher bereits eine Differenzirung des Blattgewebes eingetreten war. Bekanntlich entstehen auch hoch organisirte Gallen mit weit- gehender histologischer Ausgestaltung vielfach an bereits differenzirtem Gewebe. Fig. 12 stellt das Längsschnittbild einer Cynipidengalle von Quereus Wis- tizeni dar. An der inneren Gallenwand finden wir Selereiden, deren langgestreckte Form fast an echte Bastfasern erinnert. Der Verband der einzelnen Zellen, der eine prosenchymatische Verzahnung vermissen lässt, beweist, dass wir auch hier es mit echten Selereiden zu thun haben. Die isodiametrischen Zellen der mechanischen Gallengewebe lassen in der Wandstärke, in der Porosität ihrer Membranen, im Grad der Verholzung ı. s. w. bereits mancherlei Unterschiede erkennen; wichtiger sind für uns diejenigen Unter- schiede, die durch ungleichmässige Verdiekung der Zellmembranen zu Stande kommen, Ein bei Eichengallen sehr häufiger Fall ist der, dass die isodiametrischen Zellen des mechanischen Gewebes nur einseitig verdickt sind, wobei der zart- wandige Theil der Galle bald nach aussen (Andrieus quadrilinestus, Dryophanta folii, Dr. divisa u. a.) bald nach innen (Linsengallen der Eiche, Cynips lignicola u. a. vergl. Fig. 13) zu liegen kommt. — Zellen ähnlicher Art sind aus der normalen Anatomie schon bekannt, besonders auffällig sind die Scelereiden im mechanischen Ringe der Fıaurineen, die an der Aussenseite dünnwandig geblieben sind?), Aechn- liche Verhältnisse sind auch für verschiedene Gruppen der Rosaceen nachge- wiesen), 1) a. a. O. pag. 142. 2) Solereder, a. a. O. pag. 796. 3) Solereder, a. a. O. pag. 348. 156 Welcher Function diese halbseitig verdickten Zellen im „gemischten Ringe“ wohl obliegen mögen, ist bisher nicht ermittelt worden. Bei den Gallen ist es wenigstens für einige Fälle durch Beyerinck sicher gestellt, dass die dünn- wandigen Theile der besagten Zellen im Verlauf der Gallenentwickelung ein energisches, secundäres Flächenwachsthum erfahren. Aus den mechanischen Zellen werden dabei Speicher- und Nährzellen die von den Larven verzehrt werden. Die Wände der blasigen Anschwellung, die aus der einseitig selerosirten Zelle hervorgewachsen ist, erfahren zuweilen noch eine schwache nachträgliche Verdickung!). j Ungleichmässig verdickte Sclereiden, deren Lumina flaschenhalsartig zu- gespitzte Form annehmen, sind mir von einer californischen Cynipidengalle (von Quercus Wislizeni) her bekannt. Fig. 14 soll diese Zellform, die übrigens schon aus der Anatomie der Samen und Früchte her bekannt ist, veranschaulichen. Auffällige, ungleichseitige Verdiekungen zeigen die in Fig. 15 M, dargestellten Sclereiden, die ebenfalls einer californischen Eichengalle angehören. Zu erwähnen sind schliesslich noch die sclerosirten, papillös vorgestülpten oder zu kurzen Haaren ausgewachsenen Epidermiszellen, die ich bei den ver- schiedensten Gallen angetroffen habe. Ihre Membranen sind stark verdickt, schwach Fig. 13. Theil des mechanischen Ge- Fig. 14. Theil des mechanischen Ge- webes der Galle von Cynips lignicola. webes aus einer unbestimmten Cyni- pidengalle (Quercus Wislizeni). verholzt und von überaus feinen, sehr zahlreichen Tüpfeln durchzogen. Die Func- tion dieser Gebilde ist bei manchen Gallen, z. B. bei der von Diplosis botularia erzeugten, als mechanische zu erkennen; es wird von ihnen weiter unten noch die Rede sein, 2. Die mechanischen Gewebe. An die Erörterung der einzelnen mechanisch wirksamen Zellelemente möge sich die Behandlung der Fragen anreihen: in welcher Weise sind die einzelnen Zellen zu mechanischen Geweben vereinigt und welche Gesetze lässt die Ver- theilung der letzteren im Gewebekörper der Gallen erkennen ? Aus der normalen Anatomie der höheren Gewächse ist bekannt, dass die mechanischen Zellen entweder zu geschlossenen Verbänden sich vereinigen ent- 1) Beyerinck, „Beobachtungen“ a. a. O. pag. 84, 113. 157 sprechend ihrer Aufgabe, dem betreffenden Organ Riegungs-, Zug- oder Druck festigkeit zu sichern, oder dass sie isolirt zwischen zartwandige Zellelemente ein- gestreut erscheinen, Im letzteren Falle kann man sie „in Bezug auf ihre Wirkungsweise mit den Sandkörnern vergleichen, welche der Maurer dem weichen Lehm beimischt, um seinen Zusammenhalt zu erhöhen, oder dem Glaspulver, welches der Guttapercha eingestreut wird, um sie incompressibler zu machen“ 1). In den allermeisten Fällen treten die mechanischen Zellen der Gallen zu geschlossenen mechanischen Geweben zu- sammen, über deren Typen wir nachher zu sprechen haben werden. Hier sei nur der zahlreichen Stengelgallen gedacht, bei welchen dem festgefügten, mechanischen Gewebe nicht selten eine Zone zart- wandiger Zellen angrenzt, zwischen welchen isolirte Steinzellen eingestreut zu finden sind. Gerade in diesen Fällen werden wir im Gegensatz zu ähnlichen iso- lirten Sclereiden in Borke und Rinde wohl eher von rudimentär entwickelten Geweben sprechen dürfen, als von solchen, die wirklich bestimmten Festigungszwecken dienstbar gemacht sind. Die Art und Weise, in der die mecha- nischen Zellen zu Geweben vereinigt sind, Fig. 15. Querschnitt durch eine un- lässt in den mir bekannten Gallen wenig bestimmte Cynipidengalle von Quer- Bemerkenswerthes erkennen. In den- cus Wislizeni. jenigen Blattgallen, die durch regelmässiges Ep Epidermis, M, äusserer mecha- Diekenwachsthum und Längstheilung der nischer Mantel, St Stärkeschläuche, Mesophylizellen entstanden sind, liegen M, innerer mechanischer Mantel. die Sciereiden in parallelen, überaus regel- mässigen Reihen an einander. In den anderen Gallen liegen sie ebenso regellos neben einander wie in den „mechanischen Ringen“ u. s. w. Lacaze-Duthiers?) unterscheidet. auf Grund seiner Beobachtungen an hoch organisirten Gallen, wie der Tinctoriagalle, folgende Gewebeschichten: 1. epiderme 2. tissu cellulaire sous-epidermique 3. parenchyme} Fe 4, vaisseaux U f 5. eouche protectrice " \ 6. partie alimentaire. 1) Haberlandt, a. a. OÖ. pag. 141. 2) a. a. O. pag. 292, 293. 158 Die letzten beiden Gewebearten (II) fasst Beyerinck!) als. „Innengalle“ zusammen, die andern (I) bezeichnet er in ihrer Gesammtheit als „Gallenrinde*. Die verschiedene Ausbildung der couche proteetrice gegenüber der Gallen- rinde lässt uns für die mechanischen Gewebe der Gallen folgende drei Typen unterscheiden. 1. Die mechanischen Gewebe liegen verhältnissmässig tiefsim Innern der Galle. Es ist eine als „Hautgewebe“ ausgebildete Epidermis und ein zartwandiges Gallenrindenparenchym von wechselnder Mächtigkeit und wechselndem physio- logischem Charakter vorhanden. Als Beispiel sei die oft untersuchte Galle von Aulax Hieracii genannt, in deren Innerem jede Larvenkammer von einer widerstandsfähigen couche proteetrice umhüllt ist. Die Mächtigkeit der letzteren erscheint gering im Vergleich zu der üppig entwickelten Gallenrinde. — Bei anderen Gallien ist die Innengalle relativ gross und die Gallenrinde nur schwach entwickelt. Die mechanischen Gewebe liegen also nahe der Oberfläche, Bei der Galle von Hormomyia Capreae liegen zwischen ihr und der Epidermis nur wenige Schichten zartwandigen Parenchyms. 2. Bei den Formen des zweiten Typus reichen die mechanischen Gewebe unmittelbar bis unter die Epidermis: die Gallenrinde ist bei diesen Formeı auf die Epidermis redueirt. — Die bereits erwähnte Banisteriagalle besitzt oben eine zweischichtige Gallenrinde, die aus einer einschichtigen Epidermis und einer Lage Pulissadenzellen sich zusammensetzt. Auf der Unterseite der Galle tritt das mechanische Gewebe unmittelbar an die Epidermis heran (Fig. 8). — Als weitere Beispiele für diesen Typus seien die Blattfaltungsgallen der Terebinthe genannt, die durch Pemphigus pallidus und P. retroflexus erzeugt werden. Die Galle von Andriscus corisceus, die auf verschiedenen südeuropäischen Eichen häufig ist, besteht ebenfalls zur Zeit ihrer Reife aus Epidermis und Innengalle. Die mechanischen Gewebe sind überaus mächtig entwickelt. Auch die Kollari- galle ist hier zu nennen. Die Epidermis wird frühzeitig abgeworfen, die äussersten Gewebeschichten der reifen Galle sind mechanische?), — Bei der Ferrugineagalle scheinen ganz ähnliche Verhältnisse vorzuliegen3). 3. Der dritte Typus, bei welchem die mechanischen Gewebe bis an die Oberfläche der Gallen treten, scheint bei den galles externes am häufigsten zu sein. Bei den Vertretern dieses Typus fehlt eine Hautschicht im Sinne der physio- logischen Anatomie und die Gallenrinde im Sinne Beyerinck’s vollständig. Ich nenne als Beispiele die Gallen von Dryophanta divisa, Hormomyia fagi, bei weichen bereits die Membranen der äussersten Zellen selerosirt sind. Ebenso wie bei der reifen Kollarigalle sind auch bei den Gallen dieses dritten Typus die Zellen der äusseren Schichten in tangentialer Richtung mehr oder weniger gestreckt, während die der nächstfolgend inneren Theile mit ihrer Längsachse radial orientirt sind. Ich halte diese Ausbildung der äusseren mechanischen Ge- webeschichten für durchaus zweckmässig, da dem zerstörenden Einfluss scheeren- der Kräfte die aus tangential gestreckten Zellen zusammengefügten Gewebe am Besten werden widerstehen können, Bei denjenigen Gallen, bei welchen die Epidermis des Mutterorgans unter Einbusse ihres ursprünglichen physiologisch-anatomischen Charakters erhalten 1) „Beobachtungen“ a. a. O. pag. 39. 2) Beyerinck, „Beobachtungen“ a. a. O. pag. 150. 3) Küstenmacher, a. a. O, pag. 181. 159 bleibt, ist der dritte von uns aufgestellte Typus der mechanischen Gewebe an- scheinend recht wenig vertreten. Als Beispiel muss die Eschengalle von Diplosis bursaria (vergl. Fig. 16) genügen. Au dem der Unterseite des Blattes entsprechenden Theil der Gallen nehmen die Epidermiszellen ebenso wie die kurzen, stumpfen Trichome, die aus ihnen hervorgehen, stellenweise Sclereidencharakter un. Die Form der Gewebe, zu welchen sich die einzelnen mechanischen Zellen zusammenfügen, ist nicht anders, als wie wir es von vornherein erwarten müssen, wenn wir uns die Bedeutung der mechanischen Gewebe für die Gallen bezw. ihre Bewohner vergegenwärtigen. Es handelt sich darum, den Hohlraum, dea die Larven bewohnen vor Collapse der umliegenden Gallentheile zu schützen: die Larvenkammer soll ihre Form bewahren. Das Problem ist ein ähnliches wie bei Samen und Früchten und es findet bei den Gallen Jieselbe Lösung wie bei jenen. Das mechanische Gewebe der Gallen A stellt demnach zumeist einen allseits geschlossenen Panzer dar, der je nach seiner Mächtigkeit und Umfang den Anforderungen an Biegungsfestigkeit mehr oder minder vollkommen genügen wird. Am einfachsten liegen die Ver- hältnisse bei den Kammergallen: der Hohlraum , auf dessen Schutz alles hinausläuft, ist allseits von Gallengewebe umschlossen, rings um ihn schliessen sich die Selerenchymzellen in festem Verbande an einander, und das Be- dürfniss nach mechanischem Schutz ist befriedigt. — Ob dabei der feste Ge- webemantel nur wenige Zelllagen mäch- Fig. 16. Querschnitt durch einen Theil tig ist, oder ob so gut wie die gesammte Galle aus mechanisch wirksamen Ge- weben besteht, bedeutet keinen prin- eipiellen morphologischen Unterschied. Die Form des „mechanischen Mantels* der durch Diplosis botularia erzeugten Eschengalle. A innerer mechanischer Mantel, B äus- serer mechanischer Mantel, Tr dick- wandige, verhoizte Haare, — als solchen wollen wir die feste Hülle bezeichnen — wiederholt im Kleinen die Form der ganzen Galle. Bei Gallen von reiner Kugelform — diese ist die verbreitetste — finden wir diese auch beim mechanischen Mantel wieder (Fig. 17.4), bei den flach gebauten Linsengallen der Eiche (Fig. 17B), der Galle von Hormomyia Capreae 1), der Banisteriagalle (ig. 17E), der kurz ceylindrischen Galle auf Parinarium (Fig. 17L) folgt der mechanische Mantel mit seiner eigenen stets der Form der Galle selbst. — Liegen mehrere Larvenkammern in der nämlichen Galle, so findet oft eine polyedrische Abplattung der mechanischen Hüllen statt. Gewöhnlich besitzt jede Larvenkammer nur einen mechanischen Mantel. Eine weitere Vervollkommnung des mechanischen Schutzes finden wir beispiels- 1) Abbildung bei Frank a. a. O. pag. 101. 160 weise an der Galle von Cecidomyia Cerris; oberhalb des mechanischen Mantels, der allseits die Larvenkanımer umgibt, liegt noch ein zweites, deckelartiges, flach gewölbtes mechanisches Gewebe, das aus grosszelligem Palissadenparenchym sich zusammensetzt (Fig. 17D). Noch einen Schritt weiter geht die Gewebeausbildung bei der Banisteriugulle (Fig. 17E), bei welcher zwei völlig geschlossene, an- nähernd linsenförmige mechanische Mäntel die Larvenkammer schützend um- hüllen. Der äussere ist der bei weitem kräftigere, der innere ist verhältnissmässig locker gebaut, seine Zellen” sind dünnwandiger als die des andern. 3 Fig. 17. Die wichtigsten Formentypen des mechanischen Gallengewebes. Schematisirt. In allen bisher genannten Fällen entspricht die Form des mechanischen Mantels mehr oder weniger der Gallenform. Ausnahmen von dieser Regel sind selten. Als Beispiel mag die flach linsenförmige Galle von Cecidomyia tiliacea genügen; ihr mechanischer Mantel (vergl. Fig. 17 F) hat die Form einer Spindel oder eines Helmes, seine Längsachse steht senkrecht auf der Medianebene der linsenförmigen Galle. Hier widerspricht durchaus die Form des mechanischen Mantels der Gestalt der Galle. t61 Bei denjenigen Gallen, welche in der Form dem Beutelgallentypus nahe stehen, gleichwohl aber vorwiegend durch Dickenwachsthum zu Stande gekommen sind, 2. B. bei manchen Blattfaltungen, bei der von Diplosis botularia erzeugten diekschwieligen Fraxinusgalle, bei der ausserordentlich harten Galle von Diplosis globuli u. 8. w. liegen die Verhältnisse ebenso, wie bei den Kammergallen, inso- fern als auch bei ihnen die Bildung eines biegungsfesten mechanischen Mantels angestrebt werden muss. Da aber der Wohnraum der Gallenthiere durch einen offenen Canal oder Porus in Verbindung mit der Aussenwelt steht, kann auch der mechanische Mantel nicht mehr allseits geschlossen sein. Die Galle wird um so fester geschaffen werden können, je enger ihre Ausgangsöffnung ist. Auch für diejenigen Gallen, welche kein eigenes mechanisches Gewebe entwickeln — z. B. die Beutelgallen, die durch Flächenwachsthum zu Stande kommen, und die wir in der zweiten Gruppe unseres Sytems vereinigt haben — hat das soeben Gesagte seine Gültigkeit. Bei ihnen ist die Form der Gallen umsomehr gesichert, je enger der offene Ausgangsporus ist, oder — ich erinnere an das im ersten (!apitel Gesagte — je kleiner das durch den Gallenreiz zu ergiebigem Flächenwachsthum angeregte Areal war. Mechanische Bedeutung wird unter Umständen auch dem Gewebewall zukommen, der zuweilen die Ausgangsöffnung der Gallen verengt. Wir kehren nun zu den Gallen mit eigenen mechanischen Geweben zurück. Bei den durch Dickenwachsthum entstandenen Gallen, deren Larvenkammer nicht allseits geschlossen ist, wird durch die verschiedensten Mittel die mecha- nische Sicherung des Gallenkörpers und Verengung des Ausgangsporus angestrebt. Bei den Blattfaltungen des Pemphigus pallidus und P, retroflexus — der erstere verursacht Umfaltung des Blattrandes nach oben, der andere dieselbe Ver- biegung nach unien — entwickelt sich an der Aussenseite der Gallen mehr- schichtiges mechanisches Gewebe. Durch die Wachsthumsenergie der äusseren Schichten wird der Rand des umgefalteten Blatttheiles so fest angepresst, dass eine fest geschlossene Galle zu Stande kommt, die nur mit Gewalt zu öffnen ist !). Dass ein Ausgangsspalt vorhanden ist, kommt unter solchen Umständen für die Wirkung der mechanischen Gewebe (vergl. Fig. 17H) kaum noch in Betracht. Der Hohlraum der Galle von Diplosis globuli, die auf den Blättern der Zitterpappel nicht selten anzutreffen ist, Öffnet sich nach unten mit einem schmalen Spalt (vergl. Fig. 17J). Das mechanische Gewebe tritt unmittelbar bis an diesen Eingangsporus heran. Auf dem Querschnittsbild sehen wir die beiden Hälften des mechanischen Gewebes an dem freien Spalt sich mächtig verbreitern, sich be- gegnen und ergänzen, Aehnliche Verhältnisse finden wir bei flaschenförmigen Gallen (Hormomyia Corni u. a., vergl. Fig. 17C). Oberhalb der Larvenkammer treten die mecha- nischen Gewebe unmittelbar an die (innere) Oberfläche des flaschenhalsartigen Gallentheiles. Aehnliches beobachten wir in der in Fig. 17 M abgebildeten Inqui- linengalle aus dem Gallenprodukt der Dryophanta folji, an der Eschengalle von Diplosis (Fig. 17K) u. a. Die soeben besprochene Pappeigalle lässt uns noch eine besondere Ab- weichung vom gewöhnlichen Bau des mechanischen Mantels erkennen. Statt einer Hohlkugel- stellt dieser hier zwei hohle Hemisphären dar (siehe Fig. 17J), die 1) Im Herbst öffnen sich die Gallen von selbst — vielleicht durch nach- trägliches Flächenwachsthum der inneren Gewebetheile. 162 ähnlich wie Schachtel und Deckel übereinander greifen. In einer ringförmigen Zone liegen also die beiden mechanischen Hüllen übereinander. Noch vollkomniener ist die Ausbildung des mechanischen Gewebes bei der Galle von Diplosis botularia (Fig. 17K). Die Larvenkammer ist allseits von einem mechanischen Mantel umgeben. Ausser diesem kommt noch eine zweite äussere Hülle von bedeutender Mächtigkeit zur Ausbildung. Sie besteht aus relativ grossen, mässig verdickten Steinzellen; die des inneren Mantels sind be- deutend englumiger. \ Der Eingangsspalt ist bei der genannten Eschengalle durch eine eigenartige Verzahnung gefestigt. An den lippenartigen Rändern der Galle entstehen kurze, ausserordentlich diekwandige, verholzte Haare (vergl. Fig. 16), welche die beiden Randwülste der Galle gleichsam verzahuen und ihre Lage fixiren. Das Wichtigste von dem, was sich über die mechanischen Gewebe der Gallen ermitteln liess, ist damit gesagt. Noch einige Bemerkungen von untergeordneter Wichtigkeit mögen mir gestattet sein. Eine Verstärkung des hohlkugelförmigen Mantels durch vorspringende Rippen und Leisten habe ich nie finden können. Gleichwohl scheint mir dieses Prineip mechanischer Versteifung durch vorspringende Rippen im Bau der Gallen ge- legentlich doch angedeutet zu sein. Bei der Galle des Phemphigus utrieularius springen an der Innenseite der Wandung die Gefässbündel als feine, erhabene Leisten hervor. Es lässt sich nicht in Abrede stellen, dass diese Gebilde die Festigkeit der Galle wenigstens in bescheidenem Maasse zu erhöhen im Stande sein werden. Hohlräume und umfängliche Zelllumina werden oft durch Querbalken aus- gesteift. Als specifisch mechanische Einrichtung ist von verschiedenen Autoren das zarte Gebälk der Caulerpen gedeutet worden. Die Intercellularräume vieler Nymphaeaceen ete. werden durch eigenartige, diekwandige „Haare“ vor Collaps bewahrt. Aehnliche Vorrichtungen liessen sich wohl auch bei den Gallen ver- muthen. Querbalken mechanischen Gewebes habe ich zwar niemals den Hohl- raum der Gallen durchziehen sehen, wohl aber scheinen mir verschiedene Haar- bildungen im Innern von Beutelgallen u. a. den sternförmigen, mechanisch wirksamen Zellen gewisser Nymphaeaceen hinsichtlich der Function vergleichbar zu sein, Die in vielen „Köpfchengallen“ der Innenwand entspringenden Haare, welche in die Larvenhöhle hineinragen, sind zweifellos im Stande, der Galle Schutz gegen Druckwirkungen zu sichern. Die gleiche Function möchte ich für die Haare, die sich im Innern von Rollgallen finden, in Anspruch nehmen!). Die Trichome verhindern, dass die Galle gänzlich zusammengedrückt werde und die Thiere dabei ums Leben kommen, und halten andererseits der Luft den Zugang offen. Mit neuen Formen der mechanischen Gallengewebe wird uns sicherlich die Untersuchung exotischer Gallen bekannt machen. — Die meisten unserer Gallen von morphologisch selbständigen Formen sind mehr oder weniger kugelförmig gestaltet. Der mechanische Mantel zeigt hinsichtlich der Form ebenso wenig 1) Vergl. die Abbildung bei Kerner a. a. O. pag. 523. 163 Abwechslung, wie die Gallen selbst. Wenn wir anders geformte Gallen finden werden, wird auch der mechanische Mantel voraussichtlich in neuer Form sich uns zeigen. Ich kann hier nur auf eine blüthenkelchartige Galle von den Blättern der Hydrangea scandens aufmerksam machen, die Herr Dr. Neger in Chile reichlich gesammelt hat. Der mechanische Mantel hat (vergl. Fig. 17G) die Form eines schlanken Hohleylinders, der aussen durch zahlreiche parallel verlaufende Längsrippen in ähnlicher Weise versteift wird, wie es seit Schwendener's Unter- suchungen !) für verschiedene Monocotyledonen bekannt ist. Neben dem gerippten Hohlcylinder liegen isolirte Gruppen mechanischer Zeilen. — Ich möchte bemerken, dass auch in diesem Falle die mechanischen Gewebe ausschliesslich von Selereiden gebildet werden. E. Das Speichersystem. „Alle jene Gewebe, deren Hauptfunktion in der Aufspeicherung von Stoffen besteht, welche späterhin zu Wachsthumszwecken oder überhaupt im Stoffwechsel Verwendung finden, bilden mitsammt den Wasserreservoiren das Speichersystem der Pflanze“, ?) Für das Speichersystem der Gallen dürfen wir diese von Haberlandt ge- gebene Definition nieht unverändert übernehmen, Auch wir wollen zwar im Folgenden als Speichersystem alle diejenigen Gewebe zusammenfassen, in deren Zellen Wasser gespeichert oder „Baustoffe“ wie Stärke, Eiweiss u. dergl. auf kürzere oder längere Zeit deponirt werden. In den Gallen erfolgt aber die Auf- speicherung der letzteren weit weniger zu Wachsthumszwecken als zum Zweck der Larvenfütterung. Es wird eben den Geweben der Galle eine ganz neue Auf- gabe gestellt, von welcher der normal sich entwickelnde Organismus sozusagen nichts weiss. Dass die Gallen Gebilde sind, deren Ziel und Zweck die Wohlfahrt eines fremden Organismus und nicht die der Mutterpflanze ist, wird durch nichts uns drastischer veranschaulicht als durch das Speichergewebe. Die Function eines Wasserreservoirs übernehmen oft die Epidermis- zellen, die alsdann ausserordentlich weitlumig und plasmaarm werden. In ihrer neuen Function werden sie zuweilen (z. B. bei der Galle von Nematus Vallisnerii) von den ihr angrenzenden Zelllagen des Mesophylis unterstützt. Ungleich grösser als ihre Bedeutung ist die der Nährstoffe führenden Gewebe der Gallen, -— wir finden sie in den verschiedensten Ausbildungsformen, bald mehr, bald weniger scharf charakterisirt, bald reichlich, bald spärlich ent- wickelt; dass sie niemals ganz fehlen, liegt in der Natur der Sache begründet. Sie stellen somit das verbreitetste und wichtigste Gewebe der Gallen dar und beanspruchen als solches eine ausführliche Besprechung. Die verschiedenen Formen der Speichergewebe lassen sich zwar nicht scharf elassifieiren, gleichwohl heben sich aus der Fülle der Erscheinungen bestimmte Typen hervor, die sich immer wieder bei den verschiedenartigsten Gallenformen wiederfinden, Nach ihnen wollen wir unsere nachfolgenden Mittheilungen ordnen. Zunächst sind vielleicht noch einige allgemeine Bemerkungen am Platze. 1) Sehwendener, „Das mechanische Prineip im anatomischen Bau der Monocotyledonen“. — Ueber das „System des gerippten Hohleylinders‘, s. p. 60 Tab. V. 2) Haberlandt a. a. O. pag. 346, 164 Wenn irgend welche Gallengewebe oder der Inhalt ihrer Zellen den Gallen- thieren zur Nahrung dienen soll, so müssen die betreffenden Zellen selbstverständ- lich den Thieren zugänglich sein. Das nährstoffreiche Gewebe wird also an der Oberfläche des gallentragenden Organs bezw. der Galle liegen, wenn die Gallenthiere an der Oberfläche der letzteren sich ansässig gemacht haben; sie müssen im Innern der Galle liegen, wenn die Gallenthiere eine allseits um- schlossene Larvenkammer bewohnen. Die letztere wird alsdann von Speicher- geweben ausgekleidet sein. — Ist die Larvenkammer von einem mechanischen Mantel umhüllt, so werden wir das Fütterungsgewebe innerhalb des letzteren zu suchen haben. Zur Ergänzung oder Einschränkung des Gesagten muss noch hin- zugefügt werden, dass die Gallen oft auch Speichergewebe enthalten, welche ausserhalb der mechanischen Schicht liegen und welche ihren Bewohnern daher nicht direet zugänglich sind. Wir wollen im Folgenden diejenigen Gewebe- schichten, welche den Gallenthieren ohne weiteres zugänglich und zur Verfütterung an diese bestimmt sind, als besondere Form des Speichergewebes auch mit einem eigenen Namen belegen und als „Nährgewebe‘ bezeichnen. Als „Nährgewebe‘‘ kann in der Natur schliesslich jedes Gewebe Verwen- dung finden, dessen Gehalt an Eiweissstoffen den Bedürfnissen irgend welcher pflanzenfressenden Thiere genügt. Die Blätter unserer Bäume und Gemüse- pflanzen sind „Nährgewebe“ für zahlreiche Raupen, Käfer, Schnecken u. s. w. Es muss daher bei der Definition unseres Begriffes besonderer Nachdruck auf die Function der Nährgewebe gelegt werden, welche ausschliesslich darin liegt, früher oder später von den Gallenthieren verzehrt zu werden. Zu dieser typischen Form des Nährgewebes, dessen funetionelle Seite sich unschwer erkennen lässt, führen zahlreiche Formen, zu dereu Studium die niederen Gallen mit geringer histologischer Differenzirung reichliches Material liefern. Strenge Charakterisirung und weitgehende Anpassung an die Bedürfnisse der Gallenbewohner werden wir besonders bei den Oynipidengallen kennen lernen. 1. Nährepidermis und Nährhaare, Die einfachste Form des Nührgewebes ist die Nährepidermis. Wenn sich Gallentiere auf der Oberfläche eines Pflanzenorgans ansiedeln, wird die Epidermis des letzteren meist zum Nährgewebe, ohne ihren anatomischen Charakter wesentlich zu ändern. Eine Nährepidermis finden wir bei vielen Phytoptus- und Blattlausgallen, die wir schon in mehr als einer Beziehung als einfach constru- irte Gallen zu bezeichnen hatten. Ihre Zellen zeigen formal keinen wesentlichen Unterschied vom gewöhnlichen Epidermiszellentypus. Leicht papillöse Ausbildung, die sich häufig beobachten lässt, gibt ebenfalls wenig Charakteristisches. Bei der Gelle von Cecidomyia Ulmariae!) sind die einzelnen Zellen der Nährepidermis stark vorgewölbt, ihre Membranen erheblich verdickt2). -1) Hieronymas, a. a. O, pag. 183, 2) Das Nährgewebe verschiedener Cynipidengallen, das entwickelungs- geschichtlich sich von der Epidermis des Mutterorgans ableitet, hat weder topo- graphisch, noch anatomisch mit den ursprünglichen Charakteren der Epidermis etwas gemeinsam. Von einer Nährepidermis in unserm Sinne kann bei derartigen Gallformen (vergl. Beyerinck, „Beobachtungen“ a. a. O. pag. 170) nicht die Rede sein. ee nn 165 Weit mannigfaltiger als die anatomischen Charaktere der Nährepidermis sind die Nährhaare, die an der Innenseite vieler Beutelgallen, bei Erineen u.a. vielfach auftreten. Der Gehalt an Stärke und eiweissreichen Substanzen macht ihre physiologische Bedeutung ohne Weiteres klar. Die becherförmigen Haare des Ahornerineums (vergl. Fig. 20a) sind reich an Stärkekörnern und eiweissreichem Plasma, wir dürfen sie als Nährhaare be- zeichnenl). — Einen anderen weit verbreiteten Typus vertreten die weitlumigen zartwandigen Haare in den Cephaloneongallen des Ahorns (vergl. Fig. 18), den Blattrandrollungen an Crataegus Oxyacantha u. a., bei welchen die Nährhaare zwischen anders gestalteten inhaltsarmen Haaren eingestreut zu finden sind. Kenn- zeichnend für Nährhaare dieser Art ist ihre breite Insertion (vergl. die Abbildung). — Die eigenartigen Nährhaare aus den Gallen von Ceeidomyis Euphorbine und Fig. 18. Nährhaare aus einer Cepha- Fig. 19. Theil des Nährgewebes der loneongalle (Acer.) Galle von Nematus gallarum. Pemphigus spirothece sind von Küstenmacher?) beschrieben worden. Die der erstgenannten Galle sind durch ihre flaschenähnliche Form auffällig. Nährhaare von minder scharf charakterisirter Form finden wir in den Gallen der ulmenbewohnenden Aphiden u. a. m. 2. Nährparenchym, Als Speicherparenchym bezw. Nährparenchym will ich alle diejenigen nähr- stoffreichen Gallengewebe zusammenfassend bezeichnen, welche stets im Innern der Galie liegen. Als auffallende Form des Nährparenchyms nenne ich zunächst das „Riesen- zellenparenchym‘, das bei einigen wenig differenzirten Gallen zur Aus- bildung kommt. In der Fenstergalle des Ahorns, der Blasenzalle des Viburnum Lantana, die der mechanischen Gewebe entbehren und welche ausschliess- lich durch Vergrösserung der vorhandenen Zellen zu Stande kommen — finden 1) Filzgallen mit ähnlich becherförmigen Haaren, welchen auch gleiche Functionen wie dem genannten Trichomrasen zukommen dürfte, scheinen in anderen Florengebieten häufig zu sein. Zahlreiche Formen dieser Art hat Neger be- schrieben („Ueber einige durch Phytoptus hervorgebrachte gallenartige Bildungen“. Verhandl, d. D. wiss. Ver. Santiago Bd. III, 1895, pag. 149). 2) a. a, O, pag. 154, 167, Tab, X, Fig. 43, 44. Flora 1900, 12 166 sich enorm vergrösserte Palissadenzellen, die sich an ihrer Zartwandigkeit und ihrem Eiweissreichthum als Speicher- und Nährzellen erkennen lassen. Im Lauf des Sommers werden sie nach und nach von den Larven aufgezehrt. Ungleich interessanter ist das Speicher- und Nährparenchym der hoch organi- sirten Kammergallen. Die Speicherzellen sind bei ihnen meist völlig isodiametrisch geformt und zu mächtigen, zuweilen auch in hohem Grade regenerationsfähigen Geweben vereinigt!). Zuweilen sind die Zellen zu trichomähnlichen Reihen ver- bunden, oder zu callusartig vorquellenden Complexen vereinigt (vergl. Fig. 19), oft lösen sich die Zellen der innersten Nährgewebeschicht ab und haften als lose Kugeln, als isolirte Nährzellen an der Wand der Larvenkammer (z. B. Nematus gallarum). - Die Form dieser Nährgewebe ist zumeist die eines Kugeimantels. Sie schliessen sich dem mechanischen Mantel an und folgen ihm in seiner Form. Eine nähere Erörterung dürfte sich daher an dieser Stelle erübrigen. — Von grosser Bedeutung ist die Thatsache, dass bei vielen hoch organisirten Gallen auch ausserhalb des mechanischen Mantels sich typisches Speicherparenchym vor- findet (z. B. bei der Galle von Neuroterus laeviusculus u. a. Linsengallen der Eiche), Sein Inhalt wird bei Bedarf in gelöstem Zustand durch die tüpfelreichen mechanischen Zellen geleitet und jenseits derselben in Form von Eiweiss den Larven zugänglich gemacht.2) Die Form der Nährparenchymzellen ist, wie gesagt, meist isodiametrisch. Gestreckte, schlauchförmige Nührzellen treten beispielsweise in der Galle von Neuroterus lenticularis auf. Die Zellen des „secundären Nährgewebes“ der Linsengalle, der Foliigalle u. a. leiten sich von den mechanischen Zellen ab, welche nur einseitig verdickt sind und während der Herbstphase der Gallen durch nachträgliches Flächenwachsthum ihrer zart gebliebenen Membruntheile zu grossen weitlumigen Nährzellen werden. Bereits im vorigen Abschnitt haben wir über diesen eigenartigen Functionswechsel alles Nötige mitgetheilt. Der Inhalt der Speicherzellen ist ein verschiedener und verdient besondere Beachtung. — Die Zellen der innersten Gewebeschicht, welche die Larvenhöhle auskleidet und das Nährparenchym darstellt, enthält regelmässig ein trübes Plasma und oft zahlreiche Fetttröpfchen. Wir bezeichnen dieses Gewebe als Eiweiss- schicht. Stärke ist in Gallen jeder Art weit verbreitet. Die Pilzgallen, sowie die primitiven Thiergallen enthalten in allen ihren Theilen reichliche Stärkemengen, 1) Ueber die Galle von Aulax Hieracii siehe Beyerinck, „Beobachtungen“ a. 8. 0. pag. 47. — Ueber die Galle von Nematus Vallisnerii vergl. Frank, a. a. O. pag. 201. 2) Es ist schon wiederholt die Vermuthung ausgesprochen worden, dass die Bildung der Gallen ein für die Mutterpflanze zweckmässiger Vorgang sei, da hierbei die thierischen Eindringlinge und Schädlinge eingekapselt, isolirt und un- schädlich gemacht würden. Diese Behauptung ist wohl nicht stichbaltig. Die widerstandsfähigsten Gewebe, die als geeignet zum Einkapseln erscheinen könnten, sind die mechanischen. Aber wenn uns schon die Existenz der Larven selbst be- weist, dass diese festen Gewebe für Luft in hohem Grade durchlässig sein müssen, so lehrt die im Text erwähnte Stoffwanderung, dass von einer Einkapselung und Isolirung der Gallenthiere durch feste Gewebe nicht wohl die Rede sein kaun. 167 die von Erineen überzogenen Blatttheile und die Erincenhaare selbst sind melr oder weniger stärkereich, Bei den hoch organisirten Gallen — besonders den Cynipidengallen — bleibt einer besonderen, oft scharf umgrenzten Schicht die Function des Stärkespeicherns vorbehalten. Wir nennen sie kurzweg die Stärke- schicht. Sie folgt stets nach aussen auf die Eiweissschicht. Als dritter, für die Histologie der Gallen wesentlicher Inhaltsbestandtheil, der in bestimmten Zeilen gespeichert wird, sind die von Hartwich!) eingehend be- schriebenen „Ligninkörper“ zu nennen. Sie sind bisher nur bei wenigen Gallen und zwar nur bei Eichengallen gefunden worden. Hartwich gibt sie für die Infectoria- galle, für die von Cynips lignicola und ferner noch für eine texanische Galle auf Quereus virens an. — Der Name, der von Hartwich den in Rede stehenden Körpern gegeben worden ist, deutet bereits an, dass man in diesen kugeligen oder eiförmigen, gelblich getönten Körpern Lignin vermuthet hat. Hartwich folgert den Ligningehalt aus den Reactionen, die man mit Phlorogluein plus Salzsäure und anderen sogenannten Ligninreagentien erhalten kann. Die Richtig- keit dieser Angaben muss ich zwar zugeben, gleichwohl möchte ich an der Be- rechtigung des von Hartwich gezogenen Schlusses zweifeln. Die „Ligninkörper“ sind zweifellos Nährkörper; in denjenigen Exemplaren der Tinctoria-(Infectoria)- Galle, die von ihren Bewohnern schon verlassen waren, fand ich keine Spur von Ligninkörpern mehr vor. Sie waren offenbar restlos von den Inseeten aufgezehrt worden. — Alles, was wir bisher über die biologische Bedeutung des räthsel- haften Ligninstoffes wissen, macht aber die Existenz von Nährkörpern, die mit Holzstoff imprägnirt sind, im höchsten Grade unwahrscheinlich. Ueberdies haben wir allen Grund — und besonders in so ungewöhnlichen und unsicheren Fällen, wie dem vorliegenden — gegen die Zuverlässigkeit der Ligninreactionen skeptisch zu sein. Wir wissen aus Czapek’s?) Untersuchungen, dass selbst die bisber als besonders zuverlässig betrachteten Reagentien — das Phloroglueingemisch u. a. — mit Körpern der verschiedensten chemischen Zusammensetzung die charakte- ristischen Farbreactionen geben, und dass das Eintreten der letzteren auf Gegen- wart und Abwesenheit von „Hadromal“ keine zwingenden Schlüsse gestattet. Mit Phlorogluein und Salzsäure färben sich verschiedene Alkohole, Säuren, Phenole, verholzte Membranen ebenso wie Asa foetida und gewisse Harze3) gleichermassen kirachroth. — Dass die „Ligninkörper“ diesen Namen mit Recht führen, ist chemisch nicht bewiesen und aus biologischen Gründen mir unwahrscheinlich. Es wäre wünschenswerth, dass diese interessanten Körper einer neuen chemischen Untersuchung unterzogen würden. — Für unsere anatomischen Fragen ist von Interesse, dass die Ligninkörper als Auflagerungen der Zellmembranen zu Stande kommen®). Es scheint nicht ausgeschlossen, dass wir es mit einer eigenartigen Form der Reservecellulose bei ihnen zu ihun haben. Ueber die mikrochemischen Reactionen der Körper ver- 1) „Ueber Gerbstoffkugeln und Ligninkörper in der Nahrungsschicht der Infectoriagalle“. Ber. d. D. Bot. Ges. Bd. III pag. 146. 2) Czapek, „Ueber die sog. Ligninreactionen des Holzes“, Zeitschr. f. physiolog. Chemie Bd. XXVU, 1899, pag. 141. 3) Schellenberg, „Beiträge zur Kenntniss der verholzten Zellmembran“, Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XXIX pag. 249, 4) Vergl. Hartwich a. a. O. Tab. XI, Fig. 12, 13, 14, 12% 168 weise ich auf Hartwich’s eitirte Abhandlung, zwischen gekreuzten Nicole er- weisen sie sich als doppeltbrechend. In den Gallen von Cynips tinctoria und C. lignicola sind die Ligninkörper auf eine bestimmte, scharf umgrenzte Gewebeschicht beschränkt, die wir provi- sorisch als Ligninkörperschicht bezeichnen können. Hinsichtlich der Gerbstoffkugeln, die im Speichersystem mancher Gallen eine bisher wenig erforschte Rolle spielen, verweise ich wiederum auf Hart- wich’s genannte Arbeit. Die Eiweissschicht — stets das innerste von allen Gallengeweben — ist das Nährgewebe par excellence. Die Stärkeschicht stellt ein Speichergewebe dar, dessen Inhalt erst nach seiner Umsetzung in Eiweiss von den Gallenthieren verzehrt wird. Aus dem Speichergewebe der Stärkeschicht wird nach und nach unter gleichzeitiger chemischer Umwandlung ihres Inhalts ein secundäres Nähr- gewebe, eine secundäre Eiweissschieht. — Hinsichtlich ihrer Lage lässt die Stärkeschicht eine zweifache Form ihrer Ausbildung erkennen: sie liegt entweder ausserhalb des mechanischen Mantels (z. B. bei den Linsengallen der Eiche) oder innerhalb derselben. Die letztere Form ist die häufigere, daneben fehlt es nicht an Gallen, deren Stärkeschicht theils ausserhalb, theils innerhalb des mechanischen Mantels liegt. Wenn das Nährmaterial als Stärke zur Ablagerung kommt, so ist der Grund hiervon offenbar raumökonomischer Natur. Stärke beansprucht geringeres Volumen als etwa Eiweiss und in einer Galle von gegebenem Umfang kann in Form von Stärke mehr Nährmaterial zur Speicherung gebracht werden als in Form von Eiweiss. Besonders wichtig ist dieser Umstand, wenn der gesammte Vorrath au Nährmaterial innerhalb des mechanischen Mantels deponirt werden, und die Gallen- rinde, welche der Besiedelung durch fremde Inseeten ausgesetzt ist, stärkefrei bleiben soll. Desgleichen gewinnen diese raumökonomischen Principien bei den- jenigen Gallen Bedeutung, die isolirt vom Mutterorgan ihren endgültigen Reife- zustand erreichen und während der letzten Phase ihrer Entwickelung von jeder neuen Nährstoffzufuhr seitens der Mutterpflanze abgeschnitten sind. Die „Ligninkörperschicht“ liegt zwischen Eiweiss- und Stärkeschicht. Sie scheint firect, d. h. ohne vorherige Umwandlung ihres Inhaltes in Eiweiss als Nährgewebe zu dienen. F. Das Leitungssystem. Zwischen den Gallen und den Leitungsbahnen der sie tragenden Pflanzen- organe bestehen unverkennbare Beziehungen. Bei vielen blattbürtigen Gallen kann man sich leicht davon überzeugen, dass die Nerven bezw. das in ihrer Nähe gelegene Gewebe das eigentliche Centrum ihrer Bildung darstellen. Viele Gallen (Andrieus ostreus, Diplosis botularia, Hormomyia fagi u. v. &.) entstehen nur auf den Nerven. Der grosse Aufwand an Nährstoffen, den jede Gallenbildung nothwendig macht, erklärt diese Wahl. Von allen mir bekannten Gallen ist die von Hormomyia fagi die einzige, auf deren Ausbildung ihre Stellung zu den Leitungsbahnen des gallentragenden Pfanzenorgans von beatimmendem Einfluss ist. Alle Gallen dieser Art sind bilateral symmetrisch. Die dem Hauptnerven bezw. dem Blattgrund zugewendeite Seite ist stets üppiger entwickelt als die andere Hälfte, so dass die Galle sich jedesmal dem Blattrand oder der Blattspitze 169 zuneigt. Offenbar ist der Zufluss von Wasser und von Nährstoffen der Grund dieser ungleichen Ausbildung. — Ueber die leitenden Gewebe der Gallen ist wenig zu sagen. Die einzelnen Zellelemente der Gallengefässbündel zeigen keine Ab- weichungen vom normalen. Die Gefässe fallen zuweilen durch ihre Englumig- keit auf. Der Bau der einzelnen Gefüässbündel gleicht ebenfalls im Allgemeinen dem normalen. Als Ausnahmen sind bisher nur die Megaptera- und Albopunctata- galle bekannt, die nach Beyerinck!) concentrische”‚Gefässbündel besitzen, Die Anordnung der Gefässbündel im Gallenkörper ist eine verschiedene. Meist sind sie in einen Kreis gestellt, wie in den normalen Achsentheilen der Dicotyledonen und kehren dabei den Xylemtheil der Larvenhöhle, den Phlo&mtheil der Aussenseite der Galle zu. In seltenen Fällen (Galle von Aphilotrix malpighii)2) erscheinen die beiden Theile des Gefässbündels in entgegengesetzter Orientirung. Den doppelten Gefässbündelrinyz der Galle von Pemphigus cornicularis hat Courchet?} dureh eigenartige Faltungs- und Verwachsungsvorgänge am gallen- tragenden Organ erklärt. Wo eine mächtige Gallenrindenschicht zur Entwickelung kommt, bilden die Gefässbündel in ihr oft ein engmaschiges, zartes ‚Netz. — Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass die leitenden Gewebe in_den Gallen ziemlich schwach entwickelt sind. Der gallenerzeugende Organismus unterdrückt ihre Ausbildung — gleichviel ob es sich um gallenbildende Pilze oder Thiere handeln mag. — Ausnahmen von dieser Regel fehlen natürlich nicht: in den von Aulax Hieracii erzeugten Stengelanschwellungen werden secundäre Bündel im Mark angelegt; eine reiche Ausbildung des Gefüssbündelsystem finden wir in dem unteren Wulst der Galle des Pemphigus utrieularius®) u. a. m. G. Secretionsorgane und Secretbehälter. Die secernirenden oder secretführenden Zellen der Gallen werden entweder mehr oder weniger unverändert von dem gallenliefernden Organ der Mutterpflanze übernommen oder entstehen erst durch den gallenerzeugenden Reiz. Die Oellücken von Artemisia campestris, deren Cecidomyidengalle Küsten- macherd) untersucht hat, „verhalten sich bei der Gallenbildung durchaus passiv“. Die Secretschläuche des Ruppiagewebes fand Goebel®) auch in den auf Ruppia erzeugten Myxomycetengallen wieder. Wesentliche Veränderungen der Secret- zellen scheinen nicht aufzutreten. In anderen Fällen verursacht der Gallenreiz eine Vermehrung der recer- nirenden Zellen oder Organe. Bekannt ist der auffällige Reichthum der oft 1) „Beobachtungen“ a. a. O. pag. 128. 2) Beyerinck, a. a. O. pag. 129. 3) Courchet, Etude sur le groupe des Aphides et cu particulier sur les pucerous du Therebinthe et du Lentisque. Montpellier 1878. — Vergl. die Referate im Botan. Centralbl. Bd. I, 1880, pag. 125. 4) Auch für diese Galle gibt Courchet (a. a. O.) einen doppelten Gefäss. bündelring an. Ich kann seine Angaben in diesem Punkte nicht bestätigen. 5) a. a. O. pag. 153. 6) „Tetramyxa parasitica‘, Flora 1884, Bd. 67, pag. 519. 170 genannten Aulaxgalle an Milchröhren. Ueberaus reichlich von Harzgängen durch- setzt ist die Wandung der Galle von Pemphigus utrieularius, In einigen unbe- stimmten Eucalyp*usgallen, die ich dem Münchener Herbarium entnehmen durfte, waren dic Secretlücken enorm vermehrt. Entgegengesetzte Wirkung des Gallenreizes finden wir bei einer Phytoptus- galle. Die typische Ausbildung der secernirenden Zellen der Blattdrüsen von Populus tremula unterbleibt nach Thomas!), wenn diese von Gallmilben heim- gesucht werden. — Wenn wir von den Zellen der Nährepidermis und des Nährparenchyms, we!che häufig secerniren, absehen, so bleiben uns nur wenige Fälle zu besprechen übrig, in welchen durch den gallenerzeugenden Reiz secernirende Zellen ent- standen wären. Die Secretbehälter, welche als Gerbstoffschläuche bezeichnet werden können, sind bei vielen Eichengallen zu einem oft mächtigen, scharf charakteri- sirten Gewebe vereinigt, das durch seine chemischen Eigenschaften als Schutz- schicht zu wirken im Stande ist, indem sein Gehalt an Gerbstoff pflanzenfressende Thiere sowie fäulnisserregende Mikroorganismen von der Galle fernhält. Secernirende Oberflächenzellen, die nichts mit der Ernährung der Gallen- thiere undjmit dem Nährgewebe zu thun haben, hat Hieronymus?) an der auf Quercus pubescens von Cynips argentea erzeugten Galle beobachtet. Der an der Aussenfläche dieser allseits geschlossenen, hoch organisirten Kammergalle secernirte Nektar lockt nach Hieronymus Ameisen an, welche die Gallen gegen Raupen und Schnecken ;zu schützen vermögen. Aehnliche Verhältnisse zeigt die Galle des Andricus Sieboldii. — Besondere Secretionsorgane konnte ich bei einer Untersuchung der Argenteagalle bisher nicht finden.) Die Function des epithemähnlichen Organes, das ich bei einer Cynipidengalle von Quercus Wislizeni fand (vergl. Fig. 12 E), konnte ich bei Untersuchung der getrockneten Galle leider nicht ermitteln. -- Mit einigen Worten über die Krystalle der Gallen möchte ich diesen Ab- schnitt beschliessen. Im Allgemeinen scheinen Vandevelde’s Angaben) über den verhältniss- mässig geringen Gehalt der gallentragenden Blätter an Caleiumoxalat auch für die Gallen selbst zu gelten. Dass Krystalle gänzlich fehlen, scheint andererseits selten zu sein. In keiner Gruppe von Gallen habe ich sie vermisst. Ueber den Krystallgehalt der„Gallengewebe im Vergleich zu dem der nor- malen Pflanzıntheile sind in der Litteratur zahlreiche zerstreute Angaben zu finden, die zu vergleichen oder zu ergänzen ich für überflüssig halte. Nur einige anatomische Einzelheiten mögen hier Erwähnung finden, 1} „Beschreibung neuer oder minder gekannter Acarocecidien (Phytoptus- gallen)“. Nova Acta Kgl. Leop.-Carol. Acad. d. Naturf. Bd. XXXVIII, 2, 1876, pag. 270, 271. 2) „Gallen aus Südamerika und Italien“, Zeitschr. f. Entomologie Bd. XVII, 1892. 3) Material von dieser seltenen Cynipidengalle verdanke ich der Güte des Herru Dr. v. Schlechtendal. — Gallen mit stark secernirender Oberfläche sind nicht selten, ich verweise auf die Galle von COynips Mayri, auf die „Barsorah- galien“ (Hartijwich, Archiv d. Pharmacie 1883, pag. 829) u. a. 4) „Bydrage tot de physiologie der gallen: het aschgehalte der aangetocte bladeren,* Bot. Jaarb, Dodonea, 1896, Bd. VII, p. 102, 11 Eine besonders krystallreiche Gewebeschioht gibt Küstenmacher!) für die Gallen von Cynips Hedwigia an. Eine ähnliche Concentration des Krystall- gehaltes lässt sich bei der Galle von Hormomyia fagi beobachten. An der Grenze zwischen der grosszelligen äusseren Gewebeschicht und der kleinzelligen äusseren Gewebeschicht und der kleinzelligen inneren finden sich zahlreiche, mässig grosse, polyedrische Zellen, die durch überaus feine Quermembranen gefächert sind. In jedem Fach liegt je ein Einzelkrystall. Alle krystallführenden Zellen liegen in sleichem Abstande von der Gallenoberfläche. Am sog, Gallenboden der Verrucosagalle, d. h. an der Grenze des Gallen- gewebes und der normalen Gewebeschichten, sind die krystallhaltigen Zellen eben- falls zu einer besonderen Krystallschicht vereinigt.?) Krystallführende Zellen, die zu radial verlaufenden Reihen vereinigt sind, habe ich bei verschiedenen Cynipidengallen angetroffen (Tinctorisgalle u. a.). Ein besonderer Abschnitt des Haberiandt’schen Handbuches?} bleibt der Besprechung derjenigen Gewebe und Organe vorbehalten, welche sich keinem der allgemein verbreiteten Systeme unterordnen lassen. Die mannigfaltigen Formen, die als specielle Anpassungen bestimmter Pflanzengruppen oder -Arten aufzu- fassen sind, kommen in diesem Cupitel zur Sprache. Wir erfahren dort Näheres über die Haftorgane, über die „Bewegungsgewebe*, Flugorgane und hygro- skopischen Apparate u. 8, w. Es frägt sich nun, ob vielleicht auch bei den Gallen sich noch besondere Gewebe finden lassen, deren Functionen sie den soeben erwähnten Geweben nor- maler Pflanzentheile vergleichbar machen, — In der Anatomie der Früchte spielen die hygroskopischen Gewebe und Zellen eine grosse Rolle. Auf die Aehnlichkeit zwischen Früchten und Gallen ist nach- gerade schon so häufig hingewiesen worden, dass man sich vielleicht versucht fühlen könnte, auch anatomische Uebereinstimmungen zwischen diesen und jenen vorauszusetzen. Hygroskopische Gallengewebe sind mir trotz vielen Suchens bisher nicht auf- gefallen. Dieser Mangel ist meines Erachtens um so auffälliger, als auch für die Galien älnlich wie für die Kapselfrüchte u. s. w. ein Oeffnungsmechanismus nicht überflüssig zu sein scheint. -- In vielen Fällen bahnt sich das Gallenthier in der Weise einen Weg durch die Gallenwand, dass es sich buchstäblich hindurchfrisst. Dieser Modus ist der verbreitetste. Complieirter sind die Vorgänge an denjenigen Gallen, welche mit einem Deckel sich selbstthätig öffnen. ®) Hier bedingt vermuthlich zur Zeit der Gallenreife die unmittelbare Nachbar- schaft von stark schrumpfendem, zartwandigem Parenchym und sclerosirten Ge- weben, die auch bei starkem Wasserverlust der Galle ihr Volumen nahezu un- verändert beibehalten, dieselben Spannungen und Zerreissungen, wie sie für die von ihrem Substrat sich ablösenden Gallen bereits nachgewiesen sind. — Wir machen hierbei mit einer neuen Function der mechanischen Gewebe Bekanntschaft, 1) a. a. O. pag. 123. 2) Küstenmacher, a. a. O. pag. 127. 3) a. a. O. pag. 459. 4) Vergl. d. Abbildung bei Kerner a. a. O. pag. 532. 172 deren Hauptaufgabe wir in der Festigung des Gallenkörpers oben bereits erkannt haben. — Sogenannte „passive Bewegungsgewebe“, welche zur Verbreitung der Gallen durch Wind oder Wasser dienen könnten, sind bisher noch nicht bekannt geworden. Dass solche existiren und dass die Untersuchung der ausländischen Gallenformen uns Anpassungen dieser oder ähnlicher Art kennen lehren wird, scheint mir durchaus nicht unwahrscheinlich. Das leichtbeschwingte Volk der Gallwespen und Gallfliegen bedarf zwar keiner Unterstützung seitens der Pflanze, um sich eine möglichst weite Verbreitung der Species zu sichern. Wohl aber liesse sich annehmen, dass den verhältnissmässig schwerfälligen Gallmilben, Blatt- läusen u. s. w. eine besondere Ausbildung von Flug- oder Schwimmorganen, von Haft- oder Hakenvorrichtungen,, welche der Verbreitung durch höhere Thiere Vorschub leisten würden, von Vortheil sein könnte. Fragen dieser Art lassen sich naturgemäss nur andeuten, so lange aus den Tropen, die in ihrem unbegrenzten Gestaltenreichthum zweifellos auch Gallen mit bisher unbekannten Eigenschaften bergen, dem Cecidiologen so gut wie nichts be- kannt geworden ist. III. Capitel, Vergleichende Betrachtungen über normale und pathologische Gewebe. — Theoretisches. Wir haben die anatomische Struktur der Gallen in dem bisher Gesagten bereits nach verschiedenen Gesichtspunkten hin erörtert: wir haben uns den Unterschied zwischen histologisch einfachen und eomplieirten Gallenformen klar gemacht und in Beziehung zu ent- wickelungsgeschichtlichen Beobachtungen gebracht, wir haben ferner die gallenbildenden Pflanzengewebe auf die verschiedenen Umbildungen hin betrachtet, die sie bei der Gallenbildung erfahren, und haben schliesslich die verschiedenartigen Gewebe, die sich in den fertigen Gallen unterscheiden lassen, und ihre physiologischen Functionen eingehend studirt. Das vorliegende Capitel soll einem Vergleich der normalen Pflanzenzellen und -Gewebe mit den abnormen, aus welchen die Gallen sich zusammen setzen, gewidmet sein. Bestehen die normalen Pflanzengewebe und die Gallen aus den nämlichen Bausteinen, aus gleichwerthigen Geweben, oder enthalten die Gallen irgend welche Elemente, die als „neu“, d. h. der Mutter- pflanze als fremd, zu bezeichnen sind? — Mit diesen Fragen wollen wir uns im Nachfolgenden beschäftigen. Ist es nach unseren bisherigen Erfahrungen den Organismen überhaupt möglich, etwas ihnen Fremdes, etwas von ihrer „normalen“ Struktur prineipiell Verschiedenes zu produeiren? Die Frage ist zu 173 bejahen. Zoologischerseits ist der bedeutsame Nachweis derartiger Fähigkeiten mit überzeugender Deutlichkeit erbracht worden. Herbst gelang es'), die Entwiekelung von Seeigeleiern in völlig abnorme Bahuen zu lenken, wenn sie in noch ungefurchtem Zustande oder auf frühen Furchungsstadien in Secwasser gebracht wurden, welchem geringe Mengen eines Lithiumsalzes beigemischt waren. Der Gehalt an Lithium übte auf das Plasma der Eizellen einen eigen- thümlichen Reiz aus, welcher zur Bildung von Echinidenlarven führte, die hinsichtlich ihres Entwiekelungsganges und ihres anatomischen Baues von dem normalen Pluteus durchaus verschieden waren. Durch geeignete Modification der Lebensbedingungen lässt sich also der Organismus in der That zur Bildung etwas ihm „Neuen“ nöthigen. Die Möglichkeit einer solchen Produktion besteht also, sie ist durch Herbst unzweifelhaft nachgewiesen. Vom pflanzlichen Plasma werden wir mit gutem Recht dieselben Eigenschaften erwarten dürfen, welche durch die soeben erwähnten Versuche mit Echiniden für das thierische nachgewiesen worden sind. Fragen wir nun nach analogen Erfahrungen der Pflanzen- physiologen, so wird zunächst an Hegler’s Experimente an den Blatt- stielen von Helleborus niger zu erinnern sein. Ueber die durch starken mechanischen Zug in den Stielen der genannten Pflanze künstlich erzeugten Veränderungen theilt Pfeffer?) unter anderem Folgendes mit: „So fehlen bekanntlich im Blattstiel von Helleborus niger normaler Weise Bastfasern, welche bei besagter Behandlung auftreten und bei starkem Zuge so reichlich werden, dass sie mächtige Sicheln um den Weichbast bilden. Gleichzeitig stellen sich in diesem Objecte formell ähnliche Sclerenchymfasern auf der Innenseite des Xylems ein und auch vermehrte Collenchymbildung trägt ausserdem zur Verstärkung der mechanischen Systeme bei.“ — Eine ausführliche Publication über diese Versuche hat Hegler meines Wissens bisher noch nicht veröffentlicht. Die von Pfeffer kurz besprochenen Resultate Hegler’s sind oft eitirt worden und auch von Herbst?) als Beispiel dafür heran- 1) „Experimentelle Untersuchungen über die veränderte chemische Zusammen- setzung des umgebenden Mediums auf Jie Entwieklung der Thiere. I. und IL“ — Zeitschr, f. wiss. Zool. Bd. 55. — Mittheil. aus d. Zool, Station zu Neapel Ba. XL 2) „R. Heglers Untersuchungen über den Einfluss von Zugkräften auf die Festigkeit und die Ausbildung mechanischer Gewebe in Pflanzen.“ Sitzungsber. d. Säche. Ges. der Wiss. 1891, p. 639. 3) „Ueber die Bedeutung der Reizphysiologie u. s. w.* a. a. O. p. 739. 174 gezogen worden, dass durch abnorme Ansprüche an ein Pflanzenorgan Gewebearten in diesem erzeugt werden können, die unter normalen Umständen nicht gebildet werden. Die Richtigkeit der Hegler’schen Angaben kann ich jedoch nicht bestätigen. Ich habe eine grosse Anzalıl von Blattstielen der genannten Pflanze auf ihre mechanischen Gewebe hin untersucht und bei vielen Exemplaren — wenigstens im unteren Theile der Blattstiele — sowohl auf der Holzseite als auch auf der Bustseite unscheinbare Rudimente mechanischer Ge- webe nachweisen können. Die Belege mit Bastfasern sind äusserst schwach entwickelt, liessen sich stets nur an einigen der Gefäss- bündel des Blattstieles auffinden und waren nicht selten auf eine einzige, mässig verdiekte, aber stark verholzte Faser redueirt. Die Spärlichkeit der mechanischen Zellelemente ist für uns ohne Interesse, das Wichtigste liegt darin, dass sie vorhanden sind. Dass selbst so schwach ausgebildete Gewebe durch allmählich gesteigerte Inanspruchnahme sich dermassen fördern lassen, wie die interessanten Versuche Hegler’s es darthun, ist gewiss ein bedeutsames Resultat, für die uns beschäftigende Frage aber durchaus belanglos. Es wird, wie ich glaube, nicht angängig sein, die im Blattstiel von Helleborus niger hervorgerufenen Gewebeveränderungen als künstliche Erzeugung „neuer* Gewebearten ins Feld zu führen. Uebrigens ist auch Nestler bereits bei Untersuchung der Helle- boreenanatomie zu ähnlichen Resultaten gelangt wie ich: „In der Mitte des Stieles werden einige wenige Sclerenchymfasern auf der Holzseite, also gegen das Mark gekehrt, angetroffen, auf der Bastseite da- gegen keine, sowohl bei den grossen als auch bei den kleinen Bündeln‘“. ') Die künstliche Erzeugung eines neuen Organes hat Haberlandt an Conocephalus ovatus, an dem er in Java Versuche anstellte und anstellen liess, zu erreichen geglaubt). Aus seinen Mittheilungen er- sehen wir, dass nach Zerstörung der normalen Blatthydathoden durch Ueberpinselung mit 0,1 proc. alkoholischer Sublimatlösung neue Organe entstanden, die als Hydathoden functionirten und mit den normalen, ursprünglichen Hydathoden keinerlei Aehnlichkeit besassen. Die Ab- bildung?) der künstlich erzeugten Hydathode zeigt ein dichtes Büschel langer, schlauchförmiger Haare. 1) Nestler, „Der anatomische Bau der Laubblätter der Helleboreen“. Nova Acta d. Leop.-Carol. Akad. Bd. 61, pag. 13. 2) Haberlandt, „Ueber experimentelle Hervorrufung eines neuen Organs an Conocephalus ovatus Trec.“ Festschr. f. Schwendener, 1899, pag. 104. 3) a. a. O. pag. 110. 175 Die Angaben des Autors weisen nach meiner Ansicht in allen Stücken darauf hin, dass wir die „Ersatzhydathoden* keineswegs als neue Örgane von weitgehender theoretischer Bedeutung, sondern lediglich als eigenartige Callusbildungen anzusprechen haben. Die kurze Lebensdauer dieser Organe, die ihrer Entstehung sehr bald folgende Wundkorkbildung, auch die Form der einzelnen Zellen scheint mir nieht zu Gunsten der Haberlandt’schen Deutung zu sprechen '). Die Ergebnisse der pflanzenphysiologischen Forschung sind inso- fern negativer Natur, als es bisher nicht gelungen ist, durch geschickte Modification der Lebensbedingungen, durch äussere Eingriffe irgend welcher Art pflanzliche Organismen zur Bildung „neuer“ Zell- oder Organformen zu zwingen. Wohl kann im quantitativen Sinne das vorhandene Zellen- und Gewebematerial weitgehend beeinflusst werden, aber „neue“ Gewebearten entstehen zu lassen, ist dem Experimental- physiologen bisher nicht gelungen. Gelingt der Natur vielleicht, was für Laboratoriumsversuche bis- her unerreichbar geblieben ist? Geben uns vielleicht die Gallen näheren Aufschluss darüber, ob der pflanzliche Organismus auf be- stimmte Eingriffe von aussen mit Bildung neuer Formen antworten kann? Die Mannigfaltigkeit der Gallenformen macht fast im Voraus schon eine bejahende Antwort auf diese Frage wahrscheinlich. Die verschiedenen Forscher haben zu diesen Problem verschieden Stellung genommen, Goebel spricht sich in seiner „Organographie“!) dahin aus, dass bei den Gallen weder morphologisch etwas Neues zu Stande kommt, noch „neue, sonst in der Pflanze nicht vorkommende Gewebebestand- theile.* — „Neu ist nur die Combination des der Pflanze Möglichen; die Eigenschaften, welche combinirt werden, bleiben dieselben wie die Stücke, welche die wechselnden Bilder des Kaleidoskops liefern. Mittelbildungen zwischen zwei Organen entstehen dabei sehr häufig... . .* — Goebel äussert sich jedoch nicht ohne Vorbehalt: eine Anmerkung bringt folgenden Zusatz: „Uebrigens fanden sich Zellformen, die bei ungestörter Entwickelung nicht vorhanden sind, namentlich auch bei Haarbildungen der „Erineum“-Gallen. Diese durch Milben verursachten Haarbildungen stehen gleichfalls im Dienste des Parasiten und weichen von den normalen Haargebilden der betreffenden Pflanzen ab.“ — 1) Zum Vergleich möge eine von Massart abgebildete Callusbildung vom Fruchtfleisch des Apfels dienen („La eicatrisation chez les vegetaux.“ Mem. courounn6s et autres mem. de l’Acad, roy. de Belgique. 1898, Fig. 53, 8.-A. pag. 56). 2) 1. Bd. 1898, p. 169, 170. 176 Appel scheint sich in seiner oft genannten Arbeit der von Goebel vertretenen Anschauung anzuschliessen. Prillieux!) hat meines Wissens zuerst darauf aufmerksam ge- macht, dass bei der Gallenbildung etwas „Neues“ zu Stande kommt, Deutlicher hat sich auf Grund seiner umfangreichen Erfahrungen an Gallen Beyerinck?) hierüber ausgesprochen. Nach ihm sind in der That neue Zell- und Gewebeformen in den Gallen -- besonders vom Typus der Kollari- und Tinctoriagalle — anzutreffen, die man in den normalen Pflanzentheilen vergeblich suchen würde, Beyerincek’s Auffassung hat auch llerbst sich angeschlossen und in demselben Sinne hat neuerdings Berthold?) über die Ge- webe der Gallen sich geäussert. „Dass die Hauptthatsachen des ana- tomischen Baues nicht zu den morphologischen Charakteren gehören, kann einem Zweifel nicht unterliegen, wenn diese Bauverhältnisse im Einzelfalle auch noch so constant auftreten und obwohl sie für die praktische Systematik so vielfach werthvolle Charaktere zur Feststellung der natürlichen Verwandtschaft liefern. Darum kann es auch streng genommen nicht zutreffend sein, wenn Goebel neuerdings in seiner Organographie hervorhebt, dass bei den Missbildungen und in den Gallen nichts morphologisch Neues entstehe und nicht neue, in der Pflanze sonst nicht vorkommende Gewebebestandtheile sich zeigten. Nach meinen Erfahrungen an zahlreichen untersuchten Missbildungen und bei Regenerationen und Wundheilungen werden wir gerade das Umgekehrte als Regel aufzustellen haben, dass die unter solchen Verhältnissen auftretenden Organisationsverhältnisse abnormaler Natur sind.“ ®) Aehnlich wie Goebel denkt de Vries über die anatomischen Charaktere der Gallen’). Nach ihm „sind die Gallen auch bei höch- ster Differenzirung nur aus solchen anatomischen Elementen auf- 1) „Etude sur la formation et le d&veloppement de quelques galles.“ Ann. d. Sc. Nat. Botanique Serie VI, Bd. II, 1876, p. 135: „. . . Bientöt le tissu pri- mordial se differencie d’une fagon speciale donnant naissance & de tissus cellu- leux morbides, qui offrent des caracteres particuliers et dont la structure est fort differente de celles des tissus de l’organe qui porte la galle.“ j 2) „Beobachtungen“ a. a. o. p. 39. 3) „Untersuchungen zur Physiologie der pflanzlichen Organisation“. 1898, Bd. I. „Einleitung“, p. 9. 4) Goebel hat hierauf in der „Flora“ (1899, Bd. 86, p. 234) seine An- schauungen noch einmal und in ausführlicherer Form als in der „Organographie* klargelegt. 5) „Intracelluläre Pangenesis“ 1889, p. 117. 177 gebaut, welche auch sonst in der sie tragenden Pflanze gefunden werden; nur die eigenthümlichen, sich später in ein dünnwandiges Nahrungsgewebe verändernde Steinzellenschicht mancher Cynipiden- gallen machen eine bisher nicht völlig erklärte, jedoch wohl nur scheinbare Ausnahme.“ — de Vries bezeichnet diesen Satz als ein aus Beyerinck’s Untersuchungen abgeleitetes Resultat, ich glaube aus diesen gerade das Entgegengesetzte herauslesen zu sollen. — Ich schliesse hiermit die Reihe der Citate und wende wich zur Sichtung und Deutung des thatsächlich Beobachteten. Die Abweichungen der pathologischen Gewebecomplexe, aus welchen die Gallen bestehen, vom normal gebauten Pflanzenorgan und andrerseits die Uebereinstimmung zwischen beiden lassen mich vier verschiedene Ausbildungsarten der Gallengewebe unterscheiden, die ich im Nachfolgenden etwas eingehender besprechen will. il. Serie. In den ersten unserer vier Serien wollen wir alle diejenigen Gallenformen vereinigen, die anatomisch aus denselben Elementen sich zusammensetzen, wie das sie erzeugende Pflanzenorgan, und welche die verschiedenen Zellelemente in derselben Anordnung wie im normalen Organe wiederfinden lassen. Das soeben Gesagte will übrigens insofern nicht ganz wörtlich verstanden werden, als es streng genommen wohl keine Gallen gibt, deren Zellenformen denjenigen des Mutterorganes völlig gleichen. Ein Unterschied bleibt wohl immer noch unausgeglichen: die Zellen der Gallen sind stets grösser als die der Mutterpflanze. Ich erinnere daran, dass wir uns nur mit den „progressiven Bildungen“ unter den Gallen befassen wollen. Jede Hypertrophie scheint mit Zellvergrösse- rung stets sich zu eombiniren. Sowohl die Erfahrungen an Insecten- wie an Pilzgallen sprechen hierfür, — hinsichtlich der Letzteren ver- weise ich auf die Arbeiten von Wakker, Giesenhagen') u. a. Der Grad der Zellvergrösserung ist natürlich ein verschiedener. Am weitesten geht sie wohl bei der „Fenstergalle“ des Ahorns (vergl. Fig. 1), deren „Riesenzellen“ ich schon wiederholt erwähnte. Einem geringen Maass der Zellvergrösserung begegnen wir bei den Gallen von Viburnum Lantana (s. o.), Diplosis acerplicans, auch vielen Tylenchusgallen u. s. w. 1) „Ueber einige Pilzgallen an Farnen.* Flora 1899, Bd. 86 pag. 104. 178 Im Allgemeinen ist der Grössenunterschied zwischen normalen und Gallenzellen weit geringer. Bei den Beutelgallen auf Ulmen, Linden u. s. w., bei den Emergenzellengallen von Juglans, Crataegus u. a. handelt es sich um Gewebewucherungen, die durch und durch aus den gleichen Zellelementen zusammengesetzt sind, aus isodia- metrischen, zartwandigen Parenchymzellen, die, verglichen mit den normalen, nur einen geringen Grössenunterschied als einzige Differenz erkennen lassen. Ich verweise ferner auf den in Fig. 5 abgebildeten tangential gerichteten (das Centrum vermeidenden) Querschnitt durch die oft genannte Galle der Ceeidomyia tiliacea. Es wiederholt sich hier das Bild eines normalen Blattquerschnittes, nur ist die Wichtigkeit des Organes eine ungleich bedeutendere und die einzelnen Zellen sind etwas grösser geworden. Ebenso wie im normalen Querschnittsbild, in welchem die grüne Mesophylimasse von den „durchgehenden Ner- ven“ mit den bis zu den Epidermen reichenden Parenchymscheiden unterbrochen wird, sehen wir auch auf dem Querschnitt durch die Galle schon mit unbewaffnetem Auge grüne Zonen mit blassen, farb- losen wechseln. Beide Gewebeformen kehren in dem peripherischen Theil der Galle unverändert, nur reichlicher wieder. Das interessante Phytoptoceeidium an Aextoxicon punctatum, das durch eine ungewöhnliche Ausbildung der Schildhaare gekennzeichnet wird, habe ich schon oben besprochen. Die halbkugeligen Polster auf der Blattunterseite bestehen aus denselben Parenchymzellen, den- selben Schildhaaren, die auch normaler Weise ebendort zu finden sind. Ausserdem entstehen aber die nämlichen Schildhaare auch auf der Oberseite der infieirten Blätter, der sie im normalen Zustand der Pflanze fremd sind. Aus diesem Grunde werden wir diese Galle nicht mehr als typischen Vertreter unserer ersten Serie bezeichnen dürfen, sie stellt vielmehr schon einen Uebergang zu der nachfolgend be- handelten dar. 2. Serie, Unübersehbar mannigfaltig ist die Reihe derjenigen Gallen, deren Gewebe qualitativ sich von den normalen unterscheiden. u Das bescheidenste Maass qualitativer Veränderung liegt darin, dass diejenigen Zellelemente, welche die Abweichung der Gallengewebe vom normalen Befund bedingen, anderweit im Pflanzenkörper der gallentragenden Pflanze normaler Weise auftreten, dass beispielsweise in blattbürtigen Gallen Zellen oder Gewebe auftreten, die in den 179 Achsenorganen der betreffenden Pflanze als normal anzutreffen sind. In diesem Falle handelt es sich um eine abnorme Art der Mengung oder Combination der für die Pflanze eigenthümlichen Zellen oder Gewebe, von welcher Goebel und de Vries sprechen. Eine der wichtigsten und verbreitetsten Gewebe der Gallen ist die mechanisch wirksame Schicht, welehe nur wenigen von den durch Dickenwachsthum entstandenen Gallen fehlt. Die Zellelemente dieses „mechanischen Mantels* sind im Pflanzenreich ausserordentlich ver- breitet; sie sind in der Rinde einzeln oder in kleinen Gruppen oder zu „mechanischen Ringen“ vereinigt anzutreffen, bilden den wesent- lichsten Bestandtheil harter Samenschalen u. s. w. Die Piligeragalle z. B., deren kugelig vorgewölbter Theil eine aus palissadenförmig gestreckten Sclereiden gebildete Schutzschicht besitzt, und welche auf einer aus rundlichen Steinzellen zusammengefügten „Platte“ ruht, wiederholt mit ihren mechanischen Zellen die aus der Anatomie ihres normalen Sprosses uns bekannten Elemente des „mechanischen Ringes“, der sich aus Steinzellen der verschiedensten Form zusammensetzt. — Analoge Reminiscenzen an die Sprossanatomie finden wir bei vielen anderen blattbürtigen Gallen wieder. Die von Nematusarten auf den Blättern verschiedener Weiden erzeugten Gallen besitzen auffällige, grosse Lenticellen. An Blättern sind Organe dieser Art eine recht seltene Erscheinung, um so häufiger treten sie an Sprosstheilen auf. Die Weidenblattgallen besitzen in ihren Lenticellen einen der anatomischen Charaktere des Weiden- sprosses, der bekanntlich sehr reichlich mit Lenticellen ausgestattet ist. — Dieselben Gallen interessiren uns wegen der Ausbildung ihrer Epidermis. Die der Weiden blätter besitzt nur eine dünne, unschein- bare Cuticula, während verschiedene blattbürtige Nematusgallen durch starke Cuticula und cutinisirte Membran nach aussen geschützt sind (vergl. Fig. 9), ebenso wie es für die Epidermis des Weiden- sprosses gilt. — ‘ Ich verweise ferner auf die von Gallmilben erzeugten Erineum- rasen. Dem Blatt, auf welchem die Erineen zu finden sind, fehlen Trichome von der Form des Erineumhaares vollkommen !); aber die Wurzelhaare, die bei allen Pflanzen demselben morphologischen Typus anzugehören scheinen, gleichen ihnen in der Form durchaus. Auf Ahorn und vielen anderen Bäumen?) treten keulenförmige, knopf- oder schüsselförmig gestaltete Erineumhaare auf, wie sie in Fig. 20 1) Vergl. Goebel a. a. O. 2) Vergl. Neger a. a. O. 180 dargestellt sind. Auch für diese Haarformen möchte ich Aehnlichkeit mit Wurzelhaaren in Anspruch nehmen und erinnere an die eigen- thümlich deformirten Wurzelhaare, die man bei Anwendung bestimmter Nährlösungen erhält und welche von F. Schwarz!) eingehend be- schrieben und abgebildet worden sind. Fig. 205 zeigt (nach Schwarz) Wurzelhaare von Sinapis alba. Die Versuchspflanzen waren aus der feuchten Kammer in 1,5 proc. Nährlösung übertragen worden. — Einen ähnlichen Vergleich soll Fig. 21 ermöglichen. In « sind einige von = b c Fig, 21. a Pathologische Haarbildungen aus einer Phyteumablüthengalle, b und e deformirte Wurzelhaare. Fig. 20. a Erineumhaare von * Acer campestre, b deformirte Wurzelhaare. den an Phyteumablüthen durch Gallmilben erzeu t i - gestellt gten Trichomen dar ‚ in 5 die unter Einwirkung einer 2proc. Chlorcaleiumlösung gewachsenen Wurzelhaare von Brassica Napus und in c deformirte Wurzelhaare von Avena sativa (nach Schwarz). 1) „Die Wurzelhaare der Pflanzen, Ein Bei dieser Organe.“ Tübinger Untersuchungen Bd, I. Fig. 1 und 16, sowie die Textfigur pag. 183. trag zur Biologie und Physiologie — Vergl. die Tafelabbildungen 181 Weder die einfachen eylindrischen, noch die trichter- und becher- förmigen Haare der Filzgallen scheinen mir etwas Neues darzustellen ; wir erkennen in ihnen Zellformen wieder, die aus der Anatomie der Wurzeln bekannt sind und an Blattgallen versetzt erscheinen. An den Halmen von Poa nemoralis sprossen naph Infeetion durch Cecidomyia Poae zahlreiche Würzelchen hervor, die sich hinsichtlich ihres anatomischen Baues von den normalen Wurzeln nicht unter- scheiden !), — Auch den Früchten werden seitens der Gallen anatomische Charaktere gelegentlich entlehnt. Die grosslumigen palissadenförmigen Selereiden der Galle von Hormomyia fagi erinnern an ähnliche Zell- formen in der Buchencupula u. s. w. 8. Serie. Bei Besprechung der Zellelemente und Gewebe des Gallenkörpers, welche etwas Neues für den Organismus der gallentragenden Pflanze bedeuten, müssen wir zwischen solchen unterscheiden, die bei den Verwandten der betreffenden gallentragenden Pflanze wiederkehren und denjenigen, die auch in ihrem nächsten Verwandtschaftskreise nicht anzutreffen sind. Im erstgenannten Fall dürfen wir annehmen, dass in der gallentragenden Pflanze durch den Gallenreiz Fähigkeiten geweckt worden sind, die latent in ihr geschlummert hatten, — im zweiten Fall dürfen wir folgern, dass der Gallenreiz die formbildenden Fähigkeiten der Pflanzenzellen modifieirt oder, um mit Driesch?) zu sprechen, die Struktur des Substrates selbst ver- ändert habe. Diejenigen Zellen oder Gewebeformen der Gallen, welche zwar aus der normalen Anatomie der gallentragenden Pflanze nicht bekannt sind, wohl aber bei den nächsten Verwandten der letzteren sich wiederfinden lassen, wollen wir in der „dritten Serie“ zusammenfassen. Es handelt sich dabei um nur wenige Beispiele, die ich an dieser Stelle zu erbringen vermag, ich zweifle jedoch nicht, dass die genauere Durchforschung der Gallenanatomie späterhin noch mit ähnlichen Vor- kommnissen bekannt machen wird. 1) Prillieux, „Note sur la galle des tiges du Poa nemoralis“. Ann. d. Se. Nat. Botanique, Serie III, Rd. XX, 1853, pag. 191. — Beyerinck, „Die Galle von Cecidomyia Poae an Poa nemoralis“. Botan. Zeitg. Bd. 43, 1885, pag. 305. 2) „Die Biologie als selbständige Grundwissenschaft“. 1893. Flora 1900. 13 182 Schon längst sind die zierlichen, braunen Sternhaare der von Neuroterus lentieularis auf den verschiedensten Eichenarten erzeugten Galle bekannt. Die auf unserer einheimischen Quercus pedunculata auftretenden Gallen sind schon oft untersucht und ihre eigenartigen Triehome geschildert worden, die um so auffälliger sein müssen, als sie den norınalen Teilen der gallentragenden Pflanze völlig fremd sind‘). Wohl aber finden sich in der Familie der Cupuliferen und speciell bei der Gattung Quercus Sternhaare in grosser Verbreitung; Solereder?) gibt solche für Castanea vulgaris, ferner für Quercus Farnetto und Qu. Ilex an. Dieselben Haarformen sind mir ferner für Qu. Aegilops, Qu. Cerris und Qu. Suber bekannt und zweifellos sind sie auch bei anderen Qu.-Arten noch zu finden. Wenn die Gewebe von Qu. peduneulata bei der Gallenbildung Haarformen produeiren, welche dieser Species zwar fremd sind, wohl aber bei nahe verwandten Arten normaler Weise auftreten, so folgere ich hieraus, dass die Fähigkeit, Sternhaare zu bilden, latent in den Geweben der Qu. pedunculata gelegen hat und erst durch den Gallen- reiz zur Bethätigung gebracht worden ist. Die Stengelgalle von Aulax Hieraeii zeichnet sich neben anderem auch durch die Bildung secundärer markständiger Gefässbündel aus, welche den normalen Sprosstheilen fremd sind. Auch hierin glaube ich ein ähnliches Phänomen zu sehen, wie in der soeben besprochenen Sternhaarbildung. Gerade in der nächsten Verwandtschaft von Hiera- eium sind markständige Bündel weit verbreitet). 1) Beocari („Malesia“, Bd. III, pag. 222. — Referat im Bot. Jahresber. 1889, Bd. II, pag. 2) sagt über sie Folgendes: „Die gewöhnlich farblosen und verzweigten Trichome auf der Blnttunterseite der behaarten Varietät von Quereus Robur wurden im Chiantigebiet infolge der Produktion von Gallen durch Neu- roterus lenticularis auf der Oberfläche in sternartige Schuppenhaare verwandelt (eitirt nach dem genannten Referat)“ Falls es sich um die Gallenhaare selbst handeln sollte, muss ich hervorheben, dass von einer Umwandlung der normalen Haare in steroförmige nicht die Rede sein kann. Die sternhaartragende Gallen- epidermis leitet sich entwickelungsgeschichtlich nicht von der normalen Epidermis ab, sondern aus einem secundären Meristem. -- Uebrigens vermögen gallener- zeugende Thiere gelegentlich sehr wohl die normal vorhandenen Trichome zu verändern. Ich verweise auf Frank’s Bemerkungen über das Erineum von Quercus Aegilops (a. a. O. pag. 48). 2) a. a. O, pag. 891. 3) Vergl. Kruch, „Fasei midollari delle Cichoriacege“ Aun. d. R. Ist. Botan, di Roma 1890, Bd. IV, fasc. 1 (siehe Solereder a. a. O. pag. 527), — ferner Krüger, „Der anatomische Bau des Stengels bei den Compositse Cichoriaceae* Inaugural-Dissertation, Göttingen, 1398, 183 4. Serie. Ungleich zahlreicher sind die Fälle, in welchen die infieirten Pflanzen prineipiell Neues produciren, das normaler Weise weder in ihnen selbt, noch in ihren nächsten Verwandten sich wiederfinden lässt. Nachfolgend einige Beispiele. In Fig. 18 sind Haarformen aus den Beutelgallen des Ahorns dargestellt. Die prall gefüllten, wurstförmigen Nährhaare stellten Forınen dar, welche in der normalen Anatomie der gallentragenden Pflanze kein Analogen besitzen. Ich habe oben bereits die Krystallschläuche der Galle von Hormomyia fagi beschrieben. Die grossen polyedrischen Zellen sind durch überaus zarte Querwände gefächert und mit Einzelkrystallen ausgestattet. Ich habe derartige Krystallschläuche in den normalen Geweben der Buche nicht finden können. Besonders zahlreiche Beispiele liefern uns die hoch organisirten Cynipidengallen. Während die normale Anatomie der verschiedenen Eichen, auf welchen die meisten Cynipidengallen zu finden sind, in Sprosstheilen, Blättern und Früchten fast überall dieselben Zell- und Gewebeformen wiederkehren lässt, ist der anatomische Bau der von den Eichen gelieferten Gallen ungemein mannigfaltig. Ich nenne zunächst die zweiarmigen Haare der Eichengalle von Neuroterus numismatis, welche meist in ungleicharmigen Formen anzutreffen sind. Die normalen Theile der Eiche tragen meines Wissens keine derartigen Trichome. Das oben erwähnte Durchlüftungsgewebe verschiedener Eichen- gallen ist aus sternparenchymäbnlichen Zellen zusammengesetzt (vergl. Fig. 11), die bei den Eichen normaler Weise sich nirgends in dieser Form wiederfinden. Auch die in den Eichengallen so häufigen, einseitig verdickten Steinzellen sind „neu“. Zellen von ähnlicher Fornı sind im „gemisch- ten Ring“ mancher Rosaceen u. a. häufig, bei den Cupuliferen aber habe ich sie nicht finden können. Auch in den Früchten der Eichen und ihrer Cupula, die besonders reich an sclerosirten Zellelementen ist, treten nur allseitig gleichverdiekte Selereiden auf. Ebenso „neu“ wie die halbseitig verdiekten Zellen scheinen die durch flaschenförmiges Lumen gekennzeichneten (siehe Fig. 14) und die unregelmässig ver- diekten Sclereiden zu sein, die ich in Fig. 15 abgebildet habe. Ferner wird hier die in Fig. 12 abgebildete Drüse nochmals zu nennen und auf die mechanisch wirksamen Haare der Diplosisgalle auf Eschen (Fig. 16) von neuem hinzuweisen sein. 13* 184 Grosse Mannigfaltigkeit und grosse Abweichungen finden wir ferner im Speichergewebe und besonders in dem der Cynipidengallen. Die Zellen des Nährparenchyms sind mit den Zellen des Endosperms oder Perisperms verglichen worden. Ungeachtet der Aehnlichkeiten zwischen diesen und jenen treffen wir in den Gallen mancherlei Speicherzellen oder -Gewebe, die in der normalen Anatomie kein Analogon besitzen. Ich erinnere an die Zellen der oben geschilderten „Ligninkörperschicht“, an das eigenthümlich weitmaschige Gewebe, das in Fig 15 St dargestellt ist, an die langen wurstförmigen Nährparen- chymzellen der Lentieularisgalle, an die aus unvollkommen selerosirten mechanischen Zellen hervorgegangene secundäre Nährschicht der Linsengallen, der Foliigalle u. v. a. Unsere Betrachtungen würden allzu lückenhaft sein, wenn wir ausschliesslich die Form der Gallenzellen und Gallengewebe berück- sichtigen und von ihrer Function absehen wollten. Ich beschränke mich auf ein Beispiel: Das Nährgewebe, welches von den Gallen- thieren verzehrt wird, hat zum mindesten bei den höchst organisirten Gallenformen keine andere Bestimmung als eben den Larven zur Nahrung zu dienen. Zellen dieser Art, weiche thatsächlich nur ent- stehen, um von fremden Organismen verzehrt zu werden, sind für die normale Anatomie geradezu unerhört. Mehr noch durch seine Function denn durch seine Form stellt das Nährgewebe etwas den Gullen Eigenthümliches dar, wofür wir in der normalen Anatomie vergebens ein Analogon suchen. Zur Erläuterung des principiellen Unterschiedes, der sich zwischen dem normalen Gewebeaufbau der gallentragenden Pflanzen und der Anatomie der Gallen oftmals nachweisen lässt, könnten leicht noch zahlreiche weitere Beispiele angeführt werden. Doch glaube ich, das Wesentliche an den oben besprochenen Fällen schon hinreichend deutlich demonstrirt zu haben. Das Resultat unserer Betrachtungen ist, dass in den Gallen thatsächlich verschiedene Zellen- und Gewebeformen auftreten, welche der normalen Struktur der Mutterpflanze fremd sind. Ich folge hierin der Anschauung, die Beyerinck und Berthold bereits vertreten haben. Andererseits ist nach unseren bisherigen Erfahrungen der Gallenreiz allein im Stande, die Struktur des vege- tabilischen Plasmas derart zu verändern, dass dieses zur Bildung neuer Formen angeregt wird. 185 Den Erörterungen, welche an einen Vergleich zwischen normalen Pflanzengeweben und den pathologischen Bildungen, welche die Gallen darstellen, sich schlossen, möchte ich noch einige kurze Betrachtungen über die pathologischen Gewebebildungen folgen lassen, bei der wir “ die durch verschiedenartige äussere Einwirkungen entstandenen patho- logischen „Bildungsabweichungen“ mit einander vergleichen wollen. Bei Verletzung lebender Pflanzenorgane wird bekanntlich oft ein aus zartwandigen, saftreichen Zellen zusammengesetztes Gewebe ge- bildet, das man als Callus bezeichnet. Die Beschaffenheit der einzelnen Zellen sowohl, wie auch ihre Anordnung zu regelmässigen Reihen, kennzeichnet dieses abnorme Gewebe. Beyerinck!) hat darauf hin- gewiesen, dass das Gallplastem durch die Beschaffenheit seiner Zellen oft an Callusgewebe erinnert. Mit Verwundungsreizen ist die Ent- stehung der Gallen aber keineswegs nothwendig verbunden, da für viele Gallen nachgewiesen ist, dass ihrer Bildung keinerlei Verletzung des infieirten Organs vorangeht. ?) Fig. 19 stellt einen Theil aus dem Nährgewebe einer völlig aus- gebildeten Galle von Nematus gallarum dar. Die wulstig vorquellen- den Zellreihen erinnern durchaus an Callusgewebe. Verwundungsreize bedingen an Meeresalgen häufig Rhizoiden- bildung). Wurzelhaarähnliche Zeilschläuche sah Haberlandt‘) an den Blättern von Conocephalus ovatus entstehen, die mit Sublimat- lösung bepinselt und deren Hydathoden er dadurch zum Absterben gebracht hatte (s. o.). Die rasenartige Vereinigung dieser Triehome erinnert an manche Phytoptusgallen, an gewisse Erineen. Umbildung isodiametrischer Zellen zu schlauchförmigen lässt sich auch bei anderen Gallen beobachten. In den Weizenhalmen, die von Chlorops taenio- pus befallen sind, wachsen die Zellen des Markes „in lange, dieke Zotten aus, deren freie Enden mannigfach gekrümmt und verbogen sind und durch ihre Länge an die Papillen mancher Narben erinnern“.?) 1) „Beobachtungen“ pag. 55 u. a. 2) Nachgewiesenermaassen ohne vorausgehende Verwundung entstehen nach Beyerinck (a. a. O. pag. 70 Anm.) die Baccarum-, Albipes-, Inflator-, Tricolor-, Gemmae-, Solitaria-, Glandulae-, Megaptera-, Taschenbergi-, Similis-, Verrucosa-, Callidoma-, Malpighii-, Autumnalis-, Kollari-, Argentea-, Hungarica-, Tinctoria-, Glechomae-, Orthospinae- und Rosae-Galle, 3) Küster, „Ueber Vernarbungs- und Prolificationserscheinungen bei Meeres- algen“, Flora 1899, Bd. 86, pag. 143. 4) „Ueber experimentelle Hervorrufung u. s. w.“ 'a. a. O. 5) Cohn, „Ueber die bandfüssige Halmfliege (Chlorops taeniopus)*. Bericht über die Thätigk. d. bot. Section d. Schles. Ges. 1865 pag. 77. 186 Man könnte bei diesen Schläuchen ebenso von Riesenzellen reden, wie wir es bei Besprechung der Blasengallen von Viburnum Lan- tana u. s. w. gethan haben. In beiden Fällen handelt es sich um einkernige Riesenzellen. Vielkernige Riesenzellen spielen bekanntlich in den medieinischen Wissenschaften eine grosse Rolle. Man findet sie in erkranktem Ge- webe bei Lupus und Lungenschwindsucht, bei Sarkom („Riesenzellen- sarkom“) und Lues u. a. als abnorme Zellformen. Die pathologische Anatomie der Gallen kennt vielkernige Riesenzellen aus verschiedenen Gallen. Zuerst hat sie wohl Prillieux!) beschrieben, später Treub?) für Heteroderagallen und Molliard?) für Phytoptoceeidien u. a. Durch ungünstige Ernährungsverhältnisse konnte Basidiobolus ranarım von Raciborski zur Bildung vielkerniger Riesenzellen ge- bracht werden), Olivier erhielt solche an Vieia Faba nach Ver- wundung der Wurzel?), Prillieux erhielt dieselben Zellformen an verschiedenen Pflanzen, die er bei allzu hoher Temperatur cultivirte.®) Als Riesenzellen der Bacterien können wir manche der Naegeli- schen „Involutionsformen“ auffassen, deren Bildung bei unzweck- mässiger Ernährung erfolgt”). Riesenvibrionen und Riesenhefezellen züchtete Gamaleia in einer Nährbouillon, der 0,4%, Coffein zu- gesetzt worden waren). Durch Ernährungsstörungen kommen an Wurzelhaaren, wie schon erörtert, Deformationen zu Stande, welche sie ohne Weiteres gewissen Erineumtrichomen vergleichbar machen. Bast- und Libriformfasern fehlen den Gallen nach allem, was bisher bekannt ist, vollständig. Libriformfasern fehlen auch dem Wundholz. 1) Ann. de YInst. agronomique. 1877—78, Bd. II pag. 46. 2) Mededeelingen uit "sLands Plantentuin Bd. II, 1885: „Onderzoekingen over Sereh-ziek suikerriet* pag. 20. 3) „Hypertrophie pathalogique des cellules vögetales”, Revue g&n. de Bo- tanique Bd. IX, 1897, pag. 31. 4) „Ueber den Einfluss äusserer Bedingungen auf die Wachsthumsweise der Basidiobolus ranarum“, Flora 1896, Bd. 82, pag. 113. 5) „Experiences sur l’aceroissement des cellules et la multiplication des noyaux.‘ Bull. d. I, Soc. Bot. d. Fr. Bd. 29, 1882, pag. 101, nebst drei Tafeln. 6) „Alterations produites dans les plantes par la culture dans un sol sur- chauffe“. Ann. d. Se. Nat. Botanique 1880, Serie VI, Bd. X pag. 347. 7) Zopf, „Die Spaltpilze* (Encyclop. d, Naturw.) pag. 9. — A. Fischer, „Vorlesungen über Bacterien* pag. 25. 8) Jahresbericht f. Thierchemie, Bd. 26, pag. 923. — (Referat.) 187 de Vries, der die histologische Zusammensetzung des letzteren genauer untersucht hat, konnte feststellen, dass die Zahl der Libriform- fasern im Wundholz nach der Wunde hin deutlich abnimmt und in der Höhe der Mitte der sog. „langzelligen Zone“ gänzlich verschwin- den‘). Homogenes „Parenchymholz“ sah ich unter Einwirkung hohen Druckes sich entwickeln ?2). Als Parenchymholz können wir auch die- jenigen Modificationen des Xylems bezeichnen, welche die Blutlaus- gallen kennzeichnen). — Durch mechanische Misshandlung der Blüthenknospen von Gera- nium disseetum erhielt Molliard*) ähnliche Blüthendeformationen, wie sie durch Cecidophyes Schlechtendalii erzeugt werden. Diese Auslese von Resultaten der verschiedensten pflanzenpatho- logischen Untersuchungen lehrt uns, dass durch verschiedenartige Störungen gleichartige Bildungsabweichungen erzielt werden können und vor Allem, dass auch manche abnorme Erscheinungen, welche gewisse Gallenbildungen charakterisieren, nach Einwirkung mecha- nischer oder chemischer Einflüsse bekannter Art am lebenden Pflanzen- körper sich erzwingen lassen, — Wenn mechanische Eingriffe, wenn die Anwendung bestimmter Nährlösungen oder Gifte, wenn künstlich erhöhter Druck oder Zug die Pflanzenorgane zu ähnlichen Bildungsabweichungen nöthigen, wie bestimmte Gallenthiere, so folgere ich hieraus, dass die Wirkung des gallenerzeugenden Reizes ebenso wie die der erwähnten chemischen oder mechanischen Eingriffe in die normalen Lebensverhältnisse der Pflanze darin sich gleichen, dass sie ätiologisch auf Störungen des Gleich- gewichtes zurückzuführen sind, welches die Vereinigung aller „nor- malen“ Lebensbedingungen für die gedeihliche Fortentwickelung der Pflanze bedeutet. Bei den oben aufgezählten, verschiedenartigen Reizmitteln sehe ich das tertium comparationis in etwas Negativem: die Nährlösung, in welcher die Wurzelhaare ihre abenteuerlich ge- formten Köpfe bilden, wirkt nicht als speeifische Mischung wohl- bekannter Componenten, sondern wirkt nur als ein den Ernährungs‘ ansprüchen der Pflanze nieht entsprechender Stoff. Nur die negative Seite ihres physiologischen Charakters kommt in Frage. 1) de Vries, „Ueber Wundholz“. Flora 1876, Bd. 59, p. 39. 2) Küster, „Ueber Stammverwachsungen“. Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. 32, p. 487. 3) Abbildung in Sorauer, „Atlas der Pflanzenkrankheiten‘. 4) Cecidies forales“ a. a. O. p. 200. 188 Ebenso liegen die Verhältnisse bei den soeben genannten Gallen- formen, deren Erzeuger die Gesammtheit der Lebensverhältnisse, in welcher die Pflanze vor der Infection sich befand, und deren Fort- bestand für ihre normale Weiterentwickelung erforderlich gewesen wäre, ein wenig ändern oder gründlich umgestalten, je nach ihren Fähigkeiten. Die Gallenthiere haben durch Eigenschaften, welche mit den normalen Entwickelungsbedürfnissen der Pflanze nicht vereinbar sind und welche eben durch diesen Contrast wirksam werden, die Pflanzen verändert, gleichsam vergiftet, Die Wirkung der Gallenreize ist hiermit aber keineswegs er- schöpft. Das Wesentliche, dessen Klarlegung ich durch diese Zeilen versuchen möchte, liegt darin, dass man zwei Arten von Gallenreizen zu unterscheiden hat. Bei der einen wirkt der Gallenreiz störend auf das physiologische Gesammtgetriebe der infieirten Pflanzen oder Pflanzenorgane, er wirkt nur durch seine negativen Eigenschaften. Im andern Falle bringt der gallenerzeugende Reiz ein neues Moment in die Pflanze, ein bisher ihr fremdes Können. Das Wesentliche ist nicht mehr der schädigende Contrast zu den normalen Jiebens- bedingungen, sondern die positive Modification in den Eigenschaften des Plasmas, die dureh den Reiz bedingt wird. Formative Reize — mit solchen allein haben wir es stets zu thun — der ersten Art nenne ich negativ formative oder destructive Reize, die anderen will ich als positiv formative oder heteromorphogene Reize zusammenfassen. Wohl alle Gallen entstehen durch gleichzeitig wirkende ungleich- artige Reize, bei ihrer Entstehung verbinden sich störende Einflüsse mit Reizen, welche zu Neuschöpfungen irgend welcher Art Anstoss geben, Vielleicht gibt es überhaupt keine Gallen, welche ausschliesslich durch destruktive Reize zu Stande kommen. Wenn wir das Wesent- liche der Gallen darin finden wollen, dass ein den Pflanzengeweben bisher fremdartiges Ziel, die Wohlfahrt eines fremden Organismus, das Maassgebende, das Ausschlaggebende für ihre Form und Function sei, müssen wir die Wirkung heteromorphogener Reize voraussetzen. Nur sehr ‚primitiv gebaute Gallen, bei welchen eine ausgesprochene Zweck- mässigkeit und Anpassung an die Bedürfnisse der Thiere sich nicht erkennen lassen, könnten allenfalls in Frage kommen. Andrerseits wird kaum eine Galle durch ausschliesslich hetero- morphogene Reize zu Stande kommen können. Nie entsteht eine Galle, ohne dass nicht wenigstens für einen eng begrenzten Theil der m — 189 Mutterpflanze neue Lebensbedingungen in Geltung kämen, welche mit den normalen nicht sich deekten. Eine Störung wird jedenfalls niemals zu eliminiren sein, und sie wird ihre formativen Reize ausüben, wenn deren Wirkungen auch noch so minimal sind oder im Verlauf der weiteren Entwickelung wieder ausgeglichen und für uns unerkennbar werden. Der Name der heteromorphogenen Reize klingt an „Heteromor- phose“ an. Nicht jeder Heteromorphose !) wollen wir einen hetero- morphogenen Reiz zu Grunde gelegt wissen, wenn schon mit Recht die Gallen als Heteromorphosen bezeichnet worden sind.?) Wenn beispielsweise mechanisches Gewebe dort entsteht, wo norınaler Weise solches fehlt, so kann man bereits von Heteromorphose reden; einen heteromorphogenen Reiz werden wir aber erst dann annehmen, wenn die Form der mechanisehen Zellen oder Gewebe etwas Neues bringt oder wenn ihre Vertheilung zweckmässiges Walten im Sinne eines neuen Zieles erkennen lässt. Denn auch destructive Reize können bereits im Stande sein, sclerosirte Zellen oder Gewebe entstehen zu lassen. Die heteromorphogenen Reize sind den „morphologischen“ Reizen ) ähnlich, ja vielleicht sind sie mit ihnen identisch. Vielleicht werden in der That durch alle heteromorphogenen Reize Aenderungen in der Struktur und somit in den morphologischen Leistungen der lebendigen Materie bedingt, ebenso wie es durch die morphologischen Reize ge- schieht. Nicht nur wenn Elemente von neuer Form oder Function entstehen, sondern auch wenn der Organismus aus seinem normalen Material Gewebe im Sinne einer neuen Zweckmässigkeit schafft, werden wir uns vielleicht zur Annahme innerster Strukturveränderungen, zur Annahme morphologischer Reize genöthigt sehen. Die von mir vorgeschlagenen Termini sind nur provisorische, meine Mittheilungen über die angedeuteten Probleme wollen auch nur als vorläufige betrachtet sein. Vielleicht gelingt es durch eingehendes Studium der pathologischen Bildungen im Sinne der Entwickelungs- . mechanik die hier berührten, Fragen und manche andere der Lösung näher zu bringen. Mittheilungen über meine einschlägigen Versuche muss ich mir für spätere Gelegenheit vorbehalten. 1) Im Sinne Loebs („Untersuchungen zur physiologischen Morphologie der Thiere I: Ueber Heteromorphose“, Würzburg 1893, pag. 10). 2) Hertwig, „Präformation oder Epigenesis?* (Zeit- und Streitfragen der Biologie, Heft I) pag. 48. 3) Driesch a. a. O. pag. 22. 190 Rückblick. Die wichtigsten Resultate unserer Erörterungen möchte ich zum Schluss noch einmal in gedrängter Kürze zusammenstellen. 1. Zwischen Entwickelungsgeschichte und histologischer Aus- gestaltung der Gallen bestehen insofern Beziehungen, als solche Gallen, welche durch Flächenwachsthum der inficirten Pflanzentheile zu Stande kommen, stets einfach ge- baut sind; weitgehende histologische Differenzirung ist ein Vorrecht der durch Diekenwachsthum entstan- denen Gallen. — Diejenigen Gallen, die lediglich durch Ver- grösserung der vorhandenen Zeilen zu Stande kommen, sind ebenfalls stets sehr primitiv in ihrem anatomischen Bau. Unter den normal vorhandenen Gewebearten widersteht die Epidermis am längsten den metamorphosirenden Ein- flüssen des Gallenreizes. Der eigentliche Herd der Gallen- bildung ist das Mesophyll, die Rinde und das Mark. — Die oberseitigen Schichten des Blattgewebes scheinen minder umwandlungs- fähig zu sein, als die unteren. Die wichtigste Veränderung, welche die Epidermis nach Einwirkung des Gallenreizes erfährt, ist im Allgemeinen die Haarbildung. Eine Beziehung zwischen äusserer und innerer Organisation der Gallen einerseits, Ort und Zeit ihrer Anlage andrerseits, lässt sich im Allgemeinen nicht erkennen. II. Die Bildung von Wundkork, Thyllen u. s. w., welche nach Verwundung lebender Pflanzentheile erfolgen, sind anormale Vor- gänge, aber ihre Produkte sind nicht zu den pathologischen Geweben zu rechnen, da ihre Function sie als zweckmässig für den sie er- zeugenden Organismus erkennen lässt. Zu den pathologischen Bildungen rechnen wir vor allem die Gallen, deren Bildung für die Pflanze einen beträchtlichen Aufwand an Nährmaterial bedeutet, ohne dass hierfür der Pflanze seitens der Gallenthiere oder Gallengewebe irgend welche Entschädigung gesichert erschiene. Die Gallen — und besonders die hoch organisirten — sind zweck- mässig funcetionirende Organe; ihr „Zweck“ ist die Wohlfahrt des Gallenthieres. Ueber die verschiedenartigen Gewebe der ausgebildeten Gallen ist Folgendes zu sagen: Die Hautgewebe sind vornehmlich als Epidermis entwickelt, Kork und Borke sind selten. Eigenartig ausgebildete Epidermiszellen 191 finden wir bei verschiedenen Eichengallen, Schutz gegen allzu hohe Transpiration vornehmlich an denjenigen Gallen entwickelt, welche vor der letzten Phase ihrer Entwickelung vom Mutterorgan sich ablösen. Die Function des Hautsystems charakterisirt auch viele Gallen- haare. Die Spaltöffnungen der Gallen werden vielfach zu Luft- spalten, welche permanent geöffnet bleiben. Sie stehen häufig auf kleinen Gewebesockeln. — Bei manchen Weidengallen bilden sich unter den Luftspalten frühzeitig echte Lenticellen. Typische Durchlüftungsgewebe mit charakteristisch ge- formten, sternförmigen Zellen sind bisher nur für einige Cynipiden- gallen bekannt. Die Assimilationsgewebe der Gallen sind meist sehr dürftig entwickelt, obschon gänzlicher Chlorophylimangel selten zu sein scheint. Vermehrung des assimilirenden Gewebes ist nur bei wenigen Gallen bisher beobachtet worden. ' Mechanische Gewebe fehlen den durch Dickenwachsthum entstandenen Gallen fast nie. Stereiden kommen in Gallen nicht zur Entwicke- lung. Die Form der Scelereiden ist eine sehr mannigfaltige. Grosse Ab- wechslung bringt die ungleichseitige Verdickung der Membranen mit sich. Die Larvenkammern sind von einem mechanischen Mantel um- hüllt, der in seiner Form die Gestalt der Galle selbst en miniature wiederholt. Ausnahmen sind selten, desgleichen die Fälle, in welchen eine zweite, äussere mechanische Hülle halb oder ganz zur Entwicke- lung kommt. An denjenigen Gallen, deren Innenraum mit der Aussen- welt durch einen offenen Porus oder Spalt communicirt, lassen sich verschiedenartige besondere Einrichtungen beobachten, welche eine Verengung des offenen Ausweges, eine Festigung seiner Ränder und deren Verankerung in einander bezwecken. Nach der Lage der mechanischen Gewebe im Gallenkörper lassen sich verschiedene Formen unterscheiden: entweder es ist eine mehr- schichtige Gallenrinde entwickelt, oder die letztere ist auf die Epi- dermis reducirt, oder die mechanischen Gewebe treten unmittelbar bis an die Oberfläche der Gallen heran. Wasserspeichernde Zellen und Gewebe sind bei den Gallen offenbar selten. Um so grösser ist die Rolle, welche die nähr- stoffspeichernden Zellen spielen. 192 Die einfachste Form des Nährgewebes ist die Nährepidermis mit den Nährhaaren. Wir finden diese bei Phytoptus- und Aphiden- gallen. Als Nährparenchym bezeichnen wir sowohl das aus auf- fallend grossen, eiweissreichen Palissadenzellen zusammengesetzte Nähr- gewebe einiger einfach construirter Gallen, als auch die in allen höheren Gallen ausgebildete eiweissreiche Zellenschicht, welche die Larven- kammer austapezirt. Bei hoch organisirten Cynipidengallen lassen sich hinsichtlich der Art des gespeicherten Nährstoffes verschiedene, wohlumgrenzte Zonen im Speichergewebe unterscheiden: die innerste ist die Eiweissschicht (die Nährsebicht par excellence); ausserhalb derselben liegt die Stärke- schicht, die bald der Innengalle, bald der Grallenrinde angehören kann. Im letzteren Fall wandert ihr Inhalt in gelöster Form durch den mechanischen Mantel in die Innengalle über, im andern Fall werden die Zellen der Stärkeschicht allmählich und je nach Bedarf zu Nährzellen, indem ihr Inhalt in Eiweiss umgesetzt wird (secun- däres Nährgewebe). — Zwischen Eiweiss- und Stärkeschicht liegt bei einigen Gallen noch die „Ligninkörperschicht*, die ebenfalls als Nähr- gewebe zu dienen scheint. Ueber den chemischen Charakter ihres Inhalts ist bis jetzt noch nichts Sicheres ermittelt worden. Die Form der Nährparenehymzellen lässt wenig Abwechslung erkennen. Das Leitungssystem ist in den Gallen fast durchgängig schlecht entwickelt, die Gefässbündel sind oft spärlich, die Gefässe selbst meist sehr englumig. — Beachtung verdienen die centrisch gebauten Gefässbündel, die bei einigen wenigen Gallen gefunden worden sind. Gerbstoffreiche Gewebe spielen in den Gallen bekanntlich eine grosse Rolle. Bei manchen Gallen findet eine Vermehrung der normalen Sekretionsorgane statt, im Allgemeinen scheinen sie ohne grosse Bedeutung für die Gallen zu sein. Krystalle fehlen wohl virgends ganz, reichlich treten sie aber nur selten auf. Besondere Krystallschichten sind für verschiedene Gallen bekannt, „Bewegungsgewebe“ sind bisher für Gallen noch nicht bekannt geworden; vielleicht bleibt die Entdeckung hygroskopischer Elemente späteren Untersuchungen vorbehalten. — IU. Es ist bisher dem Experimentalphysiologen nicht gelungen, den Pflanzenorganismus durch künstliche äussere Eingriffe zur An- 193 lage und Ausbildung „neuer Organe“ oder „neuer“ Zellformen zu bringen. Hegler’s Versuche lehren unseres Erachtens nur, dass steigende Inanspruchnahme auf Zug die mechanischen Elemente im Blattstiel von Helleborus niger zwar fördern kann, aber nicht, dass durch Zug in den Blattstielen der genannten Pflanze neue Gewebeformen erzeugt werden können. Die mechanischen Zellen sind in Hegler’s Versuchsobjeeten zwar sehr schwach ausgebildet, aber sie fehlen keineswegs. — Die „Ersatzhydathoden“, welehe Haber- landt an den Blättern von Conocephalus ovatus dureh Bepinselung mit Sublimat hervorrief, sind nach Ansicht des Schreibers dieser Zeilen eher als Callusgewebe denn als „neue Organe“ zu bezeichnen, Die Gallen sind bisher der einzige Beweis dafür, dass die Pflanzen durch äussere Eingriffe thatsächlich zur Bildung neuer Zell- oder Gewebeformen genöthigt werden können. Die anatomischen Elemente der Gallen, verglichen mit denjenigen der normalen Pflanzentheile, lassen vier verschiedene Ausbildungsmög- lichkeiten unterscheiden: 1. Die Zellen der Gallen gleichen in Form und Anordnung den Zellen der normalen Pflagzentheile.e — Der Grössenunterschied bleibt hierbei unberücksichtigt. 2. Die Gallen bestehen nur aus Zellen, welche auch in den normalen Pflanzentheilen sich finden lassen, nur die Anordnung ist eine andere. 3. Es treten in der Galle Zellen- oder Gewebeformen auf, die sich zwar nicht in den normalen Theilen der gallentragenden Pflanze wiederfinden lassen, wohl aber bei den nächsten Verwandten der letzteren. 