FLORA ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. 883. BAND. — JAHRGANG 1901. HERAUSGEBER: Dr. K. GOBBEL Professor der Botanik in München, Mit XVII Tafeln und 228 Textfiguren. Mo.Bot.Garden, ‚501. MARBURG. N. & ELWERT'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG. 1901. Inhaltsverzeichniss, I. Abhandlungen. BAUR, Dr. E,, Die Anlage und Entwickelung einiger Flechtenapothecien . BILLINGS, Frederick H., Beiträge zur Kenntniss der Samenentwickelung . CLAUSSEN, Peter, Ueber die Durchlässigkeit der Tracheidenwände für atmosphärische Luft. ERNST, Alfred, Ueber Pseudo- Hermaphroditismus und andere Missbildungen der Oogonien bei Nitella syncarpa (Thuill,) Kützing — — Beiträge zur Kenntniss der Entwickelung des Embryosackes und des Embryo (Polyembryonie) von Tulipa Gesneriana L. GARJEANNE, Anton J. M., Beobachtungen und Culturversuche über eine Blüthenanomalie von Linaria vulgaris GOEBEL, K., Morphologische und biologische Bemerkungen. 9. Zur Biologie der Malaxideen . . — — Archegoniatenstudien. 1x. Sporangien, Sporenverbreitung und Blüthen- bildung bei Selaginella — — Morphologische und biologische Bemerkungen. 10. Ueber die Bedeu- tung der Vorläuferspitzen bei einigen Monokotylen IKENO, S., Studien über die Sporenbildung bei Taphrina Johansoni Sad. LANG, Franz Xaver, Untersuchungen über Morphologie, Anatomie und Samenentwickelung von Polypompholyx und Byblis gigantea . MIEHE, Bo Ueber Wanderungen des pflanzlichen Zellkernes . MINDEN, ‚ Reizbare Griffel von zwei Arctotis-Arten . NEGER, rn w. Beiträge zur Biologie der Erysipheen . OSTERWALDER, Dr, A., Eine Blüthe von Cypripedium spectabile Sw. mit Rückschlagserscheinungen ROSTOWZEW, Prof.S., Ueber einige Methoden des Trocknens der Pflanzen für das Herbarium ROTHERT, W., Beobachtungen und Betrachtungen über "tactische Reiz- erscheinungen . . . . TSCHIRCH, A., Notiz über Cola U. Abbildungen. A. Tafeln. Tafel I bis III zu Ernst, Pseudo-Hermaphroditismus. Tafel IV bis VIII zu Ernst, Tulipa Gesneriana L. Tafel IX und X zu Garjeanne, Linaria vulgaris. Tafel XI zu Miehe, Zellkern. Tafel XII zu Lang, Polypompholyx und Byblis gigantea. Tafel XIII zu Ikeno, Taphrina Johansoni Sad. Tafel XIV und XV zu Baur, Flechtenapothecien. Tafel XVI und XVU zu Neger, Erysipheen. Seite 319 253 422 207 470 229 149 105 238 333 244 473 371 242 IV B. Textfiguren 7 Fig. zu &oebel, Malaxideen. 80 Fig. zu Lang, Polypompholyx und Byblis gigantea, 16 Fig. zu Goebel, Selaginella. 4 Fig. zu Tschirch, Cola. 4 Fig, zu Osterwalder, Cypripedilum spectabile Sw. 101 Fig. zu Billings, Samenentwickelung. 9 Fig. zu Claussen, Tracheidenwände. 5 Fig. zu Goebel, Vorläuferspitzen bei Monokotylen. 2 Fig. zu Rostowzew, Trocknen der Pflanzen. II, Litteratur. BARY, A. de, Vorlesungen über Bacterien BRITTON, El. @., and TATLOR, Al., Life history of Schizaca pusilla. BOTANIK und Zoologie in Oesterreich in den Jahren 1850 bis 1900. CHRIST, H., Die Farnkräuter der Schweiz . GRIFFON, 5, Assimilation chlorophyllienne et la "structure "des plante HALÄCSY, E. de, Conspectus Florae Graecae KOCH, Dr. Alfred, Jahresbericht über die Fortschritte in 1 der Lehre von den Gährungsorganismen LOEB, J., Further experiments on artificiel parthenogenesis and the nature of the process of fertilization MÜLLER HAL. Dr. Carl, Genera muscorum frondosorum MÜLLER, Hugo, Die Misserfolge in der Photographie und die Mittel zu ihrer Beseitigung . NEMEC, Dr, B., die reizleitenden Strukturen bei den Pflanzen SCHINZ, Prof. Dr. Hans, und KELLER, Dr. Robert, Flora der Schweiz TSCHIRCH, A., und OESTERLE, O., Anatomischer Atlas der Pharmacognosie und Nahrungsmittelkunde ZEILLER, R., El&ments de pelöchotanigus IV. Eingegangene Litteratur. 8. 147, 250, 482. Seite 248 479 479 249 479 248 250 145 250 249 480 248 143 144 Heft I (8, 1—148) erschien am 24. Dezember 1900, Heft II (8. 149—252) am 2. März 1901, Heft III (8. 253—484) am 20. Mai 1901. en nm ee EEE FLORA ODER ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. 2 88. BAND. — JAHRGANG 191. HERAUSGEBER: Dr. K. GOEBEL Professor der Botanik in München, * Heft I mit 11 Tafeln und 7 Textfiguren. Erschienen am 24. Dezember 1900. Inhalt:. ALFRED ERNST, Ueber Pseudo-Hermaphroditismus und andere Missbildungen der Oogonien bei Nitella syncarpa (Thuill.) Kützing . . .. . Seite 1-— 36 ALFRED ERNST, Beiträge zur Kenntniss der Entwickelung des Bmbryosackes und des Embryo (Polyembryonie) von Tulipa Gesneriana L. . "37-77 ANTON J. M. GARJEANNE, Beobachtungen und Culturversuche über eine Blüthenanomalie von Linaria vulgaris . n. 78-93 K. GOEBEL, Morphologische und biologische Bemerkungen. 9. Zur Biologie der Malaxideen . . Een 104 "HUGO MIEHE, Ueber Wanderungen des pflanzlichen Zellkernes . . „105-142 LITTERATUR: Tschirch A. und Oesterle O, Anatomischer Atlas der Pharma- cognosie und Nahrungsmittelkunde. — Elements de pal&obotanique par R. Zeiller. — Further experiments on artificial parthenogenesis and the nature of the process of fertilization by J. Loeb . . B . . 2m. 143-146 EINGEGANGENE LITTERATUR FE vn 147-148 MARBURG. N. G. ELWERT’SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG:- 1901. WE Hierzu Beilagen von Oswald Weigel, Antiquariat in Leipzig, H. Beehhold, Verlagsbuchbandlung in Frankfurt a. M. und der N. G. Elwert- :schen Universitätsbuchhandlung in Marburg. Bemerkung. Das Honorar beträgt 20 Mk. pro Druckbogen, für die I itteraturbesprechungen. 30 Mk. Die Mitarbeiter erhalten 30 Sonderabdrücke kostenfrei. Wird eine grössere Anzahl gewünscht, so werden für Druck und Papier berechnet: Für .10 Exemplare pro Druckbogen Mk. 1.20: pro einfarb. einfache Tafel Mk. —.30 „20 » » Pi ” 2.50 „ » » » y — 60 ” 30 » ” ” ”.- 3.80 ? ” » 2 ” 90 „#0 ” n ” ” 5— ” ” ” „ 120 ’ 50 ” » » E) 650 „ ” ” ” » 1.50 ” 60 E) ” n n 8.— m ” » » n„ 2 ” 70 » ” ” ” 9.20 „ » n » „2.50 ” 80 n ” rn „ 10.50 „ r v „ „ 7 „ % ” „ n „ 1150 „ ” ” „ „ 3,50 „ 100 „ 13.50 } 4. n 7 ” werden nicht hono- rirt; für solche, die umfangreicher als 4 Bogen sind, werden nur 4 Bogen honorirt; die Kosten für Abbildungen und Tafeln hat bei Pissertationen der Verfasser zu tragen. Da bei diesen von der Verlagshandlung nur die Herstellungskosten be- rechnet werden, so muss dieselbe Baarzahlung nach Empfang zur Voraussetzung machen. Bei fremdsprachlichen Manuskripten hat der Verfasser die Kosten der Vebersetzung zu tragen. Üorrecturentschädigungen, die von der Druckerei für nicht verschuldete Correeturen in Anrechnung gebracht werden, fallen dem Ver- fasser zur Last. Die Zahlung der Honorare erfolgt nach Abschluss eines Bandes. Der Bezugspreis eines Bandes beträgt 20 Mark. Jedes Jahr erscheint ein Band im Umfang von mindestens 30 Druckbogen und zahlreichen Tafeln. Nach Bedürfniss schliessen sich an die Jahrgünge Ergänzungsbände an, welche be- sonders berechnet werden. BJ ” r» ” r Dissertationen und Abhandlungen systematischen Inhalts Manuskripte und Litteratur für die „Flora“ sind an den Herausgeber, Herrn Prof. Dr. Goebel in München, Friedrichstrasse 17/1, zu senden, Cor- reeturen an die Druckerei von Val. Höfling, München, Lämmerstrasse l. Alle geschäftlichen Anfragen etc. sind an die unterzeichnete Verlagshandlung zu richten. N. 6. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung Marburg (Hessen-Nassau). Ueber Pseudo-Hermaphroditismus und andere Missbildungen der Oogonien von Nitella syncarpa (Thuill.) Kützing. (Arbeit aus dem botanischen Laboratorium der Universität Zürich.) Von Alfred Ernst. (Hierzu Tafel I--IIL) Dank den grundlegenden und vielfach erschöpfenden Arbeiten von Braun, Nägeli, DeBary, Pringsheim und Sachs gehören die Characeen in Bezug auf Morphologie und Entwickelungsgeschichte schon seit einigen Jahrzehnten zu den bestbekannten Pflanzenklassen. Das Studium dieser Litteratur macht daher den angehenden Characeen- forscher sofort mit einer reichen Fülle von morphologischen und ent- wickelungsgeschichtlichen Verhältnissen bekannt, von deren Richtigkeit er sich durch eigene Prüfung jederzeit überzeugen kann, da diese Pflanzen ebenso leicht zu untersuchen als aufzufinden sind. Im Frühjahr 1899 begann ich das Studium der Characeen und das Sammeln der in der Umgebung Zürichs vorhandenen Arten. Die günstigen Witterungsverhältnisse ermöglichten es mir, schon in diesem ersten Sommer fast alle für unsere Gegend schon früher consta- tirten Arten aufzufinden. Wie schon aus Al. Braun’s „Uebersicht der schweizerischen Characeen 1849* zu entnehmen ist, treten einige Charen bei Zürich an zahlreichen Standorten und in bedeutender Menge auf; die Nitellen dagegen kommen nur in einer beschränkten Zahl und an wenigen Standorten vor. Die nach J. Müller, Les Characdes genevoises, im Gebiete Genfs reichlich vorkommende Nitella syncarpa, deren Vorhanden- sein in fast sämmtlichen Schweizerseen erwähnt wird, scheint nach meinen bisherigen Funden auch bei uns die am häufigsten vorkom- mende Art zu sein. Nägeli fand sie schon vor 50 Jahren im Zürichsee am sog. Zürich- horn; 1890 wurde sie von Dr. Overton an demselben Standorte, sowie am Ausflusse der Limmat, beim Bauschänzli, gesammelt. Ausser an diesen beiden Orten habe ich sie im vergangenen Sommer noch an einigen anderen Stellen des unteren Seetheiles, z. B. in einer Bucht bei Wollishofen, gefunden. Auch im Greifensee scheint sie nicht gerade selten zu sein. Flora 1901. 1 Nitella synearpa bewohnt aber nicht nur den Grund unserer Seen, sondern nimmt auch mit kleineren Wasseransammlungen vorlieb; so fand ich sie in einem Waldweiher bei Zollikon und in einigen Lehm- gruben bei Altstätten. Nitella syncarpa (Thuill.) Kützing gehört zu den dioeeischen Arten. Männliche und weibliche Pflanzen kommen bei uns etwa gleich häufig und fast immer gemischt vor. ie bilden dichte Büsche oder sogar ausgedehnte Rasen. Die weiblichen Pflanzen sind zwar etwas kräftiger gebaut, von den männlichen aber doch nur im fertilen Zustande sicher zu unterscheiden. Nach Al. Braun ist bei Nitella syncarpa nicht der blätter- tragende Stengelknoten, sondern der Wurzeiknoten des Vorkeims der sprossreichste der ganzen Pflanze. Er schwillt zu einer zelligen Kugel von bedeutendem Umfange an, schickt zahlreiche Wurzeln nach unten und eine mitunter bedeutende Sprosszahl nach oben aus. Ich zählte deren in einem Falle 26; nach Braun können aber bis zu einem halben Hundert aus demselben Knoten entstammen. „Einige dieser Sprosse legen sich nieder und bilden in einiger Entfernung von der Mutterpfanze ähnliche an Wurzeln und Sprossen reiche Anschwel- lungen“ (Braun). Die einzelnen Sprosse erreichen eine Länge von 30—60 cm; die Zahl ihrer Internodien ist nie’ bedeutend, sie schwankt zwischen 5 und 9. Die unteren derselben erreichen, besonders an weiblichen Pflanzen, eine Länge von 6—7,5 em. Die Blätter stehen gewöhnlich zu sechs im Quirl; die von Migula') erwähnten zwei kürzeren accessorischen Blätter sind nicht immer vor- handen oder finden sich vielfach durch zwei Blätter von gewöhnlicher Grösse ersetzt, so dass viele Quirle achtzählig erscheinen. Die Blätter selbst tragen wieder 1—3 einzellige Blättchen mit charakteristischer, langausgezogener Zellwandspitze. Blatt und Blättchen haben zusam- men nur selten die Länge des folgenden Stengelinternodiums. Aus jedem Blattquirl entsprossen fast constant zwei Zweige, welche in den unteren Quirlen zur Länge des Hauptsprosses heranwachsen, in den oberen Quirlen stets kürzer sind als die Blätter, manchmal sogar in den Blattwinkeln versteckt bleiben und dann nur aus 2_—4 zusammengedrängten Quirlen kurzer, fertiler Blätter bestehen. Besonders die Pflanzen aus dem Weiher zu Zollikon und den Lehmlöchern zu Altstätten weisen die typische, zonenweise Inkru- 1) W. Migula, Die Characeen Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz. (Rabenhorst s Kryptogamenflors, V.Bd, pag. 99,) 3 station der Stengel auf, ihre Blätter haben ein starres Aussehen und fühlen sich steif an. Die Charenpflanzen zeichnen sich bekanntlich durch ausserordent- liche Schwankungen in den absoluten und relativen Grössenverhält- nissen aus. Das Anpassungsvermögen an die physiologischen Be- dingungen des Standortes ist bei Nitella syncarpa so gross, dass Migula für diese Art auf die Aufstellung von wirklichen, constanten Formen verzichtet und nur einige Wachsthumsformen unterscheidet. Für den Zürichsee constatirt er eine forma Thuilleri mit dunkelbraunem oder schwarzem Kern (reife Spore) von normaler Grösse, aber mit feinen, dünnen, nur wenig vortretenden Leisten. Da dieses Haupt- charakteristicum dieser Form aber allen von mir gefundenen Pflanzen abgeht, will ich sie eher der forma lacustris zuweisen, deren Vor- handensein für die Schweiz im Allgemeinen und für Genfer-, Vierwald- stätter- und Zugersee im Speciellen von ihm ebenfalls bestätigt wird. 1. Die Oogonien der normalen weiblichen Pflanzen. 1. Entwiekelung und Bau des normalen Oogoniums. Am Schlusse seiner allgemeinen Besprechung von Nitella syn- carpa erwähnt Migula!) eine für diese Art ganz besonders starke Neigung zu Missbildungen. Ich lasse hier die Beschreibung der von ihm beobachteten Abnormitäten folgen. „Nicht selten tritt an Stelle des Sporenknöspchens an dem fertilen Blatt ein neuer fertiler Blatt- quirl auf oder sogar ein Spross, der mehrere fertile Quirle trägt; gewöhnlich sind dann mehrere oder selbst alle Blätter dieses Quirls in gleicher Weise abnorm ausgebildet. Zuweilen treten an einem Blatt neben einem solchen abnormen Spross noch zwei, drei oder vier Blätt- chen auf oder es sind diese Blättehen durch ähnliche Sprosse ersetzt.* Ferner beobachtete er einmal den Fall, dass ein Blatt gegabelt war und die beiden vorhandenen Blättchen an ihren Enden Sporenknösp- chen trugen, aber keine Blättchen zweiter Ordnung entwickelten. Als eine andere eigenthümliche, aber seltene Missbildung erwähnt er weiter eine Art Fasciation der sterilen Blätter, die durch Verwachsung der Internodialzellen zweier neben einander liegender Blätter zu Stande komme. Seine Untersuchungen an Pflanzen von verschiedenen Stand- orten veranlassen ihn zu dem überraschenden Schluss, dass nur die weiblichen Pflanzen von solchen Missbildungen befallen zu sein schei- 1) W. Migula, Die Characeen Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz pag. 103. ir 4 nen und dass sie auch bei diesen an gewisse Localitäten geknüpft seien, während sich die männlichen Pflanzen an allen Orten immer vollständig normal entwickeln. Meine Untersuchungen an Nitella syncarpa gaben mir oftmals Gelegenheit, mich von der Richtigkeit dieses Satzes zu überzeugen und die von Migula angeführten Missbildungen wahrzunehmen. Für die Faseiation der Blätter allein ist mir bis jetzt kein Beispiel zu Ge- sicht gekommen, dagegen fand ich besonders an meinen Culturpflanzen wiederholt zwei, drei, sogar vier Blätter desselben Quirls spiralig mit einander verschlungen. Ich will die erwähnten Missbildungen nicht in den Rahmen dieser Arbeit ziehen, sondern mich auf eine grössere Reihe von teratologi- schen Bildungen an den weiblichen Geschlechtsorganen, den Sporen- oder Eiknöspcehen, Oogonien, beschränken. Da diese Miss- bildungen in verschiedenen Stadien der Entwickelung der Oogonien eintreten können, ist es wohl angezeigt, zuerst ein Bild der nor- malen Entwickelungsweise derselben zu entwerfen. Sie weicht zwar bei Nitella syncarpa in Bezug auf Zelltheilungsfolge nicht von der durch Braun!) gegebenen, für alle Arten gültigen Entwickelungsfolge ab und ist zudem bereits .von Overton?) und Götz?) einlässlich behandelt worden. Es wird sich aber im Laufe der Darstellung Ge- legenheit bieten, einige neue Details einzuflechten und zudem wird durch dieselbe die Besprechung der Abnormitäten wesentlich erleich- tert und vereinfacht. Wie bei den anderen Nitellen entstehen auch bei Nitella syncarpa die Oogonien an den Blattknoten. Während an männlichen und ste- rilen Pflanzen die peripherischen Segmentzellen des Blattknotens zu getheilten oder ungetheilten Blättchen auswachsen, werden sie an den fruchtbaren weiblichen Pflanzen zur Anlage der Oogonien. Gewöhn- lich trägt ein Blatt zwei bis drei, seltener ein oder vier Sporenknöspchen. Die an jungen Blättern leicht zu beobachtenden Grössendifferenzen der einzelnen Sporenknöspchen werden durch die zeitliche Aufein- anderfolge in der Anlage verursacht. Das grösste Oogonium geht aus der erstangelegten Segmentzelle und die folgenden aus den nächst ältesten Randzellen hervor. Wenn die primär entstehenden zwei bis 1) A. Braun, Ueber die Richtungsverhältnisse der Saftströme in den Zellen der Characeen. 2) E. Overton, Zur Kenntniss des Baues und der späteren Entwickelung der Eiknospe und Spore bei den Characeen. Bot, Zentralbl. 1890, 3) G. Götz, Entwickelung der Eiknospe bei den Characeen. Bot. Ztg. 1899. 5 vier Eiknospen manchmal bereits ihre volle Grösse erreicht haben, können nachträglich an den übrigen Knotenzellen nochmals junge Sporenknöspchen entstehen. Die.Entwickelung der ersten Segmentzelle des Blattknotens zur Oogoniumanlage beginnt bereits an den jungen Blättchen des ersten Blattquirls unter der Scheitelzelle, sobald die Zelltheilungen des Blattes selbst erfolgt sind. Sie wölbt sich stark nach aussen und ihr Kern wandert in die entstehende Papille hinein. Obschon ich mein Mate- rial zu den verschiedensten Tageszeiten fixirt habe, ist es mir bis jetzt noeh nicht gelungen, die den folgenden Zelitheilungen voraus- gehenden Kerntheilungsstadien wahrzunehmen. Nach erfolgter Kerntheilung wird die Papille durch eine Quer- wand in eine obere kleine Scheitelzelle und eine untere Zelle getheilt. Letztere verhält sich bei den meisten Arten wie eine vom Spross- scheitel erzeugte primäre Segmentzelle, indem sie sich in eine obere Knoten- und eine untere Internodialzelle theilt. Bei Nitella syncarpa dagegen geht diese Zelle nicht bloss eine, sondern zwei Zelltheilungen ein. Zuerst wird gegen den Blattknoten hin eine Basalzelle und erst später unter der Scheitelzelle die sog. Knotenzelle gebildet. Das ver- bleibende Mittelstück ist die eigentliche Stielzelle, die sich in der Folge ausserordentlich stark entwickelt. Die Basalzelle verbleibt ge- wöhnlich im Knoten; nicht selten aber wölbt sie sich nach aussen und erreicht fast die Länge der eigentlichen Stielzelle, so dass der Stiel des Oogoniums zweizellig erscheint. Die weiteren zur Bildung des Oogoniums führenden Zelltheilungen sind ausschliesslich auf die Knoten- und die Scheitelzelle beschränkt; die erstere liefert die Sporenhülle, die Scheitelzelle dagegen nach einigen vorausgehenden Theilungen die Eizelle. Wie bei den Blattknoten bilden sich an der Knotenzelle der ÖOogoniumanlage peripherische Segmentzellen, während eine erste Theilung durch eine diametrale Wand unterbleibt. Die Zahl der gebildeten Segmentzellen beträgt in der Regel fünf; als seltene Aus- nahmen habe ich einige Male sechs, einmal sogar sieben constatirt. Sie wachsen mit ganz unbedeutenden Grössenunterschieden (die erst angelegte ist natürlich die grösste), an den Seiten zusammenstossend, rings an der Scheitelzelle empor. Diese hat ihr Volumen indessen auch stark vergrössert und sitzt der Knotencentralzelle als Halbkugel auf. Wenn sie von den Hüllzellen in ihrer unteren Hälfte umkleidet wird, finden in ihr einige rasch auf einander folgende Theilungen statt. Zunächst wird an der Spitze der Scheitelzelle, die von Braun als 6 Kernzelle bezeichnet wird (besser wäre wohl prim. Scheitelzelle), eine kleine, flache Zelle abgegliedert, deren Wand gegen die Sprossseite hin geneigt ist. Eine zweite, ebenfalls uhrglasförmige, aber verticale Wand setzt am Rande der ersten Theilzelle an und schneidet von der grösseren Restzelle eine weitere Zelle ab, die bis zur Basis hinab- reicht. Hier wird endlich noch eine dritte Zelle gebildet, die vom Reste der Scheitelzelle durch eine horizontale Wand getrennt ist. Während diese drei Zellen von der ursprünglichen Scheitelzelle ab- gegliedert werden, wächst die jeweilige Restzelle immer stark, im Gegensatz zu den klein bleibenden Segmenten. Dieses Wachsthum findet einseitig, und zwar von der früheren Vorderseite aus statt, s0 dass die Restzelle nach einiger Zeit wieder den Scheitel einnimmt und die frühere Scheitelpartie nach unten und hinten verschoben wird, bis die drei kleinen, von Braun als Wendezellen bezeichneten Seg- mente zuletzt vollständig an den Grund der starkgewachsenen Rest- zelle zu liegen kommen. Diese wird nun zur eigentlichen Eizelle, während die Wendezellen sich nicht mehr weiter entwickeln. Sie sind am Grunde der Eizelle und natürlich mit dieser innerhalb der Sporenhülle noch längere Zeit sichtbar, bis sie schliesslich durch die mächtige Vergrösserung der Eizelle zusammengepresst werden und verschwinden. Ueber ihre jetzige oder frühere Bedeutung ist man heute noch völlig im Unklaren, und Migula!) bezeichnet sie als ihrer Bedeutung und ihrem Wesen nach völlig unbekannt. Dass wir es mit rudimentär gewordenen Zellen zu thun haben, zeigt ausser ihrer späteren vollständigen Verkümmerung auch das eigenthümliche Verhalten ihrer Kerne. Die Kerne der Wendezellen und der Eizelle entstehen nach den Untersuchungen von Götz und Debski?) durch karyokinetische Theilungen. Die bei jeder Karyokinese entstehenden Tochterkerne entwickeln sich aber jeweilen verschieden, indem der für die Wendezelle bestimmte sich nur langsam entwickelt, während der andere rasch gebildet wird und dann so schnell wächst, dass be- reits eine beträchtliche Grössendifferenz der beiden Kerne vorhanden ist, bevor zwischen ihnen eine Membran gebildet wird. va a Fee nd le ’ ch über der Eizelle an einander legen. bag 2» W, Migula, Die Characeen Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz 2) B. D . ' eb sk 1 Beobachtun en über Kerntheil ngen & ara agilis Jahrb y g u g n Ch fr g 7 Schon etwas vorher ist in ihnen eine erste Theilung erfolgt, welche an der Spitze eine kleinere Zelle abtrennte. Es erfolgt nun noch die für die Nitellen charakteristische zweite Theilung der unteren grösse- ren Zelle, indem sie sich nach Analogie der primären Gliederzellen der Blätter in eine untere secundäre Gliederzelle und eine obere niedere Knotenzelle theilt. Diese betheiligt sich mit der erstgebildeten Endzeile nur noch wenig am Wachsthum; die zehn Zellen schliessen sich vielmehr über dem Scheitel der Eizelle zu dem kleinen und un- bedeutenden Krönchen zusammen. Alle Zellen der nunmehr vollständigen Oogoniumanlage enthalten nur je einen Kern. Er erfüllt in solch jugendlichen Stadien noch einen grossen Theil der Zeile. Der Kern der Stielzelle ist scheiben- förmig; er wächst später zu der ungewöhnlichen Grösse von 40—50yu heran und bietet dann wohl eines der schönsten Beispiele ruhen- der Kerne. Knotencentralzelle wie auch die Krönchenzellen haben kleine, kugelige Kerne, die nach der Theilung nicht mehr zu wachsen scheinen; die ursprünglich ebenfalls runden Kerne der eigentlichen Hüllzellen werden später schwach bandförmig, aber aller- dings nicht in so bedeutendem Maasse, dass sie wie bei Nitella mucronata und hyalina !/—!/; einer Windung der Hüllzelle mitmachen würden. Dass die Hüllzellen durch Fragmentation ihres Kernes ähnlich den Internodialzellen der Blätter und Stengel viel- kernig werden, wie es Kaiser?) erwähnt, scheint mir für Nitella syncarpa unwahrscheinlich; ich habe wenigstens an den vielen Hun- dert Sporenknöspchen meiner Präparate nicht ein einziges Beispiel dafür finden können. Die Kerne der Eizelle und der Wendezelle sind bedeutend stärker tingirbar als die übrigen Kerne der Oogoniumanlage; sie scheinen also chromatinreicher zu sein; überdies weisen sie stets ein deutliches Kernkörperchen auf, welches in den Kernen der Stiel-, Knoten- und Hüllzellen nur in den allerjüngsten Stadien wahrzunehmen ist. Das in dieser Weise mit all seinen Theilen angelegte Oogonium hat erst eine Länge von 75—100,. Es wächst jetzt ausserordent- lich rasch in die Länge. Die secundären Gliederzellen der Hüll- blätter liegen der Eizelle, wenigstens in ihrem unteren Theile, ganz an und wachsen nun in rechtsspiraligen Windungen und dicht an einander gedrängt so rasch, dass die Eizelle ihrem Wachsthum nicht zu folgen vermag. In Eiknöspchen, die 200—250,. Länge und eine 1) O. Kaiser, Ueber Kerntheilungen der Characeen. Bot. Ztg. 1896 pag. 75. 8 halb so grosse Breite haben, hat die Rizelle kegelförmige Gestalt und füllt sowohl in Breite als Länge den von den Hüllblättern umschlosse- nen Raum erst zu einem kleinen Theile aus. Auch die Krönchen- zellen haben sich bis zu diesem Wachsthumsstadium an der allge- meinen Ausdehnung betheiligt, so dass das Krönchen eine Länge von 30-401, also ein Sechstel der Gesammtlänge des jungen Sporen- knöspchens hat. In Oogonien von der eben genannten Grösse befindet sich der Kern der Eizelle noch im unteren Drittel der Zelle; das Protoplasma derselben bildet ein schönes Wandbelege und zwischen grossen Va- cuolen ein Maschennetz, in welchem der Kern sich befindet. Es be- ginnt nun in der Eizelle die Bildung von grossen Stärkekörnern, welche die Zelle undurchsichtig machen. Diese Stärkeeinlagerung nimmt bald solehe Dimensionen an, dass die langgestreckte Eizelle nun fast ebenso stark in die Breite als in die Länge wächst. Mit einer Länge von 450—600j. und einer Breite von 330-- 480 hat das Sporenknöspchen die definitive Grösse erreicht; die Eizelle ist nun kugelig oder hat sogar manchmal ihren grössten Diameter in der Breitenachse des Knöspchens und erfüllt dessen ganzen Hohl- raum, Die jungen Geschlechtssprosse der Nitella syncarpa sind von einer zähen Gallerthülle umschlossen. Da diese wie Cellulose reagirende Gallerte die Sporenknöspchen dicht umgibt, würde sie das Eindringen der Spermatozoiden verunmöglichen. Nachdem aber das eigentliche Wachsthum beendigt ist, schwellen die Hüllzellen in ihren oberen Theilen stark an, das Krönchen wird dadurch abgesprengt, die Gallert- hülle zerrissen und die gequollenen Enden der Hüllzellen treten so weit aus einander, dass ein geräumiger Gang zur Eizelle hinabführt. Durch diesen Quellungsvorgang vergrössern sich die Dimensionen des Oogeniums bis zu 680x Länge und 500, Breite. Selbstverständlich bleibt die Eizelle bei diesem ganzen Vorgange unbetheiligt Der Vorgang der Befruchtung und die Entwickelung der Oospore (des sog. Kerns) sind uns durch die Arbeiten von De B ary'), Braun, Överton und Götz bekannt gemacht worden. Ich begnüge mich mit dem Hinweis auf die Arbeiten dieser Forscher, weil sich meine eigene Untersuchung nicht mit der Weiterentwickelung des empfäng- nissfähigen Oogoniums befasste. 1) DeBary, Ueber den Befruchtungsvorgang bei den Charen. Beri Berliner Akademie, 1871. er 2. Teratologische Abweichungen. Von der geschilderten normalen Entwickelungsweise des Sporen- knöspcehens finden nun, wie eingangs erwähnt worden ist, viele Ab- weichungen statt. An den von mir untersuchten Pflanzen entwickelten sich nur etwa 75°%,, gegen den Herbst hin sogar kaum 50°, der Oogonien normal. Recht viele Sporenknöspchen bleiben im Wachsthum stehen, wenn sie eine Länge von 200—300, erreicht haben. Der Grund hiefür liegt jedenfalls in einer frühzeitigen nicht erklärbaren Verkümmerung der Eizelle. Dieselbe hat ungefähr gleiche Grösse und Form wie in den normal weiter wachsenden Sporenknöspchen; dagegen unterbleibt die Einlagerung der Stärke vollständig, so dass die Eizelle, wie die Wendezellen, nur vacuoliges Protoplasma und den Kern aufweist, Die Wendezellen sind beim Wachsthumsprozesse der Eizelle in völlig normaler Weise an den Grund verschoben worden. Während sie aber bei dem durch die Stärkebildung sich steigernden Wachsthum der Eizelle jeweilen vollständig zusammengepresst und schliesslich ganz verdrängt werden, zeigen sie hier im Vergleich zur Eizelle eine ganz bedeutende Grösse, welche nur durch nachträgliches Wachsthum erworben worden sein kann. Solche kleine und nicht befruchtungsfähige Sporenknöspchen, deren Eizelle keine Stärke enthält, die aber sonst an gar keinem anderen Merkmal von gleich grossen normalen Oogonien zu unterscheiden sind, fand ich in allen von mir untersuchten Pflanzen von den genannten Standorten immer in grosser Zahl. Sehr häufig zeigen diese anormalen Oogonien eine weitere eigen- thümliche Missbildung, die bereits von Nägeli und A. Braun be- obachtet und von letzterem !) folgendermaassen beschrieben worden ist: „Bei Nitella syncarpa beobachtete ich Sporenknöspchen, bei welchen die Blätter des Involucrums, anstatt zum Sporangium zu verwachsen, sich zum freien Quirl entwickelt hatten, während der mittlere, im normalen Falle die Spore bildende Theil als verlängerte Zelle erschien, welche die den Endgliedern der Nitellenblätter gewöhnliche, mit auf- fallender Verdiekung und deutlicher Schichtung der Zellhaut verbundene Zuspitzung zeigte. Quirlstrahlen als auch der Mittelstrahl zeigten dabei entweder noch röthliche Farbbläschen wie sie dem normalen Involuerum zukommen, oder in anderen Fällen grüne nach Art der Blätter.“ Die 1) A. Braun, Ueber die Richtungsverhältnisse der Saftströme in den Zellen der Characeen. (Bericht über die Verhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1853, pag. 65.) 10 gleiche Missbildung wird auch von Overton in seinen „Beiträgen zur Histologie und Physiologie der Characeen* kurz erwähnt. Von den bereits beschriebenen Sporenknöspchen, die sich nur bis zu einer Grösse von 200—800 ı entwickeln, finden sich die mannig- faltigsten Uebergangsformen zu der von Braun beschriebenen und auch bei uns häufigen Missbildung, bei welcher die Blätter des In- volucrums sich zum freien Quirl entwiekeln. Manchmal findet die Windung der Hüllzellen zum Involuerum in ihren unteren Hälften noch vollständig normal statt; ohne sich aber dann zum Krönchen zusammen zu neigen, können 1—3 Hüllzellen in ihren oberen Hälften frei auswachsen, so dass der Schutz der Eizelle unten ein vollständiger, oben dagegen ein bloss theilweiser ist. Vielfach wachsen aber die Hüllblätter in den ersten Stadien bereits frei von einander und um- schlingen sich erst in ihren oberen Hälften zu zweien oder dreien wie dies in Fig. 24 Taf. IIl dargestellt ist. Endlich können die Hüll- blätter wirklich vollständig von einander getrennt auswachsen, so dass sie alle in phantastischen Krümmungen von der langgestreckten, dünnen Eizelle abstehen. Während nach Braun die einen dieser umgestalteten Sporenknöspchen wie das normale Involuerum noch röthliche Chromatophoren haben und andere grüne nach Art der Blätter, scheint nach meinen Untersuchungen dieser Unterschied nur ein zeitlicher zu sein. Die Hüllzellen haben in allen diesen Fällen die den normalen Sporenknöspchen des entsprechenden Alters zukommende Färbung. Durch das Vorherrschen des Chlorophylis über den röth- lichen Farbstoff erscheinen sie zuerst grün; später dagegen wiegt der rothe Farbstoff vor und die Hüllzellen nehmen eine ähnliche Färbung an, wie sie von den Schildzellen der Manubrien bekannt ist. Dass aber immer beide Farbstoffe vorhanden sind, zeigt die Wiederholung des Versuchs, durch welchen Overton die beiden Farbstoffe trennte. Bei Behandlung mit Chloralhydrat scheiden sie sich nämlich von ein- ander, indem der rothe zunächst in ölartige Tropfen zusammenfliesst, um bald in Nadeln, die sich meist in rosettenförmige Gruppen an- ordnen, auszukrystallisiren, während sich das Chlorophyll gleichmässig in die Zellen vertheilt und bald entfärbt wird. Während bei den Charen und Nitellen die Blattzahl der vegeta- SO a al A ai sm a, Ausnahmen sind meines Win n „ogonien bei allen Arten gemein. issens bis jetzt noch nicht constatirt worden und werden wohl auch nicht häufig vorkommen. Dass sie aber nicht ein Ding der Unmöglichkeit sind, zeigen zwei meiner Präparate, die 3 11 je ein Knöspchen mit aufgelöstem Hüllquir] aus sechs, bezw. sieben Hüllblättern enthalten. Im centralen Theile dieser aufgelösten Oogonien finden wir die langauswachsende Eizelle und an ihrem Grunde die drei Wendezellen, deren Vorhandensein Braun seiner Zeit übersehen zu haben scheint. Wie bei den bereits beschriebenen, nicht vollständig ausgewachsenen Sporenknöspchen haben sich die Wendezellen noch etwas am Wachs- thum betheiligt, weisen aber im übrigen die regelmässige Lage auf, ein Beweis, dass auch hier wiederum die Abnormität erst nach der Anlage sämmtlicher Zellen eines normalen Sporenknöspehens begon- nen hat. Die Eizelle selbst zeigt wirklich manchmal die von Braun er- wähnte, stark verlängerte, blattähnliche Form; meistens ist sie aber nicht von derjenigen der besprochenen anormalen Knöspchen ver- schieden und gleicht somit auch der Eizelle der entsprechend grossen normalen Eiknospen. Stärke- oder Oeleinlagerung ist auch hier voll- ständig unterblieben, ebenso habe ich im Gegensatze zu Braun weder grüne, noch röthliche Farbträger wahrnehmen können. Gewöhnlich ist aber am Scheitel die Membran nach Art der Endglieder der vege- tativen Blätter, freilich in viel geringerem Maasse, kappenartig verdickt. Bei einer weiteren Gruppe von Missbildungen, die freilich weniger häufig zu treffen sind, beginnt das abnorme Verhalten bereits an der erst dreizelligen Oogoniumanlage, die also aus Scheitel-, Knoten- und Stielzelle besteht. Während bei normaler Ausbildung die Weiter- entwickelung durch Zelltheilungen in der Knoten- und Scheitelzelle verursacht wird, kann bei Verzögerung dieses Theilungsprocesses das Wachsthum der Stielzelle in erste Linie treten, so dass sie fast zur vollständigen Länge des jungen Blattstrahles heranwächst. Die Aus- bildung des Involucrums, von Ei- und Wendezellen ist in diesem Falle gewöhnlich eine mangelhafte; nur in wenigen Fällen habe ich auf solchen blattähnlichen Stielzellen ordentlich ausgebildete Sporenknösp- chen getroffen. Die primäre Scheitelzelle wächst häufig ohne Bildung der Wendezellen zu einem kegelförmigen Gebilde heran; in der Knotenzelle können alle fünf oder doch wenigstens eine bis zwei Segmentzellen angelegt werden, die in diesem Falle (Fig.1 u.2 Taf.D) sich ebenfalls zu bedeutender Länge entwickeln können, wobei aber die Bildung aller Krönchenzellen oder doch wenigstens der unteren unterbleibt. Indem in Scheitel- und Knotenzelle endlich jede 'T'hei- lung unterbleibt (Fig. 4 u. 5 Taf. I), erscheint das Sporenknöspchen zu einem einfachen Blättchen rückgebildet, das zwar nicht einem gewöhn- 12 lichen Blattendgliede, sondern eher den Blättern des Hüllquirls ent- spricht (vgl. Fig. 5 u. 24), die ja wahrscheinlich noch eine phylogene- tisch ältere Form der Blätter beibehalten haben. Eine dritte Missbildung, die gelegentlich wohl bei allen Charen und Nitellen auftritt, bei uns aber namentlich an Chara hispida und ceratophylia schön zu beobachten ist, entsteht durch das Ausbleiben der Schalenbildung an sonst normalen Sporenknöspchen. Im Herbst 1899 hatte ich vielfach Gelegenheit, diese abnormen, kreideweissen Eiknöspehen auch an Nitella syncarpa wahrzunehmen. Braun und Migula bringen diese Erscheinung mit einem vermuthlichen Aus- bleiben der Befruchtung in Beziehung; ich möchte mich in der Er- klärung eher Overton anschliessen, der vermuthet, dass diese Ab- normität durch das frühzeitige Absterben der Hüllblätter bedingt werde. il. Die pseudo-hermaphroditischen Oogonien einer weiblichen Pflanze aus der Herdern bei Altstätten. Ende September 1899 untersuchte ich in der Herdern bei Alt- stätten zwei bei früheren Excursionen noch nicht durchforschte grössere Ausstichtümpel, die nur durch einen etwa Im breiten Damm von ein- ander getrennt sind. Der kleinere mit etwa 80 m? Oberfläche und nicht mehr als 1—1,5m Tiefe war ganz mit Nitella syncarpa erfüllt. Die Pflanzen bildeten eine dichte Deeke, welche alle anderen Pflanzen, wie Chara hispida und aspera, Elodea canadensis und Potamogeton natans verband und theilweise überwucherte. Im benachbarten grösse- ren Tümpel fanden sich weniger und in getrennten Rasen wachsende männliche und weibliche Pflanzen, während die ganze Nitelladecke des kleineren Wasserbeckens, die mit Tausenden der rothgelben, zu Köpfchen zusammengedrängten Antheridien besetzt war, aus lauter männlichen Pflanzen zu bestehen schien. Bei genauerer Untersuchung entdeckte ich nun in kleiner Entfernung von einander und rings von reichlich fructifieirenden männlichen Pflanzen umgeben, zwei vollstän- dig grüne Büsche, die nicht nur wegen der fehlenden Antheridien- köpfehen, sondern auch durch kräftigere Ausbildung der Stengel und Blätter sofort meine Aufmerksamkeit erregten, Von den weiblichen Pflanzen des benachbarten Tümpels unterschieden sie sich weniger durch Grösse und Färbung als namentlich durch den Mangel der zu dieser Jahreszeit bereits mit den reifen, schwarzen Sporen aus- gestatteten Eiknospen. Allen Blättern fehlten die sonst an sterilen Blättern immer vorhandenen 1—8 Blättchen vollständig; sie stimm- ten hierin mit fertilen Blättern überein; überdies trugen sie etwa 13 in ihrer Mitte, also wohl an den zwischen den beiden Strahlen ge- legenen Knoten, ein Gallertklümpchen, in welchem mit der Lupe gelbe Punkte wahrzunehmen waren. Unter dem Mikroskop offen- barten sich diese als Sporenknöspchen von geringer Grösse, aber nor- maler Form, von denen ein Theil vollständig mit Zellfäden erfüllt war, deren Uebereinstimmung mit den spermatogenen Fäden der An- theridien sofort auffallen musste. Um diese überraschende Bildung genauer studiren zu können, holte ich mir von jenen beiden Büschen einen genügenden Theil, wobei ich Sorge trug, einen ansehnlichen Rest unversehrt am Orte zu belassen. Eine erneute Durchforschung des Tümpels ergab, dass wenigstens an den zugänglichen Stellen keine ähnlichen oder nor- malen weibliche Pflanzen mehr vorhanden waren. Einen Theil des gesammelten Materials fixirte ich in Flem- ming’scher Lösung, einen anderen mit fast concentrirter Pikrinsäure. In beiden Fixirlösungen verblieben die Sprosse 12 Stunden, wurden hierauf unter vielfacher Wassererneuerung während zwei Tagen aus- gewaschen und schliesslich in 30proc. Alkohol und in 10proc. Glycerin- Campher aufbewahrt. Zum Vergleich mit anderen Formen von Ni- tella syncarpa wurden einige Sprosse auf Papier aufgezogen, und ein Rest gedieh in zwei Glasgefässen so gut, dass nicht nur immer frisches Material zur Untersuchung vorhanden war, sondern im Laufe der nächsten Monate noch mehrmals kleinere Mengen fixirt werden konnten. Nachdem ich am lebenden Material die Entwickelung dieser merk- würdigen Sporenknöspchen in ihren groben Zügen verfolgt hatte, schritt ich zur Herstellung von tingirten Dauerpräparaten, welche allein im Stande sind, die genaueren Verhältnisse der Kern- und Plasmastruktur erkennen zu lassen und nun zudem als Belege zu den folgenden Ausführungen dienen. Zu einfachen Färbungen benutzte ich Hämatoxylin, Hämalaun, Boraxcarmin, und zur Herstellung von Doppelfärbungen die von Guignard!) und Belajeff?) verwendeten Mischungen von Methyl- grün-Fuchsin, Methylgrün-Eosin. Sehr schöne Doppelfärbungen der spermatogenen Fäden erhielt ich auch durch nach einander folgende Tinetion mit Hämatoxylin und Fuchsin. Da mit Chromsäuregemischen fixirtes Material die Farbstoffe nicht mehr ganz leicht aufnimmt, 1) L. Guignard, Developpement et constitution des Antherozoides. Revue generale de Botanique. 1889. 2) W. Beiajeff, Ueber Bau und Entwickelung der Spermatozoiden der Pflanzen. Flora, Ergänzungsband 1894. 14 verblieb es gewöhnlich mehrere Stunden in ziemlich eoncentrirten Lösungen; bei Anwendung von Boraxcarmin sogar zwei Tage. Ich z0g es vor, auf diese Weise zu überfärben und nachher beim Aus- waschen durch Anwendung einiger Tropfen Salzsäure-Alkohol- (1proc. concentr. HCl in 100 Theilen 80proc. Alkohol) eine leichte Rück- färbung eintreten zu lassen. Dieses Verfahren hatte zudem noch den grossen Vortheil, dass den Hüllzellen der Oogonien der Farbstoff fast vollständig entzogen wurde und so die in Frage kommenden inneren Zellen des Oogoniums um so besser sichtbar waren. Recht schöne Präparate erhielt ich durch die bekannte, allmäh- liche Entwässerung mit Aethyl- und Amylalkohol, Aufhellung in Xylol und Einbettung in Canadabalsam. Da indessen bei dieser Behand- lungsweise die jungen Sprosse mit ihren dichtstehenden Quirlen recht bart wurden und sich unter dem Deckglas nicht immer übersichtlich aus einander drücken liessen, suchte ich nach einem anderen Ein- beitungsmedium. Reines Glycerin mochte ich der raschen Entfärbung wegen nicht anwenden und grifi deshalb nach dem Beispiele Bela- jeff’s zu einer concentrirten Farblösung in Glycerin. Dr. Overton empfahl mir als Einbettungsmedium auch das früher von ihm vielfach verwendete Kaliumacetat.’) Die gefärbten Sprosse wurden einige Stunden in eine verdünnte Lösung desselben verbracht und konnten nachher ohne den geringsten Nachtheil in einen Tropfen einer 80proc. Lösung unter Deckglas gebracht werden. Nachdem nach einigen Tagen noch ein 'Theil des enthaltenen Wassers verdunstet war, wurde die Lösung durch einen Ring von Canadabalsam nach aussen abge- schlossen. Dieser ebenso einfachen als zweckmässigen Methode ver- danke ich meine besten und übersichtlichsten Präparate. 1. Abnorme Entwiekelung der centralen Zellen des Oogoniums. Die Sporenknöspchen werden an den Knoten der fertilen Blätter dieses anormalen Stockes zu 3—5 angelegt. Die Fünfzahl ist hier sehr häufig, während ich bis jetzt bei normalen Pflanzen noch nie- mals fünf Knöspchen an demselben Knoten fand. Die Anlage des ersten Oogoniums erfolgt auch hier schon, wenn das Blatt noch zum obersten Quirl unter der Scheitelzelle des jungen Sprosses ge- hört. Rasch folgen der ersten Anlage zwei, drei andere nach, so dass das noch ganz kurze Blättchen an seinem Knoten vollständig mit Oogoniumanlagen umstellt erscheint. Die Untersuchung wird 1) Siehe auch Strasburger’s bot. Practicum pag. 90. 15 dadurch einigermaassen erschwert, indem durch den leichtesten Druck des Deckglases einzelne Anlagen ganz oder theilweise unter einander zu liegen kommen und zu mancher Unsicherheit in der Auffassung Anlass geben können. j Wie die Fig. 5—8 Taf.I zeigen, erfolgt die Anlage dieser Sporen- knöspchen genau in der früher beschriebenen, normalen Weise. Sind Basal-, Stiel-, Knoten- und Scheitelzelle gebildet, so beträgt ihre Gesammtlänge immer 48—52}. und dies auch noch, wenn bereits die ersten Theilungen in der Knoten- und Scheitelzelle erfolgen. Die Breite der halbkugeligen Scheitelzelle beträgt 26p. Messungen der entsprechenden Anlagen an normalen Pflanzen ergeben die gleichen Zahlen. i Die nun zu schildernde Weiterentwickelung aber ist eine anor- male und weist aus diesem Grunde viele individuelle Abweichungen auf, welche die Aufstellung eines allgemein giltigen Entwickelungs- schema unmöglich machen. Infolge dessen stellen meine zur Ver- anschaulichung dienenden Zeichnungen keineswegs Stadien dar, welche von jedem einzelnen Sporenknöspehen im Laufe seiner Entwickelung durchlaufen werden, sie zeigen uns bloss einige der vorkommenden Entwickelungsstadien, die allerdings so gewählt und zusammengestellt sind, dass sie doch im Allgemeinen den gesammten Entwickelungs- process darstellen. Sobald in der Knotenzelle die Bildung der peripherischen Seg- mente beginnt, schreitet auch die halbkugelige Scheitelzelle zur ersten Theilung. An der gleichen Stelle, wo bei normalen Oogoniumanlagen die erste Wendezelle gebildet wird, erfolgt die Anlage einer Zelle, die sich von einer gewöhnlichen ersten Wendezelle durch bedeuten- dere Grösse auszeichnet. Bei der Entwickelung der Sporenknöspchen normaler Pflanzen ist, wie früher bemerkt wurde, der Kern der ersi- gebildeten Wendezelle bedeutend kleiner als derjenige des verblei- benden Restes der Scheitelzelle, den wir als secundäre Scheitel- zelle bezeichnen wollen. Dass diese Grössendifferenz nach der Thei- lung durch Wachsthum des einen Kerns, und zwar desjenigen der sich später weitertheilenden seeundären Scheitelzelle verursacht wird, bezeugt das Verhalten der Kerne bei diesen anormalen Oogonium- anlagen. Da hier die erste Wendezelle nicht in Ruhe verharrt, son- dern sich noch vor der secundären Scheitelzelle theilt, wächst ihr Kern gleichzeitig und fast gleich stark wie derjenige der secundären Scheitelzelle, so dass die beiden Zellen auch in Bezug auf Kerngrösse beinahe gleichwertig sind. 16 Es ist ferner bereits auf Seite 6 gesagt worden, dass nicht nur nach, sondern bereits während der Bildung der Wendezellen der Rest der Scheitelzelle, die secundäre Scheitelzelle, weiterwächst und dass die Wachsthumszone nicht mehr dem ursprünglichen Scheitel ent- sprechen kann, sondern einer nach vorn gerichteten Partie ange- hört. Durch die veränderte Wachsthumsrichtung wird auch in un- serem speciellen Falle die Wand zwischen den beiden Zellen aus ihrer ursprünglichen Lage am Scheitel verschoben und kommt schliess- lich ungefähr parallel zur Riehtung des Längenwachsthums des ganzen Oogoniums zu stehen. Fig. 9 Taf. I zeigt uns die Grössen- und Lagen- verhältnisse der beiden Zeilen im optischen Schnitt. In der Folge kann der Grössenunterschied zwischen der ersten Wendezelle und der secundären Scheitelzelle durch rascheres Wachsthum der ersteren noch geringer werden, so dass die beiden Zellen fast ganz gleiches Aus- sehen haben und nur noch durch ihre Stellung zu unterscheiden sind. (Die erste Wendezelle wird immer auf der dem Blatte zugekehrten Seite angelegt.) Während bei normaler Bildung nur die secundäre Scheitelzelle sich weitertheilt und die Wendezelle sich nur noch wenig vergrössert, kann hier in derselben bereits eine Kerntheilung erfolgt sein, bevor sich die secundäre Scheitelzelle zur Bildung der zweiten Wendezelle anschickt. In den Fig. 10 und 11 Taf. I ist die Wand zwischen secundärer Scheitelzelle und erster Wendezelle ungefähr parallel der Bildebene, so dass die Wendezelle über derselben liegt und von der secundären Scheitelzelle nur eine schmale, von der Wendezelle nicht verdeckte Randpartie zu sehen ist, Durch eine zur Wachsthumsrichtung senkreehte Wand wird die Wendezelle nach dem Auseinanderrücken der beiden Kerne in zwei Zellen getheilt (Fig. 11 Taf.). Hierauf findet auch in der secundären Scheitelzelle Kerntheilung statt und die auftretende Zellwand (Fig. 12 Taf. I) nimmt ursprüng- lich ungefähr die gleiche Richtung wie in den normalen Oogonien ein. Die ‚beiden entstandenen Zellen können also ebenfalls als zweite Wendezelle und tertiäre Scheitelzelle aufgefasst werden. Da nun aber auch diese zweite Wendezelle weiterwächst, kann jene Wand ein- seitig gehoben werden, so dass sie fast senkrecht zur Wachsthumsrichtun gestellt wird. Indem die tertiäre Scheitelzelle sich nochmals theilt wird nach unten eine Zelle gebildet, welche der Entstehungsfol . nach der dritten Wendezelle entspricht (Fig. 14 Taf. IH) Während am Scheitel der Oogoniumanlage diese veränderten Theilungen stattfinden, wachsen Hüllblätter, Stiel- und ’ ‚ Stiel- und Basalzelle und 17 selbstverständlich auch die Blattzellen in vollständig normaler Weise heran. Die beiden noch kurzen Blattstrahlen strecken sich mächtig, ibre ursprünglich runden Kerne ziehen sich unregelmässig in die Länge, . vergrössern ihr Volumen und zerfallen schliesslich durch directe Thei- lung (Fig. 10 Taf. I) in zwei oder mehrere Stücke, deren rasch nach- folgende Grössenzunahme und Theilungen die Zellen bald mit einer grossen Zahl der unregelmässig geformten Kerne füllen. In ganz bedeutendem Maasse ist bis jetzt auch die Stielzelle, manchmal mit ihr sogar die Basalzelle gewachsen (Fig. 11 Taf. II); die erstere erreicht ja in allen bis jetzt besprochenen Stadien (auch noch in Fig. 14 Taf. IT) fast die Grösse des ganzen, von ihr getragenen Oogoniums. Später freilich wächst sie fast gar nicht mehr in die Länge, sondern bloss noch in die Breite und erreicht schon mit 60x Länge und 90]. Breite ihre definitive Grösse. Die Anlage und das Auswachsen der fünf peripherischen Segmente der Knotenzelle geschieht (Fig.9—12 Taf. I u. Il) ebenfalls in vollständig normaler Weise. Indem sie die durch die Theilungsfolge bedingten kleinen Grössenunterschiede beibehalten, wölben sie sich nach aussen und wach- sen gegen den Scheitelcomplex empor. In Fig. 12 sind bei mittlerer Ein- stellung zwei derselben nebst der Knotencentralzelle gezeichnet. Ihr Protoplasma ist vacuolig; der mittelständige, nur ein deutliches Kern- körperchen aufweisende Kern steht durch zahlreiche Protoplasma- stränge mit dem Wandbeleg in Verbindung. Die Bildung der ersten Krönchenzellen findet wie gewöhnlich statt, wenn die Hüllzellen die Höhe der Eizelle erreicht haben (Fig. 13 Taf. ID). Da sie in regel- mässiger Vertheilung um die aus der Scheitelzelle entstandenen Zellen angeordnet sind und so also in dieser Höhe eine Menge von Kernen und Zellwänden in allen Richtungen über- und neben einander liegen, ist das Studium gerade dieser Stadien bedeutend erschwert, um so mehr noch als die plasmareichen Hüllzellen sich ebenfalls stark färben, so dass die in Frage kommenden inneren Zellen nur an ausnehmend durchsichtigen Präparaten vollkommen wahrzunehmen und genau zu zeichnen sind. Nachdem die Hüllblätter den centralen Zellenkomplex vollständig umschlossen haben, theilen sich die unteren Zellen nochmals durch eine horizontale Wand in die eigentlichen Hüllzellen und die niedrigen, unteren Krönchenzellen. Diese schliessen über dem Scheitel voll- ständig zusammen und bilden mit den oberen Zellen das zehnzellige Krönchen. Indem die Hüllzellen nun weiter rasch in die Länge wachsen, entsteht ein Sporenknöspchen, das sich äusserlich gar nicht Flora 1901. 2 18 von den gleich grossen Gebilden normaler weiblicher Pflanzen unter- scheiden lässt. Die Chromatophoren der Hüllzellen (die Krönchenzellen bleiben auch hier farblos) erscheinen zuerst durch Ueberwiegen des Chlorophylis grün und nehmen erst nach vollendetem Wachsthum eine gelbliche Färbung an, bis sie schliesslich die orangerothe Furbe der gewöhnlichen Sporenknöspchen aufweisen. Diese anormalen Sporenknöspehen erreichen eine Länge von 230290. und eine Breite von 170—230p. Sie stimmen also in der Grösse vollständig mit demjenigen normalen Entwickelungsstadiun überein, auf welchem die Einlagerung der Stärke und damit die Aus- weitung der Eizelle beginnt und sind deshalb identisch mit den zalıl- reichen auf dieser Stufe verbleibenden Oogonien der normalen Pflanzen. Wie bei diesen bildet die Länge der oben zum Krönchen sich zu- sammenneigenden Zellen !};—!|ı der gesammten Länge. Da die durch die Stärkeaufnahme seitens der Eizelle bedingte Spannung der Hüll- zellen nicht eintritt, wird das Krönchen selbstverständlich nicht ab- geworfen. In den älteren Quirlen habe ich bis jetzt nur ein einziges Sporenknöspchen getroffen, von welchem das Krönchen vielleicht ab- gefallen und nicht nur durch die beginnende Zersetzung verloren ge- gangen ist, Die bereits früher betonte grosse Anomalie in der Entwickelung dieser anormalen Sporenknöspchen gilt in ganz besonderem Maasse für die ersten der nun noch zu beschreibenden Zelltheilungen und Wachsthuimsprocesse der centralen Zellengruppe. Während aus der ersten Wendezelle unter Umständen ein grösserer Zeilkörper seinen Ursprung nehmen kann, unterbleibt eine weitere Ausbildung der zweiten und dritten Wendezelle sowie der quaternären Scheitelzelle gewöhnlich. In einer grossen Anzahl von Fällen (Fig. 15, 16, 18, 27 und 33) wachsen sie zusammen zu einer ähnlichen Form heran, wie sie die langgestreckte Eizelle der nicht vollständig entwickelten Sporen- knöspchen normaler Pflanzen zeigt. Freilich sind dabei die beiden Wendezellen und die Eizelle nicht in allen Fällen in einem bestimmten Verhältniss am Wachsthum betheiligt. Fig. 27 zeigt namentlich eine Streckung der quaternären Scheitelzelle (Eizelle), während in den Fig. 15, 16 und 18 alle drei Zellen annähernd gleiche Entwickelung zeigen. In dem in Fig. 17 dargestellten Stadium ist sogar eine Thei- lung unterblieben und die Endzelle (tertiäre Scheitelzelle) zeigt am Scheitel eine auffällig stark verdickte Membran, also eine Analogie- bildung zu den von Braun beschriebenen Membranverdickungen der Eizellen, der von ihm erwähnten Missbildungen. Nicht selten finden 19 aber entweder an der Eizelle allein oder sogar auch an den beiden Wendezellen noch nachträgliche Theilungen durch annähernd hori- zontale Wände statt, so dass sich, wie in der Fig. 23 z.B. fünf Zellen am Aufbau dieses Gebildes betheiligen. Die Kerne dieser Zellen sind meistens wandständig, das Protoplasma auf einen Wandbeleg nebst wenigen Fäden redueirt, welche zwischen den grossen mit Zell- saft erfüllten Vaeuolen ein schwaches Netzwerk bilden. Aeusserst ungleichmässig ist auch die Entwickelung der aus der ersten Wendezelle entstehenden Zellen, so dass ich auch hier wieder darauf angewiesen bin, an Stelle einer allgemein giltigen Entwicke- lungsfolge einige besonders charakteristische Formen zu beschreiben. Wie wir früher sahen, theilte sich die erste Wendezelle bereits, bevor die secundäre Scheitelzelle zur Theilung schritt, und in Fig. 13 sehen wir einen Fail dargestellt, wo von der unteren der aus der ersten Wendezelle entstandenen Zellen durch eine uhrglasförmige Wand, welche an der horizontalen Wand ansetzt, eine seitliche Zelle abge- trennt wird. Eine Differenzirung der tertiären Scheitelzelle in Eizelle und dritte Wendezelle folgt diesem Theilungsschritte erst ‚später (Fig. 14 Taf. I). In dem in Fig. 15 Taf. II dargestellten Oogonium sind aus der ersten Wendezelle sogar nur zwei Zellen entstanden, von denen die eine, von halbkugeliger Gestalt, der unteren seitlich aufsitzt. Jener gleichwerthig trägt die unterste Zelle in Fig. 16 drei oder vier kuge- lige Zellen, die wir, wie die spätere Entwickelung zeigt, den secun- dären Köpfchenzellen in den Antheridien homolog setzen können. Da die Hüllblätter dieses Sporenknöspehens nieht vollständig zu- sammenschliessen, sind diese Köpfchenzellen theilweise aus dem Sporenknöspchen herausgewachsen. Sowohl in Fig. 17 als 18 zeigt die unterste Zelle eine ganz be- deutende Grösse; in der weiteren Ausbildung dagegen ist in diesen beiden Fällen wieder eine grosse Verschiedenheit eingetreten. Im einen Fall (Fig. 17) trägt die grosse unterste Zelle noch eine ebenso breite, aber weniger hohe Zelle, die wie die untere und die beiden Zellen der übrigen redueirten Eianlage wandständigen Kern und va- euoliges Protoplasma zeigt. Ihr selber sitzen theils direct, theils indirect eine grössere Zahl von köpfchenförmigen Zellen auf, die sich durch ihr stark gefärbtes Plasma und die grossen Kerne als theilungsfähige Zellen charakterisiren. In Fig. 18 dagegen trägt die bereits erwähnte stark entwickelte Zelle drei Gruppen von je drei Zellen, von denen einige ebenfalls im Begriffe waren, sich nach aussen kugelig vorzuwölben. 2% 20 Es würde zu keinem Ziele führen, alle die mannigfaltigen For- men darzustellen oder zu beschreiben, welche diese Entwickelungs- stadien in meinen Präparaten bieten. Eine grössere Öruppe derselben möchte ich indessen doch noch anführen, die, obwohl unter einander wieder äusserst verschieden, doch wohl auf eine gemeinsame Art und Weise entstanden sind. In vielen Fällen tritt nämlich schon nach der ersten Theilung der primären Scheitelzelle eine Abweichung von der geschilderten Entwickelung ein. In einigen Präparaten finde ich am Scheitel der Oogoniumanlage drei Zellen neben einander, die wie in Fig. 19 Taf. 11 allerdings von verschiedener Grösse sind. Diese drei Zellen können nun auf zwei Arten entstanden sein. Die primäre Scheitelzelle kann nach der vorausgegangenen Kerntheilung in die gleich grossen secun- däre Scheitelzelle und erste Wendezelle zerfallen sein, von denen die letztere dann durch eine ebenfalls der Wachsthumsrichtung parallele Wand die kleinste, rechts gelegene Zelle abschnitt. Die erstgebildete Wendezelle kann aber auch im Wachsthum zuerst zurückgeblieben sein, während die secundäre Scheitelzelle sich mächtig entwickelte und hierauf in normaler Weise die zweite Wendezelle bildete, die nun allerdings eine veränderte Stellung erhielt und grösser als die erste ausfiel. Ich bin geneigt, diesen letzteren Entwickelungsgang als den wahrscheinlicheren zu betrachten, indem ich trotz der ge- ringen Grösse der rechtsliegenden Zelle sie als erste und die mittlere als zweite Wendezelle auffasse. Dass bei solchen anormalen Bil- dungen sich das abweichende Verhalten selbst in den kleinsten De- tails äussern kann, ist ja zur Genüge bekannt, und so sehen wir gerade auch in der folgenden Fig. 20 das Grössenverhältniss der beiden Zellen umgekehrt. In dieser Figur haben sich die tertiäre Scheitelzelle sowie die angrenzende zweite Wendezelle schon getheilt; ich bin nicht ganz sicher, ob auch in der ersten Wendezelle bereits die Kerntheilung erfolgt ist, indem in dem betreffenden Präparate bei etwas tieferer Einstellung gegen die Knotencentralzelle hin noch ein Kern sichtbar wird, der aber vielleicht der darunter gelegenen Hüll- zelle angehört und deshalb nicht eingezeichnet worden ist. Von den in den Fig. 21—24 dargestellten Fällen ist die Ent- wiekelung aus drei so neben einander liegenden Anlagen am besten in Fig. 23 zu erkennen. Jene haben sich ungleich entwickelt und einander auch theilweise aus der ursprünglichen Stellung verdrängt. Die tertiäre Scheitelzelle hat sich nicht nur in die dritte Wendezelle und die Eizelle getheilt, sondern ist durch weitere Theilungen zu 21 einem fünfzelligen Gebilde geworden, während die erste und zweite Wendezelle drei Mai, beziehungsweise bloss zwei Mal zur Theilung geschritten sind. In den Fig. 21 und 22 erkennen wir leicht je die drei grösseren Zellen als Derivate der tertiären Scheitelzelle; die beiden anderen Anlagen dagegen haben eine ausserordentliche Anzahl von Theilungen erfahren, so dass in den beiden Figuren nur die im optischen Schnitt gelegenen Zellen gezeichnet werden konnten; sie werden aber genügen, um die völlige Gesetzlosigkeit der Bildung des entstandenen Zell- körpers zu demonstriren. Aus den gegebenen Beispielen geht nun jedenfalls hervor, dass aus der primären Scheitelzelle sich zwei oder drei getrennte Zell- gruppen entwickeln, von welchen eine der Eizelle mit einer oder zwei Wendezellen entspricht, die zweite und eine eventuelle dritte dagegen durch eine ungewöhnliche Entwickelung aus der ersten, beziehungs- weise auch aus der zweiten Wendezelle hervorgegangen sind. Wäh- - rend in den der Eizelle und den eigentlichen Wendezellen ent- sprechenden Zellen das Plasma frühzeitig einen Wandbeleg bildet und die Kerne ebenfalls wandständig werden, tragen die adventiv entstandenen Anlagen eine verschiedene Zahl von kugeligen, oder doch an der freien Oberfläche stark gewölbten Zellen mit stärker tingirbarem Plasma und grossen Kernen, die unmittelbar unter den sich nach auswärts wölbenden Flächen liegen, 2. Die Bildung der spermatogenen Fäden. Nachdem die Sporenknöspchen ihre definitive Grösse erreicht haben, beginnt an den kugeligen Zellen die Bildung spermatogener Fäden. Um die Gleichwerthigkeit derselben nach Form und Ent- stehung mit den wirklichen spermatogenen Fäden der Antheridien zu zeigen, scheint es mir angebracht, zuerst mit einigen Worten an die Entwickelung der Antheridien und der in ihnen gebildeten sperma- togenen Fäden zu erinnern. Die Entwickelungsgeschichte der Antheridien ist zum ersten Male durch Braun erforscht und in seiner Arbeit „Ueber die Richtungs- verhältnisse der Saftströme in den Zellen der Characeen“ !) beschrieben. Seinen hauptsächlich an Nitella syncarpa und Chara scoparia gemachten Untersuchungen gingen gleichzeitig und unabhängig geführte durch Nägeli an Nitella syncarpa parallel, und ebenfalls zu den gleichen 1) Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1853, pag. 56. 22 Resultaten gelangte später noch Sachs mit Nitella fliexilis und Chara fragilis. Unter diesen Umständen konnten meine eigenen Untersuch- ungen nur zur Orientirung dienen und ich begnüge mich deshalb auch, aus der Entwickelungsgeschichte der Antheridien nur das nochmals kurz darzustellen, was ich für die vorliegende Arbeit als nothwendig erachte. Die Antheridien der Nitellen haben den morphologischen Werth einer Blattendzelle und stehen deshalb bei Nitella syncarpa zwischen den Seitenblättchen, welche aus dem Knoten des Blattstrahles erster Ordnung ihren Ursprung nehmen. Zufolge ihrer ausserordentlichen Fruchtbarkeit eignet sich Nitella syncarpa besonders gut zu dieser entwickelungsgeschichtlichen Studie. An einem einzigen jungen Sprosse kann man gewöhnlich fast alle ersten Theilungsstadien vorhanden finden, da unter den nach einander angelegten Blättchen eines Quirls jedes dem nächstjüngeren etwa um eine Zelltheilung vorausgeht. Die jüngsten Blätter des ersten Blattquirles unter der Scheitel- zelle des Sprosses bestehen aus zwei Zellen; aus der unteren der- selben entsteht die Internodialzelle und die obere Knotenzelle. Die obere, kugelige Zelle dagegen wird zum Antheridium. Die zu- nächst erfolgenden Theilungen bewirken die Differenzirung einer köpfehenförmigen Endzelle und einer Stielzelle, welche in einem spä- teren Stadium selber wieder in eine untere Scheibenzelle und eine obere, später flaschenförmige Zelle zerfällt. Die zum eigentlichen Antheridium werdende, halbkugelige Endzelle schwillt nun zu einer unten abgestumpften Kugel an und theilt sich während dieser Gestalts- veränderung durch zwei rechtwinklig auf einander stehende Längs- wände und eine Querwand in acht Octanten. Diese theilen sich pa- rallel der Kugeloberfläche in acht äussere und acht innere Zellen. Nachdem diese letzteren sich auf die nämlichbe Art und Weise noch- mals getheilt haben, besteht das junge Antheridium aus 24 Zellen, die nach acht Radien geordnet sind und drei in einander steckenden Kugeln angehören. Während der weiteren Entwickelung zeigen die drei Zellschichten, deren Zellen bis anhin eng an einander schlossen, verschiedene Wachsthumsrichtung, wodurch im Innern der Kugel die Bildung von Hohlräumen bedingt wird. Die acht Zellen der äusseren Schicht vergrössern sich hauptsächlich in tangentialer Richtung und werden zu den plattenförmigen Schildzellen, die mit gewellten Rändern in einander greifen; die mittleren Zellen dagegen nehmen in radialer Richtung an Grösse zu, werden infolge des tangentialen Wachsthums 23 der äusseren Zellen von einander getrennt und sitzen jenen in ihrer Mitte in säulenförmiger Gestalt auf. Sie wurden deshalb von Braun als Griffzellen (manubria) bezeichnet. Die inneren acht Zellen end- lich zeigen weder bedeutende Volumen- noch Gestaltsveränderung; als fast kugelige Köpfchen stossen sie im Centrum des Antheridiums fest zusammen. Von ihnen aus geht dann die Bildung der das männliche Organ bestimmenden Theile. Aus jedem Köpfchen entstehen in dem gegen die Peripherie hin sich erweiternden Hohlraume 3—6 kugelige oder unregelmässig gestreckte Zellen, die secundären Köpf- chen, von denen wieder jedes durch Sprossung 3—5 Fäden sperma- togener Zellen den Ursprung gibt. Diesen secundären Köpfchen der Antheridien sind nun die in verschiedener Zahl gebildeten kugeligen Zellen der hermaphroditischen Sporenknöspchen homolog. Sowohl an den einen als an den anderen dieser Zellen entstehen nämlich durch einen sprossungsähnlichen Vorgang kegelförmige Hervorragungen, die nach erfolgter Kerntheilung der Mutterzelle als selbständige Zellen abgeschieden werden. Diese Bildung ist an einigen der bereits besprochenen Figuren (Fig. 17, 22 und 24) schon eingetreten. Fig. 25 Taf. III zeigt uns eine solche Köpfchenzelle aus einem anormalen Sporenknöspchen bei stärkerer Vergrösserung. Die eine der beiden kegelförmigen Hervorwölbungen ist bereits zweizellig; die jungen Zellen enthalten einen grossen Kern sowie reichliches Protoplasma. Von genaueren bildlichen Darstel- lungen aus der Entwickelungsgeschichte des Antheridiums sind mir nur die Figuren von Sachs in seinem „Lehrbuch der Botanik, IV. Auflage“ bekannt.!). In seiner Fig. 210 pag. 302, die einen Schnitt durch ein junges Antheridium von Nitella flexilis darstellt, tragen die primären Köpfchen die gleichen Stadien der secundären Köpfchen mit beginnender Fadenbildung, wie sie in meiner Fig. 25 Taf. II zu ersehen sind. Wie in den normalen Antheridien erfolgt nun die Bildung der langen, vielzelligen spermatogenen Fäden nieht nur durch Theilungen der Scheitelzelle, sondern durch interealares Wachsthum, d. h. auch die übrigen Zellen des Fadens haben ein ebenso bedeutendes Wachs- thum und sind in ebenso rascher Theilung begriffen, wie die Scheitel- zelle, so dass der Faden schon nach kurzer Zeit aus einer grossen Zahl gleichartiger, scheibenförmiger Zellen besteht, deren Höhe nur 1) Sie finden sich auch reprodueirt in: Grundzüge der Systematik und spe- eiellen Pflanzenmorphologie von Goebel, sowie in der Bearbeitung der Chara- ceen in Engleru. Prantl’s „Natürlichen Pflanzenfamilien“. 24 einen Bruchtheil ihrer Breite beträgt. Die Belege hiefür rınd die folgenden Figuren. In Fig. 26 Taf. III gehen von einer Köpfchen- zelle aus die Anlagen zu fünf Fäden. Vier derselben sind zweizellig und der Vergleich mit der vorigen Figur zeigt, dass die an die Köpfchenzelle stossenden Zellen durch intercalares Wachsthum fast die doppelte Länge erreicht haben. Sie haben nun die auch in An- theridien zu findende Maximalgrösse von Spermatozoidurmutterzellen von 21p Höhe und 13% Breite. Die letztere Dimension bleibt wäh- rend des ganzen Wachsthums sowohl an den spermatogenen Fäden der Antheridien als auch der anormalen Eiknospen unverändert. Infolge der vielen und rasch auf einander folgenden Theilungen der einzelnen Zellen wird die Höhe der Tochterzellen jeweilen nur noch etwas grösser als die Hälfte ihrer Mutterzelle. Fig. 27 Taf. III zeigt uns ein vollständiges Sporenknöspchen, in welchem auf zwei Köpfchen sechs zum Theil bereits etwas weiter entwickelte Fäden sind. Die Höhe der einzelnen Zelle beträgt bei den offenbar jüngeren Zellen links 15%, die Breite wie gewöhnlich 18%. In den vier Fäden der Fig. 28 dagegen ist die Zellenhöhe. noch geringer geworden; am ‘längsten zehnzelligen Faden ist sie bereits kleiner als der Diameter des Fadens. Die Kerne sind in diesem Stadium kugelig, sie haben keinen deutlichen Nucleolus, dagegen wohl einige grössere Chromatin- körner; auch das die Zellen erfüllende Protoplasma enthält einzelne Körnchen einer stärker färbbaren Substanz. Die rasch an Länge zu- nehmenden Fäden werden durch die geringe Grösse des Innenraums des Sporenknöspchens zu den gleichen mannigfaltigen Windungen ge- zwungen, wie in dem Hohlraum der Antheridien. Sie umgeben dabei die central gelegene, verkümmerte Eizelle so vollständig, dass diese gar nicht mehr wahrgenommen werden kann (Fig. 28 Taf. III) und das Sporenknöspchen bei nur oberflächlicher Betrachtung für ein voll- ständig normales, mit stärkehaltiger, den ganzen Innenraum erfüllenden Eizelle angesehen werden könnte. Zur weiteren Untersuchung der Entwickelungsstadien dieser Fäden gelingt es jeweilen leicht, durch schwachen Druck einzelne derselben zwischen den Hüllblättern heraus zu drücken. In mehreren Fällen war es sogar möglich, den ganzen centralen Theil dieser Sporen- knöspchen isolirt zu erhalten. Indem ich zuerst die Stielzelle ent- fernte und dann durch anhaltenden leichten Druck die Hüllblätter von ihrer Knotencentralzelle löste, trat der centrale Theil mit der Ei- und den Wendezellen voran heraus, während die Fäden, ihre ur- sprüngliche gegenseitige Lagerung verändernd, erst allmählich folgten. 25 Fig. 33 Taf. III ist die genaue Darstellung eines dieser Präparate. Ueber der Knotencentralzelle sind zwei stark ausgewachsene Wende- zellen und die redueirte Eizelle wahrzunehmen. Die aus der ersten Wendezelle hervorgegangenen Zellen könaen hier, wenigstens der Function nach, mit Zellen der Antheridien verglichen werden. Die unterste derselben entspricht ungefähr dem Manubrium, die beiden folgenden zwei primären Köpfchen, von denen das eine zwei, das andere ein secundäres Köpfchen trägt. An diesen sind drei, vier, bezw. fünf Fäden spermatogener Zellen entstanden. Wenn, wie in Fig. 16 Taf. II dargestellt ist, die Hüllzellen nicht vollständig zusammenschliessen, so erfüllt nur ein Theil der sperma- togenen Fäden den Hohlraum des Knöspchens, während die anderen sich durch die Lücke hinausdrängen und scheinbar ohne Nachtheil unverändert ihr Wachsthum fortsetzen. Die Zahl der in diesem Falle sich bildenden Fäden scheint sogar noch eine grössere zu sein, und ich bin im Besitze von Präparaten mit Sporenknöspehen, an denen mehr als 20 Fäden durch eine Lücke der Oogoniumwand hinausge- wachsen sind. Ebenso gut kann ihre Bildung und Entwickelung stattfinden, wenn die Hüllblätter (Fig. 24 Taf. III) vollständig frei von einander wachsen. Diese letzteren Stadien erleichtern natürlich das Studium dieser Bildungen sehr, es sind z. B. die Fig. 26 und 28 nach einer solehen Oogoniumanlage mit geöffnetem Hüllquirl gezeichnet worden. Die fast vollständig ausgebildeten Fäden unterscheiden sich von denjenigen der Antheridien einzig in ihrer Gesammtlänge und der davon bedingten Zellenzahl. In den ausgewachsenen Fäden der An- theridien von Nitella syncarpa ist die Zellenzahl eine sehr schwankende. Ich habe Fäden von 120--200 Zellen gefunden; Braun gibt für diese Art als Maximum sogar 225 an, während er z. B, bei Chara fragilis im Durchschnitt nur 80 Zellen fand. In diesen Sporenknösp- chen dagegen zählen die Fäden gewöhnlich nur 60-80 Zellen. Diese kleinere Anzahl der spermatogenen Zellen dürfte aber gegenüber der Thatsache, dass sie in ihren Dimensionen während ihrer ganzen Ent- wickelung genau mit den normalen der Antheridien übereinstimmen, von geringer Bedeutung sein. Die Spermatozoidurmutterzellen (Fig. 30 und 31) zeigen wie in den Antheridien auf 134 Breite noch 8x Höhe in der Längsrichtung des Fadens. Ihre Kerne sind zuerst noch rundlich (Fig. 29) und das Protoplasma bildet einen Wandbeleg, von dem aus zahlreiche Fäden an dem central gelegenen Kerne ansetzen. Wie die Fig. 30 und 31 26 zeigen, kann aber schon in diesen Zellen eine leichte Streckung des Kerns in der Richtung der nunmehrigen grössten Ausdehnung der Zeile erfolgen. Indem diese Zellen sich nochmals theilen, entstehen die scheibenförmigen Spermatozoidmutterzellen, deren Höhe noch etwas mehr als 4, also den dritten Theil des Grundflächendurchmessers, beträgt (Fig. 34 Taf. II. Die Spermatozoidmutterzellen finden sich in Sporenknöspehen des dritten und vierten Blattquirls unterhalb des Sprossscheitels. Ob in diesen vollständig normal aussehenden Spermatozoidmutterzellen die Bildung der Spermatozoiden erfolgt, vermag ich bis jetzt noch nicht bestimmt zu entscheiden. Die Entwickelungsstadien der Sper- matozoiden der Antheridien sind mir sowohl aus den Arbeiten von Guignard und Belajeff als auch aus zahlreichen eigenen Präpa- raten der Antheridien von Nitella syncarpa bekannt. Der Vergleich der beiderlei Präparate zeigt mir nun, dass einmal die aus dem Sporenknöspchen herausgewachsenen Fäden nach der Bildung der Spermatozoidmutterzellen langsam zu Grunde gehen und ilıre Kerne verschwinden. Nach einigen anderen Präparaten scheint dagegen in den geschützten Fäden des Knöspcheninnern (Fig. 34) die Ausbildung von Spermatozoiden begonnen zu haben. Stadien mit deutlicher Dif- ferenzirung des Spermatozoidkörpers und der Cilien besitze ich aber noch nicht. An den unteren Quirlen der Pflanze sind die Sporen- knöspchen noch vorhanden; in ihrem Innern sind noch die Eizelle mit den unteren Wendezellen sowie 2—3 der von der ersten Wende- zelle gebildeten Zellen sichtbar. Secundäre Köpfchen mit spermato- genen Fäden dagegen finden sich nicht mehr. Der Umstand, dass diese Sporenknöspchen im Uebrigen noch ganz gut erhalten sind, lässt den Schluss nicht unberechtigt erscheinen, dass die spermatoge- nen Fäden nicht durch Verwesung zu Grunde gegangen sind, sondern in ihnen die Bildung von Spermatozoiden erfolgt ist. Da diesen anormalen Sporenknöspchen eine Gallerthülle, wenigstens im erwach- senen Zustande fehlt, hätte dem Austritt der Spermatozoiden zwischen den Hüllschläuchen hindurch kein Hinderniss entgegen gestanden. An männlichen Pflanzen, die ebenfalls am 20. September 1899 (für Nitella syncarpa zu einer sehr vorgerückten Jahreszeit) fixirt worden waren, fanden sich die Spermatozoidmutterzellen ebenfalls in den Geschlechtsorganen des dritten und vierten Quirls unterhalb des Sprossscheitels. In den unteren Quirlen dagegen waren verhältniss- mässig nur wenige Antheridien mit mehr oder weniger ausgebildeten Spermatozoiden. In vielen Antheridien schienen die Spermatozoid- 27 mutterzellen sich in einem Ruhezustand zu befinden, in anderen da- gegen waren sie, nach dem Aussehen ihrer Kerne zu schliessen, in deutlich sichtbarem Zerfall begriffen. Sowohl in den zwitterigen Sporenknöspchen als in den normalen Antheridien kann also-die Ausbildung der Spermatozoiden durch die ungünstigen Witterungsverhältnisse der vorgerückten Jahreszeit beein- trächtigt worden sein. Aus diesem Grunde möchte ich abwarten, ob vielleicht dieses Jahr, sei es an meinen Üulturexemplaren, sei es an dem am natürlichen Standorte verbliebenen Stocke, meine Unter- suchungen noch zu einem günstigeren Endresultate kommen werden. Mitte Juli dieses Jahres (1900) konnte ich zum ersten Mal wieder an den bis dahin des hohen Wasserstandes wegen unzugänglichen Stand- ort dieser anormalen Nitella gelangen. Leider musste ich die Ent- deckung machen, dass die Elodea canadensis sich auf Kosten der anderen Pflanzen stark vermehrt und gerade auch die mir wichtige Stelle vollständig überdeckt hatte, so dass die Nitella syncarpa nicht mehr zu finden war. Meine beiden Culturen dagegen überwinterten vortrefflich. Die Anlage von zahlreichen hermaphroditischen Sporenknöspchen erfolgte noch bis in den Januar hinein. ‚Nach der Winterruhe begann im Frühjahr die Weiterentwickelung mit der Bildung mehrerer steriler Blattquirle. Seit Juni entstehen nun wieder fertile Quirle mit 3—5 Oogonien an jeden Blättchen. Die einzelnen Sporenknöspchen stimmen in ihrer Grösse vollständig mit den letztjährigen überein, aber die Bildung von spermatogenen Fäden findet nur noch in einer kleineren Zahl derselben statt. Viele enthalten ausser der Eizelle und zwei grossen Wendezellen noch 2—3 andere Zellen, welche an Stelle der ersten Wendezelle entstanden sind; nicht selten sind aber alle ungewöhnlichen Theilungen unterblieben, so dass diese Sporen- knöspchen vollständig mit den auf Seite 9 beschriebenen der nor- malen weiblichen Pflanzen übereinstimmen. Meine Hoffnung, die Ausbildung der Spermatozoiden noch vollständig verfolgen zu können, hat sich aber nicht erfüllt. ill. Versuch einer Erklärung und Deutung. Auch im Falle, dass die anormale Entwickelung der Oogonien dieser Nitella syncarpa nicht zur vollständigen Ausbildung von Sper- 28 matozoiden führen würde, haben wir es hier mit einer sehr merk- würdigen und meines Wissens wenigstens für die niederen Krypto- gamen vereinzelt stehenden Erscheinung zu thun. Da diese inter- essante Pflanze in einem Tümpel mit sonst ausschliesslich normalen männlichen Pflanzen gefunden wurde, ist die Vermuthung gerecht- fertigt, dass sie aus einer männlichen Pflanze entstanden sein könnte. Wäre dies wirklich der Fall, so würden wohl überall da, wo die beschriebene anormale Entwickelung in ihrem Verlaufe gestört wurde oder nicht erfolgte, etwa wieder männliche Charaktere auftreten. Man dürfte in diesem Falle z. B. etwa endständige Oogonien, Oogonien und Seitenblättchen in demselben Quirl, Entwickelungsstadien von An- theridien zu finden hoffen. Da aber die geringsten Andeutungen solcher Uebergänge absolut fehlen und, wie im zweiten Theile dieser Arbeit mehrfach hervorgehoben worden ist, diese pseudobermaphro- ditischen Geschlechtsorgane in vielen Beziehungen mit den unvoll- ständig ausgebildeten Sporenknöspchen normaler weiblicher Pflanzen übereinstimmen, so nehme ich an, dass uns hier eine abnorm ent- wickelte weibliche Pflanze vorliegt. Die gleiche Entwickelungs- störung, welche an allen weiblichen Pflanzen eine grössere Anzahl von Oogonien in ihrer vollständigen Ausbildung hemmt, muss in dieser Pflanze in noch bedeutend höherem Grade eingetreten sein, da von den Tausenden von Oogonien sich kein einziges normal entwickelte. Ob die beiden etwa Im aus einanderstehenden Büsche aus ver- schiedenen Sporen entstanden sind oder zusammen nur eine einzige Pflanze bildeten, ist schwierig zu entscheiden. Im letzteren Falle hätten wir es mit einem Stocke von ungewöhnlich starker vegetativer Entfaltung zu thun (vgl. pag. 2); die erstere Annahme dagegen würde den Schluss nahe legen, dass eine Entwickelung, die hier an zwei selbständigen Pflanzen in gleichem Sinne erfolgt ist, auch noch an anderen Orten auftreten kann und dann wohl von biologischer Bedeutung sein muss. In jedem Falle aber kann diese terato- logische Erscheinung, wenn sie überhaupt als solche aufzufassen ist, nicht bloss durch besondere Lebensbedingungen der Pflanzen an diesem speciellen Standorte verursacht worden sein, denn die Produktion von neuen Sporenknöspchen mit spermatogenen Fäden erfolgte noch in gleichem Maasse an dem Theil der Pflanze, welcher aus dem stagni- renden Tümpelwasser in das filtrirte Seewasser der zürcherischen Wasserleitung verpflanzt worden war. Aehnliche Fälle der Vermischung der männlichen und weiblichen Geschlechtscharaktere scheinen bei den höheren Thallophyten und den 29 Archegoniaten noch nicht beschrieben worden zu sein); dagegen kom- men entsprechende Missbildungen, wie Umwandlung von Staubblättern in Ovula, Fruchtblättern zu Staubblättern, Pollenbildung in den Car- pellen oder sogar im Innern des Ovulunıs bei Phanerogamen nicht sehr selten vor. So beschreibt?) z. B. Mohl den Fall, dass in der Wand sonst normaler Carpelle von Chamaerops humilis Pollenbildung stattfand, Masters einen Fruchtknoten von Baeckea diosmaefolia, in welchem anstatt der Ovula vollständig entwickelte Staubgefässe standen. Sachs erklärt diese und andere Monstrositäten durch die Annahme, „dass bei gewissen Störungen der Ernährung und Saftbewegung die Bildungssubstanz männlicher Organe in die bereits angelegten weib- lichen und umgekehrt diejenige weiblicher in männliche Organe ein- dringen kann und dass die dadurch erzeugten Missbildungen um so weiter fortschreiten, je mehr die eine organbildende Substanz durch die andere verdrängt wird“. Auch in diesem neuen Beispiele ist ohne Zweifel eine Störung in der Ernährung und Saftbewegung in den Geschlechtsorganen eingetreten; ein deutlicher Beweis hiefür ist ja schon das Fehlen der Stärke in den Eizellen sowohl der unentwickelt gebliebenen Sporenknöspchen der normalen als auch der zwitterigen der anormalen Pflanze. Da aber hier die Bildung der neuen Ge- schlechtszellen von Zellen ausgeht, die im normalen Verlaufe der Ent- wickelung bedeutungslos geworden sind und die männlichen Zellen eben auf einem weiblichen Stocke einer diöcischen Pflanze erzeugt werden, so ist die Sachs’sche Erklärung für diesen Fall offenbar nicht ausreichend. Die Organismen haben bekanntlich die Fähigkeit, in ihrem Idio- plasma latente Anlagen von Charakteren mitzuführen, welche an ihren Vorfahren einst vorhanden waren, an ihnen selbst aber nicht mehr oder doch nur rudimentär vorkommen. Kommen solche Anlagen unter günstigen Umständen zur Ausbildung, so findet also ein Rück- schlag auf früher vorhanden gewesene Verhältnisse statt. Die Wende- zellen der Characeen sind nun ohne Zweifel nutzlos und rudimentär 1) Herr Prof. Dr. Goebel macht mich auf pag. 243 seiner „Organographie der Pflanzen“ II. Theil Heft 1 aufmerksam, wo er erwähnt, dass in einem Falle bei einem Moose Gebilde, halb Antheridien, halb Archegonien, beobachtet worden waren. Aehnliche Fälle sind besprochen in K. Goebel, Vergleichende Entwicke- lungsgeschichte der Pflanzenorgane. (Schenk’s Handbuch der Botanik, IH pag. 122 u. w.) 2) Citirt nach Sachs, Stoff und Form der Pfianzenorgane. Gesammelte Abhandlungen über Pflanzenphysiologie, II, pag. 1178, 30 gewordene Organanlagen, welche in der gewöhnlichen ontogenetischen Entwickelung bei Chara in der Ein-, bei Nitella in der Dreizahl noch angelegt werden, aber im Verlaufe der weiteren Entwickelung zu Grunde gehen. Wenn nun bei der beschriebenen anormalen Weiter- entwiekelung die Kerne von einer oder von zweien dieser Zellen ebenso rasch sich bilden und ebenso rasch wachsen, wie diejenigen der gleich- zeitig entstehenden Restzellen, die Zellen selber grösser angelegt werden, ihre Wandrichtungen im Allgemeinen aber dieselben bleiben, so ist dies als Beginn eines Rückschlages aufzufassen. Da nun aber noch ein weiteres Moment in die eingeleitete Weiterentwickelung ein- greift, führt dieselbe nicht mehr zur Bildung der ursprünglichen phy- logenetischen Verhältnisse. Nachdem die primäre Scheitelzelle sich durch eine fast aequale Theilung in die erste Wendezelle und die secundäre Scheitelzelle ge- theilt hat, findet gleichzeitig (in vielen Fällen schon vorher) mit der Weiterentwickelung der letzteren auch eine solche der Wendezelle statt, welche zur Bildung von Zellen führt, die mit den Manubrien, primären und secundären Köpfchen der Antheridien verglichen werden können. Die den secundären Köpfchen der Antheridien entsprechen- den Zellen tragen wie diese 2—4 Fäden spermatogener Zellen. Wie wir früher gesehen haben, kann auch die zweite Wendezelle sich ähnlich der ersten entwickeln und einen Zellcomplex erzeugen, der einem Achtel eines Antheridiums entspricht. Ohne diese Complication würden die drei Theilungen der pri- mären Scheitelzelle zur Entstehung von vier Zellen führen, von denen die erste !js, die zweite !| und die dritte Wendezelle und die Eizelle je ‘/s der ursprünglichen primären Scheitelzelle darstellen würden. Indem ich nun annehme, dass diese stärkere Entwickelung und Ausbildung der Wendezellen darauf hindeutet, dass bei Vorfahren der Characeen am Scheitel der weiblichen Geschlechtsanlage vier oder vielleicht acht gleichwerthige Zellen entstanden, komme ich in Wider- spruch mit den bis jetzt als giltig betrachteten Ansichten über den morphologischen Werth der Oogonien der Characeen. Ich trete des- halb noch kurz auf dieselben und die mit dieser Frage zusammen- hängende andere über die Stellung der Characeen im natürlichen System ein, Charaan eine Dentimme Stelle im mann araen Clsse der haben die Geschlechtsorgane und die O0, ei ion "ystom NT gonien ganz besonders eine grosse Rolle gespielt, Nachdem sie dabei von den älteren Botanikern BEER 3 bald als Kapsel, Beere, Steinfrucht, Nüsschen, von Bischoff dann als Sporocarpium aufgefasst worden waren, bemühte sich Hofmeister, die Characeen unmittelbar den Archegoniaten nach unten anzureihen. Hiezu wurde er nicht zum wenigsten durch die äussere Aehnlichkeit des Oogoniums mit den Archegonien veranlasst. Der Mangel eines Generationswechsels und die von ihm entdeckte gänzlich verschiedene Bildungsweise des Oogoniums veranlassten Braun, eine solche nahe Verwandtschaft mit den Archegoniaten zu verneinen. Die heute herrschende Ansicht stimmt noch immer mit Braun überein, und Migula fasst seine diesbezüglichen Betrachtungen folgendermaassen zusammen: „Die Characeen müssen aus dem Rahmen der Thallophyten verwiesen werden, und da wir sie bei graphischer Darstellung nicht neben den Moosen abhandeln können, so ist ihre Stellung zwischen Bryophyten und Thallophyten als Phycobrya oder besser Charophyta immer noch die natürlichste.“ Durch seine entwickelungsgeschichtlichen Untersuchungen der Oogonien von Nitella opaca und flexilis kam Götz!) zu Ergebnissen, welche ihn veranlassten, die Uebereinstiimmung der Oogonien mit Archegonien von neuem zu betonen. Nachdem das Oogonium mit all seinen Zellen vollständig angelegt ist und bereits die Stärkeeinlage- rung in der Eizelle begonnen hat, findet nach ihm am Kerne der Eizelle eine Ausscheidung von Kernsubstanz statt. Der — auf diese ungewöhnliche Art entstehende — kleinere Kern wandert nun gegen den plasmareichen Empfängnissfleck hinauf, geht aber meistens schon auf dem Wege oder dann dort angekommen zu Grunde. Götz deutet ihn nun als den letzten Rest der Bildung einer Bauchkanal- zelle, die Wendezellen als reducirte Archegoniumwandung, deren Re- duetion verständlich sei, wenn man annehme, dass ursprünglich eine vollständige Wandung vorhanden war, diese aber in ihrem ganzen Umfange überflüssig wurde, in dem Maasse als — wahrscheinlich aus den Blättern des nächsten Quirles — eine zweite secundäre Hülle sich entwickelte. Dieser Auffassung der Wendezellen und damit des ganzen Oogo- niums kann ich mich, wie schon geragt, nicht anschliessen. Es ist mir wohl bekannt, dass Missbildungen im Allgemeinen nicht zur Lö- sung von Fragen über morphologische Werthigkeit berechtigen. (Ich habe aus diesem Grunde auch unterlassen, im ersten Theile dieser 1) G. Götz, Ueber die Entwickelung der Eiknospe bei den Characeen. Bot, Zig. 1899, 32 Arbeit aus der Reduction eines Sporenknöspchens zu einem drei- zelligen blattähnlichen Gebilde irgend welchen Schluss zu ziehen.) Wie ich aber auf Seite 29 ausführte, ist in dem hier besprochenen Falle die Einleitung zu der eigenthümlichen Ausbildung der ersten und zweiten Wendezelle wohl als Rückschlag aufzufassen. Nachdem in der primären Scheitelzelle die karyokinetische Kerntheilung voll- endet ist, zeigen die Tochterkerne nicht wie an anderen Pflanzen verschiedenes Wachsthum und infolge dessen noch vor der Zelltheilung verschiedene Grösse. Die beiden Kerne sind vielmehr fast vollständig gleichwerthig und die sich bildende Zellwand theilt die Scheitelzelle ungefähr parallel der Längsachse der Oogoniumanlage so, dass die entstehende erste Wendezelle und die secundäre Scheitelzelle beinahe gleich gross sind. Auch die beiden folgenden Kern- und Zeiltheilungen führen wieder zur Entstehung von gleich grossen Zellen, so dass nach den drei Theilungen die Eizelle bloss noch !js der ursprünglichen Scheitelzelle repräsentirt. Aus diesen Thatsachen glaube ich schliessen zu können, dass auch bei den Vorfahren unserer Characeen die drei in Frage kommenden Theilungswände zum mindesten nicht die jetzige Lage hatten und die nun als Wendezellen bezeichneten Zellen in einem anderen Grössen- und Lagenverhältniss zur Eizelle standen. In diesem Falle kann der auf der heutigen äusseren Aehnlichkeit dieser Zellen mit Wandzellen eines Archegoniums fussende Vergleich nicht mehr aufrecht erhalten werden. Viel wahrscheinlicher erscheint es, dass die Wendezellen eben die Reste von vier oder acht Zellen sind, die in ihrer Entstehung und Anordnung mit den Octanten eines jungen Antheridiums übereinstiimmten.!) Die in der Folge eintretende stärkere Entwickelung der einen dieser Zellen bedingt die Verkümme- rung der anderen, welche bei den vegetativ stärker differenzirten Charen schon weiter vorgeschritten ist als bei den noch einfach ge- bauten und ursprünglicheren Nitellen. 1) Prof. Goebel hat bereits 1884 in seiner „vergleichenden Entwickelungs- geschichte der Pflanzenorgane“ im Gegensatz zu anderen Ansichten jener Zeit die ursprüngliche Uebereinstimmung von Antheridien und Oogonien bei niederen Pflanzen dazulegen versucht. Oltmann’s Untersuchung über die Entwickelung der Sexualorgane bei Coleochaete pulvinata (Flora 1898) sowie die vorliegende Arbeit ergeben die Richtigkeit seiner Ansicht für Coleochaste und Nitella. 33 Verzeichniss der benützten Litteratur. Belajeff W., Ueber Bau und Entwickelung der Spermatozoiden der Pflanzen. Flora, Ergänzungsband zum Jahrgang 1894. Braun A., Uebersicht der schweizerischen Characeen,. 1849. — — Ueber die Richtungsverhältnisse der Saftströme in den Zellen der Characeen. Monatsberichte der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1852 u. 1853, — — Ueber Parthenogenesis bei Pflanzen. Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1856. — — Die Characeen. Kryptogamenflora von Schlesien, herausgeg. von F. Cohn, I. 1876, Celakovsky L., Ueber die morphologische Bedeutung der sog. Sporenknöspchen der Characeen. Flora 1878. De Bary, Ueber den Befruchtungsvorgang bei den Charen. Monatsber. d. Akad. d. Wiss, zu Berlin. 1872. Debski B., Beobachtungen über Kerntheilung bei Chara fragilis. J. f. wiss. Bot. XXX. 1897. DeVries H,, Intracellulare Pangenesis, 1889. Goebel K., Grundzüge der Systematik und speciellen Pflanzenmorphologie, 1882, — — Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Pflanzenorgane. Handbuch der Botanik, herausgeg. von A. Schenk. III. Bd, 1884. Götz G., Ueber die Entwickelung der Eiknospe bei den Characeen, Bot. Ztg. 1899. Heft 1. Guignard L., Developpement et constitution des antberozoides. Revue generale de Botanique. Tome I. 1889. Migula W., Die Characeen Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz, Raben- horst’s Kryptogamenflora. V. Bd. 1897. Overton E, Beiträge zur Histologie und Physiologie der Characeen. Bot. Cbl. 1890. Bd. XLIV. Sachs J., Lehrbuch der Botanik. IV. Aufl. 1874. — — Ueber die Anordnung der Zellen in jüngsten Pflanzentheilen. — — Ueber Zellenanordnung und Wachsthum; Stoff und Form der Pfanzenorgane, Gesammelte Abhandlungen über Pflanzenphysiologie. II. Bad. Strasburger E., Das botanische Praktikum. II. Aufl. 1897. Weismann A., Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. 1892. Erklärung der Figuren. Tafell Fig. 1 Die blattstrahlartig verlängerte Stielzelle trägt ein unregelmässig entwickeltes Oogonium, Die fünf Hüllblätter sind frei ausgewachsen und haben nur die oberen Krönchenzellen gebildet. Die Scheitelzelle scheint nur eine Wende- zeille und eine kleine Eizelle gebildet zu haben. 100:1. Fig. 2. Stielzelle stark verlängert; die Theilungen der Knoten- und Scheitelzelle erfolgten nur zum kleinsten Theil und führten nur zur Entstehung eines einzigen zweizelligen Hüllblattes. Die Bedeutung der beiden rudimentären kleinen Zellen ist unbestimmt. Alle Zellen führen auffallend viele Stachel- kugeln. 80:1. Flora 1901. 83 34 Fig. 3. Stielzelle lang ausgewachsen;; in der Knotenzelle ist ein einziges Segment gebildet worden, das sich schwach nach aussen vorwölbt, die Scheitelzelle ist ohne Theilung kegelförmig ausgewachsen. Alle vier Zellen haben grosse Vacuolen (lebendes Material). 430:1. Fig.4u.5. Knoten- und Scheitelzelle haben gar keine Theilung erfahren und sind jedenfalls auch nur wenig gewachsen. Fig. 4: 280:1; Fig. 5: 80: 1. Fig.6. Junges Blatt aus dem ersten ausgebildeten Quirl unterhalb des Spross- scheitels, sty Strahl I. Ordnung, stzy Strahl II. Ordnung, s u. s; zwei Bog- mentzellen des Blattknotens, von denen sich s; zur Anlage eines Oogoniums nach aussen vorwölbt. 360:1. Fig. 7. Die Knotensegmentzelle hat sich in die Scheitelzelle « und eine viel grössere untere Zelle b getheilt, aus welcher Basai-, Stiel- und Knotenzelle der Oogoniumanlage hervorgehen. 360:1. Fig.8. 07 Scheitelzelle, %& Knotenzelle, st Stielzelle, b Basalzelle der Oogonium- anlage. 360:1. Fig. 9. Die (primäre) Scheitelzelle hat sich in die secundäre Scheitelzelle a, und die erste Wendezelle w7 getheilt. Dieser Theilung vorausgehend hat die Knotenzelle die fünf peripherischen Segmentzellen gebildet (von denselben sind in der Zeichnung nur zwei berücksichtigt worden). 360:1. Fig. 10. Die erste Wendezelle w; ist wie die secundäre Scheitelzelle az, gleichmässig gewachsen. Sie liegt über der sec. Scheitelzelle, so dass von dieser nur eine schmale Randpartie sichtbar ist. Der Kern von wy hat sich bereits getheilt. In der Blattzeile sind durch Fragmentation des ursprünglichen Kerns bereits zwei Kerne entstanden, von denen der eine eben in zwei un- gleiche Theile zerfällt. 290:1. Stiel- und Basalzelle stark gewachsen, die letztere sich ebenfalls nach Aussen vorwölbend. Die Segmentzellen der Knotenzelle beginnen zu den Hüllblättern auszuwachsen. Die erste Wendezelle hat sich in zwei Zellen getheilt. 360:1. b Basalzelle, st Stielzelle, k Knotencentralzelle, Ab u. kb, die beiden im optischen Schnitt sichtbaren Hüllblattanlagen. Die secundäre Scheitelzelle hat die zweite Wendezelle 1077 und die tertiäre Scheitelzelle az gebildet. Diese beiden Zellen sind theilweise durch die beiden aus der ersten Wende- zelle w7 entstandenen Zellen verdeckt. 360: 1. Fig. 11, Fig. 12, Tafel IL . Der Vebersichtlichkeit wegen sind nur die central gelegenen Zellen aus- geführt, alles andere dagegen ist nur in den Umrissen gezeichnet worden. Von der unteren der aus der ersten Wendezelle entstandenen zwei Zellen ist durch eine uhrglasförmige Wand eine seitliche Zelle abgetrennt worden. Tertiäre Scheitelzelle ayız und die zweite Wendezelle 27 sind zusammen stärker gewachsen als der aus der ersten Wendezelle entstandene Zell- körper. Hüllblätter mit den oberen Krönchenzellen. 460: 1. Die tertiäre Scheitelzelle hat sich in die dritte Wendezelle ws und die quaternäre Scheitelzelle a,r (Eizelle) getheilt. zz zweite Wendezelle. Die drei aus der ersten Wendezelle entstandenen Zellen haben sich noch nicht weiter getheilt. Die längeren Zellen der Hüllblätter haben sich in die scheibenförmigen unteren Krönchenzellen und die eigentlichen Gliederzellen Fig. 14. EEE Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 35 getheilt. Die Stielzelle st hat etwa die gleichen Dimensionen wie das ganze übrige Oogonium. Ihr Kern weist schon in diesem Stadium eine ansehn- liche Grösse auf. 360:1. .Aus der ersten Wendezelle sind nur zwei Zellen hervorgegangen, von welchen die seitliche halbkugelige Form annimmt. wyz, wırı und av haben ungefähr gleiche Grösse, 360:1. Die unterste der aus der ersten Wendezelle entstandenen Zellen trägt drei oder vier plasmareiche kugelige Köpfchenzellen. Da die Hüllblätter nicht zusammenschliessen, sind jene zum Theil durch die entstandene Lücke hinausgewachsen. wzy zweite, wz/ dritte Wendezelle, ary quaternäre Scheitelzelle (Eizelle), 8360: 1. Die beiden ersten aus der Theilung der ersten Wendezellen hervorge- gangenen Zellen haben eine ungewöhnliche Grösse erreicht und tragen theils direct, theils durch Vermittlung anderer Zellen eine grössere Zahl von Köpfchenzellen. - An einigen derselben hat bereits die Anlage der spermatogenon Fäden begonnen. wyr zweite Wendezelle, ar die tertiäre Scheitelzelle hat sich nicht mehr getheilt; ihre Membran ist am Scheitel stark verdickt. 360:1, wir und ws zweite und dritte Wendezelle; sie haben sich gleich stark entwickelt wie az die quaternäre Scheitelzelle. Die erste Wendezelle hat sich zunächst stark vergrössert und dann durch einen sprossungsähnlichen Vorgang die Bildung der je dreizelligen Gebilde veranlasst. Einige Zellen derselben wölben sich nach Aussen vor und hätten jedenfalls auch sper- matogene Fäden gebildet. 360:1. Zwei rasch auf einander folgende Theilungen der primären Scheitelzelle haben zur Bildung der ersten und zweiten Wendezelle geführt. w7z erste Wendezelle, ws zweite Wendezelle, ayrz tertiäre Scheitelzelle. Die drei Zeilen und ihre Kerne sind ungleich gross, die letzteren mit deutlichen Kernkörperchen. 460:1. Das hier dargestellte Stadium ist ohne Zweifel die Weiterentwickelung eines mit der Fig. 19 übereinstimmenden. Doch muss das Grössenverhält- niss der drei Zellen ein günstigeres gewesen sein. azr quaternäre Scheitel- zelle, zz dritte Wendezelle. Die zweite Wendezelle hat sich ebenfalls in zwei Zellen getheilt. In der ersten (in der Figur links gelegenen) Wendezelle ist bei tiefer Einstellung ebenfalls noch ein zweiter Kern sicht- bar; er gehört aber vielleicht einer Hüllzelle an und ist deshalb nicht ein- gezeichnet worden. 460:1. Ueber der Centralknotenzelle gehen von zwei Zellen aus eine grosse Zahl anderer Zellen, von denen nur ein Theil bei mittlerer Einstellung gezeichnet wurde. Peripherisch liegen einige plasmareiche Zellen, an denen theilweise die Bildung der spermatogenen Fäden beginnt. Ausserdem bilden drei ungefähr gleich grosse Zellen die Form einer normalen Eizelle nach. 360:1. Aehnlicher, ebenfalls schwer zu erklärender Complex der central gelegenen Zellen. In der Hauptsache wird er wohl aus der ersten und zweiten Wendezelle entstanden sein. Wie in der vorigen Figur repräsentiren die grösseren Zellen wahrscheinlich die Eizelle und die dritte Wendezelie. Eine derselben, wahrscheinlich die Eizelle, hat sich nochmals getheilt. ar Eizelle (?), wrzr Wendezelle 360:1. 8*+ 86 Fig. 23. Aus der ersten und zweiten Wendezelle, der tertiären Scheitelzelle sind drei getrennte Zellkörper mit ungleicher Zellenzahl entstanden. «ary quater. näre Scheitelzelle, 77 zweite Wendezelle, wy erste Wendezelle. 360:1. Tafel Il. Fig. 24. Hüllblätter getrennt wachsend, je zwei sich umschlingend. Die anormale Ausbildung hat dessen ungeachtet ihren Verlauf genommen und zur Ent- stehung eines grösseren Zellkörpers geführt, 360:1. Fig. 25. Köpfchenzelle mit einer ein- und einer zweizelligen Anlage spermatogener Fäden. 460:1. Fig. 26. Zelloomplex aus einer Wendezelle eines Oogoniums hervorgegangen, dessen Hüllblätter frei auswuchsen. Die unterste Zelle trägt zwei Köpfchen kl und k,. Am kleineren k, sind fünf spermatogene Fäden angelegt worden. Auch das grössere Köpfchen %, trägt im Präparate mehrere Fäden. 460:1- Fig. 27. Oogonium, in welchem spermatogene Fäden gebildet werden. k Knoten- centralzelle, w,r zweite Wendezelle, 777 dritte Wendezelle, ayı Eizelle Die unterste der aus der ersten Wendezelle entstandenen Zellen trägt zwei Köpfchen, das eine mit drei, das andere mit zwei jungen Fäden. 500:1. Fig. 28. Köpfchenzelle mit vier spermatogenen Fäden mit zehn, sechs und vier Spermatozoidurmutterzellen. 460:1. Fig. 29. Vier Spermatozoidurmutterzellen. Grundflächendiameter der einzelnen Zellen 134, Höhe 84. Kerne kugelig mit 1—2 Kernkörperchen. 1000:1. Fig. 30 u. 31. Spermatozoidurmutterzellen vor der letzten Theilung. Die einzelnen Zeilen noch etwas niedriger als in Fig.29. Die Kerne in der Richtung der nunmehrigen grössten Dimension etwas gestreckt; ein bis mehrere Kern- oder grössere Chromatinkörperchen. 1000 :1. Fig.32. Kurzes Adventivblatt; der Blattstrahl II, Ordnung fehlt, Von den drei scheinbar endständigen Sporenknöspehen sind zwei vollständig mit sper- mantogenen Fäden erfüllt; im dritten sind von den aus der ersten Wende- zelle entstandenen Zellen nur noch zwei vorhanden, 100:1. Fig. 33. Die ganze centrale Zellpartie aus dem Hüllquirl herauspräparirt. k Knoten- centralzelle, wyz zweite Wendezelle, 777 dritte Wendezelle, azr Eizelle. m manubrienartige Zelle, pk primäre Köpfchen, s% secundäre Köpfchen. Die spermatogenen Fäden bestehen aus 50-60 Spermatozoidmutterzellen. 360: 1. Fig. 34. Spermatozoidmutterzellen. Diameter der Zellen 13 u, Höhe etwas mehr als 4. Kerne an die eine Seitenwand gelagert und das Protoplasma ebenfalls etwas von der gegenüberliegenden Wand zurückgezogen. 1000: 1. Beiträge zur Kenntniss der Entwickelung des Embryosackes und des Embryo (Polyembryonie) von Tulipa Gesneriana L. (Arbeit aus dem botanischen Laboratorium der Universität Zürich.) Von Alfred Ernst. Hierzu Tafel IV—VII. Ein schon früher im hiesigen botanisch-mikroskopischen Labo- ratorium hergestelltes Präparat schien die Annahme zu rechtfertigen, dass bei Tulipa Gesneriana eine ähnliche Art von Polyembryonie vor- komme wie bei Funkia ovata (Hosta coerulea). Auf Veranlassung von Herrn Prof. Dodel übernahm ich die eingehendere Untersuchung dieses vermuthlich neuen Beispiels für Adventivembryonenbildung. Tulipa Gesn. wurde um die Mitte des 16. Jahrhunderts aus der Türkei, wo sie bereits in vielen Spielarten verbreitet war, in Augsburg eingeführt. Gesner sah und beschrieb sie hier im Jahre 1561. In den folgenden 20 Jahren fand sie besonders in Holland starke Ver- breitung, von wo aus sie noch am Ende desselben Jahrhunderts in ganz Mitteleuropa als geschätzte Gartenpflanze eingeführt wurde. Im Verlauf meiner Arbeit dehnte ich die Untersuchung auf die Entwiekelung des Embryosackes und die Befruchtungserscheinungen aus. Da Tulipa Gesn. in der Cultur hauptsächlich durch Zwiebel- ableger vermehrt wird, konnte dadurch noch die Frage beantwortet werden, ob und in welcher Weise durch die ausschliesslich vegetative Fortpflanzung die Ausgestaltung der Geschlechtaprodukte beeinflusst wird. Zur Untersuchung wurden ausschliesslich Fruchtknoten von ein- farbigen, weissen, gelben und blassroten Tulpen verwendet, deren Zwiebeln vor einigen Jahren aus Holland bezogen worden waren. Die Fruchtknoten wurden in absolutem Alkohol fixirt, die jüngeren derselben hierauf ganz, von den älteren dagegen bloss die befruch- teten Samenknospen nach der auf dem hiesigen Laboratorium üblichen Weise in Celloidin eingebettet. Um den zum Schneiden mit dem Mikrotom nothwendigen Härtegrad des Celloidins zu erzielen, ver- bringt man die Celloidinblöcke zweckmässig einige Tage in ein Ge- misch von 9 Theilen cone. Glycerin und 1 Theil 80proc. Alkohol. Die einzelnen weiter entwickelten Samen werden von freier Hand geschnitten; alle Zeichnungen der Stadien bis und mit der Befruch- 38 tung dagegen sind nach Mikrotomschnitten von 15—20, Dicke aus- geführt. Zur Färbung der Schnitte verwendete ich fast nur die Dela- fielä’sche Hämatoxylinlösung; die Kerne und besonders die Thei- lungsfiguren erhalten durch dieselbe eine schöne Tinction, während das Protoplasma bei leichter Rückfärbung mit angesäuertem Alkohol fast farblos bleibt. Wo es wünschbar war, auch die Struktur des Plasma zu erkennen, wurden die Schnitte nach der Kernfürbung noch auf ganz kurze Zeit in schwache Eosinlösung verbracht, welche dem Protoplasma einen röthlichen Ton verlieh. Die gefärbten Schnitte wurden entwässert, in Xylol aufgehellt und in Canadabalsam einge- schlossen. Da bei Tulipa Gesn., wie bei vielen anderen Liliaceen, die Samen- anlagen rechtwinklig von den Placenten abstehen, so gelingt es leicht, von jungen Stadien eine Menge guter Präparate zu erhalten. Mit mehr Schwierigkeiten ist dagegen die Gewinnung guter Schnitte mit den Befruchtungsstadien verbunden. Tulipa Gesn. gehört zu den Pflanzen, welche nicht nur der Selbstbestäubung grossen Widerstand entgegensetzen, sondern auch bei Fremdbestäubung häufig nur taube (leere) Samen entwickeln, während die Carpelle zu scheinbar voll- kommener Reife gelangen. In vielen anderen Samenknospen wieder hört die Entwickelung des Embryosackes schon vor der Bildung der Eizelle auf. Es mussten deshalb eine grosse Menge von Fruchtknoten geschnitten werden, bis die Präparate zu einer auch nur einigermaassen vollständigen Darstellung der Stadien vom vierkernigen Embryosacke bis zur Bildung des Embryo und des Endosperms beisammen waren. 1. Entwickelung des Embryosackes. Die Differenzirung des Embryosackes aus dem Archespor findet bei den Angiospermen bekanntlich unter mannigfachen Variationen statt. Während bei der Mehrzahl der Pflanzen die Archesporzelle sich in vier oder auch bloss in zwei Tochterzellen theilt, von denen eine durch stärkeres Wachsthum die anderen verdrängt, wird bei einer kleineren Anzahl von Gattungen die Archesporzelle ohne voraus- gehende Theilungen direet zum Embryosacke. Zu diesem Typus ge- hört nebst anderen Liliaceen, wie Lilium Martagon, L. bulbiferum, L candidum, Fritillaria imperialis, Fr. tenella, auch Tulipa Gesneriana. Wenn gegen Ende März die Blüthenknospe von Tulipa Gesn. die Zwiebel verlässt, ist die Archesporzelle von den übrigen Zellen 39 der jungen Nucellusanlage bereits deutlich zu unterscheiden. Sie gehört der subepidermalen Zellschicht an und liegt unmittelbar unter dem Scheitel des Nucellushöckers. Ausser durch bedeutendere Grösse und fast cubische Form unterscheidet sich die Archesporzelle von ihren Nachbarzellen in diesem Stadium durch das Aussehen ihres Kernes. Er ist im Gegensatz zu den etwas gestreckten übrigen Kernen kugelrund und zeigt in seinem blassgefärbten Kernsafte zahlreiche, ungleich grosse Chromatinkörperchen, sowie 2—3 stark gefärbte Nu- eleolen. Wie bei anderen Liliaceen besitzen die Kerne der übrigen Nu- cellushöckerzellen kein Kernkörperchen; ihre Chromatinsubstanz sowie der Kernsaft färben sich mit Hämatoxylin sehr stark, so dass sie als homogene, dunkelblaue Massen erscheinen. Während der folgenden 2--3 Wochen findet hauptsächlich die Weiterentwickelung der Samenknospe statt. Zunächst vollzieht sich die Krümmung des Ovularhöckers und damit die Differenzirung in den eigentlichen Nucelluskörper und einen Funiculus. Reichlicher mit Protoplasma erfüllte Zellen der Epidermalschicht des ersteren bilden durch rasch erfolgende Theilungen um das langsamer wach- sende Innere des Nucelluskörpers einen Ringwulst, die Anlage zum zweischichtigen inneren Integumente. Während dieses heranwächst, entsteht in analoger Weise, hauptsächlich auf der convexen Seite der auf diesem Stadium noch stark gekrümmten Ovulumanlage, das mehr- schichtige äussere Integument (Fig. 2 Taf. IV). Der vorher unmittelbar unter dem Scheitel liegende Kern der Archesporzelle beginnt nun gegen die Mitte der Zelle hin zu wandern . (Fig.2). Seine Chromatinsubstanz ordnet sich zu einem deutlichen Faden an, zwischen dessen Maschen die Kernkörperchen wahrge- nommen werden. Erst nach weiteren zehn Tagen, unmittelbar vor der Anthese, findet die erste Theilung des Embryosackkernes statt. Wie es für andere Liliaceen schon früher constatirt worden ist, erfolgt bei dieser Theilung die Reduction der gewöhnlichen Chromosomenzahl auf die Hälfte, bei Lilium Martagon!) z.B. von 24 auf 12. Bei Tulipa Gesn. beträgt die Chromosomenzahl der Kerne von gewöhnlichen vegetativen Zellen ebenfalls 24. Von den Kerntheilungen im Embryosacke sind ur diejenigen wirkliche Reductionstheilungen (mit Reduction auf die -——__ !) Overton E., Beitrag zur Kenntniss der Entwickelung und Vereinigung der Geschlechtsprodukte bei Lilium Martagon, 1891, und: Guignard L., Nou- velles &tudes sur la fecondation, 1891. 40 halbe Chromosomenzahl), welche in directer Linie zur Bildung des Eikerns führen. Die beiden aus der Theilung des Embryosackkernes hervorgehen- den Tochterkerne (Fig. 3 Taf. IV) rücken langsam aus dem Centrum der Zelle weg, wobei die Spindelfigur noch lange erhalten bleibt und der untere!) Kern sich bereits zu vergrössern beginnt. Gewöhnlich bildet sich nun in dem bis anhin gleichmässig vertheilten Protoplasma der Embryosackzelle zwischen den beiden Kernen eine Vacuole. Am Ende des ersten Tages der Anthese findet die Theilung der zwei Kerne und zwar gleichzeitig statt. Dagegen erfolgen die beiden Theilungen in verschiedenen Ebenen und zwar so, dass die Achse der unteren grösseren Theilungsfigur in der Längsachse des Embryosackes, diejenige der oberen dagegen fast senkrecht zu dieser Richtung liegt (Fig.5 Taf. IV). Im Gegensatze zu den folgenden Theilungsfiguren sind diese beiden bei Tulipa Gesn. nicht sehr ‘deutlich, so dass es nur annähernd gelingt, die Zahl der Chromosomen zu bestimmen. Sie beträgt in der oberen Theilungsfigur wieder 12, ob dagegen in der unteren grösseren Theilungsfigur die Zahl der Chromosomen wieder eine grössere geworden ist, wie es Guignard und Overton für Lilium Martagon angeben, vermag ich nach den vorliegenden Präpa- raten nicht sicher zu entscheiden. Nachdem die beiden Theilungen in die Anaphasen getreten sind, verharrt die Samenknospe für einige Tage in einem Ruhestadium. Tulipa Gesn. ist streng proterandrisch und ich vermuthe, dass wäh- rend der 3—4 Tage, an welchen die Antheren ihren Pollen abgeben, die Samenknospen sich nicht weiter entwickeln. In diesem Ruhe- stadium können mit den Kernen des Embryosackes sonderbare Form- veränderungen erfolgen. Die beiden oberen Kerne nehmen nur an Grösse zu, ebenso vergrössert sich die mittelständige Vacuole, welche sie von den beiden unteren Kernen trennt (Fig. 6 Taf. IV). Diese letzteren vergrössern sich viel rascher und verbreitern sich dabei so, dass der unter der Vacuole gelegene Kern schliesslich (Fig. 7 Taf. IV) als dünne Scheibe oder unregelmässig gewölbte Schale fast die ganze Breite des Embryosackes einnimmt. Der untere Kern erhält meistens eine weniger prägnante Form, indessen kann er, wie Fig. 8 Taf. IV zeigt, die Gestalt des anderen, allerdings in verkleinertem Maassstabe, wiederholen. 1) Als oberes Ende des Embryosackes bezeichne ich die spätere Ovarial-, als unteres dagegen die Antipodialseite desselben, 41 Nachdem die Antheren den Pollen entleert haben, wird im Em- bryosacke rasch die letzte zur Bildung der acht Kerne führende Theilung eingeleitet. Die Chromatinsubstanz formt sich innerhalb der Kernmembranen zum Fadenknäuel (Fig. 13 Taf. IV). Die Scheiben- oder Schalenform der beiden unteren Kerne (Fig. 13 u. 14) ist noch jetzt deutlich zu erkennen. Die Kernkörperchen lösen sich auf, die Kernwände werden undeutlich und die Chromosomenknäuel liegen in dem schwach gefärbten Saftraume. Hierauf zerfallen die Chromatin- fäden in die Chromosomen, welche in den beiden Kernen der Ovarial- seite des Embryosackes zuerst in der Zahl von sechs auftreten (Fig. 14 Taf. IV). Ohne Zweifel haben wir hier ein bis jetzt nicht beachtetes Zwischenstadium der Kerntheilung vor uns, aus welchem, vielleiebt schon nach sehr kurzer Zeit, der aus 12 Chromosomen bestehende Knäuel hervorgeht (Fig. 15 Taf. IV). Die Chromosomen der beiden Kerne ‘ordnen sich hierauf zu den senkrecht zu einander stehenden Kernplatten (Fig. 16 Taf. IV), worauf, wie bei einigen Chromo- somen bei stärkster Vergrösserung zu ersehen ist, die Längsspaltung erfolgt. Die Tochterebromosomen rücken an den Spindelfasern aus einander (Fig. 17 Taf. IV) und sammeln sich zu den vier Kernen, die später am Ovarialende des Embryosackes gefunden werden. Bei der Vergrösserung der beiden unteren Kerne, welche sie das 3—4fache Volumen der an der Micropyle gelegenen Kerne erreichen liess, hat sich ohne Zweifel auch die Chromatinsubstanz in bedeu- tendem Maasse vermehrt. Ihre Knäuelstadien in den Fig. 13 und 14 zeigen viel längere Chromatinfäden und die Theilungsstadien, welche denjenigen der in den Fig. 15—17 dargestellten oberen Kerne ent- sprechen, eine grössere, leider nieht genau bestimmbare Chromosomen- zahl. Die so entstandenen acht Kerne des Embryosackes (Fig. 18 Taf. V) haben verschiedenes Aussehen. Von den vier Kernen am Ovarialende, die also aus je 12 Chromosomen bestehen, sind die beiden obersten, sich durch geringe Grösse und schwache Krümmung auszeichnenden, die Synergidenkerne; von den beiden anderen, grösse- ren und kugeligen Schwesterkernen ist der den Synergidenkernen zunächst liegende der Eikern, der entferntere der obere Polkern, welcher in der Folge den Eikern bald an Grösse übertrifft. Am ent- gegengesetzten Ende des Embryosackes liegen die drei Antipoden- kerne, von denen sich ihr vierter Schwesterkern, der untere Polkern, ebenfalls durch bedeutendere Grösse unterscheidet. Die Entwiekelungsgeschichte des Embryosackes von Tulipa Gesn. 42 ist bereits 1880 von Treub und Mellink') untersucht und beschrie- ben worden. Meine Untersuchung hat nun ergeben, dass die Ent- wiekelung des Embryosackes und die in demselben stattfindenden Kerntheilungen mit demselben Vorgange bei den Liliumarten im grossen Ganzen übereinstimmt, in den Einzelheiten indessen einige merkwür- dige, bis jetzt nicht bekannte Abweichungen zeigt. Nach der Dar- stellung der ‚beiden genannten Forscher dagegen entwickelt sich der vierkernige Embryosack folgendermaassen: „Apres le stade de la fig. 9 (Embryosack mit vier Kernen) une vacuole commence & se former, et normalement il n’y a qu’un seul des noyaux qui reste en haut dans le sac; les trois autres occupent la partie inferieure. Enauite il y a division de tous les noyaux du sac, de sorte qu’on trouve alors en haut deux noyaux et en bas deux groupes de trois noyaux. Plus tard les deux noyaux d’en haut se divisent encore une fois, il se forme deux synergides et l’oeuf, tandis que le quatrieme nucleus reste, comme d’ordinaire, inactif. Les deux groupes de trois noyaux qui se trouvent dans le fond du sac embryonnaire peuvent se comporter de differentes manieres. Souvent les noyaux du groupe superieure s’unissent, en presentant ensemble une bande en forme de croissant; d’autres fois cette fusion n'est qu’incomplete; quelquefois les noyaux de ce groupe se divisent encore une fois. Dans le sac embryonnaire adulte tous les noyaux de ce groupe se sont ordinairement fusionnes en un grand nucleus, qui peut-&tre s’unit plus tard au quatrieme noyau d’en haut. Les trois noyaux du groupe inferieur se soudent quelquefois; tr&s rarement il se forme des aßtipodes autour d’eux; le plus souvent ces noyaux restent dans le möme etat et finissent par degenerer.* Der Vergleich meiner Figuren 6—19 mit denjenigen von Treub und Mellink ergibt, dass viele unserer Figuren mit einander über- einstimmen, aber zu verschiedenen Entwickelungsreihen zusammen- gestellt sind. Die Ursache dieser aus einander gehenden Auffass- ungen liegt nach meiner Ansicht in folgenden Thatsachen: In vielen Fruchtknoten werden, wie ich schon in der Einleitung bemerkte, die Samenknospen nur mangelhaft angelegt oder ausgebil- det, so dass sie für die Untersuchung zum Voraus untauglich sind. In anderen Fällen entwickeln sich die Samenknospen äusserlich.. voll- kommen normal, während ihre Embryosäcke in ihrer Entwickelung von der geschilderten, mit derjenigen anderer Liliaceen übereinstim- 1) Treub et Mellink, Notice sur le d&veloppement du sac embryonnaire dans quelques angiospermes. Archives neerlandaises d. sc. exact et nat. T. XV. 1880. 43. menden Entwickelungsweise abweichen. So finden sich in jedem Fruchtknoten_noch zur Zeit. der Befruchtung Saınenknospen, deren Embryosack normal gewachsen ist, während die Theilung seines Kernes vollständig unterblieb; injanderen Fällen fand die erste, wieder in anderen noch die zweite Kerntheilung statt. Ein weiterer Grund anormaler Embryosackentwickelung liegt in der Vacuolenbildung. Bei normaler Entwickelung tritt, wie erwähnt worden ist, die, central gelegene Vacuole des Embryosackes bald nach der ersten Kerntheilung zwischen den..beiden Tochterkernen auf. In sehr vielen Fällen (manchmal fast in allen Samenknospen eines Frucht- knoten) unterbleibt aber vorerst die Bildung der Vacuole, und nach der Theilung der zwei_Kerne; ordnen ‚sich die vier,neuen Kerne in eine Längsreihe (Fig. 9, Taf. IV). Hierauf treten’an Stelle ‘der einen grossen Vacuole zwischen den vier Kernen viele kleinere auf. Wenn sich nun die Vacuolen zwischen den beiden oberen und den unteren Kernen vergrössern und. schliesslich verschmelzen, so werden gegen jedes Ende-des Embryosackes hin zwei Kerne gedrängt, wodurch der normale Zustand wieder einigermaassen hergestellt wird. Es kommt nun aber vielfach vor, dass die Verschmelzung von Vacuolen zwischen dem obersten und den drei anderen Kernen stattfindet, so dass also drei Kerne gegen das spätere Antipodialende des Embryosackes ge- drängt werden (Fig. 10 u.11 Taf. IV). Da diese anormale Art der Vacuolenbildung eine Verzögerung in der Entwickelung bedeutet, so unterbleibt in diesen Fällen die zur Bildung von Scheiben oder Schalen führende Formveränderung der beiden unteren Kerne. Solche anormale Stadien haben nun Treub und Mellink offen- bar in grosser Zahl vorgelegen und ihre Figuren 8—10 stimmen in der Hauptsache vollständig mit meinen Figuren 9—11 überein. In- dessen boten ihre Präparate neben diesen anormalen Stadien wohl auch Beispiele der normalen Entwickelung. Es geht dies aus der folgenden Bemerkung bei ihrer Besprechung der Theilungsvorgänge im Embryosack von Lilium bulbiferum hervor: „... apres qu'il s’est form& quatre noyaux, deux vont se placer en haut et les deux autres en bas dans le sac, ce qui n’arrive qu’& titre d’exception chez le Tulipa.* Wenn nun die letzte Theilung der Kerne erfolgt, so befinden sich in diesen anormalen Fällen‘, wie es Treub und Mellink in ihren Fig. 11 und 12 darstellen, drei Kerntheilungen unten im Embryo- sack und nur eine gegen die Mikropyle hin. Die beiden hier ent- stehenden Kerne theilen sich nachher nicht mehr, wie die beiden 44 Forscher annehmen, sondern sind die Synergidenkerne, während Eikern und oberer Polkern sich eben im entgegengesetzten Theile des Em- bryosaokes befinden, wodurch eine Weiterentwickelung verunmöglicht wird. Treub und Mellink nehmen nun aber an, dass von den durch die Kerntheilung im unteren Raume des Embryosackes gebil- deten sechs Kernen drei mit einander verschmelzen und in der Nähe der grossen Vacuole zusammen „une bande en forme de eroissant“ bilden. Ihre Fig. 13 stimmt also mit meinen Fig. 6 und 7 überein. Ausser der grösseren Wahrscheinlichkeit, welche die von mir aufge- stellte Entwickelungsfolge beanspruchen kann, habe ich den genauen Beweis, dass dieser halbmondförmige, oder wie ich finde, scheiben- oder schalenförmige Kern nicht durch Verschmelzung von drei Kernen, sondern direct aus einer Kerntheilung des zweikernigen Embryosackes entstanden ist. Fig. 12 Taf. IV stellt nämlich die Theilung des un- teren der beiden Embryosackkerne dar, während deren Verlauf eine Störung eingetreten sein muss. Die Kernspindel ist noch deutlich vorhanden; in dem gegen die Vaeuole hin liegenden Tochterkerne haben sich die Chromosomen bereits aufgelöst und der Kern steht im Begriff, eine den Kernen in Fig. 7 oder 8 entsprechende Gestalt an- zunehmen. Sein Schwesterkern dagegen hat sich fast nicht entwickelt und zeigt noch die getrennten, erst zusammenrückenden Chromosomen. Ferner zeigen ja meine Fig. 13 und 14, dass die beiden Kerne von Fig. 7 (von denen nach Treub und Mellink der eine zum unteren Polkern würde, der andere als Verschmelzungsprodukt der Autipoden- kerne zu Grunde gehen müsste) ins Knäuelstadium gelangen, sich theilen und erst danı zur Entstehung des unteren Polkernes und der Antipodeskerne führen. Die beiden Figuren 14 und 15 von Treub und Mellink end- lich, welche zeigen sollen, dass von den sechs Kernen im unteren Theile des Embryosackes drei sich nochmals theilen, so dass hier neun Kerne vorhanden wären, von denen drei den Antipodenkernen entsprächen und die sechs anderen sich wieder zum unteren Polkern vereinigen würden, möchte ich mit meinen Figuren 19 und 20 Taf. V in Verbindung bringen. Wie Treub und Mellink auch bemerken, bilden sich bei Tulipa Gesn. um die Antipodenkerne keine Zellen; gewöhnlich werden die drei Kerne bei der weiteren Entwickelung des Embryosackes zusammengedrückt und verschwinden bald. In anderen Fällen aber zerfallen sie schon vor der Befruchtung durch Fragmen- tation in Stücke, so dass an diesem Ende des Embryosackes (Fig. 19 und 20) 6—10 Kerne ohne Kernwand und von unregelimässiger Form 45 zu sehen sind. Die erwähnten mannigfachen Verkümmerungs- und Abweichungsstadien erforderten die Herstellung einer grossen Anzahl von Präparaten, bevor der normale Entwickelungsverlauf des Embryo- sackes festgestellt werden konnte. Es ist deshalb leicht erklärlich, dass Treub und Mellink, deren Untersuchung sich über eine grosse Reihe von Pflanzen erstreckte und deshalb im einzelnen Falle vielleicht etwas weniger einlässlich war, durch diese Mannigfaltigkeit in einigen Einzelheiten irregeleitet und zur Aufstellung einer unrich- tigen Entwickelungsfolge veranlasst wurden. Der Beschreibung des ausgebildeten Embryosackes will ich noch einige Bemerkungen über das gesammte Gynöceum vorangehen lassen. Das oberständige Gynöceum von Tulipa Gesn. wird wie bei an- deren Liliaceen von drei Fruchtblättern gebildet, die in der Haupt- sache einen dreifächerigen Fruchtknoten bilden. Jedes Fruchtblatt trägt in den Fachwinkeln zwei leistenförmig in die Fächer hinein- tretende Placentarstränge, von denen jeder 40—50 senkrecht zur Achse des Fruchtknotens stehende Ovula besitzt. Die freien Frucht- blattränder breiten sich über dem Fruchtknoten, ohne einen Griffel zu bilden, sofort zur dreitheiligen Narbe aus. Wenn die Blüthe aus der Zwiebel heraustritt, ist der Fruchtknoten erst 6--8mm lang und wird von den Antheren bedeutend an Grösse übertroffen; bis zum Beginn der Anthese erreicht er 10—12mm Länge. Das stärkste Wachsthum erfolgt aber erst während der Zeit der Pollenreife. Die zusammengeschlossenen Fruchtblattränder der Narbe treten nun aus einander und die Epidermiszellen der Empfängnissflächen wachsen zu langen, keulenförmigen Papillen aus (Fig. 25 Taf. V), welche vollstän- dig mit Protoplasma erfüllt sind und durch Aussonderung von Flüssig- keit die Narbenflächen kleberig erhalten. Ist die Empfängnissfähigkeit erloschen, so ist ihr Plasma durch die reichliche Secretion erschöpft, es bilden sich in ihrem Innern zahlreiche Vacuolen und sie gehen zu Grunde. Querschnitte in verschiedenen Höhen des Fruchtknotens ergeben, dass unterhalb der Narbe zunächst ein griffelähnlicher Theil des Fruchtknotens folgt, d. h. eine Strecke, wo die Fruchtblätter central Dicht zusammenstossen und die abgerundeten Placenten keine Samen- anlagen tragen. Die Epidermiszellen des so entstehenden, schmalen und in drei schmale Kanten ausgezogenen Ganges sind ebenfalls zu plasmareichen,, oft zweizelligen Papillen geworden (Fig. 26 Taf. V), welche den ganzen Gang mit einem zur Ernährung der Pollenschläuche dienenden, zuckerhaltigen Safte erfüllen. Die Winkel dieses Ganges 46 ‘setzen sich nach unten zwischen den Placentahälften der auf einander stossenden Fruchtblätter fort (Fig. 27 Taf. V). Wie die Spalten, sind auch die Placentarstränge an ihrer ganzen Oberfläche, mit Ausnahme der Stel- len, wo sie sich nicht in die Funieuli der Samenknospen fortsetzen, mit inhaltreichen, der Pollenschlauchleitung dienenden Zellen überkleidet. Die Samenknospen stehen senkrecht zur Längsachse des Frucht- knotens und immer zu sechs, je eine von jedem Placentarstrang, auf gleicher Höhe. Sie sind stark anatrop ausgebildet, Zur Zeit der Empfängnissreife sind die Ränder des inneren Integumentes über dem Nucellusscheitel schon lange zusammengewachsen und bilden über demselben durch vermehrte Zelltheilungen einen gewöhnlich dreischich- tigen Wulst, dessen Achse der enge Mikropylengang einnimmt. Das äussere Integument trägt bei vielen Samenknospen noch zur Ver- längerung des Mikropylenganges bei, indem es über das innere In- tegument emporwächst. Die Mikropyle ist gegen die Placenta ge- richtet (Fig. 52 Taf. VII) und nur durch einen kleinen Vorraum von den papillenartigen Zellen der freien Placentafläche getrennt. Vom centralen Theil des Fruchtblattes aus durchzieht ein starkes Leitbündel mit zahlreichen Ring- und Spiralgefässen den ganzen Funiculus, um unter der Chalaza unmerklich in den fast eubischen Zellen derselben zu endigen. In jüngeren Stadien finden wir an seiner Stelle einen Procambiumstrang aus langgestreckten Zellen mit ungewöhnlich langen Kernen. Der Nucellus von Tulipa Gesn. ist lang und schmal. Zur Zeit der Befruchtung ist an seinem oberen Ende bereits ein grosser Theil der Zeilen durch den wachsenden Embryosack verdrängt oder aus der ursprünglichen Lagerung verschoben worden. Der in jüngeren Stadien keilförmige Embryosack besteht nun aus einer oberen brei- teren und einer unteren schmäleren Partie (Fig. 18 Taf. V). Von den Nucelluszellen um den oberen Theil des Embryosackes bleibt beson- ders die epidermale Schicht über dem Scheitel lange unversehrt, ja es finden in ihr oft noch nachträgliche Theilungen statt. Dagegen werden die zwischen ‚dieser Schicht und dem Embryosack gelegenen Zeilen durch die Zug- und Druckkräfte, welche durch das Wachs- thum des Embryosackes einerseits und der Integumente andererseits ausgeübt werden, aus ihrer Lage verschoben und bilden Reihen, welche vom Centrum des Nucellus aus wie Strahlen eines Spring- brunnens nach oben und aussen gehen. Eine besondere Ausbildung erfahren (Fig. 18 Taf. V) die Zellen eines 3-—-4 Zellschichten mächtigen Stranges, welcher an das Anti- 47 podialende des Embryosackes anschliesst. Die ihm angehörenden Zellen strecke sich sammt ihren Kernen zu fast dreifacher Länge; ihr Protoplasma scheint ausserordentlich dieht zu sein. Diese Zellen stehen an der Basis des Nucellus direet mit den kleinen Zellen in Verbindung, welche den Anschluss an das Leitbündel vermitteln. Die Untersuchungen Westermaier’s haben gezeigt, dass bei vielen Pflanzen den Antipoden in ihren späteren Stadien eine bedeu- tende ernährungsphysiologische Function zukommt. Bei Tulipa Gean. gehen die Antipoden schon vor der Befruchtung oder dann unmittel- bar nach derselben zu Grunde. Man wird nun wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, dass die physiologische Function der Antipoden in diesen Falle von dem eigenthümlichen Zellenstrang übernommen worden ist, welcher den Embryosack mit dem Leitbündel in Verbindung setzt und so die directe Zufuhr von Nahrungsstoffen aus demselben erleichtert. In dem breiteren, unter der Mikropyle gelegenen Theil des Em- bryosackes finden wir vor der Befruchtung die Kerne des Eiappa- rates und den oberen Polkern. Unter jedem der kleinen, fast homogen gefärbten Synergidenkerne befindet sich eine Vacuole. Eikern und oberer Polkern, beide von kugeliger Gestalt und mit deutlichem Kern- körperchen, unterscheiden sich ausser durch die Lage häufig noch durch die bedeutendere Grösse des letzteren. In vielen Fällen erfolgt sein Wachsthum allerdings erst unmittelbar vor der Vereinigung mit dem unteren Polkerne. Sonderbarer Weise haben sich weder um den Eikern, noch um die Synergidenkerne deutlich wahrnehmbare Plasma- häute gebildet. Die vier Kerne dieser Embryosackhälfte scheinen in einer mehr oder weniger einheitlichen Protoplasmaanhäufung zu liegen. Da in Präparaten eines späteren Stadiums, wo die Verschmelzung von Ei- und Spermakern sich vollzieht, um die beiden Kerne eine deut- lich umgrenzte Plasmamasse zu sehen ist, scheint vor der Befruchtung eine Differenzirung von Ei- und Synergidenzellen zu unterbleiben. Der mittlere Theil des Embryosackes wird stets von einer oder zwei grossen Vacuolen eingenommen. Infolge dessen steht das Protoplasma des oberen Theils mit der Antipodialseite nur durch einen dünnen Wandbeleg in Verbindung. Die untere Protoplasmaansammlung ist vacuolig und enthält die Antipodenkerne und den unteren Polkern. Um die Antipodenkerne findet ebenfalls nie Zellbildung statt und nur selten findet man sie in diesem Stadium noch so gut erhalten, wie sie in Fig. 18 dargestellt sind. Meistens sind sie durch Fragmentation bereits in viele unregelmässige Stücke zerfallen oder liegen zusamnıen- geballt im untersten Theile des Embryosackes. 48 Il. Befruchtung. Die Pollenkörner von Tulipa Gesn. sind ausserordentlich gross, von kugeliger Gestalt und mit der Farbenvarietät der Blütlıe wech- selnd, von einer starken, gelblich, röthlich oder grünlich gefärbten Exine umkleidet. In absolutem Alkohol fixirte, mit Hämatoxylin ge- färbte Körner (Fig. 21 Taf. V) sind dankbare Objecte der mikrosko- pischen Untersuchung. Die generative Zelle erfüllt immer einen grossen Raum des Korninnern. Sie hat meistens ellipsoidische Gestalt und ist von einer schwach gefärbten, oft sehr dieken Membran um- geben. Sie enthält in ihrem stark färbbaren Protoplasma einen chro- matinreichen, etwas länglichen Kern. Der vegetative Kern liegt der generativen Zelle an; da er ebenfalls viel Farbstoff aufnimmt, ist seine Grösse und Form deutlich wahrzunehmen, was bei den meisten Pflanzen [z. B. Iris sibirica!) und Lilium Martagon ?)] nicht der Fall ist. Die Pollenkörner von , Tulipa Gesn. bilden sowohl auf der Narbe als auch in künstlichen Culturen leicht und rasch Pollenschläuche. Merkwürdiger Weise scheint dabei der Concentrationsgrad der Nähr- flüssigkeit auf ihr Gedeihen nur von geringem Einflusse zu sein. Strasburger?) empfiehlt nämlich 1—3proc. Zuckerlösungen, wäh- rend ich in 15—30proc. Lösungen mit eingelegten Narbenstücken immer sehr schöne Pollenschläuche zog. Bereits eine Stunde nach dem Einsetzen der Körner in die Nähr- flüssigkeit wird an einer beliebigen, sich vorwölbenden Stelle die Exine zersprengt und das von der Intine umschlossene Plasma tritt in Form eines dicken Schlauches aus. Eine grosse Vacuole nimmt die Spitze desselben ein (Fig. 22 Taf. V). Nach einer weiteren Stunde nähern sich die beiden Kerne der Pollenschlauchmündung; mit ihnen ver- schiebt sich auch der grösste Theil des noch zurückgebliebenen Proto- plasmas. Im Verlauf der dritten Stunde treten die Kerne, der vege- tative voran, aus dem Korne in den Schlauch über (Fig. 23 u.24 Taf. V). Ihnen folgt der Rest des Protoplasmas, so dass im Korne nur noch einzelne Theile des Wandbeleges und spärliche Verbindungsfäden zurückbleiben. Wohl ebenso rasch erfolgt die „Keimung“ der Pollenkörner auf den Papillen der Narbenlappen. Die Pollenschläuche wachsen den Papillen entlang in die drei eng ausgezogenen Rinnen des Kanals 1) A. Dodel, Beiträge zur Kenntniss der Befruchtungserscheinuugen bei Iris sibirica. 1891. 2) E. Overton, op. cit. 3) E. Strasburger, Das bot. Practicum pag. 540, 49 hinein, welcher sich im oberen Theile des Fruchtknotens zwischen den nicht vollständig verwachsenen Fruchtblättern befindet. Auf Längs- schnitten durch diese Fruchtknotenpartie sind immer eine grosse Zahl von Pollenschläuchen zu sehen, die zwischen den ein- und zweizelligen Papillen der Epidermis oder in dem von diesen abgesonderten Schleime nach unten wachsen. Sie sind hier dünner als nach dem Austritt aus dem Pollenkorn. Häufig nimmt man in ihrem Innern die Cellulose- pfropfen wahr, durch welche die leeren hinteren Partien des Pollen- schlauches von dem plasmaerfüllten jüngsten Theile abgeschlossen werden. Der Form des Pollenschlauches entsprechend sind auch die Kerne länger und dünner geworden. Leider ist es mir nicht gelungen, die Auflösung der generativen Zelle und die Theilung ihres Kernes zu beobachten. Zwischen Bestäubung und Befruchtung verfliesst bei Tulipa Gesn. immer ein Zeitraum von 8—10 Tagen. Die letzte Entwickelung des Embryosackes erfolgt ja sehr spät, so dass man 1—2 Tage nach der Bestäubung bereits eine Menge von Pollenschläuchen in den Leitungs- bahnen des obersten, sterilen Fruchtknotentheils findet, während im Embryosack erst die vier in Theilung begriffenen Kerne zu treffen sind. Die Befruchtung erfolgt, wenn die Blumenblätter verwelkt sind und abzufallen beginnen. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass die Pollenschlauchenden in den Spalten zwischen den fertilen Placenten mehrere Tage in Ruhe verharren. Erst nachdem der Eiapparat sich ausgebildet hat und von der Samenknospe die zur Anziehung der Pollenschläuche dienenden Substanzen ausgesondert werden, biegen die Pollenschläuche von ihrer bisherigen Wachsthumsrichtung ab und streben, den Papillenzellen zwischen den Samenanlagen folgend, gegen den engen Vorraum hin, welcher den Mikropylengang von den papil- lösen Zellen trennt. Alle vor dem Mikropyleneingang beobachteten Pollenschlauchenden sind wahrscheinlich einer besonders reichlichen Ernährung wegen viel dicker als in jüngeren Stadien, so dass ihr Durch- messer oft das Doppelte des früheren geworden ist. Gewöhnlich tritt Nur einer in den engen Mikropylengang ein und füllt denselben, beim Abwärtswachsen sich den Wänden dicht anschmiegend, vollständig aus. Ein bedeutender Theil der Forschung auf dem Gebiete der all- gemeinen Botanik war in den letzten 25 Jahren der Kenntniss der Entwickelung der Geschlechtsprodukte und der Befruchtungserschei- Nungen gewidmet, so dass uns dieses Gebiet der Entwickelungsge- schichte durch die Arbeiten einer Reihe von Forschern nun in der Hauptsache erschlossen ist. Von noch offen gelassenen Fragen ist Flora 1901. 4 50 neuerdings eine der interessantesten durch Untersuchungen von Nawa- sehin‘) und Guignard?) beantwortet worden: Warum erfolgt im Embryosack der Angiospermen die Theilung des primären Endosperm- kerns, auch im Falle als sich die beiden Polkerne schon lange vor der Copulation des Ei- und des Spermakerns verschmolzen haben, erst nach dieser Copulation, dann aber so rasch, dass bis zur ersten Theilung des Copulationskerns bereits vier oder acht Endospermkerne gebildet werden können? Die unabhängig von einander ausgeführten Untersuchungen von Nawaschin und Guignard ergaben die unerwartete 'Thatsache, dass bei den beiden von ihnen untersuchten Pflanzen, während der eine Spermakern sich an den Eikern anlegt, der andere (über dessen Schicksal bis anbin ebenfalls nichts bekannt war) weiter in den Em- bryosack hinabwandert, an Grösse beträchtlich zunimmt und sich an den oberen Polkern, oder an die beiden verschmelzenden Polkerne, oder aber an den unteren der beiden anlegt, so dass also in jedem Falle der entstehende primäre Endospermkern das Vereinigungspro- dukt dreier Kerne darstellt. Es gelang mir, auch bei Tulipa Gesn. diesen neu entdeckten Befruchtungsmodus auf einer Reihe von Schnitten zu finden. Unmittelbar über dem Nucellusscheitel ist der Pollenschlauch ge- wöhnlich pfropfenzieherartig gewunden. Sein weiteres Wachsthum scheint durch eine durch die Nucelluszelle hindurch wirkende, vom Embryosacke ausgehende Substanz veranlasst zu werden. Auf der Nucellusspitze kann eine Stauung des Pollenschlauchinhaltes eintreten (Fig. 31 Taf, VI), so dass er sich kropfartig nach den Seiten ver- breitert und nur mit einer schmalen Fortsetzung die Nucelluszell- schicht durchbricht. In anderen Fällen dagegen schwillt die Pollen- schlauchspitze kolbenförmig an und drückt jedenfalls mit grosser Gewalt die Nucelluszellen aus einander (Fig. 28 Taf. V), wobei deren Kerne oft in viele Stücke zertheilt werden. Der vegetative Kern ist in dem hier dargestellten Pollenschlauche ebenfalla bis an den Nu- cellusscheitel mitgewandert. Die beiden Spermakerne verlassen den Pollenschlauch gleichzeitig. m Kavas chin 8., Neue Beobachtungen über die Befruchtung bei Fritillarie enellea und Lilium Martagon. Ref. im Bot. Centralblatt, 1899. I F 62 1. Quart. pag. 241. \ vn auartı pas. SÜ 2) Guignard L., Sur les Antherozoides et la double copulation sexuelle chez les v6gstaux angiospermes. Revue gendrale de B i i a g e Botanique VI, Serie T. XI, 51 Sie sind stäbehenförmig und zeigen bei Hämatoxylinfärbung einen feinkörnigen, homogenen Bau. Der eine von ihnen legt sich an den Eikern an und nimmt dabei eine gedrungenere ellipsoide Gestalt an (Fig. 28 Taf. V); der andere wandert im seitlichen Wandbeleg tiefer in den Embryosack hinein. Die Polkerne haben indessen ebenfalls ihre Lage verändert. Meistens wandert der untere mit einer grossen Plasmamasse gegen den Eiapparat hinauf. In der Mehrzahl der Fälle trifft der zweite Spermakern zuerst auf den oberen Polkern, so lange dieser noch in der Nähe des Eikerns ist (Fig. 29 Taf. VD. Die beiden Kerne wan- dern hierauf den unteren Polkern etwas entgegen (Fig. 30 Taf. VI) und vereinigen sich mit demselben (Fig.31 Taf. VI. In den beiden durch die Fig. 32a u. 5 dargestellten Fällen scheint die Vereinigung der Polkerne schon weiter vorgeschritten zu sein, so dass es wahr- scheinlich ist, dass der Spermakern die beiden Kerne bereits in Ver- schmelzung begriffen fand. Auch dieser zweite, während seiner Wan- derung grösser gewordene Spermakern rundet sich nach der Berührung mit dem einen oder den beiden Polkernen ab. Durch die stärkere Färbung ist er immer sehr deutlich von den beiden Polkernen mit ihren grossen Kernkörperchen zu unterscheiden. Zur Zeit der Copulation von Ei- und Spermakern bildet sich um die beiden Kerne eine deutliche Ansammlung von Protoplasma (Fig. 28 und 31 Taf. V und VI). Die Synergidenkerne sind entweder schon in Auflösung begriffen (Fig. 28 und 31) oder, wie in Fig. 29, noch er- halten. Die Vergleichung meiner Figuren mit denjenigen Guignard’s von Lilium Martagon wird wesentliche Unterschiede im Aussehen der Spermakerne feststellen. Diese haben bei Lilium Martagon sowohl nach Guignard’s als auch nach Nawaschin’s Untersuchungen eine Gestalt, die auffallend an die Spermatozoiden niederer Pflanzen erinnert. Guignard gibt von ihnen folgende Beschreibung: „Les toyaux mäles s’allongent l’un et l’autre en un corps qui s’incurve de facons variables, d’abord en forme de erochet, de croissant ou de boucle l&gerement renflös au centre et parfois plus minces & l’un des bouts. Ils prennent un aspect vermiforme. Leur allongement s’ac- Compagne d’une torsion, qui peut ötre celle d’une spirale comprenant un ou deux tours irröguliers. J’en ai observe un grand nombre dont les aspects tr&s divers, marques aussi par M. Nawaschin, pourraient faire supposer l’existence de mouvements.“ Da sich diese Kerne von den Spermatozoiden der höheren Kryptogamen nur durch das Fehlen 4* 52 von Cilien unterscheiden, welch letztere übrigens bei jenen nach dem Eintritt in die weibliche Zelle auch abgeworfen werden, legt ihnen Guignard ebenfalls den Namen Spermatozoid bei. Wie wir gesehen haben, treten in der Entwickelung der Samen- knospen von Tulipa Gesn. die mannigfaltigsten Unregelmässigkeiten, wie Verkümmerung derselben, Ausbleiben der Kerntheilungen im Em- bryosack, Entwickelung tauber Samen, ferner Reductionen, wie das Ausbleiben der Zelibildung um Antipoden-, Synergiden- und Eikerne auf. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn die gleiche Ursache, also die anhaltende vegetative Vermehrung von künstlich gezogenen Spielarten auch die Ausbildung der männlichen Sexualkerne beein- flusst hat. Das Aufgeben einer phylogenetisch alten Form der gene- rativen Pollenkerne muss also wahrscheinlich mit den oben genannten Veränderungen in eine Reihe gestellt werden. Stadien der weitergehenden Verschmelzung von Ei- und Sperma- kern, sowie der Polkerne mit dem zweiten Spermakerne liegen mir bis jetzt nicht vor. il. Entwickelung des Embryo (Polyembryonie). Nach der Befruchtung beginnt sich der Embryosack namentlich in seinem mittleren und unteren Theile auf Kosten des noch vorhan- denen Nucellusgewebes rasch zu vergrössern. Die Eizelle (Fig. 33 Taf. VI) ist nun mit einer deutlichen Membran umgeben; sie hat eine bedeutende Grösse erreicht und nimmt die ganze Scheitelregion des Embryosackes ein. In ihrem breiteren, protoplasmareicheren unteren Theile ist der grosse Copulationskern. Dieser verharrt längere Zeit in einem Ruhestadium. Erst nachdem durch Theilung des primären Endospermkernes bereits vier oder acht Endospermkerne entstanden sind, findet auch die erste Theilung des Eikerns und der Eizelle statt. Bei der ersten Theilung wird, wie die Untersuchungen von Hof- meister‘), Hanstein?), Hegelmaier?) u. A. zeigen, bei den meisten Angiospermen durch eine horizontale Wand die plasmareiche Scheitelpartie der Eizelle von einem grösseren Basalstück abgetrennt. Von der kleinen Scheitelzelle aus erfolgt hierauf das gesammte weitere Wachsthum. Der junge Embryo wird, so lange er nicht in Embryo- 1) W. Hofmeister, Neue Beiträge zur Kenntniss der Embryobildung der Phanerogamen. II. Monocotyledonen. 1861. 2) Hanstein, Botanische Abhandlungen I. Band. 1874. 8) F, Hegelmsier, Vergleichende Untersu ü i ch d) dicotyledoner Keime. 