4. Die fremden Zellformen der Gallengewebe sind schliesslich auch in der normalen Anatomie des ganzen Verwandtschaftskreises nicht nachzuweisen. Es handelt sich um eine morphologische Neu- schöpfung durch den Gallenreiz. — Der „Gallenreiz“ ist aufzufassen als ein Compositum verschiedener, ungleichwerthiger Reizwirkungen. Bei den einen ist die Störung, welche die Einwirkung des Gallenthieres für die Lebensbedingungen der normalen Zellen und Gewebe bedeutet, das maassgebende (nega- tiv formative oder destructive Reize), bei den andern werden dem Plasma neue Formbildungsfähigkeiten gebracht, das Positive in der Wirkung ist die Hauptsache (positiv formative oder heteromorphogene Reize). Beiträge zur Morphologie der Gymnospermen. IV. Was sind die „Keimbläschen“‘ oder „Hofmeisters-Körperchen“ in der Eizelle der Abietinsen ? (Vorläufige Mittheilung.) Von 1 W. Arnoldi. (Hiezu Tafel VL) Im Jahre 1851 in seinem berühmten Werke!) beschrieb Hof- meister in der Eizelle der Coniferen-Corpuseula eigenthümliche Gebilde, die von ihm als Keimbläschen erklärt wurden. In grosser Menge schwimmen die Keimbläschen im Eizellprotoplasma entweder vereinzelt, als kleine Kügelchen, odeg zu grösseren Complexen ver- bunden. Kurz vor der Befruchtung erscheint eines von den Keim- bläschen im unteren Theile des Archegoniums an ihren Boden ange- drückt. Sogleich nach der Befruchtung wächst dieses Keimbläschen, wird körnig und gibt dem Embryo den Ursprung, während die anderen Keimbläschen allmählich zu Grunde gehen. Die Zahl der Keimbläschen ist bei Taxus bis acht, bei den Cupressineen ist sie gross, bei den Abietineen kann man Hunderte von Keimbläschen beobachten. Indem Hofmeister die Archegonien der Gefässkryptogamen und die Corpuscula der Gymnospermen vergleicht, sagt er, dass der wichtigste Unterschied zwischen diesen beiden Organen darin bestehe, dass die Eizellen der Archegonien der Gefässkryptogamen je ein Keimbläschen haben, während die der Gymnospermen-Corpuscula viele Keimbläschen besitzen, von denen nur eines befruchtet wird. Es sind schon beinahe fünfzig Jahre seit dem Erscheinen des grossen Werkes Hofmeister’s verflossen, die Frage über die Natur der Keim- bläschen in der Eizelle der Gymnospermen aber blieb bis jetzt ungelöst. Schacht, Hofmeister’s Zeitgenosse, hielt die Keimbläschen für Zellsaftvacuolen. Für solche hält sie auch Strasburger. In seinen verschiedenen Arbeiten, welche im Zeitraume von 1869— 1879 erschienen sind, kehrt Strasburger zur Frage über die Keimbläs- }) Hofmeister, Vergleichende Untersuchungen. 1851. ei nn nn .- in. 195 chen der Coniferen oft zurück und erklärt sie als Eisweissvacuolen, welche entweder einfach oder zusammengesetzt sind, was mit der Vertheilung von Wasser und Eiweiss in ihnen zusammenhängt. ! Im Jahre 1880 erschien die umfangreiche Arbeit Goroschankins, eine der bedeutendsten Arbeiten auf dem Gebiete der Gymnospermen- lehre !). “ Ich gehe jetzt zur Betrachtung einiger Angaben dieser Arbeit über, welche sich näher auf die Frage über die Keimbläschen beziehen. Zuerst gab Goroschankin die genaue Beschreibung der Eigen- schaften, welche die Deckschichtzellen der Corpuseula bei den Cyeadeen und Abietineen haben. Er zeigte, dass die Deckschichtzellen ein dickes Protoplasma, grosse Kerne, welche denjenigen der Eizelle ähn- lich sind, haben, und dass die Protoplasten der Ei- und Deckschicht- zellen in unmittelbarer Berührung mit einander durch die siebplatten- ähnlichen Poren stehen, welche sich in den trennenden Membranen befinden. Das Vorhandensein solcher Poren war etwas früher von Warming bei den Cycadeen constatirt. Die Untersuchung der Keimbläschen, welche von Goroschankin als Hofmeister’sche Körperchen bezeichnet wurden, gab folgende Hauptresultate: Die Hofmeister’schen Körperchen treten als solide Körper im verdichteten peripherischen Eizellprotoplasma zwischen: den Zellsaftvacuolen auf und zeigen grosse Verschiedenheiten mit den Letzteren. Die Hofmeisters-Körperchen entstehen unab- hängig von den Veränderungen des primären Eikernes und zwar vor der Bildung der Bauchkanalzelle. Sie stellen die kleinen Kügelchen von 0,016mm bis 0,03mm im Durchmesser vor; lebendig brechen sie das Licht stärker als Protoplasma und sind vollständig homogen. Bei der Wirkung des Wassers oder Reagentien sterben sie schr bald ab, indem ihr Inhalt körnig wird. Anfangs schwimmen sie in dem Eizell- protoplasma vereinzelt, später aber bilden sie Zwillinge oder mehr- gliederige Complexe. Es war Goroscehankin niemalsgelungen, das erste Hofmeisters- Körperchen zu beobachten, ebenso blieb ihm ihre morphologische Deutung unklar. Er ist geneigt, sie in dieser Arbeit als Zellen zu bezeichnen. Bei den Abietineen spielen sie während der Embryobildung keine morphologische Rolle und gehen allmählich zu Grunde. Trotz der Angaben Hofmeister’s konnte 1) Gorosehankin, Ueber die Corpuskeln und den Geschlechtsprocess bei den Gymnospermen. Wissenschaftliche Schriften der Moskauer Universität, Moskau 1880. (Dort finden sich auch die Angaben sämmtlicher Arbeiten, welche vom Jahre 1851-1880 erschienen sind.) 196 Goroschankin keine Hofmeister’sche Körperchen in der Eizelle der Cupressineen entdecken. Seine Angaben wiederholte Goroschankin kurz in einer kleinen Broschüre, welche er im Jahre 1883 veröffentlichte. Dort schreibt der Verfasser: „Die Complexe und ihre einzelnen Elemente sind dieselben, welche Hofmeister unter dem Namen „Keimbläschen* beschrieben hat und welche keine Vacuolen sind (wie Strasburger meint), sondern grosse Aehnlichkeit mit Zellkernen besitzen.“ Die Entdeckung Goroschankins des Befruchtungsvorganges bei den Coniferen und die Beschreibung der Hofmeister’schen Körperchen zwangen Strasburger, seine Beobachtungen zu wieder- holen, was er im Jahre 1884 that. In seinem Artikel!) schreibt Strasburger bezüglich des Ursprungs der Hofmeister ’schen Körperehen folgendes: „Goroschankin meint, es könnten die kugeligen, mit stark lichtbrechendem Inhalt erfüllten Gebilde, die im Protoplasma des Eies so zahlreich vertreten sind, nicht Vacuolen sein, sie hätten vielmehr grosse Aehnlichkeit mit Zellkernen. Die ent- wickelungsgeschichtlichen Untersuchungen lehrten mich in der That, dass diese mit plastischen Stoffen erfüllten Gebilde nicht aus dem Zelllumen hervorgehen .. . finden vielmehr ihren Ursprung in den Maschen des das Ei aufbauenden Protoplasmas. Diese Maschen sind es, die sich mit plastischen Stoffen füllen, hierbei zum Theil stark anwachsen und sich abrunden. Dieser Ursprung verhindert mich nicht, sie als Vacuolen zu bezeichnen. Zwischen den grössten kugeligen Vaeuolen solcher Art und polygonalen, mit den nämlichen Substanzen erfüllten Maschen des Protoplasmas sind oft alle Uebergänge vor- handen.*?) Obgleich Strasburger also die Angaben Goroschan- kin’s über die Entstehung der Hofmeister’schen Körperchen be- stätigt, bleibt er bei seinem Standpunkte über ihre Natur als Vacuolen stehen. Die neueren Beobachtungen, welche mit Hilfe moderner Unter- suchungsmethoden — Microtomschnitte und Färbungen — gemacht wurden, bestätigten völlständig die Ansicht Strasb ur ger’s und be- schreiben die Hofmeisters-Körperchen als Eiweissvacuolen. So schreibt Blackman, von dem eine der letzten Arbeiten über die Coniferen herrührt: „... Goroschankin seems tu have fallen into 1) Goroscehankin, Ueber den Befruchtun i Pinus Pumili 8 P Pumilio. Strassburg 1883. eiprocenn bei Fine . 2) Strasburger, Neue Untersuchungen über den Befruchtungsvorgang bei den Phanerogamen. Jena 1884. pag. 50. 197 somewhat the same error as did Hofmeister, for he believed that the structures with highly refractive contents, which he found in the oosphere, were not real vacuoles, but of nuclear nature.“') Und weiter beschreibt er auf Seite 417 seiner Abhandlung die Hof- meister’schen Körperchen als wirkliche „Proteid-Vacuoles“, indem er auf Fig. 30 Taf. XIII seiner Arbeit hinweist. Es ist wahr, dass diese Abbildung keine’ Achnlichkeit mit den Kernen zeigt, sondern sie stellt das Hofmeister’sche Körperchen im letzten Grade der Zerstörung durch die Reagentien dar. Wenn wir aber die anderen Abbildungen in der Arbeit des Verfassers näher betrachten, können wir auf den Fig. 18a u. b, 22, 24 und 26 eine Reihe der Hofmeisters- Körperchen sehen, welche gut fixirt sind und als Vacuolen kaum er- klärt werden können. Auch Chamberlain bezeichnet auf seinen Abbildungen die fast vollständig zerstörten Hofmeisters-Körperchen als „proteid-vacuoles“ ®), indem er aber schreibt, dass... . „the proteid vacuoles bear a striking superficial resemblance to nuclei“. Wenn man jetzt diese Literaturangaben mit einander vergleichen will, so kann man leicht bemerken, dass beinabe alle Forscher die Keimbläschen in der Eizelle der Coniferen für die Eiweissvacuolen halten. Gegen diese allgemeine, von Strasburger hauptsächlich aufgestellte Ansicht steht Goroschankin allein, indem er diesen Keimbläschen oder Hofmeisters - Körperchen die Kernnatur zuschreibt. Nur in einer vor Kurzem publieirten Arbeit beschreibt Wuieizki°) die Hofmeister’schen Körperchen bei Larix dahurica als geformte Elemente, ohne sich mit der Entstehungsfrage und Natur dieser Elemente zu beschäftigen. Seine Abbildungen und Photographien zeigen deutlich, dass es der Verfasser stets mit den stark durch die Reagentien deformirten Hofmeisters-Körperchen zu thun hat. Eine andere Reihe der Arbeiten ist von bedeutender Wich- tigkeit in der Frage über die Natur der Hofmeister’schen Körperchen. Wie. oben gesagt, war Goroschankin der erste, welcher die morphologischen Eigenschaften der Deckschichtzellen der Archegonien bei den Gymnospermen beschrieben hatte. Die Beobachtungen 1) Vernon H. Blackman, On the cytological features of fertilisation and related phenomena in Pinus silvestris L. Philos. Trans. of R. Soc. London. Ser. B. Vol. 190. 1898., 2) Chamberlain, Oogenesis in Pinus laricio. Botan. Gazette. 1899. pag- 273. 8) Wuicizki, Ueber die Befruchtung bei den Coniferen. Warschau 1899 (russisch). Flora 1900. 14 198 Hiras6’s') und Ikeno’s?) erklärten die physiologische Bedeutung dieser Zellen in den Archegonien von Ginkgo und Oycas. Es gehen aus den Deckschichtzellen bei diesen Pflanzen die Eiweissstoffe ins Eiprotoplasma hinein. Diese sind entweder den Nucleolen der Deckschichtzellenkerne ähnlich (Ginkgo) oder die Kern- substanz selbst gibt ihnen den Ursprung (Cycas). Nach meinen) eigenen Untersuchungen erscheinen in den Ei- zellen von Cephalotaxus die Eiweissstoffe, welche zuerst in den Kernen der Deckschichtzellen gebildet werden und von dort. durch das Proto- plasma der Deckschichtzellen ins Ei übergehen. Sie zeigen sich zuerst als winzige Körperchen, welche zur Zeit der Befruchtung zu riesigen schaumartigen Kugeln oder Netzen heranwachsen und gehen zu Grunde nach der stattgefundenen Befruchtung. Die Arbeiten von Hirase& und Ikeno und meine Untersuchungen über Cephalotaxus zwangen mich zur Erforschung der Frage über die Natur und Entstehung der Hofmeister’schen Körperchen bei den Abietineen. Da es mir gelungen ist, diese Frage zu entscheiden, publieire ich in dieser vorläufigen Mittheilung die Hauptresultate, indem ich hoffe, später eine ausführliche Bearbeitung derselben zu geben. Das mir zur Verfügung stehende Material stellt die Samenknospen von Pinusarten (P, Cembra, P, montana, P. Peuce [strobus]), Abies sibirica und Dammara australis dar. Das Material war mit den "ver- schiedenen Fixirungsflüssigkeiten bearbeitet. Während mit Flemmings- flüssigkeit fixirtes Material schöne, den lebenden sehr ähnliche Bilder gab, machte ale. abs, + ac. acet. es fast vollständig unbrauchbar °). Die weitere Beschreibung knüpft ausschliesslich (Dammara ausge- nommen) an das mit Flemmingsflüssigkeit fixirte Material an. Die Eizellen der Archegonien von Pinusarten in den sehr jungen Entwickelungsstadien haben ein sehr an Vacuolen reiches Protoplasma und einen Kern, welcher unmittelbar unter den Halszellen liegt. Die Deckschichtzellen, welche die Eizelle umgeben, sind zu dieser Zeit 1) Hirase, Ftudes sur la f&condation et Vembryogsnie du Ginkgo biloba, the Journal of the College of Science, Tokyo 1895, ” 2) Ikeno, Untersuchungen über die Entwickelung ... . bei Cyeas revoluta. Jahrbücher für Wiss. Botan. XXXII. 1898. ” 3) Arnoldi, Beiträge zur Morphologie der Gymnospermen. III. Embryo- genie von Cephalotaxus Fortunei, Flora 1900, = 4) Fischer, Fixirung, Färbung. ..... Jena 1899, pag. 8. 199 noch nicht vollkommen ausgebildet. Sie haben auch das vacuolige Protoplasma und mit einem oder mehreren Nucleolen versehene Kerne. Man kann in einigen Fällen die sich durch Einschnürung theilenden Kernkörperchen beobachten. Etwas später geht die Theilung der Deckschichtzellen vor sich. Die Theilungsebene liegt entweder in radialer oder in tangentaler Richtung zur Eizelle. Bei Pinus Peuce und montana sind die in tangentaler Richtung vor sich gehenden Theilungen selten, während sie bei P. Cembra öfters vorkommen. Es folgt daraus, dass die Deckschichtzellen an manchen Stellen zweireihig liegen. Ein solcher Fall ist auch auf der Figur 2 der Arbeit Black- man’s abgebildet‘), Die durch Theilung entstandenen Zellen sind entweder cubisch oder radiär zur Längsachse der Eizelle gezogen. Ihr Protoplasma wird allmählich vacuolenfrei, ihre Kerne werden gross, mit vielen Nucleolen versehen und mit der metaplastischen Substanz gefüllt. Nur die ganz in der Nähe des Halses liegenden Zellen be- halten das vacuolige Protoplasma und kleine chromatinreiche Kerne. Während dieser Veränderungen, welche in den Deckschichtzellen vor sich gehen, verdickt sich allmählich das Eiprotoplasma und zwar in der Richtung von der Peripherie nach dem Centrum. Wenn die peripherischen Theile des Eiprotoplasmas sich verdickt haben, fangen die Kerne an, aus den Deckschichtzellen in das Eiproto- plasma einzudringen. Alle Einzelheiten dieses merkwürdigen Vorganges sind deutlich zu beobachten. Die Kerne der Deckschicht- zellen sind entweder kugelig oder ellipsoidisch ; dann verlieren sie ihre regelmässige Gestalt, liegen an den Membranen, welche die Ei- und Deckschichtzellen trennen, fest an und geben kleine ameboidische Auswüchse, welche dureh die Membransporen ins Eiprotoplasma ein- ‘dringen. So sieht man auf der Fig. 1 zwei Kerne, von denen jeder den ersten Auswuchs gebildet hat, dann folgt eine Zelle, deren Kern theils in seiner Deckschichtzelle, theils in der Eizelle liegt; ganz nahe befinden sich zwei Kerne, von welchen der eine durch einen schmalen Schnabel mit der Deckschichtzelle verbunden ist, während der andere schon völlig in der Eizelle liegt. Die Abbildung 2 stellt uns dasselbe dar. Die links und rechts liegenden Kerne fangen erst ihren Ueber- gang an, während der mittlere Kern grösstentheils in der Eizelle liegt. Diese beiden Abbildungen illustriren die Kernwanderung bei Pin. Cembra. Die Abbildungen 3, 4 und 5 zeigen denselben Vorgang bei P. Peuce (3), Pin. montana (4) und Abies sibirica (5). 1) Blackman,l,c., 14* 200 Wie oben gesagt, haben die Kerne in der Regel mehrere Nucleolen. Diese wandern auch mit ihren Kernen ins Eiprotoplasma ein. Ent- weder gehen sie mit den ersten Auswüchsen oder allmählieb mit der Hauptmasse des Kernes über. Aber die Nucleolen bleiben nicht lange in den Kernen, welche schon übergegangen sind. Sehr bald . verschwinden sie aus den Kernen vollständig. Die Fig. 7 zeigt die nach einander folgenden Stadien des Vorganges des Verschwindens. Die Fig. 7a zeigt die Kernkörperchen von gewöhnlicher Gestalt, auf der Fig. 7b sieht man, dass die Kernkörperchen in die Länge ge- zogen sind, die Fig. 7c stellt dar, dass die Kernkörperchen zusammen- geflossen sind und auf der Peripherie des Kernes sich angesammelt haben, auf den Abbildungen 7d und e sieht man, dass die Kern- körperchen als feine sichelartige Wülste auf der Kernperipherie ver- breitet sind. : Endlich verschwinden sie vollständig, was auf der Fig. 9 abgebildet ist. Nach diesem Verschwinden der Nucleolen bleiben die Kerne entweder ganz homogen, oder man kann auf ihnen einige Körn- chen unterscheiden, welehe aber gar nicht im Stande sind, die Farbe aufzuspeichern, Während die Fig. 7 und 9 die Kerne von P. Cembra darstellen, zeigt die Fig. 84, b, c dieselben von Abies sibiriea. Als Resultat dieses Ueberganges entstehen kernlose Deckschicht- zellen einerseits und die mit vielen Kernen versehene Eizelle andererseits. Indem ich mich später zu eingewanderten Kernen wende, gehe ich zu kernlosen Zellen über. Bei Pin. Cembra, wie oben gesagt, sind die Deckschichtzellen in der Regel zweireihig angeordnet. Während die kernlosen Zellen allmählich zu Grunde gehen, nehmen die Zellen der zweiten Reihe ihre Stelle ein. Die Fig. 2 zeigt, dass die Zellen der zweiten Reihe ebenso wie die Zellen der ersten Reihe gebaut sind. Näher werde‘ ich auf diesen Vorgang in der vorläufigen Mittheilung nicht eingehen. Etwas ganz anderes kann man in den Deckschichtzellen von _P. Peuce und montana als Regel und bei P. Cembra seltener beobachten: es gehen die Kerne aus den benachbarten Endosperm- zellen in die kernlosen Deekschichtzellen über. $o zeigt die Fig. 3, dass aus einer Deckschichtzelle von P. Peuce der Zellkern ins Ei wandert, während aus einer mehr nach aussen lieeenden Endo- spermzelle, die zweikernig ist, der eine Kern in diese Deckschichtzelle eindringt, der andere aber in der Zelle selbst bleibt. Auf der Fig. 4 sieht man denselben Vorgang bei P. montana; endlich auf der Fig. 6 (P. Peuce) kann man beobachten, dass eine Endospermzelle drei Kerne hat, von denen einer in eine Zelle, der andere in eine andere 201 Zelle übergeht. Diese letzte Zelle zeigt auch einen zweiten, auch im Uebergang begriffenen Kern. Diese Thatsachen erklären, warum in den Deckschichtzellen in den späteren Stadien immer Kerne vorhanden sind. Die in die Bizelle übergangenen Kerne liegen anfangs in der Nähe der Deckschichtzellen (Fig. 1, 2) und während die neuen Kerne ins Eiprotoplasma einwandern, gehen die schon übergegangenen in die mittleren Theile des Eies über. Die Fig. 9 zeigt die in den peripherischen Theilen sehr zahlreichen und in der Mitte vereinzelt liegenden Kerne. Zu dieser Zeit stellen die übergegangenen Kerne homogene, stärker als Protoplasma lichtbrechende Körper, deren Grösse durch- schnittlich zwischen 16—20Up schwankt. Ebensolche Grösse und die- selbe Gestalt haben die von Goroschankin beschriebenen jungen Hofmeister’schen Körperchen in lebendigem Zustande und, wenn wir alle weiteren Veränderungen der Kerne verfolgen, können wir vollkommen die Angaben Goroschankin’s über die Veränderungen der Hofmeister’schen Körperchen bestätigen. Ich werde hier nun einige kurze Angaben und Abbildungen bringen). Nur in ganz jungen Stadien sind die Kerne einzeln vor- handen. Sehr bald erscheinen die Zwillinge und die Complexe, welche das Maximum ihrer Entwickelung während der Befruchtung erreichen. Die Fig. 10 zeigt einen Kern in einem späteren Entwickelungsstadium. Man kann in ihm zwei Körperchen unterscheiden, welche dicker sind als die andere Substanz. Auf der Fig. 11 sieht man einen Complex, welcher aus solchen einzelnen Körperchen gebaut ist. Die Fig. 12a—c zeigen die allmählichen Veränderungen, welche in den übergegangenen Kernen von Abies sibirica vor sich gehen. Man sieht hier, dass ein zuerst homogener Kern einen verdiekten Mitteltheil und einen feineren peripherischen Theil ausbildet. Die Abbildungen, welche Goroschankin für die späteren Ent- wickelungsstadien der Hofmeisters-Körperchen auf Tafel VIIL?®) seiner Arbeit zeichnet, stimmen mit den oben beschriebenen vollständig überein. Oben habe ich betont, dass es niemals Goroschankin gelungen war, das erste oder einzige Hofmeister’sche Körperchen in dem Eiprotoplasma zu beobachten. Der von mir beschriebene Uebergangs- process der Kerne aus der Deckschichtzelle erklärt auch diesen stän- digen Misserfolg Goroschankin’s. Als Beispiel kann ich zeigen, 1) Die Bildung der Zwillinge und Complexe soll noch genauer untersucht werden. 2) Goroschankin, l.c, Tafel VIII Fig. 83, 84, 85. 202 dass ich auf einer Serie Schnitte mehr als 150 im Uebergange be- griffene Kerne beobachten konnte. Es ist also durch meine Beobachtungen festgestellt, dass die von Goroschankin beschriebenen Hofmeister’schen Körperchen keine Eiweissvacuolen/sonderndieausdenDeckschicht- zellen übergegangenen Kerne sind, Während meine Untersuchungen die Angaben und Beschreibung Goroschankin’s über die Hofmeisters-Körperchen bestätigen,. ist zwischen denselben doch ein Unterschied und zwar ein nicht unbe- deutender. Die jüngsten Entwiekelungsstadien der Hofmeisters- Körperchen konnte Goroschankin bei Dammara australis verfolgen. Dort treten sie als winzige Körperchen auf, welche entweder rund oder ellipsoidisch und von sehr verschiedener Grösse sind. Die Fig. 58 und 59 der Tafel VI der Abhandlung Goroschankin’s zeigen diese Körperchen. In keinem Falle können sie als übergegangene Kerne erklärt werden, da ihre ursprünglichen Dimensionen kaum den- jenigen der Nucleolen gleich sind. Das zwang mich, die Hof- meister’schen Körperchen von Dammara wieder zu untersuchen. Das mir zur Verfügung stehende Material war von Prof. Goro- schankin im Jahre 1880 gesammelt und war dasselbe, welches ihm für seine Beobachtungen gedient hatte. Ich konnte mich überzeugen, dass sich bei Dammara keine Hofmeister’schen Körperchen im Sinne Goroschankin’s finden. In der Eizelle von Dammara sind ebensolche Körperchen vorhanden, welche ich vor kurzem bei Cephalo- taxus !) beschrieben habe. Die Fig. 13 und 14 zeigen diese Körperchen bei Dammara. Sie stellen entweder ganz winzige homogene Kügel- chen dar, oder man sieht in ihnen eine oder mehrere Vaeuolen. Die grossen Körperchen stellen grosse schaumartige Gebilde dar, welche entweder kugelig sind oder eine unregelmässige Form bekommen — d. h. vollständig denjenigen von Cephalotaxus ähnlich sind 2). In den Deckschiehtzellen von Dammara sieht man ebensolche Körperchen, welche ausserhalb des Kernes im Protoplasma liegen (Fig. 13). Da ich kein fortdauernd gesammeltes Material habe, kann ich nicht be- stimmt sagen, ob diese Körperchen in den Deckschichtzellen gebildet worden sind und von dort ins Eiprotoplasma übergehen; ich halte dies aber für höchst wahrscheinlich. Diese Beobachtung also erklärt den einzigen aber sehr wichtigen Unterschied zwischen meinen Angaben D)Arnoldi,l.e 2) Man vergleiche die Fig. 13, 14 dieser Arbeit mit den Fig. 8, 9 und 11 der Abhandlung über Cephalotaxus. 203 und denjenigen von Prof. Goroschankin. In dieser Beziehung stellt Damımara ein sehr interessantes Beispiel dar. Nach ihrem all- gemeinen morphologischen Bau ist diese Coniferengattung den Arau- cariaceen und Abietineen nahe verwandt. Ihre Archegonien aber zeigen dieselben Verhältnisse, welche bis jetzt nur bei Taxoideen ge- funden wurden. Es haben alle diese Beobachtungen gezeigt, dass in den Archegonien der Abietineen keine morphologisch bedeutungslosen einfachen oder zusammengesetzten Eiweissvacuolen sind, wie Strasburger und andere Coniferenforscher meinen, sondern dass die Zellkerne aus den Deckschichtzellen ins Eiprotoplasma übergehen. Bald nach dem Ueber- gange verlieren sie ihre Kernkörperchen und verwandeln sich in die Gebilde, welche von Hofmeister Keimbläschen, von Goro- schankin Hofmeister’sche Körperchen genannt wurden. In dieser Beziehung stehen die Abietineen nicht einsam unter allen anderen Coniferen. Nur die Cupressineen (nach Goroschankin) und die ihnen verwandten Taxodineen (nach meinen Untersuchungen) entbehren der Hofmeister’schen Körperchen. Bei Ginkgo (nach Hirase) Cephalotaxus und Dammara (?) (nach meinen Angaben) gehen Eiweissstoffe, welche in den Zellkernen der Deckschichtzellen ihren Ursprung nehmen, in die Eizelle über. Es ist wahrscheinlich, dass bei Taxus auch derselbe Vorgang stattfindet. Wenigstens sprechen dafür die Angaben und Abbildungen Hof- meister’s und die Fig. 23 und 25 der Arbeit Jaeger’s'), Bei Cycas (nach Ikeno) gehen die Kernstoffe fast unmittelbar aus den Deckschichtkernen ins Eiprotoplasma über. Endlich dringen bei den Abietineen die Kerne der Deekschicht- zellen selbst in die Eizelle ein. Bei allen hier erwähnten Pflanzen dienen die Eiweisskörper und Hofmeister’schen Körperchen zur Ernährung des Embryos und spielen keine morphologische Rolle in der Embryobildung. Die weiteren Untersuchungen werden zeigen, wie weit diese Gebilde bei den Gymnospermen verbreitet sind, und welche Bedeutung sie für ihren individuellen Entwickelungsgang haben. München, Pflanzenphysivlogisches Institut, Februar 1900. 1) Jaeger, Beiträge zur Kenntniss der Endospermbildung und zur Embryo- logie von Taxus baccata. Flora 1899. 204 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 4. 5. 6. Figurenerklärung. Pinus Cembra. Das Eindringen der Kerne aus den Deckschichtzellen ins Eiprotoplasma. Verg. 500, Dieselbe Pflanze. Die Deckschichtzellen sind zweireihig angeordnet. Verg. 750. Pinus Peuce. Ein Endospermkern dringt in die Deckschichtzelle ein. Verg. 750. Pinus montana. Idem, Verg. 750. Abies sibirica, Derselbe Vorgang. Verg. 500. Pinus Peuce. Das Eindringen der Kerne aus Endospermzellen in die Deckschichtzellen, Verg. 750. 7a-—e. Pinus Cembra. Das allmähliche Verschwinden der Nucleolen aus den ins Ei übergegangenen Kernen. Verg. 750. 8a—c. Abies sibirica. Derselbe Vorgang. YVerg. 500. 9. 10. 11. Pinus Cembra. Ein Theil des Eiprotoplasmas, der die übergegangenen Kerne zeigt. Die Kerne haben ihre Nucleolen verloren. Verg. 750. Pinus montana. Ein übergegangener Kern in einem späteren Stadium. Verg. 750. Dieselbe Pflanze. Ein Complex in demselben Stadium. Verg. 750. 12@—c. Abies sibirica. Die Veränderungen der übergegangenen Kerne. 13. 14. Verg. 750, Dammara australis. Zwei Deckschichtzellen und ein Theil des Eiproto- plasmas mit den vacuolirten Körperchen. Verg. 750. Dieselbe Pflanze, Zwei schaumartige Körperchen aus dem Eiprotoplasma, Verg. 750. Ueber die Verbreitung des Carotins im Pflanzenreiche. Von Tine Tammes, Assistentin am botanischen Laboratorium der Universität Groningen. (Hierzu Tafel VIL) Einleitung. Wenn man die Litteratur und die Lehrbücher der letzten Jahr- zehnte nachschlägt mit der Absicht sich ein klares Bild von unseren Kenntnissen über die pflanzlichen gelben oder rothen Plastidenfarb- stoffe und deren Beziehungen zu einander zu schaffen, wird man er- staunt sein von der grossen Menge entgegengesetzter Meinungen bei verschiedenen Autoren. Wohl auf kaum einem anderen Gebiete der Botanik herrscht so wenig Uebereinstimmung wie hier und die meisten Forscher sind bei ihren Untersuchungen dieses Gegenstandes zu verschiedenen Resultaten gelangt. Dies rührt ohne Zweifel zum grossen Theil daher, dass fast niemals die verschiedenen Untersucher sich mit Farbstoffen aus denselben Pflanzen oder Pflanzentheilen be- schäftigten, so dass ein Vergleich mit den Resultaten anderer von vorne herein fast immer ausgeschlossen war. Auf diese Weise sind viele Untersuchungen entstanden über das Carotin aus der Wurzel von Daueus Carota, über den gelben Begleiter des Chlorophylis und über die Farbstoffe aus Blüthen, Früchten, aus gelbbunten, herbst- lich vergilbten und etiolirten Blättern. Jeder Forscher findet andere Stoffe, die sich entweder optisch oder chemisch ein wenig verschieden verhalten von denjenigen, welche andere Autoren beschrieben. Bei diesen Untersuchungen hat man im Allgemeinen zwei Methoden gefolgt. Ein Theil der Forscher beschäftigte sich hauptsächlich mit den physikalischen Eigenschaften, zumal dem optischen Verhalten, in- dem andere mehr die chemischen Eigenschaften studirten. Sowohl bei der optischen als bei der chemischen Untersuchung wurden meistens die Farbstoffe aus den Pflanzentheilen extrahirt und in verschiedenen Lösungsmitteln untersucht, nur sehr selten wurden lebende Objecte bei den Versuchen verwendet. Hieraus erklärt sich theilweise die grosse Verschiedenheit der Resultate, weil besonders bei der spectral- 206 analytischen Untersuchung das Lösungsmittel Einfluss auf das Ab- sorptionsspectrum ausübt. Die erste, mehr ausführliche, spectralanalitische Studie war von Kraus!) über das Chlorophyll, die Farbstoffe von etiolirten Pflanzen und von Blüthen, und die ersten chemisch-anatomischen Arbeiten über die Farbstoffe von Blüthen und Früchten waren von Marquart?) und Weiss?). Seitdem ist eine überaus grosse Zahl von spectral- analytischen und chemischen Untersuchungen über die Farbstoffe publicirt, und es ist nicht meine Absicht, von diesen eine vollständige Uebersicht zu geben. Die vorliegenden Untersuchungen stehen grossen- theils vereinzelt, fast ohne Zusammenhang mit anderen da, und be- sonders gilt dies für die älteren Bestrebungen auf diesem Gebiete. Es würde daher die Besprechung der Litteratur grossentheils eine blosse Aufzählung der verschiedenen, nach einander gefundenen Resul- tate sein müssen und es würde nicht möglich sein, eine ausführliche, übersichtliche Darstellung von dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse zu geben. Ich verzichte also darauf und werde im Folgen- den nur diejenigen Arbeiten besprechen, welche mit meiner eigenen Untersuchung im nächsten Zusammenhang stehen. Nur eines möchte ich als Gesammtresultat meiner Litteraturstudie hervorheben; dass sich nämlich die Ansichten in bestimmter Hinsicht im Laufe der Zeit er- heblich geändert haben. In den älteren Arbeiten findet man im Allgemeinen das Bestreben, eine sehr grosse Zahl verschiedener Farbstoffe zu unterscheiden. Ich führe als Beispiel Sorby‘) an, der die Zahl der Pflanzenfarben, mit Inbegriff der löslichen Farbstoffe, auf mehrere Hundert veranschlagte. Die Forscher betrachteten den kleinsten Unterschied in den beobachte- ten Eigenschaften als genügend, um den Farbstoffen verschiedene Namen beizulegen. Aus dieser Zeit rühren also die vielen Namen her, welche die Litteratur so beschwerlich machen. Viele dieser Namen sind nur von einem einzigen Forscher benutzt, so dass, wie Tschirchesin seiner Arbeit „Untersuchungen über das Chlorophyll“ 5) thut, nothwendig wird, auch die Namen der Autoren hinzuzufügen 1) Kraus, Zur Kenntniss der Chlorophylifarbstoffe und ihrer Verwandten, 1872. 2) Clamor Marquart, Die Farben der Blüthen, 1835, 3) Weiss, Untersuchungen über die Entwickelungsgeschichte des Farbstoffes in Pflanzenzellen. Sitzungsbericht der k. Akad. der Wiss., Wien, Bd, L. Erste Abth. 6 und Bd. LIV. Erste Abth. 7. j 4) Sorby, On comparative vegetable Chromatology. Proc. of the Royal. Soc. Vol. XXI, 1873. 5) Tschirch, Landw, Jahrb. 1884, 207 zum Bezeichnen der Körper, von welchen die Rede ist, Ich werde hier keine vollständige Aufzählung der Nomenelatur, welche sich im Laufe der Zeit bei der Studie der pflanzlichen Farbstoffe gebildet hat, geben, nur die Namen: Xanthophyll [Kraus?'), Sorby?)], Etiolin [Pringsheim°)], Anthoxanthin [Marquart*®), Frank), Wiesner®)], Phylloxanthin [Fremy ?)], Xanthin [Dippel®), Frank ®)], Erythrophyll [Bougarel°)] und Chrysophyli [Hartsen!®)] mögen als Beispiele genügen. Dazu kommt noch, dass dieselben Namen oft für verschiedene Stoffe benutzt werden. So umfasst die Erythrophyligruppe von Sorby 2) die rothen und blauen Substanzen, das heisst die Farbstoffe des Zell- saftes. Bougarel!3) nennt Erythrophyll einen Begleiter des Chlorophylis in einigen Blättern, während Borodin'*) es als constanten Begleiter des Chlorophylis betrachtet und es zu einer seiner zwei Gruppen von krystallisirbaren Nebenpigmenten des Chlorophylis fügt. Nach Vines’®) dagegen ist Erythrophyli wieder der im Zellsaft gelöste Farbstoff und Frank!) gibt den Namen Erythrophyli einem rothen Farbstoffe, der sich manchmal abscheidet, wenn Chlorophyli mit Säuren in Berührung kommt. Zuletzt benutzt Stahl!”) noch den Namen Erythrophyll zur Bezeichnung des rothen Zellsaftes im Gegensatz zu Cyanophyli dem blauen Zellsaft. Kraus, 1 ce, pag. 93. 2) Sorby, l. c., pag. 458. 3) Pringsheim, Ueber die Absorptionsspectra der Chlorophylifarbstoffe. Monatsber. der k. Akad. der Wiss., Berlin, Oct. 1874, pag. 632. 4) Clamor Margquart, ]l. c. pag. 66. 5) Frank, Lehrbuch der Botanik, I. pag. 40, 42 und 645. 6) Wiesner, Elemente der wissenschaftlichen Botanik, pag. 300. 7) Fremy, Recherches sur la matiöre colorante verte des feuilles. Comptes rendus. T. L, 1860, pag. 410. 8) Dippel, Einige Bemerkungen über die Gemengtheile des Chlorophylis. Flora 1878, pag. 22, 9) Bougarel, Bot. Jahresber. 1877, pag. 729. Die ursprüngliche Arbeit in Bull. d. 1. Soc. Chim. de Paris, 1877, N. S. T. 27, stand mir nieht zur Verfügung. 10) Hartsen, Neue Untersuchungen über das Chlorophyll, Chem. Centralbl. 1872, pag. 525. 11) Sorby, l. e. 12) Bougarel,\. c. 13) Borodin, Ueber krystallinische Nebenpigmente des Chiorophylis. Melanges biologiques de St. P&tersbourg, T. XI, pag. 512. 14) Vines, Text-book of Botany, pag. 114. 15) Frank, ]. c. pag. 642. 16) Stahl, Ueber bunte Laubblätter. 208 In dieser Zeit war also jeder Forscher geneigt, den von ihm unter- suchten Farbstoff für etwas anderes als die von anderen Autoren beschrie- benen Farbstoffe zu halten. Nachher aber brach sich eine andere Rich- tung Bahn und fing man mehr an, die Farbstoffe aus verschiedenen Pflanzentheilen mit einander zu vergleichen und die Aufmerksamkeit auf die übereinstimmenden Eigenschaften zu lenken. Als Beispiel führe ich die ausführliche Arbeit von Tschirch!) an. Er unter- suchte den gelben Begleiter des Chlorophyils, den Farbstoff von Blüthen, von herbstlich vergilbten und etiolirten Blättern und gelangte besonders nach spectralanalytischen Versuchen zur Ueberzeugung, dass wenigstens die drei ersten dieser Farbstoffe nahe mit einander verwandt sind. Er bleibt aber noch dabei, auf Grund der von ihm beob- achteten Differenzen der Spectra, eine Phylloxantin- (inclusive Etiolin), eine Xanthophyll- und eine Anthoxanthingruppe unterscheiden. Nachher findet man in der Litteratur mehr und mehr ein Be- streben, die Farbstoffe zusammenzufassen und ihre Identität zu be- weisen. Ein bedeutender Schritt in dieser Richtung rührt von Ar- naud?) her, indem er den Farbstoff der Mohrrübe, das Carotin als Begleiter des Chlorophylis in Laubblättern nachwies.. Auch in Früchten, wie in der Tomate, fand er denselben Farbstoff. Auf ihn folgte eine lange Reihe von Forschern, die Farbstoffe aus wieder anderen Pflanzentheilen zum Gegenstand ihrer Unter- suchungen wählten und immer mehr dazu neigten, auch diese, sei es mit dem Carotin von Daucus Carota oder mit einem anderen gelben Farbstoff für identisch zu erklären, Hansen?) betrachtete den Farbstoff etiolirter Blätter und einiger Blüthen als identisch mit dem gelben Begleiter des Ohlorophylis der Laubblätter, dem Chlorophyligelb, wie er es nannte, und theilte schliess- lich Arna ud’s Meinung, dass dieses Chlorophyligelb identisch mit dem Carotin sei. Courchet‘) kam zur Ueberzeugung, dass die Farbstoffe der Blüthen und Früchte sich auf eine geringe Zahl beschränken. 1) Tsehirch, 1. ce. 2 Arnaud, Recherches sur les matiöres oolorantes des feuilles; identitE de a matiere Touge orang& avec ]a carotine. Compt ee mptes rendus. T. C. 1885. Ferner 3) Hansen, Die Farbstoffe der Blüthen und Früchte. 1884. — Der Chloro- phylifarbstoff und weitere Untersuchungen über den grünen und den gelben Chlorophylifarbstoff, Arbeiten des Würzburger Institutes. Bd. III. 1888 pag. 123 und pag. 430. 4) Courchet, Recherches sur les chromoleueit A vu vn ites. Ann. d. Sc. nat, Ser. Vil. De 209 Er unterschied drei Gruppen: die gelben Farbstoffe, welche immer amorph sind und auf keine Weise krystallisirt werden können; die gelb-orangen und roth-orangen Farbstoffe, welche amorph oder krystal- lisirt vorkommen und meistens wohl krystallisitt werden können, und den Farbstoff der Plastiden aus den Blumen von Aloe. Später gelang es Immendorf!), ausser in grünen und etiolirten Blättern auch in herbstlich vergilbten Blättern Carotin nachzuweisen. Auf diese Weise hat sich im Laufe der Zeit unsere Kenntniss über das Auftreten des Üarotins ausgebreitet und hat man immer mehr Pflanzentheile gefunden, in denen dasselbe vorkommt. Als von besonderer Wichtigkeit in dieser Hinsicht muss ich die Arbeit von Schrötter?) erwähnen. Dieser Forscher, dem es gelang, Carotin im Arillus von Afzelia Cuanzensis aufzuweisen, zeigt sich be- sonders zur Annahme geneigt, die gelben Farbstoffe, deren Vorkommen in verschiedenen Pflanzentheilen von so vielen Autoren beschrieben wird, als eine „homologe* Reihe zu betrachten und schlägt für alle zusammen den Namen „Lipoxanthin“ vor. Die von ihm versprochene Monographie der gelben Farbstoffe, in welcher er sich vornimmt, diese Anschauungen aus der Litteratur und durch eigene Unter- suchungen zu bestätigen, ist, so viel ich weiss, nicht erschienen. Bei verschiedenen Forschern findet man also in späteren Jahren die bestimmt ausgesprochene Ansicht, dass die gelben und rothen Plastidenfarbstoffe gar nicht so verschieden sind, wie man es früher meinte. Auch Pfeffer sagt in seiner Pflanzenphysiologie®), nachdem er den Chlorophyligehalt der Chloroplasten besprochen hat: „daneben scheinen gelbe Farbstoffe aus der Gruppe der Carotine nie zu fehlen, die auch in etiolirten und soweit bekannt, sich auch in denjenigen Chloroplasten finden, die durch das Hinzukommen von rothen, braunen u. s, w. Farbstoffen ein anderes Colorit angenommen haben®. Und weiter (8. 298) über die gelben Farbstoffe redend, sagt er: „Die gelbrothen Farbstoffe sind zwar nach ihrem spectroscopischen und chemischen Verhalten nicht ganz identisch, doch scheinen alle dem Carotin verwandt zu sein und können vielleicht als Carotine zusammen- gefasst werden. Jedenfalls ist auch das typische Carotin in grünen 1) Immendorf, Das Carotin im Pflanzenkörper u. s. w. Landw. Jahrb. Bd. 8. 1889, 2) Schrötter-Kristelli, Ueber ein neues Vorkommen von Carotin in der Pflanze. Bot. Centralbl, 1895. Nr. 2, 8) Pfeffer, Pfanzenphysiologie, 2. Aufl., pag. 296. 210 und andersfärbigen Chlorophylikörpern allgemein verbreitet und manche der gefundenen Abweichungen dürften wohl nur durch fremde Beimengungen bedingt sein. Wie weit das zutrifft, oder wie weit es sich bei den als Xanthophyll, Etiolin, Protochlorophyll, Haematochrom bezeichneten Körpern um besondere Carotine oder Carotinverbindungen handelt, muss die Zukunft entscheiden.“ Aber nicht nur findet man bei mehreren Forschern die Meinung, dass im Allgemeinen die ver- schiedenen gelben Farbstoffe alle identisch mit Carotin sein könnten, auch in einer sehr grossen Zahl der verschiedensten Abhandlungen, in denen zwar nicht die Gleichartigkeit der gelben und rothen Farb- stoffe im Allgemeinen betont wird, findet man dennoch die Identität solcher Farbstoffe für manche besondere Fälle in den Vordergrund gestellt. Ich habe mir diese Fälle aus der Litteratur zusammen- gesucht und werde davon eine Uebersicht geben. Ich lenkte meine Aufinerksamkeit auf alle gelben bis rothen Farbstoffe der Plastiden, d. h.: auf das Carotin (nur im Sinne des Farbstoffes aus der Wurzel von Daucus Carota), den gelben Begleiter des Chlorophylis, den Farbstoff gelbbunter, etiolirter und herbstlich gelber Blätter und den Farbstoff aus Blüthen und Früchten. In der folgenden Tabelle sind in der ersten Spalte jedesmal diejenigen Pflanzentheile, deren Farb- stoffe identisch oder wahrscheinlich identisch genannt sind, zusammen- gefügt. Bei den grünen Blättern ist selbstverständlich nur die Rede von dem gelben Begleiter des Chlorophylis. Die Namen der Autoren, welche die Farbstoffe als identisch betrachteten, sind hinter denen der Pflanzentheile in der zweiten Spalte zusammengestellt. Hinter diesen Namen findet man die Namen, welche von diesen Forschern für die betreffenden Farbstoffe gebraucht wurden. Etiolirte Blätter (Chlorophyligelb, Etiolin; Van Tieghem?) Grüne Blätter Wiesner!) (Xanthophyli, Etiolin); Hansen?) (ZXanthophyli, Etiolin), Etiolirte Blätter Blöthen } Wiesner) [nahe verwandt] (Anthoxanthin). Blüthen Hansen) (Chlorophyli; i 1b): 6 hr- Grüne Blätter } Pte; Taehirend welt scheinlich), 1) Wiesner, 1. c. pag. 49 und 50, 2) Hansen, |. c. 3) Van Tieghem, Traitö de Botanique I. 1891, pag. 495. 4) Wiesner, l. ce, pag. 188. 5) Hansen, l. ce. 6) Tschirch, Untersuchungen über d. h Ba. I, 1898, ' 5 as Chlorophyll, Ber. d. D. Botan. Gen. 211 Arnaud!) (Carotin); Hansen?) (Chlorophyilgelb); Grüne Blätter | Marchlewski3) [wahrscheinlich] (Xanthophyli, Wurzel von Daueus Carota | Carotin); Molisch*) [wahrscheinlich} (Xanthophyli Carotin). Wurzel nous Carota } Arnaud®) (Carotin); Frank®) (Anthoxanthin). Blüthen } Hansen), Blüthen Etiolirte Blätter Kraus8) (Xanthophyli). Grüne Blätter Grüne Blätter | Vergilbte Blätter Dippel?®) (Xanthin). Blüthen J Blüthen Früchte Van Tieghem!P®) (Carotin). Wurzel von Daucus Carota Wurzel von Daucus Coreta Grüne Blätter Etiolirte Blätter Herbstlich gelbe Blätter Immendorfll) (Carotin). Aus dieser Uebersicht geht hervor, wie verschiedene Forscher die Farbstoffe in allen möglichen Combinationen als identisch erkannt haben. Wäre die Methode der Untersuchung in allen Fällen voll- ständig dieselbe gewesen, so könnte man ohne Weiteres auf die Identität aller dieser Farbstoffe schliessen. Dem ist aber nicht so und deshalb findet man in dieser Tabelle nur einen allerdings sehr wich- tigen Fingerzeig, dass es möglich sein wird, die Identität der gelben Farbstoffe aus sehr verschiedenen Pflanzentheilen festzustellen. Dazu kommt, dass man bis jetzt fast nur die höheren Pflanzen in den Kreis dieser Untersuchungen gezogen hat und von dem Vorkommen gelber Farbstoffe speciell bei den Algen wenig bekannt ist, obgleich gerade 2) Arnaud,). c. 2) Hansen, |. c. 3) Marchlewsky, Die Chemie des Chlorophylis. 1895, pag. 66 und 72. 4) Molisch, Die Krystallisation und der Nachweis des Xanthophylis (Caro- tins) im Blatte. Ber. d. D. Bot. Ges. Bd. XIV, 1896, pag. 27. 5) Arnaud,l.c. 6) Frank, l. c. pag. 40 und 42, 7) Hansen, |. c. 8) Kraus, l.c. pag. 91. 9) Dippel, 1. c. pag. 25. 10) Van Tieghem,l. c. 11) Immendorf, 1. ce. 212 diese Pflanzen seit Engelmann’s Arbeiten in soleher Hinsicht ein hohes Interesse beanspruchen. Ich hielt es also für eine sehr dankbare Aufgabe, die gelben und rothen Plastidenfarbstoffe in den verschiedensten Pflanzen und Pfanzentheilen zu studiren und zwar nach Methoden, die es gestatten würden, sich ein bestimmtes Urtheil über die Frage nach der Iden- tität dieser Farbstoffe zu bilden. Ich hoffe zu zeigen, dass in der That der gelbe Farbstoff der Mohrrübe, das Carotin sich durch das ganze Pflanzenreich in den verschiedensten Organen nachweisen lässt. Methode. Bei meiner Untersuchung habe ich selbstverständlich nur die- jenigen Methoden gewählt, nach welchen alle Pflanzentheile und Ob- jeete ohne Unterschied auf vollkommen dieselbe Weise behandelt werden konnten. Nur wenn man alle Farbstoffe, welche man ver- gleichen will, ganz gleichen Verhältnissen aussetzt, ist man berechtigt, über ihre Identität bez. Nichtidentität zu urtheilen. Ich habe des- halb ganz auf die optische Untersuchung verzichtet, auch habe ich nieht, wie meistens von den Forschern bei chemischer Untersuchung gethan wurde, die Farbstoffe aus den Pflanzentheilen extrahirt. Ob- gleich ohne Zweifel durch geeignete Lösungsmittel und Trennungs- methoden die unveränderten Farbstoffe rein erhalten werden können, so hat jedenfalls die Untersuchung der Farbstoffe im Pflanzentheile selbst grösseren Werth. Ich habe mich daher auf die mikrochemische Untersuchung der Pflanzentheile beschränkt und zwar nach drei Methoden gearbeitet: I. habe ich die Anwendung einer Reihe chemischer Reagen- tien, welche zur Feststellung der Identität des Carotins der Mohrrübe dienen können, auf die gelben Farbstoffe verschie- densten Ursprungs versucht; 2. habe ich nach der von Molisch') für grüne und etiolirte Blätter erfundenen Methode gearbeitet, welche es gestattet, das etwa vorhandene Carotin im Pflanzentheile selbst aus- krystallisiren zu lassen und 3. habe ich durch Behandlung mit verdünnten Säuren ebenfalls das Carotin in den Zellen auskrystallisiren lassen. Diese Methode gab nicht in allen Fällen so gute Resultate wie die beiden vorigen, aber hat doch zur Bestätigung der gefundenen Resultate sehr wesentlich beigetragen. 1) Molisch, I. e. 213 I. Die Untersuchung mit Schwefelsäure, Salpetersäure, Salzsäure, die etwas Phenol enthält und mit Bromwasser. Aus den mannigfaltigen Reagentien, welche von den verschiedenen Autoren als kennzeichnend für Carotin, für Blüthenfarbstoffe oder für das Xanthophyll als Begleiter des Chlorophylis beschrieben sind, wählte ich vier. Diese sind: concentrirte Schwefelsäure, concentrirte Salzsäure, der etwas Phenol zugefügt ist, concentrirte Salpetersäure und Bromwasser. Die concentrirte Schwefelsäure färbt, wie schon lange Zeit bekannt ist, die rothgelben Chromatophoren aus der Mohrrübe prachtvoll dunkelblau. Auch wurde schon im Jahre 1835 von Marquart') erwähnt, dass gelbe Blüthen durch concentrirte Schwefelsäure „dunkel indigoblau“ gefärbt werden. Seine Annahme, dass alle gelben Blumen, auch die, welche den Farbstoff im Zellsaft gelöst enthalten, diese Reaction aufweisen, ist aber fehlerhaft, denn der in Wasser lösliche gelbe Farbstoff färbt sich durch concentrirte Schwefelsäure nicht blau. In der letzten Zeit ist die blaue Farbe von mehreren Untersuchern beobachtet bei der Einwirkung von starker Schwefelsäure auf verschie- dene gelbe Farbstoffe, welche sie aus grünen Blättern, Blüthen oder Früchten extrahbirt hatten. Auch beschrieben einige Forscher die blaue Farbe der Reaction mit starker Schwefelsäure, wenn sie die- selbe auf die Pflanzentheile selbst hatten einwirken lassen. Salzsäure, die etwas Phenol enthält, wird zuerst von Molisch?) als ein Reagens auf die von ihm erhaltenen Krystalle des Xantho- phylis aus den grünen Blättern erwähnt. Dieses Reagens erwies sich mir bei meiner Untersuchung als ein geeignetes, gleichwie die eoncentrirte Salpetersäure und das Bromwasser. Alle drei geben wie die Schwefelsäure eine dunkelblaue Farbe. Ausserdem habe ich dann und wann die Löslichkeit in Flüssigkeiten, wie Aether, Chloral, Eisessig, Alkohol und Chloroform geprüft. Mit Hilfe der vier genannten Reagentien untersuchte ich gelb- bunte, etiolirte und herbstlich vergilbte Blätter, Blüthen, Früchte und zum Vergleich die Wurzel von Daucus Carota. Grüne Blätter und Algen liess ich bei diesem Theil der Untersuchung ausser Betracht, weil das grüne Chlorophyll die Farbe der Reactionen unsichtbar macht. Die Untersuchung geschah auf folgende Weise. Von den lebenden Pflanzentheilen wurden kleine Stückchen oder Schnitte auf Objectgläser gelegt. Von Blumenblättern, welche meistens 21) Marquart,l. c. pag. 67. 2) Molisch,l. ce, Flora 1900. 15 214 sehr dünn sind, nahm ich gewöhnlich kleine Stückchen, von welchen ich mittels einer Nadel mehrere Zellen zerquetschte. Von Früchten, von der Wurzel der Mohrrübe und von diekeren Blättern machte ich ziemlich dieke Durchschnitte. Die Objeetgläser mit den Präparaten wurden während ein bis mehrere Stunden in einen Exsiceator über starke Schwefelsäure gestellt, bis die Theile vollständig trocken waren. Dies ist bei den Reactionen mit Schwefelsäure und mit Salzsäure mit Phenol durchaus nothwendig, bei den beiden anderen entschieden vortheilhaft. Das Nichthervortreten der Reactionen ist oft, wie ich im Anfang meiner Untersuchung mehrmals erfuhr, besonders bei der Schwefelsäure bloss der Anwesenheit von Spuren Wassers zuzu- schreiben. Sind die Schnitte auch nur im Geringsten feucht, so bleiben die Reactionen ganz aus oder die Farbe ist weniger intens, oft grünlich, ja kann sogar selbst roth sein. Das letzte ist z. B. der Fall bei den Perigonblättern von Strelitzia Reginae Wird den lebenden oder nicht vollkommen getrockneten Schnitten der Blätter ein Tropfen concentrirter Schwefelsäure zugefügt, so färben sich die rothgelben Plastiden zuerst ganz roth und erst viel später oder oft gar nicht dunkelblau. Wird eoncentrirte Schwefelsäure den vollständig getroekneten Schnitten zugefügt, so tritt sogleich die dunkel- blaue Farbe hervor. Es ist also deutlich, dass die Schwefelsäure, welche benutzt wird, auch gar nicht verdünnt sein darf. Einmal misslang mir die Reaction bei einer ganzen Reihe von Versuchsobjeeten, welche mit den anderen Reagentien die blaue Farbe wohl zeigten, weil die Schwefelsäure in den Flaschen durch die Feuchtigkeit der Luft nach und nach ein wenig verdünnt worden war. Auch für die Reaction mit Salzsäure und Phenol ist es, wie gesagt, nothwendig, die Pflanzen- theile zuvor zu trocknen. Auch Molisch schreibt dies vor. Die Reactionen mit concentrirter Salpetersäure und Bromwasser finden bei der Anwesenheit von Wasser zwar statt, aber bei trockenen Schnitten tritt die blaue Farbe schneller und besser hervor, obgleich sie bei diesen zwei Reactionen wieder schnell verschwindet. Die Objectgläser mit den getrockneten Präparaten wurden auf ein Stück weisses Papier gelegt und darauf ein Tropfen des Reagens hinzu- gefügt. Dies ist zumal zu empfehlen für die Reactionen mit con- centrirter Salpetersäure und mit Bromwasser, weil bisweilen die blaue Farbe wieder so schnell verschwindet, dass man nicht Zeit hat, ein Deckglas aufzulegen und das Präparat unter dem Mikroskop zu be- obachten. Die Reaction mit Salzsäure und Phenol tritt im Gegen- np 7” BT 215 theil oft nicht sogleich ein. Unter dem Mikroskop beobachtet, sieht man in allen Präparaten die Farbe am besten hervortreten an den- jenigen Stellen, wo die Plastiden durch Zerquetschen der Zellen frei gelegt sind. Il. Das Auskrystallisiren des Carotins nach der Methode von Molisch. Ausser diesen chemischen Reactionen wendete ich an zweiter Stelle die von Molisch erfundene Methode an. Es gelang Molisch, den gelben Begleiter des Chlorophylis, Xanthophyli (Carotin), wie er ihn nennt, im Blatte selbst vom Choro- phyll zu trennen und auskrystallisiren zu lassen. Seine Methode be- steht im Folgenden: „Die frischen grünen Blätter oder kleine Stücke derselben werden in 40proc. (Volum) Alkohol, welcher 20 proc. (Ge- wicht) Kaliumhydroxyd gelöst enthält, gelegt und darin mehrere Tage, gewöhnlich so lange bei Abschluss vom Licht belassen, bis alles Chlorophyll ausgezogen ist*. Mittels dieses Verfahrens ist es ihm gelungen, Carotinkrystalle in den Zellen von mehreren grünen Laubblättern zu bekommen. Auch hat er die Keimblätter einiger etiolirter Keimlinge seiner Methode unterworfen und darin dieselben Krystalle vorgefunden. Bei meiner Untersuchung habe ich alle genannten Pflanzentheile, welche gelb bis rothe Plastiden führen, nach dieser Methode untersucht und auch mehrere Algen mit in Betracht gezogen. Die Pflanzentheile wurden vorher lebend in Wasser unter dem Mikroskop untersucht und einige Notizen, Farbe, Gestalt und Grösse der Plastiden betreffend, ge- macht. Hierauf wurden Stückchen in Glaseylinder mit eingeschliffenem Deckel in die alkoholische Kalilösung gebracht. Weil ich nur mit kleinen Stückehen arbeitete, genügte immer eine Menge von 20 bis 30 c. M.? der Lösung. Die Deckel wurden mittels Wachs luftdicht verschlossen und die Glaseylinder ins Dunkel gestellt. Anfänglich liess ich die Objecte nur einige Tage in der Lösung und fand nach Auswaschen in destillirtem Wasser die Krystalle in den grünen und etiolirten, bisweilen auch in den gelben Blättern. In Blumenblättern, Früchten, herbstlich gelben Blättern und Algen waren nach einigen Tagen die Plastiden meist unverändert, nur in wenigen Präparaten zeigten sich unregelmässige Körper. Krystalle waren aber nicht zu finden. Nachdem ich aber die Objecte längere Zeit in der Lösung liess, bildeten sich Krystalle, welche ganz denen aus den grünen und 15* 216 etiolirten Blättern gleich waren. Die Zeit, welche der Farbstoff zum Krystallisiren brauchte, war für die verschiedenen Objeete sehr ver- schieden. In grünen Blättern und Blättern von etiolirten Keimlingen bildeten sich oft innerhalb zwei Tagen und rascher schöne grosse Krystalle, während es bei Blüthen und bei den Algen mehrere Wochen dauerte, ehe der Farbstoff auskrystallisirt war. Die Ursache dieses grossen Unterschiedes ist mir unbekannt. Bei einigen Objeeten er- fuhr ich, dass der Farbstoff erst im Wasser vollständig auskrystallisirte und die Krystalle besser sichtbar waren, nachdem die Pflanzentheile einige Tage in destillirtem Wasser im Dunkeln verweilt hatten. Bei einigen Blüthen, welche aus der Lösung kommend sogleich keine Krystalle zeigten, waren dieselben nach dem Verweilen in Wasser in grosser Menge sichtbar. Nachdem die Objecte lange genug in der Lösung verweilt hatten, wurden sie einige Stunden in destillirtem Wasser ausgewaschen. Ein Theil der Gewebestücke wurde auf Objeetgläsern in den Exsiccator über starke Schwefelsäure gestellt und ein Theil in Glycerin oder Wasser sogleich unter dem Mikroskop beobachtet. Wenn ich die ausgewaschenen Theile nicht sogleich untersuchte, wurden sie in Wasser im Dunkeln aufbewahrt. Den vollständig getrockneten Prä- paraten wurden die vier früher erwähnten Reagentien, nämlich: con- centrirte Schwefelsäure, concentrirte Salzsäure mit Phenol, eoncentrirte Salpetersäure und Bromwasser zugefügt. Auch habe ich dann und wann die Löslichkeit der Krystalle in mehreren von Molisch ge- nannten Flüssigkeiten, wie Aether, Chloral, Eisessig, Alkohol und Chloroform geprüft. In vielen Fällen constatirte ich Pleochroismus, welches von Molisch als ein Merkmal seiner Xanthophylikrystalle beschrieben wird. IN. Das Auskrystallisiren des Carotins nach Einwirkung verdünnter Säuren. Schon Tschirch!) erwähnt in seiner Arbeit über das Chlorophyli, dass Frank in grünen Blättern, welche mit einer verdünnten Säure behandelt wurden, unter gewissen Bedingungen rothe Krystalle be- obachtete und er selbst beschreibt und bildet Präparate aus verdünn- ter Salzsäure und Weinsäure ab, in welchen sich rothe Krystalle gebildet haben. Molisch') wiederholte den Versuch von Frank mit Elodea-Blättern und erhielt gleichfalls die Krystalle, welche 1) Tsehirch, 1. e., pag. 490, 2) Molisch, Il. c., pag. 27. -, 87 217 nach ihm, die mehr rothe Farbe ausgenommen, in ihren Eigenschaften mit denen aus der alkoholischen Kalilösung übereinstimmen. Ich habe diese Methode etwas näher untersucht und werde meine Resul- tate in Kurzem mittheilen. Zuvor aber ist es nothwendig, die Auf- merksamkeit auf die Wirkung der Säure auf den grünen Bestandtheil des Chlorophylis, das eigentliche Chlorophyll, zu lenken. Durch verdünnte Säuren entsteht, wie von Hoppe-Seyler') zuerst näher untersucht wurde, ein Körper, welchen er Chlorophyllan nannte. Dieser Körper ist später von vielen Forschern beschrieben ; aber über seine Eigenschaften und die beste Darstellungsmethode stimmen die Meinungen nicht überein, so dass Marchlewski?) in seiner Monographie über das Chlorophyll vom Chlorophyllan betont, „dass die Frage nach der Einheitlichkeit resp. Nichteinheitlichkeit dieses Körpers nicht mit gewünschter Schärfe entschieden ist.“ Noch deutlicher tritt die Unvollkommenheit unserer Kenntnisse über Chlorophyllan hervor aus den entgegengesetzten Annahmen über seine Beziehungen zum Chlorophyll. Indem Tsehirch°) behauptet, dass Chlorophyllan durch einen Oxydationsvorgang aus Chlorophyll entstehe, fasst Timiriazefft) diesen Vorgang gerade als einen Reductionsprocess auf. Nach Tsehirch°) ist das Chlorophyllan mit Pringsheim’s Hypochlorin identisch; aber Pringsheim®) selbst ist der Meinung, dass das Hypochlorin farblos ist und die Farbe von einem gelben Bestandtheil des Chlorophylis verursacht wird und auch Kohl?) bemerkt, dass dem Chlorophyllan immer Spuren von Carotin anhängen und dass bis jetzt vielleicht alle Forscher unreines Chloro- phyllan untersuchten, Aus diesen Mittheilungen und aus der That- sache, dass auch Carotin von verdünnten Säuren krystallinisch aus- geschieden wird, geht einerseits hervor, dass man bei der Darstellung des Chlorophyllans auf die Anwesenheit des Carotins zu wenig Acht gegeben hat. Aber andererseits ist es vielleicht möglich und wahr- scheinlich, dass in grünen Pflanzentheilen die Carotinkrystalle, welche 1) Hoppe-Seyler, Ueber das Chlorophyll der Pflanzen. Zeitschrift f. physiol. Chemie. Bd. 3. 1879. 2) Marchlewski, I. c. 3) Tschirch. 1. e. pag. #11. 4) Timiriazeff, Bot. Zeit. 1869. pag. 885. 5) Tschireh, 1. ec. pag. 489. 6) Pringsheim, Ueber das Hypochlorin und die Bedingungen seiner Ent- stehung in der Pflanze. Ber. d. k. Akad. d. Wiss. Berlin. Nov. 1879. 7) Kohl, Untersuchungen über das Chlorophyll und seine Derivate. Bot. Centralbl. Bd. 73. 1898. 218 durch die Einwirkung verdünnter Säuren entstehen, von Chlorophyllan verunreinigt sein können. Wie dem aber auch sei, die Resultate der Behandlung mit verdünnten Säuren für den Carotinnachweis werden dadurch keineswegs beeinträchtigt. Wenn auch zugegeben werden muss, dass die erhaltenen Krystalle möglicherweise etwas Chloro- phyllan enthalten, so ist es doch ganz gewiss, wie aus der nach- herigen Prüfung mit verschiedenen Reagentien hervorgeht, dass sie der Hauptsache nach aus Carotin bestehen. Ich werde also bei meiner Beschreibung ferner das Chlorophyllan ausser Betracht lassen, Die von mir bei meiner Untersuchung benutzten verdünnten Säuren sind die nachfolgenden: 1. Salzsäure in 1--10proc. Lösung. . Oxalsäure in 1—10proc. Lösung. . Weinsäure in 1—10proc. Lösung. . Chromsäure in I proc. Lösung. . Pikrinsäure in 50proc. Alkohol gelöst. Diese Lösung gab allerdings weniger gute Resultate. 6. Essigsäure in 2proc. Lösung. Diese gab schlechte Resultate, was aber zu erklären ist aus der Löslichkeit der Krystalle in Eisessig, infolge dessen sie nach längerem Verweilen in der Flüssigkeit wieder von derselben gelöst werden. 7. Fluorwasserstoffsäure. Die Fluorwasserstoffsäure ist, so viel ich weiss, noch nicht in die mikroskopische Technik eingeführt, hat sich mir aber als ein sehr gutes Fixirungsmittel gezeigt. Der Vortheil über andere Fixirungs- mittel ist, dass sie sehr schnell ins Innere von grossen Gewebestücken eindringt. Die Fixirung der protoplasmatischen Gebilde und Kerne ist tadellos. Demgegenüber steht die unangenehme Eigenschaft der Säure, Glas anzugreifen, welche es nothwendig macht, mit Kautschuk- flaschen zu arbeiten, oder, wie ich immer that, mit Glasflaschen, welche an der inneren Seite von einer Schicht Paraffin bedeckt sind. Die meist geeignete Stärke der Säure ist sehr verschieden für ver- schiedene Objecte. Für nicht zu grosse Pflanzentheile ist eine Lösung, die 1—2 Procent der käuflichen (40 proc.) Fluorwasserstoffsäure ent- hält, zu empfehlen. Die Objecte verweilen darin ein bis höchstens zwei Tage, worauf sie sehr gut ausgewaschen werden müssen. Mit diesen sieben Säuren habe ich ziemlich viele Versuche ge- macht, bei denen das Carotin auskrystallisirte, ungefähr auf dieselbe Weise, wie bei Pflanzentheilen, welche nach der Methode von Molisch behandelt sind. mm u 218 Die am meisten geeignete Verdünnung der Säuren ist für ver- schiedene Objecte nicht dieselbe, aber gewöhnlich bilden sich die Krystalle, sei es in geringerer Menge, auch in denjenigen Lösungen, welche für den betreffenden Pflanzentheil entweder ein wenig zu stark oder zu verdünnt sind. Die Pflanzentbeile müssen ein bis mehrere Tage in der Lösung verweilen, bisweilen genügen schon einige Stunden. Hierauf werden die Objecte einige Stunden mit Wasser ausgewaschen; nur die aus der Pikrinsäure mit 70 proc. Al- kohol. In einigen Fällen bilden sich die Krystalle schon in der Säure, in anderen erst, nachdem die Gewebe einige Zeit im Wasser verweilt haben. Ich fand im Allgemeinen die schönsten Krystalle in den Präparaten, welche ich einige Stunden nach dem Auswaschen untersuchte. Oft beobachtete ich, dass während der Untersuchung ihre Menge in kurzer Zeit, selbst innerhalb einer halben Stunde zu- genommen hatte. In sehr gut ausgewaschenen Objecten bleiben sie auch nach wochenlangem Verweilen im Wasser und im Dunkeln un- verändert, In einem Glycerin-Gelatine-Präparat von Hydrodictyon utriculatum aus Pikrinsäure und in einem Glycerin-Präparat der- selben Pflanze aus Pikrinsäure-nigrosin, welche beide aus dem Jahre 1888 stanımten, also mehr als elf Jahre alt waren, fand ich die roth- braunen Kryställchen und Körperchen ganz wie in Präparaten von einigen Tagen her. Ist nicht alle Säure ausgewaschen oder bleiben die Pflanzen- theile in der Lösung selbst, so verändern die Krystalle ihre Farbe und Gestalt und schliesslich bleiben nur unregelmässige, bräunliche Körper über. Die Krystalle bilden sich an und zwischen den Plastiden, oft sogar in denselben. Dies ist zumal der Fall, wenn die Säure sehr verdünnt ist. Die Plastiden führen dann ein oder bisweilen zwei runde oder etwas eckige Körperchen, welche keine Krystallform auf- weisen, aber in ihren anderen Eigenschaften den Kıystallgebilden zwischen den Plastiden ganz ähnlich sind. Die Farbe der Krystalle varürt zwischen bräunlichroth, hellroth und gelbroth. In vielen Fällen konnte ich Pleochroismus beobachten wie bei den Krystallen aus der Kalilösung. Auch verschwindet wie bei diesen die Farbe der Krystalle nach einiger Zeit im Lichte. Die chemischen Eigenschaften der Krystalle stimmen, wie auch Molisch beschreibt, ganz mit denen des Carotins überein. Nach dem Trocknen der Präparate färben sich die Körperchen mit den er- r wähnten Reagentien blau. Die Reactionen gehen nicht so leicht vor 220 sich wie bei den Präparaten aus der Kalilösung, weil hier die Ge- webe nicht ganz entfärbt, sondern etwas grünlich sind. Beim Hinzu- fügen der Reagentien färbt sich sogleich das ganze Object blaugrün, und es ist schwerer, in solchen Präparaten die dunkelblauen Körper- chen zu finden, wie in einem farblosen Gewebe. Besonders bei den schnell vorübergehenden Reactionen mit Salpetersäure und Brom- wasser ist dies beschwerlich; aber mit einiger Sorgfalt gelingt die Reaetion auch hier. Die Krystalle lösen sich in Choralhydrat, Aether, Eisessig und bei erhöhter Temperatur oder nach längerer Zeit auch in Alkohol. Von einigen Präparaten aus Pikrinsäure zeigten die, welche nach dem Auswaschen mit 70proc. Alkohol in Alkohol von 96 Procent aufbe- wahrt wurden, nach einigen Wochen gar keine Krystalle mehr, indem sie in eben solchen Präparaten, welche in Wasser bewahrt wurden, in grosser Menge zu finden waren, Die Krystalle der getrockneten Präparate färbten sich durch con- centrirte Schwefelsäure, concentrirte Salpetersäure, concentrirte Salz- säure mit Phenol und Bromwasser alle blau. Ich habe auch gelbbunte, herbstlich gelbe und etiolirte Blätter in verdünnte Säurelösungen gebracht, aber stets mit negativen Resul- taten. Nach kürzerem oder längerem Verweilen in der Lösung fand ich immer die gelben Plastiden und in herbstlich gelben Blättern die braungelben Massen von zusammengeballten Plastiden unverändert zurück. Die Ursache, warum in diesen Blättern der Farbstoff auf diese Weise nicht auskrystallisirt, ist mir unbekannt; aber jedenfalls ist auch hier der Farbstoff nicht von der Säure verändert und zeigt nach dem Verweilen in der Lösung noch dieselben Reactionen wie zuvor. Es ist also diese dritte Methode nicht so allgemein anwend- bar wie die beiden vorigen, aber sie gibt dennoch in den meisten Fällen sehr gute Resultate. Die Bildung der Carotinkrystalle in verdünnten Säuren ist ein Uebelstand, welchen der Gebrauch solcher Säuren, wie Pikrinsäure, Chromsäure u. s. w. als Fixirungsmittel mit sich führt. Die Krystalle und Körperchen können, wenn man ihren Ursprung nicht kennt, zu Irrthümern Veranlassung geben. So kann es zumal vorkommen bei der Fixirung mehrkerniger Algen mit verdünnten Säuren, dass die Carotinniederschläge mit Kernen verwechselt werden. Rauwenhoff?) hat in seiner Abhandlung über Sphaeroplea annulina Ag. das 1) Ra uwe nhoff, Onderzoekingen over Sphaeroplea annulina Ag. Uitgegeven door de koninklyke Akademie van Wetenschappen te Amsterdam, 1887. 221 Vorkommen vieler Kerne in einer Zelle vollkommen richtig beschrieben und abgebildet, aber doch meine ich, dass in der Fig. 12 seiner Ab- handlung wenigstens ein Theil der abgebildeten kernähnlichen Körper als Carotinniederschläge gedeutet werden muss. Er selbst hat schon einigen Zweifel gehegt, denn er theilt mit, dass in älteren Zellen der Alge so viele Kerne und von so verschiedener Grösse anwesend waren, dass er meinte, Oeltropfen oder Gerbstoffbläschen vor sich zu haben. Auch findet er die Kerne hauptsächlich in der Nähe der Chromatophoren. In jedem grünen Pflanzentheil, welcher ganz wie die Sphaero- plea annulina behandelt ist, kann man kleinere und grössere Körperchen beobachten, welche man für Kerne halten könnte. Mir stand keine Sphaeroplea annulina zur Verfügung, aber ich habe andere Öbjecte, welche mit Fluorwasserstoffsäure, Salzsäure oder Weinsäure behandelt waren, so wie es Rauwenhoff that, mit Haematoxylin gefärbt und beobachtet, dass die in der Säure gebilde- ten Kryställchen und Körperchen sich dunkler färben wie das übrige Gewebe. Auch gibt zum Beispiel eine Cladophora oder eine Vaucheria nach Behandlung mit verdünnter Säure ein Bild, welches der Fig. 12 von Rauwenhoff auffallend ähnlich ist. Das Verhalten des Carotins von Daucus Carota bei Behandlung nach den drei beschriebenen Methoden. Weil es meine Absicht war, die Frage zu beantworten, inwiefern das bei Daucus Carota aufgefundene Carotin ein allgemein in Plastiden vorkommender Farbstoff ist, so schien es mir nothwendig, vorher das Verhalten dieses Körpers zu prüfen bei Behandlung nach den drei beschriebenen Methoden, obgleich von verschiedenen Forschern Ver- suche in solcher Richtung schon gemacht worden sind. Durch die hauptsächlich chemischen Arbeiten von Husemann!), Arnaud’) und Reinitzer?) ist das Carotin der bestbekannte der Plastidenfarb- stoffe geworden. Arnaud fand für seine chemische Zusammensetzung die Formel C3sHss. Die Meinung, dass das Caretin ein Kohlenwasser- stoff ist, ist fast allgemein und auch Pfeffer‘) nimmt diese in seiner Pflanzenphysiologie an. Ich wiederholte also die Reactionen mit Schwefelsäure, Salpeter- 1) Husemann, Ueber Carotin und Hydrocarotin. Göttingen 1860. 2) Arnaud,l. e. 3) Reinitzer, Ueber Hydrocarotin und Carotin. Sitzungsber, der k. Akad. Wien 1886, Bd. 94, 4) Pfeffer, I. c., pag. 298. 222 säure, Salzsäure mit Phenol, und mit Bromwasser, unter genau denselben Verhältnissen wie nachher bei den übrigen Pflanzentheilen. Die ge- trockneten Stückchen der Wurzel färbten sich mit den vier Reagentien blau. Zweitens wurden Stückchen der Wurzel in die alkoholische Kali- lösung gelegt. Nachdem sie einige Zeit darin verweilt hatten, habe ich sie in Glycerin untersucht und das Verhalten der Krystalle den verschie- denen Reagentien gegenüber geprüft. Im Glycerinpräparat waren die Zellen nicht sehr deutlich mehr zu unterscheiden. Die zahlreichen Kry- stalle lagen im Gewebe zerstreut (Fig. 1). Sie waren denen aus den lebenden Zellen ähnlich, nur waren sie im Allgemeinen grösser. Die Krystalle in den getrockneten Schnitten färbten sich mit concentrirter Schwefelsäure, concentrirter Salpetersäure, Salzsäure mit Phenol und Bromwasser schön blau. Drittens legte ich Stückehen der Wurzel in die verdünnte Fluorwasserstoffsäure und liess sie darin ein bis mehrere Tage. Nach dieser Zeit wurden die Präparate ausgewaschen und in Glycerin und den verschiedenen Reagentien untersucht. Die Krystalle zeigten sich unverändert und wurden wie diejenigen aus dem lebenden Gewebe von den Reagentien blau gefärbt. Auf diese Weise habe ich die Eigenschaften des Carotins aus der Wurzel des Daucus Carota näher studirt, damit ich bei überein- stimmenden Eigenschaften der gelben Farbstoffe aus anderen Pflanzen- theilen zu der völligen Identität dieser Farbstoffe mit dem Carotin schliessen konnte. Untersuchung. Abtheilung I, Die Untersuchung mit Schwefelsäure, Salpetersäure, Salzsäure mit Phenol und Bromwasser. 1. Grüne Blätter. Durch die Anwesenheit des Chlorophylis sind die Reactionen auf das Carotin nicht rein zu beobachten. Das ganze Gewebe färbt sich in kurzer Zeit blaugrün. Diese Methode ist also für grüne Pflanzen- theile weniger brauchbar. 2. Gelbbunte Blätter. Die Untersuchung dieser Blätter erheischt eine besondere Sorg- falt, weil es oft schwer ist, wirklich gelbe Blätter oder Blatttheile von sehr wenig grün gefärbten zu unterscheiden. Deshalb unter- “ 223 suchte ich, bevor die Reagentien angewendet wurden, einen Theil des Blattes in Wasser unter dem Mikroskop. Bei vielen scheinbar gelben Blättern oder Blattstücken ergab sich, dass die Farbe von sehr wenigen grünen Plastiden herrührt, welche sich hier und dort im Mesophyll, aber vornehmlich in den Schliesszellen der Stomata be- finden. Bei anderen, fast rein weissen Blättern sind gar keine Plastiden zu beobachten, indem einige mehr goldgelbe Blätter gelbe Plastiden führen. Ich werde also drei Arten von makroskopisch gelben Blättern unterscheiden: diejenigen, welche bei mikroskopischer Untersuchung keine Plastiden aufweisen, diejenigen mit einer geringen Anzahl grüner Plastiden und die Blätter mit gelben Plastiden. Keine Plastiden oder nur einige grüne in den Schliesszellen der Stomata fand ich bei Funkia albomarginataHook. (F.lan- cifolia Spreng.) im gelbweissen Rand des Blattes, bei Aspidistra elatiorBlume., Reineckia carnea Kunth. fol. var. und bei OphiopogonJaburan Lodd. fol. var. Bei diesen beiden letzten fehlten die Plastiden nur in Streifen, der übrige Theil des Blattes war grün. Für die mikroskopische Untersuchung machte ich einige Flächen- schnitte des Blattstückes, Die Untersuchung war nicht sehr genau, aber jedenfalls war die Grösse und Zahl der Plastiden und die Menge des Farbstoffes, welche sie führen, so gering, dass der Farbstoff durch die angewendeten Reagentien nicht aufzuweisen war. Nach dem Trocknen über concentrirter Schwefelsäure zeigten die Schnitte oder Blattstücke mit den Reagentien keine blaue Farbe. Das ganze Gewebe wurde gelb. Blätter mit wenig aber grünen Plastiden sind, obgleich sie eine gelbe Farbe haben, nicht gelb zu nennen. Sie sind eigentlich sehr hellgrün gefärbt und es ist deutlich, dass dieselben sich ganz wie grüne Blätter verhalten werden. Getrocknete Stückchen dieser Blätter zeigen, durch die Reagentien befeuchtet, an den Stellen, wo sich die Plastiden befinden, die gemischte blaugrüne Farbe, welche grüne Laubblätter in jenem Falle kennzeichnet. Die meisten gelben oder gelbgefleckten Blätter gehören zu dieser Art, wie z. B. bisweilen Theile der Blätter von Aspidistra elatior Blume., Funkia aurea- variegata, Fritillaria imperialis L. und HederaHelixL. Einen Uebergang zu den Blättern mit rein gelben Plastiden fand ich in den Blättern von Gynerium argenteum Nees. fol. var. und von Alocasia macrorhiza Schott. Beide Blätter führen gelb- lich grüne Plastiden, welche getrocknet durch concentrirte Schwefel- säure blaugrün gefärbt werden. 224 Rein gelbe Plastiden beobachtete ich in Blatttheilen von: Aucuba japonica Thunb, Elaeagnus latifolia,L. Evonymus japonicus L. var. sulphurea Sambucus nigra L. var. aurea. In den gelben Blättern der kurzen Stammzweige eines Aes- eulus Hippocastanum L. fand ich sehr hellgelbe Plastiden. Stückchen aller dieser gelben Blatttheile zeigten nach dem Trocknen die erwähnten Reactionen. Die blaue Farbe von Bromwasser und von concentrirter Salpetersäure hervorgerufen, ist nur bei grosser Sorgfalt zu beobachten, weil sie, wie gesagt, so bald verschwindet und durch die geringe Menge des Farbstoffes der Plastiden nicht makroskopisch zu sehen ist. 3. Herbstlich gelbe Blätter. Die meisten Blätter, welche untersucht wurden, waren schon heruntergefallen. Bei der mikroskopischen Untersuchung im Wasser zeigten fast alle Zellen unregelmässige braungelbe Massen von zu- sammengeballten Plastiden. Auf die Blätter folgender Pflanzen wurden die Reagentien an- gewendet: Polygonum euspidatum Sieb. et Zuce. Aesculus Hippocastanum I. Mespilus germanica L. (Pyrus germanica Hook f.) Celastrus scandens L. Dioscorea Batatas Decne. (D. divaricata Blanco.) Acer Pseudo-PlatanusL. Cerasus Avium Moench. (Prunus avium L.) Quercus Robur L. Ulmus campestris L. Die Menge des Farbstoffes war ziemlich gering und dies war die Ursache, dass die schnell vorübergehende blaue Farbe der Reac- tionen mit Bromwasser und concentrirter Salpetersäure schwer zu beobachten war. Die herbstlich gelben Blätter von Vitis Labrusca L. zeigten keine Spur vou Plastiden, bloss wenige unregelmässige gelbe Massen. Mit keinem der Reagentien trat hier die blaue Farbe hervor. In diesen Blättern war der Farbstoffgehalt so gering, dass er auf diese Weise nicht nachzuweisen war. Aber in allen sonstigen Fällen traten die Reactionen deutlich hervor. 225 4. Etiolirte Blätter. Einige Samen von verschiedenen Pflanzen wurden in Gartenerde gesät und die Töpfe ins Dunkel in ein Glashaus gestellt, bis die Keim- linge gross genug waren. Den Exsiccator, in welchem die Stückchen der Blätter oder Cotyledonen getrocknet wurden, stellte ich ebenfalls ins Dunkel. Die Pflanzen, deren etiolirte Keimlinge untersucht wurden, waren: Hordeum vulgare L. Sinapis alba L. (Brassica alba Boiss.) Triticum vulgare L. Vicia FabaL. Pisum sativum L. Lepidium sativum L. Cannabis sativa L. Nach Anwendung der genannten Reagentien war auch bei diesen etiolirten Blättern die blaue Farbe zu beobachten. 5. Blüthen. Die Blüthen folgender Pflanzen wurden von mir untersucht: Strelitzia Reginae Ait. Impatiens Noli-tangere L. Eranthis hyemalis Salisb. Siphocampylus bicolor G. Dow (Lobelia laxiflora H. B. et K.) Manettia bicolor Paxt. (M. luteo-rubra) Abutilon Darwini Hook. f. Abutilon megapotamicum St. Hil. et Naud. Primula offieinalis Jacgq. Senecio Ghiesbreghtii Hort. (8. grandifolius Less.) Fritillaria imperialis L. Tulipa sylvestris L. Doronieum Columnae Tenore. Forsythia viridissima Lindl. Forsythia Fortune Lindl. (F. suspensa Vahl,.) Viola lutea Vell. Adonis vernalis L. Taraxacum officinale Wigg. Waldsteinia geoides Willd. Nonnea lutea DC. (Alkanna lutea A. DC.) Uvularia grandiflora Sm. Epimedium macranthum Morr. et Deene. 226 Caltha palustris L. Genista racemosa (Cytisus racemosus Hort.) Ranuneulus repens L. Lycaste aromatica Lindl. Kerria japonica DC. Tropaeolum majus L. Tillandsia splendens Brogn. Oenothera biennis L. Cucurbita foetidissima H. B. et K. Kniphofia aloides Moench. Tagetes patula L. Calendula offieinalis L. Physalis Franchetti. Kelch nach dem Aufblühen. Helianthus annuus L. Tropaeolum aduncum Sm. (Tr. peregrinum L.) - Helenium autumnale L. Rudbeckia Newmani Loud. Die Blumenblätter obenstehender Pflanzen zeigten alle nach An- wendung der genannten Reagentien die blaue Farbe. Bei der Untersuchung dieser Blüthen fand ich, dass die Ver- schiedenheit der Farbe der gelben bis rothen Blumenblätter meistens nur durch einen verschiedenen Gehalt an Farbstoff bedingt wird, bis- weilen auch durch sogleich vorhandenen gefärbten Zellsaft. 6. Früchte. Von den Früchten, welche ihre Farbe ganz oder theilweise gelben oder rothen Plastiden verdanken, wurden folgende untersucht: Rosa spec. Aglaonema commutatum Schott. (Seindapsus Cuscuaria Presl.) Sorbus Aucuparia L. (Pyrus Aucuparia Ehrh.) Sorbus Aria Crantz. (Pyrus Aria Ehrh.) Solanum Dulcamara L. Tomate spec. Physalis Alkekengi L. Physalis Franchetti, Citrus Aurantium L. Bei einigen dieser Früchte führt die Epidermis rothen Zellsaft und finden sich die gelben oder rothen Plastiden nur im übrigen Gewebe vor, bei anderen liegen die Plastiden auch in den Zellen der 227 Epidermis. In beiden Fällen sah ich nach Anwendung der Reagentien stets die Plastiden sich blau färben. T. Samen. Von Courchet!) wurde von mehreren Pflanzen, wie Passi- flora coerulea, Evonymus europaeus und japonicus, Hedychium Gardnerianum der Arillus mittels verschiedener Reagentien untersucht und darin ein carotinartiger Farbstoff gefunden, welcher in seinem Verhalten concentrirter Schwefelsäure gegenüber, die früher genannten kleinen Verschiedenheiten zeigte. Später wies Schrötter?) im Arillus von Afzelia Cuanzensis einen Farbstoff nach, welcher die Eigenschaften von Carotin besass; aber, wie noch niemals beobachtet wurde, in Oel gelöst in diesem Gewebe vorkam. Ich untersuchte den Arillus von Evonymus latifolius Mill. und fand, dass die Plastiden dieses Gewebes sich, nachdem die Präparate getrocknet waren, mit den vier genannten Reagentien blau färbten. Abtheilung IL Die Untersuehung mit alkoholischer Kalilauge (Methode von Molisch). Wie in der Methode beschrieben wurde, wurden die Pflanzen- theile, nachdem sie längere oder kürzere Zeit in der alkoholischen Kalilösung verweilt hatten, in Wasser oder Glycerin und in den vier Reagentien der ersten Abtheilung untersucht. 1. Grüne Blätter. Zur Vollständigkeit der Untersuchung unterwarf ich einige grüne Blätter der Kalimethode, nämlich die Blätter von: Primula acaulis Will. (P. vulgaris Huds.) Viola trieolor L.. Ficaria ranunculoides Moench. (Ranuneulus Ficaria L.) Limnanthes Douglasii R. Br. Galanthus nivalis L. Ranunculus repens L. Elodea eanadensis Michx. Pröthallien von einigen Farnspec. Selagineila spec. (Fig. 2) Funaria hygrometrica Hedw. 1) Courchet, 1. co, 2) Sohrötter, ic. 228 Ich fand in den Blättern aller dieser Pflanzen die Krystalle mit allen Eigenschaften, wie Molisch sie beschreibt. 2. Gelbe und gelibgefleckte Blätter. Wie ich in der ersten Abtheilung erwähnte, kann man drei Arten von äusserlich gelben Blättern unterscheiden, welche aber nicht scharf von einander zu trennen sind. In denjenigen Blatttheilen, welche bei der mikroskopischen Unter- suchung keine oder nur sehr wenige kleine, farblose Plastiden zeigen, konnte ich selbst, nachdem sie mehrere Wochen in der alkoholischen Kalilösung verweilt hatten, keine Krystalle finden. Auch mittels der äusserst empfindlichen Reaction mit concentrirter Schwefelsäure konnte kein Farbstoff nachgewiesen werden. Nur in einem Präparat von Blattstücken von Aspidistra elatior waren nach Behandlung mit der Schwefelsäure in den Schliesszellen der Stomata einige blaue Körperchen sichtbar. Andere Präparate desselben Blattstückes zeigten sie aber nicht. Ohne Farbstoff erwiesen sich auf diese Weise Blatt- theile von Aspidistra elatior Blume, Funkia albomargi- nata Hook., Reineekia carnea Kunth. fol. var, Ophio- pogon Jaburan Lodd. fol. var. Theile derselben Blätter gaben, wie ich in der ersten Abtheilung erwähnte, mit keiner der Reagentien die blaue Farbe, Die gelben Blätter mit wenig grünen Plastiden müssen sich wie hellgrüne Blätter verhalten und nach Behandlung mit der alkoho- lischen Kalilösung Krystalle zeigen. Von diesen untersuchte ich die Blätter oder Blattstücke von Aspidistra elatior Blume., Funkia aurea variegata und Fritillaria imperialis L. Die Menge der Krystalle ist sehr verschieden, wenig in fast weissen Blatttheilen; ebenso viele, wie in einem grünen Laubblatte in denjenigen Blättern, welche bei genauer Beobachtung nicht reingelb, sondern grünlichgelb sind. Auch in gelben Blattstücken von Gyne- rium argenteum Nees. fol. var., welche grüngelbe Plastiden besitzen, fand ich nach dem Verweilen in der alkoholischen Kali- ng Lystalle, welche ganz denjenigen aus grünen Blättern ähn- ich sind. Von den Blättern mit rein gelben Plastiden brachte ich Stück- chen in die alkoholische Kalilösung, welche darin längere Zeit ver- weilten, wie aus der Tabelle hervorgeht. 229 | Beschreibung der Datum, an ' Karb A Gestalt Datum der Untersuchung und elchem die 'arbe un esta . . Blätter in die Namen der der Plastiden bei der Beschreibung der Plastiden alkoholische und Krystalle nach dem Ver- Kalilösung Pflanzen Untersuchung der . . . gebracht . | weilen in der alkoholischen wurden lebenden Gewebe in 1r Kalilösung Wasser 22. April. | Aucnuba japoniea | Hellgelbe, runde | 1. Juni. Thunb. Plastiden. Braungelbe Krystallnadeln und Büschel (Fig. 3). 22. April. | Elaeagnus latifolia | Hellgelbe, runde | 23. Mai. 30. Mai, 80. Mai. L. Evonymus japo- nicus L. var. sul- phurea Sambucus nigra L. var. aurea. Plastiden. Heligelbe, runde Plastiden. Heilgelbe, runde Plastiden. Braungelbe, unregelmässige Körper und feine,spitze, etwas gekrümmte Krystallnadeln. 22. Sept. Braungelbe Krystalle verschiedener Grösse und Gestalt, 21. Sept. Gelbe Massen wie von zu- sammengeballten Plastiden und gelbbraune kleine Kry- ställchen, von Die Krystalle färbten sich mit den Reagentien blau und waren völlig denen aus den anderen Gewebetheilen gleich. 8. Herbstlich gelbe Blätter. Von denselben vergilbten Blättern, welche ich in der ersten Ab- theilung untersuchte, brachte ich Theile in die alkoholische Kalilösung. Die Tabelle gibt eine Uebersicht dieses Versuchs. Datum, an welchem die Blätter in die Namen der Beschreibung der Farbe und Gestalt der Plastiden bei der Datum der Untersuchung und Beschreibung der Plastiden alkoholische und Krystalle nach dem Ver- Kalliösung Pflanzen Untersuchung der weilen in der alkoholischen Tac . ander lebenden Gewebe in Kolilösung Wasser 5. Nov. | Polygonum cuspi- | Bräunlichgelbe Pla- | 27. Dec. 5. Nov. datum Sieb. et Zuce. Aesculus Hippo- castanım L. Flora 1900, stiden, zu Klumpen geballt. Braungelbe unregel- mässige Massen von Plastiden. Braungelbe Krystalle. Viel- leicht noch nicht aller Farb- stoff auskrystallisirt. 27. Dee. Braungelbe, kleine Krystalle, in einigen Zellen noch Pla- stidenmassensichtbar(Fig.4). “16 230 Beschreibung der Datum der Untersuchung und weiche de Namen der Farbe und Gestalt Beschreibung. der Plastiden alkoholische der Plastiden bei der und Krystalle nach dem Ver- ebrah® Pflanzen Untersuchung der weilen in der alkoholischen wurden lebenden Gewebe in Kalilösung Wasser 5. Nov. | Mespilus germa- | Braungelbe,unregel- | 27. Dee. nica L, (Pyrus ger- | mässige Massen von Braungelbe, grosse Krystalle, manica Hook. f.) Plastiden. spitz und stabförmig (Fig. 5). 5. Nov. |Celastrus scandens | Braungelbe,unregel- | 22. Dec. L. mässige Massen von An einigen Stellen fängt der Plastiden. Farbstoff an zukrystallisiren. Noch keine grossenKrystalle. 5. Nov. |Dioscorea Batatas | Braungelbe Plasti- | 22. Dec. Deene. (D. divari- | den, einzeln und in DerFarbstoff fängt an zu kry- cata Blanco.) Massen. stallisiren. Einzelne schöne grosse Krystalle gebildet, in Büscheln im Protoplasma liegend. 5. Nov. | Acer Pseudo-Pla- | Gelbe Plastiden, ein-| 27. Dee. tanus L. zeln und zusammen- Braungelbe , stabförmige geballt. Krystalle. Der Farbstoff ist noch nicht vollständig aus- krystallisirt (Fig. 6). 5. Nov. Cerasus Avium | Gelbe Plastiden, ein- | 22. Dee, Moench. (Prunus|zeln und in Massen. Die Plastiden noch sichtbar avium L.) und etwas gelb. In der Nähe der Plastidenmassen oder mit denselben verbunden liegen spitze, braungelbe Krystalle. 5. Nov. | Ulmus campestris Braungelbe,unregel- | 27. Dec. L. mässige Plastiden-| Braungelbe, grosse Krystalle. massen, Wahrscheinlich noch nicht allerFarbstoffauskrystallisirt. 5. Nov Quercus Robur Unregelmässige 22. Dec. L. Massen von braun- gelber Substanz, keine Plastiden zu beobachten. Ineinigen Blatttheilen haben sich so wenig Krystalle ge- bildet, dasssiesich nur mittels der Reagentien aufweisen lassen. In anderen Theilen ist die Menge der Krystalle grösser. 231 Aus dieser Tabelle geht hervor, dass bei keinem Objecte die Zeit vom 5. November bis Ende December zum vollständigen Auskrystalli- siren des Farbstoffes genügte. Viele Präparate zeigten den Farbstoff noch theilweise an noch anwesender protoplasmatischer Substanz ge- bunden. Bei Vitis Labrusea L. war, wie ich in der ersten Abtheilung erwähnte, der Farbstoffgehalt so gering, dass ich mit den Reagentien nicht im Stande war, ihn im frisch getrockneten Blatte nachzuweisen. Nach Behandlung mit der alkoholischen Kalilösung konnte ich keine Krystalle finden. Aber in diesen Präparaten zeigte der Farbstoff mit Hilfe der concentrirten Schwefelsäure und der concentrirten Salpetersäure dennoch seine Anwesenheit durch die blaue Farbe, welche unter dem Mikroskop leichter zu beobachten ist als die braungelbe Farbe der Krystalle im Glycerin- oder Wasserpräparat, 4. Etiolirte Blätter. Ich brachte auch Blattstücke von einigen etiolirten Keimlingen in die alkoholische Kalilösung, nämlich von Hordeum vulgarelL. (Fig. 7), Cannabis sativa L.,, Pisum sativum L., Lepi- dium sativum L. und Helianthus annuus L. (Fig. 8). Von den Cotyledonen dieser letzten Pflanze sagt Molisch!), dass es ihm nicht möglich war, darin die Krystalle aufzufinden. Ich ver- muthe, dass die Ursache in dem Umstand zu suchen ist, dass er die Stückchen zu kurze Zeit in der Lösung liess. Ich fand, nachdem die Cotyledonen vom 13. Juni bis zum 21. September in der Lösung verweilt hatten, darin grosse Krystalle, aber zugleich auch braune Massen, welche sehr wahrscheinlich die kleinen Krystalle, die sich innerhalb wenigen Tagen bilden, unsichtbar machen. Die erhaltenen Krystalle von Helianthus annuus färbten sich wie diejenigen aus den anderen etiolirten Keimlingen blau nach Behandlung mit concen- trirter Schwefelsäure, concentrirter Salpetersäure, Salzsäure mit Phenol und Bromwasser. 5. Blüthen. Die Blumenblätter mussten, wie ich erwähnte, meistens sehr lange Zeit, oft mehrere Wochen in der alkoholischen Kalilösung verweilen, ehe der Farbstoff auskrystallisirte. Die folgende Tabelle wird eine Uebersicht von den untersuchten Pflanzen und den erhaltenen Resul- taten geben. 1) Molisch, 1. c. pag. 21. 16% 232 Beschreibung der Datum, an Datum der Untersuchung und “elumene Farbe und Gestalt Beschreibung der Plastiden Ai Namen der der Plastiden bei der 5 blätter in die er Klastiden bei und Krystalle nach dem Ver- allösung Pflanzen Untersuchung der | eilen in der alkoholischen gebracht Iebenden Gowebe in Kalilösung 16. Febr. | Eranthis hyemalia | Kleine, eckige, hell- | 23. Febr. Salisb, gelbe Plastiden, Im Gewebe unregelmässige, verzweigte, braungelbe Kör- per. Noch keine Krystalle. Die Zeit war zu kurz. 15. März. | Siphocampylus | Kleine, rundliche, | 22. März. bicolor G. Dow. gelbe Plastiden. Spitze, braungelbe Körper, (Lobelia laxiflora etwa wie Krystalle. HB et K) 19, April.| Primula officinalis | Kleine, runde, gelbe | 6. Mai. Jacg. Plastiden. Kleinere und grössere Kör- perchen verschiedener Ge- . stalt; gelbe Massen, wahr- scheinlich von zusammen- geballten Plastiden, welche noch Farbstoff enthalten. 6. Juli. Viele braungelbe Krystall- nadeln. 19. April.| Forsythia Fortuni | Kleine, runde, hell-! 6. Mai. Lindl. gelbe Plastiden. Kleine, bräunliche, unregel- {F. suspensa Vahl.) mässige Körperchen und gelbe Massen. 6. Juli. Braungelbe Krystallnadela. 22. April.| Ficaris ranuncu- |Kleine, runde oder | 28. Mai. loides Moench. |eckige, gelbe Pla- Gelbbraune, grössere Kugel (Ranunculus stiden, und feine, unregelmässige, Ficaria L.) krystallähnliche, braungelbe Körper. 2%. Mai, Forsythia viri- |Kleine, zunde, hell- | 1. Juni. dissima Lindl. gelbe Plastiden. Sehr viele kleine, bräun- liche Körperchen, einige braungelbe grössere, und braungeibe Krystallnadeln. 2. Mai. | Adonis vernalis L. Sehr kleine, gelbe Plastiden. 1. Juni. Kleine und grosse, runde, bräunliche Körper und viele braungelbe Krystallnsdeln. 238 Datum, an welchem die klumen- blätter in die alkoholische Kalilösung gebracht wurden Namen der Pflanzen Beschreibung der Farbe und Gestalt der Plastiden bei der Untersuchung der lebenden Gewebe in Wasser Datum der Untersuchung und Beschreibung der Plastiden und Krystalle nach dem Ver- weilen in der alkoholischen Kalilösung 2. 10. 10, 10, 16. 16, Mai, Mai. Mai. Mai. Mai. Mai. Mai, Waldsteinia ge- oides Willd. Nonnea lutea DC, (Alkanna lutea A. DC. Caltha palustris L. Genista racemosa. (Cytisus racemo- sus Hort.) Tillandsia splen- dens Brogn. Stilophorum diphylium Nutt, Trollius europseus L. Sehr kleine, runde, hellgelbe Piastiden. Kleine, runde, hell- gelbe Plastiden. Runde und eckige, gelbe Plastiden. Aeusserst kleine, gelbe Piastiden. Runde, gelbe Pla- stiden. Runde, ovale und unregelmässige, gelbe Plastiden. 1. Juni. Kleine, braune Körperchen. Der Farbstoff sehr wahr- scheinlich noch nicht voll- ständig ausgezogen. 1. Juni. Viele spitze, braungelbe Kry- stallnadeln, auch zu Büscheln vereinigt. 6. Juli. Braungelbe, runde und un- regelmässige Körper, auch Nadeln und andere braun- gelbe Krystalle. 6. Juli. Braungelbe Körperchen und unregelmässige Massen. Nur wenige Krystalle, aber es sieht aus, als ob sie sich zu bilden anfangen. 6. Juli. Schöne, braungelbe Krystall- nadeln und Krystalle ver- schiedener Gestalt. 7. Juli. Braungelbe, feine, spitze, oft gekrümmte Krystallnadeln, 7. Juli. Aus der Lösung in destillir- tes Wasser gebracht, 21. Juli. Schöne, braungelbe Krystalle und Krystallbüschel. Aller Farbstoff auskrystallisirt. 234 Datum, an welchem die Blumen- blätter in die alkoholische| Kalilösung gebracht wurden Namen der Pflanzen Beschreibung der Farbe und Gestalt der Plastiden bei der Untersuchung der lebenden Gewebe in Wasser Datum der Untersuchung und Beschreibung der Plastiden und Krystalle nach dem Ver- weilen in der alkoholischen Kalilösung 16, Mai. 16, Mai. 16. Mai, 16. Mai. 16, Mai, 16. Mai, 16. Mai. Trollius esiaticus L. Kerria japonica DC. Lycaste aromatica Lindl. Ranunculus grami- neus L. Alyssum saxatile Bory et Chaub. Ranunculus repens L. Ranunculus auri- comus Schlecht. Runde und ovale, gelbe Plastiden. Sehr kleine, gelbe Plastiden, Kleine, gelblich- braune Plastiden. Runde, gelbe Pia- stiden. Kleine, gelbe Pia- stiden. Runde, gelbe Pla- stiden, Runde, gelbe Pla- stiden, T. Juli. Sehr deutlich zu sehen, wie der Farbstoff im Begriff ist, sich aus benachbarten Pla- stiden zu langen, braun- gelben Krystallnadeln sammenzufügen. Auch Kry- stallbüschel anwesend. zu- . Juli. Lange, gekrümmte, braun- gelbe Krystalle. 17. Dec. 6. Grosse, braungelbe Krystall- nadeln und Büschel (Fig. 9). Juni, Braungelbe, unregelmässige Massen und feine Nadeln. Aus der Lösung in destil- lirtes Wasser gebracht. Juli. Die Zahl und Grösse der Krystalle hat sich vermehrt. Juni. Gelbe Massen wie von zu- sammengeballten Plastiden und ziemlich viele braun- gelbe Krystalle. Sehr wahr- scheinlich haben die Blätter noch nicht lange genug in der Lösung verweilt. Juni. Aus der Lösung in destil- lirtes Wasser gebracht. . Juli. Viele grosse, lange, gelb- braune Krystallnadeln. Juli. Bräunliche Massen und Kör- perchen und gelbbraune Kıy- stalle. 235 Datum, an welchem die Blumen- blätter in die alkoholische Kalilösung gebracht wurden Namen der PAanzen Beschreibung der Farbe und Gestalt der Plastiden bei der Untersuchung der lebenden Gewebe in Wasser Datum der Untersuchung und Beschreibung der Plastiden und Krystalle nach dem Ver- weilen in der alkoholischen Kalilösung 16. Mai, 16. Mai. 8. Sept. 16. März. 5. Febr, 16. März. Chelidonium majus L. Sisymbrium Sophia L. Impatiens Noli-tan- gere L. Narcissus Pseudo- Nareissus L. Strelitzia Reginae Ait, Abutilon Darwini Hook. f. Kleine, hellgelbe Plastiden. Kleine, gelbe Pla- stiden. Kleine, gelbe Pla- stiden. Runde, gelbe Pla- stiden. Spitze, gekrümmte, gelbrothe Plastiden. Lange, spitze, oft gekrümmte, gelbe Plastiden. 7. Juli. Aller Farbstoff auskrystal- lisirt in gekrümmten, braun- gelben Krystallnadeln, wel- che Büschel bilden. 3. Juni. Aus der Lösung in destil- lirtes Wasser gebracht. 6. Juni. Gelbliche und farblose, runde Körper und gelbbraune Kry- stallnadeln. 9, Nor. Gelbbraune, spindelförmige Krystalle. auch zu Büscheln vereinigt (Fig. 10). 22. April. Braungelbe Krystalle ver- schiedener Gestalt. 16. Febr. Gestalt der Plastiden unver- ändert. Farbe mehr braun- roth. 22. März. Gelbbraune, gekrümmte Na- deln und unregelmässige Aggregaten vonKryställchen. Die zwei letzten Pflanzen Strelitzia Reginae und Abuti- lon Darwini führen in ihren Blüthen krystallähnliche Plastiden. Ich fand in der kurzen Zeit, welche diese Blumenblätter in der Lösung verweilten, die Gestalt der Plastiden von Strelitzia nicht verändert, indem sich bei Abitulon Krystalle zu bilden anfingen. Wie aus der Tabelle hervorgeht, war es mir möglich, in allen untersuchten Blüthen die Farbstoffkrystalle aufzuweisen. Bei Eran- this hyemalis konnte ich noch keine Krystalle finden, aber die braungelben, unregelmässig verzweigten Körper wiesen auf einen An- fang von Krystallisation hin. Die Zeitdauer des Verweilens in der 236 alkoholischen Kalilösung ist in diesem Falle zu kurz gewesen. Später habe ich, wie aus dem Vergleich der Daten deutlich sein wird, die Blumenblätter viel länger in der Lösung belassen, bis aller oder der grösste Theil des Farbstoffes auskrystallisirt war. Von allen in der Tabelle genannten Pflanzen wurden Stückchen der Blumenblätter aus der Lösung nach Auswaschen und Trocknen mit den Reagentien der ersten Abtheilung geprüft. Obne Ausnahme wurden die Krystalle durch concentrirte Schwefelsäure, concentrirte Salpetersäure, Salzsäure mit Phenol und Bromwasser blau gefärbt. Auch in denjenigen Fällen, in welchen der Farbstoff noch nicht ganz auskrystallisirt war, "trat dennoch die blaue Farbe hervor. 6. Früchte. Obgleich die meisten der untersuchten Früchte schon im lebenden Gewebe Farbstoffkrystalle führen, brachte ich sie dennoch in die Kalilösung. Von denjenigen, welche in der Epidermis gefärbten Zell- saft haben, benutzte ich nur das innere Gewebe. Die folgende Tabelle gibt eine Uebersicht der erhaltenen Resultate. i | an Beschreibung der | Datum der Untersuchung und Pi r Farbe und Gestalt . N Bräparate in Namen der . . Beschreibung der Plastiden lie alkoho- der Plastiden bei der tische Kali. und Krystalle nach dem Ver- sun Pflanzen Untersuchung der . R ; gebracht . | weilen in der alkoholischen rd lebenden Gewebe in An wurden Kalilösung Wasser 16. Febr. Rosa spec. Gelbrothe, runde, | 23. Febr. stabförmige oder Die Plastiden unverändert, spitze Plastiden. die Farbe mehr braunroth. 8. Sept. |Rosa spec. (die- Gelbrothe, runde, 9. Nov. selbe wie oben). stabförmige oder Braunrothe, lange Krystalle, spitze Plastiden. gekrümmt und auch zu . . Büscheln vereinigt. 5. Febr. | Citrus Aurantium |Orangerothe, runde | 23. Febr. L. Plastiden. Die Plastiden noch unver- ändert. Die Zeit war zu kurz. 8. Sept. | Solanum Dulca- BraungelbePlastiden | 11. Nov. mara L. von verschiedener Sehr schön zu beobachten, Gestalt. wie der Farbstoff aus der contrahirten Protoplasma- . masse herauskrystallisirt. 8. Sept. |Sorbus Aucuparia Rothgelbe, spindel- | 11. Nov. L. (Pyrus au- förmige Plastiden. Roihgelbe, spitze, oft ge- euparis Ehrh.). krümmte Krystalle, einzeln und in Büscheln. 237 R l " Datum, an Beschreibung der Datum der Untersuchung und welchem die Farbe und Gestalt : : Präparate in Namen der , . Beschreibung der Plastiden die alkoho- der Plastiden bei der lische Kali- und Krystalle nach dem Ver- Pflanzen Untersuchung der . . . lösung . | weilen in der alkoholischen gebracht lebenden Gewebe in “1. wurden Kalilösung Wasser 8. Sept. Tomate spec. Rothe, unregel- 11. Nov. mässig stab- und Orangerothe, spitze, auch spindelförmige Pla- gekrümmte Krystalle, ein- stiden. ; zeln und in Büscheln. 9. Oct. Physalis Gelbrothe, runde, ! 14. Nov. Franchetti. ovale und unregel-| Der Farbstoff ist im Begriff mässig gebildete zu krystallisiren. Plastiden. Bei der Rosa spec. zeigte sich die Zeit vom 16.—23, Februar nicht genügend zum Auskrystallisiren des Farbstoffes, indem nach einem Verweilen in der Lösung von zwei Monaten sich grosse Kry- stalle gebildet hatten. Ebenfalls war die Zeit von 5.—23. Februar zu kurz, um Krystalle im Gewebe von Citrus Aurantium zu bilden. In allen anderen Fällen, in denen ich die Theile der Früchte mehrere Wochen in der Lösung liess, erhielt ich Krystalle mit allen Eigenschaften, welche diejenigen aus den grünen Blättern kennzeichnen. Alle Krystalle aus den verschiedenen Früchten und auch die unver- änderten Plastiden von Citrus Aurantium färbten sich mit den Reagentien blau. 7. Samen. Ich brachte Theile des Arillus von Evonymus latifoliusMill, in die alkoholische Kalilösung und liess dieselben einige Wochen darin. Nach dieser Zeit zeigten die Präparate sehr grosse, spitze Krystalle, welche sich mit den Reagentien blau färbten. 8. Algen. Ueber die gelben Farbstoffe der Algen bestehen nicht viele Unter- suchungen. Ich werde hier in aller Kürze mittheilen, wie es mit unserer Kenntniss derselben steht. Kraus!) gelang es mittelst seiner Methode, durch Schütteln der alkoholischen Lösung mit Benzol in „grasgrünen“ Algen den gelben und den blaugrünen Farbstoff, sein Kyanophyll und Xanthophyll auf- zuweisen. Von nicht grün gefärbten Algen untersuchten Kraus 1) Kraus, Le. 238 und Millardet') zusammen die Diatomaceae und die Phyco- ehromaceae, indem später Millardet?) allein die Farbstoffe der Fucaceae einer Untersuchung unterwarf. $ie fanden ausser dem in Wasser löslichen Farbstoff und dem grünen Chlorophyll einen gelben Farbstoff, welchen sie Phycoxanthin nannten. In seiner späteren aus- führlichen Arbeit behauptet Kraus?°), dass, was er und Millardet Phycoxanthin nannten, kein reiner Farbstoff, sondern eine Mischung von einem gelben Farbstoff und eine kleine Menge eines blaugrünen sei. Weiter theilt er mit, dass das reine Phycoxanthin, welches er aus Oscillarien herstellte, mit dem Xanthophyli der grünen Pflanzen nicht identisch, sondern nahe damit verwandt ist, _ Hansen‘), der die Farbstoffe der Fucaceae untersuchte, stellte aus Fucus vesiculosus die von ihm als Chlorophyligelb und Chlorophyligrün bezeichneten Bestandtheile dar, welche er auch im Chlorophyli der höheren Pflanzen fand, und betrachtet dieses Chloro- phyligelb im Gegensatz zu Kraus als identisch mit dem Phycoxanthin, welches Millardet aus Fucus erhielt. Rostafinski®) beschäftigte sich mit dem rothen Farbstoff, welchen einige Chlorophyceae gelegentlich im Dauerzustande oder fortwährend aufweisen, wie z. B.: Chlamydococceus, Trente- pohlia und Haematococcus. Er bekommt durch Trennung mit Alkohol zwei Farbstoffe, einen rothen und einen gelben. Diese Be- standtheile betrachtet er nach ihren chemischen Eigenschaften als identisch mit dem Gemisch von einem gelben und rothen Farbstoff, welchen er in Blüthen findet, dem Xanthin im Sinne von Fr&my. Dieselben chemischen Eigenschaften, welche der Farbstoff von Chlamydococcus pluvialis im Dauerzustande hat, zeigt nach Klebs®) auch der Farbstoff von Euglena sanguinea. Endlich erwähnt noch Schrötter?) in einer vorläufigen Mittheilung, dass er in Sarcina aurantiaca und Staphylococcus pyogenes j i) Kraus et Millardet, Sur le Pigment des Phycochromactes et des Dia- tomees. Comptes rendus. T. 66. 1868, 2) Millardet, Sur la nature du Pigment des Fucoideee. Comptes rendus. T. 68. 3) Kraus, 1. ce. 4) Hansen, Das Chlorophyligrün der Fucaceae. Arbeiten des Würzburger Institutes. Bd. III. 1888, Yei D mostafineki, Ueber den rothen Farbstoff einiger Chlorophyceae. Bot. eit. . 6) Klebs, Organisation einiger Flagellatengruppen und ihre Beziehungen zu Algen und Infusorien. Unters. Tüb. Bad. L 7) Schrötter, Centralbl. f. Bakt. und Par.-Kunde. 1896, 239 aureus einen Lipoxanthinfarbstoff gefunden habe, welcher sich mit Schwefelsäure blau färbt. Auf welche Weise er den Farbstoff unter- suchte, beschreibt er nicht. Alle Untersuchungen beziehen sich auf chemische oder speectral- analytische Versuche der extrahirten Farbstoffe. Im Allgemeinen haben sie also gelehrt, dass in grünen, wie in anders gefärbten Algen neben dem Chlorophyll und neben dem in Wasser löslichen braunen, rothen oder blauen Farbstoff noch ein gelber in Wasser unlöslicher Farbstoff vorhanden ist, von dem es nicht unwahrscheinlich ist, dass er mit dem gelben Begleiter des Chlorophylis der grünen Pflanzen identisch sei. Und weiter, dass einige gefärbte Algen einen Farbstoff besitzen, welcher die nämlichen Eigenschaften wie der Farb- stoff aus gelben Blüthen aufweist. Ich untersuchte 'mehrere Algen, grüne und anders gefärbte nach der Kalimethode. Molisch’) hat mit Spirogyra schon denselben Versuch ge- macht, er erhielt aber keine präcisen Resultate, weil, wie er mittheilt, die Krystallisation bald eintrat, bald ausblieb. Ich vermuthe, dass auch hier wieder die zu kurze Zeitdauer die Ursache dieser negativen Resultate ist. Ich fand nach einigen Tagen keine Krystalle in den nämlichen Algen, worin sich nach einigen Wochen recht schöne Krystalle gebildet hatten. Für die Versuche wurden möglichst reine Massen von Algen gewählt und diese wurden, von dem überschüssigen Wasser befreit, in die alkoholische Kalilösung gebracht. Bei den meisten von diesen Versuchsobjeceten, insbesondere den Braunalgen habe ich die Lösung nach einiger Zeit mit einer neuen ersetzt. Die folgende Tabelle wird eine Uebersicht von den erhaltenen Resultaten geben. Datum, an welchem die , Algen in die Namen der Datum der Untersuchung und Beschreibung der alkoholische Krystalle nach dem Verweilen in der alkoho- Kalils . Rn gebracht” Algen lischen Kalilösung wurden Diatomeae. 8. Mai Einige Fragillaria 22. Sept, spec. Gelbbraune, sehr kleine Kryställchen, in fast jeder Zelle eines, bisweilen zwei (Fig. 11). 1) Molisch, le. 240 Datum, an welchem die Datum der Untersuchung und Beschreibung der Siksholische Namen der Krystalle nach dem Verweilen in der alkoho- Fe Algen lischen Kalilösung wurden Cyanophyceae. 7. Dec. |Osecillaria Froelichii| 29. Dec. Kg. Die Zellwände sind unsichtbar, aber die Zeilen noch mit einander verbunden. In jeder Zelle kleine und grössere braungelbe Krystalle und Krystallbüschel (Fig. 12). 21. Dec. Anabaena Flos- 2. Jan. aquae Bröb,. Braungelbe, kleine Kryställchen, Chlorophyceae. 18. Aug. | Hydrodietyon utri- | 12. Dec, eulatum L. Braungelbe, grosse Krystalle und Krystall- büschel. 18. Aug. | Oedogonium spec. 1. Nov, In jeder Zelle mehrere braungelbe bis orange Krystallnadeln und Büschel (Fig. 13). 31, Aug. ;Cladophora glome- | 1. Nov. rata Kg. Viele orangegelbe, spitze, oft gekrümmte Krystallnadeln (Fig. 14). 20. Aug. | Enteromorpha in- | 19, Dec, testinalis Lk, Orangegelbe Krystallnadeln und Stäbchen (Fig. 15). 12. März Chara fragilis 18. März, Desv. Schon kleine, oranggelbe Kryställchen gebildet. Fucoideae, 9. Aug. | Fucus vesioulosus | 13, Dee. L. Braungelbe, grosse Krystallnadeln und Täfel- chen (Fig. 16), 9. Aug. | Fucus serratus L. 6. Dec. Braungeibe, spitze Krystalle, meistens eines oder zwei in jeder Zelle. 