1878. vmaen über Bntwickeiung 53 körper und Embryoträger gegliedert ist, als Vorkeim bezeichnet. Ein bis drei scheitelständige Zellen desselben sind die Mutterzellen des Embryokörpers, welcher zunächst in der Form einer Zellkugel ange- legt wird, die sich unter langsamer Differenzirung der verschiedenen Meristeme auch äusserlich zu dem typisch gebauten Embryo mit Co- tyledon, Vegetationspunkt, hypocotylem Glied und Wurzelanlage um- gestaltet. Die übrigen Zellen des Vorkeims bilden den Embryoträger, der nach Hofmeister bei den Monocotyledonen, durch die Quer- theilungen der ursprünglichen Scheitelsegmentzelle bedingt, die Gestalt eines kürzeren oder längeren Zellfadens erhält. Durch das nach- trägliche Wachsthum der 3—5 Zellen dieses Fadens und durch Quer- und Längswände erfolgende Theilungen wird die Regelmässigkeit des Aufbaues der fadenförmigen Vorkeime oft gestört. Solche Vorkeime bilden den Uebergang zu den keulig-massigen Embryoträgern vieler Gramineen und einzelner Liliaceen, welche durch vermehrte Theilungen der ursprünglich wenigzelligen Anlage gebildet werden. Einen complieirteren Verlauf der Embryobildung lernen wir bei Tulipa Gesn. kennen. Die ersten Theilungen der befruchteten Eizelle führen zur Bildung eines unregelmässigen, aus grossen plasma- und kernreichen Zellen zusammengesetzten Körpers. Dieser bildet am Scheitel einen oder mehrere Vorkeime, von denen aber fast aus- nahmslos nur einer sich zu einem Embryo entwickelt. Auch bei Tulipa Gesn. wird die Eizelle durch die erste Theilung in eine grössere . Basalzelle und eine kleinere scheitelständige Segment- zelle zerlegt. Gewöhnlich erfolgt diese Theilung aber durch eine schief gestellte Wand (Fig. 34 Taf. VI) oder sogar vollständig in der Längsrichtung der Eizelle (Fig. 40 Taf. VI). Die inäquale Theilung ist dabei in den meisten Fällen zu einer mehr oder weniger äqualen geworden. Dem entsprechend zeigen die entstehenden Tochterzellen später auch das gleiche Verhalten. Während bei inäqualer Theilung die entstehende grosse, plasmaarme Basalzelle nicht theilungsfähig ist und alles Wachsthum von der kleineren Segmentzelle ausgeht, be- theiligen sich hier nun beide Zellen in gleicher Weise am Zell- bildungsprocesse, ja die Theilung der Basalzelle kann sogar derjenigen der Scheitelzelle vorangehen (Fig. 35 Taf. VI). Die in den Figuren 36-40 dargestellten, auf einander folgenden weiteren Entwickelungsstadien mit den unregelmässig geformten, nach aussen stark abgerundeten Zellen zeigen, dass hier nicht die Ent- wiekelung eines gewöhnlichen Vorkeims mit mehr oder weniger deut- licher Etagenbildung eingeleitet ist. Wie ferner aus den Fig. 38 und 40 54 zu ersehen ist, haben schon in diesen jüngsten Stadien auch Thei- lungen in der Ebene der Zeichnungsfläche stattgefunden. Es ent- stehen also kleine Zellkörper, die, wie es in dem in Fig. 38 darge- stellten Stadium der Fall ist, mit mehreren scheitelständigen Zellen wachsen. Nach weiteren regellos stattfindenden Theilungen entstehen aus diesen Anfängen unregelmässige, oft traubige Zeilkörper, wie sie in den Fig. 41—46 dargestellt sind. Viele Zellen erfahren nach been- detem Wachsthum noch nachträgliche Theilungen. $ie sind dicht mit Protoplasma erfüllt und besitzen gewöhnlich eine grosse Anzahl von Kernen. Während diese in den jüngeren Stadien (Fig. 34—40) noch vollständig normales Aussehen haben und stets 1—2 Kernkörperchen zeigen, sind die Kerne der ausgewachsenen Zellen von ungleicher Grösse, ohne Kernkörperchen und scheinen bloss aus einer homogenen, stark färbbaren Grundsubstanz zu bestehen. Nach einigen Präparaten zu urtheilen, verlaufen auch die Kerntheilungen nicht mehr normal; die Zahl der unregelmässigen Chromosomen beträgt bei diesen nach- träglichen Theilungen immer weniger als 24. In älteren Stadien finden wir die Kerne der einzelnen Zellen an einander liegend oder sogar zu undeutlichen, stark gefärbten Haufen geballt. Seiner Function wegen wollen wir diesen Zellkörper als Vor- keimträger!) bezeichnen. An seinem Scheitel spaltet er sich näm- lich in 2—5 Zellgruppen, die, wie ihre spätere Entwickelung zeigt, den Embryovorkeimen anderer Pflanzen entsprechen. Tulipa Gesn. zeigt also die Erscheinung der Polyembryonie und zwar in ähnlicher Weise, wie dies von einigen Cupressineen und Abietineen?) bekannt ist, bei denen nach den ersten T’heilungen der befruchteten Eizelle durch Querwände eine Spaltung in mehrere ge- trennt wachsende Embryoanlagen erfolgt, von denen im Laufe der Entwickelung eine die Oberhand gewinnt und die anderen verdrängt. Wie ich nach Abschluss meiner Untersuchung beim Studium der einschlägigen Litteratur fand, ist die gleiche Art der Polyembryonie wie bei Tulipa Gesn. 1895 von Jeffrey?) bei Erythronium americanum, . » Diese Bezeichnung ist zwar schon von Hegelmaier (op. eit. pag. 102) für ein ganz anders aussehendes Gebilde der Embryogenie von Gorydalis ochro- leuca gebraucht worden; sie scheint mir aber bei Tulipa Gesn. die allein passende zu sein, _ 2) K. Goebel, Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Pflanzenorgane. Handbuch der Botanik von A. Schenk. II, Bd. pag. 160. 3) Jeffrey E. C., Polyembryony in Erithronium americanum. Annals of Botany IX, 1895, pag. 537—541. ” 55 einer wild wachsenden nahen Verwandten der Gattung Tulipa, jent- deckt und beschrieben worden. Wie Jeffrey’s Beschreibung und die beigegebenen sechs Figuren zeigen, findet auch bei Erythronium americanum die Bildung eines Vorkeimträgers statt. Auch hier ge- staltet sich schon nach der ersten Zelltheilung die Weiterentwickelung höchst unregelmässig: „the first division is followed by others which have no fixed order or plane.“ Immerhin ist auch bei dieser Pflanze die Zelltheilung nicht auf die eine scheitelständige Zelle beschränkt, sondern es theilen sich beide Zellen wohl in gleicher Weise. In den Jüngeren Stadien ist die Uebereinstimmung bei beiden Pflanzen eine auffallende, und Jeffrey’s Figuren 3 und 4 könnten vollkommen mit meinen Figuren 35 und 37 vertauscht werden. Zwei seiner wei- teren Zeichnungen zeigen ältere Vorkeimträger, von denen der eine sich am Rande zu gliedern beginnt, während der andere bereits vier „Embryonen“ oder, wie sie wohl richtiger genannt werden, Vorkeim- anlagen, ähnlich den in meinen Figuren 42 und 43 trägt. In der Form unterscheidet sich der ausgewachsene Vorkeimträger von Ery- thronium americanum freilich wesentlich von demjenigen von Tulipa Gesn. In jüngeren Stadien läuft auch bei Erythronium am. der Em- bryosack spitz gegen die Mikropyle aus, so dass der mit einer basalen Zelle beginnende embryonale Körper sich erst gegen den weiteren Theil des Embryosackes hin verbreitern kann und wie bei Tulipa Gesn. zu einem traubigen Körper zu werden scheint. Eine später erfolgende Verbreiterung auch dieses Theiles des Embryosackes erlaubt dem Vor- keimträger, sich mehr in die Breite zu entwickeln, so dass er in Jeffrey’s Fig. 6 mit acht Zellen breiter Basis an das innere Integu- ment anschliesst. Auch bei Erythronium dens canis scheint, nach zwei Figuren Hofmeister’s!) zu schliessen, der Bildung eines Embryos diejenige eines Vorkeimträgers oder doch eines grossen, keuligen Vorkeims voraus zu gehen, Die auf dem Vorkeimträger von Tulipa Gesn. entstehenden Vor- keime (Fig. 41 Taf. VI nnd Fig. 42 und 43 Taf. VII) haben ganz un- gleiche Grösse und Form. Viele sind kugelig und in Quadranten oder Octanten getheilt, andere zeigen unvollständige und unregel- mässige Segmentirung, einige endlich zeichnen sich durch eine merk- würdige Segmentation aus (Fig. 42 Taf. VII), die auffallend an die bekannten Abbildungen junger Moosknospen oder Equisetenscheitel, also an junge, mit Scheitelzellen wachsende Sprosse, erinnert. ) W. Hofmeister, op, cit. Taf. XIX Fig.5 u. 6. 56 Wie schon gesagt worden ist, können am Scheitelende des Vor- keimträgers mehrere solcher Vorkeime entstehen (in Fig. 41 sind deren fünf, in Fig. 42 dagegen vier). Da der Vorkeimträger nieht nur in einer Fläche, sondern als Körper entwickelt ist, kommt es nicht selten vor, dass (Fig. 43 Taf. VII) solche Vorkeime über einander liegen. Wenn die Entwickelung des Vorkeimträgers zur Bildung eines mehr oder weniger symmetrisch gebauten Körpers führt, schliesst dieser oft mit einer einzigen Vorkeimanlage ab, welche sich in die beiden Theile des Embryos, in Embryoträger und Embryokörper, zu differenziren beginnt. Auch auf den Vorkeimträgern mit mehreren gleich stark entwickelten Vorkeimen wächst schliesslich nur einer zu einem wirk- lichen Embryo aus, während die übrigen, sowie der Vorkeimträger selbst, nicht mehr weiter wachsen. Das ganze Gebilde erhält dadurch bald eine asymmetrische Form (Fig. 46). Auch bei Erythronium am. entsteht auf einem Vorkeimträger, wie Jeffrey bemerkt, nur ein einziger ausgewachsener Embryo. Am Scheitel des bevorzugten Vorkeimes bilden sich zunächst einige kleinere, etagenförmig gelagerte Zellen (Fig. 47 Taf. VII), die nur einen oder zwei gut ausgebildete Kerne enthalten. Nach einigen weiteren Theilungen beginnt die Differenzirung des aus scheiben- förmigen Zellen sich aufbauenden Embryoträgers und des kugeligen Embryokörpers. Ob zur Bildung des in Fig. 48 dargestellten Octanten eine oder zwei Zellen des undifferenzirten Vorkeimes verwendet werden, vermag: ich nicht zu entscheiden. Es kann ja auch nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, die nun rasch vorwärts schreitende Entwickelung von Embryoträger und -Körper Schritt für Schritt zu verfolgen, Ueber- dies haben die zahlreichen embryologischen Untersuchungen bei Mono- cotyledonen und Dicotyledonen zur Genüge festgestellt, dass in der Embryoentwickelung immer grosse individuelle Abweichungen vor- kommen und deshalb nur für wenige Pflanzen bis zu .einer grösseren Zellenzahl eine genaue Theilungsfolge aufgestellt werden kann. Der Embryoträger besteht meistens aus 4—6 Etagen (Fig. 49 u. 50), von denen jede mehrere Kerne enthält, Durch Theilungen in tangen- tialer Richtung findet in dem rasch wachsenden Embryokügelchen bald eine Differenzirung in das oberflächliche Dermatogen und in innere Schichten statt, welche sich später wiederum in Plerom und Periblem theilen., Fine besondere Erwähnung verdient noch ein in Fig. 51 Taf. VI dargestelltes Präparat. Es ist dies der einzige Fall, in welchem zwei benachbarte Vorkeime desselben Vorkeimträgers sich zu Embryonen 87 zu entwiekeln begonnen haben. Es scheint mir nicht wahrscheinlich, dass sich in diesem Falle beide vollständig entwickelt hätten. Abge- sehen davon, dass der eine bereits bedeutend stärker ausgebildet ist als der andere und diesen vielleicht noch vollständig verdrängt hätte, sind beide auch insofern anormal gestaltet, als ihre Embryokörper ohne eigens differenzirten Träger auf dem Vorkeimträger aufsitzen. Es ist schon vielfach die Vermuthung ausgesprochen worden, dass in Fällen einer ausserordentlichen Eutwiekelung des Embryo- trägers dieser die Nahrungszufuhr in den Embryo zu vermitteln habe. Könnte dem Vorkeimträger von Tulipa Gesn. die gleiche Function, vielleicht noch in erhöhtem Maasse zukommen? Das Aus- sehen desselben und sein Schicksal geben auf diese Frage eine verneinende Antwort. Schon während der Entstehung des Vorkeim- trägers sind namentlich seine älteren Theile mit dicken Membranen umgeben, während die jüngeren Theile, und besonders die an der Scheitelpartie entstehenden Vorkeime, ganz dünne Membranen haben, welche der Nahrungsaufnahme weniger hinderlich sind, In der That findet man um diese Vorkeime und später um den sich entwickelnden Embryo immer dichtes Plasma mit grossen, in Auflösung begriffenen Kernmassen. Während der Entwickelung des Embryo verschwindet allmählich der Inhalt der grossen, vorher so plasma- und kernreichen Zellen des Vorkeimträgers (Fig. 49 Taf. VIII). Dieser ist nutzlos ge- worden und degenerirt. Die in den flüssigen Bestandtheilen seiner Zellen noch aufgespeicherten Stoffe finden zum Aufbau des Embryo Verwendung. Die verdickten Zellwände des Vorkeimträgers dagegen sind noch im reifen Samen theilweise zu finden. Die. Samen von Tulipa Gesn. sind Mitte Juli reif. Der in ihnen enthaltene Embryo (Fig. 60 Taf. VII) ist etwa 4mm lang. Er stimmt in seinem Bau mit demjenigen anderer Liliaceen überein. Er ist meistens dem convexen Rand des Samens parallel schwach gekrümmt und liegt in einer Höhle des wenigsebichtigen Endosperms. Seine Differenzirung ist noch nicht weit vorgeschritten. Wurzelanlage und Vegetationskegel sind schwach entwickelt; durch bedeutende Grösse dagegen zeichnen sich das walzenförmige hypocotyle Glied und der verbreiterte Cotyledon aus. Die äusserste Schicht des letzteren be- steht aus radial gestreckten, schmalen Zellen, die bei der Keimung vielleicht als Saugorgan die Nahrungsaufnahme aus der Reservecellulose des Endosperms besorgen. Die Zellen des Embryo enthalten weder Stärke, noch Oel; ihr Inhalt gibt eine schwache Zuckerreaction, be- steht aber zum grössten Theile aus Eiweisssubstanzen. 58 IV. Bildung des Endosperms. Der Entdeckung des Copulationsvorganges des zweiten Sperma- kerns mit den beiden Polkernen durch Nawaschin und Guignard sind vor wenigen Monaten zwei nicht minder interessante Untersuch- ungen von De Vries!) und Correns?) gefolgt, in welchen die bei- den Forscher zeigen, dass bei Bastardirung zweier, mit verschieden- artigem Endosperm ausgerüsteter Maisvarietäten, des sog. Zuckermais und des gewöhnlichen Stärkemais, nicht nur der Embryo, sondern auch das Endosperm Eigenschaften beider Eltern erhält. Damit ist also der experimentelle Nachweis erbracht, dass auch die Copulation des zweiten Spermakernes mit den Polkernen, wie diejenige von Ei- und Spermakern eine wirkliche Befruchtung mit Uebertragung vererbbarer Eigenschaften ist, Von den zum primären Endospermkern vereinigten Kernen be- sitzen bei Tulipa Gesn. zwei, der Spermakern und der obere Polkern, die reduzirte Chromosomenzahl 12, während der untere Polkern eine zwischen 12 und 24 schwankende Zahl von Chromosomen aufweist. Es wäre deshalb von grossem Interesse, festzustellen, ob nun in den Prophasen der ersten Theilung die Zahl der Chromosomen wirklich zwischen 86 und 48 liegt und in welcher Weise in den folgenden Theilungen die Reduction auf die gewöhnliche Zahl von 24 Chromo- somen stattfindet. Leider bin ich aber erst im Besitze von Präparaten, wo vier Endospermkerne in Theilung begriffen sind, die sich nicht einmal gut zur Darstellung eignen, da immer zwei Kerntheilungen fast über einander liegen und nur bei verschiedener Einstellung aus einander gehalten werden können. Immerhin ist mit Bestimmtheit zu ersehen, dass die Chromosomenzahl dieser vier Kerne noch je etws 30 beträgt. Die ersten Endospermkerne (Fig. 33 Taf. VI) sind von bedeuten- der Grösse. Sie liegen in einem centralen Strang von Protoplasma, während die peripherischen Partien des stark wachsenden Embryo- sackes noch viele Vacuolen aufweisen. Erst nachdem 16—32 Kerne gebildet worden sind, zieht sich das gesammte Plasma mit den Ker- nen allmählich gegen die Peripherie des Embryosackes und bildet schliesslich einen an der ganzen Oberfläche gleichmässig entwickelten Wandbeleg von schaumiger Struktur. lH. de Vries, Sur la f&condation hybride de l’albumen, Comptes rendus de l’acad. d. sciences, 1899, Nr. 23 pag. 973—975. 2) C. Correns, Untersuchungen über die Xenien bei Zea Mays. Ber. der Deutschen bot. Ges. Bd. XVII, 1899, Heft 10 pag. 410-417. 59: Das Wachsthum des Vorkeimträgers und die rasch erfolgenden Theilungen der Endospermkerne bedingen zunächst eine starke Aus- dehnung des Embryosackes in die Breite, was theils durch das all- gemeine Wachsthum der ganzen Samenanlage, theils durch die Ver- drängung der seitlich gelagerten Nucelluszellen ermöglicht wird. Die vollständige Resorption der Nucelluszellen wird zuerst durch die mitt- leren Partien des Embryosackes vollzogen, so dass hier der kernreiche Wandbeleg des Embryosackes unmittelbar auf das innere Integument zu liegen kommt. Erst jetzt wächst der Embryosack auch langsam gegen die Chalaza hin, indem eine vacuolige, kernlose Plasmamasse, die dem Nucelluskörper auf seiner ganzen Fläche aufliegt, durch Re- sorption seiner Zellen zugleich die Vergrösserung und die Ernährung des Embryosackes besorgt. Der beiderseits von einer Hautschicht begrenzte Wandbeleg des Embryosackes ist bei Tulipa Gesn. sehr dünn. In gleichmässigen Abständen von einander (Fig. 53 Taf. VIII) liegen die kugeligen oder ovoiden Kerne. Sie zeichnen sich durch ein zartes Gerüstwerk feiner Lininfäden aus, in welchem zahlreiche Chromatinkörperchen einge- mischt sind. Die Nucleolen, 2—5 an Zahl und von ganz ungleicher Grösse, sind wie die Chromatinsubstanz durch Hämatoxylin stark färbbar. Nicht selten erfolgen in einem grossen Theile des Wandbeleges die Kerntheilungen gleichzeitig. Meistens schreiten sie in diesem Falle in einer bestimmten Richtung vorwärts, so dass man z2. B. in der Nähe der Mikropyle die Anaphasen, am Chalazaende des Embryo- sackes das beginnende Knäuelstadium und dazwischen alle übrigen Stadien der Karyokinese treffen kann. Ich bin im Besitze mehrerer Präparate, welche ähnliche Bilder bieten wie Stras burger’s Fig. 218, Pag. 615, seines Bot. Practicums von Fritillaria imperialis. Trotzdem von geeignetem Material leicht eine grössere Anzahl von guten Prä- paraten hergestellt werden könnte, würden sich diese doch nicht zu eingehenden Kernstudien eignen, da es wegen der eigenartigen Biegungen und Stellungsverhältnisse der Chromosomen z. B. schon unmöglich ist, ihre Zahl genau zu bestimmen (Fig. 54 Taf. VII). Ein glücklicher Zufall hat mir zu einem Präparate verholfen, in welchem der Verlauf der letzten Kerntheilung vor der Segmentirung des Wandbeleges zur ersten Endospermschicht genau zu verfolgen ist. Von einigem Interesse dürfte eine kleine Beobachtung sein, die ich an den Anaphasen dieser Theilung machen konnte. Die Chromosomen sammeln sich an den Polen der Spindelfigur (Fig. 55 und 56 Taf. VIII), 60 verschmelzen mit ihren Enden und bilden die Tochterknäuel. Inner- halb der dem umgebenden Cytoplasma angehörenden Kernmembranen lösen sich die Chromosomen in feine Fäden und Körnchen auf, es bilden sich in dem jungen Kern das Liningerüst und 2—3 Nucleolen. Zwischen den Tochterkernen spielen sich indessen die Vorbereitungen zur Membranbildung ab. Wenn die aus einander weichenden Tochter- chromosomen sich zu den Knäueln anordnen, sind diese nur durch wenige gerade und parallel verlaufende Spindelfasern verbunden. Der ganze zwischen ihnen liegende Raum unterscheidet sich vom um- gebenden Cytoplasma durch eine intensivere Färbung, was darauf hindeutet, dass daselbst eine fein zertheilte Substanz vorhanden ist. In dem Maasse, als die Zahl der Spindelfasern sich nun vermehrt und die Spindelfigur tonnenförmig wird, beginnt sich diese schwach gefärbte Substanz von den beiden Kernen weg zu einem Gürtel um den Aequator der Tonne zu coneentriren und sich nach und nach den Spindelfasern anzulagern, so dass diese in ihrer mittleren Partie dicker und stärker gefärbt sind. Indem sich diese Substanz schliesslich zwi- schen den Spindelfasern zu kleinen Anschwellungen zusammenzieht, die mit einander verschmelzen, entsteht eine scharfe, dunkel gefärbte Zellplatte (Fig. 57 Taf. VII). Bekanntlich findet während der Prophasen der Kerntheilung eine Auflösung der Kernkörperchen statt. In Präparaten mit solchen Sta- dien hat der Kernraum eine intensivere Färbung als das umgebende Cytoplasma (siehe auch Fig. 14 Taf. IV). Es erscheint deshalb wahr- scheinlich, dass diese Färbung von einer Vertheilung der Nucleolar- substanz herrührt, die beim Auseinanderweichen der Chromosomen an ihrer Stelle verbleibt, sich dann später an den äquatorialen Theilen der Spindelfasern sammelt und zur Bildung der Zellplatte verwendet wird. Das Vorhandensein einer tingirbaren Substanz zwischen den Spindelfäden ist auch von Strasburger (Bot. Pract. pag. 618) bei Fritillaria imperialis constatirt worden, und er spricht ebenfalls die. Vermuthung aus, dass diese Substanz, die sich nach der äquatorialen Zone zieht, sich dort an der Bildung der Zellplatte betheilige: „Es macht den Eindruck, als wenn Nucleolarsubstanz auch zu dieser Bildung, die mit einer Vermehrung und äquatorialen Anschwellung der Ver- bindungsfäden verbunden ist, nöthig wäre.“ Durch die vollständige Ausbildung der Zellplatte (auch bei den vorhergehenden Endospermkerntheilungen wird eine Zellplatte ange- legt, die aber bald wieder aufgelöst wird) zwischen den Tochterkernen der letzten Kerntheilung ist nun auch bereits die simultane Zellbildung 61 eingeleitet, welche den vielkernigen Wandbeleg des Embryosackes zur ersten Wandschicht des Endosperms umwandelt. Bei der Ab- theilung des Wandbeleges in die prismatischen Plattenzellen kommen sehr häufig 2—4 Kerne in dieselbe Zelle zu liegen. In wenigen Fällen werden sie durch nachträglich eingeschaltete Wände von ein- ander getrennt. Meistens nähern sie sich, werden von einer gemein- samen Plasmaschicht umgeben und verschmelzen schliesslich zu einem grossen Kern. Ein entsprechendes Verhalten erwähnt Strasburger für Corydalis cava.!) In der Folge wird diese erste Zelllage durch zahlreiche sowohl eentrifugal als centripetal erfolgende Theilungen zu dem 8—10 Zell- schichten starken Endosperm. Da die Samen von Tulipa Gesn. auch im ausgereiften Zustande sehr dünn sind, so stellt das Endosperm fast durchgehends ein geschlossenes Gewebe dar; nur um den walzen- förmig gestreckten Embryo bleibt ein Rest des früheren Hohlraumes als Embryonalhöble erhalten. Zum Schlusse mögen noch einige Bemerkungen über die gesammte Samenanlage und die Vertheilung der Nährstoffe in den verschiedenen Zeiten ihrer Entwickelung folgen. Fig. 52 Taf. VIII gibt das Bild einer gut entwickelten Samenanlage drei Wochen nach der Befruch- tung. Am Scheitel des Embryosackes sehen wir den Vorkeimträger, dessen Scheitel drei Vorkeime zu differenziren beginnt. Der Embryo- sack hat sich stark entwickelt und den Nucelluskern bis zur Insertions- stelle des inneren Integumentes verdrängt. Das innere Integument ist nur noch in den Partien an der Mikropyle zwei- oder dreischich- tig, weiter unten sind den beiden begrenzenden Epidermisschichten noch 2—3 Sehichten grösserer und locker zusammenschliessender Zellen eingefügt. Das äussere Integument ist auf der gekrümmten Seite etwa zehn Zeillagen mächtig, die mit dem Funiculus ver- schmolzene und vom Leitbündel durchzogene inuere Seite ist noch mächtiger entwickelt. In den jüngsten Stadien bilden die Fruchtblätter die alleinigen Reservestoffbehälter; schon zur Zeit der Befruchtung werden sie zum grossen Theil entleert, indem das Reservematerial in die Sanenknospen wandert und dort besonders in den Zellen des Funiculus und des äusseren Integumentes in Form von Stärke aufgespeichert wird. Als Merkwürdigkeit mag noch erwähnt werden, dass sich auf der ganzen Samenanlage, besonders aber in der Nähe der Ansatzstelle des Funi- culus in der Epidermis des äusseren Integumentes, vereinzelte Spalt- I) Bot. Practioum, 8. Aufl, pag. 619. 62 öffnungen finden. Ihre Schliesszellen enthalten im Gegensatz zu den anderen Epidermiszellen zahlreiche Stärkekörner.. In allen stärkeführenden Zellen sind die meisten Körner in Ringen um die Kerne gruppirt, was wohl dadurch veranlasst wird, dass die sie erzeugenden Leucoplasten stets in der Nähe der Kerne vorkommen. Wenn das Wachsthum des Fruchtknotens und der Samen abge- schlossen ist, wandern die noch in den Fruchtblättern vorhandenen Nahrungsstoffe in die Samen hinein und werden nun hauptsächlich dem Endosperm zugeleitet. Auch die Integumente, die durch das wachsende Endosperm stark reduzirt werden, geben ihre Reservestoffe an dasselbe ab und werden schliesslich zu der dünnen, nur noch aus einer deutlichen Zellschicht bestehenden Samenhaut. Im Eindosperm erfolgt die Aufspeicherung der Nahrungsstoffe für den Keimling in Form von Reservecellulose, die den ursprünglichen Membranen unter Verengerung und Abrundung der Zelllumen ange- lagert wird (Fig. 59 und 60 Taf. VII). An zahlreichen Wandstellen findet die Celluloseanlagerung in viel schwächerem Maasse_ statt, s0 dass jede Zelle mit den benachbarten durch grosse, wohl von feinen Poren durchsetzte Stellen in Verbindung bleibt. Der Inhalt der Endo- spermzellen besteht aus dem Kern, dem stark färbbaren Protoplasma und zahlreichen grossen Oelkugeln. V. Uebersicht über die Art der Entstehung von Polyembryonie bei den Angiospermen. Bei den Gymnospermen bedingen bekanntlich die in den einzelnen Familien und Gattungen wechselnden morphologischen Verhältnisse der Samenknospe, wie die Anlage mehrerer Embryosäcke, die Mebhr- zahl der Archegonien in demselben Embryosack, sowie die eigen- thümliche Erscheinung, dass aus der befruchteten Eizelle durch Iso- lirung der sich zunächst bildenden Zellen mehrere Embryoanlagen entstehen können, zahlreiche Unregelmässigkeiten in der Ausbildung der Embryonen. Viel einheitlicher und constanter gestaltet sich im Vergleich zum Umfang der Reihe die Embryobildung bei den Angio- spermen, indem die einzige Eizelle einer Samenanlage nach der Be- fruchtung direct zum Embryo wird. Abweichende Fälle, in welchen sich in einem Samen mehrere Embryonen befinden, oder sich doch im Laufe seiner Entwickelung zu bilden beginnen, werden unter der Bezeichnung Polyembryonie zusammengefasst. Sie ist auch bei den Angiospermen eine viel häufigere Erscheinung als man gewöhnlich anzunehmen pflegt. Das Vorkommen mehrerer Embryonen in dem- 63 selben Samen ist schon in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhun- derts von vielen Botanikern an einer grösseren Reihe von Angiospermen beobachtet worden. A. Braun!) hat im Anschluss an seine Unter- suchung über die „Polyembryonie und Keimung von Caelebogyne ilieifolia* eine ausführliche Uebersicht über 63 damals bereits bekannte Fälle gegeben. Die Zahl derjenigen Pflanzen, bei welchen Polyembryonie normal, d.h. bei einem grossen Procentsatz aller Samen, vorkommt, ist klein, dagegen dürften die meisten, vielleicht alle Angiospermen gelegentlich polyembryonische Samen bilden. Polyembryonie führt bald zur Er- zeugung mehrerer keimungsfähiger Embryonen, bald fallen die in Mehrzahl angelegten Embryonen von einem gewissen Stadium an der stärkeren Entwickelung eines einzigen zum Opfer. Die Frage nach der Entstehung der Polyembryonie konnte erst gelöst werden, nachdem die Befruchtungserscheinungen genau bekannt waren. Es ist das Verdienst Strasburger’s®), zuerst bei einer Anzahl der als polyembryonisch bekannten Pflanzen die Entwickelungsgeschichte ihrer Embryonen erforscht zu haben. Eine Reihe von Arbeiten auf embryologischem Gebiete haben seither die Frage nach der Entstehung der Polyembryonie wieder berührt und für dieselbe die verschiedensten Entstehungsarten festgestellt. Da viele dieser sehr interessanten Angaben über Polyembryonie in grösseren Arbeiten und Zeitschriften zerstreut sind, ist es wohl gerechtfertigt, diese Litteraturangaben zu einer orientirenden Uebersicht zusammen zu stellen.?) A. Unächte Polyembryonie, entstehend durch: 1. Verwachsen von Samenanlagen. Pirus Malus. A. Braun, Ueber Polyembryonie pag. 141. Loranthus europaeus. A. Braun, op. eit. pag. 132. Viscum album. A. Braun, op. eit. pag. 148. Diese Art von Polyembryonie wurde für Pirus Malus an einem einzigen Beispiele beobachtet, in welchem durch die Verschmelzung l) A. Braun, Ueber Polyembryonie und Keimung von Caelebogyne. Abh. 4. kgl. Akad. d, Wiss. zu Berlin, 1859, ” 2) E. Strasburger, Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 1878. — Ueber Polyembryonie, 8.-A. aus der Zeitschr. f. Naturwissensch. XII. N.F.V,4. 1878, 3) Eine unvollständige Zusammenstellung findet sich als Einleitung zu Tretja- kow's Arbeit „Die Betheiligung der Antipoden in Fällen der Polyembryonie bei Allium odorum L.“ Ber. der Deutschen bot, Ges. 1895. 64 der Integumente die beiden Endospermkörper mit den enthaltenen Embryonen in die gleiche Samenschale eingeschlossen waren. Sie ist dagegen häufig bei Viscum album und einigen Loranthusarten, indem durch Verschmelzung mehrerer unvollkommener Samenanlagen schein- bar eine einzige entsteht, die mehrere Embryosäcke enthält und in- folge dessen auch mehrere Embryonen erzeugen kann. 2. Theilung des Nucellus. Morus alba. W. Hofmeister. Pringsheim’s Jahrbücher f. w. =” Bot. I, 1858, pag. 98. Orchis Morio. A. Braun op. cit. pag. 142. Gymnadenia conopea. E. Strasburger, Ueber. Polyembryonie, 1878, pag. 21. Coffea arabica(?). Hanausek, Ueber sym. u. polyembr. Samen von C. arab. Ber. d. D. bot. Ges. Bd. XIII, 1895, pag. 73. Bei Gymnadenia conopea und Orchis Morio ist die Theilung des Nucellus vor, bei Morus alba dagegen nach der Anlage des inneren Integumentes erfolgt. Nur bei Coffea arabica werden auf diese Weise in einer grösseren Anzahl von Samenanlagen zwei Embryonen gebildet. 3. Entwickelung mehrerer Embryosäcke in demselben Nucellus. Cheiranthus Cheiri. Schacht, Ueber Pflanzenbefruchtung. Prings- heim’s Jahrb., 1858, pag. 203. Rosa spe. Hofmeister op. eit. pag. 100. Rosa livida. E. Strasburger, Ueber Befruchtung und Zeill- theilung pag. 36. Trifolium pratense. Jönsson, Bot. Centralbl. 1883, XVI, pag. 171. Taraxacum offieinale. 8. Schwere, Zur Entwickelungsgeschichte der Frucht von T. offieinale. Fiora 1896 Heft 1. Besonders häufig finden sich mehrere Embryosäcke im gleichen Nucellus bei Rosa livida; wie bei den anderen angeführten Beispielen entwickelt sich aber nur in einem derselben ein keimungsfähiger Embry0. B. Aechte Polyembryonie. a) Die Embryonen nehmen ihren Ursprung aus ausserhalb des Em- bryosackes gelegenen Zellen; sie werden extrasaccal angelegt. 1.Entwickelung von Adventivembryonen aus Nucelluszellen. Funkia vata. E. Srasburger, Ueber Befruchtung und Zell- theilung pag. 63. — Ueber Polyembryonie pag. 2. — An gaben älterer Litteratur: A, Braun op. eit. pag. 146. 65 Nothoscordon fragrans. E. Strasburger, Ueber Befruchtung ” pag. 65; Ueber Polyembryonie pag. 4. — Angaben älterer Litteratur bei A. Braun op. cit. pag. 145. Citrus aurantia. E. Strasburger, Ueber Polyembryonie pag.6. — Angaben älterer Litteratur bei A. Braun op. cit. pag. 160. Mangifera indica. E. Strasburger, Ueber Polyembryonie pag. 11. Evonymus latifolius. E.Strasburger, Ueber Polyembryonie pag. 12. Evonymus americanus. A. Braun op. eit. pag. 156. Caelebogyne ilicifolia. E. Strasburger, Ueber Polyembryonie pag. 13. — A. Braun, Ueber Polyembryonie und Kei- mung von C, ilieifolia. Clusia alba. Goebel, Biolog. Centralblatt XX pag. 571. Opuntia vulgaris. Ganong W., Upon polyembryony and its morphology in Opuntia vulgaris. Botanical Gazette 1898, pag. 221. Ref.in Beihefte z. Bot. Centralbl. 1898, pag. 299. Nach Befruchtung der Eizelle wird der sich bildende Eiembryo durch Adventivembryonen verdrängt, die aus den plasmareichen Nu- celluszellen am Scheitel des Embryosackes entstehen (bei Citrus aur. auch im Innern des Nucellusgewebes) und in den Embryosack hinein- wachsen. Von diesen Adventivembryonen entwickeln sich gewöhnlich mehrere und liefern bei der Keimung selbständige Pflänzchen. Caele- bogyne bildet diese Adventivembryonen ohne vorausgehende Befruch- tung der Eizelle, 2, Adventivembryonen aus Zellen des inneren Integu- mentes, Allium odorum. F. Hegelmaier, Zur Kenntniss der Poly- embryonie von All. odorum. Bot. Ztg. 1897 pag. 1. — 8. Tretjakow, Die Betheiligung der Antipoden in Fällen der Polyembryonie bei All.odorum. Ber. d. D. bot. Ges. 1895. Nach den Untersuchungen der beiden Forscher zeigt Allium odo- rum eine Vielseitigkeit der Befähigung zur Embryobildung, wie sie noch bei keiner anderen Pflanze gefunden worden ist. Die Befruch- tung der Eizelle und die Entwickelung eines normalen Eiembryo leiten die Entstehung von nicht weniger als dreierlei Adventivembryo- nen ein, Es entstehen nämlich: Synergiden- und Antipodenembryonen, sowie wandständige Adventivvorkeime. Diese letzteren, die nur von Hegelmaier beobachtet worden sind, finden sich nach ihm etwa in Is der untersuchten Samen. In ihrer Ausbildungsweise sind sie mit erjenigen von Citrus, Nothoscordon u. s. w. zu vergleichen; sie bilden ora 1901. u 66 sich indessen in gleichmässiger Entfernung von Eiapparat und Anti- poden auf der convexen Seite der stark campylotropen Samenanlage aus den äussersten Schichten des Integumentes. Da die inneren Schichten des Integumentes und das Nucellusgewebe längst verdrängt worden sind, wachsen sie in den Embryosack hinein. b) Die Embryonen werden aus Elementen des Embryosackes, also intrasaccal gebildet. 1. Normale Existenz zweier Eizellen. Santalum album. E. Strasburger, Befruchtung und Zell- theilung pag. 46. Sinningia Lindleyana. E. Strasburger op. eit. pag. 46. Der Eiapparat von Santalum album besteht in vielen Fällen aus vier Zellen, von denen zwei, die Synergiden, das vordere Ende des schlauchförmigen Embryosackes ganz ausfüllen; nach hinten schliesst sich jeder derselben eine Eizelle an. Strasburger nimmt an, dass der für die Eizelle bestimmte Kern sich nochmals theile und so die für zwei Eier erforderlichen Kerne liefere. Er schliesst dies daraus, dass die Bildung der beiden Eier meistens etwas später erfolgt als diejenige der Synergiden und weil er öfters am Grunde des Embryo- sackes zwei in Verschmelzung begriffene Kerne fand, ein Beweis, dass auch hier ein Kern (von den vier) des Eiapparates an den Em- bryosack abgegeben worden ist und nicht etwa die Stelle eines zweiten Eikernes vertritt. Bei Sinningia Lindleyana wurde die Anwesenheit von zwei Ei- zellen nur in zwei Fällen gefunden, 2. Synergidenembryonen. Glaucium luteum. F.Hegelmaier, Vergl. Untersuchungen über Entwickelung dicotyledoner Keime, 1878, pag. 76. Mimosa Denhartüi. \L.Guignard, Rech. sur l’embryogenie d.Legu- Schrankia uncinata.) mineuses. Ann. d.sc.nat. VIs. Bot. T.XII. 1881. Iris sibirica. A. Dodel, Beiträge zur Kenntniss der Befruchtungs- erscheinungen bei Iris sibirica. 1891. Lilium Martagon. E. Overton, Beitrag z. Kenntniss d. Ent- wickelung u. Vereinig. d. Geschlechtsprodukte bei L.M. 1891. Vincetoxicum nigrum u. — medium. G.Chaveau, Sur la fecon- dation dans les cas de polyembryonie. Comptes rendus de l’acad. d. sc. Paris CXIV, 1892, pag. 504. Allium odorum. 8. Tretjakow op.cit, und F. Hegelmaier op. cit. = 67 Taraxacum officinale. 8.Schwere, Zur Entwickelungsgeschichte = der Frucht von Taraxacum off. Flora 1896. Aconitum Napellus. A. Osterwalder, Beiträge zur Embryo- ” logie von Aconitum Napellus. Flora 1898 pag. 254. Den beiden Zellen, welche mit der Eizelle den sog. Eiapparat bilden, wurde früher eine Function bei Befruchtung der Eizelle zu- geschrieben. Sie führen aus diesem Grunde noch immer den Namen Synergiden (Gehilfinnen. Guignard vermuthete, dass die von ihm bei Mimosa Denhartii beobachteten Embryonen aus ihnen entstanden sein könnten. Die Entstehung dieser Art von überzähligen Embryonen ist aber erst von Prof. Dodel genau erforscht worden, indem er nachwies, dass bei Iris sibirica die Synergiden wie die Eizelle durch Spermakerne befruchtet werden können. Er leitete daraus den Satz ab, „dass die Synergiden in den Embryosäcken der Angiospermen nichts anderes sein können als rückgebildete Eizellen, resp. rückge- bildete Archegonien“. Diesem morphologischen Werthe der Synergiden entsprechend wird diese Art der Polyembryonie wohl bei allen Angiospermen ge- legentlich auftreten. Eine besondere Erwähnung verdienen noch Vincetoxieum offici- nale und V. medium. Im Gegensatze zu den übrigen Beispielen dieser Gruppe wird Polyembryonie in einer grossen Zahl ihrer Samen gefunden; die Zahl der in einer Samenknospe auftretenden, entwicke- Iungsfähigen Embryonen beträgt gewöhnlich 2—3, zuweilen sogar 4 oder 5. (Die Polyembryonie von Vinc. med. und Vinc. off. ist übrigens nicht, wie Chaveau glaubt, von ihm zuerst entdeckt worden, sondern schon lange bekannt. Siehe A. Braun op. eit. pag. 153.) Nach Chaveau finden sich zur Zeit der Befruchtung am Scheitel des Embryosackes drei, in vielen Fällen vier bis fünf gleichartige Zellen, die sich alle zu Embryonen zu entwickeln vermögen. Da nach seinen Untersuchungen besonders bei Vine. medium die Pollenkörner häufig zwei generative Kerne enthalten (die sich nachher nochmals theilen), schliesst Chaveau, dass wir es bei dieser Pflanze noch mit einer Mehrheit der weiblichen und männlichen Organe zu thun haben, während bei den meisten anderen Phanerogamen unter dem Einfluss allmählicher Vervollkommnung ihre Anzahl reducirt worden Ist und schliesslich im Embryosacke die Geschlechtsfunetion fast Immer auf eine einzige, besonders wohl differenzirte Zelle übertragen worden ist, 5* 68 3. Spaltung des eibürtigen Embryovorkeims. Loranthus europaeus. A. Braun op. eit. pag. 139. Am unteren Ende eines langen Vorkeims entstehen durch kreuz- weis gestellte Längswände vier Zellen, die durch wiederholte Thei- lungen die Bildung eines aus vier Zellreihen bestehenden Körpers bewirken. Gewöhnlich erfolgt aber nur an einer der vier Reihen die Bildung eines eigentlichen Embryo. Die Embryobildung von Loranthus zeigt also viel Aehnlichkeit mit derjenigen von Taxus und Juniperus, 4. Entwickelung eines Vorkeimträgers mit mehreren Embryovorkeimen. Erythronium americanum. E. C. Jeffrey, Polyembryony in Erith. am. Annals of Botany Vol. IX, 1895, pag. 537. Erythronium dens canis (2). W. Hofm eister, Neue Beiträge z. Kenntniss d. Embryobildung d. Phanerogamen. II. Mono- cotyledonen. Taf. XIX Fig. 4—6. Tulipa Gesneriana. Aus der befruchteten Eizelle entwickelt sich durch unregelmässige Zelltheilungen ein verschieden gestalteter Zellkörper aus grossen, plasma- und kernreichen Zellen. Dieser Vorkeimträger bildet an seinem Scheitel 1—6 Vorkeime, von denen in der Regel nur einer zu einem differenzirten, entwickelungsfähigen Embryo auswächst. Der Inhalt der Vorkeimträgerzellen wird in einem späteren Stadium resor- birt und zum Aufbau des Embryo verwendet. 5. Antipodenembryonen. Allium odorum. 8. Tretjakow op. eit.; F. Hegelmaier op. eit. Etwa in !/;—!/s aller Samenanlagen finden sich bei Allium odo- rum Antipodenembryonen. Ihre Entwickelung aus den Antipoden- zellen beginnt gleichzeitig mit derjenigen der befruchteten Eizelle. Nach Tretjakow gleicht eine Antipodenzelle der Eizelle und unter- scheidet sich von den beiden anderen in Aussehen und Entwickelungs- fähigkeit, wie jene von den Synergiden. Nach Hegelmaier dagegen stimmen die drei Antipoden in ihrem Bau überein und besitzen die Fähigkeit zur Weiterentwickelung in gleichem Maasse. Im Gegen- satze zu Tretjakow erklärt er ferner, dass diese Keimentwickelung nicht zur Ausbildung von lebensfähigen Embryonen führe, weil das Gewebe, auf welchem sie sitzen, frühzeitig zu schrumpfen beginne 69 und andererseits das Endosperm im hinteren Theile des Embryosackes nicht früh genug zur Entwickelung komme, um die Antipodenvorkeime einzuschliessen und ihre Ernährung zu sichern. Nach den Arbeiten von Nawaschin, Guignard und deVries darf man nun (wie es übrigens bereits früher geschehen ist) das durch die Copulation des zweiten Spermakerns mit einem oder beiden Polkernen entstehende Endosperm ebenfalls als Embryo auffassen, so dass also eigentlich in jedem typischen Angiospermensamen zwei Em- bryonen vorhanden sind, von welchen allerdings nur der aus der Eizelle entstandene der Fortpflanzung dient, während der andere durch eine Functionsänderung zu seinem Nahrungsbehälter geworden ist. Es wäre nun nicht unmöglich, dass bei einer Pflanze ein oder mehrere Theile dieses Nährembryo in selbständiger Weiterentwicke- lung die ihnen ursprüngliche Function wieder aufnehmen und so zur Bildung einer neuen Art von Polyembryonie Veranlassung geben könnten. Eine ähnliche Art der Embryobildung ist übrigens bei Ba- lanophora elongata beobachtet und von Treub!) in einer interessanten Arbeit beschrieben worden. Nachdem der ganze Eiapparat bei aus- bleibender Befruchtung vollständig abortirt ist, theilt sich der obere Polkern und von den beiden Tochterkernen führt der obere zur Ent- stehung des Endosperms. In diesem geht aus einer Zelle ein fünf- bis zehnzelliger Pseudo-Embryo hervor, dessen Keimung bis jetzt allerdings noch nicht beobachtet worden ist. Erst nachdem ich die vorliegende Arbeit bei der philosophischen Facultät der Universität Zürich als Dissertation eingereicht hatte, kam mir Guignard’s Arbeit „L’appareil sexuel et la double f&condation dans les Tulipes“ (Annales des sciences nat. VIII serie Botanique Tome XI Nr. 5 et 6, 15 Mai 1900) zu. Guignard’s Untersuchung befasst sich hauptsächlich mit den Arten Tulipa Celsiana und silvestris, Er fand für diese folgende Ent- wickelung des Embryosackes. Bis zur ersten Kerntheilung ist die Archesporzelle vollständig mit Protoplasma erfüllt; nun bildet sich an ihrem Grunde eine Vacuole, welche mit dem Wachsthum des Em- bryosackes ebenfalls an Grösse stetig zunimmt. Daher kann die An- ordnung der Kerne und Zellen im Embryosacke nicht mit der ge- wöhnlichen übereinstimmen, bei welcher z. B. die Antipoden stets a An IM. Treub, L’organe femelle et l’apogamie du Balanophora elongata. nales du jardin botanique de Buitenzorg. Vol. XV. I partie. 1898, 70 den unteren Theil des Embryosackes einnehmen. Nachdem die dritte Kerntheilung stattgefunden hat, bilden die acht Kerne nicht zwei Tetraden, sondern sind unregelmässig in dem Plasma über der Vacuole gruppirt. Guignard hat die Chromosomenzahl der acht Kerne nicht bestimmen können; er vermuthet aber, dass sie bei allen je 12 betrage. Von diesen acht Kernen differenziren sich nur drei, während die fünf anderen lange Zeit im Knäuelstadium verharren. Die zwei dem Scheitel des Embryosackes zunächst gelegenen Kerne bleiben kleiner als die anderen und sind stärker färbbar; ihr späteres Verhalten cha- rakterisirt sie als Synergidenkerne. Ein dritter Kern ist eben- falls etwas kleiner als die fünf im Ruhezustand verharrenden; er wandert weiter gegen die Vacuole hin und bildet den Basalkern, dem später die Function des unteren Polkernes zukommt. Zu keiner Zeit bilden sich um die Kerne wirkliche Membranen. Das Plasma ist gleichmässig und ohne Grenzen zwischen denselben vertheilt, erst später entstehen ausserordentlich feine Linien, welche gleichsam um jeden Kern eine Protoplasmamasse abgrenzen. Selbst unmittelbar vor der Befruchtung sind unter den fünf grösseren Kernen Eikern und oberer Polkern nicht zu erkennen. Wenn der Pollenschlauch in den Embryosack eindringt, eopulirt einer der fünf Kerne als oberer Pol- kern mit dem Basalkern und zwar vor der Vereinigung mit einem der Spermakerne, Diese haben eine nur wenig verlängerte Form, sind oft sogar gerundet und stimmen also nicht mit den spiralig ge- wundenen Spermakernen von Lilium Martagon überein, Da Guignard bei Tulipa Gesn. auf die nämlichen Schwierig- keiten in der Untersuchung stiess, die ich in den beiden ersten Ka- piteln meiner Arbeit erwähnte, verzichtete er darauf, seine Unter- suchung auch bei dieser Art durchzuführen. Immerhin glaubt er constatiren zu können, dass bei den in den Gärten eultivirten Varie- täten die Entwickelung des Embryosackes und der Befruchtungsvor- gang von der für Tulipa Celsiana und silvestris geschilderten Weise abweichen und mit den Vorgängen bei Lilium und Fritillaria überein zu stimmen scheinen. ” Die beiden ersten Kapitel meiner Arbeit enthalten eine ausführliche Darstellung dieser Verhältnisse bei Tulipa Gesn. Aus derselben ergibt sich, in wie weit Tulipa Gesn. in der Entwiekelung des Embryosackes und den Befruchtungserscheinungen mit Lilium und Fritillaria, ander- seits aber auch mit den übrigen Tulpen übereinstimmt. Diese Ausfüh- rungen bilden also eine Ergänzung zu denjenigen Guignard’s über den Sexualapparat und die Befruchtungserscheinungen der Tulpen. 11 Verzeichniss der benutzten Litteratur. Braun A., Ueber Parthenogenesis bei Pflanzen. Abh. d. kgl. Akad. d. Wiss, zu Berlin. 1856, — — Ueber Polyembryonie und Keimung von Caelebogyne. Abh. d. kgl. Akad. d. Wiss, zu Berlin. 1859. Chaveau G., Sur la structure de l’ovule et le developpement du sac embryonnaire du Domptevin. Comptes rendus de l’acad.d.sc. de Paris CXIV, 1892, pag. 313. — — Sur la fecondation dans les cas de polyembryonie Comptes rendus de Vacad, d. se. CXIV. 1892. Correns, Untersuchungen über die Xenien bei Zea Mays. Ber. der D. bot. Ges, Bd. XVIL 1899 Heft 10. DeVries, Sur la f&condation hybride de lalbumen. Comptes rendus de l’acad. des sciences. Paris 1899 Nr. 23. Dodel A., Beiträge zur Kenntniss der Befruchtungserscheinungen bei Iris sibirica. Zürich 1891, Gocbel K., Vergleichende Entwickelungsgeschichte der Pflanzenorgane. (Handb. d. Botanik von A. Schenk. III. Bd. 1834.) Guignary I, Recherches d’embryogenie vögstale comparee. ‚(I. Lögumineuses.) Ann. des sc. nat. VI serie Bot, 1881. — — Recherches sur le noyau cellulaire. Ann. d, sc. VI serie. 1885. — — Nouvelles &tudes sur la föcondation. Ann. d. se. VI serie. 1891. — — Sur les antherozoides et la double copulation sexuelle chez les vegstaux angiospermes. Revue generale de Botanique. XI. 1899. Hegelmaier F., Vergleichende Untersuchungen über die Entwickelung dicotyle- doner Keime. 1878, — — Zur Kenntniss der Polyembryonie von Allium odorum. Bot. Ztg. 1897. Hofmeister W., Neue Beiträge zur Kenntnisse der Embryobildung der Phanero- gamen, IL Monocotyledonen. 1861, ö Jeffrey E, C., Polyembryony in Erythronium americanum. Annals of Botany. Vol. IX, 1895, Nawaschin $., Neue Beobachtungen über Befruchtung bei Fritillaria tenella und Lilium Martagon. Ref. im Bot. Centralbl. 1899, II. Quartal pag. 62 und II. Quartal pag. 241. Overton E., Beitrag zur Kenntniss der Entwickelung und Vereinigung der Ge- schlechtsprodukte bei Lilium Martagon. Zürich 1891. — — Ueber die Reduktion der Chromosomen in den Kernen der Pflanzen. Viertel- Jahrsschr. d. naturforsch. Gesellsch. in Zürich. 1898. Schwere S., Zur Entwickelungsgeschichte der Frucht von Taraxacum officinale. Flora 1896 Heft I. Solms-Laubach, Weizen und Tulpe und deren Geschichte. 1899, Strasburg er E., Ueber Befruchtnng und Zelltheilung. 1878. — — Ueber Polyembryonie. 1878. = — Die Angiospermen und die Gymnospermen. 1879. = — Neue Untersuchungen über d. Befruchtungsvorgang b. d. Phanerogamen. 1884. — — Das bot. Praetieum. 3. Aufl, 1897. un Veber Reduktionstheilung, Spindelbildung, Centrosomen und Oilienbildner im Pfanzenreich. 1900, — 72 Tretjakow $., Die Betheiligung der Antipoden in Fällen der Polyembryonie bei Allium odorum. Ber. der D. bot. Ges. 1895. Treub M. et J. F. Mellink, Notice sur le d6veloppement du sac embryonnaire dans quelques angiospermes. Arch. neerlandaises d. sc. exactes et naturelles, T. XV. 1880. Treub M., L’organe femelle et l’apogamie du Balanophora elongata Bl. Ann. du jardin bot. de Buitenzorg. Vol. XV. I partie. 1898. Vesque J., Developpement du sac embryonnaire des Phanerogames angiospermes. Ann. d. sc. nat. VI serie Bot. 1878. Erklärung der Figuren. Tafel IV. Fig. 1. Junger Nucellarhöcker aus einem Fruchtknoten, der Ende März fixirt wurde. Die Archesporzelle ist cubisch und gehört der subepidermalen Zellschicht an. Kern derselben nicht so intensiv gefärbt wie die Nucelluszellkerne, dagegen 2—3 Nucleolen aufweisend. a Archesporzelle, ö Initialzellen des inneren Integumentes. 370:1. Fig. 2. Scheitelpartie des Nucellushöckers aus einem am 10. April fixirten Frucht- knoten. Archesporzelle gewachsen unter Verdrängung von Nucelluszellen. Kern derselben mit drei Nucleolen. @ Archesporzelle, :J inneres, zwei- schichtiges Integument, «J äusseres Integument. 370:1. Fig. 3. Embryosack zweikernig; zwischen den aus einander weichenden Tochter- kernen ist noch die Spindelfgur mit der transitorischen Zellplatte sichtbar. (Fix. nach dem Oeffnen der Blüthe.) 370:1. Fig. 4. Die beiden Kerne sind aus einander gerückt; die Chromosomenknäuel haben sich aufgelöst und Kernwand und Kernkörperchen sind bereits gebildet worden. 370:1. Fig. 5. Embryosack zweikernig; zwischen den beiden Kernen hat sich eine Va- euole gebildet. Die beiden Kerne sind in Theilung begriffen; die Thei- lungsebenen stehen senkrecht zu einander. Die gegen die Mikropyle hin gelegene kleinere Theilungsfigur wird als Kernplatte von 12 Chromosomen, die grössere, mit den langen und dünnen Chromosomen dagegen in der Seitenansicht wahrgenommen. 510:1. Fig. 6. Embryosack vierkernig; über der grossen Vacuole zwei kugelige Kerne mit je einem deutlichen Nucleolus. Die beiden Kerne unter der Vacuole beginnen zu wachsen und sich zu verbreitern, 370:1. Fig. 7. Von den beiden Kernen am Antipodialende des Embryosackes hat der unter der Vacuole gelegene die Form einer Scheibe angenommen. 370:1. Fig. 8. Die beiden unteren Kerne des Embryosackes in Form von unregelmässig gewölbten Schalen. 510:1, Fig. 9. Die vier Kerne des Embryosackes sind zu einer Reihe geordnet; im zwei- kernigen Stadium des Embryosackes ist die Bildung einer centralen Va- euole unterblieben. Statt derselben entstehen nun zwischen allen Kernen zahlreiche kleine Vaeuolen. 370:1. Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. Fig. 17. Fig. 18. 73 Die Vacuolen zwischen dem obersten und den drei anderen Kernen be- ginnen sich zu vergrössern und drängen die drei Kerne zum späteren Anti- podialende des Embryosackes hin. 370:1. Die Trennung des einen von den drei anderen Kernen ist noch deutlicher geworden. 870:1. Untere Kerntheilung im zweikernigen Embryosack; die beiden Tochterkerne haben sich ungleich weit entwickelt. Der obere hat*bereits die typische Kerngestalt angenommen und beginnt sich zu verbreitern; die Chromosomen des unteren Kerns stehen erst im Begriff, den Knäuel zu bilden. 510:1. Die vier Kerne des Embryosackes im Beginne des Knäuelstadiums; die Kernmembranen sind noch vorhanden. Der dritte Kern zeigt noch deut- lich Scheibenform. 510:1. Die zwei Kerne am Scheitel zeigen lockere Knäuel von je sechs Chromo- somen; beim einen Kern zeigt der Kernraum eine starke Färbung. Die beiden unteren Kerne bilden dichte Knäucl mit einer nicht bestimmbaren Chromosomenzahl. 510:1. Scheitelpartie des Embryosackes; die beiden Kerne bilden Knäuel von 12 Chromosomen, die im Schnitte gesehen werden. 680:1. Nucellusscheitel einschichtig; Kerne der Zellen ohne Kernkörperchen. Die 12 Chromosomen der beiden Embryosackkerne ordnen sich zur Kernplatte. Die eine Kernplatte ist von oben, die andere von der Seite sichtbar. 680:1. Die Längsspaltung der Chromosomen ist erfolgt und die Tochterchromo- somen rücken zum Diaster aus einander. Die Zahl der Chromosomen (12) ist bei beiden Theilungsfiguren deutlich zu erkennen. 800:1. Tafel V. Embryosack aus einer oberen breiteren und einer unteren schmäleren Partie bestehend. Am Ovarialende sind zunächst dem Scheitel die beiden schwach gekrümmten, homogen gefärbten Synergidenkerne. Unter jedem derselben ist eine kleine Vaeuole. Eikern und oberer Polkern sind kugelig; ausser durch die Stellung sind sie gewöhnlich noch durch die bedeutendere Grösse des oberen Polkernes zu unterscheiden. Die Antipodialseite des Embryosackes steht mit der Ovarialseite nur durch einen dünnen Wandbeleg in Verbindung. Antipodenkerne und unterer Polkern liegen in derselben vacuoligen Protoplasmaansammlung. Der untere Polkern ist grösser als seine drei Schwesterkerne. Ein Strang langgestreckter Zellen mit langen Kernen und dichtem Protoplasnıa setzt den Embryosack mit den kleinen Zellen der Chalaza in Verbindung, welche den Anschluss an das Leitbündel vermitteln. sk Synergidenkerne, eik Eikern, opk oberer Polkern, I!z lang- gestreckte Leitzellen, ch Zellen der Chalaza. 370:1. Fig. 19 u. 20. Die Antipodenkerne zerfallen durch Fragmentation in Stücke; die Fig. 2ı, einzelnen Stücke haben unregelmässige Form, entbehren einer Kernmem- bran und stehen oft noch mit einander in Verbindung. 370: 1. Pollenkörner. Die generative Zelle nimmt oft einen grossen Theil des Kornraumes ein; sie besitzt eine dicke Membran. Die beiden Kerne er- scheinen gleich intensiv gefärbt. ex Exine, in Intine, gz generative Zelle, 9% generativer Kern, vk vegetativer Kern. 370:1. 74 Fig. 22. Fig. 23, Fig. 24. Fig. 25. Fig. 26. Fig. 27. Fig. 28, Fig. 29. Fig. 30. Das Plasma des Pollenkornes tritt, von der Intine umgeben, in Form eines dicken Schlauches aus, Die Spitze desselben wird von der Vacuole v ein- genommen. 370:1. Die beiden Kerne wandern der Pollenschlauchöffnung zu; im entgegenge- setzten Ende des Pollenkornes bilden sich Vacuolen. 370:1. Der vegetative Kern und die generative Zelle treten aus dem Pollenkorne in den Pollenschlauch über. v»k vegetativer Kern, gz generative Zelle, gk generativer Kern. 370:1. Narbenpapillen gegen das Ende der Bestäubung. Die Papillen enthalten einen kleinen Kern, nur noch wenig Protoplasma, dagegen grosse Va- euolen. np Narbenpapille, pk Pollenkorn. 100:1. Längsschnitt durch eine Rinne des Hohlraumes im obersten sterilen Theil des Fruchtknotens, Die Epidermiszellen sind zu ein- oder zweizelligen Papillen mit drüsigem Charakter ausgewachsen. Ihr Plasma ist dicht und die Kerne stark färbbar. pz Papillen. 100:1. Querschnitt durch die Placenten an der Verwachsungsstelle zweier Frucht- blätter. Die linke Placenta ist zwischen zwei Samenanlagen getroffen worden; die rechte setzt’ sich in den Funiculus einer Samenknospe fort. Die Epidermiszellen der Placenten haben wie diejenigen der zwischen ihnen gelegenen Spalte Drüsencharakter. pl Placenta, f Funiculus, pz Pa- pillenzellen, !b Leitbündel. 100:1. Der Pollenschlauch hat mit seinem keulig angeschwollenen Ende die Nu- celluszellschicht über dem Scheitel des Embryosackes durchstossen, Die Kerne der Nucelluszellen sind dabei in Stücke zerdrückt worden. Im Innern des Pollenschlauches ist noch der vegetative Kern nebst einem Rest des Protoplasmas wahrzunehmen. Die beiden generativen Kerne sind bereits in den Embryosack hineingedrungen. Der eine hat sich an den Eikern angelegt und nimmt nun ovoide Gestalt an. Der andere wandert im Wand- beleg tiefer in den Embryosack hinein. Um den Eikern hat sich eine deut- lich wahrnehmbare Ansammlung von Protoplasma gebildet. Von den Synergidenkernen ist nur noch der eine sichtbar. psch Pollenschlauch, ok vegetativer Pollenkern, eik Eikern, spk, Spermakern, sk Synergiden- kern, spk, zweiter Spermakern. 510:1, Tafel VI Scheitelende des Embryosackes, Zwischen den Synergidenkernen und ebenso zwischen diesen und dem Eikern befinden sich mehrere Vacuolen; die Synergidenkerne sind noch gut erhalten. Der obere Polkern liegt unter dem Eikern und wird von diesem theilweise verdeckt. An den Ei- kern legt sich der eine Spermakern an. sk Synergidenkerne, opk oberer Polkern, eik Eikern, spk, Spermakern. 800:1, Die beiden Polkerne wandern sich an den gegenüber liegenden Seiten des Embryosackes entgegen. Jeder ist von einer dichten Protoplasmaschicht umhüllt. Der obere Polkern ist bereits vom zweiten Spermakern erreicht worden. Dieser ist durch die stärkere Färbung der feinkörnigen Chro- matinsubstanz leicht kenntlich. opk oberer Polkern, spk, zweiter Sperma- kern, upk unterer Polkern. 800: 1. 75 Fig. 31. Der Pollenschlauch hat sich über dem Nucellusscheitel kropfartig verdickt und ist nur mit einem dünnen Kanal zum Embryosack durchgedrungen. Am Scheitel des Embryosackes ist um den mit einem Spermakern sich vereinigenden Eikern eine Protoplasmaansammlung entstanden. Auch die beiden Polkerne und der zweite Spermakern sind in Copulation begriffen. eik Eikern, spk Spermakern, sk Rest eines Synergydenkerns, opk oberer Polkern, spk, zweiter Spermakern, upk unterer Polkern. 510:1, Fig. 32. Zwei weitere Beispiele der Copulation der beiden Polkerne mit dem einen Spermakern. Die Polkerne besitzen immer ein oder zwei ausnehmend grosse Kernkörperchen. In beiden Fällen scheint der Spermakern stark gewachsen zu sein; das Gefüge seiner Chromatinsubstanz ist lockerer geworden, Die eigentliche Verschmelzung der drei Kerne hat noch nicht begonnen. upk unterer Polkern, spk, zweiter Spermakern. 800:1. Fig. 33. Embryosack nach vollzogener Befruchtung. Er dehnt sich auf Kosten des Nucellusgewebes besonders in die Breite aus. In seinem mittleren Theile vollzieht sich die Verdrängung der Nucelluszellen am raschesten, so dass der Wandbeleg des Embryosackes in dieser Region bald direct auf dem inneren Integument liegt. Im dargestellten Stadium bildet das Proto- plasma hauptsächlich noch einen starken centralen Strang, in welchem die beiden aus der Theilung des primären Endospermkerns hervorgegangenen Tochterkerne liegen. Dieselben sind von aussergewöhnlicher Grösse, be- sitzen mehrere Kernkörperchen und ein deutliches Chromatinfadennetz, Die Scheitelpartie des Embryosackes betheiligt sich nur wenig am Breiten- wachsthum. Sie wird vollständig von der grossen Zelle eingenommen, welche sich um den Copulationskern (Verschmelzungsprodukt von Ei- und Spermakern) gebildet hat. eiz Eizelle, ck Copulationskern, ek Endosperm- kerne. 370:1. Fig.34.Die Eizelle ist nach vorausgegangener Kerntheilung durch eine schief liegende Wand fast äqual getheilt worden, Beide Zellen enthalten gleiche Mengen Protoplasma und sind in gleichem Maasse entwickelungsfähig. 370:1. Fig. 35. Die basale Zeile des jungen Embryo hat sich bereits getheilt; in der scheitelständigen dagegen ist zwischen den beiden Kernen noch keine Membran gebildet worden. 370:1. Fig.36—39. Auf einander folgende weitere Entwickelungsstadien des jungen Em- bryo. Die Zelltheilungen finden schon jetzt ohne bestimmte Theilungs- folge statt. Die entstehenden Zellen wölben sich nach aussen und zum Theil auch gegen einander stark vor. Ihr Plasma ist vacuolig und ihre Kerne haben ein vollständig normales Aussehen. 370:1. Fig. 40. Die erste Theilung der Eizelle ist vollständig äqual durch eine Längswand erfolgt. Die Theilung der beiden Tochterzellen fand hierauf parallel zur Zeichnungsfläche statt. 370:1. Fig, 41. Vorkeimträger aus grossen, stark gewölbten Zellen bestehend. Am Scheitel ist eine Spaltung in fünf Vorkeime erfolgt. 150:1. Tafel VII. Fig. 42, Vorkeimträger mit vier scheitelständigen Vorkeimen. Die Segmentirung des einen derselben erinnert an die bekannten Figuren der Moosknospe, 76 des Equisetenscheitels, also an mit einer Soheitelzelle wachsende junge Sprosse, 150:1. Fig. 43, Scheitel eines Vorkeimträgers mit zwei über einander liegenden Vorkei- men. Der eine scheint aus zwei vierzelligen Etagen zu bestehen. Der untere ist schon weiter entwickelt; die Theilungen desselben haben wohl in der angegebenen Reihenfolge stattgefunden. An seinem Scheitel wären nun einige etagenförmig gelagerte Zellen gebildet worden, vkm Vor- keime. 600:1. Fig. 44. Der Scheitel des ziemlich regelmässig gebauten Vorkeimträgers läuft in einen einzigen Vorkeim aus. Alle Zellen enthalten eine grössere Anzahl Kerne. vkm Vorkeim, fek freie Endospermkerne. 150:1. Fig. 45. Stark entwickelter Vorkeimträger aus vielen Zeilen bestehend, die mehrere Kerne enthalten. Vorkeim durch Quertheilungen eine grössere Anzahl von Scheibenzellen bildend. 110:1. Fig. 46. Der Vorkeimträger hat sich bereits in der Mitte in zwei Theile gespalten, die getrennt wachsen und zwischen sich eine Lücke freilassen. Am Scheitel sind mehrere Vorkeime angelegt worden, von denen sich einer zum Em- bryo zu entwickeln begonnen hat. Die Kerne einiger Zellen an der Basis des Vorkeimträgers sind in Auflösung begriffen. vkm Vorkeime; emb Embryo. 130:1. Fig. 47. Scheitel eines Vorkeimes, aus kleinen Zellen bestehend. Plasma dicht; Kerne mit deutlichen Kernkörperchen. 370 :1. Fig. 48. Differenzirung des Vorkeimes in Embryokörper und Embryoträger. Der erstere ist kugelig und besteht aus acht Octanten, der letztere aus den niederen Scheibenzellen. emk Embryokörper, emt Embryoträger. 370:1. Fig. 50. Kugeliger Embryokörper emk, aus vielen Zellen bestehend. emt Embryo- träger. 160:1, Fig. 51. Am Scheitel eines Vorkeimträgers haben sich zwei Vorkeime zu Embryo- nen zu entwickeln begonnen. 8ie sind nur durch einige Zellen mit va euoligem Protoplasma und grösseren Kernen von einander getrennt. Die Bildung von Embryoträgern ist unterblieben, so dass die Embryokörper direct auf dem Vorkeimträger inserirt sind. 370:1. Tafel VIEH, Fig.49. Embryo bereits deutlich in Embryokörper emk und Embryoträger emt differenzirt. Die meisten Zellen des Vorkeimträgers sind vollständig ent- leert, da ihr Inhalt zum Aufbau des Embryo verbraucht worden ist. Fig. 52. Uebersichtsbild einer Samenknospe im Längsschnitt. Drei Wochen nach Befruchtung. «a.J äusseres Integument auf der convexen Seite, etwa aus zehn Zellschichten bestehend. Ib Leitbündel, den Funieulus durchziehend, iJ inneres Integument, an der Mikropyle zwei- bis dreischichtig, an der Insertionsstelle fünf- bis sechsschichtig. n Nucellus; sein Gewebe wird durch eine kernlose Schicht des Embryosackes bedeckt und allmählich re sorbirt. es Embryosack mit freien Endospermkernen, gegen die Chalaze hin ist er schief angeschnitten, vkt Vorkeimtrüger mit drei Vorkeimen,. 25: 1. Fig. 53. Freie Endospermkerne mit 3—5 Nucleolen und zahlreichen Chromatin- körperchen in schaumigem Protoplasma, 370: 1. 77 Fig. 5457. Kerntheilungsstadien aus dem Verlauf der letzten Theilung der freien Endospermkerne,. Fig.54: Die Chromosomen ordnen sich zur Kernplatte, einige liegen vollständig in der Aequatorialebene. Fig. 55 und 56: Die Tochterchromosomen weichen aus einander. Der Raum zwischen den Spindelfasern ist von einer fein zertheilten Substanz erfüllt, welche sich nach und nach von den entstehenden Tochterkernen weg, den Spindel- fasern entlang, in die Aequatorialzone der Tonnenfigur hinzieht. Fig. 57: Die Spindelfasern sind in ihrem mittleren Theile durch die Anlagerung der erwähnten Substanz stark verdickt; die Zellplatte ist bereits als scharfe Linie deutlich sichtbar. 510:1. Fig. 58. Zellen der ersten Endospermzeilschicht. Bei der Abtheilung des Wand- beleges werden oft mehrere Kerne in dieselbe Zelle eingeschlossen. In den wenigsten Fällen werden sie durch nachträgliche Zelltheilungen noch von einander getrennt. Von einer gemeinsamen Plasmaschicht umgeben, nähern sie sich immer mehr und verschmelzen zu einem grossen Kerne 110:1. Fig. 59 a u.b. Endospermzellen des reifen Samens. Durch Anlagerung von Reserve- cellulose an die Membran wird das Lumen der Zellen stark verkleinert. An einzelnen, wohl von feinen Poren durchzogenen Stellen, findet diese Anlagerung in viel schwächerem Maasse statt, so dass jede Zelle mit den benachbarten durch zahlreiche, nur schwach verdickte Flächen in Ver- bindung bleibt. Die Endospermzellen enthalten einen kleinen Kern, stark färbbares Protoplasma und zahlreiche Oelkugeln. m ursprüngliche Mem- branen, zk Zellkern, ok Oelkugeln. Fig. 59a: 110:1. Fig 595: 510:1. Fig. 60. Reifer Samen. s Samenschale aus den Resten des äusseren und inneren Integumentes, end Endosperm mit Embryohöhle, emb Embryo. 8:1. Beobachtungen und Culturversuche über eine Blüthenanomalie von Linaria vulgaris. Von Anton J. M. Garjeanne, Amsterdam. Hierzu Tafel IX u. X. Im Jahre 1897 wurden von mir reife Früchte und Samen von Linaria vulgaris eingesammelt an sehr verschiedenen Orten. Im Jahre 1898 wurde eine ziemlich grosse Cultur damit angelegt, behufs bio- logischer Untersuchung der Blüthenverhältnisse und der Bestäubung. Es ergab sich nun, dass eine grosse Menge Blüthen Anomalien zeigte, und zwar waren Catacorollarlappen in grosser Zahl und in den ver- schiedensten Stufen der Ausbildung entwickelt. Gerade die grosse Mannigfaltigkeit in Form und Grösse veranlasste mich, diese terato- logische Erscheinung etwas genauer zu betrachten und nicht nur die verschiedenen Formen der Catacorollarlappen, sondern auch etwas über Entstehung und Ursache dieser Erscheinung zu erforschen. Folgende kleine Abhandlung umfasst die Hauptergebnisse in ge- drängter Form und hat jedenfalls nur die Bedeutung einer vorläufigen Mittheilung, zumal ich die Beobachtungen über Erblichkeit der Ano- malie nicht für abgeschlossen halte. Unter Catacorollarlappen versteht man, wie bekannt, Anhangs- gebilde der Corolla von petaloider Ausbildung, welche innerhalb der Familien der Serophulariaceen, der Solanaceen und Gesneraceen bei mehreren Gattungen und Arten vorkommen. Meistens sind dieselben schmal und zungenförmig, mehr oder weniger gebogen und am Grunde mit der Corolla verbunden. Uebrigens ist Form und Grösse sehr vielen Schwankungen unterworfen, wie unteg des Näheren gezeigt werden soll. Sie entwickeln sich serial und sind entweder am Rücken der Krone oder an deren Innenseite angeheftet; erstgenannter Fall erweist sich aber als ungleich viel häufiger. Penzig erwähnt in seiner „Pflanzenteratologie“ das Vorkommen der Catacorollarlapper bei folgenden Serophulariaceen: Verbascum phlomoides, Linaria vul- garis, Antirrhinum majus, Pentstemon gentianoides und Mimulus luteu®. Beiläufig möchte ich hier auch Veronica chamaedrys nennen, wo ich ebenfalls Catacorollarlappen fand, bisweilen sogar in schönster Aus bildung. Das Vorkommen der Catacorollarlappen bei Linaria vulgaris 19 wurde ausführlicher beschrieben von Penzig!) und Stenzel®). Das Resultat Penzig’s ist sehr interessant, weil er erkannte, dass die Catacorollarlappen in Struktur und Ausbildung stets übereinstimmen mit dem Kronenblatt, womit es verwachsen ist. Zweitens wurde ge- zeigt, dass die Verwachsung fast ausnahmslos am Grunde der Blüthen- krone stattfindet und dass die Catacorollarlappen mit ihrem Rücken der Blüthenkrone zugewandt sind. Weiter ist über diese Kronen- anhänge nichts bekannt. Nur möchte ich erwähnen, dass viele An- gaben in der Litteratur, wo über „Spaltung“ oder „Verdoppelung* der Corolla gesprochen wird, häufig sich auf Catacorollarlappen be- ziehen. Dieselben können, wie auch ich beobachtet habe, einem Kronenblatt täuschend ähnlich sein. Nach dieser kurzen Einleitung gehe ich zur Beschreibung einiger Formen von Catacorollarlappen über. Untersucht wurden in dieser Hinsicht 2516 Blüthen, welche der Cultur des Jahres 1898 entstammten. Die Catacorollarlappen fanden sich vor bei 262 Blüthen, also ziemlich genau 10°|,. Zur Verwen- dung kamen nur völlig geöffnete Blüthen, erstens weil es sich hier nur um Form und Grösse handelte, zweitens weil auf diese Weise keine Gefahr da war, etwa vorhandene, aber nicht vollständig ent- wickelte Catacorollarlappen zu übersehen. Bei 188 Blüthen war nur eine einzige entwickelt, bei 38 waren deren 2, bei 25: 3 bei 9: 4 und bei 2 Blüthen 5. Eine regelmässige Ausbildung war also sehr selten. Es ist merkwürdig, dass im Allgemeinen mit der Zahl auch die Form der Catacorollarlappen eine andere war. Wenn sich nur ein Lappen entwickelt hatte, war derselbe fast ausnahmslos sehr schmal lanzettlich oder zungenförmig, bisweilen auch fadenförmig. Nur in extremen Fällen hatte sich ein breiter, eiförmiger oder verkehrt-eiför- miger Lappen ausgebildet. Waren zwei Catacorollarlappen vorhanden, so waren dieselben in den von mir beobachteten Fällen immer schmal und lang. Es ist aber wohl zu erwarten, dass sich auch hier einige breitere Lappen vorfinden würden, wenn das Beobachtungsmaterial grösser gewesen wäre. Wenn drei, vier oder fünf Lappen entwickelt waren, war die Form mit nur einigen Ausnahmen eine breitere oder s0gar eine sehr breite. I) O. Penzig, Miscellanea teratologiea. Memorie d. k. Inst. Lombardo, Vol. XV, 1884, pag. 205 M, 2) G. Stenzel, Ueber doppelte Blumenkronen bei Linaria vulg. Jahresber. d. schles, Ges. eto, LVIII, 1880, pag. 157, 80 Die schmalen Catacorollarlappen sind häufig nach unten umge- bogen und an den Spitzen spiralig aufgerollt, die breiteren sind ohne Ausnahme aufgerichtet und ohne Verdrehungen. Ist ein Lappen ausgebildet, so ist er bald den Oberlippen, bald den Unterlippen angewachsen und zeigt in Uebereinstimmung damit verschiedene Struktur. Auch wenn zwei Lappen da sind, ist die An- heftung eine regellose. Bisweilen stehen sie einander diametral gegen- über, in anderen Fällen aber sitzen sie hart neben einander oder doch auf nur geringer Entfernung. Wen» sie in der Dreizahl entwickelt sind, ist in der Vertheilung häufig etwas Regelmässiges zu entdecken, indem sich z. B. zwei Lappen an den Oberlippen, einer an den Ünter- lippen entwickeln und auf etwa gleich grosse Abstände von einander entfernt sind. Sind vier oder fünf Catacorollarlappen vorhanden, so ist die Anordnung eine regelmässige, und in dem Falle, wo sich vier Lappen entwickelt haben, ist eine Stelle vor den Unterlippen oder hinter den Oberlippen leer. Die zwei Blüthen mit fünf Catacorollar- lappen waren wirklich prachtvoll, indem die gewöhnliche Linaria- Blüthe umringt war von den fünf breiten, am oberen Ende nach stark verbreiterten Lappen, die drei unteren gleich den Unterlippen an der Spitze hell orange, die beiden oberen bleich gelb gefärbt wie die Oberlippe. In allen von mir beobachteten Fällen waren die Catacorollar- lappen mit der Rückseite nach der Corolla orientirt, was also mit den Beobachtungen Penzig’s u. A. übereinstimmt. Die anatomische Struktur war dieselbe wie die der Corolla. Nur in einigen nebensächlichen Punkten konnte ein kleiner Unterschied im Bau der Cstacorollarlappen und der Krone constatirt werden. Diese Verschiedenheiten sind hauptsächlich folgende: Die Epi- dermis der Aussenseite der Corolla, sowehl der Ober- als der Unter- lippen, besteht aus Zellen mit stark welligen Querwänden. Die Wel- lung ist geringer bei der Epidermis des Kronenrohres und kann hier sogar fast verschwunden sein, wodurch die Epidermiszellen eine lang- gestreckte Form bekommen. Das Gleiche gilt von der Epidermis der Catacorollarlappen. Auch hier ist die Epidermis der Unterseite aus Zellen mit welligen Querwänden zusammengesetzt, welche Wellung an der Spitze der Lappen eine grössere ist als am Fusse, jedoch ist die Wellung in keinem Falle eine so starke, wie bei der Epidermis der Corolla. Auch die Aussenwände der Kronenepidermiszellen sind fein wellig, gleichsam gestreift; eine solche ist zwar auch bei dem Lappen da, aber wiederum in weit geringerem Maasse. 81 Die Epidermis der Innenseite der Corolla ist verschieden, je nach- dem es sich um die Ober- oder Unterlippe handelt. Es sind jeden- falls etwa viereckige Zellen, deren Aussenwände papillös hervorge- stülpt sind. Diese Epidermispapillen sind bei der Oberlippe ziemlich niedrig und mit starken, radiär verlaufenden Wellungen versehen; bei der Unterlippe sind Uebergänge zwischen solchen niedrigen Papillen und eonischen bis langeylindrischen Haaren vorhanden. Die Streifung oder Wellung ist hier ebenfalls stark entwickelt, geht aber bei den längeren Papillen und bei den Haaren in eine spiralige Anordnung über. Sind nun die Catacorollarlappen der Oberlippe angewachsen, so zeigt die Epidermis auch die Papillen; diese sind aber niedriger und kaum wellig. Findet der Lappen seinen Ursprung an der Unter- lippe, so sind zwar auch ceylindrische Haare entwickelt, aber die pa- pillöse Struktur ist weniger ausgesprochen und die Haare stehen wie vereinzelt zwischen den weit niedrigeren Epidermispapillen. Es muss hervorgehoben werden, dass diese geringen Unterschiede noch ge- ringer sind, wenn der Catacorollarlappen sich verbreitert hat und z. B. die Epidermisstruktur in den Fällen, wo vier oder fünf Cata- corollarlappen entwickelt waren, bei Corolla und Lappen fast die- selbe war. Es war schon oben die Rede von der Behaarung der Innenseite der Unterlippe, aber auch die Oberlippe ist an der Innenseite behaart, und zwar trägt sie zerstreute Drüsenhaare, welche in einem vielzelligen Drüsenköpfchen enden. Der Unterlippe gehen solche Haare gänzlich ab oder sie sind nur äusserst vereinzelt vorhanden. Es ist nun merk- würdig, dass auch die Catacorollarlappen, welche mit der Unterlippe verwachsen sind, sowohl die cylindrischen Haare der Unterlippe als die Drüsenhaare der Oberlippen tragen, die letzteren meist am Rande. Der ziemlich scharfe Unterschied in der Behaarung zwischen Ober- und Unterlippe ist also bei den Catacorollarlappen etwas verwischt. Im Parenchym und in den Gefässbündeln sind nur Differenzen in der Grösse zu beobachten, welche Verschiedenheiten immer kleiner sind, wenn der Lappen in der Form mehr einem Theile der Corolla gleich kommt. Die Entwiekelungsgeschichte der Catacorallarlappen ist eine ein- fache. Durch Tangentialtheilungen des Grundparenchyms entsteht ein kleiner Zeilhöcker, worüber sich die Epidermis wölbt und worin ein Seitenzweig der Gefässbündel eindringt. Das Wachsthum findet fast ausschliesslich in der Länge statt, indem die Zellen sich durch Quer- wände theilen. Am einfachsten ist dieser Vorgang zu beobachten Flora 1901. 6 82 bei den schmalen Catacorollarlappen, aber auch bei den breiteren und breitesten ist die Entwickelung dieselbe, nur mit dem Unterschiede, dass nicht ein, sondern mehrere Gefässbündelzweige im jungen Lappen übertreten. Die Haare entwickeln sich erst, wenn der Lappen schon beträchtlich in die Länge gewachsen ist. Nicht immer hält die Entwiekelung der Lappen mit derjenigen der Corolla gleichen Schritt. Bisweilen ist zwar die Anlage eines oder mehrerer Lappen schon an sehr jungen Blüthenknospen zu con- statiren, aber es kommt auch vor, dass sich die Catacorollarlappen erst entwickeln, wenn die Blüthenknospe schon sehr weit entwickelt ist oder sich sogar schon geöffnet hat. Es entsteht dann am unteren Ende der Corolla ein Folgemeristem, woraus der Lappen hervorgeht. Das Wachsthum der Lappen ist auch weniger beschränkt als das der Corolla, was sich daraus ergibt, dass die Lappen sich öfters noch bedeutend in die Länge strecken, wenn die Blüthe schon völlig ge- öffnet und ihr Wachsthum also beendet ist. Häufig bemerkt man, dass der junge Lappen, nachdem er etwa 3—6mm lang geworden ist, sich nach hinten umbiegt und, statt nach oben, nach unten fortwächst. Dabei findet, wie schon oben erwähnt, manchmal eine spiralige Drehung des oberen Endes statt. Diese Vorgänge sind seltener, wenn der Lappen breiter ist, ja fast ohne Ausnahme bei den schmalen Catacorollarlappen zu beobachten. Wenn man die Linaria-Blüthenstände betrachtet, woran sich Blüthen mit Catacorolarlappen vorfinden, so ist es nicht möglich, etwas Regelmässiges in der Anordnung der monströsen Blüthen zu erblicken. Sieht man sich aber die Blüthenstände etwas genauer an, so ergibt sich bald, dass die Blüthen, welche Catacorollarlappen tragen, auch noch in einem anderen Punkte von den übrigen abweichen. Das Tragblatt der monströsen Blüthen ist namentlich in den meisten Fällen grösser, und zwar länger und breiter, als das der normalen Blüthen. Zwar ist der Unterschied nur ein geringer und sogar nicht bei allen Blüthen vorhanden, doch möchte ich hier auf diese Thatsache hin- weisen. Man hat hier also correlative Variation, und obwohl nicht bei allen monströsen Blüthen auch eine Zunahme der Grösse des Trag- blattes sichtbar ist, bin ich doch der Meinung, dass auch in diesen Fällen das Tragblatt stärker entwickelt ist und die definitive Grösse diejenige übertrifft, zu welcher es herangewachsen sein würde, wenn die Blüthe normal geblieben wäre. Da über eine ziemlich ausgiebige Menge Versuchsmaterial ver- fügt werden konnte, wurde versucht, über die Erblichkeit der Anomalie 83 und über die Möglichkeit, dieselbe auf vegetativem und sexuellem Wege zu erhalten, klar zu werden. Da die Saison schon zu weit vorgeschritten war, um noch in demselben Jahre (1898) einige Re- sultate zu bekommen, wurden Maassregeln getroffen, um die Cultur der monströsen Linaria im folgenden Jahre fortsetzen zu können. Zunächst wurden einige Pflanzen, welche monströse Blüthen trugen, im Herbst aus dem Boden genommen und deren unterirdischen Theile, an welchen sich Wurzelknospen entwickelt hatten, in sehr schwach feuchtem Sande überwintert. Einige Rhizomstücke, welche in ganz trockenem Sande aufbewahrt wurden, waren im folgenden Frühjahre so stark ausgetrocknet, dass sich daraus keine neue Sprossen ent- wickelten. Um in den Besitz guter, keimfähiger Samen zu gelangen, wurde in folgender Weise verfahren. Ein Theil der Pflanzen hatte zur Zeit schon reife Früchte bekommen; es war natürlich nicht zu bestimmen, ob diese Früchte monströsen oder normalen Blüthen entstammten, ohnedies war die Bestäubung, falls wirklich eine monströse Blüthe dagewesen war, meistens keine reine, da der Pollen, von den Insekten überbracht, wohl in den allermeisten Fällen normalen Blüthen ent- nommen war. War also die Aussicht, aus diesen Samen eine grosse oder gar grössere Menge monströser Blüthen zu bekommen, von vorn- herein eine geringe, so wurden doch Früchte eingesammelt und bis zum folgenden Frühjahr aufbewahrt. Zum Unterschiede von weiteren Samenpartien will ich diese Früchte und Samen und die später aus ihnen eultivirten Pflanzen mit A bezeichnen. Weiter waren noch zahlreiche, in verschiedenen Graden monströse Blüthen und sehr viele normale Blüthen vorhanden. Zum Theil waren dieselben schon geöffnet, andere waren noch mehr oder weniger fest verschlossen. Bei den geöffneten Blüthen ist es nun nicht zu er- sehen, ob schon Bestäubung stattgefunden hat oder nicht. Wenn die Blüthe älter ist, wird zwar recht häufig die Unterlippe vom bestäu- benden Insekte nach unten gedrückt und verbleibt auch meistens in dieser Lage, bei jungen Blüthen springt aber fast ebenso häufig die Unterlippe nach dem Insektenbesuch wieder in ihre alte Lage zu- rück. Es wird also wohl nicht möglich sein, mit einem Blicke zu constatiren, ob schon Pollen übergebracht ist oder nicht. Darum wurde darauf verzichtet, Samen von den schon geöffneten Blüthen zu erhalten, da über den Ursprung der Samen nicht genügend Sicheres bekannt sein könnte. Nur in einem Falle wurde eine Ausnahme ge- macht. Die beiden Blüthen mit fünf Catacorollarlappen waren näm- 6* 84 lich die einzigen unter den zahlreichen Blüthen und es war natürlich sehr interessant, gerade aus diesen Blüthen keimfähige Samen zu er- halten. Die eine Blüthe war zur Zeit schon völlig offen, die andere aber war noch im Knospenzustande und sie befanden sich an zwei verschiedenen Pflanzen. Mit der noch nicht geöffneten Blüthe wurde in folgender Weise verfahren. Nachdem alle Blüthen des Blüthen- standes mit der Scheere entfernt worden waren, wurde die abnormale Blüthe in ein Säckehen von diehtem Tüll eingeschlossen. Als sie sich geöffnet hatte und genügend ausgebildet war, wurde sie mit dem Pollen aus der anderen Blüthe mit fünf Catacorollarlappen bestäubt. Nachdem das Säckchen wiederum verschlossen worden war, wurde die Pflanze jeden Abend bis zum folgenden Morgen unter eine Glasglocke gestellt, nicht nur zum Schutze gegen Wetterungunst, sondern auch um einer Zerstörung durch Katzen u. s. w. vorzubeugen. Das Re- sultat war das gewünschte, da eine reife Frucht Anfangs October geerntet werden konnte. Mit der zweiten Blüthe mit fünf Catacorollar- lappen wurde zwar auf genau dieselbe Weise verfahren und dieselbe also mit dem Pollen aus der ersten Blüthe bestäubt, da aber die Möglichkeit vorlag, dass schon vorher Bestäubung stattgefunden haben oder doch wenigstens fremder Pollen auf die Blüthe gelangt sein könnte, waren die dieser Blüthe entstammenden Samen für die wei- teren Versuche jedenfalls minderwerthig. Die beiden Samenquanti- täten wurden genannt 5a und 5b. Blüthen mit vier Catacorollarlappen fanden sich, ausser den 9 unter 2516 untersuchten Blüthen noch 6 unter den übrigen mir zur Verfügung stehenden Pflanzen. Ausgenommen eine waren dieselben wohl alle verschlossen, was darin seinen Grund hat, das diese Partie Pflanzen um etwa zwei Wochen später ausgesät worden war. Es war also verhältnissmässig leicht, sich hier Samen zu verschaffen, welche rein bestäubten Blüthen entstammten. Wie bei den Blüthen mit fünf Lappen, wurden alle anderen Blüthen des Blüthenstandes ent- fernt und die monströsen Knospen in Tüllsäckchen eingehüllt. Eine nächtliche Bedeckung unterblieb diesmal, weil das Fehlschlagen einer Blüthe jetzt minder beschwerlich war. Nur eines Tages, als ein furchtbarer Platzregen niederging, wurde die ganze Linarien-Cultur mittelst Glasscheiben geschützt. Von den sechs Blüthen sind vier gänzlich entwickelt und haben reife Frucht getragen, zwei andere sind abortirt. Von diesen vier Kapseln waren drei das Produkt einer Bestäubung mit Pollen aus Blüthen mit ebenfalls vier Kata- corollarlappen, die vierte Frucht aber war das Resultat einer Be- 85 stäubung mit Pollen aus einer Blüthe mit einem einzigen Lappen (4a und 4b). Aus monströsen Blüthen mit drei, zwei oder einem Catacorollar- lappen wurde eine grosse Menge reifer Früchte erhalten. Auch hier wurde die nämliche Fürsorge getroffen, wie oben angegeben, die Be- stäubung künstlich ausgeführt, und zwar mit Pollen aus Blüthen mit der gleichen Zahl oder mit weniger Catacorollarlappen: auf einige Blüthen mit einem Catacorollarlappen wurde auch Pollen aus Blüthen mit zwei oder drei Catacorollarlappen übergebracht. Anfangs October 1898 verfügte ich also über eine grosse Quan- tität Linaria-Samen von bekanntem Ursprung, und zwar: eine Partie, das Resultat spontaner Bestäubung (A), aus Blüthen mit 5 Catacorollarlappen (5a), wo vielleicht beide Blüthen 5 Catacorollarlappen trugen, aber auch die Einwirkung von Pollen, aus anderen Blüthen entstammend, nicht gewiss ausge- schlossen ist (5b), n »„ 29 und d‘ mit 4 Catacorollarlappen (4a), ” rn ” „ „ »„ 29 mit4, d mit n (Ab), ” » Q » 3, d ” 3 N (3a), » Pa © BEE: Far: | „ (3b), ” ” 9 ad, 2 „ (28), 9 ” Q „ 2, d' 7 1 E} (2b), » »n.9 „2 d ohne » (20), ” " oO „ 1 d mit 1 n (la), ” » 2, LhL4°,3 » (ib). Die Samen wurden zunächst nicht aus den Kapseln herausge- nommen, sondern sammt denselben trocken aufbewahrt bis Frühling 1899. Ende April 1899 wurde ein Anfang mit dem Aussäen gemacht, nachdem die Rhizomstücke schon einige Wochen ausgepflanzt waren. Der Boden bestand aus einem Gemenge von Sand und Thon, aber mit sehr hohem Percentage aus Sand. Eine Düngung hatte Anfangs Winter 1898 stattgefunden, und zwar den ganzen Garten hindurch. Während der ersten Keimungsperiode waren die Pflanzen mit Glasscheiben u. s. w. geschützt, und die grösste Menge hat auch das Frühjahr glücklich überstanden, obwohl das Wetter nicht gerade günstig war und Katzen nur allzu oft den Garten besuchten. Es wäre vielleicht besser gewesen, in Töpfen auszusäen und später die jungen Pflanzen in den Garten überzubringen; da ich aber die Linarias so viel wie möglich in ihrem natürlichen Zustande und unter denselben 86 Bedingungen eultiviren wollte, wie sie auf ihrem natürlichen Stand- orte vorhanden sind, habe ich darauf verzichtet. Die Keimpflanzen sahen einander ausserordentlich ähnlich. Eine etwaige Differenz in den vegetativen Organen war in keinem Falle zu beobachten. Die ersten Blüthen entwickelten sich im Mai und waren jedenfalls im Juni weit genug fortgeschritten, um etwaige Ano- malien zur Genüge beobachten zu können. Das Resultat war aber ein ganz unerwartetes. Die aus Rhizomstücken eultivirten Pflanzen blühten zuerst. Ob- wohl sie sämmtlich monströsen Pflanzen entstammten, war doch die Anomalie kaum erhalten. Etwa 25 Blüthenstände entwickelten sich mit etwa 400 Blüthen, darunter nur 16 mit Catacorollarlappen, und zwar eine Blüthe mit zwei und 14 mit nur einem Lappen, während die 16 einen gut etwickelten Lappen zeigten und zwei Anlagen, welche sich aber nicht weiter entwickelt haben. Ende 1899 wurden wiederum Rhizomstücke denselben Pflanzen entnommen und aufbewahrt, um 1900 wieder ausgepflanzt zu werden. Das Resultat dieser zweiten Auspflanzung findet sich weiter unten. Aus A wurden 216 Pflanzen erhalten, deren Blüthen sämmtlich untersucht sind, soweit sie sich bis 3. September 1899 entwickelt hatten, oder deren Knospen doch genügend gross waren, um Kata- corollarlappen erkennen zu lassen. Unter 3028 Blüthen befanden sich nur 112 mit Catacorollarlappen, also noch nicht ganz 3,7°],, eine grosse Abnahme gegen die etwa 10°}, monströser Blüthen aus der ersten Cultur (1898). Es waren entwickelt: | 0 1 2 3 4 5 Catacorollarlappen Blüthen: 2916 88 12 7 5 0. Die Vertheilung über die verschiedenen Blüthenstände war ganz regellos. In einer Traube waren bisweilen Blüthen mit 1, 2 und 3 Lappen vorhanden, andere Blüthenstände trugen nur eine einzige monströse Blüthe mit 1, ein weiterer Blüthenstand trug 3 Blüthen mit 4 Catacorollarlappen. Fig.Ia Taf. IX gibt die Curve, welche mittelst dieser Zahlen erhalten wurde. 5a lieferte 12 Individuen, welche mit einer Ausnahme monströse Infloreseenzen entwickelten. Aber auch hier stimmte das Resultat keineswegs mit der Erwartung überein. 219 Blüthen wurden unter- sucht, und es fanden sich vor: Bu 01 2 83 4 5 Catacorollarlappen Blüthen: 151 27 922 8 Also 60 Blüthen oder etwa 31°), waren monströs, darunter aber 87 nur wenige mit 5 Lappen. Auffallend ist die kleine Zahl der Blüthen mit 4 Lappen. Fig. Ila Taf. IX gibt die graphische Vorstellung. 5b ergab nur $S Pflanzen mit 165 Blüthen, darunter 29 oder etwa 17,5°/, monströs, und vertheilt wie folgt: 0 1 2 3 4 5 Catacorollarlappen Blüthen: 136 17 7 3 2 0 Die Anomalie mit 5 Lappen wurde also nicht erhalten, und es war deshalb wahrscheinlich, dass Blüthe 5b schon bestäubt worden war, bevor die künstliche Bestäubung mit Pollen aus 5a stattfand. Fig. IHla Taf. IX gibt die Curve. 4a lieferte 27 Pflanzen mit 508 Blüthen, darunter 109 oder fast 22°), monströs und wie folgt vertheilt: 0 1 2 3 4 5 Catacorollarlappen Blüthen: 394 891 3 7 16 2 Hier ist wenigstens ein Maximum bei 4 entstanden, obgleich doch nur eine geringe Zahl Blüthen mit 4 Lappen entwickelt ist. Unter 503 Blüthen haben sich jedoch nur 2 mit 5 Lappen entwickelt, und eine Zunahme der Anomalie ist auch hier wiederum nicht zu con- statiren. Fig. IVa gibt die Curve. 4b lieferte 6 Pflanzen mit 122 Blüthen, darunter 16 oder etwa 13°), monströs und wie folgt vertheilt: 0 1 2 3 4 5 Catacorollarlappen Blüthen: 106 9 ı 15 © Eine zwar schwache Steigerung bei 4, im Allgemeinen aber eine sehr geringe Zahl monströser Blüthen und überhaupt keine Zunahme der Anomalie. Fig. Va Taf. IX gibt die Curve. 3a ergab 38 Pflanzen mit 972 Blüthen, darunter 216 oder 22,23%), monströs, welches Percentage übereinstimmt mit den aus 4a erhal- tenen monströsen Blüthen. Die Vertheilung war folgende: 0 .1ı 2 3 4 5 Catacorollarlappen Blüthen: 756 131 46 27 12 0. Die Curve, aus diesen Zahlen construirt (Fig. VIa Taf. IX), ist eine reine halbe Galtoncurve, viel regelmässiger als die in Fig. IVa und Va dargestellten und aus 4a und 4b erhaltenen Curven. Unter den Blüthen mit 4 Catacorollarlappen war eine, welche noch die Merkwürdigkeit zeigte, dass sämmtliche 4 Lappen tief zweitheilig waren. Die Spaltung war fast bis zum Anheftungspunkt mit der Co- rolla durchgedrungen. Der Aspect dieser Blüthen war ein sehr sonder- barer. Leider ist dieselbe von Bienen so sehr beschädigt worden, dass sie nicht mehr zur Gewinnung von Samen dienen konnte. Im 88 Allgemeinen zeigten auch die übrigen monströsen Blüthen mehr oder weniger weitgehende Abweichungen vom Typus der Anomalie. Die Lappen waren öfters unregelmässig geformt, verbogen oder abnorm behaart. 3b lieferte 5 Pflanzen mit 98 Blüthen. Die Pflanzen waren nicht kräftig entwickelt und zwar wohl infolge einer Beschädigung durch Katzen. Mitte Mai wurden sie von diesen Thieren fast aus dem Boden heraus gegraben, aber wieder von mir befestigt und etwas sorgfältiger gepflegt, wodurch im Sommer die Inflorescenzen sich entwickelten. Unter den erhaltenen Blüthen waren 17 oder etwas mehr als 17°, monströs. Die Vertheilung war folgende: 0 1 2 3 4 5 Catacorollarlappen Blüten: 3 9 1 70%. Eine unregelmässige Curve, mit einem Maximum der Anomalie bei 1 und 3, während Blüthen mit 4 und 5 Lappen gänzlich fehlen. Fig. VHa Taf. X gibt die Curve. 2a lieferte 21 Pflanzen mit 407 Blüthen, darunter 51 oder fast 13%, monströs. Diese Partie ergab also nur sehr wenige monströse Blüthen. Die Vertheilung war folgende: 0 1 2 3 4 5 Catacorollarlappen Blütben: 356 12 24 13 2 0 Das Maximum der Curve liegt also bei 2, aber Blüthen mit 3 Lappen sind doch noch häufiger als solche mit 1 Lappen. Die Curve wird in Fig. VIlIa Taf. X dargestellt. 2b lieferte nur sehr wenige Pflanzen. Obwohl eine genügende Menge Samen zur Verfügung stand und auch ausgestreut war, ent- wickelten sich die Pflanzen schlecht und waren überhaupt nur wenige Samenkörner gekeimt. Nur zwei Individuen haben Inflorescenzen produeirt, im Ganzen mit 25 Blüthen, was auch nicht besonders viel ist. Darunter waren 6 oder 24°), monströs. Die Vertheilung war folgende: 0 ı 2 3 4 5 Catacorollarlappen Blühen: 9 3 12 00%. Das Maximum ist hier bei 1 gelegen und man kann überdies eine Steigerung bei 3 beobachten. Fig. IXa Taf. X gibt die Curve. 2c lieferte 21 Pflanzen, welche auch reichlich Blüthen trugen, die aber, wie von vornherein zu erwarten war, nur einen geringen Gehalt an monströsen Exemplaren aufwiesen. Im Ganzen waren 513 Blüthen vorhanden, darunter 32 oder fast 6°), monströs. Die Vertheilung war folgende: 89 0 1 2 3 4 5 Catacorollarlappen Blüthen: 499 29 2 0 10 Auch hier ergibt sich keine regelmässige Galtoncurve (Fig. Xa Taf.X). Das Maximum liegt bei 1, während die Blüthe mit 4 Lappen fast plötzlich auftritt. Diese Blüthe zeigte 4 sehr breite und hell orangefarbige Lappen, welche an der Basis über eine ziemlich weite Strecke mit der Corolla verwachsen waren. la ergab 29 Pflanzen mit 684 Blüthen, darunter 109 oder fast 16°, monströs, Die Vertheilung war folgende: 0 1 2 83 4 5 Catacorollarlappen Blüthen: 575 81 15 13 0 0. Zwar ist hier die Abnahme eine regelmässigere, aber das Fehlen von Blüthen mit 4 und 5 Lappen ist jedenfalls auffallend. Die Curve wird in Fig. XIa Taf. X dargestellt. 1b war die Partie Samenkörner, welche durch Befruchtung einer Blüthe mit 1 Lappen mit dem Pollen einer solchen mit 3 Lappen entstanden war. Es ist dies also der umgekehrte Fall von 3b, wo Q 3 und d' 1 Lappen trugen. Ich erhielt 17 Pflanzen mit 310 Blü- then, darunter 69 oder mehr als 22°), monströs, was eine hohe Per- centage ist. Die Vertheilung war folgende: 0 1ı 2 3 4 5 Catacorollarlappen Blüthen: 241 30 7 31 1 0. Ein Maximum der Anomalie findet sich bei 1 und ziemlich aus- gesprochen auch bei 3 (Fig. XIIa Taf. X). Im grossen Ganzen stimmt der Verlauf der Curve merkwürdig überein mit 3b, wo Maxima eben- falls bei 1 und 3 vorliegen (vgl. die Fig. VIIla und XIla). Die mittelst der Zahlen von 3a erhaltene Curve war eine regel- mässige halbe Galtoneure. Die Blüthen waren aus Samen cultivirt, deren Eltern 3 Catacorollarlappen zeigten. Es ist merkwürdig, dass hier kein Maximum bei 3 entstanden ist, wo doch die Stammeltern beide 3 Lappen entwickelt hatten, während die Blüthen aus 3b und Ib, wo nur die eine 3 Lappen und die andere nur einen einzigen Lappen trug, ein deutlich ausgeprägtes Maximum bei 3 zeigen. Ueberblicken wir die erhaltenen Curven, so zeigt sich keines- wegs das, was man bei Anfang der Cultur erwartete. Als ich die Absicht fasste, die Linaria-Anomalie weiter zu cultiviren, glaubte ich durch Selection in den Besitz von Rassen gelangen zu können mit constant oder fast constant 1, 2, 3, 4 oder 5 Lappen. Die im Jahre 1899 erhaltenen Resultate widersprachen dieser Annahme. Obgleich 90 die Selection bei der Bestäubung so genau wie nur möglich durch- geführt worden war, wurde in keinem Falle ein deutlich ausgesproche- nes Maximum mit mehr als 1 Lappen erhalten. Das Maximum liegt stets bei 1. Die Versuche über die Erblichkeit der Anomalie sollten aber im Jahre 1900 fortgesetzt werden, und es war daher wiederum nöthig, durch strenge und genaue Selection gute Samen zu erhalten. Die Fruchtgewinnung fand während des Sommers 1899 auf dieselbe Weise statt, wie im Jahre 1898. Die befruchteten Blüthen wurden in Tüll- säckchen verschlossen und so viel wie nur möglich gegen Wetter- ungunst geschützt. Die Ernte war auch jetzt wiederum eine sehr ausgiebige. Ende 1899 konnte verfügt werden über: eine Partie Rhizomstücke von monströsen Pflanzen, » _Samenkörner, das Resultat spontaner Bestäubung (A'), ” „ » Q und d‘ mit 5 Catacorollarlappen (VA), n n „ © mit 5, mit 4 n (VB), „ n n Qundd „4 „ (IVA), ” ” u) 9 mit 4, d ” 1 ” (IVB), ” ” ” gunddd „3 ” (TIIA), n „ n QO mit, d, 1 n (UIB), ” ” » Q mit 3, J ” 2 ” (IIIO), n n n QO und d „2 » (ITA), » „ n Q mt2,d, 1 „ (UB), » n „ Q mit2,d,„ 3 n (ITB), » n n Q mit 2, d’ ohne n (IIC), n n n Q und d mit 1 » (IA), » n » Q mitl,d, 8 n (IB), » „ QO mtil,d, 5 n (IC). Eine grössere Variation der Bestäubung war wenigstens für mich unzutreffend, da kein genügender Raum zum Aussäen aller erhalte- nen Samen gefunden werden konnte. Die Ausstreuung der Samen etc. wurde im Frühjahr 1900 unter- nommen unter denselben Umständen wie im vorigen Jahr und mit derselben Fürsorge. Um Weitläufigkeiten zu vermeiden, sei hier nur in aller Kürze über die Resultate Bericht erstattet. Die Rhizome lieferten 431 Blüthen, darunter 21 oder kaum 5% monströs, und zwar 19 mit 1 und 2 mit 2 Lappen, A! ergab 171 Pflanzen mit 2440 Blüthen, darunter 107 oder fast 4,4°), monströs, also eine Steigerung gegen 1899, wo nur 3,7% monströser Blüthen entwickelt waren. Die Vertheilung war folgende: 9 01 2 3 4 5 Lappen Blüthen: 2333 79 11 12 5 0. Eine graphische Darstellung gibt Fig. Ib Taf. IX. VA ergab 20 Pflanzen mit 439 Blüthen, darunter 141 oder etwas mehr als 32°), monströs, und vertheilt wie folgt: 0 1 2 3 4 5 Lappen Blüthen: 298 54 30 28 19 10. Die Curve ist in Fig. IIb Taf. IX. VB ergab 11 Individuen mit 183 Blüthen, darunter 37 oder fast 21°), monströs, vertheilt wie folgt: 0 1 2 3 4 5 Lappen Blüthen: 16 211 9 2 2 3 Die Curve gibt Fig. IIIb Taf. IX. IVA ergab 7 Pflanzen mit 132 Blüthen, darunter 17 oder fast 13%, monströs und vertheilt wie folgt: 0 ı 2 8 4 5 Lappen Blüthen: 125 7 4 4 2 0. Die Curve gibt Fig. IVb Taf. IX. IVB ergab 21 Pflanzen mit 451 Blüthen, darunter 91 oder etwa 20°), monströs und folgendermaassen vertheilt: 0 1ı 2 3 4 5 Lappen Blüthen: 360 8 ı 9 1 0. Die Curve gibt Fig. Vb Taf. IX. UIA ergab 10 Pflanzen mit 230 Blüthen, darunter 39 oder fast 12,5%, monströs und folgendermaassen vertheilt: 01 2 3 4 5 Lappen Blüthen: 192 2014 5 0 0. Die Curve gibt Fig. VIb Taf. IX. IB ergab 14 Pflanzen mit 312 Blüthen, darunter 62 oder fast 20°), monströs und folgendermaassen vertheilt: 0 12 8 4 5 Lappen Blüthen: 250 50 4 27 1 0. Die Curve gibt Fig. VIIb Taf.X. IIIC ergab 9 Pflanzen mit 187 Blüthen, darunter 37 oder fast 20°, monströs und vertheilt wie folgt: 011 2 3 4 5 Lappen j Blüthen: 150 12 7 13 5 60. Die Curve gibt Fig. VIIc Taf.X. IIA lieferte 17 Pflanzen mit 331 Blüthen, darunter 52 oder etwa 15°, monströs und vertheilt wie folgt: 92 0 ı 2 8 4 5 Lappen Blüthen: 279 2715 7 3 0. Die Curve gibt Fig. VIIIb Taf.X. UB lieferte 11 Pflanzen mit 212 Blüthen, darunter 39 oder etwa 18°), monströs und in folgender Weise vertheilt: 0 12 3 4 5 Lappen Blüthen: 1731815 5 1 0 Die Curve gibt Fig. IX b Taf. X. IIC lieferte 30 Pflanzen mit 692 Blüthen, darunter 71 oder etwa 10%, monströs. Ein Zuwachs der Anomalie gegen 1899 ist hier also ziemlich deutlich ausgesprochen. Die Vertheilung war folgende: 0 ı 2 3 4 5 Lappen Blüthen: 621 54 12 5 0 0. Die Curve ist in Fig. Xb Taf. X. IID, entstanden aus einer Kreuzung von Blüthen mit 2 und 3 Catacorollarlappen, lieferte 22 Pflanzen mit 407 Blüthen, darunter 81 oder fast 20°), monströs. Die Vertheilung war folgende: 01 2 3 4 5 Lappen Blüthen: 326 36 24 20 1 0. Die Curve gibt Fig. Xe Taf. X, IA ergab 34 Pflanzen mit 734 Blüthen, darunter 140 oder etwa 20°], monströs und in folgender Weise vertheilt: 01 2 3 4 5 Lappen Blüthen: 588 98 31 198 0 0. Die Curve gibt Fig. XIb Taf. X. IB, entstanden aus © mit 1 und d‘ mit 3 Catacarollarlappen, übereinstimmend mit 1b von 1899, lieferte 21 Pflanzen mit 390 Blü- then, darunter 77 oder fast 20°), monströs und vertheilt wie folgt: 01 2 3 4 5 Lappen Bläthen: 318 24 14 39 0 0. Die Curve findet sich in Fig. XIIb Taf. X. IC wurde erhalten aus © mit 1 und d‘ mit 5 Catacorollarlappen. Ich erbielt 12 Pflanzen mit 255 Blüthen, darunter 70 oder etwa 27%, monströs. Die Vertheilung war folgende: 0 1 293 A 5 Lappen Blüthen: 185 12 21 29 4 4, Die Curve ist in Fig. XIIc Taf. X dargestellt. Bis so weit gehen die Resultate der Culturen in diesem Jahre. Es war nicht meine Absicht, schon jetzt über dieselben zu berichten, 93 vielmehr die Culturversuche noch einige Jahre zu verfolgen und erst wenn ziemlich feste Schlussfolgerungen gezogen werden konnten, die- selbe zu veröffentlichen; allein ich bin leider gezwungen, die weitere Untersuchung aufzugeben, weil mein Samenvorrath aus Versehen und durch einen unglücklichen Zufall gänzlich unter einander gemischt ist und also seinen Werth verloren hat, Doch meine ich, dass Folgendes auch schon jetzt zu ersehen ist: 1. Bei Fortpflanzung auf vegetativem Wege wird die Anomialie zwar erhalten, aber sie tritt in verschiedenen Jahren in wechselnder Intensität auf. 2. Die Entstehung von Catacorollarlappen wird nicht nur beein- flusst von inneren Ursachen, sondern auch äussere Umstände sind von grosser Bedeutung. Wenn die Anomalie doch, wie bei manchen anderen monströsen Pflanzen, eine erbliche Eigenschaft geworden war, müsste man durch entsprechende Selection eine Steigerung der Anomalie beobachten können. Dies ist jetzt aber durchaus nicht der Fall. Zwar wird die Percentage an monströsen Blüthen eine höhere, aber die Zahl der Catacorollarlappen vermehrt sich nicht oder nur in sehr vereinzelten Fällen. Ich stelle mir die Sache so vor, dass die Entstehung und Entwickelung der Anomalie von zwei Factoren beeinflusst wird: Zuerst die Erblichkeit, dann äussere Umstände, unabhängig also von der Pflanze, und welche beim Experimentiren entsprechend abgeän- dert werden können. Es werden vielleicht Ernährungszustände, Be- leuchtung und Aehnliches grossen Einfluss haben. Ich hatte mir vorge- nommen, dies weiter zu prüfen, bin aber vorläufig dazu nicht mehr im Stande, hoffe indessen die Sache später aufs Neue zu untersuchen. 3. Werden Samenkörner erhalten aus Blüthen mit verschiedener Zahl Catacorollarlappen , so wird die Anomalie prägnanter auftreten, wenn der Pollen der Blüthe mit der höheren Zahl Lappen ent- stammt, als im umgekehrten Falle. Dies ergibt sich aus einer Be- trachtung von 1b, IB und IC. Auch hier sind jedoch weitere Versuche unentbehrlich. 4. Die Blüthen zeigen eine Neigung, nur 1 oder 3 Lappen zu entwickeln; 2, 4 oder 5 Lappen sind weit seltener. Bei Betrachtung der gegebenen Zahlen und Curven tritt dies deutlich hervor. Zum Schluss möchte ich hervorheben, dass die Catacorollarlappen überhaupt nur bei starken, kräftigen Pflanzen auftreten und also wohl mit dem mehr oder weniger guten Ernährungszustande zusammenhängen. Amsterdam, 14. October 1900. Morphologische und biologische Bemerkungen. Von K. Goebel. 9. Zur Biologie der Malaxideen. Hierzu sieben Textfiguren. Die kleine Gruppe der Malaxideen ist in unserer Flora vertreten durch drei Gattungen mit je einer Art: Sturmia, Malaxis und Microstylis. Diese Orchideen ziehen schon dadurch das Interesse des Biologen auf sich, dass ihre knollenförmigen Reservestoffbehälter auf ganz andere Weise zu Stande kommen als bei den Ophrydeen. Während die letzteren Wurzelknollen besitzen, weisen die Malaxideen, wie namentlich Irmisch) nachgewiesen hat, Sprossknollen auf, die ohne Weiteres erinnern an die vieler tropischer und subtropischer epiphy- tischer Orchideen. Mit diesen sollen die Malaxideen auch eine andere Eigenthüm- lichkeit gemeinsam haben, nämlich den Besitz eines Velamens. Irmisch sagt (Beiträge zur Biologie und Morphologie der Orchideen pag. 34 Anm.): „Auch an den Wurzeln der mit ihren nächsten Ver- wandten, Malaxis monophyllos und paludosa, sich auch in anderer Beziehung am meisten den tropischen Orchideen anschliessenden Stur- mia Loeselii finden sich Spiralfaserzellen (man vergl. auch Reichen- bach, Orch. eur. pag. 162) und zwar in reicherem Maasse als bei Spiranthes; sie sind also keine Eigenthümlichkeit der tropischen Orchi- deen.*“ Diese Angabe ist dann auch in die spätere Litteratur über- gegangen. So heisst es z. B. in dem trefflichen und ausserordentlich nütz- lichen Werke von Raunkiaer, „De danske blomsterplanters natur- historie* pag. 320 von den Malaxideen: „... at af alle vore Orchi- deer er det alene i denne og felgende Gruppe, at vi finde skrueformet fortykkede Celler i Rsddernes Bark, svarende til Velamen i de epi- fytiske Orchideers Luftrodder“ (folgt Citat der Irmisch’schen Angabe). 1) Irmisch, 1. Beschreibung des Rhizoms von Sturmia Loeselii, Bot. Ztg. 1847 pag. 137, 2. Knollen und Zwiebelgewächse pag. 156; 3. Bemerkungen über Malaxis paludosa, Flora 1854 pag. 625; 4. Ein kleiner Beitrag zur Naturgeschichte der Microstylis monophylla, Flora 1863. — Ausserdem die im Texte erwähnte Ab- handlung: Beitr, zur Morph. der Orchideen, 95 Es war mir daher, als ich im vergangenen Sommer Mierostylis bei Partenkirchen antraf, von Interesse, mich von dem angegebenen Verhalten selbst zu überzeugen. Durch die Freundlichkeit des Herrn Polizeirath Eigner in München konnte ich auch lebende Exemplare von Malaxis und Sturmia vergleichen. Es stellte sich nun bald heraus, dass die erwähnte Angabe be- treffs des „Velamens“ auf einem Irrthum beruhte, dafür aber ergaben sich andere Bauverhältnisse, welche diese Gruppe als eine der bio- logisch interessantesten der einheimischen Flora erscheinen lassen. Sie seien kurz und ohne Anspruch auf Erschöpfung des Themas geschildert. Zunächst ist betreffs der Wurzeln zu erwähnen, dass Irmisch, ein sonst so trefflicher Beobachter (dem die anatomischen Verhältnisse freilich ferner lagen), zu seiner Angabe wahrscheinlich geführt wurde durch eine Bemerkung Reichenbach’s, auf die er auch ausdrück- lich verweist. Dieser sagt (Icones florae Germanicae et Helveticae XII, XIV, pag. 202 des Textes) von Sturmia: „treibt stielrundliche Wurzeln, welche, von getüpfelten und netzigen Zellen bekleidet, am Grunde der Blätter die Nebenachsen durchbohren und von Papillen bedeckt sind“. Solche Epidermiszellen finden sich indess weder an den Wur- zeln von Sturmia, noch an denen von Malaxis und Microstylis. Woher der Irrthum rührt, wird unten nachzuweisen sein; hier sei zunächst der Bau der Wurzeln kurz dargelegt. Er ist bei den drei Pflanzen wesentlich übereinstimmend. Die Epidermiszellen zeigen nichts, was an den Bau eines Velamens auch nur im Entferntesten erinnern würde, namentlich keinerlei spiralige oder netzförmige Verdiekung, wie die erwähnten Autoren sie ange- geben hatten. Die Wände sind vielmehr glatt !): viele der Epidermis- zellen zind zu langen Haaren ausgewachsen. Die Zellen der Wurzel- rinde sind auffallend inhaltsarm. Damit mag es auch zusammenhängen, dass man von einer „endotrophen Mykorrhiza“ wie bei anderen Orchideenwurzeln hier eigentlich kaum sprechen kann. Zwar lassen sich Pilzhyphen von den Wurzelhaaren aus durch die Wurzelrinde bis zur Innengrenze derselben verfolgen. Aber sie traten in den beobachteten Fällen in verhältnissmässig geringer Menge auf und bildeten nirgends die dichten Knäuel, wie sie in den Wurzeln anderer 1) Für Mierostylis Scottii gibt Meinecke (Beiträge zur Anatomie der Luft- wurzeln der Orchideen, Flora 78. Bd. [1894] pag. 148) an, dass hier die ein- schichtige Epidermis keine spiralige resp, netzförmige Verdiekungen habe, es Bei „eine derartige Differenzirung durch seltene, feine Poren vertreten“. 96 Orchideen und namentlich auch, wie unten zu zeigen sein wird, in dem Sprossgewebe der Malaxideen auftreten. Die Bewurzelung ist bei Fig. 1. Microstylis mono- phylla. Unterer Theil einer blühenden Pflanze, nat.Gr. Links die alte Knolle (a), umgeben von der lockeren Hülle 4; 1, 2, L Blätter der blühen- den Pflanze; bei j die junge Knolle (Basis des blühenden Sprosses). Malaxis paludosa am schwächsten, indem hier nur eine einzige Wurzel angelegt zu werden pflegt. Malaxis und Sturmia haben deren eine grössere Anzahl, aber die Wurzeln bleiben doch kurz und man wird — obwohl ja ein exacter Maassstab dafür sich nicht geben lässt — die Gesammtbewurzelung als eine verhältnissmässig schwache bezeichnen müssen. Gehen wir zu den übrigen Vegetations- organen über, so finden wir bekanntlich an jeder Pfianze zwei Knollen, eine alte und eine junge. Es sei angeknüpft an die Fig. 1, welehe ein Habitusbild von Mierostylis monophylla gibt. Die alte Knolle (a, Fig. 1) ist umgeben von einerlockeren,schwammigen Hülle (4), dieausden Basaltheilen der später zu erwähnenden Blätter besteht und einen sehr merkwürdigen Bau besitzt. Die sämmtlichen Zellen derselben sind leer, und — abgesehen von dem Stranggewebe — mit netzförmig verdickten Zellmembranen ver- sehen. Fig. 2 gibt eine Flächenansicht dieser Zellen, in welcher die netzförmig angeordneten Verdiekungsleisten deutlich hervortreten. Diese Zellen sind es, welche das Vorhandensein eines Velamens bei den Wurzeln vorgetäuscht haben; sie können auf diekeren Längsschnitten z. B. leicht losgerissen werden, oder es kommen Fetzen dieses Gewebes auf die Wurzeln zu liegen, und das gab offenbar zu der erwähnten unrichtigen Angabe Veranlassung. Ganz ähnlich wie bei Mierostylis sind auch die Zellen der Knollenhülle (wie sie der Kürze halber bezeichnet werden mag) bei Sturmia be- schaffen. Bei Malaxis dagegen sind die Zellwände durch schraubenförmig verlaufende Verdickungs- leisten ausgezeichnet, wie sie sich auch im Velamen !) bei Tracheen und 1) Manche Orchideenluftwurzeln haben übrigens auch im Velamen netzförmig angeordnete Zellwandverdickungen. 9 Tracheiden so oft finden. Indes finden sich auch Uebergänge zu den netzförmig verdickten Zellwänden der beiden anderen Arten: die Schraubenbänder stehen durch Queranastomosen mit einander in Ver- bindung. Immerhin bietet die verschiedene Verdiekung der Zeilen bei den Malaxideen auch ein nicht zu unterschätzendes diagnostisches Hilfsmittel. Erwähnt sei, dass die Verdickungsleisten sich mit Phloro- glucinsalzsäure roth färben, also die Reaction aufweisen, die man meist als charakteristisch für „verholzte“ Zellmembranen betrachtet; mit Chlorzinkjod färben sich die Wände gelb. Was ist nun die Function dieser Zellen? Wenn man die durch die eigenthümlich gebauten Blattreste gebildete Knollenhülle austrock- nen lässt, nimmt sie eine weissliche Farbe an, die verschwindet, wenn man sie benetzt. Auch beimikroskopischer Betrachtung überzeugt man sich leicht, dass die Zellen der Hülle sich rasch mit Wasser vollsaugen. Die äusseren Zellmembranen fand ich bei Microstylis im leeren Zustand etwas eingefallen, im gefüllten mehr nach aussen ge- wölbt. Oeffnungen waren in einzelnen Fällen in den zwischen Fig. 2. Microstylis monophylla. Zellen der den Verdickungen liegenden Hülle in Flächenansicht. Die Zellwände sind Theilen der Zellhülle nachweis- netzförmig verdickt, die Zellgrenzen durch bar, und ihr Vorhandensein geht stärker ausgezogene Linien erkennbar. auch daraus hervor, dass man (Stark vergr‘) nicht selten im Innern der Zellen Cyanophyceen und andere einge- wanderte Organismen antrifft. Indess ist damit noch nicht gesagt, dass die Löcher in der Zellwand durch die Thätigkeit der Pflanze selbst entstehen. Sie werden sich leicht auch nachträglich, d. h. nach Absterben des Protoplasmakörpers, bilden können, da die unverdickten Membranstellen ziemlich dünn sind. Bei einer grösseren Anzahl darauf hin untersuchter Zellen habe ich keine Durehlöcherung finden können. Indess hielt ich es nicht für erforderlich, dieser Frage viel Zeit zu widmen, weil wir wissen, dass in einem und demselben Verwandt- schaftskreis leere, wasseraufsaugende Zellen bald mit ganzen, bald mit durchlöcherten Zellwänden versehen sein können. So haben unter den Moosen die Leucobryaceen durchlöcherte, das mit ihnen nahe verwandte Dieranum albidum undurchlöcherte todte Weasserzellen. Flora 1901. 7 98 Auch beim Velamen der Orchideenluftwurzeln ist das Vorhandensein von Löchern in den Zellmembranen ein zwar weit verbreitetes, aber keineswegs allgemein nachgewiesenes. Als wesentlich betrachte ich _ den Nachweis, dass wir es bei den Malaxideen zu thun haben mit Zellen, die sich bei Benetzung rasch füllen. Eine Discussion über den Mechanismus, der sich beim Füllen dieser leeren Zellen abspielt, liegt ausserhalb des Rahmens dieser kurzen Notiz; näher liegt hier die Frage nach der Bedeutug dieser sonderbaren Einrichtung für die Pflanze. Dass durch eine mit Wasser sich leicht fül- lendeund Wasserfesthaltende Hülle die alte Knolle vor rascher Trockenlegung ge- schützt wird, ist ja klar. Aber es dürfte an den Stand- orten dieser Malaxideen Aus- trocknen nicht gerade häufig eintreten. Microstylis fand ich in einem moosigen, feuch- ten Wald mit Lebermoosen, wie Aneura multifida, Blasia pusilla u. a. zusammen, die ständig feuchte Standorte be- wohnen. Sturmia und Ma- laxis wachsen auf Torfwiesen Fig. 3. Microstylis monoyhylla. Längsschnitt resp. Torfmooren, wo zwar durch die Basis einer blühenden Pflanze, in heissen, trockenen Som- schwach vergr. (etwas schematisirt). Kj junge : : , “ Ka alte Knolle. Letztere ist nicht median ge- mern leichter oberflächliche troffen, sondern nur angeschnitten, RR kragen- Austrocknung eintreten kann, förmig vorspringender Auswuchs des obersten aber doch wohl nur in Aus- Foren der blühenden Sprossachse. In der nahmefällen. Um zu ent- chsel dieses Blattes steht der nächstjährige i ülle* Trieb, an dessen Basis die Anlage einer Wurzel scheiden, ob von der „HIüN unverkennbar ist, aufgenommenes Wasser und darin gelöste Stoffe auf die anderen Theile der Pflanze übergehen können, ersuchte ich — da diese kleine Untersuchung in den Ferien ohne Laboratoriumshilfsmittel ausgeführt wurde — Herrn Assistent Schnegg, Mierostylispflanzen zunächst an der Luft so weit abtrocknen zu lassen, dass die Hülle weisslich erschien, dann diese wiederholt mittelst eines Pinsels vor- 99 sichtig mit einer schwachen Lösung von salpetersaurem Lithium zu be- tupfen. Thatsächlich liess sich dann nach zwei Tagen in den Blättern — die vorher als lithiumfrei sich erwiesen hatten — Lithium nachweisen. Allerdings ist dieser Versuch nicht ganz einwurfsfrei. Trotz der angewandten Vorsicht könnte etwas Lithiumlösung mit einem anderen Theil der Pflanze in Berührung gekommen sein, z. B. durch kleine Fetzen der Hülle. Es war also auch anatomisch die Möglichkeit eines Uebertritts von durch die Hülle aufgenommenen Stoffen in andere Theile der Pflanze zu prüfen. Zunächst ist aber an den morpho- logischen Aufbau der Pflanze zu erinnern. Ki D Fig. 4. Microstylis. Querschnitt durch einen Theil der jungen (diesjährigen) Knolle (Kj). Unten das Deckblatt (D) des nächstjährigen Triebes, An diesem die Sprossachse S und vier Blätter getroffen. Das zweite Blatt steht dem ersten gegenüber. (Schwach vergr.) Ein für das nächste Jahr bestimmter Trieb hat im Sommer des vorhergehenden Jahres schon alle Theile angelegt. Er findet sich in der Achsel des obersten Blattes an der Basis der diesjährigen Knolle (Fig. 3). In den von mir an Querschnitten untersuchten Fällen war die Anordnung die in Fig. 4 widergegebene. Kj ist die diesjährige Knolle, D deren oberstes Blatt, welches in seineı Achsel den für das nächste Jahr bestimmten Trieb trägt. An diesem sind vier Blätter sichtbar, von denen drei als Niederblätter ausgebildet sind; 4 ist das Laubblatt, nicht selten entwickelt sich auch das oberhalb derselben stehende, im Schnitt nicht getroffene Blatt als Laubblatt. Auffallend ist, dass Blatt 1 und 2 einander gegenüber stehen. Indess handelt es sich bei 1 offenbar um ein aus zwei seitlich stehen- 7* 100 den Vorblättern verwachsenes Vorblatt — wie dies auch, wie ich früher ausführte,!) für andere Monocotylen anzunehmen ist. In diesem Falle kann das folgende Blatt ohne Störung der Blattstellungsregeln entweder nach vorne oder, wie hier, nach hinten fallen; wie Irmisch beobachtet hat, kommt auch der erstere Fall vor, bei Malaxis fand ich ihn in den untersuchten (wenigen) Fällen stets (vgl. Fig. 5). In dem Habitusbilde Fig. 1 sind nur zwei Niederblätter vor- handen, 1 ist das (aus zwei Blättern verwachsene) Vorblatt, mit dem 2 alternirt, darauf folgt das Laubblatt L. Von besonderem biologischem Inter- esse ist es nun, dass die Basis des Blattes 2, wo die Nieder- blätter vorhanden sind, auch die von 3 zur Wasseraufnahme ein- gerichtet ist. Es entspringen von den dickeren, über Gefäss- bündeln liegenden, nach aussen vorspringenden Rippen des Fig. 5. Malaxis paludosa. Aehnlicher Schnitt Blattes Rhizoiden büschel wie der in Fig. 4 für Microstylis abgebildete. (Fig. 6, Kh). Dies ist ein bei Das zweite Blatt alternirt mit dem ersten. Samenpflanzen sehr seltener Fall. Wir kennen ihn bei einer Anzahl Hymenophylleen ?); bei höheren Pflanzen führt Irmisch an die Keim- und Laubblätter von Corydalis cava, wahrscheinlich finden sie sich auch noch bei anderen Pflanzen. — Bei den anderen Malaxideen fand ich sie auch an der Basis der äusseren Blätter daraufhin untersuchter junger Pflanzen von Sturmia, wenngleich nicht in so grosser Zahl wie bei Microstylis, und dasselbe gilt für Malaxis selbst, so dass also alle hierher gehörigen Arten an den Blättern Wurzelhaare aufweisen. Die Gegenwart der „Wurzel- haare spricht sich hier auch darin aus, dass, ganz ebenso wie in den 1) Ueber den Bau der Aehrchen und Blütken einiger Cyperaceen. Ann. du jerdin bot. de Buitenzorg Vol. VII pag. 120; vgl. ferner Flora 81. Bd. pag. 21. . 2) Bei einigen können Rhizoiden sogar auf der Blattspreite entstehen, so bei Trichomanes brachypus und Tr. Goebelianum (vgl. Giesenhagen, Flora 76. Bd. pag. 179). Auch an der Blattstielbasis mancher Erdfarne entspringen Rhizoiden, so bei Pteris aquilins (vgl. die Sachs’sche Abbildung in Goebel, Grundzüge der Systematik etc. Fig. 160 pag. 286). 101 Wurzeln selbst, durch sie eine Pilzinfeotion erfolgt. Auch hier kann man die Pilzhyphen, freilich nur in spärlicher Zahl, in die tiefer liegenden Zellschichten verfolgen; sie treten hier zuweilen in ziemlich dichten Knäueln auf, Uebrigens war die Menge derselben in den verglichenen Fällen eine sehr wechselnde. Die Epidermiszellen an den Wurzelhaare tragenden Stellen nehmen eine gelbliche Färbung an. Von anderen Eigenthüm- lichkeiten der Blätter sei nur erwähnt der feste Verschluss, welchen das Stützblatt der jungen Knolle mit der Inflores- cenzachse nach oben hin bildet. Durch ein besonderes Wachs- tbum in Gestalt einer ringför- migen Wucherung der Blatt- anlage wird der Raum zwischen dem cylindrischen und dem knollenförmigen Theile der In- florescenzachse (bei R, Fig. 3) gewissermaassen abgeschlossen und so die junge Knollenanlage in einen gegen Aussen sehr gut 3oB = Fig. 6. Stück eines Querschnitts durch den geschützten Raum gebracht. unteren Theil eines Microstylis - Blattes. Später werden die die Knolle Rhizoiden; die punktirten Zellen führen umschliessenden Blätter ge- Raphiden; im Leitbündel ist der Siebröhren- sprengt, offenbar durch die theil durch Schraffirung angedeutet. Volumzunahme der Knolle. Schon im Herbst erfahren die Zellen der Basaltheile der Blätter die oben erwähnte eigenthümliche Wand- verdickung und verlieren ihren Inhalt, der vorher reich war an Stärke. Diese Umänderung des Blattgewebes erfolgt von aussen nach innen, mit zeitlicher Bevorzugung der Oberseite. Nicht nur die Zellen der Blatt- basen aber erfahren eine Veränderung ihres Baues und ihrer Function, auch die der Sprossachse. Hierauf ist noch kurz einzugehen, da dies für die Frage nach der Wasseraufnahme durch die Blätter von Bedeutung ist. Betrachten wir zunächst die Gewebebildung der Sprossachse am oberen und unteren Theile der Knolle (in Fig. 3 schraffirt), so hebt sich dieselbe an gefärbten Präparaten auffällig von dem als Speicher- gewebe dienenden eigentlichen Knollengewebe ab durch intensivere Färbung. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass hier eine ähnliche Umänderung vor sich gegangen ist, wie bei den Blattbasen. Die Zellen 102 sowohl der Epidermis als des Grundgewebes verlieren ihren leben- den Inhalt‘), die Wand erhält eine netzförmige Verdiekung, welche an die der Zellen der Blattbasen erinnert, und sie verholzt — wenig- stens zeigt sie die bekannte Phloroglucinsalzsäurereaction. Dieses Gewebe steht mit den Leitbündeln in Verbindung, diese tauchen sozusagen in dasselbe ein. Ein- zelne Zellen mit den charakteri- stischen Wandverdickungen ziehen sich auch an der Basis der Leit- bündel hinauf und zeigen, was die äussere Gestalt betrifft, alle Veber- gänge zu den Tracheiden, nameni- lich auch dadurch, dass sie längerge- streckte Gestalt annehmen (Fig. 7). Mit diesem Gewebe stehen auch die Blattbasen, die ihre Zellen, wie wir sahen, zu einem wasser- aufnehmenden Gewebe entwickelt . . . haben, in Verbindung, und es ist Fig. t. Mierostylis. Stück eines Längs- wohl keine allzu kühne Vermu- schnittes durch den basalen Theil einer R Knolle. Die Parenchymzellen netzförmig thung, wenn wir annehmen, dass verdickt. In der Nähe des (schief ge- dieses Gewebe der Sprossachse der troffenen) Leitbündels in der Mitte Wasseraufnahmeresp. demW asser- strecken sie sich tracheidenartig. transport gleichfalls dient, um so mehr als, wie Beobachtungen an dicken Schnitten schliessen lassen die Zellen, wenn sie leer geworden sind, sich bei Benetzung mit Wasser füllen. Da auch die Leitbündel des diesjährigen blühenden Sprosses mit denen der alten Knolle in Verbindung stehen, so ist ein Uebertritt des durch die „Hülle“ aufgenommenen Wassers (auch wenn man von dem langsamen Transport durch lebende Parenchymzellen absehen will) anatomisch leicht verständlich. Ausserdem kann der Theil der Hülle, welcher über der Blattbasis des blühenden Stengels liegt, Wasser an die aus diesen Blattbasen entspringenden Rhizoiden abgeben. Uebrigensfinden sich ganz ähnliche Zellen auch in dem centralen Theile der Sprossachse unterhalb der Knollen ; eshaben hier die die Leitbündel umge- benden Parenchymzellen eine netzförmige Membranverdickung erfahren. 1) Die netzfürmig verdickten Zellen an der Basis der Microstylis- Knollen zeigen zum Theile gelbliche Inhaltskörper, deren Beschaffenheit nicht näher unter- sucht wurde. Auch im Velamen mancher Orchideenluftwurzeln finden sich bräun- liche Inhaltskörper von unbekannter Bedeutung. 108 Von sonstigen anatomischen Verhältnissen der Sprossachsen der Malaxideen sei nur erwähnt, dass sie regelmässig und in ausgedehn- tem Maasse von Pilzen bewohnt sind. Sie finden sich in dem peri- pherischen Gewebe ausserhalb des von den Leitbündeln durchzogenen Centraleylinders (in Fig. 3 durch Punktirung angedeutet). Man kann die von den Pilzhyphen bewohnte Rindenzone auf einem Querschnitt durch einen Malaxisstengel namentlich an Alkoholmaterial schon an ihrer weisslichen Färbung erkennen. In den inneren Zellschichten des Rindengewebes bilden nämlich die Pilzhyphen dichte Knäuel. Diese Zellen führen keine oder nur kleine Stärkekörner, während (im Herbste) in den äusseren Rindenzellen, die wenige oder keine Pilzhyphen aufweisen, grosse Stärkekörner abgelagert sind. Beide Zo- nen der Rinde sind aber nicht scharf von einander abgegrenzt. Ganz ähn- lich verhalten sich Mierostylis und Sturmia; die Pilzsymbiose kommt bei diesen Pflanzen für die Sprossachse offenbar viel mehr in Betracht als für die Wurzeln. Man findet in den Sprossachsen auch die „Klumpen“, die nach W.Magnus!) als verdaute Pilzhyphenknäuel zu betrachten sind. Kehren wir zu dem eigentlichen Thema unserer Ausführungen zu- rück, so fragt es sich noch, welchen Nutzen die beschriebenen eigenthüm- lichen Einrichtungen zur Wasseraufnahme haben (Rhizoiden an Blatt- basen und Sprossachsen, wasseraufsaugende „Hülle“, Umwandlung der Parenchymzellen des Centraleylinders der Sprossachse in solche mit tracheidenähnlicher Verdickung). Dass es sich nach den Standorts- verhältnissen nicht einfach um Wasserversorgung handeln kann, wurde oben erwähnt. Es wird zwar von Vortheil sein, dass eine Wasser- aufnahme möglich ist auch unabhängig von den Wurzeln zu einer Zeit, wo diese nicht mehr oder noch nicht in Thätigkeit sind. Aber in erster Linie dürfte auch hier der früher?) für Sphagnum und andere Bryophyten geltend gemachte Gesichtspunkt in Betracht kommen, dass es sich um Pflanzen handelt, die an Standorten wachsen, wo nothwendige Aschenbestandtheile ihnen nur spärlich zur Verfügung stehen, und dass deshalb für sie das „Bedürfniss“ vorliegt, Wasser in grösserer Menge zu verarbeiten als das, wenn nur die Wasserver- sorgung in Betracht käme, nothwendig wäre. Dass dabei diese Pflanzen sich analoger Mittel bedienen, wie die Wurzeln anderer, speciell epi- Phytischer Orchideen sie in ihrem Velamen zeigen, ist ein merkwür- 1) Studien an der endotrophen Mykorrhiza von Neottis nidus avis L. Jahrb. für wiss. Bot. Bd. 35. 2) Goebel, Organographie der Pflanzen, 1898, pag. 279. Vgl. auch E. Stahl, „Der Sinn der Mykorhizenbildung“ in Jahrb, für wiss. Bot. 34. Bd. (1900) pag. 535 . 104 diges Beispiel für Parallelbildung. Die Ausbildung eines von den Wurzeln unabhängigen Wasseraufnahmeapparates hat sodann nament- lich bei Malaxis eine Reduction der Wurzeln, die hier nur in Einzahl an der Pflanze auftreten, ermöglicht, wie dies ja auch sonst — in lehr- - reicher Weise namentlich bei den Land-Utriculariaceen — der Fall ist, Ich zweifle übrigens nicht daran, dass auch bei anderen Orchi- deen sich weitere Beispiele dafür werden nachweisen lassen, dass todte Blattzellen die Fähigkeit der Wasseraufnahme besitzen. Aber schon die oben beschriebenen Thatsachen genügen, um zu zeigen, dass diese Eigenschaft bei den Orchideen nicht, wie man bisher an- nahm, auf das Velamen der Wurzeln beschränkt ist. Auch hier haben wir, meiner Ansicht nach, wenn wir uns das Zustandekommen der Anpassung vorstellen wollen, auszugehen von solchen Fällen, in denen todte, zumeist weiter nicht charakteristisch ausgebildete Zellen der Wurzelepidermis der Wasseraufnahme dienen. Von hier aus hat dann eine Steigerung der Anpassung stattgefunden nach zwei Rich- tungen hin: einerseits durch die Ausbildung der charakteristischen Wandbeschaffenheit, andererseits durch die Vermehrung der Zahl der das „Velamen“ bildenden Zellen. Die Malaxideen zeigen, dass Zellen der Blätter und der Sprossachse eine analoge Ausbildung erfahren können. Die hierbei auftretenden Anpassungserscheinungen bei diesen einheimischen Formen scheinen mir noch merkwürdiger zu sein als die vielbesprochenen bei den epiphytischen Orchideen. Der Inhalt der vorliegenden Notiz lässt sich kurz in folgenden Sätzen zusammenfassen: 1. Die in der Litteratur seit langer Zeit wieder- holte Angabe, die Wurzeln der einheimischen Malaxideen besässen ein „Velamen“, ist unrichtig. — 2. Vielmehr bilden sich die sämmtlichen Zellen der Blattbasen (mit Ausnahme der Leitbündel) zu einem wasser- aufsaugenden, dem Velamen derWurzeln andererOrchideen entsprechen- den Gewebe aus. — 3. Ausserdem finden sich auch in dem Centraleylinder der Sprossachsen analoge, offenbar gleichfalls der Wasseraufnahme die- nende Zellen. — 4. Die äusseren Blätter sämmtlicher drei Malaxideen (am meisten die von Microstylis) bilden Rhizoiden, die auch an den Sprossachsen auftreten. — 5. Die Sprossachsen sind in bestimmten Zonen regelmässig von Pilzen bewohnt, die auch in die Blätter und Wurzeln eindringen, aber in viel geringerem Maasse. — 6. Die biologische Be- deutung der geschilderten Einrichtung für Wasseraufnahme besteht wahrscheinlich in der erleichterten Gewinnung von im Substrat nur spärlich vorhandenen Aschenbestandtheilen. München, 5. November 1900. Ueber die Wanderungen des pflanzlichen Zellkernes. Von Hugo Miehe. Hierzu Tafel XL Unter diesem etwas allgemeinen Titel will ich einige Beobacht- ungen veröffentlichen, die zum Theil nur in lockerer Beziehung zu einander stehen, sich aber sämmtlich auf Ortsveränderungen des Zell- kernes beziehen. In einer früher erschienenen Schrift!) hatte ich mich mit der regelmässigen Kernwanderung und der sich anschliessen- den Zellanlage beschäftigt, welche sich in den Epidermiszellen vieler Monocotylen bei der Anlage der Spaltöffnungsmutterzelle abspielen. Wie es bereits von Strasburger nachgewiesen und von mir- in grösserem Umfange entgegen abweichenden Ansichten bestätigt wurde, ist jener Process streng polarisirt, dergestalt, dass die kleine Spalt- öffnungsmutterzelle stets an dem der Spitze des Blattes zugewandten Ende einer Epidermiszelle angelegt wird. Ich hätte damals den Process experimentell zu beeinflussen gesucht, indem ich die zunächst liegende Frage nach der Mitwirkung der Schwerkraft prüfte, und gefunden, dass sie bei diesem Processe nicht betheiligt sei. Das Hauptgewicht lag jedoch auf dem cytologischen Theile, der experimentelle blieb unvollkommen, die Frage nach den Ursachen jener gesetzmässigen Polarität offen. Ich habe mich infolge dessen gerade mit der experi- mentellen Behandlung der Frage von neuem beschäftigt, wobei mir zum Theil die vorzüglichen Mittel des Leipziger botanischen Instituts ganz besonders zu statten kamen. Für die Bereitwilligkeit, mit der mein hochverehrter Chef, Herr Professor Pfeffer, diese zur Verfügung stellte, sowie für die mannigfachen Inspirationen und die Kritik, die diese Arbeit sehr gefördert haben, sage ich ihm meinen herzlichsten Dank. Die streng polarisirte Anlage der Spaltöffnungsmutterzellen bei verschiedenen Monoeotylen fällt unter das allgemeine Problem der Polarität am Pflanzenkörper. Es ist das Vöchting’sche Problem, 1) H. Miehe, Histolog. und experiment. Untersuchungen über die Anlage der Spaltöffnungen einiger Monocotylen. Bot. Centralbl. Bd. LXXVII. 1899. 2) Strasburger E., Ein Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Spalt- Öffnungen. Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. V, 1866, pag. 301. 106 auf eine einzige Zelle übertragen. Wie Vöchting') die Frage in- teressirte, welches die Ursachen der Vertieibasalitat sein möchten, so bietet uns hier eine Epidermiszelle bei ihrer Organbildung ein ähn- liches Problem. Welche inneren und äusseren Kräfte sind bei dieser polarisirten Organbildung thätig? Uebereinstimmend mit Vöchting’s Ergebnissen können auch wir die Betheiligung der Schwerkraft von vornherein ablehnen. Der zunächst liegende Gedanke war, den Theilungsprocess bei der Anlage der Spaitöffnungsmutterzelle durch eine intensivere Massen- beschleunigung, als sie die Gravitation bietet, zu beeinflussen. Dazu stand mir die im hiesigen Institut befindliche Centrifuge zur Verfügung, mit Hilfe welcher sich eine ganz ausserordentliche Vervielfältigung der Gravitationskraft erzielen lässt. Wie uns aus der Publikation Mottier’s?) bekannt ist, werden die Kerne bei dieser gewaltsamen Einwirkung vollständig disloeirt, so dass ich mir von dem künstlichen Transport der Epidermiskerne in den unteren Theil ihrer Zellen einigen Erfolg versprechen konnte. Für eine zweite Reihe von Experimenten war ein anderer Gedanke massgebend. Ich stellte mir mehr oder weniger klar vor, dass die konstante Wanderung des Zellkernes irgend- wie mit der Wachsthumsrichtung zusammenhängen könne, allerdings nicht insofern, als sie irgendwie zum Erdradius orientirt wird. Viel- mehr dachte ich an das Fortschreiten des Wachsthums in Bezug auf die Pflanze selbst. Bei normal in der Erde steckenden Pflanzen, in unserem Falle Zwiebelgewächsen, ist die Zwiebel fixirt; die aus ihr emporwachsenden Blätter vergrössern sich dadurch, dass die wachsenden Zellen sich nach oben ausdehnen können, nach unten nicht. Werden nun abgeschnittene Blätter an der Spitze fixirt, während die Basis frei ist, so tritt das Umgekehrte ein: jetzt gibt die Basis dem Drucke der sich vergrössernden Zellen nach. Es wurden also Experimente in dieser Richtung hin angestellt. Gleichzeitig war die Möglichkeit gegeben, dass daneben auch die Schwerkraft mitwirke; somit wurden die Blätter theils mit der Basis, theila mit der Spitze nach unten fixirt, immer natürlich an der Spitze. Schliesslich bot sich in der traumatotropen Wanderung des Zellkernes ein letztes Mittel, eine Dislocation des Zellkernes sowie eine Umkehrung des polarisirten Zelltheilungsprocesses herbeizuführen. Diese Untersuch- ungen gaben vielfach Gelegenheit auf die Natur der traumatotropen 1) Vöchting H., Ueber Organbildung im Pflanzenreich. Bonn 1878. 2) Mottier D. M., The effect of centrifugal force upon the cell. Annals of Botany Vol, XIII, 1899, pag. 325. 107 Wanderung des Zellkernes einzugehen, die uns in einem besonderen Abschnitt beschäftigen wird. Dann fesselten merkwürdige, momentane Reactionen des Zellkernes auf besondere Wundreize unsere Auf- merksamkeit, die an fixirtem Material beobachtet, zu einer kleinen Excursion auf das neuerdings wieder actuell gewordene Gebiet der Färbungstheorien aufforderten. Schliesslich führten uns unsere Studien auf einige Fragen betreffs der Regeneration, wobei gleichfalls charakteristische Wanderungen des Zellkernes eine Rolle spielten. Material und Methode. Das Material zu den folgenden Untersuchungen bildeten in erster Linie verschiedene Species von Allium als A. Cepa, nutans, vietoriale u. a.; sodann Iris florentina, Hyacinthus orientalis, und für das Stu- dium der Verwundungserscheinungen Tradescantia fuminensis und T. virginiea, Tinantia fugax u. a. Die dem Experiment unterworfenen Blätter und Stengeltheile wurden theils lebend, theils fixirt und gefärbt untersucht. Zu letzterem Verfahren wurde bei der Entscheidung der ersten Frage vornehmlich gegriffen, aber auch für die übrigen Unter- suchungen war die Benutzung fixirten Materials unerlässlich. Ver- wandt wurde das Flemming’sche Gemisch, Chromosmiumessig- säure, als Fixirungsmittel; die fixirten Stückchen wurden dann in der üblichen Weise ausgewaschen, in Alcohol von steigender Concentration gehärtet, mit Chloroform luftfrei gemacht und in Paraffın übergeführt. Die mittels eines Zimmermann’schen Microtoms hergestellten Schnittserien wurden mit Safranin, Gentianaviolett und Orange-G tingirt. Zuweilen wurden auch in Carnoy’s Chloroform - Aleohol- Essigsäuregemisch fixirte Objecte mit dem Rasirmesser geschnitten, mit Boraxcarmin gefärbt und in Glycerin untersucht, um rasch eine grössere Menge Material zu durchmustern, und so die Wahrscheinlichkeit, geeignete Stadien zu finden, zu vergrössern. Als Kriterien für die Richtung der Anlage .der Spaltöffnungs- mutterzellen lassen sich mehrere verwerthen. Die Lage des Zell- kernes ist nicht entscheidend, denn seine Wanderungen sind sehr kaprieiös. Auch die Erscheinung, dass ein Epidermiskern ganz dicht an der Wand einer Spaltöffnungsmutterzelle liegt, sagt noch nichts über die Herkunft der letzteren. Die sicherste Entscheidung gibt das Vorhandensein einer Kerntheilungsfigur in einem Ende einer Epidermiszelle, und dies Kriterium wurde auch meist angewandt. Sicher ist ebenfalls das Strasburger’sche Kriterium, welches darin 108 besteht, dass eine Spaltöffnungsmutterzelle an einer ihrer Querwände von den Querwänden zweier Epidermiszellen begrenzt wird. Ihre Herkunft ist dann sicher festzustellen. Daneben wurde noch ein drittes Kriterium herangezogen, welches in günstigen Fällen hinreichend genau ist, Zuweilen sind nämlich die Epidermiszellen ganz besonders stark ausgebaucht, und wenn eine solche eine Spaltöffnungsmutterzelle ab- gliedert, lassen beide Zellen zusammen noch die Tonnenform der ursprünglichen Zelle erkennen, deren Zelltheilungsrichtung dann con- statirbar ist. Bevor wir auf die. experimentelle Behandlung unseres Problems eingehen, seien zunächst einige Angaben über die Wachsthums- verhältnisse an den Blättern von Allium nutans mitgetheilt: Vor allem galt es, die wachsende Zone, die Intercalarzone, festzustellen und ihr Verhältniss zur Zone der Spaltöffnungsmutterzellbildung. Ein etwa 6cm langes Blatt, das zweitjüngste, wurde sammt einem Stücke der Knolle herauspräparirt und von seiner Ansatzstelle an mit 20 Tuschemarken im Abstande von Imm versehen. Der untere Theil wurde dann mit feuchtem Fliesspapier umwickelt, auf einer Kork- scheibe befestigt, und das Ganze unter eine mit feuchtem Fliesspapier ausgekleidete Glocke gesetzt. Nach drei Tagen wurde nachgesehen. Das Blatt war nicht sehr gut gewachsen, was in Anbetracht der vor- gerückten Jahreszeit (Mitte Juli) ganz natürlich ist. Zone 1 und 2 hatten sich nicht verändert, 8 und 4 ca. um !/a mm verlängert, 5 um das Doppelte, die folgenden bis zur 11. Zone hatten je um ]. bis imm zugenommen. Weiter hinauf waren die Marken nicht ver- ändert. Die wachsende Zone beginnt also 2mm oberhalb der Basis und dehnt sich über eine Zone von 9mm aus. An einem anderen 8,5cm langen, ebenfalls zweitjüngsten Blatte, welches auf gleiche Weise markirt war, hatte sich die erste 5mm-Zone etwa um 'j;mm verlängert, von der 6. bis zur 15. Zone war ein Gesammtzuwachs von 4,ö5mm zu constatiren, die letzte 5mm-Zone war gar nicht ge- wachsen. Die Intercalarzone begann also 4mm über der Basis und war Ilmm lang. An einem anderen, drittjüngsten, 12mm langen Blatte waren die Verhältnisse ähnlich. Die Wachsthumszone lag 7 mm über der Basis und war llmm lang. Mit zunehmendem Alter des Blattes rückt die Intercalarzone etwas am Blatte hinauf, die basale Zone bildet dann die Scheide. Die Anlage der Spaltöffnungsmutter- zellen fand stets in der durchschnittlich Icm langen Zone des stärksten Wachsthums statt und begann theils an ihrem basalen Ende, theils etwas höher nach der Mitte zu. 109 Versuche mit der Centrifuge. Wie aus den Angaben Mottiers!) hervorgeht, gelingt es bei Anwendung hoher Centrifugalkraft, den Inhalt der Zellen vollkommen umzulagern, ja sogar das Kernkörperchen aus dem Kern zu schleudern. Bedenklich stimmte allerdings seine Beobachtung, dass Rückwanderung der disloeirten Theile unmittelbar nach dem Unterbrechen des Experi- mentes eintritt und allerdings langsam bis zur vollkommenen Restitution fortschreitet. Da nun ferner das Wachsthum während des Versuches sistirt ist, konnte auch nicht zu dem Mittel gegriffen werden, etwa die Objeete so lange zu centrifugiren, als die fraglichen Vorgänge sich abspielen. Aus diesen Gründen war die Prognose für den Erfolg nicht sehr günstig. Zu den Versuchen wurden junge, eben austreibende Zwiebeln von Allium Cepa und Hyaecinthus orientalis verwandt. Nach Ent- fernung eines grossen Theiles der äusseren Zwiebeilhüllen wurden die Versuchsobjeete mit feuchter Watte umgeben und aufrecht in kleine eylindrische Gläschen gesteckt. Diese wurden dann in die Hülsen auf der Drehscheibe der Centrifuge geschoben, so dass also die Rich- tung der Centrifugalkraft von der Spitze nach der Basis ging. Die Objeete wurden dann 1 Stunde hindurch centrifugirt, und zwar bei 4500 Umdrehungen in der Minute, was einer Beschleunigung von 2500 8°) entspricht. Die Hälfte des Materials wurde dann sofort in Chromosmiumessigsäure fixirt, die andere gleich in den Gläschen unter einer Glasglocke weitercultivirt und nach 1 oder 2 Tagen fixirt. An den mit Safranin - Gentianaviolett- Orange-G gefärbten Microtom- schnitten liess sich nun folgendes constatiren. In den jüngeren Blatt- theilen ist eine intensivere Umlagerung zu bemerken als in den älteren. Nach einem Tage bot sich an der Basis junger Blätter von Allium Cepa folgendes Bild. In den langen Epidermiszellen war noch voll- ständige Umlagerung vorhanden. Die Kerne der Parenchymzellen hatten sich schon sehr wieder der Zellmitte genähert, Theilungsfiguren _ waren oft schon vollkommen central gelagert. In den langen in der Nähe der Gefässbündel verlaufenden Schleimzellen war nicht selten der sehr grosse Kern zu einer fast homogenen Masse zusammengedrückt worden, welche sich intensiv roth gefärbt hatte, während die normalen Kerne dieser Zellen einen feinkörnigen, blaugefärbten Inhalt aufweisen, ein Unterschied der Färbung, der uns später noch beschäftigen wird. Die 2) g = Sohwerkraft. 110 Interessant war das Verhalten etwas älterer Kerne von Hyacinthus, Wie ich früher!) genauer beschrieben habe, sind diese Kerne mit derben Fibrillen an der Hautschicht des Protoplasmas befestigt und verdanken meiner Ansicht nach ihre Spindelform diesen Aufhängefasern. Dass in der That diese straff gespannten Fibrillen stark genug sind, den Kern in seiner Form zu erhalten, zeigte sich an den centrifugirten Blattstücken. Die Kerne der Epidermis waren nicht von der Stelle gerückt, obschon die grossen Parenchymkerne gegen die centrifugalen Querwände geschleudert waren und diesen plattgedrückt anlagen. Die Gestalt der Epidermiskerne hatte sich allerdings etwas geändert, wie öfter zu bemerken war. Sie hatten die Form von Glasthränen. An dem breiteren centrifugalen Ende befanden sich keine Fortsätze, während das spitzere centripetale deren mehrere aufwies. Infolge der Centrifugalkraft waren nur die centripetalen Fibrillen straff gespannt, so dass sich der Kern am centrifugalen Ende abrunden konnte. Ein Durchpressen der Kerne durch die Membran war in keinem Falle sicher zu constatiren. Zwar fanden sich Kerne, die kleine Fortsätze durch die Wand, der sie anlagen, gestreckt hatten, aber unter Ver- hältnissen, die mit dem Centrifugiren nichts zu thun haben und erst später zur Sprache kommen sollen. Das wesentlichste Resultat dieser Centrifugalversuche war nun aber, dass es gelang, die Polarität der Spaltöffnungsanlage umzu- kehren. Sehr häufig fanden sich in einem Präparate von Allium Theilungsstadien in dem unteren Ende von Epidermiszellen. Man könnte allerdings zweifeln, ob diese Theilungen wirklich zur Anlage einer Spaltöffnungsmutterzelle führten und nicht vielmehr abnorme Epidermiszelltheilungen wären, ähnlich den ungleichen Zelltheilungen die Mottier?) in centrifugirten Haaren von Tradescantia virginica sah. Wenn man jedoch berücksichtigt, dass diese Theilungen in einer Region stattfinden, wo fast jede Epidermiszelle eine Spaltöffnungs- mutterzelle abgliedert, ferner keine einzige Spindel im oberen Ende einer Epidermiszelle anzutreffen war, und schliesslich, dass in normaler Menge Theilungsspindeln in der Mitte von Epidermiszellen auftraten, diese also doch zurückgewandert waren, müssen wir jene in Bildung begriffenen schmalen Zellen thatsächlich für Spaltöffnungsmutterzellen ansprechen. Durch den gewaltsamen Eingriff der Centrifugalkraft war mithin eine Umstimmung der Polarität eingetreten. D1 c. vgl. Fig. 11. 2) l. o. vgl, seine Fig, 8. 111 Wirkung der veränderten Wachsthumsrichtung. Wie eingangs angedeutet wurde, vermuthete ich, dass die Wan- derung der Epidermiskerne nach der Spitze der Zelle auf irgend eine Weise mit dem Wachsthum zusammenhängen müsse. Erfolgt doch dieser Process innerhalb der Zone des energischsten Wachsthums. Die Richtung des Wachsthums in Beziehung zum Erdradius war aller- dings vollkommen irrelevant, denn bei beliebiger Orientirung zur Schwerkraftsrichtung oder bei Aufhebung der Schwerkraftswirkung auf dem Klinostaten, ergibt sich immer eine normale Anlage. Die Wachsthumsrichtung lässt sich jedoch noch anders variiren. Das Wachsthum eines Zwiebelblattes ist die Summe der einzelnen Zuwächse der sich vergrössernden Zellen. Dem Druck der sich ver- längernden Zelle kann aber nur nach oben nachgegeben werden, weil die Zwiebel und mit ihr die Blattbasis fest fixirt ist. Diese Richtung des fortschreitenden Wachsthums lässt sich aber umkehren, wenn ein ein- zelnes Blatt an der Spitze fixirt wird, so dass sein mit einem Stückchen Zwiebelboden versehenes basales Ende frei ist. Jetzt wird der mor- phologisch oberen Wand der wachsenden Epidermiszelle ein Wider- stand entgegengesetzt, die Basis wird weiter geschoben. Um nun ausserdem festzustellen, ob etwa die Schwerkraft unter diesen ab- weichenden Bedingungen eine Rolle spiele, wurden die Blätter theils aufrecht, theils invers an der Spitze befestigt. Einzelne junge Blätter von Allium Cepa und A. nutans, an denen noch ein kleines Stück des Zwiebelbodens sass, wurden an ihrem basalen Ende mit feuchtem Fliesspapier umwickelt und invers mit ihrer Spitze auf einer Korkplatte befestigt. Das Ganze wurde dann im feuchten Raume gehalten. Einige zeigten nach vier Tagen eine deutliche spiralige Krümmung, ähnlich der, welche F. Darwin?) auf ähnliche Weise an invers fixirten Keimlingen von Setaria erhalten hatte, nur bedeutend schwächer. Die Blätter hatten sich etwas um ihre Längsaxe gedreht. Am sechsten Tage wurde der Versuch unter- brochen, die jüngsten Theile der Blätter wurden sofort fixirt. Auch dieses Experiment fiel positiv aus. An den gefärbten Microtomschnitten vermochte ich viele Spindeln zu beobachten, die in dem der Basis des Blattes zugekehrten Ende von Epidermiszellen lagen; keine befand sich in der anderen Ecke. Eine zweite Reihe von Blättern, diesmal von Allium nutans, wurde in normaler Lage an der Spitze fixirt, indem sie in ein mit mm D)F, Darwin, On geotropism and the localization of the sensitive region. Ann. of Botany Vol, XIII, 1899, pag. 567. 112 etwas Wasser gefülltes Kölbehen eingeführt und an ihren Spitzen mit Wattepfropfen im Hals des Kölbehens befestigt wurden. Das Blatt wuchs nun mit seiner Basis in den dampfgesättigten Raum hinein. Das Material wurde nach vier Tagen theils in Chromosmiumessigsäure, theils in dem Carnoy’schen Gemisch fixirt. Das auf die letzte Weise fixirte Material wurde mit dem Rasiermesser geschnitten, die Schnitte in Boraxcarmin gefärbt und in Glycerin untersucht. Schon an diesem Material konnte ich denselben Erfolg constatiren, wie er sich bei der vorigen Versuchsreihe ergab. Ich traf glücklicher Weise bald einige Zellen an, deren eine Querwand von denjenigen zweier Epidermis- zellen begrenzt war, und da es die basale Querwand war, mussten die betr. Spaltöffnungsmutterzellen aus dem unteren Theile ihrer Stammzellen hervorgegangen sein. Der Erfolg dieser beiden Ver- suchsreihen war nicht, wie es vielleicht scheinen möchte, auf die Wir- kung des durch das Abschneiden entstandenen Wundreizes zurück- zuführen, da die dem Experimente unterworfenen Processe sich gänzlich ausserhalb des Bereiches der Wundsphäre abspielten. Beeinflussung durch Wundreiz. Die von Tangl entdeckte Umlagerung des Plasmas und der Zellkerne in der Nähe von Wunden bot die Möglichkeit, durch einen Wundreiz die Epidermiskerne nach der entgegengesetzten Seite zu locken und so auf die Anlage der Spaltöffnungsmutterzellen einzu- wirken. Eine grosse Schwierigkeit bestand darin, die Wunde so an- zubringen, dass sie dicht unter die Zone zu liegen kommt, wo eben die ersten Spaltöffnungsmutterzellen angelegt werden. Trotzdem ich mich an jedem für das Experiment bestimmten Blatte vorher durch einen schmalen Streifen mikroskopisch vergewisserte, wo die ersten Anlagen waren, gelang es doch erst nach vielen fruchtlosen Ver- suchen, genau die richtige Zone zu treffen. Dazu kam, dass an diesen Blättern, überhaupt an Zwiebelblättern, die Reaction auf den Wund- reiz nur ziemlich schwach ist, so dass auch aus diesem Grunde der Schnitt sehr genau geführt werden musste. Die mit dem Rasiermesser geritzten Blätter wurden wiederum in der feuchten Kammer gehalten, und zwar gewöhnlich zwei Tage lang. Sie wurden dann lebend so- wohl, wie nach Fixirung mit Carnoy und Flemming untersucht. Nachdem ich viele gefärbte Präparate vergeblich durchmustert hatte, zeigte schliesslich ein lebender Schnitt das Gewünschte. Zwei Epi- dermiszellen der zweiten Zellreihe, von der Wunde ab gerechnet, hatten Spaltöffnungsmutterzellen an ihren basalen Enden abgegliedert. Die erg 113 häufig in der Nähe der Wunde auftretende tonnenförmige Anschwellung der Epidermiszellen ermöglichte es, dies zu entscheiden. Denn sie bildeten mit den Spaltöffnungsmutterzellen noch deutlich die gemein- same Tonnenform, so dass die Herkunft der letzteren unzweifelhaft festgestellt werden konnte. Diese schmalen Zellen sind wirklich Spalt- öffnungsmutterzellen und nicht etwa Wundkorkzellen, weil letztere, wie ich oft Gelegenheit hatte zu beobachten, nur von den der Wunde unmittelbar benachbarten Zellen abgegliedert werden, übrigens nie sehr flach sind und auch eigentlich keinen rechten Wundkork dar- stellen. Ausserdem ist schon die Dislocation der Kerne in der zweiten Reihe so unbedeutend, dass keinesfalls nur aus diesem Grunde eine so flache Zelle hätte abgegliedert werden können. In der dritten Zellreihe scheint die Wirkung des Wundreizes bereits nicht mehr stark genug zu sein, um die fragliche Umpolarisirung herbei zu führen, denn an Mikrotomschnitten fand ich in dieser Region eine normale Anlage. Von sonstigen Beobachtungen an verwundeten Pflanzen- theilen wird in einem späteren Abschnitte die Rede sein. Zusammenfassung der vorstehenden Resultate. Die angestellten Experimente haben in allen Fällen den Beweis der Umkehrbarkeit jener Polarität der Spaltöffnungsanlage geliefert und geben uns ein Material zur Discussion unseres Problems. Der Erfolg der Centrifugalwirkung ist ziemlich einfach zu dis- eutiren. Es handelt sich bei der Formirung der Spaltöffnungsmutter- zelle darum, dass eine langgestreckte Zelle eine kleine flache ab- gliedert. Dass dies nach der Spitze des Blattes zu geschieht, bringt der Pflanze offenbar keinen Nutzen, Dies geschieht nur, weil durch den formativen Reiz zur Anlage der Spaltöffnungsmutterzelle gewisse andere, der Zelle innewohnende Neigungen und Dispositionen hervor- treten, die ihrerseits wieder von später zu erörternden Bedingungen abhängen. Wenn wir den Kern künstlich in eine Ecke schleudern, so realisiren wir damit sämmtliche Bedingungen, die für den Anlage- process erforderlich sind: der Kem liegt einer Querwand an und liefert nach der Theilung genau dasselbe, als wenn er der anderen anläge. Wir unterdrücken jene gänzlich gleichgiltige Neigung des Jıellkernes, nach oben zu wandern, indem wir durch eine physikalische Einwirkung einen gewaltsamen Stimmungswechsel hervorrufen. Die drei übrigen Versuchsreihen stehen gegenüber dem Üentri- fugalversuche in engerer Beziehung zu einander. Gleichfalls lassen sie einen Stimmungswechsel bei der Anlage der Spaltöffnungsmutter- Flora 1901. 8 114 zelle erkennen, nur dass die Umpolarisirung durch einen inneren, vom lebendigen Inhalt der Zelle selbstthätig bedingten Reiz regulirt wird. Relativ am klarsten erscheint die Wirkung der Verwundung. Durch diesen intercurrenten Reiz, der bekanntlich auf ganz unbe- kannte Weise die Kerne besonders auffällig irritirt, wird die ursprüng- liche Neigung des Kerns nach oben zu wandern aufgehoben, ja sogar in ihr Gegentheil umgewandelt, und da es gänzlich bedeutungslos ist, wo die Anlage stattfindet, erfolgt sie jetzt am entgegengesetzten Ende. Ueber die eigentliche Ursache der Polarität vermag jedoch dieser Versuch vorläufig noch ebenso wenig aufzuklären, wie der vorige, wenngleich er, wie wir ganz am Schluss ausführen werden, im letzten Grunde mit den nun folgenden wichtigeren zusammenfällt. Vorläufig zeigen sie uns nur, dass jene Tendenz nach oben durch stärkere physikalische und cellular reizmechanische Einwirkung umgestimmt werden kann. Eine bessere Handhabe bieten die folgenden Versuche. Vergegenwärtigen wir uns die Bedingungen, unter denen die an der Spitze fixirten, mit ihrer Basis im Raum fortschreitenden Blätter sich befinden. Das Licht spielt wohl annähernd dieselbe Rolle, welche es normal an diesen Pflanzentheilen spielt. Das mit Fliesspapier um- wickelte basale Blattende unter der halbdunkeln, mit Fliesspapier ausgekleideten Glasglocke hat wohl denselben Lichtgenuss, wie es ihn, eingeschlossen in die Zwiebelhüllen, haben würde. Zudem hatte ich öfters Gelegenheit, an dem vollen Lichte ausgesetzten, in Glas- dosen cultivirten Blättern normale Anlagen zu beobachten. Die Rich- tung des Wasser- und Nahrungsstromes geschah in beiden Fällen von der Basis nach der Spitze. Die Richtung gegen den Erdmittelpunkt, obwohl in beiden Versuchen entgegengesetzt, gab kein verschiedenes Resultat, erwies sich also als belanglos. Es bleibt mithin als varlirte Bedingung nur die Thatsache, dass bei dieser Versuchsanordnung die einzelnen Zellen des Blattes bei ihrer Streckung nach einer der nor- malen entgegengesetzten Richtung vorwärts drängten; und diesen Um- stand müssen wir für die entgegengesetzte Wanderung des Zellkernes verantwortlich machen. Der Wachsthumsfortschritt in bestimmter Rich- tung muss also in gewissem Maasse polarisirend auf den lebendigen Inhalt der Zellen einwirken. Diese Polarität kommt bei Gelegenheit unserer polaren Organbildung zum Vorschein. Der Zellkern, der die Anlage der Spaltöffnungsmutterzelle einleiten will, wählt unter zwei gleichgiltigen Richtungen diejenige, welche ihm von der bei dieser Gelegenheit in Action tretenden Spitzenwachsthumspolarität aufge- drungen wird. 115 In welcher Beziehung steht diese Polarität zur Vertieibasalität der Zellen? Als Vertieibasalität der Zellen wird die durch andauernde Wirkung der Schwerkraft während der Entwickelungsäonen unserer Pflanzenwelt hervorgerufene polare Anordnung der Zellstruktur be- zeichnet. Sie ist durch fortgesetzte Vererbung so fest fixirt, dass es nicht mehr gelingt, sie umzukehren. Auch die polare Anordnung der Spaltöffnungsmutterzellen scheint zu solchen polaren Organbildungen zu gehören. Aus der 'Ihatsache jedoch, dass sich diese Polarität so leicht umkehren lässt, können wir schliessen, dass sie nicht in gleichem Maasse in einer fixen Struktur begründet liegt. Wir können sie viel- mehr mit anderen Erscheinungen zusammen bringen. Haberlandt') hat uns gelehrt, dass die Lage des Zellkerns in Beziehung zu dem Wachsthum der Zelle steht, dass er beispielsweise in wachsenden Haaren oft mehr oder weniger der Spitze genähert ist, in vollkommen ausgebildeten jedoch wieder central liegt. In den kürzeren, langsamer wachsenden Zellen wachsthumsfähiger Gewebe ist eine solche Be- ziehung nicht vorhanden, der Zellkern liegt meist central, wenn auch Ausnahmen vorkommen, so dass dieser Zusammenhang nicht für alle wachsenden Zellen gilt. Es ist jedoch sehr wohl denkbar, dass, ganz allgemein ausgedrückt, eine Disposition des Kernes, bei gegebenen Bedingungen in der Wachsthumsrichtung zu wandern, zurückgeblieben ist und gelegentlich hervortritt. Seine gewöhnliche centrale Lage wird in jungen Zellen aus mancherlei anderen Gründen nothwendig sein. Mit dieser in intensiv wachsenden Zellen beobachteten Lage des Zell- kernes möchte ich also unsere von der Wachsthumsrichtung abhängige Wanderung des Zellkernes bei der Anlage der Spaltöffnungsmutter- zelle zusammenbringen. Wanderungen des Zellkernes hei Verletzungen. Bei Gelegenheit der vorstehenden Untersuchungen wurden wir auf einige Thatsachen aufmerksam, die in das Gebiet der Wund- reactionen des Zellkernes gerechnet werden müssen und die uns in diesem Abschnitt beschäftigen sollen. Als ich an der Basis junger Blätter von Allium nutans in der üblichen Weise Epidermisstreifen abzog, um mich von dem anatomi- schen Bau der Epidermis zu unterrichten, bemerkte ich eigenthüm- liche Verlagerungen des Zellkernes, die in der jüngsten Region der Blattepidermis allgemein auftraten. Ich werde die bunt durch einander i) G. Haberlandt, Ueber die Beziehungen zwischen Function und Lage des Zellkernes bei deu Pflanzen. Jena 1887. 8*+ 116 liegenden Stadien genetisch beschreiben. Die normal runden oder auch schwach ellipsoidischen, ziemlich grossen Zellkerne hatten ihre Gestalt und ihre Lage verändert. Sie waren mehr oder weniger aus ihrer centralen Lage gerückt und hatten sich den Wänden, besonders den Ecken der Querwände, genähert. Dabei war nach ihrer Bewegungs- richtung hin ein Fortsatz entstanden, welcher, immer dünner werdend, in einen Faden von oft ziemlicher Länge auslief, theils auch die Form eines kürzeren Spitzchens besass. Dieser Fortsatz liess sich bis zur Zellwand verfolgen, erstreckte sich, wie schon angedeutet, besonders oft nach den Ecken. Ich glaubte erst, es seien hier ähnliche Vor- gänge im Spiele, wie ich sie für Hyacinthus bei der Anlage der Spalt- öffnungsmutterzellen beschrieb.) Bei näherem Zusehen bemerkte ich jedoch zu meiner Ueberraschung, dass an der Stelle, wo die feine Spitze an die Wand ansetzte, in der Nebenzelle ein stark lichtbrechen- des Tröpfehen sichtbar wurde. Das Ganze sah etwa wie eine Vampy- rella aus, die eine Zellwand anbohrt. Bald fand ich Kerne, deren correspondirende Tröpfehen grösser waren, und schliesslich auch solche, welche zur Hälfte einer Wand angepresst waren, während sich die andere Hälfte in der Nachbarzelle befand. Häufig war die benach- barte Hälfte traubig, wulstig und immer viel glänzender. Als ich nun gar Zellen fand, welche mehrere Kerne besassen und daneben kernlose, war die Deutung dieser Stadien nicht schwer. Die Kerne wanderten durch die Membranen. In Fig. 1 Taf. XI habe ich einen Kern dargestellt, welcher eben zwei kleine Fortsätze durch die Mem- bran geschickt hat. Ich konnte Zellen mit der verschiedensten Anzahl von Zellkernen finden, zwei-, drei-, vier-, ja fünfkernige Zellen; immer gelang es, die dazu gehörigen kernlosen Zellen in der Nach- barschaft aufzufinden. Häufig waren dies nieht unmittelbar angren- zende Zellen, sondern sie lagen erst in der übernächsten oder dritt- nächsten Zellreihe, so dass man annehmen muss, dass die Wanderung von Zelle zu Zelle geht und sich gelegentlich an einzelnen Punkten staut. In der That konnte man häufig auf lange Strecken hin ver- folgen, wie ein Kern am unteren Ende in die Zelle seines Nachbars drang, während der eigentliche Hausbewohner sich an dem oberen Ende davon machte. Dann wieder drangen zwei Nachbarn bei einem dritten ein u.s.f. An den Stellen, wo die Kerne durchdrangen, war kein Riss in der Membran zu bemerken, man konnte sie vielmehr bei jeder Einstellung des Tubus deutlich zwischen den beiden Kernhälften )1.c. ef. Fig. 2. 117 verfolgen. Die eigentliche Uebertrittsstelle war an dem frischen Ma- terial nicht zu sehen, wurde aber, wie wir weiterhin sehen werden, an fixirtem Material deutlich. Meist machte ein Nucleolus oder beide die Deformation mit. Auch er war in einen langen, feinen Fortsatz ausgezogen (Fig. 1 Taf. XI); zuweilen besass er Hantelform mit dünnem Mittelstück, wenn er halb durchgequetscht war. Der vollständig über- getretene Kern hatte meist sein gewöhnliches, feinkörniges Aussehen wieder erlangt, blieb jedoch auch oft stark glänzend. Der Ueberfritt erfolgte entweder an einer oder an mehreren Stellen der Membran. Auf letztere Weise entstanden die traubigen und wulstigen Formen. Oft lagen die Stellen weit entfernt; so traten die Kerne besonders oft in den beiden Ecken an den Querwänden über (Fig. 4), ja zu- weilen war ein Uebertritt an der einen Längswand unten, der andere au der gegenüber liegenden oben erfolgt, so dass der Kern diagonal ausgespannt in der Zelle hing. Auch nach dem tiefer liegenden Ge- webe fanden Durchwanderungen statt, denn ich konnte oft Fortsätze bemerken, die nach den tangentialen unteren Wänden der Epidermis gerichtet waren, und fand auch leere Zellen, deren Kern ich nicht aufzufinden vermochte. Die Richtung des Uebertrittes ist nicht streng bestimmt, er kann eigentlich überall stattfinden. Eine gewisse Be- vorzugung einer Richtung ist jedoch auffällig, indem bei weitem die meisten Kerne an den Querwänden in die nächst obere Zelle ein- traten oder doch nahe dabei an den Längswänden in die Nebenzellen. Da ich nun von oben nach unten abgezogen hatte, war die Richtung des Uebertrittes derjenigen des Abziehens gerade entgegengesetzt. Die Region, in welcher diese Wanderung vorkommt, ist die Basis der jüngsten Blätter etwa bis zu der Zone, wo die Schliesszellen angelegt werden. Höher hinauf finden sich nur ausnahmsweise einzelne Stadien. Auch an dünnen Oberflächenschnitten, die mit dem Rasiermesser hergestellt wurden, waren solche Bilder zu beobachten, nur in er- heblich geringerer Menge und nur auf die Ränder des Schnittes beschränkt. Ich untersuchte nun andere Pflanzen auf diese Erscheinung hin und fand sie, wenngleich nicht so typisch, bei verschiedenen Species von Allium, bei Iris, Aspargus, stets an jungen, abgezogenen Epi- dermisstückchen, Sehr gut war sie auch an Tradescantia virginica, viridis und Tinantia fugax zu beobachten. Wenn ich an diesen Pflanzen einen ca. 3 Zellagen dicken Streifen an der Basis der Internodien ab- 20g, waren nachher massenhaft durchgetretene Kerne zu finden, so- wohl in der Epidermis, als auch im därunter liegenden Parenchym. 118 Der Umzug war jedoch in den meisten Fällen vollständig vollzogen, so dass man sehr viele mehrkernige und kernlose Zellen antraf, aber wenige, deren Kerne im Uebertreten begriffen waren, wenngleich sie natürlich auch vorkamen. . Auch die langen Fortsätze fehlten hier. Zunächst drängte sich die Frage auf, ob das Durchtreten sich vielleicht beobachten lasse, ob überhaupt nach dem Abziehen noch Bewegung der Zellkerne eintrat. Es konnte jedoch, selbst unmittel- bar nach dem Abziehen, nirgendwo eine Spur von nachträglicher Be- wegung constatirt werden. Die durchgetretenen Tröpfchen vergrösserten sich gar nicht. Da sofort nach dem Abziehen untersucht wurde, kommen wir also zu dem Schlusse, dass hier eine blitzschnell er- folgende Reaction des Zellkernes vorliegt. Es war jedoch noch festzustellen, ob nicht etwa diese Wande- rung freiwillig am unverletzten Blatte erfolge. Schon die Befunde an Rasiermesserschnitten liessen dies zweifelhaft erscheinen; exacten Aufschluss lieferte erst fixirtes Material, an dem zugleich die feinen Einzelheiten des Vorganges studirt werden konnten. Ich schnitt aus der Region, wo Uebertrittsstadien nach vorhergehender Prüfung be- stimmt angetroffen werden mussten, kleine Stückchen aus, und zwar an dem Blatte von Allium nutans, fixirte sie sofort in Chromosmium- essigsäure und färbte. die 64 dicken Mikrotomschnitte mit den be- kannten drei Farben. An diesen Schnitten zeigte sich auf den ersten Blick nichts von der merkwürdigen Erscheinung, die doch an abge- zogenen Streifen so häufig war. Nur in der Nähe der Schnittflächen fanden sich die bekannten Stadien und hier oft in ziemlichen Mengen. Die Färbung kam einem genaueren Studium der Einzelheiten ausser- ordentlich zu statten. Besonders waren die Anfangsstadien sehr deut- lich (Fig. 2 Taf. XI). Ein oder zwei sehr kleine Pünktchen tauchten in der Nachbarzelle auf. Im Uebrigen waren es dieselben Bilder, wie sie schon am lebenden Material zu sehen waren. Wohl zu unter- scheiden sind die kleinen, durchgetretenen Knöpfehen von Nucleolen, die häufig aus’einem Kerne, der der Membran anliegt, durch das Messer herausgerissen und in die Nebenzelle geschoben werden. Das Wich- tigste, was an dem gefärbten Material eonstatirt werden konnte, war der Nachweis des Weges, den der wandernde Kern einschlägt. Bei An- wendung sehr starker Vergrösserung liess sich in einzelnen Fällen deutlich eine feine, dünne Linie verfolgen, welche die beiden Kern- partien verband, indem sie die Membran durchsetzte, und die mithin den Kanal bezeichnete, durch den der Uebertritt erfolgt war. Diese feinen Linien waren roth gefärbt, da es ja von Kernmasse erfüllte 119 Kanäle waren. Sie konnten wegen ihrer ausserordentlichen Feinheit keine Risse sein. Vielmehr sind es die Membranporen, die wir als die Communicationswege zwischen den einzelnen Protoplasten an- schen. Waren mehrere Tröpfehen übergetreten, so gelang es oft, beide Kanäle zu erkennen. Häufig war auch eine grosse Partie durch „wei Poren übergetreten (Fig. 3 Taf. XI). ‘Der Uebertritt der Zellkerne erfolgt also durch die Membran- poren. Es ist interessant, dass selbst so grosse Zellbestandtheile, wie es die Kerne sind, vollständig durch diese Kanäle hindurch gehen, dass also gegebenen Falls die Plasmaverbindungen in viel ausgiebige- rem Maasse als Verbindungswege fungiren können, als man bisher annalım. Weiter ist eine Thatsache interessant, die ich beiläufig er- wähnen möchte. Der Uebertritt findet auch in den Spaltöffnungs- mutterzellen, sowie jungen Schliesszellen statt. Dies gibt der Angabe Kohl’s!) betreffs der Plasmaverbindungen zwischen Schliesszellen und Epidermiszellen eine Bestätigung von unvermutheter Seite. Der Uebertritt erfolgt also in der Nähe der Schnittflächen. Häufig sind es ganze Gewebecomplexe, in denen er grassirt und die sich durch eine feinkörnige Beschaffenheit ihrer Protoplasten sofort kennt- lich machen. Zuweilen sind die unmittelbar benachbarten Zellen affieirt, häufig solche in der 2.—4. Zellreihe weiter. Die Richtung ist so unregelmässig, dass ich nichts Genaueres darüber sagen kann; die Kerne traten theils in der Riehtung auf die Wunde zu über, theils in der entgegengesetzten, theils an den Längs-, theils an den Querwänden. In den langen, jungen Gefässbündelelementen war be- sonders häufig zu sehen, wie der Kern der nächsten intacten Zelle in die durchschnittene hineinquoll, und zwar durch die Querwand. Ganz Aehnliches zeigte sich in den langen und ziemlich breiten Zellen, welche in Reihen angeordnet das Blatt längs durchziehen und sich durch besonders grosse Zellkerne auszeichnen. Die Durchtrittsstelle war hier bedeutend grösser, der Kern lag zu beiden Seiten dieses vermuthlich grösseren Membranporus als eine homogene, intensiv roth gefärbte, wulstige Masse. Nebenbei gesagt, scheinen mir diese Zellen überhaupt noch eine besondere, zur Zeit noch unbekannte Function zu haben. Sie erinnern auffallend an die Zellen des Reizleitungs- gewebes von Mimosa pudica. Merkwürdig ist, dass die Durchtritts- stadien durchaus nicht regelmässig an allen Wänden auftreten, sie vielmehr häufig an den Schnittflächen fehlen, um dann wieder ganz 1) F.G. Kohl, Die protoplasmatischen Verbindungen der Spaltöffnungs- schliesszellen und der Moosblattzellen, Bot. Centralbl. Bd, LXXIL. 120 isolirt, nicht einmal in der unmittelbaren Nachbarschaft der Schnitt- flächen aufzutauchen. An manchen Präparaten suchte ich überhaupt vergeblich nach ihnen, während sie mir in älteren Präparaten von Allium Cepa, Hyacinthus orientalis, die von gleich jungem Material stammten, bei einer weiteren Durchmusterung unvermuthet entgegen- traten. Jeder Cytologe wird sie ebenfalls in seinen Präparaten ge- legentlich antreffen. Bevor ich Weiteres über diese eigenthümlichen Wanderungen berichte, will ich diese Besprechung der Befunde am fixirten Material durch eine Discussion der Farbunterschiede, die an den Kernen sicht- bar wurden, beschliessen. Ein Kern, welcher ein kleines Tröpfehen durch die Membran hat hindurch treten lassen, ist in seinem grösseren Theil tiefblau gefärbt, die Nucleolen sind roth. Nach der Durchtrittsstelle wird sein Inhalt immer dichter, die Farbe bleibt blau, bis sie ganz in der Nähe des Kanals in Roth umschlägt. Dieses feine Spitzchen, der Inhalt des Kanals sowie das durchgetretene Knöpfchen sind intensiv roth gefärbt. Diese Theile erscheinen nahezu homogen und zeichnen sich schon im Leben durch ein stärkeres Lichtbreehungsvermögen aus. Das Roth war mit dem des Nucleolus und dem der Chromatinschleifen in der Mitose identisch. Dieser Farbunterschied bringt uns auf eine Dis- cussion des diagnostischen Werthes der Färbungsmethoden, überhaupt der Färbungstheorien. ’ Die Anhänger der chemischen Theorie der Färbung behaupten bekanntlich, dass die verschiedenen Farblösungen chemische Affini- täten zu den Bestandtheilen des Protoplasmas besässen, dass aus Färbungsunterschieden auf Unterschiede der chemischen Zusammen- setzung geschlossen werden könne. Die Chromatophilieen seien der Ausdruck chemischer Verwandtschaftsbeziehungen. Auf dieser Grund- lage erheben sich Speculationen über den feineren Bau und die che- mische Zusammensetzung des Protoplasmas sowie über Stoffwande- rungen in denselben, die einer nüchternen Kritik beängstigend werden müssen. Zum Anwalt der letzteren hat sich A. Fischer!) gemacht und sehr zur Klärung der Färbungsfrage beigetragen. Es ist durch- aus an der Zeit, mit den Haupteonsequenzen seiner Theorien Ernst zu machen, Der Hauptgedanke der Fischer’schen physikalischen Färbungs- theorie ist bekanntlich folgender: Das fixirte Protoplasma ist bei l) A. Fischer, Fixirung, Färbung und Bau des Protoplasmas. Jena 1899- 121 seiner Färbung nur der Schauplatz physikalischer Vorgänge. Ledig- lich die wechselnde physikalische Beschaffenheit und das dadurch bedingte primäre Absorptionsvermögen beherrscht die Bevorzugung bestimmter Farben, wenn mehrere geboten werden. Dieselbe che- mische Substanz wählt je nach ihrer Dichte bald den einen, bald den anderen Farbstoff. In unserem Falle ist es nun äusserst instructiv; an ein und demselben Bestandtheile des Protoplasmas, nämlich dem Kerne, beide Farben studiren und gleichzeitig die Ursachen der ver- schiedenen Färbung mit Bestimmtheit angeben zu können. Den In- halt der Kerne haben wir uns als ein sehr feinkörniges, lockeres Gefüge vorzustellen, in welchem einige dichtere Körper lagern, die Nucleolen. Wenn nun eine so strukturirte Masse durch einen sehr engen Kanal gepresst wird, findet eine starke Kompression des In- haltes statt. Demgemäss schen wir, dass der durchgetretene Theil und der in der Nähe des Kanals befindliche roth gefärbt sind, der noch nicht comprimirte hingegen blau bleibt. Ist schon etwa die Hälfte durchgetreten, so sind meist beide roth, der eine Theil ist schon contrahirt, der andere hat sich von seiner Contraction noch nicht erholt. Ganz hindurch getretene Kerne sind ebenfalls roth. Diese Compression kann auch künstlich geschehen beim Centrifugiren; denn wie schon oben bemerkt, gab es gelegentlich Kerne, welche am centrifugalen Ende roth und homogen waren. Ferner möchte ich vorgreifend auf ein weiteres Beispiel hinweisen, welches uns besonders bei Hyacinthus die vom Wundreiz affieirten Kerne bieten (Fig. 5, 6 Taf. XI). Es findet nämlich in ihnen eine Ansammlung und Ver- dicehtung des Inhaltes an der Wundseite statt, und wiederum ist es dieser Rand, der im Gegensatz zum blauen Rest roth tingirt ist. Schliess- lich ist jedem Cytologen bekannt, dass postmortal fixirte, also vorher geschrumpfte und contrahirte Kerne roth gefärbt sind. (Selbstverständ- lich exemplifieire ich immer auf das Flemming’sche Färbeverfahren.) Die Erklärung dieser Thatsachen ist ungezwungen nur mittelst einer physikalischen Theorie der Färbung möglich; sie selber liefern umgekehrt einen schlagenden Beweis für ihre Richtigkeit. Der durch- gepresste Theil, die durch Centrifugiren comprimirte Partie der er- wähnten Kerne, ist dichter als das Uebrige, färbt sich also anders, trotzdem die chemische Constitution genau die gleiche ist. Wenn die Objecte mit Safranin und dann mit Gentianaviolett gefärbt werden, halten die dichteren Theile den ersten Farbstoff beim Auswaschen energischer zurück wie die lockeren, bleiben mithin roth, während letztere Blau aufnehmen können. 122 Wir haben also im Kern in erster Linie dichtere und lockerere Theile zu unterscheiden. Zu ersteren gehört der Nucleolus sowie die häufig sichtbaren rothen Kugeln, deren Abgrenzung von den Nucleolen nur selten genau gelingt. Zu letzteren ist das übrige Kernplasma zu rechnen, so lange keine Theilung vorhanden ist. Tritt eine solche ein, so contrahirt sich der Inhalt, jedenfalls wohl unter Substanzzu- fuhr von Aussen, zu einem diehten Faden. Die hierbei auftretende rothe Färbung ist nicht etwa charakteristisch für den Mitosezustand, ist nicht etwa „eine karyokinetische Reaction“, sondern nur ein Aus- druck für eine Ansammlung und Verdichtung von Kernsubstanz, die auch bei anderen Zuständen des Kernes, z. B. bei starker Ernährungs- arbeit in gefütterten Droserablättern !) vorkommt. Der Begriff des Chromatins als einer specifischen Subsanz ist selbstverständlich haltlos, seine Umgrenzung ist auch durch die neueste Definition von W. Magnus?) keineswegs schärfer geworden. Ich bin überzeugt, dass auch im Cytoplasma Bestandtheile von roth- färbbarer Dichte sich werden nachweisen lassen, vielleicht unter speciellen Bedingungen. Ueberhaupt ist es ein prineipieller Fehler, alle roth oder allgemein kernartig gefärbten Körper mit dem Kerne in Beziehung zu bringen: extra-nucleare Nucleolen, hypothetisch vom Kern ausgestossene Kör- per etc. können ebenso gut Bestandtheile des Cytoplasmas sein. Doch kehren wir zu unseren durchgetretenen Kernen zurück. Es interessirt zunächst, etwas Näheres über die speciellen Bedingungen zu erfahren, unter denen sich unser Phänomen vollzieht. Ist etwa der Zug, der beim Abziehen der Epidermis wirkt, die Ursache? Ich wandte den Zug gesondert an, indem ich Blätter durch Gewichte oder einfacher mit den Händen bis zur Zerreissungsgrenze zerrte. Auch versuchte ich, die Blätter stark zu ‚biegen, und konnte auf diese Weise an der concaven Seite die Wirkung des Druckes, an der con- vexen diejenige des Zuges prüfen. Diese Objecte wurden dann fixirt. Ich konnte jedoch nicht jene häufigen Durchtrittsstadien finden, wie sie abgezogene Epidermisstücke charakterisiren. Dann musste festgestellt werden, was mit den affieirten Zellen geschieht. Dass die Wanderung nicht weiter geht, bemerkte ich bereits. Abgezogene Epidermisstücke von Allium liessen sich nicht weiter cultiviren, sie starben sehr bald ab. Wohl aber fand ich in 1) 0. Rosenberg, Physiologisch-eytologische Untersuchungen über Droser® rotundifolia L. Upsala 1899. 2) W. Magnus, Studien an der endotrophen Mycorrhiza von Neottia Nidus avis L. Jahrb. f. wiss. Bot. Bd, XXV pag. 44, 123 Tradescantia virginica ein Object, welches für eine Untersuchung des Schicksals der kernlosen und mehrkernigen Zellen tauglich war. Ich zog etwa 3—4 Zellagen dicke Streifen an der Basis junger Interno- dien ab und zwar so, dass sie am unteren Ende am Stengel hängen blieben, und stellte das Stengelstück in einem Gläschen mit Wasser in die feuchte Kammer. Wie bemerkt, tritt bei dieser Procedur Kern- wanderung in erwünschter Menge ein. Die abgezogenen Streifen blieben tagelang am Leben. Nach 24 Stunden wurden sie untersucht. Sämmtliche kernlosen und mehrkernigen Zellen waren todt, die Zellen gebräunt, die Kerne mit der netzartigen Struktur, die ihr Absterben beweist. Nur in einem einzigen Falle waren eine kernlose und die benachbarte zweikernige Zelle am Leben geblieben, und zwar noch nach drei Tagen; beide zeigten Plasmaströmung. Der Adventivkern der doppelkernigen Zelle war einer Wand angedrückt, platt und un- regelmässig, aber von der typischen, feinkörnigen, lebendigen Struktur. Um nun die Beziehungen zwischen den verlassenen Zellen und denen mit Einquartirung weiter zu prüfen, und zwar unmittelbar nach der schädlichen Einwirkung, wurden Streifen von Allium nutans, Tradescantia virginica, fluminensis, Tinantia fugax mit Kalisalpeter plasmolysirt. Allium liess kein deutliches Resultat erkennen, sämmt- liche Zellen waren nicht mehr plasmolysirbar, mithin todt. Trades- cantia und, wenn auch weniger gut, Tinantia lieferten im Durchschnitt Resultate, die uns einen, wenn auch schwachen Anhaltspunkt für eine Deutung gaben. Angewandt wurde eine 6proc. Lösung von KNO:. Sie wurde am Rande des Deckglases zugesetzt, diffundirte allmählich und plasmolysirte normale Zellen sehr gut. Die kernlosen Zellen liessen sich durchschnittlich besser plasmoly- siren als die mehrkernigen. Der Plasmaschlauch hob sich scharf und deutlich ab, wurde ellipsoidisch und schnürte sich gelegentlich in zwei Hälften ab. Häufiger jedoch waren sie nicht plasmolysirbar. Dies war hingegen fast ausnahmslos der Fall bei den mehrkernigen Zellen, sie liessen sich nur äusserst selten plasmolysiren. Meist begann die Plasmolyse gar nicht, selten fing sie an einem Ende an, hörte aber bald auf. Im letzteren Falle war es möglich, die Lage des einge- drungenen Kernes genauer zu bestimmen. Er lag in dem Saftraum, war nicht etwa zwischen Wand und Hautschicht eingezwängt. Diese Versuche lehren, dass die primär verletzten Theile die mehrkernigen Zellen sind. Wenn wir nun noch berücksichtigen, dass bei einem Schnitt die Kerne der Gefässbündelelemente in die verletzten Zellen streben, sowie die Richtung des Uebertrittes bei abgezogenen Epi- 124 dermisstreifen von Allium nutans beachten, können wir uns ein un- gefähres Bild von dem Mechanismus des Uebertrittes machen, das jedoch, ich gestehe es offen, auch mir zunächst nur als dürftiger Noth- behelf erscheint. Die Richtung des Uebertrittes an abgezogenen Epi- dermisstreifen von Allium ist im Allgemeinen derjenigen des Abziehens entgegengesetzt. Durch das Abziehen werden successive an den Stellen, wo die Loslösung erfolgt, die Zellen, sagen wir zunächst, irgendwie alterirt. Infolge dessen treten nach unserer Anschauung die Kerne der folgenden, noch nicht alterirten Zellen über, gegen die Richtung des Abziehens. Das geht so weiter; jetzt werden die fol- genden alterirt, die schon kernlos sind, und die nächste Kernreihe entsendet ihre Kerne. Dass der Uebertritt nicht immer so regel- mässig gerichtet ist, stellenweise ganz unterbleibt, zuweilen nach ent‘ gegengesetzter Seite oder an den Längswänden geschieht, ist durchaus verständlich. Es können Zellen unverletzt bleiben, erst die folgenden wieder verletzt werden, oder es werden seitlich Zellen etwas früher alterirt. Alles dies ist bei der Menge von Möglichkeiten und Wechsel- wirkungen in einem solchen vielzelligen Gewebe wohl erklärlich. So kommt denn bei Allium schliesslich das Bild zu Stande, das wir be- schrieben haben. In sämmtlichen Zellen ist Uebertritt. Sämmtlich sind sie aber auch todt, weil sie alle systematisch nach einander ge- stört werden. Bei Tradescantia ist der Uebertritt nicht so häufig, die Wirkung des Abziehens scheint nur sporadisch an einzelnen Stellen aufzutreten, so dass die Beziehung zwischen den correspondirenden Zellen etwas deutlicher zum Ausdruck kommt. Dass bei groben Schnittwunden an den abgeschnittenen Stücken die Richtung des Uebertrittes nicht so klar ist, wird begreiflich, wenn man die gänz- lich uncontrollirbare Wirkung eines solchen Schnittes in Betracht zieht. Allgemein gilt, dass nur junge Zellen affieirt werden, die älteren, widerstandsfähigen nicht. Die Hauptfrage ist: Welches ist diese Affeetion? Ist es eine Verwundung ? Jedenfalls wohl, denn infolge eines mechanischen Ein- griffes gehen plötzlich die Zellen zu Grunde; aber sicher eine Ver- letzung ganz besonderer Art. Nicht jede beliebige Verletzung einer Zelle hat den Uebertritt des Nebenkernes zur Folge, wie man ja überall beobachten kann. Schneidet man ein Haar von Tradescantis virginica entzwei, so geschieht in der Nebenzelle gar nichts, Es müssen also noch ganz specielle Bedingungen zu erfüllen sein, um den ge- schilderten Effect herbeizuführen. Die plötzliche Erniedrigung des Turgors einer Zelle hat allein noch keinen Einfluss auf den Kern der 125 Nebenzelle. Dann könnte man daran denken, dass vielleicht sehr kleine Verletzungen der Hautschicht an den Membranporen stattfänden, kleine Löcher entständen, durch welche etwa der Kernsaft sammt dem Kern mit grosser Gewalt herausgespritzt würde, wenn wir gleich- zeitig eine Verminderung des Turgors der Nebenzelle annehmen. Die undichten Stellen der Hautschieht könnten in der That sehr wohl bei dem Abziehen durch das Zerreissen der Plasmaverbindungen entstehen. Auf diese Weise könnte das Phänomen rein physikalisch begriffen werden. Doch ist andererseits nicht zu vergessen, dass die eigen- thümliche Form der Kerne beim Durchtritt, wie sie bei Allium zu beobachten ist, auf irgend eine Betheiligung der lebendigen Proto- plasten hinweist, die durch Contraction und Adspiration den Vorgang befördern. Wir müssen uns begnügen, vorläufig überhaupt die That- sache zu constatiren, dass bei einer Schädigung unbekannter Art, wie sie besonders beim Abziehen der Epidermis und bei Sehnitt- wunden eintritt, die Kerne junger Zellen von Allium, Iris, Trades- cantia, Tinantia etc. durch die Membranen in die Nachbarzelle über- wandern, dass diese Reaction momentan erfolgt und dabei die betheiligten Zellen in der Regel zu Grunde gehen. Der augenblick- liche Mangel an besonders geeignetem Versuchsmaterial hinderte mich, diese Kernwanderung weiter zu studiren, vor Allem sie mittelst eines noch zu ersinnenden Verfahrens direct unter dem Mikroskop zu be- obachten. Ich werde jedoch unser Problem im Auge behalten. Höchst interessant ist es, dass Kernwanderungen, die den be- schriebenen äusserst ähnlich sehen, allem Anschein nach normal vor- kommen können, und zwar in dem weiblichen Geschlechtsapparat mancher Gymnospermen. W. Arnoldi!) gelang es, die Herkunft der Hofmeister’schen Körperchen in der Eizelle der Abietineen aufzuklären. Er beobachtete, wie aus den Deckschichtzellen, die die Eizelle umschliessen, die Kerne in die letztere hineinwandern, und zwar ebenfalls als Weg die Membranporen benutzen. Die Abbildungen, die er von diesem Vorgange gibt, ähneln auf eine geradezu frappante Weise den Bildern, wie ich sie oft in meinen Abziehpräparaten sah. Interessant ist, dass auch hier die Wanderung durch mehrere Reihen hindurch geht. Wenn die Kerne der Deckschichtzellen ausgewandert sind, treten diejenigen der benachbarten Endospermzellen in sie hinein. Auch mehrkernige und kernlose Zellen entstehen auf diese Weise, aber nur die letzteren Zellen gehen nach ihm zu Grunde. Die durch- 1) W. Arnoldi, Beiträge zur Morphologie der Gymnospermen. IV. Flora Bd, 87, 1900, pag. 194. 126 getretenen Kerne schildert auch er als glänzend und homogen, sagt jedoch nichts über ihre Färbung. Die einzelnen Stadien gleichen den an Allium und Tradescantia beobachteten ausserordentlich: zuerst die kleinen Tröpfchen, eins oder zwei, der schnabelförmige Auszug des Kernes, die Formänderung der Nucleolen etc. Nur die eigentliche Durchtrittsstelle lässt auf den Arnoldi’schen Abbildungen an Deut- lichkeit zu wünschen übrig. Sind die Figuren vollkommen exact, so scheinen die Poren durchschnittlich bedeutend weiter zu sein. Diese Angaben Arnoldi’s sind äusserst interessant, weil sie zeigen, dass zuweilen auch normal diejenigen Bedingungen erfüllt werden können, welche wir durch das Abschneiden und Abziehen herbeiführen, ohne sie allerdings noch vor der Hand genauer zu kennen. Voraussetzung wäre allerdings, dass die Erscheinung in der That normal ist und nicht etwa auch durch die Methoden der Präparation verursacht wird, und die Beobachter hier derselben Täuschung unterliegen, wie ich selbst anfangs. Doch ist dies hier kaum anzunehmen, weil die Kör- perchen von vielen Autoren gesehen wurden und ihr Zusammenhang mit den Kernen der Deckschichtzellen durch Arnoldi’s Untersuchung sicher gestellt zu sein scheint. Es liegt auch in diesem Falie der Gedanke an Turgorschwankungen nahe; die grosse Eizelle müsste bei Aenderung ihres Turgors ihre gesammte Umgebung beeinflussen. Ganz Aehnliches hat auch Ikeno!) an denselben Zellen von Cycas . revoluta gesehen. Zwar keine Durchtrittsstadien, wohl aber eine schnabelförmige Verlängerung nach einer der an diesem Object ziem- lich breiten Plasmabrücken, die die Wandzellen mit der Eizelle ver- binden. Eine andere Angabe, die sich in einer Publication Nestler’s?) findet, lässt sich vielleicht ebenfalls mit unserer Kernwanderung in Zusammenhang bringen. Er gibt nämlich an, dass er zuweilen kern- lose und zweikernige Zellen in der Nähe der Wunden beobachtet habe. An Tradescantia zebrina, welche er verwundet hatte, fand er nach 16 Tagen in drei Zellen der ersten Zellreihe gar keinen Zellkern. Die Entstehung solcher kernlosen und mehrkernigen Zellen will er auf einen unvollkommenen Theilungsact zurückführen. Nach unseren 1) 8. Ikeno, Untersuchungen über die Entwickelung der Geschlechtsorgane und den Vorgang der Befruchtung bei Cycas revoluta. Jahrb. f. wiss. Bot. 1898. (8. seine Fig. 6.) 2) A. Nestier, Ueber die durch Wundreiz bewirkten Bewegungserschei- nungen des Zellkernes und des Protoplasmas. Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wiss. Bd. 107, Abth. 1, pag. 708, } 127 Erfahrungen ist es jedoch wohl richtiger, diese Phänomene ent- weder auf die Art der Verwundung zurückzuschieben oder die Prä- parationsweise wiederum verantwortlich zu machen. Ersteres ist des- wegen unwahrscheinlich, weil die Zellen nach 16 Tagen kaum noch gelebt haben dürften, letzteres hingegen ist sehr wohl möglich, wenn Nestler gelegentlich Abziehpräparate hergestellt hat. Jene mehr- kernigen und kernlosen Zellen werden also wohl erst künstlich erzeugt worden sein. Auch bei Rasiermesserschnitten könnten sie ev. durch das Schneiden entstanden sein. Es wird sich empfehlen, Abziehpräparate nur mit Vorsicht zu beurtheilen, sowie bei mehrkernigen Zellen zunächst nach eventuell vorhandenen kernlosen zu fahnden. Es würden dann vielleicht noch andere Fälle dieser merkwürdigen Erscheinung bekannt, die etwas mehr Licht über den feineren Mechanismus verbreiten könnten. Die traumatrope !) Wanderung des Zellkernes. Der anfangs geschilderte Versuch, durch eine Wunde auf die Anlage der Spaltöffnungsmutterzellen einzuwirken, gab uns vielfach Gelegenheit, die traumatischen Reactionen der Zellkerne zu prüfen. Wir studirten sowohl die Veränderung ihrer Struktur als auch die ihrer Lage und berücksichtigten auch die Wirkungssphäre nach ver- schiedenen. Richtungen und in verschiedenen Geweben. Als Unter- suchungsmaterial dienten wieder Blätter von Allium und Hyaeinthus, sowie Stengel von Tradescantia und Tinantia. Durchnittlich wurde die Wirkung der feinen, mit dem Rasiermesser geschlagenen Wunden nach 24 Stunden beobachtet. Die Entfernungen wurden von der ersten lebenden, der Wunde benachbarten Zelle bis zu der Zelle ge- rechnet, von wo die Umlagerung der Kerne nicht mehr deutlich nach einer Seite erfolgte. Tang] glaubte, dass die Intensität der Wundreaction grösser sei, wenn die Wanderung der Zellkerne gleichsinnig mit dem Zuge der Schwerkraft erfolgen könne. Nestler findet hingegen keinen con- stanten Unterschied in der Grösse der Reactionssphäre nach oben und unten. Ich vermuthete zuerst, dass vielleicht nach Analogie der Er- fahrungen bei der Anlage der Spaltöffnungsmutterzellen die Wande- rung der Kerne nach oben intensiver sei als die nach unten. Diese Vermuthung schien sich an dem ersten Object, einem gefärbten Dauer- 1) Da dies Wort sich eingebürgert hat, sei es auch hier angewandt, wenn- gleich es richtiger „traumatotrop, Traumatotropismus“ heissen müsste, Doch selbst Spencer entschuldigt solche Missbildungen, wenn sie leichter auszusprechen seien. 128 präparat von Allium, in der That zu bestätigen; ich eonstatirte hier z. B. in dem Parenchym zwei Tage nach der Verwundung unterhalb der Wunde eine Ausdehnung der Reactionszone von 0,7mm (Maximum), oberhalb hingegen nur eine solche von 0,4mm (Maximum). Auch Be- funde von Tradescantia sprachen dafür. Ich fand jedoch bald auch umgekehrte Fälle und solche, in denen eine vollkommene Gleich- gültigkeit der Richtungen zu Tage trat, so dass ich mich der Mei- nung Nestler’s durchaus anschliessen muss. Bemerkenswerth ist jedoch, dass die Breite der Reactionszone in der Längsrichtung durch- aus nicht immer gleich gross ist nach beiden Richtungen. Auch schreitet die Reaction durchaus nicht überall parallel mit der Schnittwunde weiter, vielmehr sind es oft einzelne Zellenzüge, in denen die Reaction auf weitere Strecken verfolgt werden kann als anderswo. Schliesslich bleibe nicht unerwähnt, dass hie und da mitten in affieirten Zellen auch einmal eine weniger deutlich afficirte vorkommt. Ein bedeutender Unterschied besteht in der Ausdehnung der Reaction in der Längsrichtung und in der Querrichtung an Organen mit ausgesprochenem Längenwachsthum, wie es die Blätter von Allium und die Stengel der Commelinaceen sind. Nestler!) macht bereits darauf aufmerksam. In der Nähe von Längsschnitten an dem Stengel von Tradescantia virginica war in der Querrichtung nach 24 Stunden vollkommene Um- lagerung nur in der ersten Zellreihe eingetreten, schwächere Dislocation nur bis zu einer Entfernung von 0,16mm, während in der gleichen Zeit die Reaction in der Längsriehtung um 0,8 mm vorgeschritten war. Die der Wunde unmittelbar anliegenden Zellen zeigten oft eine dop- pelte Wanderung oder vielmehr eine in einer Resultante verlaufende Wanderung des Kernes. Er war dann dem einen Ende der Zelle genähert, bewegte sich also nicht senkrecht nach der Wundfläche hin. Als Maximum der Ausdehnung der Wundreactionszone gibt Nestler in Uebereinstimmung mit Tangl 0,7—0,8mm an. Ich fand dies durchschnittlich bestätigt, beobachtete jedoch an Tinantia fugax oft weit bedeutendere Entfernungen. Das Maximum war hier nach 20 Stun- den 1,8mm. Die Geschwindigkeit des Fortschreitens des Reizes war z. B. bei Tinantia 0,08—0,09 mm pro Stunde oder 80-901. Verschieden weit pflanzte sich der Reiz auch in verschiedenen Geweben fort. Da mir Microtomschnitte zur Verfügung standen, bin ich im Stande, einiges darüber zu bemerken. Zunächst bemerkt schon Nestier, dass die Kerne der Schliesszellen unempfindlich gegen den )he 129 Reiz seien; er meint, die Zellen seien zu klein, um deutliche Wande- rung des Zellkernes zu zeigen. Ich habe die Kerne der Schliess- zellen ebenfalls nicht disloeirt gefunden, wohl aber eine sehr deutliche Dislocation der jungen Spaltöffnungsmutterzellkerne von Allium ange- troffen, und zwar noch in einer Region, wo die Reaction der Epi- dermiskerne nicht mehr sehr deutlich war. Die Umlagerung der jüngeren Epidermiskerne von Allium und Hyacinthus erwies sich als merkwürdig schwach. Vollständig umge- lagert war meist nur die erste Zellreihe. Ja etwas ältere Epidermis- kerne von Hyacinthus sind sogar in der ersten Zellreihe nur wenig verschoben. Sehr ausgeprägt ist hingegen die Wundreaction an den gleichen Stellen im Parenchym unter der Epidermis. Die Kerne liegen hier dicht den Querwänden noch in einer Zone an, in der die Epidermiskerne keine Reaction mehr zeigen. Am schwächsten ist die Wanderung in den noch kernhaltigen Gefässbündelelementen. Eine geringe Andeutung ist höchstens in un- mittelbarer Nachbarschaft der Wunde zu constatiren. Auch die innere Struktur und die Gestalt der Zellkerne erleiden Veränderungen. Allgemein scheint der Substanzgehalt etwas zuzu- nehmen; besonders auffällig war dies bei Tradescantia viridis der Fall, wo sämmtliche in der Nähe der Wunde gelegenen Kerne reichliche körnige Substanzanhäufungen aufwiesen, die ganz den ersten Theilungs- stadien glichen. Eine Theilung selbst beobachtete ich nicht. (Vergl. Fig. 85 Taf. XI.) Die normalen Kerne sind ziemlich verwaschen, substanzarm und führen nur einen Nucleolus (Fig. 8a), während die Wundkerne oft zwei besitzen. Diese Zunahme der Substanz ist ver- ständlich. Nach den Stellen des Verbrauchs ziehen sich selbstregula- torisch plastische Stoffe, und da nach allen Erfahrungen der Kern an allen Lebensvorgängen energischen Antheil nimmt, schen wir beson- ders deutlich an ihm eine Vermehrung der Substanz. Auffallender sind jedoch andere Veränderungen in der Lagerung des Kerninhaltes. Nestler berichtet!), dass bei Tradescantia viridis die Kerne eine schärfere Contour an der der Wunde abgewandten Seite besässen. Dies konnte ich an lebenden Kernen bestätigen, fand es jedoch an fixirtem Material nicht sehr ausgeprägt. Hingegen lässt sich an fixirtem Material von Allium und ganz besonders schön von Hyaein- thus eine Ansammlung und Verdichtung der Kernmasse an der der Wunde zugekehrten Seite beobachten. Normal haben die jungen Kerne von Hyacinthus runde Contouren und sind bei Anwendung der DLe. Flora 1901. 9 130 Flemming’schen Fixirungs- und Färbungsmethoden von einem sehr feinmaschigen, feinkörnigen, blauen Inhalt und zwei rothen Nucleolen erfüllt. Die durch den Wundreiz affieirten Kerne zeigten an ihrem Wundpol eine starke Ansammlung des färbbaren Inhaltes. Sie wird nach dem Wundpol zu immer dichter, die kleinen Tröpfehen scheinen am äussersten Rande zusammenzufliessen, so dass dieser eine homo- gene Masse bildet (Fig.5 u. 6). Auf die interessante Färbung solcher Kerne wies ich schon hin: das lockere, blaue Gefüge an der abge- kehrten Seite geht suecessive in die roth gefärbte, lhomogene Masse der zugewandten Seite über. In den Fig. 5 und 6 ist zugleich zu sehen, wie ein Nucleolus in den unregelmässigen, klumpigen Massen mit aufgegangen ist. Ich brauche kaum zu sagen, dass ich nicht den Nucleolus für die Rothfärbung verantwortlich mache, wie es nach alten Anschauungen nahe läge. Dass hier thatsächlich eine Contraction der Substanz nach dem Wundpole zu vorliegt, kann man deutlich an solchen Kernen sehen, welche im Spiremstadium der Theilung sind. Der Kernfaden ist an dem abgekehrten Ende lose gewunden, nach der anderen Seite werden die Windungen enger, bis sie am Rande zu einer festen Masse verknäuelt sind. Die Umlagerung des Kern- inhaltes, die, wie gesagt, besonders deutlich bei Hyacinthus eintritt, geht so weit, als die traumatrope Reaction reicht. In älteren Epi- dermiskernen war sie überhaupt das einzige Anzeichen für eine Re- action und erstreckte sich so weit, als im darunter gelegenen Paren- chym Kernwanderung stattgefunden hatte. Mit der Umlagerung des Kerninhaltes ist eine Veränderung der äusseren Form verbunden, wenigstens bei Hyacinthus. Die durch- schnittlich runden jungen Kerne waren oft etwas gestreckt und wiesen an dem Wundpole eine leichte Lappung auf (Fig. 5 u. 6), die ihnen ein amöbenartiges Aussehen verlieh. Die älteren spindligen Kerne, die sich fast gar nicht aus ihrer Lage entfernen, aber die Verlagerung des Inhaltes erkennen lassen, haben oft an dem Wundpole längere, dickere und zahlreichere Fortsätze (Fig. 7 Taf. XI). Innere und äussere Strukturänderungen waren nicht etwa eine Folge der durch die Wunde geschaffenen veränderten Bedingungen für das Eindringen der Fixi- rungsflüssigkeiten; denn an den Schnittflächen der Blattstückchen ist nichts dergleichen wahrzunehmen. Die Erklärung für diese Veränderungen des Kernes möchte viel- leicht in Folgendem zu suchen sein. Viele Gründe nöthigen uns zu der Annahme, dass der Kern bei den meisten Lebensvorgängen eine hervorragende Rolle spielt. Zwar ist es nicht nöthig, wie 131 Pfeffer!) hervorhebt, dass der Kern mit dietatorischer Souveränität in der Zelle herrscht, vielmehr beruhen die cellularen Lebensprocesse auf einer Gesammithätigkeit des Protoplasmas, d. h. auf einer ver- einten Wirkung von Oytoplasma und Zellkern. Wir wissen jedoch, dass er ein unersetzliches Glied der Zelle ist. Demgemäss sehen wir bei den verschiedensten Lebensthätigkeiten gerade an ihm oder seiner Lage charakteristische Veränderungen. Wir können uns den Zellkern vielleicht als eine Art Knotenpunkt vorstellen für die Bahnen, die die Processe des Form- und Stoffwechsels gehen, eine chemische und dynamische Umsetzungscentrale in der Zelle. Die Ansammlungen in seinem Innern bei Verwundung würden etwa das Anzeichen für eine Stoffströmung sein, die über den Kern geht und die nach der Wunde sich ergiesst, weil dort Wachsthum, Zellhautvergröss@rung ete. nöthig wird. Solche Stoffe werden vielleicht in dem Kerne besonders vor- bereitet, gebrauchsfertig gemacht und dann in gelöster Form dem Plasma zur Weiterbeförderung übergeben. Dieser Strom im Kerne könnte sich möglicherweise an der einen Seite stauen, gerade an der Austrittsstelle, beim Lösen, und jene Ansammlung an dem Wund- pole hervorrufen. Auch jene häufigen und dieken Stränge, die von dem älteren Hyacinthuskern zur Wunde laufen, sowie die Plasma- stränge, die ihn mit dem wachsenden Ende verbinden, weisen auf so etwas hin. Meine lebenden und gefärbten Präparate zeigten mir in der Nähe der Wunden des öfteren Theilungen der Kerne. Diese erfolgten stets nach dem mitotischen Typus, unzweifelhafte Fälle von Amitose kamen nie vor. Bisquitförmige Formänderungen (Fig. 85) sind nicht bewei- send, um so mehr als die Form der affieirten Kerne sehr variabel ist. Oft können auch nicht ganz scharf gefärbte Metaphasen dem ungeübten Beobachter Bilder von Amitosen vortäuschen. Ueberhaupt bedarf die Amitosenfrage durchaus noch einer umfassenden und energischen Untersuchung, um einer befriedigenden Lösung zugeführt zu werden. Regeneration der Epidermis von Tradescantia virginica. Als es sich darum handelte, das Schicksal jener übergetretenen Kerne, welche bei dem Abziehen oberflächlicher Streifen an Trades- cantia virginica auftraten, zu verfolgen, wurden die Stengelstücke sammt den an ihnen hängenden Streifen (vgl. oben) einige Tage lang im feuchten Raume gehalten. Da, wie oben bemerkt, die kernlosen 2) W. Pfeffer, Ueber den Einfluss des Zellkerns auf die Bildung der Zell- haut. Ber. d. math.-phys. Cl. d. kgl. Sächs. Akad. d. Wiss., 1896, pag. 511. g9* 132 und die mehrkernigen Zellen zu Grunde gingen, hatte ich die Mög- lichkeit, durch das Abziehen in der Epidermis überall verstreut ein- zelne Zellen und kleine Zellgruppen abzutödten, also sehr kleine Wunden anzubringen, die weiterhin dadurch ausgezeichnet waren, dass die todten Zellen unverletzte Membranen besassen, die Wunde mithin keine direct offene war. Als ich solche Streifen nach 24 Stunden einer mikroskopischen Untersuchung unterwarf, zeigte die Epidermis interessante Regenerationserscheinungen, die noch nicht beschrieben sind, und an denen sich die Zellkerne in sehr charakteristischer Weise betheiligten. Die botanischen Schriftsteller, die speciell über Regeneration und Vernarbung handelten, sind hauptsächlich Titt- mann!) und Massart.?) Ersterem gelang es auf keine Weise, eine Regeneration der Epidermis aus den Epidermiszellen selbst zu beob- achten, er bestätigte somit die Ausnahmestellung der Epidermis, wie sie bis dahin feststand. Blätter von Sempervivum, Sedum, Echeveria, an denen er Streifen von Epidermis abzog, gingen zu Grunde, Aloe- blätter regenerirten entfernte Epidermisstücke in der üblichen Weise, indem eine unter der Wunde entstehende Korkschicht den Abschluss bewirkte. Auch im feuchten Raume cultivirte Blätter zeigten nichts wesentlich Anderes. Die entblössten Parenchymzellen wuchsen aus, bildeten Callus, in welchem sich eine Korkschicht differenzirte. Massart hat diesen Beobachtungen nichts Wesentliches hinzugefügt. Er macht einen Unterschied zwischen jungen und alten Blättern. Letztere verschliessen ihre Wunden nur durch Kork, die ganz jungen Blätter regeneriren verloren gegangene Stücke vollständig, und zwar bilden ihre noch meristematischen Zellen ohne Weiteres neben dem übrigen Gewebe auch eine neue, normale Epidermis, wie er dies z.B. für Lysimachia vulgaris (vgl. seine Fig. 57) angibt. Die kleinen Wunden in der Epidermis von Tradescantia wurden nun in folgender Weise reparirt. Die den abgestorbenen Zellen be- nachbarten Epidermiszellen stülpen in erstere Schläuche hinein und füllen sie auf diese Weise vollkommen aus. Circumskripte Stellen der Membran beginnen zu wachsen, es entstehen flache Ausbuch- tungen, diese vergrössern sich und schieben sich allmählich in die todte Zelle hinein, indem sie die Plasmareste, unter denen der Kern noch lange deutlich bleibt, vor sich herdrängen (Fig. 9 Taf. XT). Die Ansatzstelle des Schlauches ist als feine Linie sichtbar. Stösst eine 1) H. Tittmann, Beobachtungen über Bildung und Regeneration des Peri- derms etc. Jahrb. f. wiss. Bot., 1896, pag. 12. 2) J. Massart, La cicatrisation chez les vegetaux. Bruxelles 1898, 133 solche Zellproliferation an eine zweite, ebenfalls an eine todte Zelle grenzende Membran, so wird diese auch ausgedehnt und ausgewölbt, so dass sich ein Zellschlauch durch mehrere Zellen hindurch arbeitet. Natürlich wird seine Gestalt sehr unregelmässig, verzweigt, lappig, keulenförmig. Dadurch, dass sämmtliche Nachbarzellen auswachsen, stossen schliesslich die verschiedenen Schläuche auf einander, lagern sich fest zusammen und bewirken so einen festen Verschluss (Fig. 11 und 12 Taf. XI). Zwischen den Membranen sind die Reste des Plasmas als dunkle Linien noch erkennbar, oder sie liegen als Klumpen in den Ecken, können aber auch zuweilen so vollkommen verschwinden, dass man höchstens an einer leichten Bräunung der ziemlich dicken Membranen ihre einstige Anwesenheit erkennt. Sie scheinen resorbirt oder mit der Membran innig verschmolzen zu werden. Wenn nur eine einzige Zelle die Ausfüllung einer todten Nachbarzelle übernimmt, wird beinahe das normale Bild wieder hergestellt, nur dass jetzt aus zwei Zellen eine geworden ist, wie z. B. in Fig.13. Hier ist die Querwand ausgestülpt, der Schlauch füllt die zweite Zelle so glatt aus, dass man besonders, da die Ansatzstelle des Schlauchs noch als feine Linie sichtbar ist, zwei Zellen vor sich zu haben glaubt, von denen die eine ohne Kern ist. Wenn es verhältnissmässig grosse Flächen zu repariren gilt, so verbreitern sich die Schläuche oft platten- artig, wachsen nach oben aus und legen sich jetzt über die todten Zeilen, die durch die Deckzelle durchscheinen. Letztere erreicht oft grosse Dimensionen und ist sehr unregelmässig lappig gestaltet. Zu- weilen kommt auch eine Parenchymzelle nach oben und quillt platten- artig über die Epidermis hinweg. Die Nebenzellen des Spaltöffnungs- apparats vermögen ebenfalls auszuwachsen, ja ich sah sogar einmal unzweifelhaft, dass eine Schliesszelle sich an dem Wundverschluss betheiligte, wie Fig. 12 veranschaulicht. Von den vier Nebenzellen ist nur eine in der ursprünglichen Form erhalten geblieben, die untere ist ausgewachsen, die beiden anderen sind verschwunden und theils durch benachbarte Epidermiszellen, theils durch eine Schliesszelle aus- gefüllt. Diese hat bei dem Process ihr Chlorophyll verloren, ganz so wie es nach den Erfahrungen Massart’s!) an den grünen Blattzellen und nach denen von v. Bretf eld?) in den stärkehaltigen Zellen von Knollen geschieht, wenn sie sich am Wundverschluss betheiligen. Der Zellkern hat seine für die Schliesszellenkerne charakteristische he, 2) v. Bretfeld, Ueber Vernarbung und Blattfall. Jahrb. f. wiss. Bot. 12, 1880, pag. 135. 134 Lage an der Spaltwand verlassen. Ob an die Stelle der Chlorophyll- körner Leucoplasten treten, konnte nicht entschieden werden, weil dies Präparat in Glycerin eingebettet werden musste, um es durch- sichtiger zu machen, und bekanntlich beim Abtödten der Zelle die Leucoplasten spurlos verschwinden.!) Die intacte Schliesszelle hatte ihr Chlorophyll sammt der Stärke behalten. Die austreibenden Zellen können bedeutende Grösse erreichen und ihr Volumen viele Male vergrössern. Eine normale Zelle ist durchschnittlich 0,185 mm lang und 0,03 mm breit. Ausgewachsene Zellen gab es von 0,38— 0,43 mm Länge und 0,080 mm Breite. Trotzdem habe ich niemals in den Calluszellen von Tradescantia virginica eine Theilung beobachtet, selbst nach mehreren Tagen nicht. Bei Allium nutans traf ich hingegen einige an. Kleine Wunden, die an den jungen Theilen der noch in den Hüllen feststeckenden Blättchen durch starke Biegung und Faltung spontan entstanden, zeigten ähn- lichen Verschluss, nur eben mit Theilungen. Die älteren Epidermis- zellen von Tradescantia viridis scheinen also einer Theilung nicht mehr fähig zu sein. Die Richtung, nach der die Zellen austreiben, ist nicht bestimmt, bevorzugt werden die Querwände. Ein Fall war interessant. Das obere Ende einer Epidermiszelle war ausgewachsen, hatte das obere Stück einer Längswand vor sich hergestülpt und war nun in entgegen- gesetzter Richtung in die todte Nachbarzelle nach unten hineinge- drungen, so dass die ganze Zelle eine f}-Form bekam. Der ursprüng- lich negativ geotropische Pol war jetzt positiv geotropisch geworden. Auch ältere Zellen in der Mitte der Internodien vermögen aus- zuwachsen und Wundverschluss herbeizuführen. Die Wunden erzeugte ich hier durch leichtes Schaben, eine Methode, die jedoch deswegen nicht rathsam ist, weil die Wunden meist zu gross werden. Aus den mitgetheilten Beobachtungen ergibt sicht, dass die Epi- dermis in Bezug auf Regenerationsfähigkeit durchaus keine Ausnahme- stellung einnimmt, Ihr'von anderen Autoren angegebenes abweichendes Verhalten liegt nicht etwa in einer Wachsthumsunfähigkeit der Epi- dermiszellen begründet, sondern in der Unzweckmässigkeit der Ver- suchsanstellung. Zunächst dürfen die Wunden nicht zu gross sein, weil die durch keine Theilungsfähigkeit unterstützten Epidermiszellen grössere Flächen nicht zu überziehen vermögen und so nothwendig ein aus dem Parenchym stammender Callus an ihre Stelle tritt. Weiter 1) Vgl. A. Zimmermann, Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Pflanzenzelle I, 1893, pag. 4. 135 setzen die zerrissenen, bald antrocknenden Zellwandreste bei kleineren Wunden dem Vordringen der Epidermiszellen aus physikalischen Gründen Widerstand entgegen. An der Regeneration betheiligt sich der Zellkern in einer Weise, die zwar nichts fundamental Neues bietet, jedoch wegen ihrer Aus- geprägtheit interessiren dürfte und deswegen im Folgenden kurz ge- schildert werden soll. Die Kerne der Zellen, die den Wundverschluss herbeiführen, sind etwas grösser als die normalen. Während letztere etwa einen Durchmesser von 161. haben, weisen jene einen solchen von 18—19 auf. Sie sind rund, scheibenförmig und lassen, wie auch die normalen, auffallender Weise keine Nucleolen erkennen, sind vielmehr gleich- mässig von einer dichten, feinkörnigen Masse erfüllt. Das Plasma ist etwas reichlicher und zeigt reichere netzige und fädige Vertheilung. Leucoplasten sind in grosser Menge vorhanden. Das erste Anzeichen, welches das Austreiben einer Zelle an einem bestimmten Punkte ankündigt, ist, dass der Kern dorthin wandert und sich der Membran dieht anschmiegt. Meist trifft man schon ein etwas weiteres Stadium: die betreffende Stelle baucht sich sanft aus, und zwar ganz umschrieben, etwa sa weit der Kern der Wand anliegt. Sobald dieser locale Wachsthumsprocess der Membran eingeleitet ist, zieht sich der Kern zurück, bleibt jedoch in der Nähe des auswach- senden Schlauches und ist mit der diehten Plasmaschicht in seinem Ende durch Plasmastränge in directer Verbindung. Er folgt der Spitze in einiger Entfernung, bis ihn etwa die Nothwendigkeit, eine weitere Ausstülpung zu veranlassen, nach einer anderen Stelle ruft. Hier leitet er wieder in der beschriebenen Weise locales Wachsthum der Membran ein. Am besten lässt sich diese soeben skizzirte Thätigkeit des Kernes an einigen concreten Beispielen veranschaulichen, die wir an der Hand unserer Bilder geben wollen. Es muss jedoch gleich gesagt werden, dass wir bei der Deutung der Vorgänge oft auf Schlüsse angewiesen sind, da es uns trotz vielfacher Versuche nicht gelingen wollte, den Kern während längerer Zeit auf seiner Wande- rung zu begleiten. Epidermisstückchen in dem hängenden Tropfen einer isotonischen Zuckerlösung blieben zwar längere Zeit am Leben, liessen jedoch bald einen Stillstand des Regenerationsprocesses und damit der Kernwanderungen erkennen, so dass nur ein kleiner Theil der letzteren beobachtbar war. Ich war also genöthigt, die abge- schnittenen Stückchen in der feuchten Kammer zu cultiviren und von Zeit zu Zeit unter dem Mikroskop den Fortgang zu controlliren, 186 Aber selbst auf diese Weise liess sich nicht allzu viel erreichen, Am besten erhalten sich die Objecte, wenn man den Streifen am Stengel hängen lässt. Ich konnte mithin nur Phasen sehen und musste die übrige Kette der Erscheinungsreihe auf dem Wege des Schliessens ergänzen. Im Uebrigen sprechen aber schon unsere Figuren für die Richtigkeit unserer Deutung. Auf unserer Fig. 10 Taf. XI sehen wir, wenngleich nur schwer in den Umrissen zu verfolgen, drei abgestorbene Zellen, welche von den benachbarten lebendigen mehr oder weniger ausgefüllt sind. Beson- ders sind die Zellen mit den Kernen a und c instruktiv. Als ich zuerst beobachtete, lag a, wie es die Figur zeigt. Die Aussackung, in der er liegt, ist die letzte, die er gemacht hat. Es ist anzuneh- men, dass er der Reihe nach die übrigen drei gebildet hat. Jede von ihnen hat etwa denselben Durchmesser wie der Kern. Auch ist nicht einzusehen, weshalb diese umständlichere Art des Ausfüllens gewählt wurde, wo doch eine grosse Ausbauchung genügt hätte, wenn eben nicht der Kern nothwendig an der zum Wachsthum bestimmten Stelle gegenwärtig sein müsste. «a hatte seine Aufgabe erledigt, wir sehen ihn demgemäss bereits nach 30 Min. den Schlauch verlassen und sich an seinen Eingang legen, wo er während der folgenden drei Tage liegen blieb. Kern e hat schon eine Ausstülpung bewirkt und blieb in der Nähe der fortwachsenden Spitze liegen. Sind mehrere Ausstülpungen vorhanden, so ist es sehr charakteristisch, dass der Kern stets in der Nähe, resp. unmittelbar an der jüngsten liegt, wie z.B. d und c. Letzterer hatte ganz wie a das Wachsthum eben ein- geleitet, zog sich also zurück und lag nach drei Tagen an der gegen- über liegenden Wand. f hatte sich ebenfalls etwas zurückgezogen. In Fig. 9 hatten sich « und 5 nach vier Stunden nach den gegenüber- liegenden Wänden zurückgezogen, nach 24 Stunden waren sie noch weiter zurückgegangen, die Schläuche waren grösser geworden. Nach zwei Tagen war nahezu vollkommener Abschluss erreicht. Ist einmal eine Aussackung angelegt, so wächst sie auch ohne eine solche auffällige Betheiligung des Kernes weiter. Sie kann sich jetzt beliebig verbreitern; man wird jedoch fast ausnahmslos finden, dass ihr Ausgangspunkt etwa die Breite des Kerndurchmessers hat. Sind die Ansatzstellen einmal etwas breiter, so könnte man sich vor- stellen, dass der Kern an dieser Stelle entlang geglitten sei. Durch nach- trägliche Ausdehnung der Zelle, die zu Abrundungen und Ausbiegungen führt, wird übrigens in manchen Fällen das ursprüngliche Bild etwas ver- wischt, und es lassen sich vielleicht hierauf einige Ausnahmen zurückführen. a 187 Das Wachsthum der Zellmembranen erfolgt also hier nicht passiv dadurch, dass der Turgor der Zellen die Membranen im Ganzen aus- wölbt und dehnt, sondern ganz local und unter nothwendiger Mithilfe des Kernes. Er legt sich dicht an die zum Wachsthum bestimmte Stelle an, verändert hier vielleicht die Plastieität der Membran, lockert sie auf, so dass hier gewissermassen ein locus minoris resistentiae ge- schaffen wird, an dem sich mit Beihilfe des Turgors die Membran vorwölben kann. In unserem Falle ist die Rolle des Zellkernes viel genauer prä- eisirt als etwa bei der Bildung der Zellhaut. Hier genügt die An- wesenheit des Zelikernes überhaupt; ja er kann sogar aus einiger Entfernung durch die Plasınafäden auf separirte Plasmastückchen seinen Einfluss ausüben. Die Einwirkung des Kernes kann eine materielle oder eine dy- namische oder beides zusammen sein. Für die dynamische spricht die grosse Nähe des Zellkernes an der Actionsstelle, die bei der Produktion von Stoffen nicht so nöthig sein würde, denn wir sehen auch in stark wachsenden Pflanzenzellen den Kern nur in der Nähe der fortwachsenden Spitze liegen, nicht aber der Membran unmittelbar angeschmiegt, so dass hier nur eine materielle Einwirkung vorzuliegen scheint. Diese kann und wird auch bei dem Auswachsen älterer Membranen in Frage kommen, in erster Linie sind jedoch wohl die „Schwingungs- und Bewegungszustände, die vom Zellkerne aus- strahlen“,!) wirksam. Strasburger hat früher über diesen Gegenstand eine ganz ähnliche Ansicht ausgesprochen, indem er sagt?®): „Wenn eine alte Wand von Neuem in Flächenwachsthum eintreten soll, da mag in der That das angrenzende Protoplasma erst eine Action auf dasselbe aus- üben, durch welche die Dehnbarkeit erhöht wird.“ Diese Action übt vor Allem der Zellkern aus, wie wir sahen. Haberlandt?°) beobachtete an den Ausstülpungen, die er unter- suchte, dies enge Anlegen des Kernes nicht. In den jungen Epiblem- zellen von Pisum sativum und Cucurbita Pepo erfolgte die Anlage des Wurzelhaares dem Kerne gegenüber, ohne dass er der Stelle an- lag, bei Triticum vulgare, Zea Mays u. a. sogar in einiger Entfernung vom Kern. Diese Beobachtungen — vorausgesetzt, dass sie richtig 1) Pfeffer I. c. pag. 510. 2)E Strasburger, Veber den Bau und das Wachsthum der Zellhäute. Jena 1882, pag. 179. 3) 1. 0. pag. 46-47, 138 sind, denn es müssen die allerjüngsten Auswölbungen studirt werden — zeigen, dass in jungen, zartwandigen Zellen eine enge räumliche Be- ziehung zwischen Kern und Ausstülpungszone nicht erforderlich ist. Die Bilder, die sich uns bei der Regeneration der Epidermis boten, erinnern auffallend an die Thyllenbildung; die beiden Processe sind auch in der That dieselben. Hier ähneln Haberlandt's Beobachtungen sehr den meinigen. Der Kern liegt an der Stelle, wo die Thylle angelegt werden soll. Bei Monstera deliciosa geht der Kern in die einzige Blase hinein und bleibt darin, bei Ro- biria pseudacacia bleibt er in der Holzzelle. Haberlandt’s Ver- muthung, dass er dies deshalb thäte, weil er die Bildung der anderen Thylien anregen müsse, erscheint nach unseren analogen Erfahrungen an Tradescantia virginica vollkommen berechtigt. Schlussbemerkungen allgemeiner Natur. Unsere verschiedenartigen, etwas divergenten Studien lassen sich doch am Schlusse für einige allgemeine Betrachtungen verwerthen, die, wie ich hoffe, vor Allem den Sinn der traumatropen Wanderung des Zellkernes deutlicher machen. Durch einige Experimente hatten wir am Anfang gezeigt, auf welche Weise sich die constant polarisirte Wanderung des Zellkernes bei der Anlage der Spaltöffnungsmutterzellen umkehren lasse und da besonders zwei Experimente von Wichtigkeit gefunden. Nach dem einen gelang es, den Spaltöffnungsgrossmutterzellkern dadurch nach der entgegengesetzten Richtung zu dirigiren, dass man die Zellen nach der entgegengesetzten Richtung fortwachsen liess; in dem an- deren bewirkte der traumatrop wirkende Reiz einer Verwundung des- selben. Beide Erscheinungen lassen sich, so verschieden sie zu sein scheinen, vereinigen. Ueber die Deutung der ersten sprachen wir bereits, über die letzte seien nunmehr einige Betrachtungen angestellt. Die traumatrope Wanderung ist eine Reizerscheinung, wie alle physiologischen Processe im Gegensatz zu den physikalischen. Damit ist die Erklärung abgelehnt, dass es sich hier um einen mechanischen (d.h.einfach mechanischen im physikalischen Sinne, denn mechanisch bedingt sind auch die Lebensvorgänge, so lange wir sie naturwissen- schaftlich betrachten) Vorgang handle, der durch das Ausströmen von Flüssigkeiten nach den plötzlich ihres Turgors beraubten, verletzten Zellen hervorgerufen werde. Ausreichende Gründe dagegen hat schon Nestler beigebracht. Das erste Glied unserer vitalen Erscheinungs- kette ist die Abtödtung einzelner Zellen, das letzte eine an Intensität 189 allmählich abnehmende Wanderung der Zellkerne nach der Wunde, Wollen wir eine nur einigermaassen befriedigende Erklärung haben, so müssen wir über die dazwischen liegenden Processe wenigstens einige Vermuthungen versuchen. Fragen wir nach einem Zwecke, den die Kerne verfolgen könnten, so bietet uns sofort der nächstliegende dar: es soll die Wunde wieder geschlossen werden. Zwar wissen wir, dass die teleologische Be- trachtungsweise noch keine Erklärung gibt; sie ist jedoch als heuri- stisches Prinzip werthvoll, da durch diese uns von unserem persön- lichen Handeln so vertraute Beziehung zwischen Zweck und Mittel sofort auf eine engere Auswahl möglicher Erklärungen hingewiesen wird. Erst die jetzt anhebende genauere Prüfung entscheidet über ihre Zulässigkeit. Die Kerne wandern also nach dem einen Ende, weil da vielleicht jene Schicht schmaler Zellen gebildet werden soll, die als Wundkork bezeichnet wird. Da jedoch die neuen Theilungen nur unmittelbar an der Wunde erfolgen, ist nicht einzusehen, weshalb diese Wanderung über die ganze Zone sich ausdehnt. Auch in den der Wunde benachbarten Zellen braucht bei Wundzellbildung durch- aus keine ungleiche Zelltheilung einzutreten, vielmehr ist diese erst ein Secundäres. Wie wir sahen, treiben die Zellen bei Tradescantia aus, und weil sie in erneutes Wachsthum treten, wandert der Kern nach dem Ende und folgt ihm später. Dies gibt uns einen Wink über den ganzen Vorgang der traumatropen Reaction. Das ener- gische, erneute Wachsthum sämmtlicher Zellen der Umgebung, welches eine Annäherung der durch die Gewebespannung so wie so erweiterten Wundränder bewirken soll, ist die nächst erkennbare Ursache für die traumatrope Wanderung des Zellkernes und Plas- mas. Letztere erfolgt, weil, wie wir sahen und aus Haberlandt's Untersuchungen wissen; bei energischem Spitzenwachsthum oft der Kern der wachsenden Spitze genähert ist und sich eine Plasma- ansammlung dort findet. Andere Erklärungen sind sämmtlich nicht so befriedigend. Man könnte sagen, dass der ursprünglich nur für die ersten Zellen berechnete Reiz sich nach reizmechanischen Gesetzen fortpflanze, ohne sichtbaren Zweck, zumal da wir wissen, dass sämmtliche Protoplasten unter einander in lebendigem Connex stehen. Man könnte meinen, dass der Strom der Assimilate nach den Stellen des Verbrauches die einzige Ursache sei. Dem stehen jedoch folgende Fragen gegenüber: Wess- halb pflanzt sich der Reiz am Stengel nur in der Längsrichtung fort, 140 fast gar nicht in der Querrichtung, trotzdem gerade die Längswände viele Plasmaverbindungen besitzen? Weshalb sind die Kerne der Schliesszellen empfindungslos gegen den Wundreiz, wenngleich Plasma- verbindungen mit den Epidermiszellen da sind? Wesshalb ist die trau- matrope Umlagerung im Blattparenchym stärker als in der Epidermis, wie bei Allium und Hyaeinihus? Wesshalb ist sie in den Gefäss- bündelelementen so schwach? Wesshalb erfolgt bei Längsschnitten die Querwanderung der Kerne nicht senkrecht zur Wunde, sondern oft schräg? Diese Fragen werden am ungezwungensten durch unsere Hypothese beantwortet. Die plötzliche Unterbrechung des Gewebe- zusammenhanges wirkt als Reiz zum Wachsen. Dies geschieht na- türlich in der Richtung, die den meisten Spielraum gewährt. Daher starke Reaction in der Längsrichtung, schwache und schräge Wande- rung in der Querrichtung. Daher auch die Empfindungslosigkeit der Schliesszellen. Fest unter sich verbunden und unter die Fläche der Epidermis gedrückt, sind sie unabhängig von den Wachsthumsbeweg- ungen der letzteren. Die Spaltöffnungsmutterzellkerne reagiren noch, und zwar aus entgegengesetzten Gründen. Die starren Gefässbündel- elemente sind keines ergiebigen Wachsthums mehr fähig. Das Paren- chym mit seiner positiven Gewebespannung wird bei plötzlich ein- seitig aufgehobenem Druck sich ganz besonders energisch ausdehnen, die Epidermis weniger. Dass es thatsächlich die Wachsthumsrichtung ist, die die Lage des Zellkernes bestimmt, zeigie mir 2. B. noch folgender Versuch. Ge- webestückchen von Tradescantia virginica, welche auf die angegebene Weise an vielen Stellen verwundet waren, wurden nach 24 Stunden, während welcher Zeit traumatrope Umlagerung mit anschliessender Regeneration eingetreten war, durch einen Rasiermesserschnitt von neuem verletzt, und es wurde nun darauf geachtet, wie sich die ur- sprünglichen Bewegungen des Protoplasten diesem neuen Reize gegen- über verhalten resp. verändern würden. Ist es etwa nur der Wund- shock, der als auslösender Reiz fungirt, so müsste die neue Wunde, wenn auch vielleicht etwas schwächer, so doch in derselben Richtung wirken, wie die alte. Ein specieller Versuch sei herausgegriffen. Die unmittelbar be- nachbarten Zellen, welche vorher noch gesund waren, zeigten Um- lagerungen und Ausstülpungen. Eine in der zweiten Reihe befind- liche Zelle, welche nach oben in eine Nachbarzelle einen Schlauch getrieben hatte, und deren Kern wie üblich etwa an dem Eingange dieses Schlauches lag, hatte den Kern nicht nach der neuen Wunde 141 hin gesandt. Vielmehr lag er gemäss den Wachsthumsverhältnissen, wie sie in dieser Zelle herrschten, der fortwachsenden Spitze genähert. Ganz in der Nähe war ein vollkommen analoger Fall, wo ebenfalls der Kern durch die neue Wunde nicht irritirt wurde, sondern in einer nach der alten gerichteten Ausstülpung lag. Ein anderer Kern lag, trotzdem seine Zelle an die neue Wunde grenzte, doch an einer ent- fernten Stelle an der Membran, um hier einen Regenerationsschlauch in eine früher abgestorbene Nachbarzelle zu treiben. Aehnliche Bei- spiele liessen sich in Menge anführen. Sie alle unterstützen unsere Ansicht, dass die traumatrope Wanderung der Zellkerne deswegen erfolgt, weil in der Umgebung der Wunde sämmtliche Zellen zu wachsen beginnen, und bei Spitzenwachsthum der Zellkern seine centrale Lage aufgibt und sich sammt einer reichlichen Plasmamenge nach dem wachsenden Ende zieht. Natürlich wachsen nicht alle so ausgiebig, wie unter besonders günstigen Umständen die zunächst liegenden Zellen bei Tradescantia. Aber doch bestreben sich die Wundränder, zusammen zu ziehen durch die vereinte Wirkung der Zellen des ganzen Complexes. Uebersicht über die Ergebnisse. 1. Es glückte, den polaren Process der Spaltöffnungsanlage bei den betreffenden Monocotylen umzukehren durch die Wirkung: a) der Oentrifugalkraft, b) des traumatropen Reizes und ‚ ©) der umgekehrten Wachsthumsrichtung. 2. Die constante Wanderung des Zellkernes nach dem oberen Theile der Zelle bei obigem Processe hängt mit der Wachsthums- richtung zusammen. 3. Beim Abziehen junger Epidermisstückchen oder bei Schnitt- wunden tritt aus noch nicht aufgeklärten Gründen eine momentane Wanderung der Kerne durch die Membranporen auf. 4. Letztere sind auch an den Spaltöffnungsmutterzellen und damit auch an den Schliesszellen vorhanden. 5. Künstlich hervorgerufene Dichtigkeitsunterschiede der Kern- substanz verursachten verschiedene Färbung, eine Thatsache, die sich ungezwungen nur durch Fischer’s physikalische Färbungstheorie erklären lässt. 6. Die durch den Wundreiz affieirten Kerne von Hyaeinthus lassen eine Aenderung der Form und Verlagerung ihres Inhaltes erkennen. 142 7. Die traumatrope Wanderung der Zellkerne ist auf ein durch die Wunde hervorgerufenes erneutes Wachsthum der Wundzone zu- rückzuführen. 8. Die Epidermis ist im Stande, unter günstigen Umständen sich aus sich selbst zu regeneriren, 9. In älteren, von neuem wachsenden Zellen von Tradescantia bewirkt der Zellkern wahrscheinlich eine Auflockerung und erneute Plastieität der Membran. Leipzig, October 1900. Erklärung der Abbildungen. Tafel XI, Die Figuren wurden mittelst eines Abb &’schen Zeichenapparates gezeichnet. Fig. 1. Kern aus einem jungen, abgezogenen Epidermisstreifen von Allium nutans, In dem oberen Winkel der Zelle ist er an zwei Stellen durch die Membran getreten. Nach dem Leben. Vergr. 1040. Fig. 2—4. Verschiedene Epidermiskerne von Allium nutans, die im Begriffe sind, durch die Membranen zu wandern, In Chromosmiumessigsäure fixirt, mit Safranin-Gentianaviolett-Orange-G tingirt. Die tiefschwarz gezeichneten Stellen sind roth, die übrigen blau gefärbt. In zwei Fällen ist die Durch- trittsstelle zu sehen. Vergr. 1040. Fig. 5 u. 6. Durch einen Wundreiz affieirte Kerne aus der Epidermis von Hyacinthus orientalis.. Fixirung und Färbung wie in Fig. 2—4. Vergr. 1040. Fig. T. Dasselbe. Aelterer Kern. Vergr. 320. Fig. 8. Kerne von Tradescantia fluminensis; a normal, bin der Nähe einer Wunde. Ein Kern zeigt eine Einschnürung. Fixirung und Färbung wie oben. Vergr. 320, Fig. 9. Epidermisstück von Tradescantia virginica in Regeneration begriffen, Nach Verlauf von 24 Stunden nach dem Leben gezeichnet. Vergr. 320. Fig. 10. Ein anderes. Nach drei Tagen gezeichnet. Vergr. 320. Fig. 11. Vollkommener Abschluss einer Wunde nach drei Tagen. Vergr. 170. Fig. 12. Dasselbe, Eine Schliesszelle am Wundverschluss betheiligt. Nach einem in Glycerin eingebetteten, mit Borax-Carmin gefärbten Präparat gezeichnet. Vergr. 320, Fig. 13. Eine Epidermiszelie hat sich vollständig in eine benachbarte hineingestülpt. Nach dem Leben. Vergr. 320, Litteratur. Tschirch A. und Oesterle O., Anatomischer Atlas der Pharmacognosie und Nahrungsmittelkunde. 2000 Originalzeichnungen auf 81 Tafeln mit begleitendem Text. Leipzig, Tauchnitz. 1900. Das gross angelegte, schön ausgestattete Werk wurde schon bei dem Er- scheinen der ersten Lieferung in der Flora besprochen; heute, da dasselbe, wenig- stens in einem vorläufigen Abschluss, vor uns liegt, sei es gestattet, nochmals darauf zurück zu kommen. Was die Verfasser versprochen, haben sie in den Lieferungen bis auf die letzte redlich gehalten; nur in dem einen Umstande haben sie sich verrechnet, dass nämlich das Werk in „etwa einem Jahre zu Ende geführt werden“ sollte. Meinen Erfahrungen nach würden sich diesem Vorhaben selbst bei dem vorliegenden Umfange recht erhebliche technische Schwierigkeiten entgegen ge- stellt haben. In der Form, welche das Werk bietet, ist es ein vortreffliches Hilfs- mittel nicht bloss für den Selbstunterricht, sondern auch für den Lehrer, der in die innere Beschaffenheit der Drogen einführen will. Ref. hat dasselbe häufig benutzt und weiss es deswegen aus eigener Erfahrung zn würdigen und zu schätzen. Die Abbildungen si..d scharf und klar; in manchen Fällen wird vielleicht der eine oder der andere Betrachter einen etwas kräftigeren Ton im Drucke namentlich gewisser anatomischer Bilder wünschen. Aus den Erfahrungen, welche bei der Schilderung der anatomischen Einzelheiten der Drogen gewonnen werden, ziehen dann die Verfasser die Schlüsse auf die Beschaffenheit ihrer Pulver. Genaue und sorgfältige Untersuchungen über die letzteren liegen nun genug zur Verwendung bereit; wir können nur den lebhaften Wunsch hegen, dass sie auch entsprechend benützt werden. Die äussere Ausstattung des Werkes ist der grossen Verlags- buchhandlung angemessen und würdig. Die Abbildungen sind zum allergrössten Theile Originalien und mit der grössten Meisterschaft angefertigt. Schon der Fleiss und die Sorgfalt, welche aus ihnen sprechen, verdienen die höchste Anerkennung; einige Bilder sind aber wahre Meisterstücke, wie z.B. die Darstellungen des Rhabarbers. Gerade in der Herstellung durchaus origineller Abbildungen auf einem Gebiete, weiches der eine der Verfasser s0 vollkommen beherrscht, liegt ein hoher Werth dieses Buches. ‘Wenn ich einige Punkte berichtigen will, so geschieht das nur aus dem Ge- danken heraus, dass ein solches Buch bei seiner hoffentlich recht weiten Verbreitung möglichst frei von Irrthümern sein soll, Ich werde nur auf solche Gegenstände eingehen, die ich selbst genauer untersucht habe. Bezüglich der morpho- logischen Natur des Ingwer-Rhizoms ist in allen neueren Büchern über Pharma- cognosie die Meinung ausgesprochen, dass es eine Schraubel sei. Diese Ansicht ist falsch: da die Sprosse folgender Ordnung zum Mutterspross nicht rechtwinklig gestellt sind, sondern in die Mediane des Deckblattes fallen, so kann bei der Sympodialbildung eine Schraubel, welche eine seitliche Stellung am Mutterspross erfordert, nicht reaultiren. Das Rhizom des Ingwers ist eine Sichel, 144 Die Darstellung der Rhizoma Hydrastidis ist ebenfalls zu bemängeln. Wir haben es nicht mit einer kriechenden Grundaxe zu thun, welche etwa mit der- jenigen einer Anemone nemorosa zu vergleichen ist. Der Körper, welcher in den Apotheken geführt wird, stellt vielmehr nur senkrecht orientirte blühende Zweige einer oft bis über faustgrossen unterirdischen Axe dar. Endlich sei es gestattet, noch ein paar Worte über die Cola zu sagen. Ich habe vor Kurzem nachgewiesen, dass die grossen Colanüsse von einer bisher un- bekannten, übersehenen Art der Gattung Cola stammen, die ich Cola vera genannt habe. Dem gegenüber meint Tschirch, dass die Frage noch nicht geklärt sei und „dass, so weit er die Sache übersehen kann, sowohl Cola acuminata als Cola vera Samen mit zwei Cotyledonen besitzen und aleo grosse Colanüsse liefern können und dass dagegen Cola Ballayi Samen mit vier Cotyledonen besitzt“. Tachirch begründet diese Ansicht dadurch, dass er von Buitenzorg unter der Be- zeichnung Cola acuminata Blüthen und Früchte erhalten habe, die in keinem Punkte von der echten Cola acuminata abweichen und deren Samen zwei Cotyledonen enthielten. Der Widerspruch, der zwischen Tschirch und mir besteht, löst sich sehr einfach auf: mir von Tschirch übersandte Blüthen beweisen klar und deutlich, dass die in Buitenzorg unter dem Namen C., acuminala cultivirte Pflanze einfach Cola vera ist. Ich habe zudem in Erfahrung gebracht, dass diese Pflanze als die echte Colapflanze durch den holländischen Consul von Sierra Leone nach dem Garten in Java geschickt worden ist. Als Stammpflanze der echten Colanuss galt nun anstandslos bis zu meiner Ausscheidung der Cola vera allein die Cola acuminata; unter diesem Namen liegen die getrockneten Exemplare von Sierra Leone, dem Ashanti-Lande, der Dubreka-Küste in den Herbarien, unter ihm wird sie in den Gärten cultivirt. Die von P. de Beauvois zuerst beschriebene Stereulia acuminata, welche R. Brown Cola acuminata genannt hat, ist von jener ausge- zeichnet verschieden. Mit dieser nahe verwandt, so dass ich sie nur als Varietät ab- trennen konnte, ist C. Ballayi Cornu von Gabun. Ich habe aber schon in meiner Monographie der afrikanischen Stereuliaceen die Vermuthung ausgesprochen, dass reichlicheres Material von Niger, aus Kamerun und von der weiteren Küste bis Gabun uns dazu führen wird, aus der wirklichen C. acuminata mehrere Arten aus- zuscheiden, von denen dann auch C. Ballayi eine gesonderte ausmachen dürfte. Die in diesem Gebiete vorkommenden Cola-Arten aus der Untergattung Autocola haben, soweit meine Erfahrung reicht, immer mehr als zwei Cotyledonen und liefern alle nur kleine Colanüsse, K. Schumann. Elöments de palöobotanique par R. Zeiller, ingenieur en chef des mines, professeur & l’&cole nationale superieure des Mines. 1 Vol. in 8° de 421 pages, avec 210 figures. Paris, Georges Carre et C. Naud, editeurs. 1900. Die rege Thätigkeit auf dem Gebiete der fossilen Botanik hat das Bedürfniss nach zusammenfassenden Darstellungen hervorgerufen, die in letzter Zeit mehrfach erschienen sind (so z. B., um zwei der neuesten zu nennen, Potoni6, Lehrbuch der Pflanzenpsläontologie, Seward, Fossil plants). Das Ziel des vorliegenden, gut ausgestatteten Buches, dessen Verfasser wir zahlreiche phytopaläontologische Untersuchungen verdanken, dürfte wohl am besten aus dem von der Verlagsbuch- handlung ausgegebenen Prospect hervorgehen, in welchem as heisst: Es gab bisher, mn nenn mar nenne mm 145 wenigstens in französischer Sprache, kein allgemeines, einigermaassen elementares Werk über Paläobotanik, und die Botaniker, Geologen oder Bergleute, welche (ehne ein eingehendes Specialstudium der fossilen Pflanzen zu beabsichtigen) in wissenschaftlichem oder technischem Interesse sich mit ihnen bekannt machen wollten, mussten sehr ins Einzelne gehende voluminöse Werke benützen. Diese sind ausserdem schon vor mehreren Jahren erschienen und entsprechen infolge dessen vielfach nicht mehr dem gegenwärtigen Standpunkt der Wissenschaft. Die Unzuträglichkeiten dieses Zustandes, namentlich auch mit Rücksicht auf den höheren Unterricht, wurden mehr als einmal hervorgehoben. Die „Elöments de pal&obotanique“ sollen diese Lücke ausfüllen, Der Verfasser bemühte sich gemäss dem von ihm in seinen Vorlesungen über fossile Pflanzen an der „Ecole superieure des Mines“ befolgten Plane in genügend gedrängter Form die wesentlichsten Resultate mitzutheilen, zu denen man beim Studium der fossilen Pflanzen bis jetzt gelangt ist. Er hat sich nament- lich bemüht, für jede der grossen Classen des Pflanzenreichs die bemerkens- werthesten fossilen Typen hervorzuheben mit besonderer Berücksichtigung der ausgestorbenen Formen, ihrer Beziehungen zu den ihnen am nächsten stehenden lebenden und den geologischen Schichten, in denen sie vorkommen. Er fasst ausserdem in einen: besonderen Kapitel die unterscheidenden Merkmale der Flora jedes Terrains zusammen und zeigt, in welcher Aufeinanderfolge von Formen man allmählich von den ältesten Floren, welche ihre Spuren in der Erdrinde hinter- lassen haben, zu der heutigen Pflanzendecke der Erde gelangt. Er prüft schliess- lich, welche Belehrung man aus dem Studium der fossilen Pflanzen für die Frage nach ihren genetischen Beziehungen unter einander schöpfen kann, ohne übrigens die Lücken zu verhehlen, welche unsere Kenntnisse in dieser Beziehung aufweisen, und den Einfluss, welchen das subjective Ermessen auf die Deutung der aufge- fundenen Materialien ausübt. Ein eingehendes Litteraturverzeichniss am Schlusse des Bandes gibt dem Leser, der weitere Studien zu machen wünscht, die Quellen an. K. 6. Further experiments on artificial parthenogenesis and the nature of the process of fertilization by Jacques Loeb. Reprinted from the American journal of physiology Vol. IV, August 1. 1900, Frühere Versuche des Verf. hatten gezeigt, dass unbefruchtete Eier von Ar- bacia und Strongylocentrotus sich zu Larven entwickeln können, wenn, man sie 1—2 Stunden in eine Mischung gleicher Theile Seewasser und einer gMgCh- Lösung bringt. Es fragt sich, worin der „auslösende“ Factor liegt. Man könnte denken, dass das MgCi, eine „specifsche* Wirkung ausübt und dadurch die Ent- wickelung bedingt, ausserdem aber ist der osmotische Druck in der Lösung ein höherer als im Seewasser, Weitere Versuche haben nun gezeigt, dass in der That die Erhöhung des osmotischen Druckes ausschlaggebend ist, man kann genau die- selben Resultate erzielen mit anderen Substanzen, z, B. einer Mischung gleicher Theile einer nRCI-Lösung und Seewasser oder einer entsprechenden NaCl-Lösung, ein noch besseres Resultat (d. h. die Entwickelung einer grösseren Anzahl Eier) wird erzielt, wenn eine verdünnte Salzlösung angewandt wird. Handelte es sich hiebei um Elektrolyten, so zeigte doch der Versuch mit Rohrzucker oder Harn- stoff, dass die Parthogenesis nicht durch elektrisch geladene Jonen in Seewasser Flora 1901. 10 146 bedingt wird, sondern lediglich durch die Erhöhung des osmotischen Druckes im umgebenden Wasser. Es wird sich fragen, ob es sich auch bei den Versuchen Winkler’s über die Furchung unbefruchteter Eier unter der Einwirkung von Extraktivstoffen aus dem Sperma, über welche früher (Flora 1900 pag. 308) be- richtet wurde, um eine specifisch-chemische (vgl. unten) Wirkung handelt oder um eine Erhöhung des osmotischen Druckes, was freilich nur auf experimentellem Wege klar gelegt werden kann. In einer anderen Mittheilung (artificial parthenogenesis in Annelids, science R.S. Vol. XII Nr. 292) zeigt derselbe Verf., dass auch bei einer Annelide (Ohaeto- pterus) unbefruchtete Eier zu anscheinend normalen Larven auswachsen können, wenn man entweder den osmotischen Druck der Lösung, in der die Eier liegen, erhöht oder die Constitution des Seewassers ändert ohne Concentrationsänderung. Ein kleiner Zuwachs der K-Jonen im Seewasser veranlasse die Eier von Chaeto- pterus zu Larven sich zu entwickeln, die ebenso rasch umher schwimmen als die aus befruchteten Eiern entstandenen; bei Echinodermen haben die K-Jonen keine solche Wirkung. Diese interessanten "Beobachtungen eröffnen die Aussicht auf eine experimentelle Untersuchung des Vorganges der Befruchtung. Wenn aber Loeb von einer „osmotio fertilization“ und einer „chemical fer- tilization*“ spricht, so scheint mir dies nicht zweckmässig. Denn bei der „Befruch- tung“, wie sie im Sexualprocess vorliegt, handelt es sich, wie in dem früheren Referat hervorgehoben, um zwei verschiedene Dinge: Anregung der Eizelle zur Weiterentwiekelung (kurz gesagt Entwickelungsreiz) und Verschmelzung zweier Zellen. Nur das erstere Befruchtung zu nennen, widerspricht dem historischen Sinne des Wortes, zumal derselbe Vorgang, wie ich erwähnte, auch bei nicht sexuellen Zellen sich findet. Denn ich kann keinen prinzipiellen Unterschied finden zwischen der Thatsache, dass unbefruchtete Eizellen durch bestimmte äussere Einwirkung zur Weiterentwickelung gebracht werden können und der, dass dies auch bei manchen Sporen geschieht; es ist dies ein Vorgang, der an und für sich mit der Sexualität nichts zu thun hat, wenn auch allerdings gewöhnlich Entwicke- lungsreiz und sexuelle Vereinigung zusammen auftreten. Es sei ferner daran erinnert, dass bei den Pflanzen viele „befruchtete“ Eizellen in einen Dauerzustand übergehen, und es erst einer neuen „Auslösung“ bedarf, um die Weiterentwicke- lung herbeizuführen. Hier folgen zwei Entwickelungsreize auf einander; der in der Befruchtung gegebene bedingt zunächst nur eine sehr kurz andauernde Ent- wickelung (wie sie sich in der Ausscheidung einer Zellmembran u. 8. w. ausspricht), und nach dem Ruhezustande müssen andere Reize einwirken. Woher es rührt, dass die Eizelle ohne Entwickelungsreiz zu Grunde geht, wissen wir nicht, aber klar ist, dass die „Reduction der Chromosomenzahl* damit nichts zu thun hat. Es wäre sehr wohl möglich, dass auch beliebige sonstige embryonale Zellen (z. B. aus einem Vegetationspunkt), wenn sie aus dem YVerbande mit aD- deren gelöst sind, sich ebenso wie die Eizellen verhalten würden, d. h. dass sie unter normalen Umständen auch unter von anderen Zellen vermittelten Ent- wickelungsreizen sich weiter entwickeln, K. Goebel. 147 Eingegangene Litteratur. Arnoldi W., Ueber die Ursachen der Knospenlage der Blätter. 8.-A. aus Flora oder Allg. bot. Ztg., 1900, Bd. 87. A. de Bary’s Vorlesungen über Bacterien. Dritte Auflage. Durchgesehen und theilweise neu bearbeitet von W. Migula. Mit 41 Fig. im Text. Leipzig, Verlag von W. Engelmann. 1900. Bohlin Kurt, Et exempel pä Öömseseidig vikariering mellan en fjäll — och en kustform. 8.-A. aus Bot. Not. 1900. — — Morphologische Beobachtungen über Nebenblatt- und Verzweigungsverhält- nisse einiger andinen Alchemilla-Arten. S$.-A. aus Öfversigt af Kongl. Vetens- kaps-Akademiens Förhandlingan. 1899. Brenner, Untersuchungen an einigen Fettpflanzen. 8.-A, aus Flora od. Allg. bot. Ztg. Bd. 87. Bulletin de institut botanique de Buitenzorg. Nr. V u. VI. Burek W., Preservatives on the stigma against the germination of foreign pollen. Koninklijke Akademie von vetenskapen te Amsterdam 29. Sept. 1900. Campbell D. H., Studies on the Araceae. Annals of botany Vol. XIV. 1900. 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AErnst del LITromas,Lihrst Berün 53. i LIThomas LihInst Berün 5.58. Alrnstdi i "Flora 88.Band, 1901. . LI Thomas, bi. Kst Berun.5.33. LI Thomas,Düh insb, Berun 353 AErnst del. ER “ ® a) Ai N i un 5.58. LIT omas LühLrst, ze ee AErnst del. Flora 88. Band, 1901. LIT homas,Liahirst, Berlin 5.58. Flora 1901. Tafel IX. 120 1 | I, | | Fig. V. | Fig. VI 80 un | =_oo oben be | \ N Flora 1901. Tafel X. i | Fig. VII | Fig. VII Fig. IX. 1 a | a — — — = ____- = .____. b=____-- 18 k, 30+ 30 \ h A 37) von 12 \ \ 10 IN \ N 5 \ A RN =“M \ 3 # 120304 5 ı 230435 Flora 88. Band, 1901. HMiehe der. L/Tromas,Lith. Best Bern 5.53. Berg. don Gujtan Silher in senn, Soeben erichleit: . Mrganographie der Planen. Suöbejondere der Arcdegoniaten und Samenpflanzen, von Dr. RK. Gürtel, Profeffor an der Iniverfität München. Zweiter Teil: Specielle Organograpbie. 2. Heft: (Pteridopdpten und Samenpflanzen. Erfter Theil. Mit 173 Abbildungen im Text. Preis: ME. 7.— GGHEERREEEEEREN BE In unserem Verlage erschien: Pflanzenbiologische Schilderungen. Von K. Goebel. 2 Theile. Mit 31 Tafeln und zahlreichen Holzschnitten. Im Preise von Mk. 38.— auf Mk. 15.— ermässigt. Ehysiologische Notizen. Von Julius Sachs. Als Sonderabdruck aus der Zeitschrift „Flora“ 1892-1896 herausgegeben und bevorwortet von K. Goebel. Mit Bild von Julius Sachs. Preis Mk. 4.50. Marburg. N. 6. ELWERT’sche Verlagsbuchhandlung. Druck von Val. Höfling, München, Lämmerstr. 1. FIRE ERRENEFREE THREE ECKE HE EBaBeER FLORA ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER RGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSCHAFT IN REGENSBURG. 883. BAND. — JAHRGANG 1901. HERAUSGEBER: Dr. K. GOEBEL Professor der Botanik in München. Heft rl mit 2 Tafeln und 104 Textfiguren. Erschienen am 2. März 1901. Inhalt: FRANZ XAVER LANG, Untersuchungen über Morphologie, Anatomie und Samenentwickelung von Polypompholyx und Byblis gigantea K. GOEBEL, Archegoniatenstudien. IX. Sporangien, Sporenverbreitung und Seite 149—206 Blüthenbildung bei Selaginella . . . n 207-228 5. IKENO, Studien über die Sporenbildung bei Taphrina Johansoni Sad. . „ 229-237 M.v MINDEN, Reizbare Griffel von zwei Arctotis-Arten „ . . . . „23 —242 A. TSCHIRCH, Notiz über Uola . n 242-244 DR. A. OSTERWALDER, Eine Blüthe von Orpripeditum spectabile sw. mit Rückschlagserscheinungen . . . „24247 LITTERATUR: A. de Bary's Vorlesungen über Bacterien. _ Schinz, "Prof, Dr. Hans, und Keller, Dr. Robert, Flora der Schweiz. — Haläcsy, E. de, Con- spectus Flerae Graecae. — Hugo Müller, Die Misserfolge in der Photo- graphie und die Mittel zu ihrer Beseitigung. — H. Christ, Die Farn- kräuter der Schweiz. — Dr. Alfred Koch, Jahresbericht über die Fortschritte in der Lehre von den Gährungsorganismen. — Dr. Carl Müller Hal, Genera muscorum frondosorum een nm 248-250 „ 250-252 EINGEGANGENE LITTERATUR MARBURG. N. G. ELWERT'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG. 1901. Bemerkung. Das Honorar beträgt 20 Mk. pro Druckbogen, für die Litteraturbesprechungen 80 Mk. Die Mitarbeiter erhalten 30 Seonderabdrücke kostenfrei. Wird eine grössere Anzahl gewünscht, so werden für Druck und Papier berechnet: Für 10 Exemplare pro Druckbogen Mk. 1.20; pro einfarb. einfache Tafel Mk. —.30 ” 20 ” ” ” ” 2.50 ” „ ” " “ —.60 30 , „ „ „ 380 „ „ n |) „#0 „ » „ » Bo, ’ „ nn. 190 „50 „ „ » „650 „ „ „ » ». 150 ° 60 ” b) ” ” 8.— » ” " ” v 2.— -„ @0 » » „ „920 „ „ „ 2m 250 „8 R n „ „ 1050 „ „ » Pr 7 .-„ 90 „ „ » „ 1150 „ „ „ nn 350 „ 100 » „ „ 1350 „ " FE ” ” " bj Dissertationen und Abhandlungen systematischen Inhalts werden nicht hono- rirt; für solehe, ‘die umfangreicher als 4 Bogen sind, werden nur 4 Bogen honorirt; die Kosten für Abbildungen und Tafeln hat bei Dissertationen der Verfasser zu tragen. Da bei diesen von der Verlagshandlang nur die Herstellungskosten be- rechnet werden, so muss dieselbe Baarzahlung nach Empfang zur Voraussetzung machen. Bei fremdsprachlichen Manuskripten hat der Verfasser die Kosten der Uebersetzung zu tragen. Üorreceturentschädligungen, die von der Druckerei für nicht verschuldete Correeturen in Anrechnung gebracht werden, fallen dem Ver- fasser zur Last. Die Zahlung der Honorare erfolgt nach Abschluss eines Bandes. Der Bezugspreis eines Bandes beträgt 20 Mark, Jedes Jahr erscheint ein Band im Umfang von mindestens 80 Druckbogen und zahlreichen Tafeln. Nach Bedürfniss schliessen sich an die Jahrgänge Eirgünzungsbände an. welche be- sonders berechnet werden. j Manuskripte und Litteratur für die „Flora* sind an den Herausgeber, Herrn Prof, Dr. Goebel in München, Friedrichsträsse 17:1, zu senden, Cor- recturen an die Druckerei von Val. Höfling, München, Lämmerstrasse 1. Alle geschäftlichen Anfragen ete. sind an die unterzeichnete Verlagshandlung ZU richten, N. G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung Marburg (Hessen-Nassau). | | | Untersuchungen über Morphologie, Anatomie und Samenentwicke- lung von Polypomphoiyx und Byblis gigantea. Von # Franz Xaver Lang. Hierzu Tafel XII und 80 Textfiguren. Litteraturverzeichniss, . Goebel, Pflanzenbiologische Schilderungen, Vol. II. . Goebel, Organographie pag. 444 u. ff. 3, Goebel, Utrieularia. Annales du Jardin botanique de Buitenzorg Vol. IX. 4. Goebel, Der Aufbau von Utrieularia. Flora 1889. 5. Schenk, Beiträge zur Kenntniss der Utrieularien; Utrieularia montana Jacq. und Utr. Schimperi nov. sp. Pringsheim’s Jahrbücher XVIIL 6. Kamienski, Vergleichende Untersuchungen über die Entwickelungsgeschichte der Utrieularien. Botanische Zeitung 1877. 7. Eichler’s Blüthendiagramme. 8. Merz, Untersuchungen über die Samenentwickelung der Utrieularieen. Flora, 84. Bd. (Ergänzungsbd. z. Jahrg. 1897) pag. 69. 9. Bentham, Flora Australiensis. Vol. II. N Einleitung. Die vorliegende Arbeit erstreckt sich auf zwei inseetivore Pflanzen: nämlich auf die landbewohnende Utrieulariee Polypompholyx und auf die „Droseracee“ Byblis gigantea. — Das Material zu dieser Arbeit wurde seiner Zeit von Herrn Professor Goebel in West-Australien gesammelt und mir gütigst von ihm zur Bearbeitung zur Verfügung gestellt. Was nun Polypompholyx betrifft, so beschränken sich die An- gaben der Litteratur hierüber auf eine blosse Aufzählung derjenigen Merkmale, welche die Pflanze als eine Utriculariee charakterisiren ; nähere Untersuchungen über Morphologie, Anatomie, speciell über Samenentwickelung sind bisher nicht publieirt worden. Es war daher meine Aufgabe, die Untersuchung nach dieser Richtung zu führen. Was dann Byblis anbelangt, so wurde diese insectivore Pflanze bisher zu den Droseraceen gestellt. Doch hat Byblis mit den Dro- Seraceen nur eine ganz äusserliche Aehnlichkeit, denn eine vergleichende Uutersuchung mit anderen Droseraceen, wie sie von mir durchgeführt wurde, hat zu dem Resultat geführt, dass Byblis überhaupt keine Droseracee ist, sondern eine sympetale Pflanze, welche im Bau ihrer Drüsen noeh am meisten sich Pinguicula nähert. Flora 1901. 11 150 Wurde doch auch Cephalotus, eine gleichfalls auf Australien be- sehränkte Insectivore, anfangs zu den Rosaceen gestellt, während sie jetzt in der Familie der Saxifrageen einen Platz gefunden hat. Wie aber Goebel in seinen „Pflanzenbiologischen Schilderungen“ Vol. II nachgewiesen hat, ist Cephalotus, nach dem Bau der Kannen, in nächste Nähe von Sarracenia zu stellen. I. Polypompholyx. Morphologie, Anatomie und Samenentwickelung von Polypompholyx. Polypompholyx ist eine den Landformen von Utrieularia ähnliche Pflanze, welche nur an feuchten, sandigen Standorten gedeiht und gänzlich wurzellos ist. Das Pflänzchen wird über 20cm hoch und besitzt typische Utrieulariaschläuche. Das schlanke Stämmchen schliesst mit einem Blüthenstand ab und gliedert sich in zwei Theile, in einen sehr kurzen, knollenförmig angeschwollenen, blatttragenden Theil und in die sehr lange Infloreseenzachse. Am Grunde der Inflorescenzachse entspringen, zu einer Rosette vereinigt, die spatelförmigen Laubblätter, ferner zahlreiche cylindrische Ausläufer und lang- und kurzgestielte Blasen. Die Blüthen sind zu einem terminalen, botrytischen Blüthen- stand vereinigt und ausgeprägt dorsiventral. Keimung der Samen. Die reifen Samen von Polypompholyx sind kugelförmig und voll- ständig glatt. Der Embryo zeigt hier im Samen noch keine deutlichen Blattorgane; aber bei der Keimung treten zunächst zwei dieser Or- gane auf, von welchen das cine sich zum Blatt, das andere aber zum Ausläufer entwickelt. Später erscheint als drittes Organ die Anlage der ersten Blase. Die Samenschale wird vom Blatte gesprengt, welches sofort ergrünt. Fast gleichzeitig mit dem ersten Blatte erscheint ein eylindrisches, chlorophyliloses Gebilde, welches sich sofort abwärts krümmt und in das Substrat eindringt; es ist das der Ausläufer resp. die „Blattwurzel® (vgl. Goebel, Organographie pag. 444). Siehe Text- Fig.1. Da nun das erste Blatt und der erste Ausläufer sich gegen“ über stehen, so könnte man diese beiden ersten Anlagen auch als Cotyledonen bezeichnen, um so mehr, als der Ausläufer am Lichte auch ergrünen kann. — Der Vegetationspunkt des Keimling® stellt eine stumpf konische Erhebung dar; er zeirt die Anlagen der jüngsten Organe in spiraliger Anordnung. Wie die Abbildung (siehe Fig. 1 Taf. XII) erkennen lässt, treten schon an diesen jüngsten An- 151 lagen schleimabsondernde Drüsen auf. Der Vegetationspunkt der Keimpflanze entwickelt sich weiter zum radiären Spross (Text-Fig. 2). Dass der Keimspross mit einer Inflorescenz abschliesst, geht schon daraus hervor, dass an der Basis der Inflorescenz meist noch die Samenschale erhalten ist. Da die Blätter von Polypompholyx sehr klein und zart sind, so ist a priori schon ein lang andauerndes Spitzen- wachsthum ausgeschlossen. Ein Blättchen, das eben erst die Samen- schale gesprengt hat, zeigt an seinem zugespitzten Ende noch eine kleine Zone meristematischen Gewebes; doch bald wird das Spitzen- wachsthum durch intercalares Wachsthum ersetzt. Der anatomische Bau dieser spatelförmigen Primärblätter stimmt mit dem der späteren Laubblätter überein. Ein schwach entwickeltes Gefässbündel durch- zieht die Mitte der Blattspreite; Spaltöffnungen und schleimabsondernde Fig.1. Keimling von Polypompholyx (von der Samenschale be- freit). A’ Ausläufer, Bi Blattanlage, SAn- Fig. 2. Keimspross von Polypompholyx. Al Blattwurzel, Pr Primärblatt, Bl Blase, Vg Vegetationspunkt. lage der Blase. Drüsen sind bereits vorhanden. Das Assimilationsgewebe ist gleich- mässig entwickelt; die Epidermiszellen sind langgestreckt und uhr- glasförmig nach Aussen gewölbt, wodurch die ganze Oberhaut ein papillöses Aussehen gewinnt. Auch zeigt die jugendliche Epidermis auf ihrer Cuticula zahlreiche Wärzchen aus Cutin, denen wir später noch bei den Laubblättern begegnen werden. Bei Polypompholyx kommt es auch zur Bildung v Inflorescenzen; beachtenswerth ist die starke Krümmung, welche jugendliche Inflorescenzachsen ausführen. In seinen „Pflanzenbio- logischen Schilderungen“ und in den „Annales du Jardin potanique 11” on secundären 152 de Buitenzorg Vol. IX“ hat Goebel die Keimungsgeschichte der Utrieularien ausführlich behandelt, worauf hier hingewiesen sein mag. Ein Keimspross von Polypompholyx ist ausgestattet mit Blättern, Blasen und Ausläufern in radiärer Stellung, und in dieser Reihenfolge wollen wir denn die Organe behandeln. Laubblatt. Die langgestielten Blätter von Polypompholyx sind ganzrandig und spatelförmig; sie werden bis zu 12mm lang und etwa 2mm breit. Stiel und Spreite gehen allmählich in einander über; auch lassen die Blätter an dieser Uebergangsstelle eine kleine Einrollung ihrer Ränder nach oben erkennen. Der Blattstiel ist ziemlich lang und gleicht, je mehr er sich von der Spreite entfernt, im Querschnitt dem Querschnitt eines Ausläufers. Blattstiel und Blattspreite sind mit Drüsen besetzt, der Stiel ziemlich reichlich, spärlich die Spreite. Die Laubblätter erweisen sich als dorsiventral. Anatomie des Laubblattes. Die Epidermiszellen der Oberseite eines Laubblattes von Poly- pompholyx zeigen eine nur schwache Wellung, während die Epidermis- zellen der Unterseite stark gewellt erscheinen und auch stärker ge- wölbt sind. Die Aussenwände dieser Oberhautzellen sind nur schwach verdickt; die Radial- und Innenwände sind unverdiekt. Die Epidermis- zellen des Blattstiels sind langgestreckt wie die der Ausläufer. Be- achtenswerth ist, dass sowohl die Epiderniszellen der Ober- wie die der Unterseite chlorophylllos sind, während die ebenfalls an nassen Standorten wachsende Genlisea einen Chlorophyligehalt der Epidermis aufweist. Die Cuticula, welche als ein dünnes Häutchen die Epidermis überzieht, ist zahnlos, besitzt aber auf der Blattoberseite so zahlreiche Wärzehen aus Cutin, dass die ganze Blattoberfläche hiedurch eine rauhe Beschaffenheit gewinnt. Eigenthümlich ist es, dass diese Wärz- chen dem Blattstiele fehlen und an der Blattunterseite nur an den Rändern entwickelt sind. Die Spaltöffnungen sind etwas über die Epidermiszellen erhöht und fast kreisrund. Sie vertheilen sich mehr auf die Blattoberseite als auf die Unterseite; sie sind links und rechts vom Gefässbündel orientirt und verschwinden nach dem Blattrande zu. Anhangsgebilde-der Epidermis. Das ganze Blatt ist mit Drüsen besetzt, reichlicher am Stiel und auf der Unterseite, etwas spärlich auf der Oberseite. Die Drüsen 153 sind von sehr einfachem Bau: sie bestehen aus einer in das Gewebe versenkten Basalzelle, einer beiderseits planen Mittelzelle und einer secernirenden Kopfzelle. Eine Sprengung der Cutieula findet nicht statt. Die Drüsen secerniren Schleim, was besonders an jungen Blättern zur Erscheinung tritt. Die Schleimbildung tritt nicht nur an der Ober- fläche von Wasserpflanzen auf, sondern auch an Pflanzen, welche wie unsere Polypompholyx an feuchten Standorten leben; hier hat der Schleim wohl nur die Bedeutung, die Laubblätter gegen Austrocknung zu schützen. Das Assimilationsgewebe ist in der Nähe der Blattränder nur zwei Zelllagen stark, drei bis vier nach der Mitte zu (Fig.3). Dem einfachen Bau des Blattes zufolge haben wir es hier mit der niedersten Ausbildungs- SSeesssame PO . S REST FELTT stufe des Assimilations- ONEREIRSEERR ER 5 systems zu thun, weil das Assimilationsgewebe zu- gleich als Ableitungsge- webe functionirt, also die Unterscheidung von Pa- lissadenparenchym und Schwammparenchym nicht gegeben ist, wie es ja auch bei anderen rasch vergänglichen Pflanzen der Fall ist. Fig. 3. Querschnitt durch ein Laubblatt von Poly- pompholyx. 0 Blattoberseite, !’ Unterseite. Fig. 4. Der mittlere Theil eines Blattquerschnittes von Polypompholyx. Derselbe zeigt den curvenförmigen Verlauf der Assimilationszellen. Immerhin kann man in diesem als Schwammparenchym ausgebildeten Assimilationssystem zwischen den chlorophyllführenden‘ Zellen der Öber- Die der Blatt- und Unterseite erhebliche Unterschiede constatiren. oberseite angehörigen Assimilationszellen sind viel chlorophyllreicher 154 als die der Unterseite. Aber auch in der Form unterscheiden sich die genannten Zellen; die der Oberseite sind rundlich oder oval, die der Unterseite aber spindelförmig und zur Querachse des Blattes ge- streckt. Alle Chlorophylizellen streben mehr oder weniger dem in der Blattmitte gelegenen Gefässbündel zu, so dass ein geradezu kurven- förmiger Verlauf der assimilirenden Zellen zu Stande kommt (Fig. 4). Auf Längsschnitten constatirt man, dass sowohl Epidermiszellen, als auch die Assimilationszellen zur Längsachse des Blattes mehr als zur Querachse gestreckt sind. Die Blattunterseite weist ein stark entwickeltes Intercellularsystem auf, das sich um so mächtiger entfaltet, je mehr sich die Blattspreite dem Stiele nähert, so dass schliesslich das eigentliche Assimilations- gewebe auf der Oberseite nur mehr eine Zelllage stark erscheint (Fig. 5). > Ku essn® > Fig. 5. Ein Blattquerschnitt, geführt in der Nähe des Fig. 6. Blattgefässbündel. Blattstiels; das Assimilationsgewebe ist stark redueirt phil Phloömbündelchen, auf Kosten des Intercellularsystems, @ Gefäss. Im Blattstiel verläuft endlich nur mehr ein Gefässbündelstrang, von dem nach der bis auf die Epidermis redueirten Wandung des Stieles die radial gestellten Assimilationszellen ausgehen, mit grossen Inter- cellularräumen alternirend. Das Blatt selbst wird von dem es durch- ziehenden Gefässbündel in zwei symmetrische Hälften getheilt. In das Blatt biegt nur ein einziges Leitbündel aus (Fig. 6). Dasselbe besteht aus einem einzigen Gefäss mit spiraliger oder ringförmiger Ver- diekung und einigen Siebröhren und parenchymatischen Elementen. Nicht selten spaltet sich der Siebtheil, so dass das einzige Gefäss links und rechts von einem Phloömbündelchen begleitet erscheint. Indem aber nach der Blattspitze zu diese beiden Phloönıbündelchen sich wieder ver- einigen, kommt ein typisches collaterales Gefässbündel zu Stande, dessen Gefässtheil nach oben und dessen Siebtheil nach unten zu liegen kommt. 155 Ausläufer (Blattwurzeln), Die Ausläufer entstehen nur an der Basis des Blüthensprosses und sind fadenförmige, nicht ganz eylindrische, nach der Spitze zu sich verjüngende Gebilde, welche oft eine beträchtliche Länge erreichen können. Ich habe Ausläufer gemessen, die 25—-28mm lang waren. Sie dringen in den Boden ein, ohne sich zu verzweigen und wachsen an der Spitze weiter. Sie produciren keine Blasen; wohl aber konnte ich einen Ausläufer beobachten, welcher, schon 18mm lang, an seiner Spitze in eine Blasenanlage übergegangen war, was dafür spricht, dass Ausläufer und Blasen als homologe Organe zu betrachten sind. (Vgl. die ganz analogen Verhältnisse von Utrieularia Hookeri, Goebel, Or- ganographie pag. 445.) Sie sind weit mehr als die Laubblätter und Blasen mit Drüsen besetzt, deren schleimiges Seeret ihnen wohl das Eindringen in das Substrat erleichtern mag. Nach Goebel (Flora 1889) läge die Vermuthung nahe, dass diese zahlreichen Drüsen, welche gerade die Ausläufer so dicht bedecken, der Inflorescenz den nöthigen Halt verleihen, indem vermöge dieser Drüsen die Ausläufer fest mit den Bodenpartikelchen verkleben und so zu Haftorganen werden, wobei sie freilich auch noch als Organe der Nahrungsaufnahme functioniren. Wie ein Querschnitt zeigt (Fig. 7), sind die Ausläufer etwas abgeplattet, also ebenfalls dorsiventral gebaut. Der anatomische Bau dieser Aus- läufer ist ein sehr einfacher: Wir sehen auf dem Querschnitt einen ventralen Gefässbündelstrang, von einer parenchymatischen Scheide um- geben, von der nach der ein- schichtigen Wand einzelne Zellen ausgehen, welche ein radial ange- ordnetes Intercellularsystem zwischen sich frei lassen. Auch das Centrum weist öfters einen rhexigenen Intercellularraum auf, welcher durch Zerstörung des Gefässes entstanden ist, während der Siebtheil erhalten bleibt. Der Siebtheil wird vom Gefässe (es ist nur ein ein- ziges vorhanden) nur ein Stück weit von der Ansatzsteile aus be- Der Bau des Gefässbündels entspricht dem eines Blatt- Fig. 7. Querschnitt durch einen Aus- läufer (resp. „Blattwurzel®). gleitet. leitbündels, 156 Die Blasen. Die Blasen von Polypompholyx sind, wie ein Querschnitt zeigt (siehe Tafel-Fig. 6), meist scharf dreikantig und verjüngen sich nach dem terminalen Ende, das öfters mit borstenähnlichen Haaren besetzt ist. Doch kommen auch Blasen von mehr quadratischen Formen vor, wie aus der Abbildung zu ersehen ist (siehe Tafel-Fig. 2). Die Blasen sitzen an längeren oder kürzeren Stielen. Der Blasenstiel selbst hat die Eigenthümlichkeit, dass er bei seinen Uebergang in den Blasen- körper etwas anschwillt und links und rechts von dieser Anschwellung einen kleinen Höcker bildet, welcher mit einer horizontalen Wimper- reihe besetzt ist (siehe Tafel-Fig.2 u. 3). Auf diesen beiden Wimper- reihen ruhen wie auf zwei Widerlagern zwei flügelartige Fortsätze, welche die beiden seitlichen Eingänge zur Blase schützend überdachen. Diese flügelartigen Fortsätze sind an ihren Rändern mit borstenähn- lichen Haaren besetzt, denen von der gegenüberliegenden Wandpartie der Blase ähnliche Borsten entgegenstarren. Die Blase weist dann noch einen dritten halbmond- oder sichelförmigen Fortsatz auf (siehe Tafel-Fig. 4), der zu den beiden seitlichen Fortsätzen median auf der ventralen Seite der Blase gelegen den dritten oberen Eingang zur Blase beherrscht und ebenfalls an seinen Rändern Borstenhaare trägt. Blasenstiel und Blase sind aussen mit zahlreichen schleimabsondernden Drüsen besetzt. Die Blasen sind dadurch ausgezeichnet vor anderen Schlauchblättern, dass sie keine freie Eingangsöffnung besitzen, son- dern eine trichterförmige Eingangsöffnung, welche durch eine Klappe verschlossen ist, die auf einem hufeisenförmigen Widerlager ruht. Die bereits erwähnten drei Eingänge, welche zum eigentlichen, durch eine Klappe verschlossenen Eingang zum Blaseninnern führen, erinnern an die drei Eingänge der Schlauchblätter von Genlisea. Eine nähere Betrachtung dieser Blasen zeigt, dass an der Spross- achse von Polypompholyx sich zweierlei Forinen derselben finden, die freilich nur geringfügige Unterschiede aufweisen, welche mehr die äusseren Conturen betreffen, die eigentliche Architektonik der Blase aber wenig oder nicht berühren. Es sind nämlich langgestielte Blasen vorhanden (und sie bilden bei weitem die Mehrzahl), welche im Boden stecken, und kurzgestielte Blasen, welche zwar auch im Boden stecken, aber etwas über die Oberfläche des Substrats hervorragen. Die lang- gestielten Blasen sind kleiner als die kurzgestielten; sie besitzen meist quadratische Form, während die grösseren kurzgestielten Blasen scharf dreikantig sind und dicke, fleischige Wände besitzen. Ferner haben die kurzgestielten, solideren Blasen die flügelartigen Fortsätze oft schwächer 157 entwickelt und nicht eingerollt und sie zur Längsachse der Blase ge- streckt, so dass die beiden seitlichen Eingänge vollständig frei gelegt sind; auch zeigen diese grösseren Blasen eine schwächerentwickelte linke und rechte Wimperreihe und eine weniger starke Behaarung der Flügel- ränder. Die langgestielten Blasen aber besitzen stark eingerolite, zur Querachse der Blase gestreckte Flügel mit stark behaarten Rändern, welche auf den sehr kräftig entwickelten beiden Wimperreihen ruhen. Dass nun bei den im Boden versteckten Blasen die linke und rechto Wimperreihe amı Blasenstiel viel stärker entwickelt ist als bei den über die Oberfläche tretenden Blasen, hat zweifellos darin seinen Grund, dass auf diese Weise ein Verschluss der beiden seitlichen Eir- gänge durch den auflastenden Druck der Bodentheilchen verhindert werden soll. Dass den Wimperreihen überhaupt nur die Bedeutung zukommt, die seitlichen Eingänge zur Blase frei zu halten, zeigt das Experiment. Schneidet man nämlich den wimpertragenden Höcker weg, so wird ein vollständiger Verschluss des Eingangs herbeigeführt. Die langgestielten Blasen führen dann auch viel weniger Inhalt als die kurzgestielten, welche ganz braun und schwarz erscheinen, weil sie vollgepfropft sind mit organischer und anorganischer Substanz. Ob die verschiedenen Formen der Blasen in Beziehung mit den zu fangenden Thieren zu bringen sind, ob z. B. Flachthiere vorzugs- weise in die dreikantigen Blasen kriechen, muss dahingestellt bleiben. Der Inhalt der Blasen setzt sich zusammen aus organischer und anorganischer Substanz. Zu letzterer zählen die zahlreichen Quarz- körnchen im Innern der Blase nebst vielen anderen Bodenbestand- theilchen. Neben braunem und schwarzem Detritus, welcher meist die Eingänge verstopft, finden wir mancherlei Algen, wie Cyanophyceen, Desmidieen, ferner Diatomeen, dann die Reste von Insektenlarven; daneben grosse Nematoden (siehe Tafel-Fig. 3 u. 4), welche oft grösser sind als der Längsdurchmesser des Blasenlumens, dann wieder ganze Schaaren von winzig kleinem Gewürm. Die Entwickelungsgeschichte der Blasen stimmt im We- sentlichen überein ınit der von Utricularia. (Siehe Goebel, Pflanzen- biologische Schillerungen.) Es bildet sich zuerst an der Blasenanlage eine Vertiefung, welche der Oberseite angehört. Darauf folgt die Bildung einer hufeisenförmigen Wucherung, welche sich zum Wider- lager gestaltet. Die grubenförmige Vertiefung verengert sich bei weiterem Wachstbum zu einer Spalte, da der obere Theil der Blasen- anlage sich stark herabkrümmt. Durch Verlängerung der Spitze der Blasenanlage wird dieKlappe gebildet, welche auch bei Polypompholyx 158 nur aus zwei Zellschichten besteht (Fig. 8). Wo aber die Blasen- wand übergeht in die Klappe, da bildet sich ein terminaler Fortsatz, welcher sich später halbmond- oder sichelförmig gestaltet. An jener Umbiegungsstelle entstehen ferner links und rechts zwei laterale flügel- artige Fortsätze (siehe Tafel-Fig.5), welche sich stark nach der Blasen- wand herüber krümmen und so die zwei seitlichen Eingänge über- dachen. So finden wir an der fertigen Blase drei Eingänge: einen oberen und zwei seitliche; alle drei münden in den hufeisenförmigen Trichter, welcher von Klappe und Widerlager gebildet direct zum Blaseninnern führt. Wie schon erwähnt, sind die Ränder der Flügel mit starken Haaren besetzt, welche wie die Wimpern von den Augen- lidern vorspringen und sich mit den von der gegenüberliegenden Blasenwand entgegenstarrenden Borsten kreuzen, so dass bisweilen ein gittterförmiger Verschluss des Eingangs zu Stande kommt. Diese Bug We NS Fig. 8. Junge Blase im optischen Längs- Fig.9. Ein Theil des einen der flügel- schnitt, Fterminaler Fortsatz, K Klappe, artigen Fortsätze der Blase; derselbe W Widerlager. ist am Rande mit Borsten besetzt. Haare mögen wohl dazu dienen, die kleineren eingedrungenen Tbiere am Zurückweichen zu verhindern und grössere Thiere vom Eintritt abzuhalten. Während nun die Aussenseite der Flügel mit den gewöhnlichen Drüsen besetzt ist (Fig. 9), weist die Innenfläche dieser Flügel zahlreiche schleimabsondernde Drüsen auf ‚ welche alle mög- lichen Uebergänge zeigen (Fig. 10); doch herrschen peitschenförmige Drüsen vor. Auch der terminale Fortsatz zeigt auf seiner Innenfläche diese Drüsenhaare. Aber auch der Weg, welcher links und rechts zum Trichter führt, ist mit peitschenförmigen Schleimdrüsen dicht besetzt. Eigenthümliche, krymmstabförmige Schleimdrüsen (Fig. 11) markiren auch den Weg zum oberen Eingang, indem auf der ventralen Seite des Blasenstiels eine Strecke vor dem Eingang genau in der Mitte 159 ganze Reihen solcher Drüsen direct zum Eingang führen, so dass ein Thier, welches am Blasenstiel dahinkriechend dem Schleime nachgeht, unmöglich den Weg zum Trichter verfehlen kann. Neben diesen krummstabförmig gebogenen Drüsen finden sich am Blasenstiel auch grosse, kolbenförmig aufgetriebene Schleimhaare, unter welchen man nicht selten Fäden von Nostoc gefangen sieht. Ganz enorm aber häuft sich die Zahl der Drüsen im Triehter. Ein dichter Besatz von peitschen- förmigen Schleimhaaren kleidet den oberen Theil desselben aus, wäh- rend weiter abwärts diese Peitschenliaare abgelöst werden von einem Beleg kleiner, sitzender Drüsen, dem sog. „Pflasterepithel“ (Fig. 12). Fig. 11. Krummstabförmige Schleimdrüsen auf der ven- tralen Seite des Bilasen- Fig. 10. Flügelartiger Fortsatz einer Blase (von innen stiels; sie markiren den gesehen) mit zahlreichen schleimabsondernden Drüsen. Weg zum oberen Eingang. Nicht minder reichlich finden wir die Drüsen auf der Klappe; der obere Abschnitt der Klappe ist wie das Widerlager mit zahlreichen Peitschenhaaren besetzt, während der untere Abschnitt der Klappe zweiarmige Drüsenhaare erkennen lässt, und zwar sind diese zwei- armigen Schleimhaare, unter welchen bisweilen eines ganz gewaltig die anderen an Grösse übertrifft, auf ein bestimmtes mittleres Terrain der Klappe beschränkt, was an Utrieularia purpurea erinnert, wo auch auf der Aussenseite der Klappe. allerdings auf einem Zellpolster, eine Gruppe langgestielter Schleimhaare entspringt. Diese zweiarmigen Drüsen sind besonders reich an Plasma und besitzen nicht eutinisirtg Endzellen. So ist denn der ganze Trichter mit einer überreichlichen Menge von Schleimdrüsen belegt, welche wohl den Zweck haben, den Trichter möglichst schlüpferig zu machen, um 80 das Hinabfallen 160 des Thieres zu erleichtern. Die Elastieität der Klappe wird nicht wie bei Utrieularia durch senkrecht zur Oberfläche sich erstreckende Ver- diekungsleisten herbeigeführt, sondern durch ring- oder schrauben- förmige Verdiekungsbänder. Auch unterscheidet sich die Klappe von Polypompholyx weiter dadurch, dass die am freien Rande gelegenen Zellen nicht wie bei Utrieularia sich aussergewöhnlich parallel zum freien Rande strecken, sondern vielmehr sich verkürzen, dagegen “stärkere Verdickungsbänder erhalten. Weiter rückwärts vom ‚Rande sind die Zellen der Klappe stark gefaltet. Der Bau der eigentlichen Eingangsöffnung ist einem weiten Trichter zu vergleichen mit stark verkürzter Achse; nur ist der Rand des Trichters nicht kreisrund, sondern zur Querachse der Blase etwas gestreckt, so dass er mehr oval erscheint. Links und rechts entspringt dem Trichterrand eine Fig. 12. Medianer Längsschnitt durch Fig. 13. Absorptionshasre aus dem den Blasentrichter, welcher sowohl auf Innern einer Blase. der Klappe (K'), als auch auf dem Wider- lager (W) zahlreiche Schleimdrüsen er- kennen lässt. p Pflasterepithel. nach einwärts wie ein Dach vorspringende Falte. — Das Wider- lager ist vier Zelllagen stark und bildet den kleineren unteren Theil des Trichters, während dessen oberer zarterer Theil von der Klappe gebildet wird. Wie die Abbildung zeigt (Fig. 12), trägt dasselbe ausser den schon erwähnten Peitschenhaaren und dem Pflasterepithel a" seinem an das Lumen der Blase grenzenden Saum in einem Bogen angeordnet zahlreiche starke Haare, welche nach einwärts conver- girend einen fast geschlossenen Haartrichter bilden, der sich nach abwärts verjüngt (vgl. auch Fig. 15). „ Diese Haare, welche sehr an die Reusenhaare im Halstheil des Schlauches von Genlisea erinnern, mögen wohl das Herankriechen der gefangenen T'hiere an die Klappe verhindern. Die Blasenwand ist wie bei Utrieularia nur vier Zelischichten stark. Im Innern trägt die Blase die 161 zahlreichen vierarmigen Absorptionshaare (Fig. 13), und »o erübrigt uns noch eine nähere Betrachtung der an der Blase von Po- Iypompholyx auftretenden Haargebilde. Dieselben, obwohl alle nach dem gleichen Typus gebaut, zeigen gleichwohl die grösste Mannig- faltigkeit. Von den Veränderungen wird eigentlich nur die secerni- rende Kopfzelle betroffen. Wir beginnen mit den Drüsenhaaren, welche der Blase aussen aufgesetzt sind. Dieselben sind dreizellig und bestehen somit aus einer in die Blasenwand eingesenkten Stiel- zelle, aus einer kurzen, schmalen Mittelzelle und einer kugeligen Endzelle. Stark eutinisirt sind Kopf- und Mittelzelie. Eine gesprengte Cuticula wird an den secernirenden Kopfzellen nicht beobachtet. Diese Fig. 14. Ein Stück der Klappe Fig. 15. Zweiarmige Drüsenhaare aufderInnen- mit bisquit- und peitschenför- seite des Widerlagers; daran schliesst sich eine bogenförmige Reihe von starken Haaren, welche migen Schleimhaaren auf der nach dem Lumen der Blase zu convergiren. Oberseite. Drüsen besitzen wohl dieselbe Bedeutung wie die an den Ausläufern und Blättern; sie bilden das eine Extrem. Das andere Extrem ent- steht, wenn die secernirende Kopfzelle sich enorm verlängert und an der Spitze meist noch etwas anschwillt. So gelangen wir zu den Peitschenhaaren (Fig. 14) mit nieht cutinisirter Endzelle; sie kleiden zum Theil den Trichter aus, markiren die Wege zu den drei Eingängen und sind das eigentliche Anlockungsmittel. Eine andere Haarform entsteht, wenn die Kopfzelle sich bisweilen parallel zur Oberfläche des betr. Organs streckt, dem sie aufsitzt; das Haar nimmt so Balkenforın an; Drüsen dieser Art finden sich z. B. auf der ventralen Seite des Blasenstiels. Eine weitere Umgestaltung erfährt die Endzelle dadurch, dass sie kolbenförmig anschwillt. Die 162 Klappe weist (siehe Fig. 14) bereits Drüsen auf, deren Endazelle zweigetheilt ist und bisquitförmig erscheint. Durch Streekung der beiden secernirenden Endzellen erhalten wir die zweiarmigen Drüsen auf der Innenseite des Widerlagers (Fig. 15). Weiter finden wir dreiarmige Schleimhaare, bis schliesslich die Innen- wand der Blase nur noch von vierarmigen Drüsenhaaren besetzt ist, den eigentlichen Absorptionshaaren. Im Längsschnitt zeigen diese Haare eine in das Gewebe versenkte Stielzelle, eine kurze Mittelzelle und einen vierarmigen Drüsenkopf, welcher dadurch entstanden ist, dass sich die Endzelle in vier Zellen getheilt hat, welche dann balken- artig ausgewachsen sind. Die Querwand zwischen Mittelzelle und Drüsenkopf einerseits und zwischen Mittelzelle und Stielzelle anderer- seits ist im Interesse des Stofftransportes sehr dünn. Die vier End- zellen aber zeigen eine Verdiekung der nach Aussen grenzenden Ver- ticalwände. Die horizontalen Balken der Absorptionshaare sind nieht eutinisirt. Aeusserst zart sind auch die vier Radialwände, welche die vier Endzellen von einander trennen. Von den Peitschenhaaren sei noch hervorgehoben, dass sie eine kolbenförmig aufgetriebene Stielzelle besitzen, welche sich oft hoch über die Oberhautzeilen erhebt; dann eine stark eutinisirte schmale Mittelzelle und eine zu einem Faden ausgezogene, sehr plasmareiche, nicht cutinisirte Endzelle. Der eigenthümlich gekrümmten Schleim- haare auf der ventralen Seite des Blasenstiels wurde bereits gedacht. Was den Verlauf des Gefässbündels anbelangt, so tritt dasselbe durch den Blasenstiel in den kammartig erhabenen Rücken der Blasenwand, läuft über den Rücken der Blase nach dem terminalen Ende der Blase, biegt hier nach der ventralen Seite um und verläuft ventral ebenso median wie dorsal bis zur halbmondförmigen Antenne, um hier zu erlöschen, ohne sich zu verzweigen. Der Verlauf ist also ein dorsal-ventraler, genau median; das Gefässbündel ist keineswegs TU- dimentär, sondern in seinem ganzen Verlauf wohl entwickelt. Es wird ein Stück weit von einem Luftkanal (siehe Tafel-Fig. 6), der dorsal verläuft, begleitet. — Der Blasenstiel ist ähnlich gebaut wie ein Ausläufer, nur dass in seinem Innern das Intercellularsystem noch stärker entwickelt ist (Fig. 16), was wohl damit zusammenhängt, dass der viel intensivere Stoffwechsel in der Blase eine grössere Luftmeng® erheischt als der Stoffverkehr in den Ausläufern. — Noch ist zu be- merken, dass die Blasen von Polypompholyx schön purpurroth gefärbt sind, und zwar geht diese Färbung, wie man es an jugendlichen Blasen constatiren kann, vom Widerlager aus und verbreitet sich 168 später über die ganze Blase. Durch diese Färbung werden die über den Boden tretenden Blasen sehr auffällig. Spross, Das Stämmehen von Polypompholyx gliedert sich, wie schon er- wähnt, in einen sehr kurzen, knollenförmig angeschwollenen Theil, welcher die seitlichen Organe trägt, und in einen sehr schlanken Theil, die Inflorescenzachse. Querschnitte, geführt in der Nähe der Insertion der Blätter, Blasen und Ausläufer (Fig. 17), zeigen ein sehr regelmässig angeordnetes Intercellularsystem. Innerhalb der nur schwach nach Aussen verdickten Epidermis liegt zunächst eine geschlossene Zelllage von ehlorophylihaltigem Rindengewebe; dann folgt das grosse Intercellular- system, welches durch radial angeordnete Rindenzellen in eine Reihe Fig. 16. Querschnitt Fig. 17. Sprossquerschnitt von Polypompholyx. phl Phloöm- durch einen Blasen- bündelchen im Sklerenchymring, P Parenchymscheide, stiel. J regelmässig angeordnetes Intercellularsystem. von Luftkammern zerfällt. Das Auftreten so zahlreicher und so regel- mässig angeordneter Lufträume gerade an dieser Stelle hängt damit zusammen, dass von hier aus die grossen Intercellularräume nach den Blättern, Blasen und Ausläufern abgegeben werden. Schnitte in grösserer Entfernung von der Insertionsstelle geführt , zeigen eine so regelmässige Anordnung des Intercellularsystems nicht mehr. Das Gewebe der Spross- resp. der Inflorescenzachse gliedert sich in Rindenparenchym und Centraleylinder. Nach Aussen wird das Rindenparenchym abgeschlossen von der Epidermis, deren Zellen ehlorophylilos und in der Richtung der Längsachse des Sprosses ganz bedeutend gestreckt sind, während sie auf Querschnitten oval oder rund erscheinen. 1864 Langgestreckt sind auch die vielen Spaltöffnungen im Gegensatz zu den kreisförmigen Spaltöffnungen der Blätter. Zahlreiche Wärz- chen, welche der Cuticula auflagern, verleihen der Oberhaut der In- florescenzachse dasselbe rauhe Aussehen, wie es die Epidermis der Laubblätter erkennen lässt. — Die assimilirenden Parenchymzellen sind reich an Chlorophyll; sie sind zwei bis drei Mal so lang als breit und lassen zahlreiche Intercellulargänge zwischen sich frei. Diese Parenchymzellen sind nur zwei Schichten stark. Die innerste Rinden- lage wird von einer (nicht immer) geschlossenen Parenchymscheide gebildet, Als Endodermis oder Schutzscheide kann bei Polypompholyx diese den Oentraleylinder umgebende Scheide deshalb nicht bezeichnet werden, weil weder die Radial- noch die Tangentialwände eine Ver- korkung erkennen lassen. Ausserdem führen die Zellen dieser Scheide, Fig. 18. Gefüss- und Siebtheil ver- Fig. 19 u.20. Gefäss- und Siebtheil sind laufen unabhängig von einander im durch sklerenchymatische Elemente Sklerenchymmantel. phil Siebtheil, von einander getrennt. „hl Siebtheil, 6 Gefäss, p Parenchymscheide. G Gefäss. welche sich von den benachbarten Rindenzellen durch ihre Grösse und durch ein festeres Zusammenschliessen unterscheiden, auch reich- lich Chlorophyll und weiter hinauf in der Nähe der Inflorescenz auch reichlich Stärke, während im Gegensatz hiezu in den Schutzscheiden keine Stoffleitung stattfindet. An diese Stärkescheide resp. Parenchym- scheide legt sich ein drei Zelllagen starker Sklerenchymmantel; seine Elemente sind langgestreckt und greifen zum Theil mit zugeschärften Enden in einander, während die weitlumigeren Elemente nach innen zu meist mit queren oder schrägen Wänden auf einander stossen. Die innersten Elemente des Sklerenchymmantels gehen allmählich in das grosszellige Mark über, das aus polygonalen, zur Längsachse ge streckten Zellen besteht, welche nur kleine Intercellularräume zwischen sich frei lassen. 165 Im Gegensatz zu anderen Utrieularien ist bei Polypompholyx eine Reduction der Gefässbündel eingetreten. Das Mark ist hier vollständig frei von Leitbündeln, welche auf den Sklerenchymmantel beschränkt sind. Die Zahl der Leitbündel schwankt zwischen neun und elf. — Was nun die Bestandtheile der Gefässbündel anbelangt, so gewahren wir, dass Gefäss- und Siebtheil im Gegensatz zu dem normalen Ver- halten der Leitbündel der Dieotylen sich nicht zu einem abgegrenzten collateralen Einzelbündel vereinigen, sondern ganz unabhängig von einander im Sklerenchymmantel verlaufen (Fig. 18), ein Verhalten, das mit anderen Utrieularien übereinstimmt. Gefäss- und Siebtheil sind stets durch sklerenchymatische Elemente von einander getrennt (Fig. 19 u. 20), und ohne Verbindung durch ein Cambium. In der äusseren Peripherie des Sklerenchymeylinders liegen in nahezu gleichen Abständen neun bis elf Phloömbündelchen, welche ziemlich klein und englumig sind. Sie grenzen nach aussen direct an die Parenchym- scheide oder besser gesagt: sie sind nach aussen meist zwischen zwei Zellen der Parenchymscheide eingekeil. Nach einwärts werden sie von sklerenchyma- tischen Elementen begrenzt. Diese Phloämbündelchen, ausgezeichnet durch Eng- iumigkeit ihrer Zellen, be- stehen aus Siebröhren nebst Geleitzellen und weitlumige- ren Parenchymzellen. Die einzelnen Gefässe sind meist Fig. 21. Querschnitt durch einen Blüthenspross; ın gleicher Anzahl vorhanden derselbe zeigt die Anordnung von Gefäss- und wie die Siebtheile ; sie liegen Siebtheil. G Gefäss, phl Siebtheil. einwärts vom Siebtheil, meist seitlich davon im Sklerenchymmantel, von einer verholzten Scheide umgeben. Schnitte, hart unter einer Blüthe geführt, zeigen jedes Ge- fäss von einer Parenchymscheide umgeben (Fig. 21). — Wenn nun auch Gefäss- und Siebtheil eine ganz bestimmte Lage zu einander nicht erken- nen lassen, so herrscht doch insoferne eine gewisse Anordnung beider Theile zu einander, als eine beide Theile rings herum mit einander verbindende Linie im Zickzack verlaufen würde, wie in der Wurzel der Dicotylen. Es ist somit auch für Polypompholyx diese gegen- seitige Unabhängigkeit von Gefäss- und Siebtheil sehr charak- teristisch Auf Längsschnitten oberhalb der knollenförmigen An- Flora 1901. 12 166 schwellung des Stämmehens constatirt man, dass die Gefässe hier Maschen bilden. Der knollenförmig angeschwollene Theil des Stämm- chens, welcher die seitlichen Organe trägt und nur etwas über einen Millimeter lang ist, zeigt wieder viele Drüsen, welche der Inflorescenz- achse fehlen, und ein stark entwickeltes Rindenparenchym, in dem der Centraleylinder conisch verjüngt ausläuft. Die Zellen dieses basalen Rindenparenchyms unterscheiden sich aber wesentlich von den Rindenparenchyinzellen der Inflorescenzachse, einmal besitzen sie mehrere oft eylindrische Fortsätze nach allen Seiten des Raumes; indem sie mit diesen eigentlhümlichen Fortsätzen an die Protuberanzen der Nachbarzellen stossen, wird ein Intercellularsystem gebildet, das wie ein Gitter erscheint. Weiter besitzen diese Rindenzellen grosse Tüpfelflächen, und zwar sind diese Porenfelder durch die Fortsätze, denen sie aufliegen, stark über das Niveay der Zellwand empor- gehoben. Das Eigenthümliche aber ist, dass diese grossen Tüpfelllächen, welche an die Tüpfelflächen der benachbarten Zellen grenzen, wieder mit zahlreichen kleinen Tüpfeln besetzt sind. Kegelförmig verjüngft schliesst der Spross wurzellos an seinem basalen Ende ab. Die Blüthe. Die Blüthen von Polypompholyx sind zu terminalen, botrytischen Blüthenständen ohne Gipfelblüthe vereinigt. Der Blüthenstand umfasst nur wenige Blüthen. Aehnlich wie bei Genlisea sind auch bei Poly- pompholyx die Blüthenstiele mit einem Deckblatt und zwei seitlichen Vorblättern versehen; da aber die beiden Vorblätter zu beiden Seiten des Deckblattes zu liegen kommen, so bilden sie mit dem letzteren zusammen eine scheinbar dreiblättrige Bractee an der Basis des Blüthenstiels. Die beiden Vorblätter unterscheiden sich von dem median gelegenen Deckblatt insoferne, als sie erheblich kleiner sind und meist ganzrandig, während das viel grössere Deckblatt manchmal grössere Ausbuchtungen bildet. Auffällig ist die Localisirung der Drüsenhaare auf die basale Partie der Blattoberfläche dieser Hochblätter. Diese Drüsen, welche in grösscrer Zalıl an den bezeichneten Stellen auf- treten, differiren insoferne von den Drüsenhaaren der Ausläufer und Laubblätter, als sie eine Theilung der Endzelle in zwei, drei und vier Zellen erkennen lassen. Die Epidermis dieser Hochblätter ist durch Cutinwärzchen ebenso rauh wie die der Laubblätter. In jedem dieser Hochblätter verläuft nur ein einziges Gefässbündel, welches die Spreite nur zur Hälfte durchzieht; wo dasselbe endigt, erweitert e8 sich 167 kolbenförmig. Das assimilirende Gewebe ist nur im basalen Theile des Blattes entwickelt; der grössere Theil der Blattspreite ist voll- kommen chlorophylifrei und nur zwei Zellschichten stark. Kelch. Während bei Utrieularia nur zwei Kelchblätter vorhanden sind, ist der Kelch von Polypompholyx vierblätterig; der Kelch von Gen- lisea aber ist fünfblätterig. Die beiden medianen Kelchblätter sind bedeutend grösser als die beiden seitlichen, und das obere Kelchblatt ist wieder grösser als das untere. Das untere resp. vordere Kelchblatt zeichnet sich vor den übrigen dadurch aus, dass es zweilappig ist und so deutlich erkennen lässt, dass es aus zwei verwachsenen Primordien entstanden ist, wie denn auch an sehr jungen Blüthen noch die fünf Kelchblätter vorhanden sind. Es erinnert dieses Verbalten an Utri- eularia und Biovularia, bei welchen auch das vordere Kelchblatt etwas kleiner ist als das hintere und manchmal zweispitzig ist und so seine Entstehung aus zwei Primordien zu erkennen gibt. Die Vermuthung, welche in Eichler’s Blüthendiagramme pag. 216 ausgesprochen ist, dass der Kelch bei Polypompholyx wahrscheinlich durch Verwachsung der beiden vorderen Glieder viertheilig erscheine, bestätigt sich somit. Die Kelchblätter zeigen sich in mannigfacher Hinsicht verschieden von den Laubblättern. Während bei letzteren die Oberhautzellen der Blatt- oberfläche nur schwach gewellt sind, erscheinen die Epidermiszellen der Oberseite der Kelchblätter stark gewellt; dagegen sind die Epi- dermiszellen der Kelchblattunterseite fast gar nicht gewellt, während die Laubblätter eine stark gewellte Unterseite haben. Während ferner bei den Laubblättern die Cuticula der Blattoberseite mit zahlreichen Wärzchen besetzt ist, ist bei den Kelchblättern die Unterseite damit wie besät. Auch finden sich nur auf der Unterseite der Kelchblätter die Spaltöffnungen, welche bei den Laubblättern auf beide Flächen vertheilt sind. So zeigen auch die Kelchblätter einen dorsiventralen Bau. Vergebens sucht man bei ihnen nach Drüsen, welche keinem Laubblatt fehlen. Die Kelchblätter werden ferner von mehreren Gefäss- bündeln durchzogen, welche, ohne sich zu verzweigen, nahezu parallel verlaufen; und zwar verlaufen 5—6 Gefässbündel im oberen Kelch- blatt und ebenso viele im unteren; in den seitlichen Kelchblättern verlaufen je nur drei Leitbündel. An den seitlichen Kelchblättern konnte ich auch beobachten, dass an den Rändern einige Epidermis- zellen zahnartig vorspringen, was wohl als erste Anlage des bei Polyp. laciniata so stark bezalınten Kelches zu betrachten ist, ir 168 Corolla. Wie der Kelch, so lässt auch die Blumenkrone im Jugendzustande ihre Zusammensetzung aus fünf Blumenblättern noch deutlich erkennen; sie ist ausgeprägt zweilippig und sympetal. Aber auch im ausge- wachsenen Zustande macht sich ihre Zusammensetzung aus fünf Blättern deutlich bemerkbar; denn die kleine Oberlippe ist im Gegensatz zu Genlisea, wo sie meist ganzrandig oder nur wenig ausgerandet ist, in zwei lange Zipfel getheilt und lässt somit erkennen, dass sie aus zwei verwachsenen Blumenblättern besteht. Die Epidermis der Unter- seite dieser Oberlippe ist äusserst zierlich gewellt; auch treten an der basalen Region der Unterseite typisch gestielte Drüsen auf mit vierzelligen Köpfchen und convex gewölbter Mittelzelle. Diese Drüsen fehlen der Oberseite der Oberlippe vollständig, welche überhaupt drüsenfrei ist; auch sind die Epidermiszellen der Oberseite, die der Zipfel ausgenommen, nicht gewellt. Die Epidermis erscheint glatt. Es gehen neun Gefässbündel nach der Oberlippe ab, welche sich wiederholt gabeln, ohne jedoch Anastomosen zu bilden. Die Unterlippe wird von drei Blättern gebildet und ist ge- spornt; sie ist dreilappig, wobei der mittlere Lappen stärker entwickelt ist als die beiden seitlichen. Sämmtliche drei Lappen sind wieder etwas ausgerandet. Die zahlreichen Gefässe, welche in der Unterlippe verlaufen, verzweigen sich wiederholt, aber ohne auch hier zu ana- stomosiren; nur an der Basis treten Anastomosen auf. An der Basis der Unterlippe, unmittelbar vor dem Schlund der Blumenröhre, be- finden sich sechs Gewebepolster von länglich-ovaler Form, von denen die zwei seitlichen grösser sind als die vier mittleren. Sie sind mit zahlreichen Papillen besetzt und erheben sich hoch über das Niveau ihrer Umgebung. Sie mögen wohl im Interesse der Insektenbestäu- bung irgend eine klebrige Substanz ausscheiden. Der Schlund der Blumenröhre wird bei Polypompholyx durch einen stark gewölbten Gaumen, welcher der Unterlippe angehört, geschlossen. Der Rand des Schlundes aber wird von einem Kranz eigenthümlich geformter Haare umgeben (Fig. 22). Letztere sind trotz ihres sonder- baren Aussehens gleichwohl nach dem Typus der übrigen Haare der Lentibularieen gebaut. Die einfachsten Formen weisen nämlich auch eine Stielzelle, eine Mittelzelle und eine Endzelle auf; letztere theilt sich aber nicht meridianal, sondern äquatorial, und so können diese Schlundhaare fünf- und sechszellig werden und gewähren dann eill sehr zierliches Aussehen, das dadurch zu Stande kommt, dass die Zellen nach der Basis zu kolbenförmig anschwellen, nach der Spitze 189 zu dagegen sich verjüngen. Diese Schlundhaare sind sehr plasmareich und die Aussenwände ihrer Zellen sind nur schwach eutinisirt; äusserst zart sind die Querwände zwischen den einzelnen Zellen; sie sind nicht eutinisirt, Diese Haare dienen zweifellos der Insektenbestäubung, was schon aus ihrer Lage hervorgeht; sie sind nämlich auf den Schlund und auf den Rand des Schlundes beschränkt; den Schlund selbst kleiden sie aus wie mit einem dichten Besatz. Die Blüthe selbst ist ja ein typisches Beispiel für Insektenbestäubung. Wenn nämlich ein Insekt die Blüthe besucht, so berührt es mit dem Kopfe zunächst die papillenbesetzte Unterlippe der Narbe und setzt hier den fremden Pollen ab; dringt nun das Insekt weiter vor, so berührt es die unter und etwas hinter der Narbe gelegenen Antheren, welche von der Narbe überdacht werden; zieht es dann den Kopf zurück, so muss es nothwendig wieder mit Pollen von den nach unten geöffneten Antheren beladen werden. Die den Schlund am Rande einfassenden Haare mögen nebenbei auch das Eindringen von Regen verhindern. Fig. 23. Blüthendiagramm von Polypompholyx. Das- Fig. 22, A Schlundhaare der Blüthe von Poiypom- selbe zeigt neben den beiden pholyx. b gestielte Drüse von der Aussenwand vorderen Staubhlättern noch des Blumensporns. c kegelförmiges Haar mit ge- die Anlagen der zwei mitt- falteter Cuticula aus der Innenwand des Sporns, leren. Das hintere ist spur- dd kuchenförmige Drüsen im Innern des Sporns. los verkümmert, Der Sporn, welcher von dem mittleren der drei verwachsenen Blumenblätter der Unterlippe gebildet wird, ist ein sackartiges Ge- bilde, das an der Basis noch bauchig angeschwollen ist. Seine Aussen- wand ist mit gestielten Drüsen besetzt, deren Köpfchen vierzellig ist. Die Innenwand dagegen ist ausgekleidet mit zahlreichen kegelförmigen Haaren (siche Fig. 22), welche eine eigenthümliche Faltung der Outi- eula erkennen lassen, Diese Haare führen weder Plasma noch Kern. 170 Eingestreut zwischen diesen conischen Haaren finden sich in grosser Zahl die eigentlichen Drüsen und zwar zumeist sitzende Drüsen, deren Köpfchen eine weitgehende Theilung erkennen lassen, so dass wir Drüsen vor uns haben ganz nach dem Muster von Pinguicula (vgl. Fig. 22). Diese kuchenförmigen Drüsen sind auf den Sporn beschränkt, und zwar nehmen sie an Zahl zu nach dem Grunde des Sporns, so dass es keinem Zweifel unterliegt, dass sie neben den erwähnten Schlund- haaren dasjenige Secret produziren, dem die die Bestäubung vermit- telnden Insekten nachgehen. Die Blumenblätter sind verhältnissmässig gross, sehr zart und mit Ausnahme der Nerven nur zwei Zelllagen stark, Bei den Staubblättern ist ähnlich wie bei den Scrophularia- ceen eine Reduktion auf zwei eingetreten (Fig. 23). An sehr jungen Blüthen aber ist noch die Anlage eines dritten, ja mitunter selbst eines vierten Staubblattes zu er- kennen, was um so merkwürdiger ist, als bei Utrieularia drei Staub- blätter spurlos verkümmert sind. Diese meine Beobachtung stimmt überein mit der von Dickson, der bei Pinguieula noch die An- lage der zwei mittleren Staub- blätter regelmässig gesehen haben will. Auch bei Polypompholyx sind es die zwei mittleren Staubblätter, welche neben den beiden vorderen noch zur Anlage kommen; und zwar ist das eine dieser später Fig. 24. Längsschnitt durch den Frucht- yerkümmernden Staubblätter etwas Knoten von Polypompholyx. stärker angelegt als das andere. An der fertigen Blüthe sind freilich nur mehr die beiden vorderen Staubblätter ausgebildet, welche stark verbogen sind, so dass die Antheren sich gegenseitig berühren, ja sogar bisweilen mit einander verwachsen. Durch diese starke Torsion der Filamente werden die ursprünglich extrorsen Antheren intrors. In den Filamenten, welche sich an der Ansatzstelle der Antheren stark verdieken und hier auch Drüsen tragen, verläuft ein stark entwickeltes Gefässbündel, das im Unterschied zu dem Leitbündel des Laubblattes mehrere Ring- und Spiralgefässe enthält. Auffallend in einem jungen Antherenfach sind 171 die inneren Tapetenzellen, welche schlauchartig gestreckt sind. Die Jugendliche Epidermis schwindet, während die darunter liegende Zell- schicht zum wohl entwickelten Endothecium sich gestaltet. Das Arche- spor ist nur eine Zeillage stark. Die Antheren öffnen sich durch Längsrisse, und zwar ist die Stelle, wo sich die einschichtige Antheren- wand öffnet, zu einem äusserst dünnen Häutchen zusammengeschrumpft, Die Pollenkörner sind tetra&drisch und zeigen vier Austrittsstellen. Der Fruchtknoten von nahezu kugeliger Gestalt besteht aus zwei median gestellten Fruchtblättern. Auf einem kurzen Griffel sitzt die zweilippige Narbe. Die eigentliche Narbe, das ist die Unterlippe, wird bei Polypompholyx nur von der Spitze des vorderen Fruchtblattes gebildet; sie ist von zahlreichen langzahnförmigen Papillen besetzt, während die Spitze des hinteren Fruchtblattes, von der die Oberlippe gebildet wird, zu einem Zähnchen verkümmert ist, das weiter nicht mehr als Narbe functionirt. Der Griffel ist von einem Griffelkanal durchbohrt (Fig. 24), der mit einem Pollenschlauch leitendem Gewebe ausgestattet frei auf der muldenförmig vertieften Narbe ausmündet und hier sich bauchig erweitert. Auf der fleischigen, freien Centralplacenta, die mit Nährstoffen für die Samenknospen reichlich versehen ist, sitzen die zahlreichen anatropen Samenanlagen, die eines Gefässbündels ent- behren; deun die Leitbündel enden, noch ehe sie den Rand der Pia- centa erreichen. Samenentwickelung. Die Entwickelungsgeschichte zeigt uns die Anlagen der Samen- knospen von Polypompholyx als kleine Höcker, die aus einer Zellgruppe der Placenta hervorgehen. Der anfangs gerade Höcker beginnt später sich zu krümmen und lässt die Embryosackmutterzelle als eine plasma- \ reiche, hypodermale Zelle erkennen (Fig. 25). & Auf einem älteren Stadium finden wir dann ein N" stark ausgebildetes Integument (wie es für alle Fig. 25. Samenanlage Lentibularieen charakteristisch ist), welches von Polypompholyx mit einen dünnen Nucellus einschliesst, der nur aus Archespor. einer axillen Zellreihe und einer äusseren Hüllschicht besteht (Fig. 26). Die Embryosackmutterzelle wird in drei Tochterzellen getheilt, von denen die untere die oberen verdrängt und zum Embryosack heran- wächst (Fig. 27). Die Bildung des Eiapparates und der Antipoden im Embryosack verläuft normal. Schon auf dem Stadium, wo von den drei Tochterzellen die untere die beiden oberen zu verdrängen beginnt, 172 sehen wir die Anlage einer Tapete um den Embryosack, welche sich aus der innersten Zellreihe des Integuments herausdifferenzirt. Die Hüllschicht des Nucellüs wird schon frühe vom heranwachsenden Em- bryosack vollständig verdrängt, so dass letzterer nunmehr frei aus der Mikropyle hervortritt. In der Nähe der Mikropyle finden wir dann den Embryosack, der sich bedeutend streckt, bauchig erweitert, was damit zusammenhängt, dass hier sich der Eiapparat befindet, der aus einer verhältnissmässig grossen Eizelle und zwei grossen Synergiden besteht (Fig. 28). Letztere sind etwas schlauchartig ausgezogen und weniger tief inserirt als das Ei. Der Embryosack ist reichlich mit Nähr- stoffen erfüllt. Die zur Querachse der Samenknospe gestreckten Ta- petenzellen begleiten den Embryosack nur bis zu seiner Erweiterung. Fig. 26. Samenanlage von Polypompholyx. Fig. 27. Die beiden oberen Tochter- Die Embryosackmutterzelle hat sich in drei zellen werden von der zum Embryo- Tochterzellen getheilt, von denen die untere sack heranwachsenden unteren Zeile zum Embryosack heranwächst. » Nucellus. verdrängt. t Tapete. Das Hervortreten des Embryosacks aus der Mikropyle hängt mit einem Nährgewebe zusammen, welches sich in einer ventralen An- . schwellung des Funiculus befindet. Diese Lage des Nährgewebes verdient Beachtung, weil dasselbe bei anderen Utrieularien in der Placenta entwickelt ist. Wir wollen dieses Nährgewebe als das_basale bezeichnen. Dasselbe ist einerseits durch seinen reichlichen Plasma- gehalt, andererseits durch grössere Zellkerne scharf markirt gegenüber den angrenzenden übrigen Funicularzellen. Dieses basale Nährgewebe ist schon deutlich differenzirt, noch ehe das Integument den Nucellus vollständig umgibt. Weniger scharf differenzirt ist auf diesem Sta- dium das in der Nähe der Chalaza gelegene Nährgewebe, das wir als terminales Nährgewebe bezeichnen wollen. Erst nach Ausbildung des Eiapparates und der Antipoden ist auch dieses terminale Nähr- 173 gewebe durch seinen Plasmagehalt scharf von dem angrenzenden Integumentgewebe abgesetzt. — Das Vordringen des Embryosacks nach dem basalen Nährgewebe erfolgt schon, vor der Befruchtung. Denn die Epidermis, welche das Nährgewebe nach Aussen abschliesst, und einige der Epidermis zunächst liegende Zellen des Nährgewebes selbst sind vom Embryosack schon aufgezehrt, noch ehe die Befruch- tung eingetreten ist. Dem Pollenschlauch wird der Weg zur Mikro- pyle vorgezeichnet durch plasmareiche Epidermiszellen des Funiculus, deren Wände nach Aussen verquellen. Diese leitenden Zellen sind ziemlich gestreckt. Der Befruchtungs- vorgang ist normal; der verhält- nissmässig weitwandige Pollenschlauch wird nach seinem Eintritt in die Fruchtknotenhöhle theils durch das papillöse Epithel der Placenta, theils durch das des Funiculus, wie schon erwähnt, direct zur Mikropyle geleitet, wo er sich unmittelbar an die Wand des hier erweiterten Embryosackesanlegt. Fine Fig. 28. Samenanlage im Längsschnitt. bN basales direete Berührung mit Nährgewebe, {N terminsles Nährgewebe, Ei Ei- . apparat, An Antipoden, ? Tapete. einer der Synergiden scheint nicht stattzufinden. Nach der Befruchtung sind im Ei zuweilen zwei Kerne sichtbar. Nach der Befruchtung zeigt der Embryosack in seinem oberen und unteren Abschnitt ein von seinem mittleren Abschnitt differentes Verhalten. Während nämlich die mittlere Zone des Embryosackes sich durch freie Zellbildung mit Endosperm füllt, wächst sowohl sein ter- minales, wie auch sein basales Ende zu einem Haustorium aus. Be- sonders mächtig entwickelt sich das Haustorium an der Chalaza. Da hier dem Fmbryosack ein sehr ausgedehntes Nührgewebe zur Ver- fügung steht, so wächst sein terminales Maustorium geradezu hyphen- artig aus und durchwuchert wie ein Pilzmycel das ganze Nährgewebe. Anfänglich schwillt das terminale Ende des Embryosackes bauchig an 174 und legt sich so dem Nährgewebe an (Fig. 29). Indem später eine Längswand in dieser Anschwellung auftritt, werden zwei grosse Haustorialzellen gebildet (Fig. 30), die keine weitere Theilung mehr erfahren, aber nunmehr dendritisch aussprossen (Fig. 31 u. 32), in einer Fig. 30. Durch eine Längs- wand wird die terminale Anschwellung des Embryo- Fig. 29. Beginn der Haustorienbildung. Das termi- sacks in zwei grosse Hau- nale Ende des Embryosackes schwillt bauchig an. storialzellen (HH) getheilt. Fig. 31. Das terminale Haustorium ({H) ver- Fig. 32. Mycelartige Verzweigung zweigt sich mycelartig. E Embryo, EndEn- der beiden terminalen Haustorial- dosperm, N Nährgewebe, zellen. Weise, wie es bei anderen Untricularien nicht der Fall zu sein scheint. Jede dieser beiden Riesenzellen beherbergt auch einen Riesenkern, den Haustorialkern. Diese Kerne sind aber weiter nichts als differenzirte 175 Endospermkerne, was aus der Abbildung Fig. 33 hervorgeht. Hier hat der secundäre Embryosackkern sich Fig. 33. E zweizelliger Embryo, N ba- sales Nährgewebe, e Embryosack. Der secundäre Embryosackkern hat sich be- reits getleilt; der eine Kern ist nach dem Grunde des Embryosacka gewandert; der zurückgebliebene Kern schickt sich abermals zur Theilung an. bereits getheilt, Der eine Kern Fig.34. Der nach dem Grunde des Embryosackes gewanderte Endosperm- kern hat sich in die beiden Haustorial- kerne (Hk) getheilt. End Endosperm. E Embryo, ist nach dem Grunde des Embryosacks gewandert und liefert dort durch Theilung die beiden Haustorialkerne (Fig. 34); der im mittleren Theil des Embryosackes zurückge- bliebene Kern schickt sich abermals zur Theilung an, resp. die Theilung ist nahezu vollendet; der eine Kern davon wandert später nach dem ba- salen Haustorium und bildet hier die Grundlage zu den beiden anderen Haustorialkernen. Viel einfacher als das terminale Haustorium gestaltet sich das basale, welches unverzweigt bleibt, oder doch nur kleine Ausbuchtungen bil- det, was ja auch infolge der viel kleineren Ausdehnung des basalen Nährgewebes cerklärlich ist. N Fig.35. BasalesHaustorium mit den beiden grossen gelappten Hau- storialkersien. N basales Nährgewebe, Auch hier begegnen wir zwei grossen Haustorialkernen (Fig. 35), die nicht selten gelappt erscheinen. 