9. Aug. | Laminaria saccha- 2. Nov, rina L. Braungelbe, kleine, unregelmässige Krystält- chen, 13. Dec. Braungelbe, spitze und stabförmige Krystalle grösser als am 2. Nov. (Fig. 17). 9. Aug. | Laminara digitata 1. Nor. L. Gelbbraune, spitze Krystallnadeln, an einigen Stellen ausserordentlich lang. 241 Datum, an welchem die R Algen in die Namen der Datum der Untersuchung und Beschreibung der alkoholische R Krystalle nach dem Verweilen in der alkoho- gebracht gen lischen Kalilösung wurden 20. Aug. | Chorda filum L. 6. Dec, Braungelbe, spitze Krystallnadeln, auch Stäb- chen und Büschel (Fig. 18). 20. Aug. | Ascophyllum nodo- | 6, Dee. sum L. Braungelbe Krystallnadeln und Stäbchen. Auch unregelmässige, gelbe Protoplasmamassen, aus denen der Farbstoff noch nicht vollkommen auskrystallisirt ist. 20. Aug. | Porphyra laciniata | 6. Dec. Lightf. Braungelbe Krystallnadeln und Stäbchen (Fig. 19). Florideae. 20. Aug. | Ceramium rubrum | 6, Dec, Huds, Orangegelbe, kleine, stab- oder tafelförmige Krystalle (Fig. 20). 20. Aug. | Polysiphonia spec. | 6. Dec. Viele braungelbe, lange, spitze Krystallnadeln. Die Krystalle, welche sich in diesen Algen gebildet hatten, zeigten sich denen aus den anderen untersuchten Pflanzentheilen völlig ähn- lich. Auch färbten sie sich mit den Reagentien der ersten Abthei- lung blau. Resultate der Abtheilung Il. In allen untersuchten Pflanzentheilen fand ich also Krystalle. Diese liegen in dem Gewebe, das meistens ganz farblos ist. Die Zell- wände sind undeutlicher geworden, in einigen Fällen waren sie gar nicht mehr zu sehen. Das Protoplasma ist verschwunden oder liegt als eine durchscheinende unregelmässige Masse in den Zellen. Die Krystalle stimmen völlig mit denjenigen überein, welche Molisch und auch ich in grünen und etiolirten Blättern erhielten. Für die ausführliche Beschreibung der physikalischen und chemischen Eigen- schaften verweise ich auf die Arbeit von Molisch'). Ich werde nur einige Eigenschaften hervorheben, welche von besonderem In- teresse bei der Vergleichung der Krystalle aus den verschiedenen Pflanzentheilen sind. Die Farbe variirt zwischen goldgelb, braun- gelb und orange. Diesen Unterschied findet man nicht nur zwischen 1) Molisch, Lo. 242 den Krystallen aus verschiedenen Pflanzentheilen, sondern die Krystalle in demselben Präparat erscheinen heller oder dunkler, je nachdem sie kleiner oder grösser sind oder eine verschiedene Lage haben. Im Lichte -verschwindet die Farbe nach einiger Zeit. Alle Krystalle ohne Ausnahme, welche ich auf diesen Punkt untersuchte, zeigen Pleochroismus. Besonders schön ist der Perl- mutterglanz, wenn man das Sonnenlicht schief auf das Präparat fallen lässt und im auffallenden Lichte beobachtet. Beim Drehen der Mikro- meterschraube des Mikroskopes sieht man dann das Farbenspiel sehr schön. Grösse und Gestalt der Krystalle sind sehr mannigfaltig; Nadeln, Büschel und Täfelehen sind die hauptsächlichsten Formen, welche auch alle zugleich in einem Präparat vorkommen können. Weiter zeigen die trockenen Krystalle auch dieselben chemischen Eigenschaften wie der Farbstoff der frisch getrockneten Pflanzentheile, das heisst, sie färben sich, wie ich in der Beschreibung hervorhob, ganz wie dieser Farbstoff blau mit den erwähnten Reagentien, und sind auch die Krystalle löslich in Aether, Alkohol, Eisessig, Chloral- hydrat und unlöslich in Wasser und Glycerin. Abtheilung IH. Die Untersuehung mit verdünnten Säuren. Ich werde hier eine Uebersicht der Resultate der mit Säuren behandelten Pflanzentheile geben: 1. Blätter und andere grüne Pflanzentheile. In der hier aufgeführten Tabelle findet man in der ersten Spalte die Namen der untersuchten Pflanzen. In den folgenden Spalten deutet ein horizontaler Strich an, dass der in der ersten Spalte ver- zeichnete Pflanzentheil mit der betreffenden Säure behandelt wurde: Fluorwas- _|pikrin- quorwas-| Salz- |Chrom-| Oxal- | Wein- |Pikrin säure | säure | säure | säure | säure | säure Selaginella Martensii. (Fig. 21) . . _ —_ Selaginella Krauseana . . . . . _ Elodea canadensis Michx, (Fig. 22). — Viola tricolor L. (Fig. 23). . . . _ Stellaria media Cyrill. Primula offieinalis Jacgq. . Funaris hygrometrica Hedw. . . . _ Fritillaria imperialis L. . Adiantum spec. . 243 |Fluorwas-| | Salz- |Chrom-| Oxal- PH | serstofl- “ r Fi säure eure | säure | säure | säure | säure Marchantia polymorpha L. | = Aspidistra elatior Blume. (Blatt und Blattstiel) . . . . . _ _ Philodendron pertusum Kunth- et Bouche. [Monstera deliciosa] (Blatt- II BE - | Opuntia spec. . . _ | - In allen oben genannten Fällen fand ich schöne Garotinkrystalle, die mit den Reagentien der ersten Abtheilung behandelt die blaue Farbe zeigten. 2. Blüthen. In den Blumenblättern, welche ich in verschiedene verdünnte Säurelösungen brachte, fand ich stets am nächsten Tage die Plastiden unverändert zurück. Nach einigen Tagen konnte ich beobachten, wie die Plastiden zu unregelmässigen Körpern vereinigt waren, aus denen der Farbstoff zu krystallisiren anfing. Diese Präparate zeigten ganz dasselbe Bild, wie diejenigen von Blumenblättern, welche zu kurze Zeit in der alkoholischen Kalilösung verweilt hatten. Noch einige Tage später fand ich wohlausgebildete Krystalle. Die besten Resultate erhielt ich, nachdem die Objeete etwa siebzehn Tage in einer 1proc. Lösung der Fluorwasserstoffsäure verweilt hatten. Auf diese Weise untersuchte ich: Manettia bicolor Paxt., Abutilon Darwini Hook. f, Siphocampylus bicolor G. Dow, Primula officinalis Jacq,, Nonnea lutea DC. (Fig. 24), Stilophorum diphyllum Nutt., Chelidonium majus L. und Trollius asiatieus L. Die Krystalle färbten sich mit den Reagentien blau. 3. Grüne Algen. Von diesen untersuchte ich mit Fluorwasserstoffsäure: Hydro- dietyon utriculatum L., Spirogyra crassa, Cladophora glomerata Kg. und Enteromorpha intestinalis Lk.; ausser- dem Hydrodicetyon utrieulatum L. auch mit Pikrinsäure. Die Krystalle und Körperchen, welche sich in den Algen bildeten, waren ganz denjenigen aus anderen grünen Pflanzentheilen gleich und zeigten mit den Reagentien die blaue Farbe. 4. Fucoideae. Theile von Laminaria saccharina L., Fucus serra- tus L., Porphyra lacinata Lightf., Ascophyllum no- 244 dosum L. und Chorda filum L. wurden in eine 2- und Öproc. “Lösung von Fluorwasserstoffsäure gebracht. Ich liess dieselben längere Zeit, fünf bis dreizehn Tage, in der Lösung und fand nach dem Auswaschen keinen sichtbaren Unterschied zwischen der Grösse und Menge der Krystalle in den Algen, aus der 2proc. und aus der 5proe. Lösung. In beiden Fällen stimmten die Präparate ganz mit denen von grünen Pflanzentheilen überein. Sie färbten sich mit den Reagentien der ersten Abtheilung blau. Resultate und Schlussbemerkungen. Aus den vorhergehenden Beobachtungen ziehe ich das nach- folgende Resultat: Der gelbe bis rothe Farbstoff der Plastiden aus grünen,gelbbunten,etiolirtenundherbstlichvergilbten Blättern, ausBlüthen, Früchten und Samen, aus Diato- maceen, Grünalgen, Blaualgen, Braunalgen und Roth- algen zeigt, im Pflanzentheil selbst untersucht, che- mische und physikalische Eigenschaften, welche mit denen des Carotins aus der Wurzel von Daucus Carota völlig übereinstimmen. Ich schliesse also: In den Plastiden aller Pflanzen und Pflanzentheile, welche Chlorophyll enthalten und der Kohlensäureassimilation fähig sind, wird das Carotin als steter Begleiter des Chlorophylis angetroffen. Ausserdem kommt es in etiolirten Pflanzentheilen und gelbbunten Blättern, die später ergrünen können, vor, und auch in Theilen, welche vorher grün warenundden grünen Farbstoff verloren haben, wie herbstlich ver- gilbten Blättern, manchen Blüthen und Früchten. Schliesslich findet man das Carotin in einigen Fällen, wo die grüne Farbe in den Plastiden lebenslang aus- bleibt, das heisst in einigen gelbbunten Blättern und Blumenblättern. Diese allgemeine Verbreitung des Carotins weist auf einen grösseren physiologischen Werth als ihm bisher im Allgemeinen zu- geschrieben ward. Von vielem Interesse in dieser Hinsicht ist eine Beobachtung von Engelmann), welche er gelegentlich mittheilt. Er fand, dass der 1) Engelmann, Die Farben bunter Laubblätter und ihre Bedeutung für die Zerlegung der Kohlensäure im Lichte. Bot. Zeit. 1887, Nr. 25-29, 245 gelbe Theil eines Blattes des Sambucus nigra var. aurea assi- miliren kann und dass etiolirte Keimlinge von Nasturtium sehon assimiliren, wenn das Chlorophyli sich noch nicht nachweisen lässt. Hieraus geht hervor, dass Carotin im Stande ist zu assimiliren, und dies wundert uns nicht so sehr, seit von Engelmann!) nach- gewiesen wurde, dass selbst die in Wasser löslichen Farbstoffe der nicht grün gefärbten Algen bei der Assimilation dieser Pflanzen -mit thätig sind. Auch aus den Angaben Engelmann’s?) über das zweite Maximum der Assimilationscurve für grüne Pflanzentheile im Blau zeigt sich die Assimilationsthätigkeit des Carotins mit grosser Wahrschein- scheinlichkeit. Nach Engelmann besteht eine Beziehung zwischen Absorption und Assimilation, und weil das Carotin gerade derjenige Bestandtheil des Chlorophylis ist, welcher die blauen Strahlen ab- sorbirt, folgt hieraus schon, dass das Carotin Antheil an der Assimilation nehmen muss. Diese Annahme wird durch die Untersuchungen von Kohl?) bestätigt. Dieser Forscher bestimmt die Grösse der Assimi- lation in verschieden gefärbtem Lieht mit Hilfe seiner „volumetrischen Blasenzählmethode“ und findet in Uebereinstimmung mit Engel- mann, dass die blauen Strahlen einen viel grösseren Antheil an der assimilatorischen Wirkung haben, als bisher angenommen wurde. Er neigt sich zur Annahme, dass dem Carotin die Function der assimi- latorischen Ausnutzung dieser Strahlen zukommt. Auch Immen- dorf) betonte schon früher, dass das stete Vorkommen des Carotins im Chlorophylikorn und seine hervorragende Neigung, Sauerstoff zu binden, vielleicht darauf hindeutet, dass diesem Farbstoffe bei der Assimilation eine Rolle zuertheilt ist. Auch noch in anderer Hinsicht scheint mir das Resultat dieser Untersuchung von Bedeutung. Weil nämlich die allgemeine Ver- breitung des Carotins als steter Begleiter des Chlorophylis und auch die assimilatorische Wirksamkeit des Carotins bewiesen sind, so kommt die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Carotin und Chlorophyll bedeutend mehr in den Vordergrund. 1) Engelmann, Farbe und Assimilation. Bot. Zeit. Bd. 41, 1883. 2) Engelmann, Untersuchungen über die quantitativen Beziehungen zwischen Absorption des Lichtes und Assimilation in Pflanzenzellen. Bot. Zeit. 42. Jahrg. 1884. 3) Kohl, Assimilatorische Energie der blauen und violetten Strahlen des Spectrums. Ber. d. Bot. Ges. XV. 1897, pag. 111 und: Die assimilatorische Energie des blauen Lichtes, Ber. d. Bot. Ges, XV, 1897 pag. 361. 4) Immendorf, 1. ce. pag. 519. Flora 1900. 17 246 Ueber diesen Zusammenhang zwischen dem gelben und dem grünen Farbstoff der Plastiden, insbesondere über die Frage, ob das Chlorophyli aus dem Etiolin hergeht, wurde viel geschrieben. Schon von Marquart!) und Weiss?) wurde eine genetische Beziehung zwischen dem Farbstoff der Blüthen und dem Chlorophyli als wahr- scheinlich betont. Später beschrieben Meyer?) und Schimper*) den Uebergang von etiolirten in grüne Plastiden; aber Kraus?) machte zuerst Versuche, den Uebergang des einen Farbstoffes in den anderen zu beweisen. Diese Versuche wurden von Wiesner‘) mehr ausführlich wiederholt mit dem Resultat, dass er das Etiolin als die Muttersubstanz des Chlorophylis betrachtet. Seiner Meinung nach ist das Etiolin eben- falls wie das Chlorophyll eisenhaltig, eine Annahme, welche sich vielleicht, für beide, unseren heutigen Kenntnissen nicht anschliesst. Arnaud’) fand für das Carotin, dessen Identität mit dem Etiolin in vorliegender Untersuchung bewiesen ist, die Zusammensetzung Cas6Hss und fast all- gemein wird seit den Untersuchungen von Molisch®) das Chlorophyll als eisenfrei betrachtet, wie auch Pfeffer?) in seinem Lehrbuch thut. Die Meinung Wiesner’s über das Hervorgehen des Chloro- phylis aus dem Etiolin ist von vielen Forschern angenommen. Dass aber dieser Zusammenhang noch nicht als eine unangreifbare Wahr- heit dasteht, beweist das oben genannte Lehrbuch von Pfeffer '®). Dieser kommt darin zu dem Schlusse, dass die physiologische Frage, ob das Chlorophyli aus dem gelben Farbstoff hervorgeht, noch nicht gelöst ist. Jedenfalls sind die chemischen Aenderungen, welche sich bei diesem Uebergang abspielen sollten, noch grösstentheils unbekannt und liegen hier unserer Kenntniss noch keine eingehenden Unter- suchungen zu Grunde. Nun es aber bewiesen ist, dass das Carotin allgemein verbreitet vorkommt, dass es nicht nur das Chlorophyll immer begleitet, sondern schon vor dem Chlorophyll auftritt und nach 1) Marquart, Le, 2) Weiss, 1. c. 3) Meyer, Das Chlorophylikorn in chemischer, morphologischer und bio- logischer Beziehung. 1883. 4) Schimper, Ueber die Entwickelung der Chlorophylikörner und Farb- körper. Bot. Zeit. 1883, 5) Kraus, l. eo. 6) Wiesner, l. co. N) Arnaud, ce. 8) Molisch, Die Pflanze in ihrer Beziehung zum Eisen. 1392. 9 Pfeffer, I. c. pag. 297. 10) Pfeffer, 1. c. pag. 298. 247 dem Verschwinden des Chlorophylis noch existirt, ist die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Chlorophyll und Carotin von noch grösseren Interesse geworden. Sollte es gelingen, diesen Zusammen- hang zu beweisen, so wird die Kenntniss des Carotins uns den Weg zur Kenntniss des Chlorophylis bahnen. Groningen, November 1899. Erklärung der Abbildungen. , Die Figuren 1—20 stellen Gewebe vor, welche der alkoholischen Kalimethode unterworfen waren. Fig. 1. Fig. 2, Fig. 3. Daucus Carota L. Stück aus der Riude der Wurzel. Die Zellwände sind undeutlich. 640/1. Selaginella Martensii. Blattstück. Epidermiszelle mit darunter liegenden Mesophylizellen, in welchen die Krystalle liegen. 480/1. Aucuba japonica Thunb. Zellen aus dem goldgelben Theil eines Blattes. 64071. Aesculus Hippocastanum L. Zellen aus dem Mesophyli eines herbstlich vergilbten Blattes. 64u/l. Mespilus germanica L. Zellen aus dem Mesophyli eines herbst- lich vergilbten Blattes. 640/1, Acer Pseudo-Platanus L. Zellen aus dem Mesophyli eines herbst- lich vergilbten Blattes. 430/1. Hordeum vulgare L. Zellen eines etiolirten Blattes. 430/1. Helianthus annuus L. Zellen aus den etiolirten Cotyledonen, Die Zellwände sind undeutlich. 430/1. Lycaste aromatica Lindl. Zellen aus dem Perigon. Das Gewebe ist etwas macerirt und die Zellen sind über einander geschoben. 430/1. Impatiens Noli-tangere L. Zellen aus der Blumenkrone. 640/1. Fragilaria spec. Theil eines Zelibandes. Die Zelieu noch mit ein- ander verbunden. 640/1. Oseillaria Froelichii Kg. Theil eines Fadens. Die Zeliwände sind verschwunden. 640/1. Oedogonium spec. 43011. Cladophora glomerata Kg. Enteromorpha intestinalis Lk. 640/1. Fucus vesiculosus L. Zellen aus dem Thallus. Die Zellwände sind undeutlich. 64071. Laminaria saccharina L. Zellen aus dem Thallus. 640/1. Chorda filum L. 640/1. Porphyra laciniata Lightf. 640/1. Ceramium rubrum Huds. 640/1. Selaginella Martensii. Zellen eines Blattes, welches drei Tage in einer Lösung, die 1°, der 40proc. käuflichen Lösung von Flnor- wasserstoffsäure enthielt und nachher einen Tag in destillirtem Wasser verweilt hatte. 640/1. Elodea canadınsis Michx. Zellen eines Blattes, welches einen Tag in einer Lösung, die 2%), der 40proc. käuflichen Lösung von Fluor- wasserstoffsäure enthielt, verweilt hatte. 640/1. Viola tricolor L. Zellen eines Laubblattes, welches drei Tage in einer 5proc. Lösung von Salzsäure verweilt hatte. 430/1. . Nonnea lutea DÜ, Zellen der Blumenkrone, welehe eine Woche in einer Lösung, die 1°/, der 40proc. käuflichen Fluorwasserstoffsäure enthielt, verweilt hatte. 640/1. 17* Litteratur. Das Astherverfahren beim Frühtreiben mit besonderer Berücksich- tigung der Fliedertreiberei. Von W. Johannsen. Mit 4 Fig. im Text. Jena, Verlag von Gustav Fischer. Das vorliegende Schriftchen ist für die gärtnerische Praxis bestinımt, bei dem hohen theoretischen Interesse, welches sich an die Frage nach der Verur- sachung der Ruheperioden knüpft, wird es aber auch die Botaniker interessiren, zumal die ausführlichere Abhandlung des Verf. noch nicht erschienen ist. Er hebt hervor, dass die (wohl nur bei den Praktikern) verbreitete Meinung, dass das Austreiben eines Organs mit periodischer Wachsthumsunterbrechung um 50 leichter zu ermöglichen sei, je reifer es sei, nicht zutreffe. Dies zeigen die Embryonen mancher Sumen; auch das Austreiben der für das nächste Jahr bestimmten Knospen durch künstliche Entlaubung u. s. w. lässt sich nur in einem Stadium, wo die Knospenentwickelung noch nicht abgeschlossen ist, ermöglichen. J. unterscheidet bei der Ruheperiode drei Phasen: Vorruhe, Mittelruhe und Nachruhe — eni- sprechend abnehmender Austreibungsfähigkeit, völliger Ruhe, zunehmender Aus- treibungsfähigkeit. Beim Flieder sind die Knospen in Vorruhe von ihrer Anlage etwa bis zum Hochsommer, in Mittelruhe etwa bis Ende October, in Nachruhe bis Ende December, von da an hält nur die Kälte das Austreiben zurück. Durch Behandlung mit Aetherdämpfen (die des Näheren erläutert wird) kann nun das Austreiben 3—6 Wochen früher als unter sonst gleichen Bedingungen veranlasst werden, besonders wirksam ist das Aetherisiren in der „Vorruhe“. Es wird mit Erfolg schon praktisch angewendet. Monsunia, Beiträge zur Kenntniss der Vegetation des süd- und ost- asiatischen Monsungebietes. Von 0. Warburg. Band I. Mit 11 Taf. Leipzig, Verlag von Wilh. Engelmann. 1900. Preis 40 Mk. Auf einer vierjährigen Reise hat der Verf. im süd- und ostasiatischen Monsun- gebiet ein reiches Material gesammelt, dessen Bearbeitung in dem gross ange- legten Werke, dessen erster Band nun vorliegt, dargeboten wird. Auch von anderen Forschern in dem genannten Gebiete angelegte Pflanzensammlungen werden verwerthet, Die ersten Bände sollen hauptsächlich den descriptiven Theil, der letzte Band allgemeinere Ergebnisse und kleinere floristisch-biologische Zusammen- stellungen bringen. Der erste Band enthält nach einer kurzen Einleitung die Pilze (bearbeitet von Hennings), die Algen (nach F. Heydrich), die Leber- moose (nach V, Sehiffner), die Moose (bearbeitet von V. F. Brotherus), die Sphagnaceae (von Warnstorf), die Filieinen (Christ) und Rhizocarpeen, Equi- seteen, Lycopodiaceen, Selaginelleen, Cycadeen, Coniferen von Warburg. Von den 11 Tafeln enthalten zwei gute photographische Aufnahmen. — Die „Monsunia" wird zweifellos für die botanische Erforschung des süd- und ostasiatischen Monsun- gebiets ein wichtiges Quellenwerk werden. 249 Die Bäume und Sträucher des Waldes in botanischer und forstwirth- schaftlicher Beziehung. Von G. Hempel und K. Wilhelm. Wien, Verlag von Ed. Hölzel. Das verdienstliche, namentlich auch durch seine künstlerisch ausgeführten Tafeln hervorragende Werk wurde früher wiederholt besprochen. Es liegt jetzt abgeschlossen vor in drei mit 60 Tafeln ausgestatteten Bänden. Sie bieten ein treffliches Material zur Einleitung in die Naturgeschichte der mitteleuropäischen Holzgewächse, die nicht nur für die forstliche und gärtnerische Praxis sehr werth- voll, sondern auch zur Einle'tung in die Botanik besonders zeeignet sind. Das erste, was man als Knabe von Pflanzen kennen zu lernen pflegt, sind ja doch Bäume und Sträucher, die schon durch den Habitus dem Gedächtniss sich ein- prägen.. Einsichtige Lehrer können an diese Pflanzen eine Einführung in die Hauptthatsachen der Botanik überhaupt anknüpfen. Aus diesem Grunde wäre dem vorliegenden Werke auch in Schul- und Volksbibliotheken eine weite Ver- breitung zu wünschen. Gramindes. Descriptions, figures et usage des gramindes spontandces et cultives de France, Belgique, Iles Britanique, Suisse. Par P.Husnot a Cahen par Athis (Orne) 1896—1849. Preis 25 fres. Der Verf. hat sich entschlossen, auf seine Kosten ein Werk herauszugeben, welches die Beschreibung und Abbildung der Gräser enthält, welche in den im Titel genannten Gebieten wachsen. Die Zeichnungen hat er selbst angefertigt und lithographisch vervielfältigt. Sie tragen wesentlich dazu bei, ein leichtes Be- stimmen der Gräser zu ermöglichen, zumal auch die Diagnosen die Hauptmerk- male der Vegetations- wie der Fortpflanzungsorgane eingehend hervorheben. Das Werk wird also namentlich denen, die praktisch mit Gräsern zu thun haben, von Nutzen sein, Die Pflanze im Zauberglauben. Ein Katechismus der Zauberbotanik. Mit einem Anhange über Pflanzensymbolik. Von &. W. Gessmann. Wien, A. Hartleben’s Verlag. Man erwarte in diesem Buche nicht etwa eine neue culturgeschichtliche Dar- stellung des „Zauberglaubens“ soweit er die Pflanzen betrifft, nein, der Verfasser (der mit dem deutschen Stil und der lateinischen Deklination auf etwas gespanntem Fusse steht) gibt mehr: er lehrt uns, wie man eine Pflanze „magnetisiren“ kann („dadurch, dass man sie in der Richtung des Wachsthums, d. h. von der Wurzel gegen die Spitze zu — ohne dass es aber nöthig wäre, sie zu berühren — mit den Fingerspitzen der beiden Hände streicht“) und er fordert die exakte Forschung auf, die Einwirkung der „menschlichen Ausströmungen auf die Pflanzenwelt und sonstigen lebenden Wesen etwas genauer zu studiren“, weiht uns ein in die Pflanzen-„Palingenesie“ und die Pflanzensymbolik (eine Sammlung von Albern- heiten); schade, dass sein Elaborat fünfhundert Jahre zu spät erschienen ist, Die Pusstenflora der grossen ungarischen Tiefebene. Von Fr. Woenig. Leipzig, C. Meyer’s geographisches Institut. Preis3 Mk. (Mit einer farbigen Beilage und zahlreichen Pflanzenbildern im Text.) Das kleine Buch, welches nach dem Tode des Verf. von Dr. E.Zürn heraus- gegeben worden ist, schildert etwa im Stile der Kerner’schen Darstellungen 250 die Pusstenflora in beredter und anziehender Weise, weniger für den Fachbota- niker, als für einen grösseren Leserkreis. Diesem werden auch die bildlichen Beigaben erwünscht sein, die dem Fachbotaniker nicht immer genügen werden. K. Goebel, Malinvaud, Classification des espeees et hybrides du genre Mentha. (Extrait de Comptes rendus du Congres de Societes savantes en 1598, Sciences.) I generalites, pag. 1—4. Während es leicht ist, die Gesammtheit der französischen Mentha-Arten fünf Typen unterzuordnen (M. silvestris, viridis, rotundifolia, aquatica, arvensis), macht die scharfe Begrenzung der einzelnen Species grosse Schwierigkeiten. Verf. sieht sich vor die Aufgabe gestellt, zu entscheiden, ob z. B. Mentha aquatica und M. arvensis als die Variationsextreme einer und derselben Art aufzufassen sind, oder ob die intermediären Formen, welche jene beiden Arten verknüpfen, Kreuzungs- produkte darstellen, oder endlich, ob diese intermediären Formen anzusehen sind als Bildungsphasen neuer Arten, welche erst im Begriff sind zu entstehen, und aus den beiden Urformen durch successive Differenzirung hervorgegangen sind. Verf. bekennt sich zu der zweiten Auffassung und macht einige allgemeine Angaben über Hybridenbildung bei den französischen Mentha-Arten. Die Hybriden rotundifolia-silvestris und aquatica-arvensis verhalten sich wie echte Arten. Die Kreuzung kommt leicht und regelmässig zu Stande. Selten sind Hybriden von arrensis und rotundifolia u. a. Keine Kreuzung findet statt zwischen arrensis und silnestris. Ein kräftiger vegetativer Vermehrungsmechanismus befördert die oft ausser- ordentliche Verbreitung der Hybriden, deren Geschlechtsorgane meistens (bes. die männlichen) verkümmert sind. Neger. Eingegangene Litteratur. Abel R. und Buttenberg P., Ueber die Einwirkung von Schimmelpilzen auf Arsen und seine Verbindungen. 8,-A. aus Zeitschr. f. Hygiene u. Infections- krankheiten 32. Bd. 1809. Anheisser R., Ueber die aruncoide Blattspreite, ein Beitrag zur Blattbiologie. 8.-A. aus Flora Bd 87 1900. Barnes Ch R., The progress and problems of plant physiology. American Association for the advancement of science. 1899. Bower, Studies in the morphology of spore producing members. IV. The lepto- sporangiate ferne. Philosoph. Transactions of the royal society of London. R Series B Vol. 192 pp. 29—138, Plates 2—7. " rand F. esogerron, eine neue Chl hye - igia AN yavıs KEN u orophyceengattung. 8.-A. aus Hedwig -- — DÜecber einen neuen Typus der Algenchlorophoren. 8.-A. aus Ber. d. Deut- schen bot. Ges 1899 Bd. XVII Heft 10 Buller A. HB. R., Die Wirkung der Bacterien auf tote Zellen. Inaug.-Dissert. Leipzig 1899. Bulletin de l’institut botanique de Buitenzorg Nr. IL Clark J. P, Bleetrolytie dissociatien and toxie effect. 8.-A. aus Journal of Physical Chemistry Vol. 3 Nr. 5, 1899. Dale E., On certain outgrowths (Intumescences) on the green parts of Hibiscus vitifolius L. Extr. from the Proceedi i ilosophical soeiety Vol. X pt IV. oceedings of the Cambridge philosophie 251 Dalla Torre K. W., Botanische Bestimmungstabellen für die Flora von Oester- reich ete. Zweite umg. u. verm. Aufl. Wien, Alfr.Hölder. 1899, Preis 1 Mk. 60 Pf. Mac DougalD. T., Symbiosis and Saprophytism. Contributions from the New York botanical garden Nr, 1. Darwin Francie, On Geotropism and the localisation of the sensitive Region. Annals of botany Vol. XIII Dec. 1899, Derick, Carrie M., Notes on the development of the holdfasts of certain Florideas. 8.-A. aus Botanical gazette 1899 Vol. XXVII Nr. 4. 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Dritte völlig neu bearbeitete Auflage des Lehrbuches der Baumkrankheiten, Berlin, Verlag von Julius Springer. Heering W., Ueber die Assimilationsorgane der Gattung Baccharis. $8.-A. aus Engler’s botan. Jahrb. 28 Bd. Heft 1. 1899. Holmboe, Strandplanter i det nidre af Norge. S8.-A. aus „Naturen“ 23. Bd. Bergen 1899. — — En fjeldform af Capsella Bursa pastoris. S.-A. aus Bot. Notiser. 1899. — — Undersögelser over norske Ferskranddiatomeer I. Abt. Cammermeyers Forlag. Kamerling, Adventiefoogen by Suikerriet; Kiemproeven met Bibits Overge- drukt uit het Archief voor de Java-Suikerindustrie. 1900. Knapp, The present status of rice culture in the United States, U.S. Depart- ment of Agriculture; Division of botany, bulletin Nr. 21. Kohl F. G., Die paratonischen Wachsthumskrümmungen der Gelenkpflanzen, 8.-A. aus Bot. Ztg. 1900 Heft I. Kraus G., Nord und Süd im Jahresring. $8.-A. aus d. Festschrift d. physik.-med. Gesellschaft, Würzburg 1899. 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Untersuchungen im Anschluss an ein Tropenreise, 1, Heft, — — Zur Entwickelung und Struktur einiger Pteridophyten aus Java, Ibid. 2. Heft. Wiesner, Ueber die Formen der Anpassung des Laubblattes an die Lichtstärke. 8.-A. aus Biol. Centralbl, Bd. XIX. 1899. Zacharias E, Ueber die Cyanophyceen. $.-A. aus Bd, XVI der „Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissenschaften“, herausgeg. vom naturwissensoh. Verein, Hamburg 1900. Taf.\Vl. Flora 87. Band, 1900. "27 dein. ha WArnolde i c 2 Flora 87. Band, 1900. Wir suchen zu kaufen gegen höchst mögliche Baarzahlung Flora, Jahrgang 1873—189. Williams & Norgate, 14, Henrietta Street, Covent Garden, London W.C. \ Mit etwa 165 Hlustrationstafeln und 100 Textbeilagen. | = Soeben erscheint in vollständiger Neubearbeitung: = MEYERS -Kıeınes KONVERSATIONS-LEXIKON Sechste, neubearbeitete und vermehrte Auflage. 80 Lieferungen zu je 80 Pfennig (18 Kreuzer, 40 Cts.), oder 8 Bände in Halbleder gebunden zu je 10 M. (6 Fl. ö. 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KARSTEN, Die Auxosporenbildung der Gattungen Cocconeis, Surirella und Cymatopleura en N. W. P. RAUWENHOFF, Zur Abwehr” F. H. BILLINGS, Ueber Stärke corrodirende Pilze und ihre Beziehung zu Amylotrogus Roze B K. GIESENHAGEN, Das neue botanische Institut im "Garten zu Peradeniya auf Ceylon UTTERATUR: H. Klebahn, Culturversuche mit Rostpilzen. _ " Meddelanden fran Stockholms Högskolas botaniska institut. — Prof. Dr. ©. Schroeter, Taschenflora des Alpenwanderers. — Hans Winkler, Ueber die Furchung. unbefruchteter Eier unter der Einwirkung von Extraktivstoffen aus dem Sperma . . EINGEGANGENE LITTERATUR MARBURG. N. 6. ELWERT'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG. 1900. . Seite 253—283 284287 2838— 298 299-306 307—309 310—312 Bemerkung. Das Honorar beträgt 20 Mk. pro Druckbogen, für die Litteraturbesprechungen 30 Mk. Die Mitarbeiter erhalten 30 Sonderabdrücke kostenfrei. Wird eine grössere Anzahl gewünscht, so werden für Druck und Papier berechnet: Für 10 Exemplare pro Druckbogen Mk. 1,20; pro einfarb. einfache Tafel Mk. —.30 „2% „ » Pr „250 „ „ „ nn 60 „ 8 n » » 3.80 „ „ 90 „40 P „ » Fa PR ’ „ “120 50 ". „ „ „650 „ . „ » nr. 150 „60 n . ir n s.— . \ _ n „70 . ” . 90 „ . . 20.250 - 8 r » „ „ 1050 „ ”. . in B- „9% . n » „ 12 „ „ “ Pe 100 R i .„ 13.— . en I E : “ " R Dissertationen, Abhandlungen systematischen Inhalts, sowie solche, von welchen über 100 'Sonderabdrücke hergestellt werden, werden nicht honoritt; für solche, die umfangreicher als 4 Bogen sind, werden nur 4 Bogen honorirt; die Kosten ‘für Abbildungen und Tafeln hat bei Dissertationen der Verfasser zu tragen. Da bei diesen von der Verlagshandlung nur die Herstellungskosten berechnet werden, so muss dieselbe Baarzahlung nach Empfang zur Voraussetzung machen. Bei fremdsprachlichen Manuskripten hat der Verfasser die Kosten der Uebersetzung zu tragen. Die Zahlung der Honorare erfolgt nach Abschluss eines Bandes. Der Bezugspreis eines Bandes beträgt 20 Mark, Jedes Jahr erscheint ein Band im Umfang von mindestens 30 Druckbogen; nach Bedürfniss schliessen sich an die Jahrgänge Ergänzungsbände an, welche besonders berechnet werden. Manuskripte und Litteratur für die „Flora“ sind an den Herausgeber Herrn Prof. Dr. Goebel in München, Nymphenburgerstr. 50/m zu senden, Korrekturen an die Druckerei von Valentin Höfling, München, Lämmerstrasse 1. Alle geschäftlichen Anfragen etc. sind zu richten an die unterzeichnete Verlags- handlung. N. G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung Marburg (Hessen-Nassau). Die Auxosporenbildung der Gattungen Cocconeis, Surirella und Cymatopleura. Von 6. Karsten. Hierzu Tafel VIIL, IX, X, Um die früher mitgetheilten Auxosporenbeobachtungen !) zu ver- vollständigen, suchte ich Süsswasserdiatomeen in Cultur zu halten, welche den noch nicht von mir beobachteten Typus III?) der Auxo- sporenbildung, d. h. die Vereinigung von zwei Mutterzellen zu einer Auxospore, aufzuweisen versprachen. Der einzige günstige Standort in der Nähe von Bonn ist, soweit ich bisher zu berichten vermag, die Siegmündung mit ihren verschiedenen todten Armen, welche von Fabrikabwässern und dergleichen ziemlich frei bleiben. Von hier mit- gebrachte Bodenproben enthielten von den gewünschten Formen: Cocconeis placentula Ehr., Cymatopleura solea W. Sm., Cymatopleura elliptica W. Sm. und Surirella saxonica Auersw. Von diesen Arten entsprach zunächst nur Cocconeis placentula meinen Erwartungen. I. Cocconeis placentula Ehr. Die ruhende Zelle besitzt eine elliptische flachgedrückte Form (Fig. 1 Taf. VII). Die dem Substrat aufliegende „untere“ Schale führt eine Raphe, mittelst der die Zelle sich fortzubewegen im Stande ist, die andere, „obere“ Schale zeigt lediglich eine Pseudoraphe; ein Zwischenband mit Randseptum ist eingeschoben. Die Zeichnung der Oberschale ist in Fig. 50 und 80 Taf. VIII wiedergegeben,. in allen übrigen Figuren sind nur die Unterschalen mit Raphe und Randsepten des Zwischenbandes ausgeführt, um die Uebersicht nicht zu erschweren. Der völlig durchsichtige Plasmaleib zeigt als am meisten ins Auge fallende Theile ein flächenförmig ausgebreitetes Chromatophor mit meist nur einem mehr oder weniger tief eindringenden Einschnitt und gewellten, ein wenig umgeschlagenen Rändern, und den annähernd die Zellmitte einnehmenden Zellkern mit deutlichem Nucleolus. 1) G. Karsten, Untersuchungen über Distomeen I—-III, Flora 1896—97, und G. Karsten, Diatomeen der Kieler Bucht. Wissensch. Meeresuntersuchungen IV, Heft 2. Kiel 1899. 2) cf, Diatomeen der Kieler Bucht |. e. 171. Flora 1900. 18 254 Die Auxosporenbildung in der im Juli angesetzten Cultur trat im November und December auf den dieht mit Coceoneis-Individuen besetzten Theilen der Objeetträger!) ein und griff wie durch An- steckung um sich, indem von der zunächst Auxosporen aufweisenden Stelle aus immer weitere Umkreise zu ihrer Entwickelung angeregt wurden. Diese Erscheinung war mir schon bei sonstigen Beobach- tungen aufgefallen, trat aber hier besonders deutlich hervor. Die Grösse der copulirenden Zellen war sehr gleichmässig 18—19 : 12—13 1. Wenn ich die Resultate der Lebendbeobachtung und der Unter- suchung gefärbten Materials (Fixirung mit verdünnter Pikrinosmium- essigsäureplatinchloridmischung, Färbung mit Eosin und Hämalaun) zusammenfassend wiedergebe, so würde der Vorgang folgendermaassen verlaufen: Zwei einander mit beliebigen Stellen ihrer Schalenränder fast oder völlig berührende Zellen zeigen eine bevorstehende Copu- lation durch eine geringe, aber deutlich bemerkbare Contraction des Plasmaleibes an (Fig.2 Taf. VIII). Es finden sich dann stets zwei Kerne ungleicher Grösse in diesen Zellen vor; nur der „Grosskern* führt einen Nucleolus. Die Kerntheilung muss bereits einige Zeit vorher vollendet sein, da es mir nicht gelang, Theilungsstadien noch anzutreffen, und auch die Grössendifferenz sonst nicht so bedeutend sein könnte. Während dieser Zusammenziebung umgibt sich jeder der beiden Plasmakörper mit einer sehr dünnen, zunächst nieht über die Schalen hinaustretenden Gallerthülle, die mit Hämalaun tief blau gefärbt wird. Darauf beginnt an der Berührungsstelle der beiden Zellen, resp. an den einander nächst gelegenen Orten, ein geringfügiges Auseinander- weichen der beiden Schalen, der Gallertmantel greift hier ein wenig über die Grenzlinie der Schalen hinaus. Von diesem Zeitpunkte ab hört die gleichartige Weiterentwicke- lung der beiden Zellen auf ; eine Zelle, wir können sie als männliche bezeichnen, gibt ihren gesammten Inhalt an die andere, die weibliche, ab. An der männlichen Zelle wird aus den von einander gehobenen Schalen eine Gallertpapille vorgestreckt, welche gerade auf die Oeff- nungsstelle der weiblichen Zelle hinwächst. Die Gallerthüllen treten in Verbindung. Dann gleitet, von der dünnen Gallertschicht allseitig umhüllt, in ununterbrochenem Strome das gesammte Plasma der männlichen Zelle langsam in die weibliche hinüber. Die Kerne wer- den dabei zu lang ausgezogenen, spindelförmigen Körpern von ge- 1) Ueber die Objectträgereulturen cf. Diatomeen der Kieler Bucht, 1. c. 20, und Flora 1896. 255 ringem Querdurchmesser, das Chromatophor legt sich in vielfache Falten, um durch die enge Verbindungspforte hindurch schlüpfen zu können (Fig. 3 Taf. VIII). Endlich ist der ganze Inhalt in die weib- liche Zelle übergetreten, nur die Gallerthülle bleibt in den leeren Schalen der männlichen Zelle zurück, so dass sie in gefärbten Prä- paraten tiefblau erscheinen. Die trotz ihres verdoppelten Inhaltes bisher im Umfange unver- änderte weibliche Zelle (Fig. 5 Taf. VIII) erfährt jetzt eine plötzliche, allseitige Dehnung, so dass sie auf ihrer unteren Schale liegend die obere auf dem Rücken weit emporträgt (Fig. 6 Taf. VIII). Dieses Wachsthum geht aufserordentlich schnell vorüber, sehr bald ist die definitive Grösse von 40—41 : 28— 33: erreicht und gleichzeitig ist die Aussenhaut bereits verkieselt und gibt den Einwirkungen plasmolytisch wirkender Agentien nicht mehr nach; nur der plasmatische Inhalt schrumpft unter ihrer Einwirkung zusammen. Die Auxosporenhaut (das Perizonium) zeigt keinerlei Zeichnung, sondern ist völlig glatt (Fig. 7 Taf. VIII); ihre Form ist bereits mehr oder weniger plattgedrückt, entsprechend derjenigen der Cocconeis- zellen. Soweit meine Beobachtungen reichen, wird stets die obere, nur mit Pseudoraphe versehene Schale zuerst in der Auxospore aus- geschieden, dann erst die Unterschale. Eine Zusammenziehung des Plasmaleibes konnte ich hier niemals finden, vielmehr schien ähnlich wie bei Synedra und Melosira nummuloides die Auxosporenhaut den Schalen direct anzuliegen, und sie bleibt vielleicht auf den Primär- schalen dauernd erhalten, wie es ja für Melosira nummuloides höchst wahrscheinlich auch der Fall ist.t) Mit beginnender Ausdehnung des Copulationsproduktes lässt sich der Plasmaleib in seinen Bestandtheilen wieder genau erkennen. Die zwei Chromatophoren bleiben einige Zeit deutlich: früher oder später aber ist nur ein einziges noch vorhanden. Von den vier Kernen sind meist schon zur Zeit der Copulation nur die Grosskerne nach- weisbar, die Kleinkerne gehen regelmässig zu Grunde. Die beiden Grosskerne, jeder mit deutlichem Nucleolus ausgerüstet, liegen nahe bei einander in der Mitte der jungen Zelle; sie beginnen langsam mit einander zu verschmelzen und zur Zeit der vollendeten Schalen- bildung und nach Reduction der zwei Chromatophoren auf die normale Einzahl ist die Vereinigung der Kerne vollendet (Fig. 8 Taf. VI. Die Auxosporenbildung von Cocconeisarten ist schon häufiger 1) ef. Unters. über Diatomeen, III, 215. 18* 266 beobachtet worden, zuerst von Carter‘), dann von W. Smith®), endlich von Lüders°) und von Pfitzer.‘) Smith nahm die Ent- stehung aus einer Mutterzelle an, er hat vermuthlich die eine stets unter der Auxospore liegende „Unterschale“ übersehen. Die drei übrigen Beobachter stimmen darin mit mir überein, dass z wei Mutter- zellen durch Vereinigung ihrer Plasmakörper eine Auxospore geben. Man findet die sehr guten und bezeichnenden Figuren von Lüders in Diatomeen der Kieler Bucht }, e. 93 Fig. 114 wiedergegeben. Die merkwürdige Angabe von Carter, dass die Auxospore in zwei Erstlingszellen zerfalle, welehe nebeneinander auf dem Sub- strat liegen sollen, erklärt sich aller Wahrscheinlichkeit nach dadurch, dass der Beobachter den ersten Theilungsschritt der neu- gebildeten Coeconeiszelle innerhalb der Auxospore und das Auseinanderweichen der beiden Tochterzellen gesehen hat. Auch scheinen mir seine Fig. 7—10 die Gürtelseiten wiederzu- geben, wie diese Erklärung es voraussetzen muss. Jedenfalls ist es mir nicht möglich, eine andere Deutung zu finden, da ich an den in ihrer Lage auf den Objectträgern haftenden Auxosporen die Anlage der Schalen innerhalb des Perizonium parallel der Glasfläche verfolgen konnte. 2. Surirella saxonica Auersw. Im November 1899 eingeholter Schlamm von den vorher genannten Orten der Siegmündung zeigte im geheizten Zimmer bald eine reiche Entwickelung von Surirella saxonica. Die Art steht der Surirella splendida Kütz. = nobilis W. Sm. nahe, unterscheidet sich gleich ihr von der elliptischen 9. biseriata De Breb. durch ovale Form der Schalenseite und ist durch einen beinahe rechteckigen Umriss der Gürtelseiten charakterisirt 5). 1) Ann. and Mag. of nat. History. XVII. Pl. I. fig. 1—12. 1856, 2) W. Smith, Synopsis of British Diatoms. II, pag. XII B. 32. 8) Joh. E. Lüders, Beobachtungen über die Organisation, Theilung und Copulation der Diatomeen. Bot. Ztg. 1862, 59, 4) E. Pfitzer, Bau und Entwickelung der Bacillariaceen, 1871, pag. 87. 5) Surirella saxonica Auersw. findet man erwähnt in F. Cohn, Kryptogamen- flora von Schlesien 1878, II, 201. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Art mit 8. splendida Ktzg., deren gerade durch Auxosporenbildung vergrösserte Individuen von W. Smith als 8. nobilis hervorgehoben wurden, zu vereinigen sein, da das mehr oder weniger weite Ausgreifen der Flägel an dem verschmälerten Sehalenende kaum zur Kennzeichnung genügt. A, Grunow (Oesterr. Diatomeen I, 1862, Verh, der k. k. zool. botan. Ges. XII, 448) nennt die Form nicht. Ich habe hier den Namen $. saxonica hauptsächlich aus dem Grunde gewählt, weil meine Individuen mit so bezeichneten Schalenpräparaten von Möller-Wedel vortrefflich übereinstimmten. 257 Die beiden Chromatophoren liegen den Schalenseiten an und sind durch einen sehr schmalen Streifen, welcher dicht unter dem genau den Mittelpunkt der Zelle einnehmenden Kern von Schale zu Schale hinüberreicht, der Regel nach verbunden. Ihre Form ist stets die eines schiefgestellten, vierarmigen Kreuzes (Fig. 27 Taf. X.) Die Arme sind von ungleicher Länge und am Rande sehr reich zertheilt. ‚Jeder Zipfel führt ein oder einige nur in gefärbtem Material gut kenntliche Pyrenoide. Im normalen Zustand der Zelle sind feinste Zipfelchen der Chromatophoren in jedes einzelne Kanälchen vor- gestreckt, welche die auf jedem der vier Flügel verlaufende Kanal- raphe mit dem Zellraum verbinden. Die Zellgrösse schwankte in den zahlreichen von mir gemessenen Fällen zwischen 136— 284: 42,5 —52. Die Verschiedenheiten des grösseren Durchmessers der Schale über- treffen demnach die des kleineren sehr erheblich; eine auch sonst schon beobachtete Thatsache !). Die erste Andeutung der Auxosporenbildung besteht darin, dass sich zwei Zellen in bestimmter Weise mit einander verbinden. Sie kehren sich die spitzen Schalenenden zu, scheiden an den Berührungs- flächen eine gallertige Masse aus und haften nun fest aneinander; sie bewegen sich gemeinsam und sind kaum ohne Verletzung der gebrechlichen Schalen zu trennen. Die Zellen können so neben- einander liegen, dass beide gleichnamige Seiten dem Beschauer zu- kehren (Fig. 9 Taf. VIII), oder es kann eine beliebige andere Lage statthaben; der Zusammenhang ist in allen Fällen gleich fest. Nicht ganz selten sah ich drei solcher Zellen zusammengelagert, statt der regelmässigen Zweizahl?). Für die Gallertabscheidung verantwortlich mache ich Gallert- poren, welche in Einzahl an jeder Schale dort auftreten, wo am schmäleren Schalenende die beiden Flügel aneinander stossen. Da die Schalenoberfläche an dieser Stelle gegen das Gürtelband hin 1) cf. P. Miquel, Recherches exp6rimentales sur la physiologie, la morpho- logie et la’pathologie des Diatom&es. Suite; eitirt nach Just’sBotan. Jahresber. 1893. 2) Als Material mag hier eine Anzahl von Messungen mitgetheilt sein, welche über die Grösse der zur Auxosporenbildung zusammentretenden Individuen Aus- kunft geben. Bei den in Gürtellage gemessenen Zellen ist nur die Schalenlänge angegeben: 170:45 und 2004; 136 und 160y.; 162:50, 151 und 1711; 158:42 und 1754; 172 und 182:46p, 146 und 162:48p; 174 und 1731; 170 und 164; 166 und 1741; 171 und 160p; 144 und 180%; 178 und 1504; 184 und 1781; ausserdem einige Messungen der leeren Schalen und der zugehörigen Auxospore: 180 und 172y, Auxospore 2784; 175 und 164y, Auxospore 274; 176 und 1481, Auxospore 270; 152 und 164g, Auxospore 230p. 258 ziemlich stark gekrümmt ist, lässt sich eine Oberflächenansicht nicht ohne weiteres erhalten; auch an leeren, gut präparirten Schalen '), ist ein klarer Einblick schwer zu gewinnen. Am besten gelingt es an ziemlich stark mit Hämalaun, eventuell auch mit Bismarckbraun, gefärbten Zellen die Poren zur Anschauung zu bringen, da sich die Zellwand dann scharf vom dunkel gefärbten Inhalte abhebt. In dieser Weise ist die Fig. 10 Taf. VIII, gewonnen, welche einen ganz kurzen Fortsatz p an der betreffenden Stelle zeigt, der durch einen sehr feinen Porus durchsetzt wird. Am breiteren Schalenende fehlt eine solche Durchbrechung. Dieser feste Zusammenhang der zur Auxosporenbildung vereinigten Zellen, der trotzdem dem Paare eine gewisse Beweglichkeit gestattet ’?), ist für solche auf veränderlichem Schlammboden lebende Formen von grosser Wichtigkeit. Es würde sich verlohnen, andere, den gleichen Lebensbedingungen unterworfene Arten daraufhin zu untersuchen. Ausser der verwandten und ähnlich gebauten Cymatopleura fand ich auch bei Nitzschia sigmoidea eine bei dem erheblich abweichenden Bau wesentlich verschiedene Einrichtung, die Verbindung der beiden zur Auxosporenbildung bestimmten Zellen aufrecht zu erhalten, ohne ihre Beweglichkeit zu mindern. Ist die äussere Verbindung so weit hergestellt, so beginnen die beiden Surirellazellen auf einander einzuwirken und Vorbereitungen zur Vereinigung ihrer Plasmakörper zu treffen. Dies findet in erster Linie in Veränderungen des Zellkernes Ausdruck und lässt sich bei seiner nicht ganz unbeträchtlichen Grösse (ca. 201. Durchmesser) hier besser verfolgen, als es mir bisher bei anderen Formen möglich ge- wesen war. In der ruhenden Zelle von Surirella saxonica liegt der Kern fast genau im Mittelpunkt in ein mehr oder weniger breites Plasmaband eingebettet, das den Zellraum in zwei grosse Vacuolen zertheilt. Dicht 1) Herrn Prof. Reinke bin ich für die gütige Erlaubniss, die dem Kieler botan. Institut gehörenden Schalenpräparate von Surirella und Cymatopleura zu untersuchen und für ihre freundliche Zusendung zu vielem Danke verpflichtet. 2) Die erhebliche Zeilgrösse und die lange erhalten bleibende Bewegung der Copulanten vereitelte die Versuche, die Auxosporenbildung nach der bisher an- gewandten Methode direct auf den Culturobjectträgern zu verfolgen. Es war hier nothwendig, mit einer Pipette Bodenproben aus den Culturen zu schöpfen und auf die verschiedenen Entwickelungszustände der Auxosporen zu durchsuchen. Fixirung und Färbung geschah dann wie vorher bei Cocconeis, doch machte die unumgängliche stete Controllirung der winzigen Objecte mittels Mikroskop oder Lupe die ganze Bearbeitung ausserordentlich mühsam und zeitraubend. 259 unterhalb !) dieses Plasmabandes, oder an seinem Rande selbst, be- findet sich der Verbindungsstreif der beiden Chromatophoren (Fig. 11chr). Meist füllt der Kern das mittlere Plasmaband voll- kommen aus und schmiegt ihm sogar oft seine Form so weit an, dass er, in der Mitte eingeschnürt, einen biscuitförmigen Umriss erhält. Zahlreiche Nucleolen von sehr verschiedener Grösse sind im durch- weg körnig erscheinenden Kernplasma unregelmässig vertheilt. Eine reihenweise Verbindung von Körnchen am oberen!) Rande des Kernes lenkt den Blick wohl hin und wieder auf ein winziges Pünktehen in der Mitte der Einbuchtung, gegen das die Linien sieh richten. Es war mir nicht möglich zu entscheiden, ob dieses Pünktchen ausser- halb oder innerhalb des Kernes liegt, so genau fällt seine Lage mit der Kernmembran zusammen. In anderen Fällen war von einer der- artigen Strahlung nichts zu sehen und in Folge dessen war auch ein vor allen anderen ausgezeichnetes Pünktchen nicht nachweisbar. Sobald nun die oben geschilderte Verbindung zweier Surirella- zellen eingetreten ist, findet eine Vermehrung der medianen Plasma- masse statt. In ihr zeigen sich die charakteristischen Doppelstäbchen?), deren Häufung gerade in den von den Seiten zuströmenden Theilen auf- fällt (Fig. 12 Taf. VIII). Der Kern hat in der vergrösserten Plasmaansamm- lung die nierenförmige Gestalt angenommen, welche Lauterborn‘’) als charakteristisch für ruhende Kerne von Surirella calearata und biseriata angibt. Die Kernstruktur ist noch wenig verändert; nur vereinzelt wird der Beginn einer fädigen Ordnung der Körnchen be- merkbar. Das vorher an der Kerngrenze liegende Pünktchen ist vielleicht wiederzuerkennen in dem Körperchen, welches in der tiefen Einbuch- tung von einer deutlichen Strahlung umgeben sichtbar ist; dieses entspricht vollkommen dem von Lauterbornt) beschriebenen Üen- trosom. 1) Die Bezeichnungen oben und unten sind im Folgenden stets so an- gewandt, dass das obere Zellende dem breiteren entspricht Die Orientierung aller Figuren von Surirella ist auf den Tafeln demgemäss getroffen und zwar auch dort, wo lediglich Kern und Plasma gezeichnet sind. Die Zeichnungen sind ausserdem sämmtlich von den Gürtelseiten aus gewonnen, wenn nicht aus- drücklich anderes bemerkt ist, da ja die Schalenseiten durch die Chromatophoren bedeckt werden und einen Einblick in die Zelle nicht so gut gestatten. 2) R. Lauterborn, Unters. über Bau, Kerntheilung und Bewegung der Diatomeen (Leipzig, W. Engelmann, 1896) pag. 22. 8) l. c. pag. 46 und 50, 4) 1. c. pag. 54 ff, 260 Indessen geht die Formänderung des Kernes weiter. Der nieren- förmige Umriss wird weniger ausgeprägt, die fädige Struktur im Innern nimmt zu, Zahl und Umfang der Nucleoien dagegen ab. Auch die Lage des Kernes beginnt sich zu ändern, er hat in Fig. 13 Taf. VIII eine Drehung um 45° ausgeführt, während die Plasma- ansammlung durch weiteren Zustrom mehr und mehr heranwächst, Das Centrosom liegt noch in der abgeflachten Kernbucht, seine Strahlen gehen einerseits überall bis an die Kernmembran, anderer- seits weit ins Plasma hinein, welches im Bereich der Strahlung erheb-' lich durchsichtiger, ärmer an Mikrosomen und Doppelstäbchen er- scheint, welch letztere sonst in grosser Zahl vorhanden sind. In beiden vereinigten Zellen geht diese Veränderung ziemlich gleich- mässig vorwärts, Früher oder später wird in der mehr und mehr anwachsenden centralen Plasmamasse eine völlige Abrundung des Kernes erreicht, seine Struktur ist gleichzeitig in eine sehr feinfadenförmige umge- wandelt worden unter völligem Verbrauch der Körnchen und der Mehrzahl der Nucleolen, von denen meist ein einziger von mittlerer Grösse erhalten geblieben ist (Fig. 14 Taf. VIII, dichtes Knäuelstadium). Ausserdem finde ich aber auch im Plasma verschiedene Aenderungen. Die Doppelstäbchen sind verschwunden, während sie nach den Zeich- nungen Lauterborn’s bis nach Vollendung der Kerntheilung an- wesend sein sollen. Statt ihrer ist eine mächtige Strahlung im ganzen Plasmabande vorhanden, welche von dem dem oberen Rande des Plasmabandes etwas mehr als dem oberen Kernrande genäherten Centrosom ausgeht, die gesammte zugewandte Kernoberfläche beherrscht und das Plasma an sich zieht, so dass die bisher stets von ihm be- deckte untere Kernoberfläche völlig entblösst wird (Fig. 14). Auch im äusseren Ansehen der Zellen treten jetzt Veränderungen hervor. Die Chromatophoren, welche so lange noch ihre Lage in allen Einzelheiten beibehalten hatten, beginnen die feinen, in die Flügel- kanäle ausgestreckten Zipfelchen einzuziehen und auch von den Gürtelseiten mehr und mehr zurückzuweichen; eine gelinde Contraction der ganzen Chromatophorenplatten scheint stattzufinden. Gleichzeitig damit wird die bisher nur vorbereitete Lagenver- änderung des Kernes weiter gefördert. Die dafür Zeugniss gebenden Präparate liessen erkennen, dass der Vorgang im Einzelnen sehr ver- schieden verlaufen kann. Bald drückt der Kern sich dicht an eine Schale und wandert an ihr entlang nach oben in die grösste Breite der Gürtelseite, bald bleibt er in der Mittellinie; immer aber ist eine 261 innige Verbindung mit dem Centrosom festzustellen, welches seine Strahlen der ganzen Kernoberfläche anheftet, soweit sie ihm zugekehrt ist, welches andererseits mit ihnen an weiter oben gelegenen Punkten ansetzt, als ob eine Zugwirkung auf den Kern ausgeübt werden sollte. Sehr deutlich kommt dieser Zustand in Fig. 15 und 16 Taf. IX zum Ausdruck. Man sieht, dass die Strahlung nur nach den Seiten kräftig entwickelt wird, wo entweder — um im Bilde zu bleiben — das Object, d. h. der Kern, oder aber die Stützpunkte zu finden sind, während sonst nur ganz kurze, im Zellraun verlaufende Strahllinien auftreten. Die Struktur des Kernes zeigt eine Auflockerung des in Fig. 14 Taf. VIII in unentwirrbarem Zuge gebildeten Kernfadens (lockeres Knäuelstadium), seine Verdiekung, die jedoch nicht überall gleich- mässig erfolgt, so dass knotenförmige Anschwellungen mit dünneren Stellen abwechseln, und endlich den Beginn des Zerfalls in kürzere Stücke. Dann muss die Bewegung des Kerns sehr rasch von statten gehen, denn alle Präparate zeigen ihn von nun an dicht an der oberen Zeillgrenze angelangt. Bisweilen glaubt man dabei den Anschein einer auf den Kern ausgeübten Zugwirkung auch an seiner eigenen Gestalt wahrzunehmen, da Bilder, wie die von Lauterborn ge- gebene Fig. 115 Taf. VII durchaus nicht selten sind (abgesehen von der l. c. vorhandenen Zentralspindelanlage). Andererseits kann jedoch auch nicht verkannt werden, dass die Nothwendigkeit, eine solche Zugwirkung anzunehmen, durch andere -- vielleicht weniger zahl- reiche — Präparate wieder beseitigt wird. Denn es finden sich darunter Zustände, welche den Kern weiter in der Zelle nach oben gewandert als das Centrosom zeigen. So ist z. B. in der später zu besprechenden Fig. 18 Taf. IX das Centrosom sicherlich dauernd unter dem dicht an der oberen Zellgrenze sichtbaren Kerne ge- blieben. Es scheinen mir auch so grob mechanische Vorstellungen über die Bewegungen der plasmatischen Gebilde innerhalb ihrer Zelle um so weniger angebracht, als die Bewegungsfähigkeit ja ganz all- gemein zu den Eigenschaften des gesammten Plasma gehört. Hat der Kern im oberen Zellende sein Ziel erreicht, so ist er nur noch von sehr geringer Plasmamenge umgeben, die nach allen Seiten hin feine Stränge durch den Zellraum aussendet (Fig. 17 u. 18 Taf. IX). Das Centrosom ist dem Kerne sehr genähert; es liegt in Fig. 17 dicht an der Kernmembran und führt nur schwache und geringe Strahlen; an seinem hinteren Ende aber ist ein länglicher Körper entwickelt, der sich bei genauerer Untersuchung und ver- 262 schiedener Einstellung als obere Fläche eines schmalen cylindrischen Reifens zu erkennen gibt. Von den Ringöffnungen geht beiderseits eine ziemlich kräftige Strahlung aus, und das ganze Gebilde bohrt sich langsam in den Kern ein. Die breiter ringförmige Entwickelung in Fig. 18 Taf. IX lässt einen Rest des Centrosoms nicht mehr erkennen, zeigt aber deutliche Längsstreifen auf der Cylinderoberfläche und eine Zunahme der Strahlung. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass dieses merkwürdige Gebilde mit dem Centrosom in genetischem Zu- sammenhange steht und der von Lauterborn!) beschriebenen Centralspindelanlage entspricht, welche allerdings bei den vegetativen Kerntheilungen von Surirella calcarata erheblich früher auftritt und auch bei den vegetativen Theilungen unserer vorliegenden Art kräf- tiger entwickelt zu sein pflegt, als bei den hier zu untersuchenden, der Auxosporenbildung vorangehenden Karyokinesen. Im übrigen Aussehen des Kernes sind gleichfalls sehr erhebliche Veränderungen zu verzeichnen. Die Chromosomen lassen sich (Fig. 17, 18) in dem völlig durchsichtigen kugelrunden Kern sehr deut- lich wahrnehmen. Sie sind ganz kurz, diek, stabförmig oder zeigen doch den bevorstehenden Zerfall in ähnliche kurze Stäbe bereits an. Unter einander sind sie durch sehr feine Plasmafädchen reichlich ver- knüpft. Von Nucleolen ist nur in einem Präparate noch ein kleiner Rest zu bemerken. Die kurz stabförmige Gestalt der Chromosomen ist auch den vegetativen Kernen unserer Art eigen und trat z.B. in einem Fall, der die mitten zwischen den von der Kernmembran be- freiten Chromosomen liegende, stark garbenförmige Centralspindel zeigte, auffällig hervor. Zu Chromosomenzählungen war die Form da- her leider durchaus ungeeignet, besonders auch noch aus dem Grunde, weil grosse Verschiedenheiten in der Längenabmessung der Chromo- somen dauernd vorhanden bleiben. Die im Alter folgenden Präparate zeigen nun in kugeligen Hohl- räumen rings von Plasma umgeben die fertig ausgebildete Central- spindel mit ihren ringförmig aufgereihten, zu einem unentwirrbaren und optisch undurchdringlichen Knäuel vereinigten Chromosomen im Stadium des Monaster. Die Polränder der Spindel sind stets sehr deutlich markirt; der Farbenspeicherung nach zu rechnen, bestehen sie aus einer dichteren Masse als die übrigen Theile der Spindel, sind auch ein wenig verdickt. Von der Bildung neuer Centrosomen ist aber nichts zu bemerken. Je nach der Orientirung der Spindel- 1) 1. c. pag. 61f. 268 axe gewähren die Polöffnungen einen mehr oder weniger tiefen Ein- blick in die centrale Höhlung. In der Regel bildet die Axe sowohl zur Oberfläche der Gürtel- wie der Schalenseite einen schiefen Winkel und ist daher schlecht zu beobachten, so lange die Zelle unversehrt bleibt. Die Tochterkerne weichen zunächst auf der Spindel entlang aus einander. Sie bleiben dann oft sehr nahe bei einander liegen, ebenso häufig aber trennen sie sich auf grössere Entfernung. Jedoch verharrt auch in diesem Falle stets ein Tochterkern etwa auf der Stelle der Theilung. Die Chro- mosomen verklumpen schnell und entziehen sich damit völlig der Beobachtung. Die Tochterkerne stellen dann formlose, oft etwas vacuolig aussehende Ringe dar, deren Hohlraum die Reste der Central- spindel birgt, welehe nur in dem verdiekten Rande der Pole be- stehen dürften. Sehr hübsch ist nun in Fig. 19 Taf, IX zu sehen, wie sich aus diesen Resten der alten Centralspindel in dem Hohlraume jedes der beiden hier ziemlich weit von einander entfernten Tochterringkerne eine neue Centralspindelanlage entwickelt hat, um welche die noch verklumpten Chromosomen sich alsbald zu der zweiten, unmittelbar auf die erste folgenden Theilung anordnen werden. In Fig. 20 Taf. IX ist der andere Fall in etwas weiter vorgeschrittenem Stadium darge- stellt, dass nämlich die primären Tochterkerne nahe zusammen ge- blieben sind. Die beiden schon von den secundären Tochterringkernen umgebenen Centralspindeln stossen an einem Punkte im rechten Winkel an einander. Auch hier ist von der Formirung neuer Gentrosomen an den Polen nichts zu sehen. Das Plasma bildet geschlossene Hohlkugeln um jede Theilungsfigur und lässt besonders an den Spindelpolen fädige Struktur in diesen Plasmawölbungen erkennen. Das Auseinanderweichen von derartigen vier Tochterkernen zeigt Fig. 21. Die continuirliche, von einem zum anderen Tochter- kern reichende Strahlung wird in der Mitte unterbrochen, und der Spindelrest wird, wie nach dem ersten Theilungsschritte, in die Kerne eingezogen. Wir finden also jetzt vier gleiche Kerne in jeder der beiden Surirellazellen vor. Dieser Zustand bleibt jedoch nur eine äusserst kuze Spanne Zeit erhalten. Ein Kern nach dem anderen schrumpft zusammen, meist direct nach dem Auseinandertreten der secundären Spindeln. An den Kleinkernen bleibt noch die centrale Oeffnung deutlich und be- weist damit, dass es überhaupt nicht wieder zur Bildung eines normalen Kernes gekommen ist. Bisweilen zeigt sich ein Kern jeder Tochter- 264 spindel resistenter als der andere, so dass längere Zeit hindurch zwei Kerne mit einander rivalisiren. Schliesslich pflegt aber auch hier der eine zu unterliegen, und in der Regel sind drei Kleinkerne neben einem Grosskern vorhanden. Diese vier Kerne liegen meist nahe bei einander; es würde sich das ja aus der Lage der beiden Tochter- spindeln leicht erklären lassen. Doch ist es nicht ganz unwichtig, darauf hinzuweisen, dass das überaus rasche Wachsthum des Gross- kernes durch die in seiner nächsten Umgebung sich auflösenden Kleinkerne wesentlich unterstützt wird: Fig. 22 Taf. IX stellt eine solche zusammenliegende Gruppe der vier Kerne in diesem Entwicke- lungsstadium dar. Von den drei Kleinkernen k.k. zeigt der mittlere die centrale Oeffnung sehr deutlich, der untere beginnt zu vacuoli- siren. Der Grosskern g.%. ist mit fester Membran umhüllt; er er- scheint arm an färbbarem Inhalt, doch sind bereits drei bis vier Nu- cleolen neu gebildet worden. Die grösste Plasmaansammlung liegt zwischen dem oberen und mittleren Kleinkern, von hier gehen auch die Verbindungsstränge zu dem Wandbelag, Chromatophoren ete. In der Mitte des Plasmaklumpens sind drei schärfer tingirte Ringe wahrzunehmen, welche vielleicht den Centralspindelresten der. des- organisirten drei Kerne entsprechen dürften. Doch ist Sicherheit für diese Vermuthung nicht zu erlangen. Am Grosskern ist von Centro- som oder dergleichen nichts zu bemerken. Kehren wir jetzt zur Betrachtung der verbundenen Zellpaare zurück, so würde Fig. 23 Taf. IX den erreichten Stand der Entwicke- lung an einer Zelle wiedergeben. Der ganze Zellinhalt, in dessen oberem Theile Grosskern und Kleinkerne liegen, steht im Anfange einer Contraction, welche nur erst die Abrundung an den beiden Zellpolen gerade erkennen lässt. Die Verbindungsbrücke zwischen den stark kontrahirten Chromatophoren ist noch erhalten (ef. Fig. 23) und wird auch wohl dauernd erhalten bleiben. In Fig. 24 Taf. IX ist die Contraction des Zellinhaltes erheblich vorgerückt; auch hier sind die vier verschiedenen Kerne noch deutlich. Die Schalen heben sich jedoch bereits von einander und die Plasmamasse ist in Be- wegung nach dem unteren Zellende begriffen, d. h. gegen die andere daranstossende Surirellazelle hin, welche in etwa gleichem Entwicke- lungsstadium sich befindet. Eine erhebliche Vermehrung der Gallertmasse ist von dem Augen- blicke der Schalenöffnung an wahrzunehmen. In dieser schützenden Hülle drängen die Plasmakörper der beiden Zellen gegen einander hin, so dass die Schalen am unteren Ende weit aus einander klaffen, 265 am oberen sich übereinander schieben, wie die Skizze Fig. 25 Taf. IX es veranschaulichen soll. Den Augenblick der Vereinigung habe ich nicht gesehen, doch kann ich aus den zahlreichen Zuständen kurz vorher und nachher schliessen, dass der ganze Akt hier erheblich langsamer vor sich geht als bei irgend einer sonst in Auxosporenbildung beobachteten Form.!) In der ersten Zeit nach der Vereinigung erkennt man noch die Verbindungs- stelle der beiden Plasınakörper, dann tritt völlige Vermischung und lebhaftes Wachsthum 2) an beiden Enden ein. Es entsteht ein spindel- förmiger Körper, der mit beiden Polen in den oberen Winkel der abgeworfenen Schalenpaare eindringt und sie durch sein Wachsthum weiter aus einander drängt. Chromatophoren und Kerne bilden in der Mitte der Auxospore lange Zeit einen dichten, unentwirrbaren Knäuel, während die nach den Polen zu liegenden Theile fast frei von geformten Plasmaorganen bleiben. Nach Erreichung der definitiven Länge wird erst auf einer Seite, von der das Plasma zurückgetreten ist, die erste Schale aus- geschieden, darnach ebenso die zweite Schale gebildet. Fig. 26 Taf. IX stellt einen Zustand dar, in welchem das Plasma sich vor Anlage der zweiten Schale von dem Perizonium zurückgezogen hat. Die Chro- matophoren, die ja nach dem Vorhergesagten wahrscheinlich zellen- weise in Zusammenhang geblieben sind, dürften vollständig zur Aus- kleidung der neuen grösseren Wandoberflächen Verwendung finden. Es ist jetzt immer nur ein Kern wahrzunehmen, dessen Entstehung aus der Vereinigung der beiden Grosskerne kaum einem Zweifel be- gegnen dürfte. Dass die Ueberreste der sechs Kleinkerne im Plasma der Auxospore aufgelöst sind, kann nach früheren Erfahrungen über diese Gebilde mit Sicherheit angenommen werden. Einer besonderen Erwähnung bedarf schliesslich noch der, wie schon hervorgehoben ist, nicht ganz seltene Fall eines Zusammen- tretens von drei Surirellazellen. In allen drei Zellen geht die vorher verfolgte Veränderung von Struktur und Lage der Kerne vor sich. Schliesslich kommt es wohl in der Regel auf eine geringe Differenz 1 Aus diesem Grunde ist hier die Vereinigung der beiden Plasmakörper so viel früher richtig erkannt worden als bei den Typus II folgenden Formen, welche nur weniger Minuten zur wechselseitigen Vereinigung bedürfen. 2) Am Scheitel selbst kann die Anlagerung neuer Perizoniumtheilchen nicht stattfinden, da die Membran zunächst weich zu sein pflegt, die Spitzen aber in der Regel den Druck der durch die Gallerte noch zusammenhaltenden Mutter- schalen aushalten müssen. So ist nur an ein nach beiden Enden hin gleichmässig wirkendes interealares Wachsthum zu denken. 266 des Entwiekelungsstadiums an, welche der drei Zellen zur Auxo- sporenbildung verschmelzen. Die dritte Zelle sieht man dann noch lange Zeit mit mehr oder weniger weit aus einander gedrängten Schalen der Auxospore anhaften, ohne dass ihr contrahirter Plasmakörper zu- nächst eine Veränderung zeigt. Schliesslich geht er aber zu Grunde. Nur in einem Falle fand ich aus solcher Gruppe von drei Zellen, deren Schalen noch deutlich erkennbar waren, zwei Auxosporen von gleicher Grösse gebildet. Den Vorgang kann ich nur so erklären, dass die Entwiekelung aller drei Zellen genau gleichzeitig zu der Vereinigung innerhalb der Gallertmasse führte, und dass zugleich in einer der drei Zellen der vorher angeführte Fall eingetroffen war, der zwei längere Zeit rivalisirende Grosskerne aus den secundären Spindeln hervorgehen liess. Diese beiden Kerne hätten dann hier unter Theilung des Zellplasmas ihre Rolle bis zu Ende gespielt, so dass jede Auxospore aus 1!» Surirellazellen entstanden wäre. Die Seltenheit des Vorkonımens weist schon darauf hin, dass ganz be- sondere Umstände dafür zusammenwirken müssen. Anhang: Die Chromatophorenentwickelung bei $Surirella saxonica. Bei der fortgesetzten genauen Durchsuchung der Culturen nach den verschiedenen Auxosporenzuständen konnte es mir nicht entgehen, dass die zu völliger Entwickelung gelangten vergrösserten Surirella- zellen eine sehr bedeutende Theilungsgeschwindigkeit besassen, wäh- rend an den älteren Exemplaren der geringeren Grösse relativ weniger Theilungen bemerkbar waren. Diese Thatsache schien mir in doppelter Hinsicht von Interesse. Einmal nämlich wurde dadurch für Surirella eine von Miquel!) schon früher für Melosira nummuloides gemachte Beobachtung bestätigt, dass nach der Auxosporenbildung eine grosse Beschleunigung der Zellvermehrung stattfindet. Es ist das in biologi- scher Hinsicht von Wichtigkeit, da auf diese Weise alle einer Auxo- sporenbildung nicht unterworfenen Individuen des betr. Standortes schnell zu einer quantit& negligeable für die Erhaltung und Grössen- maasse der Species herabgewürdigt werden. Andererseits bot sich damit die erwünschte Gelegenheit, die niemals bestätigte Behauptung Pfitzer’s®) nachzuprüfen, ob die Surirellachromatophoren wirklich durch Spaltung parallel der Fläche in den Tochterindividuen verdop- 1) P. Miquel, Recherches experimentales sur la physiologie, la morpho- logie et la pathologie des Diatom&es, Ann. de micrographie, 1892, 542. 2) E. Pfitzer, Bau und Entwiekelung 1. e. pag. 116, (Lauterborn be- schränkt sich auf eine Wiederholung der Angaben Pfitzer’s.) 267 pelt werden. Es wäre das ja ein einzig dastehender Fall, der ein grosses Interesse beanspruchen könnte, Pfitzer stellt die Thatsache nicht als sicher beobachtet hin, sondern schliesst nur aus dem Auftreten eines zweiten im durchfal- lenden Licht dunkleren Chromatophorenstreifens in der von der Gürtel- seite betrachteten Tochterzelle auf eine solehe Spaltung. Nun ist ja aber klar, dass, wenn auch nur irgendwo in der Zelle zwei der zahl- reichen Zipfel mit ihren hohen Kanten über einander stehen, leicht dasselbe Aussehen erreicht werden kann. Für Surirella saxonica verläuft der Vorgang in folgender Weise: In der ersten Zeit nach erfolgter Durehschnürung der Mutterzelle breiten die Chromatophoren, deren jede Tochterzelle eines erhielt, ihre Zipfel weit aus, ohne jedoch in die zur Kanalraphe führenden Kanälchen einzudringen, so dass sie vielfach auf die Innenseite hin- überreichen und thatsächlich den Eindruck einer solchen Spaltung hervorrufen können, wie Pfitzer sie voraussetzt. Kurze Zeit vor der Trennung der Tochterindividuen von einander bemerkt man jedoch häufig Zellpaare, welche eine wesentlich andere Gestaltung und An- ordnung ihrer Chromatophoren erkennen lassen. In der Schalenansicht fällt auf, dass die untere Zellhälfte ohne Chromatophor ist, und alle Stadien lassen sich nach und nach zusammenfinden, welche eine lang- same Wiederausbreitung der Chromatophoren vom Kern ab nach unten zeigen. Gleichzeitig damit sind alle oder fast alle Zipfel und Vor- sprünge des Randes eingezogen. Diese Thatsache wird auch von Pfitzer erwähnt, aber nicht weiter beachtet. Ein Verständniss der zunächst von mir als krankhaft angesehenen Erscheinung gewährt erst das Studium der Gürtelseite in den ver- schiedenen Zuständen. Fig. 28 Taf. X lässt an einem noch von den übergreifenden Gürtelbändern zusammengehaltenen Zellenpaar— welches erst durch den Druck des Deckgläschens in seine Bestandtheile zerfiel — deutlich beobachten, dass die untere Hälfte des von der Mutterzelle ‚überkommenen Chromatophores in jeder Tochterzelle sich von der älteren (äusseren) Schale abgewandt hat, sich unter dem bereits die Zellmitte einnehmenden Kerne hindurch an der mit u bezeichneten Stelle umgebogen und sich der inneren (jüngeren) Schale angeschmiegt hat. Es wächst hier dem oberen Zellende entgegen, und aus dem Grunde ist in der unteren Hälfte zur Zeit kein Chromatophor zu finden, Die End- und Seitenlappen sind eingezogen, um mit der vorhandenen Chromatophorenmasse möglichst ökonomisch zu verfahren. Es handelt sich ja gleichzeitig auch darum, die unteren, jetzt entblössten Schulen- 268 hälften mit neuen Chromatophorentheilen zu versehen. Anfänge dazu sind in der linken, ein wenig weiter vorgeschrittenen Tochterzelle der Fig. 28 Taf. X auch bereits gemacht. Man sieht von der Umbiegungs- stelle # des Chromatophores aus nach unten zwei Lappen hervor- sprossen, die durch körnige Plasmastränge nach dem Zellende zu fortgesetzt werden. Diese beiden Lappen verlängern sich schnell und bilden die untere Hälfte der Chromatophoren. Die Umbiegungsstelle wird während dieser Wachsthumsvorgänge oft auf kurze Zeit stark verbreitert und bleibt auch nach der Vervollständigung der Chroma- tophoren, wie wir sahen, stets als eine dann meist nur schmale, or- ganische Verbindungsbrücke zwischen den ursprünglich einem Chro- matophoren angehörenden Theilen erhalten, Darnach besteht jedes Chromatophor aus zwei Stücken verschie- denen Alters. Die beiden Untertheile sind jüngerer Nach- wuchs zu den beiden durch Umlagerung aus dem ur- sprünglich einzigen, überkommenen Chromatophor gebildeten Obertheilen. Die weitere Verzweigung der Chro- matophoren passt sich den Raumverhältnissen der Schalenoberfläche vollkommen an, und darnach erst werden die feinsten Endchen in die Kanäle vorgeschoben. Die ursprüngliche Umbiegungsstelle und zugleich bleibende Verbindungsstelle findet sich dicht unterhalb der Zellmitte und des Kernes; sie ist in der Flächenansicht eines Chro- matophores Fig. 27 Taf. X durch etwas stärkere Contur und ein u be- zeichnet. Diese bei genügendem Material leicht zu verfolgende hübsche Erneuerungsweise der Chromatophoren dürfte vermuthlich allgemein für die Gattung Surirella zutreffend sein. 3. Cymatopleura solea W. Sm. und elliptica W. Sm. Die Gattung Cymatopleura hat die Form der Kanalraphe mit Surirella gemeinsam, doch fehlen ihr die Flügel, auf welchen die Raphe bei Surirella verläuft. Eigenthümlich ist der Gattung die mehrfache Wellung der Schalenfläche, welche sich nach dem Rande zu abflacht, so dass die Raphe nicht mit betroffen wird. Die beiden Zellenden sind gleich gestaltet. Cymatopleura solea, eine langgedehnte, schmale Form mit zuge- spitzten Enden und ausgeschweifter Mitte (cf. die Schalen Fig. 34 Taf. X) war von Pfitzer') in Auxosporenbildung beobachtet worden. Der Vorgang soll nach seiner Mittheilung genau wie bei Surirella verlaufen. 1) l. ec. pag. 119, 269 Mir standen Cymatopleura elliptica und solea zur Verfügung, und wenn auch meine Beobachtungen hier nicht so vollständig sind wie für Surirella, so haben sie mir doch ein klares Bild des Vorganges gegeben. Der Beginn der Auxosporenbildung gleicht ganz den Anfangs- stadien bei Surirella. Auch hier lagern sich je zwei — seltener drei — Zellen mit ihren Schalenenden aneinander und bilden durch Gallert- abscheidung eine festverbundene, zu weiterer Ortsbewegung befähigt bleibende Gruppe. Ein Unterschied Surirella saxoniea gegenüber be- steht aber darin, dass jedes der beiden unter sich gleichen Schalen- enden gleichmässig zur Herstellung der Verbindung geeignet erscheint. In der That ist an guten Schalenpräparaten in der Schalenansicht an beiden Zellenden bei tieferer Einstellung ein Porus deutlich, der ge- rade am Scheitel unter der ein wenig vorgezogenen Schalendecke in eine Art breiteren Vorhof mündet. An den vorher erwähnten Schalen- präparaten des Kieler botanischen Institutes zeigten besonders die als Cymatopleura solea var. apiculata und Cymatopleura nobilis Hantzsch bezeichneten Formen diesen Porus mit grosser Deutlichkeit. (Fig. 29 und 30 Taf. X.) . Die einzelnen Veränderungen der Kerne zu verfolgen, ist mir bei Cymatopleura nicht gelungen, da die Gürtelseiten sehr schmal sind, die Chromatophoren aber die Schalenseiten völlig verkleiden. Immer-. hin kaun ich mit Sicherheit aussagen, dass eine geschlechtliche Ver- einigung der beiden Zellen in den von mir beobachteten Fällen nicht stattfand, und dass ausnahmslos zwei Auxosporen, so weit meine Beobachtungen reichen, gebildet wurden. Hier befinde ich mich also in vollkommenem Widerspruch mit Pfitzer. Fig. 31 Taf. X stellt einen kurz nach der Oeffnung der Schalen fixirten Fall dar. An den einander zugekehrten Zellenden klaffen die Schalen weit auseinander, während sie am anderen Ende der Zellen übereinander geschoben bleiben. Im Winkel der beiden Schalen haftet die Auxospore, welche hier bereits ein festes Perizonium besitzt. Die beiden austretenden Plasmamassen treffen in der Mitte aufeinander — sie sind bei der Fixirung ein wenig contrahirt und dadurch von einander getrennt — ohne zu verschmelzen, und schieben die Schalen immer weiter aus einander. In dem bei der Bewegung des austretenden Plasma vorausgehenden dichten Knäuel werden die eng verschlunge- nen Chromatophoren mitgeführt; sie bedingen dunkle Färbung der aufeinander treffenden Plasmakappen. Im hinteren Ende findet sich in der einen Auxospore ein Kern vor. Eine genauere Analyse des Inhaltes war der Chromatophoren wegen unmöglich. Flora 1900. 19 270 Eine ungefähr ausgewachsene Auxospore von Cymatopleura ellip- tica ist mit ihren äusserst zahlreichen Chromatophorenlappen und -Ver- ästelungen, aus denen die Abgrenzung der zwei betheiligten Chroma- tophoren nicht erkennbar wird, in Fig. 32 Taf. X wiedergegeben; ich füge hinzu, dass auch hier beide Auxosporen mit den die Enden krönenden Mutterzellschalen vorhanden waren. Ebenso verhält sich Cymatopleura solea. Die Fig. 33 u. 34 Taf. X stellen Theile von Auxosporenpräparaten dar. Zunächst lässt Fig. 34 die Zweizahl der Auxosporen erkennen. Auf die auffallende Eind- kappe, welche mit scharfer Linie am einen Ende einer Auxospore sich abhebt, möchte ich dabei aufmerksam machen; es dürfte, darnach zu urtheilen, ein bei der Oeffnung abfallender Deckel gebildet werden. Fig. 33 zeigt die gewellte Umrissform eines der beiden Chromatophoren, welche hier, abweichend von allen früheren Befunden, gleichzeitig mit dem Perizonium ihr Längenwachsthum beginnen und abschliessen. Beide Zeichnungen geben die Zahl der Kerne auf zwei für jede Auxo- spore an. Die Kerne liegen übereinstimmend im älteren, innerhalb der Mutterschale steckenden Ende der Auxosporen. Ein etwas abweichendes Verhalten zeigte ein anderes Präparat. In der einen Auxospore lagen in der Zellmitte ein Grosskern und eın Kleinkern; die Chromatophoren hatten die nöthige Länge bereits er- reicht. In der zugehörigen Auxospore vermochte ich zunächst keinen Kern zu entdecken. Bei Anwendung stärkerer Vergrösserung fand sich im jüngeren Zellende, also der anderen Auxospore zugekehrt, ein Dyasterstadium in schönster Ausbildung. Es war deninach die Kerntheilung erst nachträglich erfolgt.!) Suchen wir uns nach diesen Angaben den Entwickelungsgang bei Cymatopleura klar zu machen, so ergibt sich folgendes Bild. Zwei mit beliebigen Enden aneinander haftende Individuen theilen ihren Kern karyokinetisch; einer der Kerne wird Kleinkern und löst sich im Plasma auf, der andere, der Grosskern, bleibt erhalten. Gleich- zeitig mit der Kerntheilung, ja bisweilen schon vorher, öffnen sich an den einander zugekehrten Enden die Schalen uud unter Ausschei- dung von Gallerte geht aus jedem Zellinhalte eine Auxo- spore hervor. Das Perizonium bildet sich an den in den Schalen stecken bleibenden äusseren, abgekehrten Enden gleich fertig aus, hier findet man meist einen oder beide Kerne gelagert. An den 1) Gemessen wurden folgende Längen der Mutter- und Tochterzellen: Cymatopleurs solea 108 und 110», Auxosporen 206 und 234, 105 und 1121, Auxosporen 220 und 260n. 271 einander zugekehrten Enden erfolgt das weitere Wachsthum der Auxosporen, indem die beiden aufeinander stossenden Plasmaballen die Schalen etc. immer weiter aus einander drängen, ohne irgendwie eine Vereinigung ihrer Plasmakörper eintreten zu lassen. Auch das einseitige Wachsthum der Auxosporen ist ein Ausnahmefall, der frei- lich bei Bacillaria paradoxa') in ähnlicher Weise vorliegen wird. Wie verhält sich Cymatopleura zu Surirella? Das ist jetzt die nächste Frage. Legt man meine eben wieder- gegebenen Beobachtungen zu Grunde und vergegeuwärtigt sich dabei, dass Pfitzer zu abweichenden Resultaten gelangt war, so ist eine Möglichkeit für die Erklärung der Differenz darin zu finden, dass etwa ähnliche, aber gerade im Punkte der Auxosporenbildung ab- weichende Formen uns vorgelegen hätten. In diesem Falle wäre jede weitere Diskussion überflüssig. Sieht man von dieser nicht sehr wahrscheinlichen Möglichkeit ab, so ergibt sich, dass wirkliche geschlechtliche Vereinigung und eine apogame Form der Auxosporenbildung an einer Gattung und Species zur Beobachtung gelangt sind. Da die beschriebene typische Zu- sammenlagerung zweier Individuen hier auch für die ungeschlechtlich gebildeten Auxosporen ausnahmslos zutrifft, so ist der Rückschluss auf einen früheren geschlechtlichen Verlauf dieser Auxosporenbildung zwingend. Weitere Untersuchungen an Cymatopleura würden die Frage entscheiden können, ob thatsächlich in den seit Pfitzer’s Beobachtungen verstrichenen 30 Jahren ein völliger Verlust der Sexualität in einer Diatomeengattung ein- getreten ist, oder aber ob eine in Rückbildung begrif- fene Sexualität vorliegt, die je nach den äusseren Lebensbedingungen aus zwei Mutterzellen eine ge- schlechtlich gebildete oder zwei Auxosporen aufunge- schlechtlichem Wege hervorgehen lässt. Voraussichtlich wird man eher geneigt sein, die letztere Möglich- keit als wahrscheinlich zu betrachten, als die erstere zugeben wollen. So mag als eine nicht ganz zu vernachlässigende Thatsache hinzuge- fügt sein, dass die ungeschlechtliche Cymatopleuraentwickelung in demselben Culturbehälter von statten ging, der die Hauptmasse der geschlechtlich gebildeten Surirellaauxosporen ergeben hatte, und dass die Entwickelung beider Formen gleichzeitig, also unter gleichen Be- dingungen erfolgte. 1) cf. Diatomeen d. Kieler Bucht, 1899, pag. 125. 19* 272 Die Theilung der Diatomeenkerne. Bei Surirella saxonica gelang es zuerst vermöge der relativ grossen Kerne etwas genaueren Einblick in die Kerntheilungen zu gewinnen, welche der Auxosporenbildung voraufgehen, so dass jetzt ein Ver- gleich dieser Vorgänge mit den von Lauterborn!) dargestellten vegetativen Kerntheilungen von Surirella ealcarata ermöglicht ist. Da mag denn vorausgeschickt sein, dass im grossen und ganzen uusere Resultate gut zu einander stimmen, obwohl in zahlreichen Einzelheiten mehr oder minder grosse Differenzen vorliegen, die meist in der Ver- schiedenheit des Materials und der untersuchten Vorgänge begründet sein werden. j Die Centrosomen?) der beiden untersuchten Surirellaarten verhalten sich etwas verschieden. Während Lauterborn) auch während völliger „Kern- und Zellrube“ das Centrosom in der Kern- bucht wahrnahm, konnte ich einen so sehr vor den kleinen Mikro- somen des Plasma durch Grösse und Consistenz ausgezeichneten Körper, wie z.B. Lauterborn’s Fig. 20, 64, I11 aufweisen, nicht unterscheiden. Erst der Beginn der Strahlung lässt meiner Auffassung nach das Centrosom zweifellos erkennen. Ob der Ort seines Vor- kommens stets das Zellplasma ist, möchte ich daher für Surirella saxonica nicht so bestimmt behaupten, doch kann dieser Frage kaum grosse Wichtigkeit beigemessen werden. Grössere Differenzen bestehen zwischen uns in den Angaben über das Auftretender Centralspindelanlage. Nach Lauter- born‘) ist die erste Anlage der Spindel bereits vorhanden, bevor in der Struktur des Kernes oder in seiner Lage inmitten der Zelle die geringste Aenderung erkannt werden kann. Sie sondert sich als blasses Kügelchen von dem aus der Mitte der Kernbucht ein wenig 1) R. Lauterborn, Unters. über Bau, Kerntheilung und Bewegung der Distomeen. Leipzig, W. Engelmann. 1896. 2) Der in der Botanik herrschenden Terminologie folge ich, indem ich den von Strahlung umgebenen Centralkörper als „Centrosom“ bezeichne (ef. dazu Fr. Meves, Zelltheilung, 496, aus Merkel u. Bonnet, Ergebnisse d. Anatomie u. Entw.-Gesch. 1898). Eine Sphäre oder eine hellere Zone um diesen Körper habe ich ebenso wenig wie Lauterborn bei Surirella jemals auffinden können. Ueberhaupt dürfen, für pflanzliche Objeete wenigstens, die Ausführungen von A. Fischer über das Zustandekommen der Sphären mit Centralkörpern durch Spiegelfärbung als völlig zutreffend und sehr glücklich bezeichnet werden (ef. A- Fischer, Fixirung, Färbung und Bau des Protoplasma, Jena 1899, 228 u. ff.). 3) Lauterborn, l. c. 85—88, 4) 1. c. 88-93. cf. auch die Figurenerklärungen. 273 verschobenen Oentrosom ab und verändert unter fortwährendem Wachs- thum ihre Form parallel mit den im Kern vorgehenden Struktur- und Lageänderungen, bis sie als mehr oder weniger garbenförmiges Ge- bilde in den Kern selbst eindringt. Dagegen ist nach meinen Beobachtungen die Struktur- und Lagen- änderung des Kernes von statten gegangen, ohne dass die „Anlage der Centralspindel“ in Erscheinung getreten wäre. Erst dann, wenn der Kern im oberen Zellende angekommen ist und die kurz stabför- migen Chromosomen in ihm deutlich zu erkennen sind, tritt als ein unmittelbar ans Centrosom anschliessendes Gebilde die Centralspindel- anlage auf (Fig. 17, 18 Taf. IX). Nicht ganz unbegründet könnte mir hier eingewendet werden, dass die ersten Zustände mir eben ent- gangen seien. Trotzdem bleibt eine grosse Differenz für den Zeit- punkt ihrer Trennung vom Centrosom übrig, da in meinen Fig. 14 und 15 Taf. IX, die etwa dem dichten und lockeren Knäuelstadium entsprechen, eine vom Centrosom bereits abgeschiedene Centralspindel- anlage nicht hätte unbemerkt bleiben können. Hervorzuheben ist dagegen unsere Uebereinstimmung über die Abstammung vom Centrosom und über die das Dyasterstadium freilich nicht ganz erreichende Garbenform, welche an vegetativen Kernen allerdings mehr ins Auge fällt. i Die verschiedenen Befunde über das Auftreten der Doppel- stäbehen im mittleren Plasmabande wurden bereits bei der Darstellung der Entwickelung berührt. Ich hatte die Ansicht ge- wonnen, dass diese Doppelstäbchen eine besondere Form des „Kino- plasma“ Strasburger’s!) sein möchten und zur Entwickelung der Strahlung verbraucht würden. Dem widersprechen jedoch die Zeich- nungen Lauterborn’s, welche die Doppelstäbchen bis zur völligen Beendigung der Theilung aufweisen. Eine nähere Aufklärung über die Bedeutung bleibt also abzuwarten. In Uebereinstimmung mit Lauterborn?) befinde ich mich wieder hinsichtlich der Anschauung der membranartig festen Um- grenzung der Centralspindelanlage, der Längsstreifung ihrer Oberfläche und Verdickung des ringförmigen Randes. Ich halte dabei die Centralspindel für einen Hohl- eylinder, während Lauterborn nur eine concave Aushöhlung ihrer Polllächen zuzugeben scheint. 1) E. Strasburger, Ueber Cytoplasmastrukturen ete. Pringsh. Jahrb. f. w. B. XXX. 375, 1897. 2) 1. 0. 93-95. 274 Die wesentlichste Differenz besteht aber in dem weiteren Ver- halten des Randes der Polflächen. Aus ihm gehen nach Lauterborn!) neue Centrosomen hervor, indem einseitige kugelige Ansammlungen sich bilden, welche, nach kurzer Zeit losgelöst, als sehr blasse Kugeln an den Polen auftreten, auch eine Strahlung im um- liegenden Plasma hervorrufen. Von diesem Verhalten habe ich mich weder bei der ersten, noch der gleich darauf folgenden zweiten Thei- lung überzeugen können. Vielmehr schien mir in den nach der ersten Theilung auseinander weichenden Ringkernen lediglich der allseitig gleichmässig dicke Rand der Centralspindel enthalten zu sein, Dieser Rest der Spindel lässt die ringförmigen Kerne nicht zur Schliessung der centralen Oeffnung kommen, sondern wächst seinerseits sofort zu einer neuen Centralspindelanlage aus, deren Orientirung, wie Fig. 19 Taf. IX zeigt, nicht an diejenige der ersten Spindel gebunden ist. Dass auch bei der zweiten Theilung keine Centrosomen in der von Lauterborn beschriebenen Weise neu angelegt werden, glaube ich mit Sicherheit behaupten zu können. In dem umgefallenen Ringkern Fig. 21 Taf. IX schien mir noch der ringförmige Rest der Spindel enthalten zu sein. Und eben darum glaubte ich auch in Fig. 22 in den drei ringförmigen Körpern etwa die Reste der Üentralspindel für die drei zu Grunde gehenden Kleinkerne annehmen zu sollen. Die Verschiedenheit der Resultate, zu denen Lauterborn und ich in diesem Punkte gelangt sind, dürfte durch die Verhältnisse er- klärt sein. Besonders bei der ersten Theilung wäre eine Neubildung von Gentrosomen höchst überflüssig, ja unvortheilhaft, weil das We- sentliche des ganzen Vorganges aller Wahrscheinlichkeit nach gerade in der unmittelbaren Folge der beiden Theilungssehritte besteht, die durch Zwischenschiebung einer Centrosomneubildung kaum ge- fördert werden könnte, „Aller Wahrscheinlichkeit nach“, kann ich nur sagen, denn leider geht die Uebereinstimmung der untersuchten‘ Surirellen auch in einer unangenehmen Eigenschaft sehr weit. Darin nämlich, dass die um ihre Centralspindel angesammelten Chromosomen im Monaster- wie im Dyasterstadium nur eine einzige, undurchsich- tige Masse bilden, welche zwar hier und da ein Chromosomendstück herausschauen lässt, aber jede Verfolgung intimerer Veränderungen oder gar Zählungen vollständig vereiteln muss.2) Wenn daher bei Surirella eine Fesstellung der Chromosomenzahl erlangt werden soll, 1) Lauterborn I. ce. 64-67. f 2) Na 80 aussichtslos schildert bereits Lauterborn dies Unternehmen “6. 69). 275 so ist dies nur dort nicht ganz aussichtslos, wo man die im Kernraum liegende Centralspindelanlage gerade in dem Augenblicke antrifft, der der Monasterbildung eben voraufgeht. Erheblich grössere Chancen für die zu weiterer Klarstellung wohl nothwendigen Zähloperationen dürfte, nach den Figuren und Angaben Lauterborn’s zu urtheilen, Nitzschia sigmoidea bieten. So ist ein endgültiges Urtheil darüber, ob die Doppeltheilungen vor der geschlechtlich erfolgenden Auxo- sporenbildung zur Reduction der Chromosomenzahl führen oder nicht, auch jetzt: noch nicht abzugeben. Wie zu dem schliesslich übrig bleibenden Grosskern das zuge- hörige, aus den Centralspindelresten sich zweifellos reconstituirende Centrosom gelagert ist, und was bei der Kernverschmelzung aus den Centrosomen wird, das konnte ich an meinem Material leider nicht feststellen. Die vier Typen der Auxosporenbildung, ihre Beziehungen zu einanderund ihre Abhängigkeit von der Lebensweise, In einer früheren, die bis dahin erhaltenen Resultate abschliessen- den Arbeit !) hatte ich versucht, den Zusammenhang der verschiedenen Bildungsweisen der Auxosporen darzustellen, wie er mir damals vor- schwebte. An der Hand der hier gegebenen neuen Beobachtungen glaube ich eine Vervollständigung in einzelnen Punkten bringen zu können, Den Ausgangspunkt finde ich nach wie vor bei Rhabdonema arcuatum. Aeltere, mit zahlreichen Zwischenschalen versehene Zellen treten in eine Theilung ein. Die Gürtelbänder weichen aus einander und nach Abscheidung einer reichlichen Gallertmasse_ tritt das in zwei Tochterzellen zerfallene Plasma in Form zweier stets getrennten Klumpen aus den Schalen aus. Jeder Plasmaklumpen führt einen Zellkern und bildet von dem schnell ausgeschiedenen Perizonium umhüllt eine Auxospore. Dieser als Typus I bezeichnete Vorgang zeigt auf das deutlichste zwei Dinge: einmal den genetischen Zusammenhang der Auxosporenentwickelung mit der Zelltheilung. Das in seine ihm zu eng werdenden Schalen einge- schlossene Plasma benutzt ihre bei der Zelltbeilung eintretende Oefl- nung dazu, diese Fessel völlig abzuwerfen und sich eine bequemere Haut zu bauen. Der zweite wichtige Punkt ist das Fehlen Jeder Andeutung von Sexualität. Beides berechtigt 1) @. Karsten, Diatomeen der Kieler Bucht ]. c. pag. 171. 2786 dazu, in Rhabdonema den Ausgangspunkt für alle jetzt bekannten Fälle von Auxosporenbildung zu suchen und in diesen ältesten Diatomeen nur durch Zellthei- lungen sich vermehrende Organismen zu sehen, welche lediglich durch die eigenartige Beschaffenheit ihrer Kieselschalen gezwungen werden, mit ihren Zellthei- lungen von Zeit zu Zeit die Erneuerung der zu klein gewordenen alten Schalen zu verbinden, d. h. die Ent- wiekelung von Auxosporen. Direct ableitbar aus diesem Ty- pus I ist Typus IV, der sich z. B. bei Rhabdonema adriaticum!) findet und nur dadurch unterschieden ist, dass nach der Theilung der Mutterzelle einer der Tochterkerne nicht weiter ernährt wird, zum Kleinkern degenerirt und aus der in ihrer Gesammtheit eine Auxo- spore bildenden Mutterzelle entfernt wird. Hier reihen sieh die ge- sammten centrischen Diatomeen an. Den Uebergang zu complieirteren Erscheinungen vermittelt Ach- nanthes subsessilis®), welche die in einer Mutterzelle durch Theilung entstehenden beiden Tochterzellen mit einander verschmelzen lässt. Da die Vereinigung der beiden Kerne verfolgt werden konnte, so ist in Achnanthes subsessilis unzweifelhaft Sexualität bei der Auxosporenbildung mit im Spiele, obschon noch auf niedriger Stufe stehend. Völlig ausgebildete Sexualität ist zu beobachten als Begleiterschei- nung der Auxosporenentwiekelung bei der Mehrzahl der beweglichen Grunddiatomeen. Als Typus II habe ich diejenige Form bezeichnet ?), welche durch paarweise und wechselseitige Vereinigung der eben ent- standenen Theilungsprodukte zweier sich zusammenlagernden Mutter- zellen zwei Auxosporen hervorbring. Die meisten Naviculeen, Oymbelleen, Nitzschieen gehören hierher. In jeder der beiden Mutter- zellen treten infolge der gegenseitigen Beeinflussung zwei schnell auf- einander folgende Kerntheilungen auf, deren erste von einer Zellthei- lung begleitet wird. So sind vier Tochterzellen und acht Kerne vorhanden, vier Grosskerne oder Sexualkerne, vier zu Grunde gehende Kleinkerne, Hier sind nun einige Formen mit reducirter Sexualität einzu- fügen, welche dem Schema nach zu anderen Typen gehören würden. Von Navieula constrieta und Frustulia saxonica will ich absehen, 1) Diatomeen der Kieler Bucht 1. e. pag. 33 und 179. 2) J. Lüders, 1. c. Bot. Ztg. 1862, 60, und G. Karsten, Diatomeen II 48. 3) Diatomeen der Kieler Bucht 1. e. pag. 171. 277 da möglicher Weise die Vereinigung der Tochterzellen überschen sein könnte. Sehr wichtig ist dagegen Synedra affinis.') “In den mit Hilfe kleiner Gallertpolster an einem Zellende auf beliebigem Substrate festgehefteten Zellen tritt die Auxosporenbildung in der Weise cin, dass jede Zelle sich theilt, die Schalen öffnet und jede Tochterzelle sich zu einer lang pfeilförmigen Auxospore streckt. Es würde demnach genau der Fall von Rhabdonema arcuatum vorliegen, wenn nicht noch in jeder Auxospore nachträglich eine zweite Kerntheilung in mehr oder minder ausgeprägter Weise stattfände. Diese weitere Theilung des Kernes wird zwar schr bald durch Vereinigung der beiden Tochter- kerne oder Unterdrückung eines von ihnen wieder rückgängig gemacht und hat keinerlei Folgen. Sie ist uns aber von erheblichem Interesse, weil damit angedeutet ist, dass früher einmal weitere Kerntheilungen auch bei Synedra regelmässig vorkamen. Daraus, dass sie jetzt mehr oder weniger vollständig zurückgebildet sind, kann man nur folgern, dass sie offenbar keine wirkliche Bedeutung für den Vorgang mehr besitzen. Eine sehr nahe liegende Vermuthung — die freilich nicht direet bewiesen werden kann — ist es nun, dass Synedra früher die Auxosporen nach Typus II entwickelte, dass also je zwei Mutter- zellen zu geschlechtlicher Vereinigung ihrer Tochterzellpaare sich zu- sammenfanden, Mit dem Verlust der Sexualität wurde die zweite der für Typus II charakteristischen, schnell auf einander folgenden Kerntheilungen überflüssig und erlitt eine starke Rückbildung. Die Synedrazellen ergeben jetzt auf ungeschlechtlichem Wege zwei Auxo- sporen. An anderer Stelle habe ich bereits darauf aufmerksam ge- macht), dass Verlust der Bewegungsfähigkeit damit Hand in Hand gegangen ist. Einen noch weiteren Schritt der Rückbildung finden wir bei Bacillaria (Nitzschia) paradoxa.®) Baeillaria und Nitzschia palea*) folgen völlig dem Typus IV, so dass, wie vorher ausgeführt wurde, aus jeder Zelle nur eine Auxospore auf ungeschlechtlichem Wege entsteht. Nur an gewissen Kennzeichen der Chromatophoren liess sich hier der Theilungsschritt noch nachweisen. Da nun aber andere und zwar zahlreiche Nitzschiaarten völlig dem Typus II angehören, wird man diesen als den normalen für die Nitzschien ansehen müssen, und so ist die Annahme berechtigt, dass die Rückbildung bei BacilJaria 1) G. Karsten, Diatomeen II. 33, 2) Diatomeen der Kieler Bucht 1. c. 178. 3) Diatomeen der Kieler Bucht 1. eo. 125. 4) Miquel, Recherches exp6rimentales etc. 1892. \, o. 556. 278 und Nitzschia palea nicht nur bis zur Unterdrückung der Sexualität, also der zweiten Kerntheilung, sondern sogar bis zum fast vollstän- digen Verschwinden auch der ersten Kern- und Zelltheilung gediehen ist. Ebenso wie bei Typus II ist bei Typus III Sexualität in hervor- ragendem Maasse betheiligt. Wenn wir uns aber die wenig zahl- reichen Vertreter des Typus, wie sie im ersten Theil dieser Arbeit behandelt sind, genauer ansehen, so fällt eine gewisse Ungleichwertig- keit ins Auge. Während alle Vertreter des Typus II mit schema- tischer Regelmässigkeit alle Vorbereitungen zur Auxosporenbildung in gleicher Weise treffen, ist der Sexualkern bei Cocconeis das Resultat einer einmaligen, bei Surirella einer dop- peltenKerntheilung. Es ist also nur das rein äusserliche gröbere Kennzeichen, dass aus zwei Mutterzellen durch sexuelle Vereinigung eine Auxospore gebildet wird, welches den Typus III charakterisirt, Da Cocconeis und Surirella systematisch weit von einander entfernt sind, ist die ungleiche Entwickelungsweise nicht weiter zu verwundern. Kann demnach an nähere Beziehungen der bei Cocconeis und Suri- rella zu beobachtenden Vorgänge zu einander nicht gedacht werden, so ist ein gewisser Zusammenhang der Auxosporenbildung von Suri- rella mit dem Typus II doch unverkennbar. Die angeführten Beob- achtungen von längerer Rivalität zwischen zweien der aus den secun- dären Spindeln hervorgehenden vier Kerne deuten auf frühere Gleichberechtigung dieser beiden Kerne hin. Und die Thatsache, dass aus der nicht gerade seltenen Aneinanderlagerung von drei Surirella- individuen bisweilen zwei Auxosporen entstehen, ist, wie mir scheint, nur auf diesem Wege zu erklären und bildet damit eine sehr wesent- liche Stütze für die Anlehnung des Typus III an Typus D. Das Verhältniss von Cymatopleura zu Surirella wurde schon vor- her aus einander gesetzt. Es mag unter Hinweis auf Synedra und Typus II hier nur angefügt sein, dass bei Cymatopleura der Abstand yon der Norm noch nicht so gross geworden ist, wie bei Synedra. Die äusserliche Vereinigung zweier Zellen ist bei Cymatopleura an- scheinend stets noch Vorbedingung der Auxosporenbildung, und aus diesem Grunde ist es auch mir, trotz der vorgebrachten Einwände, wahrscheinlich, dass unter bestimmten unbekannten Bedingungen die von mir beobachtete Apogamie und Bildung zweier Auxosporen wieder gegen eine geschlechtliche Erzeugung einer Auxospore vertauscht werden kann, Für diesen Fall vermuthe ich, dass in den beiden Cymatopleurazellen eine doppelte Kerntheilung eintreten würde, wie 279 sie bei Surirella nachgewiesen wurde. Ob die zweite Kerntheilung bei der apogamen Auxosporenbildung völlig unterdrückt oder in An- deutungen vorhanden geblieben ist, vermag ich aus Mangel an ge- nügendem Material nicht zu sagen. Ziehen wir nun die Summe ausallen bisher vorlie- genden Beobachtungen über Auxosporenbildung, so bleibt als Hauptresultat bestehen, dass sich in jedem Falle eine Zelltheilung als Ausgangspunkt nachweisen lässt. Die vier verschiedenen Typen sind sehr klar vorgezeichnet und leicht verständlich. Der erste führt die Theilung vollständig aus und verbindet damit nur die Erwerbung neuer grösserer Schalen. Die möglichst kräftige Ausgestaltung der neuen vergrösserten Gene- ration oder vielleicht die ausserordentliche Grössendifferenz der beiden Extreme, welche die gleichzeitige Produktion von zwei Auxosporen nicht gestatten würde, führt zu Typus IV. Es liegt, soweit ich bisher sehe, kein Anzeichen vor, das auf frühere geschlechtliche Bildung der Auxosporen bei diesen beiden Typen hinwiese, wenn solche Formen wie Bacillaria ihren nächsten Verwandten angereiht bleiben und als Rückbildungen von Typus II betrachtet werden. Man kann also in den Tabellarien und in der ganzen Masse centrischer Arten Formen anerkennen, die mit dem Ausgangspunkte der ganzen Diatomeenreihe noch in geraden Linien verbunden sind. Immerhin wird man auch hier schon biologische Gesichtspunkte zu Hilfe nehmen müssen, um das „Nichtzurausbildunggelangtsein“ der Sexualität erklärlich zu machen. Das ist für die (meist centrischen) Planktonformen z. B. durch Schütt?) geschehen, der zu dem Resultate kam: „Für Planktondiatomeen müssen wir also die rein ungeschlechtliche Auxosporenbildung theo- retisch fordern. * “Wenn wir nun die beiden Typen mit geschlechtlicher Auxosporen- entwickelung betrachten, so braucht zwar das Auftreten der Sexualität nicht begründet zu werden, denn in jeder Organismenreihe tritt mit Erreichung einer gewissen höheren Ausbildungsstufe die Geschlecht- liehkeit mit zwingender Nothwendigkeit ein. Aber für den so häufig wiederkehrenden Verlust dieser Eigenschaft sollte nıan meinen, eine Ursache ausfindig machen zu können. Schon in den „Diatomeen der Kicler Bucht“ 2) sagte ich: „Ob nicht vielleicht überhaupt noch eine n Fr. Schütt, Wechselbeziehungen zwischen Morphologie, Biologie, Ent- wickelungsgeschichte und Systematik der Diatomeen. Ber. d. Deutschen bot. Ges. 1893, 566, 2) 1. c. pag. 191, 280 weitere ernährungs- physiologische Frage in dem vorzugsweisen Vor- kommen der Diatomeen auf in Zersetzung begriffenem Schlick — in extremen Fällen sogar in der Beggiatoa-Vegetation — verborgen liegt, — das zu entscheiden muss weiteren Untersuchungen überlassen bleiben.“ — Mir scheint nun gerade bei einigen sexuell abgeschwächten Formen die Möglichkeit mindestens theilweise saprophytischer Ernäh- rung nahe zu liegen, obschon eine exacte Beweisführung bisher nicht geliefert ist. Z. B. Cymatopleura solea wie elliptica sind durch einen ihnen eigenthümlichen schleimigen Ueberzug, der die Zellen völlig überzieht, stets mit Massen von festgehaltenen Humustheilchen be- deckt, welche sie oft vollständig sogar dem suchenden Auge ent- ziehen, demnach auch nur geringe Mengen von Licht zu den Chro- matophoren gelangen lassen. Wirklich reine Schalen findet man bei ihnen niemals. Nitzschiaarten treten ebenfalls an entsprechenden Standorten häufig auf, und es ist mir für Baeillaria (Nitzschia) para- doxa sehr zweifelhaft, ob nicht eher eine saprophytische Lebens- weise als ihre immerhin nur für Küstengegenden zutreffende Zuge- hörigkeit zum Plankton für den Verlust der Sexualität verantwortlich gemacht werden sollte. Denn die Form ist der ständige Bewohner aller Schlickboden führenden Orte an den Küsten der Ostsee, von wo sie sich zu Zeiten erhebt und nach ausgiebiger Vermehrung in grossen Massen im .Plankton gefunden wird. Endlich wäre der Verlust der Bewegungsfähigkeit ein unter den gegebenen Bedingungen mit Nothwendigkeit zur Einbüssung geschlecht- licher Auxosporenbildung führender Umstand. Es ist allerdings frag- lich, ob die grosse Zahl von Formen, welche durch Stielbildung aus- gezeichnet sind, wie Achnanthes, Rhoicosphenia, Gomphonema, Brebissonia, sich in einem Uebergange zur Bewegungslosigkeit befin- den, wie Schütt!) andeutet. Denn alle diese Arten sind nach Lö- sung von ihren Stielen zu lebhafter Bewegung befühigt und haben auch ausnahmslos eine geschlechtliche Auxosporenbildung aufzuweisen. Auch wäre eine Ursache für die Aufgabe der Bewegungsfähigkeit kaum ausfindig zu machen. Jedenfalls aber scheint Synedra affinis, sei es durch Uebergang zu saprophytischer Ernährung, sei es durch andere Vorzüge bewogen, zu sesshafter Lebensweise vor mehr oder weniger langer Zeit erst übergegangen zu sein. Die Einbusse der Sexua- lität, deren Spuren wir in ihrer Auxosporenentwickelung ja noch deut- lich erkennen konnten, war die unausbleibliche Folge. Für andere 1) Schütt, 1. c, 566, 281 Synedraarten käme die Zugehörigkeit zum Plankton als ein in gleich- sinniger Richtung wirkender Factor in Betracht. Hier möchte ich auch die Tabellarien anknüpfen. Nicht dass ich glaubte, diese Formen hätten früher einmal Bewegungsvermögen be- sessen. Ihre Schalen sind zu schwer, ihr ganzer Aufbau zu massig, als dass dieser Gedanke wahrsclieinlich sein könnte. Aber dass in diesen hoch entwickelten und complfirt aufgebauten Formen eine Sexualität nicht zur Ausbildung gelangt ist, das scheint mir auf das von jeher fehlende Bewegungsvermögen zurückgeführt werden zu müssen. Derartige Wechselbeziehungen zwischen der Lebensweise, der Formenausgestaltung und der Entwickelungsgeschichte, wie Schütt sie für Planktondiatomeen einerseits, Grunddiatomeen andererseits bekannt gemacht hat, sind jetzt, nachdem die Grundlagen für die genauere Erkenntniss der Entwickelungsgeschichte für die Mehrzahl von Diatomeengattungen oder -Unterfamilien gegeben sind, sehr geeig- net, uns tiefer in das Verständniss des Lebens und der gegenseitigen Beziehungen innerhalb dieser eigenartigen und interessanten Pflanzen- reihe einzuführen. Bonn, April 1300, Figurenerklärung. Tafel VIII und IX. Fig. 1-8. Cocconeis Placentula. 