176 Embryologie. Die Embryoentwickelung geht in der Weise vor sich, dass die befruchtete Eizelle sich zu einem ziemlich langen Schlauche streckt, der durch eine etwas schräg verlaufende Wand in eine längere, der Mikropyle zugekehrte Zelle, und in eine kürzere, von ihr abgewandte Zelle zerfällt (siehe Fig. 33). Die eine dieser beiden Zellen wird nun zum Embryoträger, die andere zur Embryomutterzelle. Der Embryo- träger unterliegt mehreren Quertheilungen. Die Embryomutterzelle jedoch, die schwach gekrümmt erscheint, wird durch eine etwas schräg verlaufende Querwand in eine kleinere obere und in eine grössere untere Zelle getheilt. Durch das Auftreten einer schrägen Theilungswand einerseits und durch den Umstand, dass die Embryomutterzelle schon anfangs durch ungleiches Wachsthum etwas gekrümmt wird, erscheint die obere Zelle etwas bei Seite geschoben, nicht aber durch einseitiges Wachs- thum der unteren Zelle, wie Kamienski es von Utricularia vulgaris behauptet. (Bot. Zeitung 1877.) In der weiteren Entwickelung wird a Fig. 36 u. 37, A. Embryoträger Et Die Embryo- Fig.88u.89. C. Die Zelle P zer- mutterzelle hat sich durch eine schräge Quer- fällt durch eine Längswand in die wand in die Zellen « u. 5 getheilt.— B.Durch Zellen 3 und 8, — D. Die Scheitel- eine gleichfalls etwas schräg verlaufende Quer- zelle b zerfällt durch eine schiefe wand wird die Zelle a getheilt, so dass der Längswand in die Schwesterzellen Embryo jetzt aus drei Zellen besteht. < und &. Et Embryoträger. alsdann die untere Zelle durch eine zweite, gleichfalls etwas schräg verlaufende Querwand in zwei Zellen getheilt, so dass der Embryo nunmehr aus drei Zellen besteht (Fig. 36 u.37). Nach Kamienski geht diese zweite Scheidewand bei Utricularia vulg. nicht ganz quer durch die Zelle, sondern verläuft schräg; insoweit herrscht nun auch Uebereinstimmung mit Polypompholyx; aber dass diese letztgenannte Scheidewand sich an die Querwand der darüber gelegenen Scheitelzelle anlegt, wie es Kamienski von Utrieularia vulg. behauptet, konnte bei Polypompholyx nicht constatirt werden. — Die Möglichkeit eines solchen Vorkonimens bei Utrieularia vulg. ist recht wolıl denkbar bei 177 noch stärkerem Convergiren der Scheidewände. Durch Auftreten von Längswänden erfolgt der weitere Schritt in der Entwickelung des Embryo, Durch eine Längswand zerfällt nämlich die mittlere Zelle B (Fig. 38 u. 39) in zwei später zur Längsachse des Embryo sich streckende Zellen und %. Auch die Scheitelzelle 5 wird durch cine Längswand getheilt. Indem aber diese Längswand nicht die gerade Fortsetzung der anderen bildet, sondern etwas seitlich an die nächste Wand ansetzt und ziemlich schief verläuft, so kommen am Scheitel zwei Schwesterzellen e und & zu Stande, von denen die eine ein wenig grösser ist als die andere. Aber auch die Basalzeile « (Fig. 37 3) nimmt am Aufbau des Em- bryo Antheil, indem sie Quer- und Längstheilungen erfährt und ‚nach aussen durch peri- eline Theilungen die Epi- dermiszellen abgibt. So wird weiter durch pericline und anticline Theilungen der ganze Embryo aus den drei Zellen «a, ß und 5 aufgebaut und so kommen schliesslich Embryonen zu Stande, welche auf gewissen Stadien ganz mit den von Kamienski beschriebenen Embryonen von Utricularia vulg. im Auf- bau übereinstimmen, wenn auch für die Embryonen yon Fig. 40. Samenlängsschnitt von Polypompholyx Utrieularia vulg. von Ka- E Embryo, End Endosperm, bH basales Hau- mienski ein anderer Ent- storium, tH terminales Haustorium, £N termi- stehungsmodus angegeben sales Nährgewebe, DN basales Nährgewebe, wird (Fig. 34). Den grössten Antheil am Aufbau des Embryo hat aber die Mittelzelle ß; der an- fangs ovale Embryo nimmt später eine mehr kugelförmige Gestalt an (Fig. 40), indem die obere und untere Zelle (a und 5) einen verhält- nissmässig geringen Antheil am Aufbau des Enıbryo nehmen und das weitere Wachsthum des Embryo besonders in der Richtung der Quer- achse des Embryo vor sich geht; doch erscheint der kugelförmige Embryo an beiden Polen abgeplattet. Von einer Wurzelanlage ist an der Ansatzstelle des Embryoträgers nichts zu bemerken. Der ent- 178 gegengesetzte Pol des Embryo trägt in einer muldenförmigen Ver- tiefung den aus kleinzelligem Gewebe gebildeten Vegetations- punkt (Fig. 41). Letzterer liegt nicht genau terminal, was sich aus der ersten Anlage des Keims erklärt, dessen Spitze etwas seitlich verschoben ist. Von Protuberanzen ist auch in reifen Samen nichts zu merken; bisweilen aber macht es gleichwohl den Eindruck, als ob schwache Erhebungen die ersten Organanlagen andeuten wollten. Indem der Embryosack in seinem mittleren Abschnitt sich mit Endosperm füllt, geht er von der anfangs länglichen Form über in die spindelförmige. In reifen Samen aber ist vom Endosperm weiter nichts mehr vorhanden als ein zartes, dünnes Häutchen, von dem der Embryo umhüllt wird. — Das Endosperm enthält vorwiegend Aleuron und Fett, welches auch in den Zellen des Embryo reichlich abge- lagert ist. Die Samenschale ist nur eine Zelllage stark; ihre Elemente sind stark verkorkt und hexagonal. Die Tangentialwände sind stärker verdickt als die Radialwände. Die Zellwände weisen nur vereinzelte Tüpfel auf. Somit stimmt auch Polypom- pholyx in der Ausbildung des Endosperms, resp. im gänzlichen Fehlen desselben im reifen Samen, sowie in der Bildung der Testa aus nur einer Zellschicht des Integuments mit den anderen Utrieularien überein. Ueberein- stimmend mit den bisher untersuchten Arten von Utricularia verhält sich Polypompholyx Fig. 41. Embryoim Längs- ferner in der Ausbildung von nur einem ein- schnitt. V der aus klein- Jinen dieken Integument mit Tapete, im Her- zelligem Gewebe gebildete vortreten des Eınbr k der Mikropyle, Vegetationspunkt. yosacks aus de . weiter in der Ausbildung von Haustorien al der Chalaza und in der Nähe der Mikropyle, in der Anlage von einen terminalen und einem basalen Nährgewebe. Unterschiede sind gegeben gegenüber den anderen Utrieularien in der Lage des basalen Nährge- webes, das sich im Funiculus befindet, auch in der stärkeren Entwickelung des terminalen Nährgewebes und des daselbst sich bildenden Hausto- riums. Die Samenentwickelung dürfte mit geringfügigen Unterschie- den ebenfalls mit den bisher untersuchten Utrieularien übereinstimmen. Die Reste des basalen Nährgewebes und das basale Haustorium selbst werden durch eine Zone von verkorkten tafelfürmigen Endo- spermzellen vom Funiculus abgeschnürt. Ausserdem werden die an der Abschnürungsstelle gelegenen Endospermzellen zur Ergänzung der Testa verwendet, indem ihre Wände verkorken. 179 Polypompholyx tenella. Polypompholyx tenella wurde bei Melbourne gesammelt. Das zarte PHänzchen, etwa 4cm hoch, ist im Wesentlichen ebenso gebaut wie Polyp. multifida, aber gewissermassen die Miniaturform von letzterer. Nur sind die an der Basis der Inflorescenzachse zu einer Rosette vereinigten ungetheilten Laubblätter etwas fleischiger als die von Polyp. multifida. Auch die Blasen weichen von denen der grösseren Art insoferne ab, als sie meist kurz gestielt sind. Die Ausläufer bieten nichts Abweichendes. Die zarte Inflorescenzachse trägt nur 1--2 Blüthen, während die von Polyp. multifida etwas reichlicher mit Blüthen ausgestattet ist. Abgesehen von der Grösse sind Polyp. mul- tifida und Polyp. tenella am meisten different in Anbetracht der Blüthe, Deckblatt und Vorblätter sind ebenso gebaut wie bei Polyp. multifida. Dagegen ist das hintere Kelehblatt von tenella dem vorderen weit mehr an Grösse überlegen, als dies bei Polyp. multifida der Fall ist. Auch zeigt das vordere Kelchblatt nur eine sehr schwache Ausran- dung, während bei Polyp. multifida das vordere Kelchblatt meist deutlich gelappt erscheint. Besonders unterscheidet sich Polyp. tenella durch den lungen, schmalen, nach unten etwas verjüngten Sporn der Blumen- krone von dem kurzen, stumpfen Sporn von Polyp. multifida. Während ferner die drei Lappen der Unterlippe von Polyp. multifida deutlich selbst wieder ausgerandet sind, sind bei Polyp. tenella die drei Lappen ‚der Unterlippe ganzrandig. Auch sind bei Polyp. multifida die beiden Zipfel der Oberlippe viel länger und zugespitzter als die von Polyp. tenella. Bei letzterer öffnen sieh die Antheren genau nich der Mediane der Blüthe, also einwärts, während bei Polyp. multifida die Oeffnung der Antheren mehr uach aussen erfolgt. Von den sechs Gewebe- polstern an der Basis der Unterlippe von Polyp. multifida finden sich deren nur vier bei tenella. In ihrer Anatomie stimmen beide Arten überein, li. Byblis gigantea. Morphologie, Anatomie und Samenentwiekelung von Byblis gigantea. Man kennt bisher nur zwei Arten von Byblis, die auf Australien beschränkt sind, nämlich die bekannteste Art Byblis gigantea Lindl und die viel zartere Byblis liniflora Salisb. Die an feuchten Standorten gedeihende Byblis giganten ist eine Pflanze von halbstrauchigem Wuchs und besitzt einen dicken, auf- rechten Stamm und ein schräg aufsteigendes hartes Rhizom. Sie ge- 180 hört also zu den perennirenden Pflanzen, indem ihr unterirdischer Stamm oberirdische Triebe entwickelt, die zum Blühen gelangen und nach der Fruchtreife wieder absterben. Die oberirdischen Triebe der Pflanze erreichen eine Höhe von 40cm und darüber. Sie sind mit grasartig schmalen Blättern ver- sehen, welche Spiralstellung aufweisen und durch annähernd gleich lauge Internodien von einander getrennt sind. Nur nach der Basis des oberirdischen Sprosses zu und insbesondere an der Basis selbst rücken die Internodien enger zusammen. In den Achseln der schmalen Blätter entspringen die sehr lang gestielten Blüthen von schöner vio- letter Farbe; jeder Blüthenstiel trägt nur eine Blüthe. Die Blüthen selbst sind radiär gebaut und besitzen breite Blumenblätter und sehr schmale Kelchblätter. Die Laubblätter und die Sprossachse sind mit zahlreichen gestielten und sitzenden Drüsen besetzt, welche am meisten mit den Drüsen von Pinguicula in ihrem Aufbau übereinstimmen. Die zahlreichen Insektenleichen, welche an den Drüsen kleben, lassen deutlich erkennen, dass hier eine insectivore Pflanze vorliegt. Nach dieser allgemeinen Schilderung wollen wir uns die Pflanze morphologisch und anatomisch nun näher betrachten. Laubblatt. Die Laubblätter von Byblis gig. erreichen eine Länge von etwa 27cm und eine grösste Breite an ihrer Basisvon nur 2'/;mm, in der Mitte aber nur von etwas über Imm. Die basalen Blätter der Spross achse sitzen letzterer mit ziemlich verbreitertem*Blattgrunde an. Die Laubblätter sind ohne Nebenblätter; ein Unterschied von Stiel und Spreite ist am Blatte nicht gegeben. Die Drüsen sitzen am Blatte zerstreut, nicht aber in „zwei langen Wimperzeilen“, wie irrthümlich bei Engler-Prantl angegeben ist. Während es nun für die lang gestreckten Blätter der Droseraceen charakteristisch ist, dass sie infolge ihres Spitzenwachsthums in der Knospenlage schneckenförmig einge- rollt sind, lassen die langgestreckten Blätter von Byblis diese Eigen- thümlichkeit ganz und gar vermissen; sie zeigen nur intercalares Wachsthum. Es ist daher ein Irrtthum, wenn in der „Flora Austrä- liensis“ Vol. II pag. 469 geschrieben steht: „Leaves linearsubulate, involute in vernation“. Von einer Einrollung der linealen Blätter in der Knospenlage ist nämlich bei Byblis keine Spur zu ent- decken. Dagegen haben die Laubblätter und Kelehblätter von Byblis eine andere Eigenthümlichkeit, nach der man bei den übrigen Drose- raceen vergebens suchen wird, nämlich die Eigenthümlichkeit, dass 181 sie an ihrem terminalen Ende kolbenförmig angeschwollen sind. Die Blattspitze scheint hier neben der Assimilation und Wasser- leitung noch eine andere Fuunetion übernommen zu haben, nämlich die Function der Wasserausscheidung. In Uebereinstimmung mit den Standortsverhältnissen erscheinen die Blätter insbesondere nach der Spitze zu fast ceylindrisch; es wird auf diese Weise eine Herab- setzung der Wasserverdunstung herbeigeführt. Querschnitte zeigen aber den dorsiventralen Bau des Blattes, das nur an der Spitze wirklich radiär gebaut ist. Blattanatomie. Wir beginnen dieselbe mit der bauchig angeschwollenen Blatt- spitze. Ein Querschnitt, welcher hart unter dem terminalen Ende geführt wird (Fig. 42), zeigt innerhalb der Epidermis ein nur zwei Schichten. starkes Assimilationsgewebe, von dem ein centrales, nur aus Fig. 42. Querschnitt durch das angeschwollene Blattende von Byblis. Derselbe lässt einen tracheidalen Saum_(f) um das Leitbündel erkennen. E Epidermis, P Stärkescheide, As Assimilationsgewebe. tracheidalen Elementen bestehendes Gewebe umscheidet wird. Wie die Abbildung erkennen lässt, zeigen diese tracheidalen Elemente eine ganz bestimmte Anordnung, die mit ihrer Funetion zusammenhängt. Da nämlich jenes Gefässbündel, welches das Blatt fast seiner ganzen Länge nach durchzieht, in einiger Entfernung yon der Blattepitze endigt, so wird das Assimilationsgewebe der Blattspitze ausschliesslich Flora 1901. 13 182 von diesen tracheidalen Elementen mit Wasser versorgt. Aber noch ehe jenes Gefässbündel erlischt, sehen wir schon diese tracheidalen Elemente in radialer Anordnung um das Gefässbündel auftreten, welch letzteres von ihnen umscheidet wird wie von einem Hohlcylinder (siehe Fig. 42). Alle diese tracheidalen Elemente sind radial gestreckt und verlaufen senkrecht zum Leitbündel nach der Parenchymscheide, um so auf kürzestem Wege den in der Peripherie gelegenen assimi- lirenden Zellen den Wasserbedarf aus den Gefässen zuzuführen. Es ist hier in diesem tracheidalen Saume gleichsam ein Ersatz gegeben für die an dieser Stelle bereits erloschenen Gefässbündel. Wo nun auch das letzte Gefässbündel endigt, setzt sich an dasselbe, gleichsam dessen gerade Fortsetzung bildend, ein tracheidaler Strang an (Fig. 43), ER NE VEELZECS a at Ss a en ey F Fig. 44, Wasserspalte am terminalen Blattende. SEE SEI Sr ASS, a a un GES: BER ss Ss De FE EB -Z u - RE Fig. 48. Längsschnitt durch das terminal ange- Fig. 45. Wasserspalte mit schwollene Ende eines Laubblattes, An Stelle darunter vorspringenden tra- des Leitbündels sind die tracheidalen Elemente cheidalen Elementen. (tt) getreten. der vertical wie das Leitbündel emporsteigt und von dem senkrecht zu seinem Verlaufe in radialer Richtung andere tracheidale Elemeute nach dem Assimilationsgewebe der Peripherie verlaufen. Erst un mittelbar unter der Blattspitze erweitert sich der tracheidale Strang, seine Elemente nach allen Seiten aussendend (Fig. 43). Die äussere Form dieser tracheidalen Zellen kann recht verschieden sein. Bald sind die Zellen oval, bald kugelförmig, dann wieder eylindrisch oder flaschenförmig, polygonal oder rechteckig. Die Tüpfel weisen alle 188 Uebergänge auf, und so erscheinen die Zellen bald wie punktirt, dann spiralig oder netzförmig gestreift. Die Tüpfel sind nur äusserst schwach behöft und bilden so nur einen Uebergang zu den behöften Tüpfeln. Man kann daher diese wasserleitenden Elemente kaum wohl als Tracheiden bezeichnen, wohl aber als tracheidale Elemente. Diese tracheidalen Elemente haben, wie es scheint, nicht bloss die Aufgabe, dem Assimilationsgewebe der Blattspitze das erforder- liche Wasser zuzuführen; es dürfte ihnen wohl auch die Aufgabe zu- kommen, das allenfalls bei aufgehobener Transpiration in Ueberfluss angesammelte Wasser nach gewissen Spalten abzuführen, die in ihrem Bau mit den Wasserspalten anderer Pflanzen übereinstimmen und bier bei Byblis auf die Blattspitze beschränkt sind. Diese vermuthlichen Wasserspalten (Fig. 44) zeichnen sich schon durch ihre Grösse von den typischen Spaltöffnungsapparaten aus. Sie sind hoch über das Niveau der Epidermis emporgehoben und ohne Nebenzellen. Ein direeter Anschluss an das Wasserleitungssystem ist nicht gegeben. Man sieht nur bisweilen einige trachei- dale Elemente nach der Wasserspalte | vorspringen. Auch ein typisches Epi- them kommt hier nicht zur Ausbildung. Unter der Spalte befindet sich ein ziemlich grosser Intercellularraum. \ | Fig. 46. Blattquerschnitt (schematisirt). Fig. 47. Radialschnitt durch ein Laub- G Gefässbündel, As Assimilationsge- blatt. Derselbe zeigt nur das Assimi- webe, s.Dr. sitzende Drüse, g.Dr. ge- lationsgewebe und die langgestreckten stielte Drüse. Epidermiszellen (E). Querschnitte aus der Mitte des Blattes (Fig. 46) geben ein we- sentlich anderes Bild. Der Umriss des Blattes gleicht hier etwa einem gleichseitigen Dreieck, das an seinen drei Enden abgerundet ist. Die Epidermis zeigt stark verdickte Aussenwände, weniger verdickte 13* 184 Innenwände und schwach verdickte Radialwände. Die Oberhautzellen sind in der Längsrichtung des Blattes enorm gestreckt (Fig. 47) und führen zahlreiche Leucoplasten. — Der Spaltöffnungsapparat besteht bei Byblis aus Schliess- und Nebenzellen, welche über die angrenzenden Epidermiszellen etwas emporgehoben sind (Fig. 48). Die darunter liegende Athemhölile ist ziemlich grossund verhältnissmässig \ tief. Die Schliesszellen führen E reichlich Chlorophyll, dessen die T: Nebenzellen entbehren. Die Neben- N zellen sind nach Aussen und Innen ss’ viel weniger verdickt als die an- grenzenden Oberhautzellen und lassen so ihre Zugehörigkeit zu den Schliesszellen deutlich erkennen. — Die Cutieula ist durch Zähn- chen nicht verankert. Sie setzt Fig. 48. Spaltöffnungsapparat (mit Neben- gich durch die Spalte über die zellen). Schliess- und Nebenzellen bis zum Beginn des chlorophylI- führenden Palissaden- parenchyms fort und schwilltan den Selıliess- zellen oben und unten zu _ schnabelförmigen Fortsätzen an. Es ist zu beachten, dass bei Drosera die Neben- zellen fehlen; aber auch bei Pinguieula. Der Spalt zwischen den y Schliesszellen ist ziem- Fig. 49. Theil eines Blattquerschnittes. E Epidermis, lich gross. . P Palissadenparenchym, S Stärkescheide, Sb Siebtheil, Auf die Epidermis sK Sklerenchymbeleg, G@ Gefässtheil, folgen nun drei bis vier Schichten von radial gestellten, chlorophylihaltigen Zellen, welche zur Oberfläche des Blattes senkrecht sind und radial gestreckt erscheinen und die wir daher als Palissadenzellen bezeichnen können. Sie sind zwei bis drei Mal so lang als breit und erscheinen auf dem Tangential- schnitt kreisrund. Diese Palissadenzellen lassen, wie die Abbildung 185 zeigt (Fig. 49), radial gestreckte Intercellularräume zwischen sich frei. Ueberhaupt lässt der ganze Bau des Assimilationssystems erkennen, dass neben der reichlichen Durchlüftung des Blattes ihm das Prinzip zu Grunde liegt, die Assimilationsprodukte auf kürzestem Wege der Hauptleitungsbahn zuzuführen. Die Anordnung der Gefüssbündel bringt es ferner mit sich, dass das Palissadenparenchym an den abgerundeten Kanten des Blattes weniger stark entwickelt ist als dazwischen. — Unmittelbar auf das Assimilationsgewebe folgt alsdann eine chlorophyli- freie Zellschicht, deren Elemente lückenlos zusammenschliessen und sich durch ihren Stärkegehalt vor den benachbarten Zellen auszeichnen : es ist die Stärkescheide. Die Stärke ist vorzugsweise in jenen Zellen der Scheide abgelagert, welche unmittelbar an den Sklerenchymbeleg des Siebtheiles grenzen. — Das Mark des Blattes, von der Stärkescheide umgeben, besteht aus grossen, polygonalen, unge- tüpfelten Zeilen, welche nur kleine dreieckige Lufträume frei lassen und nach der Blatt- mitte zu an Grösse zunehmen. — Eingebettet im Mark finden wir, je nachdem die Schnitte höher oder tiefer geführt wer- den, drei bis fünf Gefäss- bündel, welche in den abge- rundeten Kanten des Blattes verlaufen. Die Bündel sind typisch collateral (Fig. 50). Ein Fig. 50. Laubblattgefässbündel. As anugren- starker Sklerenchymbeleg um- „endes Assimilationsgewebe, S Stärke- gibt den Siebtheil sowohl an scheide, Sk Sklerenchymbeleg, Sb Biebtheil, den Flanken, wie auch nach 6 Gefässtheil. aussen und innen. Besonders stark sind diese sklerenchymatischen Elemente nach aussen vom Siebtheil entwickelt. Die getüpfelten Sklerenchymfasern sind hier im Blatt enorm gestreckt und greifen mit scharf zugespitzten Enden in einander. Der Gefässtheil weist zahlreiche Tracheiden auf, dagegen nur wenige Gefässe. Auch die Tracheiden sind enorm gestreckt und greifen ebenfalls mit zugeschärften Enden in einander, Langgestreckt erscheinen auch die wenigen Gefässe. Was die Form der Verdickung betrifft, so kann man hier wohl alle Uebergänge beobachten. Io finden wir mit Schraubenbändern 186 versehene Tracheiden resp. Gefässe, netzförmig verdickte Elemente, dann Leitergefässe, Tracheiden mit weit aus einander gezogenem Schraubenbande, Ringgefässe, Tracheiden mit zwei Schraubenbändern, welche stellenweise sich spalten. Dazu treten dann noch äusserst schwach behöft getüpfelte Gefässe und Tracheiden. Die Gefässe sind seitlich an ihren Enden mit ovaler Oeffnung durchbrochen. Querschnitte durch den Blattgrund lassen erkennen, dass nur drei Gefässbündel vom Sprosse nach dem Blatte abgegeben werden, und zwar sind diese drei Gefässbündel an der Blattbasis mit ihren Flanken durch Sklerenchym wie zu einem einzigen breiten Bündelstrang ver- bunden. Von diesen drei Gefässbündeln ist das mittlere das grössere. Höhere Schnitte zeigen uns die beiden seitlichen Gefässbündel von dem mittleren durch Markparenchym getrennt. Hier sieht man be- sonders schön, wie ein jedes der drei Bündel vollständig von einer Stärkescheide umgeben ist, deren Elemente ganze Ballen von Stärke aufweisen. Noch höhere Schnitte zeigen uns dann die beiden seitlichen Bündel gespalten. Der Blattquerschnitt weist jetzt fünf Gefässbündel auf (Fig. 5l). Zuweilen erscheint auch noch links und rechts vom mittleren Bündel ein relativ kleines Bündel durch Spaltung des mittleren Gefässbündels, so dass wir nunmehr sieben Leitbündel im Blatte vorfinden. Noch sei erwähnt, dass bisweilen ganze Zellgruppen im Marke des Laub- blattes verholzen. Diese verholzten Mark- elemente erscheinen dann getüpfelt. Fig. 51. Blattquerschnitt (etwas Als Anhangsgebilde der Epi- unter der Mitte). dermis sind die sitzenden und gestielten Drüsen zu bezeichnen, welche in parallelen Längsreihen s0 angeordnet sind, dass eine drüsenbesetzte Zellreihe stets alternirt mit einer oder zwei drüsenfreien Zellreihen (Fig.52). Nach der Secretbildung dürften ähnlich wie bei Pinguicula die langgestielten Drüsen mit ihrem scheibenförmigen Köpfchen , das von einer klebrigen Schleimhülle umgeben ist, als Fanghaare zu be- zeichnen sein, während die sitzenden Drüsen wohl das verdauende Secret ausscheiden und als Digestionsdrüsen somit zu bezeichnen wären. Fütterungsversuche indess wurden meinerseits nicht gemacht. Im Bau stimmen diese Drüsen überein mit den Drüsen der Lenti- bularieen, Es sind Epidermisgebilde. Im einfachsten Falle besteht eine solche Drüse aus nur drei Zellen: einer Endzelle, einer Mittel- 187 zelle und einer Basalzelle. Durch Quadrantentheilung jedoch und durch das Auftreten von noch vier antiklinen Wänden gestaltet sich die Endzelle zu einem scheibenförmigen Drüsenkörper, der gewöhnlich aus acht Zellen besteht, ganz wie bei Pinguieula. Wie sehr die sitzenden Drüsen von Byblis übereinstimmen mit denen von Pinguieula» erhellt aus der Abbil- , a \ dung Fig. 53 und 54, N woaeine sitzende Drüse o von Byblis bezeichnet und 5 eine solche von Pinguic. alpina. Beide sind nahezu gleich gross. — Die Mittel- zelle wölbt ihre Wand uhrglasförmig vor und bleibt (Fig. 55) unge- theilt, während im Unterschiede zu Pin- guicula die Basalzelle ganz wie die Endzelle getheilt wird, wodurch die Drüse fest verankert wird. So beschaffen sind die sitzenden Drü- Fig. 52) REin Stück der Blattepidermis, die Ver- sen, welche ungleich itheilung der Drüsen zeigend. zahlreicher sind als die gestielten Drüsen. (2 BD 2@ ID U at ea 7 9 u Sp N Fig.53 u.54. « Sitzende Drüse von Byblis, b Sitzende Drüse von Pinguicula, Fig. 55. Sitzende Drüse von Byblis. Die langgestielten Drüsen kommen dadurch zu Stande, dass hier die Basalzelle durch eine Querwand zunächst in eine obere und in eine untere Zelle getheilt wird. Die obere Zelle wächst nunmehr zu einem langen, einzelligen Stiele aus, während die untere Schwester- zelle ganz ähnlich wie die Endzelle einer weiteren Theilung\unterliegt und zwar einer Meridianaltheilung (Fig. 57 u.58). Die Kopfzelle ge- 188 staltet sich zur Drüsenscheibe (Fig. 56); nur ist die Zahl der auf- tretenden Antiklinen auf das Doppelte oder selbst auf das Vierfache erhöht, so dass die Drüsenscheibe der gestielten Haare meist aus 16 oder 32 Zellen zusammengesetzt erscheint. Die Absonderung des schleimigen Secretes am Drüsenkopf erfolgt nicht unter Sprengung der Cuticula, sondern durch ovale Poren, von welchen die Cuticula der Drüsenscheibe unterbrochen wird. Die Ränder dieser Poren sind deutlich cutinisirt. Diese Poren finden sich bei den gestielten Drüsen von Byblis nicht bloss auf der Oberfläche der Drüsenscheibe, wo sie zu einem Kreise angeordnet sind (siehe Fig. 56); sie finden sich ebenso zahlreich und in derselben Anordnung auch auf der Unterseite der Drüsenscheibe, so dass auf jede Zelle zwei Poren treffen, von denen die eine der Zelloberseite, die andere der Zellunterseite angehört. Auch die sitzenden Drüsen scheiden vermittelst solcher Poren das Secret aus. Auch hier kommt auf je eine Zelle eine Pore, resp. zwei (eine auf die Oberseite, die andere auf die Unterseite); nur sind die Poren hier viel kleiner und schwerer aufzufinden. Bei den Drüsen von Pinguicula und Drosera konnte ich solche Poren nicht entdecken- Fig. 58. Verankerte gestielte oben gesehen, 5 im Längsschnitt. 2 Poren. Drüse von Byblis, Die Drüsenzellen sind sehr plasmareich. Die Mittelzelle und die Stielzelle zeigen ziemlich verdickte und stark cutinisirte Seitenwände; äusserst dünn dagegen sind die Querwände, welche die Mittelzelle vom Drüsenkopf und von der Stielzelle trennen. Auch die Radialwände der Drüsenscheibe sind sehr zart und nicht cutinisirt. Vergleichen wir die Drüsenhaare von Drosera rotund. mit denen von Byblis, so springen die Unterschiede sofort in die Augen. Die gestielten Drüsen von Drosera rotund, besitzen ein kolbenförmige® 189 Köpfchen. Ein Gefässbündelfortsatz durchzieht den Stiel und erweitert sich kolbenförmig im Köpfchen. Die Anschwellung des Bündelendes wird von drei Zelllagen bedeckt, von welchen die innerste als Endo- dermis funetionirt. Die beiden äusseren Zelllagen führen dann purpur- rothen Zellsaft. All das vermissen wir bei den gestielten Drüsen von Byblis. Aber auch die gestielten Drüsen von Drosophyllum lusitanieum haben eine nur geringe äusserliche Aehnlichkeit mit den gestielten Drüsen von Byblis, indem sie auch in einer Scheibe endigen, die jedoch convex gebogen erscheint, während die Scheiben der Drüsen von Byblis nur im Centrum eine äusserst schwache convexe Wölbung erkennen lassen, sonst aber genau horizontal orientirt sind. Im ana- tomischen Bau stimmen jedoch die gestielten Drüsen von Droso- phyllum mit denen von Byblis ebenso wenig überein, wie die von Drosera rotund. — Die Scheibe besteht bei den gestielten Drüsen von Drosophyllum aus zwei Zelllagen, bei Byblis dagegen nur aus einer einzigen Zelllage. Die heiden erwähnten Zelllagen stellen bei Droso- phyllum den secernirenden Apparat dar; unter der secernirenden Scheibe finden wir dann eine sog. Mittelschicht, das ist eine Zelllage, deren Längswände stark ceutinisirt sind. Der Stiel der Drüse wird ähnlich wie bei Drosera von einem Tracheidenstrang durchzogen, der sich oben scheibenförmig erweitert. Der Drüsenstiel stellt, wie von Goebel in seinen „Pflanzenbiologischen Schilderungen“ gezeigt wird, nur eine Wucherung des Blattgewebes dar, dem die eigentliche Drüse aufsitzt. Bei Byblis dagegen ist der Stiel wesentlicher Bestandtheil der Drüse. Die sitzenden Drüsen von Drosophylium sind nun, abge- sehen vom Fehlen des Stieles, ganz ebenso gebaut wie die gestielten. Sie sind auch durch einen Tracheidenstrang, der sich unterhalb der Drüse erweitert, in Verbindung mit einem Gefässbündelast des Blattes. Also auch diese sitzenden Drüsen sind ganz wesentlich verschieden von den sitzenden Drüsen von Byblis, die nur mit den sitzenden Drüsen von Pinguicula verglichen werden können. Die mit Tentakeln versehenen Droseraceen besitzen ausserdem noch sehr einfach gestaltete Drüsen; aber auch diese zeigen einen Bau, wie er eben für die Fa- milie charakteristisch ist. Haben nun alle Droseraceen gleich ge- baute Drüsen, wie könnte dann gerade Byblis in so schroffen Gegen- satz hiezu treten, wenn sie wirklich eine Droseracee wäre? Spross. Das Studium desselben beginnen wir mit dem Blüthenstiel. Ein Querschnitt durch denselben hart unter der Blüthe zeigt Folgendes: 190 Die Epidermis umschliesst zunächst ein aus 4—5 Zelllagen bestehendes Assimilationsgewebe, dessen ziemlich gleichförmige Elemente nur sehr kleine Lufträume frei lassen. Daran grenzt eine wohl differenzirte Stärkescheide mit reichlichem Stärkegehalt ihrer Elemente. Von ihr umschlossen wird das Markparenchym. In der Peripherie des Markes finden wir zu einem Ringe an- geordnet sieben Gtefässbündel, st welche sich durch die Anwesen- ‘heit eines Cambiums zwischen Gefäss- und Siebtheil als typisch \\ offene, collaterale Gefässbündel zu erkennen geben. Ein anatomischer &3/ Unterschied gegenüber von Drosera rotund. ist hierin gegeben, dass bei Byblis hier noch kein Skleren- chymgewebe vorhanden ist, wäh- Fig.59. Sprossquerschnitt (schematisirt). rend bei Drosera dasselbe bereits Ep Epidermis, As Assimilationsgewebe, zur Erscheinung tritt, Jedes P Stärkescheide, Sci Sklerenchymring, Gefässbündel ist vollständig von Sb Siebtheil, @ Gefässtheil, M Mark. einer Stärkescheide umgeben. Fig. 60. Theil eines Sprossquerschnittes, P Stärkescheide, M Markzellen, Sb Siebtheil. Die sieben so vorhandenen Stärkescheiden schliessen wieder zu einem Ringe zusammen. Querschnitte durch einen älteren Sprosstheil zeigen ein verändertes Bild (Fig. 59 u. 60). Die Epidermis zeigt hier sehr stark verdickte Aussenwände; ihr schliesst sich ein 5—6 Zelllagen 191 starkes chlorophylihaltiges Rindenparenchym an. Die innerste Schicht dieser primären Rinde wird von einer ununterbrochenen Stärkescheide gebildet. Der von der primären Rinde umgebene Centraleylinder weist an der Peripherie einen geschlossenen Sklerenchymring auf, der nur selten, wie Fig. 60 zeigt, von Markzellen durchbrochen wird. An drei Stellen, deren Verbindungslinien ein etwa gleichseitiges Dreieck geben würden, springen die sklerenchymatischen Elemente stark in das Rindenparenchym vor. Die vorhandenen neun Gefässbündel schliessen zu einem ovalen Ringe zusammen. Der Gefässtheil weist nur mehr Gefässe auf, welche sehr schwach behöft getüpfelt erscheinen. Die spiraligen Verdiekungen, welche im Blattgefässtheil vorherrschten, sind im Gefässtheil des Sprosses viel weniger häufig, was eben damit zusammenhängt, dass dem Blatte durch die enorm gestreckten, meist spiralig verdickten Tracheiden eine grössere Beweglichkeit gewähr- leistet wird. Auclı die Gefässe im Sprosse sind noch ziemlich gestreckt und nur selten mit senkrecht zur Längsachse durchlöcherten Quer- wänden versehen. Sie sind eben an den Enden meist zugeschärft oder schräg abgestutzt und so treten dann an den basalen und terminalen Seitenwandungen die meist ovalen Löcher auf. Bisweilen beobachtet man, dass ein Gefäss auch die mittlere Seitenwand durchbrochen zeigt. Der geschlossene Holzring weist auf ein früheres Interfascicularcambium hin. Die Mitte des Centraleylinders wird von getüpfeltem, grosszelligen Mark eingenommen, dessen Elemente verholzt sind. Die rundlichen Tüpfel dieser Markzellen sind grösser als die Tüpfel der Gefässe. Der Spross von Drosera rotund. ist insoferne etwas abweichend von dem von Byblis gebaut, als der Sklerenchymring nicht jene Vorsprünge in das sehr schwach entwickelte Rindenparenchym aussendet, wie wir dieselben bei Byblis kennen gelernt haben. Die bei Byblis so scharf markirte Stärkescheide ist bei Drosera gar nicht ausgeprägt. Die Zahl der Gefässbündel ist bei Drosera nur drei. Was die Durchbrechung der Gefässe anbelangt, so ist hierin kein erheblicher Unterschied vor- handen. Man gewahrt wohl bei Drosopbylium lus. mehr Gefässe, deren Querwände genau horizontal durchbrochen sind, während bei Byblis derartige Gefässe seltener sind. Auch treten bei Drosophyllum im Sprosse (efässe, resp. Tracheiden mit typischen Hoftüpfeln auf, nach welchen man bei Byblis vergebens sucht. Doch zeigen auch bei Drosophyllum keineswegs alle Gefässe diese grossen Hoftüpfel. Das Mark von Drosera rotund. ist weder getüpfelt, noch verholzt. Beachtenswerth scheint mir zu sein, dass die sklerenchymatischen Ele- mente von Drosera rotund. nicht jene Zuschärfung erkennen lassen, 192 wie die von Byblis; sie sind nämlich an ihren beiden Enden schräg oder quer abgestumpft. Eine Eigenthümliehkeit der Droseraceen überhaupt, auf welche Oeis in seiner Dissert.: „Vergleichende Ana- tomie der Droseraceen“ aufmerksam macht, ist die, dass im Blüthen- schaft der Droseraceen der Hartbast fehlt und durch einen Skleren- chymring ersetzt ist. Im Blüthenschaft von Byblis kommen dagegen typische Bastfasern vor, wie sie auch im Hauptspross nicht fehlen. Die Wurzel von Byblis ist normal gebaut und triarch. Die Endodermis, welche im Sprosse in die Stärkescheide übergeht, zeigt nur eine partielle Verkorkung, welche sich auf sehr schmale Längsstreifen der Radial- wände erstreckt. Alle Zellen der Endodermis sind dünnwandig und etwas tangential gestreckt. Eine secundäre Rinde wird nicht gebildet und so grenzt der Siebtheil nach aussen direet an die Elemente des Perieykels; nach einwärts aber grenzt er direct an Sklerenchymzellen, welche bis zum Schwinden des Lumens verdickt sein können. Die sklerenchymatischen Elemente ihrerseits grenzen wiederum direct an den Holzkörper. Die Mitte der Wurzel wird von stark verdicktem Markgewebe eingenommen, dessen Zellen grosse rundliche Tüpfel auf- weisen. Der ganze Bündelstrang wird von dem Perieykel umgeben, einer ein- bis zweischichtigen, zartwandigen Parenchymlage. Mark- strahlen verbinden als schmale Streifen die Rinde mit dem Mark. Auffallend sind die grossen, radial angeordneten Intercellularräume, wie sie besonders an jungen Wurzeln auftreten in der Rinde, und die papillösen Zellen der Epidermis. Im Gegensatz zum Spross sind Ge- fässe und sklerenchymatische Elemente sehr kurz. — Die Wurzel von Drosophyllum zeigt insoferne eine Abweichung, als sie zwischen verdickten Holzzellen ganze Radialstreifen von unverdickten, zart wandigen Parenchymzellen aufweist. Ausserdem ist im Bündelstrang der Wurzel von Drosophyllum sehr viel Holzgummi abgelagert. Es findet sich hier ferner kein getüpfeltes Mark. Auch zeigen die Gefässe resp. Tracheiden von Drosophyllum im Gegensatz zu Byblis sehr grosse Hoftüpfel. Blüthenverhältnisse von Byblis. Während der grundlegende Blüthenstand der Droseraceen der im Knospenzustande eingerollte Wickel ist und be? Drosera selbst die Blüthenstandsachse in einer Gipfelblüthe mit 1—2 Hochblättern en- digt, sind bei Byblis die Blüthen botrytisch angeordnet. Die Blüthen a 198 selbst stehen einzeln in den Achseln der schmalen Blätter und werden von 11—13cm langen Stielen getragen. Sie entbehren der Vorblätter. Die fünf Kelehblätter haben lanzettliche Gestalt und sind an der fertigen Blüthe oft nur halb so lang als die Blumenblätter, Ganz enorm verlängert findet man die Kelehblätter an Blüthen, welche schon längere Zeit befruchtet sind. Ich fand die Kelehblätter einer solchen Blüthe (die Staub- und Blumenblätter waren schon abgefallen) 3'/scm lang, während ein Kelchblatt einer vollständig entfalteten Blüthe nur lem lang sich erwies. Die Kelchblätter sind ausgeprägt dorsiventral, indem die Blattunterseite reichlich mit beiderlei Drüsen besetzt ist, die Oberseite aber vollständig drüsenfrei erscheint. Auch die Spalt- öffnungen sind vorzugsweise auf die Unterseite beschränkt. Die 7—9 Gefässbündel weisen im Gegensatz zu jenen der Laubblätter keinen Sklerenchymbeleg auf, dagegen eine wohl differenzirte Stärke- scheide. Von den Laubblättern unterscheiden sich die Kelchblätter ferner durch ihre stark gewellten Epidermiszellen, speciell der Unter- seite, dann durch die Ausbildung eines Schwammparenchyms auf der Blattoberseite, während die Unterseite Palissadenparenchym zeigt. Uebereinstimmend gebaut sind Kelch- und Laubblätter in der Aus- bildung der Blattspitze, welch letztere auch bei den Kelchblättern von denselben tracheidalen Elementen erfüllt ist, wie wir dieselben bereits kennen gelernt haben. Während die Kelchblätter in ihrer Mitte viele Zelllagen stark sind, verschmälern sie sich nach dem Rande zu ganz bedeutend, so dass sie am Rande selbst nur noch zwei Zellschichten stark sind. — Die an der Basis der Spreite ent- springenden Leitbündel verlaufen nahezu parallel unter einander und geben nur vereinzelte Seitennerven ab, welche ihrerseits wieder pa- rallel verlaufen. Während die Kelchblätter nach der Spitze zu sich verjüngen, verbreitern sich die fünf Blumenblätter ganz gewaltig daselbst. Sie sind an ihrem oberen Rande schwach gezähnt. Die Oberhautzellen beider Seiten sind zur Längsrichtung des Blattes ge- streckt und sind durch eigenthümliche ringförmige Verdickungen aus- gezeichnet, wodurch das Blatt eine gewisse Steifheit erlangt, wie denn auch dessen Festigung noch dadurch erhöht wird, dass die Epidermis- zellen mit zugespitzten Enden in einander greifen. Das Mesophyll der Blumenblätter wird ebenfalls von eigenthümlich geformten Zellen gebildet, von Zellen, welche gleichfalls zur Längsachse des Blattes gestreckt nach beiden Seiten Ausstülpungen treiben, welche sich an die der Nachbarzellen anlegen, wodurch ein sehr regelmässiges Inter- cellularsystem entsteht, indem die einzelnen ovalen Intercellularräume 194 hinter einander rosenkranzförmig angeordnet erscheinen. — Die 12 bis 13 im Blatte verlaufenden Leitbündel sind stark redueirt, so dass der Gefässtheil manchmal nur aus einem einzigen Gefässe besteht; sie verlaufen eine Strecke parallel, gabeln sich dann wiederholt, ohne jedoch Anastomosen zu bilden. Die Blumenkrone scheint nur chori- petal zu sein. Mikrotomschnitte zeigen jedoch (Fig. 61), dasssämmt- liche Blumenblätter an der Basis mit einander verwachsen sind, so dass eine, wenn auch kurze Blumenröhre zu Stande kommt. Byblis muss somit den Sympetalen zugerechnet werden, wofür noch Fig. 61. Blüthendiagramm von Byblis. gewichtige andere Umstände Dasselbe zeigt die fünf Blumenblätter sprechen, die wir später werden mit einander verwachsen. F' Filament, ’ Bi Blumenblatt, K Kelchblatt. kennen lernen. Das Androeceum wird bei Byblis von fünf Staubblättern gebildet, die ein kurzes, ge- drungenes Filament und gestreekte, nach oben conisch verjüngte An- theren besitzen im Gegensatz zu den Staubblättern von Drosera, welche sehr schlanke Filamente und äusserst kurze Antheren auf- weisen. Die Antheren ein und derselben Blüthe sind nicht gleich lang. Es sei nur ein Beispiel angeführt: Die eine der fünf gemessenen Antheren war 5mm lang, die andere 5!,mm, die dritte 6mm, die vierte 6!/mm, die fünfte wieder 5mm. Beachtenswerth ist, dass die Antheren sich nicht wie die von Drosera durch Längsrisse, sondern durch zwei hart an der Spitze gelegene länglichovale Poren nach der von den beiden Pollensäcken gebildeten ventralen Rinne öffnen. Da die Pollenkörner infolge der 'symmetrischen Lage jener Poren bei ihrer Entleerung nothwendig die erwähnte, ziemlich tiefe Rinne passiren müssen, so ist es für sie zweifellos von Vortheil, dass sie mit glatter Exine versehen und nicht zu Tetraten verbunden sind, wie die Pollen- körner der Drosera-Arten mit ihrer stacheligen Exine. Der Lage der Poren zufolge ist das Endothecium nur an der Spitze ausgebildet. Das Connectiv ist stark entwickelt und zeigt die Eigenthümlichkeit, dass seine dorsale Seite der ganzen Länge nach mit Schlauchpapillen besetzt ist, welche sich von den darunter gelegenen Zellen durch reichlichen Plasmagehalt auszeichnen. Ferner ist im Connectiv der 195 typisch collaterale Bau des Gefässbündels, wie er uns in den Laub- blättern entgegentrat, dadurch verwischt, dass die Gefässe bald in Gruppen beisammenstehen, bald dann wieder die einzelnen Gefässe zerstreut und durch Parenchymzellen von einander getrennt sind, so dass eine regelmässige Anordnung von Gefäss- und Siebtheil vermisst wird. Gleichwohl hat man es hier mit einem einzigen Leitbündel zu thun, weil alle zu einem Bündel gehörigen Elemente zu einem Ganzen vereinigt sind. Auch der Rücken des Filaments ist mit Papillen besetzt. Interessant ist ferner die Form der Anthere (Fig. 62) mit ihren u =. SER Fig. 62. Querschnittt durch eine Anthere von Byblis mit Schlauchpapillen und stark verdickter Aussenwand; krallenförmige Gebilde springen in die Antheren- fächer vor. in das Lumen krallenförmig vorspringenden Buchten, weiche nichts anderes darstellen als die Ueberreste einer zur Bildung der Polien- körner verbrauchten Zellgruppe, welche der inneren Tapetenschicht anliegend ein halbkugelförmiges, plasmareiches, kleinzelliges Gewebe bildet, während der Stamm, von dem die seitlichen Aeste entspringen, die letzten Reste der ursprünglichen Trennungswand der beiden Fächer umfasst. Die Antheren, welche bei Drosera rotund., longif., Cap., typisch extrors sind, sind bei Byblis ebenso typisch intrors (Fig. 63 u.64). Die Pollenkörner von Byblis sind tetraädrisch gestaltet und besitzen dem- gemäss auch vier Austrittsstellen. Die glatte Exine ist ziemlich stark entwickelt. Sehr zu beachten ist, dass die Pollenkörner, welche denen von Pinguicula nicht unähnlich sind, nicht wie die von Drosera rotund,, 196 long. oder von Drosera Cap. zu Tetraden verbunden bleiben, sondern frei sind. Drosophyllum lus. besitzt keine Pollentetraden. Die Pollen- körner sind hier frei, kugelrund (während die von Byblis tetra&drisch sind) und mit Stacheln besetzt, wie die der übrigen Droseraceen. Während bei den letzteren die Austrittsstellen für die Pollenschläuche in den Furchen der Tetrade zahlreich liegen, sind dieselben bei Dro- sophyllum in grosser Zahl über die ganze Oberfläche des grossen Pollenkorns gleichmässig vertheilt. Wie die Pollentetraden von Dro- sera, so treiben auch die Pollen- körner von Drosophyllum bereits im Antherenfach zahlreiche Pollen- schläuche, eine Eigenthümlichkeit, die an den Pollenkörnern von Byblis niemals zur Erscheinung tritt. Die Pollenmutterzellen von Byblis sind zur Querachse des Faches gestreckt, zu einem Bogen angeordnet und von einer Tapete Fig. 63. Blüthendiagramm von Byblis. umgeben. Obwohl es bei Byblis K Kelchblatt, Bi Blumenblatt. zur Ausbildung eines Endotheciums nur an der Spitze kommt, 80 finden wir dennoch an der jungen Anthere die vier bekannten Zellschichten, welche diePollenmutterzellen nach aussen begren- zen. Das sonst zur Ausbildung eines En- dotheeiums zu ver wendende Material Fig. 64 DBlüthendiagramm von Drosera Capensis. wird bier verbraucht Antheren: extrors. zur Herstellung einer einschichtigen Au therenwand, deren Aussenwände enorm verdickt sind (Fig. 62) Die Verdickungsschichten bestehen aus Cellulose. Sind somit schon erhebliche Differenzen zwischen Byblis und Drosera hinsichtlich des Androeceums zu constatiren, so werden diese Differenzen noch grösser im Gynaeceum. 197 Der oberständige Fruchtknoten von Byblis wird von zwei Carpellen gebildet und ist zweifächerig. Der Fruchtknoten von Drosera dagegen (Fig. 65) ist einfächerig und wird von drei Carpellen gebildet. Der Griffel von Byblis ist säulenförmig, etwa lem lang, während der Griffel von Drosera nur zu einer kurzen Säule zusammenhängt und in mehrere Schenkel gespalten ist. An seiner Basis trägt der Griffel von Byblis einige gestielte Drüsen; ein Griffelkanal ist vorhanden. Die kleine, etwas abgeflachte Narbe ist mit Schlauchpapillen besetzt. Die Placenten von Byblis sind schildförmig, kurz und einer Scheide- wand angewachsen und tragen von dieser abgewandt zahlreiche Samen- anlagen. Letztere sind anatrop und besitzen nur ein dickes, fleischiges Integument, wie dasselbe den Samenanlagen der Lentibularieen ganz SoNe (AIR N 7 N] HEN Er BI Q8 5 Fig. 65. Blüthendiagramm von Drosera Fig. 66. Samenanlage von Drosera rotund. C Kelch, verwachsenblätterig, rotund. i Intercellularräume an der B Bilumenblätter frei, F' Filamente, Chalaza und im äusseren Integument. ce Carpelle. N Nucellus, E Embryosack, X Kappe. besonders eigen ist. Drosera rotund., longif., cap. und Drosophyllum lusit. besitzen dagegen zwei Integumente. Bei den Samenanlagen von Drosera rotund. treten schon zu einer Zeit, wo der Embryosack noch gar nicht fertig ist, sowohl an der Chalaza, wie auch im äusseren Integument grosse Lufträume auf, welche an den Samenanlagen von Byblis vergebens gesucht werden (Fig. 66). — Der Nucellus besteht sowohl bei Drosera wie bei Byblis aus einer axilen Zellreihe und einer Hüllschicht. Diese Hüllschicht des Nucellus ist jedoch bei Drosera ungleich stärker entwickelt als bei Byblis. Während hier diese Hüllechicht schon sehr frühzeitig vollständig vom heranwachsen- den Embryosack verdrängt wird, erfährt dieselbe bei Drosera rotund., longif., cap., eine weitere Entwickelung insoferne, als ihre Flora 1901. 198 Zellen stark heranwachsen und auch nach der Befruchtung als eine Art Nährgewebe eine Rolle spielen (Fig. 67 u.68). Aber auch die axile Zellreihe des Nucellus erfährt bei Drosera eine Weiterentwicke- lung, indem ihre Elemente durch Längswände sich theilen und so einen axilen Leitstrang liefern, der wohl dem Embryo von dem an der Chalaza gelegenen kleinzelligen Gewebe Nahrung zuführt. Bei Byblis ist ein solcher axiler Leitstrang nicht vorhanden (Fig. 69), auch kein differenzirtes, kleinzelliges Gewebe an der Chalaza. Der Nucellus hat also für Drosera eine ganz andere Bedeutung als für Byblis; hier geht er rasch zu Grunde, dort erfährt er im Interesse des Embryo eine weitere Entwickelung und wird erst einige Zeit nach der Befruchtung vom heranwachsenden Embryosack aufgelöst. ur Fig. 68. Querschnitt durch eine junge Samensnlage von Drosers rotund. J äusseres Integument, Fig. 67. Befruchtete Samenanlage von Drosera # inneres Integument (schraffrt), rotund. Sie zeigt im Längsschnitt den einge- N Nucellus, welcher einen axi- drungenen Pollenschlauch p, die grossen Nu- len, kleinzelligen Leitstrang umM- cellarzellen NN, den axilen Leitstrang x und schliesst, Z Lufträume im äusse- das kleinzellige Gewebe v an der Chalaza. ren Integument. Weitere Unterschiede zwischen Drosera und Byblis ergeben sich hinsichtlich der Entwickelung des Embryosacks. Junge Samenknospen lassen bei Byblis die Archesporzelle als plasmareiche, zur Längsachse der Anlage gestreckte Zelle erkennen (Fig. 70), welche stark heranwächst und später in eine grössere obere und in eine kleinere untere Zelle sich theilt (Fig. 71). Aeltere Stadien zeigen uns, dass die Embryosackmutterzelle (Fig. 72) nur drei Zellen nach unten abgibt, aber keine nach oben. Die viel grössere obere 199 Zelle der schliesslich aus der Archesporzelle hervorgegangenen vier Zellen wird durch Verdrängung der drei unteren Zellen zum lang- gestreckten Embryosack (Fig. 73), der in der Nähe der Mikropyle sich erweitert und mit Nährstoffen vollgepfropft ist. Das Gewebe in der Nähe der Mikropyle ist gleichfalls mit Stärke dicht erfüllt. (Fig. 74). Es ist diese Localisirung der Stärke in der Nähe des Eiapparates so auffällig, dass sie Beachtung verdient. Auch an der Chalaza ist etwas Stärke angehäuft, aber keineswegs in so auffallender Weise wie an der Mikropyle. Fig.'.70. Junge Samenanlage von Byblis mit Archesporzelle. Fig.69. Junge Samenanlage von Byblis, Axiler Zellstrang, schon aufgelöst, Ganz anders sind die Verhältnisse bei Drosera. Hier gibt die Embryosackmutter- zelle nur eine einzige Zelle nach oben ab; indem diese Zelle sich durch eine Längs- wand theilt, sitzen später dem Scheitel des Embryosacks diese zwei Zellen als Haube auf (Fig. 75). So bei Drosera rotund. und bei Drosera cap. und longif. — Der Em- bryosack, der bei Byblis ähnlich wie g;, 72. Die Embryosackmutter- bei Polypompholyx sehr lang ge- zelle hat drei Zellen nach unten streckt ist, bleibt bei Drosera ebenso kurz abgegeben. (Byblis) auch nach Vollendung des Eiapparates. Das Vorhandensein einer Tapete, welche den Embryosack bis zu seiner Erweiterung umgibt und welche dem Integument angehört, ist ein weiterer Unterschied, 14* 200 welcher Byblis von Drosera trennt und dafür spricht, dass Byblis überhaupt keine Droseracee ist, sondern eine sympetale Pflanze, indem das Vorhandensein einer Tapete vorzugsweise eine Eigenthümlichkeit der Sympetalen ist. Die Randzellen der Placenta von Byblis sind auffallend gestreckt, plasmareich und leiten so den Pollenschlauch direct zur Mikropyle, wo derselbe unmittelbar auf den Scheitel des Embryosacks trifft. an LEIERIIITN 8% ARTEN I EALER N SS ] SI T] Fig. 74. Samenanlage von Byblis. Dieselbe zeigt die Fig. 73. Samenanlage von Byblis mit Embryosack E Localisirung der Stärke in und Tapetenschicht T. J Integument, M Mikropyle. der Nähe des Eiapparates. Fig. 75. Samenanlage von Drosera cap. Die Em- Fig. 76. Same von Byblis mit bryosackmutterzelle hat eine Zellenach oben abge- Endosperm und Embryo im geben, die sich durch eine Längswand getheilt hat. Längsschnitt. Die durch die Befruchtung eingeleitete Endospermbildung eilt bei Byblis der Entwickelung des Embryo weit voraus. Denn während das Endosperm schon ganz massenhaft entwickelt ist, stellt der Em- bryo noch einen wenigzelligen Gewebekörper dar. Auch hierin weicht Byblis von Drosera ab, bei welcher ein so auffälliges Zurückbleiben 201 des Embryo in seiner Entwickelung gegenüber der Endospermbildung nicht zu constatiren war. — Was nun das Endosperm selbst be- trifft, so enthält dasselbe bei Byblis ausschliesslich Aleuron und grossen Öelkugeln, während die Samen von Drosera Cap., longif. und rotund. vorzugsweise neben Aleuron auch Stärke aufweisen. Die grossen Oelkugeln im Endosperm von Byblis sind von Aleuronkörnern umgeben wie mit einem Perlenkranz. Die Aleuronkörner selbst umschliessen zum Theil nur vereinzelte hexagonale oder rhombische Krystalloide, zum Theil aber auch ein ganzes Aggregat von Kıy- stalloiden. Neben diesen Krystalloiden enthalten die Aleuronkörner auch Globoide. Was die Form der Aleuronkörner anbelangt, so bilden dieselben kugelförmige, bisweilen auch linsenförmige oder ovale, mitunter auch eckige und, wo sie dicht gedrängt auftreten, polyädrische Körperchen. — Die Form der Globoide ist eine kugelige; sie treten in Einzahl und in Mehrzahl in den Aleuronkörnern auf. Von der Peripherie nach dem Centrum nehmen die Aleuronkörner und Oel- kugeln an Grösse zu. Am dichtesten erfüllt mit Aleuron sind die peripherischen Endospermzellen; sie sind mit Proteinkörnern vollge- pfropft. Häufig enthalten die Aleuronkörner auch Krystalldrusen. Der Aufbau des Embryo ist bei Byblis normal. Aber während bei den Droseraceen der Embryo von kurzer, gedrungener Form mit breiten Cotyledonen und am Grunde des Nährgewebes gelegen ist, dem er nur mit den Cotyledonen angrenzt, macht Byblis von dieser Eigenthümlichkeit, welche für die Familie der Droseraceen so bezeichnend ist, eine wesentliche Ausnahme, indem hier der Embryo lang und cylindrisch geformt ist (Fig. 76) und nur sehr schwach ent- wickelte Coryledonen aufweist; der Embryo durchzieht ferner fast das ganze Nährgewebe und wird von diesem allseitig umschlossen. Die Angabe bei Engler-Prantl, dass der Embryo von Roridula und Byblis lang und eylindrisch mit schmalen Cotyledonen fast bis zur Mitte des Nährgewebes reicht, kann nur auf Roridula, nicht aber auch auf Byblis bezogen werden; denn hier sind die Cotyledonen nicht schmal, sondern kurz und fleischig; dann reicht der Embryo weit über die Mitte des Nährgewebes hinaus, fast bis an das Ende desselben. Was aber Byblis wohl am meisten von den Droseraceen trennt und den Sympetalen nähert, das ist die Ausbildung von mäch- tigen Haustorien. . Die mittlere Zone des Embryosacks nimmt an der Haustorien- bildung keinen Antheil; sie schwillt tonnenförmig an und füllt sich 202 durch freie Zelltheilung mit Endospermgewebe; sie stellt später im reifen Samen nach Abschnürung der beiden Haustorien den eigent- lichen ovalen Endospermkörper dar, der den Embryo umschliesst, Die Abschnürung dieses Endospermkörpers von den beiden Haustorien erfolgt durch tafelförmige, meist rechteckige Endospermzellen, welche in mehreren Lagen über einander liegend später verkorken. Aber nicht nur diese Abschnürungszellen nehmen Theil an der Verkorkung, es werden auch die Aussenwände der äussersten Zellen des Endosperm- j gewebes stark verkorkt, so dass das ganze Nähr- gewebe voneinemKork- mantel umhüllt wird. Da nun die Aussen- schicht dieses Kork- mantels stärker mit Korkstoff imprägnirt ist als die darunter liegen- den Membranschichten, so hebt sich diese äusserste Schicht wie eine Cuticula ab. Der obere und untere Ab- schnitt des Embryo- sacks nimmt dagegen in ausgiebigster Weise Theil an der Hausto- rienbildung. Zunächst erweitert sich der Em- bryosack an der Mikro- pyle noch mehr; auch an der Chalaza tritt eine Erweiterung auf, so dass der ganze Embryosack nunmehr drei Anschwellungen zeigt: eine obere und untere und eine grössere mittlere. Zwischen der oberen Anschwellung und der mittleren einerseits und zwischen der mittleren Anschwellung und der unteren anderer- seits treten dann gleichzeitig mehrere Lagen zur Querachse des Em- bryosacks sehr langgestreckter, tafelförmigenZellen auf; sie sind sehr plasmareich und bezeichnen die beiden späteren Abschnürungszonen. In der oberen und unteren Anschwellung aber selbst sehen wir äusserst Fig. 77. Längsschnitt durch einen Samen von Byblis, E Embryo, H Haustorien, En Endosperm, 208 zartwandige grosse Zellen entstehen, welche durch ihren Plasmareich- thum und durch grössere Kerne vor den eigentlichen Endospermzellen der mittleren Anschwellung sich sehr scharf abheben. Die eigent- lichen Endospermzellen dagegen sind auffallend plasmaarm. Jene plasmareichen Zellen aber wollen wir als differenzirte Endospermzellen bezeichnen. Schliesslich bilden sich an der Chalaza und Mikropyle ganze Zapfen von solchen plasmareichen Zellen, welche in das Gewebe des Integuments versenkt sind (Fig. 77 u.78). Indem ferner die an der Abschnürungszone gelegenen Zellen des Haustorialgewebes hy- phenartig nach allen Richtungen ausspros- sen (Fig. 79) und das Integument mycelartig durchwuchern, kom- men jene merkwür- digen Haustorien zu Stande, wie sie die Ab- bildungen zeigen, und die wir als Endosperm- haustorien bezeichnen wollen. Auch in der Aus- bildung der Frucht- knotenwand und Sa- menschale verhält sich Byblis ebenfalls diffe- rent. Während näm- lich bei Drosera die . j Fruchtknotenwand Fig. 78, Samen von Byblis mit hyphenartiger Ver- h kl h zweigung der Haustorien (7). E Embryo, End En- oane sklerenchyma- dosperm. tische Elemente ist, ist die Fruchtknotenwand von Byblis sehr stark sklerisirt (Fig. 80). Bei Drosera wird dann das äussere Integument zu einem Flugapparat umgebildet, indem es nach der Befruchtung enorm heranwächst und das innere Integument hoch überwallt. Da schon frühzeitig die mittlere Zellschicht des äusseren Integuments resorbirt wird und das ganze Integument bloss aus drei Zelllagen besteht, s0 kommt ein langer, doppelwandiger Sack zu Stande, der den äusseren Theil der Samen- 204 schale bildet. So bei Drosera rotund., Dros. cap. und Dros. longif. Die Samen von Byblis haben dagegen eine warzige Schale, welche dadurch zu Stande kommt, dass die äussersten Integumentzellen sich mehr oder weniger zur Querachse strecken, wodurch die unreifen länglichen Samen nunmehr sich oval gestalten. Die Radialwände dieser gestreckten Zellen werden stark verdickt und von Poren durchsetzt. Fig. 79. Das Integument wird in Fig.80. Ein Stück der Fruchtknotenwand der Nähe der Mikropyle mycel- von Byblis mit sklerenchymatischen Ele- artig von den Endospermhausto- menten. rien durchwuchert, Die Samenschale selbst ist durch Einlagerung eines Pigments schwarz- braun gefärbt. Bei Drosera dagegen strecken sich die äusseren In- tegumentzellen zur Längsachse, wodurch die sehr langen Samen ent- stehen. — Noch sei bemerkt, dass die assimilirenden Zellen von Byblis nicht selten Krystalloide anfweisen, welche ungleich schöner sind als diejenigen in den Epidermiszellen von Pinguicula. Schlussresultat. Nach so vielen Unterschieden zwischen Byblis und Drosera kann es somit wohl keinem Zweifel mehr unterliegen, dass Byblis keine Droseracee ist. Dass Byblis aber eine sympetale Pflanze ist, dafür spricht der nur aus einer axilen Zellreihe bestehende Nucellus, ferner das Vorhandensein einer dem Integument angehörigen Tapete; weiter spricht dafür die Anwesenheit eines so mächtig entwickelten basalen und terminalen Haustoriums und vor Allem die Verwachsenblättrigkeit der Blumenkrone, mag dieselbe nun auch nur auf eine minimale Zon® 205 ausgedehnt sein. Dass dann Byblis keine Droseracee ist, dafür spricht das Vorhandensein von nur einem Integument, ferner der zwei- fücherige Fruchtknoten, der sehr langgestreckte Embryosack, das so ganz verschiedene Verhalten des Nucellus gegenüber dem von Dro- sera, der Mangel von Pollentetraden und die glatte Exine der Pollen- körner; ferner spricht dafür die so ganz verschiedene Form des Em- bryo; dessen allseitige Umschliessung von dem nur aus Eiweiss und Fett bestehenden Endosperm; die verschiedene Ausbildung des Samens und der Fruchtknotenwand; ferner sprechen dafür der botry- tische Blüthenstand, der gänzliche Mangel eines Spitzenwachsthums der Blätter, vor allem aber der ganz verschiedene Bau der Drüsen, welche die grösste Aehnlichkeit mit den Drüsen der Lentibularieen, insbesondere mit jenen von Pinguicula aufweisen. Erinnern wir uns zudem noch, dass alle bisher untersuchten Drosera-Arten im Bau ihrer Drüsen einem gemeinsamen Typus folgen, dass ferner auch unter den Lentibularieen hinsichtlich der Drüsen die grösste Ueber- einstimmung herrscht, so ist wahrhaftig nicht einzusehen, warum gerade Byblis allein eine solche Sonderstellung im Bau ihrer Drüsen unter den Droseraceen einnehmen soll. So müssen wir denn noth- wendig, dem Bau ihrer Drüsen zufolge, Byblis aus der Reihe der Droseraceen ausschalten und sie der Familie der Lentibularieen an- reihen, mit denen sie ausserdem noch verbunden erscheint durch ihr dickes, fleischiges Integument, durch die Bildung von Haustorien, durch die nur schwach entwickelten Cotyledonen am Embryo und durch die Verwachsenblättrigkeit der Blumenkrone, sowie noch durch einige andere Eigenthümlichkeiten. Da aber unter den Lentibularieen es eben Pinguicula ist, mit deren Drüsen Byblis die grösste Ueber- einstimmung aufweist, von geringfügigen Unterschieden abgesehen, welche sich auf die Anwesenheit von Poren bei den Drüsen von Byblis und auf die Theilung der Stielzelle daselbst beschränken, so müssen wir Byblis in die nächste Nähe von Pinguicula stellen, und das um so mehr, als die Blüthen von Pinguicula aus radiären Blüchen abzuleiten sind. Die radiären Blüthen von Byblis weisen aber darauf hin, dass Byblis selbst noch eine primitive Form der Lentibularieen darstellt, wie denn auch Australien an solchen primitiven Formen sowohl in der Pflanzen- wie in der Thierwelt reich ist. Wenn dann ferner Byblis noch die fünf Staubblätter besitzt, so sei daran erinnert, dass Diekson auch bei Pinguieula vulg. die beiden mittleren con- stant in der Anlage beobachtet haben will. Dass übrigens in ein und derselben Familie neben ausgeprägt dorsiventralen Blüthen auch 206 fast vollständig radiäre BlJüthen vorkommen können, dafür bietet die Familie der Serophulariaceen das schönste Beispiel. So sind die Blüthen von Verbascum fast noch radiär; sie besitzen noch fünf Staub- blätter. Indem aber die Abänderung der Blüthen immer weiter fort- schreitet, kommen typisch dorsiventrale Blüthen mit nur mehr vier oder zwei Staubblättern zu Stande, wie dies Linaria und Veronica zeigen. Ein Analogon hiezu hätten wir somit auch in der Familie der Lentibularieen. Während die Blüthe von Byblis noch radiär gg- baut ist und noch die fünf Staubblätter zeigt, sind bei Pinguicula, welche den Uebergang zur dorsiventralen Blüthe bildet, nach Diekson noch vier Staubblätter in der Anlage vorhanden; ebenso bei Poly- pompholyx, bis schliesslich die Abänderung der Blüthe in der Familie so weit geht, dass drei Staubblätter spurlos verschwinden und die Blüthe ausgeprägt dorsiventral sich gestaltet, wie das Utricularia vulg. exemplifizirt. Figurenerklärung. Tafel XIL Fig. 1. Vegetationspunkt einer Keimpflanze von Polypompholyx mit vier Organ- anlagen. Vgt Vegetationspunkt, BI Primärblatt, Fig. 2. Habitusbild einer Blase von Polypompholyx von quadratischer Form. Fig. 3. Eine nach dem terminalen Ende zu sich etwas verjüngende Blase von der dorsalen Seite gesehen. Eine Nematode N befindet sich im Blasenlumen. a und b sind die beiden seitlichen Eingänge; c zeigt den oberen Eingang an, Fig. 4. Eine Blase von der ventralen Seite gesehen; der sichelförmige Fortsatz beherrscht den oberen Eingang. Fig. 5. Eine junge Blase von Polypompholyx mit Anlage der beiden geitlichen Flügel. Das Widerlager schimmert durch. Fig. 6. Querschnitt durch eine dreikantige Blase. @ Gefässbündel, Kl Klapp®, J Intercellularraum, W Widerlager. Archegoniatenstudien. Von K. Goebel, IX. Sporangien, Sporenverbreitung und Blüthenbildung bei Selaginella. Mit 16 Textfiguren. Die Gefässkryptogamen sind in den letzten Jahrzehnten so eifrig untersucht worden, wie kaum eine andere Pflanzengruppe. Man sollte also denken, die der Untersuchung leicht zugänglicben morphologi- schen, anatomischen und biologischen Verhältnisse seien sämmtlich bekannt und eingehend beschrieben. Namentlich sollte man das an- nehmen betreffs der Sporangien, deren Bau ja seit lange als wichtiges systematisches Merkmal, zumal bei den Farnen, mit Recht betrachtet wird. Dass aber auch auf diesem Gebiet die Angaben der Litteratur theils ungenügend und lückenhaft, theils irrig sind, zeigte die Unter- suchung der Sporangien und Sporangienstände (Blüthen) von Selaginella, 1. Sporangien und Sporenverbreitung. Wenn wir aus der neueren Litteratur zunächst die Frage zu beant- worten suchen: wie sind die Sporangien im fertigen Zustande gebaut und in welcher Beziehung steht der Bau zur Sporenverbreitung, ist er derselbe bei Mikro- und Makrosporangien? — so finden wir entweder keine oder — wie unten gezeigt werden soll — nur eine ganz mangel- hafte Antwort. Es hängt dies, wie in früheren Abschnitten dieser „Studien“ hervorgehoben wurde, offenbar damit zusammen, dass das Interesse in den letzten 50 Jahren einseitig den entwickelungsgeschicht- lichen Fragen zugewandt war, die fertigen Zustände aber vernachlässigte. So kommt es, dass nicht einmal über die Frage, wie die Sporangien bei Selaginella sich öffnen, übereinstimmende und dem wirklichen Sach- verhalte entsprechende Angaben sich finden. Eine eingehende Untersuchung über die Aussaat der Sporen der Gefässkryptogamen hat 1885 Leelerc du Sablon‘) veröffentlicht. Er untersuchte Sel. dentieulata und schildert die Makrosporangien folgendermaassen: „Un macrosporange, fixe par un pedoncule tres faible & Ja base d’une feuille, est symetrique par rapport 4 un plan 1) Recherches sur la dissömination des spores chex les orypfogames vascu- laires. Annalss des sciences naturelles, botanique. 1885. 208 passant par l’axe de la tige et perpendiculaire & cette feuille (pl. 1, fig. 12). Il presente quatre renflements correspondant aux quatre spores; la ligne de dehiscence est perpendiculaire au plan de symetrie, elle passe au fond de la depression qui separe les renflements medians et va rejoindre le point d’insertion du pedoncule. Le sporange se trouve ainsi divis6 en deux velves dont les bords se r&courbent l&görement vers l’exterieur,* Diese Beschreibung entspricht aber dem Sachverhalt durchaus nicht. Sie verkennt ganz und gar den merkwürdigen Bau der Makrosporangien und lässt uns auch ganz im Unklaren darüber, wie die Sporen eigent- lich zerstreut werden. Offenbar nimmt der Verfasser an, sie würden aus dem geöffneten Sporangium durch den Wind verweht. Das würde nun bei den Mikrosporen weiter keine Schwierigkeit haben. Aber was wird aus den viel schwereren Makrosporen? Es wird unten ge- zeigt werden, dass sie sehr energisch weggeschleudert werden!) und dass die Sporangienklappen weder „se r&courbent legörement“, noch bis zum Sporangienstiele reichen. Zunächst sei erwähnt, dass ich eine Wegschleuderung der Sporen bei Lycopodium (untersucht wurde L. annotinum) nicht beobachten konnte. Die häutigen Ränder der Sporo- phylle biegen sich bei reifen Blüthen concav nach aussen, die Spo- rangien klappen durch einen über ihren Scheitel längs verlaufenden Riss weit auf, die lockere Sporenmasse tritt dabei (wohl infolge der Zusammenziehung der Sporangienwand) etwas hervor und kann dann durch den Wind leicht weggeweht werden; bei starker, rasch ein- tretender Austrocknung mögen vielleicht auch Schleuderbewegungen eintreten. Ehe wir auf die bei Selaginella beobachteten Erscheinungen ein- gehen, sollen aber noch einige Litteraturangaben angeführt werden. D. Campbell in seinem Buche „Mosses and ferns“ (pag. 504) gibt nur an : „The ripe sporangium as in Lycopodium opens by a vertical slit.* Lürssen?) sagt betreffs Selag. helvetica, denticulata und spinu- 1) Meine Erwartung, hierüber (ebenso wie über die Function der Lebermoos- elateren) in der älteren Litteratur riehtigere Angaben als in der neueren zu finden, hat sich bestätigt. Bei Bischoff (Die kryptogamischen Gewächse Deutschlands, 2. Lfrg., Rhizocarpeen und Lycopodieen, Nürnberg 1828) finden sich Angaben und Abbildungen, die viel besser sind als die fast 60 Jahre später erschienenen, während der feinere Bau der Sporengien von Bischoff nicht genügend erkannt wurde. (Nachträgl. Anm.) 2) Die Farnpflanzen oder Gefässkryptogamen (Pteridophyten), III. Band von 8 r Rabenhorst's Krypto amenflo a von Deutschland, Oesterreich und der ° ? 209 losa: „Makrosporangium . . . meist dreiknöpfig, d. h. mit flachem oder selbst etwas vertieftem Scheitel und infolge dreier am Scheitel liegen. der Makrosporen (die vierte Makrospore liegt am Grunde des Spo- rangiums) nach drei Seiten mehr oder minder stark ausgebaucht und bei der Reife zwischen den Ausbuchtungen dreistrahlig-spaltig sich öffnend und die Ausbauchungen die Klappen bildend; oder das Makro- sporangium vierknöpfig mit zwei im Scheitel und zwei mit diesen im Grunde gekreuzt liegenden Makrosporen und dementsprechend ge- richteten Ausbuchtungen und bei der Reife sich durch einen über den Scheitel parallel dem Tragblatt laufenden Spalt öffnend, von welchem über dem basalen Makrosporenpaare kurze Querspalten ausgehen (daher zuletzt vierklappig — Fig. 225B links.“ Lürssen’s An- nahme, dass die Makrosporangien sich — wenigstens in den häufigeren Fällen — dreiklappig öffnen, hat in einem verbreiteten Lehrbuch ') auch bildliche Darstellung gefunden. Zunächst aber sei darauf hingewiesen, dass — wie die erwähnten Autoren übersehen baben — eine Ausschleuderung der Sporen stattfindet. Wenn man reife Selaginella-Blüthen auf einem Bogen Papier trockener Luft aussetzt, überzeugt man sich leicht (ich benützte Sel. erythropus), dass die Makrosporen bei der Aussaat viel weiter von der Blüthe entfernt werden als die Mikrosporen. Die letzteren bleiben als ein rothes Pulver in der Nähe der Mikrosporangien liegen (die weiteste Entfernung von den letzteren beträgt meist nicht mehr als etwa 1—1,5cm). Von den Makrosporen sieht man nur wenige oder auch gar keine in dem durch die rothen Mikrosporen gebildeten Flecke, sie liegen viel weiter — bis 6em und mehr — von den Blüthen weg. Diese Thatsache zeigt also — was auch die direete Beobachtung be- stätigt —, dass ein Abschleudern stattfindet, sie scheint mir aber auch sonst nicht ohne Interesse. Offenbar nämlich finden sich bei den Selaginellen?) Einrichtungen, welche eine „Selbstbefruchtung“ (d. h. hier also eine Befruchtung der Archegonien durch Mikrosporen aus derselben Blüthe) verhindern oder doch erschweren. Diese Einrichtungen sind: 1) Lehrbuch der Botanik von Strasburger-Noil-Schimper-Schenok. Es wird dort behauptet, die Wand der Sporangien öffne sich in mehrere Klappen (IV. Aufl. pag. 375), und in Fig. 352 wird eine figürliche Darstellung gegeben, in der ein Makrosporangium gezeichnet ist, das sich in drei Klappen öffnet. Diese Abbildung ist übrigens auch betreff des Mikrosporangiums nicht naturgetreu. 2) Im Gegensatz zu den Marsiliaceen, bei welchen Selbstbefruchtung die Regel sein dürfte. 210 1. Proterogynie der Blüthen. Die Makrosporangien sind vielfach an der Basis der Blüthen, die Mikrosporangien weiter oben (gerade umgekehrt wie bei den Blüthen der Samenpflanzen). Die Makro- sporangien öffnen sich in diesem Falle früher als die Mikrosporangien. 2. Die oben erwähnte grössere ballistische Leistung der Makro- sporangien. Diese wird auch bei den Arten, welche Makro- und Mikrosporangien in den Aehren gemischt tragen, die betr. Sporen bei der Aussaat von einander entfernen. Selbstverständlich ist es nicht ausgeschlossen, dass die Mikrosporen durch Luftströmungen schliess- lich zu den aus derselben Blüthe stammenden Makrosporen hingetragen werden, aber eben so selbstverständlich ist, dass die erwähnte Ein- richtung Fremdbefruchtung ermöglicht und begünstigt. 3. Selbst dann, wenn Makro- und Mikrosporen aus einer Blüthe neben einander zu liegen kommen sollten, wird keine Selbstbefruch- tung stattfinden. Denn wie wenigstens bei Sel. helvetica bekannt ist), keimen die Mikrosporen einer Blüthe früher als die Makrosporen; letztere entwickelten ihre Archegonien sechs Wochen, nachdem die Mikrosporen ihre Antheridien entleert hatten. Man erhält also keine Embryonen, wenn man Mikro- und Makrosporen aus einer Blüthe gleichzeitig aussät, wohl aber wenn man zu den Makrosporen später gereifte Mikrosporen bringt. Weitere Untersuchungen dieser Verhält- nisse müssen zeigen, inwiefern die einzelnen Arten darin mit einander übereinstimmen ; indess hat schon Sp ring?) ganz analoge Erfahrungen gemacht, wie Hofmeister; er erhielt eine Embryobildung nur dann, wenn er in die Nähe der Aussaaten eine Pflanze brachte, aus der Mikrosporen später zu den Makrosporen gelangen konnten — gleich- zeitig ausgesäte Mikro- und Makrosporen ergaben keine Keimpflanzen. Ob etwa auch Fälle von „Selbststerilität“ und Parthenogenesis bei den Selaginellen vorkommen, ist näher festzustellen. Es sei nun zunächst das Verhalten und der Bau der Makrosporangien näher be- schrieben. In weitaus den meisten untersuchten Fällen waren die Makro- sporen so gelagert, dass zwei unten, in der Längslinie des Makro- 1) Hofmeister, Vergl, Untersuchungen pag. 124. Roze, Ann. d. science. nat. 1867 Pag. 97) gibt dagegen an, dass Mikro- und Makrosporen gleichzeitig keimen sollen; indess hatte er drei Monate aufbewahrte Sporen verwendet, was, wie Pfe ffer hervorhebt (Die Entwickelung des Keimes der Gattung Selaginella pag. 28), vielleicht seine Angaben bedingte; auch ist nicht angegeben, ob Makro- und Mikro- sporen alle gleichzeitig eingesammelt wurden. 2) Monographie des Lycopodiace i Tom. XV u. XXIV. yeopodiackes. (M&m. de Vacad. royale de Belgique 211 sporahgiums, öwei annähernd mit den ersteren gekreuzt oben lagen. Den letzteren entsprechen dann zwei Ausbauchungen der Sporangien- wand; seltener liegt eine Makrospore nach oben, die drei anderen dann tiefer. Eine Abhängigkeit der Oeffnungsweise der Sporangien von der Lage der Makrosporen, wie Lürsse’n sie annimmt, habe ich nicht beobachten können.!) In den untersuchten Fällen fand die Oeffnung vielmehr — von unwesentlichen kleinen Abweichungen ab- gesehen — in gleicher Weise statt. Die Makrosporangienwand öffnet sich in zwei Klappen (Fig. 1), die aber nicht bis zum Stiele reichen, vielmehr bleibt der untere Theil der Sporangienwand schüsselförmig stehen ?); er zeichnet sich auch durch einen besonderen Bau aus. Da die beiden Klappen der Grösse der Sporangien entsprechend eine breite Fläche besitzen, so würde ihre Auswärtsbewegung erschwert sein, wenn nicht eine besondere Einrich- tung sich fände, die offenbar zu Missverständnissen Veranlassung ge- geben hat. Die beiden Klappen sind nämlich dem ganz bleibenden unteren Fig.1. Selaginella erythropus. Theile nicht mit ihrer ganzen Breite I. Makrosporangium, II. Mikrospo- eingefügt, vielmehr befindet sich an Free De ee Ton ser der Basis jeder Klappe ein e Rise bei derselben schwachen Vergröne- stelle (Fig. 1r) (sie sei als die untere rung. 9 Gelenk, r Rissstelle für Rissstelle bezeichnet), welche das Zu- die Klappenbasis. rückschlagen der Klappe erleichtert. Diese Rissstellen sind ebenso wie die obere durch den Bau der Sporangienwand vorgezeichnet und schon auf der Aussenansicht reifer Sporangien deutlich zu sehen. Sie bedingen zusammen mit der unten zu erwähnenden Zellanordnung für die Klappen eine Art Gelenkbil- dung; dieses Bauverhältniss hat zusammen mit der Thatsache, dass zuweilen auch der untere Theil der Sporangienwand oder eine der 1) Auch nicht bei Sel. helvetica. Etwa 30 untersuchte Makrosporangien öffneten sich genau ebenso wie die im Texte beschriebenen von Sel. erythropus, chrysocaulos u. a., ebenso auch die von $el. denticulata, 2) Das hat schon Kaulfuss gesehen (Kaulfuss, Das Wesen der Farn- kräuter, Leipzig 1827, pag.24): „Die Oeffnung der Kapsel ... erstreckt sich ebenfalls nicht auf die untere Fläche nächst dem Befestigungspunkte, wo die beiden Hälften immer mit einander verbunden bleiben.“ — Die Schleuderbewegung ist von ihm nicht beobachtet worden. 212 Klappen einreisst, zu der oben angeführten irrigen Annahme Veran- lassung gegeben, dass die Sporangienwand sich in mehreren Klappen öffne. Verfolgt man das Oeffnen der Sporangien — was ziemlich zeit- raubend ist, da man nicht immer den richtigen „Reife“zustand an- trifft — so zeichnet sich die Oeffnungssstelle schon vor dem Aufspringen als eine Furche deutlich ab. Die beiden Klappen biegen sich nicht „legörement“ aus einander, sondern mit solcher Kraft, dass von der unteren das Sporophyli herabgedrückt wird. Diese Bewegung wird durch die Gestalt des Sporophylis erleichtert; dieses ist (bei 8. erythropus) nicht mit seiner ganzen Breite der Blüthenachse eingefügt, sondern G 6 Fig. 2. Selag. erythropus, Entleertes Makrosporangium in Oberansicht bei der- selben Vergrösserung, links befeuchtet, rechts nach dem Austrocknen. K Klappen (im optischen Querschnitt); r untere Rissstelle derselben; @ Gelenk. unten verschmälert; es kann also eine Abwärtsbewegung leichter aus- führen, als wenn es mit breiter Basis eingefügt wäre. Das Sporangium klafft nun weit auf und die Makrosporen liegen frei zu Tage. Die Klappen biegen sich mit ihren Rändern nach aussen um, ihre Con- vexität vermindert sich (was die Auswärtskrümmung_ erleichtert). Plötzlich werden die Makrosporen weggeschleudert, vorausgesetzt, dass es sich um ein normal ausgereiftes Sporangium handelt; bei solchen, die sich erst nach langer Austrocknung geöffnet haben, 213 können die Sporen in dem geöffneten Sporangium liegen bleiben (Fig. 3). Wie kommt nun die Schleuderbewegung zu Stande? Die nächstliegende Annahme, von der auch ich zunächst ausging, ist die, dass die bei der Oeffnung ausgebreiteten Klappen elastisch zu- rückschnellen und dabei die Sporen fortwerfen. Diese Annahme wird aber durch die Beobachtung nicht bestätigt. Man kann sich nament- lich an der oberen Klappe überzeugen, dass sie noch ausgebreitet ist, wenn die Sporen schon abgeschleudert sind. Erst dann pflegen die Klappen sich wieder einander zu nähern, und jetzt, wenn Alles vorbei ist, kann man sie „legerement recourb&es“ nennen. Der Sitz der Schleuderbewegung liegt der Hauptsache nach nicht in den Klappen, sondern in dem unteren, stehenbleibenden Theile des Sporangiums,. Betrachten wir ein entleertes Sporangium, das befeuchtet und wieder austrocknen gelassen wurde (Fig. 2 links) von oben, so sehen wir, dass in dem unteren Theile des Sporangiuns, eine eigenthümliche Gestaltveränderung eintritt. Er wird schmäler und länger (Fig. 2 rechts), es kann die Annäherung der Sporangien- wände an einander so weit gehen, dass sie sich berühren. Diese Bewegung wird dadurch ermöglicht, dass dieser untere Theil ein Gelenk besitzt, d. h. einen breiten, nach der Anheftungsstelle zu ver- laufenden Streifen dünnwandiger Zellen. Diese Gelenkstelle (Fig. 11g, Fig. 2 G) ist zunächst, beim ungeöffneten Sporangium, Fig. 3. Selaginella erythropus. etwas concav nach innen gebogen. Wenn Makrosporangium halb geöffnet . von der Seite schräg gesehen, Die sich nun die convexen Aussenwände des _;, Makrospore, welche herunter kahnförmigen unteren Theiles des Spo- gefallen war, durch Punktirung rangiums gerade zu strecken suchen, angedeutet, so gestattet ihnen die dünne Gelenkstelle diese Bewegung, das Gelenk wird dabei nach aussen gestülpt (Fig. 26), ähnlich etwa wie bei zwei Pappdeckeln, die durch einen Stoffstreifen mit einander verbunden sind, dieser — vorausgesetzt, dass er dünn genug ist — bei rascher Annäherung der beiden Deckel an einander herausge- stülpt wird. Die beiden Umrisse in Fig.2 sind genau bei gleicher Vergrösse- rung gezeichnet; ihre Vergleichung ergibt, dass der Längsdurchmesser des Sporangiums sich um fast 13%), vergrössert hat. Da die Annäherung der beiden Convexseiten an einander plötzlich erfolgt, s0 werden die Flora 1901. 15 214 beiden mit ihnen in Berührung stehenden Makrosporen fortgeschleudert, etwa wie ein Kirschkern zwischen Daumen und Zeigefinger der Hand durch einen Druck fortgeschleudert wird. Die stacheligen Fortsätze, welche das Epispor bei manchen Selaginellamakrosporen zeigt, sind dabei kein Hindernis. Denn offenbar sind die Makrosporen beim Oeffnen des Sporangiums noch feucht, ihrer Epispor noch weicher als später, wahrscheinlich hat es sogar eine mehr oder minder schlüpfrige Beschaffenheit. Die beiden anderen Makrosporen liegen so, dass die eine auf der (kleineren) oberen, die andere auf der (grösseren) un- teren?) Klappe sich befindet; die letztere ist (in einer concaven Ver- tiefung der Klappe liegend) mit den anderen Sporen meist nicht in Berührung (Fig. 3). Da sie trotzdem fortgeschleudert wird, so wirkt der in dem basalen Sporangiumtheil ausgeführte Ruck also auch auf die Klappe ein; man kann sich mit einem aus Papier ausgeschnittenen Modell auch leicht davon überzeugen, dass diese „Prellbewegung“ zum Fortschleudern genügt; wo an dem unteren Theile der Klappe „active“ Zellen sich finden (s. u.), werden diese übrigens in ähnlicher Weise wirken, wie im unteren schüsselförmigen Theil des Sporangiums, Ehe auf den Bau der Makrosporangienwand eingegangen wird, ist zunächst noch auf das Verhalten der Mikrosporangien kurz hin- zuweisen. Das Aufspringen erfolgt im Wesentlichen ebenso wie bei den Makrosporangien, also mit zwei Klappen, die sich weit von ein- ander biegen, und auch hier wird — wenngleich nicht so stark — das Sporophyll heruntergedrückt. Die Sporenmasse theilt sich in ihrem oberem Theil meist in zwei Hälften, die auf den Klappen liegen; schon während der Auswärtsbewegung der Klappen sieht man oft, dass kleinere Sporenmengen abgeschleudert 2) werden, die Hauptmasse aber wird auch hier zusammen durch einen Ruck fortgeschleudert, worauf die Klappen sich wieder nach oben einbiegen. Die Untersuchung des Baues der Sporangienwand zeigt zwischen Makro- und Mikrosporangien ziemlich grosse Verschiedenheit. Es sei auch hier ausgegangen von den Makrosporangien und zunächst er- wähnt, dass die Wandzellen zur Zeit der Oeffnung noch Protoplasma (oft mit Chlorophylikörpern) führen, also nicht todt sind, wie etwa die Annuluszellen der Farnsporangien. Wenn man dagegen ein eben ge- öffnetes Sporangium in Wasser legt, zeigen die „activen* Zellen der 1) Es sei dahingestellt, ob das Grössenverhältniss der Klappen nicht auch wechseln kann. Die obige Angabe bezieht sich auf einen beobachteten Einzelfall. 2) Auch an abgeschnittenen Wandstücken reifer Mikrosporangien findet Ab- schleuderung statt, wenn ihnen Mikrosporen anhaften, ‘ 215 Sporangienwand grosse Luftblasen. Sie sterben also offenbar beim Austrocknen ab, Aber auch todte Sporangien können, wenn sie be- feuchtet werden, beim Austrocknen energische Schleuderbewegungen ausführen. So Makrosporangien, die zuvor aufgeklappt waren, aber ihre Sporen nicht fortgeworfen hatten. Sie schlossen sich bei Befeuch- tung und schleuderten beim Austrocknen die Makrosporen fort. In Fig. 4 ist ein entleertes Makrosporangium von aussen darge- stell. Die Randzellen der Klappe und des unteren kahnförmigen 7) NAT I IHrTA NY Fig. 4. Selag. erythropus. Flächenansicht eines geöffneten Makrosporangiums. m Stelle, wo eine der beiden oberen Makrosporen lag, a untere Klappenrissstelle. Theiles des Sporangiums sowie die Basis des Sporangiums sind nicht gezeichnet, sie sind wegen der nach oben convexen Wölbung in der Flächenansicht eines ganzen Sporangiums nicht gut sichtbar. Es fällt zunächst auf, dass die Zellmembranen im unteren Theile des Spo- rangiums stark verdickt sind (die Zellen mit verdickten Wänden sollen als „active“ bezeichnet werden). Ferner ist die Anordnung der Zellen charakteristisch. An der Biegungsstelle der Klappe sind die Zellen in der Querrichtung angeordnet, was das Herabbiegen der Klappen 15* 216 erleichtern wird?); im unteren Theil des Sporangiums sind die Zellen im Allgemeinen in von der Anheftungsstelle und dem Gelenk aus- strahlende Längsreihen gestellt. Zugleich erhellt, dass die Zellen im oberen Theile des Sporangiums kleiner sind (auch niedriger) als im mittleren; nach unten hin nehmen sie gleichfalls an Grösse ab. Diese Angaben beziehen sich auf die äussere Wandschicht des Sporangiums; die innere aus zartwandigen, längsgestreckten Zellen bestehende, dürfte beim Oeffnungsmechanismus wenig in Betracht kommen und soll deshalb hiervernachlässigt werden. Zunächst sei der un- tere, kahnförmige Theil des Sporangiums geschil- dert. Wie oben erwähnt, besitzt er eine sehr cha- rakteristische, von der Anheftungsstelle in der Längsrichtung nach bei- den Seiten verlaufende, bisher übersehene Gelenk- Fig. 5. Selag. erytbropus. Aussenansicht eines stelle.?2) Sie besteht, wie Stückes der Sporangienwand an der Gelenkstelle. die Flächenansicht (Fig. 5) Die activen Zellen haben viel stärker verdickte Wände und andere Anordnung als die Gelenkzellen. zeigt, aus zartwandigen, in der Längsrichtung in ge we, mehreren Reihen neben Fig.6. Selag. chrysocaulos, Querschnitt durch die einander verlaufenden Zel- Gelenkstelle (G) und die angrenzende Sporangien- len, die sich von den ver- wand. Die zweite Zellschicht der Sporangien- diekten®) (activen) zu wand ist weggelassen, ihren in schrägen Längs- reihen angeordneten Wandzellen auffallend unterscheiden. Noch mehr tritt dieser Unter- schied auf einem Querschnitt hervor (Fig. 6). Er zeigt, dass die Ge- 1) Dabei ist zu bemerken, das die activen Zellen je nach der Lage der Ma- krosporen verschieden hoch hinauf reichen; die beiden Klappen eines Sporangiums verhalten sich daun gewöhnlich verschieden, wie sie auch an Grösse verschieden zu sein pflegen. " = spring (Monographie des Lyeopodiac&es pag. 118) hielt die Gelenkstelle r Verlängerungen des Sporangienstiels (prolongements des pedicelles). 8) Die letzteren zeigen bei manchen Selagi elaginella-Art . B. ch los erythropus) gelb gefärbte Wände, ö vn 217 lenkzellen viel niederer sind!) als die actiren Wandzellen. Die letzteren haben verdickte Innen- und Seitenwände (letztere werden nach aussen hin dünner) und diese verdiekten Wandtheile geben mit Phlorogluein-Salzsäure die „Holzreaetion“, während die Gelenkzellen nicht oder nur wenig „verholzt“ sind. Die dünneren Aussenwände der activen Zellen sind gleichfalls nicht verholzt, sie färben sich mit Chlorzinkjod bläulich, mit Ausnahme der schon ohne Färbung wahr- nehribaren Cutieula.2) Erwähnung verdient noch der Rand der Ge- lenkstelle. Wir sehen ihn von längsgestreckten, auf ihrer Innenwand etwas verdickten Saumzellen (Fig. 7) bekleidet, was das Einreissen vom Rande her erschweren muss; dass das trotzdem gelegentlich ein- tritt (und einen solchen Ausnahmsfall hat Lürssen a. a. O. abge- bildet) kann nicht befremden; auch die Klappen reissen gelegentlich Fig.7. Selag. chrysooaulos. Flächenansicht des Randstückes des unteren stehen- bleibenden Sporangiumtheiles an der Gelenkstelle (9). S Saumzellen. ein, aber solche Fälle können doch nur als Ausnahmen betrachtet werden. Ferner ist im unteren Theile des Sporangiums die Stelle vorgezeichnet, wo die Klappen behufs leichterer Beweglichkeit sich von dem kahnförmigen Theile rechts und links loslösen. Es sind 'hier, wie die Flächenansicht zeigt, zartwandige (Fig. 8, auf dem Quersehnitt (Fig. 9 R) viel niedrigere Zellen vorhanden; es kann hier leicht eine Trennung der Zelimembranen erfolgen. Auch hier ver- 1) Leclere du Sablon hat (a. a. O. Pl. 1 fig. 13) die Gelenkzellen abge- bildet, aber vollständig irrig gedeutet. Er hält das Gelenk für die Oeffnungsstelle und bezeichnet die Gelenkzellen als . cellules destindes A ötre brisdes au moment de la d&hiscence“, Die Oeffnungslinie ist aher, wie weiterhin gezeigt werden wird, ganz anders gehaut. . 2) Leelero du Sablon hat diese wohl übersehen, da er angibt ‚la face externe est composde de cellulose pure“ (a. a. 0. pag. 22). 218 laufen, wie bei dem Gelenke, die aktiven Zellen in schrägen Längs- reihen zu den zartwandigen. Der Mechanismus des unteren Sporan- giumtheiles ist in der Wandstruktur der aktiven Zellen einerseits, der der passiven Gelenkzellen andererseits begründet. Die weniger stark verdickte und unverholzte Aussenwand der aktiven Zellen wird sich beim Austrocknen entweder verkürzen oder einbiegen; die verdickte Innenwand wird nach aussen concav gebogen, resp. gespannt. Da die Zellen im kahn- förmigen unteren Theile des Sporangiums in Längsreihen angeordnet sind, so werden sich beim Austrocknen na- mentlich die Längswände einander nähern, eine Be- wegung, welche durch die fast stets schiefe Anordnung der Querwände (welche eine seitliche Verschiebung ge- stattet) noch erleichtert wird. Es wird also beim Aus- trocknen eine nach aussen Fig. 8. Selag. chrysocaulos, Stück der Spo- rangienwand an der unteren Klappenrissstelle . in Flächenansicht. Bei 7 findet die Trennung concave Krümmung der aus der Zellen statt. aktiven Zellen bestehenden Längstheile angestrebt, die verdiekten Innenwände wer- den gespannt, bis sie schliess- lich elastisch losschnellen und die oben beschriebene Geradestreekung bewirken, Fig. 9. Selag. spinulosa. Stück eines Quer- und ähnlich werden sich die schnitts durch die Wand eines halbreifen Ma- aktiven Zellen an der Basis krosporangiums @ Gelenkstelle, R untere Riss- der einen Klappe verhalten stelle für die Klappenbasis, . . Was die Ursache der Krüm- mung betrifft, so ist es nicht meine Absicht, auf den Mechanismus hier näher einzugehen; wichtiger erschien mir, zunächst festzustellen, wie das Sporangium als Ganzes arbeitet. Die Untersuchung des Mechanismus im Einzelnen ist eine 4 . „eura posterior“. Erwähnt sei n ; . ur, dass es sich handeln wird, entweder um einen „Schrumpfungs*- oder einen „Cohäsionsmechanismus“, Im ersteren Falle kann die dünne Aussenwand entweder aktiv oder passiv mitwirken; aktiv, wenn 219 dadurch, dass sie stärker schwindet als die Seiten- und Innenwände der Zellen, die Aussenseite sich zu verkürzen sucht; passiv dann, wenn es sich um eine ungleich starke Schrumpfung innerhalb der verdickten Zellwände selbst handeln sollte. Die Innenwand wird übrigens schon dadurch, dass sie noch von der zarten inneren Zell- schicht der Wandung bekleidet ist, vor rascher Wasserabgabe ge- schützt sein. U m. —_ Fig. 11. Sel. Preissiana. Stück eines Längs- schnittes (quer zur Aufsprunglinie) eines jungen Sporangiums. v Oefinungsstelle. Fig. 10. Sel. erythropus. Längs- Fig. 12. Sel. erythropus. Mikrosporangium schnitt durch die Sporangienwand mit Sporophyll, quer. (Vergr.) Die inneren (innere Zellen nicht gezeichnet). Wandzellen sind auch hier nicht gezeichnet, Bei Sp die Ausbauchung für die obere Makrospore, Was die Struktur der Klappen anbetrifft, so sei an die Betrach- tung des Längsschnittes Fig. 10 angeknüpft. Im oberen Theil ist ein Stück der einer Makrospore entsprechenden Hervorwölbung der Spo- rangienwand; hier sind die Zellen klein, nieder, nur die Seitenwände etwas verdickt; es ist ersichtlich, dass die Convexität dieses Klappen- stückes durch Scehrumpfung leicht verringert werden kann. Weiter 220 unten werden die Zellen der Sporangienwand grösser und höher, ihre Seitenwände stärker verdickt, die Verdiekung greift aber nicht auf den mittleren Theil der Innenwand über; auch diese Zellen werden dem Zurückbringen der Klappen keinen grossen Widerstand entgegen- setzen. Die weiter nach unten gelegenen Zellen haben die oben für den schüsselförmigen Theil beschriebene Wandverdickung. Was die Oeffnungsstelle des Sporangiums betrifft, so ist sie, wie erwähnt, als seichte Furche in der Oberansicht erkennbar. Sie hat aber einen ganz anderen Bau als das „Gelenk“ des kahnförmigen Theils; wie Fig. 11 (von Sel. Preissiana) zeigt, befinden sich an der Oeffnungsstelle zwei Zellen, die an der einander zugekehrten Seite niedriger werden, die sie verbindende Zeilmembran wird offenbar späterhin gespalten; ob sie wie bei manchen Lebermoossporangien !) durch ihre Beschaffen- heit die Spaltung erleichtert, wurde nicht untersucht, — Eine Be- schreibung der sonstigen Zellformen würde zunächst kaum weiteres. Interesse bieten, erwähnt sei nur, dass an der grösseren Klappe Zellen mit stärker verdickten (bei Sel. chrysocaulos z. B. gelblich gefärbten) Wänden sich seitlich von der Ausbauchung für die eine Makrospore auch nach oben hin erstrecken. Jedenfalls geht aus der eben gegebenen Beschreibung hervor, dass die Makrosporangien von Selaginella nicht den einfachen Bau besitzen, den man ihnen bisher zuschrieb, sondern wohl den compli- eirtesten unter allen Pteridophyten. Selaginella ist ja auch die ein- zige Gattung, welche Makrosporen wegschleudert; die übrigen hetero- sporen Pteridophyten verbreiten ihre Makrosporen der Hauptsache nach im Wasser. Kürzer als betreffs der Makrosporangien kann ich mich über die Mikrosporangien fassen. Sie sind einfacher gebaut als jene. Im un- teren kahnförmigen Theil?) ist ein „Gelenk“, das bei den Makro- sporangien so scharf hervortritt, in der Flächenansicht nicht erkennbar, man sieht nur, dass die Zellen an der dem Gelenk entsprechenden Stelle in Längsreihen angeordnet sind ; auf dem Querschnitt (Fig. 12) zeigt sich, dass hier (wie auch weiter oben) die Zellen niedriger sind als die gegen die Mitte der Klappe zu liegenden. Dementsprechend sind die Zellen a ultbeil auch anders verdickt als bei den Makrosporangien ; es i je Innenwand namentlich in ihrem mittleren Theile dünn, ähnlich 2) Dieser ist, wie Fig. 1 zei gt, verhältnissmässig niedriger als bei den Makrosporanzien, | 221 wie das bei den Makrosporangien in den Zellen der Klappen, speciell im oberen Theile, der Fall ist. Die niederen dünnwandigeren Zellen am Rande der Klappe sind für die concave Einbiegung nach aussen bei Wasserverlust auch dadurch besonders geeignet, dass sie in mehrere, dem Klappenrande annähernd parallel verlaufende Reihen angeordnet sind; die Längsachse der einzelnen Zellen entspricht dem Verlaufe der Reihen. Die Querwände dieser Zellen sind meist schief gestellt und (wenigstens an einer Stelle) dünner als die Längswände, erleichtern also die Annäherung der letzteren nach aussen. Sie gehen allmählich in die aktiven Zellen über, welche die Schnell-Bewegung ausführen, worauf die Klappen einander meist rasch sich wieder nähern. An dieser Schnell-Bewegung ist der untere Theil des Sporangiums hier offenbar weniger stark betheiligt als bei den Makrosporangien !); übrigens wird, wenn wir uns die geöffnete Klappe nach aussen schräg concav gebogen denken, eine rasche Geradestreckung (resp. Convexbiegung) genügen, um die feuchte Mikrosporenmasse fortzuschleudern. Bei ge- öffneten und wieder befeuchteten Mikrosporangien kam eine energische Schleuderbewegung nicht mehr zu Stande. Die Verschiedenheiten zwischen Makro- und Mikrosporangien sind so bedeutend, dass man auch an Stücken der Wand (wenn sie nicht gar zu klein sind) erkennen kann, ob man es mit einem Makro- oder einem Mikrosporangium zu thun hat. Trotzdem zeigen beide Spo- rangien in ihrem Wandbau — wie schon die übereinstimmende Art des Aufspringens zeigt — denselben „Typus“. Bei den Mikrospo- rangien tritt er in sozusagen primitiver, bei den Makrosporangien in scharf ausgeprägter Weise auf. Dass der Bau mit den Leistungen in innigster Beziehung steht, wurde oben nachzuweisen versucht. Wie aber die Verschiedenheit des Wandbaues zu Stande gekommen ist, das ist ganz unklar. Immerhin mag es gestattet sein, auf eine Be- ziehung, welche dabei in Betracht kommen dürfte, hinzuweisen. Bei den Mikrosporangien ist der ganze mittlere und untere Theil der Sporangienwand (Längsseite) für die activen Zellen verfügbar. Die Makrosporangienwand hat auf jeder Seite eine Ausbauchung für die beiden oben liegenden Makrosporen zu bilden?); diese liegen, auch wenn die Klappen sich zurückbiegen, in dieser Vertiefung der Sporangien- wand, etwa wie ein Stein in einer Schleuder. Dadurch geht ein grosser 1) Wie oben erwähnt, können ja selbst Stücke der Sporangienwand die Sporen fortschleudern. . 2) Wenn die oberen Makrosporen nicht quer, sondern längs lägen, würden sie beim Oeffnen des Sporangiums eher herausfallen als herausgeschleudert werden, 222 Theil der Sporangienwand für die activen Zellen verloren, und dem- gemäss werden die des unteren Sporangientheiles verstärkt. Allein solche Erwägungen führen natürlich auch zu keiner weiteren Einsicht in die Vorgänge, welche den zweckmässigen Bau der Makrosporangien zu Stande gebracht haben. In formaler Hinsicht aber scheint mir der Vergleich von Makro- und Mikrosporangien von Interesse zu sein. Wir haben einen der nicht gerade häufigen Fälle vor uns, wo wir den Ausgangspunkt einer Entwickelung noch deutlich erkennen können. Denn es kann doch wohl kaum einem Zweifel unterliegen, dass Se- laginella abzuleiten ist von einer isosporen Form, deren Sporangien- bau im Wesentlichen dem entsprach, wie er bei den Mikrosporangien sich findet. Deren Wandbau (das rudimentäre Gelenk und die An- ordnung der activen Wandzellen) bot für dies Zustandekommen des Makrosporangienbaues die „Entwickelungsmöglichkeit“; wir können ung leicht vorstellen, wie aus einem dem Mikrosporangienbau ähn- lichen neutralen Sporangium ein Makrosporangium mit seinem specia- lisirten, der Zahl und der Grösse resp. dem Gewicht der Makrosporen angepassten Bau hervorging. Weiter aber wird mit phylogenetischen Erwägungen zunächst nicht zu kommen sein, denn auch die nahe- liegende Annahme, dass die stoffliehen Vorgänge in den Makrospo- rangien andere sind als in den Mikrosporangien, und dass dadurch auch der Wandbau beeinflusst wird, würde uns keine weitere Einsicht bieten, so lange diese stofflichen Vorgänge ganz unbekannt sind. 2. Die Blüthen. Auch die Blüthen von Selaginella bieten in mehrfacher Hinsicht Interesse. Zunächst sei daran erinnert, dass wir an ihnen radiäre und dorsiventrale Ausbildung zu unterscheiden haben. Da die eulti- virten Arten fast alle zu den mit radiären Blüthen versehenen ge- hören, so sind die dorsiventralen nur ungenügend untersucht worden. Sie sind die einzigen dorsiventralen Blüthen, die bei Pteridophyten bekannt sind. Bei den Blüthen der Samenpflanzen sind wir ge- wöhnt, die dorsiventrale Ausbildung in Beziehung zu den Bestäubungs- verhältnissen zu bringen.') Bei den Selaginellen ist davon natürlich keine Rede, um so mehr drängt sich die Frage nach der Beziehung der dorsiventralen zu den radiären Sporangienständen auf und ebenso die, nach den Beziehungen zur Aussenwelt. 1) Vgl. die Darstellung in Organographie pag. 111 ff., wo auch darauf hin- gewiesen ist, dass die dorsiventralen Blüthen auch bei „windblüthigen“ Pflanzen vorkommen, 223 Was zunächst die historische Seite der Frage anbelangt, so kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die radiären als die ur- sprünglicheren anzusehen sind, ebenso, wie dies bei den vegetativen Sprossen der Fall ist. Ich habe anderwärts!) darzulegen versucht, wie bei den letzteren der plagiotrope Wuchs und die damit in Ver- bindung stehende Anisophyllie zu stande kam. In den Blüthen vieler anisophyller Selaginellen erscheint also das ursprüngliche Verhältniss der Blattbildung wieder. Die Blattpaare sind von gleicher Grösse und kreuzen sich nicht unter einem schiefen, sondern unter einem (annähernd) rechten Winkel, wie dies bei den vegetativen Sprossen, z. B. von Selaginella Preissiana der Fall ist. Die Umänderungen, welche die Sporophylle gegenüber den Laub- blättern erleiden, können hier ebenso ausser Betracht bleiben, wie die im anatomischen Baue sich findende Annäherung zur dorsiventralen Ausbildung der Sporophylle bei denjenigen Blüthen, welche sich nicht orthotrop aufrichten. Dagegen seien die typisch dorsiventralen Blüthen hier kurz be- sprochen, Die Systematiker?) unterscheiden zwei Formen von dorsiventralen (Platystachys-)Blüthen. In der nur aus zwei Arten gebildeten Section „Homostachys“ sind die Sporophylle von ungleicher Grösse, die kleineren bilden die Fortsetzung der kleineren (auf der Spross- oberseite stehenden) vegetativen Blätter. Bei der Section „Hetero- stachys“ werden die Blüthen als „resupinat“ bezeichnet, die kleineren Sporophylle bilden die Fortsetzung der grösseren (seitlichen) Blätter des vegetativen Sprosses, Wer zuerst den Ausdruck „resupinat“ an- gewandt hat, ist mir nicht bekannt. Er kann aber wohl nicht bei- behalten werden, denn unter „resupinaten“ Organen versteht man sonst ganz allgemein solche, welche durch eine Drehung ihre Lage verändert haben, wie dies bekanntlich bei einer Anzahl Blüthen, auch bei Laubblättern, vorkommt. Eine solche Drehung aber findet bei den Selaginellen-Blüthen nicht statt, die Grössenverhältnisse der Blätter ändern sich, ohne dass die Achse sich dreht. Es scheint deshalb passender, derartige Blüthen als „inverse“ zu bezeichnen, ein Aus- druck, welcher dem Wortsinne nach freilich auch auf eine Drehung hindeuten würde, der aber dem herrschenden Sprachgebrauche nach wenigstens nicht wie die Bezeichnung resupinat eine thatsächlich irrige Vorstellung erweckt. Von Selaginellen mit inversen Blüthen zählt T) Organographie Pag. 91, 2) Vgl. 2, B. Baker, Fern allies pag. 33. 224 Baker mehr als 60 Arten auf. Bei dem heutigen Stande der Se- laginella-Systematik können es freilich auch sechs Mal so viele sein; für unsere Zwecke ist dies gleichgiltig, jedenfalls aber scheint es nicht ohne Bedeutung, dass die beiden Sectionen so ungemein ver- schieden an Artzahl sind. Die beiden zu „Homostachys* gehörigen sind dabei offenbar auch selten, sie fehlen selbst grossen Herbarien, wie z. B. dem Berliner. Durch die Freundlichkeit von Sir W, Thiselton Dyer wurde es mir ermöglicht, ein Stück von Sel. pallidissima zu untersuchen, Es zeigte sich, dass die Angaben Spring’s'!) wornach in den dorsi- ventralen Blüthen der Selaginellen nur zwei Reihen von Sporangien vorkommen sollen, irrig ist; sowohl die kleineren als die grösseren Sporophylle bringen Sporangien hervor (Fig. 13 A), nur ge- legentlich unter- bleibt deren Aus- bildung. Die Spo- rangien, welche in den Achseln der grösseren Blätter stehen, sind dabei Fig. 13. Selag. pallidissime. A Blüthe von der Oberseite . P (Sporangien durch Punktirung angedeutet), B vegetativer verhältnissmässig Spross von der Oberseite, weniger gut ge- schützt als in den radiären Blüthen und, wie gezeigt werden soll, in den invers-dorsi- ventralen; die Construction der Blüthen erscheint als eine vergleichs- weise weniger zweckmässige und es ist die Vermuthung, dass damit die Seltenheit des Vorkommens in Verbindung stehe, vielleicht keine allzukühne; auch scheinen die beiden Arten nur an besonders feuchten schattigen Standorten zu wachsen.?) Ein weiterer Punkt, auf den hingewiesen sein mag, ist der, dass zwar die Anisophyllie sich auf die Blüthen fortsetzt, aber doch nicht s0 beträchtlich ist, wie am vegetativen Spross (Fig. 13 B); es ist also . 1) Spring (Monographie des Lycopodiacdes pag. 311) sagt von den Se- laginellae platystachyae: „. ... ler feuilles des &pis quadriserides dimorrhes: les unes, steriles, ressemblant aux feuilles lat6rales des rameaux, les autres, fertiles, ressemblant aux feuilles interm&diaires des rameaux u 2) Spring (a. a. O, pag. 234) sagt von Sel. pallidissima: „in umbrosis hu- midis sylvarum editiorum,“ 225 immerhin eine Annäherung an das Verhalten der radiären Blüthen wahrnehmbar. Von invers-dorsiventralen Blüthen untersuchte ich namentlich Sel. ehrysocaulos und Sel. suberosa, welch letztere auch in lebenden Exemplaren zur Verfügung stand. Fig. 14I und U zeigen die „Umkehrung“ der Dorsiventralität bei ersterer Art. Die Sporophylle auf der Oberseite entstehen durch Vergrösserung, die auf der Unterseite durch Verkleinerung der be- treffenden vegetativen Blätter. Untersucht man die Sporophylie der Oberseite genauer, so zeigt sich, dass sie eine eigenartige Gestalt \ L |: ' Fig. 14. Sel. chrysocaulos. I. Blüthe von oben, II. von unten, IM. Sporophyli der Oberseite von unten (stärker vergr.), S in Fig. II Seitenblatt, sp das erste als Sporophyll ausgebildete (kleiner gewordene) Seitenblatt. In I die Flügel schräg. besitzen (Fig. 14III), welche sehr erinnert an die eines Fissidens- blattes!); sie sind „geflügelt“. Es fragt sich, ob der Flügel auf dem Rücken des Blattes oder auf seiner Unterseite entsteht, beides wäre ja möglich; im letzteren Falle wäre also in Fig. 141II die eigent- liche Blattfläche die in der Ebene des Papiers liegende, der Aus- wuchs nach oben gekehrt und am Rande mit „Haaren“ versehen. 1) In den Baker’schen Diagnosen ist diese auffallende Blattform nicht erwähnt. 226 Die Entwickelungsgeschichte zeigt aber, dass in der That das Blatt dem von Fissidens gleicht; der Auswuchs entsteht auf dem Rücken, er erreicht hier, wie die Abbildung zeigt, ziemlich bedeutende Grösse; bei Sel. suberosa ist er kleiner (Fig. 15 F), er findet sich bei zahl- reichen, aber nicht allen hierhergehörigen Arten. Es erinnert diese Flügelbildung an die Ausbildung der seitlichen Blätter von Lycopo- dium complanatum (Organographie pag. 89; daselbst auch Abbildungen). Was die Function des Flügels anbelangt, so scheint sie mir eine doppelte zu sein. Einmal wird auf der Oberseite der Blüthen ein schützendes Dach hergestellt!) (namentlich dürfte dadurch auch das Abfliessen der Wassertropfen erleichtert werden), und zweitens wird natürlich die assimilirende Oberfläche vergrössert. In anatomischer Beziehung bieten diese Sporangienstände ein auffallendes Beispiel für den Satz, dass der Blattbau bestimmt wird durch die Lage. Fig. 15. Sel. suberosa. Querschnitt durch eine Blüthe, nahe dem Vegetationspunkt. F Flügel. "2 Die Unterseite der Sporangienstände erscheint schon dem blossen Auge auffallend weniger grün als die Oberseite. Es zeigt sich, dass das Ganze etwa die Ausbildung eines gewöhnlichen dorsiventralen Blattes oder eines Thuyazweiges angenommen hat. In Fig. 164 ist ein Stück eiues Querschnitts durch ein Sporophyll der Oberseite, in Fig. 16 B durch eines der Unterseite wiedergegeben. Beide bestehen in ihren seitlichen Theilen aus zwei Zellschichten. Bei A finden wir auf der Oberseite (welche morphologisch die Unterseite ist) grosse chlorophyllreiche Trichterzellen, bei B sind die beiden Zellenlagen kaum verschieden, sie haben nur kleine Chlorophylikörper. Die chloro- Phylireichen Theile haben Spaltöffnungen, die chlorophyllarmen zeigen solche nur in ihrem mittleren mehrschichtigen Theile. Auch der nach unten gekehrte Theil der oberen Sporophylie, welcher vom Flügel 1) Es ist ja klar, dass die Gefahr des Austrocknens für die jungen Sporangien auf der Oberseite der Blüthe stärker sein wird als auf der Unterseite. 227 gedeckt wird, zeigt diese Reduction seines Gewebes; er ist, wie der Querschnitt (Fig. 15) zeigt, dementsprechend auch dünner als der obere, dem er auch an Flächenentwickelung bedeutend nachsteht. Auch darin nämlich zeigt sich die Umkehrung der Dorsiventralität. An den vegetativen Selaginellasprossen (vgl. z. B. Organographie Fig. 61) sind die kleineren Blätter bei manchen Arten asymmetrisch. Die Aussenseite ist dann aber die grössere, hier ist es die Innenseite; sie ist besonders geeignet, die Sporangien zu decken. Wenn man ferner bedenkt, dass beim vegetativen Spross gerade die den kleineren Sporophyllen entsprechenden Blätter die Hauptassimilationsorgane sind, so tritt die Umkehrung der Dorsiventralität mit besonderer Schärfe hervor, im Uebrigen liegen die Verhältnisse — mutatis mutandis — ähnlich wie bei Azolla!), wo die Blattunterlappen im Zusammenhang mit ihrer Lage gleichfalls eine andere Ausbildung erhalten, als die Oberlappen. Bekanntlich ist es bis jetzt nicht ge- lungen, an den Selaginellasprossen die dorsiventrale Ausbildung umzukehren, sie ist im Gegensatz zu der der Farnpro- thallien und anderen Fällen eine „inhä- Fig. 16. Sel. suberosa. A Quer- rente“. Die Pflanze selbst aber ändert schnitt durch ein Sporophyll sie in den invers-dorsiventralen Blüthen der Blüthenoberseite, Chloro- ohne Weiteres; die Mittel, die sie dabei phylikörper schraffirt, B (bei R . gleicher Vegrösserung gezeich- gebraucht, sind uns aber unbekannt; wir net) Theil eines Querschnittes können nur sehen, dass der Vorgang mit der Blüthenunterseite. der Sporangienbildung in Zusammenhang steht. Die Erfahrungen mit Lycopodium complanatum (a. a. O. p. 217) legen die Annahme nahe, dass bei der eigenartigen Ausbildung der invers-dorsiventralen Selaginellablüthen das Licht betheiligt ist. Die Lage zum Lichte bleibt allerdings dieselbe wie vorher, aber die Reactionsfähigkeit des Sprosses ändert sich im Zusammenhang mit den zur Sporangienbildung führenden Vorgängen. Ausserdem dürften bei der Umkehrung der Grössenverhältnisse der Blätter auch Correlationen zwischen beiden von Bedeutung sein; es ist auf Grund anderer Er- fahrungen wahrscheinlich, dass eine Vergrösserung der Oberblätter eine Verkleinerung der seitlichen bedingt und umgekehrt; experimentell ist dies freilich bei Selaginella bis jetzt nicht nachgewiesen, Dagegen lässt sich die Correlation zwischen Sporangienbildung und Sporophyligestaltung auch experimentell erweisen. Dass eine solche Correlation anzunehmen ist, wurde früher von mir auf Grund 1) Organographie pag. 542, 228 von Beobachtungen an Selaginella Lyallii hervorgehoben. ') Behrens?) hat gezeigt, dass man ein „Vergrünen“, d. h. ein vegetativesWeiterwachsen der Blüthen, herbeiführen kann, wenn man Sprosssysteme, die mit Blüthen endigen, als Stecklinge benützt.- Es schien mir von Interesse, festzustellen, wie die invers-dorsiventralen Blüthen sich bei der Regeneration verhal- ten — bleibt die Umkehrung der Dorsiventralität beibehalten oder nicht? Der Versuch zeigte bei 8. suberosa, dass letzteres der Fall war. Die kleinen Blätter der Blüthenunterseite wurden bei der Vergrünung ersetzt durch grosse chlorophylihaltige — auf der Oberseite nahm die Grösse der Blätter entsprechend ab, d. h. die ursprüngliche Dorsi- ventralität wurde wieder hergestellt, nicht die inverse beibehalten. Der Vegetationspunkt nimmt also seine ursprüngliche Beschaffenheit wieder an, sobald die „Induction* durch die Sporangienbildung weg- fällt. Dies Verhalten entspricht dem früher für Sel. Lyallii beobach- teten und war deshalb auch das von mir erwartete. Aber möglich wäre auch das andere gewesen; ein derartig gebauter vegetativer Spross wäre ebenso „zweckmässig“ gewesen, als der andere. Fassen wir die formalen Beziehungen der Selaginella-Blüthen zu einander in das Auge, so würden wir unserem Bedürfnis, Reihen zu construiren — die freilich zunächst nur subjectiver Natur sind — durch folgende Annahmen genügen können: 1. Bei den radiären Selaginellen versteht sich die radiäre Aus- bildung der Blüthen von selbst; von Interesse ist, dass in den Blüthen von Sel. rupestris die Blattanordnung (zweizählige Quirle) sich derjenigen nähert, welche die Vegetationsorgane anderer Selaginellen (z. B. Sel. Preissiana, sanguinolenta) haben. 2. Bei den dorsiventralen, anisophyllen Selaginellen zeigt die Mehr- zahl (260 Arten nach Baker’s Umgrenzung) in ihren Blüthen noch den ursprünglichen radiären Typus, der aber bei genauerer Unter- suchung bei manchen eine anatomische Differenz der Ober- und Unter- seite ergeben dürfte, da die Blüthen vielfach nicht orthotrop sind. 3. Als am meisten verändert, betrachten wir diejenigen Formen, bei welchen die Dorsiventralität sich auch auf die Blüthen erstreckt. Die meisten zeigen dabei den Vegetationsorganen gegenüber eine Um- kehrung der Dorsiventralität, welche in Beziehung steht zum Schutze der Sporangien und zur Lage. 1) Botan. Ztg. 1880 pag. 821. 2) Ueber die Regeneration bei den Selaginellen. Flora 84. Bd. (Ergänzungs- band 2. Jahrg. 1897) pag. 139. Man vergl. auch die daselbst angeführte Angabe von Bruchmann, Studien über die Sporenbildung bei Taphrina Johansoni Sad. Von S. Jkeno. Hiezu Tafel XIH, In der Nähe unseres botanischen Institutes steht ein Pappelbaum (Populus tremula var. villosa), an welchem ein zu den Exoasceen ge- hörender parasitischer Pilz perennirt. Derselbe ist durch die That- sache ausgezeichnet, dass er jährlich die Deformation und eine schön goldgelbe Färbung der Carpelle der Wirthspflanze veranlasst, und deswegen ist er entweder mit Taphrina Johansoni Sad. oder T. rhi- zophora Joh. zu identifiziren.‘) Da das eytologische Verhalten der Sporenbildung bei den Exoascaceen noch nicht untersucht ist?) und es viel Interesse zu bieten schien, sammelte ich schon im April des vorigen Jahres eine grosse Menge dieses Pilzes in seinen verschie- denen Entwickelungsstadien, welcher wegen der Grösse der Ascen für meine Zwecke besonders geeignet zu sein scheint; allein anderer Be- schäftigungen wegen konnte ich für lange Zeit mein Material nicht 1) Nach Sadebeck (18) und Giesenhagen (5) sind 7. Johansoni und rhizophora, abgesehen von ihrem respectiven Wirthe, hauptsächlich durch die Grössenverhältnisse der Ascen von einander zu unterscheiden. Bei 7. Johansoni ist nämlich der Ascus 92—1054 lang und in seinem freien Theile 16-254 dick, während er bei T. rhizophora 120-—160p lang und ca. 224 diek ist, Auch bei T. Johansoni dringt der Ascus 30-504 tief in das Gewebe des Wirthes ein, während bei T. rhizophora der Ascus tiefer eindringt als bei dem anderen, d. h. 40-804. Ich habe auch bei unserem Material einige Messungen ausgeführt, behufs Bestimmung unserer Species, und zwar an freihändigen Schnitten aus Alkoholmaterial der die völlig gereiften Ascen enthaltenden Carpelle der Wirth- pflanze. Nach diesen Messungen beträgt der Ascus 83—133 1 in Länge und 20—27y in Dicke; auch dringt er nicht in die Gewebe des Wirthes so tief ein, als bei den oben citirten Arten, d. h. nur 17—20x tief, Es war mir daher un- möglich, mittelst der Grössenverhältnisse des Ascus zu entscheiden, ob unsere Species zu der einen oder der anderen der oben citirten beiden Arten gehört. Allein ich habe hier unsere Art vorläufig als 7. Johansoni beschrieben, indem die Nährpflanze hier gleichartig wie bei der typischen Johansoni-Art ist und such die Theilung des unteren Theiles des Ascus zu zwei wurzelartigen Endungen, wie es häufig bei T. rhizophora der Fall ist, niemals beobachtet wurde. j 2) Ueber die Morphologie und Biologie von T. Johansoni haben wir eine schöne Untersuchung von Sadebeck (19); allein in seiner Schrift wurde das cytologische Verhalten der Sporenbildung nicht berücksichtigt. Flore 1901. 16 280 verarbeiten. Erst im September dieses Jahres konnte ich einige Untersuchungen hierüber ausführen, wobei sich unerwartete Resultate ergaben. Kaum als die Arbeit vorgenommen wurde, wurde ich durch das höchst eigenthümliche Verhalten des Ascuskernes überrascht, und da es meines Erachtens in der botanischen Litteratur keinen analogen Fall gibt, möge mir gestattet sein, hier die Resultate meiner Unter- suchungen kurz vorzuführen, wenn sie auch noch keineswegs völlig abgeschlossen sind. Das Material wurde mit Flemming’s Lösung oder wässeriger Lösung von Sublimat fixirt, Die Färbung der Mikrotomschnitte geschah hauptsächlich nach den bekannten Flemming ’s Safranin- Gentianaviolett-Orange- oder Heidenh ain’s Eisenhämatoxylin-Me- thoden. Auch wurde das Sublimat-Material durch die Wager- Berlese’sche Nigrosin-Carmin-Methode gefärbt, allein die Resultate waren dabei wenig befriedigend, vielleicht wegen der Ungeschicklich- keit unserer Manipulationen. Wenden wir uns nun der Beschreibung unserer Untersuchungs- resultate zu. Fig. 1 Taf. XIII stellt zwei sehr junge Ascen dar, welche noch nicht über die Cutieula des Carpells hervorgetreten sind. Dangeard beobachtete beim jungen Ascus von Exoascus deformans die Ver- schmelzung der zwei Kerne (3, pag. 34, Fig. 4); bei unserer Taphrina- Art konnte ich auch seine Angabe bestätigen. In dieser Figur näm- lich sehen wir beim links dargestellten Ascus zwei Kerne in innigem Contact mit einander und beim rechts dargestellten nur einen grösseren, welcher zweifellos durch die Verschmelzung der zwei kleineren ent- standen ist. Beim Ascus in diesem Entwickelungsstadium enthält der rundliche Kern eine durch Farbstoffe sich schwach färbende Grund- substanz und einen stark färbbaren massiven Körper. Wie unten zu erörtern ist, besteht der letztere aus der eigentlichen Kernsubstanz, und daher will ich ihn weiter unten als Chromatinkörper nennen. Nun beginnt ein höchst eigenthümlicher Vorgang, nämlich die Zerklüftung des Chromatinkörpers. Fig. 2 stellt diesen Vorgang in seinem Anfangsstadium dar. Dort sind beide, der Ascus und sein Zellkern, viel grösser geworden als in Fig. 1; dann enthält der letztere ausser der Grundsubstanz und einem Chromatinkörper noch eine An- zahl von grobgranulären oder stäbehenförmigen Körperchen, welche durchaus gleich den letzteren zu färben und hauptsächlich am inneren Rande des Zellkernes zerstreut sind. Im Beginn meiner Untersuch- ungen habe ich diese Körperchen für Chromosomen und den Chromatin- 231 körper für einen Nucleolus gehalten, allein das Studium der folgenden Entwickelungsstadien überzeugte mich bald von der Unrichtigkeit dieser Deutungen. Jene Körperchen nämlich, welche im lebenden Zustande halbflüssig sein dürften, sind offenbar nichts anderes als die von dem Chromatinkörper abgetrennten und dann nach aussen ge- flossenen Bruchstücke, welche durch die Kernmembran an ihrem weiteren Ausfliessen verhindert sind und daher im Randtheile des Kernes sich vorfinden. Dann fängt der Zellkern an, seinen Umriss zu verlieren, da seine Membran und seine Grundsubstanz beide sich auflösen und nach dem umgebenden Cytoplasma abfliessen, um dort mit der Substanz derselben zu verschmelzen. Von dieser Periode an ist der Zellkern nur durch einen Chromatinkörper repräsentirt und enthält weder die Grundsubstanz, noch die Membran. Zugleich fliessen die oben eitirten grobgranulären oder stäbchenförmigen Körperchen nach dem umgebenden Cytoplasma aus, weil sie nicht mehr durch die Kernmembran an ihrem Ausfliessen verhindert werden (Fig. 3 Taf. XI. Währenddessen erfährt der Chromatinkörper selbst, welcher, wie oben bemerkt, nun den Zellkern repräsentirt, eine Zerklüftung in mehrere Stücke (Fig. 4), welche alle nach dem umgebenden Cytoplasma zer- streut und dort allmählich resorbirt werden, bis auf ein etwas grösseres Stück, welches im Ascus auf der ursprünglichen Stelle bleibt und den Chromatinkörper in seinem nächsten Entwickelungszustande darstellt (Fig. 9. Nicht selten gewinnt dabei der letztere eine höchst eigenthümliche Gestalt, welche an die durch den Zellkern bei der Amitose häufig erlangte erinnert (Fig.6). Bei Fig.4 sehen wir im Cytoplasma eine Anzahl von durch die Chromatinzerklüftung ent- standenen Stücken, welche nun offenbar im Verschwinden begriffen sind. Auch fällt uns die Thatsache auf, dass zur Zeit der Zerklüftung des Chromatinkörpers das Cytoplasma stets aus einem regelmässigen Netzwerk besteht (Fig. 4). Bis jetzt sind die Ascen noch nicht durch die Cuticula des Wirthes nach aussen durchgebrochen, wenn sie auch, wie z. B. bei Fig. 4, eine grosse Länge erreicht haben. Nicht selten findet die Chromatinzerklüftung sehr frühzeitig statt. Schon bei dem noch sehr niedrigen Ascus nämlich ist das Cytoplasma regelmässig netzig geworden und erfährt der Chromatinkörper eine Zerklüftung in mehrere Stücke, welche auch nach dem umgebenden Cytoplasma ausfliessen (Fig. 5). Nun geht der Ascus zur zweiten Phase seiner Entwickelung über und dann hat er schon die über ihm befindliche Cuticula durchbrochen, uın über die Oberfläche des Carpells des Wirthes sich hoch emporzuheben. 16* 232 Bei Fig. 7 sehen wir einen Aseus, wo der Zerklüftungsvorgang gerade abgeschlossen und nur ein Chromatinkörper enthalten ist. Der letztere theilt sich bald in zwei kleinere (Fig. 8). Jedes dieser Thei- lungsstücke theilt sich wieder in je zwei, so dass man im Ascus zwei Paare der Stücke sehen kann (Fig. 9); in einem Falle beobachtete ich auch drei Paare derselben (nicht in der Figur gezeichnet). In welcher Weise die Theilung des Chromatinkörpers stattfindet, ist mir noch nicht ganz klar, denn ich habe nur einige Male Bilder beobachtet, wie sie in der Fig. 10 dargestellt sind, und welche auf die Sprossung jenes Körpers hindeuten. Da hier keine typischen Zellkerne vorliegen, wird auch die Karyokinese sich nicht typisch vollziehen können, aber vielleicht könnte wenigstens ein analoger Process stattfinden. Anfangs erwartete ich auch selbst einen solchen, besonders auch weil das Vor- handensein der karyokinetischen Figur durch Sadebeck bei Exoas- cus bullatus und turgidus erwähnt wird (17). In einem solchen Fall wie bei dem in Fig. 8 dargestellten, wo zwei Chromatinkörper zu einander sehr regelmässig angeordnet sind, kann man naturgemäss auf den Gedanken kommen, dass zwischen denselben eine Kernspindel oder wenigstens ein dazu analoges Gebilde sich befinden dürfte. Ich habe jedoch an einer grossen Anzahl von Ascenschnitten nach den karyokinetischen Figuren gesucht, aber stets mit negativem Erfolge; doch habe ich mehrmals solche Bilder, wie sie in der Fig. 8 dargestellt sind, gefunden, aber ohne in einem einzigen Falle Spuren der Kern- spindel u. dgl. nachweisen zu können. Natürlich ist ein positives Resultat viel mehr überzeugend als hundert negative; wenn man deshalb später bei unserer Taphrina-Art die Karyokinese oder einen dazu ähnlichen Vorgang sicher erweisen würde, würde ich auch meine diesbezügliche Ansicht sofort zurückzuziehen nieht anstehen. So lange aber das Gegentheil nicht sicher bewiesen wird, muss ich die oben eitirte in wenigen Fällen gemachte Beobachtung, dass hier der Chro- matinkörper durch Sprossung sich theilt, als Thatsache betrachten. Nachdem eine kleine Anzahl der Chromatinstücke produeirt ist, sammelt sich eine kleine Menge des umgebenden Ascuscytoplasmas excentrisch um je eines dieser Stücke an. Sehr häufig sind diese ‚Cytoplasmaballen je vier in einer Vacuole eingeschlossen (Fig. 11), auch bald je zwei (Fig. 12), bald nur je einer (Fig. 18). Die Vacuole ist die durch diesen Vorgang der Cytoplasmaansammlung entstandene Lücke, so dass, je weniger die Zahl der in der Vacuole einge- schlossenen Ballen ist, desto kleiner sie ist (vgl. Fig. 11—13). Um diese Ballen scheint auch eine Haut erzeugt zu werden, wenn auch TTS mm 238 die Art und Weise nicht zu erkennen ist. Wir sind durch die Untersuchungen verschiedener Forscher über die Betheiligung des Zellkernes bei der Membranbildung unterrichtet, sowohl bei den Phanerogamen als bei den Kryptogamen; die excentrische Stellung des Chromatinkörpers in diesen Ballen, welcher dann den Zellkern darstellt (vgl. Fig. 11—13), ist möglicher Weise mit dem Vorgang der Hautbildung in Beziehung zu bringen. In dieser Weise entstehen eine Anzahl von rundlichen Sporen, welche Ascosporen darstellen. Bald fängt der in jeder Ascospore enthaltene Chromatinkörper sich zu theilen an, so dass wir nicht selten in einem Ascus in solchem Entwickelungsstadium neben den nur mit einem Chromatinkörper ver- sehenen Sporen noch die anderen mit je zwei derselben treffen können (Fig. 14). Auch nehmen sie zugleich an Grösse zu und ver- mehren sich selbst, wie bekannt, durch. Sprossung (Fig. 15). Nun kann das Wachsthum und die consequente Sprossung der Ascosporen nur unter Verbrauch des Ascuseytoplasmas geschehen, so dass die die Sporen einschliessende Vacuole mehr und mehr sich erweitert (z. B. vgl. Fig. 11 und 15, welche unter gleicher Vergrösserung ge- zeichnet sind). Die wiederholte Sprossung folgt dann nach (Fig. 16 bis 17) und in dieser Weise wird eine enorme Menge der Conidien erzeugt. Bei den Fig. 11, 12, 15, 16 und 17 sehen wir neben den in einer Vacuole befindlichen Ascosporen noch einige Chromatinkörper. Das Schicksal der letzteren ist noch nicht ganz klar. Es scheint nur höchst wahrscheinlich, dass jene überzähligen Chromatinkörper ein- fach im Cytoplasma resorbirt werden, vielleicht um dies zu ernähren, Diese Vermuthung wird durch die Thatsache bestärkt, dass wir nicht selten zu solcher Zeit im Ascus keine überzählige Chromatinkörper nachzuweisen vermögen. Oben habe ich bloss die Resultate meiner Beobachtungen vor- geführt; doch möchte ich noch einiges beifügen. Der oben beschriebene Vorgang der Chromatinzerklüftung hat meines Wissens kein Analogon in der botanischen Litteratur. In seinen Pilzstudien gibt Istvänffi die Zerklüftung der Kerne an, nieht aber des Chromatinkörpers (12). Man könnte vielleicht glauben, dass die von mir beobachtete Theilung resp. Zerklüftung des Chro- matinkörpers auf meiner irrigen Verwechselung eines Zellkernes mit einem Chromatinkörper beruhe. Allein die Entwiekelungsgeschichte desselben schliesst die Möglichkeit dieser Verwechselung ganz aus, indem, wie oben erwähnt, schon im ersten Stadium der Ascus- 234 entwickelung die Grundsubstanz und die Membran des Kernes sich auflösen, um mit der Substanz des Cytoplasmas zu verschmelzen, und dann nur der Chromatinkörper bleibt. Auch spricht seine Beschaffen- heit gegen seine Kernnatur, da, abgesehen von einigen häufig auf- tretenden kleinen Vacuolen, diese Körperchen, welche den Nucleolen nieht unähnlich sind, ganz massiv und strueturlos sind. Da das Chro- matin die eigentliche Kernsubstanz ist, denke ich, dass hier dieses Körperchen in physiologischer Hinsicht einen Zellkern darstellen kann. Die Thatsache, dass in unserem Falle (und ich vermuthe, dass in Zukunft viele andere analoge Fälle aufgefunden werden dürften) der Zellkern bloss durch einen Chromatinkörper in einigen Stadien der Ascusentwickelung repräsentirt ist, scheint schwer verständlich. Ob der Chromatinkörper als ein phylogenetisch primitives Stadium der Zellkernentwickelung aufzufassen ist oder nicht, und ob es besondere Gründe dafür gibt oder nicht, ist noch näher zu untersuchen, Für die Bedeutung der Chromatinzerklüftung im jungen Ascus haben wir noch keine annehmbare Erklärung. Vorläufig möchte ich jedoch diesen Process zu der Ernährung des Aseus in Beziehung bringen. Schon vor 20 Jahren haben Strasburger (21, pag. 371, 22 pag. 241) und Schmitz (20) ihre Vermuthung über die Betheiligung des Zell- kernes an der Eiweissbildung geäussert. Insbesondere lehrte uns das successive von Hirase (10), mir (11) und Arnoldi (1,2) studirte Verhalten des Kernes bei dem Wachsthum der Eizelle verschiedener Gymnospermen, dass der Zellkern das von aussen her aufgenommene Rohmaterial zu der der Ernährung tauglichen Form verarbeitet, um zum Wachsthum des Eieytoplasmas beizutragen. In der That haben Hirase und ich die Kernsubstanz auf ihrem Wege des Ausfliessens nach dem Kerne angetroffen, und neuerdings hat Arnoldi die merk- würdige Thatsache beobachtet, dass bei den Abietineen die Kerne der Deckschichtzellen selbst nach dem Eieytoplasma eindringen. In unserem Falle ist es nicht unmöglich, dass der Chromatinkörper, welcher phy- siologisch einem Zellkerne gleichartig ist und demgemäss das Ver- mögen der Verarbeitung des Rohmaterials besitzt, zum Wachsthum des Eicytoplasmas beitragen kann. Und dann ist die Chromatinzer- klüftung als der Vorgang des Ausfliessens des von dem Kerne ver- arbeiteten Wachsthumsmateriales nach dem Ascuseytoplasma zu betrachten. Die oben beschriebenen, aus dem Chromatinkörper ab- getrennten Bruchstücke sind dann nichts Anderes als das Wachsthums- material, welches im lebenden Zustande halbflüssig sein dürfte und nun durch die Fixirungsflüssigkeit zum Gerinnen gebracht worden ist, 235 In der botanischen Litteratur haben wir noch kein unserem sog. „Ohromatinkörper“ ganz analoges Gebilde, aber die Thatsache, dass ein massiver Körper im Zellkerne das Chromatin enthält, wurde mehr- fach bei den Thallophyten erwähnt, Wir erinnern z.B. an den viel- fach untersuchten Fall von Spirogyra, wo aus dem Nucleolus alle ‘oder einige Chromosomen hervortreten (13, 14, 15, 25, 26). Davis. gibt den chromatischen Nucleolus bei Corallina an (4); auch ganz neuerdings erwähnt Golenkin solches bei Sphaeroplea annulina (6). Trow fand bei Achlya, dass der „Centralkörper“ (centralbody) im Zellkerne ausser der Nucleolarsubstanz noch das Chromatin enthält (23). Bei den Bierhefezellen gibt es nach Wager’s exacten Untersuch- ungen einen sog. „nuclearbody“, welcher vielleicht dem Nucleolus anderer Pflanzen entspricht, unter einigen Bedingungen das Chromatin enthält und durch Sprossung sich theilt (24). Es wäre nicht unmög- lich, dass unser sog. „Chromatinkörper“ ein diesen homologes Gebilde ist. Es wäre recht interessant zu untersuchen, wie er sich verhält, wenn wir ihn verschiedenen von Zacharias vorgeschlagenen mikro- chemischen Reactionen unterziehen würden, welche ich im nächsten Jahre zu machen gedenke, sobald mir lebendes Material zur Ver- fügung stehen wird. Zum Schluss möchte ich Einiges über die phylogenetische Ver- wandtschaft von Taphrina erörtern, soweit ich sie aus dem cytologi- schen Verhalten bei der Sporenbildung ableiten kann. Die Sporenbildung der Phycomycetensporangien wird, wie es neuerdings durch Harper eingehend untersucht worden ist (8), durch den Vorgang der Spaltung (cleavage) veranlasst, was ihn zu dem Gedanken führte, dass die von Brefeld betonte Ableitung des Ascus von den Phycomycetensporangien nicht zu acceptiren ist. Popta untersuchte die Sporenbildung der Hemiasci und kommt zum Schlusse, dass Ascoidea in ihrer Sporenbildung Analogie mit den Ascomyceten zeigt, indem hier zuerst eine Partie von körnerlosem Plasma um jeden Zellkern sich ansammelt und dann die Haut er- zeugt wird (16). . Bei Taphrina Johansoni ist (wenn man von dem Besitze des Chromatinkörpers statt des typischen Zellkernes absieht) der Vorgang der Sporenbildung dem von Ascoidea fast gleichartig; nur unterscheidet sich nach Popta die letztere von Taphrina durch die Thatsache, dass die Entwickelung der Sporangien mit mehreren Kernen beginnt. Wenn wir das oben über die Sporenbildung der Phycomyceten ufd Taphrina Gesagte zusammenfassen und noch Harper’s Unter- 236 suchungen über die Ascosporenbildung verschiedener Ascomyceten vergleichen, kommen wir naturgemäss zu den folgenden Schlüssen: 1. Die Sporenbildung von Taphrina Johansoni weicht bedeutend von demselben Process der Phycomycetensporangien ab. 2. Die Sporenbildung unseres Pilzes bietet mehr Analogie dar mit demselben Process verschiedener von Harper untersuchten Ascomy- ceten, wenn auch im Detail zwischen beiden Verschiedenheiten herrschen. 3. Die typischen Ascomyceten sind von den Exoasceen abzuleiten, nicht aber die Exoasceen von den Phycomyceten. Taphrina ist keines- wegs ein Pilz, welcher den Uebergang von den Phycomyceten zu den typischen Ascomyceten zu vermitteln vermöchte. Ich beabsichtige im kommenden Jahre noch das Material von verschiedenen Exoasceen zu sammeln und dieselben einer vergleichen- den Untersuchung zu unterziehen, um dadurch mehr Klarheit über die verschiedenen Vorgänge bei der Sporen- resp. Conidienbildung zu erlangen und auch die noch vorbandenen Lücken auszufüllen. Tokio, den 24. Dezember 1900. Citirte Litteratur. 1. W. Arnoldi, Beiträge zur Morphologie der Gymnospermen, III, Embryogenie von Cephalotaxus Fortunei. Flora, 87, 1900. 2. — — do. IV. Was sind die „Keimbläschen“ oder „Hofmeister-Körperchen“ in der Eizelle der Abietineen? Ibid. 3. P. A. Dangeard, La reproduction sexuelle des Ascomyo&tes. Le Botaniste, 4, 1894 95. 4. B. M. Davis, Kerntheilung in der Tetrasporenmutterzelle bei Corallina offi- einalis var. mediterranea. Ber. d. D. bot. Ges., 16, 1898, 5. K. Giesenhagen, Die Entwickelungsreihen der parasitischen Exoasceen. Flora, 81, 1895, 6. M. Golenkin, Algologische Mittheilungen. Bull. de la Soc. imp. des Na- turalistes de Moscou. 1899, 7. R. A. Harper, Kerntheilung und freie Zellbildung im Ascus. Jahrb. f. wiss. Bot. 30, 1897. 8. — — Cell-division in sporangia and aseci. Ann. of Bot., 13, 1899, 9. — — Sexnal reproduetion in Pyronema confluens and the Morphology of the Ascocarp. Ann. of Bot., 14, 1900. 10. 8. Hirase, Etudes sur la fecondation et Vembryogenie de Ginkgo biloba. Journ. of the Coll. of Se, N, 1895, 1 ‚8. Ikeno, Untersuchungen über die Entwickelung und den Vorgang der Be- fruchtung bei Cyras revoluta. Jahrb. I. wiss, Bot, 32, 1898, 12. Qy. von Ist änffi, Ueber die Rolle der Zellkerne bei der Entwickelung der Pilze. Ber d. D, bot. ties., 13, 1895. 13. A. Meunier, Le nucldole du Spirogyra. La Cellule, 3, 1887, ' | 14. 15. 237 L. Mitskewitsch, Ueber die Kerntheilung von Spirogyra. Flora, 85, 1898, T. W. Moll, Observations on karyokinesis in Spirogyra. 8.-A. aus d. Verh, d. k. Akad. d. Wet. te Amsterdam, 1893, 16. C. M. L. Popta, Beitrag zur Kenntniss der Hemiascei. Flora, 86, 1899. 17. R. Sadebeck, Untersuchungen über die Pilzgattung Ziroaseus. 1889. 18, — — Die parasitischen Exoasceen, 1892. 19. — — Einige neue Beobachtungen und kritische Bemerkungen über die Exoas- caceae. Ber. d. D. bot, Ges., 13, 1895. 20. Fr. Schmitz, Untersuchungen über die Struktur des Protoplasmas und der Zellkerne der Pflanzenzellen. Sitzb. d. niederrh. Ges. f. Natur- u. Heilkunde zu Bonn, 1880. 21. E, Strasburger, Ueber den Bau und das Wachsthum der Zeilhäute. 1882, 22. — — Ueber Kern- und Zelltheilung im Pflanzenreich, Histol. Beitr., 1, 1888. 23. A. H. Trow, Observations on the Biology and Cytology of a new Variety of Achlya americana. Ann. of Bot., 13, 1899. 24. H. Wager, The Nucleus of the Yeast-Plant. Ann, of Bot., 12, 1898. 25. C. van Wisselingh, Ueber den Nucleolus von Spirogyra. Bot. Ztg., 56, 1898. 26. — — Ueber Kerntheilung bei Spirogyra. Flora, 87, 1900. Figurenerklärung. Sämmtliche Figuren wurden unter Benutzung von Zeiss’ Apochromat 2mm und Compens.-Oc. 12 gezeichnet (Vergr. 1800). c bedeutet überall Cuticula, Fig. 1, Zwei junge Ascen. Beim links dargestellten sieht man zwei Zellkerne in innigem Contact. w Zelle des Carpells des Wirthes. Fig. 2. Ein mehr gewschsener Ascus. Der Zeilkern besteht aus der Membran, Grundsubstanz, einem Chromatinkörper und vielen Bruchstücken desselben. Fig. 3, Zellkern in Auflösung begriffen. Chromatinkörperstücke im Ausfliessen. Fig. 4. Chromatinzerklüftung. Viele Stückeim Cytoplasma imVerschwinden begriffen. Fig. 5 Chromatinzerklüftung in einem sehr jungen Ascus. Fig. 6, Chromatinkörper von einer eigenthümlichen Gestalt in Zerklüftung. Fig. 7. Ein Ascus mit einem Chromatinkörper. Fig. 8. Ein Asous mit zwei Chromatinkörpern. Fig. 9, Ein Ascus mit vier Chromatinkörpern. Fig. 10. Ein Chromatinkörper in Sprossung begriffen. L Fig. 11. Vier Ascosporen in einer Vacuole. Einige überzählige Chromatinkörper ausser derselben. Fig.12. Zwei Ascosporen in einer Vacuole. Ueberzählige Chromatinkörper neben derselben. Fig. 13. Drei Ascosporen, jede in eine besondere Vacuole eingeschlossen. Fix 14. Ascosporen mit einem Chromatinkörper und dieselbe mit zwei solchen. Fig. 15. Vier Ascosporen, von welchen eine in Sprossung begriffen ist. Ueber- zählige Chromatinkörper. . Fig. 16, Eine Ascospore in wiederholter Sprossung begriffen. Ueberzählige Chro- matinkörper. Fig. 17. Conidienbildung. Ueberzählige Chromatinstücke. der Bei den Fig. 7—12, 14—17 wird nur der obere kleine Theil des Ascus, bei Fig. 13 der mittlere dargestellt. Kleinere Mittheilungen. Reizbare Griffel von zwei Arctotis-Arten. Von M. von Minden. Die Arctotis-Arten sind zumeist südafrikanische Pflanzen; zwei derselben, Arctotis aspera und calendulacea, wurden im Giessener botanischen Garten cultivirt. Die folgende Beschreibung bezieht sich ganz wesentlich auf A. aspera. Die Blüthenköpfchen dieser Art sind etwa 5!/e—6cm gross. Die Randblüthen sind weiblich, zungenförmig, weiss mit gelber Basis und röthlicher Unterseite; die Scheibenblüthen zwitterig, glockig-röhrig, grünlich-gelblich mit fünf Zähnchen. Die Antheren sind in typischer Weise zu einer Röhre verklebt und öffnen sich nach innen. Durch den emporwachsenden Griffel werden dann die reichlichen Pollen- massen nach aussen bewegt, wobei aber die äusserste Griffelspitze von dieser frei bleibt, sie dagegen zwischen den zahlreichen kleinen Papillen der Aussenseiten der beiden Narbenlappen festgehalten und passiv mitgeführt werden. Einige Dimensionen seien hier angegeben: Länge der ganzen Röhrenblüthe 11,5—12nım; Länge der Kronröhre etwa 6mm; Länge der Narbenlappen etwa 2,5mm; Länge des ausserhalb der Krone und der Staubbeutelröhren sichtbaren Griffeltheils 2,5—3 mm. Die Blüthen sind stark protandrisch. Die Narbenlappen bleiben längere Zeit nach der Entfaltung eng an einander geschmiegt und machen dadurch eine Bestäubung unmöglich. Arctotis calendulacea besitzt gelbe Randblüthen; die Blüthenköpf- chen sind etwas kleiner, in ihrem Bau aber der vorigen Art ganz ähnlich. Bei Sonnenschein und warmem Wetter erfolgt das Aufbrechen der jungen Blüthen recht rasch. Da sie sich nach einander im Laufe mehrerer Tage vom Rande nach der Mitte des Köpfchens hin entfalten, so kann man mit der Lupe sehr leicht die sich hierbei abspielenden Vorgänge beobachten. Die fünf Zähnchen der Krone grenzen an- fänglich noch dicht an einander; sie bilden ein Dach über den jungen Geschlechtsorganen und kehren ihre glänzend schwarze Unterseite dem Beschauer zu. Aber fünf Furchen zeigen deutlich die Stellen, an denen sie sich trennen werden. Hier nun erscheinen feine Spalten, die bald weisslich schimmern und sich erweitern. Plötzlich springen ein oder einige der Zähnchen, indem sie sich von den übrigen los- lösen, zurück; bald auch trennen sich die übrigen von einander, a 239 Indem sich nun die Blättchen rasch nach aussen umbiegen, wird die oben geschlossene Staubbeutelröhre sichtbar. Kurze Zeit darauf wird diese von der Narbenspitze durchbrochen, die nun, dem Auge erkennbar, vordringt. Hierbei springt jener Augenblick vor Allem in die Augen, in dem dieser als gelber Ring aus der Staubbeutelröhre hervortritt. Der ganze Vorgang hat bis jetzt etwa 1'—2 Minuten gedauert. Nach weiteren 2— 21, Minuten hat sich die etwa 2,5 mm lange Narbe aus der Aussenröhre hervorgeschoben, und noch 5—6 Minuten später ist auch der Griffel etwa um Narbenlänge frei sichtbar. Nach einiger Zeit hört darauf die Verlängerung auf, die also in 10 Minuten etwa 5 mm beträgt. Bemerkenswerth ist nun vor Allem die Reizbarkeit der Griffel. Ihre gewaltsame Krümmung z. B. durch Druck mit einer Nadel be- wirkt nämlich ein Ueberschlagen nach der der Druckrichtung ent- gegengesetzten Seite. Diese Reaction erfolgt bei warmem Wetter ganz unmittelbar. Der Bogen, den die Narbenspitze hierbei beschreibt, kann von der Ruhelage aus genommen, in welche der Griffel nach seiner Krümmung infolge seiner grossen Elastieität zurückkehren würde, mehr als 45° betragen. Er nimmt dann eine geneigte Stel- lung ein, die man durch wiederholte Reizung in demselben Sinn so weit steigern kann, dass die passiv mitgeführte Narbe sich parallel zum Blüthenboden einstellt oder sogar mit ihrer Spitze auf diesen ge- richtet ist. Zu solcher Krümmungsbewegung ist der Griffel auf dem grössten Theil seiner Länge oder vielleicht überall fähig; ferner ist er auf allen Seiten reizbar. Unmittelbar nach ausgelöster Reizbewegung kann man durch Druck auf die convex gewordene Seite, wobei sich deren Krümmung vergrössert, eine Reizkrümmung nach entgegenge- setzter Richtung erzielen, so dass sich der Griffel, wenn er vorher diese Lage hatte, wieder gerade aufrichtet. Wiederholte Druckreize, die rasch auf einander folgen, lösen zwar auch noch Bewegungen aus, die aber immer schwächer werden und endlich ganz aufhören. Er- müdete Griffel sind aber nach 10-20 Secunden wieder schwach reizbar, und nach einiger Zeit ist die frühere Reizbarkeit wieder vorhanden. Bemerkenswerth ist ferner, dass solche Griffel, die in- folge eines Druckreizes eine geneigte Stellung angenommen haben, sich nach kurzer Zeit wieder aufrichten und gerade strecken. Auf das Zustandekommen der Krümmungsbewegungen werfen einige andere Beobachtungen einiges Licht. Die Griffel verkürzen sich, wenn sie altern, ganz bedeutend, so dass sie mit der Narbe fast ganz in der vertrocknenden Antheren- röhre verschwinden, Dann haben sie ihre Reizbarkeit verloren, 240 Eine mehr oder weniger auffallende Längenabnahme zeigt sich aber auch schon an lebensfrischen Griffeln in der ersten Nacht nach Entfaltung der Blüthen. Sie betrug bei einer Messung 3,5mm bei einer Griffellänge von Ilmm; gewöhnlich scheint aber am folgen- den Morgen wieder eine gewisse Verlängerung einzutreten und sich dieser Wechsel während einiger Tage zu wiederholen, wenn auch diese Längenunterschiede schliesslich unbedeutend werden. In einem Fall trat bei einem abgeschnittenen Zweige, der im Wasser stand, und an welchem dem Blüthenboden eines Köpfchens einige Blüthen ent- nommen waren, in den noch vorhandenen Blüthen eine Verkürzung der Griffel um 2mm in einer halben Stunde ein. Ein anderer Versuch erscheint für das Verständniss der Reiz- krümmungen besonders wichtig. Bringt man nämlich in bestimmter Entfernung von festen Punkten, etwa dem Rande der Krone oder der Staubbeutelröhre, an den Griffeln kleine Marken, etwa mit schwarzer Tusche, an, so kann man bei wiederholten Krümmungsreizen, die man nach einander nach beliebiger Richtung hin wirken lässt, leicht eine Verkürzung der Griffel feststellen und beobachten, wie jene kleinen Marken allmählich hinter dem Antherenhäutchen verschwinden. Es sei ferner noch erwähnt, dass diese auf einen Reiz folgenden Krümmungen auch dann eintreten, wenn man die Griffel durch Ent- fernen der Krone und Staubgefässe frei präparirt hat, und ihr unteres Ende in einem wasserdurchtränkten Hollundermarkstückchen steckt. Anatomisch zeigt der Querschnitt unterhalb der Epidermis ein Parenchym aus grossen, runden Zellen, die nach innen zu kleiner werden und im Centrum ein kleinzelliges, von Intercellularen freies Gewebe bilden, dessen Wandungen stark verdickt sind und stark glänzen. Um dieses im Kreise ziehen drei Gruppen von Gefässen, die kräftige Verdickungsleisten besitzen. Bemerkenswerth und ver- muthlich bedeutsam für das Zustandekommen der Reizkrümmungen sind die grossen Intercellularen in jenem Parenchym; es fällt aber auf, dass die Pflanze dazu neigt, sie durch Verquellung der sie be- grenzenden Membranen oft bis auf enge Räume zu verengern oder sogar ganz zu verschliessen. Daneben bleiben freilich immer andere Intercellularen als weite Gänge erhalten. Eine kräftige Cutieula überzieht die Epidermis. Alle diese Beobachtungen, die Analogien mit den Untersuchungen von Pfeffer!) über die Staubgefässe der Cynareen, weisen nun darauf 1) Pfeffer, Physiologische Untersuchungen 1878, 241 hin, dass wir nach diesem als Ursache der Reizkrümmungen Turgor- änderungen annehmen dürfen, dass wir es also mit Variationsbeweg- ungen zu thun haben. Wir werden uns vorstellen müssen, dass der Turgor der infolge der gewaltsamen Krümmung gedehnten Seite ab- nimmt, wodurch sich der Griffel nach jener Seite hin neigen muss, Hierbei muss zunächst unentschieden bleiben, wie sich der Turgor der anderen, gepressten, Griffelseite verhält; aber die Thatsache, dass eine allseitige Längenabnahme_des Griffels eintritt, wenn auf diesen kurz nach einander auf gegenüberliegenden Seiten Krümmungsreize ein- wirken, lässt schliessen, dass bei jeder Reizbewegung auch auf dieser durch die Krümmung gepressten Seite der Turgor abnehmen wird, wenn auch natürlich in geringerem Grade als auf der anderen. Das Resultat wird dann eine Krümmung des Griffels sein und bei Wieder- holung des Reizes zugleich seine allmähliche Verkürzung. Hier wären noch genauere Messungen nothwendig, die ich im nächsten Frühling anstellen zu können hoffe. Wir werden ferner nach den Untersuchungen von Pfeffer annehmen, dass sich das bei der Turgorabnahme aus- treiende Wasser in die Intercellularen ergiesst, mögen diese auch zum Theil durch Verschmelzung der angrenzenden Membranen, durch Cellulosebalken, die sie durchsetzen, weniger oder nicht passierbar sein. Aus diesen wird das Wasser bei der Streckung des geneigten Griffels allmählich wieder aufgenommen. Wie bei den Staubgefässen der Cynareen kommt auch hier der Reizbarkeit der Griffel wahrscheinlich eine biologische Bedeutung zu. Die Griffel stehen normal steif aufgerichtet auf dem Blüthenboden; die äussersten Narbenenden sind, wie erwähnt, frei von Pollenstaub, der daher nur durch Beugung der Griffel, etwa beim Besuch grösserer Insekten, auf diese übertragen werden kann. Hierdurch werden aber, wie wir gesehen, und man leicht im Garten beobachten kann, wenn sich z. B, eine Fliege auf die Blüthe niederlässt, Reizkrämmungen ausgelöst. Ein Druck von Seiten eines Insektes auf die Griffel wird mit einer Beugung nach entgegengesetzter Richtung beantwortet. Die Folge wird sein, dass sich die reich mit Pollen bedeckten äusseren Narbenflächen dem Thierkörper nähern oder sich vielleicht dicht an ihn schmiegen. Leicht wird so die Uebertragung des Pollens auf das Insekt stattfinden können. Hierfür ist auch von Wichtigkeit, dass der Griffel eine Zeit lang nach dem Besuch in der geneigten Stellung ver- harrt und nun gerade die noch unberührte Seite nach oben kehrt. Es liegt darum nicht fera, in der eigenthümlichen Reizbarkeit der Griffel eine Bestäubungseinrichtung zu vermuthen, die vor Allem 242 in der afrikanischen Heimat der Pflanze von Bedeutung sein dürfte. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch die übrigen Arten, deren Zahl nach Hoffmann in Engler’s „Natürlichen Pflanzenfamilien“ 58 beträgt, zum Theil ähnliche Reizkrämmungen zeigen werden. Nach einer freundlichen Mittheilung von Herrn Garteninspector Rehnelt in Giessen wurden Aretotis-Arten früher viel häufiger als jetzt eultivirt, weil sie nur bei viel Sonnenschein reichlich Blüthen hervorbringen, und man heute schönere Zierpflanzen habe. An diesem Umstande liegt es vielleicht, dass die auffällige Reizbar- keit dieser Pflanzen auch neuerdings nicht bemerkt worden ist. Herrn Professor Hansen bin ich für die gütige Erlaubniss, die im botanischen Garten cultivirten Pflanzen für meine Untersuchungen zu benutzen, zu grossem Danke verpflichtet. Notiz über Cola. Von A. Tschirch, Ueber die Stammpflanze der Colasamen habe ich mich in dem Anatomischen Atlas der Pharmakognosie und Nahrungsmittelkunde, den ich mit Herrn Dr. Oesterle herausgebe, folgendermassen geäussert: „Die Colanüsse des Handels bestehen nach der Ansicht von Schumann vorwiegend aus den Keimlingen von Cola vera K. Sehum., denen oft auch solche von Cola acuminata Pal. de Beauv. beigemengt sind. Die grossen Colanüsse sollen zur ersteren, die kleinen meist zu der zweiten Art gehören. Die grossen Colanüsse bestehen aus zwei grossen, diekfleischigen, die kleinen meist aus vier bis fünf (seltener sechs) prismatischen Cotyledonen. Ich habe jedoch aus Buitenzorg unter der Bezeichnung Cola acuminata Blüthen und Früchte in allen Entwickelungsstadien erhalten, die in keinem wesent- lichen Punkte von der echten Cola acuminata abwichen und deren Samen doch nicht vier, sondern nur zwei Cotyledonen besassen. Da ich ferner im Pariser Jardin des plantes mich davon überzeugen konnte, dass, entgegen der Ansicht Schumann’s, Cola acuminata P. B. und Cola Ballayi Cornu, die mir Cornu in lebenden Exemplaren zeigte, zwei bestimmt von einander verschiedene Pflanzen sind, die schon an den Blättern leicht von einander zu unterscheiden sind, so halte ich die Frage nach der Stammpflanze der Sem. colae für noch nicht sicher entschieden. Soweit ich die Sache bis jetzt übersehen kann, liegen die Verhältnisse so, dass sowohl Cola acuminata als Cola vera Samen mit zwei Cotyledonen besitzen und 243 also grosse Colanüsse liefern können, dass dagegen Cola Ballayi Samen mit vier Cotyledonen besitzt, also vielleicht die kleinen Colanüsse liefert.* Dem gegenüber bemerkt nun K. Schumann in einer Besprechung der letzten Lieferung des Anatomischen Atlas in der Flora: „Der Widerspruch, der zwischen Tschirch und mir besteht, löst sich sehr einfach auf: mir von Tschirch übersandte Blüthen beweisen klar und deutlich, dass die in Buitenzorg unter dem Namen Ü. acuminata eultivirte Pflanze einfach Cola veraist.“— Dasfinde ich nun nicht bestätigt. Ich habe nochmals das gesammte, mir von Buitenzorg übersandte N Blüthenmaterial, im Gan- Fa . . . . . Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. zen 36 entwickelte Blü- Fig. 1 und 2 Blüthen aus Buitenzorg, bezeichnet als then, daraufhin unter- Cola acuminata. Fig. 3 und 4 Zeichnungen Schu- sucht und von einem mann’s, Fig. 3 Blüthe von Cola acuminata, Fig. 4 ganz objektiven Be- Blüthe von Cola vera. Bei allen ist der Kelch ab- r präparirt. Alle 4 nach Photographien reprodueirt. obachter daraufhin unte suchen lassen, ob die Ausbildung der Narben die von Schumann für Cola vera oder die für Cola acuminata angegebene ist und übereinstimmend sind wir beide zu der Ueberzeugung gelangt, dass die Narben nicht die Ausbildung, wie sie Schumann für Cola vera angibt, besitzen. Schumann sagt (Ber. d. pharm. Ges. 1900 8. 74): „Vor allem aber fand ich die Narbe ganz verschieden. Bei Cola acuminafa waren sie (die Narben) zugespitzt und nach aussen gebogen, sie berührten die Fruchtknoten nicht. Die Blüthen der Cummins’schen und Afzelius’schen Pflanzen (d. h. Cola vera K. Schum.) hatten breite, blattartige, am Ende stumpfe Narben, die, an dem Fruchtknoten angepresst, weit herabliefen. Diese Merkmale sind in Verbindung mit denen der Blätter vollkommen zureichend, um aus jenen Pflanzen eine neue Art zu gewinnen, die ich Cola vera genannt habe.“ Wie aus den obigen, nach von Dr. Oesterle hergestellten Photographien wiedergegebenen Abbildungen ersichtlich, sind bei den Buitenzorger Blüthen die Narben schmal, zugespitzt, vom Frucht- knoten abstehend, keinesfalls breit blattartig, an den Fruchtknoten angepresst. Die Narbenausbildung gleicht also der von Schumann für Cola vera beschriebenen keinesfalls. Vielleicht sind die Narben ein 244 wenig breiter‘ als bei der typischen Cola acuminata, aber jedenfalls kaum merklich. Ob die Blüthen zu der echten Cola acuminata ge- hören kann ich ohne Blätter natürlich nicht entscheiden. Sie stehen ihr jedenfalls nahe, so dass ich wohl berechtigt war zu sagen: Die Blüthen weichen in keinem wesentlichen Punkte von der Cola acuminata ab. Uebrigens schrieb mir Schumann s. Z., als ich ihm Blüthen aus Buitenzorg gesandt hatte: „Ich kenne die Art ohne Blätter nicht.“ Mir stand für die Untersuchung neben Blüthen der echten Cola acuminata und der eben beschriebenen Cola acuminata hort. Bogor. auch eine mir von Schumann gesandte Blüthe der Cola vera zur Verfügung und ich habe auf Taf. 80a des Anatomischen Atlas eine weibliche Blüthe der Cola vera (Fig. 5) und eine solche der Cola acuminata (Fig. 3) abgebildet. Der Unterschied in der Ausbildung der Narben ist in der That frappant. Aus allem geht hervor, dass die Buitenzorger Pflanze nicht Cola vera K. Schum, sein kann. Sie nähert sich in der Ausbildung der Narben am meisten der Cola acuminata, mit der sie entweder identisch oder nahe verwandt ist. Eine Biüthe von Cypripedilum spectabile Sw. mit Rückschlags- erscheinungen. Von Dr. A. Osterwalder, Assistent an der Versuchsstation Wädensweil. Beispiele von atavistischen Erscheinungen an Blüthen von Orchideen, speziell der Vertreter der Diandrae-Cypripedilinae, sind schon oft constatirt und wiederholt beschrieben worden. Wenn ich trotzdem hier auf ein neues Beispiel aufmerksam machen möchte, so geschieht es, weil dasselbe ganz besonders geeignet erscheint, unsere gegenwärtigen Anschauungen über die Organisation der Orchideen- blüthe zu bestätigen, indem der Rückschlag ein sehr weitgehender ist. Die interessante Blüthe, auf die mich Herr Obergärtner Löbner im Sommer 1900 aufmerksam machte, stammt aus dem Versuchsgarten der hiesigen Anstalt von einer Pflanze, die zwei Blüthen getragen, von denen die andere aber normal ausgebildet war. Fig. I zeigt uns die Blüthe in ca. 2/3; Grösse. Der Kelch ist dreizählig;; die beiden paarigen Kelchblätter, die normaler Weise mit einander verwachsen, bleiben völlig getrennt, sind unter sich gleich gross und unterscheiden sich von dem Kelchblatt, an dessen Stelle sie aufgetreten sind, kaum in der Grösse, Das unpaare Sepalum ist nicht, 245 wie dies gewöhnlich der Fall ist, aufrecht, sondern abwärts gewandt. Im innern Kreis fehlt sodann das Charakteristikum der Blüthe, das schuhförmige Labellum. Das unpaare Petalum, das sich sonst durch besondere Grösse und abweichende Form auszeichnet, von der Axe abgewandt ist, erreicht kaum die Grösse der beiden andern Petalen und steht nach der Axe hin. Den beiden paarigen Kelchblättern stehen im äussern Staminalkreis zwei blattartige Gebilde (sd in Fig. 1) gegenüber, die sich von dem unpaaren Staminodium der norınalen Blüthen weder in der Form noch in der Grösse unterscheiden. Man könnte die beiden Blättchen leicht für das gespaltene unpaare Stami- nodium halten. Ihr selbständiges Auftreten aber (beide Blättchen sind seitlich der Griffelsäule inserirt), ihre normale Grösse sowie ihre Fig. 1. Abnorm gebaute Blüthe von Cypr. Fig. 2. Säule mit den spectabile. beiden Staminodien von hinten gesehen, Stellung zu den Kelchblättern deuten darauf hin, dass wir es bier mit den beiden paarigen Staminodien zu thun haben. (Fig. 2 zeigt uns diese Staminodien von hinten gesehen.) Das unpaare Staminodium, das in normalen Blüthen regelmässig vorkommt, fehlt hier. Der innere Staubblattkreis ist vollzählig. Das unpaare Glied dieses Kreises ist hier normal ausgebildet und fruchtbar. Auf einem festen postament- artigen, von der Griffelsäule ausgehenden Staubfaden liegt die Anthere (a in Fig. 2), die gegen die Säule hin gerichtet ist und zwischen den beiden paarigen Staminodien des äusseren Kreises noch etwas hervor- sieht. Vergleichen wir das Diagramm unserer Blüthe (Fig. 3) mit demjenigen der normalen Orchideenblüthe in ihrer ursprünglichen Lage, so können wir ferner constatiren, dass eine Ueberkrümmung Flora 1901. 17 246 der Blüthe, wie sie normaler Weise bei den Cypripedilinae stattfindet, hier ausgeblieben ist. Wir würden letztere Erscheinung mit der ein- fachen Ausbildung des unpaaren Petalums in Zusammenhang bringen, wenn nicht andere Beispiele von Rückschlagserscheinungen an Orchi- deenblüthen dagegen sprächen. So hat Prof. Heinricher') 1891 eine Blüthe von Cypripedilum Calceolus L. beschrieben, die trotz einfacher Ausbildung des unpaaren Petalums eine regelrechte Ueber- biegung vollzogen. An dreizähligen Orchideenblüthen sind nach Pfitzer?) folgende bemerkenswerthe Abweichungen beobachtet worden: (A; = unpaares Glied; As und As = paarige Glieder des äusseren Staminalkreises; a und a, die paarigen Glieder; as das unpaare Glied des inneren Fig. 3. Diagramm der abnorm gebauten Blüthe von Cypripedilum spectabile, Fig. 4, Diagramm der Blüthe von Cypripedilum (sd = Staminodium). Staminalkreises. Nach Darwins Bezeichnung in „Fertilisation of Orchids“. 2, Edit.) 1. Au staminodial, As und As unterdrückt, aı, az und as frucht- bar, so bei petaloid entwickelter Lippe von Masters bei Paphiopedilum Sedeni und P. caudatum (Ldl.). Regelmässig ist diese Struktur bei der als Uropedilum Lindeni Ldl. bekannten Form. 2. Ai, As und As unterdrückt, aı, az und as fruchtbar, so bei normaler Lippe bei P, Spicerianum (Rch. f.) nach Masters. acht 1) E „„einricher, Eine Blüthe von Cypripedilum Calceolus L. mit Rück- chlagserscheinungen. (Separat-Abdruck aus der Oesterr. bot. Zeitschrift 1891 Nr. 2.) 2) E. Pfitzer, Untersuchungen über Bau und Entwicklung der Orchideen- blüthe. Jahrbücher für wissenschaftli “ i che B . . XIX, Bd. 1888, 8, 164, otanik von Dr. N. Pringsheim RR 247 3. Aı staminodial, a, und as fruchtbar, as als ein in das normale eingeschobenes Labellum entwickelt: so nach Masters bei P, Lawrenceanum, 4. Aı und as fruchtbar, As, As und a, und as in Form kleiner Labellen entwickelt, eigentliche Lippe normal: P. Sedeni nach Masters. 5. Aı, aı und as petaloid, as lippenförmig, Ag und As unter- drückt: so bei normaler Lippe und nur einem petaloiden Stigma- lappen (gı) bei einer nicht genauer bezeichneten Art nach Masters. 6. Androeceum normal, alle drei innern Perigonblätter als flache, fast gleiche Petalen entwickelt: P. caudatum nach Reichenbach. 7. Androeceum normal, alle drei innern Perigonblätter lippen- förmig: bei verschiedenen Arten nach Masters nicht selten. Heinricher!') hat sodann 1891 eine Blüthe von Cypripedilum Calceolus L. beschrieben, die in dreifacher Beziehung einen Rück- schlag zeigte: A, staminodial, aı, as und az fruchtbar; alle drei Petalen sind gleichartig entwickelt; die paarigen Sepalen sind nur am Grunde verwachsen und endigen als gesonderte Lappen. Unsere Blüthe von Cypripedilum spectabile weist einen Rück- schlag in fünffacher Beziehung auf: 4a und As staminodial; aı, as und az fruchtbar; alle dreiinnerenPerigonblättersindalsfastgleichePetalen entwickelt; alle dreiSepalen sind getrennt; die Ueber- krümmung bleibtaus. Essind dies so viele Bildungsabweichungen an einer einzigen Blüthe, wie sie uns in dem Maasse von keinem Vertreter der Diandrae-Cypripedilinae bekannt sind. Wie E. Capeder?) vor einigen Jahren nachgewiesen hat, sind bei Cypripedilum Calceolus vier Staubblattanlagen nachweisbar (von denen zwei fertil werden, eines zum Staminodium wird und eines ganz verkümmert), bei Cypripedilum barbatum aber sogar alle sechs. ‚Die Ableitung der Orchideenblüthe von den typisch sechsmännigen Monokotylen (Liliaceenblüthe) kann somit nicht zweifelbaft sein, und die oben angeführten Beobachtungen zeigen, dass auch normal ganz verkümmernde Staubblattanlagen sich fertil ausbilden können, was wir wohl unbedenklich als „Rückschlag“ bezeichnen dürfen. 1) loe, eit, . 2) In seiner im pflanzenphysiolog. Institut in München ausgeführten Arbeit „Beiträge zur Entwickelungsgeschichte einiger Orchideen“ Flora 1898 85. Bd. pag. 368 #, yi* Litteratur. A. de Bary’s Vorlesungen über Bacterien. 3. Aufl. Durchgesehen und theilweise neu bearbeitet von W. Migula, a. o. Prof. an der techn. Hochschule in Karlsruhe. Leipzig, Verlag von Wilh. Engel- mann. Preis 3 Mk. 60 Pfg., geb. 4 Mk. 60 Pfg. DeBary’s Vorlesungen über Bacterien haben seiner Zeit einen raschen und grossen Erfolg gehabt. Sie verdankten denselben nicht nur dem Rufe des Ver- fassers, sondern namentlich auch der klaren, scharfen und knappen Darstellungs- weise und der lebensvollen Gliederung des Stoffes — die in De Bary's grösseren zusammenfassenden Werken nicht überall gleich glücklich hervortrat, so vortrefflich in seiner Art auch jedes von ihnen ist. Nach des unvergesslichen Verfassers allzu frühem Tode war eine neue Auflage der „Vorlesungen“ nicht mehr erschienen ; die Bacteriologie aber hat seitdem nach verschiedenen Richtungen hin sich weiter entwickelt. Migula hat das De Bary’sche Buch in pietätvoller Weise derart ergänzt, dass das persönliche Gepräge nirgends verwischt und der seither gemachte Fortschritt berücksichtigt ist. Mau kann sich ja freilich fragen, ob gerade bei einem Buche, das Vorlesungen widergibt, die, wie Sachs sagte, zeigen sollen, „wie sich das Gesammtbild der Wissenschaft im Kopfe des Vortragenden gestaltet“, es berechtigt ist, sie in veränderter Gestalt erscheinen zu lassen, und ob es nicht vorzuziehen gewesen wäre, wenn der Bearbeiter in Anlehnung an die vonDeBary gewählte Form ein neues Buch geschrieben hätte. Wie dem auch sei, jedenfalls wird das Buch auch wie es jetzt vorliegt, Vielen willkommen sein, K. 4. Schinz, Prof. Dr. Hans, u. Keller, Dr. Robert: Flora der Schweiz. Zum Gebrauche auf Exeursionen, in Schulen und beim Selbstunter- richt. Verlag von Albert Raustein, Zürich, Während die Flora der Schweiz von Gremli in erster Linie das rasche Auffinden der Pflanzennamen an Ort und Stelle bezweckte und dementsprechend äusserst kurz gefasst war, werden in dem vorliegenden Werke bei weitem aus- führlichere Beschreibungen der Pflanzen der Schweiz gegeben, welche nicht nur den Zweck verfolgen, den Namen der Pflanzen kennen zu lernen, sondern e8 auch ermöglichen, die allgemeine Beschaffenheit der verschiedenen Pfianzenorgane einer Familie, einer Art u. s. w. kennen zu lernen. Eine Anzahl von Figuren von all- gemeiner Bedeutung begleiten den Text und tragen zur Erleichterung des Ver- ständnisses der gegebenen Beschreibungen wesentlich bei, Eine Reihe von be- sonders schwierigen Familien und Gattungen wurde durch auf den betr. Gebieten anerkannte Specialisten bearbeitet. H. Ross. Haläcsy, E. de, Conspectus Fiorae Graecae. Leipzig, Wilh. Engel- mann. 1900. . Die Flora von Griechenland hat eine einheitliche Behandlung seit dem 1806 bis 1813 erschienen Prodromus von Sibth orpund Smith nicht erfahren, Griechen- land gehört zu dem Gebiet von Boissier’s Flora orientalis, in welcher denn auch alle bis zu jenem Zeitpunkt (1867-84; Nachtrag 1888) veröffentlichten Arbeiten über die griechische Flora, sowie die ausgegebenen Exsiccaten berücksichtigt wurden. Bei der Grösse des Gebietes der Flora orientelis jedoch ist eine Ueber- sicht über die Pflanzenwelt eines bestimmten Landes nicht leicht möglich. Seit 249 jener Zeit sind ferner zahlreiche Veröffentlichungen, meist zerstreut und in sehr verschiedenem Umfange, sowie werthvolle Exsiccaten erschienen und es ist eine ebenso nützliche wie dankbare Aufgabe, eine kritische Zusammenstellung unserer ge- sammten Kenntnisse über die griechische Flora zu machen. Verf. ist ohne Zweifel für diese umfangreiche und schwierige Arbeit eine sehr geeignete Persönlichkeit, da er seit mehreren Jahrzehnten sich mit der Flora Griechenlands beschäftigt hat, selbst das Land wiederholt bereiste-und über das entsprechende Herbarmaterial ver- fügt. Das Gebiet, auf welches sich das Werk bezieht, entspricht den heuigen politi- schen Grenzen Griechenlands nebst seinen Inseln, ferner Epirus und Kreta. Den Arten ist meistens eine kurze lateinische Diagnose beigegeben. Bei umfangreicheren Gattungen findet sich zu Anfang eine Uebersicht der einzelnen Arten nach ihren wesentlichsten Merkmalen, sowie ein schr ausführlicher Litteraturnachweis und Angaben über die Verbreitung der Pflanzen innerhalb des Gebietes nebst entsprechenden Notizen über Standort und Verbreitung derselben, Das Werk erscheint in Lieferungen und soll in 5-6 Jahren vollendet sein. Zwei Lieferungen sind bisher erschienen, sie beginnen mit den Thalamifloren und er- strecken sich bis zu den Crassulaceen. H. Ross. Die Misserfolge in der Photographie und die Mittel zu ihrer Be- seitigung. Ein Hilfsbuch für Liebhaber der Lichtbildkunst von Hugo Müller (Theil I und II). Zweite, verbesserte und vermehrte Auf- lage. Halle, Druck und Verlag von Wilh. Kamp. Preis je 2 Mk. Wie sehr sieh die Photographie Eingang in die botanische Litteratur ver- schafft hat, zeigt fast jedes grössere Werk. Leider treten uns dabei auch viele Mängel entgegen und manche der Reproductionen müssen stark auf den guten Willen des Beschauers rechnen, der ohne die beigegebene Erklärung manchmal im Zweifel sein kann, ob er eine Tropenlandschaft oder etwas ganz anderes vor sich hat. An Anleitungen zum Photographiren fehlt es ja bekanntlich nicht. Das in der Ueberschrift angeführte Werk aber ist deshalb besonders empfehlenswerth, weil es in kurzer, klarer Darstellung die Fehler hervorhebt, welche beim Photo- graphiren begangen werden und angibt, wie sie zu vermeiden, ıesp. wie die Folgen zu beseitigen sind. Der erste Theil behandelt das Negativ-, der zweite das Posi- tivverfahren; beide sind sehr empfehlenswerth. K. 6. Die Farnkräuter der Schweiz von H. Christ (Beiträge zur Krypto- gamenflora der Schweiz. Bd. I, Heft 2. Bern, Druck und Verlag von K. J. Wyss. 1901. Preis 3.60 Mk. Es sind fast 50 Jahre her, seit zum letztenmale durch Bernouilli die Ge- fässkryptogamen der Schweiz bearbeitet wurden. Seither hat nicht nur die flori- stische Durchforschung Fortschritte gemacht, auch der ganze Standpunkt der Be- handlung hat sich vielfach geändert. Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, dass für die Bearbeitung der schweizerischen Pteridophyten kein geeigneterer Autor hätte gefunden werden können als Dr. Christ, der nicht nur das Gebiet gründlich kennt, sondern unter den Farnsystematikern einen hervorragenden Platz einnimmt. Diagnosen werden zweckmässigerweise nicht gegeben; der Verf. ver- weist auf Lürssen und Ascherson. Dagegen finden sich interessante Erörter- ungen über Variation, Varietät und Standort, Subspecies in geographischer Be- ziehung, Hybridation und hybridogene Species, Auswahl und Einfluss der Standorte 250 Anpassungen, Laubdauer, Entwiokelungsperiode der Fortpflanzungsorgane, Einfluss der Gesteinsart, Grade der Verbreitung, Gesellschaften, Höhengrenzen u. a. Da- rauf folgt ein Schlüssel zum Bestimmen der Genera und Species und der specielle Theil, welcher durch 28 Originalabbildungen erläutert ist. Jahresbericht über die Fortschritte in der Lehre von den Gährungs- organismen. Unter Mitwirkung von Fachgenossen bearbeitet und herausgegeben von Prof. Dr. Alfred Koch. Neunter Jahrg. 1898. Leipzig, Verlag von J. Hirzel 1900. Preis 9.60 Mk. Durch den Tod des früheren Verlegers und den damit verbundenen Uebergang in einen anderen Verlag hat die Drucklegung des sonst sehr pünktlich erscheinen- den Jahresberichtes eine Verzögerung erfahren. Der 10. Band wird aber, wie das Vorwort mittheilt, bald folgen, Im Uebrigen ist nur zu wiederholen, dass der „Jahresbericht“ auch diesmal eine sorgfältige, knappe Uebersicht über die Litteratur gibt, die sich auf die Gährungsorganismen bezieht. Genera muscorum frondosorum. Classes Schistocarporum, Üleisto- carporum, Stegocarporum complectentia, exceptis Orthotrichaceis et Pleuroearpis. Handschriftlicher Nachlass von Dr. Carl Müller Hal. Mit einem Vorwort von Dr. Karl Schliephacke. Leipzig, Verlag von Eduard Kummer. Preis 12 Mk. Das vorliegende Werk ist aus dem Nachlass des bekannten verdienten Bryo- logen herausgegeben; eine kurze Lebensskizze und .ein Schriftenverzeichniss des Verf. sind beigefügt. Müller hatte während eines langen Lebens ein ausser- ordentlich reiches Material an Moosen zur Verfügung. Seine Mittheilungen über die „Gattungen und Gruppen der Laubmoose“ in historischer und systematischer Beziehung, sowie nach ihrer geographischen Verbreitung unter Berücksichtigung der Arten bieten schon aus diesem Grunde für die Moossystematik ein werthvolles Material, das auch für biologische Fragen manche Anhaltspunkte bietet. Freilich wird man wohl kaum in Abrede stellen können, dass der Verf. in manchen Fragen auf einem unhaltbar gewordenen Standpunkt stehen geblieben ist. 80 wenn er die Sphagnaceen den Leucobryaceen anschliesst, die Cleistocarpen als besondere Gruppe beibehält, das Protonema als Prothallium bezeichnet u. 8. w. Das sind indes Dinge, welche den Werth des Werkes im Ganzen nicht herunter- setzen können, denn dieser besteht in den zahlreichen Beobachtungen systiema- tischer und namentlich Pflanzengeographischor Art. K. Goebel. Eingegangene Litteratur. Albert A., Einfacher Versuch zur Veranschaulichung der Zymasewirkung. $.-A. aus Ber. d. d. bot. Ges. Jahrg. XXXIII, Heft 19. 1901. Askenasy E.Kapillaritätserscheinungen an einem System dünner Platten. S.-A. aus Verhandl. des naturhist.-mediein. Vereins zu Heidelberg. N. F. VI. Bd. 5. Heft. Behrens I Ueber die oxydirenden Bestandiheile und die Fermentation des deut chen Taba ee aus Centralbl, für Bacteriologie etc. II. Abth, Benecke W., Ueber farblose Diatomeen der Kieler Föhrde. S.-A. aus Jahrb. f. wissenach. Bot. Bil. 35, Heft 3. Christ H., Die Farnkräuter der Schweiz, Bd. 1, Heft 2.) Ber. 1900. — — Fongedres collectdes par Mr. le Dr. Huber an Bas-Ucayali .le Dr. - t Bas-Huallags (Alto Amazonas) en octobre—decembr., 1898, j (Beitr, zur Kryptogamenflora der Schweiz. 251 Dalla Torre, Prof. Dr. K. W. v. und L. Graf von Sarntheim, Die Litteratur der Flora von Tirol, Vorarlberg und Liechtenstein. Mit einer Karte. Inns- bruck, Verlag der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung. 1900. Ernst A. Ueber Pseudohermaphroditismus und andere Missbildungen der Oogo- nien bei Nitella syncarpa und Beiträge zur Kenntniss der Entwickelung des Embryosackes und des Embryo (Polyembryonie) bei Tulipa Gesneriana. S.-A. aus Flora. 88. Bd. 1901. Fritsch R., Ucber Gynodiöcie bei Myosotis palustrise. 8.-A. aus Ber. d. d. bot. Ges. Jahrg. 1900. Bd. XVII, Heft 10. Giard A. Sur la pseudogamie osmöque (extr. des Comptes rendus des sdances de la societ6 de Biologie s&ance du 3. Janvier 1901). Harslıberger J. W., An ecologieal study of the New Jersey strand Flora. 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Bd. 35, Heft 4. — — Beiträge zur Kenntniss des Getreiderostes. 8.-A. aus Zeitschr. für Pflanzen- krankheiten. X. Bd. Klöcker A. La formation d’enzymes dans les ferments alcooliques peut-elle ser- vir & caracteriser l’esp&ce? Comptes rendu des travaux du laboratoire de Carlsberg. 5. Vol. 1. Livr. 1900. . — — et H, Schiönning, phenomdnes d’acroissement perforaut et de fonction anomale des conidies chez le Dematium pullulans de By et autres champig- nons. Ibid, a Koch A., Jahresbericht über die Fortschritte in der Lehre von den Gährungs- organismen. 9. Jahrg. 1898. Leipzig, Verlag von 8. Hirzel. 1900. . Kronfeld M., Studien über die Verbreitungsmittel der Pflanzen. I. Theil. Leip- zig, Verlag von Wilh. Eugeimann. 1900. . . Küster E., Ueber einige wichtige Fragen der pathologischen Pflanzenanatomie. S.-A. a. biol. Centralbl. Bd. XX. 1900. — — Bemerkungen über die Anatomie der Eichen. 8.-A. aus bot. Centralbl. Bd. 83. 19u0. . 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Schroeter C., Die Palmen und ihre Bedeutung für die Tropenbewohner. Neu- jehrsblatt, herausg. von der naturf. Gesellsch. auf das Jahr 1901. Zürich, in Commission bei Jäsi und Bär. Schütt F,, Centrifugale und simultane Wandverdiekungen. $.-A. aus Jahrb. für wiss. Bot. Bd. XXXV, Heft 3. Schwendener 8., Die Divergenzänderungen an den Blüthenköpfen der Sonnen- blumen im Verlaufe ihrer Entwickelung. Sitzungsber. der kgl. preuss. Akad. der Wissensch. 22. XI. 1900. Shibata K., Beiträge zur Wachsthumsgeschichte der Bambusgewächse. 8.-A. aus Journal of the college of science, imperial university, Tokyo, Japan. Vol. XIII, pt. III. 1900. Stapf O., Dicellandra Hook, f. and Phaeoneuron Gilg (Melastomacea). Extr. from the Linnean Soc. Journal-Botany Vol, XXXIV. Steinbrinck C., Ueber die Grenzen des Schrumpfelns, 8.-A. a, Ber. d. d. bot. Ges. 1900. Tischler, Untersuchungen über die Entwickelung des Endosperms aus der Samenschale von Corydalis cava. 8.-A. aus d, Verhandl. des naturhistor.- medicin. Vereins zu Heidelberg. N. F. VI, Bd., 4. Heft. Tubeuf C. v., Studien über die Schüttekrankheit der Kiefer. Arbeiten aus der biolog. Abtheilung für Laud- und Forstwirthschaft am kaiserl, Gesundheits- amte. II. Bd. 1. Heft. Berlin, Verlagsbuchh. P. Parey und J. Springer. Preis 10 Mark. Verslag omtrent den staat van ’slands plantentuin te Buitenzorg over het jaar 1899. Batavia 1900, Wiesner J., Untersuchungen über den Lichtgenuss der Pflanzen im arktischen Gebiete. Sitzungsber. der kaiserl. Akad. der Wissensch. math.-naturw. Cl. Bd. CIN. Mai 1900, Wettstein R. v., Die weibliche Blüthe von Ginkgo. $.-A. aus österr. botan. Zeitschr. Jahrg. 1899 Nr. 12. — — Euphrasia Cheesemani spec. nov. Ibid. Jahrg. 1900 Nr. 10. — — Der internationale botanische Congress in Paris und die Regelung der botanischen Nomenclatur. Ibid. Nr. 9. — ie aprdamerikanischen Arten der Gattung Gentiana, Sect. Endotricha. _— Die wissenschaftlichen Aufgaben alpiner Versuchsgärten. 8.-A. aus Zeit- schrift des deutsch. u. österr. Alpenvereins. Jahrg. 1900. —_— Descendenztheoret, Untersuchungen. I, Untersuchungen über den Saison- Dimorphismus im Pflanzenreich. (Mit 6 Tafeln und 8 Textfiguren.) 8.-A. aus dem LXX. Bande der Denkschr. der math.-naturw, Cl. der kaiserl. Ak. der Wissensch. 1900. Zacharias E, Ueber Sexualzellen und Befruchtung. 8.-A. aus d. Verhandl. des naturw, Vereins zu Hamburg. 1901. Flora 88. Band, 1901. LJT'homas,Lith.Irst, Berlin 5.33. Flora 88.Band, 1901. Taf.xll. LJTkomas,Luh Inst, Berlin 5.53 Soeben erschien: tenera Museorum Frondosorum. Classes Schistocarporum, Cleistocarporum, Stegocarporum complectentia, exceptis Orthotrichaceis et Pleurocarpis. Gattungen und Gruppen der Laubmoose. Handschriftlicher Nachlass von Dr. Carl Müller Hal. Professor. 464 $, in 8%. Preis Mk. 12.—. Das Werk bietet viel mehr, als der Titel erwarten lässt. Der Autor will hier nicht nur mit kahlen Diagnosen und Daten dienen, sondern auf hoher Warte stehend und aus dem Vollen schöpfend, entwickelt er au der Hand überzeugender Beispiele, wie ein bryo- logisches System aufzufassen und zu beurtheilen, wie eine (Gruppe und Gattung zu nehmen sei. Obwohl eine eigentliche Specialbe- schreibung nicht gegeben wird, sind doch überaus häufig Detailan- gaben eingestreut. Dies und die Kritik, die hier mit zu Worte kommt, haben beigetragen, dass der Stuff in ansprechender Darstellung er . scheint. Es ist ein Werk, das man mit Vortheil studiren, auf Einzel- heiten befragen und auch mit Genuss lesen kann. Es ist durchaus Original. In Sonderheit ist es eine Bryo-Geographie. Leipzig. Verlag von Eduard Kummer. u Verlag von Gustav Fischer, in Jena. u Soeben erschien: Zell- und Protoplasmastudien. Von Dr. F. Dotlein, Privatdozent an der Universität München. Erstes Heft: Zur Morphologie und Physiologie der Kern- und Zelltheilung, Nach Untersuehungen an Noctilnea und andern Organismen. Mit 4 Tafeln und 23 Abbildungen im Text. Preis 7 Mk._, In unserem Verlage erschien: Pflanzenbiologische Schilderungen. Von K. Goebel. ‚ 2 Theile. Mit 31 Tafeln und zahlreichen Holzschnitten. Im Preise von Mk. 38.— auf Mk. 15.— ermässigt. Physiologische Notizen. Tatius Sachs. Als Sonderabdruck aus der Zeitschrift „Flora* 1892—1896 herausgegeben ‚und bevorwortet von K. Goebel. Mit Bild ‚von“'Julius Sachs. Preis Mk. 4.50. Marburg. N. G.ELW-ERT’sche Verlagsbuchhandlung. Druck von Val. Höfling, "München, Lämmerstr. 1. j FLORA ODER ' ALLGEMEINE BOTANISCHE ZEITUNG. FRÜHER HERAUSGEGEBEN VON DER KGL. BAYER. BOTANISCHEN GESELLSC HAFT IN REGENSBURG, 8. BAND. — JAHRGANG 1901. HERAUSGEBER: Dr. K. GOEBEL Professor der Botanik in München, Heft Ne (Sehluss des Bandes) mit 4 Tafeln und 117 Textfiguren. Erschienen am 20. Mai 1901. Inhalt: FREDERICK H. BILLINGS, Beiträge zur Kenntniss der Samenentwickelung . Seite 353—-318 Dr. E. BAUR, Die Anlage und Entwickelung einiger Flechtenapothecien n 319-332 F. W. NEGER, Beiträge zur Biologie der Erysiphe:n . . “ „ 333-370 W. ROTHERT, Beobachtungen und Betrachtungen über tactische Reiz. erscheinungen . . . „ 31-421 PETER CLAUSSEN, Ueber, die Durchlässigkeit der Tracheidenwände für atmo- sphärische Luft . n 422—469 K. GOEBEL, Morphologische und biologische Bemerkungen. 10. Ueber die 470-472 Bedeutung der Vorläüferspitze bei einigen Monokotylen . . . Prof. S. ROSTOWZEW, Laboratoriumsnotizen. Ueber einige Methoden des Trocknens der Pflanzen für das Herbarium . . n 473-478 LITTERATUR: Assimilation chlorophyllienne et ta structure des plantes, par E. Griffon. — Botanik und Zoologie in den Jahren 1850 bis 1900 — Life history of Schizaea pusilla by EI. G. Britton and Al. Taylor. — Dr. B. Nemec, Die reizleitenden Strukiuren bei den Pflanzen . . . oo. nt EINGEGANGENE LITTERATUR . 2.00 non mn en 44 MARBURG. N. &. ELWERT'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNE®. 1901. wer Hierzu eine Beilage von P. Parey, Verlagsbuchhandlung, Berlin, bete. Peter, Botanische Wandtafeln: Bemerkung. Das Honorar beträgt 20 Mk. pro Druckbogen, für die Litteraturbesprechungen 80 Mk. Die Mitarbeiter erhalten 30 Sonderabdrücke kostenfrei. Wird eine grössere Anzahl gewünscht, so werden für Druck und Papier berechnet: Für 10 Exemplare pro Druckbogen Mk. 1.20; pro einfarb. einfache Tafel Mk. —.30 „20 ” ” ” ‚” 250 „ ” „ ” „ 60 [) 30 » rn ” » 380 „ ” » “ „#0 „9 n ” " » 5—-,„ ” n „ „ 1.20 ” 50 ” rn hu ” 6.50 » r ” ” n 1.50 ” 60 r ” ” ” 8.— „ r n » 2.— ” 70 ” r” r ” 9.20 R;) r r r 3 2.50 ” 80 ” n ” „ 1050 „ ” „ r „37 ” 90 ” ” r u 11.50 n ” rn r ” 3.50 „ 100 „ ” „ 13.50 ” Pr 4.— ” ” ” ” Dissertationen und Abhandlungen systematischen Inhalts werden nicht hono- rirt; für solche, die umfangreicher als 4 Bogen sind, werden nur 4 Bogen honorirt; die Kosten für Abbildungen und Tafeln hat bei Dissertationen der Verfasser zu tragen. Da bei diesen von der Verlagshandlung nur die Herstellungskosten be- rechnet werden, so muss dieselbe Baarzahlung nach Empfang zur Voraussetzung machen. Bei fremdsprachlichen Marfuskripten hat der Verfasser die Kosten der Uebersetzung zu tragen. Correcturentschädigungen, die von der Druckerei für nicht verschuldete Correeturen in Anrechnung gebracht werden, fallen dem Ver- fasser zur Last. Die Zahlung der Honorare erfolgt nach Abschluss eines Bandes. Der Bezugspreis eines Bandes beträgt 20 Mark. Jedes Jahr erscheint ein Band im Umfang von mindestens 30 Druckbogen und zahlreichen Tafeln. Nach Bedürfniss schliessen sich an die Jahrgänge Ergänzungsbände an, welche be- sonders berechnet werden. Manuskripte und Litteratur für die „Flora“ sind an den Herausgeber, Herrn Prof. Dr. Goebel in München, Friedrichstrasse 17/1, zu senden, Cor- recturen an die Druckerei von Val. Höfling, München, Lämmerstrasse l. an geschäftlichen Anfragen etc. sind an die unterzeighnete Verlagshandlung zu richten, N. G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung Marburg (Hessen-Nassau). u | Verlagsbuchhandiung Paul Parey in Berlin SW., Hedemannstrasse 10, RT Botanische Wandtafeln, Von Dr. A. Peter, Professor an der Universität und Direktor des botanischen Gartens in Göttingen. Farbendrucktafeln im Format von 70 x 90 cm nebst kurzem, erläuternden Text. Preis pro Tafel 250 M. nme ent Soeben erschienen folgende Tafeln: 23, Solanaceae. | 27. Sileneae, Caryophyllaceae. 24. Hippocastanaceae. i 28. Cyperaceae. 25. Borraginaceae. \ 29. Passifloraceae. 26. Compositae. . 30. Ranunculaceae. Diese Wandtafeln bringen Abbildungen für die Vorlesungen an Universitäten und anderen Hochschulen, sowie für den Unter- richt an Gymnasien, Realschulen und anderen Lehranstalten. Um diesen Zwecken möglichst vollkommen zu entsprechen, wird jede Tafel einzeln abgegeben, so dafs jede Lehranstalt je nach Bedürfnis und Mitteln eine kleinere oder gröfsere Anzahl Tafeln beziehen kann. Die Abbildungen stellen dar: 1. Blüten, Blütendurchschnitte, Blütenteile, Diagramme von Blüten und Blütenständen, Früchte, Samen etc. 2. Morphologisch wichtige andere Pflanzenteile, wie Wurzelstöcke, Knollenbildungen, Sprolssysteme etc. u Zu beziehen durch jede Buchhandlung. 3. Pflanzen und Pflanzenorgane, welche biologisch von hervorragendem Interesse sind, wie Schutz-, Kleb- und Fangvorrichtungen, Vermehrungsorgane, Be- stäubungs-, Schleuder-, Aussäugungsvorrichtungen, Tag- und Nachtstellung etc. Zumeist sind in Mitteleuropa einheimische Gewächse ge- wählt, ohne ausländische wissenschaftlich wichtige Pflanzen aus- zuschliefsen. Der Malsstab ist so gro[s und die Zeichnung so kräftig, dafs die Abbildungen auf ı5 m Entfernung von mälsig guten Augen mit vollkommener Deutlichkeit in allen Einzelheiten er- fafst werden können. Die Drarstellung ist wissenschaftlich korrekt und natur- getreu in Zeichnung und Farbengebung. Namen und Figurenerklärung befinden sich auf den Tafeln. Zu jeder Tafel gehört ein kurzer erläuternder Text für die ‚ Hand des Lehrers. Je ı0 solcher Texte sind in ein Heft zu- sammengefalst, welches der betreffenden Tafel kostenlos bei- gefügt wird. —— ELITE ——— Verzeichnis der erschienenen Tafeln: 1. Cucurbitaceae. ı2. Corylaceae, Betulaceae. 2. Violaceae. | 13. Myrtaceae, Lecythideae, 3. Papaveraceae. 14. Labiatae. 4. Liliaceae, Amaryllidaceae. 15. Fumariaceae 5. Palmae. 16. Coniferae. 6. Typhaceae, Sparganiaceae. 17. Bromeliacea. 7. Aceraceae. | 18. Commelinaceae, Alismaceae. 8. Myristicaceae. | 19. Primulaceae. 9. Salicaceae. | 20. Polygonaceae. 10. Cactaceae. ı 21. Resedaceae! ı - . Sarraceniaceae, Nepenthaceae. | 22. Rubiaceae. Verzeichnis weiterer, schon in Vorbereitung: befindlicher Tafeln. Alsineae. ! Lentibulariaceae. | Papilionaceae. Campanulaceae. | Lythraceae, : Rafflesiaceae. Cruciferae, ı Malvaceae. ! Rosaceae. Droseraceae. Nymphaeaceae. Scrophulariaceae. Ericaceae. | Oleaceae. ' Umbelliferae, Euphorbiaceae. , Orchideae. [neae. Vitaceae. Hydrocharideae. ; Oxalideae, Balsami- EEE E - ESNE: el -uoy}Tuyosu ‘ol “3osıTalT0L "TeunnpeITsA BdolYy erzil 6L "uoyyayasgdanp SduRf oral "wo 06 x 04 AsJgan) "JameNn "PJRL A9u18 Sunpgqy SUOWO[JIO A "Be99euRglos TI 97 "pna,g opuodundspmy "meıyuasıtd “7 19dıu SOmBA9SOAH 'Y E & "sorsy uopuoynq soupo YanIS Aus den zahlreichen, überaus günstigen Urteilen der Fach- presse über diese Tafeln seien folgende hervorgehoben: .... Das Werk, von dem uns die 2. Lieferung vorliegt, wurde von uns bereits nach dem Prospekte und der r. Lieferung angezeigt. Die vorliegende Fortsetzung entspricht vollkommen der guten Meinung, die man sich nach dem früher Erschienenen bilden konnte. Die Grölse der Bilder macht die Tafeln in grolsen Klassen verwendbar, die Aus- wahl der Formen ist für den Unterricht ganz passend, die Ausführung nach Zeichnung und Farbe erscheint naturgetreu, so dafs das Werk brauchbar ist. Ein kurzer Text bietet die nötige Erklärung der Bilder und enthält einige Bemerkungen über die bei der Auswahl mafsgebend gewesenen Gründe.... (Ztschr. f. d. Realschulwesen, XVIIT. Jahrg, H. ır.) .... Unsere Schulen machen wir hiermit auf ein vorzügliches Hilfsmittel für den botanischen Unterricht aufmerksam. — Die Farben- wiedergabe ist gut. Die Grölse der Figuren macht diese Tafeln für die gröfsten Klassen verwendbar. Ein Blick genügt, um zu erkennen, dafs Anlage und Ausführung dieser Zeichnungen vortrefflich sind .... (Schweizerische Pädagogische Zeitschrift, IT. Jahrg, H. 3.) .... Es ist für uns eine Pflicht, dieses Lehrmittel als eins der besten seiner Art allen Pharmaceuten und allen die botanische Lehr- thätigkeit ausübenden Personen aufs wärmste zu empfehlen, zumal die Bezugsbedingungen sehr entgegenkommend genannt werden müssen. Die Tafeln sollen einzeln 2 M 50 Pf. kosten, können nach Belieben aus- gewählt, oder die Zusendung beliebig verlangt, und der Bezug, wenn gewünscht, jederzeit unterbrochen werden.... (Der Pharmaceut.) .... Wir sind überzeugt. dafs die Tafeln für den systematischen Unterricht weitgehende Verbreitung finden werden ..... " (Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien.) -... Wir können uns bezüglich dieser Tafeln zum Teil auf unsere früheren Anzeigen beziehen (Rw. Jahrg. XVII, S. 556; Jahrg. XVII, S. 684), wo wir das Nötige über die Gröfse und die vorzügliche Aus- stattung der Bilder, sowie über die projektierte Ausdehnung des Werkes mitgeteilt haben. Die vorliegenden Blätter sind ebenso ausgestattet und bringen Pflanzenformen zur Darstellung, welche gröfstenteils an Schulen jeder Art zur Verwendung beim Unterricht gelangen, so dals diese Blätter auf die weiteste Verbreitung rechnen können. Ihre Gröfse macht sie in dem gröfsten Klassenzimmer verwendbar ..... (Zeitschrift für das Realschulwesen.) .... Hinsichtlich der technischen Ausführung ist die außserordent- iche Lebhaftigkeit und Natürlichkeit hervorzuheben, die namentlich durch die künstlerisch vollendete Farbengebung bedingt ist. In dieser Beziehung werden die Tafeln von keinem der bestehenden Tafelwerke erreicht Ein weiterer Vorzug besteht endlich darin, dafs selbst in den grölsten Schulräumen alle Einzelheiten dieser Tafeln vermöge ihrer Gröfse und der Schärfe der Zeichnung. sichtbar sind-. .... (Zeitschrift für mathemat. u. naturwissenschaftl, Unterricht.) Druck von Hermann Beyer & Söhne in Langensalza. Beiträge zur Kenntniss der Samenentwickelung. Von Frederick H. Billings. Hierzu 101 Textfiguren. Das Problem der Samenentwickelung, wie viele Probleme in der Biologie, kann von zwei Standpunkten aus betrachtet werden, einem rein morphologischen und einem, der Morphologie und Physiologie vereinigt. Denjenigen Autoren, welche nur von dem ersten allein ausgehen, ist viel entgangen, was von bedeytendem Interesse ist. In der neuesten Zeit erschienen verschiedene Arbeiten, welche zeigen, dass die einschlägigen Vorgänge vor allem bei den Sympetalen ver- wickelter und vielfältiger sind als man vermuthete, hauptsächlich wenn die Function derselben in Betracht gezogen wird. In dieser Beziehung muss vor allem die Arbeit von Dr. Gabrielle Balicka-Iwanowska (1) erwähnt werden, welche für die Familien der Serophulariaceae, Gesne- riaceae, Pedalinaceae, Plantaginaceae, Dipsacaceae und Campanulaceae sehr interessante physiologische Thatsachen bei der Samenentwicke- lung mittheilt und zwar namentlich betreffs der Thätigkeit des Em- bryosacks, Tapetums, Leitungsgewebes u. s. w. Auf diese soll auch später im Verlauf dieser Abhandlung im Einzelnen näher eingegangen werden. Die Entwickelungsgeschichte eines Samens kann leicht in zwei Abschnitte getheilt werden: erstens das Wachsthum vor dem Stadium des definitiven Embryosacks, und zweitens das von der Befruchtung bis zur Samenreife. In diesem letzteren treten die meisten Ver- schiedenheiten auf, und es soll deshalb dieser Theil im Folgenden einer eingehenderen Besprechung unterzogen werden, und zwar an den Familien der Oxalidaceae, Linaceae, Geraniaceae, Stackhousiaceae, Primulaceae, Plumbaginaceae, Polemoniaceae, Hydrophyllaceae, Myopo- racege, Globulariaceae, Gentianaceae, Apocynaceae, Asclepiadaceae, Oleaceae, Caprifoliaceae, Lobeliaceae, Goodeniaceae und Compositae (Calendula). Sobald die Befruchtung eingetreten ist, ist es für den Samen vortheilhaft, dass seine Reife sobald als möglich erzielt wird. Das Flora 1901. 18 254 dazu dienende Nahrungsmaterial muss durch den Funiculus dem heran- wachsenden Embryo zugeführt werden, der selbst wieder in den meisten Fällen von einem besonderen Nährgewebe umgeben ist. Die am meisten verbreitete Art bei den Dieotylen ist die, dass der Nucellus aufge- braucht wird und nach der Befruchtung das Endosperm sich bildet, dessen Form gewöhnlich von dem umgebenden Integument bedingt wird, bis auch dieses nahezu oder vollständig absorbirt ist. Die Litte- ratur in dieser Richtung zeigt, dass Abweichungen von dem gewöhn- lichen Verlaufe der Samenentwickelung bei einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Familien auftreten. Wir finden z.B. viele Samenanlagen, bei welchen ein Gefässbündel vorhanden ist, das sich vom Funiculus durch das Integument bis nahe an die Chalazaregion erstreckt oder sich manchmal sogar nach oben richtet und sich dann bis fast an die Mikropyle ausdehnt. Solche Bündel aber stellen, wenn sie allein auf- treten, keinen abnormalen Fall dar, da sie nur dazu dienen, bei der Vertheilung der Nährstoffe in dem Integument wirksam zu sein- Wenn dieselben jedoch in der Chalazaregion enden, so werden die Zellen der Chalaza gewöhnlich reicher an Inhaltstoffen als andere Theile des Integuments und wir bezeichnen sie dann mit dem Namen .,„Nährge- webe“. Es ist daher klar, dass eine solche Localisation häufig eine be- sondere Einrichtung erfordert, welche die Nahrung aus demselben zum Embryosack leitet. Dies wird dadurch erreicht, dass die dazwischen liegenden Zellen durch eine Streckung sich umbilden und so eine Leitungsbahn darstellen. Manchmal wird auch das Nährgewebe von einem Auswuchse des Embryosacks zu erreichen gesucht, den man dann als Saugapparat oder Haustorium bezeichnet. Diese besondere Einrichtung zur Ernährung des Embryosacks soll im Einzelnen bei den Arten, bei welchen sie vorkommt, beschrieben werden. Der Ausdruck „Tapetum“, wie er in dieser Abhandlung gebraucht wird, bezieht sich auf die regelmässig angeordnete Lage von Epithel- zellen, die oft den Embryosack umschliesst und dazu dient, Nahrungs- material durch Auflösung und Absorption von dem umgebenden In- tegument zu gewinnen, ohne Rücksicht auf ihre Entstehung aus dem Nucellus oder dem Integument. Von Reagentien wurde Merkel’sche Flüssigkeit und Chrom- essigsäure, zur Färbung Delafied’sches Hämatoxylin verwendet. Bessere Resultate jedoch wurden durch Anwendung einer gesättigten Lösung von Sublimat in 95proc. Alkohol als Fixirungsmittel erzielt. Zur Färbung kam Jod-Fuchsin nach Zimmermann’s Angabe in Verwendung. 255 Bei der Abfassung dieser Arbeit wurde ich in zuvorkommendster Weise von Herrn Prof. Goebel, in dessen Laboratorium dieselbe ausgeführt wurde, unterstützt, und es ist mir daher eine angenehme Pflicht, ihm für das rege Interesse, das er derselben stets entgegen- brachte, meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Linaceae.. Diese kleine Familie interessirt hauptsächlich wegen der Aus- gestaltung eines Theiles des Embryosacks zu einem Haustorium, welches bei keiner der untersuchten Arten fehlt und nur in Bezug auf seine Gestalt Verschiedenheiten zeigt, welche bei den verschie- denen Arten näher betrachtet werden sollen. Hofmeister (8) bearbeitete eine Art, Linum perenne, von der es mir jedoch nicht gelang Material zu bekommen, und fand dabei unter anderem, dass das Chalazaende des Embryosacks sich in die Substanz der Chalaza hinein verlängert. Zugleich beobachtete er zwei langgestreckte Zellen, welche den Raum des dadurch entstandenen Auswuchses einnehmen, und welche entweder zu Grunde gehen können oder deren eine bedeutend anwachsen und den Embryosack bis zur Hälfte ausfüllen kann. Diese letztere Zelle besitzt Kerne, deren Her- kunft er jedoch nicht erklärt. Die „langgestreckten Zellen“ sind ohne Zweifel die Antipoden, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass die grosse Zelle mit mehreren Kernen aus einer der langgestreckten Zellen entstand, vielmehr scheint sie, da sich das Endosperm bereits ent- wickelt hat, von diesem zu stammen. In der Hauptsache gleichen sich in vorgerückteren Stadien Linum perenne (Fig. 9 Taf. XIV von Hofmeister [8]) und Linum usitatissimum sehr bedeutend. Auch Guignard (5), der ebenfalls seine Aufmerksamkeit den JLinaceae zuwandte, beobachtete bei ihnen Folgendes: „La partie basilaire du nucelle persiste et s’allonge au dessous du sac embryonnaire.“ Da das Ende des Embryosacks zusammengedrückt und infolge dessen zerstört war, so beachtete er es nicht mehr weiter. Den übrigen Theil der Beschreibung dieser Art jedoch bearbeitet er ziemlich er- schöpfend. Die ausführlichste Arbeit über den Embryosack dieser Gruppe rührt von Hegelmaier (6) her. Dieser untersuchte sechs Arten von Linum, von denen er fünf abbildet. In allen Fällen kann er am Embryosack ganz genau zwei Theile unterscheiden, einen oberen, der Mikropyle zunächst liegenden, in welchem das Endosporn sich in 256 normaler Weise entwickelt, und einen unteren, welcher der Chalaza anliegt und seiner Meinung nach vollständig steril und ohne Bedeu- tung ist, da er sich theilweise oder vollständig von dem anderen ab- trennt. Dagegen beobachtete er die bei den einzelnen Arten auf- tretenden Verschiedenheiten, auch ganz richtig die direete Ursache der Einschnürung. Aber über den Ursprung der Kerne, die sich in dem sterilen Theil finden, äussert er keine bestimmte Ansicht, sondern glaubt nur, dass sie wahrscheinlich nichts weiter wie Endosperm dar- stellen. Hofmeister (8), Guignard (5) und Hegelmaier (6) jedoch verbinden mit diesem Auswuchs in die Chalaza keine physio- logische Function. Von den von mir untersuchten vier Arten, Linum austriacum, L. usitatissimum, L. flavum und L, eatharticum, wollen wir zuerst die Entwickelung des Samens von Linum austriacum ins Auge fassen. Ein Blick auf Fig.1 zeigt, dass zunächst kein Anzeichen einer Ab- schnürung vorhanden ist, dass aber der Embryosack thatsächlich in der Mitte breiter ist. Er ist umgrenzt von einem gut ausgebildeten Tapetum und von zwei Integu- menten. Die drei Antipoden sieht man im Proto- S I IS“ plasma eingebettet und am Grunde des Embryo- Fe} EL . . . . NS ge Er sacks gelagert, wo sie allmählich gegen die Zeit M F25 Hi [A I 3 der Embryoentwickelung zu Grunde gehen. Zur Zeit wenn die Befruchtung vollzogen ist, kann innerhalb des Tapetums noch Nucellargewebe vor- handen sein oder fehlen, was jedenfalls nur mit dem Entwickelungsstadium der Samenanlage zu- sammenhängt, Nun beginnt ein rasches Wachs- -Fig.1.Linumaustrin. thum der Integumentzellen, wodurch eine abge- cum. AÄusgebildeter plattete Samenanlage zu Stande kommt. Die Zellen Embryosack, in wel- des inneren Integuments, die rings um den Em- chem der Nucellus hryogack herum liegen, vergrössern sich bedeutend schon absorbirt ist. , n ı i und theilen sich nach allen Richtungen gleichmässig, die Zellen des Chalazaendes, die direet unter der Antipodenregion liegen, ebenso wie der zurückbleibende Nucellus, jedoch nur in einer Richtung, und zwar in der Längsachse der Samenanlage, wodurch ein System von Verbindungs- oder Leitungsgeweben gebildet wird, das sich zwischen dem unteren Theil des Embryosacks und den Zellen der Cha- laza, welche sehr protoplasmareich sind und ein Nährgewebe darstellen, ausdehnt. Auch das Leitungsgewebe zeichnet sich durch Protoplasma- reichthum aus, der von unten nach oben allmählich abnimmt. Die Basis f San. m [II TS Su, N > m zul U 257 des Embryosacks löst die darunter liegenden Zellen des Leitungsgewebes gegen die Basis des; jungen Samens immer mehr auf, während das Nährgewebe durch das Gefässbündel, das an dieser Stelle endet, mit Nährstoffen versehen ‚wird. Dort tritt keine oder eine sehr geringe Absorption der seitlich gelegenen Integu- ınentzellen durch, den Auswuchs ein. Der- selbe bekommt seine Nährstoffe aus dem Leitungsgewebe und überlässt die Auflösung der seitlich gelegenen Integumentzellen dem Endosperm in einem vorgerückteren Sta- dium der Entwickelung. Er muss deshalb als ein wirkliches Haustorium betrachtet Fig.3. Linum austriacum. Aelteres Sta- dium, bei welchem die Abschnürung fast vollständig ist. Mehrere Endospermkerne treten unterhalb der Einschnürung auf (e). sn verlängerte Integumentzellen an der 9 Nährgewebe, f Tapetum. Fig.2. Linum austriacum. Junges Endo- sperm. Die Abschnürung hat begonnen. Ein Endospermkern ist schon in dem un- teren Theil zu sehen. sn verlängerte In- tegumentzellen an der Chalaza, t Tape- tum, 9 Nährgewebe, ei Eizelle. Chalaza, werden, obgleich seine Thätigkeit, wie später gezeigt werden soll, wahrscheinlich nicht sehr lange dauert. 258 Unterdessen hat die Bildung von Endosperm begonnen, und die Kerne, die stark von Protoplasma umgeben sind, gleiten an der Pe- ripherie nach abwärts gegen die Antipoden. Jetzt ist auch eine Ver- längerung der Integumentzellen, die dem Tapetum zunächst liegen, bis ungefähr in die Mitte des Embryosacks eingetreten. Dieselben drücken bei ihrer Verlängerung das Tapetum nach innen, wodurch eine Einschnürung zu Stande kommt, unterhalb welcher sich ebenfalls noch einige Endospermkerne mit Protoplasma vorfinden (Fig. 2). Auf diese Weise entstehen nach der Vermuthung Hegelmaier’s (6) dessen „Protoplasmakörper*. Indem nun das Wachsthum der Tapeten- zellen mehr und mehr fortschreitet, wird die Einschnürung immer enger, bis endlich wegen der abgeplatteten Form des Embryosacks zwei gegenüber liegende Seiten zusammentreffen und so den oberen von dem unteren Theil nahezu vollständig abtrennen (Fig. 8, 4 und 5). Fig.5. Linum austriacum. Quer- Fig. 4. Linum austriacum. Längsschnitt in der schnitt in’ der mittleren Region mittleren Region des Embryosacks mit den des Embryosacks mit den ver- vergrösserten Integumentzellen, welche die grösserten Integumentzellen Abschnürung herbeigeführt haben. t Tape- welche die Abschnürung herbei- tum, A Höhlung des Haustoriums. geführt haben. ! Tapetum. Die verlängerten Integumentzellen, welche die Einschnürung hervor- gebracht haben, sind am besten in Fig.5 zu sehen. Wenn auch die Thatsache der Einschnürung unzweifelhaft ist, so ist doch der Zweck derselben schwer zu erklären; ebenso muss es zweifelhaft bleiben, ob auch später noch eine weitere Absorption eintritt. Es scheint viel- mehr, als ob die ganze Thätigkeit des Haustoriums beendigt sei. Die in dem Haustorium eingeschlossenen Endospermkerne vermehren sich noch ein wenig, bilden aber niemals Wände und verschwinden schliess- 259 lich ganz. Das durch die Auflösung der oberen Zellen des Leitungs- gewebes bedingte Wachsthum des Embryosacks nach unten bezw. seines Auswuchses hört mit der Abschnürung auf, obgleich seine Zellen sowohl wie die des Nährgewebes einen relativ grösseren Reichthum an Protoplasma behalten als die umliegenden Zellen, bis sie schliess- lich vollständig absorbirt werden. In dem Theile des Embryosacks, welcher den Embryo enthält, entwickelt sich das Endosperm an der Peripherie in normaler Weise, indem die Tapetenzellen eine ausgesprochen auflösende Thätigkeit auf die ringsum liegenden Integument- zellen ausüben. Gleichzeitig geht eine Vergrösserung des Embryosacks vor sich, wodurch die Region der Einschnürung und des Haustoriums schliesslich erreicht und e en la X Sala Fig.8. Linum usitatissimum. Der obere und untere Theil des Em- bryosacks. » Synergiden, n Nu- cellus, « Antipoden, uw obere Fig.7. Linum usi- tatissimum. Aus- gebildeter Em- Fig. 6. Linum austriacum. Längsschnitt des jungen Samens. e Endosperm, st! Stranggewebe an der Chalaza. bryosack. aufgelöst wird, so dass das Endosperm Archesporzellen, !a untere Arche- sporzelle, £ Tapetum. gegen das obere Ende des Leitungsgewebes zu liegen kommt (Fig. 6). Dadurch ist es möglich, dass das Leitungsgewebe nochmals als Leitungsbahn von dem Nährge- webe her dient, es wird aber schliesslich mit dem Nährgewebe ab- sorbirt. Von allen vier untersuchten Arten ist bei dieser das Hausto- 260 rium am wenigsten entwickelt, und es könnte, falls diese Art allein betrachtet worden wäre, den Anschein gewinnen, es handle sich in demselben um einen unnöthigen Theil des Einbryosacks, der deshalb abgetrennt wurde. In der Samenentwickelung ziemlich verwandt mit Linum austria- cum ist Linum usitatissimum, Ein Vergleich in der Gestalt des Em- bryosacks ‘der beiden Arten zeigt, dass der von Linum usitatissimum bedeutend enger ist und stets ein wenig Nucellus besitzt, der jedoch auf den basalen Theil beschränkt bleibt (Fig. 7 u. 8). Die obere weitere Hälfte verengert sich gegen die untere, welche einen engen Kanal darstellt, der sich nach unten in den noch unaufgelöst gebliebenen Nucellus erstreckt und plötzlich gegen die obere von zwei über ein- ander gelagerten Zellen stösst (Fig. 8«a), deren untere auf einer ver- längerten Zelle aufliegt, die sich bis nahe an die Chalaza ausdehnt (Fig. 8a). Die drei Zellen sind in gerader Linie mit dem Embryosack angeordnet, und auf den ersten Blick könnte man glauben, dass die beiden kleineren Zellen der Höhlung des Embryosacks, der in der langen unteren Zelle seine Fortsetzung hat, eingelagert wären. Wahr- scheinlich jedoch gehören die drei Zellen weder zum Embryosack, noch stammen sie von demselben her, sondern sie können als ein Theil der Archesporzellen betrachtet werden, deren mehrere im jungen Nucellargewebe entstehen und von welchen eine zum Embryosack wird. Die unterste dieser drei verlängert sich, während sie sich zugleich in ihrem unteren Ende erweitert. Anfangs ist nur ein Kern vor- handen, aber durch Theilung können zwei oder vier auftreten. Die beiden anderen Zellen werden gewöhnlich nicht verändert, manchmal jedoch kann auch bei der unteren eine Theilung des Kerns eintreten. Während die verlängerte basale Zelle unzweifelhaft dazu dient, Nah- rung von dem Nährgewebe in der Chalazaregion zu beschaffen, ist die Function der zwei kleineren Zellen schwer zu erklären, denn die Nährstoffe müssen auf ihrem Wege nach der Basis des Haustoriums durch dieselben hindurch gehen. Das obere Ende des Embryosacks zeigt einen kleinen Auswuchs über das Tapetum hinaus, welcher dadurch Raum erhält, dass einige Integumentzellen aufgelöst werden. In diesem Hohlraum liegt anfangs theilweise das Protoplasma der Synergiden (Fig. 8). Später jedoch wird er von dem Embryoträger eingenommen, wobei er an Grösse nicht merklich zunimmt, Nach der Befruchtung entwickelt sich das Endosperm in der Peripherie, ein Theil aber wandert gegen den unteren Theil des Em- 261 bryosacks, jedoch nicht bis zu seinem äussersten Ende. Zu gleicher Zeit erfahren auch diejenigen Integumentzellen, die in der Mitte des Embryosacks dem Tapetum zunächst liegen, eine rasche Theilung in der Richtung gegen das Tapetum, wodurch eine Einschnürung zu Stande kommt wie bei Linum austriacum, die aber hier hauptsächlich durch die grosse Vermehrung nicht wie bei Linum austriacum durch die Vergrösserung der Zellen bedingt ist (Fig. 9:). Die dadurch her- vorgerufene Erscheinung gleicht ebenfalls der von Linum austriacum, Fig.9. Linum usitatissimum. Fig.10. Linum usita- Fig.11. Linum usitatissi- Basaler T'heil des Embryo- tissimum. Embryossck mum. Vorgerücktes Sta- sacks vor vollständiger Ab- zur Zeit der Vollen- dium. Das Endosperm des schnürung. ; Zellen, durch dung der Einschnü- oberen Theils des Embryo- sacks (we) liegt unmittelbar auf dem des Haustoriums (he). deren Vermehrung die Ein- rung. schnürung verursacht wurde, e Endosperm. und es kann sogar ein vollständiger Abschluss bewirkt werden, der einen oberen Theil, in dem der Embryo liegt, von ‚einem unteren, der keinen enthält, abtrennt. Die Endospermkerne sind unterdessen schon in den letzteren auf demselben Wege hinabgewandert, wie bei Linum austriacum, aber ihre Anzahl ist grösser und es tritt nie Ge- webebildung ein (Fig. 9e). Das Endosperm im oberen Theil entwickelt “ 262 sich in normaler Weise, wobei es das Integument auf allen Seiten langsam aufbraucht. Wie bei Linum austriacum kommt auch hier ein Zeitpunkt, in welchem die Leitungsbahn der Chalaza erreicht wird, welche wahrscheinlich auch hier wieder der Zuführung von Nähr- material dient (Fig. 11). Ferner endet auch hier wahrscheinlich die Thätigkeit des Haustoriums, nachdem die vollständige Einschnürung zustande gekommen ist. Die Endospermkerne des Haustoriums ver- weilen länger als bei Linum austriacum und der Hohlraum erweitert sich nieht nur durch die Auflösung des herumliegenden Tapetums, sondern auch einiger Integumentzellen. In der Gegend der Ein- schnürung jedoch und weiter unterhalb, wo die Höhlung sich in eine Röhre verengt, bleibt das Tapetum ungelöst (Fig. 9). Die drei Zellen nahe dem Chalazaende des Embryosacks erfahren ausser dem Ver- luste ihres Inhalts keine weitere Veränderung und werden schliess- lich mit dem Integument absorbirt. In Bezug auf die weitere Entwickelung ergeben sich gegenüber Linum austriacum keine Ver- schiedenheiten mehr. Linum favum weicht, was den Haupteharakter des Embryosackes betrifft, nicht wesentlich von Linum austriacum ab. In der Chalazaregion rings um das Ende des Gefässbündels findet sich ebenfalls eine grosse Anzahl von protoplasmareichen Zellen oder Nährgewebe, wie bei den früher beschriebenen Arten. Jedoch ist zur Zeit der Befruchtung mehr Nucellus vorbanden als bei Linum austriacum und die Bildung der Leitungsbahn tritt schon früher ein. (Fig. 12.) Das Tapetum ist sehr lang und die von ihm einge- schiossenen Zellen des Nucellargewebes bilden in ihrer Hauptmasse das Leitungsgewebe. In dieses wächst bei der Streckung der Samenanlage der Embryo- sack hinein, wodurch eine nahezu gleichweite Röhre oder ein Hau- storium entsteht, das fast in seiner ganzen Länge vom Tapetum aus- gekleidet ist. (Fig. 13 und 14.) Bei der Endospermentwickelung können entweder einige Kerne in das Haustorium eintreten oder, was weniger häufig der Fall ist, eine grössere Anzahl derselben. Zuweilen sind scheinbar keine Kerne vorhanden. (Fig. 14.) Das- selbe enthält auch immer mehr oder weniger Protoplasma, sowie eine Menge theils gelöster, theils ungelöster Substanz, die sich schwach färbt und dem Endosperm als Nährmaterial dient. Die Thätigkeit des Haustoriums ist leicht begreiflich. Die Tapetenzellen, die es umgeben, sind reich an Protoplasma und in jungen Stadien sind auch die umliegenden Integumentzellen ziemlich protoplasmareich, wenn 263 auch weniger als die des Tapetums. (Fig. 15.) Sie werden jedoch zuerst aufgelöst und das Haustorium ist infolge dessen in diesem Stadium von dem halbverbrauchten Material desselben unıgeben. (Fig. 14 di.) Die Auflösung des Integuments im unteren Theile besorgt das Tapetum und ebenso lässt es sich auch in dem oberen Theile di & N S Fig.12. Linum Fig. 13. Linum flavum. flavum. Ausge- Der Embryosack nach bildeter Em- seiner Verlängerung bryosack. aNu- u.nach Beginn der En- cellus, g Nähr- dospermentwickelung. Fig. 14. Linum flavum. Haustorium (h), um welches viel halb aufgelöstes Integu- mentgewebe (di) sich befindet. v Zweig gewebe. e Endosperm, k Hau- storium, n verlängerte des Gefässbündels der Samenanlage. Nucelluszellen. c protoplasmareiches Endosperm. des Embryosacks wahrnehmen, aber nicht in dem Maasse, wie um das Haustorium herum. Dasselbe erhält nicht nur Material aus den auf- gelösten, seitlichen Zellen, sondern steht mit seinem unteren Ende in Verbindung mit dem Nährgewebe der Chalaza, aus dem es eben- 264 falls einen beträchtlichen Theil von Nahrungsmaterial bezieht. Das Leitungsgewebe ist nur kurze Zeit in Function. Später wird es voll- ständig aufgelöst, und das Haustorium steht nun in directer Verbin- dung mit einem Gefässbündel, welches als Zweig des Hauptbündels der Raphe entsteht (Fig. 14v). So dient das Haustorium direct dazu, eine Leitungsbahn von dem wirklichen Gefässbündel einerseits zu dem basalen Endosperm des Embryosacks andererseits darzustellen. Dieses letztere zeigt, dass die Thätigkeit des Haustoriums kräftiger ist als die allgemeine Thätigkeit des umgebenden Tapetums, da es protoplasmareicher ist als das Endosperm in irgend einem anderen Theil des Embryosackes. Ein grosser Unterschied zwischen Linum flavum und den zwei vorher beschriebenen Arten liegt in der längeren Thätigkeit des Haustoriums. Während es bei Linum austriacum und Linum usi- tatissimum nur in Function ist bis zur Abschnürung, also verhältniss- mässig kurze Zeit, ist es bei Linum flavum fast bis zur Samenreife thätig. Der Grund dafür liegt wahrscheinlich in der Thatsache, dass sein oberes Ende von der vordringenden Endospermmasse nicht an- gegriffen wird. Wenn nun das Ende des- selben nach abwärts wächst, kommt die Chalazaregion infolge einer ungleichen Ent- wiekelung des jungen Samens seitlich zu liegen, uud das Haustorium erfährt dadurch eine mehr oder weniger horizontale Lage, bis es gegen die Samenschale stösst, Sein Lumen bleibt lange noch erhalten und ebenso lange erstreckt sich auch seine Thätigkeit als Resorptions- organ. Linum catharticum gleicht Linum flavum so sehr, dass eine längere Beschreibung unnöthig erscheint. Zur Zeit des ausgebildeten Embryosacks liegt hier innerhalb des Tapetums noch Nucellus, welcher die unteren zwei Drittel erfüllt. In dieses Gewebe wächst der Em- bryosack hinein und bildet, wie bei Linum flavum eine Röhre von nahezu gleichem Durchmesser, deren beträchliche Länge hauptsäch- lich durch das bedeutende Längenwachsthum der ganzen Samenanlage bedingt ist. Das Tapetum, das den Kanal umgrenzt, übt einen stark auflösenden Einfluss auf die umliegenden Zellen aus, wie bei Linum flavum. Der Hauptunterschied besteht in dem normalen Vorhandenr- sein von Endospermgewebe und Endospermkernen. Das Gewebe wird Fig. 15. Linum flavum, Querschnitt eines Hausto- riums. i Tapetum., 265 nur in dem oberen Theil des Haustoriums gebildet, während sich Kerne in dem ganzen übrigen Theil bis nahe gegen die Basis vor- finden (Fig. 16). Fig. 17. Linum enthartieum. Samenanlage zur Zeit desSAuftretens der Cotyledonen. % Haustorium, das nsch unten vom Endosperm gedrückt wird. Fig. 16. Linum catharti- eum. Haustorium, e Endo- sperm im Haustoriumkanal, t Tapetum, g Nährgewebe, di aufgelöste Integument= zellen, Fig. 18. Oxalis valdiviensis. Ausgebildeter Embryosack, Das Nährgewebe (Pig. 16g) ist mit ihm durch ein allmählich kürzer werdendes Leitungsgewebe verbunden. Eine Abzweigung des Gefässbündels wie bei Linum flavum konnte nicht beobachtet werden. Die vordringende Hauptmasse des Endosperms zerstört das Haustorium 266 nicht, aber auch hier kommt durch ungleichseitiges Wachsthum des Gewebes der Samenanlage der untere Theil seitlich zu liegen, bis er endlich gegen die Samenschaale stösst, wie bei Linum flavum (Fig. 17.) Bei dieser Art hat Hegelmaier (6) einen Protoplasma- oder Endosperminhalt nicht beobachtet, denn er sagt: „Der Embryosack erlangt so eine schmale, bogig-keulenförmige Gestalt; sein schlauch- förmiger Protoplasmakörper, in welehem sich die Kerne der künftigen Endospermzellen vertheilen, erstreckt sich aber nicht in seinen hinteren schmalen Theil hinein, sondern endigt spitz und blind geschlossen und hier auch die Antipodenreste einschliessend, vor der Stelle der stärk- sten Krümmung.“ Eine Betrachtung von Fig. 16 zeigt, dass diese Ansicht Hegelmaier’s unrichtig ist, wenn auch in sehr vorgerückten Stadien die Seiten des Haustoriums zusammengepresst werden. Oxalidaceae. Hofmeister (10) hat schon in seiner Arbeit über Oxalis cor- niculata gezeigt, dass die Samenentwickelung bei dieser Art normal ist und das gleiche konnte auch bei der von mir untersuchten Art, Oxalis valdiviensis festgestellt werden, deren Resultate mit denen Hofmeister’s vollständig übereinstimmen. Fig. 19. Oxalis valdiviensis. Mikropylenende des Embryosacks zur Zeit der Aus- bildung der Cotyledonen. a Reste der inneren zwei Lagen des inneren Integuments. b verdickte äussere Lage desselben, c krystallführende Lage des äusseren Integu- ments, d Cuticula. Zur Zeit der Befruchtung ist der Nucellus auf wenige, abge- storbene Zellen an der Basis des Embryosacks beschränkt (Fig. 18). Die Antipoden liegen auf diesem kurze Zeit, verschwinden aber bald. Auch sind zwei gut ausgebildete Integumente vorhanden. Das innere Integument besteht aus drei Zelllagen, deren äussere aus Zellen zu- 267 sammen gesetzt ist, die in der Längsrichtung des Embryosacks abgo- plattet sind, während die zwei inneren aus cubischen Zellen bestehen. Das äussere Integument zeigt nur die Eigenthümlichkeit, dass es schon vor der Befruchtung mit einer dieken Cuticula versehen ist. Das Endosperm entwickelt sich als eine peripherische Lage, und allmählich werden die zwei innersten Integumentzelllagen aufgebraucht, während alle übrigen zur Bildung der Testa Verwendung finden. Die Entwiekelung des Embryosacks bis zur Samenreife ist normal (Fig. 19). Ein Tapetum oder etwas, was als Haustorium functioniren könnte, ist nicht vorhanden. Nur das Gefässbündel, welches an der Basis eintritt, ermöglicht eine erhöhtere Nahrungsaufnahme durch das Chalaza- ende, als dies in den übrigen Theilen der Oberfläche des Embryo- sacks der Fall ist. Ausserdem ist zwischen der Basis des Embryosacks und dem Ende des Gefässbündels ein Strang von wenig verlängerten Zellen vorhanden, die sich von den übrigen jedoch durch keinen grösseren Protoplasmareichthum auszeichnen. Ein Vergleich von Oxalis mit Linum zeigt mehrere Verschieden- heiten. Das Vorhandensein zweier Integumente, welches für alle Choripetalen charakteristisch ist, kann nicht als ein besonderes ge- meinsames Merkmal angesehen werden. Das innere Integument ist bei Linum viel dicker als bei Oxalis und erfährt eine Vermehrung der Zellen nach der Befruchtnng, welche bei Oxalis fehlt. Auch in dem Verbrauch der Integumente durch das Endosperm ist ein Unter- schied in beiden Familien wahrzunehmen, indem bei Oxalis nur ein verhältnissmässig kleiner Theil aufgebraucht und alles übrige zur Bildung der Samenschaale Verwendung findet, während bei Linum das umgekehrte der Fall ist. Der Nucellus ist zur Zeit des ausgebildeten Embryosackes bei Oxalis fast oder vollständig aufgebraucht, während er bei Linum speciell bei Linum flavam und Linum catharticum lange Zeit erhalten bleibt. Tapetum und Haustorium fehlen bei Oxalis. ‚Geraniaceae. Die Literatur dieser Familie ist, wenigstens soweit sie mir zu- gänglich war, ziemlich spärlich. Eine kleine Arbeit rührt von Hof- meister (10) her, welcher die Krümmung des Embryosacks fand, Er beobachtete ferner bei Erodium gruinosum, dass der Eiapparat von der Mikropyle durch eine Lage von Zellen getrennt ist, Um die in dieser Familie auftretenden Eigenthümlichkeiten all gemein zu studiren, wurden folgende Arten untersucht: Geranium 268 pratense, Geranium silvaticum, Geranium Robertianum, Geranium nodosum, Erodium eieutarium, Erodium gruinosum und Pelargonium hybridum. Da sich bei der Untersuchung herausstellte, dass alle Arten in der Entwickelung des Samens einander gleichen, so soll nur eine einzige in ihren Einzelheiten besprochen werden: Geranium pratense. Der Fruchtknoten ist fünffächerig und durch falsche Scheide- wandbildung in zehn Fächer ge- theilt, von denen jedes zuerst zwei Samenanlagen enthält, die übereinander liegen und von denen nur eine sich weiter ent- wickelt, während die andere zu Grunde geht. Embryosack und Nucellus sind immer stark gekrümmt (Fig. 20). Die Krüm- mung steht in Verbindung mit der grösseren Dicke des inneren Integuments an einer bestimm- ten Stelle. Die Entwickelung dieser Verdickung wurde bei Pelargonium studirt und es zeigte sich, dass in dem Sta- dium, wo die Archesporzelle sich befindet, die Samenanlage ganz gerade ist und das in- nere Integument aus drei gleichen Lagen besteht. Wenn jedoch der Embryosack sich entwickelt, beginnt in der Fig. 20. Geranium pratense, Ausgebildeter mittleren Zelllage des inneren Embryosack. t Tapetum, n Nucellus, ; In- Integuments an der Stelle, tegument, das im Zusammenhang mit der welche der Achse des Frucht- Biegung des Embryosacks steht. knotens zunächst liegt, eine rasche Folge von Theilungen einzutreten. Dadurch wird diese mehrere Zellreihen diek und wenn das Stadium des ausgebildeten Embryosacks erreicht ist, hat sich ihr Durchmesser mit Ausnahme des äussersten Chalazaendes, wo nur wenige Zellen ungetheilt bleiben, bedeutend vergrössert und zwar am meisten in ihrem mittleren Abschnitt. Zur Zeit der Befruchtung (bei 269 G. pratense) ist die Samenanlage bis über die Hälfte ihrer Länge von der Chalaza bis zur Mikropyle mit Nucellus erfüllt. Ein gut ausge- bildetes Tapetum, das aus dem inneren Integument hervorgegangen ist, drei Lagen eines inneren, drei eines äusseren Integuments sind vorhanden. Der Eiapparat liegt direct hinter dem inneren Ende des Mikropylenkanals, während die Antipoden meist in diesem Stadium nicht mehr sichtbar sind, da sie schon fast voll- ständig zu Grunde gegangen sind. Was das Nahrungs- material für den Embryo be- trifft, so schien es nur in ge- tinger Menge vorhanden zu sein, da zur Zeit der voll- endeten Befruchtung das Inte- gument noch sehr dünn ist, mit Ausnahme des Theils, welcher in Verbindung mit der Krüm- mung des Embryosacks steht. Doch sind auch diese Zellen nicht besonders inhaltsreich, ebenso wie der noch in grosser Menge vorhandene unver- brauchte Nucellus. Nach der Befruchtung entwickelt sich das Endosperm nur in geringer Menge, eine einzige Zelllage dick als Wandbeleg des Em- bryosacks. Auffallend dabei ist die ausserordentliche Grösse der Zellen, die um den jungen Embryo herumliegen. Nach abwärts bis in die Nähe der Region des Embryos, wo die dünne Lage beginnt, welche Fig. 21. Geranium pratense. Schematischer Längsschnitt durch die Samenanlage. Die schattirten Theile stellen protoplasmareiche Zellen dar. em Embryo, ? Tapetum, v Ge- füssbündel, g Nährgewebe, ns Nucellar- leitungsgewebe, 03 äussere Lage des inneren Integuments an der Chalaza, oi‘ dieselbe Lage an der Mikropyle, io innere Lage des äusseren Integuments, em Zweige des Ge- fässbündels gegen die Mikropylenregion, p primärer, $ secundärer Auswuchs des Integuments. den übrigen Theil des Embryosackes auskleidet, werden dieselben je- doch allmählich immer kleiner. Hand in Hand mit der Bildung der Endo- spermzellen geht die Entwickelung des Embryoträgers. Flora 1901. Anstatt der 19 270 einzigen Zellreihe, wie sie gewöhnlich vorkommt, tritt hier eine grosse Anzahl von Zellen in mehreren Reihen auf, welche schliesslich die NS 22 IN x \\ S 8% \ RS pi C RR RR N .s (7 > 055 or, RX CH ( cs Fig. 22. Geranium pratense. Vorgerückteres Stadium als bei Fig. 21. Der kurze Arım des Embryosacks. s grosser Suspensor, x Uebergangszellen zwischen $u- spensor und Embryo, t Tapetum, di primärer Auswuchs des Integuments, der eine partielle Lösung erfahren hat, pi derjenige Theil des Integuments, welcher längere Zeit erhalten bleibt, i Tapetum, das unter dem grosszelligen Endosperm liegt, !' Tapetum in Auflösung begriffen, e grosszelliges Endosperm, e‘ dünnzelliges En- dosperm, is secundärer Auswuchs des Integuments, 07 äussere Lage des inneren Integuments. ganze Länge des kurzen Armes des J-förmigen Embryosacks erfüllt (Fig. 22s). Die Zellen sind in der basalen Region am grössten, werden gegen den Theil, an dem der Embryo beginnt, immer kleiner 271 und gehen schliesslich ohne sichtbare Grenze in die Zellen des Em- bryos über (Fig. 22x). Die Function eines so langen Embryoträgers ist wahrscheinlich eine doppelte: erstens dient er als Saugapparat und Leitungsbahn von Nährstoffen aus dem Integument, dem er auf- sitzt, und dem Endosperm, das seiner ganzen Länge nach angeordnet ist, zu dem Embryo. Jedoch wird das Endosperm, welches mit ihm in Berührung ist, nicht gleich aufgelöst, sondern bleibt noch längere Zeit erhalten, da es wahrscheinlich zunächst dazu dient, sich aus den umliegenden Integumenten mit Nahrung zu versorgen. Zweitens wird er zu einer Zeit, wenn der Embryo sein Wachsthun: nahezu vollendet hat, zugleich mit dem umliegenden Endosperm als Nährgewebe aufgebraucht. Das Tapetum entsteht aus dem inneren Integument und unter- scheidet sich von den anderen regelmässigen Lagen desselben da- durch, dass es sich weniger leicht färbt. Alle Theile des Tapetums bleiben während der ersten Stadien der Embryoentwickelung erhalten, aber bald tritt eine Verschiedenheit ein zwischen den Theilen, die in inniger Berührung mit dem grosszelligen Endosperm in der Nähe des Suspensors sind (Fig. 221), und denen, die in der Chalazaregion liegen einerseits und allen zwischenliegenden Theilen andererseits (Fig. 221‘). Während es in den ersteren zwei Regionen normal erhalten bleibt, beginnt es in den letzteren Theilen frühzeitig aufgebraucht zu werden. Diese zwei Theile des Tapetums, welche länger erhalten bleiben, haben demnach unzweifelhaft den Zweck, eine Aufnahme von Nahrungs- mitteln aus dem zunächstliegenden Integument zu begünstigen. Eine Auflösung der Integumentzellen tritt jedoch nur an den Stellen ein, an denen die Endospermlage dünn wird (Fig. 22 di), während sie an den übrigen Stellen lange Zeit erhalten bleiben, jedenfalls, um noch weiter als Leitungsbahn zu dienen (Fig. 22 p:). Nach der Befruchtung gehen auch im Nucellus und im Integu- ment Veränderungen vor sich, die zunächst betrachtet werden sollen. Der Process der Auflösung des Nucellus spielt sich jedoch nur sehr langsam ab. Wenn der Embryo beginnt, sich zu entwickeln, erfahren erst die centralen Zellen des Nucellus ein beträchtliches Längenwachs- thum, während die übrigen Zellen sich nach allen Seiten hin gleich- mässig ausdehnen (Fig. 21ns). Dadurch entsteht ein Leitungsgewebe, welches sich von dem unteren Ende des Embryosacks bis zur Chalaza ausdehnt. Dass dieses Gewebe zweifellos Leitungsfunction besitzt, kann man wohl aus der grossen Inhaltsmenge desselben gegenüber den um- gebenden Zellen schliessen. Auch das gut entwickelte Gefässbündel, das von der Placenta zur Basis der Samenanlage führt, jet seinem 1 272 Verlaufe durch eine bedeutende Menge von Zellinhalt ausgezeichnet. Zwischen der Chalaza und dem Ende des Gefässbündels jedoch sind die Zellen nicht verlängert, aber sehr protoplasmareich und stellen ein Nährgewebe dar, aus dem das zum Nucellus führende Gewebe seinen Vorrath bezieht. Die Leitung von Nahrung aus diesen Zellen zum Nucellus scheint nieht nur durch die verlängerten Zellen an der Chalaza zwischen den Integumenten, sondern auch durch die Inte- gumentzellen selbst bewirkt zu werden, denn wir finden, dass die innerste Zelllage des äusseren (Fig. 21io), und die äusserste Lage des inneren Integuments (Fig. 210i) in der Region der Chalaza bedeutend verlängert sind und eine gelbliche, stark lichtbrechende Beschaffen- heit zeigen. Der basale Theil des Nucellus und diese Integument- zellen mit allen zwischen ihnen liegenden Zellen bleiben bis zu einem verhältnissmässig späten Entwiekelungsstadium des Embryos erhalten. Es hat daher den Anschein, als ob die mangelhafte Ausbildung der Integumente theilweise durch die fortgesetzte Thätigkeit dieses Systems von Leitungsgewebe ersetzt sei. Die Vermehrung der Integumentzellen, welche während ihres Wachsthums mit der Biegung des Nucellus in Verbindung stand, geht auch nach der Befruchtung noch weiter und zwar ist das Ergebniss ihres Wachsthums auf den Embryosack derart, dass durch dessen starke Ausbuchtung gegen die Seiten des Embryosacks dieser eine Krümmung annimmt, infolge deren das der Mikropyle zugekehrte Ende kürzer wird als das gegen die Chalaza liegende. Der junge Embryo ist für seine Ernährung nicht von dem Lei- tungsgewebe der Chalaza abhängig, denn wir finden auch in der Gegend der Mikropyle ein Leitungsgewebe, das ebenso wirkt wie das an der Chalaza. An der Biegung des Gefässbündels gegen die Chalaza zu sind nämlich verzweigte Gefässe vorhanden, welche in kurzen Zwischen- räumen gegen die Mikropyle zu verlaufen (Fig. 21vm). Aus der Gegend dieser Gefässe erstrecken sich gegen die Basis des Suspensors eine Menge Zellen, die besonders durch ihren Protoplasmareichthum ausge- zeichnet sind, aber auch die des Integuments in einigem Abstand von der Mikropyle werden sehr inhaltsreich. Ausserdem wächst die äusserste Lage des inneren Integuments durch Verlängerung ihrer Zellen in die Dicke, ähnlich, doch in grösserer Ausdehnung, wie in der Chalaza- region (Fig. 210:‘), denen sie auch in ihrer Farbe und ihrem Licht- brechungsvermögen gleichen. Ihre Breite ist am grössten in der Gegend des jetzt verschwundenen Mykropylenkanals, wird aber von da ab nach beiden Richtungen allmählich immer geringer. 273 Hand in Hand mit der Verlängerung dieser Zellen geht ein inneres Wachsthum der innersten Lage des inneren Integuments in der Gegend des Suspensors, das dem gleicht, welches ursprünglich mit der Krüm- mung des Embryosacks in Verbindung stand, hier aber an der ent- gegengesetzten Seite auftritt (Fig. 215). Dadurch wird der Suspensor gezwungen, sich zu biegen, und gegen das ihn umgebende Endosperm gepresst, und die Integumentzellen erhalten unzweifelhaft die Function von Leitungszellen der Nährstoffe durch das Tapetum zum Endosperm und Suspensor hin. In dieser Eigenschaft werden dieselben auch Vig.24. Erodium gruinosum. Mi- Fig. 23. Erodium gruinosum. Ausgebildeter r h Embryosack. pn Zelllage des Nucellus der kropylenregion und junger Em- Mikropylenregion, die kurze Zeit nach der bryo. Die Bezeichnungen wie bei Befruchtung noch erhalten bleibt, n Nucel- Fig. 23. lus, t Tapetum, tn Tapetum, das aus dem Nucellus hervorgegangen ist. durch die verlängerten Zellen der zunächst liegenden äusseren Lage unterstützt, welche sich mit Material aus den protoplasmareichen Zellen des äusseren Integuments versorgen. Auf diese Weise wird der Em- bryo während seiner Entwickelung von beiden Seiten des Embryosacks her ernährt, und zwar so vortheilhaft, dass schliesslich ein sehr grosser Embryo resultirt. Im reifen Samen ist die Chalaza ‘und das Integu- mentgewebe vollständig aufgelöst, mit Ausnahme der stark licht- 274 brechenden verdickten Zelllage am Mikropylenende, welche einen Theil der Testa bildet, Erodium gruinosum hat einen mit Geranium pratense übereinstim- menden Entwickelungsgang, nur tritt in "jungen Stadien des Embryos eine Anzahl von Nucelluszellen zwischen der Eizelle und dem Integument und umliegenden Tapetum an der Mikropyle auf, welche bei allen untersuchten Arten von Geranium fehlt (Fig. 23pn). Erodium cicu- tarium und Pelargonium hybridum gleichen Erodium gruinosum in dieser und in allen anderen Einzelheiten. Kurze Zeit vor der Bildung des Eiapparats ist eine Lage von Nucelluszellen dadurch ausgezeichnet, dass sie der auflösenden Wirkung des Embryosacks widersteht. Diese Zellen sind an der Mikropyle zwei oder drei Lagen breit, verjüngen sich jedoch nach unten, bis sie nur mehr in einer Lage vorhanden sind (Fig. 231n). Diese letzteren haben normale Gestalt, während die ersteren ungewöhnlich gross sind. Das Tapetum (Fig. 23:) folgt den äusseren Nucelluszellen und ist in der Mikropylenregion auch mehr als eine Zelllage breit. Diese bleibt längere Zeit erhalten und scheint als eine Art doppeltes Tape- tum zu dienen. Zu der Zeit, wo das Endosperm um den Embryo die grossen Zellen gebildet hat, die bei Geranium pratense beschrieben wurden, ist der Nucellus im oberen Theil des Embryosacks mit Ausnahme derjenigen Zellen, die in unmittelbarer Nähe der Mikropyle in zwei- oder dreifacher Lage vorhanden sind, aufgebraucht (Fig. 24in). Das Tapetum jedoch bleibt unversehrt. Die kleine Ansammlung von Nu- celluszellen um die Basis des Suspensors bleibt noch so lange erhalten, bis sich das Endosperm um den Suspensor vollständig gebildet hat, und nur das Tapetum dauert aus wie bei Geranium pratense (Fig. 24 pn, t). Stackhousiaceae, Diese Familie wird von Pax (8) in die Nähe der Celastraceae gestellt, aber nach ihm bietet der Habitus, der Blüthenstand, die Bildung der Krone, die ungleichen Staubblätter und die Kokkenbildung der Früchte reichlich Unterschiede diesen gegenüber dar. Der Unter- schied dehnt sich weiter auf die Struktur der Samenanlage aus, die hier nur ein einziges Integument aufweist, während bei den Celastra- ceae zwei Integumente vorhanden sind. Die Stackhousiaceae sind hauptsächlich auf Australien und die umliegenden Inseln beschränkt. Die Blüthen der Art Stackhousia monogyna, die den folgenden Untersuchungen zu Grunde liegt, hat 275 drei vollständig getrennte, nahezu runde Karpelle, von denen jedes eine Samenanlage enthält, welche zur Zeit der Reife ein besonderes gut "entwickeltes Gefässbündel zeigt, welches längs der Raphe zur Chalaza- region verläuft (Fig. 29). Das eine Integument ist ziemlich dick und vergrössert sich nach der Befruchtung durch Wachsthum seiner Zellen. Die äussere Epithellage entwickelt grosse Schleimzellen in der Gegend der Mikropyle und einige an der Raphe nahe dem Funieulus, die wahrscheinlich bei der Befruchtung als Leitungszellen dienen. Der Mikropylenkanal ist geschlossen, der Verlauf des Pollenschlauchs aber stets in der unmittelbaren Nähe desselben. Der ausgebildete Embryosack enthält eine periphere Lage von übrig gebliebenen Nucelluszellen, deren Lage in der Gegend der Mikropyle am dicksten ist (Fig. 29»). In diesem Stadium ist auch ein durch seine grösseren und regelmässigeren Zellen hervortretendes Tapetum leicht zu unterscheiden (Fig. 291). Die Synergiden sind im Vergleich zur Eizelle klein. Die beiden Embryosackkerne bleiben ’ Fig. 25—28 Stackhousia monogyne. Entwickelung des Embryosacks aus der Archesporzelle. Fig. 28, Embryosack mit 15 Kernen, bis kurz vor der Befruchtung getrennt. Das eigenthümlichste am Embryosack ist das Vorhandensein einer grösseren Anzahl von An- tipoden, welche dadurch zu stande kommen, dass, während die Ent- wickelung bis zum Stadium der acht Kerne normal ist (Fig. u) die dabei sich absondernden drei Antipoden noch einmal eine Thei- lung erfahren. Der Nucleolus ist gewöhnlich anfangs gross, nach der Theilung aber sind die beiden Tochternucleolen kleiner und wenn weitere Theilungen eintreten, wird ihre Grösse bedeutend reducirt. Ihre Theilung scheint eine directe zu sein, da ziemlich häufig ver- längerte Nucleoli angetroffen wurden und wenn auch nicht alle Theilungsstadien beobachtet werden konnten, so lässt doch nichts auf Mitosis schliessen. Die meisten Kerne sind umgeben von Protoplasma und das Ganze ist von einer Zellwand umschlossen. Den gemachten Beobachtungen nach zu schliessen, theilen sich alle drei Antipoden mehr als einmal, aber nicht alle gleich oft. Die gewöhnliche Zahl 276 von acht dürfte wohl dadurch zu stande kommen, dass zwei sich ein- mal und eine sich zweimal theilt. Doch kommen auch 10, ja sogar 15 Zellen (Fig.28), deren Entstehung auf ähnliche Weise erklärt wer- den kann, vor. Dass dieser Erscheinung irgend welche physiologische Bedeutung zukommt, ist jedoch kaum wahrscheinlich, da es nicht zur Bildung eines Gewebes kommt, wie es von Mlle. Goldfluss (4) für die Compositae und von Campbell für die Sparganiaceae gefunden wurde. Von diesen unterscheiden sie sich schon dadurch, dass ihre Bildung nicht von der Befruchtung abhängig ist. Sie können aber i auch nicht als ein primitiver Charakter der Familie ange- sehen werden, da dieselbe bezüglich der übrigen Ana- tomie keine einfachen Ver- hältnisse zeigt, sondern je- denfalls nur als eine Art LS n Y 7 1 Fragmentationsproceas. Mit A der Bildung des Endosperms werden sie absorbirt. Die [TI EN ei u das . . FR RN RR } weitere Samenentwickelung RR, E RR, ist normal. Das untere Ende ER ER des Embryosacks zeichnet EM Be sich ausserdem noch durch DS einige starkgefärbte Zellen mit schleimigen Wänden aus, welche in Verbindung mit Fig. 29. Stackhousia monogyna. Samenanlage dem Primärbündel stehen. und ausgebildeter Embryosack. t Tapetum, Das dazwischen liegende n Nucellus. Leitungsgewebe ist jedoch . so kurz, dass die wenig ver- längerten Zellen nur bei genauer Beobachtung erkannt werden können. Primulaceae. Primula minima und Primula elatior wurden schon von Hof- meister (10) kurz beschrieben, aber seine Arbeit bringt keine Ab- bildungen. Weitere Arbeiten über diese Familie liegen von War- ming (14) und Nesque (13) vor, aber auch diese behandeln die Sache nicht vollständig; ihre Resultate stimmen aber im Wesentlichen mit meinen Beobachtungen überein, die an Primula denticulata, Primula auricula, Primula rosea, Anagallis arvensis, Lysimachia 277 ciliata, Soldanella montana und Androsace septentrionalis angestellt wurden und als deren Typus Primula denticulata angenommen werden kann. Der ausgebildete Embryosack (Fig. 30) ist vom Funieulus weg stark, beinahe rechtwinkelig, gekrümmt. Das Tapetum ist gross und protoplasmareich und bleibt es während der ganzen Samenent- wickelung bis zu seinem Verschwinden bei der Samenreife. Bei Anagallis arvensis ist es grösser als bei den anderen untersuchten Arten und besteht aus verlängerten sich stark färbenden Zellen, welche sich bei Betrachtung der Samenanlage in auffallender Weise bemerkbar machen. Die Antipoden ver- schwinden schon frühzeitig und das nicht besonders stark ausgebildete Integu- ment beginnt zugleich von dem immer grösser werden- den Embryosack absorbirt zu werden. Im Uebrigen Jedoch ist die ganze Ent- wickelung normal. Die In- tegumentzellen vergrössern sich und werden endlich vollständig aufgelöst, bis auf x) die Zellen der zwei Lagen Fig. 30. Primula dentieulatae. Samenanlage des äusseren Integuments, mit ausgebildetem Embryosack. deren Zellwände sich stark verdicken und zur Samenschale werden, von der ausserdem die äusserste aus grossen Zellen bestehende Lage sehr merkwürdig ist. Bei Lysimachia und besonders bei Anagallis verlängern sich nämlich die Zellen der äussersten Lage des inneren Integuments, welche an die Testa grenzen, ganz bedeutend (Fig. 31ei). Diese beiden Gattungen sind ausserdem auch durch die tiefe Einsenkung ‚der Samenanlage in die Placenta ausgezeichnet. Im reifen Samen liegt der Embryo in viel Endosperm eingebettet. Ser DEREN DI IENE N u Plumbaginaceae. Die Untersuchungen über diese Familie wurden angestellt bei Armeria plantaginea, Armeria vulgaris, Goniolinum elatum und Statice 278 latifolia. In allen wesentlichen Merkmalen stimmen sie so vollständig überein, dass eine einzige, Armeria plantaginea, als Typus genommen werden kann. Die gerade Samenanlage zeigt zwei dünne Integumente und ent- hält einen Embryosack, der die oberen drei Viertel des Nucellus ein- nimmt, der vor allem an der Basis langsam aufgelöst wird. Der Ei- apparat zeigt nichts besonderes. Die Antipoden sind einige Zeit nach der Befruchtung noch vorhanden, verschwinden aber bald. Der Eindospermkern liegt nahe der Eizelle und erzeugt nach der Befruch- tung in geringer Menge eine die Seiten des Embryosackes aus- kleidende Lage von Endosperm. Zur Zeit der Befruchtung tritt eine äusserste Lage des Nucellargewebes durch die Regelmässigkeit seiner Zellen deutlich hervor (Fig. 32tn). Im oberen Theile der Samenan- lage umschliesst sie den Embryosack und liegt zwischen ihm und dem Mikropylenkanal. Wenn sie auch bezüglich der Regelmässigkeit ihrer Zellen einem Tapetum gleicht, so hat sie doch nicht die physio- logische Thätigkeit eines echten Tapetums, da sie keine auflösende oder absorbirende Function auszuüben scheint. Dieselbe bleibt, wenn alle übrigen Nucelluszellen aufgebraucht sind, als eine schützende Lage des sich entwickelnden Embryosacks fast bis zur Reife des Em- bryos erhalten. Der äusserste obere Theil dieser Lage in der Gegend des Mikropylenkanals bildet durch tangentiale Theilungswände ein zwei Zelllagen dickes Gewebe. Der au der Chalaza gelegene Theil des Nucellus bleibt lange Zeit erhalten und wird erst in einem späten Entwickelungsstadium voll- ständig aufgelöst. Das Endosperm, das nur in einer Zone ausgebildet und mit Stärke erfüllt ist, umgibt den Embryo im reifen Samen, dessen Testa aus dem äusseren Integument gebildet ist. Wir sehen also, dass in dieser Familie die Samenentwiekelung ganz normal ist, da kein Auswuchs oder irgend ein besonderer Theil des Embryosacks vorhanden ist, wodurch dem sich entwiekelnden Embryosack in erhöhtem Maasse Nahrung zugeführt werden könnte. Da die Integumente sehr dünn sind, so rührt alles, was der Embryo im Verlaufe seiner Entwickelung aufbrauchen konnte, fast nur von dem Nucellus her. Dadurch gibt sich eine Aehnlichkeit mit den Ge- raniaceae, besonders mit Erodium und Pelargonium kund, wo auch der Nucellus lange Zeit erhalten bleibt, um als Nahrungsmaterial zu dienen. Die Plumbaginaceae und die Primulaceae sind mit den Myrsina- ceae nach Pax (3) die einzigen Familien unter den Sympetalen, die 279 mit doppeltem Integument versehen sind. Dagegen schliessen sich die Samenanlagen der Primulaceae an die der Sympetalen dadurch an, dass der Nucellus wenig kräftig entwickelt wird und das innere Integument ein Tapetum erzeugt. Polemoniaceae. Aus dieser Familie gelangten zur Untersuchung Polemonium favum, Polemonium coeruleum, Polemonium lacteum, Collomia coc- einea, Gilia tricolor, Gilia achillea, Gilia capitata, Phlox Drummondi Fig. 31. Anagallis ar- vensis. Theil der Sa- menanlage. ei ausser- Fig. 32. Armeria plantaginea. Sa- menanlage mit Anfang der Endo- ordentlich vergrösserte tn Tapetum, n Nu- Zelllage des Integu- spermbildung. ments, t Tapetum. cellus. und Leptosiphon androsace. Diese sind alle durch die grosse Aehn- lichkeit ihrer Samenentwickelung ausgezeichnet, mit Ausnahme der beiden letzteren, welche deshalb später eigens abgehandelt werden sollen. Der normale Typus der Familie wird so ziemlich dargestellt von Polemonium flavum und es soll diese daher auch als Schema der Beschreibung dienen. Sie besitzt nur ein Integument, Tapetum, innerhalb welchem noch wenige Reste von jedoch ein gut abgegrenztes Nucellus erhalten 280 sein können (Fig. 33). Die Antipoden verschwinden schon frühzeitig. Die Integumentzellen an der Basis des Embryosacks zeigen in jüngeren Stadien eine radiäre Anordnung. Das in die Samenanlage eintretende Gefässbündel hört schon, bevor es die Chalaza erreicht hat, auf. Das Endosperm wird zuerst nur als eine peripherische Lage an demselben angelegt. Besonders auffallend ist eine Verschleimung der Zellwände des Integuments zur Zeit der Endospermentwickelung und zugleich ist auch die auflösende Wirkung des Tapetums auf alle Theile des Embryosacks zu bemerken. Sehr bald, selbst schon zu einer Zeit, in der der Embryo noch sehr klein ist, lagert sich auch Stärke in den äusseren Lagen des Integuments ab und dient später, indem es aufgelöst wird, dem Endosperm als Nah- rungsmaterial, sobald das Endo- sperm gegen dasselbe vorwächst. Die Stärke verschwindet schon vollständig, bevor die schleimig gewordenen Zellwände durch den Druck des wachsenden Embryo- sacks verdrängt werden. Die äusserste Lage des Integuments besteht aus grossen, säulenför- migen Zellen, welche zur Bildung der Samenschaale verwendet wer- Fig. 33. Polemonium flavum. Anusge- den Alles übrige wird vollstän- bildeter Embryosack. ig aufgelöst. Im reifen Samen nimmt der Embryo nahezu die ganze Länge desselben ein und ist von viel Endosperm umgeben. Phlox Drummondi stimmt mit Polemonium flavum darin überein, dass am Embryosack kein als Haustorium dienender Auswuchs vor- handen ist, unterscheidet sich aber durch den Mangel eines Tapetums und das Auftreten einer besonderen Einrichtung, um das Nahrungs- material von der Wand der Samenschaale zum Embryo und zum Integument zu leiten. Das Wachsthum des Endosperms und die Auf- lösung des Integuments geht in gleicher Weise vor sich, wie bei Polemonium, ohne dass das Tapetum dabei betheiligt ist. Das Inte- gument bezieht sein Nahrungsmaterial direet durch die Placenta und die oben erwähnte besondere Leitungsbahn, welche eine Verschmelzung T\ je \} 281 der Zellwände des Ovars gerade über dem Mikropylenkanal und der- jenigen Zellen, die das äusserste Ende desselben umgeben, darstellt. Der Beginn dieser Verschmelzung kann zuweilen schon zur Zeit des ausgebildeten Embryosacks beobachtet werden als eine Papille der äussersten Lage der Övarzellen, die direet über der Oeffnung des Mikropylenkanals liegt (Fig. 34p), und welche durch eine beträchtliche Ver- längerung dieser Zellen zu stande kommt. Schon wenn ein zweizelliger Embryo vorhanden ist, ist der enge Raum zwischen der Samenanlage und dieser Hervorragung vollständig ge- schwunden und die verlängerten Zellen sind mit ihren äussersten Wänden gegen die äussersten Zellen in der Mikro- pylenregion gestossen und da gewöhn- lich eine Einsenkung gerade über dem Kanal vorbanden ist, so wachsen die längsten Zellen dieser Papille in die- selbe hinein (Fig. 35p). Die weitere Folge ist, dass auch in den benach- barten Regionen, nämlich längs des Mikropylenkanals und unterhalb des Auswuchses des Ovars, eine Verlänger- ung der Zellen eintritt, wodurch ein Bild zu stande kommt, wie es Fig. 36 zeigt. In diesem Stadium ist auch die Entwickelung des Embryos schon sehr weit vorgeschritten und das Integument zeichnet sich durch Stärkereichthum in seinen äussersten Zellen aus. Bei einer Betrachtung der Fig. 36 zeigte sich, dass ein zusammenhängender Strang von Leitungsgewebe sich von dem tieferliegenden Ovar allmählich gegen die Basis des Embryos hinzieht. Die Fig. 34. Phlox Drummondi. Aus- gebildeter Embryosack. » An- fangsstadium der Papille. einzige Unterbrechung dieses Systems von verlängerten Leitungszellen bildet eine ungefähr halbkreisfürmige Masse kleiner Zellen, die 4 den Embryosack vorragen und an welchen der Embryoträger Fi Die Bildung dieses Gewebes nimmt ihren Anfang, während der Em- 282 bryo noch ganz klein ist und entsteht durch eine Theilung der untersten Integumentzellen in der Gegend des Embryoträgers (Fig. 37a und Fig. 38a). Dies ist eine einzig dastehende Gewebe- bildung, welche sonst bei keiner der untersuchten Arten vorkommt und deren Bedeutung wahrscheinlich eine rein physiologische ist, die aus den darüberliegenden Leitungszellen kommenden Nährstoffe zu sammeln, um sie von hier durch den Embryoträger dem Embryo zu- zuführen. Da auf diese Weise eine breite Zellfläche gegen das II Zum Fig. 35. Phlox Drummondi. Dreizelliger Embryo. Die Fig. 36. Aelteres Stadium wie bei Fig. 34, mit Jod Papille (p) hat die Mikro- gefärbt, wodurch die Verbreitung der Stärke ge- pyle erreicht. zeigt ist. » Papille, « Auswuchs des Integuments. schmale Ende der Integumentzellen liegt, von welchen das Nahrungs- material kommt, so ist eine raschere Nahrungsaufnahme ermöglicht, als wenn das schmale Ende des Embryoträgers allein diesem Zwecke dienen würde und seine Wirkung kommt daher der eines Trichters gleich. Auf dem in Fig. 36 gezeigten Stadium sind ausserdem Zellen wahrnehmbar, welche keine Stärke enthalten, nämlich die der äusseren 283 oder zweier Lagen der über dem Mikropylenkanal und längs desselben liegenden Fruchtknotenwand. Eine Untersuchung des ganzen Inte- guments zeigt andererseits die Thatsache, dass der grösste Vorrath von Stärke in den Zellen vorhanden ist, die unmittelbar um die Mikropyle herumliegen. Ausserdem ist auch in den äusseren Lagen der Integumentzellen über die ganze Samenanlage hin Stärke, jedoch in geringerer Menge, abgelagert. Durch F ehling’sche Lösung konnte in dem Leitungsgewebe und in den stärkeführenden Zelllagen auch Zucker nachgewiesen werden. Fig. 37. Phlox Drummondi. Beginn des embryotragen- den Auswuchses, dessen Fig.38. Phlox Drummondi, Ziemlich vorgerücktes Sta- ausgebildeten Zustand Fig. dium, in welchem die Leitungsbahn (lb) von Endo- 36.4 zeigt. sperm (e) unterbrochen ist. p» Papille, em Embryo. Die oben beschriebene Einrichtung bleibt jedoch nicht während der ganzen Embryoentwickelung in Thätigkeit, denn sobald die Endo- spermentwickelung ziemlich weit fortgeschritten ist, wird der Embryo aus seiner Verbindung mit der Papille gelöst und wenn der Embryo schon eine bedeutende Grösse erreicht hat und die Cotyledonen gut entwickelt sind, werden die Zellen der Papille, sowie die umliegen- den Zellen allmählich aufgelöst (Fig. 38). Zu dieser Zeit werden auch die Zellwände des Leitungsgewebes in der Fruchtknotenwand verdickt und gelb und schliesslich in Sklerenchym umgewandelt (Fig. 38»). Dieser Theil hängt in vorgerückten Stadien dem jungen Samen mit ziemlicher Festigkeit an, aber in den ältesten Stadien macht sich der Samen von der Papille los und es ist an demselben an dieser Stelle eine deutliche Vertiefung wahrnehmbar. Leptosiphon androsace unterscheidet sich von Polemonium wie Phlox Drummondi durch das vollständige Fehlen des Tapetums. Im Gegensatz zu Phlox jedoch ist keine Verschmelzung des Integuments an der Mikropylenregion mit der Fruchtknotenwand vorhanden. Der 284 Embryosack ist jedoch in einen fertilen Theil und einen als Hausto- rium dienenden getheilt, ähnlich wie bei Linum. Der junge Embryo- sack ist kurz vor der Bildung des Eiapparates sehr verlängert und übt eine stark auflösende Thätigkeit auf alle umliegenden Zellen des Integuments, namentlich in den untersten Theilen aus. In diesem frühen Entwicke- lungsstadium ist ein Unter- schied der beiden Theile bereits bemerkbar, nament- lich durch die Lage der Antipoden, welche nicht W en EEE \ Fig. 39. Leptosiphon androsace. Fig.40. Leptosiphon androsace. Periphe- Ausgebildeter Embryosack. risches Eindosperm, dessen unterster Theil in das Haustorium eingewandert ist. immer bis zum äussersten Ende vorrücken, sondern sich in der Region befinden, in der die Basis des fertilen Theils ist. An dieser Stelle gehen sie auch bald zu Grunde. Im oberen Theile tritt sehr bald auch eine Erweiterung ein, die bis zur vollständigen Ausbildung des Embryosacks immer mehr fortschreitet. Das Haustorium ist röhren- förmig und macht etwas über die Hälfte des ganzen Embryosacks 285 aus (Fig. 39). Nach der Befruchtung bildet sich das Endosperm als eine peripherische Lage, von der einige Kerne mit Protoplasma in das Haustorium vordringen;; sie ist in den verschiedenen Fällen verschieden, aber immer tritt an dieser Stelle eine Zellwand auf, welche wahr- scheinlich vom Endosperm selbst gebildet wird (Fig. 40). Die das Haustorium umgebenden Integumentzellen verlängern sich in senk- rechter Richtung zur Längsachse des Haustoriums, wodurch eine Ver- engung des Haustoriumkanals herbeigeführt werden kann. Die Wände dieser Zellen, sowie derjenigen, in welche die Basis des Haustoriums vordringt, werden schleimig und die Endospermmasse, die in den oberen Theil des Haustoriums vorragt, zeigt, dass dort eine über- mässig grosse Menge von Nahrungsmaterial vorhanden ist. Der Fort- satz des Endosperms, der in den oberen Theil des Haustoriums ein- getreten ist, erstreckt sich nicht mehr weiter in dasselbe hinein, das über ihm ausgebildete Endosperm aber dehnt sich nach allen Seiten aus, indem es das Integument und die schon schleimig ge- wordenen Zellwände in der Gegend des Haustoriums auflöst (Fig. 42). Fig. 42. Leptosiphon androsace. Endospermentwickelung eines Fig. 41. Samenanlage zu Fig. 40. aentleerteZellen späteren Entwickelungsstadiums, mit verschleimten Wänden, b protoplasmaarme a Haustoriumtheil, um welchen Zellen mit noch nicht verschleimten Wänden. mehr Endosperm von oben nach Die schattirten Theile enthalten Stärke, unten herum wächst. Spätere Stadien zeigen eine nahezu abgerundete Masse von Endo- sperm im unteren Theile. Die ganze übrige Samenentwickelung ist normal. Eine Eigenthümlichkeit muss noch angeführt werden. Zu einer Zeit, in der das Wachsthum des Endosperms vor sich geht, ist der Umriss des Embryosacks oft äusserst unregelmässig und da kein Tapetum vorhanden ist, so kommt es häufig vor, dass das Integument an den verschiedenen Theilen verschieden schnell aufgelöst wird, wo- Flora 1901. 20 286 durch Vorsprünge des Endosperms entstehen, die sich von denen des Haustoriums nicht wesentlich unterscheiden. Wie bei Phlox und Polemonium, ist auch hier Stärke in den äusseren Integumentzellen vorhanden, die ebenfalls später aufgebraucht wird (Fig. 41). Hydrophyllaceae. Die folgenden Untersuchungen wurden an Phacelia congesta, Phacelia tanacetifolia und Phacelia Whitlavia angestellt und die Resul- tate derselben stimmen mit denen, welche Hofmeister (10) bei Nemophila insignis fand, vollständig überein. Phacelia congesta und Phacelia tanacetifolia haben eine langgestreckte Samenanlage, während sie bei Phacelia Whitlavia kurz ist. Alle haben ein Integument. In- folge ihrer Uebereinstimmung genügt es, eine Phacelia congesta als Typus zu nehmen. Der etwas in die Länge gezogene, ausgebildete Embryosack zeigt ein gut entwickeltes Tapetum, zwischen dessen unterem Ende noch etwas Nucellus erhalten ist. Auf diesem liegen gewöhnlich die Anti- peden. In den Funiculus tritt ein Gefässbündel ein, das sich bis zur Chalaza erstreckt. Zwischen dem Ende desselben und der Basis des Embryosacks liegt ein Strang von verlängerten Zellen, welche bei dem ausgebildeten Embryosack ziemlich stark auffallen. Gleich nach der Befruchtung entwickelt sich das Endosperm und füllt den Embryo- sack genz mit Gewebe, wobei sich zugleich die ganze Samenanlage stark verlängert und mit ihr die Zellen an der Basis des Embryo- sacks. Obgleich kein eigentliches Haustorium vorhanden ist, so kann doch nicht zweifelhaft sein, dass der Embryosack durch sein äusserstes basales Ende mit Hilfe der langgestreckten Leitungszellen eine grössere Menge von Nahrung beziehen kann, als durch die übrigen Theile seiner Oberfläche (Fig. 43). Die Zellen in dem Winkel zwischen Tapetum und Chalazaende am oberen Abschnitt des Leitungsgewebes sind sehr protoplasmareich. Das Tapetum ist in seiner ganzen Aus- dehnung thätig, Nahrungsmaterial aus dem umgebenden Integument aufzunehmen und den äusseren Endospermzellen zuzuführen. Die Entwickelung des Embryos erfolgt jedoch erst verhältnissmässig spät, oder erst nachdem der Embryosack sehr gross geworden ist und sich viel Endosperm gebildet hat. Ebenso bleibt das Tapetum so lange erhalten, bis das Integument nahezu vollständig aufgebraucht ist. Phacelia tanacetifolia unterscheidet sich nur durch eine seitliche Ausbildung des Endosperms, auch ist die äusserste Lage des Inte- guments bei dieser Art durch die Grösse ihrer Zellen ausgezeichnet. 287 ‚Myoporaceae.') Diese Familie, welche fast nur in Australien und den umliegen- den Inseln verbreitet ist, wurde nach ihrer systematischen Verwandt- schaft in die Nähe der Serophulariaceae und Verbenaceae gestellt. Der dreifächerige Fruchtknoten enthält gewöhnlich in jedem Fach eine Samenanlage. Fig. 48, Phacelia congesta. Samenanlage. e Endo- Fig. 44. Myoporum serratum sperm, t Tapetum, n Nucellus, s Leitungsgewebe Ausgebildeter Embryosack. an der Chalaza, » Gefässbündel, em Embryo. Der reife Embryosack ist stark verlängert und fast in seiner ganzen Länge von einem breiten Tapetum umzogen (Fig. 44). In der Mykropylenregion erstreckt er sich über das Tapetum in das Integu- ment hinaus und bildet in letzterem eine umfangreiche Höhlung, in welcher der Eiapparat liegt. Der Endospermkern liegt nahe unter- halb der Mitte des Embryosacks. Das zwischenliegende Protoplasma ist gewöhnlich sehr dicht und enthält mehr oder weniger Stärke. Antipoden sind vorhanden, gewöhnlich aber schon sehr in Auflösung begriffen ; auch der Nucellus in der Chalazaregion des Samens ist zur Zeit der Befruchtung nahezu oder vollständig aufgelöst und dadurch 1) Untersucht wurde von Prof. Goebel in Westaustralien gesammeltes Alkoholmaterial, 20* 288 der erste Anlass zu einem Auswuchs in das Integument gegeben. Das aus der Placenta eintretende Gefässbündel erstreckt sich bis nahe an die Basis des Embryosacks (Fig. 45). Zu gleicher Zeit ist die be- fruchtete Eizelle durch eine Verlängerung der Suspensorzelle nach abwärts gerückt worden und von zahlreichem Endosperm umgeben (Fig. 46, 47). Bei der Untersuchung nach Quellen der Nahrungsauf- nahme konnten zwei bestimmte Regionen wahrgenommen werden. Die eine wird gebildet von dem Nährgewebe am Ende des Gefässbündels, wo sich besonders proto- plasmareiche Zellmassen vorfinden, in welche das Haustorium eindringt (Fig. 45). Die andere Region ist eine protoplasmareiche Region von Zellgeweben, welche sich von dem Auswuchs der Mikropyle durch die Placente in die Fruchtknotenwand aus- dehnt (Fig. 48). Die Zellen um den Aus- wuchs haben schleimige Wände, ebenso diejenigen an der Chalaza, bei welchen BABEETERRTERANLURINNNE aut Fig. 45. Myoporum serratum. Samen- Fig.46. Myoporum serratum. Verlängerter anlage kurz nach der Befruchtung. Zustand des Embryosacks mit jungem Endo- Schattirte Theile stellen protoplasma- sperm. Die Basis des Embryosacks biegt reiche Zellen dar. sich gegen das Ende des Gefässbündels. jedoch die Verschleimung erst später eintritt. Das Integument ist ausnahmslos arm an Inhaltsstoffen. Die Endospermentwickelung ist ungleichmässig, da sie in der Mitte des Embryosacks in ausgedehn- terem Masse eintritt wie in den übrigen Theilen, wodurch eine Ver- breiterung desselben in seinem mittleren Theile hervorgerufen wird (Fig. 49, 50, 51). Das Tapetum, das sich über den ganzen Embryo- sack erstreckt, mit Ausnahme der oben erwähnten Ausbuchtungen 289 oder Haustorien, erfährt an dem verbreiterten Theile eine ziemlich starke Auflösung. Die in dem oberen Theil des verlängerten Ab- schnittes eingebettete Eizelle ist in diesem Stadium von dem sie um- gebenden Endosperm noch schwer zu unterscheiden. Dieses ist seiner- seits je nach seiner Lage wieder verschieden geartet, indem es sich nun auch in den beiden engeren Theilen an der Chalaza und Mikro- pyle allmählich erweitert und ausserdem reich an Inhaltsstoffen wird, wodurch es sich ebenfalls von dem mittleren Theile wesentlich unter- scheidet. Dieser Reichthum an Material erklärt sich aus der innigen Berührung mit dem Nährgewebe dieser beiden Regionen, die die An- häufung im Endosperm bedingen. Jetzt ist auch der Embryo, obwohl er zu dieser Zeit noch sehr klein ist, leicht wahrnehmbar (Fig. 51). Fig. 49 zeigt den Unterschied in Fig. 47. Myoporrum Fig. 48. Myoporum \ den verschiedenen Theilen des serratum. Micro- serratum. Embryo- pylenende des Em- sack kurz nach der Embryosacks bei Myoporum ser- bryosacks mit ver- Befruchtung. Die ratum, Die Endospermzellen des längertem Suspen- schattirtenTheile stel- oberen Theils sowie Suspensor und sor. len Nährgewebe dar. Vorembryo sind nicht gezeichnet. Die weitere Entwickelung besteht wahrscheinlich nur in dem weiteren Wachsthum des Endosperms und des Embryos bis zum völligen Auf- brauch des Integuments, was aber wegen mangelhaften Materials nicht weiter verfolgt werden konnte. Globulariaceae. Aus dieser kleinen, aber sehr interessanten laria cordifolia zur Untersuchung. Die hängende anatrope Samenanlage Familie gelangte Globu- 290 enthält einen eylindrischen Embryosack , dessen Basis in das einzige Integument hinabgewachsen ist und dabei eine Form darstellt, wie sie Fig. 52 zeigt. Der Nucellus ist zu dieser Zeit vollständig absorbirt. Das Tapetum ist niemals sehr gross und in diesem Stadium sehr kurz, Ir (] [7 i IN SEN S © == 2 Fig. 50 u. 51. Myoporum serraium. Successive Sta- Fig.52. Globularia cordifolia dien in der Entwickelung der oberen Theile des Ausgebildeter Embryosack. Embryosacks. In Fig. 50 ist der Suspensor und g Nährgewebe, an Antipoden. Vorembryo nicht von dem umliegenden Endo- sperm zu unterscheiden. so das der Eiapparat in dem oberen Theil wie in einem kleinen, ver- längerten Auswuchs des Embryosacks liegt. Die Synergiden sind klein und liegen oberhalb der Eizelle. Der Endospermkern befindet sich in einiger Entfernung weiter unten und innerhalb der Begrenzung des Tapetums. Die Antipoden im äussersten Ende des Embryosacks 291 sind oft in einem Längsschnitt nicht zu sehen, da sie in seitlichen Ausbuchtungen liegen, in welchen sie sich durch Zellwände als grosse blasenförmige Zellen abgrenzen (Fig. 52ar). Dies ist charakteristisch und findet in keiner der untersuchten Familien eine Parallele. Die in die peripherische Lage von Protoplasma eingebetteten Kerne bleiben bis in ganz späten Stadien der Endospermentwickelung sichtbar, gehen aber dann zu Grunde. Die centrale Region des Integuments zeigt eine cambiumartige Anordnung ihrer Zellen, deren rasche Vermehrung in longitutinaler Richtung eine Verlängerung der Samenanlage und dadurch eine Verlängerung des Embryosacks herbeigeführt hat. In der Nähe der Mikropyle zeigt sich ein gut ausgebildetes Nährgewebe, das später bei der Bildung des Endosperms betheiligt ist (Fig. 529). Nach der Befruchtung theilt sich der Endospermkern so, dass ein Kern in der oberen Region des Embryosacks zurückbleibt, der andere gegen die Antipodenregion hinab- Fig. 55. Embryosack, in Fig. 53. Erste Thei- Fig. 54. Weitere Entwickelung welchem vier Kerne um lung desEndosperm- des Endospermkerns und Bil- r kerns. dung der Scheidewand. die Eizelle herum liegen. wandert (Fig. 53). Sobald dieser das untere Ende des Tapetums er- reicht hat, bildet sich eine Querwand in der Mitte des Embryosacks, während die Kerne nochmals eine Theilung erfahren (Fig. 54). Der obere Theil ist dazu bestimmt, den Embryo und das Endosperm zu tragen, während der untere als Haustorium dient. Das Endosperm entwickelt sich ziemlich rasch und es finden sich bald Kerne nahe der Querwand, während andere, vier an der Zahl, auf den vier Seen der Eizelle zu liegen kommen (Fig. 55). Diese bewegen sich nac 292 aufwärts gegen den Mikropylenkanal, die Eizelle verlängert sich nach abwärts und zugleich verschwinden die Synergiden und der untere Theil des Mikropylenkanals erweitert sich ein wenig. Das obere Ende des Embryosacks wächst in den Mikropylenkanal hinaus als eine weite Röhre, in welche die vier unterdessen etwas vergrösserten Kerne zu liegen kommen (Fig. 56). Der übrige Theil des Endosperms ist ebenfalls nach aufwärts gewandert, aber in der Nähe des Tapetum- endes plötzlich abgebrochen und bildet dort Gewebe (Fig. 56 und 57), in welches der zu dieser Zeit schon vor- handene Embryo eingebettet liegt. Ueber ihm wächst die Aussackung oder das Haustorium immer mehr in die Länge, bis dadurch die Oefinung des Mikropylenkanals erreicht und schliess- lich sein oberstes Ende mit dem über dem Mikropylenkanal befindlichen Ge- Fig. 58. Globularis cordifolia. Das Mikropylenhaustorium und der obere Theil des Embryo- sacks. f Funiculus, p Palis- sadenzellen des Fruchtknotens. . \ Dieser Längsschnitt ist recht- Fig. 56, 57. Globularia cordifolia, Stadien in winkelig zu dem der Fig. 56 der Entwickelung des Mikropylenhaustoriums. und 57 gerichtet. webe in Berührung kommt (Fig. 57). Die weitere Ausdehnung des- selben erstreckt sich nicht nur in die Dicke, sondern auch in die Länge, indem es nach oben, unten und nach den Seiten sich zwischen das Gewebe einschiebt und sich schliesslich über das ganze obere Ende der Samenanlage ausbreitet. Während dieser ganzen Zeit bleibt das Haustorium in unmittelbarer Verbindung mit den darunterliegen- den Endospermzellen, deren immer reicher werdender Inhalt von 293 seiner wirksamen Thätigkeit Zeugniss gibt. In welch ausgiebiger Weise die Weiterentwickelung des Haustoriums vor sich geht, zeigt Fig. 58, welche einen Längsschnitt senkrecht zu der Raphe und Mikropyle einschliessenden Ebene darstellt. Sobald nämlich die Be- rührung der Fruchtknotenwand erfolgt ist, treibt das Haustorium fadenförmige Auswüchse, welche theils zwischen den jungen Samen und “ Fig.59. Netzförmige Ver- diekungen auf den Zeil- wänden der Palissadenzel- len des Fruchtknotens. Fig. 61. Globularia cordifolia. Verlängerte basale Endospermzellen zur Bildung eines Haustoriums. Fig, 60. Globularia cordi- folia. Chalazahaustorium mit dem Seitenauswuchs, an Antipoden. die Fruchtknotenwand hinabwachsen, theils aufwärts längs des Funiculus gegen die Placenta sich erstrecken. Die Kerne jedoch bleiben stets in der Centralmasse des Protoplasmas und sind durch eine äusserst unregel- Mässige Gestalt ausgezeichnet. Ihre Zehl,; ursprünglich vier, kann zu- letzt auf sieben oder vielleicht mehranwachsen. Diese Veränderungen am Fig. 62. Globularia cordifolie. Chalazaende der Samenanlage, in dem viele Haustorien sich ge- bildet haben. ar Antipoden. 294 Faustorium stehen im Zusammenhang mit denen am Suspensor, indem durch Verlängerung seiner Zellen der Embryo bis nahe in das Centrum der Endospermmasse vorgeschoben wurde. Auch die begrenzende Fruchtknotenwand zeigt Veränderungen, die namentlich in einer be- deutenden Verlängerung der obersten Zellen bestehen, wodurch eine palissadenförmige Zelllage entsteht, die von dem Funiculus weg an Breite abnimmt. Sie sind arm an Inhalt und besitzen schleimige Wände (Fig. 58»). Da diese Erscheinung nur in der Gegend des Fig. 63. Schematischer Fig. 64. Fast reifer Samen, Fig. 65. Gentiana pneumo- Längsschnitt durch die in welchem noch ein Theil nanthe. Ausgebildeter Em- Samenanlage inden Sta- des Mikropylenhaustoriums bryosack. dien der Fig. 58 und 62. erhalten ist, Mikropylenhaustoriums eintritt, so liegt die Vermuthung nahe, dass diese Veränderung in Gestalt und Inhalt der Zellen zum Zwecke der Leitung der Nährstoffe aus der Fruchtknotenwand eingetreten ist. In älteren Stadien zeigen diese Zellen eine netzförmige Verdickung ihrer Wände, wie sie oft bei Tracheiden beobachtet wird und die mit Jodfuchsin eine tiefrothe Färbung annehmen (Fig. 59). Weitere Veränderungen in der Mikropylenregion bestehen ausschliesslich in einer Zunahme des Haustoriums an Grösse in seinen Ausläufern, wie in seiner Centralmasse und das Endresultat ist eine allmähliche Auf- lösung des Funiculus, bis schliesslich auch die Thätigkeit des Hau- storinms beendigt und dieses von dem nach oben nachrückenden Endosperm mit dem Integument aufgebraucht wird (Fig. 64). 295 Während sich an der Mikropyle die im Vorstehenden geschilderten Vorgänge abspielten, hat auch das Haustorium an der Chalaza sich in dem umgebenden Integument stark ausgebreitet. In früheren Stadien finden wir auch hier nur eine röhrenförmige Verlängerung des Embryosacks, die gerade nach abwärts bis nahe an das Ende der Samenanlage vordringt, aber schon frühzeitig durch eine Wand abge- trennt wird (Fig. 55). Dieselbe enthält dann die drei Antipoden in dem äussersten unteren Ende. Da sie jedoch keine besondere Be- deutung erlangen, gehen sie allmählich zu Grunde. Ausserdem sind in dem Haustorium noch zwei oder mehr Endospermkerne vorhanden, welche vor der Bildung der Scheidewand in dasselbe eingewandert sind. Diese Kerne bewegen sich nach abwärts gegen das untere Ende des Haustoriums, wo wahrscheinlich durch ihre Anwesenheit eine starke Auflösung der seitlich gelegenen Integumentzellen eingeleitet wird. Das Resultat ist bald eine beträchtliche Aussackung des Hau- storiums, welches durch das Integument hindurch in kurzer Zeit gegen die äussere Fruchtknotenwand stossen kann. Dieser Process setzt sich so lange fort, bis eine sehr grosse Höhlung, wie in Fig. 60, ge- schaffen ist. Eine Vermehrung der Kerne scheint jedoch nicht ein- zutreten, doch ähnlich wie in der Mikropylenregion eine starke Ver- grösserung derselben. Unterdessen ist die junge Masse des oberen Endosperms nach abwärts gegen die Scheidewand gewachsen und hat Zellen zuerst in zwei Verticalreihen gebildet, die aber später in vielen Reihen angeordnet liegen. Bald beginnen auch die unteren Zellen dieser Endospermmasse sich zu verlängern und nach abwärts in das umliegende Integument zu wachsen, wobei zugleich die Kerne an Grösse zunehmen und in die Enden der Zellen wandern, welche später lange gebogene Schläuche darstellen. Die oberhalb liegenden Endo- spermzellen verlängern sich ebenfalls und erfahren eine ähnliche Um- wandlung zur Röhrenform, bis schliesslich das ganze benachbarte Integument durch ein gut entwickeltes System von Endosperm- schläuchen durchbohrt und eine rasche Auflösung ihrer Zellen ein- geleitet ist (Fig. 61 und 62). Die weiteren Stadien zeigen nur die abwärts wachsende Hauptmasse des Endosperms und schliesslich die Absorption alles herumliegenden Gewebes. . Wie aus der Arbeit von Hofmeister (9) zu ersehen ist, scheint eine ähnliche Trennung des Embryosacks in einen oberen und unteren Theil bei Globularia vulgaris vor sich zu gehen. Er sagt yon dieser Art, „das unterste Zellenpaar desselben (Endosperm) streckt sich sehr be- trächtlich in die Länge“ (10), was auf ein Haustorium in der Chalaza- 296 region hinweist. Seine Abbildung eines jungen Stadiums dieser Art zeigt die langen fraglichen Zellen und auch den Beginn des Haustoriums an der Mikropyle, unter welchem das schon gebildete Endosperm- gewebe liegt. . Eine von Wettstein ausgesprochene Verwandtschaft der Globu- lariaceae mit den Scrophulariaceae, die von Dr. Balicka-Iwa- nowska bearbeitet wurden, scheint sich, wenn wir ihre Abbildungen mit den von mir gefundenen Resultaten vergleichen, zu bestätigen, namentlich mit Bezug auf das gut ausgebildete Haustorium in der Mikropylenregion, das sich durch Ausdehnung und Gestalt von dem bei Globularia wenig unterscheidet. Die Chalazaregion zeigt einen Auswuchs des Endosperms, aber von geringer Ausdehnung. Gentianaceae. Hofmeister (10), der über einen Vertreter dieser Familie, Gentiana ciliata, arbeitete, gab seiner Arbeit zwar keine Abbildungen bei, es unterliegt jedoch keinem Zweifel, dass es sich bei der unter- suchten Art um eine normale Samenentwickelung handelt. Auch bei den von mir untersuchten Arten, Gentiana cruciata, G. asclepiadea, . . - Fig. 67. Vincetoxioum officinale Fig. 66. Menianthes trifoliata. Samenanlage. Ausgebildeter Embryosack. 6. pneumonanthe, G. Germanica, Erythraea elodes, E. Centaurium und Menyanthes trifoliata, konnte ich mit Ausnahme der letzten fast vollständige Uebereinstimmung finden. Als Typus für die eingehen- dere Beschreibung soll Gentiana pneumonanthe genömmen werden. Es ist kein Tapetum und nur ein einziges Integument vorhanden, 297 welches nach der Befruchtung nicht wesentlich durch die Vermehrung seiner Zellen anwächst (Fig. 65). Die Antipoden bleiben nur kurze Zeit nach dem Beginn der Endospermentwickelung erhalten. Dieses ordnet sich zuerst peripherisch an, und zwar in der Gegend des Em- bryos etwas dichter, bald aber füllt es den Embryosack vollständig aus. Dabei wird das Integument allmählich aufgebraucht, bis die grosszel- lige Epithellage, welche zur Bildung der Testa Verwendung findet, erreicht ist. Ein Gefässbündel ist nicht vorhanden. Bei Menyanthes unterscheidet sich die Samenanlage von der des Typus der Gentianaceae. Ein gut ausgebildetes Tapetum kleidet den Embryosack aus, erstreckt sich jedoch nicht bis zum Eiapparat, der in einem Auswuchs des Embryosacks liegt (Fig. 66). Die Samenanlage ist scheibenförmig und wird in ihrer ganzen Länge von einem gut aus- gebildeten Gefässbündel durchzogen. Die Zellen an der Basis des Embryosacks haben eine auffallend radiale Anordnung. Das Endo- sperm ist von vornherein solid und auch die weitere Entwickelung des Samens ist normal. Die Gattung Menyanthes ist deshalb auch schon von Warming (15) als Typus einer Unterabtheilung — die Menyantheae — ange- sehen worden. Ebenso theilt Gilg (8) die Familie in zwei Gruppen, von denen eine von den Menyantheae gebildet wird. Auch durch die meinerseits gefundenen Differenzen wird es wahrscheinlich, dass man aus den Untergruppen der einen Familie vielleicht nicht ohne Grund zwei eigene Familien aufzustellen berechtigt ist. Asclepiadaceae. Aus dieser Familie war mir Material von Vincetoxieum offieinale, Asclepias Oornuti und A. incarnata zugänglich und zwar zeigten die- selben in dem Haupttheil der Entwickelung vollständige Ueberein- stimmung, weshalb Vincetoxicum als Typus durchgeführt werden soll. Die Samenanlage ist verhältnissmässig klein und enthält ausser- dem Stärke, während seine übrigen Elemente, wie Eiapparat, Endo- spermkern und Antipoden, vorhanden sind (Fig. 67). Im Gefolg der Befruchtung beginnt ein rasches Wachsthum des Integuments in die Dicke, die hauptsächlich durch die Vermehrung der Zellen, aber auch durch ihre Vergrösserung zu stande kommt und zwar erfolgt dieses Wachsthum so rasch, dass ein Wachsthum des Embryosacks anfangs im Vergleich dazu kaum bemerkbar ist (Fig. 68). Die namentlich durch das Wachsthum des Integuments in einer Ebene entstandenen 298 abgeplatteten Samenanlagen liegen in dem Ovar dachziegelartig über- einander. Das Endosperm füllt nach seiner Entwickelung den Embryosack ganz mit festem Gewebe aus. Seine Zunahme geschieht auf Kosten des umliegenden Integuments, wobei dasselbe jedoch seinen regel- mässigen Umriss beibehält. Die befruchtete Eizelle beginnt sich schon zu theilen, bevor noch viel Endosperm sich angehäuft hat, auch bildet sie nicht zuerst die gewöhnlich auftretende Zellreihe. Die ersten Theilungen des Suspensors erzeugen dagegen ein kegelförmiges Ge- webe, welches sich in den Winkel zwischen Embryosack und Mikro- pyle einschiebt (Fig. 69). Sobald diese Papille ein wenig grösser Fig. 69. Vincetoxicum ofhi- einale. Beginn der Ent- wickelung des basalen Suspensorgewebes. e En- dosperm. Fig. 68. Vincetoxicum officinale. Zwei schematisch Fig. 70. Ausgebildeter dargestellte Stadien in der Entwickelung des Integu- Zustand des Suspensor- ments und des Embryosacks. Die kleine Figur ist im gewebes. gleichen Verhältniss gezeichnet wie die grosse, wird, entwickelt sich an ihrem Ende der fadenförmige untere Theil des Suspensors des jungen Embryos, der dadurch nach abwärts in das Endosperm hineingeschoben wird (Fig. 70). Seine verbreitete Basis, welche gegen das Integument und das zunächstliegende Endo- sperm nach oben stösst, hat unzweifelhaft einen physiologischen Zweck, indem durch dieselbe die absorbirende Oberfläche des Suspensors Yel- grössert wird. Eine ähnliche Ausbildung des Suspensors wurde auch von Hofmeister bei Cynanchum nigrum beobachtet, aber nach | 299 seiner Beschreibung scheint er ausgedehnter zu sein, da er sagt: „Oft noch ehe die um die ersten freien Kerne desselben (Endosperm) ent- standenen Zellen zu Parenchym sich vereinigen, formt sich das be- fruchtete Keimbläschen durch eine Reihe von Längs- und Quer- theilungen zu einer Zellgewebemasse um, welche das obere Drittheil des Embryosacks vollständig einnimmt.“ Die weitere Entwiekelung von Vincetoxieum besteht in der Ab- sorption des Integuments bis auf die äussersten Zellen, aus welchen die Samenschale gebildet wird. Während dieser Vorgänge kommt die verbreitete Basis des Suspensors, welche jedoch nicht mehr grösser wird als dies in Fig. 70 gezeigt ist, mehr und mehr in das Endo- sperm hinein zu liegen, bis sie schliesslich von demselben umgeben ist, um zuletzt auch absorbirt zu werden. Der reife Same zeigt einen in Endosperm eingebetteten Embryo und ist von einer aus der äussersten Lage des Integuments und wenigen darunterliegenden und zusammengedrückten Zellen bestehenden Samenschale umgeben. Asclepias incarnata und A. Cornuti folgen diesem Entwickelungs- gange fast vollständig, nur verbreitet sich bei ihnen das basale Ende des Suspensors nicht zu einer breiten Zellmasse. Apocynacsae. In einer Arbeit Hofmeister’s (10) über eine Art dieser Familie gibt er an, dass sich dieselbe von Asclepias nicht wesentlich unterscheidet und in der That konnte das bezüglich der normalen Entwickelung der beiden von mir untersuchten Arten Amsonia sali- eifolia und Apocynum androsaefolium festgestellt werden; das Weiter- wachsen des Integuments nach der Befruchtung wie bei Asclepias und Vincetoxicum konnte jedoch nicht beobachtet werden. Amsonia zeigt ein gut ausgebildetes Tapetum, der Embryosack ausser den in besonderer Weise ausgebildeten Integumentzellen an der Mikropylen- und Chalazaregion nichts Bemerkenswerthes (Fig. m). In der Chalazaregion beginnt schon bald, nachdem die peripherische Lage des Endosperms sich etwas vergrössert hat, eine rundliche Masse von Zellen sich auszubilden, welche gerade neben dem basalen Theil des Tapetums liegt (Fig. 72i). Ein kurzes Leitungsgewebe , damen Zellen schon frühzeitig verschleimen, liegt darunter, während duril er das Endosperm gelagert ist. Dadurch werden die zunächstliegen w Integumentzellen zusammengedrückt und diese Zeilmasse, die en längere Zeit unversehrt bleibt, theilweise von verschleimtem Gewe e umgeben (Fig. 729). Das Endosperm wächst nun nach abwärts 300 und absorbirt sie langsam, indem es schliesslich seitlich um die oben genannte Zellmasse herumwächst. Die lange Erhaltung dieser Zell- masse übt jedenfalls eine Art auflösender und absorbirender Thätig- keit aus, ähnlich wie ein Tapetum. Sie bleibt jedoch nicht so lange erhalten, als das Tapetum selbst und wird schon in einem verhält- nissmässig jungen Entwiekelungsstadium vollständig aufgelöst. Fig. 71. Amsonia salieifolie. Fig. 72. Amsonia salieifolia, Chalazaregion. i die Embryosack mit jungem Endo- längere Zeit erhalten bleibenden Integument- sperm. i protoplasmareiches zellen, g Integumentzellen mit verschleimten Integument, Wänden, £ Tapetum, e Endosperm. Eine ähnliche Zellmasse, die sich aber durch bedeutend dichteren Protoplasmainhalt ausgezeichnet, tritt auch in der Mikropylenregion auf (Fig. Ti1:). Auch diese ist mehr oder weniger von schleimigen und zusammengedrückten Zellen umgeben und bleibt gleichfalls längere Zeit erhalten, was auf eine zweifellos gleiche Bedeutung schliessen lässt. Die Auflösung des Integuments durch die Thätigkeit des Tapetums dauert bis zur Bildung der aus einigen Lagen des Inte- guments bestehenden Samenschaale, die einen in viel Endosperm ein- gebetteten schmalen Embryo einschliesst. ÄApocynum androsaefolium unterscheidet sich von Amsonia wesent- lich nur durch das Fehlen des Tapetums oder besonderer Digestions- zellen sowie die frühere Entwickelung des Embryos. Oleaceae. Das zur Verwendung gelangte Material erstreckte sich auf fünf Gattungen mit acht Arten: Fraxinus excelsior, Forsythia suspensa, 301 Syringa vulgaris, $. dubia, 8. Josikaea, Ligustrum vulgare, L. Ibota und Fontanesia Fortunei. Von diesen konnte jedoch nur bei Fraxi- nus excelsior und Syringa vulgaris die ganze Samenentwickelung er- halten werden. Ligustrum lieferte junge Samen, in welchen beträcht- liche Mengen von Endosperm vorhanden waren, aber sie fielen noch vor der Samenreife ab, und es soll daher Fraxinus excelsior als Grund- lage für die Darstellung genommen werden. Die Blüthen dieser Art erscheinen sehr frühzeitig im Frühling, schon vor den Blättern, und wurden zuerst kurz nach der Reifezeit der Antheren gesammelt. Die Untersuchung der Samenanlage zeigte zu dieser Zeit, dass der Arche- sporzellkern bisher nur eine Theilung erfahren hatte, weshalb zwei Kerne vorhanden waren, die in dem Nucellus nicht besonders tief eingebettet lagen (Fig. 73). Die weitere Entwickelung bis zur Reife verlief in normaler Weise und dauerte ungefähr 10—12 Tage. Der ausgebildete Embryosack zeigt eine dicke Lage von Tapeten- zellen, von denen die obersten zwei Theilungen in ihrer Querrichtung erfahren haben. Die zwei Kerne, welche den Endospermkern bilden sollen, liegen etwas unterhalb der Eizelle, während am Grunde des Embryosacks der noch übrig bleibende Nucellus und die Anti- poden gelagert sind. Ein Gefässbündel dringt durch den Funiculus ein und erstreckt sich später fast um die ganze Samenanlage herum (Fig. 14). Nach der Befruchtung geht die Endospermentwickelung rasch vor sieh und bildet frühzeitig festes Gewebe. Im Verlauf der Entwickelung der Eizelle bildet sich ein Vorembryo mit einem Suspensor, um den sich bald reichliches Endosperm ansammelt, welches seinen Weg in den unteren Theil des Mikrepylenkanals genommen hat, dessen zwei Seiten sich deshalb ein wenig erweitern. Dieses Endosperm ist bei weitem am protoplasmareichsten im ganzen Embryosack. Unterdessen hat sich die Samenanlage stark verlängert, und mit ihr der Embryo- sack, dessen Hohlraum in diesem Stadium eine bedeutende Menge von Endospermgewebe enthält. Das Integument wächst nur. ein wenig in die Dicke und zeigt im Längsschnitt lange in der Längsrichtung angeordnete Zellreihen. Die Basis des Embryosacks ist ausgezeichnet durch eine Masse von dunkel gefärbten Zellen mit verschleimten Wänden, um welche sich radiale Zellreihen anschliessen, die gegen das Gefässbündel verlaufen. Nur in jungen Stadien ist das Tapetum von dem umgebenden Integument viel verschieden, auch übt es auf dasselbe keine besonders auflösende Thätigkeit aus, obgleich es mit den zunächst liegenden Integumentzellen protoplasmareicher ist als Flora 1901. 