1000:1, Zeiss Apochromat 2mm, oc. 8. chr. Chromatophor, 9. %. Grosskern, k. k. Kleinkern. »„ 9-28. Surirella saxonieca. Sämmtliche Figuren (bis auf 27) sind von der Gürtelseite aus aufgenommen und mit dem breiteren Zellende nach oben gerichtet orientirt. „ 9. Zwei zur Auxosporenbildung vereinigte Zellen. Es ist nur der Zellkern und die ihn enthaltende‘ mediane Plasmamasse angedeutet, ausserdem die Grenzen der Schalen gegen Flügel und Gürtelband. 195:1. „ 10. Die unteren an einander haftenden Theile der beiden Zellen stärker ver- grössert. ». von Gallertporen durchsetzte kleine Hervorragungen. 1000: 1. » 11-15. Veränderungen des Kernes. 1000:1. » 11. Ruhender Kern in geringer Plasmamasse, die seitlich von den dunkler gehaltenen Chromatophoren begrenzt wird. Kernstruktur feinkörnig, zahlreiche Nucleolen. „ 12. Nierenförmiger Kern aus dem Beginn der gegenseitigen Beeinflussung zweier verbundenen Zellen. Centrosom mit kleiner Strahlung in der Kernbucht, Doppelstäbehen in den vier Ecken der Plasmaansammlung. Kernstruktur körnig, Beginn fädiger Anreihungen; mehrere Nucleolen, 282 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19, 20. 21. 22. Wendung um 45%. Zunahme der Strahlung um das in der abgeflachten Kernbucht gelagerte Centrosom. Zunahme der fädigen Kernstruktur und der in den vier Ecken der Plasmamasse liegenden Doppelstäbchen ausser- halb des Bereiches der Strahlung, Fast vollendete Abrundung des Kernes am alten Platze. Das nach oben hin etwas entfernte Centrosom mit grosser Strahlung in der ansehnlich vermehrten Plasmaansammlung. Feipfädige Kernstruktur (dichtes Knäuel- stadium) fast durchgeführt, Nuclc Mn bis auf einen aufgelöst. Doppel- stäbehen im Plasma verschwunden. Lockerung des Kernfadens (lockeres Knäuelstadium). Zunahme seines Querdurchmessers und Beginn der Zerlegung in Chromosomen. Strahlung des Centrosomes nach dem Kern und nach den oberen Winkeln der Zelle von grosser Deutlichkeit, während die nur im Plasma verlaufenden Strahlen von weit geringerer Deutlichkeit sind. Die Zelle, der Fig. 15 entnommen war, um die obere Ansatzstelle der Strahlung und die Contraction der Chromatophoren zu zeigen. 820:1, Der in das obere Ende der Zelle gewanderte Kern, in welchen das Centrosom ce. und die hinten daran hängende Anlage der Centralspindel a.csp. einzudringen beginnen. Das Centrosom hat fast keine, das ring- förmige Anhangsgebilde eine schwache, von der Ringöffnung ausgehende Strahlung mit scharf markirter Grenze. Die Chromosomen sind sehr kurz und dick, stabförmig; feine Plasmastränge sind zwischen ihnen ausgespannt. 1 Nucleolus. 1500:1. Der dem vorigen ungefähr gleichende Kern zeigt die Chromosomen noch ein wenig zurückgeblieben in der Zertheilung. Dagegen ist die Anlage der Centralspindel a.csp., welche auf dem Kerne liegt, etwas weiter entwickelt und zu einem breiteren Ring geworden, dessen Oberfläche Längsstreifen führt. Das Centrosom ist verschwunden. 1500:1. Die aus der ersten Kerntheilung hervorgegangenen Tochterringkerne, deren jeder aus den überkommenen Resten der Oentralspindel eine neue Centralspindelanlage entwickelt hat, welche die verklumpten Chromoso- men alsbald zu einer neuen Sonderung veranlassen dürfte. chr. die Chromatophorenzipfel. 1000:1. Die secundären Tochterkerne ringförmig an ihren Centralspindeln auf- gereiht. Die Centralspindeln lassen eine zarte Längsstreifung und stär- kere Ringconturen, an den Enden aber keine abgesonderten Körperchen erkennen, welche Centrosomen entsprechen könnten. Das von den Spindel- polen ausgehende, um die Theilungen hohlkugelig geordnete Plasma zeigt fädige Struktur. 1500:1. Die aus einander weichenden secundären Tochterringkerne mit verbin- dender Strahlung, welche in der Mitte durchgetheilt ist — ein Ringkern ist umgefallen und zeigt die centrale Oeffnung und undeutliche Reste des Centralspindelpoles. Die Chromosomen sind vollständig verklumpf. 1000 :1. Der Grosskern g.k. und drei Kleinkerne k.k. als Produkte der zweiten Kerntheilung. 1500: 1. 23,24. Allmähliche Abrundung und Contraction der Plasmakörper als Vor- bereitung zur Vereinigung der beiden am unteren Ende verbundenen 27. 28. 29— 29. 30. 31. 32. 288 Zellen an je einer Zelle wiedergegeben. In Fig. 24 sind die Schalen bereits voneinander gehoben; sie werden durch die nach unten hinzie- lende Bewegung der Plasmamasse am unteren Ende noch weiter aus einander gedrängt, am oberen über einander geschoben werden, wie es die in den Mutterschalen liegende Auxospore Fig. 26 zeigt. 320:1. Skizze einer jungen Auxospore zwischen ihren Mutterschalen in der um- hüllenden Gallertmasse. 130:1, Auxospore, welche innerhalb der Mutterschalen liegt. Innerhalb des glatten Perizonium ist die eine Schale bereits ausgeschieden; auf der anderen Seite ist der Plasmakörper weit ins Innere zurückgewichen, un Raun für die Abscheidung der zweiten Schale zu geben. Die Vereini- gung der beiden Grosskerne ist erfolgt, von den Kleinkernen ist nichts wahrzunehmen. 320:1. Tafel X. Sehalenansicht eines Chromatophoren, nach fixirtem Material gezeichnet, An der mit u. bezeichneten, stärker hervorgehobenen Stelle geht die Verbindungsbrücke zum anderen Chromatophoren ab. 320:1, Zwei kurz vor der Trennung stehende Schwesterzellen, welche im Prä- parat durch den Druck des Deckglases aus einander gewichen sind. In beiden Zellen ist bei «. das bis dahin der Aussenschale anliegende Chro- matophor umgebogen und wächst an der einen Schale entlang nach oben hin, während aus der Umbiegungsstelle die Chromatophorenunterhälften ergänzt werden. 320:1. 34. Cymatopleura. Die Schalenenden einer Zelle von Cymatopleura solea var. apiculata, Gerade am Scheitel ist ein bei tiefer Einstellung deutlicher Gallertporus vorhanden, welcher in einen vom Schalendeckei überwölbten Vorhof mündet. 1500:1. Ein Schalenende von Cymatopleura nobilis Hantzach, das an der gleichen Stelle einen Gallertporus besitzt. 1000:1. B Cymatopleura elliptica. Zwei zusammengelagerte Zellen an der Berüh- rungsstelle geöffnet. Das hervorquellende Plasma jeder Zelle bleibt ge- sondert, durch die Schalen hindurch bemerkt man das in ihrem Winkel schon gebildete Perizonium, und in einer Auxospore ist hier ein Kern sichtbar, 320: 1. Eine etwa ausgewachsene Auxospore derselben Art (die Mutterschalen und die zweite Auxospore sind fortgelassen), welche die Chromatophoren- verzweigung und ihre Vertheilung an der Oberfläche zeigt. 320:1. 33, 34. Cymatopleura solea. 33. 34. Das im Winkel zweier Mutterschalen steckende Auxosporenende mit der häufig zu beobachtenden knopfigen Anschwellung. Die welligen Umrisse eines Chromatophoren und zwei Kerne sind kenntlich. 500: 8. Die zweite, zugehörige Auxospore mit ebenfalls zwei Kernen und das anstossende Ende der ersteren. 320: 1. Zur Abwehr. Im II. Heft des Jahrgangs 1900 dieser Zeitschrift, Seite 205 bis 247, erschien eine voluminöse Abhandlung über die Verbreitung des Carotins im Pflanzenreiche von Tine Tammes, Assistentin am botanischen Laboratorium der Universität Groningen, worin die Verfasserin zu beweisen sich bemüht, dass in Chlorophyll enthalten- den, etiolirten und herbstlich vergilbten Pflanzentheilen allgemein ein gelber bis rother, mit dem Carotin aus der Wurzel des Daucus carota völlig übereinstimmender Farbstoff vorkommen soll. In dieser Abhandlung werden meine Untersuchungen über Sphaero- plea annulina Ag. aus dem Jahre 1887 ohne Veranlassung (denn ich habe nie über Carotine etwas veröffentlicht) bestritten und wird mir der Vorwurf gemacht, ich hätte Carotinniederschläge mit Kernen ver- wechselt. „Rauwenhoff hat“, so heisst es wörtlich 8. 220, „in seiner Abhandlung über Sphaeroplea annulina Ag. das Vorkommen vieler Kerne in einer Zelle vollkommen richtig beschrieben und abgebildet, aber doch meine ich, dass in der Fig. 12 seiner Abhandlung wenig- stens ein Theil der abgebildeten kernähnlichen Körper als Carotin- niederschläge gedeutet werden muss. Er selbst hat schon einigen Zweifel gehegt, denn er theilt mit, dass in älteren Zellen der Alge so viele Kerne und von so verschiedener Grösse anwesend waren, dass er meinte, Oeltropfen oder Gerbstoffbläschen vor sich zu haben. Auch findet er die Kerne hauptsächlich in der Nähe der Chromato- phoren.* „In jedem grünen Pflanzentheil, welcher ganz wie die Sphaero- plea annulina behandelt ist, kann man kleinere und grössere Körperchen beobachten, welche man für Kerne halten könnte. Mir stand keine Sphaeroplea annulina zur Verfügung, aber ich habe andere Objeete, welche mit Fluorwasserstoffsäure, Salzsäure oder Weinsäure behandelt waren, so wie es Rauwenhoff that, mit Hämatoxylin gefärbt und beobachtet, dass die in der Säure gebildeten Kryställchen und Körperchen sich dunkler färben wie das übrige Gewebe. Auch gibt zum Beispiel eine Cladophora oder eine Vaucheria nach Behandlung mit verdünnter Säure ein Bild, welches der Fig. 12 von Rauwen- hoff auffallend ähnlich ist“. 285 Diesen ganzen Anfall nun glaube ich gleich ablehnen zu können mit den eigenen Worten der Verfasserin, worin sie in der Einleitung der Abhandlung ihre Untersuchungen motivirt. Ich lese daselbst (Seite 205) ... .„die meisten Forscher sind bei ihren Untersuchungen dieses Gegenstandes zu verschiedenen Resultaten gelangt. Dies rührt ohne Zweifel zum grossen Theil daher, dass fast niemals die ver- schiedenen Untersucher sich mit Farbstoffen aus denselben Pflanzen oder Pflanzentheilen beschäftigten, so dass ein Vergleich mit den Resultaten anderer von vorne herein fast immer ausgeschlossen war*.)) Hieraus folgt nothwendig, dass, weil der Verf., wie sie gesteht, keine Sphaeroplea annulina zur Verfügung stand, ein Vergleich ihrer Resultate mit den meinigen von vorne herein ausgeschlossen ist. Also weder, dass ich das Vorkommen vieler Kerne in einer Zelle voll- kommen richtig beschrieben und abgebildet, noch dass in meiner Fig. 12 ein Theil der abgebildeten kernähnlichen Körper als Carotin- niederschläge gedeutet werden muss, ist Verf. im Stande darzuthun. Desgleichen beweiset es nichts, zu sagen, dass (ladophora oder Vaucheria, nach Behandlung mit verdünnter Säure, ein meiner Fig. 12 auffallend ähnliches Bild geben, wenn man das Bild von Sphaeroplea selbst niemals gesehen hat. Ich könnte es hierbei lassen und auf ein so leichtsinniges Urtheil nicht weiter achten. Ich will jedoch, der Höflichkeit gemäss, in wenigen Worten zeigen, dass Verf. sich geirrt hat und nur aus ober- flächlicher Lesung meiner Abhandlung (wo nicht aus dem Farbenton der Fig. 12) und aus Mangel an Kenntniss der Sphaeroplea zu ihrer geäusserten Meinung gekommen sein muss. Ihre Behauptung glaubt Verf. zu gründen auf meine Abhand- lung. „Er selbst“, sagt sie, „hat schon einigen Zweifel gehegt, denn er theilt mit, dass in älteren Zellen der Alge so viele Kerne und von so verschiedener Grösse anwesend waren, dass er meinte, Oel- tropfen oder Gerbstoffbläschen vor sich zu haben.“ Allerdings habe ich anfangs gezweifelt und dies auch ehrlich gesagt, aber gleich da- rauf folgen lassen, wie durch weitere Untersuchungen für mich der Zweifel ganz hinweggenommen und die Kernnatur der fraglichen Körperchen deutlich geworden. Dies hätte Verf. in meiner Ab- handlung lesen und: unparteiisch ebenso citiren sollen. Da sie es 1) Ich eursivire. Flora 1900, 20 286 nicht gethan, erlaube ich mir den betreffenden Passus hier wörtlich einzuschalten!): ne - „ dans quelques cellules de Alaments adultes de Sphaeroplea jai trourg, bien que l’aspect des anneaux n’eut guere change, des noyaux si nombreux et de dimensions si differentes, que j’hesitai longtemps & les reconnaitre comme tels. N’etait-il pas possible que les gouttelettes d’huile, contenues dans le protoplasma, eussent &gale- ment absorb& la matiere colorante? A cela, toutefois, on pouvait röpondre que ces gouttelettes luisantes et refractant fortement la lumiere ne se presenteraient sans doute pas avec les mömes teintes que les noyaux cellulaires dureis; or, entre les corpuscules colores il y avait bien difference de taille, mais aucune difference de teinte ne #’y laissait eonstater. Lorsque j’eus regu l’interessant me&moire de M. Pfeffer: „Ueber Aufnahme von Anilinfarben in lebenden Zellen“ (Untersuchungen a. d. botan. Inst. in Tübingen T. II) et que j’y eus vu que les vesieules de tannin possedent par excellence le pouvoir d’absorber la matiere colorante, l’id&e me vint que peut-ötre ces vesi- cules avaient part & la coloration de mes pröparations. En conse- quence, j’examinai les cellules du Sphaeroplea & ce point de vue special, mais, ni avec les sels de fer, ni avec le bichromate de potasse, ni avec le reactif recommande& posterieurement par M. Moll (Maand- blad v. Natuurwetenschappen T. XI, p. 27) je n’y pus deceler la presence du tannin. „De nouvelles recherches vinrent d’ailleurs eonfirmer mon idee primitive, que les objets en question &taient r&ellement des noyaux. Je les reconnus pour tels & l’aide de differentes matiöres eolorantes. Avec le piero-carmin ils devenaient rouges (fig. 12), avec la piero- nigrosine rouge brunatre, tandis que le plasma prenait une teinte bleu sale (fig. 13); avec l’h&matoxyline ils se coloraient en bleu (fig. 23). Et lorsque je les &tudiai par les moyens optiques les plus perfeetionnes, savoir, & l’aide du nouvel objectif apochromatique & immersion homo- gene de Zeiss, possedant un angle d’ouverture de 1.30 et une distance focale de 2.0, je trouvai dans plusieurs de ces noyaux des nucleoles, 1) Meine Abhandlung ist holländisch erschienen in den natuurkundige Verhandelingen der Kon, Akademie van Wetenschappen te Am- sterdam. Deel XXVI. 1887 und wörtlich übersetzt in französischer Sprache in Archives nserlandaises des Sciences exactes et naturelles, Tom. XXII, pag. 91—144. Harlem 1888. Ich eitire den französischen Text (1. e. Pag. 137), weil dieser wahrscheinlich besser wie der holländische von fremden Fach- genossen verstanden wird, 287 et aussi, dans quelques-uns, des &tats de division, comme le montre la fig. 23. La comparaison avec d’autres pr¶tions m’apprit, que les cas dont il s’agit repr&sentaient un premier stade du processus de la formation des spermatozoides.“ Vorstehendes genügt, nach meiner Ansicht, zur Widerlegung der Behauptung der Verf. und zum Beweise, dass die in Fig. 12 abge- bildeten gelbrothen Körperchen keine Carotinniederschläge, sondern Zellkerne sind. Vielleicht aber ist Verf., die Lebensverhältnisse der Sphaeroplea nicht kennend, durch die merkwürdig rasche und grosse Vermehrung der Kerne in den Mutterzellen der Spermatozoiden irre geführt. Das Schicksal der Kerne der männlichen Zellen ist nämlieh ein ganz anderes wie dasjenige der Oogonienkerne. Jeder Plasmaring einer männlichen Zelle wird zur Bildungsstätte für ein Heer von — bis etwa 100 — Spermatozoiden und von diesen enthält ein jedes schliess- lich Kernsubstanz. Kein Wunder daher, dass die Kerne sich schnell und öfters vermehren. Heinricher hat (Ber. d. d. bot. Ges. I, 8. 439) dies bei Sphaeroplea ebenso gefunden. Und was analoge Fälle bei anderen Thallophyten betrifft, so verweist er, nach Schmitz, auf die Sporenbildung von Phyllosiphon. Auch dabei vermehren sich die Zellkerne sehr reichlich und alsdann zertheilt sich der Proto- plasmakörper in zahllose kleine längliche Körperchen, die Sporen, die je einen einzelnen Zellkern enthalten. Verf. bemerkt weiter, dass ich die Kerne hauptsächlich in der Nähe der Chromatophoren gefunden. Das kann jedoch kein Beweis für ihre Behauptung sein. Auf die Lage der zusammengesetzten Chromatophoren mit ihren Pyrenoiden und Amylumheerden neben den Zellkernen mit ihren Nucleolen, dieser beiden merkwürdigen Organe des Protoplasmas (über deren Beziehung zu einander die Schrift von Fr. Schmitz über „Die Chromatophoren der Algen* nach- zulesen ist), ist hauptsächlich bei den vegetativen und oogenen Zellen von Sphaeroplea, in welchen beide lebenslang funetioniren und sich vermehren, Acht zu geben. In den männlichen Zellen dagegen, wo- rüber unsere Controverse geht, vermindert sich die Zahl der Chro- matophoren allmählich und zuletzt verschwinden diese ganz, während die Zellkerne sich vervielfältigen, und, in der Zelle gleichmässig zer- theilt, die Centra kleiner, abgesonderter, ellipsoidischer Plasmakörper, der zukünftigen Spermatozoiden, bilden. In den Figuren 7-10 meiner Abhandlung habe ich diese Entwicklungsstufen abgebildet. Utrecht, Mai 1900. N. W. P. Rauwenboff. Ueber Stärke corrodirende Pilze und ihre Beziehung zu Amylo- trogus Roze. Von F. H. Billings. Hierzu Tafel XI und XH, Fascikel 2, Band XIII des „Bulletin de la SocietE Mycologique de France“ enthält eine Abhandlung von Herrn E. Roze, in weleher fünf Speeies von Amylotrogus beschrieben und abgebildet und die Methoden für ihre Cultur angegeben sind. Amylotrogus ist nach Roze ein sehr redueirter mikroskopischer Myxomycet, welcher ausser einem sehr kleinen Plasmodium keine Verbreitungsorgane besitzt. Er ist leicht zu erkennen an der rothen oder röthlich-violetten Farbe auf corrodirten Stärkekörnern der Kartoffel und wird als eine Begleiterscheinung bei Verwundungen oder Angriffen des Mycels durch Hyphomyceten beschrieben, hauptsächlich der durch Oospora scabies Thaxter., Die einzelnen Arten unterscheiden sich entweder durch die Ge- stalt des Plasmodiums oder durch die Art der Corrosion, während die zwei Unterabtheilungen sich durch die Intensität der Corrosion aus- zeichnen, ob dieselbe sich nur auf die Oberfläche ausdehnt, oder ob sie bis in das Innere des Stärkekorns vordringt. Die erste Abtheilung enthält die zwei Arten A. lichenoides und A. vittiformis, beide Oberflächenformen. Der erste verursacht unregel- mässige Corrosionsflächen, der zweite regelmässig begrenzte Bänder, welche mit einander anastomosiren können. Die zweite Abtheilung ist gebildet von den Arten A. filiformis, A. discoideus und A. ramu- losus, welche alle drei in das Innere der Stärkekörner vordringen sollen. A. filiformis ist charakterisirt durch ein zugespitztes Plasmodium, welches unverzweigte fadenförmige Kanäle bildet. Das Plasmodium von A. discoideus, welches einen bedeutenden Durchmesser hat, beginnt als eine kleine Scheibe auf der Oberfläche des Stärkekorns und bildet schliesslich einen weiten Hohlraum, dessen Wände quergestreift oder gewellt sind, A. ramulosus, die gemeinste von den fünf Arten, besitzt ein ver- zweigtes Plasmodium von mittlerem Durchmesser, aber oft bedeuten- der Länge. Er erscheint jedenfalls zuerst als eine kleine Scheibe, von welcher einige weitere Scheibchen ausstrahlen können, wobei die 289 Form einer Rosette zu Stande kommt. Hier kann der Process auf- hören. Häufig aber dringt das Plasmodium direct in das Innere vor, verzweigt sich und anastomosirt zuweilen mit anderen Plasmodien, so dass schliesslich das ganze Stärkekorn von denselben erfüllt ist. Roze bespricht dann die Litteratur über A. ramulosus, haupt- sächlich die Abhandlungen von Harting‘) und Schacht). Har- ting’s Abhandlung enthält nichts, was für die vorliegende Arbeit von Wichtigkeit ist, weshalb nicht weiter darauf eingegangen werden soll. In der Abhandlung Schacht’s zeigen besonders Fig. 9 und 12 auf Tafel IX und Fig. Is auf Tafel X ziemlich gut die Eigenschaften des A, ramolosus, doch ist es möglich, aber kaum wahrscheinlich, dass die Hyphen von Oidium violaceum in die Hohlräume hinein- wachsen, die schon von einem anderen Parasiten, zum Beispiel von einem Plasmodium, gebildet wurden. Die von Roze angestellten Versuche, eine Infeetion von gesunden Stärkekörnern durch kranke in mikroskopischen Culturen zu Stande zu bringen, haben nur nega- tive Resultate geliefert. Er bekam erst eine Infection bei grossen Culturen, versicherte sich jedoch zuerst, dass die corrodirten Theile der Kartoffelknollen eine genügend grosse Anzahl der Stärkekörner enthielten, die mit A. ramulosus behaftet waren, und dann setzte er in kleine Hohlräume des infieirten Materials Stärkekörner aus einer gesunden Kartoffel, Nachdem er das Ganze in eine feuchte Kammer gesetzt hatte, entwickelten sich darauf verschiedene Mucedineae, aber ohne auf ihr Vorhandensein Rücksicht zu nehmen, fand er nach Verlauf von drei Wochen, dass nahezu alle gesunden Stärkekörner von dem Plasmodium des A. ramulosus befallen waren. Er findet auch, dass in einigen Fällen die Hyphen direct aus dem Corrosionsstellen hervorkommen. Diese betrachtet er als Parasiten des Plasmodiums. Da eine mikroskopische Infeetion von gesunden Stärkekörnern durch kranke noch nicht beobachtet, auch die Natur des isolirten Plasmodiums noch nicht genau bestimmt worden war, wurde dem Autor durch Prof. Thaxter die Aufgabe zu Theil, wenn möglich, den wirklichen Charakter des Genus Amylotrogus zu untersuchen und Infectionen in mikroskopischen Reineulturen anzustellen. 1) Recherches sur la Nature et les Causes de la Maladie des Pommes de Terres en 1845. Institut des Pays-Bas 1846. 2) Bericht an das königliche Landesökonomie-Collegium über die Kartoffei- pflanze und deren Krankheiten, Berlin 1856. 290 Das Material bestand in Kartoffeln, die auf verschiedenen Märkten beschafft worden waren, von denen hauptsächlich solche, die von Würmern angebohrt oder von Oospora scabies befallen waren, zur Verwendung kamen. Verwundungen, die vor dem Ausgraben der Kartoffel verursacht worden waren, lieferten meistens eine fruchtbare Quelle für die Untersuchung. Die ersten Corrosionen rührten von Oospora her, zugleich aber wurde das Eindringen von A. ramulosus in die Stärkekörner beobachtet, der durch seine röthlich-violette Farbe kenntlich war, aber man konnte weder die Spur eines Plasmodiums, noch die einer Hyphe beobachten. Einige von diesen infieirten Stärke- körnern wurden nun mit Hilfe von spitzigen Pipetten isolirt und jedes von ihnen in eine van Tieghem-Zelle, d. h. in einen hängen- den Tropfen gebracht. Von den in grosser Anzahl auf diese Weise hergestellten Culturen lieferte ungefähr !jı Resultate, aber anstatt eines Plasmodiums erschienen auf den corrodirten Theilen Hyphen von oft bedeutender Länge, von denen zwei Exemplare auf Tafel XI, Fig. 1—2 und 3—5 abgebildet sind. Fig. 1 und 3 zeigen Stärke- körner in dem Zustand, in dem sie waren, als sie in den hängenden Tropfen eingeführt wurden, während in den Fig. 2 und 4—5 das in bestimmten Zeiträumen eingetretene Wachsthum der Hyphen veran- schauliebt wird.') Das frisch aus den Kartoffeln genommene Material wurde bei sehr starker Vergrösserung untersucht und dabei häufig Mycelstücke gefunden, welche in Höhlungen lagen, die sie nicht ganz ausfüllten. Als Material für das weitere Wachsthum benützte der Pilz die Stärke des Korns. Das Wachsthum in den Höhlungen aber war ge- wöhnlich so gering, dass es nicht wahrgenommen werden konnte. Wenn aber ausgedehntes Wachsthum stattfand, wuchsen die Hyphen im Stärkekorn weiter, indem sie ein mehr oder weniger ausgedehntes Netzwerk von Fäden bildeten, bis das Innere vollständig aufgezehrt war, so dass die unter sich verschlungenen Hyphenmassen die ur- sprüngliche Gestalt des Stärkekorns zeigten. (Fig. 10.) Auf diese Weise wurden infieirte Stärkekörner von Kartoffeln, die auf ver- schiedenen Standorten gewachsen waren, in hängenden Tropfen eulti- virt, ‚Aber so oft ein weiteres Wachsthum bemerkt wurde, war e8 das eines Pilzes und nicht das eines Plasmodiums. Dabei fiel es je- doch auf, dass vorher fast niemals Stücke eines Mycels aus den ge- bildeten Höhlungen hervorragten. 1) Wegen ihrer bedeutenden Länge wurden nur die ersten Stadien abgebildet. 291 Die folgenden Versuche jedoch zeigten, dass sogar in ganz frischem Material die Hyphen gewöhnlich an der Ausmündung der Höhlungen abbrachen, oder aber sich ganz aus denselben herausziehen liessen. Diese Resultate führten natürlich zu dem Schluss, dass Pilze, welche aus den Üorrosionen erhalten wurden, jedenfalls auch anderweitig ähnliche Erscheinungen hervorbringen könnten. Um dies zu beweisen, wurde eine Anzahl von Stärkekörnern aus dem Innern einer gesunden Kartoffel genommen, in Formalin, dann in sterilisirtem Wasser ge- waschen und zuletzt in den hängenden Tropfen einer van Tieghem- Zelle gebracht, worauf ein infieirtes Stärkekorn zugegeben wurde, Alle vereinigten sich an der gewölbten Stelle des Tropfens, wodurch das infieirte Korn stets mit den gesunden in Berührung kam. In dieser Weise wurde eine grosse Anzahl von Culturen angelegt und es sollen im Folgenden die dabei gewonnenen Resultate beschrieben werden. In Fig. 6 ist das infieirte Korn gezeichnet, bevor es in die Cultur eingesetzt wurde. Fig. 7 zeigt das Wachsthum der Hyphe nach Verlauf von 18 Stunden, dabei sind jedoch die gesunden Körner nicht mit abgebildet. In Fig. 8 sind fünf Hyphen zu sehen, die aus dem corrodirten Innern hervorkommen. Hier ist auch schon ein be- deutendes Wachsthum im Innern des Stärkekorns eingetreten. Von zwei der äusseren Fäden gehen Zweige aus, welche an drei gesunden Stärkekörnern Corrosion verursachen, die zunächst als röthliche Scheib- chen wahrnehmbar sind, von denen eines bereits vier seitliche auf- weist, so dass die Form einer Rosette zu Stande kommt, genau das gleiche, was Roze als die Anfangsstadien einer Infection von A. ramulosus-Plasmodien beschrieb. Würde der Pilz entfernt, so wären ähnliche Erscheinungen zu beobachten, wie er sie in Fig. 14 abge- bildet hat. Fig. 9 zeigt das Wachsthum nach 2? Tagen, wo schon die Radien der Rosette tief in das Innere des Stärkekorns vorge- drungen sind. In Fig. IU ist die Ausdehnung der Hyphen nach 85/, Tagen wiedergegeben. Jetzt sind auch schon einige neue Rosetten gebildet, während die ursprünglichen Theile Erscheinungen zeigen, wie sie Roze für A. ramulosus angibt. Das zuerst infieirte Stärke- korn, das in die Cultur eingesetzt worden war, ist jetzt fast voll- ständig von Hyphen erfüllt. Fig. 11 weist die Entwickelungsstadien nach weiteren sieben Tagen auf und man ersieht daraus, dass alle Charaktere der Species A. ramulosus von einem Pilzmycel hervor- gebracht werden können. Auf diesem Punkte der Entwickelung war an "dem Pilz noch keine Neigung zur Sporenbildung zu bemerken, wesshalb Plattenculturen mit infieirten Stärkekörnern angelegt wurden. 292 Sobald das Mycel die Oberfläche des Culturmediums genug über- wachsen hatte, wurden Stückchen «es Mycels in Glasröhren auf Kar- toffelagar übertragen. Auf diese Weise wurden bald zwei Pilze er- kannt. Einer derselben produeirte zweizellige Sporen in grosser Menge, welche als dem Hyphomyceten Trichocladium asperum zugehörig er- kannt wurden. Die aus einer solchen Reincultur erhaltenen Sporen wurden nun mit einigen Stärkekörnern einer gesunden Kartoffel in den hängenden Tropfen einer van Tieghem-Zelle zusammenge- bracht. Die Sporen keimten bald und die Hyphen drangen in die Stärkekörner ein, wo sie die für A, ramulosus charakteristischen Corro- sionen erzeugten (Fig. 14 und 15). Die nächste Aufgabe war nun, die Erscheinungen des A. ramulosus an der Kartoffel selbst zu ver- ursachen. Zu diesem Zweck wurden einige Tuben mit feuchter Baumwolle durch wiederholtes Erhitzen im Dampf vollständig sterili- sirt. Eine gesunde Kartoffel wurde dann in Formalin gewaschen, aufgeschnitten und aus dem Innern mit einem sterilisirten und noch heissen Messer eine dünne Scheibe ausgeschnitten, die dann ganz in eine von den Tuben gebracht wurde, so dass die feuchte Baumwolle in enge Berührung mit seinem unteren Theile kam. Diese Einrichtung soll im Folgenden als Kartoffelscheibentubus bezeichnet werden. Dann wurden Sporen von Trichocladium asperum aus der Reineultur auf die Kartoffel im Tubus übertragen. Nachdem der Pilz kräftig genug gewachsen war, wurden Theile der Scheibe abgeschabt und einige von den so erhaltenen Stärkekörnern auf einen Objectträger in Wasser gebracht. Eine grosse Anzahl von infieirten Stärkekörnern zeigte die für A. ramulosus charakteristischen Corrosionen, jedoch keine oder nur wenige Hyphen, die von den corrodirten Stellen aus- gingen. Diese letzte Erscheinung kann auf keine andere Weise ver- ursacht worden sein, als dass durch die Gewalt, mit der die Stärke- körner von der Kartoffel entfernt worden waren, wie schon oben erwähnt, die Hyphen abgerissen worden waren, Fig. 12 und 13 zeigen Stärkekörner aus einer solchen Cultur. Fig. 16 stellt die Ab- bildung eines Originalpräparats von A. ramulosus von Roze dar und zeigt die völlige Uebereinstimmung mit der Corrosion unseres Pilzes. Der zugleich auf den Culturplatten mit Trichocladium asperum erhaltene Pilz erzeugte keine Sporen. Ich versuchte ihn zum Fructi- fieiren zu bringen, indem ich ihn im Grossen auf sterilisirten Pferde- mist eultivirte, den ich allmählich austrocknen liess. In seinem Habitus glich er vollständig einer Pferdemisteultur von Chaetomium erispatum, so dass ich ihn als Chaetomium bezeichne. Er wuchs sehr Fire 293 üppig auf Kartoffelagar und war leicht rein zu erhalten durch Ueber- tragen der Mycelspitzen. Versuche damit wurden in der Weise aus- geführt, dass eine grosse Anzahl von Mycelenden mit einigen gesunden Stärkekörnern, die auf die oben beschriebene Weise sterilisirt und gewaschen worden waren, in eine van Tieghem-Zelle gebracht wurden. Bald wurden auch die Stärkekörner von den Hyphen durch- drungen auf eine Art, die sich von den Üorrosionserscheinungen von Triehoeladium nicht unterschied. (Fig. 1 und 2, Taf. X11.) Fig. 3—6 zeigen von einem Tag zum anderen Stadien, die den fortschreitenden Corrosionsprocess in einem einzelnen Stärkekorn veranschaulichen. Fig. 3 zeigt die Scheibehen, die drei anderen die Verzweigungen; alles typische Erscheinungen für A. ramulosus. Chaetomium erispatum zeigt auch Corrosionen, die von Reinke!) abgebildet wurden und die den oben beschriebenen ähnlich sind. Es scheint jedoch nach Schacht’s Beobachtungen, dass noch ein anderer Pilz die Erscheinung des A. ramulosus verursacht. Er ist Oidium violaceum und die von diesem Pilz hervorgerufenen Erscheinungen, die auf Tafel 9 und 10 seiner Abhandlung abgebildet sind, wurden schon erwähnt. Die Resultate der verschiedenen Untersuchungen zeigen unzweifel- haft, dass die Ursache der Corrosion der Kartoffelstärke durch A. ramulosus bei den Pilzen und nicht bei den Myxomyceten gesucht werden muss und liefert keinen Beweis, dass ein Plasmodium, welches dazu in Beziehung steht, überhaupt existirt. Beim Suchen nach infieirtem Material fand ich eine Kartoffel, die einen grossen Hohlraum enthielt, in welchem die Entwickelung eines bedeutenden Pilzmycels beobachtet wurde. Eine Untersuchung der Stärkekörner in der Nähe des Mycels zeigte nicht nur die gewöhn- lichen Corrosionserscheinungen, die für die Pilze beschrieben wurden, sondern auch feine unverzweigte, zugespitzte Kanäle, die genau dem Amylotrogus filiformis entsprachen. Auch hier waren keine hervor- ragenden Hyphen zu sehen, welche auf die 'Thätigkeit eines Pilzes hindeuteten, was jedoch nichts beweist, da dies ja auch bei A. ramu- losus der Fall war, wenn derselbe von Reinculturen auf Kartoffel entnommen worden war. Zugleich mit A. filiformis wurden auch Kanäle von grossem Durchmesser mit quergestreiften und gewellten Wänden gefunden, die zu einer dritten Art von Amylotrogus zugehörig er- kannt wurden, nämlich zu A. discoideus. Ausserdem traten noch 1) A. Reinke und G. Berthold, Die Zersetzung der Kartoffel durch Pilze. (Untersuchung aus dem botanischen Laboratorium der Universität Göttingen.) 294 andere Corrosionserscheinungen auf, die jedoch erst weiter unten be- trachtet werden sollen. Die Verschiedenheit der Sporen, die in den verfaulten Theilen der Kartoffel gefunden wurden, deuteten auf ver- schiedene Arten von Pilzen hin. Daher wurde eine Anzahl von Platteneulturen angelegt, wobei fünf Pilze auftraten, die dann in Tuben mit Kartoffelagar übertragen und weiter eultivirt wurden. Nachdem sie rein erhalten waren, wurde der Pilz mit den kleinsten Sporen und Hyphen für den weiteren Versuch ausgewählt, da es sehr wahrscheinlich war, dass die oben erwähnten fadenförmigen Corrosionen von diesem herrührten. Nach meinen Erfahrungen mit A. ramulosus hielt ich es für selbstverständlich, dass die anderen Corrosionen wahr- scheinlicher von einem Pilz, als von einem Plasmodium herrührten, wartete jedoch die weitere Entwickelung ab, um diese Ansicht zu bestätigen oder zu widerlegen, Stärkekörner aus einer gesunden Kartoffel wurden, nachdem sie in Formalin gewaschen worden waren, mit dem Pilze in eine van Tieghem-Zelle gesetzt; die auf diese Weise angelegten Culturen gaben jedoch keine Resultate, denn die Hyphen wuchsen immer an den Stärkekörnern vorbei, ohne in sie einzudringen. Um dies zu verhindern, stellte ich Kartoffelagar her, welche nur einen sehr ge- ringen Gehalt von Nährstoffen enthielt, und mit diesem mischte ich eine grosse Menge von sterilisirten Stärkekörnern. Eine Anzahl von van Tieghem-Zellen wurde nun in der Weise hergerichtet, dass diese Mischung von Agar und Stärkekörnern an Stelle des Wassertropfens verwendet wurde. An einer Seite des Agar wurde der Pilz eingeimpft und die Hypken wuchsen nach einigen Tagen quer hindurch, wobei sie vielen Körnern, die fest fixirt waren, begegneten. Dieses Schema entsprach am meisten den Bedingungen, wie sie in der Kartoffel selbst vorhanden sind, wo die natürlichen Säfte das Nährmedium darstellen und die Stärkekörner durch die Zellwände in ihrer Stellung festgehalten werden. Bald traten auch Kanäle auf und obgleich sie nicht so zahlreich waren wie bei Trichocladium und Chaetomium, so war es doch zweifellos, dass dieser Pilz, vielleicht eine Oospora, die Ursache der Corrosion sowohl des zugespitzten und fadenförmigen A. filiformis, wie auch der grössten der Species des A. discoideus war. Fig. T, Taf. XJI zeigt einen Fall der Corrosion von A. filiformis. Die äussere Hyphe wurde an der Stelle, wo sie in Berührung mit dem Stärke- korn kam, kleiner im Durchmesser und nahm ihren Weg in das 295 Innere des Korns, in dem sie einen engen, röthlich-violetten, zuge- spitzten Kanal bildete. Daraus entstanden alle Stadien von Corro- sionen bis zu denen des grossen A. discoideus. (Fig. 8, Taf. XII.) In Fig. 9 ist ein Stärkekorn gezeichnet, in welchem die Hyphe voli- ständig durchgewachsen und in seinem ganzen Verlauf vollständig sichtbar war. Bald trat an einem Ende des Kanals Querstreifung auf, und in Fig. 10, die ein Stadium zehn Tage später darstellt, war sie der ganzen Länge des Kanals nach sehr deutlich und der ver- grösserte Durchmesser desselben zeigte, dass die Hyphe einen corro- direnden Einfluss selbst in grösserem Umkreise ausgeübt hatte, wobei das Ferment, das ungleichmässig auf die verschiedenen Lagen des Stärkekorns eingewirkt hatte, die Unebenheiten auf der Wand der Höhlung verursachte. Einen ähnlichen Effect beobachtete ich bei der Einwirkung der Fermente von Bacterien. Fig. 11 und 12 veranschaulicht andere Beispiele der Veränderungen durch A. discoideus, die von diesem Pilz herrühren. Versuche über das Wachsthum des Pilzes wurden zunächst in einem Tubus mit Kartoffelscheiben angestellt. Nachdem er aus einer Reincultur auf Agar übertragen und zwei oder mehr Wochen dem Wachsthum überlassen worden war, wurde die Kartoffel untersucht. Viele Stärkekörner zeigten. Corrosionen von A. filiformis und A. discoideus. (Fig. 14, 15 und 16.) Aehnliche später angelegte Culturen ergaben stets das gleiche Resultat. Ein anderer der Pilze, der auf den Plattenculturen isolirt wurde, erwies sich als ein unbe- kannter, unbestimmbarer Hyphomycet, der kein weiteres Interesse bietet, ausgenommen die Thatsache, dass er die charakteristischen Corrosionserscheinungen des A. discoideus hervorrief. Fig. 16 zeigt breite, scheitelförmige Corrosionen und seichte Vertiefungen, wie sie für A. discoideus besprochen und von Roze in Fig. 8 abgebildet wurden. In Fig. 17 und 18 sind andere Arten von Corrosionen wieder- gegeben. Wie in dem Falle von A. ramulosus, so sind auch hier zweifel- los die Corrosionen, die durch das Plasmodium von A. filiformis und A. discoideus verursacht sein sollen, durch Pilzhyphen zu Stande ge- kommen und Roze selbst würde sicherlich zu dem gleichen Schluss gekommen sein, wenn er sich auch die einzelnen Pilze durch Rein- eulturen isolirt hätte, Im Folgenden sollen die Species A. lichenoides und A. vittiformis betrachtet werden, obgleich meine Resultate mit denselben zufällig nicht ganz so zufriedenstellend waren, wie mit den tiefeindringenden Formen. 296 Seichte Oberflächencorrosionen, die in mikroskopischen Culturen stattfanden, unmittelbar unter dem corrodirenden Organismus zu sehen, wäre natürlich schwierig, wenn nicht unmöglich, und da in den van Tieghem-Zellen nichts beobachtet werden konnte, so war ich ge- zwungen, Versuche mit Kartoffelscheibentuben anzustellen. Um zu einem sicheren Resultate zu gelangen, wurden eine grosse Anzahl Parallelversuche angestellt und ein Schluss wurde erst gemacht als alle Resultate aus den einzelnen Versuchen vollständig überein- stimmten, Das Material für A. vittiformis fand ich nur einmal in grösserer Menge; die Corrosionen rührten damals von oberflächlich aufgelagerten Hyphen her. Spuren eines Plasmodiums konnte ich jedoch nicht wahrnehmen. In einer Reincultur auf Kartoffelscheiben jedoch er- zeugte derselbe Pilz, welcher die grubenförmigen Vertiefungen ver- ursachte, die in Fig. 16 gezeigt sind, auch die langgestreckten Üorro- sionen, die in Fig. 20 abgebildet sind. Diese aber waren nur als ganz geringe Eindrücke auf der Aussenseite des Stärkekorns zu be- merken, wie sie auch Roze in Fig. 3, 4 und 5 angibt. Die dabei auftretende röthlich-violette Farbe ist jedoch nicht dem Pilze eigen, sondern rührt von Verletzungen her, wie sie durch Corrosion oder durch Abreiben zu Stande kommen, seien nun diese innerlich oder äusserlich. Die zwei Arten von Corrosionen, die Roze in Fig. 3 wiedergibt und von denen er schreibt, dass sie zwei verschiedene Stadien in der Entwickelung des Plasmodiums darstellen, sind gleich denen von Fig. 16 und 20 (ohne Rücksicht auf die gestreifte Ver- tiefung bei Fig. 16). A. lichenoides konnte ich aus den Zeichnungen von Roze erst dann erkennen, als ich einige typische Erscheinungen der Species an einer der europäischen Exsiecaten gesehen hatte. Diese Körner zeigten nicht die körnige Oberfläche, wie sie Roze in Fig. 1 und 2 zeigt, sondern nur Corrosionen, die denen von Fig. 16 ähnlich waren, jedoch grösser und von unregelmässigen Umrissen. Diese Erscheinung wurde durch die corrodirende Thätigkeit der Oospora asperula Sac- cardo verursacht, nachdem sie einige Zeit in einem Tubus mit Kartoffelscheiben gewachsen war. (Fig. 19 zeigt ein Stärkekorn aus einer solchen Cultur.) Unzweifelhaft sind es andere Pilze, die die Oberfläche der Stärke in dieser Weise corrodiren konnten. Sicher ist, dass die verschiedenen Erscheinungen, die durch die Arten von Amylotrogus auf Kartoffel- stärkekörnern hervorgerufen werden sollen, von Pilzhyphen und wahr- 297 scheinlich nur von diesen erzeugt werden können, wenn nicht das Vorhandensein und die Thätigkeit von Amylotrogus Plasmodien end- giltig nachgewiesen werden kann. Die folgenden Pilze, die von faulenden Kartoffeln genommen und isolirt worden waren, wuchsen leicht in Reinculturen auf Agar und erzeugten ebenfalls Corrosionen an Stärke. Stysanus stemonitis corrodirte Stärkekörner in sehr eigenthüm- licher Weise, wenn man ihn in Tuben mit Kartoffelscheiben zog. Die Corrosionen waren feiner und bedeutend melır verzweigt, als die von Trichocladium und ÜChaetomium und zeigten selten hervorragende Hyphen (Fig. 21, 22 und 23). Eine Art von Fusarium verursachte Corrosionen, die in Fig. 24, 25 und 26 abgebildet sind, bei denen Pilzfäden oft in den Vertiefungen wahrgenommen werden konnten. Eine der merkwürdigsten Arten von Corrosionen ist die eines Coromium (Fig. 27), Der Pilz hat auf das Stärkekorn eine auf- lösende Wirkung ausgeübt, welche sich nahezu auf die ganze Öber- fläche gleichmässig ausdehnte und die Stärke einer Kartoffelscheibe im Laufe eines Monats vollständig verschwinden liess. Die in Fig. 27 abgebildeten Körner wurden 19 Tage nach der Uebertragung des Pilzes auf die Kartoffel gezeichnet. Fig. 28—30 zeigen die Ein- wirkung von Bacterien (wahrscheinlich des Kartoffelbacillus) auf Stärke. Diese gleichen den Abbildungen von Reinke?’) durchaus nicht. Zuerst beobachtete ich die Corrosionen in einer unreinen Cultur auf Agar und an Stärkekörnern in einer van Tieghem- Zelle. Eine auffallende Erscheinung dabei war, dass die Bacterien auf dem Agar hier und da in kleinen Kolonien auftraten. Diejenigen, die um die Stärkekörner gelagert waren, vermehrten sich schneller und zwar auf Kosten der Stärke. Dabei begann aber statt einer Corrosion der ganzen Oberfläche, wie es hätte erwartet werden sollen, die Auflösung an einem oder mehreren Punkten und dehnte sich auf das Innere aus, indem sie eine tassenförmige Höhlung bildete. Die Stärkekörner von Fig. 28 und 29 waren in dem Agar eingebettet. Das Korn in Fig. 30 war aus einem Kartoffelscheibentubus genommen, in welchem nach Verlauf von drei Wochen eine Reincultur des Bacillus angelegt worden war. Erklärung der Tafeln. Die Corrosioneun erstrecken sich im Allgemeinen in das Innere der Stärke- körner, wenn nichts anderes bemerkt ist. i) loc. eit,, auch Reinke’s Lehrbuch S. 71. 298 Fig. Tafel XI. 1. Corrodirtes Stärkekorn, welches später den Ausgangspunkt für eine Hyphe bildet. 2. Wachsthum des Pilzes nach 12 Stunden. 3, 4 und 5. Corrodirte Stärke mit dem Wachsthum des Pilzes nach 18 und 26 Stunden, 6. Infieirtes Stärkekorn, bevor es mit gesunden in eine van Tieghem- Zeile gesetzt wurde. 7. Dasselbe nach 18 Stunden. 8. Dasselbe nach zwei Tagen. Fünf Hyphen sind sichtbar, von denen zwei mit ihren Verzweigungen in gesunde Stärkekörner eindringen. Die beiden scheibenförmigen Vertiefungen und die Rosette sind für Amylotrogus ramulosus charakteristisch, 9. Dieselben nach 23/, Tagen. 10 und 11. Weiter vorgeschrittene Stadien. A. ramulosus-ähnliche Corro- sionen treten auf, Das ursprüngliche Korn ist nahezu mit Hyphen er- füllt, (Fig. 10 nach 33/, Tagen; Fig. 11 nach 7 Tagen.) 12 und 13. Corrosionen durch Hyphen von Triehocladium asperum aus einem Kartoffelscheibentubus, 14 und 15. Keimende Sporen von Triehocladium asperum, welche Corrosionen wie Amylotrogus ramulosus hervorrufen. (Aus einer Reincultur in einer van Tieghem-Zelle. 16. Corrodirtes Korn aus einem Originalpräparat des A. ramulosus von Roze. Tafel XIL 1 und 2. A. ramulosus-ähnliche Corrosionen von Chaetomium sp. aus einer Reincultur des Pilzes in einer van Tieghem-Zelle herrührend. 3, 4, 5 und 6. Stadien von vier aufeinanderfolgenden Tagen mit der Ent- wickelung der Corrosionen von Chaetomium sp. 7. Corrosionen, wie von Amylotrogus filiformis. Aus der Reincultur eines Oospora-ähnlichen Hyphomyceten in mit Stärkekörner gemischtem Agar. 8. Weitere Corrosion desselben Pilzes. 9 und 10. Zwei Stadien der Corrosion desselben Pilzes 10 Tage später. Fig. 10 zeigt die gestreiften und gewellten Kanäle, die für Amylotrogus discoideus charakteristisch sind. 11 und 12, Corrosionen desselben Pilzes aus einem Gemisch von Agar und Stärkekörnern. 13, 14 und 15. Der gleiche Pilz auf Stärkekörnern aus einer Reineultur in einem Kartoffelscheibentubus. Corrosionen wie von A. filiformis und A. discoideus. 16. Corrosionen wie von A, discoideus durch einen unbekannten Hypho- myceten hervorgebracht. Aus einer Reincultur in einem Kartoffel- scheibentubus, 17 und 18. Andere Corrosionen desselben Pilzes. 19. Seichte Oberflächencorrosionen wie von Amylotrogus lichenoides durch Oospora asperula Sacc. Aus einem Kartoffelscheibentubus. 20. Corrosion desselben Pilzes, die dem Amylotrogus vittiformis ähnlich ist. 21, 22 und 23. Corrosionen von Stysanus stemonitis. 24, 25 und 26. Corrosionen von einem Fusarium, 27. Oberfächen-Corrosionen durch Coremium sp. Nach 19 Tagen. 28 und 29. Corrosionen durch Bacterien an Stärkekörnern, die in Agar ein- gebettet waren. 30. Stärkekorn aus einem Kartoffelscheibentubus, in welchem die Bacterien drei Wochen lang gewachsen waren. Das neue botanische Institut im Garten zu Peradeniya auf Ceylon. Von K. Giesenhagen, München. Die Botanik gehört zu denjenigen Wissenschaften, für welche Forschungsreisen ein unabweisbares Bedürfniss bilden. Waren es ur- sprünglich nur Fragen der reinen Systematik, welche durch Besuche der Botaniker in fernen Ländern ihre Förderung fanden, so kamen seit Humboldt’s Reisen pflanzengeographische Probleme hinzu und in der neueren Zeit sind auch morphologische, biologische und phyrio- logische Fragen-in Menge aufgetaucht, die ihre Lösung nur fern von Europa in anderen Himmelsstrichen finden können. Besonders ist es die üppige Vegetation der tropischen Gebiete, welche in reicher Fülle Fragen der genannten Art zur Lösung darbietet. Der Pflanzenphysiologe und Biologe bedürfen aber für ihre Ar- beiten eines umfangreicheren Apparates als der Systematiker und der Pflanzengeograph, die draussen nur das Material einsammeln, um es daheim zu verarbeiten. Gelegenheit zu mikroskopischen Arbeiten und zu Experimenten im Freien und im geschlossenen Raum müssen mit den dazu nöthigen Apparaten und Instrumenten an Ort und Stelle vorhanden sein. Nicht minder sind Sammlungen und eine Bibliothek, welche die wichtigste botanische Litteratur umfasst, kaum entbehrliche Hilfsmittel bei derartigen Arbeiten. Mit Rücksicht auf die Bedürf- nisse der Pflanzenphysiologen und Biologen haben die botanischen Gärten in den Tropen, so weit sie Gelegenheit zu wissenschaftlichen Arbeiten darbieten, in der neueren Zeit eine besondere Bedeutung für die Wissenschaft erlangt. Obenan steht der botanische Garten in Buitenzorg auf Java mit seinen zahlreichen Laboratorien und um- fänglichen Sammlungen, welcher jedem fremden Botaniker gastlich seine Pforten öffnet. Man kann in Hinblick auf die Zahl und Aus- dehnung der mit dem buitenzorger Garten verbundenen Institute, auf die Zahl der wissenschaftlichen Hilfsarbeiter und auf die für den Be- trieb verfügbaren Mittel den botanischen Garten in Buitenzorg gerade- zu als das erste botanische Institut der Welt bezeichnen. In den englischen Kolonien sind die botanischen Gärten seltsamer Weise meistens so gering dotirt, dass auch tüchtige Leiter aus ihnen nichts mehr machen konnten als Ziergärten mit einzelnen botanischen Rari- 300 täten für das breite Publikum, und es ist gewiss ein Zeichen von grosser Energie, wenn einzelne englische Botaniker in den Tropen wenigstens auf dem Gebiete der Floristik beachtenswerthe Leistungen aufweisen konnten. Es ist deshalb wohl mit Freuden zu begrüssen, wenn gegenüber der traditionellen Auffassung der botanischen Gärten in den englischen Kolonien als Pleasure grounds mit wissenschaftlicher Verbrämung wenigstens an einzelnen Stellen die wissenschaftliche Bestimmung dieser Institute mehr in den Vordergrund gestellt wird, wie es neuer- dings bei dem botanischen Garten in Peradeniya auf Ceylon durch die Erbauung eines Institutes für ernste wissenschaftliche Arbeit in allen Zweigen der Botanik geschehen ist. Als der Erste, der in dem neugeschaffenen Institut mit wissen- schaftlichen Dingen beschäftigt war, übernehme ich gerne die geringe Mühe, den deutschen Botanikern die neue Arbeitsgelegenheit zu schil- dern, um so mehr, als ich damit einen Wunsch des Herrn Direktor Willis erfülle, dem ich für freundliches Entgegenkommen und liebenswürdige Gastfreundschaft zu herzlichem Danke verpflichtet bin. Der botanische Garten von Peradeniya ist durch die aus ihm hervorgegangenen systematischen Arbeiten von Gardner, Thwaites und Trimen bekannt und ist auch früher schon hin und wieder von deutschen Botanikern besucht worden. In den letzten Jahren haben Haberlandt und Goebel dort geweilt und der erstere hat in seinem bekannten Buche „Eine botanische Tropenreise* auf die Bedeutung und Schönheit dieses Tropengartens hingewiesen. Die Geschichte des Gartens reicht bis in das erste Jahrzehnt des verflossenen Jahrhunderts zurück; 1821 wurde er an den Platz in der Nähe der alten Königsstadt Kandy verlegt, an dem er sich noch heute befindet. Von Colombo aus erreicht man Kandy durch eine mehrstündige Eisenbahnfahrt, welche reich ist an schönen Ausblicken in die herr- liche Alpenlandschaft. Der Schienenstrang windet sich allmählich an- steigend durch Kurven und Tunnel, an steilen Felswänden und unter überhängenden Klippen empor bis zu dem Hochthal des Mahaweli ganga, des Hauptflusses Ceylons. Kandy liegt etwa 450m über dem Meere in einem rings von grünen Höhen umschlossenen Seiten- thal dieses Flusslaufes. Der Ort selbst, der von den Bewohnern des heissen Colombos als Sommerfrische geschätzt wird und besonders in der trockenen Jahreszeit einen starken Fremdenbesuch aufweist, hat mehrere Hötels grösseren Stils mit allem europäischen Comfort. Von 301 ‘Kandy aus erreicht man den Garten von Peradeniya mit einem Wagen längs der gut gehaltenen mit schattenspendenden Pithecolobiumbäumen bepflanzten Chaussee in einer halben Stunde. Man kann auch die Eisenbahn zur Fahrt nach Peradeniya benützen und den Weg von der Station bis zum Öarten, etwa einen Kilometer, zu Fuss zurück- legen. Das sanftgewellte Terrain des Gartens bildet ein grosses unregel- mässiges Viereck, welches an drei Seiten von dem Mahaweli ganga umflossen wird, während an der vierten Seite die Chaussee Kandi- Colombo den Garten von den Theefeldern der grossen Peradeniya Estate scheidet. Wie bei allen mir bekannt gewordenen englischen Tropengärten ist auch bei diesem Garten auf die äussere Schönheit der Anlage besonderer Werth gelegt. Wir haben beim ersten An- blick einen Landschaftsgarten im englischen Parkstil vor uns, in dem nur gelegentlich die Etiquetten bei einzelnen Pflanzen von besonderer wissenschaftlicher oder praktischer Bedeutung an den eigentlichen Zweck des Gartens erinnern. Breite glatte Fahrwege von Gebüsch- partien oder Blumenrabatten begleitet, schöne Alleen, gewundene Pfade und schmale dem Terrain angepasste Fusswege sind nach allen Riehtungen hin durch den Garten geführt. Weite Rasenflächen mit einzelnen schönen Bäumen oder Baumgruppen, dichte Gebüsche oder zu Wäldchen vereinigte Laubbäume, Teiche und Felspartien wechseln mit einander ab. Monumente, Gewächshäuser und andere Baulich- keiten sind so plaeirt, dass sie die malerische Wirkung des Gesammt- bildes unterstützen. Die natürliche Sehönheit der Landschaft in der Umgebung des Gartens ist mit zur Erhöhung des Gesammteindruckes herbeigezogen; Ausblicke auf das Flussbeet des Mahaweli ganga auf die mit Baumschlag bedeekten Höhen am jenseitigen Ufer geben an manchen Stellen dem durch gärtnerische Kunst geschaffenen Bilde einen äusserst wirkungsvollen Hintergrund. Aber neben der hohen Schön- heit des Gartens, welche jährlich Tausende von Besuchern anzieht, ist auch der wissenschaftliche Werth der Anlage nicht zu unterschätzen. Das Klima von Peradeniya gestattet den Anbau der meisten Tropen- pflanzen und der Sammeleifer der letzten Direktoren konnte so dem Garten einen Reichthum an Pflanzenarten verschaffen, der von sehr wenigen Tropengärten erreicht oder übertroffen wird. Wir finden, um nur einiges zu erwähnen, eine prächtige Sammlung lebender Farne und Orchideen; Palmen, Pandaneen und Bambusen ver- schiedener Arten sind in herrlichen Exemplaren vertreten. Fast alle wichtigeren tropischen Nutz- und Handelsgewüchse der alten und der Flora 1900. 21 302 neuen Welt haben hier eine Vertretung. Zahlreiche Sträucher, Stauden und krautartige Gewächse sind in einem besonderen Quartier des Gartens in systematischer Ordnung untergebracht. An der Her- stellung einer systematischen Ordnung in dem umfangreichen Arboretum wird seit Jahren gearbeitet. Ein besonderer Abschnitt des Gartens ist als Versuchsfeld für Acelimatisationsversuche reservirt. Auch die mit dem Garten verbundenen Institute, das Museum, das Herbarium und die Bibliothek, tragen einen streng wissenschaftlichen Charakter und bieten nach dem Masse ihrer Reichhaltigkeit gute Hilfsmittel für die wissenschaftlichen Arbeiten, die durch den Direktor und seinen wissenschaftlichen Stab unternommen werden. Die Räume für diese wissenschaftlichen Arbeiten waren aber bis- her äusserst beschränkt und das neuerbaute Laboratorium hat vor allen Dingen den Zweck, diesem Mangel abzuhelfen. Daneben aber sind in dem Neubau auch ausreichende Räume geschaffen, um fremden Besuchern Platz für wissenschaftliche Untersuchungen zu gewähren. Man hat wohl dabei in erster Linie an Studirende der englischen Universitäten gedacht, dass aber auch ein Nichtengländer gastliche Aufnahme findet, habe ich persönlich in der liebenswürdigsten Weise erfahren. Am Fuss des Hügels, auf dem das Museunsgebäude liegt, in unmittelbarer Nähe von Herbarium und Bibliothek, erhebt sich das neue Laboratoriumsgebäude als ein gefälliger Backsteinbau mit rothem Ziegeldach. Die langen Seiten seines rechteckigen Grundplanes sind nach Nord und Süd gelegen. An der westlichen zum Flussufer ge- wendeten Schmalseite ist eine Veranda vorgebaut, über weicher das weit vorspringende Dach von vier Säulen getragen wird. Die nach Norden gerichtete Längsseite ist ungegliedert, um Platz für möglichst viele Fenster mit gutem Mikroskopirlicht zu gewinnen. Die Südseite wird durch zwei Glasthüren unterbrochen, zu denen einige Steinstufen emporführen. An der östlichen Schmalseite ist zwischen den ausge- bauten Ecken ein logenartiger Vorraum frei geblieben, dessen Decke von einer Säule gestützt ist und zu dessen in der Höhe der Zimmer- böden liegendem, gementirtem Flur steinerne Stufen emporführen. Von dieser Vorhalle aus gelangt man durch eine der im Hintergrunde der- selben befindlichen beiden Glasthüren in das Innere des Hauses. Durch die Gliederung der Seiten bildet das Gebäude trotz seines ein- fachen Grundplanes mit seinen weissen Wänden und den blinkenden Fenstern unter dem vorspringenden Ziegeldach einen neuen Schmuck für den Theil des Gartens, in dem es gelegen ist. 308 Die Raumvertheilung im Innern ist sehr einfach und zweckent- sprechend. Durch eine von Thüren unterbrochene Längswand, welche in der Mitte des IHauses von dem Vorraum der Ostseite bie zur Veranda hindurchgeführt ist, wird der Innenraum in zwei gleiche Theile zeriegt. Die südliche Hälfte ist in drei Zimmer getheilt, welche von der Veranda angefangen, das Bureau des Direktors, ein Lalioratorium für angewandte Botanik und ein chemisches Laboratorium bilden. Die ausgebaute Südostecke neben dem Verraum enthält ein kleines Dunkelzimmer für photographische Zwecke, welches durch eine Thür mit dem chemischen Laboratorium in Verbindung steht. In der nördlichen Hälfte des Gebäudes liegt neben der Veranda der grosse Mikroskopirsaal mit vier Nordfenstern und nach Osten zu das physiologische Laboratorium. Die Vorhalle zwischen den ausgebauten Ecken bietet Platz für chemische Arbeiten, welche wegen der Ent- wicklung übler Gerüche oder schädlicher Gase nicht im allgemeinen Laboratorium vorgenommen werden können. Alle Räume stehen mit einander durch Thüren in Verbindung. Sie sind gut ventilirtt und ausreichend mit fliessendem Wasser ver- sehen. Zum Erhitzen und Kochen werden Spiritusflammen und Petroleumkochöfen benutzt. Schränke mit Apparaten, Glassachen und Chemikalien, gute feste Mikroskopir- und Experimentirtische, einfache Schreibtische nebst den nöthigen Sitzgelegenheiten vervollständigen die innere Ausstattung der Arbeitsräume. Arbeitsmaterial bietet der Garten in Hülle und Fülle. Ausser- dem sind am Garten einige singhalesische Sammler angestellt, welche die einheimische Flora genügend kennen, um auch von ausserhalb des Gartens erwünschtes Material beschaffen zu können, Für einen botanischen Tropengarten, der Arbeitsplatz für euro- päische Botaniker bietet, ist es schliesslich von Wichtigkeit, dass auch ausserhalb des Gartens Gelegenheit gegeben ist, die Tropenvegetation in ihren auffälligsten Formen zu studiren. Auch in dieser Beziehung ist der Garten von Peradeniya günstig situirt. Abgesehen davon, dass über der Insel zerstreut mehrere Filialgärten existiren (Hena- ratgoda, Hakgala, Badulla, Anuradhapura), in denen der Pflanzenbe- stand nach der speciellen Aufgabe des Gartens und nach den klima- tischen Verhältnissen verschieden ist, bietet sich Gelegenheit, eine grosse Zahl tropischer Culturpflanzen auf den ausgedehnten Pflanzungen kennen zu lernen. Ohne grosse Schwierigkeiten können Ausflüge zu den Urwald bedeckten Hochebenen und Berghängen des Centralge- birges und in das Gebiet des Patanas, der ceylonischen Grasfluren 21* 304 unternommen werden. Die über den Kamm des Centralgebirges bis zu dem Ostabhang geführte Bahnlinie gestattet dem Reisenden ohne Anstrengungen hochgelegene Punkte zu erreichen, an denen sich zu biologischen Beobachtungen über die Vegetation die reichste Gelegen- heit bietet. Auch in der nächsten Umgebung von Peradeniya sind einige Urwaldcomplexe, welche durch Tagestouren erreicht werden können, und in unmittelbarer Nachbarschaft des Gartens ist im Maha- weli ganga der berühmte Standort der Podostemaceen, für jeden Botaniker ein Anziehungspunkt ersten Ranges. Es ist nicht allein das Vorkommen von sieben Arten aus dieser eigenthümlichen und s0 hoch interessanten Pflanzengruppe, welches dem Platz seine An- ziehungskraft verleiht. Auch die Vegetation der kleinen Wasser- tümpel und Lachen in dem felsigen Flussbette und die Vegetation des Uferrandes sind höchst eigenartig und in gleicher Weise durch ihre Beziehung zu der Formation und zu den klimatischen Verhältnissen des Platzes bemerkenswerth. Für diejenigen, welche die Absicht haben, von der neuen Ge- legenheit, die tropische Vegetation an Ort und Stelle zu studiren, Gebrauch zu machen, werden einige praktische Angaben von Nutzen sein. Vorläufig existirt in Peradeniya keine Gelegenheit zur Unter- kunft für Fremde. Man muss also im Hötel in Kandy wohnen. Von dort aus kann man regelmässig nach dem Morgenkaffee kurz nach sieben Uhr mit dem Zuge nach Peradeniya fahren. Die Fahrzeit beträgt etwa acht Minuten. Der Weg von der Station bis zum Labo- ratorium nimmt kaum viel mehr Zeit in Anspruch, so dass man spätestens um acht Uhr die Arbeit aufnehmen kann. Versorgt man sich vor der Ausfahrt von Kandy im Hötel mit etwas Essbarem, das für das 11 Uhr-Frühstück ausreicht, so kann man den ganzen Tag über draussen bleiben und gegen '/47 Uhr Abends zur Hauptmahlzeit nach Kandy ins Hötel zurückkehren. Man hat bei dieser Zeitein- theilung, wenn man eine Frühstückspause von 1’/, Stunden und etwa noch eine halbe Stunde für einen 4 Uhr-Thee abrechnet, acht Ar- beitsstunden, von denen man die ersten und letzten im Freien zu- bringen kann, während die heissen Tagesstunden für die Laborato- riumsarbeiten verwendet werden können. Für mich war diese Zeit- und Arbeitseintheilung auch in den heissen Tagen des Monats März nicht zu anstrengend. Selbstverständ- lich kann man sich nach Geschmack und Bedürfniss auch anders ein- richten. Es verkehren zwischen Kandy und Peradeniya in der Zeit von morgens 7 Uhr bis abends 7 Uhr sechs Züge in jeder Richtung. 305 Und wer den Weg von und nach Kandy auf der gutgehaltenen und schattigen Chaussee mit dem Rad zurücklegen will, kann sich Arbeitszeit und Mahlzeiten ganz nach Belieben eintheilen. Voraus- sichtlich wird aber schon in der nächsten Zeit eine grosse Frleich- terung für fremde Besucher dadurch geschaffen werden, dass in Per«- deniya selbst ein Resthouse eingerichtet wird. Man wird dadurch die frühen Morgenstunden gleich nach Sonnenaufgang für die Gänge im Garten und für Beobachtungen im Freien gewinnen. Ein bedeutender Vorzug, durch den sich der Garten von Pera- deniya den europäischen Botanikern zum Besuche empfiehlt, ist der, dass die Reise nach Ceylon einen verhältnissmässig geringen Auf- wand an Zeit und Geld erfordert. Da die Seereise von Genua nach Colombo nur 17 Tage dauert, so würden von drei Ferienmonaten fast acht Wochen zum Aufenthalt in Ceylon zur Verfügung stehen, eine Zeit, die zum lohnenden Besuch der botanischen Anstalten und zur Bereisung der botanisch interessanten Punkte der Insel vollkommen ausreicht, Man kann auf den Schnelldampfern des Norddeutschen Lloyd sehr gut in der zweiten Kajüte reisen; Verpflegung und Com- fort lassen nichts zu wünschen. Ein Retourbillet von Genua nach Colombo kostet dann 950 Mark. Als Durchschnittssumme für die nach den individuellen Bedürfnissen schwankenden Ausgaben für Ge- tränke und Trinkgelder an Bord und bei den kurzen Aufenthalten in den Unterwegshäfen mögen rund 100 Mark gerechnet werden. In den Hötels auf Ceylon beträgt der tägliche Pensionspreis für volle Verpflegung mit Ausschluss des Tafelgetränkes 7—8 Rupien, d. i. im Durchschnitt etwa 10 Mark. Für einen Aufenthalt von 50 Tagen würden also 500 Mark zu rechnen sein. Setzt man etwa ebensoviel für Getränke, für Bahn- und Wagenreisen, für Wäscher- und Kuli- lohn, Trinkgelder u. s. w. in Rechnung, so kommt die ganze drei monatliche Tropenreise auf wenig mehr als 2000 Mark zu stehen. Wer sparsam ist und seine Bedürfnisse einzuschränken versteht, kann noch billiger auskommen, andererseits ist demjenigen, der auf der Reise einen ausgesuchteren Comfort liebt, sowohl auf den Schiffen, als in den Hötels in Colombo und Kandy Gelegenheit geboten, für entsprechend höhere Kosten nach seinen Wünschen bedient zu werden. Eine Ausrüstung mit eigentlichen Tropenanzügen ist für einen kurzen Aufenthalt in Ceylon nicht nöthig. Ganz leichte helle Sommer- kleider, wie sie bei uns im Hochsommer in Bädern und beim Tennis- spiel vielfach jetzt getragen werden, genügen vollkommen und haben vor den leinenen Tropenanzügen den Vorzug, dass sie nicht jeden 806 Tag gewaschen werden müssen. Für die Hauptmahlzeit am Abend ist nach Landessitte ein schwarzer Anzug mit Smoking oder Frack erforderlich. Wer in das Gebirge hinaufgehen will, versäume nicht, sich mit wärmeren Kleidern zu versehen. Ich konnte selbst in dem warmen Monat März im Resthouse auf Horton plains und im Hötel zu Nuwara Eliya abends nach der Rückkehr von der Excursion ein tüchtiges Kaminfeuer sehr gut vertragen. Einziges Tropenaus- rüstungsstück, das man nicht entbehren kann, ist ein Tropenhut, den man unterwegs oder in Colombo einkaufen kann, Das Klima von Peradeniya ist das ganze Jahr hindurch für den Mitteleuropäer ganz erträglich; die Durchschnittstemperatur schwankt in ziemlich engen Grenzen. März und April sind die heissesten, Januar und Juni die wenigst heissen Monate. Wer unabhängig ist, wird am besten den Winter über zwischen Oktober und März nach Ceylon reisen, Indessen sind auch die Monate der Herbstferien an unsern Universitäten ganz gut zu einem Besuche in Peradeniya ge- eignet. Man hat dann allerdings die Unbequemlichkeit einer recht heissen Fahrt durch das rothe Meer. Aber mir ist diese Unbequem- lichkeit auch in den heissesten Augusttagen des Jahres 1899 nicht so gross erschienen, dass ich deswegen auf eine 'l'ropenreise hätte verzichten mögen. Die Vorstellungen, die ich mir vorher nach den Erzählungen anderer Reisender von diesem Theil der Seefahrt und von ihrem Einfluss auf das körperliche Behagen gemacht hatte, waren jedenfalls sehr übertrieben. Mögen die Bemühungen des Herrn Direktor John C. Willis, sein neues Institut der wissenschaftlichen Botanik in weitem Umfange nutzbar zu machen, den verdienten Erfolg und allseitige Anerkennung finden. et Litteratur. H. Klebahn. Culturversuche mit Rostpilzen. Jahrb. f. wiss. Botanik, XXXIV, Heft 3, Nachdem durch de Bary’s grundlegende Arbeiten der Wirthswechsel ge- wisser Rostpilze überzeugend dargethan war, hat die Biologie dieser Pilzgruppe für zahlreiche Forscher ein ergiebiges Arbeitsfeld gebildet. Aber trotz der ver- hältnissmässig grossen Zahl von Arbeiten, die auf diesem Gebiete ausgeführt wurden, ist auch heute noch die durch De Bary’s Entdeckung für die Systematik der Gruppe aktiv gewordene Frage, welche der einzelnen Sporengenerationen zu einer heteröcischen Art zusammengebören, erst zum geringsten Theil gelöst. Der Grund dafür ist die Umständlichkeit und Langwierigkeit der Untersuchungsmethode, denn selbstverständlich können nur Infections- und Culturversuche zu gesicherten Resultaten führen. Und welcher Sorgfalt und Aufmerksamkeit diese Versuche bedürfen, wenn sie beweisend sein sollen, das haben wohl die merkwürdigen Forschungsergebnisse gezeigt, mit denen Eriksson vor einigen Jahren die bota- nische Welt überraschte. Um so höher muss das Verdienst Klebahn’s ange- schlagen werden, der seit Jahren mit unverdrossener Mühe seine sorgfältigen Culturversuche mit Rostpilzen fortsetzt und Jahr für Jahr über neue werthvolle Erfahrungen und Ergebnisse berichtet. Die in den Jahrbüchern für wissenschaft- liche Botanik erschienene Arbeit bildet als achter Bericht die Fortsetzung der früheren in der Zeitschrift für Pflanzenkrankheiten veröffentlichten Mittheilungen über „Culturversuche mit heteröcischen Rostpilzen* und schliesst sich inhaltlich eng an dieselben an, Zunächst bringt die Arbeit ausführliche Mittheilung über die Gattung Melamspore, die auch in dem vorjährigen Berichte einen breiteren Raum einnahm, Zu dem Berichtjahre 1899 wurden die Versuche über diese Gattung soweit zum Abschluss gebracht, dass die Biologie der heteröeischen Arten nunmehr besser als in irgend einer verwandten Gattung sich übersehen lässt. Tulasne’s Melampsora tremulae erweist sich als aus drei biologisch wohl getrennten Arten zusammengesetzt, von denen die eine auf Larix, die zweite auf Chelido- nium, die dritte auf Mercurialis ihre Caeomageneration verlebt. Für die acht vom Verfasser unterschiedenen Weidenmelampsoren, von denen die eine als autöeisch erkannt wurde, ist in einem besonderen Abschnitt eine systematische Uebersicht als Abschluss und Resultat der bisherigen Versuche gegeben. Ferner werden Versuche über Thecopsora Padi, Ascidium elatinum, Peridermium Pini, Puoeini- astrum Epilobii, Melampsoridiun betulinum und über eine Reihe von heteröcischen Puceinien mitgetheilt. Bezüglich der Einzelheiten muss auf das Original ver- wiesen werden. Als das allgemeinste Resultat, das sich aus diesen Versuchen ableiten lässt, ist wohl der Satz anzusehen, dass die Specialisirung des Parasitismus eine erblich fixirte Eigenschaft ist, die uns gestattet, Arten von einander zu trennen, zwischen denen morphologische Unterschiede für uns nicht mehr deutlich wahrnehmbar sind. In Anerkennung dieses Satzes 'sollte aber auch für die Systematik die Con- sequenz gezogen werden, dass die biologisch scharf geschiedenen Formen als gleichwerthige Arten nebeneinander zu stellen sind, dass beispielsweise Puccinis 308 Convallariae-Digraphidis Klebahn und Puceinia Paridi-Digraphidis Klebahn gute Arten sind und nicht als Subspecies zu P. Smilacearum Digraphidis Klebahn ge- zogen werden dürfen. Im Interesse der Wissenschaft wäre es dringend zu wünschen, dass dem Verfasser auch in der Zukunft für seine Untersuchungen über die Biologie der Rostpilze Zeit, Mittel und Arbeitsgelegenheit in ausreichendem Masse zur Ver- fügung stünden. Giesenhagen. Meddelanden frän Stockholms Högskolas botaniska institut. Band I 1898, Band II 1899. Die hier zusammengefassten Arbeiten aus dem botanischen Institut der Stock- holmer Universität sind Sonderabdrücke aus verschiedenen schwedischen Zeit- schriften Ihre Zusammenfassung gibt ein Bild für die vielseitige Thätigkeit des Stockholmer botanischen Instituts, Es sind algologische, mykologische, morpholo- gische, anatomische und physiologische Themata, welche behandelt werden. In dankenswerther Weise finden sich bei den Arbeiten entweder deutsche Zusammen- fassungen, oder dieselben sind deutsch (eine auch englisch) abgefasst, während sonst vielfach der Inhalt schwedischer botanischer Arbeiten für Ausländer durch die Sprache schwer zugänglich bleibt, was um so mehr zu bedauern ist, als Schweden seit alter Zeit stets vortreffiiche Botaniker besessen hat. K. 6. Taschenflora des Alpenwanderers, 217 colorirte und 10 schwarze Ab- bildungen von verbreiteten Alpenflanzen, nach der Natur gezeichnet und gemalt von L. Schroeter, mit kurzen botanischen Notizen von Prof. Dr. C. Schroeter. 7. vollständig umgearbeitete und vermehrte Auflage. Zürich, Verlag von Albert Raustein. Preis geb. 6 Mk. Die Zahl der Auflagen zeigt, welchen Anklang die „Taschenflora® gefunden hat. Sie verdient diesen Erfolg durchaus, Die vortrefflichen Abbildungen ver- mitteln auf bequemstem Wege die Kenntniss der verbreitetsten Alpenpflanzen; die kurzen Notizen geben in gedrängter Form eine Menge von Belehrung, nicht nur systematischen, sondern auch biologischen Inhalts. Bei dem Reize, den die alpine Flora auf jeden Naturfreund ausüben muss, wird die verdienstliche „Taschenflora* wohl manchen zur näheren Beschäftigung mit der Pflanzenwelt überhaupt ver- anlassen. K. 6. Veber die Furchung unbefruchteter Eier unter der Einwirkung von Extraktivstoffen aus dem Sperma von Hans Winkler. (8.-A. aus Nachr. der k. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, math.-physik. Klasse, 1900, Heft 2. Die vorliegende Arbeit ist auch von botanischem Interesse, wesshalb hier kurz auf sie hingewiesen werden mag. Der Verf. experimentirte mit Seeigel- Eiern (Sphaerechinus granularis und Arbacia pustulosa). Die Spermatozeen wurden abgetödtet und in destillirtes Wasser gebracht, filtrirt und die Concentration des normalen Seewassers hergestellt. Es ergab sich, dass Eier in dieses Wasser 8% bracht, Furchung zeigten, indess ging die Entwicklung nicht sehr weit. Auch auf andere Weise konnte gezeigt werden, „dass thatsächlich im Sperma verschiedener Seeigel ein Stoff vorhanden ist, der dem Wasser beigemengt, in dem unbefruchtete 309 Eier derselben Species liegen, diese veranlasst, in einige Theilungen einzu- gehen. . Diese Thatsache wird dem Botaniker als eine nicht ganz unerwartete er- scheinen. Wir wissen namentlich aus den Erfahrungen bei der Bastardirung, dass wir bei der Befruchtung zweierlei Vorgänge zu unterscheiden haben: den eigent- lichen, in der Verschmelzung zweier Zeilen bestehenden und damit bestimmte Ver- erbungserscheinungen bedingenden Befruchtungsvorgang und die „anregende* Wirkung, die vom Pollenschlauch ausgeht.1) Beide sind, wie wir wissen, getrennt; die letztere, sich zeigend in der Anschwellung des Fruchtknotens und anderen Ver- änderungen, kann auch ohne die erstere stattfinden. Dass es sich dabei um die Wirkung von vom Pollenschlauch abgegebener Enzyme handelt, ist sehr wahr- scheinlich, Auch für die Einwirkung auf die Eizelle wären dann dieselben zwei Vorgänge zu unterscheiden. Wir wissen, dass bei manchen Bastardirungen die Entwicklung der Eizelle nur bis zu einem unvollständigen Embryo fortschreitet, der dann abstirbt. Hier hätte vielleicht gar keine Befruchtung stattgefunden, sondern der Pollenschlauch hat nur die Anregung zur Weiterentwicklung gegeben durch Vebertritt löslieher Stoffe in die Eizelle, was man früher ja auch für die Befruchtung annahm. Mit anderen Worten, die Eizelle würde sich verhalten wie andere Zellen, deren Weiterentwicklung ganz bestimmte Anstösse voraussetzt, welche diese „aus- lösen“. Dass es sich auch hier um die bestimmten stofflichen Einwirkungen han- delt, ist nach den Erfahrungen der letzten Jahre nicht zu bezweifeln. Die Sporen der untersuchten Laubmoose keimen bekanntlich nur, wenn sie der Einwirkung des Lichtes ausgesetzt sind; man kaun sie aber auch im Dunkeln zur Keimung bringen (wie Ref. gezeigt hat), wenn man sie mit Glykose füttert. Das Licht regt hier also offenbar bestimmte Stoffumsetzungen an, welche die Keimung in Gang setzten; dasselbe kann aber auch auf anderem Wege erreicht werden. Aehn- lich wie das Licht, kann auch höhere Temperatur wirken, Die Eizellen aber würden den Anstoss zur Weiterentwicklung normal durch in den männlichen Ge- schlechtszellen enthaltene „Wuchsenzyme“ erhalten; Anregung zur Entwicklung und Befruchtung wären zu trennen. Es wäre möglich, dass eine weitere Ver- folgung dieser Gesichtspunkte auch auf die Apogamie einiges Licht wirft. Es sei hingewiesen auf die Untersuchungen von Klebs und die von Nathanson be- trefis der Apogamie von Marsilia-Arten, auf zoologischem Gebiete auf die Angabe Loeb’s, dass sich unbefruchtete Eier von Arbaeia furchen und zu normalen Larven entwickeln, wenn man sie 2 Stunden lang der Einwirkung einer MgÜl;- Lösung aussetzt und dann in normales Wasser zurückbringt. Auch dieThatsache, dass in (durch Schütteln erhaltene) kernlose Stücke von Seeigeleiern Sperma- tozoen eindringen und sie zur Weiterentwicklung veranlassen können, dürfte mit auf das Vorhandensein von „Wuchsenzymen“ zurückzuführen sein, nur dass hier der Kern mit eingeführt wird. Diesen aber wird man besonders im Verdacht haben, dass er bei der Bildung dieser Wuchsenzyme in erster Linie betheiligt ist und es ist nicht einzusehen, warum es nicht gelingen sollte, auch kernlose Zellen durch Zuführung bestimmter Stoffe zur Weiterentwicklung zu bringen. K. Goebel. 1) Vgl. Organographie pag. 232. 310 Eingegangene Litteratur. Alberg A., Frost flowers on the windows. The result of the vital energy of plants. Chicago-Fraternal Printing Co. 1899. Artari A., Ueber die Entwicklung der grünen Algen unter Ausschluss der Be- dingungen der Kohlensäure-Assimilation. M. 2 photogr. Aufnahmen, 8.-A. aus Bulletin des Natur. de Moscou. 1895. Nr. I. 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Heft I. 1900. ü Scherffel A., Phaeocystis globosa nov. spec. nebst einigen Betrachtungen über die Phylogenie niederer, insbesondere brauner Organismen. M. 1 Taf. BA. aus Wissenschaftliche Merresuntersuchungen, herausgegeben von der Kommission zur Untersuchung der deutschen Meere in Kiel und der biologischen Anstalt auf Helgoland. Neue Folge. IV.Bd. Abtheilung Helgoland. Heft I. Verl. von Lipsius & Fischer. Leipzig 1900, 312 Schiffner V., Die Hepaticae der Flora von Buitenzorg,. I, Bd. Buchhandlung und Druckerei vorm. E. J. Brill. Leiden 1900. Stahl E., Der Sinn der Mykorrhizenbildung. Mit 2 Textfiguren. $8.-A. aus Jahrb, für wissensch. Bot. Bd. XXXIV, Heft 4. 1900. Tschermak Dr. E,, Ueber künstliche Kreuzung bei Pisum sativum, Wien, Selbstverlag des Verfassers. 1900. Toumey J. W., An inquiry into the came and nature of crowngall. M. 31 Fig. The publications of the university of Arizona Agricultural Experiment Station. Bulletin Nr. 33. 1900. 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FLORA ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. 87. BAND. — JAHRGANG 1900. HERAUSGEBER: Dr. K, GOEBEL Professor der Botanik in München. - v . Heft IV (Schluss des Bandes) mit 5 Tafeln und 120 Textfiguren. - Erschienen am 5. Oktober 1900. Inhalt: GEORGE P. BURNS, Beiträge zur Kenntniss der Stylidiaceen . . . . Seite 313-354 C. van WISSELINGH, Ueber Kerntheilung bei Spirogyra . B . . B n„ 355-377 C. van WISSELINGH, Ueber mehrkernige Spirogyrazellen . FE . n 378 —386 WILHELM BRENNER, Untersuchungen an einigen Fettpflanzen „ 387—439 WW, ARNOLDI, Ueber die Ursachen der Knospenlage der Blätter „440-478 WILHELM RÜSSLER, Beiträge zur Kleistogamie n 479-499 LITTERATUR: Jul, Wiesner, Die Rohstoffe des Pfanzenreiches. _ Dr. Alfred “Fischer, Fixirung, Färbung und Bau”des Protoplasmas . . . . n 50-502 EINGEGANGENE LITTERATUR . 2.0000 „ 502-504 MARBURG. N. 6. RLWERT'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG. 1900. Bemerkung. Das Honorar beträgt 20 Mk. pro Druckbogen, für die Litteraturbesprechungen 30 Mk. Die Mitarbeiter . erhalten 80 Sonderabdrücke kostenfrei. Wird eine grössere Anzahl gewünscht, so werden für Druck und Papier berechnet: Für 10 Exemplare pro Druckbogen Mk. 1.20; pro einfarb. einfache Tafel Mk. —.30 ”. 20 ” n. ” » 2.50 » „ n ” » —.60 n 30 ” » ” ” 3.80 n ” ” a ” #0 ” 40 ” ” ” ” 5.— 5, » ” ” ” 1.20 „ 50 „ » » „650, n » ”» » 150 ” 60 » ” ” ” 8.— , ” ” » ” 2.— ” 70 ’ ” ” » 9.20 „ » ” n ” 2.50 ” 80 Ps » r „ 1050 „ n ” ” Fe Fu „.% „ n „ „ 11.50 „ „ „ „ „3.50 „ 10 „ 13.50 „ ” ” ” „+7 ” r» ” ü Dissertationen und Abhandlungen systematischen Inhalts werden nicht hono- rirt; für solche, die umfangreicher als 4 Bogen sind, werden nur 4 Bogen honorirt ; die Kosten für Abbildungen und Tafeln hat bei Dissertationen der Verfasser zu tragen. Da bei diesen von der Verlagshandlung nur die Herstellungskosten be- rechnet werden, so muss dieselbe Baarzahlung nach Empfang zur Voraussetzung machen. Bei fremdsprachlichen Manuskripten hat der Verfasser die Kosten der Uebersetzung zu tragen. Correoturentschädigungen, die von der Druckerei für nicht verschuldete Correeturen in Anrechnung gebracht werden, fallen dem Ver- fasser zur Last. Die Zahlung der Honorare erfolgt nach Abschluss eines Bandes. Der Bezugspreis eines Bandes beträgt 20 Mark. Jedes Jahr erscheint ein Band im Umfang von mindestens 30 Druckbogen und zahlreichen Tafeln. Nach Bedürfniss schliessen sich an die Jahrgänge Ergänzungsbände an, welche be- sonders berechnet werden. Manuskripte und Litteratur für die „Flora“ sind an den Herausgeber, B Herrn Prof. Dr. Goebel in München, Friedrichstrasse 17/r, zu senden, Cor- recturen an die Druckerei von Val. Höfling, München, Lämmerstrasse 1. Er geschäftlichen Anfragen ete. sind an die unterzeichnete Verlagshandlung zu richten. N. G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung Marburg (Hessen-Nassau). - Beiträge zur Kenntniss der Stylidiaceen. Von George P. Burns. (Hiezu Tafel XI u. XIV und 45 Textfiguren.) Die Familien der Lobeliaceen, Campanulaceen, Goodeniaceen, Stylidiaceen und Cucurbitaceen bilden die Ordnung der Campanulinen. Baillon!) stellte die Stylidiaceen unter dem Namen Phyllachnaceen zu den Campanulaceen und beiEngler-Prantl, Nat. Pflanzenfamilien, führen sie den Namen Candolleaceen nach dem Vorschlag Ferd. v. Müller’s. Die Familie ist klein und ihr Verbreitungsgebiet ist hauptsächlich Australien, Neuseeland und Hinterindien. Eine einzige Art findet sich in Chile ?). Meist sind es Pflanzen von grasartigem Habitus, doch zeigen viele auch ein anderes Aussehen und äusserst verschiedene Grössen- verhältnisse und Lebensdauer. Eine von den kleinsten Arten ist 8. calcaratum R. Br. Diese Pflanze erreicht selten eine Höhe von 10cm. Im Gegensatz hierzu erlangt die einzige kletternde Pflanze der Familie, S. scandens R. Br., meinem Exemplare nach, eine Länge von über einen Meter. Die Grösse der übrigen Stylidiumarten hält zwischen diesen beiden Extremen die Mitte. Während die meisten Stylidiumarten ausdauernd sind, gibt es einige einjährige, wie z. B. $. calearatum R. Br. Bei ausdauernden Arten ist der vegetative Stamm meist reducirt und dicht beblättert, 2. B. $. streptocarpum Sond., $. diversifolium R. Br. u.s. w. Aus ihm erhebt sich der meist laubblattlose Blütenschaft. Bei einigen dagegen, 8. adnatum R. Br., 8. faseieulatum R. Br., wächst der Stamm, zuerst normal, dann stellt er sein Wachsthum ein, und die letzten Internodien bleiben getaucht. Infolge dessen kommt eine büschelige Stellung der oberen Blätter zu Stande. Aus diesem Blattbüschel er- heben sich die Blütenschäfte. In einer späteren Vegetationsperiode werden in den Achseln dieser Blätter Seitenknospen angelegt, welche das Wachsthum wiederholen. Bleiben die Blattreste der jeweiligen so bilden sie um den Knoten eine kleine Vegetationsperiode erhalten, . (Eine gute Abbildung büschelige Verbreiterung, z. B- 8. bulbiferum. 1) Baillon in Hist. des plantes VIE p. 317. 2) Phillipi R. A, Ref. in Just. 1893, p- 139. Flora 1900. 22 814 dieser Pflanze findet sich in Engler-Prantl, Natürl. Pflanzen- familien IV. Theil Ab. 5 p. 80.) In den Achseln der Blattbüschel werden meist mehrere Seiten- knospen angelegt, welche, weil der Vegetationspunkt zur Blüthenbildung aufgebraucht wird, das Wachsthum fortsetzen müssen. Die Axe ist demnach sympodial aufgebaut. Schönland!) gibt für 8. junceeum R. Br. ein sympodiales Rhizom an. Dies habe ich nicht beobachten können, wegen Mangels an Material. Die Blätter weichen bezüglich ihrer Grösse und Gestalt sehr viel von einander ab. Sie sind gewöhnlich grundständig. Am Blüthen- stengel sind die Blätter äusserst redueirt. Einige Arten, S. scariosum DC., 8. junceum R. Br., fallen besonders durch den Mangel an functionsfähigen Blättern auf. Am Grunde der kräftigen Blütenschäfte, die eine Länge von 30cm erreichen, sitzen kleine, nadelförmige Blätt- chen, weche höchstens eine Länge von 3cm erreichen. Ein anderes Extrem zeigt uns $. reduplicatum R. Br. Hier umgeben grasartige Blätter den 35cm langen Blüthenschaft in grosser Zahl und erreichen mit ihm die gleiche Höhe, Die Blüthenstände sind gewöhnlich Trauben, 9. saxifragoides Lindl., 8. graminifolium $w. u. s. w., oder Rispen, S.reduplicatum R. Br., 8. spinulosum R. Br. Es kommen aber auch Dichasien vor, z. B. S. calcaratum R. Br. Die Blüthen sind im Allgemeinen ziemlich klein aber lebhaft gefärbt und vermögen durch ihre Stellung auf einem Blüthenschaft und ihre Zahl als Schauapparat zu wirken, 8. adnatum R. Br. Sind nur wenige Blüthen vorhanden, so sind dieselben meist grösser, wenn wir die Verhältnisse zur Pflanze berücksichtigen, z. B. 8. cal- caratum, Die folgende Arbeit wurde auf Veranlassung von Herrn Prof. Dr. Goebel im Kgl. pflanzenphysiologischen Institut angefertigt. In gütigster Weise wurde mir vop demselben reichliches, von ihm selbst in Australien gesammeltes Alkoholmaterial, welches mir die Arbeit sehr erleichterte, sowie Herbarmaterial zur Verfügung gestellt. Es sei mir gestattet, hiefür, besonders aber für die rege Antheil- nahme und die freundliche Hülfe, welche mir Herr Prof. Dr. Goebel bei meiner Arbeit zu Theil werden liess, meinen verbindlichsten Dank zu sagen. !) Schönland in Nat. Pflanzenfam., IV. Theil, Abth, 5, 1889, p. 80-81. 315 Auch Herrn Prof. Dr. Radikofer bin ich für die Ueberlassung des Herbarmaterials zu Dank verbunden. Ferner möchte ich auch an dieser Stelle Herrn Assistent Dun- zinger danken für die freundliche Unterstützung bei der Anfertigung der Tafel XIV und für seine Hülfe bei der Redaktion des deutschen Textes. Hautgewebe. Das Hautgewebe ist bei den verschiedenen Arten verschieden aus- gebildet. Die Epidermis besteht bei allen Arten aus einer Schicht von Zellen. Dieselbe ist jedoch nicht gleichartig und es zeigen nicht nur die Zellen verschiedener Blattflächen, sondern auch diejenigen einer und der- selben Blattfläche verschiedene Beschaffenheit. Hiefür bietet ein gutes Beispiel Stylidium fasciculatum R. Br. Die Zellen der oberen Epidermis \__/ IR A ae c B Fig. 1. Epidermiszellen eines Blattes von 8. streptocarpum. (' Zellen aus der oberen, A u. B Zellen aus der unteren Epidermis. sind bei dieser Pflanze beinahe quadratisch und unter einander gleich. Bei Betrachtung der Unterseite fällt es zunächst auf, dass die Spalt- öffnungen auf zwei Bändern liegen. Die Zellen dieser Bänder zeigen gewellte Ränder und eigenthümliche ungleichmässige Verdiekungen wie Fig. 1. Zur Begrenzung dieser Spaltöffnungen führenden Gruppen dienen drei aus rechteckigen mit gleichmässig verdiekter Wandung versehenen Zellen gebildete Zellgruppen. Die durch Fig. 1 B illustrirte eigenthümliche Verdiekung der Zellwand kommt bei anderen Stylidium-Arten auch vor, ist aber nicht charakteristisch für die Familie. Dieselbe findet sich auch bei Styli- dium adnatum R. Br., S. amoenum R. Br., $. Brunonianum Benth., 3. pilosum Labill., S. guttatum R. Br., $. spinulosum R. Br., 8. streptocarpum Sond., 8. scandens R. Br. 22* 816 Die Blätter verschiedener Arten, z. B. 8. reduplicatum R. Br., 8. eriopodum DC. u. s. w., zeigen auf dem Querschnitt scheinbar eine mehrschichtige Epidermis, deren Zellen mit sehr starken, verdickten Wänden versehen sind. Fig. 2. Ein Längsschnitt aber lehrt uns, dass auch hier eine nur einschichtige Epidermis vorhanden ist. Die Epidermiszellen sind hier ungewöhnlich hoch und stehen nicht senk- recht, sondern schief zur Blattfläche, so dass man auf dem Querschnitt die Lumina mehrerer neben einander stehender Zellen trifft, welche nun scheinbar übereinander liegen. Fig. 3. Eine derartige Schief- stellung der Epidermiszellen findet sich jedoch nur auf der Blattspreite, wo man eine solche überhaupt unterscheiden kann, und auch hier ist die Erscheinung localisirt auf bandförmige Gruppen, zwischen welchen zwei bis vier Gruppen von Zellen mit gewöhnlicher Lagerung sich befinden, und wo auch die Spaltöffnungen liegen. SOO2OACO, BLOESTLOSELID EEE ESS Fig.2. Querschnitt durch das Blatt von 8. eriopodum. Das Mesophyli ist nicht gezeichnet. S Siebröhren, G Gefässe, Diese schief zur Blattfläche verlaufenden Epidermiszellen sind von sehr verschiedener Grösse, und, während sie bei 8. junceum R. Br. mehr isodiametrisch sind und auf dem Längssehnitt die Gestalt eines Rhombus mit verhältnissmässig geringer Längenverschiedenheit der Diagonalen aufweisen, zeigen die von $, eriopodum DC., 8. pilo- sum Sond. u. s. w. eine mehr faserähnliche Gestalt und ihr Längs- schnitt könnte als ein Rhombus aufgefasst werden, dessen eine Diagonale, ca. 40 mal, so lang ist wie die andere, Ihre Länge beträgt oft 2mm. Fig. 4. Die Blattzähne, welche Bentham als systematisches Merkmal braucht, sind nichts anderes als die hervorragenden Spitzen dieser 317 Epidermiszellen. Derartige hervorragende Zellen kommen nicht nur an dem Blattrand vor, sondern man findet sie auch auf der ganzen Blattoberfläche, z. B. S. scariosum DC. Zwischen den Epidermiszellen befinden sich typische Hoftüpfel, welche am schönsten bei 9. streptocarpum Sond. zu sehen sind, wo sie nicht nur bei den schiefliegenden Zellen, sondern auch bei gerade- stehenden Epidermiszellen sich finden (Fig. 6). Alle Uebergangs- formen zwischen einfachen Tüpfeln und ganz typischen Hoftüpfeln waren zu beobachten. Hoftüpfel zwischen Epidermiszellen waren bei 8. streptocarpum Sond., 8. fasciculatum R. Br., 8. eriopodum DC., amoenum R. Br., 8. lineare Sw., 8. guttatum R. Br., 8. scandens R. Br. zu beobachten. Auch einige Niederblätter, z. B. von 8. rhyncho- earpuın Sond., zeigen die schiefstehenden Epidermis- zellen, während die meisten nur gewöhnliche Epidermis- zellen besitzen. Die Entwickelungsgeschichte der Blätter lehrt uns, dass diese Erscheinung der schiefgestellten Epidermis- zellen durch das starke Spitzenwachsthum der jungen Zellen zu Stande kommt. Der Vegetationspunkt ist von einer Hülle steifer Haare umgeben. Das sind die Spitzen der jungen Blätter. Diese Spitzen erreichen sehr frühzeitig ihre definitive Grösse und ihre Zellen verlieren sehr bald den Inhalt. Bei 9. saxifragoides Lindl., 8. bieolor Lindl, u. s. w. sind diese haarförmigen Blattspitzen besonders auffällig. Man sieht sie mit Fig. 3. Länge- unbewaffnetem A Is ein I cm langes weisses “nit durch den uge als ı 8 oberen Theil der Haar. Deswegen gibt Lindley den Namen. ciliatum gjätter von 8. e statt 9. saxifragoides. saxifragoides. Später sieht man auf der Blattspreite vier Reihen Das Mesophyli ist von Zellen, bei welchen kein Spitzenwachsthum statt- nicht gezeichnet. findet. Zwischen diesen liegen die jungen Spaltöffnungen (Fig. I. Dieses Wachsthum findet nur in jungen Stadien statt, wesshalb bei einem alten Blatte die Haarspitzen nicht länger sind als bei einem ziemlich jungen. Gewöhnlich wachsen die Zellen gleichmässig schnell und auf diese Weise kommt eine glatte Oberfläche zu Stande; allein in anderen Fällen eilen einige Zellen im Wachsthum voraus und ragen dann über die Oberfläche hervor. Bei einigen findet dies "ur am Rande statt, z. B. $. graminifolium Sw., bei anderen, wie 318 z. B. 8. scariosum DC., auf der ganzen Blattoberfläche, und dadurch wird die rauhe Beschaffenheit der Blätter verursacht. Bei 8. carnosum Benth. zeigen nur die Zellen des Blattrandes Spitzenwachsthum, und dadurch wird die Wellung desselben verursacht. Die Schiefstellung der Epidermiszellen findet sich nicht bei allen Arten der Familie, sie kommt aber bei vielen Arten vor, was bei der Besprechung der Blätter näher er- örtert werden soll. In allen Fällen gaben die verdickten Zellwände, abgesehen von der Cuticula, eine Cellulosereaction. Dieses eigenthümliche Wachsthum des Blattes und seiner Epidermiszellen ist in biologischer Hinsicht für die Pflanzen äusserst wichtig. Die Blattspitzen dienen dem jugend- p lichen Vegetationspunkt als Schutz, zumal sie B nicht gerade wachsen, sondern hin- und her- gebogen gegenseitig fest miteinander ver- woben sind und ausserdem eine Menge Schleim absondernder Haare einschliessen. Durch ’ die Schiefstellung der Epidermiszellen wird derselbe Zweck erreicht wie durch eine mehrschichtige Epidermis, und bedenkt man, dass diese ganze Zell- lage bedeckt ist von einer Cuticula, so müssen wir darin eine vorzüg- liche Einrichtung gegen Vertrocknung erblicken. Die starke Ver- dickung der Zellwände und die mehrfache Uebereinanderlagerung & bildet zugleich ein kräftiges mecha- SET) nisches Gerüst. Die Hoftüpfel, welche SO sich zwischen den Epidermiszellen be- B finden, lassen ausserdem den Schluss Sm zu, dass sich in ihnen ein lebhafter Fig. 5. Epidermiszellen von $, 1 nspirationsetrom bewegt, weil diese violaceum. A Querschnitt, BLängs- 1° üpfel bis jetzt nur im Wasserleit- schnitt, ungsgewebe, an Tracheen und Trachei- . den, bekannt sind. Die Spaltöffnungen haben sehr verschiedene Stellung. Bald finden sie sich nur auf einer Seite, welche entweder die morphologische Unterseite ist, oder sie stehen auf der Oberseite, welche durch Drehung des ganzen Blattes zur Unterseite wird. In den meisten Fällen jedoch Fig. 4. Isolirte Epidermis- zellen. A von S. eriopodum B von 8. saxifragoides. 319 sind beide Seiten der Blätter mit Spaltöffnungen versehen, insbesondere bei jenen Arten, die nadelförmige Blätter besitzen, wie z. B. S. lineatum Sond., 8. saxifragoides Lindl., 8. bicolor Lindl., 8. striatum Lindl., S. leptostachyum Lindl., 8. laricifolium Lindl., 8. debile J. Muell., 8. luteum R. Br., 8. soboliferum J. Muell., 8. calearatum R. Br., S. graminifolium Sw., 8. petiolare Sond., S. eglandulosum J. M., 8. pubigerum Sond., 8. leptophyllum DC., 8. Lehmannianum Sond., 8. dichotomum DC., 8. Brunonianum Benth., 8. repens R. Br., 8. Thesioides DC., S. breviscapım R. Br., 8. squamellosum DGC., 8. diurioides Lindl. By Fig. 6. Querschnitt durch den Hoftüpfel einer Fig. 7. Drei Stadien inder Epidermiszelle von 8. streptocarpum. Entwickelungsgeschichte des Blattes von 8. saxi- fragoides. Die Spaltöff- nungen führenden Theile sind schraffirt. Spaltöffnungen auf einer Seite waren bei sieben Arten vorhanden, $. pilosum Labill., 8. reduplicatum R. Br., $. amoenum R. Br., 8. lepidum J. v. Muell., $, scariosum R, Br., $. junceum R. Br., 8. spinulosum R. Br. Bei den meisten Arten, nämlich bei jenen, welche die eigenthüm- liche Schiefstellung der Epidermiszellen zeigen, sind die Spaltöffnungen zu bandförmigen Gruppen vereinigt. (Fig. 2, 31, 32 u. 33.) Es finden sich deren bei einigen Arten bald zwei, 8. reduplicatum R. Br. us, w., bald vier, $. saxifragoides Lindl., welche auf beide Blattseiten vertheilt sind. Bei anderen Arten finden wir die Spaltöff- Nungen unregelmässig über eine oder beide Oberflächen vertheilt. Durch eine grosse Anzahl derselben zeichnet sich 8. petiolare Sond., durch eine sehr geringe 9. eriopodum DC. aus. 320 Die Richtung der einzelnen Spalten ist meist parallel zu einander und zur Längsachse des Blattes. Bei der Entwickelung der Spaltöffnungen können wir zwei Typen unterscheiden. 1. Durch eine Antikline wird von einer Epidermiszelle eine kleinere abgetrennt, welche die Spaltöffnungsmutterzelle darstellt. Fig. 8B. DOREEN Fig. 8. Entwickelung der Spalt- . j öffnungen. A 8. saxifragoides, Fig. 9. Spaltöffnung von 8. B 8. eriopodum mit Nebenzelle, Brunonianum. Fig. 10. Verstopfte Fig. 11. Drüsenhaare Fig. 12. Drüsenhaare von 8. diversi- Spaltöffnung von 8, von 8. calcaratum. folium, B von oben. diversifolium. A vom Blatt, B vom j Stengel. 2. In den weitaus meisten Fällen aber folgt auf die erste Thei- lungswand eine zweite, welche sich uhrglasförmig an die erste anlegt und durch welche erst die Spaltöffnungsmutterzelle gebildet wird. Fig. 8 A. So entstehen Spaltöffnungen mit je einer Nebenzelle, Fig. 8A und IB, welche allerdings durch späteres Wachsthum gewöhn- lich nieht mehr so deutlich wahrnehmbar bleibt. Bei 8. calcaratum R. Br. sind einzelne Spaltöffnungen über die ET Tee a nn hin 321 Oberfläche erhöht, bei anderen dagegen, z. B. S. Brunonianum Benth., Fig. 9, sind sie in die Tiefe versenkt. Gewöhnlich sind die Spaltöffnungen durch einen braunen Körper verstopft. Fig. 10. Die Behaarung der Stylidiumarten besteht aus Drüsenhaaren und Schleimhaaren. Die Drüsenhaare haben eine sehr mannigfaltige Aus- bildung. Die einfachsten und kleinsten finden sich bei 8, calcaratum R. Br. Auf einem zweizellreihigen Stiele sitzt ein zweizelliges, stark angeschwollenes Köpfchen. Haare, welche sich am Fruchtknoten befinden, sitzen einem aus langgestreckten Zellen gebildeten Höcker Fig. 13. Drüsenhaare von 8. amoenum. B um 90° gegen A gedreht. Fig. 14. Drüsenhaare von 8. pilosum. auf. Bei den meisten findet sich auch eine eigenthümliche Wellung der Zellen, welche den Stiel bilden der gemeinsamen Innenwand (Fig. 11). Etwas complieirtere und bedeutend grössere Haare desselben Typus zeigt 8. diversifolium R. Br. auf dem Stengel. Sie fallen durch ihre Grösse auf, sowie durch grosse Anzahl gestreckter und parallel zu einander in einer Ebene liegender, das Köpfchen zusammensetzender Zellen. Fig. 12. 8. amoenum R. Br. zeigt dieselben Haare wie 8. diversifolium, doch findet sich auch hier noch die bei 8. calcaratum schon erwähnte eigenthümliche Wellung und weiter eine starke Ver- dickung derselben. Fig. 13. Genau dieselben Haare hat auch 8. reduplicatum R. Br. Bei dieser Pflanze finden sich neben diesen Köpfchenhaaren, welche mehr in der Blüthenregion zu finden sind, an der Basis des Stengels auch 322 solche ohne Köpfchen, welche gleichfalls die Wellung und Verdickung der mittleren Zellwände aufweisen. Zwischen diesen beiden Haar- formen sind alle Uebergangsformen vorhanden. Eine weitere Haarform finden wir dann bei 9. pilosum Labill. Auf einem gleichfalls zweizellreihigen Stiele erhebt sich ein schwach keulenförmiges Köpfchen, welches aus mehreren Etagen zu je vier Zellen sich aufbaut. Fig. 14. Diese Haarform leitet zu jener über, welche wir bei S. lineatum Sw. auf den grundständigen Blättern kennen lernen. Auf einem zweizellreihigen äusserst langen Stiele sitzt ein kleines Köpfchen. Dasselbe besteht aus einer grossen Zahl von Zellen, welche durch abwechselnde Periklinen und Antiklinen gebildet worden sind. Fig. 15. Diese Haare finden sich auf dem Blüthenschaft und bei einigen Arten, 8. lineatum Sw., $. calcaratum R. Br. u. 8. w., auf den grundständigen Blättern. In der Nähe der Blüthen sind sie sehr zahlreich, besonders auf dem Fruchtknoten und auch auf den Kelchblättern. Die Köpfchen derselben sind durch einen im Zell- inhalt gelösten Farbstoff lebhaft roth gefärbt. (8. cal- earatum,) Durch eine sehr reiche Ausscheidung von äthe- rischem Oel dienen sie dazu, die Blüthen gegen kriechende Thiere zu schützen, Während die bisher besprochenen Drüsenhaare sich auf dem Blüthenschaft und den Blättern fanden, können wir in den Blattachseln und in der Nähe der Vegetations- punkte anders gestaltete, sehr eigenthümliche Haare wahrnehmen. Dieselben sondern Schleim ab. Diese Fig. 15. Drüsen- Schleimhaare zeigen bei den verschiedenen Arten sehr haare von 8. verschiedene Formen, die sich aber alle aus einer Grund- Iineatum. form erklären lassen. Die dabei auftretenden Wachsthums- verhältnisse sind äusserst merkwürdig. Diese Grundform finden wir bei 9. adnatum R. Br. und wir wollen hier gleich die Entwickelungsgeschichte verfolgen. Eine Epi- dermiszelle treibt eine papillose Verwölbung, welche durch eine zur Epidermis parallele Querwand von der Epidermiszelle abgeschnitten wird. Eine zweite Parallelwand zur ersten theilt das junge Haar in eine untere Stielzelle und eine obere Kopfzelle. Die Kopfzelle wird durch mehrere auf einander folgende zu einander parallel und senk- recht auf der letzten Theilungswand stehende Wände in mehrere Zellen zerlegt. Diese lösen sich von einander, und zu gleicher Zeit wird 328 die allen gemeinsame Cuticula abgehoben. So kommt ein Schleim- haar zu Stande, welches grosse Aehnlichkeit mit den Drüsenhaaren von Malotus philippinensis hat. Diese Form (Fig. 16) behalten die Schleim- haare bei 8. adnatum R. Br, bei. Bei anderen Arten jedoch ist damit das Wachsthum der Haare nicht abgeschlossen. Bei 8. pilosum Sond. findet innerhalb der Cu- ticula noch eine Quertheilung der darin befindlichen einzelnen Zellen statt und dieselben sprengen die Cuticula, deren Reste am Grunde noch sichtbar sind, und umgeben sich mit einer neuen zweiten Cuticula. (Fig. 17.) Bei anderen wiederholt sich dieser Process mehrmals, so dass eine dritte und vierte Cuticula ausgeschieden wird und die Reste der älteren immer am Grunde der einzelnen Zellen des Haares sich fü = B A Fig.16. Schleim- Fig.17. Schleimhaare von Fig. 18. Schleimhaare von 8. saxi- haar von 8, ad- S. pilosum, c Cuticula. fragoides, c Reste der Cuticula. natum, finden. Es kommt sogar vor, dass die Endzelle eines derartigen Haares wiederum in zwei Theile zerfällt, die das Wachsthum der ersten Glieder wiederholen. 