21 302 alle übrigen, welche weiter vom Embryosack abliegen. In den älteren Stadien tritt eine Vergrösserung des Integuments ein, jedoch nicht mehr wie früher durch Zelltheilung, sondern durch Ausdehnung der Zellen, wodurch die Anordnung der Zellen in Reihen aufgehoben wird. Die weitere Entwickelung verläuft normal, und schliesslich ist alles Integument bis auf die äussersten Lagen, welche zur Bildung der Samenschale verwendet werden, aufgebraucht. Im reifen Samen findet sich ein Embryo, der nur ungefähr die Hälfte desselben einnimmt. aa UN af il Fig.73. Fraxi- nus excelsior. Fig. 74. Fraxinus Der Nucellus excelsior. Samen- Fig.75. Forsythiasuspensa. Fig. 76. Forsythia mit sehr anlage zur Zeit DerNucellusunddieArche- suspensa. Samenan- jungem Em- desausgebildeten sporzelle zur Zeit, in der lage zur Zeit, in der bryosack. Embryosacks. sich die Blüthe öffnet. sich die Blüthe öffnet. Die Samenanlage bei Forsythia suspensa ist viel kleiner und wie bei Fraxinus ist auch hier zur Zeit, in der sich die Blüthe öffnet, ein unentwiekelter Embryosack vorhanden (Fig. 75). Zwischen den breiten, säulenförmigen Zellen der Tapetenschicht liegt der eylindrische Nucellus, dessen oberer Theil die grosse Archesporzelle enthält. Westermaier (16) hielt früher fälschlicherweise dieses Nucellusgewebe für Endosperm bildendes Gewebe, „primordiales Endosperm“, hervor- gegangen aus Antipodenzellen, veröffentlichte aber später eine Be- richtigung dieser Ansicht (17). Später theilt sich der Kern der Archesporzelle in zwei, noch später in vier und acht Tochterkerne in normaler Weise. Der ausgebildete Embryosack ist sehr lang und eng und seine zwei Polkerne besitzen einen grossen Abstand vom Eiapparat. Die ganze Entwiekelung bis hierher vollzieht sich bevor die Blumenblätter abfallen, aber da bei der Gartenform keine Befruchtung eintritt, fallen die Blüthen nach 303 dem Verstäuben des Pollens ab. Eine Befruchtung tritt auch bei Syringa dubia nicht ein, ausserdem besitzt sie einen unvollständig entwickelten Embryosack, wenn sich die Blüthe öffnet, dessen Ent- wickelung aber schon etwas weiter fortgeschritten ist, wie bei For- sythia suspensa. Bei Fontanesia Fortunei, Syringa vulgaris, 8. Josi- kaea, Ligustrum Ibota und Ligustrum vulgare ist der Embryosack in entsprechenden Stadien der Blüthenentwickelung stets ganz reif. Wie schon erwähnt, kam Syringa vulgaris zur Samenreife. Schon sehr bald nach dem Abfallen der Blüthenhülle tritt im Fruchtknoten ein sehr rasches Wachsthum ein und in der kurzen Zeit von zwei Wochen erreichen dieselben eine beträchtliche Grösse. Die Frucht- knotenwand ist fleischig und die abgeplatteten jungen Samen sind sehr zart. Der Embryosack ist gross und von festem, obgleich zartem Endospermgewebe erfüllt, in welehem zu dieser Zeit ein sehr kleiner Embryo liegt, welcher von tiefgefärbten Endospermzellen umgeben ist. Das Integument ist bedeutend gewachsen und zeichnet sich durch eine auffallend schwammige Beschaffenheit aus, welche wahrscheinlich die Ursache des raschen Grössenwachsthums ist. Hier dagegen ist im Gegensatz zu Fraxinus das Tapetum von den umliegenden Inte- gumentzellen leicht zu unterscheiden und durch Protoplasmareichthum ausgezeichnet, Die Entwickelung ist normal und endigt mit der Ab- sorption des Integuments bis auf die Testa, welche aus mehreren zu- sammengedrückten Lagen von Integumentzellen besteht. Caprifoliaceae. Ohne Beigabe von Abbildungen beschreibt Hofmeister (10) in Kürze Viburnum und Lonicera. Auch Guignard bildet nur eine Art von Lonicera ab und auch davon nur den Embryosack. Als Ergän- zung beobachtete ich noch Sambucus racemosa, 9. nigra, Symphoricarpus racemosus, Viburnum tinus, V. opulus, V. lantana und Diervilla japoniea. Bei allen diesen Arten, mit Ausnahme von Symphoricarpus, wird der Fruchtknoten nicht ganz von der Samenanlage ausgefüllt. Nach der Befruchtung tritt ein rasches Wachsthum des Fruchtknotens ein, zu gleicher Zeit aber ein geringes Wachsthum der in demselben ent- haltenen Samenanlage. Die Früchte haben dadurch so ziemlich ihr Wachsthum beendigt, während die grosse Höhlung in denselben von dem wachsenden Samen langsam ausgefüllt wird, was meist nicht vor seiner Reife eintritt. Schon in frühen Stadien der Entwickelung tritt eine Verhärtung der inneren Lagen der Fruchtknotenwände ein, wo- durch im reifen Zustande Steinfrüchte gebildet werden. Ar Sym- 304 phoricarpus racemosus füllen sowohl Samenanlage wie reifer Samen die Höhlung des Fruchtknotens schon während der ganzen Ent- wiekelung aus. Die Samenentwickelung bei Sambucus racemosa soll näher betrachtet und mit den anderen untersuchten Arten verglichen werden. Im reifen Embryosack ist kein deutliches Tapetum vorhan- den, da viel Nucellus erhalten bleibt, der von dem Tapetum und Integument schwer zu unterscheiden ist, und bis gegen die Basis der Samenanlage erstreckt sich ein Gefässbündel. Nach der Befruchtung entwickelt sich das Endosperm langsam, noch langsamer aber der Embryo. Das Endosperm bildet schon frühzeitig während der Auf- lösung des Nucellus festes Gewebe und erst jetzt wird auch das Tapetum deutlich. Die Zellen des Integuments nehmen an Grösse zu, diejenigen des Tapetums dagegen nur an Zahl, so dass dasselbe sich nicht nur durch die Kleinheit seiner Zellen, sondern auch durch seinen Inhaltsreichthum deutlich abhebt. Ein Haustorium ist nicht vorhanden, doch liegt zwischen der Basis des Embryosackes und dem Gefässbündel ein Nährgewebe. Sonst ist die Samenentwickelung normal. Das Integument wird langsam absorbirt, bis die aus ver- grösserten Zellen mit dieken Wänden bestehende Samenschale er- reicht ist. Der schmale Embryo nimmt in reifen Samen ungefähr drei Viertel der Länge des Samens ein und ist von zahlreichem Endo- - sperm umgeben. Sambucus nigra bietet kaum bemerkenswerthe Verschiedenheiten, nur das Nährgewebe an der Chalaza besitzt einen Strang verlängerter Leitungszellen, welche bei Sambucus racemosus nicht vorhanden waren. Bei Symphoricarpus racemosus ist das Integument dieker und das Tapetum in der reifen Samenanlage gut abgegrenzt; ebenso bei Diervilla japonica und den Arten von Viburnum, Bei Viburnum tritt trotz des Vorhandenseins eines Gefässbündels kein Leitungs- oder Nährgewebe an der Chalaza auf. Bei Viburnum tinus ist der wach- sende Samen nach der Endospermentwickelung stark gefaltet und die Testa zeigt daher im Querschnitt des reifen Samens deutlich ein radienförmiges Eindringen von der Peripherie aus. Der Embryo ist sehr klein. Lobeliaceae. Die mit den Campanulaceae sehr nahe verwandten und nach Schönland (3) sogar vereinigten Lobeliaceae zeigen deshalb auch viele gemeinsame Punkte mit jenen, wenn auch die beiden Arten von Lobelia, welche mir zur Untersuchung vorlagen, mit den von Dr. Balicka-Iwanowska (l) gefundenen Thatsachen bei den 305 Campanulaceae genügend Verschiedenheiten aufweisen, um eine aus- führliche Beschreibung zu verdienen. Eine der Arten, Lobelia excelsa aus ÜCeylon!), lieferte das Material nur für die jüngeren Stadien der Samenentwickelung und es zeigte sich dabei ein ausgebildeter Embryo- sack, welcher in Fig. 77 zur Darstellung gelangt. Derselbe unter- scheidet sich nicht wesentlich von dem von Campanula. Ausserdem sind an der Basis noch einige ungelöste Kerne als Rest der aufge- lösten Antipoden vorhanden. Die Samenanlage zeigt ein mässig dickes Integument, zu dessen Basis ein Gefässbündel hinführt. Die Syner- giden sind im Vergleich zur Eizelle sehr lang, haben aber kleine Kerne, Die Endospermentwickelung beginnt mit der Theilung des Fig. 79. Lobelia excelsa, Weitere Entwickelung des Endosperms. Fig. 77. Lobelia excelsa. Längs- Fig. 78. Lobelia excelsa. schnitt der Samenanlage zur Zeit Erste Theilungen des des ausgebildeten Embryosacks. Endospermkerns. Mutterkernes in zwei Theile, von denen der eine gegen die Basis des Embryosacks wandert und hier, ebenso wie der obere Theil, noch- mals eine Theilung erfährt (Fig. 78). Die zwei oberen stellen sich auf jede Seite der jetzt etwas verlängerten Eizelle. In diesem Stadium ist der Nucellus verschwunden und mit ihm die Reste der Antipoden, er Basis des Tapetums schleimige während die Integumentzellen an d " n mit Wände zeigen. Die oberen zwei Endospermkerne bilden Zelle langen, einseitigen Auswüchsen, welche sich gegen die Mikropyle er- strecken. Eine weitere Theilung derselben tritt nun nicht mehr ein, jedoch wandern sie mit dem Protoplasma, das mehr und mehr an 1) Alkoholmaterial gesammelt von Herrn Prof. Goebel. 306 Dichte zunimmt, langsam nach aufwärts. Die anderen Endospermkerne erfahren eine rasche Vermehrung, und sehr bald ist ein festes Gewebe gebildet, welches sich bis zu den zwei dicht mit Protoplasma gefüllten Zellen erstreckt (Fig. 79). Die Basis des Endosperms besteht aus zwei langen Zellen, welehe auf einer Masse von aufgelösten Integu- mentzellen aufliegen und sich von den anliegenden Zellen durch ihren reichen Protoplasmainhalt unterscheiden. Durch Wachsthum des En- dosperms nach unten und durch eine Absorption des verschleimten Integuments kommen diese Zellen in den ursprünglich von den ver- schleimten Integumentzellen erfüllten Hohlraum zu liegen und zeichnen sich ausserdem durch ihr starkes Färbungsvermögen aus. Sie liegen in enger Verbindung mit den Zellen in der Chalazaregion, nahe dem Ende des Gefässbündels, und dienen als Haustorium, welches die Nährstoffe aus diesen Zellen aufnimmt und zu den darüber liegenden Endospermzellen führt (Fig. 82 und 83). AN celaa. Beginn des Mikropylenhausto- riums. Die beiden Fig.81. Lobelia excelsa. Mikropylenhau- Fig. 82. Lobelia oberstenEndosperm- storium. Die Endespermzellen desselben excelsa. Beginn zellen beginnen sich sind durch Verschrumpfung von den des Haustoriums auszubreiten. unterliegenden Mikropylen losgerissen. an der Chalaza- Fig. 80. Lobelia ex- N In der Mikropylenregion tritt eine ähnliche Erscheinung auf. Die beiden Endospermzellen, welche gegen die Mikropyle wanderten, gehen immer weiter, bis sie das Ende des Tapetums erreicht haben und in eine Höhlung zu liegen kommen, die durch Absorption der Zellen entstanden ist, die am untersten Ende des Mikropylenkanals gelegen waren (Fig. 80, 81). Die Synergiden liegen zuerst zwischen diesen beiden Zellen, welche jedoch nach der Absorption der Syner- giden einander gegenüber zu liegen kommen. Ihre Bedeutung ergibt sich nicht nur aus dem Reichthum ihres Inhalts, sondern auch aus den zunächst liegenden Endospermzellen. 307 Der Embryo ist unterdessen infolge einer Verlängerung des Em- bryoträgers in das Endospermgewebe hinab zu liegen gekommen (Fig. 81). Aeltere Stadien als die ausgebildeten konnten nicht er- halten werden, aber es ist wahrscheinlich, dass die weitere Entwicke- lung nichts wesentlich Neues bietet, wie sich bei der Untersuchung einer anderen Art, Lobelia Cliffordiana zeigte, welche viele gemein- same Punkte aufwies und von welcher nahezu alle Stadien zugänglich waren. Der Embryosack ist ganz der gleiche, auch das Endosperm entwickelt sich zu Anfang in beinahe der gleichen Weise. Zwei Endospermzellen, die dichtes Protoplasma haben, bewegen sich gegen die Mikropyle, aber eine kleine Verschiedenheit macht sie auffallend. Sie gehen nämlich nicht ganz bis über das Ende des Tapetums in die Höhlung hinauf, sondern senden nur die verlängerten Ausstülp- ungen des Protoplasmas in dieselbe hinein (Fig. 84). Schliesslich Fig. 84. Lobelia Clif- fordiana, Anfang der Bildung des Mikro- Fig.83. Lobeliaex- pylenhaustoriums aus celsa. Chalazahau- den beiden obersten storium. Endospermsellen. breiten sie sich in allen Richtungen aus, während die Kerne tragen- den Theile nach abwärts hängen (Fig. 85). Diese Theile haben einen diehteren Inhalt als die oberen und führen Nahrung zu den darunter- liegenden Endospermzellen (Fig. 87). Diese das Haustorium an der Mikropyle bildenden Endospermzellen liegen in jungen Stadien rings um die überbleibenden Synergiden und den Embryoträger und bilden daher auf dem Querschnitt zwei halbkreisförmige Figuren Fig. 86). Dies stimmt mit dem, was für Campanula bekannt ist, ziemlich über- . ein, nur finden wir, dass dort vier Endospermkerne an der Haustorlun- bildung sich betheiligen. Die zwei Zeilen, welche bei Lobelia ae sa betheiligt sind, liegen im Ganzen höher als die von Lobelia ı “ diana, dadurch, dass sie keine Kerne tragenden Auswüchse nach ab- wärts aussenden. . Das Haustorium an der Chalaza zeigt ebe Fig. 85. Späterer Zustand wie bei Fig. 84. nfalls einen kleinen 308 Unterschied. Statt der zwei Endospermzellen, welche den unteren Theil des Embryosacks einnehmen und auf den zunächstliegenden schleimigen Zellen des Integuments zu liegen kommen, finden wir hier nur eine einzige (Fig. 89). Diese Zelle drückt auf die anderen und bald füllt sie den engen Zwischenraum zwischen dem Ende des Tape- tums aus. Nun sind auch die Antipoden und der Nucellus verschwun- den und der Embryosack erhält einen sackförmigen Auswuchs in die darunterliegenden Integumentzellen, in welchen der basale Theil der Endospermzelle liegt. Ein entsprechendes Stadium ist auch bei Cam- panula rotundifolia beschrieben, wo sich aber ein basaler Theil ohne Kern von einer darüberliegenden Zelle, die den Kern trägt, abschliesst. Aeltere Stadien zeigen darüberliegend ein festes Endospermgewebe und die einzige Endospermzelle an der Basis hat sich in der Chalaza ausgebreitet und an derselben , ist ebenfalls ein kerntragender und ein kernfreier Theil zu unterscheiden (Fig. 90), wie in der Mikropylenregion, aber nicht wie bei Lobelia excelsa, wo die beiden Zellen vollständig in den Hohlraum sich hinein erstrecken, Fig.86. Querschnitt des Mikro- pylenhaustoriums zur Zeit des Fig. 87. Lobelia Cliffordiana. Ausgebildetes Stadiums von Fig. 85. Mikropylenhaustorium. Die Antipoden gehen bei den beiden Species sehr bald zu Grunde, während sie bei Campanula rotundifolia einige Zeit erhalten bleiben, obgleich sie offenbar keinem physiologischen Zwecke dienen. Goodeniaceae. Die zur Untersuchung gelangten Vertreter dieser australischen Familie‘) bestanden in den beiden Arten der Gattung Scaevola, $. attenuata und 9. Königii. Von ersterer konnten nur theilweise aus- gewachsene Samen erhalten werden, dagegen zeigte Scaevola Königii sowohl jüngere wie ältere Stadien. Die beiden Arten stimmen in ihrer Samenentwickelung wesentlich überein, aber da $. attenuata für 1) Alkoholmaterial gesammelt von Prof. Goebel, nn nn 309 die ersten wichtigeren Stadien geeigneter war, so soll mit dieser die Betrachtung begonnen werden. Die Samenanlage besitzt ein diekes Integument und füllt deshalb das Fruchtknotenfach vollständig aus. An dem Funieulus tritt ein Gefässbündel ein und läuft fast vollständig um die abgeplattete Samenanlage herum. Der Embryo- sack bildet eine schmale Zelle, die von einem sehr protoplasmareichen Tapetum umgrenzt ist, mit Ausnahme des Mikropylenendes, an welchem er in das Integument etwas erweitert vorgeschoben ist und den eben- falls ziemlich kleinen Eiapparat einschliesst (Fig. 91). Der Endosperm- kern befindet sich in der Mitte des Embryosacks, am unteren Ende liegen die drei Antipoden und etwas Nucellus. Die dem Tapetum zunächstliegenden Integumentzellen zeichnen sich durch grossen Proto- plasmareichthum aus, die an dem Auswuchs der Mikropyle jedoch besitzen verschleimte Wände und färben sich stark. Das untere Ende des Embryosacks wächst nach abwärts bis der Nucellus aufgebraucht ist, jedoch nicht weiter in das Integument hinein, um ein Haustorium zu bilden. Aber ein radienförmiger Strang von Leitungsgewebe, der Fig. 88. Lobelia Cliffor-- Fig. 89. Lobelia Clif- Fig. 90. Lobelis Cliffordiana. diana. Mikropylenhausto- fordiana. Anfang des Vorgerücktes Stadium des rium von oben gesehen. Chalazahaustoriums. Chalazahaustoriums, sich nach abwärts in das Integument ein Stück weit ausdehnt, be- zeichnet diese Stelle (Fig. 92). Das Integument selbst ist bis auf die schon erwähnten Theile nicht besonders reich an Inhalt. Nach der Be- fruchtung tritt eine Verlängerung des Suspensors ein, wodurch sich der Embryo in den vom Tapetum begrenzten Theile des Embryosacks nur durch geringes Anwachsen unterscheidet (Fig. 93). Die Wirkung des Haustoriums ist theilweise unzweifelhaft durch die protoplasmareichen Zellen des Mikropylenkanals bedingt, welcher als Leitungsbahn von den reich ausgerüsteten Zellen in der Nähe des Funiculus dient (Fig. 94). Bei Scaevola Königii bleiben beim Vorrücken des ndosperm die Zellen des Mikropylenkanals, sowie die um das Haustorium, vie länger erhalten als das umliegende Gewebe. Fig. 95, welche einen Längsschnitt durch einen nahezu reifen Samen darstellt, zeigt dieses 310 Verhalten. In diesem ältesten Stadium ist das Integument bis auf eine dünne peripherische Lage aufgebraucht. Compositae (Calendula). Bei der Untersuchung dieser Gattung wurde dieselbe nicht als Vertreter der Compositen betrachtet, denn die verschiedenen Gattungen dieser Familie können bekanntlich in der Bildung des Embryosackes bedeutend von einander abweichen. Dieselbe wurde gewählt, weil Hofmeister (10) bei ihr von einem Auswuchs des Embryosacks spricht, der von der Wanderung einer Syner- gide begleitet ist. Diese so interessante That- sache wurde von Hofmeister nur mit einer kurzen‘ Bemerkung ohne Abbildungen abge- Fig. 92. Scaevola atte- Fig. 93. Scaevola atte- nuata. Schematischer nuata. Oberes Ende des Längsschnitt der Samen- Embryosscks. e Endo- anlage. s Embryosack, sperm, eg Eizelle mit Fig. 91. Scaevola attenuata. Db Gefässbündel, c Lei- verlängerter Suspensor- Ausgebildeter Embryosack. tungsgewebe. zelle. handelt. Die erste ausführlichere Arbeit über Calendula stammt von Tulasne (12). Er beobachtete den Auswuchs des Embryosackes an seinem Mikropylenende, hielt denselben aber für eine Verlängerung des Suspensors. Seine Abbildungen zeigen denselben auch, indem dessen basale Zelle den elliptischen Auswuchs in die Mikropylenregion darstellt. Thatsächlich ist auch der Suspensor lang, namentlich zeigt seine basale Zelle nach der Befruchtung eine beträchtliche Verlänge- rung, wodurch der Vorembryo in die Mitte des Embryosacks vor- geschoben wird. Hofmeister (10) nimmt von dem Fehler Tulasne’s 311 Notiz und sagt: „Ein sehr auffallendes Verhalten zeigt bei Calendula das bei den anderen Arten nach der Befruchtung alsbald verschwin- dende obere unbefruchtete Keimbläschen; es wächst, während das untere befruchtete zum Vorkeim sich entwickelt, nach oben zu einem grossen ellipsoidischen Schlauche aus, der, die Wände des Mikropylen- kanals zerstörend, in diesen sich eindrängt: ein auffälliges Anhängsel des inzwischen mit Endosperm erfüllten Embryosacks, diesem an Länge oft beinahe gleich“. — Dies wurde auch von Hegelmaier (7) an- genommen, indem er mit Bezug auf die Synergiden sagt: „Bekannt- lich vergrössert sich bei Calendula die eine von ihnen in der Folge zu einem noch weiter das Endostom auseinander treibenden Sack“. Fig. 95. Scaevola Königii. Durchschnitt des fast reifen Samens. e Endosperm, et Embryoträger, i Integument, c zu- sammengedrücktes Haustorium, m Zel- len des Mikropylenkanals. Fig. 94. Vorgerückteres Stadium als das bei Fig. 93. e Endosperm des Haustoriums, i stark gefärbte Integu- mentzellen mit verschleimten Wän- den, t Tapetum. Alle untersuchten Arten, Calendula lusitanica, C. offieinalis, C. d C. Cristagalli, aegyptiaca, C. palestina, C. persica, C. malacitana un ( zeigten den Auswuche an er Mikropyle. Für eine nähere Be- schreibung wählte ich Calendula lusitanica, von der auch die Ab- bildungen genommen wurden. oo hei Im reifen, Embryosack finden wir die Grundelemente wie n nahezu allen Compositen (Fig. 96). Das Tapetum ist breit und ame gegen das Chalazaende an Breite zu. Seine auflösende Thätigkeit au die Integumentzellen lässt sich schon in frühen Stadien erkenne trotzdem noch kein Endosperm entwickelt wird. Die zwei Synergiden sind von normaler Grösse und im oberen Theile des Embryosacks 312 in einer geringen Erweiterung des unteren Endes des Mikropylen- kanals gelageri. Ein Theil des Protoplasmas wird an der Spitze der Synergiden partiell abgeschnürt, eine Thatsache, auf welche Hegel- maier (7) bei Helianthus schon aufmerksam gemacht hat. Dass die Höhlung, in welcher diese Theile liegen, durch Auflösung erzeugt wurde, folgt daraus, dass die Integumentzellen längs ihrer Wände schon deutliche Zeichen von Auflösung ersehen lassen. Bei der Befruchtung geht eine Synergide zu Grunde und ihr Kern wird schliesslich aufgebraucht. Später nun erweitert sich die kleine Ausbuchtung des Embryosacks am Ende rasch und die andere Synergide beginnt sich nach aufwärts in dieselbe hinein zu bewegen (Fig. 97, 98). Die Ausbuchtung (oder das Haustorium) wächst jedoch nicht längs des ganzen Mikropylenkanals weiter, sondern nur an dessen einen Seite, gegen die Spitze des Integuments. Beträchtliche Mengen von Protoplasma begleiten den Synergide- kern bei seinem Vorrücken und manch- mal kommt es vor, dass auch die andere Synergide ihn mit ihrem in Auflösung be- griffenen Kern begleitet. j Fir. 96. Calendula lusitanica. Fig.97. Anfang der Fig.98, Einwanderung der Ausgebildeter Embryosack. Symergidenbewegung. Synergiden in den Auswuchs. Die Synergide nimmt jedoch keinen besonderen Platz im Hau- storium ein, findet sich aber häufig an dem oberen Ende desselben, welches beständig durch seine auflösende Thätigkeit auf die Inte- gumentzellen sich vergrössert (Fig. 99). So finden wir, dass eine Synergide die Thätigkeit ausübt, welche gewöhnlich in.solchen Fällen nur von Endosperm erfüllt wird. In älteren Stadien tritt ausser einer Vergrösserung des Haustoriums, welches schliesslich bis zur äussersten Grenze des Integuments reicht, keine besondere Veränderung mehr ein. An der Synergide kommt weder Theilung noch Wandbildung zu Stande. Manchmal wird auch eine unabhängige Protoplasmamasse 313 im Haustorium gefunden, welche wahrscheinlich aus dem Protoplasma der anderen Synergide stammt oder noch dem Protoplasma zugehört, das ursprünglich im jungen Auswuchs vorhanden ist. Unterdessen hat sich das Endosperm rasch entwickelt und ist im früheren Stadium besonders durch zwei oder mehr Protoplasmafort- sätze um die Kerne ausgezeichnet. Es füllt bald den oberen Theil des Embryosacks aus und erstreckt sich nach oben gegen den engen Kanal, der zu dem Haustorium führt (Fig. 99). Auffallend dabei ist, dass hier das weitere Vordringen des Endosperms, das in vielen Fällen in solche Hohlräume eindringt, plötzlich gehindert wird. Es wird daher an dieser Stelle allmählich grösser und bildet schliesslich Gewebe, dessen Zellen von der Thätigkeit des Haustoriunis dadurch Zeugniss geben, dass sie ausnahmslos reich an Inhalt sind. Die übrigen Endospermzellen breiten sich über die Innenseite des Tapetums aus. An- fangs bilden sie ein Netzwerk von Zellen, schliesslich aber füllen sie den Embryo- sack vollständig aus. Fig. 100. Vorgerücktes Stadium. em Embryo, Fig, 99, Calendula lusitanica, i e Endosperm, i Integument, k Haustorium. Das Haustorium. Wenn der Embryosack sich vergrössert, verringert sich die Grösse des Haustoriums. Letzteres wird jedoch nie vollständig aufgebraucht. Selbst im reifen Samen bleibt mit dem oberen Ende des Integuments auch ein Theil des Haustoriums erhalten. Sogar die Gegenwart der Sy- nergide konnte noch in älteren Stadien beobachtet werden (Fig. 100). 314 Durch die Thätigkeit des Tapetums erfahren die Integumentzellen eine Auflösung, hauptsächlich jene unterhalb des Chalazaendes, die sich ausserdem dadurch auszeichnen, dass sie bis auf weite Entfernung hin schleimig werden. Der reife Samen enthält einen grossen Embryo ohne Endosperm. Zusammenfassung. Das Integument tritt bei allen untersuchten Sympedalen mit Aus- nahme der Primulaceae und Plumbaginaceae in Einzahl auf. Wenn es eine beträchtliche Dicke besitzt, wie bei allen untersuchten Fa- milien (ausser den Oxalidaceae, Geraniaceae und Plumbaginaceae), so dient es als ein locales Speichergewebe, obgleich auch bei den drei oben erwähnten Ausnahmen entweder das ganze innere Integument oder ein Theil davon aufgebraucht wird. Der Absorptionsprocess des Integuments wird immer durch einen Verlust seines Zellinhalts, wäh-- rend des Wachsthums des Embryosacks aber auch durch eine Zu- sammendrückung seiner Zellwände erreicht. Die Zusammenpressung ist bei den untersuchten Arten auch von einer mehr oder weniger starken Auflösung seiner Zellwände begleitet, wodurch schliesslich entweder ein vollständiges Verschwinden bis auf die Zellen der Samen- schale eintritt oder eine dünne Lage zurückbleibt. Die Nahrungsstoffe des Integuments werden von dem Endosperm (resp. Embryo) einerseits und von der Samenschale andererseits verbraucht. Wenn das Integu- ment eine beträchtliche Dicke besitzt, wie bei den meisten Sympetalen und auch bei Linum, so wird das Nahrungsmaterial gewöhnlich in höhe- rem Grade von dem Endosperm als von der Samenschale verbraucht. Nach der Befruchtung erfährt das Integument eine Zunahme seiner Grösse entweder durch Vermehrung und Vergrösserung der Zellen, wie bei den Geraniaceae, Linaceae, Asclepiadaceae, Globulariaceae und Oleaceae, oder nur durch Vergrösserung allein, wie bei den Oxalidaceae, Stackhousiaceae, Primulaceae und Polemoniaceae. Eng an die Absorption des Integuments schliesst sich die Thätig- keit des Tapetums, Diese Zelllage umschliesst nicht nur den Embryo- sack, sondern dient auch dazu, Nahrungsmaterial von den umgebenden Integumentzellen disponibel zu machen und durch ihre Zellen durchzu- lassen. Für diese Thätigkeit liegen nicht nur in der vorliegenden Arbeit Beweise vor, sondern auch in denen von Guignard (5), Mille. Gold- flus (4) und Dr. Balicka-Iwanowska(l). Hegelmaier (7) war Jedenfalls im Irrthum, wenn er es nur als einen Schutz für den Embryo- sack bezeichnete. Das Tapetum lässt sich leicht von den umgebenden 315 Integumentzellen durch eine Verschiedenheit seiner Grösse und reiche- ren Inhalt unterscheiden. Die auflösende Thätigkeit beginnt gewöhn- lich nach der Befruchtung; sie kann jedoch vorher schon eintreten, wie bei Calendula. In den meisten Fällen bleibt das Tapetum bis nahe zur Samenreife erhalten und kann sogar im reifen Samen, wie bei den Linaceae, noch erhalten sein. Die Synergiden verschwinden schon bald nach der Befruchtung, wahrscheinlich zu Gunsten des Endosperms, ausser bei Calendula, bei welcher eine in einen Auswuchs des Embryosacks an der Mikro- pyle eindringt. Die Antipoden nehmen bei den untersuchten Arten an der Ent- wickelung des Embryosacks keinen Antheil, denn sie werden von dem Endosperm aufgezehrt. Bei Stackhousia können sie vor der Befruchtung Theilungen erfahren, aber scheinbar ohne physiologischen ‚Zweck. Das Endosperm entwickelt sich in den meisten Fällen zuerst als eine peripherische Lage, nur in wenigen Fällen, wie z.B. bei Phacelia congesta, Menyanthes und Vincetoxicum, erzeugt es gleich festes Ge- webe. Die Zellen sind gewöhnlich einander gleich, können aber in der Nähe des Haustoriums oder Stranggewebes oder in der Nähe des Tapetums grösseren Inhaltsreichthum zeigen. Bei den Gerania- ceae sind auch die Zellen um den Suspensor viel grösser als die übrigen. Haustorien können auftreten, wenn das Integument nur mässige Dicke besitzt; die Umkehrung dieses Satzes gilt aber nicht, wie die Asclepiadaceae und Polemoniaceae zeigen. Auch das Vorhandensein eines Gefässbündels ist häufig begleitet von dem eines Haustoriums oder eines Stranggewebes an der Chalaza. Wo Haustorien entstehen, scheinen sie ihre ausgedehnteste Thätigkeit während der ersten Stadien der Samenentwickelung zu entfalten. Sie enthalten einen oder mehrere Kerne, welche mit Ausnahme von Calendula dem Endosperm ihre Entstehung verdanken. Diese erlangen oft bedeutende Grösse und färben sich stark. Gewebe wird nicht immer gebildet (Globulariaceae, Linaceae und Calendula), tritt aber bei den Myoporacene, Goodeniaceae und Lobeliaceae auf. Wenn ein Mikropylenhaustorium vorhanden ist, tritt eine Verlängerung des Suspensors ein, wie bei den en Globulariaceae, Lobeliaceae, Goodeniaceae, Calendula und nac . S meister (9), Guignard (5) und Dr. Balicka-Iwanows AR bei den Labiatae, Acanthaceae, Scrophulariaceae, Podalnanen kurze taginaceae und Campanulaceae. Bei den Geraniacese, wo der 316 Arm des Embryosacks zur Absorption dient, ist der Embryo von dem verlängerten Suspensor in die grosse Höhlung vorgeschoben worden. Wenn man nun die Samenentwickelung als eine allgemeine Basis der Systematik betrachten will, so findet man zahlreiche Schwierig- keiten, die dies als unmöglich erscheinen lassen. Von solchen können vor allem die geringen Strukturunterschiede erwähnt werden, beson- ders, wenn sie mit der grossen Zahl von Arten verglichen werden. Wenn die Samenentwickelung wirklich als ein Hilfsmittel für die systematische Unterscheidung in Betracht kommt, so gibt es in der That Fälle, in welchen sie nicht nur für die Unterscheidung von Arten, Gattungen und Familien brauchbar ist, sondern auch für die Entscheidung, ob es sich um verwandtschaftliche Beziehungen handelt oder nicht, besonders wenn die gewöhnlichen systematischen Charaktere zweifelhaft oder undeutlich sind. Selbst als Hilfsmittel für die Be- stimmung von Arten hat die Samenentwickelung wegen ihrer oft nur kaum oder überhaupt nicht nachweisbaren Verschiedenheiten oft keine Bedeutung, wie z. B, die Fälle von Geranium, Polemonium und Calen- dula zeigen. Wo Haustorien eintreten, sind sie gewöhnlich so charak- teristisch, dass sie allein oft genügende Anhaltspunkte bieten, Arten von einander zu unterscheiden, wie es bei den Arten von Linum und nach Dr. Balicka-Iwanowska bei denen von Plantago der Fall ist. Was nun die Gattungen betrifft, so finden wir, dass die Charaktere im Allgemeinen bestimmter sind, wie bei Arten. Zuweilen aber treten Merkmale auf, welche bei zwei Gattungen einer und derselben Familie oft verschiedener sind als bei zwei oder mehr Familien. Der Typus der Samenentwickelung zum Beispiel von Polemonium, Gilia und Collomia einerseits, ist von dem von Phlox oder Leptosiphon anderer- seits verschiedener als der, welcher in den Familien der Campanula- ceae, Lobeliaceae und Stylidiaceae auftritt. Polemonium, Gilia und Collomia haben eine normale Entwickelung mit einem Tapetum, Phlox dagegen hat kein Tapetum, besitzt aber ein auffallendes Leitungs- system an der Mikropyle, während Leptosiphon ein basales Hausto- rium und kein Tapetum besitzt. Peter (3) hat Leptosiphon mit Gilia vereinigt, die Samenentwickelungsmerkmale aber wären für eine Vereinigung derselben nicht günstig. Die Arten der Familien Cam- panulaceae, Lobeliaceae und Stylidiaceae zeigen eine sehr ähnliche Samenentwickelung und alle haben Haustorien an der Mikropyle und Chalaza, die von einander sehr wenig abweichen. Nach Dr. Balicka- Iwanowska (1) sind die untersuchten Gattungen der Scrophularia- ceae nach der Struktur der Samenanlage und dem Vorhandensein 317 eines Haustoriums nicht schwer von einander zu unterscheiden. Die Samenanlage der Gattung Menyanthes ist trotz des Fehlens eines Haustoriums bei den Gentianaceae von der von Gentiana so sehr ver- schieden, dass es auch, 'wenn die gewöhnlichen systematischen Charak- tere in Betracht gezogen werden, zweifelhaft ist, ob beide einer ein- zigen Familie einzureihen sind. Wenn wir ferner einen Vergleich zwischen zwei oder mehr sich systematisch nahestehenden Familien anstellen, so finden wir, dass manchmal eine Gleichheit in ihrer Samenentwickelung vorhanden ist, welche deutliche Zeichen von Verwandtschaft trägt, während in an- deren Fällen dies fast nicht vorzukommen scheint. Die Campanulineae, welche nach Warming (15) aus den Campanulaceae, Lobeliaceae, Stylidiaceae und Goodeniaceae bestehen, zeigen eine deutliche Aehn- lichkeit bezüglich der drei ersten Familien. Alle besitzen ein Tapetum rings um das Mikropylenende, aus welchem der Embryosack in eine sackförmige Erweiterung auswächst, in die dann Endosperm eintritt, ein Haustorium zu bilden. Bei allen, mit Ausnahme der Goodeniaceae, entwickelt sich dieses erst nach der Befruchtung und ist in allen drei Fällen sehr ähnlich. Sie zeigen ferner sehr deutliche Haustorien an der Chalaza, die Goodeniaceae dagegen keines. Alle, mit Ausnahme der Stylidiaceae, haben ein Gefässbündel in der Samenanlage, und alle besitzen Endosperm im reifen Samen. Die grössten Verschiedenheiten ergeben sich bei den Gruinales, welche aus Oxalidaceae, Linaceae, Geraniaceae, Tropaeolaceae, Bal- saminaceae und wenigen kleinen Ordnungen bestehen, über die keine Litteratur gefunden werden konnte. Die Vertreter der ersteren finden sich in der vorliegenden Arbeit beschrieben, über die beiden anderen wurde schon von Hofmeister (8), Guignard (5) und Kayser en) gearbeitet. Alle haben zwei Integumente und ein Gefässbündel. Die Oxalidaceae stimmen ausser in den beiden vorher erwähnten Punkten und einer normalen Entwickelung ohne Tapetum mit keiner der übrigen überein. Die Balsaminaceae haben eine normale Entwickelung und ein Tapetum. Die Linaceae und Tropaeolaceae besitzen Haustorien an der Chalaza, ausserdem zeichnet sich Tropaeolum durch einen gegabelten Suspensor aus. Die Geraniaceae stehen in ihrem Sin einzig da durch das Vorhandensein eines Leitungsgewebes an Fa Mikropyle und der Chalaza und einen sehr grossen Suspensor. ı in Tapetum ist bei allen, mit Ausnahme der Ozalidacene, vorhan 1 während Endosperm im reifen Samen nur bei den Oxalidaceae, Li- naceae und manchmal auch bei den Geraniaceae auftritt. 22 Flora 1901. 318 Diese Unterschiede lassen erkennen, dass, sofern die Samenent- wickelung allein betrachtet würde, diese fünf Ordnungen wenig Ver- wandtschaft zeigten. Während nun erkannt ist, dass Schlüsse nur auf eine grosse Anzahl von Thatsachen aufgebaut werden dürfen, so ist es ersichtlich, dass eine Anwendung der Samenentwickelung nur dann berechtigt ist, wenn sie im Zusammenhang mit den ge- wöhnlichen systematischen Charakteren genommen wird, in zweifel- haften Fällen wohl auch mit Vortheil als Bestimmungsmittel in Be- tracht kommt, München, pflanzenphysiol. Institut, Februar 1901. # Litteratur. 1. Dr. Gabrielle Balicka-Iwanowska, „Contribution & l’etude du sac em- bryonnaire chez certain Gamopetales“. Flora 1899, Heft I. 2. Dr. H. Campbell, „Notes on the Structure of the Embryosack in Sparga- nium and Lysichiton.“ Bot. Gaz. Vol. XXVII, pag. 158—166. 3. Engler und Prantl, „Natürliche Pflanzenfamilien“. 4. Mlle. Mathilde Goldflus, „Sur la structur et les fonctions de l’assise &pith6- liale et des antipodes chez les Composees.“ Journal de Botanique, Tome XII, 1898. 5. Leon Guignard, „Recherches sur le d&veloppement de la graine et en par- tieulier du tegument seminal“. Journ. de Bot. 7 Annde No. 1, 1893 et seq. 6. Fr. Hegelmaier. „Ueber partielle Abschnürung und Obliteration des Keim- sacks.“ Ber. d. D. bot. Ges, Bd, IX, Berlin 1891. T. — — „Ueber den Keimsack einiger Compositen und dessen Umhüllung.“ Bot. 2tg. 1899 _s. 805 et seq. 8. W.Hofmeister, „Die Entstehung des-Embryo d. Phanerogamen.* Leipzig 1849, 9. — — „Neue Beiträge zur Kenntniss der Embryobildung der Phanerogamen.“ Leipzig 1859. 10. — — „Neue Beobachtungen über Embryobildung der Phanerogamen.* Pringsh. Jahrb. I. Bd, Berlin 1858. 11. G6.Kayser, „Beiträge zur Kenntniss der Entwiekelungsgeschichte er Samen.“ Pringsh. Jahrb, 1893, 12. L.R. Tulasne, „Etudes d’embryogenie vegetale.“ Ann. d. Sc. Nat. T. 12. 1849. 13. J. Vesque, „Nouvelles recherches sur le developpement du sac embryonnaire des Phanerogames Angiospermes.“ Ann. des Sc. Nat. Tome 8. 1878. 14. E. Warming, „De l’ovule.“ Ann, des Sc. Nat. Tome 5. 1878. 15. — — A Handbook of Systematic Botany. London 1895. 16. Max Westermaier, „Zur Physiologie und Morphologie der Angiospermen- Samenknospe.“ Beitr. zur wiss, Bot. Bd. 1 Abth. 2. 1896. 17. — — „Berichtigung zu meiner Arbeit ‚Zur Physiologie und Morphologie der Angiospermen-Samenknospe‘.“ Ber. d.D, bot. Ges. Bd. XIV Heft 1, 1896. a Die Anlage und Entwickelung einiger Flechtenapothecien. Von Dr. E. Baur. Hierzu Tafel XIV und XV. Die Frage nach der Sexualität der höheren Ascomyceten, speciell der Flechten, ist in neuester Zeit wieder etwas mehr in Discussion gekommen. Aber heute noch sind wir einer einwandsfreien Ent- scheidung nicht viel näher, als vor 20 Jahren; weder für noch gegen die Annahme einer Sexualität ist bisher ein stichhaltiger Beweis er- bracht. Auch die Zahl der Species, von denen bisher überhaupt Organe bekannt sind, die als die weiblichen Sexualorgane gedeutet werden könnten, ist in den letzten Jahren nur wenig grösser geworden. Im Laufe der letzten Semester babe ich bei mehreren Flechten die ersten Anfänge der Apothecienbildung untersucht; ich ging dabei immer von der Hoffnung aus, dass sich vielleicht die eine oder an- dere Flechte finden liesse, bei welcher die vermuthliche Befruchtung leichter zu verfolgen wäre, als bei den bisher daraufhin beobachteten Arten. Diese Hoffnung hat sich nun allerdings nicht erfüllt, aber die verwendete Arbeit lohnte sich doch insofern, als es gelang, bei Ver- tretern der verschiedensten Flechtenfamilien nachzuweisen, dass auch hier die ascogenen Hyphen sich als Aussprossungen von Ascogonen entwickeln, die ganz analog denen von Collema, Physeia u. s. w. gebaut sind. Ferner liessen sich im Laufe der Untersuchungen doch manche Thatsachen feststellen, die interessante Schlaglichter auf die Sexualitätsfrage werfen. Zunächst einige Worte über die angewandte Technik. Es ist bekannt, dass sich die meisten Flechten sehr schlecht in Paraffin schneiden lassen; die Hyphen werden stets, auch bei der sorgfältig- sten Einbettung, spröde und splittern beim Schneiden wie Glas. Rindenstückchen mit daraufsitzenden Krustenflechten lassen sich meist in Paraffin überhaupt nicht schneiden. Nach vielen fehlgeschlagenen Versuchen habe ich desshalb zuletzt immer von einer etwas modifi- eirten Celloidineinbettung !) Gebrauch gemacht, die für fast alle Flechten gute Resultate gibt. - 1) Ich lasse die Celloidinklötze statt in 800, Alkobol in einem Gemisch von 10 Glycerin: 1 Alkohol 960%), zwei bis drei Tage nachhärten, Hierin werden sie vollkommen durchsichtig und ausserdem die sprödesten Hyphen, Bin nestückehen 320 Fizirt habe ich meist mit Sublimat-Eisessig (mit Sublimat ge- sättigte 5 proc. Essigsäure), oder mit dem schwächeren Flemming- schen Säuregemisch, gefärbt meist mit Haemalaun, Parmelia Acetabulum (Neck.) Dub. Parmelia Acetabulum gibt für das Studium der Carpogone ein besseres Object ab, als man wegen des verhältnissmässig geringen Apotheeiumreichthums erwarten sollte. In jungen Thalluslappen, die nach längerem Regenwetter gesammelt sind, findet man immer frische Carpogone in grosser Zahl. Von allen übrigen bisher bekannten Flechten unterscheidet sich P. Acetabulum dadurch, dass die Carpogone nicht mehr oder weniger frei und einzeln im Hyphengewebe liegen, sondern sie sind stets zu Gruppen von 3—6 vereinigt und von einem engverfilzten, rinden- ähnlichen Pleetenchym umhüllt. Schon bei ganz schwacher Ver- grösserung kann man diese 50— 70, breiten Carpogongruppen in den Sehnitten erkennen, sie sehen aus wie locale, gegen und in die Go- nidienschicht vordringende Verdiekungen des Rindengewebes. Die einzelnen Carpogone (Fig. 1) zeigen im grossen und ganzen die schon für Collema, Physeia u. a. bekannte charakteristische Ge- stalt mit einem untern, schraubigen oder unregelmässig verknoteten Theil, dem Ascogon und einer mehr oder weniger gerade nach der Thallusoberfläche wachsenden Trichogyne. Das Ascogon ist jedoch vielzelliger und windungsreicher als bei den genannten Gattungen. Regelmässige Schrauben, wie bei Collema kommen nur selten vor, meist sind alle in einer Gruppe zusammenliegende Ascogone zu einem unentwirrbaren Knäuel verschlungen. Im Gegensatz zu den ungemein diekwandigen und englumigen vegetativen Hyphen sind die Ascogonzellen verhältnissmässig dünn- wandig und weitlumig — 2-31 breit, 8—54 lang — und enthalten sehr reichliches dichtkörniges Protoplasma; wie auch die vegetativen Hyphen sind sie ausnahmslos einkernig; der Kern liegt in der Mitte der Zelle. Die Trichogynen sind entsprechend der oberflächlichen Lage der Carpogone nur kurz und bestehen aus wenigen, 3—6, Zellen. Eine irgendwie scharf bezeichnete Grenze zwischen Ascogon und Tricho- gyne ist nicht erkennbar. Die Trichogynzellen gleichen den Asco- u. 8. w. weich und gut schneidbar. Schneiden kann man trocken oder besser feucht (70 0), Alkohol). Ich kann dieses bisher nur in der pathologisch-anatomi- schen Technik benutzte Verfahren für viele pflanzliche Objecte nur sehr empfehlen. 321 gonzellen, sie sind nur etwas schmäler und länger, besonders die äussersten 23 Zellen sind sehr schmal und langgestreckt. Die Trichogynspitze überragt die Thallusoberfläche um etwa 10— 151. Kleine Fremdkörper, Russ u. s. w., die ihr oft anhaften, lassen wohl den Schluss zu, dass sie nach aussen eine klebrige Masse abscheidet. P. Acetabulum entwickelt Carpogone während des ganzen Jahres; etwas reichlicher als sonst findet man frische Carpogone im Herbst, fast ebenso häufig im Frühjahr. Die Carpogongruppen liegen in den jungen Thallustheilen, wie schon erwähnt in ungemein grosser Zahl, oft trifft ein Schnitt durch einen etwa lcm breiten Lappen bis zu 10 Stück, von denen aller- dings nicht mehr alle entwickelungsfähig sind. Bei einem kräftigen Thallus kommen im Durchschnitt 20-80 Carpogongruppen auf einen Jungen Lappen von etwa Igem Grösse. Ein etwa Igqem grosser Thallus trägt im Herbst bis zu 500 und mehr Carpogongruppen, von denen etwa ein Viertel sicher noch entwickelungsfähig ist. Mit der Zahl der Apothecien verglichen ist das sehr viel. Auf einen Thallus von derselben Grösse kommen allerhöchstens etwa 30 Apothecien, meistens aber noch viel weniger; nimmt man für ein Apothecium die sicher nicht zu hoch gegriffene Lebensdauer von drei Jahren an, so kommen wir auf einen Jahreszuwachs von nur zehn Apothecien. Es werden also unverhältnissmässig viel mehr Carpogone ausgebildet, als sich später zu Apothecien entwickeln. Es gelingt denn auch leicht, in alten Thalluslappen, zwischen den Apothecien die zurückgebildeten „verblühten“ Carpogongruppen zu finden. Nur die pleetenchymatische Hülle ist übrig geblieben, die plasmareichen Carpogonzellen selbst sind verschwunden und in dem Maasse, wie die Rinde sich nach aussen abschuppt und vom Thallus her nachwächst, werden auch diese Hyphenknäuel allmählich abge- stossen, . " Wie lange Zeit ein und dasselbe Carpogon entwiekelungsfähig bezw. nach meiner Auffassung empfängnissfähig bleibt, das habe ich nicht feststellen können, ebenso weiss ich auch nicht, ob dasselbe Carpogon mehrere Male Triehogynen nach aussen treibt; letzteres scheint mir jedoch nicht unwahrscheinlich zu sein. An den Carpogonen, die sich zu Apothecien weiter entwickeln, verschwinden zunächst die Trichogynen. Die Ascogone ‚treiben schon sehr frühzeitig zahlreiche Seitenzweige. Auch die Hüllhyphen be- ginnen lebhaft zu wachsen und stellen sich allmählich senkrecht zur Oberfläche; ihre Zahl vermehrt sich beträchtlich durch Zuwachs von 322 den benachbarten Thallushyphen her. Der Durchbruch der jungen Anlage erfolgt im Wesentlichen ganz analog wie bei Physeia (Darbis- hire [8])'). Davon, dass die Trichogyne dem nachwachsenden Apotheeium den Weg als „Terrebrator“ vorbohre, ist auch bei Parmelia nichts zu sehen. Im Einzelnen finden sich allerdings in der weitern Aus- bildung der Apothecien manche Verschiedenheiten von Physica, ganz entsprechend dem etwas complieirteren Bau des Apotheeiums von P. Acetabulum, doch will ich hier nicht näher darauf eingehen. Anaptychia ciliaris (L.) Kbr. Wie zu erwarten war, liegen bei Anaptychia die Verhältnisse ganz ähnlich wie bei Physcia; ein Hinweis auf Fig. 2 genügt, um dies darzuthun; auch dem was Lindau (9) über Zahl, Zeit der Aus- bildung u. s. w. angibt, habe ich nichts hinzuzufügen. A. ciliaris dürfte für Flechtencarpogone ein sehr geeignetes Demonstrationsobject abgeben, da hier die Carpogone sehr gross sind und ziemlich frei liegen. Die Stellen, wo man an den jungen Lappen die Carpogone zu suchen hat, sind schon mit blossem Auge als kleine dunkle Höcker- chen zu erkennen. Physcia alba (Fee.) Müll. Arg. Von Ph. pulverulenta unterscheidet sich die brasilianische Ph. alba dadurch, dass die Carpogone tiefer, etwa in der Mitte des Markes liegen, im übrigen sind sie kaum von denen von Ph. pulverulenta verschieden. Pertusaria communis DC. Die Apotheeiumentwickelung von P. communis wurde 1882 von Krabbe (6) untersucht. Krabbe gibt für P. communis und leio- placa Folgendes an: „Die jüngsten von mir aufgefundenen Stadien be- standen aus wenigen, zu einem Knäuel verflochtenen Hyphen, an welchen trotz reichlichen, unmittelbar aus dem Freien geholten Materials nie etwas aufzufinden war, was auf einen voraufgegangenen Sexualact oder auf das Vorhandensein zweier Fasersysteme hätte schliessen lassen.“ Ich selbst untersuchte ausschliesslich Pertusaria communis und kam dabei zu einem von Krabbes Angaben doch wesentlich ab- weichenden Ergebniss. 1) Die Zahlen beziehen sich auf das Litteraturverzeichniss am Schluss der Arbeit. 823 Die ersten Anlagen der Apothecien finden sich hauptsächlich in den Randtheilen des Thallus, bei schwacher Vergrösserung fallen sie als dicht unter der Gonidienschicht liegende Hyphenknäuel ins Auge. Die Hyphen, die an dieser Knänelbildung” theilnehmen, sind weit- lumiger und dünnwandiger, ihr Plasma und ihre Kerne färben sich stärker mit Haemalaun als die übrigen Thallushyphen. Einzelne Zell- reihen zeigen diese Eigenschaften in besonders hohem Grade. Ein etwas älteres Stadium stellt Fig. 3 dar; in dem Hyphenknäuel lassen sich jetzt deutlich zweierlei verschiedene Elemente unterscheiden: die Ascogone und die Hüllhyphen. Die Ascogone sind bei Pertusaria sehr vielzellig, noch vielzelliger als bei Parmelia Acetabulum und wirr durcheinander geknotet. Stets liegen mehrere, bis zu 20 in einem Knänel beisammen und es ist ganz unmöglich ein einzelnes Ascogon in seinem ganzen Verlaufe zu verfolgen. Es ist mir daher auch nicht gelungen zu entscheiden, ob und wie die verschiedenen Ascogone untereinander zusammenhängen, ob sie alle von einer Trag- hyphe abstammen oder ob sie verschiedenen Hyphen aufsitzen. Die Ascogonzellen sind einkernig und 4—5y. lang, 3—4y breit. Die Untersuchung der Triehogynen machte lange Zeit grosse Schwierigkeiten, ich fand zwar sehr häufig Carpogongruppen, bei denen mehrere Trichogynen bis zur Gonidienschicht verfolgbar waren, aber Stadien, bei denen die Trichogynen die Thallusaussenfläche er- reichten, fand ich anfangs nie, meist verschwand der Trichogynfaden in der Gonidienschicht und nur an besonders günstigen Präparaten liess sich erkennen, dass eine ganz zusammengeschrumpfte, kaum noch erkennbare Zellreihe die Trichogyne noch ein Stück weit in die Rinde hinein fortsetzte. Ich glaubte schon, dass von Pertusaria überhaupt nie typische vollkommene Trichogyne ausgebildet würden, als ich durch eine Anzahl Bilder, wie Fig. 3, eines anderen belehrt wurde. Allem Anscheine nach sind aber die Trichogynen sehr kurzlebig und sterben bald von obenher ab, nur der unterste Theil bleibt lange r- halten. Die Trichogynzellen sind etwa 4—61 lang, 3—4y breit. Die Spitze ragt nur gerade eben über die Rinde hervor, ist aber von den meist todten Rindenhyphen durch ihren Plasmareichthum und ihre Dünnwandigkeit leicht zu unterscheiden. Auch Pertusaria communis trägt Car > W ‘ Jahres mit je einem Maximum der Häufigkeit im Herbst und im Frühjahr. . . Die Zahl der Carpogone ist in verschiedenen Thallis s j schieden, sie ist jedoch meist verhältnissmässig kleiner als man nac pogone während des ganzen ehr ver- 324 Analogie von Parmelia, Physcia u. s. w. erwarten sollte. Unent- wickelt wieder zu Grunde gehende Carpogone habe ich bei Pertusaria nie gesehen, wohl aber findet man immer junge Apothecien in den verschiedensten Stadien der Entwiekelung. Danach scheint sich also fast jede Carpogongruppe auch zu einem Apothecium weiter zu bilden. Ein Stück aus einer derartigen jungen Apotheciumanlage stellt Fig. 4 dar, die Triehogynen sind verschwunden, die Ascogone haben zahlreiche Aussprossungen getrieben. Es sind dies sehr sonderbare unregelmässig geformte, grosse, zartwandige Zellen mit körnigem, sehr vacuolreichem Plasma und einem grossen Kern. Diese „ascogenen Hyphen“ bilden ein von den Hüllbyphen zwar dicht durchflochtenes, aber doch scharf getrenntes Fasersystem für sich. Auch die Hüll- hyphen haben sich stark vermehrt und im obern Theil der Anlage mehr und mehr senkrecht zur Rinde gestellt; sie nehmen allmählich den Charakter von Paraphysen an. Die weitere Ausbildung zum fertigen Apothecium geht derart vor sich, dass sich zunächst eine aus besonders engverfilzten Hyphen bestehende Hülle entwickelt, während die Paraphysen etwas convergirend gegen die Rinde vorwachsen und auf einer kleinen Stelle sich zwischen die Rindenhyphen eindrängen. Das Apothecium erhält auf diese Weise eine Verbindung mit der Aussenfläche. Die ascogenen Hyphen haben inzwischen ein am Grunde des Apotheciums ausgebreitetes Netzwerk gebildet, als dessen Aussprossungen weiterhin die Asci entstehen (Fig. 5). Bis zu diesem Entwickelungsstadium zeigt also Pertusaria commu- nis nichts von andern Flechten sehr Abweichendes, wohl aber im weitern Verhalten der Apothecien. Wie schon Krabbe (t) angibt, sind diese nämlich im Stande, durch seitliche Aussprossungen secun- däre Apothecien zu bilden. Krabbe schildert den Vorgang folgen- dermaassen: „Hat die Pertusariafrucht mit ihrem Scheitel die Thallus- decke durchbrochen oder steht sie doch diesem Zeitpunkte nahe bevor, dann bilden sich an ihrer Peripherie dort, wo sich bei aus- geprägten differeneirten Apothecien oder besser Perithecien das Ex- eipulum proprium befinden würde, neue Vegetationsheerde, indem hier das Paraphysengewebe sich lebhaft zu verzweigen beginnt und so die Entwiekelung eines neuen Sprosses einleitet.“ ... „Der Thallus gibt anfänglich durch entsprechende Vergrösserung dem heranwach- senden Apotheciumsprosse nach, bis er endlich von diesem durch- wachsen wird. Wir haben nun innerhalb einer Thalluswarze zwei Sprosse, jeder mit einer besonderen Oeffnung im Thallus. Beide Sprosse stehen an ihrer Basis im Zusammenhang.“ ... „Das Schlauch- 325 fasergewebe des secundären Sprosses verdankt seinen Ursprung dem- jenigen des Muttersprosses.“ .... „Anstatt eines können auch im Um- kreise eines Apotheciums mehrere Neubildungen von Sprossen statt- finden.“ Ich kann diese Angaben in der Hauptsache nur bestätigen. Die Bildung von secundären Apothecien ist aber noch viel mannigfaltiger und geht ausserdem nicht, wie Krabbe angibt, von jungen noch lebhaft thätigen Apothecien aus, sondern hauptsächlich von solchen, die durch das Diekenwachsthum des Thallus allmählich zu weit in die Tiefe verlagert und dadurch zur Degeneration gezwungen sind. Die Sache liegt so: Während in der Randzone eines Pertusariathallus, wo die meisten Carpogone entwickelt werden, das Wachsthum haupt- sächlich in radiärer Richtung erfolgt, die Hyphen alle mehr oder weniger parallel der Unterlage verlaufen, findet im Centrum nur ein Wachsthum in die Dicke statt; der Hyphenverlauf ist hier senkrecht zur Unterlage. Das Diekenwachsthum geht am stärksten in einer Zone vor sich, die ungefähr mit der Gonidienschicht zusammenfällt. Die ursprünglich dicht unter der Gonidienschicht liegenden Apothecien kommen also dadurch immer tiefer in den Thallus hinein zu liegen und degeneriren früher oder später. Schon vorher haben aber die ascogenen Hyphen eine Art von Wanderung, unternommen. Betrachten wir zunächst den einfachsten Fall. Die ascogenen Hyphen wachsen hier an der einen Seitenwand des Apotheciums ein Stück nach oben, während sie rückwärtig absterben, breiten sie sich oben zu einem neuen Hypothecium aus, es entsteht also über dem alten Apothecium ein neues. Dieser Process wiederholt sich des öftern, man erhält auf diese Weise Bilder wie das in Fig. 6 dargestellte, wo das noch thätige Apotheeium oben auf den Resten seiner vorhergegangenen Genera- tionen sitzt. Dieses Weiterwachsen der ascogenen Hyphen kann, wie Fig. 7 zeigt, auch ganz seitab von dem Mutterapothecium erfolgen; indem sie stets in dem Maasse von rückwärts her absterben, wie sie an der Spitze weiterwachsen, können sie bis zu 2mm lange Strecken durch- wandern. An irgend einer Stelle breiten sie sich dann zu einem neuen Hypothecium aus; die hier liegenden vegetativen Hypben werden dadurch zu lebhaftem Wachsthum gereizt und bilden sich zu Hüllhyphen und Paraphysen um; es entsteht so ein neues Apothecium. Die Zahl der auf diese Weise durch secundäre Sprossung ent- stäandenen Apothecien ist 'grösser, als die Zahl der aus Carpogonen direct entstandenen. Wenn das Trichogyn, wie Lindau will, ein 826 Bohrer für das junge Apothecium ist, wesshalb bahnen sich denn all diese seeundären Apothecien ihren Weg nach aussen ohne „Terre- brator“, obgleich sie doch eine diekere und ältere Thallusschicht zu durchbrechen haben, als die aus Carpogonen entstehenden primären Apothecien ? Pyrenula nitida (Schrad.) Ach. Die sämmtliehen Flechten, von denen bisher die ersten Anfänge der Apothecien genauer bekannt sind, gehören zu den Discolichenen, es war daher von besonderem Interesse, diese Verhältnisse auch bei einem Vertreter der Pyrenolichenen klarzulegen. Nach den Ergeb- nissen der Untersuchung von Pyrenula scheint hierin ein tiefer gehen- der Unterschied zwischen den beiden Flechtengruppen nicht zu be- stehen. Auch bei Pyrenula sind die ascogenen Hyphen auf typische Carpogone zurückzuführen, die in ihrer Form und Gruppirung denen von Pertusaria noch am meisten ähnlich sind. Bekanntlich treten in einem Schnitt durch den Pyrenulathallus die Hyphen des Flechtenpilzes sehr zurück, gegenüber den grossen, dicht gedrängt liegenden Algenzellen; es gelingt in den mittleren Thallusschichten auf grosse Strecken hin oft nur schwer, diese Hyphen überhaupt zu sehen. Um so leichter wird die Auffindung der aus einem dichten Hyphenknäuel bestehenden ersten Anfänge der Peri- theeien. Meist liegen diese Hyphenknäuel etwa in gleicher Höhe mit den tiefsten Gonidien, oft aber auch noch unterhalb derselben. Schon sehr frühzeitig, lange ehe innerhalb der jungen Anlage die Differen- zirung der Ascogone beginnt, wächst ein dickes Hyphenbündel nach aussen; die Enden dieser Hyphen durchbohren die Rinde und er- reichen die Oberfläche. Diese Hyphen verhalten sich also gerade so, wie z. B. bei Pertusaria, Physeia u. s. w. die ersten Paraphysen, die dem Apothecium den Weg nach aussen bahnen. Die ganze An- lage nimmt dabei fortwährend an Grösse zu und wir erhalten so ein Stadium, wo sie schon ganz die äussere Form und fast ganz die Grösse eines Peritheciums zeigt, in ihrem Innern aber noch keine deutliche Differenzirung erkennen lässt. Erst jetzt treten in dem dicken Hyphenknäuel einzelne sehr dicke und kurzzellige Fäden auf, die Ascogone. Die einzelnen Ascogone sind nur wenigzellig und theils unregelmässig hin und her gebogen, wie in dem in Fig. 8 dargestellten Fall, theils auch ziemlich geradlinig verlaufend. Die einzelnen Zellen sind einkernig; sie sind 1—2y lang und etwa gleich breit. Ebenso findet man jetzt in dem gegen die Rinde zu gewachsenen Hyphenbündel einzelne dickere, plasmareichere Zellfäden, die Tricho- 827 gynen. Während aber dieses Hyphenbündel etwa in der Höhe der Rinde endigt und in seinem oberen Theil aus diekwandigen, ge- bräunten, sehr englumigen Zellen besteht, ragen die Trichogynspitzen weit — 5—10jp — über die Rinde hervor und behalten ihre relativ dünne Wand und ihren reichen Plasmagehalt bei. Wie bereits erwähnt, liegen in einer Peritheeiumanlage immer mehrere Carpogone zusammen, etwa 5—-10. Von allen andern bisher bekannten Flechtengattungen unterscheidet sich Pyrenula dadurch, dass sie nicht während des ganzen Jahres Carpogone ausbildet, sondern nur während der Monate Februar bis April. Obwohl ich eine grosse Zahl von Pyrenulathallis auch während der Sommer- und Herbstmonate untersuchte, gelang es mir nie, zu einer andern Zeit Carpogone zu finden. Zur Weiterentwickelung, zur Bildung von Perithecien scheinen bei Pyrenula so ziemlich alle junge Anlagen zu konımen, ich habe wenigstens nie etwas finden können, was den „verblühten“ Carpogonen von Parmelia u. a. analog gewesen wäre. Die Entwickelung der jungen Perithecien erfolgt verhältnissmässig rasch, innerhalb weniger Wochen. Auch hier verschwinden die Tricho- gynen, die Ascogone sprossen aus und bilden ein Geflecht von as00- genen Hyphen, die sich am Grunde der jungen Perithecien ausbreiten. Etwa gleichzeitig damit beginnt auch das aus dunkelbraun gefärbten engmaschigen Pleetenchym bestehende Gehäuse sich auszubilden. Secundäre Aussprossungen der Perithecien kommen bei Pyrenula nicht vor. Auf die Frage nach der Function der Flechtencarpogone bin ich bei den einzelnen Species absichtlich nicht eingegangen, ich möchte die Sexualitätsfrage im Zusammenhange besprechen. Es ist wohl nicht unangebracht, vorher einmal kurz zusammen- zufassen, was bislang über das Vorkommen von Carpogonen bei Flechten bekannt ist. Alles in allem sind erst etwa zwei Dutzend Gattungen daraufhin untersucht worden, theilweise allerdings schon vor langer Zeit!) und noch mit der denkbar einfachsten Technik. Wir haben danach folgendes: er di Vollkommen typische Carpogone, mit Ascogon und einer F Rinde durchbohrenden Trichogyne sind zweifellos nachgewiesen un 1) Arbeiten, die aus der Zeit vor der Entdeckung der Collemacsencarpogon® stammen, habe ich ganz unberücksichtigt gelassen; ihre Resultate können kaum mehr verwertet werden. 328 beschrieben für: Anaptychia (Lindau [9]), Physcia (Lindau [9]), Darbishire [3] (Mäule [12], Parmelia, Ramalina (Lindau [9]), Placodium (Lindau [9]), Leeanora (Lindau [9]), Pertusaria, Gyrophora (Lindau [10], Pyrenula, Collema (Stahl [15], Borzi [2] u. a.), Leptogium (Stahl [15], Borzi [2] u. a.), Syne- choblastus (Stahl [15], Borzi [2] u. a.), Physma (Stahl [15], Borzi [2] u. a); Lepidocollema (Zukal [18]). Typische Carpogone sollen ferner bei den folgenden Gattungen ausgebildet werden, sind aber noch nicht zweifellos nachgewiesen: Usnea (Wainio [17], Xanthoria (Lindau [9]), Lecidella (Lin- dau [9]), Pyrenopsis (Wainio [17]), Coceocarpia (Wainio [17]), Sphaerophoropsis (Wainio [17]), Pseudopyrenula (Wainio [17)), Cladonia (Wainio [17] und [18]). Nur Ascogone, aber keine Trichogynen sollen sich finden bei: Peltigera (Fünfstück [4]), Peltidea (Fünfstück [4], Nephroma (Fünfstück [4]). Ganz ohne vorhergehende Ausbildung eines Ascogons, indem ohne Weiteres einige gewöhnliche vegetative Hyphen sich in asco- gene Hyphen umwandeln, sollen folgende Gattungen ihre Apothecien entwickeln: Sphyridium (Krabbe [6], Calicium (Neubner [11]), Phlyetis (Krabbe [6])), Phialopsis (Krabbe [6]), Gladonia (Krabbe [6, 7 und 8)). Auch für Pertusaria und Gyrophora, bei denen jetzt durch Lin- dau und mich die Carpogone nachgewiesen sind, hatte Krabbe eine derartige Entstehungsweise der Apothecien angegeben. Das zeigt, wie vorsichtig man diese negativen Resultate auffassen muss. Ob überhaupt bei den Flechtenascomyceten diese letztgenannte Ent- stehungsweise der Apothecien häufiger vorkommt, ist höchst zweifel- haft. Jedenfalls gehen wir wohl nicht fehl, wenn wir annehmen, dass bei weitaus den meisten Flechten die ascogenen Hyphen von einem Carpogon ihren Ursprung herleiten, das analog dem von Collema ge- baut ist. Für Collema scheint mir die Annahme einer Sexualität kaum mehr abweisbar zu sein.!) Kurz gefasst liegen die Verhältnisse hier ja wohl folgendermaassen: Collema bildet sehr zahlreiche Carpogone aus, viel mehr, als später zu Apotheeien werden, Was haben diese wenigen Carpogone, die zur Weiterentwickelung gelangen, vor all den anderen voraus? Was hat diese scheinbare Vergeudung von Nährstoffen für 1) Vergl. Stahl (15), Baur (1). 329 einen Zweck? Ich weiss keine andere Antwort auf diese Fragen, als die, dass die Carpogone von sich allein aus sich nicht weiter ent- wickeln können, sondern dass sie dazu eines von aussen kommenden Reizes bedürfen. Ausnahmslos geht der Weiterentwickelung eines Carpogons eine von aussen nach innen forschreitende Durchbohrung und Verquellung der Trichogynquerwände voraus und ebenso regelmässig finden wir an allen Trichogynspitzen, deren zugehöriges Ascogon die Apotheeium- bildung beginnt, ein untrennbar fest anhaftendes Spermatium, das seinen Inhalt entleert hat. An allen den vielen Carpogonen, die der Rückbildung anheimfallen, ohne sich weiter zu entwickeln, ist dies nie der Fall. Jeder Unbefangene muss daraus den Schluss ziehen, dass der für die Weiterentwickelung eines Carpogons nöthige Reiz nichts anderes sein kann, als die Copulation mit einem Sper- matium. Die Deutung der Spermatien als männliche Sexualzellen scheint ja nun freilich durch Möllers (13) Keimungsversuche unmöglich ge- macht zu sein. Möller gelang es bekanntlich, die „Spermatien* einiger Arten von Buellia, Opegrapha und Calicium in Nährlösungen zum Keimen zu bringen. Aus den Spermatien entwickelten sich junge Thalli ebenso gut wie aus den Ascosporen. Daraus zog Möller den Schluss, dass überhaupt alle Flechtenspermatien nichts anderes seien als Pyknosporen. Ich will gerne zugeben, dass die auch durch ihre Grösse und Form etwas abweichenden „Spermatien“ der genannten und vielleicht auch mancher andern Flechten keine Spermatien, son- dern Pyknosporen oder doch apogam gewordene Spermatien sind, aber man darf dies doch nicht für alle Flechtenspermatien verallge- meinern. In einer spätern Arbeit (14) berichtet Möller allerdings, dass es ihm gelungen sei, auch die Spermatien von Collema miero- phyllum zum Keimen zu bringen. Sehr langsam, im Laufe von vier Monaten, wuchsen die Spermatien dieser Species zu einem kurzen, aber verzweigten Schlauche aus, Ob man dies Keimung nennen darf, ist mir zweifelhaft, jedenfalls beweist ein derartiges kümmerliches Auswachsen nichis gegen die Auffassung der Spermatien als männ- liche Sexualzellen. Aber auch für den Fall, dass es mit dieser Keimung doch seine Richtigkeit hätte, stünde diese „Keimung der männlichen Sexualzellen“ nicht einzig da, ich erinnere nur, wie dies erst neuerdings wieder Solms!) gethan hat, an die Gameten von Eetocarpus und Ulothrix. 1) Bot, Zeitung 1900 Nr. 24, 330 Die Frage nach der Sexualität liegt bei Collema meines Er- achtens nicht anders, als bei den Laboulbeniaceen, auch dort hat man nur das Anhaften von Spermatien gesehen; den ganzen Sexualact selbst hat noch niemand verfolgt und doch zweifelt an der Sexualität der Laboulbeniaceen wohl niemand. Im wesentlichen dieselbe Sachlage haben wir auch bei Parmelia. Wie schon erwähnt, können wir annehmen, dass ein etwa 1qdm grosser Thallus etwa 125 entwickelungsfähige Carpogone trägt, an- dererseits beträgt in einem solchen Thallus der jährliche Zuwachs an Apothecien höchstens zehn. Selbst wenn man nun annimmt, dass eine Carpogongruppe ihre Entwickelungsfähigkeit ein ganzes Jahr be- hält, was doch sicher nicht zu kurz angenommen ist, kommt man zu dem Ergebniss, dass nur eine Carpogongruppe von sechsen sich zu einem Apothedium entwickelt. Wie bei Collema muss man also auch hier zu dem Schlusse kommen, dass die Carpogone eines von aussen kommenden Reizes bedürfen, um sich zu einem Apotheeium weiter bilden zu können, und dies kann ja wohl nicht gut etwas anderes sein, als die Befruchtung durch ein Spermatium. Schwer verständlich ist mir nur, wesshalb die Befruchtung bloss bei so wenigen Trichogynen erfolgt. Parmelia Acetabulum trägt sehr zahlreiche Spermogonien; die Oeffnungen derselben liegen überall zwischen den Trichogynspitzen. Danach muss also entweder Kreuz- befruchtung nöthig sein oder aber die Spermatien haben mit der Weiterentwickelung der Carpogone nichts zu thun. Dass nur diese beiden Möglichkeiten vorhanden sind, will ich nicht ableugnen. Directe Beobachtungen über den Sexualact bei Parmelia zu machen, gelang mir nicht; die Aussichten, dass dies gelingen könnte, sind allerdings auch äusserst gering, wie folgende einfache Berech- nung ergibt: An zehn Stellen findet nach unserer früheren Fest- stellung in einem lgqdm grossen Thallus während eines ganzen Jahres je ein Sexualact statt. Angenommen, der eigentliche Befruch- tungsvorgang dauere zwei Tage, müssten wir einen ganzen Flechten- thallus in Schnittserien zerlegen, um nur mit einer Wahrscheinlich- keit von 1 gegen 17 darauf rechnen zu können, dass wir ein einziges Befruchtungsstadium finden. So viele Schnitte fertig herzustellen und zu durchsuchen, wäre schon mit Paraffinserien eine heillose Arbeit, mit Celloidinschnitten ist es vollends nicht ausführbar. Ganz ähnliche Ueberlegungen wie für Parmelia lassen sich auch für Physcia und Anaptychia anstellen. Entsprechend der viel grössern Zahl von jährlich neugebildeten Apothecien sind hier jedoch die Aus- 331 sichten auf eine Beobachtung des Sexualactes etwas besser, sehr ge- ring sind sie aber trotzdem noch. Wie es mit der Sexualität von Pyrenula steht, ist vorläufig schwer zu entscheiden. Die grosse Zahl und kurze Blüthezeit der Carpogone lässt hier wohl noch am ehesten eine Verfolgung des Befruchtungs- vorganges möglich erscheinen ; dem stellt aber die sehr geringe Grösse der Carpogone ein fast unübersteigliches Hinderniss in den Weg. Von besonderem Interesse sind die Erscheinungen bei Pertusaria. Wir sehen, dass die ascogenen Hyphen sozusagen wie ein fremder Organismus im Körper der Flechte leben, sie bilden eine eigene Generation für sich, einen Pertusariasporophyten. Der Analogieschluss, dass auch dieser Sporophyt seinen Ursprung einem Sexualact ver- dankt, liegt wohl nahe genug. Mit Pertusaria verglichen, werden jetzt auch die Erscheinungen bei Cladonia leichter verständlich. Die An- gaben Wainio’s (16) (17), dass die ascogenen Hyphen auch bei Cla- donia in letzter Linie auf Carpogone zurückzuführen seien, die in den jungen T'hallusschuppen liegen, gewinnt sehr an Wahrscheinlichkeit. Auf alle die Consequenzen einzugehen, die die Annahme einer Sexualität der Flechten nach sich zieht, das wäre ja wohl noch etwas verfrüht. Ausserdem könnte ich mich doch nur in jeder Hinsicht dem anschliessen, was Harper (5) in seiner letzten Pyronema-Arbeit ausführt. Er behandelt die wichtigsten hierher gehörenden Fragen von einem so ähnlichen Standpunkte aus und so klar und gründlich, dass ich seinen Ausführungen doch nur Weniges hinzuzufügen hätte. Litteratur. 1. Baur E., Zur Frage nach der Sexualität der Collemaceen. Ber. d. d. bot. Ges. 1898. 2. Borzi, Studii sulla sessualitä degli ascomiceti. italiano. Genova 1878. 3. Darbishire O, V., Ueber die Apothecium-Entwickelung der Flechte Physcia pulverulenta (Schreb.) Nyl. Pringsh. Jahrbücher 34, 329. . 4. Fünfstück, Beiträge zur Entwiekelungsgeschichte der Lichenen. Jahrbücher des kgl. botanischen Gartens zu Berlin. Bd. III, 1884. 5. Harper R. A., Sexual reproduction in Pyronema eonfluens and the morpho- logy of the ascocarp. Annals of Botany 1900. 6. Krabbe G., Entwickelung, Sprossung und Theilung einiger Flechtenapothecien. Nuovo gjornale botanico Botan, Zeitung, 1882. . , . Ber. d.d 7. — — Morphologie und Entwickelungsgeschichte der Cladonien. Ber. d. d. bot. Ges. Bd. I, 1884. \ 8 — — Entwiekelungsgeschichte und Morphologie der polymorphen Flechten- gattung Cledonia. Leipzig, 1891. 332 9. Lindau @., Ueber Aniage und Entwickelung einiger Flechtenapothecien. Flora 1888. 10. — — Beiträge zur Kenntniss der Gattung Gyrophora. Festschrift für Schwen- dener. Berlin 1899. 11. Neubner E., Untersuchungen über den Thallus und die Fruchtanfänge der Calicieen. Plauen i. V. 1898. 12. Mäule, Ueber die Fruchtanlage bei Physcia pulverulenta. Ber. d. d. bot. Ges. 1891. 13. Möller, Ueber die Cultur fechtenbildender Ascomyceten ohne Algen. Unter- suchungen aus dem bot. Institut der kgl. Akademie zu Münster. 1887. 14. — — Ueber die sogenannten Spermatien der Ascomyceten. Bot. Zeitung 1888. 15. Stahl E., Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Flechten. Heft I: Ueber die geschlechtliche Fortpflanzung der Collemaceen. Leipzig 1877. 16, Wainio, Tutkimus Cladoniain phylogenetillisestä. Hessingissae 1879. 17. — — Etude sur la classification naturelle et la morphologie des Lichens de Bresil. Helsingfors 1890. 18. Zukal, Untersuchungen über Flechten. 1. Abhandlung. Taf. III. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wissensch. in Wien. Math.-naturw. Classe. Bd. CIV, 1895. Figurenerklärung. Fig. 1. Parmelia Acetabulum. Carpogongruppe. Vergr. 700. Fig. 2. Anaptychia eiliaris Carpogon. (Die Zellwände der Thallushyphen sind nur in der Rinde mitgezeichnet). Vergr. 1200. Fig. 3. Pertusaria communis Carpogengruppe. (Zellwände nicht mitgezeichnet.) Vergr. 500. Fig. 4. Pertusaria communis. Ascogene Hyphen in einer jungen Apotheeiuman- lage (Zellwände nicht gezeichnet). Vergr. 1200. Fig. 5. Desgleichen. Beginn der Aseusbildung. Vergr. 1200, Fig. 6, 7. Pertusaria communis. Sprossung der Apothecien. Verg. 80. Fig. 8. Pyrenula nitida Carpogongruppe. (Zellwände nicht gezeichnet). Vergr. 1000. Beiträge zur Biologie der Erysipheen. Von F. W. Neger. Hiezu Tafel XV und XVI. 1. Mittheilung. Einleitung und allgemeiner Theil. Angeregt durch zufällige Beobachtungen in der freien Natur suchte ich in den Handbüchern über einzelne mir unklare Punkte in der Lebensgeschichte einiger Mehltaupilze Aufschluss zu erhalten und machte dabei die überraschende Wahrnehmung, dass über diesen Gegenstand nur sehr wenige und höchstens vereinzelte, zum Theil auch wenig glaubhafte Beobachtungen vorliegen. Die eigenartigen Wachsthumsverhältnisse dieser Pilze aber, nämlich die Ausbildung von Fruchtkörpern ausserhalb der Wirthpflanze trotz der streng para- sitären Lebensweise und die lose Befestigung derselben am Substrat mit Hilfe eines zarten Mycels lassen erwarten, dass hier Einrichtungen bestehen, welche den Fruchtkörpern entweder einen festeren Halt verleihen oder, was für eine weite Verbreitung der Pilze wohl noch zweckdienlicher ist, aus der losen Befestigung der Fruchtkörper an der Wirthpflanze Nutzen ziehend, den letzteren noch vor der Sporen- reife eine Uebertragung auf andere Substrate ermöglichen. Wie wenig über diesen Punkt bisher bekannt ist, mag aus der nachfolgen- den kurzen Zusammenstellung hervorgehen. Leveill& sagt in seiner Monographie der Erysipheen '): J’ai dit que ces organes paraissent remplir les fonctions de petits leviers; en effet on les voit dans les derniers moments de la vie des Erysiphes se replier en bas, soulever legerement les conceptacles et m&mes quelquefois les renverser sens dessus dessous. Ce changement de position exdeutd il devraient conserver la m&me direction; il n’est rien; sur un grand nombre d’especes elle est dans un sens oppose. Il n’est pas rare de les voir flechis en haut et en bas sur une meme espece. Quoique telle ou telle direction paraisse constante dans plu- sieurs, je ne crois pas que l’on puisse toujours y trouver un charac- tere specifique, parce quil arrive souvent que les conceptacles restent adherents au myeelium. C’est le cas des Erysiphes proprements dits“. 1) Annales de sciences naturelles Ser. III, tom. 15. (1851) Flora 1901. 23 334 In Tulasne’s Carpologia!) finden wir nur hie und da einzelne Andeutungen, z. B. pag. 197 bei Uncinula Aceris: „fructus quavis- cunque causa avulsi saepissime invertuntur byssoque natali appendi- cularum gratia haerent, donee iterum divellantur“, ferner pag. 199 mit Bezug auf Uncinula Salicis: „Conceptacula permulta nondum matura appendieulis ut plurimum rectis et abbreviatis ornata, cum foliis, quibus haerent autumni sub finem deeiduunt* (übrigens, wie ich später zeigen werde, nicht ganz richtig). Weder in De Bary’s Morphologie und Physiologie der Pilze, noch in der vortrefflichen Abhandlung des gleichen Verfassers: kuro- tium, Erysiphe und Cicinnobolus in Abhandl. der Senkenb. naturf. Ges. Band VII (1870), ist davon die Rede, welches Schicksal der reifenden Perithecien nach dem Absterben des Muttermycels harrt. Zopf?) bezeichnet die haarartigen Anhängsel der Peritheeien kurz als zur Oeffnung der Fruchtkörper beitragend, ohne indessen auf den Gegenstand weiter einzugehen. Dass die Anhängsel der meisten Erysiphe-Arten mit dem Mycel mehr oder weniger verwoben sind und dadurch ein Abfallen der Fruchtkörper von der Wirthpflanze verhindern, ist in den meisten Werken, z. B. Engler-Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien, Rabenhorst, Kryptogamenflora etec., als systematisches Merkmal verwerthet. Die in einigen Pilzwerken für die Anhängsel gebrauchte Bezeichnung „Stützfäden“ ?) setzt die Annahme einer haftorganähnlichen Function dieser Gebilde voraus. In einigen Publicationen von Magnus finde ich Andeutungen über die biologische Bedeutung der Anhängsel; z. B. sagt derselbe von der von ihm neuaufgestellten Art: Mierosphaera Bornmülleriana *) (nach Salmon = Erysiphe taurica Lev.): „Die Perithecien sind an ihrer Basis von einem dichten Kranze von Anhängseln umgeben, deren Höhe etwa den Durchmesser der Perithecien erreicht. Die Appendieulae sind in der für Microsphaera charakteristischen Weise 2—3 Mal dichotom oder trichotom getheilt....... Während aber bei allen anderen Microsphaera-Arten, die ich kenne, die Appendiculae einzeln frei von einander von Perithecien abstehen, verflechten sie sich hier zu einem dichten Filz mit einander, der die Basis des Peri- theciums umgibt und die Perithecien etwas emporhebt.* (Uebrigens 1) Tom. I. 2) Zopf, Die Pilze, pag. 69. 3) 2. B. in v. Tubeuf, Pflanzenkrankheiten pag. 188. 4) J. Bornmüller, Iter persico-tureicum 1892--98. {Verh. d. k. k. zool. bot. Ges., Wien 49. pag. 100. " 885 erfolgt bei dieser Art, wie ich später zeigen werde, thatsächlich keine Ablösung der Peritheeien.) Auch Salmon, welcher in seiner Mono- graphie der Erysipheen !) mit vielem Fleiss die Angaben der Litteratur gesammelt hat, weiss in dem „Morphology and Lifehistory“ betitelten Kapitel nur wenig über das Verhalten der reifen Peritheeien mitzu- theilen. Er sagt pag. 3: „The function of this secondary mycelium is, generally, to secure the attachement of the peritheeium to the substratum; in the Erysiphaceae the outgrouths have apparently been specially modified for purposes of distribution“ (in welcher Weise gibt er nicht an), ferner pag. 8: „It is difficult to say definitely what part the appendages play in the life-history of the Erysiphaceae, although it is generaly supposed that they are concerned with the distribution of the perithecia.“ Für Phyllactinia, bei welcher die frühzeitige Los- lösung der Peritheeien vom Muttermycel am meisten auffällt, liegen schon von Tulasne einzelne Beobachtungen vor (l. e. pag. 196 und Tab. I, Fig. 2). Die pinselartigen Auswüchse am Scheitel der Peri- thecien haben die verschiedenartigsten Deutungen erfahren’). Auf 1) Memoirs of the Torrey botanical Club. Vol. IX (1900). 2) Wallroth (Naturgeschichte des Mucor Erysiphe I.: Verh. d. Berl, Ges. Naturfreunde 1 [1819] pag. 42—43) hielt dieselben für den durch eine scheitel- ständige Oeffnung austretenden Peritheeieninhalt, welche Auffassung ‚auch von Link (Wildenow, Spec. plantarum VI, pt. 1 [1824] pag. 116) getheilt wurde. Nägeli beschrieb im Jahr 1942 die Pinselzellen als Organe eines auf Phyllaetinia schmarotzenden Pilzes, welchen er Schinzia penicillata nannte (Botanische Beiträge: Linnaea XVI [1842] pag. 280—285, tab. XI, f. 18-21). Rabenhorst taufte den vermeintlichen Pilz um in Naegelia (Deutschlands Kryptogamenflora I [1884] pag. 85), während ihn Bonorden als zur Gattung Caeoma gehörig bezeichnete (Handbuch der allgemeinen Mycologie [1851] pag. 41). Später änderte der Jetztere Autor seine Ansicht dahin, dass er die Pinselzellen als im Innern des Peritheeiums entspringend darstellt und sie als ein die Sporenabschleuderung vermittelndes Organ auffasst. (Bau der Alphitomorpha guttata [Lev.] nebst Bemerkungen: Dan Zeitung XV [1857] pag. 193—199, tab. 4A.) Tulasne stellt die Pinselzellen zwar richtig dar, als aus der Oberseite der Peritheeienwand ihren Vrprung nehmend (Sel. Fung. Carpol. I [1861] tab. I u. a. Publicationen in Bot. eitung XI und Ann. Seiene. nat. Ser. IV, tom. VI), kann aber für ihre Function keins befriedigende Erklärung finden. In neuerer Zeit hat Vuillemin (Sur les ie “ penieillös du perithöce des Erysipdes: Revue Myeologique XLY n2l nes] Be bis 62, tab. CLXI) die 2. Deutung Bonordens gutgeheisson, v“ von Kay Magnus (Die Erysipheen Tirols: Ber. Naturw.-med. Verein. Inns u an [1898] pag. 23—25 [Sep.-A.]) zu der Auffassung Nägeli 8, dam vo Kr un einen parasitischen Pilz handle, bekennt. Atkinson (Some ep on Carolina and Alabama; Journ. Elisha Mitch, Science Soc. vu [1891] R Ad 61--73) endlich bezeichnet die fraglichen Gebilde als Anhängsel der Peri wand, ohne sich über ihre Function zu äussern. gar 886 ihre Punction als Haftorgane zur Befestigung an einem secundären ‘ Substrat habe ich im vorigen Jahr hingewiesen '); kurz nach meiner im Botanischen Centralblatt Bd. 80 (1899) pag. 11 erschienenen vor- läufigen Mittheilung und vollkommen unabhängig davon veröffentlichte Salmon eine kurze Notiz2), laut welcher er zu dem gleichen Resultat gelangt war wie ich, nur dass er irriger Weise die Pinsel- zellen an der Unterseite der Peritheeien entstehend darstellte. Offen- bar hatten demselben zur Untersuchung Perithecien vorgelegen, welche mit ihren Pinselzellen schon an einem secundären Substrat befestigt waren, Ueber die die Pinselzellen bedeckende zellige Haut, welche Tulasne?) gesehen zu haben behauptet, sowie über den Mechanis- mus der Bewegung der strahligen Anhängsel von Phyllactinia sprechen sich weder Salmon noch andere Beobachter aus. Aus dieser Zusamnienstellung dessen, was bisher bekannt ist, geht hervor, dass systematisch durchgeführte Untersuchungen über das Schicksal der reifen Erysipheenperithecien, sowie über die Mittel, deren sich die Natur zur Loslösung oder Befestigung derselben an dem ursprünglichen, resp. einem fremden Substrat bedient, interessante Resultate zu geben versprechen. In der That bestehen, wie ich im Folgenden zeigen werde, für eine Anzahl von Mehlthaupilzen eigenthümliche Einrichtungen, durch welche die Fruchtkörper, wenn sie volle Grösse erreicht haben, vom ursprünglichen Substrat befreit werden, um die Wanderung in die Welt anzutreten, wobei denselben in der Regel der Wind, hie und da wohl auch Wasser oder Thiere als Transportmittel dienen. Die Reife und Entleerung der Sporen tritt bei diesen Pilzen be- kanntlich, wie Wolf®), Galloway°) und andere Forscher gezeigt haben, erst nach einer Ruheperiode von mehreren Monaten ein, also erst, wenn die Perithecien vom Entstehungsort schon mehr oder weniger weit entfernt sind. Es ist kein Zweifel, dass die Winter- sporen zahlreicher Erysipheen (bei welchen jene Verbreitungseinricht- ungen bestehen) dadurch denjenigen der meisten anderen Pilze gegen- 1) Neger, Zur Kenntniss der Gattung Phyllactinia (Ber. d. d. Bot. Ges. Bd. 17 [1899] pag. 235). 2) On certain structures in Phyllacinia (I. of Bot. 37 [1899] pag. 449). 3) Carpologia I pag. 195: „Constat e membrana cellulosa, tenuissima, qua utrieuli crassi . ... velantur*“, 4) Wolf, Keimung der Ascosporen von Erysiphe graminis Lev. (Bot. Ztg. [1874], pag. 188, 5) Galloway, Observations on the development of Uncinula spiralis. Bota- nical Gazette. Vol. 20 (1895) pag. 486. Pe 337 über im Vortheil sind, bei welchen der Fruchtkörper gewöhnlich am Entstehungsort verharrt und nur den freigewordenen Sporen die Auf. gabe zufällt, die Art zu verbreiten.!) Dieser Umstand, sowie die ausserordentliche Fruchtbarkeit, welche die meisten Mehlthaupilze bei der Bildung der Sonimersprossen (Conidien) an den Tag legen, mögen nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass diese Pilze eine so universelle Verbreitung erlangt haben. Sind doch manche von ihnen geradezu als Kosmopoliten zu bezeichnen. Wesentlich wird diese Verbreitungsfähigkeit noch dadurch ge- fördert, dass viele Erysipheen — wenigstens nach unseren heutigen Anschauungen — die Fähigkeit besitzen, auf den verschiedensten Nährpflanzen zu schmarotzen. So gibt z. B. Salmon?) für Erysiphe communis nicht weniger als 190 verschiedene Arten von Wirthpflanzen (zu 89 Gattungen ge- hörend) an. Freilich, ob diese Anschauung berechtigt ist, ist bis heute durch nichts bewiesen. Es liegen nämlich nur ganz vereinzelte auf Culturversuche begründete Bestätigungen ?) dieser gewöhnlich in extenso angenommenen Voraussetzung vor, was um so mehr auffallen muss, als doch bei anderen Pilzfamilien, z. B. den Uredineen, trotz der dort bestehenden grösseren Schwierigkeiten, die Frage der Wirth- zugehörigkeit für eine grosse Anzahl von Arten durch experimentelle Untersuchungen klargelegt worden ist. Salmon hat kürzlich in seiner „Monographie“ — in gewiss vom rein systematischen Standpunkt zu billigender Weise — die Zahl der Erysipheenarten ganz bedeutend beschränkt, indem er — in Er- mangelung besserer, von rein morphologischen Gesichtspunkten aus- gehend — eine grosse Anzahl bisher getrennt gehaltener Arten zu- sammenzog. on . Inwieweit dieses summarische Verfahren berechtigt ist, muss die Zukunft lehren. Hieraus ergibt sich aber das zweite, einer Lösung dringend bedürftige Problem: „Welche der bisher aufgestellten, u morphologische Merkmale begründeten Erysipheenarten erweisen Fa physiologisch. als solche? oder um die von Rostrup bei den Ure- 1) Diese „wirksamere Verbreitung* der Sporen erinnert an ähnliche Yorginge bei Phytophthora infestans und verwandten Pilzen, wo bekanntlich die „Poren vom Wind verbreitet werden und sodann in Wasser als Schwärmsporangien keimen. 2) Monograph. pag. 22. , 3) Ma gms hat, die Identität der auf Hopfen lebenden Sphaerotheca Castagneı mit der auf Turazacum officinale wachsenden Sphaerotheca durch Infectionsver- suche bewiesen (Ber. d. d. Bot. Ges. Bd. XVI, 1898. pag. 69). 338 dineen angewandte Bezeichnung zu gebrauchen: „Werden nicht viele der bisher als morphologisch gleich erkannten Formen in „biologische“ Arten aufzulösen sein? Palla hat diese Vermuthung schon gelegentlich für Phyllactinia ’) ausgesprochen, ebenso wie auch Eriksson?) glaubt, dass die Specia- lisirung des Parasitismus (von ihm bekanntlich bei den Getreiderost- pilzen in mustergiltiger Weise ermittelt) eine auch anderen Pilzgruppen ausser den Uredineen zukommende Eigenthümlichkeit sei. Ferner wird es voraussichtlich, analog den bei den Uredineen gemachten Er- fahrungen, möglich sein, gewisse morphologische Arten in „Gewohn- heitsrassen® im Sinn von Magnus zu zerlegen. Wenn Sphaerotheca Castagnei auf einzelnen Pflanzen, z. B. Epilobium, nur selten zur Peritheeienbildung gelangt, auf anderen hingegen, z. B. Comarum palustre, reichlich Schlauchfrüchte entwickelt, so erinnert uns dies an die von Pazschke°) mitgetheilte Beobachtung, dass Puceinia au- stralis auf Sedum acre und S. Coloniense nur äusserst spärlich, auf Sedum reflerum dagegen reichlich Aecidien bildet. Eriksson®) hat bei Aufzählung einer Anzahl von Erysipheen, welche er nur in der Oidiumform beobachtet hat, einen solchen auf Erica-Arten vorkommenden Mehltau als neue Art: Oidium ericinum Erikss. beschrieben. Ich möchte die Gelegenheit ergreifen, darauf hinzuweisen, dass es durchaus verfehlt ist, bei der — ohnehin problematischen — Auf- stellung neuer Oidium-Arten die Gestalt und Grösse der Conidien als Charaktereigenschaft der Art anzuführen (wie dies auch Eriks- son im vorliegenden Fall gethan hat), Gestalt und Grösse sind nämlich ein durchaus inconstantes Merk- mal der Erysipheen-Oonidien, wie aus den folgenden Thatsachen her- vorgeht. Die Conidien von Uncinula Aceris zeigen je nach den Wachsthumsbedingungen (feuchter oder trockener Umgebung) ver- schiedene Gestalt; in trockener Luft entstandene Sporen sind lang 1) Palla, Ueber die Gattung Phyllaetinia. (Ber. d. d. Bot. Ges. Bd. XV [1899], pag. 67.) 2) Eriksson, Ueber Specialisirung des Parasitismus bei den Getreiderost- pilzen. (Ber. d. d. Bot. Ges. Bd. XII [1894], pag. 292). 3) Pazschke, Ueber das Aecidium von Puceinia australis Körn. (Hedwigia Bd, 33 [1899], pag. 84). 4) Eriksson, Bidrag till kännedomen om vära odlade växters sjukdomar 1 (als Referat des Autors im Bot. Centralbl. Bd. XXVI [1886], pag. 335). Ps 839 und schlank, während sie in feuchter Umgebung mehr abgerundete und gedrungene Formen zeigen und prall mit Vacuolen gefüllt sind. Auch das Nährsubstrat scheint Einfluss zu haben auf die äussere Ge- stalt der Conidien: Ich übertrug Conidien von Erysiphe communis, welche auf Ranunculus sp. entstanden waren, auf eine vollkommen gesunde, unter einer Glasglocke stehende Pflanze von Galium silvati- cum; die Infection gelang; nach einigen Tagen trug das Galium Rasen von Conidienträgern. Der Vergleich ergab, dass die Conidien auf Galium beträchtlich länger waren als diejenigen auf Ranunculus. Aehnliche Beobachtungen sind übrigens auch schon in der Natur ge- macht, aber noch nicht genügend beachtet worden. Nach Salmon‘') sollen die Conidien des europäischen Oidium Tuckeri länger sein als diejenigen des amerikanischen, obwohl beide, wie allgemein ange- nommen wird, zur gleichen Uncinula (U. necator) gehören. Während also kein Zweifel darüber bestehen kann, dass sich die Form der Conidien als ein wenig constantes Merkmal zur Charak- terisirung der betreffenden Mehltaupilze nicht eignet, machte ich eine andere Beobachtung, welche die Möglichkeit zu gewähren scheint, wenigstens einzelne Gattungen auf Grund der Beobachtung des Coni- dienstadiums auseinander zu halten. Zopf?) hat bekanntlich in den Conidien einiger Brysipheen eigenthümlich geformte Inhaltskörper entdeckt, welche er Fibrosin- körper nannte. Trotz vieler Versuche gelang es mir ebensowenig wie dem Ent- decker, eine charakteristische Farbenreaction dieser oft ausserordent- lich kleinen Gebilde ausfindig zu machen. Der Nachweis derselben wird häufig noch dadurch erschwert, dass in Conidien, welche mit Vacuolen prall gefüllt sind, die Fibrosinkörper in der Regel an der mehr oder weniger polygonalen Grenze benachbarter gegen ‚einander pressender Vacuolen liegen und dann kaum zu erkennen sind. Bie können indessen sichtbar gemacht werden, wenn man zu den Conidien verdünnte Schwefelsäure fliessen lässt, wodurch die Vaeuolen ver- schwinden und der plasmatische Zellinhalt — nach kurzer voriber gehender Schrumpfung — ziemlich homogen erscheint, In densel! en hie und da eingebettet, treten die Fibrosinkörper mehr oder wonger deulich hervor. Schon Zopf weist (l. c. pag. 280) darauf hin, dass 1) Monograph. pag. 103. hend 2) Zopf, Ueber einen neuen Inhaltskörper In pflanzlichen Zellen. Ber d. Bot, Ges. V, (1887), pag. 275. 340 die Fibrosinkörper bei verschiedenen Erysipheen in verschiedener Grösse auftreten. Ich kann diese Beobachtung dahin bestätigen, dass bei einzelnen Arten die Fibrosinkörper zu fehlen scheinen oder wenig- stens in so verschwindender Kleinheit vorhanden sind, dass sie kaum mehr mit Sicherheit als solche identificirt werden können. Weiter- hin beobachtete ich, dass die genannten Inhaltskörper in deutlich er- kennbarer Grösse nur in den Conidien der folgenden Gattungen vor- kommen: Sphaerotheca, Uncinula und Podosphaera. (Untersucht wurden: S. Castagnei, $. pannosa, U. Aceris, U. Salicis, Podosphaera tridac- tyla). Hingegen scheinen die Fibrosinkörper zu fehlen (oder wenig- stens verschwindend klein zu sein) bei Zrysiphe und Microsphaera. (Untersucht: Erysiphe communis auf Galium, Ranunculus, Hypericum, Trifolium, Lactuca, Senecio, Erys. Linkü auf Artemisia, E. Üichoria- cearum auf Asperugo, Microsphaera Evonymi auf Evonymus europaeus, M. Grossulariae auf Ribes). In sehr geringer Grösse, wenn auch noch deutlich erkennbar, fand ich Fibrosinkörper in den Conidien von Erysiphe graminis. Von Phyllactinia corylea war es mir leider trotz vieler Mühe nicht möglich, Conidien aufzufinden. Ich möchte nach- gerade zweifeln, ob Phyllactinia wirklich eine Conidiengeneration be- sitzt, wie sie Tulasne!) abbildet.2) Da die Fibrosinkörper nur in frischen Conidien beobachtet werden können, so möchte ich alle die- jenigen, welche in der Lage sind Conidien (besonders exotischer Ery- sipheen) im lebenden Zustand zu untersuchen, bitten, ihr Augenmerk darauf zu richten, um so zu ermitteln, ob die Anwesenheit oder das Fehlen von Fibrosinkörpern wirklich als Merkmal gewisser Gattungen im oben angegebenen $inn bezeichnet werden kann. So viel steht für die bisher beobachteten fest, dass das Auftreten von Fibrosinkörpern nicht wie die Gestalt der Conidien von äusseren Lebensbedingungen abhängt, sondern ein constantes Merkmal einer und derselben Art ist. Eine der wichtigsten Fragen endlich in der Lebensgeschichte der Erysipheen, welche schon oft aufgeworfen, aber noch nie eine be- friedigende Antwort gefunden hat, ist die: „Von welchen Factoren hängt die Conidienbildung, von welchen die Perithecienbildung ab? und wie überwintert der Pilz, wenn die letztere ausbleibt ?* 1) Carpologia Bd. I, tab. 1. 2) Vergl. Palla.], c. p. 72 Anm. on... 341 Leveille& sagt in seiner Monographie der Erysipheen '): Jai dit plus haut, que la sterilit6®) d’un grand nombre d’Erysiphees devait ötre attribuee a leur döveloppement dans l’arriere saison. Parmi ceux qui se montrent en et6, elle a lieu egalement, mais elle parait de- pendre de la constitution athmospherique. Ceux qui ont etudie ces champignons sur les plantes vivantes, ont du remarquer, que le my- celium qui recouvre la face superieure des feuilles est plus souvent frappee de sterilit&?) que celui de la face opposee. Quelle est la cause de cet aceident?* Le&veille glaubt, dass Wärme- und Feuchtig- keitsverhältnisse und andere äussere Factoren hindernd, bezw. fördernd die Perithecienbildung beeinflussen. „Die Blattoberseite eigne sich auch desshalb nicht zur Entwicke- lung der Perithecien, weil dieselben dort der Gefahr ausgesetzt seien, vom Regen weggespült zu werden.“ Alle Gründe, welche man für oder gegen L&veille's Auffassung anführen könnte, haben keine unbedingte Beweiskraft, so lange es nicht gelungen ist, durch Cultur beliebig ausschliessliche Conidien- bildung oder frühzeitige und vorwiegende Peritheeienbildung zu er- zwingen. Ich machte, um die Bedingungen der Conidien resp. Perithecien- bildung zu ermitteln, Versuche, Erysipheen auf künstlichen Nährböden zu cultiviren. Es gelang aber auf keine Weise auf Pflaumendecoet mit oder ohne Agaragar in verschiedenen Concentrationen lebens- kräftige Mycelien zu erziehen; die Keimschläuche entwickelten sich nicht weiter als in Wasser und gingen bald zu Grund. Wenn damit auch noch nicht erwiesen ist, dass die künstliche Cultur von Ery- sipheen überhaupt unmöglich ist — ich werde die Versuche später wieder aufnehmen —, so lässt doch dieses negative Resultat, welches für eine grössere Anzahl von Arten (Sphaerotheca pannosa, Sphaero- theca Castagnei, Erysiphe Linküi, Uncinula Salieis u. a.) zutrifft, Er iks- son’s Annahme, dass die Ueberwinterung mancher, Peritheeien nicht entwickelnder Erysipheen durch ein saprophytisches, he ee Entwickelungsstadium des Pilzes zu erklären sei), wenig glaubhaft erscheinen. Nachdem es also nicht möglich war, künstliche Brysi- pheenculturen zu erzielen, suchte ich an auf lebenden Pflanzen an- 1) pag. 119. , R . 2) Unter „sterilit6* versteht hier Leveilldö ofenbar das Nichtzustande kommen von Schlauchfrüchten. u q 1886 3) Eriksson, Bidrag till kännedomen etc. (Bot. Centralbl. XXVI [ 1 Pag. 340.) 842 gelegten Pilzeulturen durch Modification der Lebensbedingungen der oben berührten Frage näher zu treten. Unter Glasglocken wurden Arten, welche sonst leicht Perithecien bilden, z. B. Erysiphe Linküi auf Artemisia vulgaris, Erysiphe commu- nis auf Ranunculus sp., ausserdem die selten perithecienbildende Sphaerotheca (astagnei auf Epilobium montanum mit Erfolg gezüchtet. Die Conidienbildung war bei Zimmertemperatur im feuchtgehaltenen Raum ausserordentlich üppig (weniger in einem Warmhaus von 20° C.), so dass die Pflanzen stellenweise wie mit Schnee bedeckt erschienen. Freilich starben die Nährpflanzen unter dem Einfluss dieser mächtigen Entwickelung des Pilzes schnell ab, aber nachwachsende junge Pflanzen- theile infieirten sich sofort von selbst. Nie wurde Perithecienbildung beobachtet. Ich stellte sodann im November einzelne der Culturen (jeder Art) in ein Kalthaus, in welchem eine Temperatur- und Feuchtigkeits- verhältnisse herrschten, ähnlich denjenigen im Freien zur Zeit der ge- wöhnlichen Perithecienbildung. Aber auch hier blieben die Perithecien aus, statt dessen wurden fortgesetzt Conidien erzeugt, bis die l’flanzen schliesslich sämmtlich der Wirkung des Pilzes erlagen. Aus diesen Versuchen scheint hervorzugehen, dass nach vorher- gehender sehr reichlicher Conidienentwickelung die Bildung von Schlauchfrüchten überhaupt unterbleibt, selbst wenn die äusseren Be- dingungen (kühle Temperatur, feuchte Luft) eine solche — wie man annehmen muss — begünstigen. Auch die Erfahrungen, welche man in der freien Natur gemacht hat, bestätigen diese Auffassung. Die Peritheciengeneration pflegt in der Regel dann zu fehlen, wenn der Wirth durch eine abnorm üppige Conidienentwiekelung geschädigt worden ist. (Uncinula necator auf Vitis, Sphaerotheca pannosa auf Rosen, Sph. Castagnei auf Spiraea); umgekehrt werden Perithecien in grosser Menge gebildet, wenn die Conidienentwickelung spärlich oder wenigstens nicht von schädlichen Folgen für die Wirthpflanze begleitet war, z. B. Microsphaera Alni auf Viburnum Lantana, Phyl- lactinia corylea, Sphaerotheca Castagnei auf Comarum palustre. Auch darf nicht vergessen werden, dass bei reicher Conidien- bildung das oberflächliche Mycel nicht sehr stark entwickelt ist, letz- teres aber in erster Linie das Material zum Aufbau der Perithecien liefert. Wenn auch das gegentheilige Züchtungsresultat — Unterdrückung der Conidiengeneration und ausschliessliche Entwickelung von Peri- thecien: eine in der Natur häufig zu beobachtende Erscheinung — > 348 noch aussteht, so glaube ich doch schon Jetzt die Regel aufstellen zu können: Conidienbildung wird befördert durch einen aus frischen, turgescenten Pflanzentheilen bestehenden Nährboden. Tomperatur- und Feuchtigkeitsverhält- nisse scheinen von untergeordneterB edeutung zu sein. Perithecienbildung setzt einen aus älteren (meist ausgewachsenen) Pflanzentheilen bestehenden und durch Conidienfructification noch nicht erschöpften Nährboden, sowie ein mehr oder weniger reich ent- wickeltes Luftmycel voraus. Dieses Resultat gewinnt ein besonderes Interesse, wenn wir da- mit die bei anderen Pilzgruppen gemachten Erfahrungen vergleichen. Nach Zopf (Die Pilze pag. 75) sind z. B. bei den meisten Zygo- mycetes weniger günstige Ernährungsbedingungen, sowie Beschränkung der Sporangienfructification massgebend für die Bildung der die Ge- schlechtsgeneration darstellenden Zygosporen. Brefeld (Schimmelpilze I) erzielte eine solche bei Mucor mucedo durch Niederdrücken der Sporangienanlagen; Zopf (Nova acta, Bd. 52 [188) no, 7) beobachtete die Zygosporen von Pilobolus crystallinus, wenn durch spontane oder künstliche Infection mit Piptocephalis (oder Pleotrachelus fulgens) die Sporangienfructification unterdrückt worden war. Ferner wurde in der Regel beobachtet, dass der spontanen Bildung höherer (besonders geschlechtlich erzeugter) Fruchtformen eine mehr oder weniger üppige Entwiekelung sterilen Mycels voraus- geht (siehe Brefeld, Schimmelpilze D). Ich werde diese Culturversuche übrigens fortsetzen, ebenso wie Untersuchungen darüber, wie lange Conidien ihre Keimfähigkeit be- wahren und ob dieselben die Fähigkeit besitzen, bei ausbleibender Perithecienbildung die Art zu erhalten. Nach den Erfahrungen, welche man mit Aecidium leucospermum') gemacht hat, scheint 83 nicht ausgeschlossen, dass auch Erysipheen-Conidien unter Umständen überwintern und ihre Keimfähigkeit bewahren. Nachdem ich im Vorstehenden zu zeigen versucht habe, welche Fragen in der Lebensgeschichte der Erysipheen noch der Beantwortung u 1) Soppit hat (in Journal of Botany XXXI pag. 273) nachgewiesen, Muss dieser Pilz zur Erhaltung der Art keiner anderen Sporenform als nu - sporen bedarf. Nach Carlton (Bull, Div. Vegetable Physiology and rolB 1899) soll auch der schwarze Stengelrost des Weizens in den Vereinigten } nur mittels seiner Uredosporen überwintern. 344 harren, gehe ich zur Behandlung der ersten über, welche sich dahin zusammenfassen lässt: „Welches Schicksal erleiden die Erysipheen- peritheeien in der freien Natur von dem Zeitpunkt an, da sie äusser- lich ihre volle Entwickelung erreicht haben, bis zu ihrer im nächsten Frühjahr erfolgenden, wahrscheinlich durch Quellungserscheinungen eingeleiteten Oefinung ?* Ich möchte, ehe ich auf diesen Gegenstand eingehe, nicht. unter- lassen, Herrn Prof. Dr. Goebel für die gütige Erlaubniss, die Ery- sipheenmaterialien des Münchener Kryptogamenherbars zu benützen, sowie den folgenden Herren für die freundliche Ueberlassung einer Anzahl Erysipheenspecies meinen tiefgefühlten Dank auszusprechen: Herrn Prof. Dr. von Lagerheim (Stockholm), Herrn Prof. Dr. Magnus (Berlin), Herrn Medieinalrat Dr. Rehm, (Neufriedenheim bei. München), Herrn Dr. E. S. Salmon (Kew, England), Herrn Assistent Schnegg (München). Die Einrichtungen zur Festheftung bezw. Loslösung und Verbreitung der reifen Perithecien. Schon bei oberflächlicher Verfolgung der in der freien Natur sich abspielenden Vorgänge muss ein aufmerksamer Beobachter zu dem Resultat gelangen, dass die ganze Familie der Erysipheen sich biolo- logisch in zwei Gruppen gliedert, nämlich in solche, deren Frucht- körper am ursprünglichen Substrat fest haften bleiben und in solche, deren Peritheeien mehr oder weniger frühzeitig spontan abfallen, um vom Wind oder anderen Agentien entführt zu werden. Zu der ersteren Gruppe gehören die meisten (wenn nicht alle?) Arten der Gattungen Sphaerotheca und Erysiphe, ferner Uncinula eircinata (?); der zweiten Gruppe dagegen gehören an: die meisten Uneinula-Arten, sowie die Arten von Microsphaera und Podosphaera und endlich die Gattung Phyllactinia. Untersuchen wir nun, wodurch diese Verschiedenheit im biologi- schen Verhalten begründet ist. Man hat bisher, wie aus den meisten Erysipheen behandelnden Werken (besonders soweit dieselben mit Abbildungen versehen sind) zu entnehmen ist, allgemein an der Ansicht festgehalten, dass die Perithecien aller Erysipheen annähernd gleichen anatomischen Bau aufweisen. Dies ist aber ein grosser Irrthum und es ist unverständ- lich, wie z. B. Tulasne in seiner Carpologia von Sphaerotheca Castagnei eine Abbildung geben konnte, die, was Gestalt und relative Grösse 345 der Perithecienwandzellen anlangt, durchaus nicht auf Sphaerotheca, sondern viel eher auf Uncinula oder Eorysiphe passt. Auch in spätere Werke sind einige dieser fehlerhaften Darstellungen übergegangen. Salmon, der zwar die Grösse der Peritheeienwandzellen als syste- matisches Merkmal verwerthet, gibt auf seinen Tafeln zum Theil auch unzutreffende bildliche Darstellungen. Die Ungleichheit im Bau der Perithecienwand zwischen Sphaero- theca und Uncinula resp. Erysiphe ist schon bei oberflächlicher Unter- suchung leicht zu erkennen, wenn man ein Perithecium mit Kalilauge gelinde erwärmt und direet im Mikroskop betrachtet; dann zeigt sich, dass die Wandzellen bei Sphaerotheca im Verhältniss zum Perithecien- durchmesser auffallend gross und von sehr unregelmässiger Gestalt sind, während die Wandzellen bei Erysiphe, Uneinula und anderen Erysi- pheen relativ viel kleiner sind und mehr oder weniger runde oder polygonale Gestalt besitzen. Z. B. für Sphaerotheca resp. Uncinula lässt sich das Verhältniss der Grösse einer Wandzelle zum Peritheeien- durchmesser durch folgende approximative Zahlen ausdrücken: 1:5 resp. 1:18, In noch viel höherem Grad fällt die weitgehende Differenzirung im Bau der Erysipheenperithecien auf, wenn man radiale Sehnitte durch die Fruchtkörper ausführt. Es erwies sich als vortheilhaft, zu diesem Zweck die lufttrockenen Perithecien direet in geschmolzenes Paraffin einzubetten, sodann von den Schnitten das Paraffin durch Xylol, dieses schliesslich durch Aether zu entfernen. Die so erhaltenen Schnitte zeigen das Perithecium stets in der Gestalt, welche es in der Natur beim Eintrocknen infolge von vermindertem Turgor und dadurch herbeigeführtem Schrumpfen annimmt. Lässt man zu den Schnitten jetzt Wasser treten, so erfolgt Quellung, welcher Process durch Hinzufügen von verdünnter Kalilauge noch vervollständigt wird. Der Querschnitt zeigt sich jetzt in der Form, in weleher der Frucht- körper in der Natur in frischem Zustand vor erfolgter Schrumpfung vorliegt ?). locar Schrumpfungsprocess erfolgt entsprechend dem unten zu erläuternden an den gequollenen Schnitten sichtbaren Bau der Peri- 1) Auf diese Schrumpfungsvorgänge an Erysipheenperithecien ee way (Bot. Gazette XX [1895] pag. 489) einmal aufmerksam Be Im all the biologischen Seite dieses Vorganges näher zu treten; er sagt we he Aattening material studied the perithecia seemed to be flattened on one si e, Compressed sometimes amounting to a concavity; in such cases the asci were P vertically and considerately distorted etc. 346 thecien bei den verschiedenen Arten resp. Gattungen in sehr ver- schiedener Weise und steht in engstem Zusammenhang mit dem Ver- halten der Perithecien nach dem Absterben des Muttermycels. Für eine grössere Anzahl von Erysipheen bot die anatomische Untersuchung der Perithecien eine Ilandhabe, die in der Natur ge- machten Beobachtungen in befriedigender Weise zu erklären. Für ausländische Erysipheen, deren Verhalten sich der directen Beobach- tung entzieht, glaubte ich mit einiger Sicherheit deren Lebensvorgänge auf Grund der anatomischen Struktur und der Analogie mit an ein- heimischen Erysipheen gemachten Erfahrungen klarlegen zu können. 1. Sphaerotheca. Die Gattung Sphaerotheca (Sph. Castagnei Lev. und Sph. pannosa Lev.) zeigt keine auf Loslösung der Perithecien vom Substrat hin- zielende Einrichtung, im Gegentheil, dieselben werden durch die mit dem Mycel verwobenen Anhängsel an der Wirthpflanze festgehalten. Bei Sphaerotheca mors uvae Berk et Curt. sind sie sogar in ein dichtes filzartiges Mycel eingebettet. Ein senkrechter Schnitt durch ein Sphaerothecaperithecium lehrt, dass die Schrumpfung an allen Seiten gleichmässig erfolgt, so dass die Kugelgestalt des Fruchtkörpers kaum geändert wird. Alle Zellen sind in gleicher Weise befähigt, bei Turgorabnahme zusammenzu- klappen, so dass ein Lumen nicht mehr zu erkennen ist; auch an den nach Befeuchtung gequollenen Schnitten zeigt sich nicht einmal andeutungsweise eine Differenzirung des wandbildenden Gewebes in Ober- und Unterseite (Fig. 17). Es möge nicht unerwähnt bleiben, dass in der Regel die sehr kurzen, radial verlaufenden Zellwände der Perithecienwandung beträchtlich dünner sind als die tangential in der Hauptflächenrichtung der Perithecienwand verlaufenden. Durch diese Einrichtung wird jedenfalls das Zusammenklappen der tangen- tialen Zellwände beim Schrumpfen der Perithecien gefördert (ähnlich wie bei gewissen mit Wassergewebe ausgestatteten höheren Pflanzen, z. B. Aloe, die radialen Zellwände dünner sind als die tangentialen, um bei Wasserverlust ein harmonikaähnliches Zusammenklappen der Wasserspeicherzellen zu ermöglichen). Diese Einrichtung hat aber auch zur Folge, dass bei starker Schrumpfung jene zarten Radial- wände zerreissen und die inneren Tangentialwände sich von den äusseren leicht trennen. Bei Sphaerotheca phytoptophila Kellerm. et Sw. (und wahrschein- lieh auch bei Sph. lanestris Harkn., die mir nicht zugänglich war) EEE 347 ist dies die Regel, wenigstens an ausgewachsenen Perithecien. Der Verband der inneren Zellwände mit den äusseren ist hier ausser- ordentlich locker und daher kommt es, dass beim Zerdrücken der Perithecien die innere Wandumhüllung zugleich mit dem ihr anhaf- tenden Ascus entleert wird. Eine biologische Bedeutung dürfte dieser auf den ersten Blick merkwürdigen Erscheinung wohl kaum zuzuschreiben sein. Ob sie den Werth eines systematischen Merkmals besitzt, wie Salmon in seinem Olavis specierum Sphaerothecae') annimmt, scheint mir zweifel- haft, da höchst wahrscheinlich bei halbreifen oder noch nicht ge- schrumpften Perithecien diese Trennung der Wandschichten unter- bleibt. 2. Erysiphe. Bei keiner der von mir untersuchten Erysiphe-Arten konnte ich eonstatiren, dass eine Tendenz zur Loslösung der Perithecien besteht. Wie bei Sphaerotheca werden im Gegentheil die Perithecien durch die mit dem Mycel sich verwebenden Anhängsel auch nach dem Ab- sterben des ersteren festgehalten. Erysiphe Graminis DC. Die Fruchtkörper dieses Pilzes sind bekanntlich in ein dichtes filzartiges Mycel eingebettet und schon dadurch vor dem Abfallen bei der Reife geschützt. Aber auch die Peritheeienwand ist derartig ge- baut, dass eine Löslösung der Fruchtkörper nicht erfolgen könnte. Dieselbe besteht nämlich aus mehreren Schichten ausserordentlich stark verdickter, fast lumenloser Zellen, an welche sich nach innen zu allmählich dünnwandigere anschliessen, welche schliesslich in das zartwandige, plasmareiche, die Asci umgebende Zeilgewebe über- gehen; und zwar besteht die Perithecienwand an der Unterseite aus einer grösseren Lage solcher diekwandiger Zellen als an der Ober- seite. Die Folge davon ist, dass die Perithecien im trockenen Zustand höchstens an der Oberseite schwach eingedellt erscheinen, nie aber an der Unterseite. Eine Loslösung der Fruchtkörper vom Muttermyeel, be- werkstelligt durch Eindellung der Unterseite, wie wir sie bei Uneinula ete. kennen lernen werden, könnte hier offenbar nie zu Stande kommen, auch wenn die Verankerung im Mycelfilz nicht schon bestünde. s 3) Monograph. pag. 45. 348 Erysiphe communis Lk., E. Umbelliferarum De By, E. Cichoriacearum DC. E. Galeopsidis DC., E. Linkü Lev. u. a. Eine Verschiedenheit im anatomischen Bau und biologischen Verhalten besteht für die oben genannten Arten nicht, wesshalb die- selben in ihrer Gesammtheit zu behandeln sind. Die Perithecienwand ist von mehreren (3—4) Schichten dunkelgefärbter Zellen gebildet. Eine Differenzirung des Gewebes in Ober- und Unterseite ist nicht oder nur undeutlich zu erkennen. In der Regel zeigen die Zellen ringsum annähernd gleiche Wand- dieke und gleiches Lumen (Fig. 1). Dementsprechend nchmen die Perithecien bei der Schrumpfung die verschiedensten Gestalten an, wie aus Fig. 2 ersichtlich ist. Sehr häufig ist der vierte in Fig. 2 angedeutete Fall zu beobachten. Diese Form kommt dadurch zu stande, dass, wenn die untere Hälfte des Peritheeiums schrumpft, die Peritheeienwand nur insoweit dem capil- laren Zug des beim Eintrocknen entweichenden wässerigen Zellinhalts nachgibt, als sie nicht durch die am Grund der Perithecien ent- springenden Anhängsel, deren Basalzellen oft ausserordentlich stark verdickt sind, daran gehindert wird, Versuche bestätigten, dass die Fruchtkörper der oben genannten Arten nicht nur jeder Ablösungseinrichtung (Eindellung an der Ünter- seite, wodurch die Mycelfäden zerrissen werden, wie bei Microsphaera, Uncinula) entbehren, sondern sogar durch jene Anhängsel am Substrat festgeheftet werden. Blätter von Heracleum spondylium, welche reichlich mit Perithecien besetzt waren, wurden im Kalthaus — gegen Schimmel geschützt — aufbewahrt und zeigten noch im Januar ein unverändertes Aussehen. Das gleiche gilt von Erysiphe auf Artemisia, Polygonum und Trifolium. Wenn demnach als sicher angenommen werden kann, dass die An- hängsel der meisten Erysiphe-Arten mit der Verbreitung der Peri- theeien nichts zu thun haben, sondern im Gegentheil zur dauernden Anheftung am ursprünglichen Substrat dienen, so möchte ich doch nicht unterlassen, in Kürze eine Erscheinung zu erwähnen, welche möglicher Weise in der freien Natur die Bedeutung einer Verbreitungs- einrichtung besitzt. Lässt man auf ein mit Perithecien besetztes Blatt von Heracleum spondylium Wasser tropfen, so bleiben die Fruchtkörper zunächst un- verändert daran haften. Bald aber lösen sich mehr oder weniger grosse Fetzen des Mycels sammt den daraufsitzenden Perithecien los und werden weggespült. 849 Vermöge einer für alle Erysipheen-Mycelien und Anhängsel charakteristischen Neigung bei Befeuchtung zu verschleimen, haften diese Fetzen bei eintretender Trockenheit fest an der Unterlage, auf welche sie durch das Regenwasser übertragen worden sind. Eine nachträgliche Verbreitung der perithecientragenden Mycel- fetzen durch den Wind ist demnach ausgeschlossen. Erysiphe taurica Lev. = Microsphaera Bornmülleriana Magn. Von Magnus!) wurde unter dem Namen Microsphaera Born- mülleriana ein Pilz beschrieben, welcher von Salmon?) später zu Erysiphe taurica gezogen wurde. Ohne auf die Frage einzugehen, ob die Magnus’sche Art wirklich identisch ist, mit der mir nicht zugänglichen Art E. taurica, möchte ich nur feststellen, dass die Art, von welcher mir Herr Professor Magnus in liebenswürdiger Weise reichliches Material zur Verfügung stellte, dem anatomischen Bau ihrer Perithecien nach zu urtheilen, in der That zu Erysiphe gehört und sich auch in ihrem biologischen Verhalten als zu dieser Gattung gehörig erweist, Die in ein dichtes Mycelgeflecht eingebetteten Perithecien erinnern in mehrfacher Hinsicht an Erysiphe graminis. Die Oberseite ist an trockenen Perithecien stets concav, die Unterseite convex. Beim Befeuchten nimmt auch die Oberseite eonvexe Gestalt an. Die Schrumpfung erfolgt demnach nur an der Oberseite; das die Peri- rithecienwand bildende Zellgewebe ist ringsum annähernd gleichförmig, wie bei den meisten Erysiphe-Arten. Die äusserste Schicht der Unter- seite jedoch besteht aus sehr diekwandigen, fast lumenlosen Zellen (ähnlich denjenigen bei E. graminis), an welchen ausserordentlich kräftige, aus dickwandigen Zellen gebildete Anhängsel ihren Ursprung nehmen. Die letzteren sind mit dem Mycel zu einem dichten Filz verflochten. oo \ Eine spontane Loslösung der Perithecien ist bei dieser Art dem- nach vollkommen ausgeschlossen. Auch vom systematischen Standpunkt bietet die vorliegende Art einiges Interesse. Sie bildet nämlich ein drastisches Beispiel dafür, wie wenig zuverlässig die auf die Gestalt der Anhängsel gegründete Unterscheidung der Gattungen Erysiphe und Microsphaera ist, welche i i . bot. 1) Bornmüller, Iter persieo tureicum 1892/93 in Verh. d. k. k. zool. bo Ges. Bd. 49 (1899) pag. 15. 2) Monograph. pag. 219. 2 Flora 1901. 350 Magnus schon einmal Veranlassung zu einer längeren Auseinander- setzung gegeben hat.') Bei dem vorliegenden Pilz sind nämlich die Anhängsel schon in geringer Entfernung von ihrer Ursprungsstelle 2—3 Mal dichotom verzweigt, was Magnus veranlasst hat, den Pilz als Microsphaera anzusprechen. Nachdem aber in Anbetracht des Baues der Perithecien- wand, welche auf eine nahe Verwandtschaft mit Erysiphe graminis hinweist, sowie des biologischen Verhaltens kein Zweifel walten kann, dass wir es hier mit einer echten Erysiphe zu thun haben, liegt die Unzulänglichkeit der gewöhnlich gebrauchten Unterscheidungsmerk- male: Appendiculae rectae dichotomae (für Microsphaera) und A. floecosae, nunc simplices, nunc vage ramosae (für Erysiphe) auf der Hand. Ich werde auf die Frage der Abgrenzung beider Gattungen sofort noch einmal zurückkommen. 3. Trichocladia. Die Ansichten über die Gattungszugehörigkeit der beiden Arten Erysiphe Astragali DC. auf Astragalus glyeyphyllos und E. tortilis Lk. auf Cornus-Arten sind sehr getheilt. Schröter stellt sie in seinem Werk: „Die Pilze Schlesiens“, 2. Hälfte pag. 241, zu Erysiphe als Section „Trichocladia“ de By. Diesem Beispiel folgt Lindau in seiner Bearbeitung der Erysipheen in den „Natürlichen Pflanzen- familien‘. Magnus?) neigt zu der Ansicht, dass der Astragalus-Pilz zu Microsphaera zu stellen sei. Leveill&®) zieht den Astragalus- Pilz zu Microsphaera, den Cornus-Pilz dagegen zu Erysiphe. Das gleiche thut später Salmon.‘) Dieses letztere Verfahren ist wohl das am meisten verfehlte, denn die beiden Pilze stehen einander ohne Zweifel sehr nahe (wie auch Magnus?) hervorgehoben hat) und es ist unnatürlich, sie in verschiedenen Gattungen unterzubringen. Die Gesammtheit ihrer Eigenschaften weist den beiden Arten eine Mittelstellung an zwischen Erysiphe und Microsphaera. Während nämlich die langgestreckten wenig verzweigten, mycelartigen An- 1) Magnus, Ein bei Berlin auf Caragana arborescens epidemisch auftreten- der Mehlthau. Ber. d.d. Bot. Ges, Bd. XVII p. 150. 2) Magnus, a.a. 0. 3) Monographie (Annales de sciences nat, Ser. II Tom. 15 [1851]). 4) Monograph. pag. 127 und pag. 213. 5) Magnus, a... 0, 351 hängsel an diejenigen der meisten Erysiphe-Arten erinnern, stimmt der Bau der Perithecienwand und das biologische Verhalten durch- aus mit Microsphaera überein. Die ungezwungenste Lösung der schon so oft discutirten Frage der Gattungszugehörigkeit beider Arten dürfte demnach die sein, die von De Bary geschaffene Section Trichocladia als selbständige Gattung anzuerkennen und ihr die beiden genannten, sowie noch einige andere in der Mitte zwischen Erysiphe und Microsphaera stehende Arten einzureihen (u.' a. auch die von Magnus!) aufge- stellte M. Caraganae). Die Abgrenzung der drei Gattungen Erysiphe, Trichocladia und Microsphaera wäre demnach folgendermaassen zu fassen: Erysiphe. Anhängsel einfach oder verzweigt, mit dem Mycel ver- flochten. Zellen der Perithecienwand ringsum gleichförmig; keine (oder nur eine undeutliche) Differenzirung in Ober- und Unter- seite. Peritheeien nicht spontan abfallend. Trichocladia. Anhängsel wie bei Erysiphe, aber nie mit dem Mycel verflochten. Peritheeienwand differenzirt in eine aus englumigen diekwandigen Zellen gebildete Oberseite und eine aus weitlumigen dünnwandigen Zellen bestehende Unterseite. Perithecien bei der Reife spontan abfallend. Microsphaera. Anhängsel starr, gerade, 2—7 Mal dicho- oder tricho- tom verzweigt, nie mit dem Mycel verflochten. Perithecien wie bei Trichocladia,; Differenzirung der Perithecienwand in Ober- und Unterseite noch deutlicher als bei voriger Gattung; Frucht- körper bei der Reife spontan abfallend. Nach diesen einleitenden systematischen Bemerkungen, bei welchen ich mich gezwungen sah, durch Charakterisirung des Baues der Peri- thecienwand den nachstehenden Ausführungen vorzugreifen, gehe ich zur eingehenden Behandlung der bei Trichocladia Astragali (DC.) beobachteten merkwürdigen Erscheinungen der Perithecienverbreitung über und füge gleich bei, dass das für T. Astragali Gesagte im Wesentlichen auch für T. tortilis gilt. Trichocladia Astragali (DC.). Die Fruchtkörper lösen sich, wenn sie einen gewissen Grad der Reife erreicht haben, vom Substrat los, indem sich die Unterseite der 1) Magnus, Ein bei Berlin auf Caragana arborescens epidemisch auftreten- der Mehlthau (a. o.). ehlthau (s. 0.) 2a 352 Peritheeien bei abnehmendem Turgor einwärts wölbt und dadurch die Mycelfäden, an welchen das Peritheeium entstand, zerrissen werden. Diese constant einseitige Einwärtswölbung kommt dadurch zu Stande, dass die Perithecienwand an der Oberseite einen starren, aus englumigen diekwandigen Zellen gebildeten Panzer darstellt, während die Zellen der Unterseite relativ weites Lumen und zartere Wände besitzen (Fig. 4, 5). Bringt man ein Perithecium in einen mit Wasserdämpfen ge- sättigten Raum, so nimmt die Unterseite nach einiger Zeit convexe Gestalt an (schneller bei direkter Benetzung). Die Schwellung des basalen Zellgewebes erfolgt auch dann, wenn nur die Anhängsel — nieht aber das Peritheeium — benetzt wird; daraus scheint her- vorzugehen, dass die Anhängsel als Regulatoren für die Turgor- schwankungen dienen können. Bringt man ein durch Befeuchtung beiderseits convex gewordenes Perithecium in einen Exsiccator, so ist nach kurzer Zeit die concave Wölbung der Unterseite wieder her- gestellt. Unreife Perithecien sind an der Unterseite stets convex. Es kann demnach kein Zweifel bestehen, dass wir cs hier mit einer Einrichtung zu thun haben, welche eine spontane Loslösung der Perithecien vom Substrat ermöglicht. Die Vortheile einer solchen Einrichtung für die Verbreitung des betreffenden Pilzes habe ich schon oben erwähnt. Es sei gleich hier bemerkt, dass alle (von mir unter- suchten) Microsphaera-, Podosphaera- und die meisten Uncinula-Arten den gleichen Loslösungsmechanismus besitzen. Dass es sich hier nicht etwa um eine zufällige Erscheinung handelt, dafür bürgt der Um- stand, dass unzählige Beobachtungen meine Vermuthung immer und immer wieder bestätigt haben. Was Trichocladia Astragali anlangt, so dürfte es schwer sein, ein reifes Perithecium zu finden, welches die Einwölbung der Unterseite nicht zeigt. Das gleiche gilt von T". tortilis und den Microsphaera-Arten, Die so frei gewordenen Perithecien fallen selten einzeln ab, viel- mehr vereinigen sich zahlreiche (30—40 oder mehr) Fruchtkörper mit Hilfe ihrer Anhängsel zu grösseren Complexen, welche vom geringsten Lufthauch entführt werden. Um diese Vereinigung ‚zu grösseren Complexen von Perithecien zu sichern, bestehen bei Trichocladia Astragali (weniger auffallend bei 7. tortilis) zwei weitere bemerkenswerthe Einrichtungen. Unter- sucht man ein Blatt, auf welchem die Anhängsel noch nicht durch den Wind zerzaust oder vom Regen in Unordnung gebracht worden sind, so wird man stets beobachten, dass die langen, seidenglänzenden BF 353 haarartigen Anhängsel alle mehr oder weniger in einer Richtung ge- wachsen sind. Auf welche Reizwirkung (heliotropische oder geotro- Pische) diese Uebereinstimmung in der Wachsthumsrichtung zurück- zuführen ist, kann ich zur Zeit nicht entscheiden. Jedenfalls aber ist die Folge dieser Erscheinung, dass sich die Anhängsel benachbarter Perithecien parallel an einander legen. Sucht man nun ein einzelnes Perithecium vom Substrat zu entfernen, so werden eine grosse Anzahl nebenstehender Fruchtkörper mitgerissen. Eine Untersuchung des ganzen Complexes von Fruchtkörpern im Mikroskop lehrt, dass die Anhängsel benachbarter Perithecien von dem Mycel eines secundären Pilzes umwickelt und zu relativ kräftigen „Seilen*“ vereinigt sind (Fig. 6, 7). Diese Umwickelung ist so dauer- haft, dass es ziemlich gewaltsamer Mittel bedarf, um die Anhängsel von einander zu trennen, z. B. Erwärmen mit verdünnter Kalilauge zum Kochen. Dass wir es auch in diesem Fall nicht mit einer zufälligen Er- scheinung zu thun haben, geht daraus hervor, dass ich diese Um- wickelung der Anhängsel mit einem secundären Pilzmycel an den verschiedensten Loecalitäten beobachtet habe; z. B. in der weiteren Umgebung von München an weit getrennten Standorten, ferner in Sassnitz auf Rügen, sowie auf der Insel Gotland (Schweden). . Freilich, ob in allen diesen Fällen der gleiche Pilz die Anhängsel mit seinem Mycel umwickelt, muss dahin gestellt bleiben, hat aber auch nur untergeordnetes Interesse. An den in der Umgebung von München gesammelten Materialien ist es in weitaus den meisten Fällen Monilia candida, wie sich ergab, wenn ich Complexe von Peritheeien von T. Astragali in sterilisirte feuchte Kammern brachte. Nach kurzer Zeit zeigten sich in der unmittelbaren Umgebung der Perithecien hefeartige Sprossungen, später entwickelten eich lange verzwoigte Mycelien, von welchen sich, wenn sie aus der Flüssigkeit _ sterili- sirtes Wasser — austraten, die charakteristischen Sporenträger von Monilia candida erhoben. Dass gerade dieser Pilz ‚in weitaus den meisten Fällen die Umwickelung der Anhängsel bewirkt, wurde mir erst recht klar, nachdem ich gelegentlich der Anlage einer grossen Anzahl von Conidienculturen (zum Zweck des Studiums der Keimungs- bedingungen ete.) die Beobachtung gemacht hatte, dass Moni om dida ein fast nie fehlender Begleiter der meisten Erysipheen ist. Mn der Anlage der Culturen wurde dafür gesorgt, dass eine etwaige I fection derselben mit Monilia-Sporen aus dem Are un geschlossen betrachtet werden konnte. In einem Fall beobachte 354 als secundären die Anhängsel umwickelnden Pilz auch Cephalothecium roseum. Die Umwickelung der Anhängsel durch ein secundäres Mycel kommt bei T. tortilis gleichfalls vor, wenn auch nicht in so auffallen- der Weise und so regelmässig wie bei 7. Astragali. 4. Microsphaera. Schon oben wurde betont, dass der Lösungsmechanismus für die Perithecien von Microsphaera-Arten nicht verschieden ist vom dem- jenigen bei Trichocladia. Zur Untersuchung lagen vor: Microsphaera Alni (Wallr.), M. Evonymi (DC.), M. Grossulariae (Wallr.), M. Berberidis (DC.), M. pulchra Cooke et Peck., M. Euphorbiae (Peck). Auffallende Unterschiede zwischen den einzelnen Arten ergaben sich bei der anatomischen Untersuchung der Peritheeien nicht. Bei allen ist eine weitgebende Differenzirung der Perithecienwand in starre Ober- und biegsame Unterseite zu erkennen, und infolge dessen eine tiefe Einwölbung der letzteren bei Turgorabnahme. Im feuchten Raum erfolgt Schwellung des Schrumpfungsgewebes und damit convexe Wölbung der Perithecienunterseite (Fig. 8). Die Anhängsel dienen insofern zur Verbreitung, als die zahlreichen hakenartigen Verzweigungen derselben die Verkettung einer grösseren Anzahl von Perithecien zu einem dem Wind eine grössere Angriffs- fläche bietenden Complex ermöglichen. Indessen beobachtet man nicht selten, dass die Perithecien isolirt abfallen (z. B. Microsphaera Alni auf Viburnum opulus). Bei der Kleinheit und Leichtigkeit der meisten Microsphaera-Peritheeien ist eine weite Verbreitung derselben durch den Wind ohnehin gesichert. Welcher demnach der ursprüng- liche Zweck der Anhängsel ist (Verkettung zahlreicher Perithecien zu einem Complex oder Verankerung des einzelnen an einem fremden Substrat) dürfte schwer zu entscheiden sein. 5. Podosphaera. Diese Gattung, welche morphologisch !) Sphaerotheca nahe steht, schliesst sich biologisch an Microsphaera an. An Podosphaera Oxy- acanthae (DC.) auf Vaccinium uliginosum beobachtete ich, dass kein Peritheeium am ursprünglichen Substrat haften blieb. Beim Schütteln der Pflanzen lösten sich sozusagen ganze Wolken von Complexen unter einander durch ihre Anhängsel verketteter Peritbeeien ab. Die Unterseite ist an trockenen Perithecien stets eingewölbt (Fig. 9). 1) Durch den Besitz von nur 1 Ascus. ww. 355 6. Dnreinula. Nicht so gleichförmige Verhältnisse wie bei Microsphaera finden wir bei Uncinula. In dieser Gattung sind zwei Gruppen von Formen zu unterscheiden: 1. solehe, deren Perithecien nach dem Typus der Microsphuera- Perithecien gebaut sind (ich möchte diese Gruppe als Micro- sphaeroidea charakterisiren); 2. solche, deren Perithecienbau mehr an Phyllactinia erinnert; dahin gehören die höchst entwickelten Uncinula-Arten (wes- halb diese Gruppe als Euuncinula bezeichnet werden möge). a) Microsphaeroidea. Diese Gruppe ist repräsentirt durch folgende Arten (die nach- stehende Aufzählung ist nicht vollständig, weil mir nicht alle bisher bekannt gewordenen Uncinula-Arten zugänglich waren): U. Salieis (DC.), U. prunastri (DC.), U. macrospora Pech, U. Slexuosa Peck, U. necator (Schwein.), U. Bivoniae Tul. Bei allen diesen Arten ist das Peritheeium nach dem in Fig. 10 dargestellten Typus von Unecinula Salicis gebaut (kleine Schwankungen bezüglich der Dicke der Zellwände und relativen Grösse der Zellen abgerechnet). Wie aus dieser Figur zu ersehen ist, hat die Differenzirung in Ober- und Unterseite einen noch. höheren Grad von Vollkommenheit erreicht als bei Microsphaera. Ein Panzer stark verdickter Zellwände umgibt das Perithecium an der Oberseite und an den Seiten, macht aber in der Nähe der Perithecienbasis plötzlich einem zartwandigen weit- lumigen Gewebe Platz. Eingehende Beobachtungen der in der Natur vor sich gehenden Er- scheinungen der Perithecienloslösung habe ich an U. Salicis ausgeführt. Dieser Process nimmt seinen Anfang im August und dauert fort bis in den Spätherbst. Weidensträucher, deren Blätter im September nahezu mit Perithecien bedeckt waren, wurden zur weiteren Beobach- tung markirt. Infolge der Milde des Herbstes 1900 war es mÖög- lich, die Beobachtungen bis in den Dezember hinein fortzusetzen. Schon im November konnte ich constatiren, dass an den noch nicht abgefallenen Blättern die Zahl der noch darauf haftenden en sehr klein geworden war. Im Dezember konnten, trotzdem dass 2a - reiche Blätter noch wohl erhalten waren, kaum mehr Fruchtkörper nac iesen werden. . i " ie Pernneien fallen nicht einzeln ab, sondern in grösseren Complexen. Der Vorgang spielt sich folgendermaassen ab: die 356 Schlauchfrüchte entstehen auf der Blattfläche (meist auf der Ober- seite) in Reihen, von einem Zentrum aus nach allen Richtungen aus- strahlend, und zwar in der Regel so dicht nebeneinander, dass sie sich gegenseitig fast berühren. Erst wenn der Fruchtkörper seine defini- tive Grösse erreicht hat, nimmt die Bildung der Anhängsel ihren An- fang. Bei der gedrängten Anordnung der Perithecien wachsen jene so gegen- und durcheinander, dass sie zu vergleichen sind mit den Borsten zweier gegen einander gedrückten Bürsten. Die ältesten Peritheeien — diejenigen des Zentrums — lösen sich durch Einwölbung der Unterseite vom Substrat los, bald folgen die nächstjüngeren und eine geringe Erschütterung genügt, einen solehen Complex von Perithecien vollends abzulösen und dem Wind zu über- antworten. Dieser Vorgang wiederholt sich vom Centrum des Perithe- cienrasens ausstrahlend in centrifugaler Richtung. In vorgerückter Jahreszeit haften dem Blatt nur noch wenige peripherische Perithecien an, welche auch ihrerseits, wenn nicht eintretende ungünstige Be- dingungen ihre Weiterentwiekelung hemmen, mit der Zeit den Weg in’s Weite suchen. Bei keiner der bisher betrachteten Erysipheen habe ich in so unzweifelhafter Weise wie bei U. Salicis die Ueber- zeugung gewonnen, dass das frühzeitige spontane Abfallen der Peri- thecien einen nothwendig zu Stande kommenden Vorgang in der Lebensgeschichte des Pilzes darstellt. B) Euuncinula. In diese Gruppe gehören z. B. folgende Arten: U. Aceris (DC.), U. polychaeta (Berk. et Curt.), U. circinata (Cook. et Peck). Die Perithecien dieser Arten weichen in ganz auffallender Weise von den bisher betrachteten Typen, besonders von denjenigen der zuletzt behandelten Gattungen (Microsphaera und Uncinula sect. Micro- sphaeroidea) ab. Die Wand der schon makroskopisch in der Regel durch ihre bedeutendere Grösse auffallenden Fruchtkörper besteht aus mehr und im Verhältniss zur Peritheeiengrösse kleineren Zellen. Eine Differenzirung in Ober- und Unterseite besteht zwar, aber in ganz anderem Sinn als z. B. bei voriger Section. Bei U. Aceris sind die Zellen der Oberseite nur wenig diekwandiger und englumiger als diejenigen der Unterseite (Fig. 11); bei U. polychaeta ist der Unter- schied auffallender (Fig. 12), bei U. circinata endlich besteht sogar das entgegengesetzte Verhältniss, Bei allen dreien sind die Zellen stärkster Krümmung (der Perithecienwand) auffallend weitlumig und gross, gegenüber den relativ kleinen Zellen der beiden Flachseiten. Ar nen 887 Die Perithecien der beiden erstgenannten Arten zeigen bei Turgor- abnahme concave Wölbung der Unterseite, diejenigen von U. circinata dagegen sind — wie Untersuchung eines reichen Herbarmaterials lehrte — stets an der Oberseite eingewölbt. Für U. Aceris machte ich ausserdem an lebendem Material Versuche, welche unzweifelhaft ergaben, dass Turgorabnahme Einwärtswölbung, Turgorzunahme Schwellung der Perithecienunterseite zur Folge hatte. Mit diesen durch Feuchtigkeitsentziehung resp. Zufuhr bewerkstelligten Gestaits- veränderungen steht in Einklang das Verhalten der Perithecien bei der Reife. Was zunächst U. Aceris anlangt, so gelangte ich durch die Beob- achtung in der freien Natur zu folgendem Resultat: Unreife Peri- thecien — deren Anhängsel noch nicht oder nur schwach entwickelt sind, zeigen mehr oder weniger kugelige Gestalt und lassen sich vom Muttermycel nicht entfernen, ohne dass Fetzen des letzteren mitge- rissen werden. Vollkommen reife Fruchtkörper hingegen — an der tiefschwarzen Färbung und den ausgewachsenen Anhängseln kennt- lich — lösen sich schon bei mässiger Erschütterung des Blattes leicht los und tragen an der stark concaven Unterseite nur selten kurze Stücke von Mycelfäden. Wie bei U, Salicis gilt auch hier die Regel, dass die Frucht- körper ziemlich lange vor dem Abfallen der Blätter frei werden. Wenn Ahornblätter bereits die Herbstfärbung annehmen und an- fangen abzusterben, so zeigen die vom Pilzmycel besetzten Theile des Blattes noch längere Zeit die grüne Färbung frischer Blätter (vergl. auch De Bary, Morphologie und Physiologie der Pilze pag. 424). Diese Erscheinung weist auf eine lebhafte Zufuhr von Nahrungsstoffen nach den vom Pilz angegriffenen Theilen des Blattes hin. Hat sich aber die Herbstfärbung auf das ganze Blatt ausgedehnt, so bleiben darauf befindliche unreife Perithecien in ihrer Entwickelung stehen und gehen schliesslich zu Grund. Die Ablösung der reifen Ferithe- cien erfolgt in der Regel einzeln, seltener in grösseren Complexen; solche entstehen höchstens dadurch, dass sich die Fruchtkörper nach- träglich mittels ihrer Anhängsel zusammenballen. nd: Untersucht man Schnitte durch Uncinula Aceris-Perithecien im Mikroskop, so zeigt sich, dass die convexX-concave Gestalt en selben beim Befeuchten (besser bei Einwirkung yon verdinnter a“ lauge) in eine biconvexe übergeht, indem das vielreihige Je) FOREN der Unterseite durch Schwellung sich auswärts wölbt; das letztere be demnach auch bei Uncinula Aceris als Schrumpfungsgewebe zu be- 358 trachten. Aus dem mikroskopischen Bild des Perithecienquerschnittes ist allerdings nicht zu ersehen, wodurch verhindert wird, dass die Oberseite, deren Zellgewebe sich nur wenig von demjenigen der Unterseite unterscheidet, nicht gleichfalls dem Schrumpfungsprocess unterliegt. Die concave Wölbung der Perithecienunterseite ist auch Salmon') aufgefallen. Tulasne bildet sie ebenfalls auf Tafel 2 seiner Carpologia ab, aber in unrichtiger Weise, nämlich an der Ober- seite der Fruchtkörper, worauf schon Salmon (l. c.) aufmerksam macht. Für die gleichfalls schon von Tulasne beobachtete äusserst häufige Erscheinung, dass die losgelösten Perithecien mit der Ober- seite dem Blatt anliegen, weiss Salmon keine Erklärung zu geben. Ich habe nun häufig beobachtet, dass die Reactionsfähigkeit der Perithecien auf Turgoränderungen sehr gross ist, d. h. dass bei Ueber- tragung eines Fruchtkörpers aus einem feuchten Raum in einen Ex- siceator die Gestaltveränderung sehr schnell erfolgt. Wäre es da nicht denkbar, dass bei der durch Turgorabnahme herbeigeführten Schrum- pfung des Wandgewebes die Loslösung, d. h. Zerreissung der fest- haltenden Myvelfäden, so gewaltsam erfolgt, dass das Perithecium eine starke Erschütterung erleidet und sich dabei auf die Seite legt (auch diese Lage ist an reifen Peritheeien sehr oft zu beobachten) oder so- gar unmkehrt? Es ist mir allerdings nieht gelungen, diesen Vorgang selbst zu constatiren. Jedenfalls aber ist die Erscheinung zu allgemein, als dass, wie Salmon für ähnliche Erscheinungen bei Phyllactinia ver- sucht, Thiere, z. B. Milben, dafür verantwortlich gemacht werden könnten. Es erübrigt noch zu bemerken, dass das von Uncinula Aceris Gesagte im Wesen wohl auch für U. polychaeta Geltung hat, soweit es möglich ist, aus Herbariumsmaterial einen solchen Schluss zu ziehen.?) Beobachtungen an lebendem Material wären für diese Art sehr erwünscht. Sieht man von einigen Arten der Section Microsphaeroidea, 2. B. U. Salieis ab, so kann als weiteres Unterscheidungsmerkmal der Section Euuneinula die Thatsache namhaft gemacht werden, dass die Anhängsel hier viel dichter stehen und bedeutend zahlreicher sind als bei den meisten der Microsphaera ähnlichen Uneinula-Arten. Die Appendiculae der U. Aceris bilden einen dichten Kranz rings um den Scheitel des Fruchtkörpers. Diejenigen von U. polychaeta 1) Monograph. pag. 92. 2) An den mir vorliegenden spärlichen Proben des Pilzes haften die reifen Perithecien dem Blatt yrösstentheils mit der von Anhängseln besetzten Ober- seite an, 359 bedecken oft die ganze obere Hälfte des Peritheeiums, stehen aber in der Region der stärksten Krümmung der Perithecienwand am dichtesten. Beobachtet man in der Natur die Oberseite von Ahornblättern oder von Blättern anderer Pflanzen, welehe unter einem mit Uncinula stark inficirten Ahornbaum stehen, so entdeckt man, dass diesen eine mehr oder weniger grosse Anzahl von Uncinula-Perithecien anhaften und zwar sind dieselben mit ihren Anhängseln am fremden Substrat so gut befestigt, dass es einer gewissen Anwendung von Gewalt be- darf, um sie abzulösen. Als Bindemittel dient eine kleine Menge einer schleimigen Masse, welche die Uncinula-Anhängsel im Moment der Befeuchtung abgeben. Salmon!) macht auf diese Eigenschaft der Anhängsel aufmerk- sam, indem er sagt: „. . . it is noticeable, that the apices of these appendages show, under the microscope, signs of having become slightly disorganized; they may possibly, therefore, adhere to the leaf through some mucilaginous degeneration.“ In der That haften Uncinula-Peritheeien, mit der Oberseite auf eine angefeuchtete Fläche gelegt, nach dem Verdunsten der Feuchtig- keit dem Substrat fest an. Die Anhängsel von Uncinula Aceris (und wohl auch U. polychaeta) erfüllen demnach — wenn auch nicht in so vollkommener Weise — die Aufgabe der ihnen höchst wahrscheinlich morphologisch gleich- werthigen Pinselzellen von Phyllactinia, deren Function als Organ zur Festankernung ich ?) früher bewiesen habe. Dieser Function entspricht auch die ringförmige, eine Fläche bildende Anordnung der Anhängsel. Uneinula eircinata Cooke et Peck. Bei im Wesentlichen übereinstimmendem Bau der Perithecien- wand scheint diese Art den beiden eben behandelten Uncinula-Arten gegenüber eine Sonderstellung einzunehmen. An dem mir zur Ver- fügung stehenden Herbariumsmaterial beobachtete ich nämlich, dass die Perithecien nie an der Unterseite, meistens dagegen an der Ober- seite schwach eingewölbt sind. In Zusammenhang damit steht, dass eine spontane Loslösung in der Regel nicht zu Stande kommt. Ein Querschnitt erklärt dieses abweichende Verhalten. Die Zellen der Oberseite sind zarter und weitlumiger als die relativ dickwandigen Zellen der Unterseite (Fig. 13). ı) Monograph. pag. 92. 2) Neger, Zur Kenntniss der Gattung Phyllactinia. (Bot. Centralbl. Bd. 80 [1899] pag. 11), 860 Durch diesen auffallenden Bau der Perithecienwand weist die in Rede stehende Art Beziehungen auf, einerseits zu Erysiphe graminis, andererseits zur Gattung Phyllactinia, bei welchen die Perithecien- unterseite gleichfalls niemals concav gewölbt ist. Ob es nur Zufall ist, dass an dem von mir untersuchten Herbar- material die Anhängsel in der Regel mangelhaft entwickelt ist oder ob dies eine constante Eigenschaft der Perithecien von U. circinata ist, welche angesichts des scheinbaren Mangels einer Loslösungsvorrich- tung als Reduction eines zwecklosen Organes aufzufassen wäre, wage ich nieht zu entscheiden, wie ich überhaupt das eben über U. cörcinata Gesugte nur mit Reserve aufgenommen wissen möchte. Nur eine Untersuchung an lebendem Material kann Gewissheit über einzelne der berührten Punkte geben. 7. Phyllactinia. Die Beobachtungen wurden ausgeführt an lebendem Material von Ph. corylea (Pers.). Obwohl dieser Pilz schon Gegenstand zahlreicher Untersuchungen gewesen ist (Naegeli, Bonorden, Tulasne, Vuillemin, Palla u. A.), ist seine Lebensgeschichte bisher doch noch nicht lückenlos bekannt, Ein fast sagenhaftes Gebilde ist die „zellige Haut“, !) von welcher Tulasne behauptet, dass sie die Pinselzellen im Jugendzustand be- deckt. Von späteren Beobachtern scheint sie niemand mehr gesehen oder wenigstens beachtet zu haben. Auch in Salmon’s Monographie kann ich keine Angabe darüber finden. Jedoch sie existirt, wenn auch nicht als ein solides aus Pflanzenzellen bestehendes Gebilde. Betrachtet man ein frisches Phyllactinia-Peritheecium, dessen „Tropfen“ noch nicht vertrocknet ist, bei auffallendem Licht im Mikroskop, so scheint es in der That, als ob an der Oberfläche dieses Tropfens eine aus polygonalen zartwandigen Zellen gebildete Haut schwimme. In der Regel ist nicht die ganze Fläche des Tropfens von dieser „Haut“ bedeckt, sondern einzelne Stücke von wechselnder Grösse schwimmen in regelloser Vertheilung an der Oberfläche (Fig. 16). Bringt man nun das Peritheeium in Wasser, so beobachtet man (bei durchfallendem Licht), dass sich der „Tropfen“ mit dem umgebenden Wasser mischt und die „Haut“ frei umherschwimmt. Bald aber verschwindet Zelle für Zelle in nichts und wenn das zur 1) Tulasne, Carpologia I tab. 1 Fig. 5, 6. Er 361 Beobachtung verwendete Perithecium sehr frisch war, so ist schon nach kurzer Zeit von der „Haut“ keine Spur mehr zu sehen. Lag dagegen ein älteres Perithecium vor, so hält sich die „Haut“ lange Zeit im Wasser, verschwindet aber auch sofort, wenn der Objectträger schwach erwärmt wird. So oft ich auch den Versuch wiederholte, stets löste sich die „Haut“ im umgebenden Wasser auf, so wie sich Gasblasen in einer Flüssigkeit auflösen, und hinterliess nichts als eine geringfügige, kaum messbare Menge einer hyalinen, schleimigen, mit Jodtinetur sich braunfärbenden Substanz, Die Tulasne’sche „Haut“ ist also nichts anderes als eine zu gleicher Zeit mit der Bildung des „Tropfens“ vom Peritheeium aus- geschiedene schaumige Masse, deren einzelne Blasen allerdings eine täuschende Aehnlichkeit mit Pflanzenzellen besitzen (das Fehlen der Zellkerne nicht beobachtet zu haben, kann Tulasne wohl nicht all- zusehr zur Last gelegt werden) und zuweilen einen hohen Grad von Beständigkeit zeigen. Es bleibt nun noch die Frage zu beantworten: „Hat dieser Schaum eine Bedeutung im Leben des Pilzes?*“ Wenn es auch bei den geringen hier in Betracht kommenden Mengen nahezu unmöglich ist, die genaueren Eigenschaften der schaumbildenden Substanz zu ermitteln, so ist doch die nachstehende Beobachtung vielleicht geeignet, einige Schlüsse zu ziehen. Beim Eintroeknen des Tropfens — an der Luft oder im Exsic- cator — legen sich die Pinselzellen der Perithecienwand fest an und bilden am Scheitel des Fruchtkörpers eine weisse Scheibe von ver- schwindender Mächtigkeit. Bei direeter Benetzung quellen sie auf und der „Tropfen“ erlangt seine ursprüngliche Gestalt wieder. Aber auch dann, wenn ein Perithecium mit eingetrockneten Tropfen in einen mit Feuchtigkeit gesättigten Raum gestellt wird, ist der Tropfen nach einigen Stunden bis einem halben Tag in seiner vollen Grösse wieder hergestellt. Es scheint demnach, dass hier eine hygroskopische Masse in Thätigkeit war, Feuchtigkeit aus der Luft anzuziehen und es ist nicht unwahrscheinlich — wenn auch kaum direct zu beweisen —, dass diese Wirkung eben von jener den oben beschriebenen „Schaum“ bildenden Substanz ausgeht. Schliesslich möchte ich noch erwähnen, dass die Abscheidung des „Tropfens“ bei eben reifen Perithecien stets erfolgt und unzweifel- haft die Aufgabe hat, auch auf trockenen fremden Substraten die für die Anheftung der Fruchtkörper mittels der Pinselzellen günstigen Bedingungen zu schaffen, Bei feuchtem Wetter und im feuchten 362 Raum ist die Menge der abgeschiedenen Flüssigkeit so gross, dass der Tropfen häufig überfliesst. Ausscheidung von Flüssigkeit aus Pilzfruchtkörpern (wenn auch anderen Zwecken dienend, als im vorliegenden Fall) ist schon öfter beobachtet worden, z. B. kürzlich von Dawson!) an Poronia punc- tata, und ist wohl auf einen dem Wurzeldruck höherer Pflanzen ana- logen Vorgang zurückzuführen. Ein zweiter noch nicht genügend aufgeklärter Punkt ist die Ent- stehung und Wirkungsweise der starren, stelzenartigen am Grund blasig angeschwollenen Anhängsel. Eine Regelmässigkeit bezüglich der Anzahl der an einem Fruchtkörper entstehenden Anhängsel be- steht offenbar nicht; warum aber kommen zuweilen nur 3—4, in anderen Fällen dagegen ca. 10 bis 12 Anhängsel zur Ausbildung? Ferner: In welcher Weise erfolgt die Drehung der Anhängsel nach unten, welche eine Hebung des Fruchtkörpers selbst zur Folge hat? Was den ersten Punkt, die Entwickelungsgeschichte der Phyllac- tinia-Anhängsel anlangt (und damit steht in Zusammenhang die An- zahl derselben), so hat zwar schon Tulasne?) die Vermuthung aus- gesprochen, dass dieselben aus Perithecienwandzellen ihren Ursprung nehmen, ohne indessen dafür einen Beweis zu liefern, Salmon?®) schweigt sich auch über diesen Punkt aus. Es ist aber leicht nachzuweisen, dass die Anhängsel in der That nichts an- deres sind als stark vorgewölbte Wandzellen, welche schliesslich in einen Stachel auswachsen. An sehr jungen, noch gelben Fruchtkörpern, an welchen die Pinselzellen in Form kleiner farbloser Höcker eben sichtbar werden, ist von den Anhängseln noch nichts zu sehen. Wohl aber treten in einer unterhalb des Aequators liegenden Zone eine Anzahl Wandzellen weiter hervor als die übrigen benachbarten. In einem weiteren Stadium der Entwickelung — in welchem die Perithecien inzwischen dunkelgelbe Färbung angenommen haben, sind einige dieser Wand- zellen zu annähernd doppelter Grösse herangewachsen als die an- deren, welche ihrerseits ihr Wachsthum eingestellt haben. Wie viele Zellen zu dieser Weiterentwickelung befähigt sind, scheint von den 1) Annals of Botany Vol. XIV. (1900) pag. 245. 2) Carpologia pag. 196. 