8. saxifragoides. (Fig. 18.) Bei sehr raschem Wachsthum der Haare bleibt die ursprüngliche Cutieula erhalten, wächst mit dem sich theilenden Haare weiter und wird erst später durch Schleimabsonderung seitlich von den einzelnen Zellgliedern abgehoben und blasig aufgetrieben (Fig. 18). Diese Haare erreichen häufig eine sehr bedeutende Länge, lem, und bilden in den Blattachseln Massen von gallertartigem Aussehen. Zum Nachweise, dass die Haare cuticularisirt waren, brachte ich dieselben in cone. H;S0,. Dabei war zu bemerken, dass junge und alte Haare sich sehr verschieden verhielten. Bei jungen Haaren, bei 324 weichen die Cuticula eben erst von den eingeschlossenen Zellfäden durchbrochen worden war, lösten sich letztere augenblicklich und nur die Reste der Cuticula und die Stielzelle blieben unverletzt. Aeltere Haare dagegen, bei welchen die durchgebrochenen Zellen sich schon mit neuer Cuticula umgeben hatten, konnten bei tagelangem Liegen in H3SO, nicht zerstört werden. Wie schon bemerkt, finden sich diese Haare in den Blattachseln und da sie sehr frühzeitig an- gelegt werden und sehr rasch wachsen, so sind sie wohl geeignet im Vereine mit den früher beschriebenen glashaarähnlichen Blattspitzen zum Schutze des Vegetationspunktes gegen Vertrocknung zu dienen. Grundgewobe. Das Grundgewebe der Stylidiaceen zeigt uns sowohl bezüglich seiner Form, wie seines Inhaltes mannigfache bemerkenwerthe Verhältnisse. Fig. 19. Liegende Arm- Fig. 20. Querschnitt durch das palissaden aus dem Blatt Blatt von 8. calcaratum. von 8, eriopodum. Was das Assimilationsgewebe betrifft, so machen wir zunächst die Bemerkung, dass eine scharfe Grenze zwischen Palissaden- und Schwammparenchym bei den meisten Stylidiumarten sich nicht ziehen lässt, indem ersteres wie letzteres aus verzweigten Zellen besteht, die sich nur durch die Länge der einzelnen Arme und die Grösse der Intercellularräume unterscheiden lassen. Diese Unterschiede sind häufig sehr gering. Die Längsachse der Palissaden steht nicht wie gewöhnlich senkrecht, sondern parallel zur Blattfläche; es sind liegende Armpalissaden (Fig. 19). Nur bei dorsiventralen Blättern, z. B. 8. diversifolium R. Br., S. scandens R. Br., $. calcaratum R. Br. u. s. w. ist eine verhältniss- mässig scharfe Grenze zwischen Palissaden- und Schwammparenchym 325 zu bemerken (Fig. 20). Bei isolateralen Blättern, z. B. 8, strepto- carpum, 8. diuroides, finden wir die Palissaden in einer oder mehreren Lagen um das ganze Blatt vertheilt. An dieser Stelle möge noch er- wähnt sein, dass bei S. pilosum die Wände der Assimilationszellen verdickt und mit einfachen Tüpfeln versehen waren, wie sich das bei Oycadeen findet. Bei allen Stylidiumarten finden wir im Blütenstengel gleichfalls Assimila- tionsgewebe vor und zwar desto besser entwickelt, je geringer die Anzahl und Grösse der Blätter ist. Hier besteht das Assimilationsgewebe aus langen, rechteckigen Zellen, die parallel mit der Längsachse des Stengels laufen. Ihr Querschnitt ist fast rund und Fig 21. Querschnittdurch den Stamm sie lassen grosse Intercellularräume von 8. scariosum. A Assimilations- zwischen sich. Die mächtigste Aus- 8°webe, Sk Sklerenchym, M Mark, bildung des Assimilationsgewebesfinden wir bei den Stylidiaceen, bei welchen D Dünnwandiges Mark. Die Sieb- theile sind schraffirt. die Blätter sehr reducirt sind und fast kein Chlorophyll enthalten, 2. B. 8. junceeum R. Br. und 8. scariosum DC., bei welchen der Stengel die Assimilationsarbeit der Blätter übernommen hat (Fig. 21). Hier finden wir zwei Reihen von Palissaden, deren innere bei 8. junceum R. Br., mehr gestreckt ist. Erwähnenswerth ist noch, dass die Palissaden nicht senkrecht, sondern schief nach oben zur Epidermis stehen (Fig. 22), was wohl durch die verschieden lange Wachsthumsfähigkeit der unter den Palissaden verlaufenden Sklerenchymstränge und der Epidermis- zellen seine Erklärung findet. Erstere stellen ihr Wachsthum früher ein wie die Epidermiszellen, welche die Palissaden gewissermassen mit sich ziehen. Das mechanische Gewebe wird naturgemäss an den Theilen am besten ausgebildet sein, wo durch “ussere Einflüsse ein grösserer Anspruch an Festig- Sk- 1r Fig. 22. Längsschnitt durch das Assimi- lationsgewebe des Stengels von 8. jun- ceum. keit erhoben wird. So finden wir in den langen, schwankenden Blütenstengeln von Stylidium einen Festigungsmantel von fünf bis ?wanzig Schichten stark verholzter Sklerenchymfasern, welche als 326 Cylinder die Gefüssstränge umgeben. Das gleiche Verhältniss finden wir in den Wurzeln und in den Vegetationsstengeln, Im Blatte ist die Vertleilung des Festigungsgewebes eine mannig- faltigere. Bei allen Blättern, welche einen langen Stiel besitzen, sind die Leitbündelstränge in ihrer Gesammtheit von einem Sklerenchym- mantel umgeben. So finden wir auch bei 8. lineatum Sond. mecha- nisches Gewebe nur um die Rippen, welche am Blattrand laufen, ent- wiekelt. Bei 8, scandens R. Br. findet man mechanisches Gewebe nur in den Mittelrippen. Doch bildet es hier nicht einen Cylinder, sondern es ist das Princip eines T-träger verwirklicht. Die Füllung besteht aus einer einzigen Reihe von Sklerenchym, während die Gur- tungen durch einen Complex von Sklerenchym gebildet werden. Eine Rolle als Festigungsgewebe müssen wir auch der Epidermis mancher Arten zusprechen. Wir sahen, dass die Zellen vieler Arten sehr in die Länge gestreckt und mehrfach über einander gelagert sind, wodurch sie gleichfalls einen Festigungsmantel darstellen, und wir finden daher beiso gefestigten Pflanzen wenigmechanischesGewebeim Innern vor. Bei 8. pilosum Labill. endlich finden wir die unverdickte Epidermis gestützt durch Spieularzellen. Auch das bei 8. pilosum beobachtete getüpfelte Assimilationsparenechym hat wohl mit die Aufgabe, als Festigungsgewebe zu dienen. Die Zellwände dieses mechanischen Gewebes sind sehr stark ver- diekt und mit Tüpfeln versehen. Letztere sind bald einfach, was gewöhnlich der Fall ist, bald Hoftüpfel. Allein dieselben sind nicht mit der charakteristisch verdickten Schliesshaut versehen. Sie sind am deutlichsten bei $. adnatum R, Br., wie Vesque schon abge- bildet hat. Allein sie kommen bei anderen Arten ebenfalls mehr oder weniger deutlich vor. Sie finden sich meistens bei solehen Pflanzen, bei welchen die Assimilationsarbeit ganz dem Stengel zufällt, was sich dadurch erklärt, dass alle Assimilationsprodukte durch diese Schichten zu den Gefässen durchdringen müssen, um den übrigen Theilen der Pflanzen zugeführt zu werden. Derartige Tüpfel wurden bei den folgenden Arten beobachtet: 3. fasciculatum R. Br., 8. adnatum R. Br., 8. reduplicatum R. Br., 3. scariosum DC., 8. junceum R. Br., 8. saxifragoides Lindl., 8. gutta- tum R. Br., 8. Brunonianum Benth., S. squamellosum DC., 8. pilosum Labill., 8. ealearatum R. Br. Was den Zellinhalt betrifft, so ist Inulin schon früher bei drei Arten von Kraus!) nachgewiesen worden. Dasselbe findet sich in 1) Kraus, Bot, Zeitung 1877 pag. 825. 327 grosser Menge in der ganzen Pflanze bei allen Arten und ist meist in den Zellen des Grundgewebes, das den Gefässen anliegt, zu be- obachten. Ein zweiter, bei den Stylidiumarten häufig vorkommender Inhalts- körper ist das Tannin. Dasselbe findet sich in dem Assimilations- gewebe des Blattes und des Stengels. Zellen, welche mit Tannin versehen sind, führen sehr wenig Chlorophyll und sind deshalb nicht vollkommen als Assimilationszellen anzusehen. Dementsprechend finden sie sich meistens nicht direct unter der Epidermis, sondern eine Zell- schicht tiefer, wie z. B. bei den Blättern von $S. pilosum Sond. und bei den Blüthenstengeln von 8. junceum R. Br. und 8. scariosum DC. Eine aussergewöhnlich starke Verbreitung des Tannins finden wir bei den dickfleischigen Blättern von 8. diversifolium und 8. amoenum. Bei ersteren führen fast alle in zwei Reihen angeordneten Palissaden- zellen Tannin und bei letzterem finden wir es auch im Schwamm- gewebe vor. Niederblätter, welche zum Schutze der Knospen dienen, führen fast in jeder Zelle Tannin, während alle Blätter, welche schon im Jugendzustand durch eine stark verdickte Epidermis geschützt sind, nur wenig Tannin enthalten. Bei S. graminifolium Lw. finden wir es 2. B. nur in den die Gefässbündeln umgebenden Zellen. Caleiumoxalat ist bisher bei Stylidiaceen nicht beobachtet worden. Bei 8. eriopodum, streptocarpum Sond., 8. diversifolium R. Br., 8. amoenum R. Br., 8. scariosum DC., 8. junceum R. Br., 8. redupli- eatum R. Br., jedoch ist es mir gelungen, diesen Körper nachzuweisen. In dem Grundgewebe des Vegetationsstengels erscheinen die Zellen gänzlich mit Inulin erfüllt. Nachdem aber durch heisses Wasser das Inulin gelöst war, waren deutliche Drusen wahrzunehmen, welche durch die bekannte H3S0;-Reaction als oxalsaurer Kalk erkannt wurden. Kernkrystalloide sind von Stock!) und Raunkiaer?) schon be- obachtet worden. Ausser Inulin, Tannin und Caleiumoxalat findet man im Assimi- lationsgewebe der Blätter fast in jeder Zelle ein bis mehrere dunkel- braune Körperchen, welche das Aussehen von Oeltropfen haben. Be- sonders deutlich treten sie hervor in von Herbarmaterial gefertigten Schnitten. Wenn wir solche Schnitte mit abs. Alk. behandeln, so verlieren die Körperchen ihre Färbung und es bleibt ein farbloses Stroma zurück. Diese Körperchen finden sich auch und zwar oft in ee 1) Stock, Georg, Ref. im Bot. C. 1393 Bd. LIII, pag. 83. 2) Raunkiaer, Ref. im Bot. ©. 1887, Bd. XXI, pag. 238. 328 grosser Menge in der Athemhöhle und treten in den Vorraum der Spaltöffnungen ein und dienen zum Verstopfen derselben. Stranggewebe. Ueber das Stranggewebe der Stylidiaceen haben schon Vesque), van Tieghem?) und Morot°) und Solereder‘) Untersuchungen angestellt. Sie sind jedoch, wie mir scheint, nicht zu einem richtigen Resultate gekommen. Vesque hat allein Stengel von $. adnatum ‘“ untersucht. Er fand dabei auf dem Querschnitt unregelmässig ge- lagerte Gefässbündel, rings umschlossen von einem stark verholzten Gewebe, und gibt davon auch eine richtige Zeichnung. (Ann. d. Se. Nat. ser. VI, 7, Tafel 17, Fig. 1, 2 u. 3.) Auch die von ihm ge- zeichnete Längsschnittabbildung (Fig. 4) gibt die Verhältnisse im All- gemeinen richtig wieder. Wir sehen ein aus stark verdickten Zellen bestehendes Gewebe, dessen Zellen nach der Innenseite des Stengels zu weitlumiger, nach der Peripherie zu bedeutend englumiger, erscheinen. Einige von den Zellen zeigen Tüpfel, nach Vesque „vaisseaux ponetues“. Daraus combinirte Vesque, das vorhandene Gewebe sei Holz, welches nach ihm von einem secundären Meristem, welches ausserhalb der Gefässbündel sich befindet, erzeugt wird. Bezüglich des Vorhandenseins dieses seeundären Meristems stimmen van Tieghem und Morot mit Vesque überein. Die Erklärung der letzteren beiden unterscheidet sich dagegen von der Vesques dadurch, dass nach Vesque vom secundären Meristem nur Holz gebildet, nach van Tieghem und Morot vom secundären Meristem Holz und Bast in regelmässiger Aufeinanderfolge nach innen erzeugt werden. Solereder nimmt die Erklärung van Tieghem’s und Morot’s an und demgemäss gibt er auch eine Zeichnung, auf welcher deut- lich isolirte Gefässe und Siebröhren in dem Sklerenchymring zu sehen sind. Die von mir an einem sehr reichen Alkoholmaterial (welches mir durch die Güte des Herrn Prof. Goebel zur Verfügung gestellt wurde) vorgenommenen Untersuchungen führten zu einem Resultate, welches mit dem der genannten Forscher nicht ganz übereinstimmt. 1) Vesque in Ann. se. nat. Ser. 6, Taf. VII, 1878, p. 204-208 u. pl. 17. 2) Van Tieghem in Bull. Soc. bot. de France 1883, p. 308, u. 1884, p. 164. 3) Van Tieghem und Morot in Ann. se. nat. Ser. 6, Taf. XIX, 1884, p- 281—286 u. pl. 13. 4) Solereder in Syst. Anatomie der Dieotyledonen p. 530. 329 Wenn wir einen Schnitt durch einen jungen Spross von 8. adnatum R. Br. und $. faseiculatum in der Nähe des Vegetationspunktes machen, so finden wir, dass schon in der Anlage die Gefässbündel nicht mehr normal gebildet sind. Wir finden dem Centrum des Sprosses zugekehrt eine lockere Gruppe von Gefässen. Nach aussen von denselben folgen Siebröhren, aber wiederum nach aussen von letzteren finden sich einzelne Gefässe, ohne dass zwischen diesen und den letztgenannten Gefässen ein Meristem zu finden wäre, Darauf folgt nach aussen bis zur Endodermis ein viel- schichtiges Gewebe aus zart- wandigen Zellen. Es ist dies das Meristem van Tieg- hem’s. Diese Beobachtung stimmt vollkommen mit der Zeichnung, die van Tieg- hem gibt. Diese Abbildung findet man auch in Engler undPrantl, Nat. Pflanzen- familien, Da sich aber die nach Aussen vom Siebröhrentheil gelegenen Gefässe schon in unmittelbarer Nähe des Vege- tationspunktes vorfinden, und da nachgewiesen werden Konnte, dass dieselben zu gleicher Zeit mit den nach Fig. 23. Querschnitt durch einen Theil des Innen vom Siebröhrentheil Stammes von $. diversifolium. A Assimilations- liegenden Gefässen angelegt gewebe, Sk Sklerenchym, M Mark. Die Sieb- werden, s0 ist eg klar, dass theile sind schraffirt. dieselben nicht erst später aus dem oben erwähnten Meristem sich gebildet haben. Das Meristem erzeugt niemals Gefässe und Siebröhren, sondern nur verholztes Sklerenchym, dessen einzelne Zeilen auf dem Querschnitt einen sehr verschieden grossen Durchmesser zeigen, was wohl zu der Annahme van Tieghem’s geführt hat, dass Gefässe und Holzfasern gebildet würden. Ist schon in der Nähe des Vegetationspunktes die Lagerung von Gefäss und Siebtheil nicht mehr normal, so finden wir auf dem Quer- schnitt eines älteren Stengels dies Verhältniss noch schärfer ausgeprägt. Flora 1900, 23 330 Ein Querschnitt des Blüthenstengels von 8. diversifolium R. Br. zeigt, dass die Gefässbündel in zwei Kreisen angeordnet sind (Fig. 23). Oft kommt bei dieser Anordnung einer unmittelbar hinter dem anderen. Wenn der Querschnitt in der Nähe des vegetativen Stammes gemacht wird, sieht man, dass die Kreise unvollkommen sind, und dass die Anordnung mehr und mehr Aehnlichkeit mit derjenigen bei den Monocotyledonen gewinnt. Bei einigen Arten, z. B. St. calearatum R. Br., finden sich im Marke isolirte Gefässe vor (Fig. 24). Die ge- wöhnlich ganz ausserhalb des Siebröhrentheils liegenden äusseren Gefässe kommen manchmal zwischen den Siebröhrentheil selbst hinein, (Fig. 25), oder aber sie rücken an die Grenze desselben (Fig. 26). In diesem letzteren Falle sind die Gefässe etwas zahlreicher und umgrenzen den Siebröhrentheil so, dass ein regelmässiges concentrisches Gefäss- bündel mit innen liegendem Siebtheil zu Stande kommt (Fig. 27). Alle diese verschiedenen Formen des Gefässbündels können auf ein und demselben Quer- schnitt gefunden werden. Es gibt auch Arten, deren Gefässbündel fast normal collateral gebaut sind, z. B. 8. scandens R. Br. Demnach ist das Verhältniss von Fig. 24. Querschnitt durch den Holz- und Siebtheil völlig ohne Regel. Stamm von 8. calcaratum. Das Ein Längsschnitt durch einen Stengel Assimilationsgewebe A ist nicht zeigt uns dieselben Verhältnisse und gezeichnet. S Siehröhren, Sk lehrt vor allem deutlich, dass in dem Sklerenchym, @ Gefässe, ’ vom Meristem ausgeschiedenen Gewebe weder Gefässe noch Siebröhren, sondern nur verholzte Fasern zu finden sind. Der alte vegetative Stamm von 8. adnatum R. Br. und von 8. fas- cieulatum weicht im Bau von demjenigen des Blüthenstengels scheinbar ab. Hier finden wir auf einem Querschnitt wirkliche Ge- fässe und Siebröhren im Sklerenchym liegend vor. Dies rührt aber ‚ daher, dass hier die spiralig angeordneten Laubblätter stehen, zu welchen die Gefässe und Siebtheile sich durch das Sklerenchym durch- arbeiten müssen. Dies Verhältniss tritt natürlich besonders deutlich hervor auf einem Querschnitt durch den Theil des Stengels, wo die Internodien gestaucht sind und die Anzahl der auf einem Querschnitt getroffenen Blattspurstränge deshalb eine besonders grosse ist. Ganz 831 dieselbe Anordnung findet sich natürlich auch bei beblätterten Blüthen- stengeln. Den unregelmässigsten Gefässbündelverlauf zeigen die vege- tativen Stämme, deren Internodien nicht entwickelt sind, wie z. B. S. diversifolium. Regellos im Grundgewebe eingebettet verlaufen die Gefässstränge. In jedem einzelnen Strang liegen, von Sklerenchym geschützt, in regel- loser Anordnung Gefässe und Siebröhren. Beim Uebergang in den Blüthenstengel ordnen sich Gefässe und Siebröhren zu mehreren, bei- nahe concentrischen Gefässbündeln, welche, da sie in sich selbst ge- schützt sind, des Sklerenchyms entbehren. Sie ordnen sich zu einem SAH us Fig. 25. Querschnitt durch ein Fig. 26. Querschnitt durch ein Gefässbündel von 8. Brunonianum. Gefässbündel von $. junceum. Kreise. Beim Uebergang in die Wurzeln bleibt die Lagerung der Stränge zunächst unregelmässig, je mehr aber gegen das untere Ende der Wurzel die Zahl der Gefässe und Siebröhrenelemente abnimmt, desto regelmässiger wird die Lagerung, bis sie im untersten Theil der Wurzel und in den Nebenwurzeln fast normal ist. Wie im Stengel, s0 finden wir auch hier ein Meristem, welches von Gefässbündeln ganz unabhängig ist und welches sklerenchymatische Fasern erzeugt. Macht man an einer und derselben Wurzel Schnitte in der Nähe des Stammes und entfernt davon an der Wurzelspitze, so zeigen die geführten Schnitte ein sehr verschiedenes Bild. In der Nähe der Spitze finden wir nur eine geringe Anzahl von Gefässen und Sieb- theilen, welche fast regelmässig alternirend gelagert sind. In der 23* 332 Nähe des Stammes findet man dagegen eine grosse Zahl von Gefässen und Siebröhren in regelloser Lagerung. Aus der Vermehrung der Gefässe und Siebröhren kann man schliessen, dass ein secundäres Dickenwachsthum eingetreten sei. Vergleichen wir aber Schnitte in gleicher Entfernung vom Stamm durch Wurzeln verschiedenen Alters, so finden wir, dass die Anzahl der Gefässe und Siebröhren annähernd gleich gross ist und es ergibt sich, dass die Zahl der Gefässe und Siebröhren mit der Entfernung vom Stengel abnimmt. Es bedarf also nicht der Annahme eines secundären Diekenwachsthums, da in der Anlage aller Wurzeln verschiedensten Alters die Anzahl von Gefässen und Siebröhren fast gleich ist. Gehen wir zum Schlusse zur Betrachtung des Verlaufes des Stranggewebes im Blatte über, so finden wir auch hier, dass in der Nähe des Stammes Gefässe und Sieb- röhren regellos durcheinander liegen (Fig. 28.4). An dem Beispiele von. $. pilosum wollen wir auch den weiteren Verlauf der Gefässe und Siebröhren im Blatte verfolgen. Das Blatt von 8. pilosum ist ca. 25cm lang und 1,2cm breit und besitzt einen dünnen, runden Stiel. Dasselbe steht beinahe vertical. Auf einer höheren Stelle des Stieles ordnen sich Gefässe und Siebröhren, wohl um dem Blatte grössere Festigkeit zu verleihen, in concentrische Bündel mit innen liegendem Siebtheil an (Fig. 28 B). In der Blattspreite werden die Bündel collateral. Ihre Zahl vermindert sich, zugleich verschmelzen die Gefässtheile und die Siebtheile ordnen sich um den- selben an. In Fig. 28C (Querschnitt durch die Blattspreite) sind nur noch fünf Siebtheile zu sehen. Während eine grosse Anzahl von kreis- förmig angeordneten Gefässbündeln des Sklerenchyms entbehren konnte, tritt dasselbe mit der Vereinigung der Gefässbündel wieder auf. Bei anderen Arten ist der Verlauf von Gefässen und Siebröhren im Hauptnerv regellos und es kommt nicht zur Bildung von eigentlichen Bündeln (Fig. 2). Der Bau der Seitennerven ist für gewöhnlich normal, allein es gibt auch sehr viele Ausnahmen und diese zeigen, dass ein constantes Lagerungsverhältniss zwischen Siebtheil und Gefässen im Blatte nicht besteht. Die Siebtheile können nach oben, nach links und rechts ebenso gut als nach unten liegen, wie dies bei dem gewöhnlichen Typus der Fall Fig. 27. Querschnitt durch ein Gefässbündel von 8. diversifolium. 338 ist. Bei einem und demselben Querschnitt der Blätter von 9. gramini- folium konnten Bündel mit der verschiedensten gegenseitigen Lagerung von Gefäss- und Siebtheil gefunden werden. Bei 8. scandens und S. eriopodum DC. ist die anormale Lagerung (Siebtheil nach oben) mehr constant (Fig. 2 und Fig. 34). Zum Schluss mögen noch einmal die Beobachtungen bezüglich des Gefässbündelverlaufes kurz zusammen gefasst werden. Im Stamme verlaufen Stränge, deren jeder unregelmässig aus Siebröhren, Gefässen und Sklerenchym besteht, welch letzteres die beiden ersten Theile rings umschliesst. Beim Eintritt in den Blüthenstengel oder das Blatt ordnen sich Gefässe und Siebtheile zu concentrischen Bündeln an unter Verlust des Sklerenchynis. Bei der Wurzel findet man nur an den äussersten Enden ausgewachsener Hauptwurzeln und bei Neben- wurzeln eine einigermassen normale Lagerung von Gefäss- und Sieb- Fig. 28. Querschnitte durch das Blatt von $. pilosum. A an der Basis, B am Stiel, C an der Lamina, Das Assimilationsgewebe A und die Siebtheile S sind nicht gezeichnet. Die Gefässe @ sind schwarz, das Sklerenchym Sk ist schraffirt. theilen. Das Stranggewebe verhält sich also in der ganzen Pflanze gleichmässig unregelmässig und es ist kein secundäres Dickenwachs- thum vorhanden. Der Blüthenstengel ist in einen äusseren assimilirenden Theil und einen inneren Cylinder geschieden, welcher mechanisches Gewebe und Gefässbündel enthält. Das sklerenchymatische Gewebe ist häufig fünf bis zwanzig Zellreihen dick und liegt zwischen dem Assi- milationsgewebe und dem Stranggewebe. Das Mark besteht aus gross- lumigen, dünnwandigen Zellen, welche reichlich Inulin enthalten. An der Peripherie des Markes, jedesmal in der Nähe der Gefässe, finden wir kleine, sehr zartwandige Zellen vor, welche man versucht werden könnte als Siebröhren zu deuten. Es gelingt jedoch nicht, Siebplatten nachzuweisen. (Die Fig. 21—23 illustriren diese Verhältnisse deut- lich.) Die Zellwände des Markes sind einfach getüpfelt. 334 Blatt. Die Blätter der Stylidiumarten besitzen sowohl der Form wie ihrem inneren Aufbau nach eine sehr mannigfaltige Ausbildung und bieten vom Standpunkt der Biologie betrachtet lehrreiche Beispiele für Anpassungserscheinungen. Es ist scharf der mehr oder minder xerophile Charakter der Stylidiumarten ausgesprochen. Nur wenige besitzen gut entwickelte Blattspreite, meist sind sie grasartig, nadel- förmig, ja oft sogar völlig zu Schuppen redueirt. Eine Anpassungs- erscheinung dürfen wir wohl auch in der grundständigen Blattrosette finden, welche gewöhnlich zu beobachten ist, während der Blüthen- schaft nur kleine Blätter und Schuppen trägt. Bei allen ausdauernden Stylidienarten finden wir eine Arbeits- theilung der Blätter durchgeführt. Es sind Laub- und Niederblätter vorhanden. Erstere haben die Assimila- 52 tionsarbeit, letztere fast immer nur den Schutz der Stammknospe zu besorgen. Nur in einem einzigen Falle, bei 8. strepto- carpum Sond. waren mit Chlorophyll ver- S5Y sehene Niederblätter zu beobachten. Zum D Schutze der Stammknospen besitzen die a Niederblätter entweder stark sklerosirte Zellen, oder sie führen Tannin oder auch beides zu gleicher Zeit. Je stärker Niederblatt blatt von 8. rhyn- nn eronchym ausgebildet ist, desto weniger von 8. chocarpum, darunter N ist gewöhnlich vorhanden und um- pilosum. sein Querschnitt. 3 gekehrt. Die grossen Niederblätter von Querschnitt ‘eines 8. pilosum Labill. entbehren des Skleren- orbatten von 8. chyms gänzlich (Fig. 29), ihre Zellen aber squamellosum Du. führen reichlich Tannin. Das Sklerenchym 8. pubigerum, finden wir in verschiedener Anordnung Das Sklerenchym ist bei den Niederblättern wie Fig. 30 zeigt. schwarz, Bei S. rhynchocarpum wird die Festi- gung durch die stark wuchernde Epidermis erzielt (Fig. 30 A) und bei 8. bicolor durch Verholzung der Zellwände. Die Niederblätter sind von Bentham bei den meisten Arten übersehen. Nur bei 8, squamellosum, wo sie eine Länge von 4 bis 6cm erreichen, schenkt er ihnen Beachtung. Durch dieses Ueber- sehen erhielten manche Stylidiumarten eine völlig falsche Gruppirung. So stellte er $. carnosum Benth. mit 8. pilosum Labill. zusammen, dem es in keiner Weise gleicht, Fig. 29, Fig. 30. A Nieder- 335 Der Form und Struktur nach kann man die Laubblätter in zwei Abtheilungen unterbringen, bei welchen wir ein allmähliches Zunehmen des xerophilen Charakters beobachten können: a) Blattspreite und Stiel vorhanden, b) nadelähnliche Blätter. Bei den mit Spreite und Stiel versehenen Blätter lassen sich wieder zwei Gruppen unterscheiden: 1. mit normal einfacher Epidermis, 2. mit scheinbar mehrschichtiger Epidermis. Die erstere Unterabtheilung umfasst alle Blätter, deren Form und Struktur vom dorsiventralen Typus sehr wenig abweicht. Dieselben sind spatelförmig mit glattem Rande und besitzen deut- liche Blattspreite und Stiel. Die Epidermis ist einfach und die Spalt- Öffnungen liegen unregelmässig auf einer oder beiden Seiten, Das Mesophyli ist deutlich in Palissaden und Schwammparenchym ge- schieden. Hieher gehören: 8. calcaratum R. Br., 8. petiolare Sond., 8. articulatum R. Br., 8. spatula- tum R. Br., S. rhynchocarpum Sond., $. Lehmannianum Sond., 8. lineatum Sond., 8. striatum Lindl., 8. amoenum R. Br., 8. Fig. 31. Querschnitt durch das Blatt von diversifolium R. Br. und 8. car- s. saxifragoides. Das Mesophyli ist nicht nosum Benth. gezeichnet. Während die Blätter von den meisten dieser Arten der xerophilen Charaktere gänzlich entbehren, wie z. B. 8. calearatum R. Br., welche allerdings an einem sehr feuchten Stanort wächst, ist bei anderen Arten der xerophile Charakter deutlich ausgesprochen. Derselbe zeigt sich schon bei 8. lineatum Sond., wo man zwei Schichten von Palissaden findet, und noch deutlicher bei 8. diversi- folium R. Br. in der feischigen lederartigen Beschaffenheit der Blätter. 8. carnosum Benth. leitet uns zur zweiten Gruppe über. Die fleischigen Blätter dieser Pflanze zeigen uns am Rande stärkeres Wachsthum der Epidermalzellen, wodurch eine Wellung des Randes zu Stande kommt. Die Blätter dieser zweiten Untergruppe zeigen noch eine Blatt- spreite und Stiel. Alle Arten aber besitzen die merkwürdige Ab- weichung in der Struktur der Epidermis, welche wir bei Besprechung des Hautgewebes näher geschildert haben. Dort haben wir gesehen, wie dadurch eine mehrschichtige Epidermis und eine Verdiekung und Verstärkung derselben erzeugt wird und ferner, dass die Spalt- Öffnungen nur auf bestimmten Stellen des Blattes zu finden sind. 336 Als erstes Beispiel dieser Abtheilung führen wir 8. saxifragoides an. Die Blätter dieser Pflanze sind spatelförmig, mit Blattspreite und Stiel und liegen horizontal. Ihr Hauptnerv ist in eine haarförmige Spitze ausgezogen (Fig. 7). Die Spaltöffnungen befinden sich in vier länglichen Gruppen vertheilt, je zwei auf beiden Seiten. Diese Gruppen sind auf der Oberseite bedeutend schmäler und die Anzahl von Spalt- öffnungen dementsprechend hier geringer. Die Zellen der Epidermis sind zwar verdickt, besitzen aber ein ziemlich grosses Lumen, wie Fig. 31 zeigt. Die anderen Arten dieser Gruppe besitzen bedeutend schmälere Fig. 32, Querschnitt durch Fig. 33. Querschnitt durch das das Blatt von 8. pilosum. Blatt von 8. reduplicatum. Das Assimilationsgewebe und die Siebtheile S sind nicht gezeichnet. O Ober- seite, Sp Spicularzellen, Sk Sklerenchym, G Gefässe, Blätter und es zeigt sich der xerophile Charakter auch insofern deut- licher, als die Blätter vertical gerichtet sind und eine Einrollung zeigen. Als erstes Beispiel führen wir $. graminifolium Sond. (Herbar von F. v. Müller) an. Die Blätter sind schmal vertical und erreichen eine Länge von oft 16cm und eine Breite von ca. lem. Die Epi- dermis zeigt das dieser Gruppe eigenthümliche Wachsthum fast auf der ganzen Oberfläche, so dass sehr wenig Platz für Spalt- öffnungen frei bleibt. Dieselben liegen in zwei sehr schmalen Gruppen in der Nähe der Mittelrippe. Fast die ganze Unterseite führt Spalt- öffnungen. 8. lineare Iw. unterscheidet sich vom vorigen durch 337 schmälere, etwas mehr eingerollte Blätter. Die beiden Pflanzen sind von verschiedenen Systematikern sehr oft verwechselt worden. Am schärfsten ausgeprägt jedoch ist der xerophile Typus bei 8. pilosum Labill. (Fig. 32) und 8. reduplicatum R. Br. (Fig. 33). Die Blätter dieser beiden sind noch bedeutend schmäler wie bei S. graminifolium Sw. und sind ebenfalls vertical gestellt. Die Spaltöffnungen liegen nur noch auf einer Seite in zwei Gruppen vertheilt und „war merk würdiger- weise auf der morphologischen Oberseite, während Jie Unterseite mit der aus stark verdickten englumigen Zellen bestehenden, scheinbar mehrschichtigen Epidermis bedeckt ist. Dies erklärt sich dadurch, dass die jungen Blätter bestimmt sind, dem Vegetationspunkt als Schutz zu dienen. Demgemäss ist ihre Aussenseite, also die Unter- seite des Blattes, mit der Epidermis gepanzert und die Spaltöffnungen, welche in derselben wegen der Uebereinanderschichtung der Epidermis- zellen nicht liegen können, kommen auf die geschützte Innenseite, die morphologische Oberseite des Blattes, zu stehen. Eine derartige Lage- rung würde aber, wenn das Blatt gross wird und sich mehr nach auswärts biegt, die Spaltöffnungen in sehr ungünstige Verhältnisse bringen, indem sie unbeschützt wären. Deshalb findet später eine Drehung des Blattstieles statt, welche die Spaltöffnungen auf die scheinbar morphologische Unterseite, welche aber in der That die morphologische Oberseite ist, bringt. Diese Drehung findet bei $. redu- plicatum ziemlich früh statt, dagegen bei 8. pilosum Labill. erst später. Blätter, welche schon eine Länge von 8cm erreicht hatten, waren noch nicht gedreht. Am schärfsten tritt der xeromorphe Charakter hervor bei $. reduplicatum, indem dasselbe nicht nur ein noch schmäleres Blatt besitzt wie 89. pilosum, sondern ausserdem noch eine Einrollung der Blattspreite zeigt, wodurch die Spaltöffnungen in zwei eingeschlossenen Räumen sich befinden (Fig. 33). Während die bisher besprochenen Blätter noch deutlich Blattstiel und Blattspreite zeigen, sind die nun zu besprechenden Stylidium- blätter nicht mehr in Petiolus und Lamina gegliedert. Sie sind mehr oder minder nadelförmig und es ist auch bei ihnen noch mehr wie bei den beschriebenen die Tendenz vorhanden, dieselbe gegen zu starke Transpiration zu schützen. Daher die Verringerung der Ober- fläche (der Blattquerschnitt der meisten ist meist oval bis rund) und der Bau des Mesophylis, welcher ein festeres Gefüge zeigt. Es besteht vorwiegend aus Palissaden, bei einigen sogar ausschliesslich. Auch hier findet sich die Verstopfung der Spaltöffnungen, die starke Ver- diekung der Epidermis und endlich die verticale Stellung der Blätter. 838 Die Verdiekung der Epidermis ist nicht allgemein, sondern es lassen sich deutlich zwei Gruppen unterscheiden und eine allmähliche Steigerung des xerophilen Charakters beobachten. Nicht verdickte Epidermis besitzen 8. adnatum R. Br., 8. fascieulatum R. Br., 8. falcatum R. Br., 8. rhynchocarpum Sond., 8. scandens R. Br., 8. squamellosum DC., S. luteum R. Br., S. debile F. v. Muell., 8. assimile R. Br., 8. laricifolium Rich., 8. thesioides DC., 8. diuroides Lindl., 3. violaceum R. Br., S. junceum R. Br., $. streptocarpum Sond. Am wenigsten scharf ist der xerophile Charakter bei $. scandens, der einzigen Kletterpflanze der Familie ausgeprägt (Tafel XIV Fig. 21). Die Epidermiszellen sind hier sehr gross, zwar verdickt, besitzen aber ein grosses Lumen (Fig. 34). Die Blattspitze ist hier zu einem bis Be Fig. 34. Fig. 35. Querschnitte durch ein Blatt von 8, soandens. Fig. 34 durch die Lamina, Fig. 35 durch die Spitze. 0 Oberseite, die Siebtheile S liegen nach oben, @ Gefässe, Sk Sklerenchym. 2cm langen Haken umgewandelt. Der centrale Theil des Mesophylis besteht aus Sklerenchym. Wie schon früher erwähnt, ist das Blatt auch dadurch bemerkenswerth, dass die Siebtheile des Gefässbündels nach der Oberseite zu liegen. Als zweites Beispiel führen wir das Blatt von $. diuroides an. Dieses ist deutlich nadelförmig und diese Gestalt ermöglicht es, eine grosse Anzahl von Assimilationszellen so anzuordnen, dass sie nach aussen die geringste Oberfläche bieten, und wir finden auch auf dem Querschnitt die Palissaden ringsherum angeordnet. Noch xeromorpher ist das Blatt von 8. streptocarpum Sond. (Fig. 36). Während es die Blattgestalt mit 8, diuroides gemein hat, finden wir bereits in der Nähe der Mittelrippe und an der Spitze des Blattes eine stark verdickte Epidermis. Ausserdem ist eine mehrfache 339 Lage von Palissaden wahrzunehmen. Durch die Verdickung einiger Epidermiszellen ist in S. streptocarpum Sond. ein Uebergang zu den folgenden, bei denen eine allgemeine Verdickung der Epidermiszellen Regel ist, gegeben. Ausserdem sind die Spaltöffnungen zu Gruppen vereinigt und das Mesophyll zeigt ein festes Gefüge. Bei 8. eglandulosum F. v. Muell. finden wir auf dem beinahe isodiametrischen Querschnitt die Spaltöffnungen in vier schmalen Rinnen vor (Fig. 39). Die Epidermiszellen sind zwei- bis dreimal über einander gelagert, ver- dickt, besitzen jedoch ein deutliches Lumen. Das Mesophyli besteht der Hauptsache nach aus Palissaden, und nur unterhalb der Spaltöffnungen finden sich Stellen, welche aus Schwammparen- chym bestehen. Der Querschnitt des Blattes Fig. 36. Schematischer von $. eriopodum (Fig. 2) ist ungefähr gleich- Querschnitt durch das schenklig, rechtwinklig. Während eglandulosum Blattvon8.streptocarpum. noch vier Reihen von Spaltöffnungen besass, finden wir hier nur zwei auf den beiden Kathetenseiten liegende vor. Es sind jedoch auch auf der Hypotenusenseite einige wenige Stomata zu finden. Dieselben sind aber jedenfalls nicht functionsfähig. Gewöhnlich sind alle Stomata ausserdem noch in eine Grube versenkt. Die Epidermiszellen sind hier faserförmig. Sie besitzen oft eine Länge von 2mm, während ihr Durchmesser nur 0,03mm beträgt. Sie sind stark verdickt, be- sitzen ein sehr enges Lumen und sind vier- bis neunfach über einander gelagert. Das Mesophyll besteht gänz- lich aus liegenden Armpalissaden. Auch ist das Blatt deshalb erwähnenswerth, weil die Siebtheile der Seitenrippen regelmässig nach oben liegen. Das am meisten xeromorphe Blatt von allen ß Stylidiaceen ist das von 9. scariosum DC. Vor Fig. 37. Querschnitt durch allem ist dasselbe äusserst redueirt. Die Blätter das Blatt von 8. eglan- werden selten grösser wie 2cm. Die Epidermis dulosum. Die Gefässtheile ist verdickt und die Zellen liegen über einander. sind schwarz. Die zu äusserst liegenden Epidermiszellen sind zu Papillen ausge- wachsen, welche die rauhe Beschaffenheit der Blätter verursachen. Spaltöffnungen sind nur in geringer Zahl auf der Unterseite zu finden. Das Mesophyli besteht aus gleichmässigen runden Zellen, welche weder als Palissaden noch als Schwammparenchym gedeutet werden können, besonders da nur äusserst wenig Chlorophyll vorhanden ist. Dagegen führen sie Tannin in grosser Menge. Auf dem Blütenstengel sitzen 340 nur sehr kleine Schuppen. Aus Allem diesem geht hervor, dass diese Blätter nicht mehr assimilatorische Function besitzen, was ja auch nicht nöthig ist, da hier der Stengel diese übernommen hat. Blüthe. Bezüglich der Entwickelung der Blüthe brauche ich nur auf die Arbeit Baillon’s!) zu verweisen, welcher von derselben gute Ab- bildungen gibt. Derselbe fand in jungen Blüthen die Anlage von fünf Kelchblättern, fünf Kronblättern, zwei Staubblättern und zwei Frucht- blättern vor, im Gegensatze zu Schacht), welcher die Anlage von fünf Staubblättern beobachtet haben will. Mir ist es bei S.adnatum R. Br. und 8. fasciculatum, deren Blüthen ich untersuchte, nicht gelungen, die übrigen drei Staubgefässanlagen aufzufinden, und ich kann daher Baillon’s Ansicht nur bestätigen. Bail- lon hat für seine Untersuchungen 8. graminifolium Iw. herangezogen, welches zwei Fruchtknotenfächer be- sitzt. Eine Stylidiumart mit einfächerigem Frucht- knoten war ihm nicht zugänglich. Fig. 38 zeigt uns die Anlage des Fruchtknotens von 8. fasciculatum, wo durch Verkümmerung der ausgewachsene Frucht- Fig. 38, Blüthenent- knoten einfächerig wird. Wir bemerken, dass die wickelung von $, Placenta sich nicht gerade aus dem Blüthenboden fascieulatum. B um erhebt, sondern schief gestellt ist und sich an ein 90% gegen A gedreht. Carpell anlehnt. a Die fertige Blüthe von Stylidium ist folgender- blätter, P_ Kron. Mäassen aufgebaut. Sie besitzt fünf ungleiche blätter. Kelchblätter, welche in einigen Fällen verwachsen sind. Die Korolle besteht aus zwei kleineren und zwei grösseren, ovalen Blumenblättern. Zwischen letzteren beiden liegt bei 8. adnatum R. Br. ein polsterförmiges, mit einer Drüsen- schicht bedecktes oder bei 8. calcaratum R. Br. ein sehr dünnes, löffel- förmiges fünftes Blumenblatt, welches als Labellum bezeichnet wird. Das Gynostemium ist etwas flach gedrückt und ragt aus der Blüthe hervor. Am oberen Ende sitzen die vier Poliensäcke der beiden Antheren an. Zwischen denselben oder vor denselben, S. calca- ratum R. Br., liegt die mit langen Papillen vorsehene Narbenplatte. Der Fruchtknoten ist theils ein-, 8. adnatum u. s. w., theils zweifächerig, 1) Baillon in Adansonia XII p. 354 u. pl. II. 2) Schacht, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Gewächse p- 65. 341 8. graminifolium $w., 8. scandens R. Br. u. s. w.; in letzterem Falle mit einer viele Samenanlagen tragenden Centralplacenta versehen. In jugendlichem Zustand ist das Gynostemium stark gebogen. Später finden wir es entweder gegen das Labellum herabgebogen, oder mit den Pollensäcken in das löffelföürmige Labellum hineingeschoben. Die Bewegungserscheinungen, welche das Gynostemium zeigt wurden zuerst von Morren!) im Jahre 1837 bei 8. graminifolium Sw. studirt. Er beobachtete, dass in Folge eines mechanischen Reizes das umgebogene Gynostemium lebhaft in die Höhe springt, bis es mit seiner Narbe ein dem Labellum schief gegenüber liegendes Blumen- blatt berührt, Ausserdem fand er, dass auch ohne mechanischen Reiz das Gynostemium noch eine autonome Bewegung zeigt, bei welcher das Zurückgehen des Gynostemiums viel schneller erfolgt. Die Be- wegung des Gynostemiums erfolgt nicht in perpendikulärer Richtung, sondern es biegt dies nach rechts oder links aus, Für diese Erschei- nung gibt er folgende Erklärung: „En effet, quand une force laterale, comme le vent etc., vient A agir sur la colonne, en möme temps que son redressement ou son abaissement s’opere, elle suit la resultante de ces deux puissances et se dirigeant alors plus ou moins oblique- ment, elle est ramene&e, si elle s’abaisse, derriere l’un ou l’autre bras du labellum, qui la retient dans cette position comme un crochet, si elle se relöve au contraire, derriöre l’une des six pointes ou appen- dices de la corolle, qui font alors l’office de dentelures, entre les intervalles desquelles la colonne est arrötde etc.“ Bei einer anatomischen Untersuchung fand Morren im Gyno- stemium verschiedene Zellformen, deren jeder er einen besonderen Namen beilegt: Pinenchyme, Ovenchyme, Merenchyme, Conenchyme, Pleurenchyme, Cylindrenchyme. Nach ihm nehmen weder die Epidermis, noch die Gefässbündel activen Theil an der Bewegung. Er sucht dies durch folgendes Ex- periment zu beweisen. Er schneidet bei einem Langschnitte durch die Breite der reizbaren Stelle einen bandförmigen Theil des inneren Gewebes aus, welcher an einem Ende noch mit dem ganzen Schnitte zusammenhängt, und fand, dass dieselbe lebhaft zurückkrümmt und dann in seine erste Stellung wieder zurückgeht um dies sogar zu - wiederholen. . Damit glaubt er den Beweis für seine Behauptung erbracht, dass die Bewegung allein abhängig sei, von den kleinen Stärkekörnern, EEE l) Morren, Mem. de l’Acad, du Bruxelles 1888 Taf. XI, 342 welehe sich nur im innersten Theile des Gewebes an der reizbaren Stelle vorfinden, und nennt dieselben direct „le systeme nerveaux“. Er sagt: „Il ne restait done plus qu’a s’assurer si le eylinderchyme interieur n’est pas & lui seul l’organe du mouvement. Pour cela j’ai separe les deux fibres avec le derme de la portion centrale, et alors en cou- pant celle-si & sa base, j’ai vu le segment libre se recourber avec violence etc.“, und weiter: „J’ai r&pete cette experience de diverses manieres toujours avec le möme succes. Ainsi la portion feculifere isol6e s’est toujours recourbee avec force. Aprös un certain temps elle revient & sa position pour se recourber de nouvcau etc.“ Der nächste, der sich mit der Bewegungserscheinung beschäftigte war Kabsch!). Er stellte Versuche mit 8. graminifolium und 9. ad- natum an. Er kommt zu wesentlich anderen Resultaten wie Morren. Er fand, wie Morren, dass am Knie „eigenthümlicherweise die Epi- dermis aus papillösen Zellen besteht und zwar besonders die äussere, deren Zellen wenigstens der grösseren Anzahl nach, zitzenartige Fort- sätze bilden und zwar, wie es scheint, immer über dem Zellkerne, der häufig fast in das Innere der Erhebung hineinreicht“ ete. Diese reizbare Stelle ist 2—3mm lang. Die von Morren beobachtete autonome Bewegung zu sehen ist ihm nie trotz sorgfältigster Aufmerksamkeit gelungen. Er glaubt, dass die Bewegung nur das Resultat eines mechanischen Reizes sei. Dass die Reizbarkeit nicht abhängig sei vom Leben der übrigen Pflanze schloss er aus der Thatsache, dass ein abgeschnittenes Gynostemium auf den Objectträger noch Bewegungen ausführt. „Dies Vermögen geht zwar dem ‚Organe sehr bald, gewöhnlich schon nach dem zweit- maligen Reize, verloren, beweist aber doch seine vollkommen selb- ständige Reizbarkeit“. In den Stärkekörnern, die an der Biegungs- stelle angehäuft sind, konnte er nichts finden als die Beweise einer besonderen chemischen Thätigkeit und sagt im Gegensatz zu Morren: „Die Bewegung des Organs hängt allein von dem antagonistischen Verhalten der Epidermis und der darunter liegenden mit jener so eng verbundenen Zellschichten ab, wobei die Gefässe, wenn auch mehr mittelbar, theilnehmen mögen.“ Der letzte Forscher, welcher der Bewegungsursache näher ge- treten ist, war Gad2). Derselbe behauptet, dass die Bewegung keine Reizbewegung sei, sondern die Schleuderbewegung, welche das Gyno- t) Kalsch in Bot, Zeitg. 1861 p. 345 - 352, 2) Gad in Bot, Zeitg. 1880 p. 216 u. 283, 843 stemium ausführt, kommt nach ihm zu Stande durch eine Hemmung einer autonomen Bewegung, welche durch das klebrige Labellum ver- ursacht wird. Zum Beweise dafür legte er auf das Labellum ein Stückchen Papier und fand, dass das Gynostemium nicht unten bleibt, wie es normal der Fall ist, sondern dass es sich allmählich in die Höhe richtet. Ausserdem fand er bei Blüthen, weiche fünf ausgebildete Blumenblätter besitzen und bei welchen deshalb keine Hemmung der Bewegung stattfinden kann, dass hier nie eine Schleuderbewegung zu beobachten war, sondern nur eine langsame Hin- und Herbewegung. Er fand, dass „in der frisch entfalteten Blüthe das Gynostemium aufrecht steht. Wenn die Antheren sich zur Oeffnung anschicken, so beginnt die erste, nicht auf Wachsthumsverhältnisse zu beziehende Krümmung des Organs“. Nach der Oeffnung der Antheren tritt erst die „Schleuderbereitschaft“ ein. In diesem Zustande des Gynostemiums kann man durch eine leichte Erschütterung eine plötzliche Bewegung hervorrufen, bei der die mehr als einen halben Kreisbogen beschrei- benden Antheren ihren Pollen weit von sich schleudern. Der Rück- gang geht viel langsamer vor sich, so dass man sie mit dem Auge gerade noch verfolgen kann. Endlich sagt er, die Ursache der Be- wegung sei „die Aenderung der Gewebespannung, aber auch kein Reizphänomen, denn sie ist in ihrer Periode und in der Form ihres Verlaufes durch das Leben nicht zerstörende Einwirkung nicht zu beeinflussen.“ Seine Versuche sind allerdings, wie er selbst schreibt, noch nicht abgeschlossen. Im Folgenden sollen nun meine eigenen Beobachtungen auf- gezählt werden. Ich experimentirte erstens mit S. adnatum R. Br. und zweitens mit 8. calcaratum R. Br. Die vorher beschriebenen Versuche von Morren, Kabsch und Gad sind auch von mir fast sämmtlich angestellt worden. Aus allen diesen Versuchen möchte ich jedoch eine andere Schlussfolgerung ziehen wie das von Morren, Kabsch und Gad geschehen ist. Es lässt sich in allen diesen Versuchen die Bewegung des Gynostemiums der Hauptsache nach auclı durch ein ungleichseitiges Wachsthum und durch eine Hemmung desselben erklären. Die ersten Experimente wurden im Mai 1899, die letzten im April 1900 gemacht. Während im Jahre 1899 das Wetter schön warm und sonnig war, und die ganze Vegetation in lebhaftem Wachsthum sich befand, herrschte im April 1900 eine sehr strenge Kälte; die Vegetation war sehr weit zurück und das Wachsthum hatte kaum angefangen. Trotzdem ich die Pflanzen im Warmhause mit möglichst 844 viel Licht ceultivirt hatte, habe ich in diesem Jahre nie so lebhafte Bewegung des Gynostemiums beobachten können wie zur selben Zeit im Jahre vorher. Wie schon erwähnt, ist eines von den fünf Blumenblättern in ein den übrigen an Grösse weit nachstehendes Labellum umgewandelt, welches bei den verschiedenen Arten verschieden ge- bildet ist. Dasselbe liegt zwischen den beiden grossen Biumenblättern. Ein Querschnitt des Polsters von S. adnatum R. Br. zeigt ein kleines fleischiges Polster, dessen obere Schicht aus sehr langen und drüsen- artigen Zellen besteht (Fig. 39). An dem dem Polster schief gegenüber liegenden Blumenblatte findet man noch einen sehr kleinen Auswuchs, welcher gleich- falls mit einer drüsenartigen Zellschicht versehen ist hurch al (Fig. 40). Zwischen diesem Auswuchs und dem Tabellum von sg, Pabellum bewegt sich das Gynostemium hin und her. adnatum. Wie von Morren, Kabsel und Gad erwähnt, liegt in einer fertigen Blüthe das Gynostemium dem Labellum fest an und sobald man es berührt, springt es sogleich lebhaft in die Höhe und biegt nach der anderen Seite über, bis es das gegenüber liegende Drüsenpolster berührt. In dieser Lagerung bleibt das Gynostemium einige Zeit und geht dann allmählich zurück. Erst nach circa einer halben Stunde kann eine zweite Bewegung von gleicher Intensität ausgelöst werden. Morren sagte, dass er noch eine autonome Be- wegung beobachtet hat. Diese Bewegung ist von Kabsch bestritten. Ich habe dieselbe sehr oft beobachtet, jedoch nur bei einer hohen Temperatur (21°) und in der Fig. 40, Nacht. Ich habe um zwei Uhr früh bei eben dieser Auswuchs auf Temperatur beobachtet, dass die von Morren beobachtete nen La- autonome Bewegung sehr lebhaft vor sich geht. Ueberall bern sprangen die Gynostemien plötzlich in die Höhe und der den Kelch. Fückgang erfolgte wie von Morren beschrieben, in blatt. eirca einer halben Minute. Diese Erscheinung lässt sich aber auch ohne Annahme autonomer Reizbewegung allein durch eine Wachsthumerscheinung erklären. Die für den Eintritt der Bewegung günstigsten Verhältnisse sind auch diejenigen, welche das Wachsthum am meisten fördern. Das von Morren ausgeführte Experiment zum Nachweis, dass die Epidermis keine Rolle spielt, ist mir wie Kabsch nie gelungen. 345 Allein, was er sehr oft mit gleichem Resultate beobachtet hat, kann man kaum bestreiten. Aber auch dies Experiment lässt sich, wie mir scheint, durch die Annahme ungleichseitigen Wachsthums erklären. Das Experiment Kabsch’s, welcher an einem abgeschnittenen Gynostemium Bewegungen beobachtete und daraus schloss, dass das Gynostemium selbständige Bewegungsfähigkeit besitzt, findet gleich- falls seine Erklärung durch Annahme des ungleichseitigen Wachsthums. Mit Gad stimme ich überein, dass eine plötzliche Bewegung zu Stande kommen kann nur durch eine Hemmung, welche normalerweise durch das Labellum verursacht wird. Ich babe nicht nur ein Stückehen Papier auf das Labellum gelegt, sondern auch die ganze Blumenkrone entfernt, und ich habe, wie Gad, nur eine langsame Hin- und Her- bewegung beobachtet. Bei Entfernung der Blumenkrone ist das Bewegungsfeld nicht nur ein halber, sondern fast ein ganzer Kreis, in dem nun das Gynostemium einmal auf der einen Seite, das andere Mal auf der gegenüberliegenden, der des Fruchtknotens, sich anlegt. Weiter habe ich beobachtet, dass an einer Blüthe, bei welcher die Blumenkrone entfernt war, eine plötzliche Bewegung des Gyno- stemiums sich erzeugen lässt. Wir brauchen nur durch irgend ein Hinderniss das in langsamer Bewegung befindliche Gynostemium einige Zeit aufzuhalten, so wird bei Entfernung dieser Hemmung eine plötz- liche Bewegung ausgeführt. Kabsch versuchte eine Bewegung mit Elektrieität auszulösen, wie es ihm bei anderen Pflanzen gelungen war, hat aber keine Bewegung auslösen können. Ein weiterer von mir angestellter Versuch ist folgender. Eine blühende Pflanze wurde in einen mit Aether- oder Chloroformdämpfen erfüllten Raum gebracht und ich konnte dabei beobachten, dass jedes der verschiedenen Gynostemien in einer anderen Lage fixirt wurde, während z. B. die Blätter der Sinnpflanze bei gleicher Behandlung alle in gleicher Lage fixirt werden. Dieses Experiment lässt die Annahme, dass die Bewegung Folge des Wachsthums sei, jedenfalls als gerechtfertigt erscheinen. Man kann an dem Gynostemium ein sehr rasches Wachsthum verfolgen. Das Gynostemium von 8. adnatum R. Br. ragt beim Öffnen der Blüthe kaum aus dem Schlunde derselben hervor, während es im ausgewachsenen Zustande wenigstens zwei Mal so lang ist, und dieser Zuwachs, der ca. lem beträgt, wird in ungefähr 24 Stunden unter gewöhnlichen Verhältnissen erreicht. Um einen Kreisbogen von un- gefähr 2000 zu beschreiben, braucht das Gynostemium ungefähr Flora 1900. 24 346 25 Minuten, wenn das Labellum entfernt wurde. In älteren Blüthen braucht es zum gleichen Weg eine längere Zeit. Dies stimmt mit der Beobachtung Kabsch’s überein, der schreibt, dass bei jungen Blüthen die Intensität der Bewegung eine bedeutend grössere sei wie in älteren. Mikrotomschnitte durch jüngere und ältere Gynostemien zeigen, dass bei letzteren die Zellen länger sind wie die bei ersteren. Das rasche Wachsthum A würde jedoch nicht so auffallen, wenn es auf B beiden Seiten des Gynostemiums zu gleicher Zeit gleich stark wäre. Dasselbe ist aber, wie sich leicht beobachten lässt, ein ungleichseitiges. Bringen wir an einem Gynostemium beiderseits in gleicher Höbe eine Tuschmarke an und beobachten das Gynostemium bei einer rasch wachsenden Fig. 41. Längsschnitt durch das Gynostemium von S. adnatum,. A auf j ‚ B . der concaven, B auf der Pflanze mittelst eines Horizontalmikroskopes bei convexen Seite. starker Vergrösserung (Leitz 7, IID, so sieht man bald die eine, bald die andere Tuschmarke in die Höhe rücken, was nur geschehen kann, wenn einmal die eine, einmal die andere Seite stärker wächst. Ein Längsschnitt durch die Biegungsstelle zeigt, dass die Zellen auf der äusseren Seite der Krümmung länger sind wie diejenigen der inneren Krümmungsseite (Fig. 41). Eine kurze Erwägung zeigt uns auch, dass es nicht einmal eines grossen Zuwachses bedarf, um uns die Bewegung als schnell erscheinen zu lassen. Wir sehen hier dasselbe Experiment von der Natur vorge- führt, welches wir gewöhnlich zu demonstriren pflegen, um das Wachsthum der Pflanzen zu veranschaulichen, Fig. 42. Blüthe das Experiment mit dem Zeiger am Bogen. Die von 8. adnatum wachsende Pflanze wird in unserem Falle vorgestellt nach Entfernung durch eine oder mehrere wachsende Zellschichten von Kelch und auf einer Seite des G temi . der Zei ird Krone. L Labellum. ynostemiums;, der Zeiger Wit durch das oberhalb der wachsenden Zone befindliche Gynostemiumende repräsentirt, welches auf der nicht wachsenden Seite als Wellenachse befestigt ist. Die Länge einer Seite des Zeigers entspricht also dem Durchmesser des Gynostemiums. Der längere Arm des Zeigers entspricht dem über der Biegungsstelle liegenden Theil desselben. Die eine Seite des Zeigers ist, wie wir sehen, ungefähr 30 Mal so lang wie die andere und wird demnach einen Zuwachs auf 347 einer Seite ganz beträchtlich deutlicher zur Anschauung bringen (Fig. 42). Das wachsende Gewebe zeigt einen zarteren Bau wie das in den übrigen Theilen des Gynostemiums. Bei 8. pilosum konnte ich papillös vorgewölbte Epidermiszellen beobachten, wie sie von Morren schon bei S. graminifolium abgebildet wurden. Derartige Papillen finden sich jedoch auch in der Nähe der Narbe. Die von Gad schon nur auf der concaven Seite der Krümmung bei 8. adnatum beobachtete Faltung der Zellen ist nur eine passive. Bei 8. pilosum war diejenige Stelle des Gynostemiums, welche mit dem Labellum in Berührung kommt, mit anders gestalteten Epidermiszellen versehen. Es war dies auch der einzige Fall, während bei allen übrigen Arten, wie schon Gad erwähnt, die Zellen gleich- artig ausgebildet waren. Ausgezeichnet ist die Biegungsstelle auch. durch die grosse An- häufung von Stärke. Die Zellen sind so dicht mit Stärke erfüllt, dass man schon mikroskopisch, besonders deutlich an Alkoholmaterial, ein weisses Band an dieser Stelle wahrnehmen kann. Endlich habe ich beobachtet, dass man durch Plasmolyse nie eine Bewegung hervorrufen konnte. Dieser Versuch zeigt uns, dass die Bewegungserscheinung nicht durch Turgor verursacht wird. Bei einigen Arten dreht sich das Gynostemium im Blüthenrohr ungefähr um 20°, was natürlich die schiefe Bewegung des oberen Theils des Gynostemiums verursacht. Die Blüthe des kleinen S. calcaratum R. Br. weicht etwas im Bau von der bisher beschriebenen gewöhnlichen Ausbildung der Stylidium- blüthen ab. Das Labellum zeigt nämlich die gewöhnliche polster- förmige Ausbildung, wie wir sie bisher kennen lernten, nicht, sondern es ist löffelförmig. Der untere Theil des Löffels ist zurückgeschoben. Tafel XIV Fig. 13, 14. Mit Ausnahme einiger drüsenartiger Zellen, welche am Uebergang in dem stielförmigen Theil sich befinden, ist das Labellum äusserst dünn. Die übrigen Blumenblätter sind besonders gross und die Blüthe deutlich zweilippig. Die Lippen bilden in geöffneten Blüthen mit einander einen Winkel von ungefähr 120° (Tafel XIV Fig. 18, 14). Die zwei unteren besitzen an der Austrittstelle aus der Blüthenröhre einen deutlichen Ausschnitt und lassen so eine Lücke zwischen sich, in welcher das Gynostemium sich bewegen kann. Das Gynostemium, welches nicht so lang ist wie bei 8. adnatum R. Br. erhebt sich aus dem Blüthenrohr ungefähr um die halbe Länge der Blumenblätter. Der in der Blume eingeschlossene 24+ 348 Theil desselben ist fast eylindrisch. Im oberen Theil bis zur Ansatzstelle der Narbe ist es sehr flach gedrückt und auf der dem Labellum zu- gekehrten Fläche seitlich eingekrüämmt. Zwischen diesen beiden Theilen befindet sich auf der dem Labellum abgekehrten Seite ein kleiner, flaschenförmiger Auswuchs (Fig. 43 und Tafel XIV, Fig. 13, 14, 17). Am oberen Ende sitzt einseitig die Narbe, welche muldenförmig ver- tieft ist, und die vier Pollensäcke (Tafel XIV, Fig. 15). Zwischen den beiden dem Labellum zugekehrten Pollensäcken findet sich eine kleine, spitzenförmige Hervorragung (Fig. 43). Diese, sowie die Pollensäcke schnappen in die löffelförmige Biegung des Labellum ein, und so wird das Gynostemium ‚ft A-4 festgehalten, während bei 9. ! adnatum, wie wir schon gesehen haben, die Hemmung nur durch K die Kiebrigkeit des polster- B N förmigen Labellum verursacht wird. fe. Ein Längsehnitt durch das Ni Gynostemium zeigt uns, dass die Zellwände des oberen Theiles unregelmässig verdickt sind, während die Zellen des unteren Theiles sehr zartwandig bleiben. : An den Epidermiszellen des L oberen Theiles fällt die Papillen- Fig. 43. Längsschnitt durch das Gynostemium bildung auf. Der obere Theil und Labellum von 8. calcaratum. A Narben- ünterscheidet sich ausserdem haar, B Auswuchs des Gynostemiums,, K durch die Gestalt des Quer- Drüsenpolster, H Haken, N Narbe, L La- schnittes (Fig. 44). Während bellum, P Pollensäcke (punktirt). der untere Theil fast eylindrisch ist, ist die obere Fläche sehr stark convex gebogen und die zwei Gefässbündel laufen in den zwei äussersten Rändern. Endlich unter- scheiden sich die Zellen des oberen Theiles von denen des unteren durch ihren Inhalt. Dieselben führen bis in die Narbe selbst sehr viel Stärke, während der untere Theil davon frei ist. Die Haare der Narbe sind fast so lang wie die Narbe selbst. Sie sind einzellig, zeigen aber viele Anschwellungen, was ihnen eine rauhe Beschaffenheit verleiht. Wie bei 9. adnatum ist die Ursache der Bewegung ungleich- mässiges Wachsthum auf den beiden Seiten des Gynostemiums, Wir 349 können dieses Wachsthum im unteren Theile des Gynostemiums wahr- nehmen. Die Bewegung aber wird hier noch verstärkt durch eine zweite rein mechanische, die nur im oberen Theile zu bemerken ist. Das Gynostemium zeigt niemals eine S-förmige Biegung wie bei 8. adnatum, sondern ist nur einfach gebogen (Fig. 44). Wenn das Gynostemium nach unten gebogen ist, so steht der im Blüthenrohr verlaufende Theil schief zum Blüthenboden, der obere gebogene Theil, welcher nach unten sehr stark concav ist, schiebt die Pollensäcke in das Labellum hinein. Durch das ungleiche Wachsthum erhält das Gynostemium das Bestreben sich zu erheben, in gleicher Weise, wie wir das bei S. ad- natum kennen gelernt haben. Wenn aber die Bewegung eingetreten ist und der untere Theil des Gynostemiums schon fast senkrecht zum Blüthenboden steht, bleibt der obere Theil noch gebogen. Im letzten Moment aber fängt die convexe Seite an concav zu werden. Dies geschieht durch einen Druck, welcher auf die convexe Oberseite in der Nähe von dem unteren Theil der oben erwähn- ten Auswüchse ausgeübt ist (Fig. 44 C). Sobald dies geschieht, kommt eine plötzliche Bewegung zu Stande und die Narben, welche vorher senkrecht nach oben gerichtet waren, werden dem Gynosteniium angedrückt und sind der Blumenkrone Fig. 44. Längsschnitt zugekehrt. Diese letztere Bewegung habe ich auch durch das Labellum künstlich hervorrufen können durch einen Druck mit ee at) einer Nadel auf die convexe Seite des Gynostemiums. Die Frage nach der biologischen Bedeutung der Beweglichkeit des Stylidiumgynostemiums lässt sich ohne Beobachtung an Ort und Stelle nicht wohl mit Sicherheit beantworten '). Immerhin werden wir nicht fehlgehen, wenn wir in ihr eine Ein- richtung, welche die Kreuzbefruchtung erleichtert, annehmen. Wie schon erwähnt, lässt sich die Bewegung bei $. adnatum R. Br. am schönsten bei der Nacht beobachten. Ohne dass die Pflanze erschüttert wird konnte ich beobachten, wie Pollenmassen auf eine Entfernung von über 12cm geworfen wurden. Unterstützt wird die Schnelikraft noch durch eine andere Einrichtung. Bei einigen Stylidienarten ist das Gynostemium in der Nähe der schweren Narben nur halb so dick wie sonst und wir dürfen sie wohl als ein Schleudergelenk ansehen. Tl hy l) Thompson in Trans. of the bot. Society Bd. XIV, 1881-1883, pag. 94 18 105. 350 Durch diese Einrichtung wird die Kreuzbefruchtung erleichtert, was wir leicht bei den im Warmhause wachsenden Exemplaren nach- weisen Können, Bei S. calearatum sind — wie schon erwähnt — die Verhältnisse anders und diese Pflanze scheint zur Befruchtung ganz auf Insecten angewiesen zu sein. Schon um 3 Uhr Nachmittags, am hellen Tage, zeigt dieselbe eine Schlafbewegung. Die obere Lippe biegt sich nach vorn abwärts und legt sich der unteren fest an. In diesem Zustande blieb die Blüthe meines Exemplars bis ungefähr 9 Uhr Morgens. Zwischen 9 Uhr früh und 3 Uhr Nachmittags ist die Blume für In- sectenbesuch geöffnet. Die beiden Blumen- blätter der oberen Lippe zeigen im jungen Zustand Auswüchse, welche zusammen- wachsen und in der fertigen Blüthe einen langen Sporen bilden, welcher mit Honig gefüllt ist. Als Schauapparat wirken in der Blüthe vier rothe Flecken. Die beiden unteren Biumenblätter bilden eine Plattform und dienen als Anflugstelle (Fig. 45). Sucht ein Insect zu dem im Sporen befindlichen Honig zu gelangen, so versperrt ihm der flächenförmige Auswuchs des Gynoste- miums den Weg (Taf. XIV Fig. 13). Drückt das Insect nun mit dem Rüssel gegen diesen, so werden die Pollensäcke und der dazwischenliegende hakenförmige Fig. 45. Auswuchs aus ihrem Lager im Labellum gerissen, so die Hemmung aufgehoben und das Gynostemium springt in die Höhe. Zuerst schleift die pinselartige, mit rauhen Haaren versehene Narbe über den Insectenkörper und nimmt den an demselben befindlichen Pollen auf. Durch die nun folgende plötzliche zweite Bewegung des oberen flachen Theils des Gynoste- miums werden die Pollensäcke plötzlich an den Insectenleib gedrückt und das Insect wieder mit Pollen beladen. Embryoentwickelung. Der Fruchtknoten der Stylidien ist meist zweifächerig mit Central- placenta, an welcher eine grosse Anzahl von Samenanlagen sitzen. Bei einigen Arten wächst der Fruchtknoten zu einer langen Spitze 351 aus, z. B. S. adnatum R. Br. Für gewöhnlich aber bleibt der Frucht- knoten kugelförmig, z. B. 8. graminifolium u. s. w. Die Samenanlagen sind anatrop und besitzen nur ein Integument. Der Embryosack ist normal gebaut und zeigt im befruchtungsfähigen Zustande drei ziemlich grosse Antipodenzellen, die Eizelle, zwei Synergiden und den grossen secundären Embryosackzellkern, welcher sehr nahe beim Eiapparat liegt. Dieser selbst besteht aus der runden Eizelle, während die Synergiden längliche Form besitzen. Kurz vor der Befruchtung kann man beobachten, wie der ganze Eiapparat von diehtem Protoplasma umschlossen wird, welches sich kappenförmig bis in die Mikropyle vorzieht (Taf. XIII Fig. 1 u. 2). Dieses Protoplasma zeigt ein sehr starkes Speicherungsvermögen für Farbstoff und färbt sich sehr viel rascher und intensiver wie das übrige des Embryosacks. Vor der Befruchtung findet sich reichlich Stärke vor; frei davon ist nur die mit dem erwähnten Protoplasma gefüllte Spitze. Rings um den Embryosack findet sich eine Schichte langgestreckter Zellen, deren Längsachse quer zum Längsdurchmesser des Embryo- sackes steht (Taf. XIII Fig. 1, 3 u. 4). Die Zeilwände der in der Nähe der Antipoden liegenden Zellen färben sich viel stärker wie die der übrigen Wände. Wahrscheinlich haben diese Zeilwände die Function, dem Embryo Nährstoffe zuzuführen, zumal auch später ein Haustorium an dieser Stelle sich bildet. Gleich nach der Befruchtung sehen wir das obere der Mikro- pyle zugekehrte Ende des Embryosacks gewaltig auswachsen und in das Gewebe des Integuments unregelmässig eindringen. Dies geschieht, ehe sich noch der secundäre Embryosackzellkern zur Theilung an- schickt. Dieser Auswuchs des Embryosackes ist von einem aus Protoplasmafäden gebildeten Netzwerk erfüllt. Nun beginnt der secundäre Embryosackzellkern sich zu theilen. Bei der ersten Theilung steht die, die beiden Pole der Theilungs- figur verbindende Linie parallel zur Längsachse des Embryosackes (Taf. XIII Pig. 3). Der obere Zellkern zerfällt in zwei Kerne. Bei dieser zweiten Theilung steht die die Pole der Theilungsfigur verbindende Linie senkrecht auf der Längsachse des Embryosacks. Beide Tochterkerne theilen sich wieder in gleicher Richtung wie bei der ersten Theilung des Embryosackzellkerns. Bei dieser letzten Theilung tritt eine Zell- wand auf, durch welche zugleich die obere Ausstülpung des Embryo- sacks von diesem selbst getrennt wird (Taf. XII Fig. 6). Die ab- getrennten Tochterkerne wandern nun in den oberen Theil der 352 Ausstülpung. Sie nehmen zwar an Grösse ganz bedeutend zu, theilen sich aber nicht mehr. Ein ähnliches Verhalten wie der obere Theil des Embryosacks zeigt auch der untere. Kurz nach der Befruchtung sehen wir die Antipoden zu Grunde gehen. Dann beginnt auch hier der Embryosack eine Ausstülpung zu bilden, welche aber nicht so gross wird, wie diejenige am oberen Ende. Ferner werden auch hier zwei aus dem secundären Embryo- sackzellkern hervorgehende Kerne in die Ausstülpung getrieben. Auch diese wachsen bedeutend, theilen sich aber nicht mehr (Taf. XIII Fig. 6). Die Zellkerne des oberen wie die des unteren Haustoriums gehen aus dem secundären Embryosackzelikern hervor und sind nicht als Synergiden oder Antipoden zu deuten. Der Embryosack wird durch rasche Theilung des ursprünglichen Embryosackzellkerns und durch Zellwandbildung mit Endospermzellen erfüllt. Die Eizelle dagegen bleibt lange Zeit ungetheilt (Taf. XII Fig. 8). Dieselbe theilt sich dann normal. Es wird ein Embryo- träger gebildet und ein kugeliger (S. adnatum) oder ein eiförmiger (8. linearis Sw.) Embryo, der aber keine Anlage der Cotyledonen zeigt (Taf. XIII Fig. 10). Diese werden erst während der Keimung, die übrigens sehr lange dauert (4 Monate), ausgebildet. Sie sind nieht, wie von Scrobischewsky!) behauptet, von ungleicher Grösse, werden auch nieht nach einander angelegt, sondern sie entstehen gleichzeitig und sind fast gleich gross (Taf. XIII Fig. 11 u. 12). Zu gleicher Zeit mit der Bildung des Embryos wird das Inte- gument bis auf eine Zellschicht von den Tapetenzellen aufgezehrt. Die übriggebliebenen Zellen des Integuments sklerosiren sehr frühzeitig und es bleibt nur eine kleine Stelle am unteren und oberen Ende von dieser Sklerosirung ausgeschlossen, möglicherweise um den Luftzutritt zu gestatten. Auch diese Stellen werden bei der Reife des Samens noch sklerosirt. Zuletzt wird das Protoplasmanetz der beiden Haustorien in ein Cellulosegerüst?) verwandelt und im ‘oberen Haustorium wird die ur- sprüngliche Mikropylöffnung durch einen Cellulosezapfen fest ver- schlossen (Taf. XIII Fig. 10). 1) Scrobischewsky, Wladislaus, Ref. in Just, Jahresbericht 1876 p. 439. 2) Schacht im Pr. Jahrb. 1863. Hofmeister, Die Lehre von der Pflanzen- zelle, Leipzig 1867. Janse in Pringsheim’s Jahrb. 1890. Berthold, Studien über Protop. Mechanik 1886, Cap. VII. Tischler in Physikalisch-Oekonomische Geselisch. Königsberg. 358 An dieser Stelle möge auch die biologisch interessante That- sache Erwähnung finden, dass bei 8. pilosum und besonders deutlich bei 8. ealcaratum Mycorrhiza zu beobachten war. Die Zellen der Wurzelrinde zeigten auf Schnitten gelbe Körper, welche sich bei Be- handlung mit Kalilauge als Knäuel, gebildet aus Pilzfäden, erwiesen. 1. Bei Betrachtung der Epidermiszellen ist bemerkenswerth das Vorhandensein einer scheinbar mehrschichtigen Epidermis, welehe jedoch durch Schiefstellung langgestreckter Epidermiszellen zu Stande kommt. 2. Weiter fallen eigenthümlich verdickte Zellen, Spieularzellen, auf, welche ich bei 8. pilosum beobachtet habe. 3. Besondere Erwähnung verdient es, dass sich in den Wandungen der Epidermiszellen Hoftüpfel finden, welche bisher nur im wasser- leitenden Theile der Gefässbündel resp. im Holz beobachtet wurden. 4. Es fanden sich bei allen Drüsenhaare mit mehrzelligen Köpfchen. 5. Von besonderem Interesse sind die Schleimhaare, welche sich durch die mehrmalige Erneuerung der Cutieula auszeichnen. Sie dienen zum Schutze der Stammknospe, 6. Die Spaltöffnungen besitzen eine Nebenzelle und ihr Vorkommen ist localisirt. 7. Stets sind sie zur Herabminderung der Transpiration durch eine Substanz unbekannter Zusammensetzung verstopft. 8. Eine scharfe Grenze zwischen Palissaden- und Schwammparen- chym ist nicht vorhanden. Armpalissaden sind bei sämmtlichen Arten constant. 9. Verdiekt und deshalb getüpfelt ist das Assimilationsgewebe bei 8. pilosum und $. reduplicatum. 10, Als Inhaltskörper fanden sich constant Inulin, Tannin. Bei einigen ist Caleiumoxalat nachgewiesen. 11. Mechanische Gewebe und Stranggewebe sind stets enge mit einander verbunden, da ersteres nur in Begleitung des letzteren auftritt. 12. Der Verlauf des Stranggewebes ist ein sehr unregelmässiger. 13. Auch die Bildung der einzelnen Gefässbündel ist nicht normal. 14. Niemals kommt es zur Bildung von Cambium zwischen Ge- fässen und Siebröhren. 15. Ein meristematischer Ring ausserhalb der erst angelegten Gefässbündel erzeugt niemals Gefässe, sondern nur Sklerenchym. 16. Nach der Befruchtung entstehen am Embryosack zwei grosse Haustorien, welche beide zwei Kerne enthalten, die durch Theilung des Embryosackzellkern entstanden sind. 354 17. In dem bei der Mikropyle liegenden Haustorium verwandelt sich das Protoplasma in ein Cellulosegerüst. 18. Der Embryo ist ungegliedert. Erst während der Keimung werden die Cotyledonen angelegt. 19. Die Blätter sind sehr verschieden gestaltet und in dieser Gestalt offenbart sich deutlich ein Angepasstsein an die Standortsverhältnisse. 20. Die Bewegungserscheinung des Gynostemiums der Stylidiaceen- arten findet seine Erklärung durch ein ungleichseitiges Wachsthum und eine Hemmung desselben. 21. Mycorrhiza wurde bei zwei Arten beobachtet. Erklärung der Tafeln. Tafel XIII. Fig. 1. Embryosack mit Integument kurz vor der Befruchtung. Fig. 2. Querschnitt durch den oberen Theil des Embryosacks. Die Synergiden sind im Protoplasma eingebettet. Fig. 3. Embryosack nach der Befruchtung. E Eizelle. Der secundäre Embryo- sackzellkern hat sich getheilt. Fig. 4. Embryosack nach der zweiten Theilung des secundären Embryosack- zellkerns. P Polienschlauch. E Eizelle. Fig. 5. Haustorium des Antipodenendes. Fig. 6. Embryosack mit der ersten Zellwand, Zwei Kerne gingen in das Haustorium. Fig. 7. Oberes Haustorium mit zwei grossen Kernen und der Eizelle E. Fig. 8. Längsschnitte eines Samens von $. graminifolium. Der Embryosack zeigt zwei Haustorien. Fig. 9. Unteres Haustorium von $. adnatum. Fig. 10. Längsschnitt durch den oberen Theil eines Samens von $. adnatum, T Tapetum, K Zellulosezapfen, C Netzwerk aus Cellulose. Fig. 11. Junger Embryo von $. adnatum von oben. Fig. 12. Cotyledonen von 8. adnatum, Tafel XIV. Fig. 13. Blüthe von 8. calcaratum von der Seite gesehen. Das Gynostemium, G, ist nach unten gebogen. L Labellum. 8 Sporen. A Auswüchse des Gynostemiums, N Narbe. Fig. 14. Dieselbe mit dem Gynostemium oben. Fig. 15. Dieselbe von oben gesehen. Das Gynostemium ist nach unten gebogen. Fig. 16. Dieselbe von vorn. Man sieht, wie die Pollensäcke im Labellum liegen. Fig. 17. Dieselbe nach Entfernung von einem Kelch-, einem Kronblatt und dem Labellum, Fig. 18. Blüthe von 8. adnatum mit Gynostemium nach oben. Fig. 19, Dieselbe während der Bewegung des Gynostemiums. L Labellum. Fig. 20. Dieselbe nach Entferung der Kelch- und Kronenblätter. Fig. 21. Habitusbild eines Theils des Stengels von $. scandens. 1) Fig. 1-7 sind von $. squamellosum. Ueber Kerntheilung bei Spirogyra. Dritter Beitrag zur Kenntniss der Karyokinese von C. van Wisselingh. Hierzu Tafel XV. Im December 1898 erschien in der botanischen Zeitung meine Arbeit über den Nucleolus von Spirogyra. Bei der Untersuchung dieses Körpers wurde eine neue Methode befolgt, nämlich Behandlung von fixirtem Material mit einer starken Chromsäurelösung. Diese Methode fand später ihre Anwendung, als ich bei Fritillaria und Leucojum die Karyokinese im Embryosack und Nucellargewebe studirte.!), Sie wurde damals einer sorgfältigen Controlle unter- worfen.?2) Abermals gelangte ich dabei zur Ueberzeugung, dass nebst den üblichen Untersuchungsmethoden, bei welchen Fixiren, Färben und das Mikrotom ihre Anwendung finden, auch diejenigen, bei welchen allmähliche Auflösung eine Hauptrolle spielt, angewandt zu werden verdienen.?) Die von mir bei Spirogyra crassa erhaltenen Resultate waren sehr im Streit mit den Ansichten einiger Untersucher und zu einem grossen Theil waren sie neu. Auf manche Frage gaben sie eine Antwort, aber auch neue Fragen wurden aufgeworfen. Deswegen hoffte ich, meine karyokinetischen Untersuchungen bei Spirogyra später fortsetzen zu können, wozu ich im Stande war, als ich im November 1898 in einem Graben bei Steenwijk zwischen dem Städt- chen und dem Bahnhofe zwei Arten der Gattung Spirogyra fand, die Sich für eine Untersuchung geeignet zeigten. Bei beiden habe ich die Karyokinese studirt. Ich halte es nicht für nothwendig, hier die Resultate zu er- wähnen, zu welchen verschiedene Untersucher hinsichtlich der Karyo- kinese bei Spirogyra gekommen sind. Es genügt, dass ich auf meine Abhandlung über den Nucleolus von Spirogyra verweise. Die Resultate von Strasburger, Macfarlane, Flemming, Tangl, Zacharias, Meunier, Behrens, Degagny, Moll 1) Ueber das Kerngerüst. Botan. Ztg. 57. Jahrg. 1899, II. Abth. pag. 155. 2) 1 e. pag. 156 u. 157. 3) l. ec. pag. 155 u. 156, 356 und Mitzkewitsch finden in oben genannter Arbeit Frwähnung.') Die des letztgenannten Untersuchers werden in einer Nachschrift be- sprochen.?2) Meine eigenen Resultate sind in 24 Sätze zusammen- gefasst.?) Hinsichtlich meiner Untersuchungsmethode bemerke ich, dass ich jetzt die Kerne mit einer 40proc. Chromsäurelösung behandelte. Weil die Kerne der jetzt untersuchten Spirogyren etwas kleiner und zarter sind als die von Spirögyra crassa, gab ich einer 40proe. Lösung den Vorzug über eine 50proc., wie sie früher gewöhnlich von mir angewandt wurde.‘) Als Fixirmittel benutzte ich wieder das Flemming’sche Gemisch) und als Farbmittel wieder eine mit Essig- säure angesäuerte Lösung von Brillantblau extra grünlich.®) Diese Lösung wurde hinzugefügt, wenn die Chromsäure hinreichend auf die Kerne eingewirkt hatte und darauf durch Wasser entfernt war. Material. Nachdem ich mehrere systematische Werke”) nachgeschlagen hatte, gelangte ich zum Resultate, dass eine der zwei von mir unter- suchten Spirogyren grosse Uebereinstimmung zeigte mit der Art, die man Spirogyra setiformis (Roth.) Kg. genannt hatte. Ich werde die- selbe desshalb setiformis nennen. Was die andere Art angeht, be- merke ich, dass in den citirten Werken keine Spirogyra beschrieben ist, welche mit der von mir untersuchten übereinstimmt. Ich muss ihr desshalb einen neuen Namen geben und weil ich fand, dass die Karyokinese auf dreierlei Weise stattfinden kann, werde ich sie Spirogyra triformis nennen. Der eigentlichen Untersuchung will ich eine kurze Beschreibung der zwei untersuchten Arten vorhergehen. lassen, Spirogyra triformis n. sp. Die Fäden sind hellgrün. Ihre Dicke beträgt 105—135j.. Bei den Querwänden und zwischen denselben sind sie gleich dick. Die 1) Ueber den Nucleolus von Spirogyra, pag. 195 u. ff. 2) \. c. pag. 225. 3) 1. c. pag. 220 u. ff. 4) l. ce. pag. 199, 5)1le, 6) l. ce. 7) De Toni, Sylloge Algarum, 1889. — M. C. Cooke, Introduetion t0 fresh-water Algae, 1890. — M.C.Cooke, British Fresh-water Algae, 1882--1884- — Wolle, Fresh-water Algae of the unitel states, 1887. — Rabenhorst, Kryptogamen-Flora, 1863. — Kützing, Species Algarum, 1849. — Kützing, Tabulae Phycologicae, V. Band, 1855. 357 Länge der Zellen ist sehr verschieden; bei den von mir gemessenen Zellen wechselte sie ab von 45 —260p. Die Zellwand ist dünn. Die Chlorophylibänder sind hellgrün. Ihre Anzahl beträgt etwa 10. Sie bilden weite Spiralen. Mit der Zellachse machen sie einen Winkel von ungefähr 45°. Die Pyrenoiden sind nicht sehr entwickelt. Der Zellkern ist leicht wahrzunehmen. Derselbe ist platt und enthält einen oder zwei Nucleolen. Die Zellen der Zygosporen sind nicht gedunsen. Die Zygosporen selbst sind oval und haben stumpfe Spitzen. Sie sind 80-120. diek und 120—180;: lang. Ihre Membran ist glatt. Nicht allein, was die Dicke der Fäden anbetrifft, sondern auch noch in anderen Hinsichten zeigt die hellgrüne Art Verschieden- heiten. Die Farbe der Fäden ist bisweilen etwas dunkler und die Kerne können dicker sein; wie bei Spirogyra crassa ist die Karyo- kinese sehr verschieden. Die Verschiedenheiten kamen mir jedoch nicht wichtig genug vor, um die Fäden zu mehr als einer Species zu rechnen. Spirogyra triformis steht der Spirogyra polytaeniata von Stras- burger!) sehr nahe, unterscheidet sich aber von derselben durch die geringere Dicke der Fäden und durch die kleinere Zahl der Chloro- phylibänder. Spirogyra setiformis (Roth.) Kg. Die Fäden sind dunkelgrün; sie sind 116—128» dick; die Länge der Zellen beträgt meistens 80--120 1; bisweilen kommen auch längere Zellen vor, u.a. von 200%. Die Zellwand ist ziemlich dick. Bei den Querwänden ragt sie ein wenig nach aussen hervor. Die Fäden sind da also etwas dicker. Die Chlorophylibänder sind dunkelgrün und zeigen gewöhnlich in der Mitte einen Streifen. Ihre Anzahl beträgt vier oder fünf, Die Spiralen, welche sie bilden, sind einander sehr genähert. Der Winkel, den sie mit der Zellachse machen, ist viel grösser als bei Spirogyra triformis. Die Pyrenoiden sind mehr entwickelt als bei Spirogyra triformis. Der Zellkern ist im lebenden Faden kaum wahrnehmbar. Derselbe ist kugelförmig und enthält meist einen Nu- eleolus. Die Zellen der Zygosporen sind kaum gedunsen. Die Zy- gosporen selbst sind oval mit stumpfen Spitzen. Sie sind ungefähr 80—85 1 diek und 120 bis 160 lang. Ihre Membran ist glatt. Zwischen den Fäden von Spirogyra setiformis kommen bisweilen solche vor, die heller grün und dünner sind (95— 100), längere Zellen mit weiteren Spiralen haben und bei denen der kugelförmige Kern l) Ueber Kern- und Zelltheilung, pag. 3 u. ff. 358 leicht wahrzunehmen ist, übrigens jedoch die oben erwähnten Merk- male zeigen. Gewiss gehören diese Fäden zu derselben Species. In dieser Meinung wurde ich durch Beobachtungen bei den dunkelgrünen Fäden gestärkt. Wenn die letzteren sich unter weniger günstigen Umständen befunden haben, als Nahrungsmangel und geringe Be- leuchtung, zeigen sie oft eine grosse Uebereinstimmung mit den dünneren in der Natur vorkommenden Fäden. Die Zellen sind länger (bis 700 zu 7401), die Spiralen weiter und die Fäden selbst etwas dünner geworden. Als ich derartige Fäden wieder unter günstige Umstände brachte, fanden viele Zelltheilungen statt und nach einigen Tagen hatten die Zellen mehr oder weniger wieder ihr natürliches Aussehen zurückerhalten. Schliesslich muss ich noch bemerken, dass die Uebereinstimmung der von mir untersuchten Spirogyra mit Spirogyra setiformis der Autoren nicht vollkommen ist. So hat die von mir untersuchte Spirogyra eine Dieke von 95 bis 1281, während für Spirogyra seti- formis 90 bis 112j angegeben wird. Es ist zu bedauern, dass in den systematischen Werken bezüglich des Geschlechts Spirogyra bisweilen wenig constanten Merkmalen, wie z.B. der Länge der Zellen, grosser Werth beigelegt wird, während viel mehr constante, wie die Form des Kernes und die Dicke der Zellwand, nicht erwähnt werden. Die genannten Werke sind, was Spirogyra anbetrifft, auch nicht immer vollkommen mit einander in Uebereinstimmung. Die Zygosporen von Spirogyra setiformis z. B. heissen bald kugelrund, bald elliptisch. Der ruhende Kern. Bei Spirogyra triformis ist der Kern platt. Seine Form ist auf dem Längsschnitte nicht immer dieselbe. Wie bei Spirogyra crassa ') kann man platte und weniger platte Kerne unterscheiden. Auf dem Querschnitte gesehen, sind die Kerne nicht rund, sondern mehr oder weniger unregelmässig. Bei Spirogyra setiformis sind die Kerne ge- wöhnlich kugelförmig und nie platt. Durch das Fixiren kann die Form mehr oder weniger modifieirt werden. Bei Spirogyra triformis können demzufolge die Kerne platter werden und bei Spirogyra seti- Jormis verlieren sie bisweilen mehr oder weniger ihre kugelförmige Gestalt. Hinsichtlich der Kernwandung habe ich nichts Besonderes zu er- wähnen. Das Kerngerüst stimmt im Bau überein mit dem von Spiro- 1) 1. e. pag. 200. 359 gyra crassa!) und scheint hier gleichfalls aus kleinen Körnern zu- sammengesetzt, die durch feine Fäden mit einander verbunden sind. Die Nucleolen sind, ebenso wie bei Spirogyra erassa®), in Ein- oder Zweizahl im Kerne vorhanden; nie finden wir sie in grösserer Zahl. Bei vielen Fäden von Spirogyra triformis fand ich, dass die Kerne gewöhnlich einen Nucleolus besassen; bei anderen Fäden da- gegen kamen auch viele Kerne mit zwei Nucleolen vor. Oft traf ich Kerne mit Zwergnucleolen 3) an, nämlich Kerne mit einem grossen und einem sehr kleinen Nucleolus. Bei einigen Fäden zeigen alle Kerne mit zwei Nucleolen diese Erscheinung; bei anderen Fäden da- gegen kommen zwischen Kernen mit einem Nucleolus Kerne mit Nu- eleolen gleicher und sehr ungleicher Grösse vor. Bei Spirogyra seti- Jormis fand ich sehr selten einen Kern mit zwei Nucleolen, aber fast immer Kerne mit einem Nucleolus. Bei Spirogyra triformis sind die Nucleolen, auf dem Querschnitte gesehen, rund ; auf dem Längssebnitte zeigen sie sich abgeplattet. Sie liegen stets mehr oder weniger in der Mitte des Kernes. Dann und wann finden wir einen Nucleolus ab- weichender Form, den wir als zwei mehr oder weniger verwachsene Nucleolen betrachten können. Bei Spirogyra setiformis ist der Nu- eleolus gross und befindet sich in der Mitte des Kerns, nie an der Kernwandung. Bei den Nucleolen können wir eine Wand und einen Inhalt unter- scheiden. Der wichtigste Inhaltsbestandtheil ist ein Fadenwerk. Bei Spirogyra triformis besteht, ebenso wie bei Spirogyra crassa *), aller Wahrscheinlichkeit nach dieses Fadenwerk aus einem oder zwei Fäden, Nucleolusfäden. Weil diese Fäden beim ruhenden Kern lang, dünn und vielfach gewunden sind, ist ihre Anzahl schwer zu bestimmen, aber das Studium anderer Entwickelungszustände zeigt, dass in jedem Kern zwei Nucleolusfäden vorkommen, beide in einem Nucleolus zu- sammen oder jeder in einem Nucleolus. Zwischen den Windungen der Nucleolusfäden finden wir feine Verbindungen. Die beiden Nu- eleolusfäden stehen, wenn sie in einem Nucleolus vorkommen, auch durch derartige Verbindungen im Zusammenhang. Nach Einwirkung von Chromsäure und Färbung mit Brillantblau extra grünlich sind die feinen Verbindungen zu beobachten, zumal bei den Entwickelungs- zuständen, bei welchen die Nucleolusfäden nicht viele Windungen 1 e. pag. 200 u. 201. 2%) 1. c. pag. 201. 3) 1. ec. pag. 202. 4) 1. c. pag. 202 u. 203, 360 zeigen. Auch bei Spirogyra crassa kommen feine Verbindungen zwischen den Nucleolusfäden vor, aber in meiner ersten Abhandlung über Spirogyra habe ich dieselben nicht erwähnt. Bei Spirogyra setiformis liegen auch Gründe vor, um die Exi- stenz zweier Nucleolusfäden im ruhenden Kern anzunehmen, aber wir sind darüber mehr in Ungewissheit als bei Spirogyra triformis und Spirogyra crassa, da wir auch Entwickelungszustände antreffen, bei welchen mehrere Fadenstücke zu beobachten sind. Feine Verbin- dungen kommen auch bei Spirogyra setiformis zwischen den Nucleolus- fäden vor. Ausser dem Fadenwerk finden wir im Nucleolus eine Substanz, die den übrigen Raum ganz oder theilweise auffüllt. Im letzteren Fall kommen Höhlen im Inhalt vor. Bei Spirogyra triformis habe ich diese bisweilen beobachtet. Der oben stehenden Beschreibung gemäss, zeigt das Fadenwerk des Nucleolus von Spirogyra in seinem Bau Uebereinstimmung mit dem Kerngerüste beim Embryosackbeleg von Fritillaria und Leucojum, wenn dieses vom ruhenden Zustand ins Knäuelstadium oder vom Knäuel- stadium wieder in den ruhenden Zustand übergeht.!) In beiden Fällen kann man reden von Fäden, die durch feine Fädchen verbunden sind. Es zeigt sich wieder daraus, dass der Nucleolus von Spirogyra viele Aehnlichkeit mit einem Nucleus hat. Verschiedene Formen der Karyokinese. In meiner Arbeit über den Nucleolus von Spirogyra habe ich darauf hingewiesen, dass wir bei Spirogyra crassa zwei sehr ver- schiedene Formen der Karyokinese unterscheiden müssen, nämlich Karyokinese mit Segmentbildung und Karyokinese ohne solehe.?) Bei Spirogyra triformis fand ich diese beiden Formen wieder. Bei der Segmentbildung kommen jedoch bedeutende Verschiedenheiten vor. Bei Spirogyra crassa machte ich darauf aufmerksam, dass die Anzahl der Segmente bei einigen Kernen bisweilen von der normalen Zahl 12 abweicht.) Bei Spirogyra triformis aber fand ich sehr viele Fäden, bei denen immer sechs Segmente auftreten. Sie waren von den Fä- den, bei welchen die Zahl 12 constant war, im Uebrigen nicht zu unterscheiden. Bei beiden waren die Kerne gewöhnlich etwas dicker als bei den Fäden, die Karyokinese ohne Segmentbildung zeigten. J) Ueber das Kerngerüst, I, e. pag. 163 u. 164 u, 170, 2) 1. ce. pag. 203 u. 204. 3) 1. c. pag- 210. 861 Bei Spirogyra setiformis traf ich ausschliesslich Karyokinese ohne Segmentbildung an. Der Process weicht in einigen Punkten von den übereinstimmenden Processen bei Spirogyra crassa und Spirogyra triformis ab. Wenn ich Karyokinese ohne Segmentbildung fand, hatten die ruhenden Kerne meistens nur einen Nucleolus. War die Karyokinese mit Segmentbildung verbunden, so zeigten viele ruhende Kerne auch zwei Nucleolen. Bei Spirogyra crassa!) fand ich unter den Fäden, die Segment- bildung zeigten, auch solche die copulirten. Die Frage, ob bei Spirogyra erst Karyokinese ohne Segmentbildung stattfand und nach- her Karyokinese mit Segmentbildung und Copulation, musste ich unbeantwortet lassen. Ich kann sie jetzt in verneinendem Sinn be- antworten, denn bei den jetzt untersuchten Arten fand ich auch Copulation bei Fäden, bei welchen die Karyokinese ohne Segment- bildung verlief. Die Form der Karyokinese scheint für die Kerne eines nämlichen Fadens vollkommen constant zu sein und falls es zu Segmentbildung konimt, auch die Zahl der Segmente. Nie fand ich beide Formen der Karyokinese in demselben Spirogyrafaden bei einander und ebenso wenig konnte ich Bildung von 6 und 12 Segmenten je in einem Faden zusammen beobachten. Karyokinese mit Segmentbildung bei Spirogyra triformis. a) Formänderung des Kernes. Die Formänderung, welche die Kerne während der Karyokinese zeigen, ist nicht immer vollkommen dieselbe. Die Dickenzunahme ist im einen Falle viel bedeutender als im andern. Beim Anfange der Metakinese haben die Kerne oft eine mehr oder weniger kugel- förmige Gestalt; bisweilen haben sie sich mehr oder weniger in der Richtung der Pole gestreckt; in anderen Fällen ist die Diekenzunahme viel geringer und die Kerne haben ihre platte Form mehr oder weniger beibehalten. Derartige Verschiedenheiten fand ich sowohl bei Kernen mit sechs Segmenten als bei solchen mit zwölf. b) Segmentbildung. Wie bei Spirogyra crassa®) ist bei Spirogyra triformis die Bildung von perlschnurförmigen Fäden als der Anfang des Kern- 1. e. pag. 200, 2) Lo. pag. 205 u. ff. Flora 1900, 25 362 theilungsprocesses zu betrachten. Nach Strasburger!) entstehen bei Spirogyra polytaeniata zwölf solche Fäden und bei Spirogyra crassa kam ich zum Resultate, dass zwölf als die normale Zahl be- trachtet werden muss. Bei Spirogyra triformis gelangte ich jedoch, wie gesagt, zu einem etwas anderen Ergebniss. In sehr vielen Fällen konnte ich feststellen, dass sich nur sechs perlschnurförmige Fäden bildeten, während in anderen Fällen die doppelte Zahl, nämlich zwölf, zur Entwickelung kam. Bei Spirogyra crassa gelangte ich zum Resultate, dass zehn perlschnurförmige Fäden aus dem Kerngerüste entstanden und die zwei übrigen aus dem Nueleolus oder aus den beiden Nucleolen; die ersteren nannte ich deshalb Kern- oder Nueleus- schnüre und die letzteren Nucleolusschnüre. Bei Spirogyra triformis kam ich wie bei Spirogyra erassa zum Resultate, dass stets zwei perlschnurförmige Fäden ihren Ursprung aus dem Nucleolus oder den beiden Nucleolen nahmen, während die übrigen sich aus dem Kern- gerüste entwickelten. Bei Spirogyra triformis kommen die Nucleolus- schnüre also in Zweizahl vor und die Kern- oder Nucleusschnüre sind vier oder zehn an der Zahl. Die Entwickelung der perlschnurförmigen Fäden ist bei Spirogyra triformis und bei Spirogyra crassa sehr wenig verschieden. Deshalb werde ich hier den Process nicht ausführlich beschreiben. Wie bei Spirogyra crassa ist bei Spirogyra triformis ein Theil des Kern- gerüstes nicht betheiligt bei der Bildung der Kernschnüre, sondern bildet feine Verbindungen zwischen denselben. Hinsichtlich der Veränderungen, die der Nucleolus erfährt, be- merke ich, dass derselbe wie bei Spirogyra crassa oft eine abweichende Form erhält und eine oder mehrere hervorragende Spitzen bekommt. Die Nucleolusfäden verkürzen und verdicken sich. Nach Einwirkung von Chromsäure zeigt es sich, dass dieselben stets in Zweizahl in den Kernen vorkommen. Nach Färbung mit Brillantblau extra grünlich kann man deutlich feine Verbindungen zwischen den Nucleolusfäden beobachten. Weil die Kerne und alle ihre Theile etwas kleiner und zarter sind als bei Spirogyra crassa, konnte ich nicht wahrnehmen, ob die verdiekten Nucleolusfiden mit inhaltserfüllten Schläuchen über- einstimmten. Das Austreten der Nucleolusschnüre findet jedoch auf dieselbe Weise statt wie bei Spirogyra crassa.. Wenn man die Kerne mit Chromsäure behandelt, bekommt man vollkommen die nämlichen Bilder wie bei letztgenannter Species, wie aus den früher und jetzt 1) Ueber Kern- und Zelltheilung, pag. 8--11. 363 von mir verfertigten Figuren hervorgeht. Fig. 1 und 2 stellen Nueleus- und Nucleolusschnüre vor, mit Hilfe von Chromsäure isolirt. Die Nucleolusschnüre sind theilweise schon aus den Nucleolen gekommen. Während der Chromsäureeinwirkung zeigt es sich, dass der der Hülle entsprechende Theil länger Widerstand leistet als die perlschnurförmigen Fäden, während die Nucleoluswand sich früher löst. Fig. 3, 4 und 5 stellen ebenfalls Nucleus- und Nucleolusschnüre vor, aus Kernen mit sechs und zwölf Perlschnüren isolirt. Die Nucleolusschnüre stecken mit dem einen Ende noch in dem Reste der Hülle. Derselbe wird nach der Chromsäureeinwirkung, wie die Nucleolusfäden selbst, durch Brillantblau extra grünlich bald dunkelblau gefärbt und stärker als die perlschnurförmigen Fäden, so dass derselbe scharf hervortritt. In späteren karyokinetischen Zuständen zeigt es sich, dass auch der Rest der Hülle sich gelöst hat. Die perlschnurförmigen Fäden, die anfangs sehr lang sind, werden indessen immer kürzer, bis sie schliesslich nur einige Male länger als dick sind. Sie verlieren dabei ihr perlschnur- artiges Aussehen und werden dann Segmente genannt. Während der Karyokinese löst die Nueleoluswand sich hier bald, indem bei Spirogyra crassa der leere Nucleolus oder Stücke der Wandung einige Zeit im Kerne wahrnehmbar bleiben um schliesslich auch im Kernplasma gelöst zu werden. Wie bei Spirogyra crassa wird auch bei Spirogyra triformis der Rest des Inhalts des Nucleolus bald im Kernplasma gelöst. ec) Die Kernplatte. Aus dem Kerngerüste mit den sechs oder zwölf Segmenten ent- steht im Kerne ein plattenförmiger Körper (Fig. 6), die Kernplatte oder Aequatorialplatte, der mit der Aequatorialebene des Kernes zu- sammenfällt. Die mehr oder weniger gebogenen Segmente liegen in der Kernplatte in geringer Entfernung von einander und sind durch den Rest des Kerngerüstes mit einander verbunden. Ihre gegenseitige Lage ist bei verschiedenen Kernplatten sehr ungleich. Viele Details, die man bei Behandlung mit Chromsäure beobachtet und die früher schon für Spirogyra crassa!) von mir beschrieben sind, übergehe ich mit Stillschweigen. Ich beschränke mich hier, auf eine Verschieden- heit zu weisen. Bei Spirogyra erassa konnte ich die Nueleus- und Nucleolussegmente leicht von einander unterscheiden. Aus dem einen Ende der Nucleolussegmente konnte ich nämlich bei Spirogyra crassa ein dünnes und kurzes, fadenförmiges Körperchen isoliren. Dieses 1) 1. oc. pag. 209. op 5 364 Ende war bisweilen verdünnt und während der Chromsäureeinwirkung wurde es stärker lichtbrechend. In sehr vielen Fällen konnte ich bei der Kernplatte die Stelle der oben genannten Körperchen, der soge- nannten widerstandleistenden Fädchen, aus deren Hälften die Nucleo- lusfäden der Tochterkerne sich entwickeln, genau bestimmen, was ein specielles Studium über die Anzahl der Nucleolen veranlasste !). Bei Spirogyra triformis konnte ich bisweilen wohl ein Segment mit einem dünnen Ende wahrnehmen; von einer stärkeren Lichtbrechung war jedoch wenig zu sehen und das Isoliren fadenförmiger Körperchen misslang ganz und gar. Ich versuchte bessere Resultate dadurch zu erhalten, dass ich die Spirogyrafäden längere oder kürzere Zeit in dem Flemming’schen Gemisch verweilen liess und auch durch Modifieirung der Stärke der Chromsäurelösung, aber alles umsonst. Das Misslingen dieser Versuche machte mich fürchten, dass es mir bei Spirogyra triformis nicht möglich sein werde zu beweisen, dass nach dem Theilungsprocesse aus dem einen Ende jeder Hälfte eines Nucleolussegments wieder ein Nucleolusfaden entstehe. Doch habe ich endlich feststellen können, dass auch in diesem wichtigen Punkte beide Spirogyren der Hauptsache nach übereinstimmen, wie ich unten zeigen werde. d) Der Theilungsprocess. Die Kernplatte theilt sich in der Richtung der Aequatorialebene in zwei gleiche Hälften, die sich von einander entfernen. Die Segmenthälften der auf diese Weise gebildeten Kernplattenhälften wachsen seitwärts aus und sind schliesslich so sehr mit einander und dem Reste des Kerngerüstes verschmolzen, dass man sie nicht mehr unterscheiden kann. Bei Spirogyra iriformis ist es leichter die Spaltung der Segmente zu beobachten, als bei Spirogyra crassa?), weil die Segmenthälften gewöhnlich nicht so schnell mit einander verwachsen. Bei Spirogyra crassa fängt die Verwachsung bisweilen schon vor der Spaltung an; bei Spirogyra triformis erst später; bei letzterer gelang es mir mit Hülfe von Chromsäure mehrmals alle Segmenthälften noch von einander zu trennen, wenn die Kernplatten- hälften sich schon bedeutend von einander entfernt hatten (Fig. 7). Vor der Spaltung zeigen die Segmente einen Längsstreifen. Die Spaltung fängt bei allen Fäden gleichzeitig an. An der einen Stelle lösen die Segmenthälften sich aber etwas früher als an der anderen. t) l. ce. pag. 215#, 2) Le. pag. 210f. 365 Bei zwei Segmenten scheinen die Hälften am einen Ende etwas länger mit einander verbunden zu bleiben als bei den anderen. Bei Spirogyra erassa dagegen bilden die Hälfte zweier Segmente, nämlich der Nucleolussegmente, an einem Ende ziemlich lange eine Verbindung zwischen den Kernplattenhälften. Bei Spirogyra triformis ist die Er- scheinung wenig auffallend und löst sich die Verbindung bald. Der Umstand, dass bei Spirogyra triformis die Segmenthälften nach der Spaltung noch lange für sich beobachtet werden können, lieferte für das Studium der Karyokinese einen grossen Vortheil. Es gelang mir nämlich, festzustellen, dass in jeder Kernplattenhälfte bei zwei Segmenthälften das eine Ende sich mehr und mehr von den anderen uuterschied. Während der Chromsäurebehandlung ist das- selbe zumal durch stärkere Lichtbrechung gekennzeichnet. In vielen Fällen gelang es mir, bei den Kernplattenhälften genau die Stelle der beiden stärker lichtbrechenden Enden zu bestimmen. Es zeigte sich, dass dieselbe mit derjenigen der sogenannten widerstandleistenden Fädchen bei Spirogyra crassa übereinstimmte. Oft befinden sich näm- lich eines oder beide am Rande der Platte. Aus der Untersuchung nachfolgender Entwickelungszustände geht hervor, dass die stärker lichtbrechenden Körperchen sich allmählich zu den Nucleolusfäden der Tochterkerne entwickeln. Im folgenden Abschnitt komme ich hierauf zurück. Ebenso wie für Spirogyra crassa nehme ich also für Spirogyra triformis an, dass aus den Nucleolusfäden, die sich in einem oder zwei Nucleolen befinden, zwei der Segmente sich entwickeln, gleich- gültig, ob deren Gesammtanzahl sechs oder zwölf beträgt; wie auch, dass nach der Spaltung aus den Hälften dieser zwei Segmente und zwar an einem Ende die Nucleolusfäden der Tochterkerne entstehen, welche Fäden eine Hauptrolle spielen bei der Bildung des Nucleolus oder der beiden Nucleolen. Diese Ansicht stützt sich auf die oben be- schriebenen Untersuchungen; sie erklärt die Unveränderlichkeit der Anzahl der Nuceleolusfäden, die stets in Zweizahl vorhanden sind und die Thatsache , dass deren Anzahl durch die Anzahl der Nucleolen nie übertroffen wird; sie ist vollkommen in Uebereinstimmung mit den bei Spirogyra crassa erhaltenen Resultaten. e) Entwickelung der Kernplattenhälften. . Bei Spirogyra triformis findet die Entwickelung der Kernplatten- hälften der Hauptsache nach auf dieselbe Weise statt wie bei Spiro- 366 gyra crassa!). Vieles braucht darum jetzt nicht ausführlich besprochen zu werden, so die Verschmelzung der Segmente (Fig. 8), die Um- wandlung der fadenförmigen Körperchen der Nucleolussegmenthälften in kurze, diekere Körperchen (Fig. 8), welche wachsen und sich zu Nucleolusfäden entwickeln und die vorübergehende Anwesenheit perl- schnurförmiger Fäden im Kerngerüste (Fig. 9). Allein ich werde aus- führlicher berichten über die Substanz, die in der Form von unregel- mässigen Massen und Ballen auftritt und über den Antheil, den dieselbe nimmt an der Bildung der Nucleolen. In Fig. 9 sind die oben erwähnten Massen und Ballen dargestellt. Die Figur stellt zwei Tochterkerne vor. Die Kernwandung ist ganz und das Kerngerüst ist schon theilweise in der Chromsäure gelöst. Vom Kerngerüste sind die feinen, perschnurförmigen Fäden zurück- geblieben, deren Anzahl nicht zu bestimmen ist. Zwischen den Fäden liegen die Ballen und Massen. In denselben sind durch die Chrom- säureeinwirkung die Körperchen wahrnehmbar geworden, welche sich zu Nucleolusfäden entwickeln. In den Kernen beobachten wir erst unregelmässige Massen, später* grössere und kleinere Ballen, die schliesslich verschwinden, während der Nucleolus oder die beiden Nucleolen bleiben. Letztere bekommen eine Stellung mehr oder weniger in der Mitte des Kernes. Ihre An- zahl hängt von dem Umstand ab, ob um beide Nucleolusfäden sich eine Wand bildet oder ob jeder Nucleolusfaden für sich von einer Wand umgeben wird. Wie bei Spirogyra crassa erhielt ich den Eindruck, dass ein Theil der Substanz, die in der Form von unregelmässigen Massen und Ballen auftritt, bei der Bildung der Nucleolen betheiligt ist. Die Nucleoluswand schliesst mit den jungen Nucleolusfäden, wenn es noch kurze, ziemlich dicke Körperchen sind, einen Theil dieser Substanz ein (Fig. 10), Die Nucleolusfäden entwickeln sich in derselben zu zierlich gewundenen Fäden. Bei den ruhenden Kernen füllt die Sub- stanz den Raum, welchen die Nucleolusfäden im Nucleolus übrig lassen, ganz auf, oder in den Nucleolen kommen Höhlen, sogenannte Vacuolen, vor. Bei Spirogyra cerassa habe ich früher den Antheil, den die oben genannte Substanz an der Bildung der Nucleolen nimmt, nicht erwähnt. Ich thue es jetzt, da ich bei Spirogyra triformis wieder die nämlichen Beobachtungen machte und weil es sich ausserdem ge- zeigt hat, dass die Erscheinung von grösserer Bedeutung ist, als ich erst vermuthete. Nachher komme ich auf diesen Punkt zurück. 1) 1. c. pag. 212 u. 218. 367 Karyokinese ohne Segmentbildung. 1. Spirogyra triformis. a) Formänderung des Kernes, Bei der Karyokinese ohne Segmentbildung wird der Kern be- deutend dicker. Für diese Karyokineseform ist kennzeicbnend, dass der Kern an den Polen einige Zeit eingedrückt ist und während der Metakinese eine Tonnenform zeigt. b) Veränderung des Nucleolus, Die zwei Nucleolusfäden, welche sich gewöhnlich in einem Nucleolus befinden, werden kürzer und dicker. Mit Hilfe von Chromsäure und Brillantblau extra grünlich kann man wahrnehmen, dass feine Ver- bindungen zwischen den Windungen der Nucleolusfäden vorkommen. Durch solche Verbindungen sind auch die beiden Nucleolusfäden mit einander vereinigt, nämlich wenn dieselben sich in einem Nucleolus befinden. Der Nucleolus bekommt eine unregelmässige Form (Fig. 11). Die Wand derselben löst sich bald im Kernplasma; dasselbe gilt von der Substanz, die sich neben den Nucleolusfäden im Nueleolus befindet. Demzufolge gerathen die beiden Nucleolusfäden in das Kernplasma, wo sie einer bedeutenden Veränderung unterworfen sind (Fig. 12). Das Ende ist, dass von denselben zwei dünne Fädchen zurückbleiben (Fig. 13). Während der Nucleolus sich modifieirt, bilden sich im Kerngerüste eine Anzahl kurze Körperchen. Die oben erwähnten Resultate stimmen in der Hauptsache überein mit den bei Spirogyra crassa erhaltenen 1). Nur sei bemerkt, dass die Nucleoluswand bei Spirogyra triformis sich früher löst. ec) Bildung der Kernplatte. Das Kerngerüst bildet die Kernplatte. Zuerst sammelt es sich an der Peripherie und zwar in der Nähe des Aequators. Wenn man die Kerne in diesem Zustande mit Chromsäure behandelt, so bleibt das Gerüst in der Form eines Ringes zurück (Fig. 12). Nachher bildet sich die Kernplatte (Fig. 18), ein scheibenförmiger Körper gleich- mässiger Dicke, der sich in der Aequatorialebene befindet. Die Reste der Nucleolusfüäden werden mit dem Kerngerüst mitgeführt, so dass dieselben vorübergehend in die Nähe des Aegnators gerathen (Fig. 12). In der Kernplatte befinden sich die kurzen Körperchen, von mm 1) 1. oc. pag. 128, 868 denen oben schon die Rede war. Dieselben laufen quer durch die Kernplatte, also in die Richtung der Kernachse. Ihre Anzahl beträgt 30 bis 40. Durch feine Verbindungen sind sie mit einander vereinigt. Die beiden dünnen Fädchen, welche die Nucleolusfäden zurückgelassen haben, liegen in der Ebene, welche die Kernplatte in zwei gleiche runde Hälften zertheilt, und gewöhnlich mehr oder weniger in der Mitte derselben. Wenn man die Kerne mit Chromsäure behandelt, so bleibt schliesslich die Kernplatte zurück. Bei derselben lösen die feinen Verbindungen sich zuerst; demzufolge zerfällt sie in eine An- zahl Körperchen; die aus den Nucleolusfäden entstandenen Fädchen bleiben gewöhnlich am längsten wahrnehmbar. Was den Bau der Kernplatte betrifft, so bin ich bei Spirogyra triformis zu ungefähr den nämlichen Resultaten als früher bei Spirogyra crassa gelangt!). Viele Details, die man bei Behandlung mit Chrom- säure beobachtet, habe ich desshalb nicht erwähnt. Die Fädchen, welche aus den Nucleolusfäden entstehen, leisten Chromsäure gegen- über nicht solchen Widerstand als bei Spirogyra crassa; die Be- nennung von Widerstand leistenden Fädchen ist desshalb bei Spirogyra triformis weniger passend. d) Der Theilungsprocess. Bezüglich des Theilungsprocesses gelangte ich zu ähnlichen Resultaten als bei Spirogyra crassa?). Die Kernplatte theilt sich in zwei gleiche runde Hälften. Die Fädchen, welche die Nucleolusfäden zurückgelassen haben, spalten sich der Länge nach. Ihre Hälften bleiben an einem Ende kurze Zeit mit einander verbunden, während die Kernplattenhälften auseinander weichen. e) Entwickelung der Kernplattenhälften. Die Entwickelung der Kernplattenhälften findet auf dieselbe Weise statt wie bei Spirogyra crassa®). Ich beschränke mich darum zu einer Bemerkung hinsichtlich des Nucleolus.. Wie beim Studium der Karyokinese mit Segmentbildung gelangte ich auch jetzt zum Resultat, dass ein Theil der Substanz, welche bei den jungen Kernen in der Form unregelmässiger Massen und Ballen vorkommt, sich bei der Bildung des Nucleolus betheiligt. Die Hälften der aus den Nucleolusfäden entstandenen Fädchen entwickeln sich zu den Nucleolus- ll. c. pag. 219, 2) l. c. pag. 219. 3) 1. c. pag. 219 u. 220. 369 fäden der Tochterkerne. Zuerst bilden dieselben kurze, dicke Körper- chen. Gewöhnlich entsteht um beide eine Wand, die einen Theil der oben genannten Substanz einschliesst (Fig. 14), während der Rest dieser Substanz sich allmählich im Kernplasma löst. Die oben genannten Körperchen entwickeln sich innerhalb der Nucleoluswand zu zierlich gewundenen Fäden. Selten entstehen zwei Nucleolen. U. Spirogyra setiformis. a) Formänderung des Kernes. Die Formänderung des Kernes ist derartig, dass man schon einiger- maassen vermuthen kann, dass die Karyokinese ohne Segmentbildung stattfindet. Während der Metakinese haben die Kerne nämlich eine Tonnenform. b) Veränderung des Nucleolus, Bei Spirogyra setiformis kommt gewöhnlich nur ein Nucleolus vor, der bei der Karyokinese ganz zu verschwinden scheint. Das Studium der Aenderungen, denen derselbe unterworfen ist, ist in einigen Hinsichten sehr interessant, jedoch mit grossen Schwierigkeiten verbunden. Das Fadenwerk, das sich in dem Nucleolus befindet, wird modifieirt; die Fäden verdicken sich. Der Nucleolus bekommt eine unregelmässige Gestalt, während seine Wand sich löst. Darauf gelangen die Nucleolusfäden in das Kernplasma. Gleichzeitig thut sich eine interessante Erscheinung vor. In dem Kern erscheinen nämlich viele grössere und kleinere Ballen (Fig. 17). Dieselben kommen auch aus dem Nucleolus. Die ausser dem Fadenwerk im Nucleolus sich befindende Substanz liefert diese Produkte. Die Ballen lösen sich allmählich ganz im Kernplasma. Die Nucleolusfäden scheinen dasselbe Schicksal zu erleiden. In sehr vielen Fällen konnte ich zwei Fäden unterscheiden (Fig. 15 u. 17), in anderen Fällen beobachtete ich mehrere Stücke (Fig. 16). Zwischen den verschiedenen Theilen des Fadenwerkes konnte ich oft feinere Verbindungen wahrnehmen, Die Nucleolusfäden und die Reste derselben leisten der Chromsäure- einwirkung länger Widerstand als die Ballen und das Kerngerüst (Fig. 15 u. 16). Bei der Untersuchung späterer Entwickelungszustände lassen die Nucleolusfäden geringere Reste zurück. Schliesslich sind nur noch einige kurze, fadenförmige Körperchen nachzuweisen, die sich durch grössere Widerstandsfähigkeit Chromsäure gegenüber vom Kerngerüste unterscheiden. Bei der Kernplatte kann man diese Körperchen noch wahrnehmen (Fig. 18). Obgleich dieselben den 370 sogenannten widerstandleistenden Fädchen !) sehr ähnlich sind, so darf man beide doch nicht als identisch betrachten. Die Anzahl der hier besprochenen Fädchen beträgt mehr als zwei und, wenn die Kernplatte sich theilt, gelingt es nicht mehr, sie nachzuweisen. Man darf also nicht annehmen, dass sie für die Tochterkerne Bedeutung haben. Aus Obigem geht hervor, dass es mir bei Spirogyra setiformis mit Chromsäure nicht gelungen ist, nachzuweisen, dass aus dem Nucleolus Körperchen entstehen, welche sich theilen und die Nucleolus- fäden der Tochterkerne hervorbringen. Daraus folgt jedoch nicht, dass solche Körperchen nicht vorhanden sein könnten. Aus dem Studium der oben beschriebenen Entwiekelungszustände geht nicht deutlich hervor, dass zwei Nucleolusfäden vorliegen. Doch glaube ich annehmen zu müssen, dass ihre Anzahl zwei beträgt. Die beiden Fäden scheinen bei der Dissociation des Nucleolus früher oder später in mehrere Theile zu zerfallen. Bei den sich entwiekeluden Tochter- kernen sind unzweifelhaft zwei Nucleolusfäden vorhanden (Fig. 22 und 25). Die Zahl zwei stimmt auch mit der Thatsache, dass bei den ruhenden Kernen höchstens zwei Nucleolen vorkommen. e) Die Kernplatte. Das Kerngerüst zieht sich in der Aequatorialebene zusammen. Hierdurch entsteht die Kernplatte, ein scheibenförmiger Körper, gleich- mässiger Dicke. Bei Spirogyra setiformis ist die Kernplatte ziemlich diek. Wenn man dieselbe in verticaler Lage betrachtet, so scheint sie fein gestreift und von der Fläche aus gesehen scheint sie fein ge- tüpfelt zu sein (Fig. 18). Das kommt daher, weil sich im Gerüste zahlreiche längliche Körperchen gebildet haben, die quer in der Kern- platte liegen, also in der Richtung der Kernachse. Durch feine Ver- bindungen hängen dieselben mit einander zusammen. Wenn sie während der Chromsäureeinwirkung sich lösen, werden die oben erwähnten länglichen Körperchen frei. Dasselbe gilt von den fadenförmigen Körperchen, welche die Nucleolusfäden zurückgelassen haben, wie oben schon erwähnt. Der Chromsäureeinwirkung leisten letztgenannte Körperchen am längsten Widerstand. Wenn die Kernplatte sich theilt, sind sie nicht mehr nachzuweisen. d) Der Theilungsprocess. Die Kernplatte theilt sich in der Richtung der Aequatorialebene in zwei gleiche runde Hälften. Dieselben bleiben, während sie aus- 1) Ueber den Nucleolus, 1. c. pag. 208. 871 einander weichen, noch einige Zeit durch feine Verbindungen mit einander verbunden. Die länglichen Körperchen fügen sich indessen zusammen; hierdurch entstehen grössere längliche Körperchen. Ich konnte deren ungefähr zwölf unterscheiden. Sie befinden sich dicht beisammen und sind der Achse des Kernes parallel (Fig. 19). Nachher verschmelzen sie mit einander; die Kernplattenhälften sind dann zwei formlosen Klümpehen ähnlich. e) Entwickelung der Kernplattenhälften. Bei den oben beschriebenen, Klümpchen ähnlichen Körpern trennt sich allmählich eine Substanz vom Kerngerüste. Mit Hülfe von Chrom- säure gelingt es, Letzteres zuerst an der Peripherie zu unterscheiden ; nachher kann man um dasselbe die Tochterkernwand beobachten. Die oben erwähnte Substanz sammelt sich im Centrum des Kernes; sie bildet anfangs eine unregelmässige Masse, die allmählich eine kugel- förmige Gestalt annimmt. Diese Substanz ist identisch mit dem Stoff, der bei Spirogyra erassa!) und bei Spirogyra triformis in den jungen Kernen in der Form mehrerer Klumpen und Ballen erscheint. Sehr interessant ist die Entwickelung der Nucleolusfäden. In den jüngsten Zuständen, welche ich wahrnehmen konnte, waren dieselben sehr feinen fadenförmigen Körperchen ähnlich, die nicht selten an der centralen Masse festsitzen (Fig. 20). Sie unterscheiden sich vom Kern- gerüste durch grössere Widerstandsfähigkeit Chromsäure gegenüber. Allmählich wachsen sie und sie entwickeln sich zu kurzen, dicken Körperchen (Fig. 21, 22, 23 und 24). Man kann sich dann leicht davon überzeugen, dass in jedem Kerne immer zwei solche Körperchen vor- handen sind. Behandelt man die Kerne mit Chromsäure, so bleiben die beiden Körperchen und die centrale Masse zurück. Wäscht man alsdann die Chromsäure weg und fügt man Brillantblau extra grünlich hinzu, so werden die Körperehen dunkelblau und die centrale Masse hellblau gefärbt. Setzt man die Chromsäurebehandlung fort, so leisten die beiden Körperchen noch Widerstand, wenn die centrale Masse sich bis auf einige Körnchen gelöst hat. Die zwei oben erwähnten Körperchen und die centrale Masse sind also scharf von einander zu Unterscheiden. Sie bilden zusammen den Nucleolus, was auf folgende Weise stattfindet. Die zwei Körperchen vereinigen sich früher oder Später mit der centralen Masse; dieses findet statt, wenn sie noch sehr klein und fadenförmig sind oder erst, wenn sie bedeutend grösser und kurz und dick sind. Das eine Körperchen vereinigt sich oft eher Tr _ U) 1. co. pag. 212, 213 und 220. 372 mit der centralen Masse als das andere. In derselben ändert sich ihr Aussehen (Fig. 25); an die Stelle kurzer, dieker Körperchen treten vielfach gewundene Fäden. Diese Fäden, die beiden Nucleolusfäden, kann man mit Hilfe von Chromsäure aus der centralen Masse ab- sondern. Während ihrer weiteren Entwickelung verbreiten sie sich durch die ganze centrale Masse und verdicken sie sich. Um das Ganze bildet sich die Nucleoluswand. Wenn man genau beobachtet, wie die Nucleolusfäden sich aus den oben erwähnten kurzen, dieken Körperchen entwickeln, so kommt man zur Hypothese, dass diese Körperchen nichts anderes als feine, zusammengewickelte Fäden sein können. Dasselbe meine ich an- nehmen zu müssen für die ähnlichen Körperchen bei Spirogyra tri- formis und bei Spirogyra crassa‘), wo sie oft eine Zeit lang huf- eisenförmig sind. Bei Spirogyra setiformis kommen bisweilen zwei Nucleolen zur Entwickelung. Bezüglich der Entwickelungsgeschichte kann ich über diesen speciellen Fall keine Mittheilungen machen. Der Seltenheit wegen habe ich denselben nicht näher studirt. Zwergnucleolen und Kerne mit einem Nucleolusfaden. Bei Spirogyra crassa fand ich Zwergnucleolen nur in Fäden, bei welchen die Karyokinese mit Segmentbildung verbunden war. Ich vermuthete jedoch, dass sie auch in Fäden, in denen Karyokinese ohne Segmentbildung stattfand, vorkommen könnten 2). Darum ist es bemerkenswerth, dass ich sie bei Spirogyra triformis grade bei letz- teren Fäden oft fand. Bei vielen Fäden findet man in allen Kernen, bei welchen zwei Nucleolen vorhanden sind, einen Zwergnucleolus, aber es können auch Kerne mit einem Zwergnucleolus zwischen Kernen mit Nucleolen gleicher Grösse und mit einem Nucleolus bei dem näm- liehen Faden vorkommen. Wenn der erste Fall sich ereignet, fand ich in den Theilungsstadien, wobei ich über die Grösse der Nucleolus- fäden urtheilen konnte, den einen Nucleolusfaden immer grösser als den anderen. Wenn die Zwergnucleolen im Diameter halb so gross waren als ihre Gesellen, fand ich den einen Nucleolusfaden drei- bis viermal so lang als den anderen und dabei auch dicker. Die Zwergnucleolen, welche ich bei Spirogyra crassa®) fand, waren oft so klein, dass sie der Wahrnehmung entgehen könnten. 1) 1. c. pag. 213 und 220, 2) l. c. pag. 213. 3) l. c. pag. 202 und 203, 378 Solche Zwergnucleolen enthalten selbstverständlich einen sehr kleinen Nucleolusfaden. Nie aber begegnete ich Fäden, bei welehen der eine Nucleolusfaden ganz fehlte. Bei der Untersuchung von Spirogyra triformis kam dieser Fall einmal vor. Es war bei einem Faden mit Karyokinese mit Segmentbildung. Bezüglich der Anzahl der Seg- mente kann ich keine Angabe machen. Bei zwei Kernen, bei welchen die Karyokinese angefangen hatte, gelang es mir, nur einen grossen Nueleolusfaden aus dem Nucleolus zu isoliren *und bei drei Paar jungen Kernen wurde gleichfalls nur ein Nucleolusfaden beobachtet. Diese Thatsachen liessen vermuthen, dass der Spirogyrafaden keinen einzigen Kern mit zwei Nucleolen enthalten würde. Genau bestimmte ich bei allen Kernen die Anzahl der Nucleolen und ich kam dabei zum Resultat, dass meine Hypothese richtig war. Resultate. In meiner Arbeit über den Nucleolus von Spirogyra habe ich meine Resultate in 24 Sätze zusammengefasst‘), Meine heutigen Untersuchungen führten zur Bestätigung meiner früheren Beobachtungen und Schlussfolgerungen. Dann und wann wurden auch neue That- sachen entdeckt, die über die Natur einiger Sachen mehr Licht ver- breiten, ohne in Streit zu sein mit dem früher Angenommenen. Bei der Zusammenfassung meiner Resultate werde ich mich auf die neu entdeckten Thatsachen und die daraus hergeleiteten Schlussfolgerungen beschränken. Wie früher beobachtete ich auch jetzt Karyokinese mit Segment- bildung und Karyokinese ohne dieselbe. Im ersteren Falle zeigte es sich, dass die normale Anzahl der Segmente nicht immer zwölf war; bei sehr vielen Fäden von Spirogyra triformis beobachtete ich ohne Ausnahme sechs Segmente. Wie bei der Bildung von zwölf Segmenten entstehen zwei derselben aus dem Nucleolus oder aus den beiden Nucleolen, während die übrigen sich aus dem Kerngerüst entwickeln. Falls sechs Segmente entstehen findet die Karyokinese übrigens auf dieselbe Weise statt wie bei Bildung von zwölf Segmenten. Es ist gewiss höchst merkwürdig, dass bei Spirogyra die Karyo- kinese unter so verschiedenen Formen sich darbietet. Bemerkenswerth ist eg auch, dass alle Kerne eines nämlichen Fadens dieselbe Karyo- kineseform zeigen und, wenn es zur Segmentbildung kommt, auch dieselbe Segmentzahl. Es liegen hier also Erscheinungen vor, welche a. DLe 220 uM 374 von den Mutterkernen auf die Tochterkerne übergehen. Die von mir erhaltenen Resultate zeigen, dass man den Segmenten ein grosses Maass von Individualität zuerkennen muss. Wenn auch ein Faden aus vielen Hunderten von Zellen zusammengesetzt war, immer fand ich bei den in Theilung begriffenen Kernen die nämliche Zahl der Segmente. Bezüglich der Individualität der Segmente bemerke ich, dass bei den ruhenden Kernen directe Wahrnehmung uns nichts lehrt. Was die Zahl der Nucleolussegmente, nämlich zwei, anbetrifft, so gibt es zwar Gründe, anzunehmen, dass beim ruhenden Kern die Nucleolusfäden, aus welchen die genannten Segmente entstehen, auch in Zweizahl vorhanden sind. Beim Kerngerüste, das die vier oder zehn Nucleussegmente hervorbringt, kann man aber gar keine Fäden unterscheiden. Die Frage, ob dasselbe aus gleichvielen Portionen zusammengesetzt ist, wie Nucleussegmente entstehen, muss dahin- gestellt werden. Inwiefern die Copulation Einfluss auf die Karyo- kineseform und die Segmentzahl übt, habe ich nicht studirt, aber es würde gewiss die Mühe lohnen, diesen Gegenstand näher zu unter- suchen. In meiner Arbeit über den Nucleolus von Spirogyra habe ich gesagt, dass man bei demselben eine Wand und einen Inhalt unter- scheiden muss, und dass der Inhalt aus einem Fadenwerk und aus einer Substanz besteht, welche den Rest des Raumes ganz oder theil- weise ausfüllt. Das Fadenwerk ist aus einem vielfach gewundenen Faden zusammengesetzt, wenn der Kern zwei Nucleolen enthält und aus zwei solchen Fäden (Nucleolusfäden), wenn nur ein Nucleolus vorhanden ist. Zwischen dem Faden oder den beiden Fäden kommen feine Verbindungen vor, die ich in meiner oben genannten Arbeit nicht erwähnt habe. Das Fadenwerk des Nucleolus kann man einiger- maassen vergleichen mit den Knäuelstadien des Kerngerüstes im protoplasmatischen Wandbelege des Embryosackes von Fritillaria und Leucojum'). In beiden Fällen findet man nämlich Fäden und feine Verbindungen dazwischen. Ueber die Substanz, die nebst dem Fadenwerk im Nucleolus vorkommt, bemerke ich, dass ich mich damals über ihren Ursprung nicht ausgelassen habe, und dass derselbe jetzt zumal durch die Unter- suchungen bei Spirogyra setiformis entdeckt worden ist. In den jungen Kernen erscheint bei Spirogyra eine Substanz, die einen oder mehrere unregelmässige Massen oder Ballen bildet. Diese Substanz 1) 1. c. pag. 163, 164 u. 170, 375 nimmt Theil an der Bildung der Nucleolen. Bei Spirogyra. setiformis bildet sie in der Mitte des Kernes einen grossen Ballen; die Nucleolus- fäden vereinigen sich mit demselben und entwickeln sich in demselben weiter, während um das Ganze sich eine Wand bildet. Bei Spirogyra crassa und bei Spirogyra triformis nimmt nur ein Theil der oben erwähnten Substanz an der Bildung der Nucleolen theil; der Rest bildet Ballen, die sich allmählich im Kernplasma lösen. Im ruhenden Kern kommen desshalb keine Ballen vor. Wenn die Karyokinese sich später wiederholt, vereinigt der Inhalt des Nucleolus sich wieder mit dem des Nucleus. Während die Nucleolusfäden bedeutenden Veränderungen unterworfen sind, lösen die Nucleoluswand und der Rest des Inhalts, nämlich die oben besprochene Substanz, sich im Kernplasma. Bei Spirogyra setiformis verbreitet diese Substanz sich im Kern und bildet in demselben viele grössere und kleinere Ballen, die sich allmählich im Kernplasma lösen. Bei Spirogyra crassa und bei Spirogyra triformis dagegen beobachtet man keine Ballen im Kernplasma. Die Substanz, die sich nebst dem Fadenwerk im Nucleolus befindet, hat sich bald gelöst. Sie kommt bei genannten Species in nicht so grosser Quantität in den Nucleolen vor, wie bei Spirogyra setiformis, die einen grösseren Nucleolus hat. Ich muss dabei be- merken, dass bei Spirogyra crassa und bei Spirogyra triformis die Auflösung einer grossen Quantität der oben erwähnten Substanz eigentlich viel früher stattfindet als bei Spirogyra setiformis; ein grosser Theil derselben ist nämlich nicht betheiligt bei der Bildung der Nucleolen und löst sich schon, bevor die Kerne sich im Ruhezustande befinden. Es scheint, dass Degagny') bei Spirogyra setiformis dieselbe Erscheinung beobachtet hat wie ich. Er erwähnt nämlich, dass der Nucleolus vor seinem Verschwinden zahlreiche Ballen ausstösst. Wenn ich die Bildung formloser Massen und Ballen in den jungen Kernen von Spirogyra und das Erscheinen der Kernkörperchen in den Kernen des Embryosackbeleges von Fritillaria und Leucojum 2) mit einander vergleiche, so kommt es mir vor, beide Processe seien vollkommen identisch. In beiden Fällen scheinen mehr oder weniger füssige Produkte vorzuliegen, welche unter dem Einfluss des sich m 1) Ch. Degagny, Sur les matires formdes par le nucl6ole chez le Spirogyra setiformis etc, Comptes rendus, 1893, pag. 269; Sur le morphologie du noyau cell. Chez les Spirogyras etc, Comptes rendus, 1893, pag. 536; Sur la concordance des Phenomdnes de la division du noycu cell. chez les Lis et chez les Spirogyras etc. Comptes rendus, 1893, pag. 1397, 2) lo. pag. 161, 876 entwickelnden Gerüstes entstehen oder durch dasselbe abgesondert werden. Bei Fritillaria und Leucojum beobachtete ich nämlich ihre Bildung nicht allein bei normalen Kernen, sondern auch bei den von mir beschriebenen Beikernen!), Die Thatsache, dass später das Schicksal der gebildeten Produkte bei Spirogyra nicht dasselbe ist wie bei Fritillaria und Leucojum, kann nicht gelten für ein Argument gegen ihre Identität. Etwas ähnliches findet man bei Vergleichung der Nucleolen von Spirogyra mit den Kernen des Embryosackbeleges von Fritillaria und Leucojum. Wenn bei Leucojum die Kernwand verloren geht, gerathen die Kernkörperchen in das die Kerne umgebende Plasma und sie zerfallen in kleinere Ballen, die sich allmählich lösen. Diese Erscheinung kann man vergleichen mit derjenigen, welche man bei Spirogyra setiformis beobachtet, wenn die Nucleoluswand sich löst, nämlich mit dem Austreten von Ballen, welche sich lösen. Meiner Ansicht nach müssen diese Ballen den Kernkörperchen im Embryo- sackbelege gleichgestellt werden. Wenn bei Fritillaria die Kernwand verloren geht, lösen die Kernkörperchen sich ebenfalls, aber ein Austreten derselben lässt sich nicht beobachten, ebenso wenig als bei den beiden anderen Spirogyren Ballen aus dem Nucleolus zum Vorschein kommen. In meiner Arbeit über das Kerngerüst habe ich schon die Auf- merksamkeit darauf gerichtet, dass die Nucleolen der Spirogyren und solche, wie sie bei Fritillaria und Leucojum im Embryosackbelege vorkommen, von einander sehr verschieden sind?). Der Namen Nucleolus würde für erstgenannte, die man mit kleinen Kernen ver- gleichen kann, geeignet sein, wäre es nicht, dass derselbe schon allgemein für letztgenannte benützt wurde, welche ich dagegen am liebsten Kernkörperchen nennen würde. Wenn meine Ansichten von beiden sich richtig erweisen, dann sind die Nucleolen von Spirogyra äquivalent mit gewöhnlichen Nucleolen oderKernkörperchen+ Nucleolus- fäden + Nucleoluswand, dann sind die Ballen, die bei Spirogyra crassa und bei Spirogyra triformis in jungen Kernen vorkommen und sich lösen, bevor die Kerne sich im Ruhezustande befinden, als gewöhnliche Nucleolen zu betrachten und müssen die Ballen, die bei Spirogyra setiformis während der Karyokinese aus dem Nucleolus kommen und sich im Kernplasma lösen ebenfalls gewöhnlichen Nucleolen gleich- gestellt werden. Steenwijk, Juni 1900. 1) 1. c. pag. 172. 2) 1. 0. pag. 156, Fig. Fig. Fig Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig, Fig. Fig. Fig. Fig, Fig, 377 Figuren-Erklärung. Die Figuren sind bei einer 440 maligen Vergrösserung gezeichnet (Objeetiv D und Ocular 4 von Zeiss), ausgenommen die Fig. 15 und 16, welche 660 mal ver- grössert sind. Alle Figuren sind nach Präparaten gezeichnet, welche während längerer oder kürzerer Zeit mit einer 40 proc. Chromsäurelösung behandelt waren. AP ND m 15. 16, 17. 18. 19. 20 — Karyokinese mit Segmentbildung. Spirogyra triformis n. s. Nucleolus mit zwei Nucleolusschnüren und vier Kernschnüren. Wie oben, aber mit zwei Nucleolen. Zwei Nucleolusschnüre und vier Kernschnüre. Wie oben. Zwei Nucleolusschnüre und zehn Kernschnüre. Kernplatte mit sechs Segmenten. Zwölf Segmenthälften aus einer Kernplattenhälfte; zwei mit stärker licht- brechenden Enden. Kernplattenhälfte mit sich entwickelnden Nucleolusfäden. Unregelmässige Massen und Ballen, Nucleolusfäden und perlschnurförmige Fäden aus zwei jungen Schwesterkernen. Nucleolen in Entwickelung. Karyokinese ohne Segmentbildung. Spirogyra triformis n. s. Kerngerüst mit modifieirtem Nucleolus. Kerngerüst einen Ring bildend. Kernplatte, Junge Nucleolen. Spirogyra setiformis (Roth.) Kg. Reste des Fadenwerks aus dem Nucleolus.- Wie oben. Kern mit Ballen und Resten des Fadenwerks aus dem Nucleolus. Kernplatte, Kernplattenhälften. 25. Entwicklung des Nucleolus. Centrale Masse und- die beiden Nucleo- lusfäden von zwei sich entwickelnden Schwesterkernen; in Fig. 23 und 24 ist ausserdem die Kernwand gezeichnet. Flora 1900, 26 Ueber mehrkernige Spirogyrazellen. Von C. van Wisselingh. Versuche von Gerassimofft). Bisweilen beobachtet man bei Spirogyra eine kernlose Zelle und neben derselben eine oder mehrere Zellen mit zwei Kernen, die auf dem Querschnitte des Fadens einander diametral gegenüber stehen. Dann und wann kann man auch eine zweikernige Zelle wahrnehmen, die nicht von einer kernlosen Zelle begleitet wird und in welcher die Kerne einander nicht diametral gegenüber stehen, sondern in einiger Entfernung von einander sich in der Längsachse befinden ?). Gerassimoff?) ist es gelungen, die erste Erscheinung künst- lich zum Vorschein zu bringen. In Theilung begriffene Spirogyra- zellen setzte er während einiger Minuten niederer Temperatur aus. Hierdurch wird die Karyokinese gehemmt. Die Resultate, welche man erhält, sind abhängig von den Phasen, in welchen die Kerne sich beim Anfange des Versuches befinden. Wenn ein Kern sich im Spindelstadium befindet, können aus demselben eine zweikernige und eine kernlose Zelle entstehen. Bisweilen wird aber auch die Quer- wand in ihrer Entwickelung gestört und man erhält dann zwei com- munieirende Zellen. Auch können Ausstülpungen und unregelmässige Verdicekungen auf der Querwand zur Entwickelung kommen. Aus anderen Theilungsstadien gehen Kerne hervor, die man als zusamımen- gesetzte betrachten kann. Gerassimofft) richtet die Aufmerk- samkeit auf die Uebereinstimmung zwischen den Formen dieser zu- sammengesetzten Kerne und den Figuren der directen Kerntheilung, welche Schmitz, Treub, Hegelmaier, Strasburger und Johow beschrieben und abgebildet haben. Hierzu bemerke ich, dass ich, was die direete Kerntheilung angeht, bei dem Embryosackbelege von Fritillaria und Leucojum zu ganz anderen Resultaten gelangt bin als vorige Untersucher). Bei den genannten Objecten kann nicht t) Ueber die kernlosen Zellen bei einigen Conjugaten, Bulletin de la Soeiete des naturalistes de Moscou, 1892 pag. 109. 2) Vergl. Strasburger, Zellbildung und Zelltheilung, 1880 pag. 183 u. 184. a) 1. e. pag. 111 ff. 4) l. c. pag. 113 und 114, 5) Ueber das Kerngerüst, Botan. Ztg. 1899 pag, 171ff. 379 von einer directen Kerntheilung die Rede sein, sondern wohl von einer unvollkommenen Karyokinese. Diese Ansicht stimmt überein mit der von Gerassimoff, der ganz richtig von gehemmter Kern- theilung und von zusammengesetzten Kernen spricht. Ebenso gut hätte Gerassimoff auch von unvollkommener Karyokinese reden können. Ich gab dem letzteren Namen den Vorzug, weil mögliche Hemmungen mir unbekannt waren. Gerassimoff konnte dagegen ohne Schwierigkeit von gehemmter Theilung reden, da die Hemmung von ihm selbst hervorgerufen wurde. Anstatt niedere Temperatur anzuwenden, hat Gerassimoff!) die oben erwähnten Resultate auch mit Hilfe von Anästheticis, Chloralhydrat, Aether nnd Chloroform, er- halten. Nach wiederholter Theilung der zweikernigen Zellen und der- jenigen mit grossen Kernen erhielt Gerassimoff ganze Reihen solcher Zellen, Die Versuche des genannten Forschers haben gezeigt, welche Resultate Hemmungen in der Karyokinese veranlassen können und ausserdem haben sie das Vorkommen in der Natur von kernlosen und zweikernigen Zellen erklärt. Die andere Erscheinung, von welcher oben die Rede ist, nämlich das Vorkommen zweikerniger Zellen mit beiden Kernen in der Längsachse des Fadens und nicht von kern- losen Zellen begleitet, wird von Gerassimoff ausser Betracht ge- lassen, während andere Untersucher dieselbe, so viel ich weiss, auch noch nicht studirt haben. In den folgenden Seiten werden einige Beobachtungen besprochen werden, welche sich auf die letztgenannte Erscheinung beziehen. Eigene Untersuchungen. Material und Methode. Beim Ziehen von Spirogyren in gläsernen Gefässen nahm ich dann und wann zweikernige Zellen wahr, zumal wenn zurückgegangene Culturen durch Erneuerung des Wassers sich wieder mehr oder weniger erholten. Bei Spirogyra triformis n.s.?) gelang es mir, eine Oultur, welche schon grösstentheils zu Grunde gegangen war, wieder zu einer sehr starken Entwickelung zu bringen. Es zeigte sich dabei, dass alle Fäden dieser Cultur mehr oder weniger mehrkernige Zellen be- 1) Ueber ein Verfahren, kernlose Zellen zu erhalten. Zur Physiologie der Zelle. Moskau 18986. 2) C. van Wisselingh, Ueber Kernth. bei Spirpgyra, dritter Beitrag zur Kenntniss der Karyokinese, Flora 1900 pag. 356 u. 357. 26* 380 sassen und manche Eigenthümlichkeiten in Verbindung mit dieser Erscheinung zeigten. Einen Theil dieser Cultur habe ich in das Flemming’sche Gemisch ') gebracht und untersucht. Um verschiedene Details genauer zu beobachten, wurden dann und wann Behandlung mit einer 40proc. Chromsäurelösung?) und Erwärmung in Glycerin bis 300° C.®) angewendet, Spirogyra triformis hat platte Kerne, ziemlich dünne Zellwände und schief verlaufende Chlorophylibänder. Das Entstehen von Zellen mit zwei Kernen. Die zweikernigen Spirogyrazellen (Fig. 1), die ich in meinem Material angetroffen habe, entstehen, wenn bei einkernigen Zellen Karyokinese stattfindet und die Bildung der Querwand unterbleibt. ' i j I 4 Zum ı T 4 5. S RER Anz RN L 8. 9. EB in SH . A JRHIEHHEZE | et Al. 1 | kl Del Oft kommt es vor, dass die Querwand sich theilweise entwickelt. Bald sind nur einige Spuren derselben vorhanden, bald bildet sie einen einspringenden Ring in der Zelle (Fig. 3). Mehrmals kann man be- 1) C. van Wisselingh, Ueber den Nucleolus von Spirogyra, Bot. Zeitg. 1898 pag. 199. 2)1. o. pag. 199 und Ueber Kernth. bei Spirogyra, dritter Beitrag, pag. 356. 3) van Wisselingh, Mikroch. Unters. über die Zellwände der Fungi, Jahrb. f, wiss. Bot. Bd. XXXI Heft 4 pag. 624 ff. Ich 381 obachten, dass sie an einer Seite sich mehr entwickelt hat, als an der anderen; auch sieht man oft, dass sie an einer Seite ganz fehlt (Fig. 2). Bisweilen hat die Querwand nur eine oder ein Paar kleine Oeffnungen. Auch kann es geschehen, dass statt einer normalen Querwand an mehr als einer Stelle eine unvollkommene Querwand zur Entwickelung kommt. Die theilweise gebildeten Querwände sind nicht selten gebogen. Die inneren Lamellen der Zeilwand setzen sich über die unvollkommenen Querwände fort und bekleiden also verschiedene Zellabtheilungen, Das Entstehen von Zellen mit mehr als zwei Kernen, Wenn bei einer zweikernigen Zelle die Karyokinese sich wieder- holt, was bei beiden Kernen stattfindet (Fig. 9), können verschiedene Fälle sich darbieten. Die Querwandbildung kann zum zweiten Mai zurückbleiben; in diesem Falle entsteht eine vierkernige Zelle (Fig. 4). Die eine Querwand kann sich normal entwickeln, während die andere zurückbleibt, in welchem Falle man eine dreikernige und eine ein- kernige Zelle erhält (Fig. 5). Auch können beide Querwände sich normal entwickeln; man bekommt dann zwei einkernige Zellen und in der Mitte eine zweikernige (Fig. 6). Weil bei auf einander folgenden Theilungen die Querwände bald gar nicht, bald theilweise oder auf ganz normale Weise zur Entwickelung kommen, gibt es, ausser den oben genannten, noch viele andere Combinationen. Ich beobachtete zwei-, drei- und vierkernige Zellen ohne eine Spur von Querwänden, wie auch solche mit einer, zwei und drei theilweise entwickelten Querwänden. Im letzten Falle würde man oft richtiger von zwei, drei oder vier mit einander communicirenden Zellen reden können, nämlich wenn die Querwände nur kleine Oeffnungen haben. Einmal fand ich eine Zelle mit fünf Kernen ganz ohne Querwände (Fig. 8) und einmal vier communicirende Zellen, deren zwei nit einem und zwei mit drei Kernen, zusammen also mit acht Kernen (Fig. 10). Die in Fig. 11 abgebildete Zellenreihe ist aus einer Zelle entstanden, in welcher sich erst eine unvollkommene Querwand gebildet hat, nachher nochmals zwei unvollkommene Querwände und zuletzt vier normale Querwände. Aus der Dicke der Querwände kann man schliessen, welche die erst- und welche die letztgebildeten sind. Verbreitung der mehrkernigen Zellen. . Oben habe ich schon erwähnt, dass bei Wiederholung der Karyo- kinese aus zweikernigen Zellen sowohl mehrkernige als einkernige 382 Zellen entstehen können. Daraus geht schon hervor, dass man selten viele Zellen mit der nämlichen Anzahl Kernen hinter einander finden wird, aber dass vielmehr bei auf einander folgenden Zellen die An- zahl gewöhnlich varüren wird. Unten gebe ich eine schematische Darstellung von vier Stücken verschiedener Fäden. Jede Ziffer stellt eine Zelle vor und gibt zugleich die Anzahl der Kerne an; 101 bedeutet zehn Zellen mit einem Kerne u. s. w. Zwei oder mehr mit einander communicirende Zellen habe ich stets als eine Zelle betrachtet. 111144111144411114411411111142442244422431 10x 1,244,56%x1,31211121141111411241322211228121 411221121122,30x1,21111112,19%x1,2111 11%x1,2112112121111112111112222,10x1,2221111221 11121211111112 1111222,15%x<1,211132222121,17x1. Grösse der mehrkernigen Zellen. Die Dicke der mehrkernigen Zellen stimmt mit der der einkernigen überein. Die Länge der mehrkernigen Zellen ist bisweilen sehr be- deutend. Bei den von mir untersuchten Fäden hatten die vierkernigen Zellen im Durchschnitt eine Länge von 397,5, während die grössten derselben eine Länge von 450 und 4554 hatten. Doch ist diese Länge verhältnissmässig gering. Sie ist weniger als das Dreifache der mittleren Länge der einkernigen Zellen. Die Länge der zwei- kernigen Zellen war im Durchschnitt das Doppelte der einkernigen und bisweilen sogar noch etwas mehr. Bei einem Faden betrug die Länge der einkernigen Zellen im Durchschnitt 177p und die der zweikernigen 3845; bei einem anderen Faden die Länge der ein- kernigen im Durchschnitt 185, und die der zweikernigen 381 p. Wenn aus einer zweikernigen Zelle eine zwei- und zwei einkernige Tochterzellen entstehen (Fig. 6), so ist die Länge der zweikernigen Zelle anfangs immer geringer als die sämmtliche Länge der beiden einkernigen. Die Erscheinung ist mehr auffallend, wenn in der Mutterzelle die Querwand ganz fehlt, als wenn eine unvollkommene Querwand vorhanden ist. Ich untersuchte in 25 Fällen die oben be- schriebene Zellencombination. In elf Fällen hatte die Querwand bei den zweikernigen Mutterzellen sich nur sehr wenig oder gar nicht entwickelt; in den 14 übrigen Fällen war ein mehr oder weniger bedeutender Theil zur Entwickelung gekommen. Im ersten Falle war die Länge der zweikernigen Tochterzellen im Durchschnitt 186 383 und die sämmtliche Länge der beiden einkernigen Zellen im Durch- schnitt 275%, war also das Verhältniss 1:1,48. Im zweiten Falle betrug die Länge der zweikernigen Zellen im Durchschnitt 2007. und die der beiden einkernigen zusammen 234p, war also das Ver- hältniss 1:1,17, Was die Länge der Zellen angeht, so muss ich noch auf einen Punkt die Aufmerksamkeit richten. Wenn Spirogyrafäden in weniger günstige Verhältnisse kommen, so bekommen die Zellen, welche am Leben bleiben, oft eine ausserordentliche Länge, während sie ein- kernig bleiben. Bei Spirogyra triformis beobachtete ich solche Zellen, welche bei einer normalen Dicke eine Länge von 3890—420 |. hatten. Die Kerne. Die Kerne der Spirogyrafäden mit mehrkernigen Zellen stimmen mit denen normaler Fäden überein. Die in der Natur vorkommenden Fäden und die aus denselben erhaltene Cultur zeigten in Bezug auf die Kerne die nämlichen Details. Bei beiden hatten die Kerne ge- wöhnlich einen Nucleolus, bisweilen auch zwei. Bei vielen Fäden beobachtete ich, dass, wenn einige Kerne zwei Nucleolen enthielten, einer derselben sehr klein war (Zwergnucleolus). Wo diese Erschei- nung bei Fäden mit mehrkernigen Zellen vorkam, beobachtete ich sie sowoll bei den einkernigen als bei den mehrkernigen Zellen. Bei den mehrkernigen Zellen befinden die Kerne sich gewöhnlich in der Achse der Zelle und ist ihre Stellung wie bei normalen Zellen. Es kann aber auch vorkommen, dass die Kerne ausserhalb der Achse gerathen und sich mehr oder weniger davon entfernen (lig. 5 u. 8), aber sehr selten stellen sie sich diametral gegenüber. Die Stellung der Kerne hängt zusammen mit der Stelle, wo die Querwände kommen (Fig. 9). Bei den zweikernigen Zellen z. B. sind die Kerne mehr von einander entfernt als von den Querwänden, während die gegen- seitige Entfernung der Kerne geringer ist als die Summe der Ent- fernungen der Kerne von den nächsten Querwänden (Fig. ]). Wenn sich in solchen Zellen Querwände bilden, so werden sie in drei Theile zertheilt, von welchen der mittlere Theil der grösste ist, jedoch kleiner als die beiden anderen zusammen (Fig. 6). Bisweilen gelangt ein Kern in die Oeffnung einer Querwand (Fig. 7). Ich beobachtete solches bei einigen vierkernigen Zellen. Das Cytoplasma. Das wandständige Protoplasma und die Chlorophylibänder setzen sich über die unvollkonımenen Querwände fort. Die Chlorophylibänder 334 gehen oft durch sehr kleine Oeffnungen in den Querwänden. Die Suspensionsfäden laufen von den Kernen nach der Wand; sie ver- zweigen sich und die Verzweigungen sind bei den Pyrenoiden an dem wandständigen Protoplasına befestigt, wie bei normalen Spirogyrafäden. Wenn ein Kern in oder bei der Oeffnung einer Querwand liegt, ver- breiten und verzweigen die Suspensionsfäden sich an beiden Seiten der Querwand. Sie befinden sich also in verschiedenen Zellabtheilungen. Was das wandständige Protoplasma angeht, so muss ich besonders auf einen Punkt die Aufmerksamkeit richten. Wenn Spirogyrafäden in weniger günstige Verhältnisse kommen, so nehmen die Chlorophyli- bänder bald einen andern Verlauf. Sie schlängeln sich auf unregel- mässige Weise der Wand entlang und anastomieiren mit einander. Bisweilen häuft sich das Cytoplasma mit dem Chlorophyll in der Mitte der Zelle mehr oder weniger an. Bei den von mir untersuchten Fäden mit mehrkernigen Zellen waren die Chlorophylibänder noch nicht immer zum vollkommen normalen Zustande zurückgekehrt. Der Verlauf war bisweilen noch mehr oder weniger abnorm, während die Pyrenoiden auch nicht das gewöhnliche Aussehen hatten. Der abnorme Zustand des wandständigen Protoplasmas, besonders der Chlorophyll- bänder, veranlasst mich zu vermuthen, dass diese Erscheinung mit dem ganzen oder theilweisen Wegbleiben der Querwände in Verbindung steht. Auswüchse an den Querwänden. Während in einigen Zellen die Querwandbildung ganz oder theil- weise ausbleibt, kommen in anderen Zellen an den Querwänden allerlei unregelmässige Auswüchse zur Entwickelung, welche sich weit in das Zellilumen ausstrecken (Fig. 12) und bisweilen sogar bis an den Kern reichen (Fig. 13). Weniger starke Wucherungen findet man bisweilen auch bei den Längswänden. Reagentien gegenüber verhalten die Auswüchse sich wie die Zellwand. Mit Chlorzinkjodlösung und mit Jodium und 76 %), Schwefelsäure geben sie die Cellulosereaction; auch durch Rutheniumroth werden sie gefärbt. Bei Erwärmung in Glycerin bis 300° lassen sie ein Cellulosegerüst zurück. Sie zeigen Schichtung; bisweilen schliessen sie eine körnige Substanz ein. Das öftere Vorkommen überflüssiger Zellwandwucherungen zeigt, dass das ganze oder theilweise Misslingen vieler Querwände nicht auf einer weniger kräftigen Zellwandbildung durch Mangel an Material beruht, sondern dass nur eine abnorme Zellwandentwickelung_ statt- findet. 985 Resultate. Aus den vorigen Seiten ergibt sich, dass mehrkernige Spirogyra- zellen noch auf eine andere Weise entstehen können als Gerassimoff gezeigt hat. Es kommt mir wichtig genug vor, die von Gerassimoff wahrgenommene Erscheinung und die von mir beschriebene mit einander zu vergleichen. Es zeigt sich, dass bei oberflächlicher Ueberein- stimmung viele wichtige Verschiedenheiten anzuweisen sind. 1. Gerassimoff setzte in Theilung begriffene Spirogyrazellen während einiger Zeit niederer Temperatur oder der Einwirkung von Anästhetieis, Chloroform, Chloralhydrat oder Aether, aus. Ich brachte eine zurückgegangene Cultur wieder zu kräftiger Entwickelung. 2. Gerassimoff erhielt aus einer in Theilung begriffenen Zelle eine kernlose und eine mit zwei Kernen oder mit einem zusammen- gesetzten oder grossen Kern. Bei meinen Versuchen entsteht aus einer einkernigen Zelle eine zweikernige, wenn Karyokinese stattfindet und die Querwandbildung ganz oder theilweise zurückbleibt. 3. In den von Gerassimoff erhaltenen zweikernigen. Zellen stehen die Kerne sich diametral gegenüber. Bei den von mir erhaltenen mehrkernigen Zellen liegen die Kerne in der Zellachse, wie bei den normalen einkernigen Zellen. 4. Ausser zweikernigen Zellen erhielt Gerassimoff auch Zellen mit einem sehr grossen oder mit einem zusammengesetzten Kern. Bei den von mir eultivirten Fäden kommen keine grossen oder zusammengesetzten Kerne vor. 5. Wenn die von Gerassimoff erhaltenen Zellen sich theilen, bekommen die Tochterzellen jede zwei Kerne oder einen grossen abnormen Kern, je nachdem die Mutterzellen enthielten. Wenn bei den von mir erhaltenen zweikernigen Zellen die Karyokinese sich wiederholt, entstehen, im Falle die Querwandbildung wieder misslingt, auch Zellen mit drei, vier und mehr Kernen. 6. Die von Gerassimoff erhaltenen Zellen mit zwei Kernen und mit grossen Kernen bilden bei Vermehrung durch Theilung ganze Reihen solcher Zellen. In den von mir eultivirten Spirogyrafäden liegen Zellen mit einem, zwei, drei, vier und mehr Kernen durch einander. T, Die von Gerassimoff erhaltenen Zellen bilden dickere Zellenreihen. 386 Bei den von mir cultivirten Fäden sind die ein- und mehrkernigen Zellen gleich dick. 8. Was die Erblichkeit der von Gerassimoff wahrgenommenen Erscheinung betrifft, sei erwähnt, dass bei der Theilung die besonderen Eigenschaften der Mutterzellen auf die Tochterzellen übergehen, und dass dieselben nach der Copulation noch nicht ganz verschwunden sind. Gerassimoff erhielt nämlich hierbei keine Zellen mehr mit zwei Kernen, sondern wohl dicke Fäden mit grossen Kernen. Die von mir beobachtete Erscheinung ist wenig standhaft; bald wiederholt sie sich bei der Karyokinese, bald nicht. 9. Die von Gerassimoff hervorgerufene Erscheinung ist mit einer Hemmung der Karyokinese verbunden. Die von mir wahrgenommene Erscheinung tritt auf, ohne dass äussere Einflüsse während der Karyokinese eine störende Einwirkung ausüben. Steenwijk, Juni 1900. Figuren-Erklärung. Fig. 1. Eine zweikernige Zelle. Fig. 2. Eine zweikernige Zelle mit unvollkommener Querwand. Fig. 3. Wie oben. Fig. 4. Eine vierkernige Zelle. Fig. 5. Eine drei- und eine einkernige Zelle, aus einer Zelle entstanden. Fig. 6. Eine zweikernige und zwei einkernige Zellen, aus einer Zelle entstanden- Fig. 7. Eine vierkernige Zelle mit einer unvollkommenen Querwand, Fig. 8. Eine fünfkernige Zelle. Fig. 9. Karyokinese in einer zweikernigen Zelle mit unvollkommener Querwand. Fig. 10. Communieirende Zellen, zwei drei- und zwei einkernige, aus einer Zelle entstanden. Fig. 11. Zellenreihe, aus einer Zelle entstanden. Die letztgebildeten Querwände ohne Oeffnungen. Fig. 12. Auswüchse an einer Querwand. Fig. 13. Wie oben, Untersuchungen an einigen Fettpflanzen. Von Wilhelm Brenner. Unter dem Namen Suceulenten oder Fettpflanzen fasst man eine Anzahl ganz verschiedenen verwandtschaftlichen Gruppen angehörende Pflanzen zusammen, die infolge eines mehr oder weniger gleichartigen Grundplanes ihrer anatomischen Struktur einen ähnlichen äusseren Habitus zeigen, der hauptsächlich durch fleischige vegetative Theile charakterisirt ist. Es besagt dieser zusammenfassende Name aber doch mehr als eine nur zufällige äussere Aehnlichkeit. Betrachten wir die Pflanzenwelt nicht nur vom entwickelungsgeschichtlichen Stand- punkt aus, sondern fassen wir auch das Causalitätsverhältniss, in welchem sie zu den sie umgebenden Medien steht, ins Auge, so bemerken wir, dass diese letzteren oft zu so grossen anatomischen Veränderungen im pflanzlichen Organismus Veranlassung geben, dass in gewissen Fällen die verwandtschaftlichen Beziehungen zweier Familien oder sogar zweier Arten fast nur noch aus der Gleichartigkeit der repro- duktiven Organe, deren Gestalt ja am wenigsten von äusseren Factoren abhängt, zu erkennen sind. Der Standort einer Pflanze ist es, der ihr oft ein so eigenthümliches Gepräge verleiht, dass sie mit den meisten in ihrer Umgebung oder an klimatisch ähnlichen Orten stehen- den Pflanzen noch so verschiedener systematischer Stellung zu einer ökologischen Gruppe vereinigt werden kann. Ihr specielles physio- logisches Verhalten unter den gegebenen Umständen bringt sie hin- wiederum mit einer kleineren Gruppe dieses Verbandes in nähere Beziehung, Die Succulenten stellen nun eine physiologische Abthei- lung des grossen ökologischen Verbandes der Xerophyten dar. Trocken- heit des umgebenden Mediums, resp. die dadurch bedingte gesteigerte Transpiration, nach Schimper (98) auch die Erschwerung der Wasser- aufnahme durch Salz- oder Säuregehalt des Bodens, ruft allgemein den Xerophytencharakter hervor, die erworbene Art des Schutzes gegen Wasserverlust durch Aufspeicherung von Wasser in besonderen Geweben lässt den Typus der Fettpflanzen entstehen. Bei der Aufstellung solcher, die verwandtschaftlichen Beziehungen verwischender Gruppen war man genöthigt, eine ganz eminente Plasti- “tät der pflanzlichen Organismen im Verlauf ihrer phylogenetischen Entwiekelung anzunehmen. Es ist daher von grossem Interesse, zu 388 untersuchen, ob und in wclehem Maasse diese Anpassungsfähigkeit schon durch das nur kurze Zeit andauernde Experiment während der Ontogenie nachweisbar ist. Es handelte sich also darum, den Einfluss veränderter äusserer Medien auf den anatomischen Bau von Fettpflanzen festzustellen und im Anschluss daran zu constatiren, inwiefern die Intensität der ver- schiedenen physiologischen Functionen dadurch modifieirt wird. Um deutliche Reactionen erwarten zu können, war es daher vor Allem nöthig, das den Suceulententypus in erster Linie bedingende Agens, den Wassermangel, durch sein Gegentheil zu ersetzen, d. h. die zu untersuchenden Pflanzen im feuchten Raume zu cultiviren. Um eine möglichst dampfgesättigte Atmosphäre zu erhalten, stellte ich einen grossen Theil meiner Culturen zum Theil im Warmhaus, wo die Wachsthumsintensität grösser war, zum Theil im Laboratorium in fol- gender Weise auf: Die Pflanzen waren von einem dem feuchten Boden eingedrückten, innen zur Hälfte mit Fliesspapier ausgekleideten Glas- eylinder bedeckt, der Topf selbst, von einer zweiten Glasglocke um- geben, stand in einer Schale mit Wasser. Daneben wurden Versuche angestellt in feuchtem Sand ohne weitere Bedeckung oder in schwacher (0,1—0,2proc.) und stärkerer (0,8—1proe.) Nährlösung in bedeckten Gläsern. Bei einem Versuche wurde nur der bewurzelte Theil der Pflanze in Nährlösung gebracht, während der beblätterte in einen abgeschlossenen Raum ragte, der durch Chlorealeium trocken gehalten wurde. Zur Controle dienten die im Kalthaus des Gartens oder im Freien gewachsenen Pflanzen. Um den Einfluss des Lichtes zu prü- fen, wurden einige Culturen in einem nach Norden gelegenen Zimmer in verschiedener Entfernung vom Fenster aufgestellt, bei anderen wurde auch die äussere Glasglocke durch einen Blecheylinder ersetzt; jedoch kamen die wenigsten Pflanzen bei vollständiger Dunkelheit fort. Ich war bestrebt, möglichst verschiedene systematische Gruppen der Fetipflanzen bei meinen Versuchen zu berücksichtigen; doch musste ich mich im Verlaufe auf diejenigen Arten beschränken, die unter den ungewohnten Verhältnissen noch gut oder leidlich gediehen und nicht gleich den Pilzen und Bacterien zum Opfer fielen. Aus demselben Grunde musste ich darauf verzichten, die zuerst begonnenen Culturen unter Wasser fortzusetzen. . Zur Untersuchung gelangten folgende Crassulaceen: Sedum den- droideum, S. altissimum, 8. dasyphyllum, Crassula portulacea, ferner verschiedene Arten von Sempervivum, hauptsächlich 8. assimile. Die Cacteen fielen wegen ihres langsamen Wachsthums für diese Arbeit 389 ausser Betracht; dagegen kamen noch einige Mesembryanthemum- arten, hauptsächlich M. curviflorum, zur Verwendung. Vor dem Versuche wurden meist die schon ausgebildeten Blätter, mit Ausnahme etwa der jüngsten am Vegetationspunkt, entfernt, um die neuen Aussenverhältnisse möglichst von Beginn der Bildung neuer Triebe an wirken zu lassen. Am geeignetsten für die Versuche er- wies sich Sedum dendroideum, dessen abgeschnittene, als Reservestoff- behälter functionirende Stengelstücke sehr bald neue und kräftige Sprosse trieben. Die Untersuchungen wurden angestellt im botanischen Institut der kgl. Universität Halle-Wittenberg in den Jahren 1898—-99. Herrn Professor G. Klebs, auf dessen Veranlassung hin ich diese Arbeit unternommen habe, sei auch an dieser Stelle für seine werthvolle Be- rathung und Hilfe der wärmste Dank ausgesprochen. Bevor ich auf die eigentliche Untersuchung an den cultivirten Pflanzen einging, musste ich den anatomischen Bau der betreffenden Arten unter normalen Verhältnissen genau kennen lernen. Hiebei stiess ich aber mehrfach auf sehr interessante, bis jetzt nur wenig oder gar nicht bekannte Erscheinungen, denen ich bei dieser Gelegen- heit näher auf den Grund zu gehen suchte. Diese Untersuchungen werden daher einen grösseren Theil meiner Arbeit in Anspruch neh- men und sollen nach diesen einleitenden Vorbemerkungen an erster Stelle folgen. I. Theil. Anatomie der untersuchten Pflanzen. 1. Crassulaceen. Die anatomischen Verhältnisse bei den Crassulaceen, speciell bei der Gattung Sedum, sind durch die ausführlichen Arbeiten von L. Koch (79) eigentlich genügend bekannt. Ich könnte mich daher hier darauf beschränken, die zur Untersuchung gelangten Pflanzen einfach in eine der dort aufgestellten Gruppen einzuordnen. Doch, während jener Autor das Hauptgewicht auf Entwickelung und Anatomie des Stammes und der Wurzel legte und die Blattstruktur nur kurz berührte, werde ich meinem Zweck entsprechend gerade die letztere hauptsächlich zu berücksichtigen haben, da in erster Linie das Blatt sueculent ist, und daher von ihm die ersten und deutlichsten Reactionen bei veränderter Umgebung zu erwarten sind. 390 A. Anatomie des Stammes. Die von mir untersuchten Arten zeigen in Bezug auf Stammanatomie keine besonderen Eigenthümlichkeiten. Der Stamm von Sedum dendroideum und Crassula portulacea ist dick und dient vornehmlich der Stoffspeicherung, derjenige der anderen Sedumarten schliesst sich in seinem Aufbau ganz demjenigen der von Koch aufgestellten Gruppe der Seda genuina an, Ich verweise daher auf die oben citirte Arbeit. B. Anatomie des Blattes. Die Blätter von Sedum dendroideum sind langelliptisch, vorn etwas zugespitzt, nach dem Stengel hin allmählich verschmälert, durchweg und namentlich an der Basis sehr fleischig. Die Epidermis wird von einer von dem übrigen Gewebe nur wenig durch Kleinheit und Chlorophylimangel verschiedenen Zelllage gebildet. Die Cuticula ist wie bei den meisten Fettpflanzen nur schwach entwickelt. Von oben gesehen stellt sich die Epidermis als ein ziemlich regelmässiges Gefüge von sechseckigen, geradwandigen Zellen dar. Die Ober- und namentlich die Unterseite des Blattes trägt zahlreiche Spaltöffnungen, die weder eingesenkt sind noch sonst irgend welche besonderen Eigenthünlichkeiten zeigen. Typisch für die Crassulaceen sind nur die drei oder mehrfach drei Nebenzellen, weiche die Schliesszellen um- geben. Das Parenchymgewebe ist von in ihrer Grösse nur wenig differirenden wasserreichen Zellen gebildet, die sämmtlieh Chlorophylikörner führen. Die Wan- dungen der Zellen zeigen die Cellulosereaction. Der periphere Theil des Paren- chyms ist in (auf Querschnitten) radialen Reihen angeordnet und wird dadurch in eine Anzahl in der Längsrichtung des Blattes verlaufender, durch Intercellularen getrennter Lamellen getheilt. Die Mitte des Blattes, ein linsenförmiger Abschnitt, wird von unregelmässigem Gewebe eingenommen und ist von den ziemlich zahl- reichen Gefässbündeln, in die sich der in jedes Blatt eintretende Blattspurstrang theilt, durchzogen. Letztere bestehen hauptsächlich aus Spiraltracheiden. Was den radial angeordneten Theil des Parenchyms betrifft, so wurde bei Sedum spurium und 8. Aizoon auch von Koch (79) erwähnt, dass sich hier die Neigung zur Palissadenbildung bemerkbar mache; doch scheint mir, dass dieser Autor dabei mehr die deutliche radiale Streckung der der Epidermis zunächst liegenden Zellen im Auge hatte, als ihre reihenweise Anordnung. Offenbar wird aber durch dieses „Reihenparenchym* wenigstens in gewisser Beziehung dasselbe erreicht, wie durch gewöhnliche Palissaden: rasche Stoffleitung und Schutz des Chlorophylis gegen zu starkes Sonnenlicht. Die Zellen des Blattes sind, abgesehen von den Elementen des Gefässtheils, alle lebendig, mit Plasma und Zellkern versehen. An Einschlüssen findet sich in ihnen hauptsächlich Gerbstoff, der in der Epidermis fast überall und im Parenchym in vereinzelten Zellen, welche durch nichts in ihrer Gestalt auffallen, zerstreut ist (vergl. Wagner 87). In den Blättern von Sedum dendroideum fand ich nach verschiedenen Bestimmungen 95,80%), Wasser und von den 4,20), fester Substanz 0,070/, Gerbstoff. Derstlbe wurde nach der Methode von Kraus (Löwenthal) durch Titriren mit Chamaeleon und Indigo bestimmt. Wie alle Crassulaceen ist auch diese Art sehr reich an freier Säure und zwar, wie Aubert (90) nachwies, Isoapfelsäure. Bekanntlich ist jedoch der Säuregehalt nach den Untersuchungen von Mayer (78), de Vries (84), Kraus (84), Warburg (85 und 86-—88) grossen 391 Schwankungen unterworfen, welche hauptsächlich dureh Licht und Wärme bedingt sind. Mit Schwefelsäure sowohl als mit Oxalsäure lässt sich in allen Zellen sehr leicht ein lösliches Kalksalz, offenbar saurer apfelsaurer Kalk, in grosser Menge nachweisen. Entzieht man dem Zellsaft Wasser durch Zufügen von Salpeterlösung, so sammeln sich vor der eigentlichen Plasmolyse innerhalb der Vacuolenflüssigkeit die gelösten Kalksalze zu einem stark lichtbrechenden Tropfen oder Klumpen, der bei Zufügen von Schwefelsäure rasch in ein Conglomerat von Gypskrystallen ver- wandelt wird. Die Blätter von Sedum altissimum sitzen in dichter Spirale am Stengel. Es sin‘! walzenförmige, sehr fleischige Gebilde, welche, an der Basis nur mit kleiner Fläche ansitzend, sich oben in eine oft geröthete, mehr oder weniger ausgebildete Spitze verschmälern. Epidermis und Parenchym sind ähnlich ausgebildet wie bei der vorigen Art; die Zellen des letzteren erreichen oft beträchtliche Dimensionen, 0,1—0,15mm. Die Blattgefässe liegen mehr oder weniger in einer Ebene. Sie stammen aus dem ziemlich starken aber einfachen Blattspurstrang, der sich ge- wöhnlich in 5—7 kleinere Bündel auflöst. Was den Inhalt der Zellen anbelangt, s0 findet sich oft in der Epidermis, namentlich an der Blattspitze und auf der Unterseite, etwas Anthocyan. Gerbstofl enthalten alle Epidermiszellen in grosser Menge mit Ausnahme der Nebenzellen der Spaltöffnungen und der Schliesszellen selbst (vgl. Fig. 15,2), ferner die Parenchynischeiden der Gefässbündel, welche sich von dem übrigen Gewebe deutlich unterscheiden und einzelne auf dem ganzen Blattquerschnitt zerstreut liegende Zellen. Ueberall finden sich freie Säure und gelöste Kalksalze. Die Blattstellung von Sedum dasyphyllum ist die decussirte. Die einzelnen Blattpaare stehen meist sehr dicht übereinander. Mit kleiner Ansatzstelle am Stengel inserirend, schwillt das Gebilde unmittelbar darüber zu einem im Ver- hältniss zu seiner Grösse ausserordentlich fleischigen Körper an, dessen Spitze meist abgerundet ist. Die Anatomie des Blattes stimmt im Ganzen mit den vorher beschriebenen Arten überein. An den Seiten wölbt sich die Aussenwand der Epidermiszellen oft papillenartig vor, da auch sie als hauptsächlichste Neben- function die Speicherung von Wasser übernommen haben. Auf der Blattoberfläche zerstreut finden sich einzelne Drüsenhaare, Die radiale Anordnung der oft sehr grossen (— 0,18mm) Parenchymzeilen ist auch hier sehr leicht zu beobachten. In Jedes Blatt tritt ein ziemlich schwacher Blattspurstrang ein, der sich nur wenig, in 3—5 Aestchen, zertheilt. Anthocyan und Gerbstoff finden sich nur in einzelnen Zellen, Säure und lösliche Kalksalze überall. Die ebenfalls gegenständigen Blätter von Crassula portulacea sind breiteiförmig, etwas zugespitzt, mit dicker Spreite und in einen fleischigen Stiel verschmälert. Die Epidermis ist zweischichtig und besteht aus ziemlich kleinen, rechteckigen oder quadratischen Zellen; die äussere trägt eine relativ dicke (5-6) Cuticula, In der Aufsicht zeigt sie sich als ein Gefüge von meist regelmässig sechseckigen länglichen Tafeln. Ober- und Unterseite tragen eine ziemlich grosse Anzahl von Spaltöffnungen mit einem meist doppelten Kreis von drei Nebenzellen, ausserdem zahlreiche Wasserspalten, die vom blossen Auge als dunkle Fleckchen am Blatte zu bemerken sind. Bei mikroskopischer Untersuchung zeigen sich diese Punkte als von einem kleinzelligen rundlichen Gewebecomplex gebildet, in welchem man '—1 Schliesszellenpaare findet, die aber nur 1/,—2/, der Grösse der eigentlichen Spaltöffnungszellen erreichen (Fig.1). Im Parenchym finden wir wieder eine deutliche 392 Reihenanordnung der in ihrer Grösse nur wenig differirenden Zellen; doch reichen hier zum Unterschied von den bisher beschriebenen Arten die Intercellulargänge von beiden Seiten bis ganz in die Mitte des Blattes, wo sie oft fast in einander übergehen. Auch hier stehen sie stets zur Oberfläche senkrecht. Die Gefäss- bündel, die aus dem unnittelbar über der Basis sich theilenden, ziemlich starken Blattspurstrang stammen, und deren man auf einem Schnitt durch die Blattmitte ca. 11 trifft, liegen alle in einer medianen Ebene. Nur einige wenige Gefässelemente zweigen von denselben ab, um zwischen den Zellen einer Längslamelie sich durchwindend zu den Wasserspalten zu gelangen. Gewöhnlich wird dieser Ast nur von einer oder wenigen Tracheiden gebildet, die sich aber an der Basis des kleinzelligen, trichter- artigen Gewebes, das sich unterhalb der Oeffnungen befindet und von Haber- landt (96) als Epithem bezeichnet wird, in zahlreiche Endästchen auflösen. Selbstverständlich ist durch die vielen unregelmässig vertheilten Wasserspalten die Lamellenstruktur des Parenchyms etwas verwischt, Gerbstoff fand ich bei diesen Blättern auch hauptsächlich in den beiden Epi- dermisschichten, ferner in dem Gewebe, welches das Wasserspaltenepithem und die Gefässbündel umgibt (vgl. Wilke83) und zerstreut durch das ganze Paren- chym. Ueber die Zusammensetzung der Zellwand, den Gehalt an Säure und Kalksalzen gilt dasselbe wie für die Sedumarten. Die Blätter von Sempervivum sitzen dicht gedrängt in spiraliger Anordnung, mit breiter Basis inserirend. Ihre Form ist gewöhnlich breitlanzettlich mit mehr oder weniger ausgezogener Spitze; die Oberflächefflach bis concav, die Unterseite convex. Haarbildungen finden sich bei einigen Arten auf der ganzen Oberfläche, bei den meisten aber nur am Rande der Blätter. Die Epidermis ist dieselbe wie bei den Sedumarten, Spaltöffnungen sind in etwas grösserer Zahl auf der Oberseite vorhanden, welche ja durch den ro- settenartigen Wuchs der Pflanze doch noch genügend gegen allzu grosse Ver- dunstung geschützt ist. Die oben erwähnten Haare sind Drüsenhaare mit mehr- zelligem Stiel und Köpfchen. Das Parenchym besteht aus wasserreichen Zellen, die sämmtlich mit Chlorophyll versehen sind, das sich auch hier wie bei den bisher beschriebenen Arten in der Nähe der Epidermis in grösserer Menge findet. Bei dem Gewebe von Sempervivum assimile fiel mir nun zuerst die lamellöse Anordnung der Zellen in die Augen, da sie hier am allerdeutlichsten zu Tage tritt. Fertigen wir uns nämlich einen Flächenschnitt an, der ausser der Epidermis noch die erste oder zweite Schicht des Parenchyms mit abhebt, so sehen wir, dass das letztere durchwegin Längsreihen angeordnet ist (Fig.2). Aussen verlaufen die Lamellen ungefähr parallel zum Blatirand, während sie in der Mitte in gerader Linie von der Blattspitze nach der Basis zustreben. Die dazwischen liegenden Intercellularen sind nun bei einigen Arten, namentlich bei 8. rubrocinetum, Requieni und assimile, Fig.1. Epidermis von Crassula portulacea mit Wasserspalten und Spaltöffnung. 393 ausserordentlich weit und messen unter der Epidermis an manchen Stellen mehr als die Breite der dazwischen liegenden Zelllamellen. Letztere rücken jedoch gegeu die Blattmitte hin zugleich mit der Grössenzunahme der Zellen näher zu- sammen und erscheinen oft sogar an einzelnen Punkten verwachsen, so dass sie nieht immer in ihrer ganzen Ausdehnung mit der Pincette isolirt werden können, Bei manchen Arten, so bei 8. atlanticum, vereinigen sich auch tiefer im Blatte mehrere Lamellen zu einer einzigen, Gegen die Blattspitze hin gehen natürlich immer mehrere derselben aus, wäh- rend sich umgekehrt in der Blattmitte oft Verzweigungen einstellen, wobei jedoch meist der eine der Zweige nur sehr kurz bleibt (vgl. Fig. 12,1). In der Gefüssbündelebene neigen sich alle Lamellen, oft in grossem Bogen, zu einer der Gefässbahnen, um sich an n— dieselbe anzuschliessen; auf b. Querschnitten scheinen sie da- her meist von den Gefäss- bündeln auszustrahlen. (Vgl. Fig. 3) Es ist dies die von Haberlandt (86) sogenannte Kranzstellung. Von dem Vorhandensein dieser Struktur kann man sich übrigens leicht überzeugen, da die Sempervivumblätter eine schon mit bliossem Auge leicht sichtbare feine Streifung ihrer Oberfläche zeigen, welche eben von den beschriebenen Intercellularen herrührt. Wir haben es hier also mit der auffallenden Erscheinung zu thun, dass eine Pflanze, die allgemein zu den typischen Xerophyten gerechnet wird, wozu man in Anbetracht ihrer Vorliebe für —— trockenes Kalkgestein und a. u 144 stark sonnenbeschienene Orte T 5 ER, L Fig. 2. Parenchymlamelle von Semp. assimile, a. von oben (Flächenschnitt), b. von der Seite (Längsschnitt). gewiss volles Recht hat, ausser- & ordentlich grosse Intercellular- räume besitzt, wiemansiesonst selten bei irgend einer Pflanze zu sehen gewohnt ist. Wenig- stens muss diese Thatsache auffallend erscheinen, wenn j man in jedem pflanzengeogra- a Phischen Werke als eine der Charakteristischen Eigenthüm- lichkeiten der Xerophyten die Kleinheit der Intercellularen angeführt sieht. (Vgl. Kerner 96 8.270, Warming 96 8. 192, Schimper 98 9,6.) Nun war mir aber schon bei früheren Beobach- fungen klar geworden, dass in absoluter Verallgemeinerung dieser Satz jedenfalls "richtig wäre, indem ich bei anderen. unstreitig xerophilen Pflanzen ebenfalls, Flora 1900, 27 nn Fig. 3. Theil eines Blattquerschnittes von Semp. assimile. 394 namentlich im Schwammparenchym grosse Intercellularräume bemerkte; so bei verschiedenen Ericaarten, bei Azalea procumbens, Gaultheria procumbens, Pas- serina-Arten, Agathosma u.a. Ich fragte mich daher schon damals, was denn als Zweck dieser Einrichtung geltend zu machen sei. Man könnte nun zunächst sagen, dass durch grosse Intercellularen leicht ein alle Zellen umschliessender, dampfge- sättigter und windstiller Raum erreicht würde, der die weitere Transpiration namentlich bei mehr oder weniger geschlossenen Spaltöffnungen verhindert. Ferner ist aber zu beachten, dass die Pflanze bei ihrer Durchlüftung eben immer auf zwei Punkte Rücksicht zu nehmen hat, nicht nur auf die damit verbundene Ver- dunstung, sondern vor Allem auch auf den ihr Leben bedingenden Gasaustausch. Die xerophilen Pflanzen konımen also hier in einen Conflict -- um diese anthropo- morphe Ausdrucksweise zu gebrauchen —, einerseits möchten sie die Transpiration und darum den Gasaustausch möglichst verlangsamen, andererseits können sie dies doch nicht über eine bestimmte Grenze hinaus thun, um nicht sich selber ums Leben zu bringen. Namentlich die Fettpflanzen mit ihrer massigen, dicken Blatt- struktur kommen hiebei in eine sehr missliche Lage. Wollen sie dem tiefer liegen- den Gewebe nicht die Lebens- bedingungen entziehen, s0 sind sie geradezu genöthigt, die Intercellu- laren zu erweitern, um damit die äussere Oberflächenverminderung durch eine innere Obcrflächenver- grösserung zu compensiren. Durch grosse Intercellularen sind nun aber, wie schon oben angedeutet wurde, nicht von vornherein die Bedingungen für starke Verdun- stung geschaffen, dafür aber ist der Pflanze die Gelegenheit ge- boten, auch bei geschlossenen Spaltöffnungen weiter zu assimi- liren und zu athmen, da ihr eine verhältnissmässig grosse Luft- . menge zur Verfügung steht und sie in Stand gesetzt wird, die durch Respiration oder Säurezersetzung ausgeschie- dene Kohlensäure gleich wieder auszunützen. In der Function der Intercellularen als Luftreservoire und der durch sie bedingten Compensation des äusserlichen Oberflächenverlustes bei den Fettpflanzen dürfte daher wohl der Hauptgrund dieser Einrichtung zu suchen sein. Die Anlage der Intercellularen ist schon an sehr jungen Stadien der Blattentwickelung zu erkennen und namentlich dann leicht zu beobachten, wenn man an Flächenschnitten von Alkoholmaterial das Eindringen der Luft in diese Kanäle verfolgt. Bei dieser Art der Beobachtung sind die da- zwischen liegenden Zellreihen auch bei den Sedumarten im Zusammenhang zu erkennen, Die Zweckmässigkeit des Längsverlaufs der Kanäle liegt auf der Hand. Ohne den Stoffverkehr auf seinem directesten Wege nach der Blattbasis zu hem- men, gelangen sie so doch zu der für das Leben der Pfianze nothwendigen Ent- wickelung. Alle quer verlaufenden Intercellularen wären ebensoviele Hindernisse ee Fig.4. Theil einer Parenchymlamelle von Semp. assimile. Von der Seite gesehen (Längsschnitt). Die Blattbasis in der Richtung des Pfeils. 395 für einen raschen Stoffwechsel. Noch auf einer anderen Punkt, welchem ähnliche Bedeutung zukommen dürfte, ist hier aufmerksam zu machen. Auf Längsschnitten finden wir nämlich die Zellen der einzelnen Parenchymlamellen noch in ganz be- sonderer Weise angeordnet. Die radialen Wände stehen nicht senkrecht zu den tangentialen, sondern sind dazu schräg orientirt und zwar in der Weise, dass da- durch in der Ebene der Lamelle neue Zellzüge entstehen, welche von der Blatt- oberfläche schräg einwärts und in der Richtung der Blattbasis der Gefässbündel- ebene zustreben, um auch so noch den Weg der Stoffleitung möglichst abzukürzen, Die Zellen besitzen dabei in der Richtung dieser Züge ihren grössten Durchmesser (vgl. Fig. 4). . Die Gefässbündel von Sempervivum liegen mehr oder weniger in einer Fläche. Dieselbe ist nach oben concav und liegt etwas näher der Ober- als der Unterseite des Blattes. Der Blattspurstrang theilt sich gewöhnlich in 3—5 Aeste, die ihrerseits wieder ziemlich zahlreiche Abzweigungen und Anastomosen aussenden. Auch in die einzelnen Lamellen werden zum Theil Gruppen von 2—5 Tracheiden abgegeben, die oft bis nahe an die Epidermis verlaufen, begleitet von langgestrecktem Parenchym. Die Zellwände der Sempervivum-Arten zeigen grösstentheils die Cellulosereaction. Doch ist hier noch auf eine Erscheinung zurückzukommen, die sich schon bei den bisher besprochenen Crassulaceen bemerkbar machte, die ich aber erst bei dieser Gattung näher untersuchte. Bei der Behandlung von Flächenschnitten mit Jod und Schwefelsäure bemerkte ich nämlich stets ausserhalb der stark quellenden blauen Celluloseschichten noch ein feines, hellgelbes, zuweilen etwas körniges Häutchen (Fig.5), das sich alsbald als die schon von Frank erwähnte, von de Bary angeführte und von Russow (84), Berthold, Terletzki und Schenck (85) genauer studirte Intercellularauskleidung herausstellte. Ueber Zusammensetzung und Herkunft dieser Membran waren jedoch fast alle diese Forscher verschiedener Ansicht; während Frank und de Bary dieselbe als suberinhaltige Lamelle an- sahen, fasste sie Ru ss o w als intercellulares Plasma auf, Gardiner und Schenck jedoch als die chemisch veränderte äussere Zellwandschicht. Nach meinen Be- obachtungen muss ich mich am ehesten der letztern Ansicht zuwenden. Allerdings hat die Auskleidung oft etwelche Aehnlichkeit mit einem Plasmabeleg, unter- scheidet sich aber von einem solehen durch hellere Färbung und die deutlich membranartige, meist homogene Beschaffenheit. Bei Behandlung einer Parenchym- lamelle mit concentrirter Salpeter- und Schwefelsäure unter Erwärmen erhielt ich die vollständig intacte schlauchartige Einkleidung derselben, indem die Cellulose ganz undfsogar die gewöhnlichen Mittellamellen beinahe vollständig verschwanden, während nur die unförmlichen Plasmamassen und das deutlich eontourirte Häutchen zurückblieben. Bei der Maceration einer Zelllamelle mit dem Schulz’schen Rea- gens (chlorsaures Kali und Salpetersäure) verschwinden die Intercellularaus- kleidungen mehr oder weniger, was für das eigentliche Plasma nicht gilt. Einen Zusammenhang dieser Membran mit der Mittellamelle der anstossenden Zellen konnte ich jedoch nicht wahrnehmen; im Gegentheil erschien sie da, wo ein solcher hätte beobachtet werden müssen, sehr deutlich abgegrenzt und oft bei der Quellung der Cellulose nach aussen gewölbt. Da das Häutchen aber ebenso oft nach innen gestülpt blieb, konnte ich dabei nicht auf eine Quellung der sog. Eckleisten schliessen, die ich überhaupt nicht als Leisten, sondern als dreieckige Hohlräume auffassen musste. Es entspricht dies ganz den Angaben van Wisselingh’s (86). Da ich zuerst ohne Kenntnisse der schon vorhandenen Abhandlungen diese Be- 27 396 obachtungen gemacht hatte, hatte ich auch diese Gebilde mit den verschiedenen Reactionen auf Kork geprüft, jedoch ohne deutliche Erfolge. Doch ist wohl nicht ausgeschlossen, dass durch die stete unmittelbare Berührung mit verhältnissmässig grossen Luftmassen die ursprüngliche Mittellamelle, die durch das Auseinander- weichen zweier Zellreihen sich spaltete, chemisch derart umgewandelt wurde, dass sie sich in manchen Punkten dem Verhalten der verkorkten Membran nähert. Alle Reactionen würden übrigens noch am ehesten die Annahme freilassen, dass wir es hier mit Pectaten zu thun haben, wie dies auch Mangin (91) vermuthet. Noch sei erwähnt, dass ich diese Auskleidungen auch in den wenigen, die Zelllamellen quer durchsetzenden Intercellularen beobachtete, hier aber meist weniger deutlich. Bei Nachprüfungen bei den übrigen hier behandelten Crassulaceen fand ich sie überall mehr oder weniger ausgebildet, nirgends aber so schön, wie bei Semper- vivum. An besonderen Bildungsstoffen sind die Sempervivum- und Echeveria-Arten ausserordentlich reich. In der Aussenwand der Epidermis ist bei einigen Arten, 8. calcareum, hirtum, dolomiticum, körniger, oxalsaurer Kalk ausgeschieden. Sonst findet sich überall, meist in grossen Mengen im Zellsaft gelöst saurer apfelsaurer Kalk. Anthocyan trifft man ziemlich häufig, namentlich in der Basis, den Rändern und der Spitze des Blattes und zwar meist in ganz besondern zerstreut liegenden Zellen, welche durch ihre Grösse und meist auch durch stärkere . | Lichtbrechung auffallen; doch, wäh- Fig.5. Parenchymiamelle von Semp. assimile. rend dieser Farbstoff nicht stets an Flächenschnitt nach Behandlung mit Jod diese Zellen gebunden ist, gibt es und Schwefelsäure. andere Stoffe, durch die ausschliess- lich die Idioblasten ausgezeichnet sind. Im Uebrigen unterscheiden sich dieselben von den anderen Zellen nur wenig (vergl. Fig. 2a und b); sie sind stets mit lebendem Inhalt erfüllt, ihre Zellkerne sind verhältnissmässig gross, ihre Chlorophylikörner nur in kleiner Zahl und von geringer Grösse. Zuerst wies ich in diesen Zellen Gerbstoff nach und zwar meist in sehr grosser Menge. Bei Behandlung von Schnitten mit Jod und Schwefelsäure erhielt ich eine schöne goldgelbe, bis röthliche Färbung, die auf einem der Membran scheinbar direet anliegenden Niederschlag beruht (vergl. Fig. 5) und die ich daher zuerst für eine Korkreaetion ansah. Ich prüfte deshalb auch mit anderen Reactionen auf Verkorkung. Mit dem Schulze’schen Macerationsgemisch erhält man eben- falls eine schöne gelbe, mit Osmiumsäure eine schwarzgraue Färbung, Cupram- moniumoxyd gibt einen dunkelbraunen Niederschlag, Safranin und Cyanin werden etwas gespeichert. Nun trat aber bei Zufügen von Kalilauge eine ganz uner- wartete Reaction ein: der Inhalt der grossen Zellen färbte sich rasch schön indigo- blau, die Farbe wurde immer intensiver, es bildeten sich Concretionen und schliess- lich erstarrte die ganze Masse zu einem tiefblauen bis violetten Klumpen, der beim Zerdrücken rissig zersprang und in kleine Stücke zerfiel. Auch hier glaubte ich zuerst noch einen membranartigen Niederschlag vor mir zu haben, da die einzelnen Stücke tafelartig schienen, doch kam ich bald von dieser Ansicht ab. Ich liess nämlich die Zellen zuerst plasmolysiren, fügte dann rasch Kalilauge zu und beobachtete nun, dass der blaue Niederschlag in der Vacuolenflüssigkeit ein- trat, die sich allerdings gleichzeitig auf ihr normales Volumen ausdehnte. Trat 387 die Substanz an einem Ende in die Zeile ein, so bemerkte man im Zellsaft eine von diesem Punkt ausgehende, durch feine Körnchen oder Kügelchen markirte Welle, die sich langsam unter lebhafter Bewegung durch die Vacuole hindurch fortpflanzte, die indigoblaue Färbung hinter sich zurücklassend, Die Erstarrung der Masse trat erst allmählich ein. Es war nun zunächst möglich, einfach an eine alkalische Reaction des meist in diesen Zellen gelösten Authooyans zu denken. Einerseits sprach zwar schon die im Vergleich zu der hellrothen Farbe viel inten- sivere Blaufärbung dagegen, andererseits konnte ich aber auch direct beobachten, dass die Reaction oft nicht eintrat, wo Anthocyan in grösserer Menge vorhanden war, oder dass wohl anfangs ein hellblauer Ton erschien, der aber sofort wieder verschwand; so namentlich in den rothen Epidermiszellen. Dieselbe Blaufärbung erhält man auch mit Natronlauge, während Chlor- ammonium und Borax keine Reaction geben. Soda bringt nur in den anthoeyan- haltigen Zellen einen schwachen und bald wieder verschwindenden blauen Ton hervor, Durch Schwefelsäure werden die blauen Coneretionen sofort entfärbt und es tritt dafür ein rothbrauner, später dunkelbrauner Niederschlag auf. Salpetersäure färbt sie wie Essigsäure hellroth, dann hellviolett und zuletzt braun. Borsäure führt den blauen Ton allmählich in schwarzblau, violett und braun über. Die Zellen, die diesen Niederschlag geben, finden sich hauptsächlich in der der Epidermis unmittelbar anliegenden Parenchymschicht, weshalb sie am besten nach Abziehen der Epidermis an Flächenschnitten zu beobachten sind. Doch zeigen nicht alle durch ihre Grösse ausgezeichneten Zellen diese Färbung, bei manchen tritt an Stelle derselben ein dunkelbrauner Niederschlag auf, was jeden- falle auf den vorhandenen Gerbstoff zurückzuführen ist. Bei anderen hinwiederum treten beide Fürbungen neben einander ein, so dass ein Gemisch von braun und blau entsteht. Bei längerem Liegenlassen der tingirten Schnitte verschwindet oft die Blaufärbung oder lässt die Braunfärbung deutlicher hervortreten, Ich erhielt diese Reaction nicht nur bei ausgewachsenen Blättern, sondern meist schon in den allerjüngsten der Rosette, die oft dadurch schon von blossem Auge dunkelblau erscheinen. Bei Nachprüfung fand ich die Färbung auch bei Sedum altissimum, namentlich in der gerbstoffreichen Epidermis und bei Crassula Portulacea in der zweiten Epidermis und zerstreut im Parenchym. Dass es aber keine Gerbstoffreaetion sein kann, beweist gerade das Verhalten von Sedum dendroideum, welches, trotzdem es zahlreiche gerbstoffführende Zellen aufweist, keine Blaufärbung zeigt. Th. Bokorny (90) behandelt in einem Aufsatz: „Zur Kenntniss des Cyto- plasmas“ einige Reactionen in Zellen von Echeveria. Bei Durchsicht dieser Arbeit sah ich bald, dass er es mit den oben erwähnten, hauptsächlich subepidermalen Zellen zu thun hatte, die sich hier noch in grösserer Menge als bei Sempervirum finden. Nur beobachtete erhiebei dievon ihm besprochenen Granulationserscheinungen nicht im Zellsaft, sondern im Cytoplasma. Doch wies später (92) P. Klemm nach, dass sie thatsächlich im Zellsaft auftreten; dieser Autor wendet sich auch dagegen, dass die sogenannten „Proteosomen“ von Bokorny, die bei Behandlung mit 19/00 Coffeinlösung auftreten, aus Eiweiss beständen, da sie beim Aufkochen !n dieser Lösung verschwinden und der entstehende Niederschlag in Alkohol löslich sei. Die Eiweissreaetionen sind aber in der That in diesen Zellen meist sehr auf- fällig, wie ich mich selbst überzeugte. $o gibt namentlich das Raspail’sche 398 Reagens (Zucker und Schwefelsäure) prächtig blutrothe Concretionen im Zellsaft. Klemm macht ferner auf eine andere Reaction in diesen Zellen aufmerksam, von der er auf Anwesenheit von Phloroglucin schliesst. Mit dem Lindt’schen Reagens (1. T. Vanillin, 100 T. Wasser, 100 T. Alkohol und 600 T. concentrirte Salzsäure) erhält man nämlich einen intensiv rothen Niederschlag, der, wie ich bemerkte, beim Zerdrücken ebenfalls rissigen Bruch zeigt, wie die blauen und gelben Nieder- schläge mit Kalilauge resp. Jod und Schwefelsäure. Sowohl diese Rothfärbung als die Blaufärbung verschwindet, wenn die Schnitte in Wasser ausgewaschen werden, indem der Niederschlag in diesem löslich ist. Doch erscheint die Farbe meist wieder bei neuem Zufügen des Reagens und verschwindet erst bei mehrmals wiederholtem Auswaschen mehr oder weniger. An Sempervivum-Arten beobachtete ich auch folgendes Verhalten bei Verletzen der Blätter durch Schnittwunden. Die der Verletzung zunächst gelegenen 4—6 Zell- lagen schrumpfen zusammen, während die nun folgende verkorkt und zwar direct, nicht durch Bildung neuer, erst ver- korkender Zellen. Auch die folgende und eventuell noch eine dritte Lage ver- korkt so, erst weiter innen tritt nach einiger Zeit ein eigentliches Phellogen auf, das zu den vorhandenen Schutz- schichten noch einige weitere hinzufügt. Bei Verletzungen senkrecht zur Längs- axe des Blattes besteht nach Eintrock- nen der obersten Schichten die nächste Thätigkeit der Pflanze hauptsächlich darin, die grossen Intercellularen abzu- schliessen. Dies geschieht dadurch, dass in einer tieferen Schicht die in einer Fläche liegenden Zellen der verschie- denen angeschnittenen Lamellen sich tangential ausdehnen, unter Umständen sogar durch Eingehen von Theilungen, bis ein lückenloser Verband erzielt ist (Fig. 6), worauf erst die Verkorkung eintritt. Oberhalb und unterhalb dieser Schicht lassen sich noch deutlich die durch Intercellularen getrennten Lamellen erkennen. Fig. 6. Wundkork von Sempervivum. Flächenschnitt; etwas schematisch, 2. Mesembryanthemum eurviflorum. Die Gattung Mesembryanthemum ist schon mehrfach Gegenstand anatomischer Untersuchungen gewesen; hauptsächlich Falkenberg (76), Regnault und de Bary machten auf ihre Eigenthümlichkeiten aufmerksam. Eine Monographie über dieselbe wurde von Dannemann (83) verfasst. M. ceurviflorum stellt so ziemlich den Normaltypus der Mesembryanthemen dar, Der Spross enthält ein lockeres, zum Theil grosszelliges Mark mit verkorkten Rhaphidenschläuchen. Daran schliessen sich, entsprechend der decussirten Blait- stellung zwei Paare Gefässbündel, von denen das eine stärker entwickelt ist als das andere. Ausserhaib desselben folgt der eigenthümliche geschlossene Meristem- ring, welcher nach innen Holzelemente, bei dieser Art fast nur sklerenchymatische Fasern und hin und wieder kleine Phlo&mgruppen erzeugt, während er nach aussen ein nur wenige Zelllagen dickes grünes Parenchym, die secundäre Rinde abscheidet. Hierauf folgen mehrere Schichten eines collenchymatischen Gewebes, das zur 399 primären Rinde gehört, dessen äusserste später Phellogen wird und durch eine massige Korkbildung das ganze übrige Gewebe abschneidet. Die tangentialen Wände dieser Korkzellen stehen, wie Dannemann erwähnt, alternirend zu ein- ander, so dass die Zellen dem durch das Dickenwachsthum entstehenden Tangential- zug durch ziekzackförmige Fältelung der Radialwände nachgeben können. Ich bemerkte jedoch bei der untersuchten Art, dass dieses Mittel nur kurze Zeit aus- reicht, das Zerreisen der Rinde zu verhindern, dass aber dann, wenn durch den Zug die letztmögliche radiale Abplattung der Zellen erfolgt war, was gewöhnlich nach Ausbildung von etwa zehn Korklagen eintrat, das erste Cambium seine Thätig- keit einstellte und die nächstfolgende Schicht der primären Rinde Phellogen wird. Die durch diese Korkzone abgeschnittenen Zellcomplexe werden allgemein als primäre Rinde bezeichnet. Wir hätten also hier den ausserordentlichen Fall vor uns, dass der Kork, statt wie gewöhnlich in einer der äussersten Zellschichten derselben, in einer der innersten entsteht. Wenn wir aber nun einerseits be- obachten, dass diese sogenannte primäre Rinde bei manchen Arten (M. curtum, hamatum, perfoliatum) in ihrem Bau absolut dem Blatte entspricht, indem nicht nur regelrechte Palissaden sich darin finden, sondern auch meist aus dem darüber- liegenden Blatte Gefässbündel in dasselbe hinabsteigen und auch die charakteri- stischen „Wasserzellen“ nicht fehlen, und wir andererseits gerade bei den angeführten Arten von dem Punkte, wo die Blattränder der gegenüberstehen- den Blätter zusammenstossen, eine Rinne bis zum folgenden Knoten hinablaufen sehen, so scheint mir kein Grund vorhan- den, diese sog. primäre Rinde nicht einfach als Basalstück der Blätter anzusehen oder vielleicht besser als herablaufenden Theil derselben. Die eigentliche primäre Rinde wäre dann das tiefer lie- gende Collenchym, eine Gewebe- art, die sich ja oft an der Peri- pherie des Stengelsfindet; während die ursprüngliche Epidermis in- folge der engen Verwachsung von . . Spross und Blatt ihre Selbständig- Fig. 7. Mesembryanthemum curviflorum. Theil keit eingebüsst hätte. Am unge- eines Blattquerschnittes. 2wungensten erscheint natürlich diese Annahme bei den stengellosen und den diesen nahestehenden Formen der Mesembryanthemen ; doch liessen sich aus diesen wieder leicht die angeführten M. Curtum ete. und daraus die typisch strauchigen ableiten. Man kann gerade darin vielleicht einen Wegweiser sehen, um die Entwiekelung dieser Gattung auf ana“ tomischer Grundlage zu erforschen. Interessant ist, dass bei manchen strauchigen Formen das Periderm dann wirklich in einer ausserhalb des Collenchyms gelegenen Schicht erzeugt wird. Wir hätten diese Thatsache dann 80 zu deuten, dass die stengelumfassenden Bluttstücke bei ihrer intimen Verbindung mit der Sprossaxe wirklich im Verlauf Function und Bedeutung der primären Rinde erlangt haben, 400 und daher das Bestreben bemerkbar wird, das Phellogen nach aussen zu ver- legen, Die Blätter der untersuchten Art schliessen sich dem von Dannemann beschriebenen Typus von M. geminiflorum an. Sie sind bis 8cm lang, dreikantig und sehr fleischig. Die Epidermis besteht aus ziemlich grossen, flachen Zellen mit nur schwach ausgebildeter Cuticula. Die kaum eingesenkten Spaltöffnungsapparate sind von zwei Nebenzellen umgeben. Die Epidermiswandungen sind gerade. Unter- halb des Hautgewebes findet sich eine 3—5 Zelllagen starke, schön chlorophyli- grüne Palissadenschicht von kleineren Zellen. In dieses Gewebe eingebettet liegen zahlreiche Idioblasten (Fig.7), auf die ich nachher noch zu sprechen kommen werde. Nach innen folgt zunächst ein Kreis von kleinen Gefässbündeln, darauf das die ganze Blattmitte ausfüllende, zum Theil ausserordentlich grosszellige Wasserge- webe, das kein Chlorophyli enthält. Das Centrum wird durch das Hauptblatt- bündel eingenommen, welches, aus zahlreichen in Reihen angeordneten Gefässen und darunter liegendem Phlosm bestehend, von collenehymatischem Gewebe im Halbkreis umgeben, in das Blatt eintritt und schon an sehr tiefer Stelle zwei Bündel nach den beiden oberen Blattkanten abgibt, welche sich in den oben er- wähnten äusseren Gefässbündelkreis auflösen. Der letztere bildet ein fein ver- zweigtes Netz und hält sich stets in der Nähe der assimilirenden Zellen. Die in grosser Zahl den Palissaden eingestreuten „Wasserzellen (Danne- mann) zeichnen sich vor diesen hauptsächlich durch ihre Grösse aus, indem ihre Länge ungefähr der Dicke der ganzen Palissadenschicht entspricht. Dannemann erblickt ihre Function hauptsächlich darin, dass sie das dicke Blatt allseitig durch- leuchten und bei Mangel an Wasser, solches an die Palissaden abgeben. Was die Durchleuchtung anbetrifft, so dürfte namentlich noch erwähnt werden, dass auch die direete intensive Sonnenbestrahlung, der diese Pflanzen in der Natur meist ausgesetzt sind, durch diese Rinrichtung wesentlich gemildert werden kann, indem die Chlorophylikörner, an die Radialwände der Zellen sich anlegend, vor dem zer- störenden Einfluss des direoten Lichtes geschützt sind und dabei doch noch das- selbe ausnützen können mit Hilfe der lichtbrechenden Wasserzellen. Ob sie besonders auch zur Wasserabgabe an das Palissadengewebe befähigt sind, ist eine andere Frage, da, wie Dannemann selbst anführt, beim Austrocknen des Blattes diese Zellen sehr lange turgescent bleiben und als kleine Knötchen auf der Ober- fläche sichtbar werden. Es dürfte dies um so fraglicher sein, als, wie ich sogleich erwähnen werde, diese Gebilde durch verkorkte Membran ausgezeichnet sind. Ich glaube daher viel eher, dass die Function dieser Zellen neben der Durchleuchtung diese ist, als stark turgescente mechanische Stützen das Assimilationsgewebe vor zu raschem Zusammensinken zu schützen, also ähnlich den bekannten Strebepfeilern in den Biättern von Hakea. Auch Dannemann gibt nun an, dass diese Zeilen „manchmal“ verkorkte Wände besitzen; als Beispiel dafür, dass dies jedoch nicht immer der Fall sei, führt er M. curtum an. Bei meinen Untersuchungen fand ich nun aber stets eine Suberinlamelle vor, auch bei dem Stock von M. eurtum, der mir im botanischen Garten zur Verfügung stand. Umgekehrt fand ich die im Wasser- und Chlorophyll- gewebe häufigen Rhaphidenzellen, mit Ausnahme derjenigen im Mark des Stammes, selten verkorkt. E. Zacharias (79) erwähnt diese Zellen auch und nennt als Beispiel einer Art, deren „Wasserzellen“ nicht, deren Rhaphidenschläuche aber verkorkt seien M, praepingue. Da mir gerade diese Art nicht zu Gebote stand, 401 konnte ich mich von diesen Verhältpissen nicht selbst überzeugen. Bei den von mir untersuchten Arten verhielt es sich aber stets umgekehrt. Chlorophyli war in diesen „Wasserzellen“ nicht vorhanden; wohl aber überzeugte ich mich durch sorgfältige Versuche von der Anwesenheit vom Zellkern und Plasmaschlauch. Die wegen der Korklamelle allerdings nur schwer mit concentrirter Salpetersäure erreichbare Plasmolyse und die Kernfärbung überzeugte mich vom Leben dieser Körper. Wie die Behandlung mit Jod und Schwefelsäure lehrte, besteht die Membran aus einer inneren Cellulosehülle, die wegen des gehinderten Eintretens der Reagentien oft nur schwer sichtbar zu machen ist, und einer äusseren Suberin- lamelle. Wurden Blattstücke mit concentrirter Schwefelsäure gekocht, so wurde das ganze übrige Gewebe zerstört, nur die Plasmaschläuche, die Cuticula und die „Wasserzellen“ blieben erhalten, letztere von einem violettrothen bis dunkelbraunen Niederschlag angefüllt. Es war nun noch die Frage zu entscheiden, ob diese Zellen auch nach der Verkorkung noch wachsthumsfähig seien. Zu diesem Zwecke unter- suchte ich jüngere Blätter und verglich die Grösse der verkorkten „Wasserzellen“ mit ihren definitiven Dimensionen im ausgewachsenen Blatte. Das Resultat war folgendes. Bei einer Blattlänge von 0,7cm massen die grössten verkorkten Zellen 170 X 220 x, im Blatt von 5em die kleinsten dagegen schon 225 X 280 u. Es ergibt sich also schon durch Vergleich der Extreme unzweifelhaft ein Wachsthum dieser Zellen. Zur Uebersicht füge ich noch eine kleine Tabelle bei. Tabelle 1. Grösse der verkorkten Wasserzellen von M,eurviflorum bei verschiedenem Alter des Blattes (in p). ’ Grösse der verkorkten Zellen (x) Blattlänge . . . im Max, im Min. im Mittel 0,7cm 170 X 220 100 X 140 130 X 190 1,5cm 140 X 310 140 X 210 150 X 260 2,0cm 250 X 350 180 X 250 220 X 280 5,0cm 250 X 350 220 X 280 230 X 310 Wie allerdings die Korkmembran, Jie ja nach den Untersuchungen von Schwendner fast undehnbar ist, diesem Wachsthum, wie es hier constatirt ist, nachgibt, ist eine ungelöste Frage; die einzige Möglichkeit wäre, hier an ein wirk- liches Wachthum der Lamelle durch Intussusception zu denken. Dass der Zell- inhalt auch nach Erreichung der definitiven Grösse noch lebendig ist, habe ich schon oben behauptet auf Grund von Kernfärbung, Plasmolyse und Korkreaction, die ich an ein und derselben Zelle ausführte; darin läge also keine Schwierigkeit, Veberdies ist die Wachsthumsfähigkeit der Korkmembran auch schon postulirt worden und war durch M. Koeppen (89) in einer Untersuchung über das Ver- halten der Rinde unserer Laubbäume während der Thätigkeit des Verdickungs- unges. Bei Quercus peduneulata wies derselbe nach, dass die gebildeten Kork- 402 zellen nachträglich, ohne ihren Radialdurchmesser zu verkleinern, ja sogar unter Verdiekung ihrer Tangentialwände, sich in die Breite strecken, woraus er schliesst, dass auch diese Zellen noch lebendig seien, Als Eigenthümlichkeit der Zellen des Wassergewebes ist noch zu erwähnen, dass ich in den meisten derselben nicht aur einen, sondern.2—5 Zellkerne be- obachtete, welche durch directe Kerntheilung entstanden zu sein scheinen. Als besonderer Inhaltsstoff ist auch bei dieser Pflanze Gerbstoff zu nennen, der fast ausschliesslich auf die besprochenen „Wasserzellen“ localisirt ist und hier alle Reactionen typisch erkennen lässt. In eben diesen Zellen finden sich im jugendlichen Zustand oft sphärische Drusen, die sich in Essigsäure und kalter Schwefelsäure nicht, wohl aber in heissem Wasser, Alkohol und warmer Schwefel- säure lösen. In zahlreichen Zellen sowohl der Blattmitte als der Palissadenschicht finden sich oft sehr grosse Rhaphidenbündel aus oxalsaurem Kalk, während gelöste Kalksalze fehlen. Die Säure, welche hier in freigm Zustand in ziemlich beträcht- lichen Mengen vorkommt, ist nach Aubert (91) meist Oxalsäure, 11. Theil. Untersuchung der in feuchter Luft gezogenen Pflanzen. Zur Beantwortung der Frage, welchen Einfluss die Feuchtigkeit des umgebenden Mediums auf die Entwickelung des pflanzlichen Organis- mus ausübt, sind noch relativ wenige experimentelle Untersuchungen angestellt worden. Viele Arbeiten, die dieses Problem berührten, beschränken sich auf die Vergleichung solcher Pflanzen, die wegen ihres verschiedenen Standorts in der Natur gewisse Abweichungen von einander erwarten liessen. Doch wird man auf diesem Wege zu einer sicheren Lösung kaum gelangen können, weil in der Natur viel zu viele, oft schwer zu erkennende und noch schwerer graduell vergleich- bare Factoren stets vereint wirken, so dass es ausserordentlich schwierig zu entscheiden ist, welchem unter diesen Factoren in erster Linie die anatomischen Eigenthümlichkeiten zu verdanken sind. Hier hat das Experiment einzugreifen, das die Frage präcis stellt und die Natur sozusagen zwingt, nur darauf zu antworten. Eine der umfassendsten Arbeiten dieser Art ist von Kohl (86) unter dem Titel: „Die Transpiration der Pflanzen und ihre Einwirkung auf die Entwickelung pflanzlicher Gewebe“ veröffentlicht worden. Doch auch dieser Forscher wendet sich noch mehr der Betrachtung von Pflanzen verschiedener Standorte zu und gibt von seinen Experi- menten nur die allgemeine Methode und in groben Zügen die Resultate an. Er eultivirte hauptsächlich Tropaeolum majus, Lysimachia num- mularia;und Hedera Helix und zwar unter vier verschiedenen Be- dingungen: 403 1. feuchter Boden und trockene Athmosphäre, 2. feuchter Boden und feuchte Athmosphäre, 3. trockener Boden und trockene Athmosphäre, 4. trockener Boden und feuchte Athmosphäre. Die Resultate bei Tropaeolum majus waren folgende: bei 1. dieke Outicula, radial gestreckte Epidermiszellen, darunter zwei stark collenchymatische Zellschichten ; » 2. dünne Cuticula, tangential gestreckte Epidermiszellen mit dünnen Wänden, kein Collenchym; » 3. dicke Outicula, stark radial gestreckte Epidermiszellen, weniger Collenchym als bei 1.; » 4. dünne Cutieula, eubische Epidermiszellen, Collenchym kaum vorhanden. Die Blattgrössen verhielten sich bei den vier Versuchen wie 4:5:1:8. Darnach leitet Kohl folgende Erscheinungen als direete Wirkung der verminderten Transpiration ab: Steigerung des Zellturgors, infolge dessen tangentiale Streckung namentlich der oberflächlichen Gewebe, Abplattung der Epidermiszellen und Vergrösserung der Intercellularen. Ferner Verminderung des mechanischen Gewebes und der Gefäss- elemente. Aeusserlich unterschieden sich seine in feuchter Luft ge- wachsenen Pflanzen von denjenigen, die in trockener gezogen waren, durch längere Internodien und Blattstiele, grössere Blattspreiten, dünnere Organe, verminderte Behaarung und geringere Ausmodellirung. Wenn ich nun auch im Folgenden die Mehrzahl dieser Beobach- tungen auch für die von mir untersuchten Pflanzen einfach bestätigen könnte, so werde ich doch bei dem oder jenem Punkte etwas länger verweilen, um einmal ein womöglich vollständiges Bild von den Ver- änderungen bei einer bestimmten Pflanzengruppe, den Fettpflanzen, zu geben und um durch die angeführten genauen Messungen und Wägungen die Unterschiede zahlenmässig darzulegen und damit fass- barer zu machen. Ueber meine Art der Versuchsanstellung habe ich in der Ein- leitung zu dieser Arbeit schon das Wichtigste erwähnt, wo weitere Erörterungen nöthig sind, werden dieselben im Verlauf der Unter- suchung ihren Platz finden. Es wird aus dem Folgenden hauptsächlich die Thatsache zu entnehmen sein, dass die Pflanze, sobald ihre Transpiration durch irgend welche Mittel erschwert wird, durch zweckentsprechende Veränderung ihres Baues dieselbe dennoch auf die offenbar für ihre Existenz noth- wendige ursprüngliche Grösse zu bringen im Stande ist. Es wird sich 404 auch daraus wieder die Ansicht begründen lassen, welche Stahl (93, 94 und 96) auf Grund seiner eingehenden Untersuchungen namentlich an tropischen Gewächsen zuerst betont hat, nämlich dass die Tran- spiration ein äusserst wichtiger Factor im Leben der Pflanze darstellen muss. Wenn auch von vornherein nicht ausgemacht ist, ob es der Pflanze im Grunde nicht nur darum zu thun ist, die genügende Intensität des Gasaustausches zu erreichen und sie dabei die Steigerung der 'Transpiration nur als nothwendiges Uebel mit in den Kauf nimmt, so werde ich doch Gelegenheit haben, verschiedene Beobachtungen zu erwähnen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass auch der Wasserverdunstung allein schon eine wichtige Rolle zukommt. 1. Veränderungen des äusseren Habitus. Bringt man eine der oben besprochenen Pflanzen oder einen be- blätterten Zweig derselben in einen wasserdampfreichen Raum und sorgt entweder durch schwache Nährlösung (0,1—0,2%, Knop) oder durch Einstecken in Erde für weitere Nahrungszufuhr, so machen sich bald schon gewisse äussere Veränderungen an den Versuchs- objekten bemerkbar. Am deutlichsten sind dieselben zunächst bei Sedum dasyphyllum zu verfolgen. Nach wenigen Tagen beobachtet man nämlich, dass die Vegetationsspitze mit den jüngsten Blattanlagen, statt wie bisher tief verborgen unter den schon entwickelten Blättern zu bleiben, herauszutreten beginnt, indem das jüngste Internodium sich ganz gewaltig in die Länge streckt. Dieses Längewachsthum beschränkt sich nicht nur auf den obersten Theil des Stengels, sondern greift allmählich auch auf die tiefer liegenden Internodien zurück, so zwar, dass das jüngste entsprechend seiner noch grösseren Wachs- tbumsfähigkeit die grösste Länge erreicht. Während die normalen Internodien bei dieser Artnur 2—3mm betragen, entstehen in feuchter Luft solche von 10— 25mm Länge und darüber (Fig.8). Ebenso auffallend wie bei Sedum dasyphyllum ist diese Erscheinung auch bei Sedum altissimum, während sie bei Sedum dendroideum und Crassula portu- lacea, sowie Mesembrianthemum curviflorum weniger ausgeprägt ist. Im Grunde genommen ist dies auch nicht anders zu erwarten, da sich die zuletzt angeführten Arten lange nicht so sehr durch gedrungenen Wuchs und sich dicht deckende Blätter auszeichnen, wie die beiden ersteren. Die Streckung der Stengelglieder geht also offenbar her- vor aus einem Bestreben der Pflanze, der Transpiration äusserlich möglichst wenige Hindernisse entgegenzusetzen und daher die bei ihr vorhandenen, früher zweckentsprechenden, aus dem Wege zu räumen. 405 Causal ist diese Erscheinung vielleicht aufzufassen als die Folge einer Turgorsteigerung in den Zellen des Stengels. Bei der Uebertragung in feuchte Luft wird plötzlich die Transpiration ganz bedeutend herab- gedrückt; infolge dessen stockt der Saftstrom, und die noch wachs- thumsfähigen Theile, also vornehmlich die jüngeren Internodien, geben dem durch den gesteigerten Turgordruck ausgeübten Reiz durch Streckung ihrer Elemente nach. Natürlich wird diese Verlängerung um so auffälliger sein, je weniger Zellelemente auf den Querschnitt fallen, also am deutlichsten bei den dünnstengeligen Formen (Se- dum dasyphylium), am wenigsten Fig. 8. Sedum dasyphyllum. Normal beidenjenigen mit dickerem Stengel und bei Cultur im feuchten Raum. ($. dendroideum). Interessant ist übrigens, dass die Streckung der Internodien nur während einer ge- wissen Zeit vor sich geht, offenbar nur so lange, als die daran sitzen- den Blätter noch mehr oder weniger Form und Struktur der gewöhn- lich ausgebildeten haben, während zugleich mit dem neu auftretenden Fig. 9, Sempervivum assimile, 1. normal, 2. nach längerem Aufenthalt im feuch- ten Raum, 3. im feuchten, verdunkelten Raum gewachsen. veränderten anatomischen Bau des Blattes das sich bildende Inter- nodium wieder geringere Dimensionen beibehält, ohne freilich je wieder bei der ursprünglichen stehen zu bleiben. So ist z. B. die Länge des Internodiums bei Sedum altissimum unter normalen Verhältnissen 13 mm; nach kürzerem Aufenthalt in feuchter Luft beträgt sie +—10, 406 nach längerem 2!/,—5mm. Sehr auffallend ist dieses Verhalten auch bei Sempervivum assimile, das in der ersten Zeit nach Einwirkung des veränderten Mediums lange, normal beblätterte Sprosse treibt, die einige Aehnlichkeit mit den Ausläufern oder mit den dickschäf- tigen Blüthenträgern zeigt. Erst nach längerer Zeit wird dann an der Spitze dieses Zweiges wieder eine eigentliche Blattrosette ausge- bildet, die sich von den gewöhnlichen nur durch ihren lockeren Wuchs, die meist ausgebreiteten Blätter und Form und Bau dieser Organe unterscheidet (Fig. 9). Dieses Auswachsen der Stengelglieder, wie es auch im Dunkeln stattfindet, wird von Palladin (90) dadurch zu erklären gesucht, dass, während im Licht die grünen Blätter stärker transpiriren als der Stengel und sich infolge der dadurch bedingten raschen Stoffzufuhr besser entwickeln, im Dunkeln hinwieder dieser Farbenunterschied seine physiologische Bedeutung und Wirkung verliere und darum der Stengel, der eine grössere Oberfläche habe (?), stärker transpirire und den Blättern das Wasser vorwegnehme. Diese Erklärung steht aber an und für sich schon auf sehr schwankenden Füssen und wird durch die oben angeführte Thatsache, dass dieselbe Erscheinung im feuchten Raume auch im Licht eintritt, vollends als unhaltbar erwiesen. Auch eine direkte Wirkung des Lichtes scheint hier ausgeschlossen zu sein. Erstens war die Aufstellung der Glasglocken für meine Versuche so gewählt, dass sie in Beziehnung auf Beleuchtung mög- lichst dem Standort der Controllpflanze entsprach, in gedämpftem, aber hellem Tageslicht; zweitens aber stellte ich zur Entscheidung der Frage noch gleichzeitige Versuche im Dunkeln und in stark gedämpf- tem Lichte an. Es zeigte sich, dass zwar thatsächlich auch durch Lichtmangel dieselbe Erscheinung hervorgerufen wird, dass aber die Pflanzen viel längere Internodien ausbildeten, wenn sie nicht nur in schwachem Licht, sondern gleichzeitig auch in feuchter Luft gezogen werden. Zum Vergleich diene folgende kleine Tabelle: Tabelle 2. EntwickelungderStengelgliedervonSedum dasyphyllum bei verschiedener Feuchtigkeit und verschiedener Lichtstärke. Länge in mm nach 14 Tagen. 1l/;m vom Fenster 5m vom Fenster uU in freier Luft ‘ unter Glocke in freier Luft unter Glocke ! 3.6 | 6—14 5-8 10— 20 407 Zu dem ist zu beachten, dass bei den meisten OCulturen im Dunkeln zugleich auch ein mehr oder weniger feuchter Raum geschaffen wird, indem dazu meist übergestülpte Blechkapseln benützt werden oder Dunkelschränke, die auch rascher dampfgesättigt sind als ein grüsserer freier Raum. Es ist daher überhaupt wahrscheinlich, dass der Licht- entzug hier in erster Linie auch durch die damit verbundene Tran- spirationsverminderung, Spaltenschluss und unvollständige Ausbildung der Stomata wirkt, so dass also nur ein kleiner Rest auf Rechnung einer direct physiologischen Lichtwirkung zu bringen wäre. Zu einer ähnlichen Ansicht gelangt schliesslich auch Palladin (90) indem er sagt: Der Umstand, dass Keimpflanzen, auch wenn sie im Lichte ge- wachsen sind, an etiolirte Pflanzen erinnern, spricht gegen die An- nahme, dass die Abwesenheit des Lichtes die Veränderungen bedinge, oder dass das Licht einen direeten Einfluss auf das Wachsthum habe. Vielmehr wirke es zum grössten Theil nur dadurch, dass es die Transpiration erhöht und die Schnelligkeit des Wachsthums hemmt. Kraus (78) nimmt hinwieder nur eine das Wachsthum verzögernde Wirkung des Lichtes als Erklärungsprinzip; doch spricht auch Wies- ner (89) die Ansicht aus, dass diese Wachsthumshemmung in letzter Linie auf die gesteigerte 'Transpiration zurückzuführen sei, die den Turgor herabsetze und wohl auch Plasmaveränderungen hervorrufe. Experimentell suchte dies Vesque (84) nachzuweisen, indem er Pflanzen im Dunkeln unter dem Einfluss strahlender Wärme zog, so dass die Transpiration derjenigen im Licht entsprach. In der That erhielt er in Beziehung auf die Ausbildung der Organe den normalen ähnliche Individuen. Immerhin ist zu einer normalen Entwickelung der Pflanze das Licht unbedingt nöthig, denn, wie Batalin (71) nachwies, findet das Wachsthumsmaximum nicht in vollständiger Dunkelheit, sondern bei schwachem Lichte statt, während nach diesem Autor im Dunkeln die Zelltheilung im Blatt gar nicht zu Stande kommt. Prantl (73) bestritt hinwieder die Richtigkeit dieser letztern Beobachtung. Er sucht den Grund des kümmerlichen Wachsthums der Blätter im Dunkeln einfach in einem anormalen Zustand dieser Organe, welcher wahrscheinlich von dem Mangel an gewissen Stoffen herrühre, zu deren Erzeugung das Licht unbedingt nothwendig sei. Wir werden also nicht fehlgehen, wenn wir diese letztere Auffassung für das Kleinbleiben der grünen Blätter und Herabsetzung der Transpiration für das Auswachsen der Stengelglieder geltend machen. Da also zwei der wichtigsten Functionen der Pflanze, Assimilation und Transpiration, infolge des Lichtmangels nicht oder nur ungenügend 408 verrichtet werden können, so haben wir allen Grund, das eigentliche Etiolement als eine krankhafte Erscheinung anzusehen. Zugleich mit dieser Streckung der Internodien geht noch eine andere äussere Veränderung vor sich. Bei allen untersuchten Arten zeigte sich nämlich, dass die Blätter ihre Lage gegenüber dem Stengel in folgender Weise veränderten. Als Beispiel diene hier Sedum altissimum. Während bei dieser Pflanze gewöhnlich die Blätter in sehr spitzem Winkel zum Stengel orientirt sind und sich so gegen- seitig bedecken, beginnen sie sich nach längerem Aufenthalt in feuchter Luft von einander zu entfernen, nehmen eine wagrechte Lage ein und biegen sich zuletzt sogar ganz beträchtlich nach der Basis des Stengels zurück. Diese Erscheinung wird bekanntlich als Epinastie bezeichnet und hat allem Anschein nach denselben Zweck wie die oben be- schriebene Streckung der Stengelglieder. Auch sie beruht jedenfalls auf einer Wachsthumserscheinung und zwar einem einseitigen Wachs- thum der Blattoberseite, wie dies durch Messungen leicht nachzuweisen ist. Warum es gerade die Ober- und nicht die Unterseite ist, dafür kann ich keinen stichhaltigen causalmechanischen Grund geltend machen, nur so viel leuchtet ein, dass der dadurch erreichte Effect ein zweck- mässiger ist, indem die weiter auseinandertretenden Blätter leichter transpiriren und zugleich auch die reichlich (bei Sempervivum sogar mehr als die Unterseite) mit Spaltöffnungen versehene Oberseite der freien Athmosphäre darbieten können. Es interessirte mich übrigens zu untersuchen, ob thatsächlich nur die Oberseite der Blattbasis einer solchen nachträglichen Ausdehnung fähig sei. Ich brachte daher eine schon epinastisch gewordene Blattrosette von Sempervivum assimile in einen durch Schwefelsäure trocken gehaltenen Raum und beobachtete, dass nun die Blätter wieder eine Rückwärtsbewegung machten und sich enger aneinander schlossen. Es könnte dies zwar auch auf einer Turgorverminderung der Zellen der Blattoberseite beruhen, doch liegt keine Veranlassung vor, hier nicht auch umgekehrt ein Wachsthum der Unterseite anzunehmen. Eine geotropische Krümmung ist bei diesen Vorgängen ausgeschlossen, da bei Versuchen an umgekehrten Rosetten die Ergebnisse ganz dieselben waren. Man kann übrigens diese Erscheinung auch in der Natur beobachten, indem die Blätter von Sempervivum bei feuchter Witterung sich von einander entfernen, um bei trockener wieder enger aneinander zu schliessen. Erst wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben, verlieren sie die Fähigkeit, in dieser Weise auf die äusseren Einflüsse zu reagiren und bleiben dann meist nach unten gebogen in der Stellung, die sie entweder zuletzt 409 selbst einnahmen oder in die sie durch die noch sich krümmenden Blätter gebracht wurden. Epinastie sowohl als Verlängerung der Stengelglieder ist schon vielfach beobachtet und besprochen worden. So hat Wiesner (91) nachgewiesen, dass sich nicht alle Pflanzen gleich verhalten, indem die einen sowohl im feuchten Raum als im Dunkeln Stengelglieder ausbilden (Sempervivum teetorum), die andern weder im Etiolement noch im feuchten Raunı (Plantago media), andere nur durch Etiolement und andere nur durch Cultur in feuchter Atmosphäre dazu gebracht werden können (Taraxacum offieinale resp. Capsella bursa pastoris). Die Epinastie dagegen tritt fast stets unter beiden Bedingungen ein. Während sich diese Beobachtungen auf das Verhalten der beim Uebergang in das veränderte Medium schon mehr oder weniger aus- gebildeten Organe bezogen, fassen wir nun diejenigen Unterschiede ins Auge, durch welche sich die erst in feuchter Luft neuge- bildeten auszeichnen. Dassauch hier noch die Internodien ver- hältnissmässig länger als bei den normalen Pflanzen sind, habe ich schon oben angedeutet. Ia. Ha. Interessant sind nun aber die Fig. 10. I. Blatt von Sedum dentroideum, Formveränderungen des Blattes. I, Blatt von Sedum dasyphyllum. a. Nor- Bei Sedum altissimum und mal, b. feucht gewachsen. 