3) Monograph pag. 224-286, 363 Ernährungsbedingungen abzuhängen. Wenigstens zeichnen sich in einem Stadium, in welchem eine Differenzirung der hervorragenden Wandzellen noch nicht eingetreten ist, eine geringe Anzahl durch auffallend grossen Plasmareichthum aus. Diese sind es ohne Zweifel, welche sich später zu Anhängseln entwickeln (Fig. 15). Die Ausstülpung der Stacheln beginnt in der Regel, wenn das Perithecium dunkelbraune Färbung angenommen hat. Dabei erstreekt sich ein Plasmastrang aus der Mutterzelle in den Stachel bis an die wachsende Spitze desselben, während der Zellkern in der Mutterzelle liegen bleibt. Während die Wand des Stachels ringsum gleichmässige Ver- dickung erfährt, gilt dies nicht von der Mutterzelle, eine Erschei- nung, welche allen bisherigen Beobachtern entgangen zu sein scheint — wenigstens finde ich nirgends eine Angabe darüber noch auch eine Andeutung an Figuren —, wesshalb auch eine befriedigende Erklärung für den Vorgang der Drehung der Anhängsel noch nicht hat gegeben werden können, Am ausgewachsenen Anhängsel ist nämlich die obere Hälfte stark verdickt, von der Unterseite ist nur der dem Stachel zugewendete Quadrant mässig verdickt, während der übrige Theil (der dem Peri- thecium angeheftete Quadrant) äusserst zartwandig geblieben ist (Fig. 14). Lässt man auf ein lebendes Perithecium eine Salziösung ein- wirken, so erfolgt nach kurzer Zeit Drehung der Anhängsel. Der wässerige Inhalt der Mutterzelle diffundirt durch den zartwandigen Theil der Kugel, was eine Faltung dieses T'heiles in der in Fig. 14 angedeuteten Weise zur Folge hat. Ueberträgt man jetzt das Peritheeium aus der Salzlösung in Wasser, so kehren die Anhängsel wieder in ihre ursprüngliche Lage zu- rück, wobei sich der gefaltete Theil der Kugel wieder nach aussen wölbt. Man kann diese beiden Vorgänge mit einem und demselben Peritheeium beliebig oft wiederholen, woraus unzweifelhaft hervorgeht, dass auch bei der Bewegung der Phyllactiniaanhängsel — wie bei den Loslösungseinrichtungen der anderen Erysipheenperithecien — eine den Turgorerscheinungen ähnliche Wirkung das treibende Agens ist. Abwechselnder Aufenthalt in einem Exsiccator und einem mit Feuchtigkeit gesättigten Raum haben die gleichen Erscheinungen zur Folge wie die Einwirkung von Salzlösung resp. Wasser. Die Kraft, welche bei der Drehung der Anhängsel entwickelt wird, ist nicht unbeträchtlich; so beobachtete ich, dass ein ziemlich 364 dickes Deckglas, welches auf vier Perithecien gestellt wurde, beim Aufrichten derselben (im Fxsiccator) mit Leichtigkeit gehoben wird. Es erübrigt noch dem Bau der Perithecienwand einige Aufmerk- samkeit zu schenken. Das Perithecium erleidet beim Eintroeknen zwar bedeutende Volumenabnahme, lässt aber eine auffallende Gestaltsveränderung nicht erkennen. Eine Eindellung der Unterseite findet nie statt; sie wird wohl verhindert durch das relativ englumige Gewebe der Perithecien- basis; hingegen ist an der unmittelbar unter den Anhängseln befind- lichen Zone der Peritheeienwand, deren Zellen ausserordentlich weit- lumig sind, eine beträchtliche Schrumpfung des Gewebes zu constatiren. Möglicherweise wird dadurch die gelenkige Bewegung der Stelzen unterstützt. Zusammenfassung. An einigen Beispielen (T’richocladia und Uncinula) habe ich ge- zeigt, dass die anatomische Struetur der Peritheeienwand auch für die systematische Gliederung der Familie zu verwerthen ist, besonders zur besseren Umgrenzung der Gattungen, wo die auf die Natur der Anhängsel begründeten Merkmale versagen. Ich zweifle nicht, dass bei einer genauen Untersuchung aller Erysipheenarten hinsichtlich des Baues der Peritheeien sich noch weitere systematisch verwerthbare Unterschiede ergeben würden, habe aber davon abgesehen, um mich von dem eigentlichen Ziel meiner Untersuchung „den Verbreitungs- einrichtungen“ nicht zu weit zu entfernen. Dagegen möchte ich nicht unterlassen, auf Grund der oben er- läuterten schärferen Umgrenzung der bisher mangelhaft charakterisirten Gattungen Erysiphe und Microsphaera, sowie der Zerlegung der wenig einheitlichen Gattung Uneinula in zwei Sectionen die phylogenetische Seite der systematischen Gliederung kurz zu beleuchten, Man hat schon früher entsprechend der Einzahl des im Peri- thecium enthaltenen Ascus die beiden Gattungen Sphaerotheca und Podosphaera als niedrigste Typen betrachtet. Es wäre zunächst zu ermitteln, welche dieser Formen den ursprünglichen Zustand reprä- sentirt. Salmon!') entscheidet sich für Podosphaera; womit er seine Ansicht begründet, geht aus seinen Ausführungen nicht hervor. Die einfachen ungetheilten Anhängsel von Sphaerotheca aber, sowie die 1) Monograph. pag‘ 289. DEE ENG BEER. 365 noch fehlende Differenzirung der Peritheeienwand in Ober- und Unterseite lassen wohl keinen Zweifel darüber bestehen, dass wir in dieser Gattung den ältesten existirenden Typ einer Erysiphee zu suchen haben und nicht in Podosphaera mit ihren hoch organisirten kunstvoll gebauten, dichotom verzweigten Anhängseln etc. Von Sphaerotheca ausgehend, lassen sich die übrigen Gattungen an der Hand der obengewonnenen Resultate in natürlicher Weise in folgen- den Stammbaum gruppiren: Phyllastinia. P. wie bei U. cir- cinata, zweierlei Anhängsel: stelzen- artige und Pinsel- zellen eto. Unceinula eircinata Euuneinula. Uncinula Microsphaera. wie Euuncinula, Anh, spiralig einge- (Mierosphaeroidea). Anh. diehotom aber P, umgekehrt, rollt. P.dorsiventral, Anh. spiralig einge- verzw. P. dorsiven- dorsiventral. aber anders gebaut rollt, P. dorsiventral, tral. als bei Micro- wie beiMicrosphaera. sphaeroidea. Erysiphe graminis wie Erysiphe, aber P. an der Unter- seite starr, Trichocladia. Anh, einfach oder verzweigt. P. dorsi- ventral. Podosphaera. 1. Ascus, Anh, ver- zweigt, P. dorsiven- tral. Erysiphe. A 0 Asci, Anhängsel in der Regel einfach, Perith. nicht dorsiventral. „ Sphaerotheca. 1. Ascus, Anhängsel einfach, Perith. nicht dorsiventral. Flora 1901, 25 366 NB. Natürlicher ist vielleicht, Sphaerotheca und Erysiphe als eoordinirte Stammformen zweier Entwickelungsreihen aufzufassen, deren eine (Sphaerotheca-Podosphaera) wenig, deren andere (Erysiphe- Phyllactinia) reichgegliedert ist. Mit dieser systematisch-phylogenetischen Eintheilung deckt sich ziemlich genau ein biologisches, auf den Modus der Perithecienab- lösungseinrichtungen begründetes Schema: A).Perithecien nicht spontan abfallend, meist durch die Auhängsel am Muttermycel befestigt: Sphaerotheca, Erysiphe, (Uneinula eircinata ?). B) P. bei der Reife abfallend'}). I. Loslösung erfolgt durch Schrumpfung der Perithecienbasis.?) a) Obere Hälfte der Perithecienwand aus engen stark verdickten, panzerartigen Zellen, untere Hälfte aus zart- wandigen Zellen gebildet: Podosphaera, Trichocladia, Microsphaera, Uncinula, Sect. Microsphaeroidea. t) Aus der Thatsache der frühzeitigen Loslösung der Peritheeien zahlreicher Erysipheen ergibt sich für die Praxis der Bekämpfung der Erysipheen ein neuer Gesichtspunkt. Die vielfach empfohlene Vernichtung der „mit Perithecien besetzten“ Blätter hat oft einen sehr problematischen Werth, weil die Fruchtkörper, wie oben aus einander gesetzt worden ist, schon im Herbst ihren Entstehungsort verlassen haben und vom Wind verbreitet wurden. 2) Ich möchte nicht unterlassen, um etwaigen linwürfen gleich hier ent- gegenzutreten, zu bemerken, dass sich an Herbarmaterial die selbstthätige Los- lösung der Fruchtkörper nur dann constatiren lässt, wenn dasselbe in vollkommen reifem Zustand gesammelt worden ist (was sehr oft nicht der Fall ist, weil eben dann die Perithecien schon zum grössten Theile abgefallen wären). Man findet in Herbarien sehr oft Materialien von Microsphaera, Uncinula ete., deren Perithe- cien nicht mehr den Blättern der Wirthpflanze aufsitzen, sondern, vorausgesetzt, dass zur Aufbewahrung des Exsiccates gut schliessende Kapseln verwendet worden waren, den Blättern lose beiliegen. Ebenso oft aber kommt es vor, dass die Fruchtkörper noch ziemlich fest am Substrat haften; in diesem Fall war eben der Pilz in unreifem oder halbreifem Zustand gesammelt und eingelegt worden. Ich machte diese Beobachtung an Arten, bei welchen, wie die Untersuchung in der freien Natur lehrte, unzweifelhaft eine spontane Loslösung der Perithecien statt- findet, z. B. Trichocladia Astrugali, Podosphaera tridactyla, Microsphaera Alni u.a. — Es ist freilich nicht ausgeschlossen, dass auch bei Microsphaera, Podosphaera ete. Ausnahmen von der Regel vorkommen, wie ich sie innerhalb der Gattung Uneinula an Ü, circinata habe constatiren können. Eine endgiltige Entscheidung Jieser Frage wird nur durch Beobachtung an lebendem Material der exotischen, mir in diesem Zustand nicht zugänglichen Arten erlangt werden können, wenn auch nach den gewonnenen Erfahrungen mit einiger Sicherheit aus dem anatomi- schen Bau der Perithecien auf deren biologisches Verhalten bei der Reife ge- schlossen werden kann. 367 ß) Zellen der Peritheeienwand oben und unten annähernd gleich gross, oben englumig, unten mehr oder weniger zartwandig; Zellen der stärksten Krümmung, sehr gross und biegsam, erleiden beim Eintrocknen Schrumpfung. Dadurch erfolgt Eindellung der Unterseite: Euuneinula (ausser U. circinata). II. Loslösung des Peritheciums erfolgt durch den Druck der nach unten sich drehenden Anhängsel gegen das Substrat. Das Perithecium erleidet beim Eintrocknen keine wesent- liche Gestaltsänderung: Phyllactinia. Ich habe die Schrumpfungserscheinungen bei den Perithecien der Erysipheen bisher immer als auf Turgorabnahme zurückzuführende Vorgänge hingestellt. Dies mag für den lebenden Organismus zu- treffen und ein solcher kommt ja, soweit es sich um eine biologisch bedeutsame Einrichtung zur Verbreitung eines aus lebenden Zellen bestehenden Körpers handelt, in Betracht. Nun finden diese Schrum- Pfungsvorgänge aber in gleicher Weise bei unzweifelhaft todten Peri- theeien (wie Versuche an Uncinula salieis u. a. ergaben) statt. Demnach können dieselben streng genommen, nicht auf Turgorer- scheinungen zurückgeführt werden, bei welchen doch der protoplas- matische Inhalt der Zelle als Wasser abgebender resp. aufnehmender Körper functionirt, sondern sind wohl passender als eine Wirkung von Oohäsionsmechanismus aufzufassen und demnach den Erscheinungen der Oeffnung von Antheren und Farnsporangien und anderen ver- wandten Vorgängen an die Seite zu stellen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Wirkung des Cohäsions- mechanismus noch verstärkt wird, durch eine gleichzeitig erfolgende Schrumpfung resp. Quellung der Zellwand beim Austrocknen resp. Befeuchten. Dass dieselbe aber nicht die alleinige Ursache für das Schrumpfen der Fruchtkörper sein kann, geht daraus hervor, dass sehr zarte Querschnitte — bei welchen also die Zellen angeschnitten sind —, wenn sie nach Entfaltung der Zellen mit wasserentziehenden Mitteln behandelt werden, in die Schrumpfungsform nicht mehr zurückkehren. Uebrigens kommen nicht nur die weitlumigen Zellen der Unter- seite als Wasser abgebende Räume in Betracht, sondern das ganze Perithecium als solches, namentlich mit dem die Asci umgebenden zartwandigen Zellgewebe. Daher kommt es, dass die Perithecien aller Erysipheen ohne Unterschied bei der Eintrocknung eine Schrum- pfung erleiden. 25* 368 Auf eine bestimmte Seite des Fruchtkörpers (Ober- oder Unter- seite) localisirt ist dieselbe nur dann, wenn eine Verschiedenheit im Bau der Perithecienwand — wie bei Uncinula, Microsphaera ete. besteht. Ueber die Erscheinungen des Cohäsionsmechanismus bei pflanz- lichen Körpern existirt schon eine umfangreiche Litteratur durch die Arbeiten von Prantl, Schinz, Schrodt, Steinbrink, Schwendtner, Kamerling u. A.) und es ist nicht meine Absicht, die besonders von Steinbrink (in zahlreichen Publicationen in den Berichten der d. b. G.) gewonnenen Resultate auf die von mir be- obachteten Schrumpfungsvorgänge anzuwenden. Nur auf einen Punkt möchte ich noch aufmerksam machen. Während ich in weitaus den meisten Fällen (besonders an leben- dem Material) für die oben genannten Gattungen und Arten, die Schrampfung des „Schwellungsgewebes* habe constatiren können, darf ich nicht unterlassen, zuzugeben, dass dieselbe hie und da unterbleibt. Sind diese immerhin seltenen Ausnahmen nun geeignet, die All- gemeingiltigkeit der oben aufgestellten Gesetze zu beeinträchtigen ? Wohl kaum! Steinbrink hat in einer seiner letzten Abhandlungen !) nach- gewiesen, dass vollreife Antheren von Fritillaria imperialis, welche mit absolutem Alkohol imbibirt waren, beim Austrocknen im luft- leeren Raum, manche sogar schon an der Luft, sich nicht öffneten und nur eine geringfügige Längs- und Quercontraction zeigten. Zu gleicher Zeit wurden sie kreideweiss, Steinbrink erklärt diese abnorme Erscheinung in sehr an- schaulicher Weise damit, dass bei der raschen Verdunstung schon zu Beginn der Austrocknung ein Riss in der Flüssigkeit entstand, die Cohäsion derselben, welche sonst die Zellhaut in Falten nach innen zieht, damit unterbrochen war und das Zellgerüst infolge dessen in seiner ursprünglichen Gestalt verharrte. Eintretende, die Zellen er- füllende Luft verursachte die weisse Färbung, Auf ein durch plötzliches rasches Verdunsten des Zellsaftes ver- ursachtes Ausbleiben der Wirkung des Cohäsionsmechanismus sind wohl auch Ausnahmen von der Regel des Schrumpfens bei Erysipheen- perithecien zurückzuführen. l) Steinbrink, Zur Terminologie der Volumenänderungen pflanzlicher Ge- webe. (Ber. d.d. b. G. Bd. 18 [1900] pag. 222.) 869 - Figuren-Erklärung. (Die Vergrösserung beträgt, wo nicht anders angegeben: 300.) Erysiphe Cichoriacearum im gequollenen Zustand. FR „ „» geschrumpften Zustand. Vergr. 150. n graminis, im gequollenen Zustand, wobei sich die Perithecien- oberseite nach aussen gewölbt hat. Trichoeladia Astragali, gequollen; die Zellwände des weitmaschigen Schwellungsgewebes sind in der Reproduction meiner Originalzeichnung etwas zu dick wiedergegeben. Desgl. im geschrumpften Zustand. Vergr. 150, » Zahlreiche Perithecien mit Hilfe ihrer Anhängsel zu grösseren Massen vereinigt. Vergr. 80. Ein Theil dieser Figur (von geraden Linien umgrenzt) ist bei doppelt so starker Vergrösserung in wiedergegeben, Dieselbe zeigt das die Anhängsel umspinnende Mycel eines secundären Pilzes (wahrscheinlich Monilia candida), durch welches “die Anhängsel der Trichocladia zu mehr oder weniger dicken Seilen 11. 11a. 12. 13, 13a 14, vereinigt werden. Microsphaera pulchra, gequollen, Podosphaera tridaciyla, gequollen. Uncinula Salicis, gequollen. NB. Im geschrumpften Zustand stimmt die Form der Perithecien dieser drei Arten vollkommen mit Fig. 5 überein. Uncinula Aceris, gequollen. Die seitlichen Zellen der Perithecienwand zeichnen sich durch auffallende Grösse aus, diejenigen der Unterseite sind nur wenig zartwandiger und weiter als die Zellen der Oberseite. Das gleiche Peritheecium im geschrumpften Zustand. Vergr. 150, Uneinula polychaeta. Die Zeilen der Oberseite sind in den 2—3 äusser- sten Schichten fast lumenlos und bilden daher einen starren unbeweg- lichen Panzer. Die Zellen der Unterseite sind etwas zartwandiger und weiter als die vorliegende, nicht ganz genaue Reproduction andeutet. Als Schwellungs- bezw. Schrumpfungsgewebe kommt hier besonders das zarte, vielschichtige die Asci umgebende Gewebe zur Geltung. Ge- schrumpfte Form der Perithecien wie Fig. 11a. Uncinula circinata wie Uncinula Aceris, aber umgekehrt, daher Ober- seite als Schrumpfungsgewebe ausgebildet (auch hier sind die Seiten- zellen auffallend gross und biegsam), infolge dessen befindet sich die Einwölbung im geschrumpften Zustand auf der Oberseite. Vergr. 150. Phyllactinia corylea. Die Figur zeigt, dass die Pinselzellen vollkommen den Anhängseln der Uncinula-Perithecien entsprechen — im frühesten Stadium ihrer Entwiekelung erscheinen diese Gebilde bei beiden Gattungen in Form zarter höckerartiger Ausstülpungen der äussersten Zellschicht der oberen Perithecienwand und sind nicht von einander zu unterscheiden — nur au einer Pinselzelle sind die zarten hyalinen geknöpften Pinsel- fäden wiedergegeben. Die „Stelze“ rechts zeigt den kugeligen Gelenk- theil im turgescenten Zustand, diejenige links im turgorlosen (nach Ein- trocknung oder Behandlung mit Salzlösung). Aus der Figur ist ferner 370 Fig. 15. ersichtlich (besondere rechts, weniger gut links), dass die Anheftungs- stelle des Gelenkes an der Perithecienwand im zartwandigen Theil der Kugel (nahe der oberen Verdickung) liegt, woraus sich die Mechanik der gelenkigen Drehung der Stelzen erklärt. Desgl.; zeigt die Entwickelungsgeschichte der Stelzen. Von den in der linken Figur sichtbaren Stelzenanlagen entwickeln sich nur sechs weiter, während die übrigen zu gewöhnlichen (oft allerdings weit hervorragen- den) Wandzellen werden. Vergr. 75. Zeigt ein durch Drehung der Stelzen aufgerichtetes Perithecium; auf der Oberfläche der die Pinselzellen umhüllenden „Gutta‘‘ schwimmen Stücke der von Tulasne fälschlicher Weise als „Zellige Haut‘ angesprochenen schaumigen Masse. (8. oben. pag. 360). Vergr. 150. Sphaerotheca Castagnei; je ein Peritheeium im geschrumpften (a) und im gequollenen (db) Zustand. Schrumpfung allseitig gleichmässig. NB. Die vorstehenden Reproduetionen decken sich vielfach nicht ganz mit meinen Originalzeichnungen; namentlich was den Uebergang des Wandgewebes in das zartwandige die Asci umgebende Ge- webe anlangt, so ist derselbe bei einigen Figuren schlecht wieder- gegeben. FERIEN Pr Beobachtungen und Betrachtungen über tactische Reizerscheinungen. Von W. Rothert. Inhaltsverzeichniss, I. Phototaxis bei einem farblosen Organismus, II. Ueber Chemotaxis und Chemokinesis der Zoosporen von Saprolegnia. II, Ein Fall von Apaörotaxis, IV. Prosehemotaxis gegen Aether. V. Verschiedenheit der chemotactischen Empfindlichkeit gegen verschiedene Reizstoffe, V1, Die Art und Weise der chemotactischen Reaction der Bacterien. VII. Allgemeines über die tactischen Reizerscheinungen, VIU, Ueber Osmotaxis. IX. Die Inconstanz der tactischen Eigenschaften. Litteraturverzeichniss. Dank dem liebenswürdigen Entgegenkommen des Herrn Geheim- rath Prof. Dr. Pfeffer war mir die Möglichkeit gegeben, im Leip- ziger Botanischen Institut während eines Theils des Jahres 1900 eine Untersuchung über den Einfluss der Anästhese auf einige Reizerschei- nungen pflanzlicher Mikroorganismen auszuführen. Bei dieser Unter- suchung, über deren Ergebnisse ich bald zu berichten hoffe, habe ich gelegentlich einige Beobachtungen gemacht, die nieht zu meinem eigentlichen Thema gehörten; der besseren Uebersichtlichkeit halber empfiehlt es sich, diese Beobachtungen nebst einigen sich daran knüpfen- den Erörterungen gesondert darzulegen, was ich in vorstehendem Artikel zu thun gedenke. Die Lückenhaftigkeit der mitzutheilenden Beobach- tungen bitte ich den kritischen Leser damit entschuldigen zu wollen, dass es, wie gesagt, nur Nebenergebnisse einer auf andere Ziele ge- richteten Arbeit sind; zu einer befriedigenden Vervollständigung dieser Ergebnisse fehlte mir und fehlt mir auch jetzt noch die Zeit und zum Theil auch die Möglichkeit. l. Phototaxis bei einem farblosen Organismus. Es sind meines Wissens bisher nur zwei Fälle von phototactischer Reizbarkeit bei farblosen schwimmenden Mikroorganismen bekannt geworden, und beide betreffen Schwärmer von Chytridiaceen, welche auf chlorophylihaltigen, beweglichen Organismen schmarotzen; durch die phototactische Reizbarkeit ihrer Schwärmer werden diese Parasiten 972 in den Stand gesetzt, den Ortsveränderungen ihrer ebenfalls photo- tactischen Wirthe zu folgen und so dieselben sicher zu erreichen. Der eine dieser Fälle wurde von Nowakowski bei Polyphagus Euglenae constatirt, der andere von Strasburger bei Chytridium vorazx, einem Parasiten des Huematococcus lacustris (vgl. Strasburger, XXXI pag. 18/19). Diesen beiden Fällen kann ich einen dritten anreihen, und zwar aus einer ganz anderen Klasse von Organismen, nämlich aus der der Flagellaten. Es ist eine nicht näher bestimmte (möglicher Weise un- beschriebene) Bodo-Art, welche neben verschiedenen grünen Volvo- cineen im Warmhausbassin des Leiziger Botanischen Gartens auftrat. Sie nährte sich von Chlamydomonas multifilis, indem sie die Zellen derselben ansaugte und den Inhalt in ihren Körper aufnahm, grosse Verheerungen unter ihren Opfern anrichtend. Die Chlamydomonas waren unter den herrschenden Bedingungen prosphototactisch !); die noch nicht festgesaugten, lebhaft beweglichen Exemplare des Bodo waren es gleichfalls, und zwar in noch höherem Grade. Im Hänge- tropfen der Feuchtkammer wanderten sie fast geradlinig dem Fenster- rande zu und reagierten sehr präcise auf jede Drehung des Präparats, wobei sie den Chlamydomonaden und anderen prosphototactischen Vol- vocineen vorauseilten. Es liegt hier eine Anpassungserscheinung mit dem gleichen offen- kundigen Nutzen für den Parasiten vor, wie bei den erwähnten Chytridiaceen, und es ist nicht uninteressant, dass die nämliche An- passung, dem gleichen Bedürfniss entsprechend, in zwei weit verschie- denen Verwandtschaftskreisen unabhängig von einander aufgetreten ist. ll. Ueber Chemotaxis und Chemokinesis der Zoosporen von Saprolegnia. Ich benutzte eine Saprolegnia-Species, welche, da sie nicht zur Oogonienbildung zu bringen war, nicht bestimmt werden konnte. Die Zoosporen derselben (wie wohl aller Saprolegnien) sind gegen neutra- lisirten Fleischextract in höchstem Grade proschemotactisch, so dass sie als eines der besten Demonstrationsobjecte empfohlen werden können, zumal da Saprolegnien so leicht zu erhalten, zu cultiviren und zu reichlicher Zoosporenbildung zu veranlassen sind. Capillaren mit 10proe. und mit 1proc. Fleischextractlösung bewirken eine sehr starke Attraction und gleichzeitig eine deutliche Repulsion, es entsteht 1) Prosphototaxis ist gleichbedeutend mit positiver, Apophototaxis mit negativer Phototaxis, und entsprechend auch in anderen Fällen. Vgl. über diese bezeich- nungsweise Rothert, XXVILI pag. 4/5, Anmerkung. 373 eine massenhafte Ansammlung vor dem Capillarmund, während in diesen keine Spore eindringt. Entsprechend der bedeutenden Schnel- ligkeit der Bewegung der Zoosporen erfolgt die Ansammlung sehr schnell, und in kurzer Zeit können die sämmtlichen Schwärmer eines grofsen, reichhaltigen Tropfens vor der Capillare gefangen sein, da bei dem blitzartigen Durchlaufen des Tropfens in allen Richtungen jeder Schwärmer bald in die Diffussionssphäre gelangt und folglich angelockt wird. O,lproc. Fleischextract wirkt ebenfalls stark attractiv, während die Repulsion geringer ist — die Schwärmer dringen bis zu einer gewissen Tiefe in die Capillare selbst ein. Eine schwache Attractiv- wirkung äussert auch noch eine 0,01proc. Lösung; hier erfolgt erst nach einiger Zeit eine mässige Ansammlung in der Capillare; wahr- scheinlich werden durch diese Lösung nur noch einzelne besonders empfindliche Individuen gereizt. In ganz ähnlicher Weise attractiv wie die stärkeren Fleischextract- lösungen wirken auch frische Wundflächen von Fliegenbeinen; es bilden sich an ihnen massenhafte Ansammlungen von Sporen. Die Bewegung der Schwärmer ist so rapid, dass es nicht möglich ist, direct zu sehen, auf welche Weise die Ansammlungen zu Stande kommen. Ist aber die Schnelligkeit der Bewegung durch einen ge- ringen Zusatz von Aetherwasser herabgesetzt, so kann man beobachten, dass die Schwärmer, deren Bahn sie zufällig in die Diffussionssphäre führt, plötzlich für einen Augenblick anhalten und dann unter event. Aenderung ihrer bisherigen Richtung direct auf die Capillarmündung resp. die Wundfläche des Fliegenbeins losschwimmen. Bemerkenswerth ist, dass die Schwärmer vor der Mündung der Capillaren mit 1Oproc. und Iproc. Fleischextraet und ebenso an den Fliegenbeinwunden sofort zur Ruhe kommen '); es bildet sich hier als- bald ein dichter Haufen unbeweglicher Sporen, an den sich von aussen immer neue Ankömmlinge anheften. Auch in Capillaren mit 0,lproc. Fleischextract erfolgt das Zurruhekommen zwar nicht momentan, aber doch bald, während mir in der 0,01proc. Lösung diese Erscheinung nicht aufgefallen ist. Ich habe constatirt, dass die zur Ruhe gekom- menen Sporen auch alsbald keimen. 1) Das Zurruhekommen der Zoosporen an Fliegenbeinwunden hat schon Pfeffer (XXVI pag. 467) beobachtet, und Stange erwähnt (XXX pag. 125), dass in mit Phosphorsäure gefüllten Capillaren die Zoosporen stets zur Ruhe kommen, während dies in Essigsäure und Weinsäure nicht der Fall ist. 374 Die Reizstoffe des Fleischextractes und der Fliegenbeine (nach Stange’s Untersuchungen sind es Phosphorsäure und Phosphate) üben also auf die Zoosporen eine zweifache Wirkung aus (von der Repulsivwirkung abgesehen): erstens wirken sie proschemotactisch . durch Aenderung der Bewegungsrichtung, zweitens bringen sie die Sporen, welche sonst noch längere Zeit geschwärmt hätten, mehr oder weniger schnell zur Ruhe. Diese zweite Wirkung hat mit der Chemo- taxis nichts zu schaffen, sondern ist eine Reizwirkung für sich, wie man schon daraus schliessen kann, dass andere chemotactisch reizbare Organismen in der Lösung des Reizstoffes (sofern dieselbe nicht plas- molysirend oder giftig wirkt) ihre Beweglichkeit vollkommen beibehalten. Eine Reizbarkeit, welche sich, je nach den Umständen, in einer Hemmung oder Verlangsamung resp. in einer Erweckung oder Be- schleunigun& der Bewegung (allgemein gesagt in einer Beeinflussung des Grades der Beweglichkeit) durch bestimmte Reizmittel äussert, ist bei beweglichen Mikroorganismen vielleicht sehr verbreitet, aber meist kaum beachtet oder doch nicht näher untersucht worden.!) Man könnte diese Art von Reizbarkeit im Anschluss an Engelmann als Kinesis (im Gegensatz zu Taxis) bezeichnen, und demgemäss im vorliegenden Fall von Chemokinesis reden. Die kinetischen Reiz- erscheinungen werden voraussichtlich oft durch die gleichen Reizmittel veranlasst werden, wie tactische Reizerscheinungen, und sich mit diesen in mannigfaltiger Weise combiniren. Um auf Saprolegnia zurückzukommen, möchte ich bemerken, dass die hier vorliegende Combination von Chemotaxis und Chemokinesis für sie nützlich ist, indem dasselbe Reizmittel, welches die Zoosporen nach für die Entwickelung des Pilzes günstigen Orten hinlockt, sie auch zur Ruhe bringt und so endgiltig an diesen Orten festhält. Die Saprolegnia-Zoosporen sind bekanntlich diplanetisch, d. h. nach einer ersten Schwärmperiode encystiren sie sich für einige Zeit, dann schlüpft der Protoplasmakörper aus der Cyste wieder aus und beginnt, in anderer Gestalt und mit grösserer Bewegungsschnelligkeit 1) Ein schönes Beispiel derartiger Reizbarkeit, und zwar durch Licht, bieten die Untersuchungen Engelmann’s an den Purpurbacterien (V pag. 103/9, VI pag. 663/5); Licht ist für die Bewegung dieser Bacterien Bedingung, andererseits wird aber die Bewegung derselben durch starke und gleichmässige Beleuchtung sistirt; sowohl eine Verminderung als eine Steigerung der Lichtintensität ruft die sistirte Bewegung wieder hervor, Engelmann bezeichnet diese Reizbarkeit der Purpurbacterien als Photokinesis. Daneben hat das Licht auch hier noch eine andere, nämlich eine phototactische Wirkung (in dem weiteren aus Kap. VII dieses Aufsatzes zu ersehenden Sinn). 375 als vorhin, seine zweite Schwärmperiode ; auf diese folgt die definitive Eneystirung und das Austreiben eines Keimschlauches. Es ist nun eine sehr merkwürdige Thatsache, dass die oben beschriebene chemo- tactische Reizbarkeit den Zoosporen nur im zweiten Schwärmstadium eigenthümlich ist; das erste Schwärmstadium ist völlig unempfindlich. Ich habe Zoosporen im ersten Schwärmstadium wiederholt auf Chemo- taxis geprüft, wobei ich Fliegenbeine und Capillaren mit 10Oproc., Iproc. und O,iproc. Fleischextraet verwandte: die Sporen blieben völlig indifferent, auch wenn sie dicht an der Wunde resp. an der Capillarmündung vorbeigingen. Die nämlichen Sporen reagirten vor- züglich einige Stunden später, nachdenı sie in das zweite Schwärm- stadium übergegangen waren, Durch das verschiedene Verhalten der beiden Schwärmstadien ist es sicherlich zu erklären, dass in Pfeffer’s Versuchen (XX VI pag. 467,8) die chemotactische Reizbarkeit der Zoosporen sich inconstant erwies. Zoosporen, welche bei niederer Temperatur entwickelt waren oder welche sich unter Deckglas befanden, fand Pfeffer so gut wie in- different. Pfeffer selbst lässt die Frage nach der wahren Ursache dieses Verhaltens offen. Ich vermuthe, dass in beiden Fällen zufällig Zoosporen ersten Schwärmstadiums vorlagen; Pfeffer hat den Diplanetismus nämlich unbeachtet gelassen. Dass unter einem (durch Deckglassplitter unterstützten) Deckglas die Zoosporen zweiten Schwärm- stadiums ihre chemotactische Reizbarkeit nicht einbüssen, kann ich bestimmt angeben; sie reagiren gegen Fleischextraet zwar merklich schwächer als in offenem Tropfen, aber immer noch sehr stark. “ Ich habe nachträglich gefunden, dass meine Beobachtungen über das verschiedene Verhalten der beiden Schwärmstadien nicht neu sind; schon Stange hat constatirt (XXX pag. 124), dass Zoosporen im ersten Schwärmstadium gegen eine Capillare mit 2proc. Fleischextract sich indifferent verhielten. Er erwähnt jedoch diese Beobachtung nur ganz kurz, ohne irgend welche Bemerkungen daran zu knüpfen. In- dessen scheint mir die Thatsache in mehrfacher Hinsicht interessant. Vom biologischen Gesichtspunkt ist sie durchaus rationell, denn im ersten Schwärmstadium, dem noch ein zweites Schwärmen zu folgen hat, wären proschemotactische Eigenschaften ganz unnütz für den Organismus.t) Besonders bemerkenswerth scheint mir aber die uns 1) Der Nutzen des Diplanetismus erscheint, nebenbei bemerkt, überhaupt ganz problematisch, es werden sich aber vielleicht noch besondere Eigenschaften der Zoosporen ersten Stadiums aufdecken lassen, welche uns diese Einrichtung vor- theilhaft erscheinen lassen. 976 beschäftigende Erscheinung in physiologischer Hinsicht, als ein höchst prägnanter Fall plötzlichen Auftretens einer neuen physiologischen Eigenschaft in bestimmtem Entwickelungsstadium des Organismus, und zwar ohne Dazwischenkommen von Ernährung, Wachsthum oder irgend welchen äusseren Einflüssen, denen die eintretende Aenderung etwa zugeschrieben werden könnte, sondern ausschliesslich infolge der inneren spontanen Umlagerungen oder Strukturänderungen, welche während des kurzen Cystenstadiums in dem anscheinend ruhenden Protoplasma der Spore vor sich gehen. Ich kann mich nicht entsinnen, dass derartige Fälle anderweitig bekannt wären. Zwar ist es eine häufige Erscheinung, dass die physiologischen Eigenschaften eines Organismus sich mit dem Entwickelungsstadium mehr oder weniger ändern; aber meist erfolgt die Aenderung allmählich und wird von Ernährungs- und Wachsthumserscheinungen begleitet, durch die sie vielleicht bedingt ist, oder, wenn die Aenderung plötzlich ist, so lässt sie sich auf das Eingreifen bestimmter äusserer Einflüsse zurückführen; in manchen Fällen endlich, wie bei der Bildung von mit neuen Eigen- schaften begabten Schwärmzuständen, sind wir wenigstens nicht im Stande, uns zu überzeugen, ob nicht die scheinbar neue Eigenschaft schon vorher vorhanden und nur durch äussere Umstände an der Be- thätigung verhindert war. Bei den Saprolegnia-Zoosporen ist es hin- gegen vollkommen klar, dass die chemotactische Empfindlichkeit vor der ersten Encystirung auch nicht in potentia vorhanden ist. ll. Ein Fall von Apaörotaxis. Ausser der sehr verbreiteten Prosa@rotaxis sind auch bereits ziem- lich zahlreiche Fälle bekannt, in denen Prosaßrotaxis und Apaörotaxis gleichzeitig auftreten. Es pflegt das bei solchen Organismen der Fall zu sein, für welche das Optimum des Sauerstoffgehals relativ niedrig liegt; diese Organismen sammeln sich an den Orten des für sie opti- malen Sauerstoffgehalts, sie verhalten sich also bei infraoptimaler Sauerstoffspannung positiv, bei supraoptimaler negativ aörotactisch. Solche Fälle wurden nachgewiesen zuerst durch Engelmann (IV pag. 541/3) für Spirillen, Flagellaten und Infusorien, dann durch Winogradsky (XXXIIl pag. 515/6) für Beggiatoa, durch Massart (XX pag. 157) ebenfalls für Spirillen und Infusorien; dasselbe hatte such ich Gelegenheit bei verschiedenen Sumpfwasserbacterien (Spi- rillen und Bacillen) und Flagellaten zu beobachten. Hingegen ist meines Wissens bisher noch kein Organismus be- kannt, welcher apaörotactisch wäre, ohne zugleich prosa@rotactisch zu 377 sein. Solche können unter den sog. obligaten Ana&roben!) erwartet werden, d. i. unter denjenigen Organismen, welche ihr Optimum bei völligem Sauerstoffmangel finden; solche Organismen scheinen aber bisher noch nicht auf etwaige aörotactische Reizbarkeit geprüft worden zu sein. Ich bin nun zufällig auf einen solchen nur negativ aörotactischen Organismus gestossen. Es ist ein Baeillus aus der Amylobacter-Gruppe, charakterisirt durch Endosporenbildung in spindelförmig anschwellen- den Stäbchen, Beweglichkeit auch im sporentragenden Zustande und Gehalt an durch Jod sich bläuender Granulose (in jungen, eylindrischen Stäbchen bildet diese Substanz nur einzelne Ansammlungen; die be- reits spindelförmig angeschwollenen Individuen sind ganz mit ihr voll- gepfropft und erhalten durch sie einen eigenthümlichen homogenen Glanz). Es war mir nicht möglich, den Organismus zu isoliren und näher zu untersuchen, und ich kann daher nicht angeben, wodurch er sich von den anscheinend zahlreichen beschriebenen und noch unbe- schriebenen Formen derselben Gruppe unterscheidet; ich will ihn im Folgenden kurz Amylobacter nennen. Er trat reichlich auf in einem Kölbehen, in dem sich einige in Leitungswasser gekochte Erbsen be- fanden, und entwickelte sich hier gut in Gesellschaft eines kleinen Termo-ähnlichen Bacteriums; vermuthlich war der ana&robe Amylobacter aus Sporen erwachsen, welche der Erbse anhafteten und das Kochen überlebten, während das aörobe T’ermo wohl zufällig aus der Luft hinein gelangte und durch seine Vegetation das Wachsthum des Anaöroben I) Der Name „obligate Anaöroben“ hat seine Berechtigung verloren, seitdem durch die Untersuchungen von Chudiakow (II) nachgewiesen worden ist, dass auch die strengsten Anaöroben einen gewissen, specifisch verschiedenen Partial- druck des Sauerstoffs vertragen und sich bei ihm normal entwickeln, und dass das für die Species zulässige Sauerstoffmaximum durch allmähliche Gewöhnung noch ganz erheblich gesteigert werden kann. Alle Anaöroben sind demnach nur facultativ; sie unterscheiden sich von einander durch die Lage ihrer Optima und Maxima in Bezug auf Sauerstoffgehalt, von den obligaten Aöroben überdies durch den Mangel eines Minimums, also durch die Fähigkeit, auch bei völligem Sauer- stoffmangel dauernd oder zeitweilig lebensthätig zu sein und die Oxydationsvor- gänge durch andere Quellen actueller Energie zu ersetzen. Als extreme An- aöroben könnte man diejenigen Organismen unterscheiden, welche bei völligem Sauerstoffmangel ihr Optimum haben, hierbei dauernd zu leben und ihren ganzen Entwickelungseyelus zu durchlaufen vermögen; dabei kann sehr wohl ein gewisses (vielleicht auch bei derselben Species mit der Beschaffenheit des Substrates va- riirendes) Sauerstoffquantum ohne Schädigung vertragen werden, und cs ist nicht unmöglich, dass extreme Anaöroben in obigem Sinne existiren, die auch bei vollem Luftzutritt zu vegetiren vermögen, :378 ermöglichte, obgleich der Luftzutritt nicht abgeschlossen war.!) Dass der Amylobacter anaörob ist, schliesse ich daraus, dass er beim Iso- lirungsversuch auf Gelatine bei Luftzutritt absolut nicht wuchs; in- directsprechen dafür auch seine gleich zu besprechenden aörotactischen Eigenschaften. Noch sei erwähnt, dass besagter Amylobacter auch ausgezeichnet proschemotactisch gegen neutralisirten Fleischextract ist. Geprüft wurden 10proec., Iproc. und O,lproc. Lösungen — alle wirken anlockend, am stärksten die erstere; sowohl die eylindrischen, als auch die spindelförmigen und sporentragenden Individuen werden angelockt. Bei seiner relativ bedeutenden Grösse und den massenhaften Ansamm- lungen, die es binnen wenigen Minuten bildet, dürfte dieses Bacterium als eines der günstigsten chemotactischen Objecte gelten, wenn es nur leicht zu haben wäre. Auch um Bacterienzoogloeen bildete Amylobacter starke chemotactische Anhäufungen. Bringt man einen an Amylobacter sehr reichen Tropfen auf einen Objectträger und lässt ihn offen stehen, so bemerkt man nach einiger Zeit, dass sich die anfänglich gleichmässig vertheilten beweglichen Stäbchen von der Oberfläche und Peripherie des Tropfens völlig zu- rückgezogen und sich in dessen centralem Theil zu einem dichten Haufen zusammengedrängt haben. Diese Erscheinung ist durch die Apaörotaxis verursacht: Alles zieht sich nach der Stelle im Tropfen zusammen, wo am wenigsten Sauerstoff vorhanden ist. Noch besser lässt sich die gleiche Erscheinung in mit Deckglas bedecktem Tropfen beobachten. Hier zieht sich Amylobacter allmählich vom Deckglas- 1) Ich möchte bei dieser Gelegenheit die Aufmerksamkeit der Fachgenossen auf die höchst merkwürdigen Angaben von Kedrowsky (XIII) lenken, die den Botanikern bisher kaum bekannt geworden zu sein scheinen. Kedrowsky suchte zu entscheiden, woher es kommt, dass anaörobe Bacterien in Mischeultur mit adroben auch bei vollem Luftzutritt sich entwiokeln. Nach seinen Ergebnissen geschieht das nicht deshalb, weil (wie man gewöhnlich glaubt) die Aöroben allen Sauerstoff verbrauchen und so die Anaöroben vor dessen tödtlicher Wirkung schützen, soudern dadurch, dass erstere eine Art Enzym produeiren, dessen Gegenwart es den letzteren ermöglicht, auch in sauerstoffhaltiger Flüssigkeit zu wachsen. Der entscheidende Versuch ist folgender: In einem geeigneten Nährsubstrat wurde ein aörobes Bacterium zu starker Vermehrung gebracht und darauf durch Chloro- form abgetödtet; nach Verflüchtigung des Chloroforms wurde sodann ein ana&robes Bacterium eingesät, und es gelangte in dem mit den Stoffwechselprodukten des Aöroben beladenen Nährsubstrat zu guter Entwickelung, während es sonst bei Luftzutritt nieht wuchs. Durch Kochen wird das wirksame Stoffwechselprodukt zerstört, durch Thonfilter geht es nicht durch. — Es wäre sehr erwünscht, wenn . diese sensationellen Angaben von competenter botanischer Seite nachgeprüft würden; “bis dahin wird skeptisches Verhalten ihnen gegenüber angezeigt sein. 379 rande zurück, so dass sich dem Rande entlang eine regelmässige, an den Ecken verbreiterte, völlig bacterienfreie Zone bildet (von dem begleitenden aöroben Termo, welches übrigens in relativ geringer Menge vorhanden war, sehe ich hier ab). Ebenso ziehen sich die Bacterien von (nicht allzu kleinen) Luftblasen zurück, wenn solche im Präparat vorhanden sind, Die um Luftblasen entstandenen bac- terienfreien Zonen verschwinden allmählich wieder, sobald der Sauer- stoffvorrat der Blase erschöpft ist, was bei kleineren Blasen bald, bei grösseren erst nach längerer Zeit eintritt. Am Deckglasrande hingegen erhält sich die bacterienfreie Zone dauernd und behält eine eonstante Breite. Diese Breite ist natürlich um so grösser, je dieker die Flüssigkeitsschicht und je reichlicher. folglich der Luftzutritt ist; war das Deckglas mit Deckglasbruchstützen unterstützt, so war die Zone ca. 1,5mm breit. Abgesehen von den lufthaltigen Zonen sind die Stäbchen im Präparat völlig gleichmässig vertheilt; von dichteren Bacterienzonen in einiger Entfernung von der Luftgrenze, wie solche von Spirillen gebildet werden, ist keine Spur; dies zeigt, dass Pros- adrotaxis unserem Amylobacter vollständig abgeht. Je kleiner man das Deckglas wählt, und je mehr Luftblasen das Präparat enthält, auf einen desto kleineren Raum müssen sich die Bacterien zusammen- drängen. War die Flüssigkeit genügend reich an ihnen, so wird die Ansammlung so dicht, dass sie schon makroskopisch vorzüglich zu sehen ist und sich ganz scharf gegen die helleren, bacterienfreien Zonen abhebt. Der Rückzug der Bacterien von den Sauerstoffquellen beginnt natürlich nicht sofort nach Herstellung des Präparats, sondern erst dann, wenn in dessen innerer Partie der gelöste Sauerstoff zum Theil verbraucht worden ist; denn so lange die Flüssigkeit überall mit Sauerstoff gesätigt ist, liegt kein Grund zu ungleichmässiger Verthei- lung der Bacterien vor. Demgemäss macht sich die Apa@rotaxis um so schneller geltend, je zahlreicher die Bacterien im Präparat. sind; in meinen Versuchen begann die Erscheinung schon nach einigen Minuten und wurde nach ca. 6-10 Minuten sehr prägnant, Der Sauerstoffeonsum muss wesentlich durch Amylobacter selber bewirkt werden 1), denn das beigemengte Termo war viel zu spärlich, um in so kurzer Zeit etwas Erhebliches in dieser Richtung leisten zu können. Unser Amylobacter vermag anscheinend ziemlich viel Sauer- stoff zu vertragen, ohne in seiner Beweglichkeit geschmälert zu werden; 1) Die Möglichkeit des Sauerstoffeonsums auch durch extreme Anaöroben ist durch Chudiakow (Il) bewiesen worden. 380 denn in der Randzone der Deckglaspräparate, ja auch im unbedeckten Tropfen, bewegt er sich ganz normal umher, bevor er sich apaöro- tactisch zurückzieht. Manchmal wird er auch zu dauerndem Aufenthalt in den lufthaltigen ‘Zonen veranlasst; befindet sich nämlich ein attraetiv wirkendes Zoogloeaklümpchen in der Nähe des Deckgliasrandes oder einer Luftblase und treten folglich Apaerotaxis und Proschemotaxis in Confliet mit einander, so siegt, soweit gesehen, die letztere; die um das Klümpchen angesammelten Bacterien ziehen sich also nicht wie die übrigen von der Sauerstoffquelle zurück, bleiben aber trotzdem beliebig lange Zeit normal beweglich. Möglicherweise erklären sich diese Thatsachen auf Grund der oben angeführten Beobachtungen Kedrowsky's. IV. Proschemotaxis gegen Aether. Der im vorigen Abschnitt behandelte Amylobacter und das ihn be- gleitende Teermo-artige Bacterium sind ferner noch dadurch interessant, dass beide sich gegen Lösungen von Aethyläther ausgesprochen pros- chemotactisch verhalten. Es sei gleich erwähnt, dass bei einer Reihe anderer Organismen (Bacillus Solmsü, zwei Formen von Bacterium Termo und der Flagellate Trepomonas agilis), welche gegen Fleisch- extract stark proschemotactisch sind, weder eine anlockende, noch eine abstossende Wirkung des Aethers beobachtet wurde, und dass Chloroform auch auf beide zuerst erwähnten Bacterien nicht chemo- tactisch wirkt. Die Versuche wurden in der gewöhnlichen Weise mit Capillaren angestellt. Will man aber mit Aetherlösungen von annähernd be- kannter Concentration arbeiten, so ist in Anbetracht der ausserordent- lichen Flüchtigkeit des Aethers das gewöhnliche Verfahren zur Füllung der Capillaren (durch Evacuiren, oder Erwärmen in der Lösung) nicht anwendbar. Ich verfuhr daher folgendermaassen: Aus Glasröhren von ca. 3mm Weite verfertigte ich mir kleine, etwa 1—1!jscm lange Gefässchen von Reagensglasform ; diese wurden mittelst Capillarpipette mit der Aetherlösung etwa zur Hälfte gefüllt, und es wurden um einige Millimeter längere offene Capillaren hineingestellt, welche sich natürlich sofort füllten; darauf wurde das vorragende Ende der Ca- pillaren durch momentanes Hineinhalten in eine kleine Gasflamme zugeschmolzen, die Capillaren in Wasser abgeschwenkt und mit dem offenen Ende in das Präparat geschoben.!) Die Aetherlösungen wurden 1) In gleicher Weise bewerkstelligte ich auch die Füllung von Capillaren mit den später zu erwähnenden Gemischen von Aetherwasser und Fleischextract. Die Herstellung der Gemische geschah in den kleinen Gefässchen selbst. 381 frisch hergestellt durch Verdünnung einer gesättigten wässerigen Aether- lösung mit Leitungswasser. Die bei Zimmertemperatur gesättigte Lösung enthält ungefähr 8°|, Aether. 0,öproc. Aether übte auf Amylobacter eine deutliche, aber nur mässig starke Anlockung aus, die Stäbchen drangen eine Strecke weit in die Capillare ein. Bei 1,6proc. Anlockung stärker, Eindringen weniger tief. 3,2proc.: starke Anlockung, die Ansammlung erfolgt vor dem Capillarmund, in die Capillare dringen die Stäbchen (wenig- stens zunächst) nicht ein. Bei noch stärkeren Lösungen, bis zu ge- sättigtem Aetherwasser, ändert sich die Erscheinung nicht mehr wesentlich. Wie man sieht, besteht neben der Attraction auch eine deutliche Repulsion.!) Da Aether leicht diffundirt, so sinkt die Concentration in der Capillare und damit auch die Repulsionswirkung relativ schnell, und daher dringt Amylobacter nach längerer Zeit auch in solche Ca- pillaren reichlich ein, die ursprünglich gesättigtes Aetherwasser ent- hielten. Verwendet man beiderseits offene Capillaren, aus denen die Diffusion noch viel schneller erfolgt, so erzielt man noch stärkere (aber kürzer dauernde) Repulsionserscheinungen; so erhielt ich mit 4,8proc. Aether einen schönen Ring von Bacterien in einiger Entfer- hung vor dem Capillarmund. Es sei bemerkt, dass 1,6proc. Aetherwasser bei allseitiger Wir- kung die Bewegung des Amylobacter noch kaum afficirt, 3,2proc. aber sie bei den meisten Individuen gänzlich sistirt. In die letztere Lösung dringen die Bacterien, wie wir sahen, auch nicht mehr ein, Das kleine Termo-ähnliche Bacterium, das nur nebenher beachtet wurde, verhält sich ungefähr ebenso wie Amylobacter, dringt aber besser in die Capillaren ein, es ist also für die Repulsivwirkung weniger empfindlich. Die Thatsache der proschemotactischen Empfindlichkeit gegen Aether bei den erwähnten Bacterien beansprucht insofern allgemeineres Interesse, weil sie ein schlagendes Beispiel für die Existenz von Eigen- schaften ist, welche von keinerlei absehbarem Nutzen für den Orga- nismus sind. Aether wirkt auf die Bacterien in stärkeren Concentrationen —__ 1) Diese Repulsion ist zweifellos nicht osmotactischer, sondern apochemo- tactischer Natur, denn Amylobacter ist, wie sein Verhalten gegen Fleischextract zeigt, osmotactisch nur sehr wenig empfindlich: in Capillaren mit 10proc. Fleisch- extract dringt er noch bis zu einer gewissen Tiefe ein. Vgl. auch Cap. VIII über die voraussichtliche Unfähigkeit des Aethers, eine osmotactische Wirkung aus- zuüben, Flora 1901, . 26 382 schädigend, in schwächeren ist er, soweit bekannt, indifferent, und irgend ein Vortheil, welcher den Bacterien aus der Anlockung durch Aetherlösungen erwachsen könnte, ist nicht abzusehen. Selbst wenn sich aber irgend ein solcher sollte nachweisen lassen, so würde er doch unter normalen Verhältnissen nicht nutzbringend sein, da in der Natur die Bacterien wohl sicher nie mit Aethyläther in Berührung kommen. Es ist ja bekannt, dass die Reizbarkeit auch der niederen Or- ganismen nicht in jeder Hinsicht „„weckmässig“ zu sein braucht. Pfeffer (XXVI pag. 388, XXVII pag. 628) hat z.B. gezeigt, dass Farnspermato- zoen und Bacterien in Capillaren einschwärmen, welche neben dem speeifischen anlockenden Reizstoff einen tödtlich wirkenden Zusutz von Strychninnitrat oder Quecksilberchlorid enthalten, eine Reirbarkeit, welche die Organismen vor diesen giftigen Substanzen schützen würde, ist also nicht vorhanden, während doch durch andere schädliche Sub- stanzen, wie Säuren, Alkalien, Alkohol, dieselben Organismen abge- stossen werden. Zur Erklärung dieser Fälle ist nun freilich angeführt worden, dass in der Natur die Bacterien mit Strychuinsalzen und Sublimat nicht in Berührung kommen und daher nicht die Möglichkeit hatten, durch Anpassung eine schützende Empfindlichkeit gegen die- selben zu erwerben. Unser Beispiel zeigt nun aber, dass sehr wohl Reizbarkeiten existiren können, die nieht durch Anpassung erwor- ben sind, Andererseits sind auch Fälle positiver, aller Wahrscheinlichkeit nach nutzloser Reizbarkeit bekannt. So sind naclı Pfeffer (XXVI pag. 602/3) Bacterien proschematisch gegen Rubidium-, Caesium-, Lithium-, Strontium- und Bariumsalze; Farnspermatozoen werden nach Pfeffer ausser durch Aepfelsäure auch noch durch die im Pflanzen- reich nicht vorkommende Maleinsäure (XXVI pag. 412), und nach den neuesten Untersuchungen Buller’s (I) auch durch diverse anorga- nische Salze, darunter Rubidiumchlorid, angelockt. Diese Fälle lassen sich durch die recht wahrscheinliche Annahme erklären, dass sie die nothwendige Folge der Reizbarkeit durch andere Stoffe sind (vgl. Pfeffer, XXVII pag. 649, und das folgende Kapitel dieser Mittheilung); wenn wir uns vorstellen, dass beispielsweise die Empfindlichkeit für Aepfelsäure bedingt ist durch eine bestimmte Struktur der activen Eiweissmolekeln des Protoplasmas, welche dieselben befähigt, gerade mit Aepfelsäure etwa in eine bestimmte chemische Reaction zu treten, so ist es sehr wohl denkbar, dass dadurch eo ipso auch die Befähigung zu einer gleichen Reaction mit der nahe verwandten Maleinsäure ge- 383 geben ist; ebenso kann die nützliche Empfindlichkeit für Kaliumsalze eo ipso die nutzlose Empfindlichkeit für Salze des Rubidiums und anderer nahestehender Metalle zur Folge haben.!) Die Reizbarkeit unserer Bacterien durch Aether dürfte sich nun aber schwerlich in solcher Weise als nothwendige Folge irgend einer anderen, nutzbringenden Reizbarkeit erklären lassen; es ist bisher noch kein auch nur entfernt dem Aethyläther verwandter Stoff be- kannt, welcher auf Bacterien oder andere Organismen anlockend wirkte. V. Verschiedenheit der chemotactischen Empfindlichkeit gegen ver- schiedene Reizstoffe. Wenn ein und derselbe Organismus durch verschiedene Stoffe chemotactisch reizbar ist, so fragt es sich, ob die Empfindlichkeit für alle diese Stoffe auf der gleichen oder auf ungleichen Eigenschaften des Protoplasmas beruht, mit anderen Worten, ob die Perception der verschiedenen Stoffe in qualitativ gleichen oder qualitativ ungleichen Veränderungen im Protoplasma besteht. Wäre letzteres der Fall, so würde der Begriff Chemotaxis ein Sammelbegriff sein, er würde mehrere distinete Reizbarkeiten umfassen, die von einander ebenso verschieden wären, wie etwa Geotropismus, Phototropismus und Hydro- tropismus. Diese Möglichkeit wurde von Pfeffer (XXVIL pag. 648/9) be- reits in Betracht gezogen, aber im Allgemeinen offen gelassen. Nur über die Aörotaxis (die ja mit zur Chemotaxis im allgemeinen Sinne gerechnet werden kann) spricht Pfeffer eine bestimmte Ansicht aus, indem er es für unwahrscheinlich erklärt, dass „der Auslösungsvor- gang durch einseitigen Angriff von Sauerstoff mit anderen chemo- tactischen Reizen gänzlich übereinstimmt. Denn z. B. auch die durch Kalisalze u. s. w. nicht anlockbaren Infusorien erweisen sich gegen- über Sauerstoff in hohem Grade chemotactisch, und da demgemäss die Fähigkeit für Perception des Sauerstoffreizes unabhängig von der Existenz der Reizbarkeit durch Kalisalze ist, so muss irgend ein Unterschied, mindestens in dem unmittelbaren Acte der Reizung, be- stehen“. Man braucht bei dieser Argumentation sich gar nicht einmal auf die fernstehenden Infusorien zu berufen, denn auch unter den Bacterien gibt es solche, welche wohl aörotactisch, nicht aber chemo- 1) Buller (I pag. 572) will in ähnlicher Weise die Reizbarkeit der Farn- spermatozoen durch Rubidiumchlorid aus ihrer Reizbarkeit durch Aepfelsäure ab- leiten. Das scheint mir etwas kühn, denn diese beiden Stoffe haben doch gar zu wenig Aehnlichkeit mit einander. 00% 6 384 tactisch sind (z. B. Beggiatoa), und allem Anschein nach auch solche, die sich umgekehrt verhalten; so habe ich bei Bacillus Solmsü, der durch Fleischextract stark angelockt wird, keine aörotactische Reiz- barkeit bemerken können. Auch schon die Thatsache, dass die einen Bacterien stark chemotactisch gegen bestimmte Reizstoffe und nur schwach aörotactisch sind, während andere sich umgekehrt verhalten, lässt darauf schliessen, dass der Act der Perception bei Chemo- und Aörotaxis verschieden sein muss. Auf Grund der gleichen Argumentation, welche Pfeffer in dem eitirten Passus anwendet, kann man aber auch folgern, dass auch bei der chemotactischen Reizung durch verschiedene Stoffe (mit Ausschluss des Sauerstoffs) der Perceptionsaet nicht immer gleich sein kann. So wird durch Dextrin Bacterium termo stark, Spirillum undula gar nicht angelockt (Pfeffer, XXVII pag. 604, 606); Aether wirkt chemo- tactisch auf unseren Amylobacter, nicht aber auf diverse andere Bac- terien; Schwefelwasserstoff wirkt stark chemotactisch auf Chromatium Weissii (Miyoshi, XXIII pag. 160—166), wohl sicherlich im Gegen- satz zu allen Bacterien, welche Schwefelwasserstoff nicht oxydiren. Alle die genannten Bacterien sind aber proschemotactisch gegen Fleischextract, und so kann gefolgert werden, dass die Empfindlichkeit für die Stoffe des Fleischextraets unabhängig sein muss von derjenigen für Dextrin, Aether und Schwefelwasserstoff, ebenso wie auch die Empfindlichkeiten gegen diese unter einander. Solche speecifische Differenzen in Bezug auf die Reizbarkeit durch verschiedene Stoffe werden sich gewiss als noch viel häufiger erweisen, sobald einmal zahlreichere Bacterien auf ihr chemotactisches Verhalten gegenüber einer Reihe chemischer Substanzen geprüft sein werden. Beschränken wir uns nicht auf die Vergleichung von Bacterien unter einander, so können wir die Beispiele noch mehren. Um nur noch eines anzu- führen, sind gegen einige anorganische Salze sowohl Bacterien (nach Pfeffer) als auch Farnspermatozoen (nach Buller) proschemotactisch, dabei wirkt aber eine ganze Reihe von organischen und anorganischen Verbindungen nur auf die ersteren, Aepfelsäure hinwiederum anschei- nend nur auf die letzteren anlockend; während gegen freie Säuren und Alkalien beide apochemotactisch sind, wirkt Alkohol zwar auf Bacterien, nicht aber auf Farnspermatozoen abstossend (letzteres wurde von Buller constatirt, I pag. 559). Ich möchte es für wahrscheinlich halten, dass einander chemisch mehr oder weniger nahestehende Stoffe (also z. B. Aepfelsäure und Maleinsäure und deren Salze — die Salze der Alkalimetalle, die 385 Kohlehydrate, verschiedene Amide u. s. w.) qualitativ die gleiche Wirkung im Protoplasma hervorrufen, dass jedoch die Chemotaxis gegen Stoffe aus verschiedenen Gruppen (also z. B. gegen Chlorkalium, Dextrin, Pepton, Aether, Schwefelwasserstoff) besondere, von einander unabhängige Empfindlichkeiten voraussetzt. Die oben angeführten Argumente sind nun aber eigentlich nur Wahrscheinlichkeitsgründe, die keine völlig zwingende Kraft haben. Dass der eine Organismus von mehreren Stoffen, der andere nur von einem derselben angelockt wird, könnte ja möglicher Weise auch darin seinen Grund haben, dass das Protoplasma des letzteren Orga- nismus nur für den einen Stoff, das des ersteren Organismus aber auch für die übrigen Stoffe hinreichend permeabel wäre; der Per- ceptionsact könnte dabei sehr wohl für alle Stoffe derselbe sein. Es ist das eine Möglichkeit, die ich nicht weiter ausmalen will, da ich selber nicht daran glaube; ausgeschlossen ist sie aber a priori nicht. Es gibt jedoch ein Verfahren, welches gestattet, auf experimen- tellem Wege die Frage für jeden einzelnen Fall zu lösen.!) Dasselbe basirt auf der durch Pfeffer bekannten Thatsache, dass eine den Organismus umgebende homogene Lösung des Reizmittels die chemo- .tactische Empfindlichkeit für denselben Stoff gemäss dem Weber- schen Gesetz abschwächt; die Concentration des Reizmittels in der Capillare muss um ein gewisses Vielfaches grösser sein als dessen Concentration in der Aussenflüssigkeit, damit die Reizschwelle er- reicht wird. Es erklärt sich das dadurch, dass das Reizmittel aueh in homogener Vertheilung einen Reizzustand in dem Organismus her- vorruft; zwar wirkt der Reiz, da er allseitig gleich ist, nicht; richtend, doch nimmt derselbe sozusagen den Perceptionsapparat des Organis- mus für das betreffende Reizmittel in Anspruch und macht ihn für einen neu hinzutretenden gleichartigen Reiz unempfänglich, wofern dieser nicht um ein bestimmtes Vielfaches stärker ist. — Nehmen wir nun an, ein Organismus sei gegen zwei Stoffe A und B in gleichem Grade pros- chemotactisch und die Perception beider beruhe auf dem nämlichen Vorgang im Protoplasma, so dass also beide Stoffe nicht unterschieden werden; es wird alsdann ein Zusatz von B zu der Aussenflüssigkeit, in der sich der Organismus befindet, dessen Empfindlichkeit gegen die Reizwirkung einer mit A gefüllten Capillare ganz ebenso ab- schwächen resp. aufheben, wie ein gleicher Zusatz von A selbst, und ebenso umgekehrt. Ist die anlockende Wirkung der beiden Stoffe nicht 1) Die Idee dieses Verfahrens stammt von Herrn Geheimrat Pfeffer, welcher sie mir gesprächsweise mittheilte, 986 gleich stark, so wird das offenbar nur von quantitativem Einfluss sein, und jedenfalls wird sich die anlockende Wirkung von A in der Ca- pillare durch Zusatz einer geeigneten Menge von B zur Aussenflüssig- keit völlig aufheben lassen. Anders, wenn der Perceptionsact für beide Stoffe verschieden ist; in diesem Falle wird voraussichtlich die Empfindlichkeit für A durch einen noch so starken Zusatz von B nicht alterirt werden. Nur ist zu beachten, dass eine Anlockung trotzdem nicht zu Tage treten wird, wenn zwei verschiedene, aber gleich starke Reize einander entgegenwirken; um solche antagonistische Wirkung zu eliminiren, ist es erforderlich, dass die Capillarflüssigkeit ausser A auch noch ebenso viel von B enthalte wie die Aussenflüssigkeit, es muss sich also in der Capillare A + B, draussen nur B befinden. Lässt sich bei solcher Versuchsanstellung die anlockende Wirkung von A nicht aufheben, so ist bewiesen, dass die chemotactische Em- pfindlichkeit gegen die gegebenen beiden Stoffe bei dem gegebenen Organismus qualitativ verschieden ist. Zwei derartige Versuche finden wir bereits bei Pfeffer, obgleich Pfeffer dieselben zu einem anderen Zwecke anstellte und keine Schlussfolgerungen bezüglich der obigen Frage aus ihnen zog. In dem einen Versuch (XXVI pag. 399) fand er, dass 0,05proe. Malein- säure in der Aussenflüssigkeit das Einschwärmen von Farnspermato- zoen in eine Capillare mit 0,04proc. Aepfelsäure verhinderte. Der andere Versuch (XXVII pag. 635) wurde mit Bacterium termo ange- stellt, welches (XX VII pag. 604/5) gegen Fleischextraet und Dextrin ungefähr in gleichem Grade prochemotactisch ist; in der Capillare befand sich Dextrin, in der Aussenflüssigkeit Fleischextraet, und es ergab sich, dass eine Attraction durch die Capillare ausblieb, wenn der Dextringehalt in derselben zwei Mal so gross war wie der Gehalt an Fleischextract draussen; eine Anlockung fand hingegen statt, wenn das Verhältniss der beiderseitigen Concentrationen 5:1 betrug, d. i. dasselbe Verhältniss, welehes auch für Fleischextract selbst die Reiz- schwelle bildet. Diese Versuche sind indess vom Standpunkt unserer Fragestellung aus mit einem Fehler behaftet; die Capillare enthielt nämlich nicht auch denselben Stoff wie die Aussenflüssigkeit, der Mangel einer Anlockung durch die Capillarflüssigkeit kann also da- durch bedingt gewesen sein, dass die proschemotactischen Wirkungen beider Flüssigkeiten sich gegenseitig compensirten. Im ersten Versuch ist diese Möglichkeit freilich ausgeschlossen, denn die Maleinsäure wirkt bei gleicher Concentration sehr viel schwächer anlockend als die Aepfelsäure; eine Compensation war also nicht möglich, und das 387 negative Resultat des Versuchs ist nur dadurch erklärbar, dass die homogene Maleinsäurelösung die Empfindlichkeit der Spermatozoen für Aepfelsäure herabdrückte. Im zweiten Versuch ist aber ein gleicher Schluss unzulässig, da die proschemotactischen Wirkungen einer Fleischextraetlösung und einer nur doppelt stärkeren Dextrin- lösung sich kaum in merklichem Grade unterscheiden dürften — es kann hier also sehr wohl nur eine Compensation zweier entgegengesetzt gerichteter Attractionen stattgefunden haben. Dass anderweitig Grund vorhanden ist, die Identität der Reizwirkung von Fleischextract und Dextrin zu bezweifeln, wurde schon oben hervorgehoben (pag. 384/85). Ich habe nun solehe Versuche mit dem in Cap. III und IV be- sprochenen Amylobacter ausgeführt, welcher sich als proschemotactisch gegen Fleischextraet und gegen Aether erwiesen hatte. In die bac- terienhaltige Flüssigkeit, welche mit einem gleichen Volumen 3,2proc. Aetherwasser vermischt worden war, so dass sie 1,6proc. Aether ent- hielt, wurde eine Capillare mit Iproc. Fleischextraet + 1,6proc. Aether (hergestellt durch Vermischen gleicher Volumina 2proc. Fleischextract und 3,2proc. Aetherwasser) gebracht, daneben eine andere Capillare mit iproe. Fleichextraet allein. In beiden Capillaren fand schnelle und starke Ansammlung statt, während eine zur Controlle mit hinein- gebrachte, mit 1,6proc. Aether allein gefüllte Capillare natürlich keine Anlockung bewirkte. Dieser Versuch wurde zweimal mit gleichem Resultat ausgeführt. In einem anderen Versuch wurden Capillaren mit nur O,lproc, Fleischextraet zu Bacterien gebracht, die sich a) in unvermischter Culturflüssigkeit, b) in soleher mit 1,6proc. Aether be- fanden; in beiden Fällen fand gleich starke Attraction statt.') Diese Versuche zeigen zweifellos, dass die Empfindlichkeit des Amylobacter für Fleischextract durch Aether nicht aufgehoben und nicht abgestumpft wird. Also muss die Proschemotaxis gegen Aether von derjenigen gegen Fleischextraet verschieden sein, und damit ist wenigstens für einen conereten Fall der Beweis erbracht, dass es qualitativ verschiedene chemotactische Empfindlichkeiten gibt. Es wäre freilich erwünscht gewesen, obige Versuche auch in umgekehrtem Sinne auszuführen, d. h. festzustellen, dass auch die proschemotactische Wir- kung des Aethers durch Fleischextraet nicht aufgehoben wird, was ich leider zu thun versäumt habe; doch ist auch ohne diesen Gegen- versuch die Beweisführung stichhaltig. i) In letzterem Versuch fehlte zwar eine entsprechende Beimengung „von Aether in der Capillare, doch würde dieser Umstand nur im Falle eines negativen Reaultats die Beweiskraft des Versuches vernichten können, 988 VI. Die Art und Weise der chemotactischen Reaction der Bacterien. Es ist wohl die allgemein acceptirte Ansicht, dass auf die schwim- menden pflanzlichen Mikroorganismen die verschiedenen einseitigen Reize in der Weise wirken, dass sie eine bestimmte Richtung ihres Körpers verursachen, wodurch der Organismus gezwungen wird, je nach den Umständen nach der Reizquelle hin oder von ihr weg zu steuern; war die Bewegungsrichtung vor der Reizung eine andere, so besteht also die Reaction auf die Reizung in einer Drehung der Körperachse und folglich in einer Ablenkung der Bewegungsrichtung um einen grösseren oder kleineren Winkel. Für die phototactischen Erschei- nungen ist das lange bekannt und leicht zu constatiren. Dass das- selbe auch für alle chemotactischen Erscheinungen gilt, hat Pfeffer an zahlreichen Stellen seiner beiden Arbeiten über die Chemotaxis betont (z. B. XXVI pag. 462, 481, XXVII pag. 631, 661). Ich selber konnte mich bei Farn-Spermatozoen, Saprolegnia-Schwärmsporen und der Flagellate Trepomonas agilis überzeugen, dass in der That diese Organismen, wenn sie in die Nähe der Mündung der proschemotactisch wirkenden Capillare gelangen, eine deutliche Richtungsänderung er- fahren und direet auf den Capillarmund zusteuern. Wesentlich anders verhält sich aber die Sache bei der chemo- taetischen Anlockung der Bacterien, wie ich ganz gegen meine Er- wartung fand. Das abweichende Verhalten fiel mir zuerst bei Bacillus Solmsii') auf, dessen Grösse und relativ langsame Bewegung es sehr leicht machen, einzelne Individuen im Auge zu behalten und ihr Verhalten in der Nähe des Capillarmundes zu verfolgen. Gelangt ein Bacillus bei seinem ungefähr geradlinigen Schwimmen in die Diffusions- sphäre, so erfährt er keine Richtungsänderung, vielmehr geht er in der früheren Richtung vor der Capillarmündung (event. ganz dicht vor ihr) vorbei, ganz als ob er gar nicht gereizt würde; aber in einiger Entfernung von dem Capillarmund hält er an und kehrt alsbald um, wobei das frühere Hinterende vorangeht; er geht nun wiederum am 1) Dieser Bacillus trat wiederholt reichlich auf in Wasser mit etwas Schlamm aus dem Freilandbassin des Leipziger Botanischen Gartens sowie aus Gräben und Tümpeln der Umgebung Leipzigs, wenn in dem Wasser gekochte Erbsen, Lupinen, Stengelstücke oder faulende Algen sich befanden; er scheint also in stehendem Wasser mit schlammigem Grund verbreitet zu sein, Er stimmt mit Klein’s Be- schreibung des Bacillus Solmsii (XV) gut überein, konnte jedoch nicht mit voller Sicherheit identificirt werden, da er in meinen Culturen keine Sporen bildete. Er ist gut proschemotaotisch gegen neutralisirten Fleischextract, namentlich gegen stärkere Lösungen. Gegen Sauerstoff scheint der Bacillus unempfindlich zu sein. Merkliche osmotactische Repulsion wurde durch 10proc. Fleischextract nicht bewirkt. 889 Capillarmund ganz unbeeinflusst vorbei, kehrt etwa in derselben Ent- fernung von ihm wie das erste Mal um, und fährt fort in dieser Weise innerhalb einer begrenzten Sphäre, deren Mittelpunkt die Capillar- mündung bildet, hin- und her zu gehen, ohne sie verlassen zu können, Ist die Anlockung schwach oder das Individuum wenig empfindlich, so hält es zwar wohl ebenfalls nach dem ersten Passiren des Capillar- mundes für einen Augenblick an, kehrt aber nieht um, sondern fährt alsbald fort, sich von der Capillare zu entfernen. In dem Umkehren in einer bestimmten Zone der Diffusionssphäre äussert sich somit die Reaction des Bacillus auf die chemotactische Reizung. In welcher Entfernung vom Capillarmund das Umkehren erfolgt, mit anderen Worten, wie gross der Radius der wirksamen Sphäre ist, habe ich nicht näher bestimmt; zur ungefähren Orientirung sei aber gesagt, dass er nicht viel kleiner ist als der Radius des Gesichtsfeldes bei der von mir benutzten mittelstarken Vergrösserung, und somit ein Vielfaches der Länge des Baeillus beträgt. Die „wirksame Sphäre“ wirkt nach Obigem wie eine Falle; die zufällig hineingelangenden Bacillen können nicht wieder hinaus. Mit der Zeit entsteht eine Ansammlung vor dem Capillarmund, die natür- lich um so schneller zu Stande kommt, je zahlreicher die Bacillen im Präparat und je beweglicher sie sind. In die Capillare selbst dringen die Bacillen zunächst, allenfalls mit einzelnen Ausnahmen, nicht ein, was aber nicht etwa auf eine Repulsion zurückzuführen ist, sondern sich in anderer Weise erklärt. Da nämlich, wie gesagt, eine Ablen- kung nach der Capillare hin nicht erfolgt, so kann ein Bacillus offenbar nur dann in die Capillare gelangen, wenn er sich zufällig genau auf ihre Mündung zu bewegt, und das wird natürlich nur selten der Fall sein. Da nun aber die Bewegung des Bacillus keine absolut gerad- linige ist, und auch beim Umkehren an der Grenze der wirksamen Sphäre die frühere Bewegungsrichtung nicht genau eingehalten zu werden braucht, so ändert sich die Bahn der Bacillen fortwährend, und es ist somit für jedes Individuum eine grosse Wahrscheinlichkeit vorhanden, früher oder später einmal direet in die Capillare hinein- zugehen, aus der es alsdann nicht wieder hinausgelangt. Daher geht allmählich ein immer zunehmender Theil der Ansammlung in die Capillare selbst über, und nach hinreichend langer Zeit können sämmt- liche Bacillen in ihr versammelt sein. Ich habe zu wiederholten Malen sehr zahlreiche Individuen von Bacillus Solmsii beobachtet und stets die beschriebene Art der chemo- tactischen Reaction constatirt; eine Ablenkung durch die chemische 390 Reizung findet niemals statt. Ich richtete ferner meine Aufmerksam- keit auf das Verhalten anderer Bacterien und fand die gleiche Reac- tionsweise bei sämmtlichen proschemotactischen Bacterien, welche mir begegneten. Durch direete Verfolgung einzelner Individuen überzeugte ich mich hiervon bei dem oben besprochenen Amylobacter (bei seiner Chemotaxis gegen Fleischextraet und gegen Aether), bei Spirillum tenue und undula, einer Chromatium-Art, und noch einigen anderen. Bei sehr kleinen und schnell beweglichen Formen, wie den Termo- artigen Bacterien, ist eine direete Beobachtung des Verhaltens ein- zelner Individuen unthunlich; dass aber auch bei ihnen die Art der Reaction die gleiche ist, wie bei den grösseren Bacterien, ergibt sich indireet aus der Beobachtung ihrer chemotactischen Ansammlungen. In diesen herrscht eine ausgesprochen wimmelnde Bewegung, welche nur dadurch zu erklären ist, dass die einzelnen Individuen sich in den verschiedensten Richtungen hin- und herbewegen. Auch entsteht die Ansammlung, ebenso wie bei Bacillus Solmsi, stets zu- nächst vor der Capillarmündung (auch wo keinerlei Repulsivwirkung vorliegt) und dringt erst nach einiger Zeit in die Capillare selbst ein; natürlich erfolgt dieses Eindringen um so schneller, je rapider die Bewegung der Bacterien und je kleiner ihr Durchmesser im Verhält- niss zur Capillaröffnung — bei Termo-Arten findet also der Ueber- gang schon sehr bald statt. — Es leuchtet ein, dass, wenn die Bacterien eine Richtungsablenkung erführen und infolge derselben sämmtlich nach der Capillarmündung steuerten, die Erscheinung einen ganz anderen Charakter haben müsste. Auch müsste die Ansamm- lung, wofern Repulsivwirkung fehlt, von Anfang an in und nicht vor der Capillare zu Stande kommen, wie es bei Farn-Spermatozoen, Saprolegnia-Zoosporen und T’repomonas auch thatsächlich zutrifft. In gleicher Weise kann man aus dem wimmelnden Charakter der Bewegung in aörotactischen Ansammlungen mit Sicherheit schliessen, dass auch die Reaction auf Sauerstoffreiz von den Bacterien ebenso ausgeführt wird, wie diejenige auf Reizung durch andere Substanzen. Ich habe nicht speciell darauf geachtet und kann daher nicht mit Bestimmtheit angeben, ob nicht die verschiedenen Bacterien secundäre Differenzen in ihrer"chemotactischen Reaction aufweisen, etwa im Zusammenhang mit der Art der Begeisselung. Bei Bacillus Solmsüi und Amylobacter (Clostridium), welche nach Fischer (VII) peritrich, d. h. auf dem ganzen Körper gleichmässig mit Geisseln besetzt sind, existirt kein Unterschied zwischen Vorder- und Hinterende, jedes der beiden Enden kann bei der Bewegung vorangehen. Die Spirillum- 891 Arten hingegen sowie Bacterium Termo sind lophotrich, die Chromatium- Arten monotrich, d. h. sie sind mit einem Geisselbüschel resp. einer einzelnen Geissel am einen Ende versehen; diese Baeterien sind somit polar organisirt, ihr Vorder- und Hinterende sind verschieden. Nun sind mir zwar keine allgemeinen Angaben hierüber in der Litteratur bekannt, es ist aber jedenfalls nach Analogie mit anderen polaren Organismen anzunehmen, dass solche polare Bacterien bei ihrer nor- malen Bewegung stets mit dem Vorderende vorangehen und ein Rückwärtsschwimmen nur momentan infolge von Reizen möglich ist, wie das Pfeffer (XXVI pag. 445) für Chlamydomonas und Engel- mann (V) für sein Bacterium photometrieum (in Wirklichkeit ein Chromatium) beschreiben. Es müsste alsdann auch die chemotactische Reaction bei den polaren Bacterien etwas anders erfolgen, als bei Bacillus Solmsii; die Rückwärtsbewegung müsste bei ihnen nicht dauernd (bis zum neuen Reiz), sondern nur momentan sein. Dies gilt jedoch nur für die einzelligen Zustände; bei den zwei- und mehr- zelligen Zuständen der Spirillen und bei den in Theilung begriffenen Individuen von Bacterium Termo sind beide Enden begeisselt und daher sicherlich auch für die Bewegung gleichwerthig. Solche nicht polare Zustände können sich ebenso verhalten wie Bacillus Solmsi, und die Häufigkeit derselben mag vielleicht der Grund sein, dass mir Differenzen im Verhalten der verschiedenen Bacterien nicht aufge- fallen sind. Wenn wir uns nun die Frage vorlegen, was die proschemotacti- schen Baeterien veranlasst, nach dem Passiren der Capillarmündung zurückzugehen, so wird die Antwort nicht zweifelhaft sein. Der An- lass kann nur in der stattfindenden Coneentrationsänderung des Reiz- stoffes liegen. Und zwar wirkt bei der Proschemotaxis der Bacterien nur ein Concentrationsabfall, nicht aber eine Concentrationssteigerung als Reizanlass, denn eine Reaction findet erst statt, wenn das Bac- terium aus den Zonen steigender in Zonen sinkender Concentration gelangt ist. Der Concentrationsabfall des Reizstoffes veranlasst die Bacterien umzukehren, er wirkt auf sie repulsiv. Die Proschemotaxis der Bacterien stellt sich demnach als das Resultat einer Repulsions- wirkung dar — die anlockende Wirkung des Reizstoffes ist nur scheinbar. Es könnte auffallend erscheinen, dass die Bacterien nicht sofort umkehren, nachdem sie das Concentrationsmaximum vor dem Capillar- mund passirt haben, sondern erst nachdem sie eine ziemliche Strecke weiter in Zonen allmählich abnehmender Concentration gedrungen sind. 392 Das ist jedenfalls dadurch zu erklären, dass der Concentrationsabfall eine gewisse Grösse (die Reizschwelle) erreichen muss, um die Reac- tion auslösen zu können. Könnten wir den Concentrationsabfall plötz- licher machen, so würde sich sicherlich auch der Radius der Schwärm- sphäre vor dem Capillarmunde erheblich verringern lassen. Wenn es eine bestimmte Concentrationsverminderung ist, welche den Reizanlass bildet, so wird natürlich die absolute Concentration der repulsiv wirkenden Zone nicht constant sein, sondern von der höchsten Concentration, welche vorher auf den Organismus einwirkte, abhängen müssen — mit dieser wird auch jene steigen. Daher kommt es, dass die einmal in die Capillare eingedrungenen Bacterien nicht wieder aus ihr hinausgelangen; die repulsiv wirkende Concentrations- grenze ist durch die Einwirkung der stärkeren Lösung in der Ca- pillare erhöht worden. Vil. Allgemeines über die tactischen Reizerscheinungen. Wir sahen im vorigen Abschnitt, dass die proschemotactische Ansammlung in der einen Reizstoff enthaltenden Capillare bei den untersuchten Bacterien in wesentlich anderer Weise zu Stande kommt, als bei anderen pflanzlichen Mikroorganismen; es ist das ein instruc- tives Beispiel, wie der gleiche Endeffeet auf ganz verschiedenen Wegen erreicht werden kann. Genauere Betrachtung zeigt, dass in beiden Fällen ausser dem Endeffect nur noch das Reizmittel?) selbst gleich ist; verschieden ist hingegen sowohl die Reaction als auch der Reiz- anlass '), und folglich muss auch die Empfindlichkeit eine verschiedene i) Unter Reizmittel verstehe ich allgemein dasjenige Agens (Stoff, Kraft oder Vorgang), welches eine Reizerscheinung hervorruft, also z, B, einen specifisch reizenden Stoff (Reizstoff) bei Chemotaxis, Chemotropismus, den durch chemische Substanzen bewirkten Reizerscheinungen der Insectivoren u. s. w. — ferner Licht, Wärme, den galvanischen Strom u. s. w. bei verschiedenen anderen Reizerschei- nungen. Reizanlass nenne ich denjenigen (in vielen Fällen noch unbekannten) äusseren Umstand, welcher unmittelbar auf den Organismus (resp. die Zelle oder den Zellbestandtheil) einwirkt und als der nächste äussere Anlass der Reizerschei- nung betrachtet werden muss, also z. B. eine Differenz der Concentration oder des Druckes an verschiedenen Punkten der Körperoberfläche, eine Schwankung der Lichtintensität oder der Temperatur ete. Von dem äusseren Reizanlass wird man als inneren Reizanlass denjenigen ersten Vorgang im Protoplasma unter- scheiden können, welcher die directe Folge jenes ist, also beispielsweise die Auf- nahme eines Stoffes ins Protoplasma infolge der Steigerung seiner Concentration in der Aussenflüssigkeit oder in der Nachbarzelle; und an diesen ersten Vorgang kann sich noch eine ganze Kette von inneren Vorgängen schliessen, welche dem Perceptionsaet vorausgehen, 393 sein. Es sind, mit einem Wort, zwei nur äusserlich ähnliche, aber im Grunde ganz differente Reizerscheinungen, und es wird nothwendig sein, ihre Verschiedenheit auch in der Benennung zum Ausdruck zu bringen. Wir wollen, je nachdem ob die Reaction in einer Drehung des Körpers oder in einer Rückzugsbewegung besteht, strophische und apobatische!) Chemotaxis unterscheiden, Die Verschiedenheit des Reizanlasses bei diesen beiden Arten der Chemotaxis bedarf einer näheren Erörterung. Vorher wollen wir indess noch zusehen, was sich aus den bisher in der Litteratur vor- liegenden Daten über die Verbreitung apobatischer Taxieen über- haupt entnehmen lässt. Da fällt vor Allem in die Augen die vollkommene Analogie der apobatischen Proschemotaxis der Bacterien mit der bekannten Reiz- barkeit des Bacterium photometrieum Engelmann’s und der beweg- lichen Purpurbacterien überhaupt durch Licht?) (Engelmann, V pag. 111, VI pag. 667/8). Die Reizbarkeit dieser Organismen verhält sich zur Prosphototaxis der Schwärmsporen etc. genau so, wie die apo- batische Proschemotaxis der Bacterien zu der strophischen Proschemo- taxis anderer Organismen, sie kann daher als apobatische Pros- phototaxis bezeichnet werden. Die Purpurbacterien erfahren nämlich keine Richtungsablenkung durch einseitiges Licht, werden aber durch Schwankung der Lichtintensität gereizt, und zwar nur durch Intensitäts- abnahme, nicht durch Zunahme derselben; die Reaction besteht auch hier in einer Rückwärtsbewegung. Infolge dieser Eigenschaften wirkt eine erleuchtete Stelle im verdunkelten Präparat auf die Purpurbac- terien wie eine Falle, in ganz derselben Weise wie die vor der Ca- Pillare gebildete Diffusionssphäre eines Reizstoffes auf die proschemo- tactischen Bacterien wirkt. Die vorhandenen Differenzen sind nur secundärer Natur. So ist die Reaction bei den Purpurbacterien weit heftiger („Schreekbewegung“), als bei den chemotactischen Bacterien ; das erklärt sich ohne Weiteres dadurch, dass in Engelmann’s Ver- suchen der Abfall der Lichtintensität ein ganz plötzlicher und sehr starker war, während der Concentrationsabfall in der Diffusionssphäre von innen nach aussen allmählich erfolgt; dazu kommt noch, speciell beim Vergleich mit Bacillus Solmsii, dass dessen Bewegung viel lang- 1) Von otp&gev — drehen, wenden, und axoßatvew — weggehen, sich zurück- ziehen. 2) Man könnte bei den Purpurbacterien eigentlich auch von Reizbarkeit durch Wärme (also von Therinotexis) reden, da auch bestimmte ultrerothe Strahlen (und zwar in besonders hohem Grade) Reizmittel sind, 394 samer ist als die der Engelmann ’schen Objecte. Die weitere Dif- ferenz gegenüber Bacillus Solmsi, dass nämlich die Purpurbacterien nicht dauernd (bis zu neuer Reizung) zurückgehen, sondern nur mo- mentan und auf eine kurze Strecke (das 10—20fache ihrer Länge) rückwärts schiessen, wurde schon oben (pag. 390/91) besprochen und auf die verschiedene Begeisselung zurückgeführt. Ob die Apochemotaxis und die Osmotaxis!) der Bacterien stro- phisch oder apobatisch sind, ist nicht mit Sicherheit zu sagen, da Beobachtungen hierüber nicht vorliegen und ich selber versäumt habe, darauf speciell zu achten. Die Entscheidung, ob die Reaction in einer einfachen Rückwärtsbewegung resp. Zurückprallen ohne wesentliche Riehtungsänderung oder in einer durch Drehung des Körpers bewirkten Abwendung von der Reizquelle besteht, dürfte bei nicht zu kleinen Bacterien leicht fallen; die Drehung (die bis zu 90°, event. selbst bis zu 180° betragen müsste) würde sogar, wenn sie stattfände, sehr auffallend sein müssen. Ich habe jedoch bei geeigneten Objeeten (Spirillum-Arten, Amylobacter) nichts Derartiges bemerkt und möchte es daher bis auf Weiteres für sehr wahrscheinlich halten, dass auch die Apochemotaxis und Osmotaxis der Bacterien apobatisch sind. Es scheint demnach, dass den Bacterien überhaupt apobatische Taxieen zukommen; soweit bekannt ist oder vermuthet werden kann, werden sie durch Intensitätsschwankungen ihrer verschiedenen Reiz- mittel gereizt und reagireu durch Rückzugsbewegung.?) Diese Art von Reizbarkeit ist aber keineswegs den Bacterien allein eigenthümlich. Aus zerstreuten Angaben in der Litteratur lässt sich vielmehr entnehmen, dass apobatische Taxieen auch bei ver- schiedenen anderen Mikroorganismen vorkommen. Nach Pfeffer (XXVI pag. 4445) prallt Chlamydomonas pulvisculus bei schnellem Uebergang in Lösungen von höherem osmotischem Druck zurück (apobatische Osmotaxis. Massart (XIX pag. 559/60) beobachtete dasselbe bei allen von ihm untersuchten osmotactisch empfindlichen Organismen (Volvocineen, Flagellaten und Infusorien), und hebt die Analogie der beobachteten Reaction mit der „Schreckbewegung“ der Purpurbacterien ausdrücklich hervor. Nach Verworn (XXXU pag. 439/41) wird Amoeba limax durch plötzliches Auftreffen auf eine 1) Osmotaxis ist die Eigenschaft der beweglichen Organismen, durch den osmotischen Druck der Flüssigkeit gereizt zu werden und durch eine Aenderung der Bewegungsrichtung zu resgiren. Näheres hierüber im folgenden Capitel. 2) Ob das auch für die von Massart (XXI) bei einigen Spirillen constatirte Geotaxis gelten dürfte, ist freilich sehr fraglich, 395 erwärmte Stelle im Präparat veranlasst, rückwärts zu kriechen (apo- batische Thhermotaxis). Besonders zahlreiche Fälle von apobatischen Taxieen sind in der jüngsten Zeit durch die bemerkenswerthen Unter- suchungen bekannt geworden, welche Jennings an Paramuecium (VI, IX) und später (X, XI)!) auch an zahlreichen anderen Infu- sorien und einigen Flagellaten angestellt hat. Paramaecium reagirt bei allen von Jennings untersuchten Reizerscheinungen (Proschemo- taxis gegen verdünnte Säuren, Apochemotaxis gegen Alkalien, weniger verdünnte Säuren und eine Reihe von Salzen und organischen Stoffen, Aposmotaxis, Pros- und Apothermotaxis, Apothigmotaxis, d. i. Reizbar- keit durch Berührung mit einem festen Körper) stets in der gleichen Weise, nämlich durch Rück wärtsschwimmen (nit dem Hinterende voran), welches durch zeitweilige Reversion des Cilienschlages vermittelt wird und je nach der Intensität des Reizes kürzer oder länger dauert.?) In gleicher Weise reagiren auch die anderen Infusorien und die Flagellate Chilomonas auf mechanische Reize und auf Reizung durch NaCl und durch Methylgrün (andere Reizmittel wurden hier nicht verwandt); nur die Eugleniden schwimmen unter keinen Umständen rückwärts. Besonders schlagend geht aus Jennings’ Angaben (VIII pag. 268/70, 317) die völlige Analogie der Proschemotaxis von Paramaecium mit derjenigen der Bacterien hervor: In eine den Reizstoff enthaltende Sphäre im Präparat gehen die Paramaecien ungereizt hinein, sie kommen aber nicht wieder hinaus, da sie an der Grenze derselben gegen das Wasser jedes Mal zurückprallen; es ist klar, dass auch hier die Concentrations- abnahme des Reizstoffes den Reizanlass bildet. In ganz entsprechen- der Weise findet auch die prosthermotactische Ansammlung der Para- maecien in einem Tropfen warmen Wassers statt — hier ist es der 1) Die Arbeiten IX, X und XI wurden mir — durch die Freundlichkeit des Verfassers — erst zugänglich, als ich im Begriff stand, mein Manuscript abzuschliessen. 2) Bei allen von Jennings untersuchten Infusorien und auch bei C'hilomonas wird übrigens die Reaction dadurch complieirt, dass auf das Rückwärtsschwimmen noch eine Seitwärtsdrehung des Körpers um einen gewissen Winkel folgt; die Drehung geschieht nach einer morphologisch bestimmten Seite des Körpers, unab- hängig von der Angriffsrichtung des Reizmittels. Diese Complication des Reactions- actes hängt wahrscheinlich mit dem unsymmetrischen Bau aller dieser Organismen zusammen; bei den symmetrisch organisirten Bacterien und Volrocineen wird sie voraussichtlich fehlen, doch ist etwas Bestimmtes darüber nicht bekannt. — dennings unterscheidet auch noch einen dritten Schritt des Reactionsactes, näm- lich den Wiederbeginn des Vorwärtsschwimmens; dieses gehört aber in Wirklich- keit nieht mehr mit zur Reizreaction, sondern ist einfach eine Folge der Rückkehr zum ungereizten Zustand. 396 Uebergang in das kältere Wasser, welcher die Paramaecien zurück- prallen macht (IX pag. 315, vgl. auch pag. 334/5). Strophische und apobatische Taxieen brauchen einander nicht auszuschliessen; derselbe Organismus kann sehr wohl gegen ein Reiz- mittel die erstere, gegen ein anderes die letztere Art von Reizbarkeit aufweisen. So ist bei den grünen Volvocineen und Flagellaten, denen nach Obigem apobatische Osmotaxis zukommt, die Phototaxis sicher eine strophische. Bei Paramaecium finden wir neben all den apoba- tischen Taxieen die Galvanotaxis, welche in klarster Weise strophisch . ist. Ebenso ist es wohl möglich, dass bei Organismen, deren Pros- chemotaxis strophisch ist, die Osmotaxis oder die Apochemotaxis gegen bestimmte Substanzen apobatischer Natur wäre. Es scheint mir auch sehr wohl denkbar, dass ein und dasselbe Reizmittel den nämlichen Organismus sowohl durch einseitige Wirkung strophisch als auch durch Intensitätsschwankung apobatisch reizen könnte; es wäre in jedem einzelnen Fall zu untersuchen, ob neben einer strophischen Taxis nicht auch die entsprechende apobatische Taxis vorhanden ist, resp. umgekehrt. Bei den Baeterien und In- fusorien scheint das allerdings nicht der Fall zu sein; wir sahen be- reits, dass strophische Proschemotaxis den Bacterien abgeht, da sie durch den einseitigen Zutritt des Reizstoffes keine Richtungsablenkung erfahren; ebenso hat Engelmann (V pag. 121/2) bei seinem Bac- terium photometricum eine richtende Wirkung des Lichts nicht constatiren können, und Jennings stellt eine richtende Wirkung ein- seitiger Reize auf Infusorien und Chilomonas in den von ihm unter- suchten Fällen mit aller Entschiedenheit in Abrede (VIII pag. 320|1, und an verschiedenen anderen Stellen der Schriften IX, X, X]). Für die Farnspermatozoen hat Pfeffer im Hinblick auf das Verhalten von Engelmann’s Bacterium photometricum gegen Licht die Frage aufgeworfen, ob nicht neben der richtenden Wirkung der Aepfelsäure auch noch der Uebergang von der dichteren zur ver- dünnteren Lösung einen besonderen Reiz ausübt, d. i. mit anderen Worten, ob nicht neben der strophischen auch noch eine apobatische Proschemotaxis besteht. Er hat diese Frage verneint (XX VI pag. 378). Aber an einer anderen Stelle derselben Arbeit finde ich eine Beob- achtung, welche mir durchaus zu Gunsten der obigen Annahme zu sprechen scheint; es heisst da (XXVI pag. 376, unten): „Dabei prallen aber die Samenfäden zurück, wenn sie in der Diffusionszone nach aussen fortschreitend in verdünntere Lösung geraten.“ Ob neben strophischer Phototaxis gleichzeitig apobatische vor- 397 kommt, lässt sich aus den vorliegenden Untersuchungen nicht ent- nehmen. Strasburger hat zwar bei den Schwärmsporen von Botrydium (nicht bei verschiedenen anderen) infolge plötzlicher Be- schattung eine „Erschütterung“ beobachtet, welche darin bestand, dass die geradlinig der Lichtquelle zueilenden Schwärmer plötzlich für einen Augenblick zur Seite abschwenken oder sich im Kreise drehen (XXXI pag. 25), ein Verhalten, welches theilweise an die „Schreckbewegung“ der Purpurbacterien und noch mehr an die Reactionsweise der Infusorien erinnert. Andererseits beobachtete aber derselbe Forscher (l. c. pag. 28, 29), dass der Lichtquelle entgegen- eilende Schwärmer durch einen quer zu ihrem Lauf gerichteten Sehatten nicht aufgehalten werden. Um die Frage zu entscheiden, müsste man die Organismen unter möglichstem Ausschluss richtender Lichtwirkung speciell auf das Vorhandensein von apobatischer Photo- taxis prüfen, wozu wohl das von Engelmann bei den Purpur- bacterien angewandte Verfahren am geeignetsten sein dürfte.!) Es sind Erscheinungen bekannt — ich meine vor allem die von Cohn und Strasburger beobachteten Ansammlungen phototactischer Schwärmer in parallel zu dem Lichteinfall gerichteten Schattenstreifen (XXXIT pag. 31, 34, 35) —, welche sich durch richtende Wirkung des Lichtes kaum befriedigend erklären lassen, wohl aber vielleicht in apo- batischen Eigenschaften der Schwärmsporen ihren Grund haben könnten. Wenden wir uns nunmehr zu einer näheren Betrachtung des Reizanlasses bei den tactischen Reizerscheinungen. Bei den strophischen Taxieen ist die einseitige (resp. einseitig überwiegende) Einwirkung des Reizmittels unbedingte Voraussetzung. Wo der Reizanlass auf Intensitätsdifferenzen zurückführbar ist®), wie 1) Nachträglich finde ich, dass Engelmann selbst („Ueber Lieht- und Farben- Perception niederster Organismen“, Pflüger’s Archiv Bd. 29, 1882, pag. 395/6) dieses Verfahren bereits auf Euglena viridis angewandt hat. Nach seinen An- gaben scheint der Euglena thatsächlich auch apobatische Phototaxis zuzukommen, da ein begrenzter Lichtbezirk für sie eine ebensolche Falle bildet, wie für die Purpurbacterien, Doch scheint die Resotionsweise der Euglena eine etwas ab- weichende zu sein, da Engelmann nur Hemmung der Vorwärtsbewegung und Gestaltänderungen, aber kein Rückwärtsschwimmen als Folge des Ueberganges ins Dunkel angibt. 2) Für mehrere Reizerscheinungen ist dies mehr oder weniger zweifelhaft. Bezüglich der Phototaxis ist die alte Controverse, ob die Intensitätsdifferenz des Lichtes oder die „Lichtrichtung‘‘ massgebend ist, immer noch durchaus un- entschieden, von den neueren Autoren plaidirt Oltmanns (X XIV) für das erstere, Loeb (XVII) und andere Thierphysiologen für das letztere; sämmtliche auf die Entscheidung dieser Frage gerichteten Experimente wurden nur an einzelnen und Flora 1901, 27 398 bei der Chemotaxis u. a., kann derselbe, wie schon Pfeffer (XXVI pag. 475, 477) betonte, nur in einer ungleichen Intensität des Reiz- mittels auf beiden Flanken des Organismus bestehen. Im ‘Fall der strophischen Chemotaxis beispielsweise bildet die ungleiche Ooncen- tration des Reizstoffes auf beiden Flanken den Reizanlass. Diese „Flankendifferenz“ (resp. eine ihrer weiteren Folgen, die ebenfalls an beiden Flanken ungleich sein werden) wird von dem reizbaren Orga- nismus pereipirt, und als Reaction resultirt eine Drehung des Körpers, die so lange erfolgt, bis der Reizanlass in Wegfall kommt, d. b. bis die Intensität des Reizmittels auf beiden Flanken gleich geworden ist. Bei den apobatischen Taxieen liegen a priori zwei Möglichkeiten vor. Entweder besteht der Reizanlass in einer Intensitätsdifferenz des Reizmittels (also z. B. im Falle der Chemotaxis in der ungleichen Concentration des Reizstoffes) am vorderen und hinteren Ende des Körpers. In diesem Falle wäre ebenfalls eine einseitige Wirkung des Reizmittels erforderlich, und der Unterschied gegenüber der ent- sprechenden strophischen Taxis würde darin liegen, dass eine Inten- sitätsdifferenz in der Längsrichtung und nieht in der Querrichtung Reizanlass wäre. Oder aber der Reizanlass besteht nicht in einer örtlichen Differenz, sondern in einer zeitlichen Schwankung der Intensität des Reizmittels, also z. B. im Fall der Chemotaxis in einer Abnahme (oder ev. Zunahme) der Concentration des Reizstoffes. Trifft diese Möglichkeit zu, so ist zur Reizung keine einseitige Ein- wirkung des Reizmittels erforderlich, vielmehr muss auch bei ringsum gleicher Intensität desselben eine geeignete allseitige Intensitäts- zwar jedesmal anderen phototactischen Organismen angestellt, worin vielleicht 2. Th. der Grund der bestehenden Widersprüche liegt. Die Geotaxis will Jensen (XU pag. 462/4, 470,76) auf Differenzen des hydrostatischen Druckes an verschie- denen Stellen des Organismus zurückführen; diese von Verworn (XXXIL, pag. 433/4) freudig acceptirte Ansicht ist jedoch nur eine der zu berücksichtigenden Möglichkeiten; irgendwelche stichhalfigen Gründe hat Jensen zu Gunsten der- selben nicht beigebracht. Die Galvanotaxis scheint auf den ersten Blick eine Reizerscheinung zu sein, bei der von Intensitätsdifferenzen gar nieht die Rede sein kaun. Doch haben Loeb und Budgett (XVIII) es wahrscheinlich gemacht, dass durch den galvanischen Strom an der Anodenseite des Organismus freies Alkali gebildet wird; es muss also mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass hier diese einseitige Alkaliproduktion Reizanlass ist. — Die 808. Thigmotaxis (Wirkungen mechanischer Reizmittel) lasse ich absichtlich unbesprochen, da es mir scheint, dass unter diesem Namen heterogene, noch sehr ungenügend untersuchte Reizerscheinungen zusammengefasst werden; eine nähere Erörterung würde uns hier zu weit führen, 399 schwankung die charakteristische Reaction (Rückwärtsbewegung) ver- anlassen, Das letztgenannte Postulat ist nun thatsächlich in vielen Fällen sicher realisirt. Engelmann (V pag. 110, VI pag. 666) hat gezeigt, dass die Purpurbacterien durch eine hinreichend plötzliche allseitige Lichtschwächung (z. B. durch Beschattung des Präparates) zu einer ebensolchen „Schreckbewegung“ veranlasst werden, wie durch den räumlichen Uebergang von hell zu dunkel. Ferner gibt Engel- mann an (V pag. 113), dass sein Bacterium photometricum auch bei plötzlichem Zuleiten von CO; (also bei plötzlicher Steigerung des OO3- Gehalts im Hängetropfen) die „Schreekbewegung“ ausführt, woraus folgt, dass es apobatische Apochemotaxis gegen (Oz besitzt.!) Auch die verschiedenen mit apobatischen Taxieen ausgestatteten Organismen, welche Jennings untersucht hat, führen ihre charakteristische Reaction auch bei allseitiger Intensitätsänderung des Reizmittels aus; Paramaecium schwimmt rückwärts bei plötzlicher Uebertragung in verschiedene chemisch oder osmotisch reizende Lösungen, sowie in Wasser von 0° (Prosthermotaxis) und von 35° (Apothermotaxis) (VIII Pag. 316, IX pag. 317/9); ebenso verhalten sich verschiedene andere Infusorien und Chilomonas bei allseitiger mechanischer Reizung durch Erschütterung des Präparates und bei Uebertragung in eine reizend wirkende Lösung (X pag. 378, 380, 385, XI pag. 232/3 u. a.).?) Engelmann selber hat zwar diese Foigerung nicht gezogen, sie liegt aber auf der Hand, Wenn das Bacterium bei plötzlicher Steigerung des ÜOg- Gehalts zurückschreckt, so wird eine OO,-haltige Stelle in CO,-freier Flüssigkeit von demselben gemieden werden, und umgekehrt wird ein ÖO,-freier Fleck im CO;-haltigen Präparat ganz ebenso als Falle wirken müssen, wie ein erleuchteter Fleck im verdunkelten Präparat. Es ist das bisher der einzige sicher bekannte Fall chemotactischer Reizbarkeit von Bacterien durch CO,; vgl. den Schluss der Anmerkung 2 auf pag.402. — Auch in anderen Fällen folgt in gleicher Weise aus dem Eintreten einer Rückwärtsbewegung infolge der Intensitätsschwankung eines Reizmittels, dass den betreffenden Organismen eine apobatische Taxis gegen dieses Reizmittel zukommen muss. 2) (Nachträgliche Anmerkung). Diesen Fällen sind nach Beobachtungen Engelmann's (Ueber Licht- und Farbenperception niederster Organismen. Pflüger’s Archiv Bd. 29, 1882) noch zwei weitere hinzuzufügen. Huglena viridis reagirt auf plötzliche allseitige Verdunkelung ebenso wie bei Uebergang aus Hell in Dunkel (pag. 396). Das grüne Algen enthaltende Infusor Paramaecium bursaria schwimmt rückwärts, wenn die Sauerstoffspannung bedeutend gesteigert wird (apobatische Apaörotaxis) und ebenso, wenn es bei hoher Sauerstoffspannung plötz- lich stark beleuchtet wird (pag. 394); das Lieht wirkt übrigens bei diesem Object nach Engelmann’'s Meinung nur mittelbar, durch Beeinflussung der Sauer- stoffspannung im Körper, was mir aber doch nicht ganz sicher scheint, 400 In allen diesen Fällen beruhen also die apobatischen Taxieen auf einer Empfindlichkeit gegen allseitige Intensitätsschwankungen des Reizmittels, und dies lässt vermuthen, dass es auch bei der Chemo- taxis unserer Bacterien sich ebenso verhalten wird. Auch sie müssten somit das Zeichen ihrer Bewegung plötzlich ändern, wenn sie sich in einer homogenen Lösung von Fleischextract oder eines anderen Reizstoffes befänden und dessen Concentration plötzlich hinreichend vermindert würde. Leider ist eine Verdünnung der Lösung im Präparat kaum ausführbar, ohne mechanische Strömungen und locale Concentrationsdifferenzen hervorzurufen, welche die Beweiskraft des Versuchsergebnisses in Frage stellen würden. Wohl aber dürfte es möglich sein, die Aörotaxis der Bacterien auf diesem Wege zu prüfen und die Natur des Reizanlasses festzustellen. Ich habe bisher die Frage beiseite gelassen, worin die Differenz zwischen den positiven und negativen Taxieen besteht. Bei strophi- schen Taxieen besteht sie bekanntlich darin, dass die Drehung des Körpers in entgegengesetztem Sinne erfolgt; das Vorderende wird bei der Drehung entweder der Reizquelle zu oder von ihr bewegt; es findet bei positiver Reaction eine attractive, bei negativer eine repul- sive Wirkung statt. Die Differenz des Zeichens (+ und —) liegt hier nur in der Reaction. Ganz anders verhält sich die Sache bei den apobatischen Taxieen. Hier ist die Reaction dem Sinne nach immer die gleiche (eine Rückzugsbewegung) und der Unterschied zwischen positiver und negativer Taxis besteht darin, dass bei positiver die Abnahme, bei negativer die Zunahme der Intensität des Reizmittels den Reizanlass bildet. Die Differenz des Zei- chens liegt hier also schon in dem Reizanlass (positive oder negative Intensitätsschwankung).!) 1) Man beachte, dass diejenige Art der apobatischen Taxieen, welche wir ala positiv bezeichnen, durch eine Abnahme der Intensität des Reizmittels (also durch eine negative Intensitätsschwankung) veranlasst wird und umgekehrt. Man wird vielleicht darin einen Widerspruch sehen und es consequenter finden, die Bezeichnungsweise umzukehren. Da aber bei den apobatischen Taxieen Attractions- wirkungen in keinem Falle vorliegen, so scheint es mir rein eonventionell zu sein, was man bei ihnen positiv und negativ nennen soll, und aus praktischen Rück- sichten empfiehlt es sich entschieden mehr, diejenige Form der apobatischen Taxieen als positiv zu bezeichnen, welche zu dem gleichen Endeffect führt wie die entsprechenden positiv strophischen Taxieen. Positive Chemotaxis (oder Pros- chemotaxis) nenne ich also z. B. diejenige Reizbarkeit, welche zu einer Ansamm- lung der Organismen in der Diffusionssphäre eines Reizstoffes führt, unabhängig davon, ob sie strophisch oder apobatisch ist, was ja erst für jeden Organismus durch besondere Untersuchung entschieden werden kann, 401 Ob die durch ein bestimmtes Reizmittel hervorgerufene apoba- tische Taxis positiv oder negativ ausfällt, ob also der Intensitätsab- fall oder umgekehrt die Intensitätssteigerung reizend wirkt, hängt davon ab, wie gross die ursprünglich bestehende Intensität ist, von der aus die Schwankung stattfindet: übersteigt die ursprüngliche In- tensität einen gewissen Grad — das Optimum !) —,so wirkt nur eine weitere Steigerung reizend; liegt sie hingegen unterhalb dieses Op- timums, so reizt umgekehrt nur eine weitere Verminderung. Mit anderen Worten: nur die Entfernung der Intensität des Reizmittels vom Optimum, nicht aber die Annäherung an dasselbe, übt einen Reiz aus und veranlasst den Or- ganismus, sich zurückzuziehen; mit diesem Satz ist der Reiz- anlass bei den apobatischen Taxieen einheitlich charakterisirt. Bei den strophischen Taxieen, wo nicht der Reizanlass, sondern die Reaction verschieden gerichtet ist, kann man versuchen, die letz- tere in einheitliche Beziehung zum Optimum der Intensität des Reiz- mittels zu bringen. Es ist das allerdings zunächst nur für die Fälle möglich, wo eine Intensitätsdifferenz des Reizmittels an beiden Flanken des Organismus den Reizanlass bildet. Die gesuchte Beziehung lässt sich hier so ausdrücken: der gereizte Organismus wendet sich nach derjenigen Seite, auf welcher die Intensität des Reizmittels dem Optimum näher liegt. In beiden Fällen wird, wenn auch auf wesentlich ungleichen Wegen, der gleiche Endeffeet erzielt, nämlich es wird bei local ‚ungleicher Intensität des Reizmittels der Organismus infolge der Reizung dem Optimum zugeführt. Befindet sich der Organismus bereits im Optimum, so wird die Wirkung der tactischen Reize nur seine Entfernung aus demselben verhindern. 1) Es ist vielleicht nicht überflüssig zu bemerken, dass das Optimum des Reizmittels in dem hier gemeinten Sinne, d. i. als Wendepunkt zwischen positiver und negativer Reizwirkung, nicht nothwendig ein Optimum für die Lebensthätig- keit des Organismus zu sein braucht. 8o gibt es z. B. ein Optimum der Concen- tration des Aethers in Bezug auf dessen chemotactische Wirkung auf Amylobacter (vgl. Cap. IV), während das Optimum des Aethergehalts für die Lebensthätigkeit wohl sicher =0 sein dürfte, Es sei auch darauf hingewiesen, dass das Tempe- raturoptimum für das Wachsthum der Pflanzen und erst recht dasjenige für die Athmung bei Temperaturen liegen, welche auf die Dauer den Pflanzen nicht zu- träglich sind. Insofern ist eigentlich der Ausdruck „Optimum* nicht gerade glücklich gewählt; es sind Fälle möglich, wo das „Optimum“ eines Reizmittels geradezu tödtlich für den Organismus ist, also in gewisser Hinsicht eher ein „Pessi- mum“ für denselben darstellt. Trotzdem dürfte sich der einmal eingebürgerte Ausdruck kaum verdrängen lassen. 402 Die Existenz des Optimums tritt sehr anschaulich zu Tage, wenn dasselbe eine solche Lage hat, dass in einem Präparat die Inten- sität des Reizmittels von der supraoptimalen bis zur infraoptimalen abgestuft werden kann; alsdann sammeln sich die reizbaren Organis- men in einer mittleren Zone an, in welcher die optimale Intensität herrscht.‘) Wir kennen solche Ansammlungen in der Zone optimaler Intensität folgender Reizmittel: des Sauerstoffes, bei verschiedenen auf niedere Sauerstoffspannungen gestimmten Organismen (vgl. die auf pag. 376 angeführten Fälle); der Kohlensäure bei Paramaecium?) 1) Man pflegt sich in solchen Fällen wohl gewöhnlich vorzustellen, dass das Reizmittel gleichzeitig sowohl positive als negative Reizwirkung ausübt, die letztere aber mit zunehmender Intensität des Reizmittels schneller steigt. Nach der hier entwickelten Vorstellung verhält sich aber die Sache anders: Die Zonen infraopti- maler Intensität (z. B. die äusseren Zonen der Diffusionssphäre, die sich um die Mündung der einen Reizstoff enthaltenden Capillare bildet) wirken nur positiv, die Zonen supraoptimaler Intensität nur negativ reizend; eine gleichzeitige positive und negative Wirkung desselben Reizmittels ist ausgeschlossen; sie ist auch in Wirklichkeit kaum denkbar. — Wohl aber können positive und negative Reizung gleichzeitig bestehen, wenn dieselben durch verschiedene, obwohl coexistirende Reizmittel bewirkt werden, z. B. bei dem Confliet von Proschemotaxis und Apos- motaxis gegen dieselbe Lösung. 2) Jennings (l. c. pag. 318) wundert sich darüber, dass Paramaecium pros- chemotactisch gegen CO, ist, da es sehr unwahrscheinlich sei, dass CO, ihm irgendwie nützlich sein könne. Dazu möchte ich bemerken, dass die Proschemo- taxis gegen CO, indirect dem Paramaecium sehr wesentlichen Nutzen bringen dürfte, indem sie es in der Natur nach Orten führt, wo durch grössere Ansamm- lungen lebender Bacterien (von denen sich Paramaecium bekanntlich nährt) Koblen- säure producirt wird. Thatsächlich häufen sich Paramaecien um und in Bacterien- massen sehr energisch an. Dass auch die von den Paramaecien seibst produeirte Kohlensäure anlockend wirkt und die Bildung dichter Schwärme veranlasst, ist ein schönes Beispiel dafür, dass eine biologisch wichtige Eigenschaft auch nutzlose Erscheinungen zur nothwendigen Folge haben kann. Der mögliche Schaden einer solchen Zusammenrottung der Paramaecien an Orten, wo es nichts zu essen gibt, wird dadurch eliminirt, dass die Kohlensäure bei zu starker Anhäufung apochemo- tactisch wirkt, so dass die Zusammenrottungen nur zeitweilig sein können, — Jennings’ Erfahrungen an Paramaecium lassen vermuthen, dass Proschemotaxis gegen CO, eine weiter verbreitete Eigenschaft sein dürfte, speciell unter solchen ehlorophylifreien Organismen, welche sich von Bacterien oder deren Stoffwechsel- produkten nähren. Es wäre danach zu suchen bei Organismen, welche zu spon- taner Schwarmbildung geneigt sind (verschiedene Infusorien, aber auch manche Bacterien, sehr auffallend z. B. bei Spirillum tenue), sowie bei solchen, welche durch Bacterienmassen angelockt werden, wie unser Amylobacter (vgl. pag. 378) und anscheinend auch verschiedene Spirillen; natürlich können es aber in diesen Fällen ebenso gut andere Stoffwechselprodukte als CO, sein, welche proschemo- tactisch wirken, 403 (Jennings, VIII pag. 289); der Aepfelsäure !) bei Farn-Spermatozoen (Pfeffer, XXVI pag. 387) und bei Chromatium Weissii (Miyoshi, XXIII pag. 166); der Phosphorsäure bei Saprolegnia - Zoosporen (Stange, XXX pag. 126); des Peptons bei Spirillum undula (Pfeffer, XXVIIpag. 605, 628); sauer und alkalisch reagirender Kali- salze bei Bacterien und Bodo saltans (Pfeffer, XXVII pag. 601); des Aethers bei Amylobacter (vgl. Kap. IV); des Lichtes bei Volvox (Olt- manns, XXIV pag. 187); der Wärme bei Paramaecium (Mendels- sohn, XXI; Jennings, IX pag. 334/6); des osmotischen Druckes ?) 1) Buller (I pag. 562—7) sucht wahrscheinlich zu machen, dass die chemo- tactische Wirkung verschiedener Substanzen auf die Farnspermatozoen auf be- stimmte Ionen zurückzuführen ist; es sollen z. B. die K-Ionen der Kalisalze, das C;H/0,-Ion der Malate und der freien Aepfelsäure proschemotaetisch, das H-Ion der letzteren apochemotactisch wirken. Hiernach würden im Fall der freien Aepfelsäure die Pros- und Apochemotaxis nicht durch verschiedene Intensität desselben Reizmittels, sondern durch ungleiche Reizmittel bedingt sein; von einer optimalen Intensität des Reizmittels dürfte daher genau genommen nicht die Rede sein, es läge vielmehr eine ebensolche Compensation zweier antagonistischer Reiz- wirkungen vor, wie bei: dem Confliet von Proschemotaxis und Aposmotaxis, — Es muss jedoch bemerkt werden, dass die Anschauung Buller’s zwar recht be- stechend, aber leider schlecht gestützt ist. Buller hat nicht einmal den zu for- dernden Nachweis gebracht, dass verschiedene freie Säuren repulsiv wirken, und zwar proportional ihrer Molekularconcentration und ihrem Dissociationscoefficienten, Andererseits liegen Erfahrungen vor, welche dafür sprechen, dass nicht die Ionen, sondern die undissociirten Molekeln chemotactisch wirken (Pfeffer, XXVI pag. 607, Stange, XXX pag. 126/7). Die Frage würde eine specielle, genaue Untersuchung erfordern. 2) Dass es neben der negativen auch eine positive Osmotaxis gibt, dürfte nicht allgemein bekannt sein; ich will daher kurz die Resultate resumiren, welche Massart (XX) an Meerwassermikroorganismen erzielt hat. Zwei Spirillen, eine Flegellate und zwei ciliate Infusorien flohen in seinen Versuchen sowohl eine hyperosmotische Lösung (Meerwasser, dessen osmotischer Druck durch Zusatz von NaCl gesteigert war), als auch eine hyposmotische Lösung (verdünntes Meerwasser und destillirtes Wasser); im letzteren Fall suchten sie also Zonen höheren osmo- tischen Druckes auf — ein Verhalten, welches anderen positiven Taxieen vollkommen entspricht und als Prososmotaxis zu bezeichnen ist. Das Infusor Anophrys sarcophaga wurde auch in der Weise geprüft, dass es gleichzeitig der Einwirkung hyper- 0smotischer und hyposmotischer Lösungen von entgegengesetzten Seiten exponirt wurde: es zog si%h in eine Zone mittleren (optimalen) osmotischen Druckes zurück; das Gleiche würden sicherlich bei entsprechender Versuchsanstellung auch die übrigen genannten Organismen thun. — Ein drittes Spirillum ermangelte ganz der osmotactischen Empfindlichkeit: es ging sowohl in die hyperosmotischen wie in die hyposmotischen Medien hinein. Das Infusor Oxytricha gibba ist wohl aposmo- tactisch, aber nicht prososmotactisch: es dringt auch in destillirtes Wasser ein, um darin alsbald seinen Tod zu finden. — Es darf vermuthet werden, dass die 404 bei dem Infusorium Anophrys sarcophaga (Massart, XX pag. 155/6); und sie werden sich auch noch in zahlreichen anderen Fällen her- stellen lassen, in denen Organismen sich gegenüber einem Reizmittel je nach dessen Intensität bald positiv, bald negativ tactisch verhalten. n) Es ist dabei zu berücksichtigen, dass das Optimum eines ge- gebenen Reizmittels für einen gegebenen Organismus durchaus keine ‚constante Grösse zu sein braucht; es kann vielmehr für verschiedene Individuen ungleich sein, mit dem Entwickelungsstadium in weiten Grenzen variiren, durch Accomodation und durch verschiedene äussere Einwirkungen verschoben werden, und endlich spontanen periodischen Schwankungen unterliegen. Es gibt nun ferner auch zahlreiche Fälle, wo ein Organismus einem bestimmten Reizmittel gegenüber sich.bei allen geprüften In- tensitäten entweder nur positiv oder nur negativ tactisch verhält. Auch diese Fälle lassen sich aber sehr wohl der oben ausgesprochenen Regel unterordnen, wonach der Organismus durch den Reiz einem Intensitätsoptimum des Reizmittels zugeführt wird. Erstens kann nämlich das Intensitätsoptimum eines Reizmittels =0O sein, und in solchem Fall wird das Reizmittel, sofern nur die Reizschwelle erreicht wird, stets negativ tactisch wirken. Derartiger Fälle sind bisher mit Sicherheit nur wenige constatirt. Dahin gehört das Verhalten von Bacterien und Flagellaten gegenüber Aethylalkohol (Pfeffer, XXVII pag. 604, 626), das Verhalten unseres Amylobacter gegenüber dem Sauerstoff (vgl. Cap. III), und, wenn wir auch nicht schwimmende Organismen heranziehen, das Verhalten der Myxomy- ceten-Plasmodien gegenüber dem Licht (Stahl, XXIX pag. 168).?) Prososmotaxis sich nicht auf Meerwasserorganismen beschränkt; sie wird sich wahrscheinlich u. a. auch bei Süsswasserbacterien auffinden lassen, wenn man ihr Verhalten gegen einseitigen Zutritt destillirten Wassers prüft. — Auch die Plas- modien von Aethalium fliehen nach Stahl (XXIX pag. 166) Lösungen sowohl höherer als geringerer Concentration, sind also negativ und positiv osmotactisch, 1) Die zahlreichen äusserlich ähnlichen Fälle, in denen die (wirkliche oder scheinbare) Attraction chemotactischer, die Repulsion aber höchst wahrscheinlich osmotactischer Natur ist, lasse ich als nicht hierhergehörig bei Seite. 2) Ob freie Säuren und Alkalien, gegenüber welchen PfeffeMXX VI pag. 387, XXVII pag. 625/6) bei Farnspermatozoen, Bacterien und Flagellaten nur Apo- chemotaxis beobachtete, bei geringerer Coneentration nicht auch proschemotactisch wirken, lässt sich aus seinen Versuchen nicht entnehmen, denn in diesen Versuchen wurden die betr. Stoffe in Mischung mit stark anlockenden Substanzen verwandt, so dass eine etwaige proschemotactische Wirkung der ersteren nicht hervortreten konnte. Die angedeutete Möglichkeit erscheint bezüglich der freien Säuren und 405 Anderegeits kann das Optimum so hoch liegen, dass supra- optimale Intensitäten in den bisherigen Versuchen nicht erreicht wurden. In manchen Fällen würden sie sich aber vielleicht erreichen lassen, wenn man speciell darauf ausginge. So kennen wir bisher bei den gewöhnlichen aöroben Bacterien nur die positive Aörotaxis, aber viel- leicht nur desshalb, weil man nur ihr Verhalten gegen atmosphärische Luft oder gegen noch niedrigere Sauerstoffspannungen geprüft hat; es ist keineswegs unwahrscheinlich, dass gegen reinen Sauerstoff (von der Spannung einer Atmosphäre oder event. von noch höherer Span- nung) diese Bacterien sich ebenso apaörotactisch zeigen werden, wie Spirillen gegen atmosphärische Luft. — Bei den Purpurbacterien hat Engelmann recht hohe Lichtintensitäten angewandt, ohne eine apophototactische Wirkung zu constatiren; ich finde bei ihm aber doch eine gelegentliche Angabe, welche die Möglichkeit einer solchen Wirkung vermuthen lässt: Bacterien, welche bei gleichmässiger starker Beleuchtung seit kurzem zur Ruhe gekommen waren, wurden „bei _ beträchtlicher Steigerung der Lichtstärke wieder beweglich und „suchten dann weniger helle Orte auf“ (V, pag. 109). — In manchen Fällen wird es schwer halten oder unmöglich sein, das supponirte Intensitätsoptimum des Reizmittels zu überschreiten, ohne störende Nebenerscheinungen einzuführen, welche die Erkenntniss des Optimums verhindern können. So liegt die Sache namentlich hinsichtlich der Chemotaxis gegen solche Stoffe, welche bei höherer Concentration gleichzeitig aposmotactisch wirken; tritt bei steigender Concentration des Reizstoffes dessen aposmotactische Wirkung früher ein, als die gesuchte apochemotactische, so kann die letztere nicht ohne Weiteres erkannt werden. Doch kann eventuell, wenn die Aposmotaxis nicht zu stark ist, das Hinzutreten der Apochemotaxis eine deutliche Steige- rung der repulsiven Wirkung zur Folge haben, und an dieser Steige- rung kann der Eintritt der Apochemotaxis erkannt werden. So hat Pfeffer (XXVI pag. 386) beobachtet, dass Farn-Spermatozoen durch 10%, Natriummalat stärker abgestossen wurden, als durch eine Lösung, die neben 0,5%, Aepfelsäure noch 15,5 %, Salpeter enthielt, obgleich die letztere Lösung einen grösseren (nach meiner Berechnung ca. doppelt grösseren) osmotischen Druck hat; Pfeffer schliesst daraus, ln Alkalien a priori um so weniger ausgeschlossen, als sauer und alkalisch roagi- rende Salze, wie Kaliummonophosphat und Kaliumcarbonat, nach Pfeffer 8 Unter- suchungen (XXVIJI pag. 601) auf Bacterien sowohl negativ wie positiv chemotac- tisch wirken können. 406 dass den Malaten in höherer Concentration eine specifischg abstossende (d. i. apochemotactische) Wirkung zukommt, während sie In geringeren Concentrationen bekanntlich stark proschemotactisch wirken. Diese Erfahrung lässt annehmen, dass auch in anderen Fällen ein Umschlag der positiven in negative Chemotaxis mit steigender Concentration des Reizstoffes stattfinden dürfte. Postulirt werden kann das freilich a priori nicht; es ist ebensogut möglich, dass ein Reizstoff in allen Concentrationen nur anlockend wirkt, und ein solcher Fall ist viel- leicht in der Chemotaxis der Laubmoos-Spermatozoen gegen Rohr- zucker realisirt, der nach Pfeffer (XXVI pag. 432) auch in 15 proc. Lösung nur Anlockung ohne Repulsion bewirkte. VIll. Ueber Osmotaxis. In den vorigen Kapiteln habe ich vielfach von Osmotaxis ge- sprochen und dieselbe als eine Reizerscheinung sui generis behandelt, welche der Phototaxis, Chemotaxis und anderen Taxieen coordinirt ist und ein besonderes Empfindungsvermögen zur Voraussetzung hat, nämlich ein Empfindungsvermögen für Schwankungen resp. für locale Differenzen des osmotischen Druckes (je nachdem die Osmotaxis apo- batisch oder strophisch ist), Nun hat sich aber diese Reizerscheinung noch keineswegs ein allgemein anerkanntes Bürgerrecht in der Wissen- schaft erworben; man begegnet ihr zwar (unter dem Namen Tonotaxis) in einigen neueren Speeialarbeiten, aber in Lehrbüchern wird man vergeblich nach ihr suchen; auch in dem Lehrbuch von Verworn (XXXI, beide Auflagen), welches die Reizerscheinungen niederer Organismen recht eingehend behandelt, werden die osmotactischen Erscheinungen theils ignorirt, theils mit den chemotactischen Erschei- nungen zusammengeworfen. In Anbetracht dessen wird es nicht über- flüssig sein, wenn ich an dieser Stelle eine Uebersicht dessen zu geben versuche, was über die Osmotaxis bekannt ist, und ihr Verhältniss zu anderen Taxieen bespreche. Pfeffer (1884) hat zuerst die repulsive Wirkung concentrirter Lösungen (Aposmotaxis) auf Farnspermatozoen und Bacterien erkannt und von der specifisch repulsiven Wirkung bestimmter chemischer Stoffe (Apochemotaxis) unterschieden (XX VI pag. 336, 388, 455). Er schreibt diesen Organismen Empfindlichkeit gegen die osmotische Wirkung der eoncentrirten Lösungen zu und nimmt an, dass die Lösungen ver- schiedener Stoffe „nach Maassgabe ihrer osmotischen Leistung“ ab- stossend wirken; ohne hierüber nähere Untersuchungen anzustellen, 407 hat Pfeffer doch constatirt, dass Kalisalpeter in Iproc. Lösung etwa eben so stark repulsiv wirkte, wie Rohrzucker in 6proc. Lösung (welche Lösungen nahezu isosmotisch sind). In demselben Jahr fand Stahl (XXIX pag. 166) osmotactische Erscheinungen an den Aethalium-Plasmodien. Die Plasmodien werden durch Traubenzuckerlösung abgestossen (Aposmotaxis), wenn sie sich aber an die Lösung accommodirt haben, so fliehen sie umgekehrt so- wohl reines Wasser als auch eine weniger concentrirte Traubenzucker- lösung (Prososmotaxis). Stahl schreibt die repulsive Wirkung nicht dem Zucker als solchem zu, sondern der Steigerung resp. Verminde- rung der Concentration, welche vermuthlich durch Aenderung des Wassergehalts des Plasmodiums wirkt. In einer späteren Arbeit (1888) nahm Pfeffer seine frühere Meinung zurück, da er gefunden hatte, dass bestimmte Stoffe, nament- lich Glycerin, auch in Lösungen von sehr hohem osmotischem Druck keine Repulsivwirkung ausüben. Er erklärt jetzt, dass die repulsive Wirkung concentrirter Lösungen nicht durch „die allgemeinen physi- kalischen Eigenschaften“ derselben zu stande kommt, sondern „von der specifischen Qualität des Stoffes abhängt“ — d. h. mit anderen Worten, dass sie nicht aposmotactisch, sondern apochemotactisch ist (XXVII pag. 623, 624). Massart (1889) hat dann den Nachweis erbracht, dass es that- sächlich eine Reizbarkeit durch den osmotischen Druck der Lösungen gibt. Er hat (XIX pag. 522—30) die repulsive Wirkung einer grossen Reihe von Salzen und mehrerer organischer Stoffe auf zwei Bacterien in der Weise geprüft, dass er für jede Substanz diejenige Concentration ermittelte, bei welcher die proschemotactische Wirkung eines stets gleichen geringen Zusatzes von KzCOs gerade aufgewogen wurde, so dass die als Reagens benutzten Bacterien in eine mit dem Gemisch gefüllte Capillare nicht mehr eindrangen. Die repulsive Wirkung der geprüften Stoffe (mit einzelnen, bald zu besprechenden Ausnahmen) erwies sich als proportional ihrem isosmotischen Coefficienten und um- gekehrt proportional ihrem Moleculargewicht (pag. 530). Kürzer und bezeichneter ausgedrückt würde das Ergebniss lauten: Die repul- sive Wirkung der Lösungen ist proportional ihrem 08smotischen Druck, oder: Isosmotische Lösungen ver- Schiedener Stoffe wirken auf einen gegebenen Orga- nismusin gleichem Grade repulsiv. Es ist hiernach evident, dass bei der besagten Reizerscheinung der osmotische Druck der Lösungen, unabhängig von der Natur der 408 gelösten Stoffe, das Reizmittel ist. Massart bezeichnet die Reiz- erscheinung als negative Tonotaxis!) („Tonotactisme*). Einen solchen stricten Beweis für die Existenz der Reizbarkeit durch den osmotischen Druck hat Massart freilich nur für die zwei untersuchten Bacterien beigebracht. Für die anderen von ihm in der- selben Arbeit behandelten Organismen hat er diesen Beweis nicht geführt. Nachdem aber einmal ausser Zweifel gestellt ist, dass es überhaupt eine solche Reizbarkeit gibt, wird man berechtigt sein, auch die Repulsion anderer Organismen durch concentrirte Lösungen derselben Ursache zuzuschreiben, wofern nicht besondere Anhalts- punkte dafür vorliegen, dass die Repulsion chemotactischer Natur ist. Namentlich darf man den osmotischen Druck mit an Sicherheit gren- zender Wahrscheinlichkeit für das Reizmittel halten in Fällen, wo ein Organismus notorisch durch Lösungen vieler verschiedener Stoffe ge- reizt wird. ‘Dies trifft zu bei den von Massart (XIX pag. 558/60) untersuchten Volvocineen, Flagellaten und Infusorien, welche durch Lösungen einer ganzen Reihe von Salzen sowie von Harnstoff und Rohrzucker abgestossen werden. In einer weiteren Arbeit (XX), deren Ergebnisse ich bereits an- geführt habe (pag. 403 Anmerkung 2), zeigte dann Massart, dass es bei Mikroorganismen des Meerwassers neben der negativen auch eine positive Osmotaxis gibt. Leider hat Massart bezüglich dieser Organismen es nicht hinreichend sichergestellt, dass die beobachteten Reizwirkungen osmotactischer und nicht etwa chemotactischer Natur sind, da er nur mit Meerwasser und NaCl experimentirte; immerhin wird man, bis zum Beweis des Gegentheils, das erstere für wahr- scheinlicher halten dürfen. Wir sahen oben, dass es einzelne Substanzen gibt, welche sich der Regel nicht fügen, indem sie nicht nach Maassgabe ihres osmoti- schen Druckes repulsiv wirken. Die Ursache dieser Abweichungen wird uns verständlich werden, wenn wir nunmehr die Bedingungen betrachten, welche für das Zustandekommen einer osmotactischen Reizung und Reaction notwendig sind. 1) Ich ziehe den gleichbedeutenden Terminus Osmotaxis vor, da dieser direct auf den osmotischen Druck als das Reizmittel hinweist. Der Terminus Osmotaxis verdient in gleichem Grade den Vorzug, wie der Ausdruck isosmotisch (herrührend von Tamann, neuerdings auch von Pfeffer in der zweiten Auflage der Pflanzen- physiologie acceptirt) dem De Vries’schen Ausdruck isotonisch vorzuziehen ist, nach welchem offenbar Massart seinen Terminus Tonotaxis gebildet hat. 409 Erste Bedingung ist offenbar, dass der Organismus osmotactisch empfindlich sei. Wenn nun auch diese Eigenschaft unter den beweg- lichen Mikroorganismen weit verbreitet zu sein scheint, so gibt es doch auch nicht wenige, denen sie ganz oder doch fast ganz fehlt. Der Mangel osmotactischer Reizbarkeit ist daran zu erkennen, dass die Organismen (sei es zufällig, sei es infolge chemotactischer oder an- derer Reizung) auch in Lösungen von so hohem osmotischem Druck hineingehen, dass sie in denselben sofort plasmolytisch schrumpfen und infolge der Wasserentziehung zur Ruhe kommen. So verhält sich nach meinen Erfahrungen die Flagellate Trepomonas agilis, welche in Capil- laren mit 10°, Fleischextraet direct hineinsteuert und sofort bis zur Un- kenntlichkeit schrumpft. Eine Reihe anderer Fälle sind in der Litte- ratur angegeben. So gehört anscheinend hierher das Bacterium termo Pfeffer’s, welches selbst in 19°), KCl, 20%, NaCl und 40%, CaCle anstandslos hineingeht und hier sofort zur Ruhe kommt. Völlig un- empfindlich ist nach Massart’s Beschreibung (XIX pag. 531) die farblose Volvocinee Polytoma uvella. Ueberhaupt hat Massart unter den Volvocineen, Flagellaten und Infusorien neben osmotactisch empfindlichen Organismen auch zahlreiche unempfindliche gefunden (XIX pag. 558/60, 561, 566) und zwar zum Theil innerhalb derselben Gattung, z. B. in den Gattungen Clamydomonas, Euglena u. a. Eben- so ist unter den von Massart (XX) untersuchten Meerwasser-Spirillen die Form B ganz unempfindlich, während die Formen 4 und ( em- pfindlich sind. Sehr geringe, aber doch merkliche osmotactische Empfindlichkeit besitzt nach Jennings (VIII pag. 283) Paramae- cium, welches in 10°, Glycerin hineingeht und erst dann eine schwache Reaction ausführt, wenn die plasmolytische Schrumpfung bereits begonnen hat. Im Gegensatz hierzu reagiren empfindliche Organismen aposmotactisch schon auf Lösungen, deren osmotischer Druck weit unter dem plasmolytisch wirkenden Grenzwert liegt. So wird Spirillum undula durch eine Lösung, welche 0,005 Gramm-Molekeln NaCl pro 100cem (= 0,3°},) enthält, bereits merklich abgestossen, während eine 4fach stärkere Lösung es noch nicht plasmolysirt (Massart, XIX pag. 530). In besonders hohem Grade osmotactisch empfindlich sind nach Pfeffer (XXVII) und Massart (XIX) Spiril- lum undula und die Flagellaten Bodo saltans und Chilomonas Para- maecium. Haben wir es mit osmotactisch empfindlichen Organismen zu tbun, so werden die Lösungen nur dann dem Gesetz sich fügen, d. h. nach Massgabe ihres osmotischen Druckes repulsiv wirken, wenn keine 410 Störung durch anderweitige Reizung stattfindet. Eine solche tritt ein, wenn ein Stoff auch vermöge seiner specifischen Qualität (also apo- chemotactisch) repulsiv wirkt; wird die apochemotactische Repulsion schon durch eine so verdünnte Lösung des betr. Stoffes bewirkt, dass deren osmotischer Druck unterhalb der Reizschwelle für die Apos- motaxis liegt, so kann die osmotactische Wirkung der Lösungen dieses Stoffes überhaupt nicht zur Geltung kommen, weil die allmählich diffundirende Lösung bereits geflohen wird, bevor sie noch osmotac- tisch reizen kann. Dies war in Massart’s Versuchen (XIX) pag. 525,6) der Fall mit den Lösungen von Cyankalium und Kalium- oxalat, welche schon in der schwächsten verwandten Molekularcon- centration (0,001 Gramm-Molekel pro 100 cem = 0,065 °/, KCy) stark re- pulsiv wirkten, während bei den anderen Stoffen sich erst bei 4—Öfach stärkerer Molekularconcentration eine schwache Repulsivwirkung be- merkbar machte; geringer aber doch merklich war die Abweichung bei KzCO; und NasCO;. Solche Stoffe bilden scheinbare Ausnahmen vom Gesetz; in Wirklichkeit lehrt aber ihr abweichendes Verhalten eben nur, dass die durch ihre Lösungen bewirkte Repulsion nicht osmotactischer, sondern chemotactischer Natur ist, Der innere Reizanlass bei der osmotactischen Reizung kann nicht wohl in etwas anderem bestehen, als in der durch den abweichenden osmotischen Druck der Aussenflüssigkeit bewirkten Aenderung des Wassergehaltes im Protoplasma; bei der Aposmotaxis bildet also, wie schon Massart (XIX pag. 530) andeutete, die Wasserentziehung (resp., bei strophischer Aposmotaxis, die einseitig überwiegende Wasser- entziehung) den inneren Reizanlass.. Wasserentziehend können nun aber bekanntlich nur die Lösungen solcher Stoffe wirken, für welche das Protoplasma nicht zu leicht permeabel ist; denn wenn der gelöste Stoff momentan in das Protoplasma eindringt, so kommt eine Differenz des osmotischen Druckes zwischen der Zelle und der Aussenflüssig- keit gar nicht zu stande. Wir wissen namentlich durch die ausge- dehnten Untersuchungen Overton’s, dass es eine ganze Reihe von Stoffen gibt, welche so schnell in das Protoplasma eindringen, dass ihre Lösungen trotz sehr hohen osmotischen Druckes keine Plasmo- Iyse zu bewirken vermögen (XXV pag. 23/4); so u. a. Aethylalkohol und Aethyläther. Lösungen solcher Stoffe werden selbstverständlich auch nicht osmotactisch reizen können, da sie nicht wasserentziehend wirken; ihr osmotischer Druck existirt gewissermaassen für den Orga- nismus nicht. Wir sehen, dass der osmotactische Reiz nicht nur von der Em- all pfindlichkeit des Organismus und won dem osmotischen Druck der Lösung, sondern auch noch von einem dritten Factor, nämlich von der Permeabilität des Protoplasmas für den gelösten Stoff abhängt. Die Permeabilität ist ihrerseits bedingt sowohl durch die specifischen Eigenschaften der Organismen, als auch durch diejenigen der gelösten Stoffe. Insofern ist man allerdings berechtigt zu sagen, dass die os- motactische Wirkung der Lösungen nicht bloss von ihrem osmotischen Druck, sondern auch von der Qualität der gelösten Stoffe abhängt.!) Die letztere Abhängigkeit ist aber nur indireet und steht nicht in Widerspruch mit der Thatsache, dass der osmotische Druck der Lösungen und nicht der gelöste Stoff als solcher reizend wirkt. Die Permea- bilität des Plasmas für einen bestimmten Stoff schützt den Organis- mus vor der Wirkung des osmotischen Druckes seiner Lösung in analoger Weise, wie etwa ein undurchsichtiger Staniolüberzug ein Organ vor der heliotropischen Wirkung des Lichtes schützt. Dass das Protoplasma für einen Stoff vollkommen permeabel ist, lässt sich bei Mikroorganismen ebenso wie bei höheren Pflanzen an dem Ausbleiben der Plasmolyse erkennen. Dringt ein Organismus in die Lösung eines Stoffes ein und bleibt darin unplasmolysirt und beweglich (bis er etwa durch die schädigende Wirkung des Stoffes getödtet wird), während isosmotische Lösungen anderer Stoffe ihn plas- molysiren, so zeigt das die vollkommene Permeabilität des betr. Or- ganismus für den betr. Stoff an. Das Eindringen eines Organismus in Lösungen von hohem osmotischem Druck kann also durch zwei ganz verschiedene Umstände bedingt sein, nämlich 1. durch den Mangel osmotactischer Reizbarkeit, 2. durch die Permeabilität für den gelösten Stoff; im ersteren Fall wird aber der Organismus plasmo- Iysirt, im zweiten nicht, und daran lassen sich die beiden Fälle unter- scheiden. So müssen wir schliessen, dass Massart’s Bacterium Termo (XIX pag. 523/4), welches in hochconcentrirte Lösungen (20°, KNO;, 30%, Rohrzucker) eindringt und in denselben lebendig bleibt („vit Parfaitement“), nicht osmotactisch unempfindlich, wie der Autor meint, sondern für die benutzten Stoffe sehr leicht permeabel ist. Ebenso muss die Flagellate Tetramitus rostratus für KNOs sehr leicht per- meabel sein, da sie in 5°/, Lösung lebend bleibt „sans en paraitre incommode* (XIX pag. 531). Zu den in das Protoplasma vieler niederer Organismen momentan eindringenden Substanzen muss nun jedenfalls auch das Glycerin 1) Das gilt ja in gleichem Maasse auch für die plasmolytische Wirkung. 412 gehören, welches in den Versuchen Pfeffer’s (XXVII pag. 604,626|7) und Massart’s (XIX pag. 528) auch auf zweifellos stark osmotac- tische Bacterien und Flagellaten keine abstossende Wirkung ausübte, obgleich der erstere Autor bis zu 17,1proc. Lösungen (isosmotisch mit ca. 12proc. KNO;) verwandte. Wenn diese Annahme zutrifft, so er- ledigt sich damit das Argument, welches Pfeffer zur Verwerfung der Osmotaxis veranlasste. Leider liegen noch keine Untersuchungen darüber vor, ob die hier in Betracht kommenden Organismen durch Glycerin plasmolysirt werden !); wir sind daher auf Wahrscheinlichkeits- schlüsse angewiesen. Klebs (XIV pag. 540/1), De Vries (III) und Overton (XXV pag. 26) haben gezeigt, dass das Glycerin in Zellen von Algen und Phanerogamen zwar nicht momentan, aber doch relativ leicht eindringt, so dass die anfänglich eintretende Plasmolyse in einer bis wenigen Stunden vollständig zurückgeht (selbst in 10proc. Lösung); aus der eitirten Arbeit von De Vries ist zugleich zu ersehen, dass der Grad der Permeabilität für Glycerin schon innerhalb der Phanero- gamen ein specifisch sehr ungleicher ist. Andererseits wissen wir aus den Untersuchungen A. Fischer’s (VII pag. 8—19), dass das Proto- plasma der Bacterien und speciell auch von Spirillum undula für Mineralsalze (KNO; und andere) und Rohrzucker viel permeabler ist als dasjenige höherer Pflanzen, da Plasmolyse in Lösungen dieser Stoffe bei ihnen zwar eintritt, aber sehr bald (meist schon nach wenigen Minuten) vollständig zurückgeht. Ferner hat Buller (I pag. 574) gefunden, dass Farnspermatozoen in mit 10,1proc. KNO; isosmotischen Lösungen von Alkohol und von Glycerin beweglich bleiben, während Mineralsalze und Rohrzucker schon in mit 2proc. KNO; isosmotischen Lösungen die Bewegung sistiren; daraus ist zu schliessen, dass Gly- cerin ebenso oder doch fast ebenso leicht in die Spermatozoen ein- dringt, wie Alkohol, und ebensowenig wie dieser plasmolytisch wirkt (Buller selbst sagt nichts über plasmolytische Schrumpfung). Wenn wir alle dise Thatsachen in Betracht ziehen, so werden wir als sehr wahrscheinlich ansehen dürfen, dass das Protoplasma der Bacterien thatsächlich für Glycerin sehr leicht permeabel ist. Das braucht aber nicht für alle Mikroorganismen zu gelten. No sahen wir kürzlich, dass Paramaecium in 1Oproc. Glycerin schrumpft, l) Zwar hat Massart angegeben, dass Spirillum undula durch Glycerin überhaupt nicht plasmolysirt wird, sondern bei allzu hoher Concentration ohne Plasmolyse abstirbt (XIX pag. 547); aber seine Beobachtungen beziehen sich auf Objecte, die 19 Stunden in den Lösungen verweilt hatten, bei denen also eine anfänglich eingetretene Plasmolyse sich ausgeglichen haben kann. 413 und dem entsprechend durch dasselbe auch osmotactisch gereizt wird. Es werden sich vielleicht auch noch osmotactische Bacterien finden, welche sich gegen Glycerin anders als Spirillum undula verhalten, denn die Permeabilitätsverhältnisse des Plasmas können bei verschie- denen Bacterien verschieden sein. So beobachtete Massart (XIX pag. 528), dass die zwei osmotactisch gleich empfindlichen Bacterien Ba- eillus Megatherium und Spirillum undula sich gegen Asparagin ungleich verhalten: während ersteres schon durch eine Lösung von 0,007 Gramm- molekel pro 100ccm abgestossen wird (isosmotisch mit gleich wirken- den Lösungen anderer Stoffe), bleibt auf Spirillum auch 0,01 Gramm- molekel (= 1,32proc. Aspargin) ohne abstossende Wirkung; die Ursache dürfte darin liegen, dass Spirillum undula auch für Asparagin eine specifische Permeabilität besitzt. Die Permeabilität für Asparagin dürfte aber nicht so gross sein wie für Glycerin, da nach Pfeffer (XXVIL pag. 604) Spirillum undula durch 2,5proc. Aspargin bereits energisch abgestossen wird.!) Auf diesem Gebiet öffnet sich, wie man sieht, ein weites Feld für Detailuntersuchungen, welche erst eine hinreichend sichere Grund- lage für die allgemeinen Anschauungen zu liefern haben werden. Der prineipielle Unterschied zwischen Osmotaxis und Chemotaxis ist dadurch hinreichend gekennzeichnet, dass bei ersterer der osmo- tische Druck der Lösung, bei letzterer ein bestimmter gelöster Stoff das Reizmittel ist; der Unterschied ist derselben Art, wie etwa der- jenige zwischen Chemotaxis, Phototaxis und Geotaxis. Nichtsdesto- weniger sind Osmotaxis und Chemotaxis in der Praxis weniger leicht aus einander zu halten als andere Taxieen, da es immerhin in beiden Fällen eine Lösung ist, von welcher die Reizwirkung ausgeht, und unter Umständen die nämliche Lösung beide Taxieen gleichzeitig in Scene setzen kann. Trotz der prineipiellen Differenz kann in concreten Fällen die Entscheidung, ob etwa die beobachtete Repulsionswirkung einer Lösung chemotactischer oder osmotaetischer Natur ist, keines- wegs leicht sein. Nur wenn die Repulsion schon durch sehr ver- dünnte Lösungen, deren osmotischer Druck weit unter dem üblichen 1) Es ist übrigens zweifelhaft, ob Massart unter Spirillum undula denselben Organismus meint wie Pfeffer, denn nach ersterem (XIX pag. 528) wird dies Spirillum durch Dextrose schon in schwachen Lösungen abgestossen, während der letztere selbst bei 30proc. Dextrose keine Repulsion fand (XXVII pag. 627). Der Mangel osmotactischer Wirkung der Dextroselösungen auf Pfeffer's Spirillum undula und Bodo saltans dürfte sich nb. ebenso erklären, wie das gleiche Ver- halten der Giycerinlösungen. Flora 1901. 28 414 Schwellenwerth für die Aposmotaxis liegt, veranlasst wird, kann man ohne Weiteres mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass Chemotaxis vor- liegt. Wird dagegen die Repulsion erst bei höherer Concentration der Lösung bemerkbar, so muss untersucht werden, ob auch andere, möglichst verschiedene Stoffe in isosmotischer Lösung die gleiche Re- pulsion bewirken, und erst das Ergebniss einer solchen Untersuchung gestattet eine sichere Entscheidung zwischen Osmo- und Ohemotaxis. In Anbetracht dieser Sachlage wollen wir den Unterschied beider Taxieen anschaulicher zu machen versuchen, indem wir einige Con- sequenzen ihres principiellen Unterschiedes hervorheben. Die chemotactische Empfindlichkeit eines Organismus gilt nur für den einzelnen Stoff, sie hat nieht die Empfindlichkeit für irgendwelche andere Stoffe zur nothwendigen Folge; die Existenz der chemotac- tischen Empfindlichkeit kann somit für jeden einzelnen Organismus und jeden einzelnen Stoff nur empirisch festgestellt werden. Ist hin- gegen ein Organismus osmotactisch, so folgt mit Nothwendigkeit seine Empfindlichkeit für isosmotische Lösungen sämmtlicher Stoffe, wofern dieselben hinreichend schwer in sein Protoplasma eindringen, um ilın bei hoher Concentration zu plasmolysiren, und wofern sie nicht schon bei geringerer Concentration giftig sind. Organismen, welche der osmotactischen Empfindlichkeit völlig er- mangeln, können sehr wohl chemotactisch (sowohl positiv als negativ) sein. So wird z. B. Pfeffer’s Bacterium T'ermo, welches nicht os- motactisch ist und daher selbst durch 20°), NaCl keine Repulsion erfährt, durch 1%, Alkohol, 0,1°/, Citronensäure u. a. apochemotac- tisch abgestossen (XXVII pag. 604, 625|6). Ebenso können natürlich Organismen, denen Chemotaxis abgeht (falls es solche gibt), osmo- tactisch sein. Wenn wir von der wahrscheinlichen Annahme ausgehen, dass zu einer chemotactischen Reizwirkung das Eindringen des Reizstoffes in das Protoplasma erforderlich ist!), so ergibt sich in gewisser Hinsicht 1) Pfeffer hebt zwar mit Recht hervor (XXVII pag. 650), dass das Ein- dringen des chemotactisch wirkenden Reizstoffes ins Plasma nicht als unbedingt nothwendig postulirt werden kann. Immerhin erscheint aber a priori die Noth- wendigkeit der Aufnahme des Reizstoffes viel plausibler, um so mehr als es für fast alle chemotactisch wirkenden Stoffe sicher gestellt oder nicht zu bezweifeln ist, dass sie thatsächlich von den Organismen aufgenommen werden. Die meisten Reizstoffe sind zugleich Nährstoffe und müssen als solche aufgenommen werden; für Sauerstoff, Kohlensäure, Alkohol, Aether ist, soweit bekannt, jegliches Proto- plasma leicht permeabel; für verschiedene Mineralsalze ist, wie mehrfach nach- gewiesen wurde, das Protoplasma überhaupt nicht absolut impermeabel, und das 415 sogar ein directer Gegensatz zwischen Chemotaxis und Osmotaxis, Für erstere ist das Eindringen, für letztere das (wenigstens partielle) Nichteindringen des gelösten Stoffes ins Protoplasma Bedingung für das Zustandekommen der Reizung. Mit steigender Permeabilität des Protoplasmas für den gelösten Stoff wird also dessen chemotactische Reizungsfähigkeit steigen, die osmotactische Reizungsfähigkeit hingegen fallen. Lösungen von Stoffen, welche gar nicht eindringen (falls es solche Stoffe gibt), können nicht chemotactisch, wohl aber osmotac- tisch reizen. Lösungen von Stoffen, welche momentan eindringen, müssen umgekehrt osmotactisch unwirksam sein, können aber sehr wohl chemotactisch wirken; das ist z. B. der Fall für Alkohol und Aether. Lösungen von mässig schnell eindringenden Stoffen können beide Reiz- wirkungen ausüben; aber solche Lösungen wirken chemotactisch durch den eindringenden Antheil des gelösten Stoffes, osmotactisch durch den nicht eindringenden Antheil, es sind also thatsächlich verschiedene materielle Theile, von denen die beiden Reizwirkungen ausgehen. Innerer Reizanlass ist bei Chemotaxis (unter der oben gemachten Voraussetzung) die Aufnahme resp. Ausgabe des gelösten Stoffes, bei Osmotaxis die Aufnahme resp. Ausgabe von Wasser aus dem Proto- plasma. Wasser ist nun zwar ebenfalls ein Stoff, aber in Hinsicht seiner physiologischen Rolle im Organismus steht es doch, ebenso wie Sauerstoff, in scharfem Gegensatz zu allen übrigen Stoffen. Wenn wir im Anschluss an Engelmann’s antropomorphische aber an- schauliche Auffassung (IV pag. 544/5) in der Aörotaxis den Ausdruck einer Athemnoth, in der Chemotaxis den Ausdruck einer Hungerem- Pfindung der Organismen sehen wollen, so wäre die Osmotaxis der Ausdruck der von Engelmann vorhergesehenen Durstempfindung,. Während somit die Osmotaxis von der Chemotaxis gänzlich ver- schieden ist, steht sie in nächster Beziehung zu einer anderen Reiz- erscheinung, nämlich zu der Hydrotaxis. Bei beiden ist nämlich der innere Reizanlass — die Aenderung des Wassergehalts im Proto- plasma — identisch, und verschieden ist nur das äussere Mittel, durch welches diese Aenderung erreicht wird; für den Organismus kommt aber nur der innere Reizanlass, z. B. die Wasserentziehung, in Be- tracht — auf welche Weise das Wasser entzogen wird, ob durch Protoplasma der Bacterien sogar ziemlich leicht permeabel (Fische rn, vıI pag. 8 bis 19). Ob freilich die Spermatozoen der Farne für Malate und diejenigen der Laubmoose für Rohrzucker permeabel sind (was sich auf plasmolytischem Wege wohl prüfen liesse), ist leider noch unbekannt. 