8. dendroideum fällt namentlich auf, dass die vorher besonders bei der ersteren Art äusserst succulenten Blätter viel flacher geworden sind. Die dicken, walzenförmigen Ge- bilde des gewöhnlichen 8. altissimum haben im Querschnitt flachovalen Organen Platz gemacht, die sich ausserdem von jenen noch durch grössere Länge und hellere Farbe unterscheiden. Bei 8. dendroideum ist man beinahe im Zweifel, ob man das in feuchter Luft gebildete Blatt als succulent bezeichnen darf (Fig. 10,D. Hier fällt besonders auch auf, dass die grösste Breite des Blattes gegenüber den gewöhnlichen Ver- hältnissen stark nach vorn gerückt ist, mit andern Worten, dass sich die Anlage eines deutlichen Blattstiels erkennen lässt. Sedum dasy- phyllum bildet statt seiner dieken fast kugeligen Blätter flache, aber noch ziemlich fleischige Gebilde aus, die ungefähr birnförmige Gestalt besitzen und ebenfalls beinahe einen Blattstiel unterscheiden lassen (Fig. 10, II). Mesembryanthemum curviflorum bleibt bei seinen dreikantigen Blättern, gibt denselben aber eine viel grössere Länge (7,5—10 statt 5—8cm) Flora 1900, 28 410 und kleineren Querschnitt. Auch die Blätter von Sempervivum unter- scheiden sich von den gewöhnlichen durch verhältnissmässig grössere Länge und kleinere Breite, sowie durch hellgrünere Färbung und Fehlen des Erythrophylis. Es macht sich also allgemein die Tendenz geltend, die Suceulenz zu vermindern und die Oberfläche zu vergrössern um eine möglichste Steigerung der Transpiration herbeizuführen. „Auf die eigentlichen Ursachen dieser Erscheinung werde ich bei Besprechung der ana- tomischen Veränderungen zu reden kommen. Hier seien nur noch die zahlenmässigen Verhältnisse der Blattoberfläche zum Blattgewicht bei einigen der cultivirten Arten angeführt. Tabelle 8. Grösse der Blattoberfläche bei verschiedenem Feuchtigkeitsgehalt der Luft. Bezogen auf 1g Blattsubstanz, in cm? bei normal ziemlich feucht | sehr feucht 8. dendr.. . 22 220. 10,0 18,2 22,7 B.altiss. . . 22200. 13,5 30,8 —_ Semperr. a8. . . 2... 11,1 _ 27,0 Echeveria stolonifera . . . 9,52 17,5 Mesembr. curvill.. . . . 12,8 16,1 Die in der mittleren Reihe angeführten Werthe gelten für Pflanzen, die ohne weitere Bedeckung im Warmhause standen oder im Labora- torium nur mit einer Glasglocke bedeckt waren; die „sehr feucht“ gehaltenen Pflanzen waren im Warmhaus unter doppelter Glasglocke. 2. Veränderungen des anatomischen Baues. Wie nach den eben beschriebenen äusseren Veränderungen zu erwarten war, zeigte sich nun auch bei mikroskopischer Untersuchung der in feuchter Luft gewachsenen Pflanzentheile eine recht bedeutende Abweichung von den entsprechenden Verhältnissen bei den normal gezogenen. Um genauere Vergleichungen zu ermöglichen, nahm ich auf Längs-, Quer- und Flächenschnitten genaue Messungen vor, aus welchen sich die Schlüsse viel objectiver ableiten liessen als durch bloss oberflächliche Vergleichung. Ich setze daher zunächst einige Beispiele dieser Messungen in Tabellen hin. Die Einheit der hier angeführten Mittelwerthe ist bei den mit (a) bezeichneten = 2,511, bei den mit (b)— 6,84 und bei denjenigen mit ()=15y. Ich unterlasse es, diese Zahlen selbst umzurechnen, da 411 es einerseits nur auf den Vergleich der entsprechenden Werthe an- kommt und andererseits die so erhaltenen grossen Zahlen für Tabellen unbequem wären und auch eine der Wirklichkeit nicht entsprechende Genauigkeit vortäuschen würden. Die Anzahl der Spaltöffnungen wird ausgedrückt durch die Menge der im Gesichtsfeld der schwächsten Vergrösserung. (c)= ca. 3 mm? sichtbaren Stomata. A. Dimensionen der Epidermiszellen. 1. Querschnitt. Tabelle 4. Blatt (a) Stamm (b) |Cuticula d. Blattes (a) 8. S. |Crase.| Mes, Ss. |Crass.| 8. S. | Semp. dendr.| altiss. | port. | curv. | dendr. | port. |dendr.|altiss.| a. Normal .l18x8 |sowısl 11x 7 113X9 J10X2,51 7x35| 18 | 17 | 18 Feuchti.Laborat. |27X 12118X8 - [10X4,5 07 | 08| 07 Warmhaus, Sand |25X12]27Xx8 ! 13X6 |23X11 7x10] 0,7 0,9 1 „ feucht, hell |22X 1012514] 16X7 12%X6,5 05 | 07107 ® » dunkel 14x10 6,5%X4,5 0,7 0,5 Zimmer, trocken |15x8 1 2. Flächenschnitt, Tabelle 5. Blatt (b) Stamm (b) 8. dendr, S. altiss. S. dendr. | Crass. port. Normal on 11X45 13x18 8X 2,5 9x8 Feucht im Laborator. . 13°X 7,5 13x18 12 X 8 Warmhaus, Sand. 27x14 17x10 12X9 13X8 » feucht, heil. 13X5 17x85 ” » dunkel 22 xX8 22xX5,5 Zimmer, trocken . 7x8 B. Dimensionen der Schliesszellen, Flächenschnitt (8). Tabelle 6. 8. dendr. S. altiss. Mes. curv. Normal en 12X7 12x95 18x12 Feucht im Laborator. 13x10 13x10 Warmhaus, Sand . 11X95 11X,9,5 26 x 19 » feucht, hell . 12X9 12X95 ” „ dunkel. 9,5 x 8,5 Zimmer, trocken . 9x8 28* 412 C. Anzahl der Stomata. Flächenschnitt (e). Tabelle 7. 8. dendr. | 8. altiss. _Crass.port.| Semp. a. | Mes. curv. Ob. Unt. Normal . . . . . 80 95 70 95 90 70 90 8 51 Feucht im Laborator. . 1105 120 75 80 60 55 22 Warmhaus, Sand . . 55 65 160 130 80 70 „ feucht, hell. . 65 75 85 70 ! 110 100 | 70 50 » » dunkel . . | 30 10 35 45 Zimmer, trocken. . . 5 30 D. Parenchymzellen. Dimensionen. 1. Querschnitt. Tabelle 8, Blatt (b) Stamm (b) 8. dendr. S. altiss. S. dendr, Crass, port. Normal . .. . oo. 18x 13 23 x 13 15X15 8x9 Feucht im Laborator. . 3x9 10x10 14x 14 Warmhaus, Sand. . . . 20 x 17 19x13 | 9x1 » feucht, hell... . .| 14X14 15X15 16x16 | » oo» dunkel... 5x5 IXT | Zimmer, trocken . . 22x10 2. Flächenschnitt. Stamm (b). Tabelle 9, Mes, curv. 8. altiss. Normal 2... 220. 28x 13 15x 14 Warmhaus, Sand . . . . 50x11 23x9 E. Verhältniss der Dicke der Lamellenschicht zum übrigen Gewebe des Blattes. Querschnitt. Tabelle 10. 8. dendr. 8. altiss. Semp. 8. Normal . 1:2 10:9 13:16 Feucht im Laborator. 1:1 3:2 27:25 Warmhaus, Sand . 3:4 8:5 35:38 „n feucht, hell . 1:1 13:10 6:5 » „» dunkel. 1:2,5 1:1 Zimmer, trocken . . . . | 2:8 „ sehr trocken und dunkel | 1:4 413 Betrachten wir zunächst die Epidermiszellen, so geht aus den Messungen in erster Linie hervor, dass die, allerdings schon im ge- wöhnlichen Zustand nur wenig verdiekte Aussenwand derselben an Dicke noch einbüsst, wenn die Pflanze in feuchtem Raume wächst. Die übrigen Grössenverhältnisse dieses Gewebes differiren auf Quer- schnitten sehr stark. Wenn daher auch die Zahlen der einzelnen Rubriken, trotzdem sie Mittelwerthe darstellen, nicht ohne Weiteres unter einander zu vergleichen sind, so ergibt sich doch wenigstens bei Crassula portulaces und Mesembryanthemum sehr deutlich, dass, wie dies auch Kohl anführt, das Verhältniss zwischen Länge und Breite der Zellen zu Gunsten des Tangentialdurchmessers um so mehr verschoben wird, je feuchter die umgebende Luft war. An den Epi- dermiszellen des Stammes tritt schon im Licht, an denjenigen des Blattes aber nur im Dunkeln die umgekehrte Verschiebung ein, was aber wohl seinen Grund in der hiebei besonders begünstigten Längs- streckung der Zellen in der Richtung der Axe hat. Die Flächen- ansicht der Blätter lässt eine mehr oder weniger ausgesprochene all- seitige Dehnung der Epidermiszellen erkennen. Fig. 11. Crassula portulacea. Epidermis. — 1. Normal, 2. Feucht gewachsen. > a. Flächenansicht. b. Querschnitt. Bevor ich zu den tiefer liegenden Geweben übergehe, ist hier noch eine Erscheinung zu erwähnen, die bei mehreren Arten in sehr auffälliger Weise zu Tage tritt. Wie die Mehrzahl der Fettpflanzen, besitzen nämlich auch die von mir untersuchten Arten, mit Ausnahme etwa von Sedum dasyphyllum, gerade Epidermiswandungen. Diese Verhältnisse ändern sich nun aber, wenn die Pflanzen in feuchter Luft 414 gezogen werden. Sowohl Sedum dendroideum als Sempervivum assimile (Fig.12) bilden nämlich nunmehr stark gewellte Wände aus. Crassula portulacea verhält sich insofern etwas anders, als es nicht nur die Radial- wände etwas fältelt, sondern bei den meisten Zellen auch die Aussenwand papillenartig vorstülpt, so dass die mikroskopische Flächenansicht Aehn- lichkeit mit der eines papillenbesetzten Blumenblattes erhält (Fig. 11). Fig. 12, Sempervivum assimile. Epidermis. Flächenansicht. 1. Normal, 2. feucht gewachsen. In geringerem Grade macht sich die letztere Erscheinung auch bei Mesembrianthemum bemerkbar, das sonst gerade Radialwände beibehält. Die Wellung der Epidermiszellen wird oft auch bei Schatten- blättern und auf der Blattunterseite von Pflanzen beobachtet, die sonst gerade Epidermiswände ausbilden; doch ist es offenbar verkehrt, hier 415 einen direeten Einfluss des Lichtes suchen zu wollen, vielmehr wird gerade durch meine Versuche bewiesen, dass wir hier nichts anderes als eine Wirkung der verminderten Transpiration vor uns haben. (Ueber diese Erscheinung bei Schattenblättern vgl. E. Mer, 83.) Versuchen wir nun, uns die Sache causal zu erklären. Da die Epi- dermiszellen infolge ihrer Lage in erster Linie von dem umgebenden Medium beeinflusst werden, so wird sich auch zuerst von allen Ge- webeelementen in ihnen die schon von Kohl bei Culturen in feuchter Luft constatirte Tendenz geltend machen, die Wandungen zu ver- grössern. Das Einfachste wäre nun ein Hervorwölben der äusseren Wand, der ja der geringste Widerstand entgegensteht — wir sehen dies in der That bei Crassula eintreten — oder eine radiale Streckung der Radialwände, wie sie auch überall in geringerem Grade zu con- 'statiren ist. Warum nun aber gerade in tangentialer Richtung, also da, wo der Widerstand der grösste sein muss, die stärkste Dehnung zu erkennen ist, dafür vermag ich keinen causal-mechanischen Grund namhaft zu machen. Vesque (84) nimmt zur Erklärung der Fälte- lung eine durch Verdunstung hervorgerufene negative Spannung in der Zelle und gewisse Druckverschiebungen im Zellverbande an, doch ist die erstere bei den vorliegenden Versuchen offenbar nie vorhanden gewesen, und die letztere anzunehmen ist, abgesehen davon, dass dies willkürlich wäre, unnöthig, da bei einem Wachsthum der Seitenwände ohne gleichzeitige Vergrösserung der Ober- und Unterfläche nur Fälte- lung zu Stande kommen kann. Jedenfalls ist der Anstoss zu diesem Wachsthum eher in einem stärkeren als in einem verminderten Turgor zu suchen, obschon es andererseits unrichtig ist, wie dies Kohl thut, durch Turgorsteigerung schlechthin das Auswachsen der Zellen „erklä- ren“ zu wollen. Auffallend ist nun aber, dass die Wellung um so intensiver eintritt, je mehr das Blatt von seiner Succulenz einbüsst, und dass umgekehrt bei mehr oder weniger gleich bleibender Suc- eulenz die Papillenbildung eintritt (Crassula und Mesembrianthemum). Es scheint dieser Erscheinung also doch auch eine directe physio- logische Bedeutung zuzukommen. Vesque (83) ist der Ansicht, dass Wellung die Epidermiszellen zur Wasserspeicherung geeigneter mache, da sie dann ihr Volumen leichter verändern könnten; doch ist diese Erklärung im vorliegenden Falle offenbar nicht am Platze. Auch die gewöhnliche Ansicht, dass Wellung der Wände ein Schutzmittel gegen tangential wirkende Kräfte sei, glaubte ich zuerst hier nicht anwen- den zu können. Die oben angeführte Beobachtung, die sich auch bei Untersuchung normal gewachsener, verschieden succulenter Pflanzen. 416 bestätigte, machte mir die Sache jedoch begreiflich. Stark succulente Pflanzen, wie Cacteen, Stapelien, Crassula, Echeveria, Mesembryanthe- mum, besitzen in der That stets gerade Epidermiswände, während nur schwach succulente, wie Bryophyllum calyeinum, Sedum Sieboldii u.a. gewellte aufweisen. Je dünner das Blatt ist, desto mehr ist es ge- nöthigt, sich durch Wellung der Radialwände gegen tangential wir- kende Kräfte zu schützen. Dieser Schutz wird um so nothwendiger, je ärmer das Blatt sonst an mechanischen Elementen ist, was ja ge- rade bei den Fettpflanzen und in besonders hohem Grade bei den in feuchter Luft gezogenen der Fall ist. Dass im Dunkeln auch in sehr feuchter Athmosphäre die Wellung unterblieb, scheint lediglich auf den äusserst geringen Entwiekelungsgrad der Blätter unter diesen Verhältnissen zurückzuführen zu sein, da auch im Licht die jungen Blätter diese Erscheinung noch nicht zeigen. Eine Bestätigung dieser Beobachtungen und deren Erklärung liefern auch die Untersuchungen von R. Anheisser (1900), welcher bei den meisten schattige Stand- orte vorziehenden einheimischen Gewächsen gewellte Epidermis in Verbindung mit dünner Blattspreite vorfand.. Ganz möchte ich übrigens die Deutung von Vesque nicht verwerfen, vielmehr scheint sie mir gerade bei dem normalen Sedum dasyphyllum, das ausnahms- weise trotz seiner Suceulenz gewellte Epidermiszellen besitzt, am Platze zu sein. Diese Pflanze musste ihre aus verhältnissmässig wenig Zellen zusammengesetzten Blätter ganz in den Dienst der Wasserspeicherung stellen und darum auch die Epidermis darnach ausrüsten. Die Form der Spaltöffnungen ändert sich bei der Feuchteultur nicht. Dass diese Apparate bei gleichzeitigem Aufenthalt der Pflanzen im Dunkeln rudimentär bleiben, ist jedenfalls allein auf Rechnung der Abwesenheit des Lichtes zurückzuführen, das auch nach früheren Untersuchungen zur Bildung der Stomata nothwendig ist, indem z. B. Mer (86) und Dufour (86) nachwiesen, dass Schattenblätter weniger Spaltöffnungen besitzen als Sonnenblätter. Die Anzahl variirt bei den einzelnen Species in scheinbar regelloser Weise. Während z. B. Crassula eine beträchtliche Zunahme bei Feuchteultur aufweist (110—160 und 100—110 statt 90 resp. 70) bei ungefähr gleich blei- bender Grösse der Schliesszellen, zeigt Mesembryanthemum eine Ab- nahme (19—23 gegenüber 50—52) bei Vergrösserung der einzelnen Apparate. Die Sedum- und Sempervivum-Arten zeigen, wenigstens in der ersten Zeit nach ihrer Verpflanzung, in feuchter Luft eher eine Abnahme der Anzahl der Stomata. Man darf aber bei der Beurthei- lung dieser Thatsachen die oben erwähnte ausserordentliche Ober- 417 flächenvergrösserung nicht aus dem Auge lassen. Wenn daher auch durch die relative Streckung des ganzen Blattes und der einzelnen Elemente desselben die Spaltöffnungen auf gleicher Oberfläche im Vergleich zu den normalen Pflanzen weiter aus einander gerückt er- scheinen, so muss man doch bedenken, dass dafür auf die gleiche Menge Blattsubstanz eine viel grössere Oberfläche kommt, so dass im Verhältniss zu ersterer die Anzahl der Stomata eine grössere sein wird. Nehmen wir z. B. Sempervivum assimile, so entfallen hier im normalen Zustand auf Ig Blattsubstanz 11,1cm? Blattoberfläche, bei Cultur im feuchten Raum jedoch 27cm?. Um die Anzahl der Spalt- öffnungen, die auf dasselbe Blattgewicht kommen, zu erhalten, wären also die in der Tabelle angeführten Werthe noch mit 2,48 zu mul- tiplieiren, wodurch das Verhältniss gerade umgekehrt würde (normal 90 und 85, feucht 170 und 120). Bei einer derartigen Umrechnung wäre überall eine bedeutende Vermehrung der Schliessapparate zu finden, wo wenigstens nicht wie bei Mesembryanthemum derselbe Effect schon durch Vergrösserung derselben erreicht würde. Man ersieht aus diesen Betrachtungen, wie verkehrt es im Grunde ist, die Anzahl der Stomata immer nur auf die Oberflächeneinheit zu beziehen, wäh- rend es doch gerade diese Organe sind, die den Gasaustausch der tiefer liegenden Gewebe ermöglichen. Bei der Transpiration kommt es nur auf den relativen Wasserverlust an; es ist aber klar, dass aus einem Gefäss, dessen Wände mit Löchern versehen sind, in einer bestimmten Zeit ein um so grösserer Bruchtheil des Inhaltes verloren geht, je kleiner der letztere ist. Bei dünnblätterigen Pflanzen mag die gewöhnliche Vergleichung noch statthaft sein, sobald wir es aber mit einem diekeren Blatte zu thun haben, werden die so erhaltenen Zahlen physiologisch ganz unverständlich. So schien es immer auf- fallend, dass die Sucenlenten, die doch sonst allgemein Xerophyten- charakter tragen, so zahlreiche Spaltöffnungen aufweisen. Bezogen auf die Oberflächeneinheit ist dies in der That der Full, nicht aber, wenn die Zahlen auf die Gewichtseinheit umgerechnet werden. Die in obigen Tabellen angeführten Zahlen stammen nun aber überdies von Messungen her, die an den ersten in feuchter Luft neugebildeten Blättern vorgenommen wurden. Bei späteren Zählungen nach halb- Jährigem Aufenthalt der Pflanzen in dem neuen Medium, waren die Verhältnisse noch ganz andere, indem nun meist schon bezogen auf gleiche Oberfläche eine grössere Anzahl von Stomata zu constatiren war. Es erklärt sich dies wohl daraus, dass zuerst unter dem Ein- fluss der feuchten Luft mehr nur die Epidermiselemente vergrössert 418 und dadurch die Spaltöffnungen aus einander gerückt wurden, während nach längerer Einwirkung derselben immer .mehr solcher Apparate neu angelegt wurden. Bei Mesembrianthemum scheinen sogar auch die Schliesszellen nur in der ersten Zeit ausgedehnt worden zu sein, während spätere Messungen wieder Uebereinstimmung mit den nor- malen Verhältnissen ergaben bei grösserer Zahl. Die Zählungen an den in feuchter Luft ausgewachsenen Blättern boten folgende Ergebnisse: Tabelle 11. Anzahl der Spaltöffnungen nach halbjährigem Auf- enthalt der Pflanzen in feuchter Luft. Bei Sedum dendroideum: BR Br Es entfallen Es entfallen Spaltöffnungen des | des auf | auf auf auf BlattesjBlattes| 1om?| 1g ca. 3 mm? ca. 0,0034 g cm? g cm? | Obers. | Unters. | Obers. | Unters. Normal . . .ı 1,54 |183 0,116 | 8,63 100-110 90—100|100—110| 90— 100 Warmhaus, Sand | 0,254 | 4,48 | 0,052 17,64 150— 160/140 — 1501800—320|280 — 300 Feucht i. Labor. | 0,17 3,64 | 0,047] 21,4 !160—170|110— 120|400 — 425/270— 295 Wrmh., feht.,hell]| 0,11 2,95 | 0,037 | 26,8 80—90 |120— 130)250—280|370—400 Bei Sempervivum assimile: Normal . . . | | 6,44 | 0,097] 10,3 | 90—-100| 60-70 | 90-100] 60- 70 Warmhaus, Sand | 0,04 1,0 | 0,04 [25,0 |180—1901120—125'430—460|290— 315 „ feucht,heil | 0,0383! 0,88 | 0,036 | 26,6 !160—170120-- 130|420—-450|310 — 340 Bei Mesembrianthemum curviflorum: Ge- | Ober- wicht | fläche des des BlattesiBlattes| Icm2| 1g Stomata (a) auf ca.lauf ca. g cm? g em? | L. Br. !3 mm? |0,0035g Es entfallen Grösse Es entfallen auf | auf der Stomata Normal . . .......10291| 2,45 | 0,119| 8,42 |22-—-2414—16| 50 50 Warmhaus, Sand, älte- | res Blatt. . 0,315) 3,0 | 0,105! 9,52 252811819] 40 44 » Sand,jünger. Blatt | 0,221] 2,49 | 0,089; 11,26 |92—24114—16| 45 59 » feucht, hell, mitt- leres Blatt . | 0,151| 2,2 | 0,068! 14,6 122—-24116—2040—42|68—71 Von weiteren Veränderungen an Elementen des Hautgewebes ist nur noch das Verhalten der Blattrandhaare bei Sempervivum zu er- wähnen. Haare werden meist als Schutzmittel gegen zu grosse Tran- spiration aufgefasst. Es scheint, dass wir es auch hier mit derartigen Organen zu thun haben, deren Function sich jedoch darauf beschränkt, 419 die noch unentwickelten, köpfchenförmig eng zusammenschliessenden Blättchen zu schützen, und die darum mit dem Oeffnen der Rosette werthlos werden. Diese Annahme wird durch die Beobachtung be- stätigt, dass bei vollkommen entwickelten Blättern die Haare verdorren oder doch wenigstens keinen lebenden Inhalt mehr erkennen lassen. Es könnte nun auffallen, dass bei Feuchteulturen diese Gebilde, statt wie gewöhnlich nach Entwickelung des Blattes zu verkümmern, im Gegentheil sehr schön ausgebildet werden. Nicht nur entfielen nun auf lcm des Blattrandes ca. 60 statt wie gewöhnlich nur 30 Haare, sondern auch die einzelnen Trichome zeigten grössere Länge (0,4—0,9mm gegenüber 0,8—0,5mm) bei allerdings geringerer Breite (75-1501 gegenüber 120— 225 x) und geringerer Dicke der Wandungen (67,5% statt 12,5p). Auch bei ganz entwickelten Blättern war hier die Plasma- strömung in diesen Gebilden noch zu beobachten; sie betrug 0,2—0,3 mm in der Minute. Causal lässt sich dies ja alles auf eine Turgorsteige- rung als wachsthumauslösendes Agens zurückführen, während ich mir die Deutung folgendermaassen zurechtlege: Da der Vegetationspunkt der Semperviven sehr tief unter den jungen Blättern verborgen liegt, so wird die äussere Feuchtigkeit auf die Anlage der Trichome keinen Einfluss ausüben können; sind die Blätter aber etwas grösser gewor- den, so entledigen sie sich des nun hinderlichen Transpirationsschutzes s0 wie so durch frühzeitiges Entfalten der Rosette und benutzen nun gerade auch diese Organe, um durch sie ihre transpirirende Oberfläche zu vergrössern und die Wasserdampfabgabe zu erhöhen. Wenden wir uns nun den Zellen des Mesophylis zu und betrachten zunächst die in radialen Reihen oder Lamellen angeordneten palissaden- artigen Zellen. Es fällt dabei in erster Linie auf, dass diese Gewebe- art im feuchten Raum viel mehr hervortritt und einen verhältnissmässig grösseren Theil des Querschnittes für sich in Anspruch nimmt (Tab. 10E). Die Erklärung dieser Thatsache liegt wohl darin, dass zwar das fast allein der Wasserspeicherung dienende Grundgewebe, nicht aber die in erster Linie assimilirenden und stoffführenden Zellen entbehrlich geworden sind. Auch die einzelnen Elemente dieser „Palissaden“ scheinen in gewisser Hinsicht verändert. Bei ganz trocken gewach- senen Blättern von Sedum dendroideum verhält sich in ihnen der ra- diale Durchmesser zum tangentialen ungefähr wie 1:0,45, bei normalen wie 1:0,72, bei relativer Feuchtigkeit wie 1:0,85, bei hoher Feuch- tigkeit wie 1:1 (vgl. auch 8. 435). Eine ähnliche Reihe ergibt sich bei Sedum altissimum: 0,56, 0,68 und 1, während Sempervivum schon im gewöhnlichen Zustand fast kugelige Zellen hat, die aber in feuchter 420 Luft tangential näher rücken. Dies ist namentlich bei den der Epi- dermis zunächst liegenden sehr auffallend, indem die hier sonst nur kleinen Zeilen jetzt nur wenig den tieferliegenden an Grösse nach- stehen. Als allgemeines Chrakteristikum der Veränderung auch an diesen Zellen gilt also das Bestreben einer tangentialen Streckung. Man ersieht daraus, woher in letzter Linie die so auffallende Ver- Fig. 12, Sedum dendroideum. Flächenschnitt: Epidermis und oberste Parenchym- lage. — 1. Normal, 2, feucht gewachsen, grösserung der Blattoberfläche in Beziehung auf den Inhalt abzuleiten ist: es sind die einzelnen Elemente des Blattes, die sich tangential strecken und so den gesammten Querschnitt des Blattes zu Gunsten des Längsdurchmessers verändern. Hiebei lässt sich zwar die allge- meine Thatsache der Dehnung mehr oder weniger causal-mechanisch 421 auf den Turgor als wachsthumfördernde Ursache zurückführen, wäh- rend die specielle tangentiale Richtung desselben nur im Hinblick auf die causa finalis, den Zweck, vollständig verstanden werden kann. Bis zu einem gewissen Grade mag jedoch auch hier noch eine mecha- nische Erklärung gelingen: Da die Crassulaceen gewöhnt sind, zwischen den einzelnen Lamellen meist grosse Intereellularen anzulegen, so ist in der That in der tangentialen Richtung der Widerstand gegen die Ausdehnungstendenz der Zellen am geringsten, vorausgesetzt natür- lich, dass jene Kanäle unter den neuen Verhältnissen überhaupt zuerst ausgebildet waren. Anders liegt jedoch die Sache bei den Zellen der Epidermis und bei Pflanzen ohne solche grosse längs verlaufende Hohlräume. Es ist einfach unmöglich, bei letzteren sowohl die tangen- tiale Ausdehnung als zugleich auch eine Erweiterung der Intercellu- laren, die bei manchen statthaben soll (vgl. auch Stahl 83), lediglich Fig. 13. Sedum dendroideum. Querschnitt. — 1. Normal, 2. feucht gewachsen. durch Wirkung einer Turgorsteigerung zu „erklären“, wie dies Kohl meint. So lange man noch einen triftigen, einfach mechanischen Grund für die Flächenausdehnung hat, so lange ist eine Erweiterung der Intercellularen ausgeschlossen, weil eben diese allein einen Grund für die erstere Veränderung abgeben könnten. Bei meinen Versuchs- pflanzen wurden indess, wie schon bemerkt, die Intercellularen ver- engert. Während dieselben gewöhnlich bei Sempervivum assimile unmittelbar unter der Epidermis 40—80,. breit waren, zeigte sich in feucht gewachsenen zwischen den einzelnen Lamellen nur ein Zwischen- raum von 7—20, höchstens 35 u (Fig.12). Doch auch dies lässt sich wieder teleologisch deuten. Mit der Verflachung des Blattes werden diese weiten Kanäle, deren Function ich hauptsächlich in der Zuleitung der Gase zu den tiefer liegenden Geweben und in der Aufspeicherung 422 derselben vermuthe, in der That überflüssig. Dementsprechend sehen wir, dass die sonst äusserst grosse Athemhöhle der Stomata, die eben einfach einem solchen interlamellaren Gang entsprach, redueirt wird, indem die Zelllamellen sich bis nahe unter die Spaltöffnung zusammen- legen und nur einen kleinen, mehr tangential gestreckten Raum übrig lassen (Fig. 13). Die Zellen des Wasserparenchyms zeigen keine auffallenden Ver- änderungen. In Beziehung auf das Chlorophyll ist zu erwähnen, dass die Körper in feuchter Luft stets grössere Dimensionen annehmen als in trockener, wie dies auch Kohl mittheilt. Fig, 14. Gefässbündelverlauf bei 1. Sedum dendroideum, 2. Sempervivum assimile, 3. Sedum dasyphyllum, 4. Sedum altissimum; a. normal, b. feucht gewachsen. Zu weitern Erörterungen gibt dagegen die Nervatur des Blattes Anlass. Durch frühere Versuche war schon bekannt, dass Feuchtig- keit die Gefässbildung vermindert. Meine Experimente bestätigten diese Beobachtung ganz allgemein. Ich bemerkte jedoch, dass in erster Linie nicht die einzelnen Gefässelemente viel schwächer aus- gebildet sind, sondern vielmehr eine geringere Anzahl angelegt wird. Die Blattnerven erscheinen daher stets viel dünner. Doch nicht nur die Zusammensetzung der Leitbündel wird verändert, sondern auch ihr Verlauf. Entsprechend der grösseren Flächenausdehnung des Blattes sieht man auf den ia Alkohol und Chloralhydrat durchsichtig gemachten 423 Blättern, dass die primären Nervenzweige meist in einem stumpferen Winkel an den Mittelnerv ansetzen, oder dass überhaupt die Anzahl der Verzweigungen eine geringere ist. Ein sehr typisches Beispiel liefert Sedum dasyphyllum (Fig. 14, 3). Gewöhnlich entspringen bei dieser Pflanze aus dem Blattspurstrang an der Basis und ungefähr in der Mitte des Blattes je ein Paar von Seitennerven, die sich weiter oben an einander legen und an der Spitze mit dem Hauptnerv ver- einigen. In den feucht gewachsenen Blättern sieht man nur das eine an der Basis entspringende Paar ausgebildet. Tritt hier überhaupt noch weitere Verzweigung ein, so ist es ein secundärer, aus der ersten Abzweigung entspringende Seitenbogen, welcher die breiteste Stelle des Blattes durchzieht. Bei Sedum dendroideum sind hauptsächlich die längsverlaufenden Nerven stark reducirt, ebenso bei Sempervivum. Es ist diese Erscheinung namentlich auch darum zu betonen, weil schon öfters Versuche gemacht wurden, die Blattnervatur systematisch zu verwerthen. Diese Beobachtung dürfte nämlich zeigen, wie vor- sichtig man dabei sein muss. So hat z. B. J. Hoffmann (96) die Sempervivum-Arten nach der Blattnervatur gruppirt und dabei drei Abtheilungen aufgestellt: 1. Ein Hauptgefässbündel und zwei getrennt eintretende Neben- gefässbündel, 2. ein Hauptgefässbündel und zwei tief im Blatt entspringende Nebengefässbündel, 3. ein Hauptgefässbündel und mehr als zwei Nebengefässbündel. Nach meinen Versuchen (vgl. Fig. 14, 2) müsste also ein und dieselbe Species sowohl in die erste als in die dritte Gruppe gebracht werden, je nachdem sie in feuchter oder trockener Luft gewachsen war. Auch die anderen von Hoffmann angewandten Eintheilungs- prinzipien sind im höchsten Grade ungeeignet, nämlich die Anzahl der Spaltöffnungen, wie aus den obigen Mittheilungen hervorgeht, und das Vorhandensein von Gerbstoff in kleinerer oder grösserer Menge, worauf ich noch zu sprechen kommen werde. Man begreift es daher vollkommen, wenn Dasson ville (98) auf Grund seiner Untersuchungen über den Einfluss der Mineralsalze auf die Struktur der Pflanze zu dem Schlusse gelangt; wie man das Gasvolumen auf 0° und 760 mm Quecksilberdruck redueirt, sollten eigentlich auch die anatomischen Merkmale der Pflanze stets auf festgesetzte Normalverhältnisse be- zogen werden. , Ueber den Stamm ist nur weniges zu sagen. Auf Querschnitten zeigen hier die Epiderniszellen eher eine Vergrösserung der Radial- 424 wände. Dieses abweichende Verhalten kommt aber lediglich daher, dass die tangentiale Streckung, die thatsächlich auch hier vorherrscht, weit mehr in der Richtung der Axe vor sich geht und also nur auf Längsschnitten zu sehen ist. Auch primäre Rinde und Mark verlängern ihre Zellen bedeutend. Die Anzahl der Gefässbündel bleibt dieselbe, nur die Menge der Gefässe ist stark reducirt. Die Hauptresultate der anatomischen Untersuchung lassen sich also in folgendem Satz zusammenfassen: In feuchter Luft wird der Durchmesser der Zellen des Blattes, d. h. der assimilirenden und am stärksten transpirirenden Organe in der Weise gedehnt, dass da- durch die mit der Luft direet communicirende Oberfläche vergrössert wird. Bei den Zellen des Stengels findet diese Dehnung hauptsächlich in der Richtung der Axe statt. 3. Veränderung der Zusammensetzung. Bei Einschränkung der Transpiration, wie sie die Cultur in feuchtem Raum mit sich bringt, wird in erster Linie eine Veränderung des Wassergehaltes des pflanzlichen Gewebes zu erwarten sein. In der That finden wir dies durch die Versuche bestätigt. Bei gewöhnlichen Exemplaren von Sedum dendroideum fand ich 94,5—95,6°,, bei in feuchter Luft gezogenen 96,2—97,7°), Wasser. Das spezifische Gewicht der letzteren ist grösser als das der normalen Pflanze. Ich benutzte zur Bestimmung derselben eine Westphal’sche Waage und erhielt durch rasches Eintauchen eines Blattes in Alkohol von be- kannter Dichtigkeit für die feucht gewachsenen das specifische Gewicht 0,985, für die normalen 0,967. Diese relativ grosse Differenz dürfte wohl in erster Linie von der geringern Weite und Ausdehnung des Intercellularsystems herrühren. Troekengewicht und Aschengewicht sind bei den kultivirten Pflanzen geringer. (Vergl. Schloesing 69, Sorauer 75; für etiolirte Pflanzen: Detmer 74, für Schattenblätter: Lamarliere 92.) Tabelle 12. Wassergehalt, Trockensubstanzund Aschengewicht der normalen und feucht gewachsenen Pflanzen. Sedum dendroideum. . k ' Fester Rückstand Auf 100g Frischgew. Wasser ab Asche | des eingedampften St. \ Zellsaftes normal . . 2 2. 2.2. 94,5 5,5 1,39 | 2,4 feucht . . . .. 97,7 2,3 0,33 | 1,6 4 I 425 Die beigefügte Tabelle zeigt, dass diese Verhältnisse nicht nur von der geringern Dicke der Zellwand herrühren, sondern dass auch die im Zellsaft gelösten Substanzen daran betheiligt sind, indem auch der Rückstand des ausgepressten, abfiltrirten und eingedampften Pflanzensaftes geringer war. Es ist in der That leicht einzusehen, dass bei der im Verlauf der Entwickelung verminderten Transpiration die Wassereireulation eine langsamere, und daher auch die Menge der mit dem Wasser aus dem Boden aufgenommenen Mineralsalze eine kleinere sein muss. Auch die Säuremenge ergab sich bei den feucht gewachsenen Pflanzen sowohl Abends wie Morgens als eine geringere. Ich be- stimmte dieselbe durch Titriren mit 1°|oo Kalilauge und Phenol- phthalein als Indicator, wobei bei den nicht schleimhaltigen Versuchs- pflanzen die Färbung stets sehr rasch eintrat. Natürlich waren diese vor dem Zerreiben der Pflanze und dem einstündigen Erwärmen des Saftes bei 80° (zur Vertreibung der Kohlensäure) 24 Stunden lang unter ganz gleichen äusseren Bedingungen (abgesehen von der Feuchtigkeit) gehalten worden. Ich erhielt z. B. folgende Zahlen: Tabelle 13. Säuregehalt bei normaler und bei feucht gewachsener Pflanze. Morgens 9 Uhr. Sedum dendroideum. Kalilauge- | Verbrauch Gewicht verbrauch bez. auf com 108g; ccm normal . ... 12,11 34,6 28,8 feucht gew. . . . 2,69 2,7 10,0 Es stimmt mit diesem Ergebniss vollständig überein, wenn Aubert (91) auf Grund seiner Versuche zu dem Satze gelangt: je Heischiger eine Spezies ist, desto reicher ist sie an freier Säure; wir haben es ja hier bei den in feuchter Luft gewachsenen Pflanzen mit weniger succulenten Gebilden zu thun. Auch widerspricht dem nur scheinbar, wenn Warburg (8688) anführt, dass in feuchter Luft die Säurezersetzung eine geringere sei als in trockener, was er auf den mit der verminderten Transpiration verbundenen geringeren Gas- austausch zurückführt. Dieser Forscher operirte ja nur mit normalen Pflanzen, während hier, nach dem langen Aufenthalt in feuchter Luft, die Säurebildung überhaupt eine ganz andere geworden war und zwar offenbar auch infolge des verlangsamten Gasaustausches und wohl Flora 1900. 29 426 auch des veränderten Bedürfnisses (vergl. de Vries 79) eine schwächere. Man kann daher von vornherein erwarten, dass auch die Schwankungen im Säuregehalt, welchen von Mayer, de Vries, Kraus und War- burg so eingehende Untersuchungen gewidmet waren, bei den feucht wachsenden Pflanzen in engern Grenzen vor sich gehen werden als sonst, wie ich dies auch durch Versuche bestätigt fand. Auch von anderen Produkten der Kohlensäureassimilation werden wir geringere Mengen vorfinden, da auch auf ihre Erzeugung die Beeinträchtigung der Lufteireulation hindernd wirken musste. Oder bedeutet vielleicht die so auffällige Vergrösserung der Chlorophyll- körner ein Mittel, das durch möglichst vollständige Ausnützung der zuströmenden Kohlensäure den Schaden der langsamen Gasbewegung compensiren soll? Leider war es mir unmöglich, diese Vermuthung durch Vergleichung der Stärkebildung (Sachs’sche Jodprobe) auf ihre Richtigkeit zu prüfen, da einerseits die einmal gebildete Stärke Fig.15. Sedum altissimum. Epidermis nach Behandlung mit doppeltchromsaurem Kali. — 1. Normal, 2. feucht gewachsen. namentlich in den feucht gezogenen Pflanzen im Dunkeln äusserst langsam verschwand, und andererseits die Blätter derselben wegen der bedeutend verminderten Succulenz zur Vergleichung mit den normalen ganz untauglich geworden waren. Immerhin war es interessant zu beobachten, dass die Chlorophylikörner namentlich in der ersten Zeit nach der Versetzung der Pflanzen in feuchte Umgebung durch ihre Grösse auffielen, während sich später, nachdem durch die ana- tomischen Veränderungen die Bedingungen für den Gasaustausch, wie wir sehen werden, günstigere geworden waren, die Differenz gegen- über den normalen Pflanzen viel weniger bemerkbar machte. Im Kapitel über das physiologische Verhalten komme ich auf die Assimi- lation noch eingehender zu sprechen. Was die besonderen Bildungsstoffe anbelangt, so ergab die Prüfung auf Gerbstoff ebenfalls, dass die in feuchter Athmosphäre gewachsenen Pflanzen viel ärmer an diesem Körper waren als die normalen. Schon 427 der mikrochemische Nachweis liefert ganz auffallende Unterschiede bei allen von mir cultivirten Arten, indem sowohl die Menge des Gerbstoffes in den einzelnen Zellen, als auch die Anzahl der über- haupt gerbstoffführenden Elemente kleiner ist (vgl. Fig. 15). Das Stämmchen von Sedum dendroideum zeigt auf Querschnitten gewöhn- lich !a—!/s aller Zellen als mit Gerbstoff versehen, in feuchter Luft sind es im Ganzen nur etwa 20. Dementsprechend ergab auch hier die Titrirung mit Chamaeleon nur 0,7ömg auf 1g Trockengewicht, gegenüber lömg im normalen Blatt. Auch die übrigen charakteristischen, im ersten Theil dieser Arbeit angeführten Niederschläge mit Kalilauge, dem Lindt’schen Reagens, sowie die Eiweissproben ergaben durchweg viel weniger intensive Reactionen (vgl. auch Palladin 91). Es lässt sich auch daraus wieder ersehen, wie vorsichtig man bei vergleichenden anatomischen Untersuchungen irgend welcher Art in Beziehung auf die Berücksichtigung der Feuchtigkeitsverhältnisse sein muss, da diese ausserordentlich tief in das ganze Leben des Organismus eingreifen. Gruppirung der Sempervivum-Arten, wie Hoffmann sie aufstellt: nur wenig gerbstoffführende Zellen, etwas mehr, noch etwas ehr, sehr viele solcher Zellen, sind daher von vornherein werthlos. Ebenso sind auch die sonst ausserordentlich eingehenden Unter- suchungen an Crassulaceen von E. Aubert an einigen Stellen nicht mit der genügenden Vorsicht ausgeführt. Dieser Forscher vergleicht z. B. einmal, um zu zeigen, dass der Wassergehalt in jugendlichen Organen viel grösser sei als in älteren, die wie ausdrücklich angeführt wird, in feuchter Luft gewachsenen jungen Sprosse von Opuntien mit ausgewachsenen, die sich unter gewöhnlichen, relativ trockenen Ver- hältnissen befanden, und erhält dann natürlich enorme Differenzen. Dass Aubert (91) in Sedum dendroideum keinen Gerbstoff gefunden hat oder wenigstens nur „des quantites negligeables“ dürfte wohl auch gerade daher kommen, dass seine von einem Gärtner bezogenen Exemplare wohl aus einem ziemlich feuchten Gewächshaus stammten. 4. Physiologisehes Verhalten der in feuchter Luft gewachsenen Pflanzen. Zunächst ist hier auf eine Erscheinung hinzuweisen, die jeden- falls damit zusammenhängt, dass die Pflanzen allgemein in feuchter Luft schneller in die Höhe wachsen und längere Internodien ausbilden, wodurch natürlich alle mit dem Wachsthum verbundenen Bewegungen viel deutlicher werden. Bei den unter normalen Verhältnissen wach- senden Mesembryanthemen bemerkte ich auch bei genauer Beobach- 29* 428 tung nie eine Scheitelbewegung des wachsenden Sprosses. Als ich daher eines Tages die im Warmhaus gepflanzten Stecklinge mit um mehr als 90° nach der Seite geneigtem Sprossgipfel vorfand, glaubte ich zuerst eine einfache Welkungserscheinung vor mir zu haben. Da der Scheitel aber am folgenden Morgen noch ebenso turgescent und nach der anderen Seite geneigt war, so blieb nichts anderes übrig, als auf eine sehr auffallende Nutationsbewegung zu schliessen. Ich beobachtete daher die Pflanze während mehrerer Tage mit Hilfe eines Fernrohrs, um Riehtung und Intensität der Bewegung zu con- troliren. Es stellte sich dabei heraus, dass der Sprossgipfel je nach der Stärke der Beleuchtung und dem Wärmegrad der umgebenden Luft in kürzeren oder längeren Perioden eine Kurve von der Form einer sehr langgestreckten Ellipse ausführte, so zwar, dass der längere Durchmesser derselben zusammenfiel mit der Richtung des eben im stärksten Wachsthum befindlichen Blattpaares. Je mehr dieses Paar sich seiner endgiltigen Entwickelung näherte und das folgende, dazu quer gestellte, in intensiveres Wachsthum überging, desto mehr ver- breiterte sich die Ellipse, ging schliesslich in einen Kreis über und aus diesem wieder in eine zur ersten quergestellte, langelliptische Kurve u. s. w. Es zeigt diese Beobachtung, dass hier das Wachsthum der zwei Blätter eines Blattpaares nicht stets mit der gleichen Intensität vor sich geht, sondern dass dasselbe abwechselnd mehr das eine und mehr das andere betrifft. Gleichzeitig kann man darin auch einen Beweis für die oben von mir ausgesprochene Ansicht sehen, dass bei Me- sembryanthemum im Grunde genommen die Blätter stengelumfassend und im folgenden Internodium herablaufend sind. Sonst wäre in der That nicht einzusehen, warum das Centrum der Krümmungseurve s0 tief unterhalb dem scheinbaren Ansatzpunkt der Blätter liegen sollte, an einem typischen Stengel wäre ein verschiedenes Verhalten zweier gegenüberliegender Seiten undenkbar. Die schnellste von mir ge- messene Geschwindigkeit dieser Bewegung betrug 4,6cm in der Stunde. Es ist darunter zu verstehen der Weg, den die eine der Blattspitzen in dieser Zeit zurückgelegt hatte. Bei gewöhnlicher diffusser Be- leuchtung jedoch betrug sie gegen Abend 0,6—0,9cm. Da die Schnel- ligkeit an warmen und sonnigen Tagen oder bei zufällig stärkerer Heizung des Warmhauses, in welchem der Versuch angestellt wurde, bedeutend grösser war, so geht daraus hervor, dass diese Bewegung zum grossen Theil auf das durch die grössere Wärme gesteigerte Wachsthum zurückzuführen ist. Jedenfalls ist aber so viel sicher, 429 dass die Feuchtigkeit der umgebenden Luft in erster Linie zur Er- zeugung dieser Erscheinung nothwendig ist, da sie auch bei höherer Temperatur bei den in normaler Athmosphäre wachsenden Pflanzen unsichtbar bleibt. Die Blattepidermis resp. deren Oberseite wird sich, nach dem anatomischen Bau zu schliessen, in erster Linie durch leichtere Durch- lässigkeit für Wasserdampf und Gase auszeichnen. Da aber bei den Fettpflanzen durchgehend beide Blattseiten mit Spaltöffnungen ver- sehen sind, so ist es unmöglich, diese Thatsache durch die Kobaltprobe direct nachzuweisen. Auf die allgemein gesteigerte Transpirations- fähigkeit werde ich gleich zu sprechen kommen. Es interessirte mich nun aber auch, zu untersuchen, ob es mög- lich sei, die Function der gewellten Epidermiswände durch einen Versuch klar zu machen. Ich schnitt zu diesem Zwecke kleine Streifen von gleicher Breite aus der abgezogenen Blattepidermis von Sedum dendroideum bei normalen und feucht gewachsenen Exemplaren. Um dieselben vor Austrocknung zu bewahren, geschah dies unter Wasser. Mit diesen Streifen stellte ich Zerreissungsversuche an, entweder ganz unter Wasser oder, was bei den kleinen Objeeten und der kurzen Dauer desVersuchs aufs Gleiche herauskam, in der Luft unter stetem Feuchthalten derselben. Es ergaben sich folgende Resultate: Tabelle 14. Zugfestigkeit der Blattepidermis bei normalen und feucht gewachsenen Pflanzen. Breite des Streifens 2,85mm | 3,83mm Fest. bei normal. . 14,08 20,58 Fest. bei feucht gew. 10,58 15,58 Die Zahlen der beiden Rubriken entsprechen sich nicht vollstän- dig, weil die Festigkeit bei verschiedenen Blättern eine etwas ver- schiedene sein kann. Es wäre also damit gerade das Gegentheil be- wiesen, was zu erwarten war, indem die im Feuchten ausgebildete gewellte Epidermis viel leichter, schon bei 10,5 resp. 15,ög Belastung riss, während die normale mit geraden Wandungen erst bei 14 resp. 20,58. Doch ist hiebei nicht zu vergessen, dass bei der ersteren alle Wände und hauptsächlich die Oberseite viel dünner sind, so dass also der Grund dieser geringen Festigkeit hauptsächlich darin zu suchen ist, da diese dem Querschnitt des Objeets direct proportional ist. Wenn man die bei den feucht gewachsenen Pflanzen nur 0,5—0,7u dieke Cuticula allein in Betracht zieht, so müsste also die Epidermis 480 der normalen Blätter, deren Cutieula 1,35. beträgt, bei gleicher Dicke schon bei 7 resp. 10g Belastung zerreissen. Es wäre damit also thatsächlich die relativ grössere Zugfertigkeit der gewellten Epidermis gegenüber der geradwandigen erwiesen. Auch die Function der Spaltöffnungen scheint sich in feuchter Luft etwas verändert zu haben, so zwar, dass die offenbar an stete Oeffnung gewöhnten Apparate nicht mehr so leicht und sicher sich schliessen wie die normalen. Wenigstens beobachtete ich sowohl bei Verdunkelung als auch bei Austrocknung der Blätter im Exsiccator erst nach mehreren Stunden eine deutliche Verengerung der Spalte, während umgekehrt die gewöhnlichen Blätter, im Lichte fast stets an Spaltenverengerung gewöhnt, auch im feuchten Raum diese nur lang- sam öffnen. Nach all dem war schon von vornherein zu erwarten, wie Tran- spirationsversuche ausfallen würden. Zur Ausführung derselben stellte ich mir zunächst einen Sachs’schen Transpirationsapparat zusammen, bei welchem nicht die Menge des verdunsteten, sondern des an Stelle desselben aufgenommenen Wassers gemessen und die Schnelligkeit, mit der dies geschieht, ausgedrückt wird durch die Zeit, die es braucht, um eine bestimmte Länge (5mm) eines capillaren Wasserfadens auf- zusaugen. Zur Verwendung kamen abgeschnittene beblätterte Stengel- stücke von normal und feucht gewachsenen Pflanzen, Es ergaben sich folgende Resultate: Tabelle 15. Transpirationsversuch mit dem Sachs’schen Transpirationsapparat. Sedum dendroideum. Normal: t 20°, 9,0g 90cm? (per cm? 0,1g). Zum Aufsaugen von 5mm Wasser braucht es sec.: 140. 128. 130. 130. 130. 130. Es werden also aufgesogen: per 100cm?, 5mm Wasser in 117 sec., per 10g, 5mm Wasser in 117 sec. Feucht gewachsen: t 20° 1,3g 25,4cm? (per cm? 0,051). Zum Aufsaugen von 5mm Wasser braucht es sec.: 790. 780. 780. 780. 780. Es werden also aufgesogen: per 100cm?, 5mm Wasser in 198 sec. (Verh. zu oben 1,7:1), per 10g, 5mm Wasser in 101sec. (Verh. zu oben 0,86:1). 431 Ein ganz ähnliches Resultat erhielt ich mit Mesembryanthemum eurviflorum. Wenn also die wirklich transpirirte Wassermenge der aufgenommenen gleich oder stets proportional wäre, so wäre damit bewiesen, dass die feucht gewachsenen Pflanzen, bezogen auf die gleiche Oberfläche, eine weit geringere Transpirationsgrösse aufwiesen als die normalen, bezogen auf gleiches Gewicht aber nur eine sehr unscheinbare Erhöhung derselben. Dies kann man jedoch sehr leicht widerlegen, indem das getrocknete Kobaltpapier unter den feucht ge- wachsenen Blättern sich sehr rasch röthet, während unter den nor- malen lange keine Veränderung zu erkennen ist. Es beweist also der obige Versuch nur so viel, dass die Fähigkeit der Wasseraufnahme bei den cultivirten Exemplaren eine geringere war als bei den nor- malen, besonders wenn man in Betracht zieht, dass sonst der Wasser- strom bei der thatsächlich vorhandenen weit stärkeren Transpiration ein viel energischerer hätte sein müssen. Es entspricht dieses Ergebniss also ganz der aus der anatomischen Untersuchung gewonnenen Kennt- niss der geringeren Ausbildung der Gefässbündel und beweist daher auch direct wieder die wasserleitende Function in erster Linie dieses Gewebes. Einen weiteren Versuch führte ich mit abgeschnittenen Blättern nach der gewöhnlichen Methode der Transpirationsbestimmung einfach durch Bestimmung des Gewichtsverlustes aus. Tabelle 16. Transpirationsbesimmung abgeschnittener Blätter durch Ermittelung des Gewichtsverlustes. Sedum dendroideum. TI ; ||’Transp. in den] Transp. in den) Transp. in den im Zimmer Anfangsgew. Uhr 33 ersten > Si +ialsend Std. 40 ine: Se Std. pe td. per | per Std. 9,45] 10,45] 11,45) 12,45] 4,45 £2 Po hooeme Me I1onem3 08 |100Cm? ! u | normel . . | 1,651] 1,637 1,028 1,619' 1,568 1,362] 0,065; 0,085) 0,077! 0,077) 0,031, 0,031 feucht gew. |0,188| 0,178 3,10 0,103 0,128 0,060) 044 0,290 0,465 0,902 9,090 0,060 im feuchten Raum 1 I oonal normal . . 1,593 7 1,587 1,585) 1,580) 1,560 0,017 0,01710,008 0,008 0,003: 0,003 feucht gow. || 0,219) 0,217! 0,214| 0,212 9207] 0,194 0,106 0,065, 0,057 0,037 901 0,012 | j j i im trockenen Raum "0.0981 0.118 0.112 0.068 normal . . 1,123 1,21 1,007 1,083 1,319] 0,920| 0,098; 0,098, 0,112 0,112, 0,069 0,089 i | \ feucht gew. | 0,196. 0,176, 0,160 146) 0,087 0,023 0,850 0,552, 0,752, 0,488, 0,082, 0,053 | \ j Oberfläche des normalen Blattes im Mittel 14,6 cm2, Oberfläche des feucht gewachsenen Blattes im Mittel 2,8 cm. 482 Aus dieser Tabelle geht zunächst hervor, dass in der That die feucht gewachsenen Blätter ganz bedeutend mehr transpiriren als die normalen, wenn sie mit diesen in gleicher Athmosphäre verglichen werden. Bei frischen Blättern beträgt die Transpirationsgrösse in gewöhnlicher Luft sieben Mal, in feuchter Luft etwa sechs, in trockener mehr als acht Mal so viel, bezogen auf das gleiche Gewicht, was ja physiologisch am wichtigsten ist. Aber auch wenn die Werthe auf gleiche Oberfläche umgerechnet werden, erhalten wir immer noch ein 4!je, resp. 31 und 5!/sfaches der Werthe für normal gewachsene Pflanzen. Vergleichen wir das Verhalten der feucht gewachsenen Blätter in feuchter Luft mit dem der normalen in Zimmerluft oder trockener Atmosphäre, so sehen wir, dass sogar hier noch in Beziehung auf gleiches Gewicht die ersten den Vorrang behalten, während in Beziehung auf gleiche Oberfläche sich das interessante Ergebniss zeigt, dass die Werthe für feucht gewachsene Blätter in feuchter und für normal gewachsene in gewöhnlicher Athmosphäre identisch sind. Physio- logisch brauchbar sind natürlich nur die Transpirationswerthe für die ersten drei Stunden. Dass in der Rubrik für die späteren vier Stunden zum Theil etwas grössere Werthe erhalten wurden, kommt einfach daher, dass während dieser Zeit öfters die Sonne schien. Am deut- lichsten macht sich dies in trockener Luft, weniger im Zimmer und gar nicht in der feuchten Athmosphäre geltend, weil hier eben doch stets der Raum dampfgesättigt war. Natürlich nimmt, wie dies auch aus der Tabelle ersichtlich ist, die Menge des ausgeathmeten Wassers mit dem Welken des Blattes ab, und zwar um so rascher, je mehr überhaupt transpirirt wird; daher nähern sich die Werthe für die feucht gewachsenen allmählich denjenigen für die normalen Blätter, weil letztere ihren Wasservorrath langsamer verbrauchen. Auch hier stimmt das Ergebniss der Untersuchung überein mit dem auf ganz anderem Wege gefundenen Satz von Aubert (91): je grösserer Säuregehalt, desto geringere Transpiration. (Die feucht gewachsenen Pflanzen enthalten nach den Mittheilungen im letzten Abschnitt weniger Säure als die normalen.) Es ist also vollständig gerechtfertigt, wenn wir die anatomischen Veränderungen, die sich bei Cultur der Fettpflanzen im feuchten Raum bemerkbar machen, in erster Linie betrachten als Mittel, um die Transpiration zu erleichtern und trotz der Ungunst der Verhält- nisse zu ermöglichen. Denn dass diese Pflanzen von Anfang an die Tendenz zeigten, die Wasserabgabe unter allen Umständen durchzu- führen, bewies vor allem auch das Verhalten von Sedum altissimum, 438 welches nach der Uebertragung in feuchte Luft an den schon aus- gebildeten Blättern das Wasser direct in Tropfenform hervorpresste. Man ersieht daraus auch, welche Bedeutung dieser Factor für das Leben der Pflanze besitzen muss, dass er nicht nur eine zufällige physikalische Erscheinung ist, die nur als nothwendiges Uebel auf- gefasst werden dürfte, sondern dass neben den physikalischen Gesetzen auch ein tiefer liegender physiologischer Process die Transpiration fordert. Natürlich wird zugleich mit der Transpirationsfähigkeit auch die Intensität des Gaswechsels gesteigert, ja es ist sogar nicht zu ent- scheiden, ob es in erster Linie der Pflanze nicht überhaupt darum zu thun ist. Bei den Suceulenten ist es nun aber leider nicht sehr leicht den Gasaustausch genau zu verfolgen. Mit der Sachs’schen Jodprobe kam ich, wie schon ohen angedeutet wurde, nicht zum Ziele. Ich benutzte daher das Eudiometer von Pfeffer zum Bestimmen der Gasvolumina (vergl. Detmer, das pflanzenphysiolog. Praktikum 1895, pag. 35). Es wurden stets zwei Versuche neben einander an- gestellt, der eine mit normalen, der andere mit feucht gewachsenen Blättern. Zur Ermittlung der Menge der assimilirten Kohlensäure wurde ein bestimmtes Volumen Kohlensäure in mit Quecksilber abgeschlossene Röhren eingeleitet, vorher und nachher genaue Ablesungen gemacht, und das Volumen auf 0° und 760mm Druck reducirt. Nachdem die Pflanzen tagsüber sich selbst überlassen waren, wurde eine bestimmte Menge Kalilauge zur Absorption der noch übrigen Kohlensäure in die Röhren gebracht; und, nachdem kein Steigen des Quecksilbers mehr beobachtet wurde, das Volum nochmals abgelesen, redueirt und schliess- lich von dem zuerst gefundenen subtrahirt. Dabei kam es aber mehr- fach vor, dass namentlich nach Versuchen in directem Sonnenlicht nicht unbeträchtliche Mengen Kohlensäure mehr in den Röhren vor- handen waren als vorher, so dass es unmöglich war, zu entscheiden, wie viel Kohlensäure wirklich assimilirt worden sei und wie viel von dem verathmeten Sauerstoff oder der zersetzten Säure herstamme. Bei Versuchen in diffusem Lichte fand ich hinwieder einen Kohlen- säureverbrauch vor und zwar bei den feucht gewachsenen Blättern einen viel intensiveren als bei den normalen; doch könnte auch dies nur scheinbar sein, da bei jenen offenbar nach dem früher Mitge- theilten weniger Säure zersetzt, also auch weniger Kohlensäure tags- über ausgeschieden wurde. Trotz vielfach wiederholter Versuche kam ich daher zu keinem absolut sicheren Ergebniss. Besser liess sich dagegen die nächtliche Kohlensäureausscheidung verfolgen, die sich 484 nun in der That bei den feucht gewachsenen Blättern, bezogen auf gleiches Gewicht, stets als grösser erwies als bei den normalen. In 15 Std. wurden z. B. bei einem Versuche von jenem per 10g Blatt- substanz 15,5cem Kohlensäure abgegeben, während von diesem nur 9,2cem. Es lassen sich diese Resultate sehr leicht in Parallele setzen zu den Ergebnissen von Warburg (86—88), welcher den Satz auf- stellt, die Säureproduktion und -Zersetzung sei proportional dem Schutz gegen Luftzutritt, und Aubert’s (92), welcher zu dem Schluss gelangt, für alle Pflanzen sei die Intensität der Assimilation um so grösser, je weniger succulent sie seien; andererseits stehen sie in gewissem Widerspruch zu den Angaben von Geneau de Lamarliere (92), welcher findet, dass Sonnenblätter, unter gleiche Bedingungen mit Schattenblättern gebracht, stärker assimiliren, respiriren und transpi- riren. Doch kommt dieses umgekehrte Verhältniss auch hier fast allein daher, dass dieser Forscher die gefundenen Werthe statt auf das Blattgewicht auf die Oberfläche bezieht, so dass natürlich die dünnen Schattenblätter viel zu kurz kommen. Ich selbst konnte bei einigen Versuchen an Schattenblättern einiger Eichenarten, Ulmen, Hagebuchen,und Kastanien eine stärkere Transpiration beobachten als bei Sonnenblättern bei Reduction der Werthe auf gleiches Gewicht. Es ist aber doch klar, dass für das Leben der Pflanze nur die Frage in Betracht kommt, mit wie viel Materialaufwand sie eine gewisse Arbeit leisten kann oder eine wie grosse Menge Gas die Gewichts- einheit in bestimmter Zeit zugeführt bekommt. 5. Luftfeuchtigkeit und Bodenfeuchtigkeit. Einfluss des Liehtes. Zum Schlusse ist nun noch die Frage zu erörtern, welche Art der Feuchtigkeit in erster Linie die beschriebenen Veränderungen hervorruft, und ob in der That die Abwesenheit des Lichtes ähnlich wirkt. Am besten ist es, hier einfach die Versuche reden zu lassen, welche ich mit Sedum dendroideum unter verschiedenen Bedingungen der drei Factoren angestellt habe. Ich beschränke mich hiebei dar- auf, in den verschiedenen Blättern die Fundamentalveränderung an- zuführen, ‚nämlich die Verschiebung der Grössenverhältnisse der drei Dimensionen der einzelnen Zellen. Ich ermittelte dieselben in der Weise, dass ich die drei Dimensionen des ganzen Blattes durch die in der betr. Richtung gefundene Anzahl von Zellen dividirte und die Höhe (= Radialdurchmesser) als Einheit festsetzte, auf welche Breite und Länge bezogen wurden. 435 Tabelle 17. Mittlere relative Grössenverhältnisse der Zellen des Blattes von Sedum dendroideum bei Cul- turen unter verschiedener Bedingung der Luft- und Bodenfeuchtigkeit sowie des Lichtes, Verhältniss der Höhe und Breite zur Länge. (r. = relativ. tr.= trocken. f.=feucht. B.= Boden. A.— Athmosphäre. h. = hell. d. = dunkel.) 1. In trockenem Boden und trockener Luft, 4m vom Fenster . . . .1:0,43:0,8 tr.B. tr.A. d. 2. Wurzel in schwacher Nährlösung, Spross in durch Chlorealeium sehr trocken gehaltener Luft; hell . . 1:0,6:0,85 r.f.B. tr.A. h. 8. Normal; hell. . . 2 ....2....1:0,62:0,88 rtr.B. r.tr.A. h. 4, Wurzel in schwacher Nährlösung, Spross in gewöhnl. Athmosph.: hell 1:0,81:1,04 r.f.B. r.tr.A. h. 5. Wurzelinstarker Nährlösung (0,8 %/,), Spross i.einfach gedeckt. Glasgf.; hell 1:1,05:1,37 tr.B. r.f.A. h. 6. Wurzel in schwacher Nährlösung, Spross in bedeckt. Glasgefäss; hell 7. In Warmhaus, im Sand; hell . 8. Im Warmhaus, unt. Glasglocken; hell 9. In f. B., unter Glasglocken; hell . 0. Inschwacher Nährlösung, in bedeckt. Glasgefäss; 1!/.m vom Fenster. . 1:1:2,1 r.f.B.rf.A. r.d. 11. Wurzelin schwacher Nährlös., Spross in gewöhnl. Athmosph.; 4mv.Fenster 1:1,17:2,5 r.f£.B. r.tr. A. d. 12. In schwacher Nährlösung in bedeckt. Glasgefäss; 4m vom Fenster . . 1:1,83:2,8 r.f.B. r.f£A. d. Aus der obigen Tabelle ist nun leicht zu entnehmen, dass, was die anatomischen Veränderungen anbetrifft, in erster Linie die Luft- feuchtigkeit ausschlaggebend ist, während die Bodenfeuchtigkeit nur einen untergeordneten Einfluss ausübt. Obschon 0,8proc. Nährlösung nach Schimper schon einem ausserordentlich trockenen Boden gleich- kommen muss, so unterscheidet sich das darin gewachsene Blatt kaum von einem in 0,2proc. Lösung gewachsenen. In aufsteigender Reihen- folge finden wir daher auch tr. A., r.tr. A., r.f.A.und f. A., während n£.B., r.tr.B., r.f.B., tr. B. ohne feste Regel einander folgen. Der Einfluss des Lichtmangels ist, wie ich schon im ersten Ab- schnitt des II. Theile auseinandersetzte, offenbar in erster Linie auf :1,06:1,89 r.£.B. r.f.A. h. :1,08:1,49 r.£.B. r.f£A. h. :1,1:1,68 £.B. f.A. h. :1,3:1,58 £.B. £.A. h. fa a SE GE ER Ge EN 436 eine Transpirationsverminderung zurückzuführen. Es könnte daher auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen, dass er doch insofern etwas besonderer Art ist, als er vorzugsweise die Längsaxe der Blatt- zelle vergrössert. Immerhin ist hiebei der Effect derselbe, auch so wird die Blattoberfläche vergrössert, und grössere Luftfeuchtigkeit vermag dieses Resultat noch zu verstärken, während Trockenheit des äusseren Mediums es umgekehrt vollkommen compensirt, wie das Beispiel 1 zeigt. Vielleicht liesse sich zur Noth diese Eigenthümlich- keit der Längsstreckung auch dadurch erklären, dass bei den Ver- suchen im Hintergrunde eines Zimmers die Beleuchtung immerhin auf einer Seite am stärksten ist und daher auch die Transpirationsgrösse nicht auf allen Seiten gleich sein kann. Auch ist zu berücksichtigen, dass infolge des durch den Lichtentzug bedingten Chlorophylimangels das Blatt sich in seiner Lebensfunction derjenigen des Stengels nähert und seine ausgesprochene Bilateralität verliert. Vollkommen befrie- digend scheinen mir diese Erklärungsversucbe jedoch nicht. Wenn wir so bei dem wie es scheint physiologisch in gleicher Weise wir- kenden Einfluss des Lichtentzugs einerseits und der Luftfeuchtigkeit andererseits dennoch die Blattzelle das eine Mal in dieser, das andere Mal in jener Richtung sich ausdehnen sehen, und wir sowohl für das eine, wie für das andere keine stichhaltige mechanische Ursache finden können, so bleibt uns nichts anderes übrig, als uns vorläufig an die so klar daliegende causa finalis zu halten. Dort ist es der Pflanze darum zu thun, durch Flächenentwickelung die Hindernisse der Tran- spiration zu überwinden, hier, durch Längsstreckung sich der Licht- quelle zu nähern, Die hier beschriebenen Untersuchungen zeigen, wie die An- passungsfähigkeit einer bestimmten Pflanzengruppe, welche wir auf Grund ihres eigenthümlichen Xerophytencharakters für die phyloge- netische Entwickelung annehmen, auch schon beim einzelnen Indivi- duum in dessen Ontogenie nachzuweisen ist. Auch hier werden die Veränderungen am leichtesten verständlich, wenn wir sie unter dem Gesichtspunkt der Zweckmässigkeit betrachten, während eine causal- mechanische Erklärung derselben uns gerade in den Hauptpunkten abgeht. Es wird hie und da gegen solche physiologische Versuche der Vorwurf erhoben, sie seien im Grunde werthlos, da sie Bedingungen schaffen, die in der Natur gar nicht vorkommen. Abgesehen nun 437 davon, dass es schon an sich interesssnt ist, zu untersuchen, wie der pflanzliche Organismus auf irgend einen äusseren Einfluss reagirt, so dürfte doch auch hiebei für das Verständniss der natürlichen Ent- wickelung der Pflanzenwelt manche Belehrung gefunden werden können. Das Experiment muss eben, um deutliche Reactionen zu erreichen, so weit wie möglich aus einander liegende Extreme anwenden. Es wird doch z. B. keinem Geologen, der die Entstehung eines Schuttkegels demonstriren wollte, einfallen, die Sandkörnchen eins ums andere fallen zu lassen, sondern er wird genau denselben Effect erreichen, wenn er diesen Vorgang, statt wie in der Natur in Jahrzehnten, in wenigen Sekunden sich abspielen lässt. So finden sich zwar allerdings in der Natur nicht solche plötzliche Uebergänge aus trockener in feuchte Luft, aber die Reaction wird auch bei ganz allmählicher Veränderung dieselbe sein, ja sogar noch eine intensivere, weil während Generatio- nen die Einflüsse viel tiefer zu wirken vermögen. Litteraturverzeichniss. 1869. Schloesing C., Vegstation compar&e du tabao sous cloche et & l’air libre. Compt.-rend. 1869, 1871. Batalin A., Ueber die Einwirkung des Lichtes auf die Entwickelung der Blätter. Bot. Ztg. 71 p. 669. 1873. Prantl K., Ueber den Einfluss des Lichtes auf das Wachsthum der Blätter. Arb. des bot. Inst, zu Würzburg. I. H. 3 pag. 371. 1874. Detmer W., Ueber den Einfluss verschiedener Lichtintensität auf die Ent- wiekelung einiger Pflanzen. Landw. Versuchstat. 73. B. XVI pag. 205. 1876, Falkenberg P., Ueber das secundäre Diekenwachsthum von Mesembryan- themum, Nachr. d. k. 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Im Absatze 14 seines Werkes bespricht Hofmeister die Knospenlage der Blätter und gibt folgende Definition der Knospen- lage und der ihr folgenden Entfaltung der Blätter: „Die Blatt- gebilde zeigen auf früheren Stufen der Entwiekelung sehr alige- mein ein anderes Verhältniss des Wachsthums der vorderen (der Achsenspitze zugewendeten) Fläche zu demjenigen der Rückentfläche, als während der letzten Phase der Entwickelung. Das junge Blatt hat fast allerwärts in der Knospe eine andere Richtung und Lage als nach der definitiven Ausbildung. Der Uebergang aus dieser Knospen- lage in die von ihr abweichende bleibende Stellung ist die Entfaltung der Blätter.“ Aus Obigem sieht man schon deutlich, dass Hofmeister die Ursachen der Knospenlage in den Wachsthumsverhältnissen der Blätter begründet. Und in der That wird diese Annahme durch die folgende Besprechung bestätigt. Die verschiedenen Formen der Knospenlage — klappige (valvate), deckende (imbricative), reitende, einwärts ge- rollte (convolutive), contorte, eingerollte (involutive), gefaltete (plica- tive) und rückwärts gerollte — werden als Folgen des ungleichmässigen Wachsthums des Blattes erklärt. Ueberali, den letzten Fall ausge- nommen, überwiegt in der Knospenlage das Wachsthum der Rücken- fläche eines Blattes dasjenige seiner Vorderfläche; die rückwärts ge- rollte Knospenlage kommt durch das Ueberwiegen des Wachsthums der Vorderfläche über das der Hinterfläche zu Stande. Als ein zweiter, die Knospenlage der Blätter bestimmender Factor kommen in Betracht die Raumverhältnisse der Knospen, was am besten bei solchen Pflanzen hervortritt, deren Blätter mit Stipeln versehen 441 sind. Das ist der Fall z.B. bei einheimischen Waldbäumen — Eichen, Buchen, Erlen, Ulmen u. s. w. Aus dieser Besprechung der Angaben von Hofmeister sieht man schon, dass Hofmeister eine wahre und geistvolle Anschauung über die Ursache der Knospenlage geäussert hat. Sie ist aber keine vollständige. Der Verfasser sagt nichts Näheres über die Wachsthums- verhältnisse, welche die Knospenlage fördern, da es bekannt ist, dass das Wachsthum der Blätter aus zwei Componenten gebildet wird — nämlich aus dem Embryonalwachsthum und aus der Streckung. Die Vertheilung des embryonalen Wachsthums und dessen Bedeutung für die Knospenlage sind bei ihm ganz ohne jede Berücksichtigung ge- blieben. Die Raumverhältnisse und deren Bedeutung sind auch nicht mit nothwendiger Klarheit besprochen; ferner sind andere Eigenschaften der Blätter, welche, wie später gezeigt wird, einen Einfluss auf die Knospenlage haben, gar nicht berücksichtigt worden. Also ist die Auffassung Hofmeister’s eine bedeutungsvolle, aber keine vollständige Antwort auf die Frage über die Knospenlage der Blätter. Eine andere, dieser Frage nahe stehende Arbeit stammt von Rudolf Diez. Sie hat einen etwas anderen Charakter und be- schäftigt sich mehr mit der Description verschiedener Knospenformen bei sehr vielen Vertretern einer grossen Reihe der Familien. Der Verfasser dieser Arbeit verfolgte hauptsächlich die Lösung der Frage, ob die Knospenlage allein von der Blattform abhängig sei oder ob sie unabhängig von der Blattform ein charakteristisches Merk- mal ganzer Familien und Gattungen darstellt, deren Vertreter ver- schieden geformte Blätter aufweisen. Nachdem der Verfasser die Knospenlage bei sehr vielen Pflanzen untersucht hatte, geht er zu den allgemeinen Schlüssen über. Es hat sich nämlich gezeigt, dass es nur äusserst wenig solcher Familien gibt, deren sämmtliche Repräsentanten stets gleiche Knospenlage haben. So z. B. Nymphaeaceen mit von beiden Seiten eingerollter Knospen- lage ı), Polygonaceen mit von beiden Seiten zurückgerollter Knospen- lage, Seitamineen mit spiralig eingerollten Blättern und Mimoseen mit stets flachen Fiederblättchen. Auch unter den Gattungen sind nur wenige vorhanden, deren Arten gleiche Knospenlage haben, da- gegen, bei gleicher oder ähnlicher Blattform, ist die Knospenlage unter den Arten einer Gattung sehr häufig dieselbe, z. B. bei Magnolia, Epi- medium, Juglans, Melianthus, Sambucus u. a. » Die Primärblätter von Nymphaeaceen, welche eine andere Knospenlage haben, sind hier nicht erwähnt, Flora 1900. so 442 Aus den verschiedenen Beispielen ist es klar geworden, dass bei gleicher Blattform sehr oft die gleiche Art der Knospenlage vorkommt, und ferner dass die deutlich ausgeprägte Nervatur auch für die Knospen- lage maassgebend sein kann. Einen Einfluss auf die Knospenlage hat auch die scharf ausgesprochene Consistenz der Blätter. Die Neben- blätter und Blattstielscheiden üben auch einen Einfluss auf die Knospen- lage aus, indem sie die Raumverhältnisse stark verengen, z. B. Magnolia, Rheum, Liriodendron u. a, Nebst diesen Schlüssen weist der Verfasser auf den Zusammen- hang einiger Knospenlagen und Lebensbedingungen oder biologischen Eigenschaften der Blätter hin. So zeigen die meisten Schwimmblätter die gerollte Knospenlage, was der Verfasser mit der schwachen Ner- vatur und lederigen Consistenz dieser Blätter in Zusammenhang bringt. Er weist auch hin auf den Nutzen der Knospenlage, indem er kurz auf einige Anpassungen zum Schutze der jungen Blätter in der Knospen- lage aufmerksam macht. Das Hauptverdienst dieser Arbeit liegt ohne Zweifel in der Masse der erforschten Formen und in dem Beweise, dass die Knospenlage als kein phylogenetisches Merkmal aufgefasst werden darf und lediglich mit der Form und dem Bau der Blätter zusammenhängt. Was die allgemeine Anschauung des Verfassers bezüglich der Ursachen der Knospenlage betrifft, so sehen wir, dass er im Vergleich mit den Hofmeister’schen Anschauungen einen Rückschritt gemacht hatte. So bleiben in dieser Arbeit die Wachsthumsverhältnisse der Blätter ohne jeder Berücksichtigung, obgleich Hofmeister auf sie hingewiesen hatte. Die Raumverhältnisse und der Einfluss der Formen der Blätter sind auch nicht scharf betont. Eine ähnliche, nur die verschiedenen Formen der Knospenlage beschreibende Arbeit stammt von Wydler!) und findet sich in der „Flora“ 1851. Sie ist weder von Hofmeister, noch von Diez erwähnt, enthält aber eine gute Beschreibung und Eintheilung der ver- schiedenen Typen der Blattknospen. Der oben genannte Verfasser beschränkt sich nur auf die Beschreibung der Knospenlage und be- schäftigt sich nicht mit den Fragen über die Ursachen der Knospenlage. Aus allem Mitgetheilten geht klar hervor, dass die Frage über die Ursachen der Knospenlage nicht als entschieden betrachtet werden kann. 1) Wyädler, Veber dieKnospenlage der Blätter in übersichtlicher Zusammen- stellung. Flora 1851. 443 Auf den Vorschlag von Herrn Prof. Dr. Goebel habe ich mich mit der Frage über die Ursachen der Knospenlage der Blätter befasst, und indem ich zur Schilderung meiner Beobachtungen übergehe, er- laube ich mir, Herrn Prof. Dr. Goebel für seine allseitige Unter- stützung meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Ebenso bin ich Herrn Dr. Lang für seine Hilfe bei der Redaction des deutschen Textes zu Dank verpflichtet. In der oben erwähnten Arbeit von Diez sind sehr verschiedene Fälle der Knospenlage beschrieben; es unterscheidet dieser Autor ca. 14 Hauptformen!) und eine Anzahl der Combinationen, zu welchen diese Formen sich vereinigen. Eine solche Eintheilung scheint mir aber überflüssig zu sein, da die meisten Formen durch verschiedene Uebergangsstufen mit einander verbunden sind und nicht scharf de- finirt werden können. Die Eintheilung, welehe Hofmeister gibt, ist mehr natürlich, da bei ihr die Wachsthumsvertheilung als maassgebendes Princip in den Vordergrund tritt. Aber wie ich früher hervorhob, sind die An- schauungen von Hofmeister bezüglich der Wachsthumsverhältnisse der Blätter keine klaren, und es ist hier das embryonale Wachsthum der Blätter zu berücksichtigen. Wie bekannt, werden die Blätter als Wülste oder Höcker aus dem embryonalen Gewebe am Sprossscheitel angelegt. Bald aber geht das embryonale Blattgewebe in das Dauergewebe über und das fol- gende Wachsthum eines Blattes wird auf die Streckung zurückgeführt.?) Wenn wir jetzt das embryonale Wachsthum der Blätter näher in Be- trachtung ziehen, können wir sämmtliche Typen der Knospenlage der Blätter (der Phanerogamen) ganz natürlich in grössere und umfassen- dere Abtheilungen vereinigen. . Bei einigen Blättern geht das embryonale Wachsthum am Scheitel des Blattes eine lange Zeit vor sich, während bei anderen das em- bryonale Scheitelwachsthum bald aufhört und durch das embryonale Randwachsthum vertreten wird. 1) Die Hauptformen sind folgende: flache, zusammengelegte, kielförmige, Finnenförmige, strahlig gefaltete, längsfaltige, wellig querfaltige, spiralig einge- rollte, übergerollte, von beiden Seiten eingerollte, von beiden Seiten zurückge- rollte, übergerollte, schneckenförmig eingerollte, rückwärts übergerolite. Diez,l.c, 2) Sonntag, Ueber Dauer des Scheitelwachsthums und Entwickelungsge- schichte des Blattes. Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik un, 1887. ö 3 444 Das Randwachsthum kann entweder gleichmässig auf den beiden Seiten des Blattes vor sich gehen oder auf einer Seite intensiver als auf der anderen auftreten. Nach diesem Prineip kann man jetzt die sämmtlichen Formen der Knospenlage gruppiren und zwar in folgender Weise: I. Blätter mit fortdauerndem Scheitelwachsthum '— schnecken- förmig eingerollte Knospenlage; U. Blätter mit sehr bald aufhörendem Scheitelwachsthum und fort- dauerndem Randwachsthum: a) das Wachsthum geht gleichmässig auf den beiden Rändern des Blattes vor sich — flache, rinnen-, keilförmige, spiralig eingerollte, zusammengelegte Knospenlage und verschiedene Modificationen derselben; b) das Wachsthum geht ungleichmässig auf den beiden Seiten des Blattes vor sich — gerollte Knospenlage: a) stärker auf der äusseren Seite — von beiden Seiten ein- gerollte Knospenlage; ß) intensiver auf der inneren Seite — von beiden Seiten zurückgerollie Knospenlage. Diese Eintheilung der Formen der Knospenlage ist natürlich keine absolut strenge, da manche Uebergänge zwischen genannten Typen vorhanden sind. Im grossen Ganzen kann sie aber vortheilhaft durch- geführt werden. Die Vertheilung des embryonalen Wachsthums kann aber allein die verschiedenen Formen der Knospenlage nicht erklären. Es kommen hiebei verschiedene andere Faetoren in Betracht, welche erst später ausführlicher besprochen werden sollen. Hier sei nur bemerkt, dass das embryonale Wachsthum selbst mit der definitiven Form der Blätter in engstem Zusammenhang steht. Die definitiven Formen der Blätter ihrerseits sollen als Resultat des phylogenetischen Entwickelungsganges der Pflanzen betrachtet werden. Ich gehe jetzt zur Schilderung einer Reihe von Beispielen der verschiedenen Formen der Knospenlage, um aus ihnen die Bedeutung von diesen Factoren zu beweisen und die Rolle der anderen zu er- klären. — Zu der ersten Gruppe der Pflanzen, die fortdauerndes Spitzen- wachsthum besitzen, gehört eine geringe Anzahl der Repräsentanten und in erster Linie die Cycadeen, dann die Familie der Droseraceen, von welchen zuerst Drosophyllum lusitanicum zu nennen ist. Die Knospe von Drosophyllum lusitanicum ist ganz locker gebaut, die Blätter entbehren der Stipulae, ferner haben sie keine aus der 445 Lamina hervortretenden Rippen, bilden also solche Knospen, deren Lage nur von den Wachsthumsverhältnissen allein abhängig ist.) Das Blatt von Drosophyllum bleibt länger schneckenförmig nach . aussen eingerollt und zeigt an der Spitze das embryonale Gewebe in einer Länge von ca. 20mm. Das Wachsthum geht nicht gleichmässig auf den beiden Blattflächen vor sich, und zwar erfolgt es viel inten- siver auf der inneren Seite, was die oben besprochene Einrollung beeinflusst. Ganz analog wie Drosophyllum verhalten sich in dieser Beziehung die lang- und dünn- blätterigen Drosera-Arten, wie Dr. pedata, Dr. binata u. a. Ihre Blätter zeigen auch eine lange Zeit das Vorhandensein des em- bryonalen Gewebes auf den Blattspitzen; aber . es sind die Blätter in der Richtung von aussen Bi 1. Drosera capensis. ängsschnitt durch die nach innen eingerollt. Knospe. Je breiter und kürzer die Blätter von verschiedenen Drosera-Arten sind, desto geringer wird das embryonale Scheitelwachsthum und desto mehr tritt das Randwachsthum hervor. Drosera capensis (Fig. 1), Dr. longifolia, Dr. rotundifolia zeigen die verschiedenen Stufen dieses Vorganges, wie es bei der beigegebenen Tabelle I zu sehen ist. Tabelle I. Länge des . Breite des Länge Blattes, R Breite Blattes, u Name der Pflanze des | \enn das verbältn.-, des |yonn das Verhältn.- erwachs. Scheitelw. Zahlen | erwachs. Randw. Zahlen Blattes beendet Blattes | „oendet Drosophylium lusit. 150mm 20mm, 1:75 Znm| 0,2mm|1:10 Drosera binata, . | 140 15 1:93 | 2-25 0,2 1:10—12 Dr. capensis . .| 8 15 | 1:60 4 025 [1:16 Dr. longif. . . . 0,9 4—5 0,22 1:20 Dr. intermed. . . 40 0,5 1:80 4 0,3 1:13 Dr. rotund. . . 32 0,5 1:64 | 7—8 0,32 1:21—24 Nach Sonntag’s Angaben zeigen die Blätter von Cycas Thouarsii ein embryonales Scheitelwachsthum in einer Länge von ca. 50cm! Ich habe die Theilblättchen von Cycas revoluta untersucht und kann folgende Zahlen für die noch mit meristematischer Spitze versehenen 1) Die Abbildung der Knospenlage von Drosophyllum lusitanicum s. in Goebel’s Organographie Fig. 330. 446 Blättehen geben. Das ausgewachsene Blättchen ist ca. 250mm lang; dasselbe mit dem meristematischen Scheitel erreicht ca. 40mm in der Länge! Wenn wir jetzt die Zahlen dieser Tabelle I mit den Sonntag- schen Angaben und den der Tabellen II—V dieser Arbeit vergleichen, können wir sehen, dass die langblätterigen Droseraceen eine Sonder- stelle unter allen anderen Phanerogamen (Cycadeen ausgenommen) bezüglich der Dauer ihres embryonalen Scheitelwachsthums einnehmen. Bei Heracleum Spondylium sind nach Sonntag’s Angaben die Ver- hältnisse zwischen der Länge des Blattes mit noch meristematischem Scheitel und derjenigen des ausgewachsenen Blattes ®/soo = 1/37. Alle anderen von Sonntag untersuchten Blätter zeigen viel grössere Ver- hältnisse. Ausser der Familie der Droseraceen sind die Fälle der schnecken- förmigen Einrollung bei den Phanerogamen ziemlich selten. Nach den Angaben von Diez hat Utricularia montana schneckenförmig ein- gerollte Blätter in der Knospe, was mit der Beschreibung des Wachs- thums bei dieser Pflanze, welche Goebel in seinen Arbeiten!) gibt, übereinstimmt. Leider sind die jungen Blätter von dieser Utricularia in der Knospenlage nicht abgebildet und das Material war mir un- zugänglich. Ausser den Blättern zeigen auch andere Organe lang andauerndes Spitzenwachsthum und damit verbundene schneckenförmige Einrollung der Vegetationsspitze. Es seien hier die Ausläufer und Sprosse von verschiedenen Utricularien erwähnt, wie das eingehend von Goebel untersucht und abgebildet worden ist.?) Zu dieser Kategorie sollen auch einige Ranken gestellt werden. Während einige Ranken ein sehr kurzes Embryonalwachsthum zeigen und dadurch in der Knospe fast gerade oder etwas gekrümmt blei- ben (z. B. Bryonia, Fig. 2), zeigen andere ein etwas längeres em- bryonales Wachsthum und sind in der Knospe entweder stark gekrümmt oder eingerollt (Lagenaria, Sieyos, Benincasa, Fig. 3). So zeigen die drei letzten Oucurbitaceen an der Spitze embryonales Gewebe zur Zeit, wo die junge Ranke I—2mm lang ist, während die Ranken von 1) Goebel, Pflanzenbiologische Schilderungen pag. 127 ff. Dort auch sämmt- liche Litteraturangaben. — Id., Ueber die Jugendzustände bei Pflanzen. Flora 1889. Auf pag. 41 schreibt der Verfasser: „Die Laubblätter (von Utricularia montane) sind dadurch ausgezeichnet, dass sie, im Gegensatz gegen andere Phanerogamen- blätter, lange an der Spitze wachsen.“ 2) Id. Pflanzenbiologische Schilderungen. 447 Bryonia das embryonale Gewebe verlieren zu einer Zeit, wo die Ranke 0,8—0,9 mm lang ist. - Die später so stark hervortretende Einrollung dieser Ranke ist nur Folge des interealaren Wachsthums und der Streckung der schon aus Dauergewebe bestehenden Ranken. Endlich zeigen die Kelchzähne einiger Valerianeen, welche sich später in den Flugapparat umbilden, eine schneckenförmige Knospen- lage und damit verbundenes embryonales Scheitelwachsthum. So be- setzen die Kelchzähne von Centranthus rubra (Fig. 4) einen meriste- matischen Scheitel in der Länge von 1,4mm, Valeriana offieinalis zeigt dasselbe in der Länge von 0,9mm. Da die definitive Länge dieser Organe nur 6—7mm erreicht, kann man sagen, dass das em- bryonale Scheitelwachsthum bei diesen Organen eine verhältnissmässig sehr lange Zeit dauert. Für Centranthus sind die Verhältnisszahlen also "ı = 1:5, für Valeria oe = 1:8. Fig. 2. Bryonia dioica. Fig.3. Lagenaria vulgaris. Fig. 4. Centranthus rubra. Eine junge mitdemnoch Eine junge mit meristema- Ein Kelchzahn, welcher meristemat,Scheitelver- tischen Gipfel versehene wegen desstarken Scheitel- sehene Ranke. Sie ist Ranke. Sie ist in der wachsthums in der Knospe etwas gekrümmt, aber Knospe eingerollt. stark schneckenförmig ein- nicht eingerollt. gerollt ist, Aus Obigem geht deutlich hervor, dass die schneckenförmige Ein- rollung an das fortdauernde embryonale Scheitelwachsthum ge- bunden ist. Es fragt sich nun, woher rührt die eigentliche Ein- rollung der Blätter? Es ist nicht schwer, sich zu überzeugen, dass die Einrollung eine unbedingte Folge des ungleichmässigen Wachs- thums am Scheitel der Organe ist. Bei allen untersuchten Pflanzen wächst die convexe Seite des Organes in der Knospenlage immer intensiver als die coneave und verliert zuerst ihren embryonalen Cha- rakter. Die auftretenden Intercellularräume, die sich bildenden ver- schiedenen Haare, das Auftreten des Chlorophylis und ähnliche Vor- gänge weisen übereinstimmend auf die Ausbildung des Dauergewebes hin.!) Einige Zahlenangaben erlauben noch besser die ungleichmässigen 1) Siehe auch Sonntag Il. c. 448 Wachsthumsverhältnisse zu beurtheilen. Bei Drosophyllum lusitanicum haben die Zellen auf einer stark gebogenen Stelle auf der convexen Seite ca. 18x im Durchschnitt, während diejenigen der gegenüber- liegenden concaven Seite zu gleicher Zeit nur 87. breit sind. Die erwachsenen Zellen der schon aufrecht stehenden Blätter sind auf den beiden Seiten ebenso gross und messen ca. 33j. Es sind also während der Entfaltung des Blattes die Zellen der convexen Seite beinabe zwei Mal so gross geworden, dagegen diejenigen der concaven mehr als vier Mal. Das sind nur die Angaben vom Durchmesser. Die Volumenzunahme der einander gegenüberliegenden Zellen an den bezeichneten Stellen differenzirt noch mehr. Die Ausbildung der Tentakeln bei Drosera-Arten zeigt auffallend die zeitliche Verthei- lung des überwiegenden Wachsthums auf den beiden Seiten des Blattes.!) Während Drosophyllum, Drosera pedata, binata und capensis eine ausgesprochene schneckenförmig eingerollte Knospenlage besitzen, zeigen die anderen Droseraceen einen Uebergang zu anderen Formen der Knospenlage, und zwar sind die Blätter von Drosera rotundifolia in der Knospenlage ganz deutlich von beiden Seiten eingerollt oder eingebogen, was mit dem zunehmenden Randwachsthum in Einklang steht. Diese Pflanze zeigt also auf einen Uebergang zwischen den schneckenförmig eingerollten und anderen Typen der Knospenlage hin. An diese Drosera-Art schliessen sich auch andere Pflanzen, z. B. Sol- danella-Arten, an. Die Knospen von Soldanella montana oder alpina sind locker gebaut, die Blättchen zeigen zuerst auch ein kurzes Scheitelwachsthum, welches dann in das Randwachsthum übergeht. Bei dem grössten Theile der Pflanzen hört das Spitzenwachsthum der Blätter sehr früh auf und bedingt nicht die Form der Knospen- lage. Sie hängt von den anderen Wachsthumsverhältnissen und Fac- toren ab. 1) Ebensolche Wachsthumsverhältnisse und damit verbundene schnecken- förmige Knospenlage sind, wie bekannt, fast ausschliesslich allein bei den Farn- wedeln vorhanden, welche in manchen Fällen selbst Monate lang das vor sich gehende Spitzenwachsthum aufweisen. Zwischen allen anderen Farnen zeichnet sich aber eine kleine Gruppe der Hymenophyllaceen dadurch aus, dass sie keine schneckenförmige Knospenlage zeigt. Nach Untersuchungen Giesenhagen’s (Die Hymenophyllaceen, Flora 1890) breiten sich die schildförmigen Blätter von Trichomanes Hildebrantii und peltatum an ihrem ganzen Umfange fortwährend von Anfang fächerförmig aus (siehe Abb. 1. c.1, 26). Das Scheiteiwachsthum geht eine gewisse Zeit vor sich, dann hört es auf und das Randwachsthum tritt zu Tage, durch welches die definitive Form des Blattes bestimmt wird. 449 Ich schildere jetzt zuerst solche Fälle, in welchen die Knospen- lage durch das gleichmässig auf beiden Rändern des Blattes vor sich gehende Embryonalwachsthum bestimmt wird. Zu dieser Kategorie sollen in erster Linie die sog. flachen, rinnen- und kielförmigen For- men der Knospenlage gestellt werden als einfachere. Ihnen folgen verschiedene Typen der zusammengelegten Knospenlage, und zwar glatte, wellig-querfaltige und ähnliche Formen. Die fiache Knospenlage kommt bei verschiedenen Pflanzen vor, welche nach der Form ihrer Blätter ganz verschieden sind. Die linealen, lanzettlichen, ellyptischen, eiförmigen u. &. Blätter können, wie es schon Diez!) gezeigt hat, diese Knospenlage haben. Diese flache Form ist nicht streng von der ihr nahestehenden kiel- oder rinnenförmigen zu unterscheiden. Als Beispiel zur Erklärung der flachen Knospen- lage kann man Blätter einiger Veronica- oder Mentha-Arten nehmen. Das Primordialblatt von Veronica beccabunga besteht aus einem Höcker, in welchem sich sehr bald nach seiner Entstehung ein Mittel- nerv differenzirt, von welchem nach links und rechts die beiden Laminar- hälften herauswachsen. Sie haben, wie es aus der Tabelle II zu sehen ist, KHOORO 907 —__ m A nase -B Fig. 6. Amaryllis sp. Flache Fig. 5. A Mentha aquatica. B Veronica becca- Knospenlage d. jungen Blätter bunga. Die flache Knospenlage der jungen steht im Einklange mit den Blätter. Raumverhältnissend. Knospe. ein sehr kurze Zeit vor sich gehendes Spitzen- und Randwachsthum und liegen fest mit ihren inneren Flächen einander an. Sie haben keine Nebenblätter, ihre Seitennerven sind schwach ausgebildet und treten erst nach Beendigung des embryonalen Wachsthums aus der Lamina heraus. Auf der Fig. 5AB sind Blätter von Mentha aquatica und Veronica beccabunga dargestellt. Zuerst werden sie ganz flach, dann ändert sich die Form der einzelnen Blätter. Die Gewebedifferenzirung und die Bildung der Anhangsgebilde geht ganz gleichmässig auf den beiden Seiten vor sich. Da diese Pflanzen eine ziemlich locker ge- baute Knospe haben und keine Stipeln bilden, ist die Knospenlage nur durch Wachsthumsverhältnisse und gegenseitige Lage der Blätter 1) Diez, 1. 0. Beispiele pag. 566 ff. 450 bestimmt. Diese Knospenlage ist in manchen Fällen lediglich durch die Form der Blätter bedingt. So haben z. B. alle bandförmigen, vollständig undifferenzirten Blätter der Wasserpflanzen diese flache Knospenlage. Ich weise nur auf Potamogeton natans, Alisma, Sagit- taria u.s. w. hin. In anderen Fällen steht die Consistenz der Blätter in direetem Zusammenhang mit ibrer Knospenlage. So haben ver- schiedene Mesembryantkemum-Arten mit sehr dicken Blättern flache Knospenlage, wie es für Mesembryanthemum obconellum und M. per- foliatum von Goebel!) und für M. linguaeforme und Crassula ciliata von Henry?) abgebildet ist. Das gilt auch für Viscum. Bei anderen Pflanzen steht die flache Knospenlage mit den Raumverhältnissen der Knospe im Einklang. So bei Amaryllis (Fig. 6). Die bandförmigen Blätter sind in den sehr engen Räumen der Knospe flach ausgebreitet. N Fig. 7. Dianthus barbatus. Fig.8. Rhododendron ferrugineum. Rinnen- Rinnenförmige Knospenlage. förmige Knospenlage. Die Mittelnerven gehen allmählich in die Spreiten über. Alle Pflanzen mit dieser Form der Knospenlage, zu denen auch fast sämmtliche Blätter der Nadelhölzer zu rechnen sind, zeichnen sich durch sehr geringes embryonales Wachsthum aus. Die Blätter von Amaryllis z.B. verlieren ihr meristematisches Gewebe in der Breite von 0,5—0,6mm. Nach Angaben Sonntag’s erreicht die Länge des Coniferenblattes zur Zeit, wo das Scheitelwachsthum beendigt ist, niemals mehr als 0,38 mm; das embryonale Randwachsthum hört auch zu dieser Zeit auf. Endlich zeigen die Zahlen der Tabelle II auch für zwei Veronica- und Mentha-Arten ein sehr geringes embryonales Wachsthum. 1) Goebel, Pflanzenbiologische Schilderungen I pag. 49, 51. 2) Henry, Beiträge zur Kenntuiss der Laubknospen. N.A.A.C.L.C. Taf. XVII. 451 Tabelle II Länge des Breite des Definitive| Blattes, . Definitive| Blattes, R Name der Pflanze |Länge des! als es das Verhältn.- Breite des| als es das Verhältn.- Blattes | Embryow. Zahlen Blattes |Embryow. Zahlen beendet beendet Veronica beccab. .| 28mm 0,55 mm| 1:59 16mm| 0,3mm | 1:57 V.,Spuria . ... 70 0,4 1:170 20 0,3 1:65 Mentha aquat. . . 28 0,45 1:60 15 0,25 1:60 Sedum acre . . . 7 0,1 1:70 2 01 1:20 Semperviv. tect. . 12 0,2 1:60 6 0,1 1:60 Lysimachia thyrs., | 72 0,51 1:140 15 0,3 1:50 Circaea lutetian. . | 70-430 50 0,3 1:160 Campanula rapune, | 100 0,8 1:125 30 0,8 1:100 Syringa vulgaris . | 110--20 0,85 1:155 75 0,33 1:227 Calla palustris . . | 300 3,5 1:86 65 2,5 1:26 Houttuynia cord. , | 100 1,5 1:66 56 3 1:18—19 Caltha palustris . | 450 4 1:112 150 7 1:21—22 Die flache Form der Knospenlage des Blattes bleibt nicht immer constant und geht oft bei derselben Pflanze in die rinnen- oder keil- förmige über, welche von einander nicht zu trennen sind. Dianthus barbatus und andere Dianthus-Arten (Fig. 7) bieten ein Beispiel der typischen rinnenförmigen Knospenlage. Das kommt dadurch zu Stande, dass die Blätter fleischig sind, keine hervortretenden Rippen besitzen und einfache Form haben. Viele Pflanzen mit fleischigem Bau, wie unsere Sempervivum- und Sedum-Arten zeigen dieselbe Knospenlage. A Fig.9. Scabiosa caucasica, A Querschnitt durch die junge Knospe; die Knospen- lage der Blätter ist rinnenförmig. B Querschnitt durch eine ältere Knospe; die Knospenlage der Blätter ist zwischengerollt. Als Repräsentanten von diesem Typus kann man Blätter von Lysi- machia Rhododendron ferrugineum!) oder Syringa vulgaris nehmen. Sie werden als kleine Höcker angelegt, bei welchen bald das Spitzen- }) Andere Rhododendron-Arten haben öfters die von beiden Seiten zurück- gerollte Knospenlage. 8. auch Diez, l. c. 452 wachsthum aufhört, Es bildet sich ein Mittelnerv, von dem die Spreiten herauswachsen. Der Nerv geht ganz allmählich in die Spreite über, so dass keine scharfe Grenze zwischen diesen Blatttheilen zu unter- scheiden ist. Das Randwachsthum geht gleichmässig auf den beiden Seiten des Blattes vor sich, Bei Rhododendron (Fig. 8) und Lysimachia bleiben die Blätter in der Knospe klein und bewahren bis zur Entfaltung ihre rinnenförmige Knospenlage. Anders geschieht es bei solchen Pflanzen, bei welchen die Blätter schon in der Knospe ziemlich stark auswachsen. Die Knospenlage der Blätter von Scabiosa caucasica auf den jungen Sta- dien ist rinnenförmig (Fig. 94). Es wachsen nachher rasch die La- mina aus, und da die Blätter einander gegenüber liegen, rollen sich ihre Lamina in einander und bilden die von Diez als „zwischengerollt“ bezeichnete Knospenlage. Die anderen Hälften des Blattes wachsen beinahe gerade aus (Fig.9 B). Fig. 10. Syringa vulgaris. Drei Schnitte durch eine Knospe. A Oben geführt; die Knospenlage der Blätter ist rinnenförmig. B Durch die Mitte geführter Schnitt; die Knospenlage der Blätter ist zwischengerollt. C Durch den unteren Theil der Knospe geführter Schnitt; die Knospenlage der Blätter ist wieder rinnenförmig. Wenn man die Knospen von Syringa vulgaris im späten Herbst oder im Winter beobachtet, sieht man, dass alle Blätter eine zwischen- gerolite Knospenlage besitzen und nur die äussersten Schuppen die rinnenförmige Lage behalten. Schneidet man eine Knospe im Sommer, zur Zeit, wo die vollständige Ausbildung noch nicht beendet ist, 80 sieht man, dass die in dem oberen Theile der Knospe sich befindenden Blätter eine rinnenförmige Knospenlage haben (Fig.10A), in der Mitte, wo die Lamina schon ziemlich gross sind (Fig. 10B), sind sie zwischen- gerollt; etwas tiefer nach unten, wo die Knospe dieker und breiter 453 wird, haben die Blätter wieder eine rinnenförmige Knospenlage (Fig.100). Solche Unterschiede in der Knospenlage kommen dadurch zu Stande, dass die Knospenlage in directer Beziehung zur Grösse der Blätter und zu den Raumverhältnissen der Knospe steht. Sind die Blätter gross und es steht ihnen wenig Raum zur Verfügung, so rollen sie sich in einander. Sind sie dagegen klein und durch andere Blätter von einander entfernt, so behalten sie ihre ursprüngliche rinnenförmige Knospenlage. Das letzte Blatt in der Knospe hat fast immer eine andere Knospen- lage, was dadurch erklärt sein kann, dass nach ihm kein anderes Blatt steht und es seine beiden Spreiten näher stellen soll. Ein Beispiel dazu liefert Achillea ptarmies, deren Knospenlage auf der Fig. 11 abgebildet ist. Bei der Besprechung der letzteren Beispiele haben wir schon gesehen, welchen Einfluss die Raumverhältnisse auf die Knospenlage der Blätter üben können. Die Knospe von Menyanthes trifoliata zeigt diese Verhältnisse in noch auffallenderer Weise. Nach Diez ist das mittlere Blättchen in der Knospen- lage gerollt, während die beiden Seitenblätter zwischengerollt sind. Es kommt dadurch zur Ausbildung, dass das mittlere Theilblättchen zuerst gebildet wird, ihm folgen die beiden Seitenblättchen. Bei seiner Knospenlage können sie am besten den engen ihnen zur Verfügung stehenden Raum ausnützen. Fig.11. Achillea ptar- Die Seitenblättchen sind in der Knospe so wica, Querschnitt durch gelagert, dass entweder die Spreite des nach eineKnospe. Das in der rechts von den Mittelblättchen stehenden Blätt- Mitte der Knospe lie- chens zwischen den Mittelblättchen und anderen gen andere Kuhsnen, Seitenblättchen geht oder umgekehrt. Die lage als die übrigen. Fig. 12 AB zeigen diese Verhältnisse. Das klei- nere Seitenblättchen wird zu gleicher Zeit das zwischen dem Mittel- blättchen und anderen Seitenblättchen liegende Blättchen. Es darf noch eine Form der Knospenlage berücksichtigt werden, welche durch das gleichmässig an beiden Seiten des Blattes vor sich gehende Wachsthum charakterisirt ist, aber ein sehr lange dauerndes embryonales Wachsthum hat. Das ist die spiralig eingerollte Knospenlage, welche bei sehr vielen Aroideen, den meisten Seitami- neen, einigen Ranunculaceen (Caltha palustris) u. s. w. vorkommt. Die Blätter haben eine verhältnissmässig sehr breite Spreite und sind sehr eng in einander eingerollt, wie es bei den Seitamineen der Fall 454 ist, oder sie entwickeln sich in den Blattstielscheiden der älteren Blätter und es steht ihnen infolge dessen ein sehr geringer Raum zur Verfügung. Die Verhältnisszahlen zwischen der Breite der schon aus- gewachsenen Spreiten und jener der mit dem meristematischen Ge- webe versehenen Blätter sind relativ klein und gleichen denjenigen der von beiden Seiten ein- und zurückgerollten Blätter, wie das aus den Tabellen IV und V zu sehen ist. Die meisten Gramineen haben auch dieselbe Knospenlage, es könnte aber in dieser Familie auch eine andere Knospenlage zu Stande kommen, z. B. eine kiel- oder rinnenförmige, wie es für Dactylis glomerata von Deinega abgebil- det ist. (Siehe Deinega, Beiträge zur Kenntniss der Entwickelungs- geschichte der Blätter. Flora 1898.) Diese Beispiele sind genügend, um die Beschaffenheit der rinnen- und kielförmigen Knospenlage zu zeigen. Wir sehen, dass überall die definitive Form und die Wachsthumsverhältnisse als Ursachen der Knospenlage in den Vordergrund treten. Es kommen daher auch die Raumverhältnisse in Betracht, aber ihre Bedeutung ist noch schwach ausgesprochen. Fig. 12. Menyanthes trifoliata. A Querschnitt durch eine Knospe. B Idem; die ” Lage der Seitenblättchen ist eine andere als in A. Wir gehen jetzt zu solchen Formen über, welche dieselben Wachsthumsverhältnisse zeigen, aber eine andere Form der Knospen- lage besitzen und zwar die zusammengelegten und verschiedenen Modificationen derselben (zusammengelegt, wellig, querfaltig, strahlig zusammengelegt u. s. w.). Die einfachste Form von solchen Knospenlagen stellt die sog. glatt zusammengelegte dar. Sie ist ziemlich verbreitet und kommt sowohl bei den einfachen Blättern als auch bei den zusammengesetzten vor und zwar als die verbreitetste Form der Knospenlage der Theil- blättchen der zusammengesetzten Blätter, Man kann natürlich keinen scharfen Unterschied zwischen den 455 beiden Formen der Knospenlage constatiren. So ist z. B. die Knospen- lage der Blätter von Aristolochia Sipho!) nach Diez glatt zusammen- gelegt. Sie kann ebenso gut als rinnenförmige bezeichnet werden, da der Abstand zwischen den beiden Spreiten eine beträchtliche Grösse hat. Als erstes Beispiel der zusammengelegten Form der Knospenlage können verschiedene Prunus-Arten (P. Padus, P. cerasus, P. lauroce- rasus) angeführt werden. Die Knospe von Prunus Padus ist von einer Anzahl der Knospenschuppen umhüllt und ihre Blätter sind je mit zwei Stipeln versehen, welche aber verhältnissmässig dünn und klein sind und keine stark ausgesprochene Bedeutung für die Ver- änderung der Raumverhältnisse in der Knospe haben. Die Blätter verlieren sehr bald nach ihrer Entstehung das Spitzenwachsthum und wachsen am Rande ganz gleichmässig auf beiden Seiten des Blattes heran. Es wird ein mächtiger Mittelnerv gebildet; zu welchem sich die Lamina senkrecht bildet. Sie wachsen immer gerade aus weiter, Fig. 13. Prunus Padus. A Querschnitt durch die Mitte einer starken Winter- knospe, B Idem durch den unteren Theil. C Idem; ein Ausnahmefall: das Blatt «a hat eine offene Knospenlage, i wenn sie vor sich einen freien Raum haben. Da die Seitennerven ziemlich spät angelegt werden, zu einer Zeit, wo das Blatt sich ent- faltet, wird die Knospenlage durchweg glatt zusammengelegt. Die Fig. 13 A zeigt einen Querschnitt durch die Mitte der Knospe von Prunus Padus. Wenn man den unteren Theil der Knospe betrachtet, sieht man, dass die Lamina nicht so stark, die Nerven aber etwas dicker als in der Mitte der Knospe ausgebildet sind. Es können in- folge dessen die Raumverhältnisse dieses unteren Theiles der Knospe andere sein und die Blätter bekommen eine andere Knospenlage, 1) Die Abbildungen siehe bei Weisse, Beiträge zur mechanischen Theorie der Blatistellung an Axillarknospen. Flora 1889, Tab. IV Fig. 16. 456 indem sie theilweise stark eingebogen und eingekrümmt sind (Fig. 13). In manchen Fällen begegnen die fortwachsenden Lamina auf ihrem Wege den schon früher gebildeten Blättern. Dann können sie nicht mehr zusammengelegt bleiben und werden theilweise offen, wie es in der Fig. 13C zu sehen ist. Wenn wir von diesem einfacheren Falle ausgehen, können wir allınählich zu den complieirten und von verschie- denen Componenten abhängigen Formen der Knospenlage übergehen. % OU Ok OKI EC NA . B Fig. 14. Rhamnus frangula. A Querschnitt durch die ganz junge Knospe; die Blätter zeigen eine glatt zusammengelegte Knospenlage. B Idem, durch ein älteres Blatt; es zeigt die zusammengelegte wellig-querfaltige Knospenlage, Rhamnus frangula und Rh. Purshiana stellen zuerst solche Beispiele dar. Bei diesen Pflanzen sind die Blätter ebenso wie bei Prunus Padus mit Stipeln versehen, doch bleiben die letzteren ganz klein und können keinen Einfluss auf die Knospenlage der Blätter üben. Fig. 15. Rhamnus imeretina.. A Querschnitt durch eine Winterknospe; die Blätter, welche zuerst senkrecht zur Sprossaxe stehen, haben später eine schiefe resp. pa- rallele Lage bekommen. B Durch eine Knospe im Sommer durchgeführter Schnitt; man sieht deutlich den Zusammenhang zwischen den Raumverhältnissen und der gegenseitigen Lage der Btätter. Die Knospen sind nackt; als Schutzmittel der Knospen dienen bei diesen Pflanzen stark entwickelte Nerven und reichliche Behaarung. Das Blattprimordium gibt sehr früh dem Mittelnerve den Ursprung, 457 aus welchem die Spreiten herauswachsen. Die Blätter stehen senk- recht zur Sprossaxe orientirt (Fig. 144). Das Blatt wächst auf den beiden Seiten gleichmässig und bekomnit eine zusammengelegte Knospen- lage, dann bilden sich auch starke Seitennerven aus und infolge dessen geht die zusammengelegte Knospenlage in die sog. zusammengelegt- welligquerfaltige über. Rhamnus imeretina Kuehne hat stark entwickelte Nebenblätter, welche sich frühzeitig bilden und in auffallender Weise die Räume der Knospe vermindern. Um die Knospe herum werden die Knospen- schuppen gebildet, welche die ganze Knospe fest umhüllen. Die ersten Stadien der Blattentwickelung von Rhamnus imeretina stimmen voll- ständig mit denjenigen der anderen Rhamnusarten überein und die jüngsten Blätter stehen auch senkrecht zur Sprossaxe (Fig. 154). Der Mittelnerv wächst kräftig, die auch fortwachsenden Spreiten können aber nicht ihre ursprüngliche zur Sprossaxe senkrechte Stellung be- wahren, da es ihnen am nothwendigen Raum fehlt; sie fangen an, quer nach einer Seite zu wachsen, und es lagern sich die Blätter infolge dessen mehr und mehr schief, bis sie fast eine parallele Stellung zur Längsaxe des Sprosses bekommen (Fig. 154). Da bei dieser Rhamnus-Art die Seitennerven auch stark ausgebildet sind, wird die Knospenlage wellig querfaltig. Wegen seiner schiefen Lage hat das Blatt auf der äusseren Seite mehr freien Raum als auf der inneren und wächst infolge Fig. 16. Alnus glutinosa. Quer- dessen früher auf der äusseren als auf Dan hung und ve ae der inneren Seite. In der Mitte der „hen verschiedene Knospenlage. jungen, sich in Bildung befindenden Knospen an dieser Rhamnus-Art sind die Raumverhältnisse ziemlich locker und nicht vollständig, wie bei den fertigen Winterknospen, mit den Blättern ausgefüllt. Es bewahren infolge dessen die jungen Blätter eine verhältnissmässig lange Zeit ihre senkrechte Stellung zur Spross- axe, während die älteren Blätter schon schief oder parallel zu der- selben liegen (Fig. 15.B). Unsere Waldbäume, Cupuliferen u. A., zeigen eine Reihe solcher Beispiele, wo die Wirkung der einzelnen Factoren ziemlich leicht zu beurtheilen ist. Alnus glutinosa und andere Arten dieser Gattung haben die Knospen, welche von aussen mit den Stipulen der äusseren Fiora 1900, 81 458 Blätter fest eingehüllt sind. Die Blätter haben je zwei Stipulae, welche sich frühzeitig und mächtig bilden und jedem Blatte einen schmalen, geschlossenen Raum darbieten. Diese Stipulae haben ein ganz kurzes embryonales Scheitel- und Randwachsthum und die rinnenförmige Knospenlage. Wenn man die auf verschiedenen Höhen durchgeführten Sehnitte durch eine Knospe von Alnus betrachtet, sieht man, dass die Knospenlage der Blätter nicht immer eine und dieselbe bleibt. Es zeigt z. B. ein Querschnitt (Fig. 16) drei Blätter mit ihren Stipulen. Das mittlere und jüngere Biatt ist zusammengelegt und wellig quer- faltig. Die beiden äusseren Blätter sind auf ihren äusseren Thheilen zusammengelegt, auf den inneren, nach der Mitte der Knospe zuge- wendeten Seite sind sie vollständig offen. Es kommt infolge dessen zu Stande, dass die jungen, sich bildenden Blätter die älteren nöthigen, sich zu öffnen. Der Beweis hiefür soli später in den allgemeinen Betrachtungen erbracht werden. wo ED &, Fig. 17. Corylus avellana. A Querschnitt durch eine Endknospe des orthotropen Sprosses (ausführliche Erklärung siehe Text pag. 459). B Querschnitt durch eine ganz junge Knospe; das erste Blatt ist quer, das zweite schief zur Sprossaxe ge- stellt. C Querschnitt durch die ältere Knospe. D Der mittlere Theil einer schon entwickelten Knospe; alle Blätter sind zusammengelegt. Ein zweites sehr lehrreiches Beispiel bietet die Knospenlage von Corylus avellana dar. Diese Pflanze wurde mehrmals untersucht und es ist festgestellt, dass bei ihr die Blattanordnung entweder zwei- oder dreizeilig sein kann und dass auf dem Wege des Experimentes 459 die zweizeilige Blattstellung in die dreizeilige übergeführt werden kann.!) Die bei den verschiedenen Blättern ungleiche Form der Knospenlage wurde durch diese Untersuchungen nicht aufgeklärt. Wenn wir die Abbildungen 1, 2, 3 der Abhandlung von Weisse uder die beige- gebene Fig. 17 nachsehen, können wir leicht bemerken, dass die Knospenlage der einzelnen Blätter verschieden ist. Während die mittleren Blätter fast zusammengelegt sind, bleiben die äusseren ent- weder ganz offen oder assimmetrisch geknickt, Die Fig. I7A zeigt die Endknospe eines orthotropen Sprosses. Alle Blätter stehen hier senkrecht zur Sprossaxe; nur das Blatt a ist schief gestellt, weil das bei ihm liegende Nebenblatt c ihm ein Hinderniss gerade zu wachsen darstellt. Das Blatt 5 wäre, wenn es weiter wachsen könnte, auch zur Seite gedreht. Alle diese Differenzen in der Knospenlage der ein- zelnen Blätter werden erklärt, wenn man ihre Entstehung an den jungen Knospen verfolgt. Da sieht man klar, dass diese verschiedene Knospenlage nur als Folge der ungleichen Raumverhältnisse, die den sich entwickelnden Blättern zur Verfügung stehen, anzusehen ist. Es ist zunächst auffallend, dass das erste Blatt (die verkümmernden ausgenommen) fast immer offen ist, während die jüngsten Blätter auf der orthotropen und plagiotropen Sprosse fast immer zusammengelegt bleiben. Auf den Fig. 17 Bu.C sind zwei ganz junge Knospen dar- gestellt. Die jüngere Knospe (B) enthält nur zwei Blätter, von welchen das erste schon offen ist und bei weiterem Wachsthum offen bleiben muss; das zweite ist so gestellt, dass es bei weiterem Wachsthum zusammengelegt wird. Es sind solche Fälle nicht selten, wo nicht nur das erste, sondern auch das zweite und selbst das dritte Blatt ‘ offen werden (Fig. 17C). In Fig. 17.D ist der junge Theil einer grossen Knospe abgebildet. Die Stellung der sich bildenden Blätter fordert ihre zusammengelegte Knospenlage. Zu dieser Kategorie sollen auch etwas andere Formen der Knospen- lage gestellt werden — und zwar strahlig gefaltete, bei angedeuteter einfacher Faltung wellig-querfaltige und ähnliche von Diez beschrie- bene Fälle. Als Beispiel können die Blätter von verschiedenen Acer- Arten genommen werden. Acer dasycarpum und A. monspesullanum haben die strahlig gefaltete, etwas querfaltige Knospenlage. Die ersten Entwickelungsstadien der Blätter sind dieselben bei den beiden Pflanzen 1) Goebel, Organographie pag. 82, 84. — Kny, Ein Versuch zur Blatt- stellungsiehre. Ber. d. D. bot. Ges. Bd. XVL. 1898, — Weisse, Ueber Verände- rung der Blattstellung an aufstrebenden Axillarknospen. Ber. d. D. Der Bes 1899, 460 und die strahlige Knospenlage wird durch starke und beinahe zu gleicher Zeit sich bildende Nerven verursacht. Die folgenden Entwickelungs- stadien aber sind durch Raumverhältnisse bestimmt, was aus der Ver- gleichung der Knospen dieser beiden Arten zu sehen ist. Bei Acer dasycarpum (Fig. 18) sind die Räume zwischen den Knospenschuppen kreuz- oder sternförmig und es können sich dadurch die Blätter in zwei zu einander senkrechten Richtungen entwickeln. Bei Acer monspessulanum (Fig. 19) dagegen beschreiben die Knospen- schuppen einen kreisrunden Raum, in welchem die Blätter sich aus- breiten können und infolge dessen sind sie nicht zusammengelegt, aber wellig ausgebreitet. Fig. 18. Acer dasycarpum. Querschnitt Fig.19. Acer monspessulanum. Quer- durch eine Winterknospe. Die Blätter schnitt durch eine entwickelte Knospe, werden zusammengelegt wegen desengen alle Blätter sind wellig ausgebreitet. Raumes, welcherihnen z. Verfügung steht. Die Knospenlage der fächerförmigen Blätter!), welche auch strahlig gefaltet ist, lässt sich aus denselben Gründen erklären. Ein Beispiel dazu stellt Alchemilla vulgaris dar. Die Blätter von Alchemilla sind beinahe kreisrund und durch sieben fast gleiche Nerven durchzogen. Die Nerven entstehen fast momentan und es kommen die Spreiten zwischen ihnen später zur Ausbildung; sie sind gefaltet, ebenso wie die Lamina der Alnus- oder Corylusblätter. Die Randtheile der 1) Ich übergehe hier die eigenthümliche Knospenlage der Palmenblätter, da sie vor Kurzem durch Untersuchungen Deinega's eingehend verfolgt wurden. (Deinega, Beiträge zur Kenntniss der Entwickelungsgeschichte des Blattes und der Anlage der Gefüssbündel. Flora 1898 Bd. 85.) 481 Lamina wachsen, da sie keine starken Nerven haben, gerade aus; da ihnen aber dafür äusserst wenig Raum zur Verfügung steht, krümmen sie sich und werden pa- rallel zur Blattfläche gelagert. Aus der Fig. 20 sieht man die successiven Stadien der Blattbildung von Alche- milla vulgaris. Während bei früher besproche- nen Typen der Knospenlage die Wachsthumsverhältnisse und die Form der Blätter fast die einzigen Factoren waren, welche die Form der Knospen- lage verursachten, tritt bei dem zu- letzt besprochenen die Wirkung und die Bedeutung der Raumverhältnisse klar zu Tage. Bevor ich zur Beschreibung an- derer Typen der Knospenlage über- Fig. 20. Alchemilla vulgaris. Quer- schnitt durch eine Knospe. Die Blatt- ränder sind flach, die übrigen Theile wellig-querfaltig. gehe, will ich eine Zahlenangabe zur Erläuterung der zusammenge- legten Knospenlage beifügen. Tabelle II. Länge des Breite des Definitive! Blattes, | Ver- |Definitive| Blattes, Verhältn.- Name der Pflanze |Länge des! als es das | hältn.-| Breite des als es das | Zahlen. Blattes |Embryow.Zahlen| Blattes |Embryow. beendet beendet Prunus Padus . 20 mm!) 0,52mm!)) 1:40 Ailanth. glandulosa 75mm | 0,700mm| 1:75 | 12 0,26 1:46 Thlblttch. Prunus avium . „| 110 1,2 1:100| 20 0,5 1:40 Vieia pisiformis . 22 0,25 1:1000 9 0,32 1:30 „ V. oraca ... 20 0,16 1:120 4 0,2 1:20 „ Fraxinus excelsior 86 0,28 1:300| 16 0,64 1:25 Rham. Purshiana . 105 0,2 1:500} 28 0,07 1:40 Rh. frangula . . 60 0,2 1:300) 17 0,6 1:28 Rh. imeretina . . | 210 0,8 1:260| 45 1 1:45 Corylus avellana . 90 0,6 1:150| 830 0,5 1:60 Wenn man jetzt die Angaben dieser Tabelle 1) Es wurden die Hälften der Blätter gemessen. mit denjenigen der Tabelle II vergleicht, kann man sehen, dass das embryonale Scheitel- wachsthum ebenso früh aufhört, während das Randwachsthum etwas 462 länger vor sich geht. Es ist auch bemerkenswerth, dass die Verhält- nisszahlen zwischen denselben in ziemlich engen Grenzen schwanken. Es erübrigt jetzt noch, solche Formen der Knospenlage zu schil- dern, welche durch das ungleichmässige Wachsthum auf den beiden Rändern des Blattes verursacht werden. Hier kann man zwei Fälle unterscheiden — zuerst solche Blätter, bei denen das Wachsthum stärker auf der äusseren (unteren) Seite erfolgt. Als Resultat von solchen Wachsthumsverhältnissen ergibt sich die von beiden Seiten eingerollte Knospenlage. Wenn das Wachsthum umgekehrt vor sich geht, tritt die von beiden Seiten zurückgerollte Knospenlage zu Tage. B Fig.21. Viburnum lentage. A Die von beiden Seiten eingerollte Knospenlage wird nur durch die Wachsthumsverhältnisse befördert. B Ein Rand des Blattes, stark vergrössert; die Anordnung der Drüsenhaare zeigt eine ungleichmässige Wachsthumsvertheilung auf den beiden Seiten der Spreite. Viburnum lentago (Fig. 21A) kann als eines der einfachsten Bei- spiele zur Erklärung der von beiden Seiten eingerollten Knospenlage dienen. Bei dieser Pflanze bilden sich, wie bekannt, weder Knospen- schuppen noch Nebenblätter, sondern es stellen die stark behaarten Nerven selbst das Schutzmittel für die Knospe dar. Das embryonale Scheitelwachsthum hört bald auf (s. Tab. IV), das Randwachsthum geht verhältnissmässig lange Zeit vor sich 9 und da es auf der äusseren Seite inten- (9 siver als auf der inneren ausgesprochen ist, rollen sich die Lamina ein. Die Fig. 21B Fig. 22. Viburnum lantane, Zeigt die Entstehungsfolge der Drüsenhaare Querschnitt durcheine Winter- &uf den Spreiten des Blattes dieser Pflanze. knospe, Die Nerven befördern Man sieht deutlich, dass die Gewebediffe- die wellige Knospenlage. renzirung rascher auf der Aussen- als auf der Innenseite erfolgt. Die Einrollung der Blätter bei dieser Pflanze hängt also einzig und allein von der Wachsthumsvertheilung ab. Viburnum lantana hat dieselbe Knospenlage wie V. lentago; 4863 es werden aber bei V, lantana Seitennerven frühzejtig angelegt und scharf ausgeprägt, was auf die Knospenlage nieht ohne Einfluss ist, wie es aus der Fig. 22 zu ersehen ist. Ebensolche Verhältnisse zeigt auch Cornus mas, eine Pflanze, bei der die Knospe von zwei Schuppen geschützt wird u.a. Evonymus verrucosus, Lonicera xylosteum, ver- schiedene Diervillea-Arten können auch als Beispiele solcher Knospen- lage angeführt werden. Ein Schnitt durch die Mitte der Winterknospe von Evonymus verrucosus zeigt eine Reihe der Blätter, welche eine gegenständige Lage haben und von beiden Seiten eingerollt sind (Fig. 234). Wenn man den oberen Theil der Blätter durchschneidet, B C D Fig.:23. Evonymus verrucosus. A Ein Querschnitt durch die Mitte einer Winter- knospe; alle Blätter sind gleichmässig von beiden Seiten eingerollt. B,C,D Drei successive Schnitte durch den oberen Theil einer Knospe; man sieht, dass die Knospenlage mit der Form der Blätter und ihrer Grösse in engem Zusammen- hang steht. so sieht man, dass deren Knospenlage eine andere ist, als diejenige der mittleren Theile derselben, nämlich es sind die Spreiten nicht eingerollt, sondern halb umfassend. Das erklärt sich dadurch, dass die Lamina an diesen Stellen klein bleiben und durch die konische Form der Knospe und durch allseitigen Druck der äusseren Blätter fest an einander liegen müssen. Mit der Zunahme der Grösse der Spreiten und der Ausbildung der Mittelnerven geht die halb umfassende Knospenlage allmählich in die von beiden Seiten eingerollte über (Fig. 23B,C,D). Es scheint, dass solche Differenzen in der Knospen- lage der oberen schmalen und unteren breiten Theile der Spreiten eine allgemeine Erscheinung sind. Bei den bisher geschilderten Pflanzen war die Knospe nur aus Blättern allein gebildet. Einen compleirteren Fall stellen solche Knospen dar, welche neben den Blättern auch Stipulae besitzen. Als Beispiel hiefür kann Rhamnus cathartica gelten. Die ersten Anlagen der Blätter von Rhamnus cathartica sind denjenigen der anderen Rhamnus-Arten 484 ähnlich; dann tritt der Unterschied ein, indem die Lamina von Rh. cathartica nicht regelmässig auf den beiden Seiten wachsen, sondern von beiden Seiten eingerollt sind. Aus der Fig. 24 sieht man, dass die peripherischen Blätter eine etwas andere Knospenlage als die mittleren haben. Aus Obigem ist schon klar, dass die Raumverhält- nisse diese Knospenlage fördern. Die peripherischen Blätter können nur in der Richtung nach links und nach rechts sich ausbreiten, während für die mitt- leren mehr Raum von aussen nach innen zur Verfügung steht. Alle bis jetzt angeführten Beispiele zeigten die von beiden Seiten eingerollte Knospenlage bei den Pflanzen mit decussirter Blatt- Fig. 24. Rhamnus cathartica. Die stellung. Eine solche Knospenlage ist Blätter sind von beiden Seiten ein- auch nicht selten bei spiraliger Blatt- gerollt;dieFormihrerKnospenlage tejlung, wie es bei Pyrus communis, wird durch die Raumverhältnisse Po us hen Sali Er- beeinflusst. Die peripherischen pulus, manchen Dalıx u. 8. w. Zur Br sind flach, während die inneren scheinung tritt. in der Richtung von aussen nach Die von beiden Seiten eingerollte innen ausgebreitet sind. Knospenlage ist sehr verbreitet bei den Wasserpflanzen mit den schwimmenden Blättern, z. B. Nymphaea, Nelumbium, Potamogeton u.s.w. Die jungen Blätter dieser Pflanzen sind in der Blattscheide der älteren verborgen und haben also wäh- rend ihrer Entwickelung einen engen Raum zur Verfügung. Ihre Knospenlage steht mit der definitiven Form und dem definitiven Bau Fig.25. Victoria regia. A Querschnitt durch ein ganz junges Blatt, durch die Mitte desselben geführt. B Querschnitt durch den oberen Theil eines Blattes. C Querschnitt durch ein älteres Blatt; die stark gebildeten Seitennerven bedingen eine etwas andere Knospenlage als diejenige von B. der Blätter in Uebereinstimmung. Ein Beispiel dafür stellen die jüngsten Blätter von Victoria regia dar, welche noch keine kräftigen Nerven ausgebildet haben. In der Mitte geschnitten, zeigen sie einen mächtigen Mittelnerv und allmählich nach innen eingerollte Spreiten 465 (Fig. 25A). Wenn ein Schnitt durch den oberen Blatttheil geführt ist, zeigen sie eine andere Knospenlage, und es sind dann die Spreiten in einander eingerollt, was mit dem schmäleren Blattnerven zusammen- hängt (Fig. 25B). Wenn man jetzt ein älteres Blatt durchschneidet, bei welchem die Seitennerven schon ziemlich entwickelt sind, sieht man schon eine etwas andere Knospenlage. Das Blatt wird mehr in der Richtung von aussen nach innen plattgedrückt (Fig. 25 C). In seiner schon früher erwähnten Arbeit betont Diez die von beiden Seiten eingerolite Knospenlage der Wasserblätter verschiedener Pflanzen. Er ist der Meinung, dass eine solche Knospenlage durch den Mangel einer scharf hervortretenden Nervatur und durch die lederige Consistenz der Blätter verursacht wird. Gewiss bleiben diese Rigen- schaften nicht ohne Einfluss auf die Knospenlage der Schwimmblätter der Wasserpflanzen. Die maassgebenden Ursachen liegen aber in den Wachsthumsvertheilungen in den Blättern. > © Fig. 26. Pterocarya eaucasica. A Querschnitt durch ein Blatt; die Theilblättchen zeigen eine von beiden Seiten eingerollte Knospenlage. 3 Ein Schnitt durch den Blattrand; die Entstehungsfolge der Drüsen zeigt die Wachsthumsvertheilung auf den beiden Seiten der Spreite an. Nicht nur die einfachen Blätter, sondern auch die zusammenge- setzten können eine von beiden Seiten eingerollte Knospenlage haben. Wenn es auch nicht gerade sehr oft der Fall ist, so sind doch solche Beispiele keine seltenen. Pterocarya caucasica, Sambucus-Arten u. a. können als solche Pflanzen bezeichnet werden. Die einzelnen Theil- blättchen verhalten sich wie die auf beiden Seiten eingerollten ein- fachen Blätter. Die Fig. 264 stellt das ganze Blatt von Pterocarya caucasica dar, während auf der Fig. 26B der fortwachsende Rand des Fiederblättchens abgebildet ist. Man sieht aus der Vertheilung der Drüsenhaare, dass das Wachsthum intensiver auf der äusseren als auf der inneren Seite vor sich geht. Am Schlusse dieses Absatzes will ich eine kleine Tabelle anfügen, um die relativen Zahlenangaben zwischen den erwachsenen und me- ristematischen Blättern zu zeigen. 466 Tabelle IV. Länge des Breite des Definitive! Blattes, " Definitive| Blattes, \ Name der Pflanze Länge des| als es das Verhältn.-| Breite des! als es das |’ ’hältn.- Blattes | Embryow. Zahlen | Biattes Embryow. Zahlen beendet beendet Viburnum lentago.. 100 mm 0,5mm| 1:200 25mm 20mm) 1:12,55 V. lantana . .. 82 0,37 1:121 25 1,2 1:28 Cornus ammonum . 145 0,4 1:350 16 1,3 1:13 Rhamn. cathartica . 50 0,4 1:125 10 0,8 1: 12,5 Pyrus communis . 75 1,0 1:75 12 1,0 1:12 Potam. natans . . 110 1,0 1:160 10 0,56 1:18 Sambuc. nigra. . 55 1,4 1:40 14 1,0 1:14 Pterocarya coaue. . 80 0,4 1: 200 15 0,9 1:16 Saururus cernuus. | 132 1,5 1:88 28 2,0 1:14 Die Besprechung dieser Angaben erfolgt etwas später mit der- jenigen der zurückgerollten Knospenlage. Die von beiden Seiten zurückgerollte Knospenlage, die letzte Form, zu der ich jetzt übergehe, scheint nicht so häufig zu sein, als die anderen Typen der Knospenlage. Bemerkenswerth ist die Thatsache, dass fast alle Polygonaceen diese Knospenlage haben. Bei anderen Pflanzen kommt diese Knospenlage bei Rhodoraceen, Compositen öfters vor, seltener bei den Repräsentanten von anderen Familien: Rosaceen, Apocyna- ceen, Rutaceen u. s. w. \ u Fig. 27. Rhodora canadensis. A Querschnitt durch die Winterknospe, die von beiden Seiten” zurückgerollte Knospenlage der Blätter zeigend. B Querschnitt dureh den Blattrand. Die Entstehungsfolge der Drüsen zeigt auf die ungleiche. Wachsthumsvertheilung auf den beiden Seiten der Spreite. Die Beschreibung dieser Knospenlage soll mit der Knospe ge- wisser Rhodoraceen oder einiger anderen Pflanzen, z. B. Beta vulgaris, beginnen, deren Blätter keine Stipulae haben. Ihre Knospenlage wird nur durch Wachsthumsverhältnisse befördert. Bei Rhodora canadensis 467 (Fig. 27 A) bilden die jüngsten Blättchenlagen zuerst sehr starke Mittel- nerven, von denen nach rechts und links Spreiten herauswachsen. Das embryonale Wachsthum geht auf der inneren (oberen) Seite in- tensiver vor sich als auf der äusseren (unteren), was die Zurückrollung verursacht. Die sich bildenden Drüsenhaare erlauben eine leichte Beobachtung der Wachsthumsverhältnisse (Fig. 27B). Ebenso werden die zurückgerollten Blätter bei anderen Rhodoraceen gebildet. Potentilla fruticosa, welche zusammenge- setzte Blätter hat, zeigt dieselbe Knospenlage. KW Die Blätter sind mit Stipulen umgeben, die Theil- blättchen aber stehen zu einander ebenso wie die Blätter der Rhodoraceen. Phellodendron amurense mit zusammenge- setzten Blättern hat dieselbe Knospenlage und die Theilblättchen stehen frei zu einander. End- lich haben wir bei den Polygonaceen (Fig. 28) Fig. 28. Rumex soutatus. den Fall, dass alle Blätter von den tutenförmigen Querschnitt durch eine Ochrea umschlossen sind. Die Raumverhältnisse Knospe; das Blatt ist von werden infolge dessen vermindert und die Blätter einer Tute ‚umschlossen ‚ und weist eine von bei- rollen sich daher zurück, was nur von dem un- „Seiten zurückgerollte gleich vor sich gehenden embryonalen Wachs- Knospenlage auf. thum bedingt ist. Einige Zahlenangaben können zur Illustration der Grösse des embryonalen Wachsthums dienen. Tabelle V. . I |Länge des Breite des Definitive) Blattes, Verhältn.- Definitive, Blattes, Verhältn.- Name der Pilanze |Länge des| als es das Zahl Breite des; als es das Zahlen Blattes |Embryow.| "* en | Blattes |Embryow. beendet beendet Polygonum ouspid. | 105mm 0,5mm) 1:210 41mm 83mm; 1:13 P. amplex . . .| 190 4 1:48 39 3,0 1:13 Phellod, amurense. | 45 0,4 1:112 1 1 1:11 Rhodora canadena. 55 12 0,68 1:18 Rhodod, Cunningh. | 120 1,0 1:120 42 1,4 1:30 Wenn wir jetzt die Angaben der Tabellen IV und V mit den- jenigen der Tabellen II und III vergleichen, werden wir sehen, dass Randwachsthum bei den beiden zuletzt besprochenen Typen viel in- tensiver als bei den ersteren vor sich geht. Wir sehen ferner, dass die Zahlen, welche die Verhältnisse zwischen der Breite der er- 4868 wachsenen und der noch meristematischen Blätter zeigen, fast bei allen Pflanzen constant bleiben oder in sehr engen Grenzen schwanken. Wenn man die eingerollte und die zurückgerollte Knospenlage mit einander vergleicht, kann man sehen, dass sie zwei parallele Reihen bilden. Rhodora und Pyrus, Phellodendron und Pherocarya, Nym- phaeaceen und Polygonaceen sind Repräsentanten solcher Reihe. Es ist klar, dass dieselben Ursachen diese Typen der Knospenlage wie die anderen befördern, und es liegt kein anderer Grund vor zur Er- klärung des Unterschiedes zwischen diesen beiden Reihen, als Ver- theilung des embryonalen Wachsthums in den Blättern. Bevor ich zu allgemeinen Schlüssen übergehe, welche aus diesen Untersuchungen sich ergeben, werde ich kurz die Knospenlage einiger Ausnahmsfälle beschreiben, und zwar diejenige der sog. heterophyllen Pflanzen und einiger blattähnlichen Gebilde. Bei der Besprechung derjenigen Blätter, welche mit Nebenblättern ausgestattet sind, habe ich mich nicht mit der Knospenlage der Sti- pulae beschäftigt. Wenn wir aber diese in Beobachtung ziehen, werden wir sehen, dass in den meisten Fällen die Knospenlage der Stipulae eine andere und fast ausschliesslich rinnenförmige ist. Das hängt ohne Zweifel damit zusammen, dass die Stipulae eine einfachere Form und ein geringes embryonales Wachsthum haben. Nur selten werden die Stipulae stark entwickelt, was z.B. bei einigen Papilionaceen der Fall ist. Bo hat Lathyrus Aphaca keine Blätter, sondern ihre Function wird von den Nebenblättern übernommen. Ausgewachsen sind sie ea. 20mm lang und 15mm breit, aber während ihres embryonalen Wachsthums sind sie bis 0,27mm lang und 0,3mm breit. Die rela- tiven Verhältnisse sind also 1:74 und 1:50 und gleichen denjenigen der wachsenden Blätter. Ihre Knospenlage ist rinnenförmig, wie es in Goebel’s Organographie abgebildet ist (Fig. 77 pag. 109). Ebenso ist auch Pisum sativum mit grossen Nebenblättern versehen, welche eine rinnenförmige Knospenlage und ein ganz geringes embryonales Wachsthum haben. Die Stipulae folgen in allen übrigen Verhältnissen denselben Factoren, welche für die Blätter festgestellt sind, d.h. ihre Knospenlage hängt von ihrem Bau und von den Raumverhältnissen in der Knospe ab. Ein Beispiel mag genügen. Bei Rhamnus Cathartica sind die Stipulae halbmondförmig und bilden in der Mitte viele Drüsen- haare, während die Ränder zwischen den älteren Blättern und Stipulis weiter wachsen und die ihnen zur Verfügung stehenden Räume aus- 469 füllen. Ihre Ränder wachsen an und für sich gerade aus, wenn aber kein Raum dazu vorhanden ist, biegen sie sich bogenförmig um, wie es die Fig. 29 darstellt. Was die Knospenlage der Blätter der heterophyllen Pflanzen betrifft, so ist sie durch dieselben Factoren bedingt, welche die Knospen- lage dergleichen Blätter befördern. Die Knospenlage der heterophylien Blätter macht den Eindruck, als ob die ungleichförmigen Blätter zwei ver- schiedenen Pflanzen angehörten. Einige Beispiele werden das erklären. Potamogeton natans hat, wie bekannt, zweierlei geformte Blätter, die einen sind untergetaucht, bandförmig, ohne Stiel und Spreite, wäh- rend die anderen auf der Wasseroberfläche schwimmen, ovale Spreite und einen langen Stiel haben. Die Knospenlage der Wasserblätter ist höchst einfach und flach, die der Schwimmblätter aber von beiden Seiten eingerollt. Die ersteren haben ein ganz kurzes embryonales Randwachsthum und erreichen im meristematischen Zustande kaum 0,1mm Breite, während dasselbe bei den anderen längere Zeit an- dauert. Die Spreiten sind zur Zeit, wo sie das embryonale Rand- wachsthum beendigen, ca. 0,6 mm breit. a >> Fig.29. Rhamnus cathartica. Das Neben- Fig. 30. Acaciasaligus. Querschnitt durch blatt « ist auf seinem Rand eingebogen, einejunge Knospe. Die Phyliodien, welche da ihm kein Raum zum Wachsthum in senkrecht zur Sprossaxe entstehen, be- gerader Richtung zur Verfügung steht. kommen später durch Mangel an Raum eine schiefe bezw. parallele Lage. Limnophila heterophylla hat fein geschnittene, fast fadenförmige Wasserblätter, während die Luftblätter eine länglich-lanzettliche Form haben. Die Knospenlage der Luftblätter ist rinnenförmig, während die der Theile der Wasserblätter etwas abgeflacht und mit ganz kurzem embryonalem Wachsthum versehen ist. Cabomba caroliniana mag auch als Beispiel der heterophylien Pflanzen angeführt werden. Wie es schon Raciborski') nachge- 1) Raciborski, Die Morphologie der Cabombeen und Nymphaeaceen. Flora 1894, 470 wiesen hatte, besitzt diese Pflanze zweierlei schon auf den frühesten Entwickelungsstadien verschiedene Blätter. Einige von den oben ge- nannten Pflanzen sind insofern von Interesse, als sie zeigen, dass die Knospenlage ausschliesslich von Wachsthumsvertheilung abhängt. So besitzen die Wasser- und Schwimmblätter von Potamogeton je eine Tute, und es stehen ihnen während ihrer Entwickelung dieselben Raumverhältnisse zur Verfügung. Es haben aber die Wasserblätter eine flache, die Schwimmblätter eine von beiden Seiten eingerollte Knospenlage. Die Phyllodien einiger Acacia-Arten können als Beispiel blatt- ähnlicher Gebilde aufgefasst werden. Bei Acacia saligna entstehen die Phyllodien als kleine Wülste, deren Längsaxe senkrecht zu der des Sprosses liegt. Sie zeigen ein ganz kurzes embryonales Wachs- thum und gehen bald in Dauergewebe über. Ihre Knospenlage ist immer flach und steht zu den Raumverhältnissen in denselben Be- ziehungen, wie diejenige der Blätter. Auf der Fig. 30 ist ein Quer- schnitt durch die junge Knospe von Acacia saligna dargestellt. Man sieht, dass die mittleren Phyllodien senkrecht zur Längsaxe des Sprosses stehen, da ihnen ein grosser Raum & in dieser Richtung zur Verfügung ( steht. Die zwei äusseren Phyllodien haben die Richtung verloren, und zwar liegt das äusserste jetzt parallel, während das andere eine schiefe Lage zur Längsaxe des Sprosses gewon- Fig.31. Lathyrusochrus. Querschnitt nen hat. durch eine Endknospe. Die Axe ist Nach Obigem kann kein Zweifel flügelartig ausgebreitet und in der bestehen, dass die Raumverhältnisse Knospenlage eingerollt. der Knospe eine solche Verschiebung verursacht hatten. Es sei hiebei erwähnt, dass die Phyllodien ein sehr kurzes embryonales Scheitel- und Randwachsthum haben. Die Verhältnisse zwischen den ausgewachsenen und den mit meristema- tischem Gewebe versehenen Blättern sind für Acacia saligna 1:520 (Länge) und 1:150 (Breite); für Acaeia melanoxylon sind sie 1:750 und 1:150. Wenn der Spross anstatt rund zu sein flach oder geflügelt wird, zeigt er auch in der Knospe eine etwas andere Lage als gewöhnliche eylindrische Sprosse. Auf der Fig. 31 ist die junge Knospe von La- thyrus ochrus im Querschnitt dargestellt. Wir sehen hier den einge- 471 rollten geflügelten Spross, die Lamina der tiefer auswachsenden Blätter und eine Blüthenknospe. Bei Ruscus sind die Phyllocladien auch in der Knospe flach und zeigen ein sehr frühzeitig erlöschendes em- bryonales Wachsthum. Es hat also die Besprechung der blattähnlichen Organe gezeigt, dass sie in ihrer Knospenlage nicht von der der Blätter abweichen. In Obigem wurden also die Haupttypen der Knospenlage der Laubblätter untersucht und ich gehe nunmehr zu allgemeinen Schlüssen über, welche aus den beschriebenen Beobachtungen zu ziehen sind. Es hat schon Diez aus seinen Untersuchungen den Schluss ge- zogen, dass die Knospenlage der Blätter im Allgemeinen nicht mit den verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den verschiedenen Pflanzengruppen in Zusammenhang steht. Diese Arbeit kann den Schluss von Diez nur bestätigen. Ferner können wir sehen, dass die Knospenlage eine Resultante von verschiedenen Componenten ist, welche in zwei Gruppen getheilt werden können. Es kommt zuerst in Betracht die definitive Form der Blätter und ihr Bau (Vertheilung und Ausbildung der Nerven, Beschaffenheit der Spreiten u. s. w.), die ihrerseits mit der Ver- theilung des embryonalen Wachsthums eines Blattes in nächster Beziehung stehen. Diese Factoren also, die definitive Form und der definitive Bau der Blätter und die Vertheilung des embryo- nalen Wachsthums, können in eine Gruppe gestellt und als innere Ursachen bezeichnet werden. Ihnen reihen sich die anderen Factoren an, welche als äussere Factoren zu bezeichnen sind. Es sind die Raumverhältnisse der Knospe. Während die ersteren in der individuellen Entwickelungsgeschichte einer Knospe immer dieselben bleiben und sich nie verändern, sind die äusseren Factoren inconstant und man kann aus den Beobach- tungen der Naturerscheinungen oder auf dem Wege der Experimente zeigen, dass die Raumverhältnisse der Knospe thatsächlich die bei der Bildung der Knospenlage betheiligten Factoren sind; mit deren Veränderungen verändert sich auch die Knospenlage des Blattes. Wenn die Raumverhältnisse der gesammten Knospe sich ändern, bleiben aber die der einzelnen Blätter unverändert; so ist es selbst- verständlich, dass die Knospenlage der Blätter dieselbe bleibt. Die Knospe von Corylus, Tilia und einiger anderen Bäume können radiär und dorsiventral gebaut sein, wie es durch Untersuchungen und Ex- 472 perimente festgestellt worden ist. Da aber die Folge der Organen- entwickelung auf beiden Typen der Knospe dieselbe bleibt, verändern sich die Raumverhältnisse und die Knospenlage einzelner Blätter nicht. Man darf nun die Fig. 1, 2, 3 der Arbeit von Weisse!) und die Fig. 17 dieser Arbeit nachsehen, um sich zu überzeugen, dass sämmtliche derartige Veränderungen der Raumverhältnisse keinen Einfluss auf die Knospenlage ausüben. Anders wird es, wenn eine locale Störung der Raumverhältnisse einzelner Blätter vorkommt. Dann verändert sich auch ihre Knospen- lage. Diese localen Störungen können entweder durch die Natur selbst oder artificiell veranlasst werden, was in Folgendem an einigen Beispielen gezeigt werden soll, Fig. 33. Evonymus europaeus. Quer- schnitt durch eine Blüthenknospe. Die Ausbildung der Blüthen vermindert die Raumverhältnisse der Knospe, was einen Fig. 32. Evonymus europaeus. Quer- schnitt durch eine Knospe, in welcher vier Blätter sich entwickelt haben. Die Knospenlage der Blätter ist infolge dessen eine andere als diejenige der Laubknospen. Einfluss auf die Knospenlage der Blüthen hat. Das Blatt a zeigt eine verschiedene Knospenlage auf seinen beiden Rändern. Evonymus europaeus oder verrucosus haben eine von beiden Seiten eingerollte Knospenlage (Fig. 33). Diese Lage bleibt unver- ändert und nur die obersten Theile des Blattes haben eine etwas andere Knospenlage, was schon oben besprochen worden ist und was mit der Form der Lamina zusammenhängt. Wenn aber in der Knospe Blüthen zur Ausbildung kommen, verändern sich die Raumverhältnisse der Knospe, und die Knospenlage der Blätter kann infolge dessen nicht eine von beiden Seiten eingerollte sein, da hiefür nicht Raum genug vorhanden ist. Die Fig. 32 zeigt vier Blätter von Evonymus europaeus, welche durch die vier früher ausgebildeten Blüthen so ge- hemmt sind, dass beinahe eine flache Knospenlage zu Stande kommt. 3) Siehe Weisse l. 0. — Auch Syringa vulgaris kann dreireihig beblätterte Sprossebe kommen. Es bleibt dies aber ohne Wirkung auf die Knospenlage der Blätter. 473 Auf der Fig. 33 wird der andere Fall gezeigt; die mittleren Blätter von Evonymus verrucosus zeigen die für sie gewöhnliche eingerollte Knospenlage, während die äusseren beinahe offen sind. Das Blatt «a zeigt ‚eine verschiedene Knospenlage auf beiden Seiten. Auf einer Seite ist es eingerollt, auf der anderen wächst es gerade aus. — Lonicera alpigena zeigt auch die von beiden Seiten eingerollte Knospen- lage. Nun kommen die Blüthen zur Entwiekelung. Die Knospen- lage der äusseren Blätter wird kaum eine rinnenförmige, während diejenige der mittleren eine zusammengelegte wird (Fig. 34). Das Blatt von Caitha palustris hat eine spiralig eingerollte Knospen- lage. Wird in der Knospe eine Blüthe angelegt, so rollt sich das Blatt nicht und bleibt offen.) Werden aber die Blüthen später angelegt, zur Zeit, zu welcher schon die Streckung der Blätter be- ginnt, so können sie natürlich keinen Einfluss auf die Knospenlage haben. —IG Fig. 34. Lonicera alpigena. Querschnitt Fig.35. Rhamnus imeretina. Querschnitt durch eine Blüthenknospe. Die Blätter, durch eine Winterknospe. Das Blatt a welche zwischen den Blättern sich be- hat mehr Raum als die anderen Blätter finden, sind zusammengelegt, statt von und steht infolge dessen nicht parallel, beiden Seiten eingerollt zu werden. sondern beinahe senkrecht zur Längs- axe des Sprosses, Bei der Besprechung der Knospenlage von Rhamnus imeretina habe ich hervorgehoben, dass die Blätter zuerst senkrecht zur Längs- axe des Sprosses sich bilden, aber später durch die ihnen zur Ver- fügung stehenden Raumverhältnisse zur Seite geschoben werden. Die Wirkung der Raumverhältnisse wird durch eine Missbildung bestätigt. Wie es die Fig. 35 zeigt, haben die Nebenblätter einen grossen, bei- nahe kreisrunden Raum gebildet. Infolge dessen ist das Blatt nicht mehr zur Drehung genöthigt und wächst gerade in seiner ursprüng- lichen Richtung zur Längsaxe des Sprosses aus, während die anderen Blätter in derselben Knospe schief oder beinahe parallel zur Längs- axe des Sprosses entwickelt werden. Bei Alnus, Betula und anderen Cupuliferen ist, wie es auch schon besprochen wurde, die Knospen- lage der Blätter nicht durchaus dieselbe. Während die in der Mitte 1) Vgl. @oebel, Organographie pag. 508. Flora 1900. 32 474 der Knospe liegenden Blätter zusammengelegt sind, sind die äussersten beinahe offen. Die zwischen ihnen liegenden sind mehr oder weniger offen. Man konnte schon vermuthen, dass solche Verschiedenheiten nur Folgen der Raumverhältnisse sind. Die weiteren Beobachtungen zeigen das zweifellos. Die mittleren Blätter von Alnus sind in ihren unteren Theilen offen, während sie in den oberen zusammengelegt sind und zwar an solchen Stellen, wo kein Blatt nach innen liegt. Die Winterknospe treibt im Frühjahr aus, und es bilden sich zu dieser Zeit noch neue Blätter. Die letzten von ihnen öffnen sich zur Zeit, zu welcher die Knospe nur ein paar Blätter enthält, die übrigen sind schon durch den in Streckung sich befinden- den Spross weit von einander getrennt. Die zwei Stipulae, welche allein das äussere Blatt decken, sind nicht im Stande, einem starken Drucke des wachsenden Blattes zu widerstehen, sie öffnen sich daher etwas, und das Blatt wird auf der ganzen nosa. Ein frei präc Länge zusammengelegt, was die Fig. 37 A und B parirtes Blatt. Der Zeigen. Auf der Fig. 374 sieht man das Blatt, obere Theil ist zu- Welches annähernd durch die Mitte geschnitten war, sammengelegt, wäh- während die Fig. 357B den unteren Theil des Blattes rend deruntere offen darstellt, bleibt. Fig. 36. Alnus gluti- Es muss hier auch der gefüllten Blüthen ge- dacht werden. Es spielen die Raumverhältnisse bei ihnen eine Rolle für die Knospenlage der umgebildeten Laubgefässe oder Carpelle. In einer Arbeit!) bespricht Goebel verschiedene Fälle der gefüllten Blüthen und gibt eine Reihe von Abbildungen der Blüthenknospen. TON a 9 _ B Fig. 37. Alnus glutinosa. A u. B Zwei Querschnitte durch eine Knospe. Die Blätter bleiben auf ihrer ganzen Länge offen. So zeigen die Fig. 11 und 12 die Querschnitte durch die Blüthenknospen von Lychnis Chalcedonica und Cheiranthus Cheiri. Während die meisten i) Goebel, Beitr. z. Kenntniss gefüllter Blüthen. Jahrb.f. wiss. Bot. XVII, 1886. 475 Blätter eine rinnenförmige oder fache Knospenlage haben, zeigen einige von ihnen eine zusammengelegte Knospenlage, was wohl mit den Raumverhältnissen zusammenhängt. Diese Beobachtungen zeigen in klarer Weise die Wirkung der Raumverhältnisse auf die Knospenlage der Blätter. Einige Versuche, welche angestellt wurden, können das noch bestätigen. Man kann einerseits die Räume der in Entwickelung sich befindenden Knospen verengern, andererseits kann man sie verbreitern und den wachsenden Blättern mehr Raum als sie in der Knospe haben, verschaffen. Die Knospen von Prunus Padus, Evo- nymus verrucosus und Syringa vul- garis wurden in engen Glasröhren eingeschlossen und die Räume zwi- schen den konischen oberen Theilen Fig.38. Prunus Padus. Querschnitt der Knospe und den Röhrenwänden durch zwei Blätter einer Knospe, welche io einer Glasröhre einge- eingegypst. schlossen war. Wie es auch zu erwarten war, erhielten die Blätter eine andere Knospenlage, welche verschieden von der Knospenlage unter normalen Verhältnissen war, obgleich in beiden Fällen die embryonalen Wachsthumsverhältnisse dieselben ge- blieben sind. So zeigte Prunus Padus (Fig. 38) eine etwas wellige Fig. 39. Evonymus verrucosus. Fig. 40. Syringa vulgaris. Querschnitt durch eine Querschnitt durcheineKnospe, eingegypste Knospe. Die Blätter haben eine an- welche in einer Glasröhre dere Knospenlage als in den normalen Fällen bekommen und zeigen die Intercellularräume in eingeschlossen und eingegypst den eckig gebogenen Theilen. wurde. Knospenlage, bei Evonymus dagegen (Fig. 39) wurden die Blätter etwas platt gedrückt, während bei Syringa die Blätter eckig wurden und in den Kanten eine Bildung der Intercellular- und Lufträume zeigten (Fig. 40). Die Magnolienblätter haben je zwei Stipulae, welche zu einer Tute verwachsen sind und nun einen engen Raum für die sich bil- 32* 476 denden Blätter darbieten. Wenn man die jungen Blattanlagen von Mag- nolia acuminata beobachtet, so sieht man, dass sie eine flach zusammen- gelegte Lamina haben. Die Lamina breiten sich anfangs gerade aus und werden nicht gewellt; es dauert aber nicht lange, bis sie stärker als die umgebenden Stipulae wachsen. Dadurch werden die Lamina wellig gefaltet (Fig. 41 AB). ® A Fig. 41. Magnolia acuminata. A Querschnitt durch zwei junge Blätter, welche beinahe glatt-zusammengelegt sind. B Querschnitt durch ein älteres Blatt, welches infolge Raummangels unregelmässig gekrümmt ist. Wenn man aber sehr frühzeitig die Stipulae wegschneidet und die Magnolienblätter unter der Glasglocke eultivirt, sterben sie nicht ab, sondern wachsen weiter, und da ihnen nunmehr kein Hinderniss im Wege steht, so bleiben sie flach zusammengelegt und falten sich nicht ein (Fig. 42). Dieser Versuch stimmt also vollständig mit den oben beschriebenen, spät sich entwickelnden Blättern von Alnus überein. 7 Wenn man die jungen sich bildenden \% Knospen etwas verletzt, halbirt u. s. w., kann man auch die Raumverhältnisse in den Knospen . . . verändern. Bei Syringa vulgaris ist die Knospen- Fig.42.Magnoliaacumi- ],.. der Blätter, wie schon gesagt, eine rinnen- nata. Querschnitt durch ge der er, wıe 86 gesagt, das Blatt, welches ohne förmige, und es sind die Blätter in der Knospe Stipulis gewachsen ist. so ausgebildet, dass die Mittelnerven allmählich SeineKnospenlagebleibt in die Lamina übergehen (Fig. 10). Auf den eine glatt zusammen- halbirten Knospen zeigen die Blätter eine etwas gelegte. andere Knospenlage. Die Fig. 434 B stellt eine Knospe dar, welche in der Längsrichtung ge- schnitten wurde. Die noch in der Bildung sich befindenden Blätter haben eine andere Lage genommen als diejenigen der unbeschädigten Knospe. Ein anderer Fall zeigt, dass der mittlere Theil eines Blattes stark ausgewachsen ist (Fig. 44), Das kommt dadurch zu Stande, 47 dass die nach aussen liegenden Knospenschuppen durchgeschnitten worden sind und infolge dessen das Blatt sich weiter an dieser Stelle entwickeln konnte, Dasselbe zeigen auch andere Pflanzen. Bei Ulmus oder Rhamnus imeretina bekommen die gewöhnlich rinnenförmigen Knospenschuppen eine zusammengelegte oder unregelmässige Knospenlage, wenn die Knospe halbirt wurde, und die Raumverhältnisse gestatten den Knospenschuppen resp. den Blättern, nach der einen Seite mehr als nach der anderen zu wachsen (Fig. 45). Fig 43. Syringa vulgaris. 4 B Eine halbirte Knospe. Die Knospenlage der Schuppen ist eine andere als in normalen Fällen, Ein sehr instructives Beispiel stellen die Blüthen von Papaver dar. Wie bekannt, bilden sich die Kelchblätter bei dieser Pflanze sehr früh, während die Kronenblätter ziemlich spät erscheinen und in der Kuospen- lage wegen Mangel an Raum stark gefaltet werden. Beseitigt man sehr frühzeitig den Kelch und lässt die Krone ohne Kelch sich weiter SS Fig. 44. Syringa vulgaris, Querschnitt Fig.45. Ulmus scabra. Querschnitt durch durch eine verletzte Knospe. Der mitt- eine halbirte Knospe. Die Schuppen sind lere Theil des Blattes a ist sehr stark zusammengelegt, statt rinnenförmig zu werden (vgl. Fig. 43 B). ausgewachsen. entwickeln, so wachsen die Kronenblätter gerade aus, ohne Falten zu bilden (Fig. 464). Wenn man einer des Kelches beraubten Blüthe einen künstlichen Kelch aus Glasröhrchen oder Staniol gibt, werden die Kronenblätter bei ihrer weiteren Entwiekelung auch gefaltet, da ihnen wieder der enge Raum zur Verfügung steht (Fig. 46. B)') 1) Die Fig. 36 und 46 AB sind von Herrn Assistent Dr. Dunzinger ge- zeichnet. Ich erlaube mirihm an dieser Stelle meinen besten Dank auszusprechen. 478 Diese Beispiele der Naturverhältnisse und einige Versuche zeigen ganz klar, dass die Raumverhältnisse eine stark ausgesprochene Rolle in der Knospenlage der Blätter spielen. Aber nicht hierin liegt das Hauptmoment der Knospenlage. Bei allen diesen Versuchen konnte man nur äusserst geringe Ab- weichungen in der Knospenlage durch Veränderung der Raumverhält- nisse constatiren. Niemals war es gelungen, die Vertheilung der embryonalen Wachsthumszonen zu verändern und dadurch eine neue Knospenlage zu schaffen. Beseitigt man sehr frühzeitig die Ochrea bei Polygonaceen oder die Stipulae bei anderen Pflanzen, deren Blätter auf beiden Seiten ungleichmässiges Wachsthum aufweisen, so bleibt ihre Knospenlage immer dieselbe, d. h. die auf beiden Seiten zurückgerollte, da sie mit den Raumverhältnissen nicht in directer Beziehung steht. Fig. 46. A u.B Zwei Blüthen vou Papaver. Die Knospenlage der Kronenblätter ist eine verschiedene. (Näheres siehe Text.) Wenn wir jetzt alles oben Gesagte recapituliren, so können wir sehen, dass die Knospenlage das Resultat von verschiedenen Factoren ist, welche sich in äussere (das sind Raumverhältnisse) und innere (d. i. Vertheilung des embryonalen Wachsthums) theilen lassen. München, Pflanzenphysiologisches Institut, Juli*1900. Beiträge zur Kleistogamie. Von Wilhelm Rössler. (Hierzu Tafel XVI und XVII und eine Textfigur.) Die erste umfassende Arbeit über Kleistogamie verdanken wir H.v.Mohl?), die zweite Ch. Darwin.?) Auch seit dem Erscheinen des letzteren Werkes haben sich die Botaniker mehrfach diesem Gegen- stande zugewandt. Dennoch weist unsere Kenntniss der Kleistogamie noch manche Lücke auf. Die folgende Arbeit bewegt sich in doppelter Richtung. Erstens will sie auf die Anatomie kleistogamer Blüthen näher eingehen und, soweit möglich, chasmogame und kleistogame Blüthen auch in ana- tomischer Beziehung vergleichen. Zweitens sucht sie Aufklärung über die Pollenschläuche. Insbesondere strebt sie zu ermitteln den Verlauf der Schläuche innerhalb der Anthere, die Art ihres Hervorkommens aus der Anthere und ihren Verlauf ausserhalb derselben. In letzterer Beziehung beschäftigen uns die Fragen: 1. ob die Pollenschläuche sich direet der Narbe zuwenden oder in beliebiger Riehtung wachsen ; 2. ob, wenn die Pollenschläuche die Aussenwand des Fruchtknotens entlang wachsen, sie befähigt sind, die Fruchtknotenwand zu durch- bohren, um auf diesem ungewöhnlichen Wege Zugang zu den Samen- anlagen zu finden. Zunächst sollen uns die kleistogamen Blüthen von Juncus bufo- nius L., sodann die von Oxalis Acetosella L. beschäftigen. l. Juncus bufonius L. Litteratur. A. Batalin, Die Selbstbestäubung bei Juncus bufonius L. Bot. Ztg. 1871. P. Ascherson, Ueber die Bestäubung bei Juneus bufonius L. Bot. Ztg. 1871. Fr. Buchenau, Noch einige Beobachtungen über die Bestäubung von Juncus bufonius L. Bot, Ztg. 1871. P. Ascherson, Noch einige Beobachtungen über die Bestäubung bei Juncus bufonius L. Bot. Ztg. 1872. . P. Ascherson, Berichtigungen und Zusätze zu den Beobachtungen über die Be- stäubung von Juncus bufonius L. Bot. Zig. 1872. Fr. Buchenau, Monographia Juneacearum. Bot, Jahrb. A. Engler. 1890. Fr. Buchenau, Ueber die Bestäubungsverhältnisse bei den Juncaceen. Jahrb. f. wiss. Bot. 1892. 1) Einige Beobachtungen über dimorphe Blüthen, Bot. Ztg. 1863. 2) The different forms of flowers on plants ofthe same specles. 1877. Chapter VII. 480 Die grosse Mehrzahl der von mir beobachteten Blüthen erwies sich als geschlossen bis zu dem Stadium, wo die reifende Frucht die Perigonblätter aus einander drängt. Offene Blüthen waren selten. Die baldige Schliessung der offenen erschwert die Entscheidung, ob eine Blüthe von Juncus bufonius L. chasmogam oder kleistogam ist. Nur dann wird man eine geschlossene Blüthe sicher kleistogam nennen können, wenn man aus den Antheren herausgewachsene Pollenschläuche nachweisen kann. Die Epidermis der Anthere besteht aus in der Längsrichtung der Anthere stark gestreckten Zellen (Figg.1 u. 2 Taf.XVI). Nach innen schliessen sich die Epidermiszellen eng an die stark vorge- wölbten, queren Faserzellen an, so dass ihre innere Tangentialwand scharfe, quergerichtete Vorsprünge zwischen je zwei benachbarte Faserzellen treibt (Fig. 2). Rechts und links von der Furche zwischen den Pollensäcken jeder Hälfte wölben sich die gegenüberliegenden Epidermiszellen bauchig gegen einander vor und berühren sich in einer Längslinie, um sich nach der Antherenachse hin wieder von einander zu entfernen, so dass hinter der Doppelreihe der vorge- wölbten Epidermiszellen ein Längskanal verläuft. Die fibröse Schicht fehlt der die Antherenbhälften halbirenden Wand. Diese besteht nur aus zartwandigen Zellen. Auch in ihrer Fortsetzung nach aussen fehlen die Faserzellen, da jederseits von dieser Längs- linie, innerhalb der oben erwähnten Vorwölbung der Epidermis die fibröse Schicht keilförmig endet. Auf dem Querschnitt zeigen jene Grenzzellen der fibrösen Schicht ein hechtschnauzenartiges Ansehen. Die Faserzellen sind fast ausschliesslich in der Querrichtung der An- there gestreckt. Sie sind meist tiefer als hoch und parallel ihrer Längsaxe vierkantig, ihre obere und untere Wand annähernd parallel, ihre Tangentialwände vorgewölbt (Fig. 2 Taf. XVI). Die Faserzellen sind der überwiegenden Mehrzahl nach „quergestreckte Ringzellen“.!) Man findet ausser den Ring- auch Spiralzellen. Auch Gabelung der Ver- diekungsfasern kommt gelegentlich vor. Der Pollen bildet Tetraden, indem die vier Körner wie die Ecken eines Tetraeders gelagert sind (Fig. 5 Taf. XVI). Die drei getrennten Placenten des syncarpen Gynaeceums schliessen, einander genähert, einen langgestreckten axilen Raum ein (Fig. 6 Taf. XV). Drei Längsspalten bilden den Zugang desselben zu den übrigen drei Ovarhöhlen. Oben geht der axile Kanal in den 1) Steinbrinck, Grundzüge der Oeffnungsmechanik von Blüthenstaub- und einigen Sporenbehältern. Gent 1896. 481 dreistrahligen Griffelkanal über. Der Fruchtknoten von Juncus bu- fonius L. ist nach dem Gesagten genau genommen nicht dreifächerig, sondern nur dreikammerig. Für den Verlauf der Pollenschläuche ist diese Thatsache, wie wir sehen werden, von Wichtigkeit. Die Placenten tragen in der mittleren Region je vier Reihen’ von Samenanlagen. Nach oben und unten vermindert sich die Reihenzahl. Die Samenanlagen sind dichlamydeisch, anatrop (Fig. 7 Taf. XVI), auf- steigend. Die einer und derselben Scheidewand zugehörigen Samen- anlagen kehren ihre Raphe der Scheidewand ab, ihre Mikropyle derselben zu. Ein centrales Gefässbündel, welches nach den Samen- anlagen hin Zweige entsendet, durchzieht das Parenchym der Placenta. Einige Zellen des Parenchyms zeichnen sich durch bedeutende Grösse und starke Tinktionsfähigkeit aus (gegen Haematoxylin). Die Ober- tlächenzellen der Placenta, soweit sie nicht der vorspringenden Mittel- kante der Placenta angehören, sind schmal, niedrig, pflasterartig vor- gewölbt, auch durch starke Tinktionsfähigkeit von dem Innengewebe verschieden. Die die vorspringende Mittelkante der Placenta beklei- denden Oberflächenzellen indessen sind langgestreckt. Uebergänge vermitteln beide Formen an ihrer Grenze. Die drei Mittelkanten sind auch im Innern aus solchen langgestreckten Zellen aufgebaut, so dass drei Pfeiler aus solchen Elementen den axilen Raum umschliessen. Diese drei Pfeiler finden wir besonders deutlich bei der reifenden Frucht wieder, den axilen Kanal umgebend. Die langgestreckten, ihn auskleidenden Zellen sind jetzt dickwandig und dienen augenschein- lich zur Versteifung. Nach Dalmer!) sind zur Leitung und Ernährung der Pollen- schläuche auf der Placenta und, wenn die Mikropyle nicht direct der Placenta anliegt, auch auf dem Funiculus schleimbildende papillöse Zellen vorhanden, die plasmareich und in einer homogenen Masse eingebettet sind, indem nämlich insbesondere die Aussenwand dieser Zellen stark verdickt ist. Dieses secernirende Epithel, welches sich z.B. bei Mahonia, wo es Dalmer entdeckte, Verbascum Thapsus u. a. in charakteristischer Weise zeigt, habe ich auf der Placenta von Jun- eus bufonius nicht gefunden. Eine Verdiekung der äusseren Wand, sowie eine Abhebung der Cuticula, wie sie dieses Gewebe kennzeich- net, konnte ich nicht nachweisen. . Das Ovar trägt einen fleischfarbigen Griffel mit drei ebenso ge- färbten Narben, die lange, spitze, glashelle Papillen tragen. Der Jenaische 1) Ueber die Leitung der Pollenschläuche bei den Angiospermen. Zeitschr. f. Naturwiss, Bd. XIV, 1880. 482 Griffel ist dreikantig und wird an den Kanten von drei sich bis in die Narben erstreckenden Fibrovasalsträngen, den Fortsetzungen der Stränge der Ovarkanten, durchzogen. Die verwachsenen Carpiden- ränder bilden auch hier einen Vorsprung und lassen so einen drei- strahligen Griffelkanal, der die unmittelbare Fortsetzung des oben er- wähnten centralen Ovarraumes darstellt. Die drei den Ovarkanten entsprechenden Narben sind spiralig, wie Buchenau treffend sagt, widderhornartig gekrümmt, unterseits convex, oben concav mit einer mittleren Rinne, die beiderseits von den kürzeren und längeren Papillen eingefasst wird. Die am Rande seitlich abstehenden Papillen sind die längsten. Jede Narbenrinne setzt sich in die entsprechende Furche des Griffelkanals fort, der auch seinerseits in seinem obersten Theile papillös ist. Die Pollenschläuche. Bei Lupenvergrösserung bietet sich nach vorsichtiger Oeffnung einer hinreichend entwickelten kleistogamen Blüthe von Juncus bu- fonius folgendes Bild. Die Antheren sind den Narben mit ihren jetzt sehr langen Papillen eng angeschmiegt. Ein dichtes, spinnengewebe- artiges Gewirr von Pollenschläuchen ist aus ihnen hervorgewachsen und verbindet sie mit einander und mit den Narben. Was aber be- sonders auffällt, ist, dass eine grosse Anzahl Schläuche tief nach unten am ÖOvar hinunterwächst. Die freien Enden der nach unten kriechenden Schläuche erscheinen manchmal angeschwollen. Deutlicher noch wurde die Vertheilung der Pollenschläuche, ins- besondere ihr Hinabkriechen am Ovar auf folgende Weise sichtbar. Blüthen, die in absolutem Alkohol gelegen, wurden in Wasser über- tragen. Das Perigon wurde vorsichtig entfernt, die Blüthe ganz kurze Zeit der Einwirkung concentrirter Hämatoxylinlösung ausgesetzt und letztere durch Wasser abgespült. Nun hoben sich bei schwacher Ver- grösserung die Schläuche, allein gefärbt, scharf von der Umgebung ab. Durch das lange Liegen in Alkohol gehärtet, war ihre Lage intact. Die Fig. 3 Taf. XVI stellt eine so behandelte Blüthe im Wassertropfen photographirt und gezeichnet dar und ist so ein Document für das Abwärtswachsen der Schläuche am Ovar entlang. Was sollen nun die Pollenschläuche dort unten fern von den Narben? Wie erfüllen sie ihren Zweck, wie erreichen sie die Eizelle? Es drängt sich die Vermuthung auf, dass sie etwa durch die Fruchtknotenwand zu den Samenanlagen gelangen. A priori ist die Möglichkeit eines solchen Verhaltens nicht von der Hand zu weisen. 483 Dringen doch auch z. B. die Keimschläuche von Peronospora durch die Epidermis ins Innere der Wirthspflanze. Eingehende mikroskopische Untersuchung lehrte indess, dass diese Vermuthung keineswegs zutrifft. Alle zu den Samenanlagen gelangen- den Pollenschläuche nehmen ihren Weg von Narbe und Griffel her. Es verfehlen eben diese seitlich vom Ovar abwärts wachsenden Pollen- schläuche ihren Zweck. Statt hinzustreben nach den Narbenpapillen, entfernen sie sich von ihnen. Verfolgen wir nun aber die Pollenschläuche von ihrem Ursprunge an, Man kann alle vier Körner einer Tetrade Schläuche treiben sehen. Die aus den einzelnen Pollenkörnern der Tetrade herausgewachsenen Pollenschläuche verlassen die Anthere nicht auf dem kürzesten Wege, sondern verlaufen mannichfaltig, darmartig, innerhalb der Anthere, ehe sie dieselbe verlassen (Fig. 5 Taf. XVI). Der Ort des Durchtritts der Schläuche durch die Antherenwand wurde theils durch Lupen- beobachtung, theils an Mikrotomschnitten unter dem Mikroskop fest- gestellt. Im ersteren Falle wurden, wie oben angegeben, die Schläuche mit Hämatoxylinlösung gefärbt, nach Isolirung der Anthere die Enden der wirren Schläuche unter dem Simplex abgeschnitten, und nun zeigte sich deutlich, dass jene nie auf der morphologischen Ober- und Unter- seite, sondern stets in den zwei seitlichen Furchen zwischen den Pollensäcken jeder Hälfte hervorkommen. Mikrotomschnitte stellten diese T'hatsache ausser Zweifel. Man erinnere sich, dass an dieser Stelle keine Faserzellen vorhanden sind. Dieser Umstand gibt viel- leicht mit eine Erklärung für die darmartigen Windungen der Schläuche innerhalb der Anthere. Sie vermögen wohl den Panzer der Faser- zellen nicht zu durchbrechen und kriechen umher, ehe sie aus der seitlichen Furche entweichen können. Dort ist die Region des ge- ringsten Widerstandes. . Wie gelangen nun die Schläuche ins Freie? Oeffnen sich die Antheren und gestatten so den Schläuchen den Durchtritt — gehen also die Schläuche durch vorher vorhandene Oeffnungen, oder bahnen sich jene selber einen Weg? Dass die zweite Möglichkeit gegeben ist, zeigt das unten geschilderte Verhalten der Schläuche von Oxalis Ace- tosella. Bei Juncus bufonius ist es mir noch nicht gelungen, diese Frage zu entscheiden. . Die aus den Antheren gekommenen Pollenschläuche gehen bei Weitem nicht alle zu den Narben. Wie schon oben erwähnt, schlagen viele den Weg abwärts ein. Aber nicht bloss nach unten , sondern auch nach oben begeben sich die Pollenschläuche, indem sie, gleich- 484 falls unter Entfernung von den Narben, im Verein mit nach oben gerichteten Narbenpapillen, zu einer schopfartigen Spitze des Ge- schlechtsapparates auswachsen. Auch seitwärts nach den Nachbar- antheren gehen die Pollenschläuche, indem sie dieselben aussen be- decken. Sucht man daher die Antheren von dem Geschlechtsapparat zu lösen, so zeigen sich nicht nur die Narben durch die Schläuche fest mit ihnen verbunden, so dass sie unter Loslösung vom Griffel an den An- theren haften bleiben, sondern die Antheren sind auch mit einander fest verbunden. Die Fig.4 Taf. XVI stellt zwei zusammenhaftende Antheren der in Fig. 3 Taf. XVI dargestellten Blüthe mit den aus ihnen hervor- gekommenen Schläuchen dar. Narbenstümpfe haften den Antheren, durch Schläuche befestigt, oben an. Das gegenseitige Anhaften von Antheren und Narben ist besonders auch nach vollzogener Befruch- tung deutlich. Als vertroeknete Kappe sitzen dann Antheren und Narben dem Gipfel des angeschwollenen Ovars auf. Wir sehen also ein Hinwachsen der Pollenschläuche nach oben, unten und nach der Seite. Von einem ausschliesslichen Hinstreben nach den Narbenpapillen kann hier nicht die Rede sein. Es steht dies Verhalten der Pollenschläuche bei den kleistogamen Blüthen von Juncus bufonius, nach allen Seiten, auch von der Narbe hinweg zu wachsen (siehe dasselbe unten bei Oxalis Acetosella), im Einklang mit den Versuchen, die auf Pfeffer’s Veranlassung von Grabendörffer 1886 mit Pollenschläuchen nicht kleistogamer Blütben angestellt wurden.!) Er beobachtete nämlich, dass die Pollenschläuche von der Narbe, die mit einem kürzeren oder längeren Griffelstücke abgeschnitten worden war, in einem dampfgesättigten Raum frei in die Luft hinauswachsen. Ferner wurden nach Bestäubung der Narbe in gewöhnlicher Luft die Pollenkörner ankeimen gelassen, nun der Griffel unterhalb der Narbe durchgeschnitten und der abgetrennte Theil in einen völlig dampfgesättigten Raum gebracht. Die Pollen- schläuche wuchsen dann aus der Schnittfläche ohne merkliche Ab- lenkung in die feuchte Luft hinaus und wurden erheblich lang. Bei den sogleich mit der Aussaat in einen dampfgesättigten Raum gebrachten Objecten dringen entweder keine oder doch nur einige Pollenschläuche in den Griffel ein. Pfeffer zieht daraus den Schluss, dass die Narbe keinen einigermaassen ablenkenden Reiz auf die Pollenschläuche ausübt. Auch bei unseren kleistogamen Blüthen ist nicht unwahrscheinlich, 1) W. Pfeffer, Ueber chemotaktische Bewegungen etc. Anhang. Unter- suchungen aus dem bot. Institut zu Tübingen. 18861888. 83. 656-657. 485 dass der Innenraum dampfreich ist und so die Schläuche allerseits auswachsen können. Viele Schläuche gelangen nun auch zu den langen Narbenpapillen, Dies geschieht um so sicherer, als die drei röthlichen Narben sich eng dem oberen Ende der dem Griffel zugeneigten Antheren angelegt haben. Während die nach unten wachsenden Pollenschläuche der Basis der Anthere entspringen, nehmen die zu den Narben gelangenden aus der oberen Antherenpartie ihren Ursprung. Sie kriechen auf den langen Papillen in mannigfacher Weise hin, gerade oder gekrümmt, ja sie spiralig umwindend, oder auch quer über sie hinweggehend. So ge- langen die Pollenschläuche in die Narbenrinne, wo man sie, annähernd parallel neben einander kriechend, zahlreich antreffen kann. Die Schläuche durchziehen nun den dreistrahligen Griffelkanal. Aus jenem kommend, treten sie in reicher Zahl unmittelbar in die centrale Ovarhöhle ein, um diese schliesslich durch eine der drei Spalten zu verlassen. Die Fülle der in das Ovar gedrungenen Pollenschläuche kann man auf folgende Weise zeigen. Man schneidet unter dem Simplex nach Isolirung des hinreichend entwickelten Gynaeceums (Spiritus- material, absoluter Alkohol) den Griffel in seinem unteren Theile ein und kann nun, indem man ihn vom Ovar abzieht, mit Leichtigkeit die Schläuche mit herausziehen (Fig. 8 Taf. XVI). Ein Theil der Schläuche biegt sich alsbald nach ihrem Eintritt in das Ovar nach aussen zu ihren Samenanlagen. Der grösste Theil aber setzt seinen Weg weiter in der centralen Ovarhöhle fort (Fig. 6 Taf. XVI). Einige wachsen bis tief nach dem untersten Ende der centralen Ovarhöhle, ehe sie zu den Samenanlagen gelangen. Zum Theil gehen sie frei durch den Raum, zum Theil liegen sie den Wänden an. In eine der drei peripherischen Ovarhöhlen gelangt, gehen nun die Pollenschläuche in der Regel auf den Placenten entlang, entfernen sich aber nicht selten von denselben und sind dann frei im Raume anzutreffen. Schliesslich dringen sie in die Mikropyle ein(Fig.7 Taf.XVI, wo der Pollenschlauch nicht auf dem Funiculus, sondern direct von der Placenta aus zur Mikropyle hineinwächst). Blicken wir zurück auf das Verhalten der Pollenschläuche von Juncus bufonius L.: . 1. Alle Körner einer Tetrade können Schläuche treiben. 2. Die Pollenschläuche gehen nicht auf dem kürzesten Wege nach aussen, sondern winden sich in der Anthere mannigfach, ehe sie dieselbe verlassen. 486 3. Sie kommen stets aus den seitlichen Furchen zwischen den benachbarten Pollensäcken hervor. 4. Nach dem Verlassen der Anthere erstreben nicht alle Pollen- schläuche die Narbe; viele verfehlen ihren Zweck, indem sie andere Richtungen einschlagen. 5. Die ins Ovar gelangten Pollenschläuche wachsen zumeist in dem centralen, von den Placenten umgebenen Raum abwärts, ehe sie in eine der drei peripherischen Ovarhöhlen und in eine Mikropyle eindringen. 6. Ein Durchdringen der Ovarwand von aussen nach innen sei- tens der Pollenschläuche findet nicht statt. Il. Oxalis Acetosella L. Die kleistogamen Blüthen dieser Pflanze entdeckte und beschrieb Michalet.!) Betreffs der Antheren sagt er: „Die Antheren der kleinen Stamina erscheinen unfruchtbar oder schlagen gänzlich fehl.?) Die fünf fruchtbaren Stamina sind gegen die Narben geneigt und ge- wissermaassen mit ihnen durch kleine, sehr dünne Fasern verbunden. . Diese Fasern haben nichts Analoges mit den Wimpern, die die An- theren gewisser Serofulariaceen verbinden, sie dürften vielmehr denen gleichen, welche nıan um die Pistille der Rosen bemerkt. Sie spielen gewiss eine Rolle bei der Befruchtung, aber die Natur ihrer Function ist mir noch dunkel. Ebenso wie bei den Veilchen habe ich vergeb- lich gesucht, die Beförderung des Pollens von den Antheren auf die Narben zu beobachten. Dieser Pollen ist gleichfalls ein wenig zer- fliessend. Die ihn enthaltenden Fächer haben mir verschlossen und intact geschienen, nachdem die Befruchtung schon bewirkt und durch die Vergrösserung der Kapsel bekundet war... .“ Es ist von Interesse, dass Michalet die die Antheren mit den Narben verbindenden Fäden wohl beobachtet, aber sie nicht als Pollen- schläuche erkennt. In seiner grundlegenden Arbeit hat dann H. von Mohl?) die kleistogamen Blüthen von Oxalis Acetosella genauer beschrieben. Wir wollen nur einige Sätze seiner Arbeit eitiren: „Die Pollenkörner fallen aus den Antheren niemals aus, sondern treiben ihre Röhren, so lange sie in denselben eingeschlossen sind. Die letzteren dringen 1) Sur la floraison des Viola de la section Nomimium, de l’Oxalis Acetosella et du Linaria spuria. Bull. de la soc. bot. de France. VII. 1860, pag. 465. 2) Ich fand sie oft fruchtbar und nie fehlgeschlagen. . 3) Einige Beobachtungen über dimorphe Blüthen. Bot. Ztg. 1863 Nr. 42 u. 43, 487 zu beiden Seiten der Antheren und aus dem oberen Ende derselben in einem unregelmässigen Gewirre hervor, kriechen zwischen den Antheren und Griffeln umher und grösstentheils an den letzteren in die Höhe, um so zu den kleinen Narben zu gelangen. Durch die Röhren werden die Antheren unter einander und mit den Narben zusammengeheftet. ,. .“ Darwin!) hat ebenfalls die kleistogamen Blüthen von Oxalis Acetosella untersucht. „In einem Falle sah ich, wie die Schläuche, welche in äusserst feine Spitzen endigten, sich von den unteren An- theren aufwärts zu den Narben hinstreekten, welche sie noch nicht erreicht hatten.“ Ganz allgemein sagt er dann über kleistogame Blüthen in den „Coneluding remarks“ des VIII. Kapitels: „Es ist jedoch ein wunderbarer Anblick, wenn man sieht, wie die Schläuche sich in gerader Linie nach der Narbe richten, wenn diese in einer kleinen Entfernung von den Antheren sind.“ Er weist auch auf eine interessante Beobachtung Baillon’s bei Helianthemum hin, die ich nach dem Original?) eitire: „In vielen Blüthen (von Helianthemum) bleibt eine sehr grosse Menge Pollen an der Oberfläche der Antheren- fächer, welche weit entfaltet sind. Jedes dieser Körner, welche bei- nahe noch den Platz einnehmen, wo sie sich entwickelt haben, ent- sendet dann einen langen Schlauch nach der Narbe. Aber dieser Schlauch rückt horizontal in der Luft gegen den Mittelpunkt der Narbe vor, biegt sich dort angekommen und neigt seinen Gipfel abwärts bis zu den Papillen. Dann findet man diese und die offenen Antheren durch ein sehr reiches Netz kleiner weisser Fäden verbun- den, welche nichts anderes als Pollenschläuche sind.“ Es scheint demnach zwischen von Mohl und Darwin betreffs des Verlaufes der Pollenschläuche ein Gegensatz zu bestehen. Wäh- rend Darwin von Schläuchen spricht, welche sich in gerader Linie zur Narbe richten, sagt von Mohl, dass die Pollenschläuche zwischen den Antheren und Griffeln umher und grösstentheils an den letzteren in die Höhe kriechen, um so zu den Narben zu gelangen. In gleicher Weise sagt er über Specularia, dass sich die Pollenschläuche „in un- regelmässigem Verlaufe“ verbreiten, sprieht auch bei Viola canina von dem geschlängelten Verlaufe der Pollenschläuche, welche „über den oberen Theil des Ovariums und den Rücken und die Seitenfläche 1) The different forms of flowers on plants of the same species. 1877. Chapter VII. u 2) Sur Il’&mission des tubes polliniques des Heliantkemum. Adansonia, Tome II. 1861-62. 488 des Griffels sich hinziehen“. In allen eitirten Fällen ist von gerade zum Stigma hinzielenden Pollenschläuchen nicht die Rede. Wohl wird bei Oxalis das Stigma als Ziel der meisten Schläuche genannt, aber ihr Verlauf wird nicht als gerade, sondern als unregelmässig, als ein Hinkriechen geschildert. Im Folgenden soll der Verlauf der Pollenschläuche verfolgt werden. Vorher geht eine vergleichende Untersuchung. der chasmogamen und kleistogamen Blüthen. Der Kelch der chasmogamen Blüthe zeigt quincunciale Aesti- vation. Die eiförmigen Kelchblätter sind grün, mitunter rothbraun gefleckt bis fast ganz rothbraun, mit farblosem Saum, oben ausge- randet. Sie sind bewimpert, doch finden sich auch auf der Oberfläche zerstreute Haare, gern in der Nähe des Mittelnerven. Die Wimpern sind nicht immer unmittelbar am Rande, sondern zuweilen daneben auf der Fläche inserirt. Gewöhnlich zeigen die Haare gleich über der Insertion eine scharfe Wendung meist nach oben. Die Gestalt der Haare ist verschieden. Viele sind lang und schmal, bandförmig flach, ihre Membran dick, mit vielen wärzchenartig hervorragenden Verdiekungen (Fig. 9 Taf. XVII). Andere hingegen, welche zwischen jenen vertheilt, aber sparsamer vorhanden sind, sind keulenförmig, ohne Hervorragungen der Membran. Während der zweite dieser Haupttypen im Wesentlichen immer das gleiche Bild darbietet, ändert der erste mannigfach ab. Verschiedenartige Biegungen, z. B. sichel- förmige, sowie Torsion der Haare kommen vor. Auch wechselt die Gestalt. Zuweilen sind sie gedrungener. Manche sind allmählich, andere plötzlich zugespitzt, andere gerundet. Einige sind sogar keulenförmig verbreitert und nähern sich dem zweiten Typus, unter- scheiden sich davon aber ausser durch die Flachheit durch die Wärzchen- skulptur der Membran. Die Kelchblätter der kleistogamen Blüthe sind von denen der chasmogamen ausser durch ihre Kleinheit in Betreff der Wimpern verschieden. Die keulenförmigen Haare (Fig. 10 Taf. XVII) überwiegen hier, die bandförmigen Würzchenhaare erscheinen dagegen sparsamer; insbesondere an der Spitze sind sie anzutreffen. Die fünfblättrige Blumenkrone der chasmogamen Blüthe ist rechts gedreht. Die Blumenblätter sind weiss, violett geadert, mit gel- bem Saftmal am Grunde. Ihre kurzen Nägel sind zuerst nach aussen gerichtet, dann wenden sie sich, allmählich verbreitert, nach oben. Der unterste Theil des Nagels ist etwas abgeschnürt. Rechts und links oberwärta vom Nagel springt am Rande des hier concaven 489 Petalums eine wulstige Verdiekung vor. Je zwei benachbarte, ver- schiedenen Blumenblättern angehörige Vorsprünge haften an einander. In einer Querregion in der Höhe der Wülste sind viele Zellen der morphologischen Oberseite zu kurzen, an der Spitze gerundeten Zapfen oder kugeligen, einem kurzen Halse aufsitzenden Köpfchen ausgewachsen, Zahlreiche Stomata finden sich in der morphologisch oberen Epi- dermis, im basalen Theil des Blumenblattes, wenige in der unteren. Die zahlreichen, das Petalum durchziehenden Aderstämme sind ver- zweigt und anastomosiren spitzenwärts mit einander. (Fig. 11 Taf. XVII) Was die Nectarsecretion anbelangt, so habe ich besondere, äusserlich sichtbare Honigdrüsen an der Staubfädenbasis nicht ge- funden.!) Die Knötchen, die an der Basis der epipetalen Staubgefässe nach Entfernung der Petala zu sehen sind, sind die Stümpfe der Petala-Nägel. Die Petala-Basen secerniren indessen, denn ich fand in zahlreichen Blüthen in der Achsel der abstehenden Nägel einen Tropfen, der sich mit Fehling’scher Lösung als Glycose enthaltend erwies. Die Uebertragung des Tropfens geschah nach Entfernung der Kelchblätter prompt durch eine Glascapillare. Die Zellen der oberen wie der unteren Epidermis sind vorge- wölbt und längsgestreckt, abgesehen von der Basis des Petalums wellig und gerippt. Die Wellung im Verein mit der Rippung gibt den Epidermiszellen ein ziekzackförmiges Aussehen. Die Rippen setzen sich auch auf die Innenwände fort, so dass die Zellen leiter- förmig erscheinen.’) Die Epidermiszellen der Basis sind geradwandig. Eine Ausnahmestellung nehmen auch die Epidermiszellen der oben erwähnten Wülste ein, die isodiametrisch, vorgewölbt sind und zu- weilen in eine jener Papillen enden. Dass über den Mestomsträngen die Rippung und Wellung fehlt?), kann ich hier nicht immer bestä- tigen. Lücken zwischen den Epidermiszellen fehlen. Das Mesophyli des weitaus grössten Theils des Petalums ist ein mehrere Zellen mächtiges Schwammparenchym aus meist längsge- streckten Zellen, die durch zahlreiche stumpf kegelige Ausläufer derart in Verbindung stehen, dass sich die zwei Nachbarzellen an- gehörenden Ausläufer an einander ansetzen und so weite Intercellu- 1) Man vergleiche Eichler, Blüthendiagramme. 1875 und Reiche beiEng- ler, Die natürlichen Pflanzenfamilien. 1897. (Oxalidaceae.) j 2) Man vergleiche L, Müller, Grundzüge einer vergleichenden Anatomie der Blumenblätter, Nova Aota Car. Leop. Bd. 59, Tafel XVI, Fig. 58. 8) L. Müller, l.c. Flora 1900. 38 490 laren zwischen sich lassen. Gegen die Basis des Petalums hin liegt innerhalb der unteren Epidermis eine Schicht weiter, gleichartiger Zellen, die sich eng aneinander anschliessen. Auch innerhalb der oberen Epidermis liegen dort eine bis mehrere Schichten ähnlicher, weiter, wenn auch minder regelmässig gelagerter Zellen, während das die Mitte des Mesophylis bildende Schwammparenchym von ge- ringer Mächtigkeit ist. Das innere Gewebe der basalen Wülste ist ein dichteres Parenchym. Betrachten wir nun die Blumenkrone der kleistogamen Blüthe. Die kuppelartig geschlossene, ebenfalls rechts gedrehte Blumenkrone löst sich bald von der Insertion und wird immer mehr emporgehoben, bis sie schliesslich als zusammenhängende Kuppel von dem schwellen- den Ovar abfällt. Rechts und links von dem kurzen Nagel jedes gewölbten Petalums ist wie bei den chasmogamen Blüthen ein fleischi- ger, rundlicher Vorsprung, der mit dem benachbarten Vorsprung zu- sammenhaftet. Die Petala sind weiss und entbehren der violetten Aderung und des Saftmals durchaus. Die Aderung ist einfacher als bei den chasmogamen Blüthen, die Verzweigung spärlich, Anastomosen fehlen. (Fig. 12 Taf. XVII) Die Papillen, die wir bei den chasmogamen Blüthen auf der morphologischen Oberseite der Petala stets reichlich antrafen, fehlen hier oder sind äusserst sparsam vorhanden. Zwar schliessen sich im apiealen Theil des Petalums auch hier obere wie untere Epidermiszellen wellig an einander, aber diese welligen Zellen sind relativ kurz. Sie herrschen auch nicht vor wie bei den chasmogamen Blüthen. Während ferner dort die Rippung der Epidermiszellen sehr ausgebildet ist, ist sie hier kaum vorhanden. Die Ober- und Unterseite zeigen sehr wenig Spaltöffnungen. Blicken wir zurück, so stellt sich das Petalum als eine in mancher Hinsicht rudimentäre, der kleistogamen Blüthennatur angepasste Form des chasmogamen Petalums dar. Behufs kuppelartiger Schliessung der Blumenkrone ist das Petalum gewölbt. Da die Anlockung der Insekten nicht nöthig ist, ist es klein. Die violetten Adern, die gelben Flecke, die als Saftmale dienten, sind geschwunden. Hand in Hand damit geht eine weitere Reduction. Die Papillen der Oberseite sind geschwunden. Dass die ausgebildete Wellung der Epidermiszellen sich auf den oberen Theil beschränkt und die Rippung kaum aus- gebildet ist, hängt wohl damit zusammen, dass die Verdunstung und damit die Gefahr des Collapses gering ist, indem der grösste, basale 491 Theil der Petala vom Kelche umschlossen ist und sie ausserdem, um einander gedreht, sich gegenseitig schützen. So sind jene Ver- steifungseinrichtungen zum Schutze gegen Collaps !) nicht oder doch nur für den oberen Theil des Petalums nöthig. Dass die Aderung einfacher ist und die Anastomosen fehlen, dass ferner die Zahl der Spaltöffnungen beträchtlich vermindert ist, alle diese Thatsachen dürften gleichfalls als Anpassungen an die gehemmteVerdunstung aufzufassen sein. Die Staubgefässe der chasmogamen Blüthe. Die nur an der äussersten Spitze des Filamentes befestigten Antheren der grossen und kleinen Stamina sind in der Knospe intrors und auch zuerst aufrecht. Schon vor dem Aufspringen indessen sind sie durch Drehung um den Insertionspunkt nach aussen umgekippt, die der grossen Stamina stärker als die der kleinen, so dass jetzt ihre Spitze der Blüthenbasis zugekehrt ist. Später erscheinen sie durchaus extrors. Alle Antheren sind an Gipfel und Basis stark eingekerbt. Die Epidermiszellen der Anthere sind vorgewölbt, streifig cuti- eularisirt, parenchymatisch. Auf der morphologischen Unterseite aller Antheren liegen Spaltöffnungen im Connectiv. Die episepalen haben 9—14, die epipetalen 6-10. Die Schicht der Faserzellen zeigt bis auf die schmalen Suturen ein lückenloses, dichtes, gleichartiges Maschen- werk von Fasern. Die Faserzellen der Pollensäcke sind quergestreckt, niedrig und überall gleich hoch, vorwiegend mit isolirten U-förmigen Verdickungsfasern, Spiralbänder und Ringfasern kommen vor. Die Faserzellen des Üonnectivs nehmen eine Ausnahmestellung ein; sie sind, von der Fläche gesehen, annähernd isodiametrisch, ihre Fasern breiter als die der Pollensäcke, auch oft verzweigt und verbunden und erstrecken sich auch stets auf die äussere Tangentialwand der Zellen. Die kugeligen Pollenkörner sind an der Oberfläche eigenthümlich körnelig und haben meist drei meridional verlaufende unregelmässige Furchen, die sich bei Behandlung der Körner mit Jod und Schwefel- säure als Spalten der Exine erweisen. In den Pollensäcken chasmogamer und kleistogamer Antheren finden sich ausser den Pollenkörnern zahlreiche gerundete, ein- bis vielporige Platten verschiedener Grösse und Gestalt, die sich wie die Exine der Pollenkörner mit Jod und Schwefelsäure gelbbraun färben. 1) Vgl. Hiller, Untersuchungen über die Epidermis der Blumenblätter. Jahrb, f. wiss. Botanik. 1884. gg 492 Die Staubgefässe der kleistogamen Blüthe. Alle Antheren sind intrors; eine Kippung wie oben angegeben findet nicht statt. Die episepalen sind oben, aber viel schwächer als bei den chasmogamen Blüthen, eingekerbt oder auch mit warziger Spitze versehen. Das Connectiv der kleinen epipetalen Stamina läuft oft in eine warzige Spitze aus, ist aber jedenfalls nicht eingekerbt. Die epipetalen Antheren fehlten nie, wohl aber waren sie nicht selten rudimentär ausgebildet, das Filament dann keulig in die Anthere übergehend; der Faserzellen und Pollenkörner entbehrten sie dann ganz oder nur in einer Antherenhälfte oder in den inneren Pollen- säcken. Ich fand auch, dass in der einen Antherenhälfte einige Pollenkörner, aber keine Faserzellen waren. Auch in den episepalen Antheren fehlte zuweilen in einem der inneren Pollensäcke oder in beiden der Pollen. Betreffs der Anatomie der Antheren kleistogamer Blüthen wollen wir uns zunächst den episepalen Antheren zuwenden, Die Epidermiszellen sind vorgewölbt, streifig cutieularisirt, paren- chymatisch, nur die der Fugen in der Längsrichtung derselben ge- streckt. Auch hier liegen im Connectiv wie bei den chasmogamen Blüthen stets einige, aber weniger Spaltöffnungen. Die episepalen Antheren haben 4—9, die epipetalen 2—5. Ist so dieAntherenepidermis der der chasmogamen Blüthen im all- gemeinen entsprechend, so zeigt die Faserschicht der kleistogamen Antheren erhebliche Unterschiede von der der chasmogamen, Fanden wir dort ein lückenloses Maschenwerk von Fasern, so ist hier die Faserschicht mehr oder weniger lückenhaft. Manchen Antheren fehlen die Faserzellen ganz. In anderen ist das Maschennetz der Fasern nur an einigen kleinen Stellen durch Lücken unterbrochen. Zwischen diesen Grenzfällen gibt es nun die verschiedensten Stufen der Reduction. Am wenigsten verkümmert zeigt sich die Faserschicht der morphologischen Unterseite. Wie bei den chasmogamen Blüthen hat das Connectiv jene charakteristischen, annähernd isodiametrischen oder schwach gestreckten Faserzellen mit breiteren, oft verbundenen und verzweigten Fasern. Doch fehlen hier manchmal die Faserzellen in einer Längszone vollkommen oder bilden nur eine schmale Quer- brücke zwischen den seitlichen Faserzellen. Die Faserschicht der Pollensäcke ist insbesondere auf der morphologischen Oberseite lücken- haft. Manchmal entbehrt ein grosser, ja der grösste Theil der mor- phologisch oberen Fläche der Faserzellen. Die Vertheilung der Faser- zellen ist in diesen Fällen sehr verschieden. 498 Der Kleinheit der kleistogamen Antheren entsprechend, sollte man erwarten, dass die Faserzellen niedriger seien als die der chas- mogamen; doch sind sie im Gegentheil höher. Ich fand z, B. die Höhe bei chasmogamen 7—9y, bei kleistogamen 11—14j. Diese Höhendifferenz bedingt eine geringe Dichtigkeit des Maschennetzes. Was ferner die Richtung der Faserzellen anbelangt, so ist wohl eine Tendenz zur Querstreckung, insbesondere auf der morphologischen Unterseite vorhanden, aber die Regelmässigkeit, die bei den chas- mogamen Antheren die Faserschicht auszeichnet, fehlt hier. Die Fasern der einzelnen Zellen sind nicht wie dort von gleicher Länge, sondern nehmen nach den Enden der Faserzellen hin ab. Die Faser- zellen sind nämlich nicht gleich hoch, sondern verjüngen sich nach den Enden. Oft sind die Faserzellen von verschiedenster Richtung. So ist also die Faserschicht im Gegensatz zu der der chasmo- gamen Blüthe lückenhaft, unregelmässig und die Fasern steilen ein weniger dichtes Maschennetz dar. Ueber die kümmerliche Ausbildung der epipetalen Antheren wurde bereits oben gesprochen. Die Seulptur der kleistogamen Pollenkörner ist nicht so grob wie die der chasmogamen. Ist diese geringere Rauhigkeit eine An- passung an den Umstand, dass der Pollen nicht zum Haften an der Narbe bestimmt ist? Was die Zahl der Pollenkörner anlangt, so wurden gefunden in episepalen Antheren 26, 36, 40, 41, 50, 54, 116, 120, 124, 129, 130, 137, 138, 148, 156; in epipetalen 0, 4, 7, 8, 12, 15, 16, 20, 21, 22, 24, 25, 27, 28,30. Meine Zahlen stimmen nicht immer mit denen von Mohl’s überein, der für das Fach bei den Antheren der grossen Stamina etwa zwei Dutzend, für die kleinen Antheren im ganzen höchstens ein Dutzend angibt. Die kleistogamen Pollenkörner sind erheblich kleiner als die chasmogamen. Ihre Grösse wurde gefunden in den episepalen Antheren 20—34y, n» „ epipetalen n 22—28 1. Die Zählung und Messung wurde meist an Antheren, die noch nicht Pollenschläuche entsendet hatten, in der Weise vorgenommen, dass die isolirten Antheren in einem Wassertropfen durch schwachen Druck eines aufgelegten Objectträgers geöffnet wurden. Dann quellen die unversehrten Pollenkörner leicht hervor und können bequem gezählt und gemessen werden. Springen die Antheren der kleistogamen Blüthen beim Trocknen auf? Diese Frage ist zu verneinen. Nach ein-, zwei- oder drei- 494 tägigem Liegen an der Luft waren freigelegte Antheren, die gerade im lebhaften Schlauchaustrieb begriffen waren, noch geschlossen. Dieser merkwürdige Unterschied im Verhalten der kleistogamen und chasmogamen Antheren ist wohl durch die oben geschilderte Be- schaffenheit der Faserschicht bedingt. Das Gynäceum der chasmogamen Blüthe. Es besteht aus fünf Carpiden, die einen fünffächerigen Frucht- knoten bilden und in einer Mittelsäule verbunden erscheinen.!) Seit- lich hingegen sind die fünf Carpiden von einander getrennt. Sie be- rühren sich lediglich, lassen auch oft deutliche Lücken zwischen sich. In diesem Sinne ist es für unsere Species zu verstehen, wenn K. Reiche?) von den Oxalidaceen sagt: „Fruchtblätter in den Ovar- theilen meist völlig verwachsen“. Den Grad der Vereinigung der Carpiden und die Beschaffenheit der Mittelsäule in den verschiedenen Regionen des Gynäceums zeigt eine Reihe auf einander folgender Querschnitte. Ein etwa in der mittleren Ovarregion geführter Schnitt (Fig.a pag.495) zeigt die solide Mittelsäule. Ein durch den oberen Theil des Ovars oberhalb der Samenanlagen geführter Schnitt indessen (Fig. b) zeigt statt des festen centralen Gewebes der Mittelsäule eine fünf- strahlige Höhlung, die mit den fünf peripherischen Höhlen communi- eirt und mit Papillen ausgefüllt ist. Ueber dieser Höhlung bilden die vereinigten Carpiden wieder ein zusammenhängendes centrales Gewebe (Fig. ec), das aber eine ganz kurze Strecke darüber auf- hört, indem die Carpiden in die fünf langen, fädigen, oben papillösen Griffel übergehen, die im Innern von einem Griffelkanal durchzogen sind. Letzterer ist der Länge nach durch eine Fuge nach der Axe des Gynäceums hin geöffnet. Die Mittelschicht der äusseren Ovar- wände besteht aus relativ grossen, schräg aufwärts nach aussen ge- streckten Zellen, die sehr regelmässig palissadenartig gelagert sind, 1) Payer hat bei Oxalis violacea die Betheiligung der Achse an der Bildung der Mittelsäule entwicklungsgeschichtlich nachgewiesen (Trait6 d’organogsnie. 1857, Taf. 11), Goebel bei Oxalis strieta (Schenk’s Handbuch 1884). Hofmeister hin- gegen gibt an, dass bei Oxalideen ein zwischen den Carpiden des syncarpen Fruchtknotens bis zum Scheitel der Blüthenachse herabsteigender axiler Kanal zu erkennen ist. In 3mm langen Knospen der Oxalis lasiandra Zuce. z. B. reiche er bis zum Niveau des unteren Endes der Fruchtknotenhöhlen ‚und communieire mit diesen oberwärts durch lange, späterhin obliterirende Spalten. (Flora 1864 Nr. 26.) Vergl. auch Eichler, Blüthendiagramme. 1878, pag. 304. Einen axilen Kanal fand ich trotz zahlreicher Mikrotom-Längs- und Quersehnitte nicht. 2) Engler, Die natürlichen Pflanzenfamilien. 1897. (Oxalidaceae). 495 was besonders auf Querschnitten hervortritt. Nach den Seiten des Faches hin schwindet die Einschichtigkeit und Regelmässigkeit der Mittellage. Die fünf Ovarkanten wachsen später stark, so dass sie äusserlich scharf vorspringen. Jeder Vorsprung besteht aus zwei getrennten Lamellen, aus deren innerer Epidermis spitze Haare in den sie trennen- den Zwischenraum treten. In jedem Ovarfache sitzen zwei anatrope Samenanlagen mit nach oben gewendeter Mikropyle. In der basalen Region der langen fädigen Griffel entspringen seinen Oberflächenzellen lange, bandförmig platte, zugespitzte, ein- zellige Haare, welche über ihrer Insertion eine scharfe Biegung auf- Drei Querschnitte durch das Ovar einer chasmogamen Blüthe von Oxalis Acetosella L. a) In der Ovarmitte; die solide Mittelsäule ist durchschnitten. b) Weiter oben; in der Mitte ein Hohlraum mit Papillen. c) Noch weiter oben; in der Mitte wieder zusammenhängendes Gewebe. Vergr. 37. wärts machen. Die Membran dieser Haare, die an jene Kelchhaare erinnern, hat punktförmige Verdickungen. Was die lang schlauchförmigen Papillen der Ovarhöhlen an- belangt, so erfüllen solche die fünfstrahlige Höhle über der Mittel- säule, indem sie dem Gipfel derselben und der diesen umgebenden Epidermis der Carpelle entspringen und kleiden den Innenwinkel der Ovarfächer abwärts bis hin zur Insertion der oberen Samenanlagen aus. Auch über der Insertion der unteren Samenanlagen sind sie zu finden, während sie unter dieser fehlen. Ebenso fehlen sie den Griffeln von der Verschmelzung der Carpiden aufwärts an. Die Narbe zeigt wieder lange, schlauchförmige Papillen. Das Gynäceum der kleistogamen Blüthe. Der anatomische Bauplan ist der gleiche wie bei der chasmogamen Blüthe, Auch hier ist eine deutliche Mittelsäule, darüber ein fünf- 496 strahliger Hohlraum, der mit Papillen erfüllt ist, — kein axiler, bis zum Scheitel der Blüthenachse reichender Kanal zwischen den Carpiden. Auch die Verwachsung der Carpiden oberhalb des fünfstrahligen Hohlraumes findet sich wie in der chasmogamen Blüthe. Desgleichen sind in jedem Fache in der Regel zwei (zuweilen eine), nie mehr Samenanlagen. Die Vertheilung der schlauchförmigen Papillen im Ovar ist ebenso wie dort. Das Ovar geht indessen in fünf kurze Griffel über, im ausge- sprochenen Gegensatze zu den langfädigen Griffeln der chasmogamen Blüthe. Auch entbehren diese kurzen Griffel der kleistogamen Blüthe der oben erwähnten Haare. Sind ferner die Narbenpapillen der chasmogamen Blüthe lang schlauchförmig, so sind sie hier ganz kurz. Die Pollenschläuche der kleistogamen Blüthe von Oxalis Acetosella. Die Fig. 15 Taf. XVII stellt eine kleistogame Blüthe nach Entfer- nung der Blüthenhülle mit ausgewachsenen Schläuchen dar. Die oberen fünf Antheren treiben ihre Pollenschläuche früher als die unteren. Der Verlauf der Pollenschläuche innerhalb der Antheren konnte nicht wie oben bei Juncus bufonius verfolgt werden. Doch gelang es, ihren Austritt aus der Anthere wie dort nach Färbung der Schläuche mit Hämatoxylinlösung deutlich zu verfolgen. H. von Mohl findet, dass die Pollenschläuche durch die Suturen der Anthere hinauswachsen. In der That geschieht dies oft, aber nicht immer. Ich fand die morphologische Unterseite der isolirten episepalen Antheren mit Schläuchen spinngewebeartig überzogen. Man konnte nun meinen, dass diese Schläuche nicht der Unterseite der Anthere entstammen, sondern, von den benachbarten Antheren stammend, über jene nur hinkriechen. Suchte ich sie aber mit der Präparirnadel unter dem Simplex zu entfernen, so hafteten sie fest der morphologischen Unter- seite an. Dass die Schläuche aus anderen Punkten als aus den Suturen entspringen können, kann man aber noch besser an den Antheren der kleinen, epipetalen Stamina erkennen. Ist doch bei ihnen das Bild der Schläuche wegen der geringen Zahl der Pollenkörner und Schläuche viel weniger verworren als bei den episepalen Antheren. Figg. 13 und 14 Taf. XVII stellen solche epipetale Anthere bezw. von der morphologischen Ober- und Unterseite dar. In Fig. 13 Taf. XVII sehen wir rechts unten zwei Schläuche der Anthere entspringen, die eine etwa aus der Sutur, die andere rechts davon, nicht aus derselben. Dass die Schläuche wirklich dort hervorbrachen, wurde dadurch 497 constatirt, dass bei nachheriger mannigfacher Verrückung mit der Nadel sie sich als nur dort festsitzend erwiesen. Die Fig. 14 Taf. XVII zeigt auf der Unterseite derselben Anthere zwei hervorgewachsene Schläuche. Ihre oberen Endpunkte wurden wie oben als Ursprungs- stellen sicher festgestellt. In zahlreichen Fällen wurde auch unter Anwendung von Immersion bei Antheren, die nur eine beschränkte Zahl von Schläuchen getrieben hatten, nach Aufhellung mit Chloralhydrat deutlich der Verlauf einzelner Schläuche verfolgt. Man sah deutlich, wie die Pollenschläuche sich eine ihrem Querschnitte etwa entsprechende Öeffnung bereitet hatten. Gute Dienste that dabei nach der Aufhellung die Färbung der Schläuche mit Hämatoxylinlösung vom Deckglasrande her. Endlich wurde auch an Mikrotomschnitten die Thatsache der localisirten Durehdringung festgestellt. Verfolgen wir nun die Schläuche nach ihrem Austritt aus der Anthere. Die Antheren der längeren Stamina sind den Narben eng angeschmiegt und durch Schläuche mit ihnen und unter einander ver- bunden. Spinngewebeartig umziehen die Pollenschläuche die Ge- schlechtsorgane. Sucht man die Antheren mittels der Präparirnadel zu trennen, so reissen die die Antheren verbindenden und auch die bereits ins Gynäceum eingedrungenen Schläuche, so dass man aus den Narben die Schlauchfragmente hervorragen sieht. Dass die episepalen Antheren durch Pollenschläuche mit den Narben verbunden sind, ist zu verstehen. Wie ist aber die Ver- bindung der Antheren unter einander zu deuten? Gingen die Schläuche aus den Antheren direkt zu den benachbarten Narben, so wäre ja eine solche seitliche Verknüpfung der Antheren nicht denkbar. Die Schläuche gehen also nicht, wenigstens nicht alle, direct zur Narbe. Sie umkriechen und umschlingen die benachbarten Antheren und be- wirken so die enge seitliche Verknüpfung derselben. Auch nach aussen, nach den Petala hin, ferner nach der Petala- kuppel gehen Schläuche. Mikrotomlängsschnitte zeigten, dass sie zuweilen sogar in die Zwischenräume der gedrehten Petala hinein verlaufen. Desgleichen gehen sie nach unten, z. B, nach dem Filament derselben Anthere und nach dem Ovar. So wird der obere Theil des Ovars und der Filamente in die Umspinnung hineingezogen. Der Verlauf der den epipetalen Antheren entspringenden Schläuche ist klarer und weniger verworren, da sie minder zahlreich sind. Hier müssen sie durch die Luft gehen, denn die Antheren stehen vom Ovar ab. Zuweilen, wie dies Darwin beobachtete, haben sie die 498 gerade Richtung nach den Narben. Indessen ist dies nicht immer der Fall. Die Schläuche gehen vielmehr von den Antheren ebenso oft nach der Seite und nach unten hin, nach dem Ovar und den benach- barten Filamenten. Die Aussenwand des Fruchtknotens wird auch bei Oxalis von den Schläuchen nie durchbohrt, “ Fassen wir unsere Beobachtungen über die Pollenschläuche von Oxalis Acetosella!) zusammen: 1. Die episepalen Antheren treiben ihre Schläuche früher als die epipetalen. 2. Nicht immer kommen die Schläuche aus den Suturen, sondern auch aus der Oberfläche der Pollensäcke hervor. 3. Sie entspringen auch der morphologischen Unterseite. 4. Sie bahnen sich selber eine etwa ihrem Querschnitt ent- sprechende Oeffnung durch die Antherenwand. 5. Die ausgetretenen Schläuche gehen nicht immer zur Narbe, sondern auch nach aussen, nach oben über die Narben hinaus, nach unten, nach der Seite, 6. Ein Durchdringen der Ovarwand seitens der Schläuche findet nicht statt, Mittelformen. Darwin hat bereits Mittelformen zwischen kleistogamen und chasmogamen Blüthen von Oxalis Acetosella beschrieben.) „In einer dieser Blüthen“, sagt er, „hatten die Pollenschläuche der unteren Antheren die Narben erreicht, obgleich die Blüthe offen war.“ Auch ich fand Anfang Mai, als die Blüthezeit der chasmogamen Blüthen zu Ende ging und noch keine kleistogamen aufgetreten waren, kleine?) Blüten, die weder kleistogam noch auch typisch chasmogam waren. Die violetten Adern und die orangefarbenen Saftmale waren ausge- blasst. Die geschlossenen Antheren, besonders die epipetalen, hatten Pollenschläuche ausgesandt; ein spinngewebeartiges Gewirre von Pollenschläuchen verband die epipetalen Antheren unter einander; auch nach den Petala hin und nach dem Ovar hin zogen sich die Schläuche. Sparsamer kamen solche aus den episepalen Antheren hervor. Aber auch geöffnete Antheren fanden sich, von denen aus Pollenschläuche gingen. 1) Vergleiche die Zusammenfassung über Juncus bufonius L. (pag. 485 u. 486). 2) The different forms of lowers on plants of the same species. London 1877. 3) Grösse 7—9 mm. Fig. Fig. Fig. Fig, 499 Herrn Professor Dr. Kny, in dessen Institut ich die obige Arbeit vollendete, und dessen Rath mir zu Theil wurde, erlaube ich mir, meinen herzlichen Dank auszusprechen. Auch Herrn Privatdocent Dr. Kolkwitz bin ich für manche Belehrung zu Dank verpflichtet. 14, 15, Erklärung der Figuren. Juncus bufonius L. Fig. 1-8. Antherenepidermis, von der Fläche gesehen. Darunter die quergestreck- ten Faserzellen. Vergr. 400, Längsschnitt der Antherenwand. Vergr. 500. Kleistogame Blüthe nach Entfernung des Perigons. Schläuche durch Hämatoxylin gefärbt. Vergr. 20. Zwei Antheren derselben Blüthe abgetrennt, unter einander und mit Narbentheilen durch Schläuche zusammenhängend. Vergr. 30. Längsschnitt einer Anthere mit Pollentetraden und Schläuchen. a) Epi- dermis, b) Faserschicht, c) Pollentetrade, d) Griffel, e) Ovar. Vergr. 170. Querschnitt der Placenten. In dem von diesen umschlossenen centraien Ovarraum zahlreiche Pollenschläuche, fast alle quergeschnitten. Vergr. 400. Samenanlage mit in die Mikropyle eindringendem Schlauche; ein zweiter Schlauch strebt von der Placenta her ebenfalls der Mikropyle zu. Vergr. ca. 1000. Griffel mit Narben und zwei durch Schläuche daran haftenden Antheren- stümpfen, vom Ovar getrennt, wobei das Büschel der Pollenschläuche aus dem Ovar mit heraus gezogen wurde. Vergr. 30. Oxalis Acetosella L. Fig. 9—15. Kelchhaar einer chasmogamen Blüthe. Vergr. 170. Kelchrand einer kleistogamen Blüthe mit drei keulenförmigen Haaren Vergr. 500. Aderverlauf im oberen Theil des Blumenblatts einer chasmogamen Blüthe. Vergr. 12. Aderverlauf im Blumenblatt einer kleistogamen Blüthe. Vergr. 20. Epipetale Anthere einer kleistogamen Blüthe (morphologische Oberseite) mit zwei ausgetretenen Schläuchen. Vergr. 30. Dieselbe (morphologische Unterseite), ebenfalls mit zwei Pollenschläuchen. Vergr. 30. Kleistogame Blüthe, nach schläuchen. Vergr. Entfernung der Blüthenhülle, mit Pollen- Die Figuren wurden von Frl. Magen in Berlin nach meinen Zeichnungen, bezw. Photographien, die Figuren 3, 4, 8, 15 indessen zum Theil nach der Natur angefertigt, Litteratur. Wiesner Jul., Die Rohstoffe des Pflanzenreiches. Versuch einer tech- nischen Robstofflehre des Pflanzenreiches. Leipzig, Wilhelm Engel- mann. 2. Aufl. 1900. Liefrg. 1—3. Wie auf so vielen anderen Gebieten der angewandten und reinen Natur- wissenschaften war das Ende des XVIII. Jahrhunderts auch auf dem der Rohstoff- lehre schöpferisch. Ja, man kann die wissenschaftliche Rohstofflehre direct von dem Erscheinen der 1793 in Göttingen herausgegebenen „Vorbereitung zur Waaren- kunde oder zur Kenntniss der vornehmsten ausländischen Waaren“ von J. Beck- mann und von Böhmer’s 1794 erschienener „Technische Geschichte der Pflanzen* datiren. Beckmann’s interessantes Werk, das ganz in Vergessenheit gerathen war und ebenso wie das Böhmer’s erst durch Wiesner wieder ans Licht ge- zogen wurde, enthält bereits die Grundzüge einer wissenschaftlichen Waarenkunde. Es fand wenig Nachfolger und die junge Wissenschaft blieb bis weit über die Mitte des XIX, Jahrhunderts in den Anfängen stecken. Zu neuem Leben erweckt hat sie eigentlich erst Wiesner. Die 1867 erschienene „Technische Mikroskopie“, der 1869 die „Technisch verwendeten Gummi und Harze“, 1870 die „Beiträge zur Kennt- niss der indischen Faserpflanzen“ und 1872 die „Mikroskopischen Untersuchungen“ folgten, waren Vorarbeiten zu dem gross angelegten, 1873 herausgegebenen Werke „Die Rohstoffe des Pflanzenreiches*, welches die in grobe Empirie versunkene Rohstofflehre auf neue, auf wissenschaftliche Grundlagen stellte. Seit 1873 ist aber gar manches Neue hinzugekommen und es erschien daher wünschenswerth, eine Neubearbeitung in Angriff zu nehmen. Wiesner beschäftigt sich ja jetzt vornehmlich mit anderen, nicht minder interessanten Dingen, hat aber daneben doch nicht ganz waarenkundliche Fragen aus dem Auge verloren. Ich verweise nur auf seine mikroskopischen Untersuchungen der Papiere von El-Faijüm, seine Studien über angebliche Bambusbastpapiere, seine Untersuchung der Agramer Mumienbinden u. 3. m. Trotzdem hatten wir von ihm eine Neubearbeitung der „Rohstoffe“ kaum noch erwartet. Es ist dankbar zu begrüssen, dass der Vielbe- schäftigte sich auch hierzu Zeit genommen. Er hat allerdings diesmal eine ganze Schaar von Mitarbeitern herangezogen; besonders Chemiker, Pharmakognosten und Botaniker finden wir darunter. Von den auf dem Titel Genannten haben sich an der Bearbeitung der Abschnitte Gummi, Harz, Kautschukgruppe, Opium, Aloe, Indigo, Catechugruppe, Pflanzenfette, die wir in den bis jetzt erschienenen drei Lieferungen (Bogen 1—30) behandelt finden, betheiligt: Prof. Zeisel, der die Chemie der Gummiarten, Prof. Max Bamberger, der die Chemie der Harze, Prof. Mikosch, der die Kautschukgruppe (incl. Guttapercha), die Catechugruppe und die Pflanzenfette Prof, von Vogl, der das Opium und die Aloe, Prof. Molisch, der den Indigo bearbeitete. Immerhin bleibt auch noch für Wiesner selbst ziemlich viel übrig, so die sehr interessante Einleitung (8. 1—48) und bei den Gummi und Harzen der morphologische Theil (die Abschnitte: Physikalische und naturhistorische Charakteristik), den er ja bekanntlich selbst durch eigene Unter- suchungen mannigfach bereichert hat, wie z, B. durch Studien über die Oberflächen- beschaffenheit und die mikroskopische Beschaffenheit der Harze, über das Gummi- 501 ferment, über die Provenienz einiger Harze u. a. m., welcher Theil deshalb hier in durchaus origineller Bearbeitung vorliegt. Beide Abschnitte, sowohl der che- mische wie der naturhistorische sind z.B. bei den Abschnitten Gummi und Harz mustergiltig bearbeitet. Besondere Sorgfalt ist auf kritische Verarbeitung der Litteratur bis in die neueste Zeit hinein verwendet. Man wird kaum eine wich- tige Arbeit vergeblich suchen. Und, was besonders werthvoll ist, die Citate sind genau. Das Gleiche gilt übrigens auch von den übrigen Abschnitten. Schwierig ist die Abgrenzung des Gegenstandes. Besonders wird eine Roh- stofflehre, wenn sie vollständig sein will, vielfach in das Gebiet der nächstbenach- barten Wissenschaft, der Pharmakognosie, hinübergreifen müssen. Und dies ge- sehieht denn auch bei Wiesner’s Rohstoffen. Das Opium, die Asa foetida, der Peru-, Tolu- und Copaivabalsam sind doch eigentlich nur Heilmittel, also Drogen, das Opium kann man bedingt wohl auch noch zu den Genussmitteln rechnen, aber zu den technischen Rohstoffen gehören sie doch wohl kaum. Wenn sie hier trotzdem abgehandelt werden, so dürfte dies vielleieht Manchen beiremden. Allein man denkt ja heutzutage weniger engherzig über diesen Punkt wie früher, wo die scharfe Abgrenzung der „Fächer“ eine so grosse Rolle spielte, Ich, für mein Theil, habe nichts gegen eine Erweiterung der Rohstofflehre einzuwenden, wie ich auch für die Pharmakognosie, ehedem die Mutter, jetzt die Schwester der Rohstoffkunde, das Recht in Anspruch nehme, gelegentlich in die technische Waarenkunde überzugreifen, wenn es im Einzelfalle angezeigt erscheint. — Durch das Zusammenwirken zahlreicher Sachverständiger unter einheitlicher Leitung und nach einheitlichem Plane ist in vorliegendem Werke ein ausserordent- lich werthvolles Hilfsmittel zum Studium der Rohstoffe geschaffen worden. Nur gelten wird man die gesuchte Belehrung über diesen oder jenen Punkt der tech- nischen Waarenkunde in dem Buche nicht finden. Was bisher auf dem Gebiete sicher gestellt wurde, ist übersichtlich zusammengestellt und kritisch geordnet, das Wesentliche von dem Unwesentlichen geschieden und so eine breite Basis geschaffen, auf der weiter gebaut werden kann, Freilich zeigt auch gerade Wiesner’s werthvolles Werk wieder, wie unendlich viel noch zu bearbeiten ist. Die ganze grosse Klasse der Elemis, der Copale und Dammar sind z. B., um nur eines herauszugreifen, in chemischer und botanischer Beziehung noch fast eine terra incognita. Denn das chemische Studium dieser Körper ist erst an einigen wenigen Punkten in Angriff genommen und such über die Stammpflanze herrscht noch vielfache Unsicherheit. Indem Wiesner und seine Mitarbeiter das bisher Ermittelte klar geordnet zusammenstellten, haben sie das weitere Studium wirksam vorbereitet. Und auch das halte ich für ein grosses Verdienst. Tschirch. Dr. Alfred Fischer, Fixirung, Färbung und Bau des Protoplasmas. Jena, Verlag von Gustav Fischer. Preis 11 Mk. Die wichtigsten mikrotechnischen Manipulationen, mit denen die neuere Zellen- forschung Aufschlüsse über den feineren Bau der Zellinhaltskörper zu erlangen sucht, sind Fixirung und Färbung. Die Methoden, welche dabei zur Anwendung gelangen, sind grösstentheils empirisch, durch Ausprobiren gefunden worden, ohne dass es in jedem Einzelfalle versucht worden wäre, die Wirkungsweise der zur Fixirung und Färbung verwendeten Reagentien exakt zu prüfen. Es kann deshalb nicht Wunder nehmen, wenn der Verdacht ausgesprochen wird, dass in vielen Fällen Strukturen, welche durch Fixirung und Färbung im mikroskopischen Bilde 502 sichtbar gemacht waren, überhaupt nicht als eine Eigenart des lebenden Zell- inhaltes angesehen werden dürfen, sondern Artefacte sind, die eben erst durch die Einwirkung der Reagentien in dom absterbenden Zellkörper hervorgerufen wurden. Auf eine solche Möglichkeit ist zu verschiedenen Zeiten und von ver- schiedenen Seiten schon früher hingewiesen worden, Fischer selbst hat in meh- reren Publikationen seit Jahren diesen Gegenstand berührt. In dem vorliegenden Werke nun legt derselbe das Resultat mehrjähriger sorgfältiger Arbeit über die gebräuchlichen Fixirungs- und Tinktionsmethoden den Histologen vor. Er prüft an verschielenen Proteinstoffen die Fällungskraft der bekannten Fixirungsflüssig- keiten, er studirt die Fällungsform der Biweisskörper, er verfolgt die Einzelheiten des Fürbevorganges und den Einfluss, den Fixirungsmittel und Beizen auf diesen Vorgang besitzen, wobei er zu dem Resultat gelangt, dass die Färbung ein rein physikalischer Process sei. Auf der so geschaffenen Grundlage discutirt dann Fischer im dritten Theil seines Werkes die Theorien, welche über den feineren Bau des Plasmas aufgestellt worden sind. Da es ihm gelang, in Eiweisslösungen, welche in leere Hollunder- markzellen eingefüllt worden waren, durch Fixirung und Färbung strahlige Struk- turen sichtbar zu machen, welche mit den Strahlungen in karyokinetischen Figuren eine gewisse Aehnlichkeit besitzen, so weist er darauf hin, dass auch die letzteren Kunstprodukte sein können. Die von einem unfärbbaren Hof umgebenen Centro- somen können nach seiner Ansicht irgendwelche geformte Zellinhaltskörper, etwa die aus dem Kern ausgestossenen Nucleolen sein, an welchen infolge der Behand- lung eine Spiegelfärbung eingetreten ist. Die Strukturbilder, welche als Stütze für einen monomorphen Bau des Plasmas, z.B. für Bütschli’s Wabentheorie ete. herangezogen worden sind, erklärt er aus Fällungsformen der Proteine zu Gunsten der Polymorphie des Protoplasmas. Diese wenigen Angaben aus dem reichen Inhalt des Werkes werden zeigen, wie tief einschneidend Fischer’s Arbeit die moderne Auffassung vom Bau des lebenden Zellinhaltes berührt. Jedenfalls bedürfen die Grundlagen der Zellen- lehre, soweit sie mit Hilfe der Fixirungs- und Färbungsmethoden gewonnen worden sind, einer eingehenden Revision, bei welcher auf die Beobachtungsthatsachen, welche von Fischer angeführt worden sind, gebührende Rücksicht genommen werden muss. Die Anregung zu einer solchen Revision gegeben zu haben, welche in der einen oder anderen Weise zur Sicherung des Bestandes unseres Wissens von der Zelle führen muss, bleibt auf jeden Fall eine verdienstliche That, auch dann, wenn sich zeigen sollte, dass Fischer in seinem Skepticismus gegen andere Beobachter viel zu weit gegangen ist, Zu viel Kritik schadet der Wissenschaft sicherlich weniger als das Gegentheil, K.Giesenhagen. Eingegangene Litteratur. Atsushi Yasuda, Studien über die Anpassungsfähigkeit einiger Infusorien an eoncentrirte Lösungen. Abdr. a. d. Journ. Coll. Sc. Imp. Univ. Tokyo, Vol. XIII, 1. Tokyo 1900. 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