28* 416 Verdunstung oder Exosmose, vermag er gewiss nicht zu unterschei- den. Hydrotaxis und Osmotaxis sind demnach zwei nur für uns ver- schiedene Modi der gleichen Reizerscheinung; welcher Modus sich uns präsentirt, hängt davon ab, ob der Organismus sich in Luft oder in Flüssigkeit befindet. Bei schwimmenden Organismen ist freilich nur der eine Modus — die Osmotaxis — denkbar; befinden sie sich in Luft, so werden sie zwar vermuthlich durch Feuchtigkeitswechsel geradeso gereizt, wie in Flüssigkeit durch Aenderung des osmotischen Druckes, aber sie können uns die Reizung nicht durch eine äusser- lich sichtbare Reaction anzeigen. Die amphibischen kriechenden Or- ganismen können hingegen, wie aus Stahl’s Untersuchungen an Myxomyceten-Plasmodien (XXIX) hervorgeht, ihre Reizbarkeit durch Aenderung des Wassergehalts, je nach der Versuchsanstellung, sowohl in der Form der Hydrotaxis wie in derjenigen der Ösmotaxis präsentiren. Die negative Osmotaxis ist identisch mit der positiven Hydrotaxis; in beiden Fällen werden Orte geflohen, an denen auf irgendwelche Weise dem Organismus Wasser entzogen wird, resp. es werden Orte aufgesucht, wo die Wasserentziebung nicht stattfindet. Zwar sind wir gewohnt bei positiver Hydrotaxis an eine anlockende, bei nega- tiver Osmotaxis an eine abstossende Wirkung zu denken. Aber wie der endliche Effekt einer tactischen Reizerscheinung sich präsentirt, ob als Ansammlung oder als Zerstreuung der Organismen, hängt in allen Fällen nur von der Versuchsanstellung ab, und wir könnten auch eine aposmotactische Ausammlung veranlassen, wenn wir z. B. zu Organismen, die sich in einer concentrirteren aber nicht bewegungs- hemmenden Lösung befinden, eine Capillare mit weniger concentrirter Lösung brächten. -- Ebenso entspricht umgekehrt die positive Osmo- taxis der negativen Hydrotaxis. Auf Grund der dargelegten Beziehungen wird man vielleicht ge- neigt sein, den Terminus Osmotaxis als überflüssig aufzugeben. Meiner Ansicht nach empfiehlt es sich jedoch, die bisher übliche Unter- scheidung und Benennung der Taxieen nach dem Reizmittel vor- läufig beizubehalten, bis wir bei allen Taxieen den inneren Reizanlass kennen werden; dann erst wird sich die zweifellos rationellere Be- nennung nach dem inneren Reizanlass eonsequent durchführen lassen. IX. Die Inconstanz der tactischen Eigenschaften. Bei meinen Versuchen habe ich öfters die Erfahrung gemacht, dass Organismen, welche in hohem Grade chemotactisch oder aöro- tactisch sind, diese Eigenschaft keineswegs immer in gleichem Grade 417 beibehalten; vielmehr kann die vorhandene Empfindlichkeit sich mit der Zeit wesentlich vermindern, ja manchmal anscheinend ganz ver- loren gehen, obgleich die äusseren Lebensbedingungen (soweit bekannt) günstig bleiben und die Beweglichkeit unvermindert fortbesteht. Ich führe einige Beispiele an. In einem sterilisirten Kölbehen mit neutralisirtem 1proc. Fleisch- extract trat als zufällige Verunreinigung ein Bacterium aus der Terno- Gruppe auf und entwickelte sich in Reineultur. Es erwies sich in hohem Grade prosaörotactisch. Aber schon in der zweiten Cultur, welche durch Ueberimpfen in die gleiche Nährlösung gewonnen wurde, war das Bacterium für meine Zwecke nicht mehr hinreichend a8ro- tactisch. Es wurde dann auf Agar und von diesem wieder in ver- schiedene flüssige Nährmedien übertragen, aber seine Aörotaxis blieb dauernd schwach. Der in Cap. III beschriebene Amylobacter trat ebenfalls als zu- fällige Verunreinigung (wie auf pag. 377 näher angegeben) in einem Kölbehen mit in Wasser gekochten Erbsen auf und wurde unter öfterer Uebertragung in demselben Substrat weiter eultivirt. In den ersten Culturen war er ausgezeichnet apaörotactisch, ausgezeichnet proschemotactisch gegen Fleischextraet, und überdies chemotactisch gegen Acther. Nach mehreren Tagen begannen aber diese Eigen- schaften in den successiven Culturen zuschends abzunehmen, und die Reizbarkeit durch Aether hörte schliesslich ganz auf. In Wasser aus dem Freilandbassin des Leipziger botanischen Gartens, dem gekochte Erbsen zugesetzt waren, entwickelte sich eine reiche Flora von Bacterien und Flagellaten. Verschiedene Organismen traten zu verschiedener Zeit in grösserer oder geringerer Menge auf, hielten sich eine Zeit lang und nahmen dann allmählich ab oder ver- schwanden auch fast plötzlich. Unter ihnen befand sich die Flagellate Trepomonas agilis, welche im Allgemeinen vorzüglich proschemotactisch gegen Fleischextract war: Die in der Nähe der Capillarmündung vor- beikommenden Individuen wurden sofort abgelenkt und steuerten in dieselbe hinein, so dass in wenigen Minuten eine grosse Anzahl ge- fangen wurde. Später ging aber derselbe Organismus selbst an Ca- pillaren mit 10proc. Fleischextract ganz unbeeinflusst vorüber, und auch nach längerer Zeit wurde kein Exemplar gefangen. — Zur selben Zeit, wo Trepomonas sich unempfindlich zeigte, waren zwei in den- selben Präparaten vorhandene Bacterien, nämlich Bacillus Solmsü und ein winziges Spirillum, sehr gut chemotactisch gegen Fleischextract ; aber bereits am folgenden Tage reagirten sie nur mehr so schwach, 418 dass die mit ihnen begonnenen Versuche nicht fortgesetzt werden konnten. Noch unbeständiger als die Chemotaxis und Aörotaxis der Bac- terien und Flagellaten scheint die Phototaxis der chlorophylihaltigen Organismen wie Euglena und Chlamydomonas zu sein; es macht oft geradezu den Eindruck, als ob es Sache des reinen Zufalls wäre, ob man diese Organismen stark, schwach oder gar nicht phototactisch findet. Am empfindlichsten scheinen sie im Allgemeinen dann zu sein, wenn sie frisch zu massenhafter Vermehrung gelangt sind. Die besprochenen Erscheinungen werden gewiss schon manchem Forscher aufgefallen sein, und sind auch gelegentlich in der Litteratur erwähnt worden (vgl. z. B. Winogradsky, XXXUDI pag. 517, über die Phototaxis von Beggiatoa). Sie sind aber bisher noch nicht Gegen- stand einer speciellen Untersuchung gewesen. Eine solche Unter- suchung wäre indess sehr erwünscht, denn die Inconstanz der Reiz- barkeit ist nicht nur ein störender Umstand beim Arbeiten mit solchen Organismen, sondern sie ist auch an sich eine bemerkenswerthe und der Aufklärung bedürftige Thatsache. Von Zufall kann natürlich in Wirklichkeit keine Rede sein, die Abnahme resp. das Schwinden der Reizbarkeit muss durch bestimmte Factoren bedingt sein, und die Feststellung dieser Factoren ist gewiss von hohem physiologischem und biologischem Interesse. Zu verwundern ist eine Aenderung der Reizbarkeit durch bestimmte Factoren keineswegs, denn es ist be- kannt, dass verschiedene andere physiologische Eigenschaften niederer Organismen, 2. B. die Fähigkeit zur Sporenbildung, zur Produktion von Pigmenten und Enzymen, die pathogenen Eigenschaften von Bac- terien u. a., durch gewisse Eingriffe willkürlich abgeschwächt oder vernichtet und wieder hervorgerufen werden können; aus der reichen Litteratur des Gegenstandes sei hier nur auf die neueren und dem Botaniker besonders nahe liegenden Untersuchungen von Laurent (XVI) hingewiesen, dem es gelang, ohne Anwendung allzu künstlicher Mittel unschädliche Bacterien für Pflanzen pathogen zu machen und ihnen die Virulenz wieder zu nehmen, und der es überdies wahr- scheinlich machte, dass solche Aenderungen infolge entsprechender Anlässe auch in der Natur vorkommen. Auch über Aenderung der Reizbarkeit von Mikroorganismen durch äussere Factoren liegen ein- zelne Beobachtungen vor; so fand Engelmann (V pag. 112), dass die Lichtempfindlichkeit des Bacterium photometricum durch Sauer- stoff stark herabgesetzt, ja unter Umständen vorübergehend aufge- hoben wird, ohne dass die Beweglichkeit abnimmt. Als Beispiel der 419 Aenderung der Reizbarkeit aus inneren Gründen (mit dem Entwicke- lungsstadium) kann hier an das in Cap. II besprochene Verhalten der Saprolegnia - Zoosporen erinnert werden, welche nur im zweiten Schwärmstadium chemotactisch sind. Dass mit dem Alter eines Organismus dessen Reizbarkeit abneh- men kann, ist eine bekannte Thatsache — es ist das z. B. für photo- tactische Schwärmsporen und für die chemotactischen Farnspermatozoen constatirt. Ich selber habe bei Pandorina morum mich überzeugt, dass kleine (also junge) Colonien entschieden stärker phototactisch waren als die grossen, ausgewachsenen. Durch solchen Einfluss allein lassen sich aber die beobachteten Schwankungen der durchschnitt- lichen Empfindlichkeit ganzer Oulturen keinenfalls erklären. Um so weniger kann davon die Rede sein bei Organismen, welche sich nur durch Theilung vermehren (wie viele Bacterien und Flagellaten), wo es also ein Altern überhaupt nicht gibt; hier können es nur äussere Einflüsse sein, welche die Empfindlichkeit herabsetzen, und zwar höchst wahrscheinlich solche Einflüsse, die durch die Culturbedingungen ge- geben sind, Zu denken wäre an eine schädigende Wirkung der sich in der Cultur mit der Zeit anhäufenden Stoffwechselprodukte, sei es der eigenen (in Reinculturen), sei es derjenigen anderer Organismen. Diese Annahme gibt aber noch keine hinreichende Erklärnng der beobachteten Erscheinungen, denn wir sahen, dass die Empfindlichkeit nicht nur in derselben Cultur, sondern auch in suecessiven Culturen mit der Zeit abnehmen resp. schwinden kann. Ich habe nun wiederholt den Eindruck empfangen, dass Bacterien, welche frisch aus ihrem natürlichen Medium isolirt wurden oder aus zufällig in ein Nährsubstrat gelangten Keimen sieh entwickeln, am empfindlichsten gegen Reizmittel sind, und dass bei fortdauernder Cultur ihre Empfindlichkeit allmählich abnimmt. Daraufhin möchte ich dass die überreichliche und sehr günstige Flagellaten ın künstlichen Cul- dlichkeit dieser Organismen so müsste es die Vermuthung äussern, Nahrung, welche den Bacterien und turen gewöhnlich geboten wird, die Empfin gegen Reizmittel allmählich abstumpft. Ist dem so, möglich sein, durch zeitweilige Ueberführung der Organismen in weniger günstige Ernährungsbedingungen ihre anfängliche Empfind- lichkeit wieder herzustellen. Noch eine Consequenz ergibt si lichen Beobachtungen. Sie zeigen, wie urtheilung negativer Resultate in Bezug au tactischer Reizbarkeiten bei Mikroorganismen sein mUsS. ch aus den mitgetbeilten gelegent- vorsichtig man bei der Be- f die Existenz bestimmter Hätte ich 420 z. B. meinen Amylobacter um eine Woche später, als ich es that, auf sein Verhalten gegen Aether geprüft, so hätte ich ibn nicht chemo- tactisch gegen diesen Stoff gefunden. Durch die Inconstanz der Reiz- barkeit der Mikroorganismen dürften sich manche Widersprüche in der Litteratur betreffs der physiologischen Eigenschaften des nämlichen Organismus erklären. Wir sehen endlich, dass die käuflich oder aus wissenschaftlichen Instituten zu beziehenden Culturen von Bacterien, welche meist jahrelang in künstlichen Nährsubstraten gezogen worden sind, ganz ungeeignet zum Studium ihrer physiologischen Eigenschaften sein können. Citirte Litteratur. I. Buller, Contributions to our knowledge of the physiology of the sper- matozoa of ferns. (Annals of Botany, XIV, 1900.) U. Chudiakow, Zur Lehre von der Anaörobiose. 1896. (Russisch). Ein ausführliches Referat habe ich in dem Ceniralblatt für Bacteriologie, U. Abt., 1898, pag. 389 veröffentlicht. II. De Vries, Veber den isotonischen Coefficienten des Glycerins. (Botan. Zeitung 1888.) . IV. Engelmann, Zur Biologie der Schizomyceten. (Pflüger’s Archiv für die gesammte Physiologie, Bd. 26, 1881.) V. Engelmann, Bacterium photometrieum. (Daselbst, Bd. 30, 1882.) VI: Engelmann, Die Purpurbacterien und ihre Beziehung zum Licht. (Bo- tan. Zeitung 1888.) VII. Fischer, A., Untersuchungen über Bacterien. (8.-A. aus Prings- heim’s Jahrbüchern f, wissensch. Botanik, Bd. 27, 1894.) YUI Jennings, Studies on the reactions to stimuli in unicellular organisms, 1. Reactions to chemical, osmotie and mechanical stimuli in the ciliate Infusoria. (Journal of Physiology, XXI, 1897.) IX. Jennings, Studies ete., II. The mechanism of the motor reactions of Paramaecium. (Amer. Journal of Physiology, II, 1899.) X. Jennings, Studies ete., III. Reactions to localized stimuli in Spirosto- mum and Stentor. (Amer. Naturalist, Vol. 33, 1899). XL Jennings, Studies cte. V. On the movements and motor reflexes of the Flagellate and Ciliata. (Amer. Journal of Physiology, III, 1900.) XH. Jensen, Üeber den Geotropismus niederer Organismen. (Pflüger's Archiv, Bd. 53, 1893.) XIM. Kedrowsky, Ueber die Bedingungen, unter denen anaörobe Bacterien auch bei Gegenwart von Sauerstoff existiren können. (Zeitschrift für Hygiene, XX.) XIV. Klebs, Beiträge zur Physiologie der Pflanzenzelle. (Unters. aus dem Botan. Institut in Tübingen, II, 1888.) XV. Klein, L., Ueber einen neuen Typus der Sporenbildung bei endosporen Bacterien. (Berichte d. D. Botan. Gesellsch., 1889.) xXVL XVU. XVII. XIX. xXX, XXL XXI. XXIL XXIV. XXV. XXVvI. XXVIL XXVIU. XXIX. XXX, XXXL XXX XXXII. 421 Laurent, Recherches exp6rimentales sur les maladies des plantes. (Annales de l’Institut Pasteur, 1898.) Loeb, Ueber künstliche Umwandiung positiv heliotropischer Thiere in negativ heliotropische und umgekehrt. (Pflüger’s Archiv, Bd, 54, 1893.) Loeb und Budgett, Zur Theorie des Galvanotropismus, IV. (Daselbst, Bd. 65, 1897). Massart, Sensibilit6 et adaption des organismes & la concentration des solutions salines. (Archives de Biologie, IX, 1889.) Massart, Recherches sur les organismes inferieurs, II. La sensibilite & la concentration chez les ötres unicellulaires marins, (Bulletin Acad, Belg., XXI, 1891.) Massart, Recherches etc., III. La sensibilit6 ä la gravitation. (Daselbst.) Mendelssohn, Ueber den Thermotropismus einzelliger Organismen. (Pflüger’s Archiv, Bd, 60, 1895.) Miyoshi, Studien über die Sohwefelrasenbildung und die Schwefel- bacterien der Thermen von Yumoto bei Nikko. (Journal of the College of Science, Tokyo, Vol. X pag. II, 1897.) Oltmanns, Ueber photometrische Bewegungen der Pflanzen. (Flora, 1892.) ÖOverton, Ueber die osmotischen Eigenschaften der lebenden Pflanzen- und Thierzelle. (Vierteljahrsschrift d. Naturf.-Gesellsch. in Zürich, 1895. Separatabdruck.) Pfeffer, Locomotorische Richtungsbewegungen durch chemische Reize. (Unters. aus dem Botan. Institut in Tübingen, I, 1884.) Pfeffer, Ueber chemotactische Bewegungen von Bacterien, Flagellaten und Volvoeineen. (Daselbst, II, 1888.) Rothert, Ueber Heliotropismus. (Cohn’s Beiträge zur Biologie der Pflanzen, VII, 1894.) Stahl, Zur Biologie der Myxomyceten. (Botan, Zeitung, 1884.) Stange, Ueber chemotactische Reizbewegungen. (Daselbst, 1890.) Strasburger, Wirkung des Lichts und der Wärme auf Schwärm- sporen. Jena, 1878, Verworn, Allgemeine Physiologie, I. Aufl. Jena, 1895. Winogradsky, Ueber Schwefelbacterien. (Botan. Zeitung, 1887.) Ueber die Durchlässigkeit der Tracheidenwände für atmosphärische Luft. Von Peter Claussen. Mit 9 Textfiguren. Ueber die Durchlässigkeit der pflanzlichen Membranen für Luft ist schon eine Reihe von Arbeiten veröffentlicht worden, ohne dass die Frage nach der Permeabilität der Tracheiden- und Gefässwände hinreichend geklärt wäre, trotzdem gerade diese für die Theorie des Saftsteigens von fundamentaler Bedeutung ist. Der Grund liegt in den ausserordentlichen experimentellen Schwierigkeiten, die derartigen Untersuchungen entgegenstehen und die ein quantitatives Arbeiten fast unmöglich machen. Daher rühren auch die widersprechenden Angaben selbst in Fragen, von denen man annehmen sollte, sie müssten leicht zu entscheiden sein. Ich habe hier zunächst die Frage nach der Durchlässigkeit der Cuticula, der Blattepidermis und des Korkes im Auge. Eine kurze Besprechung der einschlägigen Arbeiten wird zeigen, wie verschieden die Resultate sind. Die ersten Versuche dieser Art stammen von Graham'). Er fand, dass die Diffusion durch Korklamellen sehr langsam vor sich geht. Seine Versuche sowie die von Garreau?) können hier über- gangen werden. Die ersten genaueren Untersuchungen rühren von N. J. C. Müller?) her. Er prüfte die spaltöffnungsfreie *) Epidermis von Haemanthus puniceus auf ihre Durchlässigkeit für verschiedene Gase und fand, dass sie im feuchten Zustande Gase schwerer passiren lasse als iın trockenen. In Betreff der Einzelheiten muss auf das Original verwiesen werden. Erwähnt werde nur noch, dass die in höherem Grade absorbirbaren Gase nach ihm eine feuchte Membran schneller durchsetzen als die in geringerer Menge absorbirbaren, s0 !) Graham, Phil. Mag. 2. 351 oder Pogg. Ann. 28. 331. 2) Garreau, Annales des sciences naturelles 1849. S6r. II. Bd. XII, pag. 321-346, 3) Müller, N. J. C., Pringsheim’s Jahrbücher für wiss. Bot. 186970. Bd. VII, pag. 144 - 192. 4) Ob die Membran wirklich spaltöffnungs- und rissfrei war, mag hier un- entschieden bleiben. Wenn man die Versuchsergebnisse ansieht, könnte man das letztere mit einigem Recht bezweifeln, 423 dass sich, wenn man die Gase nach der Schnelligkeit ihres Durch- tritts ordnet, die Reihe CO,,0,H ergibt, während für trockene Membranen die Aufeinanderfolge gerade umgekehrt ist. Zu dem ent- gegengesetzten Resultat gelangte A. Barth&lemy') bei seinen Un- tersuchungen über trockene Membranen. Nach ihm ist die Durch- gangsfähigkeit von COz, am grössten. Er verwendete zu seinen Untersuchungen Blätter von Begonia. Durch feuchte Membranen diffundirt ebenfalls Kohlensäure am schnellsten und zwar schneller als durch trockene. Einen wesentlichen Fortschritt bedeuten die letzten grösseren Arbeiten, nämlich die von Lietzmann?) und von Wiesner und Molisch®). Die Resultate Lietzmann’s, der eine kritische Be- sprechung der ersten Arbeit Wiesner’s‘) gibt, sind die, dass sowohl die Cuticula als auch die Parenchymzellmembranen permeabel sind, und zwar sind es die imbibirten in höherem Grade als die trockenen. Damit stimmen in der Hauptsache die Ergebnisse der Arbeit von Wiesner und Molisch überein. Allerdings behaupten diese Autoren im Gegensatz zu Lietzmann, die unverholzte und unverkorkte troekene Zellhaut lasse Gase nicht in nachweislicher Menge diffundiren, während Lietzmann nur eine starke Herabsetzung der Durchlässig- keit constatiren konnte. Für die Praxis ist indessen diese Differenz ohne Bedeutung, da absolut trockene Membranen in der Natur nicht vorkommen. Damit sind die wichtigsten Arbeiten über das Verhalten der einfacheren Gewebe erwähnt. Wenn auch keine völlige Ueberein- stimmung der Autoren erreicht ist, so convergiren die Meinungen Joch dahin, dass die feuchte Membran für Luft durchlässiger ist als die trockene. Dass die Ansichten über die Permeabilität der verholzten Mem- branen nicht so weit geklärt sind, kann nicht überraschen, da das Holz im allgemeinen weit complieirter gebaut ist, als die oben erwähnten Gewebearten. Die ersten Versuche darüber rühren von lt) Barthelemy, Annales des sciences nat. 1874. 86r. V, Bd. 19, pag. 138 fl. 2) Lietzmann, Ueber die Permeabilität vegetabilischer Zeilmembranen in Bezug auf atmosph. Luft. Flora od, Allg. bot, Ztg. 1887. Jahrg. 70, pag. 339 — 386. 3) Wiesner und Molisch, Untersachungern über die Gasbewegung in der Pflanze. Sitzungsber. der kaiserl. Acad. d. Wiss. in Wien, math. naturw, Klasse, Bd. XCVII, Abth. I. Juli 1889. j 4) Wiesner, „Versuche über den Ausgleich des Gasdruckes in den Geweben der Pflanzen“. Sitzungsber. der kaiserl. Acad. d. Wiss. in Wien. Bd. 79 1879 I. Abth., pag. 368 ff. 424 Wiesner!) her. Er experimentirte in folgender Weise: Aus frischem Tannenholz ausgeschnittene würfelähnliche Stücke wurden auf die eine Oeffnung des horizontalen Schenkels einer T-Röhre aufgekittet und sämmtliche Aussenflächen bis auf die der Oeffnung gegenüber- stehende mit Jolly’schem Kitt luftdicht verschlossen. Die freigelassene Fläche war bald eine Quersehnittfläche, bald eine radiale oder tangen- tiale Fläche. Der andere horizontale Schenkel wurde durch einen starken Kautschukschlauch mit der Luftpumpe in Verbindung gesetzt, während das Verticalrohr in Quecksilber tauchte. Wurde im T-Rohr ein luftverdünnter Raum hergestellt, so musste durch das Holz hin- durch, falls es permeabel war, ein Druckausgleich stattfinden. Um störende Oeffnungen im Holz auszuschliessen, wurden injieirte und nicht injieirte Pfropfen untersucht. Wiesner fand, dass der Aus- gleich bei injieirtem und nicht injieirtem Holz, d. h. bei verstopften und nicht verstopften Tracheiden gleich schnell erfolge. Er schloss daraus, dass die Luft ausschliesslich die Wand passiren müsse. Wie zu erwarten war, trat der Ausgleich in axialer Richtung leichter ein, als in den beiden andern und in tangentialer Richtung wieder leichter als in radialer. Was das Verhältnis der Durchlässigkeit des feuchten zu der des trockenen Holzes betrifft, so beobachtete Wiesner, dass die Luft um so schneller hindurchging, je lufttrockener das Holz wurde. Hierauf werde ich später zurückzukommen haben. Durch ein wesentlich anderes Experiment als das Wiesner’sche kam von Höhnel?) zu dem Ergebniss, dass durch die feuchte Mem- bran hindurch ein Druckausgleich stattfinde. Mit Hilfe eines eigenen, von ihm construirten Apparates wies er nach, dass erst bei einer Druckdifferenz von 60—70cm Quecksilber eine nennenswerthe Dit- fusion durch die Gefüsswände hindurch stattfindet. Er experimen- tirte nur mit frischem Holz. Ueber die Abhängigkeit der Diffusions- geschwindigkeit vom Feuchtigkeitsgehalt finden sich bei ihm keine Angaben, An von Höhnel knüpft Strasburger?) an. In seinem Apparat erkennt man in allen wesentlichen Zügen den von Höhnel- 1) Wiesner, Versuche über den Ausgleich etc. Wiener Acad.- Ber. Ba. 79, 1, 2) von Höhnel, Beiträge zur Kenntniss der Luft- und Saftbewegung in der Pflanze. Pringsheim’s Jahrb. für wissenschaftl. Botanik, 1879-81. Bd. xı, pag. 47-131. 3) Strasburger, Histolog. Beiträge, Heft II. Ueber den Bau und die Verrichtungen der Leitungsbahnen in den Pflanzen pag. 710-729. 1891. Jena, Gustav Fischer. 425 schen wieder. In Betreff der Einzelheiten muss auf das Original verwiesen werden. Er kam zu Ergebnissen, die mit den von von Höhnel für feuchte Gefässwände erhaltenen übereinstimmen. Für troekene Membranen stellte er, wie Drude'), eine grössere Durch- lässigkeit fest, während Lietzmann das Unigekehrte fand. Ausser den oben angeführten Arbeiten begegnet man noch hin und wieder in der Litteratur, z. B. bei Hartig und Böhm), Angaben über diese Fragen, die aber hier übergangen werden können. Aus der eben gegebenen Schilderung geht hervor, dass die Meinungen sich diametral gegenüberstehen, und es ist ohne weiteres klar, dass, je nachdem die eine oder die andere zutrifft, der Verlauf des Durch- trittsprocesses ein anderer sein muss. Im Folgenden werde ich die Fragen zu beantworten versuchen, ob die feuchten Holzmembranen durchlässiger siud als die trockenen und wie lange es etwa dauert, bis die Luftverdünnungen, die durch Transpiration in Zweigen entstehen, zum grössten Theil ausgeglichen sind. Untersuchungsmethoden und -resultate. 1. Methodisches. Wie in der historischen Uebersicht bereits auseinandergesetzt wurde, arbeitete Wiesner?) bei seinen Versuchen über die Permea- bilität des Holzes mit verschieden ausgeschnittenen Stücken. Bei einer derartigen Versuchsanstellung geht man nie sicher, ob nicht etwaige Intercellularräume oder gefässartig zusammenhängende Trachei- den das Resultat stören. Eine kritische Besprechung der Wiesner- schen Versuche findet sich bei Lietzmann‘), auf die ich hier ver- weise. In der zweiten Arbeit, die Wiesner in Gemeinschaft mit Molisch) ausführte, sind Versuche mit Holz nicht beschrieben. Viel- mehr sagen die Autoren: „Zu unserem Bedauern ist es trotz vieler Versuche nicht gelungen, verholzte Gewebe ausfindig zu machen, deren Elemente lückenlos aneinanderschliessen, die also zu unseren 1) Drude, Studien über die Conservierungsmethoden des Holzes: „Der Civilingenieur“, herausgegeben von E. Hartig, 1889, Bd. 35, Sp. 41, Citirt nach Strasburger, Leitungsb. pag. 729. 2) Böhm, Ueber das Verhalten von vegetabilischen Geweben und von Stärke und Kohle zu Gasen, Bot. Ztg. Jahrg. 41, 1883, pag. 521 ff. 3) Wiesner, Versuche über den Ausgleich u. s. w. 4) Lietzmann,l. e. 5) Wiesner und Molisch, Untersuchungen über die Gasbewegung u.s. w. Pag. 700 (31 des. Sep.-Abdr.). 420 Versuchen geeignet gewesen wären“. Die Anwendung dieser Methode war also von vornherein ausgeschlossen. Auch die von von Höhnel!) und Strasburger?) angewandten Versuchsanstellungen, denen das gleiche Prineip zu Grunde liegt, habe ich vermieden, weil dabei nicht zu umgehen ist, dass der lufttrocken gemachte Pfropf sieh während des Versuches unter Wasser befindet, besonders aber, weil es schwer wäre, das Volumen der ein- und aus- tretenden Luft genau zu messen. Ich habe mich daher im Wesentlichen an Lietzmann?) ange- schlossen und dessen Versuche, wie es mir gerade zweckmässig erschien, abgeändert. Statt Luft durch Druck oder Saugung durch Holzlamellen hindurchzupressen, wurden Holzstücke, aus Zweck- mässigkeitsgründen gewöhnlich cylindrische, entweder in der Com- pressionspumpe oder einem äbnlichen Apparat einem starken Druck ausgesetzt oder unter der Luftpumpe evacuirt. Wie leicht ersichtlich, ist diese Methode nur für Coniferenholz brauchbar, das zum grössten Theil aus geschlossenen Tracheiden besteht. Eine Abänderung, die auch die Untersuchung von Gefässholz gestattete, ist mir nicht ge- lungen. Ich glaube jedoch, man kann ohne Bedenken die für Coni- ferenholz erhaltenen Resultate verallgemeinern. I. Evacuirungsversuche. Die Evacuirungsversuche waren von zweierlei Art. Es wurde entweder das nach der Evacuirung in den Pfropf eintretende oder bei der Evacuirung aus ihm austretende Luftquantum in bestimmten Intervallen gemessen. Aus der ausgetretenen Luftmenge konnte dann auf die Schnelligkeit des Durchtritts geschlossen werden. Ich will nicht unterlassen, hier hervorzuheben, dass dieser Schluss nur bedingt richtig ist. Misst man die Durchtrittsgeschwindigkeit durch die aus- getretene Luftmenge, so müsste dieselbe auf die Einheit des Drucks, der Fläche und der Zeit reduzirt werden. Die Luftmenge und die Zeit sind ohne Schwierigkeit zu messen, dagegen lässt sich der Druck sehr schwer constant halten und die Fläche, durch die die Diffusion stattfindet, ist auch nicht annähernd zu bestimmen. Alle Bemühungen also, auf diesem Wege absolute Werthe festzustellen, scheitern; dagegen kann man sehr wohl vergleichbare Werthe erhalten. Ich lasse jetzt eine genaue Schilderung meiner Versuchsan- stellung folgen. 1) von Höhnel, Pringsheim Bd. XII, pag. 61—71 und Tafel III, Fig. 2. 2) Strasburger, Leitungsbahnen, pag. 717 fl. 3) Lietzmann, Flora, pag. 358 ff. 427 a) Evacuirungsversuche, bei denen das in das Holz eintretende Luftquantum gemessen wurde. Ein ceylindrischer Pfropf aus Kiefernholz (Pinus silvestris), dessen Gewicht und Volumen so genau als möglich bestimmt war, wurde unter einem kleinen Recipienten der Luftpumpe 8—10 Tage lang evacuirt. Während dieser Zeit verlor er einen Theil seiner Feuchtig- keit. Der Gewichtsverlust wurde beim Herausnehmen festgestellt und auch das Volumen wieder ermittelt. Die Wägung und Volumbe- stimmung nahm durchschnittlich eine Minute in Anspruch. Nach Verlauf dieser Zeit wurde der Pfropf in der konisch ausgezogenen Spitze eines 20—80cm langen Rohres von 10—IImm innerer Weite festgeklemmt, das mit seinem unteren offenen Ende in ein Gefäss mit roth gefärbtem, abgestandenen Wasser tauchte und zwar zunächst nur 1—2mm tief. Sobald dann das Wasser in der Röhre stieg, wurde der Be- hälter durch untergelegte Cartonscheiben gehoben, bis die Niveaudifferenz ausgeglichen war. Dadurch wurde eine lästige Correction vermieden, die jedesmal am Druck hätte angebracht werden müssen. Die nach einer be- stimmten Zeit erfolgte Niveauerhöhung wurde entweder mit Hilfe eines Kathetometers festgestellt oder an einer an der betreffenden Röhre angebrachten Scala abgelesen. Die ermittelten Wasserstände waren natürlich nicht ohne Weiteres vergleichbar, sondern es mussten Correctionen wegen der Aenderung des Luftdruckes und der Lufttemperatur an- gebracht werden. Die Rechnung geschah in folgender Weise. Das Luftvolunen in der Röhre oberhalb des Wassers sei vı, der Druck der Röhren- luft p, und die Temperatur tı; das Volumen bei dem Norwaldruck Po = 760mm Hg und bei der Normaltemperatur to = 0°C. werde mit vo bezeichnet, dann ist nach dem combinirten Boyle-Gay Lussac- schen Gesetz: Fig. 1. 1:8. PpPVv _ PıYı 23 +6 235+ oder, wenn man statt der Temperatur nach Celsius die absolute ein- führt und 273 +tı = und 23 +te= mw setzt: Povo __ PıVYı To u also: Topı Yı vom em 428 % und po sind Constanten mit dem oben angegebenen Werth. pı ist gleich dem herrschenden Barometerstande b vermindert um die Tension ts des Wasserdampfes bei tı° Celsius, also pı = b-ts. Das Volumen v, erhält man, wenn man vom Gesammtvolumen der Röhre V das Volumen des wassererfüllten Theils, v, und des Pfropfes, P, sub- trahirt, also: y= V—v—P. Endlich ist u — 273-++tı. Die Reductionsformel ist also: Yo _%b-k)V-Y—P) po (273 + tı) Die Drucke wurden an einem Registrirbarometer abgelesen, das, wie ich mich wiederholt überzeugen konnte, recht ungenau arbeitete. Leider stand mir ein anderes Barometer nicht zur Verfügung. Das Gesamtvolumen der Röhre, V, wurde durch Auswägen mit Wasser bestimmt. Bei der Bestimmung des Cubikinhaltes von je 4em Röhren- länge zeigte sich, dass die benutzten Röhren mit ganz geringem Fehler als überall gleich weit angesehen werden konnten; v lässt sich daher durch Multiplication des Querschnitts mit der Steighöhe s, vom untern Röhrenrande an gerechnet, finden. Da der tiefste Punkt des Meniscus abgelesen wurde, so war v um das Volumen des Rotations- körpers zu klein, der unten von der Horizontalen durch den tiefsten Meniscuspunkt, oben von der Meniscusfläche und rings herum von der Röhrenwand begrenzt wurde. Bei einer bestimmten Röhrenweite und Meniscustiefe und unter Voraussetzung des Meniscus als Theils einer Kugeloberfläche ist das Volumen des Rotationskörpers unschwer zu berechnen. Es wurde sofort von dem gefundenen Gesammtvolumen in Abzug gebracht und die erhaltene Differenz gleich V gesetzt. Das Pfropfvolumen wurde durch Eintauchen in Quecksilber bestimmt. Hat man die succesiven Werthe von vo berechnet, so findet man das aus dem Rohr verschwundene Luftvolumen (unter Normalbe- dingungen gemessen) durch Subtraction jedes folgenden Werthes vom Anfangswerth. b) Evacuirungsversuche, bei denen das aus dem Pfropf aus- tretende Luftquantum gemessen wurde. Da die eben geschilderte Methode eine Ueberführung des eva- euirten Pfropfes durch atmosphärische Luft hindurch nöthig machte, wurden die übrigen Evacuirungsversuche anders angeordnet und zwar in zweierlei Weise: Ein Glasrohr von ca. 0,75m Länge wurde U-förmig gebogen. Der eine Schenkel wurde, nachdem ein Pfropf aus Kiefernholz mit 429 genau bekanntem Gewicht und Volumen eingeführt war, in eine lange dünne Spitze ausgezogen, die oben offen blieb. War die erhitzte Stelle hinreichend abgekühlt, dann wurde der Pfropf durch Neigen der Röhre in der Spitze festgeklemmt und durch den offenen Schenkel Quecksilber eingegossen, das sich in beiden Schenkeln gleich hoch einstellte. Nachdem durch Zuschmelzen der Spitze ein bestimmtes Luftquantum um den Pfropf herum abgeschlossen war, wurde der ganze Apparat auf einer Kartonscheibe mit zwei passend angebrachten Scalen aus Millimeterpapier befestigt und unter den Recipienten der Luftpumpe gesetzt. Sobald anzunehmen war, dass die Temperatur sich hinreichend ausgeglichen hatte, wurden die Ablesungen gemacht, der Reeipient evaeuirt und abermals die nöthigen Daten notirt. Die weiteren Beobachtungen wurden etwa täglich einmal vorgenommen. Es sei vı das Luftvolumen um den Pfropf, pı der Druck und u die absolute Temperatur. Bezeichnet L man, wie schon vorher, den Normaldruck mit po und die Normaltemperatur mit zo, so ist das Volumen unter ad diesen Normalbedingungen: u | __upıVi ! ° [ Vo = | E po tı up. Der Druck pı der abgeschlossenen Luft lässt sich > berechnen aus dem im Reeipienten herrschenden Druck b, Fig. 2. 1:8 der bei Beginn des Versuches gleich dem Barometer- stand, nach der Evacuirung gleich dem Manometerstand ist, aus den Längen der Quecksilbersäulen im geschlossenen und offenen Schenkel, a und a, und der Tension t, des aus dem Pfropf entweichenden Wasser- dampfes. Durch diese Grössen ausgedrückt ist: pı —=b + a1 —a—ts. Das Volumen vı ist gleich dem Gesammtvolumen des geschlossenen Rohrschenkels, V, vermindert um das Pfropfvolumen P: =YV-JP. Endlich ist: u 273 + tı. Setzt man diese Werthe ein, so wird: To (b + 21 —4—ts) (V—P) vo pQ@73 +) Flora 1901. 29 430 Die Berechnung der aufeinander folgenden Werthe von vo gestattet, wie leicht ersichtlich, einen Schluss auf die Menge der ausge- tretenen Luft. Dasselbe lässt sich auch in folgender Weise erreichen. Man füllt eine sorgfältig gereinigte Barometerröhre von ca. Im Länge mit Quecksilber, taucht durch Drücken mit dem Daumen einen Pfropf von bekanntem Gewicht und Volumen langsam so weit ein, bis der Daumen dem Röhrenende fest aufliegt, wobei man genau darauf zu achten hat, dass keine Luftblasen mit eingeschlossen werden. Hat man die an der Röhre anhaftenden Quecksilbertropfen entfernt, so wird sie umgekehrt und in eine Quecksilber- wanne getaucht. Ist dies geschehen, so liest man die Höhe der Quecksilbersäule d, den Barometerstand b und die Temperatur t ab. Es ist wieder, wie oben: „opın Po tı wo pı =b—d—t, v — V—P u=n3-tt. Setzt man diese Werthe ein, so wird: w—® (b—d—t,)(V—P) »@73 +) Im Uebrigen gilt dasselbe wie bei der vorigen Versuchs- anstellung. Fig. 3. 1:20. Il. Compressionsversuche. Es wurde wieder, wie bei den Evacuirungsversuchen, entweder das Luftquantum gemessen, das bei der Compression in den Pfropf ein-, oder das, welches nach der Compression aus ihm austrat. Die Compressionsversuche wurden zunächst so angestellt, dass ein eylindrischer Pfropf von bekanntem Gewicht und Volumen in das seitliche Ansatzrohr des Windkessels einer Compressionspumpe ge- bracht und einem Ueberdruck von 1—1!/ Atmosphären ausgesetzt wurde. Es zeigte sich aber bald, dass die Ventile nicht dicht genug schlossen, um eine 8—10tägige Compression zu ermöglichen. Nach 1—2 Stunden war das Manometer bereits wieder auf !/s oder !Js Atmosphäre gesunken. Ich änderte deshalb den Versuch ab. Ein ca. 2m langes Glas- rohr wurde U-förmig so gebogen, dass der eine Schenkel eine Länge von etwa 1,80 m und der andere von 0,10m hatte. Mit Hilfe eines 431 starkwandigen Kautschukschlauches wurde an dem letzteren eine oben geschlossene, ca. 0,30 cm lange Röhre befestigt, in deren Spitze ein Pfropf festgeklemmt war. Durch Eingiessen von Quecksilber in den langen Schenkel wurde ein bestimmter Ueberdruck hergestellt, wobei darauf geachtet wurde, dass das Quecksilber im kürzeren Schenkel höher stand als das obere Ende der Kautschukverbindung. Ein Ent- weichen von Luft war also ausgeschlossen. Bei der ersten Ablesung war der Quecksilbermeniscus in beiden Schenkeln annähernd gleich hoch. Erst dann wurde unter möglichster Neigung der Röhre vorsichtig Quecksilber in grösserer Menge ein- gegossen und nach Aufrichtung des ganzen Apparates und Befestigung an einer vorher angefertigten Scala abermals eine Ablesung gemacht. Es sei d die Höhendifferenz der beiden Quecksilber- säulen, b der Barometerstand, tı die Temperatur, ts die Tension des Wasserdampfes bei tı°%, V der durch das Quecksilber im geschlossenen Schenkel abgesperrte Hohl- 2 raum und P das Pfropfvolumen. Dann ist, wie oben: n— To Pı Vvı po tı E Da pr=b+d—ts, Yy= v—F, zu E u 273 + tı, i 80 wird: B Bl +d—t)(V—P) / po (273 +1) Fig. 4. 1:28, Für die Berechnung der eingetretenen Luftquanta gilt dasselbe, was schon oben gesagt ist. Der Pfropf, welcher zu diesem Experiment gedient hatte, wurde auch zur Bestimmung der austretenden Luftmenge verwandt. Zu diesem Zweck wurde er in der Spitze einer Röhre festgeklemmt, die Röhre mit luftgesättigtem Wasser gefüllt und umgekehrt in ein Ge- füss mit Wasser getaucht. Das Sinken der Wassersäule gab unter Beachtung des herrschenden Drucks und der herrschenden Temperatur über die Schnelligkeit des Durchtritts Aufschluss. Die anzuwendende Reductionsformel lautet, wenn b der Barometerstand, tı die Tempe- ratur, t, die Tension des Wasserdampfes bei t°C., d die Länge der Wassersäule vom unteren Wasserspiegel an gerechnet, | die Entfer- nung des oberen Wasserspiegels vom unteren Röhrenrand, q der 29* 432 Querschnitt der Wassersäule und s das specifische Gewicht des Queck- silbers bei t1° ist: 3b 2-4) (7 P—1) Be w= Dabei ist darauf zu achten, dass, so lange der Pfropf in Wasser taucht, sein Gesammtvolumen P vermindert um das Volumen des eingetauchten Theils als P in Rechnung zu setzen ist. Auf die Fehlerquellen werde ich bei der Besprechung der Ver- suche, zu der ich jetzt übergehe, zurückkommen. 2. Versuche, I. Evaeuirungsversuche mit feuchtem Holz. Versuch 1. Ein Pfropf vom Gewichte 7,81g und dem Volumen 7,0cem wurde evacuirt. Während eines Zeitraumes von 167 Stunden stieg der Druck im Recipienten nicht höher als 2cm Quecksilber. Der Pfropf wurde herausgenommen, gewogen und in der Spitze einer in Eosinwasser tauchenden Röhre festgeklemmt. Das Gewicht des Pfropfes nach der Evacuirung betrug 4,64g, nach dem Versuch 4,608, absolut trocken 8,068. Die Beobachtungen und Resultate stelle ich in der nachfolgenden Tabelle zusammen: Nr. | Tag |Stunde | t u: 8 Pı „ % vo 1 1 5 N. 121 | 760 | 19,64 | 74,9 | 12,5 | 285,1 | 11,8 2 | 2 8SV. | 11,8 | 75,6 | 20,44 | 74,6 | 11,7 | 284,8 | 11,0 3 2 5 N.| 120 | 75,5 | 20,868 | 745 | 11,5 | 285,0 | 10,8 4 3 85V,| 11,5 | 752 | 20,98 | 742 | 11,2 | 284,5 | 10,5 5 4 85V.| 110 | 745 | 21,47 | 73,5 | 10,6 | 284,0 | 9,86 6 4 5tuN.| 11,6 | 74,7 | 2170| 73,7 | 104 | 284,6 | 9,67 7 5 85V, | 11,0 | 750 | 21,91) 74,0 | 102 | 284,0 | 9,55 8 5 5 N.| 11,5 | 75,8 | 21,94 | 74,3 | 10,16 | 284,5 | 9,53 9 6 85YV,| 11,5 | 74,8 | 21,70 | 73,8 | 104 | 284,5 | 96 10 7 8stv.| 11,5 | 76,0 | 21,82 | 75,0 | 10,28 | 2845 | 97 11 8 8wV.| 11,0 | 75,15 | 21,83 | 748 | 1027 | 2840| 97 12 9 85V.| 11,5 | 749 | 21,80 | 73,9 | 10,83 | 284,5 | 96 Zur Berechnung von v, muss noch bekannt sein v= 2l,lcem, der Rauminhalt der Röhre für Icm Länge, 1,006ccm, und die Höhe des unteren Röhrenrandes über einem willkürlichen Nullpunkt, 18,02cm. 438 Um zu zeigen, wie sich die Rechnung gestaltet, führe ich sie für ein Beispiel durch. Bei der ersten Ablesung ergab sich: t=121°0C., b= 76,0cm s = 19,64 cm. Für diese Werthe wird: p = b—-t— 76,0—1,1 = 74,9 vy= V-v—P. Es ist V—= 2l,lcem; P= 7,0cem; v wird erhalten durch Multipli- cation des Röhrenquerschnitts mit der Steighöhe vom unteren Röhren- rande an gerechnet, ist also in diesem Falle (19,64 — 18,02) 1,006 = 1,62. 1,006 = 1,63cem. Daher wird: Yı = 21,1—1,63— 7,0 = 12,5 cem u = 2173 +11 = 273 + 12,1 = 285,1. 273.74,9.12,5 Es ergibt sich also: w= 273.149. 12, 76.2851 lg = — 0,5554 lg 74,9 = 1,8745 lg 12,5 = 1,0969 eplg 285,1 = 0,5450 — 3 g vw=10718 vo = 11,8cem. Das während des Zeitraumes von 9 Tagen vom Pfropf aufge- nommene Luftquantum beträgt 11,8 — 9,6 = 2,2eem. Der Versuch zeigt, dass der Druckausgleich verhältnissmässig langsım vor sich geht. Allerdings muss dabei betont werden, dass der Pfropf beim Evaeuiren einen grossen Theil seiner Feuchtigkeit verloren hatte, die Membran also annähernd lufttrocken geworden war. Versuch 2. Ein Pfropf wurde 150 Stunden lang evacuirt. Der Druck im Reeipienten der Luftpumpe stieg nicht über Zem. Aus weiter unten näher zu erörternden Gründen wurden die Gewichte und Volumina des Pfropfes zu verschiedenen, in der folgenden kleinen Tabelle näher bezeichneten Zeiten genau bestimmt. Es ergaben sich folgende Werthe: Gewicht | Volumen 1. Vor der Evacuirung... 6,15 6,05 2. Nach der Evacuirung .. 6,06 6,05 3. Nach dem Versuch ... 5,93 6,05 4, Absolut trocken „.... 2,28 5,91 434 Die Menge des bei der Evacuirung verdunstenden Wassers konnte dadurch wesentlich herabgesetzt werden, dass eine besser schliessende Luftpumpe angewandt wurde, die nur ein einmaliges Auspumpen nöthig machte. Das Röhrenvolumen betrug insgesammt 27,30 ccm, pro Centimeter Länge 0,977 cem. Das untere Ende der Röhre hatte die Höhe 18,64 cm. Der Versuch ergab folgendes Resultat: Nr. Tag | Stunde t b 8 Pi y y ” 1 1 5I5N.| 18,0 | 75,4 | 18,94 | 74,8 | 20,95 | 286,0 | 19,55 2 2 95V. | 11,9 | 75,7 | 19,70 | 74,7 | 20,22 | 284,9 | 19,04 3 3 | 8@V.| 110 | 75,8 | 20,85 | 74,8 | 19,58 | 284,0 | 18,52 4 4 | 85V.| 11,0 | 76,4 | 21,84 | 754 | 18,71 | 284,0 | 17,84 5 5 SV.| 128,0 | 75,8 | 21,76 | 74,7 | 18,20 | 285,0 | 17,14 6 6 |119V.| 13,0 | 76,4 | 22,75 | 75,38 | 17,28 | 286,0 | 16,29 7 T | 8ev.| 128 | 767 | 23,28 | 75,6 | 16,82 | 285,8 | 15,81 8 8 | StvV.| 12,8 | 76,9 | 23,56 | 75,8 | 16,44 | 285,8 | 15,66 9 9 ga0v,| 12,8 | 76,9 | 28,57 | 75,8 | 16,48 | 285,8 | 15,65 10 10 | 88V.) 125 | 76,7 | 23,60 | 75,6 | 16,40 | 285,5 } 15,60 Es sind also 19,55 — 15,60 = 3,95cem Luft von der Spannung 76cm Quecksilber und der Temperatur 0° in den Pfropf eingetreten, die bei dem am Schluss herrschenden Druck von 75,6cm Quecksilber und der Temperatur 12,5°C. das Volumen: 16.285,5.3,95 BT — Hlöcem einnahmen. Da mir dies Volumen zu gross zu sein schien, führte ich die oben bereits erwähnten Wägungen aus, um nach dem von Sachs angegebenen Verfahren das Volumen der Hohlräume zu bestimmen, das gleich dem Gesammtvolumen des Pfropfes, vermindert um die Summe des Wand- und Wasservolumens ist. Das Gesammtvolumen ergibt sich durch Eintauchen in Quecksilber. Verhältnissmässig ein- fach ist auch die Ermittelung des Wasservolumens. Man trocknet den Pfropf bei 102—104° C. im Trockenschrank mehrere Stunden, lässt ihn sich abkühlen und wägt ihn. Das gefundene Gewicht zieht man von dem unmittelbar nach dem Versuch erhaltenen ab, wodurch sich das Gewicht und damit auch das Volumen des im Pfropf enthaltenen Wassers ergibt. Zur Ermittelung des Wandvolumens ist die Kennt- niss des specifischen Gewichts der Wandsubstanz erforderlich. Zu seiner Bestimmung schlug Sachs folgende Wege ein: Er durchtränkte Holzstücke oder -lamellen durch Druck oder Kochen mit Wasser vollständig, stellte durch Wägung in Wasser ihren Gewichtsverlust‘ 435 fest, der durch Division in das Trockengewicht das specifische Gewicht lieferte. Durch derartige Versuche erhielt er für das specifische Ge- wicht der Wandsubstanz von Pinus Pumilio und Abies pectinata den Werth 1,5. Da bei der Anwendung von Wasser als Durchtränkungs- mittel die Gefahr nahe lag, dass nicht alle Luft vertrieben wurde, und daher das Wandvolumen zu gross, das specifische Gewicht also zu klein ausfiel, legte Sachs Holzstücke in Alkohol, der mehrfach er- neuert wurde. Im Uebrigen war das Verfahren dasselbe; nur wurde die Wägung in Alkohol von bestimmtem specifischen Gewicht aus- geführt statt in Wasser. Für Abies pectinata erhielt Sachs nach dieser Methode 1,523. Endlich ein drittes Verfahren, das im Ein- tauchen dünner Lamellen in eine Lösung von solchem specifischen Gewicht bestand, dass die Lamellen gerade noch zu Boden sanken, lieferte Werthe zwischen 1,54 und 1,56. Ich habe desshalb für das spe- eifische Gewicht der Wandsubstanz den Werth 1,55 angenommen. Durch Division des Trockengewichts durch 1,55 ergibt sich das Wandvolumen. In unserem Fall beträgt das Gesammtvolumen . . . 6,05cem Wandvolumen = a = = een. 1ö38cem Wasservolumen = Gew.nach d. Versuch — Trockengewicht = 5,93 — 2,38 = 3,55 cem Wand-—+ Wasservolumen . . . 2... .. 1,584 3,55 = 5,08ccm Hohlräume . . . . . en . 0,97 ccm Dieser Hohlraumgrösse 0,97 ccm steht das oben berechnete Luft- volumen 4,15ccm gegenüber. Es ergibt sich also eine Differenz von 3,18cem. Ein durchaus analoges Verhalten zeigten alle übrigen Pfropfe. Ich theile hier noch einige weitere Versuchsergebnisse mit. Versuch 8. Die Dauer der Evacuirung betrug 150 Stunden bei einem Druck im Reeipienten von nicht über 2cm Quecksilber. Das Röhren- volumen war insgesammt 22,12ccem, pro Centimeter Länge 0,896 ccm. Der untere Rand der Röhre hatte während der Ablesungen 1—6 die Höhe 20,1lem, von 7—10 19,86cın. Das Versuchsergebniss war folgendes: Nr. Tag | Stunde t | b 8 Pı | | | Y% 1 1 5I5N. 13,0 | 75,4 | 20,38 | 74,8 16,29 | 286,0 | 15,20 2 2 95V, | 119 | 75,7 | 21,21 74,7 | 15,50 284,9 | 14,60 3 3 sv; 110 | 75,8 | 21,94 | 74,8 | 14,85 284,0 | 14,05 4 4 3 v.| 11,0 | 764 | 22,75 | 75,4 | 1412 | 284,0 | 13,46 5 5 sv. 12,0 | 75,8 23,09 | 74,7 13,82 | 285,0 | 13,01 6 6 ,1150V, | 13,0 | 76,4 | 23,91 | 75,3 | 18, ‚og, 286,0 12,38 7 7 suy,|ı 123 | 76,7 | 24,36 | 75,6 | 12, 46 | 285,3 | 11,56 8 8 80V, | 12,8 76,9 ı 24,53 | 75,8 12, 33 | 285,8 | 11,75 9 9 gav.| 19,8 | 76,9 | 24,55 | 75,8 12.29 | 285,8 | 11,71 10 10 göV,| 125 | 76,7 | 24,56 | 75,6 | 12,28 | 285,5 | 11,68 486 Das in den Pfropf eingetretene Luftvolumen hatte die Grösse 15,20 — 11,68 — 3,52ccm unter normalem Druck und bei der Tem- peratur 0°. Bei der am Schluss herrschenden Temperatur von 12,5°0. und dem Druck 75,6em Hg würden diese 3,52ccm den Raum: 16 .285,5.. 3,52 a Occm einnehmen. Die Volumina und Gewichte des Pfropfes waren: | Gewicht | Volumen 1. Vor der Evacuirung... 5,83 5,63 2. Nach der Evacuirung .. 5,82 5,68 3. Nach dem Versuch ... 5,68 5,63 4. Absolut trocken ..... 2,12 5,07 Das Volumen der Hohlräume berechnet sich also in folgender Weise: Gesammtvolumen . . nn 22020. 5,63cem Trockengewicht 2,12 specif, Gewicht — 1,58 Wasservolumen = Gew. nach d. Versuch — Trockengewicht — 5,68 — 2,12 — 3,56 com Summe des Wand- + Wasservolumens 2.20.00. 493com Es bleibt also für die Hohlräume ein Rest von 5 ‚s3—4,93 — 0,10 cem, den das eingetretene Luftvolumen um 3,00 cem übertrifft. Versuch 4. Der Pfropf wurde 150 Stunden in einem Reeipienten liegen gelassen, in dem der Druck nicht über 2cm Hg stieg. Röhren- Wandvolumen = —= 1,37 cem volumen insgesammt 21,10 ccm, pro Centimeter Länge 1,028cem. Der: untere Rand der Röhre hatte die Höhe 21,27cm. Resultat: Nr. Tag | Stunde t b 8 Pı y y a7 | 1 1 | 55N.| 180 | 75,4 | 21,46 | 743 | 14,38 | 286,0 | 18,87 2 2 | söV.| 119 | 75,7 | 21,91 | 747 | 13,87 | 284,9 | 13,06 3 3 SV, 11,0 | 75,8 | 22,86 | 74,8 | 13,41 | 284,0 | 12,69 4 + | 88V. 11,0 | 76,4 | 23,06 | 75,4 | 12,69 | 284,0 | 12,10 5 5 | 8®yY.| 120 | 75,58 | 2888 | 74,7 | 12,36 | 285,0 | 11,64 6 6 |110V.| 13,0 | 76,4 | 24,88 | 75,3 | 11,388 | 286,0 | 10,72 7 7 SV. 12,3 | 76,7 | 24,46 | 75,6 | 11,25 | 285,8 | 10,71 8 8 swv.| 12,8 | 76,9 | 24,67 | 75,8 | 11,03 | 285,8 | 10,51 9 9 | gev.| 128 | 76,9 | 24,78 | 75,8 | 10,92 | 285,8 | 10,40 10 10 | 88V.| 125 | 76,9 | 24,77 | 75,86 | 10,93 | 285,5 | 10,40 Es traten also 13,37 — 10,40 = 2,97 cem Luft von der Spannung 76,0cm Hg und der Temperatur 0° in den Pfropf ein. Bei dem u m rennen 487 zur Zeit der letzten Ablesung herrschenden Druck von 75,6cm Hg und der Temperatur 12,5°C. nehmen diese 2,97 ccm das Volumen 76.285,5. 2,97 373.056 912cem ein. Für die Gewichte und Volumina des Pfropfes ergaben sich die Werthe: | Gewicht | Volumen | 1. Vor der Evacuirung... 6,41 6,6 2. Nach der Evacuirung .. 6,30 6,6 3. Nach dem Versuch ... 6,22 6,57 4. Absolut trocken ..... 2,53 6,21 Am Schlusse des Versuches betrug also das Gesammtvolumen . nn 6,57 ccm Trockengewicht 2,53 “ Wandvolumen — 2 — —= 1,63 cem specit. Gewicht — 1,55 Wasservolumen — Gew.nach d. Versuch — Trockengewicht = 6,22— 2,53 = 3,69 ccm Wand- + Wasservolumen . . » 22 222 n nn. 5,82cem Hohlräume 6,57 — 5,82 nen = 1,25 ccm Das Volumen der eingedrungenen Luft ist also um 1,87 ccm grösser. Dasselbe Ergebniss lieferten eine ganze Reihe weiterer Versuche, die theils im November und December, theils im März und Juni gemacht wurden. Stets nahm das Quantum der eingedrungenen Luft einen grösseren Raum ein als die Hohlräume. Für diese auffallende Thatsache wusste ich anfangs keine Erklärung. Dass die Eosinlösung den Fehlbetrag sollte absorbirt haben, war nicht wahrscheinlich, da sie Zeit genug gehabt hatte, sich mit Luft zu sättigen. Ich machte aber doch einen Controllversuch, indem ich eine calibrirte, oben ge- schlossene Röhre an einem Stativ so befestigte, dass sie mit ihrem unteren Ende in die Lösung tauchte, und beobachtete, was geschehen würde. Der Meniscus folgte den Druck- und Temperaturschwankungen, ein dauerndes Steigen fand aber nicht statt. Der Versuch bewies gleichzeitig, dass von einer irgendwie in Betracht kommenden Ver- dichtung der Luft auf den Wänden des Röhrenhohlraumes nicht die Rede sein konnte. Es blieb also nur noch die Möglichkeit, dass der Pfropf die Luft aufgenommen haben könnte. Um das Quantum der aufgenommenen Luft zu bestimmen, verfuhr ich genau nach der oben geschilderten Methode. 438 Versuch 5. Ein Pfropf, der aus demselben Ast geschnitten war, wie der zum Versuch 2 verwandte, wurde frisch in ein Rohr einge- schlossen, dessen Volumen insgesammt 20,79 cem, pro Üentimeter Länge 1,028 com betrug. Der untere Röhrenrand hatte die Höhe 21,58cm. Resultat: Nr. Tag | Stunde | t | b | 8 Pı y % “ 1 1 1018 v.| 12,1 | 75,6 | 21,58 | 7,6 | 13,97 | 285,1 | 13,18 2 2 | guv.ı 121 | 75,9 | 21,89 | 749 | 18,65 | 285,1 | 12,88 8 3 | 98v.| 12,7 | 75,8 | 22,08 | 74,7 | 13,46 | 285,7 | 12,64 4 4 | 9av.| 125 | 75,6 | 22,55 | 745 | 12,97 | 285,5 | 12,16 5 5 | aBv.| 124 | 75,8 | 22,98 | 747 | 12,58 | 285,4 | 11,78 6 6 Jıoov.| 11,7 | 75,3 | 23,38 | 74,8 | 12,12 | 284,7 | 11,83 7 7 |s v.| 109 | 752 | 23,74 | 742 | 11,75 | 283,9 | 11,04 8 8 | 86V,| 108 | 75,4 | 24,10 | 74,4 | 11,38 | 283,8 | 10,72 9 9 | 98V.| 11,6 | 75,2 | 24,25 | 74,2 | 11,23 | 284,6 | 10,5 10 10 11065. 118 | 75,6 | 24,26 | 74,6 | 11,22 | 284,8 | 10,5 Das aufgenommene Quantum Luft von der Temperatur 0°C. und dem Druck 76,0cm Quecksilber beträgt also 2,6cem. Zur Berech- nung der Grösse der Hohlräume dienen folgende Angaben: Gewicht | Volumen 1. Vor dem Versuch. .„ . 7,62 6,89 2. Nach dem Versuch . . 7,48 6,85 3. Absolut trocken . . . 2,85 6,3 Auf Grund dieser Daten seit sich für die Hohlräume: Gesammtvolumen. . . . . 6,85cem Wandvolumen — Trockengewicht _ 2 ‚8 . = 1,84cem specif. Gewicht 1,55 ’ Wasservolumen = Gew. nach d. Versuch — Trockengewicht = 1,48 — 2,85 — 4,63 cem Wand- + Wasservolumen . . 2 2 2222202022 6,47cem Volumen der Hohlräume . . . 2020. 0,38ccm Nimmt man selbst an, die Hohlräume « seien luftleer gewesen, sO würden sie doch zur Erklärung der Aufnahme von 2,6cem Luft nicht ausreichen. Ein ähnliches Ergebniss hatten die folgenden Versuche. Versuch 6. Dieser Versuch wurde ebenso wie der vorige an- gestellt. Das Röhrenvolumen betrug insgesammt 20,79 cem, pro Centi- meter Länge 1,028 ccm. Das untere Ende der Röhre hatte die Höhe 19,02cm. Resultat: 439 Nr Tag |Stunde | t b 3 Pi Y y Yo 1 1 | zen. | 258 | 752 | 19,02 | 72,8 | 14,79 | 298,3 | 12,96 2 2 | ev. | 256 | 75,4 | 19,49 | 73,0 | 14,31 | 298,6 | 12,57 3 3 | 98YV. | 248 | 75,7 120,81 | 73,4 | 12,95 | 297,8 | 11,47 4 4 | 8iv.| 245 | 76,3 121,45 | 74,0 | 12,29 | 297,5 | 10,98 5 5 |88vV.| 245 | 764 | 2165 | 741 | 12,09 | 297,5 | 10,82 6 6 | BV. | 244 | 76,8 | 21,92 | 74,0 | 11,81 | 297,4 | 10,55 7 7 | av. | 241 | 758 | 2195 | 73,6 | 11,78 | 297,1 | 10,48 8 a | 7v| 235 | 758 | 22,15 | 73,6 ) 11,68 | 296,5 | 10,41 9 9 | 80v. | 281 | 75,5 | 22,18 | 78,4 | 11,54 | 296,1 | 10.28 10 11 85V. | 22,0 75,8 22,40 | 73,8 11,32 | 295,0 | 10,17 11 12 EV. | 23,8 76,0 22,33 | 73,8 11,39 | 296,8 | 10,17 12 8 |8 v.| 234 | 75,8 | 2229 | 73,7 | 11,48 | 296,4 | 10,21 Es traten also 2,75ceem Luft von Normalspannung und der Tem- peratur 0°C. in den Pfropf ein. Berechnet man wieder unter Zu- grundelegung der festgestellten Gewichte und Volumina die Grösse der Hohlräume, so zeigt sich Folgendes: | Gewicht | Volumen 1. Vor dem Versuch. | 6,22 6,00 2. Nach dem Versuch . 6,01 6,00 3. Absolut trocken .|958 5,7 Gesammtvolumen nach dem Versuch . . . » 2.2... 6,00cem Trockengewicht _ 2,53 , 8 = nn. = 163cem Wandvolumen = specif. Gewicht 1,55 Wasservolumen — Gew. nach d. Versuch — Trockengewicht = 6,01 — 2,53 — 3,48cem Wand- + Wanervolumen een... Öd,llecm Hohlräume en ee . . 0,89cem denen ein Luftquantum von 2,75cem gegenübersteht. Es gilt also wieder dasselbe, was schon beim vorigen Versuch gesagt ist. Versuch 7. Anordnung wie bei 5 und 6. Das Röhrenvolumen betrug insgesammt 18,34cem, pro Centimeter Länge 0,888ccm. Der untere Rand der Röhre hatte die Höhe 20,08cm. Resultat: Nr. | Tag Stunde | t b | 8 Pı „I I w 1 1 | men. 258 | 72 2008 | 72,8 | 13,18 | 298,8 | 11,55 2 2 | vl 36 | 754 | 2047 | 73,0 | 19.83 | 298,6 11,27 3 3 |ssv. | 248 | 757 | 2194 | 734 | 11,58 | 297,8 | 10,21 4 5 | su. | 245 | 763 | amt | 740 | 10,70 | 290,5 9,64 5 6 IBV| 245 | 764 | 28.09 | 7A1 | 1051 | 297.5 9,410 6 1 86V. | 244 | 768 | 23,84 | 740 | 10,29 | 297,4 | 9,20 7 s mv. | 201 | 758 | 23,55 | 73,6 | 1098 | 2971 9,15 8 eo ev. | 25 | 758 | 23,44 | 736 | 10,20 | 2965 | 9,10 9 10 | 80V | 231 | 155 | 23,88 | 73,4 10,25 | 296,1 | 9,13 10 12 | ww. | 220 | 758 | 2362 | 738 10,04 2950 9,02 11 13 | sev.| 238 | 760 | 23,62 | 73,8 | 10,04 | 296,8 | 8,97 12 1 |e via | 758 | 2351 | 78,7 | 10,18 | 296,4 | 9,05 440 Das eingetretene Luftquantum war also 2,5cem. Ferner war: Gewicht | Volumen 1 Vor dem Versuch. . . 5,32 5,16 . Nach dem Versuch . . 5,18 5,16 3. Absolut trocken . . 2,64 4,9 Für die Hohlräume ergibt sich daher: Volumen nach dem Versuch . . . » 2 2 220002. 5,16cem Trockengewicht 2,64 Wandvolumen = -. enseWeT _ n 22020. = 1,10eem specif. Gewicht 1,55 Wasservolumen — Gew. nach d. Versuch — Trockengewicht — 5,18— 2,64 — 2,54 com Wand- + Wasservolumen . . 2 2 2 22 nn nn. 424cem Hohlräume 5,16 —4,24. . . . 2.0. = 0,92cem Die Pfropfe der Versuche 6 und 1 stammten \ von demselben Ast, Versuch 8. Röhrenvolumen insgesammt 27,30 cem, pro Centimeter Länge 0,977cem. Der untere Röhrenrand hatte die Höhe 19,50 cm. Nr | Tag | Stunde | t b 8 Pi Y y vo 1 1 | zuN.| 25,8 | 75,2 | 19,50 | 72,8 | 21,30 | 298,3 | 18,68 2 2 | TV 256 | 75,4 | 19,87 | 73,0 | 20,94 | 298,6 | 18,39 3 3 | 98V. | 24,8 | 75,7 | 21,71 | 78,4 | 19,14 | 297,8 | 16,95 4 5 | 8BV, | 245 | 76,8 | 22,78 | 74,0 | 18,11 | 297,5 | 16,18 5 6 5V| 245 | 764 | 23,27 | 741 | 17,62 | 297,5 | 15,76 6 T 85V. | 244 | 76,3 | 28,48 | 74,0 | 17,42 | 297,4 | 15,57 7 8 | 78V. | 241 | 75,8 | 28,63 | 73,6 | 17,26 | 297,1 | 15,86 8 9 | TV. | 235 | 75,8 | 23,82 | 73,6 | 17,07 | 296,5 | 15,22 9 10 |sev. | 281 | 75,5 | 23,94 | 73,4 | 16,96 | 296,1 | 15,10 10 12 |88YV. | 22,0 | 75,8 | 24,40 | 73,8 | 16,51 | 295,0 | 14,84 11 13 | 80V. | 23,8 | 76,0 | 24,28 | 73,8 | 16,68 | 296,8 | 14,90 12 14 18 V. 1 284 | 75,8 | 24,22 | 73,7 | 16,69 | 296,4 | 14,91 Die Gewichte und Volumina beliefen sich auf: Gewicht Volumen 1. Vor dem Versuch .... 6,02 6,0 2. Nach dem Versuch ... 5,79 6,0 3. Absolut trocken ..... 2,25 5,5 Für die Hohlräume ergab sich also: Volumen nach dem Versuch . . . . 2 2.2.2202. 6,0cem Tr i Wandvolumen — oekengewicht _ 2,25 2 = 1,45cem specif. Gewicht 1,55 Wasservolumen = Gew. nach d. Versuch— Trockengewicht — 5,79 — 2,25 — 3,54 ccm Wand- + Wasservolumen . . . 2 22 22202020. 499cem Hohlräume . . . . 2.00. 101cem Das eingetretene Luftquantum betrug dagegen 3,77 ccm. 441 Versuch 9. Das Röhrenvolumen war insgesammt 22,12 ccm, pro Centimeter Länge 0,896ccm. Der untere Röhrenrand hatte die Höhe 20,44em. Resultat: Nr. Tag Stunde | t b | pı y u u v 1 1 | zen. | 25,3 | 75,2 | 20,44 | 72,8 | 17,66 | 298,8 | 15,48 2 2 | Ta0V.| 256 | 754 20,84 | 73,0 | 17,80 | 298,6 | 15,19 8 3 | 98V.| 248 | 75T | 22,60 | 78,4 | 15,72 | 297,8 | 18,92 4 5 | BBV.| 245 | 768 | 28,66 | 740 | 14,77 | 297,5 | 13,20 5 6 BV| 245 | 764 | 28,98 | 741 | 1458 | 297,5 | 13,00 6 T 85V, | 24,4 76,3 24,08 74,0 14,39 | 297,4 | 12,86 7 8 78V. | 241 | 758 | 24,18 | 73,6 11481 | 297,1 | 12,73 8 g TV, | 23,5 75,8 24,52 73,6 14,00 | 296,5 | 12,48 9 10 | sv. 231 | 75,5 | 24,69 | 78,4 | 13,85 | 296,1 | 12,83 10 12 85V. | 22,0 75,8 24,97 73,8 13,60 |; 295,0 | 12,22 11 13 | 88V. | 23,8 | 760 | 24,89 | 73,8 | 13,67 | 296,8 | 12,21 12 14 [8 v.| 234 | 75,8 | 25,00 | 73,7 | 18,57 | 296,4 | 12,12 Für die Gewichte und Volumina wurden folgende Werthe erhalten: | Gewicht | Volumen 1. Vor dem Versuch. . . 455 | 4,46 2. Nach dem Versuch . . 4,83 | 4,46 8. Absolut trocken . . . 1,62 | 4,10 Das Volumen nach dem Versuch betrug. . . » 2... 446cem Trockengewicht _ 1,65 specif. Gewicht 1,55 Wasservolumen = Gew. nach d. Versuch — Trockengewicht = 4,33 — 1,62 = 2,7lcem Wandvolumen = = 1,05cem Wand- + Wasservolumen . . . 2... Ba +2,71 = 3,76 cem Hohlräume . . . en 2. 0,70cem Eingetretenes Luftquantum en 15 „8. — 12,12 = 3,76ccm Die zum Versuch 8 und 9 benutzten Pfropfe wurden aus dem- selben Stück Kiefernholz geschnitten und gleichzeitig beobachtet. Berechnet man für die Versuche 6-9 das von der Volumen- einheit Frischholz aufgenommene Luftquantum, so ergibt sich für: Versuch 6: 2,75:6 = 0,46cem „2:25 :5,16 = 0,48cem n„ 8: 3,77:6 = 0,63cem „9: 3,36 :4,46 = 0,75 cem Die Uebereinstimmung zwischen je zwei Parallelversuchen, d. h. zwischen 6 u. 7 und 8 u. 9, ist also einigermaassen befriedigend. Dagegen sind die Luftquanta, die von Pfropfen aufgenommen wurden, welche verschiedenen Aesten entstammten, durchaus verschieden. Dasselbe zeigten weitere Versuche, auf deren ausführliche Schilderung ich hier verzichte. Es mögen nur die Resultate angeführt werden; 442 Volumen des feuchten Pfropfes: Aufgenommenes Luftquantum: 3,40cem 2,91cem 4,00 cem 1,47 ccm 2,7 ccm 2,90 ccm 3,6 cem 3,5lcem Die beiden letzten Versuche wurden mit Pfropfen aus demselben Aststück angestellt. Die Uebereinstimmung der von der Frischvolumen- einheit aufgenommenen Luftquantitäten ist dementsprechend wieder eine angenäherte, 1,02 bezw. 0,98 cem. Es mag hier bemerkt werden, dass nach Verlauf von 14 Tagen die Aufnahme von Luft keineswegs aufhört. Sie geht wochen-, ja monatelang langsam aber stetig weiter. Evacuirung feuchter Pfropfe im U-Rohr und im Barometeryacuum. Versuch 10. Die Versuchsanstellung ist bereits oben beschrie- ben. Der im U-Rohr evacuirte Pfropf hatte die Gewichte und Vo- lumina: Gewicht | Volumen 1. Vor dem Versuch . . . 2,91 2,9 2. Nach dem Versuch . . 2,89 2,9 3. Absolut trocken . . . 1,22 2,55 Das Röhrenvolumen pro Centimeter Länge betrug 0,53cem. Das U-Rohr war durch Drähte auf einem Cartonstückchen mit zwei Scalen befestigt, deren Haupttheilstriehe — Centimeterstriche — von unten nach oben mit den Zahlen O—80 bezeichnet waren. Das obere Ende des geschlossenen Rohres hatte bis zum Tiheilstrich 20 das Volumen 3,83 cem 10 „ » 914 „ 0, n 14,44 „ Das Resultat war folgendes: Nr. | Tag |Stunde t | P a 2 Ppı | Yy y vo 1 | 1) N) 205 | 765 | 14,0 | 144 | 74,3 | 3,90 | 293,5 | 3,55 2 | 1, 5l0N.| 20,5 72 | 3,7 2,5 | 28,6 | 10,21 | 298,5 | 3,58 3 2 | TBV. 205 | 84 | 254 | 2,8 | 29,2 | 10,06 | 293,5 | 3,60 4 3 |10 V. 215 9,4 | 25,8 2,9 | 29,9 | 10,00 | 294,5 | 3,65 5 419 v. 206 | 115 | 251 | 32 |, 31,6 | 9,84 | 293,6 | 3,80 6 | 5 j126V.| 20,7 | 1182 | 25,4 | 2,8 | 32,0 | 10,06 | 293,7 | 3,94 7 6 | 90V.) 21,3 | 13,6 | 25,0 3,2 | 83,5 | 9,84 | 294,3 | 4,02 8 7 |10 V.| 220 | 12,5 | 254 | 2,7 | 33,2 | 10,11 | 295,0 | 4,09 9 8 | 88V. 220 | 124 | 255 | 2,6 | 33,3 | 10,16 | 295,0 | 4,12 10 9 | TOV. 22,8 | 12,9 | 25,5 | 2,6 | 33,7 | 10,16 | 295,8 | 4,16 1 | 10 Jıowv.| 244 | 180 | 256 | 25 | 34,7 | 1021 | 297,4 | 4,28 443 Das ausgetretene Luftquantum beträgt 4,28—3,55 . . = 0,73cem Das Volumen nach dem Versuch war 2 2 2 2. 2,90 cem Trockengewicht _ 1,22 Wandvolumen — specit. Gewicht 1,55 0.0. == 0,79cem Wasservolumen = Feuchtgewicht—| 2,89 Trockengewicht I_ 122 ..... = 1,67cem Wand- + Wasservolumen . 2 2 20 on 2,46 com Volumen der Lufträume . 2 2 oo 0,44 cem Versuch 11. Evaeuirung im Barometerrohr, Das Barometerrohr war mit einer ÜCentimeterscala versehen, der oberste Theilstrich war mit 0, der unterste mit 40 bezeichnet. Das Röhrenvolumen bis zum Theilstrich 12,0 betrug 10,80cem, bis zum Theilstrich 37,3 betrug es 30,92 ccm. Der Röhrenquerschnitt war 0,80 gem, die Höhe des Theilstrichs 40 über dem Quecksilberspiegel 63,37 cm. Für die Gewichte und Volumina wurde erhalten: | Gewicht | Volumen 1. Vor dem Versuch. . . 2,91 2,7 2. Nach dem Versuch . . 2,86 | 2,7 8. Absolut trocken . . . 1,65 2,416 Das Ergebniss war das folgende: Nr. Tag | Stunde t d* b | Pi I y % | Y% ! 1 ı 110N. | 20,0 | 30,18 | 76,5 1,6 | 22,60 | 293,0 | 0,44 2 2 T5N.| 20,5 | 30,38 | 76,6 1,8 | 22,80 | 293,5 | 0,0 3 3 }10 V.| 210 | 31,08 | 76,8 2,6 | 28,32 | 294,0 | 0,74 4 4 9 V., 206 | 31,68 | 76,6 3,1 | 28,80 293,6 | 0,90 5 5 1125N.| 20,7 | 32,03 | 76,7 3,6 24,12 | 293,7 |! 1,06 6 6 gaYv,| 21,3 | 32,43 | 76,6 388 | 2444 | 294,3 | 1,13 7 2 |ı0 V.| 22,0 | 32,98 | 76,8 39 | 24,84 | 295,0 | 1,18 8 8 85V,| 22,0 | 33,23 | 76,2 4,0 | 25,08 | 295,0 | 122 9 9 T7aYy,| 228 | 38,48 | 76,3 43 | 25,24 | 295,8; 131 10 10 |1135V.| 244 | 34,03 | 76,2 46 | 25,72 | 297,4 1,48 1 11 3N.| 245 | 34,58 | 75,4 43) 26,16 | 297,5 | 1,85 12 | 12 j18v.| 24,3 | 83458 | 755 | 44 | 26,12 | 297,3 | 1,39 Das ausgetretene Luftquantum beträgt, da beim Einbringen des Pfropfes eine kleine Luftblase mit in die Barometerleere eintrat, nur 1,39 — 0,44 — 0,95cem, und ist nicht gleich 1,39 zu setzen. Das bei diesem Versuch vor der ersten Ablesung ausgetretene Luftquantum 444 ist nach Versuch 10 sehr klein und kann deshalb vernachlässigt werden), Das Pfropfvolumen nach dem Versuch war. . . . . . 2,70cem Trockengewicht 1,65 Wandvolumen = -—— — — ven. = 106cem specif. Gewicht 1,55 Wasservolumen — ee} 2,86 Trockengewicht J—165 . . . . = 12leem Wand- + Wasservolumen . . 2. 2 2 2 2 222020. 23,27cem Volumen der Lufträume . . 2020. 0,43ccm Dass die ausgetretene Luftmenge bei diesem Versuch etwas grösser war, als beim vorigen, erklärt sich wohl hauptsächlich daraus, dass die Druckdifferenz eine grössere war. II. Evaouirungsversuche mit trockenem Holz. Analoge Versuche, wie mit feuchtem Holz, wurden mit trockenem gemacht. Eine kleine Versuchsreihe möge hier Platz finden. Versuch 12. Ein lufttrockener Pfropf wurde bei 60° eine Reihe von Tagen getrocknet. Sein Gewicht betrug nach Verlauf dieser Zeit 2,87g, sein Volumen 6,22ccm. Die Evacuirung in der Luftpumpe dauerte 282 Stunden. Die Röhre, in die der Pfropf eingeschlossen wurde, hatte das Giesammtvolumen 27,30 cem, den Querschnitt 0,977 gem und ihr unterer Rand die Höhe 20,02 cm. Ergebniss: Nr. Tag | Stunde | t 8 b » | Y % Yo 1 1 |106V. | 12,1 | 20,02 | 75,6 | 74,6 | 21,08 | 285,1 | 19,81 2 2 95V. | 12,1 | 20,16 | 75,9 | 74,9 | 20,94 | 285,1 | 19,76 3 8 SV. | 12,7 | 20,14 | 75,8 | 74,7 | 20,96 | 285,7 | 19,70 4 4 mV. | 12,5 | 20,14 | 75,6 | 74,5 20,96 | 285,5 | 19,64 5 5 95V. | 12,4 | 20,16 | 75,8 | 74,7 20,94 | 285,4 | 19,68 6 6 |10@V. | 11,7 20,13 | 75,3 74,8 | 20,97 | 284,7 | 19,66 7 7 9 V. | 10,9 | 20,28 | 75,2 | 74,2 | 20,87 | 283,9 | 19,60 8 8 85V. | 10,8 | 20,81 | 75,4 | 74,4 20,80 | 283,8 | 19,60 9 9 95V. | 11,6 | 2021| 75,2 | 74,2 | 20,89 | 284,6 | 19,56 10 10 |10BV. | 11,8 | 20,28 | 75,6 | 74,6 | 20,87 | 284,8 | 19,63 1 11 95V. | 12,0 | 20,41 | 760 | 75,0 | 20,70 | 285.0 | 19,55 12 2 | 80V. | 120 | 2041 | 76,0 | 75.0 | 20,70 | 285,0 | 19,55 Das Volumen der Hohlräume des Pfropfes nach dem Versuch war, wenn man seinen Wassergehalt vernachlässigt: 2,87 158 Dagegen ist das Volumen der eingetretenen Luft, das bei normalem Pfropfvolumen — Wandvolumen — 6,22 — — 4,37 cem 1) Einer näheren Erklärung bedarf die Grösse d*. d* ist der an der Röhren- scala abgelesene Quecksilberstand. Um daraus d zu finden, hat man d* von 40 zu subtrahiren und 63,37 zu addiren, 445 Druck und der Temperatur 0° kaum 0,3cem beträgt, verschwindend klein, Andere Versuche dieser Art lieferten ein ähnliches Ergebniss. ET Tas er er u Ger er Fig. 5. Versuch 13. Auch die Versuche mit dem U-Rohr wurden wieder- holt. Ein lufttroekener!) Pfropf wurde ins U-Rohr eingeschlossen und der Versuch, wie oben beschrieben angestellt. Für die Gewichte und Volumina des Pfropfes ergab sich: | Gewicht | Volumen 1. Vor dem Versuch. . . 1,99 3,50 2. Nach dem Versuch . . 1,99 3,50 3. Absolut trocken . . . _ —_ Das Volumen des geschlossenen Schenkels bis zum Theilstrich 20 betrug 5,82cem, bis zum Theilstrich 10 11,96ccm, bis zum Theil- strich 0 18,10cem. Der mittlere Querschnitt war also 0,614gem. Ergebniss: Nr. | Tag Stunde t p a 8, Pr „ u % 1 1 sv. |22,7 1768 | ı90 | 11,7 | 69,5 | 2,9 | 295,7 | 2,45 2 1 1ev, \99,7 /11,1 | 71 | 22,4 | 26,4 | 10,24 | 295,7 | 3,28 3 2 88V. |'21,6 J11ı | 6,7 | 22,8 | 27,2 | 10,49 | 294,6 | 3,48 4 2 sov, |216 | 5,65 | 5,0 | 24,3 | 24,95 | 11,58 | 294,6 | 3,50 5 8 sv, [21,9 | 500 | 4,6 | 247 | 25,1 | 11,77 | 294,9 | 3,60 6 4 guy, |218 | 500 | 4,6 [24,7 | 25,1 | 11,77 294,8 | 3,60 T 6 80V, | 20,4 | 4,90 | 4,55| 24,75 25,1 | 11,81 | 293,4 | 3,68 8 7 8 v. [199 | 490 | 46 | 24,7 | 25,0 | 11,77 | 292,9 | 3,61 9 8 soV, 119,6 | 490 | 4,6 | 24,7 | 25,0 | 11,77 | 292,6 | 3,61 10 9 gov, |19,0 | 490 | 4,6 | 24,7 | 25,0 | 11,77 | 292,0 | 8,62 1 |» 85V, | 19,1 | 4901 46 | 247 | 25,0 | 11,77 | 292,1 3,62 Tun 1) Ich troeknete den Pfropf nicht im Trockenschrank, um die Membranen nicht zu spröde und brüchig zu machen. Flora 1901. 30 446 Das Volumen der Hohlräume nach dem Versuch war, wenn der geringe Wassergehalt des Pfropfes unberücksichtigt gelassen wird: 1,98 Gesammtvolumen — Wasservolumen —= 3,50 — 155 — 3,50 — 1,28 j — 2,22 cem. Das Volumen der ausgetretenen Luft unter den Normalbedingungen war 1,17 ccm. Versuch 14. Die Evacuirung in der Barometerleere gestaltete sich folgendermaassen: Die Gewichte und Volumina des zum Versuch dienenden Pfropfes waren: Gewicht | Volumen 1. Vor dem Versuch. . . 1,88 3,3 2. Nach dem Versuch . . 1,88 3,3 3. Absolut trocken . . . _ —) Das Röhrenvolumen bis zum Theilstrich 24,5cm war 17,31cem, bis zum Theilstrich 38,7cm 28,74cem, der Querschnitt 0,80gem. Das Niveau des unteren Theilstriches lag 63,31cm über dem Quecksilber- spiegel. Nr. Tag | Stunde t | d b Pı | Yy | y Yo 1 1. ,9®v. | 225 | 705 | 769 | 64 | 20,74 | 295,5 | 1,61 2 2 9 v. | 21,9 69,4 76,8 7,4 21,65 | 294,9 | 1,95 3 3 |gev. | 213 | 687 | 764 | 77 22,16 | 294,3 | 2,08 4 5 | 80V. | 20,4 Ä 68,4 | 76,1 74,7 22,41 | 298,4 | 2,11 5 6 ev. I 199 | 889 | Te7 | 78 | 21,98 | 292,9 | 2,10 6 ı jev.|ıe |o87 | Tu6 | 70 | 22,14 | 292,6 | 2,14 Da genau darauf geachtet wurde, dass bei der Einführung des Pfropfes keine Luftblasen mit aufstiegen, ergibt sich das ausgetretene Luftquantum zu 2,l4ccm. Das Volumen der Lufträume berechnet sich zu 2,1 cem. IH. Druckversuche mit feuchtem Holz. Versuch 15. Nach dem oben beschriebenen Verfahren wurden mehrere Druckversuche ımit feuchtem Holz gemacht, von denen ich hier nur einen anführe, da das Resultat stets dasselbe war. Für die Gewichte und Volumina des Pfropfes ergaben sich: Gewicht Volumen 1. Vor dem Versuch. . . 3,44 3,4 2. Nach dem Versuch . . 3,41 3,4 3. Absolut trocken . . . 1,50 8,1 1) Das Trockengewicht und Trockenvolumen wurde nicht bestimmt, da der Pfropf mikroskopisch untersucht wurde, 447 Die Röhrenvolumina wurden aus einer Tabelle abgelesen, die nach den Resultaten der Auswägung der Röhre mit Wasser berechnet war. Ergebniss: Nr. Tag | Stunde t sl) d | b Pı Yy | Tg | Yo 1 1 1220N. | 208 | 89 | 88| 76,8 | 83,8 | 16,60 | 293,8. 17,0 2 1 12200, 20,8 | i9,7 \121,1 | 76,8 | 196,1 | 7,07 | 293,8. 16,9 3 1 66V, 120,8 | 19,8 |120,8 | 76,7 | 195,7 | 6,98 | 293,8 | 16,7 4 2 9 v. |20,6 | 19,9 | 120,4 | 76,6 | 195,2 | 6,89 | 293,8 | 16,4 5 3 125V. | 20,7 | 20,1 | 120,2 | 76,7 | 195,1 | 6,71 | 293,7 | 16,0 6 4 930, | 21,3 | 20,2 | 120,0 | 76,6 | 194,7 | 6,62 | 294,3 | 15,7 7 5 10 v. | 22,0 | 20,2 | 120,0 | 76,3 | 194,8 | 6,62 | 295,0 | 15,65 Eingetretenes Luftquantum — unter Normalbedingungen — 1,35cem. Das Volumen der Lufträume berechnet sich in folgender Weise: Gesammtvolumen nach dem Versuch . . . . 2.2.2. 834 com Trockengewicht _ 1,50 specif. Gewicht 1,55 = 0,97com Feuchtgewicht — Trockengewicht = 8,41 — 150. . . = 1,91cem Wand- + Wasservolumen . . . 2 2 222 en. 2,88cem Volumen der Lufträume . . . 2. 2 2 22 2.202...0,5 com Versuch 16. Der Pfropf wurde sofort nach diesem Versuch in der Spitze einer Röhre festgeklemmt, die Röhre wurde mit Wasser gefüllt, mit dem Finger verschlossen und mit dem unteren Ende in Wasser getaucht. Die Spitze oberhalb des Pfropfes war lufterfüllt. Gewichte und Volumina des Pfropfes: Gewicht | Volumen 1. Vor dem Versuch. . - 3,41 3,4 2. Nach dem Versuch . . 3,68 3,4 3. Absolut trocken . . - 1,50 3,1 Das Gesammtvolumen der Röhre war 22,12 cem, der Röhrenquer- schnitt 0,896gem. Der untere Röhrenrand hatte die Höhe 25,60 cm, die obere und untere Schnittfläche des Pfropfes die Höhen 50,14 und 43,75cm, der Wasserspiegel im Gefäss wurde in der Höhe 30,5lcm erhalten. Ergebniss: 1) Mit s ist der Quocksilberstand im geschlossenen Schenkel bezeichnet; 8 wurde an einer Scala abgelesen, die am Röhrenende angebracht war. 30 5 Nr Tag | Stunde t d b Pı Yy 4 Yo 1 ı | zox.| 245 | 1918 | 75,8 | 716 | 0,81 | 297,5 | 0,27 2 2 110V, 24,8 18,40 75,5 71,8 0,57 297,3 0,49 3 3 | gov.| 245 | 18,35 | 75,8 | 721 | 0,59 | 297,5 | 0,51 4 4 |12 V.| 250 1822 | 75,5 | 71,8 | 0,64 | 298,0 | 0,55 5 5 | gev., 250 | 1808 | 75,3 | 71,6 | 0,68 | 298,0 | 0,59 6 T | 9eVv.| 245 | 17,76 | 76,4 | 72,8 | 0,80 | 297,5 | 0,70 7 s 9 v| 35 | ız61 | 765 | 73,0 | 0,85 | 296,5 | 0,75 8 se |9 vw.) 230 | ıza | 7e7T ı 738 | 0,92 | 296,0 | 0,82 9 10 nV, 21,6 17,39 76,9 73,7 0,93 294,6 0,84 10 1 |9 v.| 219 | 1729 | 768 | 73,5 | 0,97 | 294,9 | 0,87 1 12 | 9wv.| 21,8 | 1782 | 76,4 | 732 | 0,95 | 294,3 | 0,85 12 14 Say, 20,4 17,19 76,1 73,0 1,00 | 293,4 0,89 Ausgetretenes Luftquantum 0,6ccm. IV. Druckversuch mit trockenem Holz. 4, AU} i6 + AS L AH |. m _ VE Er se See er Zu Ze a Fig. 6. Versuch 17. Ein Pfropf, der mehr als acht Wochen an der Luft gelegen hatte, also völlig lufttrocken geworden war, wurde in das Compressionsrohr eingeschlossen. Die Röhrenvolumina wurden aus der oben erwähnten Tabelle abgelesen. Für die Gewichte und Volumina des Pfropfes ergaben sich folgende Werthe: | Gewicht Volumen 1. Vor dem Versuch. , . 1,94 3,39 2. Nach dem Versuch . . 1,94 8,39 3. Absolut trocken . , . _ —) 1) Das Trockengewicht und Trockenvolumen wurde nicht bestimmt, da der Pfropf mikroskopisch untersucht wurde. 449 Resultat des Versuchs: Nr, | Tag Stunde| t 8 | d | b | Pı Y % % ı | 1 |gev.| 213 | 69 | 07 | 764 | Tmı | 1882 | 2943 | 17,24 2 | 1 |9®V.| 21,3 | 20,85 128,9 | 76,4 |205,3 | 6,05 | 294,3 | 15,16 3 | 3 |seov.| 204 21,25 | 76,1 12041 | 5,69 | 299,4 | 14,22 aa 18 vl 199 | 218 127,85 | 76,7 |204,55| 5,64 | 292,9 | 14,15 5 ı 5 |8wv.| 19,6 | 21,35 [1278 | 76,6 204,4 | 5,60 | 292,6 | 14,05 6: 6 ,9WV.| 19,0 | 21,85 |127,8 | 76,0 |208,8 | 5,60 | 292,0 | 14,04 ı | 7 Isev.| 191 | 218 1265 | 76,0 |202,8 | 5,64 | 292,1 | 14,07 Eingetretenes Luftquantum — unter normalen Bedingungen gemessen — 3,17ccm Gesammtvolumen nach dem Versuch . . . 2 2... .. 8,39 cem Wandvolumen _ 1194 Denen. = 125cem 1,55 Wasservolumen (klein, daher vernachlässigt) Volumen der Lufträume . . . . 2,14ccm Andere Versuche dieser Art ergaben ähnliche Resultate. Es hätte deshalb keinen Zweck, die ohnehin schon lange Reihe von Tabellen noch zu verlängern. 3. Resultate, Auf Grund des vorliegenden experimentellen Materials soll nun zunächst die Beantwortung der Frage versucht werden, ob die feuchten Membranen durchlässiger sind als die trocknen oder nicht. Schon in der Einleitung wurde darauf hingewiesen, dass von Lietzmann!) das erstere, von Wiesner,?) Strasburger?) und Drude®) das letztere behauptet wird. Die Meinungsverschiedenheiten rühren, wie ich gleich zeigen werde, nur daher, dass die Autoren sich nicht genügende Sicherheit verschafften, ob in jedem Falle die Luft, deren Austritt sie beobachteten, auch wirklich in normaler Weise Membranen passirt hatte. Vor dieser Fehlerquelie, die völlig über- haupt nicht zu vermeiden ist, kann man sich nur dann bis zu einem gewissen Grade schützen, wenn man den Weg der ein- und aus- tretenden Luft zu ermitteln sucht und ihr Quantum möglichst genau misst. Stellt man die Messungsresultate graphisch dar, indem man etwa die Zeiten als Abseissen, die Luftmengen als Ordinaten aufträgt, 1) Lietzmann, Flora Bd. 70 pag. 376. 2) Wiesner, Versuche über den Ausgleich u. s. w. Bd. 79 der Ber. der Wiener Acad. 3) Strasburger, Leitungsbahnen pag. 128. 4) Drude, Civilingenieur 1889. Studien u. s. w. Sp. 41. 450 dann muss der Natur der Sache nach die entstehende Curve stetig sein, d. h. es müssen zu kleinen Abseissenänderungen nicht unver- hältnissmässig grosse Ordinatenänderungen gehören. Treten aber Un- stetigkeiten auf, so ist das ein Hinweis auf Unregelmässigkeiten. Störend wirkt bei diesen Messungen die Eigenschaft des Holzes, Luft in beträchtlichen Quantitäten auch dann aufzunehmen, wenn es nicht evacuirt ist. Auf diese Bigenthümlichkeit bin ich nur dadurch aufmerksam geworden, dass ich das vom Pfropf aufgenommene Luft- volumen mit dem Volumen der Hohlräume verglich, wobei sich je- desmal bei feuchten, evacuirten Pfropfen ein Ueberschuss des aufgenommenen Luftvolumens über das Volumen der Hohlräume herausstellte. Die Resultate werden auch dadurch getrübt, dass man nicht im Stande ist, während des Versuches den Feuchtigkeitsgehalt der Mem- branen constant zu halten. Die Werthe, die man für das ein- und ausgetretene Luftvolumen erhält, gelten also immer nur für einen schwankenden Feuchtigkeitsgehalt. Die Schwankungen liegen zwar, wenn man mit einer gut schliessenden Luftpumpe arbeitet, also nur einmal auszupumpen braucht, in engen Grenzen, aber sie sind doch besonders dann sehr hinderlich, wenn man Parallelversuche mit eva- euirten und nichtevacuirten Pfropfen anstellen will. Der eine von zwei von demselben Ast stammenden Pfropfen wird sofort ins Rohr eingeschlossen, während der andere erst in der Luftpumpe evacuirt und dann zum Versuch verwandt wird. Mit der Evacuirung ist eine Feuchtigkeitsabnahme verbunden, die zur Folge hat, dass die erhal- tenen Resultate nicht völlig vergleichbar sind, Um eine bestimmte Annahme zu machen, werde ich den Feuch- tigkeitsgehalt am Ende des Versuches als den maassgebenden an- sehen; der Fehler, den man dann begeht, ist verhältnissmässig klein. Betrachten wir die Versuche 1—4, so zeigt sich Folgendes. Die Pfropfvolumina, die Feuchtigkeitsgehalte und die aufgenommenen Luft- volumina (letztere unter normalen Bedingungen gemessen) sind beim Versuch Volumen Feuchtigkeitsgehalt Luftquantum 1 70 cem 1,54g 2,2 ccm 2 6,05 ccm 3,658 3,95 com 3 5,63 cem 3,568 3,52 ccm 4 6,6 cem 3,69g 2,97 ccm Diese Werthe sind ohne Weiteres nicht vergleichbar. Rechnet man sie aber auf die Volumeneinheit um, so ergibt sich: 451 Versuch Feuchtigkeitsgehalt Luftquantum 1 0,22g 0,31 ccm 2 0,60g 0,65 com 3 0,63g 0,63 ccm 4 0,568 0,45 cem Es ist also klar ersichtlich, dass die Menge der im Verlauf einer bestimmten Zeit aufgenommenen Luft mit fallendem Feuchtigkeits- gebalt abnimmt. Ob man aber daraus schliessen darf, dass dasselbe mit der Permeabilität der Fall ist, ist eine andere Frage. Lietz- mann!) bejaht sie; er musste das consequenterweise thun, weil ihm die Erscheinung, dass ein Holzstück, ohne evacuirt zu sein, Luft auf- nimmt, vollkommen entgangen war. Es wäre aber die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass die Luft auf der Oberfläche des Pfropfes verdichtet wird, also keine Membranen passirt. Ob diese Auffassung berechtigt ist, lässt sich durch mikroskopische Untersuchung prüfen. Man bringt zwei Pfropfe, einen evacuirten und einen nicht- evacuirten, in ein grösseres Gefäss mit Wasser, lässt sie einige Zeit liegen und stellt dann unter Wasser Längsschnitte her. Wenn beim Evacuiren Luft aus dem Zellinnern verschwunden ist, muss dafür, da die Membranen für Wasser leicht permeabel sind, natürlich Wasser eintreten. Es zeigt sich, dass im evacuirten Pfropf die Luftblasen sehr klein oder fast verschwunden sind, während die des nichteva- euirten eine bedeutende Grösse haben. Die Luft passirt also wenigstens theilweise die Wände. Auch die Beobachtung Böhm’s, dass Gase, wie Kohlensäure, Sauerstoff und Wasserstoff in trockenes Holz ein- dringen, stimmt damit überein. Es darf also schon nach diesen Ver- suchen als feststehend gelten, dass die feuchten Membranen durch- lässiger sind als die. trockenen. In scheinbarem Widerspruch mit diesem Ergebniss stehen die Resultate der übrigen Evacuirungsver- suche. Aus dem feuchten Pfropf traten, als er dem Versuch im U-Rohr unterworfen wurde, 0,73cem Luft aus, während das Gesammt- volumen 2,9cem und das Volumen der Lufträume 0,44cem betrug, aus dem trockenen dagegen 1,17cem bei einem Gesammtvolumen von 3,5cem und einem Luftraumvolumen von 2,22cem. Um zu einer richtigen Deutung dieser Ergebnisse zu gelangen, muss man sich zu- nächst vergegenwärtigen, dass, wenn wir die Annahme machen, die in den Hohlräumen enthaltene Luft sei von normaler Spannung, im trockenen Pfropf 2,22ccm Luft vorhanden sind, im feuchten dagegen 1) Lietzmann, Flora Jahrg. 70 pag. 360 ff. 452 nur 0,44cem, ferner, dass der trockene Pfropf Gelegenheit gehabt hat, sich mit Luft zu sättigen, der feuchte dagegen nicht. Schon diese beiden Thatsachen würden hinreichen, das Austreten einer grösseren Luftmenge aus deın trockenen Pfropf plausibel zu machen, selbst wenn die trockene Membran weniger permeabel wäre als die feuchte. Indessen kommt noch ein dritter Punkt hinzu. Stellt man die Ergebnisse beider Versuche graphisch dar, so fällt einem sofort auf, dass die Curve, welche den Verlauf des Luftaustrittes aus dem trockenen Pfropf veranschaulicht, anfangs senkrecht aufsteigt, während das bei der Curve für den feuchten Pfropf nicht der Fall ist. Eine so grosse Permeabilität der trockenen Membran kam mir so wenig wahrscheinlich vor, zumal da die Curve in ihrem weiteren Verlauf fast parallel zur Abscissenachse wurde, dass ich mich veranlasst sah, mir über den Weg der austretenden Luft Aufklärung zu verschaffen. Wider Erwarten gelang mir das sofort. Schon am ersten Schnitt, einem tangentialen, sah ich, dass die dünnen Lamellen, durch die die Communication der lebenden Markstrahlzellen mit den anstossenden Tracheiden stattfindet, eingedrückt und zum Theil zerrissen waren. Der Druckausgleich findet bei troekenem Holz offenbar durch Ver- mittelung der Markstrahlen statt. Wird aus einer angeschnittenen Markstrahlzelle die Luft entfernt, so hat die Luft der angrenzenden Tracheiden das Bestreben, das gestörte Gleichgewicht wieder her- zustellen. Die Folge davon ist das Eingedrücktwerden der Markstrahl- zellmembran nach dem Lumen zu, das bei trockenen Membranen natürlich weit leichter mit einem Einbrechen der Wandsubstanz ver- bunden ist, als bei feuchten. Hat Rissbildung stattgefunden, so ver- liert auch die Tracheide ihre Luft; dadurch wird eine zweite oberhalb oder unterhalb der ersten an die Tracheide anstossende Markstrahl- zelle in Mitleidenschaft gezogen. Die in ihr enthaltene Luft dehnt sich aus, treibt die Membran blasig auf und zerreisst sie, wenn der Druck stark genug ist. Dasselbe Spiel wiederholt sich, bis das Gleich- gewicht hergestellt ist. Beim feuchten, frisch geschnittenen Pfropf sind die durch einseitig behöfte Tüpfel mit den Tracheiden in Ver- bindung stehenden Markstrahlzellen mit lebendem Inhalt erfüllt. Daber wird, selbst wenn von einer Tracheide — etwa einer angeschnittenen — her ein Druck wirkt, eine Zerreissung der Membran nicht so leicht eintreten können, da der Zellinhalt als Widerlager wirkt. Durch Saugwirkung von der Seite der Tracheide her können ebenfalls die Markstrahlzellen nicht zerrissen werden, da sich in ihnen keine aus- dehnungsfähige Luft befindet. FOREN 458 Der mikroskopische Befund deckt sich durchaus mit diesen Ueber- legungen. In trockenen Pfropfen sind eingedrückte, blasig aufgetrie- bene und zerrissene Wände sehr häufig. Wenn die Druckdifferenz genügend gesteigert wird, bleibt kaum ein Markstrahl intact. Dagegen im feuchten Pfropf sind Verbiegungen der oben genannten Wandstellen nicht oder kaum zu finden. Zerreissungen sind so selten, dass ich nicht mit Bestimmtheit behaupten möchte, sie seien eine Folge des Druckes oder der Saugung. Das zwischen der ersten und zweiten Ablesung aus dem trockenen Pfropf austretende Luftquantum — 0,83cem — passirt also die Mem- branen erst dann, wenn sie zerrissen sind, kann also für unsere Frage nicht in Betracht kommen. Wenn man von dieser Luftmenge völlig absieht, überwiegt trotzdem noch das Luftquantum im trockenen Pfropf über das im feuchten. Ausserdem ist der trockene Pfropf luftgesättigt, während das beim feuchten Pfropf nur theilweise der Fall ist. Der trockene Pfropf kann also mehr Luft abgeben als der feuchte. Wenn trotzdem das aus dem feuchten Pfropf austretende Luftguantum grösser ist, als das, welches sich aus dem trockenen herauspumpen lässt, so darf man sicher annehmen, dass die feuchten Membranen permeabler sind als die trockenen. Genau denselben Schluss ziehe ich aus den Versuchen 11 und 14. Beim Versuch 11 war das Volumen der Binnenlufträume 0,43 cem, das ausgetretene Luftquantum 0,95cem; beim Versuch 14 beliefen sich die Werthe auf 2,1 und 2,i4cem. Von den 2,14ccem traten nach der ersten Ablesung 2,14— 1,61 = 0,53cem aus gegen 0,95ccm beim Versuch 11, während das Volumen der luftführenden Räume in beiden Fällen annähernd dasselbe war. Beim Versuch 12 entzieht sich das Luftquantum, welches während der Ueberführung des Pfropfes aus dem luftverdünntem Raum in das Versuchsrohr durch die zerrissenen Wände in die Hohlräume eintritt, der Messung. So erklärt sich ganz ungezwungen die geringe vom Pfropf noch aufgenommene Luftmenge von 0,8cem, die mit der nach der zweiten Ablesung vom Pfropf des Versuches 13 abgegebenen — 0,34ccm —, wenn man die näheren Umstände in Betracht zieht, ganz befriedigend übereinstimmt. An dieser Stelle mag auf die Versuche Strasburger’s') mit einigen Worten eingegangen werden. Seine Beobachtungen halte ich für vollkommen correct. Nach meinen Erfahrungen ist es mir sogar 1) Strasburger, Leitungsbahnen pag. 726729. 454 wahrscheinlich, dass trockene Pfropfe weit mehr Luft austreten liessen als feuchte. Was aber die Deutung der Versuche betrifft, so bin ich darin anderer Ansicht. Strasburger experimentirte z. B. in einem Fall mit einem Stück Ahornast, das in Alcohol gelegt, nach 8 Tagen aus demselben herausgenommen und in einem geschlossenen Raum langsam getrocknet wurde. Als es lufttrocken geworden war, wurde es dem Versuch unterworfen. Die Methode ist im Prineip die folgende: Die Gefässe des verwendeten Ahornastes werden auf einem Ende geschlossen und vom andern Ende aus evacuirt, während die Oberfläche des Aststückes der atmosphärischen Luft ausgesetzt ist. Die Luft müsste also, wenn sie in die Gefässe eindringen wollte, mindestens eine Gefässwand passiren. Ueber das Resultat sagt Strasburger selbst: „Aus diesen Versuchen ging ganz unzweideutig hervor, dass die Luft leichter durch die trockene als durch die imbibirte Gefässwandung bei Ahorn sich bewegt.“ Versuche mit einem Stück Eichenzweig, das ebenso be- handelt war, wie auch mit Ahorn- und Birkenholz, das nicht in Al- cohol gelegen hatte, sondern durch sechswöchentliches Liegen an der Luft getrocknet war, lieferten im Wesentlichen dasselbe Ergebniss. Nach meiner Meinung verläuft der Prozess so: Sobald die Luft aus den Gefässen verschwindet, dehnt sich die in den ausgetrockneten Markstrahlzellen eingeschlossene Luft aus und zerreisst die Tüpfel- membranen, falls nicht schon beim Trocknen, wobei sich die Mem- branen stark in Falten legen und unregelmässig biegen, Rissbildung stattgefunden hat, was ich nicht für ausgeschlossen halte. Einige weitere Zerreissungen schaffen dann die Verbindung mit der Ast- oberfläche, genau so, wie ich das für das Kiefernholz gezeigt habe. Ist eine bestimmte Anzahl solcher offenen Verbindungswege in den äusseren Schichten des Holzes hergestellt, so ist, falls nur die Saugung dieselbe bleibt, kein Grund vorhanden, dass sich neue bilden. Es ist daher sehr leicht erklärlich, dass Bromdämpfe, denen man den Zutritt zur Astoberfläche gestattet, nur in den äusseren Holzpartieen färbend wirken. Dass sich nur die Gefässe, nicht die Holzfasern färbten, steht in voller Uebereinstimmung mit meiner oben vorgetragenen An- sicht. Leider finde ich bei Strasburger keine Angaben darüber, ob sich bei trocknen Pfropfen auch die Markstrahlen durch das Brom bräunten. Da bei feuchten Pfropfen Zerreissungen, wie ich sie eben geschildert habe, nicht oder höchstens in sehr geringem Umfange vor- kommen, so halte ich den Schluss, den Strasburger aus seinen Beobachtungen zieht, nicht für gerechtfertigt. 455 In den Experimenten, auf die Wiesner seine Behauptung, die trockene Pflanzenmembran sei luftdurchlässiger als die feuchte, zu stützen suchte, ist bereits von Lietzmann!) eine Fehlerquelle nach- gewiesen. Ich kann also diese Versuche hier übergehen, umsomehr, als Wiesner in einer zweiten Arbeit?), die er mit Molisch zusam- men veröffentlichte, ausdrücklich sagt: „Dass die verholzte Zellmembran insofern wie alle übrigen von uns untersuchten Zellhäute sich verhält, als sie Gase diffundiren lässt, geht aus den Versuchen von Böhm?) hervor, welcher zeigt, dass in das trockene Splintholz von Fichten- und Robinienholz Gase (COs, H, O) eindringen und in den Zellhöhlen verdichtet werden.“ Betrachten wir noch die Compressionsversuche, die Versuche 15 und 17. In den feuchten Pfropf traten 1,35cem Luft, während das Luftraumvolumen 0,5 com betrug; das in den trocknen Pfropf hineingepresste Luftquantum war dagegen 3,17cem, wovon 2,08 cem in der Zeit zwischen der ersten und zweiten Ablesung eintraten- Diese 2,08 cem von Normalspannung nahmen bei dem herrschenden Druck von ca. 200 cem Quecksilber das Volumen von ungefähr 0,75ccm ein. Subtrahirt man diese 0,75 ccm vom Gesammtvolumen der Hohlräume, das 2,l4ccem beträgt, so bleibt im trockenen Pfropf immer noch ein grösseres Hohlraumvolumen übrig als im feuchten, Trotzdem nimmt der feuchte Pfropf in derselben Zeit etwa ?/ cem Luft von Normalspannung mehr auf als der trockene. Dabei ist aller- dings zweierlei zu berücksichtigen: Ein Teil der vom feuchten Pfropf aufgenommenen Luft könnte absorbirt und nicht infolge von Druck- differenzen eingetreten sein; andrerseits ist nicht ausgeschlossen, dass ein gewisses Quantum der in den trockenen Pfropf eindringenden Luft seinen Weg durch Risse genommen hat. Das letztere ist nach den Ergebnissen der Versuche 10, 13 und 11 und 14 sogar sehr wahrscheinlich. Welche Menge die grössere ist, lässt sich nicht ent- scheiden; die Versuche geben also zwar keine exacte Antwort, stehen aber auch mit den oben erhaltenen Resultaten in keinem Widerspruch. Wenden wir uns jetzt zur Beantwortung der Frage, wie lange es etwa dauert, bis die durch Transpiration in Zweigen belaubter Bäume entstandenen Luftverdünnungen bis zu einem bestimmten Grade ausgeglichen sind. 1) Lietzmann, Flora Jahrgang 70 pag. 380—385. 2) Wiesner u. Molisch, Sitzungsber. der Kaiserl. Acad. der Wissensch. Bd. 98. pag. 700-701. 3) Böhm, Botan, Zeitung 1883 pag. 521. 456 Um genauen Aufschluss über die Geschwindigkeit des Durchtritts der Luft zu bekommen, hätte man die auf die Flächen-, Druck- und Zeiteinheit redueirte durchgetretene Luftmenge zu messen. Das ist aber aus mehrfachen Gründen nicht ausführbar, denn einmal ist eine auch nur angenäherte Bestimmung der Grösse der Fläche, welche die Luft durchdringt, unmöglich, andrerseits ist man nur mangelhaft im Stande, über die Druckverhältnisse sich jederzeit zu orientiren. Schwierigkeiten stehen endlich auch der Messung des Volumens der durchgetretenen Luft entgegen, da schon oben nachgewiesen wurde, dass die aufgenommene Luft nur zum Theil Wände passirt. Dabei ist von Fehlerquellen von geringerem Einfluss, die in der Abnahme des Feuchtigkeitsgehaltes der Wände und in der Thatsache gefunden werden könnten, dass mit unberindeten Zweigen gearbeitet wurde, hier ganz abgesehen, Dieser allein sichere Resultate garantirende Weg war also von vornherein ausgeschlossen. Um aber doch wenigstens eine annähernde Vorstellung über den Verlauf des Druckausgleichs zu bekommen, verfuhr ich so: Aus einem 10—12cm langen Stück eines Kiefernastes schnitt ich zwei cylindrische Pfropfe. Den einen schloss ich, um das von ihm aufgenommene Luftquantum zu messen, in eine oben zuge- schmolzene Röhre ein, die mit ihrem unteren Ende in Eosinwasser tauchte. Der andere wurde evacuirt und dann ebenso behandelt. Das von ihm mehr aufgenommene Luftquantum musste, da die übrigen Bedingungen die gleichen waren, in Folge der Evacuirung aufgenom- men sein. Indessen bleibt die Entscheidung der Frage unsicher, wieviel von dieser mehr aufgenommenen Luft zum Ausgleich der Druckdifferenz dient, denn bei der Evacuirung verliert natürlich der Pfropf nicht bloss die in den Binnenräumen enthaltene Luft, sondern auch einen Theil derjenigen Luft, die er schon vor der Evacuirung auf seiner Oberfläche und im Innern der Zellen verdichtet hatteund fürdie nach der Evacuirung Ersatz geschaffen wird. Werden die aufgenommenen Luftquanta auf gleiches Pfropfvolumen umgerechnet, so gestattet also die beobachtete Differenz in Verbindung mit dem bekannten Hohlraumvolumen des evacuirten Pfropfes erst dann annähernd zu sagen, dass nach Verlauf einer gewissen Zeit ein bestimmter Theil der Druckdifferenz ausge- glichen ist, wenn man das Verhältniss der zum Druckausgleich die- nenden Luftmenge zur gesammten aufgenommenen Menge kennt. Betrachten wir die Versuche 4 und 5. Stellt man die Ergebnisse graphisch dar, indem man die Zeiten als Abscissen, die Volumina (unter Normalbedingungen gemessen) als Ordinaten in ein rechtwinkliges 457 Coordinatensystem einträgt, so ergibt sich die folgende Zeichnung (Fig. 9"), in der die Curve für den nicht evacuirten, die Curve II für den evacuirten Pfropf gilt. Die Versuchsergebnisse sind nicht ohne Weiteres vergleichbar, da der nicht evaeuirte Pfropf das Volumen 6,89 ccm hatte, der evacuirte dagegen nur 6,05 ccm gross war. Macht man die Annahme, die Aufnahmefähigkeit des Pfropfes für Luft wachse proportional dem Volumen, so müsste man, wenn man das Volumen 6,89cem als Einheit zu Grunde legt, sämmtliche für den evacuirten Pfropf berechneten Luftvolumina im Verhältniss 6,05: 6,89 vergrössern, d. h. die sämmtlichen Ordinaten von der Hori- zontalen AB ab nach unten im nämlichen Verhältniss verlängern, so dass aus der Curve II die Curve III entsteht. Nimmt man ferner an, die Hälfte der aufgenommenen Luft diene zum Ausgleich der Druckdifferenz, was in diesem Fall vielleicht zu- Tr Y T T Y T B AZ ’ Y Fig. 7. trifft, da das vom evacuirten Pfropf mehr aufgenommene Luftvolumen — 1,8cem (unter Normalbedingungen) — weniger als das Doppelte des Volumens der Binnenräume beträgt, das sich zu 1,1cem berechnet, so ist nach einem Tage etwa !/ı der Druckdifferenz ausgeglichen, da dann 0,6ccm Luft vom evacuirten Pfropf mehr aufgenommen sind, von denen wir die Hälfte als zum Druckausgleich dienend annahmen. Dabei ist vorausgesetzt, dass die Druckdifferenz in der Natur ungefähr denselben Werth erreicht wie beim Versuch. Denn wäre sie kleiner, so würde nothwendig auch das durchgetretene Luftquantum kleiner ausfallen, - D) Die Anfangspunkte der Curven sind durch Verschiebung parallel den Coordinaten-Achsen zum Zusammenfalten gebracht, um einen bequemen Vergleich zu gestatten. 458 Macht man für den in Fig. 8 veranschaulichten Versuch dieselben Annahmen, so zeigt sich, dass der evacuirte Pfropf 4—5 Mal so viel Luft mehr aufnimmt, als das Volumen seiner Binnenlufträume — 0,5 cem — beträgt. Eine Druckerhöhung der Binnenluft um !/, würde also erst nach Verlauf von 1!/;—2 Tagen eintreten. Bemerken will ich, dass die erbaltenen Werte von 1 und 1'/,—2 Tagen jedenfalls eher zu hoch als zu niedrig sind. Die Resultate der übrigen Ver- suche schwanken zwischen diesen Grenzen. Es braucht nach dem Vorhergehenden nicht betont zu werden, dass die erhaltenen Werte auf Genauigkeit keinen Anspruch machen können, aber sie sind doch insofern interessant als sie zeigen, dass stark luftverdünnte Räume nur kurze Zeit bestehen können. Messungen, die ich angestellt habe, Fig. 8, bestätigen das. Welche Folgerungen sich daraus für die Theorie des Saftsteigens ergeben, ist bereits von Schwendener!) ausführ- lich erörtert. 4. Bestimmung der Luftverdünnung in transpirirenden Zweigen. Die eben erwähnten Messungen des Luftdrucks lasse ich hier folgen. Das Vorkommen von Luftverdünnungen in der Pflanze ist D) Sch wende ner, Weitere Ausführungen über die durch Saugung bewirkte Wasserbewegung in der Jamin’schen Kette. Sitzungsberichte der Berl. Acad. der Wissensch. 1893 pag. 8835—846 u. Ges. Bot. Mittheilungen Bd. I pag. 298-315. 459 bereits seit langer Zeit bekannt. Schon Experimente von Hales!) lassen darauf schliessen, doch geben seine Versuche keine Klarheit darüber, ob die Luft in den Gefässen oder im Intercellularsystem verdünnt ist. Der erste, dem es gelang, den exacten Nachweis zu erbringen, dass sehr bedeutende Luftverdünnungen in den Gefässen vorkommen, war von Höhnel?), Er schnitt zu einer Zeit, wo die Pflanzen stark transpirirten, Zweige unter Quecksilber ab und fand, dass sich die Gefässe zum grossen Teil viele Oentimeter weit mit Quecksilber füllten. Daraus geht die Existenz eines starken negativen Luftdrucks klar hervor?), zumal wenn man bedenkt, dass die Capillar- depression bei der geringen Weite der Gefässe eine ganz bedeutende ist. Einen quantitativen Schluss lassen jedoch die Versuche von Höhnel nicht zu, da es nicht bloss von der Grösse der Luftverdünnung abhängt, wie viel Quecksilber aufgenommen wird, sondern ausserdem vom Volumen der contractionsfähigen Luft und der Länge der Gefässe. Schwendenert) wandte daher eine andere Methode an, bei der die Volumabnahme der Luftblasen beim Anschneiden der Gefässe gemessen wurde. Die zum Versuch bestimmten Zweige wurden in einen Kasten mit Quecksilber oder Petroleum, das mit Thierkohle gefärbt war, um die eingedrungene Flüssigkeit leichter sichtbar zu machen, hinein- gebogen und entweder mit der Doppelscheere oder einem eigens con- struirten Apparat abgeschnitten. Auf Längsschnitten wurde festge- stellt, wie weit die geschwärzte Flüssigkeit eingedrungen war und wie viele Luftblasen sich in einem von einem zum andern Ende verlaufenden Gefäss befanden. Um zu zeigen, wie die Berechnung angestellt wurde, theile ich ein Beispiel?) hier mit. Ein Zweigstück von Acer platanoides war 15mm lang, die eingedrungene Quecksilber- säule 7 mm; es hatte also eine Verkürzung der Luftwasserkette von 15 auf 8mm stattgefunden. Von diesen 8mm kamen auf Luft und Wasser ungefähr gleich viel, also je 4mm. Die ursprüngliche Länge der Luftblasen verhält sich demnach zur Länge bei Normalspannung, voraus- gesetzt, dass der Luftdruck 76cm Quecksilber beträgt, wie 7+ 4 zu 4, 1) Hales, Statik der Gewächse, 1748 pag. %. 2) von Höhnel, Ueber den negativen Druck der Gefässluft. Dissert. 1876. 3) Die Annahme Scheits, dass die Gefässe luftleer seien, kann ich wohl hier übergehen. Vergl, Schwen dener. . . 4) Schwendener, Weitere Ausführungen über die durch Saugung bewirkte Wasserbewegung in der Jamin’schen Kette. Sitzungsber. d. Berl. Acad. d. Wiss. 1893 pag. 835—846; Ges. Mittheil. Bd. I pag- 298— 315. 5) Schwendener, Ges. botan. Mittheilungen Bd. I pag. 306. 460 Die Spannung der Gefässluft war also 5 des zur Zeit des Versuchs herrschenden Luftdrucks. Aehnliche Resultate ergaben auch die übrigen Versuche. Die niedrigste auf diesem Wege gemessene Spannung war !jı des Atmosphärendrucks. Wie Schwendener selbst hervorhebt, sind die Resultate nur als annähernde zu betrachten, da es schwer ist, ein und dasselbe Gefäss durch den ganzen Längs- schnitt hindurch zu verfolgen und die Länge der einzelnen Luft- und Wasserglieder zu messen. Auf demselben Grundgedanken, wie die eben geschilderte Methode beruht die von Pappenheim!) und auch die von mir angewandte. Pappenheim setzte Cylinder von Coniferenholz von bestimmtem Frisch- gewicht in Wasser einem Ueberdruck aus, der das Doppelte des herrschenden Luftdruckes betrug. Dadurch trat zunächst ein un- bestimmbares Quantum Wasser in den Pfropf ein und verringerte das Volumen der im Holz befindlichen Luft. Die nach Aufhebung des Druckes wieder austretende Wassermenge a wurde gemessen und - ausserdem das Gewicht des Pfropfes bestimmt, wobei sich ergab, dass der Pfropf ein gewisses Wasserquantum e zurückbehalten hatte. Diese Daten genügen zur Bestimmung der Holzluftspannung, wenn noch der Barometerstand b bekannt ist. Denn um die Menge der Binnenluft, die bei dem herrschenden Luftdruck gemessen v sein möge, auf !/s ihres Volumens zusammenzupressen, war die Wassermenge a nöthig. . 2. Sie musste also das Volumen 3' einnehmen; v war daher gleich 5% Vor Beginn des Versuches war aber das Volumen der Binnenluft offenbar grösser und zwar genau um das Volumen der oben mit e bezeichneten Wassermenge, die der Pfropf nach Aufhören des Druckes nicht wieder abgab. Da sich nun nach dem Boyle-Mariotte’schen Gesetz die Volumina umgekehrt wie die Drucke verhalten, so ist, wenn man mit x die zu suchende Spannung bezeichnet: x v sk: oder = LT Die Methode ist aus leicht ersichtlichen Gründen nur anwendbar für Holz, das aus allseitig geschlossenen Tracheiden besteht. Um auch für gefässführende Hölzer eine Bestimmung auszuführen, schlug ich den im Folgenden zu schildernden Weg ein. Von zwei möglichst gleichen, etwa 2—4 Jahre alten Zweigen, die an demselben 1) Pappenheim, Bot. Centralbl. Bd. 59 1892 $. 1 ff: Eine Methode zur Bestim- mung der Gasspannung im Splinte der Nadelhölzer. Schilderung der Methode auf 8.35 461 Ast sassen und, was die Bestrahlung durch die Sonne anlangt, mög- lichst gleiche Lage hatten, wurde der eine unter Wasser, der andere in Luft an zwei Stellen gleichzeitig durchschnitten. Ich benutzte dazu den in Fig. 9 abgebildeten Apparat, der in allen wesentlichen Punkten mit dem von Schwendener beschriebenen übereinstimmt. En DE Fig. 9. An einem A-förmigen Bügel ist unten ein hobleylindrischer Ring befestigt, der in der Richtung des Durchmessers eine kreisförmige Durchbohrung trägt, in welche durch einen Schlitz die Zweige einge- führt werden. Im Ring bewegt sich ein Hohleylinder, dessen untere Kante geschärft ist. Oben ist derselbe bis auf eine kleine Oeffnung, durch die beim Eintauchen des Apparates in Wasser die Luft ent- weicht, geschlossen. Der obere Theil des A-förmigen Bügels trägt eine eylindrische Bohrung, die von einer Stange durchsetzt wird, welche mit einem Gewinde in die oberen Wand des oben erwähnten Hohl- eylinders eingeschraubt ist. Die beiden Querstangen am oberen Ende des Apparates gestatten eine so grosse Kraftentfaltung, dass man nicht, wie bei dem von Schwendener angegebenen Apparat, eine feste Flora 1901. 31 462 Unterlage zum Schneiden nöthig hat, was beim Arbeiten in den Kronen hoher Bäume natürlich von Vortheil ist. Sehr leicht liesse sich der Apparat durch eine Hebeleinrichtung ähnlich der der Saug- und Druckpumpen verbessern, zum Abschneiden 4—8mm starker Zweige reicht aber der eben beschriebene völlig aus. Die beiden Pfropfe wurden entrindet und, wenn nöthig, von Mark befreit gewogen. Ausser- dem wurden die Volumina so genau als möglich bestimmt. Kennt man dann noch das Trockengewicht von lcem Frischvolumen, das für beide Pfropfe als gleich angenommen ist, eine Voraussetzung, die der Prüfung bedarf, und das specifische Gewicht der Wandsubstanz, so lässt sich das Volumen der Holzlufträume sowohl bei dem herr- schenden Luftdruck als auch bei der zur Zeit des Versuchs bestehen- den Spannung berechnen. Die Anwendung des Boyle-Mariotte- schen Gesetzes liefert die mittlere Spannung selbst. Im Einzelnen geschieht die Bestimmung so: Das Frischgewicht des unter \Vasser abgeschnittenen Pfropfes sei g, das Frischvolumen v. Der Pfropf habe völlig ausgetrocknet das Gewicht gı, das spec. Ge- wicht der Holzsubstanz sei s = 1,55. Dann ist das Volumen der Lufträume ]: I=v- 4-9] In gleicher Weise sei für den in Luft abgeschnittenen Pfropf der Werth Iı gefunden. Wird der Barometerstand zur Zeit des Ver- suches b und die zu bestimmende Spannung x genannt, so ist nach dem Boyle-Mariotte’schen Gesetz: R = m aloe: x = b..- Etwaige Temperaturdifferenzen wurden unberücksichtigt gelassen. Bevor ich auf die Schilderung der Versuche eingehe, möchte ich hier einige Punkte näher erörtern, die zu Bedenken Anlass geben könnten. Zunächst liegt die Frage nahe: Ist die Wasseraufnahme durch einen unter Wasser abgeschnittenen Pfropf allein eine Folge der Luftverdünnung; nimmt nicht der Pfropf auch durch Capillarität Wasser auf? Die Frage lässt sich experimentell leicht entscheiden. Zu dem Zwecke wurden einige Pfropfe von verschiedenen Sträu- chern und Bäumen (Corylus, Acer, Fraxinus und Betula) geschnitten und von Rinde und Mark befreit, gewogen. Dann wurden sie in Wasser geworfen, "/—1 Minute liegen gelassen und, nachdem das anhaftende Wasser mit einem Tuch abgewischt war, wieder gewogen. Das Ergebniss war das folgende: 463 Pfropf Nr. Frischgewicht Gewicht nach dem Eintauchen 1 141g 1,41g 2 0,928 0,938 3 1,58g 1,598 4 1,15g 1,15g 5 0,6158 0,628 Die Gewichtsdifferenz ist also sehr klein. Sie erreicht in vielen Fällen nicht 0,01g. Ferner ist zu prüfen, ob die zum Versuch benutzten Pfropfe ver- gleichbar sind, d. h. ob die Gewichte der Wandsubstanz und des Wassers für die Frischvolumeneinheit in beiden Fällen dieselben sind. Die Bestimmung des Gewichtes der Wandsubstanz pro Cubik- centimeter des Frischvolumens ist leicht ausführbar; man braucht nur das Trockengewicht durch das Frischvolumen zu dividiren, um so in jedem einzelnen Fall entscheiden zu können, ob die Uebereinstimmung gross genug ist oder nicht. Die Ermittelung des Wassergehaltes vor dem Versuch ist nur für den Pfropf möglich, der in Luft abgeschnitten wird, während der andere ein unbestimmbares Quantum Wasser auf- nimmt. Um aber doch einigermaassen sicher zu gehen, dass der Wassergehalt derselbe sei, wenn die Pfropfe von demselben Ast stammten und möglichst die gleiche Anzahl von Jahresringen hatten, stellte ich mehrfach das speeifische Gewicht des Frischholzes fest, wobei sich in den allermeisten Fällen eine sehr gute Uebereinstim- mung ergab. Ein Theil der beobachteten Differenzen ist sicherlich auf Rechnung der mangelhaften Genauigkeit der Volummessungen zu setzen. Ich theile hier einige Bestimmungen mit, die z. B. an Cory- lus gemacht wurden: Pfropf I Pfropf I I. Volumen 2,2 ccm 2,0 ccm Gewicht 1,73g 1,57g spec. Gew. 0,79 0,79 Diff. 0,00. II. Volumen 3,1 cem 2,9 ccm Gewicht 2,675 2,528 spec. Gew. 0,86 0,87 Diff. 0,01. II. Volumen 3,5 ccm 3,2 ccm Gewicht 2,128 2,658 spec. Gew. 0,78 0,83 Diff. 0,05. 31* 464 Die grösste beobachtete Differenz war 0,05, in den meisten Fällen überstieg sie aber 0,02 nicht. Die kleine Versuchsreihe zeigt zu- gleich, dass bei Zweigstücken von verschiedenen Stellen die Ungleich- heiten recht erhebliche Werthe erreichen können. Eine weitere Fehler- quelle könnte im Filtrationswiderstand der Wände gefunden werden; er würde zur Folge haben, dass etwaige Luftverdünnungen im Libri- form oder in Tracheiden nur unvollkommen ausgeglichen würden. Dass dieser Widerstand indessen nicht bedeutend ist, geht sowohl aus Versuchen Schwendener’s hervor, als auch aus Experimenten, die ich zu diesem Zweck anstellte. Dickere Schnitte von Coniferenholz wurden in einer evacuirbaren Gaskammer im hängenden Tropfen mit ca. 100facher Vergrösserung betrachtet. Wurde die Luftpumpe in Thätigkeit gesetzt, so dehnten sich die Luftblasen genau den Kolben- hüben folgend aus, selbst dann, wenn sehr langsam gepumpt wurde. Die Schnittflächen des Pfropfes erwiesen sich bei der Betrachtung mit blossen Auge als ziemlich glatt. An Querschnitten konnte ich mich überzeugen, dass die Gefässe nicht im geringsten gequetscht waren. Wenn neben diesen Fehlerquellen nicht noch andere in Betracht kommen, kann man wohl annehmen, dass die Fehlergrösse 10%, des Gesammtresultats nicht übersteigt. Versuche. Versuch 18. Die Objecte waren zwei Zweige von Salix fragilis, die am oberen Ende eines dicken Stumpfes von 1,5—2,0m Höhe aus- geschlagen waren. Dicke 8—-10mm. Das Wetter war an den Tagen vor dem Versuch regnerisch, der Boden daher sehr feucht. Tempe- ratur 17,50 0. DBarometerstand 76,1cm. Relative Luftfeuchtigkeit 65%). 9. Juli 1900. Für den unter Wasser geschnittenen Pfropf: Feuchtvolumen „22000 en 3,50 ccm Trockengewicht 1,30 speeif, Gew. d. Wandaubst. 155° tn nn = 984eom Feuchtgewicht — Trockengewicht 8,24— 1,30. . . . = 1,94cem Wand- + Wasservolumen . . 2 2 2 2 2 2 22. 2,78 ccm Volumen der Lufträume . 2. 2 0,72ccm Für den in Luft geschnittenen Pfropf: Feuchtvolumen . . rn 3,70 cem Trockengewicht _ 1,34 specif. Gewicht 155 000m = 0,86 ccm 465 Feuchtgewicht — Trockengewicht 334 — 134... . — 2,00 cem Wand- -+ Wasservolumen . . 2 2 2 2 2 2 2. 2,86 cem Volumen der Lufträume . . 2 2.2... . 0,84 ccm Luftraum pro Volumeneinheit . . . . . 0, 12: 3,50 = 0,206 ccm 206 . 761 0, 84: 3, 70 = 0,227 cem 337. 760 = 0,91 Atmosph. Versuch 19. Zwei Zweige eines ca. 4—5m hohen Haselstrauches (Corylus Avellana), die sich an einem und demselben stark exponirten Ast befanden, wurden zum Versuch verwandt. Dicke der Zweige mit Rinde ca. 7mm. Rinde und Mark wurden vor dem Versuch ent- fernt. Im Uebrigen vergl. Versuch 18. Für den unter Wasser geschnittenen Pfropf: Spannung in Atmosphären: x = Feuchtvolumen . . nn 2,22 com Troekengewicht _ 104 nn. = 0,67cem specif. Gewicht 1,55 Feuchtgewicht — Trockengewicht = 2,00 — 1,04 . . . = 0,96ccm Wand-—+ Wasservolumen . . . 2 2 2 220 e.. 1,63 cem Volumen der Lufträume . 0,59 com Für den in Luft geschnittenen Pfropf:- Feuchtvolumen en 2,18 com Trockengewicht _ 1 ‚08 I. = 066 cem specif. Gewicht 1,55 nr Feuchtgewicht — Trockengewicht 1,72 — 1,03 . — 0,69 com Wand- + Wasservolumen en 1,35 com 0,83 com Volumen der Lufträume Luftraum pro Volumeneinheit 0, 59: 2,22 = 0,266 cem 0,83 : 2,18 = 0,881 cem 266 . 761 Spannung der Luft in Atmosphären: x = 38 To” 0,70 Atmosph. Versuch 20. Die Objeete waren zwei Zweige von Corylus Avel- lana, die am 12. Juli 1900 Nachmittags 41/,—4°|s Uhr im Universitäts- garten geschnitten wurden. Dicke 6mm. Die Rinde wurde vor der Wägung entfernt. Barometerstand 758. Temperatur 28°C. Für den in Wasser geschnittenen Pfropf: Feuchtvolumen nn 1,79 com Trockengewicht _ 0,83 rn. = 04cm _specif. Gew. 1,55 u Feuchtgew.— Trockengew. 1,59 — 0,83 = Bor un Wand- und Wasservolumen . . tt ern Volumen der Lufträume 4686 Für den in Luft geschnittenen Pfropf: Feuchtvoumen . . 2 2 2 2 nenn nn. 166cem Trockengewicht _ 0,76 8 N — 0,49 com specif. Gew. 1,55 Feuchtgew.— Trockengew. 1,88—0,76 . . 2.2... = 0,62cem Wand- + Wasservolumen . . 2 2 2 220000000. Lilcem Volumen der Lufträume . . >. ...0,55cem Hohlraum pro Volumeneinheit: 0 9: N ‚9 — = o, 274 com 0,55: 1,66 — 0,331 com 274.158 331. 760 Versuch 21. Zweige von Corylus Avellana, von dem gleichen Ast, wie beim vorigen Versuch, aber unten aus dem Schatten geschnitten. Sonst waren die Versuchsbedingungen dieselben. Für den unter Wasser geschnittenen Pfropf: Feuchtvoluomen . . 2 2 2 0 nenn nenn. 1,87ccm Trockengewicht _ 0,86 Spannung der Luft in Atmosphären: x = —= 0,82 Atmosph. specif. Gew. 1,55 0,55 com Feuchtgew.— Trockengew. 159—0,86 . . ....... = 0,73cem Wand-—+ Wasservolumen . . » 2 2 2 22 enn . 128cem Volumen der Lufträume . . 22.2.2. 0,59cem Für den in Luft geschnittenen Pfropf: Feuchtvolumen . . ern nn. Jd4eem Trockengewicht 0,61 specif. Gew. 1,55 — 0,89 oem Feuchtgew.— Trockengew. 111—061 . . 2... . = 0,50ccm Wand--+ Wasservolumen . 2 2 2 2 2 2202202. 0,89cem Volumen der Lufträume . . 20. 0,45cem Luftraum pro Volumeneinheit: 0, 9: 1 87 — = 0, 315 ccm 0,45:1,34 — 0,836 com 315.758 336. 760 Versuch 22. Zweige von Salix fragilis. Der Baum war den ganzen Tag über der Sonne ausgesetzt gewesen. Im Uebrigen waren die Versuchsbedingungen dieselben wie bei Versuch 20. Für den unter Wasser geschnittenen Pfropf: Spannung der Luft in Atmosphären: x = = 0,93 Atmosph. Feuchtvoumen . . 2 2 2 2 nenn... 194cem Trockengewicht _ 0,71 "specif. Ges Gew. = 1,55 . . . . . . .. » . ..— 0,46 ccm Feuchtgew.— Trockengew. 1,84— 0,71 . = 1,13cem 467 Wand- 4+ Wasservolumen . . 2 2 2 2 0 nn 1,59 ccm Volumen der Dufträume . . 2» 2.2... 0,35 cem Für den in Luft geschnittenen Pfropf: Feuchtvolumen . . Er 1,84 com Trockengewicht _ 0,68 'specif. Gewicht = 1,55 Deere FF 0,44 ccm Feuchtgewicht — Trockengewicht = 1,45 — 0,68. . . =0,1Tcem Wand- + Wasservolumen . . . 2 2 rn nn. 1,21cem Volumen der Lufträume een 0,63ccm Lufträume pro Volumeneinheit . . . . . 0,5:1,94 — 0,180 cem 0,63: 1,84 — 0,342 cem Spannung in Atmosphären: x = 180 . 758 _ 0,53 Atmosph 342.760 ’ " Versuch 23. Montag 16. Juli 1900, Nachmittags 5 Uhr 30 Min. bis 6 Uhr, Temp. 35° ©., Barometerstand 76,3 cm. Zweige von Acer pseudoplatanus wurden vom Dach eines der Häuser im Universitäts- garten aus geschnitten. Die Temperatur war an den Tagen vor dem Versuch sehr hoch. Für den unter Wasser geschnittenen Pfropf: Feuchtvolumen en 1,86 ccm 7 Trockengewicht : specif. Gewicht = na . — 0,49 com I Feuchtgewicht — Trockengewicht = 1,65 — 0,76... = 0,89cem Wand- + Wasservolumen . . 2. ee non 1,38 ccm Volumen der Lufträume . . . 2. > 0,48cem Für den in Luft geschnittenen Pfropf: Feuchtvolumen . en 1,63 cem . . 0,67 Trockengewicht : specif. Gewicht = 155 nn. = 0,43cem bj Feuchtgewicht — Trockengewicht 1,82 — 0,67. = 0,65 ccm Wand- + Wasservolumen . ee 1,08 ccm 0,55 ccm Volumen der Lufträume Lufträume pro Volumeneinheit . 0,48 : 1,86 — 0,253 com 0,55 : 1,63 = 0,338 com 258.763 Spannung der Luft in Atmosphären: x = 555.700 — 0,76 Atmosph. Versuch 24. Zweige von Acer pseudoplatanus. Die Bedingungen waren dieselben wie beim Versuch 23. Für den unter Wasser geschnittenen Pfropf: Feuchtvolumen 2,44 com 488 . 03 Trockengewicht: specif. Gewicht = 2 Denen. = 0,66cem I Feuchtgewicht — Trockengewicht = 2,22 —- 103. . . = 1,19 ccm Wand--+ Wasservolumen . . 220 e en. 1,85 ccm Volumen der Lufträume . . en 0,59 ccm Für den in Luft geschnittenen Pfropf: Feuchtvolumen . . 2 2 2 m en 2,05cem 7 Trockengewicht: specif. Gewicht = ” = nn —= 0,56 cem Feuchtgewicht — Trockengewicht = 1,65 — 0,87. . . = 0,78cem Wand- -+ Wasservolumen . ». . 2 2 20 ne 1,34 com Volumen der Lufträume . . 2.2.2... .. 0, Tlcecm Lufträume pro Volumeneinheit . . . . . 0, 59: 2,44 = 0,242 com 0,71: 2,05 = 0, 346 ccm . un. 242.763 Spannung der Luft in Atmosphären: x = 346.700 0,70 Atmosph. Versuch 25. 19. Juli 1900. Nachmittags 5° Uhr bis 5%. Tem- peratur 32° C., Barometerstand 76,2cm. Zweige von Acer pseudo- platanus aus dem Universitätsgarten von ziemlich ungleicher Dicke, aber von demselben Ast. Für den unter Wasser geschnittenen Pfropf: Feuchtvolumen . 2 0 nor. 8,03 ccm Trockengewicht: specif. Gewicht — rn — 0,83 ccm ? Feuchtgewicht — Trockengewicht = 2,55 — 129. . . = 1226cem Wand- + Wasservolumen . . 2 2. 2 2 2 020. 2,09 cem Volumen der Lufträume . . rn 0,94 com Für den in Luft geschiienen Pirat: Feuchtvolumen . . 2.2... en 1,26 ccm Trockengewicht: speeif. Gewicht — 2 — 0,85 com Feuchtgewicht — Trockengewicht = 1,08 — 0,54. . . = 0,49cem Wand- + Wasservolumen . . 2 2 2 2 2 2 2 2. 0,84 ccm Volumen der Lufträume . . . 2.2... . 0,42 ccm Luftraum pro Volumeneinheit . . . . . 0, 94: 3,03 = 0, 310 ecm 0,42: 1,26 — 0,334 com Spannung der Binnenluft in At hären: _ 310.702 _ p g in Atmosphären: x = 257750 0,93 Atm. Zum Schluss möge es gestattet sein, noch einmal die wesent- liehen Resultate der vorliegenden Arbeit zusammenzufassen. Es wurde 469 der Nachweis erbracht, dass die Holzmembranen sich in Bezug auf ihre Durchlässigkeit für Luft ebenso verhalten wie alle übrigen Membranen. Sie werden mit zunehmendem Feuchtigkeitsgehalt für Gase durch- lässiger.!) Diese Eigenschaft in Verbindung mit der von N. J. C. Müller entdeckten, dass die Gase eine Wand um so schneller passi- ren, je leichter sie von Wasser absorbirbar sind, legt eine Vermuthung über die Art des Durchtritts nahe. Auf der Seite des grösseren Druckes nimmt das Wasser der Zellwand durch Absorption aus der Luft Moleküle auf, vertheilt sie gleichmässig in der Wand und gibt sie — wenigstens theilweise — auf der Seite des geringeren Druckes wieder ab. Die gegentheilige Behauptung, die Durchlässigkeit nehme beim Austrocknen zu, erklärt sich dadurch, dass die Experimentatoren die in trocknem Holz auftretende Rissbildung übersahen. Die Frage nach der Schnelligkeit des Durchtritts der Luft durch imbibirte Mem- branen konnte nur unvollkommen beantwortet werden, da die auch von Böhm beobachtete Eigenschaft frischen Holzes, Luft in beträcht- licher Menge zu absorbiren, quantitatives Arbeiten unmöglich machte. Soviel scheint indessen festzustehen, dass im Verlauf eines Tages (24 Stunden) schon ein beträchtlicher Theil der Druckdifferenz aus- geglichen wird. Die Messungen der Spannung der Binnenluft ergaben Werthe, die je nach den Umständen zwischen 0,5—0,9 Atmosphären schwankten. Dabei ist aber zu bemerken, dass diese Werthe jeden- falls nicht Minimalwerthe sind, da es mir nicht möglich war, Zweige aus den Spitzen hoher Bäume zu meinen Versuchen zu erhalten. Berlin, botan. Institut, September 1900. 1) Es bestätigt sich also die von Pfeffer geäusserte Vermuthung. (Pflan- zenphys. II. Aufl, I. Bd.) Morphologische und biologische Bemerkungen. Von K. Goebel. I0. Ueber die Bedeutung der Vorläuferspitze bei einigen Monokotylen. (Mit 5 Textfiguren.) Einige Monokotylen sind ausgezeichnet durch eine besonders lange „Vorläuferspitze“. Bekanntlich gab Raciborski!) (im Anschluss an Crüger) diesen Namen dem in der Entwickelung vorauseilenden, von dem übrigen Blatte durch Gestalt und Bau mehr oder minder verschie- denen Endtheil des Blattes. Vorläuferspitzen finden sich bei vielen Diko- tylen und Monokotylen, namentlich auch bei Kletterpflanzen, bei welchen Raciborski die biologische Bedeutung der Vorläuferspitzen beson- ders erläutert hat. Für die Monokotylen, weiche nicht klettern und eine oft mächtig entwickelte Vorläuferspitze haben, kam ich zu dem Resultat?), dass es sich handelt um Gebilde, welche dem Knospen- abschluss dienen, man könnte sie als „Abschlusskörper* bezeichnen. ... „Die Blätter der erwähnten Monokotylen haben eine in der Knospen- lage gerollte Spreite. Der (annähernd) eylindrische Fortsatz schliesst nun einerseits die einzelne eingerollte Spreite nach oben hin ab, andererseits steckt diese Spitze in dem durch das nächstältere Blatt gebildeten Hohlraum und bildet in diesem einen langen dünnen Pfropf, ‘ der sich in dem Maasse, wie der Hohlraum weiter wird, nach oben schiebt“. — Abbildungen wurden a. a. O. nicht gegeben. Es sei dess- halb.hier gestattet, ein Beispiel, welches die genannte Erscheinung in besonders auffallender Weise zeigt und meine „Deutung“, wie mir scheint, in klarster Weise bestätigt, zu erläutern. Es ist dies die australische, bei uns vielfach cultivirte Liliacee Doryanthes Palmeri. Die Vorläuferspitzen sind hier sehr auffällig ausgebildet. Sie erreichen bei den von mir untersuchten jungen Pflanzen eine Länge von ca. 3!Jacm, bei älteren Pfianzen wohl mehr. Von der flachen Blattfläche unterscheiden sie sich durch Gestalt, Färbung und Konsistenz. Die Vorläuferspitze ist nicht flach, sondern be- deutend dicker als die Blattspreite, ihr Querschnitt (Fig. II u. III) wechselt von einem annähernd rundlichen zu einem stumpf-dreikantigen. Sie setzt sich nach unten hin in die Mittelrippe, nach oben in die Ränder 1) Ueber die Vorläuferspitze. Flora 87. Bd. (1900) pag. 1ff. 2) Organog:aphie pag. 506. 471 des Blattes fort; hier an der Basis ist die Vorläuferspitze sogar etwas ausgehöhlt. (Vgl. Fig. IV). Die Farbe ist heller grün als die der Blattfläche, von deren Bau der der Vorläuferspitze abweicht. Zunächst sei er- wähnt, dass an älteren Blät- tern die Vorläuferspitze vom Ende her abstirbt und sich bräunt, Die weissliche Farbe deutet schon darauf hin, dass die Vorläuferspitzen reich sind an Intercellularräumen; dies bestätigt auch jeder Querschnitt, der zugleich zeigt, dass die Intercellular- räume durch Spaltöffnungen mit der Atmosphäre in Ver- bindung stehen. Die Vor- läuferspitze ist dadurch in den Stand gesetzt, aus der Luft namentlich Sauerstoff aufzunehmen und den tieferen Blatttheilen zuzuführen. Sie bildet also wohl einen Ab- schluss für die Knospe, sorgt aber zugleich für das Athem- bedürfniss. Fig. I gibt die Aussen- ansicht des oberen Theiles eines noch unentfalteten Blat- tes. Man sieht, dass die Rän- der desselben eingerollt sind, sie lassen oben eine Spalte frei, aus welcher die Vor- läuferspitze des nächstjünge- ren Blattes hervorragt. Hier liegt diese locker in der durch das ältere Blatt gebildeten Röhre. Fig. I. Frei präparirte Knospe von Doryanthes Palmeri, PS Vorläufer- spitze des ältesten, noch unentfalteten Blattes der Knospe, V’S, Vorläufer- spitze des nächstjün- geren Blattes; sie liegt lose in dem von dem zu- sammengerollten älteren Blatte gebildeten Hohl- eylinder, hat ihn aber ursprünglich ausgefüllt. (Doppelte Naturgrösse.) urn. Untersucht man aber ein jüngeres Blatt, so zeigt sich, dass der „Verschlusskörper“ (wie ich 472 die Vorläuferspitze a. a. O. genannt habe), thatsächlich die vom nächst älteren Blatte gebildete Röhre ausfüllt und so den Knospen- abschluss bewirkt, (Fig. ID) wie dies — nur in anderer Weise — bei vielen Gräsern u. a. durch die Ligula geschieht (vgl. a. a. O. pag. 567 #.). Die Gestalt der Vorläuferspitze stimmt also mit ihrer Stellung als Verschlusskörper ganz überein. Auch ihr anatomischer Bau aber dürfte mit ihrer Function zusammenhängen. Zwar sehen wir ein lockeres, intercellularraumreiches Gewebe auch da auftreten, wo es darauf ankommt, mit wenig Materialaufwand einen Körper von grosser Oberfläche aufzu- bauen (z. B. den riesig ange- schwollenen Kotyledon der kei- menden Kokospalme) aber im vorliegenden Falle dürfte, wie er- wähnt, der Reichthum an Inter- cellularen namentlich auch für die Sauerstoffzufuhr zu den inne- ren Knospentheilen in Betracht kommen. Sehen wir doch den mit Spaltöffnungen versehenen, intercellularraumreichen Ver- schlusskörper zuerst mit der Atmosphäre in freiere Berüh- rung treten, und sicher stehen Fig. 11. Querschnitt durch ein junges Blatt die Intercellularräume desselben und die Vorläuferspitze (V) des nächst- jüngeren. Fig. III Querschnitt durch den Mit denen des übrigen Blattes unteren Theil einer Vorläuferspitze, Fig. Iv 1 Verbindung. noch tiefer geführter Schnitt, die Vorläufer- Auf den anatomischen Bau spitze zeigt in der Mitte eine Höhlung. des Verschlusskörpers im Ein- Sämmtliche Figuren schwach vergr. zelnen einzugehen, liegt nicht in der Absicht dieser Notiz. Es sei nur zur Erläuterung der Figuren be- merkt, dass im oberen Theile der Querschnitt ein (aus Verschmelzung mehrerer zu stande gekommenes) Leitbündel aufweist. Nach unten hin steigt die Zahl der Leitbündel, sie sind fast in radiärer Vertheilung in einen Ring angeordnet (Fig. III) und Fig. IV zeigt den Uebergang zur Blattfläche, wo die Leitbündel sich in einer Ebene auszubreiten haben. Sehr auffallend, wenngleich nicht so massig wie bei Doryanthes, ist die Vorläuferspitze übrigens auch bei der bekannten Calla (resp- Richardia oder Zantedeschia) aethiopica entwickelt. Laboratoriumsnotizen. Ueber einige Methoden des Trocknens der Pflanzen für das Herbarium. Von Prof. $. Rostowzew (Moskau). Hierzu zwei Textfiguren. Als ich mein kurzes Handbuch über das Sammeln von Krypto- gamen und Phanerogamen („Wie richtet man ein Herbarium ein“) zur dritten Auflage vorbereitete, versuchte ich einige Methoden die Pflanzen zu trocknen und kam zu dem Schluss, dass zwei von denselben und zwar solche, welche den Botanikern und Liebhabern am wenigsten bekannt sind, trotzdem sie die besten sind, sowohl ihrer Einfachheit, ihrer leichten und praktischen Ausführbarkeit wegen, wie auch nach den ausgezeichneten Resultaten, welche sie liefern, die besten sind. Mit Hilfe dieser Trockenmethoden versuchte ich ver- schiedenartige Pflanzen zu trocknen und hauptsächlich solche, welche bei dem gewöhnlichen Verfahren sich bräunen, schwärzen oder die Normalfarbe ihrer Blüthen u. a. bis zur Unkenntlichkeit verlieren, und erhielt immer Resultate, welche meine Erwartungen übertrafen. So- gar solche Pflanzen blieben grün, denen es, wie es scheint, von der Natur bestimmt ist, beim Trocknen schwarz zu werden; hierher ge- hört z. B. Orobus niger, über den in allen Leitfäden gesagt ist: „wird beim Trocknen schwarz“, bei mir jedoch blieb diese Pflanze grün. Ich muss aber bemerken, dass ich nicht alle Pflanzen, welche beim gewöhnlichen Trocknen schlechte Resultate geben, habe er- proben können, trotzdem glaube ich, dass auch diejenigen verschieden- artigen Pflanzen, welche ich getrocknet habe, genügen, um die von mir erprobten Troekenmethoden für tauglich anzuerkennen und be- sonders einer von ihnen eine weite Verbreitung unter den Botanikern und Liebhabern zu wünschen. Jeder, der sich mit Herbarisiren beschäftigt hat, weiss aus Er- fahrung, wie schwer und oft auch ganz unmöglich es ist, Pflanzen gut zu trocknen und seien es auch solche, wie viele Campanula- Arten (z. B. die Blüthen von Campanula persicifolia bleichen fast immer), Melampyrum (werden fast immer schwarz oder braun), Ahi- nanthus, Pedicularis (werden immer schwarz), Orobus niger (wird 474 immer schwarz), Iris-Arten, Gladiolus (faulen und dunkeln stets), verschiedene Orchideen-Arten (dunkeln so sehr, dass die Herbarium- exemplare nicht das Geringste von der wirklichen Schönheit dieser Pflanzen beibehalten) und eine Menge anderer Pflanzen. Von den Sporenpflanzen ist z. B. Coleosporium schwierig zu trocknen; die schöne grellorange Farbe dieser Pilze geht ganz verloren. Ueber saftige Pflanzen, Pflanzen mit dieker, grosser Blüthenhülle, mit ge- füllten Blumen, dekorative Pflanzen, welche ihrer schönen Blüthen wegen cultivirt werden, ist gar nicht zu reden. Vom Trocknen solcher Pflanzen musste man oftmals ganz Abstand nehmen, da man total un- taugliche Resultate erhielt. Ueberhaupt ist die übliche Trocken- methode der Pflanzen zwischen Filtrir- u. a. Papier, bei dem viel- fachen Umlegen der Pflanzen, Trocknen des Papiers, mit einer grossen Verschwendung von Zeit und Mühe verbunden. Besonders viel Ge- duld ist erforderlich beim Trocknen einer grossen Menge von Pflan- zen, z. B. für Austausch, wobei allein der Process des Umlegens der Pflanzen schon jegliche Lust zum Fortsetzen des Trocknens entnimmt. Anders sind die von mir erprobten Trockenmethoden. Besonders praktisch und einfach ist die erste Art, welche ich „das Trocknen der Pflanzen in Wattmatratzen“ nenne. Die auf diese Weise getrockneten Pflanzen hatte ich Gelegenheit, vielen Botanikern und Liebhabern vorzuweisen, erstens in Moskau im Verein Moskauer junger Botaniker, zweitens in Petersburg, in der Sitzung (am 18. Oktober) der botanischen Abtheilung der St. Petersburger Natur- forschergesellschaft, so dass viele die Möglichkeit hatten, sich zu überzeugen, wie gut die von mir erlangten Resultate waren. „Alle waren entzückt“ schreibt mir der Secretär der Abtheilung, Dr. M. S. Woronin, „über die Resultate dieser Trockenmethode. In der That wird die Farbe, wie man es nicht besser wünschen kann, ef- halten. Diese Methode muss propagandirt werden.“ Ein anderer (J. Bedeljan), welcher auch in der Versammlung dieser Section gegenwärtig war, schreibt mir: „Alle Anwesenden, ältere und jüngere Botaniker, Studenten, Damen geriethen in Entzücken beim Durchsehen dieses prachtvollen Herbariums“. Ich bat Herrn W oro- nin, mein Herbarium nach Jurjew (Dorpat) dem Herrn Prof. Kus- nezow zuzustellen. Prof. Kusnezow schrieb mir nach Besich- tigung meines Herbariums u. a.: „Das ist geradezu prachtvoll! Man muss unbedingt diese Art unter unseren Liebhabern verbreiten“. Die Idee dieser Trockenweise gehört einem Moskauer Liebhaber-Botaniker Herrn A. Choroschkow. Jetzt kann ich schon mit Bestimmtheit 475 behaupten, dass die Trockenweise „der Wattmatratzen“ einem jeden anzuempfehlen ist, der ein mustergiltiges Herbarium zusammen- zustellen wünscht und dabei keine Möglichkeit hat, viel Zeit und Mühe darauf zu verwenden, da diese Art, ich wiederhole es, so ein- fach und so leicht ist, dass man sie u. a. in den Musestunden aus- führen kann. Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese Art unersetz- lich beim Trocknen der Pflanzen in grossen Partien, z. B. für Austausch u. 8. w. ist. Die zweite Art, welche ich „das Trocknen der Pflanzen aufeinem Metalleylinder“ nenne, gibt ebenfalls ausgezeichnete Resultate, ist aber, wie man ferner sehen wird, complieirter und ver- langt zu ihrer Ausführung nicht wenig Zeit und besonders Uebung. 1. Troekenmethode. Trocknen der Pfianzen in Wattmatratzen, Man nimmt hygroskopische Watte, legt sie in dünne Schichten aus einander, ungefähr einen Finger diek. Diese Schicht zerschneidet man in egale viereckige Stücke willkürlicher Grösse (z. B, nach der Grösse halber Bogen Filtrierpapier oder nach der Grösse der Gitter- presse, welche beim Troeknen gebraucht werden u. s. w.); diese ab- geschnittenen Stücke verklebt man in Seidenpapier, wobei nach Mög- lichkeit wenig Leim verwendet wird, indem man am besten längs dem Rande klebt. Wenn die so ausgefertigten Wattmatratzen aus- getrocknet sind (man braucht einige Zentner von denselben) so be- ginnt man das Trocknen der Pflanzen in denselben. Am besten nimmt man ganz frische, eben gepflückte Pflanzen, wesshalb man auch diese Matratzen, statt Papier, auf die Excursionen mitzunehmen hat. Die Pflanzen werden unmittelbar auf die Matratzen gelegt, gerade wie beim gewöhnlichen Trocknen auf das Filtrierpapier. Die Matratzen mit den Pflanzen werden so lange auf einander gelegt, bis die Schicht ungefähr 10—15cm Dicke erlangt hat, dann wird die Schicht ge- presst, indem man sie am besten in „Scheider’s Gitterpflanzenpresse“ legt und sie an einem trockenen, gut ventilirten Ort, z. B. auf dem Ofen, über dem Herd!) so lange liegen lässt, bis die Pflanzen voll- ständig ausgetrocknet sind, was jedoch ziemlich rasch vor sich geht (über dem Herd z. B. in 2—3 Tagen). Wenn man im Besitz von 1) In den Laboratorien lässt sich der Troekenschrank dazu benützen, un so r . mehr, da jetzt grosse Trockenschrünke angewandt werden, wo das Netz leicht hineingeht, 476 einigen Paaren Gitterpressen und einer grösseren Menge Matratzen ist, lässt sich ausgezeichnet eine grosse Quantität Pflanzen in geringer Zeit und mit wenig Mühe trocknen, während man bei gewöhnlicher Trockenweise der Pflanzen alle Geschäfte ruhen lassen muss und im Verlauf von vielen Tagen stets sitzen und die Pflanzen umlegen, das feuchte Papier trocknen muss und dabei mit Bedauern bemerkt, dass die Pflanzen von Tag zu Tag ihre Normalfarbe verlieren. Beim Ge- brauch von Wattmatratzen muss man jedoch einige Vorsichtsmass- regeln anwenden: 1. In den Fällen, wenn die Pflanzen besonders saftig sind, oder wenn ihrer sehr viele in einem Netz liegen, muss man einmal am Tage das Netz umladen und zwar auf folgende Weise: Man nimmt eine Schicht Matratzen heraus, theilt sie in zwei Theile und legt sie wieder zusammen, aber so, dass die Matratzen, welche zuerst von oben und von unten der ganzen Schicht gelegen haben, jetzt in die Mitte kommen, wobei es genügt, die Hälften mit den entsprechenden Seiten zusammenzulegen. 2. Muss man besonders zarte Pflanzen auf Stückchen Seidenpapier und nicht direct auf die Matratze legen; diese Vorsicht muss man desshalb beobachten, um beim Abnehmen der getrockneten Pflanzen, die an die Matratzen ge- klebten Blüthen nicht im Versehen zu lädiren; die kleinen Stücke Seidenpapier sind von den Blüthen später leichter zu entfernen. 2. Troekenmethode. Das Trocknen der Pflanzen auf einem Metallceylinder. Diese Methode ist besonders anwendbar in den Fällen, wo ein rasches Trocknen von einer grossen Menge Pflanzen erforderlich ist, 2. B. auf Reisen, wenn man nicht die Möglichkeit hat, lange an einem Ort zu bleiben, um die Pflanzen langsam zu trocknen, und wenn man die ÖOolleetion nicht mit sich nehmen kann, sondern sie rasch an ihren Bestimmungsort befördern muss. Diese Trockenmethode hat ein Moskauer Liebhaber, Herr Jegorow, vorgeschlagen. Für dieselbe ist eine besondere Vorriehtung — ein Trockenapparat — erforderlich. Den Haupttheil des Apparates bildet ein Metalleylinder von beliebiger Grösse (Fig. 2a), z. B. 50 cm Höhe und 35 cm im Durchmesser, welcher aus einer durchlöcherten Metall- platte gefertigt und mit starker Leinwand fest bezogen ist. Ausser- dem wird der Cylinder noch mit einem besonderen Leinwandüberzug versehen (Fig. 2b) an dessen beiden Seiten zwei Leisten mit Schrauben und Muttern befestigt sind, mit Hülfe deren der Leinwandüberzug 477 stramm über den Cylinder gespannt werden kann. Der Cylinder liegt auf einem eisernen Dreifuss (d), unter den man zum Erwärmen des Cylinders entweder einen Petroleumofen, z. B. eine grosse Petroleum- lampe oder einen Kohlenrost stellt; zur Beschleunigung der Erwär- müng kann der Cylinder durch einen Deckel geschlossen werden. Man trocknet die Pflanzen in dieser beschriebenen Vorrichtung folgendermaassen: Zuerst deckt man auf denselben einige (2—3) Blätter trockenes Filtrirpapier so gleichmässig wie möglich und zwar so, dass das Papier über den Leinüberzug hinausreicht. Auf das Papier werden die Pflanzen wie beim gewöhnlichen Trocknen gelegt und zwar ihrer Consistenz entsprechend (die fleischigen zu den fleischigen). Nachdem der Ueberzug mit Pflanzen belegt ist, werden die letzteren Fig. 2. mit einer nicht allzu dicken Schicht (2—3 Blatt) Filtrirpapier bedeckt, dann nimmt man den Metalleylinder und legt ihn über das Papier, näher zu einer der Leisten und möglichst egal, wobei man sich der Nath der auf den Cylinder gezogenen Leinwand bedienen kann, und schiebt den Cylinder mit der Naht genau an die Leiste. Dann fasst man mit der Hand die Leiste und indem man sie fest an den Cylinder drückt, rollt man den letzteren über den Ueberzug, so dass dieser über den Cylinder aufgewickelt wird. Hat man den Cylinder bis zur zweiten Leiste gerollt, so zieht man beide mit den Schrauben fest zusammen. Den auf diese Weise geladenen Oylinder stellt man zum Trocknen auf den Dreifuss (Fig. 1) und in dessen Mitte einen Ofen, eine Lampe oder einen Kohlenrost. Der Cylinder erwärmt sich auf diese Weise, aber nicht gleichmässig und deshalb muss man ihn von Zeit Flora 1901. 478 zu Zeit abnehmen und umdrehen, indem man ihn bald mit dem oberen, bald mit dem unteren Rande auf den Dreifuss stellt‘). Der Cylinder muss so stark erwärmt werden, dass man ihn kaum mit der Hand halten kann. Dann fangen die Pflanzen rasch an zu trocknen, die Leinwand wird schlaff, so dass man sie immer nachspannen muss. Ueberhaupt muss man das Trocknen überwachen und das Erwärmen des Cylinders nicht zu sehr steigern, sonst könnten die Pflanzen ver- brennen. Das Trocknen ist je nach den Pflanzen, nach einer halben Stunde, einer Stunde oder mehr beendet. Dann nimmt man den Cylinder ab und lässt ihn erkalten, löst die Schrauben, wickelt vor- sichtig den Ueberzug auf dem Tische auf, indem man erst die eine Leiste und dann, nachdem den Cylinder weiter rollt, auch die zweite Leiste auf den Tisch gleiten lässt. Die getrockneten Pflanzen sind zuerst etwas gekrümmt. Man nimmt sie vorsichtig vom Ueberzug ab und legt sie zwischen Papier unter eine nicht allzu starke Presse. Nachschrift. Herr Prof. Rostowzew hatte die Güte, mir eine Anzahl nach seiner Methode getrockneter Pflanzen zu übersen- den, welche in einer Sitzung des Münchener Vereins für Naturkunde ausgestellt wurden. Auch hier waren alle Theilnehmer überrascht von den ganz ausgezeichneten Resultaten, selbst bei Pflanzen, deren Troeknen in den natürlichen Farben man längst als aussichtslos be- trachtet hatte. Das Urtheil über die Erfolge der angewandten Trocken- methode stimmt also durchaus mit dem oben angeführten russischer Botaniker überein. K. Goebel. !) Uebrigens auf Herrn Jegoro w’s Originalapparat lässt sich das nicht machen, da derselbe keinen gesonderten Dreifuss besitzt, sondern die Füsse an dem Cylinder selbst befestigt sind. Ueberdies gebrauchte Herr Jegorow ausschliesslich eine Koblenpfanne. 2 Litteratur. Assimilation chlorophyliienne et la structure des plantes par E. Griffon (Serie biologique „Seientia“). Georges Carrd et C. Naud, editeurs, Paris. Preis 2 fres. Der Verfasser dieser kleinen Schrift berücksichtigt namentlich die neuere französische Litteralur über Assimilation und die Ausbildung des Assimilations- gewebes unter verschiedenen Bedingungen; die deutsche ist ihm offenbar nicht sehr bekannt, wie u. a. daraus hervorgeht, dass er Sachs nicht nach dem Original, sondern nach einem Referat eitirt. Botanik und Zoologie in Oesterreich in den Jahren 1850 bis 1900. Festschrift, herausgegeben von der k. k. zoologisch-botanischen Ge- sellschaft in Wien, anlässlich der Feier ihres 50jährigen Bestandes. Mit 38 Tafeln und 9 Abbildungen im Texte. Wien 1901. A. Hölder. Die Festschrift bringt zunächst eine Geschichte der k. k. zoologisch-botani- schen Gesellschaft (verfasst von Dr. K. Brunner v. Wattenwyl), dann eine Ge- schichte der Institute und Corporationen, welche von 1850 bis 1900 der Pflege der Botanik und Zoologie dienten (von Prof. Fritsch), sodann eine Geschichte der Botanik und Zoologie in Oesterreich von 1850-1900, Der botanische Theil schildert zunächst die Geschichte der Pflanzengeographie (verfasst von Prof. Beck v. Mannagetta), dann die Eintwickelung der Morphologie, Entwickelungsge- schiehte und Systematik der Kryptogamen in Oesterieich von 1850 -- 1900 (unter Mitwirkung von Dr. K. Kreissler und Dr. F. Krasser verfasst von Dr. A. Zahlbruckner), die Entwickelung der Morphologie, Entwickelungsgeschichte und Systematik der Phanerogamen in Oesterreich (von Prof. R. v. Wettstein) und die Entwickelung der Anatomie und Physiologie der Pflanzen (von Prof. A. burgerstein). Es braucht kaum bemerkt zu werden, dass diese historischen Darlegungen auch für nicht-Öösterreichische Leser von erheblichem Interesse sind, und dies Interesse wird erhöht durch Beigabe einer Anzahl von Porträts hervor- ragender verstorbener österreichischer Botaniker, von denen hier nur Endlicher, Leitgeb, Kerner, Unger, Ingenhouss genannt seien. Ungern vermisst man in dieser Bildergalerie Peyritsch, dessen Arbeiten zwar nicht vehr zahl- reich waren, aber an allgemeiner Bedeutung die einiger Autoren, deren Bilder auch beigegeben sind, erheblich überragen. Life history of Schizaea pusilla by El. &. Britton and Al, Taylor. Contributions from the New-York botanical garden Nr. 11, 1900. Reprinted from the bulletin ofthe Torrey botanical club 28, Jan. 1901. Die Entwickelungsgeschichte der Geschlechtsgeneration von Schizaea war bis jetzt unbekannt; wie bei vielen anderen Farnen scheinen auch die Sporen mancher Schizaea-Arten ihre Keimfähigkeit rasch zu verlieren. Wenigstens konnte Ref. die Sporen von Schizaea pusilla (aus getroeknetem Material) nicht'zur Keimung bringen. Die Verfasserinnen fanden Prothallien und junge Pflanzen in New-Jersey und be- schreiben dieselben, leider mit ganz ungenügender Berücksichtigung der Litteratur. Die Prothallien sind recht merkwürdig. Es sind Fadenprothallien, etwa denen einiger Trichomanes-Arten gleichend, Wie bei diesen findet sich auch hier ein „symbiontischer* Pilz, und ebenso stehen die Antheridien direet an den Prothallium- fäden, die Archegonien entspringen meist einem durch Längstheilung der Prothallium- 32* 480 zellen entstandenen, wenig umfangreichen Gewebekörper; in drei Fällen fanden die Verf., dass ein Archegonium direct von einer Zelle eines Prothalliumfadens!) entsprang, welche keine andere Theilung als die zur Archegonienbildung führende er- fahren hatte. Während bei den anderen Schizaeaceen also die Prothallien dorsiventrale, in ihrer Gestaltung mit dem verbreitetsten Typus der Farnprothallien im Wesent- lichen übereinstimmende Gebilde sind, weicht Schizaea pusilla auffällig ab und bildet einen merkwürdigen Parallelfall zu denen einiger Hymenophylleen. Bekannt- lich liegen über die Fadenprothallien der letzteren zwei Ansichten vor: die eine betrachtet die Fadenform als eine Anpassung an die Standortsverhältnisse (ohne übrigens dafür bis jetzt stichhaltige Gründe vorgebracht zu haben), die andere sieht in der mit der Gestaltung des Moosprotonemas übereinstimmenden Fadenform einen primitiven Charakter, der bei anderen Farnprothallien nur als. rasch vorüber- gehendes Jugendstadium auftritt. Für die Entscheidung dieser Frage scheint nun Schizaea von besonderem Interesse werden zu sollen. Die einzelnen Arten leben unter sehr verschiedenen äusseren Verhältnissen, es wird sich zunächst fragen, ob sich Beziehungen zwischen der Gestaltung der Prothallien und zwischen den Lebensbedingungen auffinden lassen, ob also z. B. die Fadenform nur bei Arten sich findet, die an feuchten, schattigen Standorten wachsen, bei anderen aber nicht. Diese Frage kann jedenfalls entschieden werden, auch wenn sie zu bejahen wäre, wäre freilich die phylogenetische noch nicht sicher entschieden Dies Schicksal haben aber leider sehr viele phylogenetische Fragen! K. Goebel. Dr. B. Nömec, Die reizleitenden Strukturen bei den Pflanzen. Jena, Verlag von G. Fischer. 1901. Das Gesammtresultat der Untersuchungen, über welche in dem vorliegenden Werke ausführlich berichtet wird, besteht darin, dass der Verfasser in der Wurzel von Allium Cepa und von einer Anzahl anderer Gefägspflanzen sowie in der (o- leoptile eines Grases protoplasmatische Strukturen entdeckt hat, welche er auf Grund eingehender Experimente als Leitungsbahnen gewisser Reize ansieht. Der Weg, auf dem der Verfasser die aus der Beobachtung gewonnene Anschauung dem Leser wahrscheinlich zu machen sucht, ist recht umständlich und, besonders gegen den Schluss der Darstellung, stellenweise wohl auch unnöthig weitschweifig. Indess enthält die Arbeit so viele thatsächliche, auf exacter, durchdachter Versuchsanstel- lung und Beobachtung beruhende Mittheilung, dass sie auch für denjenigen lesens- werth bleibt, der durch des Verfassers vorläufige Mittheilungen bereits über das Wesentlichste der Arbeit unterichtet ist, N&mec benützt für die Constatirung der Reizleitung den Wundreiz. Er weist nach, dass in Wurzeln, die nahe dem Vegetationspunkt verwundet wurden, zweierlei mikroskopisch nachweisbare Veränderungen auftreten, nämlich einmal ein Va- suoligwerden des Protoplasmas in den der Wunde benachbarten Zellen und zweitens eine Umlagerung des Plasmas und des Zellkerns, in der Weise, dass sich an dem zur Wunde gekehrten Ende der Zelle eine Plasmaansammlung bildet und dass der Zellkern aus seiner centralen Lage gegen dieselbe Seite der Zelle hin verschoben wird. Während die erstere durch den Wundreiz hervorgerufene Erscheinung, die: primäre Reizwirkung, auf die der Wunde benachbarten Zellen beschränkt bleibt, wird die zweite, die secundäre Reizwirkung, ziemlich schneil, hauptsächlich in 1) Die i i ) Verf. sprechen von „Protonema“, eine Bezeichnung, welche besser vermieden werden dürfte. war 481 basipetaler Richtung, fortgeleitet. Die secundär gereizten Zellen kehren nach einiger Zeit in ihren normalen Zustand zurück. Wenn man also nach einer ge- wissen Zeit die gereizte Wurzel gut fixirt und mit dem Mikrotom in Längsschnitte zerlegt, so findet man in unmittelbarer Nähe der Wunde Zellen, welche die primäre Veränderung aufweisen, dann folgt eine Zone, in der die secundär gereizten Zellen bereits in die Ruhelage zurückgekehrt sind, und endlich eine Zellpartie, in welcher die secundäre Reizwirkung in verschiedenem Orade aus dem Vorhandensein der Plasmaansammlung resp. aus der Verschiebung des Zellkerns direct erkennbar ist. Die seit der Verwundung verstrichene Zeit und die Iintfernung der äussersten ge- reizten Zelle von der Wunde und ebenso die Ausdehnung der im Moment der Fixirung gereizten Zone sind messbare Grössen. Die Methode gibt also die Mög- lichkeit, die Schnelligkeit der Reizleitung zahlenmässig darzustellen und die Reiz- empfindlichkeit der Zellen in den verschiedenen Geweben und im gleichen Gewebe unter verschiedenen äusseren Umständen zu messen und zu vergleichen. Ich will aus den Resultaten der zahlreichen und vielfach variirten Versuche des Verfassers bezüglich dieser Frage nur anführen, dass bei hohen und niederen Temperaturen innerhalb der für die Lebensäusserungen der Pflanzen als Maximum und Minimum bezeiehneten Skalenpunkte, ferner nach plötzlichem Temperaturwechsel und im Licht die Reizleitung verlangsamt, die Dauer der Reaction in der einzelnen Zelle verlängert wird; dass in grösserer Entfernung von der Wunde die Reactionsinten- sität der Zellen abnimmt und dass die im Vorbereitungsstadium zur Karyokinese begriffenen Zeilen ihre Reactionsfähigkeit für die seeundären Wundreize verlieren, aber den Reiz normal weiter leiten. Im zweiten Abschnitt werden zunächst die aus früheren Arbeiten des Verf. bekannten fibrillären Plasmastrukturen sehr eingehend beschrieben. Directe Be- obachtungen in lebenden Zellen lassen wohl das Vorhandensein der Fibrillen erkennen, reichen aber für das Studium des Baues derselben und des Verhaltens derselben in den verschiedenen Geweben und unter verschiedenen äusseren Um- ständen nicht aus. Der Verfasser benutzt deshalb die Methode der Fixirung und Färbung, um auch über diese Fragen Aufschluss zu erlangen. Es ergibt sich dabei, dass die Fibrillenbündel, welche von einer Scheide umhüllt sind, unter ge- wissen äusseren Umständen in verschiedener Weise desorganisirt werden. Bei hohen Temperaturen, welche aber unterhalb der Grenze liegen, wo Starre- zustände eintreten, werden z. B. die Fibrillen vorübergehend aufgelöst; nach einer bestimmten Zeit bilden sich dieselben wieder. Der Verfasser zeigt nun, dass in alten den Fällen, in denen die Fibrillen völlig oder vorübergehend in den Zellen zerstört werden, auch die Fortleitung des secundären Wundreizes in basipetaler Richtung entsprechend verlangsamt oder aufgehoben ist, und dass der Zeitpunkt, wo die Neubildung der Fibrillenbündel nachweisbar wird, mit dem Zeitpunkt des Wiedereintretens der bislang aufgehobenen Reizfortleitung zusammenfällt So kommt der Verfasser unter eingehender Discussion aller möglichen An- nahmen zu dem Schluss, dass die von ihm beobachteten und beschriebenen Fibrillen die Leitungsbahnen für die Fortleitung des secundären Wundreizes darstellen. Er versucht dann ferner wahrscheinlich zu machen, dass diese Organe in gleicher Weise der Fortleitung anderer Reize, z. B. des geotropischen in der Waurzelhaube percipirten Reizes, dienen. Bezüglich aller Einzelheiten muss auf das Original ver- wiesen werden, in dem auch der Bau der reizleitenden Fibrillenbündel auf mehreren Tafeln in schönen, sehr deutlichen Figuren dargestellt ist. K. Giesenhagen. 482 Eingegangene Litteratur. Attema J. J., De zaadhuid der Angiospermae en Gymnospermae en hare ont- wikkeling. Dissertation der Univ. Groningen, Gedruckt bei Swart u. Sohn te ’s Gravenhage. 1901. . Bessey Ch., The modern conception of the structure and classification of diatoms. With a revision of the tribes and a rearrangement of the North American genera. M. 1 Taf. S8.-A. aus Transactions of the American microscopical society. 1900. Blackmun F. Frost, The primitive Algae and the Flagellata An Account of moıern Work bearing on tho Evolution of the Algae. M. 2 Fig. Annals of Botany Vol. XIV Nr. LVI. 1900. Boergesen F. u.Ove Paulsen, La vegetation des antilles danoises. M. 12 Taf. u. 171 Fig. im Text. S.-A de la revue generale de botanique tome XII 1900. 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Da es unmöglich gewesen ist, die Fülle der einlaufenden Ar- beiten in dem 88. Band der Flora zum Abdruck zu bringen, so ist ein Ergänzungsband zum Band 88 nöthig geworden. Derselbe wird im Laufe des Sommers und Herbstes ı901 erscheinen. Der Preis wird ca. Mk. 16.— betragen. Genau lässt er sich nicht vorher angeben. Wir bitten Ihre Bestellungen auf den Ergänzungsband (der Reihe nach Band 89) alsbald Ihrer Buchhandlung zukommen zu lassen. Marburg i. H, im Mai ıgor. Die Verlagsbuchhandlung. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Soeben erschien: . . “ . Studien Die Reizleitung über den Milchsaft | und reizleitenden und Schleimsaft | Strukturen der Pflanzen bei den Pflanzen. Von .. von DE BEN: Prof. Dr. Hans Molisch, . Pr. DB. Nemet, i Vorstand d. pflanzenphysiol. Institutes der deut- | Privatdozent der Botanik an der K. k. böhm. schen Universität Prag. Universität in Prag. u Mit 33 Hoizschnitten im Text. Mit 3 Tafeln und 10 Abbildungen im Text. 1901. Preis: 4 Mark. 1901. Preis: 7 Mark. In unserem Verlage erschien: Pflanzenbiologische Schilderungen. Von K. Goebel. , 2 Theile. Mit 31 Tafeln und zahlreichen Holzschnitten, Im Preise von Mk. 38.— auf Mk. 15.— ermässigt. Physiologische Notizen. Julius Sachs. Als Sonderabdruck aus der Zeitschrift „Flora* 1892—1896 herausgegeben und bevorwortet von K. Goebel. Mit Bild von Julius Sachs. Preis Mk, 4.50. Marburg. N. 6. ELWERT’sche Verlagsbuchhandlung. Druck von Val. Höfling, München, Lämmerstr. 1,